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Full text of "Urgermanisch, Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte"

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GRUNDRISS 


DER 


GERMANISCHEN  PHILOLOGIE 


UNTER  MITWIRKUNG  VON 


K.  von  AMIRA,  O.  BEHAGHEL,  D.  BEHRENS,  H.  BLOCH,  A.  BRANDL,  O.  BREMER, 
E.  EINENKEL,  V.  GUDMUNDSSON,  H.  JELLINGHAUS,  KR.  KALUND,  FR.  KAUFF- 
MANN,  F.  KLUGE,  R.  von  LILIENCRON,  K.  LUICK,  J.  A.  LUNDELL,  J.  MEIER,  E.  MOGK, 
A.  NOREEN,  J.  SCHIPPER,  H.  SCHUCK,  TH.  SIEBS,  E.  SIEVERS,  W.  STREITBERG 
B.  SYMONS,  F,  VOGT,  PH.  WEGENER,  J.  TE  WINKEL,  J.  WOLF 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

HERMANN  PAUL 

ORD.  PROFESSOR  DER  DEUTSCHEN  PHILOLOGIE  AN  DER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN 


DRITTE  VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 


STRASSBURG 

VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER 

1913 


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URGERMANISCH 


VORGESCHICHTE  DER  ALTGERMANISCHEN 
DIALEKTE 


VON 


FRIEDRICH  KLUGE 


DRITTE  VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 


STRASSBURG 

VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER 

1913 


Alle  Rechte,  besonders  das  der  Übersetzung,  vorbehalten. 


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Druck  von  M.  DuMont  Schauberg,  Straßburg. 


Germany 


MEINEM  LIEBEN  FREUNDE 


ALBERT  BACHMANN 


IN  HERZLICHER  VEREHRUNG 


GEWIDMET. 


VORWORT. 

Die  erste  Ausgabe  der  vorliegenden  Arbeit  erfolgte  im  Oktober 
1889.  Als  ich  vor  fast  30  Jahren  mit  den  Vorarbeiten  dazu  be- 
gann, konnte  ich  nicht  ahnen,  daß  sie  mehrere  Jahrzehnte  lang 
Lehrenden  und  Lernenden  nützen  würde.  Seit  1889  sind  zahl- 
reiche indogermanistische  und  germanistische  Sprachlehren  er- 
schienen, so  daß  jetzt  das  Urgermanische  nicht  mehr  als  eine 
terra  incognita  betrachtet  werden  kann.  Aber  auf  dem  weiten 
Gebiet  ist  ein  breiter  Raum  für  Meinungsverschiedenheiten  und 
damit  auch  ein  breiter  Raum  für  die  verschiedenartigsten  Hilfs- 
mittel. Es  konnte  gar  nicht  in  meiner  Absicht  liegen,  über  alle 
Hypothesen,  die  in  der  Fachliteratur  erörtert  worden  sind,  zu  be- 
richten. Weiß  doch  der  Fachmann,  in  welchem  der  sonstigen 
Lehrbücher  andere  Meinungen  gefunden  werden  können.  Die 
vorgermanische  und  die  urgermanische  Zeit  setzt  sich  eben  nur 
aus  Hypothesen  zusammen,  und  so  wird  man  im  vorliegenden  Buch 
immer  nur  eine  Auffassung  vertreten  finden.  Ich  muß  also  darauf 
gefaßt  sein,  daß  der  subjektive  Charakter  vieler  Anschauungen, 
die  ich  vertrete,  manchem  Fachmann  anstößig  sein  wird.  Ich  konnte 
mich  aber  nicht  entschließen,  jede  neueste  Meinung  auch  gleich 
für  die  richtigste  zu  halten.  Man  mag  mir  meine  Selbständigkeit 
als  Hartnäckigkeit  deuten;  aber  wer  das  Buch  in  seiner  neuen 
Gestalt  liest,  wird  leicht  feststellen,  daß  ich  stets  bemüht  gewesen 
bin,  alte  Anschauungen  aufzugeben,  wo  sie  mir  unhaltbar  schienen. 
Aber  ebenso  ernsthaft  bin  ich  bemüht  gewesen,  die  altvertrauten 
Probleme  durch  eigene  Arbeit  zu  fördern. 

Dafür  spricht  auch  die  Tatsache,  daß  dieser  mein  Grundriß- 
beitrag, der  in  der  ersten  Gestalt  100  Seiten  umfaßte,  jetzt  als 
ßuch  von  fast  300  Seiten  vorliegt.  So  umfangreich  das  Buch  nun 
geworden  ist,  so  hätte  es  doch  leicht  zu  einem  dicken  Bande 
auswachsen  können,  wenn  ich  mich  nicht  zurückgehalten  hätte. 
Wer  bedenkt,  daß  über  die  reduplizierten  Präterita  oder  über 
die  schwachen  Präterita  und  früher  auch  über  die  Auslautsgesetze 
dicke  Bücher  oder  Abhandlungen  mit  stark  differierenden  An- 
schauungen veröffentHcht  sind,  wird  mir  die  mir  eigene  Kürze 
und  Knappheit  nicht  zum  Vorwurf  machen.  In  ein  Handbuch, 
wie  das  vorliegende,  gehört  nur  Sicheres  oder  Wahrscheinliches. 
Der  Germanist  wird  manches  für  wahrscheinlich  halten,  was  dem 
Indogermanisten  vielmehr  unwahrscheinlich  ist,   und  auch  umge- 


VIII  Vorwort. 


kehrt.  Ich  bin  vielleicht  mehr  als  andere  Germanisten  bemüht 
gewesen,  mit  den  Kategorien  der  indogermanischen  Sprachver- 
gleichung einen  Kompromiß  zu  schließen.  Aber  wer  so  verfährt, 
läuft  Gefahr,  in  beiden  Lagern  anzustoßen. 

So  konnte  mein  Buch  im  wesentlichen  bleiben,  was  es  vor 
25  Jahren  war.  Aufbau  und  Gliederung  sind  geblieben.  Aber 
es  fehlt  nicht  an  neuen  Paragraphen  und  an  Zusätzen,  in  denen 
ich  neueren  Beobachtungen  anderer  gerecht  werden  möchte. 

Für  Anfänger  ist  das  Buch  nicht  bestimmt ;  es  stellt  erhebliche 
Anforderungen  an  den  Benutzer;  so  war  es  schon  mehr  als  zwanzig 
Jahre  damit  bestellt.  Es  hat  trotzdem  Erfolge  aufzuweisen,  und 
diese  verdankt  es  doch  wohl  dem  Umstand,  daß  es  aus  der  gram- 
matisch so  sehr  bewegten  Zeit  der  70  er  und  80  er  Jahre  des  vorigen 
Jahrhunderts  herausgewachsen  ist,  in  der  meine  eigene  Ausbil- 
dung und  meine  erste  Facharbeit  wurzelten.  Aber  ich  bin  den 
alten,  liebgewordenen  Problemen  immer  treu  geblieben  und  werde 
ihnen,  wenn  das  Schicksal  mir's  vergönnt,  auch  fernerhin  treu 
bleiben.  So  soll  das  neue  Jahr  nunmehr  endlich  —  und  zwar 
recht  bald  —  das  erste  Heft  meines  altgermanischen  Wörterbuchs 
bringen.  Ich  darf  das  hier  bereits  ankündigen,  weil  ich  dem  Be- 
nutzer dieses  Buches  Aufschluß  darüber  schulde,  warum  jetzt  die 
große  lateinische  Lehnwörterliste  fehlt,  die  in  den  beiden  früheren 
Auflagen  eine  Rolle  spielte  — sie  soll  nunmehr  dem  altgermanischen 
Wörterbuch  einverleibt  werden.  In  diesem  Werke  werde  ich  dann 
auch  Gelegenheit  haben,  manche  Wortprobleme,  auf  denen  sich 
dies  Buch  aufbaut,  individuell  zu  behandeln.  So  darf  ich  den  Be- 
nutzer meines  «Urgermanisch»  schon  jetzt  darauf  hinweisen. 

Wenn  der  Leser  sich  überzeugen  wird,  daß  für  die  Korrektur 
des  Druckes  gesorgt  ist,  so  haben  mir  liebe  Freunde  die  Sorge 
abgenommen.  Schon  zehn  Jahre  bin  ich  so  fürsorgliche  Hilfe 
gewohnt,  daß  ich  aus  ganzem  und  vollem  Herzen  sagen  kann, 
daß  ich  ein  schweres  Schicksal  doch  leicht  trage.  Wenn  ich 
den  treuen  Helfern,  die  mich  nun  schon  manches  Jahr  ver- 
wöhnt haben,  herzlichen  Dank  abstatte,  bleibt  mir  schließlich 
noch  die  angenehme  Pflicht,  Herrn  Dr.  Ernst  Ochs  für  die  Ab- 
fassung eingehender  Wort-  und  Sachregister  zu  danken:  er  hat 
seine  Aufgabe  mit  wirklichem  Verständnis,  aber  auch  mit  Lust 
und  Liebe  ausgeführt. 

Januar  1913. 

F.  Kluge. 


Inhalt.  IX 


INHALT. 


Seite 


I.  Einleitung.     Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen     .    .  i 

Urverwandtschaft  S.  i.  Keltisch  und  Germanisch  S.  5.  Ger- 
manen und  Römer  S.  9.  Sprachliches  über  die  lateinischen  Lehn- 
worte S.  18.  Ältester  germanischer  Lautcharakter  S.30.  Griechische 
Beziehungen  S.  35.  Altslavische  Beziehungen  S.  37.  Dunkle 
Lehnbeziehungen  S.  45. 

II.  Konsonantismus 48 

Die  Lautverschiebung  S.  49.  Ausnahmen  der  Lautverschiebung 
S.  53.  Der  grammatische  Wechsel  und  Verners  Gesetz  S.  55. 
Die  urgermanischen  Spiranten  S.  58.  Die  indogermanischen  Guttu- 
rale S.  61.  Die  unverschobenen  Konsonanten  S.  67.  Konsonanten- 
gruppen S.  76.     Metathesen  S.  81. 

III.  Wort-  und  Satzakzent 82 

Die  indogermanische  Betonung  und  ihre  Wirkungen  S.  83. 
Der  germanische  Hauptton  S.  86.  Der  germanische  Nebenton 
S.  92.    Der  germanische  Satzakzent  S.  96. 

IV.  Vokalismus 106 

Die  indogermanischen  und  germanischen  Vokalentsprechungen 
S.  106.     Der    Wurzelablaut   S.   112.     Der    Suffixablaut    und    die 
Mittelvokale  S.  117.    Ausbildung  des  germanischen  Vokalismus 
S.  120.     Chronologisches  S.  127. 
V.  Auslautsgesetze 130 

Die  urgermanische  Zeit  S.  131.    Gemeingermanisches  S.  133. 
VI.  Ost-  und  Westgermanisch 138 

Ostgermanisch  S.  138.    Nordisch-Westgermanische  Überein- 
stimmungen S.  139.    Das  westgermanische  Auslautsgesetz  S.  142. 
Synkope    S.   147.     Die    westgermanische    Konsonantendehnung 
S.  148.    Die  westgermanischen  Halbvokale  S.  150. 
VII.  Konjugation 154 

Das  <?-Präsens  S.  155.  Das  /«/-Präsens  S.  160.  Das  Perfekt 
S.  163.  Der  Aorist  S.  167.  Präteritopräsentia  S.  170.  Verbal- 
adjektiva  S.  172.  Das  schwache  Verbum  S.  179.  Personal- 
endungen S.  184.  Die  Modusbildung  S.  188.  Passivum  S.  189. 
Jüngere  umschreibende  Tempora  S.  190. 
VIII.  Deklination 191 

Kasussuffixe  S.  191.  Ablaut  und  Akzent  S.  198.  Vokalische 
Stämme  S.  200.    Konsonantische  Stämme  S.  204.    Pronominal- 


Inhalt. 


Seite 
und  Adjektivdeklination  S.  208.    Pronominalstämme  S.  211.    Die 
ungeschlechtigen  Pronomina  S.  217. 

IX.  Nominale  Wortbildung 220 

Flexionstypen  S.  220.     Konsonantische  Suffixe  S.  222.    Be- 
deutung der  Suffixe  S.  225.    Kompositionssuffixe  S.  227.    Kose- 
formen   S.   228.     Komposition    S.   228.     Nominalpräfixe    S.   233. 
Komparation  S.  241.     Adverbia  S.  246.     Zahlworte  S.  249. 
Schluß:  Wort-  und  Sachregister 262 


Erklärung  einiger  Abkürzungen.  XI 


ERKLÄRUNG  EINIGER  ABKÜRZUNGEN. 

AfdA,  =  Anzeiger  für  deutsches  Altertum  und  deutsche  Literatur  1876  fF. 
Angl.  =  Anglia.  Zeitschrift  für  englische  Philologie  hrsg.  v.  R.  P.  Wülcker 

1878  ff. 
Beitr.  =  Beiträge  zur  Geschichte  der   deutschen  Sprache  und  Literatur 
hrsg.  V.  H.  Paul  und  W.  Braune  1874  ff. 
Bezz.  Beitr.  =  Beiträge  zur  Kunde  der  indogermanischen  Sprachen  hrsg.  von 
A.  Bezzenberger  1877  ff. 
ESt.  =  Englische    Studien.      Organ    für    englische    Philologie    hrsg.   v. 
E.  Kölbing  1877. 
IF.  =  Indogermanische   Forschungen.     Zeitschrift    f.   indogermanische 
Sprach-  und  Altertumskunde  hrsg.  v.  K.  Brugmann  und  W.  Streit- 
berg 1892  ff. 
KBeitr.  =  Beiträge  zur  vergleichenden  Sprachforschung  auf  dem  Gebiete  der 
arischen,  keltischen  und  slavischen  Sprachen  hrsg.  v.  A.  Kuhn 
und  A.  Schleicher  1858  ff. 
KZs.  =:  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  auf  dem  Gebiete 
des  Deutschen,  Griechischen  und  Lateinischen  hrsg.  v.  A.  Kuhn 
1852  ff. 
MU.  =  Morphologische    Untersuchungen    auf    dem    Gebiete    der    indo- 
germanischen Sprachen  v.  H.  Osthoff  und  K.  Brugmann  1878, 
QF.  =  Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und  Kulturgeschichte  der 
germanischen  Völker   hrsg.  v.  B.  ten  Brink,   W.  Scherer  und 
E.  Martin  1874  ff. 
ZfdA.  =  Zeitschrift   für   deutsches  Altertum   hrsg.  von   M.  Haupt  i84iff. 
ZfdPh.  =  Zeitschrift    für    deutsche    Philologie   hrsg.    v.   F.  Höpfner    und 

J.  Zacher  i868ff. 
ZfdW.  =  Zeitschrift  für  deutsche  Wortforschung  hrsg.  v.  F.  Kluge  1901  ff. 


I.  Einleitung. 


I.  EINLEITUNG. 
Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

Kap.  I.     Urverwandtschaft. 

§  I.  Indogermanisch.  Das  Germanische  ist  ein  selbständiges 
Glied  innerhalb  der  idg.  Sprachgemeinschaft:  die  Übereinstimmung 
im  Sprachbau  ist  ein  untrüglicher  Beweis  für  die  Verwandtschaft 
der  germ.  Einzelsprachen  in  ihrer  Gesamtheit  mit  zahlreichen 
Sprachen  des  alten  Asiens  und  des  alten  Europas,  von  Indien 
bis  nach  Irland.  Die  Übereinstimmung,  die  sich  auf  Lautgebung, 
Formensystem  und  Wortschatz  erstreckt,  ist  so  umfassend  und 
dabei  so  durchsichtig  klar,  daß  die  vergleichende  Sprachwissen- 
schaft, die  sich  mit  den  idg.  Sprachen  beschäftigt,  die  Einheit- 
lichkeit der  in  Frage  kommenden  Sprachen  so  scharf  erkannt 
zu  haben  glaubt,  daß  ein  vollständiges  System  des  gemeinsamen 
Grundbesitzes  unter  dem  Schlagwort  «Indogermanische  Grund- 
sprache» heute  feststeht.  Muß  auch  die  Erkenntnis  der  idg.  Grund- 
sprache immer  lückenhaft  bleiben,  so  darf  die  Wissenschaft  der 
Einzelsprachen  von  einer  idg.  Grundsprache  als  einer  feststehenden 
Tatsache  ausgehen.  Und  das  heute  umso  eher,  als  wir  in  Brug- 
manns  Grundriß  der  vergleichenden  Grammatik  der  idg.  Sprachen 
und  in  der  Kurzen  vergleichenden  Grammatik  der  idg.  Sprachen 
von  demselben  Verfasser  eine  Kodifizierung  der  Resultate  besitzen, 
die  in  nunmehr  loojähriger  Arbeit  für  die  Erkenntnis  der  gemein- 
samen Grundsprache  gewonnen  sind. 

Fast  jedes  Kapitel  des  vorliegenden  Buches  operiert  mit  den 
Tatsachen  der  vergleichenden  Grammatik  und  mit  dem  Begriff  der 
idg.  Grundsprache.  Es  bedarf  daher  hier  keines  Beweises  dafür, 
daß  das  Germanische  in  die  idg.  Sprachgemeinschaft  hineingehört. 
Hier  kann  nur  die  Frage  nach  der  speziellen  Stellung  des  Ger- 
manischen innerhalb  der  idg.  Sprachgemeinschaft  aufgeworfen 
werden.    Rechnet  doch  die  Sprachwissenschaft  schon   lange  mit 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  I 


2  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

der  Möglichkeit,  daß  einzelne  Glieder  der  großen  Sprachfamilie 
in  einem  näheren  Verwandtschaftsverhältnis  stehen  können,  wenn 
man  jetzt  allgemein  Indisch  und  Iranisch,  Slavisch  und  Litauisch, 
Lateinisch  und  Keltisch  als  nächstverwandte  Gruppen  zusammen- 
faßt. Läßt  sich  also  eine  nähere  Verwandtschaft  des  Germanischen 
mit  irgendeiner  andern  idg.  Sprache  erweisen.? 

Diese  Frage  ist  umso  schwieriger  zu  beantworten,  als  das 
Germanische  in  charakteristischen  Einzelheiten  nahe  Berührungen 
mit  der  Mehrzahl  der  idg.  Sprachen  aufweist.  So  hat  schon  Joh. 
Schmidt,  Verwandtschaftsverh.  S.  50  mit  Recht  auf  einige  Worte 
hingewiesen,  die  bloß  als  germ.  und  arisch  zu  erweisen  sind:  got. 
hairus  ind.  gdru-\  ahd.  triogan  avest.  druzaiti  apers.  drug  ind. 
druh\  got.  aigan  ind.  tg\  ahd.  wunsc  ind.  vänchä  'Wunsch';  got. 
aühsa  ind.  uksdn  avest.  u)(^san  (kymr.  ych)  'Ochse';  got.  manna 
ind.  manu-\  got.  qens  ind.  jam-;  got.  ßj an  ind.  piy;  ahd.  hreftan 
ind.  grathäy\  angls.  folde  ind.  pxthivt  (dazu  kelt.  Letavia  nach 
Thurneysen);  an.  hverr  ind.  caru-  'Kessel'  (:  kelt.  qorio-). 

Anmerkung.  Für  die  sprachliche  Stellung  des  Germanischen  innerhalb  der 
idg.  Sprachfamilie  kommt  ein  Gesichtspunkt  in  Betracht,  der  sich  in  den  letzten 
20  Jahren  immer  mehr  Geltung  verschafft  hat :  das  Germanische  gehört  zu  den 
<:<?«/z^w-Sprachen  der  idg.  Sprachfamilie  und  nicht  zu  den  ja/^z/z-Sprachen.  Es 
handelt  sich  hier  um  die  palatale  Gutturalreihe,  die  in  einer  östlichen  Sprachen- 
gruppe nicht  als  reine  Verschlußlaute  erhalten  geblieben  ist,  während  eine  im 
wesentlichen  westliche  Gruppe  die  Verschlußlaute  beibehält.  Dieser  Gegensatz  läßt 
sich  veranschaulichen  etwa  durch  lat.  ceniutn  gr.  ^Kaxöv  =  avest.  satem  ind. 
fata-;  lat.  decem  gr.  b^Ktt  =  avest.  dasa  ind.  däga;  lat. /^«rz/ =  avest. /ßj«  ind. 
päfu\  lat.  socer  gr.  ^Kupöc;  =  ind.  gvägura-  'Schwiegervater'  (vgl.  unten  §43 ff.). 
Die  Hauptvertreter  der  satem-^'^xQ.ch&n  sind  Indisch,  Iranisch  und  Slavolettisch. 
Die  Hauptvertreter  der  ^m/z.rw-Sprachen  sind  Griechisch,  Lateinisch,  Keltisch, 
und  dazu  gesellt  sich  auch  das  Germanische. 

§  2.  Gemeineuropäisches.  Das  Germanische  hat  seine 
nächsten  Verwandten  innerhalb  der  idg.  Sprachen  Europas.  Diese 
unterscheiden  sich  von  der  arischen  Gruppe  Asiens  durch  lautliche 
und  durch  lexikalische  Züge,  und  darin  stimmt  das  Germanische 
zum  Griechischen,  Lateinischen,  Keltischen  und  Slavischen,  aber 
nicht  zum  Indischen  und  Iranischen. 

