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^.Sdjnetber
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UNIVERSITY
OF
TORONTO
LIBRARY
(Beijtes^elben
(5üf)tenbe (Bei|tet)
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(Eine Sammlung von Siograp^ien
herausgegeben von (Ernft öofmann
<ncununb[c(^3ig[tcr unb fiebsigfter Sanb
Berlin
Crnft Sofmann & (To.
1920
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©löemdlbe von (S. W. ITlorff, {8X8, im Sdjilletmufeum 3U ITlarbadj
Urlaub
ßebcn, ©i^tung, 3for|(^ung
!Qon
^ermann S(^neibcr
«Profcnor an öer Uitioerntät ««rlin
5n i t b r e t Sllbnif f tw *
Berlin
(Ernft Sofmann Sc (Eo.
1920
3tDeite0 %au] tnh
QberfetiunQsre^t oorbe^alten
uermany
(Bxiij S^mibt
^um ©cbäcf)tnts
SoriDort
Der SScrfud) einer erfd)öpfenben tDlffcnfc^aftUc^en
53to0rapf)le ßubrotg Uljlanbs tolrb ^ier jum crften Sölale
Qzmad)t Wxv befifeen bi5l)er nur populäre ßcbensbilbcr
unb eintningenbe, aber fnoppe 0elel)rte 6tublen.
Das et0entlid)e Ieben5gefd)id)tlid)e Tlatmal ift in ben
le^en sroanaig 3al)ren ftar! angefd)n)oUen. 6d)on bte
SSernjertung unb CEinreil)ung aH biefes 3^euen toar eine
2tufgabe. SBeitere Gfin3eIfor|d)ung auf biefem (Bebiete
fd)ien für meine 3n)ecfe untunUd) unb bleibt beffer ben
f(^n)öblfd}en ßanbsleuten bes Slt})ter5 überlaffen. gür
ble allgemeine 2Bürblgung ber ?ßerfönlld)telt befähigt n)ol)l
l)lnreld)enb ble fübbeut|d)e ßanb5mannfci)aft, burd) ble id)
mld) Ublanb oerbunben fül)le.
2)er poetlfd)e 5^ad)la^ be$ ßgrlfers, cbcnfaUö feil
ijwanslg 3a!)ren befannt, I)at mannlgfod) anregenb ge^
lülrtt. Sod) blieb l)ler nod) olel 3u tun übrig, unb ble
^onuffrlpte ber lüblnger Unloerfltöt5blbllotl)ef unb
nömentlld) bes !Dlarbad)er 6d)lllermufeum6 I)aben reichen
ßffrog bergegeben. (Es maren frellld) melft disjecta
membra poetae, ober gerabe oon fol(f)en Ift entmlrfclungs»
unb ftllgefd)ld)tllcf) bos melfte 3u lernen. !Dlc richtige
lltcrarl)lftorlfcbe C^lnrelbung Ublanbs Ift erft jefet mögllt^
geworben.
Sür ben 5^ontl?er, befonbers ben 2tltre(f)tlcr, ^abcn
fld) In ber allerleöten 3^^* me{)rere 9Jlonogropl)en inter»
efflcri 5)ler war nur jufammen^ufaffcn. Dogegen tag
vm
Mc (Erforfc^ung bes (Belehrten bislang oöllig im
2lrgcn. Cil)n nad) allen 3'ltd)tungen fennen unb tierftel)en
3U lernen mar bie fdjmerfte 2Iufgabe, unb in|ofern auc^
blc unbantbarfte, als in eine ßeben5gefd)id)te biefes SIus*
ma^es nur eine befd)eibene Süase ber n)iffenfd)aft(id)en
Jötlgteit 2IufnaI)me finben fonnte. ^ier bleibt ber ©injel*
peröffentnd)ung nod) mand)erlei corbel) alten.
üDem Slnbenfen ©rief) ©c^mibts finb fcf)on man^c
5Süd)er gemibmet morben. deines mit foniel (menigftens
äußerem) 9le(f)te mie biefes. 2)enn er i)at nor 25 5al)rcn
für bie Sammlung „(Beifte6l)elben" ben ^lan einer Ul)lanb*
bioßrapl)ie gefaßt. Seine 3Jlaterialien l)aben ftatllicf)en Um«
fang erreic{)t; bod) über ber müIjeDollen SIrbeit bes 6am«
melns ift er gur greube bes ©eftaltens nid)t mel)r gefommen.
^d) felbft t)erban!e feiner Untermeifung bie erfte ®infid)t in
Uljlanbs 2Befen unb 5Bebeutung. 9Jland)e5 mürbe er frei»
li(^ anbers beurteilt unb gemertet l)aben als l)ier gefd)iel)t;
ober bas ift fd)lie6lid) bas ßefete, morauf es antommt.
2Jlöge man ber 2Bibmung biefes ßebensbilbes an ben 3u
frül) @efd)iebenen and) eine innere 2Sered)tigung 3uer-
!ennen unb ous' il)m — bem Ul)lanbbiograpl)en fei bas
3itat geftattet — - feines ©eiftes einen ^aud) nerfpürenl
3nl)alt
6eUe
1. Äapitel. Simhen\af)xe. (1787—1801) 1
2. Kapitel. 3ud^nbbid)tung unb ^ugenbfreunbe. (1801 bis
1805) 31
3. 5topiteI. Tübinger JHomantif. (1806—1810) .... 65
4. Kapitel ^ax\5. (1810-1811) 115
5. Kapitel. S33ä{)rcnb ber SScfretungsfrlcöc. (1811—1815) 147
6. Kapitel. 2)ic ®ebi(i)te. (1815) 179
7. Kapitel. 3m 23crfaf|ungsfampfe. (1815-1819) ... 215
8. Kapitel. Ubianb als Sramattter 249
9. Kapitel. Sie erften (Bi)e\al}ve. (1820-1829) .... 282
10. Äapitcl. 2)er Qfabemifd)e ßei)rcr. (1830-1833) ... 310
11. Slapitel. Äunftl^rif unb 25oIfsUeb. (1833—1844) . . 361
12. Kapitel. 1848 401
13. Slapitcl. 2lltersarbeiten. — ]lt){anh oIs (Belehrter . . 434
14. Kapitel. Ulusflang. (1849—1862) 471
2(nmerfungen 490
JRegifter 514
1. Kapitel
^nabm\a\)xe
T)\d)kv, (Belel)rter, praftijd)cr Surtft, Parlamentarier;
ein SSertreter (ernl)after Sürgergefinnung, gläubigen ®otU
oertrauens, ^ortnäctig ftanbijaften 9'led)t5' unb ^flid)t»
gefü{)l5; nad) au^en l)in bie faft gert)öl)nlid)e ©rfc^einung
eines fd)lid)ten i)anbir)erfer5, aber mit bem feinen 6d)Iäfen=
bau unb bem tiefen 35Ii(fe bes geiftigen 9)lenfd)en au5=
geftattet — in biefer 3JlannigfaItig!eit ber (Ertd)einung5»
form unb SBefenseigenfc^aft tritt ßubmig Ul)Ianb
Dor uns. ©eine SSoreltern fönnen Iel)ren, mie biefe
aJlifd)ung entftanben ift.
,,UI)Ianb" ift aus älterem Uobal = lanb l)ert)orge=
gangen: beibe 2öorte beuten fefte 2tlteingefeffenl)eit auf
eigener 6c^olIe an; ber 9^ame oerrät uns, ha^ bie 2II)nen
biefes 23ol(smannes in (e^ter ßinie bem SSauernftanb an*
gel)ört I)aben. gür hen !Did)ter felbft fid)erlid) ein an*
mutenber (Bebaute.
!Die tll)lanbs I)aben fid), feit fie uns !)iftorifd) greifbar
roerben, rafd) t)eraufgearbeitet unb ben ^anbmerfer* unb
5laufmannsftanb mit gelel)rten ^Berufen t)ertaufd)t. 3afob
Ut)Ianb begegnet im 17. Sal)rt)unbert als Sinimermann in
^atten^ofen bei ©öppingen. 6ein ältefter 6o{)n 3ol)ann
Wid)ae[ ift ber Ururgrogoater ßubmigs, il)m ber Einlage
nad) am menigften Dermanbt. (Er mar ein ^riegsmann,
unb t)on einem 6d)U)abenftreid), ben ber faiferlid)e Quar=
tiermeifter cor 58elgrab auf einen Xürten gefüt)rt I)aben
edjnciber, U^Ianb. 1
foll, rül)rt bic Sauft mit bem 6äbel l)er, bte in bas
UI)Ianb(d)e gamilienrüappen 2lufnal)mc gefunben ^^oX.
©päter fe{)rte er als frieblid)er Bürger nac^ ^leingartad)
bei i)eiIbronn 5urü(f unb mürbe ber 21{)n^err einer i^V-
reici)en gamilie, beren einer S^eig, t)on bem jüngeren
:3ol)ann 2Jlid)aeI abftammenb, an Ort unb Stelle fe6()aft
blieb. Den ölteren 6of)n aber, Qofepl) Ul)Ianb, trieb es in
bie gerne, er ging als i)anblung5biener nad) Xübingen,
mo il)m (Eintritt unb fpäter ein{)eirat in ein altl)eimi|d)e5
folibes (Sefd)äft gelang. 1720 ert)ielt er bas 58ürgerred)t,
trofe bes Sßiberftanbes ber ^anb elsf d)aft, bie ben 2Ius=
märtigen nid)t auffommen laffen moUte, unb töurbe in bem
alten Ul)lanbl)aus am Woxli anföffig. 2)er eine 6ol)n,
mieber ein ;3ol)ann ajlid)ael, blieb bem üäterlicl)en ©emerbe
treu, fiubmig Sofepl) Ul)lanb aber ftubierte 2l)eologie unb
mürbe nad) einer 3Jlarbad)er 2)iafonusperiobe ^rofeffor
ber (Befd)id)te an ber n)ürttembergifd)en ßanbesuniuerfität.
Unter feinen 3mölf ^inbern maren alle gelel)rten SSerufs*
ameige oertreten, ßubmig Ul)lanb ftarb als 3Jlagifter ber
$l)ilofopf)ie unb ^ofmeifter im Sluslanb, ©ruft mürbe
Pfarrer, ©ottl)olb 2lr3t, (5I)riftian S^ec^tsfonfulent. :5o--
I) a n n g r i e b r i c^ , ber SSater bes 2)i(^ters, 1756 ge»
boren, XQOXK\iit fid) ber Ourisprubeng 3u unb begann feine
ßaufbal)n mie ber 6ol)n als öofgerid)tsaboofat in 2:ü=
bingen.
Sie mütterlid)e 2tl)nenretl)e lieferte ebenfalls i^uriften
unb @eiftlid)e. 9a!ob Samuel ^ofer, ber (Brogöoter bes
!Did)ters, mar Uniüerfitötsfefretör in 2^übingen, fein ältefter
6o^n IRitterfdiaftstonfulent in ^arlsrul)e, ber jüngere
^Pfarrer in 6d)miben bei Stuttgart. Seibe Dl)eime fpielen
für Ul)lanb eine nid)t unmi^tige ?Holle, fobalb er beginnt,
fid) aus bem engen 35ann!reife ber SSaterftabt gu entfernen.
So fd)eint nur ber $oet in ber 2Il)nenreil)e 3U fel)len.
Sem ©rogoater Urlaub, bem ^rofeffor, mirb man troö
feiner @eIegenF)ett5retmereien biefen (EI)renttteI mtf)t 3U*
legen bürfen. 2Iber in ben 2Ibern feiner ©attin flog
2)id)terblut: fie mar eine 6täublin, flammte alfo aus einer
an fünftlerifd)en (Baben rei(i)en gamilie, ber freilid) nur
^albe Xalente, fein ganser $oet entmad)fen ift. '^vQtx
©täublin I)atten überbem ben ßanbftänben il)re Dienfte
gemeil)t unb fo bem fünftigen Parlamentarier bie 2öege
gemiefen.
2lm 20. W&ti bes ;5af)re5 1783 fanb bie 5)od)3eit
3mifd)en Oof)ann griebrid) UI)(anb unb ber 1760 geborenen
IRofine ©lifabetl) ^ofer \iQi\., STm ^Donnerstag
'tzw, 26. STpril 1787 mürbe als it)r britter 6ol)n 3oI)ann
ßubmig ober fiouis Ul)Ianb geboren.
2öefen unb SBalten ber Altern ift oon tieffter 2ßirfung
auf bie ©eftaltung feines ßebenslaufes unb feiner ßebens*
betrad)tung gemorben. 2)ie erfte felbftänbige lateinifc^e
©tilübung mürbe bem 23ater, bas erfte (Bebict)t ber SD^lutter
gemibmet. (Eines ber legten lr)rifd)en ©timmungsbilbcr,
bas fid) ber grüI)Derftummte abrang, gab bem 6d)mer3
über bas 21bleben oon 23ater unb 3Jlutter rül)renben 2Ius=
brucf. ,,5)aare oon ben geliebten ©Itern" fanben fid), treu»
lid) oermaljrt, unter ben ^^apieren bes oerftorbenen ©reifes.
2)ie SSriefe an 23ater unb OJlutter fpiegeln UI)(anb5 innere
^Jlatur beffer mieber als jebe anbere ^^ugerung oon feiner
5)anb, fie laffen bie fiuft atmen, in ber er gelebt \)(xi, 2Ius
biefen ^unberten oon 33Iättern unb Sillettd)en ermäd)ft ber
Ul)Ianbfd)e gamilienfreis unb bie ?perfönlid)feit ber ©Item
oor uns 3u ooUem ßeben.
(Es ift ein grunbfolibcs beutfd)es 23ürgerl)aus, in bas
mir \^Qi ©inblicf tun. Das ßeben bemegt fid) in feft*
geregelten !ßaF)nen, ber Qori3ont reid)t für gemö^nlid) nid)t
über bas t)eimifd)e 6täbtd)en l)inaus. 23on äußeren mo«
bifd)en (Einflüffen brang menig ober gar nichts herein. 2Bie
jal)rl)unbertelang bie SSäter getan, I)ing mon mit über-
aeugter Setüunberung am 2tltl)eimifd)en, unb in gläubigem
2tufblic!e 3U @ott fanb man ben Sßeg burd) alle bte
größeren unb fletneren 2lnfecf)tungen bes Gebens.
©ebilbete gamtlien im übrigen 2)eutfd)lanb pflegen
in jener '^^zxi ein anberes 2lnfel)en ju gert)äl)ren. 5)iefe
gänalic^e llnberül)rtl)eit üon aEer religiöfen greigeifterei
ber 2luftlärung unb Don aller politifdien ®man3ipation5=
\\x6)i \\i zixxi^^ fpesififd) 9Bürttembergifd)e5. Ur!on}ert)atit)
3u fein mar bort gerabe ber 6tol3 ber guten Samilien.
9^amentlid) alles gran3Öfifd)e mürbe ängftlid) ferngel) alten.
!Dennod) lebte man im ^aufe Urlaub nid)t in muffiger
2ltmofpl)äre, lieg nid)t in trotfener ^au5bacfenl)eit bie
geiftigen Sntereffen unb nidit in fteifer 2lbge3ir!eltl)eit bes
S3erfel)rs bie (Bemütsfeiten ber ^inber oerfümmern. ©Item
unb ^inber lebten in» unb füreinanber, unb biefes ©treben
nad) glüdlicl)er i)armonie ^alf über egoiftifd)e 93er!nö(J)e«
rung l)inmeg. 2lber au(^ eine gefunbe gegenfeitige S^ecferei
l)ielt bas SSlut in SBaUung. Ul)lanbfcf)e unb ^oferfd)e 2lrt
mürben gerne fontraftiert, Slusartungen beiber burc^ gut»
mutigen 6pott gerügt unb gel)eilt. Ul)lanbifd) ift bie 2Ser«
fd)loffenl)eit unb 2Bortfargl)eit; l)oferifd) fein l)ei6t mel)r
^Temperament entmideln, aber barin aud) mand)mal 3U
meit ge^en, t)or allem in 3U fanguinifd)en Hoffnungen unb
unbegrünbeten 25efürd)tungen. Der 23ater certrat alfo bas
ernft gemid)tige, bie 3Jlutter bas l)eiter belebenbe Clement
in ber gamilie.
2)al)er mag es fommen, '^(x^ in Briefen unb 35erid)ten
bas SSilb 3ol)ann griebrid)s neben bem 9lofine ®lifabetl)5
etmas öerblagt. 2Iber man muß oerfteI)en, biefen 3Jlann
in feinem ^reis auf3ufud)en unb 3U mürbigen, bann mirb
ber ©inbrud einer gefd)eiten unb fr)mpatl)ifd)en ^erfönlid)*
feit nid)t ausbleiben. 23orf(^nelle ^ur3fid)tigfeit mag in
il)m einen gebauten, ja eine etmas fubalterne 5Jlatur er*
bliden: mie oft füllt er feine SSriefe mit (Belberörterungen,
mit 23etro(f)tungen über 33eförberung5t)er()ältmffe, unb
lüie forgfältig lögt er aud) im Dertraultd)ften ^rioatbriefe
jebem, ben er nennt, feinen oollen Xitel 3uteil merben!
SSater UI)tonb ift eben burd) unb burcf) eine 58eamtennatur.
©eine ßebensftellung roar bie bes Uniöerfitätsfefretärs
ober juriftifd)en Seirates bes 2Ifabemijd)en Senats. (Er
fül)rte bie ©ifeungsprotofolle, fertigte bie (5enat5fct)Iüffe
aus, beforgte bie JHegiftratur unb Äorrefponbenj. SO^lag
fid) bie Xätigfeit bie i3al)r3el)nte I)inburd) einförmig genug
geftattet Ijaben, Iebenbiges^fIid)tgefüt)I liefe il)n bie Berufs*
arbeit aud) innerlid) allem anberen ooranfefeen. 3n feinem
leid)t geremoniöfen 2lnl)aud)e fpnd)t fid) bas 6elbftgefül)(
bes SJlannes aus, ber gu einer beoorsugten ^afte gel)ört.
9Bir erfol)ren 3ugleid), meld)er 2on gegenüber Kollegen
unb SSorgefefeten im 5)aufe l)errfd)te; fd)on bie Äinber
mürben 3u artig t)erbinblid)en gormen angel)alten. UI)lanb
felbft l)at fpäter namentlid) in @efellfd)aften ein gemiffes
feierlid) fteifes 2Befen 3ur 6d)au 3U tragen geliebt. 2)as
ift fein unmittelbares Erbteil oom 23ater, ebenfo mie fein
ftrenger Drbnungsfinn, feine burc^aus ungenialifd)e 2ld)t=
famfeit gegenüber allen materiellen 2lnforberungen bes
ßebens.
Safe fpäterl)in aud) bie Sragc ber Serforgung bes
6oI)ne6 für 93ater Ul)lanb oon ber l)öd)ften 35ebeutung ge=
morben ift, t)erftel)t fid). 2Iber es mirft bas befte ßid)t auf
il)n, '^Qi^ er oon Slnfang an in feinem ßubmig bie felb=
ftönbige $erfönlid)feit a&^iti. ©r I)at für il)n nur S^lat»
fd)läge, feine 55efel)le ober 2Inflagen, er legt nur feine
Über3eugung in bie 2öagfd)ale, niemals bie ausfd)lag=
gebenbe oäterlid)e Slutorität. Unb gleid) beifallsmürbig
erfc^eint feine ^öbagogif, mo es fid) um ©elbfragen
l)anbelt. 2)er für feine ^erfon bebürfnislofc unb fparfamc
SDlann ift bem 6o^nc gegenüber liberal, ©r foll fid) all=
feitig ausbilben, nid)t mit (^9^ fnaufern. gür il)n mirb
immer no(i) etwas ha fein, er brau(f)t nid)t ju oersmeifeln,
aud) menn bie Seiten tcf)Ied)t finb unb \)a5 ererbte SSer«
mögen bal)inf(f)mil3t. 2)a6 ber 6o{)n fo lange aus bes
SSaters 2;afrf)e leben mu^, mirb auf bie sartefte 5öeife cer*
fd)Ieiert. STud) in anberen Singen begegnet nie ein 2öort
bes SSormurfs ober ernftlid)en iabels. Unb motzte er 5U
^aufe bem Knaben sumeilen etmas unzugänglich er»
fd)einen: auf ©pasiergöngen burd) Tübingens Umgebung
erf(f)Ioffen fid) bie reicheren 6eiten feines l^nnern. (Bx }:)ai
bie 9^aturüebe feinem 6oI)ne guerft eingepflangt unb ha*
burd) bem fünftigen Dad)ter feinen größten 9'leid)tum
3ugefül)rt.
9^id)t nur in bie SSaterrolIe überl)aupt, and) in bie bes
2)id)terDater5 mugte er fid) trefflid) 3U finben. !Die 25e=
fpred>ung mit il)m mu^ für U()Ianb etmas bebeutet I)aben.
er fd)Iägt i{)m ©toffe unb formen cor, er verfolgt feine
fünftlerifc^e (Entmicflung mit mac^em 2tuge. ©r fann fic^
ereifern, menn 'ü)m ein neues @ebid)t ober gar eine ge=
brudte 6d)rift nid)t fofort 3ugefteIIt mirb, er faf)nbet emfig
nad) S^lezenfionen unb ftellt fie bem 6o{)ne 3U. greilid)
m(i)t oI)ne ben gelegentlich ausgefprod)enen SBunfd), ha^
aud) ber ^önig, ber feinen ßubmig fo gar nid)t noc^ ©e«
bü!)r beaä)te, einmal folc^er 9ie3enfion anfid)tig mcrben
mögel
©ine junge SSermanbte \)at uns gefd)ilbert, mie er in
fpöteren ßebensjal)ren mirfte: Der $err Onfel 6e!retarius
fte^t i()r Dor 2Iugen als ein „feiner olter 2Jlann": „Die
buntein glän3enben 2lugen blidten freunblid), langfam
üer3og fic^ ber 9Jlunb 3u einem geminnenben ßäd)eln, bem
jebod) ber 6d)al( in ben 3JlunbminfeIn nid)t fehlte.'' ^m
f)o§en Sllter freilid) fd)eint er fid) ein menig 3um ^!)ilifter
ausgemac^fen 3U ^aben. Sn Stpfßimüfee unb Äaitunjade,
aus ber bas Sadtuä) {)erausl)ing, pflegte er als bie oer*
förperte gute aU^ 3^^ ^^ ^oufe um^er3ufc^lürfen.
2)agegen lüugte ftd) btc SO^utter bis aum Xobe Jene
gcifttge unb förperltd)e grtfd)c 3U iDal)ren, bic oon 2tnfang
in biefer (Ef)e ein fo gefunbes (Bcgengen)id)t 3U ber man(f)=
mal etroas trotfcncn ^Pflichttreue bes (Satten gebilbet f)atie.
Qmax ift aud) ©lifabetf) U^lanb in erfter ßinie 5)au5frau
geme'fen, ber has Ieiblicf)e 2ßoI)I üon SJlann unb ^inbern
obenan ftanb. 6ie mar eine 23irtuofin im ^oc^en, U)x
9lu()m in biefer Äunft tarn bem ii)ve5 6o{)ne5 in ber ^oefie
beinai)e gleid); ein @ebid)t ßubmig Ul)Ianb6 fonnte im
6d)rDaben(anb taum el)rfürd)tiger angeftaunt merben als
ein die^ept ®Iifabet()5. „!Der S^au Ul)Ianbin ^unfd)'' ober
gar „ber grau Uf)Ianbin gefulste 6d[)U)einso^ren" maren
lanbauf lanbab berül)mt. 5Xud) bem abmefenben 5)au5=
foI)ne Ijat fie bis 3U feiner 23er()eiratung in allem treufte
SBartung äugemanbt, bie fict) namentlid) auf bie „\d)voav^e
SBafcf)" erftrecfte, ein in ben 55riefen jentrales XI)ema.
6orge um feine @efunbl)eit burd)3iel)t gleid)falls alle i{)re
©pifteln, eine gerabe3u aberglöubifci)e %md)t oor 5)uften,
2)iarrl)öe, naffem unb faltem SBetter laffen bie 3^ecferel
loegen ererbter „5)oferfd)er €ngftlid)feit" gered)tfertigt er=
fd)einen. STber 3ur 23er3ärtelung i^rer £inber oerirrt fie
fid) ebenfomenig, mie fie fid) burc^ il)re reic^ entmicf eltc Un=
fallsp^antafic ben ftänbigen grol)finn trüben lägt. Unb
fommt einmal mirflic^ ein 3Jli6gefd)ict ober gar Unglücf, fo
ift es i\)ve grömmigteit, bie i()r burc^ bie flippen bes
ßebens I)ilft. ©ine fur3e 2öarte3eit, eine Xrennungsfrift
mu6 oerftreid)en, bann ift man mit feinen oerftorbenen
Sieben mieber vereinigt — biefer Xroft, ben fie ber Xod)ter
beim SSerluft eines enfeld)ens fpenbet, mirb fie felbft auf»
gerid)tet ^aben, als il)r 3U)ei 6ö^ne in 3artcm 2llter ftarben.
2tn ßubmig, bem ein3igen, ber ii)x blieb, l)ing fie mit
einer Qäxilid)UiU bie i^r 3unad)ft jebe Trennung unleiblid)
crfc^einen lieg. Unb nod) ber längft ermad)fene unb felb'
ftänbig gemorbene ©p^n ^al nad) (gtutigort f)in immer
mtcber bic trauliche ^lage 3U t)ernel)men: „ßs tut mir fo
2II)nb nad) btr." 2Iber aud) ^iter vermag \iQi<ö überquellenb
3ärtlt(i)e 2}^uttergefül)I bte ^öbagogin in \\)x nid)t 3U er=
fticfen. ©ie mag f(f)on früf) o{)ne SJlafeen ftola auf t^ren
6o{)n, ben berü{)mten 2)id)tcr, gemcfen fein: ber Junge
3Jlenfd) erfd)etnt tl)rem unbcftod)enen grauenauge gu jcber
Seit I)öd)ft er3iel)ung5= unb forrefturbebürfttg. gür bic
?Parifer unb 6tuttgarter große 5BeIt muß er fic^ oon bem
fleinen Tübingen aus 23erl)altung6ma6regeln geben laffen,
bie nie in öbe 6d)ulmeifterei ausloufen, fonbern burd)
I)eitere Ironie 3U beffern fud)en. SBenn Ul)Ianb S^it feines
ßebens 6(f)üd)ternl)eit unb ßin!itd)feit nitf)t gans losge*
tüorben ift, fo mar bas am menigften Sc^ulb feiner SDlutter,
bie biefen SJlangel an meltmännifcf)em toteren bis 3U
il)rem legten 2ltem3uge befämpft ^oi.
Sie mußte aber aud), meld)er ^ern in ber nid)t röllig
geglätteten 6d)ale ftedte, mas fie rein menfd)Ii(^ an il)rem
6oI)ne befaß. 60 mirb er \\)X 23ertrauter, bem fie bas 5)er3
au5fd)üttet, menn bie Un3ugänglid)feit bes 93aters \\)X bie
Stiebe üerbietet. 6ein ülat mirb i!)r mit ber '^txi immer
maßgebenber, felbft mo es fid) um bie 23erl)eiratung ber
Xod)ter l)anbelt, unb immer f)äufiger flüd)tet fie fid) mit
t()ren 9^öten 3U i!)m, fo '^q5^ l)eimlid) verfaßte SSriefe bie
frü{)eren tr)pifd)en, t)on beiben ©Item befd)riebenen Quart»
bogen erfefeen. 5n foId)en göllen fann fie au(^ 3ur
fd)Iauen Diplomatin merben, mas fie im allgemeinen nic^t
ift unb nid)t fein möd)te. SI)re fiebf)aftigfeit 3mingt fie t)iel=
mel)r in ber IRegel ba3U, alles l)erau53ufagen, unb fie meiß
allerliebft aus biefer 91ot eine Xugenb 3U mad)en: „0 mer
bod) gleid) nad) feiner ^er3en5gefinnung bei jeber ©elegen=
!)eit ja! ober nein fagen möd)te, id) meiß 3mar leiber aus
erfal)rung, "^o.^ man bamit oft anftößt, bod) laffe id) mid)
baburd) nid)t irre mad)en, unb bleibe beim Xon ber alten
!BeJt!" häufig prt man aus il)rem 3Jlunbß bas ßob ber
guten alten '^zxi, aber fie uertörpert tDtrflid) nur bte guten
6etten ber STufflörungepertobe, gefunben 3l}lenfd)ent)er='
ftanb, STbneigung gegen alles SSage unb SSerfttegene,
2)umpfe unb Xrübe. 0{)r inneres \\i ein I)eller Spiegel,
unb \^Q. bilbet fid) benn aud) in i^r bie 2BeIt mit frifd)en,
Haren färben unb ßinien gü. 6o meife fie runbmeg als
^ealiftin 3u p()iIofopI)ieren: „Unfere 2ßelt ift eine n)ir!Iid)c
unb bleibt's, mas mir uns auc^ üor eine i^beenmelt oor*
I)alten, mir finb genötigt, uns nad) \\fc 3U rid)ten, fie nid)t
nad) uns, fie Ijat fo üiele S3en)of)ner, u)ie fönnte fie fid) nac^
jebes berfelben ßaunen bequemen?" STud) iljre ^ftl)etit ift
Don fold) gefunbem 2ßirflid)teitsfinne geleitet. Die roman«
tifd)en greunbe bes 6oI)nes treiben es il)r in ber Did)tung
oft 3U bunt: „Der Sllmanad) gefiel mir,'' fd)reibt fie 1813,
„nur müßten mir bie i)erren nad) meiner alten SBeifc
natürlid)er bleiben, unb mit biamantenen ©utfc^en meg*
bleiben, mann er mir gans gefallen follte."
grol)natur unb Sabulierluft l)ätte Ul)lanb non biefer
grau mol)l lernen fönnen. 2ßenn feine ^erfönlic^feit oon
folc^em erfreulichen ®rbe menig gu Derraten fd)eint, fo mirb
man bie liebensmürbig finnige 5ißeltanfd)auung mand)er
(Bebid)te um fo lieber auf bie 3D^utter 3urücffül)ren. 2Jlit
I)ellen Did)teraugen in bie 2Belt 3u blicfen, bas fd)eint aud)
fie oerftanben unb bem 6ol)ne oererbt 3U l)aben.
!3l)ren erften ßubmig ^)QXit fie fd)on frül) l)ergeben
muffen. 1794 gelang es il)rer l)ingebenben Pflege, 3mar
nid)t il)ren ^Iteften, %t\%, mol)l aber ben 3meiten fiubmig,
bem 6d)arlac^fieber ab3uringen. grife, nad) 53ilbern unb
53erit^tcn ein befonbers l)übfd)es unb liebensmürbiges
Slinb, ift bem Did)ter nur in ben frül)eften £nabenjaf)ren
6pielgefäl)rte unb moI)l auc^ bemunbertes Sorbilb gemefen.
©pöter mußten fid) feine brüberlid)en @efül)le gan3 oer=
einigen auf feine ad)t 3af)re jüngere 6 (^ m e ft e r ß u i f e.
.. Sßelß bie 2ßulter am 6ot)ne jeberseit mand)erlei ju
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tabeln, fo \d)e\nt bei bem Xöd)terd)en, btejem „ebeln Wai)^
d)en'\ bei if)rcn ,,XaIenten unb ^rtnstpien", jebe rnütter«
tid)e ^ritif ju tjerftummen, unb il)r SSilb tüürbe etmas ins
garblofe pcrblaffcn, ptten trir nic^t oon if)r jetbft liebens«
irürbige ^Briefe an ben 35ruber, in benen fie teils in bic
9^e(ferei ber 3Jlutter einftimmt, teils aber and) in ernften
ßebensfrifen mit f(^n)efterlid)er 35eforgtl)eit für fein 2Bo!)I
treulich einfte()t. SBenn mx t)iel t)on i\)xex g^^ömmigteit
unb i()ren (Brunbfööen pren, fo barf bas feine unfrifd)e
SSorftellung erfte^en laffen. 6ie voax ein munteres Wah^
(i)en, bas bei aller 2Srat)l)eit fein fieben 3U genießen mußte.
!Die Xübinger 23ergnügungen, bie bem @efd)ma(f unb bem
©elbbeutel bes SSaters oft 3umiberliefen, ^at fie begeifte«
rungsDott bur^gefoftet, fie fd)märmt oon J^eaterbefut^en,
Sollen unb 6d)littenfal)rten, ja fogar Ul)lanbs felbft
mußten fid) um bes Xöc^terd)en5 millen gu größerer @e=
felligfeit bequemen. 2lber bie 9Jlutter betont überbem
nod) befonbers gern, ha^ fie ein fo gebilbetes 9Jläbd)en fei.
^n ber Zat muffen bie ©Item im ßaufe ber Qeii bei ber
©r3iel)ung biefer Zo6)tex bie gute altfcf)mäbif(f)e 6itte oer«
laffen l)aben. ©in 2tutor bes ausgelienben 18. 3al)r=
l)unberts f(^ilbert uns, ha^ bie 9Jläbcf)en bamals ben
gansen ZaQ bei 9label unb ©tritfftrumpf unter ben Slugen
ber aJlutter faßen unb „fein ©ebanfe an irgenbein Sefebud)
fommen burfte, außer menn etxoa bes 6onntags bic
artatifd)e SSanife erlaubt mürbe". 6pät freilid) erft mürben
bem ßuisc^en bie Elemente 3U einer fleinen 2Beltbame bei»
gebracht, mit fünf3el)n 5al)ren lernt fie bas Älaoierfpiel
unb beginnt mit bem gran3Öfifd)en. SIber fie oermag bann
bod) bem norbbeutfd)en (Satten burd) bie 9)lannigfaltigfett
if)rer SSilbung unb Sntereffen JRefpeft ab3unötigen unb biß
SIbenbe im einfamen ßanbpfarr^aus treffli(^ 3U t)erfür3en.
lll)lanbs (Beburts^aus fte^t in ber 9le(farl)albe, jener
I)übfc^en, I)od)gelegen6n Straße, bie einen freien 55li(t auf
11
ben giu6, ha5 23orlanb unb bte Sllbberge gett)ä{)rt. ©s
tüäre eine fd)önc Qugenbftöttc für ben 2)td)ter geruefen,
ober leiber muffen mir bie gamtlie fcf)on in ßubmigs erftem
9al)r in eine enge (Baffe ber inneren StaU begleiten. 2Iucf)
biefes alte gamilienl)au5 ift nod) erf)alten, in ber ^afen=
gaffe, nal)e bem jefeigen $oftamt. (Es fommt uns neben
jenem ftattli(i)en, freigelegenen büfter unb unmirtlid) t)or.
Stbcr bie 2Bof)nung im erften 6tod, bie ber ©efretarlus
besog, galt für bamalige 23erf)ältniffe als geräumig unb
moI)I ausgeftattet. Die ©Item I)aben fid) I)ier bel)aglic^
gcfüf)It unb bie IanggemoI)nte 5)eimftötte erft 1825 mit bem
S^leben^aufe t)ertaufd)t, aus ©eföUigteit gegen eine ^\6)ie,
bie I)eiraten moUte.
2Il5 ßubmig älter gemorbcn mar unb ein eigenes ®e»
lag für fid) beanfprud)en fonnte, \)a mürbe if)m nac^ einem
grünblid)en i^ausumbau Don 1797 ein langes fd)males
®(f3immer im 3meiten 6torf eingeräumt. (Es ge{)t auf einen
unfreunblid)en 5)of unb auf bie „lange @affe" I)inau6. Un-
proportioniert, uneben unb frf)mucfIos, l)atie es gar nid)ts
oom ^oetenftübd)en an fid). 2Iber er fanb {)ier menigftcns
ben 6toff 3u feinem 3ierlid)en @ebid)td)en „6d)limme 9^ad)='
barfd)aft": „Des 9^ad)bars lieblid) giötenfpielen nimmt
jefet mir bie ©ebanfen f)in, unb jefet muß id) hinüber*
fd)ielen nad) meiner {)übfd)en 5Jlad)barin."
2lls bie Saniilie faum erft etmas über ein ^al)v bos
neue Qeim bemoI)nte, geriet fie in ernfte (Befal)r, tnbcm
eine geuersbrunft in il)rer näc^ften 9fläf)e ausbrad) unb
ein gan3es SSiertel in 2Ifd)e legte, ©s mar am 9. Qep»
tember 1789; oon abenbs a(i)t bis morgens neun bauerte
ber 55ranb, bem 45 ^öufer 3um Opfer fielen. Der 5)er3og
felbft mar 3ur ©teile unb leitete bie ßöfc^arbeiten, beren
gefd)icjter gül)rung moI)I bas UI)Ianbf)aus feine (Erf)altung
banfen mod)te. 2Bir f)aben feine 5lunbe baoon, bog fic^
ber finbUc^en Erinnerung be-s SoJßiiiitbein^albiä^rigen
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bos fcf)aurtg gro^e 6d)aufptcl eingeprägt l)ätte. 2(ber in*
fofern mürbe ber Sranb für it)n üon 35ebeutung, als bem
ern)ad)enben SSeröu^tfein bes Knaben, ber fid) in hen
©trafen Tübingens gu tummeln begann, jefet ein anberes
6täbtebilb entgegentrat.
Tübingen gilt !)eute allgemein mit 3'led)t als eine
fd)öne StaU. Die 2age an smei fteil gegeneinanber ab=
fallenben ^ügeln, bie eine originelle 5ßouart oieler Käufer
unb ©tragen im (Befolge f)at, bie organifcl)e SOf^ift^ung
alter unb neuer ©tabtteile, ragenb büfterer mittelalterlicher
unb freunblid)er moberner 33auten, bas anmutige 3^^'
fammenmirfen oon Serg, 2Balb, 2öiefe unb 2öaffer in ber
Umgebung, bas alles lägt ein ungeu)öl)nlicf) l)armonifcl)es
©efamtbilb erftel)en. 2Iuf ben bamaligen, namentlid) aus«
märtigen ^efd)auer mirfte bie StaU anbers. „Sd) fenne
feine Staht in 2)eutfcl)lanb oon einiger 58ebeutung, beren
äugeres 21nfel)en fo l)äglid) märe als biefe" — fo lautet ber
i)ernici)tenbe 9flid)terfpru(f) bes Slllermeltsreifenben S^licolai.
2Iu(^ anbere flagen über bie unbequeme ßage „auf einem
58ergrü(fen, t)on beiben 6eiten abpngig. Die ©tragen
finb bal)er äugerft uneben. SQlan mug fd)ief l)inauf' unb
l)inabgel)en, oft mel)rere ©tufen fteigen, ja in einigen ^äu=
fern (3. 25. in bem ^aufe bes 5)errn ^rofeffor Ul)lanb)
fteigt man oon ber ©pifee bes Dad)es in eine anbere
©trage", klagen über bas fd)led)te ^flafter, bie 25au»
fölligfeit ber i)äufer, bie mangelnbe SSeleuc^tung unb
namentlid) bie Unreinlicl)feit merben oielfat^ laut. SSe»
fonbers flögt fid) ^licolai an ben grogen 2Jlift^aufen, „eine
Unanftänbigfeit, bie fid) bod) menigftens in einer ©tobt
nid)t finben follte, röeld)e fid) bie 3meite ^anpU unb Stefi*
benjftabt nennt, unb eine berül)mte Unioerfitat unb ein
i)ofgerid)t in il)ren ajlauern l)at".
Das mar bie {)auptfäc^lid)e QueEe ber Q^ntrüftung:
ber 2lbftanb 3mifd)en ber Sebeutung ber ©labt unb lf)rem
äußeren, bas an fid) ntd)t ärmltd)er fein mod)tc als bas
oieler ^'(Qi\iit oon 6000 ©inn)oI)nern. !Dem toteren ent=
fprad) bas innere ber i)äufer, in bem Deru)öl)nte norb=
bcutfd)e 25efuc^er jeben Komfort üermifeten. ©s foU fid)
in gan3 Tübingen bamals nur ein einjiges 6ofa t)or=
gcfunben ()aben, im SSefifee bes berü{)mten SSerlagsbud)*
Ijänblers ©otta, beffen SSureau übrigens ein trübjeliges
fiäbd)en mar. Sein 5)aus gegenüber ber 6tiftsfird)e \qX
im !3a{)re 1797 @oetI)e ein paar 2:age lang bel)erbergf
— ber ^nabe UI)Ianb foU mit ein paar 6d)u(tameraben
bem berül)mten ©aft eifrig nad)gefteUt I)aben — ; es bilbete
mit ber na{)egelegenen alten 2Iula unb ber 30^ün3gaffe ben
baulid)en (Blan3punft ber ^iQi\ii. 2)as alles mag nid)t fo
oiel anbers ausgefel)en l)aben mie l)eute aud). 3n bie
^ä6lid)e Söintligfeit ber alten 6tabt aber l)atte jener
53ranb 33refd)e gelegt, es entftanb in ber näd)ften 91äl)e bes
Ul)lanbl)aufes ein neues 93iertel, beffen ©tragen ungefäl)r
gleich ben jefeigen verliefen. ^Dagegen mar ber Öfterberg,
ber nunmel)r Tübingens beDoraugte SSillengegenb barftellt,
nod) fo gut mie unberi)ol)nt, unb nad) äugen l)in maren
enge (Bren3en ge3ogen burd) bie nod) ftel)enben 3Jlauern,
aus benen fünf 2^ore ins greie fül)rten. 2lud) 3um 6d)loffe
l)inauf mar bie ^i^\si nod) nid)t emporgemad)fen, es
tl)ronte bel)errfd)enb auf überragenber ^öl)e, menn es aud)
feine militärifd)e Sebeutung längft eingebüßt I)atte.
gür ben Knaben gemann bie 5)eimatftabt, beren
Äritif il)m natürlich fern lag, Dielfad)e 33ebeutung. ®r be=
megte fid) auf einem erinnerungsreid)en 53oben, 23or3eit»
benfmäler Derfd)iebener 2lrt ragten in feine finblid)en
Spiele unb ^l)antafien l)inein. 2)ie Stiftsfird)e mar bem
^eiligen (Beorg gemeil)t, an bie 3)larien!ird)e tnüpfte fid)
eine Ungel)euerfage. !Das 6d)log mürbe 3um beliebten
Sd)auplafee feiner ^nabenfpiele, bie l)ol)en 2:ürme, bie
meiten Säle, bie tiefen 23erliege erregten feine ©inbilbungs«
txa\t, unb ber 5)icf)ter nimmt fpäter feinen ^lafe unter
bcr 6d)Io6linbe, mie er feinen „^önig auf bem Xurm"
Don einem ber ©dpfeiler bes 6d)Ioffeö l)erab ins fianb
fpäl)en lägt.
:Dod) Ut)Ianb ift nid)t ber Ißoet ber fleinftäbtifd)en
SBinfeIig!eit, fonbern ber meitausgebreiteten I)ellen unb
offenen fianbfd)aft. 2)ie Umgebung feiner SSaterftabt, ber
aud) ber fritifci)e Sflicolai alle (£()ren angebeil)en lägt, ift
für il)n oon tlein auf pon ber p(f)ften 2Bid)tigfeit ge=
üDorben. 2(lle feine S^aturgemälbe finb entfd)eibenb t)on
i{)r beeinflußt. 6ein 33Iid oermeilte gern auf bem lieblid)
gefd)Ioffenen (Eingelbilbe, mie es fid) namentlid) in ben
nal)en 3:älern ergob, bie t)armIofen ^Heige bes ^äfeba(^=
tales erfd)ienen it)m in immer neuem ßid)te, es ift mirüic^
fein ©Ipfium unb Üluf)etal gemorben. 2lber eine meite,
felber* unb miefenbebedte, von buntein SÖßälbern um^-
fäumte gläd)e mit glänsenben Käufern barin, barüber bie
buftig-blaue ^^üe ber burggefrönten 25erge — bas ift bie
tt)pifd)e Ul)Ianbfd)e ßanbfd)aft, unb fie mirb nur bem gana
lebenbig merben, ber com dianhe bes 6tf)önbud)malbe5
über bas D^edartal 3ur 2ttb l)inüberbli(ft. 9n frül)er ^inb«
{)eit mirb UI)Ianb bereits bie smei Sßegftunben 3um ^leinob
jener (Begenb, ber 2öurmlinger Kapelle, gurücfgelegt I)aben,
bie, einfam auf fal)Ier, fteiler i)öf)e lagernb, bas SSilb ber
2BaEfal)rts!ird)e unb ber „Kapelle broben'' abgeben burfte.
2)ie üerfaEenen 6d)Iöffer ber 2llb l)at er ebenfalls frü{)=
3eitig befud)t unb auf bem Sloßberg unb mand)em anberen
©ipfet bie Stimmung bes i)irten!naben in fid) gefogen,
ber frot) unb frei auf bie Sßelt 3u feinen güßen l)erab«
fd)aut. ein benad)bartes i)ofgut, bas in (Befellfc^aft ber
©Itern fel)r pufig befuc^t mürbe, gab überbies ben er*
n)ünfd)ten Stusgleid) gegen bas ftänbige ßeben in ben
engen ©trafen ber 6tabt.
©einen erften finblid)en Umgang fud)te unb fanb ber
Änabc in ber gamilie. 3m Qau|e an bcr i)afengaffc
n)ol)ntc bcr „Dnfcl Dottor" (Bottl)olb UI)Ianb, ber fpötere
Obcramt5ar3t. 23on feinen brei 2^öd)tern mar bte öltefte,
SBil^elmine ober 2ßilmcle, UI)lanb5 gegebene 6piel=
gefäl)rtin. 6pätert)in l)at er für bie brei 3)läb(f)en immer
bie unDermeibIid)en I)äu6ltrf)en (Belegenl)eit5gebid)te fd)mie=
ben bürfen. SlUerlei 2Ine!boten 3etgen bas 23erl)ältni5 in
I)übfd)em fiid)te. 60 foU fiubmig bem aur 6trafe für
etweid)^ 2SergeF)en eingefperrten 35ö5d)en burd) ben ^aud)=
fang I)inouf 3}lärd)en tx^'d\)ü l)aben. Sas 33aterl)au5 mar
aber nid)t bie alleinige 6tätte feiner 23etätigung. !Die bei»
ben ©roßoäter lebten nod), unb aud) 3U il)nen fanb ber
^nabe oft unb gern ben SBeg. Qwav maren beibe nid)t eben
3U leutfeligem Spiele mit i^m geftimmt. ©ro^oater i)ofer
mar ein t)erfd)Ioffener pebantifc^er Wann, aber fein 5)auö
barg ungea()nte 6cf)äöe in alten S'lumpeltammern, bercn
betreten unb !Durd)ftöbern burd) ftrenge SSerbote nur um
fo reigooUer erfd)ien. ßubmig I)atte in biefem 5)aufe aud)
3mei greunbinnen, bie alten QJiägbe 5)ofer5. 2)er 9^ame
ber einen lebt fort in bem ölteften Steime, ber uns oon
UI)Ianb überfommen ift: „(I()riftine, voa5 mad)t fie für eine
trufeige DJliene" — bie anbere aber l)ai nod) 9al)re nad)
i{)rem 2lbleben bie mel)mütige Xagebud)noti3 Ul)(anb5 oer«
anlagt: „^^obestag ber aJl a b e V\ unb trögt in allem,
wa5 mir oon ii)r erfai)ren, bie 3üge einer rül)renb anl)äng=
üd)en unb felbftlofen ^^erfon, bie il)ren „3Jlu5Je ßouis" ins
5)er3 gefd)Ioffen l)aite unb il)m in feiner gelbtnappften S^it
mit •il)rer fd)malen 5)interlaffenfd)aft oon D^u^en gemefen
ift. 2lu4 oon einem 6d)reibtitc^e, ber oon feiner lieben
SJlabel ftammte, oermod)tc er fid^ bis ins Sllter nid)t 3u
trennen.
5n bas 5)aus bcs oätertid)en ©rogoaters, bes ?Pro«
feffors, mod)te es me^r ben älteren Knaben 3iel)en. SXuc^
Öofepl) U()lanb mar eine trocfene ?Perfönlid)feit, oon ber
im ßcben rr)oI)t ebenfotücnig Slnregung ausging tüie im
5)örfaal. SOBas mir bie Xübinger 6tubenten Don 6pectle (fo
lautete fein ©pifename) er3ä{)len pren, flingt für ben ge=
biegenen, aber unlebenbigen @etel)rten nit^t red)t rül)m=
lid), menngleid) Werners 35erid)t nid)t gan3 mörtlid) 3U
nel)men fein mirb, er I)abe in feiner 2BeItgefcf)id)te ein
DoUes ©emefter auf bie 2Setrad)tung bes 9Jlenfd)en d o r
2lbam oermenbet. 2In ber aud) t)on anberen bejeugten
fd)Ied)ten ©emof)nI)eit bes afabemifd)en ßel)rer6, mit
feinem 6toffe niemals 3u ©nbe 3U fommen, mirb fid)
ni(f)ts geänbert I)aben, als ber ^iftorüer fpäter 3ur X^eo*
logie 3urü(ffel)rte unb ©p^orus bes ©tiftes mürbe. UI)Ianb
^^i bem ©rogoater fpäter mand)es Iateinifd)e @ebid)t auf
ben (Beburtstagstifcf) gelegt unb il)m na(^ feinem Eingang
in SSerfen gel)ulbigt, bie ben ©inbrud eines I)armonifc^
unb 3ufrieben abgefd)loffenen ßebens miberfpiegeln. 2)ie
legten :3a{)r3e^nte l)inburd) I)aufte ber alte 5)err „in ber
^öll", einem bem S^lamen 3um Jrofe \t^x fd)ön gelegenen
^aus an ber 9^e(farl)albe, bas ben ®n!el befonbers \i^^
burd) anlotfte, bog man in bem I)od)geIegenen ©arten fic^
ungeftört in ein 35ud) üerfenfen unb moI)I aud) ben SSlitf
träumerif(^ finnenb in bie gerne fd)meifen laffen fonnte.
©ine gemiffe 23erfonnenl)eit \^qX fid) aber bei Ul)lanb
erft mit ben Sal)ren eingeftellt. SIIs ^nabe mar er leb*
I)aft, ja milb; mand)er S^^Jö^Ö^ öen SO^obe ober 6d)uIorb=
nung über i()n r)er!)ängten, !am il)n l)art an. 2)as ^ubern
ber i)aare, bas einem fittfamen Knaben aus befferer
gamilie nid)t moI)I erfpart bleiben fonnte, mar il)m ^öd)ft
fatal, unb er pflegte ben $uber alsbalb burc^ Ol)rfeigen
mieber Don feinem blonben ^opfe 3u entfernen. 2fud) bie
orbentlid)e grifur 3u bemal)ren mad)te il)m 9^ot, nod) im
Sllter !onnte er fid) Xränen lad)en in Erinnerung an eine
6d)lad)t ber 2lbc=6d)üöen auf bem Öfterberge, bie il)m bas
Qopfbanb aus ben paaren gefoftet l)atte. 2Sei fold)en
^nabenraufereten beu)äl)rte er fid) ftets als ber ^räftigftcn
unb 2Sel)er5teften einer, llnb er gab u)ol)l aud) bem ©piele
ber ^ameraben bte äußere 5lid)tung, bie feinem @efd)macfe
besagte: mie 3U 5)aufc eine mäd)tige S'litterburg {ein
teuerftes Spielseug bilbete, fo mastierte er fid) aud) am
liebften als JHitter ber beutfd)en SSoraeit unb fd)ritt bel)elmt
unb gel)arnifd)t einl)er. Die ^ampffpiele, bie mit 6d)U)ert
unb ßanse au5gefod)ten mürben, Janben it)ren natürUd)en
6d)auplafe auf ben Söällen ber ^Tübinger 23urg. Äein
Sßunber, menn fein erfter fie^rer, ber brollige alte IReftor
i)utten, auf bie Iebf)aften Knaben als bie Xeufel feiner @e»
funbl)eit, bie S^ägel feiner ?ßal)re lospolterte. 2)en guten
^ern bei bem fleißigen Sd)üler tll)lanb I)erau63ufinben,
mar trofe allem nid)t fd)mer.
2)ie erften erl)altenen ßebensäußerungen \sz^ Knaben
finb benn aud) 6d)ulnoti3en, lateinifd)e 23ofabeln, bie er
fid) auffd)rieb unb auf eigene 2öeife einsuprägen fud)te,
nämlid) burd) banebengefe^te [Rötel= ober 6d)mar3ftift*
3eid)nungen. (Es finb gan3 lebenbige (Bruppen unb 6tel*
lungen, bie er babei feftl)ält, oon bem bet)aupteten '^t\6)tx\,^
talente, bem er nod) als ermad)fener in fleinen ^Iquarell«
bilbd)en 3U l)ulbigen pflegte, oerraten fie freilid) nid)t all»
3Uoiel. Desgleid)en erl)eitern uns bie S!i33en in einem
fpäteren Xafd)enbud)e mel)r burd) grotesfe ^omif, fo ein
Porträt bes [Rinalbo IRinalbini, bas mieberum 3eigt, in
n)eld)er !Rid)tung feine ?ßf)antafie l)auptfäd)lid) tätig mar.
9Bir befifeen aber aud) aus früf)er '^zxi, bem Oftober
1795, bereits einen 58rief oon Ul)lanbs ^anb. (Er ift für
bie 9Jlutter beftimmt unb berichtet über bas erfte große
Ereignis im ßeben bes Knaben. (Er burfte bamals mit
bem 23ater nac^ Stuttgart reifen; offenbar bas erftemal,
^^^ er fid) oon ber i)eimatftabt auf länger entfernte. Der
93ater, bas fiel)t man aud) l)ier mieber, mar fein eng*
f)er3iger ^äbagoge. (Erftaunlii^, mie er ben 2Id)teinl)alb^
Sc^nciber, Ubianb. 2
iä()rigen an allem tcilnel)men lä^t. (Er barf mit in bic
^omöbie, ,,ba man ©milia ©alotti fpielte"; \iQi^ Quartier
bei ben SSermanbten ^arppred)t muß aufgegeben u)erben,
meil grau ^arppred)t in biefen lagen, nad) bes Knaben
58erici)t, ,,mit einem 3)läbd)en nieber!am". ßouis fd)eint
fd)on bamals als ein groger greunb ber ^unft, (pesiell bes
2:i)eater6 gegolten 3U I)aben; benn ber SSater oerlägt mit
if)m bie geuerbad)er aSermanbten gleich nad) Xifd)e, ,1^0.^
id) nod) in bie ^omöbie fomme, mo man Dberon ^önig
ber eifen fpielt". 2)er jugenblid)e Steifenbe barf mit S^let^t
am 6d)Iuffe feine (Einbrücfe 3ufammenf äffen: ,,3d) \)o^t
mid) alfo u)ol)I bioertiert." !Der Srief ift für "^^s 2IIter
feine5 25erfaffer5 merfmürbig gut gef(^rieben, menngleid)
er mit ber Ort()ograp{)ie ber (Eigennamen nod) auf fel)r ge=
fpanntem guge ftel)t.
2)iefe 6tuttgarter S^leife fdjeint oereingelt geblieben 3U
fein. !3m allgemeinen mar ber ^nabe an bie 6d)olle ge=
bunben unb lernte lange '^txi bie SSelt nid)t anbers als
Dom Jübinger @efid)t5min!el au5 betrad)ten. Slßerbings
treten nun '$it\itx\. ein, bie ftürmifd) genug maren, um auc^
in bie 2lbgelegenl)eit ber rul)igen ^io^^i il)re Sßellen 3U
fenben.
Qu ben großen ©reigniffen im ßeben ber Xübinger
58ürgerfd)aft mag 3unäd)ft fd)on 1793 ber SSefud) bes ^er»
3og6 ßubmig (Eugen gehört l)aben, ber fid) nad) feinem
[Regierungsantritt in ber 3U)eiten D^efiben3ftabt l)ulbigen
lieg. Unter feinem SSorgänger, bem berül)mten Äarl
(Eugen, l)atte \i^'ö fianb oielfad) gefeufst. ©eine befpotifd)e
Saunenl)aftigfeit, feine (Bemalttötigfeit aud) in oermeint=
lid) guten unb nufebringenben SQlagregeln l)atte 3tt)ar in
ben legten lKegierung0Jal)ren abgenommen, aber es mögen
trofebem nid)t fel)r freunblid)e Urteile über ben regierenben
5)errn getrefen fein, bie an bes Knaben Ol)r brangen.
^arls trübem unb 9^ad)folgern, 'iszn ^ersögen ßubmig
©ugen unb griebrid) ©ugen, lag aller tt)ranmfd)e 2)efpo=
tismus ferne, aber bie gemäd)lic^en unb lüenig tatträftigen
alten 5)erren liegen bafür q^x&) üöUig jene ^raft unb bipIo=
matitd)e ^Iug{)eit Dermiffen, mit ber ^arl ©ugen '^^'ö
6taat6(d)iff burc^ aller^anb poIitifd)e Stürme ^inburd)^
gelenft ^oXiz. ©abei fal) fid) aber bie n)ürttembergijd)e mie
jebe beutfd)e ^Regierung in jenen ^^agen in Jd)n)erere ^rifen
benn je oeriüicfelt.
!Die gran3öfifd)e D^eoolution geroann feit 2Infang ber
neun3iger 5al)re auf bie öffentlid)e aJleinung 6d)n)aben5
ben größten (Einfluß. 9)^an braud)t nur 33ernritter5
SBirttembergifc^e 33nefe in bie 5)änbe 3U nel)men, um fid)
'^Qi<b aus bem gan3 abmeid)enben Xon ber beiben ©amm«
lungen flar3umad)en. 1786, mie öbe unb ftagnierenb
fpiegelt fid) ^^Oi tiOi^ ßeben Söürttembergs miberl ©in
berber SJlaterialismus bel)errfd)t bie SOlaffen, l)ä6tid)e
@elb= unb lämtergier bie intelligenteren Greife. 1799
treffen mir bereits alle mobernen 6d)lagmorte oon i)ebung
ber 9Jlaffen, ®man3ipation bes britten ©taubes, !Reform
Don ©taatstunft unb er3iel)ungsmefen, 2(usrottung bes
55faffentums unb 2)efpotismus. SD^lit ber 2Beltbürgerlid)*
feit unb bem greil)eitsbrange, bie im (Befolge ber 9leD0*
lution fid) ausbreiteten, Dertrug fid) immer nod) red)t mol)l
eine fpe3ififd) fc^tt)öbifd)e 2lrt oon 9^ationalgefül)l: iönner»
l)alb ber neu geftalteten SBelt foUte bas 6d)mabenlanb
feine alte, Dielgerüt)mte freil)eitlid)e SSerfaffung erft red)t
3ur ©eltung bringen unb fid) burd) fie als ebenbürtig
3eigen.
Demnad) faf) man es mit JJligtrauen, \io^ i)er3og
ßubmig Sugen, im (Begenfafee 3u feinem 23orgänger ein
eingefleifd)ter !Ret)olutionsgegner, 2lnftalten traf, um bas
fianb mit SöBaffengemalt gegen gran!reid) 3u fd)üfeen.
9^ur menige, mie ber Oberamtmann ferner, oerftanben
ben 2tufruf 3ur 58ilbung eines 23ol(sl)eert5 rid)tig, bie
meiften \oS)zxk barin einen ^unftgriff bes Sefpotismus, bcr
neue 6tüfeen für feinen manfenben %\)x^xk fud)te. Xübin»
gen wirb bamals qIö 6ife befonbers IebJ)after Oppofition
gegen bie I)er3oglid)en ^läne genannt, trofebem ber ^fiilo«
fopl) 2IbeI, (5d)iller5 alter fiet)rer, eine antifranaöfifc^e
notionale ^Bemegung ins 2eben 5U rufen t)erfud)te.
1795 nal)ten fid) bie 6turm3eid)en auc^ ber ftillen
6tabt. 6d)U)ärme fransöfifc^er (Emigranten famen in bie
©egenb unb erregten burd) 3ud)tlote6 35enel)men ^ärgernis.
1796 brad) ber ^rieg aus. (Beneral !Dud)eöne brüdte oon
Sübmeften auf bie üom 9^I)eine 3urü(fn)eid)enben Öfter*
reid)cr unb bebro^te Tübingen. D^ingsum oerbreitete fic^
ber 6d)rec!en cor bem 9ler)oIution5l)eere. Die ßanb«
beDÖÜerung flüd)tete {)inter bie 9Jlauern ber ^io^^^i, in
Tübingen felbft \^^6)it mand)er begüterte ans (Entn)eid)en.
©5 lief aber alles not^ günftiger (xh, als man befürd)ten
mugte, \iQi ein in3n)ifd)en gefd)lotfener Jßertrag bie gran*
3ofen unter 23anbamme menigftens nid)t als geinbe in bie
^iOi^i brad)te. 2Jlan ftaunte in 2^übingen über bie
Dif3iplin biefer Slrmee, bie aud) an n)irtfd)aftlid)en 2ln=
fprüd)en t)inter ber gen)ol)nten öfterreid)ifd)en ®inquartie=
rung 3urüdftanb. Die 2lusrüftung bes fiegreid)en ^eeres
foE aEerbings mangell)aft genug gemefen fein, t)or aUem
bas 6d)ul)n)erf. (Ein 2lugen3euge berid)tet üon bem feit«
famen 2luf3ug eines ©enerals, ber in feiner golbglän3en*
ben Uniform barfuß einl)erfam. (Solchem SQlangel ab3u»
l)elfen bienten bie fd)meren Kontributionen, bie ber ^iQi\ii
unb ber Unioerfität auferlegt mürben. '^\xm (Blüd blieben
bie ungebetenen ©äfte nic^t lange. (Es bilbete eine bcr
fd)önften Sugenberinnerungen nod) bes greifen Ul)lanb:
mie bie Öfterreid)er in il)ren meinen S^lörfen 3uerft mieber
auf ber ^ec^inger ©trage auftaud)ten unb jubelnb nad)
ÜEübingen l)ineingeleitet mürben. 5n ben näd)ften Oal)ren
aber l)örte bie fiaft biefer Durd)3ügc unb 2lbgaben noc^
R^i?Rgi?rs^i?Rgi?K2n;?R^i?K^i?R2i?
21
md)t auf, unb 2^übingen. gltd) mel)r tüte einmal einem
5)eerlager. D^amentlid) im Saf)re 1800, t)or bem ßüne«
t)iller ^rieben, I)auften bie gran3ofen nad) SSertreibung
ber C)fterreicl)er mie im eroberten ßanbe. 2)ie glönsenbe
Slugenfeite biefes mintärifd)en (5d)aufpiel5 mag in ^noben=
äugen bie 9Jli6Iid)feiten ber gremb{)errfd)aft unb bie
häufige @efäl)rbung bes (Eigentums au5geglid)en I)aben.
2rn ben gelbaügen oon 1799 unb 1800 l)atie 5ßürttem='
berg ols ^Bunbesgenoffe Öfterreid)5 teilgenommen. Die
SJligerfoIge maren 3um 2:eil auf I)albe ^Jlaferegeln 3urü(f=
3ufüf)ren. 9m i^aljre 1797 l)aite bie energifd)e ^erfönlic^=
feit i)er3og griebrid)5 I. has Steuerruber bes (Staaten er=
griffen, gür feinen an Snebrid) bem ©rogen gefd)ulten
aufgeflärten Defpotismus mar ^a^ ßanb 3u Hein unb bie
23erfaffung 3u eng. ©s fam. 3U ^Reibereien mit hm ßonb«
ftönben, bie 3mar enblitf) mieber eingerufen mürben, in
ousroärtigen 2lngelegenl)eiten aber nid)t 5)anb in 5)anb
mit bem ^er3og 3u gef)en oermodjten unb ba{)er il)re
eigene ^olitif trieben. 6ie oerraeigerten aus gan3 e()ren=
merten, aber fur3fid)tigen ©rünben bie erforberIid)e
5)eere0DermeI)rung unb glaubten an bie S(Jlöglid)feit einer
aUfeits gead)teten D^eutralitöt. 2)er ^eim 3U bem lang
anbauernben ^onflifte 3mifd)en Surft unb ßanbtag mürbe
bamals gelegt. SBieberum galt Tübingen als 5)erb ber
regierungsfeinb(id)en Stimmung, bie namentlich burd) bie
58ürgermeifter i)auff unb ^öUe genä{)rt mürbe. UI)lanb
mirb in jungen 3al)ren bereits bie ©runbfäfee ber liberalen
Dppofition in fid) gefogen I)aben. übrigens mürbe i^m
1798 (Belegenl)eit, ben neuen 5)errfd)er felbft 3u fel)en. ^m
Tlai biefes !5al)re5 befud)te 5)er3og griebrid) bie Unioer«
fitätsftabt unb I)ielt 3meimal offene 2:afel ab. ©ine 2tnef=
böte mill miffen, ha^ ber ^nabe bamals als ritterlid)er
Sefd)üöer feiner fd)auluftigen fleinen 6d)mefter ^ia^ in
ber 3Jlenge r)erfd)afft l)ab^.
Die :3a{)re ()inburd), in benen fid) all bies abfpielte,
mar ßubtüig U{)lanb fioteinfd)üIer. Die anatolifcf)e Schule
lag rrenige 6(J)rttte oom elterlicf)en ^aus entfernt auf bem
6(f)ulberge, man ftieg n)ie I)eute bie fcf)mate ©äffe am
^onoift empor. Da oben I)at UI)Ianb oom fed)ften bis
oier3eI)nten Sal)re feine Untermeifung empfangen.
Das I)eimif(i)e 6d)nln)efen gerei(f)te bem '(5(f)n)aben 3u
ni(f)t geringerem 6tol3 al5 bie alte 23erfaffung. ßeiber
allmäl)lid) ebenfo ungerecf)tfertigtern)eife. ©ine ftarfe 93er=
fnöd)erung, ein fauler ^onferootioismus mar auc^ I)ier
eingetreten, ©s fel)lte oor allem an tüd)tigen ga(f)Ie!)rern.
Der eigentlid)e Unterrid)t lag au5fd)Iiepc^ in ben ^änben
oon 3:{)eo(ogen, ber ma^re S^^etf ber ßateinfc^uten mar,
bie fünftigen @eiftlid)en aufs ßanbejamen norsubereiten.
greili(f) fagen auf ben 3Sänten biefer überall fc^ematifd)
betriebenen ,,2^rir)ialfd)ulen" auc^ fünftige 2tngel)örige an=
berer Berufe, felbft ^anbmerfer= unb Äaufmann5föl)ne,
bie nid)t f)öl)er l)inau5trad)teten als il)re ©Itern. 2lber ber
Unterrid)t mar burd)au5 auf bie Xl)eologen 3ugefd)nitten
\m\i beftanb in einem oben Drill, in ber Slnpufung ftreng
Dorgefd)riebenen @ebäd)tni5fram5. Der 5^ame ß a t e i n =
fd)ule beftanb 3u 5Red)t. Denn ber 6d)merpunft bes
Unterrid)t5 lag in biefer 6prad)e, lateinifd) lefen, fd)reiben,
fpred)en unb fogar tivdOiS bid)ten fönnen mar '^o^^ 5)aupt*
3tel. ©in menig @ried)if(J) unb S)ebräifd) mod)ten neben=
f)er gel)en, alle anberen Dif3iplinen aber lagen oöUig
banieber.
:3n biefer ^infid)t trat 1793, alfo im erften 6cl)uljal)r
UI)lanb5, eine ^efferung ein. Durd) eine neue fiel)r*
orbnung mürben bie D^eatien mel)r in ben SSorbergrunb
gerüdt, für 5lritl)metif, @efd)id)te, @eograpl)ie, (Beometric
eigene ßel)rftunben eingefüf)rt; tixxsOi übrigbleibenbe
SSiertelftunben foUten ber 5^aturlel)re gemibmet fein. ßei=
ber bilbeten biefe neumobifd)en Dif3iplinen bie ^aupt«
v^nv£inc^üc^ac^nx!^av^nv^n
23
fd)tt)äd)c bes SJlanncs, ber als ßel)rer auf U{)Ianb com
größten einfluffc fein follte.
2)er SDlagtfter grtebrid) ßubiüig ^ a u f f m a n n tüar
feit 1798 $nod)foIger bes alten ^utten; eine fräftige $cr=
fönlid)!eit unb ein geborenes ßel)rtalent, bem allgemeine
ga6Iid)!eit bes Unterrid)ts ebenfon)oI)l ©ebot mar mie
möglic^fte 23ertiefung bes I)erfömmlid)en flad)en 6prad)=
betriebs. (Er führte feine begabteren 6c()üler bis 3u
Salluft unb i)ora3, für bie bamalige 2:rit)ialfd)ule ein be=
träd)tlid)es $enfum. ©ine au6erorbentlid)e SIrbeitsIaft
rul)te auf bem erft fed)5unb5man3igiät)rigen !Rettor, ber
nur nod) brei ^rÖ3eptoren neben fid) ^^oXit unb üon ben
Dier 6d)uI!Iaffen 3mei 3U ftänbigem Unterrid)t übernel)men
mugte. Dabei gab es im grül)jal)r unb 5)erbfte nur 3mei
fd)male gerienmod)en. ©in SQBoc^entag, ber Donnerstag,
mar freilief) nad) alter Sitte fd)ulfrei. 2lm 2^age t)orl)er
pflegte ^auffmann mit einem bicfleibigen 2Iufgabenbud)e
3U erfd)einen unb bas ^ebbomabarium, bie 2öod)enauf gäbe,
3U bütieren. Über ben Sonntag gab es eine fd)riftlid)e
Slusarbeitung, bie älteren 6cl)üler l)atten baneben bie
$rebigt nad)3ufcl)reiben. Dod) be3eugen alle Sd)üler
Äauffmanns, ^^0.^!^ er fie mit i)ausarbeiten nic^t über=
bürbet l)abe.
Der IKeftor mar überl)aupt ein oernünftiger '^a\iQi-'
goge, ber bie jungen 9Jlenfd)en möglid)ft menig trocfenen
Sd)ulftaub fd)lucfen laffen moUte. 2Bie er mäl)renb bes
Unterrid)ts trofe guter '^\x6)i gelegentlid) einmal bie Sügcl
etmas loder laffen fonnte, fo forgte er aud) au6erl)alb ber
regelmäßigen Stunben geiftig unb förperlid) für feine
Schüler; burd) bie gemeinfamen „rl)etorifd)en'' unb bie
ßeibesübungen. 3ene mürben Samstags nad)mittags
Don ein bis 3mei U^r abgel)alten, fie l)atten Sd)ulung im
freien SSortrag unb im eigenen Did)ten, am liebften auf
ßateinifd), 3um '^xxit^z, "bo!^ bie IRefultate biefes mof)(=
gemeinten 2)efIamatonum6 im allgemeinen fümmerlic^
genug moren, glauben mir ben Q^uQen gern. SSon ßub»
mig Ul)Ianb aber mirb berid)tet, ha^ il)m in rü^mli(^er
Slusna^me bie Iateinifd)en SSerfe mie 2Baffer guftrömten.
Über einen 6onntag fertigte er mit Ieid)ter Tlül)e ein
Qunbert.
SBic^tiger mürben, oielteic^t fogar für ii)n, bie !örper=
Iicf)en Übungen, bie ^auffmann für ein mefentlid)e5 eie=
ment ber 9ugenber3ieJ)ung an\al), als bie SD'lobe ber S^it
nod) längft nid)t auf fie oerfallen mar. TOt 23orIiebe
fül)rte er feine 6d)üler auf meiten ©pasiergängen burd)
bie Umgebung Tübingens, auf bie 2IIb ober in ben nörb=
lid) gelegenen großen 2Ba(b. 93on einer 2Banberung auf
ben 6teinenberg (nad) anberen ben S^o^berg), jenen präd)=
tigen STusfiditöpunft, ber bie 2öeiten bes S^ecfartols unb
bie ^ö^m ber 2tlb com ^oI)enftaufen bis 3um ^oI)en3oIIern
umfaßt, ift eine fleine 2tnefbote aufbemal)rt: ha5 präd)tige
©d)aufpiet bes Sonnenaufgangs, bas bie frül) auffiel) enbe
fleine 6d)ar bort genofe, mirfte auf ben jungen ßubmig
UI)Ianb fo übermöltigenb, ha^ er mit ausgebreiteten
STrmen lange gen ^immel blitfte unb enblic^ ben Slusruf
tat: „6onne, bu fommft — I" Sie Hoffnung oon ßet)rer
unb 9}litfd)ülern auf einen poetitd)en 5)itl)9rambu5 l)at ber
fünftige 2)id)ter ber 2(tb bamals freilid) nod) enttäufd)t.
2)od) and) eine anbere 2trt turnerifd)er (5d)ulung
trautet ^auffmann feinen Knaben 3u erteilen. Sn jenen
friegerifc^en S^itlöuften lag es na^e, i()nen einen mi(i=
tärifd)en SInftrid) 3U geben. Unter ßeitung eines aus=
gebienten Unteroffi3iers mürbe auf ber 2Böf)rb, ber bamals
noc^ unbepflan3ten Snfel 3mifd)en ben beiben 5^edar=
armen, eifrig efer3iert, nad) Seenbigung ber Übungen
30g bie jugenblid)e Kompagnie gefd)Ioffen unter £auff=
manns güf)rung huxd) bas S^ledartor in bie <Bta\)t 3urü(f.
5D'land)maI mürben auf bem ©pi^berg 6d)an3en auf?
gemorfen unb rtd)tige ^rtegsfptele aufgcfül)rt. SubtDtg
UI)Ianb, bartn alfo aud) einmal ber z&^it ©nfel bes Xür(en=
tämpfers, (oll l)terbet befoixbers macfer feinen 5Ulann ge-
ftanben {)aben.
9Jlit r)ier3ef)n ;3Ql)ren mar Uf)(anb fo toeit oorgerücft,
\iOi^ il)m ^auffmanns ße{)rerrr)ei5l)eit nid)t6 ferneres 3U
bieten t)ermod)te. 2)ie I{)eoIogen pflegten in biefem 2(Iter
in bie Mofterf(f)uIe ein3utreten. 5Ber fid) einem anberen
gelef)rten Berufe jumanbte, bem blieb nichts übrig, als be=
reit5 bie Unioerfität 3U be3ie{)en. 23ier3el)niäl)rige ©tu=
benten maren feine 6eltenl)eit. 60 mürbe Ul)lanb un=
mittelbar nad) ber Konfirmation, bie ber ©rogoater im
5)erbft 1801 ooUsog, afabemifc^er 3Sürger.
9n bie gerien3eit 3mifd)en 2:rit)ialfcl)ule unb ^od)=
fcf)ule fällt eine fleine 9'leife, bie ber junge Mulus biesmal
allein unb größtenteils 3U gufe unternahm. SSermanbten«
befuc^e maren il)r 5)aupt3me(f, unb mir befifeen nod) ben
föftlid)en 35rief ber 9Jlutter, in bem fie bem Sol)ne l)unber=
terlei Klugl)eit5regeln für feine erfte 2öeltfal)rt erteilt.
Ul)lanb befucl)te i^ofers in i)eilbronn, ^arppred)t5 in 6tutt=
gart unb uor allem ben Ontel ©ruft in 35ractenl)eim, ben
gmeitälteften 35ruber bes 23ater5, ber in bem alter tümli(f)en
Stäbtd)en bes S^bergaüs als Defan mirfte. 9Jlit bem
jungen 23etter, gleic!)fall5 einem ©ruft Ul)lanb, einem fröl)='
li(f)en gleid)altrigen GJefellen, mag er bamals bie greunb*
fd)aft getd)loffen l)aben, bie er bem allbeliebten „'^\%tViXKtx"
mäl)renb ber Xübinger 6'tubentenjal)re unb bem fpöteren
maderen 2lr3te \iQi^ gan3e ßeben l)inburc^ bemäl)rt f)at.
eine mid)tige ßebensfrage follte in 5ßra(fenl)eim plöö=
lic^ 3ur (Entfd)eibung fommen: Überrafd)enb trafen bie
eitern bort ein, unb mit einem 2)Zale fal) fic^ ber 23ier3el)n=
jäljrige oor bie entfcf)eibung megen feines fünftigen SBe=
rufes geftellt. 35isl)er mar ber 2Bunfc^ ber (Eltern ber feine
gemefen: bas 55eifpiel bes allgeac^teten ^ausgenoffen, bes
26
Onfels !Doftor, ]d)\en \)aQ 6tubium ber SJlcbtsm bcfonbers
nQf)C3uIcgen. 9^un l)atte fid) ergeben, ^a^ ber fünfttge
Stubent 2tnrüQrtfd)aft auf ein^s ber Unberfitötsfttpenbien
er{)eben fonnte, has \\)m fpäter einmal eine ©tubienreife
ermöglidjte, aber nur einem i^uriften t)orbel)aIten mar.
(Brunb genug für ben 23ater, ha^ U)m oI)neI)in üertrautefte
©tubium ber 9'led)t5miffenfd)aft 3U empfel)len, unb für ben
noc^ gan3 urteilslofen 6oI)n, bem t)äterlid)en 2öinfe 3U ge=
I)ord)en. 60 mürbe er SInfang Ottober als Surift an ber
I)eimifd)en llniüerfitöt inffribiert.
:3nbe5 l)atte es gtü(flid)ermeifc mit bem beginne ber
eigentlicf) fad)Iid)en STusbilbung nod) gute Sßege. 6tu=
beuten biefes jugenblid)en Filters, benen nod) nid)t einmal
ber ®ib abgenommen merben fonnte, mußten 3unäcf)ft in
me{)riä{)rigem 33efu(f)e ber 5trtiftenfafultät il)re (Br)mnafial=
bitbung DerooIIftänbigen. $riDatunterrid)t fud)te bie etwa
i)orI)anbene ^luft 3mifd)en 2RitteI= unb 5)od)fd)uIbiIbung
augerbem 3U überbrühen. Dlepetent (Beubert übernal)m
biefen bei UI)Ianb. Snbes mutet uns aud) ßeI)rftoff unb
fiel)rbetrieb auf ber Uniöerfität nod) reid)Iid) fd)ulmä6ig an.
(B5 bebeutete alfo für UI)Ianb feine gar 3U grofee äußere
unb innere Ummäl3ung, l)a^ er 6tubent mürbe. 6ein 2Beg
fül)rte il)n nidjt me{)r linfs auf ben 6d)ulberg, fonbern
xe6:)t5 3ur 6tifts!ir(^e ()inauf, {)inter ber ber mäd)tige
t)ielftödige ^au ber alten 2tula fid) {)eute mie bamals an
\)en fteilen Sergrüden anlel)nt.
Tübingen mar im ausgefprod)enften SJlage fianbes»
uniuerfitöt; U)v S^ed mieberum üor allem 2tusbilbung
fünftiger @eiftlid)er, me5l)oIb bie 6tiftler, bie flöftertid)
eingefleibeten unb angefiebelten XI)eoIogieftubenten, bei
meitem übermogen. I^uriften 3äI)Ite bie Uniöerfität in ben
Sal)ren 1800—1805 burd)f(^nittlid) 69 im ©emefter, bie
Qal)i ber als ${)itofopl)en eingefd)ricbenen betrug im i)erbft
1801 nur 10.
23on einem freien ftubentifd)en ßeben f)atten fid) im
oerfloffenen i^aljrljunbert erft bie 2tnfänge ge3eigt. Sie
D^eoolutionsibeen aber fonnten felbft auf bie 6tiftler md)t
oI)ne (Einfluß bleiben, unb fo rüttelte man an ben oon allen
Seiten einengenben 6d)ran(en. (Eigentlid) mar ftrenges
(Bebot, \ioS^ bie 6tubenten minters um 10 Ut)r, fommers
um 11 Ut)r 3U ^aufe fein foUten. 2lber in jenen unrul)igen
Reiten gab es Ijäufig nä(^tlid)en ßärm unb fam es 3u er=
bitterten gef)ben 3mifd)en 6tubenten unb 35ürger5föl)nen,
me{)r norf) 3mifcf)en 6tiftlern unb „6tabtburfd)en". Der
${)iIofop^ i)egel foE einer ber erbittertften Kämpen ge=
mefen fein. U()Ianb bürftc fid), namentlid) in ben 2Infang5=
femeftern, ftill beifeite gef)alten I)aben. 2Iud) bie allmäl)lid)
reid)er ausgebilbete ftubentifd)c ©efelligfeit mar 3unäd)ft
für il)n ungeeignet. (El)er mirb er fid) intereffiert {)aben für
gemiffe fünftlerifd)e 23eftrebungen ber Kommilitonen; eine
3u 9Beit)nad)ten 1801 vorbereitete 2IuffüI)rung oon Kobale
unb ßiebe mufete 3mar auf l)öl)eren Sefel)! unterbleiben,
ober SBallenfteins fiager tonnte balb barauf in 63enc
gcl)cn.
Die 5Eübinger 2trtiftenfa!ultät befanb fid) bamals in
jeber i)infid)t im Hintertreffen. S{)re ^rofefforen nal)m
man nid)t gan3 für ooll, aud) an ber ol)nel)in bürftigen
unb fd)Ied)t aufgeftellten Unioerfität6bibIiotI)et fanben \\)xt
Dif3iplinen, 3. 5S. neben ber juriftifd)en, oiet 3U menig ^e*
ad)tung. 9^ad) ber !Hid)tung oon UI)lanb5 :3ntereffen
mußten ber trefflid)e 2Iftronom unb 9Jlat{)ematifer Sot)nen=
berger unb ber meitberüf)mte Orientalift 6d)nurrer oI)ne
(Einfluß auf il)n bleiben. Die reine ^I)iIofopt)ie lag mal)«
renb jener 3SIüte3eit in 2;übingen gan3 banieber, eine (Be=
Iegenl)eit, 6d)elling 3U geminnen, \^QXit man ficf) entgel)en
laffen. 35ei ber geringen S5ebeutung oon ßef)rfräften mie
gied, SSöd, 6d)ott unb 2IbeI \^Qii es UI)Ianb an grünblid)er
pI)iIofopf)if(^er Slusbilbung feF)len muffen; '^q^'ö h^'^^v^^i
für Seit feines ßebens einen TlaxxQel, bcn er freilid) felbft
am menigften 9efül)It 3U t)aben fd)eint.
3m %ad) ber (Sefc^id)te mar ©rogoater U{)Ianb fd)on
feit einer !Reit)e Don 3al)ren erfefet burd) G:i)riftian griebric^
5R Osler, einen mifeigen ^opf unb lebenbigen fie{)rer,
ber nur bie 5^a(^teite übertrieben aufflärerifd)er ®ef(^id)ts=
betrac^tung allsu ftarf I)err)ortreten liefe. GBr rertor fid)
gang ins 2tne!botifd)e, \al) feine Hauptaufgabe barin, bie
fleinen menfd)Iid)en 6d)mäd)en bebeutenber SiJlänner
fatirifd) 3U beleud)ten, mä{)renb bie großen, gumat !ultur=
i)iftorifd)en ©ntmidlungslinien DÖtlig rerloren gingen, „ßr
\)a(i)te fid) ma{)rfd) einlief) bem jugenblid)en ©eift an3u=
paffen'', berid)tet einer feiner Su^örer, „inbem er bie
größten 93Zänner bes Slltertums in ben mid)tigften 23er=
I)anblungen rebenb einfü{)rte; aber es gefd)a^ mit ber
roI)eften breite bes fd)mäbifd)en ^tfgents in einer mal)ren
Hansmurftfprad)e unb mit eigentlichen Sajais". 2Biffen=
fd)aftlid) nid)t untüd)tig, f)atte er namentlid) bie f)eimifd)e
ßanbe5gefd)i^te burd) !ritifd)en ©eift geförbert. ©einen
6d)ülern bot er am meiften nid)t t)om £atl)eber I)erab,
fonbern burd) freunblid) erteilte priüate 2tnregungen. 2Bir
miffen, t)a^ and) U{)Ianb in biefer i)infid)t 3U ben von
Klöster 23et)or3ugten gel)ört l)at.
!Denno(^ mirb and) er gleid) jenem ehm angegogenen
©etDäf)rsmann sugeftanben f)aben, ha^ üon all feinen afa=
bemifc^en ße^rern nur einer für il)n t)on mir!lid)er 23e=
beutung gemorben ift: 2)ar)ib (ri)riftopl) 6 e r) b 0 l b , ber
2lltpl)ilologe. Gr mar ein mobern gerid)teter @elel)rter
unb ^äbagoge unb l)at felbft mit gutem SSlide für bie
oerrotteten 3"ftünbe hen t9pifd)en ßel)rgang bes fd)mä=
bifd)en Xl)eologen in einem ^albroman ^artmann (1778)
gefd)ilbert. gür biefen ©tubenten ^artmann ift es ein
großer 9Jioment, als er bie antuen 6d)riftfteller nid)t nur
als ^rammatifd)e ©jempelfammlung, fonbern and) i^rem
6toff unb tl)rer £unftform nad) fd)ä6en lernt. (Ein gleicf)e$
erlebniö moUte ©e^bolb aud) feinen 6d)ülern 3uteil töerben
laffen, bie er oor allem burrf) feine 5)omerer!Iärung feffelte.
!Dod) lag es in ber oöllig formlofen 2trt bes l)erfömmlid)en
Xübinger ^atl)ebert)ortrageö, \io!^ auc^ feine 23orträge mit
ber Seit bie ©eftalt langmeiliger 6d)uluntermeifungen an*
nal)men, unb er mie S^lösler burd) amanglofe l)äu5lic^e
Untermeifung mel)r 6egen 3u ftiften mußte, ©eine mot)I=
ausgerüftete ^ibIiotI)ef, in ber Qi\x6) bie beutfd)e ßiteratur
nic^t 3u neumobifd)en 6d)lage5 oertreten mar, ift mie für
Diele feiner 6d)üler fo für Ul)lanb 3ur reid)en Sunbgrube
gemorben. ©er 6cf)üler 6ei)boIb5 bilbete fid) 3um grünb=
Iid)en tenner bes tlaffifd)en Slltertums. darüber I)inau5
mürben il)m l)ier 6toffgebiete erfd)loffen, bie ber artiftifd)en
2l(Igemein= unb iuriftifd)en 6pe3ialbilbung meniger 3ugutc
tarnen, als '^o.S^ fie bie 2lnfd)auung6= unb gormenmelt
bes fünftigen Did)ter5 bereid)ern foUten.
5ßir entbel)ren ber Qeugniffe über Ul)Ianb5 öeben unb
^Treiben mä^renb ber erften a!abemifd)en Sal)re. S^Jei
greunbe ftanbcn il)m 3ur 6eite: griebrid) 5)arppred)t,
ber 6oI)n jener Stuttgarter gamilie, eine feurige S^latur
unb ein gemanbter, menngleid) unfelbftänbiger !Did)ter,
unb i)ermann @ m e I i n , ber hto^G^iz, aber fo traurigem
(Enbe aufgefparte fpötere triminalift. 9m fd)ön gelegenen
t)äter(id)en (Barten biefes vertrauten 6tubiengenoffen fan=
'^zxK fid) bie beiben jungen ßeute 3U gemeinfamer fieftüre
be5 5)omer. 5Rüdfc^auenb \)qX UI)Ianb t)olI I)er3lid)er (Er-
innerungsfreube biefes fd)öne, feime= unb a{)nung5reid)e
Sufammenleben gefd)ilbert: ,,!Du marft etmas früf)er als
id) in bie 2ßelt getreten (ic^ möd)te fagen bie große 2BeIt,
benn uns mar fie es) unb teilteft bann mit mir, ber id)
nod) in ftiller ©inge3ogen{)eit lebte, mas bu 2IngeneI)mes
ober Unangenel)mes erfahren, unb ermedteft fo in mir ein
munberbares 35ilb bes Gebens, bas bir felbft aud) munber*
bar erfd)ienen mar. 2tuf unfern I)äuftgen ©pasicrgängcn
nad) 2ßalb()aufen, mo tt)tr unter ben blül)enben SSäumen
fifeenb bte ©onne unterge()en fal)en unb bann im 6d)tmmer
bes 3Jlonbe5 unb ber Sterne nad) 5)aufe u)anbelten, er:=
öffneten mir uns unfere @efül)le unb 5)offnungen, unb u)ie
\^Qi?> meite Xal in ber bömmernben 9JlonbbeIeu(f)tung unter
uns lag, fo lag aud) bie 2öelt t)or uns in magifdiem Dufte,
I)arrenb bes er^ellenben 2:age0lid)t5. 2öa()rlid) eine l)err=
Iid)e Seit, mo ber 9Jlenfd) nod) eine fo meite fd)öne 3u!unft
oor fid) \)qX. ©5 tann noc^ SlUes mit i()m merben, er I)at
nod) fein ebles Sßirten, feinen fd)önen f)ol)en ©enu^
öerfäumt."
2lu5 bem Ieb()aften fampfluftigen Knaben ift ein
3urücfge5ogener, fe{)nfüd)tig in bie gerne fc^meifenber unb
in bömmernben ©rmartungen fd)n)elgenber Jüngling ge»
morben. 2)eutlid) fprid)t fid) f)ier in ber al)nung5r)oII träu=
merifd)en 2Setrad)tung ber ftillen 2JlonbIanbfd)aft, in feinen
I)od)gefd)meIIten Hoffnungen fd)on aus, mas für eine fd^öne
3u!unft, mas für ein I)errlid)er fünftiger 2Seruf es ift, ben
er Dor fid) fiel)t: ber 5)id)ter ift in il)m \x^Qi&) gemorben.
2. Kapitel
3ugenbbid)tung unb 3ugenbfreunbe
2)a5 tll)lanbfd)e 5)au5 mar ein ©ife ru{)ig fonferoattocr
33ürgernd)feit. !Den allgemeinen fieben5geu)ol)nl)eiten ent»
fprarf)en fid)erlid) ®e\d)mad unb ^unftanfd)auung. 2)ie
gefamten geiftig intereffierten breite (Bd)wab^m fd)tt)uren
bamals nod) auf bie ©ötter bes 18. 5al)rl)unbert5, unb fo
mufete aud) bie gamilie Urlaub oom ©rofeDater bis 3um
föntel il)rem Iiterarifci)en ©mpfinben nad) burd)au6 in ber
guten alten Qeii n)ur3eln.
Drei poetifd)e 9Jloben finben im bamaligen SBürttem»
berg il)re Pflege, bie fid) in ber fiiteraturgefd)id)te acitlic^
abgelöft l)aben, oft nac^ Iebl)aften gel)ben, bie fid^ l)ier
aber gut miteinanber oertrugen: Sie auf!Iärerifd)e, bie
geniemäfeige unb bie fla{fi3iftifd)e lHid)tung treffen mir in
rufjigem SSerein. Sie Qeit mar oorbei, in ber man in ben
fd)mäbifd)en fianben ein öbes geiftoerlaffenes Sibirien
i)atte fel)en muffen. Ses jungen Schiller ftammesbemugtes
2Bort: „2(ud) manchen Wann, aud) mand)en 5)elb gebar
^a5 6d)mabenlanb" galt jefet aud) auf poetifc^em ©ebiete.
Srei il)rer größten erfd)einungen oerbanft bie fiiteratur*
gefd)id)te bes au5gel)enben 18. 9a^rl)unbert5 ben
6d)maben: 2Bielanb, 6d)iller unb ^ölberlin. 2tber biefe
brei maren in ber 5)eimat feinesmegs unbebingt tonan*
gebenb, tonnten es fd)on be5l)alb nid)t fein, meil fie il)r
räumlid) 3u fern maren. 2)er ßanb5mannfd)aft eines 2Bie=
lanb motzte man fic^ subem in mond)er guten alt«
32
fd)ii)äbifd)en gamilie, unb fo mol)i aud) in ber UI)Ianbf^en/
mcf)t gerne rül)men. Sdjilters bur^ großartige inbiöibuettc
6elbfter3iel)ung ermöglid)ten 2tufftieg 3ur ^öt)e mitsu»
mad)en tonnte nur memgen gegeben jetn. 2tm näc^ften ift
il)m einige Sal)re lang 5)ölberlin gefommen, bejfen fünft«
Ieri|d)e 2:enben3en ber 5)eimat burd) äu6erlid[)e ^ad)--
obmung am oertrauteften mürben, ©r ift ber Qauptoer*
treter bes fd)n)äbifc^en ^laffiaismus, gu bem fiti), n)enn=
Qleid) lüeniger au5f(i)Iiepd), feine greunbe SJlagenau,
D^euffer, ©ons befannt l)aben. 6d)iller mirfte faft nur
burd) feine ungebärbigen ^ugenbgebic^te, alfo als Stürmer
unb 2)ränger, unb als foIcf)er faf) er fid) burd) eine ftärfere
It)rifd)e i^nbioibnalität in ben i)intergrunb gebrängt: burd)
6d)ubart, jenen üieltönigen unb genialifd)en fd)n)äbifd)en
Sänger, bei bem £lopftodfd)e (Erl)abenl)eit unb 2Sürgerfd)e
Derbheit einen feltfamen 2Sunb eingeben.
SSeftrebungen, bie I)eimifc^e ßr)rif 3u organifieren,
I)atten in ben 70er 3al)ren fd)on begonnen, ©in fd)mä*
btfc^er ajlufenalmanad) follte ben „au5(änbifd)en" Unter=
ne^mungen g(eid)en 3:itel5 bie ©pifce bieten. (Bx erfd)ien
im oorlefeten 3a^r3el)nt bes Sa{)r^unbert6 öfter I)interein=
anöer unb ^at aud) 6d)iIIer5 ^onfurren3 fiegreid) über*
bauert. !Der ^oet 6täublin, ber als i)erau5geber 3eid)nete,
fd)Iägt, mie mir miffen, in unferes 2)id)ter5 SSermanbt*
fc^aft. 2)a5 ©jemplar bes 6d)n)äbifd)en SJlufenalmana^s
auf 1783 im Sefife ber ?Preu6ifd)en 6taat5bibIiotI)ef in
5Serlin 3eigt ben t)anbfd)riftlid)en ©intrag: „(Befd)en! bes
Qerrn Dr. Urlaub.'' SSenn ber ^rofeffor, ber f)ier fid)er
gemeint ift, biefe Ir)rifd)e Sammlung als STngebinbe 3U
ermenben liebte, fo beftel)t ein boppelter ©runb 3u ber
SInnabme, bog ber ©nfel mit biefer poetifd)en ^oft auf»
gemadjfen ift.
^ier mie in ben anberen 3a{)rgängen fonnte er bie
buntefte bid)terif(^e ajlufterfarte 3ufammengefteHt finben.
33 R^i?R^Rgi;>CäSi?C^i?R£«R^«C^
SSIättern tüir in btefen faft üb erat erlief) en !Duobe3bänbd)en,
fo bleibt uns tüenigftens ber ©inbrucf ber OJlonotonie er-
fpart; ber ber Unoriginalität tüeniger. 2)a ir)ed)feln ftumpfe
Epigramme ^äftnerfd)er SJlanier t)on ^aug unb SBeiger
mit tlopftocfifierenben Oben, bie mit einer giut oon ^on=
bitionalfäfeen beginnen. 2)a !ommt bem !Did)ter X\)\ü beim
STnblicf bes 6tauffen bie Erinnerung an bie Seit ber alten
beutfd)en 9^eblid)feit, u)äF)renb ö^ona nad) bem SO^lufter ber
6d)ubartfc^en gürftengruft aus biefen Xrümmern bie
23ergänglid)feit ber Xgranncnmad)t fd)abenfrol) nad)tt)eift.
Xönbeinbe, has ^örperlid)e breift ausmalenbe (Erotit in
@Ieimfd)em (Befd)macf med)felt mit tlopftocfifierenbem 2ln=
fd)n)ärmen ber !ünftigen (Beliebten, unb 6täublin läßt
ein betrogenes 9Jläbd)en gleich ber Sd)iUer(d)en ^inber«
mörberin fd)U)ülftig monologifieren. ©in pl)ilofopl)ifd)er
2Iutor, ber nod) bis 3u 5)aller 3urü(fftrebt, fud)t in einer
gereimten Obe bie Srage ber gortefiftena nad) bem Xobe
5u ergrünben; ein fanfter $oet fingt freunblid) refigniert
einen Slfaaienbaum an, eine anonyme 2öinterpl)anfafie
t)erbol)rt fid) in grunblofe 9Jieland)olie. 9n frijc^ere ßuft
fül)rt ein bürgerifd) berbes Srefc^lieb unb eine munbart=
lid)e 2Bin3eribi)lle.
einige fpe3ififd) fd)n)äbifd)e 3üge brängen fid) bei aller
Unfelbftänbigfeit bod) I)err)or. Xrofe aller ©inmirtungen
bes ^Iaffi3i5mu5 l)errf^te bamals bei ben (5d)n)aben eine
unoertilgbare !Heimfreube, ein ©rbe ber Dorflopfto(fifd)en
3eit; antite DJletra, mie fie ber :ßanb5mann ^ölberlin be=
r)or3ugte, finb feiten. Die ftarfe biba!tifd)e Steigung ber
fd)U)äbifd)en 9leimfc^miebe finbet aud) in ber reinen ßr)rif
il)ren 9flieberfd)lag unb er3eugt eine 5)inneii^ung 3ur mora^
lifierenben ^ertonifitation5bid)tung: alle möglid)en alle=
gorifd)en 2öefen merben angefungen, bie 6d)önt)eit, bie
SSegeifterung, bie greunbfd)aft, bie ©enefung; ber 2Bolluft
mirb als ber größten geinbin patl)etifd) abgefagt. Stäublin
Sd)neiber, Ul)lQnb. 3
fül)rt als ber erfte (5d)rüabe in bas 5)eUigtum einer (Böttin,
\^Qi<0 nad) il)m fo leicht fein ßrirüer unbetreten lä^t: ber
6d)n)ermut. Die 23orIicbe für biefe fanft f(f)mad)tenbe
©timmung ift urfprünglid) t)on bem ©öttinger 5)ölt9 unb
feinen engUfd)en 23orbiIbern erborgt. 6ie entfpringt bei
ben 6d)tt)aben aber nicf)t nur reiner S^eflejion über menftf)*
lic^e ^infällig!eit unb ungefunbem ©räbertulte, fonbern
n)irb aud) burd) bie 25etrad)tung ber {)eimif^en fianbfd)aft
genäl)rt. Die S^luinenpoefie ift in 6d)n)aben 3U 5)aufe,
n)el)mütig fiel)t man bie Xrümmer ber 2Sor3eitI)errlid)!eit
auf einfamem ^ügel ragen; basu ein fanfter 2IbenbI)immcI,
ein leife burd)5 Sufd)n)ert riefetnbes 5ßäffertein, unb bie
Ianbfd)aftlicf)e 6taffage üieler fiieber ift fertig.
6oId) u)eid)tid) u)el)mütige 9^aturbetrad)tung mürbe
um bie SBenbe bes 0a{)rl)unbert5 nod) gans befonbers ge='
förbert burd) bie ^oefien SJlatt^ifons. (£r ift smar fein
6d)U)abe, \^oX \\6) aber nad)bilbenb unb nad)gebilbet gleid)
feinem 6d)mei3er greunbe ©alis biefer (Bruppe eingereiht.
5ßie \s^<^ milbe 2tbenblid)t, fo becorsugt er ben 9)lonbfc^ein,
ber faft in feinem feiner @ebid)te fe^It. 6ie alle burd)3iel)t
eine füpc^e 2Beic^I)eit, bie aber felbft 6d)iIIer5 ftrenge
^ritif ein3ulullen üerftanb. '^vx 9flad)I)iIfe ber (Stimmung
lägt 9JZattI)ifon gerne bie 5)armonifa erflingen, unb fein
bünner fünftlid)er ßiebftil mal)nt felbft an ben ^lang biefes
Qnftrumentes. — Snnerlid)er unb erlebter mirft bie
6d)n)ermut in ben @ebid)ten bes 6d)maben ßol)bauer.
2öie 9Jlattl)ifon befud)t er "^oa fd)lid)te öüttd)en bes ßanb=
bemol)ner5, gel)t gerne am traurig mimmernben aJlurmel=
hQi&) entlang, lögt fid) Dom J^annen^ain umraufd)en, fie^t
im 2lbenbbämmer bemofte SSurgtrümmer auftaudjen. 2tm
blaffen S^ooemberabenb laufest er im ©it^malbe ben bang
flüfternben 35lättern unb gibt fid) u)el)mütigen (£rinne=
rungen §in, auc^ an bie entfd)munbene ©eliebte.
Das traren alfo bie lr)rifd)en 2^öne, bie an bes n)er=
benbcn ^^treten UI)Ianb OI)r fd)Iugen. Die Slnfönge feines
2)i(f)ten5 fönnen nid)t6 anbers fein als 23erfuc^e, biefen
ßanböleuten nad)3uftammeln, unb aud) bie großen aus»
länbifc^en 2)id)ter lüirb er 5unäd)ft burc^ \\)Xt drille fel)en.
(Er lernte Ijier üor allem eines: bie figri! als eine gan3 fub-
jettioe ^unft 3U pflegen. 2)as (Bebid)t ift 3um Xräger ber
eigenen Stimmung, ber eigenen ^leflefion beftimmt. ^er=
fönlid)er S^latur ift ba^er faft alles, mas rt)ir aus Ul)Ianbs
erften 2)id)terja{)ren befifeen.
(Ein menig ^oefie fürs ^aus burfte in feiner fd)n)ä*
bifd)en gamilie fel)len, menn alfo ber 3o'ö(fjäl)rige ©nbc
1799 ber 9Jlutter ein paar 23erfe überreid)te, fo mirb barin
nod) niemanb bie @eu)äl)r für eine fünftige !Did)terIaufbal)n
erblicft ()aben. 2Inbers ftel)t es fd)on mit einem {)efa»
metrifd)en (Bebid)t aus bem näd)ften Sal)re: bie üb(id)e
23itte ber @d)üler um bie 5)erbftDafan3 mirb \iQi nid)t ol)ne
@efd)raubtl)eit, aber bod) in gan3 anmutigem i^bgllenftile
t)orgebrad)t, bei bem ber i)omerboImetfc^ 23o6 %^it ge=
ftanben t)at. Damit ift ber Did)tung '^oS)x\. gebrochen. Das
9al)r 1801 bringt über ein Dufeenb (Bebic^te, beren J^emata
U)ed)feln. (Ein paar ©runbftimmungen ftel)en feft.
Der $oet 3eigt fid) Don einer ed)t fnabenl)aften
Xugenbbegeifterung erfüllt, bie fic^ feinen brao pl)i(iftröfen,
fonbern einen {)eroifd)en SInftrid) 3u geben fud)t. (Er \)^i
bamals aus 'bem fiateinifd)en bes Silius Italiens eine
63ene überfefet, bie ben gelbi)errn Scipio 3n)ifd)en Xugenb
unb ßafter u)äl)lenb 3eigt. Das mirb 3u einer 2Irt ßeit=
motiö feiner ferneren Did)tung. 9Jlan 3U)eife(t nid)t, auf
n)eld)e Seite fid) ber junge Sittlic^feitsapoftel felbft fd)Iagen
mirb, ber fo Deräd)tlid) auf ,4d)nöbes 3Jlenfd)enIob'' unb
„äu6erlid)e (EI)re" I)erab3ufel)en oermag, bem 23eru)orfenen,
ber nad) ber ^rbe fd)nöbem ©ute trad)tet,- feine öoUe 23er=
ad)tung ausbrücft unb angefid)t5 ber „9Qlenfd)enfred)t)eit"
oon Sef)ODa S^^aotl) einen fur3en 2ruffd)ub bes u)ol)lDer*
bleuten ©erid)te5 erflel)t. Seine moralifierenbe ^oefie
ftnbet aber aud) bte fanften Xöne ^öltgs; bem fd)on t)on
©täublin be[ucf)ten matferen Iänbüd)en (Breis legt er \aU
bungsDoIIc IKeben in ben 9Jiunb. 2Inbere ©öttinger tüeifen
il)m ben Sßeg, menn er fid) über bie ©reuel bes 2Sürger=
friegs erregt unb, DieIIeid)t im 2lnfd)tu6 an S^^tereigniffe,
SSaterlanbsIiebe unb Opfermut I)od[)preift. SSeffer ^Ul)t es
bem ^onfirmanben gu (Befid)t, in ^Iopfto(!fd)eu ^ejameteru
bie 33egegnung Simeons mit bem Knaben ober in !ompIi=
5ierter ©tropljenform Qefu ^reusestob unb 2Iuferftel)ung
3U befingen.
gänbe man biefe ^^oefien oI)ne 2tutornamen, niemanb
mürbe auf UI)lanb5 93erfafferfd)aft raten, ©r ift eben
efle!tifer, unb bleibt es in pielem nod) ^al)xe I)inburd).
0ungfc^iIIerifd)e5 XugenbgepraI)Ie nötigt er fid) 1802 in
feinem Sß a {) r e n © u t ah, im Sal)re barauf fd)miebet er
einen il)m innerlid) offenbar fel)r fernliegenben D 1 1 {) g -
r a m b u s nad) bem 6d)itlerfd)en 50^ufter. Sd)ubartfd)c
2:öne unb Zl)emata 3eigen \\)xe nad)mir!enbe ^raft nod)
lange: 1805 variiert er beffen (Bebic^t an ben 2;ob, 1806 bas
ßieb bes ©efangenen.
6oId)e Unfelbftänbigfeit mürbe man if)m aber am
el)eften sugute I)alten. 6törenber mirft bie 2tnfänger=
I)aftigfeit feiner 2)i!tion, bie fid) 3mifd)en amei (Extremen
()in unb I)er bemegt, ber 2^rit)ialität unb bem Sombaft.
2)od) ift biefer faft nod) eine größere @efal)r für if)n ats
jene, meil fid) beutlid) fül)lbar mad)t, ha^ eine im ©runbe
nüd)terne Statur fid) biefe I)od)tönenben ^I)rafen abringen
mug, unb ha^ il)m gesiertes unb gefd)raubte5 ©eftammel
bie georbnete bid)terifdöe 6prad)e einftmeilen nod) erfefet.
Seine 23ilberfprad)e ift ebenfo unfertig mie feine 23ers=
ted)ni!, beren ?Heimfreubig!eit aud) uor bem ^ejameter
nid)t l)altmad)t unb in ed)t fd)mäbifd)er ©enügfamfeit mit
35inbungcn mie ©terblid) er auf er oorlieb nimmt. 2)ie
37
2Bortrüa{)I \)ai eine entfc^icbcne Hinneigung 5um ^raffen
(fd)nauben, muten, brüllen ufm.), man trifft td)U)üIftige
^ompofita (Xigermorbbegierbe, bte fd)n)ar3bef(ecfte 6eele),
I)öd)ft gemagte 23ergleid)e ((Bott pregt „al^ aus <Bd)wamm"
aus SBolfen (Büffe; ber 2lbler trintt au5 ber Sonne ufm.),
3a{)Ireid)e @öttingifd)e 5)a!, bie hm ©inbruct bes ^rampf=
l)aften auf bie ©pifee treiben.
2IlImäI)Iicf) aber mirb bie tt)al)nofe Unoriginalität ein=
gebämmt, 3unäd)ft inbem eine befttmmte ©attung t)on
3Jluftern bie anberen 3urücf3ubrängen beginnt, gj^^ilid) eine
fel)r gefunbe 9flid)tung ift es n\d)i, in bie Ul)lanb babei
gerät. 2Infang 1802 fel)en mir il)n 3uerft ben büfteren
2:annenf)ain betreten, unb es fann nic^t ausbleiben, ba^ er
fid) 3u längerem 2lufentl)alt in ©täublins i)eiligtum ber
6d)mermut flücf)tet. 2Bie ßol)bauer beginnt er bie ^päU
{)erbft3eit 3u beDor3ugen unb I)ängt traurigen 9^ooember=
gebauten nad). (Ein ^rogrammgebtcf)t oon 1803 Iel)rt uns
feine neue ©eliebte, eine 6täublinfd)e ^erfonififation,
fennen:
©iner greunbin meif)t' id) meine ßiebc . . .
9t)re fiofung: gül)Ie meid) unb meine!
greunb! 2)ie 3Bef)mut ift es, bie id) meine.
Diefe 2öel)mut bei fid) unb anberen ()err)or3urufen,
ba3u bient and) il)m üor allem bie 9^aturbetrad)tung. (Seine
2ieblings3eit mirb ber fpäte 2(benb ober bie l)ereinbred)enbe
^ad)t, bie er mit 5Jlattl)ifonfd)er ^Kegelmä^igfeit oon einem
blaffen trübfeligen 3)^onbftral)I erleud)tet fein lägt. 3^ag
er tatfäd)Iid) mit foId)en 2Iugen bie Xübinger giur eine
Seitlang betrad)tet l)aben, bie Staffage biefer 2anbfd)aft
ift offenbar ßiteratur. ©r fül)rt uns an hen ßol)bauerfd)en
mimmernben 9Jlurmelbad) unb in bas aJlattt)ifonfd)c
i)üttd)en.
2lu5 biefer Unertebtl)eit l)eben fid) im öerbft 1803 bie
38
© li g t b t e n burd) eine ftärfere perfönlt(i)e 3'lote heraus.
!Der tt)irfltd)fett6frembe Did)ter trtrb fid) feiner felbft be«
tüufet; nid)t mebr aus 23orbiIbern fcl)öpft er ba5 Se!ennt=
nis, bag er lieber in fid) bineinfteigt, in bie eigene 6eelc
fitf) t)erfen!t, als bag er in bie Statur blicft. 5Ulan mirb
alfo gar nid)t ermarten fönnen, ha^ bie Statur 6tim=
mungen in il)m medt, fonbern er mirb bie feinen bem
S^aturbitb aufamingen. Wel)x unb me^r nimmt er lia^
d\ed)t in 2tnfprud), Don fid) felber gu reben. 2In 8teIIe ber
frül)eren abftraften SInreben tritt bie I)äufige Sßenbung an
einen greunb, ^arppred)t, ben Saugen unb SO^itfüI)Ier
feiner Stimmungen, ^ier guerft begegnet aud) ein grauen*
name, fiina. Sas S5ä5d)en 2ßiH)eImine I)atte eine
greunbin, Caroline 6d)ott, bie öfter 3um ^efud) t)on 6tutt=
gart I)erüber!am. ^reilic^ 1803 mar fie nod) feljr jung,
unb aud) ßobbauers ßririf I)ulbigt einem 5D^äbd)en biefes
S^omens. 60 mag alfo ßina bod) nod) ben 35üd)ern unb
nid)t bem Geben entftammen. 2Bie bier fo ift aud) fonft in
biefer Sünglingspoefie \ia5 SSer^ältnis ron ©riebnis unb
2)id)tung fd)mer 3u beftimmen. SBir glauben bem jungen
IHeimfd)miebe gerne feine meland)oIifd)en Stimmungen,
feine Steigung, has ßeben uon ber fd)U)eren Seite 3U
ne{)men. 2lber n u r in biefem ßid)te mirb er es in 2Babr=
I)eit fd)merti(^ erblidt, am menigften es fo Döllig perneint,
bem 2:obe nad)gefeöt I)aben, mie bann unb mann fd)einen
möd)te. ©6 fel)Ite ibm fid)erlid) nid)t an l)eUm ©inbrüden,
nur an I)ellen garben unb Xönen.
(Ed)t empfunben ift feine ernft nad)benflid)e 55etrad)=
tung ber ßanbfd)aft jebenfalls bort, mo aud) er, mie fo
Diele 6d)maben, 3U ben alten SSurgtrümmern aufblidt:
„i)ord)enb bem Stöhnen bes SBinbes in monbbegoffenen
Stuinen, oft befcbmor id} mir ha (Beifter oerbömmerter
3eit — " fo fagten bie C^Ieglbten, unb anbermärts
})d^i es:
6tnnenb irrten tt)tr in oben ^^rümmern,
©ine 23efte ftanb ^ier, ftola unb frei.
9n ben 6träud)ern tönt* ber ßüfte SBimmern,
Unb ein 33äd)Iein fd)aucrte oorbei.
5)ier auc^ {)aben [ie gefpielt, gefungen;
Sfet ift ßieb unb 5)arfenton oerflungen.
STIfo Ul)Ianb trauerte bem nad), toas I)ier oerfunfen unb
i)erfd)üttet lag. Siefe Jrauer xqxx&^'ö fid) aus 3ur 6el)nfud)t
nad) bem ^oitber ber SSorgeit; aus ben ^Ruinen blül)te il)m
ber 2öunfd), bann bie 23tfton ifjrer 2BieberbeIebung empor.
!Da 3tDeigt nun ber 2Beg ob, ber juerft 3u bem ed)teren
U{)Ianb f)infül)rcn fcU. 2[:on I)ier aus entmidelt fi^ ber
überfubjeftioe fii)rifer 3um epifc^en Erneuerer ber beutfd)en
23ergangenl)eit.
2ßir I)aben bi6l)er ein nod) fef)r einfeitiges 53ilb ber
33elefenl)eit bes jungen ^oeten gemonnen. (5d)on ber
^nqbe las oiel unb gerne, naturgemäß finb es aber mef)r
bie Iiterarifd)en D^lieberungen, in benen er feine 2Beibe
fud)te. Unmittelbar aus bem tinblid)en 6piele mud)6
feine ßieblingsleftüre I)erDor: menn ber bepan3erte junge
[Ritter auf ben ©d)Io6baftionen fid) mübe gefpielt \)QMt,
bann begab er fid) an bie ßeftüre üon 9^itterbüd)ern, bie
er fo gierig üerfd)Iang, \io!^ bie ©Item oft um @efd)mact
unb D^eroen bes Knaben bangten.
(Boetl)es (Böfe \)qA. eine boppelte 5ReiI)e unerfreulid)er
9'lad)tommen ge3eitigt: bas [Ritterbrama unb ben Dritter»
roman. Staffelte jenes in ben 90er :3al)ren, unbefümmert
um allen @efd)madsmanbel, nod) immer über bie 35ül)ne,
fo bilbeten bie 9litterromane ber ©pieg, ©ramer, 23ulpius
in jener '^t\i bie ßieblingsleftüre breitefter !Bet)öIferungs=
fd)id)ten, nid)t blofe ber Sugenb. gür ben jungen UI)Ianb
fommt cor aUcm ein üielgemanbter 6d)riftfteIIer btefer
!Ri(f)tung in Betraft, bcffcn er nod) na4 ^o^ren nic^t un«
freunbltd) gebenft: ba5 ift 23 c 1 1 2Ö e b e r ober ßeon^arb
2B ö d) t e r , ber SSerfaffer ber fieben 25änbe 6agcn ber
23or3eit. 2)ie Xaten btberber Dritter tDerben t)on i{)m in ber
gorm bes biaIogt[d)en ^albromans bem ßefer Iebl)aft t)or
trugen gefül)rt, mantf)e5 t)or3eitItd)e ^erniDort ermecft ben
6d)etn unmittelbarer 2tlter5ed)tl)eit biefer ©emölbe. ©s
ift ein ftar! aufflörerifd) sugeftufetes aJlittelalter, \iQi^ \j\zx
geseigt mirb, fanatifc^er 5^faffen{)a§ fprtd)t aus jeber '^t\\z,
aber ein fd)U)ärmerifd)e5 ©emüt fommt bod) auf feine
9'led)nung. 2Iud) burd) bie (Jinbrücfe biefer ßeftüre alfo,
mie bur(^ bie Betrachtung ber Dtuinen, fa^ fid) Ul)Ianb in
bie beutfc^e SSorseit Dermiefen, feine 5ßegierbe, fie nä{)er
fennen ju lernen, fteigerte fid). 2)em 6treben, biefe rei3=
t)oIIe t)erfun(ene 2Belt nun aud) feinerfeits 3U poetifd)er
Sarftellung 3U bringen, oerbanfen mir bie erften 6d)ritte,
bie ber er3äl)lenbe 2)id)ter getan I)at, in SSersepit, S^loman
unb Ballabe.
3n 5ßäd)ter5 6toff= unb gormenmelt füf)rt ein er=
3äf)Iung5anfaö Don 1802, beffen ^ern in einer n)einerlid)en
^albballabe, bem Sieb t)om armen 23ater entl)alten
ift. ,,®in ^arfnerlieb aus einem unuoUenbeten @ebid)t,"
fo nennt U{)Ianb felbft bie trübfelige üleimerei, bie am
23o(!5liebe gefd)ult erfd)eint. Diefes „(Sebid)t" follte ein
Stitterroman merben, aus bem fid) aud) ein profaifd)e5
6tü(fd)en erl)alten \^Qii. 2)er arme SSater ift ber 23orIäufer
be5 fpäteren blinben Königs, aud) feine 2:od)ter fd)mad)tet
in D^äubers Letten, unb mannlidie Flitter ruften fid) 3ur
Sefreiungstat. 5)iefe au63ugeftalten, \)qX bes jungen 2)id)=
ters fd)nell erlal)menbe 6d)affen6freube freilid) nid)t me{)r
geftattet. Der :3nf)alt eines meiteren, offenbar I)öd)ft
fd)auerreid) gebad)ten D^itterromans mirb aus einem eben=
falls fel)r fur3en Brud)ftücfe nid)t red)t !lar.
2)ie er3äl)lung 2öäd)terfd)en 6tite5 fonnte für UI)Ianb
nur gan3 fur3e 3eit l)inburd) fd)riftftellerifd)eö ^beal fein.
Der lüerbenbe Mnftler in if)m Ue^ alebatb fc^on btefe
roI)en (Bcbtlbe nur mel)r als ftofflid)e gunbgruben gelten,
gormale 33orbUber, bie aud) fernere inl)altltd)e 3ufwl)r oer^
mitteilen, oerbanfte er bem lebenbigen ©tnfluffe jeiner
2et)rer.
Der {)albafabemtfrf)e llnterrid)t mar freilief) nur ba3U
angetan, il)m bie 5Belt ber griec{)ifd)en unb römifcl)en Sllaf=
fifer 3U erfd)lie{5en, ber er fid) eine furse Qexi l)inbur(^
mtllig f)ingab. 2ßie er gemanbte, menngleic^ reminif»
3en3enreid)e lateinifd)e 23erfe 3U mad)en liebte, fo l)ai er
fid) aud) ftofflid) Don ber 2lntife beeinfluffen laffen, l)at
aus bes 6opl)ofle6 Öbipus überfe^t, ein 2(d)ille5brama
lange ermogen, ein großes (Epos entmorfen, t)a5 bie 6d)irfs
fale bes Xelamon in I)efametrifd)er gorm befingen follte.
Stber ha5 alles mog gering gegen bie rein gelegentlid)en
5)inmeife feiner ßel)rer auf Did)ter unb ©eftalten ber ger=
manifd)en 23or3eit.
6er)bolb mar, mie mir miffen, felbft Did)ter; mit feiner
aufflörerifd) rüdftänbigen eigenen $oefie oermod)te er bem
Sd)üler nid)t bie 2ßege 3u meifen. So^^if^^Ios aber l)at er
bie 35efanntfd)aft Ul)lanb5 mit bem beutfd)en SSoltsliebe
oermittelt. (Fr mar in feiner frül)eren $fäl3er ßet)r3eit
auf bie 6ud)e nad) lebenbigem r)olfstümIid)em ©angesgut
gegangen unb I)atte einiges t)eröffentlid)t. 6til unb T)iU
tion oon Urlaubs epifd)en :3ugenbgebid)ten laffen bie 93er=
mutung 3ur @emi6I)eit merben, ^a^ ber junge ©tubent fid)
fd)on 3eitig mit ^exbexs unb anberer 23olfslieberfamm=
lungen betannt gemad)t, unb an il)nen feine 33orftellung
oom er3äl)lenben (Bebid)te gebilbet f)at; jebenfalls fd)on
Sal)re oor bem ©rfc^einen bes 2Bunberl)orns. 6obann
oerbanfte er 6egbolb ben ^inmeis auf (Effel)arbs
9Baltl)arius, ber mäd)tig „in il)n einfd)lug". Da mar mef)r
als 53irgil, „frifd)e Silber unb (Beftalten mit einem tiefen
^intergrunbe, ber bie $l)ontafie befc^öftigte unb onfprad^".
2)05 23er5epo5 antüer Prägung mar burd) btes SSorbilb
als rreiterc gorm beutfd)er 23or3citmären gegeben.
^6)it Quellen ber beutfd)en 23ergangen{)eit erfd)Ioflen
fid) bem 6toff{)ungrigen aud) in ben Iatetnifd)en (r{)rontften
germamfd)er ^txl\xxK\i, bte tf)m Klöster 3ugängli(^ mad)te.
2)er ©äne Sajo ©rammaticus foHte it)m ben 6toff 3U
einem bretteiligen ©pos ^elgo unb 6tarfatl)cr
liefern; aus \\)m l)at fic^ ber für ben blutigen 2lnfänger
!enn3eid)nenbe Gingang erhalten:
^ e n n t i ^ r b a 5 ß a n b , UDO fid) mit trübem fiid)t
2)ie 6onne über ^Rebelberge geugt?
Paulus 2)iaconu5, ber Sangobarbe, rei3te im Quli
1803 3u einem 21 1 b 0 i n. !Die !ül)ne %oS)xi biefes 5)elben=
prin3en an ben ^of feines Xobfeinbes, bes (Bepiben
Xurifenb, unb bie ©rujerbung ber ^rin3effin S'lofamunbe
follte ben ©egenftanb ber ^anblung abgeben. 2)as 5Bäd)=
terfd)e 23orbilb mar mäd)tig genug, um au(^ biefen ©egen=
ftanb 3unäd)ft S'lomanform annel)men 3U laffen. 6päter
mar ein breiteiliges SSersepos im 6tile bes 2ßaltl)arius
geplant.
Samit finb aber bie anfprud)Süollen Gntmürfe für
er3äl)lenbe 2)id)tungen fd)on abgetan. grül)3eitig fd)eint
Ul)lanb ber @ren3en feiner Gräfte inne gemorben 3U fein.
2Iu6 benfelben (Bemäl)rsmännern fd)öpfte er nun ben 6toff
3u ^allaben. 5Jlatürlid) ftanb er babei 3unäd)ft ftar! im
5Sann einer eben erft gefd)affenen bid)terift^en Xrabition.
Sie beutfd)e '^GSkOi^sz mar noc^ eine fel)r junge
©attung. S3or !aum brei 9al)r3el)nten l)atte 55ürger fie ins
ßeben gerufen unb bie bisl)er allein übliche z6)\ auf»
!lörerif(^ parobifc^e 9floman3e 3U reinem fünftlerifd)em
©ruft emporgeläutert, ©eine 5)auptmerfe muffen Ul)lanb
befannt gemefen fein, eine gemiffe Steigung 3um 55ombaft,
eine grelle 55ilber= unb garbenfreubigfeit, bie ber Slnfönger
erft los merben mu^, mögen auf bies SSorbilb ^urüdgelien.
2lnbere 23ertreter ber (Battung fd)etnen tl)m aber einbrutfe»
üoUer geiüorben 3u (ein, fo namentlid) bie SSrüber StoI=
berg, bie in bieberer umftänblid)er 2tlti)öterifd)feit (Be=
fd)id)ten aus ber fd)rr)äbifd)en '^zxi, b. f). bem 9)littelalter,
t)or3utragen liebten. ,
Ser erfte bead)ten5tt)erte SSertreter ber ernften
?8allabe in (5d)tr)aben mar UI)Ianb feit furaem perfönlid)
nal)e getreten.
6et)boIb mar 1804 geftorben, unb fein 9^ad)foIger
mürbe ber !Did)ter unb $l)iloIoge ^ a r I ^ I) i li p p
© 0 n 3 , ein gebiegener 2ritertum6fenner unb eifriger
görberer altbeutfd)er 6tubien. i^ufeerlid) mad)te bie
^erfon bes neuen ße{)rer5 auf bie 6tubenten einen mel)r
er()eiternben als refpeftgebietenben (Einbrutf. ^6)XQQi\^ er=
innerte ficf) feines 2rnbncf5 nod) im 2(Iter mit ()umoriftifc^em
33el)agen: ,,(Ein mit S^tt gepolfterter ^opf, bem bie
Sßangen 3U 3JZunb unb 2Iugen faum ?piafe liefen. Der
gan3e bi(fe ßeib rül)rte fid) nur fd)merfällig, unb bie ßippen
hxQi&){zxK in ©efellfc^aft unb auf bem ^att)eber 2:öne I)erDor,
bie fid) mit 9JlüI)e 3um STrtifuIieren fteigerten." ^reilid)
fonnte er aud) in ^euer geraten unb als !5nterpret frember
!Did)tungen ^Temperament unb (Befd)macf entmideln. ©r
faßte feinen ßel)rauftrag in nid)t minber meitem 6inn als
fein 23orgänger, t)ielt 23orIefungen über bie fd)önen SBiffen»
fd)aften, über ^oetif, über @efc^id)te ber beutfd)en ßite=
ratur, unb oeranftaltete Stilübungen, beren Urlaub no(^
als afabemifd)er ßel)rer banfbar gebentt.
Der Did)ter ©on3 3el)rte lange t)on feinen Ougenb»
erinnerungen an Sdjiller, mit bem er oIs ^nabe in ßord)
gefpiett \^^iit. 6ein ßel)rberuf oermies il)n am natur*
gemögeften in bie ©ruppe ber ^Iaffi3iften, beren 2^enben3en
er in Dielen reimlofen ©efängen unb grösifierenben Oben
gel)ulbigt \!^qX, 5Iber lange cor ber 9lomanti!, ber er fid)
fpäter mit uneingcrofteier 2Inbilbungsfäi)igfcit nähern
lollte, l)ai er bcn Sßcg 3ur beutfci)en SSorseit unb bamtt
aud) 3ur 33allabe gcfunben. aJland) tx)örtad)er 2(n!Iang
3eigt UI)Ianb5 23ertraut{)ett mit btefem SSJlufter. 6päter
folltc er Don Q^ons aud) lernen, feine ^allabengebäube ftatt
Quf oogem SSoraeitboben auf I)eimifd)em (Brunbe 3U er=
richten. Ort6= unb ©rünbungsfagen bes 6d)n)abentanbe6
{)ot biefer fd)on 20—30 Satire oor U{)Ianb unb ferner in
ßiebform gegoffen, o!)ne baraus aber ein Programm 3U
machen. 2)er frud)tbare Did)ter mugte überall feine (Ernte
3u {)alten, in allem mas er bringt, ift er ma6= unb gefd)mad=
Dotl; aber er mar auf bem ^^egafus offenbar nod) fcf)n)erer
in geuer 3U bringen als auf bem ^atl)eber, unb fo gel)t
feine ^5robu!tion mel)r in bie 55reite als in bie Xiefe.
Sie 3U)ei erften fertigen (Bebid)te epifd)en 6(f)Iage5,
bie mir oon UI)Ianb befifeen, ftammen aus bem grüf)jat)r
1803. (Eine 91 0 m a n 3 e meift in ben ©tofffreis bes
Sllboinepoö. ^elbin ift t)ier eine Iangobarbifd)e Königin,
©unbeberga, beren (5d)i(ffal Ut)Ianb t)ermeid)Iid)t unb
bombaftifd) aufgebonnert l)ai. 5ßäd)terf(f)e eingeferferte
Jungfrauen, teuflifd)e 3Söfemid)ter, l)ifeige ^Ritter erfa!)ren
i!)re ballabenmägige 2Iuffrifd)ung. 3Sei aller i^inblicf)!eit
unb 3ugleid) 23erblafenl)eit liegt t)ier boc^ ein {)offnung6=
reid)er Steim, aus bem fid) fpäter Urlaubs befte in ber @e=
fd)i(^te mur3elnbe Sallabenfunft entmirfeln foHte. 6d)lim=
mer fte^t es mit bem enblofen @ebid)te 5)ermann unb
U 1 1) a , ba5 jid) als eine n}at)re 9Jlufterfarte aller möglichen
SSorbilber bartut. ^auptoortage ift (E{)riftian Stolbergs
^Sallabe (Elife t)on SUlansfelb, eine Dfloman3e üon SiJlattI)ifon
gibt ben ©timmungston ber S)auptf3ene an, 5öäd)terfd)e
ßid)td)en finb ha unb bort aufgefegt. Unb fd)on bie S^amen
ber 2:itell)elben üermetfen auf ein ferneres Mufter, has
UI)Ianb nun lange geit l)inburd) begleiten foU: ein ^er=
mann unb eine Ut()a begegnen nebeneinanber fd)on bei
0 1 f i a n.
STud) I)ier mag ein fiel)rer ben crften Slnftog gegeben
I)aben, menigftens bertd)tet grau Ul)Ianb etrras unfid)er
Don einer parallele 5n)ifd)en bem gäli{d)en Sänger unb
ber Obgffee, bie 6er)bolb im Unterrid)t ansuftetlen liebte.
2)od) beburfte es biefes fpegiellen ^inmeifes nic^t erft. ßag
bod) ber Offiantult immer noc^ in ber 2uft, ßumal in bem
poetifd) fo rücfftänbigen 6d)n)aben. 23on ber \d)voex=
mutigen ^etrad)tung ber nebeltrüben S^ooemberlanbfc^aft
burd) bie 2ßel)mut5fänger mar ber 2ßeg in bie büftere
norbifd)e 2ßelt nic^t fo gar meit, fcf)on ©täublin l)atte il)n
gefunben, unb menn er in einem @ebid)te befc^reibt, mie
er als Xübinger 6tubent mit (einem Ojfian in ber Xafd)e
bie 3^äler burd)manbert l)abe, fo ift bies mörtlid) basfelbe,
mas un5 aus jener Qext oon Ul)lanb ex^'dl)ü mirb; ha^
M\ebad)iai ift üon il)m in ^^Offiantal" umgetauft morben.
®r mar fünftlerifd) nod) nid)t reif genug, um fid) an
ben oollmertigen altbeutfd)en 2)en!mälern 3u fd)ulen, bie
er tl)eoretifd) bemunberte. 2Beber hae jüngere 5)i(be«
branbslieb nod) t)a5 D^ibelungenlieb f)atten in jenen Sa{)ren
bireften (Einfluß auf xl)n, fo einbrucfsood fie it)m auc^ ent=
gegengetreten maren. (Es gefiel bem roeid)en 2öel)muts*
fönger, ben meland)oIifc^en Sd)immer feiner fir)rit auc^
über feine mel)r er3äl)Ienben SSoraeitgebic^te ausaubreiten.
6ie mürben baburd) nid)t nur marüos unb eintönig,
fonbern fie gaben aud) bie !aum erft errungenen epifd)en
Dualitäten faft oöUig auf, um fid) in oerfd)mommene ©ub=
jeftioität 5u Derlieren. SBir!Iid)e 35allaben ^aben bie
näd)ften Sal)re nid)t l)ert)org ebrad)t, fomel ©ebic^te Urlaub
aud) in ber SSoraeit anfiebelte.
Sie 2(rmut biefer ^ilberferie ift erftaunlid). Xx)pi\(i)e5
^otal t9pifd)e5 ^erfonal, tr)pifd)e 5)anblung, tr)pifd)e
Stimmung. 2Bir fel)en greife !öniglid)e SSäter in mallen=
ben roten 9JlänteIn, fel)en fc^öne i^ungfrauen oon ber ginne
ber Surg fpät)en ober, oon roI)en entfüt)rern eingefperrt,
46
im 23crUe6 il)re5 SSefreters Ijarren. SBir fe{)en jüngtingl)afte
blaffe ^eroengeftaltcn fid) im Xurniere tummeln unb im
Kampfe mit ben böfen 9läubern bie Jungfrauen befreien,
mir Iaufd)en bem ^arfner, ber fein Sieb anftimmt unb bie
ßanbe burdjsieljt. D^agenbe ^önig6fd)Iöffer, finftere 5ßalb'
türme, meIan(f)oIifd)e 2^äler bitben ben 6cf)auplafe, trübe
Erinnerung, aeljrenbe 6el)nfud)t, bange ©rmartung geben
ben ©timmungston an, nur 3U oft red)tfertigt ein tra=
gifd)er Ausgang bie ron Einfang an l)errfd)enbe traurige
2ll)nung. 9Jlit 23orliebe fud)t U()lanb in jenen Sauren ben
germanifc!)en 9^orben auf. 6ajo liefert 'ü)m bie meiften
©toffe, aus bem Siebe com armen 23ater möc^ft bie i^r
SSorbilb gleid)f alts fel)r r)ermeid)Iid)enbe 25aIIabe 2) e r
blinbe ^önig l)exvov, eine 6afofd)e 3 o u & ^ ^ i "
mirb auf i{)rem fd)aurigen Xurme aufgefud)t, ber 5)elb bes
fiebenten 58u(f)e6 ber Dänengefd)id)te, OIo, mirb in einem
!ur3en @ebict)te Derljerrlic^t unb nod) 1806 in ben 9)littet=
pun!t bes lange ermogenen @ebici)t3g!Iu5 t)om Königs-
f 0 1) n e geftellt. 5)er 5)iaIog 2)ie fterbenbcn 5)el =
ben ftammt au5 gleid)er Quelle unb aeigt ben 2)icf)ter
aud) als Kenner ber ebbifd)en JenfeitsDorftellungen.
2tuf Originalität !ann bos mittelalterlid)e SBeltbilb
bes jungen UI)Ianb alfo gang unb gar feinen 2Infprud) er»
l)eben. 2lber ^as eine muß ftar! unterftrid)en merben: er
l)at es menigftens aus felbftgemä{)lten 9Jluftern unb noc^
eigenem (Be\d)made gufammengeftellt. 2lnbere {)aben
gleid)3eitig 5ä{)nlid)e6 gefd)affen, fo Jietf unb namentlich
gouqu^, mit bem U{)tanb ben Si^Ö ^^d) bem Sterben teilt.
©5 ift nun 3mar üblid), aber gänglid) ungered)tfertigt,
U{)Ianb5 jugenblid)e 23or3eitfd)märmerei 3u ber jener beiben
in 35e3iel)ung 3u fefeen. 2ßill man ben Ul)Ianb ber grüf)3eit
als S^lomantüer be3ei(f)nen, fo ftellt fein bamaliges 2)id)ten
einen gans felbftänbigen unb nid)t oom 5)auptftamm au5=
gel)enben romantifd)en Xrieb bar. dx l)at ]i6) feine eigene
beutfd)e 3)ZitteIaIterromanttf aus 2Bäd)ter, 6ajo, Ojftan
gefd)affen unb für fie gefd)rt)ärmt, el)e i()m bte Deriöanbten
Seftrebungen anberer befannt getoorben finb.
5^td)t auf einmal finbet er ben 2ßeg aus biefem t)cr=
meinten S^ubergarten, ber in 2ßal)r^eit ein Irrgarten ift.
9^od) 1808, ja in mand)en Singen bis 1812 seigt er ficf) im
^anne biefes erborgten ^feubomittelalters. 2)er eigent»
lid)e bid)terif(f)e (Benefungsprose^, ber aus ber r)er(d)n)ärm-
ten Unnatur ber grüi)3eit I)erau5fül)rt, beginnt aber fc^on
meit frül)er. (£r fommt freiließ 3unäd)ft bem reinen
ßgrifer, nid)t bem i)aIbbaUabenbid)ter sugute. Unb nun
ift es gerabe tenn3eid)nenb, \io!^ bie bi5f)erige 6!Iat)erei
gegenüber ben 23orbilbern fid) in eine ebenfo ftaunensmerte
grei{)eit oermanbelt. ;3n bem 5lugenbli(fe, mo mir ed)ten
Uf)Ianb öerfpüren, '^Oi ift biefer aud) gan3 auf fid) felbft
geftellt. ßetber finb mir nic^t in ber fiage, aus irgenb»
einem tiefgef)enben Erlebnis ober öugeren (Einfluffe biefc
ßäuterung 3u begrünben. 2Bir ftel)en t)ielmel)r oor einem
ber oft uner!lörlid)en $I)änomene im Mnftlerleben: 1805
mirb ber bi6t)er ftammeinbe, taftenbe unb t)ag fd)mär=
menbe Ul)lanb 3um felbftänbigen 2)id)ter, ber feften
6d)ritte5 feinen 2ßeg gel)t unb aus bem eigenen Innern
^crauö fräftige unb z6)it Xmt finbet.
greilid) nod) nid)t aUentt)alben. !Da5 D^ebeneinanber
oon fünftlerifd) S^leifem unb Unreifem mirft oft Derlefeenb.
Xrauer unb ^lage finb namentlid) aus ben S3or3eitbiIbern
nod) längft nid)t gefd)munben. 5)ie meid)Iid)e 9D^eIand)oIic
in bem melleid)t eben baburd) populären 6 d) ( o g am
9)1 e e r mag als 55eifpiel bienen. 2)er a^oxit Ianbfd)aftlid)e
^ei3 ber 2öurmlinger Kapelle t)erl)ilft nur bem über=
befannten, fd)lid)ten ©ebi^te mit bem trioialen grobes»
gebauten als $ointe 3ur (£ntftel)ung. 2Iber UI)Ianb be*
meift baneben in Des Knaben ^erglieb, \so!^ er
mit t)ellem offenem 2Iuge bie Stimmung ber t)eimatlid)en
48 K^i?R^i?K^R^i?Cs^i?R^i?RSi?K^
Stibberge unb il)ren I)errltd)en Slusbütf in bte 2BeIt ge=
niesen unb SD^annesfinn baraus fd)öpfen !ann. 2ßte !raft=
DoU feierltd) tönt ber (Befang ber Jünglinge mit
feinem t)ierfad)en 5)eilig! 2Bie unfentimental mirb bie
ßiebe jefet bel)anbelt! ßebenbig tritt uns ©retdiens
g r e u b e beim 2tnbli(f bes ritterlid)en ©eliebten ent=
gegen, liebensmürbig malt ber 5)id)ter fein 6taunen über
bas 2B u n b e r bes ^eranblüfiens eines ^inbes gur Sung=
frau aus.
23ietleid)t ift es bod) mögtid), für biefen überrafc^enben
2tuffd)n)ung ein poetifd)es ^orbilb menigftens mitoerant^
mortlid) gu mad)en. ^n ber 9^eil)e ber aeitgenöffifc^en
2)id)ter, bie bei U{)Ianbs Sugenbr)erfud)en ©eoatter ge=
ftanben I)aben, mag man ben Dramen bes größten üermigt
f)aben: @oetI)e5. Sßirflid) beutet in ben erften Sal)ren
feine 6pur auf eine befonbers nal)e 23ertrautl)eit mit biefem
3Rufter, bas ja aud) ben übrigen 6d)U)aben fern blieb.
2lber 1804 mürbe ber ßr)ri!er @oetI)e für fie aftuell: dotta
oerlegte ein t)on \\)m unb Sßielanb I)erausgegebene5
2:afd)enbud), bas in einem Dufeenb „ber (Befelligfeit ge=
mibmeten ßiebern" (Boetl)es einen überreid)en 6trom Don
?5oefie ausgoß. 5Bie fd)nell biefer in bie 6d)mabenl)er3en
einbrang, bas seigt Werners ßiebesgef(J)id)te: 2Ils ber
Xübinger ©tubent fein 9lidele gum erften 9JlaIe fa^, ha
begrüßte er fie mit ben 2Cnfangsmorten bes @ebid)ts: „2Bie
fommt's, ha^ bu fo traurig bift?" unb fie mugte i{)m
fofort mit ber ameiten 6tropI)e 3u antmorten. STuf unferen
merbenben !Di(f)ter muffen nun biefe ßieber gleid)falls von
tiefftem ©inbrurfe gemefen fein, für :5al)re I)aben fie bas
SSilb beftimmt, ha^ er Don (BoetI)e in fid) trug. SBas
U{)Ianb \\)m in einem SSriefe oon 1808 nad)rül)mt, f)ö(^fte
SSertraut^eit mit beutfd)er aJlt)t^oIogie, mit 23oI!spoefie,
bas ipa^t auf ben ftrengen ^laffiäiften, ben 2)id)ter ber
2ld)iIIei5 unb ber ^anbora, benfbar fd)Ied)t. 2öer @oetI)e
3u9enl)bJl6, (Dlgemdlbe oon (£t}r. ^r. Dorr, im SdjiUermufeum 3U irtarbad;
3uerft aus jener Sammlung l)atte fennen lernen, ber mu^te
geneigt fein, in il)m cor ollem ben 23erfaffer bes i)od)=
geitöliebes, bes JHattenfängers, bes 23ergfd)loffe5 5U be=
munbern. 2tud) bie SioUenlieber bes Saures 1805, in
benen Ul)lanb yjlönd)e, Spönnen, 6d)äfer unb ät)ntid)e @e«
fd)öpfe feiner ^l)antafie ha^ SBort fül)ren lägt, entfprecl)en
neugeübtem goetI)efd)em 58raud)e. 2Jlan l)at benn in ber
Xat @ebid)te unferes 3al)re5 in gana beftimmte 33e3iel)ung
3U goetl)efd)en 2]orbilbern gefegt; smeifellos 3. 25. mirb
bie breimal auftaud)enbe fentimentale (5d)äfergeftalt ous
„6cl)äfer5 ^lagelieb" entnommen fein. Sm übrigen follte
man bie 6ucl)e nad) ©inselentle^nungen aber nid)t 3U meit
treiben, ^'dite Ul)lanb fein poetifd)e5 9Jlaterial meiter fo
mie frül)er 3ufammengeborgt, fo märe ber gortfd)ritt jenes
3al)res nid)t grog. ©r I)at nid)t ©oet^e nad)geal)mt, fon*
bern er I)at t)on il)m gelernt, mas unenblic^ oiel me^r
ift, mie es fd)mieriger mar. Sas 6cl)lagmort ber „ein«
fad)en erl)abenl)eit", bas er felbft fpöter für bte ^oefie bes
SJleifters geprägt l)at, fenn3eid)net auc^ feine beften
Schöpfungen aus biefem Oat)r. Unb baneben lernt er l)ier
6c^lid)I)eit, ^eiterfeit, fräftig gerabes ©mpfinben; nid)t
nur feine !Did)tung, feine Statur fd)eint an (Boetl)e gefunbct.
2Bas mir aud) jefet nod) in UI)lanbs ^^oefie oermiffen,
bas ift bie 25e3iel)ung 3ur 5ßirflid)feit. 2Bir erfal)ren,
mol)in feine $l)antafie fd)meifte, aber nid)t, mol)in er feine
6d)ritte lentte, momit er fid) ben Zaq burd) befd)äftigte,
mit mas für 90^enfd)en er 3ufammentraf. Ul)lanb mar in
jenen !3al)ren ein junger 6tubent. ®r l)at bod) nic^t nur
gebid)tet, er l)at in erfter ßinie gelebt, unb für fein iaU
fäd)lii^es ©rieben gibt bie Qvjx'it fo gut mie feinen 2Inl)alts-
punft. Briefe fel)len aus jener Qeit, ein Zaqehnd) l)at er
nid)t gefül)rt; es ftel)t alfo fd)led)t mit ber Kenntnis bes
tatfäd)lid)en (SrbenmaEens unferes !Did)ters in ber „l)cl-
ligen'' ;3ugenb3eit.
6c^neit)er, U^(ant). 4
2ßir!Iid) als Stubent bürfte ftd) ber braoe unb aus
bem gnmiIienfd)o6e nt(f)t f)erau6ftrebenbe ^au6fot)n erft
gefül)lt I)aben, als er 1805 bfe 2lrtiftenfa!ultät abfobiert
I)alte unb tatfäd)ltci) Qurift rüurbe. 23on btcfem 6tubium
miffen töir nod) üiet meniger als üon bem pI)iIoIogifc^=
I)tftorifd)en. 2tn anregenben ^erfönltd)!eiten fd)etnt es
bomals auf beii ^Tübinger junftifd)en ßel)rftül)len md)t
gan3 gefeljlt gu f)aben, trenngleid) fetn I)auptfäd)Iid)er
2el)rer, ber $anbefttft 3JlaIblanc, nod) nad) Qoljren 3ur
3iel|d)eibe feines ©pottes rrirb unb Stnetboten uon t{)m
eine 5)auptbeluftigung bes greunbesfreifes btlben. Sm
9)Zunbe Äapfs aber, einer praftifd) angelegten Suriften=
natur, unb Xafingers, ber ben 6toff pI)ilofopl)if(^ 3U oer*
tiefen tud)te, noI)m bie 9led)t5gele{)rfamfeit n)ot)t on*
mutenbere ©eftalt an. UI)lanb l)at feine ^oIIegl)efte, bie
3um 2;eil nod) erl)alten finb, mufter{)aft gefül)rt. 23on einem
lüärmeren 2Serf)äItnis, einem mel)r als pflid)tmä6igen
Sntereffe für bas SSrotfad) ift nie bie 9lebe.
Qu ben gefelligen SSeranftaltungen Tübingens 30g
i{)n u)ol)I aud) jefet feine ftar!e 6el)nfu(i)t. Sod) barf man
fid) ben jungen Ul)Ianb nidit als unfrifd)en ©efellen unb
einfamen ©rübler benfen, voo^n feine ©ebic^te ja verleiten
fönnten. Dag er als junger 3)lenfd) auf ben ^Bällen bes
^afinos bie Seine im 2:an3e fd)n3ang, t)erfid)ert bie (Battin.
Unb als es nad) ^a{)ren 2Ibfd)ieb 3U ne{)men giltnon ber
58urfd)en3eit, ha benft er bod) mit 2ßel)mut 3urücf an bie
,4d)aIIenben ^ommerfdie unb 2;an3fäle", aus benen er jefet
üerbannt ift, unb beflagt, ha^ •it)m ein fd)öner Xeil ber
$oefie bes ßebens entriffen fei, „ber ^Eeil, fo bie S3urfd)=
lieber entl)ält".
Sn fröt)(id)em Stubententreiben, in einem Greife
ftrebenber unb l)eiter in bie SBelt blidenber 5Ittersgenoffen
i)at er feine ungefellige Einlage allmäl)lid) überminben
gelernt, greunbe traten il)m 3ur 6eite, bie \\)m bie 6d)ön«
f)eit bes ßebens, feine Xalente, ben JRets einer lebenbig
geübten ^unft na\)e brachten. greunbfd)aften finb bie
^auptfäd)Iid)en (Erlebniffe Don UI)lanb5 Stubentenseit.
Sm Oftober 1803 mürbe £arl Qartmann
9Rager, bamals nV2\ä\)xiQ, als Surift in Tübingen in*
ffribiert. ®r ftammte aus einer altn)ürttembergifd)en SSe*
amtenfamilie unb mar in Stuttgart aufgen)ad)fen. Qer-
mann (Bmelin, ben er fdjon fannte, mu^te il)n balb auf
bie 58efanntfd)aft mit einem öortrefflic^en jungen Did)ter
begierig 3U mad)en. 3^if<^ßii biefem, fiubmig Urlaub, unb
SJlager bilbete fic^ eine greunbfd)aft fürs fieben I)erau5.
£)en vertrauten ©inblicf in eine ftarfe $erfönlid)feit,
neue frud)tbare 2(nregungen, fräftige poetifd)e Smpulfe l)at
Ut)Ianb burcf) biefen 33unb nid)t erlangt, ©s trat it)m ein
^armlos reines ®emüt 5ur 6eite, ein oortreffIid)er unb
liebensmürbiger SO^enfcf), anfpruc!)5lo5 unb gefällig, 3um
Suprer ebenfo gefd)affcn mie gum öerftönbnispoUen Se=
rater; oielfeitig genug talentiert, um überall als 3Rit=
ftrebenber aufsutreten, aber bod) ber ©rengen feiner 35e=
gabung I)inreid)enb eingeben!, um nie aus feiner a^lolle als
2Berbenber, ßernenber, 25ele()rungsbebürftiger 3U fallen.
^od) ols ©reis l)at \l)n bas SSemufetfein, mit Ul)lanb unb
ferner 3ur felben literarifd)en ©ruppe ge3äl)lt 3U merben,
mit 6tol3 erfüllt unb il)n über 58itter!eit unb 5)ol)n ber
Sd)mabengegner l)inraeggel)olfen. (Bv mar als Dicl)ter mie
als ajlenfd) ba3u gefd)affen, fid) an anbere an3ulel)nen,
bal)er ein mir!Iid)er SSirtuos in ber l)ingebenb uneigen»
nüfeigen, entl)ufiaftifd)en greunbfd)aft. 2lber nicl)t nur
fd)macl)e 6d)miegfamfeit bes (Il)arafter5 mad)i it)n 3U
einem fo trefflid)en greunbe: bie geinl)eit l)at fienau mit
3fled)t als bas ^auptfenn3eid)en feines ©eiftes unb ©e*
mütes gepriefen. ßr mar in ber Xai eine feine, b. l). tatU
ooH 3arte, allen ajlitmenfcl)en unb fiebenslagen mit re(f)tem
2ßort unb red[)ter Zat begegnenbe Statur.
STber öuBerlttf) gart unb fenftbel brau(i)t man \\d) i\)n
n\d)t Dorsuftellen, er max ein red)ter fermger 6d)n)abe, ber
mitten im ßeben ftanb unb es {)eiter beial)te. Sn ber
Qugenb, fo aud) in ben Unir)erfität5jal)ren, erfd)eint er
l)äufig oon ^ranfl)eit geplagt, ein SSruftleiben mad)te il)m
mand)e böfe 6tunben, ja 2ßod)en. 2(ber mieciel meniger
oIs ber im ©runbe bod) red)t gefunbe ferner l)at er feinen
Suftanb 3U bejammern geliebt! Der erft fo f(^n)äd)Iid)e
Körper mußte t)eran, er mod)te moUen ober nid)t. Das
oiele ©ifeen tat bem fleißigen Suriften nid)t gut, unb fo
bilbete er fid) gum rüftigen unermüblicl)en Sußgänger ous.
2Iud) Ul)lanb l)at ja barin feinen SOflann geftanben unb ift
öfter bie fed)5 ©tunben oon 2;übingen nad) Stuttgart ge=
manbert. 2lber 9Jlat)er mar ein Si^googel, mit bem es
feiner aufnel)men fonnte. ^od) als ©iebgiger l)at er an
einem ZaQe gmeimal ben i)ol)enneufen beftiegen. 6ein
5)eimatlanb l)at er freug unb quer burd)3ogen unb ift fo
beffen genaufter Kenner gemorben.
2Iuf biefen 2ßanberungen bilbete fid) anä) ber 2)id)ter
9}lar)er aus, unb ber innige 3ufammenl)ang mit ber D^atur
ift il)m nie oerloren gegangen. 9Jlar)er ift fein großer ^oet
gemefen, meber 2öud)t nad) 2:iefe, meber D^leic^tum ber
©ebanfen nod) güUe ber gormen ftel)en il)m gu ©ebote.
(Bx meiß bas felbft unb fpottet über fic^ mit gutmütiger
Ironie, toßerlic^ l)atte er gar nid)t5 oom Did)ter, unb
nur mer il)n nal)e fannte, ben mod)te mand)e5 finnige
unb liebensmürbige 2Bort barüber belel)ren, baß ber an=
fprud)5lofe 9Jlann mit ^oetenaugen bie 2Belt anfal). 2)ic
gein^eit aber, t)a5 5)auptfenn3eid)en feines SBefens, blieb
il)m au(^ l)ier treu, ©in außerorbentlid) ftarfes D'leagieren
auf bie fleinften S'leise ber bunten 2Birflid)feitsmclt
3eid)net ben ßgrifer aus, er fiel)t, mo anbere nichts fe^en,
unb bilbet bies 6el)enfönnen gur SSirtuofität aus, bie oft
fpielerifd) unb auf bie Dauer einfeitig unb ermübenb mirft.
hinter bem D^eid)tum an fleinen 35eobad)tungen, bte er
au5fd)üttet, Dcrbtrgt fid) 2Irmut. „E>ud)t bei mir, unb
rtd)tet um fo milber 35ilbd)en, bie i{)r fd)nell beblitft, nid)t
5ßilber" — biefe feine SSerfe fönnte man 3um Wotio feiner
gansen !Did)terei ne{)men.
Wit unenblicf)er ©utmütigfeit !)at er fid) t)bn ben
greunben bos ^ongept forrigieren laffen: Ul)Ianb, a)löri!e,
gifd)er burften it)n mit Semerfungen unb 23erbefferung5=
r)orfd)IäGen überfd)ütten. (Er benötigte ber fortn)öI)renben
^Tniegung burd) feine Umgebung. !Die bid)terifd)e 58Iüte=
3eit bes Xübinger Greifes l)at aud) il)m eine reiche ©rntc
gcbrad)t. 2tuf fid) felbft geftellt oerftummte er 3unäd)ft.
(Erft 1833 l)at er einen 58anb ßieber ans fiid)t gebrad)t.
2Bir burften mit gutem (Brunbe I)ier, mo er uns 3uerft ent*
gegentritt, feine gan3e $oefie überfd)auen; benn geänbert
l)at fid) an i^.r:r gorm unb i^rem 2Befen in 60—70 5al)ren
nid)tö.
Unter bemfelben Xaq (22. Oftober) mie 9Jlar)er meift
bie Xübinger SJlatrifel brei meitere Dramen auf, bie für
UI)(anb t)on 2öid)tig(eit mürben. 2BäI)renb aber bie 55e=
3iel)ungen 3U ^oo]d)ü^, bem 23ater Ottilie 2BiIber=
mut{)5, unb 3U (II)r. gr. !3 ä g e r , bem fpöteren 6d)mei3er
5Heifegeföt)rten, farblos bleiben, tritt uns mieberum ein
Iebenslänglid)er greunb entgegen in ^arl 5)einrid)
^ ö ft I i n , ber fpäter jal)r3el)ntelang als angefe!)ener
5IRebi3iner in Stuttgart mirfen follte.
^öftlin ift nöd)ft ferner bie intereffantefte unb be=
gabtefte $erfönlid)feit bes greunbesfreifes. Dlicarba 5)ud)
}^at in ibrem einbringenben 35uc^ über bie IRomantif ben
romontifd)en ^Hrsten ein eigenes Kapitel gemibmet. STud)
unferem ^öftlin bötte fie \)a eine ©teile gönnen fönnen;
benn er mar STrst unb IHomantifer. 2Iber romantifd)er
2lr3t mar er infofern bod) nid)t, als er bie unorganifd)e
SSerquicfung ber romantifc^en 9^aturp{)ilofopl)ie mit feinem
54
praftifcf)en ^anbmcrt ben Wi^bxaud} üermetnter magne=
tif(J)er ober gar magifd)er 5)eilmtttel in feinem ^Berufe md)t
gefannt gu I)aben fd)emt. SIIs 2(r3t 3eigt er bte raftlofe
6trebfam!eit unb tr)ptfd)e 6elbftungenügfam!ett bes tüc^=
tigen aJlenfd)en, ber praftifc!)e S)etlfünftler aber bleibt oon
bem 5^t)iloföpf)en unb^oeten, ber in 'ü)m ftetft, reinlich
getrennt, ©r felbft I)ielt fid) für feinen 2)ic^ter trofe ber
besmingenb ftimmung5reid)en 6el)nfud)t5lieber bes
\,!Did)terrt)aIb5", ber fd)arf gefd)Iiffenen (Epigramme bes
2tlmanad)0, ber üerftreuten I)öd)ft gelungenen ftilparo=
bifc{)en 23erfucl)e. ^robuftionsluft unb =fraft gingen il)m
ab, mas jo für fo Diele treffltd)e ^öpfe ober rid)tiger @e=
müter ber romantifd)en !S^it fenn3eid)nenb ift. 9^od) mel)r
als ber ^unft gel)örte fein ^ers ber ^l)ilofopl)ie, bie er
aber nur mit ben Gräften bes (Befül)l5, nii^t mit bem
logifcl)en SSerftanbe, bem „Hilfsmittel ber giad)!öpfe", be=
treiben möd)te. ^^lato unb ©pinosa finb il)m tief oertraut,
mit 6cl)elling mar er befreunbet. Sßas ber ®tl)ifer über
fittlicl)e (5d)önl)eit, ber 9^aturpl)ilofopl) über bie erfd)ei=
nungen bes SfJlagnetismus, bie Offenbarungen ber Set)erin
Doraubringen meig, bas ermecft ftarfes SSebauern, ha^
uns nur fo forge groben biefer originellen unb tiefgrün=
bigen S'ieflejion überfommen finb.
2Bät)renb fid) ^öftlin burcf) bas 2)rängen ber greunbe
bod) ah unb 3u einen SSers abnötigen lieg, mie aud) fein
fpöter l)in3ugetretener trüber Sluguft, genannt bas ^voexq^
lein ©gmalb, in Tübingen mand)en braoen D^leim ge=
fd)miebet l)at, bleiben bie Heineren ©eifter bes Greifes meift
fünftlerif(^ unfrud)tbar. Sod) entbeden mir aud) unter
i^nen mand)e originelle ©rfd)einung. Sa ift ^ ö r l i n ,
gleid) ^öftlin in l)ol)em Filter unb l)ol)en Gl)ren als TlehU
3inalrat in Stuttgart üerftorben, beffen romantifd)=au6=
gelaffene unb oft unge3ogene Briefe aus feinem ßanbar3t=
ejil ben 2^on ber ^Tübinger 5Burfd^enial)re fröl)li(^ miber=
fangen laffen; bann (Beorg :3 ä g e r , aud) er bis In bte
fe(f)3tger ^al)ve ein angefe^ener Stuttgarter SIrat unb
9^aturrr)iffenfd)aftler, gu 5)aufe befd)etbener ^afualpoet;
bis ins 2tlter ber märmfte 2Inl)änger Don UI)Ianbs $erfon
unb Did)tung. Die Suriftenfa!ultät mar aufeer burd)
3Jlat)er unb U{)Ianb felbft oertreten burd) ^arl 9^ o f e r ,
U()tanbs fpötercn 6d)n)ager. 2Cus ben fnappen Stufseid)»
nungen in UI)Ianbs Stuttgarter ^eriobe erftel)t bas 35ilb
eines n)ol)ImoIIenb treuen 90lenfd)en t)on unerfd)öpflid)er
J)ilfsbereitfd)aft. Sm STmte mar er I)od)gefd)äöt unb \)atte
fogar furse Seit ein 3JlinifterportefeuiIIe inne. ajlannig=
fad) intereffiert, genog er als Entomologe feinen geringeren
D^uf benn als Surift.
Qu biefen 1803/04 immatrifulierten ©tubenten ge=
feilte fid) ein junger ^rioatbosent, ber bem Sreunbesfreife
3mar nie förmlid) angel)ört \)ai, für UI)Ianb aber bennod)
eine mid)tige JRolIe fpielte. Das mar griebrid) ^ölle,
beffen Stubienaeit 1802 abgelaufen mar unb ber nad) einer
(Böttinger 3tt>ifd)en3eit nunmel)r als Qofgerid)tsabr)ofat in
Mbingen mirfte. Später I)at er fid) in ber ßegations=
laufba^n nid)t unrül)mlid) bemäl)rt unb ift aud) als Sd)rift='
fteller I)eroorgetreten. Damals glaubte er nod) ein
Did)ter 3U fein, bod) ift bas Sßenige, mas er in QtiU
fd)riften oerftreute, nur ein ?ßeleg für ftarfes Stnempfin»
bungsbebürfnis unb mangeinbe formale JReife. ^erfön=
lid) erfd)eint er nid)t immer im günftigften ßid)te. SSater
UI)Ianb iatielt feine etmas planlofe (3efd)mä^igfeit,
unb bie jungen Stubenten mögen burd) bie $räten=
tionen bes 5tllteren 3u gleid)er S^it beluftigt unb gereist
morben fein, ber gnöbig oon oben !)erab il)rem Xreiben
3ufal).
©in Sa^r nad) Wax)ev unb ^öftlin besog ein junger
3Jlebi3iner bie Unioerfität, ber U{)Ianb menfd)lic^ nid)t
minber na^etreten fodte als biefe beiben, i^m aber ein?
56
ungleid) retrf)cre güUe t)on fünftlertfd)em ©rieben unb
tünftlertfd)er ©rfenntnis ßugeleitet l)at
2Benn ber ßefer öon l)eute ben Dramen i^ufttnus
ferner l)'öxt, fo bcnft er an S^lubolfs JRitt 3um ©rabe,
an ben retd)ften Surften, es mag il)m rr)o{)I au(^ im £)l)xe
ftingen: 2Bo{)Iauf nod) getrunfen ben funfeinben Sßetn!
— aber gleid)3ettig toirb bie (Seftalt ber 6el)ertn öon
^reDorft t)or tl)m auftaud)en unb ein unbet)aglid)e5 @efül)(
ermetfen. ^n ber Sugenb ein Did)ter, erfd)eint itim
ber S^laguö t)on SBeinsberg, ber mit (Befpenftern unb
^efen ouf 2)u unb Su ftanb, im 2tlter als 23ertreter fin=
fteren Slberglaubens, als ungefunber 6d)rr)ärmer, menn
nid)t gar als 6d)arlatan.
2lber nichts t)on allebem i[t i^uftinus ferner gemefen,
ber alte ^efifeer bes ©eifterturms unb ^erbergsoater ber
Somnambulen iff fein anberer als ber junge Xübinger
^oet. (Bx ift !eine pat^oIogifd)e Statur, menngteid) reid)«
lief) fenfibel oeranlagt unb neroös angefrönfelt. (Bx tennt
feinen finfter befd)ränften 2Iberglauben, fonbern nur einen
unerfd)ütterli(f) ecf)ten ^inberglauben, unb ift fein ©d)ar=
latan, fonbern ein ©emüt, in bem fid) ^umor unb (Ernft
in ber feltenften SBeife mifd)en, unb bas Iogifd)en 2Irgu=
menten unsugönglid) erfd)eint. (Bx ift ber tr)pif(f)e 9Ser*
treter einer gangen ©enerafton barin, ha^ feine ©efül)Is=
fräfte bie SSerftanbesfröfte bei meitem überbieten, fo bog
er biefe t)erad)tet unb fid) jenen ganj anoertraut. Das
©emüt ift bei il)m alles, munberbar feiner 6d)mingungen
fäl)ig, menn er es als 2)id)ter in feiner ^anh l)at, un*
gebärbig unb il)m felbft mie anberen peinooU, menn er es
3um i)errn über fic^ merben lägt. SSöllig 35eute feiner
Stimmungen, erfd)eint er l)immell)od) jaud)3enb, 3um Xobe
betrübt, unb biefer 2iBed)fel t)oll3iel)t fid) oft innerl)alb
meniger Stunben unb mill beim ^ufammenleben mit i^m
P30l)l hea(i)M fein,
(Er tüar eine etrt)a5 tr)el)letbige 91atur, ber bas Wlit'
leib über alles ging; er übte es in reid)em Tla^e, Dcriangte
aber aud) ein gerütteltes SJlofe für fid) felber. ßieft man
feine klagen über eigenes unb frembes ßeib, fo l)at man
ben einbrucf, bo^ ein folc^ tiefes ©mpfinben einen SJlen»
fd)en fd)nell aufreiben muffe, ferner ift aber in rüftiger
©efunbf)eit red)t alt gemorben. ®r befag eben au^er
biefer Überempfinbfamfeit nod) ein anberes SSermögen in
fid), bas {)eilfame Gegenmittel bes 5)umors. 2IIs 6tubent
fd)on mar er ber ausgelaffenfte ©ulenfpiegel; eine fröl)*
Iid)e Unbefümmertl)eit lieg il)n bie Solgen feiner l)umo=
riftifd)en (Ej3effe ftets gering achten, er fonnte formlos, ja
taftlos unb oerlefeenb fein. 53öfe mar il)m auf bie Dauer
bod) niemanb. Diefe farfaftifc^ l)umoriftifd)e 2tber, bie il)n
burd)3og, forgte in il)m für frifc^es 3Slut unb gab il)m bie
Säl)igfeit, bie SBett lad)enb 3U überminben. Unb fo mad)te
bie ti)pifd)e romantifd)e !Doppell)eit ber 23eranlagung
feinen jener bamaligen tr)pifd)en ,,3erriffenen" aus il)m.
©s 3eigt fid) bei i^m aud) nid)ts oon bem in jener ©enera*
tion fo l)äufigen quölenben SJlifeoerpltniffe 3mifd)en
SBollen unb können, planen unb 23ollbringen. ®r ift ein
gan3er, präd)tiger SUienfd) gemefen.
„Sebarf es/' fo fagt fein guter ^efannter Daoib
Sriebric^ ©traug, „in ber 9^äl)e mand)es 2)id)ter5 ber
beftänbigen Erinnerung an feine Did)tungen, menn man
nid)t oergeffen mill, \)a^ man einen 2)id)ter oor fid) l)at:
fo oergag man bei ferner umgefel)rt feine 2öerfe gan3,
eben meil man einen 2)id)ter lebenbig in gieifd) unb Slut
oor fic^ l)atte." 2llfo im 9Jlenfd)en fal) man 3u jeber 3eit
ben !Did)ter, umgefel)rt fiel)t man in ber !Did)tung immer*
fort ben 9)Ienfd)en. ferner mar ein ^inb, l)armlos unb
mit finniger Siebe 3um Meinen ausgerüftet. 60 menbet
er fid) biefem aud) in ber ^oefie mit 23orliebe 3U, nid)t mit
ber ^intönigfeit 3)lar)ers, aber bod) mit einer 2Inbad)t, bie
fpielerifd) tüirfen röürbe, töenn man md)t iDü^te, ^a^ all
biefe fleinen Dinge, feine ^^flansen, jeine Xiere, feine
9JlauItrommeI il)m unenblid) oiel bebeutet I)aben. 2lber er
gel)t in 'ü)nm nid)t auf. Sie ßriri! ift bei il)m genauer
Slbbrucf feiner gefamten ©emütsfräfte, unb bie bergen
große JReirfjtümer. 6tarfe ^öne fröftiger Öeibenfc!)aft finb
il)m nid)t gegeben, n)o^l ober ber 2Iu5bru(! eines innig
brünftigen 6el)nen5, fei es, boß biefes fic^ auf ein feftes
3iel in 23ergangenl)eit ober Su^w^fi nd)tet, fei es, \)a^ es
fid) 3ur Unenblid)!eit erl)ebt. ©r verliert bennod) niemals
ben SSoben unter ben Süßen unb läßt aucf) nid)t oage
©pefulation über bie Iebensn)al)re unb in il)ren ^ann
3n)ingenbe ©mpfinbung fiegen.
2tm beften lernt man ferner t)ie(Ieid)t fennen, menn
man if)n neben U{)Ianb ftellt. <Bd)embax ein p(f)ft un=
gleid)es greunbespaar, bas fid) ba gufammengefunben
^atte! 3itnäd)ft brängt fid) bie Srage auf: 2Bie fommt es,
ha^ mir ferner, fpesiell ben jungen, fo unenblid) beffer
fennen als U()lanb? 5)er ©runb liegt nid)t nur barin, ha^
jener in feinem „^Bilberbud) aus meiner ^nabenseit" eine
fo liebensmürbige lebenbige ©d)ilberung feiner Sugenb ge=
geben l)at, mie mir fie oon UI)Ianb leiber nid)t b^efifeen.
6onbern aus jeber Q^iU ber ^ernerfd)en Did)tung, ber
^ernerfd)en ^orrefponbens fprid)t bie 5^erfönlid)feit mit
einer £)ffenl)eit, bie oon ber mortfnappen, bas ©igene
Surüdbröngenben 23erfd)IoffenI)eit U{)(anbs benfbar meit ab=
ftid)t. 2)er Unterfd)ieb erftredt fid) aud) nac^ innen: bem
oft übertriebenen @efül)l5überfd)mang Werners ftel)t bei
Uftlanb eine auffallenbe ^argl)eit entgegen. 5Bo{)I ift aud)
er Stimmungen ausgefegt, fennt ben bamals mobifd)en
2BeItfd)mer5 aus eigener ®rfal)rung. 2Iber es gibt eine
c^ara!teriftifd)e an ferner gerid)tete Sriefftelle, in ber er
cor ber moI)IgefälIig trägen 5)ingabe an ben eigenen
©d)mer3 marnt. Urlaub übt ftrenge 6elbft3ud)t, mäl)renb
ferner 3U layem 6id)gef)enlaffcn neigt. UI)Ianb ift
5^fnd)tmenfd), ber fid) mit Energie aud) 3U einer Derl)a^ten
^Eätigfeit 3U siüingen oermag; ferner ©timmungemenfc^,
ber and) ben liebgemorbenen Seruf fd)mäl)t, menn il)m ge^
rabe hanaä) 3u 6inn ift.
Der 2) i d) t e r lll)lanb freilid) beflagt, oon ber 6tim«
mung bes Slugenblicfes t)iel ftärfer abl)ängig 3U fein als
ferner. Unb er leitet has aus bcm triftig erfannten
Öauptt)or3ug ber ^oetennatiir bes g^eunbes ab: Werners
Dichten erfd)eint iljm getenn3eid)net „burd) tias rege unb
glän3enbe Spiel ber ^^antafie'', ha^ UI)Ianb5 treiben in
ber ^oefie am meiften abgel)t. U()Ianb ift barin enger unb
gebunbener, ha^ er von einem ©egebenen au5gel)en unb
fid) f)ineinempfinben mug, mäljrenb ferner, mie mieber»
um 6trau6 gefagt I)at, t)erftel)t, fid) barüber ()inau5 3U
empfinben. Urlaub mirb oft bie ®rbenfd)n)ere nic^t los,
ferner ift jeber3eit in ber ßage, fid) in eine luftige Xraum=
toelt 3U erl)eben, ja er lebt mit SSorliebe in \\)v.
U()Ianb l)at feine ^unft ftreng auf feine 2öerfc ein=
gefd)rän!t — ferner ift ^ünftler immer unb überall. Unb
bas l)at fo üiele 23or3üge mie 6d)attenfeiten. 60 bilbet
fid) ferner aud) ein, er fönne immer nod) Äünftter fein,
als er es feiner $robu(tion5fäl)igfeit nad) nid)t mef)r fein
burfte. 6ein !Did)tert)ermögen ermies fid) nid)t lange nad)
bem UI)Ianbfd)en als aufgebraucht. 2lber er bid)tete fort,
fd)Iie6nd) gan3 med)anifd) unb leiernb, er befag nid)t bie
Energie UI)Ianbs, einen fräftigen 6tric^ unter feine ^oe=
terei 3U mad)en.
Ul)Ianb ift trofe bes pufigen 9^ad)fingens t)oIfstüm=
Iid)er Xöne ein febr gebilbeter unb formenftrenger !Did)ter;
ferner ein unbefümmerter, alles auf einen 2Burf fefeenber
Smprooifator. Ubtanb feilt mie an feiner ?5erfon fo an
feinen 23er(en. ferner ift, ber er ift, im ßeben mie im
!Did)ten. Ul)Ianb ift ein manblungs^ unb bearbeitungs*
60
fähiges Talent, ferner ein unbänbiges unb unbefüm«
mertes ©enie; UI)Ianb tft ein Qi)axattev, ferner eine
maiüx.
5)cr ©egenfafe ber ?5erfönltc^fetten fd)retbt ftd) fd)on
t)on t)m gamtlicn l)ex; ()ter ein brat) fottbes 55ürger()au6,
ha5 fett oielen Sal)r3et)nten eine golge tücf)ttger unb burc^=
aus normaler 9Jlenfd)en I)eroorgebrad)t ^at; bort eine
Sippe, in ber nad) !3uftinu5'- eigener läugerung ,,2Bal)n=
finn, 6omnambuIi6mu5, 5)id)t!unft" 3u ^aufe finb.
ferner l)at in feiner Sugenb ein gut 6tütf rr)ürttem=
bergifd)e @efd)id)te miterlebt, in feiner gamilie fanben fid)
n)unberlid)e politifc^e ©egenfäfee oereinigt, ben fünftigen
S^leüolutionär unb ben fünftigen fonferoatioen SOfliniftcr
barg fie in i{)rem 6cf)og, unb mit erlaud)ten Ferren um«
3ugel)en erfd)etnt l^uftinus, bem 6pielgefäl)rten eines
fünftigen Königs, als eine gar Ieid)te i^unft. 9n fpätercn
5a{)ren l)at man fid) über feine greube an bem Umgang
mit ben (Broten ber ©rbe, über bas I)äufige „^ringeln"
im ^aufe ferner gern luftig gemad)t, man foUte aber nid)t
überfef)en, ha^ auf biefe 2öeife bei it)m ber ©runb gelegt
mürbe gu einer f)armIo5 unbeeinflußten unb nad) SOlöglic^«
feit unparteiifd)en Setrad)tung politifc^er Singe. ®r mar
nid)t in ben engl)er3igen aItDäterifd)en 2Infd)auungen groß
gemorben, bie im ^aufe feines greunbes {)errfd)ten unb
bie U{)Ianbs poIitifd)e 6tetlungna{)me oon Sugenb auf be«
einflußt f)aben.
3n all biefen entmidlungsjal)ren mar Ul)lanb nie»
mals mit ben öffentlid)en ©retgniffen in birefte gül)lung
gefommen. ©in lebenbiges 6tüd politifd)er 2Belt erfdiloß
fid) il)m feit bem 2Ib3uge ber Öfterreid)er unb gran3ofen
aus Tübingen erft mieber gegen ©nbe ber l)ier 3u bel)an»
belnben ßeben5epod)e, auf einer S^leife, bie er in ben
^erbftferien ^es ^al)res 1805 nad) Stuttgart unternahm.
J)a erftanb ein gegen früher gönslic^ oeränbertes 58ilb^ in
jenen 2^agen t)oll3og fid) bie größte Ummäläung, bte bie
rüürttembergifc^e @efd)id)te fennt.
9m 9al)re 1803 I)atte bas ^er3ogtum burcf) bie
D^egensburger 23erl)anblung 3ur (Entfd)äbigung für Iin!5=
rl)eintfc^e 23erlufte bebeutenben, benad)baxi gelegenen ©e*
btet53un)ad)5 exi)aUen, feinem 5)errfc^er mar bie ^urmürbe
Derliel)en morben. !Die ajlad)tbefugniö, eine felbftänbige
?ßoIiti! 3U treiben, mar il)m aber bamit nidjt ermad)fen.
2:rofe ber ^una^me um 120 000 6eelen blieb ba^ ^ur«
fürftentum ein tleinftaat, beffen 35eftimmung es mar, fid)
an3ulel)nen, unb 2ßeitblictenbe fal)en es bereits fommen,
ha^ biefer 3Infd)lu6 fünftigl)in nac^ 2ßeften unb nid)t mel)r
nad) Often gefud)t merben muffe.
Da brad) im i)erbft 1805 ber ^rieg 3mifd)en 9^apo«=
leon unb Öfterreic^ aus. 2)ie mürttembergifd)e Delegierung
ift baburd), mie es fd)eint, überrumpelt unb gleid) Dor bie
ooEenbete Xatfad)e geftellt morben, ha^ bie 9'lad)bar«
ftaaten, 33ai)ern unb 25aben, mit ben gran3ofen gemein*
fame (5ad)e mad)en moUten. !Das mußte aud) 6c^maben
in bie 2(rme gran(reid)s treiben. 2)ie unnationale ®nt-
fd)eibung, bie bie fünftigen 9\l)einbunbfürften bamals über
bas @efd)icf i^rer ßänber trafen, l)at il)nen oielftimmige
SSormürfe eingetragen, unb fpe3iell griebrid) oon 2Bürttem=
berg \)at fid) neben mand)er bire!ten ©d)mäl)ung bie l)a6'
erfüllte Darftellung als SSerräter 2Iriftan in ^leifts 5)er»
mann5fd)lad)t gefallen laffen muffen. 9^üd)tern gered)te
5)iftori!er l)aben aber aud) 3U jener Q^it erfannt, ba^ er
unter bem Solange ber ^ot nid)t gut l)at anbers l)anbeln
fönnen. „Sie 2Bat)rl)eit ift," fo öufeert ein Qeitgenoffe,
,M^ er fid) in bem galle eines melirlofen SBanberers be»
finbet; oon bem ber S^äuber, il)m bie ^iftole auf bie Sruft
fefeenb, feine SSörfe forbert. ©in fold)er ift nic^t in bem
tjalle, feine ?ßartei 3u nel)men; fie mirb il)m gegeben."
2)a6 ber ^urfürft aus 3^ationalgefül)l unb um bes died)t5^
gebonfens millen feine unb feines ßanbes felbftänbige
gjiftena tjufö (Spiel fefete, ift eine gorberung, bie üon Diet
3u mobernem ©eifte biftiert erfd)eint. 2)ie 6d)attenejiften3
bes 2)eutfd)en 9^eid)e5 mar fein 9}loment, mit bem ber '^^''
malige JRealpoIitüer red)nen burfte. ©5 gab für il)n nur
ein mi6trauifd)e5 unb unguoerläffiges Öfterreid) neben
einem bebrol)Iid) nal)en unb rücffid)t5lofen granfreid), bas
aber aud) lod enbe SSorteile 3U bieten Dermod)te. griebrid)
ioX ben ent|d)eibenben 6d)ritt offenbar oI)ne große 6elbft=
überminbung unb nationale 5Beben!en, unb er oerftanb
ben perfönlid)en 23orteil, ben if)m bie Sßenbung feiner
^^olitif brachte, bis 3um ^ugerften aussunufeen. ®r mar
eine fraftoolle D^atur, ßum Organifator geboren, oom @e=
banfen an \iQi^ 2Bol)I feines ßanbes geleitet, aber ein etgen=
mächtiger, ja gemalttätiger Selbftl)errfd)er, ber feinerlei
SSeoormunbung oertragen fonnte. Sßürttemberg befam
bamats miteins bie guten mie bie fd)Iimmen 6eiten feiner
?PerfönIiil)feit 3U fpüren.
Sie guten infofern, als Sriebrid) trofe feiner Unter«
merfung oerftanb, fid) bei ben gran3ofen in 2td)tung 3U
fefeen. (Bein feftes 2Iuftreten imponierte bem ©egner;
feine energifd)en (5d)uöma6nal)men für bas ßanb legten
il)m Sügel an. ®ntfd)eibenb für fein 23erf)ältni5 3U ben
neuen 2tlliierten mar eine Unterrebung, bie er am 3. Of=
tober mit Diapoleon \)oXiz. Sie beiben dürften nat)men
einen bebeutenben (Einbrud ooneinanber mit, ber SBürt=
temberger, ber unter griebrid) bem (Brogen gebient I)atte,
fol) l)ier 3um erftenmal feit'beffen Xagen fein ^errfd)ers
ibeat mieber oerförpert unb mar oon nun an ein un='
bebingter 2lnl)änger bes ^aifers, oom ©tauben an beffen
Unbefiegbarfeit burd)brungen.
9n jenen benfmürbigen 2^agen meilte Uf)tanb in Stutt=
gart unb „fal) ben ^aifer, 9Jlurat ufm. unb Solboten oI)ne
2)ie golge ber Unterrebung mar ber 2tnfd)Iu6 2Bürt»
temberg0 an ben 9l{)einbunb, tüettere SScrgrö^erung bes
fianbes, beffen einrr)oI)ner3af)I auf eine ajlillton ann)ud)5,
unb fd)Ue6Iid) 23erleil)ung ber ^ömgsrüürbe an ben ^ur=
fürften. 2Im 12. Dezember 1805 uerfünbeten I)unbert
Äanonenfd)üffe ber D^efibens, ^^o^S^ 2Bürttemberg ^ömg:=
reid) gemorben fei, unb mand)e5 gute 6d) u) ab enl)er3 l)ier
unb in ^Tübingen mag bei ber ^unbe l)öl)er gefc^Iagen
l)aben.
3Jlan(^e5, aber nid)t jebes; benn bie f(^Iimmetv 6eitcn
bes neuen Königs aeigten fid), u)ie gefagt, faft gleid)3eitig.
griebricf) Ijatte D^apoleon gegenüber auf feine ftönbige
offene 2Bunbe l)ingeu)iefen: auf bie anmaö(id)e D'lolle, bie
bie ßanbftönbe in Sßürttemberg fpielten, feine gürften=
red)te befd)neibenb. Der ^aifer foU il)m ben "^oX gegeben
l)aben: ,,Chassez les bougres — , jagen 6ie bie ^erle
fort!" @Ieid)t)ieI nun, ob biefes oielberufene 2öort n)irf=
lid) au5gefprod)en morben ift ober nid)t, griebrid) l)anbelte
banad) unb erflärte ben ßanbtag ©nbe 1805 für aufgelöft.
2ßie ein fieidienaug mutete nad) bem Serid)t eines Stugen»
3eugen bie Sd)ar ber 2Ibgeorbneten an, als fie nad) 25er*
fünbigung biefes 55efd)Iuffe5 \i^'ö Sd)Io6 oerlieg.
OI)ne So^eifel mar bies ein ©emaltaft. 2Ber aber
nid)t mit foId)er Snbrunft mie bie eingefleifd)ten 2IIt*
mürttemberger an bem guten alten "^t&^it l)ing, ber mußte
einfei)en, \iOi^ bie 23erfd)mel3ung bes alten unb neuen (Be«
bictes eine ted)nifd)e Unmöglic^feit barftellte, folange bie
einfeitige alte 93erfaffung I)errfd)te, unb ^o!^ biefe fid) über*
I)aupt oöHig überlebt \^QMt. 2lber meld)er 9Jlärti)rerglan3
umgab bamals bie $erfönlid)feiten, bie fid) für \i^<h gute
alte 9'led)t ins 3eug legten, mie ben ßanbfd)aftsfonfuIenten
©eorgii, ben „legten 2öürttemberger"I ®s begann gefäf)r=
lid) 3u merben, menn man biefe Dinge öffentlid) bisfu«
tierte; benn mie in allen !Rl)einbunbftaaten, fo begann aud)
in 6d)tüaben ein peinüoUes 6r)ftem bcr Übern)ad)ung unb
25eobad)tung fid) burd)3ufeöen. 2)0^ bie n)ürttembergifd)e
9ugenb [id) aber im ©lange bes neuen 23aterlanbe5 gu
fonnen unb für D^apoleon el)rli(^e Segeifterung auf5u=
bringen i)ermod)te, \i^'^ geigt unter anberem bas SSeifpiel
Don tll)Ianb6 greunbe ^arppred)t.
Ul)lanb felbft erfd)eint üon biefen UmuDÖIgungen einft*
meilen giemlid) unberül)rt. ©r liebt nod) in anberen
6pl)ären gu meilen, unb u)äl)renb bie SBelt um il)n in
giammen ftel)t, plt i{)n bas Üleic^ ber Did)t!unft in 33an»
ben, in bie Unenblid)!eit bes eigenen, poefieerfülltcn
Innern n)ün|d)t er fid) gu oerfenfen, nid)t bie ©egenmart
ergreift i{)n, fonbern bie beutfd)e 23ergangent)eit \)^i fic^
il)m aufgetan, Vs)xz JRötfel unb SBunber oerlangen ßöfung
unb 5)ingabe. 9Jlit bem ^erbfte bes Sal)re5 1805 beginnt
bie 5H 0 m a n t i f Ut)lanb in i^ren S^uberbann gu 3iel)en.
3. Kapitel
lübtnger SRomantif
2tl5 man tu SBürttcmberg nod) ^ageborn, D^lamler
unb Sacobi als grofec 2)id)ter üerel)rte unb ti)ol)lgefälIig bte
gormen bes 18. 3al)r^unbert5 nac^bilbete, bra(^ in bcr
©eiftesmelt eine JReDoIution aus, bie es an 5)eftigfeit unb
2Bir!famteit mit ben großen politifd)en Ummölsungen
jener Qeii xed)i mo^I aufnel)men fonnte. 2öenn aud) cor
altem an Iiterarifd)e ^äufeerungeformen gebunben, fui^te
biefe ^Semegung bod) nid)t nur $oefie unb ^unft, fonbern
ba5 ßeben überl)aupt umgeftaltenb 3u burd)bringen. 1801
bereits, 3ur Q^'it oon Uf)Ianb6 erften fd)üd)ternen 2)id)t=
t)erfud)en, mar ber i)öl)epunft ber JH o m a n t i ! erreid)t.
D^eue 5^I)iIofop{)ie, neue ®tl)if, neue ^Religion, neue ^unft
unb ^unftbetrad)tung ftanben auf il)rem Programm. 2Iu6
ber platten 2Bir!Iid)feit bes StUtags, aus ber ötien S3er=
ftanbesmelt bes bamaligen ^Rationalismus brängte es biefe
9Jlänner unb grauen I)inmeg; aber il)r 2öeg füt)rte fie nic^t
mie bie ^laffüer ins Slltertum 3urürf, beffen ©rö^e fie on*
erfannten, beffen I)oI)e gormfd)önt)eit unb Objeftioitöt fie
aber fremb anmutete. SI)ren minber abgeflörten unb in
fid) üollenbeten ©emütern mol)nte ein ins Unfaßbare
ftrebenbes 6e^nfud)tsgefüt)I inne, bie Gräfte bes (Befül)Is
galten it)nen als unerfc^öpflid) unb unburd)bringlid) unb
füljrten fie in aljnenb bämmert)after 58etrad)tung Don 2)a=
fein unb Sßelt tiefer, als je ber 23erftanb es t)ermod)t }:)'dtte.