Während  die  arische  Gruppe  (Indisch  und  Iranisch)  die  idg. 
Urvokale  e  durch  ä  ersetzt,  halten  sie  sich  in  den  europäischen 
Sprachen  des  Indogermanischen  —  einschließlich  des  Germa- 
nischen —  in  regelrechter  lautgesetzlicher  Übereinstimmung.  So 
stehen  den  ind.  Wurzeln  ad  bhar  sac  die  gr.  Verba  ^öo|Liai  qpepu) 
^TTOjLiai  und  die  lat.  edo  fero  sequi  gegenüber,  und  hiermit  stimmen 


L  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  3 

ahd.  essan  heran  sehan  =  asächs.  etan  heran  sehan  überein :  e  ist 
der  lautgesetzliche  Vertreter  des  idg.  e  im  Germanischen  wie  im 
Lateinischen  und  Griechischen.  —  Ebenso  ist  idg.  i  im  Germa- 
manischen, Griechischen,  Lateinischen  erhalten,  aber  im  Indischen 
und  Iranischen  zu  ä  geworden ;  vgl.  ind.  jäni-  'Weib'  mit  got.  qens^ 
lat.  mensis  gr.  |Lir|V  mit  got.  mena  'Mond'  (aber  ind.  mäs)^  lat.  se-men 
mit  got.  se-ps  'Saat*,  ind.  räjan-  'König'  mit  lat.  rix  {reg-)^  ind. 
samt-  'halb'  mit  lat.  semi-. 

Auch  das  europäische  /  ist  im  Germanischen  erhalten,  steht 
aber  zum  Teil  einem  arischen  r  gegenüber;  vgl.  z.  B.  ind.  gravas 
mit  gr.  kX^o^  und  germ.  hlewa-  (in  run.  Hlewa-gastiz)^  ind.  ric 
mit  gr.  XeiTTUJ  lat.  linquo  und  got.  leiJva\  auch  ind.  vfka-  'Wolf  mit 
gr.  XuKO^  lat.  lupus  got.  wulfs. 

Von  hoher  Bedeutung  für  eine  nahe  Zusammengehörigkeit  der 
europäischen  Indogermanen  ist  der  Wortschatz.  Besonders  fällt 
die  Ausbildung  einer  landwirtschaftlichen  Terminologie,  die  dem 
Arischen  fremd  ist,  ins  Gewicht.  Im  Indischen  und  im  Iranischen 
fehlen  die  verbreiteten  europäischen,  auch  im  Germanischen  er- 
haltenen Verbalwurzeln  ar  'pflügen',  me  'mähen',  mdl  'mahlen',  se 
'säen',  oq  'eggen',  mlg  'melken'.  Nomina  wie  agro-  'Feld',  swlk p^kä 
'Furche',  woghni-  woghnsno-  'Pflugschar',  gfno-  'Korn',  r&phä  'Rübe, 
Rettig',  kromüso-  'Zwiebel',  hhägo-  'Buche',  salik-  witwä  'Weide', 
porko-  'Schwein',  empi-  hht-  'Biene',  kfsn-  'Hornisse',  wepsuä  wopsü 
'^e.s^&\g(e)rano- gjw-  gru-  'Kranich',  (s)trozdu-  'Drossel'  u.  a.  sind 
für  das  Europäische  charakteristisch  und  finden  sich  auch  im  Ger- 
manischen. Sonst  seien  noch  Einzelheiten  aufgeführt  wie  awo- 
'Großvater',  ghdmon-  'Mann',  hhardha-  'Bart',  wfdho-  'Wort',  mori 
mari  'Meer',  sal(d)  'Salz',  ghosti-  'Fremdling',  teutä  'Volksstamm', 
klni-  klnä-  'Hügel',  öli^nä  'Elle',  kr(^)pi'  'Schuhwerk',  l^gh  'liegen', 
oinos  'einer',  aljos  'anderer*. 

Anmerkung.  Alle  angeführten  Worte  kommen  auch  im  Germanischen  vor; 
wegen  kr(S)pi-  'Schuhwerk'  in  gr.  \(.pr\Tz[c,  lat.  carpischim  lit.  kurpe  vgl.  an.  hriflingr 
spätangls.  (h)rifeling. 

Während  die  europäischen  ^und  / — weil  schon  grundsprachlich 
—  nichts  für  eine  europäische  Ursprache  einer  arischen  Sprach- 
einheit gegenüber  erweisen,  zeugen  solche  Lautkriterien  zusammen 
mit  der  angedeuteten  Ausprägung  eines  europäischen  Wortschatzes 
jedenfalls  für  engere  Berührung  der  europäischen  Dialekte  unter 
einander,  vielleicht  geradezu  für  nähere  Sprachverwandtschaft. 
Fick,  der  in  seiner  wertvollen  Schrift  Die  ehemalige  Spracheinheit 


4  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

der  Indogermanen  Europas,  Göttingen  1873,  mit  Scharfsinn  den 
indogerm.  Wortschatz  durchmustert  —  unsere  Zusammenstellungen 
haben  diesem  Buche  manches  entnommen  —  stellt  die  Europäer 
als  geschlossene,  verwandtschaftlich  eng  verbundene  Einheit 
den  Ariern  gegenüber,  nachdem  ein  Jahr  früher  Joh.  Schmidt  (Die 
Verwandtschaftsverhältnisse  der  idg.  Sprachen,  Weimar  1872) 
die  Stammbaumtheorie  abgewiesen  und  eine  Theorie  kontinuier- 
licher Übergänge  (Wellentheorie)  aufgestellt  hat.  Joh.  Schmidt 
erkennt  überall  Übergänge,  Nachbardialekte  gehören  stets  enger  zu 
einander,  jede  Sprache  bildet  das  Mittel  zwischen  ihren  Nachbarn. 
Diese  Theorie  beruht  auf  zahlreichen  evidenten  Tatsachen,  welche 
die  Bedeutung  geographischer  Berührungen  zum  erstenmal  auf- 
geklärt haben.  Aber  durch  Joh.  Schmidts  Theorie  wird  die  Stamm- 
baumtheorie keineswegs  abgetan,  wie  1876  Leskien  (Deklination 
im  Slavischlit.  und  Germanischen)  zeigte.  Ein  strikter  Beweis  für 
die  Notwendigkeit  der  Annahme  einer  näheren  Verwandtschaft 
der  europäischen  Sprachen  gegenüber  dem  Arischen  ist  allerdings 
noch  nicht  erbracht  und  wird  sich  kaum  je  erbringen  lassen;  vgl. 
Brugmann  in  Techmers  Zs.  i,  226  und  Kretschmer  Einltg.  in  die 
Gesch.  d.  gr.  Spr.  S.  93. 

§  3.  Engere  Verwandtschaft.  Das  Germanische  —  als  Ein- 
heit gefaßt  —  hat  im  Kreise  der  idg.  Sprachen  am  Latein,  wie 
es  scheint,  einen  näheren  Verwandten  als  etwa  am  Slavischen 
oder  Keltischen.  Zwar  gibt  es  im  Wortschatz  spezielle  Überein- 
stimmungen zwischen  Germanisch  und  Slavisch  (unten  §27);  aber  sie 
sind  unscheinbar  und  wenig  charakteristisch,  zum  mindesten  hat  der 
Glaube  an  eine  nahe  Verwandtschaft  von  Germanisch  und  Slavisch 
kaum  irgendwelche  Vertreter  mehr,  seitdem  die  §  i  Anm.  be- 
handelte Gliederung  der  idg.  Sprachen  in  ^^;^/^^;;^-Sprachen  und 
satem-Spra-chen  als  Ergebnis  der  neueren  Anschauungen  feststeht : 
das  Slavische  ist  eine  satem-Spra.che ,  aber  das  Germanische 
gehört  zu  den  ^^;2/^^-Sprachen.  —  Mit  dem  Keltischen  be- 
stehen schon  charakteristischere  Übereinstimmungen,  wie  §  4ff- 
zeigen  wird.  Aber  sie  beruhen  zum  Teil  auf  der  doch  wohl  nicht 
zu  beanstandenden  Tatsache,  daß  das  Latein,  das  seinerseits  mit 
dem  Keltischen  nahe  verwandt  ist,  auch  als  Nächstverwandter  des 
Germanischen  zu  gelten  hat. 

Besonders  charakteristisch  sind  bestimmte  Tatsachen  im  Bereich 
der  lat.-germ.  Wortbildung.  Der  Typus  von  lat.  virtütem  senec- 
tütem  juventütem  stimmt  in  ganz  auffallender  Weise  zu  dem  Typus 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  5 

von  got.  mikildüps  gamaindüps  ajukdüps^  und  dieser  Typus  zeigt 
anderwärts  nur  geringe  Spuren.  Wichtiger  ist  vielleicht  der  Wort- 
bildungstypus für  Zusammensetzungen,  der  durch  lat.  biennmm  pro- 
verbium  aequinoctium  einerseits  und  got.  atapni gawaürdi  andanahti 
(§  281)  anderseits  repräsentiert  wird;  auch  hier  zeigen  die  übrigen 
idg.  Sprachen  keinerlei  nennenswerte  Parallelen.  Die  Überein- 
stimmungen in  Wortzusammensetzungen  wie  lat.  communis  und 
got.  gamains  oder  wie  lat.  hospes  für  *hostipotis  und  das  aus  einem 
germ.  gastfaps  entlehnte  altslav.  gospodi  können  wohl  nicht  auf 
Zufall  beruhen.  Jedenfalls  zeigt  der  lat.  Wortschatz  die  auffäUig- 
sten  und  zahlreichsten  Übereinstimmungen  mit  dem  Germanischen: 
lat.  taceo  sileo  =  got.  paha  sila,  lat.  capto  sapio  =  ahd.  /^eßu 
seffti^  lat.  düco  =  got.  iiuka,  lat.  sa/lo  'salze'  =  got.  salfa^  lat. 
augeo  =  got.  auka^  lat.  acüs  =  ahd.  ecka^  lat.  annus  =  got.  apns, 
lat.  tempus  =  got.  peihs,  lat.  haedus  =  got.  gaits^  lat.  collis  == 
angls.  4^//  'Hügel',  lat.  collum  =  got.  hals^  lat.  malus  (aus  *masdos) 
=  ahd.  mast^  lat.  homo  ==  got.  guma^  \a.t  paucus  =  ahd./ö^^  lat.  malus 
(für  '^smalos)  =  got.  smals^  lat.  longus  =  got.  laggs.  Für  derartige 
lautgetreue  und  formell  korrekte  Gleichungen,  zu  denen  etwa  noch 
lat.  z^elh  'du  willst'  =  got.  wileis  'du  willst'  als  bedeutungsvoll 
hervorzuheben  ist,  liefern  andere  idg.  Sprachen  keine  genauen  Ent- 
sprechungen. Lat.  Worte  können  aus  dem  Germanischen  am 
leichtesten  gedeutet  werden,  wenn  z.  B.  lat.  sponte  'Antrieb'  durch 
das  Wurzelverb  ahd.  spanan  'antreiben'  aufgeklärt  wird.  Germ. 
Worte  können  durch  das  Latein  am  leichtesten  aufgehellt  werden, 
wenn  z.  B.  ahd.  r'eht  (=  lat.  rectus)  aus  dem  lat.  Primärverb  rego 
und  got.  hana  'Hahn'  (eigtl.  'Sänger')  aus  dem  Primärverb  lat.  cano 
und  got.  wadi  'Pfand'  (vgl.  got.  reikizn  reiks)  alsNominalabstraktum 
mit  y^-Suffix  zu  einem  Primärnomen  lat.  vas  Gen.  vadis  'Bürge* 
Aufklärung  erhalten.  Es  handelt  sich  in  derartigen  Einzelheiten, 
die  allerdings  sehr  zahlreich  sind,  nicht  um  beliebige  Zufälligkeiten : 
es  sind  Worte  und  Begriffe  ohne  einen  speziellen  Kulturinhalt,  d.  h.  es 
handelt  sich  hier  um  Übereinstimmungen,  bei  denen  Kulturübertra- 
gung, Entlehnung  oder  Wanderung  von  Worten  ausgeschlossen  ist. 

Kap.  2.    Keltisch  und  Germanisch.*) 
§4.   Lexikalische  Berührungen.   Der  Verwandtschaftsgrad 
von  Kelten  und  Germanen  ist  schwer  zu  bestimmen.  Der  Wortschatz 


*)  Eine  eingehendere  Behandlung  dieser  Probleme  bei  Bremer,  Ethnographie 
der  germ.  Stämme  (Pauls  Grdr.  III  ^  787)  ;Much,  Deutsche  Stammeskunde  (Göschen) 
S.  41  ff-;  Kretschmer,  Einleitg.  in  die  Gesch.  d.  griech.  Sprache  S.  118. 


6  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

liefert  nur  zweideutige  Kriterien,  läßt  Erklärung  durch  nachbar- 
liche Berührungen  so  gut  zu  wie  solche  durch  nähere  Verwandt- 
schaft. Für  einige  gemeingerm.  Worte  steht  Entlehnung  aus  dem 
Keltischen  fest.  Der  keltische  Übergang  von  idg.  e  (lat.  reg-em) 
in  t  beweist  für  germ.  rtk-  'König'  (got.  reiks)  und  rtkja-  'Reich' 
(vgl.  den  Cimbrennamen  Mallortx)  vorhistorische  Entlehnung  aus 
urkelt.  rtg-  (altir.  ri  Gen.  rig)  vor  der  germ.  Lautverschiebung 
(Osthoff,  Perfekt  S.  lo)  und  ahd.  ambaht  ist  gewiß  gleichzeitig  aus 
kelt.-lat.  ambactus  entlehnt,  dessen  kelt.  Ursprung  durch  Thur- 
neysen,  Keltoroman.  S.  30  über  jeden  Zweifel  gehoben  ist  (Präfix 
amb  ist  nicht  germ.,  got.  andbahts  aber  ist  nur  umgedeutet).  — 
Neben  solchen  Gleichungen  finden  sich  nun  auch  Übereinstim- 
mungen im  Wortschatz,  bei  denen  die  Annahme  von  Urverwandt- 
schaft und  von  Entlehnung  gleiche  Berechtigung  hat ;  es  sind  Worte, 
welche  die  germ.  Lautverschiebung  mit  durchgemacht  haben:  germ. 
aipa-  'Eid'  =  altir.  oeth  (Grdf.  oito-)\  germ.  gtsla-  'Geisel'  =  altir. 
giall  (Grdf.  gheislo-)\  altir.  luige  'Eid'  =  got.  liugan  'heiraten' 
(Wz.  leugh)\  gallolat.  dünum  (urkelt.  dünos)  =  germ.  /üna-;  bret. 
treb  'Dorf  =  germ.  porpa-\  altir.  brig-  =  germ.  bürg-  (Grdf. 
bhtgh) ;  kelt.  Hercynia  (aus  *perkunia)  =  got.  fairguni  Much  ZfdA. 
XXXII  462 ;  gallolat.  marga  =  ahd.  mBrgil\  gallolat.  tsarno-  (altir. 
iarfi)  =  germ.  zsarna-;  altir.  luaide  'Blei'  =  ahd.  löt\  altir.  lethar  = 
ahd.  ledar\  gall.  (Pausan.)  marka  (altir.  marc)  'Pferd'  =  germ.  marha- ; 
gall.  reda  'Wagen'  =  germ.  ridan  'fahren';  keltiber.  (Plin.  Hist. 
Nat.  XXXIII  40)  viria  =  an.  v^rr  angls.  wzr;  germ.  um-  =  gall. 
(Macrob.  Sat.  VI  4, 23)  ürus ;  germ.  wisundwesand war  auch  urkeltisch. 
Bei  derartigen  Worten  sucht  man  vergebens  nach  festen  Kri- 
terien zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  Urverwandtschaft  oder  ob 
nachbarlicher  Austausch  die  Gemeinsamkeit  solcher  Wortmate- 
rialien bedinge.  Daneben  besitzt  das  Germanische  eine  zweite 
Schicht  von  Worten,  welche  von  den  kelt.  Entsprechungen  nicht 
durch  die  Lautverschiebung  getrennt  sind :  angls.  temsian  'sieben' 
ndl.  tems  'Sieb'  stimmen  zu  einem  kelt.  ^tamisio-  Thurneysen, 
Keltoroman.  S.  80;  got.  kelikn  =  gall.  ke/ünonKBeitr.  2,  108;  kymr. 
tetk  'Zitze'  aus  */ifta  =  angls.  Htt  'Zitze' ;  angls.  crcEt  =  altir.  crei 
'Wagenkasten';  vgl.  noch  ahd.  krunib  mit  altir.  cromm.  Diese 
zweite  Schicht  enthält  mehrere  Worte,  die  sich  auf  Wagen- 
kunst beziehen,  während  die  ältere  Schicht  mehr  kriegerische 
Terminologie  aufweist.  Aber  wahrscheinlich  sind  diese  Lehn- 
worte erst  durch  lat.  Vermittlung  germanisch  geworden. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  7 

Eine  besondere  Hervorhebung  verdienen  noch  einige  südliche, 
lat.  Lehnworte  im  Germanischen,  die  nach  neuerer  Annahme  nur 
durch  kelt.  Vermittlung  zu  uns  gekommen  sein  können.  So  ist 
got.  alew  nach  Much  Beitr.  17,  34  und  Solmsen  IF.  5,  344  das  lat, 
olivum^  aber  durch  kelt.  Vermittlung;  so  hat  Much  Beitr.  17,  33 
got.  peikabagms  ^.xiSXdX.ffcus  durch  ein  ^tXi.  pikos  hindurch  zurück- 
geführt. So  wird  noch  got.  sipöneis  'Schüler'  von  Much  aus  der 
kelt.  Wz.  seq  sep  als  Entlehnung  gedeutet. 

Wenn  wir  nun  auch  nicht  fehl  gehen,  indem  wir  in  großem 
Umfang  Entlehnung  aus  dem  Keltischen  ins  Germanische  an- 
nehmen, so  scheint  für  andere  Übereinstimmungen  doch  auch  die 
Annahme  geboten,  daß  Kelten  und  Germanen  gemeinschaftliche 
altindogerm.  Erbmaterialien  infolge  ihrer  nachbarlichen  Berührung 
gleichmäßig  bewahren,  wo  keiner  von  dem  andern  entlehnt  zu 
haben  braucht:  altir.  sei  'Weg'  =  got.  sinps\  altir.  etaim  'erreiche' 
=  g&vm.  finpan\  oXtiv.  ßd  (gall.  vidu-)  'Baum'  =  ahd.  witu]  altir. 
rddim  'spreche'  =  got.  rödja\  altir.  rün  'Geheimnis'  =  got.  rüna\ 
got.  Spill  dins  urgerm.  sqedlo-Yorgerm.  sqetlö-  ==  altir.  scel  'Geschichte'; 
altir.  oetk  'Eid'  =  got.  aips;  altir.  liuge  'Eid'  dazu  got.  liugan 
'heiraten';  altir.  orbe  'Erbe'  =  got.  arbi\  ir.  mug  (aus  mogus) 
'Diener'  resp.  altgall.  maqos  'Sohn'  (altir.  macc)  =  got.  magus\ 
rheinfränk.  hess.  mocke  'Mutterschwein'  =  altir.  mucc  (aus  *mukku-) 
'Schwein'.  —  Ferner  altir.  menicc  (aus  *menekki-)  'häufig'  =  got. 
manags  (KBeitr.  II  171,  dazu  wohl  noch  altir.  mit  'große  Menge' 
aus  '^man-ti-  ?) ;  ahd.  dicchi  =  altir.  Img  (aus  *ä'gu-) ;  altir.  oecÄ  aus 
*poikos  =  ahd.  feh  'verhaßt,  feindlich' ;  beachte  kymr.  rhydd  'frei' 
==  got.  freis  'frei'  gegen  ind.  priyd-  'lieb'  (Revue  Celt.  II  327). 
Ferner  altir.  scdth  'Schatten'  =  got.  skadus.  Vgl.  noch  d'Arbois 
de  Jubainville,  Geltes  et  Germains  1886. 

Ebenso  beweiskräftig  und  zahlreich  sind  Worte,  welche  dem 
Germanischen  mit  dem  Italokeltischen  gemeinsam  sind :  \-aX.  porca 
=  hd.  furche  =  kelt.  pxka  (Thurneysen,  Keltoroman.  S.  74);  lat. 
piscis  =  altir.  iasc  =  got.  ßsks ;  Wz.  b/tlö  in  lat.  ßös  altir.  bldl/i 
got.  blöma;  lat.  celo  =  altir.  celim  =  ahd.  /iilu;  lat.  crtbrum  =  altir. 
criathar  =  angls.  hridder  (Grdf.  kreithr-) ;  lat.  cornu  =  altir.  carn 
=  got.  haürn;  lat.  väles  =  altir. y<i//>^  angls. ze;^^ 'Poesie' ;  lat. caecus 
=  altir.  caeck  =  got.  haihs\  lat.  v^rus  =  altir.  f/r  =  ahd.  war; 
lat.  fodio  'grabe'  kymr.  bedd  'das  Grab'  ahd.  b^t(t)i  'Ackerbeet' 
(Franck,  EtWb.  s.  bed)\  lat.  vasius  =  altir.  /äs  =  ahd.  wuosti\ 
lat.  aqua  =  got.  aJva  =  kelt.  -apa ;  lat.  lacus  =  altir.  loch  =  angls.  lagu. 


8  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

§  5.  Grammatische  Übereinstimmungen.  Eine  ebenso 
wichtige  wie  auffällige  Berührung  zwischen  Latein-Keltisch-Ger- 
manisch besteht  nach  Thurneysen  (Revue  Celt.  VI  312)  in  den 
Akzentgesetzen  (s.  unten  Kap.  18.  19):  übereinstimmend  lassen 
diese  Sprachen  alte  Ultimabetonung  fallen  und  führen  Betonung 
auf  der  ersten  Wortsilbe  durch  (im  Lateinischen  hat  dieses  Gesetz 
eine  jüngere  Einschränkung  durch  das  Dreisilbengesetz  erfahren); 
speziell  zum  Keltischen  stimmt  das  Germanische  im  wesentlichen 
in  der  Unbetontheit  der  Verbalpartikeln  beim  Verb,  wo  das  La- 
teinische ursprünglich  eine  abweichende  Betonung  gehabt  hat. 
Das  Nähere  darüber  s.  §  81.  In  altir.  bnt  lat.  fio  asächs.  biu 
zeigt  sich  dieselbe  Sprachengruppe  in  Übereinstimmung;  vgl. 
auch  die  Präfixe  lat.  com-  altir.  com-  germ.  kam-  in  altfränk. 
ham-idü  und  daneben  eine  Präfixgestalt  ko  in  lat.  co-hibeo  co-hors 
co-actus  neben  got.  ga  in  ga-qiman  ga-rüni,  woran  nach  Stokes, 
Wortschatz  S.  85  auch  das  Keltische  mit  einem  ^ö-Präfix  Anteil 
hat.  Bedeutungsvoll  ist  schließlich  auch  die  Übereinstimmung 
von  Präposition  und  Präfix  lat.  ad  altir.  ad  got.  at. 

§6.  Keltogermanische  Personennamen.  Ein  weiterer  wich- 
tiger Punkt,  der  die  nahe  Berührung  zwischen  Germanen  und 
Kelten  erweist,  ist  die  Bildung  von  Eigennamen.  Zwar  zeigt  das 
Germanische  hier  auch  Berührung  mit  dem  Indischen  und  dem 
Griechischen.  So  hat  Kögel  (Literaturbl.  VIII  108)  idg.  wesu- 
durch  einen  Hinweis  auf  ahd.  Wisumär  gr.  EuKXer|<^  ind.  Vasubhüti- 
kelt.  Visurtx  (Tomaschek  BB.  9,  93)  erwiesen;  idg.  ekwo-  'Roß' 
steckt  in  angls.  Eömser  gr.  M7TTT0|LiebuJV  ind.  Agvamedha-  kelt. 
Epopennus\  vgl.  idg.  wlqo-  in  ahd.  Wolf-ger  gr.  AuKÖcppiuv;  idg. 
kluto-  in  ind.  Qrutamagha-  gr.  KXuTO)Liribri<;  angls.  Hlophere  kymr. 
Clotri. 

Anmerkung.  Speziell  zum  Indischen  stellt  sich  idg.  sntyo-  in  got.  Suniafrid  ind. 
Satya-vrata-,  idg.  priyo-  in  ahd,  Frt-bald  ind.  Priya-medha-,  idg.  pelu-  in  rüg. 
Feletheus  ahd.  Filu-mär  ind.  Puru-medha-.  Zum  gr.  K\eFo-  in  KXeöHevo?  stellt 
sich  nach  Burg  (Die  älteren  nord.  Runeninschriften  S.  19)  das  run.  Hlewa-gastiz. 

Aber  von  solchen  weiterreichenden  Bildungselementen  für 
Nomina  propria  abgesehen,  teilt  das  Germanische  eine  Reihe 
anderer  nur  mit  dem  Keltischen,  ohne  daß  Italer  und  Inder  daran 
teil  nehmen :  katu-  in  gall.  Catu-volcus  -rix  -märus  ahd.  Hadu- 
-rih  -mär\  teuto-  in  gall.  Teutomatus  ahd.  Diotrih\  segho-  seghi- 
in  gall.  Sego-vax  -märus  germ.  Segi-merus\  esu-  in  kelt.  Esu- 
nertus  ahd.  As-birin  -ulf\  endlich  dhagho-  in  kelt.  Dagovassus 
angls.  DcBgbald  -frid.     Auch   zweite  Kompositionselemente   sind 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  g 

dem  Keltischen  und  Germanischen  gemeinsam :  möro-  :  mero-  (Ost- 
hoff Beitr.  XIII  431)  in  kelt.  Adiatu-  Ctmo-  Nemeto-märus  altgerm. 
Segi-  Chatku-merMS ;  rtg-  :  rtk-  in  kelt.  Orgeto-  Dubno-  Vercingeto-rtx 
ahd.  Fridu-  Diot-rth\  wolko-  in  gall.  Catuvolcus  angls.  Cenwealh. 
Diese  Zusammenstellungen,  die  auf  Ch.  W.  Glücks  wichtiger 
Schrift  Die  bei  Caesar  vorkommenden  kelt.  Namen  (München  1857) 
beruhen,  beweisen  im  ganzen  gewiß  eine  nahe  Zusammengehörig- 
keit von  Kelten  und  Germanen,  die  wir  am  richtigsten  mit  Joh. 
Schmidts  Kontinuitätstheorie  erklären.  Einzelnes  beruht  wohl  auch 
darauf,  daß  die  Germanen  Gebiete  okkupierten,  auf  denen  zuvor 
Kelten  seßhaft  waren.  So  erklärt  sich  ja  auch  die  auffällige  Über- 
einstimmung von  Völkernamen :  ahd.  Hessi  =  brit.  (Caesar)  Cassi 
Müllenhoff  ZfdA.  23,  7  und  Braune  IF.  4,  344;  kelt.-lat.  Brigantes 
eigtl.  'monticolae'  =  germ.-lat.  Btirgundi(ones) ;  über  germ.  Walkoz 
=  lat.  Volcae  d'Arbois  Rev.  Celt.  2,  287.  Über  die  speziell  deut- 
schen Ortsnamen  kelt.  Ursprungs  zu  handeln,  ist  hier  nicht  der 
Ort;  darüber  s.  Bacmeister,  Alemannische  Wanderungen. 

Kap.  3.     Germanen  und  Römer. 

§  7.  Germanisch-römische  Beziehungen.  Es  ist  selbst- 
verständlich und  wird  zudem  hinlänglich  bezeugt,  daß  die  Ger- 
manen bei  ihren  intensiven  Berührungen  mit  den  Römern  auch 
Fühlung  mit  dem  römischen  Idiom  gewannen.  Arminius  verstand 
lateinisch,  ut  qui  romanis  in  castris  ductor  popularium  meruisset 
Tac.  Ann.  II  10;  ein  des  Lateins  kundiger  Germane  wird  auch 
Ann.  II  13  erwähnt.  Aus  diesen  und  andern  von  Budinski,  Aus- 
breitung der  lat.  Spr.  S.  152  beigebrachten  Zeugnissen  ergibt  sich 
Kenntnis  des  Lateins  schon  für  die  Frühzeit  der  germanisch- 
römischen Berührungen.  Budinski  verweist  noch  auf  des  Plinius' 
Panegyricus  56,  wonach  die  Rechtspflege  des  Kaisers  Trajan  in 
Germanien  teilweise  ohne  Dolmetscher  geschehen  sein  muß. 

Die  römischen  Heere  waren  voll  germ.  Elemente;  unter  den 
julisch-claudischen  Kaisern  bestehen  germ.  Kohorten  und  Leib- 
wachen ;  an  zahlreichen  geschichtlichen  Ereignissen  auf  italischem 
Boden  haben  Germanen  einen  Anteil.  So  kommt  es,  daß  uns 
zahlreiche  germ.  Eigennamen  überliefert  sind,  welche  uns  formell 
und  stofflich  einen  Einblick  in  den  germ.  Sprachzustand  im  Be- 
ginn unserer  Zeitrechnung  gewähren.  Allerdings  ist  auch  das 
Eigennamenmaterial  beschränkt :  wir  vermissen  Dynastiennamen, 


10  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

Patronymica,  Spitz-  und  Kurznamen.  Der  erste  sichere  Kurzname 
zusammen  mit  dem  Vollnamen  begegnet  bei  Vopiscus  im  Leben 
Aurelians  (Scr.  Hist.  Aug.  II  p.  15)  Gothorum  ducem  Cannaban  sive 
Cannabaudem ;  Charietto  bei  Amm.  ist  der  Bildung  nach  wohl  Kurz- 
name (vgl.  Heinzo  Cuonzo)^  ist  aber  ohne  Vollnamen  überliefert. 
Ein  Zeugnis  für  Doppelnamen  gibt  der  Germane  Serapion^  der 
eigentlich  Agenarichus  hieß,  Amm.  16,  12.  Der  erste  Neckname 
erscheint  bei  Prokop  B.  G.  I  18  OuicTavboq  BavbaXdpio<;.  Die  Ur- 
sache für  den  immerhin  beschränkten  Umfangt)  der  altgerm.  Namen 
in  der  römischen  Überlieferung  dürfte  in  der  auffälligen  Latini- 
sierung liegen,  die  den  germ.  Namen  durch  Römer  oder  durch 
Germanen  zuteil  wurde.  Auf  Inschriften  der  Stadt  Rom  (Corp. 
Inscr.  Lat.  VI  2)  —  um  nur  diese  zuzuziehen  —  begegnen  mehr- 
fach lat.  Namen  von  germ.  Sklaven  und  germ.  Gardisten  (Mommsen, 
N.  Arch.  f.  alt.  d.  Gesch.  8,  351  und  Rosenstein,  Forsch,  z.  d.  Gesch. 
24,  376)  wie  Bassus,  Macer,  Valens,  Hilarus,  Nereus,  Alcimachus, 
Linus,  Nobilis,  Paetinus,  Phoebus,  Posthumus,  Severus,  auch  Ti. 
Claudius  Chloreus  (Corp.  Inscr.  VI  2,  4337 — 4344,  8802  —  8810). 
Von  geschichtlichen  Persönlichkeiten  trägt  des  Arminius'  Bruder 
Flavus  einen  römischen  Namen,  ebenso  der  Bataver  Claudius  Civilis. 
Nur  sehr  vereinzelt  begegnen  germ.  Namen,  «deren  Inhaber  bei 
der  Erteilung  des  römischen  Bürgerrechts  in  üblicher  Weise  die 
Namen  der  erteilenden  Kaiser  den  ihrigen  vorgesetzt  haben»  (KBeitr. 
III  205) ;  Dr.  Brandis  in  Jena  macht  mich  auf  Corp.  Inscr.  Lat.  III 
Nr.  4453  aufmerksam,  wo  ein  rex  Germanorum  Namens  Septimius 
Aistomodius  mit  seinen  beiden  Brüdern  Septimii  Philippus  et  Helio- 
dorus  erscheint:  die  Brüder  haben  lat.  Namen,  der  König  neben 
dem  lat.  Cognomen  seinen  echt  germ.  Namen.  Bei  dieser  Ver- 
wendung von  lat.  Namen  fällt  es  uns  auf,  daß  sich  bisher  in  der 
altgerm.  Überlieferung  noch  kein  sicherer  Nachklang  eines  lat. 
Namens  gefunden  hat,  während  das  Romanische  zahlreiche  germ. 
Namen  aufweist. 

Krieg  und  Militär,  Rechtspflege  und  Handelsverkehr  sind  die 
Faktoren,  die  eine  Berührung  von  Germanisch  und  Latein  not- 
wendig bedingen;  wir  dürfen  daher  die  gegenseitige  Beeinflussung 
der  Sprachen  seit  der  Zeit  des  C.  Julius  Caesar  datieren. 


*)  Die  Belege  für  das  hier  und  im  folgenden  zu  nennende  Namenmaterial 
der  antiken  Überlieferung  bei  Werle,  Die  ältesten  germ.  Personennamen  (Straß- 
burg 1910)  und  bei  Schönfeld,  Wb.  der  altgerm.  Personen-  und  Völkernamen 
(Heidelberg  191 1). 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  ii 

§  8.  Einfluß  des  Handels.  Caesar  spricht  von  römischen 
Kaufleuten  bei  den  Ubiern  und  Sueben  (B.  Gall.  IV  23),  und  Ta- 
citus  bezeugt  bei  manchen  germanischen  Stämmen  römischen 
Handel  (O.  Schrader,  Handelsgesch.  S.  82  ff.). 

a)  Ein  beliebter  Handelsartikel  war  gewiß  der  Wein.  «Zwar 
in  Caesars  Zeiten  schlössen  sich  die  Germanen  noch  ab  gegen 
die  fremden  Weine  (BG.  II  15;  IV  2),  aber  schon  nicht  mehr  als 
Tacitus  schrieb  (Germ.  23),  und  dann  kam  durch  das  Geschenk 
des  Kaisers  Probus  (Vopiscus  Prob.  18)  der  Weinbau  nach  Deutsch- 
land, und  wieder  nach  nicht  gar  langer  Zeit  wurden  die  geprie- 
senen Rebberge  der  Mosel  deutsches  Eigentum»  Wackernagel 
ZfdA.  6,  262.  Bedenkt  man  noch,  wie  intensive  Bekanntschaft 
germ.  Söldner  im  Süden  bereits  sehr  frühe  mit  dem  Wein  machten 
—  Appian  B.  Civ.  II  64  ist  ein  klassisches  Zeugnis  dafür  —  so 
werden  wir  nicht  zögern  für  lat.  vtnum  =  got.  wein  'Wein'  eine 
der  frühesten  germ.  Entlehnungen  anzunehmen;  und  wir  dürfen 
zugleich  vermuten,  daß  diejenigen  altgerm.  Lehnworte,  die  sich 
auf  Weinkultur  beziehen,  nicht  viel  später  bei  den  Germanen  in 
Aufnahme  kamen;  vgl.  lat.  calix  (ahd.  kelih),  bicärium  (asächs. 
bikeri)^  mustum  (ahd.  most\  lörea  (ahd.  lürra)^  vindemiae  (ahd.  win- 
timma)^  pressa  (ahd.  fressd)^  cellärium  (ahd.  kelläri)^  iräjectorium 
(ahd.  trahtäri\  acetum  (ahd.  ennth)^  miscere  (ahd.  miskan)\  ein 
Schwab,  kammerz  aus  camerata  behandelt  das  DWb.  unter  Ka- 
merte.  Hier  erklärt  sich  auch  got.-germ.  kaupön  'kaufen'  aus 
lat.  caupo.  Daß  der  römische  Handelsverkehr  auf  germ.  Boden 
nicht  immer  in  den  besten  Händen  war,  zeigen  z.  B.  die  scurrae 
als  Händler  bei  Amm.  XXIX  4;  daher  auch  asächs.  mangön 
'handeln'  aus  lat.  mango  'Händler'  (Schrader,  Handelsgesch.  S.  99). 

b)  Aus  Tac.  Germ.  5  ergibt  sich,  daß  römische  Münzen  unter  den 
Germanen  zirkulierten  und  wir  haben  damit  einen  Anhalt,  die 
Entlehnung  von  lat.  monita  (ahd.  munisa)^  siliqua  (ahd.  silihha)^ 
assärius  (got.  assärjus\  denärms  (angls.  dinere)^  "^tremissis  (angls. 
trimis)^  aureus  (an.  eyrer)  zeitlich  zu  fixieren,  und  wir  begreifen 
zugleich  die  germ.  Neubildung  der  Münzbezeichnung  ahd.  cheisu- 
ring  angls.  cäsering  aus  lat.  Caesar.  Dazu  kommt  die  Entlehnung 
für  Bezeichnungen  von  Maßen  und  Gewichten  wie  mtlia  (ahd. 
mild)  oder  wie  pondo  (got.  pund)y  modius  (ahd.  mtUti). 

c)  Auf  Schiffahrt  und  Fischfang  an  der  Nordsee,  sowie  am 
Rhein  und  an  der  Donau  deuten  die  entlehnten  ancora  (angls. 
oncor\  sagena   (ahd.  s^gma),  nävis   (schweiz.  naue)^   remus   (mhd. 


12  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

riente)^  plectrum  (angls.  pliht\  stroppus  (angls.  stropp)^  ponto  (angls. 
punt).  —  Das  rhein.  (ahd.)  salmo  geht  auf  spätlat.  salmo  (Auson.) 
zurück;  der  Alse  hat  den  lat.  (kelt?)  Namen  alausa  bei  Auson. 
In  England  findet  sich  entlehntes  trücta  (angls.  trüht).  Hierher 
stellen  wir  auch  die  Entlehnung  von  vtvärmm  (ahd.  wiwäri), 

§  9.  Militärischer  Austausch,  a)  Im  germ.  Kriegsapparat 
fiel  den  Römern  eine  Nomenklatur  auf,  die  aus  der  Soldaten- 
sprache auch  in  die  Literatur  Eingang  fand.  Varritus  bei  Amm. 
—  abweichend  in  Bedeutung  und  Laut  von  dem  barditus  bei 
Tacitus,  vgl.  die  Literatur  bei  Baumstark  zu  Germ.  3  —  das 
Kriegsgeschrei  bedeutend,  ist  noch  unerklärt,  huch  framea,  seit 
Tac.  mehrfach  bezeugt  (AfdA.  VII  213),  harrt  noch  der  Erklärung. 
Die  germ.  Überlieferung  kennt  weder  framea  noch  varritus  noch 
barditus.  Lat.  bandum  'signum,  vexillum'  (Paul.  Diac.  bei  Diez 
s.  banda)  —  zweifellos  germ.  Ursprungs  —  wird  durch  Prokop 
B.  Vand.  II  2  (tö  crr||ueiov,  6  öri  ßdvöov  KaXoOai  *Puu|Liaioi)  für 
das  Spätlateinische  bezeugt  (vgl.  got.  bandwa).  Ein  germ.-got. 
carrägo  'Wagenburg'  (für  '^carrhägo  eigtl.  carrohägo>  gebildet  wie 
angls.  bord-haga  'Schildburg')  überliefern  Amm.  31,  7,  Trebellius 
Gallien.  13  und  Claud.  8.  Wir  werden  wohl  nicht  fehl  gehen, 
einige  gemeinromanische  Lehnworte  als  etwa  gleichzeitige  Ent- 
lehnungen aus  dem  Germanischen  zu  fassen,  obwohl  lat.-griech. 
Zeugnisse  dafür  fehlen ;  sie  werden  wie  framea  und  bandum 
eigentlich  der  Soldatensprache  angehört  haben:  gemeinroman. 
brando  'Schwert',  helmo  'Helm',  gonfanone  (ital.  gonfalone)  'Fahne', 
mariscalco  'Hufschmied',  sperone  'Sporn*. 

b)  Anderseits  drangen  in  den  ersten  Jahrhunderten  auch  zahl- 
reiche Worte  der  staatlichen,  städtischen  und  militärischen  Be- 
griffssphäre ins  Germanische ;  man  denke  an  Caesar  (got.  kaisar)^ 
mtlitäre  (got.  militön)^  signum  'Feldzeichen'  (angls.  segen)^  draco 
'Kohortenzeichen'  (Pogatscher  QF.  64,  43).  Römisches  Städte- 
wesen gibt  Anlaß  zur  Übernahme  von  Worten  wie  vtcus  (angls. 
wie)  und  portus  (angls.  port  'Stadt') ;  angls.  ceaster  'Stadt'  aus  lat. 
castra  deutet  darauf  hin,  daß  dauernde  Kriegslager  zu  festen 
Plätzen  wurden.  Auch  lat.  colönia  konnte  übernommen  werden 
(vgl.  den  Ortsnamen  Köln).  Hierher  gehört  wohl  auch  die  Ent- 
lehnung von  lat.  sträta  (ahd.  stränna).  Zu  erwähnen  ist  auch  die 
Übernahme  von  hortus  in  angls.  ortgeard  und  von  vtvärium  in 
ahd.  wiwäri  'Weiher'. 

c)  Einzelne   Entlehnungen    gehören   speziell    zur   Reit-   und 


L  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  13 

Wagenkunst.  Bekannte  Entlehnungen  sind  got.  asilus  =  lat.  asinus 
und  ahd.  mül=  lat.  mülus.  Mhd.  mdr  'Pferd'  ist  das  lat.  maurus 
als  Beiwort  des  Pferdes.  In  westfäl.  päge  'Pferd'  scheint  ein  lat. 
equus  pagänus  zu  stecken.  Lat.  burdus  steckt  in  ahd.  burdihhtn 
und  ndl.  bordezel.  So  ist  auch  sagmärius  (ahd.  soumäri)  und 
schließlich  paraveredus  (ahd.  pferid)  zu  uns  gekommen.  Ferner 
lat.  carrus  carrüca  canthus  strigilis  (ahd.  karro  karrüh^  mhd.  kanz- 
wagen strigT)\  ahd.  sambüh  'Sänfte'  scheint  ein  gall.-lat.  sambüca 
zu  sein. 

d)  Wir  wissen  aus  der  antiken  Überlieferung  (vgl.  Baumstark 
zu  Germ.  VI),  daß  es  den  Römern  auffiel,  daß  die  Germanen  ihre 
Schilde  bunt  bemalten;  wir  haben  damit  wohl  einen  Anhalt,  die 
Übernahme  von  germ.  Farbenbenennungen  ins  Romanische  zu 
erklären:  gemeinroman.  blanco  brüno grtsio  blävo  falvo  (ital.  bianco 
bruno  grigiobiavo  falho).  Den  Römern  fiel  auch  die  germ.  Haarfarbe 
auf:  daß  die  Römerinnen  Perücken  aus  blondem  Germanenhaar 
liebten,  zeigen  Stellen  wie  Ovid  Amores  I  14^^.  Das  gemein- 
roman. blondo,  für  das  man  häufig  germ.  Ursprung  vermutet  hat, 
dürfte  die  intern  germanisch  unbezeugte  Benennung  der  Haar- 
farbe gewesen  sein;  zur  Sache  vgl.  Baumstark  zu  Germ.  IV,  wo 
Sueton  im  Leben  des  Caligula  c.  47  nachzutragen  ist.  Wie  den 
Römern  die  germ.  Haarfarbe  auffiel  {rutilus  oder  nach  Galen  I 
p.  168,  XV  p.  185  7Tuppö(;,  nicht  HavGoq),  so  konnte  den  Germanen 
auch  die  röm.  Haartracht  auffallen,  sie  konnten  lat.  crispus  (angls. 
cyrsp)  übernehmen,  auch  lat.  capillus  (vgl.  got.  kapillön  'scheren') ; 
und  germ.  kalwa-  'kahl'  entstammt  aus  diesem  Gesichtspunkt  eher 
dem  lat.  calvus  (=  ind.  kulva-  avest.  kaourva)^  als  daß  mit  Hilde- 
brand DWb.  s.  kahl  Urverwandtschaft  von  hd.  kakl  mit  aslav.  golü 
'nackt,  bloß'  anzunehmen  wäre. 