5)as U n e n b l i d) e mar il)r S^ubermort; in il)m über*
6(^ncfbcr, Uf)ronb. 5
lüanben fie bie rofie fur3fid)tige 2BtrfItc^fett unb ftd)crten
bem eigenen ©emüt, \iGi^ Unenbltd)!ett5fe^n(uc^t (d)rüetltc,
feinen 2InteiI am Sßeltgansen.
3n proteifd)er 23ielgeftalttg!eit [teilte fid) t^oa neue
romantifd)e ßebens» unb ^unftelement bar, unb bes jungen
ßiteraturbefliffenen mocf)te fid) n)ol)I Sogen unb 9latIofig=
(eit bemäd)tigen. 9'lätjell)aft angesogen burd) ben mr)ftis
f(^en ^ei3 unb bie beftrirfenb !inblid)e gorm ber neuen
^oefie unb unbefriebigt burd) bie tieffinnige, aber orafel»
mögig oorgetragene neue 3:^eorie mugte er felbft 3um
©rübler merben, moUte er nid)t in laEenber ^albbemugt«
l)eit nur bie '^Oi\xhtx\siXKt nac^ftammeln.
!Da5 mar benn aud) UI)Ianb5 %GSi. 9^id)t als "^(x^^-
al)mer ber romantifd)en 5)id)ter beginnt er, fonbern if)n
feffelt 3unäd)ft bie fporabifd) 3u il)m bringenbe ^unbe pon
ber aufmül)Ienben romantifd)en Vs)z^x\t unb VQZ^i iljn 3U
eigenem 9^ad)ben!en. ©s ift gan3 3u Ünred)t hz\)QiVC^izi
morben, er I)abe bie meiften romantifd)en 2ßer!e, fpesiell
bie !Did)tungen Xietfs, unmittelbar nad) il)rem ®rf(^einen
begierig in fid) aufgenommen. Sn Sßa^rl)eit bauert es oft
5al)re, bis biefe neuefte ßiteratur il)ren SBeg ins (5d)maben=
lanb unb gar in bie ^önbe bes jungen 6tubenten fanb.
©eine Äenntniffe maren gans oom S^fall abl)ängig. ©in
SSeifpiel bafür: 1805 unb 1806 mugte er fid) einen 5a{)r=
gang ber ßeip3iger ßiteraturseitung 3ugängli(^ 3U mad)€n;
bie 2öer!e romantifd)en 6d)Iages nun, bie er barin, meift
in fel)r ungünftigem 6inne, befprod)en fanb, mürben feine
mid)tigften ßeitfäben. Sean ^auls ^ftl)etif unb SSouter*
me!s (Befd)id)te ber ^oefie unb 35erebfam!eit \)^i er burd)
biefes 2Jlebium fennen gelernt.
Das bürftige SOflaterial, bas fie if)m bieten, folt tl)n 3ur
ßöfung ber großen JRätfel ausrüften, bie bie Q^ttgenoffen
in 2ltem l)oIten; benn fooiel \)Qii er begriffen: es ift an ber
Sßit, '^Oi^ bie {)erfömmlid)en SSegriffe ber auf!lärerifd)en-
unb felbft flaffi3iftifd)en ^petif unb ^oetif über ben
i)aufen getüorfen icerben. Sie erfte umfänglid)e $robc
ber ncugebilbeten lll)Ianbfc^en ^unfttI)eorie liegt uns t)or
in einer au5fül)rlic^en brieflichen D^eaenfion t)on 6d)ober5
@ebic{)ten.
©uftao 6d)ober gel)örte bem Xübinger 6tu-
bentenfreife an. ®r tüar 3n)ei :3al)re älter als U{)lanb unb
l)ielt fid) für einen großen !Did)ter. 9m ßeben mar er ein
geborener $ecl)t)ogel, geriet 1808 in ben 2Serbacl)t bes 23er=
[d)U)örertum5, übermarf fid) als 23i!ar mit feinem Pfarrer,
Ul)lanb5 Ol)eim, unb fanb fd)liept^ beim 55aben in ber
Oftfee ein frül)es (Brab. ©eine prätentiöfe, aber im ©runbc
l)armlo5=gutmütige $erfönlid)!eit meift eine merfmürbige
3Jlifcl)ung t)on ^oetenaügen mel)rerer (Benerationen auf.
er ift Äraftgenie in ber aJlafelofigfeit feiner bombaftifcl)en
SBeltftürmerei unb JRomantifer in ber 23erftf)mel3ung Don
^oefic, 9^atur= unb Xranf3enbentalpl)ilofopl)ie. Seine fo==
genannten pI)ilofop^ifd)en @ebid)te bieten fd)ellingfd)e (Be=
banfen in fd)illerf(^er, 3um 2:eil jungfd)illerfd)er Sorm.
(Bx trieb einen mafelofen ^ult bes größten fc^mäbifc^en
2)id)ter5 unb pufete feine eigenen, eben megen il)rer be*
ftänbigen Überl)ifetl)eit bürren unb trocfenen $oemata mit
beffen erborgten glittern aus. ds ift in ber Xat, mie
Ul)lanb fcl)reibt, eine l)erfulifd)e Strbeit, bie @ebid)tfamm*
lung (E>d)obev5 aus bem 3al)re 1805 burd)3ulefen.
Ul)lanbs !Re3enfion gel)t nun oor allem biefem
fd)mülftigen Überfc^mange 3uleibe. Unb bie alte, mol)l
nod) oon ber Großmutter l)er in ber gamilie fortgepflan3tc
6d)illerfeinbfd)aft fommt 3U 2Bort, menn Uljlanb mit faft
benfelben Sßorten mie einft ©täublin 6d)iller für bas un*
l)eilr)olle treiben ber fd)ti)äbifcl)en Originalgenies vexanU
mortlid) mad)t. Diefer 2lrt oon ©rl) ab enl)eit, mie 6cl)iller
unb oor il)m Älopftocf fie gepflegt l)aben, fagt UI)lanb ab,
er preift bafür bie einfad) erl)abene tunft @oetl)es, ber
an 5^f)antafie 6(f)tlter bei tt) eitern überlegen ift. 2Iud) bem
reifen 2)i(f)ter, bem poetifrf)en 23er!ünber ber ^ant|d)en
ßel)re, fte{)t er fremb unb tatt gegenüber, offenbar tüeil
if)m feine (Sebic^te 3UDieI ber 5^I)iIofopl)ie bieten. „Sie er=
l)abenen 9^efultate ber ^I)ilofopI)ie finb il)r (ber ^oefie)
nic^t fremb. 2Iber fie ift fern t)on pl)iIofop{)ifd)em 3Jlr)fti'
3i5mu5. Die ^oefie ift ein (Bemeingut ber 9Jlenfd)l)eit, fie
foll aufgel)en über alle trie bie allbeleud)tenbe, allern)är=
menbe 6onne ... 60 ift bie neuefte '^zxi nid)t mel)r ge=
lüillt, fid) fubjeftiüen pl)ilofop!)ifd)en Xieffinn al5 Sid^tung
öorfefeen 3u laffen . . . Die objeftiofte, bie allereinfac^fte
?Poefie mirb oon neuem I)ert)orge3ogen, (Soet()e, Jierf, in
beffen eigenen SBerfen unb ben Bearbeitungen altbeutf(f)er
@ebid)te, Berbers ©ib, bes Knaben 2ßunberI)orn ufm.
mögen 3eugen."
Dag ber 6(i)reiber biefer 3^^^^^^ ^it (Seift unb
©l)ara!ter ber romantifcf)en ^oefie üertraut fei, mirb nie»
manb be{)aupten mollen. 2Bo^t aber finbet fic^ l)ier
menigftens ein ed)t romantifd)e6 ©c^lagmort: objeftioe
?Poefie. Sreilid) Urlaub gebraud)t es, oI)ne fic^ über feinen
6inn unb bie ^^ragmeite ber I)ier au5gefpro(f)enen Sorbe«
rung flar 3U fein; nod) anbertl)alb :5at)re fpäter fragt er
feinen poetifd)en Beirat, mas benn eigentlid) unter ber
Dielgerüt)mten Dbjeftioität 3U Derftel)en fei. Stllmöpd)
ftellt fid) Vs)m bann I)erau5, bag gerabe er am menigften
Urfa(^e \)oX, bie objeftioe 3flid}tung ber ^oefie am pc^ften
3u bemerten. Sn ben gebruar 1806 fällt eine fd)riftlirf)e
2Iuf3eid)nung, in ber er feine Begriffe auf biefem ©ebiet
3u flären fuci)t.
Uf)Ianb ftellt f)ier bie ©runbfrage nad) bem SBefen
ber ?Poefie unb l)anbelt über ben Unterfd)ieb bes objettioen
unb fubjeJtioen Did)ter5. 2Bir miffen, '^o,^ er fur3 r)orI)er
(5d)iller5 grunblegenbe 2(b{)anblung über naioe unb fenti=
mentalifd)e Did)tung gelefen \)QXiz, unb biefe oermittelte
i{)m rüof)I auerft btc ©rtenntniö ber amei t)erfd)tebenen
6til= unb Slnfc^auungsrüelten, bie eine fold)e 6d)eibung
3ur Dlotrüenbigfeit mad)en. Oean ^auls 23orfd)uIe ber
Sfiftt)ettf l)atte 6d)iIIer5 Slusbrucf „nabe $ocfte" huxä)
„objefttoe" erfe^t unb au5|ci)lieglid)er als ber (Beti)äl)r5=
mann bie Objeftioität für bie antxU, bie ,4entimentatifd)e"
©ubjeftioität für bie moberne ^oefie in 2tnfprud) ge*
nommen. 5)em \d)l\e^t fid) UI)Ianb l)ier an, unter teil»
roeife m'6vüid)ex 25e3ugnal)me auf Sean ^aul, fo nament«
lief) bort, mo er einge()enb üon ber b(ül)enben ^eiterfeit ber
antifen ^oefie, bes Sugenbalters ber 90flenfd)I)eit, fprid)t.
2rntif=objeftiDe unb mobern=fubje!tir)e ^oefie fd)eibet
ja aud) ba5 erfte groge tI)eoretifc^e 9Jlanifeft griebrid)
6d)Iegel5: Über \)a5 Stubium ber gried)ifd)en ^oefie. 2Iber
nid)t5 beutet bei Ul)Ianb auf beffen unmittelbare ®inn3ir=
fung, ber Serminus „romantifd)e $oefie" mirb nod) nid)t
gebraucht. Dagegen barf ein anberer Stusbruc! ni(^t
fefjlen, ber üon allen romantifd)en Segriffen am tiefften
bei Ul)lanb 5ißur3el fd)lagen mugte; er l)at offenbar oer^
manbte Saiten in if)m berüt)rt unb mirb aud) oon il)m
gerne 3ur ©rflörung bes Unerflörbaren oermenbet. 2)er
fubjeftioe Dichter ift für Ul)lanb baburd) au5ge3eid)net,
ba^ er ber falten 2ßirflid)feit fremb gegenüberfte^t: „^\t
il)m bie ©rbe oermelft, fo fd)aut er 3um ^immel auf, ob
biefer nod) blül)e. Diefer 5)immel tftba5Unenblid)e
in i l) m , ^as er al)nbet, nad) bem er fid) immer fd)mer3=
lid)er, immer freubiger fe^nt, je meniger il)m bie 2lu6en=
mett geben fann. (Er erforfd)t fid), er lernt feine erl)abene,
aber gel)eime Seftimmung fül)len." 2llfo in bie roman«
tifd)e llnenblid)feitefd)rüörmerei ftimmt Ul)lanb l)ier ein;
freilid) gebraud)t er ben ^Begriff gleid) in einer fenn3ei4»
nenben Sarbung. I)a5 tlnenblid)e beftel)t nid)t au^er uns,
uns einl)üllenb unb unfer 6ef)nen in bie metteften gernen
tragenb, fonbern es liegt i n uns; in ixnfer eigenes Snnerc
muffen mir I)inabfteigen, bamit fid) uns \sQa Unenblic^c
erfdjiiegt. !Diefer (Bebanfe mtrb t)on 6(i)Ietermac^er unb
S^loüalis au5gefprod)en, unb 3U)eifeIIo5 t)at biefer burd) ein
ttefftnniges Fragment feiner ©ammtung „35Iütenftaub"
UI)Ianb angeregt: „Oft benn \iCi^ 5BeItalI nid)t in uns?"
fragt er \i^. „Die liefen unferes (Beiftes fennen mir nic^t.
S^laci) innen gel)t ber geljeimnisüolle 2Beg. Sn uns ober
nirgenbs ift bie ©migfeit mit i!)ren SBelten ... Sic
Slugenmelt ift nur 6d)ein."
Der junge 2)id)ter möd)te aber ntd)t nur tf)eoretif(J)e
^Begriffe feftlegen, fonbern fid) auc^ mit bem 2Befen ber
eigenen $oefte rertraut mad)en. ©r fül)(t, \io!^ er ein
burd) unb burd) fubjeftiüer 2)id)ter ift unb mill bas rcd)t'
fertigen. Das äußere ßeben bietet il)m nid)t genug, als
\i^^ er es mit antifer 5Birfüd)!eit5freube objeftio anfel)en
fönnte. Dal)er flüd)tet er fid) ins eigene innere. Gs finb
bas ©ebanfengänge, bie il)n bismeilen aud) in bireften
2Biberfprud) 3u romantif(^en 6ä^en üermideln fönnen.
®rfd)eint bod) fd)arffid)tige 2BeItbeobad)tung unb reali*
ftifd)e SBiebergabe bes i^ntereffanten, ©I)arafteriftifd)en
bei griebrid) 6d)IegeI gerabe oIs ^enn3eid)en bes roman»
tifc^en Did)ters. Sßenn tll)lanb bamals in ben 6d)riften
bes geiftreidjften, aber fd)n)erft 3ugänglid)en aller Üloman*
tifer ernftlid) belefen gemefen märe, fo I)ätte er moI)l !aum
beflagen fönnen, \iQi^ man fid) no(^ nid)t I)inlänglid) mit
ber Srage nad) 2Befen unb SBert ber ^oefie bcfc^äf»
tigt \)Qi\iz. .
STud) fernerf)in bleiben feine 2tusfül)rungen baburd)
ge!enn3eid)net, \iOi^ er mit romantifd)en 6c^Iagmorten
arbeitet, oI)ne il)ren üollen ©inn erfaßt 3U t)aben. ©nbc
1806 flagt er brieflid), ber moberne Did)ter empfinbe einen
gar 3U ftarfen 9)Zangel an 9)1 1) 1 1) o I o g i e. 6d)etling
unb griebrid) 6d)legel fiaben ben 6el)nfud)tsruf nad) biefer
erhoben; aber mie anbers, in mieoiel tieferem Sinn als
UI)Ianb faffen fic ben ^Begriff! Die 9}l9tl)oIo9tc, bie ber
©egentüart fel)It; foUte it)r bie antifc crfefeen, fie foUtc ble
gange poetifd)e 2tnfd)auung5tt)elt neu beftimmen unb be=
grünben. ^s tft intereffant, feftaufteüen, bag ber reife
UI)Ianb, ber SD^gtl)enforid)er, ben SSegriff in äl)nlid)em
Sinne faßt mie (5d)Iegel: ajlr)tl)en finb ©runbformen ber
poetifd)en 3Beltanfd)auung, mt)tl)ifd)e 2öefen perfonifiaierte
9^atur= unb ©eiftesfräfte. Sßas ber junge Urlaub t)er=
migt unb ()erbeifel)nt, t)a5 ift etrras rein Stofflidjes: dite
beutfd)e Sagen ober ,Mr)ii)^r\'\ n)ie bie SSorseit- fie be»
fungen I)atte, tt)ünfd)t er oIs ©runblage moberner 2)id)=-
tung rrieber augänglicf) gemarf)t.
T)a5 unbeftimmte 6el)nen Uljlanbs l)atte fein 3^^^
fd)on feit längerem in ber beutfd)en unb norbifd)en 23er»
gangenljeit gefunben, nun geiüäl)rte i^m bie romantifdie
Strömung bie eru)ünfd)te 25eftätigung unb Sereid)erung
feiner fd)mörmenben SSorliebe. ^ein SÖBunber, ba^ er fic^
im Januar 1807 enbgültig 3ur romantifd)en ^oefie be»
fennt unb il)r auöbrücflid) Dor ber antifen ben ^^orgug
gibt. Slber in oU biefen gällen ift il)m ,,!Romantit" nic^t
eivoa eine neue ßeben5anfd)auung, eine etf)ifc^=religiöfc
ober pl)iIofopI)ifd)e D^eoolution, fonbern er fiel)t fie oon
feinem engen @efid)t5U)in!eI aus lebiglid) als eine fru(f)t»
bare, jugenblid)e Iiterarifd)e ^emegung an. Unb trofe
feines SSefenntniffes ju iF)r oerftummt bie grage in feinen
^Briefen nid)t: ,,6agen 6ie mir, mas 6ie unter IRomantit
t)erftel)en.'"
Um fid) barüber felbft SRecf)enfd)aft 3U geben unb aud)
onbere an feinen ©ebanfengöngen teilnel)men ju laffen,
l)at er im grüt)ial)r 1807 bie fleine Süsse „Über ha^
SR 0 m a n t i f d) e'' niebergefd)rieben. S{)re Originalität
unb 58ebeutfamfeit barf ja nid)t überfd)äöt merben. 2Iuc^
tut man gut, aus 'ü)v feine gu naije 23ertrautf)eit mit S^ieb*
rid) S(^Iegel, ScfieHing unb anberen i)auptpertretern ber
D^omantif abguletten. 2In Uf)Ianb5 gans obcrf(äd)Iid)em
2Ser^äItm5 3u il)nen ()at firf) ntd)t5 geönbert.
5)ie erften 2Ibfd)nitte bes fletnen Sluffa^es lefen fid)
gut, faft nimmt er ftellenrüeife bcn ei)arafter bes ^r)mnu5
an, in fold) bämmernb Qt)nung6reid)em 6tile, mit folc^
füf)nen unb fttmmungsöoU erfcfiauten 5ßilbcrn mirb has
2Befen ber JRomantif d)araftenfiert. 2lber aus biefcn cr=
Ijabenen 35etrad)tungen reifet uns mit eins ber trocfene
Übergangsfa^: „©s möd)te nid)t uner{)eblid) fein, 5u er=
mittein, mie fid) bas Sßort S^lomantifd) t)on feiner natio=
naien Se3iel)ung gum ^unftbegriff ermeiterte" — ber 3ur
I)iftorifd)en ^etrad)tung bes Segriffes t)inüberfüt)rt; erft
gegen Sd)Iu6 mirb bie frül)ere fd)mungt)oIIe 2)iftion mie-
ber erreid)t. 2Iud) biefe in ber 6tilifierung bes (Begen*
ftanbes mürbigeren ^^artien bürfen nid)t barüber I)inn)eg=
täufd)en, \)a^ bie fleine 21bt)anblung im gangen ein ^on=
glomerat aus Derfd)iebenen Vorlagen, eine Sammlung
t)on ßefefrüd)ten 3um Seil gar nid)t romantifd)er ^erfunft
barftellt.
(Bd)t romantifd) ift mieberum nur ber eine (Bebaute:
ber romantifd)e 2)id)ter fteigt in bie Xiefe, in bie Unenb=
Iid)feit bes eigenen Innern t)inab. 2)as fd)eibet U)n oon
bem antifen 2)id)ter, beffen ^eiterfeit unb ßebensfreube
bie bämmernbe 6el)nfud)t nad) bem Unenblid)en nod)
nid)t fannte unb näl)rte. STuf ben ©egenfafe biefer beiben
5)id)ternaturen unb Did)tarten ift roieber bie erfte ^älfte
bes 2tuffafees aufgebaut, unb aud) l)ier ift ber SBegmeifer
3ean ^aul. ®s finb feine 2tnfd)auungen, 3um Xeil feine
Slusbrüde, es ift feine bilblid)e ajlanier, bie fid) n)iber=
fpiegelt. Sean ^aul liebt es, bie Seifpiele für ^oefie unb
Öebensmeife ber mobernen SSölfer, bie 3ur SIntife in
Slontraft treten follen, aus bem l)oI)en 9^orben 3U nel)men,
©einem 6d)üler ift, mie mir miffen, überhaupt aus bem
^^lorben ^uerft eine rpmantifd)e 2Bett ern)ad)fen^ unb fp
fd)eint i{)m jcfet aud) bte S^omantif nt(!)t bem farbcnreid)en
beutfd)en 5JlittcIaIter ber Äreu33üge unb ber ^Httteraeit ent=
fproffen, fonbern il)rc 5)eimat ift für tl)n ber büftere 9^or=
bcn, bic S^ebellanbfdjaft Offians, bte allerbtngs ben
ftärfften (Begenfafe 3u ber l)eiter fonnigen gned)ifd)en 2öelt
barftetit. Sie urfprünglid)en mt)tl)t(d)en 3Befen ber germa'
ntfd)en unb bamtt ber romantif(t)en ?Poefie ftellen fid) \l)m
bar al0 ^Jdjaurtge 5)1 acf)tg elfter, ungel)eure 2öoI!en=
geftalten, £)ffianifd)e S^ebelgebilbe". Der Unterfd)ieb ^xoU
fd)en romantifd)er unb antifer ^oefie töirb l)ier mit einer
©infeitigfeit, bie meber 3ean ^aul nod) trgenbetn 9floman=»
tifer teilt, am ber ©egenfäölid)feit bes Klimas, ber Statur,
ber 2Jlt)tI)oIogie abgeleitet. Siefer ©ebanfe ift ()erberifd).
Unb es ift fein Sn^^if^I/ ötig UI)Ianb aud) oon einem 2luf=
faö 5)erber5 bie ftarf fontraftierenben färben geüeljen l)at:
Die ^oren, bie er bamals burd)Ia5, I)atten in ben STus»
fül)rungen bes fürs t)orl)er oerftorbcnen aJleifters über
,,i)omer unb Offian" bem (Begenfafee 3rt)ifd)en ^ellenifd)er
fiid)t= unb norbif(f)er S^lebelmelt berebten Slusbrucf oer«
Iiel)en.
STuö biefer neuen, eben ber norbitd)en (Brunblage, auf
ber fid) UI)Ianb5 romantifd)e5 5BeItbiIb aufbaut, ergibt fid)
ein ©egenfa^ 3U Oean $aul: Das G^l)riftentum ift nid)t bie
9Jlutter ber JRomantif, fonbern nur, nad) UI)Ianb5 2öort,
„beren t)iel umfaffenber ©egenftanb". gaft möd)te es
fd)einen, als ob er fid) im folgenben mieberum mit 3U)ei
l)aIbDerftanbenen ©runbbegriffen ber JRomantit au6ein=
anber3ufefeen fud)te: Sßenn mir I)eute oon romantifd)er
Siebe unb romantifd)er D^leligion reben, fo meinen mir tia^
mit bie gemaltige llmmäl3ung bes ®I)Cs unb (Bottes'
begriffes, bie cor allem burd) 6d)leiermad)er l)eroor'
gerufen morben ift. lll)lanb fagt aud) biefc ^Begriffe in
feinem befd)ranften, rein f)iftorifd)en 6innc: l^as SSer»
I)ältni5 ber @efd)led)ter unb \iie Stuffaffung bes Triften?
tums, rx)ie fie im SlJlittelalter ^crr{(i)ten, erfc^etnen xl)m als
fpe3ififd)e ^enn3etd)en ber romanttfd)en ^eriobc. ©ine
Dreiljeit: JHeltgtofität, 3Jlinne unb 2:apfer!eit fpnci)t er als
^cnn3etd)en ber D^itterroelt an; toieberum fein neuer, nid)t
einmal ein e(i)i romantifd)er ©ebante, (onbern eine meitere
{)erberi|d)e Prägung. Die eingelnen färben, bie bas üor=
3eitlid)e ©emälbe Uf)(anb5 nä^er ausgeftalten (ollen, finb
erftaunlid) oielen SSorbilbern entlel)nt. Die allmäl)li(i)c
5Gerinnerlicl)ung bes 23crl)ältniffe5 3ti)ifd)en Wtann unb
grau, bie 3um förmlicl)en grauen!ult I)infül)rt, i[t bar»
geftellt im Stnfdjlu^ an 2lbam SJlüHers 23orlefungen, bie
erft im Sßinter Dörfer in Dresben gel)alten öDorben maren.
Die (Befamtfümmung bes SJlittelalters, fpe3iell ber ^reu3*
3ugs3eit ift erfaßt nad) bem SlJlufter ber beiben populari»
fierenben mittelalterlid)en ßiteraturgef(f)id)ten, bie bas^a^r
1803 gebra(i)t Ijatte, Zied5 (Einleitung 3u ben SlRinne«
fingern unb 21. SB. 6cl)legel5 ^Berliner SSorlefungen über
romantifcl)e ^oefie.
2tm felbftänbigften ftellt fid) ein furser 6d)lu6teil bar:
^Jlun bie D^omantif in il)rem SBefen feftgelegt ift, muß nod),
mie in 6cl)legel5 (Befpräd) über ^oefie, il)re fünftlerifd)e
ßigenbebeutung and) für bie (Begenmart unterftrici)en
merben. 6ie ift „nid)t bloß ein pljantaftifdjer 2Bal)n bes
SD^ittelalters, fie ift l)ol)e, eujige ^oefie". 2Bieber l)elfen
5Bilber aus ber norbif(f)en 9Jlr)tl)ologie 3U origineller 58e=
lebung: „Sie ift ber fd)immernbe ^Regenbogen, bie 33rücfe
ber (Bötter, morauf, nad) ber (B'öha, fie 3u ben Sterblichen
l)erab unb bie 2lusermöl)lten 3U il)nen emporfteigen." 3ii'
lefet ein Slusfall gegen ben rationaliftifd)en Unglauben ber
Seit unb eine9Bieberl)olung oon^ean^auls^reis besSlber*
pfaubens, biefer „grud)t unb 9lal)rung bes romantifd)en
Ößifts". Ulilanb mirft ber platt ungläubigen 9Jlitmelt mit
mutiger 23erad)tung ben gel)bel)anbfd)ul) l)in: „9^un, fo
laßt uns Sd)ui ärmer l)eißen unb gläubig eingeben in bas
gro^e romantifd)e Sßunberreid), too has ®öttlicf)c in
taufenb oerflörtcn ©eftalten uml)errr)anbett."
2Benn aud) mcl)r ein SQlofaif als eine felbftänbige
6rf)öpfung, ift biejer 2Iuffaö boc^ ein ©laubensbefenntnis,
bem Ul)lanb einftmeilen treu bleibt unb nad) beffen ©öfeen
er feine ^oefie 3U geftalten furf)t. 6id)er fü{)It er firf) frei='
lid) ber eigenen ^unft aud) jefet nod) nid)t, nad)bem er fic
tI)eoretifd) funbiert l)at. (Er äußert Sn^eifel, ob feine 2)id)-
tungen ben ©Ijarafter bes 9'lomantifd)en tragen. Unb [o
läßt er fid) baau verleiten, it)nen tünftüd) nad)5ul)elfen, bas
äußere (Bepräge oufaubrücten, bas er an ben romantifd)en
Söerfen gema^rt.
2)ie erften romantifd)en ^ublifationen, bie auf Ul)lanb0
2)id)tung einmirfen, finb fenn3eid)nenbern)eife feine Ori*
ginalbi(f)tungen, fonbern (Erneuerungen. 2:iect5 Einleitung
in bie SJZinnefinger mürbe für feine Jt)eorie Don SQBirf)tig'
feit, ber Sejt für feine ^rajis. 6eit (Enbe 1804 taud)en in
feiner ßgrif I)äufiger als früf)er bie SBorte 9Jlinne, minnig»
lic^, Swff^mrnenfefeungen mie munberfü^n, munbertreu
unb anbere au5gefprod)en arc{)aifd)e S3ofabeln auf. 2Iber
mW wenig hehmtei bie erfte il)m befannte altbcutfd)c
Ä u n ft poefie gegen ben reid)en Segen an o o l f s tum*
Iid)er ßr)rif, ben ©nbe 1805 Des Knaben 9BunberI)orn
über il)n ou5fd)üttete! 6djöner unb märmer als er in
feinen ßiebernber23or3eit{)at benn aufi) niemanb,
felbft nid)t (BoetI)e unb ©örres in il)ren ^Heaenfionen, ben
5)erau5gebern ber Sammlung ben Sanf ber gan3en ®ene=
rotion ausgefprod)en. Daß es nid)t erft bes 2BunberI)orn5
beburfte, um Ut)Ianbs (Befd)macf am 23oIfsIieb gu meden,
barf er ^ier betonen; es begreift fid) aber aud), \)a^ ber
mit einem 9}lale fo ooU unb fräftig an fein £)i)x fd)Iagenbe
Jon neuen, befonbers fräftigen 3ßiber{)aII meden mußte.
^n ber Xai merben ferner unb Uf)tanb jefet für einige
Seit bie eifri^ftcn Sünger bes 2BunberI)orn5; md)t nur
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huvd) 9^ad)al)mungen tüoEen fie bte t)oItöItcbl)aftc ßiteratur
bereid)crn, fonbern aud) burd) eigene 9^ad)forfd)ung auf
ber 6pur, bte 2Irntm unb Brentano gemtefen.
UI)lanb iDurbe basu im 5)erbft 1806 (Selegen()eit ge«
boten. Cr burfte bamals feine erfte größere JReife matten
unb burd)ftreifte mit smei greunben 3U guge bie 6d)U)ei3.
ßeiber o()ne jeben (Ertrag für feine eigene !Did)tung. 2Bir
tDürben uns ben jungen $oeten gerne aufna{)mefä{)ig, be*
geifterungsfreubig benfen. 2tber mie fo oft in feinen
fpäteren ßeben5jot)ren, fo muffen mir aud) ^ier oorlieb-
ne^men mit einem oerftimmenb lebernen 35eri(^te, ber
nid)t6 meniger als eine Iebf)afte 2öiberfpiegelung er«
{)ebenber ©inbrücfe oon D^atur unb neuen 5Jlenfd)en bar=
ftellt. 2Bir befifeen einen 35rief aus ^Tnbermatt com
3. Dftober. (It)ur, bie Via mala, bas 9flt)eintal liegen
l)inter \\)m; ,,mer!mürbig" unb ,,intereffant" finb bie Bei=
morte, bie er biefen 9laturl)errlid)feiten abmedifelnb t)er=
Ieil)t. SSon einer Sefteigung bes @ott{)arb milt er abfel)en,
,,meil er nid)t üiel ;3ntereffantes l)aV\ 2)a mer!t mon
nid)ts üom D^lomantüer, unb aud) gmei im 5^ad)Iaffe t)or=
gefunbene $rofal)t)mnen auf ben 9'l{)einfaII unb bie XeIIs=
fapelle cerlieren \\)xe Sebeutung, menn man erfäl)rt, ha^
er fie fd)on in bie Sd)mei3 mitgebrad)t l}at\ Dennod)
f)afteten bie ©inbrüde; nod) im 2IIter er3ä{)Ite er befonbers
gerne ron biefer Sünglingsfa!)rt, unb bas (Bebid)t, bas er
bem 9^eifegefä{)rten 3äger bei beffen ©(Reiben t)on ber
Unioerfität ins 6tammbud) gefd)rieben })at, lägt in furser
©fi33e bie bleibenben ©rinnerungsbilber com [Rigigipfel
unb t)om Sobenfee erftel)en.
Ser SSoIfsIiebfreunb !am beffer auf feine 9led)nung als
ber 5^oet. Sn 3Reiringen traf U{)Ianb einen ©d)ufter, ber
if)m Cinblid in einen alten f)anbfd)riftlid)en ©ammelbanb
Don SSoItsIiebern geftattete. Qmei baoon fd)rieb er f)eraus,
ben ,,(Brafen ^riebrid)" unb bas gieb oon bei: rDieber?
RSci>R^i?C5£i?R^i?RSi?R^i?R^i?K£i?
gefunbenen ^öntg6tod)ter. !Dcr 6d)ufter erhielt fpöter
(5d)iller5 Xett als ©egengabc. SSalb fanb fic^ ein Einlaß,
ben 6d)afe öffentlid) 3U oeriüertcn.
ÄöUe, felbft SSoIfsIiebfammler unb bei feiner ^Betrieb»
famteit mit allen möglid)en Iiterarifd)en Greifen in gü^=
lung, oermittelte il)m eine in oieler 5)infid)t fegen5reid)e
unb förberlid)e 35etanntfd)aft. UI)Ianb l)atSeor)on6e! =
fenborff, ber erft 1805 aus n3Ürttembergifd)en ©taats«
bienften gefd)ieben war, freilief) nie perfönlid) fennen gc«
lernt. Dennod) lebte er amei 5al)re f)inburd) mit if)m in
innigftem ^ontaft, unb menn einer, fo l)at ber fränfitd)e
greif)err 2Infprud) barauf, als Ut)Ianbs ßef)rer ouf roman*
tifrf)em unb altbeutfd)em ©ebiete au gelten.
3n)ölf 5af)re älter als Ul)Ianb, l)atie er ein wed)\eh
reidjes fieben I)inter fid), }:)atte mand)em bebeutenben Did)=
ter, felbft ©oet{)e unb 6d)iller, naf)etreten bürfen, aud)
felbft fd)riftftellerifd) mannigfacl) ^erumejperimentiert,
bann bie 23itterniffe ber bamaligen 33eamtenlaufbal)n
burc^gefoftet, bis er fid) enblic^ 1805 in S'legensburg, fpäter
in 2Bien gang ber ßiteratur in bie 2Irme marf. ©r fud)te
bamit bem tiefen S^^iefpalt 3n)ifcf)en 33ernunft unb 9^et»
gung, „^onoeniena unb :5beal" ein ©nbe au mad)en unb
bem 35erufe au leben, für ben er fid) geboren glaubte, ©in
2)id)ter mar er frcilid) nid)t, unb feine SSriefe an Ul)lanb
aeigen nod) ben frifc^en 6d)mera, ben il)m bas fiosringen
Don ben ^oetenträumen feiner i^ugenb i)erurfad)t \)at. Um
fo mel)r barf er fid) ^unftoerftanb unb fritifc^en 6inn au*
fpred)en unb feine neiblofe greube on bem ©mporblül)en
jüngerer !Did)tertalente beaeugen.
Ul)lanb ift il)m unter benen, bie er in bie 2Belt ein«
fül)rt, „ber ^errlid)fte". 2lber \tatt \\)n au vergöttern, fud)t
er if)n anauleiten unb feinen ©aben au möglid)ft allfeitiger
Slusbilbung a« t)erl)elfen. 23on il)m murbc bem jungen
2)id)ter bas 6d)lagmort entgegengel)alten, bas er fo lange
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übcrgrübelt l)at: er ift il)m nod) ntd)t objeftit) genug, er
foU md)t nur feine tnbioibuelle ©mpfinbung bem @ebid)t
anoertrauen, fonbern er foll bie ©egenftänbe um fid) 3U
faffen trachten, foU einen 6toff ergreifen unb burd)bringen,
fein 3d) oon il)m trennen, nid)t nad) ftopfto(fifci)em unb
fd)itlerifd)em 9Jlufter bie eigene JReflejion, bie eigene
^erfönlid)feit ftönbig in ben 23orbergrunb treten laffen.
2)iefe Ermahnungen blieben auf U()Ianb5 ^rajis nid)t ol)ne
(Einfluß. Sie meid) aerfloffene au6fd)Iiepd)e i)ingabe an
bie eigene 6timmung ift er 3U überminben im ^Begriff.
2lber es fel)It noc^ an bem neuen Objeft 3u ber neuen 2lrt
ber 2)ic^tung. Er jeigt fid) in jenen 9al)ren erfüEt von
bem tr)pifd)en 6toff^unger bes jungen 2)id)ter5, ber, bur(^
JReflefion aus feiner triebl)aften (Entmidlung I)erau5=
gefül)rt, nad) neuen Sarftellungsgebieten unb formen
fuc^t. ©edenborff fommt il)m babei 3U 5)ilfe. 2)ie ßprif
ift für foId)e 2)ic^ternaturen ein gefäl)rlid)es gelb, unb fo
möd)te er UI)Ianbs ®f)rgei3 3u größeren Xaten anfpornen
unb ben 5) r a m a t i f e r in il)m meden.
JDes jungen greunbes Steigung eilte i()m babei ent'
gegen. 6d)on t)orl)er I)atte Ut)Ianb allerl)anb 6d)aufpiel»
plane, antue unb norbifd)e, gefaxt, ©edenborff mögt
ernft()aft bas gür unb 2ßiber bes ^d)iIIe5ftoff5 ab, ben
UI)Ianb U)m Dorlegt, cermeift ben 2tnfänger fd)lie6Iid) aber
hod) mit mel)r 2Bärme auf 3n)ei anbere 6toffe, mit benen
er felbft fid) früf)er getragen \)at unb bie er jefet bem
jüngeren o\)m 3^eib überlägt: 2)urd) eine neues fiutl)er*
brama foU 3ad)arias 2Berners 2ßeil)e ber Äraft oerbrängt
rrerben; ober, noc^ beffer, UI)Ianb foll eine ©pifobe aus
6d)legel5 5)anteüberfe'gung in bramatifd)e gorm gießen,
bie rül)renbe @efd)ic^te oon grancesca t)a 9limini. Siefer
Streite 5)inn)eis fc^lug ein. Sm 3Jlai 1807 ift Ul)lanb ans
5Bert gegangen unb \)at oon ha an jal)relang mit bem
!ßlane 3u bem grancescabrama gefpielt. ®r fd)eiterte, um
CS fur3 3u fagen, meil er aus bem rein pjr)(f)oIogifd) 3u
faffenben SSormurf mit aller (Beiüalt ein farbenooU be«
megtes romantifd)e5 Drama mad)en töoöte.
Der neue greunb mar ein guter Kenner ber beutfd)en
SSoraeit unb gleid) UI)Ianb cor allem Don bem 25eftreben
erfüllt, bie r)er((f)ütteten Sd)äöe mieber allgemein 3ugäng=
lid) 3u marf)en. ©r rt)ünfcl)tc ajlaffenüberfefeungen mittel»
{)oc^beutfd)er ßiteraturmerfe; Smein, 2:riftan, ^ar3iDal
foUten mieber beutfcl)e 9lationalepen merben. Unb er ift
ent3üdt, '^o.S^ (x\x6) l)ier ber 6d)üler feinen SBerberufen mit
Xaten Dorgearbeitet l)at: ^Bereits im ßaufe bes ;3al)re6 1806
mar Ul)lanb, 2:ie(f5 Seifpiele folgenb, als Überfefeer aus
bem 2Jlittel^ocf)beutfc^en aufgetreten, greilic^ nic^t 3Jlinnc*
finger, gleid) biefem, mäl)lte er fid) aus, fonbern feinem
5)er3en ftanb bie t)aterlänbifd)e ^elbenbid)tung am näd)»
ften. 1805 l)atte er fic^ aus if)erbers 9^ad)la6 bas gebrucftc
beutfd)e ^elbenbud) ermorben unb fid) mit mal)rer 2ln«
bad)t unb innigem ©enug in bie ßeftüre ber treul)er3ig
ternl)aften alten (Bebid)te oom JRofengarten, oon Ortnit
unb Söolfbietrid) oerfenft; ja gerabe ber fprad)lid) unbc*
f)olfenfte, fünftlerifd) ungeftaltetfte Xeil, ber profaifd)e 2tn*
l)ang, mad)t il)m megen feiner fd)lid)ten er3öl)lung oon
Dietrid)5 Xreue 3u feinen i)elben ben tiefften ©inbrurf.
3mei (Epifoben aus bem großen SBolfbietrid) \^qX er bann
im 23ersma6e bes Originals unb mit peinlid)em Streben
nad) ©tiled)tl)eit übertragen. 6d)on nannte i^n bie gama
als ben 3u ermartenben poetifd)en Erneuerer auc^ ber
5Jlibelungen.
©s blieb bei biefer einen $robe aus bem 5)elbenbud),
aber ber bid)terifd)e Ertrag bes nun einfefeenben ©tubiums
mittell)od)beutfd)er SSoKsepif ift bamit nid)t erfd)öpft. Sluc^
bas i)elbenbud) l)at auf Ul)lanb5 (Sigenpoefie gemirft unb
feinen ©influg bem bes 2öunberl)orns t)ermäl)lt.
SBieberum, mie brei unb oier :3al)re frül)er, ift 3u bemerfen.
taS^ ber |ubjeftit)e ©timmungspoet unter bcm ©tnflug
ftarfmirfenbcr cpifd)er SSorbilber 3um er3ät)lenben !Did)ter
rrtrb. tll)lanb \\i in ein neues 23aIIabeniaI)r eingetreten.
Slber er ift nod) nid)t I)inreid)enb gereift, um fo Dielerlei
neue ©inbrütfe DÖIIig 5u oerarbeiten. ©s entftet)t 3unäcf)ft
ein unorganifc^es ©emifc^, ber ©influfe t)on 2öunberI)orn
unb i)elbenbucf) äußert fid) übermiegenb unerfreuli(^.
^einc 35allabe ber 3Ql)re 1806 auf 1807 fann bie
mäd)tigen neuen SSorbilber oerleugnen. Sie ©inmirfung
finbet in erfter ßinie auf fprad)Iid)=metrifd)em ©ebiete
\iQXi. 6tropI)enformen bes 2ßunberI)orn5 merben über=
nommen, tgpifc^e Slusbrütfe, ,^Qi<ö gräulein, ber ^nabe"
bringen ein, Umfd)reibungen bes S^i^t^orts mit \^<}X unb
23erfIeinerungsformen finb pufig. fieiber u)irb baburc^
öfter ein finblid)=fpielerifd)er ei)ara!ter erßielt als ber er=
tüünf(f)te \6)X\6)i oolfsmößige 3:;on. 5ßas ben Ul)Ianbfd)en
SSallaben nad) n)ie oor am meiften nottut, 6aft unb 3Jlar!,
bas mirb iljnen aud) burc^ biefe neuen 2tnregungen nid)t
3uteil. Sm (Segenteil, bie l)erfömmli(^e Xragif ber 23ol!s=
ballabe bringt ben 2)id)ter t)on neuem in ein trübfeliges
gal)rmaffer, mieber enbet ein @ebicf)t nad) bem anberen
mit traurigen J^obesfölten unb ein t)erl)altenes 6d)Iud)3en
ift ber ©runbton aller biefer unfröftigen 6tü(fe. 2tud) bas
i)elbenbud) vermag feine fräftigere 9^ote I)erein3ubringen.
2Benn bas (Bebic^t Ser S^lofengarten 2:itel unb
^auptmotit) ous beffen 6pl)äre entlel)nt, fo ift Xon unb
5)altung aud) biefer 5)albballabe fo Jämmerlid), bie 2)i!tion
fo gefdimadlos, \i^^ man n)ir!Iid).an ber gefunben 2öeiter=
entmidlung bes 5)id)ters t)er3agen mö(^te.
3Bo finb' id) ber ßilgen 2Bäd)ter,
Sie mir nid)t getötet merb'n?
33ei 2^ag bie liebe 6onne,
SSei 9^ad)t ber 30ton* unb bie Stern' —
25ei foId)en IReimen mod)te es U{)Ianb in feiner eigenen
2Bunberf)orn' unb 5)elbenbud)äf)nlid)feit bange merben; er
\y\.6)izit in ben näd)ften 3Jlonaten nacf) biefem (Bebic^te
faft feine ^ßallaben mel)r, aud) im folgenben i^aljre fliegen
fie gan5 fpärlid), bis enblid) gefunbe ©elbftbefinnung all
biefe Unnatur l)inter fic^ mirft.
9^id)t nur Ul)Ianb mürbe burd) bas 2BunberI)orn oon
neuem 3ur 35allabenbid)tung angeregt, aud) ferner, ber
oor()er faft nur ber reinen figrif gel)ulbigt I)atte, pflegte
jefet '^Qi'ö ooltsmägige ©ebid)t er3äl)lenben e{)aratter5. (Er
ift auf einen (5d)Iag Diel fertiger als ber greunb. Diefer
plagt fid) jal)relang in offettiertem 9'lad)ftammeln unb
äu6erlid)em 6treben nad) \stXK (Effeften bes 23olfsliebes,
jener Ijat gleid) 1805 in bem büfteren, t)on unl)eilooller
Stimmung bur^träntten (Bebid)te „!Der fc^mere Xraum"
ben 23olfston fo mrtuos getroffen, \io!^ bie ^Herausgeber
bes 2Bunberf)orns bie il)nen eingefanbte SSallabe in il)re
Sammlung aufnat)men. greilid) l)ält fid) ferner nid)t auf
biefer ^öl)e. !Den ©inbruct ber gemollten ^feubonaioität
oermag aud) er in ben ballabenl)aften Stücfen jener 3eit,
in ber ^ilgerin, ber ©d)äferin IRaub, bem ©rafen 2(fper,
nid)t immer 3u oermeiben; benn er plünbert gleid) Ul)lanb
ben 9Bortfd)aö unb bie 6t)ntaf beutfd)er SSorseitbenfmöler
all3U u)al)llos. ®rft occk ber reifen SSallobenfunft Ul)lanb5
l)at aud) er fid) 3u DoUmertigen ßeiftungen aufgefd)n)ungen.
liefen (Experimenten ber SSolfsliebjünger fonnte nun
Secfenborff ein Obbad) gen)äl)ren, unb fo traten Ul)lanb
unb ferner unter feiner 5ügibe oor bie Öffentrid)!eit. 2(uf
bie Öal)re 1807 unb 1808 \^Qii Secfenborff 9Jlufenalmanac^e
l)erausgegeben. 2)er erfte ift ber n)id)tigere. ®r entl)ält
oon Urlaub 27, oon ferner 7 (Bebid)te. 93on bebeuten*
beren $oeten erfd)eint neben ben beiben nur nod) 5)ölber*
lin mit brei Stummem, ©s mag auffallen, t^o,^ ber 211«
manad) oiel mel)r auf beffen flaffi3iftifd)en als auf eigent«
64)neil)cr, Uljtanb. 6
iid) romantife^en Z^n abgeftimmt tft. Sas ent{prtd)t
feerfenborffs eigener poetifd)er 9lt(f)tung; benn er gibt fid)
in erfter ßinie als Stn^änger Berbers unb (Soet^ee, als
5)eroIb einfad)er objeftiöer ^^oefie gu erfennen. SSerbienft»
Iid)er benn als Originalbic^ter erfd)eint er als SSermittler
fremben ©utes. ©c^ottifc^e unb fpanifd)e 5BaIIaben beutjd)t
er ein unb fü{)rt bamit i)inüber 3u bem Programme feines
3U)eiten 2tlmana(f)s, ber im n)efentlid)en SSoIfslieberfamm»
lung ift. Söenigftens übertrifft bie erfte 2lbteilung,
„Stimmen ber 23öl!er" bie ameite, 23ermifd)te (Bebicf)te,
wie an Umfang fo an Sebeutung. Unter ben beutfc^en
SSoIfsgeföngen t)aben alfo Ut)lanb6 beibe ginblinge it)re
Stelle gefunben; bie Driginalbeiträge ber greunbc finb
biesmal fpärlid).
©in anfpru(f)st)olIerer ?pian löfte ben Sllmanod) Qi\i.
©nbe 1807 erlieg Serfenborff einen STufruf 3ur ©rünbung
eines Organs ^rometI)eus, bas cor allem bebeutenbc
$rofaauffäfee entf)alten follte. ®r burfte biefe 3ßitfci)rift,
3u ber er aud) bie 6d)n)aben einlub, eröffnen mit @oetl)es
gel)eimnistiefer unb formbunter ^anbora; langes @e»
beil)en mar \\)x aber v\6)i befd)ieben. ©ine anbere ßeiben»
fd)aft mußte bie literarifd)e SSetätigungsfreube bes i)eraus=
gebers oerbröngen. Setf enborff mar ein glül)enber ?ßatriot,
fieib unb 6d)macf) bes SSaterlanbes tonnten il)n bis 3ur
Dölligen 9Jleland)olie nieberbrüden. 9^ac^ bem 9^ieberbrud)
üon 1805 \)^iit er 3U feinen fd)riftftellerifd)en 2Irbeiten
Äraft gefunben nur in ber Hoffnung, bem mal)ren !Deutfd)=
tum burd) bie ©rmedung altt)aterlänbifd)er $oefie SSor«
fc^ub 3U leften. 1809, beim 2lusbrud)e bes neuen Krieges
gegen ^lapoleon, eilte ber öfterreid)ifd)e ßonbmel)rl)aupt=
mann ins gelb, ©in graufames @efd)id lieg ben mel)r*
lofen Sd)merr)ermunbeten in einem brennenben Qaufe
clenb 3ugrunbe geljen. ferner unb Ul)lanb l)aben bem
5liegefel)enen morme SBorte ins (Srab nad)gerufen.
83
!Dcm l)ol)en @etfte, ber il)n 3U biefem Opfertobe ge*
trieben l)aite, mußten fie aus üerftänbntsüollem 5)er5en
f)erau6 l)ulbtgen. Denn mer fonnte fid) in jenen Sal)ren
bem Drange ber Qeit ent3iel)en, mer fonnte, felbft im napo»
leonifierten 5Bürttemberg, ben 2^roft t)erfd)mä^en, ben
bie in bie beutfd)e 23ergangenl)eit 3urü(ffc^auenbe 9'loman=«
tif barbot? 9^od) 1805 gibt fic^ bei UI)lanb eine geiüiffe
@leict)gültig!eit gegen bie 2BeItf)änbeI funb, fein 9^eujal)rs*
gebid)t auf 1806 3eigt it)n au6erl)alb bes poIitifd)en :3nter*
effenfreifes unb fprid)t lebiglicf) ©enugtuung barüber aus,
\)a^ büQ tI)rone3ertrümmernöe Sd)i(ffal an ber glitte bes
befcf)eibenen SSürgers r)orüber3ieI)e. Slber u)ie bie Stoman«
tif im Drange ber 9^ot i{)re SBeltbürgerlic^feit fd)nell ab-
ftreifte, fo lernte and) UI)Ianb innerl)alb eines ;3a^res um.
„Dein X e u t f d) e r greunb ß. U." fo lautet 5)erbft 1806
fein (Eintrag in lRoofd)üfe* ©tammbud). Den in $aris
roeilenben^ölle befd)U)ört er „bei bem t)eiIigen9Jlutternamen
Deutfc^Ianb", il)m oon ben bort fd)Iummernben 23or3eit»
gebid)ten lunbe 3u geben, ©eine gan3e Umgebung, ber
ftubentifd)e greunbesfreis, 3eigt fid) oon biefer patriotifd)en
©timmung ergriffen. 2lber bas mar nur ein ©gmptom
unter oielen für bie neue Sinftellung. ©in allgemein ro=
mantifd)er ^aud) beginnt bie Jübinger Sd)ax 3U burd)*
u)el)en, in il)rer ßebensfüf)rung unb, fomeit fie ba3u in ber
ßage finb, in il)rer ^unftübung mollen fie bem (Beifte ber
beutfd)gefinnten genialifd)en SJlobernen gered)t merben.
9n ber ßeben5fül)rung: für biefe behmtei bas roman*
tifd)e (Element (Ermecfung, 33ereid)erung, SSefreiung. Das
einfeitig rol)e 9Surfd)entum unb bas öbe 25rotftubium, biefe
beiben (Begenpole ber 2:übinger ©tubententrabition, mur=
ben gleid)mä6ig übermunben. ©in Sufall l:)at uns in einer
2Iuf3eid)nung Ul)(anbs bie SInfänge ber meift gefungenen
ßieber bes Greifes b^xoa\)xi. Sieben mand)em fd)on ein*
gebürgerten ©tubentengefang unb gefelligen ßiebern oon
84
(Boett)e unb 6ci)tllcr mürbe oud) bes S^lopalis prä(i)tigc0
2ßeingebid)t: „2tuf grünen SSergen töirb geboren ber
©Ott, ber uns in ^immel bringt" gern angeftimmt. 50lit
biefem froI)en unb freien 2Befen oertrug fid) tief einbrin=
genbes l^ntereffe am gad)ftubium, fpeaieE an 50lebi3in unb
9^aturn)iffenftf)aft. ^öftlin fennseidinet bas anregenbe
2ßed)feIoerl}ältni5 3U)ifc^en ben greunben als ein „®mp-
pfangen oon Sbeen unb 5)arreid)en unb (Beniesen bes
(5d)önen".
2öir miffen leiber nitf)t allguDiel ©insel^ieiten oom
treiben bes Greifes, tennen es eigentlid) nur aus einigen
fpäteren 2lusftraI)Iungen, fo namentlid) Werners !Reife=
fd)atten unb ben fel)nfüd)tigen 9flücfbli(fen ber aus ber
Uniuerfitätsftabt üerbannten bemooften 5)äupter. SO^lan traf
fid) in ber Kneipe, bem ©aft^aus gum £)d)fen, auf ben
Stubentenbuben, auf Spasiergöngen, auf flotten %a\)xten
unb Dritten in bie 9^ac^barfct)aft. !Das 9Bunber{)orn, b. I).
bas (Baft^aus gum 2ßalbl)örnle auf ber Straße na^
^ec^ingen, mar ein beliebtes 3tel. Die meiften entmidelten
gefellige Xalente: ferner, im ^reunbesfreife mit bem
2öunberl)ornnamen ^ulüeia gesiert, glänste als 3JlauI»
trommelfpieler unb buri^ fein 9^ad)a^mungstalent, bas
fid) auf bie gefamte 2^iermelt, auf alle Qnftrumente bes
Ord)efters, auf 2öal)nfinnige unb ©eifter erftredte. Ut)tanb,
als fiiebl)aber bes S^lorbens Dlaf benannt, pflegte ben poe»
tifc^en ^rologus 3u fpielen, War)^x tat fid) als ^arifaturen^
3eid)ner l)erüor, ^ermann ©melin lieg feine I)übfd)e SSag*
ftimme ertönen. 2)ie übrigen gaben als ?Publifum ben
l)eiteren G^l)orus ab.
Ul)lanb oerftanb fid)erlid) in biefem greunbesfreife
üöllig aus fid) ^eraus3ugel)en. 5)öd)ft feiten mirb l)ier bie
fonft tr)pifd)e ^lage über feine 6d)rr)eigfamfeit unb Un3u=
gänglid)feit laut, ©eine $oefie öffnete if)m ben 9Jlunb
unb ben Sreunben bas ^er3. On feinen ßiebern lebte man,
man begrüßte, trennte, necfte unb begetfterte ftd) mit feinen
SSerfen. „2;iefe5 Sd)n)eigen in ben i^allen, groge 2BeI)mut
über allen" — biefe '^txXzw, aus bem ^önig DIo gingen
als geflügelte 2Borte bei ben Xübinger ©tubenten um.
3n allen Darftellungen erfd)eint aber ferner als ber
eigentlt(f) Xonangebenbe im Greife, beffen erfinberifcl)em
(Sel)irn eine 9Jlenge ber toUften (5S)er3e entftieg. ©ein
@ela6 im neuen 25au, ©cfe 9Jlün3gaffe, ber alten 2lula
gegenüber, l)at man mit 9'lecl)t als bas Hauptquartier
ber fd)n)äbifd)en 9^omantif be3eid)net. "bOi Raufte er auf
feiner originellen ?8ube in (Bemeinfd)aft mit ^unben unb
^afeen, beren er angeblid) 3U miffenfd)aftlicl)en SöJßtfen
benötigte. Das 5)auptinoentarftüct feines ^imn^ci^s mar
ein großes gag, in bem er feine 35üci)er auf3ubemal)ren
pflegte. S)Qiiit il)n eine Unterfud)ung6(ommiffion t)on
^rofefforen l)eimgefud)t, mie er fie in ben 5Reifefd)atten fo
föftlirf) am 3Berte 3eigt, fo mären aud) bei il)m aus ber
gel)eimnisüollen Xiefe biefes feltfamen 35üd)ergelaffes feine
mebi3inifd)en gad)frf)riften ans 3:ageslid)t gefommen,
fonbern „bie SBerfe i)an5 6ad)fens, bas fiieb ber 9^ibe=
lungen, bas ^elbenbud) mit feinen giguren, 5)iftoria aller
i)eiligen, Des Knaben 2öunberI)orn, 2lus3Üge aus ben
Sößerfen :3afob ^öf)ms, D^ooalis' unb anberer mal)nmifeiger
©fribler". Denn auf bie ältere unb neue romantifd)e
ßiteratur l)atte fid) ber Xübinger ^reis allmäl)lid) ein»
gefd)moren, ber fid) um Ul)lanb unb ferner fd)arte.
SSalb fanb fid) ein Stnlag, fortfd)rittlid)em ©eifte
gegenüber bem oerftaubten Slufflärertume 3U literarifd)em
Slusbrucfe 3u t)erl)elfen. Die greunbe moüten eben ber
IRomantif in Xübingen feften ©runb unb SSoben oer»
ft^affen, \^Ci mußten fie erleben, '^o.S^ bie „^lattifterei", mie
fie 3u fagen pflegten, ber antiromantifc^c ^Rationalismus
bes 18. 3al)rl)unbcrt5, einen ungeal)nten 2luffd)mung nal)m
|)ur^ \A^ ©rünbung eines neuen Organs, bas ebenbort
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erfc^ten: dotta rief mit bem 1. Sonuar bes ^a^ve5 1807
haQ Tlox Qenblatt für gebilbete 6tänbe ins
ßcben. 2)tefe Q^itung \)at es jal)r3el)ntelang trefflich ücr-
ftanben, burd) i^re popularifierenbe Unioerfalität, burd)
il)r anmutiges ©emtfd) öon ^oefie unb ^rofa, t)on Unter*
{)altung unb 35elel)rung bas 23ebürfnis meitefter Greife 5U
erfüllen. 6ie mar t)erl)ältnismä6ig billig, unb fo famen
Diele fcf)mäbif(i)e gamilien Je^t erft in bie ßage, fid)
morgens beim grü^ftüd regelmäßig burd) ein 23(ätt(^en
begrüßen 3U laffen. Den Einfluß, ben bas Organ ft^on
nad) menigen 3al)ren gu erringen mußte, fc^ilbert ein
fpäterer SSrief Werners: „2)en Pfarrern, SImts- unb 6tabt»
fd)reibern, Dberamtleuten, 6d)reibern unb ©pegiälen
gel)t mit biefem Slatt erft ein ßid)t auf; fie faugen es mit
2BoIIuft ein unb {)alten es gänslid) für ein Orafel. geinb*
lid) gegen biefes SSIatt 3U fein, ober oon il)m oerbammt
3u merben, fann einen ... um bas 3Srot bringen, es fann
einem in ber ^ebienftung l)inberlic^ fein." — SJlan mürbe
aber fel)lgel}en, moHte man in bem SfJlor genblatte nur ein
Organ ber ^lattifterei, ber ob unb blöbe gemorbenen ^uf*
flärung fe()en. 9m (Begenteil, bie S3ielfeitig!eit bes lite*
rarifd)en @efd)mades, ber ha auf feine D'lec^nung fam,
bilbete gerabe ben nid)t unbered)tigten ©tolj bes SSerlegers.
greilid) bie ajlänner, bie erftlid) als 5)erausgeber seid)*
neten, t)erfd)enften ben abgeftanbenften möfferigften Sta«
tionalismus.
Da mar gunäc^ft Sßeißer, eine faft grotesfe ®rfd)cis
nung ber ßiteraturgefd)id)te, ber bis ®nbe ber gman^iger
Sal)re mit märd)enl)after JRüdftönbigfeit feines Stmtes als
^unftfritüer maltete unb aus ber oollen Über3eugung eines
el)rlic^en ^ergens, aber befd)ränften Kopfes I)eraus ben
SSertretern aller neuen 9lid)tungen mit unentmegter Derb«
^eit 3uleibe ging. (Jine beutfc^e ßiteratur ejiftiertc feit
1770 für i^n nid)t mel)r, ®oett)e l)aiie fie vex\)un^i, 2Bie»
87
lanb mar t()m ber lefetc 2)trf)tcr, 9Jlenbel6fol)n ber lefcte
$I)iIofopF). Die ooUfte 6d)ale feines Sornes gießt er aus
über bie S'lomantifer, ,,biefe5 ©efinbel, biefe taufenbmal
gebranbmarfte 35anbe". Tlan fönnte ftrf) ujunbern, baß
ein folcf) grimmiger Mmpe ber 2tltmcbifrf)feit nod) ßefer
fanb unb oIs ßeiter eines großen 35tattes möglid) mar.
%bex 2öeißer mußte 3u fcf)reiben, er befaß SBife unb tjer*
ftanb and) feine grunblofeften 33o5l)eiten fo mol)I 3u
mür3en, ha^ fie jebem außer bem ^betroffenen munben
mußten, ©eine aaljllofen Klaubereien, bie ber unentmegtc
laudator temporis acti im 2JlorgenbIatt oeröffentIid)te,
mirfen felbft Ijeute nod) amüfant, menn man aud) meit,
meit ins 18. 5al)rl)unbert, bis gu ßiscom unb IHabener,
3urü(fgel)en muß, um feine SSorbilber 3u finben.
Sarin ät)nelt il)m fein College bei ber IKebattions*
füljrung, griebrid)i)aug. ©r mar ein 23ermanbter
UI)Ianbs unb eine gemanbte, umgänglid)e Kcrfönlitf)feit,
babei ein fe^r frucf)tbarer 2)id)ter, beffen ßgrif fd)on in
il)ren 3mei 2Iu5mal)Ibänben 3U beben!Iid)er 35reite an-
fc^roillt. 2Iud) er finbet fein ^auptfelb in ber Satire, bie
im 18. ;3af)rl)unbert mur3elt. (Bx mö^It für bie mcift gar
nid)t Übeln (Eingebungen feines SBi^es bie immer noc^
fd)Iagfräftige gorm bes fnappen (Epigramms. Sn 3mei
SBorte meiß er feine Äritif ber 6d)oberfrf)en ®ebid)te 3U
preffen: „STpoIIo fprad) 3u 6c^ober: Sd)— ober!" 2tud) für
il)n ift alfo bie neue Sd)ule ©egenftanb bes 5)of)nes unb 2(b*
fd)eu5, unb er apoftrop^iert feine guten alten @ötter:
3ein, 5)ageborn unb U3, nel)mt mid), ber Sllaffifd)en
jünger, in (Euren I)eiligen 6d)ufe oor jenem mgftifd)en
Süngcr!'' SIber 3ur tomif(f)en gigur gleich feinem greunbe
SBeißer finft er trofe biefes Äampfeseifers nid)t ^erab, er
ift eine oiel fon3iIiantere 9latur, unb mie er fid) als !Dtd)tcr
f^Iießlic^ 3u romantifierenben, menngleid) fef)r platten
Saßaben ocrftanben ^at, fo öffnete er auc^ mtllig man^em
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Sünger ber S^eugeit bte ©palten bes SSIattes. 6ogar
Uf)Ianb felbft fanb eines Xages 5u feinem ni^t geringen
SSerbrug im 3Jlorgenblatt einige feiner @ebid)te abgebrudt;
Snbisfretion unb SQligoerftönbnis l)atten i{)m biefe 2tu5-
3eid)nung Der[d)afft, gegen bie er ärgerlid) opponierte.
©in 9Jlitarbeiter mar ber S^ttu^Ö gemonnen morben,
ben bie S'lomantifer fogar als einen ber S{)ren begrüßen
mußten: ^ean $aul. (Bx l)at in feiner 2ßeife bie erfte
Stummer bes l^aljrganges 1807 mit einer miöfprül)enben,
menngleid) inl)altlid) nid)t5fagenben „2Ibfd)ieb5rebe bei
bem fünftigen 6d)Iuffe bes SUlorgenblattes'' eröffnet. 6ein
9lame erfd)eint aud) fonft I)äufig in ben 6palten ber S^U
tung, beren D^ebafteur er nad) (Tottas 2Ibfid)t eigentlich
J^'dtte merben follen. 2lber aud) ol)nebem tonnten Ul)lanb
unb feine greunbe bem 9Jlorgenblatte nid)t nur üiel S5e*
lel)rungen über romantifd)e 9^euerfd)einungen unb !S^iU
fd)riften entnel)men, fonbern aud) mant^ freunblic^es
5öort über bie neue ^oefie l)ören. (Eine S^itung, 3U beren
3Jlitarbeitern ein griebrit^ 6d)legel, ein ßöben unb ^leift
3äl)Iten, tann ni(^t burd)au5 unromantifd) genannt merben.
Sie fd)llmmen 3Sefürd)tungen, bie fid) an bie ©rün»
bung bes SSlattes fnüpfen mod)ten, l)atten fid) alfo nic^t
erfüllt. SBenn bennod) Ul)lanb unb ferner alsbalb als
geinbe ber $lattiften3eitfd)rift auf ben ^lan getreten finb,
fo lag ber ©runb bafür in perfönlid)er @erei3t^eit; benn
eine ber erften Stummem hva(i)te nad) einer übertrieben
lobl)ubelnben 9le3enfion ber bod) fd)on fo altersfd)mad)en
Sacobifd)en Sris eine 2Sefpred)ung t)on ©edenborffs
SRufenalmanad), bie beffen SJlitarbeiter nid)t eben in bas
günftigfte ßic^t fefete. Sie greunbe erlebten überl)aupt
menig greube an i^ren 9le3enfenten. Ul)lanb5 ßeibblatt,
bte ßeip3iger ßiteratur3eitung, tat es bem 3)lorgenblatte
momöglid) an 6d)örfe nod) 3ur)or, unb nur bie ^allefc^c
ßiiteratur3eitung fanb für Urlaubs ©eblc^te etmas mar*
mere 2Borte. 3m 2Jlorgenb(atte nun ftanb 3U tejen, \iOi^
,,bie 93erfaffer btefes 9)lufenalmanad)6 — auger UI)lanb
unb ferner mufete fid) aud) ÄöUc getroffen fül)Ien — fid)
burd) bte befannten, ben ^elifon umflatternben ;3rrn)ifc^e
auf STbiDege fül)ren laffen, unb bal)er aud) rid)tig ftatt auf
ben ^arnag in Sümpfe geraten" finb. ^crausgeriffene
groben aus UI)Ianb5 unb Werners ^oeften mußten btes
Urteil ftüfeen. Sies genügte, um eine ©egenaftion ()erDor=
3urufen. Mau ernft mar fie nid)t gemeint, fonft l)ätten
bie 23erfaffer moljl eifriger auf \^zxi 2)rud I)ingeftrebt. 60
aber foUte il)r Xübinger romantifd)e5 Organ eine Ijeitere
^Tusgeburt bes 2:age5 bleiben, nur C^rmä^Iten augänglid).
®rfd)ien \^(x^ feinblid)e Journal laut 2tnfünbigung alle
5Eage mit STusnaljme bes ©onntags, fo mugte bie neue
3eitfd)rift ein Sonntagsblatt fein, unb amar für
u n gebilbete ^{m\it, ^^Oi jenes in auf!lärerifd)em Qoc^mut
fid) nur an gebilbete Stäube manbte. 5m gebruar 1807
trat es ins ßeben unb friftete ein paar ajlonate Tang ein
fröl)lid)e5 2)afein. :5eben Sonntag frül) lag es in Werners
?8ube im neuen 35au auf, unb balb bröngten fid) !3nter='
effenten in güUe l)er3U, aud) ^rofefforen barunter; felbft
ber alte JRösler erflärte fold)e SSciträge als nüpc^e Stil*
Übungen.
!Der (Beift, ber aus bem blatte n)el)t, ift t&^i roman»
tifd), mie aud) fd)on bie 9lamen ber beiben Herausgeber unb
5)auptmitarbeiter: Urlaub unb ferner erfd)einen im 2In*
fd)lu^ an ben fo gerne gelefenen Oftaoianroman als glorens
unb dlarus. Der kärger gab Urlaub bie erften fatirifd)cn
lEöne ein, menn er in einer SSorrebe ben Stil SBeifecrs
treffli(^ parobierte. 2luc^ fpöter ^oX er fid) ja immer be»
fonbers gerne „Spinbeimann ben IHe3enfenten", eben
Sßeiger, oorgenommen. Dod) aud) l)ier mic im SDlorgen»
\i\Qiiit follten fd)er3l)afte Satire unb ©ruft fid) ablöfen, unb
fo mad)ten bie beiben i)eraußgeber ben reichen frifc^ auf»
geftapelten 6tf)aö t()rer (Bebtd)te im 5öunbcrI)ornftUe ju-
öönglic^, für ben bie greunbe am empfängttd)ften maren.
STud) ber ^Tuffafe über \iQi^ S'lomanttfc^e fanb I)ter feine ge='
eignetfte 6te(Ie. UI)Ianb marb meiter^in für bie beutft^e
55oefie ber SSorgeit unb lieferte bie überfefeung eines
S5rucf)ftücf5 aus bem D^ibelungenlieb, mit furger, ftim«
mungsooUer Einleitung, bie il)n t)on bem tragifcf)en
©runbgeljalt bes großen ©pos burcl)fd)auert 3eigt. ®r
mahlte bie ©pifobe Don Qagen unb ben SJleermeibern, ber
er ballabenl)afte 2lbrunbung 3u t)erleil)en fud)t.
2)ie anberen moUten nid)t 5urüc!ftel)en. ÄöUe l)otte
fiel) ouf Ul)lanbs SBunfd) basu I)erabgelaffen, aus ^oris
ein paar @ebid)te einsufenben, 6d)ober ließ fit^ in 2tuf»
föfeen pren. 23or allem aber lobt Ul)lanb bei biefem
,,6piel jugenblicl)er Gräfte" bie 33eiträge eines ,,un»
genannten trefflid)en SD^itarbeiters". 2)iefer ift fein an«
berer als i)einric^ ^öftlin, ber in feinem „©efpräd) am
©onntagmorgen" bas 2;ieffte unb etf)teft 5Romantif(f)e ge=
liefert l)at, bas aus biefem Greife I)ert)orgegangen ift. 2öie
fcl)ülerl)aft nimmt fi(J) UI)lanb5 ©tubie neben biefer t)oll»
blutigen Offenbarung einer romantift^en Statur aus! ©s
ift not)alisfd)er unb fd)leiermad)erfd)er (Seift, \itxi man I)ier
üerfpürt. Über oagen 23or5eit!ult unb finbift^e 23er»
ftanbesfeinbfd)aft l)inaus finbet ber junge 6d)n)örmer ben
2ßeg 5ur aI)nungsDollen @emi6l)eit einer l)ol)en Siif^^^ft
einer 5)errfd)er3eit bes reinen menfd)lici)en (Bemüts. 2)od)
oud) anbere Seiten ber Dlomantif fommen ^ier 3U il)rem
lRed[)te: befreienber 6pott, überlegene Ironie; „auf ben
gitti(i)en bes ßac^ens fd)n)ebt bas ^eilige ru^ig über bem
Glenben unb ©emeinen f)in". Sn einem ßiteraturgcfprä4
\:iQ!i ^öftlin ben ©rjfeinb Sßeiger 3u feinen angebeteten
2Iufflärungsbid)tern U3, 5)ageborn ufm. auf ben SSlotfs*
berg gefül)rt unb berb 3er3auft. ßetber ift uns oon biefer
I)eiteren ©eite bes 53lattc5 oicles oerloren gegangen. Dem
91
bereuen ©femplar, has mir einaig no^ bcfifeen, fe{)It ein
5)auptfd)mucf, nämlid) bie Äarüaturen, bie 3Jlager bei*
gefteucrt f)at. 2BeId)en 6turm t)on 5)eiterfeit mug es er»
regt I)aben, als bcr gute ©on^ angefid)t6 einer grotesf über*
triebenen ^arifatur bes bem Qe\d)mx fremben SBeiger
I)armIo5 ertlörte, ha^ Silb fei bem Original gar nid)t fo
unä^nlid)! — ^ad) ad)t fel)r blätterreic!)en ÜZummern er*
reid)te bas l)anbfd)riftlid)e Journal leiber (ein (£nbe.
!Die gemeinfame ©inftellung gegen ba5 aJlorgenblatt
gab für Uf)Ianb unb ferner ben ^nlafe, 3uerft mit aner*
tannten Iiterarifd)en SSertretern ber D^lomantit in 33e=
rü{)rung 3u treten. 2Irnim unb 55rentano, bie i)erau5=
geber bes 2BunberI)orn5, I)atten nad) bem ©rfc^einen bes
erften Sanbes 1805 nid)t geraftet. • ^m Deaember biefes
9al)re5 mar ber !Ruf nad) 9}litarbeit ergangen, unb mie
anbere I)atte fid) ^ölle 3ur 93erfügung geftellt, ber mieber=
um ferner I)erbei3og. 2Iud) l)ier mürbe ba^ Iiterarifd)e
23erl)öltni5 3mifd)en ben nal)e üermanbten ?poeten unb
^Poefiefreunben fd)riftltrf) gefnüpft unb meitergefül)rt.
2Irnim l)ie(t fid) feit 2Infang 1808 in ^eibelberg auf, 3ur
übermdd)ung bes meiteren 2ßunberI)ornbructe5, unb oon
bort erlief er bie launige 2Infünbtgung eines neuen 3our»
nais, beffen ^rogrammmorte ben 6d)maben fo red)t aus
bem 5)er3en gefprod)en fein mußten. (Es mar bie Qei^
tung für (Einfiebler. greilid) l)ai aud) fie an ber
tgpifc^en ^ur3lebigfeit berartiger romantifd)er Organe ge»
litten, aber in ben paar ajlonaten il)res Safeins oermod)te
fie bod) reid)ften Samen aus3uftreuen, ber 3umal bei
UI)Ianb nod) nac^ 5al)ren fegensreid)e Srüd)te trug. !Der
$oet Don I)eute unb ber (Belehrte oon morgen famcn
gletd)ermeife auf il)re 9'led)nung in einem ^Blatte, bas
ernfte unb fd)er3f)afte 2)id)tungen ron Brentano, Strnim
unb ben Sd)Iegel6 hxa(i)it, 2BiIf)eIm ©rimms böntf^e
5)elbenliebcr, ben mitteI^o(^beutfd)en Slöntg 9lotf)er in
92
XUdö Überlegung, bte erften {)albtüiffenfd)aftltd)en Offen*
barungen 9. (Brimms, (Börres* oratel{)afte ©ebanfen über
ben gel)örnten ©tegfrteb unb bte 9^tbelungen.
:3m mal 1808 lieg \)e5\)alh ni)ianh „fein gäl)nlem au
biefem Unterne()men flogen", gewonnen üon ber „bartn
I)errfcf)enben ßtebe gur alten ?fe\V\ unb bereits ad)t Xaqe
fpäter fal) er ^voei inl)altlid) üermanbte ^atlaben t)on fid)
unb ferner bort abgebrutft. Sßugte UI)Ianb in ben 2) r c i
ß i e b e r n in ben allgemeinen 2:on ber S^i^it^Ö eingu^
ftimmen, fo l)ai er bamals bod) nicf)t oon feinem 35eften 3U
geben t)ermod)t; er befanb fid) in einer ^eriobe, in ber
errt)ad)enber (Befd)ma(! bie ©inmirfung t)on 2ßunber^orn=
unb ^elbenbud)fprad)e 3u überminben begann, ein neuer
6til aber nod) nid)t ^efunben mar. (£nbe 1807 l)atte er
bie gefamten aus biefen SSorlagen erlernten gorm= unb
©toffelemente nochmals vereinigt in ben amei 5Reit)en t)om
3ungen^önigunbber6d)äferin. 6ie fd)ienen
ben Herausgebern ber 3ßitfd)rift millfommen, freilid) mug
fid) Uf)Ianb Brentanos Urteil anmerfen, \ia^ biefe ^oefie
noc^ 3U altüöterlid) im ©inne bes SQlorgenblattes fei, alfo
longe nid)t romantifd) unb altbeutfd)' genug. 3ii^ ®Iü(f
lieg er fid) baburd) in feiner SBeiterentmidlung nid)t be=
cinfluffen.
9Jlit bem SOlorgenbtatt l)aite bie (Einfieblerjeitung
gleid) nad) il)rem ®ntftel)en einen fd)arfen 6treit. ©s \:)an'
belte fid) um bie alten ©egenfäfee, bie fid) fd)lie6Iid) 3u=
fptfeten 3um ^ampf um eine beftimmte ©attung, l)a5
6onett, biefe „Unform alter Jruoaburen", mie fid) ber alte
23o6 als grimmigfter SSortämpfer ber JReaftion im
OJlorgenblatt ausgebrüctt ):)ütte. Ul)Ianb f)at bie $f)afen
biefes Kampfes nac^ Slusmeis feiner eigenen ^oefie fel)r
genau oerfolgt. Offenbar ift er burd) bie Xeilnal)mc an
ber oiel bisfutierten grage 3ur praftift^en Pflege bes
^onettes unb bamit anberer fpe3ififd) romantift^c^
gormen angeregt morben. 9^od) 1814 mugte er Ja In
einem Sonette fpöttifd) bie 25efel)rung bes „retnften ^er«
meltns ber alten ©d)ule", Sßet^ers, 3U befingen, ber ficf)
f(i)lie6üd) aud) einmal ju einem „^Iinggebid)te" Dcr»
ftiegen l)atte.
2luf äu6erlid)e5 (Erborgen oon formen fonnte fid) ber
einflug ber D^lomantüer auf ben Did)ter Ul)Ianb aber ntd)t
befd)rän!en. greilid), ein plöfelid)er Umfd)mung in ber
^unftübung bes figrifers ift feit ber eingel)enberen SSc«
fc{)äftigung mit romantifd)en Problemen unb SSorbilbern
nid)t 3u bemer!en. 6ie l)aben gemiffen (Elementen S^laum
unb ^ad)brucf Derfd)afft, bie feiner $oefie Dieneid)t oI)nc
fie fern geblieben mären, I)aben beftimmte Xljemata feinem
SSemugtfein nal)e gebrad)t, il)n mand)e5 neu unb anbers
cmpfinben unb fel)en Iel)ren. 3" ^ß" fP^SifU^ roman*
tifd)en figritern, 3u ben 6d)n)elgern in S^i^öß wnb Xon
ober 3U ben ^IRgftifern ber ©mpfinbung I)at fid) U{)Ianb
nie gefd)Iagen. Unb ebenfomenig ferner, ber in ber un-
enblid)feit5truntenen 6el)nfud)t5poefie ber D'lomantif oiel
SSermanbtes erfannte, o()nc fic^ aber ber eigenen 5reil)eit
3u begeben.
2ßelt unb 2Renfd)en erfd)einen in etmas anberem
ßid)te, feit UI)Ianb fie als JRomantifer 3u befd)auen mei^.
Das trübe So^^^Ii^t Ijat enbgültig bem l)eiteren ©onnen*
fd)ein, bas 2Boltenmeer fanfter i)immelsbläue $lafe ge«
mad)t. !Dem frül)eren 23orbilbe 9Jlattl)ifon mirb in einer
gemeinfam mit ferner oerfa^ten parobifd)en 21 b e n b *
p l) a n t a f i e abgefagt. Ul)lanb mirb oom D^ooember»
bid)ter 3um gi^ü^lingsfänger. Diefe ©ntmidlung mag
nod) in oorromantifd)er ^zxi angebal)nt fein. 2lber ho^
feine 9^aturbetrad)tung im einseinen burd) bie D^omantifer
gefd)ult, oertieft unb bereid)ert morben ift, leibet feinen
SuJeifel. Ul)lanb mirb ber Did)ter ber 35lumen unb ber
6änger ber SBanb erlieb er. Unter ben romantifd)en 9latur«
erfc^einungcn fielen \\)m tüte Scan ^aul fc^on iit jcnettt
2Iuffaöe bie Slutnen an erfter ©teile, ber bunte ^turnen*
3auber Xietf, bte 3arte 25Iumenitti)fti! bes D^otjalts fd)emen
auf it)tt abzufärben. „2)ie Sßunberblume aus bem gabel^
lanbe" (in bem (Bebid)t 21 b f d) t e b) ft)mboltfiert bei i()m
tüie bei D^ooalis bie ^oefie. 2lllerliebfte SSIumen» unb
garbenfrjmbolit treibt \iQi'ä 6onett Der ^Iumen =
ftraug: 2(11 fein 5ül)(en, Siebe, Xreue, 9luf)mbegierbe,
9leib überrei(^t ber 2)id)ter in beffen fgmbolifd) au55u=
legenben garbenpract)t ber ©eliebten. Unb aud) eine
meitere f9mboIifd)e 35etra(i)tung ber SSIume liegt il)m nal)e,
bie bie Srücfe oon ber 3flatur= 3ur ßiebespoefie fcl)lägt;
mit SSorliebe erfcl)eint t^Oi^ 9Jläbd)en in ben @ebid)ten biefer
Seit unter bem 5Bilbe ber Slume.
3u tt)elci)er Srifcf)e ber Sßel)mut6fänger t)on ehemals
ermac^t ift, bas aeigt ber '^xß,\x% berSBanberlieber,
ber für bie fpötere Stomonti! SOlüllers unb ®id)enborffö
oorbilblid) fein foUte, mie er fici) felbft an ber alteren ge*
fc^ult l)at. 2^iecf l)atte in feinem Steiferoman ©ternbalb
3uerft 2öanberlieber angeftimmt, er tjerfte^t aud) fd)on,
burd) n)ed)felnbe 9'll)t)tl)men bie oerfc^iebene (Bangart unb
Stimmung bes S^leifenben an3ubeuten. 2lber meld) unDoll«
(ommene 23erfud)e bietet er im 93erl)ältni5 3u ber reifen
^unft, mit ber Ul)lanb, allerbings erft 1811 nad) frül)ercn
2(nfäfeen, in einem S^^^us neun ^abinettftüdd)en, in ber
garbengebung trefflid) abgeftimmt, aneinanberreil)t! Das
u)el)mütige (Befül)l ber 2:rennung t)on ber ßiebften l)at er
fd)on 1806 in feinem 2t b f d) i e b ausgemalt, jefet folgt er
bem Sßanberer burc^ alle Situationen unb ©emüts«
regungen l)inburd), felbft bis auf ben 2Ipfelbaum, ber il)m
in liebensmürbiger S3ermenfd)lid)ung 3um 2öirte Sßunber*
milb mirb. 2Bas freilid) erlebter, nad) ber gerne als ber
eigentlid)en 5)eimat bes SRomantiters fid) fel)nenber ftürmi»
fd)er S^eifebrang, in @ebid)tform gebracht, für eine mit-
95
reißcnbe ^raft 3U entfalten oermag, bas mufete bamals
ferner norf) über Ul)lanb I)inau5gel)enb in feinem treff«
lid)ften SBanberlieb: ,,2Bol)Iauf nod) getrunten ben funteln=
ben SBeinI" 5u 3eigen.
9Jland)e neuen Oebiete werben UI)Ianb5 !Did)ten
burd) bie IHomantif aufeerbem erfd)Ioffen. 2Iud) ber
ßt)ri!er fül)lt bas Sebürfnis, fid) tI)eoretifd) mit bem 2ßefen
ber ^oefie befannt3uma(f)en. Der fubjettioe !Z)id)ter finbet
I)ier biefelbe entfd)ulbigenbe Sluslegung feines Sßefens unb
Strebens, mie in bem 2Iuffaöfragment oon 1806:
Du Hagft: bei biefer Xrübfal (alten SBinben,
Durd) meines Kummers eifig ftarre D'linben,
Äann mir (ein einsig SIümd)en fid) entäünben.
©ebulb! 35ei biefes SBinters raul)em SQBalten
aJlu6 fid) in beiner 6eele tiefftcn galten
Der große blumenreid)e ßens geftalten.
Der Did)ter, \)en er f)ier anfprid)t, ift er felbft. 2Inber«
märts erfd)eint ber Mnftler im 6inne 6d)enings als
6d)öpfer, ber mic bie D^atur eine 2BeIt für fic^ I)eroor3u=
bringen txad)iei, aber be5l)alb oor 3u l)od)fIiegenben planen
gemarnt mirb, ha and) im (leinen @ebid)te ber fd)öpfe»
rifd)e (Beift bes großen 9^aturgan3en 3utage treten (ann.
Den fd)on 1805 ausgefprod)enen, urfprüng(id) t)erberifd)en
(Beban(en oon ber 2l(lgemeingültig(eit ber $oefie, bie
SBenbung gegen ben falfc^en 2rbeIsftol3 ber Did)ter, f)at er
nod) fieben Oal)re fpöter in einem feiner populörften ßieber
bem allgemeinen ©mpfinben naf)e gebrad)t:
9lid)t an menig ftol3e ^amen
!Öft bie ßieber(unft gebannt;
Slusgeftreuet ift ber ©amen
Über alles beutf(^e ßanb.
Das romantitd)e 3Jlittelalterprogramm fd)lie6lid), bas
il)m (Emig(eit5U)ert befifet, fud)t er ben greunben 3um
2lbfcf)ieb nod) bcfonbers einauprägen: „SBas unten
grofe unb fd)ön gemefen, bes 5)elben ©dimert, ber ßiebe
^ran5, ein frommer 6inn" (alfo 2:apfer!eit, Siebe, 2tn=
baä)tl), bas ftral)tt bem anbäd)tigen 35ef(^ouer and) aus ber
©eftirne eu)igem ©lang entgegen.
3um eigentlid)en ^leflejionspoeten fel)It aber aud)
bem jünger ber JRomanti! bie 2tber. ^öd)ften5 bie
JHomanse com $ i I g e r tonnte man als eine 2(rt pl)ilo=
fopI)ifd)en ©ebic^tes anfpret^en. 2)od) felbft biefer ^ilger
ift mieberum ber !Dic^ter; benn es ift bie 6tabt bes {)imm=
Iifd)en ©efangs, bie bem unermüblid)en Söaller t)erl)ei6en
ift, unb ber aud) UI)Ianbs bitl)r)rambifd) fet)nfüc^tiger $reis
in einem 23rief an 6edenborff gilt. 2)a6 aber l)\ex bie
$ilgermas!e gemät)lt ift, bringt uns auf eine meitere 25e=
reic^erung ber Ul)Ianbfd)en SSorftellungsmelt burd) bie
Stomantü. D^eligiöfe, ja fatI)olifierenbe einfd)läge finb in
biefen 3al)ren bei i^m nid)t gan3 feiten.
UI)lanb ift eine religiöfe D'latur gemefen, glöubig an«
bäd)tiger 2(ufblid gum i)immel fel)lt feiner ^oefie 3u feiner
Seit, in feinem @ottesgefül)l berül)ren fid) ioimmlifd)es
unb 3rbifd)es nal)e. Sn unferer ^eriobe aber l)ebi fid)
eine ©ruppe von @ebid)ten t)eraus, bie nid)t nad) alt»
germanifd)er unb fonft bei Ul)lanb beliebter 2ßeife in ber
D^atur, fonbern im l)od)gen)ölbten ©ombau bie 2Bol)nftätte
bes ^eiligen fud)en unb in benen bie ©ottesibee in meib»
lid)e ©eftalt eingeförpert erfd)eint, in bie ber !3ungfrau
3Jlaria. 2)ieSßallfal)rtstird)e 1804 lägt fd)on eine
3:empelt)ifion erftel)en, bas 9Jlünfter 1806 trägt 3üge
ber frommen ßegenbe, bas SQSunberbilb bel)anbelt,
freilid) red)t nüd)tern, eine 9)lir afeig ef(^id)te. 2)ie 9Jlutter
©ottes ift fd)on in bem Stomantifauffafee gleid)nistt)eife
angefül)rt. 3Jlit märmfter ßiebe l)ulbigen il)rem freunb»
lid)en 35ilb ein paar unbatierte 5^rofaauf3eid)nungen, bie
ben gefül)l5fd)U)ärmerifd)en SJlarienfult unb bie öbe pro*
tcftantifd)e gormelreltgion grell fontrafttcren loffen. 2)te
ftarfe ftnnUrf)e 2ln3iel)ung5!raft bes fat()olifd)en (Bottes*
bienftes, bte poettfd)en !Het3c frommer 2öunberge|d)id)ten
mögen tl)m aud) im ßeben, ntd)t nur in ber 5)id)tung, 3U
^Bemugtfein gefommen fein, fd)on bes Knaben $()antafie
foll bie !Hottenburger gronIeid)nam5pro3effion mäd)tig er*
regt I)aben. Sofe aber bas !atl)oUfierenbe Clement in ben
(Bebi(f)ten Iiterarifd)em 2lnfto6 entfprang, bas 3eigt Dor
allem beffen 2tu5geftaltung im ©efc^matfe bes S^ooalis.
!Die 23ertreter ber d)rifllid)en [Romantif, bie fd)on ber 2luf-
faö namI)oft gemacht I)atte, 3Jlön(f)e, Spönnen, Pilger,
^reu3ritter, finb nunmehr ()äufige ©äfte aud) ber ßr)rit.
3n bem ©efang berS^onnen bereits fteigert fid) bie
religiöfe grömmigfeit 3ur 6el)nfud)t nad) bem 2rufgel)en
unb 23erfd)meben im Unenblic^en, ^^^ fieben erfd)eint als
Jlraum, aus bem ber 2;ob feiiges ©rmad)en bringen mirb.
©iefer 2(rt !Homanti! lag !Religions= unb fiiebespoefie
in näd)fter 9'lad)barfc^aft. 23on mi)ftifd)er (£nt3Üdt()eit
meit entfernt, mußte Urlaub bod) aud) ber romantifc^en
ßiebesipri! mand)es ab3ulaufd)en. 5)alb fc^er3l)aft \)^i er
in bem (Bebid)te 9^ ä ^ e bie 9^0Dali5fd)e 2InaIogie oon (Bott
unb (Beliebter aufgegriffen (3d) fü^Ie bid) mir nal)e, bie
(Einfamfeit belebt, mie über feinen 2Belten ber Unfid)tbare
fc^mebt). 2Bie 2;ied fül)It er bie Unmöglid)feit für ben
ßiebenben, in 2Borten ober aud) nur (Bebanfen bem
ßiebeserlebnis 2tusbrucf 3U geben, „©üge ßiebe benft in
Xönen, benn ©ebanfen ftel)en 3U fern" — fo ()atte ber 2(It=
meifter ber IRomantit gefungen, unb gleid) il)m mei§ aud)
Ul)Ianb bie Stimmung eines ßiebesgefpräd)es nid)t beffer
3U !enn3ei(^nen als in bem @ebid)te SJlein (Befang:
2Bir Ratten uns fo gan3 empfunben,
2Bir fud)ten nid)t bas enge 2öort;
Uns flog ber rafd)e 6trom ber ©tunben
:5n freien 9)lelobien fort.
e{f)nclber, Ut)Ianb. 7
98
Uljlanbs erott(d)c $oefte ift nunmel)r öiel frt(c^er gc»
tüorben. Ommcr i)anb in ^anh mit ber 9^aturbetrad)tung
gel)enb, I)at fie beren frül)lingl)afte 2ßärmc, beren lichten
6onnenfd)ein gegen bie frül)ere Zxübe eingetaufc^t. Um
fo merfmürbiger fd)eint ein gar ni(f)t fo fe^r üeiner 2^eil
ber @ebid)te aus ben 9al)ren 1806—1810 aus bem dia\)mm
3u fallen. Sn il)nen ergibt fic^ Ul)Ianb nicf)t mie fonft
^armlos fröf)Iid)em fiiebesfpiele, fonbern blicft fd)mer5t)on
3urücf auf eine Dergangene, glücfli^e fiiebesseit: bie be-
liebte ift tot. ^ai fid) Ut)Ianb burct) has Jßorbilb bes
S^ODalis in bie (Stimmung bes oermaiften ^Bräutigams I)in»
einjutäufc^en t)erfud)t, ober gittert in biefen ©ebid)ten, bie
feinesmegs 3u ben einbrutfslofeften gepren, erlebter tiefer
6(i)mer3 nad)?
2öir finb über feine SD^äbd)enbelanntfd)aften giemlid)
gut unterrid)tet. 9^id)t bie ©efpielinnen ber ad)t 3af)re
jüngeren 6d)n)efter, fonbern bie greunbinnen ber fd)iDefter*
lid) gefinnten Safe 2BilmeIe bilbeten feinen u)eiblid)en
Umgang, fomeit er foId)en fud)te. 2)en liebensmürbigen
^aoalier \)ai er in biefem 9Jläbd)en3ir!el erfid)tlid) nid)t ge«
fpielt. 5)ie Se3eid)nung ,,ber alte, trocfene 93etter" Ijaftete
on il)m. Sennod), mie oeröbet !am bem SBilmele unb ben
anberen aJläbd)en nad) feiner Slbreife oon 2:übingen bos
5) aus oorl
©in ©lieb bes munteren Greifes ift tatfäd)lid) in ber
Sugenb ba^ingefd)ieben: Sie 1788 geborene aBill)el'
m i n e @ m e l i n. 6ie allein f ann bie grül)r)ollenbete
fein, bie bei ßebgeiten Ul)lanbs §er3 gefangen nal)m unb
nat^ il)rem 2(bfd)eiben nocl) fo lange in SSanben l)ielt.
Ul)lanb Ijat il)ren ^Tob bireft befungen, allerbings als be»
ftcUter ^afualpoet unb nid)t aus ber Sülle bes fd)mer3'
gefättigten 5)er3ens l)eraus. 9l)r i)inf(^eiben fallt in ben
Sluguft bes l^a^res 1806, aber fd)on frül)er fci)eint fie il)m
entglitten 3u fein; benn er beflagt, ba^ bie i^ugenbgefpielin
einem anberen il)re (Sunft ge(d)entt I)abe. Sn ber Xat mar
bas junge 9Jläbd)en Sraut. 2ln ber (£d)tl)ett t)on U^Ianbs
in fo Dielen ©ebic^ten niebergelegter ©mpfinbung ift nid)t
3U 3it)eifeln: eine D^leigung, bie nod) fo lange über bas
@rab I)inau5 ii)re 2öärme behielt, mu& ftarf unb tief ge»
wefen fein, ©ine anbere 3rage ift, ob ein n)irf(icf)e5
ßiebeseinoerftänbnis oorijanben tüar; bie ©unftbeseu«
gangen oon if)rer 6eite entftammen mol)! el)er Ul)Ianb5
$l)antafie.
Jrofebem mir einen erlebten Untergrunb biefer
2;rauerbid)tung annel)men bürfen, merben mir bocf) nid)t
olle JÖugerung Ul)Ianbfd)en Unmutes unb felbft 2BeIt»
fd)mer3e5 in jener S^it auf biefe ßiebe5erfaf)rung gurücf*
führen, mie er felbft u)ol)l gelegentlid) tut. ©eine I)äufigen
flogen über aJligftimmung unb mangeinbe 2Inregung,
feine 2(ufforberung an bie SSefannten: „Söerfen 6iß
6traI)Ien in mein büfteres ©emütl" bemeifen uns, bog er
nur erft in ber ^oefie, nod) nid)t im ßeben 2(b(lärung unb
(Bemalt über trübe Stimmungen erlangt ))QMt, 2lber meld)
ein gortfd)ritt liegt barin, tag er fid) einft in bie SJlelan»
d)olie l)ineinpl)antafieren mugte, um ein (Bebid)t l)en)or3U*
bringen, unb jefet als 2)id)ter fid) auf freien 6d)mingen
über bas läftige ©rbenelenb ju erl)eben oermagl
(künftiger als bem greunbe 3eigte fid) ferner ber
ßiebesgott. 2lls UI)lanb nod) in frifd)em 6d)mer3e ber
©ntfc^lafenen nad)feuf3te, ba fül)rte bas @efd)i(t il)m bie_
ßebensgefäl)rtin in ben 2öeg. 2lm 26. 2lpril 1807 traf er
fie bei einem Slusflug auf bie 2ld)alm, @oetl)efd)e SSerfe
oermittelten, mic fd)on berid)tet, bie Sefanntfd)aft. (Es
mar eine jener fc^einbar ausfid)tslofen 93erlobungen, bei
ber bie $i)ilifter bie 5)änbe über bem ^opfe 3ufammen=
fd)lugen. 6elbft OJlutter Ul)lanb l)ielt eine ®l)e 3mifd)en
3mei fo franfen 3Jlenfd)en für ein Unbing. 2lber es mar
nid)t fo fd)limm mit ben ßeiben, über bie ferner fo gerne
7*
t^Rv^s^t^^v^av^st^ikv^Siv^a 100 v^nv^nv£nv£at^nv^a^£R^ci£R
jammerte, unb burd) gefunbl)eitlid)e unb materielle
6d)tt)terig!eiten I)aben bie beiben treulich ousgebauert.
D^litfele, fo I)ie6 bie SSraut, tt)ot)nte bei unt)oIben 23er*
manbten in ßuftnau. Die eigene 2:od)ter bes ^aares t)at
uns tpöter in einem liebensmürbigen 25üd)Iein gefd)ilbert,
mie äuftinuö abenbs auf ber ^öl)e bes ^Berges l)arrte, bis
bas fiid)t unten erglönste, unb mie ber au0gel)obene Stein
an einer Kapelle bie Liebesbriefe barg unb oermittelte.
3al)Ireid)e td)öne ßieber finb biefer eckten ^oetenliebe ent=
fprungen; Werners ßgri! mar für bie näd)ften Sat)re ein
unerfc^öpflicf)er ©egenftanb, feinem bi5l)er romantifd)
üagen ©el^en ein feftes '^\z\ t)erliel)en.
Snbes t)ernad)Iäffigte er ben Sreunb über ber SSraut
nid)t. ferner \^qX in ^Tübingen am längften neben U()Ianb
ausgel)arrt, au(^ als ber fonftige greunbesfreis im ßaufe
ber 9al)re 1807 unb 1808 serflattert mar unb bie meiften
ins ^I)ililterium sogen. Uftlanb mußte ben 6d)eibenben
manches 2tbfd)iebslieb na(i)3ufingen unb mand)en finnigen
SSers in bie bamals unoermeibliften 6tammbüd)er ein3U=
tragen. Die (Bemeinfd)aft mit ferner mürbe, je mel)r fie
beibe oereinfamten, um fo enger gefnüpft.
23ei ber Durd)fud)ung ber SSube bes Did)ters ^ulüeia
in ben „9'leifefd)atten" entfteigen bem berü()mten büd)er'
I)ütenben gaffe nid)t nur bas 2ßunberI)orn unb bie
6d)riften bes D^ooalis, fonbern aud) eine fd)mere SO^enge
befonbers t)erbäd)tiger unb moralmibriger ©c^riften, als
beutfd)e SSolfsbüt^er be3eicf)net. Damit ift bas fruct)tbarfte,
Ul)Ianb unb ferner gemeinfame Ontereffengebiet jener
3al)re be3eid)net. 2öie oft finb fie nad) Steutlingen I)in»
übergemallfal)rtet, um bort bem el)rfamen 25u(^{)änbler
unb 9^ad)bru(fer gieifd)I)auer bie Iöfd)papieren 25üd)el«
d)en „gebrudt in biefem Sal)re", bie @efc^id)ten oon Ofta»
üian unb ben ^aimonsfinbern, oon (Benooeoa unb SJlage»
lone ab3uborgen ober ob3u!oufenI Die alte 23üd)er!ammer
lö^t ftd) ntd)t pocfieooller fcf)tlbern, als UI)Ianb bies jelbft
getan f)at. iQnmittcn ber ungebrod)enen 6d)önl)ett besalt»
beutfrf)en 6tra6cnbilbc5, gegenüber bem ^errltc^en goti=
fd)en 9}lünfter bes alten 6täbtd)en5, ern)ud)5 ben jungen
JHomanttfern aus ber ßeftüre biefer fc^ltd)ten DieIoera(f)=
itizw 35üd)eld)en bte lebenbtgfte, farbenretd)fte 2Infcf)auung
ber beutfd)en 23or3ett. „(Js mar an einem 6onntag, unb
man löutete gerab' in bie ^ird)e, als mir, nad) (Erfteigung
ber 2BenbeItreppe, in ber alten Kammer anlangten. Durc^
bie com 2Ilter buntgefärbten ©ct)eiben brad) ein feltfames
ßid)t, mie 9Jlonbfd)ein, f)erein ... 21(5 id) nun enblid)
unter bem fortmä()renben (Beläut aller (Blocfen bie mäd)=
tigen £ird)torflügeI einiger biefer golianten aufgefd)Iagen
\)QXiz, in meld) ()errlid)e 2;empelf)aIIe fa() id) bal Dritter,
2)amen, 9Jlönd)e, i)eiligenbi(ber, ßegenbengemölbe, (Blas»
maiereien an allen genftern, ein $Iat=Sonb, ber bie ^er»
Iid)!eit bes 5)immel5 oorftellte, aber es mar fein ©emälbe,
fonbern eine Öffnung bes mir!lid)en Fimmels. Unb als
nun brüben im ajlünfter bas Orgelfpiel unb bann ber (EI)or
begann, 'tOi mar mir, als ftiegen biefe klänge aus meinen
35üd)ern f)erDor, unb id) aerflog in 2lnbad)t unb ®nt=
aüden."
©leid) bem jungen ©oet^e \^QMt ber junge ferner
fd)on frül) ©efallen an biefer 2Irt altbeutfd)er ßiteratur ge=
funben unb auf ben greunb übertragen; auc^ I)ier be»
burften fie nid)t erft ber romantifd)en Sermittelung, gür
lll)lanb mar biefe 3"fi^?)i^ boppelt millfommen, oerfprad)
fie bod) feinem I)ei6en 6toff^unger 9^al)rung 3u geben.
9^od) immer mar ber ß^rüer mit feiner f(üd)tigen ftim^»
mungsentmad)fenen ^robuftion unsufrieben, fein (^^rgeij
uerlangte l)öl)er. „Gin Drama, einen S^toman, meld) (Ent=«
gücfen mufe es fein, fo mas ooUenbet oor \\6) 3U fef)en! ©in
I)öt)eres ßeben, ein geftaltetes ©emüt! geftgegrünbet unb
ins Unenblic^e benfenb!" 2lus biefer reid)en Quelle \)^\.iz
Xied bereits in 2)ramen unb ^Romanen ausgiebig gc*
fd)öpft; nid)t burd)0U5 3u U^Ianbs unb Werners SSefriebi*
gung. !Dem ©enooepabrama trachtete Ul)Ianb ein ge*
lungeneres ©egenftütf an bie 6eite 3U ftellen. ©ecfenborffs
toregung 3U einem gortunat l)ai bei ben greunben ge«
3ünbet, bod) ging Ut)Ianb erft nad) Oal)ren ans SBert. 2)a*
gegen l)aben beibe, jeber für feine 2Irt fe{)r d)ara(teriftifd),
fic^ ben 6toff eines 23oIf5bucf)es 3U bramatifd)er 25e{)anb«
lung üorgenommen; aus ber frauspl)antaftifd)en ,,?Riefen=«
gefd)id)te'' I)oben fie bie 2tnfangs!apitel I)eraus, bie bie
romantifdien 6(f)icffoIe bes Königs (£ginl)arb oon S3öl)men
unb ber Xoc^ter ^aifer Ottos bel)anbeln. UI)Ianb fc^uf ein
fnappes, mit 5)elbenfagenelementen bur(f)febtes Sramolet,
ferner ein grotesf=I)umoriftifd)es 6d)attenfpiel, bas bie
greunbe enf3ü(fte. Sie 6eite ber ^ernerfd)en Statur, bie
babei if)re Stusprägung fanb, mu^te fid) bei fo engem Qu»
fammenleben and) in U{)Ianb ^erausbilben.
^n Xiedö Dftooianprolog erft^eint bie 9'loman3c ge«
folgt oon ^apferfeit, Siebe, ©laube unb 6ct)er3. Sie brei
erften ^Begleiter unb Äenn3ei(^en ber romantifd)en ^oefie
\)at Urlaubs 2(uffafe unb feine üon ^Rittern, gröulein unb
©ottesleuten er3äl)Ienbe ?Poefie immer berücffid)tigt. 2)er
6d)er3 blieb it)m 3unäd)ft fremb, bie l^ronic unter allen
romantiftf)en Stimmungen bie unoertrautefte. UI)Ianb
fonnte xdoI)1 Iad)en unb I)eiter fein, ^umor \)at er oon
^aufe aus nid)t befeffen, unb es ift Werners SSerbienft,
biefen in il)m gemetft unb U)m menigftens für einige 3al)re
in feiner tpoefie 3um STusbrucf t)erI)olfen 3U I)aben.
3unäd)ft fu(f)te er in bes greunbes grotesfe SJlanier
ein3uftimmen in einem S^ai^fpiel 3um Äönig ©ginl)arb,
bas fein SSorbilb unb bie augerbem t)orfcf)n)ebenben Zitd-
fc^en SOflörc^enfomöbien an Xoll^eit fogar nod) 3u über«
trumpfen fud)t. Sobann l)at er fid) mit ferner im ^cd)xt
1809 3ufammengetan 3ur 2Ibfaffung eines ßuftfpiels, 2) e r
103
33 ä r , ha5 als Dp ernte jt gebad)t tüor unb in bcr Xai ein
paar ^al)ve fpöter t)on bem gcmeiniamen fjreunbe ^napp
fompontert raorben ift. ©s foUte in biefer gorm fogar ber
ei)rc einer Stuttgarter 2tuffü^rung teil^aft werben, aber
2JlattI)ifon erf)ob im Sntereffe ber 23orneI)mI)eit bes 5)of»
tl)eater5 bagegen (Einfprud). Die 3Jlufif fennen mx nid)t,
ber Xeft ift bie i)armIofigfeit (elbft, aber luftig unb oon
Ul)Ianb mit manchem erfreulicl)en poetifct)en SIümd)en ge»
3iert. Der einl)eitnd)e 6til bes @an3en bemeift bie innige
Durd)bringung ber beiben Did)ternaturen, aber barüber
l)inau5 müßte man natürlid) gern, mie meit ficf) UI)(anb in
Werners SUlanier \:)at f)inein3iel)en laffen. 5Bei einigen
8cf)er3f3enen unb ^reben l)ört man biefen \d)on oon ferne.
2Iber alles 5)umoriftifd)e il)m unb alles ßt)rif(f)e Ul)Ianb
3U3uf(i)ieben gel)t n\d)t ol)ne weiteres an. 2Iu^ bie 5)er*
fünft bes Stoffes ift unfic^er. ÄöUe foll i()n aus ^ar(srut)e
mitgebracht f)aben. ®s ift freilid) fd)mer, fid) bie „voal)xe
25egebenl)eit" au53umalen, bie ber tollen, in ber (ll)axah
teriftif fo finblid)en ^^offe angeblid) 3ugrunbe liegen foü.
SIber Ul)lonb5 Qumor oermag fid) and) freier 3U be*
mcgen, nid)t nur bann, menn i^m ferner bie Brüden ge»
Iiel)en l)at. Das 3eigt fid) aufs glän3enbfte in ben beiben
9^1 a d) t b I ä 1 1 e r n , bie er ben iJreunben 3ugefanbt !)at.
■SRad) ber allmäl)(id)en STuflöfung bes Jübinger Greifes
mar bie 2tnregung laut gemorben, 3r)(Iifd)e (Epifteln 3U
oerfenben, bie, an alle gerid)tet, einem nad) bem anberen
3ugel)en follten. ©in gut 2:eil ber ?Poefie unferes Greifes
ftedt in biefen Briefen, mie ja aud) UI)Ianbs Ottoberbrief
Don 1807, bas erfte 6ammelfd)reiben an bie gefd)iebenen
greunbe, oon ferner 3ur 2Iufnaf)me in feinen 2IImanad)
beftimmt morben ift. Die anmutigen 9laturgemälbe unb
gefelligen Stimmungsbilber, bie {)ter entworfen werben,
fönnen als eine 2rrt ti)pifd)er tlt)Ianbfd)er ßt)ri! in profai«
fd)er 5orm gelten. Das erfte ^a(i)thlaii aber ift ein
104
Capriccio, has unter Uf)Ionb5 2Ber!en einsig bafte^t. ©s
ift ba5 3^omantifd)fte, tras er gefd)rieben \)at, vox allem
besljalb, n)etl es ftellenrt)et{e fo gerüollt plattiftifd) ift.
6id)erlid) t)at bte trocfen bosierenbe 2lrt, in ber namentltd)
SSetfpiele aus bem Rittertum angefül)rt merben, in Sßeigers
2Iuffäfed)en tl)re SSorbilber, für ha^ ©anse aber ^at 3ean
?Paul bie garben gelie{)en, beffen 2)id)tung ben greunben
ebenfo naf)e oertraut g?röefen fein mufe mxe feine ^ftl)etit.
SOBas fann :3ean ^aulfd)er fein als bie 5bee, ben 9}lonoIog
eines 3ö{)nf(^mer3geplagten t)or3ufüI)ren, bei bem fid) a(I=
mäl)lid) burd) I)eil!räftige SQlittel Stillung bes ßeibens unb
Sct)Iaf einftellen? JJlatürlid) l)'dtte :3ean ^aul bas ajlotio
nod) mlfeiger ausgebeutet als UI)lanb, aber aud) biefer
liefert bas für U)n bentbare an ©ebanfenfprüngen, ^axa=
bojien, n)eitI)ergef)oIten Stnfpielungen. ©in buntes roman-
tifd[)es [Repertoire mirb burd)gegangen, t)on dampettis
2öünfd)elrute ift bie JRebe unb öon bem neuen Organ
^pbus, Xieds $I)antafus tritt auf neben bem gortunat
mit bem 2Bunfc^t)ütIein unb bem fd)lafenben ^aifer fjrieb»
rid). 6d)Iafen, 2^räumen mirb als menfcf)enmürbigfter
aller ^uftönbe gepriefen, ber 9^ad)ttt)äd)ter als ber 6terb»
litf)e, bem bas f^önfte aller ßofe gefallen ift. Ul)lanb
finbet fd)on bie ed^t romantifcf)e 2lntitl)efe: „SO^ein Qeben
voav ein ^Traum, jefet fei ein Jraum mein fieben!"
5)errfd)t l)ier ber oft forcierte Wi^, fo fpenbet bas
ameite 9^ad)tblatt mieber eine reine güUe oon ^oefie. (Bs
ift bie l)umoriftifd) gel)altene SSorrebe 3U einem an fid)
ernft gemeinten ^lane Werners: Sas 2ßunberl)orn mar
3u ®nbe gebiel)en, bie (5el)nfud)t ber greunbe nad) 6amm=
lung bes altDol(stümlid)en fiieberl)orts aber nod) nid)t gc»
fättigt. ferner Qe^ad)te ben eigenen 23orrat 3u r)ermel)ren
unb l)eraus3ugeben. Urlaub fd)reibt 3U biefem nod) un«
geborenen SBerfe ben Prolog in jenem gemoUt alt*
frönfifd) anl)eimelnben 6tile, beffen fic^ ber greunb ha^
mal5 in @efpräd)en unb SSrtefen 3u beblenen liebte.
9Jlanntgfad)e 2lnfpielungen in ber SSorrebe 3U biefem
„JHofengarten'' laffen uns ©inblict in bie Dleutlinger unb
2^übinger ©ammeltätigteit ber SSorseitfreunbe tun. Die
oorliin ange3ogene 6d)ilberung ber !HeutIinger 25üct)er«
fammer ftammt bal)er.
SBolIte man bie 5^rofabid)tungen Uf)Ianb5 3ufammen»
[teilen, fo ergäbe fid) nur ein |d)male5 i)äuflein. 23on ben
IRomananfö^en ber ^naben3eit bis 3um (Erften S^ac^tblatt
(1808) I)at allein ber SSersfünftler bas 5ßort gefül)rt. Da
plöyi(^, im ^erbfte biefes 3al)res, fommt il)m „bie 3bee
3U einer Slrt JRoman'', unb fd)nell merben bie Einfangs«
fapitel 3u Rapier gebrad)t. Der Xitel foUte fein: ^er*
mann oon6a(f)fenI)eim,ein S5üd)lein oon ßieb
unb 2^reu.
Da biente nun nicf)t mel)r 2öäd)ter 3um 23orbilb. Der
6toffl)unger bes jungen !Homanti!ers l)atte in3mifcl)en mie
bie 93olf6büd)er fo eine 5ReiI)e t)on Sammlungen t)erfd)lun*
gen, in benen 3Jlaterial für 23or3eitgemälbe aufgeftaut
mar, fo aud) !Kei(f)arbts 35ibliotl)et ber JRomane, in beren
fiebenten ^anb er einen langmeiligen 2lus3ug aus ber
2Jlöl)rin fanb, bem gebel)nten (Epos bes fc^mäbifc^en
ßanbsmannes i)ermann oon 6ad)fenl)eim. 5)auptfäd)lid)
mag er fid) ange3ogen gefül)lt l)aben burd) bie beutfd)e
©agengeftalt bes treuen ©dart. 2öie fo oft, erfd)eint
biefer 2llte aud) l)ier als i)üter unb SBarner am ©ingange
bes SSenusbergs unb als gürfpred) bes burc^ bie 0}löl)rin
bei grau SSenus oerüagten D^itters. Die ©erid)tsf3ene am
^ofe ber ßiebesgöttin foUte aud) bei Ul)lanb ben SD^ittel«
punft bilben, aber gan3 t)on bem Sd)ema ber SSorlage be»
freit l)ätte fid) ber 6toff im übrigen 3U einer 2lrt oon
Silbungsroman geftaltet. 5)ermann mirb oon feinem
23ater in bie SBelt entlaffen, um bie grauen fennen 3U
lernen. ®s maren alfo mand)erlei erotifd)e 2lbenteuer oor*
X
gefc{)en, aber f(f)on bie au0gefül)rtcn fünf Kapitel laffcn
al)ncn, bog ber ^elb umfonft in bic gerne fd)rr)eift, \)a bas
©Ute ja fo naf)e liegt: :5m if)aufe feines SSaters m'dd)]t ein
$flegetöd^terd)en mit bem braoen unromantifd)en S^amcn
^annd)en auf, unb in il)ren Strmen follte 5)ermann fieser«
lic^ oon feinen abenteuer(id)en fiiebe5fal)rten genefen.
einen originellen Steifebegleiter l)ai \l)m lll)lanb jur ©eite
geftellt; ben knappen 2Imur, ba5 ^ei^t niemanben anbcrs
als ben ßiebesgott felbft, ber i!)n 3um 5)ofe ber 23enu5 I)in»
geleiten foll. kluger ber Slbfc^iebsfaene in ber 5)eimat unb
einer breiten er3äl)lung Stmurs von ber ßiebe bes ^eleus
unb ber 2;^eti5 ift nur nod) ein ritterli(i)e5 2Ibenteuer i)er=
manns ausgefülirt, bie SSefreiung einer Jungfrau aus
JHäubers i)anb. 2)as vertraute fiofal ber Sßurmlinger
Kapelle ift als 6d)auplaö biefer erften 2:at beutlid) ab"
gef(i)ilbert. 2tIfo i)ermann 5ie{)t oon Mbingen aus in
bie SBelt.
Sie fünf Kapitel exwedm SSegierbe nac^ me()r.
Ul)Ianb t)erftel)t nid)t übel 3U ex^äl)Un; bie etmas gemollte
©impliäitöt, bas ©treben nad) altbeutftf)er Sieberfeit, bas
ja aud) ber 2;itel I)erDortreten lägt, mag ein menig ftören.
!Der junge 9'lomanbi(i)ter eifert nod) 3U fet)r ben 23oIfs»
büd)ern nad). (E>d)abe aber, ha^ bas Fragment SJlager
md)t gefiel, bem es Ut)Ianb nat^ feiner @en)oI)nI)eit fogleid)
3ur SSiEigung oorgelegt f)ai; benn er na\)m baraufl)in fo»
fort oon bem ?pian 2lbfd)ieb. ^ier tritt nun einer ber
gälle ein, mo man Ul)Ianbs poetifd)e ötonomie beftaunen
mug. !Die @ebid)te ber näd)ften 9at)re finb üoß oon un=
üerrüertetem 9Jlaterial aus bem 6a^feni)eim. 1809 ging
er mit gleid) geringer Slusbauer baran, ben [Roman in
[Romanaenform umaugiegen. 3mei meitere JRomanjen,
6t. ©eorgs [Ritter unb [Ritter ^Paris, fomie bas Epigramm
2:i)etis mirft 6ad)fen!)eims Qinterlaffenfd)aft in ben
nät^ften 3al)ren nod) nebenbei ah.
UI)Ianb5 5ßc3tel)ungen 5ur D'lomantif, btc biefe ^crtobc
fcnnactc^nen, rüoren bt5l)er mctft unper|önlicf)er Statur ge«
toefen unb aüefamt ^öd)ften5 auf fd)riftltcf)e 25etanntfd)aft
aufgebaut. (Erft im ßaufc bes Sal)re5 1808 traten i^m
3tx)ei aöerbings untergeorbnete 23ertreter romantifc^cr
2)irf)tung nal)e.
Ser erfte tüar ber bämtd)e !Did)ter ö l)Icnf cf|Iä =
Ö e r , ber fid) im September 1808 in Tübingen auf()ielt.
!Durd) bie ßettüre feines bel)agltd) p{)antaftifd)en Sauber»
fpiels „Slttabin" fc^on für il)n eingenommen, lieg fic^
Ul)Ianb auct) burd) bie 5ierfönlid)feit befted)en: „(Es gel)ört
3U meinen angenef)mften (Erinnerungen, mie id) il)n oor
6:on3 eine 9^eil)e trefflid)er 9'loman3en, bie ein (San3e5
bilben, beflamieren prte." Sas ©efallen mar gegen*
feitig. ÖI)Ienfd)Iäger burfte in U{)Ianb5 I)anbfcf)riftlid)e
@ebid)tfammlung ©inblid nel)men unb erfreute fid) be=
fonbers an Ses Knaben Serglieb, \iQi^ il)m ber aSerfaffer
bcnn aud) als ©tammbud)blatt mitgab.
2ßid)tiger mar Uie ^Begegnung mit 23arnl)agen,
bem erften SIbgefanbten ber norbbeutfd)en JRomantit, ber
ben 2öeg nac^ Tübingen fanb. (Es mar etmas S^eues unb
Uner{)örtes, \s^^ ein 6tubent aus bem I)ol)en Sterben bie
Tübinger 5)od)fc^uIe besog. 5)einrid) 53reslau, eben»
falls 3}^ebi3iner unb bem fjreunbesfreife im 2öinter 1807
bis 1808 beigefeilt, mar ja aud) „Sluslänber" gemefen,
ftammtc aber bod) menigftens aus bem nal)egelegencn
SInsbad) unb nid)t aus Berlin! ©elbft ber trefflid)e ^ro*
feffor 2IutenrietI), um beffentmiüen 23arnl)agen I)auptfä(^»
lid) gefommen mar, mufete fid) bes SSermunberns über ben
(Baft fein ®nbe. 2IIs Sac^foUege Werners moI)nte 23arn=
I)agen im Svenen SSau. Dem Dermöl)nten STnfömmlingc
flößten bie primitioen ßebensr)erl)ältniffe bes fleinen
6d)mabenftäbtd)ens 3uerft l)eftigen 2lbfd)eu ein, er fanb
Jübingen „gröpd) nieberfd)Iagenb" unb es fel)lte md)t oiel,
108
fo l)'dtte er es gemad)t tüte fein (Befäl)rte ^arfd)er unb
tDöre nad) ein paar 2ßod)en auf unb baoon gegangen.
Die Sefanntfc^aft mit UI)Ianb unb ferner röirb es red)t
eigentlid) gemefen fein, bie 'ü)n feft^ielt.
2IIs 2)id)ter mar 23arn()agen ben greunben frf)on be-
fannt, befonbers einbrutfsüoll mirb er if)nen in feinen
f4)ii)ad)en, mit SI)amiffo t)erausgegebenen SD^lufenalmana«
(f)en nid)t entgegengetreten fein, ©eine 6tärfe lag ein für
allemal nid)t auf poetifd)em ©ebiet, ber 3ufünftige gemanbte
Siograpf) äußerte fid) aud) bamals fd)on in treffenben
35eobad)tungen, aber aud) in 9^eugierbe, ©efd)mäfeig!eit
unb ^Iatfd)fud)t — ©igenfc^aften, bie Uf)Ianb unmöglid)
ft)mpatf)ifd) berü{)ren fonnten. !3n ben überfd)mang, ju
bem fid) 23arn{)agens (Befül)(sleben unb «öu^erung oer«
fteigen fonnte, namentlid) im 23erfel)r mit gleid)geftimmten
greunben, oermag Ul)Ianb ebenfalls nur fd)mer einsu^
ftimmen. 2)ie Mage über feine 3urüdf)altenbe ©d)rDeig=
famfeit ift benn aud) bei 23arn()agen ftänbig. 5m STIter
no(^ foU U{)Ianb geäußert I)aben: neben 23arnl)agen l)ahe
man allerbings fd)meigen muffen, meil er fo oiel gefprod)en
f)abe, ha^ anberen blutmenig übriggeblieben fei.
TOt ferner liefe es fid) beffer fd)n)a6en unb fd)mör=
men, menn aud) I)ier 3unäd)ft ©egenföfee ber Staturen 3U
überminben maren. 2)en (Saft feffelte an Suftinus oor
allem ber gute liebe 9Jlenfd), ber originelle 2rr3t, ber 23or*
3eitentl)ufiaft, aud) fd)on ber @eifterfel)er. Sn UI)Ianb fie!)t
er oor aflem ben 5)id)ter, einen großen Did)ter fogar.
2tn 3SeifaII im greunbesfreife l)att^ es Uf)(anb nie ge=
fel)lt, marmer ent()ufiasmus für ben poefiebegabten
ßanbsmann mar bamals fd)on in mand)es 6d)maben^er3
cinge3ogen, mand)e 6tellen aus feinen !Did)tungen mögen
fid) über ben engen greunbesfreis I)inaus bereits 3um ge=
flügelten 2öort entmicfett I)aben. ^ier l:)at 3um erftenmal
ein gan3 2tußenftel)enber bem ©enius Ul)Ianbs fd)ranfen'
Io5 gef)ulblgt unb feine figrif bem ^ö(^ften, mas er fannte,
an bie Seite geftellt. ,,23on UI)Ianb brad)te mir ferner
ein ganses ^ä(!d[)en I)anbfd)riftlid)er (Bebid)te. 2)a tauchte
mir mirflid) bie Seele in \x\\&)t 2)id)tung5flutl ©eine
ßieber finb goetl)ifd); Xnxs ^zx^i aber nic^t (Boetl)en nad)»
geal)mt, fonbern in g(ei(f)em SBerte mit beffen fiiebern:
ebenfo XQa^x unb rein, ebenfo frifd) unb \ü^\" 23arnt)agen5
SScgeifterung trägt bie ^unbe Don biefer im Sct)rx)aben*
lanbe neu entfproffenen SSlüte ber JRomantif nad) D^lorb«»
beutfd)Ianb. 2)urd) iljn erfal)ren bie greunbe ©()amiffo,
gouqu^ unb üiele anbere ^uerft Don bem !Did)ter U()Ianb,
ber alsbalb aud) bei il)nen SBursel fagt. „Der ajlenfc^
\i\^izi \a mie ein 2lltbeutfd)er, id) möd)te fagen mie bas
23oIt felbfti" Damit brüdtc gouqu^ \iCi& f)öd)fte für il)n
unb für UI)lanb bentbare ßob aus.
2öä{)renb 23arnl)agen in ^Tübingen meilte, erreid)te bie
6tubien3eit ber beiben greunbe \\)x ©nbe. 9m grül)ial)r
1808 )^ciiit Ul)lanb bie SIbgangsprüfung öon ber Unioer»
fitöt beftanben, je^t, 2tnfang September, folgte bas 2Ibt)0»
(ateneyamen. ©r erl)ielt bie 2I!ten einiger laufenben
5Hed)t5l)änbeI 3ur ^äuslic^en Bearbeitung, bann mürben
il)m eine 5ReiI)e Iateinifd)er fragen geftellt, bie ebenfalls
fd)riftlid) 3u beantworten maren, unb ein Kolloquium bil«
\iziz ben 2lbfd)lu6. ®r beftanb, „fo \io.^ er aufrieben mar,
menngleid) nid)t fplenbib". Das mag fubjeftioe 25e»
mertung fein, bie objettioe lautete „ooraüglic^ gut", Ul)lanb
„mar ooUtommen mürbig, in bie S^W ^^^ föniglid)en
2lbDo!aten aufgenommen 3u merben". Sogleid) bxad^it
bie neue 2Bürbe il)m einige fleine 2lrbeiten; 3u feinem
SSerbruffe, benn er l)ätte fid) bie bic^terifd)e 3Jluge gern ge»
gönnt. Die ^auptbefd)äftigung mufete nad) mie oor
juriftifd) bleiben: bas Doftorejamen mar nod) ab3ulegen,
unb bes 23aters Strenge geftattete r)orl)er feinerlei 2Iu5»
fpannung. Die 2:i)emama^l bereitete Urlaub mand)e 9^ot,
bte 2Iu5arbeitung 30g fid) ein 3al)r länger l)tn als ur«
fprüngüd) ongenommen ujorben mar. ®rft im 2lpril 1810
fonnte er feine 6d)rift ber gafultät oorlegen, bie fie e()ren«
t)olI beurteilte. (£5 mar eine red)t5l)iftori{d)e Strbeit aus
romaniftifd)em (Bebiete, bie in ber seitgenöffifc^en fiiteratur
lobenb ern)öl)nt mirb. 23on einem ftarfen inneren Stnteil
U{)Ianb5 an '^zn I)ier bel)anbelten Problemen ift ni^ts 3U
fpüren, mie il)n aud) bie ©jamenstage t)on 1808 unb 1810
nid)t in fonberIid)e Stufregung oerfefet I)aben.
2Inber5 bei ferner. :5l)m erfd)eint bas ©jamen als
„fein Xobestag", ben er burd) ein fd)on oorl)er oerfagtes
peffimiftifd)e5 geftfpiel feierte. Zx\. biefer ^^offe erft^eint,
n)ol)l ber 2Birnid)!eit entfprec^enb, greunb UI)Ianb als
oernünftiger 55efänftiger feiner milben ®f amensaufregung.
!Die 5^rüfung nimmt l)ier einen fel)r fd)led)ten 23erlauf, il)r
Stusgang fpiegelt fid) in ben 2ßorten t)on ^prüfenbem unb
tprüfling: „9a, 5I)nen fel)lt es nod) fel)r!" — „Sie ajlebiain
ift aud) fd)U)er!" ©s fam in SBal)rI)eit anbers; a3arnl)agen
betont eigens, mie e^reuDoU aud) ferner promoviert \)^hz,
unb fo geftoltete fid) ber 2lbfd)ieb t)on 2:übingen I)armo-
nift^er unb auc^ me^mütiger als er in ber $offe oor»
gebilbet ift. Gin fd)önes Stüdblicfsgebit^t ^^oi bie ©mpfin«
bungen bes 6d)eibenben feftgel) alten: „0 Tübingen, bu
teure 6tabt" — es ift ja bort als ©tubentenlieb nod)
lebenbig. STm 28. 3Ulär3 1809 30g er aus, feine gro^e
SSilbungsreife ansutreten, bie il)n in ben 9^orben, 3unäc^ft
3u feinem SSruber na(^ 5)amburg fül)ren foUte. Ul)Ianb
unb ÄöUe gaben il)m bis ^Reutlingen bas Oeleit.
es entfpinnt fid) nun trofe ber beiberfeitigen 6d)reib»
trägl)eit ein reger SBriefmec^fel, ber 3U ben mid)tigften !Dofu=
menten ber fübbeutfd)en JHomanti! gel)ört unb für uns
3miefad)e gruc^t abmirft: 3n Urlaubs Schaffen, Stirn*
mung, ßettüre gen)äl)ren uns biefe Jäufeerungen an 'i^zn
SSertrauteften bcfferen ©inblid, als roir i^n fonft je ge«
minncn. 8ie finb aud) pcrfönlid)er oIs biß fad)lid) ja nod)
eingel)cnberen S^otiacn bes 2:agcbud)5, bie 9^cujal)r 1810
ctnfcfeen. Ul)Ianb bcrid)tet oon bem 2In= unb 2Ibf(f)U) eilen
feiner SIrbeitsfreube, oon ben Slnregungen, bie auf feine
^oefie ausgeübt merben, t)or allem t)on bem, mas er lieft,
©r analgfiert feinfid)tig bie Unterf(J)iebe ber ^Jlooelliftit
bes ^Boccaccio unb bes (Eeroantes, er fd)reibt eine lange
Slb^anblung über \iQi% 9Befen bes 3Jlarionettentl)eater5,
begeiftert fid) aufs neue an ^\^oXt\^ZGXZ, blicft aud) jum
altenglifd)en 2:i)eater 3urüct, oertieft fid) in fd)ottift^e
?Ballabenbid)tung. 2(lfo bie romantifd) oielfeitige 2Iuf*
nal)mefä^igfeit, ber Unioerfalismus poetifd)er Sntereffen,
ber feiner (Beneration bas ©epröge gibt, beginnt fid) jefet
bei if)m 3u regen. 2)ie alte ßiebe ift aber baburd) nid)t 3um
6d)n)eigen gebrad)t: begeifterter als je flingt fein ßob bes
$elbenbud)s, ber altbeutfd)en Xapferteit unb SDlannentreue.
SSebeutfamer nod) ift ber poetifd)e (Ertrag, ber aus
biefen 33riefen ern)ad)fen foUte. 9'lomantifd)er 2Bife fül)rt
in il)nen gleigenbe Spiele auf, ber ernfte, in fid) getel)rte
Ul)lanb oergigt unter bem ©influffe bes greunbes ftellen»
meife mieberum feine D^atur unb t)erftel)t, bie närrifd)e
2Belt mit lac^enben 2lugen an3ufel)en. ^o^^iz er bod) 3um
58eifpiel bamals mit ferner 3ufammen \itxi ergöfelic^en
5ßlan 3U ber 9'leifebefd)reibung eines ^ur3fid)tigen. 2lud)
barin, mie in ben ^Briefen, märe er neben bem fd)arf*
fid)tigeren unb fd)arf3Üngigeren greunbe mol)l etmas matt
geblieben. Sennod) burfte er il)m burd) feine ©pifteln
iJarben leil)en 3u bem großen ©emölbe, beffen erfle 6fi33e
ferner bamals entmarf unb bas bie Summe bes roman*
tifc^en Treibens unb gül)lens ber JEübinger 3iel)t. 2tus ben
^Briefen, bie ferner auf feiner S'leife an Ublanb fc^rieb, unb
teilmeife aud) aus beffen SIntmorten, finb bie ^errlid)en,
Urlaub gemibmeten 9fleifefd)atten gemorben.
^eine !Did)tung ber ^eriobe l)at in bem SOZage mie
btcs löngft ni(f)t noc^ @ebü{)r gcroürbigte SUletftermerf bte
3rt)ei ©runbfttmmungen bes romantifd)en 3Dflenfd)en 3u
^armontfd)em Slusbrutfe gebrad)t: \iQi^ bämmcrnbe 6c^nen
nad) bcr ungretfbaren gerne, bas träumertf(i)e 23erfin!en
im Unenbli(^en auf ber einen Seite unb \iQa ironifd)e
Überlegenl)eit5gefü{)l, bie 23erad)tung bes nüd)ternen, finn»
unb gemütslofen Sßeltgetriebes auf ber anberen. 3n
röeld)en ©timmungsaauber smingt ferner ben ßefer, menn
er mit iljm burd) bie nöd)tlid)en ©äffen bes alten 3'leid)5-
ftäbtd)en5 manbert ober in monbfd)einbeftral)Iter grü^-
Iing5nad)t ben S^etfar befäl)rt ober oom I)od)tI)ronenben
^(ofter ben 23Ii(f in meite gernen lenttl Unb n)eld)e Über»
fülle bes ^umors gießt er aus, menn es feine geliebten
(Begner, bie ^lattiften, an ben oranger 5u ftellen gilt.
2ßie Xie(f, SSrentano, ^offmann teilt aud) er bie 3!)lenfd)en
ein in poetifd)e Staturen, bie bem unfaßbaren S'leiä ber
2ll)nung unb ©timmung sugänglid) finb, unb in bie
„gläfernen" SSerftanbesmefen unb $l)ilifter. Unb mit
einer Unbefangenijeit, bie oft ^art an Unt)erfd)ämt{)eit
grcnst, greift er in feine näd)fte Umgebung t)inein unb
oergerrt fie ins ©roteste. 8ein 9^ad)bar G^otta mirb il)m
3um unförm(id)en ^opana, ber gute feifte Kons 3um bicfen
^oeten ^afell)ul)n, Sßeißer erplt als ber „toeiße ajlann"
mieber bie berbften 6d)Iäge, unb fogar ben armen i)ölber-
lin 3iel)t er in ben Steigen plattiftifd)en 3Jlißgefd)iife5 i)2rein.
2In gormlofigfeit läßt bas @an3e nid)ts 3u münfd)en übrig,
fd)on bie ©infleibung lobt ba3u ein, bie alles in fd)nell oor»
überfliegenbe einselne 6d)attenbilber 3erlegt. !Denno(^ u)irb
bie 2ßill!ür ber ©rfinbung baburd) gebönbigt, \io!^ bie
fämtlid)en funfeinben perlen am gaben eigenen Erlebens
aufgereil)t finb. 2Bas ferner auf ber IReife gefel)en, ge*
fonnen unb geträumt \)^i, bas fpiegelt fid) I)ier miber. ®r
moUte bie 6d)atten meitergleiten laffen, bod) 5)amburg,
SSerlin, ^rag, 2Bien, maren nid)t ber rid)tige 58oben bofür.
^amentüd) im 9^orben fül)lte er fid) fo fremb unb un-
l)eimif(f) mie 23arnf)agen im ©üben, unb feine ^Briefe
jammern nad) bem lieben 6d)n)abenlanbe.
2öä()renbbem 30g es umgefei)rt U^Ianb, gleicf) bem
2ßanberbur|ci)en in Werners (Bebic^t, in bie gerne mäd)tig
l)inau5. ©r fal) bie greunbe 3um 2:eil fd)on mit reichem
©eminne t)on il)ren ©tubienreifen aurüctfeljren; er jelbft
faß immer nod) am alten glecf unb mod)te fid) u)ol)l
groUenb bes Unfleiges anflagen. ©s mar feine fd)öne
Seit für il)n, bie oierseljn 3Ronate, bie er feit Werners 2lb=
gang nod) in 2;übingen 3U verbringen \)aiie, er fül)(te fid)
„fo einfam, fo einfam". 3Jlenfd)(id) unb fünftlerifc^ litt er
barunter. (Bx meint, bem 2)ic^ter muffe ba5 Umt)ertreiben
in ber grembe in feinen jungen i^a^ren oom größten 23or«
teile fein. ,3enfd)en finb benn bod) ha5 Öntereffantefte."
Der Sreiunbamanaigjä^rige mod)te fid) allmä^Ud) etwa5 3U
gereift fül)(en, um als guter 5)ausfo!)n immer nod) am
elterlid)en (Bängelbanb geleitet 3u merben. $läne 3U einer
IReife mürben fc^on länger ermogen, bas ©tipenbium
l;)atte bem unmilligen Suriften alt bie 3a^re l)inburd)
in ber gerne geminft. ©rft ging bie 2lbfid)t auf ein
©tubienfemefter in ©öttingen; ^a^ ber 2lufentl)alt in ber
grembe ber gad)gele^rfam(eit 3ugute fommen foUte, ift ein
SBunfd), ben mir bei SSater Ul)lanb begreiflid) finben mer*
ben. 6d)lie6nd) fielen bie 2Bürfel anbers. ^aris mürbe
3um 9leife3iel ermäl)lt. 2Bar bod) 3U ermarten, ba^ fid) bei
längerer 2lnbauer ber fran3Öfifd)en ^errfd)aft bie mürttem»
bergifd)e 5Red)tspflege nac^ bem Code Napoleon orien»
tieren merbe. ferner, bamals im Schatten bes 6tepl)ans*
turmes frun3ofenfeinblid)er als je, mar empört über biefen
^lan. UI)lanb fd^meigt fid) nad) feiner (BemoI)nl)eit über
feine ©mpfinbungen aus; aber ha^ ber IRomantifer unb
23or3eitfc^märmer in ber i)auptftabt bes neuen Äaifertums
nid)t 3U tur3 fommen merbe, bas mußte er. ^atie er bod)
6rf)neibcr, Uhtanb. 8
114
fc^on brei 3al)re t)or{)er ^ölle befi^moren: „@e{)cn 6ic in
bie 25ibUotI)efen oon ^Parts, fud)en 6ic Ijeroor, mas ba
oergraben liegt oon 6d)ööen oltteutjdier ^oefie . . . StUein
fc{)en 6ie mcJ)t auöfd)Ue6lid) auf teutfd)e Slltertümer,
achten 6te aud) auf bie romantifc^e SSorseit gran(reid)5.
©in (Seift bes S^littertums toaltete über gan3 ©uropa."
Unb er tnüpft oorseitstrunfen bie aJlaI)nung an, bie je^t
oon il)m felbft erfüllt loerben foUte: ,,2)a fc^lummern fie,
bie begauberten Jungfrauen, golbene ßotfen oerI)üllen \\)v
@efic{)t — n)ol)lauf, i\)x mannlid)en Dritter! ßöfet ben
Sauberl 6ie merben l)ei6atmenb eru)ad)en, surüctmerfen
bie golbenen ßocfen, auffcl)lagen bie blauen, träumcnben
Slugcnl"
4. Kapitel
(Bq war im 3al)rc 1810. %xantxe\d) ftanb auf bem
©ipfel feiner 3Jlad)t. Sie 23ermöl)lung 9^apo(eons mit ber
Äaifertod)ter l)atte ben Xriumpf) über öfterreid) befiegelt.
?Pari5 mar ber Srennpunft Europas gemorben, aus allen
beutfd)en Staaten ftrömten (El)rgei5ige unb fiernbegierige
bort aufammen. Der lR!)ein bilbete 2)eutfd)Ianb5 2ßeft*
grenae. 2ln brei ©teilen nur burfte er oon ben iKeifenben
3um Eintritt in bas fran3Öfifd)e ^aiferrei(^ überfd)ritten
merben: man l)aiie bie 2ßal)l 3mifd)en Strasburg, 3Jlain3
unb ^obIen3. 23on ha aus gingen bie brei großen ©tragen
nad) ^aris, bie fid) in SJlefe unb Sljalons oereinigten.
2)er näd)fte 2öeg l)dite Ul)Ianb über ©tragburg ge-
fül)rt. ^n ber ricf)tigen 23orau5fid)t, tia^ biefe feine 9'leife
für lange Oal)re bie ein3ige bleiben merbe, entfd)lo6 er fid),
ein möglidift großes 6tücf 2)eutfd)Ianb fennen 3U lernen
unb mäblte ben 2Beg über Äoblen3. eitern unb 6(^mefter
gaben \\)m bis ^arlsrul)c bas ©eleite, mo er mit ben 93er«
manbten S)ofer, mit 5)ebel unb ^öUe ein paar ^übfd)e Xage
oerbrad)te. Der 2tbfd)ieb oon ben ©einen fiel 'ü)m bann
nic^t leid)t, galt es bod) bie erfte längere ^Trennung. 5^od)
nie mar er fo gan3 auf fid) felbft geftellt gemefen. 2)as
@efül)l ber SSereinfamung unb ber IReifeärger mad)ien
il)m bie nöc^ften Jage mand)e bittere ©tunben, oucf) an
5)eimmel)tränen l)at es nid)t gefel)lt.
8*
Snbeffen ^^iit er boc^ oon bem romantifc^en IRetfcn«
ben ferner genug gelernt, um überall bie klugen offen 3U
polten, unb fo ftubiert er üoU ©rgöfeen bie 3:r)pen, mit
benen i()n ber Suf^ö iin JReifemagen 3ufammenn)ürfelt,
n)ie er aud) ben 6ttmmung63auber fd)öner 6täbte unb
©egenben, burd) bie er fommt, miliig auf fid) mirfen lägt.
ed)t romantifd) fogar geftaltete fid) bie JHl)einfal)rt oon
3Jlain3 nad) ^oblena — man fu^r ad)t3el)n Stunben —
auf ber namentlid) bie Strede 3mifd)en fingen unb 23op»
parb oerbientermagen fein ©nt3üden erregte, ©s ftellte
fid) bie mal)re 9^l)einftimmung ein, als man fd)lie6lid) im
9Jlonbfd)ein 3rt)ifc^en ben ruinengefrönten SSergen ba{)in*
fuf)r, unb bie frembe 6teifl)eit ber S^eifegenoffen löfte fic^
in gemeinfamer, anftedenber gröl)lid)feit, in Weiterem
3Jlufi3ieren, genau fo mie es U{)Ianbs fd)on ein 3a{)r t)orI)er
entftanbenes @ebid)t Sas 6d)ifflein t)oral)nenb aus»
gemalt \)QXiz.
2lm ndd)ften Xage ging es um 4 U{)r frül), nad) aEer^anb
9Jli6gefd)id auf Sollamt unb ^oft, mit ber 2)iligence oon
^oblen3 meiter. ©in alter ^err im 2Bagen oertrieb fid)
bie S^it bamit, ben SDlitreifenben bie Dflatioitöt 3u ftellen.
Sa fiel jener berül)mte Slusfpruc^, Ul)lanb fönne unmög*
lid) ein @elel)rter ober ^ünftler, er muffe ein ^anbmerfer
fein, i)ielleid)t ein Ul)rmad)er.
2lm brüten Xage nac^ bem 2lufbrud)e aus aUefe oer*
fünbeten lange SlUeen t)on l)ol)en Ulmen, am oierten bie
me^r unb mel)r auftau(^enben eleganten ßanboillen 3U
beiben 6eiten ber ©trage unb fd)lie6lic^ ber Übergang oon
ben glatten ei)auffeen auf l)olpriges ^flafter bie D^ölje ber
großen ^i^^i. 23on ber i)öl)e oon ^antin aus öffnete fid)
bann enblid) ber 3Slid auf bie unten innerl)alb bes i)äufer*
meers auffteigenben ftumpfen 2^ürme oon 9^otre=!Dame.
?Paris mar erreicht; es mar am Donnerstag, ben 31. 3Jlai,
mittags smei UI)r.
2)tc erftc gragc \iz^ 2tnfommenben mußte bem Quar-
tiere gelten. UI)Ianb mürbe 5)ausgenoffe smeier greunbe,
bie er I)ier antraf. 3Jla6gebenb für bie 2öat)I bes 5)aufe5
mußte aurf) \y{z 9^äf)e t)on 35tbIiotl)ef unb ^Jlufeum fein.
UI)Ianb moI)nte in ber Rue de Richelieu, bie I)inten
an \iQi'ö Palais royal ftieß. ©er SwfoK mollte, baß es
biefelbe 6traße mar, in ber aud) fein 23ater einft Unter»
fünft gefunben \)QXit. Der 6oI)n f)aufte auf Drummer 22,
fünf Xreppen I)od), in einem fid)erlid) befcf)eibenen Quartier,
XQ(x^ fd)on aus bem ^^reife t)on monatlid) 24 gr. I)ert)or=»
gef)t. Das 5)au5, in bem er feinen gefamten ^ßarifer
21ufentl)alt r)erbrad)t Ijat, mirb als Hotel de Piemont be»
3ei(f)net, mar alfo eines jener Hotels garnis, mie fie oon
minber Dermöglid)en Sluslänbern gerne befud)t mürben.
6ie entfprad)en zivdOi unferen ^enfionen, nur \so^ man fid)
bort nid)t oerföftigen (onnte. Die 55ebienung überna{)m
bie ^ortiersfrau gegen ein möd)entlid)es 2^rinfgelb oon
zixiQQL 3 ßiores. UI)lanb gemann fid) bas ^er3 feiner
M^re 3Jlid)eI, bie it)n entfpred)enb mütterlid) oerpflegt 3U
f)aben fd)eint unb norf) nad) 3a{)ren i^ren beutfd)en (Säften,
fo (Buftao ^&)VQQi!o, oon il)m oor3ufd)mörmen mußte.
Das Hotel de Piemont mar nömlid) eine berül)mte
Deutfd)enl) er berge. SSor UI)Ianb ^^oXit Sriebrid) 6d)Iegel
I)ier gemol)nt, unb oon feinen 9Bunberüd)feiten maren no(^
allerf)anb ®erüd)te im Umlaufe. Die günftige ßage bes
5)oteIs mirb aud) i{)n beftod)en Ijaben. 23on ^ier aus alfo
trat UI)Ianb feine erften 6treif3üge an.
©ine SfJlillionenftabt mar bas bamalige ?Paris nod)
nid)t, 580 000 ©inmoI)ner ergab bie offisielle 3öI)Iung im
Sßinter 1810, aber bennod) ftellte es nac^ feinen öffentlid)en
einrid)tungen, nad) feiner Einlage unb feinem ©etriebe
ben ©ipfelpunft großftäbtifd)en ßebens im bamaligen
Europa bar. Den ©inbrud einer burd)aus fd)önen ^ia\ii
empfingen bie beutfc^en Sefud)er allcrbings nid)t. Die
meiften oerftlmmte \i^s Unorgamfc^e ber Sauart; bic alte
^iQi\ii mar 3u eng unb trtnfitg, in i{)rcn (Baffen I)errfd)te
ein ftänbiges ©ebrönge, '^q^'ö ,,gletct)fam eine ©aleric
nteberlönbifdjer ©emälbe barftellte'', mie fid) gr. ©d)legel
ausbrütft. Das laute unb tief bis in bie 9fla(^t anbauernbc
Carmen auf ben ©tragen unb namentlid) bas etöige
SGßagenroIIen mag manches fleinftöbtifd) unb ibt)lltfd) ge=
ftimmtc (Bemüt mie bas :3afob ©rimms beleibigt !)aben.
^n ber neueren ^i(x\ii I)atte bie ^öf)e ber fetf)s- bis a(^t»
ftöcfigen i)äufer etmas 58ebrü(fenbes, gumal auf bem©ebiete
ber $riDatar(i)ite!tur nur pcfift feiten @efcf)macf entmicfelt
morben 3u fein fd)eint. SD^an f)ört aud) flagen über 9JlangeI
an freien ^^läfeen unb Einlagen; mo fid) aber etmas ®rün
fanb, \iQi pflegte es inmitten bes ©taubes unb ber 6tcin=
loänbe fc^nell 3u oerfümmern, fo \s(xS^ UI)tanb meinte, man
fönne angefid)ts ber 33äume am Palais royal an ber
3a{)re53eit gan3 irre merbcn, X^Oi fie im 3)lai unb !5unl
fd)on entblättert feien.
Slllgemein fiel ben beutfd)en 58efud)ern ouf, mie menig
man in ?Paris unter bem ^^ublifum t)on poIitifd)en Dingen
reben I)örte. 2tud) UI)Ianb betont bas mel)rmals, unb fein
SSater, ber ben 6oI)n in $aris am 5Born aller poIitlfd)en
SBeis^eit tt)ä()nte, mürbe oft enttöufc^t, mußte man bod)
bort 3um SSeifpiel Don D^apoleons ?piänen gegen ©nglanb
faum me^r als in ^Tübingen. Der ©runb für biefc S3cr»
fd)loffenl)eit ber ^arifer mar einmal Überbrug. „Nous
en avons assez," pflegten fie 3U fagen, menn auf poli=
tifd)e Dinge bie 9^ebe fam. Dann ober aud) mo^l ^ngft=
lic^feit: S^apoleons i)errfd)aft mar mol)l öugerlid) befeftigt,
ober es gob in ^oris unb ber ^ror)in3 genug Äönigstreuc
unb 9lepublifaner, benen fd)arf oufgepogt mürbe. 9^id)t
nur ber grembe fol) fid) einer ftönbigen politifd)en ^on«
trolle ausgefegt, oon beren Slusfalle bie Verlängerung
feines permis de s^jour abl)ing; burd) bie ftänbige
übcrtt)a(f)ung and) bcr f)armIofcn SSürger, burc^ bic ^ex^
pönung jcbcs freien SBortes mod)te I)auptfä^lid) ber C^tn*
brucf bes ©ebrütften, Unfrof)en entfielen, bcn ber 35efud)er
oon ^aris empfing.
U^Ianbs 9^eifeberid)te an ©Itern unb greunbe fou)ie
bie für if)n felbft gemad)ten 2:agebuc^auf3eid)nungen er*
I)eben ftd) feiten 3ur ßebenbigfeit unb bleiben meift im
trotfenen 2)etail fterfen. ©r aeigt fid) 3U SInfang feines»
megs übermöltigt von ben C^inbrücfen ber Stabt, e()er un=
angene()m berül)rt, bis fic^ allmäl)lid) ein gemiffes @efül)I
ber ^eimifd)(eit einfteüt, bas frf)Iie6Iirf) 3ur 2tbftumpfung
gegenüber bem anfänglich bleuen unb 2lufregenben fü^rt.
Das SSebürfnis unb bie gäl)igfeit, fid) 3um mobifd)en
SBeltftäbter 3u entmicfeln, feine 2ebensfül)rung auf feinen
5^arifcr Xon ab3uftimmen, fd)eint Uf)Ianb tJÖIIig gefe{)It 3u
I)aben. 2lud) für feine @arberobe tat er nur bas 3^ot*
menbige. ©emiffen^aft red)net er ben Geltem nox, was er
alles gebraud)t \)at: einen S)ut für 11 gr., einen 6d)irm
3U 18 gr., ein paar ^ofen mit ®amafd)en oon 6ommer=
3eug, loeil er mit meinen auf ben fd)mufeigen ©tragen
n\(i)t ausfommen fann. ©r fnüpft bie grage baran, tt)ie=
oiel er bei folc^en STusgaben monatlid) nod) für Zl)eatex
unb anbere 6eI)en6U)ürbiö(eiten oermenben bürfe; bie
©Item fonnten berul)igt fein, er blieb and) in ber gerne ber
rül)renb braoe Sol)n, im 2tngefic^t felbft aller Oenüffe unb
Jßerlotfungen ber SBeltftabt. Die gute 3Jlutter had)ie oft
n\d)t o^ne Scf)auber an bas 6ünbenbabel $aris. Dod)
glaubt fie bem Sol)ne fo gute (Brunbfäfee 3utrauen 3u
bürfen, \iai feine 3Jloralität burd) feinen böfen ©influg
leiben merbe.
Ul)lanb ^at in tßaris l)eitererc unb lebenslufttgerc
©efellen angetroffen als er felbft mar, l)at mit il)nen
mandjerlei ©efellfd)aften unb SS er anf taltun gen befud)t, bie
feiner Steigung unb feinem ^Temperamente fonft femer
120
lagen, aber „ßrtnnerungen, bie tl)n fd)amrot matten
fonnten", mte bie SÖlutter fagt, fnüpfen fid) für 'ü)n ni(^t
an biefen Slufent^olt 2)tefe innere JHeinljeit unb Un*
berül)rbarfeit fiel and) ben ^arifer greunben auf, erregte
aber bei ben 35efferen unter il)nen 2tner!ennung ftatt
6pott. Urlaub lebe, fo fagten fie, in einer anberen 6p{)äre.
(Einer oon tl)nen l)at i^n uns gef(^itbert, u)ie er, „vottnn
mix abenbö im Palais rojal fpaaierten, ein!)erging, bie
Slugen 3u, h^n 3Jlunb auf, o()ne bie ringsum mogenbe glut
ber 23erfud)ungen aud) nur 3U al)nen". ©eine „l)eEe (Einfalt
unb ßauterteit" ma(f)te aud) auf bie Mfere 3Jlid)el tiefften
(Einbrud, fie pries bie ©Item feiig, benen fold) ein ^tnb
gemorben.
SSerfoIgen voxv nun einmal, fo gut es ge{)en mill, ben
Xageslauf U()Ianb5 in feiner erften ^arifer 3^\t ^ad)
bem grü{)ftüd rief il)n 3unä(^ft bie $flid)t, bie fetbft»
geu)äl)lte in bie 25ibIiotI)e!, bie rom SSater üorgefd)riebene
in bas Palais de Justice. Stuf jenem ©ange mollen mir
U)n fpäter einmal begleiten, nel)men mir an, ha^ biefen
Zaq ein intereffanter juriftifd)er gall 3ur 23er^anblung
ftel)t. (Es ift uns begeugt, aber fennseic^nenbermeife nic^t
etwa burd) UI)Ianb, fonbern huxd) 23arnl)agen, t)a^ bie
@erid)t5berebfamfeit im bamaligen ?Paris in l)oI)er 23Iütc
ftanb, unb ha^ mand) fpannenber ^roseg unter 2:eilna!)me
eines großen ?publttums unb felbft bes Äaiferpaares in
Jenen 2Jlonaten 3um Stustrage gefommen ift. 2Iber U{)Ianb
mar mo{)I red)t feiten unter ben S^prern 3u finben. (Es
fei gar 3U fd)mer, einen ^la^ 3u befommen, fo entfd)ulbigt
er fid) bem SSater gegenüber. Sn biefem galle, mie in
allem mas ben 23rotberuf betraf, fd)eint il)m mirflid) mal)»
renb ber ^arifer Q^it Steigung ober t)ielme{)r SIbneigung
über ?PfIid)t gegangen 3U fein, ^ai bie SSerpnblung ober
bas 55ibIiotI)efsftubium bis 2 UI)r gebauert, fo gel)ören bie
3mei folgenben 6tunben bem £unftgenuffe, ben (Balerien
ober 3Jlufcen. Das Mus^e Napol6on mußte il)n be*
fonbcrs an3iel)en, eine Sammlung einatg in il)rer 2trt, mie
fie fid) frü()er ober fpäter nie mel)r 3ufammengefunben
i)at. ®5 gerfiel in smei Stbteilungen, bie Galerie des
Antiques im ®rbgefd)og unb bie Galerie des Tableaux
im erften 6tocfe. 5)ier mie bort gab es I)errlid)e !Dinge
3u beftaunen: ben ßoofoon, ben 2tpolI oon Seloebere, bie
mebiceift^e SSenus; bie Slüte !Raffaeli|d)er, ßeonarbofd)er,
2:i3ianif(i)er ©emälbe. 2Jlit bem SSeftanb an beutfd)en
58ilbern, fpegiell 2)ürerfcf)en, 3eigt fid) Oafob ©rimm ein
paar 9al)re fpäter minber 3ufrieben. 5)inter ben genannten
oier 9}^eiftern mußten nad) SSarnljagens unb feiner
greunbe @efd)macf SJlurillo, C^orreggio, D'lubens 3urü(f*
fte{)en, ein Urteil, ha5 and) für Ul)Ianb ©ültigteit gel)abt
l)aben foll.
Über llf)lanb5 Stellung 3ur bilbenben ^unft finb mir
nur mangell)aft unterricf)tet. 3I)ren ©enfmälern gegen»
über tennt er ebenfomenig mie fonft aus irgenbeinem 2tn-
laffe romantifd)e @efül)Isergüffe. !Daß 'ü)m bie 35etracf)=
tung ber Sd)äfee bes Mus^e Napoleon oiel bebeutete, bas
bemeifen lebiglid) feine I)äufigen ©änge babin. 91ur eine
fd)male 2;agebud)noti3 gibt feinem SBoI)Igef allen an bem
©efe^enen STusbrud : bie Äirmfen oon Xeniers unb ^Hubens
fd)einen es il)m angetan 3U I)aben. 3n einem galle l)at er
aud) einem ©emölbe 93erfe gemibmet: unter ben ®ebid)ten
finbet fic^ bas Sonett 9Jlabonna bella Sebia.
Siefer 9'laffael muß bemnad) für il)n einen 5)öbepunft ber
^ßarifer tünftlerifd)en Offenbarungen bebeutet f)aben.
(Eine anbere 5)eimftätte ber SO^alerei mar bas Palais
Luxembourg, ebenfalls oon Ubianb fleißig befud)t. Da
fanb fid) eine mad)tr)olIe IRubensfoUeftion unb baneben
aud) oiel 3Jlobernes. Die SO^leifter bes erften £aiferreid)5,
Daoib unb 23ernet, bitten i()re pompI)aften Stüde 3ur
Sd)au geftellt. 23arnl)agen unb ©t)amiffo mollten menig
122
Don if)nen töiffen, namentltd) Saoibs Kolorit ftteg fie ob,
unb UI)Ianb \6)lxe^t ftc^ il)nen an mit bem Iafomf{f)cn
Urteile, er fei gar fein greunb ber neufran3öfi|ct)en 3JlaIer*
fd)ule.
U()Ianb6 !3ntereffe für Se^ensmürbigfeiten ging aber
nod) oiel weiter; mv treffen 'ü)n im Mus^e d'artillerie,
des Monuments Fran^ais, in ©pitölern unb Sirren«
anftalten, in ben Souterrains non ^aris, in ber berüf)mtcn
Xaubftummenanftalt non ©icarb, bie jeben SJlonat in
öffentli(i)en Prüfungen burc^ bie ßeiftungen it)rer 6(f)üler
in 6taunen fefete.
2)od) — er l)at frü^ gcfrü()ftü(ft unb 25efic!)tigungen
mirfen abfpannenb. ©s ift alfo an ber !S^xt, ^a^ roir \\)n
5um 9Jlittageffen geleiten, bas er mit greunben smifc^en
4 unb 5 Vil)v ein3unel)men pflegt. Slnfänglid) mürbe ein
2:raiteur beooraugt, ber nal)e beim SJlufeum mo{)nte, fpäter
moI)I aud) gerne bei 93ert) gefpeift, bem freunblid)ften ßofale
t)on ?Pari5, in ben Xuilerien. 6o feljr bie geinl)eiten ber
fran3öfifci)en Mcf)e ben beutfd)en ©öften munbeten, fo
große greube muß es bocf) (nad) U{)Ianbs unb 93arn{)agcn5
übereinftimmenbem 2Seri(f)te) für fie alle gemefen fein, als
ein finbiger ^od) einmal in feiner f(f)mu6igen SSube
3mif(i)en 2:uilerien unb ßouore e(j)tes beutf(!)e5 6auertraut
ausfd)rieb.
Sem ©ffen folgte ein 6pa3iergang, ber natürlich in
ben erften 2Ö0(f)en nor allem ber 25efanntf(f)aft mit bem
©töbtebilb galt. 2Iut^ {)ier oermißt man UI)Ianb5 ^öuße*
rung über ben ©inbrutf baulid)er 3Jlerfmürbig!eiten. 9^ur
Don ber turmI)of)en ©iegesföule auf bem ^lafee SSenböme
berid)tet er mit Staunen; freilid) and) mit bem TO6beI)agen
bes guten !Deutfd)en über bas 3Jlonument fran3öfif(J)er
Übergebung. — ©rötere Stusflüge, mie fie namentlid) an
Sonntagen unternommen mürben, fül)rten if)n in bie be*
rül)mteften SSororte, auf ben 9Jlontmartre, in bie Sc^Iöffer
ber Umgebung, nad) 6t. (Eloub, ©rmenonotllc. Ser Stbenb
geprtc ber ©efelltgfeit ober bem Z\)eaiev. 3n ben erften
2Bod)en lieg ftd) UI)Ianb üon ben greunben nod) öfter 3U
großen 23eranftaltungen, fetbft SSällen, oerlotfen, ha5 Seft
ber ©arbe, ©nbe l^uni, mar n)oI)t ber bebeutfamfte ©tn»
brucf ber STrt. T)a fat) Ul)Ianb ^aijer unb ^aifertn unb bie
ganse $rad)tentfartung bes Qofes. 23on ber Cntrüftung,
bie 3el)n 9a^re t)orf)er 5)einrid) oon ^leift aus bem SInblid
großer ^arifer geftlicf)feiten gefogen l)atte, merfen rotr
feinen 25erid)ten ebenfomenig an mie oon ber t)orf)mütigen
23erad)tung bes ©mporfömmlings unb feiner 6d)einprac^t
burd) 23arn^ogen. ü^a^ 6d)aufpiel feffelt il)n, ol)ne feine
Äritif berau53uforbern. 2)ie 6d)n)efter freilid) ift mit
feinen geftberirf)ten fel)r unaufrieben; ber ,,blinbe ^eg"
foU bie 5Iugen auftun unb berid)ten, mas bie ^arifer
3Jläbd)en für Kleiber tragen unb oor allem, mas bie
^aiferin an^at — Sragen, bie ber gutmütige 23ruber bann
nad) beftem können 3u beantworten fud)t. ^Sismeilen fat)
er fid) felbft genötigt, in geliel)ene ©taatsfleiber 3U
fd)Iüpfen, mobei fein STnblfd mie ber ber greunbe ergöfelid)
genug gemefen fein mag. 2)em t)erI)ängni5r)oIIen gefte
beim Surften Sc^n)ar3enberg, ha^ mit einer entfefelid)en
25ranbfataftropI)e enbete, ift tll)lanb glüdlidjermeife fern
geblieben.
SBerben bie 35efud)e oon geftlid)feiten immer feltener,
fo nimmt bas i^ntereffe am Zl)eatex ftänbig 3U. !Da5
teuerfte, bie g^oge Oper, }:)ai er naturgemäß am feltenften
befud)t. Die prunfoollen 33aIIette, bie man bort gab unb
bie bas (Bni^üden eines I)anfeatifd)en greunbes bilbeten,
motten il)n and) menig anfpred)en. 2Iber er muß bod)
ein großer 9Rufif* fpesiell Opernfreunb gemefen fein. 2)a5
tlaffifc^e [Repertoire ber i^taliener, bie im Od^on fpielten,
lodte il)n befonbers an, unb aud) in ben fpöteren Stutt»
garter i^a^ren t)ielt biefer ©ef^mad nod) oor. SQBic oft
Dcr3eicf)net allein ha^ Xagebud) einen 35efud) ron gigaro
ober 2)on :3uan! ©rfteren \oi) er in ^aris aud) me\)xmal5,
fein Urteil bleibt unau5gefprod)en, liegt aber mieberum in
ber ^äufigfeit biefer 25eiud)e, bie übrigens aud) ©lud,
©imarofa unb anberen galten.
T)oä) man möd)te aus bem Xagebucl)e fdiliefeen, \ia^
auf ben tüerbenben 6d)aufpielbic^ter bie 2luffü^rungen bes
TMätre frangais üon nod) größerer 2Birfung gcuiefen
ftnb. (Er l)aite es in bequemer 9^äl)e, es lag in feiner Rue
de Richelieu, unb fo l)ai er uiele Slbenbe bort 3ugebra(i)t.
SBieber oermiffen mir eine grunbfäpd)e togerung 3U
biefer 2lrt bramatif(f)er unb tl)eatralifcl)er ^unft. Seben*
falls aber ging es 'ü)m anbers als 9afob (Srimm, ber bie
^omöbien fef)r platt, bie 2:ragöbien äußerft longmeilig
fanb unb aud) bei ernften 6tüden bas ßad)en faum 3urücf»
galten fonnte. 5)as größte fd)aufpielerifd)e (Erlebnis für
Urlaub fd)eint bas Stuftreten ^^almas gemefen 3U fein, ber
bamals auf bem (Bipfei feines 9lul)me5 ftanb. 2)iefe im
l)öd)ften 2Jlaße ftilifierte abgesirfelte ^unft fonnte bo(^
aud) 3U 5)er3en fpred)en. ,,Th^ätre fran^ais: 93oltaires
Oebipe; ^Talmas r)ortrefflid)es 6piel. Vous fr^missez
Madame! — et je suis votre fils" — bas mar alfo eine
©teile, an ber fid) bas fr^mir ber Königin bis in bie
5)er3en ber 3itftl)Quer fortpflan3te, auc^ Ul)lanbs, mie biefe
2:agebud)ftelle bemeift.
9^ad) bem Zl)eatex, ober menn ber 2lbenb 3U ^aufc
oerbrac^t morben mar, gab es in ben beginnenben S^at^t«
ftunben nod) mand)es fröl)lid)e 35eifammenfein mit g^eun*
ben. ©in Vi\)x mirb uns einmal als äußerfter Xermin oer^
raten, für Xübinger SSegriffe allerbings unerl)ört. 2)ie
meift anfprud)slofen jungen ßeute begnügten fid) bann
mol)l mit einem (Blafe SSier, l)atten fid) aber feltfamermeifc
bas glän3enbfte unb berü{)mtefte aller ^arifer (Taf^s als
6tammlo!al ausgefud)t. T)a5 mar grascati, an bem be^
lebtcften Steile ber 35ouIeöarb5, bem bie Iauni(d)en ^arifer
bamals t)orübergeI)enb il)rc (Bunft cntsogen l)atten.
6c^on mel)rmalö im SSerlaufe bes Xages l)aben tüir
U!)Ianb im 23eifammenfcin mit guten Sreunben getroffen.
3Jlan mag fict) über bie gäl)igteit 3U rafd)em 2Infd)tuffe
bei bem fonft \d)xoex 3u9änglid)en erftaunen. 2lber bie
©infamfeit nötigte i^n I)ier gans anbers als 3U 5)aufe.
3Jlanct)e 25efanntfd)aft mar nur an3ufritd)en, nic^t neu 3U
fnüpfen, unb bei oielen lieferte bie ßanb5mannfd)aft ein
ermünfd)te5 23anb. 2Bir merben uns 3mar mit ber SOlutter
munbern unb es als menig 3mectmä6ig anfel)en, tia^ ber
fran3öfifd)e S3erfe()r bebeutenb in ber 3Jlinber3al)I ift. 23on
58efannten mürbe benn aud) balb nad) 2^übingen berid)tet,
ber junge Dfleifenbe ^alte fid) oor allem an bie ßanbsleute
unb mad)e im gran3öfifd)fprect)en besl)alb feine gort«
fd)ritte. 2)a3u ftimmt, bag er nad) eigenen SSriefäuge«
rungen an bie (Eltern mel)r barauf behaart ift, bas Sran=
3öfifc^e aus 58üd)ern 3u lernen. Ser SSater empfal)! ba^
gegen ben 23erfel)r in fran3Öfifd)en gamilien, i)ielleid)t
einmal ba3mifd)en ben 2lufentl)alt in einer fleineren
etabt.
®s gab in ^^aris eine rid)tige beutfd)e Kolonie, bie
3al)l ber Dorüberge^enben 25efud)er ftieg in bie 2^aufenbe,
3umal nad) ber i)eirat bes Äaifers l)ob fid) il)r allgemeines
2lnfel)en, unb man fam i^nen gerne entgegen, ©in ftän*
biges kommen unb (Sel)en belebte biefen ^reis. Ul)lanb
l)ai mehrere neue (Benerationen oon 2Infömmlingen auf*
tauchen unb mieber Derfd)minben fe^en. 2)ie ^arifer
6d)maben jener Seit geminnen für uns menig ^l)t)fio«
gnomie, einige, fo ©buarb ©melin, 6er)bolb unb ^regi^er,
fannte Ul)lonb fd)on aus Tübingen. 2ßid)tiger mürben
norbbeutfd)e Sefannttd)aften. Den SSermittler bilbete aud)
I)ier ein greunb aus Jübinger Stubententagen, 23arnl)agen.
Urlaub unb er trafen fid) gan3 unermartet unb ol)nc
gcgenfeitig t)on i()rem 21ufentl)alte 3u miffen in ber (Salerie,
ein boppclt merfmürbiger Si^fQ^/ na(i)bem 23arnl)agen ein
paar QJlonate t)orl)er ebenfo überrafd)enb in 2öien auf
ferner geflogen mar. Ut)Ionb6 6d)rr)eigfamfeit, bie aud)
biefe freubige Überrafd)ung nid)t 3u bannen mugte, mirtte
aud) bei biefem 2öieberfel)en 3unäd)ft ernüc^ternb unb
peinlid). 2)od^ rrar \^^s alte 23erl)ältni5 ftf)neU I)ergefteIIt.
i)atte 23arnl)agen bod) bereits einen anberen !Did)ter 3ur
6eite, mit beffen Sßunberlic^teiten er ebenfalls fertig mer*
ben mußte.
"S^Ci?) tüar Slbalbert t)on © l) a m i f f o. ferner \)QXit
fd)on mit n)a()rem entl)ufiasmus in 25erlin feine SSefannt»
ft^aft gemad)t, unb aud) Urlaub finbet ungeu)ol)nt marmc
SBorte, menn er feiner Sreube über bas erfte Siifornmen»
treffen mit bem 2)id)terfoEegen in ber ©alerie am 2. 9ull
funbgibt. 2)ie ©rfc^einung bes neuen greunbes mag oon
ber Urlaubs meit genug abgeftod)en I)aben. Sm iäugeren
bereits trat bas @enialitd)e, bas ben $oeten fenn3eid)net,
l)err)or. ©r trug am liebften eine polnifd)e ^urtfa mit
6d)nüren unb lieg fein langes fd)U)ar3es ^aar frei l)erab»
l)öngen. Sabei l)atte er in feinem 2öefen nid)ts Xf)eatra«
lifd)es, fonbern mar ber benfbar natürlid)fte, ja !inblid)fte
SJlenfd). 2ln 2Beltläufig!eit mod)te er bem um fed)s l^a^rc
jüngeren Ul)lanb faum überlegen fein, als geborener gran»
3ofe unb et)emaliger Offisier ben)al)rte er freilid) nod)
einige ritterlid)e 2lllüren im Umgange mit grauen. SÖ^eift
aber lieg er fid) gel)en unb gefiel fid) in oöUiger Un3U»
gänglid)feit nad) äugen. ®r mar als ^artnödiger Sd)mcl*
ger befannt, in biefer §inftd)t alfo ein SSermanbter
Urlaubs; aber boc^ nur fd)einbar; benn mir pren, bog
er il)m migföUige ^ugerungen \iQM burd) SBiberfpruc^
burd) (Brimaffenfd)neiben 3u befämpfen pflegte, mos
Ul)lanb5 2lrt nid)t eben mar. 2)iefe ffurrile Seite t)on
d^amiffos Statur !onnte il)n im greunbesfreife bis 3U ben
ausgelaffenften ©ulenfpiegeleien fortreiten, tüooon SSarn»
f)agcn5 ^ßarifer Seri(f)tc ein er9Öfelid)e5 25eijpiel liefern.
Um ein fiel)ramt in einem franaöfifc^en ^rooinäftäbt*
d)en ansutreten, mußte er 3U UI)Ianb5 SSebauern fd)on balb
^ariö oerlaffen. 2ßieberge!ommen ift er nid)t, menn ficfj
aud) feine 2Imt0au5ficf)ten 3erfd)lugen, fonbern er f)at fic^
bann 2(uguft 2Bill)eIm 8d)Iegel angetd)Ioffen. liefen 23or»
fämpfer ber romantifd)en ßiteratur \)qX Ul)Ianb in ^aris
nic^t getroffen. 23on ber eitlen 2lffeftiertl)eit, ber ir)äl)(e*
rifd)en 23ern)öl)ntl)eit, ber d)arafterIofen gransofentümelei
bes ,,3ierlid)en Sßil^elm", bie er aud) auf literarifd)e5 @e=
biet übertrug, mag U^lanb burd) Gt)amiffo mand) poffier»
Iid)e5 ©efd)id)td)en erfal)ren ^aben. !Dennod) märe il)m
ein 3"fQ"i"^^ni^ßffß" förberlid) unb ermünfd)t gemefen,
unb ber neue greunb naljm es auf fid), ben 3Jläd)tigen 3U
gnöbiger einfielt in Ul)lanb5 @ebid)te 3U bemegen. 3"
Ul)lanb5 SSerbruffe Derl)inberte ©c^legels antprud)5t)ol(e
Überl)äuftl)eit eine 25e!anntfd)aft mit ben nod) ungebrutften
It)rifd)en blättern, bie ber 23erfaffer nad) langem Sparten
mit einem nid)t5fagenben freunbtid)en SBorte 3urücferi)ielt.
)Der el)rlid)e unb reid)e ^Beifaü, ben e^amiffo felbft
fpenbete, fonnte il)n reic^Iid) entfd)äbigen. 6:i)amiffo ift
einer ber erften gernftel)enben, ber fic^ burd) Ul)lanb5 (Be*
bid)te oöllig gefangennehmen lögt unb neib' unb fd)ranfens
los bem großen Sic^tertalente in it)m l)ulbigt. ^ußer(id)
nennt er il)n „flein, unfd)einbar, bidrinbig unb fd)ier
flofeig". „aJlan möchte biefe golbene 2lber nid)t I)inter
il)m fud)en. 3d) fann mol)l fagen, bag mic^ nad) @oetI)e
fein 2)id)ter fo angeregt \)qX. ©s gibt fel)r Dortrefflic^e
©ebid)te, bie, möd)t* id) fagen, jeber fd)reibt unb feiner
lieft, gar fd)öne Sonette unb mas bergleid)en mel)r ift, an»
bere mieberum, bie feiner fd)reibt unb jeber lieft, unb oon
biefer legten (Battung finb bie Ul)Ianbfd)en. Sie gorm
barin ift megen ber ?Poefie \iQi, mie in anberen bie ?ßoefie
128
tüegen ber gorm." 2)as 6d)tffletn, !Der ^nab* üom 35erg,
bcr fd)on Ö^Ienfd)läger5 2ßol)Iget allen ermecft l)aüe, !Dcr
ßauf ber 2BeIt, ^lein JHoIanb l)aben bies Urteil begrünben
l)elfen.
Uns pflegt e^amtffo üor allem ber 2)id)ter ber'fpöteren
reifen unb großen J^erginenballaben unb ber D'lealift bes
ßiebes, ber beutfd)e 33^ranger, gu fein. 23on biefer ®nt»
roitflung, bie er fünf3el)n bis 3U)an3ig ^al)xe fpäter nel)men
foUte, seigte fid) bamals nod) feine 6pur, aud) bie erftaun=
lid)e 6prad)funft ber 6pät3eit mar für ben jungen 2)eutfcl)=
fransofen nocf) ein unerreid)bare5 ;3beal. 2lber e i n 2öert
tüar bamals im Sterben, bos bie üerft^märmte ©rübelei
ber Öugenb, bie übermütig unbefümmerte 2:olll)ett bes
SRomantifers unb bie reife gormbel)errfc^ung bes fpöteren
3Jleifter5 3u Bereinigen üerfprac^: ©i)amiffo fd)rieb an
einem gortunatbrama, ha^ er bem greunbe 3um SSeften
gab unb bem oerbienter SSeifalt mürbe, ©s ift has einer
ber genialften Dramenanföfee ber S^lomantif, Don Xietfs
lebernem 2)oppelfti)aufpiel gleid)en Xitels l)immelmeit ab^
ftel)enb, oft ooll ärgerlid)er Unfertigfeit, aber blinfenb unb
glifeernb oon feingefcf)liffenen SBifemorten, ooll fprül)enber
2)ialogfül)rung, lebenbigfter (Il)araf terifierungsf unft. Ul)lanb
l)at fpöter aud) einen gortunat begonnen: über feinem
feiner 2Berfe rul)t ein fo eö^t romantifd)er (Seift, mie über
biefen föftlic^en 3rt)ei ©eföngen; fo mögen i^m benn bie
Stnregungen 3U biefem ©penplane burd) jene l)ö(^ft er«
quidlid)en 6tunben in ©l)amiffo5 fird)bad)^od) gelegenen
^arifer Sii^wi^^^'^ßn gemorben fein. 91od) ein Sntereffe
oerbanb bie beiben: bie SSorliebe für ba5 2lltertümlid)c
unb SSolfsmägige in ber ^oefie, fpesiell aud) ber romani=
fd)en. 2)ie 9'loman3e oon ber fpanifd)en Äönigstod)ter, bie
Urlaub bamals in ^ßaris übertragen l)at, ift i^m oon
d^amiffo übermittelt morben.
ebenfalls ber erften S<^\t bes ^^arifer 2lufentl) altes ge»
F)ört \ia^ Sufammenfein mit einem jungen Hamburger,
^ a r l 6 i e ü e t i n g , an. (Er mar mit U^lanb gleich*
altrig, il)m an 2öelterfal)rung aber 3el)nfac^ überlegen,
\)Giit \i(xs 2(u5lanb bereift, auf t)erfrf)iebenen Unioerfitäten
ftubiert, bei @oetI)e f(f)on eine Slufmartung gemad)t, au(f)
in ^Tübingen bereits einmal t)orgefprod)en. Sn einem
glid) er UI)Ianb, baß er nämlid) 3um 6tubium bes fran=
3öfif(f)en @erid)t5t)erfal)ren5 nac^ ^aris gefommen, fict)'
bort 3ur georbneten ^Berufsarbeit nid)t entfd)Iie6en fonnte,
fonbern alle möglid)en 2lnregungen auf firf) einmirten liefe.
3u ben 9^orbbeutfd)en (am ein Öfterreid)er, ebenfalls
bicl)terit(f)er College unb fd)on burd) ferner empfol)len:
3ol)ann ßubmig 6t oll, ein greunb 6ecfenborffs. STuf
JReifen l)atte ber Don ^aus aus oermögenbe 2lr3tfol)n bas
Seine burd)gebrad)t unb lebte feitl)er in größter Mmmer»
lid)(eit. ©ine tleine, oon D^apoleon erbettelte ^enfion
l)ielt il)n aud) nitf)t über Sßaffer. Werners (Empfeljlung
l)atte il)m einen SSerleger t)erfcl)afft; bie fünfl)unbert @ul»
ben Honorar für ben erften 33anb feiner 6d)riften burften
aber nici)t raften, er l)atte fie fofort angelegt 3u einer !Reife
nad) $aris. 93on feinen (Bebic^ten l)at Ut)lanb t)ermut=
lid) reid)ere groben 3u (often betommen als mir \)t\xit
(ennen. Stoll mar trofe feines bombaftifd) überfji^jtcn
Qgmnus auf S^apoleon bicl)terifd) nic^t unbegabt, mie
Ul)lanb l)atte er fid) einige ^Eöne unb 2^enben3en ber
9^omanti! 3u eigen gemad)t, ol)ne oöUig in beren gabr»
maffer 3u geraten. 2lber er mar fünftlerifd) mie menfd)=
lid) gleid) unbif3ipliniert. Ublanb fal) mo^l bamals fd)on,
^iOi^ I)ier fein galten mar unb er moteriell nie auf einen
grünen S^^eig (ommen merbe. 2lls il)m bann 1815 bie
Äunbe oon 6tolls 2^obe 3u(am, '^Oi mibmete er i^m bas
(Bebi^t: 2luf einen t)erl)ungerten !Did)ter,
in bem er freunblic^ bem 23erl)ängniffe unb nid)t ber
ßebensmeife bes SSerftorbenen bie Sd)ulb beimißt.
64)neiber, Ul)Ianb. 9
2)er gegebene 6ammelpunft für bie !Deutfd)en in
^Paris maren bie ©efanbtfc^aften. SSerfc^iebene 5)erren
oon ber n)ürttembergifd)en 58otfd)aft, an beren 6pifee 5U»
näc^ft notf) ©raf ^^PP^^tn ftanb, traten Ul)lanb näl)er.
2Bid)tiger tüurbe in ber erften S^it für i^n aber bie öfter»
reid)ifd)e ßegation, nämlid) burd) feine mol)l Don 23arn«
I)agen vermittelte einfül)rung bei bem ©etretör SJlctter-
nic^ö, $ i I a t , einer ber marfanteften 5^erföntid)feiten
bes bamaligen $ari5 unb ber Seele ber beutfc^en Kolonie.
©r mar nod) nid)t ber ©rsreaftionär t)on fpäter, fonbern
mirb als lebensfrof), frifd), feurig gefrf)ilbert, ein glänsen»
ber @efellfd)after, berüd)tiöt burc^ ben greimut, mit bem
er über alles gran5öfifd)e t)er3og. (Bx mirb biefelbe l)od)»
mutige 93erad)tung gegen biefes ^arial)errfd)ertum unb
feine üielfac^ gleigenben, innerlid) unfoliben Snftitutionen
3ur 6d)au getragen I)aben, bie aud) aus 23arnl)agen5 ^e»
rid)ten fprid[)t. Waq fein, \ia^ ha5 bie allgemeine 6tim=
mung ber 2)eutfd)en in $aris mar. 2tud) t)ier tritt mieber
ber ärgerliche gall ein, \)a^ mir über bie ©efinnung aller
berer, bie anfällig bie Sal)n unferes 5)elben ftreifen, beffer
unterrid)tet finb, als über bie UI)lanbs felbft.
3m 3Jletternic^fd)en 5)aufe traf Ul)lanb gmar nid)t
Sllejanber oon ^umbolbt unb bie romantifd)e !Did)ter«'
follegin i)elmine t)on (ll)6^x), bie bort t)erfel)rten, mol)l
aber ben berül)mten 6(^äbelfenner ©all unb ben oor»
nel)men, fünftlerifd) intereffierten 9Jlobear3t ^oreff. 35ei
?Pilat öffnete fid) il)m ein gamilienfreis, ber einaige, ben
er in $aris befud)te. ©eine (Bebicl)te fcl)einen il)m bort
(Eingang r)erfd)afft 3U l)aben, ^oreff liebte fie 3u reaitieren.
(Berne mügte man über biefen 23erfel)r etmas 9^äl)eres, es
möchte faft fd)einen, als l)ah^ fic^ ha ein fleiner ßiebes»
Janbel angefponnen. ©ine (Emma, 9^amen5f(f)mefter oon
Urlaubs fünftiger grau alfo, f(f)eint i^m nxd)t gan3 gleid)«
gültig geblieben 3u fein. Sod) balb fd)on, im Oftober,
erfolgte ?5ilats enbgültige SIbreife, bie Ul)Ianb fefir oer*
fttmmte unb bas @efül)I ber 23ereinjamung in il)m mecfte,
lüie er überl)aupt über ben ()äuftgen 2ßed)fel ber Öreunbe
unb 35efannten tiagt.
Später fanb er bei S^PPelins 9flad)foIger, bem poefie*
freunblid)en (Brafen2Binötngerobe,entgegenfommen. grei=»
lic^ ber 2öunf(^ einer !Reife gx\. ^sq^^ 3Jleer bei ^aore fonnte
il)m ber ^aBfcf)H)ierigfeiten l)alber aud) t)on biefem ©önner
nid)t geii)äl)rt merben. Seinal)e aber n)öre I)ier ein bauern»
bes SSerpItniö auftanbe gefommen: ber u)ürttembergi|d)e
5)auptmann 6eeger, ber einaige 6efretär ber ©efanbt*
fd)aft, fanb mancf)er(ei ©efälligfeit bei Ul)Ianb unb mad)tc
il)m fd)Iie6Iic^ bas 2Inerbieten bauernber SSefc^äftigung,
ber t)ieneid)t bie 23erleil)ung eines ^meiten ©efretärpoftens
burd) ben ^önig folgen fonnte. 2)ie 2Iu5fid)t auf baucrn»
ben 2lufentf)alt in ^aris fd)eint für Ul)Ianb sunäc^ft nid)t
ol)ne IReiä gemefen ju fein. Dod) ba ber Soften bis ouf
loeiteres unbefolbet fein follte, fam ber ©ebanfe nid)t
ernftlid) in Srage.
?piäne u)ie ben jum Slbftec^er nad) 5)ai)re fonnte er
nur fo lange faffen, als er fid) innerlid) unbefd)öftigt füllte.
2)ie ?8ibIiot{)ef6ftubien I)atten oon 2luguft bis Oftober eine
notgebrungene Unterbred)ung erfal)ren, ba bas Snftitut fo
lan^e gefc^loffen mar. ^rioate juriftifd)e unb fprad)Iic^e
5Befd)öftigung I)atte feine befonbere görberung gebrad)t.
!Das red)te SSetätigungsfelb unb ber red)te SBegraeifer
l)atten fid) nod) nid)t gefunben.
©iefer gefeilte fid) Ul)lanb gu, als jenes fid) allmäl)lid)
l)eraus5ugeftalten begann. 2lls bebeutenbfter 2tnreger
unb ©tubienfreunb lll)lanbs in $aris ^^^i ein weiterer
norbbeuttd)er 35efannter 3U gelten, ber il)m burd) oer»
ujanbte Einlagen unb 53eftrebungen befonbers na()e3u«
treten beftimmt mar. 2)as ift ber $l)ilo(oge :3 m m a n u c I
SSeffer.
9*
6elten mag bas 6d)tcffal stret bei aller 93erjd)teben*
I)eit ber äußeren 6teIIung einanber fo äl)nltd)e unb auf
il)ren tüeit auscinanberliegenben SSegabungsfelbern fo
ebenbürtige 3Jlänner 3U üertrauter greunbfd)aft 3ufammen=
gefül)rt l)aben. fiinfifd) unb ungefellig, fd)n)eigfam unb
unberebt fo traten fie einonber gegenüber. SSeibe oor
allem 3um ftillen S^^enflei^e oeranlagt, in ber 2lrbeit, bie
3ugleic^ ilire ßeibenfd)aft mar, aufgel)enb, babei mit
mad)em 6inn unb mormer ßiebe für bie 9'lei3e ber ^^oefie
ausgeftattet, bem fonftigen ßeben gegenüber ol)ne gro^e
2lnfprüd)e. SSeibe 3U anberen So^ecfen nac^ ^aris ge=
fommen, fanben fie fid) auf bem gelbe gemeinfamer 9^ei=
gung il)rer SD^ufeftunben, ber älteren romanifd)en ^oefie.