§  10.  Die  Tierwelt  der  germ.  Gebiete  fiel  den  Römern 
ebenso  sehr  auf  wie  den  Germanen  die  südliche. 

a)  Seit  Caesar  lernten  die  Römer  das  germ.  alces  und  dann 
das  kelt.-germ.  ürus  und  vison  kennen.  Das  nach  Diez  (EtWb. 
unter  ganta)  auch  im  Romanischen  bezeugte  germ.  ganta  nennt 
Plinius  NH  X  53  (das  Belegmaterial  für  ürus  vison  ganta  s.  bei 
O.  Keller,  Tiere  des  class.  Alt.  53.  303),  und  aus  seinem  Bericht 
ersehen  wir,  warum  das  germ.  Wort  nach  Rom  vordrang. 

b)  In  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhs.  treffen  wir  germ.  taxo 
(eigentlich  ßahso  w-Stamm)  und  biber  bei  lat.  Autoren  (vgl.  den 
Laterculus    des    Polemius    Silvius    in   Mommsens    Ausgabe    der 


14  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

Monumenta).  Der  römische  Name  des  Damwilds  lat.  dama  stellt 
sich  ein  bei  den  Germanen.  An  südlichen  Tieren  werden  Esel 
und  Maultier^  Pfau  und  Strauss  wohl  am  frühesten  mit  ihren 
lat.  Namen  benannt.  Auf  Einfluß  der  südlichen  Geflügelzucht 
deutet  die  Entlehnung  von  mütäre,  pituita^  vimen,  pullärium.  Mit 
dem  oben  berührten  Bericht  des  Plinius  über  die  germ.  ganiae 
erklärt  sich  wohl  auch  die  frühe  Entlehnung  von  lat.  plüma  culcita 
culcitra  pulvtnuni. 

§  II.  Garten,  Haus  und  Küche,  a)  Auch  lat.  Obst- und 
Gemüsenamen,  desgleichen  Bezeichnungen  für  die  verschiedensten 
Gewürze,  müssen  schon  in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeit- 
rechnung den  Germanen  durch  Handel  und  Märkte  geläufig  ge- 
worden sein:  piruni  cerasus  prünum  persicum  castanea  cotonea 
(angls.  peru^  ahd.  kersboum  pflüma  pfersih  kestinna  koggan).  — 
buxum  (angls.  box).  —  spelta  vicia  pisum  cicer  (ahd.  spelza  wicka^ 
angls.  piose^  ahd.  kihhurd).  —  caulis  rädix  näpa  porrum  unio 
Cucurbita  (ahd.  kol  rätth^  angls.  nsep^  3h^.  pforro^  angls.  jynne  cjr/ef). 
—  cuminum  apium  pantcum  foeniculum  mentha  sinäpa  piper  (ahd. 
kumin  epfi  pfenih  f'enahhal  minza  s'enaf  pfeffar).  Hierher  gehört 
auch  die  Entlehnung  von  lat.  plantare  als  ahd.  pflanzön  und  von 
lat.  hortus  als  angls.  ortgeard  got.  aürtigards. 

Anmerkung.  Gegenüber  Hoops,  Waldbäume  und  Kulturpflanzen  S.  534  sind 
vielleicht  Zweifel  an  der  Annahme  gestattet,  daß  am  Mittelrhein  die  verschie- 
densten Obstbäume  in  der  Römerzeit  schon  eingebürgert  waren ;  denn  die  sprach- 
lichen Tatsachen  vertragen  sich  besser  mit  der  Annahme,  daß  der  römische 
Handel  mancherlei  Obstsorten  bis  zum  Mittelrhein  brachte.  Nur  der  Anbau  von 
Kirschbäumen  wird  durch  Plinius  Nat.  Hist.  15,  102  für  das  Rheingebiet  er- 
wiesen; Tacitus  Germ.  26  leugnet  Obstgärten  für  die  Germanen.  Die  Schwierig- 
keit des  sprachlichen  Problems  besteht  darin,  daß  die  lat.  Obstnamen  und  die 
entsprechenden  Baumnamen  sich  zu  nahe  stehen,  als  daß  die  germ.  Lautformen 
der  betr.  Lehnworte  eine  Entscheidung  ermöglichten;  doch  vgl.  auch  §  18  Anm. 

b)  Mit  dem  Import  von  Obst,  Gemüse  und  Gewürz  hängt  der 
Einfluß  der  südlichen  Küche  und  die  Entlehnung  von  lat.  coquus 
(ahd.  koh)  und  coqutna  (ahd.  kuhhind)  zusammen.  Auch  lat.  Ter- 
minologie der  Bäckerei  findet  sich  ein  wie  pistor  (ahd.  pfistür 
'Bäcker'),  pistrina  (ahd.  pßstrma),  focatia  (ahd.  fohhanza\  simila 
(ahd.  semala).  Für  die  Entlehnung  von  vulgärlat.  molina  (Amm. 
Marc.)  erinnert  Heyne  DWb.  s.  Mühle  an  Ausonius  Mosella  V.  362, 
wodurch  römische  Mühlen  im  römischen  Moselgebiet  erwiesen 
werden. 

c)  Durch  die  Nachricht  bei  Tacitus  Germ.  16,  wonach  den  Ger- 
manen Zement  und  Ziegel  unbekannt  waren,  und  bei  Amm.  Marc. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  15 

XV  II,  I,  wonach  domicüia  curatius  ritu  romano  constructa  in  den 
Maingegenden  standen,  die  Julian  a.  360  niederbrennen  ließ,  er- 
gibt sich  ein  Termin  für  die  Entlehnung  der  auf  den  Steinbau 
bezüglichen  Nomenklatur  wie  mürus  astracum  cellärium  postis 
ptlärium  pälum  spicärium  sölärmm  scindula  tegula  calx  mortärium 
puteus  Valium  turris  (ahd.  inür  estrih  kelläri  pfost  pftläri  pfäl 
spthhäri  soleri  scintala  ziagal  kalk^  angls.  mortere  pytt  weall  torr). 

d)  Man  denke  an  den  häuslichen  Apparat  des  Heizens  und  des 
Beleuchtens  bei  den  entlehnten  pensile  (ahd.  pfiasal  aus  vulgärlat. 
*pesle\  und  clibanus  (angls.  cleofa  'Stube')  oder  an  lucerna  candela 
Charta  facula  papyrtis  (got.  lukarn^  ahd.  kentilstab  karz  fackala^ 
angls.  tapur)  oder  an  discus  (ahd.  tisc)  und  an  mensa  (got.  mes), 
auch  an  römische  Luxusartikel  in  Bezeichnungen  für  Schuhwerk 
(vgl.  ahd.  rümscuoha  oder  rümisce  scuoha  'sandalia')  wie  soccus 
und  sola  (ahd.  soc  sola) ;  vgl.  auch  angls.  sütere  aus  lat.  sütor. 

e)  Der  Verkehr  mit  römischen  Geschäftsleuten  —  auf  itali- 
schem wie  auf  germanischem  Boden  —  den  diese  Entlehnungen 
voraussetzen  und  der  nach  §  8  durch  hinlängliche  Zeugnisse  fest- 
steht, äußert  sich  besonders  noch  in  der  Übernahme  zahlreicher 
Gefäßbenennungen  usw.:  Saccus  arca  (got.  sakkus  arkd)^  cista 
scrinium  (ahd.  kista  skrin)^  corbis  (ahd.  korb  kurb),  scutella  (ahd. 
scumla)^  catinus  (got.  katils\  bacctnus  (ahd.  beckin). 

f)  Schließlich  übernimmt  das  Germanische  Worte  für  den  Sarg 
wie  cista  arca  sarcophagus  (auch  "^kimb  'Totenschiff  aus  lat.  cymba}). 

§  12.  Wortübersetzungen.  Für  die  Möglichkeit  echt  germ. 
Worte  als  Nachbildungen  zu  lat.  Vorbildern  zu  fassen,  stehen 
keine  unzweifelhaft  alten  Belege  zur  Verfügung;  vielleicht  be- 
ruhen angls.  f  rumgär  und  ahd.  hunteri  auf  Nachahmung  von  lat. 
primipilus  primipilaris  und  centurio  und  ahd.  anabön  auf  lat.  incus, 
Ahd.  mana-houbit  'Leibeigener'  scheint  halbe  Entlehnung,  halbe 
Übersetzung  aus  dem  gleichbedeutenden  lat.  mancipium  zu  sein. 
Ahd.  herro  könnte  Nachbildung  zu  senior  =  frz.  seigneur  sein. 
Der  Gotthard  verdankt  seinen  Namen  wohl  einer  Übersetzung  von 
mons  Jovis.  Sicher  können  nur  die  westgerm.  Benennungen  der 
Wochentage  aus  lat.  Vorbildern  erklärt  werden :  sunnünda'^-sunin- 
äarf,  mänindaf^  tiwesdaf,  wödnesdaf  ponaresda-^,  /rf/adaf  sowie 
auch  ahd.  mittiwohha  =  media  hebdomas  (ital.  meszedima).  Daß 
die  siebentägige  Woche  und  die  Bezeichnung  der  Wochentage 
seit  dem  Anfang  unserer  Zeitrechnung  im  römischen  Reich  ge- 
läufig und  unter  Constantin  mit  dem  Christentum  gesetzlich  wurde, 


l6  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

darüber  vgl.  Gundermann  ZfdW.  I  175  ff.  Ist  das  westgerm.  queck- 
silber  dem  lat.  argentum  vivum  nachgebildet? 

§  13.  Der  Einfluß  des  Altgermanischen  auf  das  späte  Latein 
und  die  romanischen  Sprachen  liegt  um  deswillen  außerhalb 
unserer  Betrachtung,  weil  er  im  wesentlichen  wohl  jünger  ist  als 
die  hier  behandelte  urgermanische  Zeit.  Auch  fehlt  es  zu  sehr 
an  brauchbaren  Vorarbeiten,  um  aus  der  Fülle  der  germ.  Lehn- 
worte im  Romanischen  eine  ältere  Schicht  herauszuarbeiten.  Hier 
wollen  wir  auf  das  romanistische  Problem  verzichten  und  das  z.  T. 
schon  erwähnte  germ.  Sprachgut  zusammenstellen,  das  durch  lat. 
Vermittlung  auf  uns  gekommen  ist;  man  wird  darunter  auch 
romanisches  Wortmaterial  wiederfinden.  Die  Einzelbelege  s.  bei 
Georges. 

Caesar  alces  'Elentier',  ürus  'Auerochs'. 

Tacitus  bardiius^  framea  'Speer'  und  glesum  'Bernstein'. 

Plinius  glaesum  'Bernstein',  ganta  'Gans',  alces  'Elentier'. 

Trebellius  Pollio,  Ammianus  Marcellinus  und  Vopiscus 
carrago  'Wagenburg';   Vopiscus  alces  'Elentier'. 

Priscian  beber  'Biber'  (auch  in  den  luvenalscholien). 

MarcellusEmpiricus  taxonina adeps''DdiQ)i\?>i^\.\! ^geusiaY^2j^.\2 
(für  ceusia  ndl.  kies)  'Kinnbein'  [gebsia  in  den  Corp.  Chr.  Gloss. 
Cambr.  bei  Hesseis  S.  XLII). 

Prokop  ßdvbov  'Fahne'  (als  lateinisch). 

Sidonius  Apollinaris  vargus  'Strolch'. 

Luxorius  baudus  'Gebieter,  Herr'. 

Venantius  Fortunatus  harpa  'Harfe',  leudus  'Lied',  rüna 
*Rune\  ganla  'Gans\ßado  'Fladen',  co/ea  'Haube',  ürus  'Auerochs'. 

Eumenius  vargus  'Strolch'. 

Eunodius  bala  'mit  Blesse  versehen'  (Wölfflins  Arch.  II  477, 
IV  601). 

Polemius  Silvius  biber  'Biber',  visons  'Wisent',  ürus  'Auer- 
ochs', taxo  'Dachs',  ganta  'Gans'  und  bigardium  'Gehege'. 

Anthimus  brado  'Schinken',  bridum  'Bratgeschirr',  medus  'Met', 
södinga  Kochgeschirr'. 

Was  im  Latein  der  germanischen  Volksgesetze  steckt,  über- 
gehen wir,  erwähnen  aber  noch  Material  aus  alten  Glossaren  im 
Corp.  Gloss.  Lat.:  garba  'Garbe'  V  363**,  boltio  'Bolzen'  II  582», 
sporonus  'Sporn'  II  572  2*,  blävus  'blau'  II  570*^;  furslo  'Hornisse' 
(Ahd.  Gl.  I  334)  ist  ein  germ.  horslö''  (vgl.  EtWb.  Hornisse),  Schlettst. 
Gloss.  39,  147  froccum  'Rock'  unten   §  48.     Cass.  Gl.  130  hanap 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  17 

'Napf  (Corp.  Gloss.  Lat.  V  583  hanappuni)\  britischa  (Baist  ZfdW. 
10,  211)  'Söller'  Corp.  Gloss.  Lat.  V  586;  scüria  'Scheuer'  Ahd.  Gl. 
III  2^^.  Ein  altgerm.  feusa  'Speck*  (=  ind.  ptvas  'Speck')  be- 
gegnet in  alten  Glossen  (Voss.  24,  Bern.  236,  Napier  Herrigs 
Archiv  85,  310);  warantia  (Corp.  Gloss.  Lat.  II  p.  XIII)  aus  germ. 
wratja  (=  ahd.  rezza  'Färberröte')  behandle  ich  ZfdW.  14,  160. 

Dieses  zerstreute  Material  habe  ich  hier  zusammengetragen,  um 
die  Wichtigkeit  der  in  lat.  Quellen  steckenden  germ.  Sprachrpate- 
rialien  zu  veranschaulichen..  Wie  notwendig  eine  eingehende 
Untersuchung  ist,  will  ich  hier  noch  an  einem  wertvollen  Sprach- 
denkmal zeigen,  in  dem  germ.  Sprachgut  von  hoher  Altertüm- 
lichkeit steckt,  an  den  von  Holtzmann  Germ.  8,  404 — 413  exzer- 
pierten Reichenauer  Glossen.  Dieselben  sind  neuerdings  Gegen- 
stand eingehender  romanistischer  Forschungen  geworden  (vgl. 
Vollmöllers  Jahresberichte  XI  i,  82);  unsere  Zählung  verweist 
auf  die  Ausgabe  derselben  durch  Stalzer.  Die  Sammlung  wird 
noch  dem  7.  Jahrh.  ihr  germ.  Sprachgut  verdanken;  das  germ. 
Sprachgut  selbst  ist  dialektisch  nicht  charakteristisch  genug.  Wir 
stellen  das  Material  hier  zusammen. 

Alt  sind  rös  'Rohr'  2007.  235  a  mit  der  Nebenform  rosa  40a.  73  a 
ohne  Rhotazismus;  es  ist  das  got.  raus.  An  das  Gotische  er- 
innert ferner  das  u  in  fulcus  'Schar'  277,  htisa  'Hose'  1038  und 
besonders  in  dem  interessanten  'talpas  muli  qui  terram  fo- 
diunt'  1572a,  das  mit  engl,  mole  'Maulwurf  als  Kurzform  zu  einem 
Kompositum  wie  ahd.  moltwerf  zu  fassen  ist.  Ohne  westgerm. 
Konsonantendehnung  tritt  brunia  'Brünne'  112g  d^Mi  Mnd  danea  'area' 
117  a  (auch  II 76.?),  das  die  Grundform  zu  ahd.  tenni  bildet.  Wertvoll 
ist  die  unter  §  48  behandelte  Vertretung  von  germ.  hr-  durch 
roman.  fr-  mfruncetura  'Runzel'  1369a,  das  mit  din,  hrukka  'Runzel' 
auf  germ.  hrunkjanhmdtxiXQt^  und  in  frata  'Honigwabe'  2597.  675  a 
=  mhd.  rase. 

Maskulina  der  «-Deklination  enden  diVil -us  m  helmus  'Helm'  705a, 
mastus  'Mast'  2339,  baucus  (für  baugus)  'Ring'  yidi^  fulcus  'Schar' 
2'J7,mulus  'Maulwurf  1572a,  havus  'Haken'613.  1695a;  spidus'Brsit- 
spieß'  1357  (vgl.  ^ß^^  spitu  Corp.  Gloss.  Lat.  V  518  ^^)  ist  vielleicht 
germ.  spittiz  als  /^-Stamm;  stulus  'Stoppel'  1486  a  ist  vielleicht  ver- 
wandt mit  angls.  st'ela  'Stengel'  (got.  *stuia-  =  germ.  *stola-}). 
Ferner  uuaäius  'Pfand'  570.  1227a.  Neutra  sind  wohl  heribergum 
'castra'  304  a,  gaförium  'Gelegenheit'  1846.  308  a,  drappum  'pallium' 
1645.  Feminina  sind  ^«5d!  'Hose' 1038,  brunia 'Brünne'  iS2g,garba 

Grundriß  der  germ.  Philol.   Urgermanisch.  2 


i8  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

'Garbe'  379.  3103,  danea  'Tenne'  117  a,  cufia  'vitta'  3 2 i,/m/^ 'Honig- 
wabe' 2597.  675  a,  uuapca  'Wespe'  580.  1669a.  An  «-Stämmen  be- 
achte man  die  maskulinen  y«;^^  'Schweißtuch'  2214  (=  got. /^a;«« 
'Schweißtuch'),  scantio  'Schenke'  1208  für  scancio  und  matio  'Stein- 
metz' 1273.  319a.  Der  Latinisierung  hat  sich  ros  'Rohr'  (zweimal) 
entzogen ;  sollte  rosa  Neutr.  Plur.  zu  *r6sum  sein  ?  Lautlich  fällt 
der  Mangel  an  Umlaut  in  danea  scancio  matio  {hadire  iii8a  zu 
hatjan)  ins  Gewicht.  Die  hochdeutsche  Lautverschiebung  fehlt 
in  fräta  =  mhd.  rase,  in  spidus  für  germ.  spitus^  in  matio  (ahd. 
steinmezzo)\  in  dem  Ztw.  anetsare — anetiare  'zwingen'  1227.  1606. 
2183.  2515.  42a.  214a.  269a.  (=  ahd.  anazzen  'anreizen')  steckt 
romanische  Assibilierung  (germ.  anatjan)  wie  in  scantio  für  scancio. 

Kap.  4.   Sprachliches  über  die  lateinischen  Lehnworte.*) 

§  14.  Altersbestimmung  der  lat.  Lehnworte.  Das  Alter 
der  lat.  Lehnworte  läßt  sich  um  deswillen  schwer  bestimmen,  weil 
die  germ.  Sprachen  auch  nach  der  hier  zu  behandelnden  Periode 
andauernd  lat.  Lehnmaterial  übernehmen,  das  mit  dem  Christen- 
tum durch  Klöster,  Kirchen  und  Schulen  Eingang  findet.  Die 
Scheidung  der  älteren  von  der  jüngeren  Lehnschicht  läßt  sich 
aus  interngerm.  Sprachmitteln  nur  in  geringem  Umfang  reinlich 
vollziehen.  Das  einzige  und  wesentliche  Kriterium  aus  dem  Ger- 
manischen ist  die  Tatsache,  daß  die  alte  Lehnschicht  durch  die  hoch- 
deutsche Lautverschiebung  {d.h.d.  pfeffar  pßanza  ziagal  zabal)  hin- 
durchgegangen ist.  Soweit  also  lat.  Worte  im  Hochdeutschen  und 
zwar  mit  den  Zeichen  der  hochdeutschen  Lautverschiebung  auf- 
treten, hat  man  daran  den  Anhalt,  daß  die  Entlehnung  spätestens  im 
4.  oder  5.  Jahrh.  stattgefunden  hat;  denn  etwa  zwischen  450—500 
vollzieht  sich  die  2.  Lautverschiebung  (Beitr.  35,  153).  NatürHch 
müssen  solche  Lehnworte  nun  nicht  erst  im  4./ 5.  Jahrh.  aufge- 
nommen sein.  Die  Tatsache,  daß  ein  Teil  derselben  schon  in 
Ulfilas'  Sprache  geläufig  war  (vgl.  z.  B.  got.  asilus  kaisar  pund 
sakkus  wein  usw.),  beweist  die  Einbürgerung  von  lat.  Lehnworten 
vor  der  Mitte  des  4.  Jahrhs.  Insofern  nun  einschlägige  Worte 
wie  got.  asilus  kaisar  pund  wein  nach  der  obigen  Erörterung  in 

1)  Literatur:  Franz,  Die  lat.  roman.  Elemente  im  Ahd.  (Straßburg  1884); 
Pogatscher,  Zur  Lautlehre  der  griech.  lat.  und  roman.  Lehnworte  im  Alteng- 
lischen (Straßburg  1888);  Later,  De  latijnsche  Woorden  in  het  Oud-  en  Middel- 
nederduitsch  (Utrecht  1903) ;  Burckhardt,  Zu  den  lat.  Lehnwörtern  der  andd.  Spr. 
(Göttingen  1905),  Grandgent,  An  Introduction  to  Vulgär  Latin  (Boston  1908). 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  19 

begriffliche  Gruppen  gehören,  die  auch  literarisch  erst  später  be- 
zeugte Worte  umfassen,  werden  wir  für  solche  Gruppen  im  großen 
und  ganzen  den  Schluß  ziehen  müssen,  daß  sie  schon  vor  300 
bei  Germanen  eingebürgert  waren;  denn  jene  got.  Worte  {pund 
wein  usw.)  —  weil  durch  die  Auslautsgesetze  hindurchgegangen  — 
haben  schon  vor  Ulfilas  eine  organische  Entwicklung  innerhalb 
des  Germanischen  durchgemacht,  und  da  die  Goten  nicht  erst 
im  Gebiet  der  unteren  Donau  oder  gar  im  Innern  Rußlands  in 
den  Besitz  von  lat.  Kulturworten  gelangt  sein  werden,  wird  man 
zu  dem  Schluß  gedrängt,  daß  sie  die  Lehnworte,  die  dann  zum 
Teil  auch  ins  Finnische  übernommen  worden  sind  (finn.  viina 
'Wein',  punta  'Pfund')  schon  im  2.  nachchristlichen  Jahrh.  in  ihren 
Sitzen  an  der  unteren  Weichsel  besessen  haben,  ehe  sie  nach 
Südosten  vordrangen.  Jedenfalls  ist  es  unwahrscheinlich,  daß 
die  Goten  ihre  lat.  Lehnworte  selbständig  und  von  den  übrigen 
Germanen  unabhängig  im  untern  Donaugebiet  direkt  aus  dem 
Latein  entnommen  haben,  und  die  Tatsache,  daß  Worte  wie  got. 
kaisär  pund  wein  mes  sakkus  sinäp  Krekös  usw.  nachmals  bei  den 
Westgermanen  geläufig  sind  und  doch  aus  einer  früheren  Periode 
stammen  müssen,  nötigt  zu  dem  Schluß,  daß  die  älteste  lat.  Lehn- 
schicht sich  durch  die  ersten  drei  nachchristlichen  Jahrhunderte 
hindurch  schnell  über  alle  Germanen  verbreitet  hat. 

Bestätigt  wird  diese  Datierung  noch  durch  die  Tatsache,  daß 
die  Masse  der  lat.  Lehnworte  im  Angelsächsischen  (z.  B.  cyse 
'Käse',  disc  'Schüssel',  esol  'Esel',  draca  'Drache',  mylen  'Mühle', 
pipor  'Pfeffer',  pund  'Pfund',  scbcc  'Sack',  sealtian  'tanzen',  win 
'Wein'  usw.)  mit  denjenigen  im  Althochdeutschen  übereinstimmt, 
was  zu  dem  Schluß  berechtigt,  daß  die  Angelsachsen  sie  aus  der 
kontinentalen  Heimat  mit  nach  England  genommen  haben,  wodurch 
jedenfalls  das  5.  Jahrh.  ausgeschlossen  wird.  Insofern  nun  die 
got.  wie  die  westgerm.  Entlehnungen  aus  dem  Latein  an  den 
germ.  Auslautsgesetzen  Anteil  haben,  kommen  als  Zeitalter  der 
älteren  Entlehnungen  hauptsächlich  die  ersten  nachchristlichen 
Jahrhunderte  in  Frage. 

Anmerkung.  Das  zufrühst  beglaubigte  Lehnwort  aus  dem  Latein  ist  ein  germ. 
carru-z  'Karren',  insofern  dies  durch  das  in  den  ersten  nachchristlichen  Jahr- 
hunderten mehrfach  überlieferte  lat.  carrago  'Wagenburg'  (§  9)  belegt  wird. 
Für  sicher  kann  diese  Vermutung  aber  nicht  gelten,  weil  das  erste  Kompositions- 
glied auch  vom  Keltischen  aus  in  das  Germanische  gedrungen  sein  kann,  vgl. 
Carro-dünum  als  kelt.  Ortsnamen. 

Innerhalb  dieser  Zeit  fehlen  nun  zwar  die  germ.  Sprachkriterien, 


20  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

aber  es  gibt  dafür  solche  aus  dem  Latein.  Das  wichtigste  chro- 
nologische Beweiskriterium  ist  die  Tatsache,  daß  die  lat.  Lehn- 
worte im  Germanischen  durchaus  die  Quantität  und  Qualität  des 
hochlat.  Vokalismus  und  noch  nicht  die  jüngeren  Lautneigungen 
des  Vulgärlateins  haben  (vgl.  unten  §  i6). 

Die  rein  gutturale  Aussprache  des  lat.  c  vor  ^  und  ^  (ahd.  kel- 
läri  lat.  cellärium^  ahd.  kista  lat.  cista^  ahd.  wicka  lat.  vicia^  got. 
akeit  lat.  acitum)  ist  immerhin  auch  für  die  Altersbestimmung  in 
Anschlag  zu  bringen;  aber  erst  im  7.  Jahrh.  vollzieht  sich  in 
Gallien,  im  6.  Jahrh.  in  Italien  die  Palatalisierung  (beachte  an. 
Sikley  'Sicilia'  und  Serker  'Saraceni'  als  späte  Entlehnungen).  Die 
Assibilierung  von  /  vor  j  fehlt  den  germ.  Entlehnungen  (angls. 
pytt  aus  puteus^  ndd.  merte  'März'  =  lat.  Martins) ;  die  Grenzbe- 
stimmung ergibt  sich  aus  der  got.  Urkunde  von  Neapel  (vom 
Jahre  55 1)?  wo  lat.  cautio  als  kawtsjö  erscheint.  Im  allgemeinen 
wird  also  in  den  Lautverhältnissen  das  Hochlatein  der  besseren 
Zeit  widergespiegelt.  Und  daraus  ergeben  sich  die  ersten  nach- 
christlichen Jahrhunderte  als  das  Zeitalter  unserer  Entlehnungen. 

Damit  wird  es  sich  auch  vertragen,  wenn  unsere  Lehnworte 
doch  auch  vulgärlat.  Lauterscheinungen  aufweisen  wie  Verkür- 
zungen in  Vortonsilben  {prärium  sölärium  für  öräriwn  sölärium^ 
secürus  für  secürus  §  16^).  Auch  vulgärlat.  Worte  kommen  unter 
den  lat.  Entlehnungen  vor,  wie  moltna  (für  mold)^  facula  (für  fax), 
conucula  (für  cölus)^  cuprum  (auch  im  Edikt.  Dioklet.  für  aes  cy- 
preuni)^  stupila  (für  stipula) ;  vulgärlat.  sind  auch  die  späten  sträta 
und  spelta\  vgl.  ahd.  mulina  fackala  kunkala  kupfar  stupfala  strä^sa 
sp'elza.  In  ihnen  würde  ein  gewisser  chronologischer  Anhalt  ge- 
geben sein,  wenn  wir  nicht  annehmen  müßten,  daß  derartige  erst 
spät,  zum  Teil  erst  im  4.  Jahrh.  bezeugten  Worte  lange  vor  ihrem 
literarischen  Erscheinen  schon  in  der  Vulgärsprache  üblich  ge- 
wesen wären. 

Aber  das  Vulgärlatein,  das  die  Germanen  von  den  Romanen 
hörten  und  übernahmen,  trägt  teilweise  den  Stempel  höherer 
Altertümlichkeit  als  das  Vulgärlatein,  das  den  roman.  Sprachen 
zugrunde  liegt.  Denn  die  von  den  Germanen  entlehnten  Caesar 
pondo  caseus  clibanus  u.  a.  haben  keine  Entsprechung  in  den 
roman.  Sprachen  oder  in  dem  für  die  germ.  Entlehnungen  be- 
sonders wichtigen  Gallien.  Das  gilt  allerdings  auch  noch  von  den 
Wochentagnamen  Solls  dies  und  Saturni  dies  (=  angls.  Sunnan 
dcEg  Scetern  dceg)^  die  in   den  roman.  Sprachen  durch  christliche 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  21 

Bezeichnungen  {dominica  sabbatuni)  ersetzt  sind;  und  die  spätlat. 
Woche  (Gundermann  ZfdW.  I  175)  dringt  doch  wohl  erst  im 
3.  Jahrh.  durch.  Auch  der  Vokalismus  der  lat.  Entlehnungen  des 
Germanischen  ist  älter  als  der  vulgärlat.  Vokalismus  der  roman. 
Sprachen,  wenn  das  Germanische  z.  B.  das  ä  von  äsinus  und  das 
ä  von  sträta  deutlich  unterscheidet.  Aus  dem  allem  ergibt  sich 
mit  Sicherheit  ein  relativ  hohes  Alter  für  die  ältere  Lehnschicht 
aus  dem  Latein. 

Aber  das  chronologische  Problem  ist  nicht  sprachlich,  sondeirn 
kulturgeschichtlich  endgültig  zu  ergründen.  Wenn  Tacitus  vom 
Kurs  römischer  Münzen  bei  den  Germanen  berichtet,  so  ergibt 
sich  daraus  ein  Anhalt  für  die  Bestimmung  der  Lehngruppe  von 
lat.  Münznamen  (§  8^):  sie  müssen  schon  im  i.  Jahrh.  bei  uns 
bekannt  gewesen  sein.  Unser  Sprachproblem  ist  also  wesentlich 
ein  kulturgeschichtliches  Problem. 

§  15.  Heimat  der  Lehnbeziehungen.  Auch  diese  Frage 
macht  die  größten  Schwierigkeiten.  Wo  hat  das  Latein  seinen 
Einfluß  auf  das  Germanische  ausgeübt  und  ausüben  können.?  Auch 
diese  Lokalisierungsfrage  läßt  sich  rein  sprachlich  nicht  völlig 
erledigen.  Wenn  wir  aber  die  kulturgeschichtliche  Seite  dieses 
Problems  beiseite  lassen,  sind  vom  sprachlichen  Standpunkt  aus 
folgende  Erwägungen  hier  am  Platz.  Eine  junge  Lehnschicht  deutet 
wohl  speziell  auf  die  Ostgoten  im  Zeitalter  Theodorichs  des  Großen, 
nämlich  Worte  wie  ahd.  Berna  aus  Verona^  Rabana  aus  Ravenna^ 
und  damit  wird  eine  dialektische  Gruppe  markiert,  in  der  lat.  v 
nicht  nach  alter  Weise  durch  w^  sondern  durch  b  vertreten  wird. 
Wenn  wir  uns  aber  an  die  älteren  Schichten  halten,  so 
fehlen  darin  dialektische  Züge  völlig.  Anderseits  ist  durch  nichts 
wahrscheinlich,  daß  z.  B.  die  im  Gotischen  auftretenden  Lehn- 
worte wie  wein  kaisar  pund  asilus  auch  von  den  Goten  direkt 
aus  dem  Latein  entnommen  sind.  Eine  strikte  Beweisführung  ist 
für  die  ersten  nachchristlichen  Jahrhunderte  allerdings  ausge- 
schlossen. Aber  folgendes  ergibt  sich  aus  dem  lat.  Lehnmaterial. 
Eine  kleine  Gruppe  haftet  auf  dem  oberdeutschen  Gebiet  (lat. 
pistor  oberd.  pfister).  Aber  das  Hauptzentrum  war  nicht  sowohl 
der  Oberrhein  als  vielmehr  der  Mittelrhein  i^Karch  aus  carruca 
ist  am  Mittelrhein  üblich,  fehlt  aber  in  der  Schweiz)  und  beson- 
ders der  Niederrhein.  Das  Niederländische  ist  reich  an  spezifi- 
schen Entlehnungen  [pullärium  mndl.  polre^  nucärium  mndl.  noker)\ 
einzelnes  davon  teilt  Niederdeutschland. 


22  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

Und  wenn  wir  die  alte  Bezeichnung  des  Samstags  als  Saturni 
dies  in  England  Holland  Westfalen  finden,  obwohl  sie  sich  nicht 
mehr  im  Altfranzösischen  zeigt,  so  haben  wir  dafür  doch  wohl 
den  Niederrhein  als  Entlehnungszentrum  zu  vermuten.  Und  nun 
verstehen  wir  auch,  daß  das  Angelsächsische  an  so  vielen  kon- 
tinentalen Entlehnungen  Anteil  haben  kann ;  wir  begreifen  auch, 
daß  im  Angelsächsischen  Lehnworte  begegnen,  die  wir  sonst  im 
Germanischen  nicht  antreffen  wie  meretrix  in  der  Lex  Salica 
meletrix  angls.  miltestre,  clibanus  angls.  cleofa',  die  Mehrzahl  der 
angls.  Lehnworte  aus  dem  Latein  entstammt  eben  der  kontinen- 
talen Heimat  der  Angelsachsen,  wie  denn  das  auch  dem  Angls. 
ceaster  zugrunde  liegende  lat.  castra  in  Flandern  als  Ortsname 
{Kaster)  begegnet. 

Aber  noch  wichtiger  ist  es,  daß  wir  bei  solchem  Herde  auch 
wohl  spezifische  Lehnworte  aus  dem  Latein  im  Altnordischen 
verstehen:  lat.  aureus  (sc.  nummus)  mag  vom  Niederrhein  nach 
Norden  (an.  eyrer)  vorgedrungen  sein  und  die  Zwischenglieder 
wären  verloren  gegangen.  So  wird  auch  an.  Sikley  'Sizilien' 
(gleichsam  germ.  Sikilawia)  auf  dem  Seewege  nach  Norden  be- 
kannt geworden  sein. 

Nicht  unwesentlich  ist  bei  der  Lokalisierung  der  Entlehnungen 
die  Geographie  der  lat.  Worte  resp.  ihre  Ausbreitung  im  Roma- 
nischen. Freilich  läßt  sich  damit  nicht  viel  beweisen.  Denn  wenn 
z.  B.  lat.  cäseus  im  Romanischen  noch  auf  italienischem  und 
spanischem  Boden  bewahrt  geblieben,  so  folgt  daraus  doch  kaum 
etwas  für  die  germ.  Entlehnung.  Seltsam  ist,  daß  einige  lat. 
Worte,  die  speziell  auf  spanischem  Boden  heimisch  waren,  ger- 
manisch geworden  sind  vgl.  laurex  ahd.  lörihhtn^  manhim  angls. 
mentel^  thieldo  ahd.  zeltäri.  Aber  wie  ist  diese  Übereinstimmung 
zu  deuten.?  Sind  sie  über  Gallien  zu  uns  gewandert.? 

Anmerkung.  Das  ganze  chronologische  und  geographische  Problem  hat  auch 
Bedeutung  für  das  Latein.  Nicht  nur  weil  seine  Weltmacht  durch  solche  Ent- 
lehnungen, die  zum  Teil  bei  Kelten  und  Griechen  und  Albanesen  wiederkehren, 
gekennzeichnet  wird.  Das  Latein  erhält  auch  gelegentlich  Aufschlüsse  aus  den 
germ.  Lehnworten :  so  lassen  sich  nur  aus  germ,  Sprachmitteln  die  sonst  unbe- 
kannten Quantitäten  in  lat.  cltbanus  'Ofen'  (angls,  cleofa),  ünio  'Zwiebel'  (angls. 
ynne),  fäscia  'Bündel'  (ahd.  fäsci),  lorea  (ahd,  lürrd)  bestimmen.  Mannigfacher 
als  solche  Schlüsse  auf  hochlateinische  Quantitäten  sind  Schlüsse  auf  das  Vulgär- 
latein vom  Germanischen  aus  möglich :  sicürus  für  secürus,  orärium  für  drärium, 
Solarium  für  solar ium  §  i6i>;  Synkopierungen  von  Mittelvokalen:  tabla  für 
tabula,  facla  für  facula,  tegla  für  tegula,  stupla  für  stupula  stipula  (§  l6 «) ; 
Einzelheiten  wie  dracco  für  draco,  meletrix  für  meretrix. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  23 

§  16.  Vokalismus  der  lateinischen  Lehnworte,  a)  Die 
lat.  Vokalquantität  bleibt  im  Germanischen,  wenn  der  lat.  Akzent 
im  Germanischen  bleibt.  So  in  äsinus  cämera  dräco  tabula  mödius 
cicer  piper  vtcia  püteus  (ahd.  ^sil  kämera  trähho  zabal  mütti  kih- 
hura  pfeffar  wtcka  3ing[s.  pjytt)  einerseits  und  in  däma  pälus  strata 
tegula  mörum  Roma  ptlum  vtnum  pltima  prünum  mürus  mülus 
(=  ahd.  tarn  pfäl  strässa  ziagal  mürboum  Rüma  pfil  wtn  pflüma 
mür  müt)  anderseits.  In  bezug  auf  solche  Tonvokale  stimmen 
die  germ.  Vokalquantitäten  (auch  vor  Doppelkonsonanz)  so  völlig 
mit  den  lat.  Quantitäten  überein,  daß  man  auf  Grund  davon 
unbezeugte  Quantitäten  des  Lateins  vom  Germanischen  aus  fest- 
stellen darf.  Im  Latein  ist  das  0  von  lorum  und  das  i  von  pisum 
nach  W.  Meyer-Lübke  (Wiener  Stud.  16,  317)  unbekannt,  aber  die 
Entlehnung  als  ahd.  Iura  und  angls./2^^  beweist  für  lat.  ö  resp.  i\ 
angls.  cleofa  'Stube'  ist  lat.  clibanus.  Ahd.  fäski^  dessen  Länge 
vollständig  gesichert  ist,  weist  auf  lat.  fäscia,  andd.  plästar^  dessen 
Länge  durch  das  moderne  Westfälische  gesichert  ist,  auf  lat. 
emplästrum.  Abweichend  von  dem  Gesetz  der  Kongruenz  der 
lat.-germ.  Quantitäten  bei  identischem  Akzent  sind  nur  ahd. 
spenula  als  Lehnwort  aus  lat.  sptnula  i^spinula  wird  verlangt)  und 
das  durch  mhd.  Reime  bestätigte  ahd.  Pfät  (Ahd.  Gl.  III  206i<>)  'Po' 
aus  lat.  Pädus  i^Pädus  wird  verlangt).  In  allen  übrigen  Fällen 
ist  der  Vokalismus  der  Hochtonsilben  kongruent,  und  Abweichungen 
von  dieser  Regel  beruhen  im  allgemeinen  auf  junger  Entlehnung 
wie  in  ahd.  krüzi  =  lat.  crucem,  ahd.  scuola  ==  lat.  scöla. 

b)  Von  den  Vortonvokalen  des  Lateins  erscheinen  i  und  d 
durchweg  germanisch  verkürzt;  doch  kann  diese  Kürzung  nicht 
auf  einer  german.,  sondern  muß  auf  einer  vulgärlat.  Lautregel 
beruhen.  Konsequent  ist  6  im  Vorton  verkürzt,  so  in  bolihis 
söidrium  (=  ahd.  büli^  söleri)\  e  erscheint  germ.  verkürzt  in 
secürus  ahd.  sihhüri  und  in  Mmina  mhd.  imi.  Lat.  ä  wird  vor- 
tonig gekürzt  in  pändrium  ahd.  pfäneri^  bleibt  aber  in  päv6nem\ 
das  ä  von  lat.  rädicem  und  Sätürnus  wird  teils  als  Kürze,  teils 
als  Länge  bewahrt.  Das  Alter  des  Kürzungsgesetzes  wird  bewiesen 
durch  got.  aüräli  aus  lat.  örärium  (Beitr.  35,  569)  und  das  wohl 
dem  Got.  entstammende  ahd.  Ber(a)na  aus  lat.  Verona.  Diesem 
Kürzungsgesetz  steht  ein  anderes  Gesetz  gegenüber,  wonach  lat.  t 
im  Vorton  auch  germanisch  erhalten  bleibt;  so  m  vtvdrium  pflärium 
spicärium  =  ahd.  wfwäri  pftläri  spthhäri.  Die  Anlautsverkürzung 
got.  Agusius  ^^  \zX..  Augustus  ist  vulgärlateinisch;   \dX.  foeniculum 


24  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

und  caerefölium  zeigen  ^  im  Vorton  in  dihd,  fenakhal  und  kervola. 
Aber  e  im  Vorton  ist  geschwunden  in  lat.  ceriäsia  =  alem.  ehrtest^ 
excurfus  =  ahd.  scurs ;  auch  in  mer{e)tricem  (angls.  miltestre)  und 
el(e)phantus  (angls.  elpend).  In  ahd.  Span  =  lat.  Hispänus  und  in 
angls.  msegwlite  =  lat.  imägo  ist  vortoniges  1,  geschwunden. 

c)  Konformität  mit  vulgärlat.  Sprachgesetzen  zeigt  sich  auch  für 
unbetonte  Mittelvokale  wie  in  lat.  fäcüla  stüpüla  tabula  strägülum : 
die  westgerm.  Entsprechungen  beruhen  auf  vulgärlat. /^^/^  ^/^^/^ 
täbla  sträglo  (=  asächs.  fakla,  ahd.  stupfala  für  '^stupfla^  ahd.  zabal 
für  '^zabl^  angls.  strsegl).  Aber  lat.  äshttis  (=  ital.  asino)  bewahrt 
im  Germanischen  (got.  asilus  ahd.  esil)  seinen  Mittelvokal  im 
Gegensatz  zu  frz.  äne  aus  *asno ;  aber  pensUis  ist  als  p^sle  zu  ahd. 
pfiasal  geworden. 

d)  Beachtenswert  ist,  daß  im  Westgermanischen  Suffix  -aco  mit 
-tco  wechselt;  vgl.  lat.  monacus  (angls.  munuc)  mit  der  Nebenform 
monicus  in  ahd.  munih^  astracum  (ndd.  astrak)  mit  der  Nebenform 
astricum  in  ahd.  estrih\  m\a.t parracus  {angls. pearroc)  rmt parricus 
(ahd.  pferrih).  Bei  diesem  Suffix  ist  Synkope  des  Mittelvokals 
german.  nicht  nachweisbar,  vgl.  lat.  siltqtia  maitua  caltcem  persuum 
=  ahd.  silihha  menihha  kelih  pfirsih. 