2ll5 ^Profeffor an ber SSerliner Unioerfitöt — 1809
mar ber 23ierunb3man3igjäl)rige 3U biefer 2Bürbe auf=
gerücft — unb ©taatsftipenbiat l)atte 35e!!er natürlid) in
^aris eine beoorsugte Stellung. Sie Sibliotl)ef5r)ermal=
tung geftattet il)m fogar bie 2Jlitnal)me mertooUer i)anb=
f(J)riften in feine 2Bol)nung, eine ©unft, beren fid) Ul)lanb
unferes Sßiffens nie erfreut l)at. 2lber mie fal) biefe 2öol)«
nung aus! SBomöglid) nod) befc^eibener als bie Ul)lanbfcl)e;
es mar eine l)albbunfle, 3iegelgepflafterte 9Jlanfarbe, im
tlöinter (aum 3u ermörmen. Da fül)rte benn 35effer fein
ftreng geregeltes ßeben, ftanb alle Xage um oier Ul)r auf
unb arbeitete ol)ne mefentlid)e Unterbred)ung 3mölf 6tun=
ben l)inburd). ©s mar fein eigentlid)e5 Sad), bie flaffifc^e
$l)ilologie, bie auf biefe SBeife 3u il)rem D'led)te tam. 2lber
um oier tll)r nad)mittag6, ha 30g er einen neuen 2)lenfd)en
an. 2)a ging er bei SSert) binieren unb mibmete ben D^eft
bes Xages feinen ßiebl)abereien. Das mar bie Qeit, bie
tt)n Ul)lanb nal)ebrad)tc.
2luf bem ^atl)eber ift 58e!fer fein guter ße{)rer ge-
mefen. ©eine ol)nel)in targe 3Jlittcilfam!eit oerlieg U)n ber
3Jlenge gegenüber oöllig, unb mie gefür(^tet er bei ben
6tubenten mar, bas I)ot uns nod) ber junge 55crltncr
Softoranb ©uftao gregtag in einer ergöpd)en 2tnefbote
beseugt. 2Iber jum ©in^elunterric^t, 9Jlann gegen SRann,
t)a taugte er mol)l greilid) mar er aud) ba t)on n)a^rl)aft
eiferner Strenge, bie geiftreirf)e Henriette 5)er3 be3ei(i)net
i^n als einen ßel)rer, bei bem man unter 5Eränen lerne.
2)ie eigene eminente 6pra(i)begabung fd)eint er aud) bei
anberen als felbftoerftänblid) Dorausgefefet 3u Ijaben.
UI)lanb, ber 3uerft ©nbe :3uli in luftiger @efetlfd)aft bei
©rignon mit i()m 3ufammengetroffen mar, l)at feinen ßctjr-
anfprüd)en üollauf ©enüge getan. 23om S^ooember an
mürben regelmäßige gemeinfame Stubien oerabrebet, bie
fic^ 3unäc^ft auf baB Spanifd)e erftrecfen follten. lll)lanb
mar fein abfoluter D^euling mel)r, unb fo ging es im
6turmfd)ritte öormörts, ein ßope be 23egaf(f)es unb dal»
beronfd)e5 6tü(f nad) bem anberen mürbe burct)genommen,
unb als l)ier genügenbe Std)erl)eit er3ielt mar, ging 35effer
über 3um ^ortugiefifd)en, bas in feiner fd)merften 2Iuf»
gäbe, ben ßufiaben, ebenfalls be3mungen mürbe.
(Es muffen fd)öne 2Ibenbftunben gemefen fein, bie bie
3mei in ben falten Dac^ftuben ber Rue de Menars ober
Rne de Richelieu uerbrad)t I)aben. 2Beite, färben»
glön3enbe ßänber ber ^oefie taten fid) uor il)nen auf.
23eibe mad)ten bie ®rfaf)rung, ha^ bie fd)einbare Srocfen*
I)eit unb Dürre bei bem ©enoffen nur eine um fo größere
53ilbfamfeit unb ®mpfänglid)feit ber Seele nerbarg. (Eine
marme greunbfd)aft, mie fie Ubianb fonft nad) feinen
©tubentenjabren faum me\)v gefd)Ioffen l)at, feimte empor.
2Iud) als 2)id)ter füllte er fid) I)ier oerftanben unb ge=
förbert. ©in ausgebef)ntes ©efpröd) über bie ^^oefie
bilbete ben 2Ibf(^Iuß feines ^arifer 2tufent!) altes. Steiner
oon UI)lanbs greunben l)at foId)en ©influß auf bie roma*
nifd)em 5Boben entfproffenen Did)terpläne gemonncn unb
fo eifrig ouf i!)re SSoIIenbung gebrungen, mic eben ?8cffer.
134
SBir trenben uns 3um eigentltd)en C^rträgntffe ber
?ßarifcr ^e\\e, toenn von uns mit Uf)Ianbs 6tubien unb
^ac^bilbungsoerfuc^cn auf bem ©ebiete ber altfransöfi*
fd)en ?Poefte be!annt mad)en. Solgen trtr t{)m alfo auf
bem ©ange, ben er am erften Xage feines 2tufentl) altes
fofort getan l)at unb meiter Xag für Xag manbelte, menn
i()m bie gerDünfd)ten 6d)ö^e nid)t neibifd) oerfc^Ioffcn
tüurben: 3ur faiferli(f)en 35ibliotl)ef.
2)rei 58ibIiotI)etare oon 5Ruf traf er in ber Qanb*
fct)riftenabteilung, bie feine 6tubien menn nid)t leiten, fo
bod) förbern fonnten. !Da mar 5)afe, ein !Deutfd)er aus
ber 9'löl)e t)on 2Beimar, 3Jl^ori, ber betannte i)erausgeber
ber altfran3öfifd)en 23er5fd)mänfe, ber bas i^ntereffe bes
25efud)ers guerft auf biefe Siteraturfparte gelentt l)aben
mag, unb üor allem S^oquefort, ber erfte 23erfaffer einer
aItfran3Öfiftf)en ßiteraturgefd)id)te, bie bamals bem 2Ib=
f(f)Iuffe na^e mar. Safob ©rimm fannte 'ü)n auä), er
nennt it)n „befd)ränft in 2tnfid)t, $Ian unb 2trbeit, aber
fleißig unb gefällig". Ul)Ianbs mie i^afobs feuerooll inten«
fioes 6tubium f(f)eint feiner mel)r oberfIäcf)Ii(i)en fransöfi»
fc^en STrt fremb gemefen 3U fein.
Sie Sßonne, mit ber UI)Ianb in bie gluten bcs für il)n
bleuen unb tünftlerifi^ SBertüoUen untertaucf)t, ift ed)t
romantifd). Sein Streben ift 3unötf)ft allumfaffenb, bie
gan3e romantifd)c ^oefie eben, in bem Umfange mie fie
6(^IegeI gefaßt \)atte, fud)t er in fid) auf3une^men. ©leid)
am 3meiten 2^age entbecft er mit bemfelben (Bni^Men mie
Slerner in 5)amburg bei ben fliegenben S5ud)I)änbIern auf
ben Quais eine 2In3aI)I non SSotfsromanen, bie er ebenfo
eilfertig föuflic^ ermirbt, mie 3mei 2;age fpöter ein fpani*
fd)e5 SBörterbuc^. 9n ber näd)ften 2Bo(f)e mo^nt er einer
?Büd)erDerfteigerung bei unb erl)afd)t einen ^anb ßope
be SSega. !Da3mifd)en fertigt er einen 2Ius3ug aus bem
i)anbf^riftenfataIogc ber faiferlit^en SSibKot^ef an, unb
ef)c er ficf) beffen ft)ftematifd)er gü!)rung anoertrauen fann,
nimmt er fletne ^oftproben aus \\)m 3ufällig begegnenben
i)onbfd)rtften. 5)übfd)e SSersnoo eilen, mie bte oom Der*
lorenen (5d)atten, t)on 2Iucafftn unb D^tcolette, meig er in
ajlanuffripten unb Drurfen aufaufpüren unb fangt fi^ t)olI
mit poetifd)em 35lütenfaft.
©6 ift in ben crften aJlonaten ganj au5fd)Iie6Iid) ber
Dicf)ter U()Ianb, ber I)ter Umf(f)au unb ©rnte ()ält. 35i5 in
feine ^Träume I)inein pflanzt fid) feine 6e^nfud)t nad) ben
foftbaren poetifd)en ginblingen fort. 2)ie ßeftüre ber
alten Denfmäler tritt bei il)m an 6tellc bes ©rlebniffes,
t)erleil)t il)m neue Ompulfe, öffnet if)m neue Stoff» unb
gormenmelten. ^aum ha^ er in ben 2:agebud)blöttern
jener Qeit ben Xitel eines neu gelefenen 2Berfes nennt,
ol)ne fofort 3u oerraten, in meld)er gorm er ben Stoff für
fid) felbft ertragreid) mad)en möd)te. (Ein poetifd)es ßuft«
fd)log nad) bem anberen mirb aufgebaut. (Es ift bie feime«
reid)fte Seit Ul)lanbfd)en Sd)affen6. „i)errlid)e Stellen !n
bem S'loman oon 2Bill)elm. Die normännifd)en Sagen oon
JRic^arb. Segeifterung baburd). Slpollo, mirft bu biefe
®lut nod) linbern?" On ber Zat eine ungen)öl)nlic^c
SBärme, bie felbft aus ben fal)len S^lotiäen bes X^agebuc^es
cmporfd)lägt.
Qe^t begreifen mir erft, marum er in feinen 35erid)ten
aus ^aris fo fül)l bleibt, mir lernen bie anbere 3Belt
fennen, in ber er nad) bem SBorte feines greunbes gu
meilen pflegte unb bie if)m ben Sinn für bie mirflid)e be»
nal)m. Der (Bebanfe an feine 23erfe begleitet il)n burd)
bas ©emül)le ber ^arifer Strafen. (Eines abenbs 3el)n
Ul)r, am 13. Ottober, fifet er teilnal)mlos 3mifd)en ben
greunbcn im Caf^ bes Calais rogal. 2Ils fie nad) i)aufe
öcf)en, ift eine fleinc SSallabe fertig, bie nad) ber i)eimat
oermeift unb oon einem meitgereiften ^errn aus SBürttcm*
berg berichtet, bem @i?afin C^ber^rb, bex oon etnent
Saume bes ^eiligen fianbes ein !Ret5 mitgebrad)t \)at unb
C5 im 6d)n)abenlanb einpflanst, bamtt er fid) als ©reis
bes 6d)atten5 erfreuen fann. ©s ift bas @ebtd)t ® r a f
eberl)arbö Sßeigborn. ©leid) tf)m gebenü anä)
unfer junger 6d)n)abe ein poetift^es JHeis mit in bie
^eimat 5u nel)men unb bort 3um (d)öngeftalteten 35aume
l)exanmad)\en 3U laffen. 2Iu5 biefem ©ebanfen I)erau5 \)at
er e{)emal5 bie fd)mu(fIofe S'lomanse 3um ^^rologe Jeiner
Sammlung altfran3Öfifd)er Stücfe beftimmt.
3unäd[)ft aber serfplitterten fid) feine poetifd)en $Iöne
Döllig. ®r beginnt bie reisenbe S^oöelle t)on 2lucaffin unb
JJlicoIette 3U überfefeen, lieft brei 2Bod)en fpäter ben S^oman
ron ©erarb be D^eoers — hen ®urr)antI)eftoff — unb
möd)te if)n erft al5 Srama, bann als eraä^Ienbes ©ebid)t
in ©tansen be{)anbeln. ©in paar Xage fpäter fauft er \\d)
ben SSolfsroman t)on D^lobert bem Xeufel unb fagt fiuft 3U
einer metrifd)en SSearbeitung. 3m SGRonat barauf ift es
ber SSolfsroman t)on D^lidiarb oI)ne gurd)t, ber i{)m eine
gunbgrube t)on D^omansen merben foll. 2lber in biefem
%aü ift ber (Einbrud einer fd)on oorliegenben ^Bearbeitung,
in ber 9^ormannd)ronif bes 5Bace, bie er aufftöbert, über=
mächtig, fo ha^ er fid) jeben Eingriffes entt)ält unb 3um
Überfefeer mirb. ©s tut uns faft leib, geftel)en ju muffen,
ha^ eines ber populörften unb fernigften ©ebid)te Urlaubs:
„©raf S'lidiarb t)on ber D^ormanbie erfd)rat in feinem
ßeben nie" — famt ber folgenben, nic^t minber famofen
S^lummer: „9n ber 5Ibtei t)on 6t. Ouen mar ba3umal ein
©afriftan" — mörtlid)e Überfefeungen aus jenem alten
9Jleifter finb. Dod) es \6)ahet nid)ts; man Ijat bie ©mpfin»
bung foId)er 23ern)anbtl)eit, ha^ man gemig ift, UI)Ianb
^'dtt^ feine (Bad)e felbftönbig nid)t meniger gut gemad)t.
2Bie er I)ier aus einem meitfd)meifigen d)ronifaIifd)en
SBerfe fur3 Sallabenmägiges mit ©lud I)erausfd)ölt, fo ift
er aud) fonft auf Dolfstümlid) 3ugefd)nitten fnappc
roman3enäf)nItd)e 6tü(fe fet)r behad)t. 6oId)e bot it)m 3U'
mal bte fpantfd)e 2)ramatit bercn (Bebtete er an SSeffers
^anb bur(i)eilte. ©in 2)roma ßope be SSegas, El casa-
miento en la muerte, bie 23ermäl)IunG im Xobe, \)at er
fogar in Dollem Umfange überfefeen mollen. greilic^
lieferte es i()m bann fctjüeglid) nur ftoff(id)e 2tnregungen
3U einem in $ariö auerft ermogenen Drama 55ernarbo
bei darpio.
Sm übrigen fällt bie ^auptmirfung ber ^^arifer ßef=
türe in bie 9^acl)parifer S^it. Ul)lanb mar mät)renb jener
furaen acl)t 9Jlonate 3U fel)r reaeptio tätig unb brängte
moI)l bie eigene 6cf)öpferluft mit (Bemalt 3urüd, in ber rid)=
tigen ®infi(i)t, \)a^ bie l)ier einmal gebotene ©elegenl)eit
unmieberbringlirf) fei. Diefe notmenbige (Entl)altfamfeit
l)at t!)n nid)t oerbroffen. (Er fül)lte fid) reftlos glürflid),
menn er in entfagungsooUer 2lbfc{)reibetätig(eit einförmige
Xage 3ubra(i)te, unb fd)eute and) feine Unbequemlid)feit bei
biefer 23efd)äftigung; auc^ ni^t bie ©ifestälte, bie im
2öinter in ber S5ibliotl)ef l)errftf)te. 9D^o(f)ten mantf)e einen
©onberling in it)m fel)en, er lieg fid) nid)t abfd)recfen.
„^d) meig nid)t, ob anbere bie 53egeifterung teilen mürben,
3u ber mid) biefe (Bebid)te l)ingeriffen, unb menn id) fo bie
fc^lid)ten 23erfe ftunbenlang abfd)reibe, merb' id) felbft 3U=
meilen irre: allein menn mir bonn, bem ?8uc^e fern, bie
lebenbige !Did)tung unter bie 55äume unb in ben OJlonb*
fd)ein nad)manbelt, mie ein (Beift, ber feinen ©rabftein oer»
lägt, bann fann id) nid)t glauben, ba^ es nun ein felbft«
füd)tigeö 2Bol)lgefallen an eigenem J^reiben ift, voais mid)
fo mäd)tig überftrömt, ja mein eigenes !Did)ten r)erfd)lun»
gen \)ai/'
5)lid)t ben eigenen !Did)terrul)m 3U mef)ren, fonbern
ben ber längft Derfd)ollenen jran3Öfifc^en ©angesgenoffen
mieber 3U ermeden, mar alfo 3unäd)ft fein ^eftreben.
6d)on balb ft eilte fic^ ber 2Bunfd) ein, „eine Sammlung
Qltfrangöfifc^er unb tiraa fpanif(i)er !Dtd)tungen" 3uftonbe»
3ubnngcn, „\^Qi biejc Dinge nur etgentUd) in 3Ölaffc red)t
mirfen". SBas i^m in ber Sorm, in bcr er es üorfinbet,
fd)on öollenbet erfcf)etnt, \iQi^ n)iE er genau überfefeen,
anberes n)a6 burd) „unangemeffene ®in!(eibung, nament«
lid) burd) 2Beitfd)n)eifigfeit" entftellt ift, fud)t er 5u be=
arbeiten. 6ein @ef(f)mac! befd)reitet babei bie alt^
gen)oI)nten 35a^nen. Sas Mnfttid)e unb Sürgerlid)e bleibt
beifeite. Sas 3i^rlid)^$retiöfe, ^öfifd)e I)at i^m Don je{)er
miberftrebt, er mill fröftigen SSoIfston I)ören unb pren
laffen, aber boc^ aud) nid)t in platt realiftifd)e unb berb
alltägtid)e ipi)ilifterei t)erfin!en. Gin großer 2^eil ber alt=
fransöfifc^en ©r3äl)lungen, bie fi^ öugerlid) 3U feinem
Stöede geeignet l)ätten, mar bamit abgeftogen. ,,6age,
^elbenfage, D^ationalfage, lebenbige ©timme," ber möd)te
er oor allem 3um Slusbrutfe oerljelfen. Unb im 9^onember
bes 3al)re5 1811 \)^i er einen erften ^lan entmorfen, ber
an Sunt{)eit unb ©efd)ma(f ber Stusmal)! nid)t6 3U mün»
f(^en übrigließ. ^ur3e 9^oman3en unb ßieber foUten bie
©erie eröffnen. !Diefen no(^ meid)en 6!i33en follten mor=
fige, bis 3um ^raffen fid) fteigernbe (Bemälbe folgen, oor
allem bie normännift^en ^unben oon 9^id)arb unb IHobert.
2Im meiften mill uns ber britte 2lbfd)nitt einleud)ten,
längere 23er5er3äl)lungen ber 2lrt, mie fie, Urlaubs 25ei=
fpiele folgenb, oiel fpöter 2Bill)elm ^erfe geboten l)af.
5Jßären Urlaubs $läne gebiel)en, fo märe fd)on riele Oabr*
3el)nte frül)er ein „Spielmannsbud)" ans ßid)t getreten.
Die rei3enbe S^ooelle oom bunten S^^ter, bie ber ^er6fd)en
6ammlung 3ur 3^^^^^ gereicht, foEte aud) bei Ul)lanb bas
^auptftücf bilben. ßegenbarifd)e unb fatirifd)e S^lummern
ptten fid) nod) angefd)loffen.
2)cr pbfd)e 5^lan rul)te lange. 9^od) in ^Parts aber
muß ber 2)id)ter eingefeben ^aben, \so5^ all biefe ©tn3cl»
bilber nur red)t roirfen fonnten, menn fie burc^ einen um*
fd)Ite6enben !RaI)men fcft 3ufammenge!)alten löurben.
SStelleid)! mar es and) 35effer gerüejen, ber 3uerft auf ble
3bce eines ,,altfran3öfifd)en ©efameron" oerftel; benn er
gerobe bröngte am eifrigften auf beffen 2lusfüf)rung.
U{)Ianb (elbft mar beinal)e fd)on haxan oersireifelt, als
il)m nad) faft 3U)ei 3al)ren, im S^ooember 1812, eine be*
fonbers gtü(flid)e !3bee fam. 2)er !HaI)men mar gefunben,
bie gefammelten Sichtungen foUten 3u einem War ö^eri'
bud)e bes Königs oon granfrei ^ Dereinigt
merben.
,,2lu5 allen ^rooinsen granfreitf)6 I)aben fit^ JRitter
unb 2)amen, ®eiftlid)e unb 6änger uerfammelt. Der
^önig bebenft, mie er unter feinem ©cepter fo i)erfd)iebene
SSoIfsftömme unb eben bamit ein buntes 9Jlärrf)enreid) ber
mannigfad)ften 9^ationaImgtI)en üereinige. Um fid) biefes
3ur lebenbigen 2Infcf)auung 3U bringen, forbert er bie 2tn*
raefenben auf, Wdxd)en 3U ex^'dl)len, unb 3mar füllte jeber
eine feinem Stamme, feiner 5)eimat eigentümlid)e ^unbe
vortragen. 60 folgt nun eine IReilje fränfif(f)er, normänni-
fd)er, bretagnifd)er, proDen3aIifd)er, gas(ognifd)er unb an=
berer er3ö^lungen unb 5Roman3en, meld)e burd) an*
gemeffene (Befpräd)e oerbunben merben. (£in Kaplan bes
Slönigs fd)reibt in ber Solge alles 3ufammen in ein 58u(J)
nieber, bas mit Silbern ausgefc^mütft, In ber Sd)a^*
fammer 3U Slrone unb 6cepter niebergelegt unb bas
9Jlärd)enbud) bes Königs oon ^ranfreid) benannt mirb."
S^lun ging es frifd) an bie SIrbeit, aber leiber mürben
im gan3en nur 3mei Stummem 3utage geförbert, ein
Prolog unb eine erfte ©r3äl)lung, bie aUerbings eine fel)r
mürbigc Eröffnung barftellt. Sn ber (Bx^ä\)[unQ Stavl
u n b ^ u g , bie er einem alten 5Hitter in ben aJlunb legt,
trägt Ul)lanb einen bramatifd)en 6toff 3U (Brabe, ben er
in epifc^er gorm mieber aufleben lägt. (Serabe in feiner
Unl)öfifd)feit ift er in biefcm feinen föntglic^en !0lilieu ooU
crgöfeücf) berber 2Btrfung. 9^ur fd)abe, \i(x^ bem alten
i)errn alsbalb bte 3unge ober ütelme^r bem 2)td)ter bie
geber ftocft.
2)iefer ^lan 5erflatterte, tüte faft alle öl)nlitf) gearteten.
UI)Ianb mag \iQa mie tüir ht\iQi\xzxi l)oben, ergebnislos er«
fct)ienen ll)m bie ©tubien troö bes SO^langels an einem greif«
baren bicf)terif(f)en S^efultate bennod) nid)t. 9^ur '^o!^
biefer Ertrag il)n unoermerft auf ein anberes ©ebiet als
bas poetifd)e t)inübergefü()rt !)atte. 5)as n)id)tigfte, mas er
baoongetragen, bas mar nid)t ein fünftlerifd)er ©inbrutf
gemefen, fonbern eine tatfäct)Iic^e ©rfenntnis, eine (Ent=
betfung, bie 3u miffenfd)aftlid)er ftatt 5U poetifd)er geft«
legung nötigte, ©r mar ber ^elbenfage, ber ed)ten alten
JBoIfsepi! ber gransofen nad)gegangen. (£s Ijatte eine
foId)e gegeben — aber fie mar gerabe in il)ren fd)önften
SSIüten nerloren. 2lIfo fonnte er fie nid)t ben ßanbsleuten
übermitteln, fonbern er tonnte nur nad)meifen, bag fie
t)orl)anben gemefen unb mie fie befc^affen mar. Das 25e=
bürfnis, biefe mid)tige ©rfenntnis auf bem ©ebiete alt«
fran3öfifd)er Did)tfunft allgemein befannt 3U mad)en, löfte
in il)m 3um erften SÖlale ben (Belef)rten aus. Da{)eim in
Tübingen angelangt, taftete er nicf)t nur an ben 2Infäfeen
3U feinem 5QZärcf)enbud)e I)erum, fonbern er fd)rieb aud) mit
fefter unb 3ielbemu6ter S)anb feinen erften 2Iuffafe Über
bos aItfran3öfifd)e®pos.
Das SSerbienft biefer fur3en 2tbf)anblung ift 3meifa(^,
öft()etifd) unb Iiterarf)iftorif(f). 3it^öd)ft bebeutet fie eine
Stettung: in ber altfran3öfifcf)en epifd)en ßiteratur, fo Iet)rt
Urlaub I)ier, ftetfen bebeutenbe fünftlerifcf)e 2Berte. (£r
mar 3U fur3 in ^aris gemefen, um mirtlid) neue, nod) gan3
unbetannte ßiteraturfd)öfee f)ert)orgraben 3U fönnen. ©r
3eigte ben gran3ofen nur, mie fie bas it)nen bisl)er nur
Dberftäd)Iid) ^efannte in t)eEerem ßic^te 3U fel)en unb p^er
cin3umerten I)ätten.
(Es gab in granfreid) eine 2tn3a()l t)on @elel)rten, btc
tl)n an 6acf)fenntni5 unb Selefenl)eit rüeit überragten, gu«
mal bei !Hoquefort erfannte er biefe überregenl)eit nic^t nur
aus 23efd)eibenl)eit an. @Ieid)n)ol)I — menn mir S^loque»
forts balb barauf unb o^ne Kenntnis bes Ut)Ianbfd)en 2Iuf=
jafees entmorfene unb abgefd)Ioffene ©c^rift: De r^tat
de la poäsie frangaise dans les Xlle et Xllle si^cles
in bie 5)anb nel)men — mie eng, mie fubaltern er{d)eint
fein @efid)t5!rei5 gegenüber bem tH)Ianb5l 2)rei 9Jlomente
maren es jumal, bie (eine unb feiner 23orgönger 35etrad)*
tungen 3u Slleinlid)feit unb ©infeitigfeit bes Urteils r)er=
urteilten: 9^od) fputte in ben köpfen ber fran3Öfifd)en
fiiteratoren ber auftlärerif(i)e 5)Qd)mut, ber in aller mittel«
alterlid)en ^^oefie nur bie Slusgeburt mönd)ifd)er 23erbol)rt«
l)eit fal); nod) maß man in armfeliger 23erfennung
poetifd)er (5igenred)te ber Stationen alles mit bem arifto*
telifd)en SD^agftab unb [teilte mit bebauernbem 2Icl)fel3uden
feft, ha^ bie guten fieute t)on einftmals eben o^ne Jebe
Kenntnis ber antifen [Regeln gebi(i)tet l)ätten. Unb fcl)ließ»
lid) oerfannte man bas formale 23erbienft ber altfran3Ö»
fifcl)en C^pen, il)re 9Jletri( unb il)re IReime, aus Unfenntnis
ber alten 2lusfprad)e oöllig unb marf ben 2)id)tern ber
grül)3eit t)or, ba^ fie bas gran3öfifcl)e noc^ nid)t fo aus=
gefprod)en l)aben mie um 1800 üblid).
2111 biefe fur3fid)tige ^ütfftänbigfeit fcl)iebt Ul)lanb
beifeite unb läßt il)r gegenüber 3unöd)ft einmal gut roman«
tifd) fein eigenes @efül)l bas entfd)eibenbe 2Bort fprec^en:
5)ier ift 6d)önes, ec^t ^oetifd)es r)orl)anben unb oerlangt
nac^ 2lner!ennung. 5BoI)lu)oHenb l)erablaffenber Seifall
mar ja ein3elnen ^robuften ber älteren ßiteratur fcf)on
3uteil gemorben. 2lber Ul)lanb menbet fid) l)ier gefliffent»
lid) t)on ber bis bal)in allein als lefensmert betxad)teteh
©attung ab, ben fleinen, ben gran3ofen natürlid) mol)l
bel)agenben SSersnoD eilen, ben gabliauj unb ©ontes. Saß
er ftc an fid) nt(f)t gering etnfd)ä^te, mtffen mir aus feinen
9^ad)bilbungen. 2lber n)ie er als überje^er aus i()rer 9leif)e
bas „^ünftlid)e unb 25ürgerlicf)e", bas bod) bominiert,
ftreid)en mörf)te, fo gel)t er aud) als 2iterarf)iftori!er in
erfter ßinie aus auf jene älteren, fröftigeren (Bebilbe:
6age, ^elbenfoge, 9lationaIfage. Die oon allen 93or=»
göngern fura unb refpefttos bel)anbelte ©pif, bie fid) um
^arl ben ©rogen fd)art, ber eigentlid) epifd)e '^xjiXVi^ ber
S^orbfrangofen, erlebt erft burd) il)n feine 2tuferftel)ung.
$ier mirb jum erften aJlale jene Dreiteilung vorgenommen,
bie jefet bie felbftDerftänblid)e (Brunblage jeber altfransö»
fifd)en fiiteraturgefd)id)te bilbet: Chanson de geste
(23oltsepi!) — l)öfifd)e ®pif — SSersnooelle. Diefe beiben
Slrten werben burd) formale 93ermanbtfd)aft einanber nal)e
unb oon jener, bie gan3 auf eigenen Sü^^n ftel)t, u)eg»
gerücft.
Ul)lanb möd)te feine ßefer benfelben ©ntmidlungs»
gang burd)mad)en laffen, ber il)n felbft bei ber 35etrad)tung
biefer ^^oefie geläutert l)at. 3uerft fe^en mir ja aud) il)n
miUig in ben Sauber ber n)unberreid)en l)öfifd)en D^lomane
oerfinfen, met)rere gro^e (Bebid)te biefer 2trt fd)reibt er ^h
unb fpielt mit bem ©ebanfen on il)re 5)erausgabc. 2lber
bei ber ßeftüre ber 6ammell)anbfd)riften fallen in biefe
^elle, 3ierlid)e poetifd)e 2Belt riefenl)afte buntle 6d)atten,
im i)intergrunbe biefer liebensmürbigen '^t\i tut fid) eine
ernfte unb grofee Qeroenmelt auf, bie il)m nid)t gan3 !lar
unb greifbar mirb, beren Slusmirtung aber au(^ in ber
fpäteren, cerblagten gorm non ber 2Bud)t unb Sebeutung
ber alten Originalmerfe einen erl)abenen SSegriff gibt.
9^ur menige t6)iz 93ertreter altfran3Öfifd)er 23olfsepi!
l)at er in ^aris fennen gelernt. Die brei bebeutenbften
@ebid)te bes ^arlsfreifes fd)liefen bamals nod) i^ren jal)r«
^unbertelangen ©d)laf, Urlaubs geiftiges 2tuge jeboc^ l)at
fie gefel)en: (£s mugte eine fel)r alte @r3äl)lung oon ^arls
bc5 ©rofeen IHetfe nac^ Qerufalem gegeben {)aben, bann
ein fraftoolles @ebid)t oom 5)elben Siß^^öbras unb oor
allem ein JRoIanbsIieb, beffen 35eftef)en fid) burd) feine
Iiterarifd)en STusftra^Iungen bis gur ©oibens crl)eben lieg.
„23on IRoIonb fang er unb mandjem frommen Qelb"
— fo bcrid)tet UI)Ianb5 (Bebid)t fur3 nad)^er t)on feinem
35allaben{)elben Xoillefer. Die Äunbe t)on biefem 6d)lac^t='
gefang entna{)m er einem altfran3öfifc^en (II)roniften, bie
©teile ift übrigens allen ßiteraturtunbigen ber S^it befannt
gerüefen. Dennoch mar es eine bal)nbred)enbe ©ntbetfung,
als Ul)lanb bas 23orl)anbenfein einer alten Chanson de
Roland erft nad)mies. Senn für il)n mar fie ein (£ p o s.
S^lic^t blog ein3elne, fangbare ßicber ber 2lrt, mie fie Xail«
lefer gefangen l)atte, liefen im 93olfe um, fonbern fie
mürben fortgebilbet, ermeitert unb allmöl)lid) jum ©pos
gebel)nt. 2Son jenem furaen JHolanbsliebe, bas in ber
<E,6)\Qi6)i bei 5)afting6 ertönte, l)at ameifellos ber 2Beg ju
einem großen, auf biefer oolfstümlic^en ßiebertrabition
berul)enben unb fie 3u Xaufenben non SSerfen auf fcl)m eilen*
ben epifd)en (Bebid)te geführt, bas ben eigentlidE)en Äern
unb (Blan3pun!t ber fran3Öfifd)en ^oefie bes 11. — 13. Oal)r»
l)unberts gebilbet l)at. 2)as fiieb = ©posproblem, bas
fpäter auf beutfd)em ©ebiete burd) Ul)lanb eine fo ent*
fd)eibenbe görberung finben follte, ift fd)on 1811 für
granfreid) glän3enb oon il)m gelöft morben, unb nad)
9al)r3ef)nten erft fam il)m bie 3Ünftige D'lomaniftit langfam
nod)gel)inft. 2lud) bie Ermittlungen über Stil, 23ers unb
SSortragsmeife mürben oon oielen fpöteren altfran3Öfifd)en
@elel)rten erft gans neu mieber angeftellt. aJlan fann l)ier
mol)l oon einer miffenfd)aftlid)en Intuition fpred)en, bie
Ul)lanb feiner S^it fo meit oorausgefül)rt l)at.
2)iefe erfte gelei)rte 2Irbeit ift iljm übrigens nid)t leid)t
gemorben. Das S^agebud) lel)rt, mie oft bie (ur3e ©tubie
umgegoffen merben mußte. Dennod) ift bie lid)toollc
2Inlage ber tt)iffenfc{)aftltd)cn Stuffäfee au5 ber 9fleife3ett
t)ier 3u oermtffen. Die 5rt)ci ^aupttetle — 1. 6toft unb
Stil ber ^arlsepit 2. i^r I)tftorifc^e6 SBerben unb i\)xe
2Ibgren3ung gegen anbere (Battungen — folgen fid) in
fcf)roffer Übergang5lofig!eit unb finb im eingelnen öu6er=
lid) hod) nicf)t genug gefd)ieben. @elegentlid)e ©jfurfe finb
als foId)e nid)t ge!enn3eid)net unb mirfen ba{)er Ieid)t t)er=
rüirrenb. @Ieid)DieI: ujas Ul)tanb mill, bas r)erfte()t man
unb folgt feinen fnappen aber amingenbenSemonftrationen
gerne.
Die bloge miffenfd)aftlid)e Darftellung unb bie SSer*
fid)erung, ha^ \)m groge poetifd)e ^unftmerte neu 3u ent=
becfen feien, genügt Ut)lanb aber aud) I)ier nid)t. Der
ßefer foll in ber ßage fein, bie $robe aufs ©jempel 3U
machen. Gr foll fic^ felbft oon bem altertümlicl) l)erben
©eifte biefer ^oefie ann)et)en laffen. l)a gilt es aber noc^
gan3 anbere Xreue unb 6tiled)tl)eit als beim 30'lärd)enbu(f)e.
3n)ei C^pen l)at er ols überfefeer in Singriff genommen.
2Ils 53e!!er ilim nad) Tübingen ©fserpte aus ben ^aimons«
finbern fdjictte, ha fd)eint bie liebensmürbige D^aioitöt
biefes altertümlichen 9Ber!es fo bei il)m eingefd)lagen 3U
\)abm, ha^ er fid) fogleic^ an bie Übertragung mad)te.
Selber ift er ha nx(i)t meit gefommen. SSiel beträd)tlic^er
ift, mas er aus bem Girart de Viane unter bem 2:itel
Die SSelagerung oon SSiane überfefet l)ai. (Bv
gab bie einbeutfd)ung t)on etwa 1000 SSerfen feinem STuf»
fafee bei. 2tud) l)ier ftrenge 6impli3ität, bisfreteftes Slr^»
d)aifieren, mörtlidie Xreue. Dennod) !ommt ein fel)r an«
mutiges @an3e 3uftanbe.
Der JRomanift Ul)lanb beftel)t mit üollen ®l)ren, menn
man 93orlage unb Überfefeung t)ergleid)t. Stllerbings finb
feine Xejte allefamt nid)t „fc^mer" im l)er(ömmlid)en 6inn,
unb leji!alt]d) \ai) er fid) burd) S'loqueforts oor fur3em er»
fd)ienene5 altfran3Öfifd)es ©loffaire trefflid) unterftüfet.
Dennod) flö^t es 2td)tung ein, \so!^ er aud) ben lefeten gein»
l)etten feiner 23orIagen in ber Siegel gerecht 3u merben
Derftef)t.
2luf eigene 2ßeife liefe er bie n)iffen|d)aftli(i)en gunbe
bes Sluffafees aud) in ber eigenen ^^oefie meitermirfen. 5)ie
poftulierte Äorlsreife, \sQi^ D^lolanbslieb fonnte er nid)t über«
fefeen. S)<3Xiz i{)m bas @(ücf biefe nur mit bem geiftigen 2luge
erfc^auten (Blansftücfe ber aItromanijd)en ^befie tatjäc^lid)
in bie 5)anb gegeben, er märe aud) barin fid)erlid) ein
Jßorläufer Don 2öill)elm ^erfe gemorben, ber il)m mel)r
als t)ier3ig i3al)re fpäter \iQi^ erfte beutfd)e Dlolanbslieb
nod) l)at roibmen bürfen; fo aber Jd)uf er fura nad) bem
er(d)einen bes Sluffafees ein originales @ebic^t t)on
Äaifer Äarls aJleerfal)rt unb Jd)icfte feinen ßieb»
Iing6l)elben D'lolanb als I)alberrt)ad)fenen Knaben auf felbft«
erfunbene 2tbenteuer aus.
Ötufeerlid) \)qX U()Ianb an bem Stuffafe nic^t t)ie( greube
erlebt. Sas ©femplar ber gouqu6fd)en SJlufen, in bem er
1812 erfc^ienen ift, mufete fid) ber 23erfaffer 3U feinem
SSerbruffe felbft faufen. So^ei JReäenfionen, bie 3U feiner
Kenntnis famen, fonnten il)n nid)t barüber l)inn)eg*
täufd)en, ^^o!^ bie ^^ublifation im ganjen ot)ne ©inbrucf
blieb. ®rft fünfunbamanaig 9al)rc fpäter \)^i bie 2lbl)anb=
lung, bisl)er nur mit fd)malem ßobe bebac^t, in gerbinanb
SBolf einen oerftänbnisoollen SSemunberer gefunben. 21(1-
mäl)lid) ftellte fid) auc^ bünne STnerfennung oon fran»
3Öfifd)er Seite ein.
Die Stubie blieb Ul)Ianbs eingige Betätigung auf
romaniftitd)em ©ebiet. 2lls er nad) smanaig 9al)ren t)om
^atl)eber l)erab aufs neue über biefe Dinge {)anbelte,
maren IRoIanbsIieb unb Äarlsreife feine ^oftulate mel)r,
fonbern 2Bir!Iid)feiten. 2Iber Uf)lanb fül)Ite fid) ber gor*
fd)ung ferngerürft unb fanb feinen Sluffafe oeraltet, fo \ia^
er aud) bie Erlaubnis au beffen ^öieberabbrud be^arrlid)
6(^nciber, Uf)(anb. 10
146
oerrüeigerte. 60 {)aben erft ble ©c^riften aus ber 23er*
borgcnl)ett bes längft oerftaubten romQnti(d)en Organs
bie 6tubie I)erDorgeöott. bie ber S^lomamfttf 25ai)n ge-
bro(i)en l)at unb ben bleibenben (Beroinn oon UI)Ianba
^arifer !Reife barftettt.
5. Ä a p i t e l
SBät)renb öer Sefreiungsfriege
STm 14. gcbruar 1811 pod)te es narf)t5 11 U()r an ble
Züxe bes 5)aufe5 in bcr i)afengaffc. !Der Onfel 2)o!tor
ö'mg l)inab, um 3U öffnen, unb fein 9^effc ßouts ftanb oor
if)m. (Eltern unb Sd)tt)efter mürben aus bem 6d)(af auf-
geftört. S^eugierig genug mod)ten fie il)n muftern, mlc
n)o()l bas fron3Öfifd)e SBefen unb bie n)eltftäbtifd)e (Er*
3iel)ung bei x\)m angefd)lagen \)abe, 2(m näd)ften Xagc
ftellten bann bie ©c^mefter unb bie brei 33ä5d)en aus bem
Oberftocte smeifellos feft, baß ber fiouis nod) ber 2(lte fei,
mortfarg unb trotfen; bie (Eltern il)rerfeit5 fal)en mit ber*
felben 5Beru^igung mie td)on ber Onfel 5)ofer in ^arl5rut)e
feine folibe geftigfeit oon ber fran3Öfifd)en Sßinbbeutelei
in feiner 2öeife angefränfelt. (Ban3 berfelbe mar er 3urü(f»
gefel)rt, unb bod) ein anberer. 3Jlenfc^lid) unb fünftlerifd)
l)atte bie S^leife ftarfen er3iet)enben (Ertrag abgemorfen.
3unäd)ft Derfteljt er jefet, bie 2tugen auf3utun. aJlan
mug einmal lefen, mie er feinem greunbe 23effer ba5
©tragburger 3)lünfter fd)ilbert, mie er bie imponierenben
SDlage bes iüugeren, ben 6timmung63auber bes inneren
3u erfaffen meife. SoId)e färben unb Xöne \)ai er in feinen
erften Briefen aus ^aris nid)t gefunben. (Er bringt meiter-
^in neue ajlaßftäbe mit, bie ^unfteinbrüde ber SBeltftabt
^aben il)n 2lnfprüd)e erl)eben Iei)ren. 2Bie ein ftillofes
©lasfenfter bes großen 3Jlünfterbaus, fo taheit er in Äarls«
ru^e eine Opernauf füt)rung, beren aJlittelmögigfelt il)n
10*
peinlid) berül)rt. Uf)Ianb tft fein ^Ictnftöbter inel)r, bic
ad)t 9)Zonate ^arts Ijaben genügt, ben engen 6(i)rr)abcn»
I)ori3ont 5u U)eiten, il)n !ritifd)er unb anfprud)5PoEer 3U
ftimmen; auf biejen ©ebieten tft er es geblieben.
Ser SöJßcf öer Steife rrar für bie ajlutter freilid) ein
minber tiefer, ein merfbarerer gemefen. „9c^ oermiffe fel)r
bas 5äu6erlid)e an 2)ir/' l)atte fie il)m nac^ ^aris ge«=
fdjrieben, ,/ba5 smor Siebenfache ift, aber um fortju«
tommen, einmal ermartet mirb . . . Su foUteft mos in
Dir ift aud) anberen of)ne ^ra^Ierei mel)r seigen fönnen . . .
2)iefe Stugenfeiten mirft 2)u ben gran3ofen ablernen
fönnen." 2(l5 ber meltmännifd) 3ugefd)Iiffene junge ^ocoa*
lier, '^zxi fie erl)offte, fe()rte ber 6ol)n nid)t surücf; bennod)
Ratten feine äußeren formen oljne S^J^if^I ftai^f gemonnen.
Sag Ul)Ianb fd[)üc^tern fei, ift eine 2Seobad)tung, bie aud)
nad) ber ^arifer S^leife nod) ftets gemad)t mirb, bi'e klagen
über 3JlangeI an äußeren 9)lanieren cerminbern fid) aber.
®r f)at nid)t umfonft bei ©efanbten t)erfel)rt, bei SSeri)
unb S^^ascati gefpeift. 3n ber frül)eren S^it ^aben mir
il)n reid)lic^ unge()obeIt ßu benfen, beflagt fic^ boc^ bie
5IJlutter über feine plumpen ^rafefüße, über feine Un*
manier, bie 9^ägel 3u fauen. 2Iud) zivQ^^ menfc^enfc^eu
mag er gemefen fein. 3n ^aris ^oX er gelernt, fid) ansu«
fd)ließen, unb menn mir fein Xagebud) aus jener '^txi nac^«
iefen, fo begegnet eine bunte güUe üon S^amen neuer unb
alter SSefannter.
25i5{)er ift er im mefentlic^en ein gi^eunb feiner
Sreunbe gemefen, jefet folgt er ber ajlal)nung bes 23aters
unb fud)t gamilien3irfel auf, mo feine grauenpnbe
meiter glättenb mirfen fönnen. !Das S)aus bes ^rofeffors
6d)raber unb feiner liebensmürbigen poefiegeneigten
©attin öffnete fid) i{)m, unb l)ier mie bei bem ^ofgerid)t5=
aboofaten Dr. ^el)l mürbe il)m ein gan3 neuer gefelliger
ajlittelpunft vertraut: ber Xeetifd). 2)er greunbesfreis
149
tüettetfertc in beffen poettfd)cm iprets, UI)Ianb aber fcf)Iug
alle am bem gelbe mit feinem buftigen 2: e e l i e b , \)a5
tl)n einer bis bal)in ungen)oI)nten Urbanität föl)ig aeigt.
(Bx felbft freilid), fo geftel)t er l)ier, !)at bie SBunber bes
!)oIben '©etränfes an fiä) nod) n\d)t oerfpürt, er bleibt
foliberen (Benüffen treu. 2Iud) biefe Ijaben if)ren Sänger
in i{)m gefunben. (Bv meig ber f(f)n)äbifd)en SJlefeelfuppe
poetifc^e 9^ei3e abaugeminnen, unb fein frifd)e6 SErintlieb
2Birftnbni(^tmel)rbeimerften(3Io5 gibt ein
lebensvolles 23ilb ber 6d)oppengefeIIfd)aft, bie er bamals
gerne befud)t \)at Tlan pflegte ba macter 3U trinfen, aber
in belebten @efpröd)en erful)ren aud) bie großen S^agen
ber ©egenmart unb ber 3Jlenfcf)^eit überl)aupt einbringenbc
(Erörterung. Das ?8ebürfnis baau mar in Urlaub rege ge«
morben. ®r befuc^t mieber bas Jübinger ^afino unb öfter
geftel)t bas Xagebud), ha^ er getanat l)at. 6elbft 3D'läb(f)en«
namen tauten bismeilen auf; aud) in biefer 5)infict)t I)at
er gelernt, bie 2tugen offen au I)alten. Stuffaüenb pufig
begegnet in feinen t)erfd)miegenen 2tuf3eid)nungen 6opI)ie
6d)ott, bie (5d)mefter jener Öugenbbefannten ©aroline,
bie i{)m hanad) nid)t gana gleid)gültig geblieben fein fann.
3Jland)e erfreulicf)e Sefanntfd)aft fällt in jene Tlonate;
aber ber eigentlid)e Sreunb unb SSertraute get)t it)m ah,
ferner unb Warmer maren nid)t au erfefeen, unb aud) bas
na{)e 23erl)ältnis au SSeffer I)atte i^n t)ermöl)nt. 2)al)er mag
es fommen, \)a^ bie klagen über ©infamfeit unb baburc^
gemecftes 3Jli6beI)agen, ja über SSangigfeit unb Sfrupcl
I)ier unb ha mieber auftauct)en. 2tber bel)errfd)en lä^t er
fid) oon biefen Stimmungen nid)t mef)r, me{)r als je I)at
er gelernt, fic^ felbft in ftrenge 3ud)t a« nel)men. 5)ier
gerabe fcl)eiben fic^ jefet Werners unb feine 2Bege. Die
meid)e l)ölt9fierenbe 2Bel)mut fonnte man ben i^ünglingen
augute l)alten. 5efet, ba fte Wdnmv maren, mugte fid)
aeigen, ob mir!lid)e innere Unbel)errfd)tl)eit, ob porüber^
150
gef)enbe ©eclentrifen btefe Haltung erseugt I)atten. 25et
ferner ergab \xd), ha^ bie r)orbnnglid)e Steigung gum
Sammern unb cagen 6el)nen tetnesroegs blo^e Sugenb»
franfl)ett mar, fonbern als unabftreifbore Unart ber $er»
fönltc^feit an{)aftete. STud) als er 1813 fein Stiefele enbltrf)
I)elmgefül)rt l)at, märten bte greunbe oergebens auf ben
2)urd)brud) bes ftra{)Ienben (BIücf5gefüI)Is, bte 2)loIItöne
I)errf(J)en nad) mte t)or in feinen 33riefen. UI)Ianb ftögt fid)
nunmef)r an einem ©eba^ren, bas iljm frül)er felbft nid)t
0II3U ferne gelegen \)aitz: „2Ba?)rl)aftig, Su millft Sid)
nicf)t aus Seiner 9liebergefd)IagenI)eit erl)eben. (Blaube ja
md)t, ba6 2)u allein ber J^raurige bift, unb ha^ jene
6d)mer3en 2)ir allein gugepren. 2BeI(l)es eblere @emüt
fennt fie nid)t? . . . ffiSarum finb bie befc^ränfteften
9]^enfrf)en bie gufriebenften unb i'dä)eln bie Simpel immer?
2BeiI bie ©rfenntnis bes ()öl)eren ßebens, bie ?Poefie, fet)It,
bie bas fd)ale, nieberc ßeben t)erni(J)tet; nein, nid)t oer*
nid)ten foll fie es, läutern. erl)ebenl"
U{)Ianbs ^oefie ift feit $aris erftarft mie feine ^erfön-
Iic!)feit. Sie bebrüdenbe 2rbl)ängigfeit oon Stimmung unb
25efct)äftigung, ber enge ©ubjeftioismus mirb übermunben.
2lber aud) I)ier ift oor allem bie 2öeitung feines 35lirfes 3U
beftaunen. 23arnl)agen l)atte Dor ber 3^eife gang ricl)tig
l) er aus gefüllt, \ia^ UI)lanbs !Did)tung nid)t l)öl)er fteigen
fönne, „bis nid)t feine Umgebung unb fein 2lnfdE)auen U)m
oeränbert mirb.'' Die ungeal)nt f)errlid)e neue Stoffmelt,
bie fid) bem ^arifer Sibliotl)efsbefud)er erfd)loffen Ijat,
bringt es 3unäd)ft mit fid), ha^ ber tt)pifd)e 6toffl)unger
bes jungen !Did)ters für lange 3al)re geftillt ift. 6tatt ber
frül)eren 6terilitöt nun mit einem 9Jlale ein überreid)tum
an ©ujets unb planen, bie längft nid)t alle 3um erften
©ntmurfe gebei()en. (Bx braud)t üon jefet ab nur in bie
f?ülle feiner literarifd)en 23orratsfpeid)er l)inein3ugreifen,
unb er finbet poetifd)e ^oft aller 2Irt aufgeftapelt. 2lber
bcr ©etüinn mar nt(f)t nur ftoffItd)er 2Irt; UI)Ianb \)aite
(Binbüd getan in eine ganj neue ©tilmelt, unb bas I)ei(tc
if)n bauernb üon ber ©infeitigfeit, ber mir i^n verfallen
faf)en. ^albpoeten com 6d)Iage Zied^ unb ßöbens ptten
fic^ oI)ne So^^tf^I 3iin^ getreuen ®d)o ber neu on \l)x OI)r
fd)Iagenben 2:öne erniebrigt. 25ei Ul)(anb begegnet nur
i)öd)ft fpärlic^ einmal eine 6pur altfran3öfifd)er Siftion;
aber er \)at gelernt, ba^ förnig, oolfsmägig, oorseitgetreu
h\d)ten md)t fo oiel l)ei6t mie bem SBunber{)orn ober
5)elbenbud) unfrei nad)ftammeln.
SÖBeld) ein ^od)gefüI)I mug es für U)n gemefen fein,
als er merfte, ha^ ber bic^terifd)e ?5ro3e6 [id) in i()m jefet
gan3 anbers DoUsog als ehemals! 5rül)er ein oft refigniert
I)inbämmernbe5 Darren auf ^nfpiration — jefet ein genia»
Iif(f)er 2;rieb, ein 3D^üffen, mäd)tiger als alle nüd)ternen
58erufsgefc^äfte. (£5 überfällt \\)n, er meig felbft nid)t, oon
mannen es fommt unb brauft: „©emaltfames unb in*
ftinftmögiges 23orbringen ber ^oefie, unter gan3 fremb-
artigen 55efd)äftigungen, mie id) mir bas 23erfaIIen auf
biefes (Bebid)! — bas Wdxd)en La belle au bois dor-
mant — burd)aus nid)t 3U erflören meig" — fo begrübt
bas ZaQebud) ben erften ^eim 3U bem liebensmürbigen
romantifd)en (Blaubensbefenntniffe, bas er in ber lefetcn
^Tübinger Qeit bi(f)ten burfte.
2tls er es f(t)uf, tia mar bereits ein Unternel)men im
©ange, bas ber Iiterarifd)en 2BeIt oon bem 6eitentriebc
^unbe geben foUte, ben bie JHomantif in 6d)maben !)atte
I)eroorfprie6en laffen.
2Iuf ber 5)eimreife oon ?Paris l)atte UI)Ianb ferner
miebergefeben; burd) Siegen, 2Binb unb unmegfame
6d)mar3malbtäler mar er getreulid) nad) SBilbbab gc*
manbert, mo ber greunb als SImtsarst f)aufte. Da mar
enblic^ ber $Ian 3ur IReife gebieten, beffen Urfprung fd)on
5al)re 3urücflag. SIbermals follte ein fc^möbifd)er SJlufens
almanad) ben bt5l)er überrüicgenb norbbcut(d)cn Unter»
nel)mungen in frieblic^em SßettbetDerbe gur 6ette treten.
Sen gemetnfamen getnben im platttftifd)en ßager galt ber
gelbäug; ef)emat6 mar benn aud) tr)eitgel)enbe SSermertung
bes ©onntagsblattes geplant, ber ^tuffafe über \ia5 JHo'
mantifd)e foüte nad) 6d)n3ab5 23orfd)Iag bie Einleitung
obgeben; 1809 bereits }:)aite ferner ein3e(ne 6d)atten=
briefe, U{)lanb5 Dttoberbrief unb ben „35ären'' für bo5
Unternel)men beftimmt.
2115 ber ^ o e t i f d) e ST I m a n a d) auf 1812 ons
ßid)t trat, trug er boc^ ein mefentlit^ anberes @efi(f)t. (Bx
entf)ielt faft nur @ebid)te; benn es maren t)on allen Seiten
Ir)rif(f)e (Baben gefloffen. 2)en SSerlag überna{)m ein
Sugenbbefannter Werners, 58raun in i)eibelberg; ferner
J:)atte it)n freiließ im 23erbact)t ber t)eimtic^en ipiattifterei.
fjreube l)at ber 2Sud)!)änbIer an bem Unternel)men jeben«
falls nic^t erlebt, er ftagte oiel über ben fd)Ied)ten Stbfofe
unb mollte fi(^ auf einen smeiten :5a{)rgang nid)t einlaffen.
2IIs Herausgeber 3eid)nete Suftinus, UI)Ianb l)atie fic§
eigens verbeten, \)a^ fein 5Jlame auf bas Titelblatt tomme.
3n 2Ba{)rI)eit \)at er aber bem faumfeligen unb gef(f)äft5''
unfunbigen greunb einen großen 2:'eil ber 2Irbeit abge»
nommen unb treulid) über bas 2BoI)I bes Mmanad)^ ge»
mac^t. 2tuf il)n ge{)t aud) bie nid)t fe()r glücflid)e ^Tnorb»
nung gurütf, bie Xt)emata unb ©attungsbeseit^nungen
unorganifd) mifd)t. 2Bie einft bei ©etfenborff, fo foUten
aud) t)ier ältere „romantifd)e" @ebid)te eine befonbere
SBürse abgeben. 6o fpenbete UI)Ianb Überfefeungen aus
bem 2lltfran3öfifd)en unb 6panifd)en, Gong englifd)e ^aU
laben, ein paar SSoIfsIieber mürben eingereiht, unb am
meiften begeifterten fid) bie greunbe bamals an einigen
fü6Iid)en @ebid)ten gioribans, in bem fie erft fpöter ben
?Pegniöfd)äfer ©iegmunb üon SSirfen erfannten.
@(eid)falls mie im erften 6e(fenborfftd)en 2Ilmanoc^
153
aber ftellen Uf)Ianl)5 ®eh\d)ie bie eigentUd)en 5iBertftücfc
ber Sammlung bor. (Bx roill befd)ctben feinen 9letd)tum
mef)r bem Sreunbesfreife als \xd) felbft 3um 3luf)me ge«
beiden laffen unb tritt bal)er in brei ©eftalten auf: als
ßubmig Ut)lanb, als — d unb unter bem fd)önen 2)e(fnamen
Jßolfer. Der IRofenfrona, Fünfer 5Red)bcrger, ©raf 9^id)arb
unb Dor allem ber ©ute ^amerab traten l)ier 3uerft ans
Qxd)t Der Dramatifer bebütierte fd)üd)tern mit ein paar
©aenen aus 6(i)ilbeis. 2tu(f) ferner fpenbete ?8aUaben
unb ben emig frifd)en 2Banberfang. ^Tus bem alten
Sreunbesfreife lieg fid) am bebeutfamften i)einrid) ^öftlin
t)ernef)men, beffen ßgrif 3arte not)aIi5fd)e 2:öne ber 6e{)n»
fu(f)t unb S^efignation finbet unb am liebften in tieffinniger
S^aturbelebung oermeilt. SIber aud) ber parobifc^e 5)umor
ift il)m treu geblieben, roie oor allem bas liebensmürbig
aItmobifd)e (Bebi(f)t bemeift: „5ltuf bem (5ife, in bem
(5cf)nee benf id) bein, o ©alatl)ee!"' hinter Äöües ^ßröten«
tionen ftel)en mie geu)öl)nlid) feine entfpre(f)enben fieiftun«
gen. StTIs 2Jlotto (önntc man über biefe gefünftelten unb
unfelbftänbigen 23erfud)e feine eigenen SSerfe fefeen: „(Bx
möd)te gern, er fann's nid)t fagen, ein trotfener JReim
loi)ni feine 3Jlüf)*."
Um fo mic^tiger ift bic ^Belebung, bie bie ^Tübinger
?Poefie burct) amei neu t)in3ugefommene greunbe fanb.
2lls Ut)Ianb aus ^aris 3urü(ffe()rte, trat er 3n)ci Jungen
©tubenten na^e, bie bereits 3U il)m als bem SO^eifter ef)r*
furd)t6t)olI eiufblicftcn. Der eine mar ^arl 3Rat)ers jün*
gerer 35ruber Sluguft. ©in frifcf)er junger aJlenfd),
mannigfad) begabt unb eine ed)te Mnftlernatur. 6ein
frül)es trouriges (Enbe mag 3ur 9^ad)fid)t gegen feine
menig ausgereiften poetifd)en ßeiftungen ftimmen. (Bx ift
nid)t fel)r frud)tbar unb menig felbftänbig, aber mand)mal
trifft er für feine Iebl)afte (Empfinbung bod) ben Xon, ber
bei anberen mitfd)rr)ingen mug. (Bän3lid) mißraten ift
154
fein 23erfu(^, in einem D'lomanaenanjafe U()Ianb5 ar(f)aifd)en
Soraettfttl nad)3ubtlben: ,,2tuf ^napp, auf, ern)ad)ö
6(J)Iäfer, (attle fd)nell mein fd)rr)ar3braun S^loffe/' 2)aö
58efte, töas er 3u bieten t)ermod)te, ift smeifellos in ben
Sllmanad) eingegangen. (Er ^ulbigte übrigens auger ber
?Poefie nocf) einer anberen ©öttin, bie ein formfd)öne5
Sonett mit jener metteifern lägt: ber gemanbte junge
Äomponi[t ^at als erfter 3u bes 2)id)ter5 öoUem SSeifall
ben ©Uten ^ameraben in 3Jlufi! gefefet.
Slnbers als biefer frül) gefcf)iebene, burd) ein I)erbc5
@efcf)i(f aus ber ^al)n geriffene junge Mnftler mirft auf
uns bie allseit sufriebene, gtüdgefättigte, 3U reifer Q^nt»
midlung unb I)o{)em 2tnfel)en gelangte ^erfönli(i)feit feines
6d)ulfreunbes (B u ft a 0 S et) m a b. 6d)on 1810 t)atte
Ut)Ianb mit 2Bof)IgefaEen ein Sonett oon x^m in bie ^anb
genommen; in biefem bilb= unb fd)miegfamen, aber grunb'
anftänbigen unb e^rlicf)en jungen 9Jlenfd)en ern)ud)5 if)m
ber erfte unb treufte Sd)üler. !S^mai ber ^allabenbic^ter
©cfimab ift oI)ne Ut)Ianbs SSorangang nid)t bentbar, es
fam fogar oor, t)a^ ber jüngere fid) fedlid) an einen Stoff
{)eranmacf)te, ben ber reifere SUleifter als 3U fc^mierig bei«
feite gelegt l)atte. llnfr)mpatt)if(^e 6elbftüberfd)äfeung
voav aber im allgemeinen bie Sac^e bes ftets erfolg»
getrönten ^Poeten nid)t. ®r rang el)rIi(J), menngleid) ot)ne
©elingen um bie „ed)te t9rifcf)=romantifd)e (Empfinbung",
unb fat) bismeilen red)t mot)I ein, ^a^ it)m bas ßefete unb
2:ieffte 3um !Did)ter fei)Ie. Sas t)ielt il)n aber nid)t ab, ba*
mals unb nod) 3al)r3ef)nte länger, als Ut)tanb längft oer«
ftummt mar, munter br auf los 3U reimen unb feine un«
be3meifelte gormgemanbtt)eit aud) 3U gelegent)eitlid)en
Smetfen immer mieber 3U migbraud)en. ^^erfönlid) bilbete
er 3u UI)Ianb ben größten ©egenfafe, er mar immer auf=
gefd)Ioffen unb 3utraulid), oon t)er3lid)er fiiebensmürbig'
feit gegen jebermann, aber ot)ne fid) etmas 3U vergeben;
155
benn qIs 6o{)n eines geroanbten unb aud) bei 5)ofe an=
gefef)enen SBeltmannes iDufete er bie gormen tabellos 5U
bel)errfrf)en unb felbft in ber altmobifcf) fteifen Xübinger
6tiftlertrad)t eine elegante gigur 3u mad)en. !Der ©pife*
name „ber 2Ibb^", ben man il)m onI)eftete, u)or fomit ge«
red)tfertigt. 5ßei allebem mar er aber ein l)armIo5 reines
(Bemüt mit guten Äinberaugen unb t)on einem unserftör^
baren ©lauben an ©ottes gütiges Sßeltregiment befeelt.
3m Sllmanad) trat er nod) nid)t mit burd)fd)Iagenben
ßeiftungen {)err)or. ©r foUte fid) in weiteren Greifen,
namentlid) in 9^orbbeutfd)(anb, erft fpöter, burd) feine
1815 unternommene SSilbungsreife, befannt machen.
!Die Sammlung Don 1811 mar fonft t)or3ügIid) ge=
eignet, bie 25rücfe 3n)ifd)en norb* unb fübbeutftf)er
S'lomantif gu fc^Iagen. UI)Ianb5 unb 5^erncrs Steifen
l)atten poetifd)e greunbe gemorben, bie gerne il)r Sd)erflein
beitrugen. 6o begegnen im2IImanad)(Sebid)te t)on©I)amiffo
neben presiös gefd)raubten Stüden 23arnl)agen6, unb
and) brei bid)terifd)e grauen laffen fid) l)ören: IRofa DJlaria,
23arnl)agens 6d)U)efter, SImalie SBeige, Werners 5)am«
burger greunbin, unb ^elmina oon (£l)6^x), an ber UI)Ianb
in $aris Dorbeigegangen mar. SSon ^o\a Tlaxxa füt)Ite er
fid) am meiften gefeffelt: ferner fd)märmte oiel oon \\)x;
Ul)Ianb fd)eint fie faft in ber SÖBeife feines 5RubeIIo 3ur
Jraumliebe ertoren 3U I)aben, menigftens glaubte er fid)
einmal im Sd)Iafe oon bem reid)en Qaare ber nie (Se=
fel)enen umftridt. 9^ad) ferner märe JRofa 9Jlaria bie
rid)tige grau für ben trodenen greunb gemefen, unb er
fud)te 3mifd)en beiben 3u oermitteln.
ertragreid)er geftaltete fid) aber bas 23erf)öltnis 3U
3mei norbbeutfd)en 2)id)tern, bie I)ier mit mäßigen poeti*
fd)en ©aben aufmarteten: 3u (Braf fiöben unb 3u gouquö.
SBir betrad)ten beibc I)eute oIs affettierte S^rrbilber
romantif^er ^oefie; jene Qext unb oor allem ber fd)ma«
bifd)e ^reis urteilte onbers. 3u ßöben freilid) geftaltete
fid) UI)lanb0 23erl)ältni5 nic^t eben I)er3lid). 58eibe ad)ten
fid), oI)ne baß bte grunbr)erfd)iebenen Staturen unb Stn«
fid)ten eine 2lnnäl)erung ermöglichten. 2)em SSerfuc^e,
ben anfpru(J)5r)oIIen Orient« unb 6üblanb5td)n)ärmer in
feine beutf(i)e SSorseitmelt ein3ufül)ren, banfen mir bie auf*
fd)Iu6reid)ften poetifd)en 6elbftbefenntniffe Urlaubs aus
jener Seit.
gouqu^ l)atte basumal ben ©ipfel feines bi(f)teri'
fcf)en 6d)affens unb 9^uf)me5 erflommen. S3or3eitgebid)te,
«er3äl)lungen unb *bromen löften fid) in fd)neller golge ab.
23on ber S)'6l)e bes Iieblid)en Unbinenmärd)ens unb bes in
(5in3eII)eiten patfenben S^iuöcrrings fanf er aber fd)nell
l)exab, of)ne bog feine 93ere()rer beffen 3unäd)ft geu)af)r
merben mod)ten. ferner unb felbft ber geiftreid)e Äöftlin
überbieten fid) 'ü)m gegenüber in 2rusbrüd)en bes (Ent*
3ücfens: „gouqu^ ift faft met)r als ein aJlenfd)!" — unb
aud) aus Uf)Ianbs trodenen 2^agebud)noti3en fd)Iagen bie
gunfen ber 5ßegeifterung. !Da6 \\)n perfönlid) \el)x oieles
3u gouqu6 I)in3iel)en mußte, t)erfte()en mir. 2)as 23er*
^ältnis 3u bem freif)errli(^en ?Poeten pflegt aber in ben
UI)lanbbiograpI)ien bel)arrlid) falfd) bargeftellt 3u merben.
9^ur innere 23ern)anbtfd)aft, nic^t äußere Stbpngigfeit \)at
ein fo ä()nlid)e5 SSilb l)err)orgerufen, mie es beiber ^oefie
totfäd)Itd) eine Settlong bietet. U{)Ianb ^at erft um 1810
nä{)ere Sefanntfd)aft mit ben SBerfen bes 9florbbeutfd)en
gefd)Ioffen; feine 6iegfrieb= unb JRoIanbbic^tungen finb
unabl)ängig oon benen bes SSorgängers, mie bie beiben 3U
gönsltd) t)erfd)iebener S^xt auf ben 2IIboinftoff oerfallen
finb. 2)ie 5ai)nlid)feit ift namentlid) baburd) I)ert)or gerufen,
\)a^ beibe fid) 3umal in iF)ren SInföngen 3u 23orbiIbern be*
fennen, bie ben fonftigen S'lomantifern fremb bleiben, 3U
Dffian unb 6afo. 6ie laffen, jeber für fid), ein nebelig
trübes norbtfd)=beutfd)es 2IItertum erfte^en. Sonqu^ aber
fennt feinen gortfc^ritt üon btefem erträumlen 3um xüal)xen
9JlitteIaIter, er begiel)! nur immer meitere SSöIfer unb fiän=
ber in fein erfonnenes 23or3eitbiIb l)erein, mäl)renb UI)Ianb
aus ed)teren Quellen immer ed)teren 23or3eitgeift in fic^
aufnal)m. ©in mertmürbigcs 23erl)ä(tni5: gouqu^ ift
©beimann unb Krieger, Ul)Ianb bie untriegerifd)fte 25ürger-
natur. 2)ennod) bietet biefer innerlid) wal)xe JHitterfiguren
auf, finbet unmittelbar ed)te unb eingänglid)e Xöne 3ur
Äenn3eid)nung ber in Uöort, Xat unb ©mpfinbung fräftig
fd)lid)ten Staturen. :3encr (ennt nur affeftiertes 2llter*
tümeln ber diehe, unreal übertriebene ^raftleiftungen,
läppifd) ge3ierte5 9)linnetreiben. 60 aud) in bem ftillofen
QJlac^merf, ha5 er für ben Stimanad) fpenbete, ber „2lben=
teure" Das 6c61ad)tfelb.
^erbft 1811 ift bas @ebid)tbänbd)en erfd)ienen unb
\)ai balb feine Söirfung getan. 2)ie ajlorgenblöttler maren
geteilt, ^aug oerftieg fic^ 3U einem fiob. Sie Senaer
ßiteratur3eitung fd)eibet fd)arffinnig 3n)if(i)en Utilanb,
beffen ^Talent burd) Spielerei Derborben fei, — d ber
mit @efd)ma(f überfe^e, unb 23oIfer, ber feine Übeln Oe«
banfen unb ©eift oerrate. ©in anberes i^ournal perl)ei6t,
ha^ bie beiben ftreitenben ^^arteien auf unferem oermil»
berten ^arna^ biefen ajlufenalmanad) als ein Söort bes
griebens annel)men merben, menn fd)on manches 3U fel)r
ber romantifd)en Schule an3ugel)ören fd)eine. 3m gan3en
fortnte man mit ber STufna^me 3ufrieben fein. Dorothea
8cI)IegeI fd)rieb an Ouftinus einen ()übfd)en 58rief, in bem
es l)ei6t: „©s finb fel)r liebe ©ebid)te barin unb bas ®an^e
buftet unb tönt red)t aus ber güUe ber :3ugenb."
SSalb ()äufte fid) bas SRaterial 3U einem 3U)eiten 23änb*
d)en. U()Ianb „trommelte" bie ^Mitarbeiter fleißig 3U«
fammen unb fül)lte fid) reid) belohnt baburd), ha^ ber
3meite Sllmanad) fid) meit „eigener, romantifd)er" bar-
ftcllte. ©r follte tien ^lattiften tüd)tig 3U fd)affen mad)en.
158
SSraun ^atte benn aud) biesmal ben 93erlag abgelel)nt,
nad) längerem Uml)er{ud)en fanb es fic^, ha^ bas ®ute
gan3 nal)e lag unb Ofianber in 2:übingen 3ur i)erau0gabc
bereit mar. Ul)Ianb l)atte als 2^itel erft, im 2tnfd)Iu6 an
einen ßt)ri!er bes 17. 3al)r^unbert5, „!Deut[d)er ©ebic^te
grül)Iing" i)orge{d)Iagen, fd)lie6Iicf) aber mürbe ein 2) e u t »
fd)er !Did)tern)alb baraus.
Smeifellos ift er bebeutenber als fein SSorgänger. (Js
{)errf c^t mel)r ®inl)eitlit^!eit, bie aber feinesmegs 5ur (Ein*
tönigfeit u)irb. ferner, gouquä unb Ul)lanb gaben ben
3;on an, burd) i\)xe SSeiträge ift im n)efentli(i)en ein 5BoI-
labenalmanac^ 5uftanbe gefommen. U{)Ianb5 Sreic
Ä u n ft: „6inge, mem ©efang gegeben, in bem beutfd)en
!Di(^teru)alb" bilbet ben benfbar beften unb frifcf)eften ©in»
gang. Werners 6tüc!e bringen in bie 23allabenrei{)e ju-
meilen einen etmas trüben ^lang, aber UI)Ianb5 2:aiIIefer,
9lolanb unb ^arls 2Jleerfat)rt, gouqu^s oielbemunberte
58urg SSoImarftein, fein @raf oon ßippe, fein 2Ba{)n*
finniger finb auf einen fd)lid)t mürbigen fraftöoUen Xon
geftimmt. (Eine nid)t uneru)ünfci)te 2lbmed)flung bringen
bie formgemanbten, mit anfprud)5r)ollen äußeren 9)litteln
arbeitenben (Belegen^eit5bicf)tungen <B(i)mab5 unb SSarn*
tjogens unb bie geiftrei(f)en, menngleid) gelegentlid) etxoas
prätentiöfen (Epigramme ^. Äöftlins. Sefonbers t)ot)en
(Beminn fat)en bie Herausgeber aber in ber 2Jlitarbeit
breier junger ßgrifer, bie neu in biefem Äreis erfd)ienen.
SBir teilen bie l)er3lid)e greube Ul)Ianbs über bie SDlit*
arbeit (Ei(^enborffs, ber, burd) fiöben {)erbeigefü()rt,
fid) I)ier unter bem el)emal5 aud) UI)Ianb geläufigen 2)e(f«
namen glorens oerbirgt. (Bv \)at nur ämei fiieber ge*
fpenbet, aber fie finb ?ßerlen ber Sammlung: „3n einem
!ül)Ien (Brunbe" unb „i)eim!el)r". gür bas große unb
eigenarttgce Jalent eines 3meiten, neu I)in3ugetretenen
^eibelberger ?ßoeten ift Urlaub fein 2ßort bes ßobes 3u
\)od). 2)05 ift ^ a r I J l) 0 r b c (f e , ber Sramatifcr unb
ßr)rt(cr. ©eine Sllmanat^sbeiträgc unb Jonftigen ©ebit^tc
(gcfammelt 1814), bic U!)Ianb aiDeifellos ftarf über{d)ä6t,
3eigen eine feltfam 3ä^c ©pröbtgteit in ®ebanUn unb
Sorm. Der offenbar crnfte unb fd)rr) er blutige SJlenfc^
fül)It bas SSebürfnis, in bie frifd)en Xöne bes greunbes«
freifes einauftimmen, aber fie bleiben il)m gemiffermagen
in ber ^e^Ie ftetfen. (Bv meig vielerlei 3u fagen, ift ein
©rübler unb tiefempfinbenbes ©emüt. ©s fel)lt 'ü)m auc^
nid)t an 3artl)eit, oor allem im ßiebesgebic^t, an geift«
ooner 25ilbad)feit, aber burc^aus an 2Infd) anlief feit unb
gefälliger IDarftellungsfunft.
2)ocl) löirft, was er bietet, nod) erfreulicf) unb ftil*
gered)t im 6inne ber fonftigen Spaltung bes 2llmanad)s
neben ben 35eiträgen Saoib Slffings ober 21 f f u r s , eines
norbbeutfd)en ^Jlebiainers, ber ben greunben oon Xübin»
ger ©tubententagen ^er perfönlid) befannt mar. (Er mirb
als „ber gefül)lr)ollfte unb befte 3Jlenf(^" gefd)ilbert; ein
fentimentaler 6d)märmer, aber ooU unmäßiger $ara«
bofienfucl)t, ein 3Jleland)olifu5, ber „bie 2öelt abfcf)eulid)
trübe anfal)". 9^od) über ferner l)inau5 mar er, oft 3ur
SSeluftigung ber greunbe, ein SSirtuofe im Sammern unb
6d)mar3fel)en. 2111 has prägt fid) in ungefunber unb un*
fr)mpatl)ifc^er 2öeife aud) in feiner ßgri! aus, beren über»
i)iÖtl)eit 3eigt, ha^ l)ier ein retf)t nüd)terne5 (Empfinben ge*
maltfam in bie ^öi)e gefd)raubt unb in aparte bid)terifc^c
Sorm gegoffen merben foU. (Bx ift übrigens fpäter ber
®atte [Hofa 2Jlarias unb ein beliebter 2lr3t in Hamburg
gemorben.
2)ie 2tufnal)me auc^ biefes 2llmanad)5 mar gan3 l)er3»
lid), menngleid) praftifc^ oeranlagte 3Jlänner oom Schlage
^arl Werners ben Äopf fd)üttelten unb ©eneral 2^^eobalb
bas „unförnige ©eminfel" als un3eitgemä6 oerbammte.
Die Slusfälle gegen ^lattiften» unb fetales SHe3enfentcn-
160
tum fanben nur matten Sßiberfprud). (Sin S^lesenjent in
ben (£rI)oIungen ii)ün(d)t, ber i)erau5geber möge bie ßefer
fünftig immer tiefer in ben beutfd)en Sic^termalb t)inein'
fül)ren; fein günftiges Urteil grünbet fid) ^umal auf
Ul)Ianb5 (Bebic^te, aus benen 'ü)m ,,eine Iieblid)e SOlufif
frifd)er, lebenbiger Xöne entgegenn)el)t"; aus ben er5äl)len*
ben (Bebid)ten „fd)n)illt bie alte ^elbenaeit in all il)rer
munberbaren Äraft unb öerrlid)!eit rein unb n)oI)lgeftimmt
bem i)örer au ©emüte". Ul)Ianbs 9^ame i)aiie mitl)in
einen guten ^lang erl)alten.
Sod) — mir ma^en benfelben ge{)(er mie er felbft;
mir fpred)en immer nur von bem Siebter unb l)'dtim bod)
jju allererft fragen follen, mie fid) benn ber ^arifer S^lei»
fenbe in feinen ?8rotberuf einauarbeiten t)erfud)tel Ul)lanb
mußte fic^ aum Eintritt in bie Slboofatenprajis ent=
fd)lie6en. 9Jlan barf fic^ bie äußeren gunttionen bes ha=
maligen IRed)tsanmaltes nun aber nid)t fo üorftellen, mie
fic Ijeute finb, fonft möd)te man $erfönlid)!eit unb 35eruf
für noc^ meniger einftimmig l)alten, als fie in Sßirflid)feit
maren. ©in öffentlid)es Sluftreten vor (Berid)t, bei bem
bie Äunftmittel ber SSerebfamfeit fpielen unb unter Um*
ftönben bie mangelnben fac^lid)en SSorsüge einer 2ln*
gelegenl)eit ausgleichen fonnten, gab es nid)t, es ging alles
auf bem Slftenmege cor fid). Das mad)te bie 2lrbeit aber
natürlid) leblofer unb eintöniger, feffelte ben Jungen Slboo*
taten fel)r an bie 6tube. Der SSater, einft felbft i)of*
geri(^tsabt)ofat, ftanb bem Slnfänger treulid) 3ur Seite.
©5 ift natürlid) fd)mer, fid) einen genauen Segriff
baoon 3U mad)en, ob Ul)lanb oiel 3U tun l)atte, ob er feines
Slmtes mit ©rfolg maltete, ob er teure 9'led)nungen 3U
mad)en liebte unb bergleid)en. 2tm Slnfang l)at man hen
©inbrud, ba^ er nid)t eben ber güUe ber 2trbeit erlag.
Das fonnte i^m red)t unb bod) auc^ mieber nid)t red)t fein.
Dann regte es fid) allmöl)lid^ in ber 9^ad)borfd)aft, bas
Zaqebud) vexx'dt benn bod) eine getüiffe Genugtuung,
lüenn neue Meuten erfcf)etnen. 2ötr UDtffen oon einem
„fetten" ^roseg in ateutlingcn, ben er nad) neun Sal)ren
fd)Ite6lid) oerloren l)at gür eine S'leife in bie 5Jlad)barftabt
mit Ort5befid)tigung l)at er fid) einmal ad)t unb einen
falben (Bulben bered)net. Sntereffanter ift bie grage, mie
meit er fic^ bei feiner 2(rbeit perfönlid) gefeffelt unb in
2JlitIeibenfd)aft geaogen fül)Ite. (Er t)atte einmal bie 6ad)c
eines SSranbftifters 3u fül)ren, unb Don ber SSerteibigung
einer ßanbftreid)erin, bie il)re 3U)ei Äinber l)atie ertrönfen
moUen, fd)reibt er on 25etfer: „^d) I)abe babei in einen
SIbgrunb menfd)Iid)en ©lenbs unb SSerberbens gefd)aut,
ha^ id) mir'5 3um ©eminn red)nen mügte, menn id) Xxa*
göbien fd)riebe.'" £)l)ne (Empfinbfamteit oerftanb er fol-
d)en ertrag feines SImtes 3u nüfeen.
3m ßaufe ber ein unb brei oiertel 3al)re aber, bie er
in Tübingen feine Slboofatur betrieb, 3eigte es fid), \)a^ er
bod) feinen feften SSoben merbe faffen fönnen. SSoraus«
fefeung für eine gebeil)Iic^e ^rajis mar eine ^rofuratur,
unb fein ©efud) nad) einer foId)en — mir mürben fagen:
nad) einem 5Jlotariatc — mürbe abfd)Iägig befd)ieben. 60
l)atte er bas (Befül)I, auf oerlorenem 35oben 3U fämpfen.
Stnberes !am l)in3u, um il)n im ßaufe bes 9al)re5
1812 3u oermirren unb 3U quälen, greilid) maren es
9^öte, mit benen ade 2Be(t 3U fämpfen l)atte. SIber mie
©ieoefing fonnte aud) er oon fid) fagen, ha^ er beutfd)er
als je aus $aris 3urücfgefommen fei, unb bas mar ni(^t
ber lefete Ertrag ber JHeife.
2)ie smiefpältige Stellung Söürttembergs mußte je«
bem national ©mpfinbenben ein ittrgernis fein. Der ^rieg
gegen öfterreid) 1809 unb bie Unrul)en an ben ßanbes*
gren3en l)atten oiel ajlannfd)aft gefoftet. liefet rüftete
5Jlapoleon gegen IRußlanb, unb ber mürttembergifc^e
SSafall mußte 2lrmeen aus ber ©rbe ftampfen. ©einen
6d)ncibcr, Utjlanb. H
6of)n, ben fpäteren ^önig 2öiII)eIm, ftellte er an bte ©ptfec
bes neuen Steves, Werners SSruber ^arl mürbe ©eneral«
ftab5d)ef. 93or allem aber galt es, bte gormationen jelbft
ouf3ufüllen. S5i5l)er maren 5)onorattoren|öI)ne unb 6tu»
benten üom TOlitärbienfte befreit gemejen. Qefet mürben
burd) einen SBillfüraft mit einem 3Jlale 3rt)eil)unbert Xü»
binger ©tubenten au6geI)oben. 2luguft 9Jlar)er befanb [id)
unter il)nen. (Bx trug tapfer fein unl)olbe5 (Befd)icf, ha5
'ü)n smang, für eine U)m innerlit^ frembe 6acl)e üon ber
^ife auf 3u bienen. 9^od) einen anberen greunb traf
Ul)lanb unter SBaffen: i)arppred)t, ber Offiaier gemorben
mar unb fiel) als begeifterter 2tnl)änger D'lapoleons bereits
im öfterreirf)ifcl)en Ärieg ausge3ei(f)net l)atte. SSeibe^reunbe
fal) Ul)lanb im Srül)jal)r 1812 ber großen 2Irmee folgen.
Stuguft 3Jlar)er l)at ein fcl)önes ßieb 3um 2lbfcl)ieb oon
ber ^eimat gebic^tet, ibas bie ©c^ule Ul)lanbs beutli^
oerrät:
2Bas beutet mol)l ber Jrommelflang?
Der gal)nen giug? Der 3Jlenfcl)en Drang?
5)inaus ins gelb ber Krieger 3iel)t,
Die 2Baffe blinft, bie SSruft erglül)t.
®r 3iel)t Ijinaus mit ernftem 6d)ritt,
Äein lefet Umarmen nimmt er mit.
SSorbei am greunb, am fiiebd)en muß,
^Jlimmt mit bem 35lid ben legten (Srug.
Die ,,unfeligen ©reigniffe" erfd)ütterten aud) Ul)Ianbs
„menig gefammeltes ©emüt". (Es mar eine unl)eil»
fd)mangere 3^^^^ ^^^ Sommer 1812, in ber man doU un*
beftimmter 2l^nung eines Unglüds bal)inlebte, menn and)
halt pral)lerifd)e 6iege5nacl)rid)ten einliefen unb bie 2Bürt»
temberger il)ren reblicl)en 2lnteil an ßorbeeren einl)eimften.
Da, in ber Qeii, als bas ©lüct ber großen 2lrmee fid)
unmerflid) 3u menben unb bergab 3u rollen begann, trat
aud) in Ul)lanb5 äußerer Sage ein SBet^fel ein, ber fic^ tjon
l)eutc auf morgen ergeben 3u ^aben fc^eint. 2tn ©teile ber
freien 2lbt)ofatur tritt ber ©taotsbienft; ber Stntrag basu
tDurbe i!)m irol)! burd) einen befreunbeten ITübinger ^ro»
feffor. ®r foUte, mie einft an ber ^^arifer (Befanbt|d)aft,
fo je^t im Stuttgarter 3Jlinifterium unbefolbeter smeiter
©efretär merben, mit ber 5)offnung auf balbige befinitioe
SInftellung. 3Jlitte Ottober ful)r er na(f) Stuttgart unb
[teilte fid) bem Suftisminifter o. b. fiül)e oor. Stnfang
2)e3ember ^x\)\z\i er '^^^ Slnftellungsbefret als Slfaeffift.
Sas bebeutete ben n)al)rfd)einli(l) enbgültigen ^bfc^ieb oon
Tübingen unb bem ©Iternljaufe, ber auf feiner Seite leid)t
genommen mürbe. Dod) mar er ja aud) in Stuttgart fein
grember, als er bort am 16. 2)e3ember feinen (£in3ug ^ielt.
Ul)lanb5 Erinnerungen gingen bis 1795 3urücf, unb
feit biefer Seit l)atte erfolgreid)e5 2lufftreben bas S5ilb ber
^iOi^i nid)t unmefentlid) geänbert. Der erfte Äönig trug
oiel oom Slutofraten bes 18. 3al)rl)unberts an fic^, fpe3iell
oon feinem £)l)eim ^arl (Eugen. Der @lan3 ber $ofl)al«
tung erinnerte ebenfo mie gemiffe i)ärten gegen bie SSe»
oölferung täufd)enb an bie ®pod)e bes 2lbfolutismus.
Xrofe ber ungünftigen S^^tläufte, ber mannigfad)en ^e*
laftung ber Staatsfaffe unb bes bürgerlid)en ©elbbeutels
ioX Sriebrid) alles, um fein Stuttgart 3u einem i)ornel)men,
grogftöbtifd) angel)aud)ten ^önigsfife um3ufd)affen. :5n=
bes mar biefes Streben naturgemäß nid)t fo rafd) 3U er=
fällen. Das gemünfd)te ©epröge mürbe nur oon menigen
Straßensügen erreid)t. Stuttgart 3äl)lte bamals zivooi
24 000 ©inmol)ner, es 3erfiel in eine 2lltftabt unb 3mei
baulid) nod) gefonberte SBorftäbte. Die alten Ummallungen
3U befeitigen mar bie erfte Stufgabe ber baulid)en 9lenooie=
rung; 1812 maren aber erft bie ©räben ausgefüllt unb bie
Jore ftanben nod), genau mie im alten Tübingen. Selbft
ftol3e ßofalpatrioten geben 3u, bog bie $rioatard)iteftur
11*
164
in ©tuttgart arg bameberlag, faft alle ^äujer beftanben
nur bis gum crften ©totoerf aus ©tein, barüber aus
gad)rt)ert 5)oc^ ha ein gleid)mä6tg l)eller Slnftrid) ^oUaet*
i)orfd)rift mar, mag ber ©efamteinbruct foIcf)er 2lltftutt=
garter ©trage leibltcf) freunbltd) getüejen fein. 23or smei
^al)xen nun war bte (ogenannte ^öntgftrage fertig ge=
ujorben, ber ©tols jebes ©tuttgarters: enblid) ein breiter
regelmäßiger ©traßensug mit 3um 2;eil fe^r ftattltrf)cn
©ebäuben. Slnbere ©tragen gleid)en ©tiles befanben fid)
noc^ im 2tu5bau unb mußten einftmeilen menigftens burd)
prunfenbe Dramen bie neue ^xa anseigen, fo bie ßeimen*
grübe, bie fic^ in eine griebrid)ftraße manbelte.
Der Umbau ber SiaU fd)uf S^laum au fd)önen ©paaier«
megen. 2)er ©d)lo6garten unb bie fogenannten Oberen
Einlagen, bie fid) 3um S^edar l)in3ogen, maren erft üor
menigen 9al)ren fertiggeftellt morben, unb bie reid)Iid)
t)ort)anbenen 2lIIeen unb bepflangten 2Bege ermöglid)ten
einen anmutigen S^lnubgang um bie Stahl !Die rcigenbe
meitere Umgebung l)at fid) Ul)lanb auf mand)em ©onn=
tagsfpagiergang erfd)Ioffen.
2)a5 fieben in ben gum großen 2:eil bod) nod) minfe*
ligen unb fctimufeigen ©traßen ber ©tabt cerlief ftill unb
anfprud)5lo5. ©in S)anbel5* unb Qnbuftriesentrum ift
©tuttgart nie gemefen unb fonnte es feiner gansen Sage
nad) nid)t fein. 9n jenen 3al)ren freilid) mit il)ren u)ed)fel=
reichen unb einfd)neibenben poIitifd)en SSorgöngen mag
fid) fc^on burd) ha5 burd)3ie^enbe ajlilitör ein Iebl)afte5
©traßentreiben I)äufig genug eingeftellt f)aben. 2)od) ging
ber ©tuttgarter fel)r geitig gu ^ttie, trofebem feit furaem
ein paar 5)unbert Ölpngelampen bie ©traßen näd)tlicö
er{)eltten — „genau mie in ^ßaris", fagt ein felbftbemußter
gül)rer burd) ©tuttgarts ajlerfmürbigfeiten t)on 1814.
2lud) fonft mürbe Ul)Ianb l)ier mand)erlei geboten,
haö il)n im ©rnfte mel)r an ^ßaris als an Tübingen ge»
165
maf)nen mu^te. Quex\t ein headjtensvoextes J{)eater; erft
1811 voax ha5 el)ema(igc ,,neue fiuft{)au6" ^ergog ^arls
3U einem präd)tigen Opern= unb 6(^aufpieII)aufe um=
geftaltet n)orben. UI)Ianb5 @efd)ma(f bewegte fid) weiter
in ber 9li(i)tung, bie er im Od^on eingefrf)lagen l)atte: bie
neuen ©pietopern italienifd)en 6d)Iag5, alfo aud) SJlosarts
5)auptmerfe, Ijaben es U)m angetan, unb man tann fid)
üorftellen, mit n)eld)er greube er bie 6d)mefter bei einem
gelegentlidjen Stuttgarter 25efu(^ in bie ,,(£ntfül)rung''
mitnaf)m. Sm 6d)aufpiel mar er ein feltenerer (Baft.
2öeit weniger (Erfafe fanb er für feine I)öufigfte
?Parifer SSetötigungsftätte: bie föniglid)e öffentlid)e Siblio*
tf)et, aud) fie erft 1811 fertiggeftellt, mies ^voax fd)on bie
ftattlid)e 2Sanb3aI)I t)on etwa 200 000 auf, für U()Ianb5 be=
fonbere Sntereffen aber bot fie menig Stusbeute, gumal fie
mit 5)anbfd)riften bürftig ausgeftattet mar. Ergiebiger er«
mies fid) bie fpäter eröffnete föniglid)e $rit)atbibliotI)e!,
ber ber fogenannte SBeingartner Äobey ber 9Jlinnefinger
einoerleibt werben !onnte.
Sas geiftige ßeben ber (Bta\)t burfte trofe ber 2In=
regungen burd) ^unftgenufe unb Sammlungen nid)t als
fe!)r rege gelten. Qwar gab es einige Käufer, in benen
fid) geiftreid)e unb Iebl)afte gefellige 3^^^^^ awanglos 3U=
fammenfanben. Om allgemeinen lebten aber gerabe bie
gebilbeten Greife in jenen Xagen unter einem immer«
wä{)renben 2)rucfe, ber burc^ 58et)ormunbung unb Über=
wad)ung von oben I)erbeigefü^rt war. Sebes freie 2Bort
in politifd)en Singen war unterfagt, unb $oIitif inter«
effierte bod) einaig. 2tud) ber Partie „Seutfc^Ianb" war
oerpönt; bie S^itungcn unterlagen ftrenger S^^fur, fo ba^
nur bas 9lcgierungsorgan unb bas ^armlofe 9JlorgenbIatt
ein ungeftörtes !Dafein friften fonnten. ©s ift 3u begreifen,
bog ber Eintritt in bicfe bumpfige 2ttmofpl)äre auf UI)Ianb
nid^t wp^ltötig wirfte, ^n^ J)a6 mit bem ^Beginne bes
166
Stuttgarter 21ufent{)alt5 ber ©tnbrucf in tf)m erft re(f)t
öroBgesogen mürbe, ha^ er in einem bejpottfd) regierten
(Staate lebe.
UI)lanb l)at in feiner Stuttgarter 3unggefetlen3eit bie
2BoI)nung mef)rmal5 gen)ed)|e(t: 3itnäd)ft naf)m er Duar»
tier beim SBein^önbler Sauber in ber ^önigftrage, fpöter
ergab fid) günftige (Beleg enl)eit, in bie 5)oI)enftra6e 3U ®e=
Ijeimrat 6d)mab5, ben Altern bes greunbes, 3U 3iel)en.
2tm SInfang fd)eint er üiel kärger mit feinem Unterfommen
gel)abt 3U ^aben, ba3u öon ^eimmel) gebrütft morben 3U
fein. „2Bie bas gequälte 5)er3 fid) nur t)or (Bott auf»
fd)Iie6t/' notiert ba3u \)a5 XaQehud). Sßie fpäter ftets, fo
Derf(^affte er fid) innere Erleichterung auf meiten Spa^m^
gangen. 9n 3n)ei 9^ad)barorten fonnte er freunblid)en
Empfangs gemife fein: Sn ©c^miben maltete Onfel ^ofer,
ber Vorüber ber SQlutter, in geuerbad) ein SSermanbter oon
ber gro6mütterIid)en Seite bes ^Pfarramtes. 9^ad) beiben
Dörfern l)at Ul)lanb oft unb gerne ben 2Beg gefunben unb
Qofers SIbleben 1813 in bem (Sebid)t 2Iuf ben Xob
eines fianbgeiftlic^cn beftagt.
2Iud) in Stuttgart n)of)nten 23ermanbte, oor allem bie
gamilien 5)aug unb ^arppredit. 9Jlannigfad)er ^reunbes»
anfd)tu6 fam ba3u. 3u ^ofer unb 5)einrid) ^öftlin, 3u
^ermann ©melin unb Säger ftellte fid) bas alte oertraute
23erl)ältnis fd)neE mieber I)er. 23on neuen Sefannten
treten U)m vor allem brei nal)e: Stibert Schott, ber
55ruber jener einft oieIteid)t oere^rten Caroline; „ein
blü^enber SDlann oon feinen SDlanieren unb ausge3eid)»
neter 35ilbung", bie freilid) einen in ^Paris ermorbencn
fran3öfifd)en S^ft^^itt ^^^^Q- ^^ ^^^^ ein nai)ex SSerufs«
foUege Ul)Ianb6, ein gefud)ter SIboofat unb ^^rofurator,
eine tüd)tige unb üerläffige 55erfönlid)feit, bie Sa{)r3el)nte
fpäter in poIitifd)en kämpfen bis 3ule6t treu an UI)Ianb3
^efte ausgebauert ^t. günf 5al)re älter als ber 0reunb,
167
\d)emt er \xä) il)m 3unäd)ft als Tlmtov unb 23erater nüfe*
lic^ gcmad)t gu I)aben.
^am bic[e Sreunbf(f)aft bem Suriftcn augutc, fo \a\)
firf) ber merbenbe beutfc^c Slltertumsfenner mannigfat^
angeregt burd) einen jungen, allerbtngs frühem 2;obe gc«
n)eil)ten 58ibIiott)efar, 2ßect()erltn, in bem er einen
md)t minber gebiegenen unb babei üerftönbnisDoIIeren
n)iffenfd)aftlid)en SSerater gefunben 3u I)aben fd)eint als
einft in 9loquefort. Der ^ünftler fc^Iiepd) fam 3u feinem
9^ed)te burd) ben 23ertel)r nid)t gerabe mit einem bid)teri*
fd)en Kollegen, aber mit einem jungen Qeid)nev, ^ a r I
@ a n g 1 0 f f , einem SSermanbten Wax)ev5, ber nad)
mannigfoc^en Se^lfd)Iägen enblid) mit föniglid)er Unter»
ftüfeung bei Danneder georbnete 6tubien begonnen \)atte.
ßeiber mar aud) il)m nur eine furae Sebensfpanne ge*
gönnt; fd)on im 2Jlai 1814 ift ber 23ierunb3man3igjäl)rige
geftorben. Seinem STnbcnfen finb UI)Ianbs fd)önfte ®e*
Iegen!)eitsjonette gemibmet.
ytid)i nur bei 6pa3iergängen unb im 3Bed)feIge[präc^
auf bem engen 9Jliet63immer tritt Uhlanb ben greunben
nal)e, fonbern feine gefelliger gemorbene D^atur liebt bie
anregenben größeren unb Heineren Q^xtel. ©in SJlufif*
fran3 im ^oufe bes 58ärenfomponiften ^napp marb gerne
befuc^t, bei (5d)ott tat fid) ein Iiterarifd)e5 ^rönsc^en auf,
in bem meift @ried)ifd) gelefen rburbe. 9^ad) längerer Sc*
merbung erft öffnete fic^ U{)Ianb ber Ijeitere „Sd)atten»
bunb'', beffen 3mangIofe 2tbenbe 'ü)n im 2Birtsf)aufe 3um
Bd)atien mit JRofer, 6d)ott, ©melin unb oielen anbercn
oereinigte. Urlaub fc^eint ba 3uerft 3ur ?ßoIitit I)eran*
ge3ogen rborben 3u fein. Dod) ift oon il)m aud) manches
I)eitere ßieb 3U (£l)ren ber ®efellfd)aft angeftimmt morben,
oor allem bas eine: „^d) mei^ mir einen 6d)atten, ba
fliegt ein fü{)ler Quell, ber ftärfet jeben 3Jlatten, ber quißt
fo rein unb ^ell."
168
Urlaub motf)te wol)l eine 2Iu5ruf)e im erquitfenben
6d)atten nad) bes JTages Saft unb 5)ifee cerbienen; benn
feine 2lmt0pfltd)ten mürben il)m (auer unb na()men ben
gansen Xaq in 2tnfprud). ^ad) ^aufe rirf)tet er bie ^lage,
bog er nur bie abenblid)en 6tunben von neun bis 3el)n ber
ßiteratur mibmen fönne, er pflegte fie im SJlufeum 3U3U»
bringen, einer ßefegefellfd)aft, in ber bie neueften 3^^*=
fd)riften auflagen. Sie frül)er oft uermigte lebenbige S5e=
rül)rung mit ber ßiterotur ber ©egenmart mar baburd)
ermöglid)t; praftifd) nufebar !onnte er fie aber aus Q^xt--
mangel nic!)t mad)en, gebid)tet l)at er in bem erften 6tutt»
gorter :3al)re fo gut mie gar nid)t5.
2)er oberfte (II)ef mar fein 3Jlann nad) bem ^ex^en
bes jungen Sltgeffiften. „©in bemegungslofes ®e\\d)t,
©tatuenaugen," fo notiert er fid) nad) bem erften 3^*
fammentreffen mit 0. b. ßül)e ins iagebud). Der 3Jlinifter
mar nict)t amtsunfunblg unb fein 6peid)enecfer, bennod)
trug er bie QüQe bes gürftenbieners, ber um jeben tßreis
bem !DefpotenmiIIen gered)t 3U merben fud)t. 2)en SSor«
murf ber ^abinettsjufti3 I)at i()m U{)Ianb nic{)t erfpart.
2)ie Slufgabe bes 3meiten ©efretärs mar bie 2lbfaffung ber
gerid)tlict)en C^ntf(^eibungen, bie bem ^önig oorgelegt mer*
ben foUten. 5)as mar mitunter eine fd)mere 2:attfrage.
Ser SUlinifter münfd)te bie 9lec^t6fprü(f)e fo formuliert, mie
fie bem mutma6Iid)en 2BoI)Igef allen bes Königs ent*
fprac^en. Uf)Ianb mar bafür, bem died)t mxtiid) fein died)t
3U geben unb beffen gorberungen beftimmt unb \d)üd)i
aus3ufpred)en. greiltd) mußte er erleben, ba^ ber SUlonar^
oft aus eigener 3D^ad)tooII!ommenl)eit Urteile umftieg ober
abönberte. Qu einem Slonflifte 3mifd)en 3}linifter unb
©efretär ift es nie gefommen, mo{)I aber, mie mir uns
benfen fönnen, 3U pufigen ^Reibereien. 2tus biefem
©runbe moI)I fann UI)lanb augern, feine 2Irbeiten feien
„nid)t bie Ieid)teften unb unbefangenften"; 3um ©lütf fügt
169
er bei: „aber ouc^ ntd)t bte unintere||anteften". Stifo
fül)lte er ftd) burd) feine Xätigfeit bod) Qud) innerlid) in
STnfprud) genommen. Der ß:i)ef mar mit i^m aufrieben,
menngleid) er feine 6d)üd)ternl)eit beanftanbete. ^m all=
gemeinen befaß Uf)Ianb aber nid)t bie ®abe, \\d) bei ein^
flu6reid)en ßeuten beliebt 3U madjen. Der 23ater, bem \a
felbft jebe 6err)ilität ferne lag, mill il)m bie SBege ebnen,
flagt and) ^ier über feine Unluft, SSifiten 3U mad)en, gibt
U)m alle benfbaren Hilfsmittel an, um (Bonner 5u ge*
minnen, mogu i()m aud) feine ^oefie oerI)elfen fotl. STIIes
umfonft; Ul)Ianb fennt nur einen 2Beg, fid) burd)3ufefeen,
ben ftreng gemiffenl)after $flid)terfüllung.
Dod) fd)ien biefer nid)t 5um 3^^^^ 3ii füf)ren. Ul)Ianb
mar in eine für ben 6taat5biener benfbar ungünftige
^eriobe gefommen. (Es gab oiel SIrbeit gu bemöltigen
unb babei mußte mit fd)malen 9JlitteIn gemirtfd)aftet mer=
ben. 3Rit ber bauernben, be3al)Iten SInftellung mollte es
nid)t glüden. (Es ging ber (Befamtf)eit mie bem einaelnen:
Die fd)(ed)ten Sitten {)atten bie 23ermögen ftart in MiU
leibenfd)aft gesogen. UI)Ianb5 befaßen t)on ^aus aus ein
gan3 i)übfd)es (Einfommen; bie tiielfad)en Kontributionen
feit 1796 ließen es 3ufammenfd)mel3en, unb ft^on broI)ten
nad) ber ftarten Kräfteanfpannung oon 1812 neue, uner^
f)ört fd)mere 6teuern. SSater Ul)Ianb, ber ja eine er«
mad)fene unocrforgte Zod)tex im ^aufe I)atte, faf) fic^
offenbar nur mit öußerfter 9^ot imftanbe, aud) für ben
Unter{)alt bes SoI)ncs auf3ufommen. (Es marcn ernfte
6orgen, bie fomit an feine Pforte pod)ten, unb fie fd)eincn
ben gutmütigen SDlann mand)mal bis 3ur Sc^roff{)eit gegen
bie 2tngel)örigen, 3umal bie unfd)ulbige SSergnügungsIuft
bes 2:öc^terd)ens, gebracht 3U l)aben. Unb ha^ aud) U^Ianb
an biefer ßaft nic^t leicht trug, bebarf feiner 23er*
fi(i)erung.
2tber biefe ©orge follte nid)t bie einsige bleiben. Sine
anhexe, and) burd) bte S^i^Iöuftc bebingte, redte brof)enb
\l)x ^anpt empor.
©in paar Zaqe, na(f)bem Ul)Ianb in Stuttgart ein»
getroffen xüav, I)atten bte franaöfifc^ infpirierten ^Blätter
nod) bie Sd)Iad)t an ber 55ereftna als großen Sieg aus»
pofaunt. 2tber bie 2BaI)rl)eit lieg fid) n\d)t vexin\d)en, ber
flu(i)tartige ^lücfgug S^apoleons lourbe befannt unb balb
gab ber 3Jloniteur bie 23ernid)tung ber ©rogen 2trmee ju.
ßangfam fitferten bie grauenl)aften ©inselljeiten burd).
9^ur nod) 300 SBürttemberger, barunter nic^t einmal 200
gelbbienftfäl)ige, fammelten fid) an ber poInifd)en ©ren3e;
14 000 fianbesfinber, ein ^ro3ent ber (Befamtbeoölferung,
maren 3ugrunbegegangen. ©s gab einen bramatifd)en
STuftritt im 6d)to6, als Werners SSruber, ber (Beneral, ab»
geriffen unb abgeprmt oor bem ^önig erfd)ien unb er*
flärte, bas fei alles, mas er oon bem n)ürttembergifd)en
i)tIf5forps 3urüdbringe.
UI)Ianb mar perfönlid) aufs näd)fte betroffen. !Die
3mei greunbe, 5)arppred)t unb 9Jlar|er, tel)xten nid)t mie»
ber. 2Sei beiben foftete es eine leibooUe 2Barte3eit, bis
bie göHit^i^n ©emi6I)eit \)atten. Sluguft 9D^ar)ers gelb»
briefe bitben ein bleibenbes 2)enfmal trefflid)er (Befinnung
unb 25eobad)tung in l)axtex S^it; nad) fünf3ig ^al)xen l)ai
fie ber 5Sruber l)erau5gegeben. Dem tapferen, ber 2tmpu»
tation beiber SSeine ertegenen 5)arppred)t ein Denfmal 3U
errid)ten, mar UI)Ianb t)orbel)aIten. ®r ftellte ein fd)males
©ebic^tbänbt^en 3ufammen unb fügte eine aus frember
geber ftammenbe fur3e Einleitung bei. ®s mar bie erfte
felbftönbige S3eröffentli(^ung, bie unter feinem 9^amen
ging.
2)urd) bie ^ataftrop{)e mar ber 58unb 3mifd)en fjrieb»
rid) unb ITlapoIeon ins Sßanfen gefommen, ober er feftigte
pd) mieber. ©s ift als eine organifatorifd)e ßeiftung erftcn
JRpnges an3uerfennen, bog ber ^önig im nöd)ften grü^«
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jaf)re mieber 10 000 2Jlann marfd)tercn laffcn fonnte.
9latürlid) ging ha5 nicf)t of)nc gctüaltfamc ©riDciterung
bcs 2lu5l)ebung6gefefee5, unb bte i)onoratiorenfö^ne
mußten oon neuem bangen. 2)ie (Büexn U()lanb5 maren
oor bie peinigenbe 2Iu5fid)t geftellt, tl)ren 6oI)n feinem Be-
rufe bauernb entsogen ju tef)en, t)telletd)t tljn militörtfd)
ausrüften 3U muffen, ©in neuer ©runb, bie enbgültige
Stnftellung 3U erfel)nen: als Staatsbeamiex märe er moI)I
bienftfrei geblieben.
Sn ber Sd)lad)t bei ßeipgig gingen bie SBürttemberger
3U Slapoleon über. 2lber bie SRefrutierung I)örte be5{)alb
nid)t auf; benn and) ber ?8unbe5genoffe Preußens unb
Öfterreid)5 mugte Gruppen ftellen. ^Damals errei(f)te bie
SSeforgnis ber 3Jlutter ben i)öl)epunft. 5I)r bangte gar 3U
fe^r um ben 6oI)n, fie tonnte ben (Bebauten nic^t ertragen,
ha^ er in ben ^rieg 3iel)en muffe. 6ie beftürmte if)n mit
beforgten ^Briefen. Seine 9Jla{)nung an if)r tapferes SBort,
es folle alles in !Deutfd)Ianb aufftef)en unb fid) gegen bie
gran3ofen mehren, meift fie jefet mit ed)t frauenl)after
ßogit ab: bas fei fdjon red)t unb babei bleibe fie aud), aber
es feien jefet fo oiele aufgeboten, menn bie es nid)t fc^afften,
bann tonne aud) x\)x ßouis nid)ts ba3u tun.
Unb mie \a\) es in biefen Xagen in Urlaub felbft aus?
3u 2tnfang bes 9a{)res 1813 i)at er in etmas fc^mer*
flüffigen 6tan3en bas 9led)t ber ^oefie oerfod)ten, un*
betümmert unb ungel)emmt burd) ^iegslärm unb Jammer
auf il)rer SSaI)n fort3ufd)reiten: (Befang unb S^rieg
gel)ören il)m nod) ^mei Derfd)iebenen SBelten an. !Das
ZaQebud) verrät menig SInteil an bem beginn bes Säe»
freiungstampfes. Slber es ging il)m mie anberen 6cf)ma=«
ben: als bas unnatürlid)e 58anb mit 9^apoIeon 3erriffen
mar, bo 30g es if)n mä(i)tig ins beutfd)e ßager. ^önig
griebric^ felbft mar ein lauer Parteigänger ber Sllliierten;
greimiUigen3U3ug münfd)te er nld)t, tampfbcgeifterte Xü*
binger ©tubenten, mie ©uftat) ©(f)tr)ab, tourben gurütf»
gemtefen. ^Daneben nal)men ober bie regelred)ten 2tu5*
Hebungen if)rcn Fortgang. 6ctt ber 6d)Iad)t bei ßeipßig
ift bei UI)tanb ber innere Umf(f)n)ung üoUenbet. !Der
friegerifd)e ©eift regt fitf) in bem ®n!el bes Jürfen=
fämpfers. T)a5 33angen ber 9Jlutter mißbilligt er unb mifl
ni(^t um jeben ^reis I)inter bem Ofen fifeenbleiben: „So
menig id) mid) mutmilligermeife ausfegen merbe, fo fann
td) bod) nid)t t)er^el)len, baß menn mit ber 3^it oud) bei
uns eine fianbn)el)r, bas l)ei6t eine allgemeine 93oI!5=
bcmaffnung unb Dienftleiftung n)ä()renb bes Krieges etn=
geridjtet merben JoIIte, id) mid) einem foId)en, ber guten
Sad)e 3u leiftenben 2)ienfte auf feine 2Beife ent3iel)en
möchte unb barin eine mal^xe S5erul)igung für mein ganses
fünftiges ßeben finben mürbe."
©nbe 2)e3ember 1813 mürben bie 5)onoratiorenföt)ne
ber ad)i erften Dienftflaffen aufgerufen; bas ging Üf)Ianb
fd)on nal)e an. 2Iber feine mutige SIntmort auf biefe 2tu5»
fid)t finb bie erften SSerfe 5u einem Daterlönbift^en (Be=
bid)te, bie er in jenen ^Tagen niebergefd)rieben l)at Die
gtänsenben 6iege5botfd)aften aus granfreic^ regten meiter
an. 9m l^anuar unb gebruar entftanben in rafd)er Solge
ein paar patriotifd)e fiieber. Um ben ©efinnungsmed)fel
an5ubeuten, folgten ben älteren ©taugen ein frifd)er unb
gegenmartsbeja^enber Sßiberruf, ber gmeite 2^eil oon (Be^
fang unb Meg: beibe follen gur ^Befreiung bes Später«
lanbes 5)anb in ^anb gei)en, ber 6änger finbet fein mür=
bigAres Xl)ema als bie 2tnfeuerung bes SSoIfes 3um {)eiltgen
greil)eitsfampfe. 2)ante, ©eroantes, €fd)t)Ius muffen bas
begeugen. 9^od) ftörfer unterftreid)t er feine bislang oer«
fannte (5ängerpfli(^t in bem öteb eines bcutfd)en
6 ö n g e r s: ®s bünft if)n alles ein ^Tanb, mas er bisf)er
oon alten frommen 6agen, oon SJlinne, 2Bein unb Tlai
gefungen: ,,!Der ^eerfd)ilb ift erflungen^ ber S'luf für§
SSaterlanb." Dieben perfönli(i)e 55etenntniffe follen fräfttg
populäre SBeiJen treten, bie freiltd) rüeniger gelingen. 6el)r
treffenb aber gibt \i^<ä @ebid)t Sie 6iege5botfd)aft
bem Isabel unb ©rlöfungsgefü^I Slusbrud, '^^% nad) langer
banger Ungen)i6l)eit bie SRaci)rid)t „oom guten 6tanb ber
beutfd)en 6ad)e" mecfte. Sold)e 35otfd)aften pflegten auc^
im 6cl)atten bei ©efang unb $un((^ gefeiert 3U merbcn.
— Ul)Ianb ift fein bebeutenber grei^eitsfönger geworben.
©5 fel)lt il)m bie 3Ünbenbe 6d)lagtraft, '^(x^ eigentliche
friegerifd)e Segeifterungsfcuer. 2lber als unt)erfälfd)te
2)otumente aus einer '^txi, bie bie meiften beutfd)en !Did)ter
mitten in ben SBogen bes greil)eit5fampfe5 3eigt, finb fie
uns millfommen. Die groge 3ß^^9ßWtf)te ift il)m, nod)
feinen be3eid)nenben Söorten an ferner „eine ftol3c
greube, in anberer 5)infid)t fein ©d)mer3''.
Die Sßolfen Der3ogen fid), ber grü{)ling, \^txi ber
3meite 2;eil oon ©efang unb ^rieg oorausfagt, (el)rte mie«
ber. 2Iber in Württemberg fünbigte fid) frül)er ols anbers*
roo ber läf)menbe (Beift ber 9^eaftion53eit an. Der erfte
Qa^restag ber 6d)lad)t bei fieip3ig foUte begangen merben.
Ul)lanb mar es feierlid) 3U Sinne, faft mie am Karfreitag.
©r freute fid) ber geplanten ^eftfeuer auf ber 5)eibe oor
ber Stabt. Die ^oli3ei trat ba3mifd)en unb t)erl)inberte bie
geier. 3ebe aud) I)armlofefte unb logalfte iäu^erung
in politifd)en Dingen follte ber SSeoölferung t)ermel)rt
bleiben.
Kur3 oorl)er fc^on mar Ul)lanb es mübe gemorben, im
Dienfte ber 9legierung 3U ftel)en. 23om 3Jlinifter befür«
mortet, maren fd)on mel)rmals (Befud)e um endgültige,
befolbete 2lnftellung bes 2lf3effiften abgegangen; enblic^
\^QXiz man fie l)öl)eren Ortes abgelel)nt. lll)lanb fül)lte fic^
bes Qarrens unb ber frud)tlofen Slrbeit fatt. Kann fein,
\^o!^ er fid) feine tünftige ßaufbal)n burd) 3U fd)nellen 2lu5»
tritt oerborben I)at. ^ebenfalls aber 30g er es oor, mieber
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als freier Slboofat fein 35rot 3u Derbtenen. (Er arbeitete
mit greunb Sd)ott 3ufammen, ber il)m einen Xeil feiner
55ro3effe überlief. 2lud) in eine anbere ^rajis rücftc er
fpäter ein. Qu tun gab es genug; aber 3um 2lbt)o!aten
geboren fül)lte er fic^ meniger als je, unb aud) ber flin«
genbe Ertrag entfprad) nic^t gans ben befd)eibenen 25e»
bürfniffen.
3mmerl)in: im Wax 1814 ):)atte UI)tanb bem Staats^
bienft entfagt, unb fofort fprubelte mieber ber reid)c
poetifd)e Duell {)err)or, bie angeftaute Did)terluft oerlangtc
nad) ftürmifcf)er ©ntlabung. 2)ie smeite ^älfte biefes
Qaljres beheuM ben ^ö{)epuntt feines gefamten fünftleri»
fd)en 6d)affens. ©uftat) (5d)mab fann mit 9^ed)t oon ber
„^errlid)en poetifc^en QeiV reben, in bie ber greunb jefet
eingetreten ift. 2Bir oerbanfen i^r fein Heftes auf bem
©ebiete ber SSallabe, bem jefet eifrigft bebauten. 3n ben
ni^t fe{)r 3a()Ireid)en l9rifd)en (Bebid)ten 3eigt fid) feine
menfd)li(^e ^erfönlid)feit in einer 23oIIenbung unb 2lb=
runbung, bie bisf)er nod) 3U cermiffen mar.
Sarin vor allem befielt bie unenblid)e S5ereid)erung
ber U^lanbfc^en ?perfönlid)feit unb !Did)tung in jener
?Periobe, ha^ er ben ©ruft, ber il)m fo mol)l anftel)en fann,
jeber3eit beifeite 3U fefeen üermag. 2)er Dierte Segleiter
ber IHomantü, ber 6d)er3, l:)at \\(i) jefet bauernb an feiner
Seite eingeftellt, ber iQumor manbelt nid)t mel)r fo aus*
fd)lie6li(^ ^ernerft^e 35al)nen. 2Benn er in parobifc^er
9loman3e bas ^elbentum bes kleinen Däumlings
befingt, menn er ben lRe3enfenten ©pinbelmann auf bem
!ritifcl)en S^loffe, beim t)orficl)tigen (Benuffe ber grül)rmg6*
luft, im Sufammentreffen mit bem näd)tlic^en 6tänbd)en=
fänger 3eigt, fo bemegt er fid) bod) nur äußerlich in ber
2^rabition Xieds unb ber Qeibelberger, bie er hmd) oiele
perfönlid) mifeige SlusföUe auf Sßeißer unb ©enoffen 3U
oerlebenbigen meig. 2lber fein 5)umor ift nod) eine 6tufe
weiter geftiegen, md)t nur literarifd)e Irrtümer unb Un*
arten feiner Q^xt lüeig er fatirijc^ abguurteilen, er erl)ebt
firf) in freiem 2lbftreifen ber 9^öte feines ßebens 3ur 5)ö{)e
föftlid)er Selbftironie. ^5 ging il)m fd)led)t in jenen
Sal)ren, mir miffen es. 2lber er cerfinft nic^t in frud)tIofe
aJleIand)olie, fonbern er befreit fic^ von ber Qual bes
©rübelns unb Sorgens in feinem trefflichen @ebid)te oom
U n ft e r n:
Unftern, biefem guten Sungen
^at es feltfam fic^ gefd)icft;
3Jland)es mär' il)m faft gelungen,
aRand)e6 mär' il)m fd)ier geglücft.
2Bie er l)ier einen ejemplarifd)en $ed)Dogel enblid)
5ur ^immel5l)errlid)!eit eingel)en lä^t, fo mag er felbft,
burd) folc^e 2)icl)tung erl)oben, fid) in ber 3iiJ5ßrficf)t auf
einen günftigen Slusgang feines i)offens unb 5)arrens
geftärft l)aben.
3um britten 3Jlale fe{)en mir Ul)lanb fid) ruften 3um
SBettfampf nic^t me^r mit ben SSallabenbid^tern, benen
er je^t ben 3Jleifter ge3eigt ):)ai, fonbern mit ben ©c^öpfern
Don !Did)tungen großen Slusma^es. Stbermals mie in ber
3:übinger Q^it, ift es bie JRomantif, bie mit il)ren neu er«
fd)ienenen 2Berfen anfeuernb unb anregenb auf iljn fic^
äußert. 3Jlit innigftem 23erfenfen läßt er Xiecfs ^l)antafus
auf fid) mirfen unb plant eine (5r3äl)lung ,,6tille ßiebe"
nad) beffen 9Jlufter. 9^od) mel)r geminnt gouquö über il)n
(Bemalt. 2ßenn 1814 menigftens ein anfprud)5lofe5 2)rama
fertig gemorben ift, ber S'l o r m ä n n i f d) e 25 r a u d) , fo
ift bas 23erbienft bes „2lbenteuren"bid)ters, bem ber ©in«
after mit died)t gemibmet ift.
2)er SSersepifer lll)lanb l)at feit Qelgo, Sllboin, lela»
mon geruht. 9'lomantifd)e SSorbilber bes frud)tbaren
3al)re5 1814 oermoc^ten aud) il)n 3U ermecfen, unb feines
ber 3af)Ireid)en gragmente oon Ul)Ianb erregt foId)e5 Se»
bauern, fo ftarfe 6el)nfuc^t trenigftens nad) einem ober
3ir)ei weiteren ©efängen als ber ©pentorfo g o r t u n a t
unb feine Söl)ne. ®r heheutet ben ^öl)epun!t ro=
mantifd)en ©influffes, bie lefete (Entmicflung ber in biejer
Sd)ule erlernten ironifd)en Urbanität, feine glänsenbfte
formale ßeiftung, ha^ einsige all feiner ^robufte, bem
man has ^ßräbifat genial beilegen barf unb mu^.
(Einem großen fremben unb einem fleinen ein^eimifd)en
SSorbilb eiferte er nad). Senes ift natürlid) 2Irioft, ben
UI)Ianb, menngleid) flüd)tig, ftubiert ^at Slud) feiner
©amoensleftüre bei SSeüer mod)te er fid) erinnern. IDas
inlänbifd)e SSorbilb ift mieberum gouqu^, ber 1814 ein
großes (Epos in ©tangen gefd)rieben l)atte. STud) biefe
pd)ft gebel)nte, mirr pl)antaftifd)e unb oon unorganifd)en
d)aut)iniftifd)en einfd)lägen burd)fefete Corona }:)at
Ul)Ianb eine Qeitlang ftarf überfd)äfet. (Bx las fie menige
Xage oor bem SSeginne ber 2lrbeit am gortunat; ber ©in»
flug ift alfo unbeftreitbar. 2Iber eine SBirfung im ein=
gelnen fu(^t man oergebens, I)öd)ften5 bie Steigung 3u
aroanglofen fubjeftioen 35emertungen mag bal)er ftammen.
2(ber aud) eine SIrioftfopie ift ber gortun at nid)t,
fonbern eima^ burd)aus Eigenes. 2)tefe !oftbaren smei @e=
fange eröffnen einen ©inblid in bie entn)idlung6fäl)ig!eit
ber $erfönlid)feit unb bie 23ielfeitigfeit bes J^atents, oon
benen bie ganse fonftige 2)id)tung Uf)Ianb5 nid)t5 al)nen
lö6t.
S^eun (Befänge foHten bem 23oIf5bud)ftoff abgemonnen
roerben. 2lm 6d)Iuffe bes sroeiten l)at fid) ber 2)id)ter oon
feiner 23ortage, bem Slugsburger ©rucfe oon 1609 unb
bem $arifer oon 1770, fo meit entfernt, ha^ er in eine
klemme geraten fc^eint, bie auf bie gortfefeung boppelt
begierig mad)t. ^is bat)in gel)t er mit 2trioftfd)er ßäffig»
feit ben oorgef^riebenen ßinien nac^, aber oon ber oer*
mtrrenben Überfülle oon ^erfonen unb ^anblungen bei
bem Italiener Ijält er fid) frei. (Er oerfolgt mit rul)iger
^larf)eit fein Si^l freilid) nid)t oI)ne fid) jeben 2Iugenb(i(f
au6erf)alb feinem Stoffes ju ftetlen unb $erfönlid)fte5 in
l)umoriftifd)er Seleud)tung einfließen 3u laffen. ©erabc
im ©egenfaö 3U ber ftrengen ObjettiDitöt, bie bomals fein
Sbeal in ber ernften Didjtung barftellt, muten bie genia»
Iifcf)en 6prünge feiner 6ubje!tipität I)ier boppelt ftaunens«
mert unb ergöpd) an. !Diefe :3ronie mirft ni(f)t mie bei
SSrentano serfefeenb, fonbern fie ift bie unentbel)rlid)e
SBürje, bie ben 6toff erft genießbar mad)t. SBenn man
il)n grömlid) nad)betet, mie bies Jiecfs fafttofes gortunat-
broma 3ur felben "^tii tut, fo mirft er 3erfal)ren, eintönig,
peinigenb. 2)ie Ironie, bie fubjeftioe ©orglofigfeit ber
©toffbe^anblung ift bei UI)Ianb bas 35anb, bas bie biffufen
XeiU 3u einer ©inl)eit oerbinbet. ©r gefällt fi(f) aber ni(f)t
nur in mi^igen glosfeln, fonbern er feffelt aud) burd) eine
lüarm gemütlid)e 2lntei(nal)me an ben 6d)icffalen feiner
^erfonen. Über 33eben!lid)(eiten ber 5)anblung gleitet er
mit anmutigem 23erfd)n)eigen I)inmeg, am beften bort, mo
er nid)t ousbrüdlid) er3äl)It, \^q!)^ gortunat (aftriert merben
foU, fonbern nur anbeutet, es brot)e bem i)elben zivooi^,
mas i{)n, ben 2)id)ter, außerftanbe fefeen mürbe, oon feinen
6 ö I) n e n 3u fingen.
Unb nun gar bie 2lnmut ber 6prad)el STud) in ber
gorm ift ber 2)id)ter fouoeräner 5)errfd)er, ber fpielenb
feines 2lmtes maltet unb mit ooUen 5)änben feinen JHeic^*
tum ausftreut. ©in Hein menig 2(ltertümelei, ein ficin
menig 2)ialeft, ein Hein menig pre3iöfe ©efud)tl)eit: bas
gibt eine unaufbringlid)e fprad)Iid)e 2Jlifd)form, bie ftönbig
burd)blicfen läßt, \^o^ es bem !Did)ter bei aller 2Inteilna{)mc
bod) nid)t fo übermäßig ernft ift. 6d)ließlid) 3eigt er fid)
als 9Jleifter in ber felbftgemä^lten fc^mierigen 6tropl)en«
form. (Er märe aud) nad) biefer 6eite berufen gemefen,
6rt)neibcr, Ufjlanb. 12
bcr beut(d)e STrioft 3U roerben. (£in 9^ad)fal)re l)at i^m
bcfonbcrcn 2)an! unb 2lncrfcnnung gejoUt:
Sir ban!' id) biefe 6tropI)e, btc elaftt{d)
Unb Ietd)t bem ßieb fid) an bic i)üfte fc^mtegt.
Qefet feinen 2ßud)5 beseic^net, ftreng unb plaftijd),
Oefet flatternb als ein 6d)Ieier es umfliegt.
3Jlit ii)r l)at fcf)on Orlanbo I)od)pl)antaftifd)
Unb üppig Son 3uan bie 2BeIt befiegt.
2)0(^ n)ie auc^ in il)r glängt ber 2öelfd)* unb SSrite,
©rft gortunat trägt fie nad) beutfcf)em ©d)nitte.
80 nal)t fid) „U{)Ianb Derel)renb," $ouI Qet)fe in feinem
©tanaenepos ,,2)ie 35raut oon (^r)pern". Ol)ne 9^ad)n)ir»
fung ift alfo tiOi'ö föftlid) fede, lebensfprubelnbe unb mife«
burd)tränfte Sßerfc^en trofe Urlaubs ft^nellem ®rlal)mcn
nic^t geblieben.
2lts Urlaub auf foli^er ^öl)e ber ^unftfertigfeit ftanb,
\iQi bot fid) iftm aud) enblid) bie (Belegenl)eit, bie 6ummc
bes bi5l)er ©eleifteten 3u 3iel)en unb mit einer felbftänbigen
©ebic^tfammlung t)or bie SQSelt au treten.
6. Ä a p 1 1 c (
Sie ®ebid)te
5m ^crbft bes 5af)rc5 1815 finb bte ©ebtc^te oon
ßubiDig Ul)Ianb erfd)ienen; ooUe ad)t :3a^rc l)alte ber $Ian
einer Verausgabe auf 23ertr)irtüc^ung märten muffen. 2tn
mand)er Xüre l)att^ ber 2)id)ter insmifc^en üergeblid) an«
geflopft unb einen großen Xeil feiner ßieber unb 33aIIaben
in S^itfc^riften unb 2IImanaci)en einaeln oeröffentlid)t.
greunblici)e SSermittlung eines einflu6reid)en ^unft»
gönners machte if)m fd)lie6Ud) \ien angefel)enften ein»
I)eimifd)en 58erlag, dotta, miUfä{)rig.
©5 mar ein ©lütf für Ul)tanb0 poetifd)en JRuf, t>a^
ber 2)icf)ter erft jefet, auf ber 5)öl)e feines Könnens, 3um
2(bfd)Iu6 gelangte unb als ein fertiger 3Jleifter oor bie
öffentlid)(eit trat, ber feine eigenen SInfänge fouoerän be*
(äd)eln fonnte. 2)ie Sammlung mies nunmel)r nic^t bloß
einen üiel gemid)tigeren 3nl)alt auf, aud) bie Stnorbnung
mugte babur(^ beeinflußt merben.
!Das fünftlerifd)e Problem ber (Bruppierung einer
Ir)rifd)en Sammlung I)at UI)Ianb burd)aus erfannt unb
gcmürbigt, fo menig t()eoretifd)e Läuterungen mir barüber
Don i()m aurf) t)aben. Oebenfafls l)at er es in ber 5^rayis
trefflid) gelöft. ©inftmals plante er brei (Bruppen: „1, bie
mel)r reflettierenben @ebid)te; 2. D'lomanaen, Sallaben;
3. eigentliche ßieber, G^pigramme ufm." Qu ber erften
12*
180 v^nv^atiSGv^üv^nt^av^nt^ü
)^(Ait er aber red)t mentg SSeiträge aufautoeifen, bte brüte
raar unorganifd) 3ufammengefeöt unb ber Slusflang in bte
\ tljm lüenigft Itegenbe (Battung mußte oerftimmen. 1815 finb
fiteber unb 6inngebtd)te getrennt; le^tere eine altmobifc^e
S'lubrtf, bte in feiner It)rifd)en 6ammlung bes 18. 5al)r=
^unberts fe{)len barf. STuf biefe rütfftönbige Kategorie
folgt nunmel)r eine fet)r neumobifd)e, bie burd) bie geftei»
gerte 2lnnäl)erung an bie IRomantif nötig gemorben ift:
6onette, Oftaoen, (Stoffen. 6o ift jefet in ber SInorbnung
— menn aud) r)ieneid)t nid)t überall mit Ul)lanb5 be»
mußtem SBillen — ber ©runbfafe burd)gebrungen, ^so^^ oom
minber Sebeutenben 3um ^ebeutenberen aufgestiegen
n)irb. Unb \sQi<ö in 5U)eifa(f)er 2öeife: bie (Battung, in ber
Ul)lanb bie reifften grüd)te l)ert)orgebrad)t \)qX, Sallabe
unb D^omange, bilbet ben 2lbfd)lu6, in ben ©onetten ift
gegenüber ber erften 2Cbteilung „ßieber" tüenigftens eine
SSertiefung er3ielt. 2llö anfpruc^slofere (£infd)iebfel, ge*
, miffermagen 3ur STtempaufe, folgt ben beiben 5)aupt*
gruppen je ein 5)äuftein 6inngebid)te unb bramatifc^e
!Did)tungen. SSemugter unb tunftooUer ift ber Slufftieg
innerl)alb ber einaelnen Kategorien; fiieber mie 33allaben
roerben burd) bie fd)n)ad)en tt)einerlid)en 3ugenbprobu!te
eröffnet, um fid) bann mel)r unb mel)r 3u träfUgen.
2)ie (Brunblinien biefer SInorbnung finb in ben um«
fangreid)en S^fäfeen ber ameiten 2luflage t)on 1820 ni(^t
burd)brod)en morben. Die neue (Bruppe 2lltfran3öfifd)e
@ebid)te mitl lebiglid) als 9flad)trag 3u ben Salloben
bienen, bie 93aterlänbifd)en (Sebid)tc finb ein oerfelbftän»
bigter 2^eil ber '^z\i<^,z\A&^it, in bie bie 2Ibteilung ßieber
fc^on in ber erften 2tu5gabe ausläuft. Der epifc^e 2tnl)ang
gortunat fann als einsige 6d)öpfung Ul)lanb5 \stx\, 25erfud)
mad)en, felbft bie Sallaben 3U übertrumpfen.
Sn ber 2(norbnung ber einseinen ©ruppen freust fic^
tQi% d)ronologifd)e ^^rinsip mit einem tiefer liegenben
tünftlerif(f)en, bas bem 2)id)ter gebietet, einmal bem ßefer
feinen gu großen geban!Iid)en ober bie Stimmung gefftl)r»
benben 6prung äujumuten unb bann \l)m ©intönigfeit 3u
erfparen. ©s ift nidjt immer Uid)i, ben ©runbjafe feftgu*
[teilen, ber einem (Bebict)t gerabe biefen $Iafe t)erliet)en
l)at Oft finb es fe^r feine gäben, bie fid) t)om
einen 5um anberen 3iel)en, fo gut mie nie fel)(t biefe 93er^
binbung gan3.
Sie erften ßieber erfd)einen in ber 3ß^^fol9ß- 5lur
Des !Dicf)terö SIbenbgang ift an ben 2Infang ge=
fd)oben, meil er ben mirffamften ^rolog abäugeben t)er=
mag. 21 uf ein Äinb, faft ein 9al)r3el)nt fpäter ent*
ftanben als bie Umgebung, bient in fpäteren 21uflagen als
garter Übergang oom @efang ber Jünglinge jur
^ 0 p e 11 e. 2Bie jener tenn3eid)net es ein ßebensalter, es
I)anbelt t)om Eintritt in bie Sterblid)feit, möl)renb biefe
an ben ^(ustritt mal)nt. ^JJlönc^ unb 6d)äfer l)at
feine I)iftorifc^e Stellung oerloren, um in bie 9^ac^barfd)aft
t)on Sd)äfer6 ©onntagslieb 3U fommen. Dies
religiös angel)aud)te (Bebid)t 3iel)t ben ©efang ber
9^ 0 n n e n nad) fid). Dem 2tufbli(f 3ur Unenblid)f eit bes
5)immels, mit bem beibe (Bebid)te fd)Iie6en, folgt ein SIus»
blid in bie unenblid)en gernen ber ©rbe, ben Des
Knaben 35erglieb tut. i)ier treffen fid) tünftlerifd)e
unb 3eitlid)e 2lnorbnung.
Die 3meite 5)älfte biefer 2tbteilung ift jefet burd) neue
^Beitrage gefprengt, bod) I)at Ul)lanb nid)ts eingefügt, ol)ne
eine 55rü(fe 3u fd)lagen. SBie trefflid) leitet bie le^e ber
Sugaben oon 1834, 5H e i f e , über 3U bem alten SSeftanb,
ber mit ben SBanberliebern einfefet!
9^od) tunftooller unb bemühter ift bie Slufeinanber»
folge ber 25allaben. Der 6 d) ä f e r fd)lie6t mit einem
„(Beifterl)auc^e'' mie bie 23 ä t e r g r u f t , ber in ben Zoh
fd)lummernbe ©reis biefes @ebid)ts mirb burd) D i e
182
ftcrbcnben gelben abgelöft. 2)a5 SBort ^Jingen",
bas in ber lefeten S^i^ß öes SSIinben Königs ertönt,
flingt n)ieber im Xitel bes nö(f)ften ®ebid)t5: 2) er
6 ä n g e r , beffen ^elb ebenfo mie ber [Ritter in (3 r e t =
djcns greube inmitten einer jubeInben SSoIfsmenge
r)orgefüI)rt mirb. dio\m unb ßilien bilben ben Slusüang
bes D'lofengartcns unb ber ßiebcr ber 23or»
3eit, smeier (Bebi(^te, bie fonft inl)altlici) benfbar t)on=
einanber abfte(i)en. SInbere Stummem läßt gemeinfames
2Retrum 3ur ©ruppe 5ufammentreten, fo bie eigcntlid)en
[Romansen unb einen Xeil ber SSallaben Don 1829 unb
1834. 6pöterl)in ftellen fid) ber germanifd)e unb ber ro«
monifd)e 9^ationaIt)elb, ©iegfrieb unb [Holanb, in mv
fungspoller Crgönsung nebeneinanber. Unaufbringlid)
unb unpebantifd) finb biefe 2rnf(i)Iüffe üoUsogen, bie ftc^
bem oberfIäc^Iid)en ßefer oerbergen, bem aufmerffamen
ober 2rd)tung abnötigen ror bem l)oI)en SDZage fünft(erifcf)cr
Strbeit, haB in biefer 2rufreil)ung ftecft.
2)er ©inbrucf mirb oerftärft, menn man über bie
gegenmärtige Stnorbnung 3urüctgel)enb beren ^nftQ^^^'
fommen oerfolgt. 2Bie üiele @ebi(^te l)atte UI)Ionb bis
1815 gefd)rieben, benen er bie 2IufnaI)me cerfagtel 3I)re
3aI)I mirb minbeftens ber ber r)eröffentlid)ten gleid) fein.
9Jlan muß bies energif(i)e !Durd)fieben ber eigenen grud)t
um fo mel)r loben, als gefunbe ©elbftfriti! feine i)aupt*
urfad)e ift. Ut)Ianbs geläuterter äftl)etif(^er @efd)ma(f l)ai
tt)m biefe STusIefe t)orgefd)rieben, nur feiten mag ein fad)«
Iitf)es 33ebenfen maggebenb gemefen fein. © i e
58 ü 6 e r i n , ein für Ut)(anbs 23erl)ältniffe f e(f es (Bebid)t
aus bem 9a{)re 1807, fonnte STnftog erregen, 3mei 2Ib='
f(i)iebsgebid)te an bie greunbe 3U perfönlid) ober aud)
3U „altDöterifc^" erfc^einen. 6onft finb es im n)efentlid)cn
bie melond)oIifd)en ^Probufte bes 2Be{)mut5fängers, bie ber
SSerbannung anl)eimf allen, bie blaffen Sflooemberbilber unb
marflofen offiantfd)cn 5)albballaben. (Es l)ai ]\6) frcilld)
nod) mand)c Stummer in bic 6ammlung l)tnübergcrcttct,
bie oor ben au5gefrf)Ioffenen ntd)t gar oiel ooraus t)at,
2(ber es foUten ous jener ,,tlöglid)en, enblos 2^röncn aus»
ftrömenben" ^eriobe einige ^Proben gemiff ermaßen ols
I)iftorifci)e [Reliquien aufbeu)a{)rt werben. !3m Saufe ber
Seit uJirb ber 2)id)ter bann gegen fein eigenes ^^feubo»
mittetalter immer empfinblid)er. 2)as blutrei(f)e unb bod)
fo blutleere traurige 2:urnei, bie ironifd) gc*
ha(i)te unb baburd) unbeutlid)e gräuIcin5rDad)c ift
in fpäteren Sluflagen getilgt morben, aud) auf grau
Ul)Ianbs 2ßunfd) foU mand)es gefallen fein.
©inigen 23or3eitgebic^ten, beren fraftooUere ^eime tl)m
unentfaltet fd)ienen, üerfuc^t ber !Did)ter neues fieben ein*
3ul)au(i)en; fo ben beiben ©ajoftubien oon 1804, 2) er
bllnbe^önig unb Diefterbenbcni)elben. !Die
23ermeid)(id)ung ber ed)t norbifd)en ©eftalt bes 2Ifd)en*
liegers Uffo, ber fo plöfelid) 3um Qelbentum ermac^t, tann
3U)ar nid)t ungefdie^en gemad)t merben, aber bas gan3e
\)ai bod) meljr ^ed)i, als ßebensbilb aus ber l)croifd)cn
a3or3eit 3u gelten, nun es mit bem fräftigen ©infafe be-
ginnt: „SBas ftel)t ber norb*fd)en ged)ter 6d)ar })od) ouf
besSOleeres 33orb?" — unb nid)t mel)r mit bem tüel)mütigen
aJloUafforb: „(Ein blinber ^önig 30g 3um 9Jleer im grau«
gelodten ^aar . . . unb als er fam 3ur Uferst)ö{)*, ha rief
er JammerooII . . ."
(Es 3eigt fic^ fd)on an biefem 55eifpiete, ha^ UI)Ianb ein
SD'leifter ber geile ift. Äritifd)e Äleinfunft l)at er nid)t nur
3Jlat)er unb ferner, fonbern oor allem fid) felbft gegenüber
geübt. Die (Einmirfung ber greunbe auf 'ü)n mar in tiefer
^infid)t gering, trofebem er fie eifrig 3U 23erbefferungsoor«
fd)Iägen anfporntc. 9^ur bie felbftfid)erften oon allen, ^ölle
unb 23arnl)agen, l)aben il)m Ijäufiger iRat gefpenbet. 3m
übrigen barf Ul)lanb mit die(i)t fagen, ha^ ber 2)id)ter
felbft fein ,,ftrengfter unb feinfter ^ritifer" tft. 2)a5
6tubium ber I)anbfc^nftlid)en fiesarten jetner (Bebic^te ge-
n)äf)rt fo t)iel S^ufeen u)ie ©enug. (£r fd)eut üor feinem
tiefen organifd)en Eingriff ^urücf unb t)erfc^mä{)t aud) ntt^t
\iCi^ Umfd)attieren einer 9^uance burd) ein, gmei gorm=
n)ört(f)en. Das 3t)flifd)e @ebtd)t com ^öntg5foI)n
mußte in fed)själ)nger 2(rbeit immer mieber in hzn
Sd)mel3tiegel gemorfen merben, bis es feine jefeige ?ßrä»
gung er{)oIten \)Oii, in ber es ^xoax nid)t als burd)aus golb=
l)attiges SBertftüd, aber bod) blanfer unb gebrungener
erfd)eint als in ber frü{)eren gefüt)l5reic^ Derft^mommenen
93reite.
58eim ^Titel beginnt fd)on bie fritifc!)e 9^ad)f)ilfe: Der
ajlorbfnec^t erfd)eint 3U frag unb mirb burd) D i e 91 a d) e
crfefet, 6 i e g f r i e b 5 6 d) m e r t löft ben i)örnen ©ieg^
fricb ah, ^a üon ber ^ornl)aut in bem @ebid)t feine IHebe
ift. Die ^nberung im :5nnern ftellt fid) fe^r ^äufig oIs
glüdlid)e Mrsung bar. SO'land)es (Bebid)t \^ai erft nad)=
träglic^ feine allein mirffame Sorm erl)alten. Der jefet
fo flotte unb fnappe fiiebesmonolog Der 6d)mtcb
mußte erft um eine Ial)me 6tropl)e erleid)tert toerben,
@oIbfd)miebs 2^öd)terlcin fd)teppte früljer ben
überflüffigen 5ßaUa|t üon brei formel{)aften $Iusftrop{)en
mit fid). Oft mirb D^otmenbtgfett unb a)löglid)feit foId)er
SSefferung fofort erfannt, oft erft na(^ 3Ronaten ober
3a()ren. 2Im meiften fünftlerifd)er 2^aft offenbart fic^ in
ber fleinen ©inselönberung. S^erft ermäd)ft bas 23ebürf=
nis nad) il)r, als UI)lanb fi(^ fprad)Iid) freier mad)en möd)te.
Der oft bis 5um Unausfte{)lic^en übertriebene 2trd)aismu5
mirb meislid) eingebämmt. 6d)on im 2Irmen 93otcr
I)ot fi(^ ber „grimmiglid)e" Degen alsbalb in einen
,,fürd)terlid)en'' gemanbelt, bie ,,35ul)Iin" in ben 6 1 c r *
benben gelben in eine ©ängerin, bie „^öntg5tod)ter
fein" im 6 d) ä f e r in ein ^önigstöd)"terlein; unb mos für
eine güUe t)on Ungefcfjmocf tft in mel)rmQligem 2tnlauf
aus bem !Rofengarten entfernt morbenl Sie 6d)Iu6-
ftropl)e biefes (Bebid)t5 rourbe in il)rer erftcn ^Jliggeftalt
frül)er 3itiert. 6d)Iie6Iid) lautet fie fo:
2Ber ift es, ber bie ßilien
Tlix treulid) nun bevoad)i7
Sei 2:age bie liebe Sonne,
2)er 9Jlonb unb bie Sterne bei ^ad)t.
9}lanrf)es (Bebid)t ift auf einen ©ufe fertig, ?8 e r t r a n
b e 33 0 r n fpringt gewappnet unb I)oc^gen)ad)fen aus bem
Raupte feines 6ct)öpfers. Sei anberen baut feinfte fünfte»
Ierifct)e Überlegung faft jeben SSers um, bis er genel)m ift.
Der 2B a n e r l)ie6 urfprünglid) „Die Sßaüfa^rt'' unb
begann mit ber profaifd)en SBortftellung: „2Iuf bem gels^
ftranb von ©alicien'' — jefet: „2Iuf ©aliciens gelfen»
ftranbe". 2Bie oiel ftf)öner ift nunmel)r bie perfönlid)c
SBenbung bei ber Srf)ilberung bes allgemeinen (Beläutes:
„. . . mürben alle (Blocfen mac^" — als bas el)emalige:
„^allt es ringsum l)unbertfad)''. galfd)e @emäl)ltl)eit bes
2lusbru(fs, bie oerfünftelt mirfen muß, vo^\d)i fd)lid)ter
9^atürlid)feit: „2öo, ben fie 3um Staub geboren, fid) als
(Sott if)r offenbart" manbelt fid) in: „2Bo ber Soljn, ben fie
geboren" ufm.
3Jland)es gan3 gut gemäl)lte Silb, mand)er plaftifd)
erfd)aute Slusbruct l)at auf biefe 5öeife mol)l einmal bem
nod) befferen meid)en muffen. 2Iber Ul)Ianb ift fein forg*
lofer 23erfd)menber, ber feine poetifd)e gülle mal)llos oer«
geubet, fonbern ein forgfamer Qausoater, ber feinen SSorrat
l)übfd) beifammenl)ält. ^ein guter Einfall, fein braud)=
bares ^anblungsmotio, feine gelungene Prägung barf
oerloren gel)en. Das SJlag oon Öfonomie gren3t oft ans
^omifd)e. Sm SU^efeelfuppenliebc finbet fid) bie
l)eitere 5)albftropl)e:
186
2öenn fold) ein gletfdx^en, tDeig unb milb,
^m braute liegt, has ift ein ?8ilb
2Bie 23enu5 in ben S'lojen.
5liemanb fann a\)mn, \)a^ biefer luftige SSerglcid) aus
einem etwas oernjorrenen ©onette bes 5al)re5 voxl)tv
ftammt, mo ron „(Beftalten ber ßiebe unb Sel)nfuc^t'' gan3
ernftl)aft gefagt mirb: „Sa rul)ten fie mie SSenus in ben
mofen." STn ber Sollabe tjon 1809 2) e r ^ u 6 fonnte ber
5)id)ter felbft roenig (Befd)matf finben. ^urtig rettet er bie
^ointe — ertrinfen infolge \6)wevex IRüftung -— in bie
3U)ei 5iRonate fpäter gebic^tete 9*1 a d) e; 1812 ^at berfelbe
„^u^" nod)mal5 SSermertung unb Umarbeitung gefunben
In bem Qx)tius com ^önig6fol)n, bem jefet ein ero=«
i\\d)t5 2)racl)enabenteuer angebicl)tet merben muß, meil
fein frül)ere5 ßiebeserlebnis bereits ben ©toff 3um 3 u n »
gen ^önig unb ber ©cöaferin I)ergegeben l)ai.
Man mag bas Slrmut nennen; aber Ul)lanb gel)ört bann
lüenigftens 3u ben 2)id)tern, Don benen 6d)iller fagt, ha^
fie il)re Strmut oiel beffer 3u S'late I)alten als anbere i^ren
9leic^tum.
2)iefe r)ielleid)t n)id)tigften Äenn3eid)en eines fünftle«
rifcl)en 5)öl)erfteigens erfc^ltefeen fic^ erft bem ©tubium bes
93ariantenapparates. 2)a6 ber Did)ter aber im ßaufe ber
Seit meitergetommen ift, bas münfd)te er and) jebem ßefer
ber ©ammlung allein beutlicl) 3u mad)en. 3Jlit ben felbft«
ironifierenben Sßorten feines ^Prologs ift S^otmenbigfeit
unb S^latur biefes gortfcl)rittes nicl)t l)inrei(i)enb gefenn*
3eic^net:
Einfangs finb mir faft 3u fläglid),
©trömen enblos 3^ränen aus,
ßeben bünft uns 3U alltäglid),
Sterben muß uns 9Jlann unb 3Jlaus —
bas Seßefentlld)e liegt feinesmegs blo^ in ber über-
mtnbung ber 2:ränenfeligfett, fonbern in einem tiefen Um-
bilbungsproseffe, ber fid) mit bem 2)id)ter Ul)Ianb üoUaogen
l)at (Bv ift, mie bereits in ein3elnen SSeifpielen feftgeftellt
merben fonnte, feit 1805 in langfamem gortf(f)reiten oon
ber @efül)l5fd)melgerei überl)aupt losgefommen, l)ai bas
enge fünftlerifrf)e :3beal aufgegeben, ein bloßer 6tim«
mungsbic^ter fein gu moUen.
!Die STnregung 3um !Did)ten er()ält er n)oI)l naä)
mie üor burd) feine 6timmungen; mie er benn nod) ®nbe
1812 an ferner fd)reibt, meift fei es ein großer 6d)mer3,
ber il)n 3ur ^^oefie mecfe, große ßuft mürbe es mol)l aud^
tun. 2Iber bie Stimmungen finb nid)t me^r ber alleinige
©egenftanb feiner ipoefie. ©as seigt fid) fd)on äußer«
lid) im 6iege bes mel)r epifc^en über bas Igrifc^e (Bebid)t.
3ur oöUigen Ä(arl)eit läßt fid) biefe ©ntmidlung erft aus
ber 23etrad)tung ber 55aIIabengruppe ableiten.
UI)Ianb5 reine Qx)x\t, mie fie bie erften Slbteilungcn
ocreinigen, entl)ält ein paar 9^ummern, beren l)inreißen«
bem unb einfd)meid)elnbem Sauber fid) jeber fünftlerifc^
(Empfinbenbe millenlos beugen muß. Irofebem f)at gerabe
biefe ©ruppe fd)on balb bie meiften Stusfteüungen er«
fal)ren unb !)eut3utage I)errfd)t eine fritifd)e Stimmung
gegen fie oor. OJlan empfinbet fie moI)I gemeint)in als
etmas arm unb eng. 9^id)t in bem 6inne, ba^ UI)Ianb ju
menig 2:^emata (ennte unb bas einselne übermäßig aus»
beutete. Sft bod) bie Sammlung burd) t)orbiIbIid)e Äürje
unb Selbftbef^ränfung au5ge3eid)net. 2Iud) ift fie feines»
megs ouf einen unb benfelben 2^on geftimmt. STm oer-
fel)rteften ift es, bie 9JleIand)oIie als it)ren (Brunbd)arafter
an3ufpred)en. 2Ber fo urteilt, ber ftef)t, mie ®oetf)e, 3u fef)r
unter bem 35anne ber STnfangsnummern; ober er oerall«
gemeinert ben ©inbrud ber i)olf5tümIid)ften Stüde, ber
Kapelle etwa. 3n 2BaI)rI)eit fte{)t ber trübfeligen ßebens^
oerneinung mtnbeftens ebenfo oft eine fro{)e ßebensbe*
jal)ung 3ur 6eite.
Scr ©runb für ben oft gerügten SJlanget Hegt Dtetmef)r
in Uf)Ianb5 23erl)ältni5 gum ©rieben. (£5 iräre falfd) 3U
fagen: in feinem ©rieben felbft, trofebem er perfönlid)
geneigt mar, \iQi% ge{)Ien ftarfer ©inbrütfe als entfd)ulbi«
gung für feine 2Irmut an3ufül)ren. 2Iber UI)Ianb Iiat nidit
3u menig erlebt, er I)at als 2)i(^ter auf bas ©rlebte 3U
toenig reagiert, :3n ber einfamen Tübinger ^eriobe 1809/10
fel)lt il)m allerbings bie 9JlögIid)feit, fid) oon ou^en anregen
3U laffen. 2tu(f) bann reift er nad) ^aris unb fiei)t oiet inter=
effante 9Jlenf(f)en unb 6tötten. Die ^oefie bleibt baoon un=
berül)rt. Unb fpöter gar! ©r t)erliebt fid), gerät in ftarfe
öugere unb innere ^onflüte unb fömpft ben „9^iefentampf
ber 5^flid)t" fiegreid) burd). ^aum aber, \io!^ ein 2Iuf*
feuf3en ober ein Subelruf in feiner figrif mieb er Hingt,
©erabe biejenigen ©rlebniffe, bie ben ^oeten in il)m t)ätten
rei3en foUen, bie iljm jene Jiefe bes ©mpfinbens, jene
"^Qi^i ber ßeibenfd)aft, jene garbigfeit ber 2Infc^auung
I)ätten oerIeiI)en fönnen, ejiftieren nic^t für il)n.
Die llrfad)e ift offenbar bie: UI)Ianb5 i^nbioibualität
tft 3u ftarr, trofeig unb Derfd)Ioffen, um mit biefen perfön-
Iid)en Dingen on bie öffentlid)!eit 3U treten. Seine
Stimmung, bie fann er ber 9Jlenge oorlegen, fein
lüirflic^es ©rieben, fein gan3e5 inneres unb i^m felbft an*
gel)örige5 gül)len nid)t. ©s mangelt il)m nid)t am inbioi«
buellen ©riebniffe, aber nur bie allgemein menfd)Iid)en
^Regungen, bie i^n gerabe befeelen unb bie aud) jeber
anbere gefül)lt I)at unb nad)fül)len fann, merben bie @egen=
ftönbe feines Did)ten5. „^oefie ftellt bas 2lIIgemeine im
befonberen bar'' — fo I)dt er felbft befiniert unb bamit ber
©ntfaltung ber legten Snbioibualitöt, ber eben nid)ts 2111=
gemeines 3ugrunbe liegt, ben Spiegel t)orgefd)oben. ©s
Hegt aber in biefem 23er3id)te fein bemühtes Programm,
bie ©ntfagung ift nid)t gemollt unb burd) JRefIejton {)eroor-
gerufen. 6onbern fie ift ber teufd)en — ober foll man
fagen fargen — Statur bes 2)id)terö felbftoerftänblid).
eine ©ruppe oon fiiebern gibt es freilid), bic fd)einbar
eine 2(u5nal)me mad)t. 3n i^r I)ot ftarfes äußeres ©rieben
bes 2lugenbltcf5 unmittelbar aünbenb gemirtt, \)Qii U{)(anb
fein Iebl)aftefte5 perfönlid)e5 ©mpfinben allen aur S^au
gefteüt. ias ift ber Sali in feinen 93aterlänbifd)en @c-
bid)ten. 2(ber aus il)rer Statur gel)t bod) mieber fofort
I)erDor, baß \)\zx nid)i: t)on einem reinen i^nbimbualerlebnis
bie JRebe ift, fonbern uon ©efül)len, bie bie 3Jlaffen teilen
foHen unb muffen, fo '^^^ alfo aud) l)ier bas innere bes
!Did)ters fict) feine SSlöge gibt, fonbern er mieberum nur
bem 2Iu5brucf oerIeil)t, mas jeber erlebt I)at unb unmittel»
bar narf)empfinben fann.
Sf^atürtid) finb aud) bei Ul)(anb ©inbrüde unb (£mp*
finbungen bes 2(ugenblic!s ber ^on^eption eines (r)rifd)en
©ebid)tes günftig; aber ber 3ufammenl)ang pflegt nur lofe
3u fein. 2ßas eraeugt mirb, ift meift nur eine allgemeine
bid)terifc^e 6timmung, birefte fac^lid)e Übernahme ift
feiten. 9lid)t einmal bie 9af)re63eiten l)ält ber Siebter feft.
3 m 5) e r b ft 3eigt, \^0i^ nid)t ber ©inbrucf, fonbern bas
®efül)l bas primäre bilbet. ©r füt)lt grül)lingsftimmung
in fid), muß aber 3U feiner ©nttäufd)ung merfen, \i^^
brausen 5)erbft ift. 2Iud) bie gi^ül)lingsl)eUe au5ftral)lenbe
55allabe oom :3 u n g e n Ä ö n i g ift im Seaember ent«
ftanben. Solcher SBiberfprud) 3ur 2ßirflid)feit l)at fid)
einmal aud) im 2lnfd)lu6 an ein tatfäd)li(^es ©rlebnis
eingeftellt, bas Ul)lanb getreu abfd)ilbert: 2lls er im
noDemberlid)en S^annenmalbe Werners (Bebid)te las, ba
ftreifte ein ©onnenblid bie 2öipfel unb mit einem 9Jlale
begannen bie SSögel frül)Iingsmö6ig 3u jubilieren. — ©s
gibt in ber ^Tübinger Umgebung (Begenben, bie tgpifd)
befrud)tenb auf il)n mirften. 2öol)l l)at er bas ^äfebad)tal
etli(i)e 2Jlate fenntlid) befangen. 2tber als es 3um legten
3Jlde öcWtß^t, \^^ geftel)t er:
9^ie erf(i)öpf ic^ biejc 2öege,
9^ic ergrünb* tc^ biefes XoX,
Unb bie altbetretnen 6tege
JRü^ren neu mtd) jebesmaL
(Er felbft legt aus bem eigenen Snnern alfo bem oer«
trauten D^aturbilb einen neuen 3nl)alt unter. 3Ran(i)mal
\)<xi er eine l)eimifd)e ©egenb oud) umgebilbet unb um*
gebeutet. 3n meldje gernen t)erpflan3t er bie geliebte
SBurmlinger Kapelle, unb mie feltfam pl)antaftifc^ geftaltet
er im 2: r a u m ben SSIicf 00m ©pifeberg auf \szxi 6d)n)ar5*
malb in eine SJleeresfüftenlanbfc^aft uml ©ine befonbers
ergiebige '^txi \\i für Uf)lanb5 Schaffen, mie für bas oieler
^ünftler, ber frü!)e aRorgen. ©erne befeftigt er bann auc^
feine 2;raumgefi(^te gu bauernben ©eftolten. 2)oc^ ift
feine ^robuftion gana unb gar nid)t an äußere Ungeftört*
{)eit gebunben. 9n bas (Bemüf)l bes Palais royal l)aben
mir il)n begleitet unb bort (Eberl)arbs SBeigborn entfielen
fe^en. 2Benn bas "^^ ber 2)id)tung einmal in SSemegung
ift, bann leitet ber geringfügigfte äußere 2lnla6 2Baffer
auf bes ^oeten aJlül)le. 2lber einer fold)en periobifdjen
2lnregung pflegt er bebürftig 3U fein. 6ie mirb il)m eben»
fooft mie burd) finnenföltige, unmittelbare ©inbrütfe burd)
ßeftüre, bie feinesmegs bloß bireft ftofflid) ober formal
3U mirten braucht. 2ßol)l fommen i^m ©ebanfen an reli-
giöfe ©onette, als er fid)in griebrid) ©c^legels ^()ilo*
fopi)ie einlieft, mol)l fließt il)m bie 3bee 3U ber 9^1 0 m a n 3 e
oom 9le3enfenten aus gouqu^s ©orona. 2(ber bie
Sufammen^önge finb babei ftf)on fel)r meitlöufig, unb
öfter als oon birefter l)ören mir t)on inbirefter 25efru(f)»
tung, oon allgemeiner „(Srmecfung 3U $oefie''. Sie
Sßillensäußerung anberer üermag basu nur feiten bei3u«
tragen, ©eine 3Jlu(c 3u fommanbieren mar er md)t im»
ftanbe. einmal \)qX er fi(^ aber felbft auf fürftlid)e 2In»
regung 3u einem fleinen SSegrüfeungefarmen ()erab»
gelaffen. 2Im meiften muß überrafd^en, ba§ 2) c r gute
Ä a m c r a b ber 93eftellung eines ©olbatenliebes burt^
5)ebel unb ^ölle feine entfte()ung oerbanft.
S3ei einem Dirf)ter, bem äußeres (Erleben im (Brunbe
fo ujenig bietet, ber ber inneren Stimme faft allein Iaufd)t
unb t)on if)rem 'iSiJi^XKtxi abl)ängig ift, möd)te man 5um 2Iu5*
gleich für mangeinbe [Reaeptioität eine ftarfe felbftänbig
probuftioe ^Ijantafie ermarten. 2(ber aud) biefe ift UI)Ianb
oerfagt, unb oon allen 2Jlöngeln feiner ^Begabung I)at er
biefen moI)l am tiefften empfunben. (Er beneibet bcn
greunb Quftinus um bie gäl)igfeit, biefes glänsenben
©piels, \iQi^ „immer unb ftät" mirft, nur I)ier gewaltiger
unb bort milber. Sein treiben in ber ^oefie beftef)t mel)r
„in ben buntleren S'legungen bes ©emüts''. Später ift er
geneigt, aus biefer ^ot eine Xugenb 3U mad)en. 2)em
romantifd) exaltierten ^oeten ßöben gegenüber \^qX er bie
^^antafie als bie ©omäne füblänbifd)er 2)icf)ter be3eid)net.
„©s ift ein trefflid)es altes Spric^mort: Sd)lid)t 2ßort unb
gut ©emüt ift bas z&^it beutfd)e fiieb." So oiel lieber uns
Ul)lanbs fd)lid)te 2ßorte finb als ßöbens oerftiegenes (Be*
ftammel, fo mürben mir boc^ gegen eine etmas ftärfere
5Beimifd)ung oon echter gefunber ^ünftlerpl)antafie bei il)m
nid)ts einmenben.
Seiner ^l)antafie l)aftet etmas burd)au5 5Er)pifrf)e3
an, fie ge^t oom finnlict) begebenen aus. 3^^^^ befonbers
c^arafteriftifd)e gormen feiner im engeren Sinne pl)an«
toftifc^en, bas l)ei6t alfo bie 2Birflid)(eitsmelt überfd)rel«
tenben 23orftellungen mögen bas bemeifen. 25eibe ent»
mac^fen fie gan3 ber il)m oertrauten l)eimifd)en ßanbfd)aft.
2)as eine ftereot^pe ^ilb ift bie Belebung ber 35urg«
trümmer, bie er fo lange imb fel)nfud)t5t)oll betrachtet l)at,
bis fie fid) feinem geifttgen 2Iuge tatfä(i)Uc^ neu erfd)Iie§cn.
3mmer unb immer mieber molt er fid) foId)e5 2öieber»
exwad)m bes entfd)Iafenen, 2ßieberemporblü^en bes 23er»
fcf)ütteten in ©ebic^tform aus, unb fd)Iiepcf) geftattet il)m
bie finnige fr)mboIif(^e ^tuslegung biefes 93orftelIung5=
bilbes, an beffen Sermirflic^ung 3U arbeiten.
%ül)vi biefe ^l)antafieregung in bie Dämmer ber 23or=
3eit 3urütf , erftrecft fie fic^ 3 e i 1 1 i d) in finnlid) nid)t mefe»
bare fernen, fo meitet bie anbere r ä u m I i d) bie 3&ixU
lic^teitsmelt unb üerliert fic^ in unmegbare ^ö^en. 2Benn
Uljlanb auf ben Sergen ber 2(Ib fte^t unb ben SSlicf
fd)rr)eifen lägt, bann bel)nen fid) i^m bie Iid)terfüllten
gernen 3ur Unenblid)!eit. (Bx fal) gerne gen ^immel unb
beoha(i)itie ha^ fröl)(id)e 6piel ber 2Bolfen, benen 3u 2tn»
fang bes gortunat fein ©rufe gilt. 2lber fein ©eift ftrebt
über fie l)mam unb fd)iebt auc^ t)ier bie @ren3en ber Q^xU
Iid)teit unb bes S^laumes beifeite. 23or Ul)Ianb5 ^oeten*
äuge vermag ber ^immel fid) 3U öffnen unb feinen @Ian3
mit bem ber GBrbe 3u permöt)Ien. 2Iud) biefe SSorfteltung
u)ieberI)oIt fid) in ben @ebid)ten immer mieber, unb man
begreift Ul)Ianb5 Überfefeerfreube, als er fie eines Xages
and) in ber i^lbefonsballabe ßope be 93egas antraf.
^ier entnimmt er bie ©runblinien bes $I)antafiebilbe5
ber 2tnfd)auung. Man fotite meinen, ha^ ber erlebnis*
unb p^antaftearme 2)id)ter auf fie befonbers angemiefen
fei. 2)od) in ber fe{)lenben 2Infd)auungsgabe ^aben mir
einen meiteren, t)ieneid)t fd)n)erften Wanqel 3U erblirfen,
ber fpe3iell U{)Ianbs fi i e b e r n bas (Bepräge ber SIrmut
t)erleil)t.
Unb fo bietet er benn in biefer 2lbteilung auf fd)malem
JRaume 9^atur= unb Sal)re53eitenbilber, befingt bie ßiebc,
bie @ottt)eit, bie greunbfd)aft, bie (Befelligfeit, bas 23ater»
lanb. 2tber ben Sflaturliebern fet)(t bie $laftif ber 2ln-
fd)aulic^feit, ben ßiebesliebern bie 2;iefe ber ßeibenfd)aft,
bcn religiöfcn bte brunftige Eingabe, ben gefelligen amar
nid)t bie l)eitere 5)armIofig!ett, aber bod) jenes urtt)ü(i)ftge
Se^agen, ha^ einen ergreift man meig nic^t mie.
©5 ift befannt, mie \e\)x er jeber3eit in unb mit ber
Statur gelebt l)at 2Iber menn er fie fd)ilbern vo'iU, fommt
er über bie allgemeinften garben unb Xöne nid)t t)inau6.
©eine fianbfd)aft5bilber finb mol)! angefd)aut, aber fie
bleiben burd)au5 tijpifd), fie geben nur bie allgemeinften
gormen unb Xönungen ber Xübinger Umgebung mieber,
o^ne fie je 3ur ©reifbarfeit 3u Derbid)ten. ^eine frembe
fianbfd)aft l)at il)n jur 6d)ilberung 3u rei3en vexmod)t,
felbft bie Sd)mex^ nid)t. Did)tet er au6erl)atb Tübingens,
fo I)ölt er bod) bas I)eimifd)e fiotal feft. ©emiffe 35ilber
l)aben unoertilgbar in il)m 2Bur3el gefaxt, fein neuer ©in=
brucf (ann gegen fie auffommen. 2)arau5 mug fd)on
folgen, bog Ul)lanb, mie er nur allgemeine Stimmungen
miebergibt, aud) nur fold)en 3ugänglid) ift. SSon ftartem
D^eagieren auf finnlid)en !Hei3, oon oifueller unb atuftifd)er
©rregbarfeit ift gar feine !Hebe. (£r ift fo l)olb ben
fünften 2:agen, fanften 2;önen, fanften färben. 35106»
lid)e5 Kolorit l)errfd)t oor, ber ,,blaulid) au6gefd)lagene''
grül)ling6= mie ber bunftige 9loi)emberl)immel 3eigen es
gleid)efma6en. (5s fel)lt biefen Sf^aturbilbern ber glut=
DoUe 6onnenbranb, bas fontraftreid)e i)albbunfel, ber
mäd)tige S)all bes ©emitters, bas braufenbe 5ßel)en
bes Sturmes.
6o ftel)t es aud) in ben ßiebesgebid)ten, bie er fo gerne
mit 9^aturbetrad)tung burd)feöt. Da gel)t es brao unb be=
fd)eiben 3u; lauter anmutenbe 23ilbd)en ol)ne ftärferen
3ug, ol)ne fid)tlid) erlebten ©el)alt. 9^ur mer Urlaub
näl)er fennt, fann al)nen, mas n)ol)l perfönlid) empfunben
fein mag. 2ißir glauben il)m bas mirflid)e Erlebnis im
® n t f d) l u 6 / mo ber fd)üd)terne fiiebl)aber im legten
Slugenblicf oon feinen (ül)nen Überfallsplänen 3urüdbebt;
6(^neiber, Ut)lanb. 13
unb allereditefter Uljlonb fprit^t aus bem fleinen ßiebe
2öir fagcn gan3 r)erfd)rr)iegen . . .
9ßa5 foHten tüir aud) fagen?
Sßas tonnten trtr uns fragen?
2Bir mußten ja genug.
Ööf)er als 5um 5Be!Iagen üorübergeI)enber 5)tnbermffe
l)eht ftd) btefe fiiebespoefte nic^t. Die ^lage um bas tote
ßteb(^en bleibt (d)attenl)aft, n)esl)alb man aud) il)re (Er«
Iebtl)eit crnftlid) glaubte in grage [teilen 3U fönnen. Qu'
bem finb bie @ebid)te, bie fie geaeitigt l)at, gum größten
2:eil aus ber Sammlung oerbannt; offenbar als über*
inbioibuell.
©ine ftarfe ßeibenfd)aft, ein fd)mer3lid)e5 ßiebes»
crlebnis {)at ben 5) i d) t e r alfo nid)t 3u förbern r)ermod)t.
2tud) auf religiöfem (Bebiet blieb il)m ber 2luffd)mung oer*
fagt, ber tjon einem neu in il)n getragenen, t)ielleic^t 3er»
fefeenben ^eim 3U ermarten gemefen märe. (Er felbft
fcl)eint fid) in einem 2)Zomente bes Unmuts 3u münfd)en,
er möd)te „in fid) etmas serfollen", bamit il)m bas bloße
6d)melgen in @efül)l unb Dleflefion Dergel)e. 2Iber nid)ts
baoon. 2lud) in religiöfen Dingen erfd)eint alles tlar unb
eben, feine 2öeltanfd)auung 3eigt eine ebenfo milbe 2Ib'=
tlärung mie feine ßanbfd)aftsbetrad)tung. (Bv fül)lt fid)
mol)tgeborgen in ber 5)ut bes l)immlifd)en SSaters. Das
3eigt fid) auä) in feiner 6tellungnal)me 3um Xobe, biefem
fel)r ergiebigen Zl)ema ber grül)3eit. 6d)mer3lid) mel)er
ßebensüberbruß unb mr)ftifd)e 2:obesfel)nfuc^t, ftürmif(^er
ßebensmille unb grauenerfüllte Xobesfuri^t, bas mären
ergiebige lt)rifd)e ^mpulfe; nid^t aber biefe blaß energie=
lofe D^lefignation, bie gan3 gerne ins (Brab ^inabftiege, ber
aber ein SBeiterleben fd)ließlid) aud) rec^t ift.
2Ö05 ift es olfo, mas an mand)en biefer fd)lid)ten, bie
lefete S^tefc bes (Smpfinbens unb ber 9lefIejton entbe{)ren'
ben fiieber I)eutc mie üor I)unbert !5al)ren einen beftrtcfen*
ben Sauber ausübt unb ben ße|er im Innern trifft?
(£l)amiffo5 tenn3eid)nung ber lll)lanbfd)en ßgrif mufe uns
mieber in ben 6inn fommen: „Das finb @ebid)te, mie fie
feiner mad)t unb jeber fie lieft." SSeffer lä^t fid) ber ©in^
bru(! nid)t aufammenfaffen. 2)ie fiieber finb fd)Iid)t in
jeber ^infid)t. 2lber \\)xt ©impliaitöt ift nid)t \üqM, \\)xt
fangl)afte gorm nid)t trioial, il)re mangeinbe Xiefgrün»
bigteit bebingt nic^t Dberfläd)licl)teit. U{)Ianb l)at bie
(§>oSiz, (9rifd)e ©timmungsbilber 3u entwerfen, Don benen
jeber fagen mug: So ift'sl, — bie töie gemiffe (Boetl)efc^e
fiieber ol)ne bas äußere i)ilfsmitte( t)oIfstümUd)cr Xed)nif
eminent oolfstümlid) finb, fo felbftöerftänblid), '^a^ fie
jebem eingel)en; man (ommt gar nic^t auf ben ©ebanfen,
Öa6 fi^ gebid)tet merben mußten. Unb bas ift es, mas
G)f)amiffo meint. !Derfelben ©mpfinbung \)oX Hebbel gegen*
über einem ber fenn3eid)nenbften fiieber biefer 2lrt 2Ius=
brud gegeben: ,,^6) fenne nur ein grüt)lingslieb/' fo
äußert er fategorifc^, „Sie linben fiüfte finb eru)ad)t".
„2Bas ber ed)ten ßt)ri( oorsüglid) im 2Bege ftel)t, ift ber
Umftanb, \iG^^ fie anfd)einenb immer bas 2IIte, bas @e»
n)öl)nlid)e, bas längft SSefanntc bringt. 2Ber fönnte bem
S'leäenfenten etmas (Er!lectlid)es ermibern, ber Ul)lanbs
fd)önes fiieb „2)ie linben fiüfte finb ermad)t" mit ben
2Borten abfertigte: 2Bas ift benn barin gefagt, als baß
alles auf ©rben fid) änbert, bas 6d)Iimme ins @ute, bas
(Bute ins Sd)limme, unb mer mußte bas nid)t, beoor er bas
fiieb in bie 5)änbe betam? 2BeId) I)oI)e greubigfeit ber
Seele, meld) ein ajlut für alle Sufunft im 9Jlenfd)en er*
vdQi&^i, menn il)m bie 3mifd)en ben emigen, ben gunba*
mentalgefül)len in feinem i^nnern unb ben ©rfd) einungen
ber Statur beftel)enbe untrennbare Harmonie in flarcm
ßid)t aufgel)t, bas fd)eint niemanb 3U miffen.'" 2tud)
13*
i)ebbel begnügt fic^, 2Irt unb 2Bert bicfer Slunft rein ge*
fül)l5mä6ig einaufdjäfeen, unb es tft aud) in ber Xat un«
mögltd), fie ^anbgretfüd) 3u machen, fennbar 3u umreiten.
©5 ift in lefeter ßinie ein je ne sais quoi, \iQi^ in ben
beften l9rifd)en ©tücfen Ul)Ianb5 Jeinen 9lei3 ausübt unb
alle So^eifel ftegreid) banieber[d)Iägt.
Da^ fold)e (Einfad)l)eit aber auf bie Sauer 3ur ®in=»
tönigteit füJ)ren muffe, \)(xi Ut)Ianb felbft eingefel)en unb fo
feinen ©timmungsbilbern eine eigene SÖBürge 3u t)erlcil)en
gefud)t, bie mieber fe^ir d)arafteriftifd) ift für feine 6rf)eu,
mit Doller Snbiüibualität l)ert)or3utreten. ©r I)üUt fid) in
3Jla6!en. 9lid)t er ift es, ber oom I)o{)en Xurm aus bas
fc^lafenbe ßanb überblicft, fonbern ein alter ^önig, nic^t
e r feiert bie ©ottesnatur am ftillen 6onntag, fonbern ein
frommer 6d)äfer, nid)t er blidt t)om SSerggipfel in bie
2ßeite, fonbern ber ^irtentnabe. 23ei feiner geringen
5pi)antafie mill unb tann er fid) nic^t näl)er in bie Sage all
biefer 9D^enfd)en t)ineinbenfen, unb fo ift öielfad) nur bem
2:itel (©efang ber Jünglinge, ber Spönnen ufm.) 3U ent»
net)men, aus n)eld)er IHoUe t)eraus er fingt.
©in meiteres ajlittel 3ur 23erlebenbigung ift bie (Ein=
fügung eines epifd)en SlÄoments: aJlond)es ©ebic^t, fo
eben ©er ^önig auf bem Xurm ober bas ^ a r f »
n e r I i e b finb erft l)intert)er burc^ 6treid)ungen il)res er=
3äI)Ienben Clements beraubt unb in lr)rifd)e ^JJlonologe Der=
manbelt morben. 2)ie Söanberlieber mürben o^ne
bie 3t)!lifd)e Slbrunbung, bie einen fleinen D^leiferoman er=
gibt, bei meitem nid)t fo Diel 9^ei3 entfalten. D^lirgeubs
Dielleit^t {)at bie fd)lid)te Unmittelbar feit bes 2)id)ters bie
©mpfinbung ber ein3elnen 63ene in fold) flaffifd) prä*
gnante öorm 3U gießen gemußt, mie l)ier, mo eine gan3e
6fala oon Xönen unb @efül)len burd)laufen unb babei mit
SÖßorten fo fel)r gefpart mirb.
2Ber fo primitioe ^l)emata unb @efül)lsregungen be«
197
^anbelt, ber rt)irb fid) naturgemäß autf) fd)Itd)ter formen
bebtenen. ^n ber Xat mirb bie UI)Ionbfd)e 6tropI)if unb
!R^r)tf)mif immer einfad)er. 2Bic fte ftd) bem ©egenft.anb
unb ber Stimmung an3upaffen meiß, 3eigen mieberum am
beften bie SBanberlieber mit bem merfmürbtg brängenbcn
unb mieber 3urücff)altenben JRI)gtI)mu5 ber 2rnfang53eilen:
ßebe mbl)l, lebe vobl)l, mein ßiebl
9JIÜ6 noc^ ()eüte f(f)eibenl
(Einen Äug, einen Äüfe mir gibi
ajlug bid) emig meibenl
©ine metrifd)e 6d)n)ierigfeit bietet fid) bem ßefer fo
gut mie nie, aud) ber 23er5bau foU auf ben erften ^licf oll»
gemein eingönglid) fein. 2tber bamit, t)a^ fie müI)eto5 3U
fpre(f)en finb, l)aben biefe ßieber il)re 2tufgabe nod) nid^t
erfüllt. 6ie follen ed)tefte figrif fein unb finb es aucf), ha5
{)eigt if)re ^auptbeftimmung ift ber ©efang. ©6 ift feine
mufifalifd)e ßririf im 6innc Xiecfs, ber mit 2Borten 3)lufif
mad)en möd)te, aber fie forbern ben Äomponiften ()erau5,
Dor allem ben \d)l\d)t Dolfsmägigen Dom 6cf)Iage ©ilc^ers,
bem fie ha5 banfbarfte ©ubftrat geben. Dod) l)aben auc^
bie großen unb fleinen 23ertreter ber fünftlid)en ßieber*
fompofition I)ier eine faft unüberfel)bare ©rnte ge{)alten.
m\d)t alle ßi)rif Uf)ranb5 ift aber liebljaft. (Er ift
6prad)meifter genug, um fid) aud) in ben anfprud)5='
DoIIercn, funftreid)en Iiterarifd)en gormen gu r)erfud)en,
mie fie il)m 2tntife unb 9^omantif barboten. aJlit foId)erIet
!Z)id)tungen füllte er bie Slbteilungen Sinngebid)te
unb Sonette ufro.
(Eine gemiffe epigrammatifd)e ^Begabung ift il)m eigen.
2Iud) in ßiebern läßt er öfter eine glüdlid)e ^ointe über*
raft^enb I)erau5fpringen. :3m eigentlid)en Epigramme
nad) antifem aßufter, bas f)eißl im 2)iftid)on, J^at er eine
Seitlang gerne SBife unb gormgctDanbtI)ett getummelt, fo
rüenn er, bamtt am metften in bie ^al)nen feines SSetters
5)aug einlenfenb, fpielerifd) geiftreid) in einer 2)iftid)ens
ferie ^^o^^ Unglücf unb bie @efüI)l5Dertx)irrung oon 9^ a r »
3i6unb(Ed)o fd)ilbert. ©r I)ot fid) bamit übrigens am
menigften 33eifaII 3u ermerben gemußt; 23arnl)agen nennt
feine (Epigramme „fonberbar, meift fpifefinbig unb un»
flar". 3m übrigen entl)ält biefer 2Ibfd)mtt großenteils ©e»
Iegenl)eit5gebid)te.
3Jlan foHte benfen, Uf)Ianb, ber feine SO^ufe nid)t 5U
fommanbieren mußte, fei ein fd)Ied)ter unb unauoerläffiger
^afualpoet gemefen. 2öoI)I ift mand)er enttäufc^t morben,
ber auf i^n baute, unb aud) i{)m blieben ßuft unb Saune
bismeilen aus. 2tber mer gu märten oerftanb, ber fonnte
burd) eine allerliebft'e (§)0^z überrafd)t merben. ©o ging's
bei bem SSerfpäteten ^oc^geitsliebe, bas bie
2Serfäumnis triftig motioiert: „2)ie SO^ufe fef)It nid)t feiten,
menn man fie eben miti'' — bann aber alles gut mad)t mit
bem t)übfd)en 2Bunfd)e, ^Oi^ man bem jungen $aare 3u
jeber '^txi möge ein 33rautlieb fingen fönnen. 99^erf=
mürbigermeife r)ermod)te er am Xotenbette ber 9Jlutter bie
©timmung in ein paar furgen SOflomentbilbern 3u fixieren.
2)ie beftc @eIegenI)eitspoefie meift bereits ©onettform
auf, fo bie 2;rauergebid)te auf ©angloff. Sn ber ted)ni=
fd)en i)anbl)abung mie in ber fad)Iid)en SSermertung biefer
(Battung seigt fid) Utjlanb am menigften frei; bie 9lomantif
\^^i it)m, mie mir bereits miffen, beibes biftiert, in il)m aber
einen ^öd)ft gelet)rigen 6d)üler gefunben. 5)er ^ern fetner
mel)rmaligen tI)eoretifc^en SÜußerungen über bas ©onett
ift folgenber: 2)as ©onett gemährt bem beutfd)en 2)id)ter,
ber ni^t über eine foId)e gülle oon flangoollen ®nbung5=
filben oerfügt mie ber JHomane, erl)eblid)c reimted)nifd)c
©c^mierigfeiten. Sm !Deutfd)en mirb bie gefd)Iiffene unb
fünftlid)e gorm erft geI)oben unb gered)tferti0t burd) ben
in fie gegoffenen ©etft. Sas beutfd)e Sonett tft fein Ieid)tc5
6p{et, fonbern ein befonnencs ^unftröerf. Sim ©üben
finb bte 6onctte Blumen, bei uns i^umelen. Semnad)
I}anbelt es ftd) 3unäd)ft barum, für bas 6onett einen be=
beutfamen Snl)alt 3u finben, ber ftd) gliebern foll in 2tuf*
gäbe unb fiöfung. Dafür bietet gleid) has erfte Sonett ber
.Sammlung ha^ befte SSeifpiel (23 e r m ä d) t n i s). Der
.©ebanfe in ©pigrammform mürbe lauten: 2Bie jener fter*
benbe ©önger ber (Beliebten fein ^er3 in einer golbenen
^apfel, fo \d)\de irf) bir \)a5 meine in ber (oftbaren Raffung
bes Sonettes. 2I(fo eine 2Irt Epigramm ift aud) ha5
Sonett, in bem nad) lli)Ianb6 gorberung oöUige formale
unb ftoffIid)e 2IbgerunbI)eit ergielt, ein in fid) fertiges 25ilb
entrrorfen merben foU: ,,Unfer Sonett ift mel)r malerifd)
als mufifalifd)." Die genaue ^Befolgung biefer ^Regeln, bie
ftrenge ©ntljaltfamfeit oon allem gormgedingel, lögt bie
UI)Ianbfd)en Sonette einen I)ol)en !Hang einnel)men. Sn
einigen göUen finb es mirüid) (Bemölbe, bie er entmirft.
Den malerifd)en Stnblid berS^^i^ungfrauen, bas
I)aIbr)ifionäre, l)alb mirtlid)e (Erlebnis im 2öalbe bei ber
ßeftüre oon Werners Did)tungen bringt er in Sonettform.
Die Ottaoe, bie im gortunat bie 2;ummelftätte ausgelaf=
fener ßaune ift, l)at er innerhalb biefer ©ruppe ju ernften,
feierlid) fd)reitenben ©ebid)ten oermenbet unb I)ier ber
5RefIefion me^r ©ingang oergönnt als in bie Iiebf)aften
gormen. 25ei ber ®Ioffe oermag er aber auf bie Dauer
nid)t ernft{)aft 3u bleiben unb erfennt in il)rer fpielerifd)en
gorm bas gegebene (Befäg für fatirifcf)e ßaune.
25isl)er mag bie Sammlung einiger Sd)U)anfungen
unerad)tet ein einbeitlid)es poetifd)e5 S^ioeau barftellen.
Die ©ruppe ber 25 a 11 a b e n erft 3eigt, aus it)eld)en
5tieberungen biefer SInftieg 3ur i)öi)e erfolgen mußte.
Die erften 5^ummem: (Entfagung, Die 3^onne, Der
Sran3^ Das Sd)Io6 am 2Jleer ufm. ^aben red)t jüenig
20Q
^Ballabenmägiges unb untßrfd)ctben fid) nur burcf) ein
leifcs gortrücfen, eine geringe epifd)e 33etüegung Don tien
ir)x\\d)m Stimmungsbilbern. Derblinbe^önig unb
Der treue 2öoItf)er seigen energif(f)eren 6(f)ritt
immer aber fc^iebt fid) mieber 3n)if(f)en bie me{)r boUaben*
I)aft 3u nennenben 6tücfe bas l)oIb epifd)e ©timmungsbilb.
60 erlebt man in ber Sammlung ha5 allmäl)lid)e fio5=
ringen bes 2)id)ter5 üon feiner übergefüt)Ii)oIIen, t)er-
fd)mommenen er3ä()Iung5manier mit. ^er Äampf um bie*
ed)te 3SalIabe f)at bei U)m Sofire gen)äl)rt, unb ber erfte
(B'mhxud) in bas gu erobernbe ©elänbe, ^Iein9loIanb
(1808), bedeutet nod) lange feine bauernbe 95efiönal)me.