e)  Noch  muß  der  langen  lat.  Mittelvokale  gedacht  werden,  die 
entsprechend  der  Behandlung  des  Akzents  im  Germanischen  unbe- 
tont werden.  Suffix  -ärius  -ärium  zeigt  auch  im  Germanischen 
sein  ä ;  auch  acitum  =  got.  akeit  und  secürus  =  ahd.  sihhüri  be- 
wahren die  Länge  des  Mittelvokals.  Gleiches  gilt  von  ahd.  kuh- 
htna  emih  pfuliwi{n)  ke^gtn  bekktn  kumfn  mulina  kemtn^  deren  t 
einem  lat.  e  oder  t  in  Mittelsilbe  entspricht.  Daher  werden  auch 
got.  sinäp  und  aüräli  mit  ä  anzusetzen  sein  und  die  im  West- 
germanischen einem  jüngeren  Kürzungsgesetz  erlegenen  ahd. 
munin  tribm  ketina  bulin  sind  got.  als  *muneit  ^tribüt  ^katein 
^buleitus  vorauszusetzen.  Man  hat  also  auch  karrüh  sambüh  mit 
bewahrter  lat.  Quantität  für  das  Althochdeutsche  anzunehmen. 

f)  Von  speziellen  Vokalerscheinungen  ist  noch  hervorzuheben, 
daß  lat.  au  sich  mit  germ.  au  deckt;  man  hat  fürs  Germanische 
nicht  von  einem  vulgärlat.  ö  auszugehen.  Jedenfalls  wird  di- 
phthongisches au  vom  Germanischen  verlangt  für  lat.  caulis  causa 
laurus  claustrum  maurus  laurex  (ahd.  köl  kösa  lörberi  klostar  mör 
lorihhtn  zeigen  junges  o  für  germ.  au).  Lat.  sagnia  wird  auch 
germanisch  als  sattma  behandelt  in  ahd.  mhd.  soum  'Last  eines 
Saumtieres'. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  25 

g)  Lat.  (^  und  ce  werden  meist  wie  lat  e  behandelt.  Singular 
ist  Caesar  =  got.-germ.  kaisar.  Im  übrigen  vgl.  westgerm.  tkon 
(nhd.  eichen)  =  lat.  aequare ;  ahd.  pftna  =  lat.  poena ;  Graecus  =  got. 
Kreks. 

h)  Lat.  e  wird  in  lat.  Tonsilben,  die  auch  germ.  betont  bleiben, 
überwiegend  /,  so  in  vehim  creta  dpa  tigula  (ahd.  wfl^  mndl. 
krtte^  angls.  cipe,  angls.  tzgle) ;  ebenso  in  lat.  Tonsilben,  die  germ. 
den  Hauptton  verloren  haben  wie  in  acetum  got.  akeit^  boletus 
ahd.  btilin  aus  germ.  bultt^  moneta  ahd.  nmnig  für  germ.  munit^ 
sagena  ahd.  segtna^  candela  ahd.  kentil-  aus  germ.  kandtl  (aber 
angls.  condel  beruht  auf  kandel  und  nicht  auf  kandtl).  Daneben 
stehen  einige  Fälle,  in  denen  lat.  e  als  e  (ahd.  ea  ia)  erhalten 
bleibt  wie  in  remus  tegula  (ahd.  riemo  ziagal) ;  dazu  got.  mes  aus 
vulgärlat.  mesa  =  lat.  mensa.  Schwanken  zeigt  sich  in  theca  tegula 
pensile^  deren  e  im  Germanischen  sowohl  durch  e  wie  durch  t 
vertreten  ist. 

i)  Lat.  ö  ist  in  Tonsilben  durch  germ.  ü  vertreten  für  Roma 
morum  got.  ahd.  Rüma^  ahd.  mürberi.  Im  Suffix  zeigt  sich 
ü  für  ö  für  vtnitörem  ahd.  winzüril\  falls  asächs.  kesür  von  Kögel 
richtig  mit  ü  angesetzt  wird,  ist  lat.  Caesar  bei  den  Germanen 
auch  als  Caesör  Caesörem  üblich  gewesen. 

k)  Lat.  i  und  ü  ist  als  i  und  ü^  lat.  e  und  0  als  e  und  0  über- 
nommen und  mit  den  entsprechenden  germ.  Kurzvokalen  zusam- 
mengefallen, ohne  daß  sich  etwas  vom  Germanischen  aus  über 
die  Qualität  der  lat.  Vokale  ermitteln  ließe.  Wichtig  aber  ist  es, 
nochmals  hervorzuheben,  daß  lat.  Kürzen  und  lat.  Längen  keine 
Berührungen  im  Germanischen  haben.  Insofern  sich  nun  die  lat. 
Vokalquantitäten  und  -Qualitäten  schon  im  3.  nachchristlichen 
Jahrhundert  verschieben,  dürfte  dies  für  die  Mehrzahl  der  germ. 
Entlehnungen  der  letzte  Termin  der  Übernahme  sein. 

1)  Das  y  von  lat.  Worten  griech.  Herkunft  ist  u  in  pjxzs,  das 
in  angls.  box  als  buxe-m  behandelt  ist ;  Syrus  'der  Syrier'  ist  got. 
Saür  (vgl.  ahd.  surlo  surro  'Zwiebel'  eigtl.  'syrische'  ?).  Lat.  papyrus 
(angls.  tapur)  und  bütyrum  (angls.  buture)  zeigen  auch  germ.  ti 
für  /,  ebenso  cypreum  aes,  das  als  cuprum  (hd.  kupfer  angls.  copor 
siebenbürg,  koffer)  entlehnt  wurde.  Lat.  bytina  (gr.  TTUTivr))  ist 
ahd.  butin.  Aber  lat.  lync-e-m  ist  ahd.  link  Plur.  linchä  vgl.  ital. 
lince,  Schuchardt  deutet  got.  skip  'Schiff*  eigtl.  'Gefäß*  aus  lat. 
scyphus  'Becher'.  Lat.  amygdala  ist  als  vulgäres  amangdola  zu 
ahd.  mandalnug  geworden. 


26  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

§  17.  Der  Konsonantismus  der  lateinischen  Lehnworte. 
Im  allgemeinen  decken  sich  die  lat.  und  die  germ.  Laute.  Vor 
allem  entsprechen  den  lat.  Tenues  durchaus  germ.  Tenues,  die 
aber  im  Hochdeutschen  durch  die  zweite  Lautverschiebung  hin- 
durchgegangen sind. 

a)  Lat.  h  im  Anlaut  ist  durchweg  stumm  gewesen;  vgl.  die 
Übernahme  von  hortus  (got.  aürtigards)^  hemina  (mhd.  imi)^  hircus 
(ahd.  irah). 

b)  Lat.  s  muß  bei  der  Entlehnung  im  An-  und  Inlaut  durch- 
aus eine  tonlose  Aussprache  gehabt  haben;  hätte  es  je  tönende 
Aussprache  gehabt,  so  würde  man  got.  z  und  westgerm.  r  wenig- 
stens im  Inlaut  für  lat.  .y  antreffen,  aber  das  zeigt  sich  in  keinem 
einzigen  Falle.  Vgl.  got.  kaisar  asilus  mes  =  lat.  Caesar  asinus 
mensa  und  ahd.  keisur  esil  käsi  kösa  kirisa  =  lat.  Caesar  asinus 
cäseus  causa  ceresea. 

c)  Die  lat.  Gutturale  erscheinen  im  Germanischen  als  Gutturale, 
ohne  Spuren  von  Palatalisierung ;  vgl.  got.  kaisar  aürkjus  unkja 
lukarn  karkara  =  lat.  Caesar  urceus  uncia  lucerna  carcer.  Die 
übrigen  germ.  Dialekte  haben  auch  noch  lat.  cellärium  cerasus 
cista  baccinum  vicia  übernommen;  vgl.  dhd.  kelläri  kersboum  kista 
becktn  wicka.  Jung  sind  asächs.  tins  =  lat.  census  und  krüzi  =  lat. 
crücem^  sowie  angls.  yntse  aus  lat.  uncia,  —  Lat.  qu  wird  als  ein- 
faches k  behandelt  in  coquus  co quere  und  coqutna  =  ahd.  koh 
kohhön  kuhhtna. 

d)  Lat.  t  zwischen  Vokalen  zeigt  in  den  meisten  roman.  Sprachen 
vielfach  Erweichung  zu  d^  das  weiterhin  sogar  verstummen  kann ; 
aber  asächs.  sträta  'Straße',  mndl.  krite  'Kreide'  —  ketene  'Kette' 
zeigen  noch  das  /  von  hochlat.  sträta  creta  catena  gegenüber  ital. 
strada^  frz.  craie  —  chaine.  Gleiches  gilt  auch  von  dem  intervoka- 
lischen  c  des  Lateins. 

e)  Für  tj  erweisen  angls.  pytt  stryta  an.  belte  ndd.  merte  die 
reine  /-Aussprache  ohne  Assibilierung  für  lat.  puteus  strüthio  bal- 
theus  martius.  Eine  jüngere  Stufe  repräsentiert  schon  das  spätere 
Gotisch  (6.  Jahrh.)  mit  dem  assibilierten  kawtsjö  in  der  Neapler 
Urkunde  =  lat.  cautio. 

f)  In  lat.  Tonsilben  verklingen  Nasale  wie  im  Vulgärlatein  so 
auch  in  germ.  Lehnworten  für  lat.  mensa  pensum  pensile  insula 
(auch  spensum  in  ahd.  spzsa).  Hierher  auch  got.  Kustanteinus  aus 
lat.  Constantinus  und  ahd.  küski  aus  lat.  conscius  ?  Bewahrte  Nasalie- 
rung in  angls.  pinszan  stimmt  zu  französ.  pens er,  das  als  gelehrte 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  27 

Entlehnung   aus   dem   Latein   gilt.     Ist   asächs.  Uns  =  lat.  census 
ebenso  zu  beurteilen? 

g)  Unerklärt  ist  der  Eintritt  von  /  für  r  in  lat.  mörum  prünum 
scirpus  =  ahd.  mülboum  pßüma  scihif.  In  got.  aüräli  liegt  Dissi- 
milierung aus  lat.  ördrium  vor. 

h)  Lat.  ph  der  Schriftsprache  dringt  in  der  Vulgäraussprache 
als  /  ein  vgl.  got.  skip  aus  lat.  scyphus  und  angls.  elpend  aus  lat. 
elephantus. 

i)  Lat.  V  ist  durchweg  als  w  vertreten  z.  B.  für  vallum  vtnum 
pävo  =  angls.  wea/l  win  päwa.  Das  b  der  deutschen  Entsprechung 
von  Verona  und  Ravenna  gehört  wohl  erst  der  got.  Zeit  um  500 
n.  Chr.  an  (mhd.  Berne  Rabene).  Aber  nur  in  ganz  jungen  Lehn- 
worten wie  ahd.  brif  fers  aus  lat.  breve  versus  wird  lat.  v  als  f 
behandelt.  Die  Entlehnung  von  spätlat.  paraveredus  fällt  zwischen 
beide  Epochen :  vgl.  ahd.  pf^rtd  für  '^pferiwrtd  und  ahd.  pferifrtd. 

k)  Lat.  Geminaten  bleiben  im  Germanischen  bewahrt  nach 
kurzem  Wurzelvokal ;  vgl.  die  germ.  Entsprechungen  von  Saccus 
soccus  gentma  penna  turris  porrum  carrus  stuppa  vallum  cattus. 
Auch  vortonige  Geminaten  des  Lateins  bewahrt  das  Germanische 
für  carrüca  celldrium  b ac cfnum  =  Sihd.  karrüh  kelläri  becktn\  vgl. 
auch  got.  annö  aus  lat.  annöna.  Für  lat.  draco  und  lacus  hat  es 
vulgäre  dracco  laccus  gegeben,  die  auch  das  Germanische  reflektiert 
(mhd.  tracke  lacke). 

1)  Die  Entlehnungen  gehen  durch  die  westgerm.  Konsonanten- 
dehnung hindurch:  und  zwar  bei  Suffix  -itis  und  dem  damit 
zusammengefallenen  -eus  z.  B.  apium  westgerm.  appj  ahd.  epfi., 
solea  westgerm.  sullj  angls.  sj/ll,  puteus  westgerm.  puitj  angls.  pytt^ 
vicia  ahd.  wicka^  unio  westgerm.  unnja  angls.  j/;^»^.  Vor  r  zeigen 
ahd.  kupfar  aus  cuprum,  nhd.  Kepfer  aus  caprea^  vor  /  ahd.  stupfala 
aus  stuppla  für  stup(u)la  und  ahd.  fackala  für  fakkla  =  vulgärlat. 
fac(u)la  Konsonantendehnung. 

§  18.  Die  lateinischen  Endungen  und  die  germani- 
schen Auslautsgesetze.  Von  der  höchsten  Bedeutung  für  die 
altgerm.  Lautgeschichte  ist  das  Verhalten  der  lat.  Flexion  hin- 
sichtlich der  germ.  Auslautsgesetze;  es  ergibt  sich,  daß  überall 
feste  Regeln  anzuerkennen  sind  für  Divergenzen,  die  auf  den 
ersten  Blick  unerklärlich  sind. 

a)  Die  männlichen  ö-Stämme  des  Lateins  werden  im  Gotischen 
charakterisiert  durch  got.  astlus  und  sakkus  =■  lat.  asinus  Saccus ; 
aus  dem  Althochdeutschen  kommen  Übertritte  in  die  /-Deklination 


28  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

in  Betracht:  Plur.  tisci  stecht  müli  pfäli  dürfen  aus  «-Flexion 
(got.  ^diskus  *mülus  *pähis)  gedeutet  werden ;  das  betonte  ü  von 
ahd.  chtirz  scurz  muß  auch  auf  u  in  der  Ableitung  beruhen, 
während  angls.  sceort  mengl.  skori  ein  o,  nicht  ein  u  in  der  lat. 
Endung  erweist;  ahd.  sihhüri  neben  sihhür  beruht  auch  auf 
alter  «-Flexion  (got.  *stkürus).  Daß  die  westgerm.  Sprachen 
die  «-Formen  nicht  mehr  in  vollem  Umfang  zeigen,  hängt  mit 
ihren  jüngeren  Auslautsgesetzen  zusammen. 

b)  Eine  völlig  abweichende  Behandlung  erfahren  die  neutralen 
ö-Stämme  des  Lateins  bei  germ.  Entlehnung:  got.  wein  akeit 
saban  aüräli  =  lat.  vtnum  acetum  sabanum  örärium  zeigen  keine 
Spur  von  «-Flexion  (got.  faihii).  Diese  divergierende  Behandlung 
von  Maskulinum  und  Neutrum  läßt  sich  nicht  aus  den  identischen 
obliquen  Kasus,  sondern  nur  aus  der  Verschiedenheit  des  Nom. 
Sing,  erklären;  und  zwar  sind  den  germ.  wtn  aktt  saban  öräli 
vulgärlat.  Formen  vmo  aceto  sabano  orärio  zugrunde  zu  legen, 
während  für  got.  asilus  und  sakkus  nicht  vom  Obliquus  asino  sacco^ 
sondern  vom  Nom.  Sing,  asinus  Saccus  auszugehen  ist. 

Anmerkung.  Man  beachte,  daß  die  Feminina  ahd.  karra  k'ersa  pflüma  und 
angls.  pere  pise  auf  vulgärlat.  carra  cerasa  prüna  pira  pisa  und  nicht  auf  die 
hochlat.  Neutra  carrum  cerasum  prünum  pirum  pisum  zurückgehen ;  so  sind 
lat.  castra  in  angls.  ceaster  und  lat.  milia  in  ahd.  7nila  als  Feminina  behandelt. 

c)  Diese  Konformität  der  Lehnworte  mit  den  Auslautsgesetzen 
wird  noch  bestätigt  durch  die  Behandlung  der  lat.  Feminina  auf 
ä\  sie  zeigen  alte  Apokope  des  ä^  womit  zugleich  Übertritt  unter 
die  germ.  Neutra  verbunden  ist:  instruktiv  sind  got.  mes  lukarn 
aus  lat.  mensa  lucerna ;  dazu  got.  ^fäski  'Binde'  (Dat.  Plur.  fask- 
jam)  gleich  ahd.  fäski  aus  lat.  fäscia.  Im  Westgermanischen 
treffen  wir  an  Stelle  von  lat.  Femininen  auf  a  Neutra  wie 
ahd.  zabal  tarn  fenstar  saf  oder  wie  angls.  mynet  aus  lat.  tabula 
däma  fenestra  sapa  moneta ;  an  Stelle  von  ursprünglichen  Neutren 
sind  Maskulina  geworden  ahd.  ziagal  muni^  und  angls.  gimm 
ombor  oncor.  Es  ist  nun  nicht  ausgeschlossen,  daß  neben  den 
Nominativformen  mehrfach  auch  der  ganze  Flexionstypus  des 
Lateinischen  bei  der  Übernahme  mitgewirkt  hat  zur  Erhaltung 
des  lat.  Femininums  wie  bei  arca  cista  moltna  coqutna  camera 
sträta  (ahd.  arka  kista  mulina  kuhhtna  kamara  strafet) ;  angls. 
mynet  N.  lat.  moneta,  aber  ahd.  munimct  Fem.  lat.  monHam }  Ebenso 
angls.  gimjn  M.  neben  ahd.  gimma  F.  Eine  solche  Doppelheit 
von  Grundformen  sehen  wir  vielfach  bei  der  Übernahme  von  lat. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  29 

/-Stämmen  und  konsonantischen  Stämmen.  Für  Fälle  wie  angls. 
munt  cealc  pic  ahd.  chelih  *lerih  retih  kann  nicht  von  den  lat. 
Nominativen  mons  calx  pix  calix  larix  rädix  ausgegangen  werden, 
und  das  Fehlen  des  Umlauts  im  Angelsächsischen  beweist, 
daß  vulgärlat.  monte  calce  pice  usw.  zugrunde  liegen.  Auf  e  in 
der  Endung  weisen  auch  angls.  torr  aus  turrem  (nicht  aus  Htrris)^ 
angls.  ahd.  post  aus  postem  (nicht  aus  postis) ;  dagegen  weist  ahd. 
churb  auf  corbis  neben  chorb  aus  corbem. 

dj  Daß  auch  bei  den  mask.  <?-Stämmen  des  Lateinischen  (got. 
asilus  sakkus)  nicht  ausschließlich  von  der  Nominativform  auszu- 
gehen ist,  bleibt  möglich ;  es  findet  sich  kein  unzweideutiger 
Beleg  im  Gotischen  für  echten  germ.  «-Stamm;  denn  zu  den  Gen. 
Plur.  got.  aürkje  katile^  zu  denen  man  allgemein  die  Nominative 
*mirkezs  und  "^kätils  ansetzt,  dürfen  vielleicht  als  Nominative 
"^aürkjus  ^katilus  (vgl.  aggile  zu  aggilus)  angesetzt  werden.  Unser 
Kupfer  (DWb.  s.  v.),  das  im  Neuhochdeutschen  als  Mask.  mund- 
artlich erscheint,  dürfte  vielleicht  auf  lat.  *cuprus  Mask.,  dagegen 
die  verbreitete  Form  mit  ö  als  Tonvokal  (angls.  copor)  auf  das 
Neutrum  ctipro  hinweisen. 

§  19.  Lehnsuffixe.  Bei  dem  gewaltigen  Einfluß  des  Lateins 
auf  die  germ.  Sprachen  fällt  es  nicht  auf,  wenn  das  lat.  Denomi- 
nativsuffix -ärius  ins  Germanische  Eingang  gefunden  hat  und 
zwar  zugleich  mit  Lehnworten  wie  monetärius  asächs.  muniteri^ 
toloneärius  angls.  tolnere  (dazu  die  Nachbildung  got.  mötäreis)^ 
molinärius  ahd.  asächs.  miilinäri.  Das  ins  Germanische  aufge- 
nommene Suffix  fehlt  innerhalb  des  urgerm.  Wortschatzes  und 
innerhalb  des  Eigennamenmaterials,  auch  in  der  Liederedda  (ein 
dunkles  Wort  auf  -are  ist  tjügare  in  der  Völusp.);  im  Beowulf 
finden  wir  nur  sceawere  'Spion*,  in  den  ältesten  angls.  Glossen 
tebleri  echteri  flitere  stryndere  hearpere\  im  Heliand  außer  muniteri 
lat.  monetärius  nur  noch  driogeri  fiscäri  gardäri.  Das  Gotische 
zeigt  -äreis  nur  in  einigen  gelehrten  Buchworten  wie  laisäreis 
sökäreis  bökäreis  daimönäreis  und  in  liupäreis  wulläreis  mötäreis. 
Aber  für  jüngere  ahd.  Bildungen  wie  fiscäri  vgl.  got.  fiskja,  ahd. 
luginäri  vgl.  got.  liugnja\  auch  got.  hairdeis  gegen  ndd.  herder. 

Nicht  von  gleicher  Produktivität  ist  lat.  -ärium  als  Lehnsuffix 
im  Germanischen  gewesen.  Es  ist  aus  Worten  wie  vtvärium  ahd. 
wiwäri^  cellärium  ahd.  kelläri^  aquärium  ahd.  ahhäri^  bicärium  ahd. 
b'ehhäri  erwachsen;  zunächst  stellt  es  sich  ein  bei  andern  Lehn- 
worten wie  ahd.  karkäri  lat.  carcer^  ahd.  trahtäri  lat.  trajectöriunty 


30  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

ahd.  kohhäri  lat.  cucurum.  Diese  Bildungsweise  zeigt  sich  dann 
noch  in  got.  waggäri  N.  'Kopfkissen'  und  in  ahd.  saccäri 
'Scheiterhaufen',  Uwäri  'Hügel',  kaftäri  'Bienenkorb'.  Für  das 
Alter  der  Entlehnung  zeugt  got.  aüräli  =  lat.  örärium  sowie  die 
Sippe  got.  waggareis  angls.  wongere  und  ahd.  halsäri  angls.  healsre\ 
angls.  wudere  'Holzschuh'  hat  sich  nach  swiftlere  lat.  subtaläre 
gebildet. 