!Die 58ürger=6toIbergfd)en Sugenbi)erfud)e finb aus
ber 6ammlung oerbannt. 2Bir n)ünf(f)en ein (BIeid)e6 oon
ber SBäd)ter=6afogruppe, fomeit fie nid)t mie im SSIinben
^önig üerjüngt unb erftarft erfc^eint. 2Iu5 i^r ift aber
manches ftel)engeblieben, meil eben ber (Befd)ma(t bes
2)id)ter5 an biefer nebeltrüben SSorjeit mertmürbig ein*
gefleifd)t mar. D^od) 1812 liefert er im Xraurigen
i u r n e i eine Umarbeitung ber S r a u t oon 1805, unb
im gteid)en ^al)v erft erfä{)rt 2)er^önig5fo^n feinen
enbgültigen 2tbfcf)Iu6. Das farblofe SSorseitbilb oerrät
mal)r!)aftig nid)t6 von ber grünblict)en Kenntnis bes WüteU
alters, bie fid) bamals fd)on bei Urlaub ous^ubreiten
begann.
6eit 1806 ge{)t neben ber allmöl)lic^ mel)r 5urücf»
tretenben ©aro=2ißäd)tergruppe (bie, mie mir miffen, oud)
fd)on am SSoItsliebe gefd)ult mar) bie SSoIfsIiebgruppe,
ober fagen mir beutlid)er 2ißunberf)orngruppe, f)er. !Die
3unäd)ft ungünftigen Seiten biefes ©influffes finb fc^on
I)erDorgeI)oben morben: bas gefü{)l5mä6ige a)loment fanb
I)ier neue ^al)rung, menngleic^ ciud) bas epifd)e (Bemiffen
bes !Did)ters ein menig gefd)ärft mürbe. 60 finb es menig*
ftcns mirflic^ fo 3U nennenbe ^aHaben, beren er jefet eine
5ReiF)e I)eröorbringt. ^h 3ur ^artfatur fann fic^ bie nad)^
gcma(f)tc Xrübfeligfctt unb gormel^afttgf eit bes 230115=»
liebes ftetgern in ben !D r e i g r ä u I e i n mit i()rer fo un«
rüaf)rfd)einlic^ tppifiercnben ^feubotragif. Sas be[te biefer
gan3en (£po(i)e ift jroeifellos nocf) Der fd)rt)ar3e IRit*
t e r , in beffcn !R^r)tl)mif mit @Iü(f eine bumpfe, atem»
beflemmenbe ©timmung getroffen ift, menngleicf) bie alter»
tümeinbe 6prarf)e and) l)ier gesiert erfd)eint. Die ®efül)t5*
ii)eid){)eit ift nun menigftens auf eine (Beftalt bes ßiebcs,
ben ^önig, übertragen.
Der 6cf)ru6banb bes 2Bunberf)orn6, 1808/09, ftf)eint
oon neuem anregenb gemirft 3U I)aben. Die Zed)nxt ber
9^ac{)bid)tung I)at aber in3n)ifcf)en geri)ed)felt, nid)t nur
etn3elne gormen, fonbern umfaffenbe gormeln raerben er»
borgt unb burd) il)re oft gan3e SSerfe I)inburrf) getreue
übernal)me eine oolfeliebmägige tprägung er3ielt, über
bie f)inau5 eine 2Innäl)erung an t)a5 23orbiIb faum me{)r
benfbar märe. :5nDer2BirtinXöd)terIein ge()ört
eigentlid) nur bie mirffam abgeftufte ^ointe UI)(anb, bem
SBortlaute nad) ift ha5 (Bebid)t faft ein 9Jlofaif aus
2Bunbert)ornreminif3en3en. ©ine foId)e ift and) 3um ßeit*
motio für ®oIbf(f)mieb6 Iöcf)terlein gemorben,
has feinen 6toff mof)I nod) aus 9Bäd)ter gefd)öpft \)ai.
Da^ es möglid) mar, auf biefem 2Bege beträd)tlid)e fünft»
Ierifd)e ^ö^en 3U erflimmen, bas 3etgt bie glän3enbfte aller
23oIf5liebnad)aI)mungen, bie mir befi^en: Der gute
.^ a m e r a b. 2Irnim \)aite im 2Bunberf)orn bem alten
Sieb „S'leoelge" (5inbringli(f)!eit unb SSoIfsmögigteit 3U
oerIeiI)en gefuc^t, inbem er es ftarf auf f(f)m eilte. Uf)Ianb,
mit 3meifenos oiel befferem ^afte, \a\) bie tiefere 2Birfung
an größere ^nappl)eit gebunben. Qx benufet bie 5)aupt*
fituation ber SSorlage unb ft^IIt fie ein3ig im Siebe I)eraus.
Durd) bie I)öd)ft glütflic^e perfönlid)e SBenbung: „tS d) l)att*
einen Slameraben — " fid)ert er ber fdimalen ©rsö^Iung
größeren ©emütsantcil, als burd) gefü{)l5mä6tg breite
Slusmalung ber 6ttuation je errei(i)t rtjerben tonnte, unb
Derftel)t es überbem, ol)ne Mnftelet bte Siftion bes ©e*
btd)te5 fo 3u I)alten, ^a^ man ben Don btefem Erlebnis
burd)fd)ütterten einfad)en aj^enfd)en gans glaubhaft reben
f)ört. 60 ift ein fleines SJleiftermer! entftanben, beffen
einbringlid)e 5ßtr!ung burd) ha5 erbarmungslofe moberne
3erfingen ^toax oerborben, aber oud) immer mieber neu
bemiefen mirb. Snbes, es ift l)ier bod) nur mieber jene
Äunft ber einfad)en ©elbftt)erftänblid)!eit entfaltet, bie
Ul)Ianb5 befte lr)rifd)e 6tü(fe au63ei(i)net. !S^x xt)al)ven
SSallabe fül)rt t)on \)a aus fein 2öeg.
9n ber Zai mußte Ul)lanb erft einen 6eitenpfab be=
fd)reiten, um aus ber t)alblt)rifrf)en 23oIfsIiebfpI)äre I)erau6*
3ufommen; 3ur ed)ten SSallabe gelangt er über bie S^lo«
mange, bie er 3unä(^ft aud) als eine frembartige, be=
fonbern 6toff= unb ©tilgefe^en untermorfene ©attung
bel)anbelt. kennen gelernt l)at er fie mof)! aus 6eden=
borffs 3U)eitem 2IImanad), mo mel)rere d)arafteriftifd)e
groben aus bem 6panifd)en gegeben maren, in reinerer
gorm als fie \l)m einft Berbers dih erfd)Ioffen l)atte. 2)ic
^omansen, bie UI)Ianb 1809/12 gebid)tet l)ai, tragen
alle ein gemoUt fremblänbifd)e5 ©epröge, menn man Don
bem I)armIofen IR ä u b e r abfie{)t. UI)Ianb mill in eine
füblänbifd)e 2ItmofpI)äre füf)ren; aud) menn er t)on
Xurnier unb 9Jlinne fprid)t, umn)el)t uns nid)t bie ßuft bcs
beutfd)en SJlittelalters, fonbern bie ber G^ibroman3cn.
2)eutlid) mirb bie 25e3ie^ung 3u ©panien im Äafti»
Iifd)en S'litter, in 6t. ©eorgs ?Hitter unb in
ben ß i e b e 5 f I a g e n. 6eit ben ^farifer 6tubien in ber
9loman3enform moI)t bemanbert, l:)at er fid) ein paar SiiU
mittel aus i{)r angeeignet: bie mirffame 2InapI)er, bie burd)
ben nac^brucfsooU einfefeenben Zvod)'dn5 erleid)tert mirb,
unb ben gleid)fall5 baburd) begünftigten paraflelen ©o^*
bau. („^öxet nt(f)t ben ßörm ber 6d)Iad)t, 5)ört nt(^t
feines !Roffe5 Sßiel)ern" u. bgl.). STm ireiteften gel)t bic
btrefte 2lnlef)nung in ben I)eiteren ßiebesflagen, I)icr ift
bie (öffig refümierenbe gormel: ,,Um es unDerblümt ju
fagen" birett aus ßope bc 23ega übernommen. Slllsuoiel
inneren 2InteiI bringt ber 2)id)ter fid)tlid) biefen bunt
romantifd)en Stoffen nirf)t entgegen, ber D'litter t)on
^aftilien 3umal nimmt fid) mic eine blo^e 6tilübung aus.
SIber bas ift es ja gerabc, mos Ul)Ianb braud)t: er foll
lernen, ficf) über feinen 6toff ju er{)eben, fid) bie ®efül)le
ber ?Perfonen nid)t me!)r all3ufel)r 3u eigen 3u macf)en.
23erfud)t man nun, ben 2Iuffd)mung 3u (enn3eid)nen,
ber fid) in feiner gefamten Sichtung, in ber 55a(Iaben«
probuftion aber am aüerbeutlid)ften, funb tut, fo mirb man
am beften fagen, er ift Dom Subjettioen 3um Objeftioen
oorgefd)ritten. Das mag trioial Hingen. 2Iber UI)Ianb
felbft mürbe biefe Äenn3eid)nung als burd)aus bedenb
empfunben f)aben. 2Ius ber JHe3enfion 6d)ober5 ge()t I)er=
t)or, ha^ er fid) fd)on 1805 3U begeiftern mußte an gan3
einfad)er objettioer ^unft, ber feine ^rajis nod) meilen^
fern mar. 1807 fd)eint er fid) auf3ubäumen unb bie 9'led)te
feiner ©ubjeftioität 3U oerfed)ten: „Sollte ber 2)id)ter
alles barftellen bürfen, nur fid) nid)t? 2)ie Ir)rifd)e ^oefic
ftef)t ber ©ubjeftioität offen." 2Iber mieber 3mct :3al)re
fpäter fommt bie Umfel)r: „Ss ift mir oft, als märe nid)t
?Poefie, mas ic^ fonft bafür ()ielt. !Das bloge IRefleftieren
unb bas 2lusfpred)en ron ©efü^Ien . . . fd)eint mir nämlid)
nid)t bie eigentlid)e ^oefie aus3umad)en. 6d) äffen
foll ber !Did)ter, S^eues f)erDorbringen, nid)t bloß leiben unb
bas ©egenmärtige beleuchten!'' Damit mar alfo ber ob»
jettioen ^oefie bas 2ßort gerebet. 6ie ftel)t 'ü)m nid)t nur
abfolut l)öf)er, fonbern fd)eint il)m je^t aud) ber eigenen
tünftlerifd)en Slnlage am meiften 3U entfpred)en. Unb in
ber Xat — ein 2)id)ter, bem es an gäi)i9feit poetifd)en
204
(Erlebens, an ftarfer $f)antafte unb ttefgrünbtger JRefleflon
gebnd)t — mas foüte für biefen tro^l günfttger fein, als
bie objefttt) berid)tenbe Sßiebergabe eines Stoffes, ber il)m
bereits irgenbmie geformt Don außen angetragen n)irb?
Snftinftit) brängt es 'ü)n feit 1809 immer mel)r 3U ber
©attung, in ber tatfäd)Ii(f) bie ftarfen SBurjetn feiner ^raft
lagen. „SO^eine ?^oeterei verliert fid) beinal)e gan3 in
^ßallaben, id) bin mirflid) mieber in foId)en befangen!"
5)en S'leifenben ferner beneibet er um bie poetifcf)e Stus«
beute feiner romantifd)en %al:)xt: „Sie alten 35urgen mit
if)ren ©agenl 5ßaIIaben!" ®s ift aber 3unäd)ft nod) eine
2Irt t)on unglücfli(f)er ßiebe, bie er I)egt; benn nur taftenb
unb au5na{)msmeife Dermag er ben eckten ?8aIIabenfti( 3u
treffen.
SBirflid) ()erange3ogen morben ift ber 35aIIabenbic{)ter
Uf)tanb burd) fein bel)arrlicf)es Stubium ber ed)ten 93or3eit=
benfmäler. 3unäd)ft l)at er and) an i^mn als 5lad)al)mer
unb Überfefeer I)erumgeftümpert. Diefe äu6erli(f)e 9^ad)»
lüirfung ift fdjnell verflogen. Die innerlid)e l)at fid) lang»
fam eingeftellt, um aber bann befto fefter 3u I)aften unb
unoerlterbar 3u merben. Tlan muß bebenden, mie fel)r
er um3ulernen I)attel ©in meiter 2Beg fül)rte üon ber
6afo = SBäd)ter = Offianfd)en 93or3eit 3U bem fernl)aften
OJlittelalter, beffen lebenbige Kenntnis aus UI)Ianbs 93or*
lefungen fprid)t. 5n xl)xm (Brunblinien ftef)t biefe reife
©infid)t bereits in ber Seit feiner beften 23aIIabenbid)tung
feft. Tlit übermäßigem fuIturI)iftorifd)em !Detail i)at er fie
niemals belaftet. !Die große (Erfenntnis, bie if)m auf*
gegangen mar, betraf im meiteften Sinne bie Slunftformen
unb bas ©tf)os bes beutfd)en TOttelalters.
SBas ed)ter 93or3eitgeift ift, bas burfte er fic^ 3uerft in
$aris einbringlid) !Iarmad)cn. Damals i)at jene fgfte»
matifd)e (Jr3iel)ung eingefefet. Die (Ergan3ung auf beut*
f(^cm ©ebiete blieb nid)t aus. ©s mar ein epoc^emac^enber
STugcnbltcf in UI)Ianb5 poeti(d)er (Entrricflung, als am
8. 2luguft 1811 6d)ri)ab mit bem eben erfc^ienenen !Deut*
fd)en ^elbenbud) t). b. i)agen6 bei il)m eintrat, „©s öffnet
fid) in biefen (Bebid)ten eine gans eigene 2Infid)t ber $oefie:
bie äu^erfte Objeftioität, ber burd)gängige treue beuttd)e
6inn." Das alte 6d)Iagu)ort alfo, aber in neuer ^Se*
Ieud)tung; jefet td)eint es erft an überjeugenben 35eifpielen
Ul)Ianb gan3 tiar gemorben 3U fein, mas er unter jener
üielgerü^mten Objeftioität 3u perftel)en l)abe. Unb er lernt.
9^id)t mel)r in ber äu6erlid)en Sßeife mie frül)er. 2Beber
ftofflid) nod) fprad)Iid) färbt bas 5)elbenbud) bireft ob.
9^id)t nacl)al)men fonbern fid) mit bem ©eift ber SSorlagc
erfüllen unb es bann gan3 anbers mad)en — biefes D'lesept,
bas ©rillparser einmal für bie 2tusnufeung groger poe»
tifd)er 23orbilber gegeben \)qX, tonnte er aud) als bas feine
be3eid)nen. Oene SBorte: Dbjeftioität, treuer beutfd)er
Sinn merben il)m l)alb unbemugt 3um Programm. Die
Z&/IZ UI)Ianbfd)e 53allabe batiert aus jener '^txi.
„Ul)lanb \)qX bie Saufunft oon (Boet{)e5 23allabe ge-
lernt" — fo lautet bas Urteil ©ufefoms. 5n ber Zoi liegt
mie bei ben beften ßiebern fo aud) I)ier nur ber SSergleic^
mit biefem I)öc^ften SSorbilbe nal)e. Der bemühte 3^'
famment)ang aber ift in ber ?Reife3eit faft gan3 Derloren.
Die innere 5äf)nlid)teit ber 2Infd)auungsu)eife unb bes Stils
fonnte UI)lanb felbft nid)t entgel)en. 2lber mieberum finb
es oor allem negatioe Kriterien; beibe ftel)en gleid) meit
oh oon ber rI)etorifcf)en Sallabe Sd)illers, oon ber ge*
be{)nten, an (Ein3ell)eiten unb r)ifuell=afuftifd)en ©inbrüden
reid)en 5Sallabe ^Bürgers, ber ftogmeife er3äl)lenben, in
gormein gebunbenen ard)aifd)en SSoltsballabe. W\i biefer
finb fie Dielleid)t nod) am näd)ften oermanbt. STber ber
Stil ber SSoltsballabe ift jefet il)r 2lusgangspunft, nid)t
mel)r \\)x '^\z\.
Ul)lanb5 Sallabe ift objeftiD, bas l)ei6t fie fie^t in ber
Darftcllung bes fafttfd)en @efd)el)ens tl)rc ^Hauptaufgabe
unb meibet (BefüI)l5frf)U)eIgerei tüie fd)mü(fenbe ©emälbe.
6ie ift ftiboll, bas ^ei^t fie ftel)t il)r l)öd)fte5 äugcres ©cbot
in ber völligen ©intielligteit oon i^n^alt unb gorm. 6ic
ift etl)if(f), bag l)ei6t fie t)erfid)t beftimmte fittlid)e Sbeale.
6ie ift enblicf) {)iftorifc^ infofern, als fie feften SSoben unter
ben Süfeen \)at, in bie ^Realität ber befannten SSorseit füt)rt,
and) voo il)r ©egenftanb ber 6age ober ber ©rfinbung
entfpringt.
,,2)ie SSallabe n)irb um fo fieserer i^re eigentümlid)e
SBirtung üben, je meniger fie ausmalt, je meniger fie über
bie n)efentlid)en 3üge ber 2tnfd)auung, Situation unb
^anblung, bie ben ©mpfinbungen gum iräger bienen foU,
f)inau0ge^t/' 60 tiat U{)Ianb 15 :3al)re fpäter im 6ti(ifti»
fum feine 8c^üler belel)rt. 2)ie 9fleinl)eit ber ©attung nad)
biefer 6eite ^in gu n)al)ren, ift aud) in ber 9^eife3eit feines
6d)affens oberftes, freilief) nid)t tf)eoretifd) bemühtes ©efeö-
SSermöge biefer Objeftiüität finb Uf)Ianbs SSallaben bie
oieUeidit epifd)ften, bie mir befifeen. 6ie brängen bas
figrifc^e mit ber S^it tJÖIIig 3urü(f, o{)ne fid) nad) 2Irt
anberer ftar!er SaIIabenbid)ter, etwa 9}ler)ers, bem Dra=
matifd)en all3ufel)r 3U nöl)ern. 2ßol)t liebt UI)tanb5 35allabe
fel)r diehe unb 9^ebef3ene, nid)t aber ben eigentlid)en brama=
tifd)en, fd)arf 3ugefpiyen unb einem ^öl)epunft 3uftreben=
ben Sialog. Sas 6d)Io6 am 9Jleer, ein rein bialo«
gifd)es @ebid)t, mirb niemanb bramatifd) nennen moUen,
unb felbft 2S e r t r a n b e S 0 r n , ber alles @efd)el)en
in bie gorm bes Dialoges 3ufammen3iel)t, lägt bie Sieben
3U meit auslaben unb nid)t berart 6d)lag auf Sd)lag
folgen, ha^ oon einem mirflit^ bramatifd)en ©ffefte ge=
fprod)en merben !önnte. D^amentlid) in ber ©ypofition ift
bie Stebe ein beliebtes (£infül)rungs'= unb SSerlebenbigungs*
mittel.
6tets ift Urlaub barauf b^ha^t, fnapp unb oerftänb«
lid) in bie ^anblung ein3ufül)ren unb fie in lütfcnlofer
golgc fiel) abfpielen 3U laffen. ©r fennt nid)t bie Sprung*
l)aftig(eit bes SSolfsIiebes, bei bem man oft fo Diel 3n)i{d)cn
ben 3ßi^ßn lefen mug, aud) nid)t bie i)enbun!elted)nif
Slnettes, bie ein paar ©inäelfaenen grell beleuchtet, um über
bie anberen einen um fo bid)teren 93orl)ang 3U breiten.
Unr)erftänblid)feit bleibt ber Ul)lanbfd)en 35allabe fern, im
23erlaufe ber 5)anblung mic in ber iptr)cf)ologie ber $er*
fönen, bie meiftens einfacl)e Staturen finb, allgemein
9JZenfd)lid)e5 erleben unb au5fül)ren. Diefe unproblematifd)
milbe ^larljeit ift ed)ter (Epenftil; unb Ul)lanb ftrebt biefem
aud) barin 3u, t)a^ er fid) gelegentlid) einmal (leine 2lnfäfee
3u epifd)er ^Breite geftattet. ^n ber flott er3äl)lten J a i l *
l e f e r ballabe finbet er Qe'xt, bie nid)t 3ur i)anblung ge»
l)örige 2lnetbote oon ^er3og 2Bill)elm5 6traud)eln ein3u*
fügen, in ber 6d)lad)t bei ^Reutlingen mad)t es
bem fd)n)äbifd)en $oeten fid)tlid) SSergnügen, mit aller
35reite bie l)eimifd)en (Befd)led)ter Steoue paffieren unb
mand)e 6tamme5ane(bote einfließen 3U laffen. 2Iber er
gibt fid) genau barüber !Red)enfc^aft, ob fold) epifd)e5 35ei*
merf, fold)e 2luf[d)mellung jemeils mit gorm unb aSormurf
oerträglic^ fft. 5)ier, beim epifd)ften aü feiner aSalloben«
maffe, ber D^ibelungenftrop^e, ift es fid)erlid) l)öd)ft ftilooll.
(£inl)eit oon ;3nl)alt unb Sorm ift eines ber meift«
berufenen, aber fd)merft 3u befolgenben ©ebote aller
?Poefie, fpe3iett ber ßgrif. Sag fie in @oetl)es SSallaben
erreid)t ift, mirb niemanb beftreiten. Die munteren !Da(»
tglen bes 5)oc^3eit5liebes finb ebenfo meife gen)äl)lt mie bie
fd)n)eren Xvo(i)'den ber Sraut oon ^orintl). Dicfer Qu'
fammenl)ang aber, ber bei @oetl)e gefül)lsmä6ig beftel)t,
ift bei Urlaub 3um 2:eil ^iftorifd) l)ergeftellt. ajlit bem
Sn^alt ift bie gorm gegeben auf (Brunb gefd)id)tlid)er 3u«
fammenl)änge. 2)ie romantifd)en ßiebesgefc^id)ten füb«
länbifd)er 6änger forbern bie !Homan3e als Tletvum; mie
foUtc ber Sd)tran! aus ben Jagen ^atfer ^lotbarts anbcrs
cr3äl)lt fein als in mittell)0(i)beutfd)en D'letmpaaren, unb me
tonnte er ftiluoller rrirfen als burd) reid)Iid)e G^inftreuung
Don ©ueoismen unb 2Ird)aismen? Sßie ben ^Ritter im
Wdxd)enbud), \o f)ört man auc^ I)ier förmlid) einen QtiU
genoffen bes (Befd)el)niffe5 bas 2öort fül)ren. 2)as eigent*
lid)e ^elbenmag 3u eber{)arb6 Qeitm mar noc^ bie nor=
malifierte 9^ibelungenftropf)e, alfo mirb fie in bem fleincn,
in 2(Dentiuren eingeteilten ©pos doU ©lücf 3ur 2tnmenbung
gebract)t, famt all ben fpra(i)Iid)en unb ftiliftifd)en ©igen»
l)eiten, bie 'ü)x an()ängen. 2tnbermärts {)errfd)t mie bei
@oetf)e lebiglid) gefül)lsmä6iger 3ufammenl)ang. 2)er
marmortalte ©rnft, ber aus ber 5BilbfäuIe bes
58 a c d) u 5 fprid)t, !ann unmöglid) treffenber eingeüeibet
merben als in bie gänslici) ungefd[)mü(ften unftropl)ifd)en
Slanfoerfe. 2)ie 9^l)t)t{)mif bes ©rafen ©ber ft ein,
ber mit einer Xansfjene beginnt unb fctiliefet, miegt fid)
felbft in ber l)üpfenben 2öeife eines Xangliebes.
(Braf ©ber ft ein nimmt eine Sonberftellung ein:
bas eingige UI)Ianbfd)e (Bebid)t, in bem fid) eine, freilid)
fd)on burd) mitteII)od)beutfd)en 6prad)gebraud) ge()eiligte,
Dbf3önität finbet! Ul)lanb fonnte fid) ben pbfdien Spa^
offenfid)tIid) nid)t oerfagen, unb fein SSerftönbiger mirb
il)m bas cerargen. T)a^ feine ©ammlung einer foId)en
Sßürse beburfte, mirb aud) niemanb bel)aupten motten;
benn feiten mag mof)l bei einem fii)ri!er tief eingemurselte
Sittlid^feit unaufbringlid)er 3utage treten. UI)lanb ift ein
moralifd)er 2)id)ter, aber fein moralifierenber; er befennt
fic^ 3ur Xugenb, aber nid)t burd) bas eigene 9Bort, fonbern
burd) bie Xaten feiner S)elben, beren fittlid)e Xenbens
mortlos 3utage tritt. (Bx ift nit^t prübe unb bie' 23erfitt»
Iid)ung bes 6toffes ift il)m fein unbebingtes ©ebot. 2)a6
er in Ses ©ängers giud) bie Steigung ber Königin
3u bem jungen SfJlinftrel auf bie bisfretefte 2tnbeutung be«
fd)rönft \)^i, gefd)tel)t nur im ^ntereffe bcr !ünftlerifd)en
einl)eitlid)fett. 9m 2Jl erlitt allerbings bebeutet ber
©r|aö ber el)ebre(f)erifc^eit ©attin burd) '^^<ö {)armlo5 öcr*
liebte, bestüegett t)or allem 23olte bloBgejlellte ^öttigs*
töcl)terleitt itur eine jd)eittbQre 2lbfc^rt)äct)ung bes 23er*
lefeettben.
Ul)lattb n)äl)lt [id) feine Stoffe jefet in ber Flegel fo,
\iOi\!i fie feinem fittlidjen SSebürfnis entfpred)en; unb ba
fommt bie ameite 5)älfte bes ^rogrammmortes oon 1811
3u il)rem 9^ed)t: „Der treue beutfd)e 6inn." Xapferfeit
unb Xreue finb il)m bie ^arbinaltugenben ber Sßoraeit.
Sflamentlid) bos ibeale greunbfc^aft5= unb 2]afallenoerl)ält»
nis bes 3Jlittelalter5, \i(x^ il)n fd)on frül)er an !Dietrid)
Don SSern unb ben ©einen entjücfte, tritt leucl)tenb äutage
bis in bie 6pät3eitballaben SSertran unb (Blü(! oon ©ben«
l)all. Unb mie bie SSorlefungen \^Qi^ $ferb als ben treuen
^ameraben bem 5)elben 5ur Seite ftellen, fo erl)ält aud) bie
6d)ti)äbifd)e £unbe eine befonbers liebensmürbige
^ointe: ber JHitter gerat in bie klemme, meil er oon feinem
treuen Stoffe nic^t \)qX laffen moUen. 2lber l)ier ebenfo»
menig mie fonftmo \)(ii fid^ Ul)lanb 3U einem greife ber
,,25ieber!eit ber alten IRitterfitten" t)erleiten laffen. "^^^
mürbe bie ObjettiDitöt burc^brec^en. 3e felbftuerftänb«
lid)er biefe Dinge bargeftellt merben, befto meljr mirb ber
fiefer ben (Einbruct l)aben, ^a^ er ^ier tatfäd)lic^e S^orgeit*
luft atmet.
2lus bem mittelalterlid)en 25oben, auf bem Ul)lonb
jefet feinen Stanbpunft n)äl)lt, fc^öpft ber 25allabenbid)ter
feine befte Äraft. Darin beftel)t ber gro^e gortfd)ritt ber
n)id)tigften 23allabe oon 1808, ^ l e i n 3^ o l a nb , bie fid)
ftiliftifd) nod) in bem ungebänbigten 2lrd)aifieren jener
Seit gefällt, '^o.^ fie feinen fentimental erfabelten unb au«
red)tgeftuöten 23or3eitl)elben, fonbern einen in ben Quellen
bereits lebenbigen 3Jlenfd)en 3um 3Jlittelpunft l)at, menn
Sdjneiber, Uljlanb. ' 14
210
and) einen, ber ber 6age has meifte üerbantt. Später
mod)te Uf)Ianb mit bem il)m üertraut gemorbenen ^erjo=
naie freier malten. 2)er fern^aften ßebenbigfeit ^aijer
^arls unb Violanhs in ber 9)leerfal)rt unb bem
6 d) i I b t r ä g e r tut es feinen Slbbrud) met)r, ha^ bie
(Befd)el)niffe faft oöllig UI)Ianb5 ©rfinbung finb.
Ul)Ianb ift ber Quelle bebürftig, aber ni(i)t Don 'ü)x ab'
I)ängig; ber il)m oorliegenbe 35erid)t i[t bie ©runblage,
beftenfalls ein (Beruft, an bem fid) ha5 9^an!enmerf eigener
©rfinbung in bie ^öl)e f(^lingen fann. (Er üermirft au5=
brücflid) ^allaben, bie fic^ 3u eng an bie 2Bir!lid)!eit ober
an literarifd)e 33orlagen l)alten, unb mad)t 3um ^eifpiel
ferner einen 23ormurf barau5, ha^ er in ber 2Set)anblung
alter ©agen allju getreu fei. SCRan foE ein @ebid)t bieten,
nid)t ben ©toff 3U einem @ebid)te; Silb unb 3Sebeutung
muffen erft burd) ben Did)ter red)t l)err)ortreten. Damit
ift einigen fd)märf)eren ^robuften üon Ul)lanb felbft haQ
Urteil gefprod)en. 9^amentlid) ber 90^ ä l) b e r i n , biefer
armfelig reigtofen 23erfifi!ation einer S^itungsnotis.
Uf)lanb5 Quellen finb gans t)erfd)iebener 2Irt, feines^
megs lägt 'ü)n falfd)er (Belel)rtenbünfel in ber pragmatifd)en
2Iuf3eid)nung ber 23ergangenl)eit bie ein3ig mürbige 23or=
läge finben. S^aturgemäg ift er auf fold)e angemiefen, mo
er räumlid) unb 3eitlid) fernliegenbe 6toffe mäl)lt. (Se=
lel)rte fiiteraturmer!e von Soutermef unb 2)ie3 finb feine
5)auptquellen gemorben für bie (Bebicl)te, bie er füblän*
bifc^en 6ängern gemibmet l)at. 9Jlan merft es il)nen
ni(^t an; benn bie @efd)ic^te feiner fünf ©angesgenoffen,
bie fo t)iel gelitten l)aben, ift aus ben ßet)rbüd)ern in üoUftes
ßeben übergetreten, unb ber meland)olifd)e Stuftaft bes
Prologs barf bie grifd)e ber folgenben Darftellung nid)t
mebr trüben, ^at i^n fpäter ^eine in ber Darfteöung ber
unerfüllten ßiebe 9lubel5 3u ber Dame oon ^Tripolis an
raffinierter ©lut überboten, fo td)lägt Ul)lanb mit ber un»
fentimentalen Änappl)eit bes 2Jl a f J i a s \szxi SSorgönger
ßöben, unb mit bem l)errlid)en ^aftcllan öon
e 0 u c t) l)at er ftc^ über alle frü()eren unb fpätercn '^tii^
betöcrber 3um 3Jleifter|önger bes ,,5)er3emäre5" aufge=
fd)rt)ungen. 2ötc in biefer IRomange ^^Oi^ i)er3 als ßcit«
moÜD burd) alle 6trop()en l)inburd)po(^t, n)ie burd) bie
ftrenge SÖßürbe bes SSortrages 9'lo()eit unb Unu)al)rfd)ein=
lid)feit bes ©toffes gemilbert unb geabelt merben, ^Oi'ö \\i
pc^fte, reiffte ^unft. ©as fpanifdje 2Jla6 mag es ia füf)I='
bar machen, ^^Oi^ bie @Iut füblänbifd)er ßeibenfc^aft ber
!DarftelIung UI)Ianbö abgel)t. 2In il)re Stelle tritt ber l)ol)e
©rnft ber bas ßiebesmgfterium beftaunt unb in fic^t=
Iid)er (Ergriffenl)eit nur bie einfad)ften 2Borte finbet.
Sufäliig ober ge[ud)t f amen i^m bie Stoffe entgegen. 3n
alten Sl)ronifen begab er fid) feit ber $arifer "^zii be*
fonbers gern auf bie 6ud)e. 2lu5 SBaces JRoman be IRou
ift Die 5agb Don 2Bind)efter gefloffen, unb ber
Dielgerü^mte 2:aincfer, beffen „ed)tl)eit", \iQi's> \)n^i
poetifd)e SSollmertigteit ber begeifterte ferner mit einer
Sülle Don Slusrufungsaeic^en i)erficl)ert. 3Jlir möd)te bie
6impli3ität bes 2:one5 nid)t immer unge3mungen, 2lrt
unb Umfang ber ©rfinbung nid)t burd)aus ftilboU oor«
fommen. 5)ier liegt einer ber gälte oor, in bem Ul)lanb
(id) aus ber 23orlage nur bürftiges 2Jlaterial entlel)nt. ®r
l)at ben i)elben, offenbar angeregt burd) beffen Dramen, 3U
einem niebrig geborenen ßeibeigenen gemacf)t, ber üon
ber (Effe 3um 2ßaffenl)anbrDerf übergef)t. ©r 3eigt menig«
ftens, \sQi!^ er jefet gelernt \^qX, mas bie ed)te ?8allabe forbert;
benn ber l)iftorifd)e Seriell pon 2:aillefers 2Iuftreten in
ber ^&i\Ci6)i \)(\\.iz l)öd)ftens 3U einem ©ituationsbilbe ge»
reid)t. 2lber bie meitere ^in3uerfinbung ift red)t fd)U)äd)«
lid), bas fürfttic^e gräulein, bas oon ber Sinne l)erab an
bem i)elben folc^es (Befaüen finbet, erinnert boc^ noc^ gar
3U fel)r an bas ^önigstöd)terlein, bas einft lieruntergrügte:
14*
2Bi(I(ommen 6c^äfer meinl — unb es fehlte nur nod), \i^^
ber Qeraog aum 6d)luffe aus bem IHitter unb ber oerliebten
!Dame ein $aar mad)te.
einmal ^at Ul)Ianb eine SSallabe mieber jur 25allabe
geftaltet: 9^ad) jahrelanger ©rtüägung bes ©toffes, beffen
bramatifcf)e 25el)anblung 3unäd)ft DorgejeI)en mar, mürbe
aus bem „eiferfüd)tigen ^önig" i)erbers 5)e56änger5
g I u d). 2)iefe brutale 9}lorbgefc^id)te ift burc^ bas ernftc
?PatI)06 ber 9^ibeIungenftropf)e unb bur(^ rajd)e5 ^inmeg*
gleiten über bie peinlidje Hauptfigur unb io^iuptfaene Jo
fel)r als möglid) geabelt. 2)ennod) bleibt fie unbefriebigenb
unb I)at 3u allerlei gesmungenen 2lusbeutungen Slnlag ge*
geben. Das (Bebid)t foll eine 2lnfpielung auf D^apoleon
entl)alten ober ©inbrücfe ber üerfallenen i)errlicl)feit bes
fd)tDäbifd)en Slbfolutismus miberfpiegeln. 3n 2Bal)rl)eit
\^ai ber urfprünglid)e ©ebanfe bei ber 2lu5fül)rung gelitten:
es bringt jefet nur nod) ein negatives 9Jloment gum 2lus=
brucf, nämlid) bas ,,93erfunfen= unb SScrgeffenfein'' ber
2^t)rannenl)errlid)!eit. ©s fel)lt bas pofitioe: ©jemals foUte
bes ©öngers 90'lad)t fid) nid)t nur in bem glud) offenbaren,
fonbern in bem gortleben bes ©rmorbeten im ©efang, in
ber 2Iuflöfung bes @efd)e^)niffes in eine 35allabe. Uljlanbs
i)au5l)älterifd)feit l)atte biefe ^^ointe aber td)on in einer
anberen ^allabe, bem 9Jlaffias, üormeggenommen.
2lm liebften unb l)äufigften t)at Ublanb als 35allaben*
bid)ter ben fd)u)äbifd)en SSoben aufgefud)t. 2llle 2Irten oon
Quellen floffen il)m bort: Die münblic^e (£r3äl)lung
Werners bot ben 6toff 3um ßinbl)eimer, ber bloße
Slnblicf bes 35ilbniffes bes „Stänglesgrafen" in ber ©ail»
borfer Ä'ird)e bie 3bee 3um 6d)entDon ßimburg;
mit SSorliebe las er fd)n)äbifd)e S^ronüen, fo drufius unb
6attlcr unb bie moberne Darftellung oon ^fifter. kernig
ftreitbarer SSorgeitgeift erfüllt bie Sallabenreil)e, bie er
einem jungfdiillerifc^en gelben, ©berljarb bem
213
9'lauf(f)ebart, getüibmet l)at UI)Ianb5 Steigung gum
3r|faf(i)en in ber Sallabc l)at fid) nie fo glücflirf) betüäl)rt
lütc I)tcr. ®r ftrebt feine gefd)Ioffene 5)anblung an, fonbern
gibt einaetne SStIber, bie für fid) ftef)en unb in if)rer Sluf*
einanberfolge nur ben 2Bed)feI bes ^riegsglücfes unb bes
menfcf)Iid)en Sd)\d\al5 überl)aupt iüuftrieren foflen. gür
einen fröl)(id)en Stusflang fjat bie ©efd)id)te felbft geforgt.
2:rofe ber fd)on feftgeftellten ©etailfreubigfeit bleibt il)m
bas G:!)arafterbilb burd)au6 bie 5)aupt|ad)e. U()tanb ^at
bem greifen Reiben feine (Entmicflung aufge3U)ungen, er
bleibt t)on 2tnfang bis 3U ®nbe gleicf) unerfd)ro(fen, un=>
fentimental unb 3um ^umor geneigt. 2öelcf) ein SIbftanb
Don hen n)eid)mütigen 93ätern ber grüt)3eit! ^ier ift jeg»
Iid)e 6d)önfärberei aufgegeben: aus folc^em ^olae waren
bie alten Scf)n)aben gefd)niöt.
!Da5 @ebi?t ber ^eimifd)en 6age bef(i)reitet Ul)lanb im
Sunfer 5Red)berger, hen er aus Storfl)aufen5
,3unb erlief) en iobesoorboten" gefd)öpft l)aiit unb fd)on
nad) bem SSorangang bes 9'lid)arb Ol)nefurc^t nic^t all3u
ernft neljmen fonnte. !Der ftarfe 2lrd)ai6mu5 bes Siebes
ftüfet glücflid) ben ©I)arafter ber grotesfen 3aubergefd)id)tc.
Ul)lanb erlaubt bem Übernatürlid)en überl)aupt nur bort
©ingang in feine 25allaben, mo er es oon ber ironifd)en
6eite nel)men fann. !Das ein3ige 5Jl o 1 1) e m b bilbet eine
2(usnal)me. 2Ius eigenem {)erau3 in bie i5pl)äre bes über»
irbifd)en emporgeftiegen ift er nur bort, mo er mit feinen
!Did)tungen einen tiefen Sinn oerbinben, fie allegorifd) aus«
gelegt fel)en möd)te. 60 im rätfelt)aft unl)eimlid)en
i r a u m unb ber er{)abenen 23erlorenen ^ird)e,
ben beiben tiefften (Bebicf)ten, bie mir aus biefer ^^eriobe
oon Ul)lanb l)aben. !Da5 eine 3eigt in t)olfsmt)tf)ologifcl)er
23erl)üllung, roie greube unb i)ellicfeit ber (£rbe für ben
!Did)ter Derfd)tt)unben finb. Das anbere fül)rt l)inauf in
Jene lid)ten ^öljen, bie UI)lanbs ^fjantafie in feierlid)en
t^SiV^HC^at^üV^av^iiV^^V^R 214 C£i?FSi?Cigi?K^i?Rgi?R^i?RgiVR2i?
3Romenten erfitmmt. 2lucf) nad) il)m tft auf btcfer ®rbe
nid)t0 für ben 9)lenfd)en gu l)offen, ber {)ol)e 9)^ünfterbau
einer rt)a{)ren d)riftltd)en ^trd)e mtrb in bem Öanbe menf(^'
Itd)er Unt)oIIfommenl)eit feine Stätte finben. Darin be=
ftef)t bie n3a{)re ^ird)Iid)!eit, \so!^ jeber fi(^ einen fold)en
Dom im eigenen i^ersen erri(i)tet; bas innigfte Sefenntnis
eines tiefreligiöfen, aber ber fic^tbaren ^ird)e fernftel)enben
3Rartne5.
6ci)Iie6tid) \i^^ liebensmürbige 6d)Iugfteinob ber
SBallabenfette: Das 9Äärd)en, \i^<ö bem jmeiten
tt)pifd)en 5^I)antafiegebiIbe UI)Ianb5 nad) längerem einlaufe
3U flaffifd)er ©eftaltung t)erl)ilft. Ul)Ianb ift ein 30fZärd)en=
freunb gemefen, aber im gangen fein S[Rärc^enbid)ter; bies
9Jlär(f)en — la belle aus bois dormant — nad)3ubilben
unb ausgubeuten fül)lt er fid) jebod) berufen, (eit er
es als feine ßebensaufgabe erfannt \)oX, fold) eine ent=
fd)Iafene 6d)öne 3U ermeden. Dornröschen ift il)m ein
©innbitb ber beutft^en ^^oefie, ber burc^ bie 9lomantif
neues fieben einge{)aud)t morben ift. 3n finniger 2IIIe»
gorie, bie eine meitge^enbe Stusbeutung möglid), aber
nid)t 3ur ?PfIid)t mad)t, gibt er einen allerliebften poetifd)en
Slbri^ ber beutfd)en ßiteraturgefd)i(^te, bie gang mit
JHomantiferaugen gefe{)en ift, aud) barin, \i^^ ®oet()e als
(Brmeder ber beutfd)en Dichtung aus ia{)r{)unbertelangem
6d)Iaf erfdieint.
ll()Ianbs ©ebid)tfammlung {)at ©rfolg gel)abt, aber
nid)t burd)gefd)Iagen. D^egenfent, ber eble ^Ritter, \)G.i i()m
manches gang freunblic^e unb ermunternbe 2öort gefpen*
bet, aber es IoI)nt fid) nid)t, eines bat)on als befonbers
I)eIIfid)tig unb öerftänbnisooll I)erau53ugreifen. ßitcra*
rifd)e 2tutoritöten {)aben fid) bamals nid)t öffentlid) ge=
äußert. W\i "^z&^i fonnten bie greunbe über bie falt=
!)er3ige 2Iufnal)me flagen. Der finangielle ©rtrag mar mit
400 f(. aud) nid)t eben fef)r I)od). 2Iber Uf)Ianb ging \s(x^
mals mit t)oIIen ©egeln, unb bas Slusbletben bes träftigen
Erfolges l)ättc il)n unter normalen Umftänben n)al)rfd)ein'
lid) nur angefpornt. ®r betrad)tete feine Sammlung nid)t
als bas, mas fie tatfäd)Iid) mar, als fein Sebensmerf,
fonbern als etmas SSorlöufiges, als eine grud)t unreifer
:3üngltngs= unb brangooUer Unterbrü(fung6ial)re. Wt^x
unb 33efferes fotite nad)foIgen.
Seien mir benn aud) SSertünber
©iner jungem 23rüberfc^ar,
Seren i)aupt unb 2Bud)s gefünber,
^öf)er fei, als unfrer mar —
fo lägt er bie ßieber einleitenb 3um ßefer fpred)en. ©s
füllte anbers fommen, bcr fc^önen poetifd)en 35lüte bie
reife %x\x6)i vX6)i folgen. ®r \)qMz bie romantifcl)e
Scl)läferin ermecft, um fie alsbalb in fic^ felbft mieber ent»
fd)lummern 3u laffen.
T.Äapltel
2)er 23erfaffungöfampf
SSIeibt eud) bennod) mand)eB tUxnliö),
9lcl)mt*5 als S^ic^en jener Qext,
!Dte fo brütfenb unb fo peinlid)
Stiles ßeben einge(d)nett ...
STber nun bie I)ingemoberte
greil)eit !Deutfd)Ianb5 frifd) auftobertc,
2ßtrb 3ugleid) bas Sieb gcnefen,
• kräftig ftetgcn an bas ßtd)tl
60 I)otte bas SSormort ber @ebid)tfammlung entf(f)ul«
bigenb unb sufunftsfrof) ble 2(bpngigfeit bes ^Poeten t)on
ben S^itläuften ausgefprod)en. 2lber nod) cor bem 21b»
fd)tuffe bes !Dru(fes, im :5uni 1815, entftanb eine gemid)*
tige unb erfreulid)e S^Öö^e 5U ber SSalIabenrei{)e, ber
®berl)arb39nus, unb in i^m ift ber Xon I)offnungst)oIIer
©egenmartsfreube bereits burcf) fd)arfen Kampfruf crfefet:
Sn gäl)rben unb in flöten geigt erft bas 23oI! jid) ec^t,
Drum foll man nic^t gertreten fein gutes altes 9le^t.
9n ber 3i^tftf)en3eit fiat bie ^^olitif UI)Ianb in il)re
Greife gegogen, unb mie ftarf muß il)re 9Jlad)t über 'ü)n
bereits fein, menn ber ehtn erft gur I)öd)ften Objettit)ität
l)erangereifte 2)icf)ter in ber nibelungifd) gel)altenen 23or='
geitballabe fold) fubjeftioer ^Regung bas SBort erteilt!
Srtlerbings mar es nid)t feine (Baä)e allein, bie er uerfoc^t,
fonbern er berül)rte ^ier eine 6aite, bie in allen guten
6(f)tr)abenf)cr3en na(f)f(^n)ingen mußte unb beren 2tn»
fd)Iag allein bem @ebtd)te fc^on marme 3ufttmmung
ftd)erte.
2Bürttemberg befanb ficf) bamals im ^ampf um fein
gutes altes "^t&^i. 2)er Äunftbau feiner oielgerütjmten
alten SSerfaffung \)QXiz il)m bie !DefpotenI)anb 1805 itx-
fd)Iagen. ^nirfrf)enb, aber nur insgel)eim fiel) aufböumenb
Ijatte man ein 3al)r3e{)nt ber Unterbrütfung ertragen. 2tn
ben fiegrei(f)en Stbfcfjlug ber greif)eitstriege fnüpfte man
jefet neue greiI)eitsI)offnungen.
^önig griebrid) mar oiel 3U erfa()ren, um fid) über
bie 23olfsftimmung 3U täufd)en, unb \ia il)m aud) bie 55e*
ftimmungen bes Sßiener ^ongreffes ein fonftitutionelles
[Regiment 3ur ^flid)t macf)ten, ioX er bas ^lügfte, mas für
ben 2lugenblicf 3U tun mar: er tam jeber unbequemen
23orfd)rift ber 3Jla(f)tI)aber unb jeber SBiUensäußerung bes
SSoItes 3UDor unb glaubte fid) ba3u nod) bie $ofe bes
SSoItsbeglüders geben 3U fönnen. ®r ließ in ein paar
3}lonaten einen SSerfaffungsentmurf ausarbeiten, berief
bann in alter SBeife bie ^'((avi^t ein unb legte il)nen fein
2öerf Dor, nid)t zivQOi 3ur Segutad)tung, fonbern 3ur
Äenntnisnal)me. 2)ie 23erfaffungsurtunbe moi^it einen
biden ©trid) unter alles bist)er (Befd)el)ene: an ben Steuern
unb ©efefeen, bie mäl)renb ber abfoIutiftifd)en 3eit gegeben
morben maren, foUte nid)t gerüttelt merben. ßebiglid)
fpöter auf biefer ©runblage 2Iuf3ubauenbes mar ber 2Jlit*
beratung burd) bie 6tänbe 3ugänglid). Sie Suf^mmen»
fefeung bes Kaufes \oS) fid) nic^t unbemofratifti) an, mar
aber erfid)tlid) fo gemäl)lt, \io!^ eine Derl)ältnismäßig
große Sa^l 25ürgerlid)er ein @egengemid)t 3U bem ge*
fürd)teten 2lbel bilben foUte, ber mit jenen in einer Kammer
vereinigt mar.
2tm 15. Woxi 1815 ließ ber Äönig ben ©täuben biefen
©nabenerlaß feierlid) öorlefen, legte bann bie SSerfaffungs»»
urfunbe in golbener ^apfel auf ben Zx\<i) bes 5)aufe5 unb
naf)m mit t{)catralifd)em ^ornpe feinen 2Ibgang. Dod) er
täufd)te fid), menn er bie ©gene bereits ausgefpielt mäljnte.
SlUein getaffen, erflörten bie 6tänbe burc^ alle i()re 23er=
treter, ha^ fie ben föniglict)en SSerfaffungsentmurf ab=
Ief)ntcn unb bie alte mürttembergifc^e ^onftitution be=
ge^rten. !Damit I)atte ber mel)r als oier Sal)re anbauernbe
SSerfaffungsftreit begonnen.
6d)on biefer erfte 6d)ritt ber 6tänbe \)at t)erf(i)iebene
^Beurteilung erfal)ren. ^egel rief aus, nur ein Surft, ber
fein 23oI! red)t grünblid) belügen unb fic^ babei vor (Bott
unb ben ajlenfd)en ein e{)rlid)es 2rnfel)en geben moUe,
fönne bie alten D^editsüerpltniffe bes 18. :3al)r{)unberts
rüieber{)erftellen. 2Iud) anbere, minber ooreingenommene
SSeurteiler mißbilligten ben SSerfud), einen S(f)ritt 3urü(f=
3ugel)en unb 23erl)ältniffe ein3ufül)ren, bie eine S^egation
bes mobernen, burd) bie napoleonifd)e S^it bebingten
6taatsbegriffes bebeuteten. 9n Württemberg felbft frei=
Itd) jubelte alles ben SSolfscertretern 3U, unb aud) bei
Urlaub finbet fid) als ungefäl)r erfte politifd)e D^otig bie
S3erfid)erung, man fei „über bas macfere SSer^alten ber
©tänbe fel)r erfreut". Sie näd)ften 9al)re ^aben ber
©timmen für unb miber in biefem 6treite fo oiele gebrad)t,
bie red)tstreuen unb ftarren Wdnnex l)aben fo feltfame
2Bege begangen, ha^ eine !Darlegung ber menfd)lic^en unb
politifd)en SBurseln biefer glül)enben Siebe 3um „guten
alten 5fled)t" unumgönglid) ift.
C^inbringlid) unb über3eugenb brängen fid) bie all=
gemeinen pf9d)ologifd)en ©runblagen ber QSemegung an
bie Spifee: 2)ie 6el)nfud)t bes mürttembergifc^en ^Bürgers
nad) bem guten alten die(i)te mar gleid)bebeutenb mit ber
nad) ber guten alten S^it. 5D^an mirb gerabe l)eute nid)t
über biefe pl)iliftröfe Stüdmenbung in bie 23ergangenl)eit
fpötteln, fonbern fie mit tiefer 2Bel)mut nad)empfinben.
2)a5 $oIttifd)e unb '^Qi<ö 3JlaterteIIc erfcf)emt enge oerfloc^ten
bei einem fo jäljen unb rabifalen 2öec^fel ber 3^^^^"' 03ic
er bamals unb Ijeute ju r)er3eid)nen ift. g^eilicf) fpüren
gerabe mir 5)eutigen, mie unmöglich folc^es Surücfftellen
bes !Rabe5 ber @efd)id)te ift bie Stitmürttemberger er»
fd)einen uns be6l)alb als liebensmürbige 6d)n)örmer.
©törfer fcf)lägt ein anberes pfr)c^oIogifd)e6 9)loment
burd). 3^^^ 3al)re lang \)Qiiit man unter griebrid)5
©efpotie gefeuf3t. 2ßa5 fonnte t)on einem folc^en ^crr=
fcf)er ©Utes fommen? ©ine 23erfaffung mocf)tc objeftio ge=
nommen nod) fo Diele SSorteile bieten, bem SBürttembergcr
mar fie unannel)mbar, meil biefer 3Jlann fie mit feinem
9lamen becfte. 2)ie5 @efüf)I mar in ben erften ^I)afen bes
Kampfes burd)au5 bered)tigt. 6päter aber Derfd)Ioffen bie
6tänbe l)artnö(fig bie 2lugen gegen bas 35cfferc, '^^s bem
6d)limmen folgte.
5)artnä(tigfeit — ber t9pifd)e SSormurf, ben man ben
2IItre(i)tIern 3u mad)en pflegt! 5)ier I)aben mir bie eine
fpeäififd) fd)mäbifd)e 2Bur3el foId)er ©efinnung. 9Jlan
I)atte lange genug ben fteifen S^acfen beugen muffen; ^^a^
erfte gi^eil)eit5lüftd)en, \i^^ mieber VQZ^)it, erinnerte bie
6c^maben baran, \ioü^ fie einft frei, mit faft fouoeräner
@teid)l)eit ausgerüft^t bem '^XQXX^^txxxi gegenübergeftan*
ben t)atten. Unb bie erfte Solgerung, bie fie baraus
3ogen, mar, ^^o!^ fie nid)t nötig t)ätten, fid) tivQOi^ fd)entcn
3u laffen, fonbern \io!^ fie forbern bürften, vq^^ man il)nen
mit (Bemalt entriffen \^oSXz. Sf^ic^t ber ^önig burfte i^nen
bie 93erfaffung biftieren, fonbern burc^ freien gegenfeitigen
entf(l)lu^, burd) gemcinfame 23er()anblung mußte, fie er*
ftel)en.
!Da3u fam ber mürttembergifc!)e parti(ulariftiftf)e
5)eimatftol3. 9'lid)t nur bie 6d)maben I)atten i^re alte 23er»
faffung geliebt, bie Sluslänber Ratten fie gelobt, ein eng=
lifdier Staatsmann fie als bie ein3ig mal)rl)aft freil)eitlic^e
220
neben ber bntif(f)en be3etrf)net! 53on btefer 23ortreffIi(^feit
fonnten aurf) fünfunbsmangtg 6turmjal)rc md)t6 rregfegen.
Tlel)x als einmal befam bte 2BeIt n)äl)renb bes ^onfliftes
i,t)on ben 23oIf5r)ertretern 3u I)ören, bag bte alte 23erfaffung
fo oollenbet fei, mie ajlenfd)enn)ert überl)aupt fein !önne.
6d)Iiep(f) voax bamals eine befonbere poIitifd)e ^on*
ftellation gegeben, bie ein S^fammengeljen r)erfd)ieben ge=
rid)teter (Stänbemitglieber menigftens für einige 3^^^
möglid) mad)te. Die Kammer umfaßte, wie gefagt, 2tblige
unb 23ertreter ber 25ürgerfd)aft. i^ene, 3um 2;eil erft
mebiatifiert, fügten fic^ begreiflich mit nod) ftärferer Un»
luft unter t>a5 !öniglid)e 3od) als biefe. Das gute alte
dledjU in bem fie felbft feine ©teile gefunben l)atten, galt
il)nen menig, bie Dppofition alles. 9l)r oriftofratifd)er
9Jla(^tl)unger glaubte unter allen Umftänben Don einer
Säuberung gerabe biefer SSerfaffung 3U profitieren, bie il)re
fpeaiellen S^ledüe auger ad)t lieg. €^nlid) lag es bei ben
SReumürttembergern; bas jefeige ^önigreid) beftanb ja nur
3ur tnappen 5)älfte aus ßanbfcl)aften, bie fid) einft bes
guten alten 9^ed)tes erfreut l)atten.
Die Slltmürttemberger felbft nun fül)rten, of)ne es
felbft red)t gu empfinben, mit il)rer 23orliebe für bas ®e«
mefene ein feltfames Doppelfpiel auf. 6ie riefen fc^einbar
ben @eift bes toten 18. :5al)rl)unberts gegen bie neuseitlicl)
fonftitutionelle 6taat5rid)tung in bie (5d)ranfen. 23iele
23ertreter bes 2Ilten taten bas aber nur, meil fie innerlid)
Diel fortfd)rittlicl)er gefinnt maren als ber Äönig. Die
alte SSerfaffung fd)ien i{)nen bie fürftlid)en died)ie oiel
ftärfer 3u preffen als jebe benfbare neue. 6ie maren ous
bemofratifd)em ©eifte l)eraus ultratonferoatio.
SIber biefer 2Sor3ug bes guten alten 3^ecl)ts3uftanbes
mor eben bod) nur fc{)einbar. ®s mar gan3 unb gar feine
Demofratie gemefen, bie im alten 2Bürttemberg gel)errfcl)t
I)atte, fonbern eine Oligard)ie fd)limmfter 2Irt, feine $arla«
mentö§errfd)aft, fonbern ein 2Iu5jcf)u6rüefen, ^^^^ einige
menige, bie mit bem 23oIfe in faft gar feiner Serül)rung
ftanben, mit faft fouueränen 9^ed)ten neben ben ^önig
ftellte. Siefe 6tänbe I)atten bie 2:ru^e unter fid), bie fie
mit felbftau5gefd)riebenen SIbgaben burd) ba5 23oIf füllen
liegen unb red)enfd)aft5lo0 üermalteten. 6ie l)atten il)ren
eigenen (Befanbten bei ben 3Jläcf)ten, trieben neben ber
fürftlid)en eine gefonberte Sluslanbspolitit; \iQi'ö mar eine ber
3a{)Ireid)en ftaat5red)tlid)en Ungel)euerlid)teiten, an beren
23erpf(an3ung ins 19. :3al)r{)unbert ben 2(ltred)tlern befon=
bers gelegen mar.
Soc^ es fül)rt 3u mcit, fid) in bie ein3ell)eiten ber alten
aSerfaffung 3U oerlieren. Der fiefer braud)t fie nid)t 3u
fennen unb mirb boc^ ben ©tanbpuntt bes bamaligen 2llt=
re(l)tler5 t)erftel)en; benn ber burd)fd)nittlicl)e mürttem-
bergifdie Bürger jener S^it — ber fannte fie aud) md)t.
®ö maren gan3 oage 23orftellungen üon ber alten 23er*
faffung im Umlauf, unb menn man öon ber gorberung
eines 23ertrag5t)erl)ältniffe0 3mifd)en gürft unb 23olf Oib*
fiel)t, fo mar in feinem ein3igen galle mirflid) ein fad)»
lid)er 23or3ug auf feiten bes guten alten S^lec^tes ber ©runb
3u beffen unentmegter 23ergötterung. 2)er 23ormurf fann
ben Sßürttembergern ba^er nid)t erfpart merben, \sOi^ fie
\sQi<ö lHed)t 3unäd)ft nic^t besl)alb t)erfod)ten l)aben, metl es
gut, fonbern meil es alt mar, unb \iQ!^ aus bem 2llten bas
©Ute mit 6id)erl)eit gefolgert mürbe.
Uns fümmert l)ier nun aber, roie benn l!l)lanb, \^zx\,
jebermann als ftrammften 33erfpd)ter unb einbr«^cfst)ollften
SBortfü^rer bcs guten alt^n 9^ecl)tes fennt, 3u feiner
Stellungnal)me gefommen ift; benn unter bie gebanfen»
lofen ajlitläufer merben mir il)n nid)t 3äl)len mollen.
3unäd)ft gab es für i^n freitid) feine 2ffia{)l. OJl a n
mar in ben altmürttembergifd)en gamilien einfad) oon
fclbft altred)tlerifd) gefinnt, unb Ul)lanb l)atte, mie fd)on
222
feftgeftellt, als 2;übinger t)on ^inbesbetnen an bie iSbccn
bes liberalen rüürttembergifd)en Beamtentums in fid) auf=
genommen, ©einer ^önigstreue unb feines berufsmäßigen
Pflichteifers unbefd)abet befanb fic^ biefes üon jet)er in
einer 5unäc^ft ftillfd)n)eigenben Oppofition gegen bie die-
gierung, bie bem SSürger bas ajlitfpred)en in feiner gorm
geftatten moUte. 6oId)e 2tnfd)auung fanb Ul)lanb alfo
im öäterlid)en 5)aufe auc^ lebenbig.
SBas man bem ^olitüer aber oon jel)er 3um SSormurfe
gemacht l)at, ift nid)t, ha^ er aus fold)en 2Infd)auungen
^eroorgegangen ift, fonbern ha^ er aus if)nen nie fo red)t
^erausgefunben l:)at. Den 2Infd)ein ber ©nge ermetft aud)
feine poIitifd)e ©inftellung, mie bie aller 2lltred)tler, unb
bas fo oielfad) breitgetretene Sßort Sreiligratl)s fd)eint für
i{)n gerabe auger (Beltung 3u fein, ha^ ber Did)ter nämlid)
auf einer l)öl)eren Sßarte ftei)e als auf ben Rinnen ber
^Partei.
Diefer SD^igftanb l)at smeifetlos feinen (Brunb barin,
ha^ it)m auf polttifd)em ©ebiet eine ©ntmidlung nid)t t)er=
gönnt mar unb er {)eilfamen äußeren ©inflüffen nid)t 3u«
gänglic!) gemefen ift. Die neue ®pod)e mar für it)n mit
bem 5^arifer 2tufentl)alt angebrodjen, \)a ftreifte er bie
fur3fid)tig mad)enbe 6d)mabenbrille ab. 2Bir miffen, ha^
bies in politifi^er ^infic^t nid)t ber Sali mar, ha^ bie
^auptftabt ber 2BeIt ber unpolitifd)fte Boben, ber greun»
besfreis bie unpoIitifd)fte (Benoff enfd)aft barftellte. ©ein
beutfd)es 9^ationaIgefül)l bxad)ie er gefräftigt unb ge{)oben
aus bem granfenlanbe 3urü(f; in fragen ber praftifd)en
?PoIitif aber l)at er faum je anbers als fcf)mäbifd), am
menigften beutfd) benfen gelernt.
Die $oIitif oIs foId)e beginnt xl)n erft im britten ober
oierten Stuttgarter 3al)re 3u intereffieren. Unb ha (onnte
fein Denfen unb gül)Ien nur eine Dtic^tung nel)men: feine
geinbfc^aft gegen bie 2tutofratie, feine 6el)nfud)t noct)
223 R^i;?R^5?R^i?R^i?R^i?R^i?Ri^i?C^i?
^Dämpfung ber ST^rannengeiüalt burd) oerftönbigen bürgcr*
ltd)en 33eirat ^atte er in d. b. ßül)e5 ^analci ftönbig näl)rcn
muffen.
2Iud) für il)n mar bas nic^t nur ein frommer 2Bunfd),
fonbern eine rec^tlid)e gorberung. Die 2Bortc eines
fpäteren (Bebid)te5, ha^ er fid) „bes 9'le(i)t5 befUffen gegen
feines ^ex^ens ©rang" finb in aller 3Jlunbe. 2lber fie
bürfen nid)t in bem 6inn ausgelegt merben, als märe
Ut)lanb an fid) eine gönalid) unjuriftifd)e Statur gemefen
unb bem formalen ^ed)t fremb unb feinbfelig gegenüber*
geftanben. ©r befa^ jebenfalls ein ungemein ftarf ent«
mideltes SRed)t5gefül)l, bas feinesmegs nur in ftarrcm
2;rofee gegen bie 3)lad)tl)aber murselte, fonbern aud) in
meid)eren Seelenregungen, mie es Ja in ben mürttembergi»
fd)en £ammeri)erl)anblungen me^r als einmal ben 2lrmen
unb Unterbrüdten 3ugute gefommen ift. Unb biefes ©mp»
finben gana befonbers mußte tl)n unter ben bamaligen
23erl)ältniffen ben 2lltred)tlern in bie 2Irme treiben. 2ßir
freuen uns, feine Stellungnal)me nid)t urfprünglid) boftri»
närer SBurjel entfprungen 3u finben, fonbern in i^m in
erfter ßinie ben (BefüI)lspoltti!er 3U erfennen.
2lls foId)er, nid)t als befonbers trofeiger Starrfopf, ift
er aud) ber ^^artei länger als anbere treu geblieben. ®r
l)at als Surift fid)er beffere Kenntnis il)rer ©runbfäfee unb
23orgefc^id)te gemonnen als bie meiften, bennod) f)at er
fid) oon il)rer unseitgemägen Überlebtl)eit nid)t 3u
über3eugen t)ermod)t. Ul)lanb mar natürlid), mie je*
ber, aud) in ber ^olitif ber 6ol)n feiner Seit/ Cihev
für il)n gan3 befonbers gilt, mos t)orl)in gefagt mürbe,
bog nämlid) biefer ^onferoatioismus im ©runbe Demo=
fratismus mar. 2)as allein fd)lägt ja eine 33rüde 3U
feiner Haltung in ben breigiger unb t)ier3iger ^al)xm.
2lber er mar baneben 3U fel)r 6ol)n feines ßanbes. Sßir
merben fpäter jene SBenbung miterleben, bie bie be-
fd)ränfte it)ürttembergifd)c in eine frud)tbare gemein«
beutfc^e $oIitit überfül)ren möchte, ^^rofebem mufe es für
jebe $I)afe Don UI)lanb5 politifd)er SSetätigung ous*
gefprod)en werben : er \)qX bel)arrlid) bie Xatfa(f)e über*
fel)en, baß Sßürttemberg ein ©lieb bes beutfd)en SSunbes
mar unb ni(^t auf eigenen güfecn ftel)en fonnte, meber in
ben allgemeinen gragen ber SSerfaffung nod) in ben be*
fonberen ber ©efcfegebung. 5)ie gefamte Haltung ber
Oppofition in ben ^monsiger, mel)r noc^ in ben breigiger
Sauren erflärt fid) aus biefer ^ur3fid)tigfeit eines ßibera»
lismus, ber an fid) bas @ute unb ^z&)it mill, aber für bie
reale poIitifcf)e Situation eines nac^ allen Seiten gebun-
benen 3Jlittelftaates fein 2Iuge \)oX. SIls er ooUenbs in ber
$aul5(irc{)e fi^t, \i^ ift an feiner ^^oliti! ja fd)einbar Jener
langentbel)rte 3ug ins (Broge in überreichem SO^aße aus*
geprägt. 3n 5Bal)rl)eit seigt fid) aud) t^^ ber burd) ial)r*
gebntelanges ©ingefponnenfein getrübte QSlicf für politifd)c
Sßirflid)!eiten unb 3Jlöglid)!eiten.
:5m 3Jlör3 1815 l)atte bas SSol! mit ausbrucfsooller
2öud)t feinen 5ßillen erflärt unb fid) mie ein Mann I)intcr
bie Stönbe geftellt. 2Iud) im Sluslanbe mar ber ©inbrutf
mäd)tig, 3umal im 2lpril bie unenblid)e fiifte ber ßanbes*
befd)n)erben in flammenber Stnflage bie Übergriffe bes
Defpotismus in 6d)maben 3u allgemeinem SSemu^tfein
hxQi6)it. 2)er ^önig mugte ben Stäuben einen Sd)ritt ent*
gegentun, unb nun beginnt ein langes fiaöieren: griebrid)
It^Ö fi<^ SoUmeife ben SSoben abgeminnen, nid)t ol)ne
l)äufige S^lüdfälle in feine IDefpotennatur, bie fid) an ein
23erl)anbeln mit ben Untertanen gar 3u fd)ü:)er gemöl)nen
mod)te. 2lber fd)arfe 2lbreffen, bie ol)ne Unterlag aus bem
ßanbe an il)n gelangten, l)ielten il)n über bie Stimmung
im tlaren. ^arl 9)lager, aud) er ein fefter 2lltred)tler, mar
nod) nad) einem l)alben ;5al)rl)unbert ftols barauf, burc^
eine fold)e 2lbreffe ben ^fperg risüert unb ben ^önig gu
bem 3orntgen Stusrufc t)crmod)t ju I)aben: „Sas ift grob!"
2tud) U^Ianb l)at man aum 23erfaffer einer fd)Ie^t fttU*
fierten Eingabe ber Stuttgarter oom 2tuguft 1815 mad)en
molten, aber oI)ne Sered)tigung. 9^ur bafe er mit u)ad)fen=
bem :3ntereffe bamals bie 2rnge(egenl)eiten verfolgte, t)er=
raten ^Briefe unb 2;agebud). W\i ben fül)ienben SJlännern
ber Kammer in gül)Iung 3u fommen, ba3u t)erl)alf i()m
ein befonberer Slnlafe.
2)a5 unermüblid)e ^Drängen ber (Eltern nad) einer
feften SInftellung \\x\)xit oorübergeljenb aud) 3U bem ©e^
banfen, ben 6o{)n auf einem Sefretärpoften bei ber Öanb=
fd)aft unter3ubringen. Sß^ei 23orfal)ren oon il)m, beibes
Stäublin, maren fd)on im gleid)en STmte tätig gemefen.
2tber 3unäd)ft maren bie Stänbe norf) nid)t tonftituiert unb
fonnten feinen Sefretör berufen, unb als fie es fonntcn,
\iQi Dermod)te Uljlanb meber biefe nod) fonft eine Stelle im
Staatsbienfte an3unel)men.
Das D^lec^tsgefü!)!, bas fo tief bei \\)m n)ur3elte, mufete
nid)t nur in bemofratifd)er ?8egel)rlic^feit bie 2Infprüc^e
bes ^Bürgers gegenüber bem 2:i)rone 3u t)erfed)ten. ©s
äußerte fid) mitunter aud) in minber bequemer, ja für il)n
felbft gerabe3U i)erI)ängni5r)oner 2Beife. 5n einem QSriefe
an bie ©Item Dom 2. 2luguft 1815 Ijat er einen ©runbfafe
au5gefprod)en, ber Don nun an in allen feinen Sd)reiben
nad) ^aufe mieberflingt. ®r n)ar aud) in Stuttgart um
bie ^Profuratur eingefommen, l)atte fein ©efud) aber
3urüctge3ogen, „inbem es/' mie er fd)reibt, ,,bur(^aus
meiner Über3eugung entgegen märe, bei bem gegenu)ärti=
gen Stanb ber Singe bem ^önig einen ©ib 3u fd)mören."
Unb babei bleibt er, trofebem ber red)tlofe, bas l)ei6t Der*
faffungslofe Suftanb miber fein ©rmarten oier ;3al)re ge«
bauert l)at. ^r lel)nt jebe 2Inftellung trofe bes Srängens
ber eitern Oih, er bleibt bem ungeliebten Slbootatenberufe
treu unb lä^t feine befferen 2lnlagen oerfümmern. SBas
ec^ncibcr, Uf)Ianb 15
\)öiit UI)Ianb in jener '^txi nt(f)t alles tüerben fönnen in
feinem geliebten 2Bürttemberg, n)o bem bemunberten
2)id)ter unb gef(f)äfeten i^uriften allmäi)lid) alle Xüren unb
fersen fid) öffneten: ßanbfd)aft5fe!retär, Unir)erfität5=
fefretör, ^rofeffor ber 9^ecl)te ober ber ©ermaniftit, Ober*
amt5rid)ter in Stuttgart, Dberbürgermeifter ber SSater^
ftobt — nid)t5 t)ermod)te il)n 3u nerlocfen! 2)a6 er mit
biefer @emiffenl)aftigfeit oDr fid) felbft aiemlid) tjereinaelt
baftanb, fann bie SSemunberung für biefe 6tanb{)aftig!eit
nur Derftärfen. ©r l)ot au6gel)alten trofe ftarfer äußerer
9^ot, ja er l)at fid) geitmeife reblid) burd)gel)ungert. 2)ic
fnappe 9^oti3 bes Xagebudis: ,,(Belbnot" fel)rt in jenen
3al)ren mit ftiller unb bebrürfenber S^legelmägigfeit mie=
ber. 2Bir erfat)ren aud), bag fie oft in lefeter ©tunbe burd)
bie greunbe ^B&^xxi^h unb Doofer gemenbet merben mugte.
©5 maren l)arte, ja qualoolle :5a^re, biefe '^zxi bes frel=
miliigen 2Iu5fd)luffe6 oon Stürben, ^ömtern unb ©infünften
bes ^eimatlanbes. 2)er 6tänbetampf ift o{)ne 3meifel \i^'x>
innerlid) unb öugerlid) tieffteinfd)neibenbe Erlebnis, bos
Ul)lanb0 3Siograpl)ie aufgumeifen l)at.
60 fonnte ber 2)id)ter benn aud) l)ier ni(^t ftumm
bleiben. S^Jcir nur in gang befc^eibenem SJlage, mie ftets,
ift i^m gegeben, 3U fagen, vdd^ er leibet. 2tber es finb tief=
mel)mut0r)olle furge ßieber, bie bem grül)jal)r 1816 ent=
ftammen.
fiebenbig fein begraben,
(Es ift ein fd)limmer 6tern,
!Dod) !ann man Unglüd l)aben,
5)a5 jenem nid)t 3U fern:
2ßenn man, bei l)ei6em bergen
Unb innern ßebens ooll,
23or Mmmernis unb 6d)mer3en
grül)3eitig altern foll.
2Iber foId)ß 2:öne ocrftummen balb. 2)ie aarte SSlütc
pcrfönli(f)er ©mpfinbungslgrif tft tüirflid) t)or ben ©türmen
bcr 3ett erfroren, mie es bie 3Jl a i ( I a g e befürd)tet. Sa*
gegen fjaben fte bem poUti|d)en 2)trf)ter in bte 6atten ge*
raufest unb i^n 3u mäcf)tigen klängen angetrieben.
3Jlan mirb fid) biefer 35ereid)erung bes ©toffgebictes
nur bebingt freuen. 3""^ tx\itxi 9JlaIe ftellt Urlaub feine
Äunft in ben Sienft einer funftfremben ^(x6)t\ unb ba3u
einer au5gefprod)enen ^arteiangelegeri{)eit. !Diefe (Be=
bid)te finb fo Döllig gelegenl)eitlid), \io!^ fie großenteils ol)ne
Kenntnis ber bamaligen 23orgänge nid)t oerftänb(id) er=
fd)einen. SeI)It i^nen ber traffe aufl)efeenbe JRabitalismus
ber fpäteren politifc^en ßr)ri( 2)eutfd)lanb5, fo mangeln fie
aud) bes großen freit)eitlid)en Si^Ö^s, bes ^inblicfes auf
\^Qi<ö (Banse, unb fie finb trofe iljrer ameifellos frifd)en ®ang=
^aftigfeit bod) nic^t ber mitreißenbe 2luöbru(f einer meite
Greife befeuernben SSoltsftimmung. 2Bol)l t)ermir!licl)t fid)
gerabe in il)nen bie 55ropl)e3eiung bes SSormorts oon 1815,
\io!^ '^Qi<ö Ul)lanbfd)e Sieb oon jefet an fröftiger ans fiid)t
fteigen merbe, aber biefe 6täl)lung ioX bamals nid)t me^r
fo fel)r not. 2Ic^t bis 3el)n 3al)re frül)er, \iQi, märe fold) un*
mittelbar padenbes aftuelles Jl>ema geeignet gemefen, ben
jungen 2)id)ter über 9lad)empfinbelei unb (Be3iertl)eit l)in=
au53ufül)ren. Ser reife 3Jleifter bebarf beffen nic^t mel)r,
unb es ift traurig 3u fel)en, mie bas neue 2[;i)ema unb ber
neue Xonfall im fiaufe bes Sal)res 1816 ber alten 2)id)t=
meife langfam bas gelb abgeminnt. 2)as engbegrenste
politifd)e Selb mar abgemeibet, als bie SSerfaffungstämpfe
iljr ©nbe erreid)t l)atten, ber gemaltfam abgeriffene gaben
ber rein lt)rifd)en unb ballabenmäßigen 2)id)tung follte fid)
aber nid)t mel)r anfnüpfen laffen.
W\i fröftigem 2If3ent fefet bie politifd)e !Did)tung un»
mittelbar bort ein, mo bie patriotifd)e aufgel)ört l)atte: ber
:3al)restag ber 23ölferfd)lad)t gibt SInlaß 3u einer ^ulbi«
15*
gung an ben Slbgeorbneten ^lüpfel, bem es aufbef)alten
mar, „fo manc^ ^eilig D^led)! 3U retten, '^^<ö unter müften
2:rümmern rul)t". 2)a ift lll)lanb noc^ allgemeiner 6änger
ber S^leafttonssett, ©tretter im Kampfe gegen bie
ginfternis, ben unfeligen ©eift bes SUligtrauens, ber fiti)
tüieber auf 2)eutfd)Ianb I)erabfen!en foll. 2)ie näd)[ten
(Bebid)te, ben i^a^ren 1816 angel)örig, merben fpeaieller:
©as gute alte 3^ed)t ift eine 23erfifi!ation ber l)er=
fömmlid)en ftänbifd)en gorberungen, rüäl)renb '^(x'ö auf
einer ^Reife entftanbene @ebid)t 2Bürttemberg alle
Segnungen bes SSaterlanbes für nid)tig erflärt, folange
il)m „all unb eines" fel)lt: 2)a5 gute alte 9^e(f)t. 2)iefe
beiben ßieber, bie uns l)eute am engften unb eintönigften
anmuten, mußten gerabe bamals auf ben frud)tbarften
?Boben fallen. 2)od) Ul)lanb tut nod) einen meiteren 6d)ritt
3ur 6pe3ialifierung: er greift einen beftimmten (Segner an,
nicl)t '^zxK ^önig, fonbern beffen SJlinifter, unb fommt fo in
^onflitt mit einem aJlanne, \^%xk er bo(f) gans unb gar nid)t
al5 miliiges SBerfgeug bes Sefpotismus anfel)en fonnte.
!Der SSerfoffungsfampf mar im Oftober 1815 baburd)
in eine neue ^liafe getreten, baß ber ^önig einen aner»
fannt liberalen Staatsmann in fein Sölinifterium berufen
\^QXit. !Das mar ber greil)err ^arl Sluguft oon 3ß a n ^ e n =
^ e i m; eine ber intereffanteften unb !enn3eid)nenbften
2)iplomatengeftalten ber S^leaftionsäeit, ^ie aber in Einlage
unb 2lnfd)auungen ben amiefpältigen (5:i)ara!ter jener
©örungsperiobe mieberfpiegelt. 3ii^unftsfeimereid)er ßibe«
ralismus unb rüc!ftänbige S^lomanti!, praftifd) blicfenber
Drganifationsgeift unb cerftiegen pl)antaftifc!)er !Doftrina=
rismus mifd)en fid) bei if)m in feltfamer 2Beife. 9Jlag bas
ßob Xreitfdites bered)tigt fein, ber il)n ben geiftreicl)ften
fübbeutfd)en Diplomaten t)or 1848 nennt, für Württemberg
fpegieE mar er nid)t ber red)te 9Jlann. Das fprid)t freiließ
me^r gegen bie 6d)maben als gegen il)n. Die ^artföpfigen
unb fur3fid)ttgen 23erfed)ter bes guterf alten Dtedites, bie
im SSerfaffungsftreit als !Keprä|entanten aufgeftellt tüaren,
geiöiegte fünften unb !leinlid)e ^olitifer n)te 3^^"^ 2Bei5=
Ijaar, 23olIe:) unb anbere fonnten mit bem glatten, fie an
gormen mie an geiftiger ^Semeglic^feit meit überragenben
„STuöIänber'' unmöglid) aufrieben fein; feine flüffig biale!=
tif(f)e !Rebegett)anbtI)eit ftad) fcf)on äußerlicf) benfbar meit
oon il)rer umftönblid) unfreien 9}lanier bes monoton
f(f)n)äbelnben 2(blefen5 oSi, an beren Unlebenbigfeit ^egel
fo ftarfen 5Infto6 naljm. 2)a3u tonnte ber frembe ^aoalier
einen gemiffen überl)eblid)en 6pott gegenüber ber ein*
I)eimifcf)en Querföpfigfeit nict)t immer oerbeigen unb bie
burfd)itofe 2Ibfertigung üon 2lngelegenl)eiten, bie \szx\.
Stäuben I)eilig unb n)id)tig maren, mußte fie anbauernb
oerftimmen. Wizx natürlid) mar aud) '^oi bie fad)Iic^e
!Differen3 \sQi<ö ®runbf)inberni5: 2öangen()eim !)atte 1815
in einer Scf)rift mit bem Jitel: ,,;3bee ber 6taat5t)erfaf=
fung" bie (Brunblinien ber freil)eitlid)en ^onftitution t)or=
ge3eirf)net, mic fie il)m für \iQi^ ßanb am geeignetften
fd)ien. Obfd)on er in ber ^rajis ben 6tänben meiter ent=
gegenfam als in ber Xl)eorie, \)oi er bod) natürlid) ben
6tanbpuntt nie innegef)abt; ben jene allein für bisfutier»
bar l)ielten: ber 55oben bes guten alten !Hed)te5 burfte
nid)t oerlaffen merben, menn man mit il)nen oerI)anbeln
moUte.
!Z)ie 6c{)rift ift bas ^robuft einer in ^Tübingen oer»
brad)ten ®jil53eit. 2Bie fpäter bei ben ©täuben, fo l)attc
2Bangenl)eim fid) fcf)on 1811 beim £önig burcf) feine all3U
freien 2lnfd)auungen unb SIllüren mißliebig gemacl)t, unb
mar be6l)alb fur3erl)anb als 5lurator ber Unioerfität nac^
2:übingen oerfd)icft morben. !Dort fpielte er eine nic^t un*
bebeutenbe JRolle. !Der litcrarifc^ gebilbete unb inter»
effierte 2)^ann ^oXit bereits früher mit einer originellen
älbameigung ber fübbcutfd)en JRomantif, mit bem Greife
230
bes alten ritterlid)€n greil)errn Don Xrud)fe6 auf ber
maimfd)en SSettenburg, gül)lung gerüonnen unb mar ha^
burd) griebrid) Stüdert nal)cgetreten. Sefet !onnten 25e*
3icl)ungen 3u ber Xübingcr D^lomanti! md)t ausbleiben,
unb fo lub ber greil)err benn aud) UI)Ianb unb 6d)n)ab in
feine gaftfrei liebensmürbige ^äu5(id)!eit. Urlaub I)atte
perfönlid) bem greil)errn manches 5U banfen; benn 3öan=
genljeim ift es gemefen, ber dotia 3um 23erlage ber (Be-
bi(^te Dermod)te. Unb mie rül)renb erfinberifc^ bemüt)te er
fid) in jenen ;3a{)ren um eine einträglid)e ©teile für
UI)Ianb! Die erften 2Serfud)e, \\)n an bie UniDerfitöt 3U
feffeln, finb t)on 2Bangenl)eim ausgegangen.
©r mag basu burc^ feine ^od)ad)tung oor bes !Did)=
ters Talenten mie buri^ bie SSitten bes 23aters veranlagt
morben fein. 2BangenI)eim ftanb mit .bem Unioerfitäts^
fefretarius aud) perfönlid) fe()r gut. 2tls trefflid)er Kurator
\)ai er fid) nid)t nur um bie 5)ebung ber ^od)fd)uIe im all=
gemeinen oerbient gemacht, fonbern aud) bie ^Befolbungs»
frage ber Beamten unb 2el)rer in ben l)arten Seiten immer
im 2tuge bel)alten. Stnbererfeits fd)eute fid) ber uorurteits»
lofe ^aoalier auc^ niä)t, t)on 23ater UI)Ianb ein 2)arlel)en
3u erbitten, als er nad) 6tuttgart überfiebelte unb il)m burd)
bie SQlinift ermürbe üielerlei Soften ermud)fen. ©pöter l)ai
fid) bas ungleid)e greunbespaar übermorfen.
2öangen!)eim trat fein 2tmt in fiegesgemiffer Qu=
oerfid)t an, ber @ang ber 2)inge in ben näd)ften Wonatm
bebeutete aber für \i)n mie für ben ^önig eine ftSnbige
^eite oon (Snttäufd)ungen. 2)oc^ mürbe i!)m menigftens
bie eine ©enugtuung, bog bie Stimmung objeftioer ^e=
urteiler, bie fid) ni6)t in bas gute alte dieä)t oerbiffen
l)atten, mel)r unb mef)r 3ugunften griebrid)6 unb feines
SJlinifters umfc^Iug. Senn 2Bangen^eim ging fo meit mie
nur benfbar, menn er ben 2lltred)tlern einräumte, fie feien
eigentlid) mit 'ü)vex gorberung gan3 im died)te, nur Der=
biete fid) bie !Kücfte{)r 3u bem alten ^uftanb aus pra!ttjd)en
©rünben. Sßas an tl)m irgenb nod) braüd)bar fei, bas
[oHe in ben neuen SSerfaffungeentmurf eingel)en. Dilles
umfonft, bie rabifale gorberung ber 6tänbe blieb beftel)en.
6ie riefen fogar smeimal bie austüärtigen SJläcl)te, bie
alten „(Baranten" ber Serfaffung, 3um 6d)ufee ber 23olt5=
red)te auf. !Heale ^olitifer u)anbten fid) ac^felsucfenb
Don fold)em 6tarrfinn Oi\i, \iQi^ Urteil bes greil)errn
Don 6tein ging üon ber ftänbifd)en auf bie föniglicf)e Seite
über. Ser Xon irarb beiberfeits immer fcl)ärfer, bie Sage
gcfpannter.
Sn biefe Jage fällt bie poetifcl)e 2lu5einanberfeöung
Uljlanbs mit 2ßangenl)eim; er lieg fid) burd) bie immer
gemaf)rte banfbare ^od)od)tung t)or bem trefflid)en 9Jlannc
t)on bem 5Baffengang mit bem 9J^inifter nid)t 3urüd{)alten.
©eine fd)ärfften 5Serfe, in benen 2öangen^eim al5 eine 2Irt
i)ampelmann erfd)eint, l)at er allerbings mol)ltDei5lid) ins
^ult perfd)loffen. 3m ©egenfafe 3u ber zivcsQi<ö bürren
^atalogmögigfeit ber beiben Dorl)erge^enben ©ebid)te \)qX
er in bem olsbalb veröffentlichten (B e f p r ä d) bie lebenbige
gorm bes fd)lagfertigen Dialogs gen)äl)lt. (Er felbft ift es
ober irgenbein anberer 2lltred)tler, ber l)ier mit 2Bangen=
t)eim ein 2Bortgefed)t liefert, ©r nimmt ben 23ormurf ber
(Engl)er3igteit ru^ig in £auf unb bel)arrt bei bem SBort:
,,9d) bin bes 2llten treuer ^ned)t meil es ein (Butes ift!"
unb am 6d)luffe, mo ber l)ier trefflid) ge3eid)nete SBangen*
l)eim fid) fd)mer3Doll in bie 5)öl)en bes ibealiftifd)en ßibera*
lismus oerfteigt (,,t)u f)aft bas (Ban3C nic^t erfaßt, ber
S()lenfd)^eit großen 6d)mer3") erplt er bie bittere, aber
aus aller (5d)n)aben ^er3en gefprod)ene 2Ibfertigung: „2)u
meinft es reblid), boc^ bu l)aft für unfer 23olf fein ^er3l"
2lud) 2Bangenl)eim inbes fanb feinen 5tömpen, ber
bie Slntmort nid)t fd)ulbig blieb. f)(xiit Ul)lanb für bie
IBolleg, 3al)n ufm. gefprod)en, fo fprad) je^t fein geringerer
als g r t c b r i d) 9^1 ü (f c r t für 9Bangen{)etm, unb mit
fd)arfcr IHepIif tüeig er jcbe ber ^ilugerungcn U^lanbs gu
parieren, bie er fämtlid) tüortgetreu aufgreift. i)atte jener
gefagt: „Srf) bin bes 2IIten treuer ^ne(i)t meil es ein (Butes
ift," fo runbete S'lücfert biefe S^i^^n gur 6tropI)e ab burc^
bie I)arte ©rmiberung: „Sas (Bute beffern ift ein 5Hed)t, bas
nur ber ^ned)t oergifet." 9)lit gefü{)lDoIIer 6d)Iu6n)enbung
lägt er 5ßangenl)eim auf Urlaubs lefete SBorte I)in feine
unt)eränberIi(J)e ßiebe 3um <Sd)ti)abenpoIfe betonen: „%vx
es trag* id) famt anbrer Saft auc^ biefer ^ränfung
6d)mer3."
2lber UI)Ianb unb JKüdert t)aben bamals nid)t nur
bie 2Baffen feinbfelig gefreust, fie Ijaben aud) frieblid) als
gute ©efellen 6eite an ©eite geftanben unb, ob fie nun
©pagiergönge mad)ten ober fid) im 2BeinI)aufe trafen ober
auf il)ren 55uben im ©d)acf)fpiele einanber gegenüberfagen,
beiberfeits aus biefem Umgang erfreulid)e Stnregung ge=
fogen. 6elbft UI)lanbs in perfönlid)er ©timmungsöufee-
rung fo !argen 33riefe rüt)men bie „\z\)x angenehme 35e=
fanntfd)aft" mit bem „an fd)önen 2)i(f|tungen reid)en''
JRüdert.
SEie ber t)od)gen)ad)fene, bleiche, langlocfige unb alt=»
beutfd) fd)tr)ar3ge!Ieibete fiebenunb3it)an3iajäl)rige Sanges^
tollege äugerlid) einen fet)r ftarJen ©egenfa^ 3U Uf)Ianb
barftellte, fo ift aud) beiber ^unftbegabung unb ^unft=
Übung burd) \z\)x meiten 2tbftanb getrennt. 2)er na^e=
liegenbe 23ergleid) 3n)ifd)en tl)nen ift in ben breigiger
3al)ren burc^ ben fd)mäbifd)en !Did)ter $fi3er in einem
geiftreid)en Sd)rift(^en gesogen roorben. Mdert ift in
gan3 anberem SOlag als UI)Ianb eine t^i V()x\\6)t Statur.
:5ebe Sßtlß \t\xitx !Did)tung ift erlebt unb jebes Erlebnis
nimmt il)m bid)terifd)e gorm an. 2lber nid)t fo, '^^^ bas
(Erlebnis il)n ungeftüm 3ur !Did)tung bröngte: bas Bebürf-
nis, SSerfe 3u mad)€n, ift bei if)m 3uerft ba unb bemäd)tigt
firf) fetner oft fel)r nebenfä(f)n(i)en ©rlebniffe. (Er {)ot es
au5gefprocf)en, bag ©ffen, Jrinfen, ©d)Iafen, !Did)ten tl)m
gleid) natürltd)e ^Bebürfniffe finb. ^l)m ift eine fptelenbc
6prad)bel)errfd)ung r)ernel)en, bie jeben ©ebanten rDenig*
ftens äugerltcf) (Bebtrf)tform annel)men lägt. 23on emfiger
6tofffud)c, Don bef)arrltcf)em ©mporringen 3u größerer
formaler 23oIIenbung, oon fparfam feufd)er 3ui^ü(fl)altung
mie bei UI)Ianb ift bei il)m feine !Rebe, unb ooUenbs md)t
oon befonnenem 2IufI)ören in ber Seit, t>a ber innere
poetifd)e SSorrat erfdjöpft mar. (Es fel)lt il)m an Strenge
gegen fid) felbft, an geile, an fünftlerifd)er ^ormreife.
!Den (Einbrucf, ha^ er fpiele, mirb man bei ben menigftcn
feiner Did)tungen los.
2ll6 er Ul)Ianb gegenübertrat, ba befanb er fid) in
einer günftigen poetifrf)en Qext (Eines ber menigen bic^*
terifd) epod)emac^enben ©reigniffe feines ßebens mirfte
noc^ nad): bie greil)eitsbett)egung. 23iel Iebl)after oIs bei
lll)lanb mar bei iljm bas 35ebürfnis jutage getreten, felbft
311m 6tur3e bes Xr)xanmn bie Sßaffen 3u fül)ren. 9}lit
gan3 anbers ingrimmig=patl)etitd)er 5öud)t als biefer ful)r
er benn aud), als fid) it)m bas 2Baffenl)anbn)erf r)erfd)Io6,
in bie Saiten feiner ßeier unb ftellte für bie gute Sad)c
„mit ©lutblicf trufeenb Krieger, ^voax nur nachgeäffte, ge=
l)arnifd)ter Sonette ein paar IDu^enb". STud) biefe 3um
Xeil fe^r glücflid)en unb ftimmungsfröftigen (Sebid)tc
3eigen burd) ben SIbftanb 3mifd)en fünftlid) smangooUer
StropI)enmaI)I unb fd)ran!enIos bal)inftürmenber ©e«
banfen* unb ßeibenfd)aftsfülle bie @efal)ren ber Mcfert»
fd)en gormoirtuofitöt. Seine leibige @en)oI)n^eit, ein
J^ema bis 3um legten aus3upreffen^ fonnte U()Ianb balb
barauf aus bem fc^mäc^Iid)en „^ran3 ber Q^ii" fennen
lernen, einer langmeiligen Sammlung aftueller ©ebid)te,
bie bas politifdie Zi)ema ber ^Befreiungs^eit nod) einmal
breittritt.
234
SInberc Seiten ber D'lü(fertfd)en ^oefie mußten il)n
DeriDanbtcr anmuten. @ermanifd)e 23or3eitftoffe l)atten
burd) romantifd)e 23ermtttelung fd)on frül)er il)re SQlac^t
auf \\)n ausgeübt, mag fein, \ia^ ber Umgang mit Urlaub
I)ier neue Stnregungen bractite. JRücfert tonnte bem
greunbe feine fd)on aus bem Sa{)r 1814 ftammenbe 55es
arbeitung ber Iiebli(f)en altfransöfifctien gäbet t)on Slor
unb 5BIand)efIur üorlegen, mit ber biefer fici) auf ber
^^arifer 33ibIiotI)e! gleid)fall5 oertraut gemad)t l)aite. 3n
ber Stuttgarter S^it entftanb tia5 fleine ©pos t)on „^inb
5)orn" in ber D^tibelungenftroplje, bie eben erft burd) Ses
Sängers giud) unb bie (Fberl)arbbattaben il)rc ^uf=
erftel)ung gefeiert l)atte. Sa muß unmittelbare SSeein*
fluffung bes jüngeren 2)id)ter6 burd) ben älteren oorliegen,
obfd)on jener fid) bes neuen SD^ages mit ber größten Srct-
^eit bebient.
2tu(^ ber 9Jlinnefang bilbete ein gemeinfames ;3nter=
effenfelb. S^lüdert l)at in Stuttgart mit U{)lanb gufammen
bie neuermorbene Sßeingartner ^anbfc^rift befe^en unb
Stücfe bar aus überfe^.
So modjten fid) bie beiben fangesfunbigen ^reunbe
baju angeregt fü{)Ien, in ber STrt ber mittelalterlid)en
Xroubaboure \l)xe Gräfte einmal aneinanber 5U meffen.
Sie {)aben bas smeimal in allerliebfter 2Beife getan. 3^=
erft burd) gemeinfame 2lbfaffung einer fd)er3f)aftftn
JHomange, bei ber fie fid) Stroptie für StropI)e ablöften,
babei bo5l)aft immer bie Sd)n)ierigfeiten ber ^ortfefeung
^öufenb; unb bann burd) SSerabrebung eines rid)tigen
Xengons, eines Streitgebid)te5 nad) aItfran3Öfifd)em
3Jlufter, beffen Xl)ema fie axid) aus aItfran3Öfifd)er Quelle
begogen: „2Bas ift fd)Iimmer, 2:ob ober Untreue ber ®c»
liebten?" 9lüdert fommt au bem Sd)Iuffe: „(Bi)ev falfd),
als tot!'' Urlaub aber I)ulbigt feiner alten SSorliebe für
bas rül)renbe ^ilb ber toten 58raut unb 5iel)t ,,mit 3n)ie=
235
falter SBaffe, als $oet unb 6ad)tt)alter" gegen bie Untreue
als ©runbübel 3u gelbe.
©er polttifdje Sufanimenftog im S^ooember 1816 mar
natürtid) mentger I)arml05, UI)Ianb fd)ien fid) aber burc^
D^ücferts fröfttges (Eintreten für Sßangenljeim nid)t t)er=
le^t 3u fül)Ien unb nad) einem für bie 23ornef)ml)eit beiber
Xeile gleid) rül)mlid)en 25illettme(:l)tel maren fie mieber
greunbe.
S'lütfert l)atte neben feiner perfönlic^en poIitifd)en
SO^einung, bie unmöglid) bie bes 5IItred)tIerö fein fonnte,
gegen 2öangenl)eim and) nod) fpesiellc Danfe5pflid)ten:
2)er 3)^inifter l)aite feinen greunb oon ber 25ettenburg, ben
unrul)igen ^opf, ber fonft in feinem 35eruf au53ubauern
mugte, in (Stuttgart eine Stellung üerfd)afft. 23on 5)erbft
1815 bis 1. i^anuar 1817 rebigierte IRücfert bie literarifd)e
Seilage bes SJlorgenblattes. gür ben genialifd)en Sog»
ling ber JHomantif mar ha^ natürlirf) an ber Seite bes
alten ^aug fein burd)meg erfreulid)e5 ©efd)äft, unb er
l)ing benn aud) nad) etmas über einem ^al)xe ol)ne Se=
benfen ha5 !Rebafteurl)anbmerf mieber an ben D^lagel. (Er
mar nad) feinem eigenen 5Borte nic^t ber 9Jlann bagu unb
mid) gerne ber t)ielerfal)renen Jl)erefe i)uber, bie gemife
„bie grau basu" mar. 55alb manbte er aud) Stuttgart
ben diüdm unb 30g leid)ten 5)er3en5 nad) Italien. 3n
fpäteren 9a^ren foU er fic^ nid)t immer fe^r freunblid)
über Ul)lanb geäußert f)aben. !Die Se3ie^ungen finb 1817
eingefd)lafen unb nie mel)r 3um ßeben ermecft morben.
Das mag oor allem bes^alb bebauerlid) erft^einen, meil
Ul)lanb bereits mieber in eine fiebensepod)e eingetreten
mar, in ber Slnregung oon außen feiner 5^robuftions=
unfreubigfeit not tat.
(Einftmeilen cerforgten il)n freilid) bie politifd)en SSor«
gonge nod) mit Stoff. Sn bie gemitterfd)mangere 3^^^ öer
Sonfliftsmonate September unb Oftober 1816 fd)leubert er
236
jmet fröfttgc (Bebt(f)te, beren eines, 2tn bte 93oI!5 =
D e r t r e t e r , recftt d)ara(tenfttfd) ben Orunbirrtum bes
ftarren 2lltred)tler5 aetgt: 2;reue gegen ha5 alte Sted)! tft
il)m gleid)bebeutenb mit geft{)alten an bem 5led)ten über*
f)aupt, an bem abfolut 2Ba{)ren unb 3Jlora(ifd)en. ^i(i)t
um alte 3'led)t0formen unb @ered)tfame, fonbern um „\)a5
d\e<i)te, alterprobt einfad) ^ö:)te" ge{)t ber ^ampf, um bte
emig unreräugerlidjen ©üter ber 6itte unb 6ittlid)feit.
3n gleid)em 6inne mieberum ruft il)n ber 18. Oftober auf
ben $Ian. liefet enblid) l)ai er, burd) S^rüdgreifen auf be«
feuernbe klänge unb (Beftalten ber grei{)eit5!riege, gans
bie Xöne gefunben, bie in meiteften Greifen einfd)Iagen
mußten, bie mert maren, im nationalen (Befange \a\)X'
3el)ntelang fortsumirfen. 6ein padenbftes politifc^es
ßieb: „SBenn I)eut ein ©eift I)ernieberftiege, augleid) ein
6änger unb ein ^elb'' — menbet fid) an ganj 2)eutf(^Ianb
unb ftetit für jeben, nidjt nur ben n)ürttembergifd)en SSer»
faffungsfampf ben ©runbfafe auf: „S^eie feib i^r nid)t ge=
morben, menn iljr ha^ d\e(i)t nid)t feftgeftellt." ©ans an»
bers als gleid)3eitig 9lüdert l)at er t)ier ben (Beift X^eobor
Körners befd)troren, um über bie trübfelige (Segenmart
@erid)t 3u l)alten.
Unmittelbar banad) töurbe ben 2tttred)tlern i^re
ftörffte Sßaffe entmunben. $erfönlid)er ©roll gegen ben
^önig I)aben mir als eine ber tiefften SBurgeln bes 501x6=
trauens gegen jebes SSerfaffungsmerf erfannt. D^iemanb
mirb es .UI)Ianb oerargen, menn er o^nc 6pur oon (Bx*
griffen^eit am 1. D^ooember 1816 an ferner Don ber
,,gro6en S^euigfeit" fprid)t — : ^önig griebrid) mar 3met
Xage juoor geftorben unb fein 5Jlac^foIger, 2Bin)eIm I., be»
ftieg ben XI)ron.
©ine grunbanbere ?perfönlid)feit als ber SSater, fein
!Defpot, fonbern ein ?PfIi(^tmenfd), nic^t auf foftbare ßieb*
J)abereien heha6)t, fonbern mit proftifc^em Sinne für bos
öfonomtfd)e unb Solibe ausgeftattet, bQl)er meit entfernt,
feine ßänber qIs Slusbeutungsobjeft an5ufel)en. ^atte
^önig gdebrid) burd) 6päl)er in6gel)eim bie Stuttgarter
Bürger au5l)ord)en laffen unb in peinlicf)e 2In!Iagen Der=
micfelt, fo ging ^önig 2ßilf)elm u)of)l einmal als ein neuer
5)arun al !Rafd)ib felbft im 35ürgerfleibe burd) bie ©tragen,
um fic^ Don ber allgemeinen Stimmung 3u überseugen
unb SJligftänben feines S'legiments auf bie ©pur 3U
fommen. (Butbürgerlid)e ßeben5geu)ol)ni)eiten fennseid)«
neten il)n überl)aupt, er mar folbatifd)e '^\x&)i unb ©in»
fad)l)eit gen3Öl)nt, unb fo \)\x^iz 6tuttgart unter il)m ben
JKuf einer foftbaren eleganten JRefibens mieber ein, mic
aud) ber fd)mäbifd)e ßanbmann fid) enblid) t)on ber furcht*
baren ^lage ber töniglid)en 9agben befreit fal). Selten
mag ein !Regierung5med)fel einen fo oollfommenen Um»
fd)lag in allen JHegierungsformen gebrad)t, eine fold)e
güUe oon 9)li6ftänben befeitigt l)abcn. Sie SSolfstümlid)«
feit bes neuen Königs mürbe benn aud) balb fel)r groß
unb Diele 2öürttemberger, bie fic^ unter griebrid)6 Öod)
murrenb gebeugt l)atten, empfingen t)on ben erften !Re»
gierung0ial)ren bes liberalen unb leutfeligen Surften fo
ftarfe ©inbrüde, \io!^ fie aud) fpäterl)in mit il)m burc^ bid
unb bünn gingen unb alle Oppofition gegen il)n als Quer»
föpfigfeit oermarfen. 2)ie fiiberalen mürben jefet SRe»
gierungspartei.
Ul)lanb, ber fpäterl)in als 2tbgeorbneter fo l)äufig ben
©roll 2ßill)elm5 auf fid) laben mußte, l)at feinen ei)arafter
offenbar rid)tiger erfaßt als ber bamalige 2)urd)fd)nitts=
fd)mabe unb aud) als mand)er gemiegte ausmörtige ^^oli»
tüer. 5Dlel)r inftinftio muß fid) bei bem mißtrauifc^en
5ßeobad)ter ein ^ilb bes aJlannes eingeftellt l)aben, äl)nlid)
bem, mie es fid) oiel fpöter pragmatifd)er (Sefd)id)t5«
fd)reibung erfd)lo6. 2Bol)l mar ber ^önig liberaleren
Sinnes als fein 23ater, mol)l ^at er oielen trefflid)en gort*
frf)ntten energtfd) 25at)n gejdiafft. 2(b^r gans rein unb un=
eigennüfeig finb feine 2tbfid)ten babei boc^ nid)t gemefen.
(Bv mollte ber 23ater feines 23oI!e5 fein, aber has mar fein
ef)rgei3 unb nid)t fein ^ebürfnis. ©r mollte bas 30^ufter=
gebäube einer ^onftitution errichten, aber nid)t um 2öürt=
temberg 3u beglücfen, fonbern um nad) äugen ^in 5U
prunfen unb fid) in Deutfd)Ianb eine maggebenbe 6tel=
lung 3U t)erfd)affen. Unb als fid) feine 2ru5fid)ten auf ben
Soften eines 9^eid)sfelbt)errn 3erfd)tagen f)atten, tia mürbe
er ber 23erfed)ter jener 3:riaspoIitit bie im 3iifctiiitt^ßn«
fd)Iuffe ber fleinen, befonbers ber fübbeutfd)en 35unbe5=
ftaaten ein ©egengemic^t gegen bie Mad)t Öfterreid)s unb
Preußens fud)te. ©päter l)at er fid) nur fel)r unluftig ber
2tutorität ber 58unbesbefd)Iüffe gefügt, aber bod) feines»
megs bloß aus ^Tbneigung gegen bie Knebelung feines
ßanbes, fonbern aus el)rgei3igem ©elbftänbigfeitstricb.
3unäd)ft aber, als er fi^ bie ^rone aufs 5)aupt fefete,
jubelte it)m alles l)offnungsfreubig 3U, unb felbft Urlaub
\)at in fd)mer begreiflidier SSerbtenbung gerabe oon biefem
gortfd)rittsmann auf bem X^rone bie Erfüllung ber alt»
rec^tlerifd)en gorberungen ermartet. 25ei il)m mußte ja
3meifeIIos „bas 5)er3 für unfer SSoIf' 3u finben fein, unb
fo gilt bem neuen gürften ber SBilltommgruß bes un=
befted)Iid)en ^Politifers.
2)od) balb {)ingen bie {)od)gefd)U)eIIten ^offnungsfegcl
mieber fd)laff I)erab. bereits ber 9'leujal)rsmunfd)
auf 1817 3eigt bie olten Zöm ber ftönbig bol)renbcn
S^lei^tsforberung, unb man l)at ben peinlid)en (Einbrucf,
^a^ ber poIitifd)e fit)rifer allmä()lid) bie abfd)üffige 25af)n
fanatifd)er Übertreibung betritt, menn er I)ier erflärt, bas
93oI! münfd)e nur mas es münfd)en muffe unb fönne oI)ne
5rei{)eit, bas I)ei6t alfo ol)ne bas gute alte d{ed)t, über=
f)oupt nid)t leben.
Zxoi^ biefes gemilberten Optimismus ift es eine l)axte
(5nttäufd)ung getrc{en, als cnbltd) im SJlöra 1817 bcr
föntgüd^e SSerfaffungsenttüurf crjd)ien, für hen tüieber
2Bangen{)ctm in erfter ßinic oerantiüortlid) mar. 2)iefcr
©nttüurf „ift über alle ßrmartung fd)(ed)t ausgefallen,
3«) ei Kammern, feine ^affc, fein 2Iu5fd)u6", fo ftellt ein
Srief Uölanbs feft. 2IIfo smei ^arbinalforberungen
feiner ^^artei, bie 2öiebereinfül)rung ber burd) bie 6tänbe
3U oermaltenben Äaffe unb bie erf)ebung ber lanbftänbi»
f(f)en 2Jlitregierung in permanens burd) (Einfü!)rung eines
ftänbigen 2Iu5fd)utfes maren abgelehnt, neu eingeführt bas
3tr)ei!ammerfr)ftem, bas unter griebrid) 3unäd)ft nid)t be=
abfid)tigt gemefen mar, bas aber in 2Bangenl)eim einen
eifrigen Sürfpred)er fanb. 9^ad)bem UI)(anb in einem ©e»
bid)te Dom 14. Wdx^ suerft bie Stäube gana allgemein 3ur
93ermerfung bes föniglid)en ^rojeftes aufgeforbert l)atte,
ging er einen 3Jlonat fpäter als politifd)er 6d)riftfteller
einem beftimmten 2lbfd)nitte bes ©ntmurfes 3uleibe unb
fd)rieb bas fd)lagenb fnappe giugblatt: ^eine2lbels =
f a m m e r! (Es ift als (Blaubensbefenntnis fel)r intcr=
effant. 2luf altred)tlerifd)er ©runblage rul)enb, erl)ebt es
fid) 3u einem mobern bemofratifd)en, ben Stänbeunter=
fc^ieb rü(ffid)tslos Dermifd)enbengortfd)rittlertum. ,,Drei6ig
^a\)ve \)at bie 2Belt gerungen unb geblutet. !Der ent=
mürbigenbe 2lrifto(ratismus foUte ausgemorfen merben;
baoon ift ber ^ampf ausgegangen." Ul)lanbs politifd)«
l)iftorifd)e ^Begriffe l)aben fid) fo oerfd)oben, ba^ er in ber
alten 33erfaffung ni(f)t bas fal), mas fie mirflid) gemefen ift
nämlid) aud) eine 2lrt 2triftofratismus ober menigftens
Oligard)ie, fonbern nur bie oertragsmägig gefid)erte
(Bleid)bered)tigung oon gürft Unb SSolf in il)r erfennt;
3mar feine Delegierung bes Untertaneni)erl)ältniffes, aber
bod) beffen benfbarfte ®infd)ränfung. Sie 3meibeutige
unb ben 2tltred)tlern längft unbequeme Stellung bes ha^
maligen mürttembergifd)en 2lbels mag il)r gutes 2:eil 3u
biefem STnttariftofrattsmus beigetragen I)aben. 5)te Sßursel
biefer (Begner(d)aft mar aber streifellos bie 35efürd)tung,
es möd)te ftd) ein tüetterer ©tanb, ber bi6l)er in ber 93er=
faffung gar feine !HoIIe gefpielt \)oXiz, 3ur Unterbrücfung
ber SSoIföfouDeränität 3n)ifd)en gürft unb Untertanen ein=
brängen. 2)iefe „6d)änbung ber altn)ürttembergifd)en
SSerfaffung" mufete unter allen Umftänben t)er()inbert mer^
ben. Unb mieberum greift Ut)Ianb bie cerblafene
S^omantif SOßangenfieims an, ber bie SIbligen 3u ^alb=
göttern emporgel)oben Ijatte. ©s maren 3:öne l)ier an=
gefc^Iagen, bie bei bem mobernen fiiberalismus 2ßiberl)all
rüecten mußten. 23arnf)agen, ber bem Fanatismus Ul)Ianbs
fonft fopffd)üttelnb 3ufal), ^oX l)ier freunbf(f)aftlid)en ^ei=
fall gefpenbet unb ift iljm in einer äl)nlic^ gerid)teten
6d)rift 3ur 6eite getreten.
Salb ^oXiz ber geinb bes neuen SSerfaffungsentrrurfes
röieber (Beleg enl)eit, feine fieier 3u einem Sieb an bie
fianbftänbe 3U ftimmen. 9^ad) müften 21ufläufen, bie ber
^pril in Stuttgart gebrad)t l)atte unb bei benen ein er=
regter 23ol!s{)aufe fogar SBangenljeims 2BoI)nung bebro{)t
I)atte, erfolgte im Suni in brüsfer gorm bie 2tuflöfung bes
fianbtages. 2)er SSerftänbigungsmille bes Königs I)atte
benn bod) feine (Bren3en. Der 9^ a et) r u f , ben Ul)Ianb
ben Stäuben mibmete, ift bas Xrofeigfte, mas er gefungen
\^o!i, im ©eift jener f(f)roffen Unt)erföl)nli(f)(eit gel)alten,
bie ben gansen Streit aus3eicf)net. Der 2Infang fc^on ift
fenn3eid)nenb für bie fpe3ififd) antifürftlid)e, bemofratifc^e
IHic^tung, in bie bie 2Utred)tIer allmä()lic^ gebrängt mor*
ben finb:
9^0^ ift fein gürft fo I)oct) gefürftet,
60 ausermäl)(t fein irb*fd)er 9Jlann,
Daßf menn bie 2BeIt nad) grei{)eit bürftet,
(£r fie mit greil)eit tränfen fann.
^id)t ©nabe, fonbcrn died)i löirb verlangt — biefer
alte ©runbton bef)errfd)t aud) has üicllcic^t populärftc
poUtifd)e ®ebid)t Urlaubs.
©5 folgte biefer ©tänbeauflöfung eine 3ßtt, bic bem
fanatifrf)en ^onftitutionaliften peinooU fein mu^te, bem
ganjen ßanbe aber entfd)ieben 3um 5)eil au5fd)lug. 3n
ben Derfaffungslofen 3U)ei 9al)ren l)at £önig 2Bil^eIm mit
feinen liberalen 9Jliniftern ein fo oerftänbiges unb fort»
fd)rittlid)e5 D^legiment gefül)rt, ha^ fein tlar Urteilenber bie
ajlitmirfung ber 6tänbe ernftlid) oermiffen fonnte. Dieben
2öangen^eim ftanb il)m ein meiterer aufgeflärter ajlinifter
5ur 6eite in ber ^erfon ^arl Werners, be5 ehemaligen
©enerals. 2)iefe matfere f9mpatl)ifc^e $erfönlid)teit mar
in t)ieler i)infid)t ha5 2Biberfpie( bes 55ruber5 Suftinus
unb bot fomit aud) ein I)eilfame5 ©egengemid)t 3U
2Bangent)eim5 fc^märmerifd)en Staat6tl)eorien. (Bx mar
als alter 6oIbat ein Wann ber ^rajis unb vita activa,
el)rlid) unb nobel unb baau abfolut unromantifd), fo fe^r,
ba^ ©pinbelmann ber ^Regenfent Diel mel)r fein (Befc^macf
mar als i^uftinus ber Siebter, dtvoa^ t)om (Seifte Söeifeers
fonnte if)m mit died)t nacf)gefagt merben, aber es oerfte^t
fid), ba^ fold) nüd)terne 33erftänbigfeit in ber $oIitif unb
SSermaltung meit el)er am ^lafee mar als in ber ßiteratur.
Xxo^ bes ©egenfafees ber DIaturen unb ^Temperamente
mu^te aber i^uftinus politifd)er Parteigänger bes 33rubers
fein, unb bas um fo mel)r, als il)m ber IHabifalismus unb
Starrfinn ber 2lltred)tler immer fremb unb unerfreulid)
gemefen mar. (Es beburfte ber gansen freunbfd)aftlid)en
©utmütigfeit, bie fiel) bei it)m mie bei Ul)tanb oorfanb, um
einen ^onflift ju oermeiben. „Die r a f e n b l)artnäcfigen
greunbe, bie fid) in bie ßanbftänbe red)t eigentlid) Der»
biffen l)aben unb il)re ^innlaben 3u nid)t5 anberem me^r
bemegen fönnen/' l)ören Don il)m Diele balb rül)renb be-
mcglic^e, balb fatirifd)e Siirufe, auf il)rer 58al)n inne3U«
edjneibcr, Uljlanb. 16
()alten, aber feine finbli(f)e D^atlofigfett bei fo unbegreif=
Ii(f)er Unfttmmigteit 3rt)tfd)en il)m unb bem „^ergbruber"
finbet fd)Iie6nd) nur ben einen Slusmeg: „0 Ul)(anb,
UI)Ianb, ein anberes ßeben tüirb uns geigen,, mer re(f)t
\)qXY' 2Iud) bie gang einf eilige 9lid)tung ber U^Ianbfd)en
?Poefie betümmert il)n, trofebem il)m 23arn{)agen mitteilen
fann, \io.S^ ber 2)id)terru{)m bes greunbes fid) immer mel)r
ausbreite unb man biefe fiieber nid)t nur in 2Bürttemberg
begierig oon 9Runb gu SJlunb trage, fonbern auc^ in
^Preufeen eifrig abfd)reibe. 1817 finb fie gefammelt im
!Dru(t erfc^ienen; benn il)re lReiI)e mar gefd)Ioffen.
9^ur norf) einen Slnlaß hxQi&)iz bas 5al)r 1818, eines
oftuellen SSorgangs im @ebid)te gu gebenJen: Sa mürbe
aber nid)t ftürmifd)e Oppofition gegen bie ^Regierung laut,
fonbern ber t)eimifd)e Sänger trat feinem ^önig tröftenb
unb mittrauernb an bie Seite, als er feiner ©attin 5)eim=
gang beflagte. Sßieber ift Ul)Ianb Spred)er bes gangen
ßanbes, man l)ört es biefem taftooll garten unb fparfam
gebämpften Xrauergebic^t an, '^o!^ ber bemotratifd)e
2)id)ter fid) ein @ebid)t auf eine gürftin abringen muß unb
gefliffentlid) bas rein 3D^enfd)Iid)e an Äatl)arina feiert.
Sie ift biefes eingigen I)öfifd)en @elegenl)eit5gebid)te5 aus
ber geber Urlaubs mot)I mert gemefen, bie geiftüoUe,
liebensmürbige, im fd)önften Sinne Ianbe5mütterlid)e
JHuffenpringeffin unb Sc^mabenfönigin, bie in bem böfen
^ungeria()r 1816 ebenfo meitblicfenb mie marml)ergig ber
9^ot bes ßanbes gefteuert ^^oMt. 9l)r gu I)ulbigen, fann ber
ni)Ianbfd)en SÖlufe nii^t als 23i)gantinismus ausgelegt mer^
ben; „l)at fie nid)t bie ßebenben erI)oben, bie 2:oten, bie
nic^t pren, barf fie loben".
Ul)Ianb mag bamals, Januar 1819, gu freubigem ßob
eines ©liebes bes Qerrf(f)erl)aufes mitgeftimmt morben
fein burd) bie angenet)me 2tu5fid)t, enbtid) aus ber i^n per«
fönlic^ fo bebrüdenben SD^lifere ber oerfaffungstofen 3ßit
VaiHV£ü\;^RViSÜV^*iV:^ÜC^HC^ii
243
I)erQU53ufommen. ,,9^ad)n^t, "^o!^ tüieber ßanbflänbe im
2ßer( feien/' ^^aiit er fid) fd)on am 8. ins S^agebuc^
notieren fönnen, unb feiner ©fepfis 3um %x^^ fd)lugen bic
©reigniffe jefet einen rüftigen @ang ein. Zvck Suni erfolgte
in ber %qX bie neuerliche Einberufung bes ßanbtages.
Siesmal foUte Ul)lanb nid)t bloß als leibenfd)aftlid)er
3ufd)auer unb politifd)er Kommentator ben ©reigniffen
aus ber gerne folgen, fonbern aufs unmittelbarfte an
il)nen teilnel)men. Sd)on 1817 Ijatte fid) für il)n flüd)tig
bie 3Jlöglid)!eit eröffnet, felbft in bie Kammer geu)äl)lt 3U
merben, bod) fel)lten il)m 3u bem gefefelic^en 2llter oon
breigig Oal)ren nod) ein paar 9Jlonate. Sefet erflärte er,
eine JRepräfentantenftelle 3U)ar nid)t an3uftreben, aber fid)
aud) feiner Sürgerpflid)t nid)t ent3iel)en 3U mollen. Unb
es 3eigte fid), mie tief fid) ber SSerfaffer ber t)aterlänbifd)en
®ebid)te in bie 6d)maben^er3en l)ineingefungen unb
n)eld)es aJlag politifd)er JHeife man auc^ in feiner Slug=
fd)rift gefunben I)atte: S^lic^t meniger als oier Oberämter
moUten i^n als Kanbibaten aufftellen, 2:übingen trug 3um
freubigen Stol3e ber (Eltern ben 6ieg baoon.
2Iuf ben 13. 3uli mar bie Kammer nad) ßubmigsburg
berufen. Ul)lanb oerf agte bie Danfabreffe an ben König unb
mürbe oon il)m empfangen. „:3d) ^offe, menn mir in ben
ajleinungen r)erfd)ieben finb, fo merben mir es nic^t in \stx\,
(Befül)len fein,'' fagte ber 3Jlonard) 3u bem poetifd)en
ßeid)enrebner Katl)arinas. 23on nun an l)at Ul)lanb als
einer ber (Eifrigften unb 6ad)!unbigften an ber Konftitu*
tion mitgearbeitet, unb aud) feiner raftlos treibenben
Kraft mar es 3u banfen, menn fie fc^on Stnfang September
unter "^^6) unb '^Qi6) fam. 25etrad^ten mir uns aber bie
grud)t biefer Xätigfeit, bas SSerfaffungsmerf, 3u beffen
SSätern Ul)lanb 3äl)lte, fo merben mir 3unäd)ft erftaunen.
©ein Dernid)tenbes Urteil über ben ©ntmurf oon 1817
I)atte gelautet: „Über alle ©rmartung fd)led)t, 3mei Kam«
16*
mcrn, tetne ^affe, fein 2Iu6fd)u6!'' 9^un, oud) für bte 23cr»
faffung t)on 1819 l)aite Uf)Ianb5 ()et6e5 S5emü{)en lüebcr
bas etnfammerft)ftem, nod) bic altiüürttembergi|c^e lanb*
ftänbifd)e ^affe retten fönnen. SBol)er je^t bas bemon»
ftratb freubige, bejal)enbe SSotum, mit bem Ul)(anb bei bcr
?pienarabftimmung ben ©nttüurf befiegelte?
Man barf ben trofeigen 23erfe^ter bes guten alten
die(i)te5 nid)t burd) bie Sänge unb Unerfreulic^feit ber
3ti)ifd)en3eit gebeugt n)ä{)nen. Sie 2Serfaffung Don 1819
bebeutet mol)! eine D^ieberlage ber extremen Partei, \)a
Don einer 2tnnal)me and) nur ber ©runblinien bes alten
!)led)te5 nid)t bie JRebe fein fann. SIber fie bebeutet bod)
mieberum einen 6ieg infofern, al5 ber ^önig biesmal
nid)t mit einer fertigen SSerfaffung an bie 6tänbe l)exan=
getreten mar, bie er i{)nen aufsmingen mollte, fonbern hen
^onftitutionsbau auf bem SSoben be5 SSertrages errid)tete.
(Begenfeitige 23erftönbigung unb SSeratung smeier gleid)»
bereci)tigter g^ftoren, bes Königs unb bes Golfes, ^aben
i{)n suftanbe gebracf)t. Seber 23er3id)t ber 2tnl)änger bes
Sllten auf ein geliebtes 23orred)t l)atte menigftens ben 2In=
fd)ein ber greimilligfeit, fo 3Öt) gerabe U{)Ianb jeben ^ug»
breit SSobens oerteibigt l)aben mirb. ©einem formalifti»
fd)en JRed)t5empfinben ertd)ien es als maggebenb, t)a^
„jener Urfels unferes alten 9'led)te6, ber 33ertrag", beftanb.
2)od) fam ein SBeiteres I)in3u. Die ©ile, in ber 93er*
I)anblung unb Slbftimmung fd)Iiepd) 3u Snbe gefül)rt
mürben, I)atte il)ren ©runb aud) in äußerer Dlötigung.
2ßer fonnte miffen, mie lange es ben ein3elftaatlid)en
©ouDerönen nod) geftattet fein mürbe, il)re ^erfaffungen
aus eigener 3D^a(^tr)olItommenI)eit aufsubauenl Seber
liberal ©efinnte, ^önig 2BilI)elm fo gut mie 'lll)lanb, mußte
eine Knebelung burc^ ben Sunbestag gemörtigen in einer
Seit, mo bie gurd)t ber Wdd)te oor politifcl)en Umtrieben
il)ren ©ipfel erreid)t l)atte. Diefc „Sunbfcl)mecferei" mor
f(!)on 1816 burcf) ein ©onett UI)Ianb5 r)erl)ö()nt morben;
alsbalb follte fie fid) in bcn ^arlsbaber 35e[d)Iüf|cn aufs
unljetlDolIftc äußern. Die toebelung ber perfönüc^en
greil)eit unb bes SBortes, bie biefe brachten, mar burc^ bie
iDÜrttember9ifd)e 23erfaf{ung nod) eben glüdlid) unter=
bunben morben.
UI)Ianb überfd)äöt \i(x^ (Erreid)te nid)t, aber er ift 3u=
trieben: ,,2Benn nun freiließ nid)t jebem gerechten 2ßunfd)e
entJprod)en ift, fo mirb bod) mieber ein 3"ftanb ber £)rb=
nung unb bes !Red)te5 im altl)erfömmlid)en 2Bege bes 23er=
träges ()ergeftellt. Der 5)immel gebe feinen (Segen bo«
3u!" Unb tüie n)oI)Itätig mag il)n ber einl)eUige (Eifer ge*
meinfamer Betätigung bei ^Regierung unb ßanbtag an*
gemutet {jaben! „(Es ift jefet überall bie fd)önfte eintrad)t,
bie freunbfd)aftlid)fte ©efinnung. Ob es fo bleiben mirb?"
©s fonnte natürlid) nid)t fo bleiben, unb bie u)ürttem=
bergifd)e Kammer bot ber 2BeIt nid)t lange bas feltfame
6d)aufpiel eines oppofitionslofen fianbtages. '^xozx Äeime
3u neuen SJlifeftimmigfeiten maren oon 2tnfang an ge«
geben. S^näc^ft \i^i\t ber Äönig 3ugeftanben, \iQ!^ bie
SSerfaffung noc^ mannigfad) bes 2Iu5baus unb ber aSer»
öoUfommnung bebürfe. "^(x^) u)elcf)er 6eite unb in xxszX-
d)em Sinne biefe ansuftreben fei, barüber fonnte unmög»
lid) allertöärts eine 3)^einung I)errfd)en. Unb bann mar
SBürttemberg bas (Blieb einer größeren (Befamt^eit. Die
(Einflüffe bes SSunbesrates unb ber reattionären preufeifd)*
öfterreid)ifd)en $olitit mußten fic^ im ßanbe trofe 2öangen=
l)eims fingen Söaltens in ^ranffurt mit ber 3ßtt einengenb
äußern, oiele ber oerfaffungsmäßig 3ugeftanbenen fjrei*
l)eiten in ber ^rajis unburd)fül)rbar merben. S^mal nad)
ber 3iemli(^ fläglic^en S^ieberlage ber äußeren ^olitif bes
Königs, bie ben Xriasbeftrebungen ben Xobesftoß oerfefete.
Sieben 3al)re l)at UI)lanb oon \iQi an im mürttem=
bergifc^en ßanbtage gefeffen als beffen gemiffenl^afteftes
unb pünttUt^ftcs SJlitgtieb. 2tber gerne l)at er ble|en ^lafe
ni(i)t innegehabt, ausgefüllt \)at i^n bie ^oütif nie, „freub=
los'' ift il)m nad) feinem eigenen SBorte bie S^\t Derlaufen.
Die 2lnfid)t ber SO^utter, ha^ er ein großes Opfer bringe,
roar unau5gefprod)en aud) bie feine. Xrofe %U\^ unb 2Cn=
teilnal)me mar er 3um SSolfsoertreter Don ^aufe aus auc^
nid)i befäl)igt.
2Bie es in biefer Kammer gu ^önig 2Bi(I)elms Seiten
ausgefet)en l)ai, baüon meig ber liebensmürbige (Bv^'dl)hx
Sßinibalb 2IIejis ein lebenbiges ?8itb 3U enttrerfen. „3rf)
roill nid)t fagen: 23ertrouIid)feit, aber ßebenbigfeit I)errf(^t
burd) ben f)ellen, gefd)ma(!t)oIt erleud)teten 6aal . . . 9Jlan
^ört feiten lange Stieben, funftreid)e STuseinanberfefeungen,
n)eld)e burd) bie ©emalt ber Dialeftif mirfen follen; es
töirb mel)r Don ber ßeber n)eggefprod)en, unb jeber bleibt
auf feinem gletf, mas aud) bud)ftäblid) gilt; benn es fte{)t
feine 2^ribüne im 6aal unb man rebet Don feinem ^lafee
0U5. 60 geminnt bas ©anse me()r ben Slnblid einer oer»
traulid)en 35efpred)ung, unb bie 3urüdgefd)Iagenen !Dcpu=
tiertenmäntel Ijaben nid)ts meniger als etmas feierliches.
Die enge ©alerie ift immer gebrängt doU; alles ift 2Iug*
unb D^r, unb feine 6ilbe fd)eint ^ier rerloren ju gel)en . . ."
Ul)Ianb5 mangeinbe ?8erebfamfeit, fein ^Hingen mit
bem Slusbrude, bas gelegentlid)e 6tammeln feiner S^nge
I)at mand)en fremben S5efud)er enttäufd)t, ber bid)terifc^e
23erl)errlid)er ber 6tänbe mirb t)on eigenen Kollegen fogar
als gang befonbers „profaifd)er 2tbgeorbneter" be3eid)net.
S^lotter lief als junger 9Renfd) entrüftet baron, als ber be=
rül)mte" ^oet fid) eine 93iertelftunbe lang über bas ßanbes=
geftütsmefen ausließ. Sllejis berid)tet ©ünftigeres: „U{)Ianb
tritt feiten als eigentlid)er S'lebner auf; er muß, um 3u
mirfen, gan3 t)on ber Sülle feines ©egenftanbes I)ingeriffen
fein; mel)r mirft er burd) feine ©efinnung unb Stellung.
Seine eingeftreuten SSemerfungen finb fd)arf, oft mit
247
bitterer ©ptfee. Tlan rü^mt oon it)m als 6pred)er, bag er,
feinb allem nur I)ol)Ien !Heben, \)a5 2Bort ergreift, töcnn er
etwa5 oor3ubringen Ijat, mas ein ©etr)id)t in bie 6d)alc
legt, ©r trumpft gern ab, nad)bem anbere ausgefpielt
f)aben, unb mad)t bas ^unftum/'
5ßei biefer 6d)i(berung, bie eine ganj gefunbe ®r*
3ie{)ung ber fd)üc^tern morttargen ^erfönlid)feit burd) bie
55oIitt( erfennen läfet, mag freilief) me^r ber Oppofitions*
mann ber fpäteren Qeit t)orfd)tr)eben. Qu if)m \)ai fid)
Ul)Ianb in ben ^wan^xqev Sal)ren langfam cntmicfelt. Un*
merflid) glitt er Dom 2(ltred)tler 3um mobernen Semo:«
traten l)inüber. 2lu5 ber alten gorberung nad) grei!)eit,
23ertrag6t)erl)ältni5 3ir)i(d)en gürft unb 23oIf unb jä^rlic^em
3ufammentritt bes ßanbtages ergeben fid) oielc fünfte
bes neu3eitlid)en liberalen ^rogrammes oon felbft. Sic
Öffentlid)feit unb Unabl)ängigteit ber !Ked)t5pflege oer*
langte mit ben gortfd)rittIern ber Qe'ü ber 9Jlinifterial*
fefretär, ber rDäI)renb ber ^abinett6jufti3 feine Crfa{)rungen
gefammelt l)atie; $reffefreil)eit ber Stuttgarter, bem unter
griebrid) 1. fein unabt)ängige5 55latt 3U 2Iugen gefommcn
mar. Der erfte Sufan^n^^nftofe mit ber !Regierung erfolgte
bei bem 2Iu5fd)lu6Derfal)ren ber Kammer gegen eines i^rer
SJlitglieber, ben D^ationalöfonomen ßift. 2)ie 9Jlel)r3al)l
ber Slbgeorbneten 3eigte fid) nod) rüdftänbig unb liefe ben
Kollegen fallen, ber 9^ed)tspflege unb SSermaltungs-
bel)örben bes ßanbes in überfd)arfer 2Beife angegriffen
l)atte. Ul)lanb oertrat biefer parlamentarifd) ungefd)ulten
3D^ajorität gegenüber bie mobernen $rin3ipien bes freien
2öortes unb ber Immunität bes 2lbgeorbneten. @e»
fd)lofferie Parteien bilbeten fid) in jenen Äinber3eiten bes
SSerfaffungslebens erft fel)r allmä^lid) aus, unb Urlaub ift
nie ein 3Jlann geroefen, ber fid) bebingungslos einer gartet
angefd)loffen l)'diie. Das betreutet immer einen Äom=
promife, unb er liebte es, in jeber i)infid)t auf eigenen
gügen 3U ftcl)en; eine gerrtffe poIittfd)e Gigenbröbelei }:)at
er [id) bis in bie Xaqe ber ^aul6fird)e geu3al)rt. SD^ad)t
il)m biefe 6d)eu cor ©c^ematismus unb 3"9ßftänbniffen
menfd)Iid) (Bl)ve, (o be3eugt fie bod) einen gemiffen 9JlangeI
an praftifc^em poIitifd)em 8inn.
!Dod) rt)ir finb ben (Sreigniffen üorausgeeilt. ?©ir
fte{)en nod) im 9al)re 1819, in bem ber Junge 2tbgeorbnete
UI)Ianb bas SSerfaffungsmerf abfd)Iie6en, bie 93er|öl)nung
5tt)ifd)en gürft unb 23oIf befiegeln I)alf. 2)a5 tat er nid)t
nur burd) bie Ijingebenbe 2trbeit in ber Kammer, fonbern
Qud) als Siebter l)at er ben lefeten <Btxi6) unter bie glüdlid)
übertüunbene ^onfliftsseit gefefet. 2tm 29. Oftober ujurbe
auf bem ^o\= unb 9^ationaItl)eater in Stuttgart (ein Srama
©ruft, i)er3og Don ©c^maben 3ur SSerfaffungsfeier auf»
öefül)rt, unb Urlaub burfte einen trarmt)er3igen ^rolog
t)orau5f(f)icfen. 2)urd) Diele 9a()re ber 9^öte unb bes ^on*
flütes l)at \)a5 6(i)n)abenDoIf unb fein ^önig l)inburcf)*
gefunben unb fid) „3um freien SSunb ber Orbnung unb bes
IHec^ts bie 5)anb gerei(J)t:
^eil biefem ^önig, biefem SSoIte ^eill"
8. t a p i t c I
U^lanb al5 Sramatifer
(Ef)rgct3 unb feuriges Streben ift bem ^oeten Ul)Ianb
XDie bem 9Jlenf(f)en gettlebens fremb gemefen. (Bv toartete
ab, was tl)m bie S^^t an grüd)ten in ben Sd)o^ roarf.
2)ennod) fcf)it)ebte bem ßgrtfer unb 33aIIabenbtd)ter burd)
9aF)r3e{)nte ein Q^el oor 2Iugen, bas er nid)t nur aus ber
gerne fel)nenb betxad)ieie unb bel)utfamen ©anges 3U er='
reid)en fu(f)te, fonbern um bas er lange unb ftarf gerungen
l)at !Das ©mpfinben, ha^ er nur erft ber anfprud)6lo(eften
unb flüd)tigften aller ©attungen ()ulbige, mar bei 'ü)m ent=
micfelt, feit er @ebid)te fcl)rieb. 9^id)t größere äußere ®r»
folge, aber größere fubjeftioe 35efriebigung unb objettioe
Äünftlerfcf)aft l)at er angeftrebt, menn er fo I)artnäcfig fid)
um bie ^alme in ber bramatifd)en !Dirf)t(unft bemühte.
5n Qeiten, bie ben ßgrifer fd)on feften Sd)rittes auf
bem firf)er gebal)nten 2Bege bal)erf(f)reiten fe^en, manbcrt
ber merbenbe Sramatiter notf) als taftenber Dilettant
ruI)eIos uml)er unb gerät auf bie t)erfd)Iungenften $fabe.
©eIbftbeobad)tung unb 3o)ßif^^u<^t ^emmen feine SSer^»
fud)e in fonft ungemoI)ntem SJlaße. „Unb mein Xalent
für bas !Drama?'' — biefe in ben 33riefen me^rfac^ on*
tlingenbe fjrage l)ai fid) U{)Ianb in jenen ^a\)ven immer
unb immer mieber in quälenber Unfid)er{)eit vorgelegt.
SSergebens t)erfud)te il)n 6ec!enborff5 feueroolles ©rangen
aufäurütteln. 23arn{)agen lernte i()n in biefer ©timmung
fcnnen, unb er umf(f)reibt UI)tanb5 ern)ünfd)tefte5 S^d,
lüenn er äufeert, bur^ bemegteres ßeben, ftärferc ©in»
brücfe fönne fid) il)m bie „Pforte 3um 2)rama" otetletd)!
er[d)ae6en. 3n ben 23erfud)en, bie il)m 1809 vorlagen, \al)
hex tritifd)e greunb mit ^e(i)i einige 2lu5fid)t bafür, aber
noc^ feine ficl)ere @etr)äl)r. SD^an mirb in ber Zai nid)t
fagen fönnen, ha^ bes 2)id)ter5 ungebulbige S^^eifel un=
bered)tigt maren. SBas er im erften ^al)r3el)nte feiner
bramatifc^en Sd)ülerfd)aft probuaiert l)at, ha5 maren nid)t
bie fd)Iacfenreirf)en 5ßürfe bes jungen ©enies, fonbern es
mar trodene ßel)rling5arbeit t)on oft erftaunlid)er Unreife
unb ^inblid)feit.
23or allem fel)lt es i{)m an ^e{)arrung6t) ermögen; fein
6toff ift 3ur Entfaltung gelangt, ber äuöertid) fertige
pflegt es innerlid) am menigften 3U fein. Wit died)i fpric^t
er felbft lebiglid) t)on bramatifd)en 6tubien unb 6fi33en.
2BeiterI)in litt er unter bem bamals fo oft beflagten Stoff*
{)unger. Sn has ßeben ber ©egenmart ein3ugreifen, in
9flad)al)mung ^ofeebues „5)ofmarfd)äIIe unb i)ofräte" bie
3Sül)ne betreten 3U laffen, fonnte bie 6ad)e bes jungen
JHomantifers nid)t fein. 2)er ibealen gerne aüein Io{)nte
es fid) nacf)3ufd)märmen. 6onft mar er in ber 5Bat)l feiner
23ormürfe nid)t eben engl)er3ig. Sie 55ibel unb 5)omer,
^Boccaccio unb bie beutfd)en 23oIf5büd)er l)aben gleid)en
Slnfprud) auf fein praftifd)e5 i^ntereffe. Ser ange()enbe
6d)aufpielbid)ter mirb mit 93orIiebe (£pifd)es 3U bramati«
fieren fud)en. !Das mar aud) U{)Ianbs Slusfunftsmittel,
aber er mod)te lefen, mas er mollte, 9'littergefd)id|ten,
mittelalterlid)e Epen, romanifd)e S^ooellen — überall fal)
er 3uerft bie 6d)mierigfeiten unb nid)t bie lodenbe 5)off*
nung bes (Belingens. 2)ennod) fel)lte i{)m tjollfommen ber
SSIid für bas auf bem Xl)eatex a}löglid)e. 6elbft jene
l)übfd)e altfran3öfifc^e D^ooelle, in beren SJlittelpunft ein
buntes ipferb ftet)t, nal)m in feiner $I)antafie fofort brama*
tifc^e 5orm an. Die errt)ünfd)te 6toff3ufu{)r erfolgte
fcf}Ite6nd) oon au^en, nad) einer ®rfd)öpfung5paufe, in ber
\iOi<ö forcierte ^Ringen um. bas Drama refigniertem 2lb*
märten gemicf)en mar. Sind) bem 6(^aufpielbic^ter er*
mud)5 i)eil, als er fid) auf feften Soben ftellte, auf ben ber
@efcf)id)te. 3n unmittelbarem 2lnfd)Iu6 an bie ^eriobe,
bie ben objeftioen SaIIabenbid)ter I)at ausreifen laffen,
folgten auc^ bie gelungenften fieiftungen bes {)iftorifd)en
Dramatifers 6ti)Iag auf 6d)Iag.
2Iud) bei ibm fönnte man ba()er üon einer fubjeftio
unb einer objeftio gerid)teten Sd)affen6epod)e reben; benn
es ift falfd), eine ^üufeerung, bie er als junger SJlenfd) on
©ecfenborff getan \)qX, für bie $rafis auc^ bes Drama*
tifers UJjlanb allgemein gelten 3u laffen. „6elbft im
Drama," l)ei6t es \i(x, „fann er (ber Dicf)ter) fid) felbft ober
r)ielmel)r feine ibealifierte Onbioibualität anfül)ren, menn
er il)r nur Geben unb Objettioität 3u geben meife." 9n ben
fpäteren Dramen l)at fid) UI)lanb niemals felbft fo ein«
geführt, mie bies tivQOi jungbeutfd)e 2lrt mar. Sßenn
SBerner in politifd)en Läuterungen bann unb mann als
6prad)rol)r bes Did)ters erfd)eint, fo gefd)iel)t bas im 6inn
unb 6tile ber oaterlänbifd)en ßieber, bie einen aus bem
5)er3en oieler reben laffen, unb nid)t in jenem meid)en
überinbioibualismus ber Sugenblgrü. Dagegen miffen fid)
bie früt)en bramatifd)en 23erfud)e, menn fie aud) feiten bem
Did)ter felbft bas 2ßort erteilen, meniger als bie fpötercn
3u objeftioer 2lnfd)aulid)feit 3u flären. 6ie bieten eine
blofee ©timmungsbramatif, einen ©eitentrieb ber l^rifc^en
@ebid)te, mäl)renb bie Stücfe ber 9'leife3eit fid) 3U bem
ausgefprod)enen i^beale ber epifd)en Dramatif betennen,
einen ©eitentrieb ber Sallabe unb bes bereits l)albgelel)rten
ajlittelalterftubiums barftellen.
Stimmt fo bie ©ntmidlung bes Dramatiters in großen
ßinien 3U ber bes ßgrifers, fo mirb fid) biefc ^l)nlid)(cit
252
aud) in bcn einseinen ${)afen ber oon tl)m burcf)meffencn
25al)n mieberfinben laffen.
2)ie ©ntmicflungöftabien folgen \xä) in ber Xat in
cbenfoId)er 9KannigfaItigfeit unb aeigen einen gleich bunten
2Bed)feI ber SSorlagen. !Die Unfelbftönbigfeit, bic in ben
(Bebid)ten bis etwa 1804 fo ftörenb ()ert)ortritt, bauert i)ier
nod) t)iel langer an. 2lber — unb \ia5 ift ein gemit^tiger
Unterf(^ieb — nur im 6toffIid)en, nid)t in ber gorm
I)errf(f)t bieje oft betd)ämenb ftarfe 2Ib()öngigfeit oon
2Jluftern. 6tiliftif(f)e ©tümpereien, mie fie nid)t nur bie
göttingifierenben 23erfuc^e bes ^onfirmanben, fonbern
auc^ bie ^albballaben ber SBunber^orngeit noc^ reid)Iit^
geboten l)atten, finb auf bramatifd)em ©ebiet o()ne (BnU
fpred)ung. ©s ift — mit einigen menigen 2Iu5naI)men —
oon ber Srül)3eit an fel)r \d)wex, U{)Ianb5 !Drament)erfuct)e
an ein beftimmtes äußeres, tect)nifct)e0 ober metrifc^=ftili=
ftif(f)e5 23orbiIb an3ufd)Iie6en. Sie Otiten, ©exilier, 6^a!e»
fpeare, bie ©panier ftet)en gteid) ferne, unb am Der«
fej)rteften ift, bie JHomantifer 3U 9Jluftern biefer menig
ausgeprägten, formglatten Siftion ju madien, bie oon bem
jugenblid)en 5)eIgo bis 3um fpäten ©peermurf bem fünf*
fügigen Sambus faft alleiniges 9'led)t einräumt, ßägt fid)
bod) bie grage, ob biefes lefetere fjragment oor 1810 ober
nad) 1820 entftanben ift, aus metrifd)=ftiliftifd)en Kriterien
in feiner 9Beife löfen. SO^an empfängt l)\ex ben (Jinbrud
Jener nicf)t unfräftigen, aber unperfönlid)en Prägung, bie
and) fo oiele ©ebic^te nad) 1805 aus3eicf)net.
5ßemeift bas frül)e IHeife unb 6etbftben)u6tf)eit, fo tut
fid) innere STrmut unb Unfertigfeit im 6toffIid)en um fo
oerlefeenber funb. Urlaubs Drama ftel)t nad)einanbcr
unter bem inI)oItIid)en ©influffe ber SIntife, 2Bäcf)ter=6af0s
Dffians, ber S'lomantif bes 6c^IegeI=Xiedfd)en Greifes, ber
beutfd)en ^elbenfagenbenfmöter, ber fpesififd) norbifd)cn
aSolfsballabe, bes 2IItfran3öfifd)en, ber lungeren JHomantif
gouqu^s. ©5 ift, töie man fie^t, bicfelbe lReiI)e unb aud)
biefclbe D'leiI)enfoIge rt)ie bei ben ©ebic^ten. 2Btr roerben
alfo oiel töeniger als ber junge 2)td)ter {elbft feinen objo'
luten 6toffmangel beflagen. J3m ©egenteil, mir fel)en il)n
t)on einem ©tofffreife 5um anbern taumeln unb nirgenbs
feften fjug faffen, meil er über '^^'ö ©egebene nic^t l)inau5*
finbet. 3JZangeI an (Erfinbungsgabe, an fpe^ififd) brama«
tifd)er $I)antafie ftel)t il)m im 5Bege. 2)e5l)alb öerföUt er
entmeber in ärmlichen ßafonismus, ober er ftopft in un«
organifd)er 2Beife grembes, ®ntlel)nte5 in bie oorgefun«
benen 5)anblung5jd)emata l)erein, um fie 3U bel)nen.
Sie antififierenbe ®pi( unb ßi)rif reid)t bis 1803. 3"
gleid)er "^ni fefet bie 2:ätigfeit bes 2)ramatifer5 ein, ber
atlerbings 3unäd)ft nur ben (£l)rgei3 bes Überfefeers ()at.
6d)ülerarbeit unb nichts mel)r ift bie abficf)tlid) mand)e5
mobifi3ierenbe überfefeung Don ©enefas 3; ^ t) e ft in fünf=
fügige !3amben, bie I)öc^ften5 burd) il)ren fd)auerlid)en
Stoff einen !Rü(ffd)Iu6 auf Urlaubs bamalige @efd)ma(f5'
rit^tung geftattet. 2lber mie auf jebem, fo gilt aud) auf
antitem Stoffgebiete, '^^^ ber ©ramatifer es norf) bebaute,
als ber ®pi(er löngft 2lbfd)ieb genommen I)atte. i^n bas
9ai)r 1805 fällt ber $lan 3U einem 2:rauerfpiel 21 d) i l «
l e u 5 , oon bem mir burd) einen 35ricf an Sedenborff
Äunbe l)aben. 23is 1808 mürbe es ermogen unb fd)eint
oon ben greunben oor allem 3Jlar)er intereffiert 3U ^aben.
©s nimmt fid) benn aud) in ber an ben 25erater gefd)irften
Sfi33ß feffelnb genug aus. 2(d)tlles mirb oor ber ^od)3eit
mit $olt)fena ermorbet, bod) feine große 3bee, bie 23er'
fö^nung unb SSerbrüberung Slfiens unb Europas, bleibt
unbefiegt oom Sd)idfal. 2lber mie follte biefer pofitioe
Sd)lu6 nad) ber Äataftropl)e auf ber 58ül)ne 2Birtlid)feit
unb 2ßirffamfeit geminnen? Das mar mol)l bas 5)emmnis,
bas Ul)lanb trofe breijäl)rigen Übergrübelns nid)t einmal
geftattete, bie geber ernftli(^ 3u bem 6tüd an3ufefeen. So
bleibt uns aud) verborgen, tuas er mit biejem 2)rama an»
ftrebte. 5ßar eine 93ermenfd)lid)ung bes Slltertums im
©tile ber i3pi)igenie geplant ober eine S^eubelebung antüer
5ßül)nenelemente nad) bem 9Jlufter ber SSraut Don 3JleJ=
fina? Sie SSeigabe t)on (Il)ören fiel)t Ut)Ianb ausbrücflid)
Dor. Über biefe billigen 2lnaIogien l)inau5 üermögen mir
bie aSorbilber unb ftiliftifc^en 3^enben3en bes ^Dramenfeims
nid)t mef)r 3u ertennen.
5)ie 3JlitteIalter{d)märmerei trug auc^ I)ier ben 6ieg
über bie 2Intife bapon. 2tuö ber D^ebelfppre 6af05 unb
Offians tritt 1805 ein rätfelreid)er bramatifd)er Xorfo Ijer»
vox, Don bem mir ein paar Ijunbert 23erfe befifeen.
i) e I g 0 , bie Hauptfigur bes gragments, ift nid)t ber be=
!annte ^elb ber 2)änengefd)id)te, fonbern eine offenbar er=
funbene $erfönlid)feit. (Btwas vertrauter mirb er uns an=
muten, menn mir in U)m einen jener ^arfner erfennen,
mie fie Ut)lanb5 SSorseitgebic^te 3u burc^fd)reiten pflegen.
2Iud) ha5 romantifd) milbgelegene ^önig5fd)lo6 fennen
mir, 3u bem er emporfteigt. S^üei ©aenen finb il)m ge»
gönnt, bie eine mit bem gel)eimni5t)oIIen ©reife ^x)lh, bem
männlid)en ©egenftücf 3u ber Souberin auf bem Xurm
(in einem @ebid)t üon 1804); unb bann mirb er 3um
6pred)er bes feltfomen offianifd)en ©rguffes an feine (Be=
liebte 5)elga, ber unter bem 2;itel Der ©änger an
bie6terbenbeinbie @ebid)te eingegangen ift.
©leic^ I)artnäcfigen 2Biberftanb fefet jeber entftel)ung5«
gef(^ic^tlid)en unb ergän3enben gorfc^ung ein gragment
oon 1807 entgegen: 2Ilferunb2(uruna; DieIIeid)t ift
biefes 2)rama ein Stbleger oon i)t)Ib unb ^elgo; benn bie
Situation ber mid)tigften ert)altenen ©sene ift biefelbc.
Hier ftel)t 2IIfer, ein nod) junger unb unberüt)mter, aber
tatenburftiger ^elh, vox einem 3auberifd)en ©reis Sfulf,
ber mit ber ®ntl)üllung feiner H^rfunft unb 6d)i(ffale be»
ginnt, ©ie geftaltlofe norbifd)e S^ebenmelt ift jefet einem
255 R2i?R^KR^i?G^i?Räi?R^5?R^R^»?
greifbaren beut|(f)en 9JlitteIaIter gen)td)en, tt)a5 eine (Er*
ftarfung barftellt. Das 6d)Io6, has u)ir I)ier betreten,
ftel)t am Ufer bes 9^I)ein5 unb ein paar 9^amen aus ber
beutfc^en ^elbenfage Hingen an. Darin aber liegt gana
unb gar fein fjortfc^ritt, ha^ es bocf) im n)efentlid)en lüie*
bcr ha5 SDflittetalter ber S^litterromane ift, in bas mir ein-
treten.
2Iber bie ©inflüffe biefer fieftüre reit^en aeitlicf) no(f)
Diel meiter. 25ot fie bod) eines in gülle, mas UI)Ianb
immer unb immer mieber oermifete: rol)e 6toffmaffe. 9^oc^
©nbe 1809 I)at er fid) einmal gemaltfam Don feiner 6ubjef»
tioitöt Io63umad)en getrad)tet unb fo einer munberli(i)en
ajliggeburt bas ßeben gefd)enft. (Er fd)rieb in einigen
Xagen bas breiaftige 2^rauerfpiel 25 e n n o , — „grell, o
grell'' I mie er felbft fagt, ift es ausgefallen, ^ein SBunbcr,
ha es fic^ gans an ben D^itterromanen fd)ult unb jebe
(Empfinbung, jebe IReflejion ftreng oerbannt, um nur
5)anblung unb mieber ^anblung aufsumeifen. ©erabe
biefe Dermeinttid)e gebröngte güUe 5eitigt bie größte innere
fieere, ber übermäßige ßatonismus bringt einen faft
puppenfpiell)aften 6til 3umege; bie gurc^t oor Stim=
mungsfd)melgerei fül)rt 3u fat)lfter ©timmungslofigfeit,
unb bie 2lnl)äufung oon (5d)auereffeften, bie ber Did)ter
feinem nod) fo meicf)en 5)er3en abringen muß, 3U un*
gemoUter Äomif. Die 5)anblung ift fd)einbar frei erfunben,
borgt aber in 2Birflid)!eit it)re fraffen (Effefte überaül)er
3ufammen. T^a^ bei bem Überfall auf ein r)erl)a6tes (Be=
fd)led)t beffen junger 6tamml)alter in bie giammen ber
Däterlid)en SSurg gefd)leubert mirb, ftammt 3um SSeifpiel
bireft aus dramers oielgelefenem !Roman ^afper a (Bpaha.
Dergleid)en Belege tonnte man l)äufen, menn es nur ber
9)lü^e mert märe. 2Iud) bie I)öl)eren fiiteraturfpf)ären l)at
Ul)lanb burd)ftöbert. Den 35rubermorb fc^eint bie 25raut
oon 9Jleffina geliefert 3U l)aben, ©timmung ber 6d)lu6s
f3ene unb Haltung bes Söfemid^ts 6iegbert erinnern fel)r
an ^leifts gamilie 6(i)roffenftein, ber tlf)Ianb na^meisllt^
fein Sntereffe äugerüanbt \)QXit, 2ll5 fein eigener Plagiator
erfc^eint er fd)Iie6lid) in bem 9Jlotio bes üergeffenen ^anb»
fd)ul)5, '^(x'ö aus grancesca \iQi IRimini flammen
bürfte.
Diefes 2)rama foUte man feiner 6toffmal)( nad) als
romantifd) be3eid)nen bürfen. Secfenborff f)atte auf bie
berül)mte ©teile in 6d)legel5 IDanteüberfefeung Dermiefen.
2(ber UDas tH)Ianb \sQi t)orfanb, genügte feiner bamaligen
@efd)ma(f5ric^tung nid)t. ,,@Iän3enbe ©eftalten fliegen
in mir auf' — fo gibt er felbft ben ©inbrutf feiner ßeftüre
ber Snfernoepifobe mieber unb seigt bamit bie gönslid)
falf(f)e ©inftellung feiner ^fiantafie. G^r lebte unb mebte
eben bamals — 1807 — nod) im ritterlid)en 9JlitteIaIter,
unb fo follte „bas D^littertum nod) einmal in oollem ©lanse
erfd)einen/' Sn rein bantifd)em 6inne lägt fid) ber 6toff
nur im fel)r eingefd)rän!ten 9la()men einer ptr)d)oIogifd)en
2;ragöbie bel)anbeln; bas I)at ber Italiener 6iloio ^^ellico
rid)tig erfannt, menn er übert)aupt nur oier ^erfonen in
2lftion treten lägt, auger bem fd)ulbigen ßiebespaar
grancesca unb ^aolo nod) grancescas (Satte fiandotto
unb i^ren SSater ©uibo. UI)Ianb5 6treben mugte l)in=
gegen mieber auf ©rmeiterung gerid)tet fein, unb fo mar
feiner ®rfinbung5= ober t)ietmel)r ©ntle^nungsfuc^t 2:ür
unb Xor geöffnet.
2lnbere ©rünbe gur Umbilbung bes ©toffes traten l)in«
3u. 5öie 3meiunb3man3ig 3al)re fpäter in beraJlerlinbatlabe,
fo ^qX lll)Ianb aud) I)ier an bem SD^otioe bes ei)ebrud)5
Stnftog genommen. Die beiben ßiebenben merben nur ber
(Bebanfenfünbe fd)ulbig, unb biefe ift gered)tfertigt baburc^,
bog $aolo unb grancesca tatfäd)Ii(^ einmal für einanber
beftimmt gemefen finb, unb nur bie falfd)e ^unbe oon bes
©eliebten Xobc bie Jungfrau in bie Slrme ßandottos ge-
trieben l)at Den (Satten ber ^elbtn \)at UI)Ianb 3U n)an=
beln gefuc^t unb baburd) bte 6d)rüiengfett Derme^rt. (Er
i[t nic^t la^m unb ungeftalt, aud) oon (Il)ara!ter md)t böe=
artig unb graufam, fonbern nur ernft unb büfter, ein
^effimift, ber ni(f)t glaubt, ^a^ il)m je etujas in fieben unb
ßiebe 3um SSorteil auöfd)Iagen könnte. 2)ie erfte inter-
effante gl)arafterftubie bes jungen Ul)Ianb.
Die Umbiegung bes Problems mad)te eine D^lei^e oon
neuen (Erfinbungen unb giguren nötig: Den 23erräter
9^icolo, ha ja ba5 $aar l)ier nid)t, u)ie in ber Quelle, in
flagranti ertappt merben fonnte; bann 3U)ei 58ertraute, tia
bie ßiebenben fid) nid)t gegenfeitig il)r 5)er3 au53U=
fd)ütten vermögen. Der erfte (Entrourf von 1807 3eigt
ober über biefe notujenbigen Zutaten l)inau5 oiel
erborgten giitter unb trägt bas (Bepräge tl)eatralitd)er
Unnatur.
(Ein eigenes ©ebid)t oon 1805, Der Danf, urfprünglic^
aus 2Bäd)ter be3ogen, mirb l)ereingearbeitet. gür eine
!Heil)e oon ®in3ell)eiten roeift 6d)iHer bie 2öege: für eine
2;urnierf3ene unb ein ©tellbic^ein im (Barten ber Don
(Earlos, für ha5 Wotiv bes irreleitenben roten ajlantels
giesco. 2lm beutlid)ften ift ber 2lnfd)lu6 an ein 6turm=
unb Drangbrama, bas (gleid) bem ^enno) bas SJlotio ber
feinbli^en trüber in ben 3Jlittelpun!t ftellt: Das ift ßeife=
mifeens Sulius oon Xarent. Der 5)elb mag auf ben
grüblerifd)en fianciotto gemirft \)aben. SSor allem aber
flammt bal)er ber Quq, ba^ bie tragifc^en (Ereigniffe fid)
an einem Samilienfefte abfpielen, bem ©eburtstage l)ier
bes Surften, bort bes Splitters ©uibo.
Diefe SSaterfigur bleibt im ©ntmurfe oon 1807 ein
bloßer Statift, bem {einerlei Sunftion im @efüge bes
Dramas 3ufällt. 2lls Ul)lanb Sal)re fpäter nod) 3töeimal
3U bem 6toffe 3urüdtel)rt, ift fein 5)auptbeftreben, biefe
oon ber Quelle gebotene ©eftalt etwas 3u f)eben. Dem
Sdjnctbcr, U^Ianb. 17
bient eine neue Xurnierfsene, btc er 1811 entmorf, unb
namentltd) eine 1812 oorgenommene Umarbeitung ber
©ingangsfsene, bie gefd)icft ben 23ater an 8teIIe ber farb=
lofen ^onfibente einfefet. 2tber oud) eine weitere ^erfön*
lid^feit bot fid) inbirett burc^ bie Quelle bar: 2)ante, ber
(Er3Öl)Ier ber ©pifobe, \)QXit in jenen Saljren in D^laoenna
geseilt unb t)iellei(f)t grancesca felbft ge!annt. ©s mar
©edenborffs ©ebanfe gemefen, aud) bem ©emä^rsmann
ber (Befd)id)te eine D^lolle im 2)rama einguräumen. Uf)lanb
folgte bem 2öint unb geigte fid) bamit gugleid) als 6d)üler
Xieds: (Benau fo \)oMt biefer in bie ©enooeoa ben l)eiligen
SSonifagiuö eingefüljrt, ber ben ^rolog fprit^t, in ber 9Jlitte
bes Sramas auf ben Qöl)epunft oorbereitet unb als ©pilog
,befd)Iieet".
Unter bem '^z\6)zxi 2:ieds fd)eint aud) bie 8toffmaI)I
jenes Qalbbramas 3u ftetien, bas 1809 in frieblid)em 5Bett»
ftreite mit ferner entftanben ift. Sas 23oIf5bud) oon
© g i n l) a r b \)qMz bie SSorlage abgegeben. SIber meber
bie meitfd)meifige 9JlotiO' unb gormenfüUe ber (Senooeoa
unb bes OttaDian, nod) bie parobifd)e ©titlofigfeit bes
SSIaubart ober bes ©eftiefelten Katers finben fid) l)ier mie=
ber. 9Bas Ul)Ianb bietet, ift Diel mef)r ein fnappes
Capriccio als ein Srama, mieberum ein ^miefpältiges
55robu!t. ©5 I)errfd)t meber I)eitere ^omöbienftimmung
nod) merben mir gläubig in bie romantifd)e 3ouberfpI)äre
eingemiegt. 2)ie Mrge, mit ber ber 2)id)ter gerabe über
bie mid)tigften ©genen I)inmegf)ufc^t, erseugt mieber ben
fid)tlid) ungemoUten ©inbrud bes 9)larionettenI)aften unb
ftel)t im 9Biberfprud)e 3u anbermeitiger breiter S'lebfelig'
feit. %\<ö gelungene Steuerung erfd)eint nur bie (I{)araf»
terifti! einer in ber SSorlage blog eben ffiggierten ©eftatt,
eines S(^ilb!nappen, ben gelinber @rö6enmal)n befeelt
ber alles, mas gefd)ie^t, auf tünftiges ©lud unb fünftige
©rö^e ausbeutet unb burd) nid)ts aus ber OHufion 3u
reiben ift. 2)ic[er IRoIonb ober Strato gcprt frf)on bem
crftcn ©ntiDurf an. ^n bcr 3n)citen ©eftalt bes Stücfdiens,
bie uns vorliegt, ber bramatifd)en 6fi33e 6d)ilbei5, 1)at bcr
2)ic^ter 3u fernerer 2öür3e nod) eine ^ontraftfigur I)erau5*
geftellt unb bie i)anblung burd) Slnlei^en aus einem il)m
perfönlid) befonbers na^eliegenben Stoffgebiete 3U be*
reicf)ern ge(ud)t. ©s mag auffallen, bag ber fiiebl)aber
oItbeutfd)er ^oefie in jenen 5al)ren feinen Stoff aus ber
Qelbenfage entlel)nt ^ai. (Ein 23rief an ferner gibt ben
©runb bafür an: „2)ie i)eIbenfagenftoffe finb großenteils
3U fc()r auf förper(id)e Äraft, überijaupt auf bas äußere
ßeben bered)net, um fid) fürs Drama 3u eignen." 9^ur in
ber (Epifobengeftalt bes maderen knappen S)(x&)t burfte er
eine 9^euauflage feines geliebten SBolfbietrid) in feinen
(Eginl)arb ein3iel)en laffen. ©rft intenfioerem gelet)rtcm
Quellenftubium ergab fid) im nöd)ften :5al)r3el)nt bie (Ein«
fid)t in bie pfr)c^ologifd)en Probleme unb 2Jlöglid)feiten ber
Dramatifierung fold)er Stoffe.
Das Sal)r 1809, bas ben ©ginl)arb cntftel)en fal), ift
überl)aupt reid) an bramatifd)cn 23erfud)en. Die l)eitere
^ompaniearbeit Der 35 ä r tann als Xalentprobe
Uf)lanb5 im ßuftfpiele nid)t red)t gelten, \ia fein 2(nteil un«
befannt ift. (Eine anbere l^omöbie aber ^ai er bamals
felbftänbig in Spanien angefiebelt: Die Serenabe,
oon ber mir ein ausfül)rlid)es Sd)ema befifeen. !Rofa unb
(Elaros l)aben bort^in aus ber grancesca il)ren (Ein3ug ge«
l)alten, ein fomifd)er ^aupteffeft fd)eint aus 0Jlo3arts Don
^uan 3u ftammen, eine mifeige Dialogpartie aus einer
S^ooelle bes deroantes. 2lber aus biefen 58aufteind)en
entftel)t nod) nid)t bas @an3e, unb mir miffen nid)t, mol)er
bem Did)ter bie Sbee 3U biefem getommen ift. Die Dialog«
proben, bie bem (Entmurf 3U biefer l)öd)ft l)armlofen deinen
ßiebesfomöbie eingeftreut finb, laffen Urlaubs SBife nid)t
feiten forciert unb gefdiraubt erfd)einen. 35effer lag il)m
17*
3ix)cifcI(o6 bie JHomanaenform, in bte er ein paar 3al)re
fpäter einen 2^eil bes ©toffes umgegoffen \)at
2Il5 eine fpärlid)e ^oftprobe au5 ber bramatifc^en
grül)3eit erfd)ien 1813 eine ©sene Sas ©tänbd)en
im 2)rucf. !Die{er gleid)tall5 üon etmas gequältem ^umor
burc^Sogene, möglid)ermei|e an 6{)a!efpearefd)en !Diener«
fsenen gefci)ulte Sluftritt I)at aber mit ber Serenabe nichts
gemein, fonbern üermeift in ein gang anberes Stoffgebiet.
2luf ber 6ud)e nad) bramati(d)en ober 3u bramatifierenben
6ujet5 ift U^Ianb aud) an älteren 5BaIIaben nid)t oorbei«
gegangen, benen ja ein bramatifd)er Stufbau oon ^aus
aus eignete, ©ine 2)id)tung ber 2trt, 2)er junge Jämiän,
mar 'ü)m in dongens Übertragung nal)egetreten, unb gab
bie (Brunblage für ha5 6(^aufpiel Xamlanunb9an =
net, bas bemfelben reid)en ^a\)v entftammt. 5)ier ift
Ul)(anb md)t nur am meiteften gefommen, fonbern ber
gan3 ausgeführte erfte 2tft ftellt aud) bas ®rfreulid)fte bar,
mas ber Sramatifer oor beginn feiner l)iftorifc^en ^eriobe
3u bieten mußte. Stuf bas 6tänbd)en, bie grotesfen
©Senen bes Sunfers Saoib, ift biefes ßob allerbings nid)t
ous3ubel)nen, bie erften Stuftritte aber atmen oiet 3a^tt)eit
unb Stimmung. 5)er junge 2:amtan ift oor :3al)ren burd)
bie GIfen in ben S^ubermalb oerlodt morben unb borf
t)erfd)munben; feine (Beliebte l^annet l)ängt nod) mit aller
3ärtlid)!eit an i^m unb motzte in ben Söalb einbringen,
um 'ü)n oon bem SSanne 3u löfen. 2)ie t)auptfä(^Iic^e
Xatentprobe I)ätte bem romantifd)en !Dramati!er erft be«
oorgeftanben bei ber Stusmatung bes Iid)ten SSöIfc^ens
felbft. ^enn3eid)nenb für fein ängftlid)es Streben nad)
Selbftänbigteit ift es, ha^ er fid) mo^I gehütet l)at, S^afe«
fpeares 6ommernad)tstraum oorl)er 3u lefen. (Bx beburfte
beffen in ber Zai nid)t: benn bie beiben ®Ifengebid)te, bie
urfprünglid) als Einlagen für ben Xamlan beftimmt
maren, 5) a r a I b unb 2) i e © l f e n seigen it)n im SSefife
I
261
üon ©ttmmungömitteln, bic ben ßcfer unb ^örer gans in
ben Sannfreis elftfd)en S^ubers l)incm3rx)ingen. Sic ßaft
bcr SSerufsarbeit (d)cint it)n jelbft aber bamals bel)arrlic^
aus biefer Sßunberfpbörc gerifjen 3u l)abm, fo \)a^ er er*
laljmte, als erft eine fleine ©trecfe SBegs surücfgelegt mar.
9n ^ariö fat) UI)Ianb bei ber ßettüre aItfran3Öfifd)er
2)itf)tungen 3unärf)ft in jebem D^omanfujet ein Dertapptes
!Drama. 2lber i)anb ansulegen mar il)m mieber md)t oer*
gönnt, er burfte erft nur einl)eimfen, nid)t verarbeiten,
©einem beffer prüfenben 2Iuge fd)ien bann namentlid) ber
Äarlöfreis manchen bantbaren 6d)aufpieIftoff 3U bergen.
2)ie ©panier, bie er bamals obne fenntlid)en ftilifti|c^en
©eminn ftubierte, l)atten ja aud) fd)on aus biefer Quelle
gefd)öpft, unb bem 2öol)lgef allen an il)ren 23orbilbern ent»
fprang ber erfte ^arifer (Entmurf 3u einem 55ernarbo
b e l (T a r p i 0. daneben locfte ber altfran3Öfif(^e ©alien»
roman 3ur Sramatifierung. 2)ie grote5f=fomifcf)e (Be=
fd)id)te oon ^arls bes ©rofeen 5Reife nad)
3 e r u f a l e m vertrug aber meber bie fpanifd)e nod) bie
gemobnte ^ambenform. (Es liegt I)ier i)ielmel)r einer ber
md)t pufigen gölle vor, in bem Ul)lanb feine in ber
Sallabe oft bemöf)rte ^unft auf bas Drama übertrug unb
burc^ Stil unb 2»i!tion ^^axb^ gab. Wit bem 5)an5 6ad)s=
fd)en ^nitteberfe gel)t aud) 6ad)5fcf)e 2)ittion unb Xecf)nif
5)anb in ^anb. ©in i^erolb fd)reitet biefem !Drama ooran,
in naio berber !Hebe werben bie großen ^alabine unb Siaxl
felbft auf 2SorftabtbüI)nenniDeou f)erabgebrü(ft. ©igene
ßeftüre bes IJlürnberger 6d)ufters, bie Uf)lanb feit
mel)reren Sal)ren betrieb, l)at biefe glüdlid)e Prägung er=
möglid)t, roenn il)m aud) ber SSorangang Xieds im Ofta»
oian unb namentlid) 6tolls, bes glü(flid)ften ^an5»6ad)5^
^opiften jener Qe'ü, betannt mar.
3u Unrecht l)at man, mie fo oft, gouquö als 23orbilb
für ben angefangenen (5d)manf oon ber ^arlsreife vev
262
antirortltd) madjen tooUen. 2)tcjer l)at in 2öa!)rf)eit nur
einmal na(f)tt)ci6lid) einem UI)lanbfcf)en Srama bie Sßegc
gemiefen. aJlit orögtem ^ed)t ift ber 9^ o r m ä n n i f d) c
33 r a u d) bem ritterlichen ©angesgenoffen angeeignet.
2In(age, 6ti( unb felbft gabel üermeifen oöUig auf {ein
SSorbilb.
2)ie fursen bramatifd)en „2tbentl)euren" aus ber norbi»
[d)en unb beutfd)en 23ergangenl)eit, bie gouqu^ fo 3al)I»
reid) oerfafete, I)aben es Urlaub angetan. 2tuf einen
Sctiauplafe unb menige ^erfonen einge(d)rän!t, geben fie
in fd)Iid)ter 2)iftion einen 2tu5fd)nitt aus bem Dorgeitltc^en
ßeben. SSieberfinn, lapferfeit, @aftfreunbfd)aft erfat)ren
$reis. 6o aud) bei UI)Ianb; es voax einft normännifd)e
8itte, ha^ ber (Baft feinem 2Birte bie Verberge burd) eine
(£r3äl)Iung Iol)nen mugte. !Die @efd)id)te, bie ber fcc=
fa^renbe ^elb 25alber biefer 23erpflid)tung getreu 3um
beften gibt, ift aufs engfte mit ben 6d)idfalen feines ©aft«
freunbes 9^id)arb unb ber Iaufd)enben XI)oriIbe oerbunben.
2;i)oriIbe ift eben bie ^raut, bie 35alber in ber I^ugenb ent'
riffen morben ift unb bie er in ber gangen SBelt gefuc^i
l)at. So enbet bie fef)nfud)tst)oIIe ®r3äl)lung mit einer
freubigen 3öieberer!ennung. Die 6d)idfale bes 9}läbd)ens
l)at Urlaub nld)t frei geftaltet, fonbern in finniger ^ulbi»
gung an ben 2)id)terfreunb beffen Iieblid)em Unbinen»
mard)en getreu nac^gebilbet. S^ni erften TlaU entläßt
uns ^ier ber 6d)aufpielbid)ter lll)lanb mit einem ungetrübt
l)armonifd)en (^inbructe; freilid) fpe3ififd) bramatifd)e 23er=
bienfte bleiben bem anfprud)sIofen !DramoIet ferne, menn
'ü)m aud) einmal eine 6tuttgorter 2IuffüI)rung 3u einem
freunblic^en ©rfolge DerI)olfen \)at ©r gelangte oon ^ier
jebenfalls nid)t in geraber ßinie 3U ben ßeiftungen, mit
benen fid) UI)Ianb „bie Pforte 3um 2)rama" erfd)Ioffen i)at
!Jlid)t ber greunb gouqu^s unb aud) nid)t ber romantifd)»
irontfd)e gortunatbid)ter oon 1814 §at ben Sc^Iüffel ju l^r
gefunbcn, fonbern ber Sänger ebcrl)arb5, ber 23orfed)ter
guten alten 6d)iDabentum5.
2)en Übergang oon bem leid)ten romantifd)en Spiele
3u ben ernften Daterlänbifd)en 23or3eitftücfen baljnt ein
tieiner (Entmurf an, in bem i)an5 Sad)5{d)er ^nitteloers»
ftil neuerlid) 3ur SSergegenioärtigung fräftiger l)iftorifd)er
2:atfäd)(id)teit bienen foUte. ©s ftel)t bal)in, ob Ul)Ianb 3U
ben gläubigen 2lnl)ängern ber 2;rabition Don ben 2Ö e t *
bernoonSÖBeinöberg geprt l)at, beren ge[d)id)tlic^e
©d)t()eit man Ieötl)in mieber mit ©rfolg r)erfod)ten }:)at
©ruft unb patl)etifd) \:)at er bie mertmürbige IRettungstat
jebenfallö nid)t gefaßt, fie aber bod) aus bem 3leirf)c ber
ßegenbe in bas ber berbften ßebenbigteit übergefül)rt.
Die erl)altenen 63enen finb gan3 föftlid) unb 3eigen ben
i)umoriften Uf)Ianb, ber feinen 9leid)tum fo feiten offen»
bart, Don einer oöUig neuen Seite. Sd)iDerer faft als bie
2(btt)el)r bes SBeinsberg bebrängenben ^aiferl)eeres mirb
bem S5ürgermeifter ber Streit mit ber {)anbfeften @attin,
einer erftaunlid) Ieben6mal)r ge3eid)neten böfen Sieben,
bie bie SBeiber bes Stäbtd)ens 3ur (Begcnaftion toiber bie
friegerifd)en (Belüfte ber Spießbürger 3u organifieren fuc^t,
mit fpifeer Stid)elei gegen bie befd)eibene Sd)n)iegerto(^ter
aber nid)t meniger ins Sd)n)ar3e 3u treffen meiß als mit
grober ^anbgreiflid)feit gegen ben ®f)emann. Ungeorb=
nete unb flüd)tige 9flieberf4rift läßt in biefen gan3 famofen
S3enen eine frifc^e, oöllig oom 21ugenblicf eingegebene
Smprooifation erfennen, 3u beren gortfefeung 3mar ßuft
unb Strafte mangelten, bie aber immerl)in einen Der*
ÖeißungsDotten Sluftaft 3U ber nun folgenben !Dramen=
rci^c bilbet.
Slcnn3eld)nenb, ba^ ber erfte Sleim 3u bem i^auptftüd
ber I)iftorifd)cn 2)ramatit notf) ber ßeftürc eines Sagen»
merfes entfprungen ift! 5m Stuguft 1815 las llf)Ianb bas
jnitteII)Oii)b.eutfcöß (Bebld)t opn S)ex^Q i^xn]t, bas fid^ na^
einem fräfttgen (Ftnfafe in orientalifc^c 9leifefabelel üer»
liert. 2öenn ntd)t bie* ©agenfigur, \o gab DieIIeid)t beren
I)iftorifd)e0 Urbilb, ber n)irflid)e 5)er3og CBrnft mit feinen
bemegten unb traurigen 6rf)icf|alen, einen banfbaren
!DramenI)eIben ab? 2)ie gef(f)id)tlicben Duellen, bie Uf)Ianb
3U diäte 30g, beantmorteten biefe Srage ootlauf mit Sa.
60 ging er benn im Suni 1816 ernftlid^ ans 2öerf. !Der
?Politifer r)ermod)te bem $oeten auf bie Dauer ^a5 ^on*
3ept nid)t 3U oermirren, es 3eigte fid) t)ielmel)r, ba^ fic^
bei biefem 6toffe beibe in bie ^önbe arbeiten, tonnten.
9m :5uli 1817 lag ha^ I)iftorifc^e Xrauerfpiel (Bvn\t,
$cr3og uon 6d)U)aben DoIIenbet Dor.
9^i(i)t mit einem fraftoollen S^tge l)at fi(^ U{)Ianb auf
bie überragenbe ^öt)e biefes ©tücfes gefd)ti)ungen; Un»
natur unb 3Jlotit)überlabung, mie fie bie grancesca unb
ben 58enno Derunftalten foltten, l)at er nid)t plöpd) fo
ooHfommen absuftogen gemußt. 2Bir befigen ben erften
©ntmurf bes ©tücfes t)om Suni 1816 unb entnel)men il)m,
ha^ aud) ber reife Sramatüer nod) einfd)neibenber ©elbft«
fritif beburfte, um fid) aus ben S^efeen ber I)oI)Ien unb
grellen 2:{)eatralif ber grül)3eit frei3umad)en. SQBieberum
\)ai \\)n offenfid)tIid) bie gurd)t bel)errfc^t, ha5 I)iftorifd)e
^anblungsgerippe fönne bem fünfaftigen 6d)ema nid)t
(Benüge tun unb muffe bal)er gebef)nt, erweitert unb mit
allerlei grembförpern aufgebaufd)t merben. 2)em biente
3unäd)ft bie oöllig müßige ©rfinbung einer Siebes«
gef(i)i^te; ber blutlofe <B6:)aüen ©belgar'bs, bes ©rafen»
töd)ter(f)ens, I)ufd)t 3tx)eimal über bie S5ül)ne. 23om brama-
tifd[)en Stanbpunfte bleibt bas Ttotw biefer ßiebe oollig
blinb, ©raf ^ugo, ©belgarbs SSater, toirb burd) bie dleU
gung feiner Xod)ter aud) nid)t einen Slugenblid in 23er»
fud)ung gefüf)rt, t)on ber faiferlid)en ^Partei 3u ber ©rnftsJ
über3ugel)en. 3um 6d)Iuffe bleibt ber ®nttäufd)ten natür»
lic^ ni(f)t5 übrig als gleid) 6ilma unb 5ßertl)ilbe (25enno)
265
ober ber Jungfrau ©ieglinbe ben 6d)Ieter 3U ne()men.
6d)Iimmer ftel)t eö nod) mit ber (£infül)rung unb bcm
23erfd)tr)inben einer jröeiten grauenfigur. Sem greifen
SIbalbert oon galfenftein ift aud) eine Zo(i)tev oerlie^en,
bie Ul)tanb 3ur ©eliebten bes (Brafen SJlangoIb mad)t.
Der Opfermut biefes alten 23afaIIen gel)t fo meit, \)a^ er
felbft bies nod) I)albfinbifd)e 9)läb(i)en in bie !Rüftung ftetft,
um einen Kämpfer mel)r für ben 5)er3og ins gelb 3U
ftellen. Dafe 3J^angoIb bie oerfleibet fämpfenbe ©eliebtc
tötet, ift mol)l mieber eine IReminifaenj aus giesco. ©ine
weitere, unu)al)rfc^einlid)e Saftnad)t6mummerei ftellt es
bar, menn 2ßerner pls ^riegstnerf)t oerfleibet ber 23er*
{)anblung bes erften Slftes beimol)nt unb am 6d)Iuffe in
einem 23eifeite ben 3ufc^)ouer feiner Xreue gegen ©ruft
oerfid)ert. Dem träumenben 5)elben erfd)eint auf 6d)Io6
Salfenftein ber ©eift feines SSaters — fur3um, ber IRoman«
tifer ift ^ier nod) am SBerf. UI)Ianb i)at in feiner ge=
famten bramatifd)en ßaufbal)n feinen ftärteren 6d)ritt
nad) Dormärts getan, als oon biefem gefd)madl05 über»
labenen ©ntrourfe 3U ber gänslid) unromantifd)en, (räf=>
tigen ßinienfü{)rung bes fertigen Dramas.
2Bas er jefet bieten möchte, ift in erfter fiinie ©c*
fd)id)te; ein Silb mittelalterlid)er 3"ftänblid)(eit unb ©e=«
finnung. 9^id)t nur ber merbenbe ©ermanift mill be»
fel)renb seigen, mie man bamals gelebt, gefämpft, getagt,
^olitif gemad)t \)at: ber marme 53emunberer beutfd)er
23or3eit miti oon beren I)o{)er etl)ifd)er ©eftnnung ein 25ilb
geben, „^n ben ed)tteutfd)en 6agen unb ßiebern freut
mid) befonbers bas 23orI)errfd)en ber 3üge oon treuer ©e*
noffenfd)aft 3U)ifd)en Wdnnevn, vox^üalid) aud) ber ^errn^
unb Dienertreue," l^atte U{)Ianb fd)on 1809 an ferner ge»
fd)rieben. Das rein menfd)Iid)e SöBoI)Igefaaen an ber tobes--
trofeigen gegenfeitigen 2tnl)ängad)feit biefer ^reunbe unb
aJlannen mußte bas Streben nad) frampfl)aft tl)eatralifc^en
(Effeftcn, nad) überra|d)cnbem romantt(d)em Stufpufee oer*
brängen.
2öipo5 SSita (Tuonrabi I)at U^ilanb bte ©runblinicn
ber 5)anblung geliefert. !Dte sröet erften unb lüieberum
ber fünfte 2lft merben in il)rem SSerlaufe mefentlid) oon
biefer Duelle beftimmt, töä^renb im britten unb oierten
eigene, ungesroungene Kombination aus l)iftorifd)em
SJloteriale neue Situationen unb ©eftalten f^afft. Der
gefd)id)tlid)e ^ergog (Srnft oon 6d)maben f)at als befiegter
2lufrül)rer ein paar ^al)xe (1027—30) in $aft 5ugebrad)t,
bis Kaifer Konrab, fein 6tiefoater, il)m Befreiung unb
Sßiebereinfefeung anbot. 3" öen für (£rnft unannel)m*
baren Sebingungen biefer ^eI)abiIitation geprte bie ßos*
fagung oon feinem treuften SSafallen SBegel. ©ruft manbte
fid), mit bem Kaifer aufs neue in ge^be, nad) SSurgunb
unb oerfud)te oergebens, Obo oon ber ©Kampagne auf
feine 6eite gu gießen. Sonn marf er fid) in ben ©d)n3ar3»
toalb, angeblid) in bie 35urg galfenftein bei 6tf)ramberg,
beren Xrümmer nod) I)eute oon fteiler gelsmanb be»
^errfd)enb in bas enge Zal {)ineinragen; bort unterlag er
im 23er3röeiflungsfampf gegen ben Kaifer.
i)er3og ©ruft foll mit einer 2:od)ter 5)ugoö oon (Egts=
^eim oermäI)It gemefen fein. Siefcr alfo, toie alle anberen
^erfonen, bie UI)Ianb in bie i)anblung eingreifen lögt,
^aben irgenbeine t)iftorifd)e 25e3iel)ung 3u bem 5)elbcn.
greilid) l)at ber !Dic^ter 3um Xeü meit auseinanberliegcnbe
©efd)id)t5tatfad)en fombiniert unb farblofen (Beftalten ber
Duellen neues ßeben einge^au(f)t. So ben 2Inf)ängcrn
©rnfts, SBarin unb 21balbcrtus, bie in ber Duelle nur
Dflamen roaren. ®efd)icft l)at er babei aus biefcm Stbalbcrt
unb Stbalbero, bem l)iftorifcf) be3eugten 2Jlörber oon ©rnfts
SSatcr, ein unb biefelbc ^erfon gemad)t.
3n manchen gallen ):)at er 3n)if(f)en ber unpoctif(f)cn
Jatfäciöli(^feit ber ©ef(f)i^te unb ber romaniif(^en gr?
finbung bes (Snttüurfes einen glüdlid)en 3JlttteItr)eg ein«
gefd)Iagen. ©rnft ift nid)t 33räutigam unb nid)t (£l)emann,
bie fentimentale ßiebl)abenn l)atie in bem ernften SDlönner»
ftücf ebenforüenig ^lafe mie bie trauernbe, t)ielleid)t oon
aröiefpöltigem @efül)Ie 3erriffene ©attin, bie bod) nur eine
i)oubIette ©ifelas l)'düe fein !önnen. Die fc^meraooll
refignierte er3äl)Iung i)ugo5 oon ©belgarbs 6d)Ieiernal)me
ift jefet lüirffamer unb poetifd)er, als jebes perfönlid)e 2(uf'
treten bes unglücflicf)en aJläbd)en5 fein fönnte.
60 lägt fid) fünftlerifc^e Sei"^)ßit unb praftifd)e5 ®e»
fd)icf an faft jeber 6in3el^eit bes ©tücfes bemunbern. 2Iber
3U einem großen @an3en miU es fid) nid)t geftalten. 2Benn
U{)Ianb and) |)ier mieber fragte: „Unb mein Xalent für tias
Drama?'' fo mürben mir ermibern, ha^ mir ben 3art*
fül)Ienben unb gefinnungsfräftigen ^oeten mit innigem
Jßergnügen am 2Berfe feljen, \)ai aber eine fpe3ififc^
bramatifd)e ^egabungsprobe aud) in biefem beften Urlaub»
fd)en 6tücfe nid)t geliefert ift.
2Bir fpred)en oon bramatifc^en, nid)t von t^eatrali»
fd)en Qualitäten. Sßas biefe betrifft, fo 3eigt Ul)Ianb, ha^
er nid)t ol)ne ©eminn feit ber ^^arifer Qext mit ber lBül)ne
gül)lung genommen l)at 9^id)t5 märe t)erfel)rter, als if)m
2^^eaterfrembl)eit Dor3umerfen, im ©egentcil, bie 6id)er=
^eit, mit ber er SBirfungen 3u berechnen, 63enen auf3U»
bauen Derftel)t, ift für einen 2Infänger erftaunlid). 23or
öllem finb feine 63enen prägnant unb fur3 beifammcn.
SBie fc^mer f)aben in jener Qeii I)iftorifd)e i)albbramatifer
in 9'leid)5DerfammIungen unb Äampff3enen gegen bie 2In*
forberungen ber 55ül)ne gefünbigt! UI)Ianb lögt !)ier bem
9lotftifte bes Oleglffeurs feincriei Spielraum. Scbes üöort
Ift notig; unb bie menigen epifc^en Einlagen, bie er bietet,
mußten bem 35ül)nenfünftler crft rcd)t miEfommen fein.
Sflatürlid) \)ai ber berühmte 6d)aufpleler ©glalr p4) cor
allem megcn ber Crsäfjlungcn Im amelteit unj) plerten
2rfte um bie 5RoIIe bcs Sßerncr berrorben. 2)a5 Sntcreffe
^lüeier Darfteller trar für bie 2(uffü^rung bes Stütfes in
Stuttgart mafegebenb; baraus fpric^t \iQi'ö Urteil fom»
petenter 9^id)ter, \io.^ UI)Ianb es oerftanben I)at, mit banf»
baren Partien ben SSü^nenfünftler 3u rei3en.
SIber aus cerftänbig aneinanbergereil)ten bü^nen«
gerechten ©aenen entftel)t nod) fein Drama unb gute
Stollen fd)reiben \)t\^i nod) nic!)t n)al)re unb smingenbe
bramatifd)e (I()arattere td)affen. Sm Slufbau unb ber
G^I)arafteriftif liegen bie eigentlicl)en 6d)n)öd)en bes
UI)lanbfcf)en Stücfes.
5)em 2Iufbau fel)(t es nic^t an ©gmmetrie unb ^ered)*
nung. 2ßie flug ift es 3um SSeifpiel ausgebac^t, '^^^
©ruft in jebem 2Ift einen neuen ^Parteigänger geminnt,
erft 2Berner, bann SIbalbert, fd)Iie6Iid) 2Barin! 2tber fd)on
biefe D'leiI)enfoIge geigt, bog bem Stücfe eine ©runbooraus«
fe^ung gur bramatifrf)en 2Bir!ung abgel)t: bie Steigerung.
2Bie es immer gleid)gültigere ^erfonen finb, bie bem 5)el*
ben 3ur Seite treten, (o gel)t aud) unfer Sntereffe für i{)n
ftänbig gurüd. ©r ift nom erften 2tft an in eine fallenbe
i)anblung nerftridt, ber es fogar an ernftl)aften retarbieren»
ben SJlomenten fel)It. Unb meber er nod) 5Berner er*
greifen fröftige 9Jla6naf)men, um fid) ber Umflammerung
3u ent3iel)en. 2B03U bie oermirrenbe (Einführung Obos,
menn beffen 25unbesgenoffenfd)aft im fünften 2Ifte bem
@eäd)teten nii^t als '$;\t\, fein burgunbifd)es IReid) als
3uflud)tsftätte oor Slugen ftel)t? So erfd)eint bem 3"*
fd)auer auc^ ber ©raf oon ber (If)ampagne als ein meiterer
unintereffanter SBiberpart ßrnfts. 2ln ber 3^rfplitterung
unb garblofigfeit bes (Begenfpiels fran!t bas Stüd ebenfo
ftart tüie an bem aJlangel einer fräftigen, com 5)elben aus*
gel)enben 2Ittion.
fiebenbige, fd)arf umriffene Snbioibuen auf bie 33üf)ne
3U [teUcn ge^t gan3 über UI)Ianbs können, ©elegentlid)
finbct ftd) fogar nod) ein Sali oon fo naber Selbftd)arat«
teriftif, mie [ie im 5Bcnno unfreitüillig beluftigte. Sßie bort
ber milbc Ottmar bei feinem erften Sluftreten erflärt: ,,®5
ift meine 2Irt fo; alles l)eftig!" fo erfä!)rt man t)ier t)aupt'
fäd)Iid) aus ©rnfts eigenem SOlunbe, mes ©eiftes ^inb er
ift: „Sin g r o g e r 6inn fa^t groge 33ilber auf, ein anbrer
anbre" (bies eine 5Bemerfung, bie fid) ber Si^f^^iwer not=
menbig felbft mad)en mügtel). „2öar id) fonft träge, jefet
bin ic^ ein S)tX^" ufm. 2lber nid)t allein, bog ber ftelb
fid) felbft fennseic^net, fonbern m i e er fid) fenn3eid)net,
bietet Slnlag 3u fd)n)eren 53ebenfen. ®r ift bas (Segen«
teil eines fräftigen bramatifd)en ©l)aratter5, ein 3^räumer,
ein millenlofes Opfer ber ©reigniffe. (£r fann nid)ts tun
als treu fein, unb bie Streue ift n)ol)l eine liebensmerte
menfd)lid)e, aber feine fruchtbare bramatifd)e ®igenfd)aft.
Das 3eigt fid) aud) an SBerner, ber jmar nid)t als 6d)U)äd)'
ling gefaxt ift, bem es aber ebenfalls oöllig an garbe mie
an ©ntmidlung gebrid)t.
Das D^egatioe, bas ^r. XI). SSift^er in Ul)lanbs eigener
$erfönlid)feit oermigt \^Q!i, ge^t aud) ben ^auptperfonen
feines Dramas oöllig o!o. 2lber bie es aufmeifen, bie
intriganten, problematifd)en (ri)ara(tere, merben baburd)
nid)t beffer. Sie bleiben allefamt oiel 3u fe^r in ber Sfi33e
fteden. 9'^id)t einmal über bie ^erfönlid)!eit bes ^aifers
geminnt man red)te ^larl)eit. ©teilt er ©ruft im erften
Slfte mit 3Sen)u6tfein eine Salle? 9Benn er oor feiner
Umgebung feinen u)al)ren Sl)arafter I)inter repröfentatioer
©el)altenl)eit oerbirgt, oor bem 3ufd)auer \)Q\.iz fid) biefer
6d)leier notmenbig lüften muffen. Die gelungenfte Sigur
ift bie ^aiferin (Bifela. 55ei \\)x tritt 3n)ar aud) feine n)al)r*
l)aft bramatifc^e (Jntmicflung 3utage, aber bod) ein mirf=
fames 5)in* unb 5)ermogen ber @efül)le. 2Birflid) innerlid)
bramatifd) ift oon allen 2luftritten bes 6türfes nur i^re
groge 63ene mit 2lbalbert, beffen ^od)mütige abroeifenbe
6tarrl)eit fie burd) bie "^(x&ii \\)xtx 5Hebe unb ?^er|önltd)=
feit in begeiftert untermürfigen Opfermut 3U ruanbeln tüei^
unb bem gegenüber fie i^re JJrauen» unb SQluttermürbe fo
einbringlid) t)erftd)t. Sö^^i^^Q^ ^ot biefe eble grau ben
2Bortbru(l) nal)e geftreift, unter bem Smang ber 9^ot unb
in ber I)ei6en ßeibenfd)aftlid)feit ber geängftigten 3Jlutter.
2Ö0 bie Xabellofigteit ber moraIifd)en Haltung gefäl)rbet
3u merben beginnt, mirb ber Sl)ara!ter erft intereffant.
2)iefe ©eftalt erl)ebt fid) 3ur ^oI)eit, ol)ne bem gefpreisten
i)eroi0mu5 3U oerfallen, ben UI)Ianb mol)! oor allen 2)ingen
fürd)tet.
2)ie ibeatiftifd) repräfentatioe ©röße 6d)iIIer5, bie
()eroif(f)e Starrheit ber gran3ofen, bie marme fiebenbigfeit
6l)a!efpeare5 ift ben U()Ianbtd)en SOlenfc^en gleich ferne
geblieben. 2lud) biefes 2)rama !ann in feinen beftimmten
^iftorif(^en 3iJfa^"^ßnl)ang eingereil)t n)erben. (Es ift in
feinem 6inn ein flaffi3iftif^e5 6tücf, aber bei ber ®infad)=
!)eit ber ©reigniffe, ber 2Sefd)ränfung bes @efid)t5freife5
aud) gan3 unb gar feine romantifd)e 2^ragöbie. Ul)lanb
I)at al5 6d)aufpielbic^ter feinen eigenen 6til, beffen 5)aupt'
fenn3eid)en aber mieberum 9Jlangel an ftarf inbioibueller
^Prägung ift. 2)er gute Kenner bes SJlittelatters nüfet fein
SBiffen nicf)t 3U fprad)lid)=ftiliftifd)er Färbung bes ^Dia«
loges. S)öd)ften5 ein paar 9led)t5formeln, bas gelegentliche
2luftaucf)en ber beliebten mittell)od)beutfc^en Kampfes*
Ironie 3eigt feine 23ertrautl)eit aud) mit ber Slusbrudsmeifc
ber alten 3^^^- 5of^ I^^^^ 2lrd)ai5mu5 bleibt bem l)armo'
nifd)cn @leid)fluffe biefer SSlanfoerfe fern. Das über=
ragcnbe aSorbilb bes beutfd)en l^ambenbramas, Sd)iller,
\)qX Diftion unb 2:ed)nif freilid) nid)t Döllig unbeeinflußt
laffen fönnen. Die große ®r3öl)lung im 3n)eiten 2Ift ift an
il)m gefd)ult unb beginnt mit l)örbarem 2tnflang on
SBaEenfteins Sßort: „®5 gibt im 9Jlenfd)enleben STugen»
blide" ufm. Die (5d)lad)tfd)au im fünften 2lft erinnert an
bie Qunöfrau Don Orleans. 2)ie ©eftaltung bes 6d)Iuffc5
enblic^ gibt fid) burd)au5 fc^illcrifd): 2lnl)äufung großer
(Erfolge unb e{)ren auf bas i)aupt bes ©egenfpiels be»
beutet beffen fittlid)e SSerurteilung.
!Der Sörberung unb bes SInfpornes, bie in einer fo«
fortigen Sül)nenbarfteIIung I)ätten liegen tonnen, mußte
llt)Ianb leiber entraten. ©ine aftuelle 2lnfpielung auf bie
gürftenbienerei ber ©egeniDart, bie ber ©ntmurf no(^ cor*
fiel)t, \)qMz er im Stücfe felbft meislid) befeitigt. Denno(^
tonnte '^Oi'ö n)ürttembergifd)e 5)oftl)eater teine ^eimftätte
für \^Qi^ 2Bert bes Oppofitionsmannes fein. 5)ombur0
tam Stuttgart im ajlai 1818 mit ber ©rftauffül)rung suoor.
®rft als bie SSerfaffungsftürme ausgetobt I)atten, mürbe
mit ber ©inftubierung in Stuttgart begonnen. Slugufte
SSrebe, bie i)eroine bes 2:i)eaters, l)atte fie burd)gefefet,
meil fie fid) burd) bie [Rolle ber ©ifela gefeffelt fül)Ite.
©leid) \\)x nal)m aud) ber berül)mtc ^elbenfpieler ©ßlair
mit bem !Did)ter gül)Iung unb mad)te ein paar bül)nen»
prattifc^e SSorfc^läge 3ur 2tbänberung bes Sd)Iuffes.
Siefer „einjige tragifd)e 6d)aufpieler in Seutfc^Ianb, ooU
©ruft unb 5ßürbe unb ol)ne Quectfilberei'' mie i^n Slrnirn
einmal genannt l)at, mürbe ber erfte 2Berner oon ^iburg.
©0 ftanb bie $remi^re am 7. aJlai 1819 unter einem
günftigen Sterne. Sie (Eltern maren 3u UI)lanbs Über^
rafc^ung oon Tübingen f)erübergetommen unb tonnten
3eugen bes (Erfolges fein. SJlan munbertc fid) allgemein,
mie febr bas Stüct auf ber 25ü()ne gemonnen l)abe; \^q.
feine Mängel, mie gefagt, auf rein bramatifd)em, nid)t
tl)eatralifc^em ©ebiete liegen, ift bas aber nic^t meiter er*
ftaunlid). Durd)3ufeöen oermod)te es fid) bennod) nid)t unb
i)at niemals ein fefteingemurseltes S^lepertoireftücf ber
?8ül)nen gebilbet, nid)t einmal ber Stuttgarter. 23or bem
traurigen [Rul)m, ein beliebtes Sd)ülerftücf 3u fein, müßte
man es trofe feiner aj^ängel gerne bemal)rt.
©einen 6d)n3äd)en gum ^^rofee bilbet Q^rnft, i)cr3og
öon 6d)n)aben ben ©ipfelpunft oon Ul)Ianb5 bramattft^en
ßeiftungen. 93or allem in bem n)ol)I abgetönten 33erl)ält=
niffe Don (Befd)td)te unb ©tgenerfinbung. Slls UI)Ianb im
!De3ember 1817 3u einem neuen bramatifc^en 6toffe griff,
l)attc er fid) offenbar unbemu^t immer mef)r auf bas
I)iftorifd) 2:atfäd)Iid)e gerid)tet. Sas ^ntereffe für bie bem
6tubium erfaßbare, nid)t erft burd) bie $t)antafie auf3U=
bauenbe 23ergangen^eit mar fo ftar!, ^^Oi^ fein 2lbfd)(u6 an
gef(^icf)tlid)e Quellen nunmeljr ftellenmeife faft in ©flaoerei
ausartete.
3um Xett mag fic^ \s^<ö ja aud) aus ber ftofftic^en
llnfreil)eit erflären, in ber er fid) bamals befanb. Sas
SO^lündiener 5)of= unb 9^ationaltf)eater ^atte im ioerbft 1817
brei greife für bie beften 6tü(fe aus ber bar)eritd)en @e»
fd)id)te ausgefegt. Der Stoff mußte ,,ebel, erl)aben, nod)
nid)t bearbeitet unb bes erften Xt)eaters ber ^auptftabt
SSagerns mürbig fein", ^unbert Dufaten, eine golbene
!£l)renmün3e unb bie 2tuffül)rung bes Dramas in 3Jlünd)en
minften bem 2:räger bes ^reifes. Der ^ommiffion ge=
l)örten gemiegte 25ül)nen!enner an, barunter bie Drama=
tüer 6d)enf unb Sabo. UI)Ianb mad)te fid) ans Sßerf.
Die ba9erifd)e @efd)id)te oon SfcÖoffe bot it)m mand)erlei
Stnregung. "^Oi^^ hxxytx 3Sebent3eit, n)öl)renb beren er
aud) eine STgnes Sernauer in (Jrmägung ge3ogen \)oHz,
fiegte bas alte ^rogrammmort oom „tteuen beutfd)en
6inn". ®r mäl)tte ben ©toff, ben 6(^iIIer unter bem Xitel
Deutfd)e 2:reue in !nappe Diftid)enform gefaßt \)oHz. Die
äußere S^ötigung l)alf bem 6d)aufpiele fiubmig ber
55 a g e r 3u ungen)oI)nt rafd)er (£ntftel)ung. 9^a^ oier
3Jlonaten mar es abgefd)Ioffen unb marb im SJlai 1818 nad)
9Jlünd)en gefanbt.
Ul)Ianbs Drama \^^i ben ^Preis nid)t erl)alten unb
braute fo in jener an 33itterniffen reidien '$i^\i eine neue
273
enttöuf(i)ung. Sie Sflieberlagc ftanb ber SSerbrcitung
aud) fonft l)inbernb im 2Bcg; U()lanb fanb ri)ol)l einen 23er*
leger, l)at felbft aber feine 2Iuffül)rung erlebt, ©rft in ben
fiebaiger 3al)ren erntete es fd)male 35üI)nenIorbeeren.
200^1 gaben fid) bie 9lid)ter eine SSlöfee, als fie bas
2Bert bes ben)äl)rten 2)id)ters aus bem ©c^malle t)on ferf)S'
unbbreigig mittelmäßigen Stücfen nid)t l)erausfannten.
SSon namhafteren 2)ramati!ern }:)atie nur gouqu6 mit
feinem 3erfal)renen unb ftimmungslofen Qierongmus Don
6tauff fonfurriert. Preisträger mürbe ein ^rofeffor ®r»
\)axh in Tlünd)en, ber SSerfaffer einer mit lofalpatriotifc^en
unb flerifalen ©ffeften arbeitenben 2Jlärtt)rertragöbie
i)eimeran. Sie ift fein oöllig fcl)led)te5 Siüd, aber l)öl3ern
unb gebe^nt unb auf bie Dauer trofe ber 2InleiI)en bei bem
SSolfsbrama unb ben Spaniern l)öd)ft eintönig. 2öir miffen
jefet, ha^ fid) einer ber ^reisrid)ter fel)r einbringlic^ für
UI)lanbs Sßerf ausgefprod)en l)ai unb ha^ I)auptfäd)lid)
tird)lid)e, nid)t fünftlerifd)e 25ebenten es 5U galle gebrad)t
I)aben. 23ater Ul)lanbs bebäd)tige SBarnung vor un«
günftiger Darftellung bes ^apfttumes l)aüe alfo gegen«
über bem auf ()iftorifc^e (Ed)tl)eit pod)cnben ©igenfinne bes
6oI)nes rec^t bel)alten.
3Jlan mirb fid)er fein bürfen, ha^ unter ben fed)s
Dramen bes Titels: ßubmig ber 25at)er, bie bamals ein*
gelaufen finb, bas Ul)lanbfd)e bie Spifee bel)auptete. Den*
nod) ift es fein aJleiftermerf. (Ss leibet von oornI)erein an
einer So^iefpältigfeit ber 2lnlage. ©s mußte fid) als
ßubmigbrama geben unb f o n n t e ber ^atux ber E)ad)e
nad) bod) nur ein griebric^brama fein! Das l)at fd)on ber
Sflejenfent im 9Jlorgenblatt 1819 gana rid)tig l)erausgefül)lt
unb bes^alb ber frül)eren 6toffbel)anblung burd) Älinge*
mann (,,Deutfc^e Irene") ben 23or3ug erteilt. Die Spal*
tung bes Sntereffes unb feine etmas äußerlid)e ^onäen*
trierung auf ßubmig ift ein unl)eilbarer Sd)abe. Seine
Scf)nciber, Uljlanb. 18
ftttli(f)en Xaten beftel)en etnfad) barin, bag er ben greunb
auf ®I)rentüort freigibt unb fd)Iie6Iic^ jum ajlitregenten
annimmt; el)renrr)erte unb roadere ©efinnungen unb
i)anblungen, aber nid)t5, mas i{)n 3um Droment)elben ge»
eignet mad)te. griebrid) bleibt gefliffentlid) met)r im
^intergrunbe, unb bie geringe il)m gemibmete 2eilnal)me
geftattet im fünften Sitte feinen lebl)aften inneren '^xxAz*
fpalt, fonbern nur mieber 5Rebe unb Slftion einer in fic^
fertigen unb felbftfid)eren fittlid)en $erfönlid)feit.
©5 laffen fid) aber meitere, gemid)tigere SSebenfen
gegen bas 6tü(f ergeben, bie ni(f)t mit jenem JHesenfenten
burd) ,itiQi'ö leibige nJlnfe" entfd)ulbigf merben fönnen.
9Ran follte benfen, bie groge So^I öer I) er an gesogenen
Quellenmerfe I)ätte ben Did)ter überreid)lid) mit ©toffe
Derfefien. 9m (Begenteile, bie peinlid)e 2Irmut ber grül)*
seit f<i)eint fid) mieber einftellen gu moUen. Die Sülle bes
9Jlaterial5 mug auf UI)Ianbö ^^Ijantafie erftidenb ftatt be*
fru(^tenb gemir!t l)aben. 6elten l)at fie fo Derfagt unb
fid) fo ärmlic^ gegeigt. Das 6tüd ift aud) mieber oon Der»
pngnisDoEer ^ürge. Die eingig freierfunbene ©gene ift
bie gmeite bes gmeiten Elftes: es foU \iQi burd) perfönlid)e
Snfammenfunft ber (Begcnfönige, ber fämtlid)en ^ur«
fürften, bes päpftlid)en ßegaten ber '^xxA\i in frieblid)em
@efpräd)e beigelegt merben. Die ©egenföfee prallen aber
fo ftarf aufeinanber, ho!^ bie (£ntfd)eibung ber SÖBaffen un»
oermeiblid) mirb. Diefer ban!bare bramatifd)e SSormurf
mirb nun in gangen I)unbertunb3man3ig 23erfen unb in fo
marionettenI)after Unlebenbigfeit oorgefülirt, \iOi% jum
Senno mirtlic^ nur me^r ein 6d)ritt ift. 23ei fo eiligem
Xempo fel)It es bem Didjter natürlid) aud) an SJluge, bie
(Il)ara!tere fd)arf gu umreiten unb gu runben. 2ßieberum
ber leibige unproblematifd)e ©belmut bei griebrid) unb
ßubmig, mieber \iOi^ bromatifc^ fo unfrud)tbare 3Jlotio
ftrupellofer 2:reue.
gortJd)ritte im elnaelncn bürfen nid)! oerfannt roer«
bcn. Ul)lanb fü()It felbft bas SSebürfnis nad) fattcren
garben unb tvad)tet fie burd) ein paar realiffifd)e ^ilbc^en
unb l)umonftifd)e fiid)t(^en gu geben, bic er auffefet. 2)cr
in ber Queüe ftiaaierten ©eftalt bes 2IIbertu5 f)at er weiten
Spielraum gegeben, oi)ne freilid) tiar 3u 3eigen, ob biefer
gro6fpred)eri(d)e galjrenbe ein SRagier ober ein ^d)ax»
latan ift. (Belungen finb bie (Epifobenfiguren ber aJlün»
d)ener 23äcfer I{)oma5 unb ©teffen, bie bie glüctlid)e 58eob»
aditungsgabe bes SSerfaffers ber 5Beiber oon Söeinsberg
auc^ bem nieberen 23oIfe gegenüber aeigen. Die beiben
laffen gu Slnfang bes britten Slftes in smanglofem @e»
plauber bie ©reigniffe bes 3ttJifd)enafte6 an fid) oorbei*
3ie^en; fo l)ilft fic^ ber ge{d)icfte Sel)errfd)er ber brama*
tijc^en Xed)nit. (Bleid) mo^Ibered)net unb einbrudsooU ift
ber ftreng parallele 35au ber beiben ©jenen, bie fon*
traftierenb ben bebäd)tigen ßubmig unb ben Ieid)tf innigen
griebrid) mit il)ren %tihl)exxen vor ber (Bd)la(i)t seigen.
35ül)nenblicf jeigt Ui)lanb aud) ()ier in nid)t 3u unter*
{d)äfeenbem SJlage. Der fräftige ftid)omr)tl)ifd)e (Einjafe bes
Stüdes unb bie ftraffe DialogfüI)rung mancher ©jenen
laffen gute 3;;i)eateru)ir!ung a^nen; lieft man gar ben
affeftooUen Slusbruc^ ßeopolbs am 6^luffe ber erftcn
S^ene bes oierten 2lftes:
Unb id) befd)n)ör' i^n bei ben ^Tobesmunben
Des 93aters, bei ben eigenen SBunben, bie
Qu 9^ad)t mic^ fc^merjen, tia^ id) öc^jen mug . . .
35ei allem, mas mir auf ber 6eele brennt,
3Sei allem, mas an meinem ßeben fri^t:
35ei 9'lad)e, 3orn, SSerameiflung, JRaferei —
fo I)ört man im (Seifte fd)on bie Qiift^Qiiß^^ f)ingeriffen in
SSeifall ausbred)en unb fann fid) benfen, \>a^ bie !Rolle bes
ßeopolb einen tüchtigen 6d)aufpieler reiaen müßte. i)at
18*
276
fie feinen fiiebl)aber gefunben, fo liegt tias baran, ha^ fie
gleid) allen giguren bes ©tüctes, aud) ber unglücflic^en
erblinbeten Sfobella, immer nur auf Stugenblide ein
Sd)einleben geminnt.
Die ujeiteren, nirf)t menig 3al)treid)en $(äne 3u I)tftori«
fcf)en Dramen, bie jenen 5al)ren entfprofeten, 3eigen
Urlaub gleid)fa(l5 nid)t auf anfteigenber ^a^n. ©s mar
fein froI)e5 ^raftgefül)!, feine gebrängte innere ©eftalten^
fülle, bie i^n t)on einem ©egenftanbe fd)nell 3um anberen
meiterfd)reiten liefe, fonbern jene taflenbe Unfid)ert)eit, bie
jefet als Symptom ber finfenben mie einft ber nod) nit^t
ermad)fenen ^unft fid) einfteEt. Die 6toffmal)l bleibt un=
glü(fli(f); faum ein 6ujet, \)aB man als über3eugenb unb
bramatiftf) rü{)men fönnte. 2BoI)( aber ift er öfter auf
Zl)emata oerfallen, mit benen fic^ t)or unb nad) il)m an»
bere Dramatifer mübe gerungen I)aben. 60 auf bie ®e=>
fd)id)te ber i)oI)enftaufen.
es \)ai in Deutfd)Ianb eine S^tt gegeben, in ber bie
^o()enftaufenbramatif an ber Xagesorbnung mar. JRau»
mers (Befd)id)tsmerf l)at feit 1825 biefe ftarfe SInregung
au63uüben r)ermod)t. Urlaub ftel)t nod) nic^t im 25anne
ber SQlobe, feine ^iftorifd)en Stubien, 3unäd)ft t)om engeren
SSaterlanbe au5gel)enb, I)aben il)n felbftänbig 3U ben
6d)icftalen bes l)eimifd)en ^aitergefd)Ied)te5 geleitet. SÖßie
nad) il)m Dufeenbe, l)at er in Überfd)äfeung ber eigenen
^raft einen groß angelegten ^oljenftaufensgflus geplant,
griebrid) II. trat iljm befonbers nalje. Dann vereinigte
fic^ fein Öntereffe auf bie rü^renbfte, aber natürlid) mieber
unbramatifd)fte gigur, ben jungen ^ 0 n r a b i n. ^aä)
Slnfäfeen im 9Jlär3 1816 unb 1818 l)at ber junge 35räu=
tigam im De3ember 1819 innerl)ajb meniger iage ben
erften ^tt gebid)tet, ben ein3igen 9left bes geplanten
Dramas, ben mir befifeen.
Zxoi^ bes erft fpätcren ©infefeens ber 6taufenf)od)flut
in 2)eutfcf)Ianb fonntc fid) UI)lanb5 Sntcreffe an bem 6toff
auf mehrere SSorgänger berufen. 6d)tIIer unb ßeifeuDife
l)atten i()n crmogen, t)on amei fd)n)äbifd)cn ßanbsleuten,
SBertljes unb (Ion3, lagen fertige ^onrabinbramen vox,
Snbes fonnte UI)Ianb mit bem fel)r fnabenfjaften Sturm-
unb Drangftücfe feines ßel)rerö, has fd)on 1782 entftanbcn
mar, nid)t5 gemein ^aben. 2)ie unmittelbare 23ergleict)5*
möglid)feit fel)lt, aber bie cbel gemeffene Haltung bes
gragments ftid)t benfbar meit ab oon ben genialifd)en
gioöfeln unb abenteuernd)en ^Jlotioerfinbungen bei ©on3.
Urlaubs ^arl Don Slnjou ^ätte faum nad) ^onrabins ©nbe
eine Sran3 9Jloorfd)e SSersmeiflungs« unb S^leueffala ab*
gefungen.
!Der überreid)(i(f)en I)iftorifd)en 23orbereitung 3um
Zxo^e fefet UI)Ianb5 Stücf mit einer ungcfc^i(^tlid)en ®f»
pofition5f3enc ein; gefc^ictte ©rfinbung oerfe^t ben jungen
$errfd)er unmittelbar in fein tünftiges IReid), er lanbet
fofort in 2tpulien, ^tatt oom ©ebirge ()er allmäl)lid) in bie
füblid)eren ©efilbe oorsubringen. Die ©sene l)at nur bie
35ebeutung ber ©fpofition; man lernt bie 9Jlenfd)en tennen,
bie im 6tücfe als Parteigänger unb ©egenfpieler ^on-
rabins oon (Bemic^t fein merben. Die 35eforgniffe, benen
ber fd)eibenbe Xrud)fe6 3um Sd)Iu6 effeftoollen Slusbrutf
gibt, (äffen has fünftige ^erfjängnis al)nen; beffen ©chatten
merben aber fonft burd) t)a5 intenfioe 5)immelblau, ha5
über ber gan3en ©sene liegt, überftral)lt. Der 2Ift nötigt
poetifd)e5 SBo^lgefallen ab unb l)at aud) in feiner 23er*
ein3elung oon ber 25ül)ne t)erab gemirft. Ul)Ianb5 QSeruf
3um 5)oI)enftaufenbramatifer tut er nic^t bar.
5Jlod) meniger glücft bies einem GEntmurfe, ber oon
©nbe 1818 bis in ben gebruar 1819 im SJlittelpunfte oon
Urlaubs ^ntereffe ftanb. Otto oon SBittelsbad)
50g feine Slufmerffamfeit auf fid), ber SJlörber ^önig
^^ilipps, ben fd)on ber ^reisridjter 25obo oor 3af)r3e^nten
311m Dramenl)etbcn crforen I)atte. Slmmcrmüöers ^o!)cn*
[taufen gc[d)icf)tc, eine bew'dl)xte güf)rcrm Uljtanbs, lieferte
bas {)iftorifd)e SQlatertal, bas ein ©ntmurf oom gebruar
1819 in fünf STfte aufteilt. Sie 5ßirfung auf ben ßefer ift
übermiegenb peinlid). 2)ie ^ra6()eit bes ©toffcs, ber
mel)rere 3Jlorbtaten auf bie S5üt)ne gerrt, bringt bie ®r=
innerung an bie grüt)bramatif nal)e, in beren 6til Ul)Ianb
unmilltürlicf) aud) burd) bie i)in3uerfinbung iDeic^Iid)er
greunbes' unb grouenfiguren üerfaüen ift. 2)er (5nt=
fd)Iu6 31^^ ungeljeuren Zat, bem ^aifermorbe, reift gar ju
fd)nell in bes ^falsgrafen 6eele, unb \tati ra[d)er 6ül)nc
folgt erft eine Ianggebel)nte 2I!tion bes irieberum 3er*
fplitterten ©egenfpiels.
^od) ein ^meitex ^önigsmörber ftellt fid) bem Drama«
tifer als banfbare gigur bar: 9o()ann oon Sd)n)a =
ben, 6d)iIIer6 ^arriciba, beffen fd)on im „Qubwxq" (Bx>
n3ät)nung gefd)iel)t. 3oI)anne6 t). SfJlüUers Sd)n)ei3cr=
gefd)id)te, auf bie fid) ber 2^ell beruft, mirb UI)Ianb5 Quelle.
23on 1816 bis 1820 l)at er meljrmals bes i)elben gebad)t,
nid)t mit fittlid)er 93 er urt eilung, fonbern mit men[d)Iid)er
2;eilna^me an bem Unglüdlic^en, bem alles im ßeben mig«
lang. ®rl)alten ^at fid) nur ein fd)malc5 ©senar, ha5 aber
menigftens bie 3Jlorbtat als 3tel unb ^ataftropl)e ber
gansen 5)anblung in ben fünften 2Ift ftellt. (Ein paar oer*
ftreute 23erfe aeigen fröftige Prägung.
3u bem großen 2)rama aus ber n)ürttembergifd)cn
(Beft^id)te, bas ber 23ater nad) ber SSoIIenbung bes ßubmig
forbcrte, ift es nid)t mel)r gefommen. SBir befi^en nur
nod) einen Slnfafe 3U einem Ginafter 2B e l f. ^alb'
I)iftorifd)e ^Trabition aus ber Q^xt ßubmigs bes grommen,
bie auc^ bie ©rimmfd)en !Deutfd)en 6agen tennen, follte
u)o^l luftfpielmögige 2Iusprägung finben. 2)od) fd)monb
bas Öntereffe nac^ ben ^tugufttagen bes i^a^res 1818
fd)nell bal)in.
©in paar S^lac^sügler aus anberer ;3ntereffenfpl)ärc
bröngen fid) in bicfc Dflctlje ein unb Überbauern 3um ^^etl
bie 35efd)äfttgung mit l)iftortfd)en ©toffen. !Da5 auf»
feimenbe rr)iffenfd)aftlid)e Stubium ber ^elbenfage oertrug
fid) in ben erften :3at)ren nod) mit poetif(f)en planen. 9Jlit
glei(i)em Unbel)agen mie ben i)ol)enftaufenftoff fel)en mir bie
befd)eibenen Gräfte bes Sramatiters ben mad)t= unb on=
fpruc^soollften aller Sagenftoffe in Eingriff nef)men.
UI)Ianb l)at 1817 smei S^ibelungen bramen entroorfen.
©ine Stnregung 21. 2B. 6d)Iegel5 mag bem oermeffenen
Unternel)men 3ugrunbc liegen. 2)ie 21ufteilung bes Stoffes
in 3mei SIbenbe ift gar nid)t ungefd)i(ft, menn and) man=
d)er 2Ift bes erften Jeils (©iegfriebs Zob) reid)Iid) leer
erfd)eint. 2Iber bas ©anse ift benn hod) ein SSerfudf) mit
gänsliff) untauglid)en SJ^itteln. 2)ie güUe überragenber
?ßerf6nlid)feiten aud) in ben epifobifd)en [Rollen bes
Smeiten Teiles Ijatte für UI)lanb5 @efül)l fid)tli(^ etmas
SSebrütfenbes. 5)ebbel l)at fid) ba fpäter auf feine 2öeife
gel)oIfen unb menigftens burd) renommiftifd)e 55erid)te bas
gigantifd)e STusmafe biefes ^elbentums einbructsooü ju
mad)en t)erfud)t. UI)Ianb ift ber 6d)roierig!eit nid)t fo be=
l)er3t 3uleibe gegangen, fonbern l)at fie feige umfd)lid)en.
„(B^ei ift auf einem 5)eer3ug abmefenb" — biefe D'lanb»
noti3 allein fprid)t bem ^(ane bas Urteil, ©s fef)It if)m
fonft nid)t gan3 an (Eigenart ber (Beftaltung. :5ntereffant
für Ul)Ianbs bamalige unb auc^ nod) fpätere STuffaffung
bes Stoffes ift bie etl)ifd)e 3bee, bie er I)erauslieft: „Un=
treue fc^Iägt il)ren ^errn." ©in instrumentum fatale
3iel)t fic^ burd) bie ^anblung, nid)t ber 9^ibeIungenf)ort,
mit bem er gar nid)ts an3ufangen meiß, fonbern bas
6d)mert 55a(mung. ©iegfrieb, (einesmegs ein ftro{)Ienb
reiner ^elb, l)at mit if)m feine S^eibingstat begangen
unb bie ITlibelungen gefällt. So ftirbt benn aud) er
(gegen bas ßieb) burc^ biefes Sd)mert, mie fpäter
Ärlcml)ilb unb ^agen burt^ SSatmungs 6d)tt)ung t{)r ^Vi\it
finben.
2)em neuerir)a(f)ten ;3ntereffe für bte mtttetI)od)*
beutfd)e 2)id)tung entfeimtc 1818 ber flüchtige ?ßlan 3U
einem 21 r m e n i) e i n r i d). (£m paar originelle unb
fräftige 23erfe aus ber '^Kt'^t bes Strates finb er!)alten.
9lad) 1820 ern)ärmte er fid) notfjmals für einen 5)elben«
fagenftoff: biesmal für einen 2tbfd)nitt aus ber gotifd)en
6age, bie ®efd)id)te ber 5)arlungen, ber unglütflic^en
Steffen bes (Ermanrid). ©ine fnappe, nid)t unlebenbige
2Infongsf3ene ift bauon übrig.
2) er 2)ramatifer öerftummte tiv^xx glei(f)3eitig mit bem
ßgrifer. ^Jlur ein $Ian, ber UI)Ianb burc^ faft 3el)n Sahire
begleitet t)atte, überbauerte ben Eintritt ber poetifd)en
^hht unb na{)m fogar no(^ 1822 einen neuen 2tuffd)trung.
Der fpanifc^e 9loman3en()eIb 35ernarbo bei Q^arpio
mar i{)m, mie erinnerlid), urfprünglid) inner{)atb bes
^arlstreifes entgegengetreten. Sefet, 1819, als ber Dichter
3u bem ©toffe 3urücffel)rte, l)anbe(te es fid) nid)t mel)r um
bie kämpfe bes iberifd)en $UationaIl)elben gegen ben ^aifer
unb feine ^alabine. (Es ift eine fd)öne (Ergän3ung 3U bem
tiefperfönlid)en SSefenntniffe, bas ber treue SD^ann, ber
greunb feiner greunbe, in ben früf)eren Dramen abgelegt
\)qX, menn jefet aud) ber 6of)n, ber mie feiten einer im
23aterl)aufe mur3elte, bie 3ur lobernben ßeibenfd)aft an*
madjfenbe 6el)nfud)t bes fd)einbar 23ermaiften nad^ ben
(Eltern, namentlid) bem SSater, in poetifd)er SSerflörung
erfd)einen lögt. 3Jlag unangebrachte 2Beid)I)eit aud) I)ier
bie ^anblung auf mand)en 2Ibmeg fül)ren, '^txi ei)arafter
5ßernarbos trübt fia nid)t, er ift in ber ftarren 9Jlono=
manie feines ßebensmunfd)es eine ber einbringlid)ften
UI)Ianbf^en (Seftalten. 3n bem fpäteren 2Infafee
löfet Urlaub au(^ bem fpanifd)en Urfprunge bes ©ujets
®ercd)tigfeit miberfal)ren unb 3eigt fic^ in gemanbt
fröftlger ^anb^abung als 3Jleiftcr bes oierfü^tg^n
2:rorf)äu5.
UI)Ianb5 Srama ^at oerfdjtebcnarttgc SSeurteilung er«
faf)ren. Sie QJlitmelt mar tf)m günftiger als bte 3^ad)n)elt
jene I)at ben metten Slbftanb, bte btefe 3H)ifd)en bem
©ramatiter unb bem ßtjrifer ertennt, nid)t fel)en töollen.
Sm ganjen finb bie erften ?8efpred)ungen ber 6cf)aufptele
auf feinen anberen Xon geftimmt als bie ber ©ebi(f)te.
Slurf) tut ber arüeifellos fd)n)äcf)ere ßubmig ber 2Iner*
tennung menig (Eintrag. 3Jlatti)ias Don GoIIin, ber öfter»
reic^ifct)e !Did)ter, ber bem (Ernft I)oI)e5 ßob aoüt, 30g ben
ßubiüig fogar faft cor. „SBir glauben md)t, \)a^ irgenb=
ein ^ublifum ber fanften ©emalt, bie biefes 6d)aufpiel
auf bie 5)er3en ausübt, roerbe n)iberftel)en fönnen." 2)artn
freilief) finb fid) bie einfid)tigen Äritifer einig, ha^ {)ier erft
ein SInfang gegeben ift; bas 3JlorgenbIatt mal)nt tien
!Dicf)ter, fi(^ burd) ben SJ^i^erfoIg bes ßubmig ja nid)t ab^
fcf)re(fen 3u laffen, unb ©oUin forbert gar oon ber ajleifter*
fc^aft eines UI)Ianb, er folle bas bisl)er (Beleiftete mit nod)
befferem ©dingen oon neuem bearbeiten.
(Einen ftarten, epod)emad)enben (Erfolg I)aben bie
©ramen ebenfomenig er3ielt mie bie ©ebid)te. 2Iber bie
Seitftrömung, bie biefe nac^ einunbeinljalb Oaf)r3e{)nten
mieber in bie i)öt)e ()ob, ift and) jenen günftig gemefen.
2Iuc^ ben breigiger ^al)xen ftanb ber Sramatifer Ul)Ianb
fo l)od) wie ber ßt)rifer, ber junge 5)ebbel I)at fid) für il)n
begeiftert, 5)eine unb ©ufetom t)aben fel)r anerfennenbe
SBorte gefunben, ber ;5ungbeutfd)e 2Bienbarg DoIIenbs
überfd)üttete U{)Ianb mit einer ßobesfüUe, bie biefem felbft
überrafc^enb genug geflungen l)aben mag. 9^ad)
SBienbargs aJlcinung ift er „oon (Beburt Sramatifer, unb
ber gefeierte 55anabenbid)ter ift nur ber in taufenb 6tücfe
gefprungene Uf)Ianb, ber tüi)i unb f^nöbe befeitigte !Dra«
matiter".
9. Äapltcl
Sie erften ®{)ejat)re
9n ßenaus 35eri(i)ten an 6opI)te ßön)ent{)al tütrb oon
einem jungen ©tuttgarter 9)läbrf)en er3äl)lt, bas fid) nad)
einer 2luffül)rung bes (Ernft Don 6d)n)aben in ben ^opf
gefegt I)aben foll, ber Dtd)ter muffe i\)x Wann merben. ©e^»
meint ift bie 1799 in daivo geborene ©milie 23ifc^er,
bie in Stuttgart bei bem gmeiten (Satten U)xex 9Jlutter, bem
§ofrate ^iftorius, lebte.
?Piftoriu5 unb geuerlein, ber 6tieft)ater unb ber
9Jlutterbruber ©miliens, I)atten fid) als 23erfed)ter bes alten
3'led)tes I)ert)orgetan, beibe maren überbies als ^rofura*
toren UI)Ianbs nal)e Kollegen. STud) aus biefem ©runbe
mürben ber merbenbe ^olitifer unb bas junge Wdhd)en
Dom Stuttgarter ^latfd) in nal)e 35e3iel)ungen gebrad)t.
3u feinem 2:räger mad)t fid) 1818 felbft ferner. (Bx fül)rt
Sarn{)agen gegenüber bie poIitifd)e ©tarrföpfigfeit bes
greunbes barauf surüd, \)a^ Ul)Ianb „in eine fjamilie ber
reid)en ^aufleute unb ^artüuliers geraten fei, bie bas alte
SSerfaffungsmefen bis 3ur ^aritatur" übertreibe. „6ie
finb alle t)erfd)mägert unb mie ein SBeid)fel3opf mit bem
alten 2Befen vexrüad)\en. !Diefe f)aben ben UI)Ianb in U)xe
Wxitt gebannt, er vool)nt aud) gan3 in bem 5)aufe bes
©inen unb foU eine Zo6)iex bes ?Piftorius 3ur (Baitxn er=
!)a(ten/' — Slllerlei gute greunbe foUen rDeitert)in nod) als
5)elfer6l)elfer aufgetreten fein, namentlid) l)'dtte fid) 6d)tr)ab
um bas Suftanbefommen bcr 23erbinbung gemül)t, rote
tDteber fienau gcprt I)aben irtll.
^n 2Bal)rt)ett Ijat tüeber bic ^ocfie, nod) bte ^ollttt,
nod) tt)oI)Imcinenber grcunbcsetfer bas 35anb fd)Iingen
l)elfen, bas UI)Ianb 3u feinem ©lue! fürs ßeben feffeln
follte. 9Jlod)te bei feiner trotfen gefül)lsfargen iperfönltd)=
feit eine ftarfe innere ßeibenfd)aft unglaubl)aft erfd)einen:
xmx l)alten je^t bas untrüglicf)e Sefenntnis feiner Xoge»
bu(i)blätter in i)änben unb fönnen ©tufe für 6tufe bas
keimen, bas ©mporblüljen unb bie mäd)tige Entfaltung
biefer D^leigung beobad)ten. Die 3äl)e 33e^arrlid)feit, mit
ber ber Sud)ftabe (B. 3al)re I)inburrf) oI)ne Kommentar
immer unb immer mieber, oft mel)rmals bes Xages auf«
iaud)t, lägt bie ®en)i6I)eit erftel)en, ha^ oon ber Q^^^
folcf)er (E.s ©lücf unb 2ßol)Ibefinben bes 6d)reibers ab^
i)ingen. 9Jland)er SSerliebte unb ^Bräutigam fönnte
Uljlanb um bie i^öufigf^it il)res Sluftretens beneiben. ©s
gab in ber 2^at fo mannigfa(f)e gäben, bie fid) oon il)m
3U ©milie SSifc^er I)inüber3ogen, t)a^ ber 3ufälligen unb
beabfid)tigten S^fammentünfte oiele maren. ferner oer«
fel)rte im 5)aufe ^iftorius, aud) ^Mext mar bort ein gerne
gefel)ener ®aft. 5Hofer, Ul)lanb5 oertrauter Unioerfitäts^
freunb, mor mit G^miliens älterer 6d)n)efter t)ermäl)lt. ^l)x
^Pflegeoater, Dr. 3^^" in dalm, mürbe il)m als politif(f)er
©efinnungsgenoffe fd)on frül)e mert.
Om 2)e3ember 1814 notiert fid) UI)Ianb 3um erften
SfJlale ben Flamen ©miliens ober Emmas, mie er fie am
liebften nannte, in fein Jagebud), 3um 55emeife, ha^ fie
t^m ©inbrucf gemad)t l)at; im folgenben 3al)re bereits
i^ren ©eburtstag, ben 15. Wal 6päter l)at er einmal
biefen 2^ag burd) ein @ebid)td)en gefeiert; neben ein paar
Seilen auf eine JHofe, bie fie il)m gefc^entt, bie cin3ige
birefte poetifd)e ^lüte, bie biefe Steigung getrieben l^at.
S3is fid) fein fpröbes (Bemüt erfd)Io6, bis gar feine 3u fo
f)artnä(fiöer Sdjtüeigfamtett gcbilbcten ßippen fid) öffnen
mo(f)ten, ging nod) fo mand)C5 :5al)r ins ßanb. Unb fo
mar CS aurf) für emilic 33tfd)er 'i^a^ in feiner entftel)ung
unfontroUierbare ftabtoerbreitete ©erüd)t, bas fie 3unäc^ft
mit il)rem fünftigen Sd)i(ffale befannt mad)te. SIIs !om*
petentefte 23erid)terftatterin er3äl)It fie felbft: „Das (Serü(f)t
intereffierte n)oI)l bas nod) gang junge 9Jläbd)en, mel)r no^
intereffierten fie bie gerabe bamals ^erausgefommenen
@ebid)te UI)Ianb5, bie fie bei ber ©c^mefter gu lefen befam;
aber — an bem ernften, ftillen ^errn Uf)Ianb mar bod)
aud) gar nid)ts ron einem ßiebl)aber 5u entbedenl"
9^üd)tern=profaifd), mie UI)Ianbs gange ^erfönti(^fett
nac^ außen t)in, mag aud) feine ßiebes= unb Srautftanbs*
gef4)id)te anmuten. Sie mar es in ber %ai nid)t. Man
muB aud) {)ier 3mifd)en ben fd)Iid)ten ^txUn bes Xagebud)5
3u lefen miffen, unb es erftel)t ein fiiebesroman, ber gmar
nid)t Don ^eifeen fieibenfd)aften unb ^onfliften f)anbelt,
mol)( aber oon S'lot unb inneren kämpfen, 6tanbi)aftig*
feit unb tapferem (Entfagungsmillen.
©rft jefet erfiel)t man bie DoIIe Xragmeite bes Opfers,
bas ber 2tltred)tler feiner poIitifd)en Übergeugung brad)te.
©r beraubte fid) baburd) nid)t nur ber Genugtuung, bie
eitern Don \\)xzx ftönbigen Sorge gu entlaften, cor ber
SBelt als gearteter 3Rann ba3ufte{)en, in ber 2BaI)I bes
täglid)en ^Berufes feinen Steigungen 3u folgen — er \UViit
aud) fein inneres ßebensglüd in grage unb trug ja()re*
lang bie quölenbe ©rmartung in fid) ^erum, \ia^ ein an=
berer feiner, bes 2tmts= unb OJlittellofen, unausqefprod)enen
Steigung 3ur)orfommen unb bie SSraut l)eimfüf)ren fönntc.
SBenn je fein 93erl)alten unb feine ^erfönlid)feit einen
6d)immer t)on ©röge er{)a(ten, fo ift es I)ier.
SBir verfolgen bas merbenbe ßiebespaar, mie es fid)
auf 35ällen, im 2:i)eater, im ^on3ert trifft. Smanglofer
traten fie fid) nod) auf 6pa3iergängen nal)e. S^ofer unb
285
feine grau pflegten gegen 2lbenb aufs ßanb I)tnau6 3U
manbern, ui)Ianb burfte fid) il)nen öfter anfd)Ue6en unb
fanb in ber 6d)tt)efter grau S^lofers, ©mma, eine 2ßeg=«
genoffin. !Der greunb fc^eint fd)on balb UI)lanb5 SSer*
trauter geworben 3U fein, menigftens eröffnet ber SSerliebte
il)m feine materielle Sage unb empfängt mand)e ^unbe
Don ber Umfd)n)ärmten. Sd)ön unb fenn3eid)nenb für ben
Steig bes perfön(id)en Umganges mit Ul)Ianb finb bie Um*
ftänbe, bie i{)m juerft erlaubten, il)r etwa^ näl)er3utreten.
SSei fröl)Iid)er Unterl)altung, in @efellfd)aft, ba mag \l)x
feine ©c^meigfamteit öfter 3ur Unluft gereid)t l)aben. 2lber
im STuguft 1816 ftarb \l)xe 3Jlutter, jene „eble grau", auf
beren ©rab Dtüctert „!Rofen'', t)a5 ^eigt einen Sonetten*
fran3, niebergelegt l)at. IHofer muß Urlaub oon (Emiliens
l)eftiger 2;rauer er3äl)len, in il)m felbft mirb trübe Stim-
mung voaä), er fd)reibt fid) Dtücferts SSerfe ab, ha er \\6)
offenbar felbft feine abringen (ann. 2Id)t Xage fpäter
finbet ber erfte 6pa3iergang nad) bem IrauerfaUe ftatt.
(Bmma mürbigt ben befd)eibenen fiieb()aber, oon feiner
3arten Xeilna^me ange3ogen, eines ausfül)r(id)en SSe«
rid)ts, unb bie erfte innere 2lnnäl)erung ift erreid)t. ©in
S(i)aiten fd)eint fid) oon tia an in bas (Bemüt bes jungen
2Jläbd)ens gefenft 3u f)aben. „S.s büftere ßebensanfic^t"
notiert bas Zaqebud) nad) einer 2öanberung. 3m 2)lär3
enblid) l)ebt fid) ber Xrauerfc^Ieier, ein 6pa3iergang auf
ben Äal)lenftein ermedt gemeinfamcs, ^offnungsooUes
grüf)lingsgefül)l.
2)er 20. September 1817 ift für UI)Ianb ein großer
lag gemefen: er 3iel)t in bie 6d)Io6ftra6e, an bie Stelle
ungefäf)r bes jcfeigen 55a{)nl)ofes, unb rüdt als engfter
i)ausgenoffe ber längft oertrauten gamilie SRofer noc^
einen 6d)ritt nöl)er. (Er barf benn and) in biefem ^al)xe
mit il)nen, il)ren Äinbern unb (Bmma ein traulid)es 2Beil)«»
nac^tsfeft oerleben.
5m i^anuar 1818 läßt er fid) malen, ^s entfteljt jenes
Dtcloerbreitete SSilb Don 3D^orff, \i^^ bie robuften (Befit^ts»
5üge, bie ftarfen 23a(fentnoc^en, bie ni(f)t ganj ebel gc*
bilbete D^afe gu einem oieIIeid)t n)al)rl)eit5getreuen, ober
menig (d)meicöell)atten ©efamtetnbruct formt, unb mir oer«
ftel)en bie SRotis: „%., bie oor meinem 35ilb erfd)ro(fen.'" ®r
forbert fie auf, fid) oud) malen 3u loffen: „3JlaIen loffen?
Sd) mü^te nid)t für men?'' 2öenn nid)t für Ul)Ianb, fo
möchten mir ontmorten, bann menigftens für uns, bie
S^oc^melt, bie bod) ouc^ etmos Öntereffe boron ()ot, mie
Uljlonbs ©rforene ou5gefe{)en l)aben mog. Sßir befifeen
foft nur 2IItersbiIber, beren mand)es bie flug=gemütlic^c
(Breifin fel)r ft)mpat()ifd) erfc^einen lögt, ous ber grül)3eit
ein red)t unoorteilfioftes 3}Ziniaturgemälbe.
3n jener S^tt nun mill Ut)Ianb ©ruft machen mit bem
lange ermogenen ®ntfd)Iuffe, bie unbonfbore Slboofotur
oufsugeben. 2Ber ouf greiersfügen ge{)t, muß ein feftes
SSrot {)aben. ©r beüogt bie i^ronie, bie barin liegt, bog
il)m nun, bo er nidjt annel)men fann, aus ollen Xeilen
bes SSoterlonbes Stellungen ongeboten merben. 6ein
i)eil fonn il)m ober nid)t im red)tlofen Sßürttemberg, es
mu^ il)m im Sluslanb erblül)en. Unb nur ben SBunfd), ein
i)eim 3u grünben, fonn ben 23efd)eibenen, für bie eigene
^erfon SSebürfnislofen 3um I)ortnä(figen Bittfteller man»
beln, ber olle SSerbinbungen eifrigft oufgreift, um fid) ein
Untertommen 3u oerfc^offen. ®r reift nod) ^arl5rul)e unb
berät mit 23ornl)agen. 2)lel)rmals fpric^t er in i)eibelberg
t)or, ober nid)t nur, um bie Soiffer^efd)e (Bemölbefomm*
lung unb bie frifd) ous bem SSotifon eingetroffenen
^üd)erfd)äfee 3u bemunbern, fonbern um mit 3eon ^oul,
?5aulus, ©örres, SSog, ©reuser 3u fonferieren. ©in ofobc*
mifd)es ßel)ramt td)mebte il)m in erfter ßinie oor. Jkreits
ift es ber ©ermonift unb nid)t mel)r ber JHed)tsgelef)ite, ber
bos Äatl)eber befteigen mill. ©r menbet fid) on Äorcff
tDcgen einer ^Profeffur in ?8onn, tDO er einige 3^^* ^lus*
fid)t auf Berufung gel)abt 3u I)aben fd)eint. 2Iber bies 3er*
fc^Iögt fid), u)ie bie lange l)inge3ogene 23er^anblung megen
eines ßel)rftu^lc5 in 55a{e(.
ßängft (d)eint ©milie ben fo 3urüc!l)altenben ^Bewerber
burd)fd)aut 3U I)aben. 2Barum öffnet er nid)t ben aJlunb?
„Über 6pred)en unb Sdjroeigen" l)aben fie einmal (Be*
banfen ausgeta^ifd)!. (Enblic^ foUte bcr Sann gebrod)en
merben. Ul)Ianb, ber im 2Jlär3 1818 f(f)on einen 23eild)en»
ftraug \^QXiz überreid)en bürfen, magte bei einem grül)*
lingsfpasiergange ben erften Qänbebrucf. Der 26. 2tpril,
fein (Beburtetag, ift ein Ijeller marmer Sonntag, alles ftel)t
in 33Iüte, bie ^er3en muffen fid) erfd)Iie6en. „®s ift boc^
fd)ön auf ber 3öelt/' fagt ®mma 3U Ul)lanb, unb nun finbct
er ben 90^ut, fic^ 3u ertlören. 6ie brid)t in 2^ränen aus, bie
i)inberniffe merben \\)x fofort bemüht, ©in Samort lögt
fid) nid)t er3ii)ingen. Dod) geftattet fie il)m bas i)eim*
begleiten. „2Bie es aud) gel)', il)re 2td)tung bleibt mir."
SBenige 2:age barauf reifte Ul)Ianb nad) Tübingen,
unb ber Slnlafe, aus bem bas gefd)a{), mod)te mit ba3u bei^«
getragen I)aben, il)m bie S^ing^ 3" löfen. 21lles um ii)n l)er
Derlobte unb r)erl)eiratete fid). 6d)rt)abs ßiebesroman mit
6opl)ie ©mclin, ber 6d)U)efter 2BiII)eImines, I)atte fd)on
(ängft ein erfreulid)es ®nbe gefunben, unb ber n)of)IbeftalIte
©r)mnafialle^rer burfte in Stuttgart feinen jungen Qaus*
ftanb begrünben. greunb SRaijer \)QXit fur3 t^oxKOi&i, 2)e«
3ember 1817, mit feiner 35raut !Ricfe(e Srücf feine Slufmar*
tung bei Ul)Ianb gemad)t, unb bie 21nftellung lieg nid)t
lange auf fid) märten. Das oertraute Säsd)en aus bem
Oberftod, SBilmele m)Ianb, l)atte fid) 1816 r)erl)eiratet, mit
Sluguft SBeifeer, ber eine Seitlang im STmte als 3Rit*
bemerber bes neuen 53etters aufgetreten mar. UI)Ianb mar,
el)e er 3U D'lofers 30g, über ein 5ai)r ber ^ausgenoffe bes
jungen ^aares gemefen, bem fein ©ruß im 23 e r f p ä t e «
tcn$od)3eit5liebc gilt. Sefet, im 3Jlat 1818, burfte
fid) fein ©ratutationsgebic^t nic^t oerfpäten, galt es boc^
ber eigenen ©c^mefter. fiuife mürbe fd)on feit einer 3^ei^e
Don 3al)ren ummorben üon einem i)annot)eraner, ber in
2:übingen 3:f)eoIogie ftubiert \^Q!iit, 2)er junge 3Jleger, ber
ols ,,2lu0länber", sumal 9^orbbeutfd)er, bem jungen 3Jläb»
d)en unb ben ©Item 3unäd)ft als unmöglid)e Partie er*
fc!)ien, beujöljrte fid) als ernft^after unb trieuer ßiebl)aber,
ber feine eigenen 2Bünfd)e gan3 benen t)on 6d)U)ieger=
eitern unb 58raut unterorbnete, bie Qeimat aufgab unb fid)
in ©c^maben um eine ^Pfarrftelle bemarb. Sn 5)aiterbad),
bann näl)er bei Tübingen, in ^fuEingen, \)Qi bas junge
?Paar mand)e5 glücflic^e Saf)r sufammen oerlebt, Ul)Ianb
in 3Jler)er einen macferen SSruber gefunben. 2III biefes
greien unb ^od)3eiten aber mag Ul)Ianb5 fd)mer3lic^e
6el)nfud)t auf ben ©ipfel gefül)rt I)aben.
%\<ö er mieber in Stuttgart mar, beunrul)igte il)n \iQi^
mie fd)on öfter, fo aud) jefet auftaudienbe @erüd)t, baß
greier um ©mmas Qanb 3ur 6teIIe feien. SBie foUte er fie
aus bem gelbe fd)Iagen? (Es mag in jener '^z\i gemefen
fein, \i^^ er im 5)inblid auf feinen 5)ramenl)elben tparri»
ciba bitter 3u ^vo^h bemerfte: „®s ging il)m mie mir,
er I)atte mit nid)ts im fieben ©lud." ©eine SSertrauten
beftürmten il)n, bod) enblid) t)on feinem 6tarrfinne 3U
laffen unb in ben ©taatsbienft 3u treten. 3m Oftober tam
ein Sßarnungsbrief ber ©c^mefter: ^ofrat ^iftorius motte
beftimmt feine 2;od)ter nur einem 3Jlanne geben, ber im
35efife einer feften 6teüung fei; Urlaub fotte fein ßebens»
glüd nid)t oerfäumenl 2Iud) fie l)otte oon Dtioalen gel)ört,
bie ber 23ater begünftigen fottte.
2Iber (Emma felbft blieb feft. 3« ti^f iJ^or bie Steigung
fd)on in il)r eingemur3elt. „6ie lernte begreifen," fc^reibt
fie felbft, menn aucft unter manchen inneren kämpfen,
„\^q5^ einem Über3eugung5treuen SOtanne fein Dpfer 3U
groö fein bürfe, \i(x^ Ul)Ianb fd)tt)eigen unb autoarten müffc,
bis günftigere Umftönbe für feine SBünfd)e eintreten mür-
ben." UI)Ianb fül)lte I)erau5, bog er bei i^r gemonnenes
6piel ^obe. ^m Seaember befucf)t er bie ©Item unb er«
öffnet it)nen bas 23erf)ältni5. DJlan fpürt bem 6cf)n)eig«
famen ha^ @efül)l ber ^Befreiung nad) fo langer (Ein*
bämmung an: „S^ac^ bem 2lbenbeffen oon (E. er3äl)It, 3"'
fammenfifeen bis ajlitternad)t.'" 9^od)maIs pilgert er nad)
5!arl6rul)e, um fid) bei 23arn{)agen um eine Stelle im
babifd)en !Dienfte 3u bemül)en. (Er mäl)It ben 2Beg über
Galm, mo er ©milie 3u 53efud) glaubt, unb betrad)tet
fd)mer3lid) oon außen bas SSifc^erfc^e 5)au5, bas 3u be-
treten er (ein '^^ö^^i I)at. 2Iber nun ift bas (Blücf il)m t)oIb:
am erften Xage mieber in Stuttgart, trifft er überrafd)enb
mit il)r, bie er ferne n)äl)nt, 3ufammen, unb jefet gibt es
(ein galten mel)r. ©s (ommt 3ur gegenfeitigen 5)er3en5«
ergießung, er erl)ält als teures ßiebespfanb eine ßoc(c.
2Iud) ©mmas ßeibenfd)aft l)at über bie SSernunft gefiegt,
bie beiben l)aben fid) gefunben, el)e bie äußeren 5)inberniffe
übermunben finb, aud) bas W6!b&)zn ift millens, i^nen 3u
trogen.
Siefe 2:apfer(eit finbet fd)nellen ßo()n. 2Bir miffen,
\iQ^ fd)on 2Infang 1819 fid)ere 2tn3eid)en für eine Seenbi»
gung ber red)tIofen ^txi auftaud)ten. 9^od) magte ber
greier -fid) nid)t oor; aber im 5Iuguft 1819, \iQ. (onnte ber
{)od)angefel)ene SIbgeorbnete Ut)lanb, ber foeben am ?8er-
faffungsu)er( entfd)eibenb mitgemir(t l)atte, bei bem in»
3rrifc^en oertrauter geroorbenen ftänbifd)en Kollegen i)of*
rat ^iftorius Dorfpred)en unb bas 9amort bes Pflege-
vaters einI)oIen. 9^od) mar er ein SD^ann ol)ne 2Imt, aber
alle 9Jiöglid)(eiten lagen Dor i^m. 9m Januar 1820 mürbe
bie 23erIobung öffentlich. Stuttgart unb 2:übingen feierten
mit, bas große ©reignis mar Stammtifd)gefpräd) in ber
€4)neiber, U^Ianb. ^q
290
2)en (Eltern murbc nun alsbalb btc neue Xod)Ux ju-
gefüljrt. 2)te 2)lutter fol) il)re SSeJorgnis miberlegt, il)r
ßubiütg möd)te fd)Iie6Ud) „oI)ne oiel D^leigung eine 93er»
ftanb e5l)eir at mad)en'' ober gar „burc^ 2Barten gang ums
i)eiraten fommen". 2luf ben erften SSlicf war fie t)on ber
inneren Harmonie biefes SSunbes überseugt. „ßouis ()ätte
nid)t jebem aJläbc^en angepaßt, unb (Emma nid)t jebem
3Jlann." 6ie legt 'ü)x (Er3iel)ung5U)er! in bie 5)änbe ber
jungen SSraut: „^abe bu nur nid)t gar 3u oiel (Sebulb mit
il)m, bie 3Jlänner finb fo gleid) oermö^nt/' 2)a5 SSifiten»
mad)en, bas t)erl)a6te, gum minbeften l)at Ul)Ianb als SSer*
lobter grünblict) ausfoften muffen, trofebem fein SSraut»
\tanh in eine Qeit fiel, bie mit ßanbtagsarbeiten über*
füllt mar.
2)er 29. Suni 1820 mar Ul)lanb5 5)ocl)3eit6tag. (B(i)wab
\)aite ben ^^egafus erftiegen, ßuife 2)uttenl)ofer lieferte eine
geft3eid)nung, eine feierli^c 9^ad)tmufif geleitete bie 9^eu*
oermäl)lten ^eim. 3Jlinber poetifd) nimmt es fid) aus, ha^
Ul)lanb oor unb fogar nad) ber 2^rauung längere Q^ii ber
©ifeung im ©tänbe^aus beigemol)nt \)at Die ^erfömm«
lid)en Darftellungen laffen aus biefem Slnlaffe bie ^flid)t»
treue Uljlanbs in l)ellfter ©lorie erftra^len. Uns erfci)ien
biefer 3ug immer fatal pl)ilifter^aft. 2Ber bem gefttoge
nid)t gibt, mas fein 3'led)t ift, fenn3eid)net fid) baburd) als
SlEtagsnatur. Urlaub l)at aber bie 9Beil)e biefes Xages
trofe allem tief im ©emüte getragen. 9^ad) breigig 3al)ren
mat^t er eine 2:rauung in berfelben ^ird)e mit unb fd)reibt
bann ber ©attin: „^d) fal) in lebenbiger Erinnerung auf
bie 6tufen l)erab, auf benen einft aud) mir !nieten.''
Keffer noc^ mill uns gefallen, ba^ 3um faft ein3igen
3Jlale in elf 3al)ren bie regelmäßigen 3:agebud)eintra'=
gungen nac^ ber 5)od)3eit für ein paar 2Bod)en ausfefeen.
„^äu5lid)es ©lud" — bas ift bas erfreuliche ^ennmort,
mit bem ein l)alber 3Jlonat überfd)lagen mirb. Dann
wagen fi(f) iriebcr fleinc Sonberaüge, 5Bend)te über bie
beginnenbe ©efelligteit bes jungen ^aares ()erDor.
SPflit ben 3al)ren erft unb langfom geftaltet fit^ uns ein
greifbares Silb Don Ul)Ianbs ßeben5gefäl)rtm I)erau5.
2)a5 junge 3Jläbd)en ift uns noc^ gana unsugänglid), erft
bie ältere grau erfäljrt mannigfad)e (Bc^ilberung unb tut
fic^ auc^ in gefd)eiten ©riefen !unb. (Entl)ufiaftit(l) aber
erinnert fid) ^arl ajlarjers gleid)namiger Sol)n bes jugenb»
fd)önen ^ilbes, bas fie in ben erften ©Ijeja^ren geboten,
„grau Ul)lanb trug einen furaen meinen JRocf unb einen
oioletten, feibenen 6pen3er, il)r präd)tige5 fd)n)ar3e5 5)aar
I)otte fie in einer boppelten ^rone ums 5)aupt gelegt, it)r
ujeiger ^als ba3u ■— fo fc^ien fie mir ein 2(usbunb t)on
Sc^ön^eit." ^od) nad) breifeig :öal)ren \a\) 5)einrict) ßaube
biefer „Iebl)aften Sd)w'dbin" an, mie fd)ön fie einft gemefen
fein muffe. 25ei anberen greunben, benen U{)Ianb fie oor*
fül)rte, übermiegt ber innere ©inbruc! ber $erfönli(^(eit.
2)en guten Quftinus erfreute fie bei il)rem erften S5efud)c
„un\äQl\d)".
Ul)(anb6 ©attin mar nic^t bas, mos man eine gcift*
reici)e grau nennt; fie i)'dtte als foId)e an bie 6eite biefes
(Satten and) \d)Ud)t gepaßt. 2Iber ber 2)id)ter, ber ©e»
Iel)rte, ber ^^olitifer fanb in il)r im DoUften aJlaße bas, mas
er braud)te unb fud)te. (Es mar fd)on bem befd)eibenen
SSemerber ein unDergefelid) fd)öner 21ugenblic!, als fie it)m
mit eblem SSerftönbniffc für feinen ^erjog ©ruft bantte.
6päter l)at ber oerftummenbe !Did)ter oon il)rer 6eite nie
ein 2Bort unangebrad)ter (Ermunterung, eine 2tufftad)elung
feines ei)rgei3es erfat)ren. Die anbers geartete unb it)r
Diel fd)merer 3ugängUd)e neue JTätigteit ftanb il)r ebenfo
f)od). Unb als ^Politiferin fonnte fie fid) 3U3eiten mel)r er»
^ifeen als Ul)lanb felbft. Sas mar überhaupt bas ©ünftige
bei biefem (El)ebunbe, lia^ bie grau eine benfbar glücflid)e
(Ergän3ung bes SJlannes barftellte. 2Bar er trocten unb
19*
fd)irer in glug 5U bringen, fo mar fie Iebl)Qft, ja über=
fprubelnb, mufete er oft in feiner Ungea)anbtl)eit bie 50len«
f(i)en nid)t red)t gu neljmen, fo fanb fie ftets bas red)tc
SBort bxaö;)te ßeben ins ©efpräd), ftimmte es auf gemüt»
nd)en 2:on. Dabei mar fie feine glatte 2BeItbame, fonbern
eine natürlid) offene 6d)n)äbin, bie namentlid) norbbeutfd)e
35efud)er burd) il)r ungef(i)minftes 2:emperament unter«
l)ielt. ^ermann ©rimm Hang noc^ nad) Sabren ber xool)U
tuenb fd)n)äbifd)e ^lang il)rer Stimme fgmpat()ifd) im
Ol)re.
2)ie ftönbige ©inmirfung einer foId)en D^atur auf
UF)Ianb fonnte nur im l)öd)ften ^a^e mol)Itätig fein. 6ie
\)at an bem fid)er oft munberlic^en unb eigenen aWanne,
ber ad)t 3al)re als felbftänbiger Sunggefelle gel)auft l)attc,
nid)t red- tl) ab erifd) l)erumer3ogen. (5I)er laffen ein paar
SSriefftellen eine liebensmürbig leife 6d)alf^eit al)nen, mit
ber fie feinen Sonberbarfeiten begegnete. 3n I)eIIerem
mörmerem ßid)t aber erfd)eint bas 93erl)öltni5 bort, mo
bas innige Sneinanberleben ber beiben (Satten gutage tritt.
Darin maren i{)re Staturen ä()nlid) geartet, ha^ fie oon
menigen, aber tiefgegrünbeten ©mpfinbungen be{)errfd)t
mürben, ©ottoertrauen, S^aturliebe, gamilienfinn — auf
biefe ©runbtöne finb beiber 5)er3en abgeftimmt, unb bas
gibt einen guten 3iJfa^"ißi^^Iang. 2Bie traulid) I)ört fid)
aus bem 3Jlunbe bes SJlannes, ber jeben (3efü{)Iserau6
l)a^t, bie brieflid)e 2lnrebe: „30lein liebes, {)er3liebes SBeibI"
Sßeld) farbenreid)e, eingel)enbe Briefe meig er nun mit
einem SO^ale gu fdjreiben, menn fie fid) an biefe 2lbreffe
rid)ten! S^eue reid)e ©eiten ber UI)Ianbfd)en ^aim (äffen
fid) al)nen, menn man l)övt, mas er feiner grau gemefen
ift. 2Ius 2:rübfal fel)nt fie fid) nac^ il)m: „2ßäre id) nur
eine 8tunbe bei Dir, bas märe Iroft in jeber 9lot." ^eine
froJie ©tunbc meig fie 3u genießen, menn fie if)m ferne ift:
„(Bs fet)It mir ber (Bim, ber mir bas ßeben erft rec^t aum
ßeben mad)t/' STber fic möct)tc nit^t nur geftüfet merbcn,
fie möcf)te felbft 8tüfee fein, fic geprt 3U \^m, töte er 3U
il)r. 2ll5 er eine Seitlang allein in Srantfurt meilt, \iQi
ruft fie il)m 3u: „(Es mad)t mid) n)ie eiferfüd)tig, bafe Du
ein fo ernftes 6tüc( ßeben oI)ne Deine 5)älfte burd)leben
follft, alfo bann aud) Erinnerungen, ernfte tüie er()ebenbe,
i)aben follft, bie ic^ nid)t mit I)aben !önnte. 3)lein ^laö
ift an Deiner Seite, unb men einmal Dein SSertrauen ge*
e^rt \)qX, ber möcf)te immer mit Dir fein."
Ul)Ianb ^oi in ber (Elje \^^^ 5)öd)fte gefunben, tüos er
oon il)r erI)offen tonnte: ein Dollfommenes gegenfeitiges
2Iufgel)en unb (Einsfein, eine @efäl)rtin, bie bie oftmals
empfunbene ßütfe unb ßeere in feinem i^nnern für immer
ausfüllte, bie böfen ©eifter bes Unmuts, ber ungeitigen
Xrauer, ber Grübelei, über bie er als junger 3Jlenfd) (lagte,
ein für allemal t)erbannte, eine (Sel)ilfin, bie in allem, lüos
er \sQi&/it unb tat, aufging unb mitlebte, mit fid) reben lieg,
bie Slnregung, SSerftönbnis, Slblenfung unb Slnfporn für
il)n nad) SSebarf 3ur 93erfügung l)attc. 9^ur toer fo t)öllig
Ul)lanbs ßeben mit it)m lebte, fonnte es fo befd)reiben, xoxt
fie bies in bem nod) immer beften UI)lanbbud)e getan Ijat.
2tn 2öeil)nacöten fd)rieb bie SJlutter oon ben (Babcn,
bie fie für bas enfeld)en in ^fuUingen gearbeitet l)atte:
„3c^ n)ünfd)te, menn mir ®ott bis übers 3al)r bas ßeben
fd)enft, noc^ mel)r mad)en 3U bürfen als bies 5lal)r, mär' es
red)t?'' Diefe 5)offnung {)at fic^ bamals unb fpäter nid)t
erfüllt, Ul)lanbs (El)e ift finberlos geblieben; für beibc
(Satten feine gan3 leichte, aber eine mortlos getragene
6d)idfalsfügung. Ul)lanb I)atte 3ärtlid)c Dleigung 3U Slin»
bem, bas 3eigt fic^ fd)on aus bem lagebud), mo ber mcr»
bcnbe Bräutigam mit Vorliebe als ©pielfamerab ber
lRoferfd)en Slinber erfd)eint. "^Ql^^ t)ier3e^n (E{)eial)ren
murbc ein ^ßflegefinb ins ^aus genommen, ein fünf*
jähriger S^nabe, 2Bill)elin gteubcl, eilt ^ßfgrrersfo^n, ber
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3ur ^tftortusf d)en greunbfd)aft gefjörte. 2)amit röar bie
fd)mcr3li(f) empfunbene fiüc!e ein roentg ausgefüllt, ^ftjer
fann in jener S^xt gegenüber grau S(i)voab md)t genug
rül)men, mie glücfltd) ha5 ftnberliebe unb ftnberlofe ^aar
ben tieinen Pflegling betreue. 2tuc^ bie ^"inber ßuifcns
fanben fpöter im 2^übinger UI)Ianbl)au5 eine ^roeite
5)eimat.
2t(5 Uölonb in ben ^afen bcr ®I)e eingelaufen ift,
fcf)einen il)m ßuft unb SSebürfnis nad) einem einträglichen
Slmte gefd)n)unben. Tlan \)at il)m get)äffig vorgehalten,
er l)abe com (Belbe feiner grau gelebt. 2)a^ il)m bie
©attin ein beträd)tlid)e5 SSermögen 3ugebrac^t l)at, ftel)t
oußer allem So^^if^I^ bie materiellen Sorgen maren pon
nun on gel)oben. Sie gorberung bes ©tiefoaters l)atte
offenbar nur hen 6inn gel)abt, bag bie Xod)ter einem
9Jlanne oon 2lnfel)en unb @en)id)t bie 5)anb reid)en follte;
unb bas mar Ul)lanb jefet ol)ne 6etretär=, SSürgermeifter*
ober ^rofefforspoften. 2Bir fönnen uns ben!en, ba^ es
ber ©attin befonberer 5Bunfcf) unb 6tol3 gemefen ift, il)m
enblic^ eine äußere ©5iften3 3u fd)affen, bie es x\)m crmög«
lichte, feinen beften (Saben 3U leben. 23on Slbootaten^
gefd)äften ^ören mir nod) einige 3al)re lang, bis bie ?Prajis
einfd)löft.
So l)atte bas (BIM Ul)lanb einen traulicl)en ^erb, eine
trefftid)e ©attin bet(i)ert, ber 9^ot unb ber (Jinfamfeit für
Seit feines ßebens gefteuert. Unb gerabe in biefem
Slloment cerftummte ber 2)icf)ter. ^et^mtete für il)n bcr
ei)eftanb ben Eintritt in bas pocfielofe ?pi)iliftertum, mtc
es bie ?Romanti!er fürd)teten? 2)a5 ^eifpiel feiner greunbc
9lü(fert unb ferner tonnte freilicl) 3eigen, \)a^ gerabe gut«
bürgerlid)es gamilienglücf ben ©egenftanb f<f)ier uner«
f(^öpflid)en poetifd)en ßobes ab3ugeben cermag. Ui)lanb
I)at im ©egenfafe 3u beiben an feine grau nie ein ßieb ge=
pif^tet, nid)t einmrt in ber erft^n ^^\t b^^ ^öuslit^eti
(Blüdes. Der bid)tcrtfc^e Duell voax oerfiegt. SIber eine
abfolute SSerarmung bebeutetc bies nid)t: in jenen ^a^rcn
l)at \id) Dielmel)r ber ftets DorI)anbene Dualismus feiner
Veranlagung enbgültig bal)in entfc^ieben, ba^ aus bem
2)id)ter ein gorfd)er rourbe.
Seit feiner i^ugenb gel)en biefe gmei Seiten feiner
^Perfönlic^feit, Begabung unb Sntereffen nebeneinanber
l)er. Sd)on 1806 entn)ad)fen ber ßeftüre bes 5)elbenbud)e5
ebenfooiel n}iffenfd)af liiere ??robIeme mie äftl)etifrf)e ©in*
brücfe, unb ber fritifc^e Sinn regt firf) bereits gegenüber
Xiecfs DJlinneliebern, als ber junge Dichter fie nod) emfig
nad)bilbet. 3""^ erftenmal entlobt fid) ber Xrieb nac^
einem mel)r reseptioen unb reprobuftioen 23er{)ältnis
gegenüber ben !Did)tn3erten ber 23ergangenl)eit in ber
^arifer ^eriobe: aus ben ?8ib(iotl)ef5ftubien entftel)t ber
Sluffafe über bas altfran3öfifd)e (Epos mit berfelben 9^ot«
roenbigfeit mie bas 3D^ärd)enbu(l). Unb ber bamit an»
gefponnene gaben reiy nic^t mel)r ah. S3on 1812 an
Ijalten nad) ben Xagebud)noti3en bie n)iffenfd)aftlid)en 25e*
ftrebungen ben bic^terifd)en mel)r unb mel)r bie SBage. (Fs
ift SufoU gemefen, ha^ er auerft eine grud)t a 1 1 f r a n »
3 ö f i f c^ e r Stubien Deröffentlid)t l)at; als fein eigenftes
©ebiet fa^ er bod) üon jeljer bie b e u t f d) e ^oefie bes
SRittelalters an, bie il)m in ben S^ibelungen, im 5)elben»
bud)e fo einbrudsooll entgegengetreten mar. 2öo er ein
umfaffenb^s Programm entmidelt, ha gef)t er üon ber 2tn»
fid)t aus, \)a^ bie beutfd)e !Did)tung bie geiftige 9Jlutter ber
übrigen gemefen fei. 2tls feine liebfte ?8efd)äftigung bei
ausreic^enber SJluge unb @elegen()eit be3eid)net er fd)on
1812 bas SSerfoIgen ber germanifd)en ^oefie einerfeits in
ben Sterben l)inauf unb bis in ben Orient, anbererfeits
burd) bie oerfd)iebenen oon ben germanifd)en Stationen
befefeten unb eroberten ßönber. (Ein paar 9Jlonate nad)
biefer ^riefäugerung an ben bamaligen germaniftifc^en
5ßcrater 2Bccfl)ernn ioyx^i im Xagebud) eine bebeutungs»
Dolic 9^oti3 auf: „i^bee gu 23orIefungen über btc @cfd)i(^tc
ber $oefte im a)ZitteIaIter." !Die furse 3Semerfung entpit
ein 5^rogramm, \i^^ I3al)re bes SSorftubiums erforbertc.
3n Derfc^miegener, aud) bem Jagebud)e feiten oertrautcr
2trbeit mufe er Sanbftein auf 6anbftein 5u biefem großen
25aue geljäuft ^aben. Slnberc pöne taud)en ba5U)if(f)en
fd)nell auf, röerben fpielenb ermogen unb 3ugunften bes
großen 5)auptgebanfen6 fd)nell tJermorfen.
©in lebenbiges 2Bed)felDerl)äItni5 fommt ben h^^txi
SBirfung5fpl)ären bes merbenben ©ele^rten jugute; berfelbe
Stoff mirb oon ameierlei ©efid)t5pun!ten betrad)tet, bem
l)iftorif(f)en unb bem praftifd)=poetifd)en. 2)ie ßeftüre neu
auftoud)enber S^ibelungenquellen fül)rt gu bem brama»
tif(i)en !DoppeIpIane oon Siegfriebs J^ob unb ^riem{)ilbe5
9^ad)e, unb aus eben biefem ern)ä{f)ft neuerlich bie ßuft gu
üertiefter miffenfd)aftlid)er 2Inf(f)auung bes Stoffes. 1817
\^(xi UI)Ianb bemfelben 93ortüurf ein (Bebirf)t unb eine fteine
2lbf)anblung gemibmet: 2)ie beutf(f)e 6pra(^»
gcfenfd)aft in SSerlin I)atte il)m bie 5DlitgIiebfd)aft
oerIiet)en. ©in ßieb mill in populärer gorm ber beutf(i)en
Sprad)e Vcßt Stufgabe unb ©eftalt r)orfd)reiben, fernl)aft
treue (Ed)tl)eit in gorm unb 3nl)alt foU ber beutfdjen D'lebc
eignen. !Der Stuffafe, erftaunlid) reif unb tiefbringenb für
ben jungen Sßertreter ber ©ermaniftif, entmirft gegenüber
ben tivQ^x^^ b^!ettantifd)en SSorfäfecn ber (BefeIIf(l)aft bas
?5rogramm einer I)iftorifd) funbierten beutfd)cn 6prad)»
iDiffenfd)aft. Der ©eleljrte ift l)ier bem !Did)ter fd)on meit
überlegen, unb biefes SSerpItnis mirb nun tgpifd).
Gs ift falfd) 3U fagen, jener \)0^t biefen erftidt. Der
2)id)ter, ber etmas gu fagen \)qX, lögt fid) nid)t crfticfcn.
Der Did)terborn mar tatfödjiid) auögefd)öpft. <&^^itx
ficfcrte ja nod) mand)e6 nad), unb UI)Ianb bot bonn feinen
abgeftanbenen 5ßpbenfa^, fonbern oon feinem frifcf)eften
297
unb flarftcn 2Baffer, aber er bot es feiten unb tropfeniöcijc.
®5 ift unb bleibt ein merfrrürbiges ^^^änomen im Mnftler-
leben, biefer faft ooUtommene geierabenb bes nod) in reid)=
beftellter 2Berfftatt I)aufenben poetifd)en Slrbeiters. 2Iber
man muß es als gegeben I)inne{)men, feine ber Derjud)tcn
äußeren ober pfr)(f)ologifd)en ©rflörungen w\ü burd)«
{d)Iagen. DJlag I)ier ein Slrmutsäeugnis für ben Siebter
oorliegen; es u)irb Uljlanb bod) immer 3um 23erbienfte an»
3ured)nen fein, ba^ er ben oerfiegten Quell nid)t geu)oIt^
fam aus feinem i^nnern I)err)or3upumpen r)erfud)te. ©r
bic^tete eben tatfäd)Iid) nur, menn er mußte, unb nid)t
menn er mollte. 3n fpöteren Qa^ren pflegte er feinen 3"*
ftanb n)of)I baf)in 3u fenn3eid)nen, baß i^n bie 9Jlufe in
!Ru()e laffe. 9Bol)l i^m, ha^ aud) er fie in D'lu^e lieg!
23on einem 23erftummen Urlaubs in jener Qeit 3u
reben ift aber eigentlid) ungered)t. 9^id)t einmal fein 2lr=»
beitsfelb u)ed)felt, fonbern nur bie 2trt oon beffen 25e»
ftellung. dlad) wie oor ift ber $oet am SBerf, aber er
bringt bas 8cf)öne nid)t mel)r felbft t)err)or, er fpürt if)m
bei anberen nad) unb leitet bie 9Jlenge an, es gleid) il)m 3u
fel)en unb 3U bemunbern. gür i^n felbft fd)eint fid) biefer
Übergang oI)ne flares Semugtfein, jebenfalls ol)ne befon«
beren 6d)mer3 DoIl3ogen 3u ^aben. SBas il)n feffelte, bas
ergriff er miliigen ©emütes unb of)ne ©rübelei, aud) in ber
ftrcng genommen nid)t fünftlerifd)en 35efd)äftigung folgte er
einem aus feinem inneren quellenben unrefleftierten
6d)affensbrang. C^r na()m es {)in, ba% ]tatt meiterer (Be=
bid)te, ftatt bes oollenbetcn gortunat ober eines neuen
Dramas ein Söcrf gan3 anberer STrt als näc^ftes aus feiner
geber ^eroorging, eine !DlonograpI)ie über 2B a 1 1 ^ c r
oon ber JSogelroeibc.
6ic ift bas ein3lge miffenfd)aftlid)e 5Berf UI)Ianb5, bas
fc^on burd) ben Xitel eine nterarifd)c C^ln3elerfd^ einung in
ben SJlittelpunft ftcllt. U^Ianb %at fonft, wU feine 3clt
überl)aupt, für bie ^crausjc^ölung bes ^Inbbibuums nlc^t
Diel 6inn gef)abt. ©s erfd[)cint als ein gortfc^rltt, \stx^ er
bie Stufgobe einer folc^en überljaupt ertannte. 3al)relang
ift il)m 2BaItI)er einer Don üielen gemefen, tüie übert)aupt
fein 23erl)ältni5 3um 3Jlinnefang über ein fül)Ie5 i^ntereffe
nid)t Ijerousfam. 1819 aber fteigt if)m, für bie bomaligc
(Finftellung feines (Beiftes fel)r tenn3eid)nenb, aus einem
poetifdien $lane, bem 23oIIenbung nic^t mel)r suteil mirb,
ber n)iffenf(f)aftlid)e auf. 2Im 9. unb 11. Februar lieft er
2BaItl)er5 ßieber unb Sprühe 3u feinem Sramenplan
Otto t)on SBittelsbad) nad), mit einem 3JlaIe aber, am 12.,
erfd)eint bas bi5l)erige 3JlitteI 3um Smetf erI)obcn unb
Urlaub fafet bie „Sbee 3u einer literarfitftorifc^en 6d)ilbe'
rung 2BaItl)er5 Don ber 23ogeImeibe". Unb nun roirb nt^t
ge3aubert, fonbern 3u rafd)em Quellenftubium gefd)ritten.
ITlod) ift er mel)r Mnftler als ©elel)rter, nod) fennt er nic^t
jenes 3äl)e 23erfenfen in t)tftorifd)=pl)iIologifd)e ^Probleme,
nod) ift il)m bas (Slücf bes erften improt)ifatorifd)en
SBurfes gegeben. 2)ie 55erfönli(i)feit 9BaItI)ers l)at in il)m
ge3ünbet, fie forbert als \\)x "^t&ii, ein treues unb oer»
ftönbnisDoUes 2lbbilb 3u erljalten. 2)er Stuffa^ mirb in ber
Seit t)om 10. 3Jlär3 bis 3um 17. 2tpril niebergef(^rieben.
6o rafd)e SIrbeit Ijat UI)Ianb t)or{)er unb na(i){)er nid)t ge*
!annt. SlUerbings, bann taud)en langfam bie ©frupel auf,
allmäl)lid) fommt bie 3aubernb oorfic^tige ®ele()rtennatur
^eroor, bie ben 3Rut 3um 2Ibfd)Iie6en fo fd)tr)er ftnbet.
^Jlat^tröge, SInmertungen, ergän3enbe ©tubien {)ielten bas
?ßü4)Iein nod) über smei 5iaf)re 3urücf. 1822 erft ift es er»
fd)ienen.
©s mar im SSerpItnis gar nid)t mentg, mas bamals
fd)on über 2Baltf)er gefd)rieben mar. U()Ianb \)(x\. nld)t
alles berücffid)tigt, mand)e5 nid)t getannt, mand)e5 mit
Sßillen beifeite gelaffen. 3n einigen ^fünften ptte er mit
ben ppr^anbenen i)ilf$mitte(n meiterfpmmen fönn^n; fo In
bcr i)eimat5frage. ©tne foId)c fritifc^e geftftellung l)ötte
aber ben Stutor n)oI)I taum angefod)ten. Stus feinen
5öerfen foUte ber Dtrf)ter in allererfter ßinie gefd)ilbert
n)erben, bie Slufgobe, bie er fid) geftetit ^atte, mar rm\)X
fünftlerifd)er als p^iIoIogifd)er Statur.
^anaö) regelten fid) aud) feine 9JletI)obe unb feine
SSorftubien. ©r I)äufte nic^t (li)ronifen= unb Urtunben=«
material an. SBenn er fid) in bie befannteften 5)iftorifer
bes Q^itaUexQ einlas, fo mar es i{)m im mefentlid)en um
eingel)enbc 9JliIieufd)iIbcrung 3U tun. (5in3elbegebenl)eiten
ous bem ßeben bes Did)ter6 maren in Derfd)minbenb ge»
ringer S^W i^ bud)en, fo foUten menigftens bie 23erl)ält'
niffe, unter benen er gelebt l)atte, 3u möglid)fter ^lar^eit
erl)oben merben. Das galt aud) für bie Iiterar^iftorifd)e
Umgebung; UI)Ianb entfaltet babei eine fel)r ad)tbaxe
mitteIf)od)beutf^e 35elefenl)eit. 2IIs ?8iograpI) erfreut er
burd) eine gänslid) unromantifd)e 25el)utfamfeit. 2Ius ben
ßiebern 2ßaltl)ers l)ätte fid) bei einiger ^^antafie ein ganj
!)übfd)es ßebensbilb 3ured)t3immern laffen. UI)Ianb t)er*
3id)tet auf jebe moI)IfeiIe 2Iusfd)müdung, bie ?Poefie feines
i)elben ift il)m nid)t lebensgefd)id)tlic^e Quelle, fonbern
6piegel ber ?Perfönlid)feit.
9n fie Derfenft er fid) benn mit einer ßiebe, ber man
innigftes 23ermanbtfc^aftsgefüf)l anmerft. STm trodenften
mag anmuten, mas er über ben 3D^innefinger 3U fagen l)at,
es ift nic^t gerabe ber nad)erlebenbe ^Bräutigam unb junge
®attt lll)lanb, ber ha bie geber fü{)rt. 2lber barin l)at er
ja red)t, \ia^ anbere ßeibenfd)aften bie ^erfönlit^feit bes
!Did)ter5 in oiel l)ellerem unb märmerem ßid)t erfd)etncn
laffen als bie erotifd)e. Dem tieffinnig nad)benflid)en, \)a'
bei aber bod) nie unfro^ meltfremben, bem aufrecht un»
befangenen, babei aber bod) fein 35eftes im !3nnerften oer»
fd)lie6enben, fittlid) fo feinfül)lenben SJlanne, bem feurigen
^Patrioten unb ^olitifer, bem bei aller ^faffenfeinbfc^aff
300
ticfrcligiöfen ^reusaugsfänger gilt fein begcifterter Ißreis.
9Bic oft möd)te man angeftd)t5 btefer 6ci)ilberung aus»
rufen: „T)a5 ift lfl)lanb unb md)t 2Baai)er!" 2Iud) er
burfte t)on ftd) fogen, er I)abe „mitten im ©etriebe ber
^olitxt [xd) einen freien unb mürbigen 6inn erl)alten''.
Unb lägt fid) eine beffere ^enn3eid)nung ber SBenbung
benfen, bie UI)Ianb5 eigene 2)ici)tung in ben legten 3at)ren
genommen, als bie folgenbe: „Kr l)at ni(f)t feine $erfön»
Iid)feit in ber alten ^elbenfage bes beutfd)en SSoIfes unter»
gei)en laffen, nod) i)at er feine Äunft ben Ülitter« unb
Saubermären ^ugemenbet, fonbern er l)ai bie ©egenmart
ergriffen."
Ser ^orträttünftler \)at {)ier unb ha t)ieneid)t auf
©runb feines fubjettioen (Befd)ma(fes unb feiner 9Bünfd)e
etmas retufd)iert; aber es ift trofe biefer leifen Umfärbun*
gen bod) ber e(i)te 2iBaIt{)er, ben er feinen ^^itö^noffen
lebenbig gemad)t l)at ßeiber gilt bas nid)t oon ber gorm,
in ber er il)n felbft 3ur (Begenmart fpredien lägt. SBoI)t»
gefügter Slufbau, glü(flid)e, gelegentlid) ftilooU ard)aific»
renbe 2)iftion geben bem ^ücf)Iein bas (Bepräge bes ^unft»
merfs. 2Iber aufs peinlid)fte füljlt man fic^ jebesmal aus
Stil unb 9l{)t)tl)mus geriffen, menn ^Proben aus SBaItI)ers
@ebid)ten gegeben merben. Das gefd)iel)t unter SSernad)»
läffigung bes 23ersmages in jenem fc^mer erträglict)cn
2)litteIneuI)oc^beutfd), bas bem romantifd)en Ungefcf)ma(fe
jener Xage nod) 3ufagte. ^atte bod) UI)Ianb felbft Sßaltl)ers
@ebid)te guerft in foId)er ^albform fennen gelernt unb fic^
an il)nen ju erfreuen Dermod)t. Uns heutigen ift ein ®c»
bid)t ungenießbar, in bem oon ben „SSögeleinen" bie
diehz ift unb bie Königin im Strönungsaug il)rem (Satten
„nad)fd)Ieid)t". Sd)abe um bie 3aI)Ireid)e Kleinarbeit, bie
in ben mitgeteilten 2BaItf)erflropI)en fterft. UI)Ianb l)at als
gemiej^ter ©fleftifer aus ben brei il)m 3ur SSerfügung
ftel)enben i)anbfd)riften einen Sejt f)ergcfteEt, ber in man»
c^cn g(ücflid)en Einfällen fpäter bie SSilligung felbft bes
ftrcngftcn i^erausgebcrs finben mußte.
UI)Ianb5 rDiffenfd>aftIid)er 6tU fte{)t oon SInfang an
feft. Qebes feuiIIetoniftifd)e Clement gcl)t il)m ab, er ücr»
fd)möf)t bie anefbotifd)e 2ßür5ung, bie effettoolle 2Inorb»
nung, bas blenbenbe Slper^u. 2)em populären ©Ijarafter
ber 6d)rift trägt nid)t bie geringfte ftilifti(d)e ßäffigfeit
3'le(i)nung, ber Did)ter oerrät fid) in feiner 2lu5fd)a3cifung,
feinem überfd)n)ange. 2)od) läßt er fid) in unge3n)ungener
2lnmut ber SInorbnung, bes Überganges, bes Eingangs
unb 6rf)Iuffe6 njoljitätig l)erau5fül)len. Unb fo mag auf
biefe crfte a)lonograp^ie aus mitteIl)od)beutfd)em (Sebiet
ein 23ergleid) angenjenbet merben, ben Ul)Ianb felbft für
einige 2öaltf)erfd)c (Bebid)te gefunben \)qX\ aud) er 3eigt
bas ^Porträt feines i)clben, mie 5ßaltl)er bas Äönig
?pi)ilipps auf bem 2ßeg 3um 9Jlünfter „in einem färben»
l)ellen (Bemälbe, ben altbeutfd)en auf ©olbgrunb ät)nlid)".
2)as 55üd)Iein über SBaltI)er foUte ein erftes, felbftönbig
oeröffentlic^tes Kapitel aus bem großen 2Berf über bie
beutfd)e ^oefie im 3}^ittelalter barftellen. 2tls näd)ftes
„3Jlonogramm" (mie fid) ein gleid)3eitiger !Re3enfent aus»
brüdte) runbete fic^ unter UI)Ianb5 ^änben eine !Dar»
ftellung ber meiteren Umgebung feines ßieblingsfängers.
SInfang 1824 ift bie 2lb{)anblung über ben 9Jl i n n e f a n g
abgefd)Ioffen.
UI)Ianb ftel)t biefer f)öc^ftentn)icfelten ^unfterfd)einung
bes 3DflitteIaIters innerlid) fern, bas 3eigt fid) t)ier nod) oiel
mel)r als im „SÖBaltber". 2)ennod) ift aud) biefe Stubie in
il)rer 2Irt oortrefflid) unb mirb neben ber älteren meift
über ®ebü{)r oernac^Iäffigt. g^eilid) l)ält fie fid) 3urü(f in
ber ©rfaffung bes ^erfönlid)en. lH)lanb intereffiert fid) für
ben aj^inne fang, nic^t für bie aJlinne f i n g e r. 2)ie all»
gemeinen Äenn3eid)en il)rer Äunftübung arbeitet er l)er»
aus, bie (5in3elerfd)einung gel)t in bem ©efamtbilb unter.
®r liefert feine eingige lebenbig gefd)aute SI)araftenfti!,
finbet l)öd)ften5 für biefen unb jenen 2)icöter ein glüd)lid^e5
6d)IagiDort, fo für D^leimar ben 2llten, bcn er ben 6d)oIa'
ftifer ber unglücflidjen Siebe nennt.
UI)Ianb5 Programm ift nic^t, eine (Befd)ic^te ber
mittelalterlici)en figrif gu geben, fonbern nur bes SHinne^
fange. 2)ur(f) biefe SSereinselung, bie natürtid) in feinem
,3altl)er" nid)t \^oiiz ^piafe greifen bürfen, ^^oXit er fid)
bie 2;i)emata abgefd)nitten, bie il)m perfönlid) nal)e(agen.
6d)on über bie I)eiteren unb parobifd)en !Did)ter meig er
lebenbiger 3u I)anbeln als über bie ernften ßiebe5bid)ter.
3m ©runbe ift bod) aud^ it)m, mie feiner S^it überl)aupt,
ber 3Jlinnefang eine äufeerlid) fünfteinbe unb innerlid)
arme, trofe il)re5 2:önereid)tum5 eintönige SSariierung
einiger meniger tr)pifd)er Xl)emata. Siefe inl)aItli<J)e Seite
ber mittelI)0(^beutfcf)en ßr)rit \)qX er umfoffenb ausgemittelt
unb mit Uebensmürbiger garbenfülle in il)rer erlebt()eit
unb fuItur()iftorif(^en ed)tl)eit bargeftellt. i()ier liegen bte
nod) für bie ©egenmart unleugboren pofitioen SSerbicnftc
ber 2lrbeit. gür bie äußere gorm geigt er I)ier me{)r i)oc^»
ad)tung unb bringt ftilüoll arc^aifierenbe profaifd)e ^ßara«»
pljrafen an ©teile ber pfeubopoetifd)en 5)albüberfe6ung.
9n erf)ö()tem aJZage als bei ber 6(f)rift über 9Balt{)er
geigt fid) I)ier fd)on bie fünftige 3ctuberernatur bes (Sc*
lehrten, ber ungern ein 2Berf aus ber ^anb gibt. Die 2Ib»
^anblung ift mel)rmal6 umgefd)rieben unb brudreif be»
funben morben, t)eröffentlid)t \)oX lll)lanb fie nie. greilid)
^^gX er in jener S^it nod) bie Hoffnung gel)egt, fie in abfef)«
barer ^rift im Stammen bes großen ßiteraturmerfs ans
fiic^t geben gu fönnen. 1820 \^G.iiz biefer ?pian guerft be»
ftimmte ©eftalt angenommen, es foUte eine „@efd)id)te ber
beutfd)en ?Poefie im S^ttalter ber ^oI)enftaufen'' erftef)en,
beren ©runbrife UI)Ianb fo umfd)reibt: „(Es ift meine 2Ib«
fld)t, eine Darftellung ber gefamten $ocfie bcs 12. unb
13. 3ol)rl)unbert5 ju cntmerfen, btc, burd)au5 auf Quellen*
ftubium öegrünbet, boc^ oon ollem gelel)rten 2Ipparat ent=
fleibet, \iaQ poettfc^e ßeben jener Seit in Haren 55ilbern
entfalten foll." ©s ift l)übfd) 3u fel)en, mie bie Ungebulb
bes ^Poeten, bcm Sd)affen noc^ über ©tubieren ging, ben
bcben!lid)en @elel)rtcn mit fid) fortreißt. 9Jland)mal lägt
er alle Quellenfd)riften einfad) liegen unb begibt fid) ans
(Beftalten. S^lamentlid) glücflic^e ^Infäfee 3u bem all«
gemeinen ©inleitungstapitel oerbanfen mir biefen 6tun*
ben unbetümmerter Omprooifation. 2)er ältefte ftammt
fc^on aus bem Sal)re 1820, ein befonbers geiftöoller oon
1825. „Sang unb 6agc bes 9Jlittelalters", bas mar ber
romantifd)e 2:itel, ber Urlaub eine S^itlcmg oorfd)mebte.
®r seigt fd)on an, in meld)em 6inne fid) feine Stubien 3U«
nö(^ft fpeaialifieren foUten: bei allem fleißigen ©tubium
ber „2li)entiurenbid)ter'' liegt il)m bod) bie ßgrif unb bie
altoertraute ^oefie ber fielbenfage am näd)ften. 9^a(^bem
jene im mefentlic^en erlebigt ift, fann er fid) biefer 3U=
menben. 35reiter unb breiter geftaltete fid) ber Stoff unter
feiner forgfältig formenben ^anb. ^Bereits ift eine eigene
umfangreid)e 9Jlonograpl)ie über bie 5)elbenfage be-
fd)loffen, 5al)r für 3al)r mirb fie als ber SSoUenbung nabe
be3eid)net. 1829 mad)t il)m 2öil{)elm (Brimms großes
^auptmerf einen Strich burd) bie !Red)nung, aber er
arbeitet um fo rüftiger am (Befamtbau fort. Seit ber
S^ieberlegung ber ftänbifc^en SBirffamfeit, 1826, finb bie
germaniftifd)en Stubien feine eigentlid)e unb ein3ige
2lrbeit.
2ßir miffen oon biefem t)erfd)miegen emfigen Sd)affen
an 9Berten, bie niemals bas ßid)t erblidt l)aben, nid)t nur
burd) bie fpäteren i)anbfd)riftenfunbe, fonbern aud) burc^
Ul)lanbs gleid)3eitigen 55riefmed)fel. 2lllmöl)lid) ift er in
©elebrtenfreife eingetreten unb nimmt mit il)nen fd)rift-
lid) gül)lung. ^erfönlid) fennt er nod) menige, fo
ßarf)mann. ©r bcbarf aber nid)t nur bcs gelegentttd)en
JHotgebers, fonbern auc^ bes SSertrautcn, bcm er feine
i)offnungen unb gortfdiritte mitteilen barf. 23erfud)e, ben
greunb Suftinus 3u biefer S^lolle ^eranguaieJien, mußten
fel)t|d)Iagen, ^&^vd(xh fd)eint fic mit me{)r SBerftänbnis ge»
jpielt 3U ^aben, ber eigentlid)e rt)iffenfd)aftlid)e 2Sertrautc
aber ermud)^ il)m in ber gerne an einem 2Jlann aus gan3
anberem ßeben5= unb SSerufsfreife, ber il)m nur burd) bie
liebenbe Eingabe an bie ()eimifrf)e 23or3eit nal)egerücft mar.
23om Sa^re 1820 ftammt UI)Ianb5 erfter SSrief an ben
8rei!)errn Qofepl) oon Sauber g.
2)ie|e munberlidi^Iiebensmürbige 5^erfönlid)feit oer-
förperte in fid) felber ein 6tü(f lebenbig gebliebenes 9JlitteI»
alter: ©in D'litter t)on ©eburt unb ©efinnung, nid)t gan3
ol)ne bie Ieid)te ^omif bes Son Quijote, oon altfräntifd)en
Umgangsformen unb feltfamen ßebensgemoI)n{)eiten; ein
treuer ©cfarb biebern Seutfdjtums, babei freunblid) unb
meltgemanbt, 3artfüI)Ienb unb hilfsbereit, galanter Siener
ber grauen unb oerläffiger Sreunb feiner greunbc. 2)er
ans SSarocfe grensenbe 23or3eitent()ufiasmus bes alten
i)errn fd)eute !ein Sölittel, fid) ein l)anbfd)riftlicöes ober
fünftlerifd)es !Denfmal aus bem Sölittelalter 3U ermerben,
aber fein etmas maf)IIofer Dilettantismus \)^i bo(^ ber
jungen germaniftifd)en 2Biffenfd)aft trefflid)e !Dienfte ge«
leiftet. 2Benn au(^ oon ben lofolpatriotifd) einfeitigen
gorfd)ungen bes unermüblid)en Xejtjägers nur Sßeniges
95eftanb gel)abt \)qX, fo mirtte bie gülle ber in feinem oier«
bänbigen „öieberfcal" erfd)(offenen ftofflic^en 9leid)tümer
bod) für lange S^it befrud)tenb. 2(ud) Ul)Ianb fanb f)ier
n)eiteftgel)enbe Unterftüfeung unb lebenbigfte SInregung
unb tonnte feinen ermad)enben !ritifd)en 6inn oft an ben
fül)nen 5)gpotl)efen ßagbergs üben. SOleifter 6epp oon
®ppisl)aufen — fo nannte fid) ber bamalige rüftigc Sünf*
3iger oon feinem Sßo^nfifec na^e am ^obenfee, auf bem er
in JRitter» unb (Belc{)rtenn)etfe Ijaufte, ctngeficmmt 3rt)i«
fd)en alten aJlöbeln, SSilbern, 2Baffen, ^anbfd)riften unb
Soltanten. 2)er freil)errlid)e greunb l)aiie als einer ber
erften 33efud)er in bem ^aufe ber 9^eur)ermäI)Iten in Stutt=
gart einfeljren bürfen unb Ut)Ianb (onnte balb barauf in
bic ®ppi5f)aufener 6d)äöe oertrauten ©inblirf tun.
2)ie i)od)3eit5reife bereits \)atte bas junge $aar in bic
6d)n)ei3 geführt, unb biefe beglücfenbe gal)rt bilbete als
erfte ben nunmel)r I)äufig merbenben Xt)pus ber Ul)Ianb'
fd)en D'leifen aus: ber D^aturgenug mugte fid) mit roiffen«
fd)aftUd)em Stubium paaren, bamit ein mirflicf) üoU*
fertiges (Ertrögnis ergielt mürbe. UI)Ianbs fd)einbare
6tumpfl)eit ber fianb|d)aft gegenüber, bie 1806 Derftimmt
l)atte, mirb nun burc^ jel)r farbige ßanb|(^aft5fcf)ilberungen
miberlegt. (Er reift mit offenem STuge unb O^r, bie ©röge
ber 33erggebilbe, bie geinl)eit ber Beleuchtung unb bes
garbenfpiets, bie die\)e unb ßebensmeife bes ßanboolfes
feffeln il)n gleid)ermeife, unb glücflid) ift er, menn er ein
6tü(fd)en SSolfsgefang erl)afd)en fann. Die folgenben
Sal)re brad)ten S^leifen an ben !Rf)ein, nad) 3Jlünd)en unb
in bie Xiroler 35erge. 2lu(^ nad) S^ürnberg 30g es iljn, unb
er mallfal)rtete auf bem 5)eimmege 3U 2BoIframs (Brab.
3n ber erften (El)e3eit l)atte es aber oor allem gegolten,
bie junge ©attin ben alten greunben 3U3ufüI)ren. War)ev
mol)nte bamals in ber 9^äl)e Stuttgarts, in Solingen;
SBaiblingen, bie Oberamtsftabt, in bie er 1824 oerfefet
mürbe, lag bem gugrüftigen aud) nid)t 3U meit ab, unb
menn er bie 2Bod)e einmal feinen alten 33ater in Stuttgart
befud)te, mirb er feiten oerfäumt ^aben, aud) bei UI)lanbs
t)or3ufpred)en. 9m Suli 1821 mad)te bas ^aar feinen 2In=>
trittsbefud) bei ferner. (Ex mar mit feinem D^icfele nad)
mel)rfad)em Uml)er3iel)en in 2Beinsberg fe6I)aft gemorben.
Dort tat fid) bas be^aglic^ anmutige !Did)teribt)lI auf, bas
ia^r3el)ntelang in gan3 2)eutfd)lanb 25erül)mtl)eit genoffen
ec^neibcr, Uljlanb. , 20
\)oi. gür alle 6tänbc, oom ?Prtn3en bis 3um QanbtDerfer,
xoQcc es eine gleid) liebenstüürbige 5)erberge, in ber ^Jlettcr*
nic^ unb ber 2Iufrüf)rer ßift, ©raf S^iembfd) oon 6trel)»
lenau unb ber bid)tenbe ßeinemeber ßämmerer aus
(Bmünb an berfelben Xafel ^^lafe genommen I)aben, bercn
runbe gorm feinen 9'langunterfd)ieb auftommen lieg.
SCßeinsberg liegt in einem fd)önen frud)tbaren Zai un*
rüeit i)eilbronn, angetd)miegt an ben rebenbeu)ad)fenen
^ügel, ben bie Sßeibertreue befrönt; bie i)eimftätte Jener
6age, bie in Ut)Ianb il)ren !Dramatifer finben foUte unb
beren I)iftorifd)e (B(i)Ü)eit ferner felb[t jeberäeit feuerooll
perfoci)ten l)at Qnx 58urg \)mau\ fül)rte er (eine ©äfte mit
SSorliebe, unb in ber tief eingemauerten Jurmruine, aus
beren genftern bie ^ol5{)arfen 'ü)xen Sauberlaut ertönen
laffen, l)aben faft alle naml)aften figrifer ber ^wan^iQex
unb breigiger Sal)re il)ren Dramen gemeißelt.
2lm gu6 bes SSerges liegt tia^ Äernerl)au5, Ijeute t)on
breitauslabenben 3Säumen längft übern)ad)fen unb mit bc*
engenber, bumpfer !Dunfelt)eit umsogen; bamals ftanb es
nod) frei unb grüßte als ed)te 2)id)terl)erberge freunblid)
unb offen nad) allen Seiten. Sei bem ftänbigen kommen
unb (Bel)en mochte n)ol)l einmal ein ^anbn)erf5burfcl)e ein«
treten unb oon ber oermeinten 2Birtin einen 6d)oppen
oerlangen. 2lud) fold)es SInfinnen Dermod)te bie freunb»
lid)e ©aftlic^feit Mitteles nid)t 3U erfdiüttern, beren ftän»
biges 2Bort bei Xifc^ 3u fein pflegte: „9^el)met, aber and)
rec^tl" 2llle, bie famen, mußte fie 3u befriebigen, il)rem
Suftinus bie materiellen Sorgen fanft unb unmerflic^ oon
ben 6d)ultern 3u nehmen unb mit u)al)rl)aft 3auberifc^er
öfonomifd)er ^unft über bie fcl)male ^affe 3U mad)en.
darüber hinaus mürbe bie flugblirfenbe, mit il)rem un»
enblid) guten l)ausmütterlid)en @efid)te nod) ()eute im
25ilbe fo fr)mpatl)ifd)e grau ein guter ©ngel für hm oft oon
ber alten Sammerlaune l)eimgefud)ten unb mit 3une^men»
bcm Slltcr Don SImbl)eit bcbrof)ten ©atten. 5n el)renber
©etbfterfenntnis l)at i^uftinus bie ßebensleiftung biefer
neuen treuen SÖBcinsbergerin in bie getr)id)tigen SBorte 5U»
fammengefagt: „(B e tragen ^at mid) meine Srau nic^t,
aber e r tragen."
Das innere bes Äernerl)aufe5 ift jefet 3um ftimmungs«
lofen S^aritötenfabinett entftcUt. 9^id)t5 Derröt mel)r, bag
f)ier cinft Stiefele maltete unb neben ben Dielen (Säften auc^
bie brei Äinber betreute, bas finnige ,,!Did)terfinb" 3Jlarie,
ben ftets 3u Streid)en aufgelegten Xl)eobalb unb bie melan*
d)olifd)e, bas I)ei6t oerljeulte (Emma, bie alle brei alfo i^r
(Erbteil oon ber Dielgeftaltigen S^latur bes SSaters erl)alten
Ratten. 9^ur bas ^intersimmer mit ber offenen 5)ol3»
oeranba unb bem traulid)en ßrfer, mo nod) D^licfeles
6pinnrab fteljt, atmet Äernerfd)e ßuft unb man glaubt
l)ier nod) bie Stimme bes jooialen 5)au5l)errn 3u oer»
nel)men, ber in feinem ungebänbigten 6d)mäbifd) mit
ernftem (Befid)t, aber liftigem 2lugenblin3eln eine ®c*
fpenftergefd)id)te 3um beften gibt.
SBelje bem ©teptifer, ber fid) bei il)m einniftete, um
feinen ©lauben 3U miberlegenl '^\)m mürbe bas 9^ad)t='
lager im (Beifterturm bereitet, einem finfteren ©emöuer
im l)interen 2;eil bes ©artens, in beffen bumpfem ge«
mölbtem ^auptgelag einem in ftürmifd)er "^(x&^i mo^l
bange merben (onnte. ©in ben 9^ad)tfeiten ber D^otur 3u*
gemanbter 2)id)ter mie ßenau mugte l)ier gerabe feine
befte Önfpiration 3um Sauft empfangen. 2lber in biefen
Xurm moUte ferner aud) greunb Ul)lanb fperren: ein
paar 2ßod)en bei 2Baffer unb 58rot in biefem SSerlieg, unb
er mürbe fid)er mieber 3u bid)ten beginnen!
2)oc^ bas (Beiftermefen, bas bem Qaufe ein fpu!l)aftes,
aber nid)t minber traulid)es (Bepräge oerliel), l)atte aud)
feine ernfte Seite. Suftinus hxtx&Zit ben ©efpenftern nid)t
nur ben ^armlos untritifd)en ©lauben eines Minber*
20*
gcmütes entgegen. 3n feine är3tli({)e ^rajts unb feine
n)iffenfd)aftlic^e 5r()eorie bringt bie Übergeugung t)on ber
©fiften3 eines St^if^^i^^^ic^ßö unb treibt il)n auf t)er=
pngnisnolle 2Sat)nen. 2)a5 5)ereinragen ber ©eiftermelt
in bie unfere mirb il)m 3ur unerfd)ütterlid)en Xatfac^e, feit
er ben $I)antafien unb S)alIu3inationen einer armen
Äranfen, ber 6e()erin oon ^reuorft, im eigenen i)aufe \)^i
Iaufd)en bürfen.
Uns obliegt {)ier meber ^ritif nod) ^enn3eid)nung bes
jal)r3el)ntelangen ©efpenftertreibens im ^ernerl)aufe unb
am menigften ber mirr pl)antoftifc^ pfeubon3iffenfd)aft(id)en
(5(f)riftftellerei, ber fid) ferner in feiner 3eitf(i)rift SD^lagifon
unb onbermärts in bie Strme marf; mir fragen I)ier nur,
mie Ul)Ianb fic^ 3U biefen Problemen geftellt I)at.
"^Qi^^ fur3er Unfid)erl)eit rorbilblic^. aJlit i)eftigfeit
^)o!i er 3uerft gegen bie Unüernunft ftreiten mollen. 6d)neII
aber erfannte er, \io^ bas reine, fQmpatI)ifd)e SSilb bes
greunbes burd) all biefe ?pt)antaftereien unb 6d)arlatane»
rien nid)t getrübt 3u merben braud)te. 2Bas üon if)m,
feinem alten Suftinus ausgel)t, bas bleibt il)m liebens«
mürbig, rei3DolI, poetifd). ©eine fubjettioen 25eobad)tungen
an ber 6e^erin merfen fd)mten ©eminn Qi\i\ Denn es ift
!Iar, „bog man in bie munoerbaren Xiefen ber 90'lenfct)en'
natur unb bes 2ßeltlebens oljne lebenbige ^I)antafie nie*
mals einbringen merbe". 2lber er gibt il)m nid)t unbeut=
lid) 3u oerfte^en, \io5^ er bem üon anberen beigefteuerten
angeblid)en Xatfad)enmaterial unb namentlich ben t^eo=
Iogifd)=naturp^iIofop()itd)en ßrüärungen nad) efd)en'
mat)erfd)em 9'le3ept in ^o()em ©rabe migtrauifd) unb feinb»
feiig gefinnt ift. Ul)Ianb mar fein oberfIäd)Iid)er JKatio»
nalift, ber bas ?P^änomen bes SD^agnetismus unb Som«
nambulismus abgelet)nt ober leid)t genommen \)QXiz. STud)
er empfanb ©^irfurc^t oor ben gel)eimnisüoIIen 9^atur=
!räften, nur \sOi^ er fid) mit einem l^gnorabimus befc^ieb.
309
^enn3ei(f)nenb tft nun aber bie 2Irt unb 2Betfe, töte
ber 6d)nftfteIIer UI)Ianb fid) einmal, ^xexlxd) erft 3U beginn
ber t)ier3tger 3al)re; burd) Centers treiben 3U einer Unter*
fud)ung anregen liefe. 9^id)t pI)i(ofopl)i[(f)=mebi3initd),
fonbern I)iftoriftf)=t)oIf5(unbIid) fafet er \)a5 ^^roblem an.
1843 ):)at er einen Sluffafe entmorfen: ,,Über bie ©eifter»
weit ober ben 23ertel)r 3tt)ifd)en ben 2lbgefd)iebenen unb
ben ßebenbigen in ßiebern unb 6agen neuerer 23öl(er."
„2ßie bie alten 2)eut|d)en ben 2:ob gebilbet/' nömlid) in ber
^oefie, t)a5 ift fein Xl)ema, unb ba5 JHefultat ift ein äl)n*
lid) milbes unb t)erfö{)nlid)e5 wie bei fiejfing: „ßs 3iel)t fid)
burd) biefe 5)id)tungen meit mel)r bie Siebe, bas Sebürfnis,
mit ben (Befd)iebenen in 23erbinbung 3U bleiben, als bas
©rauen, bie ©efpenfterfurd)t."
SSermutlid) bilbet biefe 9^ieberfd)rift ba5 ©erippe
eines SSortrags, mie it)n Ul)Ianb im t)ertrauten Greife 3U
balten liebte, fieiblid) ausgearbeitet befi^en mir nur einen,
über ben entrücften ^aifer griebrid). 2lber mir miffen, ba^
fd)on in feinen erften ®l)eial)ren ber merbenbe ©elel)rtc
bie notieren greunbe gerne 3U feinen Hörern ersog. „Sbeen
3u SSorlefungen" — in biefer gorm l)atte fid) nad) bem
Xagebud) feine Setätigungsluft gegenüber ben Denfmälern
ber 23or3eit 3uerft geregt. (Er fül)Ite fid) nid)t in erfter fiinie
3um S^üenfleige bes $riDatgeIeI)rten oeranlagt, fonbern
in feinen beften Sauren mar ibm lHefonan3 unb gort»
pflan3ung feiner Obeen, SBirfung nad) außen unb von
aufeen, lebenbiges 55ebürfnis. Ungemo^nt liebensmürbige
Seiten feiner ^erfön(id)feit entfalteten fid) fd)on in ber
Stuttgarter ^eriobe im Umgange mit mifebegierigcn
jungen Stitertumsfreunben mie 6d)öII unb ^alling. (Enb*
lid) fd)ien bafür geforgt merben 3u foUen, ha^ bie ®abe
ber 35elel)rung unb 2lnregung bei bem über S3ier3igjäl)rigen
nid)t tjerfümmerte. Sie ^eimifd)e f)od)fd)uIe erinnerte fid)
feiner unb forberte it)n als ßel)rer ber beutfd)cn ßitcratur.
lO.Äapltel
Ser alabemif(i)e üei)xev
9BangenI)etm I)at als erfter ben 5^Ian crmogen, ble
©ermantftif in 2:übtngen 3um felbftönbigen fie{)rfad)e 3U
erl)eben. Damals, 1817, tüurbcn UI)lanb unb D'lücfcrt in
engere 2Ba()I gesogen, aber bie mongeinbe SSereitroillig*
feit bes Slltre^tlers unb finansielle 6tf)n)ierigfeiten ftan»
ben gleicf)ern)etfe bem 23orfaö im 2Beg. ©rft nad) neun
5al)ren, 1827, mürbe bie JJrage mieber brennenb: (Ions,
ber bi5l)er neben ber flaffifc^en ?pi)iIoIogie fo gut er (onnte
aud) bie beutfc^e vertreten l)atte, mar geftorben. 2)le
per[önli(l)en SSebenfen, bie Ul)Ianb einft bie 2Innaf)me ber
©taatsftelle Dermel)rt l)atten, beftanben nid)t me^r. Huf
^Drängen feiner greunbe unb aus eigener Steigung be»
ontrogte er Dielmel)r bireft beim Könige, tia^ „au6) bie
einl)eimifd)e ßiteratur neuerbings in tien I)umaniftifd)en
fie^rfreis aufgenommen merben bürfte''. ^öl)eren Ortes
lieg man \\(i) aber wie gemöl)nlid) !S^it. ©s gingen ein*
unbeinl)alb Sa{)re ins fianb, mäl)renb beren man Uf)Ianb
„in feinesmegs ermunternber Ungemigljeit" lieg, ©nblrc^,
im S^ooember 1829, mürbe ber 6enat 3U einem (Bntaä)ten
aufgeforbert unb nannte baraufl)in neben Urlaub noc^
6d)mab, ber aber fofort gurücfgetreten 3u fein fd)eint. STm
30. !De3ember mar bereits bie 2tnfteIIungsurfunbe aus»
gefertigt, burd) bie ber 9'led)ts(onfuIent ßubmig Uf)Ianb
3um au6erorbentlid)en ^rofeffor ber beutfd)en 6pra(t)e unb
311
ßiteratur unb 3um SOlitgliebc ber pl)tlofopI)iJd)cn Safultät
mit einem 3al)re5gel)alte oon 1200 \l — ber normalen 35e*
folbung orbentlidier ^Profefforen — ernannt mürbe.
60 galt es oon Stuttgart 2Ibfd)ieb 3U nel)men unb in
bie 5)eimat 3urü(t3u(el)ren. ©in erfreulid)er 9Bed)feI unb
bod) fein leid)te5 6d)eiben nad) ad)t^el)n ^al)xen\ greunbc
unb 2Inl)änger überrafd)ten \)a5 G^t)epaar an ber 6tutt*
garter ©emar!ung burd) eine fleine geier unb bie Über»
reic^ung eines ^ran3e6. T)od) l)a Urlaub nid)t lorbeer«
ge{d)mü(ft in 2^übingen ein3iel)en moHte, ^ing er i{)n in
fd)nöbem Unbanf an eine (Eid)e, bie am SBege ftanb.
©er STnblitf ber 23aterftabt ^atte fid) feit UI)Ianbs
Sugenbja^ren mannigfad) geönbert. !Die SJlauern unb
3:ürme mürben in jenem !3al)r3el)nte niebergelegt, 1820
erft mar bas ßuftnauer Jor entfernt unb bamit bas 6täbte=
bilb am 2lbl)ang bes Öfterbergs in bas 2lmmertal oer*
fd)önert morben. !Die bis jefet faljle Qnfel 2öört!) mürbe
eben bomals mit Platanen, ^aftanien unb 2Ifa3ien be»
pflan3t, bie il)r l)eute, ooU ausgemadifen, fo fefjr 3ur Qiexbe
gereid)en. SBelcf) ein 6to(3 aud) für ben einl)eimifc^en
Jübinger, \ia^ bie — nunmel)r ad)ttaufenb ®inmol)ner
3ä^Ienbe — Stabt feit 1823 eine näd)tlid)e Strafen»
beleud)tung burd) ein paar 2)ufeenb ßampen erljalten
I)attel
3Jlu6te ber menig oermö^nte Kenner bes alten lübin«
gen burd) biefe 9Jlobernifierung unb 23erfd)önerung an»
genef)m überrafd)t merben, für ben gremben mar ber alt»
el)rmürbige Unioerfitätsfife aud) bamals nod) feinesmegs
eine befted)enb I)übfd)e Statt. %x. XI). 23ifd)er mar ent»
fefet, als er ein paar 5al)re fpöter als SRepetent ans 6tift
fam; bie Statt bot i^m ,,einen l)ö(^ft traurigen, nieber»
fd)lagenben 2lnblid", ooller 6d)mufe unb Xrümmer.
„9^id)ts reparieren fd)eint bie allgemeine ßofung 3U fein . . .
5m Snnern ber ioöufer, unb feinesmegs nur bei ben
312
ormcn Ä'Iaffen, n)tcberf)oIt ber SSorptafe bas ^xih bcr
©tragen, am Xreppengelänber flebt bie 5)anb, befud)tc
Äaufläben fd)cinen nie eine retntgenbe i)anb geje^en 3u
Ijaben." 2tuc^ ber 6taat5red)tler S^lobert 9)lol)l, ein un*
liebensmürbig nörgeinber ^ritüer übrigens, ber mentge
3al)re vox Ul)Ianb berufen rüorben mar, beflagt ben
SO^angel jeglid)en Komforts in hen 2BoI)nungen unb
6c^önl)eitöfinne5 bei ben 23eiüoI)nern.
Uljlanb befam foId)e ^Jligftänbe jefet mel)r als fonft gu
fül)len, benn ha^ gamitienl)au5 in ber 5)afengaffe, tas
3U)ar nid)t eleganter aber bod) traulicher gerr)e(en märe als
ber 5)urcl)fd)nitt, fonnte ben neuernannten ^rofeffor unb
feine ©attin nid)t aufnel)men. Sie 2:übinger 2Bo^nungen
maren bamals mä)t teuer, aber fc^mer gu l)aben, \)a mentg
gebaut mürbe, ©as ei)epaar fam guerft auf bem 6c^lo6
unter, wo fid) ja nod) l)eute 2lmt5mol)nungen befinbcn.
6päter fiebelte es aus biefen luftigen au5ficl)t5reic^en @e*
laffen in bie 3)Zün3gaffe über, in bie näd)fte 9'la(f)barfd)aft
ber Unioerfität alfo. Das ^aus (Stummer 10) fte^t no(^ in
feiner alten ©eftalt. SIus ben Sanftem fonnte Ul)lanb
3um neuen 5ßau l)inüberfel)en, barin einft ferner gel)auft
l)aüe, 2)ie SJlün^gaffe, eng unb büfter, foll aud) bamals
nod) bie elegantefte ©trage ber 6tabt gemefen fein, fein
günftiges S^ugnis für ben S^ftcinb ber übrigen.
2lud) im Jüngeren ber Unioerfität unb il)rer Snftitutc
l)atte fid) menig geänbert; es maren im mefentlid)en bie
Don ber ©tubienseit l)er oertrauten Örtlid)feiten, bie ber
nunmel)rige ^rofeffor mieber betreten burfte. 9^ur bie
58ibliotl)ef prangte feit 1819 in neuen S^läumen, ber linte
6d)lo6flügel mar U)x eingeräumt morben. ©s gab ein
fiefeaimmer unb fogar 2lnfäfee 3u einem Kataloge. 2)er
„ma^rl)aft impofante unb bie ^emunberung aller erregenbc
Slnblicf" biefer 2lufftellung, bie ein einl)eimifd)er 33crid)t'
erftatter preift, erregte mieberum 2Kol)ls ©pottfud)t, unb
313
aud) t)on Uf)Ianb ^örcn roir, ha^ 35eftänbe rote SSenufeungS"
orbnung nad) rüic vor oiel 5u münfc^en übrig liegen.
2)ie frei^eitlic!)e 93erfaffung ber Unioerfität mar in ben
legten 9al)r3el)nten öon ber ^Regierung in me()reren 2ln«
laufen beftürmt unb bie 5^rofefforenfd)aft frfjliegüd) ben
übrigen 6taat5bienern gleid)geftellt morben; ba5 foUte \\d)
für UI)lanb balb genug als Derl)ängni6DolI crmeifcn. ®inc
fd)U)ere @efa()r für ^taht unb ^od)fd)uIe mar erft 1826
unter feiner tatfräftigen SDlitarbeit glüdlid) abgemanbt
morben: fd)on bamals, mie norf) nad) ;3al)r3el)nten, taud)te
ber ^lan einer SSerlegung nad) Stuttgart ouf. SInbers als
fpöter gr. ZI). 23ifd)er, ber geinb ber fleinen Uniuerfitäten
unb bes engen fleinftäbtifcf)en (Belel)rtenu)efens, legte
tlt)Ianb 23eru)al)rung bagegen ein, ha^ „burd) SSerlegung
in bie JHefibena bie 6en)ilität gegen ^of unb 35et)örben
aud) bie ^Bt'dite afabemifd)er greil)eit oerunftalte''. Xvo^
feines Sieges mag es für Ul)Ianb aber unangenet)m genug
gemefen fein, fid) gleid) mieber an ber Stötte feines neuen
SBirtens in poIitifd)e Qänbel oerftridt 3U fel)en.
(Es beftanben nämlid) unter ben ^rofefforen 3mei
^Parteien. 2)ie Spifee ber einen, regierungsfreunblid)cn,
bilbete ber ^an3ler 2Iutenrietl), ber autofratifc^ I)errf(^te,
bis 1831 bas 5)eft feiner 5)anb entmunben mürbe. Ui)(anb
ftanb natürlid) auf feiten berjenigen, bie aud) I)ier bas gute
alte ^ec^t üerfoc^ten, bas maren bie trüber ©melin, ein
$at{)oIoge unb ein (II)emiter, bie Häupter ber Oppofition
im Senat. JattooUermeife fd)eint fid) Ul)Ianb übrigens in
biefen Dingen jeber ftärteren einmifd)ung entl)alten 3u
l)aben. 9^ur menn es galt, bie 3u jeber Qext befd)ämenb
geringe 2)otation ber Unioerfität unb 35ibItotI)ef auf er»
tröglid)ere i)öl)e 3u bringen, legte er fic^ ins QeuQ.
23on Kollegen, bie il)m perfönlid) fef)r na^egetreten
mären, oerlautet nid)ts: SBirflid) bebeutenbe (Belehrte ober
fonft fül)renbe ^^erfönlic^feiten fel)lten bem bamaligcn
ßcljrtörper faft DÖIItg. 9ZamentIt(^ ble „SIrttftcnfafultöt"
mar narf) roie Dor bas 6tieftinb oon ©cnat unb ^Regierung.
23on bcn 3u SScgtnn ber brcigigcr 3al)re cinfefecnbcn 9^cue«
rungen I)at Ul)Ianb nt(f)t mel)r oiel Dcrfpürt. 9^td)t einmal
ble etatmäßige ße^rergal)! mar oorf)anben, ®efd)id)te unb
2IItpl)iIoIogie nur einfad) befefet, SSorfc^läge gu 9^eu«
Berufungen mürben mit ber 23egrünbung abgelel)nt bafj
ein ^ebürfnis ni({)t t)orf)anben fei. Das mangcinbe Onter»
effe für bie I)iftorifd)=Itterarif(f)en gäcf)er mirb oon bem
3Jlonograp{)en ber UniDerfität, bem Uölanbfd)üler ^lüpfel,
bomit begrünbet, \^Qi^ bie ^I)tIofopl)ie bamals alle ^öpfe
bel)errfd)t \)(x\it. W\i il)r fal) es aber gunäc^ft an ber Uni*
oerfität f(i)led)t genug aus. ©iegmarts näfelnb unfreier,
3U felbftönbigem Renten nid)t eraie^enber 23ortrag fonnte
ebenfomenig anregen mie bie lebernen SSortefungen bes
alten ®fd)enma9er, jenes oermorrenen SRriftifers, ber
ferner naijeftanb unb infolge feiner ©eifterglöubigfeit
üöllig 3ur fomifd)en gigur gemorben mar. ©ben noc^ gu
UI)Ianbs S^it, 6ommer 1832, fünbigte fid) eine neue
©pod)e an: als Stpoftel bes ^Hegelianismus trat ber ^Hepe»
tent unb ^rioatbogent !Dar)ib Sriebrid) ©traug auf bcn
55Ian unb mirfte reoolutionierenb, menn il)m aud) gleich
U()tanb nur eine feljr furge Sc^affensgeit vergönnt mar.
Sen feurigen unb begabteren köpfen unter ben 6tu»
beuten fagte benn aud) bas ftagnierenbe ßeben an ber
Uniperfitöt gang unb gar nic^t gu. 3Bir befifeen ein 2Ib=
bilb biefer ^uftänbe unb Stimmungen t)on nid)t gu unter»
fd)ä6enber ßebenbigfeit in ber ©arftellung eines anbercn
U()lanbfd)ülers: 2)er 2)id)ter ^ermann ^urg mar gu
jener '^zxi Xübinger 6tubent, unb in feiner S^ooelle „Das
Sßirtsl)aus gegenüber'' \^oi er in erfrifc^enber SBeife ge=
geigt, \iOiS^ ^ernerfd)er 5Biö ben bamaligen SDlufenjüngern
nod) nic^t ab^anben gefommen mar. gür if)n ift bie Uni*
oerfitöt nid)t bas i)aupt, fonbern bas caput mortuum bes
InteUcftueKcn ßebens, il)re UI)r \^^i ausgefdjlagen, roenn
fic ntc^t mel)r mit fiiteratur unb ßeben gül)lung gu nef)men
fud)t. 2Bic fpottet er über bic $I)tIofopI)te namentlid) bes
Dr. Srubenfug (Cfc^cnmapers), au6erorbentIid)cn ^ro»
feffors bcr 9Jlr)ftif! ©s gab iDa()r()afttg olel aufäurütteln
unb ein3urenfen an biefer 5)od)jc^ule, unb mand)en, ber
lüeiter \iQi&^iz als an ein gutes (Ejamcn, mod)te es mit
greube erfüllen, \so!^ bie beutfd)e ßiteratur nun enblid) il)re
offi3ielIe SSertretung fanb, unb nod) ba3U burd) ßubmig
Ul)Ianb.
!Die poIitifd)en Äonflifte ber ße{)rerfd)aft fanben bei
ben ©tubenten feinen 9Biber{)alI. 5^re SSeftrebungen
waren anberer, meitergreifenber, oermorrenerer unb bod)
I)armIoferer STrt. JHcDoIutionöre S^enbengen burd)3ucften
f)ie unb ba bie ^öpfe, um fofort mieber ob3ufIauen. 2rud)
bie „JTübinger !ReDolution" oon 1830 — bie furj nat^
UI)Ianb5 (Eintreffen ausbrad) unb auf bie ©tubenten über=
griff — , moct)te ben 2)emagogenried)ern unnötig bange.
SBol)! tüiberl)allte bie ^iQi\^i ein paar 2Ibenbe oon bem
[Rufe: Surfc^en f)erau5! SIber ber banaler mad)te barauf
oufmerffam, \iQ^ ^Beteiligung an Unrul)en ber fpäteren Be*
förberung nad)teilig im 2Bege ftel)en merbe. 6d)on bei
einem frül)eren öl)nlic^en Slnlaffe ^^oXit SSater U()lanb
triftig an ben 6o()n geftf)rieben, biefe jungen ßeute moUten
gemig feine JRepublif, fonbern bereinft gute Dienfte; unb
Sluslänber, bie anbers bad)ten, fonnten bie Stimmung
nicf)t ernftlid) beeinträd)tigen, befud)ten bod) ju Uf)Ianbs
Seiten nur etma ae^n ^rojent 9^id)tu)ürttemberger bie
Unioerfität. 6onft mar bie grequenjsiffer gegenüber
feiner Stubienseit mäd)tig geftiegen. 3m ©ommerfemefter
1830 maren 832 6tubenten immatrifuliert.
Siefe oblagen meift bem Srotftubium, bie Jf)eoIogie
fpielte bie Hauptrolle. 5^I)ilofopl)en gab es im 2)urd)fc^nitt
in jenen iÖal)ren 150. !Der SSetrieb mar immer nod) oief
316
fd)ulmä6igcr unb geregelter, als tötr I)eute mit ber afa«
bemifd)en gretf)ett für üeretnbar l)ielten. Sie ©emeftcr
bauerten länger als mir gen)oI)nt finb, Dom 18. Oftober bis
25. Wdv^ unb t)om 15. 2tpri( bis 1. September. 2)ie
Serien maren olfo fe{)r befd)ränft, für ben atabemif(f)en
fiel)rer, ber fid) erft einarbeiten mugte, eine ftorfe (£r=
fd)merung. — Sagegen mußte fid) Ul)Ianb anbere ßaften
feines 2Imtes 3u erleid)tern. ®r l)'dtte eigentlid) über bic
IRegelmägigfeit bes 23efud)es 23uc^ fül)ren unb fid) burd)
^Prüfungen oom gleiße feiner ^örer übergeugen follen.
2lber es mar ja fein $flid)tfad), über bas er las, unb fo
glaubte er fid) oon biefer luftigen 2Iufgabe entbunben.
2Iuc^ fonft gemöl)rte il)m feine au6erorbentIid)e ^rofeffur
mand)e erleid)terung, unb er empfanb feine 6e{)nfud)t
nad) bem Orbinariate, bas i()m gafultäts= unb Senats»
gefd)äfte unb bie 23erpflid)tung 3ur boppelten ^^1)1 Don
2ßod)enftunben auferlegt l)'dtte. (Bv pflegte im Semefter
nur eine brei= bis oierftünbige SSortefung unb eine ein«
ftünbige Übung ab3ul)alten.
Ul)Ianb5 (Ernennung mar für bie Unit)erfitöt unb bic
Stubierenben ein Ereignis erften ^Hanges, ber SSeginn
feiner SSorlefungen ein maf)rer gefttag. ©s mar ber
3. SJlai 1830. (Eine ungemöl)nlid) große ^örerfd)ar oon
ein paar l)unbert köpfen {)arrte feiner im größten ^örfaale
ber Unioerfitöt. UI)tanb mürbe ent()ufiaftifd) begrüßt unb
anbäd)tig angel)ört, bei feinem 2(bgang bilbete man 6pa»
lier. 2lbenbs ertönte ber 6d)Ioßl)of oon einem 6tänbd)en,
bei bem bie Stubenten U()Ianbfd)e ßieber in Sild)ers ^om*
pofition fangen. (Einen glängenberen ©inftanb fonnte er
fid) nid)t münfd)en.
2)urcö blenbenben äußeren Vortrag mar ber bamoligc
lübinger Stubent nid)t üermöl)nt, freies Spred)en mar
nid)t übliä), unb aud) U{)Ianb bot, mie alle S^i^Ö^n über»
einftimmenb berichten, 23orlefungen im ma{)rften
6tnnc. SBort für 9Bort \^QXiz er fein Kolleg ausgearbeitet
unb las es o^i. 2)ie (ebenbtge %x\\6)z ber l^mprooifation
ging alfo bei il)m oerloren, aber er bemül)te fid), burd) finn=
gemäßen unb ausbrudsDoIIen SSortrag bie bei foId)er
9Jletl)obe gefä{)rlid)e (Eintönigfeit 3U oermeiben. SJlerf»
löürbig aber mutet es an, X^tx^ er aud) für feine Übungen
jebes Sßort aufge3eid)net unb in fpäteren 6emeftern nur
roenig oerönbert mieber^olt \^^i. Sene Unfreil)eit unb
felbft 6(f)üd)ternl)eit, bie if)m fd[)on oft im öeben I)inberlid)
gemefen mar, oerlie^ iljn alfo aud) ben Stubenten gegen=
über nic^t, unb benen er nid)t nöljertrat erfd)ien er als ein
„mortfarger unb trufeig breinfd)auenber aJlann'', mie il)n
ja aut^ fernftel)enbe Kollegen für einen unertröglid) f)od)»
mutigen 9Jlenfd)en I)alten tonnten, ber „auf bie ganse SÖBelt
mit 23erad)tung I)erabfel)e, meil er allein bie STugenb unb
bas 23erbienft gepachtet \)QiW\ DJlan braud)te aber nur
feiner perfönlid)en 35e(el)rung teilt)aft 3U merben, um gan3
anbers 3u urteilen.
2)ie grage, ob Ul)Ianb große ße{)rerfoIge befd)ieben
maren, barf man nid)t an 5)anb ber oon il)m felbft mit
peinlid)er @emiffenl)aftigfeit aufge3eid)neten SSorlefungs»
liften beantmorten mollen; benn oon ber für Tübingen fel)r
I)oI)en Sö^I 53 finft bie 35efuc^s3iffer gleid) im 3meiten
Semefter auf 12 I)erab, um fid) ein 9al)r fpöter auf 41
3u I)eben. 3D^it 2IusnaI)me ber erften SSorlefung mürben fic
alle öffentlid) abgel)alten, natürlid) aud) bie Übungen, beren
58efud)er3al)l in bie S^J^Q^Siö 3U gel)en pflegte.
2)iefes „6tiliftifum'', bas er am ^Donnerstag, bem
einftigen dies academicus, ab3ul)alten pflegte, mar nod)
ein ©rbteil oon 6^on3 \)^x, unb er i^,t^Qi6)iz einleitenb mit
^Pietät ber SInregungen, bie er einft oon biefem empfangen
Ijatte. 2)ie Übungen mürben fo eingerid)tet, \^aS^ bas Sn^
^altlid)e burd)aus 3urü(ttrat, ^Pflege ber äußeren gorm
ftanb im SSorbergrunb, unb Urlaub fal) feine 2Iufgabe
318
barin, über bie ted)nifd)e 33ef)anblung eines 6toffes, btc
Stüecfmögigfeit ber Slnorbnung, bie 2lngemeHenI)eit ber
5)arftellung für il)ren ©egenftanb, über 6til unb Slusbrud
im allgemeinen |ein Urteil abgugeben. 2Jlan ft^icfte i^m
(Bebid)te, I)iflorifd)e unb pl)ilo(opl)ifc^e Sluffäfee ein, bie er
öffentlid) nad) gorm unb ^r\\)alt !ritifierte. Sie jungen
2)id)ter 6(i)maben5 fonnten fid) l)ier nid)t nur geförbert,
fonbern aud) I)oc^grabig gefd)meid)elt fül)len, 5umal menn
i^nen bie (E^re suteil mürbe, ha^ Urlaub felbft il)re (Bia»
borate ber ^orono oorlas. Das mar aber eine ®rleid)te*
rung, bie nur bem 6c^üd)ternen gemäl)rt mürbe, bie an»
beren ftanben für fic^ felbft ein, unb namentlid) bie 93er»
faffer oon ^Profaauffäfeen fül)rten i{)re 6acl)e gegen etmaigc
Opponenten gerne perfönlid). (Ss ging bismeilen xed)i leb*
l)aft 3U, fo in einer T)tbatte über menfd)lid)e 2öillens»
freil)eit, bie üon ber tl)eologifc^en, mebi3inifd)en unb p^ilo*
fop^ifd)en Seite aus mit ftarfer gegenseitiger Erbitterung
geführt mürbe. Urlaub mußte ftets tlug 3U oermitteln
unb l)örte es gerne, menn fid) bie Sugenb bialeftifc^
tummelte, sumeilen lenfte er aud) felbft bie 2)is!uffion auf
ein 'ü)n frud)tbar büntenbes gelb. Unb fo ift uns bas
3Jlanuftript bes ©tiliftifums, bas mir nod) üoUftänbig be*
fifeen, nid)t nur ein feffelnbes Dofument oon Urlaubs fiel)r»
gäbe, fonbern barüber l)inaus eine l)öd)ft fd)äfebare Duelle
feiner ^oetit unb Äunftanfd)auung.
„Der SSortragenbe ftanb auf einer ©rl)öl)ung unter»
^alb bem ^atl)eber, auf meld)em Ul)lanb faß. Die 95e»
merfungen Ul)lanbs maren fd)arf unb beftimmt, oft au^
mit einem milben ©d)er3, ber oiel 5)eiterfeit in ber 23er»
fammlung l) eroorbr ad)te . . . Der 2^on Ul)lanbs mar I)ell
unb tlar, aber el)er l)art als meic^, unb beim 6pred)cn
lel)nte er ben ^opf etmas 3urücf, unb fein fd)arfgefd)nit»
tenes ^Profil mürbe beutlid).'' Der QenQe, bem mir ^ier
has. Sßort erteilt l)aben, betont meiter, Urlaubs ^ritif fei
il)m fclbft gegenüber „burd)au5 md)t mtlb" getöefen. 2Iu3
lll)Ianb5 eigenen 2luf3eid)nungen crn)äd)ft ein anberer ©in*
brud ; feine im ganzen feljr freunblid)en @utad)ten beru()en
aber fid)crlid) nid)t auf Schönfärberei, fonbern erlauben
einen 6d)Iu6 auf ben SSBert beffen, mas biefe 6d)ülerfd)ar
bot. 3n ber %o\, fafeen nicl)t menige 3u feinen gü^en,
beren Dramen fpäter in ber engeren unb weiteren S)eimat
guten ^lang befam. ©erabe unfer (Ben)äl)r5mann 3eigt
bas: es ift ber jal)r3el)ntelang fo oielgelefene unb oiel«
geliebte 23erfaffer ber 2)orfgefd)id)ten, Sertl)oIb2lucr«'
h^&^. Om 3ur Seite ftanben 5)ermann ^ur3, ©uftao
55fi3er, biefer ber Igrifc^ \it%^hit SSruber üon Ul)Ianb5
poUtifd)em (Benoffen. 5ReinI)olb ^öftlin, Seeger, ^rais,
®r)tl), hausier, SBaffermann t)aben fic^ ebenfalls 3U bes
3Jleifter5 Sreube fpäter bid)terifd) ()err)orgetan. Do^ aucf)
onbere tieferftrebenbc Stubierenbe fd)loffen fid) il)m an,
ot)ne fpe3ieü bid)terifd) \>z%o^ii ober germaniftifcö inter:»
effiert 3u fein; fo ber Staatsrcc^tler gallatti unb ber
$t)iIofopl) ebuarb '^zWtx , ber nod) als 9^eun3ig-
jäl)riger bantbar bes a!abemifd)en fiel)rer5 UI)lanb gebad)t
\)qX. greilid) ift nur ein gad)gelet)rter aus Ul)Ianb5
Sd)ule l)erDorgegangen, Slbalbert oon Heller. 35ei allen
anberen blieb bie (Bermaniftif oorübergeljenbe ßiebl)aberei.
©in tleiner Äreis oon 2lu5ern)äl)lten mürbe aud)
auger^alb bes 5)örfaates oon Ul)lanb I)erange3ogen unb in
feine 5)äuslid)feit gelaben. !Da erftaunten fie über bie
liebensmürbigen Seiten, bie ber ernfte 9Jleifter plöfeUd) 3U
offenbaren mufete. „(£r \^oXit greube an jungen fieutcn,
gab fid) uns gegenüber gan3 fd)lid)t unb unge3U)ungen
unb lieg uns aud) an mand)en I)eiteren fleinen ^Jorfäüen
teilnel)men, bie il)m 'tOi unb bort begegnet, unb bie er mit
jenem ^er3lid)en ßac^en 3u er3äl)len pflegte, bas il)m fo
mol)l anftanb unb befonbers oon Äußerungen bes 93olfs«
^umors unb oon ber aus Dolfstümlid)er DIaioität ent»
fprungcncn Äomif erregt mürbe/' U!)Ianb roar alfo ein
guter ©tubentenoater, ber ol)ne falfd)e @raDität ble I^ugenb
menfdind) an3U3ieI)en mufete, unb feine grau, „eine mun=
tere, oerftönbige, gebilbete Same'' nad) bem S^ugnis bes»
(elben 6d)üler5, ftanb il)m babei macfer 3ur Seite.
3Jlan(f)er greunbjci)oft5bunb mürbe babei angefponnen,
ber bie Sal)r3e{)nte überbauerte.
UI)Ionb gel)örte aber nic^t 3U ben afabemifd)en fiel)rern
Dom 6d)Iage ber D^ösler unb 6egboIb, bie il)m felbjt il)r
SSeftes aufeer^alb bes 5)örfaa(e5 gefpenbet Ratten. 6 e i n e
©inmirfung auf bie ©tubenten gefd)al) im meiteften unb
fegensreidieften SJla^e burd) bie 23orlefungen. Ul)Ianb I)at
fie größtenteils ausgearbeitet ^interlaffen. Selten muffen
3^ad)fd)riften ergän3enb eintreten. Sie finb nid)t nur
2)ofumente feiner päbagogifd)en ^Begabung 3U !on3en*
trierter fapdier Sarftellung; fie breiten in reicher gülle
bie felbftänbigen ©rgebniffe langer, tiefer unb reifer
gorfd)erarbeit aus unb bebeuten einen erften ©ipfel beut*
f(f)er Iiterarl)iftorifd)er 2Biffenfd)aft.
2)as 2öerf, \sQi'i fur3 r)orI)er nod) ßad)mann mit einem
„ceterum censeo" t)on Ubianb geforbert \^QXiz, fam t)ier
als D^otbau unter l)Qi&^. ©r eröffnete fein erftes afabemi«
fc^es Semefter mit einem Kolleg über @efdöid)te ber
2IItbeutfd)en ßiteratur. 2ßir miffen, \io!^ bie
Einleitung 3u bem fünftigen großen 5Sud) il)n fd)on oor
emem 9al)r3e()nte befd)äftigt ^^oSXt. Sefet tonnte er ficf)
mit ^ilfe biefer alten 2tnfäfee einen ebenfo gciftreid)en mie
formal mol)Igefügten SSorlefungseingang fid[)ern. gaft
möd)te uns biefer 3U bud)mäßig, in feinem fd)önen 2Iuf«
bau, feiner mol)l abgetönten SSilblic^feit 3U berechnet oor»
fommen. 2Iber gleid) in biefer erften Stunbe {)ot ber afa=
bemifd)eße^rer feinen Sd)ülern oon feinem 5Seften gegeben,
unb trofe ber praftifd)en UnDermertbarfeit biefer SSorlefung,
bie er mit einem gemiffen (Jigenfinn unterftrei(^t, merben
fid) bic 25efud)cr nad) bicfer $robe auf retd)Itcf)cn Ertrag
gefaxt gemad)t Ijabcn.
2)iefc einfül)rung mußte cor allem bem JRomantifer
UI)Ianb aus bem 5)er3en tommen; in abgeflärtcr 2ßeife
gibt er eine Äenn3eid)nung bes aJlittelalters, bie immer nod)
ein menig ben ©l)arafter ber SIpologie trägt. 9Jlan {)ört,
ber Äampfgenoffe 2Iuguft SBiIt)eIm 6d)Iegel6, liecfs unb
2tbam 3JlüIIer5 \)qX ^ier \iQi^ SBort, unb bie reifere roman*
tifc^e 2Bei5l)eit griebrid) Sd)Iegel6, mie fie namentlid) bie
SBiener 23orlefungen oon 1812 boten, \)^i bei Ul)Ianb tiefe
SBurael gefc^Iagen. '^vm legten 3Jla(e gilt es ben törid)ten
aufflärerifd)en SSortüurf aurücfaumeifen, bas ajiittelalter
fei eine taufenbjäl)rige 9^ad)t gemefen. „2)iefe 9^ad)t mar
menigftens eine fternt)elle. Sternbilber ftiegen in \\)x auf
unb nieber, melct)e nici)t fid)tbar finb, menn bie fd)attenlofe
ajlittagsfonne fd)eitelrcd)t über bie Häupter ber 3Jlenfd)en
Ieud)tet."
Sem Uneingemeiljten, Unoorbereiteten erfd)(ie6en fic^
bie 6d)äfee biefer bämmernben 3Jlärc^enmeIt allerbings
nict)t. Der gutmillige ©nt^ufiaft mirb oft oerameifeln, burd)
bie l)arte 6d)ale 3u biefer oft fpröben, oft feltfam formlofen
$oefie burd)3ubringen. 5)ier bietet fid) UI)Ianb jum Sßeg«
meifer an; aber er mill nid)t 6i)ftematiter fein, feinen
(Brunbrig ober ßeitfaben, fein troden auf3ät)Ienbe5 ^om«
penbium bieten, fi e b e n möd)te er fpenben, ^unft als
folc^e erfennen lel)ren, ben eigent(id)en, oon ber SufäUig*
cit ber (Erfd)einung5form freien ^ern bes 2)id)tmer!5 I)er*
au5fd)ölen. ®r räumt best)alb mit ben altl)ergebrad)ten
S(Jletl)oben pebantifd)er gefd)id)tlid)er Sarftellung auf;
mcber bie d)rono(ogifd)e, nod^ bie et^nograpl)ifd)e, nod) bie
f^ftematifc^e, gattungsmäßige Einteilung oermag i{)m 3u
genügen. ®r nennt feine 3}letl)obe, auc^ barin JKomantifer,
bie organifc^e, fie berüdfiditigt bie ©runbglieberung bes
gcfd)id)tlid)en unb gefellfd)aftlid)en fiebens im 3Jlittelalter
6d)ncit>er, U^tanb. 21
unb faßt bte Grfcf) einungen in 'ü)xex DoIIften SSIüte, inbem
fie fie nid)t gattungsmeife in il)rem 2luf« unb 2lbfttege be»
gleitet, fonbern fid) auf ben ©ipfel ftellt, ben fie erreid)t
^aben, unb oon I)ier aus vov unb rücffc^auenb i^re SSa^n
ocrfolgt.
2öir oermögen bie 35egeifterung Ul)Ianb5 für* feine
!Di5pofttion nid)t gan3 3u teilen: ]tatt einer SSereinigung
bringt fie el)er eine läftige Äreujung ber (f)ronoIogifd)en
unb ber fad)Iic^en 35let^obe unb trübt fo nid)t feiten ben
5BIi(f bes SSefc^auers für bie notmenbige t)iftorifd)e
Kontinuität.
Das mad)t fid) alsbalb geltenb in bem erften großen
^auptabfd)nitt über bie Denfmöler ber Q e I b e n f a g e.
©r ftellt im gansen ol)ne 3tt)ßif^I ^Qs ^ßebeutenbfte an
felbftänbiger gorfd)ung bar, bas Ut)Ianb oom KotI)eber
l)erab 3u bieten mußte. 2lber gleid) l)ier geigt fid) ein
2JlangeI an mirflic^em literar l) i ft o r i f c^ e m 6inne. Sßie
er für bie ölteften ©efönge ber (Bermanen unb bie legten
epifd)en Stuslöufer ber i)elbenbid)tung \ien cleid)en 2tu6-
brud „ßieb" l)at, fo finb i^m auc^ all biefe Derfd)ieben
gearteten 5^robu!te Qiexd) el)ru)ürbige ajlonumente ed)ten
SSoIfsgefangs unb SSoItsempfinbens. Sreilid) mar il)m nur
auf ©runb biefer 2:äufd)ung ein fo liebeoolles SSerfenfen
in biefe Denfmäler möglid), bie Objefte fd)on feiner poeti-
fd)en Sugenbneigung.
©leid) 3u Slnfang !ommt nun ber !Did)ter ll{)tanb
bem ©eletirten trefflid) gu i)ilfe. lieber a!abemifd)e ße()rer
!ennt bie (Befa{)r ber Xroden()eit unb (Eintönigfeit, bie aus»
gebel)ntc Inhaltsangaben bergen. Urlaub, ber minbeftens
3el)n ©tunben lang nid)ts als tnaTppe Stnalgfen mittelI)od)»
beutfd)er ©pen bot, braud)t fie nid)t 3U fd)euen. Seine
9^ac^er3äl)lungen finb mal)rl)aft poefiereid), in il)rer 2Irt
nod) l)eute unübertroffen; freilid) aud), es barf nid)t oer«
|d)miegen merben, poetifd)er als bie Originale felbft. 2)er
SSortragenbe m'iü bic i)örer über bte SBiöfür ber Xra*
bition bes 13. 9al)r^unbert6 I)inau5l)eben. Sas oermag
er, inbem er mit freunblid)em 6d)arffinne jebe 6pur
lebenbtg gefd)auter, padenber ober rül)renber unb bal)er
l)elbenliebmä6tger 6ttuattonen l)erau5tr)ittert unb in jd)Ii(f)t
gerüä{)(ten, leife altertümelnben SBenbungen tüiebergibt.
©eine Sarftellung ift aufs l)öc^ftc geeignet aud) bei bem
Unfunbigen 23erlangen nad) näl)erer 93ertraut{)eit mit
unfcrem foftbaren ©agenbefife anauregen. 25ei bem ^un«
bigen ermectt fie unenblid)e (5el)nfud)t, es möd)te fi(f) fünf
bis fed)s 3a{)rJ)unberte früher ein U^Ianb ber aerbröcfelten
unb jerfungenen IRefte unferes ^elbenfanges angenommen
unb fie 3um fd)Iid)ten ©pos gefügt l)aben.
Umgefel)rt fann aber moljl aud) ber $oet einmal bie
feingefponnenen gäben bes @elel)rten oermirren, feinen
Haren l)iftorifd)en ^licf trüben unb fogar fein fünftlerifc^es
Urteil beeinträd)tigen. Das Problem, bas fid) il)m 3unäd)ft
barbot, mar aber aud) 3U romantifc^en ©d)märmereien gar
guoerlodenbl 3n benDenfmöIern ber beutfc^en5)elbenfage,
ben fogenannten 23oIfsepen, treten nebeneinanber ^ßerförn
Iid)feiten ber alten unb mittleren (5efd)id)te, rätfell)aft un«
!)iftorifd)e (Bröfeen unb aeitlos fabell)afte 2öunbermefen auf.
Uöie fommt es 3U biefem bunten ©emifd) ber ^anbelnben,
bem ein ebenfold)e5 ber l)eroifd) großen unb fabel()aft un*
möglid)en 5)anblungen entfprid)t?
Wan mar fid) bamals im mefentlid)en einig über bie
allgcmeinfte SSeantmortung biefer %vaQe: aus ber ©e«
fd)id)te unb aus bem OJl^ttius leitete man bie (Entftel)ung
ber ^elbenfage ab; aus 3rüei (Elementen alfo, bie mon
allein für geeignet l)ielt, im Semußtfeinsleben eines nod)
ungebilbeten ober menigftens nod) unliterarifd)en 23olfes
entfd)eibenbe 6puren 3u l)interlaffen. Sas 2;atfäd)lid)e,
bas ein 23ol! erlebte, unb bas Übernatürliche, an bas es
glaubte, mürben ^icr in ber 2)id)tung oereinigt. 2)al)er
21*
alfo bic !DoppeII)eit 9cfcf)id)tlid)cr unb fabel()after 6agcn«
öcftaltcn unb »elementc.
23on gctüic^tiger Seite, nämlid) ber 2BiII)eIm ®rimms,
bes erften, ber über ^elbenfage ein 5Bud) gefd)rieben I)atte,
lüaren bie gefd)id)tlid)en 5Be3iel)ungen ber 6age gering«
WÖfeig geleugnet morben. ^orf) il)m ):)äii^ I)inter()er bic
@elel)rfamfeit fie in un^iftorifc^e ©ebilbe l)ineinge3n)ungen.
U()lanb, ber ftets mit l)ol)er Sl^tung Don 9Bill)elm ©rimm
fprid)t, rettet \izn (oftbaren ^6)a^ l)iftorifd)er Crinnerun»
gen, bie a\x&) nac^ feinem Urteil in ber ^clbenfage fteden.
9^id)t nur fa^Ie I)iftorifd)e Dramen finb I)ier üerftreut. Sßo
etrüa in ber 6age pon ben Sd)i(ffalen ber (Boten bie IRebe
ift, tid atmen mir mirflid)c unb z6:)iz SSöItermanberungs»
ftimmung. S'leis unb (Befaf)r ber (ül)nen (Eroberungssügc,
jubelnber Stols über glönsenbe 2ßaffenerfoIge unb tiefes
2öel) leiboollen Unterganges — biefe ^aupimomente ger»
manifd)en Erlebens mäl)renb jener 3al)rl)unbertc emp»
finben mir nod) in ooller 6tär(e nad), mcnn mir bie
mannigfod) gerrütteten, aber im ^eim unangetafteten
2)en(mö(er ber i)elbenfage auf uns mir!en laffen.
SSiel fd)manteren 58oben betritt ber gorfdjer, ber nun
aud) jene anbere 6eite, bie „mr)t()ifd)e", fennen lernen
möd)te. Die 6irf)erl)eit, mit ber fid) UI)Ianb \j^^x 3u bc«
megen f(f)eint, ift eingebilbet unb trügerifd). SBir r)erftet)en
fein unb feiner ganaen ©eneration l)ei6es SSemüben, bie
3ertrümmcrte @ötterlel)re unferer 23orfaI)ren aus biefen
fd)einbar fo treuen unb ed)ten S^uö^Uf^" mieber auf3U«
bauen. 23on allen 6agenforfd)ern ber erften 5)älfte bes
19. 3al)rl)unberts ift allein ber ^efonnenfte, SB. ©rimm,
biefer 23erfud)ung nid)t unterlegen. Urlaub befinbet fic^
meit ftörfer als er im Sänne romantifd)er ©emäl)rs«
männer, unb mo er fid) oon il)rer bireften 23eetnfluffung
frei mad)t, ha gel)t er mit großer ©igenmilligfeit felbft-
gebol)nte, fraus oerfd)lungenc ^fabe.
i)eute ift man ber 2Inftd)t, tag btc übernatürUd)cn unb
märd)enl)aftcn gigurcn unb (Ereigniffe ber f)elbenfagc aus
einem internationalen (Er3äI)Igut unb gabel(cf)a6 burd) frei
fombinierenbc !Dic!)ter in bic alten l)iftorifd)en 6agen3U=
fammenl)änge eingefd)oben morben finb. UI)Ianb l)ättc
biefe X{)eoric toeit oon fid) gemiefen. ©rfinbungl millfür*
Iid)c Äußerung eines bi(f)terifd)en ©inaelmillesi 2Bas mar
bomit erflärt? SBas follte überl)aupt bei ber entftel)ung
biejer 2Berte ber einjelne mit (einer beujufeten S^eufd)öp»
fung? !Das 23olt I)atte biefe 2)ic^tungen abgefaßt, mie
es fie abfaffen mufete, in ber marmen (Blaubensempfinbung
für übernatürlid)e SBefen murjelten fie, im geuer frifcf)
bur(i)(ebter Ijiftorifc^er ©reigniffe mürben fie in il)re ^unft=
form eingefd)mot3en.
®s Riefte ber !Homantif 3Ui)iel ©elbftoerleugnung auf»
bürben, oerlangte man oon \\)X bas DJlag oon ^itit, bas
uns Ijeute felbftoerftönblid) ift. Sn norbif(i)en Raffungen
ber S^ibelungenfage erfd)eint ber (Bott Obin unb fpielt eine
htttuUntit IRoUe. 2Bie nod) oiele 3a()r3el)n{e nac^ if)m
aUe S)eIbenfagenforfd)er, fo nimmt aud) U{)Ianb an, bog
biefe Stellung bes ®ottes, bie il)m in 2Ba()rI)eit erft fpätc
gabulierfud)t ber 9ZorbIeute angemiefen l)at, urfprüng(icf)
ift. Seit er 3U miffen glaubt, tia^ biefe ®eftalt einft ben
3Jlittelpun(i ber gansen Sage gebilbet Ijat, fällt es il)m mle
Sd)uppen oon ben 2lugen. Obin ift ber „®runbftein'' ber
gefamten fräntifd)*beutfd)en ober nibelungifd)en Sage
gemefen. Sllles erl)ält burd) !8e3iel)ung auf i^n erft tieferen
Sinn unb l)öl)ere (Einl)eit. !Die 5)elbenfage ift nid)ts als
ouf ber (5rbe fid) fortfefeenbe (Bötterfage. Das 23erl)ältni5
oon 5)elb 3U (Bott ift ^auptgegenftanb ber Sage unb fpric^t
fid) aus in ber gan3en ßebensmeife unb ßebensanfd)auung
biefe» l)eroifd)en S^^talters. Dbin ift oor allem ber (Bott,
ber 3um 5!ampfe rei3t, er l)ält bie gan3e SBelt in 2Item.
Scbc ^elbeninbioibualität tritt nad) biefer 2luffaffung
326
f)intcr bh überragenbe ^erfönlic^fett bes Lottes gurütf,
in bcffen ^anb alle, (elbft ein Siegfrieb, bloße SBerfgeuge
finb.
STber tüas für ben Sterben unb bie fränfi{d)=beutfc^en
Stämme galt, haB l)atte offenbar für bie Oft« unb 6üb»
germanen feine 3Sebeutung. Sn unferer gefamten gotifd)en
6agenüberlieferung treffen mir oon Obin feine 6pur.
UI)Ianb mag aber aud) l)ier auf ein gtauben5gef{f)id)tlid)e5
(Ertragnis nidjt oer3id)ten; unb ha in ben ©enfmölern
gotifd)er Sage nirgenbs aud) nur entfernt Don einem (Bottc
bie 5lebe ift, fo erfinbet er felbft eine gotifd)e 9Jli}tl)oIogie,
bie er in fül)ner ^onftruftion cor feinen ^örern erfte^en
läfet.
@ut unb 25öfe, 2:reue unb Untreue ftel)en in biefen
2)id)tungen als emige unb unüberbrücfbare (Begenföfee ha.
2)ie 5)elben, Dietrid) oon SSern unb 2BoIfbietrid) Doran,
l)alten in unerfd)ütterlid)er Xreue 3u i^iren 2)ienftmannen
unb merben con böfen geinben mit ebenfo unaufl)örlid)er
58o5l)eit oerfolgt. 2)iete geinbe l)aben balb 30'lenfd)ens, balh
Unge{)euergeftatt. 6ie finb alfo, nad) UI)Ianb, el)emal5 böfe
Dämonen gemefen, 23erförperungen bes Übels unb ber
ginfternis, mie bie gelben felbft fiegreic^e SSorfämpfer bes
ßid)tes. tll)lanb5 ^Ijantafie mad)t nun l)ier einen ge»
maltigen Sprung über D^öume unb Seiten {)inaus: in
perfifc^er @laubenslel)re finbet er Slnalogie unb ©rläute»
rung 3u bem gerfprungenen gotifd)en SBeltanft^auungs«
f^ftem. UrDerrt)anbtfd)aft befte^t 3mifd)en ber goroaftri«
fd)en ^Religion unb bem, mas bie ©oten einft geglaubt unb
in il)rer i)elbenbid)tung niebergelegt I)aben.
^eine Ieid)te Slufgabe für bie bamaligen 5)örcr mie
bie l)eutigen ßefer, burd) bas (Befd)Iingc biefer 2lnf(^au*
ungcn bem %\ü)xex 3U folgen! 2)er 6agentl)eoretifer UI)Ianb
ift l)eute oöllig übermunben unb fann nur nod) irreleiten.
2lber er l)atte in jenem ^oUe^ nid)t nur über bie ^elben*^
327
f a g e 3U l)anhein, fonbern über iias 5)elben 1 1 c b , mie
er fagt über bas SSoIfsepos, mie mir Jagen. Unb n)o er
als b e f f e n (£rforfd)er auftritt, ba tüeitet fid) fein SSlicf
unb oertieft fid) feine ©infic^t. ©inbringenbercs, i^alt^-
bareres ^at er 3u leiften vevmod)t, n)o er fid) oon bem
ejaft 3u ©rforfd)enben 3u bem rein gefül)l5mä6ig 3u (Bx^
grünbenben menbet. gür ha^ 3nnerlid)fte roie \ia^ fd)ein=»
bar 5üu6erlid)fte biefer Äunftgattung ift er ber feinfte
^ünbiger gemefen. SBie meit tut fid) bas innere SBefen,
bo5 6tl)05 bes beutfd)en SSoIfes in biefen ©ebid)ten funb,
unb mie l)at fid) beren äußeres Suftanbefommen auf
©runb fünftlerifd)er 33ilbungsmöglic^feiten geftaltet? Sas
finb bie beiben gragen, bie er fid) bes ©eiteren oorlegt
unb n)al)rl)aft Dorbilblid) beantwortet.
Das ® 1 1) i f d) e unb nic^t etroa bas tolturelle be*
titelt U()Ianb ben nöc^ften 2lbfd)nitt. (Bs ift il)m nid)t
barum 3u tun, fittengefd)id)tlid)es 3JlateriaI 3ufammen3u=
tragen, am menigften aus ber 2tbfaffungs3eit ber mittel»
f)od)beutfd)en (Epen. 9Befen unb ®runb3ügc allgemeiner
germanifd)er Sitte unb 6itt(id)feit follen I)erausgearbcitet
roerben. Dag es b i d) t e r i f d) e Cuellen finb, aus benen
f)ier ein ben Zat\aü)en entfprec^enbes etl)ifd)es ®efamt*
bilb gemonnen merben foll, ift für U{)Ianb fein ©inmanb.
2öir {)aben es in unferer SSoIfsepif nid)t mit fünftlid)er
6d)önfärberei 3U tun, fonbern mit fittlit^en [Realitäten.
Die öUeften ?8eric^te römifd)er i)iftorifer über bie ®er»
manen unb bie foeben burd) Safob ©rimm 3ugänglid) ge»
mad)ten Deutfd)en 9'led)tsaltertümer foIIen bas erl)ärten.
grcilid) finb bie tibereinftimmungen biefer 3ß"9ntff6 nitt
bem 55ilbe, bas bie mitteII)od)beutf(^e Did)tung entmirft,
oft rcd)t allgemeiner 2trt unb i^r eigener ^Utersmcrt nit^t
feiten umftritten.
5tber niemanb foH pd) burd) fold) billigen 2^abcr bie
greube on J)iefcn ma^r^aft !Iaffifd)en 5lbfd)nitten bes
328
ÄolIcgf)cftc5 Dcrbcrbcn laffen. 2ltmen fie ho6) bcn reinften,
iDiffenfd)aftItc^ niemals nieberguringenben unb ju jcber
Seit fo nötigen ^^bealismus. 2IIIer Siebe unb SSemunbc«
rung für ben ©etft ber ^elbenbirf)tung, bic fid) fo frü^
\d)on in U{)Ianb5 Seele gefammelt l)atte, met^ er nun I)in*
reigenben 2Iu6bru(! 3u Derleil)en, er malt bas altbeutfcf)e
i)elben3eitalter mit ben märmften unb glutDoIIften garbcn,
bie il)m 3ur 23erfügung ftef)en. Sie ^cnnseic^nung bcs
beutfd)en fittlid)en SSoItsgeiftes ift in ber epifd)en Did)tung
bie allein n)a^rl)aft oertrauensröürbige SBiberfpiegelung
bes Slltertums, meit über bie in Unorbnung geratenen
l)iftorifcf)en SReminifsengen unb ben oerblafeten SDlr)t^u5
I)inau5. ^eroif(f)e Erinnerungen ober ©rbicf)tungen meift
bie 6age jebes 23oI(e5 auf: feines aber tonn fid) rül)men,
mie im ßeben fo in ber 2)id)tung bie 2: r e u e fo jum
©runbpfeiler feines fittlid)en Strebens unb ^anbelns gc=
mad)t 3u l)aben. 3I)r gilt, mie oor 3a()r3ef)nten ber ?Preis
bes ?Poeten, fo jefet ber bes (Be(el)rten. 9ft i^m bod) jefet
crft 3ur I)iftorif(i)en ©en)i6I)eit gemorben, \>a^ biefe Ireuc
fein leerer 5öa{)n, fein 5)irngefpinft ber !Did)ter, fonbern
tiefeingen)ur3elte 2Ba^rI)eit, gunbament bes 23oIfsc^araf=
ters gemefen ift.
^eU unb fröftigt tl{)Ianbs 2IItertumsbetrad)tung ^icr
Dor allem bas 9^ationaIgefüt)I, fo 3eigt er in bem 2tb»
fd)nitt 2)ie gormen, \)a^ er bod) and) oom Staub«
punfte ftrengfter 5Biffenfc^aftIid)feit aus bis 3ur ®egen»
toart förberlid) mirfen fann. ßängft f)atte er aufgel)ört,
mit ber S'lomantif oom Gpos als ber Urform ber i)elbßn=
poefie 3u träumen. Sas germanifd)e (Epos mar aus bem
ßiebc ^eroorgegangen. SBie ift nun aber bies 23erl)ältnis
oon ßieb unb (Epos 3u benfen?
2)iefe grage, an ber Srül)ere oorfit^tig {)erumgetaftet
Ratten, mar 3uerft 1816 burd) Äarl ßad)mann einer füljncn
5tuflöfung 3ugefül)rt morben. (Br nal)m bas 9libe(ungen»
lieb unter fein tritifd)e5 ©esiermeffer. Sas größte unferer
Cpen ift il)m entftanben burcf) 2Ineinanberreil)ung oon
3rüan3ig unabl)ängig gebid)teten, fid) inl)altli^ aber
genau ergöngenben ßiebern. 2)iefe finb oöUig toieber^er»
fteabar,manbraud)t nur alles gütoertbas in unbarüijdien
fie I)ineingefcf)obcn ift, f^ftematifd) 3u entfernen. !Der
2)icf)ter bes IRibelungenliebes ftellt fid), menn man fo feine
2Irbeit nachprüft, als ein minbermertiger ^opf bar, als
ein ober !Rebaftor, bas ganse (£pos als ein mül)fam fom*
piliertes unb nid)ts rreniger als organifd)es ©ebilbe.
9^id)ts ift ungered)ter, als roenn man ßad)mann 3um
bloß 3äl)lenben unb red)nenben $l)ilologen I)erabbrücft,
ber oerftönbnislos ein großes (Ban^t 3erpflü(ft l)abe. 2Bcr
feinen ^iterien nad)fpürt, mirb bie geinl)eit aucf) feines
äftl)tifd)en ©in3elempfinbens mürbigen muffen. 2lber
Ul)lanb, für ben bie eigentlich pl)ilologifd)en 55eobad)tungen
ßad)manns leiber eine fel)r gerinpe JRolle fpielen, ift il)m
unftreitig an (Einfid)t in bas SBefcn bes itunftmerfes, an
SBitterung für bas poetifd)e (5ct)te unb aHöglic^e überlegen.
55is in bie neuefte Q^'ü I)at ber große 35aljnbred)er ber
S^ibelungenforfc^ung be5l)alb feinen ebenbürtigeren 35e«
fämpfer gefunben als Urlaub, unb umgetel)rt, Uf)lanb l)at
bie ßid)tfeiten feiner gelel)rten 35egabung nirgenbs fo l)ell
erftral)len laffen fönnen mie biefen ^Problemen gegenüber.
Die angeblid)en 3man3ig ^libelungenlieber, bie ßacf)«
mann tonftruiert l)at, finb in Ul)lanbs STugen lebens»
unfäl)ige ®ebilbe, bie aus ber ^Retorte bes ei)emifers, nic^t
aus ber freien 6d)öpferfraft einer bi(f)terifd)en ^aim
fjeroorgegangen finb. Der Snl)alt bes 3meiten biefcr
ßieber foll fein, mie 6iegfrieb im Dome 3U Xanten ha5
6(^mert nimmt. „^a6) meiner OJleinung," lautet bagegen
Ul)lanb5 triftige SIrgumentation, „tann es niemals, mebcr
im Sßortlaute ber burd) jenes 23erfal)ren gereinigten
©tropfen, nod) felbft bem 5nl)alt nad), ein in lebenbiger
Überlieferung gangbares, für ftd) beftanbcnes Sieb gegeben
f)aben, toorin ein fold)e Sd)U)ertnaI)me befd)rieben lüäre . . .
2)er immerfort treibenbe Äern eines ©agenliebes tonn
nic^t in ben 2^ätigfeiten bes täglid)en ober fefttögli(f)en
ficbens, nid)t in 6d)i(berungen allgemeiner Sitten unb
(Bebräu(f)e beftef)en; bebeutungsoolle WxfCs)tx{, fc^arfe
(E()arafterbilber, ergreifenbe Situationen, ©emütssuftänbe,
ßeibenfd)aften, in bemegte ^anblung gefefet, biefe finb es,
bie einem ßiebe ßeben unb 2)auer geben, bie es in ben
SSoIfsgefang einfül)ren unb in i()m erl)alten.'" 2)amit ift
bem größten 2:eile bcr ßad)mannfd)en ßieber bas Urteil
gefprod)en.
23eim 9^ibelun genliebe f(f)eint U{)Ianb an ber glatten
ßöfung ber Slufgabe, ber Umreigung ber (fid)erlic^ nur
menigen unb inl)altli(^ jemeits fef)r martanten) ßieber,
oer3meifeIt 3U {)aben. SSei anberen, minber umfängli(f)en
unb oermitfelten ^elbenepenfabeln oermag er bos. 2(n
biefem fünfte \)t\ii fict) feine 2tnfd)auung meit über feine
Seit I)inau5 unb geigt fid) fo fortfd)rittIid), \io!^ bie gcr»
maniftifd)e gorfci)ung il)m erft jefet na(f)getommen ift unb
feine Stufftellungen fooiel mie möglirf) tjiftorifd) funbiert
\^qX. 58ei ber 2)urd)prüfung ber eingelnen mitteI{)od)'
beutfd)en 5)elbengebid)te ift es Urlaubs SSeftreben, ous
jebem epifd)en Körper ein furges, aber fraftoolles ^anb»
lungsgerippe f)erausgufd)älen, bas in ßiebform bemaltigt
merben tonnte. 2)as öbe unb ooluminöfe ©pos oon 2)iet»
rid)s glud)t ift i{)m aus einem einfatf)en, Iiebl)aften Sagen»
ferne I)erausgen3ad)fen, beffen :3nl)alt er fo ftiagiert: „2)iet=
rid) oon 35ern meid)t, um feine fieben gefangenen !Re(fcn,
n)eld)e C^rmenrid) aufgupngen brof)t, oom Xobe 3u er«
retten, oon feinem ©rbe gu ben Qunnen." — S3on i^onig
Ortnits 25rautfal)rt gibt es ein gebe^ntes unb abenteuer»
liebes Cpos. Urlaub leitet biefes ni(f)t in ßarfjmanns
Sinn aus oielen (^in5elUebern ab, fonbern tpeift na(^, \^(x%
CS cntftanbcn tft aus einer tnappen fangbaren SSoIfs*
ballabe, bte in marfigen Strid)en bie ®ntfül)rung ber
Königstochter burd) ben ftreitbaren fiangobarbenfürften
eraöljlte. 6oId) ein ©ebilbe I)at ßcben. Seber SSerftänbige
mug es nad)fü^Ien: 60 mie Uljlanb es fid) bad)te, fo !ann
nirf)t nur, fo mu^ bas germanifd)e 5)elben(ieb ausgefe{)en
I)aben, ,,auf geringen Umfang, einfad)e Situationen,
ujenige aber ftarte 3üge befcbränft".
2ißie entftanb nun aber aus foId)en ßiebern bas (Epos?
Ul)Ionb ift aud) barin ein 23orIäufer moberner i^been, '^o^
er oon einem (Befefee ber inneren ßieber= (b. l). (Spen*)
35ilbung fprid)t, bas barin befte{)t, \io!^ „eine einfad)C
Einlage fic^ erweitert, balb inbem fie if)re eigenen J^riebe
anmäl)lid) 3U größerer 2lusbel)nung entmicfelt, balb inbcm
fie anbere SSilbungen, meld)e ebenfalls felbftönbig er»
rDad)fen finb, in il)ren ^eftanb aufnimmt''.
©in l)erDorragenber moberner Kenner altgermanifd)cr
ipoefie, bem mir in biefen Sragen bie größte görberung
üerbanfen, \iQX bas 93erl)ältnis oon ßieb unb Cpos bilb'
meifc oergegenmörtigt, inbem er fagte, biefes r)erl)alte fic^
3U jenem nirf)t mie eine 2Saumreil)e 3um (Singelbaum,
fonbern mie ber oollausgemacf)fene, blätterreici)e 35aum
3um tieinen, nod) unentmicfelten Stömmd)en. U{)Ianb \)qX
für biefen ^^rogeg leiber fein oeranfd)auIid)enbes (BIei(f)ni5
gefunben, mie fonft feine 2Irt ift. 2Iber fo oiel mirb flar,
'^^^ er beibe jfieorien, bie ber 3^ebeneinanberpflan3ung
ber !ßöume unb bie bes Slusmac^fens eines fteinen Xriebes
3um großen ©tamme, 3ugleid) gelten laffen mill. !Dlan
mag bas eine i)albl)eit nennen, beren fid) freifid) aud)
^eute nod) oiele fi^ulbig mad)en. Urlaub backte fid) ben
^ro3e6 auf 3meifad)e 2Irt möglid): entmebcr finb bie
ßieber fd)on als ßieber, b. \). in ber oorIiterarifd)en münb=
litten Überlieferung, berart angefd)moIIen, \^(\^ es ein ?8cs
{)ürfni5 mürbe, pe in mel)rerc ©in3elgefangc ju ^erlegen,
bic bann atlcrbings bte 25e5tel)ung aufs ©ange u)al)rtcn;
cntftanb ein (Epos, fo mußten fie mieber 3um ©anjcn an»
cinanbergereil)t merben. Ober bas 6ujet blieb in bcr fong«
I)aftcn gorm fo gebrängt, tia^ man mit einem ßieb aus»
fam, bas bann in bie ©penform geftrecft merben mußte
unb feine fremben SSeftanbtetle in fid) auf5unel)mcn
braud)te.
C^in nici)t Ieid)t 3u überfd)äöenber SSertuft für bte
©ermaniftif mar es, \)a^ gerabe biefe U{)tanbt<^en SIus«
fül)rungen unter fo oölligem 2tusfd)Iuffe ber öffentlid^teit
Dorgetragen mürben, ^ätte er feine 9D'l9tf)ent{)eorie publi«
giert, fo märe er burd) fritifdje Stimmen gmeifellos bolb
aus feiner orientaIifd)en 6d)märmerei gur Sefinnung
3urü(fgerufen morben. Über bie entftel)ungsgefd)id)ttid)cn
^Probleme l)ätte er als ^ritifer unb 25al)nbred)er einer
neuen XI)eorie bas große erlöfenbe 2öort fpred)en fönnen,
mit bem fic^ otele 3al)re lang fonft niemanb {)eroormagen
burfte. 2)ie Slutorität bes Dichters unb ©ele^rten Ul)Ianb
allein märe t)ielleid)t imftanbe gemefen, ber Jal)r3el)nte«
langen 21lleinl)errfc^aft, Ja J^prannei fiad)manns auf biefcm
®ebiete fiegreic^ bie 6pifee gu bieten, ^ätte U{)Ianb feiner
Stimme (Be{)ör t)erfd)afft, fo märe bie ©iffenfc^aft in
biefem fünfte bereits 1830 fo meit getommen, mie fie in
2Bal)rI)eit erft fieb3ig bis a^tgig 3of)re fpätcr oorbringen
burfte.
2)ie tiefbo!)renben 5orfd)ungen, bie er bem SSoIfsepos
unb fpejiell bem ?libetungenliebe gemibmet f)attc unb ^icr
nur in ©ile unb unoollftänbig feinen 3ul)örern oortragcn
fonnte, maren au5reid)enb, i^n nod) ein ganges meitcres
Semefter I)inburd) mit gelel)rtem 5)ausrate 3U oerforgen.
Seine 3meite SSorlefung, im SBinterfemefter 1830/31, f)an«
belte über bas 9^ i b e I u n g c n I i e b. Sie ift oon allen
bic mcnigft mertooUe, mesl)alb fie aud) ungebrudt ge«
blieben ift. Dos ni(f)t gan3 oollftönbige 3Jlanuffript ift un0
tx\)alten, es acigt oiel fubtilcn gieig in ber l^nterpretatton
bcs bici)ten(c^cn SBortes, aber aud) 3ugleid) bic Unfäl)igfcit
bcs ofabcmi[d)cn ^Iculings, bcn ©toff 3U bisponieren. 25ci
bcn unbebeutenbcn ad)t erften Sloentiuren unb il)rer Cr»
flärung, bic er grammatifalifd) unb fad)Itd) bis ins aller*
fleinftc fü^rt, oermeilt er fo lange, bog er bie überragen»
ben i)auptpartien bes (Spos nur nod) in jagenber Qaft 3u
(Enbc erläutern fann.
!Dod) nod)mal5 3urüc( 3U ben SSorlefungen bes 6om«
mers 1830! Ul)Ianb5 gewaltiges Programm l)atte ja bie
g a n 3 e altbeutfd)e ßiterotur umfaßt: UnDer{)äItnismä6ig
lange freilid) ^atte er bei feinem ßieblingsgebiete oerrüeilt,
ber 5)elben(age. Ser gan3e, fe^r ftarte erfte Sanb ber
6d)riften ift il)v geroibmet. Sic nod) folgenbcn 2lbfc^nitte
füllen gcrabe ein drittel bes 3U)eitcn 33anbes.
3n i^nen gibt fid) ber 23ortragenbe benn aud) mefent«
lid) unfreier. 2Im gleite l)at es il)m fid)cr nirgenbs gcfel)lt,
an Seit, 3U Dcrarbeiten, öfter, an mirflid) innerlid)em 23er»
I)ältniffc 3u ben betreffenbcn 2)id)tn)erfen am öfteften.
2lber er \)ai ben guten 2ßillen, allentljalben bie 2Iugen nat^
bem Sd)önen unb il)m Söefensoerujanbten auf3utun, was
il)m natürlid) bei ber geiftlid)en $oefie am fd)n)erften mirb.