Noch  bei  zwei  andern  Suffixen  liegen  auffällige  Berührungen 
mit  dem  Latein  vor.  Wir  haben  im  Germanischen  das  Suffix 
-tn(a-)  bei  Gefäßnamen  und  bei  Bezeichnungen  für  das  Junge  von 
Tieren;  für  beide  Bedeutungen  finden  sich  lat.  Prototype,  aber 
sie  genügen  nicht,  Entlehnung  der  Bildungsweise  zu  kennzeichnen. 
—  Als  Diminutiv  finden  wir  im  Westgermanischen  ein  mit  tn  erwei- 
tertes -inklin(a-) ;  der  Anklang  an  lat.  unc(u)lus  spricht  mit  Rück- 
sicht auf  das  unverschobene  k  für  Entlehnung.  Aber  die  Ent- 
scheidung ist  schwer  zu  fällen. 

Kap.  5.     Ältester  germanischer  Lautcharakter. 

§  20.  Zeugnisse  und  Beurteilung  derselben.  Der  Ein- 
druck, den  die  Sprache  der  Germanen  auf  die  Römer  machte, 
wird  gelegentlich  von  antiken  Schriftstellern  erwähnt.  Nirgends 
ahnt  man,  daß  urverwandtschaftliche  Beziehung  die  Germanen 
mit  den  Italern  und  Griechen  verbindet.  Sie  selbst  wie  ihre 
Sprache  gelten  in  dem  gleichen  Grade  als  barbarisch  wie  etwa 
später  die  Hunnen  oder  wie  die  Stämme  Afrikas.  Insbesondere  fiel 
den  Römern  die  Rauheit  der  germ.  Aussprache  auf:  Montium  altis- 
siiki  Taunus  et  Retico,  nisi  quorum  nomina  vix  est  eloqui  ore  romano 
Mela  III  3.  —  Quid  memorem  Bructeros?  quid  Chamavos  ?  quid 
Cheruscos  Vangionas  Alamanos  Tubantes  }  bellicum  strepunt  nomina 
et  immanitas  barbarice  in  ipsis  vocabulis  adhibet  horrorem  Nazarii 
Panegyr.  Constant.  18;  und  Julianus  Apostata  vergleicht  den  Ge- 
sang von  Volksliedern  bei  den  rechtsrheinischen  Germanen  xoi^ 
KpuJY^oi^  Tüuv  xpaxu  ßoüüVTiuv  öpviGujv  im  Eingang  seines  Miso- 
pogon. 

Wenn  wir  nun  die  Frage  erheben,  wodurch  der  germ.  Laut- 
charakter den  Römern  so  schwer  und  zugleich  so  unangenehm 
erschien,  so  dürfte  folgende  Erwägung  hier  am  Platze  sein.  Einzelne 
germ.  Laute  der  Urzeit  waren  den  Römern  unaussprechbar.  Das 
gilt  zunächst  von  den  durch  die  Lautverschiebung  bedingten 
h  resp.  X  und  von  p.   Auch  nahmen   die  Römer  an  den  tönenden 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  31 

Spiranten  ^  d  b  des  Germanischen  Anstoß.  Das  Punctum  saliens 
dürften  jedoch  Konsonantenverbindungen  wie  yj:  ft  pt  "^s  fs  yjt 
fn  sl  wl  wr  gw  hw  tw  dw  pw  gewesen  sein :  germ.  Namen  wie 
A{n)\tumeroz  (ZfdA.  9,  246)  oder  Chauci  (=  yßuxos  ZfdA.  3,  189) 
waren  klassischen  Organen  unbequem,  unaussprechbar,  solche 
Worte  wurden  von  den  Römern  nostrifiziert  {Actumerus  Ckauci), 
wie  überall  bei  fremdsprachlichen  Berührungen  Lautsubstitutionen 
auftreten.  Zeitworte  Wießa^an  'sc\vNtigQn\ßwa\an  'waschen',  fan^an 
'fangen',  Nomina  wie  got.  ßei/pö  (vorgot.  *pzxwön),  ßwakl  (ßwax^a-) 
'Bad',  hliftus  'Dieh^ ßlaühis  'Flucht'  usw.  —  vix  est  eloquiore  romano  ! 

Wollen  wir  uns  eine  klare  Anschauung  darüber  bilden,  welches 
der  germ.  Lautzustand  zur  Zeit  der  Berührung  mit  den  Römern 
war,  so  bestätigen  uns  die  von  den  alten  Autoren  überlieferten 
Eigennamen  und  Stoffnamen,  daß  in  der  Tat  —  wie  soeben  ver- 
mutet wurde  —  der  echt  germ.  Lautcharakter  bereits  völlig  aus- 
gebildet war. 

§  21.  Die  Lautverschiebung  —  dieses  wichtigste  Kriterium 
des  Germanischen  —  war  völlig  durchgeführt,  und  so  war  auch 
im  wesentlichen  jene  lautliche  Härte  und  Rauheit  der  Sprache 
gegeben,  von  der  Pomponius  Mela  und  Nazarius  wissen.  Wir 
müssen  allerdings  von  Völkernamen  wie  Cimbri  Teutoni  Nemetes 
Veneti^  auch  von  Stoffworten  wie  alces  absehen,  die  wohl  keltische 
resp.  römische  Lautsubstitutionen  zeigen  können  (Müllenhoff  Altert. 
II  114 ff.  und  unten  §  33  Anm.  2). 

a)  Idg.  k  erscheint  als  ch  —  %  (ZfdA.  9,  246)  in  Cherusci  Chatti 
Chauci  Chamavi  Chasuarii  Xapovjöe^  {^Xi.Hgrdar  Zeuss  152)  Xapio- 
Yaicro<;  Xapioiuripoq  Chariovalda\  lat.  Autoren  schreiben  dafür  auch 
c  (Catti)  und  so  ist  Silva  Caesia  nach  Müllenhoff  Nordalb.  Stud. 
I  209  der  Hesiwald  nördlich  der  Ruhr  mit  dem  Dorf  Hesangi  und 
dem  Bache  Hesapa,  Der  Waal  (westgerm.  Wahat)  heißt  bei  Caesar 
Vacalus^  bei  Tacitus  Vachalis,  welche  Schreibungen  also  auf  germ. 
h  (x)  deuten.  Spiritus  asper  ergibt  Attuarii  Vell.  Paterc.  und 
"AaTifTOi  —  'ApioTaicro?  Dio  Cass. 

b)  Das  echtgerm.  f  in  Frisiones  Canninefates  Fosi  Fenni  Agutt- 
90UPÖ0V  TouXiqpoupbov  (auch/rd!W^«?);  unklar  ist  Gepides  Gepedes 
=  angls.  Gifedas  langobard.  Gibidi  Much  ZfdW.  i,  324. 

c)  Für  germ.  /  zeugt  Tac.  Nerthus  =  an.  Njgrdr  (vgl.  ind.  tiTtu- 
als  Götterattribut  .^),  Mars  Thingsus  Scherer,  Sitzgsb.  d.  Berl.  Acad. 
1884,  XXV;  aber  t  als  röm.  oder  kelt.  Lautsubstitution  zeigen 
Catunierus  Catualda. 


32  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

d)  Verners  Gesetz  resp.  der  grammatische  Wechsel  war  zur 
römischen  Zeit  durchgeführt  vgl.  Suffix  -ing  -ung  in  Tulingi  Ter- 
vingi  Silingi  Juthungi  Greutungi  aus  -nko ;  d  aus  ß  =■  t  steckt  in 
-cpoupbov  'Furt'  (urverwandt  mit  lat.  portus  'Hafen')  und  in  Bur- 
gundiones  (kelt.  Brigantes)\  besonders  wertvoll  ist  Hermun-duri 
neben  Thuringi  Zeuss  102  ** ;  w  aus  gw  hw  erscheint  in  -avia 
(aus  "^a^wja  *a\wm  zu  got.  aka)  in  Scadin-avia  angls.  Sceden-ig 
und  in  Austr-avia. 

e)  Für  tönendes  z  fehlt  ein  Beweis  [glesum  -YaicTo^  -gcesus 
wurden  von  den  Germanen  mit  z  ausgesprochen). 

i)  b  d  g  stehen  konform  den  späteren  Lauten  in  Teutoburgiensis 
Asciburgium  Inguio-  Vangiones  Burgundiones  {Cauca)landensis 
-qpoupbov  Suebi  Langobardi  Scadinavia  Segi-  Sugambri  (zu  ahd. 
gambar  'kühn'). 

g)  Echt  germ.  Tenues  stecken  in  Istaevones,  AouTria<;  'Lippe', 
Twihanti  ndl.  Twente,  Batavia  ndl.  Betuwe ^  Chattuarn  angls.  Hcet- 
ware. 

Daß  die  Lautverschiebung  bei  der  sprachlichen  Berührung  von 
Germanen  und  Römern  schon  vollzogen  war,  lehren  auch  die  lat. 
Lehnworte  im  Germanischen,  von  denen  kein  einziges  die  urgerm. 
Lautverschiebung  aufweist  (vgl.  germ.  kaisar  pund  sträta  muntt 
usw.).  Got.  rapjö  kann,  als  Entlehnung  aus  lat.  ratio  gefaßt,  nur 
durch  Anlehnung  an  rapjan  und  germ.  fitil  aus  lat.  petilus  nur 
durch  Anlehnung  an  föt  'Fuß'  erklärt  werden,  und  got.-germ. 
Krekös  'Griechen'  mag  Lautsubstitution  zeigen.  Nach  meinem 
EtWb.  s.  v.  zeigt  Hanf  ahd.  hanaf  angls.  hcenep  als  das  früheste 
nachweisbare  Lehnwort  im  Germanischen  aber  Lautverschiebung 
im  Verhältnis  zu  gr.  Kdvvaßig,  das  seinerseits  zu  Herodots  Zeit 
ins  Griechische  aufgenommen  wurde,  und  so  fasse  ich  germ.  hanapi- 
als  Lehnwort  aus  der  Zeit  vor  den  römischen  Beziehungen. 

§  22.  Der  Vokalismus  der  von  den  Römern  überlieferten 
germ.  Elemente  läßt  auch  darüber  keinen  Zweifel  zurück,  daß 
der  germ.  Vokalismus  zur  Römerzeit  bereits  galt. 

a)  Für  idg.  0  erscheint  a  in  Tonsilben  vgl.  Lango(bardi)  =  lat. 
longus ;  xapio-  =  got.  harja-  aus  korio-  (altir.  cuire) ;  land  {Cau- 
calandensis)  aus  londho-.  Aber  in  unbetonten  Silben,  besonders 
in  der  Kompositionsfuge,  steht  noch  0  {Chariovalda  Ingitiomerus 
Deudorix  Marcomanni  Langobardi  und  inschriftlich  Aistomodius 
Strubiloscalleo);  Amm.  Marc,  hat  bereits  in  got.  Namen  ä  {Ala- 
ricus  Alatheus  Ariaricus  usw.)   gegen   nicht-got.   ö  {Gundomadus 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  33 

Chonodo-marius  Hariobaudes  Vadomarhis  Mallobaudes  Teutomerus 
usw.);  doch  auch  Alamanni. 

Anmerkung.  Bremer  IF.  14,  363  hält  allerdings  das  0  der  Kompositionsfuge 
für  einen  Keltismus,  denn  frühzeitig  tritt  auch  a  in  der  Kompositionsfuge  mehr- 
fach auf,  z.  B.  inschriftlich  Alaterviae  Alagabiae  Requalivahanus  Vagdavercustis. 

b)  Germ,  i  zeigen  Suebi  -merus  glesum  Tac.  (Plinius  glaesum 
ZfdA.  23,  23);  ferner  laeius  'Höriger';  für  altes  e  erweist  Zeuss 
761  das  jüngere  ä  in  dem  Namen  des  Alemannen  Chonodomarius 
bei  Amm.  Marc,  (bei  Jul.  Apost.  Xvoöo)udpiO(;) ;  Müllenhoff  ZfdA. 
7,  529  kennt  ä  noch  in  dem  Namen  des  Marcomannen  BaXXo|Lidpi05 
(um  170),  des  Quaden  raioßo|Lidpiog  (um  213)  und  der  Alemannen 
Vadomärius  Fraomärius  (4.  Jahrh.  Amm.  Marc.) ;  diese  und  andere 
Belege  s.  auch  bei  Bremer  Beitr.  11,  18.  Aber  in  Maroboduus 
muß  man  wohl  einen  kelt.  oder  keltisierten  Namen  vermuten. 
Auffällig  ist,  daß  in  lat.  Lehnworten  e  im  Westgermanischen  nie 
als  ä  erscheint;  lat.  ^  ist  in  germ.-lat.  Tonsilben  offenes  germ.  e 
=  ahd.  ia  (Möller  KZs.  24,  510),  wie  die  Behandlung  von  lat.  mensa 
remus  beta  tegula  zeigt ;  dafür  tritt  bei  germ.  Akzentverschiebung 
i  ein  vgl.  got.  akeit  =  lat.  acetum  und  dazu  die  Behandlung  von 
lat.  boletus  moneta  catena  sagena  im  Westgermanischen. 

c)  Lat.  ä  wird  in  keinem  einzigen  Falle  wie  idg.  ä  behandelt 
(vgl.  pälus  siräta  cäsetis  pävo  Säturnus  assärius  usw.).  Unsicher 
ist  die  Beurteilung  von  got.  Rümöneis  =  lat.  Römäni  Möller  KZs. 
24,  508,  wo  noch  an  Dänubius  =  ahd.  Tuonouwa^  bräca  ==  ahd. 
bruok  erinnert  wird ;  Bremer  IF.  4,  22  fügt  noch  Silva  Bäcenis 
(bei  Caesar  Bell.  Gall.  VI  10)  =  ahd.  Buohhunna  hinzu.  Wahr- 
scheinlich trägt  hier  kelt.  Vermittlung  die  Schuld  an  der  Ab- 
weichung von  der  Regel,  wenn  lat.  Römänt  durch  got.  Rümöneis 
vertreten  wird. 

d)  Germ,  ur  (=  idg.  f)  zeigt  sich  früh  in  Teutoburgiensis  Asci- 
Quadriburgium  Burgundiones  sowie  in  Aouir-  TouXi-qpoupöov  (vgl. 
ahd.  bürg  fürt). 

e)  Germ,  un  =  idg.  ^^-Sonans  steckt  in  Burgundiones  Segimun-, 
dus  Juthungi  Greutungi\  eine  Grundform  onx  scheint  unbezeugt; 
ob  man  aus  der  Behandlung  von  lat.  pondo  montem  =  angls. 
pund  munt  einen  Schluß  auf  urgerm.  onx  {^-mondus)  machen 
darf,  ist  sehr  zweifelhaft.  Möller  setzt  KZs.  24,  510  urgerm.  ö 
für  diese  Fälle  voraus  mit  seiner  Formulierung:  «Lat.  e  und  ö 
fallen  derselben  Wandlung  zu  i  und  ii  anheim  vor  n^  m  +  Kon- 
sonant  und   vor   folgendem   f> ;    dadurch    kommt  Symmetrie    in 

Grundriß  der  germ.  Philol.     Urgermanisch.  3 


34  I-  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

die  Behandlung  des  Vokalismus;  vgl.  pondo-pund^  montem-munty 
moltna-multn^  modius-mudjuz^  corbis-kurb  :  korb^  gemma-gimm  usw. 
Vgl.  aber  §  123  b. 

f)  Idg.  e  erscheint  in  den  germ.  Elementen  der  antiken  Über- 
lieferung als  e^  wo  in  jüngerer  Zeit  nach  §  133  nur  noch  i  gilt; 
wie  ahd.  gimma  auf  lat.  gemma^  so  beruhen  ahd.  sigi  irmin  auf 
alten  segi  ermin\  solche  alte  e  stecken  in  Segimerus  Segimundus 
Herminones  Gepides^  Veneti  'Winden',  Fenni  'Finnen'  (Leffler 
NTidskr.  2,  157.  274).  Aber  vor  ng  erscheint  t  in  Inguaeo  In- 
guiomerus  Thingsus  'AcTTiTTOi  MapouiYTOi  AaKpiTTOij  ebenso  in 
unbetonter  Silbe  vor  n  in  Herminones  Scadin-avia.  Neben  diese 
Zeugnisse  stellt  nur  Vellej.  Paterc.  Sigimerus, 

g)  Idg.  eu  erscheint  in  Greufungi  (vgl.  §  129). 

h)  Germ,  ai  erscheint  meist  als  ae  z.  B.  in  Caesia  [silva)^  Boi- 
haemum  Ingaevones  Frisaeo  ZfdA.  23,  22  und  ZfdPhil.  21,  5. 

i)  Ablaut  zeigt  sich  zwischen  Hermun-duri :  Herminones^  Juthungi 
Greutungi  :  Tulingi  Tervingi  im  Suffix. 

k)  Sonst  ist  in  Mittelsilben  ( Venedi  Veleda  Seges-tes)  altes  e  für 
jüngeres  i  beachtenswert;    aber  auch  Amtsia  für  eigtl.  Amesia} 

§  23.  Dafür  daß  auch  der  germ.  Akzent  schon  im  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  gegolten  hat,  zeugt  die  frühe  Existenz  der  Allittera- 
tion.  Müllenhoff  weist  ZfdA.  7,  527  an  Familienbenennungen  nach, 
daß  schon  vor  Tacitus'  Zeit  Allitteration  bestanden  hat:  Segestes 
Segimerus  Segimundus  l.e'^iQafKOC,;  Thusnelda  Thumelicus ;  Vannius 
Vangio;  Viduarius  Vidrodorus  usw.;  desgl.  Inguaeones  Herminones 
Istaevones  usw.  Da  somit  die  Glieder  einer  germ.  Familie  schon 
in  römischer  Zeit  durch  allitterierende  Namen  ausgezeichnet  wurden, 
hat  gewiß  auch  damals  schon  allitterierende  Poesie  geherrscht, 
und  der  germ.  Akzent  ist  die  Grundlage  der  Allitterationstechnik. 
Dazu  kommt  ein  lautliches  Kriterium:  idg.  ö  erscheint  als  öt,  in 
unbetonten  Silben  aber  als  o\  Lango(bardi)  Xapio(TaiCTO(;-|aripog) 
für  vorgerm.  longho-  korio-^  und  diese  doppelte  Behandlung  setzt 
den  germ.  und  nicht  den  indogerm.  Akzent  voraus. 

§  24.  Noch  bleibt  das  Verhalten  der  Endungen  zu  betrachten. 
Der  Parallelismus,  den  die  germ.  Elemente  der  antiken  Über- 
lieferung hinsichtlich  der  Flexionsform  mit  der  lat.  Sprache  zeigen, 
läßt  uns  ohne  Zuhilfenahme  der  §  18  entwickelten  weiteren  Kri- 
terien schließen,  daß  die  späteren  Auslautsgesetze  noch  nicht 
gewirkt  haben.  Die  lat.  und  die  germ.  ö-Stämme  laufen  parallel : 
glesum  (Tac.)  Segimirus  usw.  —  /-Stamm  ist  Albis  =  an.  Elfr  aus 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  35 

Albiz  (Bugge  NArk.  II  210)  sowie  *alcis  Plur.  alces  (Caes.  BG) 
=  an.  elgr  aus  vorgerm.  alkis ;  ürus  Nerthus  Segimundus  können 
mit  den  entsprechenden  an.  ^^-Stämmen  identisch  sein,  ebensogut 
aber  alte  «/<?-Stämme  vertreten.  —  Konsonantische  Stämme  wie 
rik-  erscheinen  in  der  älteren  Zeit  auf  -rix  [Boiortx  Mallorix  Deu- 
dortx  u.  a.),  wofür  erst  später  -rtcus  (Theudertcus)  eintritt. 

Die  Kompositionsfuge  in  Zusammensetzungen  (unten  §  222)  zeigt 
in  der  Römerzeit  keine  einheitliche  Behandlung.  Altererbter  Fugen- 
vokal gilt  {iir  Inguio-merus  Chario-mirus  Aisto-mödius  Strubilo-scalleo 
Boio-rix  Boio-haenmmLango-bardi  Marco-manni\  zu  dem  ;^- Stamm 
Teuiones  gehört  wohl  Deudo-rtx\  zu  2-Stämmen  vgl.  Segi-merus 
und  den  Völkernamen  Armi-lausi  (zu  an.  ermr  'Arm') ;  vgl.  auch 
Asci-burgium  (eigtl.  'Eschenstadt'  resp.  'Eschengebirge')  zu  dem 
Stamme  aski-  [asckim  Dat.  Plur.  Hildebr.  V.  63) ;  Unterdrückung 
eines  Mittelvokals  in  der  Kompositionsfuge  wird  wohl  anzunehmen 
sein  für  Sait-chamiae  und  für  Chas-uarii\  auch  für  Aouir-cpoupbov 
(Ptol.)  für  zu  erwartendes  Lupio-furdus  oder  Lupi-furdus  und  für 
Amsi-varii  neben  Amisia.  Auffällig  noch  carrägo  'Wagenburg* 
für  *carro-hägo. 