2)ie I)auptfäd)lid)ften 58ebenfen liegen aber auf metl)o»
bifd)em ©ebiete: mod)te er im erften 2lbfd)nitte bie ©Ijrono»
logie beraubt beifeitc laffen, mo es fid) um einen burd)
9al)rl)unbertc fontinuierlid) fortlebenben unb nur in 3U-
fällig erl)altenen Senfmälern 3utage tretenben 6toff l)an«
belte; l) i e r l)äiie er bies nid)t tun bürfen. ©eine 2Cn»
orbnung rid)tet fid) aber nad) mie vor md)t banad), ob ein
SBerf burd) bas anbere bebingt ift unb notmenbig barauf
folgen mugte, oon einer mirnid)en poetifd)en ©ntmid»
lung5gefd)id)te finbet fid) in feiner Darftellung feine 6pur,
fonbern er fragt lebiglid), ob eine ftofflid)c @emeinfd)aft
bcftcl)t, bie fein alleiniges ®inteilungsprin3ip abgibt.
334
2Iuc^ fonft gerei(i)t es ber Sarftellung jum 9^ad)teUe,
baß tH)Ianb üor allem tnl)altlid) intereffiert erfd)eint. 25el
ber Setrac^tu' .g ber SSoIfsepen mufete natürltd) bie 2)td)ter*
perfönlid)feit l)tnter bem Stoffe an iSntereffe gerralttg
3urücffte^en. 2Iuf bem (Bebiete ber ^unftbi(f)tung foUtc
bas eigentlid) gan3 anbers fein. Da^ td)arfe ©rfaffung ber
btc^terifd)en änbbibuaUtöt n\d)t Ul)Ianb5 ftarte Seite
unb nur in 2tu5naf)mefäIIen fein SSeftreben mar, l)at uns
fd)on bie 2lbl)anblung über bie TOnnefinger geletirt, bie er
()ier einfad) reprobugierte. Wit ben 93ertretern ber STrtus»
epif 5eigt er fid) menigftens perfönlid) etmas oertraut. Qu
5)artmann oon 2lue fte{)t er fogar in einem engen greunb*
f(i)aft6t)ert)ältnis, unb bem (Bralsfreife Ijat er ein fo inten»
fioes Stubium gugemanbt, als ob es fid) um einen gelben«
jagengpflus l)anbelte.
Unter feinen bramatifd)en Fragmenten finb mir einem
2trmen i)einrid) begegnet; neben bem D^ibelungenliebe
fud)te er im SSefanntenfreife oor allem für bies mittell)od)«
beutfd)e @ebid)t merbenb eingutreten. 60 ftel)t il)m auc^
im Kolleg bas l)er3gerüinnenbe fleine ©pos an ber Spifee
ber 2ßerfe feines 5)id)ters, „einem milben grül)lingsabenb»
lid)te" üergleid)t er ^artmanns ?Poefie. 6eine fit)ri( ift
il)m aus eben bem ©runbe lieb, bie il)m bie 2Baltl)erfd)e
mefensoermanbt erfd)einen lie^. „5Rid)t ber 3Jlinnefang ift
bie f(^önfte Seite feiner ßieber. 2lm rül)renbften 3eigt fid)
fein treues unb ebles (Bemüt, menn er in ber ^Trauer um
ben Xoh bes geliebten 5)errn fid) oom 3rbifd)en losfagt
unb als ^reu3fal)rer bie ^eimat cerlaffen mill". ®an3 in
lll)lanbs Sinne gefprod)en, ja als (Srflärung feiner Sßor=
liebe für 5)artmann an3ufet)en finb aud) ßad)manns
SBorte, ^a^ bas Sefte im Slrmen ^einrid) ber nod) nic^t
erlofc^ene Sinn für bie Sage unb bas S^olfsmä^ige fei.
©inen Sagen ftoff glaubt Ul)lanb aud) in ben
(Bralsromanen oor fid) 3U l)aben, bal)er bie eingel)enbe
gor(d)ung, bie er biefem ^reije aumenbet. ©eine 2Iuf-
fafjunö pom 2Be|en ber ©age/ ber bie Siifunft gel)ören
foü, tritt l)ier ftärfer I)err)or als in ben Erläuterungen
3ur i)elbenfage. (£ine Sage ift il)m md)t freie (5rbid)tung,
beren ©erben nur I)iftori{d), b. l). burd) Erflärung üon
S)zxt\xn\i unb 23erfd)mel3ung il)rer einaelnen 3üge gefaxt
iDerben lüill, fonbern es liegt il)r ein ©ebanfe, eine an
unb für fid) geiftige 23orfteIIung ^ugrunbe, bie im maljren
Sinne bes SBortes oertörpert ober beförpert lüorben ift.
D^iic^t ber tatfädjlic^e geid)ic^tlid)e Urfprung ber 23or»
ftellung oon ber fpeifefpenbenben Sd)üjfel ober bem \ia^
Öeilanbsblut bergenben ©efä^e, oom erl)abenen (Brals-
tempel unb feinen 5)ütern intereffiert tizn (Ertlärer, fon-
bern er trad)tet banad), bie Sbee 3U erfaffen, bie in alle»
bem il)ren 2Iu5bruct gefunben l^ai. So ift il)m benn ber
©ral \iCi9> Sinnbilb ber l)öd)ften göttlid)en (Be^eimniffe
bes SI)riftentum5, ein betörpertes Sölgfterium, ber ©rals«
tempel ein Sgmbol ber c^rifllid)en ^ird)e, ta^ 2öirfen
ber ©ralsritter bie als tatföd)lid) Dorl)anben fingierte
Slusmalung eines bem d)riftlid)en Öbeale entfpred)enben
ßebens, „ritterlid) Sßefen in ber SBeil)e bes ©^riftentums".
2ßie bie obinifc^e 2Beltanfd)auung bie 5)elbenbid)tung Don
Siegfrieb, fo mußte bie d)riftlict)=ritterlid)e notmenbig bie
oon Xiturel unb ^araioal l)erDorrufen.
3Jlit ber Erläuterung bes 2ßolframfd)en ©ebicfites
unb feiner unmittelbaren 9^ac^fal)ren bricht bas Kapitel
über bas l)öfifd)e Epos \ä\) ah. S^itmangcl mag l)ier
oieles entfd)ulbigen, aber nid)t alles. 3^ur mer il)m inner*
lid) ferne lag, ben tonnte Ul)lanb fo obüig überge{)en.
Einem !Dicf)ter märe er ein fur^es SSermeilen unbebingt
fd)ulbig gemefen: Das Set)len jebes Sßortes über (Bott*
frieb oon Strafeburg bebeutet ben ftärfften SJlangel biefer
mittell)od)beutfd)en ßiteraturGefd)id)te. Ul)lanb ftanb il)m
offenbar fo ablel)nenb gegenüber, bog er eine Sluseim
anbcrfcfeung gerne ocrmieb. 2)ie ©röge bes SJleifters oon
etragburg beburfte bamals nic^t mel)r bes ©ntbecters.
6d)on 1809 l)aite Docen ausgefproc^cn, bafe er „o\)m Se=
benfen bas (Bebtd)t (ben Xriftan) für ^a5 ©d)önftc l)alte,
iDas in jener Seit beutfd)er ^unftfinn l)eroorgebrad)t \)abe'\
]Xt)iant> aber lag biefer ^oet nid)t, fonnte i^m nid)t liegen;
[teilte er bod) ein ©jtrem l)öti(4l=oerfeinerter ^unftbid)tung
bar unb mact)te ftatt polfsmägig fd)lid)ter Xreue unb
^ßieberfinns eine für bürgerlid)e5 ©mpfinben nid)t unbe*
benflic^e ©rotit 5um (Begenftanbe [eines ^reifes. 2lucf)
l)ier emp[anb Ul)lanb n)ie ßad)mann, ber nad) fargem
fiobe pon @ott[rieb5 „gel)altener, Der[tänbig ge[d)mütfter
IDar[tellung5n)ei[e'' [agt: „Slnberes als Üppigteit boten
bie ^auptteile [einer n)eid)licl)en, un[ittlid)en (Er5äl)lung
nid)t bar".
2ööl)renb Ul)lanb [ein Kolleg las, er[d)ien bie er[te
abgerunbete literari[d)e 2)ar[tellung bes S^itraumes, ben
er 3U be^anbeln l)atte, bie „®e[d)id)te ber beut[d)en ^oe\\e
im gjlittelalter'' üon 9flo[entran3. Ul)lanb berüct[id)tigt
bas 35ucf) gelegentlid) einmal, ol)ne il)m einen tieferen
(Einbrucf ober gar grünblicl)e ein3elbelel)rung 3U oer«
banfen. Unb aud) uns i[t bie t)ergleid)enbe 35etrac^tung
ber beiben gleid)3eitig ent[tanbenen ßiteraturge[d)ict)ten
nur be6l)alb lebrreid), meil mir baraus Urlaubs [tarte
Übcrlegenl)eit 3u erfennen vermögen. 9'lo[en!ran3' ©tre«
ben gel)t nad) Xiefe, nad) pl)ilo[opl)i[d)er 2luffa[[ung unb
2)urd)bringung bes 6to[fes. Dra!ell)aft Der[d)mommene
romanti[d)e S^a^flänge mi[d)en [id) mit ^egel[d)er 2Beis«
I)eit. 2Iud) [einem SSorgönger ^ober[tein, be[[en getel)r«
ter, aber trorfener ©runbrig 1827 3uer[t er[d)ienen mar,
i[t Vi\)ianh nid)t nur an ge[d)madüoller !DarfteUung, [on*
bern aud) an lebenbiger ©in[id)t l)immelmeit überlegen.
!Dod) menn [ein Kolleg auf Diele Öal)re I)inau6 bie bebeut*
[amfte ?8el)anblung ber älteren beut[d)en $oe[ie geme[en
ift, ein ©rfafe für bie ßitcratur9efd)id)te in 58ud)form,
nad) ber bic greunbe nod) ein Öal)r3el)nt lang nid)t mübc
werben 3u fragen, l)at es ntd)t entfernt 3U bieten Dermod)t.
9m ©ornmer 1831 las UI)lanb eine @efd)ic^te
berbeuttd)enßiteraturiml5. unbl6. 3a^r*
I) u n b e r t. ©s ift für ben Kenner unb ßiebl)aber bes
beutfc^en aJlittelalters immer td)mer3lid), in bie S^liebe«
rungen ber 9al)rl)unberte ()inab3ufteigen, bie auf bie35(ütc*
3eit gefolgt finb. 9^od) l)eute ift es eine $eriobe, ber bie
meiften ©ermaniften mit einer gemiffen 6cf)eu aus bem
2ßege gel)en. Ul)lanb, ber il)r im ©egenfafee 3u ber älteren
Seit bislang nod) faft oöUig fremb gegenübergeftanben
l)atte, ift il)r tapfer 3uleibe gegangen. 9^ur mer felbft ein»
mal in ber ßage mar, mit fur3er SSorbereitungsfrift bie
biffufen ©rfc^einungen jener Seit unb ba3u bes !Refor«
mationsjal)r^unberts in ben 9'lal)men eines fnappen
©ommertollegs preffen 3u muffen, fann bie ßeiftung er»
meffen, bie fc^on ii\ ber SSemältigung bes Stoffes lag.
ßieft man biefe 2lusfül)rungen in il)rer ®efamtl)eit,
fo fann man fid) freilid) bes ©inbrucfes einer gemiffen
2:rocfenI)eit unb Unfrifd)e nid)t erme^ren. Der 23or«
tragenbe ftanb nic^t über feinem Stoff, er ftedt nocft 3u
fel)r barin. !Da3u tommt, ta^ il)m ber gan3e Ion, auf
ben bie ^eriobe abgeftimmt ift, grünblid) unfgmpatl)if(^
fein muß. Serbe Unfläterei unb oerftiegene @etud)t^eit
fonnte er, mie im ßeben fo in ber ßiteratur, am mentgften
oertragen. (Bx tlagt nid)t oiel barüber, fud)t bie nötige
Objeftioitöt auf3ubringen unb mieberum bas Simone auf«
3ufinben, mo es fid) irgenb oerbirgt. Stber fel)r mo^l
tonnte il)m in biefer (Betellfd)aft nid)t merben.
Die äufeere 5)auptfd)n)ierigfeit mar mieber in ber
Einteilung 3U fel)en, unb abermals entfc^ieb fid) UI)lanb
für bas fad)lid)e, nid)t bas d)ronologifd)e ^rinsip. Das
SSeftreben, ftofflid)e ©ruppierungen Dor3une^men, oer«
6rf)nclbcr, U!)tanb. 22
leitete if)n 3U rec^t tüunberlid)en SSerfoppelungen scitlid)
unb ößnetif(^ abfolut md)t 3ufammengel)önger ©attungen:
fo bringt er unter ber S^lubri! „geftfpiele" bie 6d)ie6=
jprüd)e, barunter ^i^'ö (Blüctljaft Schiff, unb bie bramatijd)e
?Probu!tion ber '^txi, öon ber er allerbings nur bie gaft=
nad)t6|picle berütffid)tigt. 2IIfo treffen fid) in biefem ^a»
pitel S). 6ad)5 unb Sifd)art; natürlid) ift \iQi<ö nid)t bie
einäige ©teile, an ber ber beiben ausführlich (grtüäl)nung
gefd)iet)t, fonbern unter allen anberen Dlubriten, bie fie
bereid)ert l)aben, treten i^re Dramen bem Qörer aufs neue
entgegen. Die golge ift aud) I)ier ber alte, oft gerügte
SOlangel: ©reifbare Sic^terporträts !önnen nirgenbs er=
ftel)en.
Stetiger als je ift in biefem S^itraume ber beutfd)en
ßiteraturgefd)id)te bie güt)Iung mit ber allgemeinen ^ul»
tur* unb @eifte6gefd)id)te. Ut)Ianb aber mill es nur mit
ber ©efd)i(^te ber 5^oefie 3U tun f)aben, eine i^folierung,
bie für feine ®pod)e nic^t nur innertid) ungered)tfertigt,
fonbern aud) äugertid) unburd)füf)rbar ift. Die (Brcnsen
3mifd)en bid)terifd)en unb nid)t mel)r bic^terifi^en 2Ber!en
finb fliegenb, bie 23ei3iel)ung ber gemaltigen nid)tbeutfd)en,
bas i)ei6t Iateinifd)en ^robuttion ber 3^^* unumgönglid).
Ul)Ianb \)gS. fid) bas SSerftänbnis für bie ^^eriobe oerbaut
unb feinen 2Iusfü^rungen oiel an 2ßert genommen burd)
bas be{)arrlid)e ignorieren bes l)umaniftif(^en (Elements,
bas if)m eben als etmas UnooÜstümlic^es, Unbeutfd)es
fremb unb unbel)aglid) fein mufete.
2)ie ßiteraturgefd)it^te ber !Heformations3eit unb bes
Humanismus lag bamals noc^ ferir im argen, bie auf«»
feimenbe (Bermanifti! t)atte it)r menig ?^flege angebeil)en
loffcn. Das 15. unb 16. 3at)rl)unbert fd)ienen jefet 3U ber
2lf^enbröbeIroIIe oerbammt, bie lange "^txi bas eigentliche
3D^itteIaIter gefpielt l)atte. Ul)Ianb ift \iQi gered)ter unb
l)ellfid)tiger, rote fd)on ber SSergleid) mit feiner Quelle, bem
großen SBcrfe Don ^Boutermet, bemeift, \sq^<ö nod) mit auf«
flärerifd)cm 5)üntel an ber ^criobc um^erfd)ulmeiftcrt.
2lber gerabe ber 23ergletd) ber beiben Sarftellungen, bie
Smanatg Sal)re auseinanberliegen, bemetft bte geringen
gortfd)ritte, bie bie 2öif{enfd)aft {)ier gemad)t l)atte. Das
2JlaterioI, \iQi<ö Uf)Ianb 3ur Verfügung ftonb, mar eigent«
lid) noc^ im mefentlid)en basjelbe mie ef)ema(5, einige
Sufallöfenntniffc ausgenommen. SBas uns Ul)lanb5
^oEeg [o ftarf oeraltet erfd)einen läßt, ift nid)t bie 3u enge
gaffung bes 3:i)ema5, nid)t bie oerunglücfte Einteilung,
fonbern oor allem bie Unbetanntfd)aft mit oielen grunb*
legenb mid)tigen !Denfmälern ber ^eriobe. Qeute finb
bequeme D^eubrude in jebes jungen (Bermaniften 5)anb,
mie müf)felig mußte fid) bagegen ber lübinger ^rofeffor
nad) alten Druden umfel)en, bie ebenfo feiten maren, mie
bie Qanbfd)riften aus mittell)od)beutfcöer S^it! S3on
oielen l)eute als I)od)mid)tig ertannten 6d)riftftellern meiß
er !aum ben Dramen, mand)e i)auptmerfe befam er trofe
aller 3)lül)e nid)t in bie ^anb. 23on Xt)omas 3Jlurner, ben
er fo l)übfd) d)arafterifiert, (ennt er meber bie S^arrenbe-
fd)mörung nod) ben großen fiut{)erifc^en Starren aus
eigener ßeftüre. Der fc^merfte 3Kangel beftel)t aber auf
bem ©cbiete bes Dramas: ftans Sac^s unb Sl^rer finb
für \\)XK, mie für 35outermef unb ^oberftein, bcnen er l)ier
mörtlid) folgt, bie einaigen 2:i)eaterbid)ter oon einiger
^l)gftognomie, bie ganse gemaltige 6d)ul* unb Bürger«
bramatif bes 16. Sal)rl)unberts fällt unter ben lifc^.
Dennod) oermag Uljlanb ftellenmeife über feine 93or«
ganger l)inaus3ufü{)ren. ©einem alten ?Homanl)elben,
5)ermann oon Sad)fenl)eim, f)at er mit ©lud 3mei neue
5Berfe 3U3umeifen ocrftanben, er leud)tet in bie ©nt*
fte{)ungsgefd)id)te bes Xeuerban! ()inein unb meiß mid)-
tigc ^Beiträge 3ur 93orgefd)id)te bes reformatorifc^en
Äird)enliebes 3U geben. Unb überall, mo nur im «nt-
22*
340
fernteftcn Sraöcn unb erseugniffe bes aSoÜsgeJangcs
cinf4)läöig finb, ba ift er grünblid) ju 5>aufe. 2)ic 23ol(5«
licbftubien ermöglid)en i^m fci)Ue6Ii(f) oud) eine fclb«
flänbige unb |et)r treunbUd)e 6teUungna^)me 3u bcm
origincUften Äopfc, ben bic epod)c aufrüeift, au 3ol)ann
gifct)Qrt.
Sas mag auf ben erften SSIicf Dertüunbern. aßBtc
menig fc^eint ber mortfarge, im i)eimifd)en iruraelnbe
6d)n3abc gemein 3u l)aben mit bem „fprad)gerDaltigften
beutfd)en !Di(t)ter", bem 2lutor ber monftröien (Befd)id)t5«
(litterung unb ber nid)t immer bejenten giö^)l)aöl 2lber
mit gutem 58Uct ^at er bie cermanbten 6eiten an bem
überlaunigen 6atiri!er erfannt, „ic^ meine bie ooltstüm»
Iid)e, Daterlänbifd)e ©efinnung biejes Sd)rittfteller5, |einc
rege 2Sorliebe für alles, mas bie <E>d)we\^ex ßanbsfraft
nennen ... er ift mo^l betannt mit 'iien ©eftalten bes
^elbenbud)s, mit ben fd)er3^aften unb romanti|d)en ©r»
gö^lungen, mooon ein Seil nod) in unferen 23olt5bü(^ern
fortlebt, ... er fennt bie ganae gülle bes aSolfsgefanges,
bie 6piele, Sprid)mörter, SSoltsfagen, ^untelmärlein, allen
Äinberglauben". SlJlan meife nic^t, ift ha oon gifd)art
ober oon Urlaub felbft bie diehe, unb ein neuer ^eroeis
bafür ift geliefert, mieoiel perfönlidje 2ßertfd)äfeung unb
23ern)anbtfct)aft für bas Urteil bes ßiterarbiftorüers bc*
beutete.
Sßir l)aben es in biefem Slbfc^nitt auc^ mit Ul)lanbs
lebenbiger ßebrmirfung 3U tun gehabt, unb ha ift es
billig, bog mir nad)trägli(^ nod) feines erften literarifcf)en
6c^üfeling5 unb n)iffenfd)aftlicöen Schülers gebenfen, ber
nic^t bem ^rofeffor 3u güfeen faß, fonbern nod) oon ber
©Ute bes unabbängigen ^^rioatgele^rten 3el)rte: bas mar
^arl ftallin g.
3Binter unb Sommer 1827/28 l)atte biefer Don^onquö
an Ul)lanb gemiefene, „ebelbegeifterte unb mufenbegabte
Oüngüng'' in Tübingen ftubiert, nld)t etiua ?pt)iIoIogle,
fonbern bte übad)c 2:i)eoIogic. 2Iut germaniftljd)cm (Ge-
biete mar er alfo oöüigcr Dilettant, aber er brachte eine
el)rnc^c Scgeifterung5fäl)igfeit mit, bie fid) auf entlegene,
crft auf3uftöbernbe 2)inge einjuftellen pflegte, ©r befaß
auc^ bie noioe Dreiftigfeit bes fangen entf)ufiaften, ber
oI)ne (ödjeu literarifc^en Autoritäten \^Qi^ i)au5 einläuft
unb il)nen anmutet, feine ?pläne burd) uneigennüfeige
^Preisgabe eigenen 3Jlaterial5 3u förbern. 2öie an UI)Ianb,
fo \^q!l er fid) an Safob ©rimm, an SJleufebad) unb felbft
an ßad)mann I)erangemad)t. 35ei biefem l)otte er fid)
eine fd)arfe 2lbfu{)r, bie il)n fel)r oerbroß; bie ,,5öinbig*
feit" bes Knaben, bie ßac^mann bei biefer @elegeni)cit
tabelt, ift freilid) nid)t ju oerfennen. SSiel ©lütf \)o!i er
übrigens trofe feiner 23ielgefd)äftigfeit unb einflu6reid)en
33etanntfd)aften im ßeben ni^t ge!)abt unb ift fd)on 1837
gcftorben.
On Tübingen fpielte il)m ber Sufatt ein (Ejemplar
üon 5ifd)arts (BIücf{)aftem Sd)iff in bie Qanb. ©ein
immer mad)er (Entl)ufia5mus fefete ben $Ian eines S'leu»
bructes fofort ins 2Berf, unb Ul)Ianb5 gütige 93er-
!)ei6ung einer 23orrebe Derfd)affte il)m einen SSerleger.
Das @IücfI)aft 6d)iff fegelte benn 1828 3um erftenmal feit
mel)reren ^unbert Oai)ren roieber in bie 5ßelt. Die 53or«
tage ^allings bilbete ein siemlid) mertlofer 5^ad)bruc! aus
bem 17. 3al)rl)ünbert, feine eigenen 55eigaben maren trofe
regen ©ammelfleifees nid)t geeignet, ßad)manns SSorur-
telle nieber3ufd)Iagen. 23erbienftlid) mirb man bas Unter*
ne{)men bo(^ nennen, ^ätte ^alling mirflid), mie Sia6)*
mann i{)m 3umutete, auf 50^eufebad)6 SSorangang märten
mollen, fo märe bie SBieberermedung 5ifd)art5 noc^ Sa{)r«
3c!)nte ^linburd) unterblieben. Unb eine foldie mar nötig,
nid)t etma nur für bas meitere ^ublifum, fonbern, bei
ber 6elten^eit ber Driginalbructe, aud) für bie ®elel)rtcn;
Safob ©rimm unb UI)Ianb l)aben bte 2)icf)tung erft aus
i)aning0 Slusgabe fennen gelernt.
aJleufebac^, b.er befte gifd)artfenner aller Seiten, ^at
bann freiltd) in einer gana freunblid)en S^eaenfion jeinc
Überlegenl)eit fpielenb funbgetan unb mit ein paar leirf)t
I)ingen3orfenen SBorten bie für 3al)r3el)nte n)id)tigften
2ruffd)Iüffe über ben 2)id)ter gegeben. Ul)lanb faf) fid) t)on
ll)m refpeftooU beljanbelt. „3uni 6d)mu(f l)at if)m Ul)(anb,
ber geift^ unb gemütreid)e ©tröugebinber, no^ einen l)üb=
fd)en 6trau6 corgeftetft." Der Beurteiler bebauert aber,
\io!^ Ul)Ianb bie 5^erfönlid)!eit gifc^arts mit nur fo
menigen, freilid) meifterl)aft angelegten 6trid)en umriffen
I)at; biefe bötten unbebingt meiter ausgeführt toerben
foUenl 6r fd)eint 3u al)nen, bafe eigentlich etroas ganj
anberes in biefer SSorrebe f)ätte entl)alten fein follen, als
ber ^Beitrag 'i\xx ©efti)id)te ber greifdiiefeenl
3n ber Xat l)atte lH)Ianb suerft ßafeberg gegenüber ein
üiel paffenberes unb feffelnberes ^^rogramm cnttüorfen:
,,SBas id) beigugcben münfd)te, mären einige 53emerfungen
über gifd)arts umfaffenbe unb innige 35etanntfd)aft mit
bem beutfd)en SSoKsIeben unb namentlid) ber poetit(i)en
Jßoüsliteratur." Das märe ein ^Beitrag 3ur Ütteraturge*
fd)id)te bes 16. 9a{)rf)unberts gemcfen, wie aud) mir i{)n
uns gemünfdit ptten. 2Iber es trat ein fiüdenbü&er ein.
,,3ur ©efd)id)te ber Si^eifdiiefeen" fteuerte er einen 2Ius»
3ug aus bem geftgebid)te bei, mit bem ein tmrderer ßanbs*
mann, ßienbarb giejel, bas 6taI)Ifd)ic6en bes 5)er3ogs
(Il)riftop{) 3U Stuttgart 1560 r)ert)errlid)t l)atte. Sr mei^
ben etmas trodenen 35erid)t gans mirffam 3U beleben unb
mand)e lel)rreid)e Erläuterung einsuftreuen, aber bie Be*
3iel)ung 3U gifd)art gebt bod) alsbalb oöltig verloren. (Js
mar in jeber 5)infid)t ein ^Jlotbe^elf. 3um miffenfd)aft*
lid)en ©elegen^jeitsarbeiter mar Ul)lanb ebenfomenig ge*
eignet mie 3um ^ajualpoeten.
gn feinem erften tolleg, Sommer 1830, I)atte er ben
guten SBitten befejfen, fein IiterarI)iftorifd)e5 II)ema att»
feitig 3u erfd)öpfen. Unmillfürlic^ I)atten ober bie il)n
Dor allem intereffierenben Stnfangspartien fold)e 2tu5*
be{)nung angenommen, \io!^ eine ftar!e 23erfd)iebung 5U»
gunflen ber 2)id)tungen mit fagenmöfeiger ©runblage ein=
trat. !Drei 6emefter fpäter nun aeigt er \itxi 3Jlut, ge»
ftüfet auf feine bi5l)erigen afabemtfd)en (Erfolge unb '^^<ö
n)acf)fenbe Ontereffe für feine fpe3ififcf)e SOflet^obe, einmal
nur über b a s gu lefen, moran er mal)ren unb inneren
Slnteil nal)m. ®r fpannte ben !RaI)men gleid) benfbar
meit, inbem er eine Sagengefc^ic^te ber germa =
nifc^en unbromanifd)en 23ölter anf ünbigte.
(Es finb gan3 l)eterogene (Sebilbe, geitlid) unb örtlid),
entfte^ung6gefcf)id)tnd) unb poetifd) gleich meit oonein«
anber gefd)ieben, bie er l)ier unter bem 35egriffe ber
„Sage" sufammenfafet. 9^ur bie bequeme aItmobifd)e
^Terminologie ftellt aud) für uns I)eute nod) einen fd)ein=
baren 3"fo"^^ß"^ong 5mifc!)en il)nen bar, obfc^on mir
uns ja bes Slusbrucfes „©ötterfage'' mef)r unb mel)r ent^
möl)nt l)aben. gür Ul)Ianb eint fie fid) mit ^elbenfagen
unb Ortsfagen 5ur ©ruppe ber oom 23oIfe felbft gebicf)te*
ten ©rsäWungen, bie unmillfürlid) unb unfontroUierbar
il)ren Urfprung genommen unb il)ren 2Beg gemad)t ^aben
unb bie im ftärfften (Begenfafee ftet)en 3u ben Sichtungen,
benen ein ^.beftimmter, geftaltenber ©inaelmille jum
SBerben oerftolfen bat.
greilid) ift es nifl)t Ieid)t, bie n)al)re (Beftalt ber Sage
tennen ju lernen, ©s liegt ein 23crl)ängnis barin: In
bem Slugenbürfe, mo bie Sage i^rer freien, ungebunbenen
(Efiften3 beraubt mirb, ber 3^ieberfd)rift unb baburd) ber
erftarrenben SSereroigung anl)eimfällt, l)ört fie eigentlid)
auf, Sage gu fein, mirb ßiteratur! Ubianb fiel)t biefe
$d)mierig!eit mol)!, nimmt fie aber 3U Ieid)t. „ÜberoIIc''
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fo Dcrfünbet fetnc ©inlcttung, „muß unjcr SSeftreben ba*
f){n gcljeri; bie 6agc aus allen gormen, In bie fie ein*
gefangen ift, mieber frei unb flüffig gu mad)en, fie bem
ben)eglid)en (Elemente, in bem fie gemorben unb ge«
rt)arf)fen ift, gurücfäugeben." 2IIfo er möd)te oon ber Qu*
fölligteit ber Überlieferung freikommen, bie Sage t)on ber
Literatur Dödig ablöfen.
2Bobur(^ märe \ia5 allein möglief)? Surd) fc^örfftc,
tiefbol)renbfte ^ritit ber Überlieferung. Sebes 2Bort,
jeber Quq, ben bie 6d)riftbentmäler aufmeifen, mü^te mit
2Jli6trauen geprüft, auf feine 6agene(^tl)eit unb fein 2Ilter
peinlid)ft unterfud)t merben. 2)a0 ßiterarifci)e märe
Qd)\ii)t für S(i)\d)t abäutragen, nac^ bem Urgeftein in un*
Derbroffenem ©raben unb Sprengen ju mül)len, bis es
cnblid) gutage träte. Unb mir legen ben Ringer in bie
munbefte Stellung Don Ul)lanb5 6agenforfcl)ung, ja feines
gefamten miffenfd)aftli(i)en 2ßirfens, menn mir feftftellen
muffen, lia^ es il)m felbft an ber elementarften Duellen*
(ritif oöllig gebricl)t. ®r nimmt bie eingaben ber ßite*
raturmerfe als oollgültige Sagenseugniffe in gutem
©lauben l)in. „Sie 6age frei unb flüffig mad)en'' l)ei6t
i^m nur, ben ^nl)alt ber 6agenbenfmäler mit möglic^fter
Unterftreidiung bes ?Poetifd)en unb menft^lid) ßiebens*
töürbigen miebergeben.
9latürli(f) beeinträd)tigt biefer ^arbinalfel)ler ben
SBert feiner Stufftellungen fo fel)r, tia^ fie l)eute miffen*
fc^aftlid) fo gut mie nid)ts mel)r bebeuten tonnen. 5ßenn
man trofebem gerabe biefem ÄoUeg einen ftarten fort*
f(firittli(i)en 2ßert beilegen, ja 3ugefteJ)en mirb, tia^ es, aur
93eröffentlid)ung gelangt, l)ätte epocf)emad)enb mirfen
muffen, fo liegt barin feine Slnerfennung für Ul)lanb5
gorfd)erfpürfinn, fonbern für feinen ©ammelflei^. Gine
berartig grünbli(i)e unb erfc^öpfenbe 2Ineinanberreil)ung
oon 6agenquellen aller 2Irt mar etmas nod) ni(f)t IDage*
mefencs. 3n oterer ^tnftrf)t betritt man f)lcr oölllges S^lcu-
lanb, njcnn man Qi\x&^ nur gcrabc an ber ^üfte f)tnftrcld)t
unb nlct)t erfunbenb Ins innere oorbrtngt. S^amentÜd)
gilt \i^^ t)on 3U)ct ©ebieten, bie bamals f^on mcör unb
mcl)r in ben ajlittelpunft feiner ^ntereffen rüdten: bie
Ianbfd)aftlic^e ^^rofafage unb bie ooIfsUebmägige SSaHabe
fal)ren bei bem fünftigen Slutor ber 23olt5aeberabI)anb='
lung unb ber ,,6d)n)äbif(^en ©agenfunbc" am beften.
grei(id), Ul)Ianb molltc ni(f)t nur Sammler fein, unb
er \ii6Xit fid) gemig oon bem Urteil nid)t befriebigt ge*
aeigt, \iQiS^ fein 5)auptDerbienft in ber 2tnl)äufung oon
6toffmaffen beftel)e. ©r fül)tte fel)r mot)I aud) ben 2)rang
bes gorfd)en5 in fid), aber fein Streben ging nid)t nac^
(ritifcber Verlegung ber Sagenberic^te, fonbern nac^
Stusbeutung. 3m ^oüeg bot er basu erft taftenbe
Slnföfee. ©rft fein ,,9Jli}tl)U5 oon 3:i)or" foüte feine
9JletI)obe 3ur Entfaltung bringen. 9Bir merben fie alsbalb
an ber 5)anb biefer oier 3af)re jüngeren 9Jlonograp^ie 3u
ftubieren baben.
SIbermals ift il)m in ber SSorlefung oom 2Binter 1831
bis 1832 bas fo oer3eibncf)e 9Jli6gefd)i(f begegnet, \i^^ er
fid) bei ben 2Infangspartien all3u lange oermeilte, fo \i(x^
aus ber oerfprod)enen germanifd)en lebiglid) eine nor»
bifd)e 6agengefd)id)te mürbe. 2)a6 Ul)lanb5 Ontereffe oon
ber geliebten einl)eimifd)en 5)elbenfage einem anberen
3Jlittelpunfte 3uftrebte, mar nur eine fd)einbare Untreue;
bie gäben, bie oon jener 3U biefem füt)rten, mürben il)m
immer offenbarer. Unb ba3u gab er einer alten perfön*
lid)en 6d)mäd)e nad), menn ber 55emunberer ©ajos jefet,
nad) breigig Sauren, fid) mieber in bie norbifd)e S^lebel»
unb 5)elbenmelt oerfentte, um beren ^oefie nid)t mel)r
finblit^ nad)3uftammeln, fonbern oerftänbnisooU au53u=
beuten.
^ine möglid)ft getreue Übertragung ber feinem 5)örer
3Ußängad)cn Originale toax gcrabe l)ier unerläpd)e 2^or=
bebingung 3ur ©raielung bes beabficf)tigten poettfdien;
effeftes. 25eftanb bod) bas Kolleg mel)r als trgenbein
anberes aus 5nl)aIt5Überfid)ten. 5)ie 9^ad)er3äl)Iung ber
©Otter« unb 5)elbengefd)id)ten erfolgt in jener fd)Itd)t=
mürbigen Sorm, bie mir fd)on tennen. Sd)n)ieriger mar
bie 2Iufgabc gegenüber poetifd)en !DenfmäIern. Urlaub
mußte für feine 3ö)ecfe eine siemlic^e 3aW ci^t= unb neu*
norbifd)er @ebid)te übertragen. Streng funftmäßige
Überfefeungen finb es nid)t gemorben, mel)r forrefte ©in»
beutfd)ungen, benen feiten einmal ein gel)ler unterläuft.
21(5 g(ücflid)er QmproDifator \)at er, ol)ne oiel geile an3u=
menben, mand)er bänifd)en, fd[)mebifd)en unb normegtfd)en
SSallabe gu einem anfpred)enben beutftfien ©emanbte t)er=
Rolfen unb feine menigen SSorgönger nid)t feiten grünb»
lief) gefc^Iagen.
9n feinen Überzeugungen geftörft unb gefeftigt, tel)rtc
er im 6ommer 1832 gu ber beutfd)en Sagengefc^ic^te
3urü(f, bie nun mit ber romanifc^en 3ufammen ben 6toff
bc5 neuen ©emefters ausmachen foEte. 60 oorfic^tig er
aut^ einleitenb bie Qßugniffe für \ia5 altbeutf^e ^eibentum
3ufammenfte(It, fein ©lauben an bie el)emal5 3entrale
SSebeutüng Dbins {)at fid) in3mifd)en nod) oertieft. Seine
Stusfüljrungen überragen jefet an ÄIarI)eit unb (£infid)t bie
gmei Sal)re älteren ftellenmeife gan3 beträ^tlid). 2öie
üiele fiücfen unb aJlängel mären, nad) biefer ^robe 3U
fd)Iie6en, beI)oben morben, l)ätte er lia5 2tnfänger!oIIeg
auc^ nur ein ein3ige6 SUlal in feiner @efamtl)eit mieber=
l)oIen fönnen! greilid) 3eigt fid) an feiner aufs neue vex--
fod)tenen perfifd)=gotifd)en Sagentbeorie aud), \>a^ fein
Sd)arffinn, einmol in bie Srre geleitet, fid) immer tiefer
tjerftriden tonnte. — 2tud) bie nid)t3^tlifd)en ^elbenfagen,
bas l)ei6t bie fagenl)aften (Er3äI)Iungen aus bem fpäteren
beutfc^en Sölittelalter, merben biesmal eingel)enb ge^>
iDürbigt. 9n biefcm 9'lal)men bietet er eine SSorftubie 3U
feiner fpäteren, fälfd)lid) fogenannten „Qnauguralrebe''
Überbie6aget)omS)er3og©rnft,bie burd) bies
boppelte Durd)pf lügen bes Stoffes 3u einer f (einen aJleifter»»
leiftung Ijat tcerben fönnen. 6ie bietet eine benfbar flare
Verlegung unb Cntglieberung bes fd)einbar einl)eitlid)en
©agengebilbes in brei I)iftorifd)e ereignisrei()en. Die alte
ßiebe 3um 5)e(ben bes ein3ig gelungenen 33üf)nenn)er!es
roirfte nad), um aus ber etmas farblofen 6fi33e bes Kolleg»
()efte5 ein feingegliebertes unb lebensooUes ©anses 3u
mad)en, bas nod) l)eute feinen ooUen 2öert behauptet.
gertig gemorben ift UI)(anb aud) biesmal nid)t. Über*
all bot fid) if)m ^Jleues, Unerfd)(offenes, überall fammelte
ber afabemif(i)e fiel)rer 2Inregung unb aJlaterial 3u eigener
gelel)rter 2Beiterforfd)ung. Die Probleme bes ftoffreid)en
fagengefc^ic^tUc^en ÄoUegs fanben il)re für UI)Ianb be=
friebigenbe ßöfung erft 3u einer Q^xt, als er aus bem ße^r»
omte bereits ausgefd)ieben unb oöüig 5)err feiner Seit
geworben war.
eine S^itlang fd)eint er bamals in ber 6toffn)al)l ge»
fd)U)anft 3U l)aben, jagen mir fur3 3tt)ifd)en 5)elbenfage
unb 2ni)tI)ologie. 5öot)I finb es ,,6agenforfd)ungen'', bic
er in Singriff nimmt, aber in bem meiten 6inn, in bem
er bie aSorlefung dis ©agengefd)id)te beseic^net batte.
3n ben ^Jlittelpunft feiner Öntereffen ift bie norbif^e
©öttermelt gerüdt: mas in bem lefeten atabemifd)en
©emefter (Begenftanb feiner Darlegungen oom ^atl)eber
aus bätte merben follen, bas crfd)ien 1836 in ^ud)form:
„6agenforfd)ungen erftes 5)eft: Der 3Jl9tl)U6 oon
2; I) 0 r."
Unter allem, mas Ubtanb über 5!}lt)tl)oIogie öffent»
lief) geäußert l)at, tann man fid) biefer Sd)rift am meiften
freuen. Die einfd)Iägigen ^bfd)nitte bes ^oüegs oon
1832 finb nod) menig burc^gebilbet unb felbftänbig, ber
„mr)ti)us üon Obin" Ift beibes 3U fcf)r, oerfünftclt unb
cigeniüilllg. i) i c r fc^ircitet U^Ianb slelbctöugt unb ftd)er
meiter auf einem SBege, ben er, von unauoerläjfigen
gor{d)ern geleitet, t)ier 3a{)re früher nur fd)üd)tern ge»
freu3t l)atie. (Bx wiü bie norbifd)en 3)lgtl)en oon biejem
feinem ßieblingsgotte, bem !Donnerer, an ber SBurael
fdffen, fie ausbeuten. Das mar üon ben 93orgängern auf
mannigfache 2Beife t)erfud)t morben, 5um Xeil ettiifd), 3um
Xeil p^gfitalifd). Sflamentlid) I)atte man in hen altnorbi»
fc^en 3:i)or6fabeIn 6(i)ilberungen bes Kampfes gmifc^en
Sommer unb Sßinter gu fe^en geglaubt. Urlaubs ©r»
üärungsmeife ift enger als bie frül)erer gorfc^er; benn
er beutet nur pf)9fifalitc^, unb meiter, benn er erfcnnt
aud) in anberen als ja()re53eitlid)en S^aturoorgöngen bie
©runblage 3ur SlJlgtöenbilbung.
SBas ^ei^t bas nun aber „ Slusbeutung" unb fpe3leU
„pf)gfi!a(ifd)e Stusbeutung" ber 9Jlr)tl)en? 2Iurf) bem gut*
milligften Iaienl)aften ßefer pflegen fid) 9Jletl)obe unb
^Probleme bes 9Jlr)t!)U5 t)on X\)ov nad) Urlaubs fnappem
SBormort nid)t 3U crfcf)Iie6en. Unb bod) möd)te man
biefe 6d)rift über ben ^reis ber gadileute l)inau5 ocr«
breitet feben.
©er einfad)e, mit ber Statur lebenbe SJienfd) !ennt
!einc anberen 2BeItanf(f)auungsfragen als bie xi)m näd)ft«
Uegenben, eben gan3 natürlid)en: nad) 2Buc^6 unb SO^life»
mu(f)6, nad) groft unb 5)i6e, nad) 6turm unb ©tiUe, nad)
[Hegen unb 6onnenfd)ein. ^ennt er gute 2ßeltmäd)te, fo
muffen es bie il)m günftigen 5laturt)erl)ältniffc fein, bie
feine ^ruc^t reifen laffen, fein ^aus cor 6turm unb glut
fd)ü6en; mibrig finb i^im bie Gräfte, bie \\)m 9Bad)stum
unb Ieiblid)e 6id)er{)eit bebroI)en. ©ünftlg, mibrig, he--
fd)üfeen, bebro!)en — bamit ift fd)on au5gefprod)en, ha^
bie 3um Iogif(^en !Denten nod) nid)t entmideltc menfcf)Iid)e
SSorfteUung in biefen Gräften perfönlic^e SBefen fel)en
I
muß. Die älteftc ajl^t^ologie, bas Iel)rtc {d)on S)erbcr,
muß pcrfonifiaiert, bie ^Jiaturträttc belebt i)aben.
Die 9lorbIänber nun fannten (nad) Ublanbs 3Jlei*
nung) für alle il)nen günftigen unb l)eilfamen S^aturoor»
gänge nur eine DerantrDortlid)e, übernatürli^e 2Jlad)t:
ben grü^ial)r5' unb grud)tbarteit5gott X^or. ©r oer*
törpert \i^9> pofitioe, förbernbe Clement ber primitiven
norbif(i)en fiebensanjc^auung. 3^^ i^"^ b e t e t ber ßanb*
mann ni4)t nur um guten 2ßinb, um frucl)tbare ©emitter,
fonbern ber @ott i ft il)m ber marme 2ßinb unb \iQ.'ö er*
fri|cl)enbc ©emitter, ober beutlid)er, ber 2ßinb unb bas
©emitter finb il)m ein ©ott. Seine ©egner finb bie
mannigfachen W(x&iiz bes SSerberbens, bes raul)en gels«
gefteines, bes ©turmminbe», bes Sd)neegeftöber5, bes
oultani|d)en geuers, ber Sturmflut; alle biefe geinbe bes
gefunben gebeil)lic^en 2ßad)6tum5 pflegt fid) ber D^orb*
länber in !Riefengeftalt oorauftellen. 2lu5 ben kämpfen,
bie allJäljrUd) 5a)iict)en bem 8rud)tbar!eit5gott unb "^zw.
fd)limmen Elementen fid) abfpielen, l)at fic^ ein reici)es
m9tl)ologifd)es ©raäblgut entmictelt.
2ßiU man biefe norbifd)en Xl)or6mr)tl)en ergrünben,
fo muB man alfo ben ^roae^, ber 3U it)rer gan3 unge*
trollten unb unfünftlid)en 23ilbung 'geführt l)at, in um»
getel)rter golge burd)gel)en. 3)Zan mufe 5U bem jefet nur
noc^ in perfonifiaierter ©eftalt obiettioierten 93organge
bie natürliche ©runblage auffuct)en. 3u biefer 2lrt 2tu5*
legung ift nict)t in erfter fiinie ber ©elel)rte berufen, fon*
bem, ber fclbft in Silbern 3u fcl)auen unb 3U fprecl)en
pflegt, ber !Dict)ter. '^\6)i grübelnbcr SSerftanb, fonbern
anfct)auenbe ^bantof^^ ^Q"^ ^)i^^ allein \^txi rechten 2ßeg
finben. 5n biefer ©inficbt unb biefem SSermögen ift
Ublanb allen 9Jiitftreber:ben überlegen.
So mad)t fid) benn ber 2)id)ter Ublanb ans SBerf.
Stets l)atte er mit ber S^latur gelebt, jefet galt es noc^
tiefer in fie fid) 5U oerfenfen, fie gans mit ben 2Iugen bes
reinen S^aturfinbes 3U betracf)ten. 2Bir tonnen il)n auf
feinen Sßanberungen förmlid) öerfotgen, fönnen merfen,
mie feine (Babe 3u fc^auen, 3unimmt. (£r ftel)t bas
mogenbe golbene 5lornfeIb, \i^s enblid) ber Sichel an{)eim»
fällt, unb es n3irb i^m !lar, n)a5 es mit ben golbenen
i)aaren ber (Erbgöttin auf fi(^ ^at, bas Don böfen Si^ergen
abgefd)nitten mirb, aber mieber gum 2ißad)fen gebracht
merben tann. ©r fiel)t im frül)en 9Jlär3 einen oormifeigen
i5rud)t(eim bie 6pifee aus ber (Erbe fteden unb in ber
näd)ften 9^ac^t erfrieren; alsbalb gel)t il)m bie (Einfi^t
auf in bie fonberbare (Er3ät)(ung Don bem 3^^ öes Ör«
öanbil, ber fid) aus ber fc^üfeenben 5)üIIe f)erausn)agte
unb erfror. ®r fiel)t bie garte, taubefprengte 25lüte fid)
fd)üc^tern por bem ©onnenftral)! erfdiließen: fo belaufd)t
SSalber bie entfleibete hOi^zVi^t 9^ana.
2Iber nid)t fd)n)äbifd)er Srbe finb biefe 9Jlr)tt)enbitb*
ungen entfproffen, im l)ol)en Sterben, im raupen Sslanb
finb fie 3u ^aufe. Ul)Ianb fud)t bem gered)t gu merben.
(Er ftuSiert S^leifemerfe unb ßänberbefd)reibungen, er njitt
bie Statur mit \itXK STugen bes S^lorbmannes fe^en lernen.
6elbft bas norbifd)e 9Jleer mirb i^m lebenbig. (Er fiel)t
es im Sßinter 3U ©is erftarren unb öor ber ^raft 3^^ors
im Srül)ja()re mit lautem Ärad)e berften, unb t)erfte()t nun
erft bie gabel tjon bem ©isriefen unb feinem ^el(^e, ben
2:^or am 6d)äbel bes Unge{)euers 3erfpeIIen muß.
U()Ianbs anfd)auenbe gäl)igfeit triumpl)iert in allen
fed)3el)n (Bötterfabeln, bie er ausbeutet. 2Iber feine
alleinige Sßegmeiferin ift fie nid)t. (Es märe gefäl)rlid),
i^r blinblings 3u vertrauen. Sie 5Jlamenbeutung I)ilft
il)m oft erft auf bie red)te 6pur. Sßenn man meig, \so!^
Öroanbil „ber mit bem Pfeile anftrebenbe" I)ei6t, mirb
man ber Deutung um fo oertrauenscoUer begegnen, nac^
ber er ein bie 6pifee aus ber (Erbe ftecfenber grud)tfeim
ift; unb S^ana als !8Iüte erfd)cint um fo glaubl)after, toenn
man ben Dramen iljres SSaters, 9^ept, als ^nofpc ausgelegt
finbet: bie Änofpe als SSater ber SSIume! Ul)lanbs (Et^«
mologien finb bei mcitem md)t alle felbftänbig, aud) l)alt«
bar finb fie ntd)t burd)rr)eg. 2lber fie berul)en menigflens
alle auf foliber 6prad)!enntnis unb erfd)einen frei Don
ber ?pi)antaftif, bie anbere SJl^t^ologen 3u jeber '^txi bc=»
liebt Ijaben.
Desgleichen l)ütet er fid), ben fd)n)an!en 35oben ber
oergletd)enben (Bötterfunbe 3U betreten. Sf^ad) 2lnleil)en
aus ber 9Jlt)t^enlel)re frember SSölfer fal)nbet er nid)t,
trofebem bie pl)i}fifalifd)e Deutmeife oon ftaus aus ein
Äinb ber flaffifc^en Slltertumsmiffenfc^aft ift.
Das finb alfo lauter SSorjüge bes ^^SiJlgtljus oon Jl)or".
gügen mir l)in3U, \sq!^ ben einjelnen 2lbfd)nitten eine gc*
fällige IRunbung, bem ganjen ein mirffam anfteigenber
2lufbau oerliel)en ift, fo ift bamit ein meiteres 93erbienft
gerüljmt, unb es ift '^txi, bog mir uns aucft no^ bem
6d)atten umfel)en, ber bei fooiel ßid)t nid)t fel)len barf;
benn fonft fönnte ber moberne ßefer fid) oerfud)t fül)len,
mafegebenbe mr)tl)ologifd)e 35elel)rung aus bem 2Berfd)en
3U fdjöpfen.
er ^üte fid) baoorl Ser „SDl^tbus oon Xt)or" ift als
^robutt feines !Di(^ters nod) l)eute fd)äöbar, ben S^itQ^*
noffen erfd)ien er als miffenfd)aftlic^e ßeiftung oon JRangc,
mie bie 9^ad)folge gemid)tiger gorfd)er, ©imrods, 5Bein*
l)olb5, bemeift, bie bie pl)i)fifalifc^e Deutmeife ausbauten.
!rer ajletbobe Uljlanbs mirb man aber jefet Sut^^ouen unb
Suftimmung oerfagen.
3unäd)ft bie alte Mage: 2Bo bleibt.bie ^ritif? UI)lanb
ift nic^t imftanbe, fid) an bem poetifd)en ^Jlgt^engebilbe
au oergreifen. ^s bat burd) feine unbemußten fünftleri»
fd)en D^eiae für ibn ben 3mingenben Sauber ber (Ed)tl)eit
unb Urfprünglicbfeit. 60 bemüht er feinen 6d)arffinn
vinb feine 2Infd)auunö5gabe in ben 5)ienft Jpäter unb oiE«
(ürlid)er (Erbid)tung, bercn Unrt)ert er 3um Xeil rec^t löo^l
I)ätte erfennen tönnsn.
6obann: bas Sßefen eines ©ottes, bie maggcbenbe
2tnfd)auung, bie pon itjm im 93ol!e üorl)anben ift, !ann
nict)t aus berartigem (Befabel entnommen merben, in bem
er Dielleic^t urfprünglicö eine S^aturtraft vertritt. Slber
bas eigentlid) 3'leligion5gefd)icötlid)e, \i^<ö Sßefen unb bie
©runblage ber 23orfteIIung Don Xt)or unb (einer 25er»
el)rung bleiben für Ul)Ianb gans aus bem 6piele. 2)ie
mel)r Doltsfunblic^en Dinge, ^ultaltertümer unb ber*
gleid)en intereffieren il)n nid)t, fonbern nur bie oolfs'
poetifd)en ©rgeugniffe, bie er als zi\xiQ,<ö (Begebenes, ßefetes
unb Mafegebenbes anfiel)t.
6d)Iie6lic^: mie ftel)t es benn überl)aupt mit bem
©runbgebanfen, auf bem fid) alle Ul)tanbfd)e Deutung
aufbaut? Dag fic^ bie 2lnfc^auung bes 9^aturmen[(f)en
in fold)er 2ßeife DoIl3icl)t, tso^^ bie erfte 6prad)e bes
3Jlentd)en perfonifiäierenbe $oefie unb aJlr)tl)ologie ift,
bas moUen mir ^erber gerne einräumen. SIber ecf)t ro*
mantifc^ ift bie 3bee, biefen primitioen 90^enfd)en noc^ be»
Iaufd)en, bie unmill!ürlid)e Urpoefie nod) erl)afd)en 3U
moUen, fie fid) gar fd)riftlicö fixiert 3U benfenl Sa, einft,
'^^ \)qX man mol)l im 91orben unb anbermärts bas Dat)er»
rollen eines 2ßagens 3U pren geglaubt, menn ber
Donner tönte, man ^oX im roten 25liö ben feurigen ^art,
im einfd)(agenben 6tral)l einen 5)ammermurf gefel)en.
2lber bie Seit biefer tinblid)en 9^aturbetrad)tung mar
längft Dorbei, als man fo mo^lgcrunbete, feinausgebaute
märten« ober not)elIenl)afte ©ebilbe fd)uf, mie fie in ben
iefeigen norbifdien X^orsfabeln 3utage treten. Das ift
bemugtefte ^unft, feine unmillfürlidie, fimple 23oIts»
btd)tung, 3um Xeil bireftes ßiteraturmerf unb mit bem
Icbenbigen (Blauben bes gemeinen SfJlannes auger jebem
3ufommcnI)angc. 2)cr SSerfud) einer fonfequenten 2Iu5-
bcutung ift alfo oerlorene ßiebesmül), reiäoolles aber nufe-
lofes Spiel ber ©inbilbungsfraft.
U^Ianb tüurbe Dorl)in als 23ertreter ber pl)r)}i!alifc^en
2}let^obe be3eid)net. 60 gana au5fd)lie6lid) ift er \iQi<a nid)t.
Stüor 2;i)or erfd)eint il)m in erfter fiinie als 5Jlaturgott,
alfo it)irb mon feinen ^Jlgt^us im n)efentlid)en aus Statur*
bilbern aufamengefefet l)aben. 2lber es gab nod) anbers
geartete ©öttcr, benen eine anbere Domäne unb bamit
eine anbere 2lrt ber 2Jli)tl)enbiIbung äufiel.
Sieben ber „p^r)fifd)en" a}lr)tl)e tennen bie SSorgänger
eine ,,etl)ifd)e". 9^icf)t D^aturoorgänge, fonbern gciftige,
fpeaiell fittlid)e ©igenfd)aften raerben perfonifiaiert: fiofi
bie ßüge, Qöbr ber 5)a6 ufrt). U^lanb l)ält fid) oon biefer
2:i)eorie fern. (Er ftellt lebiglid) neben bie p^gfifc^e eine
neutral benannte „nid)tpl)gfifcl)e" 5D^etl)obe, bie er aud)
als bie ,,geiftige'' be3eid)net. ©s finb aber nid)t geiftige
®igenfd)aften, fonbern mcl)r 23orgänge, innerliche $ro»
aeffe, bie er l)ier fuc^t. (Ein Begleiter bes (Bottes Jl)or
trifft inmitten größter 6d)rec(niffe plöölict) feine SD^lutter
an. 2)a5 foU „bebeuten", ,i^o^ ber Ml)ne im 9fleid)c ber
(Befal)ren fid) Ijeimifd) fül)lt''.
ajlan fief)t, Ul)lanb betritt l)ier bie abfd)üffige 35al)n
ber Äünftelei. 3n ber (5d)rift oon 1836 ift bies nod) feiten
ber gall. Slbcr gleid) nad) beren SSoUenbung begann er
eine neue 9Jlonograpl)ie: ben 3)l9tl)us oon Dbin.
(Eine anbere aJlet^)obe foUte ba $lafe greifen; Obin ift fein
5laturgott, fonbern ber ®ott, ber Jeber 2Irt geiftigen
fiebens, jeber geiftigen !Hegung Slnftofe unb ßentung oer*
leil)t. ©ein 3)lQti)U5 tann fid) nid)t auf 9flaturanfd)auung
grünben, fonbern mufe geiftige SSorgängc perfonifigierenb
beleben. 3unäd)ft brad) Ul)lanb nad) ber Einleitung (xh.
(But Dielleid)t, '^o.^ er feine nod) rüflige Äraft einer
anberen Jätigfeit aumanbte, bie beren fo fel)r beburfte;
6d)neiber, Uljlanb. 23
bem ,M^tl)U5 t)on Obin" aber nld)t aum ^eilc, ba^ er,
oI)ncI)in 3u klügelet unb ©pifefinbigkeit anrelaenb, crft als
©rcijentDerf 3utage trat.
gür ben 2Binter 1832/33 mar eine 5BieberI)olung
bes S^tbelungenfollegs, für ben Sommer 1833 eine 23or»
lefung über norbifd)e 6agengejd)td)te in 2(u6fid)t ge=
nommen. SSeibe famen nidit mel)r 3uftanbe. 2)urd) eine
Qrontc bes Zufalls n)urbe bie Snauguralr^be' „Über bie
Sage üom ^eraog ©rnft'', bie nad) langer 23erfd)iebung
im ^erbft 1832 gehalten tüurbe, Ul)Ianbs 6(f)n)anengefang,
unb bie babei obligate aJlufif I)at \\)m „abgeblafen". Sie
,?PoIitif machte mieber il)re JRet^te geltenb unb ri^ il)n mit
unl)olber gauft aus ber geliebten Xötigfeit nic^t nur,
fonbern auc^ aus ber geliebten Stellung.
©s l)atte fid) in3rr)ifd)en ein etmas anberer politijc^er
2öinb in 2Eürttemberg erl)oben. Setlagte man in ben
amansiger 3al)ren allgemein bie fial)m^eit ber Kammer*
Derl)anblungen, bie Unluft ber Slbgeorbneten, bie Xeil=
nal)mslofigfeit ber breiteren (5d)id)ten, bie burd) 25elo^=
nungen ober ©trafen gur 2lusübung bes 2Bal)lred)ts ge=
nötigt u)orben maren, fo brachten 1830 bie 2öogen ber
Sulireoolution aud) in biefe Stagnation neue SSemegung.
greilid) übertrieb bie %ux(i)i ber (Bro6mad)tf abinette unb
bes SSunbestags geroaltig, menn fie in Württemberg ben
^ort gefäl)rlid)er reoolutionärer Umtriebe fal). 2lber ber
bemo!ratifd)e ßiberalismus fanb bod) an ber fran3öfifcf)en
35en)egung einen <Btab, an bem er fid) 3U bro^enber
friegeritd)er Haltung gegen Übergriffe oon 33unbestag unb
Surften aufrid)ten fonnte. Unb folc^e maren aud) in
SEBürttemberg 3u beflagen. 2)er freil)eitlid)e SBille, ben man
aus ^önig Bilbelms erftem Söirten 3ugunften ber 23er*
faffung l)erausgefpürt l)aite, mar nod) nid)t gan3 gefd)n)un»
ben; nod) immer mar fein felbftänbiger ßiberalismus ben
(Bro6mäd)ten ein Sorn im 2luge. 2lber äufeerlid) l)atte er
feinen gdeben mit ber S^ntralgetöalt gemad)t unb mugtc
fid) in feinem ßanbe jum 2öert3euge ber SSunbestags*
befd)Iüffe f)ergeben. 2)a6 foftete il)n jefet, nad) ben ©türm«
tagen oon 1830, meniger ©ntfagung als frül)er; benn aud)
er mar ja im ©runbe ber 3Jleinung, \i(x^ ben ©tänben unb
bem SSoIfe nur fo üiel Hinflug gebü{)re, als il)nen bie
fürftlicf)e (Bnabe 3ugeftel)en molle. 6d)ärfere5 2ln3iel)en
ber Sügel mar ifjm t^Oi^ mirffamfte TOttel gegen '^a<ö
neuerlid) beliebte ßöfen miber ben 6tad)el. So beant»
mortete er bie Srßi^)ßit5bemegung t)on 1830 mit eigen*
finnigem SSerfteifen auf bie fürftlid)en 3Jlad)tpriDiIegien,
3U benen in erfter fiinie bie Einberufung bes ßanbtages
geprte. SSis 3um äufeerften gefefelid) 3uläffigen Termine
fd)ob man biefe l)inau5.
2ll5 !De3ember 1831 bie 3öal)Ien enblid) au5gefd)rieben
mürben, ba braud)te man niemanben mel)r (m bie Urne
3U 3mingen. !Die Sufanimenfefeung bes ßanbtages fonnte
unmöglich nad) bem SBillen ber ^Regierung ausfallen. Die
älteren Häupter ber Oppofition, bie 2lltred)tler, bie im
fiaufe ber 3man3iger 3al)re beifeite getreten maren, er*
fd)einen jefet mieber auf bem ^lane; galt es bod), ber
neuen „retrograben'' Semegung entgegen3utreten, ber
man 1819 oor ben Äarlsbaber SSefc^lüffen nod) glüdlid)
bie fd)ärffte Spifee abgebrod)en l)atte. Ul)lanb unb Schott
liegen fid) mieber mahlen, Ul)lanb für bie ^{Qi\ii Stuttgart.
3l)nen gefeilte fid) 3uerft auf einer 2lrt liberalen Partei*
tags in '^a\i SSoU 2lpril 1832 eine 6d)ar junger gort*
fd)rittler 3U, bie auf gleid) oppofitionellem 3Soben ftanben,
menngleid) fic neumobifd)eren politifd)eren l^bealen l)ul*
bigten, bie oom guten alten 9'led)te meit ablagen.
2)er ajlann, ber alsbalb unter il)nen ben erften [Rang
einnel)men foUte, ftanb Ul)lanb trofe bes 2Iltersunter=
fd)iebes freunbfd)aftlid) nal)e unb mol)nte in jener Seit,
mie fd)on in feinen 6tubentenial)ren, gleid)fall5 in lü»
23*
bingen. $ a u I $ f 1 3 c r , ber ältere SSruber oon Ul)Ianbs
bid)tenbem Sd)üler, tft ärreifellos btc begabtefte politifc^e
?Pertönnd)feit 6übbeut(d)Ianb5 im 23ormär3 geiDe|en. ^wm
2)emagogen geeignet toor er freilid) ebenfornenig roie
U^lanb, felbft 3um SßortfüI)rer in ber Kammer fel)Ite es
il)m an äußeren aJlitteln. (5r mar in fid) geteert, oer»
|d)Iof{en, felbft fd)üc^tern unb trat nur mit Selbftüber*
minbung öffentlid) Ijeroor. „6eine greunbe miffen nid)t/'
berichtet ein SßUQc ö^r Äammeroerlianblungen, „ob fie
^aul ^fiser eine grofee 9lu^e, bie jebe Slppellation an bie
ßeibenfd)aft oermeibet, 3um 23ormurfe machen, ober fie
oIs 23or3ug rüljmen foHen. ©r fud)t nic^t I)in3urei6en,
ober 3u über3eugen". Cine Xotenftiüe pflegte einsutreten,
menn er bas SEort ergriff. 2)er mannigfod) bz%abiz junge
SD^ann — aud) als politifd)er Did)ter ^ai er fid) 3U tül)nem
6d)mung eri)oben — mar neben Uljtaab ber ungleich
feinere poIiiifd)e ^opf, es ftanb i^m ja aud) bie oiel grünb*
liefere ftaat5miffenfd)aftlid)e 21u5bilbung 3u ©ebote. Die
unerlö6Iid)e gäl)ig!eit bes ^olititers, fid) mit 'ütn je»
meiligen S^ttoerpltniffen absufinben unb mit il)ren feften
gaftoren 3U red)nen, \)(xii^ er oor Ul)lanb ooraus, neben
bcffen ()artnädiger unb oft ftarrfinniger ^onfequenj er
eine bemeglid)e gortfc^rittIid}teit an ben Xag legle; mie
er fid) auc^ gegenüber ber pl)r)fifd)en Unoermüftlic^feit
Urlaubs als 58ertreter eines jüngeren, nert)enfd)mäd)eren
(Befd)Ied)tes !unbgetan l)at, ben ^ränftid)teit an ber (Ent«
faltung all feiner ©aben I)inberte. Safe ber t)ier3el)n 5al)re
jüngere SD^ann mit Urlaub einen greunbfc^aftsbunb ein«
gel)en burfte, ift bas el)renDoIIfte Qeugnis für feine tßer*
fönlidifeit. Sal)relang finb bann bie beiben ^olitifer
tl)ren 2Beg gemeinfam gegangen, bis enblid) bie lange
beftel)enbe latente ^ife 3raif^en 2llt= unb Dfleuliberalis«
mus offen autage trat.
1831 l)atte ?Pfi3er ein auffel)enerregenbes 25ud) oer»
357
öffentlid), ha^ uns in fetner Sßeitermirtung bis auf bic
ad)tunbr)ier3iger Semegung I)in noc^ befd)äftigen roirb:
Seinen Sriefn)ed)fel ameier 2)eutfd)er. ©s
l)atte il)n fein 2Imt gefoftet unb aus einer oerI)ei6ungs»
Doüen ßaufbal)n I)inau5gefd)Ieubert. (£in smeites, gleid)
(üt)nes Stuftreten bes fonaeffionsfeinblic^en, fräftigen
^Politifers follte auc^ Uf)Ianb in beffen Sd)idfa( mit I)inein»
reißen.
2Im 15. Sonuar 1833 mar ber fianbtag enblicf) er*
öffnet morben. ^onfliftsftoffe toaren mit unb ol)ne Srf)ulb
ber ^Regierung reid)Iid) ange{)äuft. 93or allem fa^ bie
Oppofition in ben SSunbestagsatten oom I^uni bes Dorigen
3al)res einen unerträglid)en (Eingriff in il)re ^t6:)te. (Ein
2Iusf(J)u6 bes ?8unbes follte fid) üb ern)ad)ungsr ed)t über
bie lanbftänbifci)en 23 erl) anbiungen ber (Ein3elftaaten an»
maßen bürfen; bie Slarlsbaber 25efc^lüffe gegen ^reßfrei«
l)eit, politifcl)e5 93erfammlung6red)t, Unioerfitöten follten
perfd)ärft burd)gefül)rt merben, unb mas bes Unerträg"
li(!)en met)r mar. ^aul ^fiaer erl)ob in einer ,Moi\on"
pom gebruar mit Energie (Einfpruc^ bagegen, ba^ ber
mürttembcrgifcf)e ®cfanbte am SSunbestage fid) bem allem
gefügt f)abe: bie 6tänbe l)atten ba ein gemit^tiges 9öort
mit3ufpred)cnl 58egreiflid), ha^ bie ^Regierung in fold)er
gorm ni(f)t mit fid) reben ließ; unflug aber bei ber 3"'
fammenfe^ung bes ßanbtages, \)a^ fie an biefen bas
STnfinnen ftellte, bie ÜJlotion „mit oerbientem Unroillen ju
oermerfen". !Das brad)te oor allem ben alten SSertreter
ftönbifd)er STutorität, Ul)lanb, in 5)arnifd). (Er felbft oer«
ja^ie eine Slbreffe, in ber bie 5lammer biefen Eingriff in
i^r 25 eftimmungsr cd)t ablel)nte unb fid) auf ben 25oben ber
?Pfi3crfd)en ©rflärung ftellte. ©in fo miberfpenftiger
fianbtag mußte natürlid) aufgelöft merbcn; bas gefd)al)
am 22. IDlärj.
gttsbalb fanben IReuma^l^n ]tatt^ 2)ic ^Regierung
358
bef(f)ritt in jenen ^tnberial)ren bes Parlamentarismus
natürlid) alle SBege, um bie 2Bal)Ien nac^ il)rem 6innc
3U geftalten. SIber bie Oppofitionsl)äupter lll)Ianb, ^fiser
unb Srf)ott erl)ie(ten in i^ren 2Bal)lfreifen bod) mieberum
bie 9JleI)r^eit. 9^un griff man 3U anberen 3!JlitteIn, fic^
ber Unbequemen oielleid)! gu entlebigen. 3u bem vorigen
ßanbtage mar ben gemä^Iten 6taatsbeamten, barunter
and) UI)Ianb, o{)ne ^ebenfen ber nötige Urlaub erteilt
morben. liefet oermeigerte il)n bas 9Jlinifterium. Gs galt
alfo für Urlaub unb 6d)ott entmeber i^re ^mter nieber»
3ulegen ober auf il)re 9Jlanbate 3U rer3id)ten. ^n 2Ba{)r'
I)eit fonnte es aud) für einen 9J^ann t)on minber regem
poIitifd)em 9Serantmortlid)feit5gefül)l, als es U{)Ianb befag,
feine SQ3aI)I geben. 2Bie bitter mu6 es xl)m aber gemorben
fein, bie fd)öne ße{)rtätigteit auf3ugeben unb fid) mieber
mit ber brütfenben Saft ftänbifd)er @efd)äfte ab3ufd)l€ppen!
2Bir l)'6xen feine ^(age. 2Iber nod) nad) Dielen Sa{)ren
pflegte fid) eine fc^mer3lid)e SSitterfeit auf fein 2tngefid)t
3U legen, menn üon biefem fd)merften Opfer feines ßebens
bie S^ebe mar.
6ef)r gerne erflörte bie Dorgefefete 55e{)örbe bas
2lbfd)iebsgefud) bes mißliebigen ^rofeffors 3U gemä^ren.
Siefem migtönenben 6d)eibegru6 üon oben folgte ein I)ar=
mönifi^erer oon feiten ber i^m annertrauten afabemifd)en
5ugenb. 9^id)t nur, ha^ ^ermann £ur3 ein Xrauergebid)t
auf UI)Ianbs 9lücftritt t)om ßel)ramt anftimmte, bie ge=
famte Stubentenfc^aft, bie bie ^rönfung als (Bel)äffigfett
mitempfanb, befd^Ioß, \l)m eine ©enugtuung 3U bereiten,
fomeit es in if)ren ÜRitteln ftanb. Qmat ein geplantes
6tänbd)en mürbe oon ber ^oIi3ei unterbunben, aber eine
!Deputation üon 6tubenten, an beren ©pifee QeUex ftanb,
überreid)te UI)Ianb einen filbernen (E^renpofal im Söerte
oon 300 fl. 6tubenten aller ?Rid)tungen unb gafultöten
Ratten fid) an ber ©penbe beteiligt, Uf)Ianb fal), tia^ fein
SBirfen md)t ücrciebens gemefen mar. Stllerbings, um
ote (Baat, bie er ausgcmorfen \)aüe, au tüciterem @ebeil)en
3U bringen, l)'dtte e5 eines fofort 3u ernennenben ^ad)^
folgers beburft. UI)Ianb {elb[t bad)te an Sßil^elm Sßarfer«
nagel in SSafel. 6tott [einer fam nad) mel)rjäl)riger
23atan5 Heller in 53efife bes germaniftifc^en ßel)r[tut|le6,
^mar ein ©d)üler unb SSeriüanbter Ul)Ianbs, aber fein
ebenbürtiger ©rfafe.
Der 30^ut, mit bem bie 6tubenten fid) 3U bem (5d)ei=
benben befannt Ratten, mußte il)m n)ol)Itun. Denn mit
Ut)Ianb befreunbet ju fein ober it)m öffenllicf) gur Seite
3U treten mar in jenen OaI)ren in Sd)maben eine be=
benflid)e 6ad}e. 6opt)ie Sd)mab flagt einmal in einem
33rief an ferner, man muffe jefet {)unberttaufenb JRücf»
fiepten nel)men unb bürfte namentlich 3U feinem
„UI)Ianbeffen" pel)en, menn man fid) nid)t bie größten
Sormürfe 3U3iel)en moHe. Unb ber gute ^arl Tlavjev
fül)lte f^c^ gan3 befonbers burd) bie 5JliBIid)feiten bebrüdt,
bie einem 6taatsbiener jefet aus bem öffentlid)en ®in=
treten für UI)Ianb, ja nur aus ber XeilTta!)me an einer
ber 3af)treid)en ^arteifeiern 3U feinen ei)ren erniad)fen
fonnten. UI)Ianb fetbft fd)eint unter biefer SSerfebmung,
bie natürlid) feinen prioaten ^reunbesumgang nidit be»
f)eIIiote, am menigften gelitten 3U bctben. Die 6d)örfe,
mit ber man i{)m entgegentrat, ließ aud) bei if)m eine
fd)roffe (Energie erfteben, bie in oielen ö^fentlid)en SSer-
fammluncren il)ren STusbruct fanb. Über ein fotdies
,,Uf)Ianbeffen", bas im D^ooember 1834 ftattfanb, finb mir
befonbers gut unterriditet unb fennen bie fraft« unb töne«
reid)e 5Hebe, bie er babet gel)alten bat. (Er ließ fie au5=
flinaen in bie 6troüben feines meitblidenbften unb baf)er
meitmtrfenbften politifdien ßiebes, bas ben Slonfliftsta'^en
feine ®ntftef)una oerbanft: SBanberung. (Er fel)rt
überall im beutfd)en SSaterlanb ein unb finbet nur Stumpfe
\)z\i, Unfret{)eit, ^ned)te5finn; bie Hoffnung auf btc 3u»
fünft mag er aber nid)t laffen. ©inft toirb bas ^eil für
bie Deutfd)en fommen:
2Bol)I rrerb' icf)'5 ntd)t erleben,
2)od) an ber 6el)nfud)t 5)anb
2Il6 6d)atten nod) burc^f(f)rüeben
3Jlein freies 23aterlanb.
©5 finb ni(f)t, roie fpäter, etnaetne SSerfe ootl Unmuts, bie
?PoIitif unb (Begenmartsereigniffe begleiten. 6onbern
bas le^te große 9SaterIanbsgebi(i)t ift bie 55(üte eines neuen
Did)terfrül)tings, ben ber 6iebenunbDier3igjäI)rige erleben
burfte.
11. Ä a p i t c I
^unfttgrif unb Söolfslieb
UI)Ianb tft and) nad) ber SScrtrcibung Dom 2tmtc ber
SSaterftabt trcugeblteben; freiltd) Ijattc fie an traulid) f)ei«
mifd)cm 5Rei3e für tl)n eingebüßt. Sas ©Itembaus ftanb
Deröbet, 23ater unb ajluttcr roaren (urs I)tntereinanber gc«
ftorben, im ^weiten Oabre feiner afabemifd)en Xätigteit.
^n einseincn furj abgeriffenen aber aus ber 2^iefe fom«
^nenben unb tiefbringenben 6tropf)en l)at er i()rem STn»
beuten gebulbigt.
(Ein großer ©(^merj fönne i!)n mieber jum !Did)ter
mad)cn, fo I)atte er üor ;5a()ren fd)on gemeint. 23on ber
fanften, menngleicf) lang anbauernben 2:rauer um \)a5
(Erlöf^en ameier barmonifd) abgefd)Ioffener ßeben tonnte
foId)e ent3ünbenbc unb ermetfenbe Slraft nid)t au5ge()en.
60 ftebt man mieber oor einem JHötfel in ber tünftlerif d)en
(Entu)t(flung5gefd)id)te, menn man in jenen 3al)ren smet*
mal, ©nbe 1829 unb SJlitte 1834, ben mad)tr)oIIen Durd)«
bruc^ bes 6d)öpferbrange5 erlebt, ber eine rafd)e fjolge
oon !Di(^tungen seitigte. 3n menige 9}lonate brängt fid)
ieiüclls ble neue ^robuftionsfreubigteit jufammen, um
ebenfo fcf)nell 5u oerfiegen. (Es finb im gansen etwa 3mei
Dufeenb (3ebid)te, bie als foftbarc Sugabe in bie ^eix*
ouflaaen cingel)en burften.
(Einige oon ibncn, Sertran be 55orn, bie
Btbaffoobrücte, ber ©aller, bqf ®lücf
üon ®benl)an, bte nod) l)eute gu ben popuIär[ten ge=
f)ören, finb oon ber TOttüelt mit i^ubel begrübt lüorbcn.
!Die innere Sufammengeijörigteit aber biefer ©ebic{)t=
gruppe Don 1829 unb 1834, il)re tiefe SSebeutfamfeit, ber
in i{)nen 3utage tretenbe mächtige fünftlerifd)e gortfc^ritt
ift niemals genügenb erfannt unb gemürbigt morben; aut^
Don 9Totter nid)t, ber immerl)in einige als I)öd)fte 9SoIIen=
bung Uljlanbfdjer ^oefie preift.
2)as eigenartige !ünftlerifd)e $^änomen ift nid)i
fomol)! barin 3U |el)en, ha^ UI)Ianb narf) fo langer
5^aufe mieber ju birf)ten vermag unb feine ^unft
nxd)t eingeroftet erfd)eint, fonbern \ia% er ficf) fetbft
bas {jeigt feine eigenen früheren ßeiftungen, fo be=
beutenb übertrifft. (Bx fnüpft an bas (efete fru(f)tbare
Sal)r bes ß^rifers on, 1816, entmitfelt fid) aber nid)t ron
b i e f e m fünftlerifd)en 6tabium aus meiter, fonbern f) a t
fid) in3mifd)en fo fortentmicfeft, als märe oon 6tiIIftanb
unb !Jlu^e feine !Hebe gemefen. Der mal)re Sicf)ter ift eben
2)id)ter aud) menn er nid)t biegtet, es bid)tet I)eimüd)
in ibm.
6pärlid) finb freilid) bie gälle, in benen ein befonbers
(odenber 6toff bie lange ^aufe überlebt {)at: bem lanqe
ermogenen (Bebid)te rom SBanberer am 6trome, beffen
?pian er nod) t)or ben 5)örern bes ©tiliftifums lebenbig
erftel)en lägt, I)at auc^ bie 9^ad)blüte3eit teiber bie
SSoHenbung nid)t befcbert.
SSon ber f5rü{)3eitbid)tung bis etxüa 1805 fonnte ge*
facrt merben, tia^ fie nod) nic^t U{)Ianbifd) ift; t)on biefer
(Spätaeit gilt in mand)em (^inne bas Umgcfebrte, fie ift
es nit^t mef)r. STu^ fie meid)t üötlig ab t)on bem SSilbe,
bas man aus ber ^auptmaffe feiner ©ebid)te, üon 1805
bis 1816, ab3unet)men pflegt. 5tber 3U il)rem 5ßorteiI.
23on b i e f e n (Bebid)ten bätte G:!)amiffo [xd:)ev nid)t aefaqt,
ha^ feiner fi? Uä)i^ unb jeber fie lefe. Oene übereinfad)«
f)ett, jene fd)Itd)t populäre Stnnig!ett, ber SOlangel an
tiefgrünbigcn ©ebanfen unb aufn)ül)lenbem ©efü^I Ift jefet
be{)oben. ^atte UI)(anb bi5l)er übertüiegenb bem SSolfS'
liebe nac^gefungen, fo ift er jefet gum ausgefproc^enen
^unfllt)rifer gemorben, ber eigenfte Jone finbet.
5n formaler ^infidjt mad)t fi d)ba5 mel)r negatit) be«
merfbar. SDlit t)erfd)U)inbenben 2tu6na!)men ift fprad)Iid)e
2IItertümeIei üermieben. (Bs erfd)einen felbftänbige, 3um
2^eil oertDitfelte ©trop^engebilbe, aber romantifd)en SSers»
fünfteleien ift ber 2lbtd)ieb gegeben. 2Bo fid) in biefer
feingeglätteten unb n)oI)nautenben 2)id)tung fprad)Iict)e
3Sefonberl)eiten finben, \)a laffen fie ficf) gan3 inbioibuell an.
©pärlicf) finb fie oerftreut, ber poetifd)e Stltersftil ift in
if)nen nid)t gan3 3ur JHeife gelangt, ber fid) bei ftärferer
^Betätigung oielleic^t bem @oet{)efd)en nic^t unä{)nli(^ ent^
micfelt l)ätiz. 2In Stelle ber frül)eren mafferflaren ©gntaf
tritt jefet bismeilen ein fd)n)ierige6 ©a^gebäube, fo 3u
Stnfang oon 3Bein unb 5Srot ober in ber smeiten
6tropl)e bes 5DI o l) n s. ^ü{)ne Sßortn)af)[en, ^ufammen*
fefeungen unb Äonftruftionen mögen l)ier unb ha auffallen:
ber morgenrote 6d)ein; bes Ölbaums 6d)Iummerfd)atten;
ber SSerftürmte; ber ßinbe Düftern. Sem ftillen ©afte 3al)m;
bem ©otte 3ittern; bu tommft mir, ein (Berufner ufm.
I}aB einfad)e SBort ftel)t ftatt bes 3ufammengefefeten:
rül)rcn für berül)ren, fid) l)eben für ergeben, freien für
befreien.
SBeit tiefer greifen Steuerungen, bie über tias formale
(Bebiet I)inau6gel)en. !Reue ;5nl)alte finb menige erfd)toffen,
n)of)I aber neue (Befü{)lsn)elten unb Stimmungen. Unb
Dor allem l)ai fid) eine gan3 neue STrt bid)terifd)en
6d)auen5 aufgetan. Urlaub tut nic^t mef)r bie f)ellen
n)irflid)feit5fid)eren 5SIirfe in bie SBelt unb liefert aud) nid)t
mel)r jene allen oerftänbIid)e unb alle gemütooll oermanbt
anmutenbe S5eleud)tung bes eigenen 5nneren. J^iefe unb
364
manrf)mal faft !DunfeIf)ctt ift biefen ®ebid)tcn eigen. 2)ie
23erinnernd)ung ift nid)t 2öeltflud)t, bcr el)emaUge roarm«
I)er3ige Sflaturfrcunb unb S^aturmaler oerfinft nid)t in
blaffe Ungegenftänbn(})feit. Sm ©egenteil, fein 6el)en
unb i)ören l)at fid) ftarf cerfcinert, feine greube an ^lang
unb Sarbe gumal gibt fid) meit plaftifd^er funb als el)ebem.
2)05 lange S^it fo eintönige Kolorit ift burd) lebenbige
garbenfülle oerbrängt. 9öie I)errlid) malt ber SB a tl c r
bie roei^felDotlen 6piele ber 6ommerabenbbeIeud)tung!
Sntenfiofte garbenmirtung gel)t aud) üon ber 93allabe
©er ®raf oon (Breiers aus, unb raer V e r
8 a c r u m tennt, mirb ftets bie 93orfteIIung bes t)eneud)''
tcnben grüf)Ungtages mit biefem ©ebic^te oerbinben, (Ein
ftartes Stimmungsmoment liegt in bem purpurroten
©lanse, ber fid) nac^ bem fJüUen bes ^riftallglafes im
(Blüd üon (Ebenl)an oerbreitet. Qier gefeilt fid)
ber optifd)en SBirfung bie afuftifd)e bei: ber munberfame
6d)atl, ben bas SanbexQtyd^ beim SInftogen oon fid)
gibt, mirb Dom leifen Sllingen bis jum bonnernben ^aöe
tonmalenb rerfolgt. !Die feinere ©enfibilität UI)Ianbs auc^
für lonmirtungen bejeugen eine 5HeiI)e oon ®ebit^tcn.
!Das 6 1 n g e n t a I ift auf ben Slontraft bes frieblid) ftillen
3)läbd)engefanges 3u bem milben l^agbgetöfe aufgebaut,
ein flanglit^ abgetöntes 6timmungsbilb eröffnet bie
Sibaffoabrüde:
grieblid) raufd)t bie SSibaffoa
3u ber i)erbe ©lodenflang,
SIber im ©ebirgc bröl)net .
5tnall auf 5lnaII ben Xaq entlang.
$cine f)ai eine ä{)nlid)e ®ntn)icflung burd)gemad)t; aud)
bei ll)m glül)t unb blü!)t in ber 6pätbid)tung, bem 9lo«
mansero, alles in ben Ieud)tenbften färben, aud) er bietet
eine unerl)ört rei^e ?f ola pon 3:önen unb (3eröufd)en auf,
Slber bei tf)m fül)rt biefc güllc 3ur (BreIIl)cit, jur gemolltcn
Disharmonie, mä^renb U^lanb alles in ben Sienft %t*
fteigertcr unb ^armonifc^er Stimmung ftellt.
2Iud) Ul)lanb l^ai einmal eine ^eriobe gel)abt mo er,
nac^ feinem eigenen tabelnben 2ßort, fein 3erriffenes 5)er3
ausfd)üe6lid) betrad)tete. (Ban^ anbers jefet; mo er ins
eigene innere Ijinobfteigt, t^a jeigt er fid) oor allem be»
fd)öfligt mit einem Probleme, bas aud) uns angefid)ts
feiner Sllterspoefie am näd)ften liegt: mit bem 23erftummen
unb 2öieberaufleben feiner !Did)tung. 2)a fief)t man,
mie tief iljn bie ncugemonnene ^unft aufmül)lte. Sn
immer neuen Silbern Deranfd^aulid)t er fie. 6ein ßieb
Ift bie 5rül)lingslerci)e, bie il)m in ber Sruft 3n)itfd)ert,
es ift ber DJlaitau, ber alles SBerbcn unb (Bebeil)en be*
fruchtet, es ift ber 3Jlol)n, ber il)n in gel)eimnist)ollen
2)ämmer3uftanb oerfefet. 2)er Prolog 3um 9)1 e r l i n
fd)lägt bie SSrücfe oon ber 2Biffenfd)aft 3ur ^oefie, unb im
SH e i f e n 3eigt er, mie feft er nad) mie oor trofe aller
neuen 5mpulfe mit bem i)eimatboben bic^terifc^ oer«
n)ad)fen ift. 35rid)t in einigen ßiebern bie l)armlofe
greube am neuen bid}terifd)en können l)erDor, fo tönt aus
anberen ein inbrünftiges glel)en, bas ben nal)en 23erluft
bes taum errungenen ©utes fd)on i)orau5al)nt:
0 9Jlol)n ber !Did)tung, n)el)e ums ^aupt mir immerbarl
2)as 2Befen ber ^foefie, bie 9Jlad)t bes ©efanges ift mieber
mannigfad)er ©egenftanb Don ?8allaben. 2Iud) beren
2Befen \^ai fic^ gegen frül)er gemanbelt, mit 9'led)t l)at man
Don lr)rifd)cn ?8allaben flefprod)en, unb biefer CDl)arafter
mirb nic^t nur baburd) l)erDorgebrac^t, bog an Stelle ber
fräftig gefül)rten epifd)en ^anblungsreil)e l)äufig bas
bloge Stimmungsbilb tritt, fonbern ber (Begenfafe 3U
frül)er beftel)t oor allem barin, t^a^ bas fubjettioe njloment
mieber oiel ftörter 3um 2lusbrut!e tommt. Das ift aber fein
JHüdfall in bie leibige 9Jianier ber ^txi oor 1808, objeftioe
366
unb fubjeftioe 2)id)tung finb für Ul)Ianb feine 2Intitl)efen
meljr. 2)ie perfönlid)e (Sinfleibung bes S!Jl e r I i n ftört ben
epifrf)en ei)arafter ber eigentlichen er3ä{)lung nid)t, unb
menn ber 2)id)ter angibt, bie Ulme 3u Qirfau felbft
gefel)en 3u Ijaben, jo bient \)a5 nur 3ur ern)ünfd)ten 93er^
lebenbigung. 2Jlinber geglücft ift bie einfül)rung ber
eigenen 5^er{on in ber ol)nel)in fd)U)äd)lic^en unb lang=
atmigen SSallabe 2^ e I ( 5 2^ 0 b.
SSormürfe, bie 3ur Se{)anblung in epifd)em 9lad)ein=
anber auf3uforbern fc^einen, merben nunmehr 3U 6itu=
ationsgemälben 3ufommengerücft: fo bie ^ i b a f f 0 a =
b r ü et e unb felbft S e r t r a n b e 58 0 r n , ber als blofee
9lebef3ene angelegt ift unb bie r)erfd)lungenen f)iftorifd)en
(Ereigniffe in bie gorm eines fnappen S^üdblitfes preßt.
(Berabe biefe pielleid)t berül)mtefte 58aUabe Urlaubs 3eigt
Jben neuen ©eift: an (Stelle ber lebhaften äußeren 5)anb»
lung ift ha5 innere ©rlebnis getreten, ber (Einbrucf ber
^erfönlitf)feit bes ©ängers auf ben ^önig, ber mit
fuggeftioer ^raft aus feinen Sieben auc^ auf uns über=
ge^en foU, ift ©egenftanb ber 58allabe; nid)t äußeres
5)id)terfd)i(ffal, mie in bem :S^Uu5 ber ©ängerliebe,
fonbern innere 2)id)tergröße. ^m 2Ö a 1 1 e r öollenbs er=
reid)t bie 23erinnerlicl)ung il)ren ©ipfel. 2)ie tiefe 35e=
beutung ber feelifc^en ©rlöfung biefes SBüßers roirb gerabe
baburd) illuftriert, ha^ äußerlid) gar nichts oor fid) gel)t,
ha^ bem toten fieibe nid)t einmal burd) ein billiges
2Jlira!el bie Süffeln abfallen. 2Iucf) ber (Sraf
pon ©reiers geminnt feine ^auptmirfung burd) bie
innere golge, burd) bie 3^aft= unb grieblofigfeit bes
9Jlannes, bie fo milb bemegtem äußerem @efd)el)en ent«
fprungen ift.
2)ie Zan^mut, eine befonbere 2Irt patl)ologif(^er 23er=
3Üctung, bringt eine ftofflid)e 35ereid)erung. ®s finb
überl)aupt nid)t mel)r fo einfad)e allgemein menfd)lid)e
(BefüI)Ie unb ßeibenfc^aften, mit benen es UI)Ianb Jefet 3U
tun \^qX. 2(ud) übernatürlid)e (Elemente, bte |onft aus bem
flaren 2:age5lid)te fetner 58allabe oerbannt maren unb
nur in bie 6d)auerroman3e grotesfe 6d)atten gemorfen
l)atten, merben il)m nun oertrauter. ©c^on 1823 I)at er
bie Ü b e r f a I) r t über ben S^etfarftrom mit smei
«G^iftigen Staturen", ben 6d)atten 2)a{)inge{c^iebener, au5=
gefül)rt. Sefet lä^t er im 2Ibenbtan3 eine ^Eote beut=
lieber 3u gefpenftigem ßeben erfte^en unb füF)rt aud) fonft
ol)ne foId)e beftimmte 2;räger bes 2)lr)t^ifd)en in eine jen»
feitö ber 6innenfpl)äre gelegene 2BeIt ein. Sag i()m bie
alte ßaune babei aud) nod) 3u @ebote ftel)t, bas 3eigt bie
auf ferner gemün3te, mein* unb farbenfrol)e 23ifion ber
(Beiftertelter unb bie l)umoriftifc^e Slusmalung bes
2BafferDÖlfd)en5 unb feines Treibens imSSerfunfenen
Ä 1 0 ft e r.
Die meiften Ul)Ianbfd)en @ebicf)te oon 1829 unb 1834
finb aber mr)tl)ifd) in einem anberen unb tieferen SSer«
ftanbe. '^\)x 6d)öpfer felbft mürbe fie fo genannt I)aben,
genau mie er Don je^t an \^Qi^ ,,9Jl9tl)ifd)e" in ber ec^teften
frül)en SSoIfspoefie unb 6agenbilbung 3um Qauptprin3ip
crl)ob. !Durd) bas Clement, '^Oi^ö er nun aus aller 93or=
3eitbid)tung mit fooiel 6d)arffinne l)erau53uanalr)fieren
fud)t, ift auc^ in feine ^oefie eine neue D^ote gefommen.
Das ©r)mbolifrf)e ift in il)r 3um Siege gelangt. 3Jlan barf
I)ier feine bemufete, Dielleid)t gar lel)rl)afte Befolgung eines
^^rogrammmortes mutmaßen. Urlaubs !ünftlerifd)e G^mp-
finbung5= unb 2lnfd)auungsmeife muß fid) in bem 6inne
gemanbelt l)aben, \io.^ il)m eine allegorifc^e 23erl)üllung
bes ©ebantens unb @efül)le5 natürliches Sebürfnis ge-
morben mar, unb oI)ne fic^ bes 3ufammenl)anges flar
bemußt 3U fein, I)at er bann als ßiterar{)iftori!er unb
Sagenforfc^er ben Did)tern ber SSorseit bas gleid)e in«
ftinftioe Sßebürfnis unterlegt.
Die ©egcnftänbe unb SBorgänge bcr Statur rocrben
il)m 5u (binnbiiuern l)u^eren 6etn5, bie @e[ct)el)nifje bcr
Jßergangcn^eit, bie er epijd) oorfü^rt, gerüinnen il)m eine
tiefere SSebeutung. 2)aburc^ erl)Qlten |o oiele feiner fpäten
@ebid)te \itn ©^aratter bes feierlid) er()abenen; fie ftel)en
über ber SBelt, fel)en in allem ä^ er g an glichen nur ein
©leid)ni5 unb fürcl)ten bal)er aud) nid)t Xob unb 23er=
nid)tung.
2)em 3Jlt)tl)ologen U()lanb mar ^erfonififation ber
crfte ©c^ritt 3ur ausgebilbeten Slllegorie; er oerröirft fie
im 3}lt)tl)U5 Don %\)ox als unpoetifd), unb fo ift aud) ber
2)ic^ter bei il)r nur einmal fteljen geblieben, in bem fleinen
®ebid)te ©ein unb 25 r o t , mo bie Statur unter bem
anmutenben SSilbe einer rüftig l)au5l)älterifc^en SBirtin
crfdjeint, bie, menn fie ben 2Bein aufträgt, für bas 95rot
auf bem ^ifd)e fd)on geforgt \)ai. 9Jlan fann beobad)ten,
mie ftd) ber 2)id)ter allmäl)lid) in ben Symbolismus ^|in*
einarbeitet, il)n immer ooUenbeter gur gorm merben lägt,
^rimitiu fteEt ein unbetiteltes @ebicl)td)en Don 1829 (?)
nod) bem natürlid)en 23organg fein geiftiges Sßiberfpiel
einfach 5ur 6eite: !Der Tannenbaum uor Ut)lanb5 genfter
raufest in 2Einb unb Stiegen am lauteften, fo tönt aud) bie
©aite in bes 2)id)ter5 25ruft am oollften, menn es ftürmt.
2)ie bloge Sinologie als 23orftufe ber SlUegorie, bie fid)
balb in ooUenbeter ^orm einftellt. Die tiefften (Bebid)te
finb es ol)ne 3tt)eifel, in benen bie gäben 3mifd)en bem
natürlid)en unb geiftigen (Befc^e^en nid)t birett gesogen
merben. Sn ber U l m e 5 u 5) i r f a u mirb es offen aus=
gefprod)en, \iCi^ ber aus bem Stein ans ßid)t ftrebenbe
SSaum ein Sinnbilb bes alle 5)inberniffe überminbenben
geiftigen greil)eitsbrange5, ber D^eformation fpegiell, bar»
ftellen foU. 5m 9Jlünfter aber mirb einfach ergä^lt,
bog (Soetl)e burd) feinen 2Jlei6ell)ieb ben 23au bes 9Jlün*
fters in feine Xiefen l^ahz erbeben laffen, unb nic^t bie
naf)eliegenbc STusIegung beigefügt, \^Qi^ er fo burd) fein
6rf)affen \i^^ ©ebäube ber beutfd)en ^unft bis in bie gun*
bamente burd)fd)ütterte. Ul)Ianb ift fic^ flar barüber, bafj
\iQi^ ^ublifum biöiüeilen |oId)er Sluslegung bebarf, njenn
ein @ebid)t in bie SSreite rüirten |olI. !De5l)a(b l)at er in
ber am meiften populär geworbenen 35allabe bie|er
6pl)äre, bem @Iüct oon (Eben^jall, mit oerftim«
menber !Deutlid)feit fogar eine 3rx)eifad)e (Erläuterung er-
teilt: '^Qi<ö (Blasgefä^ ift \iQi^ 6r)mbol bes (Blücfes oon
Cbenljall, 3ugleid) aber aud) bes 5crbrec^Iic^en (Erben*
glanäes unb ^glücfes überljaupt, mos ber ^aftellan dm
6d)luffe bes ©ebidjtes aud) bem ftumpfeften fiefer flar
mad)en mirb.
^ünftlerifd) geredjtfertigter ift bie ausfül)rlid)e ©r«
flörung am ©djluffe bes SUl o l) n s , ber trofebem moI)l
bas tieffinnigfte aller U!)Ianbfd)en (Bebid)te barftedt. C^r
ruft 6timmungen mac^, bie bem jungen IHomantifer,
bem SSerfaffer bes erften '^(x&i'CoXdiit^, nal)elagen. (Ein
SBort aus biefem fönnte man als 3Jiotto,unfert5 ©ebid)te3
be3eid)nen: ,,3Jlein fieben mar ein Iraum, nun fei ein
Iraum mein fieben/' ©er fd)öne SSergleid) bes mirtlid)«
feitsentrüdten Jraumbafeins bes ed)ten ?Poeten mit bem
irren ©mpfinben eines 9Jlol)nbuf tb er auf d)ten mußte not«
menbig ausgefprod)en merben, follte bas (Bebid)t über«
l)aupt oerflänblic^ merben. Urlaub fnüpft l)ier an einen
iljm oon ferner 3ugetragenen SSolfsglauben an; fo \)qX er
aud) fonft gerne in biefen (Bebic^ten einen el)rfürc^tigen
SSIid in bie tiefen ^Regungen bes SSoItsgemütes getoorfen
(SBaller, 55ibaffoabrüde) unb il)nen finnoolle 2tuslegung
3uteil merben laffen, fo im ajl a i e n.t a u , im ^ o l) a n »
n c 5 f e g c n. V e r s a c r u m , ber oiel ftubierten
(Ireu3erfd)en 9D^t)tl)oIogie unb Spmbolit entnommen, \io!i
erft burd) Ul)Ianb einen ft)mboIifd)en (Behalt empfangen:
(Es ift aud) ein 5BeiI)efrüI)ling, menn man fein fieben im
6(t)nciber, U^Ianb 24
2)ienftc bcr Slrbeit, ntd)t in unfrud)tbarem Xobestüillen,
einer ^oljen 3bee barbringt.
!Diefe fpöten 5)id)tungen UI)tanb0 ne{)men n)oI)l com
5rbifd)en unb ©^eifbaren il)ren Stusgang, fteigen aber
dsbalb in I)öl)ere 6p^ären empor. 6ie finb ©ebanfen«
Igrif, freilid) nid)t in ber SBeife 6d)iIIer5, bie er noc^ genau
mie oor breifeig 3al)ren 3U mi6ad)ten fc^eint. Sas reine
?pi)iIo|opI)em barf nie 3utage treten, es bebarf ber pl)r)«
fif(f)en ©infleibung, ber alIegorifd)en Uml)üllung, unb für
bieje bietet fid) aufeer SSoraeitereigniffen immer nod) om
beften bie Ul)Ianb umgebenbe 5Jlatur bar. 2Benn man \^^?>
bei einigen @ebid)ten fo ameifellos feftgeftellt ^^oX, fo mirb
man fid) baoor gemarnt fül)Ien, aud) bie anberen allgu
I)armIo5 3U betrad)ten. 3n ber Xat ift faft allen Ir)ri}d)en
Stüden ber 6pät3eit ein Jold) gel)eimer 6inn 3u unter«
legen, fie mollen nid)t fd)Iid)t ()ingenommen, fonbern aus»
gebeutet fein. 2)er ©pürfinn, ben Ut)Ianb als @e(el)rter
ben 23or3eitmr)t{)en gegenüber untriftig bemü()t \)oi, mirb
bei it)m felbft beffere Srüc^te tragen.
2Benn er in ber 6 o n n e n u) e n b e oon ber ßerd)e
fprid)t, bie nod) fd)neE gen ^immel auffteigt, um einen
legten 6tral)I bes fiid)te5 3u er{)afd)en, fo meint er bamit
feine ?Poefie, bie an ber S'leige bes ßebens 3um 2IIter nod)
einen fd)nellen giug magt. 3m S i d) t e r f e g e n \^^i er
in ein Iänblid)es Slrbeitsbilb ben ©ebanfen eingefleibet,
tio!^ fein neuermad)te5 I^rifc^es 6d)affen gegenüber ber
iüiffenfc^aftlid)en 5)auptbetätigung nur bie SSebeutung oon
ein paar bunten 6ommerblumen im oollbefefeten ^{)ren-
felbe beanfpruc^cn bürfe. 2)ie SJl a l o e enblid) bilbet eine
%xi meIand)oIifc^ refignierten Slustlanges: 3I)r gleid)t
feine ^oefie, bie feinen neuen gi^ül)ling fünbet, fonbern
eine fanfte trauerbunfle i^erbftpflanse ift. 9Jlan mirb
n)eitergel)en unb auc^ ben SSallaben tiefere ©ebanfen o^^
Iaufd)en tonnen. Sas 6 i n g e n t a I feiert ben 6ieg ber
?Poefic Über bie rol)e UnfuUur, ber©raft)on@reicr5
fennseic^net ben Sui^nin^^nbrud) einer ^oetennatur, bie
fid) in ben überpl)antafli[d)en S^leigen aügeUofer JRomantif
oerftricten lögt.
Sßie lll)lanb in feinen gelel)rten 25ücf)ern unb SSor*
trägen nid)t mübe mirb, in immer neuen fd)ön gefd)auten
58ilbern bas 2ßefen ber ^oefie 3u beleurf)ten, fo aud) I)ier
in ben @ebid)ten. 2(ber aud) ber oater(änbifd)e (Bebanfe
fommt aufs neue 3u feinem 9'led)te, nid)t nur in ber
fel)r reoliftifc^en, menngleic^ menig mirdic^feits f r o I) e n
Söanberung, fonbern aud) in @ebid)ten bes neuen
©tilg, ©rgreifenb ift bie mortlofe ^lage um bie oergeffenc
^errlid)teit bes !Deutfd)en !Reid)e5 in ber 23 e r I o r e n e n
51 r 0 n e , bie unbeachtet unb allen unbemugt irgenbmo in
ber 2:iefe fc^lummert. Sie @Iocfenl)öl)Ie ftimmt ein
Irauergeläute um \i^^ verlorene 23aterlanb an.
Siefe beiben @ebid)te rücfen in ber Sammlung nid)t
umfonft in unmittelbare ^Jlac^barfc^aft ber Verlorenen
^ird)e. Senn biefes geiftooU innige ©ebid)t gibt meit
mel)r benn ber 2^raum unb ^sOi^ 9Jlärd)en als faft einsiges
ber frül)eren 3cit einen beutlid)en 23orflang ber fgmbO'
Iifd)en Did)tung. 9Bie bie oerfunfene Ärone ift es Don
einer SSoltsfage ausgegangen, bie tieffinnig ausgebeutet
mirb. ©erabe I)ier ift ber 3ufammcnl)ang mit bem miffen»
fd)aftlid)en Renten bes 2)id)ters am beutlid)ften. STus ber
Slllegorifierung eines religiöfen ©ebantens, mie er fie l)icr
felbft liefert, l)at er in ben SSorlefungen bie entfte{)ung ber
gansen Sage oom 5)eiligen ®ral abgeleitet. !Dem gor»
fd)er ift biefe 9Hetl)obe bes nid)t STus», fonbern Unterlegens
alsbalb 5um 9^ad)teile gemorben, ber !Did)ter aber I)at buri^
ben Symbolismus, ber feiner Sllterspoefie ben Stempel
oufbrücft, reid)fte 58efrud)tung, Belebung unb SSertiefung
erfabren.
„W\x ift mie bem 2öeib, bas feinen (5rofd)en funbcn
24*
\)qX\ \6) möd)te bie ^ox\iz Sßelt 3ufammenrufen, \io5^ bas
eis bei bem lieben ajleifter enblid) mieber gebrochen iftl"
60 ruft Sd)iDab angefid)t5 ber S^ac^blüte oon 1834 aus,
unb Xaufenbe teilten biefe greube. Ul)lanb mirb roieber
Don ben i^erausgebern ber Sllmanacfte beftürmt, bis fie
einlegen, \iOi^ mit allem glet)en nid)ts oon il)m ju erpreffen
ift, unb \i^^ bie ©isrinbe fic^ alsbalb mieber getd)loffen
\)Qi. 2In ermunternben Surufen \)qX es ja^re= unb iat)r»
3el)ntelang nid)t gefehlt. „2)u felber bift ber ^elb i)ara(b"
— fo fnüpft ber fc^rt)äbifd)e ^albpoet Qo^annes ©d)err
an Ul)(anb5 eigene SSallabe ein ma^nenbes „SBoc^ auf!"
Unb ^eine \)qX il)m in feiner 2ßeife 3rDölf ^rüge Seiblifeer
2öaffer oerorbnet, um bie ,,ja^relange 6angesDerftopfung''
3u begeben. Slber töeber Sitte, nod) 9Jlaf)nung, nod) 5)o^n
fruchteten ferner.
M biefe bröngenben unb ermunternben Stimmen
mußten il)m aber lefeten (Snbes nid)t 3ur ßaft, fonbern jur
greube gereid)en; fal) er bod), mie tief er fid) in bie i)er3en
l)ineingefungen \)oXit. 5m vierten 3a{)r3el)nt ift er bas
unumftrittene 5)aupt ber beutfd)en ßprüer, ber „(Broß*
bid)ter", mie it)n fogar i)eine nennt, ber 2)leifter, ber bie
93ergangenl)eit aus bem gelbe fd)Iägt unb bie (Begenmart,
felbft 2Jlörife, 2lnnette d. Srofte, ßenau nur mül)fam auf«
(ommen lägt. „5n aller @efangsbid)tung nal)m UI)(anb
alle SSorliebe l)inmeg" — fo begrünbet fiaube für bie
gmangiger unb breifeiger 3al)re bie SJlifeerfoIge anberer
bead)tensmerter ßr)rifer. ®s ift nic^t fomol)! bie 2öirfung
ber ©ebid)te aus jenen Sauren felbft, bie fic^ fo äußert.
2)ie ©ammlung oon 1815 Dielmel)r \)QXit in jahrelanger
ftiller SBeitertüirfung allmäl)lid) oon ben au5gebel)nteftcn
6(t)ic^ten SSefife ergriffen. ®s mar einer ber gölle, in
benen bas ^ublifum felbft ein Urteil fpric^t, bem ficf) bie
literarifd)e ^ritif erft im ßaufe ber Sal)re angup äffen oer»
fte^t. 2Bol)l erfd)allten aurf) oerfd)iebene Stimmen 3um
373
etnbnnglid)en ßobc bcr erften unb smeiten ©ebtd)tretf)c.
2)ocf) feine tarn aus ma^öebenbem 9}lunbe, feine burftc
fid) ber SBtrfung auf einen großen fieferfreis rühmen.
Ul)Ianb felbft i)at ha5 anfangs fci)mer3lid) genug emp«
funben:
Sris mid) l)'dtV ein ßob beglücft,
Selbft ein Xabel mid) begeiftert,
SOBarb mir nie ein ^ran5 gepflücft,
D^od) ein Irrtum mir gemeiftert
ftagt er noc^ 1827. ^Damals aber begann foId)e SBürbt*
gung fid) langfam einguftellen. 5^e\ felbft oon il)m ab»
l)ängige Did)ter, Sd)mab unb SBiIt)eIm SD^ütler, lieferten
bie erften Ul)Ianbeffat)5, burd) bie er fritifd) entbecft mürbe.
Spötter bat nic^t unred)t, oon einer STrt geiftiger 9ßieber=
geburt U!)Ianb5 gu fpred)en, bie um 1830 erfolgt ift. 2Iud)
bie 2:eilnal)me bes Sluslanbes mürbe in jener Qexi xoad),
granfreid) unb STmerifa brachten il)m 5)ulbigungen bar.
5m breiten ^ublifum aber beburfte es einer fünftlid)en
Slnfac^ung bes i^ntereffes nid)t, ^a mar Ul)Ianb fd)on feit
Sabren fo lebenbig mie feiner. 1824 lägt 5)eine in ben
[Reifebilbern bie ©tubenten auf bem SSroden tll)lanbfd)e
ßieber anfttmmen. 6päter fprid)t er es aus, bog bamals
„bie fiieber unferes trefflichen Ubianb in 2BaIb unb Xal
erfd)olIen unb noc^ jefet oon ben milben ©tubenten gc«
brüllt unb ben garten :3ungfrauen gelifpelt merben". 2Iud)
lied mad)t bem !Did)ter fein Kompliment, meil feine
ßieber „oon aller ßippen tönen". 2)a6 Ubianbs (Bebid)te
begeifterte ßefer fanben, bebarf an fic^ nid)t ber begrün«
bung. ®s laffen ficb aber bod) einige 9)Zomente geltenb
mad)en, bie it)re SSerbreitung gans befonbers begünftigen
mußten.
^n ber J^eaftionsgeit befanben fid) [Romantif unb
^ortfc^rittlertum in ftänbigem Kampf. 5n llf)Ianb f^ienen
beibe ©egenfäfee i^re 23erfö()nung gefunben 5u \)abm:
Wie bic fonfcroatiDen Greife ber S^it t)erl)errli(i)te er bas.
WxitelaUev, fein Xon mobern aerfefeenber ^ritif fd)rilltc
ftörenb burd) feine SSoraeitbilber. 2)a6 if)m aber bie 23er«
gangenl)eit, ber mittelalterlidje geubalftaat aumal, nic^t
ha5 ©rfte unb ßefete war, bas geigte ber grei()eit5mann,
ber poIitifcf)e ßprifer, an beffen t)aterlänbild)en (Sebic^ten
fid) bie ßiberaten oon feiner 3JlitteIaIterbegeifterung er»
I)oIen modjten. Öi()nli(f) ftanb es auf religiöfem ©ebiete.
2Ber moUte, tonnte aus feinen ©ebit^ten ben frömmften
6inn Ijerauslefen, fo ha^ ber ©eift ber ^ontorbangseit
auf feine ^ed^nung tarn; aber Jebe fpegieE fird)Iid)e
Ötugerung fel)lte, ber liberale ßefer fal) \\(i) feinen 2Iugen=
blicf burd) religiöfe (Engl)er3igfeit geftört. 6d)Iie6Iid) ber
allgemeine Jon biefer ßieber unb \\)xe gorm: bas roman*
lifd)e SSersgetänbel, bie fünftlid)e Spielerei I)atte man fatt,
einem ^ublifum in altbeutfc^en blöden munbete eine
fc^Iid)te, bismeilen etmas f)erbe ^oft, man verlangte nid)t
mef)r (Beiftreid)elei, fonbern ©emüt, innige ®d)tl)eit, ^ern=
!)aftigfeit. SSemugte 6pefuIation auf bie ^nftinfte bes
?PubIifums l)'dtte bie Elemente einer geitgemäßen unb bes
3JlaffenerfoIges fid)eren ßririf nid)t beffer mäf)Ien fönnen,
als fie fid) bei tlf)lanb oermöge feiner ?PerfönIid)feit unb
feines bid)terifd)en SBerbegangs oon felbft gufammen»
fanben.
©iefes geitgemögen 9}lufters bemäd)tigte fid) notur»
gemäß bie 9^ad)al)mung in meiteftem Umfang. UI)Ianb
l)at ben SSeften feiner S^it 3utn SSorbitbe gebient unb nid)t
nur i{)nen; mehrere Ir)rifd)e ©enerationen Bon 1815 bis
etma 1850 fte{)en auf feinen 6d)ultern. Die ausflingenbc
JRomantif \:)at oon i^m entft^eibenbe Stnftöße gemonnen,
in ben quälenb unfelbftänbigen 3ugenboerfud)en feines,
bei bem bas mäd)tigere SSorbilb fjouqu^s mit bem feinen
wetteifert, in ben frifd)en SBeifen SSil^elm aJlüflers, beffen
6cf)önc ajlüllcrin ol)nc ben SSorongang oon U{)Ianb5
2BanberItebcrn unbcnfbar tnäre. 3JlülIcr I)at gans im all*
gemeinen oon il)m bie frifdje 6ang{)aftigfeit gelernt.
!Die|e 9^id)tung bxa(i)ie feine 33ud)Ir)rit ^eroor, fonbern
lebenbige fiieber, bie jeber nac^fingen moUte unb mußte.
2(ud) ber jmeite 2Banberer ber Spätromantif, (Ei(^enborff,
ift UI)Ianb5 6d)üler. Tlan }:)at ]\d) bemü()t, nal)e ?8e»
3iel)ungen 3mijd)en feiner gereiften poetifcf)en ^unft unb
ber UI)Ianbö 3U finben. 2Iber gerabe ha seigt es fid), \)a^
bie 3w9^f)örigfeit 3U Ul)Ianb nld)t mit fel)r fenntlicf)em
©tempel brücfte. (Eine ßgrif, ber Q^{)amiffo foId)e ©elbft»
oerftänbIid)feit nad)fagen fonnte, al)mte fid) in il)ren
d)arafteriftifc^en 3ügen ebenfo fc^roer nad) mie etma bie
(Soetl)efd)e, bie Ul)Ianb allein als fein SSorbilb mollte gelten
laffen. ®5 ift besbalb aud) nid)t leicht, bie Eigenheiten
jener Ul)lanbfd)ule, bie fid) 3mangIo6 unb i^m felbft un«
bemüht feit ben 3n)an3iger 5a{)ren gebilbet t)atte, auf eine
gormel 3u bringen. 6ie 3eigt 23erbannung ber roman«
tifd)en gormtünftelei, ?8efd)räntung auf menige, einfad)
menfd)Iid)e Zl)emata, 23erl)errlid)ung ber primitioen S^latur
unb (Empfinbung, OJleiben oon Dibafis unb JHeflefion.
2IItbeutfc^e 55ieberfeit mürbe öfter meit über ha5 UI)Ianb=
fd)e Tla^ aufgetragen. 3n ber ?8oIIabe ift bie 5Ib^ängig«
feit natürlid) fenntlid)er; il)r gerabe l)at UI)Ianb5 fd)Itd)te
unb einbringlid) fon3entrierte Sad)lid)feit große SSorteile
geboten.
2)ie große Sd)ar ber 5J^ad)treter unb 9^ad)beter ^at
bem SJleifter nid)t 3um 5)eile gereid)t, unb eine 2In3af)I
gemid)tiger Stimmen f)at il)ren Unmut über beren öbe
gütle unsmeibeutig funbgetan. Wit einem etmas baroden
aber anfc^aulid)en 33ilbe G^l)amiffo: U{)Ianb fomme il)m
oor mie 3iDifd)en 3mei Spiegeln ftel)enb, red)t5 unb linfs
aud) einen UI)Ianb unb fo immer meiter, nur ha^ biefe
Ul)Ianbe ftets blöffer mürben unb fid) f(^ließlid) gan3 unb
gar perti)ifd)ten. ©ufefon) rücftc fürs narf) 1830 in einem
Sluffafee ,;@oetI)e, Uljlanb unb $rometf;eu5" bem „I^rljc^en
Dilettantismus ol)ncgIeicf)en" jußeibe, „ber93erl)immclung,
bem ©onntagsftaate, ben 2Ibenbfpa3iergängen, 6ommer»
fäben" ufm., bie fid) breit mad)ten. Ul)Ianb ift il)m bie
unfd)ulbige Urfad)e all biefer ftumpf einseitigen ^leinlid)»
feit, für il)n felbft ift i{)m freilief) gu feiner S^it ein ©ort
bes ßobes gu l)od) gegriffen: „Qorm, 25ilb, ©mpfinbung
überftral)lt felbft bas, mas bi5{)er immer für flaffifd) ge»
gölten \io!i"
9^ur ein ^Beurteiler, ber größte oon allen, \)^i fid)
leiber burd) bas (Beieier ber Epigonen bas 33ilb bes 23or=
löufers trüben laffen. Das mar @oetl)e, ber im 55riefn)erf)fe(
mit '$)Z\itx ()arte, unfreunblid)e SBorte über Uf)Ianb unb
feine oermeinte ©d)ule gefunben l)at. 3Jli6biIIigenb l)at
er $fi3ers ©ebid)te beifeite gelegt: „Das SBerflein ift an
UI)Ianb bebisiert unb aus ber D^legion, morin biefer
maltet, möchte mo{)I nid)ts Stufregenbes, Xüd)tiges, bas
3D'lenfd)engefd)itf SSegmingenbes ^ert)orgel)en . . . SBunber«
fam ift es mie fitf) bie ^errlein einen gemiffen fittig*
reIigiösspoetifd)en 55ettlermantel fo gefc^idt um3ufc^Iagen
miffen, \io!^, menn aud) ber (Ellenbogen l)erausgutft, man
biefen SJlangel für eine poetifd)e Intention I)oIten muß.''
Die 6d)maben fc^äumten über bie „I)ämifd)e 93erun»
glimpfung'', in Uljlanbs eigene 55ruft fd)einen bie SBortc
einen tiefen 6tad)el gebol)rt 3U tiaben, benn nod) nad)
3et)n Sö^ren marf er einmal, in fid)tlid)er Se3iel)ung auf
(Soetl)es Urteil, bie SSerfe aufs ^Papier:
(Berne müßt' id), meil bein ©ort gar fo mäd)tig ift er«
flungen,
Sßie bu benn fo cigentlid) felber bas (Befc^icf be3mungen?
SDlinber fd)mer nal)m er fid)erlid) bie 3um 2^eil un«
ge3openen, trofe i^res l)öbnifd)en SBifefeuermerfes bo(^ oon
JRefpeft jeugenben ©inmertungen feiner ^erfon unb
?Poefie, ble ftd) in feines 9'lomantlfd)cr 6d)ule unb
6d)n)abcnfptegel fanbcn. !Dte ungejd)mtnftc 2tnerfennung
oller fonftigen (Brogen ber beutfd)en ßiteratur fonnte \l)n
nod) überbtes cntfd)öbigen. (Eigennd)tige unb 5um Zaheln
geneigte SSeurteiler com Spange ^latens unb ©rillparsers
rürfen ben ßi)riter an bie erfte 6jtelle, biefer fogar an bie
eigene 6ette als einsig mürbigen 9^ad)fal)ren ber Älaffifer.
2)er alte (II)amiffo finbet in feinen 55ricfen bes ©ntsücfens
über ben ,,teuren 9)Zeifterjänger" fein ©nbe. Sie jung=«
beutf(f)e ßiteraturgefd)irf)te oon ßaube fingt fein ßob in
ebenfo f)oI)en 2^önen roie \ias tat{)oIifierenbe SBerf oon
eicl)enborff. deiner aber oon aflen Prägern eines großen
2)id)ternamen5 ):)ai ficf) fo bebingungslos oor UI)Ianb ge-
beugt unb für feine ^erfon fo nad)^altige ©inbrücfc oon
l()m empfangen n)icgriebrid)i)ebbel.
„^d) bin Uf)(anb banfbarer als ben ßeuten, blc mir
l)in unb mieber gu effen geben/' fo fc^rieb ber ftol3c 5)am»
burger 55ettler in fein lagebud); unb eben biefem ent*
nel)men mir Äunbc oon ber ungeheuren JReooIution, bie
in feinem inneren burd) !Des ©öngers g^urf) eraeugt
morben mar. „(Er führte mid) 3u einem ®ipfel, beffen
^öl)e irf) im crften Slugenblicf nur baburd) erfannte, \ia%
mir bie ßuft 3um freien STtmen fefilte." 2)er aJlittellofe
manbte ficf) and) mit feinen 2rnfän9eroerfucf)en an UI)Ianb
unb erl)ie(t eine ctmas nid)t5fagcnb freunblid)c 2tntmort.
^e^{ unb fpätcr \:)at er ficf) burd) bie mangeinbe Sunäng*
liebfeit bes 93ielbemunberten nid)t beirren laffen, ben er
1836 in Tübingen befud)te unb fpöter unoermutet in f)am«
burq traf. V^o6:\ bie ®efamtauspabe ber (Bebid)tc oon
'^'^7 trögt Uf)Ianb5 !Ramcn auf bem 2:itel: „Dem erftcn
!r»id)ter ber ©egenmart ßubmig Urlaub in unmanbelbarer
JBerebrung.''
6eit ben ^man^iger Sabren trat ber ^aü öfter ein,
H^ Junge Dichter fid) an UI)Ianb mit ber SSltte um 5tritlf,
diät, Unterftüfeung tDanbtcn. aJland)er ift bebet hmö)
bc5 2Jleifter5 Un3ugängli(f)feit obgeftogen roorbcn; mancher
aud) I)oItc fid) ein aufmunternbes 2Bort, im gangen aber
fd)eint UI)Ianb bie im ©tiliftttum bemiefene gäl)ig(eit ben
bid)terif(^en 3Jlentor 3U fpielen, fpäter verloren 3u l)aben.
(Bv ftanb bem literorifc^en ßeben ber ©egenmart fd)on
längft fremb unb allmäf)lid) mit fteigenbem aJli^trauen
gegenüber. !Der erfte StusfatI gegen bie SJlobernen finbet
fid) in bem ^rotog gum (£berl)arb39flu6, in ben fotgenben
5al)ren verraten ein paar SSriefftellen, \)a^ i^m bas poe^
tift^e ßeben ber ©egenmart arm unb unfrud)tbar er»
fd)eint. ,,SO^an finbet in !Deutfd)Ianb feinen Wetteifer in
ber ^oefie, fein lebenbiges unb mieber belebenbes Snter»
effe für biefelbe." 2tu(^ er flagt bann über bie ,,über»
füllung unferer ß^rif, bm 3JlangeI an ©elbftfritif bei
jungen !Did)tern". Die grömlidien Urteile ©rillpargers,
feines 25efud)er5 oon 1836, über bie neuefte Literatur mai^t
er fid) gmar nid)t gang gu eigen, aber ßenau n)ieberI)oIt
abfpred)enbe SBorte aus feinem 5!Jlunbe über \)a5 junge
!Deutfd)Ionb: „Gs ift traurig, \)a^ fo junge SOlänner bereits
alle ^aft oerloren l)aben, fid) an irgenbmas ßebenbigem
5U freuen." Die Serriffenljeit ber jungen 2öeltfd)mer3(er
t)erpl)nt ein ©ebic^t oon 1834, im 6tiliftifum unb fonft
\)ai er fid) gegen bie 5)einefd)e SJlanier ber ©elbftoer»
fpottung unb »gerfefeung au5gefprod)en. 6elten entlotft
ii)m eine neuerfi^ienene Did)tung ungeteilten ^Beifall, ©s
müßten benn SOleifterftücfe oom IHange ber 3br)IIe am
?8obenfee ober oon Salas x) ©omeg fein.
©in fo gegenmartsfrember Did)ter mar nid)t baju be«
rufen, um fein Scanner bie Öugenb fid) fc^aren 3U laffen.
greunb S(i)mab mar bagu meit e!)er ber SQlann, menigftens
folange er nod) in 6tuttgart meilte. 1837 \)at er fic^ frei«-
lid), oom Iiterarif(^en 5ße(tgetriebe ermübet, für ein paar
3al)re in bie ßanbpfarrei ©omaringen 3urü(fge3ogen, bie
t)on 2:übingen aus ein beliebtes Stusftugssiel bilbete.
6d)n)ab \^^i benn aud) mit feiner alljeitigen ^on3iIian3,
feiner SSetriebfamfeit, bie überallt)in il)re gäben fpann,
feinem mad)en 2tuge für alles Iiterarifd)e 2ßerben unb
feiner eigenen rafd)en 5^öer in bem bebeutenbften lr)rifd)en
Sammelunternef)men jener !5al)re bas fübbeutfd)e Clement
trefflid) 3ur ©eltung gebrad)t: ®r rebigiertc gemeinfam
mit ©Ijamiffo ben 5Reimerfd)en 3JlufenaImanad). !Dod)
^ielt bas 33ünbnis nid)t lange. Die Herausgeber münfc^»
ten einen 2tlmanad)jal)rgang mit Ul)Ianbs 35ilbniffe 3U
fd)mücfen; ber Äünftler, ber ba3u nad) Tübingen entfanbt
mürbe, f)oIte ficf) aber bei bem geinbe jeber Selbftoer«
I)errnrf)ung eine unliebensmürbige S^rücfmeifung. 9^un
fefete man in ber 23erlegenl)eit feines SSilbnis oor ben
5a{)rgang unb befd)mor baburd) einen begreiflid)en ©nt«
rüftungsfturm bei ben 6d)maben {)erauf, bie allefamt t)on
bem SSerfaffer ber romantifd)en 6d)ule nid)t eben 3art an^
gefaxt morben maren. Urlaub felbft beurteilte ben Sali
am rul)igften, feine ßanbsleute 3ogen fid) aber erboft für
einige '^t\i oon bem 2:afd)enbud)e 3urü(f.
(Berabe foId)e gemeinfamen Semonftrationen mod)ten
ben (Einbrucf einer gefd)Ioffenen ,4t^^öbifd)en Schule"
!)err)orrufen, als beren Qaupt man im „2tuslanb" Ul)Ianb
an3ufe^en pflegte, menn aud) 6d)mab bie D'loIIe bes
öufeeren Drganifators fpielte. 23or Ul)Ianb burfte man
biefen Slusbrutf aber gar nid)t gebraud)en, fo „intommo«
bierte'' er il)n, unb Werners SSerfe f)aben me{)rmals bie
Selbftänbigteit all ber macferen fd)mäbifd)en 5^oeten oer»
fod)ten: „SD^it eignem 6d)nabel jeber fingt, mas I)alt if)m
aus bem 5)er3en bringt." 9n ber %qX l)aben gerabe bie
bebeutenberen fd)mäbitd)en ß^riter ber breifeiger ;5al)re
fid) t)er{)öltni5mä6ig fd)nell oon UI)Ianb frei3umad)en ge«
mußt. !Die grofee eigentümlid)e ^unft 5Jlörifes beburfte
pd)ften5 in il)ren allererften Stnföngen ber Ul)Ianbfd)en
Stüfec. ^^erfönllrf) voax er bcm SO^eifter aufs l)er3nd)ftc
3ugctan, bem er erft ben SD^aler S^olten }:)aiie mlbmen
moUen unb beffen Sflamen er in ber ©terbeftunbe auf ben
ßippen trug, ©uftao ^fiser mar u)ol)l U{)Ianb5 6(f)üler
Im ©ttlifttfum, aber feine gebanfenreld) anfpru(f)5t)oIte,
3ur ©unfel^eit unb gormcerfünftelung netgenbe ßgrif \)at
f(i)on bamal5 ben ße{)rer offenftd)tIid) fremb angemutet.
3. (B. t5tfct)er I)at ftd) ber ^Beratung Urlaubs bei feinen
crften SInföngen erfreut, feine aus S^latur unb ßlebesleben
genommenen furgen ©tlmmungsbllber flnb aber burd)«
aus felbftgemad)fen unb mollen el)er einem neuen Älaffl^
alsmus 25al)n brecf)en als U()Ianbs geflärter S^omantlf
l)ulblgen. !Dem 6änger ber ©turmlleber, bem bei allem
2)llettantlsmus fortrelgenb temperamentooUen (Brafen
Sllefanber t)on 2Bürttemberg, ber mit ferner einen läp»
plfc^en greunbfd)aft6tult trieb, Ift ber 2)emofrat Im Qehen
immer fern geblieben, unb In ber !Dld)tung permod)te er
bem anbers geftlmmten menlg 3u bieten.
2tud) einem melteren Strlftotraten bes ^ernerfc^en
greunbesfrelfes, ber aber flc^ nod) Inniger an 3Jlar)er an«
ftf)Io6, Ift Ut)Ianb nld)t olel mel)r gemefen als ein l)od)-
Derel)rtes Ii)rlf(f)es 5)aupt, teln blreftes unb perfönlld)e3
SSorbllb. ®s gab STugenbllcfe, In benen ber 2tnfd)eln einer
t)ertrautengreunbfcf)aft mit l^m unb ^llfotausßenau
cntftef)en tonnte. Stber bas fprun0l)afte 2Befen bes Un«
garn Hefe ben ol)neI)ln fo fc^mer 3ugänglld)en UI)Ianb feiten
marm unb üertraulld) merben. ßenau felnerfelts l)at ll)m
aufs fd)önfte ge!)ulblgt In feinem ©ebld)te „!Das Sloct«
f)au5'', einer Ssene aus bem mllben 2ßeften, ble hm
2Imerl(afaI)rer auf ber JRaft Inmitten bes Urmatbs aelgt:
Unb 3ur meltc^emanberten beutfc^en 5taf(f)e
5)oIt* Id) ben Urlaub aus meiner Satteltafd)e.
gern ber ^elmat, tlefft Im fremben SBalb
ßas Ic^ mir taut ben l)errllcf)en ^etb Qaralb.
2)er Q>t\A6)it an U^Ianb gibt es überl)aupt aus bicfem
unb bem folgenbcn :3a^r5ef)ntc eine fd)rüere aJlcnge. Äaum
ein ßQrüer oon (Betr)id)t I)at üerfäumt, auf biefe 2Beife
roenn nid)t {eine birefte (5d)ülerfd)aft, fo bo(^ feine liebenbe
aScre^rung funb3utun. S^amentlid) eine ©ruppe mürbe
nic^t mübe, fid) immer mieber auf il)n gu berufen: bie
poIitifd)en 6änger. greilid) nur fon)eit fie aud) bcr
[Romantif Ijulbigten unb bas enge aftuelle 3:i)ema 5U er»
meitern ftreben, mie SInaftafius ©rün ober Strac^mife,
I)aben fie rüirtlid) U^Ianb[c^en ©eift in fid) gefogen. Sener
3eigt unter allen bie it)m oerroanbtefte Säegabung, unb
fo burfte er il)m in ben 9^ibeIungenftropl)en bes Seiten
IHitters unb ben antireaftionären Spasiergängen mit
5Hed)t feine ^ulbigung 3U güfeen legen. Slber auc^ Qer*
roegl), ^rufe, ©ingelftebt betrad)ten il)n ganj als \izxi
5l)ren. !Dic beiben erften mad)en bie 9öorte aus 2)es
©ängers glud): „2öel) euc^, it)r ftolgen 5)aUenI" 3U
Prägern il)rer tr)rannenfeinblid)en (Befinnung. ^^erfönlid)
na^c traten it)m au^er ©rün greiligratl) unb 5)offmann
Don gaüersleben, beffen mäfferiges politifc^es fiieber»
geplätfdier oon bem fd)ma(en Sufeenb ber Uljlanbfc^en
fe^r abf(id)t, in feinen befferen Stummem aber unb einer
ftattlic^en Slngal)! oon Ut)lanbliebern fid) 3U il)m als 23or»
bilb red)t mol)! betennen barf.
Slber nod) eine meitere !Did)tergeneration 3eigte fit^
in feinem ?8anne: er oermoc^te fo menig 3U oeralten, \i(x^
aud) bie neu auftauc^enben Sterne ber oiersiger unb
fünf3iger OaI)re um it)n als \\)xt 6onne freiften. 5^id)t
nur anlel)nungsbebürftige Heinere (Beifter mie SölüIIer
Don Slönigsminter, ber ein {)armIofe3 (Begenftüd 3ur
©d)mäbifd)en Slunbe geliefert \)^i. 2(ud) bas „ßieberbuc^
breier greunbe", bas 1843 Storms C^rftlinge hxOi^it,
3eigte in feinen unb Vs). !0lommfens ^Beiträgen Spuren bes
unocrn)e(*'lid)en SSorbilbes, unb ©ottfrieb Sleller \)qX fic^
Im 3Qf)rc barauf burd) UI)Ianb5 23erfe: „ßebcnbig fein
begraben, '^oa \\i ein [d)limmer 6tern" 5u feinem be=
rü()mten S^^^us „ßebenbig begraben" anregen laffen.
6old)e ©inmirfungen mod)ten lll)Ianb verborgen
bleiben, ber oft aufbringlid)e (Entl)ufia5mu5 oermeinter
unb n)ir!lid)er ^unfljünger i^m mel)r jum 23erbru6 als
3ur greube gereid)en. 2)a6 \iQi'ä breite ßefepublüum, ja
gang 2)eutfd)lanb il)n ins ^era gefc^Ioffen ^atte, hOi^ er
jal)r3el)ntelang bie populärfte literarifd^e $erfönlid)!eit,
ber meiftgelefene unb gefangene 2)id)ter feines SSater«
lanbes gemefen ift, bas mußte il)m auf 6d)ritt unb 2^ritt
bemüht merben unb mirb it)n trofe faft ängftlid)er 6d)eu
oor öffentlicher 2Iner!ennung fid)er(ic^ auc^ gefreut ^aben.
2lus Bremen mürbe i^m bie 2lbfid)t bortiger ^Heeber
funb, ein 6c^iff unter bem 9^amen ßubmig U^ilanb in
See ftec^en gu laffen. 2(ls er 3ur pfälaifc^en ßimburg
emporftieg, ^Oi fd)allten i()m aus ber IRuine bie eigenen
fiieber entgegen, oon ^inbern gefungen, bie fid) oon ber
9^ä()e bes 2)id)ters nichts träumen ließen. 2luf ^Reifen
ift Ut)Ianb überhaupt bie befte (Belegenl)eit gemorben, bas
erftaunlid)e SO^laß Don Zuneigung gu erproben, bas man
il)m im beutfd)en SSoIfe entgegenbra{i)te. (Berabe in biefen
:öal)r3el)nten ift er befonbers oiel gereift. 23on 1834 bis
1846 oerging fein 6ommer ol)ne \i(x^ er, meiftenteils in
^Begleitung ber ©attin, fid) ein ©tuet SBelt anfa^. 1835
machten fie eine 9'll)einfal)rt, 1838 mar er in 2Bien, 1842
in 9^orbbeutfd)Ianb unb Sänemarf, 1844 in 55elgien. 2)er
?8iograp{) fann an biefen ^Reifen t)orübergeI)en, er muß es
fogar, miE er nic^t 3um SInefbotenfammler merben. 2)ie
3al)I ber 3um 2:eil anmutenben, 3um 2:eil törid)t er»
funbenen ©efd)id)td)en, bie über fie im Umlaufe finb, ift
ßegion. Einiges beffer S5e3eugte fann immerhin 3ur
^enn3eid)nung bes 2)id)ters unb bes bamaligen ^ublifums
bienen.
2Bo man auc^ oon ber 2ln!unft bes (£I)epaare5 erful)r,
überall pflegten fid) biefelben ©äenen ab3ufpielen. Ul)lanb
mar ftets auf bas unangenel)mfte überrafd)t, fid) erfannt,
gcrabesu erfd)rocten, fid) gefeiert 3U finben. ®r seigt bie
tr)pifd)e gurc^t bes fd)ücl)ternen 3Jlenfd)en, ©egenftanb
allgemeiner 2lufmerffamteit 3U merben, bie tr)pifd)e Un-
fäl)ig!eit bes mittelmäßigen IRebners, ein paar ©äfee oon
fic^ 3u geben, bie er fid) nid)t oorl)er genau 3ure^tgelegt
i>at. ©r mag \^(x^ aud) felbft oft genug ftörenb empfunben
^aben, fo auf ber Sßiener JReife, mo-er oon er3l)er3og ^arl
fe^r au5ge3eid)net unb 3u Xifd)e ge3ogen mürbe, ©r
i)interlie6 überall einen ungünftigen (Einbrud, befonbers
wollte man an bem Semofraten ein faft untermürfiges
35enel)men gegen ben l)oI)en Qerrn bemerft l)aben. ßenau
I)at bies ben Söiener Öreunben gegenüber triftig genug
entfd)ulbigt: „Ss gibt ßeute, bie, mit einem bebeutenben
aJlann 3ufammentreffenb, il)n gleid) auf ©eift unb 2öiö
probieren unb mit allerlei 6d)lagn)orten auf ben 35ufc^
flopfen, ob nid)t ein ^aferl l)erau5fpringe ober ein geift»
reid)e5 $l)raferl. Sas ift läftig unb oerftimmenb, unb il)r
fanbet oielleic^t Ul)lanb, als il)r il)n fennen lerntet, bereits
übel 3ugeric^tet burd) jene Slnfragen." ßenau I)atte es
getroffen: als ©eiftesgröße angeftaunt 3u merben unb
Ora!elfprüd)e oon fid) 3u geben, bas mar allerbings
Ul)lanb5 ^Qi&^z gan3 unb gar nid)t, unb fo l)atte jene
Sßiener !Heife für il)n einen unangenel)men 35eigefd)mad,
menngleid) fie il)m neben reid)em miffenfd)aftlid)em @e-
minn bas millfommene perfönlid)e Sufon^i^^^t^^^ff^" ^^t
®rillpar3er, 5)alm, bem JRomaniften Söolf unb anberen
brachte.
ßiebensmürbigere Seiten feiner ^erfönlid)feit er*
fd)loffen fic^ bort, mo man \\)m l)armlos unaufbringlid)e
Zuneigung unb l)er3lid)e Offenheit entgegenbrachte. 2luf
ber norbbeutfd)en 9leife, bie il)n nad) Hamburg, ^iel.
5lopenI)agen, ßübccf unb auf ber 9lürffc{)r nac^ ^Braun»
ft^röcig unb Söolfenbüttcl führte, gab es namentlich tn
Äiel allerUcbfte Sluftritte. Urlaubs maren im (Saftl)of
abgcfticgen unb aljnten nic^t, \io!^ man [ie hzoi^^izi \)QXit.
2Iud) gcfc^äfttgcö (Beräufd), bas fid) fd)on am frühen
9D^orgen oor \\)xzx Xüre er^ob, flößte i^nen feinen SSerbac^t
ein. Sllö Ul)Ianb aber \iQA Sin^nier Derliefe, ba maren
Xxxxt unb glur be!rän3t, ein ßorbeerfran3 mürbe i{)m aufa
i)aupt gebrütft, eine ^Deputation pon 9Jlännern unb grauen
l)ie6 i^n t)er3lid) in ben fernften SDlarfen bes ^leic^cs
millfommen unb lub ibn auf ben 9^ad)mittag au einem
geftmal)Ie unb 3ur Sefic^tigung bes i)afen5 ein. SInfangs
fid)tlid) beengt unb einge[c^üc^tert, gemann Ul)Ianb an*
gefic^ts ber 6d)önl)eit bes fianbfd)aft5bilbe5 unb ber geft*
tafel im Süfternbrofer S5abel)au5 feine greil)eit mieber
unb t)ermod)te fid) l)er3lid) 3u freuen, als bie feftlirf) ge=»
pufeten grauen ^iels fid) um i^n brängten unb i^m oer*
fid)erten, \^^^ alle it)re Knaben unb SJläbc^en feine ®e*
bld)te ausmenbig müßten. 5)a glüdte il)m aud) einmal
eine paffenbe ©rmiberung auf bie geftreben, bie mirtli(^
in fein inneres l)ineinbliden liefe: /,®r fül)le fic^ be«
fd)ämt, erftrebt l)abe er oiel, t^o^^ ©eleiftete bleibe mcit
ba^inter 3urüd, er l)abe gemeint, er fei oergeffen. 9^un
beglücfe es i^n, fid) getäufc^t 3u fel)en; fein ßeben, fein
Senfen, fein !Did)ten l)abe ftets 2)eutfd)lanb gel)ört unb
merbe il)m gepren bis 3um ^xk\sz feines ßebens." Un«
befd)abet ber erfreultd)en ©inbrüde biefes geftes fonnte
er am näd)ften Jage 3u feiner grau äufeern, eine
einfame SD^orgenfal)rt im Äaf)n unb ein "^o^ in ber 6ee
feien il)m bei meitem ber größere (Benuß gemefen.
Öfter in jenen 3al)ren mar micberum ber 58obenfee
Siel ber Steife, an beffen Ufern greunb ßaßberg ein ^eim
gefunben unb fid) einen neuen 5)erb gegrünbet ^atte.
!Dcr greife Flitter mar nod) einmal freien gegangen unb
I)attc fid) btc Srout aus einem tr)eftfäli(d)en 2l'bel5ge(d)Ied)tc
geholt. 2luf ber alten Dagobertsfefte in aJleersburg, bie
fo frei unb trofeig iljr 5)aupt über ben Oftranb bes Sees
erl)ebt, I)aufte bas ungleid)e $aar, bem fid) batb ein frei*
fräulid)es 3ö'iüingspärd)en gefeilte. Ser alte S)err, tinb»
lid) liebensiüürbig in all feinen fleinen 6(^n)äd)en unb
©itelfeiten, mar nad) n)ie Dor unermüblic^ für feine alt-
^eimifc^en 2)id)ter tätig. Sn einem ®cf3immer im ©üb-
meftflügel ber SSurg, ber ben altel)rrt)ürbigen !Dagoberts=
türm umfd)lie6t, ftanb jefet fein Sd)reibtifd) an einem
f)o^en genfter mit DoUem Süd auf 6ee unb 2llpen.
2ll5 Ul)lanb, ftets ein l)od)millfommener ©aft, im
Dftober 1841 bort oorfprad), \i^ traf er intereffante (Be=
fellfd)aft an: bie 6d)mägerin bes 5)aus^errn, bas grei«
fräulein SInnette Don2)rofte'5)ül5l)off unb ben
bamaligen Sefretör fia^bergs, 2Innettens greunb ß e m i n
6 d) ü d i n g. SSeibe l)aben über bas Sufonimentreffen
berid)tet. 2Iuf 2lnnette mad)te Urlaub ben ©inbrud eines
,,guten fd)üd)ternen 3Jlännd)ens''; aber aud) fie felbft roar
nid)t bie $erfönlid)!eit banad), im lebl)aften (Sefpräc^
il)rer fünfilerifc^en ^Begabung Sßorte 3U oerlei^en unb
anbere baburc^ an3uregen. 2ßir befi^en oon bem be=
fd)eiben tattooUen Ul)lanb !eine Sttugerung über fie, bürfen
aber fid)er fein, \iQi^ aud) il)n bas eigenrid)tige, fc^meig«
fame unb in fid) felbft 3urüdge5ogene gräulein feltfam
anmutete, bas feine 2uft baran fanb, in bem entlegensten
®elaffe bes 6d)loffes 3u l)aufen unb auf bem ©öUer il)r
i)aar unb ©cmanb bem 6piel ber 2ßinbe preis3ugeben.
6c^üding \^qX auf bas 3ufQi"inßntrcffen ein langes (3e=
bic^t ge3immert, bas bann, ber perfönlid)en STnfpielungen
entfteibet, ins SJlorgenblatt 2Iufna^me fanb.
©ine grud)t f)at biefc ^Begegnung aber bod) getragen,
bie für Ul)lanbs bamalige Sntereffen u)id)tiger fein mußte
als jebe lebenbige lgrifd)c Slnregung. Slnnette \)QMt fd)on
©(^nclber, Uljlanb. 25
oorl)er il)rc 5Berettfd>aft erflärt für Ul)Ianb alle bic
23 0 1 f 5 H c b e r aufauaeic^nen, bic i^r aus bcm lebcnbigcn
(Bc(ang il)rer 5)eimat gcgenrüärtig maren. 2ln breifetg
ßieber mitfamt bcn SBeifen ftcUte fic il)m 3ur SScrfügung,
unb in bcr perfönlid)en Unt2rl)altung mögen fie fic^ für
Ul)Ianb nod) belebt unb in il)rem Slltersrüert überjeugenber
I)erau5geflaltet baben.
Damit ift \sQi^ SSetötigungsfelb bereits be3eid)net, bem
fid) UI)Ianb mit ßeib unb 6eele t)erfd)rieben l)atte, bem
alle biefe ^Reifen galten unb Dor beffen übermäßigem (Ein=
fluffe mobl bie eigene ^oefie mieber l)atte oerftummen
muffen, ©eine ganse Slrbeitstraft, fein ganses poetifd)es
Süllen ftanb bamats im Dienfte ber 23ol(5lt)rif, 5U beren
(Ergrünber, SBieberermecfer unb SSertünbiger er merben
lüollte.
©s (önnte überrafd)en, \i^% nad) feiner 2Jleinung bas
beutfd)e SSolfslieb einer SBieberermectung übertjaupt nod)
beburfte. Damals mie feit 3al)r3el)nten fangen bie be=
rr)äl)rtetften beutfd)en Sgrifer bem 23olfsliebe nad), (Eid)en»
borff, 2ßill)elm 3Jlüller, i)eine finb gleic^ermeife mit il)m
poetifc^ gro6ge3ogen morben, unb Ul)lanb felbft mar in
ber 9^ad)al)mung bes 2öunberl)orns biefen jüngeren S'lo«
mantitern oorangegangen. Unb nid)t bloß nad)gebid)tet,
aud) gefammelt \)oHt er fd)on frü^. ajlit ben ^allaben
bes 50leiringer 6d)ufters \)QXiz er ©edenborffs SUlufen*
almanad) bereid)ern bürfen, unb in ber Qeimat ftets bas
Ol)r für ben SSolfsgefang offengel)alten. Das Xagebud)
r)er3eid)net mand)en ftimmungsooUen ©inbrud berart.
„SBie nad)ts ^anbn)er!sburfd)en fangen: 3Jleine 2Ifd)en
in ber ©rbe foll 3u beinem Dienfte fein" ufm. 2ln ber
SBurmtinger Kapelle maren er unb ferner einftmals Don
^irtenbuben genedt morben, bie 23olfslieber 3u il)nen
l)erabfangen, als aber bie ©ammler fid) begierig an fie
l)eranmad)ten, f)artnädig oerftummten.
23on biefcr romanttfd)cn Sd)tDärmcrci fül)rt feine
gcrabc ßinie 3U ben SSeftrebungen, oon betten fic^ Ul)lanb
in ben brei^iger unb oiersiger 3al)ren fo gans ausgefüllt
3cigt. 9^id)t I)armIofc ©eniefeerfreube, fonbern fritifd)»
^iftorifd)er (Belel)rtentrieb iDurbe jum Slnfporne bei ber
Sammlung, bie, lange geplant bamals an bie Öffentlich«
feit trat. 6d)on balb ^atte fid) bei il)m roie bei Öafob
©rimm gegenüber bem „alerten 25ud)e", bem 2öunber=
I)orn, Äritif geregt, ©'s maten mol)! SSolfslieber, bie ^^o^
geboten mürben, aber fie traten in nichts meniger als
reiner ©eftalt 3utage. 2lrnim unb Brentano l)atten il)r
@ut genommen, mo fie es fcitben, l)atten ben 53egriff bes
SSolfsliebes benfbar meit gefaßt, nad) ber (£d)tl)eit nid)t
Diel gefragt, bie ßiebertejte mobernifiert, gefürst ober, mas
nod) fd)limmer mar, angelängt, moI)l auc^ gänalid) um»
gebid)tet. ©ooiel Slnregung für $er3 unb (Bemüt unb
bid)terif(^e ^Prajis aus ber Sammlung 3u fd)öpfen mar:
fie bot alles anbere el)er als ein getreues 2lbbilb unferes
alten SSolfsgefanges.
3m lefeten !Drittcl bes 18. 3al)rl)unberts bereits mar
in !Deutfd)lanb bie große 23ol!sliebbemegung aufgeflammt.
®nglifd)e SSorbilber l)atten bie 2öege gemiefen, ber 23ifd)of
?Percg mit feinen Reliques of ancient poetry, einer
Sammlung oon alten ballaben^aften Stücfen, aurf) bei
uns bie tieffte Söirfung ausgelöft. Säürger unb nac^ il)m
oiele anbere forberten bamals mit lauter Stimme einen
„beutfc^en $erct)". ©r fam nid)t, aud) 2lmim unb 35ren»
tano fonnten nur als feine einftmeiligen Stelloertreter
gelten. !Der mal)re beutfc^e ?ßercg follte erft Ul)lanb mer»
ben, unb 3mar nid)t ber junge IHomantifer, fonbern ber
alternbe (Belebrte.
Stlte I)oc^« unb nieberbeutfd)e SSolfslieber ift ber
litel feiner Sammlung, unb auf bas erfte 2Bort ift genau
fo oiel 9lad)brutf 3u legen, mie auf bas ancient bei %zxtx).
25*
©5 füllte fein Seitrag 3ur 23oIf5!unbe gegeben roerben,
nicf)t lüas bas 23oIt augenblitfltd) an ßiebern im 2Jlunbe
füf)rte, tüar ©egenftanb bes Öntereffes: Dielmel)r erftrectte
fic^ UI)Ianb5 Sammeleifer nur auf bie fiieber, bie eben
aud) Stefte alter beutfc^er SSoÜspoefie barftellten, bie Ute»
rarifd) nid)t fixiert unb bal)er im n)efentlid)en perüungen
maren. 23om 17. 2ial)rl)unbert an finb ßieber berart, mie
fie il)n intereffieren, nid)t mel)r gefd)affen unb in Umlauf
gebrad)t morben. Sas mar alfo ber (Enbtermin ber 6amm*
lung, ber Slnfangstermin tä^t fid) gar nid)t abfel)en, in
bie frü^efte !Dämmer3eit ber 23ol!5gefd)id)te fül)ren nad)
Uljlanbs 2Jleinung bie älteften ber ßieber 3urü(f.
' 5)iefe seitliche 2Segren3ung legte il)m ein unenblid)
mül)fame5 ©efd)äft auf, '^q^'ö an bie felbftlofe ©ebulb bes
Sammlers ebenfo l)of)e Slnfcrberungen ftellte mie an feinen
fünfllerifd)en Xaft. SBas mar übert)oupt SSoÜsIieb in
feinem Sinne? 2ßo mar bergleid)en 3u finben? 2Bar bas
ein3elne ßieb, '^Oi^ innerlid) ben Stempel ber 2IIter5ed)tl)eit
3U tragen fd)ien, aud) burd) genügenbe äußere Kriterien
gegen S^^eifel gefd)üfet? 5)a5 maren bie erften SSorfragen,
bis 3U beren ©rlebigung es fc^on jaf)relanger 2lrbeit be=
burfte. So galt es benn, alte Qanbfd)riften, fliegenbe
SSIötter, ®in3elbrude unb fiieberfammlungen aus früheren
i3af|rl)unberten 3u burd)forfd)en unb il)nen bas !oftbare
@ut ab3ugeminnen.
U{)Ianbs Programm ift nid)t oon 2(nfang an fo uni*
üerfell gemefen, mie es fid) fpäter ausgeftaltet ^oi. (£r
mollte 3unäd^ft aud) in b e m Sinn ein beutf(^er ^ercg
merben, \iQi^ er t)or allem ballaben^aften ßiebern nad)*
ging. !Das cntfprad) ja aud) feinem frül)eren nat^bid)-
tenben 23er{)ä(tnis 3um SSoItsliebe, bem gerabe bie
Ul)Ianbfd)e 35aIIabe am meiften oerbanft I)atte. ©ine um*
faffenbe 23oIfslieberfammIung erfd)eint il)m 3mar fd)on
um 1825 als ein ^auptbebürfnis unferer poetifd)en ßite*
raturgefcf)t(f)te. STber er möd)te bamals nod) nid)t felbft
i)anb als Sammler anlegen, fonbern nur als ©rläuterer
auftreten, ©in berufener foUte ben 23ortrttt I)aben, ber
gretl)err Don 9)leufebad), ber über ein ungel)euer meit*
(d)id)tige5 9JlateriaI verfügte unb enblid) für ^itx^ beutfd)e
SSoIfelieb ^Qi<ö leiften foUte, „mas bie ©nglönber unb
(5d)n:)eben längft für bas il)re getan". 2tber biefe Qoff=
nung UI)Ianb5 mar oergeblid), SJleufebad) fag auf feinem
„OJlöufeturm" bei ^otsbam unb enthielt als eiferfüc^tiger
^üter feine 6d)äfee jebem prioaten Sammler mie ber
Öffentlirf)feit oor, ja er oerabfäumte es burd) :3al)r3el)nte,
geliel)ene Srude unb 30^anuffripte an bie 55ibIiotl)eten
3urücf3ugeben unb fd)äbigte baburd) anbere gorfc^er be«
träd)tlid). 2III bas ^i^Xit il)m Urlaub ©ergeben, bem
miffenfd)aftlid)er G^goismus bod) fonft 3um 2Ibfd)eu ge*
reichte, märe 9Jleufebad) nur enblid) mit feiner Samm«
lung 3utage getreten. Sebod) bas gefd)a^ nid)t, unb fo
lieg benn Urlaub feine eigenen ^löne feftere ©eftalt ge«
minnen.
„OJleine 2Ibfid)t ift, eine gefd)id)tlid)e Sarftellung bes
älteren SSoIfsgefanges 3U geben, I)ieran eine fritifd)c
Sammlung alter ßieber 3U reil)en unb fobann in 2In=
merfungen 3U biefen bie Sd)icffale ber ein3elnen ßieber 3U
oerfolgen unb bie oermanbten SSoIfsIieber anberer 9^a=
tionen nac^3umeifen.'" So \)^i UI)lanb felbft im i^aljrc
1835 bie Slufgabe formuliert. ®r ift il)rer Erfüllung bis
3U feinem ßebensenbe nachgegangen, aber in ber ^rajis
mufete fid) bie ?Reil)cnfoIge ber 2Iusfüf)rung etmas oer*
fd)ieben. !Die Sammeltätigfeit bereits geftaltete fid) un»
geaf)nt Der3meigt unb mül)fam; oIs er bas SDlaterial als
fotc^es beifammen ^^^iit, fd)ien bereits ein fo betrad)tli(^es
Stücf 5trbeit geleiftet, \s^% es l!)n 3ur 5BeröffentIit^ung
brängte. 2Bas einft ber ^ern bes 3Berfes \>lQXit fein f ollen,
big 2tbf)anblung über Sßefen, 5ßerben unb SIrten 'bes
390
SSoIfsgcfangcs, geriet baburd) ins Hintertreffen unb t)inftc
ber ßieberDeröffentItct)ung nad).
deinem feiner n)iffenfd)aftlid)en Slrbeitsgebietc ^at fic^
lll)lanb mit folc^em ®ntl)ufia5mu5 l)ingegeben roie feinen
geliebten SSoIfsliebern. (Bx fc^eint ein oöllig anderer gu
fein, wenn er in it)ren 25ann tritt, bie (Brunbeigenfcf)aften
feiner Statur fc^einen fid) 3u r)erfd)ieben. SBie ^at er hod)
fonft burd) feine 6d)reibunluft bie beften greunbe jur
SSergmeiflung gelrieben! Um eines SSoltsIiebes teil^aft gu
merben ober oielleic^t nur einer gang gmeifel^aften Duelle,
au5 ber ein foId)e5 fliegen tonnte, I)at er bie umfänglic^fte
unb geitraubenbfte ^orrefponbeng nic^t gefd)eut. Unb
meld) feurigen Stnteil nimmt er an ben fd)einbar gleid)*
gültigften ^eufunben ober 5leufaffungen, bie er ober
anbere oufftöbern! Ob einer neuen ®eftalt ber Xann«
^äuferballabe, bie 'ü)m unoermutet entgegentritt, befommt
er „cor Sreube faft bas fangen in bie Seine". Sn ,,ge»
maltige Spannung" oerfcfet il)n tias 2luftaud)en nod) un»
betannter 6ammelbänbe. 2lIfo nid)t5 oon ber fonftigen
trodenen S^üd)tern^eit, menn er fein 5)aupt' unb fiieb*
Iing5gefd)äft betreibt!
®5 beburfte auc^ immer neuer I^mpulfe aus Urlaubs
eigenem inneren f)eraus, um bie ßuft an biefer 2Irbcit
n)ad)3ul) alten. 5Serge oon 5RateriaIicn türmten fid) auf,
Xaufenbe oon ßiebtejten erfd)Ioffen fic^ il)m, bie fämt«
lid) nad) 93erarbeitung burc^ ein unb biefelbe orbnenbc
^anb oerlangten. JßoII peinlid)fter @emiffenf)aftigfeit ^ai
er felbft in feiner giertic^en, nirgenbs (£ile ober Ungebulb
oerratenben Hanbfd)rift jebe im leifeften abmeid)enbe
gaffung eines ßiebes abfd)riftlid) feftge()atten. !Der 3^ad)»
fal)re fimbet nur mit Wül)t ben SBeg burd) biefe immenfe
(Sammlung, unb auc^ Urlaub mag fid) bismeilcn in (Be»
fal)r aefüf)It l)aben, in ber güllc bes eigenen SJlaterials gu
erftiden. Sm Stiter Ift er if)r öfter unterlegen, als rüftiger
391
9Jlann I)at er ben gaben, ber tf)n aus btefem ©efc^Itnge
fül)ren follte, ebenfoiuentg oerlorcn mte ben Tlut, feinen
2Beg meiter 3U cerfolgen. 6eit bem 2tb{d)luffe bes
„9J^r)t!)U5 üon XI)or" gel)örtc feine ganae 6d[)affen5fraft
biefer 2Irbeit unb nad) etma oier I^a^ren, 1840, begann
fie ficf) 3U Itd)ten unb Drbnung (am in bie OJlaffe. Die
Spreu fonberte fic^ oom 2öei3en, bie 2lbnung bes ßieb*
f)aber5 ber alten ^oefie, ba^ oon biefer nod) reid)e S^lefte
im SSerborgenen blühten, I^atte nid)t getrogen. ,,Unter
mand)em Jrioialen unb ©emeinen, 93erfünftelten unb Un«
gelenfen 3iel)t fic^ eine tiefgel)enbe 2lber feiner unb frifd)er
23oIf5poefie ^inburd), aber eben roeil biefes eble 9JletaII
nur feltener gutage tritt, muß bem tJorfd)er angelegen fein,
an Dielen Orten bie Spur besfelben ju oerfolgen, unb
n)enn and) an ben einjelnen Stellen bie STusbeute fpaifam
ausfällt, fo bient fie bod) 3ur ®rgän3ung unb 2Iuf{)eIIung
bes anbermärts ©efunbenen . . ."
2lllerbings birgt ber 3uerft im Dttober 1840 ausge«
fprocf)ene (Entf(i)Iu6, bie Sammlung 3um !Drurfe 3U ruften,
bereits eine gemiffe 9'lefignation in fid). Das ®efü()I ber
UnooUftönbigfeit bes ©eleifteten, bas il)n bamals be«
fc^(eid)en mußte, müd)te es i^m boppelt 3ur ^flid)t, bie
Sammlung nid)t 3um ein3igen 2)en(mal feiner 23oI(sIieb»
forfd)ung merben 3U laffen. Die Slb^anblung gef)örte 3U
\\)x als notmenbiges Korrelat, unb ha fie alles, mas nid)t
in ber Sammlung pra(tifd) geboten merben tonnte, er*
gän3enb in ber Xbeorie nad)tragen mollte, fo mußte fie
ein um fo breiteres Slusmaß anne{)men, je mel)v \\d) bas
@efül)I ber Un3ulänglid)(eit jener oerftörfte. 33on einer
bloßen Einleitung tonnte fd)on knge nid)t me\)x bie !Rebe
fein. U{)Ianb fd)ictte bie SSoItsIieber einftmeilen oI)ne
©infü{)rung in bie 2BeIt unb oerfprad) bie 2rbf)anblung
balb nad)foIgen 3u laffen, oon ber in ber Zat fd)on be»
träd)tlid)e Xeile niebergefd)rieben maren. ßeiber ift es
392
3u tf)rer 23eröffentltd)ung niemals gcfommen. SSter 2lb»
fd)nttte finb fertiggcftellt, üon einem fünften l)ai U^lanb
gerabe nod) bie ©inleitungsseiten 3U Rapier gebrad)t.
2)ann fd)n)anb nitf)t ßuft unb fiiebe 3ur 2tufgabe, benn
bie l)at er Q^xt feines ßebens nid)t rerloren, mol)! aber
bie aftiüe 6d)affen5fraft.
greuen mx uns um fo me^r, bafe bas ^auptmerf gu
©nbe gebiel)en ift, als n)eld)es mir boc^ entfd)ieben bie
Sammlung felbft gu betrad)ten I)aben. 1844 traten bie
Stiten I)od)= unb nieberbeutf(f)en S3otfs =
lieber in 3mei 33änben ans ßid)t. ©s mar fein neues
2BunberI)orn, bas Urlaub bem beutfdien ^^ublifum barbot,
es mar meniger unb me{)r. SBeniger, meil nx(i)t ein noci)
unbefannter Derfc^menberifcf)er !Reid)tum mit einem 9Rale
überrafdjenb auf ben fiefer ausgegoffen mürbe, ber bie
©mpfinbung für ^oefie in neue S5al)nen ten!en, ben
5)id)tern neue 2tnregungen oerlei^en mu^te. 2)ie Qaiji
berßieber, bie 3um erften SlJlale {)ert)ortraten, mar gar nid)t
fo fel)r groß, unb auf il)nen lag jebenfalls nirf)t ber 5)aupt'
nad)bru(f. !Dafür trugen fie aber bas unbebingte unb
über3eugenbe ©epräge ber ed)tl)eit, rebeten feine fünft»
lid) ftilifierte 6prad)e, oermittelten ni(^t ben ©eift einer
pfeuboaItbeutfd)en ^eriobe, fonbern maren in jebem Qug,
in jebem 2Borte fo gemaf)rt, mie fie einft oor ^ai)vl)un»
bcrtcn aus bem SSoIfsmunbe erflungen fein mod)ten.
2)ennotf) mar oon einem pebantifrf) einengenben gorm=
prin3ip feine S'lebe. Ul)Ianb barf mit 9led)t oon ber
©ammlung fagen, menn man nur im 93er3eid)nis ber
ßiebanfänge blättere, fo grüne unb blül)e es überall.
Srifd)e ^Naturfarben Ieud)ten uns entgegen, 5Balb unb
2Iue merben lebenbig, Sßögel unb 2BiIb tummeln fitf), unb
ber !J}lenf(^ erf(f)eint in allen Slltern, 6tänben unb ßebens*
Derl)ältnif^en, in greub unb ßeib oertraut er ben Ionen
feine ©efül)le an, mir ^ören if)n beim (Belage iau(f)3en un^
393
in ber ^trrf)e brünftig flel)en, ha5 Sieb begleitet il)n burd)
alle ßanbfc^aften oom 2Jleere bis 3U ben 2tlpen, burd) alle
Seiten beutfd)er ^lturgefc^id)te unb 6itte. 33alb lägt
es Irjrifd) eine Stimmung ausftrömen, balb t)erbid)tet es
fid) 3u feftgefügter, bramatifd) lebl)after epifd)er (Bx^'di)»
lung. Sin 9'leid)l)alti9feit, Stbmec^Jlung unb ßebenbigfeit
lägt bie (Sammlung feinen 3Bunfd) unerfüllt.
3n einem fleinen 2Inl)ange l)at Ul)lanb über feine
Vorlagen unb bie ©runbfö^e ber Xejtgeftaltung einiges
mitgeteilt. SJlan fann breierlei Quellen unterfd)eiben:
5)anbfd)riftlid)e, gebrudte unb münblid)e, unb unter Jenen
beiben mieber Cinselnummern unb 2ieberbüd)er. !^n ber
SJlitte 3n)ifc^en beiben fteljen jene gebrudten Flugblätter
aus bem 15. bis 17. !3al)rl)unbert, in benen meift mel)rere
ßieber vereinigt finb unb beren ungeljeure gülle bamals
mie l)eute in ^ibliotljeten unb ^rioatbefife meit serftreut
maren. Sie finb bie treueften S^^gniffe bes lebenbigen
Sanges, ol)ne jebe Sammler« unb S'lebaftoreingriffe in
i{)rer maljren gorm aufge3eid)net. (Er tann fid) felbft bes
SSefifees eines Sammelbanbes oon 77 mertoollen fliegenben
©inselbrucfen rül)men. Slber aud) aus mand)em ßieber»
bud)e I}örte Ul)lanb ed)teften unb unDerfälfd)ten SSoltston
I)erau6. !Der berü{)mteften Sammlung bes 16. ;5al)rl)un-
berts, bie !ßergreil)en, mar er nad) l)ei6em 55emül)en I)ab»
l)aft gemorben. ^ad) bem frül)er (Befagten oerfte^t es
fid), ha^ münblid) überlieferte ßieber nid)t of)ne meiteres
Slnfprud) auf Serüdfid)tigung l)atten. Vluv bann gingen
fie in bie Sammlung ein, menn ausreid)enbe 3^i^9"iffß
für il)r 2llter oor^anben maren. So gemährte er ben oon
SInnette oon !Drofte übermittelten S^^^ Slönigsfinbern
freunblic^en ©mpfang, ^a fte „ben ©eift einer oiel älteren
3eit" ebenfo unDerfalfd)t atmen, mie bie IBaHabe oom
[Ritter unb ber SDlagb, bie 9leid)fall5 nur iuxd) neue
Sammlungen {^ejeugt iff,
394
aJieift aber \)atte fi^ U{)Ianb5 6ammclflci§ md)t nur
eine, fonbern mel)rere Raffungen eines ßiebes aus älterer
3eit, tias \)e\^t in 2luf3ei(i)nungen bes 15. bis 17. :5al)r«
{)unberts, 3u eigen gemad)!. Unb ba erl)ob fid) nun bic
fd)tüierige grage nad) bem tprinstpe ber Xejtgeftaltung.
C^in Ze]ct mürbe meift nur geboten, unb ol)ne ha^ ber
ßefer oon ben Slbmeid^ungen ber anberen etmas erfuhr,
©s erfc^ten „ni(i)t angemeffen, bte Ieid)ten ^lügel bes SSoÜs»
liebes mit einer gelel)rten grac^t Don ßesarten 3u be»
laften". ©inem foId)en 2^efte ermud)5 bie Stufgabe, bie
23or3üge aller SSortagen ju vereinigen unb il)re 6d)mäd)en
3u umge{)en. Sie befrf)eibenen unb fur3en 6d)Iu6bemer*
(ungen rücten U()Ianb5 ebitorifd)e 9Jlü{)emaItung aber nid)t
in bas red)te ßid)t. Sie beftanb nid)t nur in 2lbftreid)en
unb 3wre(i)trenten, fonbern fie forbertc ein ftämbig auf*
merffames 2tuge, eine feine 2Bitterung für bas fünft»
terifd) 9JlögIicf)e unb fprat^Iid) kältere. SBenn er ein !Z)uöenb
äugerlid) gletd)berecf)tigter Quellen cor fid) f)atte, fo mar
es natürlich in le^ter ßinie ber bi(^terifc^e Xaft, bem bie
(Entfd)eibung an!)eimfiel. UI)tanb i)at \\)m mel)r oertraut,
als oom ftreng pI)iIoIogifd)en ©tanbpunfte aus immer
billigen fann. Cr legt in ber 5RegeI nid)t eine beftimmte
SSorlage 3ugrun)be, fonbern er ift (Etleftifer unb nimmt
überall 'bas heraus, mas il)m am meiften 3ufagt. Oft er*
ftaunt man über bie fubttle gßinl)eit, mit ber er aus bem
SBirrfalber Überlieferung einen ftiled)ten unb einl)eitli(^en
Jeft geminnt. 2lber ber 23erbac^t, ha^ bie (Sinl)eitlid)teit
mel)r SSerbienft bes mobernen i)erau5gebers als bes alten
Sängers ift, fann nid)t überall abgemel)rt merben. (Bin
23erfenfen in bie inbiolbuellen Probleme, bie bas ein3elne
fiieb bietet, fennt er nid)t: bas oermelirt it)m bie ©runb*
anfd)auung, bic er fid) oon SBefen unb (Entfte^ung biefer
?Poefie gebilbet l)at.
Sie bel)errfd)t aud) bie üier Slapitel ber 2tbl)anblung.
UbiQttbö '^\t\ löor oon 2rnfang an gcrocfen, nttf)t nur 5U
fammeln unb ju erläutern, (onbern eine ßebensge«
jc^id)te bcsSSoKes in Iieb{)after©iber*
fpiegelungau geben. Sllles mas bas 23oI! oon feiner
5JrüI)3eit an bemegte, \sQi^ I^at in feinem (Befang Slusbrutf
gefunben. ©n alter romantifd)er ©laubensartitel, 3U bem
fid) aud) ber junge Qafob ©rimm befannte, fagt aus, bog
biefe 2tu5prägung in fiiebform gan3 unmillfürKd) gefc^el)en
ift unb allen gemein nxir. 60 fd)reibt aud) UI)(anb: „Die
?Poefie, nod) am ßeben I)aftenb, löfte unb fonberte fid) erft
allmäl)lid) oon il)m 3U eigenen ®eftaltungen ob." ^oefic
unb ßeben maren urfprünglid) eines, ba^er mar aud) im
magren Sinne bes 5öortes bas SSoIf 2)id)ter. 5öeil in
jener S^it bas 93oIf poetifd) geartet m<ir, mugte bie ^oefie
ooltsmägig fein, barin fal) bie 9'lomantif bie eigentlid^e
bobenftänbige ^raft unb bie tünftlerifd)e Unoergänglic^»
(eit biefer ßieber begrünbet; fie maren im 33oltsfd)o6c
geboren, fern aller ^ünftelei, ja aller irgenbmie geregelten
Äunft, unb lebten, in ftönbiger %x\\^t bem SBanbel aus«
gefegt unb bod) als immermäl)renbe getreue 2lbfpiegelung
bes SSolfsgemütes, im SSolfe meiter. 60 fonnte bas SSolfs*
lieb ein Jungbrunnen merben, aus bem bie überfünftelte
^oefie ber ®ebilbeten fid) 3U neuer (Befunbl)eit erquidtc.
f)tvXt ift biefer fd)öne Xraum ausgeträumt. Ol)ne
beftimmte fünftlerifd)e Snbioibualität fommt fein ßieb
3uftanbe, bie im SSolte lebenbige Xrabition oermag l)öd)*
ftens einen 6d)aö oon formen unb gormein 3U liefern,
in bem fid) ber ©in3elbid)ter bann bemegt. 2Bir erbliden
bas ^enn3eid)en bes SSoltsliebes nur barin, \iOi^ es feinen
5Beg burd) bie münblid)e Xrabition l)inburd) genommen
\:^t3X. 3Bol)l l)at ficft mö!)renb biefer '^ni jcber ein3elne im
23olfe, ber bas ßieb fang, il)m gegenüber 2lutorred)te an»
gemalt unb es nac^ ^Belleben umgemobelt: aber ba3u
beburftc es fd)on eines oorf)anbcnen feften ©ebilbcs, mit
396
bcm \)a5 ,,a3oIf'' walten tonnte, suftanbe gefommen märe
hmd) bie tnebI)ofte bid)tenf^e 2:ätigfett einer ®e|amtl)eit
ober burd) 3utammenI)an9lofe 5ßiUfüratte etnselner nie
ein Sieb. T)a5 ©mpfinben UI)Ianb5 unb ber S^lomantif
t)at nid)t gelogen: es }:)at 3umal im 14. bis 16. 3a{)r^unbert
eine f)öd)ft mertoolle ^oejie geblül)t, bie in ber literarif(f)en
Irabition feinen $Iafe fanb, fonbern nur burd) münblid)e
Doltstümlic^e gortpflansung weiterlebte. 2tber menn m\x
uns gleid) ben ^Herausgebern bes 2BunberI)orns unb ber
Sitten t)oc^= unb nieberbeutjd)en 93oItsIieber an i{)ren
6^ön^eiten erfreuen, fo gefd)iet)t bas nid)t besl)alb, meil
biefe ßieber aus bem SSolfsmunbe fommen, fonbern man
möd)te faft fagen, trofebem fie batier fommen; trofebem
bie entftellenbe SBiEfür ber iai)rl)unbertelangen münblid)en
2:rabitionen an bem fd)önen Urbilb mannigf ad) serftörenb
gearbeitet I)at.
gür UI)Ianb fonnte bie ©inmirfung bes SSoIfes auf
biefe ^oefie fdjon besl)alb nid)t als entfteUenb gelten, meil
er i^re Urfprünge in eine S^it 3urü(!fd)iebt, in ber anbere
als primitio oolfsmögige ^unft überl)aupt noc^ nid)t benf=
bar mar. 2Iu(^ iDeiterI)in I)at nad) feiner SJleinung in ber
fpäteren ^eriobe eine frifd)e unoerbraut^te ooltsma^ige
!Hid)tung in allen poetifd)en Gattungen neben ber Äunft*
bid)tung beftanben, biefer bie 2Bege gemiefen unb fte
ftänbig befrud)tet. Sie ^elbenepif ift i{)m aus öolfs*
mäßigen Ginjelgefängen, ber aJlinnefang aus fd)Iid)t popu»
lärer ßiebesigrif, bie mitteIl)od)beutfc^c 6d)n)anfnoDeIIe
aus bem DoIfstümIid)en 6d)er3lieb ermad)fen. 3ene
Gattungen ftilifieren unb oerfünfteln, mas biefe in frifd)er
9^atürli(^teit nahebringen.
greilic^ Uf)Ianb muß glet(^ einräumen, tia^ bie
beutfd)e t)oIfstümIid)e Überlieferung f)ter an SSoüftänbig»
feit ftarf 3u münfi^en übrig lägt. ^Dte beutfd)en SSoIts»
lieber finb ntc^t befonbers günftig, eine umhegte, 0ebrun»
gene, gleichmäßig in fid) abgerunbete 35ilbung ber SSolfs«
pocfic in ©rfc^einung gu bringen, n)ol)l aber biefelbe in
il)ren meiteften Sügßn 3U oerfolgen. 2)ie fc^otti|d)cn,
bänifcf)cn, fd)n3ebi|d)en brauchte man nur brucfen 3U
laffen." 2)ie beutfd)en muß man oielme^r in 2lbl)anb»
lungsform erläutern. 9Bo fid) babei ßücten in il)rem Se«
ftanbe Dorfinben, ba mirb alfo einerfeits auf hen 23olt5=
gefang anberer 23ölter, anbererfeits auf bie ^unftpoefie
überaugreifen fein, ©ine unenblid) meite ^erfpeftioe er*
öffnet fic^, Ut)lanb tann fid) unmöglid) mit ber (Erläutc*
rung ber r)orl)anbenen (Ein^eUieber begnügen.
3Sei biefer poetifc^en ßeben5gefc^id)te bes beutfd)en
SSoIfes, bie ber gortd)er entmerfen moUte, ging er in
5eitlid)er golge oor. 2ßa6 ha^ 23olt auf feiner frül)eften
^ulturftufe beiregte unb 3u unu)iHtürUd)er poetifd)er
iäufeerung gmang, ba^ mad)t ben 2lnfang, ber 2lbl)anb*
lung unb auct) ber 6ammlung, bie biefes c^ronologifd)e
^ringip fc^on oormeggenommen ijat 9n ben fpäteren
ßiebern merben fid) bementfpred)enb fpätere ^ulturftufen
miberfpicgeln.
Der einfad)e SJZenfd) lebt mit ben (Böttern, mit ben
elementaren 9^aturt)orgängen, mit ben 2;ieren, bie er eben»
fo mie jene beiben 3u Dermenfd)Iic^en liebt. 23on ben alten
©Ottern ber ©ermanen pren mir im beutfd)en SSoltsIieb
allerbings nid)t5 mel)r. „Der geiftige, obinifc^e leil bes
germanifd)en ^x)il)m ift in bie ftelbenfage übergetreten
unb im (ri)rif Iid)en aufgecangen, unb bal)er für bie IRubrif
ber 9Jli)tl)enIieber nur bie S^aturfeite übriggeblieben.'' Der
erfte 2lbfd)nitt ber 2tbl)anblung betitelt fid) 60 mm er
u n b 2ßi n t e r. Die perfönlid)e (Einfleibung ber jal)re5«
3eitlid)en 23orgänge, bie in populären ßiebern unb Spielen
reic^lic^ 3u oerfolgen ift bilbet einen !Reft mi)tl)ifc^er
9^aturanfd)auung. Der 3meite Slbfc^nitt Sabelliebcr
3eigt ben 9Jlcnfd)en im 93erfel)re mit ber Statur. 5)ier er«
398
fd)cint UI)Ianb roiebcr als trcfflid)cr Qntctprct belebter
9fJaturanfd)auung. (£r l)at has 93ermögen befeffen, bas er
Don bem ©rforfd)er biefer ßieber foröert, „l)inau55ugef)en
in ben frifd)en grünen SBalb, 3u feigen unb 3u I)örcn, mas
ha für ßeben ift, für ein glattem unb ©angeln, ^Raufc^en
unb Sagen im lid)ten (Besmeig unb burc^ bie unfteten
©chatten, melt^ oielftimmiges 6ingen, 3o5itfrf)ern unb
©irren unb ba3n)ifd;en ein feltfamer ßac^ruf, ein milber
©c^rei aus bem tiefen 2Batb." 2öie anmutig mei^ er aud)
bie 23ermenfc^lid)ung iber 2:iere 3u faffen, bie fid) in ben
oolfstümlid)en S^rabitionen Dom ^ate ber 9^ad)tigall, oon
S3ogell)od)3eit unb ßeid)enfeier funbtut.
2)as 23erl)öltnis ber 2Jlenfd)en untereinanbcr roirb
3unäc^ft bel)anbelt in ben^ötfel* unb SBunfc^«
liebem. 2)ie älteften menfci)licl)en 93ertel)r5formen
füllen in il)nen burd)fdL)imm^rn. ©er grembling, ber in
bie gaftlicl)e ^üite einfel)rte, mußte fic^ burd) finnige
6prüd)e unb im fpifeigen JHötfelfampfe bemä^ren. !Dann
fpiegelten fold)e ßieber bie ältefte gorm ber ©efelligfeit
wieber, in ber man fic^ mit 9lätfeln nedte, ßügenmörc^en
eraö^lte unb jeber Stanb feine eigene <5pra(^e ausbilbete,
ber Säger, ber 6d)äfer, ber 5)anbmerfer. !Das einfac^fte
unb fc^önfte 23erl)ältni5 t)on SDlenfd) 3u aJlenfd) brücft fid)
ober aus in ben ß i e b e s I i e 'b e r n , benen ber oierte
2lbfd)nitt gtit unb bie mieber in befonbers nal)e SSesie^ung
gefefet finb 3ur Statur, 3um liebel)olben marmen Sommer
unb bem fetnblid)en SBinter, 3u ben 35lumen unb ber
frül)ling5l)eiteren ßanbfd)aft.
!Diefen Dier Xeilen ber 2Ibl)anblung entfprid)t inljalt»
lid) bas erfte 35ud) ber ßieberfammlung. 3m 3meiten finb
bie 55allaben oereinigt, im britten bie l)iftorifd)en ßieber,
in benen SSoUftönbigf eit am menigften ongeftrebt ift. i)ier
ift alfo bie epifdie !Did)tungsftufe erreicht, ber ^ampf uon
Stamm gegen Stamm, bie politifd)e 33ermicflung ift ber
3ugrunbc ließcnbc ^ultur3uftanb. ©ine anibcre utib l)öl)crc
2lrt ber ©efclligfett fefecn bic ©e|cllf(^aft5licbcr bcs otertcn
23ud)C5 ooraus: es finb au5g€fprod)cn mtttclalterlid)c 23cr*
I)ältniffc, bic ba 3uta9c treten, ^Bürgertum, Sunftmejen
lüirft fid) in 6d)er3liebern unb Sd)iDänfen aus. Unb
(d)lie6Iid) im fünften 25ud)e bie getftli4en ßieber, mit benen
ber :Sixtel gefd)Ioffen ift: ttberroinbung bes ^eü)entum5,
bas in ben erften ßiebern norf) unbeftritten get)errfci)t l)ai,
unb oöUiger 6ieg ber d)rift(id)en 2Infrf)auungen, bie bis
in bie !Heformations3eit oerfolgt »erben fönnen.
!Der ©runbgebanfe ber 2lbl)anb(ung ift fc^ief unb
f)iftorifd) unl)altbar, ben cinselnen 2Ibfd)nitten braud)t ha*
mit aber bas Urteil nod) nid)t gefproc^en 3U fein. Sn ber
Xat vermitteln fie burd) güUe unb (Bruppierung bes
QJlaterials reid)e 93ele()rung. IDarüber l)inaus follte man
bie f)er(ömmlici)en fiobfprüd)e etmas einbämmen, me«
nigftens mas bie barftellerifd)e Scmältigung ber Slufgabe
betrifft. 9öir ftel)en an ber 6d)ir)elle oon Ul)Ianbs 2llters»
fd)riftftellerei. Sie gäl)igfeit jur anmutenben (Ein^tU
Beobachtung unb U)vem ermärmenben SSortrag ift nod)
nic^t gefd)n)unben, mol)! aber bie lid)tDolIe (Blieberung,
bie aielbemufete güljrung ber Unterfud)ung. 2lm el)eften
oermöd)te man biefe nod) bem britten 2lbfd)nitt nad)^*
rül)men, aber bie anberen finb @efd)(inge, ßeiber ol)ne
Äopf unb gufe. ®s fel)lt an überfid)tlic^em gortfpinnen
bes ©ebanfens, an beutlid)er (Einftellung auf ein Qxel an
treffenben ^efümees. Ser laienl)afte ßefer !ann fic^ l)ier
lebiglid) gelangmeilt fü{)Ien, unb gan3 unmöglid) mirb es
il)m fein, ol)ne bie Kenntnis einiger S^otisen bes 9^ad)=
laffes in bie geplante ©lieberung bes gan3en 5öerfes unb
fomit ber S5rud)ftücfe unb felbft ber Sammlung ein3u=
bringen.
U{)Ianb \)at bas Dielleid)t felbft gefül)lt. 6d)n)er brücfte
unb l)emmte il)n ber nod) ungelöfte leil ber 2lufgabe.
2)ie Snitiatbc 3ur gortfefeung, einmal perlorcn, iDoUte
fid) nid)t lüieber cinftellen. 2Jlangelnber SSctfall l)at '^Oi'ö
nid)t t)cr{d)ulbet. Sas „liebe S3ud)", rt)ie ber ©ermanift
^al)n mit 9^ed)t bie Sammlung nennen burfte, erfreute
fid) bei ben fjac^g^noffen berfelben 3uftimmung mie ber
2Jlr)tl)U0 Don XI)or, unb 50g in (einer 2ßirffamteit natur=
gemäg oiel roeitere Greife. Überall fei es mit 3ubel auf=
genommen morben, fo berid)ten bie greunbe, unb ©otta
fann nad) gmei 3al)ren fc^on ben 2lbfafe Don über taufenb
©femplaren melben. gerbinanb 2öolf, ber SBiener S'lo»
manift unb treue Reifer bei ber Sammlung, \)^i feinen
©inbrucf in bie 2öortc sufammengefa^t: „Ülur ein ginber
roie Sie, bem bos eigene 5)id)tergemüt bie befte 2öünfd)el*
rute, fonnte aus ben Xrümmern ber 23ergangenl)eit einen
fold)en ^6)(x^ l)eben, ber jebes 2)eutfd)en 2Sruft mit Stol3
erfüllet; benn mußten mir aud) längft burd) eingelne
^Proben Don beffen Dafein, fo bietet fid) boc^ erft jefet,
burd) 6ie, beffen geläuterte güUe ben freubig über*
rafd)ten ?Bli(fen bar."
2Bcnn Ul)lanb trofebem ber beutfd)en 2öiffenfd)aft \s^'b
abf(^lie6enbe SSolfsliebmerf nic^t geliefert l)at, mie es bie
Sönen unb (Englänber beflfeen, fo lag \iQi<ä in lefeter ßinie
mieber an feiner romantifd)en 2Iuffaffung bes SSoltsliebes.
SBie es bem 23olt entflammte, fo moUte er es aud) bem
gangen S^iolfe barbieten, \iQs l)ei6t einem breiteften ^u«
blifum, nic^t nur ber ©elel)rtenu)elt einen Sienft leiften.
©emeinnüfeigfeit ift aud) bei ber miffenfc^aftlidien ©d)rifts
ftellerei immer Ul)lanb5 le^tes '$i\z\ gemefen.
12. Ä a p i t e I
1848
Ul)(anb6 fd)H)ärmcnbe SSorüebc für bas finnig tiefe,
ßeben unb ©mpfinben in 2)id)tung ausmirtenbe unb burd)
Did)tung fd)mücfenbe 23oIf ift bie poetifd)e ®rfd)einung5«
form einer praftifd) poIiiifd)en 2lnfd)auung. 6eine SSolts»
freunblid)feit \)at il)ren Urfprung nid)t in foaialem (Emp»
finben, fonbern in ^od)ad)tung Dor bem inftinftioen, gc«
rerf)ten unb xüül)xen SBoIIen unb gül)Ien ber SSoIfsfeele,
Dor il)rer göljigfeit, über i^r 5ßol)( unb 2öel)e felbft ju
entfd)eiben, vor il)rem di^d)t auf freie 6elbftbeftimmung.
lH)Ianb ift nid)t umfonft ber Url)eber bes oiel sitiertcn
Sßortes: „3d) l)Qlt' es mit bem fd)lid)ten 6inn, ber aus
bem 23ol(e fpric^t." S3eim 2tltred)tlerftreit glaubte er biefe
gäl)ig!eit bes SSolfes, altgel)eiligte !Hed)t5anfprüd)e 3U er«
fennen unb burd)3ufeöen, suerft gefül)It 3U I)aben, unb
mar baburcf) Don felbft in bie bemofratifc^e S^itftrömung
I)ereingeraten. 2)urd) bie bittere Sd)ule ber IKeattions«
seit mar and) il)m insbefonbere ha5 Drängen nad) jeber
2Irt Don ooKsmögiger greiljeit, ber ^erfon, ber JRebe, ber
Schrift, ber SSerfammlung, 3um bringenbften (Bebote ge*
morben.
Danach regelte fiel) fein 23erl)alten im ßanbtage feit
1833. 5n oieler 5)infid)t mürbe fein unb feiner greunbe
ßiberalismus öon praftifd)er S^ufebarteit. 6o menn er
für i)crabfeöung ber 2Jlilitärlaften, für Selbftoermaltung
6(^nclbcr, Uf)lanb. 26
gegenüber Derfnöd)erten 23eprben, für 2Iufbefferung bcr
ßel)rerbc|oIbung, für ßcl)rfreil)eit an ber 5)od)ict)ule, für
3JiiIberung bes rigorofen ©trafgefc^budies eintrat. 3n
anberen gällen tonnte fic^ freilid) bie prinsipieUe ©egner«
fd)Qft 3ur Delegierung aud) in fleinlic^em SSerfagen äußern.
2}lan l)at ber n)ürttembergifd)en Oppofition ber bamaligen
Seit nid)t ol)ne 25ered)tigung nac^gefagt, ba^ fie il)re 23or«
würfe, namentlid) burd) ben 9Jlunb Ul)lanb5 unb 6d)ott5,
bel)arrlid) an bie falfd)e 2lbreffe gerid)tet l)abe. Die
Knebelung ber treffe unb be5 SSerfammlungsred^tes maren
burd) 23unbe5tagöbefd)lu6, nid)t burd) bie Delegierung bes
tieinen ©inäelflaates oeranlagt n)orben. (£5 war eine
gemeinbeutfd)e 2tngelegen^eit, eine groge freil)eitlid)e 25e«
megung, als beren 23ortämpfer Ul)lanb unb bie ©einen
fid) fül)Iten, aber fie Derfod)ten fie mit ben 2Jlitteln bes
Hleinfrieges auf engem ©ebiete.
^önig 2Bill)eIm perbiente weniger als bie meiften
beutfd)en Surften, in ben ©erud) bes greil)eitsfeinbes 5U
geraten. 6d)on aus 6elbftgefül)( unb ©igenbünfel fül)lte
er mand)es nid)t minber peinlid) als bie Oppofitions«
männer. 2tber wenn nid)t Urt)eber, fo mar er bod) ©je«
tutor jener 58etd)Iüffe, unb ^0!^ bas gange Übel oon ben
um \\)x^ SlUgemalt bangenben dürften ausging, bas unter*
lag feinem Qmeifel. Ul)lanb mug in jenen 5al)ren bie
bemotratifd)e Slbneigung gegen getrönte 5)äupter mit
Dollen 3ügen in fid) gefogen l)aben; ßenau berid)tet mit
greuben oon bem „blül)enben ^ag gegen bie dürften",
ben er bei il)m gutage treten \oS). 2)en burd) 2:r)rannen*
gemalt gefnec^teten 23öl!ern galten feine mörmften 69m»
patl)ien. 2ln ber Unterftüfeung ber frei^eitstämpfenbcn
(Bried)en, ber flüd)tigen ?Polen, l)at er fic^ in (Bemeinfd)aft
mit 6d)ott aufs eifrigfte beteiligt.
Slber nod) eine anbere als bie X9rannenfeinbfd)aft
Ift burc^ jene :3al)re ber JHeattion bei Ul)lanb 3um form-
Iitf)cn ©rimm angefd)n)olIen unb l)at il)n erft red)t ins
rabital bcmofratifd)e ßager l)tnübergetncben; bie einfüge
mel)r tI)eoreti|d)e 2lbneigung gegen ben 2tbel, bie juerft
aus ber 6d)rift Don 1817 fprad), fai) er jefet bur^ bie
?Prafi5 aufs fd)Iimmfte gered)tfertigt. Die (Erfte Kammer
Ijatte fid) tatfäd)Iicf) rücffd)rittlid)er gejeigt als ^önig unb
2ninifter, weit me^r als biefe oom SJli^trauen gegen bas
„bemo!ratifd)e ©ift" befeffen. STus biefer ©runblage ent»
fprang bie bel)arrlid)e 2lble()nung aller liberalen IHegie»
rungsoorlagen, bie eiferfüc^tige Söaljrung felbft ber un*
bebeutenbften ftänbifc^en 23orred)te, l)äufiges eingreifen
in bie SSefugniffe ber S^J^iten Kammer. 2ßelcf)e 2In*
ftrengungen mad)te ber 2lbel, um bie ipre^freil)eit 3u
unterbinben, mie l)offnung5los fleinlid) unb rücfftänbig
Seigte er fid) felbft gegenüber einem neuen 2öilbfd)aben-
gefefel geinbfd)aft gegen bie Slriftofratie l)at benn and)
einmal, als UI)Ianb aus ber Kammer bereits ausgefd)ieben
iDar, ben 2lnfaö gu einer politifd)en 2lbl)anblung l)eroor»
geloctt. ©ine Unterfud)ung überbenälteftenbeut-
f d) e n 21 b e l follte 3cigen, ha^ nid)t faftifc^e died)t5an*
fprüd)e, fonbern nur bie primitiven SSorftellungen einer
fel)r alten Q^it bem 2lbel feine SSorjugsftellung oerfc^afft
l)aben. 3n ein3elnen Ijeroorragenben @efd)led)tern fal)
ber SSoltsglaube eine befonbere Offenbarung bes 5)öd)ften
unb (Böttlid)en; alfo ein ©ottesgnabentum, bem man fid)
loillig beugen burfte, folange tatfäd)Ud) moralifd) unb
fricgerifc^ ausge3eid)nete ?Perfönlid)feiten biefen Familien
entfprangen. 2lus mr)tl)ifd)en, nid)t aus juribifc^en 2Bur«
3eln ift bemnad) bie Seoorsugung bes 2lbels entfproffen,
unb bie praftifd)en Folgerungen gegenüber ben längft
nid)t mel)r göttlid) anmutenben 9^ad)fal)ren biefer oer*
meinten (Bötterlieblinge finb leid)t 3U gießen.
STriftofratie unb 9Jlonard)ie ermiefen fid) als Gräfte,
mit bcnen bie 2)emc(ratie Ul)lanbs unb feiner Öreunbe
ben Äampf 3unäd)ft vX6)i aufnel)men tonnte, ©s mar
ein 2BaI)n, 3u glauben, \i(x^ Don bem fleinen 6d)U)aben'
lanb aus ber geläuterte unb burd)gebilbete ^onftitutiona«
lismus einen ©iegeslauf antreten merbe. Solange es in
2)eutfrf)Ianb nid)t anbers mürbe, mar aud) für 2ßürttem«
berg fein entfd)eibenber 2luf|d)tx)ung gu l)offen.
Das Sa^r 1838 bebeutete bes^ialb für U{)Ianb ben
2lbfd)ieb oon ber ^^olitit ©in gutes 6tü(f ßebensaeit mar
i{)m „Derroufc^t", unb er gibt mel)r als einmal bem
brütfenben @efüJ)l Stusbrutf, ba^ ber Erfolg bie aufge*
manbte SDlüIje nid)t DerIol)nt ^abe. Die 3ßitDerI)ältni(fe
bünfen il)n I)offnung6los. Den ©runb bafür fiel)t er aber
nid)t nur in bem böfen Sßillen bes felbftfüd)tigen 2lb'
folutismus, fonbern 3um guten Xeil aud) in ber Oeiftes«
unb (Bemütsbefd)affenl)eit ber Deutfd)en. „Sin S^üftgeug
ift il)nen oerfagt, ber 6tol3 bes freien ^Bürgers." De5l)alb
oermeigert er 1841 aud) alle SSJlitarbeit an bem ibealen
©inigungsmerfe ber (Beiftesariftofratie, bem Don bar)rifd)er
Seite Dorgefd)lagenen Did)terbunb: „!3mmer nur ber
Stein ftatt bes Brotes!" Die 3mei Sd)lagmorte, bic er
bei biefer Gelegenheit aufftellt, finb bie lange fortmirfenben
fieitmotioe jeber politifc^en Strömung ber S^it: (5r forbert
politifd)e Einigung, nid)t in einer ftarren S^ntrali*
fation, fonbern in lebenbiger @emeinf(^aft einer gefunben
SSolfs f r e i l) e i t.
2öie es in politifd)er ^infid)t in bem Deutfd)lanb ber
breigiger unb mersiger 3al)re ausfal), meld)e ^ntereffen,
23eftrebungen unb S)offnungen bie 58effergefinnten be»
f)crrfd)ten, bas entnimmt man am beften einem 35ud)e,
bas in Ul)lanbs 9^äl)e unb in oielem aus einem il)m oer*
trauten ©ebanfengange I)eraus entftanben ift. 1831 be«
reits mar, mie mir miffen, $fi3ers 35 r i e f m e d) f e l
3meier Deutfd)en erfc^ienen. 2(ls 2:übinger Stubent
l)attc ber 23erfaffer feine 2lnfid)ten in beftänbigem @e-
405
banfenau5taufd)e mit einem greunbe, bem fpäteren
Ul)Ianbbiograpl)en 9f^otter, l)erau6gebilbet.
Die beiben Srieffd)reiber oerförpern bie jroci 5)aupt»
ftrömungen bes bamaligen 6übbeutfd)lanb. ©inig finb
fie \i(i) in ber 23erurteilung ber allgemeinen 2ltmofpl)ärc, in
bcr fie leben, unb bie fie als ungefunb, ftagnierenb emp-
finben. Der Deutfcf)e ift politifd) im I)öd)ften ©rabe un»
münbig. ®r ift ein grembling in ber i)eimat, lebt ftänbig
in einer anberen 2BeIt unb feine einaige politifrf)e Be-
tätigung beftel)t in unmürbiger fo5mopolitifrf)er „Srau*
baferei''. Die S'lettung läge in ber (Erringung eines bop*
pelten ©utes, bem bi5{)er nur fromme 2öünfc^e unb uto*
piftifd)e 5)offnungen gegolten I)aben: ber ®in{)eit unb ber
greil)eit. Die pra!tifd)en Sßege, bie bal)in fül)ren tonnten,
merben ermogen, unb l)ier natürlid) oerfd)n)inbet bie ©in-
()elligfeit ber beiben Sreunbe. Der eine, 9BiII)eIm, I)ält
nur ein Deutfd)Ianb für möglid), in bem preu6ifd)er ©in*
flug übermiegt; nid)t bem preu6ifcf)en SSoIfe, aber ber
preu6ifrf)en Dr)naftie meift er bie güI)rerroIIe in bem fünf-
tigen geeinten tfie\d)e 3u. „SBenn nic^t alle Qe\d)en trügen,
fo ift ^Preußen auf bas ^^roteftorot über Deutfd)Ianb burd)
basfelbe SSerböngnis angemiefen, ^qq il)m einft einen
griebrid) ben ©rogen gab/' Dagegen nun erl)ebt griebrid)
©infprucf) mit ber ganjen Ieibenfd)aftlid)en ©infeitigfeit
bes eingefleifd)ten 6übbeutfd)en: „®5 liegt etwa^ Dürf*
tiges, Dürres in bem norbifd)en 2ßefen, bas mir ben ®e*
bauten, gan3 Deutfd)lanb in einen preu^ift^en 3Jlilitär«
unb 53eamtenftoat oermanbelt 5u fef)en, unbel)aglid), ja
pcinlid) mad)t." Beiben ift tlar, ^a^ bie übermiegcnbe
9Jlad)tftellung Preußens mit einem Verbleiben Öfterreid)5
im beutfd)en ©efamtftaate nid)t vereinbar märe. 2öil{)elm
fd)eint fid) barüber leid)ten ^ersens l)inn)eg3ufeöen,
griebrid) erljebt aber patl)etifd)en ©infprud): „9d) mürbe
ben SSerluft eines fo fraftoollen 3Jlenfd)enfd)lages, ber an
406
Slaturell, (Bemütltd)feit, 9Jluttenx)tfe btc ^^rcugen roctt
übertrifft unb aus bcm noc^ unenbUd) oieles fic^ enttöitfcin
fann, für einen unerfefelii^en Ijalten."' Wan muß if)n
über ben ,,romantifd)en Sauber Öfterreid)5, feiner Qanh*
\d)a\t, feiner pröditig gebauten i)öfe unb 6täbte, feines
bunten 23ölfergen)immels" fd)njärmen l)ören, um 3U
n)iffen, mie fid) biefe grage in ben meiften fübbeutfd)en
köpfen roiberfptegelte.
®If i^aljre fpöter ergriff ^fiser njiebuerum gum gleichen
^Probleme bas SBort, in feinen ©ebantcn über
died}i , Staat nnh ^ird)e, unb mas er ber ®egen»
mart gu fagen ^at, bas berü()rt fid) aufs engfte mit ber
Äenn3eid)nung ber bamoligen ^Periobe burd) Urlaub. STud)
er oermifet am beutfd)en 25ürgertum cor allem bas Oe»
fül)l für (5I)re, bas jeber nationalen 93ereinigung unb 2Birf»
famfeit t)orangeI)en mü^te. Seutlic^er als bie beiben
jungen 6d)u)ärmer Don el)ebem forbert nun ber im poli*
tifd)en ßeben gereifte 5!Jlann ein reales 3^^^ unb Symbol
ber ©inl)eit: eine 9'leid)SDerfaffung, begrünbet unb ge«
iDäl)rIeiftet burd) eine SSoItsoertretung beim SSunbestag,
eine 9^ationaIoerfammIung, bie ben SBillen bes gansen
23oI(es 3um Slusbrud bringt. Sold)e gorberung ift nic^t
überl)ebltd)e Ungebühr, fonbern berul)t auf einem 2In=
fprud)e bes ^Deutf^en. 2IIs ^ampfpreis für bie grei{)eits=
friege ift bem 93oI!e t)erfprod)en morben ,,bie SBiebergeburt
bes 9'leid)es bur(^ eine in Gin{)eit gel)altene 23erfaffung
aus bem ureigenen ©eifte bes beutfd)en SSoIfes".
Tlan muß biefe ©ebantengönge ^fisers fennen, benn
fie finb oon UI)Ianb 3n)eifeI(os mitgemad)t morben unb
bilben bas notmenbige 9JlitteIgIieb 3n)ifd)en 93er{)alten unb
SJleinungsöufeerung bes 5IItred)tIers unb bes granffurter
^Parlamentariers, greilid) ift I)ier fd)on ber ?Pun!t beut«
lic^, mo bie SBege ber ^reunbe fid) fd)eiben merben: 23er*
ftärft tut fid) bei ^fi3er bie Hoffnung auf eine freifinnig
407
beutfrf)e SBenbung ber ^olitif ^rcu^ens funb, in bem er
nad) mic oor ben natürlid)en 6d)n)erpunft unb ^ern oon
2)cutfrf)Ianb5 Wa(i)t unb (Etnl)eit fiel)!. Öfterreid) möd)te
er au5fd)oIten, es ift eine 9JZad)t erften S^langes auc^ ol)nc
SSerbinbung mit !Deut{cf)Ianb.
2turf) ?Pfi3er lebte feit 1838 in felbftgeu)äf)lter aJlufee,
fud)te aber burd) poIitifrf)e Sd)riftfteIIerei feinen (Einfluß
oufred)t3uerl)aIten. U{)tanb glaubte bamals mit ber ^o»
litif oöllig abgefd)loffen 3U l)aben, unb 3um 6d)riftfteller
auf beren (Bebiete fanb er fid) oöllig ungeeignet. 55lätter
ber t)erfd)iebenften !Hicl)tungen l)aben oergebens um feine
3Jlitn)irtung gemorben, JRobert ^Slums 23olf5tafd)enbud)
ebenfott)ol)l mie bie Seutfcbe Seitung t)on ?8affcrmann unb
(Beroinus. Sm allgemeinen 35emu6tfein ber Sd)XDaben
bel)auptete er aber gleid) ^fijer bie IRoUe bes S3olf6l)elben,
ber ber ^Regierung gegenüber mannl)aft bie 35ürgerred)te
oertreten l)atte unb auf ben man l)offen burfte, menn ein»
mal 9^ot an Wann tarn. 60 fonnte es nid)t fel)len, lia^
bie ?8litfe pieler fid) alsbalb auf i^n rid)teten, als oon
Tlitie ber oieraiger Oabre an bie6turm3eid)en fid) mel)rten.
Sc^on in ben ^Briefen l)atte griebri(^ bie 3ii^5^rfitf)t
au6gefprod)en, ha% fid) bie bürgerlid)e greil)eit eines Xages
mit ber ©emalt einer 5^aturfraft Sal)n bred)en merbe,
ber 6d)rift t)on 1842 oollenbs erfd)eint ber Umftur3 fo
fid)er mie ber Xag nad) ber 9lad)t. 3^ur infofern über»
I)olte ber eilfd)ritt ber ©reigniffe auc^ ^fi3ers ^ropl)e»
3eiungen, als entgegen SBil^elms 23orl)erfage bas ftür»
mifd)e %xe\^t\i5 bcgel)ren ^lafe griff, el)e bas be»
bäd)tige (E i n i g u n g s mert erfolgreid) 3ur Zat ge»
morben mar.
(Eine 5lrt Sluftaft 3U bem. politifd) frud)tbaren Qu'
fammenfd)luffe ber intellettuellen, fpe3iell gelel)rten Greife,
ben bas 3al)r 1848 bringen foUte, bebeutet bie crfte
beutfd)e ©ermaniftenoerfammlung, bie im ©eptember 1846
3u granffurt tagte. $Ret)fd)er, Uf)lanb5 Xübinger College,
mar ber SSater he5 ©ebantcns, neben il)m 3ei(^nete UI)lanb
in ber ßifte ber ©inlabenben, bte im übrigen bie glän=
3enben S^amen 2Irnbt, Sa^Imann, (Beroinus, ^atob unb
SBiIf)eIm (Brimm, ßad)mann, Plante aufrüies. $oIiti!
füllte aus il)ren ^efpret^ungen oerbannt bleiben, aber mie
mäd)tig mußte in fold)er 2ltmofpI)öre ha5 9^ationolbe»
rougtfein fid^ ergeben, mie l)ei6 in aller 6eelen bas
6treben nad) einl)eit unb JJrei^eit entbrennen! Ul)lanb
mar es, ber il)m ^lusbrucf oerliel). Sn marmen SBorten
(ober, nad) bem 53eric^t eines 3:eilnel)mer6, |ogar „in mä(f)=
tiger ditt^e'') mürbigte er beim erften Seifammenfein im
JHömer Ort unb (Beift ber SSerfammlung: „2lls biefen
SD^lorgcn im ©aal bas 9Bort g r c i l) e i t genannt mürbe,
bas ging ja mie ein ßauffeuer burd) bie SSerfammlung,
unb man meinte, bie alten ^aifer mollten aus il)ren
JRa^men fpringen, um bie einen ansufeuern, bie anberen
3u gügeln." 2luf feinen Slntrag mürbe Safob ®rimm
3um 23orfifeenben ber ©ermaniften gemö^lt, unb bie 2ln»
trittsrebe bes Slltmeifters entl)ält bie bebeutfame !Defi*
nition: „Gin 23 o l f ift ber Inbegriff von 9)lenfd)en, bie
biefelbe 6prad)e reben." Saß aud) tll)lanb bas beutfd)e
fßolt in biefem Umfange cerftanb unb im 5)er3en trug,
bas bemeift fein ftänbiger ©d)mer3 über bie 93ermelfd)ung
bes ©Ifaffes unb fein eintreten für Deutfc^=Öfterreid) als
unoerlierbaren ßanbesteil. 2)ie 23erfammlung l)atte es
3umeift mit ber SSerteibigung eines anberen entrechteten
SSolfsftammes 3u tun, ber 6d)le6mig=i)olfteiner. 93orl)er
fd)on Ratten 2;übinger ^rofefforen an biefe bebröngten
SSrüber im Sterben eine 6r)mpatl)ieabreffe gerid)tet, auf
ber Ul)lanbs 5^amen natürlid) nid)t fe{)len burfte. 6ie
felbft 3u üerfaffen, f)atte er im i)inbli(f auf bie norgefefete
polttifc^e C^nt^altfamfeit abgelel)nt. !Dod) bie ©reigniffe
feilten il)n balb miber 2Billen in il)ren Strubel reißen.
3m fttllen ^Tübingen fogar mar oon ben ©eburts*
treten ber fünftigen D^CDoIutton vielerlei 3u Derfpürcn.
Das poltttfd)c fieben n)ar im Saufe ber Diersiger !5al)rc
ern)ad)t. ^ur3en5 2Bunfd) l)atte ftd) erfüllt, bie Unioerfität
mieber mit bem fieben Sül)lung gemonnen. ^rofefforen,
©tubenten unb Bürger traten in enge 33e3iel)ung, poli«
tifd) ©Ieid)gefinnte taten fid) sufammen, man ftrebte aus
ben ÄIeinbürgerDerf)äItniffen I)erau5. 6d)on 3eigte fid) bei
einem fleinen 23orfpieIe ber JReooIution, ben 5)unger=
framallen t)on 1847, \^o!^ bie befonneneren Elemente ber
S3ürgerfd)aft {)eilfamen ©influfe auf bie breiteren 9Jlaffen
au53uüben üermodjten. 2ln ber Xafelrunbe ber J^übinger
?Politifer nun, bie IRe^fc^er, gallatti, ben ^unftl)iftorifer
Springer unb oor allem ben 5aftl)etiter 23ifcl)er 3u i{)ren
Sterben sohlen burfte, pflegte aud) lll)lanb einmal bie
2Bod)e in ^Begleitung Äarl aJlapers fid) cin3uftellen. ©r
begnügte fid) meift mit ber ?Rolle bes S^^örers, 6tamm^
tifd)poIitif mar nid)t feine Sad)e. 2Iber in biefcm l)arm*
lofen Greife foHte gerabe er 3um gül)rer ber erften reDO=
lutionörcn SSemegung merben: 2llle ©enoffen erftarrten
t)or 6taunen über bie 2öud)t Dolf5tümlid)er Energie, mit
ber Ul)lanb einmal eine 0brigfeitlid)e ^erfon in i{)re
6d)ranfen mies, einen ^oliseibiener, ber il)nen im Sflamen
bes ©efefees il)r mol)lDerbriefte5 9fled)t befd)neiben moUtc,
bis 3el)n UI)r abenbs 3ufammen 3U tneipen!
Dem 6d)er3e folgte balb ber ©ruft. Sm Februar
1848 marf bie ^arifer S^leüolution ben Qünbftoff in bie
lange gäl)renben beutfd)en SUlaffen. Der fiiberalismus {)ob
fein 5)aupt, unb allentl)alben fal)en bie Derängftigten ?Re=
gierungen in eiliger 55emilligung feiner gorberungen bie
einsige ©emäl)r für bie Unterbrüdung einer rabifalen,
t)ielleid)t blutigen JHeDolution. Unter ben mürttember=
gifd)en 6töbten, beren 53ürgerf(^aft fid) mit frdftigen
ijorberungen on bie ^Regierung auerft ouf ben 25oben
ber neuen Suftänbe [teilte, gingen Stuttgart unb 2^übtngen
ooran. 2lm 2. Wdx^ bereits fanb im Jübinger S^eit^aufe
eine 23erfammlung ftatt, in n)eld)er Ul)(anb auf Ginlabung
feiner aJlitbürgcr eine Eingabe an bie ©tänbeDerfamm»
lung oortrug. 6ie gel)t in brei Stütfen not^ über bie ein
paar Xage älteren berül)mten SD'lannl)eimer gorberungen
I)tnau5. ©0 finb biefelbcn, für bie Ut)lanb in ben 3a{)ren
feiner ftönbifdien Xätigfeit langbauernbe unb erfolgslofe
ilämpfe gefül)rt }:)aite: 2tlIgemeine23oIt5beu)affnung, ^reg«
freil)eit, 23erfammlung5frei{)eit, Selbftoermaltung ber ©e»
mcinben, ®infü{)rung oon 6d)n)urgerid)ten. !Der Sßürttem*
berger fpesieti oerlangte nod) JReoifion ber SSerfaffungs*
urfunbe, ber alte f^einb ber Slbelstammer ^erfteEung
einer ungemifd)ten, aus ber SSoÜsmat)! I)erDorgegangenen
Slbgeorbnetenfammer. Sas maren bie 2Bünfd)e nad)
neuen g r e i I) e i t e n. SIber aud) ber © i n i) e i t s *
gebaute magte fid) fofort ^ertjor. 2lls erften ipunft ftellte
bie (Eingabe an bie ©pifee: „Slusbilbung ber ©efamtoer»
faffung !Deutfd)(anbs im 6inn eines Sunbesftaates, mit
SSoIfsoertretung burd) ein beutft^es ^Parlament beim
SSunbestage/'
2)ie ©reigniffe gingen einen rafd)en @ang. UI)Ianb
l)aih bamals in Tübingen oertrauten Sefuc^, ^ani ^fiser
meilte bei it)m. !Da traf am 7. Wdx^ ein Eilbote aus 6tutt«
gart ein: ?Pfi3er foUte in einem neujubilbenben liberalen
Kabinette bas ^Itusminifterium überne()men. 2)ut)ernog
unb JRömer, ^mei ^arteifreunbe U{)Ianbs, maren an bie
©pifee biefes SOZinifteriums getreten. 2)ie SBat)t biefer
ajlänner mu& oöUig nad) feinem ^erjen gemefen fein.
?PerfönIid)e 22orteiIe aus il)r 3u 3iel)en lag it)m fern. • Sem
Xübinger (5enat5befd)Iuffe, ber il)n mieber in bas ße{)r*
amt einsufefeen münf d)te unb ben ^fiser eifrig unterftüfete,
voxd) ber bes ßel)ramte5 längft ®ntn)öl)nte aus. 6päter
bot fid) il)m gor bie unern3ünfd)te (Belegen^eit, felbft ein
411
^Portefeuille 3u überncljmen. Dergleid)en mies er locit
oon fid), ebenfo lüie eine erneute ßanbtagsfanbibatur.
Dennod) formte er auf bie !Dauer feiner Surücfgejogen»
I)eit nitf)t gan3 treu bleiben.
SD^lugte 'ü)m bod) ha^ i)er3 Ijod) fd)lagen, als er fo 3um
6pred)er einer ©efamtl)eit mürbe unb, bie SSoltsmengc
l)inter fid), in Stunben bewilligt fat), um mas er 2lal)r»
3el)nte oergebens gefömpft l)attc! damals, im 9Jlör3 1848,
wollte aud) ber politifd)e 6d)riftfteller in il)m eru)od)en.
Cr entmarf einen Sluffafe, ber ben beutfd)en ®inl)eit5ge*
banfen 3um ©egenftanbe Ijatte. 9Bie $fi3er, fo erfd)ienen
auc^ il)m internationale S^ioellierungsbeftrebungen als
Äreb5fd)äben alles voa^xen 2)eutfd)tums. 2)ie !Deutfd)en
finb eins, nad) pf)9fifd)en unb etl)ifd)en (Eigenfd)aften, burc^
bie mittelalterlid)e ?Politit unb burd) i^r ©elbftbemufetfein.
Cntfrembet l)at fie einanber nur immer bie fälfc^lid) uni-
oerfelle ?Rid)tung. On ber 2B eltbürg erlid)!eit, ber 3Jlifd)ung
oon nationalen, politifd)en unb fo3ialen 2;enben3en fiel)t
Ul)lanb bebentlid) ungefunbe 6r)mptome aud) ber jefeigen
SSemegung. Erneuerung bes 9^ationalgefül)l6, Qebung
unb 25efrud)tung bes SSaterlanbsgebanfens ift il)m erfte
SSorausfefeung ber gen)ünfd)ten ®inl)eit unb grei^eit. ©s
berül)rt mol)ltätig, bog fein einsiger politifd)er Stuffafe aus
ber S'leDolutionsseit fid) nid)t in gorberungen nad) oben,
fonbern in 9Jlal)nungen nad) unten ergel)t.
©as erfte ^oftulat feiner Eingabe aber, nac^ freier
6elbfttätigfeit bes SSoltes unb Sölitmirfung bei ber 25c*
ftimmung bes ftaatlid)en ßebens, foUte unter Ul)lanbs per»
fönlid)er SJZitmirfung in bie Zat umgefefet merben. !Den
fieb3e^n offisiellen ^Sunbestagsoertretern mürben ebenfo
oiele liberale ^erfönlid)feiten aus bem SSolfe 3ur Seite
gegeben, bie bie (Brunblage bes fünftigen Ein{)eitstoerfes
mit3uberaten l)atten. ^fi3er brachte beim ^önig Ul)lanb
3um 23orfd)lag. 2lm 15. Wdx^ fd)on erl)ielt ber Erforene
btc ^unbe baoon, mentgc Xage banac^ ftcl)t er Dor bem
Äönig, um für bie Ernennung 5u banten unb ^nftruf-
tionen entgegen3unel)men. (Er empfängt tetne. • Ses
Königs 2öunfd) ift bei btefen unausgegorenen S^ftänben,
er möge „biefer 23erfammlung in ber freieften Sßeife an«
ii)o{)nen". (Er felbft empfanb es als unbemo(ratifd), bog
tx auf feinen tpoften ernannt, nid)t eru)äl)It morben fei.
!Dotf) es galt 3U eilen, unb fo mugte Urlaub, burd) einen
gatfelaug ber ^Tübinger geleitet, fd)on ©nbe bes SJlonats
nac^ granffurt überfiebeln. 2tm 27. SfJlöra traf er bort ein.
Dag man aud) au6er()alb Sßürttembergs feine 2Ib=
orbnung mit Genugtuung begrüßte, tonnte er alsbalb be=
merfen. ^oXit er auf ber S^leife unerfannt f(f)on man(i)e5
i)od) auf bie beutfd)en 6änger 2Irnbt unb lll)Ianb mit
angeprt, fo fa^ er fic^ in grantfurt gleid) am erften Xage
burd) faft allsu eifrige Ooationen bemillfommnet unb
gleid)fall5 burd) einen gadelgug geel)rt. grantfurt mar
bamals befonbers feftfreubig geftimmt, es prangte in
rei(^ftem färben* unb 3S(umenfd)mud, gemaltige SRen*
fd)enmaffen ftrömten t)on allen 6eiten I)erbei, um bei ben
(Ereigniffen gegenmärtig 3U fein.
Sie SiQi\ii, bie il)n für über ein !3a{)r in if)re 9Jlauern
aufgenommen !)atte, mag ben oermö{)nten ^^ledaran»
iDot)ner nid)t fel)r angemutet I)aben. (Ein Parlaments»
follege, ber fur3 nad) il)m eintraf, ?Haumer, bemängelt
bie „oielen engen, I)äglid)en, minfligen ©äffen, bie fie
neben il)ren großen unb fd)önen ©tragen 3ät)It". 2tber
oud) fein ^reis gilt ben fd)önen Spasiergängen, ben
„mannigfaltigen ßanbpufern unb ©arten, ben 3ierlid)en
ßuftgärten unb reid)en Selbem". „2IIIes frud)tbar, an=
mutig, unb menn nid)t er{)aben unb l)od)poetifd), bod)
rei3enb unb ben ©eift in fo l)eitere 6timmung Derfefeenb,
toS^ man bie 9'leid)5tagsforgen auf eine S^itlang üergigt."
Unerträglid) märe für Ul)lanb bie über (Ermarten
lange S^anffurter Seit ftd)erltd) geioorben, \)'dite fid) il)m
md)t, foiüett benfbar, ein ©rfafe für bas tel)(enbe eigene
5)eim geboten. 6d)on im 5)erbft 1846, mä^renb ber ©er»
maniftenüerfammlung, I)atte it)m ber el)emalige 2;übinger
©tubent, jefeiger granffurter SIrat 9Jl a p p e 6 fein gaft*
freies i)au5 geöffnet, ^efet meilte er bort mieber ein paar
2Bod)en, bis fein längerer 2lufentl)a(t befd)Ioffene 6ac^e
marb unb ber SBunfd) in it)m entftanb, bie @attin in folc^
mid)tiger ßebenslage ftänbig jur 6eite 3u t)aben. 9^od)
im Saufe bes SIpril be5og bas ®i)epaar eine fleine mö«
blierte SBoIjnung in ber 9fläi)e bes 3Jlappe5fd)en Kaufes.
aJlit furaen Unterbred)ungen i)at grau tli)lanb ben ftürme-
unb u)ed)felreid)en grantfurter Untert)anblungen oon Ein-
fang bis 2u (£nbe beigetoobnt.
SSiele ber SJlänner, bie bamats in Sranffurt 3U*
fammenftrömten, mochten ooU ?8egierbe fein, ßubmig
Ul)Ianb fennen 3u lernen, unb fo fel)It es benn aud) nid)t
an 6d)i(berungen bes (Jinbrucfes, ben ©rfd)einung unb
5^erfönlid)!eit bamals l)erDorgerufen I)aben. „©infam unb
fd)n)eigfam töie in feinem 2:übinger (Barten mar er auc^
in grantfurt, fafe er l)ier mie ein unnal)bares 2öefen,"
fo berichtet ^einrid) ßaube, ber (Befd)id)tsfd)reiber bes
erften beutfd)en Parlaments. 2Benige burften it)m nalje
fommen, fo ber böl)mifd)e giüc^tling unb 6c^riftfteUer
3 0 f e p l) 9^1 a n f , ber mit Dieler ßiebe oon ber granN
furter Begegnung er3ät)It: „9Son bem oielberufenen ©rnfte
feines Kopfes unb feiner ganaen ©rfc^einimg fanb ic^
mirflid) ein gut leil beftätigt . . . aber in bem männlich
fd)ön geformten Oberteil bes Kopfes, in ber tabellos ge-
formten 5BöIbung ber 6tirne, bie fid) bei einiger (Bemüts*
bemegung il)res Xrögers Ieid)t rötete, mar bod) etmas gan3
anberes 3U lefen als blofee Mi){e, unerquidlid)e ©d)roff*
l)eit, menfd)enfd)euer, unnal)barer ©ruft." Salb fanb
IRanf bie ein3ig rid)tige 2lrt bes SSerfeljrs mit Ul)lanb
I)erau5: 2ßer fid) t()m I)armIo5 unb ungeniert nal)t, ber
fann freunblid)er 2lufnal)me gemi^ lein. S^lur tüer bem
großen 5)id)tcr SÖSeiI)rauc^ ftreut, trifft auf öerlegen falten
©rnft. 3n ben erften gran!furter 9)lonaten l)at Ul)lanb
an mand)er (Befellfc^aft teilgenommen, unb mel)rmal5
erregte feine gute ßaune förmlid) 2(uffel)en. ©s mufe tat»
fäct)lid) bamals eine geit bes Sluflebens, ber SSerjüngung
über il)n gefommen fein. 2Iud) ber S)umor tüagte fid)
I)eroor, er entmarf ein !omifd)e5 ©ebic^t auf ein u)ürttem=
bergifc^es 6täbtd)en, bas ben lieben ©Ott als Stbgeorb'
neten an erfter ©teile genannt l)aben foUte. Unb fpäter
nod) erregte eine gelungene politifd)e ^arobierung feines
©ebi(i)tes t)on ber 2Birtin 3:öcl)terlein (Sefeler, ©agern
unb !Dal)lmann an ber ßeic^e bes „beutfc^en ^aiferleins"),
ouf beren Sßirfung alles gefpannt mar, feine l)elle l)arm=
lofe 5)eiterfeit. Stuc^ bie maffenl)aft an il)n {)eranbrängen=
ben 2lutograpl)enfammler unb 6tammbud)befifeer l)olten
fid) feiten einen ^orb, menn fie fic^ auc^ oft mit bem
bo5l)aften 6prüd)lein begnügen mußten: „2ßann prt
ber ^immel auf äu ftrafen mit Sllbums unb mit 2luto-
grapl)en?" — 9^eue greunbfd)aften 5u fd)lie6en, mar
granffurt nid)t ber red)te Ort. Ul)lanb befct)ränfte fid) faft
DÖUig auf feinen fd)mäbifd)en Umgang. Sn ben erften
2Jlonaten bilbeten ein befonberes ßabfal bie miffenfd)aft=
lid)en ?piauberftünbd)en mit :5afob ©rimm.
UI)lanb l)at es mit feinen 23ol!sDertreterpflid)ten un=
gemein ernft genommen. SBie er bis gu allerlefet aus«
^arrte, fo ift er als erfter bes 6ieb3el)nerausfc^uffes 3ur
©teile gemefen. 2)rei Xage nad) feiner 2Infunft begann
bie erfte ©ifeung bes fogenannten 93orparlaments. „%m
legten Wox^ morgens V29 Ul)r traten bie oerfammelten
3Jlänner im ^aiferfaale bes S'lömers aufammen . . . ©s
mar %10 Ul)r, alle ©lotfen läuteten, bie ©efd)üöe bon*
nerton, als bie 2Ibgeorbneten bes beutfd)en SSolfes t^w
Äaijerfaal ocriiegen unb burd) bie 6paliere ber 58ürger-
garbc in bie $Qulstird)e soßen. i)od) über bie ©tabt l)in
lüölbte biefe mobernc ^ird)e il)re gemaltige fd)öne ^ppel
in ben 5)immel . . . ©s icaren ti)unbertd)öne Slage, biefe
lefeten Xage bes aJlöra, biefe erften bes 2lpril. (Es frü^»
lingte tDie in ber Statur fo in ben 5)er3en ber 2Jlenf(^en,
irie feit Dielen I)unbert ^al)ren nid)t in beutfd)en ßanben/'
©0 ein Stugengeuge; aud) in UI)lanb5 33riefen finbet fid)
ein 2Ibglan3 biefes frül)lingl)aften Scheines.
• Das 23orparIament machte turje unb gute 2(rbeit. (Es
galt, bie IReöoIution in georbnete 33a^nen 3U lenten, bie
magren ©rrungenfd)aften ber blutigen unb unblutigen
Ummäljungen in ben einzelnen Staaten bei3ubel)alten, bie
politifc^en £rantl)eitsteime absufto^en. f)ier lüurbe bie
(Brunblage für bie tünftige tonftituierenbe (Bemalt ge-
fd)affen: auf gefunbem SJlittelroege 3tüifd)en ^lepublifanis»
mus unb D^leaftion befd)lo6 man eine 23olfsDertretung
„auf breitefter bemofratifd)er ©runblage''. 2Ius bem all-
gemeinen gleid)en 2ßal)lred)t foUte bie beutfd)e D^lational-
oerfammlung l)err)orgel)en, beren Sufammentritt man
SInfang 3Rai erhoffte.
Ul)lanb l)at im SSorparlament aud) gefproc^en, in bem
ein3ig oernünftigen Sinne, \io^ man fid) burd) gutgemeinte
ober 3um SSormanbe genommene JHegenerationsbeftrebun-
gen ein3elner Äörpertd)aften mie bes ^Sunbestages nid)t
aufl)alten laffen foUe: „(Es ift mir oiel iüid)tiger, ^^^^ ot)ne
23er3ug bie tonftituierenbe 5)Zationaloerfammlung ins
^t\izx\, trete, eine junge, frifd)e Sf^ationaloerfammlung.
3d) glaube, \^^% menn ber grül)ling ©proffen treibt, bas
alte ßaub oon felbft abfäüt."
9^ur menige ©ifeungen ^oXiz bas SSorparlament 3U
feinem 35efd)luffe benötigt. Sür Ul)lanb begann unmittcl«
bar nad) biefem er^ebenben SSorfpiele oon oier Xagen bie
mül)fame unb nid)t banfbore 2trbeit. ©er ©ieb3el)ner«
ausfcf)u6 trat gufammcn, um bie (Brunblinten ber 93er»
faffi ng5= unb (£inl)ett5Dorlage feft3uftellen. Salb 3eigte
es fid), \io.S^ bie maggebenben 9Jlänner btefes 2(u6fd)uffe5
i()m polttifc^ \zxxiz ftanben. Saffermann, ©eroinus,
6rf)merling l)aben ja auc^ in ber $aul5fird)e gum anberen
ßager geprt. SSoUenbs 5)al)Imann, ber 35erid)terftatter
unb 2Bortfüt)rer ber fiebaeljn, fonnte als eingeflei[c^ter
9^orbbeutfd)er unb etgenfinniger poUtifd)er 5)ottrtnär bei
aller (£l)rlic^feit (eines ©trebens Ul)lanb unmöglid) etmas
3U Dante machen. Ser alte @egenfaö trat I)ier (ofort ^er*
Dor, ber fd)on SBilljelm unb griebric^ entäiüeit l)atte unb
als eine ^luft bie norbbeutfc^en unb fübbeut{d)en Sunbes«
brüber 3U trennen brot)te. 2)al)lmann legte einen ©nt«
iDurf Dor, ber bas 2lusfd)eiben Öfterreid)6 unb bie ®r=
I)ebung bes Königs oon ^reugen auf ben ^aifertl)ron 3ur
93orausfeöung Ijatte; 3n)ei gorberungen, bie feinesmegs
blo6 im 6üben unb Often !Deutfd)lanbs auf Sßiberfprud)
ftiegen. Ul)lanb tonnte fid) aber fo menig mit ben 25e«
fd)lüffen ber 6ieb3el)ner unb Dor allem !Dal)lmanns ein»
oerftanben ertlören, \i^^ er in einem 93erid)t an bas
Stuttgarter SD'^inifterium ausbrürflid) bie ^untte 3u $roto*
toll gab, bie feinen 2öiberfprud) l)ert)or gerufen l)atten:
Sieben ber alten geinbfd)aft gegen ein Oberl)au5, bas
bie 9Jle^rl)eit ber Sflationaloerfammlung l)atte beiorbnen
moUen, fträubte er fid) Dor allem gegen bie meitgeftedten
SD^ad)tbefugniffe bes tünftigen 9fleid)5oberl)auptes. !Diefe
Söürbe foUte nad) feiner SÖleinung meber in irgenbeinem
gürftenftamm erblich fein, nod) feinem S^räger bie 23oll*
ma(^t über äußere ^olitit, ^rieg unb grieben einräumen.
2)te 9Jleinung6t)erfd)ieben^eit innerl)alb bes 2Iusfd)uffes
tüar ein SSorfpiel unb eine 23orbebeutung für ben ferneren
SSerlauf ber 93erl)anblungen, bie nun bas Plenum be«
(d)äftigen follten.
5m Slpril fanben bie 9Bal)len \ioSX, unb es tonnte nld)t
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^Ibcjeorbnctci: füv Tübingen 3111- HationalocrfammUing ;(8^8
£itf)ograp{;ie int ^c^iUerniufeunt 3U XTlarbad;
ausbleiben, \^o!^ aud) Urlaub ein 6iö in ber Ulational«
oerfammlung 3uteil mürbe, ©r l)atte fid) in [einem Greife
Xübingen=!Hottenburg aufftellen laffen. Die greunbe
$fi3er unb JRömer, weiterhin oon fd)n)äbifd)en ^olitifern
noc^ 6d)ott, gr. V(). 23ifc^er, JHümelin unb manchen
anberen fonnte er als ^oEegen begrüben, ßeiber mife»
glücttc ber SSerfud), £arl 2Jlai)er für Söeinsberg fanbi»
bieren 3u (äffen.
SBieberum mar es ein Sefttag für Sranffurt unb bas
gefamte beutfc^e 23o(t, als am 18. aJlai bie D^ationaloer»
fammlung in ber $aulsfird)e il)re erfte ©ifeung abhielt.
Unter ben ziv^d 600 3Jlännern, bie I)ier aufammentraten,
trafen fid) bie u)unberlid)ften ©egenfäfee. ®s fanben fid)
nebeneinanber @eiftlid)e beiber Äonfeffionen, Offiaiere,
@ele()rte, Äünftler, ßanbmirte, felbft ternec^te Sauern aus
bem öugerften Often unb Süben, ber 2lbel mar burc^
SSarone, ©rafen unb einen Surften oertreten, ber be=
3eid)nenbermeife feinen 6ife auf ber ßinten einnal)m.
3)Zand)er reoolutionöre geuerfopf mie 5)ecfer unb 6truoe
l)atte ^^^ $laö genommen, mand)er bemagogifd)e ^efeer
mie ^Robert 25(um, mand)er poIitifd)e ^Rärtgrer, in bem
burd) 3al)re ber 5)aft ober SSerbannung unauslöfd)lid)er
(Brimm gegen Surften unb ^Regiment mac^gerufen morben
mar. 2lber gerabe unter biefen SJlännern, ben Opfern bes
alten D^egimes, 3eigte fid) auc^ oiel SSernunft unb SJläfei'
gung. Da faß ber alte 2Jater 2(rnbt, jmar t)erfel)entlid)
in bie 9fleil)en ber ßinfen geraten, aber in feiner @efinnung
fonferoatii) unb aller ftaatlic^en Utopifterei abI)olb. Unb
bort ragte gar bas bärtige ^aupt bes greifen Xurn=
meifters 5a^n empor, ben aud) bie 35erufung in bas
beutfd)e Parlament nid)t 3U bem milben Demofraten \)QXit
machen fönnen, als ber er jahrelang gebranbmarft morben
mar. Die ©öttinger 6ieben, Opfer einft bes 5>annooer-
fd)en 6taatsftreic^es, maren oertreten iurd) 5afob
S(^nelber, Ul)Ianb. 27
418
©rimm, (Beroinus, 2llbrc(^t, oor allem !Dal)Imann. llnb
gicid) il)ncn gab es in biefer 23erfammlung Sufeetibe oon
2Jiännern bcr 2ßiffenfd)att, bte fid) nun mit befonberer
greubigfeit in ben 2)ienft ber oaterlönbifc^en praftifc^en
Slrbeit ftellten. 2)ie oielbefpöttelte Übersal)! ber „$ro=
fefforen'' l)at ber ^Paulsfirc^e nid)t gefd^abet. 6ie btibeten
feine gefd^Ioffene ^^artei, fonbern gaben ben Sauerteig
bcr ©ruppen ber Steckten unb bes S^ntrums ab, in benen
im übrigen beruflid^e ^^olitüer ober OJlänner bes praf=
tif^en ßebens ben Xon beftimmten mie (Bagern, 2öelcfer,
SSaffermann, SSederat^, ©d)merling. 2IE biefer SJlänner
unb tt)rer Jätigfeit foUte ftets mit (EI)ren gebad)t {ein.
!Die 2ßä^Ierfd)aft l)atte fid) felbft mit ber 9JleI)r3at)I oon
il)nen ein ]e\)x günftiges S^ugnis ausgefteEt; es mar eine
geiftige ©lite \)xex Dereinigt, unb menn man ben 2Ib=
georbneten ber ^aulsfird)e immer mieber ben SSormurf
bes 2)o!trinarismus, ber Unprafti(cf)!eit gemad)t l)at, fo
märe 3u fragen, moI)er fid) benn nad) fo langer :S^\t
ftaatlic^er Unmünbigfeit poUtifd) gemiegtere SJlänner
ptten einftellen foUen? 9Jlan fagt gerne, bie 23olfsper»
treter feien für bte Q^it nid)t reif gemefen; umgetet)rt, bie
Seit mar für fie nic^t reif, bie in entfagungsDoUer 2Irbeit
ben (Entmurf eines 9'leid)5gebäube5 au5füt)rten, beffen
23ermir!Iid)ung erft nad) 3mei :3a{)r3el)nten gelingen fonnte.
23on einer eigentlid)en ^arteibilbung fonnte 3unäd)ft
nid)t bie D^lebe fein. Qvoax e i n ©egenfafe l)atte fid) fd)on
gleich im SSorparlament I)erausgebilbet: ber 3mifd)en 9^e-
publifanern unb aJlonard)iften. Sene nal)men bie fiinfe
ein, mäl)renb bas S^ntrum unb bie IRec^te ben ßiberalis»
mus unb ^onferoatioismus in r)erfd)icbenen6d)attierungen
aufmies. 58is aber gefd)Ioffene unb einigermaßen ge=
fd)ulte ^Parteien 3uftanbe!amen, bauerte es oiele 5öod)en.
2)ie meiften Slbgeorbneten l)ofpitierten in einer Partei«
fifeung ober, mie man fagtc, in einem Älub nad) bem
L
419
onbcren, üielc o^nc 5u einem feften (Entfd)Iuffe 3u fommen.
nid)t lüeniger als 150 blieben „6tranbläufer" ober, mie es
I)cute i)ei6t, 2Bilbe. 3"^ 2^^^^ mod)te baran aud) iber
überbrufe an poIitifd)er Betätigung ©c^utb fein. Uöer es
als 2(bgeorbneter mit feiner ^flid)t ©rnft na\)m, ber mar
nid)t menig überl)äuft. günf bis fec^s ©tunben 6ifeung,
5mei bis brei 6tunben 2lu6fd)u6, eine 6tunbe fiefen öon
2)ru(ffad)en — fo ftellt ber 5)iftoriter JHaumer ben burd)«
fd)nittlic^en S^agesplan bes Slbgeorbneten feft. (Bx freute
fid) ouf ben 6onntog ,,mie ein Dielbefd)äftigter Xage=
lö^ner''.
2tud) Ul)Ianb ):)at fid) feinem ber ^lubs ongefd)loffen.
2Bir miffen bereits, ha^ er nid)t 5um ^arteimanne ge=
fd)affen mar, fonbern eigene Sßege 3u ge{)en liebte. (Er
mar rabifaler gefinnt als bie meiften fd>mäbifd)enSreunbe;
ber einftige Xübinger College ^Robert oon 9)lat)l, felbft ein
liberaler ^olititer, mad)t i^m ben SSormurf, er l)abe fid)
fo meit nad) linfs gefegt, ha^ es für einen gebilbeten 3Jlann
eine 6c^anbe gemefen fei. 2)a5 „(Betöfe ber Unoernunft
unb 2:ier^eit", bas einen nad) 2lrnbts grellem Stusbrude
bort umfd)allte, mu6 aud) \\)n abgefto^en l)aben. ©in
SJlitglieb bes Parlaments \)at l)umoriftifd) gefc^ilbert, t>a^
bie äußeren ajlanieren in ben Mubs fic^ nad) linfs l)in
immer mel)r Dereinfad)ten. 2)ie !Red)te bemül)te fid) aud) in
il)ren inoffiaiellen 35efpred)ungen um feubalen 6d)liff, bie
ßinfe nal)m ^od)mid)tige 35eratungen in ber gorm ber
gemütlid)en 2Siertifc^unterl)altung oor, mobei es 3mifd)en
ben l)embärmeligen unb raud)enben SSolfsoertretern, bie
in engem fiofale sufammengepferc^t fafeen, oft 3u JReibe«
reien unb felbft Xätlid)feiten fam. (Es t)erftel)t fid) oon
felbft, ba^ Ul)lanb i)a feine 6tätte l)aben fonnte. 23on
ben fianbsleuten mar Dtömer fein näc^fter ©efinnungs»
genoffe, aud) barin, ha^ er fid) oon jeber ^arteipolitif
fern3ul)alten trad)tete. 3n smanglofer 2öeife pflegten fid)
27*
ein paar greunbe um il)n 3u jammeln gu bem fd)er3l)att
fo genannten „Älub JRömer", ber im S^leftaurant Sacobt
tagte. (Ein paor S^amen üon minbcr bebeutenben 2lbge=
orbneten begegnen gelegentlid) in llt)lanb5 Briefen: grifc^,
i)eifterbergf, Sii^^n^^^n^önn (ber gleich 1849 eine lebenbige,
aber ftarf lints gefärbte @e|d)id)te ber JReDolution \^qX ans
fiid)t treten laffen), lauter aJUtglieber bes beutjd)en ^ofes,
alfo ber fiinfen. Der Ulmer $rofe{for $ agier, ber Uljlanb
in jenen Xagen am nöd)ften geftanben l)aben roill, be*
rid)tet oon ben eifrigen 33emüt)ungen ber ßinfen um bcn
gefeierten 2)id)ter. Slber gu einem binbenben SSefenntniffe
oermod)te fid) biefer nid)t 3u entfd)lie6en.
Ul)lanb fc^eint 3u ben befannteften unb populärften
Slbgeorbneten bes ^Parlamentes ge3äl)lt 3u l)aben. ^ein
@efd)id)tfc^reiber gel)t an il)m oorbei, auf ber ©trage
mürbe er oft mit 5)er3lid)!eit begrügt. ©inmal foU er
jungen ßeuten, bie it)n als Sre^nb ber greil)eit öffentlid)
I)ocl)leben liegen, mit 9^a(f)bruct entgegnet l)aben: „3a,
für bie greil)eit bin id), meiere bie (Einheit fd)afft/' Die
3mei alten ©runbforberungen aEer ^Reform gel)ören i!)m
alfo nad) mie üor auf \iQi^ engfte sufammen.
greil)eit unb ©in^eit finb aud) bie S>auptgegenftän'be
ber ^Parlamentsberatungen gemorben, unb nad) il)nen
fann man bie 23erl)anblungen ber D^ationaloerfammlung
in srrei 3eitabfd)nitte serlegen. ©olange bie gi^ei{)eit auf
bem Programme ftanb, ging es nod) leiblid) einhellig 3u.
©obalb bie ®inl)eit0frage, \iG<ö Problem ber fünftigen
9'leid)5geftaltung, an bie 9leil)e fam, mar es um SSerträg*
lid)feit, 2Bürbe unb (Erfolg getan.
(Ein SSorfpiel bilbete bie 2öal)l ber prot)iforifd)en
Sßntralgemalt. (Er3l)er3og Sol)ann mürbe JReid)5t)ermefcr.
©egen Ul)lanbs Sßillen, ber für ben il)m politifd) fern«
ftel)enben, aber perfönlic^ f9mpatl)ifd)en „frifd) fräftigen"
(Sägern geftimmt l)attc. C^r felbft fam in biefem Xeil ber
421
23er{)anblungen ntc^t 3U 2öort eine ungcl)altene !Kebe tel)rt
3n)ei uns fd)on befannte @eficf)t6punfte l)erüor: 6ic mal)nt
mteberum, bas ®i[en ju (d)miebcn, Jolange es marm ift,
unb unterf(rcid)t bie SouDcränität ber 5^attonaIüerfamm=
lung Gegenüber ben Delegierungen; bie 2ßa{)l foll be5l)alb
alebalb Dollsogen merben, unb oI)ne ^a^ man erft bei ben
JReoierungen anfragt! lll)Ianb ift fpäter{)in bem !Reici)5»
Dermefer nid)t naljegetreten, meniger aus perfönUd)er 2tb*
neigung als aus mangelnbem gefellfd)aftlid)em <5inn; vxeU
Ieid)t aud) aus ftönbiger 2(bgefpanntf)eit ift er trofe be«
I)arrlic^er D^ac^frage ben 2)ienstagabenben bes (Er3{)er3og5
ferne geblieben.
!Die erften 3Jlonate ber Xagung bebeuteten äußerlich
ben 5)cl)epunft ber 3Birffamfeit unb bes 2InfeI)en5 bes
^Parlaments. SIber bie SD^laffen tamen fd)u)er in Slug, unb
fo mürbe namentlid) anfangs oiel Q^'ü oergeubet. Der
5D^angeI an parlamentarifd)er Irabition machte fid) be«
mert(id): enblofe 9*1 eben, enblofe S^lebnerliften, oiele törid)te
unb unfa(i)(id)e ^Tnträgc unb Stnfragen! ^ad) ber 2BaI)I
bes 5Rei(i)5t)ermefers begann man, um bie Uneinigfeit in
ben Äarbinalfragen 3u oerI)üIten, mit ber 23erl)anblung
ber „(Brunbrecf)te", bas l)e\%t ber jebem Staatsbürger oer*
faffungsmägig 3ufte^enben Sreil)eiten. Die SSer^anblung
bemegte \\ä) babei nad) UI)Ianbs tenn3eid)nenbem 5Borte
„ebenfo fd)merfällig mie ftürmifd)" Dormörts. 6cf)on balb
mugte bie Stimmung barunter leiben. 9}lit unfroI)em
(BefüI)Ie fal) man im Sluguft bie 5)ei3ung5anlage in ber
Äircf)e tnftanb fefeen. Die Xogung fd)ien fid) enblos aus«
bel)nen 3U moflen.
ll{)Ianb \)at I)ier nid)t als Siebner eingegriffen, aber
er fel)lte bei feiner 2Ibftimmung. Seine SteIIungna{)me
mirb uns in Dielen fünften intereffieren, in feinem über«
rafd)en. Der 5einb ber 2Iriftofratie mill ben SIbel ab^
fd)affen unb ift gegen bie S3erleil)un0 pon Orben unb
422
Zxieln, ber SSerfaffer ber 6d)rift Don 1817 (el)nt haQ !^XDei=
fammcrfriftem ab, ber Iangjäl)nge 2Serfe(^ter ber $re6=
fretl)eit forbert biefe im ooUften Umfange. 2)od) auc^ fein
eintreten für fonfeffionslofe ©d)ulen unb gegen jeben firc^»
Iid)en 3^)0^9 ift feine billige ^onaeffion bes tiefreligiöfen
SOlannes an ben ßiberalismus. 6(i)on 3a{)r3e{)nte frü{)er
{)at einmal ein 55rief an bie SD^lutter bie 9'led)te fubjeftiüer
S^eligionsübung unb greiljeit oon !ird)(icf)er @ebunbenl)eit
t)erfod)ten.
2)a mivbelte im 6eptember eine notgebrungen ein=
gefd)obene !De6atte über äußere ^oliti! mäd)tigen ©taub
auf. Der SBaffenftillftanb t)on 9)lalmö unb bie preisgäbe
ber oielurnftrittenen ^ersogtümer, bie in ber ©inftellung
bes Krieges liegt, mirb t)on ben ßinf5fte{)enben bis meit
ins Zentrum I)inein ftürmifd) mißbilligt, ©in ©tragen«
framall fci)Iie6t fid) an, ber für ben 9)lel)rt)eit5befd)tu6
5lad)e nel)men möd)te. 3^^^ 2Ibgeorbnete merben auf
ber ©trage ermorbet, ber ^öbet beftürmt bie ^ird)e, unb
nur bie fräftigen göufte einiger 2lbgeorbneter t)erl)inbern
tyaB einbringen bes mütenben Haufens in ben 23erfamm*
lungsraum. Unb brinnen nef)men i>aber unb Sntfrem»
bung immer 3u. SBer pofitit)e 2(rbeit leiften, aufbauen
\tatt einreiben möd)te, ber fommt 5U beiben ©eiten bes
Kaufes gleid) fd)ted)t auf feine 9^ed)nung. 5)öd)fter Unmut
gibt Uf)Ianb bamals bie 2Borte ein: „3öenn mir an einem
iage bie ßinfe red)t grünblic^ entleibet, fo mirb mir am
nä(i)ften bie 9'led)te gum ©fei." SIber er folgt nicf)t bem
58eifpiel ber empfinblid)eren Staturen mie ©rimm unb
©errinus, bie fid) fd)on längft nad) 5)aufe gefd)Iid)en
I)aben. ©ein fräftiger ©eift, fo barf bie ©attin an 9Äager
i)erftd)ern, mirb ben 5Dlut nid)t oerlieren.
SIber fo fd)arf bie ©egenföfee fd)on bi5!)er aufeinanber
prallen fonnten, bie tiefften poIitifd)en ßetbenfd)aften aller
unb fo aud) Ul)Ianbs mürben erft aufgemü{)It, als man
423
cnblid) im Oftober bte T^ehatte über bte !Reid)5t)erfaffung
in Eingriff na^m. Sllsbatb aetgte fid) bic Spaltung: \)h
^reufeen, I)ie öfterreicf). Unb ein fd)etnbar unfd)ulbtger
^aragrapl) follte bte erfte 5)anbl)abe 3um Stusfc^Iuffe bes
öftlic^en Äai[erreid)5 aus bem fünftigen Sunbesftaate
geben: „Äein Xeil bes Deutfc^en 9'leid)e6 barf mit md)U
bcutfd)en Staaten oereinigt fein." UI)Ianb fai) bte (Befal)r
unb marnte oor \l)V in feiner erften ^arlamentsreije oom
24. Oftober.
Über fein öffentlicf)e5 2tuftreten in ber S^ationaloer*
fammlung unb ben (Einörucf ber menigen Tlale, in benen
er ,/bie Stufen ber !Rebnerbül)ne abtrat", finb ficf) fo
3iemltd) alle ©emöfirsmänner einig. 5ßir miffen es löngft,
ba^ er fein IKebner gemefen ift. ©5 fehlte il)m bie freie
Unbefangenl)eit, bie ^mprooifation, hie (Babe, mit bem
3ul)örer in Honnef 3U treten. „Das gan^ Itd)te 2Iuge
unter Iid)ter 33raue fiel)t über bie SDlenge I)inii)eg ins ßeere,
es I)aftet an feines 3Renfd)en 35Ii(fe, es ermiöert feinen,
unb tDie ein ©infiebler fpri(f)t ber SlJlann mit l)exbex,
\d)vo'db\\d) afsentuierter Stimme ba oben, als ob if)n nie«
manb I)örte. ßangfam, in fteinen Raufen, aber fieser
flimmt ein Safe nacf) bem anberen b^roor." So ßaube,
beffen 23ermutung aucf) ftimmt, ha^ Ul)lanh ftets „mol)!
präpariert, ^aragrap^os moi)! einftubiert erfc^ienen fei".
Die Slongepte feiner JReben, bie n>ir nod) befifeen, legen
baoon S^UQ^^ö ab; au6) oon ber ungemeinen Sparfam»
feit, bie mit bem SSilber« unb (Beb anfenoorr at forgfam
I)aus^ielt. Das berül)mte SBort oon bem „Kröpfen bemo=
fratifc^en Öles" l)at er lange f)in unb I)er gemenbet unb
fd)on für mei)xexe frül)ere JReben t)orgefef)en, bis er es
enblic^ im entfd)eibenben Slugenblicfc mit ®Iü(f unter bie
2Jlenge marf. Stn fold) gefällig n)of)IgemaI)Item Silber*
fd)mu(f feiner Sieben pflegte fi^ bas ^aus 3u erbauen.
StHerbings fef)It es auc^ n\d)i an 58ericf)terftatternf bic nur
424
einen lüeltfernen fd)önrebnerifd)en ^oeten in Uf)Ianb fel)en
moUen, über beffen 2In[d)auungen man, bei allem 2Bo^I*
gefallen an ber gorm feiner ^Darbietungen, gur Jagesorb-
nung übergeljen muffe.
6oId)e ©timmen laffen norbbeutfd)e5 Unoerftänbrns
für ben Ul)Ianb bel)errfci)enben grogbeutfdien ©ebanfen
mib erdin gen. Öfterreid)er, Ultramontane unb einige Quer*
föpfe, fo lautet 3um Seifpiel ha^ Urteil SSiebermanns,
I)ätten allein an ber Utopie eines Öfterreid) mitumfaffen»
ben 2)eutfd)en lReid)e5 feftgel)alten. !Da5 ift ebenfo un»
gered)t mie menn man Uf)Ianb5 greunbfd)aft für Öfterreid)
fur3erl)anb als ?Preu6enfeinbfd)aft auslegt, ©r ftanb an
fid) bem 6tammc5unterfd)ieb unb ber ©tammesrioalität
unbefangen gegenüber, mie fd)on SSi^I^elm ©rimm ge»
legentUd) 3u rül)men meiß. „^d) red)ne jene Spaltung
mel)r nur 3U ben Singen, an bie man glaubt, meil baoon
gefproc^en mirb," \)at er brieflid) fd)on 1841 geäußert.
2Benn er auf ^freufeen fd)Ied)t 3u fpredien ift, fo finb es
tüett mel)r poIitifd)e ©rünbe als jenes (^mpfinben, 3u
beffen Sprecher fid^ griebrid) im „33riefmed)fel ^vomv
2)eutfd)er'' gemad)t I^at. ©al) er boc^ bie kämpfe, bie er
burd) mel)r als brei !5a{)r3el)nte im engeren 5)eimatlanbe
burc^gefod)ten l)atte, in ^reugen burd) bie 6d)ulb ber
^Regierung erneut. Da!)er aud) fein „nur mit 5!Jlüf)e oer^
morfener" Eintrag, „ba^ unter feinen Umftönben eine
ßanbesoerfaffung einfeitig Don iber S^legierung gegeben
unb abgeänöert" merben bürfe.
2IIs ein pommerfd)er 2Ibgeorbneter fur3 na^ ?ParIa«
ments^röffnung ben Äönig t)on sprengen 3um 2)eutfd)en
Äaifer Dorgefd)Iagen l)atte, war er ausgelad)t morben.
2IIImäI)Iid) ()atte ficf) aber ge3eigt, mo reale Wa(i)t mar,
n)eld)er ibeutfd)e ^aifer in ber ßage fein merbe, fein 2Imt
politifd) unb militörifd) mit S^ac^brud 3u fül)ren. 2IIs
?leid)sr)ertDefer mar nod) ein öfterreid)ifc^er ?r3^cr3og
mögltrf) gemefen, als 9'letd)5oberI)aupt fam er mcf)t mc!)r
in lBetrad)t.
Unter bem Drucfe ber preu6ifd)=öfterreid)tfd)en grage
önberte fid) bte ^artetgruppterung DÖUig, erft jefet fann
man jagen, '^o!^ UI)Ianb panj auf bte ßtnfe gebrängt
tDorben ift. SBas il)n aber fpesiell oon ber 90'lel)r3af)( feiner
ßanbsleute trennte, '^Oi'ö mar feine 2lbneigung nict)t fou)oI)I
gegen bie preu6if(i)e 5)egemonie als gegen ben (Bebanten
bes ©rbtaifertums übert)aupt. 6d)on ben ®r3f)er3og als
5Heid)5Dern)efer \)QXit er firf) gefallen laffen nirf)t roeil,
fonbern trofebem er aus fürftlid)em ©eblüte mar. (Eine
!Dr)naftie 3u ftärfen, bte 9Jlacf)tbefugniffe eines autotrati*
fd)en 5)errfd)er6 über gan3 !Deutfd)Ianb au53ube{)nen, bos
erfd)ien il)m als unmürbiges 3^^^^ jci oIs birefte SSer»
neinung ber 35eftrebungen ber ^aulsfird)e.
2)iefe beiben lUlomente, bas pofitioe: Su^ßipung 3U
Öfterreid), bas negatioe: 2lbneigung gegen \stx% ©rbtaifer*
tum, finben if)ren fon3entrierten unb mad)tt)oßen Slusbrucf
in ber berül)mten S'lebe, bie er am 22. I^anuar in ber ^auls»
X\x&)t gel)alten \)(xi. '^\xzx\i fprid)t ber geinb ber (Erbmon-
ard)ie; menn man fo mill, ber !Romanttfer, ber fd)on einft
im S^ömer bie alten ^aifer als 6timmfül)rer beutfd)en
greil)eitsftreben5 angerufen I)atte, unb ber ftd) aud) nun
mieber beraufc^te an bem mittelalt erlief) en 5beal bes 5BaI)I*
tönigtums. „(Es maren in langer D'leifie 9}länner oongleifd)'
unb 35ein, fernf)afte (Beftalten mit Ieuc{)tenben 2tugen, tat=
fröftig im ®uten unb 6d)(immen.'"
STud) ber t)on Uljlanb meiftbefef))bete SOlonard) ber
(Begenmart, griebrirf) 2BiI!)eIm IV., \)^\ befanntlic^ für
ben mittelalterlid)en Staat gefd)rüärmt. SIber er fa^ if)n
in 9^0DaIisfcf)er SSertlärung, Uf)tanb immerf)in im 6{f)einc
{)eller f)iftonfd)er 2:atfäd}Iid)teit. ©enno^ lie^ ftd) eben
an ber 5)anb ber mittelalterlid)en ©efd)i(f)te na(f)meifen,
't^'^ fein ^aifer 2BefentItd)e6 3u leiften t5ei:mod)t \^qX oI|nc
bie 6tüfec einer ftarten 5)au5ma(^t. Unb aud) fonft märe
ber prafttfci)en 33eben!en gegen ben t)on UI)Ianb üorge«
fd)(agenen Söa^Imobus unb 2Bal)Itnrnu5 !etn ©nbe. Über
all btefe ©inrüänbe, bte x\)m ftd)erUd) m6)t fremb geblieben
finb, finbet er f)inn)eg in ber ibealiftifc^en Hoffnung, ha^
,,ber großartige 2Iuffd)n)ung ber beutfd)en Station aud)
bebeutenbe poIitifd)e G^f)ara!tere I)erDorrufen" merbe. @e=
miß barf er bie grage erf)'eben, toarum 'benn große, ber
9fleid)6leitung tüürbige SD^önner gerabe nur bem Öürften=
ftanbe entn)ad)fen follen? 2Iber bie !^e\i I)at il)m md)t
red)t gegeben, ben erfel)nten überrogenben SfJlann aus bem
SSürgertume ni(f)t geboren, unb fo gefeilt fid) UI)Ianb 3u
ben Doftrinären bes ßiberalismus, bie fid) alleseit gern
an 9}löglid)feiten beraufd)ten.
23on ben ®rrungenfd)aften ber 5Ret)oIution töiti er
nid)t einen Zollbreit meidjen, unb 3u ben n)id)tigj'ten ge=
prt if)m eben bie ©rfc^ütterung bes monard)ifd)en 2(n=
fel)en6. ^ux in biefer ^Rebe l)ai er jeinen ftarfen repu=
bIifonifd)en 2In{)aud) merfen laffen. „Sie IHeooIution unb
ein ©rbfaifer — t^as ift ein l^üngling mit grouen 5)aaren!"
©in 9BaI)Ifaifer, fo f ann man ergänzen, ift aber fein SJlon*
arc^ mel)r, fonbern ein ^räfibent. Ut)tanb fd)recfte oor
biefer S^onfequenj nid)t jurüd. Senn mie folle bas oiel
3itierte 6d}Iußmort ber S'lebe auf einen bamaligen 9}lon»
ard)en paffen? „®s mirb fein ^aupt über Seutfc^Ianb
I e u d) t e n , ba^ nid)t mit einem üoUen Xropfen bemo«
fratifd)en Öles gefalbt ift!" — es ift fein brennenber 5)a6
gegen bie gürften, ber biefe feine berü{)mtefte rebnerifd)e
Slüte getrieben hat
9^un aber ber Übergang 3U öfterreid)! 9lü!)renb, biefe
ßiebe 3U bem rüdftänbigften aller Sgnaftenftaaten, ben
er mit ©emalt in feine ?Reid)sfonftruftion ^ineinbe3te!)en
mod)te! Stefe fd)einbare 5nfonfequen3 bebarf ber aus«
fül)rUd)en Erläuterung.
427
2BunberIid) ()aben ftcf) fd)on bei bem tt)ürttembergtfd)en
^olitifcr U^Ianb, bem 21ltred)tler, rücfftänbigc unb fort»
fd)rittli(f)e 3üge gemifd)t. (Er ()at 3unä(^ft bod) be5l)alb
bte Sorberuttg fo treitgeljenbcr !Hed)te ber 6tänbe erI)obcn,
mcti btcfe ber alten 23erfaffung ent(prad)en. Unb {)ter
nun lag bie ^ad)e äl)nüd). (Ex forbert ein einiges Seutfd)*
lanb, aber nid)t oIs eiwa^ bleues, fonbern eben aud) als
ein gutes altes ^ed)t, bas 1806 ebenfomenig tüie bas
fcl)U)äbifd)e 3unicf)tc geworben fein fonnte. 5ene5 alte
beutfd)e ^eid) \d)voebte il)m vov, eine reale Tlad)t, fein
bürftiges neues ßuftgebilbe. Sag bie 2Belt fid) in3n)ifd)en
geänbert Ijatte, bog Öfterreid) in ein einiges 2)eutfc^Ianb in
feiner 2öeife I)ineinpa6te, am menigften in ein folc^es, mie
es bem ßiberalismus r)orfd)U)ebte, ha^ ent3og fid) bem
Slicfe bes unrealen ^olitifers. (Bx liebte bas alte ^e\d),
mie er bas alte SBürttemberg geliebt l)atte, unb ebenfo»
menig mie bas fleinfte 6tücfd)en bes guten alten D'lec^ts
töollte er ein ©lieb bes alten lReid)es entbel)ren.
^aul ^fi3er Ijatte Öfterreic^ in feiner 6d)rift Don
1842 gut gefenn3eid)net. (Es ift il)m ber gefd)n)orene 23or«
fömpfer bes ^eftel)enben, Öegitimen unb ©efc^id)tlid)en
in Stüat unb ^ird)e. Uf)lanb unterfd)reibt biefen ©afe,
aber er enthält il)m ein ßob an ©teile bes ^^abels. Unb
l)ier ftogen ber alte unb ber junge fd)mäbifd)e ßiberalis»
mus in fd)rofffter (5egenfäfelid)feit aufeinanber, fo fd)roff,
ba^ bie jal)relange greunbfc^aft mit ^fi3er unter ber
2Bud)t bes Sufammenpralles faft in Xrümmer ging, ^an
fann fid) nur munbem, ha^ ber alte Parteigänger SBil*
l)elms, ber feit ^voan^xq Oal)ren über3eugtefte 2tnl)änger
ber preu6ifd)en 5)egemonie, mit feiner 6tellungnal)me bem
greunbe eine überrafd)ung berettet l)at. 2Iud) feine geinb*
fd)aft gegen öfterreid^ fonnte Ul)lanb aus bem ?8ud)e oon
1842 beutlic^ genug fprec^en f)ören, ja feine ®ering=
fd)ö6ung aller 2Inl)änger bes alten ^aiferftaates: „C3e»
füf)l6poUtifer unb ^Dilettanten/' l)et6t es \iQi, „bünft nicf)t5
einfad)er, als ba^ bas gu üier fjünfteln unbeutfc^c Öfter»
reid) beutfrf) unb bas fon[tttuItoneIIe ^aupt oon Deutfd)»
lanb merbe/' 9Jlag {ein, bag Uljlanb in ber 'bthoXit mit
?Pfi5er jefet gleid) fd)arfe 2Borte 3u pren betam. 2)ie
Äenn3eict)nung als @efüI)IspoIitifer ^ötte ibn mo^I taum
ernfllid) gefror ft, benn es finb aud) in feiner i^anuarrebc
au5f(f)Iieglict) @efül)lsmomente, bie er für Öfterreic^ ins
Xreffen fül)rt.
9^id)t o^ne eine gemiffe ^Berechtigung Derbäc{)tigt er
bie ed)te !Deutfd)t)eit berer, bie es mit bem 2Ibftogen Öfter*
reicf)s gar 3U leicht nel)men. 93or i^m I)otte ber 2IbraI)am
a 6anta ^lara ber ^^oulsfirdje, ber Xiroler '^z'^Oi SBeber,
gegen ben 2tusfd)Iu6 Öfterreid)s gefprod)en unb „ben tief»
ernften ©egenftanb mit mannigfad)en ©pägen über=
fd)üttet". Ul)Ianb übertrumpft feine 5ßerbe= unb fio(f=
rufe burd) fd)Iid)te SBorte 3um greife bes ^ruberftamms.
9Jlan l)ört Sriebrid) aus bem 35riefu)ed)fel reben: „5öeld)e
©inbuge mir an 9Jlad)t, an (Bebiet, an 23oIfs3aI)t erleiben
mürben, bas ift I)inreid)enb erörtert, id) füge nur eines
bei: !Deutfd)Ianb mürbe ärmer um alle bie ^raft bes
©eiftes unb (Bemütes, bie in einer beutfc^en 33eDÖIferung
oon ad)t aJ^iUtonen lebenbig ift." !Diefe oom ec^teften
meitl)er3igften Patriotismus burd)glüf)ten 2ßorte U{)Ianbs
fann man no(^ I)eute nid)t oI)ne tiefe 35emegung lefen.
9Jlan füf)It, il)m gebül)rt 53eifaII unb S^ftimmung oom
Stanbpunfte bes emig SQSaf)ren unb 9'led)ten. ©in JDeutfc^«
lanb mit 2)eutfc^*Öfterreid) ift v\6)i mirflid) gemorben,
DieIIeid)t nic^t möglid) gemefen; aber bog ein beutfd)es
!Heid) ol)ne Öfterreid) alle berechtigten 2Bünfd)e erfüllt
\iQ^it, mirb niemanb be!)aupten. Unfere ^age 3eigen
mieber, \i^S^ fiebsig 5af)re nid)t {)inreid)en, um bas 6el)nen
oeriäl)ren 3u laffen, bas mand)er feit UI)Ianbs Qeiten für
0an3 gefd^tpunb^n I)aUen mo^te,
I
429
Ul)lanb5 Slanuarrebe als ©anjes ift aröeifellos eine
bebeutenbe, cinbructsüolle ßeiftung. 6elbft für ben fo
ferne fteljenben Zxe\t\(i)h ftellt fie bas ^efte bar, tüas auf
gro^eutjd)er 6eite ju ber Äaiferfrage beigebrad)t morben
ift. 2lnberen als einen äußerlichen 2Id)tung6erfolg fonnte
fie nic^t I)oben. ,,2öie fid) ber alte 3Jlann abquält!" fo
fenn5eid)nete nad) 2Sifd)er5 Serid)t „ein meifer i)err oon
ber erb!aiferli(^en Partei'' bie 23ergeblic^!eit üon Ul)lanb5
l)ei6em ^emül)en.
Die weiteren SSeröanblungen gaben il)m feinen 2In«
lag 3um ^eroortreten. 2)ie 2lblel)nung ber £aiferfrone
burd) ben ^önig oon ^reugen bebeutete mie befannt ben
2lnfang oom (£nbe. 2lber für UI)lanb tau(i)ie nun ein
2Jloment auf, ba5 il)m ^ä^fte 2lu5bauer, oolles (Einfte^en
im (Efiftenafampfe ber 3^ationalperfammlung 3ur $flid)t
mad)te: il)re ^ompetenj als Stusbrud bes gefamten fou-
oeränen SSolfsiüillens mar burd) ben ^önig beftritten
morben, ber bie SSerfammlung 3ur Darbietung einer
^rone nid)t für befugt gel)alten l)atte. 3Jlod)ten oiele nun
abbrödeln, bie preußifd) ©efinnten jumal ber oerftörtten
IRegierungsgemalt unb !Heaftion n)eid)en: Der Demofrat
mußte immer ^artnädiger auf fein 9led)t pod)en. Das ift
aud) ber ©runbgcbanfe bes Slufrufs, in bem Ul)lanb am
26. 3Jlai 1849 als 6pred)er bes Parlamentes Dor bas
beutfd)e SSolf trat: „2ßir fefeen ber Ungunft ber 23erl)ält*
niffe biejenige 3öl)ig(eit entgegen, bie fc^on mand)mal
3um enblic^en 6iege gefül)rt I)at.'' Die gan3e SSerlegen*
^eit einer ^onftituante, ber es an (Ejefutiogemalt fel)lt,
fprid)t aus ben 6d)lu6fäöen biefes 2Iufrufes, ber bas
beutfd)e 23olf mal)nt, „mel)rl)aft unb maffengeübt ba3u»
ftel)en 3um 6d)uöe t)on Parlament unb 9leid)sr)erfaffung".
Das mar nad) Sage ber Dinge eine beutlic^e 2lufrei3ung
gegen bie JReid)5fürften, bie bereits mertbar Dom $arla»
ment abgerüdt maren. ^Jlod) aber befaß ber 9'leid)sge*
banfe fpegiell in bcn (übrr)cftbeut|d)eii ©taaten reic^üd)cn
unb cntfdjloffcnen 2Inl)ang.
Diejer ©rfenntnis cntfprang fd)Ue6Itd) ber üerl)ängni5=
DoIIe (Entfd)Iu6 3ur Überfiebelung nad) SBürttemberg, bem
ßonbc, in bem man nod) am meiften 35oben für bie 33e=
ftrebungcn ber 23erfammlung erl)otfte. Der £önig l)atte
fid) bort bem SSerfaffungsmerfe minber ab^otb gezeigt als
anbere gürften, freiltd) mit aus egoiftifd)en ©rünben.
Sefet gefd)a^ bie SSerlegung nad) Stuttgart |el)r gegen
feinen 2BilIen, unb alle Dernünftigen 5ßürttemberger
teilten biefe 2lbneigung gegen einen 6d)ritt, ber bie @e=
fa()r bes SSürgerfrieges für il)r 23aterlanb in fid) bergen
fonnte. Ul)lanb felbft I)at fid) bem $lane am 30. 3Jlai mit
oergeblic^er Energie miberfefet.
©r mar fid) beffen bemugt, \iOi% er für eine cerlorenc
6ad)e fämpfte, als er biefe Überfiebelung mitmad)te. 2lls
er auf ber IReif^ uon gran!furt in bie ^eimat bei SJlörite
in 2)lergentl)eim üorfprad), aeigte er fid) refigniert unb arm
an jeber poIitifd)en Hoffnung. ;3m S^umpfparlament aber
fal) er fid) balb in eine unbequeme Oppofitionsftellung
gebrängt: ©s mar im mefentlid)en eine 23erfammlung ber
ßinfen, in ber bie rabifalen (Elemente übermogen. ©in
beben!Iid)e5 6pielen mit bem geuer ri^ ein, man l)offte
auf bie babifd)e S^eDoIution, beren Übergreifen nat^
Sßürttemberg oeranla^t merben foUte. 2Iber alle 6d)ritte,
bie mit prun!enber ©ebörbe getan mürben, alle 23efet)le,
beren ^errifd)teit in feinem SSer^öltniffe 5u if)rer 2öirf»
famteit ftanben, mußten auf Ul)lanb fo mie auf uns l)eute
mel)r unb mel)r grotes! unb täd)erlid) mirfen. Umfonft
fud)te er burd) oermittelnbe unb milbernbe 2Inträge bie
gefäl)rlic^ften 2^orl)eiten 3u l)intertreiben, er fd)eute au(^
nid)t ben 2Sormurf ber Snfonfequeng Don feiten Unein*
fid)tiger. 2)er «Stuttgarter 9^eid)stag „entmidelte fid)
immer mel)r gu einem repolutionören ^onoent, unb bie
431
rDenigen Sefonnenen, n)eld)c md)t auftimmten, mürben
als SSaterlanböoerräter bel)anbelt''. 60 mufete biefe ^axi-
tatur einer 9^ationalDerfammIung notmenbig bem ^b^
grunbe 3utreiben; t)a^ fie fid) aber auflöfte, ol)ne weiter
grogen 6d)aben 5U tun, war ha5 SSerbienft unb bie Sd)ulb
eines SPflannes aus il)rer 3Jlitte.
JRömer, ber n)ürttembergi|d)e SDlärsminifter, l)aitt \\d)
in ber granffurter Qeit, wie mir loiffen, immer am
näd)ften 3u ui)lanb gel)a(ten. (£r mar ftrammer ©rog-
beutfd)er, ©egner bes ©rbtaifertums, ©emofrat, ber fid)
ber ©ouüeränität bes Parlamentes beugte unb feinen U^e-
fd)(üffen als SJlinifter eneröifd)c !Durd)füI)rung i)erl)ei6en
Ijatte. Oe^t mugte fic^ feine 55al)n oon ber ber ehemaligen
greunbe trennen; er mar in erfter ßinie Derantmortlid)er
mürttembergifd)er 6taatsmann, ber fein ßanb oor Qw'ie*
ivad)t unb Sürgerfrieg 5U fc^üfeen l)atte. (Es märe finn-
los gemefen, Ijätte bas tleine 5ßürttemberg auf eigene
gauft ben 23er|ud) gemad)t, bie !Reid)st)erfaffung in bic
2öirflid)!eit um3u[eöen. 2Bie jeber energifd) 3ufaffenbc
SRegierungsoertreter, mag er oon Qaufe aus nod) fo bemo-
fratifd) gefinnt fein, beim großen ^au\en unb ber 93le{)r-
l)eit ber 2lbgeorbneten auf 2lbneigung ftofeen mirb, fo aud)
er. ll{)lanb \)at \\)n oerftanben unb nod) unmittelbar oor
ber Äataftropl)e als „treufeften greunb" be3eid)net. Dcn=
nod) l)at er ^Römers 58efd)lu6, ber am 8. Suni aus ber
Jßerfammlung austrat, nid)t 3U bem feinen gemad)t, fon«
bem ben ^eld) bis 3ur Steige geleert.
®s mag il)m nid)t unlieb gemefen fein, ha^ bas Un*
I)eil fd)nell fd)ritt. 9^ad) nod) nid)t oierse^n Xagen \a\)
fid) SRömer burd) fel)r beben!lid)e 2lufrufe bes Parlaments
für 35ilbung einer 23oltsmel)r 3um ©infc^reiten oeranla^t.
2)ie SSerfammlung mürbe erfuc^t, il)re Xagung nad) auger«
l)alb Sßürttembergs 3U oerlegen. ©an3 unbebenflid) mar
biefer 6d)ritt md)t, benn bas ^Parlament befag in 6tutt*
gart nod) oiel 2InI)ang. g^^auenl)änbe l)atten bas S'lcit«'
^au5, btc 6tätte ber legten Tagung, feftlid) ge[d)müctt,
große Xeile ber 23ürgerri)el)r erflärten fic^ für bie 23er«
fammlung, unb in ben fleinen 6täbten bes ßanbes, 3um
23etfpiel in Tübingen, genoß fie reiche 6r)mpatl)ie. Dtö*
mers 23efonnenI)eit oer^ütete einen fd)arfen Siifon^Ji^ßn»
floß. Sie ©reigniffe bes 18. 5uni, an bem bie 2luflöfung
ber SSerfammlung mit SÖB affengemalt ersroungen rourbe,
^^qX man bamals mie fpäter gern etroas romanl)aft auf«
gepufet; uni) auc^ Ul)lanb5 9loEe babei fentimentat I)erau5=
geftrid)en. 9n 2ßa^rl)eit {)aben fid) leine !Dragoner!(ingen
über feinem 5)aupte gefreu3t unb il)m ober einem 25e»
gleiter bie 2Borte abgenötigt: „2BolIt il)r ben alten Ul)lanb
nieberreiten?'' 2:atfad)e ift aber, \ioS^ er bie 5)artnäctig!eit
aufs äußerfte trieb, an ber 6pifee ber 2lbgeorbneten neben
bem ^räfibenten ßöme unb bem alten greunbe Schott
nod) ben 23erfucl) mad)te, in bas 9'leitl)au5 3u gelangen,
aber oom 3Jlilitär ^urüctgebrängt mürbe. So gab es me=
nigftens ein mürbiges Sd)lußbilb biefes unmürbigen
parlamentarifcl)en 9flad)fpiels: 5)ie 2lbgeorbneten l)atten
felbft gemünfd)t, unter gül)rung bes erften beutfc^en
2)id)ters burd) 2B äff engem alt aus ein anb er getrieben 3U
menben. Ul)lani) mod)te bei aller 25itter!eit getäufd)ter
Hoffnung ein ©efül)l ber ©rleid)terung nid)t unterbrüden,
oIs alles beenbet mar.
9^od) gab es für il)n perfönlid) ein paar unerfreuli(^e
9^ad)mel)en ber JReoolutionsftürme. ©r proteftierte gegen
bie unnötig gemaltfame Unterbrüdung bes legten 2luf=
fladerns ber 1849er 5ßemegung in 25aben, er oermeigerte
bie Seugenausfage in einem ^od)Derratspro3effe gegen
einen el)emaligen Kollegen aus ber ^auls!ird)e unb marb
bes^alb in ©träfe genommen. 3um legten SDlale l)atte
er im polttifd)en ßeben 1850 öffentlid) l)erüor3utreten, in
ber mlbermärtigen ^^&^t bes greil)errn o. 3öäd)ter, eines
ehemaligen äRinifters, ber ber SSerfaffungsperlefeung ge»
3iel)en töorben mar; aud) ()ier l)o(te fid) ber ©egner aller
2lutotratie als 23ertreter ber 2lnflage eine S^ieberlage.
©in ©lücf für Ui)Ianb, \so!^ er fid) nie als berufs»
mäßiger $olitifer gefül)lt \)QXit. 60 blieb il)m bas bittere
@efül)l fo Dieler anberer erfpart, \^Qi<ö einer t)crfel)lten
ßebensarbeit. 2Benn mir feinen greunben unb 35efud)ern
ber legten Sol)re glauben bürfen, fo \)oX er ber Über»
3eugung gelebt, bog bie SÖßirtfamfeit bes Parlaments,
menn aud) ol)ne greifbares augenblicflid)e5 Ergebnis, fid)
in ber Sufunft nod) l)eilfam ermeifen merbe. (Ein 2öort,
bas feiner ftaat6männifd)en 23orau5fid)t ein befferes S^i^Ö*
nis ausftellt als alle realen Unternel)mungen, für bie fid)
ber $oliti(er eingefefet ^oX,
€(f)neiber, U^Ianb.
IS.ÄapltcI
Slltersarbeiten. — Ul)lanb als @elel)rter
,,©5 ift eigen, mir f(f)tDebt jefet, too ic^ bod) mit gana
anöerem bejd)äfttgt bin, oft in ber füllen 9'lad)t eine
3Jl9tI)engefd)id)te üon ©d)n)aben oor. ©s mirb mir ol)ne
oUe 25üd)er mand)e5 flar unb beutlic^, unb menn ic^
mieber nad) 5)aufe fomme, mill id) es ausarbeiten . . .
Öd) ha6:)ie baran, in ißortrögen an bie ©tubenten has
niebersulegen, mas id) nid)t mel)r bruden laffen tann; id)
fü{)Ie nun aber, t)ai, roann i(^ mieber I)eimfomme, id)
etmas (d)affen unb au5fül)ren mu^; ftubieren unb öor=
bereiten märe mir nad) bem I)iefigen treiben nic^t mög»
(id). 23or bem ein(d)Iafen, beim GBrmac^en ober beim
SSaben fommen mir bie ©ebanfen 3u, ic^ arbeite im ©eifte
fort o^ne i^ilfsmittel, DieIIeid)t ift manches barunter irrig,
boc^ meine ic^, es fei mir manches flar gemorben."
!Dtefe 2Borte rid)tete UI)Ianb einmal rräl)renb bes un»
crquirflid)en granffurter Slufentl) altes an bie (Sattin. (Bx
möchte nac^ bem traurigen ©infturse, ben er miterlebt
I)at, mieber aufbauen, um bas brücfenbe ®efü^l ber
grud)t« unb ^lufelofigfeit bes eigenen Xuns lossumerben.
Die 3wf^ii<i)t bie fid) \\)m ha bietet, ift nid)t mel)r bie
?Poefie. SO^an (ann aber aud) nid)t fagen, })a^ er fid) ber
aßiffenfd)aft in bie 2lrme mirft, benn btefe barf nid)t bas
intuitioe, com gorfd)en losgelöfte 6d)affen fennen, ol)ne
langonbauernbe 9^e3cption ift bei il)r feine ^robuftion
möglid). ©s offenbart fid) alfo gerabe in biefem gallc
bie innerlid)e Sefonberl)eit bes Ul)lanbfd)en gelel)rten
6d)affen5. 3)lit it)al)rer greube unb aus ber Xiefc
quellenber Segeifterung gibt er fid) il)m nur l)in, roenn er
i^m als ^ünftler obliegen !ann. (Es finb n)iffenfd)aftlid)e
Probleme unb 2Jlaterialien, mit benen er fid) befc^äftigt,
aber mas 3utage gefommen ift, als er fid) auf bas freie
6d)affen \iQXi auf ^^^^ Sammeln unb be!)utfame 2Inl)äufen
einftellte, \^Qi^ ift 5)id)ter5 SÖBer! unb nid)t @elel)rtenarbeit.
60 mill ba5 grö6tgen)ad)fene, feiner Einlage nac^ hv-
beutenbfte Äinb bes UI)Ianbfd)en Filters, bic 6 d) u) ä *
bifd)e Sagentunbe, beurteilt fein.
2)ie innige 23erfd)n3ifterung poetifd)er unb gelel)rter
Sntereffen gibt fid) l)ier fd)on öugerlic^ tunb. 2Bir be-
treten ein ©ebiet, hQ^<ö allentl)alben oom Dichter längft
burd)pflügt lüorben ift. 2ßic oft fül)lt man fid) an eine
lll)Ianbfd)c 58allabe nid)t nur erinnert, fonbern finbet beren
6toff bireft in bie Sarftellung oermoben. Sie Sd)mä«
bifd)e ^unbe, 2)er blinbe ^önig, ©ruf SRi^arb, Runter
IRec^berger, (Eber()arb, Sie oerlorene ^ird)e, Xells 3:ob,
bas 3Jlärd)en unb nod) manches anbere (Bebid)t früherer
Seiten I)ätte ba fosufagen bic lefete miffenfd)aftlic^e Sßei^c
crl)alten, bie (£inreil)ung in einen großen nationalen 3^"
fammenl)ang. Sa, bie greubc über bie Sülle, bic il)m
aus ben t)aterlänbifd)en Quellen ber 23ergangen^eit ent«
gegenftrömte, mar fo groß, \sOi^ fic i^m nod) ein Sieb oSi^
gemann. Sm i^a^re 1847 l)at Ul)lanb feine beiben legten
5Ballaben gefd)rieben, in einer S^it in ber bie SIrbeiten
oI)nc ausgcfprod)ene 2lbfid)t fid) mel)r unb mel)r nad) bem
6d)mäbifd)en l)in orientierten. 2)er ßcrd)cnfricg
!)at es mit einem Stoffe 3u tun, ber nur in einem ©renj«
gebiete bes Sd)mabenlanbcs 5U 5)aufc ift, unb er unter«
fci)eibet fid) aud) in feiner I)erben, (nappen Xragif mcfent«
28*
436
^^^at^at^^ytäsüt^atc^nt^nt^ii
X\6) t)on ber breitauslabenben ©emütüc^feit, in bie ber
Dictitcr uniüiÜfürUd) bei ber 23el)anblung z&^i ^eimijc^er
6totfe 3u oerfaUen |d)eint. Daneben bietet aber 5) e r
Ufete ^falsgrot bas famofe &l)ara!terbilb eines
cd)tcn 6d)U)aben, eines SQlannes, ber mit i)umor unb
©elbflironie ben 3u[ammenbrud) feiner türftlid)en i)err=«
Iid)!eit miterlebt unb fid) für ben S^left bes Safeins gans
ber Xötigteit Derf(l)reibt, bie il)m als bes 5)afein5 Äern
erfc^eint: bem Qagbpergnügen. Das (Sebid)t ift feiner
Slnlage nad) meiter nidjts als bie SSerfifisierung bes ^auf»
briefes, burc^ ben ^^falagraf ©öfe III. oon Xübingen 1342
SSurg unb 6tabt bem Ferren t)on SÖßürttemberg abtrat.
2Jlan !ann gerabe q^xk biefem SSeifpiele fel)en, mie fic^
nüd)tern trübfelige $rofa in bilb!räftig t^arafterifierenbe
?ßoefie manbeln fann.
2ßeld)er 2lrt mar nun ber ^lan, ber Ul)lanb in granf^»
fürt fo plöfelid) aufging? ©s mar feine 6agenfammlung,
bie er beabfi(i)tigte; natürlid) befanb fic^ eine fold)e als
SSorarbeit unter feinen papieren unb bilbete bas 9^o§»
material unb bie notmenbige ©runblagc bes tünftigen
SBerfes. @erüd)te über einen folc^en ^lan maren früt)er
im Umlauf, als it)m lieb fein fonnte. ajlan macl)te il)n
3um 5)erausgeber fd)mäbifc^er 23olfsfagen unb 3um
^Bannerträger einer Slnsa^l oon ©agenfammlern, bie bas
ganae 23aterlanb nad) fol4)em altererbten 2Solfsgute o^h--
fud)en füllten. Dod) fein '^\z\ mar unenblic^ l)öl)er ge*
ftedt. ®s ift leid)ter als bei feinen anberen 6d)riften,
ben !ül)nen $lan, ber i^m Dorfd)mebte, 3u umreiten, unb
SSerftönbnis bafür aud) bei bem fad)lid) ferne 6te^enben
3u ermeden. Um fo fd)merer aber ift es aud) für ben
gad)mann, il)m auf ben Derfd)lungenen (Ein3elpfaben 3u
folgen, bie er befd)reitet. Si^n^o^ ^"^ fi<i) überall mit folc^er
S5e^utfam!eit bemegt, fol(^e 6d)eu oor ber legten, ent«
fc^eibenben 2(nnäl)erung an fein '$i\z\ trägt, bog mon
f)äufig in 23ertrirrung gerät. Tlan a^nt lüol)! In töeitcr,
bämmernber SSorscitfernc btc fünfte, oon bencn aus er
einen gel)eimni6D0Üen unb ben meiften 2Jlenfd)enaugen
oerborgenen, bennod) feften unb :3a{)rtaufenbc ^inburd)
unaerreigbaren ^aben auslaufen laffen möd)te; man fiel)t
\\d) anbererfeits auf ben (Enbpunft in na^er greifbarer
©egenujart oermiefen, an bem biefer gaben fd)Iie6lid) t)er=
(notet fein fönnte. 2lber ba^ vo'ixtiid) ein folc^er r^aben
läuft unb mas er für 2Binbungen mad)t, um ben fü()nen
Einbringung aus bem ßabQrintI)e ber 6agenmelt heraus»
3ugeleiten, barüber oermigt man in ben meiften fallen
bie bünbige unb Hare 2Iuseinanberfefeung.
23ei ber 2Bürbigung biefes SBerfes fommt es nun
aber weniger auf bie 5)altbarfeit ober 23ern)erflid)feit ber
3a{)(reid)en n)iffenfd)aftlt^en ein3eltl)efen an, fonbern auf
ben ©efamtplan, ben Ul)Ianb ausfül)ren moüte unb für
ben er fid) in einem Tla^e crmärmen tonnte mie es nur
bem ^ünftler gegeben ift. !DesI)aIb ift er u)o()l aud) er«
Ial)mt, als er nod) längft nid)t bie ^älfte bes 3öegs 5urüct»
gelegt \)atte. Sie $I)antafie {)at ^ier bas meifte geleiftet,
ber gelel)rte SIpparat mugte ben JReij ber Unmittelbarteit
unb ber inneren S^otmenbigfeit rauben.
„I^bee 3ur tßoefie, gotifd) groß'' fo l)aüe Ul)Ianb oicr
3a{)r3el)nte frül)er einmal in fein lagebud) gefd)rieben;
jefet mar es ein gotifc^ großer miffenfd)aftlid)er !Dombau,
ber Dor feinem 2luge aufftieg unb in bem er allen ^eiligen
ber r)atertänbifd)en 23ergangenl)eit, ju benen er je gebetet
I)atte, Slltäre aufrid)ten moUte. (Ein mal)res ^ompenbium
nid)t nur ber fd)n)äbifd)en, fonbern ber gefamten gcr»
manifcf)en 5)elbenfage unb SDflr)tl)ologie follte es merben.
Ul)lanb l)atte frül)er rt)iffenfd)aftlid) meit 6oliberes unb
9^üpd)eres gefd)affen. Es ging i{)m mie Safob ©rimm,
ber in feinem Slltersmerte, ber furg auoor erfd)ienenen
©efc^ic^te ber beutfd)en 6prad)e, ebenfalls romantifd)e
3ugenbibeen unb =metl)oben rrieber f)otte 3U il)rcm 9lcd)tc
fommen laffen.
fiängcre 3al)re fd)eint UI)(anb Dorberettenb mit bem
©ebanfen an bas 2Berf gefpielt, auc^ bie plöpd)e ©r»
Icud)tung, bic il)m in grantfurt rourbe, einftmeilen Ute»
rorifd) ungenüfet gclaffcn gu t)aben. 5Rod) im Oftober 1850
fd)reibt er an 5)aupt, ^so.^ fein ©eift fic^ mand)mal an
biefem ?pian erlabe, menn er i^n o^x&^ niemals fd)riftlid)
au5fül)ren füllte. Slber ber 10. ^looember besfelben l^afires
bereits finbet i()n an ber Slrbeit, bie nun monatelang
rüfttg fortfd)reitet. 2Illmäl)lid) erft friftallifieren fid) bic
einselnen leile f)eraus, bem gebruar 1852 entftammt ein
ausfül)rlid)es 6d)ema ber Einlage. 1853 aber beginnen
bie Sfiugerungen abguflauen unb fd)lie6Iic^ gu oerftummen.
©er 5^lan mad)t einem anberen %\o.%.
9^id)t bas S5ru(^ftü(f, bas uns überfommen ift — ein
3::eil bes erften oon gmei geplanten 55änben, unter bem
ITitel „©ueoifd) alamannift^e SSorseit" — , fonbern jenes
gro^e ©ange, bas Uljlanb Dorfd)n)ebte unb beffen 2lus«
fül)rung il)m ntcl)t befcl)ieben mar, mollen mir fo gut "es
gcf)en mag oor uns erftel)en laffen.
„23on ben 6ueoen unb Sllemannen 3iel)t fic!) mir ein
gaben burcl) bie 5)elbenfage unb bas Mittelalter." On
biefem eingigen 6afee l)at Ul)lanb gefpräc^smeife ben
©runbrig gegeben unb bie ?8ered)tigung jur S^lefonftruf»
tion erteilt. Sie (Erfenntnis, bie il)m intuitio aufge»
gangen mar, betraf uralte 3ufammenl)änge 3mifcl)en alt»
germanifd)er, mittelalterlid)er unb neu3eitlid[)er 9}lr)t()o*
logie, 6age unb 2)icl)tung. Sie fpärlicl)en 55erid)te über
bie ©ötterDerel)rung unferer 23orfal)ren, bie reid) ausge»
bilbete aber gum Jeil oerbilbete ftelbenfagc, bie gütlc ber
Ortsfagen unb SSolfsfabeln bes SD^ittelalters unb ber 9^eu*
3eit — bas maren brei Überlieferunpssmeige, bie if)m
frül)er, nod) 3ur 3ßit bes Kollegs oon 1832, nebeneinanber
439
I)er3uraufen fd)icncn, ol)ne ha^ \\d) il)rc alte einf)eitnd)fcit
nad)rüeifen lieg, ber gcmetnfame 6tamm, bcffen 6proffen
fic maren.
Um es furg ju fagen: UI)Ianb möd)te nad)U)eifcn,
ha^ bic mgtl)ifd)en unb l)elbenfagenmä6igcn ?8cnd)tc bcs
beutfd)cn Stltertums über bte S u e o c n ibenttfc^ finb mit
ben bis in unfere 3^it reid)enbcn r)oIf5tümlid)en Xra»
bitioncn, Orts^ (3e(d)Ied)t5ö ©eifterfagen uftü. bes I)eutigcn
6 d) m a b c n lanbes; bog olfo ein ununterbrod)ener Qu*
fammenl)ang fagenl)after 23orfteIIungen unb (Er3äl)Iungen
burd) 3tt)ei 5a^rtau(enbe I)inburd) unoerönbert beim
Jd)tt)äbif(^en 6tamme beflanben ):)abe.
„©ueoen", ha5 ift für bie ölteften ^iftoriter ein fef)r
meitgefpannter 35egriff. 2^acitu5 fd)eint gelegentlid) fogar
alle germamfd)en 23ölfer, bie ber 9'lömerl)err|d)aft nid)t
untermorfen finb, unter biefem Dramen jufammengufaffen.
Um fo au5fid)t6reid)er, bei il)m nad) |ueDijd)em Sagen*
material 3u fud)enl Der fo melumfaffenbe 9^ame mirb
UI)Ianb aber aud) 3um ßeitfaben bei ber !Durd)forfd)ung
norbifd)en ©ebiets. !Da ift in romantifd)en normegifd)en
unb i5länbifd)en ?Profaer3äI)(ungen bes 13. unb 14. ^ai)x*
l)unberts öfter oon einem Swaefland bie S'lcbe, aud)
Dramen, bic mit Svaf — 3ufammengefefet finb, finben
fid). !Diefe ©efd)id)ten ftammen nad) Ul)Ianbs 5[Jleinung
alle urfprünglid) aus Sd)n)aben unb I)aben, mie er in enb»
lofen 5Jlac^n)eifen bartun möd)te, ibren 2öeg über grant»
reid) unb ©nclanb nad) bem Sterben gefunben. ©nbUc^
cr(d)Iie6t fid) il)m ber reiche 55orn mittelalterlid)er (II)ronifen
unb 3ufäIIiger 2Iuf3eid)nungen über I)iftorifd)e unb lofale
Sagenbilbung, bie nur im entfernteften auf bas blutige
©c^maben oermeifen. trifft er in einer biefer (Begenben,
bem alten Sueoengebiete, in S^ormegen, granfreid), (Eng*
lanb ober bem jefeigen 6d)n)aben üermanbte Söge, an*
fUngenbe S^amen, fo mad)t er fie feinen Qwtden nufebar.
Snjei ^Proben mögen '^Qi'ö 2Serfa()ren Dcrbeutttd)en.
Xacitus bericf)tct oon bem gel)eimni5DoIIcn ©ottesbtenfte
tz^ ^crnooKs ber alten ©ueoen im l)eiltgen i)ainc. 9^le=
manb barf anbers als gefeffelt in biefen eintreten, fällt
er 5u SSoben, fo barf er nid)t auffte{)en, fonbern mirb l)in=
ousgemölat. „2)er ganse Stberglaube gel)t bal)in, als fei
Don bort ber Ur{)ab bes SSoIfsftammes, bort ber allge«
bietenbe @ott/' 6emnonen l)ei6t '^^'ö 23oI(, aus biefem
5).aine nal)m es nad) S^acitus feinen Stusgang. W^i^t
unb 3^amen erforbern ©rflärung. ^ül)n ift U^Ianbs
6prung ins SJlittelalter: „Suevi non nati, sed semi-
nati," bie ©dimaben finb nid)t geboren, fonbern gefät, ift
ein verbreiteter 6prud) gemefen, t)iellei(f)t urfprünglic^ ein
aSoltsrrife. ©in 3iifctnTmen{)ang muß beftel)en. I^n bem
S^amen ber Semnonen mu^ ber 6amen (lateinifd) semen)
fterfen, fie finb bie ©efäten, mas aud) 3U il)rer ©rbgeboren»
i)eit im ^aine ftimmt. (Ein auf fd)n)äbift^em 55oben ge=
funbenes altrömifd)e5 ^Silbmerf, einen 6ämann !bar=
ftellenb, mirb 3ur ©tüfee {)erange3ogen. 2)e5gleid)en ber
9lame ber alten fd)mäbif(^en ^i^i 6oIicinium bei lü*
bingen, beren 5Jlame UI)Ianb oon sulh = Surd)e ableitet;
alfo aud) I)ier eine SInfpietung auf bie gefäten 2tItt)orbern.
2Iud) bie 6itte ber fjeffelung ift nid)t gana oerfc^munben,
loenn in einer alten normegifd)en ®r3äl)lung ber 5^ame
Fjöturlundr = geffel{)ain auftritt, morauf fotite fid) biefer
anbers be3iel)en?
SBas mar es nun für ein @ott, bem biefer ^ain t)eilig
unb ber bei ben ©ueoen an ber 6pifee afler Sioxy^'l U()Ianb5
nirgenbs flar gegebene Stntmort mürbe gelautet t)aben:
i)er 6d)mertgott '^\\x. 2)ie ©c^maben merben einmal be=
3eugt als Ziuwari, 3tur)erel)rer. 3n oielfeitigen 2Iu5=
fü^rungen fud)t UI)Ianb nad)3umeifen, bog ber 6d)maben=
name felbft mit einer altgermanifd)en 9ßur3el svaf =
6d>mert 3ufamment)änge, \^^% bos ©c^mert fid) baburc^
als fd)tüäbifd)e 9^attonaIrt)affe, getüiffermafeen als ©rfa^
für \sQi<ö mangeinbe 6tammc5^eiligtum tunbtue. 2)cn
5nl)alt biefer Stammesfogc com 6d)rx)ert glaubt er in
aItnorbifd)en ^Romanen unb ßiebern erl)alten, in benen
ein STafrliomi (6d)tüertfcuer) unb Svafrlogi (Scf)n)ert=«
glana) bic Hauptrollen fpielen. Dod) (ommt es ja überall
barauf an, bie 3wfonimenl)änge bis in bas l)eutige
6cf)n)abenlanb gu oerfolgen. !Desl)alb bemül)t fid) Ut)lanb
fo eifrig um alte S^^O^^Uf^ für 6cf)U)erttän3e auf fc^tüä»
bif(f)em 55oben, an beren ©teile er freiließ nur einen
3Jleffertan3 aus einer D^ürnberger ©Ijronif aufftöbern fann.
Slber bas (Bute liegt näl)er, gan3 nal)e bei 2^übingen.
Das Hofgut 6c{)n3är3locf), tl)m oon ber ^inber3eit l)er
befannt, trögt einen oiel gel)eimnist)olleren S^amen, als
man auf ben erften SSlicf oermuten möd)te. ©in el)e*
maliges „Swertes = loh^^ 6^ii)ertl)ain, lebt l)icr fort,
olfo eine unmittelbare (Erinnerung an ben alten 6d)n)crt*
gott unb feine I)eiligen Stätten bei ben 6emnonenI
!Der 53ebenfen gegen Ul)lanbs 23erfal)ren finb fiegion.
5Belcl) Derfcl)n)inbenb geringe Übereinftimmungen genügen
\\)m, um alte 3ufo^n^ßnI)änge 3u mittern! 9Bie über=
fritifd) Derfäl)rt er gegen ein3elne 55ericl)te, um il)nen ©e-
ftönbniffe über il)re frül)ere ©eftalt ab3ugeminnen, unb
mie unfritifd) oerplt er fid) ücrbäd)tigen 3^9^^ gc9cn=
über, menn il)m beren Stusfagen milltommen finb! SBie
oermegen beft^reitet er \)\tx bas ft^lüpfrige (Sebiet ber
etr)mologifd)en 5^amenbeutung, bas er einftmals nid)t
ol)ne bie fid^erften Stufen 3U betreten magte! SSermegen
— ein 55eirr)ort, bas man bem gorfd)er mie bem SJlenfc^en
fonft am menigften erteilen mö^te, ift überl)aupt ber
riti)tige Slusbrucf für feine 9Jlett)obe. greilid) l)at er es
bem ßefer in feinem Salle leid)t gema(f)t, bie oon il)m
gen)ünfd)ten 3ufommenl)änge l)eraus3ufinben. Die S3or=
fid)t, beren er fid) bei feinen innerlid) längft ge3ogenen
©(^lüffcn fo gar nid)t bebient f)at tft bei bereu äuger*
nd)er Sarftelluug übertrtebeu. SD^lau al)ut pc^fteus t)ou
ferue, n)o UI)Iaub I)tuau5 möd)te. Qu bem au5gefül)rteu
3:eile geJ)t feiu 35eftrebeu 3uuäd)ft eiumal ba^tu, etueu
fel)r feftgefügteu Uuterbau gu stmmeru, auf bem ftd) bas
lüeitere ©ebäube erf)ebeu fauu. 2)e5l)alb ftüube es fd)Ied)t
mit unferer ©tufid)t iu bo5 ©efügc bes geplauteu SBertes,
\)(!Mz Uf)Iaub uid)t iu äu6erlicl)er Uuabpugigteit uou ber
alleiu ausgefül)rteu fueoifc^eu Sageutuube eiue 2Iu3oi)I
Dou iuuerlid) um fo euger bajugeprigeu üeiueu STufföfeeu
geliefert, 6tubieu gu mirfli(f)eu fc^u)äbifcf)eu, \i^<ö \)z\S^i auf
gegeumärtig fd)mäbifc^em ?8obeu uod) beseugteu Sageu«
bilbuugeu. 6on)eit fie 3u feiueu ßeb3eiteu uod) gebructt
murbeu, erfd}eiueu fie iu Pfeiffers ©ermauia.
,,g(ei6ige Sufammeuftelluug, bod) ol)ue fd)arfe5 JRe»
fultat/' fo \)^i Uf)Iaub felbft eiumal eiue i!)m oorliegeube
fageutuublirf)e 6c^rift beurteilt; eiue ^euu3eid)uuug, bie
leiber aucf) auf bie @efamtt)eit feiuer Slltersauffäfee 2tu«
meubuug fiubeu muß. Qatob (Brimm I)at ä^ulid) geurteilt:
„SBeuiger (als auberes iu ber ©ermauia) gefalleu mir
UI)Iaubs 2Ibt)aubtuugeu, bie jmar maucf)es fiunige zx\i*
f)alteu, aber ol)ue fi(^tbareu (Baug uub t5ortfd)ritt.'^ 93or
allem ber Seitrag, mit bem ^Pfeiffer feiue S^i^f^nft
eröffueu burfte, ift eiucr fo marfauteu ©telluug uic^t rei^t
mert uub ftellt fid) als 3iemlid) poiutelofe 9}laterialfamm«
luug bar, bie fd)eiubar ber meiteu @efid)t5puutte eutbel)rt
uub uur uou UI){aubs gaug ^of)er 5Barte aus fageu*
gefd)id)tlid)e SSebeutfamteit befi^t. Sie^Pfalsgrafen
oou 2:übiugeu gebeu aus uugebrudteu ^aubft^riften
eiue Sägergef(^id)te 3um befteu, bie eiuem TOtpIiebe biefcs
jagbu)ütigeu i)aufe6 gugeftogeu feiu foll. Die auger»
fd)n)äbifd)eu 5tuaIogieu gu biefer ®r3äl)Iuug, bie Ul)Iaub
mül)felig I)erbeifd)Ieppt, molleu aber uic^t red)t uerfangeu.
ein jmeiter Sluffafe, 2)letrid) oon 55ern, bewegt
\\6) auf ber ©ren3fd)etbe 3ur ßelbcnfage unb fte{)t offen*
bar auger ^ufanimenljang mit bem großen ^auptmerfe.
!Der britte ift mit bem größten äußeren 3Dflül)eauftt)anb
unb bem meiften inneren einteile gearbeitet: 3S o b m a n.
GEin f)übfd)er lanbfd)aftnd)er (Eingang fül)rt an bie Ufer
bes Überlinger Sees in bie 93urg bes babifd)en i5reil)errn»
gefd)led)te5, bas aud) Urlaub als ©aft beherbergt ^^i unb,
bie SIrbeit bes (Belehrten n)ie ben eigenen 5Hu{)m förbernb,
feine 2trc^iotd)äöe gerne 3ur 23erfügung ftellte. 2)cr
gorfd)er oerfidiert I)ier eigens, er moUe bie (Befc^id)te oon
33obman nur fo meit bcrül)ren, als fic 3um Jßerftönbnis
bcr fagenljaften Überlieferung nötig fei, bie fid) an il)r auf»
geranft I)abe. (Eine ^6)XQ'<i&^t ber Slltersaufföfee aber tritt
peinlid) I)en)or: Ul)Ianb oermag nic^t mel)r bei ber 6ac^c
3u bleiben, mirb breit unb rebfelig. ®s folgt (Effurs auf
©f fürs, bis man enblid) bas (Bebiet betritt, bas 3ur 6agen«
forft!)ung JHaum \yQit, einftmeilen aber nur r)orfid)tig um»
riffen unb nid)t burd)pflügt mirb.
9^id)t nur ber große @cfamtplan einer fcf)n)äbifd)en
©agentunbe blieb unausgefüi)rt, aud) für cingelne QEnt«
mürfe, bie Ul)Ionb begonnen unb 3um 2:eil Pfeiffer fd)on
in 2Iusfid)t geftellt Ijatte, oerfiegte i)or3eitig 3Raterial unb
Ontereffc. Sie (Bermania mad)te fid) eine S^^tlang f)off*
nung, mit einer Slb^anblung UI)Ianbs über bas SBuotes«
l)eer bereid)ert 3U merben. 2öarum es ba3u fd)ließlic^
troö ber maffenl)aften 6toffanI)äufung nid)t getommcn ift,
bleibt untlar. ßieber nod) befößen mir oon bem Did)ter
ber Sd)mäbifd)en S^unbe bie lange geplante unb aud)
fc^on ein 6tü(f meit gefül)rte 2lbl)anblung über bie
Sc^rDabcnftreid)e. Obfd)on eine 5^acf)laßnoti3 oer»
röt, \sOiS^ aud) biefe 55lüten ein^eimifd)er ^obulierluft bis
in bie graue 23or3eit 3urücfDerfolpt merben foUten, ift bod)
fid)er, \i(x^ bie greube bes !Did)ters an bem ternl)aften
5)umor biefes er3äl)lungstr)pus es 3u einer trocfen tljeo'^
retificrcnbcn, (ombmatton6tüd)tigen Darlegung im 6tilc
ber anbcren Sluffä^c nid)t t)ätte fommcn laffcn. 5)umors
Doll I)at lH)Ianb ausgcfüljrt, ^i^S^ bie beutfdien 6tämme
tüic in ber ^&)\^&ii fo aud) auf bem ©ebiete ber 5larrl)eit
feinen lieben fianbsteuten bas 9^ed)t bes Jßorftreites ein»
geräumt ^aben, \io!^ aber ber 6d)rt)abe, mie in ben älteften
@etd)td)ten berart au5 bem 9. 5a{)r^unbert fo überl)aupt,
nic^t als ©impel, fonbern als liftiger 6d>al( erfd)eint,
ber nid)t nur bie ßac{)er, fonbern aud) bie materiellen 23or=
teile auf feiner 6eite 5u t)aben pflegt. 60 t)ätte alfo auc^
biefer %z\\ bes Söerfes f(J)liepc^ 5um 9'lul)m unb nic^t
3ur 9Serl)öI)nung l)eimatlid)er 2trt au5gefd)Iagen.
!Die poftI)um erfcf)ienenen, äugerlid) fertig geftellten
2^oten oon fiuftnau bilben leiber einen oiel (eb-
loferen 2tbfd)lu6 biefer 2luffaferei{)e, als il)n bie 6d)n)aben=
ftreid)e geboten ptten. 2)iefe le^e 2(rbeit tl{)Ianb5 mug
metI)obifd)e5 Ontereffe erregen, menn au(^ nid)t 2ßol)l=
gefallen.
!Die @efd)id)te oon ben 2:oten oon ßuftnau gel)ört 3U
bem l)äufigen ©agentrjpus oon ber IRücfte^r SSerftorbener
ins ßeben. !Die ^inber einer JRitterfrau in fiuftnau bei
^Tübingen, bie aus bem ©rabe rriebergetommen unb noc^
lange an ber 6eite bes (Satten gelebt l)aben fotl, füt)rten
ben 9^amen ber „2;oten". Ul)lanb fie^t in biefer Xrabition
unb SSenennung „eine red)tlic^e 6innbilbfprad)e, n)eld)e,
fpäterf)in ni(f)t me{)r oerftanben, fid) in SQlörd)en unb
6agen ausgerauft \^oM'. Sßiebergeboren ober oom Xobe
crftanben fein \)qX nad) altem S^lec^te feine anbere 55e»
beutung als freigelaffen, aus bem 6tanbe ber ^ne(^tf(t)aft
in ben ber allein maf)r^aft ßebenben aufgenommen mer«
ben. iä{)nlid)e S^mbolif liegt aud) bem 9Jlärd)en 00m
2)ornrösd)en gugrunbe, bas 6pinnen ift bort 3^^^^^" ^^^
2)ienftbarfeit, bie !Dienftbare, oon ber ©pinbel geftoc^en,
ift „an 9fled)t unb 6tanbesel)re ft^Iafenb gebad)t". 6ie
mirb nun ermecft aus iljrer 2^obe5ftarrl)eit, bas Reifet 3U
greil)eit unb JRed)t erI)oben. !Die[e 25ilber|prac^e möd)tc
er oerfolgen ,,m ber (Befefegebung unb in @e[d[)Ied)t5namen,
im 9Jlgtl)enlieb unb in ber 6age, in ber fiegenbe unb im
QJlärc^en".
©in ftarfes Unbehagen bemächtigt fid) bes ßefers an«
gefid)t5 eines jolc^en D^ationalismusI 2öo mir anmutige
gabelei, unabfid)tlid)e unb bebeutungslofe $oe[ie 3u finben
I)offen, "^a |olI bürre 2lbftraftion unb beren mifeDerftänb»
nd)e Umbilbung oorliegenl Diejes 23ergel)en am Dorn«
rö5d)enmärd)en begel)t berjelbe 3Jlann, ber einmal jo an-
mutig 3u fd)ilbern mußte, mie eine ^inbergruppe in Sin*
bad)t oerfunfen einem 3)lärd)ener3ä!)Ier Iaujd)t; ber es
oerteibigte, \io!^ oom Äatl)eber mie einft oon ber Hansel
bes ©tragburger ajlünfters t)erab oon ^inbermörd)en ge*
fprod)en merbe. '^xqzx 6eelen moljnen in bes alternben
(Belel)rten 35ruft: bie eine l)ält fid) nod), mie er es einft
felbft ber 6age gegenüber fo einbringlid) empfoI)(en ()at,
in ffrupellofem ©cnug an bas ^oetiJd)e, bie anbere 3er*
grübelt unb 3ermürbt fic^ in frud)t(ofem 6ud)en nad) ber
,,25ebeutung'' befjen, mos boc^ feinesmegs erflärt, fonbern
nur gefül)lt unb bantbar aufgenommen roerben fann.
6oId)e rationaIiftifd)e ©ntmei^ung, mie fie ber lefete 2Iuf*
faö Dornimmt, bebeutet erft ben mal)ren 2^ob ber 2^oten
oon ßuftnau.
2)ie[e Deutmeife mar 3meifeIlos ein Srrmeg, aber
Ul)Ianb l)at il)n im 2Ilter mit immer größerer ^onfequenj
unb Qartnäcfigfeit eingefd)Iagen. ^\)x Qeroortreten in
bem lefeten Sluffafe ift befonbers oerlefeenb, aber nid)t mel)r
neu unb überrafd)enb. ©ie bet)errf(^t oöUig ein großes
meiteres $rojett, bas in UI)lanb5 lefetem ßeben6jal)r3el)ntc
bas Ontereffe an ber Sd)mäbifd)en 6agenfunbe langfam
unb bel)arrlid) 3urücf3ubrängen Dermod)te unb il)m nod)
Diel lebl)after ben 2ßun[d) nac^ SSollenbung ein3ugeben
fd)eint. 3m Oftober 1853 fül)rte il)n bie Sel)nfu(^t nac^
ber Siinmernfc^en ei)ront!, feiner I)erDorragenbften un»
gcbrudten Duelle für fd)rüäbifcöe Xrabition, noc^ einmal
nac^ !Donauefd)ingen — ben Sibliot^efar 6d)cffel l)at er
teiber gerabe nicl)t bort angetroffen! — aber bamals ift
bereits ber (Eifer für bas große l)eimifcl)e ©agenmerf im
©rlöfd)en, unb in ben lefeten Xagen biefes 5al)re5 geminnt
ein anberer, älterer unb oiel fefter eingemurselter ^lan bie
Dberl)anb: toieber, töie fünfunbgmansig Sa^re t)orl)er,
glaubt Ul)lanb fic^ berufen gum aJlonograpljen ber
Seutfc^cn i)elbcnfage unb mirft fid) biefer alten
unb boc^ in ganj neuem ßid)t erfd)einenben 2lufgabe
freubig in bie Slrme. 3m füllen l)atte er fett 1830 meiter»
gebaut unb manchen neuen 6tein aufgetragen. 2)er 6ieg,
ben bie l)eimifd)e 6age über bie allgemein germanifd)c
baoongetragen l)atte, mar nur ein fc^einbarer gemefen.
2Bir merben aber bei biefem langen 5)tn» unb ^erfc^manfen
5mifd)en jmei SBerfen biefes Slusmaßes oon Dornl)erein
ermarten, t^xx^ Ul)lanb aud) gur SSoUenbung bes smeiten
bie nötige Slusbauer fid) nid)t mel)r mirb obsmingen
fönnen.
Sas SSilb, bas bie (Entfte^ung5gefd)id)te auc^ biefes
mäd)tigen 2:orfos bietet, äl)nelt mertmürbig genou bem
Sd)irffale ber 6d)tt)äbifd)en Sagenfunbc. 2Iud) l)ier maren
jmei Steile, oielleid)t SSönbe, geplant, aud) l)ier ift ber
Slnfangsteil niebergefd)rieben, mäl)renb ber gmeite 2lb«
fd)nitt nur burd) eine !Heil)e fpötcrer einjelauffäfee oer*
treten erfd)eint. Unb aud) l)ier geftattet uns ein 6d)ema,
ausfü^rlid)er nod) unb flarer als bort in U{)lanbs SQBegc
unb 'S\t\z ©inblid 3u tun.
2)05 mtgbilligenbe ©taunen, in bas uns bie tpi)an»
toftif ber Sd)mäbifd)en Sagenfunbe oerfefet merben mir
f)ier gleid)mol)l nid)t empfinben. !Diefes 3Jlonument
Ul)lanbfd)en Slltersfleifees l)ätte nid)t auf tönernen Süß^n
geftanben, ungcad)tet aller SD^ängel unb jelbft ©cf)rullcn,
bie bic Stnfäfee erfennen laffen. ^^UrlprüngUc^e @efd)id)tc,
^eimat, 25ebcutung'' bcr 5)elbcn|age au untcrfut^en, ift fein
ausgefproc^encö ^^rogramm. 2)er er[tc $unft \)qX il)m
nic^t me()r oiel 6orgc bereitet. 9^id)t umfonft beginnt er
bcn ©ntiüurf mit ben 2Borten: „Sem breiten epi(d)en
Strome, bcr in unjerem S^ibelungenliebe l)inmallt, ift man
oufmärts nod)gegangen, ^at alle (Jinmünbungen aus ben
6agen oerfc^iebener Jßoltsftämme aufgemiefen unb \)qX
bcn i)auptflu6 bis 3U feinem mäd)tigen unb tiefen Quell in
bcr gcl5l)öl)le oerfolgt." JUlan ergöfet fic^ an biefem
Icbenbig gefcl)encn Silbe, mirb aber ber präteritalen
gaffung \it^ ^Oi^t^ abncl)men, \^q!^ biefc 2Irt Öorfd)ung in
Uljlanbs 2lugen als abgefd)loffen gelten fonntc.
33on cinl)eimifd)en 6agen, bie bem SBur^eln in einem
beftimmten 35obcn il)ren !Rei3 unb il)re !Daucr^aftig(eit
perbantten, ift Urlaub micber 3ur 5)elbenfage 3urüdge!el)rt.
^ein SBunber, ^^o.^ bie grage nad) ber ^eimat, ber ur«
fprünglid)en örtlid)cn 3ugel)örigteit auc^ biefer 2lrt Don
©agen il)n fcffelte unb mic^tig bünfte. 3" ioid)tig, mie
uns faft fd)cinen möd)te. I^n bem Kolleg Don 1830 f)at er
bic 3iifölligfeit fold) örtlid)er Einfügung ertannt. ^efet
läfet er es oft an bcr nötigen 5lritif fehlen unb legt fpätcn
ober unfic^cren ßofalifierungen übermäßigen 2öert bei.
2ßas feine 2Iusfül)rungen fac^lic^ babei ocrlorcn, bas
l)obcn fie freiließ formal gemonnen. !Denn gerabc bie
Steigung, oon einem beftimmten Orte aus3ugel)cn, an bem
er bic 6age l)cimifc^ n)öl)nt, l)at uns einige bcr plaftifd)ften
unb ftimmungsrcid)ften ßanbfd>aftsbilber aus Ul)lanbs
geber Dcrfd)afft, bie mir ungerne miffen mürben, mcnn
aud) bic Siebter, bie er barauf fallen läßt, irrefül)rcnb finb.
aJland)c ?Probe aus ungcbrutftcn 9^ad)la6blöttcrn
fönnte ben ?8emei5 bafür erbringen, '^o^^ uns in biefem
2öerfe ollerlei 6d)önc5 oerloren gegangen ift. ßciber
u)trb ha5, XDa5 mix baoon befifeen, ungebüljrlid) cntftellt
huxd) bas Jßorrüalten bes brüten ber pon lH)Ianb gc=
nannten ©efic^tspuntte. 2ßir mtfjen |d)on, ba^ bie Icibigc
groge nac^) ber 23ebeutung ber einaelnen ^eltien unb Hirer
(Erlebnifje für ben Sor[d)er immer u)id)tiger u)irb. 3um
unbefangenen ©eniefeen unb Setrad)ten ift er nic^t {äl)ig.
©iegfrieb als 6iegfrteb befriebigt it)n mct)t mel)r, es mu^
met)r in il)m ftecüen als nur eine erfabelte ^elbenfigur,
er mu6 eine perjonifigierte 5bee, ein Symbol fein, eine
„m9tt)ijd)e" Siusbeutung erlauben. Xraurig ijt es su
tel)en, mie bie pl)antafiegeborene ©eftalt unter Urlaubs
6e3iermeffer ^lut unb ßeben perlieren mu^. 25rünl)ilb
ift für il)n ber perfonifiaierte ^ampf, 6iegfrieb mecft fie,
ha5 \)e'\^t er beginnt ein Äampfleben; er bringt babei burd)
bie Ußaberlolje, meil ber Krieger eben burd) 6engen unb
brennen fein £)al)erfd)reiten tennaeic^net. 60 ift fein
5)afein nidjts ÖnbioibucUes, fonbern eine tr)pifcl)e, fgmbo»
lifct)e ober nad). Uljlanbs Sprache mr)tl)ifd)e 2)arftellung bes
i)elbenleben5 übert)aupt. 6d)lieyid) bthentei alles etmas:
menn ©iegmunb nad) englifd)er (5age einen fd)afel)ütenben
!Drad)en tötet, fo bedeutet ha5, ha^ er ein fd)äfeegea)innen»
ber See^elb mar, benn unter bem SSilbe bes 2)rad)en5
crtd)eint bem S^orblänber ha^ SD^leer. 60 belel)rt uns ber
(Einselauffafe 6igemunb unb 6igeferb.
9^od) immer ftel)t bem Srflärer Obins ©öttergeftalt
ragenb im i)intergrunbe biefes ©agenfreifes; aud) ha»
burd), bag er gan3 ber fienfung biefes 3)läd)tigen unter«
fte^t, verliert ©iegfrieb an Sebeutung. Den £omplef, ben
Ut)lanb einftmalö als ben obinifc^en ©agenfreis be3eid)net
l)at, benennt er aud) jefet nid)t nad) bem ^auptt)elben,
fonbern nad) ben 5mei grauen; 58rünl)ilb unb ^rieml)ilb ift
ber erfte Xeil bes Sßerfes überfd)rieben, unb aus bem
Äontraft ber 2Belfungen, beren ftral)lenbe 6d)uögöttin
?Brünl)ilb ift, 5u hm büfteren S^ibelungen, benen bie laroen=
r)erl)ülltc Äämpferin Ärieml)ilb oorftel)t, ergeben fid) alle
Äonflifte.
!Der ftarfe ©egenfafe biefer 6age 3ur gotifd)en, bereit
^Betrachtung ben 3rüeiten %t\\ au5mad)t, bleibt befte^en.
2(ber Ul)Ianb fc^meift 3U beren ©rtlärung nic^t me^r fo
roeit in bie gerne, bas trügerijd)e ßid)t, \iQi'^ i{)m einft t)on
?Perfien I)erüberge(c^immert ^^oi, \\i oerglommen. (Es i[t
aud) ^ier ein beutfd)er @ott, um ^zw, fid) alles gruppiert,
aber nicl)t Dbin, fonbern Xl)or, ber Donnerer. 23on iljm,
bem mä(i)tigen unb leutjeligen Reifer bes SSolfes, mürben
el)emal5 aEe bie ©egenstaten er3ät)lt, bie fid) jefet an ben
Dlamen Dietrichs oon 23ern fnüpfen.
60 bleibt aud) ber etl)ifc^e Uiiterfd)ieb 3ur D^ibelungen»
fage beftel)en. Sie it)arml)er3ige 69mpatl)ie bes greifen
6agenforfd)er5 ift Don bem ftral)lenben Knaben 6iegfrieb,
bem er einft im (Bebid)te l)ulbigte, unb oon bem fraftöoE«
treuen SBolfbietrid), bem ßieblinge feiner 3D'lanne5Jal)re,
gan3 auf ben milben, meifen unb magooUen Dietrid) Don
Sern übergegangen, beffen 23ilb fd)on im trocfenen
6d)ema in ben lid)toollften färben erglän3t. Der 1861
oeröffentlic^te 2luffafe Der JRofengarten 3u
SQSorms 3eigt an einem fonfreten SSeifpiele, mie man
fid) bas eintreten Dietri^s für ben alten Donnergott 3u
benfen I)at. 2ßo jefet I)elbenfagenmä6ig eingefleibete
kämpfe bes ©otenfönigs unb ber ©einen gegen riefifd)e
©efolgsleute bes 55urgunbenfönigs bei 2Borms ftattfinben,
\^Qi er3äl)lte man einft oon ber Sänbigung elementarer
Gräfte, milber ©türm» unb Sßafferriefen burc^ ben Donner*
unb grud)tbarfeit5gott, ber bamit ben ©ieg bes grül)ial)r5
über ben Sßinter errang. ©0 erfä{)rt ber 3!JlQtl)us oon 2;^or
nad) fünfunb3man3ig 3al)ren nod) eine ©rgänsung.
Die anbere, bie l)iftorifd)e ©eite berDietrid)fage, in ber
mir beren Äern erblicfen, \)oX für Ul)lanb menig Sebeutung.
9^ur Dietrid)s großer gefd)id)tlid)er (Begenfpieler l)at il)n
6d)nclbcr, Ul)Ionb. 29
öefeffelt, unb er l)at biefem ©rm anrief eine fpätc
6tui)ie ßeiDibmet. ©inen n)eiteren 2liifafe 5ur brud))tü(f«
iDei|en ©rleüigung ber H^robieme bes öotij(i)en Sagen»
freijes bringt Die merfmürbig frifc^e unb einfaUöreic^e 2lb=
^anblung über bie 2öalit)erjaiie, betitelt Der 2Baögen =
jt e i n. ©r fällt in \i(x^ Öal)r 1859, bod) fc^on oier 5al)re
früher \)^iit Ul)lanb burd) 23eröffentlicl)ung eines er[ten
25rud)ftücte5 aus bem ^elbenfagenrüerf auf bie SSoUenbung
bes gansen rejignierenb 9Ser3id)t geleiftet.
Diefer mar um fo el)er am $lafee, als nic^t nur bie
(5d)n)äbijd)e 6agen!unbe unb bie 2)eutjc^e i)elben|age ein=
anber als Stioalen bebrängten, fonbern aud) nod) ein
britter ^onfurrent oorl)anben mar, ber ben erften ^lafe
in Ul)lanbs Sntereffenmelt beanfprud)t, il)n seitmeife au(^
eingenommen 3u ^aben fd)eint. 6eit amansig Sauren
I)arrte ja2)er3Jli)tl)U5Don£)binber 2ßeiterfül)rung,
unb bie greunbe bes Xl)or, 6imro(f unb SJlafemann
3umal, mürben nid)t mübe, t^^xxiOi^ ju fragen, ©s lögt fid)
nid)t genau feftfteEen, mann Urlaub mieber tatfröftig
i)anb ans 2ßer! gelegt, unb ob bas eine enbgültige 23er»
abfc^iebung bes 5)elbenfagenplanes bebeutet l)at; es mirb
nid)t mol)l cor 1855 gemefen fein, gerne lagen il)m Ja
2:i)ema unb 9Jletl)obe nid)t. 2lud) l)ier erfd)eint eine er»
I>abene Sagentrabition ins D^ationaliftifdie herabgezogen,
oon bes (Bebanfens SSläffe angefräntelt.
5)a6 es ber 2lbl)anblung über Obin, bie ja mieberum
nur ein fel)r umfänglid)es Fragment ift, an 2)urd)bilbung
gebrid)t, bie einzelnen Xeile fd)led)t aneinanberfc^lie^en
unb nid)t frei oon luftigen 2ißieberl)olungen erfd)einen,
barf man Ul)lanb nid)t 3um SSormurfe mad)en; benn
gerabe er ptte es ben S^a^la^m altern mol)l am menig»
ften Der3iel)en, '^Oi^jt fie etmas fo Unfertiges mit feinem
S^amen in bie 2öelt I)inausgel)en liegen. 2lber aud) bei
forgfältigerer geile möre bas 2öerf ben ungleid)mö6igcn
ei)ara!ter nid)t losgeiDorben, ben es jefet aur 6d)au trägt:
es ift merdüürbig, röie ber 2Jli)tl)entorjd)er unb ber
3Jlgtl)enbeuter l)ter auseinanbertrcten. i^ener trägt mit
faurem 6d)rüei6e eine fc^mere 3Jlenge Details 3ur ^ennt*
niö bes ©ottes unb feiner 2Serel)rung au5 allen möglid)en
norbifd)en Quellen jufammen. ©r entmicfelt babei mel)r
SSerftänbniö als früt)er für bie grage, bie l)eut3utage bas
Sntereffe ber 2Jlr|tl)ologen erregen: für Orts* unb 2llter5=
beftimmung bes ^ults, für ©inselaeugniffe bes lebenbigen
©laubens an ben (Bott. grül)er Ijat iljn nur berSQlgt^us, bas
fertige bid)terifd)e ©ebilbe intereffiert. 2(ber n)iffenfd)afts
lic^e Darftellung braud)t, aud) mo fie mit einer gülle oon
3Jlaterialien arbeitet unb auf ein DÖllig fd)arf umriffenes
S'lefultat r)er3id)tet, feinesmegs langmeilig ju fein. Unb
\iQ^^ ift Ul)lanb leiber gemorben in feinen llnterfud)ungen
über Sragi, bie JRunen, ben 2)id)tergott, bie ^unft»
pflege ufm. 2Bieber \)qX man, mie fd)on ftellenmeife in
ber 6d)n)äbifd)en 6agenfunbe, bas brücfenbe @efül)l einer
banbmurmartig fid) bal)in fd)löngelnben Unterfud)ung, bie
nur 2ßinbungen mad)t ftatt gegliebert 3U fein, bie nur ein
©nbe nimmt ol)ne ein Siel 3u erreid)en.
5n ben Partien, bie fid) 2Rr)tl)enbeutung 3um 3icle
fefeen, fc^reitet lll)lanb bismeilen gan3 munter Doran. 2lber
t^Q, befrembet ben fiefer bod) gar 3u fel)r ber 2lbftanb Dom
3Jlr)tl)U5 t)on Xl)or, beffen äußere a)letl)obe aufgegriffen
merben foU. Dort fül)lte man fid) lebf)aft t)on ber poetifd)en
2(nfd)auung5fraft ongetan, bie ber (Srflärer an ben 3iag
legte, unb bie bie grage gar nid)t fo fel)r n)id)tig er»
fc^einen liefe, ob benn biefe Deutung objeftio 3utreffenb
fei ober nid)t. 5)ier l)aben mir, mie bei ben Deutungen ber
6d)mäbifdjen Sagenfunbe unb ber ^elbenfage, ^ixx^ (Emp*
finben ber Unnatur unb ^ünftelei. (£ine beutlid)e (5r=
tlärung über \i^<ö 2ßefen bes 3)^gtl)U5 l)at Ul)lanb in einem
feiner Slltersauffäfee na(^gel)olt: er ift il)m „eine .bur(^
29*
?Perfonififation unb poetifd)c ^anblung oerbilblid)te 3bce".
5m aJigl^us oon 2:i)or müfete bafür ftel)en: ein burc^ $er=
[onifitation unb poetifd)e 5)anblung üerbilblict)ter 9^atur=
oorgang. 2)ie gmei Xeile ber „Sagenforfd^ungen" rDiber«
fpred)en fic^ aber ntd)t, Jonbern foUen fid) ergänsen. 93on
bem ^Jlaturoorgang unb befjen 23ermenfd)lic^ung ifl man
ousgegangeu, bann \)qX man aud) ntd)t ^l)9fifc^e5, @eban!=
Iid)e5 perföniid) unb epifd) gajtaltet. 6oIange man fid) in
finnlic^er 2Infd)auung an ben grud)tbar!eit5gott 2:i)or
^ielt, fd)uf man 9'laturmr)t{)en. 2)er feinem 2Befen nad)
gan5 geiflige Obin mirft im Greife bes 5beellen. ©s ift
berfelbe ©egenfafe mie in ber 5)elbenfage: im Obinifc^en
Greife, ber ^ibelungenfage, finb Sbeen lebenbig gemorben,
©iegfriebö fiaufbal)n ift bie als mirflid) angenommene
allgemeine i^bee eines ^riegerlebens, u3Ö^renb im gotifc^en
Greife 2)ietric^5 Kampfs alte 5Haturmr)tI)en finb, 3al)re5«
jeitenfömpfe, bie mit bem 6iege bes gj^uc^tbarfeitsgottes
enben.
Sßir mollen Ul)Ianb in bas Oeroirre ber „geiftigen"
Stusbeutung bes Dbin5m9t{)U6 nid)t folgen. S^ur ein 33ei'
fpiel foE ben ©egenfafe 5n)ifd)en einft unb jefet, pt)r)fifd)er
unb nic^t pl)t)fifd)er, ober mie man auc^ fagen (ann leben»
biger unb toter ©eutung Deranfd)autid)en.
2Bie reijenb \)G!i er einft, freilid) auf SSorläufer ge-
ftüfet, ben 3Jlt)tl)U6 Don Dbins oerlorenem 2Iuge ausgelegt!
2)er (Bott oerpfönbet biefes befanntlid) na(^ altnorbifd)er
er3äl)lung bem Duellgeifte QJlimir, alfo bem 9Baffer. Das
5tuge ©ottes ift bie 6onne; er \)^i nur eines, bas anbere
\)oX er bem SBaffer gegeben, benn im SBaffer erfd)eint ja
burc^ Spiegelung eine gmeite 6onne. liefet l)ören mir
bagegen: !Der Quellgeift 3Jlimir ift ber 5)üter meifer 23or=
Seitüberlieferungen; menn alfo Dbin i^m fein STuge Der«
pfänbet, fo bebeutet bas, \iO^ ber ©ott fein geiftiges 2luge
in bas Sßiffen ber SSoraeit oerfentt. 60 erftirft bürre
Mnftelei bie fruchtbare poetif(f)e 2rnf(i)auung5funft bcr
frül)eren ^ai)xe.
Smmer mentger onfprcd)eTib l)at fid) bas 33tlb bes
gorfd)er6 Uf)Ianb mit bcn t)orfcf)reitenbcn 5al)ren gcftaltct.
2Bir tüoEen aber nid)t fo, mit bebauernbem Äopffc^ütteln,
t)on i{)m 2Ibfd)ieb nel)men. ©s mürben bi5l)er nur bic
?Pf)afen feiner miffenfrf)aftlid)en Xötigfeit aufgemiefen unib
beren (Ertragnis abgefc^öfet. 2)iefe ein3elnen 3üge mögen
fid) nun nod) 3u einem ©efamtbilbe runben. 2Befen unt)
Umfang, gorm unb 2öerbegang feiner gele{)rten Slrbeit
finb noc^ einmal rüd(d)auenb 3U überbliden.
©en SßitG^noffen mod)te ba5 miffenfd)aftlic^e ßebens*
merf Ul)Ianb5, has fid) über ein falbes ^al)rl)unbert
erftrecft l)at unb nid)t mel)r als einl)albtaufenb 2)rucffeiten
3eitigte (ben SSoIfsIieberteft abgered)net), <bürftig er*
fd)einen. 58eim S^tagetreten ber ad)t SSönbe „6d)riften
3ur @efd)id)te ber 2)id)tung unb 6age" mürbe il)nen ber
©runbrig eines umfaffenb angelegten unb im einjclnen
fd)on forgföltig ausgebauten ßebensmerfes flar. 2Ber {)eute
bie ungebructten ^^adjlagpapiere in Waxbad) unb Xü^
bingen burd)gel)t unb bie (Befamtfumme beffen überfd)Iägt,
mas U{)Ianb auf miffenfd)aftlid)em (Bebiet ef3erpierenb,
orbnenb, geftaltenb niebergefd)rieben f)at, ber mirb in
ad)tungsi)oIIes Staunen geraten. IDlodite man ju feinen
ßebjeiten ben ©inbrud er{)alten, ba% gelegentliche ßieb*
I^aberei bie geber bes (Belehrten fül)re, fo mirb man an«
gefid)t5 ber 5)anbfd)riftenftö6e bes 9flad)Iaffes erfennen,
ba^ 3äl)e 2BiIIensfraft unb nimmermüber gleig bie ^erni*
3eicf)en biefes (Beleljrtenlebens [ixib, ba% nur bas9al)r3ef)ntc
burd)gefüf)rte $rin3ip „nulla dies sine linea" Stuhlen-'
f)efte foId)en Umfanges 3umege bringen fonnte.
SSon ber gefamten roeft* unb norbeuropaifd)en ßtte-
ratur bes SJlittelalters bis 3ur 6d)meIIe ber 3'leu3eit, oon
t)ein SJoIfsgcfang aller 3^U?n vxih S^ntn^ pm öcr ein«
454
geiüurseltcn 6agentrabitton oieler beutfd)er unb auBvoäx-
tiger ßanbfd)aften, üon D^leligion unb Kultus ber rDtd)tig|ten
europäifd)en 23öt!er l)at fid) Ul)Ianb eine umfaffenbe ^ennt=
nts Derfc^afft unb \l)xe JDentmöler nad) jeber 6eite {)tn
burdjgearbettet. ©ine bloge 9JlatertaIfammIung mar ba=
bei in feinem %aüe beabj'id)tigt, Jonbern ftets ftrebte er
beftimmten pra!ti|d)en !S^t[m 5U. 2öir müf}en ba^er 3u
fd)eiben fud)en, mas bei feinen fo oerjmeigten 6tubien un=
mittelbar bem S^^ede nufebar gemad)t merben, mas nur
ül5 entferntes SD^littel 5um !S^ede bienen foUte.
Die Denfmöler frü{)erer ©prad)en unb Seiten fönnen
oon brei (Befi(f)t5puntten aus betxa(i)iet merben. Der
©rammatifer l)at es mit bem fprad)Iic^en SD^aterial als
foId)em 3u tun, ber ^I)iIotoge (im engeren 6inn) ift be=
ftrebt, aus ber oft entftellten Überlieferung bas Dicf)terrt)ort
in möglid)ft reiner ©eftalt erfte!)en 5U laffen, bem ßiterar»
I)iftori!er liegt bie gef(i)id)t(id)e ®inrei{)ung bes Söerfes,
bie öft{)etifd)e ©inmertung, bie ©rgrünbung ber fünftle=
rif(i)en tperfönlid)feit ob.
SBenn Ul)Ianb grammatifcf)e S^agen in bcn ^reis
feiner Unterfu(f)ungen 3ie{)t, fo ift bas in allen Sollen ein
2tbfd)n)eifen auf ein (Bebiet, bas fid) smar feinem gieife
erfc^Iiegen, in bem er aber nimmermel)r ben ©d)ein ber
®inl)eimif(^feit ersieten fann. ?8ei ber (Erörterung rein
fprad)lid)er Dinge mirb man i{)n auf feinem öireften
SeI)Ier ertappen, aber er ftüy fid) auf bas, mas anbere,
meift Safob ©rimm, ibm bargereid)t {)aben. 9lur on
jmei ©teilen feiner SBerfe ift er etmas ausfübrlid)er auf
foId)e gragen eingegangen, ©inmal in ber 6d)mäbifd)en
6agenfunbe, mo er burd) eine ?5araUeIe 3n)ifd)en fd)u)a'
bifd)em unb gotifd)em SSofalismus bie altertümtidie (5d)t-
t)ett unb (Eigenart ber ^etmatfprad)e ins ßid)t fefeen
möchte. Unb bann bei feinem g.elegentlid)en 93erfud)e, ben
pertrauten Ortsnamen Tübingen ju bem (^dimertgotte
3tu, altnorbifcf) Xxjt, in 35c3ic{)ung ju bringen, "^tx^t
(Experimente finb gönslid) mißlungen.
Sft fritifd)er 6inn gegenüber ber Überlieferung bie
5)aupttugenb bes ^^tloloaen, fo muß bem fiefer bereits
flar gemorben fein, \i(x^ UI)Ianb ein $l)iIoIoge ni(f)t mar.
SI)n 3eict)nete ja im ©e'^enteil 23ertrauen6felig!eit aus,
aurf) gegenüber ber anfed)tbarften Überlieferung, unb fie
üerlocfte if)n auf mand)en Slbmeg. Jie^boI)renbe5 ®in=
brinaen in bie testen tefl!d)en Probleme eines Dcnfmals
mar feine 6qd)e nid)t. (Er I)at bas gefpürt unb besf)alb
aurf) nur feiten unb flürf)tiq ^löne ju n)iffenfrf)aftlirf)en
(Ebitionen ermogen. Der SSolfsIicberteft mill eine folc^c
in ftrenpem 6inne nirf)t fein, unb norf) meniaer natürlirf)
bie bru(ffe()Ierreirf)e 2lu5gabe ber 9Ber!e 5)ölberlins, bie
Ul)Ianb 1829 auf 53itten ber SJlutter bes unglücflirf)en
^oeten Deranftaltet bot. ©in einziges 9JlaI I)at er mirflirf)
geiftreirf) unb mit ®Iürf tonji^iert: aus einer nerberbten
©teile bes mitteII)orf)beutfrf)en ©(fenliebes moUte er burrf)
frf)arffinnige ^nberung meniaer ?Burf)ftaben ben 2tutor«
namen bes ßiebes unb bamit einen norf) unbenannten
beutfrf)en !Dirf)ter b^rauslefen.
Ubianb ift ßiterarbiftorifer. 2)ie !DentmäIer als
foIrf)e, befonbers als Slunftmerte gu mürbigen unb il)nen
il)re ©teile im gefrf)irf)tlirf)en 3wfammenl)anqe 3U3un)eifen,
bas ift fein (Befrf)äft unb feine 6tärfe. greilirf) ift au(^
\y^ fofort mieber eine (Einfrf)räntung ju marf)en: ein»
arbeiten fann er firf) in aUe Iiterarifrf)en '^XQtx^t, (Tin*
feitigfeit in ber 2Iusn)aI)r feiner ßeltüre unb 6tubiengegen»
ftönbe fennt er nirf)t; n)oI)I aber in bem, mas il)n inter=
effiert, mas feinem 5)er3en nal)etritt. (Es ift ber mefent*
Iirf)fte romantifrf)e l^ieberfrf)Iag in feinem tffiefen unb
2Birfen, ein ©mpfinben, bas er 3^^* feines ßebens nirf)t
\)(xi los merben fönnen, menn er nur b i e (Battunaen ber
ßiteratur für ooO ju nef)mcn oermag, tbte üngeblirf) ober
mirfltcf) in i{)rem SBerben unb 2Ba(f)fen mit bcm SSoIfe
oertnüpft finb. Sas gilt auf allen ©ebieten. SJliemals
l^at er fein Qntereffe auf moberne ^unftbid)ter au5gebel)nt,
faum ^so!^ einige ^oetengeftalten öes 17. 5^al)rt)unbert5 i^n
no(f) 3u lotfen mußten, n)äf)renb il)n jeber Äinberreim, jebc
nocf) fo törid)te oolfsmägige Xrabition aud) ber (Begen»
u)art ber Erörterung mert bünfte. 2)er ^rose^, ben mir
il)n 3uerft in ^aris burd)mad)en fal)en, {)at fid) bann
immer mieberI)oIt. ©r t)erfd)affte fid) Kenntnis aller
Smeige ber aItfran3Öfifd)en er3ä{)Ienben ßiteratur. 2tber
bas Mnftlid)e, ^öfifd)e unb 25ürgerlid)e tritt i{)m balb
3urü(f. ,,6age, ^elbenfage, 9^ationaIfage" mirb feine
ßofung, bie ficf) 3um 6d)Iagmort feiner gorfd)ung für
5al)r3e^nte au6mäd)ft.
gaft möd)te man bei biefer Umgren3ung oon U{)Ianb5
Sntereffengebiet in il)m el)er einen go^^^oriften, als einen
ßiterar{)iftorifer fel)en. ;5n 3ßal)rl)eit finb i^m aber oolfs»
funbli(f)e ^Probleme, bie er im 23orüberge{)en ftreifte, nur
9^ebenfac!)e. 9flid)t SSoIfsfunbe, fonbern SSoIfstunft ift fein
?Programmmort; unb aud) biefe ift Vs)m nur bann mertnoll,
menn fie bis in t!)re mobernen Stusläufer bie ®emä{)r
atteingefeffener ed)tl)eit trägt, menn er in il)r einen 21b«
glan3 altbeutfd)en SBefens 3u fel)en glaubt. „2)ie alt«
germanifd)e ^nft beftanb in ßiebern/' fo \)^i er fid) ge«
legentlid) im Stiliftifum geäußert. Stnbere Äunft3meige
als bie ^oefte tonnten bal)er gar nit^t fo tief im SSoIfe
mur3eln, 'i^oS^ es fid) oerlo^nt \)QMt, il)nen nad)3ugraben. !Die
altgermanifd)e S^eligion intereffiert tl)n au(^ nur fo meit,
als fie bid)terif(^en S'lieberfd)Iag gefunben ^^Oii. 6eine
göttergefd)id)tlid)en 2tbf) anbiungen I)anbeln nid)t oom
©tauben an Vs)^x, an Dbin, fonbern fie finb betitelt: ber
9Jlt)t!)us Don 2:i)or, oon Dbin. SBas bas SSoIt bid)tenb oon
feinen ©öttern er3äl)lt f)at, barum fragt er allein.
3meifeIIo5 fpürte Urlaub in fid) bas SSermögen, Me^
457
attererbte öoIf5poeti(d)e Clement allcntf)albcn mit befon«
bcrem 6rf>arffinne l)erau53ufül)len. Snbes mugtc bereits
in mel)r als einem galle feftgeftellt merben, tia^ feine
3ut)erft(f)t il)n babei betrogen i)at (Be(d)marfsrict)tung unb
^Begabung braud)en and) in n)iffenfd>afttid)en 2>ingen md)t
immer 5)anb in ßanb 3U gel)en.
2BeId)er STrt mar benn nun aber bie fpe3ififd)e ge»
Ief)rte SSerankgung Uf)Ianbs? 2lud) I)ier merben mir ein
romantifd)es Clement in iljm nad)mirfenb märf)tig finben.
©eine 6tärfe lag md)t auf bem ©ebiete bes SSerftanbes,
fonbern bes (Befüljles. Smar bas oon ben S'lomantifern
3uerft geforberte unb oirtuos entmitfelte 33ermögen bes
©infüllens in eine beftimmte ^erfönlid)(eit f)aben mir i{)m
abfpred)en muffen. 2Bol)I aber befaß er in f)o()em ©rabc
jene romantifd)e göl)igteit, bas 6d)öne, poetifd) (E(f)te
nnh SöertooIIe aus allen 23erl)üllungen unb ©ntftellungen
f)eraus3ufpüren. (Bv ging nur fe^I, menn er es bem SSoIfe
auf bas Serbienfttonto fcf)rieb; es 3U fel)en unb 3U oer*
ftef)en l)at er immer richtig Dermod)t unb gelel)rt. Stber
CS bleibt nid)t bei biefer trieb{)aften 2Bitterung, bei einem
Dagen6id)=ange3ogen»güf)Ien burd) bas äftl)etifd)geffelnbe.
UI)Ianbs ©efül)I reid)te tiefer, es burd)brong bie formen»
unb ©timmungsmelt bes !Did)tmer!es, in bie er innig 3u
Derfinten mußte, unb aus biefem ftets fixerer merbenbcn
©mpfinben ermud)s if)m ein feines 6tiIgefüI)I, bas als
ftrenger unbeftecf)Iid)er S'li^ter in il)m roaltete unb il)n
aud) 3u treffenben unb anberen eingönglid)en ®I)arafte=
riftiten befäl)igte. (5r barf oon fid) fagen, ha^ er meiß,
mie ein altgermanifd)es @ebid)t ausgefef)en i)at, bas !)ei6t
ausgefel)en f)aben fann ober ni(^t fann, ja ausgefef)en
f)aben muß. 2IIs bas pfeuboaltf)0(f)beutfd)e 6d)Iummer*
lieb oon S^PPert auftaud)te, oon beffen gefc^icfter Ttaä)t
fid) felbft Satob ®rimm täufd)en ließ, mies U{)Ianb es
peit ppn fid), unb man erfcnnt fofort, me^r als 5k Ser»
458 r^av^at^iRi^^av^av^nt^nv^Si
ftanbesgrünbe, bte er anfül)rt, fagte t{)m fein inneres 6til*
gefül)!, bag Ijter feine altt)0(f)beutfd)e ßuft n)el)e.
2öer aber ben ßiterarI)iftorifer Ul)i[anb (ebigtic^ als
@efüf)l5äfll)etiter einmertet, ber unterfd)äfet t^n. S^ic^t nur
fein SßoIIen, aud) fein können reid)te treiter. 6d)on mit
neun3el)n Sal)ren f)at er es ausgefprod)en, \i^^ eine reine
öftl)etifd)e ©inftellung für ben beutfd)en 2lItertum5forfd)er
ein ge{)ter märe. „SSiele nehmen," fo meinte er bamals
an 6ectenborff, „ju menig barauf 9^ü(ffid)t, bog man bei
SBieberaufgrabung ber Derfd)ütteten 93orme(t autf) bas t)er=
r)or3U3iet)en \)Qi\it, mos 3a>ar für fid) o^ne großen 5öert ift,
aber bod) als 6tü(f in ber großen 9luine feinen ^lafe
ausfüllt". Unb fo mie bamals \^^iit er ftets bas 3^^^ ^^
Stuge, nid)t nur äfil)etifd)e greube unb STnregung aus 3u»
fälligen Srud)ftüden ber 93or3eit 3U geminnen unb 3U
fpenben, fonbern einen ©efamtbau auf3ufü^ren, 3u öem
i!)m jebes fleinfte 6teind)en millfommen mar. ©r \)oSXt
l)iftorifc^en 6inn unb bas SSebürfnis nad) flarer (Ein«
reil)ung ber ein3elnen ©rfd)einung. greilid) überfd)äöte
er feine unb über!)aupt bie menfd)üd)e gäl)igfeit 3um
2Bieberaufbau biefer S'luine. ®r befaß nid)t bie ent»
fagungsöolle ®nt{)altfamfeit bes gorfd)ers, bem ber
2JlangeI an Xatfai^en ben SBeg oerfperrt, fonbern er be*
fd)ritt bie ^fabe ber fünftlid)en ©pefulation unb Äom=
bination, bie i{)n gar Ieid)t in bie Srre fül)rten.
;5nfoferne gefül)l6mäßige C^rgrünbung ber bid)terifd)en
2Berte feine Hauptaufgabe mar, beburfte UI)Ianb feines
gül)rers auf miffenfd)aftlid)em (Bebiete. 5Bie er feinen
fie()rer ge{)abt unb ben S^Öfing 3um beutfd)en SIttertume
felbftänbig gefunben I)at, fo ging er aud) meiterl)in feine
eigene 6traße ba^er. 5Jlur in jenem anberen $unft, im
2lnfnüpfen unb SBeiterfpinnen meitpebel)nter !)iftorifd)er
SSerbinbungsfäben, \i^ ließ er SSorgänger, 3um %t\\ red)t
unocriäpdje unb romantifd)e, auf firft einmirf en itnb
lernte aud) Don \\)xex Ttetl)ohe. :3rgenbri)eld)er feftaus«
geprägten 5Ktd)tung ober Sd)u(e f)at er aber nie angel)ört,
aud) ber in ben breigiger unb mersiger 5a()ren bominie=
renben ^erfönlic^feit ßad)mann5 gegenüber ma^rte er
feine öoUe greil)eit. ©einem 2öefen fül)It er bie 23rüber
(Brimm, namentlid) 2BiI^e(m, am oermanbteften. ®r be=
tont be6l)alb immer befonbers gerne bie @emeinfd)aft mit
if)nen, ouc^ voo bie 2Infid)ten fattifd) au6einanbergel)en.
Satob ©rimm ift if)m übrigens eigentlich nur gramma»
ti)rf)e Stutorität gemefen, ouf bem gemeinfamen mgtl)0*
Iogifd)en 2trbeit5felbe fü{)Ite er \\d) ftarf oon il)m ge*
(d)ieben. jüngeren gorfc^ern gegenüber ^at er fid) faft
au5fd)Iie6Iict) gebenb t)erl)atten.
6ie traten il)m 3aI)Ireid) nal)e, unb bod) ftellte fid) in
fpäteren Sal)ren ber na()e greunb unb SSertraute germa=
niftifd)er 2lrbeit nid)t ein, ben er fo oft erfe{)nt I)atte.
U{)Ianb5 t)er{)ältni5mä6ig ifolierte Stellung in ber (Be*
fc^id)te ber 5Biffenfd)aft ift nic^t allein auf einfieb(erifd)e
Steigung unb ©igenmilligfeit 3urücf5ufül)ren. 5öie oft
tkgt er über 9JlangeI an STnregung unb 25erü{)rung mit
einem miffenfd)aftlid)en ?Pubtifum! ©inen guten 2;eil ber
6d)ulb trug natürlid) bie 21bgelegenl)eit feines 2Bol)n=
ortes. ©eine i)erfd)Ioffene Statur tat bas übrige, ©einen
^orrefponbenten, beren ja namentlid) bie SSoIfsIieberarbett
eine gro^e Qa^l auf tien ^lan ruft, mag er mit grunb-
fäpc^en ©laubensbefenntniffen nid)t löftig fallen, fonbern
er begnügt fid) mit Darlegung feiner ©pe3ialn)ünfd)e. (Be*
fällig unb liberal, mie er felbft in rDiffenfc^aftIid)en Singen
gefinnt mar, ermartete er aud) bie anberen 3U finben, trifft
er ©igenfuc^t unb SJlangel an ^i^^orfommen^eit, fo ftellt
fid) einer ber feltenen göUe ein, in benen ber fül)Ie Srief=
fd)reiber Borger oerraten !ann. Das I)er3lid)fte 9Jlit=
teilungs* unb 5ru5taufd)oer^äItni5 beftanb \a \al)x^el)nte'
lang ju beut allen ßüfeberg, aber ber macfere ©ammel»
cntf)uf!aft mar 3u bcn tieferen tt)iffenfd)aftltd)en Problemen
nid)t gerüftet. Später l)aben Pfeiffer, ^eüer unb ^ollanb
oerfteI)en'b on mand)em teilgenommen, mas Ul)Ianb inter»
effierte. Dod) fel)lte allen breien bie felbftänbig anregenbc
?8ebeutung.
gur SIrbeit als folt^er, n)o{)lDerftanben, beburfte
UI)Ianb niemals ber 2rnftacf)elung. 2ißol)l aber 5um enb*
gültigen 5)erau5geftalten unb äußerlichen 2lbfd)lie6en.
23on ^aus aus lag it)m, bem !Did)ter, biefe Seite feiner
5i;ätigteit ja am näd)ften. Slber je meiter bie !^t\i oor»
fd)ritt, je Dergmeigter bie germamftifc^e ßiteratur mürbe,
befto fd)n)ieriger geftaltete fic^ ber 2öeg auf ben (Sipfel,
Don bem aus enblid) bie Stusfic^t frei mürbe. 6r fül)rt
einmal 2B. ©rimm gegenüber brieflid) aus, \ia^ ber 23or»
3ug, ben bie ©egenmart — 1839 — burd) bie ©rfd)lie6ung
unb ^Bereinigung fo Dieler Quellen biete, bod) nur f<f)etn*
bar fei, unb erinnerte fid) mit SBe^mut an bie grüf)3eit
feines gorfc^ens, an „jenes felbftänbige Strbeiten mit ge*
ringen 9Ritteln, jenes allmäl)lid)c ©ntbecfen eines faum
geal)nten 9'leid)tums". Slllgu mül)et)oll mad)te bas detail*
ftubium oft bie mirflidje 2Iusfül)rung. 9Jland)mal genügte
CS il)m bal)er, ben $lan für feine großen miffenfd)aftlid)en
SBerfe im ^opf ausjuarbeiten unb auf3urid)ten, unb er
oerlor bann bie ßuft, menn es an bie einselne Slusge»
ftaltung gel)en follte, bie boc^ in oieler Qinfi^t reprobu»
3ierenbe ©flaoenarbeit fein mußte. „Sie Bemerfung, es
muffe im !Did)tergemüt liegen, nur ftücfmeife 3u arbeiten
uni) nad) einiger S^it 3u anberem über3uge^en, gab er
3u unb bemerfte, ber 5Rei3 bes 6d)affens liege eben im
(Erfinben unb einlegen, im Überminben bes 6d)mierigen,
nad)§er !omme man lieber mieber 3U ctmas 9leuem."
Sie ftrenge Selbft3ud)t, bie feine trodenen Quellen*
ftubicn unb SSorarbeiten tro^ aßebem regelt, mad)t es il)m
ober aucf) 3ur ^fli(^t. In ber gorm 3mif(f)en bem gelef)rtcn
unb bem poetifd)cn 2öerfc grunblöpd) 3u jc^eiben. SIus
bcm (Bcifte, nid)t au5 ber ©e[talt feiner rt)tf{en{d)aftlid)en
6d)riften foUte ber ipoet 3u erfennen fein. 5)ic blumen*
reid)e, bilbljafte, aber ßur Dun!ell)eit neigenbe 6prad)e
mand)e5 JRomantifers, 3. 2>. ©örres', barf man bei il)m
nid)t errrarten. ®r ma^rt äugerfte 6d)(id)tl)eit, \^Qi^ ^er«
fönlid)e tritt ftreng 3urüct. 2)a5 aud) in bem Sinne, \iQi^
Ul)(anb gegenüber cnberen SDleinungen niemals ausfallenb
mirb. 2)er rüiffenfd)aftlic^en $olcmif \)qX er fid) bei aller
2lnerfennung \\)xzx grud)tbarfeit nie befleißigt. 2öir be=
fifeen auc^ feine 3'le3enfion oon Ul)lanb6 5)anb. Sie ein»
3ige u)iffentd)aftlid)e S^tugerungsform, bie er fannte, mar
bie fad)lid)e, com (Begenftanbe bütierte 2lbl)anblung. 2)a'
bei macl)t es feinen Unterfd)ieb, ob feine Slusarbeitung
für ben münblid)en SSortrag ober für bie Drucflegung be»
ftimmt ift.
eigentlict)e gad)arbeiten moUen feine 2rbl)anblungen
nid)t fein. Stets ^oX er ein meiteres $ublifum oor 2Iugen,
aber es el)rt ben ^Poeten boppelt, bog er fid) nid)t 3U biefem
I)erablä6t, fonbern es 3U fic^ empor3U3ieben fu^t. 2öiffen=
fd)aftlid)feit unb Popularität, flrenge Sad)lid)feit unb ®e=
niegbarfeit maren feine ©egenfäfee für i^n, bie fid) aus*
fd)loffen. ©s mag in feiner ja aud) im ßeben oft be»
merften 2;rocfenl)eit liegen, \iQi% er namentlid) in \itx[,
fpäteren Sd)riften ^affungsgabe unb ©ebulb bes fiefers
miber 2ßiEen fe^r überfpannt. Daburd), \so!^ er im ©runbe
nid)ts oorausfefeen, fid) aber bennoc^ gleid) auf ooUe
miffenfd)aftlid)e i)ö^e erl)eben mollte, fal) er fic^ ge=
3mungen, in fjufenoten bie nötige ^afis für bas 23erftänb=
nis 3u fd>affen. 6d)on für bas STuge ift biefe 33elaftung
bes Xeftes mit SInmerfungen unerfreulid), bie ßeftüre
leibet gan3 außerorbentlid) barunter.
2)as ift um fo bebauerlid)er, als Ul)lanb fonft auf bie
äugere gorm feiner 2Iu5fül)rungen l)ol)en 2Bert legt. ÜJlit
462
v^atisa^^Rv^üc^nt^ü^isac^st
befonberer 6orgfaIt Derfäl)rt er bei ©inlettungen unb
(5d)lüffen. S^ic^t nur, \io!i^ er biefe immer unb immer
mieber l)in unb \)tx menbet unb aufs neue umbilbet, er
liebt es aud), gleid) 5u SSeginn ben ßejer gu feffeln, in
medias res 3U tül)ren. 2)en 2Serbad)t unlebenbiger Dürre
n)e^rt er 3. S. am 2lnfange feiner 2lbt)anblung über bie
ßiebeslieber ab öurd) bie 2Benbung: „6olang es nid)t eine
greife iÖugenb gibt, mirb ftets ho^^ fiiebeslieb bie Slume
ber ßr)rif fein." SSefäfeen mir aber ^rofamerfe, bei benen
Ul)Ianbö 2lutorfd)aft ftrittig märe, fo ^)Qiiit bie 2InI)äufung
Don 6tilfriterien menig 2lu5fic^t auf ©rfolg. !Der ru!)ig
gebeljnte giug feiner 2)arftellung, ibie nid)t gerabe tem=
peramentlofe, aber gänalid) unleibenf(^aftlid)e 6at^lid)!eit
trägt fein auf ben erften Slic! fennseidinenbes SOflertmal.
kräftige (Eigenart bes SSerfaffers tritt l)ier, mie ja auc^ in
ber ^oefie, nur bort I)eroor, mo 'tiOi^ ßob ferniger beutfc^er
SSorseitart 3u fingen ift. !De5l)alb finb bie ^elbenfagen»
abfc^nitte bes erften Kollegs neben ber 2BaItt)erabI)anbIung
barftellerifd) '^(x<ö 3Sebeutenbfte. 6tet5 I)at Urlaub '^oa 25e=
ftreben, ben ßefer nid)t nur über bie beutfc^e 93ergangen=
l)eit 3u belehren, fonbern il)n mit il)rem ^aud) an3umel)en.
3Jlit 2tu53ügen unb groben aus ben poetifd)en 2öerfen,
bie gerabe 3U befpred)en finb, l)at er niemals gegei3t. ®r
meife babei fo I)übfc^ 3U er3Öl)ten, bas 2lnfpred)enbe unb
^oefietjolle mit fo fid)erem ©riffe ^erau53uftellen, ^o^^
feine ©fserpte oft mel)r 23ergnügen mad)en als bas, mas
er barüber als @elel)rter 3U fagen ^gX.
5nnerl)alb ber eigenen miffenfdjaftlid)en 2Iusfül)=
rungen fällt bem poetifd)en Elemente nur eine fpärlicl)e
IHolle 3U. ßägt er es l)ereinfpielen, fo oeranla^t il)n ba3u
ni(f)t mol)lgefälIiges ^runfen mit feinem bid)terifd)en 2(n=
fd)auungst)ermögen, fonbern fid)tlid) ein 35ebürfnis feiner
inneren 9^atur. Um 3u bemeifen, \iix^ fein 9Ser3icl)t auf
Slnmut ber gorm nid)t 2lrmut, fonbern gemollte ®ntl)alt=
463
[amfeit x\t, lägt er ha unb bort f)übf(f)c bic^tertjc^e ßid)ter
aufbuken.
2)a5 ab[trafte Urteil, l)a^ bie ^oefte 3u Stusgang bes
SJlittelalters fo3tal immer tiefer finf e, mirb in eine fonfrete
2lnfd)auung eingefleibet: „25ettel{)afte 5)änbe fd)lugen bas
abgegriffene ©oitenfpiel, bas einft Eaifer unb Könige ge«
rül)rt l)atten." SSom glüctlic^en farbigen Slusbructe fi^reitet
er über bie befonbers beliebte poetifd) erfd)aute 2InaIogie
weiter 5um förmlid)en 35itb unb fd)Iiepd) in einer fleinen
Sal)l Don gälten 3um breit au5gefül)rten @leid)niffe.
^Befonbers gern mirb babei 3unäd)ft fieblofe5 Der*
lebenbigt burd) 35e3iel)ung 3ur lebenbigen 5Jlatur. „93or
allem/' fo l)ei6t es 3u Stnfang bes SSobmanauffafees, „t)aftet
hüB 2luge an bem n)eitgebel)nten 6ee, raufd)t er bod),
lauter ober leifer, in bie meiften 6agen I)erein.'" „Schöpfen
mir unfere Kenntnis be5 aJlittelalters nur aus ben latei»
nifct)en S^ronifen, fo fet)en mir ben Dornftraui^ ot)ne bie
IRofe." !Die 23ergleid)e ^eben in fd)Iid)tefter gorm an unb
fteigern fid) 3u fünftlid)er ^laftif. Sür gifc^arts SBefen
finbet er eine lReiI)e oon SSilbern, er ift it)m „ein Brunnen
mit 3aI)nofen !Höt)ren", feine ^oefie ergreift ba5 frembe
SSorbilb, „mie bie traubenfd)mere !Rebe fid) 6tab unb (3e=
lönber fud)t". kräftig lägt er 35ilb unb (Begenftanb oI)ne
SSerbinbung nebeneinanbertreten: „!Die 5Reife ber Q^it oer*
fünbet fid) in bem SSerfalle bes bi5l)er 55eftanbenen. 9Benn
bie 5)erbftblumen aufgel)en, fo oermelfen bie bes ©om*
mers." — - „2Benn bie 6onne l)inter ben 2ßoI(en ftel)t,
fann mcber (Beftalt nod) garbe ber Dinge ooUtommen
I)err)ortreten; nur im fiic^te ber ^oefie fann eine Qext tiav
merben, iberen <Beiftesrid)tung mefentlic^ eine poetifd)e
par.'"
2öte I)ier, fo ift Ul)Ianb aud) anbermärts unerfi^öpf»
lic^, menn es gilt, tia^ 3Befen ber ^^oefie in ^Silbern flar
^u mad)en. $rad)toolI gelingt il)m bas 3u SInfange bes
ÄoIIegabfci)nittc5 über bte 5)etbenfage: „2Bie über einer
örofeen Sergfette, aus bem 6d)o6e berjelben unb tl)rem
3uge folgenb, nur mit !üf)neren Sot^^n unb Sinnen, ein
leudjtenbes 2ßoIfengebirge emporfteigt, fo über unb aus
bem ßeben ber 23ölfer bie ^oefie/' 2Im berü^mteflen ge=
iDorben ift ber au5fül)rlid)e SSergleid) ber 5)elbenfage mit
einem alten fiagerfaffe poU 2ßein, ber berfelben 23orlefung
entftammt.
UI)lanb oerftreut biefe farbigen unb buftenben '^jitxoit
feines gelel)rten 6tiles nid)t mal)lIos, fonbern mit (lugem
58ebad)t. 2öie er Einleitung unb 6d)Iu6 immer befonbers
forgfältig abmägt unb poetifd) geftaltet, fo fd)müctt er fie
aud) gerne mit SSitbern aus. 2)er Sluffafe über ben 2öaifen
fd^Iiefet effeftDoH mit einer bid)terifc^ umfleibeten poIitifd)en
SInfpielung: „Qefet ift er (ber 2ßoife) längft abfianben ge=
fommen. 5)er ßeitftern ber 2)eutfd)en finbet fid) in feiner
^rone me^r. SRöge bas emige fiid)t, bas 2Iuge ©ottes
felbft, unferes SSoIfes fieitftern fein." 2)te vierte 93olfs«
Ueberabbanblung enbet mit einem l)übfd)en SBortfpiele, an
ben 9^amen bes le^en 23oIfsfängers Öörg ©rünemalb an=
fnüpfenb: „2Iu5 bem grünen 2ßalb flammt bie alte, natura
treue 2Solf5i)id)tung, ber lefete Sänger biefer SBeife gel)t
in ben grünen 2ßolb mieber auf.*"
©ine äugerft befd)eibene S^lolle fpielt in Ul)lanbs ge=
famter 6d)riftftellerei ber i)umor. Einige gan3 glüdlid)e
l)eitere ^Prägungen finb ii)m gleid)rt)ol)l gelungen (ber
beutf(^e 3iu ift „gleid)fam ein ^riegsgott auf falbem
6olbe/' 5)amlet \^(xi bie unfelige (§>Oi\>z, „aEes 3u mittern,
mas im ©taate faul ift"). 9n ber TOnnefingerabl)anb=
lung mirft er einen fd)er5l)aften 6eitenbli(f auf bie bü=
malige Samenmobe, unb einmal, ein einaiges 9Jlal l)at er
im Kolleg einen 2ßife über bie 6(f)reibfeligfeit feines alten
Sreunbes ©ajo einfcf)lüpfen laffen. 9^icl)t falfcl)e ©raöität
bes tr)iffenfd)aftlid)en Stiles begrünbet biefe Entl)alt*
/
famfeit, benn mir miffcn es ja, bafe aud) im ßcben
ber SBiö Ul)lanb ni<:^t reic^lic^ unb fctilagfräftig au ©e*
böte ftanb.
2Bir {)aben ben (Belel)rten als eine einl)eit(id)e ^er=
fönad)teit betrachtet. 2Iber Dom altfranaöfijc^en (£pos bis
3u ben 3:oten Don ßuftnau \vS)xi ein meiter 2öeg, unb 2In*
fid)ten n)ie sflufeerungsformen bes gor(d)ers mußten auf
biefem mannigfad)e SBanblungen erleiben. 23on einer oer»
änberten Sntereffenfpl)äre fann man infofern reben, als
eigentUd) erft mit bem Sommer 1831 SSoKslicb unb SSoIfs»
fage im meiteften 6inn über bie unioerfeller gerid)teten
altbeutfd)en ßiteraturftubien ben Sieg baoon getragen
I)aben. 6päterl)in trat aud) eine SSerengung ber Snter*
effen in mel)r räum(id)em 6inne ein: 3^ Slnfang mar
tll)Ianb gar fel)r in bie gerne gefc^meift, mit 3unel)menbem
Stiter lernte er mel)r unb mel)r fid) mit bem 9flal)en unb
9^äc^ften befd)eiben. 5flormegifd)=isIänbifd)e SSoItsfagen
l)aben it)n amei 3a{)r3el)nte I)inburd) gereist, ba enblid)
finbet er, \so!^ bie Qeimat unb beren Sagenüberlieferung
il)m nid)t minber feffeinbc Probleme biete. Unb je älter
er mirb, befto meniger meit tragen aud) ben (Belel)rtcn
Urlaub feine Süße. Statt fid) in ben 2öä(bern ber S^or«
manbie unb bes fabel{)aften norbifd)en Smaeflanbes 3U
crgel)en, mad)t ber fd)ii)äbifd)e Sagcnforfd)er fleinc Spa*
giergänge t)on Tübingen aus, nad) 5öurmlingen, nad)
Sd)mär3lod), nad) Öbenberg, in feinem lefeten STuffafee,
ber bem 2;obe5ial)r entftammt gelangt er gar nur nod) in
bas \izXiQi6)\iQiXiz ßuftnau {)inüber. Sn ber 3ugenb I)at er
biefe (Segenben mit 2)id)teraugen befd)aut, feinen ?Blitf
über bas ßanb fd)meifen laffen unb ber fd)önen ^eimat
in ©efängen ge{)ulbigt. Sm Stiter fiel)t er fte burd) bie
SSrille bes @ele{)rten an, burd)framt in SBurmUngen,
beffen Kapelle er oor fünfsig :3a{)ren befungen \)oX, bie
2Ird)iDe unb fud)t ben oertrauten (Begenben aufs neue bie
€(^netbcr, Uljlanb. - 30
CI)rc 3U mcl)rcn, inbem er tl)nen eine öß^^ii^nispoUc ur«
3eitlid)c Saöengefc^td)tc crfinnt.
IDn l)ö^erem @rab als bas Sntereffengebiet \iOi fic^
leiber mit ber S^it bie aJletl)obe gcänbert. 2)ie l)armlo5
frifc^e, oorurteilslofe unb boc^ befonncne Setrad)tri)cije,
bic il)m \itXK bal)nbred)enben gunb auf altfranaöfifc^em
(Bcbict unb bic fc^önc monograpl)tfc^e Sßürbigung 2BaI*
t()er5 erlaubt Ijatten, ging oerloren. 2ßie üiel i)er3cr*
freuenbcs bringen immerl)in noc^ bie SSorlefungen, melc^
gefc^mactDoUe Ätugl)eit mad)t bie unanneljmbare ©runb'
tl)e[e bes 2Jlr)tl)U5 Don %\)^i erträglid) unb bie ßeftüre ber
ir)ol)langelegten 6d)ritt 3u einem SSergnügenl 2lber bie
2ln3eid)en ber fommenben Trübung biefes flaren SSlicfes
fel)len nid)t. Sie fünftlic^e ©pielerei mit ber perfifd)en
fiicl)treligion in bem erften Kolleg ift nod) ein romantitd)er
SSobenfafe, ber geblieben ift. ©r mirb nid)t fortgefpült,
unb fo mu6 er bie ^larl)eit öon allem, mas ferner in bas
®ßfö6 gegoffen mirb, trüben, ©in böfer @oten!önig, frül)er
unter bem SSilb eines Drad)en üerförpert, foU einem ur*
fprünglic^ perfifcl)en ginfternisbämon gleich fein. 5m
Äeime liegen fd)on alle @ebred)en ber Ul)lanbfc^en Sllters«
arbeiten in biefer Xl)eorie; fünftlid)e ^ombination5fud)t,
bie feine 3eitlid)en unb etl)nograpl)ifd)en @ren3en (ennt;
leblofe SlUegorifterei, bie eine blutüoEe epifc^e ©eftalt 3u
einer religiö5*pl)ilofopl)ifc^en Sbee Derflüd)tigt; mangeln«
ber !ritifd)er25lict gegenüber 3ufälligem3ufammen!langunb
ben Slnalogien oermorrener fc^led)tbe3eugter SSolfstrabition.
©ine tDal)re ^^eripetie in Ul)lanbs gelel)rtem 6d)affen
bringt aber jene t)erl)ängnisr)olle ©teile im 3D'lgtl)U5 t)on
X^or, tt)o plöfelicl) bie ,,geiftige" Seutung bie p^r)fifalifc^c
ablöft unb fpielerifd)er 2öitl!ür Xür unb Xor öffnet.
Dem oerönberten, leiber Derfd)led)terten @el)alt ent«
fprid)t au4) eine minbermertige gorm. Sie Einlage oon
Ul)lanb5 it)iffenfd)aftlid)en 2öerfen beginnt um 1840 iljre
Älarljeit unb lebenbige Srifd)c 311 oerliercn. 25ei ben
23olfölieberabl)anblun9en mar 3ucrft barüber 3U flogen.
Unb mit meld) er a}lül)e muß man jid) oft burc^ ha5 ßa*
bgrintl) ber Slltersiüerfe ^inburd)a)inbenl i)ler erretd)t
auc^ bie SSorliebe für u)ettfd)ic^)tige 2tnmertungen i^ren
Öö^epunft, unb bie poetifd)en (Elemente finb im SSerfiegen.
2lud) fie entmideln fid) nic^t gleid)mä6ig. !Der Sluffafe oon
1811 l)at il)rer nod) entraten muffen, bie 6d)riften ber
3man3iger S^al)re unb bie 23orlefungen ftellen eine 5)od)*
blute liebensmürbig poetifc^er 35ilblid)feit bar, bie fc^lieg»
lid) t)or ber ringsum l)crrfd)enben Xrocfen^eit oerborren
muß. ^n ben ^lltersauffäfeen mufe man fid) mit bem
gorfd)er auf fteilem 5^fabe n)eitermüt)en, unb nur gan3
feiten l)ebt an beffen iRanbe ein farges poetifcties 25lüm«
d)en fc^üc^tern ben ^opf. 2Jlan meig nid)t, u)ol)in ber
SÖßeg gel)t unb fd)reitet oerbroffen bem Öül)rer nad), ent«
bedt nad) 6tunben, \)a^ man il)m auf einen abliegenben
6eitenpfab gefolgt ift unb jefet erft mieber bie 5)aupt«
rid)tung erreid)t; menn man überl)aupt 3U einem 3^^^^
gelangt, fo lol)nt es bie aufgemanbte 3Jlül)e nid)t, bie bes
SBegbereiters ebenfomenig roie bes Söanberers.
2tber fd)lie6lid^ fommt es nid)t auf bie ©rträgniffe
unb äußeren Sormen an, mir moUen in erfter ßinie miffen,
lüas benn für Ul)lanb fein gelel)rteö 5)anbmer( innerlich
bebeutet l)at. Sas befannte Sc^illerfd)e !Diftid)on fd)eibet
3mifd)en 3mei 2lrten oon 2öiffenfd)aftlern: „eine unfterb*
lid)e ©öttin ift fie bem einen, bem anbern eine tüd)tige
^l), bie il)n mit 55utter oerforgt." ©s fann fein S^ieifel
fein, meld)er klaffe Ul)lanb 3U3U3äl)len ift. 2lud) abge«
fel)en oon bem öufeeren Umftanbe, ha^ er berartigc
6d)riften niemals bes SSrotermerbes l)alber ab3ufaffen
braud)te, muffen mir fagen: ®r l)ätte niemals aus äußeren
9'lüdfic^ten, fei es um eine 6tellung 3U ermerben ober
feinen (Bele()rtenrul)m 3U mel)ren, 3ur geber gegriffen. ®r
30*
felbft fd)neb fid) Stoff, Umfang, Slbfaffungsseit ber Slrbcit
unbebingt Dor, bas eigene Urteil wax il)m oberfte Onftan^,
bie eigene Sufrieben^eit einsiger fioI)n. (Semiffen^after
?Pfli(^tmenfc^ ift er nid^t nur bort, mo anbere il)n auf einen
?Poften geftellt l)aben, fonbern aud) u)o er lebiglic^ \\(i)
felbft oerantroortlid) erfc^eint. (Semife l)ai Urlaub mit
Sreuben ben a!abemitd)en Unterricht erteilt unb norf) nac^
faft jmei 5a^r3el)nten bie 5Rücffel)r 3u it)m ermogen. 2lber
ber fie^rtrieb mar bod) nid)t tia5 erfte, bas il)n 3U litera*
rifd)er Xätigfeit brängte. 2)ie ^auptfad)e ift i{)m, bag er
felbft 3ur ©infid)t gelangt, ©r ift in erfter ßinie eine
gorfd)ernatur gemefen, unb jenes fräftige 6treben nad)
^larl)eit unb 2Bal)rl)eit, bas er als 9Jlenfc^ ffrupellos ge»
3eigt l)at, liegt auc^ feiner gelel)rten 2lrbeit 3ugrunbe.
Slufric^tig, ol)ne Xafd)enfpielerei, 6(^önfärberei, ©ffeft«
I)afd)erei gel)t er oor unb fud)t fid) in allem ben unge»
trübten SSlicf 3u magren. Sa^ haB 2Bal)re, auf bas er 3U
ftogen fud)t, ein Sd)önes fein muffe, bas ift ein ©runb»
gebaute, ber 3u feft in feine 2lnfc^auung ber germanifd)en
S3or3eit unb fpesiell ber fogenannten 93ol!sbid)tung oer=
fnüpft ift, als i>a^ er je ouf i^n üer3id)ten fönnte. 9Bir
m erben il)n aud) nid)t als 23orurteil fd)elten, fonbern in
il)m jenen optimiftifd)en (Blauben an bas @ute unb ©rofee
Im eigenen 23ol!e fel)en, ol)ne ben fein nationaler i)ifto«
rifer 35leibenbes mirb fd)affen fönnen.
2lber ift benn bies bem @elel)rten Ul)lanb geglüdt?
SOßir beantmorten bie grage 3u einfeitig, menn mir uns
baran flammern, ha^ tatfäd)lid) nod) l)eute mand)es in
ben Kollegien unoeraltet, bie SSolfslieberfammlung eine
fd)äfeensmerte Duelle ift. Ul)lanb l)at aud) bort, mo man
i^n überl)olen fonnte, reblic^ ba3u mitgel)olfen, bie Steine
3u bem großen ©ebäube ber germaniftifd)en 2öiffenfd)aft
bei3utragen unb 3U bel)auen. Seine 2tusfül)rungen ftellen
meift nur !Durd)gangsftationen bar, feine ©nbpunfte.
469
©proffen, bie 3ur 5)öl)e fül)ren unb nic^t ©tpfel. 9^ur bem
Äünftler ift es gegeben, gang Unoeraltbares ju fd)affen.
STud) barin, ba^ ber $oet [id) baju oerftanb, ein Sienenber,
ein 3)litarbeiter 3u lüerben, geigt er eine roenigen gegebene
Selbflentäußerung.
3n einem enblid) fü()ren bie n)tffenfd)aftlid)en SBerfe
über \)a5 f)\nau5, mas mir an UI)Ianb gen)ol)nt finb^unb
erregen baburd) unjer — nid)t ir)iffenjd)aftlid)e5, aber
menfd)Ii(^ äftf)etifd)e6 — 2öol)IgefaHen. !Der 2) i c^ t e r
ift öugerlid) genommen Äleinfünftler geblieben, ßgrif unb
35aIIabe ift (ein gelb, bie bramatifd)e 2lber fprubelt (pär=
üd), größere ©penpläne bleiben liegen. Der gorfd)er geigt
bie gäl)igfeit gu monumentaler ©röge bes ^lanens unb
^ntmerfens. ®5 maren IRiefenmerfe, bie er fic^ oorge»
fefet l)atte, bie mitteI()od)beutf(^e ßiteraturgefd)id)te, bie
6agenforfd)ungen, auf breitefter ^Bafis ©ötter» unb
i)e(benfunbe umfaffenb, bie Sarftellung bes gefamten
SSoKsIebens an ber 5)anb ber fiieber, enblid) bie fd)n)ä*
bifc^e 6agenfunbe. SoId)e ?ßroje(te f)egt fein armfeliger
deiner QeUenQeUl)xiex, fonbern ein ii)iffenfd)aftlic^er ®eift
oon umfoffenber SBeitc bes ^Slides unb ^iefe ber ®infid)t.
!Dod) nur einem reinen (Belel)rtenleben unb einer oon ber
Sugenbgeit an gang auf foId)e Slrbeiten fongentrierten
^raft mie ber Safob (Brimms ctma l)ätte bie Semältigung
gelingen fönnen. 60 fönnte man faft, ftatt mit ben QexU
genoffen unb mand)em 9^ad)fal)ren gu beflagen, t)a^ Ut)lanb
fd)lie6Iid) fo oöUig (Belel)rter gemorben ift, umgefe()rt be'=
bauern, t)a^ er es nid)t oon Stnfang an gang \)at fein bürfen.
23ieneid)t roäre er bann berufen gemefen, neben ßad)mann
unb ©rimm ber britte gu merben, ber unferer älteren ®e*
Ie{)rtengefd)id)tc gu jeber Qeit abging: Dieben bem ©ram«
matifer unb ^!)iIoIogen ber bie Xiefen burd)bringcnbe unb
bie SBciten umfaffenbe ßiterar()iftoriter.
14. Stapttel
Slusflang
^x(i)t nur nad) bcr gelehrten Strbeit, nad) bcm ftillcn
23erftn(cn in feine S5üd)er feinte \x(i) ber öufeerlit^ jo I)art«
nädige unb innerlich fo unluftige SSoltsoertreter in ben
legten granffurter unb ©tuttgarter SJlonaten 1849 3urü(f;
lücnn feine ©ebanfen mit ungebulbigem SSerlangen nad)
Tübingen flogen, fo galten fie ebenfofeI)r n)ie ber geliebten
2;ötigfeit auc^ ber geliebten 5)eimftätte, bie fic^ il)m bort
aufgetan l)atie unb i()n mit fo oiel Se{)a3en 3U empfangen
pflegte, lia^ er jeben 2(ufentl)alt in ber grembe als (B^cil
anfa!).
5al)r3e^ntelang l)atte Uf)Ianb erft als ^unggefellc,
bann als (EI)emann bei fremben ßeuten 3ur ^xett ge»
iroljnt. 1836 erft fonnte er bas felbftt)erftänblicf)e 6el)ncn
bes bamaligen feg^aften Bürgers nad) einem eigenen
i>aufe befriebigen, unb bas lange SBarten l:)atte fid) oer*
IoI)nt: ®s mar ein ed)tes !Did)ter{)eim, in bas er ein3ie^en
burfte, fein enges ©tabtgelafe mie einft ber alte 58au in
ber 5)afengaffe, fonbern ein großes 5)aus mit {)ellen
Slöumen, offenem ?8Ii(f in bie Statur, ge3iert burd) einen
mäd)tigen (Barten unb SBeinberg.
S^lod) !)eute föllt ber ftattlid) gebiegcne 35au bes
UI)Ianbf)aufes bem 25efud)er fofort ins 2Iuge, ber oon ber
!yie(forbrü(fe in bie 6tabt manbert. ®s lel^nt fid) an lien
fteil auffteigenben, n)einbepflan3ten 2tb!)ang bes öfter»
471
bcrgcs an unb blicft in bte glutcn bes Ülecfars l)inab. !Dod)
mag man 3U)tfc^en ber Sage bcs i)aufe5 unb ber 5latur
bes alten UI)Ianb eine @egenfäöliti)fett finben, bic nic^t
immer 3um 23orteiI au5fd)Iagen (onnte: 3ene seigt fid)
ber 35eobad)tung unb öffentlid)en 2tufmerffamfeit oiel au»
gänglid)er ols bieje. 2lngefid)t5 bes einlabenben Qaufes
mußten fid) bie ßeute oft 3ur Unaeit an ben 2)id)ter er*
innert füt)len, ber fid) fo gerne oerftecft gehalten l)'dtte.
Der gall mag nid)t t)erein3elt gemefen fein, ber für eine
2;agung bes fd)n)äbifd)en (Bängerbunbes beaeugt ift, t>a^
bie 2Jlaffen, bie bem geftaft auf ber na^en SBörtI) bei»
mo()nten, plöfelid) titn S'luf erI)oben: ,,3um UI)Ianb!'' unb
il)n aus ber ftillen 2Irbeit aufftörten. !Die ibt)llifd)e ?Hu{)e,
bie ein !Did)ter= unb ebenfofel)r ein ®elel)rten!)eim um*
fd)n)eben foll, mar mit biefer 2öo^nung unoerträglid). Der
ßärm ber Sufesönger unb 2Bagen, bie bie nal)e D^etfar»
brüde paffieren, mad)t, mie mir bie freunb(id)en 5)au5s
bemol)ner flagten, im Sommer bei geöffnetem genfter
einen STufentbalt in ben oorberen gin^^iß^^^ W 3ur Un-
möglid)feit. tll)Ianb fannte mol)! nod) ni(^t bie 9^cr»
oofität bes mobernen 9Jlenfd)en gegenüber (Beräufd)en,
unb menn ha^ 2öagenroUen, ^taubem unb 6d)reien auf
SSrüde unb Strafe feinem O^re nid)t immer genel)m mar,
auf lias ©c^aufpiel, \)aB fid) feinem 2Iuge barbot, mod)tc
er um feinen ^reis vex^xd)ien. 9Benn freilid) bie ©tragen
fid) 3U leeren begannen unb ber ßörm allmäl)lid) oerI)aate,
bann ftellte fid) eine Störung anberer 2(rt ein in ben
abenblic^en unb näd)tlid)en ^neipgefängen, bie oon bem
nal)egelegenen ^urfd)enfd)aft6l)aufe I)erüberflangen. 6euf*
3enb foU Ul)Ianb oft bereut l)aben, ha^ er bie eigenen
ßieber, bie i^m ha mit ermübenber JRegetmägigfeit ent«
gecenf trauten, nid)t etmas für3er gel)alten l)abe, nament-
lid) lia^ unDermeiblid)e: „2öenn l)eut' ein (Beift l)cr«
nieberftiege.*"
472
6d)uö unb Suflut^t ^ov aller geräuj^oollcn Stufen»
weit boten ©arten unb SBeinberg. 6cine ftiUen $läöd)en
n)urben oon bem nad)finnenben @elel)rten ixjtc Don ber
Ijanbarbettenben 5)au5frau gletd) gerne aufgefud)t. Siint
bequemen (Ergct)en bot er allerbings feinen S^laum: 5>art
()inter bem i)aufe beginnt ber 2Ibt)ang bes SSerges, unb
toer feine [teilen 6tufen ()inauf fteigt, bem ern)öcf)ft i)0C9*
ad)tung oor ber förperlid)en S^üftigfeit bes Siebsigers,
ber biß menlge SJlonate oor feinem Xobe biefen 2Beg Jeben
Sag fo oft unb fo fpietenb 5urütfgelegt l)at. Ginen fd)önen
Siergartßn angulegen, \)anad) ftanb U{)tanb5 6inn nxd)t,
3u feinem 3Sefud)er SBadernagel fagte er einmal, er 5icl)e
SSIumen nic^t gerne auf 33eeten, er pflücfe fie lieber in
9Balb unb glur. Stber ein guter ^Pomologe mar er unb
l)aite auf feine Dbftbäume unb 2Beinftö(fe gar mo^l a(i)t,
bie fic^ ben Serg l)inan3ogen. (Es lol)nte fid) mol)l, jur
i)öl)e 3u fteigen. 2)enn mit jeber ©tage eröffnet fid) eine
meitere 6id)t, unb oben enblid), oom @artenl)äu5d)en unb
ben baumbefd)atteten 6tül)len ber Xerraffe, erftredt fic^ ber
SSlid ungel)emmt in bie gerne. 3ur die6)itn fie{)t man
l)inunter in has (Beminfel ber engen ©trafen mit ben
fpi^en ©iebeln, aus benen fid) ragcnb bie l)öl)er gelegene
6tift5(ird)e erl)ebt; befrönt mirb bas ©täbtebilb burd) \)en
trofeig maffioen 6d)lo6bau. 3" Süßen minbet fid) bas
filberne SSanb bes 9^edars, an beffen Ufern fid), mic an
ben benad)barten fteilen 5)öngen bes Öfterberges, erft eben
einige menfc^lid)e 25el)aufungen ansufiebeln begannen.
2lud) ber SInblid ber unfd)önen 35af)nl)ofsDorftabt ftörte
ben bamaligen S5efd)auer nod) nid)t, beffen SSlid alfo un»
befd)ränft l)inüberfd)meifen tonnte über bie anmutige
felberbebedte SSreite bes S^edartales 3U ben bunfeln WdU
bem bes beginnenben ©ebirges, um fid) in ber blauen
gerne ber milb gefd)mungenen Sllbberge 3U oerlieren.
9Bol)lI)abenl)eit, ^\ii)t. greunblid)f2it liegt über biefer
ßanb[d)aft, als (ptegeltc ftd) tia5 ii)o{)Iabgcfttmmte, I)ar*
monifd) gefefete ©emüt bes greifen U^lanb in i^r mieber.
Das ^auö I)atte ber rul)ig aufriebene Sefd)auer bie(er
ßanbjc^aft ber eigenen D^atur ansupaffen getüugt. 2luc^
l)ier griebe unb 3Sel)agen. Ul)Ianb tüar feiner Jener gräm*
Iicf)en alten @elel)rten, mit beren Strbett oon ben ^aus»
genoffen ©öfeenbienft getrieben merben mug. SlUes im
5)aufe, bie (Battin ooran, rid)tete fi^ nad) il)m mit jener
ftillen 6elbftt)erftänbad)!eit, bie auc^ il)n in ber täglid)en
$flid)terfüllung au53eid)nete. Cr fpielte nid)t bie 9loIIe
bes Derträumten ?8üd)ermenfc^en, fonbern na^m bie 9led)te
unb $fli^ten bes ^au5l)errn unb 5)au5r)ater5 im ooEen
Umfange ma^r. ®r voa(i)ie über ben Quftanb oon 5)au5
unb ©arten, Derfd)Io6 abenbs cigenl)änbig alle Xürcn,
mar für bie 2)ienftboten oberfte ^nftanj, beren 35efcl)Ie,
IHügcn unb ßobfprüd)e \)a5 meifte ®emid)t l)atten.
^n ber 3Jlitte ber SSorberfront befanb ficf) fein 6tu=
bieraimmer, ein fd)öner, fonniger unb großer diaum, aber
einfad) möbliert, basu Don jeber gele()rten ober genia(ifd)en
Unorbnung frei. ?Peinlic^fte ©auberfeit unb Orbnung
mugte er aud) unter ben laufenben t)on 5loti3bIättd)en
unb 3ßtteld)en 3U galten, bie er mit feinen ßefefrüd)ten
behedtt. Sßas er an ?8üd)ern fud)te, ha5 pflegte auf ben
erften ©riff 5ur ©teile 3U fein. 9m ©djimmer befanb
fid) bie fei)r reid){)altige, menn auc^ etmas einfeitig 3U=
fammengefefete 25ibIiotl)e(, bie bie ßiberalität if)re5 35e-
fifeers Dielen 53efud)ern, aud) jungen 6tubenten, felbftlos
3u öffnen pflegte. — ©er Oberftod entl)ielt bie gamilien=,
©6« unb 6d)(af3immer.
Sür ein einseines (5l)epaar mutet has ^aus reid)Iid)
geräumig an; Ul)Ianb6 felbft l)oben biefen ©inbrud ge=
Ijaht, unb fo fel)r fie fid) bis ins Sllter {)inein gegenfeitig
©enüge 3U leiften r)ermod)ten, mar bod) bei il)nen beiben
bas Seftreben gIeid)errDeife entmidelt, burd) ausgebreitete
@Qftn(f)felt jebcn 6cf)em bcr 23cröbung fern3ul)altcn.
Uljlanb muß ein rü^renber 2Birt getncfcn fein, ber feine
eigene Unbequemlid)felt f(f)eute, um es ben (Säften be»
{)aglitf) 3u macf)en. Sem 2Blener (Setel)rten Äarajan foll
er felbft jeben 2Jlorgen frif(f)e5 2ßaf(i)n)affer ins 3immer
getragen I)aben. — 2)le ©Infamfeit aus bem großen i)aufc
3u bannen, ba3u bleuten aber menlger ble unregel»
mäßigen unb oft med)felnben S3efud)er bes eigentlichen
©aftslmmers, einer freunbll(f)en ©lebetftube Im 3n)elten
6tocf, als ble Semo{)ner bes fogenannten ©tubenten»
3lmmer5, bas Im Untergefct)oß neben Urlaubs ©tubler*
ftube lag. Slefcs ^ai 6emefter unb ganse 5abre lang
junge SSermanbte bes Kaufes beherbergt. 6le maren alle
im beften 6lnne ble ^flegeflnber bes ^Paares, n\d)i nur
jener SIboptbfobn Sßll^elm 6teubet, ber 2tnfang ber fünf»
3lger ^al)ve Jüblnaen oertleß, um \\(i) ausmärts als 2tr3t
nlebersulaffen. SSJ^lt unb nad) Ibm mar ßubmlg ^D^lener,
Ubianbs DIeffe, l^nbaber bes Sin^niers; feine SD^lutter,
Urlaubs 6d)mefter ßulfe, I)atte er fd)on 1836 burd) ben
Xob oerloren. 2)as Ul)fanb{)aus mürbe ll)m 3ur smelten
S)elmat, ble er nur oerlleß, um fld) In S'leutllnpen als
JHed)t6fonfuIent felbftönblg 3U ma(f)en. SSon 1854 an
baufte ^arl D^eeff, ein S^effe ber grau Ubianb unb junger
2;i)eoIoge, In bem ©tubentenslmmer; lf)m oerbanfen mir
ble ausfü()rIl(J)fte 6d)llberung blefes SIIterslbijHs.
U{)Ianbs Zaq mar feft unb unt)errü(fbar eingeteilt,
©leid) bem alten ^ant foU er burd) feinen Stnbllcf ben
6tubenten ble fld)erftc 3eltbeftlmmung abgegeben l)aben;
frellld) fal)en fle ll)n, menn fle fur3 oor ac^t Ins Kolleg
gingen, erft am „l)lftorlfd)en ©dfenfter" flfeen, bas @efld)t
üon 6elfenfd)aum bebecft. 2lus bem 5)aufe trat er, nad)
mebrftünblgerSIrbelt, melft gegen eIfUI)r, bei einigermaßen
lelbllcber 3al)res3elt pflegte er um blefe 6tunbc bas
^Redarbob oberI)alb ber 6tabt auf3ufud)en. 23lele \)aben
475
\i)n uns befd)ncben, tüie er burd) bie ©tragen unb Snfel»
anlagen 3u {d)reiten pflegte, trofe ber 3unei)menben ^ra*
fid)tig(eit oI)ne 2tugengla6, trofe ^älte unb SBinb ol)nc
Überrocf unb oI)ne ^anb(d)ul)e. Sie ef)emal5 blonben
i)aare finb allmäl)lid) roeife gemorben, fie legen fid) aber
Immer nod) in gorm n)eicf)er ßoden um bie 6tirne unb
geben baburcf) bem edigen 6d)äbel unb bem unjd)önen
@efid)t etmas geines unb $RüI)renbe5. 2tud) bas 2IIter ()at
biefen Sögen bie berbe ©ebrungenl)eit nicf)t genommen,
D^afe unb Mnn entftellen fie; ^a5 Sluge ()at einen etmas
blöben unfid)eren SSIid, aber ber ungemein sarte 55au
ber 6cf)Iöfen lägt bie feinen 6toffe aljnen, bie bei ber
Silbung biefes fnorrigen Organismus nic^t gefpart mor»
ben finb.
Um 12 Ul)r ift Ul)Ianb gum SJlittageffen bal)eim; es
l)errfd)t einfad)f)eit unb 6d)tt)eigfamteit bei Xifd); aber ein
guter SBeinfenner ift ber i)au6l)err, ber fid) jebes Sal)r bie
6orge um bas eble ©en)äd)6 felbft angelegen fein lägt.
SfJleift ift es ^reunb ferner, ber ben Z\\(i) bamit beftellt.
6d)mer nur ift Uf)Ianb aus feiner Cinfilbigteit aufsu-
rütteln. 2)er junge Äarl Max)ex, ber 6oI)n bes 2)id)ter»
freunbes, \)at als junger 6tubent bas oäterlid)e @ebot, fid)
breimal n)öd)entlid) bei UI)lanbs 5um ©ffen einjufinben,
aus ßangermeile gar balb übertreten. Sie anberen Qiel)'
fö^ne ober ein gern gelittener ©aft, fo ber 33öl)me D'lanf,
mugten bem 5)ausl)errn el)er einmal ein fiad)en ober eine
Slnefbote abgugeminnen.
2)er 9Rittagsfd)laf mar eine fefte 2lltersgen)ol)nl)ett
UI)lanbs. Danad) fel)rte er 3um (5d)reibtifd)e 3urüd, menn
es nämtid) ben oielen 25efud)ern bes 5)aufes fo gefiel.
9^id)t nur brieflid) I)ulbigten i^m ?Poefiejünger unb
»freunbe nai) unb fern unb fuditen 'ü)m ein 2öort ber
Slnerfennung ab3ulo(fen, aud) perfönlid) brängten fid) 53e«
rufene unb Unberufene on ben berül)mten 2Jlann I)eran
unb ftal)len tl)m feine 3^^^- 2>a faßen ®ntl)uflafttnnen,
bie t)on rt)eitl)er gefommen maren, um ben 2)i(^ter ansu»
f(i)U)ärmen; ^^Oi famen Sd)ulmeifter, bte ben SHtertums»
unb 23oIf6freunb al5 Kollegen begrüßten unb mit oer«
meinten gunben belöftigten. !Did)terlingc trugen bem
(Bebulbigen i^re eEenlangen ®pen ober 2)ramen cor,
breifte Stubenten brad)ten il)m ll)re unausgegorenen an
^eine gcfc^ulten (£r[tlinge 5ur SSeurteilung. Sournaltften
fprad)en oor, ben gefpifeten SSIeiftift fct)on in ber %^\6)t,
um \iCi^ Önteroieu) mit bcm 3Jleifter Vs)xtx S^itung angu»
oertrauen. „Ol), mos mad)te ba ber SJlann für einen
präd)tigen, unbarml)er3ig ftummen i)ol3birnen!opf an bie
Äerle {)inl" fo äußert fid) gr. %\). 23tfd)er5 be^aglid)
fd) ab enf r Ol) e Erinnerung an mand)c Icberne 33efud)5f3ene
im Ul)Ianbl)aufe. !Durd)reifenben 3^td)nern unb ^orträ«
tiften ging es nocf) übler. 9Jland)en unermünfcf)ten S5efu(^
I)at grau Ul)Ianb5 fürforglic^e Diplomatie absumenben
gemußt.
SD'lenfd)enfcl)eu ift ber alte Ul)lanb gar nicl)t gemefen,
er freute fid) bis ^ule^t gel)altDoller neuer 35efanntfcl)aften,
fo mit bem fat^olifcl)en @eifttid)en Saumann, ber feine
SSorseitintereffen teilte. Slber bie liebften maren il)m bod)
bie alten ^reunöe. ©eit 1843 mol)ntc ^arl aJla^er in ber
©artenftrage, nic^t meit oom Ul)lanbl)au5, unb fein nod)
näl)erer 9^ad)bar mar am Öfterberg ©buarb (Bmelin, ber
einftige ^^arifer ©enoffe. 2Iud) ^aul ^fiaer mar no(^
1848 mieber in Mbingen fe6l)aft gemorben, unb bie
Spannung aus ber politifd)en ^onflittsseit mar balb über*
munben morben. 2)od) mar mit bem leibenben, oielfad)
neroöfen SSerftimmungen ausgefegten Sonntagsgafte, fein
fo l)armlo5 fröl)lid)es SSeifammenfein möglid) mie mit
SD^a^er, bem täglid)en (BefeEen bes Spaaierganges.
SBette SBanberungen, nad) ^Reutlingen l)inüber ober jur
2ld)alm l)inauf ober anberc 2ld)tftunbentouren fd)euten bie
beiben rüftigen 2Ilten md)t. Stucf) grau Ul)Ianb fd)lo6
fic^ il)ncn gern an, unb i^re freunbfd)aftlid)e 3unetgung
mod)te bcn 3Jla9er|(i)en Xöd)tern bic 3u frül)e gefc^iebene
aJluttcr erfefeen. Slls fic^ 1854 eine oon tl)nen, gdeberüe,
nad) Slmerifa verheiratete, ba l)at il)r Ul)Ianb f^in le^tes
3um !Dructe gelangtes (Bebid)t mitgegeben, bie fd)(ic^ten
Seilen: 2Iuf ber D'leije. 3m übrigen fd)mieg bic
2)lufe; arm tarn il)m jein ßeben bennod) nic^t t)or, tiefes
!Did^terfel)en unb 2)id)tergemüt toaren il)m unoerloren,
unb er barf fic^ im felben 3al)re 1854 mit ben !ur3en
SSerfen tröften:
2)a5 ßieb, es mag am ßebensabenb fcf)meigen,
6iel)t nur i)er (Beift bann Ijeil'ge Sterne fteigen.
STIs meltabgemanbter Sel)er, mie er in bie{en SSerfen
erfd)einen möchte, ift UI)Ianb aber nid)t burd) bie ©tragen
feiner lieben SSaterftabt gemanbelt unb l^ai fid) auc^ in
weiterem ^reis als in bem ber Sugenbgenoffen bcl)aglid)
3U fül)Ien oermocfit. S^amentlid) bie 2lbenbe — bie er aller»
bings nur bis 10 Ul)r red)nete — geprten in ber 6pät3eit
l)äufiger als mo^l frül)er ber (Befelligfeit. Ottilie 2Bilber»
muti) \)Cii bas bamalige 2;übinger ßeben in einem 35riefe
an ferner als Iebl)aft unb angeregt gefd)ilbert: „3n Xü*
bingen amüfiert man fid) biefen SBinter nac^ Qer3en6luft;
a'leunionen mit 2Rufif unb bramatifd)en Darftellungen,
populäre SSorlefungen, Äon3erte unb Oratorien, i)ausbälle,
tansenbe Jees unb fingenbe 3Sutterbröber med)feln mitein»
anber ah." Urlaub fd)Iog fid) oon feiner biefer 23er*
gnügungen grunbfäfelid) aus; nod) befuc^te ber 3Jlufit«
freunb, ber allerbings feine S^lote fannte, bie ^onserte,
namentlid) menn Sild)er fid) an bie ©pifee ber ßieber»
tafel ftellte. 3D^and)en jungen SSemunberer bes !Did)ters
I)at es gerül)rt, mitan3ufel)en, mie ber alte 5)err fid) reblid)
mü^te, feine ^flid)t auf (Befellfd)aften 3U erfüllen, mie er
gütig, menngletd) immer etiüas fd)üd)tern, bie oft üor"
lauten Dieben junger ©tubenten über fid) ergel)en lieg, n3ie
er mit finblid)er greube 6(f)araben unb lebenben SSilbern
3ufal), ja, mie ,,ber gute, unf(^öne, liebe fed)3igjäl)rige
ajlann auc^ beim Xange mit einem 2ßal3er altfröntif^er
gaffon fic^ au beteiligen fud)te".
aJlet)r nad) feinem (3efd)macfe nod) mögen bie SIbenbe
gemefen jein, bie einmal in ber 2ßoc^e im @aftl)aufe 3ur
Xraube bie gelel)rte 2öelt Tübingens Derfammelten.
IDonnerstag pflegte er überbem feinen greunb unb 9^acl)=
folger Heller auf3ufud)en, in beffen ^aufe fid) ein fleiner
?pi)ilologen3irfel 3ufammenfanb; S^lapp, ^lüpfel unb
i)ollanb gehörten il)m an. Sas Olücf l)at Ul)lanb aud) ba*
malö mit (einem ^eroorragenben $l)ilologen ober ßiterar=
l)iftori(er bauernb 3ufammengefü^rt. !Der naml)aftefte,
gran3 Pfeiffer, beffen (Bermania feit 1855 bie 23etötigung5=
ftötte oon Urlaubs 2llter5flei6 bilbete, mürbe i^m 1857 burc^
^Berufung nad) SBien bauernb entrüdt, mäl)renb er oon
Stuttgart aus l)äufig l)erüber!ommen mo^te. 2Benn aud)
eine miffenfd)aftlic^e Durd)f(^nitt5perfönlid)!eit, l)atte er
boc^ als lebenbig mitmirfenber gai^genoffe, 3ur)orfom*
menber Herausgeber unb befeuernber SSertrauter eine gün«
ftige 2ßir!ung auf Ul)lanb ausüben muffen, l)ie oon
^oUanb unb Heller, ben engen miffenfd)aftlid)en Kollegen,
nid)t 3u ermarten mar. 35eibe maren trodene 93ielmiffer
oI)ne lebenbigen 2)rang 3ur TOtteilung unb ol)ne eigene
probuttioe unb geftaltenbe gäl)igfeit, pün(ttid)e 2lrbeiter,
3ettelgelel)rte; am fd)limmften mar, \io5^ es i^nen gegen«
über Ul)lanb5 Slltersprobuftionen gan3 an ^riti! gebrad),
an ©teile lebl)after ©inmönbe, frud)tbarer 6fepfis fd)einen
fie nur bemunbernbe Quftimmung gefegt 3U l)aben.
Sie fpärlid) gefpenbeten ©ermaniaauffäfee maren
faft bas ein3ige ßeben53eid)en, bas oon Ul)lanb not^
3ur öffentlid)fett brang. Sn einer l)alb politifd)en 2ln*
öelegcnl)eit atlerbings machte ber mübe Streiter oon
1848 unfreitDillig oiel oon fic^ reben. ^urj t)intereinanber
waren il)m bie öornel)mftc preufeifdie 2Iu53eid)nung, ber
Pour le m^rite für 2ßi|jenjct^att unb ^unft, unb ein
l)ot)cr ba9erijd)er Drben, angeboten tüorben, unb beibe
Jc^)lug er aus, trofe ber marmen 25emül)ungen Sltefanbers
oon ftumbolbt, ber i^)n beim ^önig für Xied in Jßorfc^lag
gebracht l)atte. ©iner Segrünbung bebarf biefe 2lble^«
nung gan3 unb gar nic^t bei bem ajlanne, ber in ber
$aul5!irc^e für bie Sluf^ebung bes Orbensmefens über^
I)aupt geftimmt \)QXiz, 3n bem einen galle jc^eint aber
ber Unmut bes jübbeutfc^en ßiberalen gegen ben 3^^^'
prer feiner politifd)en ßiebtingsgebanten übergemaEt 3U
fein: „Sc^ (ann feinen Orben annel)men üon einem
Surften, ber meinen greunb Siacobg auf bie 2lntlagebanf
fefete, fo \^0i^ er jum 2^obe oerurteilt n)urbe, rr)äl)renb er boc^
nur basfelbe getan i)atte, mas id) aud) getan l)abe." 6olc^
ein cntrüftungsDolles 2Bort miberlegt ben ©inbrucf ober«
flö(^lid)er 33efud)er, als fei bei bem alten Ui)(anb oon ber
$arlament53eit t)er feinerlei 25itter!eit 3urüetgeb(ieben!
3n bemfelben 3al)re 1853 ^^oi er fid) aber bod) ent»
f4)(offen, bie 3'lefiben3 bes ^reugentönigs auf3ufud)en.
2)ie SSerliner greunbe l)atten \iQi^ fd)on längft geforbert,
ßad)mann met)r als ein 3al)r3el)nt über bie „eigenfinnige
SSermeibung 35erlin5" gemurrt. 2lber aud) Jefet trat er bie
SReife nic^t an, um fid) im @lan3e ber 5)auptftabt 3U fonnen,
fonbern um fd)lic^ter alter 23olf5lieber millen;' 2Jleufebac^5
3flad)la6, ber in3mifd)en in öffentlid)en 23ibliotl)et5befi6
übergegangen mar, locfte il)n an. Ser 23olf5liebforfd)er
fonnte aus biefer gülle oon fliegenben 35lättern unb
ßieberbüc^ern eine lefete, reiche 33eute entnel)men. grud)t»
barer nod) mag fid) bas täglid)e Seifammenfein mit ben
?8rübern ©rimm geftaltet ^aben. 2lud) bie anberen Reifen
ber (Epod)e ^aben miffenfc^aftlid)e Qiele: bie ^fal3 unb
\i^z ©Ifag löaren 1852 aufgc(ud)t morben, bamtt Dtelleic^t
\iQi'i> JHätfel bes {agenumfponnenen Söasgenftems fid) löfe.
Die 6ommeraufentI)alte am ?8obcnfce settigten ben 25ob»
manauffofe, bie lefete ©d)rüei3crretfc 1859 eine (leine
2iaeröffi33e über 2ßill)elm Jeü.
©leic^faUs in t^o,^ 3ol)r 1859 fäUt U()lanb0 lefetes
öffentlid)e5 2luftreten. Sen 3al)Ireid)en geftDerfamm'
lungen unb Tagungen in Mbingen pflegte er fid) aus
gurc^t t)or Doationen ferngu^alten. 2Iuf einer bortigen
^aturforfd)en)erfammIung geriet er mit einem Ul)Ianb»
Derel)rer in ^onflüt, ber il)n megen feines (5infprud)5 gegen
einen U^Ianbtoaft 3ur %vx l)inau5n)erfen laffen mollte.
Sie Stuttgarter 6(^iIIerfeier nun bes 3al)re5 1859 ()at er
erft gan3 in ber 6tille mitmacf)en moEen, aber ber 3ugenb=»
freunb Stuguft ^öftlin meig ergöfelid) 3u berid)ten, mie
ber fd)n)eigfame 2tlte bei ©locfengeläute unb geftjubel all»
mäl)lid) auftaute unb fi^ aus feiner Derborgenen ©cfe mit
einem fern()aften, n)ie es fd)eint fogar improoifierten
Xrin!fpru(f)e I)erau6ri)agte. 2)rei Sa^re fpöter mürben
bie gemeinbeutfd)en 6d)iIIerfefte burd) Ul)Ianbsfeiern ab*
gelöft bie feinem fünfunbfieb3igften ©eburtstage galten
unb eine ^od)flut t)on (Blü(fmunfd)fd)reiben, Telegrammen,
©ebid)ten in bas ^aus bes i^ubilars leiteten. Da mar es
aber nid)t me{)r ber bem (Befeiertmerben ab^olbe 6inn
Ul)lanbs, an bem all bie moI)Igemeinten ^ulbigungen g^^
prallten, fonbern in jener grül)ial)r63eit lagerte bereits
ein fd)mar3er ©chatten auf bem Ul)lanbl)aus.
3m legten 3al)r3el)nte \^QXit ber 2:ob in Ul)lonbs
greunbesfreife reid)e ©rnte gel)alten. ©uftat) 6c^mab
ftarb 1850 eines plöpd)en Xobes, glüdltd) unb fd)mer3los,
mie er gelebt. 1855 folgte ßagberg, 1859 ^einric^ ^öftlin,
1861 bie Dertrauteften Stuttgarter greunbe 6d)ott unb
S^ofer. Sas galt Ul)lanb als ein ginger3eig: „Sefet !ommt
bie 9'leil)e aud) balb an mid)/' öugerte ber immer nod) un«
ocrmüftlid) ©efunbe unb rüftete fid) in aller ©titte unb
oI)ne jebe ©mpfinbfamtett 3um 2lbfd)iebnet)men. 2)a !am
Im gebruar 1862 bte |(^mer3lici)fte Äunbe: :3uftinu5
ferner mar feinem nie genug betlagten Diicfele in bie
©migteit nad)gefolgt. Ul)(anb liefe fic^ burd) ben raupen
2öinter nid)t abl)alten, bie umftänblid)e D^leife nac^ 5öein5=
berg ju mad)en. ©rfältung 30g i^m ein 6ied)tum ju, üon
bem er fid) nid)t mel)r erl)oIt I)at.
2Bir befifeen aus U{)lanb5 2:obe5Jal)re ben 5)au5=
folenber feiner ©attin, ein rüi)renbe5 Dofument; burd)
fur3e Eintragungen über ben ^ran!l)eit63uftanb fpiegelt
er \iQi^ balb auffladernbe, balb bem 23erlöfd)en nal)e ^off=
nung5lid)td)en mieber. „%xck 6. 2tpril im ©arten ge=
gangen . . . 2(m 21. erneutes gieber. 15. 3Jlai an meinem
©eburtstag oiele 35etäubung. 2:iefe SSefümmernis bei
mir . . . 9rre JReben ben Xag über. 1bQi% 6c^iff ol)ne
Sal)nen! 23erfid)erung5gefeIIfd)aften! (Eifenba^naftien!
3Jlein Jammer." 3n itirer ßebensbefc^reibung berid)tet
bie treue Pflegerin, beren 55riefe aud) in ben fc^Iimmften
lagen tapfer unb gefaxt bleiben, ^so.^ es t)or aEem bie
eigenen Strbeiten maren, bie ben fiebernben Traufen
befc^äftigten unb quälten: „©er ©rmenrid) l)at mid)
mieber nid)t fd)lafen laffen, tlagte er einige 9JlaIe bes
^Jlorgens."
2)ie 2ruf3eid)nungen laffen eine gemiffe S'latlofigfeit
ber iür3te ertennen. 9m 3uni mar eine Operation nötig,
bie gut üerlief; bod) hxoi&^it ein 3U)eimonatIicf)er "^Qi^st--
aufentf)alt in ^agftfelb nid)t ben erl)offten 2Iuffd)mung.
3m Oftober finb töglid) 5Ür3tebefud)e t)er3eid)net. 2Im
12. bie i)erl)ängni3DolIe 9^oti3: „gefd)moIIener gufel" :3n
ber 2:at griff bie 5öafferfud)t um fid). Sas ßeben rang
fid) fd)n)er oon bem fräftigen Körper los. 2Iber es mar
dn ftetes Sergabgleiten. :3n Iid)ten 9Jlomenten erfreuten
i^n nod) SJlagers 3Sefud)e, bie 2In!ünbigung einer neuen
6c^neibcr Uljlanb. 31
aßalt^crausgabe, bie il)m gemibmet fein {oUte. 3^ manc^
licbeDoüem 5i5ort an btc treue (Befäl)rtin fanb er noc^ bie
ÄYaft. ,,9^ur %\x\)t, nur 6tille, unb bic^ 5ur Pflege!''
ei)e bie 2ltemnot für il)n unb bie Umgebung 3ur uner*
trQglid)en Dual ann)ud)5, n)urbe er fanft abgerufen. (£5
mar am 13. STtooember abenbs 9 Ul)r.
5loftbare 6d)äöe, grüd)te jal)r3el)ntelangen oerbor*
genen giei^es barg nod) bas Stuoiersimmer. 6ie 5U
^üten unb, mas oon bem geliebten 2Jlanne nod) übrig mar,
in reiner gorm ber Sßelt barsubieten, mürbe bie ßebens-
aufgabe ber SiSitme, bie noc^ bis 1881 gelebt l)at. 2)ann
burfte fie auf bem Xübinger griebl)ofe neben bem (Balten
3ur lHul)e ge^en. ©ine 5Beibe fen!t il)re rei(l)en ^fte auf
\^Qi<i> einfad) mürbige 2)oppelgrab. Ul)Ianb5 SSegöngnis
pereinigte gans ©c^maben, ein ©jtrasug brad)te Don 6tutt=
gart bie 2;rauergäfte l)erbei. Überall im 9fleid)e mürben
@eben!feiern abgel)alten. 6d)on balb taud)te ber (§>t\iQiXKlz
an ein Ul)lanbbentmal auf, \iQi<ö bann 1873 in Tübingen
entl)üEt merben tonnte. 6tel)t es aud) an unDorteill)after
©teile, fo begrübt es boc^ l)eute als erftes 2ßal)r3eid)en ber
6tabt jeben Sremben, ber bie ^i^hi Dom 58al)nl)ofe ^cr
betritt. 23iele berufene unb unberufene gebern festen fid)
in SSemegung, um bem trauern bes beutfd)en 23ol!e5 um
feinen immer nod) populärften fiieberfänger 2Iu5brucf ju
Derleil)en. 2ßeit über bie möfferige giut ber fonftigen
SRefrologe \^t\ii fid), xx^q^^ö gr. 21). 23ifd)er, Otto 3al)n,
Xreitfd)!e 3u fagen mußten, griebrid) i)ebbel I)at bamals
in fein Xagebud) gefd)rieben: „ßubmig Ul)lanb ift ge*
ftorben. Die S^iti^i^Q^n bringen foeben bie 9^ac^rid)t.
Der ein3ige Did)ter, oon bem id) gan3 gemife meife, baß
er auf bie ?lai^melt fommt, nid)t als 9^ame, fonbern als
fortmirfenbe, lebenbige $erfönlid)!eit."
Dies 2ßort \)qX fid) bemal)rl)eitet. $reis unb aud)
2:abel ber 9flad)melt l)aben nid)t meniger als bem Did)ter
bem 3Jlanne gegolten. 3n löenigen feftumriffenen ßinien
\it\)i bie ©ejamtperjönlictifeit oor unjer aller 2Iugen.
Ul)lanb tft ein äufeerlid) unb innerlid) einfacher
2Jlen|d) gemefen. 9^od) ^eute oerbinbet jebermann mit
feinem Dramen bie 23orftellung einer Derfd)loffenen unb
menig einnel)menben 5latur. 2lber bie targe ^lugenfeite
Derfc^lofe ein reid)e5 Innenleben. Unb nad) au^en l)in
formlos ift Ul)lanb nid)t gemefen; el)er mand)mal ju form*
lid), mo es nid)t am ^lofee mar. ©r fanb ben 3Jlenf(^en
gegenüber feiten ben red)ten Ion unö bie ©ebärbe, bie
©egenmart anberer mad)te i^n befangen. aJlit einer 2Iuf«
bringlidifeit, bie am menigften in Ul)lanb5 6inn ift, ^aben
namentlich populäre 33iograpl)en feine 35efd)eiben^eit gc*
priefen. 6ie machen teiln^eife aus bem gel)ler eine Xugenö.
2öenn Urlaub fid) ^ulbigungen fo ängftlic^ 3u ent5iel)cn
fud)te, fo mar \i^^ niti)t fomol)l ©efül)l feiner Unmürbigteit,
als eine gemiffe 35equemlic^feit, 6d)eu oor ber Öffent»
lid)teit, oor improDitatorifd)en ©aenen unb Stieben. ®r
mar ber tr)pifd)e ^onaeptmenfc^, er gab nid)t nur fc^rift*
lid), fonbern aud) münblic^ feiten einen ©afe oon fid), ben
er fic^ nid)t genau überlegt l)atte. Sie 2Inefbote oon ber
Dorl)er fonaipierten 5Rüge an bie ^ausmagb ift befannt.
2)ennod) ift es mal)r, Ul)lanb mar eine oon (Srunb
ous befd)eiöene Statur, ©r bad)te nid)t gering oon fid),
aber meld)e abfolute 35ebeutung i^m auf ber 2öelt unb
befonbers im ^ünftlerleben 3ufam, baoon l)atte er feine
2ll)nung. (Es mar nid)t billige Slusfluc^t, fonbern aufrid)»
tige SJleinung, menn er jebe ^Beurteilung eingefanbter
2)id)tmerfe mit ber 35egrünbung abmies, er fei nid)t baju
befäl)igt, als 2Iutorität in literarifd)en Dingen aufautreten.
Unb ^^xx^ er feinem Steffen 3ürnte, meil biefer angeblich
UI)lanb5 fiebgigften ©eburtstag hzxi 2:übingern oerraten
l)abe, bas 3eugt bod) oon einer ünbifd) liebensmürbigen
2l{)nungslofigfeit oon feiner Popularität!
31*
SBie bic mit ti)0l)lfeilem ßobe bebac^te 6(^Ud)tl)eit
bic XuQcnb ber n)irflid)en inneren 25efd)eibenl)eit in fid)
frf)lo6, fo mar feine ©utmütigfeit, bie man oft rü^rfelig
^erau5geftrid)en ^^oi, ein äußeres ^enn3eid)en innerer
5)er3en59üte. Ul)Ianb mar eine altruiftifd)e Statur, 3um
2ßol)ltun an anberen im meiteften 6inne veranlagt; ob
er nun i>ilf5!omitee5 für bie ^olen, bie (Bried)en ober bie
6d)le5migsi)oIfteiner organifieren {)alf, ob er ben not*
leibenben Kollegen ^^ilipp 2ßatfernage( ial)relang über
Sßaffer ^ielt, bem bebrängten aJlaßmann \i^ii ber er=
betenen breil)unbert Xaler gleid) taufenb td)ictte, ob er
fcölieglid) noc^ als alter 2Jlann näd)tlic^ auf bie ©trage
eilte, um einen SSranb (öfd)en au t)elfen — immer aeigte
er fid) oon i)er3en t)ilfsbereit, oljne ber großen $ofe bes
2öol)Itäter5 im geringften fäl)ig 3u fein.
SSiel ift, namentlid) bei feinem 2SerI)alten in politifd)en
Singen, oon Utjlanbs 6tarr!öpfigfeit unb ©igenfinn ge*
fproct)en morben. Das mar fein gutes Sc^mabenerbe unb
6c^mabenred)t, unb aud) biefer gelegentlid)en Untugenb
fe{)Ite nid)t bie ßid)tfeite. UI)lanbs '>iiz\izx\, 3eugt oon einer
feften Äonfequen3, einem energifc^ 3ielbemu6ten SÖBoUen.
(£r mar fein 2)lann ber Äompromiffe, bes meid)en '^Oi^^--
gebens unb @el)enlaffens, Das 3eigt fid) auc^ anbersmo
oIs in ber ?PoIiti!. ^ran!l)eit, Unluft an ber 2Irbeit, trübe
Stimmung merben oon feftem 2öiIIen gebannt. 6ein
tapferes Slnge^en miber läftige förperlid)e Übel be3eugt
bemunbernb bie ©attin. ©egen Unanne^mlid)!eiten unb
2:rübfale fd)nallt er fid) mit i)ora3 „aes triplex et robur"
um bie 58ruft. ©egen üble ßaune empfie{)(t fd)on ein
Öugenbbrief als beftes i)eilmittel ben Steig. Unb eben»
falls als junger 3Jlenfd) oerteibigt er fic^ bei ben ©Item
gegen ben SSormurf bes geiftigen ©pituräismus; aud) mit
Dingen fid) 3u befd)äftigen, bie il)m oon 3^atur fremb, ja
mibrig fini), ift il)m nid)ts Unmögliches unb Unerträglid)es.
9Bie im ^Berufe, fo befaß er überf)aupt im ßeben im
ooüften Wa^e bte gäl)tgfeit, bem Unangeneljmen ins
2luge 3U fe^en unb fid) mit il)m abaufinben. (Er fannte
nid)t t)a5 SSebürfnis wei6)ex Staturen, bie fid) gerne in ein
6d)nedenl)au5 t)ertried)en. Xroö feiner S3erfd)Ioffen{)eit
eignete i^m gar nid)t5 SBeltabgemanbtes. ©r fannte unb
ttjürbigte bie materielle Seite bes ßebens, bie ^ebürfniffc
unb ^ümmerniffe bes Sllltags, er ließ fid) aud) 5U ben
fleinen ßeuten unb i!)ren D^öten gerne l)erab unb freute
fic^ nid)t, has ©lenb tennen 3U lernen. 5tber eines
ejiftierte nid)t für il)n: bas ©emeine unb S^iebrige. (Er
Derfolgte bie unmoralifd)en ©rfd)einung5= unb ^äußerungs«
formen bes ßebens nid)t mit bem ftreitbaren ^affe bes
ganatifers, fonbern er oerneinte fie ooUfommen, t)er=
fd)mieg fie nid)t aus prübem 2lbfd)eu, fonbern aus innerer
[Reinl)eit, ber bas Unfittlid)e unmöglich unb unbegreiflid)
erfd)eint.
©as ailt aud) oon bem Did)ter. ©s fd)eint auf ben
erften 55licf fd)mer, ben ^ünffler in bem 5Dflenfd)en Ul)lanb
3u t)erftel)en, mit einer fold)en ?Perfönlid)teit Mnftlertum
oerei^bar 3U finben. 3n jmei fünften aber finb 5Jlenfd)
unb !Did)ter üöllig ibentifd): in eben biefer unbebingten
ßauterfeit bes (Empfirbens, unb bann in ber mangelnben
Prätention, in ber 2rnfprud)5lofigfeit ber äußeren gorm
bes ^erüortreterrs. On anberem treten fte auseinanber.
!Der 55eamte, Slboofat, Parlamentarier, (5elel)rte oer»
mag fid) bie 5lrbeit abaunötigen, er l)at fid) in fefter Qu6:)t
!Der J)id)ter laufd)t unb märtet, ©s treibt il)n fein
fauftifd)er ©rano ?u fünfflerifd)em 6d)affen, aber er fennt
aud) feinen mül)feligen S^^o^Ö Ö^c^cn fid) felber. (Er
fd)üttelt bie 5rüd)te leife 00m 55aume. ©einem !Did)ten
fel)lt alles ©emoHte, es ift fein ftrenges 6id)=3led)enfd)afts
5Iblecen, fonI)ern ein fanftes unrolEfürlic^es <3t^'2(u0»
ftrömen.
Den Xönen feines inneren 6timme 5U oerIei{)cn, ift
il)m aber fein unbebingtes 53ebürfni5. Sie !Did)tung be=
beutet il)m Diel, aber ni(^t alles, ßcbensroürae, ni^t
ßebensin^alt unb ^aufgäbe. ®5 brängt i^n nid)t, bas
innere f5ortfd)reiten feines ©eins unb ©rfennens \\)x ansu»
oertrauen. ®r fonnte oerftummen, oI)ne bag if)m ein
ßebensnero, eine notmenbige togerungsform abgefd)nitten
mar. 6ie 3um ©efäge feiner gereiften, oertieften Öebens»
auffaffung 3U machen, lag meber ©runb nod) SSebürfnis
oor. ©ine tiefgreifenbe geiftige 2Beiterentu)i(fIung \^^i
er feit feiner bid)terif(^en ^eriobe nid)t mel)r burd)»
gemad)t, fo intenfio er alleaeit geiftig tätig mar.
Ul)Ianb mar fein Derfd)mommener ^Romantifer,
fonbern ein rul)ig fü{)Ier fluger ^opf, menngleid) lefeter
efafter unb pI)iIoIogifc^er 93erftanbe5fd)ärfe nid)t fäl)ig,
fo bod) 5u fc^arffinnigem kombinieren angelegt, 5um
miffenfd)aftlid)en Senfen burd) eigene 6d)ulung I)eran=
gebilbet, aud) ooll ^übfd)er Einfälle unb im ßaufe ber
Seit ooller finniger empirifd)er ßebensmeisl)eit. 2Iber ein
!Denfer mar er nid)t.
©s lägt fid) ba^er aud) ernftlid) oon feinem 23erl)ält»
niffe 3ur 5^I)iIofopI)ie bei il)m reben. 23erfc^minbenb fetten
taud)t einmal ber 9^ame eines ^l)iIofopI)en in feiner aus»
gebreiteten 6d)riftfteIIerei unb Äorrefponbenj auf. 8el)r
fenn3eid)nenb ift bie einsige oon il)m ermöl)nte 6d)rift
Äants: „SSon ber '^(x&^i bes (Bemüts burd) ben bloßen
SSorfafe feiner franfl)aften (Befül)Ie SD^leifter 3U merben."
2IIfo er finbet in bem ^l)iIofop^en einen 33unbesgenoffen
im Kampfe gegen üble ßaune unb fleine ßeiben bes 210'
tags, ©s ift ber 9JloraIpI)iIofop^ ^ant, 3u bem er fid) be=
fennt. SIber bie legten Sd)Iüffe ber ^ritif ber praftifd)en
SSernunft mirb er ol)ne 3tt)^^fßl nic^t mitgemad)t I)aben,
fd)on meil er für feine ^erfon bas Sebürfnis nad) einet
Xranf3enJ)entaIpl)iIofopI)ie ni(f)t teilte.
487
©etöiffen, (Bott, Unfterbncf)telt — ha5 maven wol)!
aucf) für i{)n ^oftutate, aber ntd)t ber praftifd)en 23er=»
nunft, fonbern bes ^eräens. S^amentltd) com Un[terb*
Ii(i)!ett0glauben l)ai er Don frül) bis \p'dt betont, töte fel)r
er if)m ^er3en5farf)e fei. (Berabe bei einem fo grunbel)r=
Iid)en unb guten 9D'lenfd)en, ber aber burd) feine unge=»
fd)icften formen pufig einen fälfd)ltd) unliebensmürbigen
©inbrud Ijeroorruft, ift bie 3UDerfid)tIid)e 5)offnung auf
eine fpätere 3^^^ in ber alle 6d)leier unb 5)üIIen üon ber
6ecle fallen merben, boppelt begreiflid) unb rül)renb. ^ud)
bie llnDolIfommenl)eit unb 3ßrriffenf)eit ber menfd)Iirf)en
23erl)öltniffe nötigen ibm biefelbe überseugung ab. 2tl5
Duinteffenj aller Xl)eoIogie l)ai er benn aud) bem f(f)eibens
ben DIeffen 9^eeff, bem fünftigen ^^farrer, ben Unfterblid)»
feit5plauben ans 5)er3 gelegt.
SBie in lefeter ßinie ©efül)l6poIitifer, fo mar er aud)
@efü()Isp{)iIofopI) unb cor oUem (Befüf)Isd)rift, nid)t Offen*
barung5d)rift. ®r mar nid)t fird)Iid) gefinnt unb f)ielt bie
Saframente nur oIs e{)rmürbige 6r)mboIe l)0(i). (Bx be»
fud)te in fpöterem Stiter moI)I ortI)obofe ^rebigten gerne,
aber nur, meil fie feinem ©emütsbebürfniffe me^r ent»
gegentamen oIs bie fritifc^ serfefeenben ber liberalen Xü*
binger Sd)ule.
Seine 9leIigion ift burrf^aus fubjeftioiftifd), auf eigenem
Sü{)Ien unb ©rieben aufgebaut, mie er bas ja aud) in
feiner „SSerlorenen Äird)e" fo unoergleidilid) ]d)'ön ge»
forbcrt l)at. Das mag an \l)x romantifd) anmuten, aber
es fel)It i()r baneben jeber m9ftifd)e Unenblicf)teitsbrang.
©Ott ift il)m perfönlic^, (Ein unb 2III, SInfang unb ©nbe
afler Dinge, aber ol)ne pantbeiftifd)e 53eimifd)ung. (Einer
feiner legten SSerfe gibt biefem 53etenntniffe STusbrutf,
menn er ben lob eines Slinbes fo befingt: „2Bo{)er?
9BoI)in? mir miffen nur: aus (Bottes i)anb in ©ottes
f)anhl" ^r ift.SIusgong unhSiel bes mgrifc^Ii^en i^ebens.
5m ©runbe rouraett U^Ianbs 2öeltauffaffung alfo boc^
ntd)t in ber S^omantif, fonöern in bcr gut altfd)n)äbijd)en
25ürgerfrömmigfeit öes ad)t5el)nten 3al)rl)unbert5, bie
nid)t rationaliftifd) ange!ränfelt, fonbern pietiftifd) be=
fru(f)tet ift. fieben5anfd)auung5fragen I)aben fic^ bei il)m
alle auf rcligiöfem SBege crlebigt.
2Ber nid)t einem flad) populären 5^oeten= unb 3Sürger=
ibeale f)ulbigt, mirb tias ©efül)l nid)t unterbrücfen !önnen,
bog an einer ]o georteten ^erfönlid)feit etmos ju cer*
miffen bleibt, bosfelbe, beffen mir fc^on ben ßieberbid)ter
entbel)ren fa()en. 2Sif(^er nannte es be3eid)nenb: „bos
9^egotiDe''. Die frud)tbare ©fepfis, bie aufmül)lenben
6frupel, bos ftürmifc^e Slnloufen gegen geftftel)enbe5, has
milbe ^in=unb=!)er=getrieben=6ein burd) inneren 2)rang,
bos ßaufd)en auf tocfenbe Stimmen in ber eigenen 6eele,
bie gäf)ig!eit, \\ä) aus ber ^o{)n fd)leubern 5U loffen unb
aus eigener ^roft eine neue 3U befd)reiten. Unb biefes
5Jlegatit)e, ^robIematifd)e, bos il)m fe{)It, ift eben bod) im
©runb ein pofitioes: !Do5 @enialifd)e, $rometI)eifd)e, bie
imponierenbe ©röge, cor ber man [xd) beugen muß. (BoetI)e
J)atte red)t: etmos ,,5}lenfd)engefd)i(f ^Segmingenbes" fonntc
Ut)Ianbs 8pl)öre nid)t entma(f)fen. Md)tiges ober mo()I;
tüditig, bos ift fo red)t bos S(f)Iagmort für feine fc^ti(^tc
SSebeutfomteit.
2)o5 mö(f)te mon ber oielfod) üblid)en 23er{)imme=
lung bes trefflid)en, ober in mand)em engen 5!Jlannes ent*
gegenljolten. !Dod) oud) bos geringfd)äyge 2td)fel3ucfen
berer ift obsumeifen, bie über ben romantifd)en Äünftler»
begriff ni(i)t I)inau6finben unb unter bem ©inbrucfe ber
^erfönlid)feit bos Urteil über ben Siebter leiben loffen.
Äünftlernoturen, bie nicf)t gu probußieren t)ermo(f)ten, ^ot
uns bie ^Romontif genug befcf)ert; vergeben mir es einem,
ber mirflid) etmos 3u frf)offen unb gu fogen mufete, bog
er feine ^nftlernatur mar. 5>en ©rfofe ^eraueauarbctten,
ben Ul)Ianb burd) onbere 2öefen6eigenfd)aften geteiftet f)at,
mußte ein 5)auptbeftreben unferer DarfteEung jetn. „^\x\
ben ©an3en bod) ^erbei!'' biefes 9Jlal)nrDort an SSertran
be Sorn gilt aud) für jeben UI)Ianbbiograpl)en. S^lur bem
gansen SUlanne irirb man gered)t töerben fönnen, unb
gerabe ber (Einbruct ber @anal)eit, bes gefeftigten unb ge=
fd)Ioffenen SÖlannestums ift bis jum l)eutigen Xage bas
iüal)rl)aft @e[unbe unb 23orbilblid)e an ber ^^erfönlic^feit
ßubmig Ul)Ianb5.
Stnmerfungen
!D!c Stnmerfungen entl)alten Quellenbelcgc unb cingelne
nähere SSegrünbungen bes im Xejtc 2lu5gefprod)enen. ©e t)öngt
mit bcm (rt)ara!ter ber bi5l)erigen Ul)tanbliteratur sufammen,
ba^ bieje Erläuterungen ftd) meift auf bie u)iffenfrf)aftlid)e Xötig«
feit UI)Ianb5 3U be^xeifen l)aben. Sie 9flaum!nappl)eit gebot
babei äufeerfte 23efd)ränfung ; fie l)ai aud) ben 23er5id)t auf bie
guerft geplante 3Jlitteitung ungebructten ajlaterials üeranlo^t.
2SoIIftänbigfeit ber ßiteraturangaben ift natürlid) nid)t beah'
ficf)tigt. Selbft ©oebefes (Brunbrife 'VIII, 6. 213/46 I)at fie
bis etma 1902 nur angeftrebt, feinesmegs erreid)t. Die 3al)res»
berid)te für neuere ßiteraturgefd)id)te reictjen bis 1914; mand)es
©rgänaenbe bot ^ei)bs BibIiograpI)ie ber 23Bürttembergifd)en
@efd)id)te (feit 1895, bef. 25b. II) unb bie jät)rli.c^en 23er3eid)niffe
in ben 2Bürtt. 5ßiertelial)r5t)eften für ßanbesgefdjidjte.
Sie UI)IanbIiteratur mad)t im gansen feinen erfreulid)en
(Einbrucf, unb tiie aJlenge ftel)t in feinem SSer{)äItniffe gu bem
SSßerte. 2)as ^Populäre übertoiegt, bie 3aI)nofen ©inaelaup^e
iDeifen 3um großen Xeil ein fc^ülerl)aftes ober über (Bebüf)r
fd)ulmeifterlid)es ©epröge auf. ^^rafenl)aft trabitionelle Urteile
über ^erföntid)feit, ßebenslauf, Sid)tung l)oben fid) aEgu feft
gemurgelt. 9lettung booor bietet nur oöllig unbefangene ©in-
ftellung, 3u ber bie in ben legten 20 3al)ren publi3ierte güllc
perfönlid)er Sofumente SJlaterial genug bietet.
2Son älteren 93iograpf)ien finb oIs Stofffammlungen I)cute
nod) unentbel)rlid): ßubmig Urlaubs ßeben üon feiner SOBitroe,
©tuttgart 1874 (abgefür3t: L), ein Sofument I)ingebenben 23er-
ftänbniffes unb befd)eibener Objeftioität. 5Zotters ß. U., Stutt-
gart 1863, ift nic^t unbebingt 3ur)erläffig unb oon ft^ulmeiftern-
ber ^Prätention nid)t frei, bemüt)t fid) aber um Unbefangenheit
bes Urteils, ^arl aRopers ß. U., feine fjreunbe unb ^eitgenoffen,
491
(Stuttgart 1867, ift feine !8tograpI)ie, fonbern eine mit liebcns-
toürbiger Slltersrebfeligfeit ausgebreitete 9D^ateriaI|ammlung.
Sen Umfang einer 25iograpt)ie erreid)t feitbem nod) fnapp
i)ermann gifd)er in feiner ©äfularftubie ß. U. 1887, bie als
ein3ige ber bi5l)erigen Sarftellungen ^erfönlic^feit unb UBirten
aüfeittg unb Dom fad)männif(i)en ©tanbpunfte 3U betcud)ten meife.
2)as SSefte ocrbanft bie (Bermaniftif baneben ben tief einbringen-
ben fursen ©inselmürbigungen t)crfd)iebener @elel)rten aus anberen
f5a(f)freifen : Q. U., 23ortrag oon Otto ^al)n; S). d. Xreitfd)fe, ^\xm
©ebäd)tni5 ß. U.s, ^reufe. 3a{)rb. XI, 323; gr. Xt). S3ifd)er,
^ritifd)e ©änge, 91. g. 4, 97. 6ömtlid) 1863. - 2Iuf bie aUge-
meinen Darftellungen oon Traufe, Sd)mäbifd)e ßiteraturgef(f)i(i)te,
2 33be. Tübingen 1897 unb 99, unb S). Sifd)er, Die fd)rüä-
bifd)e ßiteratur im 18./19. 3at)rt)unbert Xübingen 1911, mirb ge»
legentlid) 58e3ug 3U nehmen fein.
Dos biograp^ifd)e SJlaterial ^c^ai ausnel)menbc S3ereid)erung
erfal)ren burd) bie 23eröffentlid)ung bes Xagbud)s (o. Julius i)art-
mann, 3uerft 1898; abgefür3t TB) unb bie oierbänbige Srieffamm-
lung (ebenfalls oon ^artmann, 1911—16; abg. Br. I— IV), über
beren ^Jülle man bie tatfäd)Iid)e fiücfent)aftigfeit 3unöd)ft gerne
oergi^t. ©rgän3ungen im 9led)enfd)aft5berid)t bes aJlarba(^er
6d)iIIerüereins (abg. R. Her.) 1916 17, 6. 27 ff. SQßciteres
ftel)t beoor. — ©ine befriebigenbe 2Iusgabe ber 2Bcrfc insgefamt
feI)U. SÖBenigftens aber befi^en mir feit 1898 bie ebenfo forg-
fältige mie Ie^rreid)e fritifd)e 2tusgabe ber ©ebldjte (Ged ) burd)
©. Sd)mibt unb 3. i)artmann; bie 3aI)Ireid)en populären Slus»
gaben 3ät)te \&) nid)t auf, als neuefte unb funbigft rebigierte
nenne id) nur bie in 8 SSänben oon Sfleinöt)! (ßeipsig ^effe, o. 3.).
— Die 5)erau5gabc ber 2Biffenfd)aftIid)en 6d)riften (Sehr. I-VIII)
burd) Pfeiffer, i)oIIanb unb Heller ift gteid)falls meber oollftänbig
nod) einmanbfrei, mad)t aber menigftens bas tüid)tigfte 2RateriaI
Sugänglid).
3n ber ooUftänbigen SSermenbung bes ^anbfd)riftlid)en "^^6)*
laffes, ber in Xübingen unb Waxha&^ aufbemal)rt liegt, mirb man
ben mefentlid)en ftofflid)en iJortfc^ritt unferer Darftellung erfenncn.
Der Xübinger Unioerfitätsbibliot^ef (i)errn Obcrbibliotl)efar
©eiger) unb namentlich bem ©c^illermufeum (Seh, M,) in 2)lar-
baä) unb beffen ßeiter, ^errn ©el)etmrat oon (Büntter, fül)Ic id)
mid) für juDorfommenbe 2(ufna{)me unb f^örberung gu bauernbem
Sanfe ocrpflic^tet. 2)e5gleid)en ben betüäl)rten Xübinger Ut)Ianb-
forjdjcrn 5)ermann %\\(i)ev, ©ugen ^flägcle unb ßubmig ßang.
1. Kapitel
©encalogte: TBamSd)Iu^. 3Jlaier=^fuIItngen, Sie SKufen-
[tabt Tübingen 1904, t. 2tn{)ang. 5Bürtt. 23tßrtelial)r5t). X, Iff.
2)ie ridjtigc D^amenserflärung nad) ^Tlotters unmögli(l)er 5tbleitung
In ©rimms beutfdjem 2Börterbud) II, 501. — ©Item unb
Sd) weiter: bas Material cntftommt ungebrurften SSriefen im
Seh. M. ^ugcnbsett: ^orl Tlax)er (6ot)n), Erinnerungen an
llf)Ianb, beutf(f)e Sichtung I , 60 ff. ^arl 2Rat)er (93ater), fi. U.,
gefd)ilbert non feinem greunb, Tübingen 1873. SSifc^er S. 107.
S^ägele in feinem Xübinger Programm 1892,93. UbIanbI)au0.
Süb. Slätter IV 6. 18f. 2tbbilbungen 6. 19. Sasbamaligc
Tübingen: ebba. V 6. 39. 2Jlaier a. a. 0. S^icolai, 25e-
fc^reibung einer Sleife burd) Seutfcljlonb unb bte 6d)a)ei3 1781,
Dor allem Sb. XI, öff. ^üpfel-^ifert, ©efdjidjte unb ^efd)reibung
ber 6tabt Tübingen Xüb. 1849. ^eitfc^rift für ^ulturgefdjic^te
91. g. 111. 6. 99 ff. (aus 9flel)[ue5 mad)la^). ©tfenbad), 25efd)reibung
unb (Befd)i(f)te ber 6tabt unb Unioerfität Xübingen 1822. ^aulus,
Q. U. unb feine ^eimat Xübingen 23erlin 1867. ©rofeoater
Ut)Ionb: D^lorb unb Süb 1900 6. 64. - UI)Ianbs SSrieftafc^e mit
GntiDürfen unb 3ßicl)"it"9ßn im Seh. M. 5JlägeIe 6. 9. 2Iud)
ber erfte Srief Urlaubs, ber ^artmann feltfamermeife entgangen
ift, liegt im Seh. M (Er foü im R. Ber. 18/19 üeröffentlic^t
tüerben. — ^olitif^ie S3er^ältniffe5ßürttemberg5. ^ex^OQ
^orl ©ugen unb feine :^e\t ©jungen 1909, cor ollem I, 394 ff.
SSernritter, 2ßirttembergifc^e ^Briefe Ulm 1786 unb 1799. SBo^I-
mill, SQBeltbürgertum unb JBaterlanbsIiebe ber ©c^maben i)am«
bürg 1875. ßang, 23on unb aus 6d)maben III ©. 57 ff. ^a^I,
Senfmürbigfeiten 3ur ©efc^id)te oon 6c^maben S^lörblingen 1802.
?ßfifter, ^önig griebrid) oon SBürttemberg unb feine ^eit 6tutt«
gart 1888, bef. 6. 20 ff. ©c^neibers SBürttembergifc^e ©ef(^id)te
Stuttg. 1897 ift bei allen ^tftorifc^«poIitijc^en Slbfc^nitten beiau-
gic^n. — 6c^u(njefen: i)er3og ^arl Eugen II, 153 ff. Sta^I»
crfer, SSeiträgc 3ur ©e|d)id)te bes p^eren Sd)uIiDefen5 in Xü*
bingen ^rogr. 1905. Über ^auffmann th\i. 6. 82 ff. 3)taier
a. a. 0. 6. 94 ff. SSrief ber OJlutter on ben i^ertcnreifcnben:
granff. Leitung 1897 8.192. Unioerfität: ©tfcnbad), S^licolai.
^lüpfel, @efd)irf)te unb S5efd)retbung bcr Unioerfität Xübingcn
Xüb. 1849, u)0 aud) am ctngct)enbftcn über bte ßcfirer bcrid)tet
ift. SQSürtt. 3al)rbud) für ©tattfttf unb fianbesfunbe 1877 III:
©tattftif ber Unioerfitöt Xübingen.
2. ^ a p 1 1 c l.
6d)tDäbtfrf)e!Dtd)tung bes 18.3t)rb5.: Traufe I,^ap.5ff.
%\\6)tx, Sie fd)rüäbifd)e ßiteratur S. Iff. Derf.; ^loffisismus unb
9lomantif in ©d)a)aben, ^Beiträge 3. ßit.-(Befd). 6d)a3aben5, Xü-
bingen 1891. ?pioncf, 2)ie ßgrifer bes fdjmäbifc^en Klaffisismus
Stuttgart 1896. Ut)Ianbs 3ugenbpoefie: 5flägelc 0. a. 0.
1893. 2(bbrucf ber ®ebic{)te ber grütjßeit mit fet)r Iel)rreid)en
aSariantcn Ged. IL 3}^a9nc, Ut)Ianbs 3ugenbbid)tung Diff. Berlin
1899. 2(m einficf)tigften bie furaen 35emer(ungen oon i)atfielb
5)errigs 2trd)ir) 1897 6. 138f. unb Journal of Germanic Philo-
logy Bloomintjton 1898,9 6. Iff, ^Daneben je^t meine beiben
Stuffä^e: Sie SSorjeit in ben Oebic^ten bes jungen Urlaub unb Sic
alterümli(f)en ^Jormelemente in UI)Ianb5 25aUaben. Sie 9^oman-
anfäfec ber grül)3eit gebenfe id) in ber geftf<i)rift bes 6d)iIIer-
oereins 1920 l)eraus3ugeben.
(Eons: eieB Xüb. Siff. 1913. Kerners SSilberbud) 6.203.
3JloI)I, fiebenserinnerungen 6tuttgart unb fieip3ig 1902 6. 184.
6d)a)ab, 6d)iüers ßeben Stuttgart 1840 6. 462. ©oett)e: Sen
frud)tbaren i)inu)eis auf bie 2;afd)enbü(i)er 1804 ^at 3uerft 6intenis
gegeben, (BoetI)es (Einfluß auf Ut)Ianb Sorpat 1871, ber freilief) bie
25e3iel)ungen übertreibt. — i^r^unbe: ^auptquelle ift 3Jior)ers
Ul)lanbu)er! unb bie 2-bänbige 2Iu5U)at)l : ^uftinus Kerners Srief-
U)ecf)fel mit feinen greunben 6tuttg. u. ßeip3ig 1897. Sen 2Ius3ug
aus ber Xübinger aJlatritet oerbanfe ic^ ber ©üte ^lägetes.
ajlager: ©oebete VIII, 252f. KrauB H, 62ff. aj?ancf)er 2Iuffd)luB
über bie ^erfönlidjteit bei ßenau (daftle, ßenau unb bie gamilie
fiöa)entt)al fieip3ig 1906). i)einrid)Köftlin fc^eint bis je^t gor
nic^t bead^tet. äd) tenne nur mas gebrudt ift (bas Seh. M. be-
fi^t n!d)t5 oon ^Belang), weiteres märe mir Don großem Snter-
cffe. Sie D^efrologe oon 1859 ergeben nidjts. - SSon ^ärlin
unb ?Ro[er l)übfd)e ^Briefe ous ber nad)tübinger 3ßit im Seh. M.
5^öües Briefe roaren mir leiber nid)t gugängltd). über it)n @oeb.
VIII, 253, ^rauB II, 189ff. Über Oeorg 3äger (md)t ibentifd) mit
Cl)r. 5r. 3äger, bem 9flei|egefäl)rten in bie ©djmeis) 0. Säger,
©rlebtes unb ©rftrebtes anünrfien 1907. R Ber. 1917 18 S. 43 ff.
ferner ©oeb. VIII, 197 213. Traufe H ^o^^?- 1 unb 2. 23on
ber bei ®oebefe genannten ßiteratur ift cor allem gu rül)men:
2). Sr. Strauß, Sflümelin, Xumarfin. Sagu ^ein3mann, 3. %
ol5 romanti|d)er ©idjter Tübingen 1908. 9flid)ert, (Bejd)id)te ber
ßgrit 3. Rs SSerlin 1909. Slusgabe oon ©aismaier in 4 23b.
ßeip3ig ^effe. o. 3. .- Ut)Ianb5 unb ^.s ^oefie Derglid)en Br I,
161. ^olitif: %Qi\)\, Denfmürbigteiten aus meinem fieben
Tübingen 1840. 95ed^, Stus ben Reiten bes Königs Öricörid)
SBürtt. S'leuio^rsblätter Vli (1890). i)artmann, SOBürttemberg
im 3at)re 1800 Stuttgart 1900.
3. ^ a p i t e I.
UI)Ianb5 93erf)ältni5 3ur 9lomonti! ift norf) nid)t be-
friebigenb unterfud)t, am menigften in bem fo betitelten ©jfurfc
bei gränfel i)errig5 %x6)xq 80 6. 87 ff. fieftüre: ©in Xübinger
6ammel{)eft entt)ält (meift unbatierte) Slusaüge unb ßcfefrüd)te
oon ca. 1804 ob. ^u 35eginn au5füt)rlid)e5 ®J3erpt aus liecfs
3Jlinnefingern. 3d) nenne ferner: Xl)euerbanf, nad) ber Slusgabe
Oon 1679; 25ibliott)ef bes Sflomantifc^ SBunberbaren oon SSuIpius;
6d)iIIer, über bas ^^loioe unb Die fentimentalifc^en Siebter (i)oren
1795); ^ercr), S^leliques (Datum: 3on. 1808); ^ans 6ad)5 1. aSanb
(Datum De3. 1807); eicf)l)orn, ©efd)id)te ber ßiteratur 2. 25b.
1805; 6(f)legels bramatifd)e 23orIefungen 1808. — 6 d) ob er:
Ungebrudte 2Sriefe Seh. M. 33^arbad)er 6d)iaerbud) III, 34.
SBürtt. 25iertelial)rsl)efte 1886. IX, 81 ff. Die S tub icn sur
?ß 0 e t i f merbe id) in ber oben genannten geftfd)rift oeröffent«
\ Itd)en unb erläutern. — Der aJl9tI)oIogie-5Bcgriff %x. 6d)legels
crroöd)ft oor aEem aus feinem ©efpräd) über bie ^oefie. 21.
2B. Sd)legels SSorlefungen t)ingegen (3Jlinor III, 111) preifen in
0leid)em 6innc toie Ut)lanb bie „l)eroifd)e 3Jl;)tt)oIogic" bes Mittel»
olters, iDorunter fic bte ^elbenfage t)erfteE)en. (Bebanfen aus
btejcn aSorlefungen fönnen gang gut 3U UI)Ianb gebrungen fetn.
^Giit bod) m^t 1803, ber 2Jetter f)ofer 1805 in 25erlin getüetit.
— 2)em Stuffafee Über bas 9lomanti|d)e fd)reibt SBalgel
in feiner 9lomantif ßeipgig unb 25erlin 1918 I, 29 unb II, 4
ol)ne 58ered)tigung 93ertrautl)eit mit 6d)Ieget5 unb 6d)Ieiermad)er5
3been 3U. 9lid)tiger ift bie ^enn3eid)nung burd) f). 5tfd)er, tio!^
\At 9flomantif t)ier „nod) red)t 3ai)m unb etmas fd)ülert)aft" auf-
trete. 95e3iet)ungen 3U 3ean ^aul I)ot suerft S(f)erer l)erau5-
gefunben, 3- ©rimrn^ S. 84. i)erber über 5)omer unb Offian:
Supt)an5 Stusg. 18, 446 ff. C^arotteriftit bes ORittelalters bafelbft
in ben i)umanität5briefen 6. 54 ff. Slbam SJlüIIer, 23orIefungen
über bie beutfd)e SQSiffenfdiaft unb ßiteratur 1806 6. 15. SBeiteren
95e3iet)ungen benfe id) in ber geftfd)rift na(^3uget)en Secfen-
borff: 2tag. btfd). 25iogr. 33, 519. (Boeb. «VI, 111. 5)od)-
intereffante Briefe öon it)m an Ul)Ianb unb ^öUe im Seh. M.
Den mid)tigen 35rief Dom 25. I. 1807 be3eic^net ^artmann Br.
I, 17 3U Unred)t als fragmentarifrf). Ul)Ianb als Überfe^er bes
^elbenbud)s in einem SSriefc 2)ocens oom September 1806:
95obe, Sie SSearbeitung ber SSorlagen in bes Knaben SBunber»
I)orn 6.47. 3Jlo r g en b la tt: Traufe I, 340ff. SB ei Ber
^hti. 343ff. gute ei)aratteriftit. SBoiblingers 2ßerfe IV, 254.
3}lärd)en ber 6c^et)ere3abe fieip3ig 1809, 5. SSanb 6. VIII i)aupt-
ftelle gegen bie 9flomanti(. ^aug ^rau^ 346 ff. SHc^^r, 93ei-
tröge I, 78 ff. ^übfd)e SSriefe an ajJattI)ifon in beffen lit. 9'lac^-
Ia& II, 233. 2Ius bem 3nl)alt bes a^orgenblattes: 2Im 16. IV. 07
eine ard)aifierenbe 23aIIabe „Ses ^Ritters ^er3", \yiz auf Ut)lanb5
(Taftellan oon Souci) mirten tonnte; mel)rmals über bie „merf-
roürbigen pl)i)fifalifd)en 33erfud)e" [Ritters unb dampettis mit ber
SBünfd)elrute, cf. bas erfte "^(x&^MoM. 3m gan3en flo^ 'ii^ eine
reid)e Quelle ber 23elel)rung. 2)ie unliebensmürbige 9lc3enfion
fd)on oom 13. I. 1807. Ut)Ianb \)qX alle it)m befannten Sc-
fpred)ungen bes 2(lmanad)s in feinem ®f3erptenl)efte gufammen-
geftellt. 6onntagsblatt: 3n übereinftimmung mit ber
fieitung bes Seh. M. oer3id)te id) auf meitere ajlitteilungen, oIs
fie fd)on 1856 % aj^ager im 2Beimarifd)en 3al)rbuc^ V gegeben
I)at ©in 2lbbruct bes (Ban3en ftel)t bcoor. — ©infiebler-
Rettung, 6onettcnftrctt: ^faffs 9leubruct 1883, namentltd)
6. XXXVI ff. 6tetg, 21. d. 2Irntm unb bte tl)m nad)fte^enben I
6tuttg. 1894. Serfelbe, (Eup^oriori III, 426 ff. i)ügti, bie roma-
nifrf)en ©tropI)en in bcr !Dt(f)tung beutfc^er 9lomanttfer ^üric^
1901. 2SerI)äItni5 aur romantlfc{)en ßr)rtf: dar-
über am emfid)tigften aber fft33en{)aft i)aag, ßubroig UI)Ianb 1907
6. 29 ff. Ser mtrfltdjen 2lnf lange finb menige, boc^ liefen fi(^
fenn3eid)nenbere anführen als SJiaijnc 6. 55 ff. tut: „2tnfprud)",
bie 9lü(ffel)r eines ^reu3fal)rers fd)ttbernb, beginnt: „©ingenjiegt
in 2BeI)mutstränen'', mas antlingt an „(Eingemiegt in feiges
Sd)U)ärmen", ben Slnfang bes ©infieblerliebes in S^ooalis' Öfter-
bingen, in bem ^reu3fal)rer ja aud) eine SfloIIe fpielen. Sas
3ierlid)e fiiebc^en „6eliger Xob" fdjein in 9^0DaIi5fd)er 5)Qmnen-
form (i)r)mne an ^At "^^^ii IV) einen Xierffc^en ©infall aus3u-
füt)ren: „0 ^u^, loie mar ©ein 9Jiunb fo brennenb rotl Sa
ftarb id), fanb im ßeben erft ben fd)önften XobI" 2)em 23er-
pltniffe 3U %x. 6d)legels fii)rif märe nod) nacf)3ugel)en, U^lanb
3itiert gern aus il)r. („©s fommen gef(^offen ©eftalten auf
Stoffen" unb „2(polIo, mirft 2)u biefe ©lut nod) linbern" beibes
im TB.) Sas religiöfe ©lement in UI)Ianbs ßgrif bel)anbelt
ol)ne genügenbes ©inget)en auf bie romantifd)en ©inflüffc
M6jasson, Le sentiment religieux dans les poesies d'Uhland
?ßaris 1913. - Werners ßicbesgefd)id)te: 2Jlarie S^liet-
^ammer, 3. ^.s ^ugenbliebe unb mein 25aterl)aus ©tuttgort
1877. 25 ä r : ©aismaier ^eitfc^r. f. öfterr. @r)mnafien 1905, 385.
Ser 2tbbrucf ber längeren Raffung bes 6tüdes (Seh. M.) nebft
Erläuterungen bleibt DorbeI)aIten. — 9flad)tblätter: 2)as
erfte Br. I, 68, bas 3meite bei SJ^ager 1, 119 (oon gränfel gan3
ungenügenb erläutert); ob ^e3iel)ungen 3U ben 9^od)tmad)en bes
25onaüentura beftel)en, roei^ id) nic^t 3U entfd)eiben; aud) bas
23erl)ättnis 3u 3ean ^aul märe 3U erörtern. - Sür S ad) fen -
I)eim oermeife id) ebenfalls auf beüorftel)enben 2lbbruct unb
Erläuterung in ber geftfd)rift. — 23arnl)agen: Senfmürbig-
fciten unb oermif c^te 6t^riften II, 46 ff. 23ifc^er a. a. 0. 104.
— 2lboofatenejamen: 3al)rbüd)er für mürttembergif(^ß
9led)t5pflege VIII, 108ff. 2Iften im Seh. M. ^öftlid) ift Werners
©jamenspoffe im Seh. M.; u. a. ber famofe 9leim: „?piouquet:
497
2Ö0 liegt ba5 foramen magnum? ferner: 3m fersen — s'ift
mir fo bang bumm!" — ©ntftet)ung ünb 23orbereitung bes
^arifer Sfleifeplans fdjilbcrt jefet \el)x au5fü{)rlid) 3Jioeftue R. Ber.
191718 6. 63 ff., lüo nod) tüeitercs über ben ?parifer 2(ufentl)alt
fctbft in 2lusficf)t gefteUt ift.
4. ^ 0 p i t e I.
2)ic Quellen für bie ©c^ilberung bes ^arifer ßebens finb
neben 2 9fleifefül)rern (9leid)arbt, fjür S^leifenbc noc^ ^aris,
SSerlin 1810 unb Le Guide des voyageurs ä Paris, 1810) bic
25eri(J)te folgenber 2)eutfd)en, bie um jene 3ßtt ^aris befucf)t
Ijaben: 23arnf)agen, Senfmürbigfeiten unb oerm. Schriften, SSänbe
2 unb 7, 3ofob ©rimm im 25ricfu)e(f)fet 3U)ifc^en 3. unb Sß. ©rimm
SBeimar 1881. 5)elmine oon Q:i)e^t), ßeben unb ^unft in ^aris
feit 3^apoIeon I. SBeimar 1805 6. Unüergeffenes I. fieipäig 1858.
%x. 6cf)IegeI in ber Europa 1803 6. 24. ©asu 9let)fue5' 6übb.
ajlisäeüen Sßinter 1810 11. — C^amiffo gulba, di). unb
feine ^eit, ßeipaig 1881 S. 91. „(5:t)arafterbilb'' oon ^x^iQ im
6. aSb. ber 2ßer!e. 93riefe bafelbft V, f. ©. 298 u. 327. dl).
rooI)nte Rue de i'oratoire 8, etmas über bem 5)ad) ber gegen-
überliegenben ^ivd)e. 6 i e o e f i n g : 25ilber aus oergangener
3eit II (1887) S. 106 ff. - Immanuel SSeffer: 3al)n
6. 92 ^reu&. 3al)rb. 29, 553 ff. Die geu)öl)nlid)e SarfteUung,
ba^ UI)Ianb ßur ®egengabe 25effer bie Kenntnis ber norbifd)en
6prad)en oermittelt ^abe, ift falfd), benn S. I)atte fd)on oorI)er
3ur aSorbereitung auf ein Seifammenfein mit ÖI)Ienfcf)läger in
eile Sönifd) gelernt. — Spanifd)e ©tubien: Hufeer ben
Ged. 1, 397 u. 418; II, 162 u. 190 mitgeteilten ®ebi(^ten befinbet
fid) im Seh. M., irrtümlid) unter ben (Entmürfen gu SSernarbo
bei ß^orpio, ein großes überfeöungsbrud)ftücf, ©jenen aus bem
1. Sitte oon ßopes Casamiento en la muerte, hie id) gelegentlid)
mitteilen merbe. — aJlärd)enbud): (B. ©c^mibt in ben 25erl.
©iÖung5berid)ten 1897, ©. 935ff. Ged. II, 167ff. ~ Über
bas altfran3öfifd)e CBpos: 2Bolf, Über bie neueften
ßeiftungen ber granaofen für bie 5)erau5gobe il)rer D^ational-
t)elbengebid)te 2Bien 1833. 2)erf. ©berts 3o^rbud) 1862, 209 ff.
Xobler, i)errigs Slrdjio 79, 91. gränfel, U. als ülomanift ebb.
Sd)neiber, UMonb. 32
80, 25. 9lid)ert, Sic 2(nfänge ber romQnifd)en ?ßI)ttolDgte unb
bte beutfd)e 9lomantif, Diff. 35erttn 1913. 23on beutfd)en 23or-
öängern U.5 mären pd)[tcn5 3U nennen: (£id)I)orn, 2(Egemetne
©ef(f)id)te ber Kultur unb fitteratur bes neueren ©uropa I (1796)
bef. 6. 75ff. „Sflitterpoefie". ©ine bürftige „Histoire poetique
de Charlemagne" u)ar in einem 2lnl)ang t)on Sippolbts fieben
Äaifer ^arls bes ©ro^en Xübingen 1810 geboten. W\i SBärme,
aber ot)ne tiefere Kenntnis fprerfien oon ber ^arlsepif nod)
0. b. ^agen unb 33üfd)ing in il)rem Surf) ber ßiebe 1809 (6. V).
- ajlan barf \iQi^ üon Ut)Ianb ©eleiftete aud) nid)t überfd)ä^en,
roic 3. 35. t^ränfel tut, menn er bet)auptet, ber oon Ut)Ianb
3uerft 3erftörte ©laube an bie ®rf)t^eit bes pfeuboturpinfc^en
^lomans \)^ht bei ben 9flomaniften norf) ia^r3el)ntelang bcftanben.
Slurf) Roquefort De l'etat 6. 135 beurteilt \i(x^ OueIIent)erI)äItniö
rirf)tig unb gloubt nirf)t an bie 2(utorfrf)aft bes 35i[d)of5. 23on
ben paar ge^Iern, bie U^Ianb unterlaufen, ift bie oft beanftanbete
3uu)eifung bes Chevalier au lion an SJleifter 2ßace ein offen-
fi(^tlirf) Lapsus memoriae. 6;t)reftien5 5ßerfe maren, u)ie mieber
9loquefort betoeift, längft ooUftänbig befannt. — überfe^ungen:
©in leiber \t\)x fteines Srud)ftü(f aus ben i^aimonsünbern auf
ber Xübing. Unio. SSibl., es ift biefclbe 6teüe, über bie fic^ Ut)Ianb
briefUd) (an SSeffer Br. I, 467) fo fel)r ergoßt. (6. aurf) R. Ber.
1819.) ©ine ^robe oon Ul)Ianb5 fritifd)er geinl)eit beim Über-
leben: (Beb. II, 172 ftet)t bie Übertragung bes anfangs eines
Fablel de Florance et de Blanche Flor. (Barbazan-Meon 4,
355). 2)er 23ergteirf) mit bem Original ergibt, 'ba^ Urlaub eine
falfrf)e Snterpunftion erfannt unb einen Ieid)t irreleitenben Srucf-
fet)Ier oerbeffert \)qX, Sei 3Jleon I)eiBt es oon ben ivQtx SDfläbrfjen:
D'un mantel furent afublees. Qu'en une isl^ furent dous
Fees, Ne firent pas oeuvre vilene. Urlaub interpunftiert richtig
unb tilgt ben get)Ier: W\i gleid)en OJlänteln angetan, (ftatt ^unftl)
Sie Don 3tDei geen fte empfal)n (firent ftatt furent) 6ie finb aus
SSoHe nirf)t gen)oben etc. — Sas 9lolanbsIieb oon ^er^ erfrf)ien
1861, ogt. Br. IV, 310.
5. Kapitel.
Siefer 2lbfrf)nitt ber Siograp^te ift in 9leinö^Is Einleitung
(SBerfe I, XXXIII ff.) befonbers reirf) ht\iQ.&^i. — 2tn ferner über
bie Xraurtgfeit Br. I, 284. — Sluguftanager:^. Wlarjev l,
namentlid) 219 ff. (f^elbbrtefc). 5)en poettfc^en 9'Zad)Ia^ burfte
id) auf ber Stuttgarter ßanbesbibliot^ef einfel)en. ®r ftammt
3. Z. aus Ul)Ianb5 SSefi^. 2)ie Slusbeute ift gering, bas beffere
ift burd) ben SSruber ober im 2llmanad) gebrutft morben. —
©uftao ©d)rr)ab: (Boeb. VIII 246—252, bie bort genannte
?Biograpt)ie oon feinem 6d)miegerfol)n ^lüpfet unb bie 6d)rift:
3ur Erinnerung an 0. 6. 1892. 5)as JBerpItnis bes SSaUaben-
bid)ters 3U Ul)Ianb: Sß. 6d)ul3e, (B. ©. als 25oIIabenbid)ter
Berlin 1914, 6. 9ff. 21 b o 0 fa ten tätig fe it: aJlaier-
^fuUingen a. a. 0. 6. 39ff. — Stuttgart im 3a^re 1812:
25ad)-ßotter, SSilber aus 2ritftuttgart 6t. 1896 6. 61 ff. ajlem-
minger, 6t. unb ßubroigsburg mit it)ren Umgebungen 6t. unb
Tübingen 1817. 3Jlerfmürbigteiten non 6t. unb feinen Um-
gebungen 6t. 1814. — 6 d) 0 1 1 : 2Ken3eI, 5)entu)ürbigfeiten
6. 194. © a n g 1 0 f f : SBintterlin, 2Bürttembergifd)e Mnftler
in ßebensbilbern 6tuttg. 1895 6. 263 ff. 3u fti3 b i enft:
SQSintterlin, @efrf)id)te ber 35el)örbenorganifationen 6t. 1902 I
280 ff. — 3u 6. 171 aus einem SSriefe ber SJlutter oom
5. 3anuar 1814: „Slllerbings fagte id) einft, es foüte alles in
ajlaffe auffteljen unb fid) xoel)ven. Se^roegen ift es gan3 nad)
meinem 2Bunfd) ba^ njürflid) es fo ift, mie id) fc^on oor 10 3ot)ren
meinte. 2Bas aber nun Seine 2Jleinung ujegen bem fianbfturm
ift, gefallt mir in 2InfeI)ung Seiner be^megen nid)t, es tonnte
2)id) Don Seiner u)ürttid)en ßaufbal)n gan3 abfd)neiben unb
roäre möglid) Sid) unter bas 3)lilitär 3U bringen, bos mir nun
in Seinen 3al)ren fc^rödlid) märe, aud) finb ßeute genug ol)ne
Sid) ha, besmingen biefe granfreid) nic^t, fo tuft Su es aud)
nid)t." — gor tun at: Publications of the Modern Language
An. of America XXV, 355 (1910).
6. 51 a p i t e I.
Sic Sarftellungen oon %i\(i)er, flotter, fjr. Xf). 25ifd)er,
2^reitfd)fe, um nur bie u)id)tigften 3U nennen, liefern ^Beiträge
3ur 6:i)arafteriftit ber ©ebidjte. Sßerner, Qv)x\t unb ßgrifer
i)omburg 1890 nimmt feine SSeifpiele mit 2Sorliebe aus Ut)lanb.
%m beften: i)aag, ß. U., Sie (Entmidlung bes ßgrüers unb bie
32*
t£n^c^üci£av£ax;äe^c£öc£Rv^a
500
©enefis bes ©ebtd)ts Stuttgart 1907. Sem Problem ber 2In-
orbnung rairb bie ©tra^burger Siftertatton oon Xreffel (1915)
nid)t gans gercd)t. Strbeitsiücife: au^er i)aag ©. 6d)mibt,
2ln5ctger f. beutfd)C5 Slltertum IV, 224. SJlapnc, 6upt)orton
1901, 6. 526. Sßcrt)ältnts 3ur Statur: SStefe, 3eitfd)r.
f. btfd)en. Unterrtd)t V, 822 ff.; fel)r bürfttg 6d)ulöe, Sie ©nt-
roicflung bes 5JlaturgefüI)l5 i)alle 1907 I, 113 ff. Sie tI)eoretif(i)e
Stuseinanberfe^ung mit Soeben Br. I, 291/93. 3" oüß" fragen
btefer %xi ©. 6d)mibt, Utjlanbs ^oetif Tübingen 1906, ber
freilief) nid)t mit bem ooüftänbigen 3Jiateriat orbeitet. Sos
3JlotiD ber belebten S^luinen in bem 6. 114 sitierten
25rief an ^öUe, bann in ben ©ebid)ten: ßieber ber SSorseit,
6c^IoB im SBalb, Steinerne Sraut, ^ufe, Srei 6d)Iöffer, ajlärd)en.
Sas 3JlottD bes geöffneten ^immels: ©d)äfer5
Sonntagslieb, ^o^e ßiebe, 2tbf(f)ieb, Xraum, 93erIorene ^ird)e,
Äat^arina, SBaüer; ba3U 2. 5flad)tblatt S. 121 unb äl)nlic^ ©eb.
1, 3, 36 unb 150. — Hebbel unb bie ©ebic^te: Xagebud)
(2ßerner) I, 235 unb 357. — 3Jl e t r i f : SBerner, 2In3. f. b.
mtertum 14, 226. 2t. Sc^mibt, 3ur ©ntiDicflung bes rf)9ti).
mifd)en ©efül)ls bei Uf)Ianb Slltenburg 1904. U.s fünffüßigen
3ambus bel)anbeln ßimper 1909 unb ^ung 1913. — ^om-
pofitionen: ^napp Br. II, 179, ^öln. SSotfsgeitung oom
30. VIII. 1906. 23ornI)agen über bie (Epigramme: ^erner-
briefc I, 104. — 95 a 11 a b e : U. felbft im Stiliftifum, i)olIanb
S. 58ff. Seberid), ß. U. als Sid)ter unb Patriot @Dtt)a 1886.
eid)l)oIö, Quellenftubien au U.s 35aIIaben SSerlin 1879. goß,
35erliner ^rogr. 1876. Sünder, U.s 23aüaben unb S^lomanaen
2. 2lufl. ßetpsig 1890. allein Sluffa^: Sie altertümli(^en ^orm-
etemente in U.s Sallaben. SSon einaelner ßiteratur 3U ben
35aIIaben nenne id) nur ^önigsfoI)n: ajlein Sluffa^: Sie
93or3eit in ben ©ebid)ten bes jungen U. Ser gute ^amerab:
3eitfd)r. f. SSöIterpfpc^ologie 11, 28. Sas 5BunberI)ornIieb 25obe
0. 0. 0. S. 579. aji e r I i n : i)oaanb, U.s 25allabe Berlin ber
SBilbe Stuttgart 1876. ajlöl)berin: gifd)er, Sfleue 3af)r-
büd)er 1917, S. 321 ff. (mo nod) anbere @ebid)te einbringenb
erläutert merben). ©lücf oon ebent)an: 3^»*!^^^. f. b.
Untcrrid)t 25, 805 ff. (bas „©lüct" ift in 2ßal)rl)eit nod) f)eute \xxk'
3crtrümmert!). !De5 ©öngcrs fjlud): 9SterteIjaI)r5fcf)r. f.
ßit.-®ef(f). I, 503 ff. R. Ben 1905/06 6. 46. 6d)enf oon
fi t m b u r g : 2Bürtt. 23tertelial)r5t)efte 1906 ©. 411 ff. X r a u m :
R. Bcr. 1917/18 S. 28 ff.
7. ^apitct.
Ut)Ianb5 ponttfcf)c ^Betätigung unb bie fc^u)äbtf(f)en 3uftänbe
3ur S^'it bes SSerfaffungsfampfes finb le^tltd) ©egcnftanb fo ctn-
gel)enber gorfrf)ung getDorben, ba^ in biefcm Kapitel me\)v als
fonft an Vorgänger ansufnüpfen war. Sie ©runblinten ber
bamaligen poIitifd)en ^uf^önbe entirerfen immer nod) am ein-
bringlidjften ©eroinus unb Xreitf(f)fe; bo3U 6d)neiber5 unb
^fifters \d)on angegogene 6c^riften. Über U. befonbers: SSern-
I)arbt, U.s poIitifd)e 35etätigungen unb 2tnfrf)auungen, Siff. ßeipsig
1910. 2(m unterrid)tenbften 9leinöt)I, U. als ^olitifer Xübingc
1911, ber 3um erftenmal bie %üüe ber poIitif(f)en Slftenftücfc,
9lcben, bie parIamentorifd)en SIbftimmungen sugänglid) mad)t;
freilid) noc^ met)r aJZaterialfammlung als Sarfteüung. 9lapp,
3eitfd)r. f. ®^\(i)\(i)te 12, 593 ff. — £)as gute alte med) t:
mümelin, hieben unb Sluffä^e m. g. ©. 442 ff. ßift, Der ^ampf
um bas gute alte diedii Tübingen 1913. -^egel in ber 25c»
fpred)ung ber 23ert)anblungen ber 2Bürtt. ßanbftänbe, i)eibel-
berger 3al)rbüd)er 1817 (6. 1041 ff.). — 2Bangent)etm:
Xreitfdjfe, ^reufe. 3ol)rbüd). 11, 15. — 9fl ü cf e r t : ®. ^figer,
U. unb % Stuttgart unb Tübingen 1837. Dasu biffig ©riü-
por3er SBerfe MII, 105 (6auer): „3Bic äl)nlid) beibe, 3eigt er
moljlgefinnt, Unb gleid)en Beifalls in bie 5)änbe flopft er. 6ic
finb auc^ ät)nlicf), raie 3U)ei Slbler finb; (Bin lebenber, ei, unb ein
ausgeftopfterl" 3Jleld)ior 3Jler)r, 25iograpI)ifd)es, 25 riefe, ®ebid)te
ßeip3ig 1874, namentlid) ©. 52ff. ^önig 2ßilt)elm: ^öftlin,
2BiIt)eIm I. Stuttgart 1839. 2). ^v. ©traufe, m. 6d)riften m. g.
©.270 ff. — ferner über Ul)Ianb an 23arnt)agen: 5^orb unb ©üb
1900, namentlid) ©. 72ff. — ^ammcrr)erl)anblungen: Sllejis,
©d)attenriffe aus ©übbeutfc^lanb Berlin 1834, namentlid) ©.127 ff.
8. Kapitel.
3ugrunbe 3U legen ift nod) immer Heller, U. ols 5)ra-
motifer, ©tuttgart 1877, fo fet)r bas 25ud) ber D^eubearbeitung
bcbürfte. Soau ülümelin, ^rcu^. 3al)rbü(!)er 1878 6. 121 ff.
Dünger, U.s Sramen unb Sramenentmürfe ßeipatg 1892.
S(i)'önbad), @ef. Slufföfee ©ras 1900 6. 15 ff. fiang, Ul)Ianb5
bramattfd)e 2Irbeit5roeifc, Siff. Tübingen 1913. — 3 " ^ e I g o :
2)te „©reifenrüorte" ((Beb. I, 93) ftnb tüoI)l 3U fpät entftanben,
um l)terl)er 3U gcl)ören; cl)cr DtcIIetd)t bcr Sialog „Die OKaljnung",
ber acf)t Xage oor „2)er Sänger on bte Sterbenbe" entftanben
tft. 2(ud) ob ber 25rautgefang (©eb. l, 18) in ben 2IIfer ge-
i)ört, lä^t fid) nt(l)t entfd)eiben. 2)er 5^ame Utl)er beutet auf
S2ßäd)ter. — SSenno: eup^orion VI, 95ff. grancesca:
Sübb. 3Jli53eIIen 1811, S. 415. ^oEanb im 3b. ber 2)ante-
gefeüfd)aft 1, 119. Die Situation bes „^ants" (©eb. II, 278)
Heller S. 98 oben, grancescas ßiebe gu ^aolo äußert fid)
burd) iljre erregtl)eit im Xurnier, roie bie eiifabett)s gu OTarlos
nad) Somingos 35erid)t; bie ©artenfgene fid)er im 2Infd)IuB an
bos SteIIbid)ein Königin (Torlos im 1. 2I!t. 3m Julius oon
Xarent (IV, 4 unb V, 2) mirb, mie Heller 6. 105, auegefproc^en,
ba^ bes fjürften ßeben bis bal)in freunblid) unb t)eiter oerlaufen
fei. 2tud) er beget)t feinen 76. ©eburtstag (t)ier ift es ber 70.)
burd) ein fleines ^J^ft- 2)er Spanier ©laros t)at feinen S^amen
aus einer Slomange, bie in Sedenborffs gmeitem Stimanad)
überfe^t ift. 23ertrautl)eit mit bem fpanifc^en ßuftfpiel, auf bie
mand)e Ssene fd)Ue^en laffen fönnte, mar bamals nod) nid)t
t)orI)anben. Sie Ssene Heller S. 111/14 entftanb laut Xagebud)
am 26.-27. Wdv^ 1811, S. 115/19 am 30. Wai 1812. —
® g t n t) a r b : fe^r bürftig ©aismaier, 3ß^^ct)r. f. oergl. fiit.-
©efd). XIV, 128 ff. 3flid)t einmol bie ^elbenbud)figur Staubenfu^
ift bo erfannt. — Serenabe: Sie 25e3iel)ungen 5U (Tercantes'
„©läfernem ßisentiat" ^at Ut)Ianb felbft Br. I, 124 t)erfd)Ieiert
angebeutet. 3n SJloaarts Son 3uan mu^ (mie S. 260) fieporello
Dor (Blüiros SSalfon geftitulieren, mö^renb 5)on 3uon fingt,
„©ingig eine" ift eine Prägung Xieds. — Sie ^arls reife
^at ajlagnc in feiner Siffertation S. 34 auf gouque surüd-
gefül)rt. Sie Sd)idfale Xi)ov'übe5 im S^ormönnifc^en
25 r a u d) , bie als ^inb burd) bie 9JleeresmeIIen oom (Tltern-
l)aus cntfül)rt mirb, finb benen 25ertt)albes in ber „Unbine"
nacf)gebilbet; ber 3ug in ber 58altabe, bci^ fid) eine ^anb aus
bcn 9BeIIen l)ebt, ftammt ebenbal)ex, aus bem Kapitel oon bcr
2)onaufal)rt. 93on g.s „2IbentI)euren" mag ftiliftifcf) unb in ber
Hnlage am oermanbteften „Olafs Slusfa^rt" anmuten (2)tfd)C5
aJlufcum 1812): 1 mt, fünf ?ßerfonen, fünffüBige Jamben,
6eefal)rermineu. — SBetber oon SBeinsbcrg: 6. ©djmtbt,
aSerl. ©iöung5berid)tc 1902, S. 624 ff. 3ur ^rage ber ®ef(^t(f)t-
Iid)feit ^otfemann, SBürtt. 23iertelial)rs{)efte 1911, 6. 413ff.
i)er3og (£rnft: SBeismann, ß. U.s bramatifdje 2)i(f)tungen
granffurt 1863. Ximm, Stetttner ^rogr. 1906. ^ur 25üi)nen-
gef(^tci)tc: Traufe, 2>eutfd)e 9lunbfd)au 28, 2. 6. 374 ff. ßubrüig
ber 35 aper: ajlorgenblatt 1819, ßit..25I. 37, 147. SÜItercr
(Enttüurf bei ßang. ^reisfonfurrena: 3. ©c^neiber, SSIätter für
bapr. (Br)mnafiarfd)ulit)efen 1897, 6. 254 ff. — 91 i b e I u n g c n :
2)ie 95e3icl)ungen 3U Sd)Iegel nac^ SJloeftue, U.s norbifcf)e ©tubien
©.20. ©peermurf: ©upI). VII, 716ff. CToIIin in ben SBiener
3al)rbüd)ern ber ßit. XX (1822), ©. 141 ff. SBienbarg, Die
Dramatifer ber 3eöt3eit. I. Ul)lanb. 2tItono 1839.
9. Kapitel,
©milie SSifc^er: ßenau bei (Taftle a. a. 0. 211. ferner:
9lorb unb ©üb 1900 ©. 74. »ilbnis Br. II, 113. ©. a. L. 166.
2)ie 23erIobungsgefd)id)te ßuifens unb ben Empfang ©milies im
6ltern{)au5 fd)ilbern I)übfd)e SSriefe im Seh. M. 2(uf bie erften
©tuttgorter 3a^re merfen bie SSriefe 21. 2Beiffers (2Bürtt. SSiertel-
jal)rsl). X, Iff.) mand)es ßid)t. %xau Uf)Ionb: Serbrom, rSvauew
bilber aus ber neueren fiiteraturgefd)id)te ©tuttgart 1895 (nid)ts-
fagenb). ^. Wax)ex (©ol)n) a. a. 0. ©. 64. ßaube, Das erftc
beutfd)e Parlament ©. 76. S). ©rimm a. a. D. ©. 63. aWörife
95riefe (t)g. oon Traufe unb gifc^er) II, 286. 3^re tiefe 9leIigiofität
^leeff, Erinnerungen an ß. U. ©. 22. U. lebte üom ©elbe feiner
fjrau: aJlo^I, ßebenserinnerungen ©.193. — 2BaItt)er oon
ber 23ogeImeibe: 35outermef ^atte ®efd)id)te ber ^oefie I,
107 eine au5füt)rlid)e Darftellung, Docen 2Jlufeum I, 216 eine
fritifd)e Stusgabe geforbert, bie U. ja aud) eine Zeitlang geplant
l)at aJlit ber Datierung oon 5BaItt)ers t)iftorifc^en ®ebicf)ten
mar ^öpfe (35üfd)ing5 SBöct). ^f^adjridjten 1819) oorangegangen,
ber 3. Z. glücflic^er ift oIs Utjlanb. Denn biefer l)at bie Xenben3,
bem ficbcn feines i)elben eine oiel 5U grofee 2tusbcl)nung gegen
bie 3}litte bes 13. 3at)rl). 3U geben, ©r läfet 2BaItI)er „in freunb-
lic^em 93erfel)r ber ^unftgenoffenfd)aft" ftel)en mit bem 1228 ge-
borenen ^einrid) oon 3Jlei^enI 3m 2tnfd)Iu^ an 35obmer unb
IDocen lä^t er SB.s ßefjrer S^leimar nod) ben Xob ßeopolbs VII.
(geft. 12301) bef tagen. Ser (Song ^^ilipps 3um SJlünfter mar
burd) SSenede (cf. 2Bünfd)elrute 1818 6. 247) fd)on rid)tiger
batiert morben oIs U. tut. 2tud) in ber i)eimotfrage lie^ \\d) an
ber i)anb ber SSorgänger meiterfommen : ber lange ^al)ve (bis
3U ^mierginas Slufta^, 3eitfd)r. f. b. 2tltertum 44, 313) für bie
fiofalifierung mafegebenbe 9leim pharren — verworren mar
bereits burd) 3. ©rimm (©r. II, 840) aufgeftöbert morben.
2er (Efleftifer ber 2:ejtbel)anblung geigt feine SBillfür, fonbern
eine feine fünftlerifd)e, ja r^tt)mifd)e 25ered)nung, bie es in mandjem
beffer getroffen f)at als moberne ^Herausgeber (cf ^aulu. 35raune
^Beiträge 43, 72 u. 74 ff.). :^wei oermutungsmeife I)ergefteIItc
ßesarten fonnte er mit ©enugtuung in ßad)manns fritifc^e
Stusgabe ein3iel)en fel)en (ß. 34, 11 u. 2tnn. 6. 180). ©er
SSergleid) 3mifd)en Ut)Ionb unb 2BaItf)er 3uerft bei Pfeiffer. —
ßa^b erg, ^ift. pol. SSIätt. für bas fatI;oIifd)e Deutft^Ianb
1864 S. 425; 1877, S. 257. 3Jlöri!ofer, Xt)urgauer ^Beiträge
25, 38 ff. SSriefmedjfel 6d)üding-!Drofte, l)ersg. 0. XI). 6d)üding
1873. XI)e!Io 6d)neiber, 6d)loB SJleersburg Stuttgart 1913. —
ferner in SBeinsberg: 21. 9'leinl)arb, 3. ^. unb bas
Slernert)aus Tübingen 1862. Xt). ferner. Das ^ernert)aus unb
feine ©äfte Stuttgart 1894. 9lienborf, 9'leifef3enen in Xirol ufm.
©tuttgort 1840. ©eiftermefen : 6ternberg, ©rinnerungsblätter
Berlin 1855 6. 85ff. 9lümelin, hieben unb Sluffä^e III (1894),
6. 302.ff; eübb. anonatsI)efte II, 2, 6. 510ff. — Ut)Ianbs Sluffafe-
entmurf com 13. 3Jlär3 1843 „über bi^ ©eiftermelt" im Seh. M.
2)a3U Br. I, 334; II, 301. Ser entrüdte ^aifer ^riebrid) :
Sehr. VIII, 577. Sd)öll: ©ef. Stuffä^e 3ur flaffifc^en ßiteratur
SSerlin 1888 6. 351.
10. S^apitet.
Xübingen um 1830: 91. 0. mol){ 0. 0. 0. 6. 179ff.
a3ifd)er: Qüht). aJlonatsI)efte I, 2, 6. 739ff. Slltes unb S^leues III
505
(1881) S. 334 f. UntDcrfität: hüpfet, (Jifcnbad). 5Bürtt. 3al)r-
hüö). für ©tatiftif a. a. 0. Öfolbe ^ura- 6übb. aJlonatst)ette II,
2, 6. 327. Xübmgcr JRcooIution: lübtngcr Slötter III, 22.
iJrequcns ber 23orIe|ungen : R. Ber. 1897/98 Stn^ang. S ti-
li ft t f u m : ^ollanb, 3" Ut)Ianb5 ©ebQd)tnis, ßeipäig 1886, (nur
2lu53ug 0U5 bem DoIIftänbig im Seh. M. entt)Qltenen Wanu»
ffript.) »ettel^eim, 25. Sluerbarf) Stuttgart u. Berlin 1907, ©. 62.
geller, Erinnerungen eines 90 jährigen 6tuttgQrt 1908, nament«
lid) 6. 78 ff. ©egentüort 1887 S^r. 17. 2lUg. Leitung 1862
mx. 338/45. ©efd)id)tc ber attbeutfd)en ^oeftc:
3ur ©inteitung ©c^önbrunn, Die Sflomantifer als fiiterar^iftoriter,
2)iff. ©reifsmalb 1911 ©. 92. ^elbenfagc: 3Jlcin Stuffa^: U. unb
bie beutf(^e ^etbenfage, %b\). ber 95erl. 2Ifabemie 1918. — Das
©tl)if(^e: Slnfä^e 3u einer 2ßürbtgung biefer 2Irt, bie aber
Urlaubs 3JleiftergemäIbe nid)t erreid)t, bei ben SSrübern (Brimm
(Die beiben älteften beut|(f)en ©ebirf)te 1812) unb o. b. i)agen
(Die Dflibelungen, il)re SSebeutung für je^t unb für immer 1819.)
ßieb = ©pos-xJrage: ßad)mann, über bie urfprünglid)e ®e-
ftalt ber 9libelungen Slot, jefet m. 6d)riften I, 1. über bie
nebl)aften (Brunblagen ber ml)b. ©pif tommt ju glei(f)en S^leful-
taten mie Urlaub i^eusler in i)oops Sleallejifon ber germanifd)en
Slltertumsfunbc unter ben 6tic^u)orten : Did)tung, 5)elbenfage
unb einjelnen ^elbennamen, mie Ortnit, Dietrich ufm. übrigens
f)aite f(f)on ^. 6. 2)ZülIer im 2. !Bbe. feiner 6agenbibIiotI)ef
(6. XLVl ber beutfd)en Überfe^ung üon 1832) fic^ 3U bem
©runbfafee befannt: „3e bcutlid)er eine 6age bas ©epröge
bid)terifd)en Urfprungs an fid) trögt, befto rDaI)rfd)einlid)er ift
\f)T Sllter. Das poetifd)e ©epräge 3eigt fid) im 3nt)alt mic im
SSortrag. Der 3"t)oIt mu^ bei einer ed)ten 6age oon ber 95e-
fd)affenl)eit fein, ba^ er einen poetifc^en ©toff barbietet." „9Ser-
fal)ren ber inneren ßieberbilbung": aud) t)iev ift auf 21. i)eu6ler
3u oermeifen, namentlid) bie Schrift: ßieb unb ©pos Dortmunb
1905. ©eine ^Formulierungen 3eigen größere 25eftimmtt)eit als
bie UI)Ianb5, ber unter ber Doppelbeutigfeit feines „ßieb"begriffes
leibet, ©inen fe^r oerftänbnisDoUen 2Sorgänger I)atte er in
biefem Setrod)t übrigens an o. b. i)agen (in ber Einleitung 3U
feinem 9libelungenlieb 1820 6. IV.) ©r meint, ba^ es oor,
neben unb narf) bem 5iibelungenltebe SSoIfsIteber über btefc
unb oernjanbte ©cgenftönbe gegeben ^abe. 2111 biefe fiieber
„roaren gerot^ . . . fürs unb für fid) beftel)enb, fo ha^ fte auf ein-
mal 3U Doüenben roaren, fte 3ogen bas ©ange in bte 5)aupt«
I)anblung, (ri)rteml)tlben5 9lod)e, sufammen ober fie griffen
eine bebeutenbe 3Jlaffe ^erau5, bas Übrige oIs be!annt ooraus-
fefecnb". Sas 5^ibelungenlieb in feiner je^igen {Jorm verleugnet
gmar nidjt feinen Urfprung aus alten 23oIfstiebern „aber ber
3ufamment)ang ift fo eng, bo^ mit ben ©bbaliebern unb il)rer
Sufammenfaffenben 9lebattion !ein 23ergleid) möglich ift. ©in
SSerfaffer für bas ©ansc ift unoerfennbar". SJlit biefen oer»
nünftigen 2lnfd)auungen ftimmt UI)Ianb ficf)er ni(^t 3ufäIIig
überein. Xiefer I)at er fid) in biefe Probleme nod) eingetaffen
inberSSorlefung über bas 5^ibelungenlieb, beren
ajlanuffript als ftarfer Quartbanb in ber Xübinger Unioerfitöts-
SSibliotljef aufbemabrt mirb. Das felbftänbige (Erträgnis ift im
Übrigen \e\)v gering, ^uv in biefer SSortefung \)ai \x(i) Ul)Ianb
ber für unfere SSegriffe elementorften 2lufgabe bes ^rofeffors
für 2)eutfd) untersogen, nömlic^ feinen 6d)ülern bas Spflittel^od)-
beutfct)e beiaubringen. — ^öfifd)es ©pos: ßad)mann über
i)artmann unb ©otfrib in ber Slusmal)! aus ben t)od)beutfd)en
2)id)tern 6. IV u. VI; ebenba 3iemlid) in Ut)Ianbs 6inn über
^orcioal. 2tuc^ 2SaI. ©c^mibts (SBiener 3al)rb. b. ßiteratur 1825,
6. 73) fr)mboIifierenbe 2tusbeutung ber ©ralsfage ift ber
Ut)Ianbf(i)en oermanbt. S5üfd)ing (ajlufeum für altb. ^unft unb
ßiteratur I, 514) \)ai aud) bie 2Bege gemiefen. 2Jlit ben oer-
morren mr)ftifd)en Deutungen oon ©örres, fieo unb 9lofenfran3
f)atte Urlaub nid)ts gemein. 3n ber Einleitung 3U JHofenfrans'
ßiteraturgefd)id)te ift feiner lobenb Qeha(i)t (6. XI.) — 15. u.
16. 3al)rt)unbert: 21. 9flid)ter, ajJagasin f. ßiteratur bes
2tuslanbs 1867, 6. 169 ff. ßiterarI)iftorifd)e SBegmeifer für Ul)Ianb
maren oor allem SSoutermefs ©efd)id)te ber ^oefie unb 33ereb-
famfeit IX (1812) unb ^oberfteins ©runbrife 3ur ®e\ä)\d)ie ber
beutfd)en ^lationalliteratur ßeip3ig 1827. i) a 11 i n g : SDBenbeler,
gifd)artftubien bes %xe\\)exxn v. 3Jleufebad) ^alle 1879. ©er«
mania XII, 115. ajleufebad)s Ülesenfion: 2(IIg. ßit. QeitunQ
ajlärj 1829, 6. 56. Sa3U bemerfte aJleufebat^ 1839 in einem
507
35 rief an i)aupt (5BenbcIer S. 6): „Qn ber 9le3enfion crn)äf)ntc
td) aud) bie 93orrebe U{)lQnb5 fet)r el)ren{)aft unb Ite^ einen
mertnd)en Iiterarifcf)en Qrrtum barin, fo breit xd) mid) mit beffen
35erid)tigung t)ätte ma(f)en tonnen, gans unberüt)rt." 3d) mu^
geftet)en, bafe mir biefer Irrtum nid)t aufgeftp^en ift, unb aud)
3ot)annes Solte \)at, wie er mir freunblid)ft mitteilt, feinen
©djarffinn frud)tto5 ongeftrengt. 2tlfo \el)x „merflid)" ift ber
Irrtum nid)tl — ©agengefd)id)te: SJloeftue, Ul)Ianb3
norbifd)e Stubien Tübingen 1902. 5)erf. U/s SSorlefung über
norbifd)e 6age, ©tubien gur oergIeid)enben ßit.-(Befd). IX, 223 ff.
!Diefe DerftänbnisooUe SBürbigung erfpart mir bas ®ingel)en
auf ®in3el^eiten. über Utjlanbs u)iffenfd)aftlid)e i)er3og»®rnft-
^läne ^anble id) im R. Ber. 1918/19. über ben mx)ti)U5
t)onXI)or f. meinen fo betitelten Sluffa^, ber in ^errigs
2Ird)io erfd)einen foll. i)ier töiü id) nur ern)ä{)nen, ba^ Ut)Ionb
eine ergängenbe 2(bt)anblung über ben 2^^orfuIt bei ben (ontinen-
talen ©ermanen entmorfcn l)ai unt. b. Xitel: X^unar, ein Seitrag
3ur beutfd)en a3Zt)tt)oIogic (Seh. M., 3ett unbefannt.) ©s foüte
ta bie SSrüde oon ben mr)tt)oIogifd)en 2tbt)anblungeri 3ur i)elben-
fagc gefd)Iagen merben, benn gegipfelt l)'dtte ber Sluffa^ fid)er
in bem 9^ad)u)ei0, ba^ Sietrid) Don SSern Xl)ux\ax5 ©rbe an-
getreten I)abe.
11. Kapitel.
Die ®ebid)te ber 6pät3eit fommen aud) bei 5)aog nic^t ooll
3U il)rem died)t 91. SJl. SBerner I)at (ßr)rif unb ßgrifer 6. 258)
Ul)Ianb überl)aupt als „fr)mboIifd)en Dichter" gefaxt, mu^ aber
ben SSegriff 3U biefem 95et)ufe ungebüt)rlic^ ujeit bet)nen. —
3ot)Ireic^e Sanierungen über UI)(anb5 !Did)tung, fpe3ietl ber
6pät3eit, oon ©c^mab, ö:i)amiffo u. a. bei ^osmann, !Der beutfc^e
3JlufenaImonad) 1833—1839, ^aag 1909. — ^ e i n e unb Ut)tanb:
3ur fiinbe, fjreiburger Siff. 1899, 6. 27 ff. IHuge, STus früt)er
3ett II 1862, 6. 107 ff. flotter über bie U^Ionbrenaiffance:
2)ie fd)n)äbifc^e 2)id)terfd)ule 1842, 6. 63. 2B. aJlüHer: i)afe,
SSerl. ©iff. 1908 im 2tnl)ang. eid)enborff, S^labler, (E.'s
Qx)x\t ^rag 1908, 6. 200. ©ufeforn, ülüdblide (©enfel) IX,
127, aud) VIII, 107. ® o e 1 1) e : an gelter, 2B. 2t. IV. STbt. 49,
102. ©riltparger 2Bcrfc -^ (6aucr) XIX, 154; XX, 146
unb 209. ßaube, ©cfc^. b. beutfd). ßiteratur III, S. 247. eirf)en-
borff, Über bic ett)i|(^e unb religtöfe 35ebeutung ber neueren
romanti|d)en ^oefie ßetpgig 1847, 6. 198 ff. i)ebbel unb
Ul)Ionb: SBerner, 5)ebbel *, Berlin 1913, S. 45. gtfc^er, Set-
träge I, 227 ff. granfl, 3ur 25iograpl)ie Hebbels 2Bien 1884
6. 32ff. Ul)Ianb über neuefte fiiteratur: Br. II, 194; 3U ßenau
Caftle S. 40. - aJl ö r i t e : aJla^nc e. 2«. * Stuttgart 1913
6. 40 f. unb 391. 25riefe (gifd)er unb Traufe) I, 187; II, 71. —
21. ®rün: ?ßoIittfd)e hieben unb 6cf)rtften I)erg. oon i)0(f
SQßien 1906 ©inl. 2)eutfd)e 9flunbfd)au 1896, S. 332. 25. Pfeiffer,
Ut)Ianb im SJ^unbe ber Sid)ter Stuttgart 1889. — ßieberbuc^
breier fjreunbe: Storms „aJlärc^en" S. 26 ift eine Kombination
Don U.'s „3Jlörd)en" unb „(Elfen". Sie giebellieber 6. 47 ff.
Hingen fet)r merfbar an bie SBanberlieber an, SSettlerliebe S. 127
ift gong UI)Ianbifd). K e II r r : (^»-matinger I S. 132 unb ö.
Sas XI)emo: Ul)Ianb unb bie ßr)rif ber 30 er unb 40 er '^o^)x^
fann l)ier natürlid) nid)t annäl)ernb erfc^öpft toerben. — UI)Ianb
in Kiel: 6d)erf 2tIIg. Rettung 1862, 6. 5526 ff. 5n SBien:
fienau 61. «Pfeiffer ß. U. 2Bien 1862, S. 21. 2tuf ber mttxz*
bürg: 6d)ü(fing, ßebenserinnerungen I, 177. 93 olfs Heb:
Die Don 91. 3Jl. SBerner fd)on 1888 geforberte aJlonograpt)ie
über Uljlanbs SSertjättnis 5um SSoIfsIieb ift nod) immer un-
gefctirieben. i)affenftein, ß. U., feine Sarftellung ber 23oIfs-
bid)tung ßeipsig 1887 mar ein mel)r als befd)eibener Slnfa^.
Über bie SSolfslieberarbeit unterrid)tet am beften f). tJifc^ers
(Einleitung gu ben SSoIfsIiebern in ©ottas 35ibIiotI)ef ber 9Bett-
literatur. Ungebructte Dcrmifd)te S^lotisen über bas SSolfsIieb,
bie mand)en fe{)r aufflärenben (Bctanfen entl)atten, befinben
fid) im Seh. M. unb finb im Xejt benu^t. ©ine Iot)nenbe Stuf-
gabe märe es, ber tejtfritifc^en 2lrbeit Ul)Ianbs nad)3ugef)en
(ogt. aud) SSIümmls S'leubrucf ß. U.'s Sammelbanb flie=
genber 25Iätter 1911 ; berf. 3eitfd)r. f. Sü(f)erfrcunbe I, 209). 2ßir
^aben im @ermanifd)en Seminar ber Unioerfität SSerlin im 2B.
6. 1918 19 UI)Ianbs Xejt 3ur ©runblage oon 2SoIfsIiebübungen
gemad)t unb babei fein 23erfol)ren fennensulernen t)erfud)t.
®s ift ftets mot)lüberIegt, aber nid)t im beften Sinne tritifrf).
©otbent junge ßcsarten unb 6trop{)cn läfet er öfter paffieren,
aus feinem anbeten (Brunb, als meil fie tf)m äftt)etifd) bel)agen.
60 in Sflr. 90 bie fet)r fd)Ied)t geftü^te unb ben 3ufoniment)ang
gerrei^enbe 6tr. 4, bie il)m it)rer Prägung nad) ooüstümlid)
fd)ien. Sas 23erftänbnis bes ßiebes 101 \)oi er fid) unb anbcren
burd) fal|d)e Qnterpunftion oerbaut, inbem er bie 6tr. 4 nod)
3ur bireften Stiebe 30g; biefe smei SSeifpiele für fel)r oiele. 2tn
5lritif Don angeblid) üolfsmä^igen ßiebern löfet er es oft fcl)r
fet)Ien, nimmt 3. 25. ^Brentanos 23erfion bes ©übeliliebes erftaun-
ttd) ernft. — gür bie I)iftorifd) rid)tige 2(uffaffung bes 23oI!5-
liebes oerrüeife id) auf 3. ajleier, ^unftlieb unb SSoltsIieb in
2)eutfd)lanb ^aüe 1906.
12. ^ a p i t e l.
95ernl)arbt unb 5Heinöl)I finb, mie fd)on für ben Sd)lu^ bes
10. Kapitels ftänbig bei3U3iel)en. Urlaubs „blül)enber 5)afe gegen
bie Surften" Senau 228. Ut)Ianb als ?ßt)ilf)ellene: 3ürid)er
^leuja^rsblätter 1904, 6. 6. Urlaub unb bie beutfd)e Leitung:
2)tfd)e. ^fleoue 34, 2, S. 215. (Bermaniftenoerfamm-
t u n g : 93erl)anblungen ber (Bermaniften 3U granffurt a. W. 1846
(Ut)Ianbs Sad)oortrag über bie 2ßolfbietrid)gebid)te fel)tt im
qjrototoa, f. 3. ®rimm, ^I. Sd)riften vil, 580.) ?Re9fd)er,
Erinnerungen aus alter unb neuer '^t\i greiburg 1884, 6. 98 ff.
aSefeler, Erlebtes unb Erftrebtes, SSerl. 1884, 6. 55. — U l) 1 0 n b
unb bas Elfa^: 2BenbIing, 3al)rbud) für @efd)id)te, Spradje
unb fiiteratur (EIfaB'fiott)ringens 1913, 6. 91 ff. Etf. 2Ronat5-
fd)rift III, 501 ff. — Sic beutfd)e9fleDoIution: ©gbel,
Sie 25egrünbung bes beutjc^en 9leic^es burd) 2BiI^eIm I., 1. 25b.
S. 127 ff. Zimmermann, Die beutfdje SfleDoIution ^arlsrul)e 1848.
^lüpfet, ©efd)id)te ber beutfd)en (Eint)eitsbeftrebungen 1. 25b.
25erlin 1872. 25ranbenburg, Sie beutf(^e 9leDolution 1848
ßeip3ig 1912. — Xübingen in ber ^leüolution: Xüb. 25Iätter VII,
13 ff. 2(uffaö ous ben OKärstagen: Entwurf auf 3 Quartfeiten
(15. III. 48) in ber UniD.-25ibl. Xübingen, oon mir mitgeteilt
in ber 3eitf(^rift: Sie Strbeit. Sd)U)äbifd)e 2lbgeorbnete: Sar-
fteüungen aus ber 2Bürttembergifd)en (Befd)id)te IX 1912. —
Ut)lonb ingrantfurt: 6d)tü. aJlerfur 1887, 25eil. 24. StpriL
aWg. Seitung 95eil. 201. ßaube, !Da5 erfte beutfd)e Parlament
III ßetp3ig 1849, 6. 75ff. Sofept) 9lant, Stus meinen 5Banbe-
rungen SBetmar unb fieipälg 1864 S. 4- 18. ?ßaur (UI)Ianb5
9lad)bar in ber ?ßaul5tird)e) 3"r ßiteratur- unb ^ulturgefd)id)lc
ßeip3ig 1876, 6. 68 ff. — D^ationaloerfornmlung:
9laumer, SSriefe aus grantfurt unb ^aris ßeipsig 1849. SSieber-
mann, (Erinnerungen aus ber ^aulsfird)e ßeipjig 1849. ^at)m,
2)ie beutfdje ^lationaloerfammlung ^Berlin 1849. 2ßid)mann,
2)enfu)ürbigfeiten aus ber ^oul5fird)e i)anau 1888. 2trnbt,
2). 9lunbfd)ou 82 (1894) 6. 118 ff. ajlollet, Sfleben unb gflebner
bes erften beutfd)en Parlaments Oftermief 1895. — 5)a^ters
25 rief an Sflotter über Ui)Ianb5 23er^alten im Parlament: 2lüg.
Leitung 1892 Seit. ?lr. 196, ©. 6,7. Sie l)ier gegebene (Sr-
flärung, ba^ Urlaubs Slbftimmung in ber Slaiferfrage unb ber
republifanifdje (Brunbgebanfe feiner OberI)auptsrebe ein „Sefpe-
rationsgebanfe" gemefen fei, ift als müßiges ©erebe ab3ulet)nen.
0berl)aupt5rebe: Sc^neiber R. Ber. 1898 99. 2InI). 3.
2B. ©rimm über Ul)tanb: grantfurter 9'leupt)iIoIogifd)e SSeiträgc
1887, S.69. Sflumpfparlament: ^reufe. 3a^rbüc^er XXXII,
308 ff. Dlotter im ©up^orion 3. ©rg.-^eft S. 168 ff. aJlenael,
Senfmürbigfeiten SSielefelb unb fieipsig 1877 S. 417 ff. berid)tet
über bie 2luflöfung: „SJleine %xo.\x unb Xot^ter ftf)auten, mit bem
6tricfftrumpf in ber i)anb burd) bas ©itter bes ©artens 3U. ®s
mar nid)t bie minbefte ©efal)r bobei unb ujurbe ni{i)t ein Iropfen
25Iut Derg offen."
13. Kapitel.
6d)mäbif(f)e6agenfunbe: 3JiünbIirf)e Sluseinanber«
fe^ung bes ?ßlanes L. 413. SSoraeitige ©erücf)te über feine
6agenfammelpläne: fjranff. 9fleupt)iIoIog. 25eitr. 1887 unb 2ßoIf,
2itf(f)e. a)lgtI)oIogie I (1852). — 2)en ©efamtplan bes Sßerfes
fennen mir aus einem 6d)ema, bas Sehr. VIII, ©. IV mit-
geteilt ift. 2)a es bort unerläutert bleibt, mirb es l)ier, fomeit
möglich, kommentiert, moburd) 3uglei(^ ber 6. 439 bel)auptetc
3ufammen{)ang 3mifd)en bem Stnfangsteil „6ueDifd)«aIamannifd)c
93or3cit" unb ben ein3etouffä^en bemiefen mirb. 93on „I ©ueoen
unb Sllemannen" — „©olicinium" entfpridjt bie ertjaltene 2Ius-
füt)rung roefentlid) bem Schema.
IV. O ö 1 1 c r ß) c f e n bcr ©ueocn-SIIamannen :
1. Sflatur- unb 6cf)ict[al5götter a) ®rbe unb ©rbgeift (b folgt
nid)t). Sie 2Iu5tüI)rung brid)t I)ter ab. SOlobernes ©egenftürf:
^ßfalagrafen t)on Tübingen ehr. VIII, 319. 2. SQßotan unb '^\\x\
2tts erfaö fann bUncn VIII, 570 u. 590, baau 6. 562. 3. aJl9tt)ijd)e
i)elbcn: 1. 2BieIanb, ber u)ol)l auf ®runb bes (Sebic^ts oon
tJricbrid) oon 6d)tDaben als fd)U)äbifd)er ^elb ermiefen merben
foUte, Sehr. I, 481 ff.; 3ring VIII, 223ff. ectl)art foütc betreib
eines eigenen Sluffa^es roerben, Br. IV, 175.
2. 95b.: V. @efd)id)tnd)e gelben. 1. ©erolb (21nfelm)
(iJranfen) f. ©agenbeitrag 3U ©c^mibts (Befd)id)tc ber ^falj-
grafen oon Xübingen, Sehr. VIII, 564 unb Br. IV, 55. — 2. 2BeIf.
©emeint ift u)oI)I Ut)(anbs 2)rament)elb oon 1819, ben er aus
©rufius fannte (ßang a. a. 0. 6. 50). 3. ©ruft — natürlich
©ruft ^er3og oon (5cf)n)aben. 23gl. \itxi Stltersauffa^ über bic
SBeifen VIII, 570ff. 4. SBifI)er unb 5)unter, in ben 6d)riften
nid)t enoäl)nt; erfterer erfd)eint als ^elb ber „6(f)n)äbijd)en
^unbe". 5. griebrid), nid)t griebrid) oon ©(f)U)aben, ber i)elb
bes ©ebic^tes, unb nid)t %x\z\ix\&i oon 3oüern (tro^ VIII,
447), fonbern iüot)I ^aifer gdebrid), VIII, 577 ff. unb I, 493,
u)o;^bie Sagen geftreift finb, bie fid) an feinen SiZamen fnüpfen.
6. Slubolf — oon ^absburg, n^ie ein beigelegter fettet oerrät,
ogl. I, 505.
VI. ^eilige. Sie fc^n)äbifd)e ©t)riftianifierung ftreift
UI)Ianb Vlll, 563. 1. 6t. 3nid)ael, VIII, 276, aud) Br. IV, 264.
2. 6t. ©eorg, fpielt in bie 6age oon 95obman I)erein, VIII,
417 ff. 6t. 3Jleinrab: VIII, 288. 93on ben 3U)ei anberen 5)eingen
ift fonft bei Urlaub nid)t bie 9lebe. — ©locfen: VIII, 388 unb
586 ff.; ein Heiner »Sluffa^ oon 1845, 5Better- unb S^ebelläuten
VIII, 436.
VII. ©efd)Ie(^tsfogen, auf einem Oftaoblatt er-
läutert^ Sie 58e3iei)ungen 3n)ifd)en altfuebifd)er unb neufdjmä-
bifd)er 6age finb befonbers beutlid) in folgenben Kategorien: Un-
geborene: Suevi non nati sed seminati; ba3U bie 6age oom
ungeborenen Surf ort viii, 398. — 6tumm- unb 25linb-
geborene: i)elgi (VIII, 123ff.) unb Uffo (159ff.). — 2Bieber-
geborenc: ^elgi unb feine aSraut VIII, 152 u. ö.; Katfer ^Jriebric^
VIII, 578, ble norbtfd)e ^Ragnarsfagc (VIII, 455) unb bte Xoten
oon ßuftnau. 23lcIIeid)t ift bie ^littersfrau aus biejer ßofalfage
aud) unter bcr „2B{eberfeI)renben" oerftanben, bod) fann man
\i^ aud) an ^etmfc^rjagen benfen, f. ben SSobmanauffa^ VIII,
425 ff. u. 449; möglicher 3ufatnmenl)ang mit Oir)ffeu5 (cf. bie be-
fanntc lacttusftelle, an bie UI)Ionb ameifellos badjte) VIII, 399. —
Sd)uögeifter: 5)elgi unb Soaüa, f. o, 2)ann ber „S^ebel" im
93obmanauffaö (VIII, 420 ff.) Unter @eifterDerfeI)r auc^ OJleifter
©pp (VIII, 313), ^eüequin (VIII, 172, 317 u. Ö), 9ltd)arb üon
ber Slormanbie (VIII, 180.) — ©efpenftige 3äger, 6d)löffer:
i)ierl)er alfo geprte bie Xrabition com 2Buote5l)eer, (©rfa^ ber
geplanten 2JlonograpI)ie VII, 604 ff.), oon ber SQleisnie 5)eIIequin
f. u. Sie ^falggrafen oon Tübingen (VIII, 312 ff) geben (Sr-
gän3ungen ous bem 23oIfsgtauben bis in bie jüngfte 3eit. ©ine
S(f)lo^fage im Sobmanauffo^ VIII, 419 ff. — ^öllenfat)rt:
mieberum i)elgi, 3U bem fid) ^io. mol)! als mobernes Stnalogon
ein alter ©ebid)t^elb t)on 1811 gefeilt t)ätte, ber Runter Uled)-
berger. 5)ie folgenben 5lubrifen finb untlar, unb id) mei^ fic
aus UI)Ianb5 fonftigen Sdjriften nic^t gu belegen. 2ßas bie
XeUfage I)ier follte, ift bunfel, bod) f. bie 6fi33e VIII, 604ff.
Über fianbsfned)t- unb 6d)n)abenftreid)e je^t %. Heller, 2)ic
6d)rr)aben in ber @efd)id)te bes 23oI!sI)umors greiburg 1907
6. 48 ff. — 2)urd) biefen fnappen Kommentar finb I)offentIid)
UI)Ianbs abgebrcid)ene SInbeutungen unb bamit bie (Brunblinien
bes großen SBerfes etmas flarer gemorben. 3" ^ellequin f.
nod) 9'lüI)Iemonn, @tr)moIogie bes SBortes i)arlef in, 2)iff . i)aEe 1902,
3U ben Xoten üon ßuftnau: ßiebredjt, '^\xx SSoItsfunbe 1879,
©. 54 ff unb ©üntter, Sßürtt. 2SierteIja{)rsl)efte 25, 94 ff.
i)clbcnfage: 2)er ^lan t)on 1854 ift abgebrudt unb
erläutert in meinem Stuffafee f. o. 33'lgtf)us oon Obin:
©oItt)er, !Dt[d)e. aJlgtt)oIogie S. 15. OJlein STuffafe über ben
aRr)tI)us üon XI)or. 2)en 5Brief, ber über bie gortfe^ungsplänc
berid)tet, I)at i)artmann 95r. IV, 167 gegen L 451 mit einem
Döltig finnentfteEenben 5)rudfet)ter miebergegeben („niemals"
ftatt „öormals".)
U^anb als ©elel)rter: 3wfommenfaffenbe 2Bürbt-
gung oon ^Sernags, 9m neuen 9leid) 1872, 6. 81 ff. 3orban,
513
Tii\ä)e. mexiei\al)t5\)e\te 1863, S. 172 ff. 25cd)ftein, ^u U/s
®ebGd)tn\5 moftoct 1887. «ßfeiffcr a. a. 0.
3ur IHidjttgftellung bcr 2:t)corie über bcn öotifd)-fd)rüäbifc^cn
5öo!aIi5mu5 f. ^auffmann, 6d)tüäbifd)e ©rammattt S. 170 f.
etpmologte oon Tübingen: VIII, 595, Br. III, 356. 3u-
[ammcnfaffcnbe GI)arQftcrifttf ber Stitcrsarbett burd) U. fclbft
Br. IV, 261.
14. Kapitel.
Ut)lanb im Sllter: diant a. a. O. S. 20ff. 3äger,
erlebtes unb (Erftrebtes ajlündjen 1907, 6. 8 ff. i)artmann,
j8. U. ein SSolfsbud) Stuttgart 1912 6. 23 ff. 23or allem aber
meeff, 3ur (Erinnerung an fi. U. Stuttgart 1903. SSauer,
^lationalaeitung 1887 9lr. 239. Slud) 23ifd)er berid)tet über biefe
ßebensperiobe fel)r eingef)enb, namentlid) 6. 109. — Utjlanbs
^ i b n 0 1 1) cf ift größtenteils in ^efi^ ber Xübinger Uni-
Derfität5-35ibliotl)e( übergegangen, f. 18. :^nxoad)5vex^eiä)ni5
1870/71 ©. 23—57. Xübinger ßeben um 1860: ^ernerbriefe II,
525. Ut)lanb unb Pfeiffer: R. Ber. 1915/16. über bie Slbenb»
ge|ellfd)aften bei ^eUer beffen SSrief an 3. ©rimm, Slnj. f.
beutfd)e5 Slltertum XIV, 97 ff. Safelbft über Ul)lanb5 Xob. —
5)ie Orbensge[d)ic^te am au5fül)rlid)ften Br. IV, 73 f. 2ln Stuer-
baä) über Qacobr): S. 2luerbad}3 ^Briefe an 3acob Sluerbad)
^Berlin 1884, II, 304. 6cf)illerfeier in Stuttgart: ^ernerbriefe II,
516. — 5)er ^ausfalenber grau Ul)lanb5 im Seh. M. 23gl.
i^ren SSrief an 2Jlarie ferner mäx^ 1910, 6. 52 jt ^\)xe Korre-
fponbena megen ber i)erausgabc ber 6cl)riften (im Seh. M.)
3eigt gejc^äftstlugen Sinn unb rid)tige 6infd)äöung ber ^ad)'
lafeoeriDalter. über bie Xrauerfeier berid)ten am beften bie
SfloDembernummern ber 2lllg. Rettung 1862; in Berlin: 93o[f.
Leitung 1863 gir. 26.
6i^nci5er, tt^nö. 33
9legifter
a) :petfonettnamen
(!Dlc^terifd)c (Beftaltcn finb nid)t aufgenommen)
Hbel 20, 27.
Hbelbertus (SIbotbero) 266.
iafd)9lu5 172.
Sllbrec^t 418.
me^xs 246, 356.
2tmmermüIIer 278.
Strtoft 176 ff.
2Imbt, (B. m., 408, 412, 417,
419.
SIrnim 76, 91, 201, 271, 387.
Stffing (Slffur) 159.
Huerbad) 319.
2tutcnrtetf) (^rof. ber 3DZebi3m)
107.
— (banaler) 313, 315.
a^rer 339.
B.
Babo 272, 277.
SSaffermann 407, 416, 418.
Zauber 166.
Secferatf) 418.
Keffer, Immanuel 131 ff., 138,
147, 149, 161, 176.
556ranger 128.
33emrttter 19.
55efeler 414.
33tebcrmann 424,
SStum 407, 417.
SSoccacdo 111, 250.
5Bot)nenberger 27.
25öl)m(e), ^ofob 85.
»otffer6e 286.
SSoüep 229, 231.
SSoutermef 66, 210, 339.
33raun 152, 158.
SSrebe, Sluguftc 271.
»rentano 76, 91 f., 112, 177,
387.
Breslau 107.
35ürger 32f., 42, 200, 205, 387.
a.
Colberon 133.
Gomoens 176.
Gampetti 104.
Ceroantes 111, 172, 259.
G:i)omiffo 108 f., 121, 126 ff.,
155, 195, 362, 375, 377, 379.
(ll)e^X) 130, 155.
G^riftmc (ajlagb 6. ^ofers) 15,
G:i)rtftop{), i)er3og 342.
©imarofa 124.
eoüin 281.
eon3 32 f., 43 ff., 91, 107, 112,
152, 260, 277, 311, 317.
(Eorreggto 121.
515
Cotta 13, 48, 86, 88, 112, 179, 231.
e:ramer 39, 255.
(Treuacr 286, 369.
^rufius 212.
2)af)Imann 408, 414, 416, 418.
Dannccfcr 167.
2)ante 78, 173, 256, 258.
SoDib 121 f.
2)ic3 210.
Singelftebt 381.
!Docen 336.
Sroftc-^ütstjoff, 2tnncttc o. 207,
373, 385 f., 393.
2)rürf, diidele (%vau Watfer)
287, 477.
Suc^esne 20.
Öuocrnop 410.
Sürer 121.
J)uttenI)ofer, ßiitfe 290.
(E.
eidjenborff 94, 158, 375, 377,
386.
mef)axb 41.
©mma (?) 130.
(Srnft, i)er3og oon Sc^toabcn
264, 266.
(£r{)arb 273.
efc^cnmager 308, 314 f.
e&Iair 266, 271.
(Bx)t\) 319.
gottati 319, 409.
gcucricin 282.
gifc^art 338, 340 ff., 463.
gtf(f)er, 3. ®. 53, 378.
glecf 27.
gleif(f)l)aucr 100.
glefcl, ßienf)arb 342.
^loriban (Sicgmunb oon 95tr-
fcn) 152.
gouqu6 46, 108, 145, 156 ff.,
175 ff., 190, 253, 261 f., 273,
340, 374.
Srascati 124, 148.
Sreiligratf) 222, 381.
Sregtag, (Buftao 133.
tJriebrtrf) I., S)ex^0Q (^urfürft,
^öntg) oon SBürttcmbcrg 6,
21, 61 ff., 161 ff., 168, 170 f.,
217 ff., 224, 228 ff, 236 f.,
239, 247.
fjricbrid) ber ©rofee 21, 62.
tSnebxid) ©ugen, ^cr3og 19.
grtebrid) 2BiI{)eIm IV. 425, 429,
479.
fjrifd) 420.
©agcrn 414, 418, 420.
(Bau 130.
©angloff 167, 198.
©eorgit 63.
^croinus 407 f., 416, 418, 422.
©leim 33.
©luct 124.
©meUn, G^riftian, q3rof. 313.
— (Ebuarb 125, 476.
— gerbinanb, ?ßrof. 313.
— ^evmann 29, 51, 84, 166 f.
— SopI)ie (fjrau 6cf)iDab) 287,
294, 359.
33*
516
©mclin, SB«t)cImtne 98 f., 287.
(BoetFje 13, 39, 48 f., 67 f., 74,
77, 82, 84, 86, 99, 101, 109,
127, 129, 187, 195, 205, 207,
214, 363, 368, 375 f, 488.
(Börres 75, 92, 286, 461.
©otfrib üon ©tra^burg 335 f.
(Böö in. oon Xübingen 436.
©rtüparacr 205, 377 f., 383.
(Brimm, 3a!ob 92, 118, 121,
124, 134, 278, 327, 341 f.,
387, 395, 408, 414, 418, 422,
437, 442, 454, 457, 459, 469,
479.
— 5)ermann 292.
— 3BiIf)eIm 91, 278, 324, 408,
424, 459 f., 479.
@rün, STnoftafius 381.
©rünemalb, ^örg 464.
©u^fon) 205, 281, 376.
i)agcborn 65, 87, 90.
0. b. i)agen 205.
^at)n 400.
^aüer 33.
i)amng 309, 340 f.
i)alm 383.
^örlln 55.
S)Qxppxed)t (Stuttgarter 23er-
monbte) 18, 25, 166.
— griebrtcf) o. 29, 38, 64, 162,
170.
i)Qrfd)er 108.
^ortmann t)on 2tuc 334.
5)afe 134.
^aBler 420.
^auff 21.
^aug 33, 87 f., 157, 166, 198,
♦ 235.
i)aupt 442.
i)cbbel 195 f., 279, 281, 377,
482.
i)ebe( 114, 191.
5)c(fer 417.
^egel 27, 218, 229, 336.
^el)l 148.
i)eme 210, 281, 364, 372 ff.,
377 f., 386, 476.
^etfterbergt 420.
i)erber 41, 68, 73 f., 79, 82, 95,
202, 212, 349, 352.
5)era)egt) 381.
,i)er5, Henriette 133.
^erö, 2BilI)eIm 136, 145.
S)ex)\e, ?PauI 178.
^offmann, e. X\). 2t. 112.
^offmonn oon fjoöersleben
381.
i)ölbertm 31 ff., 81, 112, 455.
^öltr) 34, 36.
^oUanb 460, 478.
^omer 29, 73, 250.
i)oro3 23, 484.
^ofer, G:{)riftian, ?ßfarrer in
6d)mtben 2, 67, 166.
— 3afob Samuel, U.5 (Bro&-
oater 2, 15.
— ^onrab, S^ofrot in ^arls»
rul)c 2, 115, 147.
— 9lofinc eiifabetl) f. U^Ianb.
— fjomilte, in 5)eilbronn 25.
i)ubcr, Xljercfe 235.
^ugo oon egi5t)eim 266.
517
^umbolbt, Stleyanber oon 130,
479.
Butten, üleftor 17, 23.
3.
3acobi, 3ol). (Bg. 65, 88.
3acobt), Slbgeorbncter 479.
Säger, Ct)r. gr. 53, 76.
— ®eorg 55, 166. ^
3at)n, Sricbrt(^ 417.
— Otto 482.
3oumann 476.
3ot)ann, @r3l)er3og oon öfter-
rdd) 420 f., 425.
5lont 68, 474, 486.
^apf 50.
^arajan 474.
^arl (Eugen, ^ex^oQ 11, 18,
163, 165.
^arl, er3l)er3og oon öfterreic^
383.
S^äftner 33.
5lotf)arina, Königin 242 f.
^auffmann, ^eftor 23 ff.
hausier 319.
Äeüer, SIbelbcrt 319, 359, 460,
478.
— ©ottfricb 381.
ferner, (Il)nftopf) ßubmig
(9Sater) 19.
— (Emma 307.
— gdeberlfe, geb. e!)mann 48,
99, 150, 305 ff., 481.
— ©eorg 110.
— Suftinus 16, 44, 48, 51 ff..
57 ff .,75, 81, 84 ff., 88 f. ,91 ff.,
95, 99 ff., 107 ff., 116, 126,
129, 134, 149 ff., 158 f., 170,
173 f., 183, 186, 191, 204,
210 ff., 236, 241, 258 f., 265,
282 f.„ 291, 294, 304 ff., 312,
314, 359, 369, 380, 386, 475,
477, 481.
ferner, ^arl 60, 159, 162, 170,
241.
— maxia (9Iietl)ammer) 100,
307.
— Zl)eobaib 307.
Äletft, ^elnrid) oon 61, 88, 123,
256.
^lingemann 273.
Älopftocf 32, 36, 67, 78.
^lüpfel, aSürgermeifter 228.
— Äart, U^tanbs 6d)üter 314,
478.
^napp 103, 167.
^oberftein 336, 339.
Äölte, SSürgermeifter (SSatcr) 21.
— Srtebrid) 55 f., 77, 83, 89 ff.,
103, 110, 114 f., 153, 183,
191.
^onrab II., Äaijer 266.
^orcff 130, 286.
Körner, 2{)eobor 236.
Loftan, 2ruguft 54, 480.
— ^arl i^einrtd) 53 ff., 84, 90,
153, 156, 158, 166, 480.
— 9lelnl)oIb 319.
^ofeebuc 250.
^rats 319.
^ra, ^ermann 314, 319, 358,
409.
518
ßac^nmnn 304, 320, 328 f., 332,
334, 336, 341, 408, 459, 479.
ßämmcrer 306.
ßa^berg 304 f., 342, 384 f„ 459,
480.
Qaube 291, 372, 377, 413, 423.
fieiferDiö 257, 277.
ßenau 51, 282 f., 306 f., 372,
378 ff., 383, 402.
ßeffing 309.
ßiscoiü 87.
ßift 247, 306.
ßöben 88, 151, 155f., 191.
ßol)bauer 34, 37 f.
ßopc be aSega 133 f., 137, 192,
203.
ßöme (?l5röfibent) 432.
ßöiocnt^al, 6opi)le 282.
ßubmig ber fjromme 278.
ßubioig (Eugen, ^crsog 18 f.
a b. ßü^e 163, 168 f., 173 f., 223.
m,
mabei 15.
2Ragenau 32.
malblanc 50.
3Äappes 413.
VSla^mann 450, 484.
mattt)i\on 34, 37, 44, 93.
ajlar)er, Sluguft 153 f., 162, 170.
— Srieberifc (2o(f)tcr) 477.
- ^arl (23ater) 51 ff., 57, 84,
91, 106, 149, 167, 170, 183,
253, 287, 305, 359, 409, 417,
422, 476, .481.
(So^n) 291, 475.
JDlenbcIsfo^n (^t)llofop^) 87.
aJl6on 134.
Tleiievnld) 130, 306.
Jöicufebod) 341 f., 389, 480.
mex)er, Sictrid) Sr. SCß., U{)Ian b»
©d)U)ager 288.
— G. g. 206.
— ßubiDig, UI)Ianb5 S^lcffe 474.
3Jli(f)eI, aJlerc 117, 120.
WöviU 52, 121, 372, 379, 432.
imol)t 312, 419.
lölommfen, 2:i)cobor 381.
SDflorff 286.
SRosart 165, 259.
aRüUcr, Stbam 74, 321.
— 3oI)anne5 d. 278.
— Slifolaus (d. ^öntgsiDlnter)
381.
— mmm 94, 373 ff., 386.
muxat 62.
ajlumcr 339.
n.
Sflopoleon 61 ff., 115, 118, 120,
123, 125, 129, 161 ff., 170f.,
2l2.
9leeff 474, 483, 487.
Steuffcr 32.
Slicolai 12.
moüex 246, 362, 373, 403.
giooalis 70, 85, 97 f., 100, 183,
425.
Dbo, (Braf oon ber d^ampoQne
266.
ö^lcnfd)löger 107, 128.
519
K£aCi£aSi£Sti0ciiCtnitiäntfi^fCi£&
Ofionber 158.
Ojfian 44 ff., 73, 125,204,252,
254.
^aul, 3can 66, 69, 72 ff., 88,
94, 104, 286.
Paulus 286.
^äulus Stafonuö 42.
^eütco 256.
^erc9 387.
Pfeiffer 442 f., 460, 478.
^fifter 212.
^figer, ©uftao 232, 319, 356,
376, 380, 410 f., 417.
— ?J5auI294,319,356ff.,405ff.,
427 f., 476.
^tlat 130 f.
^iftorlus 283 f., 288 f.
^laten 377.
^lato 54.
^regiöer 125.
^^ruö 381.
K.
aiabener 87.
9laffaet 121.
blamier 65.
^ant 413, 475.
Plante 408.
mapp 478.
bäumet 276, 412, 419.
me{d)arbt 105.
gieimar bcr mte 302.
tRei)fd)er 408 f.
mömer410, 417, 419 f., 430,432.
msler 28 f., 89, 320.
JHoofdjüö 53, 83.
9loqucfort 134, 141, 167.
SHofcnfrana 336.
giofer 55, 166 f., 226, 283 ff.,
287, 293.
Stubens 121.
müdert 230, 232 ff., 283, 285,
294, 311.
SHümcItn 417.
S.
6ad)s, i)an5 85, 261, 263,
338 f.
6acf)fcnl)eim, i)ermann ooit
105, 339.
Salts 35.
©aüuft 23.
©attler 212.
6ojo 42, 46 f., 156, 183, 200,
204, 252, 254, 345, 464.
S(f)effel 446.
6d)emng 27, 54, 67, 70 f., 95.
6cf)cnt 272.
6cf)err 372.
6d)mer 20, 31 ff ., 36, 42, 67 ff .,
77f., 84, 205, 252, 257, 270f.,
272, 278, 370, 467, 480.
6d)Icgcl, 2t. SB. 74, 78, 91,
127, 252, 256, 279, 321.
— 2)orott)ea 157.
- griebrid)69ff.,88,91,117f.,
190, 252, 321.
6d)lelermad)er 70, 73, 90.
6d)merl{ng 416, 418.
Sd)nurrer 27.
6d)obcr 67, 87, 90, 203.
6d)öa 309,
ti^Hi^tt^ati^iix^ss^^iip^av'jss 520 t:^isav^avsiSH^siv^visnt^.siH;:s»
6d)0tt, Hlbert 166 ff., 174, 355,
358, 402, 417, 432, 480.
Carotine 38, 149, 166.
— 6opI)ie 149.
— ^rof. 27.
6c^rabcr 148.
B6)uhaxi 32, 36.
6(^ücfing 385.
6(^tDab, ©uftao 43, 117, 152,
154 f., 158, 166, 172, 174,
205, 226, 230, 282, 287 f., 290,
304, 311, 372 f., 378 f., 480.
— 6opl)ie f. ©meltn.
6c^tDar3enberg 123.
©ecTcnborff 77 ff., 81 f., 88, 96,
102, 129, 152, 202, 249, 251,
253, 386, 458.
Seeger, i)auptmQnn 131.
— ßubmig, Siebter 319.
Scubcrt 26.
Se^bolb, ^rof. (SSater) 28f.,
41, 43, 45, 320.
— (6o^n) 125.
SI)afefpcare 111, 252, 260, 270.
Sicarb 122.
©tegtoart 314.
©teoeüng 129, 161.
©iltus Staticus 35.
6Urf)er 197, 316, 477.
6tmro(f 352, 450.
6pieB 39.
6plno3a 54.
6prtnger 409.
etäublin, ©ott^otb 32, 36f.,
45, 67.
— gamiltc 3, 225.
etein, ?5re{t)err r>om 231.
Stcubet 293, 474.
6tocfI)aufcn 213.
©tolberg, ?Brüber 43.
— GI)rlfttan 44, 201.
©toü 129, 261.
©torm 381.
6trad)ir)iö 381.
i ©trauB, 5)Qöib gdebrit^ 9?,
59, 314.
©truoc 417.
X,
Xacitus 439 f.
Xafinger 40.
Zaima 124.
Scniers 121.
Xtecf 46, 66, 68, 74 f., 79, 92,
97, 102, 104, 112, 128, 151,
173, 175, 177, 197, 252, 258,
261, 295 321, 373, 479.
Xt5ian 121.
2;i)eoboIb (©encral) 159.
X^orbccte 159.
2:rettfd)fc 228, 430, 482.
2;ru(f)fcB 230.
H.
U^lanb, a;t)dfttan (Onfel) 2.
— emlltc, geb. S3tfd[)er (©attin;
45, 50, 282 ff., 305, 320, 382,
384, 413, 422, 434, 472 ff.,
476 f., 481 f., 484.
— ernft (Onfel) 2, 25.
(Setter) 25.
— griö (SSruber) 9.
— ©ott^otb (Onfcl) 2, 15, 26,
147.
521
U^Ionb, 3afob (Urururgrofe-
ooter) 1.
— 3o^ann gricbrlrf) (SSotcr)
2 f., 4 ff., 11, 17,25,55,109,
113 f., 117 ff., 125, 147, 160,
169, 171, 225, 230, 243, 271,
273, 278, 284, 288 f., 315,
361, 484.
— 3ot)onn SJlic^ael (Ururgro^*
oatcr) 1, 25.
(bcffen Sot)n) 2.
(6of)n 3ofepI)5) 2.
— 3ofcpf) (Urgro^OQter) 2.
— ßubiütg (95ruber) 9.
— ßubiüig Sofcp^ ((Bro^uater)
2 f., 12, 15 f., 25, 28, 31 f.
— ßutfe (6cf)H)eftcr) 7 f., 9, 21,
98, 114, 123, 147, 165, 169,
288, 474.
— mofinc eitfabett) (aKutter)
3 f., 7 ff., 17, 25,35,99,114,
119 f., 125, 147 f., 171, 225,
243, 246, 271, 284, 288 f.,
290, 293, 361, 422, 484.
— 2Bilf)eImtnc 15, 38, 98, 287.
U3 87, 90.
93anbammc 20.
Sornljagen, ^. Sluguft 107 ff.,
113, 120 ff., 125 ff., 130, 150,
155, 158, 183, 198, 240, 242,
249, 282, 286, 289.
— mofa Wavia 155, 159.
SSemet 121.
S3cn) 122, 132, 148.
93md, ßeonarbo 121.
aSirgtt 41.
a3tfd)er, (Emiitc f. U^Ianb.
— gr. Zi). 269, 311, 313, 409,
428, 476, 482, 488.
gSoItairc 124. /
23oB, 3. 5). 35, 92, 286.
SSuIptus 39.
W,
SBace 136, 211.
2BarfernagcI, ^f)tltpp 484.
— 2BtIl)ctm 358, 472.
Wdö)tev (23ctt SBeber) 40, 42,
• 44, 47, 105, 200 f., 204, 252,
257.
— %vl)v, 0., ajltnifter 432.
2BattI)er von bcr SSogetocibe
298.
2BangenI)cim228ff., 235, 239 ff.,
245, 248, 311.
SBoffcrmann 319.
SBeber, ^eba 428.
2BecfI)crnn 167, 296.
9BcmI)oIb 352.
SDBctst)aar 229.
SBeiBe, 21malta 155.
SBciBer, %v\ebT\ö) 33, 86, 89 ff.,
93, 104, 112, 241.
— STuguft 287.
SBeIctcr 418.
SBcrner, 3a(^. 78.
SSertt)e5 276.
SBeacl 266.
SBtelanb 31, 48, 86 f.
SBictibarg 281.
SBilbermutf), Ottitie 53, 477.
2BtI^cIm I., Äönig 162, 236ff.,
<^i?Rsai^R£i9R£i?R£»?C^£i»R£i?P.äR
522
240f., 243ff., 311, 354, 402,
411 f., 430.
SSßinfeingerobc 131.
5Btpo 266.
2BoI[, gerbinonb 145, 383, 400.
SGßolfram oon ®fd)cnbad) 305,
334.
SQBürttemberg, Slley. oon 380. 3[d)offe 272.
3al)n 229 f., 283.
SaVV^T^t 457.
3eücr 319, 358.
3elter 376.
3eppelin 130.
3immermonn 420.
b) U^tanbs Bcrfc
(©ebix^te, ©penplänc, 2)romen, Überlegungen, rDiffenfd)aftIi^e
unb poIitifd)e ©d^riften, bie im lejte genannt finb. SIngeorbnet
nad) bem 2lnfangsbud)ftabcn bes crften ©ubft antlos im 2itcL)
2Ibenbpt)ontafie 93.
atbenbtana 367.
2ibfd)ieb (UBas Hinget unb fin-
get) 94
mbfc^ieb C^od) f(^tocbt ber
ficns) 94, 182.
3um 2tb|d)ieb (So lebe roo^I)
95 f., 182.
2td)iae5 41, 78, 253 f.
Über ben älteften beutfdjen 2lbel
403.
Äcine SIbetsfammerl 239, 403.
miboin 42, 44, 156, 175.
mifer unb Sluruno 254 f.
über bie Stufgabc einer ©efell-
fd)oft für beut[(^e Sprad)e
296.
2)era5är 102 f., 152, 167, 259.
©ie 95efel)rung 3um Sonett 93.
Sie Belagerung oon SSlane 144.
Benno 255, 264, 269, 273.
Bernarbo bei ©orpio 137, 261,
280 t.
Bertran be Born 185, 206,
209, 361, 366, 489.
Sie Bibaffoobrüde 361, 364,
366, 369.
5)ie Bilbjäutc bes Bacd)us 208.
5) er BlumenftrauB 94.
Bobman 443, 463, 480.
9lormännifd)erBraud) 175,262.
2)ie Braut 200.
Bürgertricg 36.
2)ie Büßerin 182.
2tn bie Bunbfd^meder 245.
2)er 2)an! 257.
5)entmal tSxkbxid)s oon ^rp-
predjt 170.
2(uf einen oerl)ungerten 2)i(^tcr
129.
5)e5 2)id)ters Stbcnbgang 181.
5)id)terfegen 370.
523
Sietrid) oon Sern 442.
2)ttl)grambu5 36.
eglnljarb f. ^öniQ ©glnt)orb.
Sic ©Ifen 260.
eitgibten 38.
©mrna (Ged. I, 452) 283.
(Jntfapung 199.
(Entfd)IuB 193.
Über tias altfran3öfifd)e (Epos
140 ff., 295, 465, 467.
©rmanrid) 450, 481.
(Ernft, ^ei'sog oon ©c^ioaben
.248, 264 ff., 282, 347.
2tn g. i). 39.
Sortunat 128, 176 ff., 180, 192,
199, 262, 297.
grancesca ba 9limini 78 f.,
256 ff., 264.
2)rei fjröulcln 201.
IJräuleins SBac^c 183.
Hn einen greunb 37.
grül)Iing5lieb (Sielinbenßüfte)
195.
5rüi)ling5licb bes S^leacnfcnten
174.
Sie ©eiftertelter 367.
Über bie (Beifteriüelt 309.
6t. ©eorgs 9lltter 106, 202.
aJlein ©efang 97.
©efang ber 3ünglinge 48, 181,
196.
©efang ber S^lonnen 97, 181,
196.
©efang mt) ^rieg 171 ff.
3ur ©efcf)icf)te ber greifd)ieBcn
342.
©efpräd) 231 f.
Sie @IoctenI)öI)le 371.
Sas ©lud oon ebent)all 209,
361, 364, 369.
Ses ©oIbfd)mieb5 Iöd)terlein
184, 201.
©raf eberi)arb ber 5laufc^e-
bart 212 f., 216, 234, 263,
378, 435.
©raf ebert)arbs 2öeiBbom 136,
190.
©raf eberftein 208.
Ser ©raf oon ©reiers 364,
366, 371.
©raf m\(i)avb Ol)nefurd)t 136,
153, 213, 435.
©retd)en^ tjreube 48, 182.
Sos ir)0§re ©ut 36.
Sic ^aimonsfinber 144.
^aralb 260, 372, 380.
i)arfncrlicb am i)od)3eit5mal)lc
196.
Ser arme i)cinrid) 280.
Sie fterbenbeni)clbcn 46, 182 ff.
i)eIgo (i)i)Ib unb ^clgo) 252,
254.
^clgo unb 6tarfatl)er 42, 175.
3m i)erbft 189.
^ermann unb Utlja 44.
^ermann oon 6od)fenI)cim
105 f., 339.
SSerfpätetcö ^0(^3eit5lieb 198,
287 f.
524
Sic ^aqb oon 2Blnd)eftcr 211.
3cfu ^reu3C5tob 36.
6t. 3lbefon5 192.
Scr 3oI)annl5fcgen 369.
3o{)ann oon (Bä)waben (^ar»
riclba) 278, 288.
Sic 3030 Jungfrauen 199.
Jungfrau ©ieglinbe 264.
3unfer«Rc(^bcrgerl53,212, 435.
Kalfer ^arls aJleerfal)rt 145,
158, 210.
Der entrüdte Äaifcr Örlebrid)
309.
5lar(0 bes ©ro^en Steife norf)
3erufatem 261.
3Iuf ^arl ©angloffs Xob 167,
198.
.^arl unb ^ug 139.
Ser gute ^amerab 153 f., 191,
201 f.
Die Kapelle 14, 47, 181, 187,
465.
Ser ^aftellon oon doucr) 211.
^att)artna 242.
^n ferner 189, 199.
Sie oerlorenc ^irc^c 213, 371,
435, 487.
2luf ein ^inb 181.
^agc 227, 382.
Dos oerfunfene ^lofter 367.
Des Knaben SSerglieb 14, 47,
107, 128, 181, 196.
Der blinbe ^önig 46, 182 f.,
200, 435.
Der ^önig auf bem Xurm 14,
196.
^önig eginl)arb 102, 258 f.
Der ^önigsfot)n 46, 85, 183,
186, 200.
Der junge ^önig unb bie 6diö»
ferin 92, 186, 189.
Die ^önig5to(f)ter 128.
^onrabin 276 f.
Der ^ran3 199.
©päte ^riti! 373.
Die oerlorene ^rone 271.
6c^n3äbifd)e ^unbe 208 f., 381,
435.
Der ^uB 186.
Den ßanbftänben 3um (E^rt*
ftopt)5tag 239.
ßauf ber UBelt 128.
Der ßerd)en!rieg 435.
ßiebesüagen 202 f.
2ieh bes befangenen 36.
ßieb eines beutfd)en Sängers
172.
Das ßieb oom ormen SSoter
40, 46, 184.
Drei ßieber 92.
Die ßieber ber 93or3eit 75, 182.
ßinb{)eimer 212.
ßubmig ber SSoger 272 ff., 278,
281.
aKabonna belia ©ebia 121.
Die anäl)berin 210.
3}lärd)en 151, 214, 371, 435.
Das aJlärd)enbud) bes Königs
oon ^xantvexä) 139, 144^
295.
3Jlaientou 369.
525
WaxnaQe 227.
Don maWias 211 f.
3Jlcnfd)enfred)t)ett 35.
mexlm ber Sßitbe 209, 256,
365 f.
ajleöelfuppenlieb 149, 185.
!Der 3Jltnnefang 301t. ^
Wönd) unb 6d)äter 181.
öer a)loI)n 363, 369.
2)05 aJlünfter (Ged. II, 296)
96.
5DZünfter[age 368.
Sie neue mu\e 223.
2)cr aJlr)tI)U5 oon Obin 348,
353 f., 450 ff., 456.
2)er 3Ä9tt)U5 oon 3:i)or 345,
347ff., 391, 400, 450, 456,
466.
6d)Itmme 9'lad)barfd)aft 11.
9lacf)ruf (Du Tlutiev fal)ft) 361.
, (9lod) ift fein Surft)
240.
3'^ad)fpiel 3U Werners ©gin{)arb
102.
5^a(f)tblättcr 103 f., 369.
^äljc 97.
!Jlar3tB unb ed)o 198.
^euja^rsiüunfd) 238.
Sie S^libelungen 279 f., 296.
5^ibelungenlieb (überfe^ungs-
brud)ftü(fe) 90.
Sie Spönne 199.
Sas 5notI)emb 213.
Oftoberbrief (Br. 1, 43ff.) 103,
152.
2tm 18. Oftober 1815 228.
„ 18. „ 1816 (Sßenn
Ijeut ein ©eift) 236, 471.
Otto oon SBittelsbad) 277,
298.
Sie ?13fal3grafen oon Xübingcn
442.
Ser lefete ?ßfal3graf 436.
Ser ?Pitger 96.
^rofaauf3eid)nungen (Schatten*
bilber Ged. II, 324) 96.
Sie 9lad)e 184, 186.
Ser 3läuber 202.
Sas gute alte 9led)t 228.
2Iuf ber meife 477.
^Reifen 181, 190, 365.
Ser 9l^einfaa (Ged. II, 51) 76.
mitter ?l5ori5 106.
Ser fafttafd)e Flitter 202.
Ser fd)roar3e ^Ritter 201.
^lein molanb 128, 200, 209.
9loIanb 6d)ilbträger 145, 158,
210.
Ser 9lomantifer unb ber 9le-
3enfent 174.
Über bas 9lomantifc^e 71 ff.,
90, 97, 102.
3floman3e 44.
9floman3e oom fletnen Säum-
Ung 174.
9floman3e oom 3fle3cnfentcn
174, 190.
9lomon3enten3on (Ged. 1, 448)
234.
Ser9lofengarten 80, 182, 185.
r;^i»r£i?ߣi?R£i?R£i?ߣi?(<£i?C;;£i?
526
über bcn ?Rofcngarten ju
5Borm5 449.
Scr 9lo[enfran3 153.
5lubeao 155, 210.
5luI)etoI 14.
Über bie 6agc oom i)er3og
©rnft 347, 354.
S(f)njäbtfc^e 6agen!unbe 345,
435 ff., 445 f., 450, 454, 469.
2)er 6änger (Ged. I, 148)
182.
Ser Sänger an bte ©terbenbe
254.
Sängerltebe 210 f., 366. '
!De5 ©ängers glud) 208, 212,
234, 371, 381.
5)er 6d)äfer 181, 184. ^
Sd)äfer5 Sonntagstteb 181, 196.
Sd)attentieb 167.
2)er Sd)enf oonßlmburg 212.
Das 6d)iffletn 116, 128.
6d)tlbei5 153, 259.
Sie 6(f)Ia(^t bei ^Reutlingen
207.
Sas 6(f)Io^ am SDleer 47, 199,
206.
©er ©(f)mieb 188.
Sie Sd)n)abenftrei(f)c 443.
Die 6erenabe 259 f.
Sie 6iege0bot|(f)aft 173,
Siegfriebs ©t^toert 184.
©igemunb unb ©igeferb 448.
Das ©ingentat 364, 370.
©onnenroenbe 370.
Die beutf(f)e ©pra(f)gefellf(^aft
2Ö6.
2)er ©peernjurf 252.
Das ©tänbc^en 259.
2)ic fanften Xage 36.
Xoittefer 143, 158, 207, 211 f.
Xamlan unb Qanett 260.
Seeli'eb 149.
Selamon 41, 175.
XeUfage 480.
Xe\l5 platte (Ged. II, 50) 76.
Setts Zob 366, 435.
Jenson mit 9lüctert 234. ,
Xf)ei\5 106.
Xf)r)e\t 253.
STuf ben Xob eines tinbes 487.
„ „ „ „ ßanbgeiftli«
cf)en 166.
Die Xoten oon ßuftnou 444 f.
465.
Xraum (Ged. 1,183) 190,213,
371.
Dos trourige Xurnei 183, 200.
Huf ber überfafjrt 368.
Die Ulme 3u 5)irfau 366, 368.
Der Ungenannten 283.
Unftern 175.
Die SSätergruft 181.
SSaterlanbstiebe 36.
S3ermäd)tnis 199.
Ver sacrum 364, 369f.
Sitte ^oc^- unb nieberbeutfc^e
SSoIfstieber 392 ff., 453, 455,
467 f.
2tn bie Solfsoertreter 236.
SSormort 186, 215 f., 227.
527
J)cr SBoflcr 185, 361, 364, 366,
369.
Die SBaIIfaf)rts!irc^c 14, 96.
S3om treuen SBalt^er 200.
5öottI)er oon ber SSogelmelbe
297ff., 464, 466.
SBanberlteber 94, 181, 196 f.,
375.
SBonbcrung 359 f., 371.
©er SBasgenftein 450.
2)fe SBeiber oon SBeinsbcrg
263. 273.
2Bem unb 95rot 363, 368 .
2BeIf 278.
©er SBtrtln 3:ö(f)tertein 201.
2BoIfbletrtd) (Bruc^ftüde au&
bem ^eibenbui)) 79.
SBürttemberg 228.
2Bunber 48.
©as SBunberbllb 65.
©erUBunbcrmann (Ged. I,451>
231.
2)le 3auberm 46, 254.
©ie 3ufricbenen 194.
f)tno\i & 3J«mfen, ©. m. b. ff., BUtenberf
•xaii
•nii«
•IUI«
•mi*
Sin ©runbftod jeber Äau^-unb Sd)ul6ü^erei
3tt me^r aU 400000 ^änbcn verbreitet
©eifte^^elbeu
Sine ©ammlung öon ^iogra^t^ien
mtnht (<p. SKein^oIb)
JBötfUn (ß. SWenbetfo^n)
JBIjirott (€. Äocppcl)
6tttli)U (ö. 6c^uric-©oeöccni$)
i&olumbu» (S. g^ugc)
©otttt (31. 6c^öff(e)
6tomtt>«U, 2<23bc. (^ 9«k^acO
3>ttnte (3. Sl. ecartaaälttt)
^atU)in (70. "yjrc^cr)
3>ttrct. sauftticrr. (9?. ^ürfncr)
©ötre« (3. 9?. Qtpp)
®ti^patitt (Ä. 6it cntcrgcr)
;^cl>l>«l. 2 "Sbc. (9?. 2Jl. Sßerncv)
^ctöe« (9J. 93üvtncr)
^önetlin, ölctttct(3l. SBitbranbt)
»41. U. ^umliolbt. &. kf.SSud)
(6. ©untrer)
Saf)tt (5- @ Sc^utt^cl^)
i$epl€tt, Galilei (6. @ün(^et)
ßeonatbo ba JBittci.3auftr.(6olmi)
ßefflnö. 2q3l>e. (Ä. QSorinöti)
ßlft. ®«icöti<f) (Ä. 3enffc^)
8tt<l)er. 3 ^bc (21. fic. 93cv9cr)
molietc (£>. Gd^ncegonö)
Snon^Squiru C^^l. Gorel)
»ioiatt (O.gtcifc^er). 2.<aufI.1920
q3etcrb.®to6c.2^bc. (2ßalt§äctD8fi)
e(f)iu«ir. SUuftricrt. (O. icarnocf)
ed)0))Crtf)auctr.2<23bc.(e ©rifcböc^)
ef)ttff))ete (93ranbr). 2 Slufl. 1920
emitf), «ibam (^. 3entfc^)
e^inoja (TB.^oIin)
etanlet) (<:p. 9Rcid^atb)
©teilt/ Stf)«. t». (;?r. gjcubauer)
SeniHjfott (e. ^ocppcl)
Sijian (®. @ronau)
Sutflenich» (g. 93orfott)ölV)
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SSSaltev Don bcv SSogelipeibe
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3ebe 93iograp^ic ift felbftänbtg unb clnacln, fott)ot;l
brofc^icrt alö oud) in ^übfc^cm ßeinenbanb fäuflic^.
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B^^wn M II— im— im— im— HU— IUI— ^nii^i»UM—i ^i
I QSerger, 2lm0lb ©♦ mn 6c^iaer-<S)enfmat {^it I
§ ffe^en wir 511 6c^)iUer? — Sc^iöer^ 'Beruf. — ©c^iöer unt> 9
I bo^ e()riftentum ) ©ro§. Quart IV, 99 Seiten. 6c^ön 1
I fartoniert ^. 2,—. 4
I 33etger, Slrnolb 6* ^k 5?ulturaufgaben t)er 9^e- i
5 formation. 2. 'iauflaqc. XI, 480 Geiten. ©e^eftet ^, 10,—, g
1 Ceincnbant) 'm. 13,50. |
2 QScrger, SltttOtb ©♦ Cut^erunbbteDeuffc^ei^ultur. g
I (1. Cutter Ol« 5^ird)cnftifter unb ^^eologe. — 2. Cutt^er aW I
I et^ifer unb Sojialift. — 3. Cut^cr^ <53ebeutung für <2ßiffen- 1
I rtaft, ßrjie^ung unb Äunft. — 4. Cutl^er unb bic beutfc^e f
I g^ationaUitcratur.) Xiv, 754 eeiten. ©e^tet "30^. 20,— , I
S ecinenbanb ^. 26 —, Äalbleberbanb ^K. 30,—. i
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I 9Rci)er, 9lid^atb ^W* <S)eutfd)e e^araltcre. XI, I
g 280 ecitcn. ©c^eftet <^)^ 6,50, gcbunbcn ^. 9,—. g
I 6altfd^id, 9i0t)» <5)euffc^e Gfeptifcr: ßic^tenberg, |
§ 9'^ic^fcbc. 3ur ^ft)d)ologic beö neueren 3n'C>ioiDuali^mu^. §
I VI, 239 Seiten, ©e^eftct 9)^. 7,—, Ceinenbanb 90i. 10,—. 1
I (Sd^afl^eirtitt, 5lb0tf» <Scr gro^c Sronifer unb fein |
I Qi'crf. 4 <53änbe, ©ro^.8^ I. Träumereien jwifcben ^el^ 1
I unb 9}^eer. V, 331 eciten II. 0ie Utopie. VII, 221 Seiten, a
f 3c ^. 2,—. 1 1 1./I V. <S)a« 9}i^fterium be« ^emiurgoö. 2 <23änbe, f
I XII, 214 unb XVIi;, 291 Seiten. 9}^. 5,-. |
iSiJ^äffle, Sltbcrf Cweilanb Staat^minifter). «Hu« 1
meinem Ceben. ^JJit 6 Silbern unb '33riefbeilagen. 2 93änbe, I
8 XII, 256 Seiten unb VII, 257 Seiten. ©rog-S'*- 3n 2 Äalb- |
I leberbänben ^. 20,—. 1
1 Sd^tnibf, 3^^^» S» Sbafefpearc^ ©ramen unb fein |
I Sc^ ufpielerberuf, IV, 258 Seiten. 9)Z. 5,—, Ceinenbanb 1
g ^.7,50. g
g 2}etla9 t)on grnft Sofmann & 6ov ^etUn W 35 g
I «^erfflingerftrage 16 j
j ®ie I
I beutf(i^c Literatur i
I t}on I
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StDcitc *2luffage, VII unt) 411 eeitcn, ©ro^-8^
i °
I sie SJurc^ftc^t blcfes 8Bu(^es ift ein Scrgnügcn, muftergüttlg fm ittu&eren, ■
I befriebigt auif ber 3n^a(t in ^o^em aJlage. 9n Marem, rubigem S3ortrage 1
1 fübrt ber SSerfaffer blc gro&en Cntmldlungsllnien unfere« Schrifttums oor i
8 äugen unb In ble 2)ld)tungen oon falelfaenbem 2Berte aud) rolrflic^ \)'mt\n. B
I ßeffing, Berber, ©oet^c, Qd)iün, ©rlßparaer unb nod) eine ganje SRclbe ®ro&er 1
I finb Dorjügdc^ geroten. iMäI>ägooit<()et ^a\)tc6f>tti0)t |
^crffUngcrftra^c 16
? 2)09 Su(^ tsta ölteren €(^ü(em als Celjrbuc^, jüngeren fiebrem als ju»
I fommenfaffenbes Sorbereitungsbudj unb onberen tnclterftrebenben Literatur»
1 freunben als Üfacrfi(^t gebenbcr aBegmelfcr blenen. püx blcfe oerft^Ubcncrtigen
B QxDede Ift CS red)t gefc^ldt ongcicgt unb burc^gefül)rt. Cs Ift oor cHem fcljr §
|inba(trei(b> fomobi in pröjlfen (Elnjelongoben, oIs In (^orofterifiercnben unb
oerbinbenbcn Setrotbtungen. 2)le trodencn unb meift überflüff gen Snbofts»
2 ongoben mond>cr äbnlit^cn Bücher finb buxä) ntelft mo^Iburt^bodite Slnolqfcn
l erfe^t. 2)le Slusroobl bes Stoffes im grogen ift meift looblgelungen, fo bog
I ber Sdct auf bos SEBefentllc^e gelenft toirb ; bie (T^arotteriftlfen finb gebonfen» 1
1 xeidi unb eingebenb. 2)er ©efomteinbrud bes SSucbes mug als ein burcbous 1
S gunftlger bejelc^net mcrben. ö
I Ctto ^avnaif in „^eltfdjrift für bos ©qmnafialtoefen". I-
» Uns ift feine onbere £iteroturgefd^l(^te befonnt, ble auf fo tsenlg Selten g
? fo Süleles unb fo gelnflnnlges böte. 7
I itlomtponbensblati fät »ie ^ä^uUn müttUmUH&* 1
g (Eine i^ocberfreudc^e (£rfd)elnung. SQrae unb ilnoppbelt, S^Dit^ §
Ilöfftgtelt unb tiefe poetlfdjc Sluffoffung finb oerelnlgt. 2Blr empfehlen bos |
SBert oufs märmfte jum Selbftftubtum unb In feinen j)auptfaplte(n ju 1
8 Se^ramecfen. f8lätUt \üt bie ^ovtbilbuno &cd Ue^retd. |
I 93crla9 öon grnft Sofmann & (Sov Berlin W 35 §
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