Anmerkung.  Tatsächlich  überlieferte  Flexionsformen  fehlen  in  der  antiken 
Überlieferung  bis  auf  die  §  215  behandelten  Dative  Pluralis  Aßims,  Vatvims  und 
Saitchamims, 

Kap.  6.    Griechische  Beziehungen^). 

§  25.  Gotisches.  Der  einzige  germ.  Stamm,  der  in  historischer 
Zeit  nachweisbar  unter  griech.  Spracheinfluß  gestanden  hat,  sind  die 
Goten.  Aber  es  ist  charakteristisch,  daß  die  Griechen  bei  den 
Goten  nach  gemeingerm.  Weise  Krekös  (=  lat.  Gräecos)  heißen. 
Dazu  stimmt,  daß  die  Römer  bei  Ulfilas  nicht  nach  griech.  Weise 
(*Puj|Liaioi),  sondern  nach  lat.  Weise  {Rümöneis)  heißen.  Dies  ge- 
nügt uns  wohl  als  Beweis  dafür,  daß  der  lat.  Einfluß  in  den  germ. 
Sprachen  älter  ist  als  etwaige  griech.  Entlehnungen.  Es  begegnen 
aber  in  der  Bibelsprache  des  Ulfilas  wie  in  den  übrigen  got.  Sprach- 
resten bedeutsame  Spuren  eines  griech.  Einflusses,  der  zwar  erst 
dem  4.  Jahrh.  angehört,  aber  doch  noch  den  Stempel  der  altgerm. 
Sprache  trägt. 

Aus  der  lebendigen  Berührung  von  Goten  und  Griechen  auf 
dem  Balkan   stammen    einige  geographische   Bezeichnungen  mit 


*)  Literatur:  Raumer  ZfdA.  6,  401;  Schulze  Sitzungsber.  d.  preuß,  Akad.  1905, 
S.  726;  Kluge  Beitr.  35,  124. 


36  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

kleinen  lautlichen  Veränderungen:  Makidöneis  gr.  MaKeööve^, 
Akaja  gr.  *Axaia,  Antiökja  gr.  'AvTioxeia,  Apeineis  gr.  'Aörivei, 
Kaürinpö  gr.  Kopiv9o(;;  hierher  wohl  auch  ^Fynike  'Phönizien' 
gr.  OoiviKri  in  dem  Adj.  fynikisks  'phönizisch'.  Dem  lebendigen 
Verkehr  entstammt  auch  got.  drakme  gr.  öpax|Lir|  und  wohl  auch 
got.  aipisttile  gr.  dTTiCTToXri. 

Das  Christentum  und  sein  Missionar  Ulfilas  bürgerte  eine  Reihe 
kirchlicher  Worte  ins  Gotische  ein  wie  aggilus  diabulus  apaüstulus 
aipiskaüpMs  gr.  d-neXo<;  öidßoXog  dTr6crToXo<s  eTTicrK07T0(;.  Im  got. 
Kalender  begegnet  papa  (oder  papas)  'Geistlicher'  aus  gr.  TTaird^ 
'Geistlicher'.  Den  Stempel  der  Einbürgerung  tragen  auch  got. 
Worte  wie  aiwaggeljö  aikklesjö  aus  gr.  euaYT^^iov  eKKXrjaia.  Vgl. 
meine  Elemente  des  Gotischen  §  140. 

§  26.  Westgermanisches.  Spuren  griech.  Spracheinflusses 
zeigen  auch  die  westgerm.  Sprachen.  Das  aus  gr.  KupiaKOV  'Kirche' 
stammende  westgerm.  kirika  gilt  durch  ganz  Deutschland  wie 
durch  England  (ahd.  kirihha  asächs.  kirika  angls.  cirice).  Über 
ganz  Deutschland  herrscht  ein  dem  got.  papa  =  gr.  7TaTrd<s  'Geist- 
licher' entsprechendes  ahd.  pfaffo  mndd.  pape  'Geistlicher'.  In 
Mitteldeutschland  wie  in  Oberdeutschland  weit  verbreitet  ist  ahd. 
sambasfag  mhd.  sambentac^  das  gleich  got.  sabbatödags  =  gr.  adßßa- 
Tov  ist.  Im  bayr.-österr.  Dialekt  gilt  das  durch  die  2.  Lautver- 
schiebung hindurchgegangene  Pfinztag  'Donnerstag'  aus  gr.  TTe|LiTTTr| 
'Donnerstag',  und  daran  reiht  sich  die  Bezeichnung  mhd.  (bayr.) 
erntac  'Dienstag',  die  auf  gr.^Apeuj^  f)|Liepa  zurückdeutet.  Solche 
charakteristischen  Lehnworte  westgerm.  Sprachgebiete  sind  von 
der  untern  Donau  durch  got.  Missionare  um  die  Wende  des  4. 
und  5.  Jahrhs.  nach  Deutschland  vorgedrungen  und  haben  auf  hoch- 
deutschem Boden  daher  auch  die  2.  Lautverschiebung  {ohd.  pfaffo 
kirihha  sambantag  pfinztag)  mitgemacht.  Zwar  ist  zu  jenen  Worten 
nur  got.  papa  'Geistlicher'  tatsächlich  bezeugt,  aber  auch  für  die 
andern  Worte  ist  die  Herkunft  vom  Balkan  gesichert,  weil  teil- 
weise Übereinstimmung  mit  dem  Slavischen  besteht:  wie  der  Geist- 
liche aslav.  popü  heißt,  so  stimmt  ahd.  sambagtag  mit  aslav.  sabota 
und  westgerm.  kirika  mit  aslav.  crüky  'Kirche'.  Der  griech.  Einfluß, 
den  diese  Wortgruppe  verrät,  erstreckt  sich  aber  wohl  auch  auf 
andere  christliche  Worte  der  westgerm.  Sprachen,  wenigstens 
deutet  der  altertümliche  Lautcharakter  von  ahd.  tiuval  (angls.  deofot) 
eher  auf  got.  diabulus  und  damit  auf  gn  öidßoXo(S  als  auf  das  ent- 
sprechende  lat.  diabulus.,  und  dann  wird  wohl  auch  ahd.  asächs. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  37 

engil  (angls.  enget)  eher  auf  got.  aggilus  und  damit  auf  gr.  dTfeXoq 
weisen  als  auf  lat.  angelus.  Die  westgerm.  Lautformen  für  den 
Begriff  'Bischof  haben  auch  ein  höheres  Alter  als  eine  lat.  Ent- 
lehnung aufweisen  würde,  und  so  wird  angls.  bisceop  ahd.  biscof 
wohl  got.-griech.  Ursprungs  sein  {aipiskaüpus  =  gr.  eTricTKOTTO^).  So 
beruht  ahd.  asächs.  Krist  wohl  auf  got.  Xristus  und  damit  auf 
gr.  Xpi(TT6(;  und  nicht  auf  lat.  Christus.  Bei  den  griech.  Entlehnungen 
innerhalb  der  westgerm.  Sprachen  handelt  es  sich  um  christliche 
Terminologie   und  um  ein  frühes  germ.  Christentum. 

Kap.  7.     Altslavische  Beziehungen.*) 

§  27.  Urverwandtschaft.  «Die  unmittelbare  Zusammenge- 
hörigkeit des  Deutschen  und  Slavolettischen  ist  schon  im  Jahre  1837 
von  Zeuss  (D.  Deutschen  u.  d.  N.  S.  18  ff.),  ebenso  von  J.  Grimm 
GDS  1030  und  mit  den  Mitteln  der  neueren  Wissenschaft  von 
Schleicher  gestützt  worden  (Kuhns  Beitr.  I  12,  107J».  So  1872 
Joh.  Schmidt  Verwandtsch.  S.  4ff.,  wo  die  Stichhaltigkeit  der  bis 
dahin  vorgebrachten  Gründe  einer  eingehenden  Kritik  unterzogen 
wird.  Mit  Recht  lehnt  Joh.  Schmidt  alles  Vorgebrachte  ab  mit  Aus- 
nahme des  Zusammentreffens  got.  wulfam  disldiV.  vlükomü  lit.  vil- 
kams\  dieses  Zusammentreffen  des  /^^-Suffixes  im  Dat.  Plur.  ist 
denn  auch  das  einzige  Übereinstimmende,  das  A.  Leskien  (Die 
Deklination  im  Slavolit.  u.  Germ.  Leipzig  1876)  im  Bereich  der 
Deklination  zwischen  Slavolettisch  und  Germanisch  anerkennt. 
Anderweitiges  trägt  Joh.  Schmidt  S.  7  zusammen:  besonders 
wichtig  sind  die  Zahlworte  got.  ainlif  twalif  püsundi  lit.  venölika 
dvylika  aslav.  tysqSta  (s.  unten  §  300).  Brugmann  erinnert  noch  an 
den  Wandel  von  sr  in  sir^  worin  das  Germanische  mit  dem  Slavischen 
zusammenzutreffen  scheint,  und  an  die  nahen  Berührungen,  welche 
die  Funktion  des  Adjektivsuffixes  -isko  im  Germanischen  und  im 
Slavolettischen  zeigt  (Techmers  Zs.  I  234.  248). 

Weiter  kommen  wichtige  Übereinstimmungen  im  Wortschatz 
in  Betracht.  Wir  stellen  im  Anschluß  an  Joh.  Schmidts  wertvolle 
Listen  S.  36  (vgl.  auch  Kretschmer,  Einleitg.  in  die  Geschichte  d. 
griech.  Sprache  S.  109)  hier  einige  Worte  zusammen,  bei  denen 
die  Möglichkeit  näherer  Verwandtschaft  offen  ist  (die  germ.  Worte 
zeigen  Lautverschiebung,  soweit  möglich):  an.  berr  aslav.  bosü  lit. 


»)  Auf  die  baltischen  Sprachen  (vgl.  Hirt  Beitr.  23,  349)  kann  in  diesem  Ka- 
pitel nur  ausnahmsweise  Bezug  genommen  werden. 


38  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

bäsas ;  ahd.  chnetan  aslav.  gnetq, ;  got.  dals  aslav.  dolü  'Tal' ;  ahd.  ^Ibin 
'Schwan'  aslav.  lebedi\  ahd.  g/at  aslav. g/aäükü  \\t.glodüs\  ahd. /touwu 
aslav.  ^öZ'^ 'schmiede' ;  ahd.  ckmwu  aslav.  i^&^  'kaue'  (Wz.  giw})\ 
got.  bairga  aslav.  brtigq, ;  ahd.  eiscön  aslav.  iskati  lit.  jeszköti;  ahd. 
/?W^^  aslav.  /i^%  'lüge';  'got.stöls  'Stuhl'  aslav.  stolü  'Thron,  Sessel'; 
an.  elgr  'Elch'  aslav.  losi\  ahd.  sträla  aslav.  strHa\  ahd.  rippi 
aslav.  r^^rö  'Rippe';  got.  qairnus  aslav.  zrüny\  got.  ^^2/^  aslav. 
r^/«;  angls.  brigdel  aslav.  brüzda  'Zügel';  angls.  ^/«7  aslav.  bUdü 
'blaß'. 

Es  verdient  noch  hervorgehoben  zu  werden,  daß  einige  Be- 
rührungen speziell  mit  dem  Nordgermanischen  bestehen:  nord- 
germ.  alu{p)  'Bier'  aslav.  olü  lit.  alüs\  angls.  ryge  an.  rugr  (aus 
'^rugiz)  aslav.  r^i^  lit.  rugys ;  an.  pidurr  lit.  ietervas  aslav.  tetr6vi\ 
auffällig  ist  an.  Mjglner  'Thors  Hammer'  neben  aslav.  mlünij  'Blitz'. 

Anderseits  zeigt  das  Germanische  ein  paar  Berührungen  speziell 
mit  dem  Preußisch-Litauischen;  vgl.  got.  ainlif  tw alz f  mit  lit.  venö- 
lika  dvylika\  got.  haims  'Dorf  mit  lit.  kemas  'Dorf  preuß.  caj>mis\ 
got.  galeiks  mit  lit.  lygus  preuß.  polygu  'gleich' ;  angls.  clyppan 
ahd.  chläftara  lit.  glöbti  'umarmen' ;  germ.  lesan  lit.  lesti  'Körner 
auflesen';  ahd.  wecki  lit.  vagis\  got.  falla  Wt. pülu  'falle';  ahd.  mäsca 
lit.  mezgu  'stricke* ;  ahd.  harmo  lit.  szermu  'Wiesel' ;  vgl.  Joh.  Schmidt, 
Verwandtsch.  S.  43. 

Aber  so  viel  Einzelheiten  man  auch  beibringen  mag,  in  denen 
Slavolettisch  und  Germanisch  miteinander  übereinstimmen,  so  be- 
steht doch  bei  vielen  derselben  der  Verdacht  der  Möglichkeit 
von  Entlehnungen  hinüber  und  herüber.  Es  handelt  sich  vielfach 
um  Wortgleichungen  mit  kulturellem  Inhalt,  also  um  die  Möglich- 
keit von  Wanderung  und  Entlehnung.  Die  §  3  beigebrachten 
Übereinstimmungen  zwischen  dem  germ.  und  dem  lat.  Wortschatz 
sind  beweiskräftiger  für  die  Möglichkeit  einer  näheren  Verwandt- 
schaft zwischen  Germanisch  und  Lateinisch.  Aber,  wie  schon 
bemerkt  worden  ist,  eine  nähere  Urverwandtschaft  zwischen  Ger- 
manisch und  Slavisch  hat  heute  kaum  noch  Vertreter,  seitdem 
man  die  Gliederung  des  Indogermanischen  in  cen^um-Sprachen 
und  safem-Sprachtn.  für  durchschlagend  hält ;  denn  das  Slavische 
stellt  sich  mit  dem  Baltischen  zu  den  safem-Sprachen,  während 
das  Germanische  zu  den  cenfum-Sprachen  gehört. 

§  28.  Lehn  Worte.  Die  Lehnworte,  die  das  Altslavische  aus 
dem  Germanischen  übernommen  hat,  habe  ich  in  der  i.  Aufl. 
dieses  Grundrisses  I  320  und  in  der  2.  Aufl.  I  361  behandelt.  Das 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  39 

Problem  ist  zuerst  von  Miklosich,  Die  Fremdwörter  in  den  slav. 
Sprachen  (Denkschr.  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Wien  Bd.  15)  be- 
handelt, neuerdings  auch  von  Uhlenbeck  im  Arch.  f.  slav.  Philol. 
XV  481  ff.  und  von  Hirt  Beitr.  33,  330ff.,  insbesondere  auch  von 
Peisker,  Die  älteren  Beziehungen  der  Slaven  zu  Turkotataren 
und  Germanen,  Stuttgart  1905.  Wir  halten  uns  hier  durchaus  an 
das  überlieferte  Altslavische,  ohne  auf  altgerm.  Entlehnungen  im 
Polnischen,  Russischen,  Cechischen  Rücksicht  zu  nehmen. 

Zur  Lautlehre  der  altgerm.  Lehnworte  des  Altslavischen  (vgl. 
Hirt  Beitr.  33,  339)  kommt  in  Betracht,  daß  germ.  ä  gern  als  ö 
erscheint :  gobtzü  gosti  gospodi  gonoziti  gotovü  kotüü  ocitü  osilü 
sotona  got.  gabigs  gasts  *gastfaßs  ganasjan  gatewjan  katils  akeit 
asilus  satana\  auch  im  Suffix  ag\  münogü  got.  manags  und  chq- 
dogü  ahd.  hantag.  Vereinzelt  a  in  chabiti  got.  haban^  sakulü  zu  got. 
sakkus^  navi  zu  got.  naus  'Toter'.  —  Got.  ä  erkennt  man  in  Ukari 
ZM  got.  lekeis  und  mytart  got.  mötäreis^  woran  sich  c^sart  (vgl. 
angls.  cdsere)  anschließt.  —  Die  Vertretung  von  germ.  0  schwankt, 
wobei  wohl  der  got.  Lautwandel  von  <^  zu  ^  mit  eine  Rolle  spielt: 
u  in  buky  germ.  bokö^  duma  zu  got.  döms^  plugü  zu  asächs.//<?^ 
und  y  in  myto  got.  mota  und  sytü  got.  söps.  —  Germ,  ü  als  y  in 
chyzü  got.  hüs  und  tynü  asächs.  tun.  —  Germ,  ai  erscheint  als  S  in 
c^sari  chl^bii  b^diti  m^niti  (got.  kaisar  hlaibs  baidjan^  ahd.  meinan).  — 
Germ,  au  in  bugü  lukü  skutü  useregü  kupiti  kusiti  nuta  (ahd.  boug 
louh  scön  or-ring  koufen,  got.  kausjan^  ahd.  nöi).  —  Für  germ.  eu 
scheint  die  got.  Lautgestalt  iu  maßgebend  in  bljudo  Ijubü  Ijudü 
Stuzdi  =  got.  biuds  Hubs  *liudeis  ßiudisks.  —  Aslav.  Nasalierungen 
erscheinen  in  ö^do  c^ta  useregü  klad^zl  künegü  pin^gü  sklezi  (vgl. 
ahd.  y^^W,  got.  kintus^  ahd.hring,  got.  *ka/diggs,  ahd,  kunzng p/emng 
scilling) ;  vgl.  auch  qborükü  chqdogü  chrc^^ti  sc^bota  mit  ahd.  ambar 
hantag ^  got.  pramstei^  ahd.  sambantag. 

Für  den  Konsonantismus  spielt  das  Verhalten  der  germ.  harten 
Reibelaute  eine  besondere  Rolle.  Für  germ. /wird/  substituiert 
in  plükü  gospodi  postü  =  ahd.  /o/c^  got.  *gast-/aps,  ahd.  fasta. 
Germ,  h  erscheint  als  ch  in  chqdogü  chorqgy  chabiti  chlibü  chlakü 
chyzü  chlümü  (vgl.  got.  handugs  hrugga  haban  hlaibs  halks  hüs^ 
asächs.  holnt).  Für  germ.  /  scheint  d  zu  stehen  in  ö^do  und 
vrazida.  Germ,  s  steckt  in  cisari  (got.  kaisar)  und  useregü  (got. 
*ausa-hriggs)\  aber  die  z  von  chyzü  und  gonoziti  deuten,  wie 
Hirt  S.  343  richtig  bemerkt,  auf  germ.  z  und  nicht  auf  die  j  von 
got.  hüs  und  ganasjan.    Germ,  k  erscheint  als  k  in  klad^zi  künfgü 


40  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

kupiti  kusiti  und  bei  Palatalisierung  als  ä  in  crSmil  mUi  vrüöi  oder 
als  c  in  cSsart  ceta  ocitü  crüky. 

Was  nun  das  Verhalten  der  Endvokale  und  speziell  der  Flexions- 
endungen betrifft,  so  zeigen  die  aslav.  Entlehnungen  manche 
Konformität.  So  entspricht  den  Neutren  der  ö^/^-Deklination,  die 
in  der  runischen  Zeit  auf  -a  {horna  'Hörn')  endeten,  das  ö  von 
Neutren  wie  vino  äeäOy  aber  ü  \n plükü  chyzü  {pcttü}).  Wenn  aber 
got.  Maskulina  wie  biups  stikls  im  Altslavischen  als  bljudo  und 
stiklo  erscheinen,  so  liegt  hier  nicht  der  got.  Nominativ,  sondern 
der  got.  Akkusativ  mit  dem  ursprünglichen  «-Ausgang  i^biuda 
'^stikld)  vor.  Denn  die  Normalvertretung  der  got.  Maskulina  der 
ö;-Deklination  war  ü  in  bHgü  bugü  chqdogü  chl^bü  chlümü  dlügü 
glumü  gobizü  gorazdü  gotovü  gradü  künegü  Ijubü  Ijudü  lukü  münogü 
ocitü  skotü  slSmü  vragü  usw.  Für  die  Feminina  der  ^/^-Deklination 
und  der  ^^^-Deklination,  die  sich  hier  nicht  säuberlich  scheiden 
lassen,  zeigt  sich  der  Ausgang  a  in  cr^da  istüba  sirHa  trqba  vra- 
zida  und  der  Ausgang  >' (Mahlow  S.  151,  Möller  Beitr.  VII  487)  in 
buky  crüky  brady  loky  svekry  chorqgy  plosky ;  aber  das  Endungs-a 
in  myto  (got.  möta)  ist  sehr  auffällig.  Für  germ.-got.  /-Stämme 
(got.  gasts  faps  lists  naus  aus  ^gastiz  ^fadiz  ^listiz  ^nawiz)  vgl. 
gosti  gospodt  listi  navi\  wenn  aber  gradü  dem  got.  2-Stamm  gards 
gegenübersteht,  so  ist  an  got.  gardawaldands  zu.  erinnern,  und 
das  Wort  garda  ist  gemeingermanisch  ein  «-Stamm  (vgl.  lat.  hortus 
St.  horto-).  Fälle  von  ^-Deklination  sind  unsicher;  in  Betracht 
kommen  oszlü  got.  asilus  und  vielleicht  auch  kotilü  (got.  '^katilus  ?) 
und  vrütü  (got.  '^aürtus  Lehnwort  aus  lat.  horttis). 

Noch  ist  zu  erwähnen,  daß  einige  slav.  Suffixe  germ.  Herkunft  sind  ; 
sie  haben  von  Lehnworten  aus  wie  mytari  'Zöllner'  =  got.  mötäreis 
oder  wie  vrazida  'Feindschaft'  =  got.  wargipa  weitergewuchert. 

Aus  dem  germ.  Material  im  Slavischen  lernen  wir  einige  Worte 
kennen,  die  innerhalb  des  Germanischen  unbezeugt  sind:  aslav. 
kladezi  'Brunnen'  aus  got.  ^kaldiggs  zu  an.  kelda  =  finn.  kaäio ; 
aslav.  useregü  aus  got. ^ aus akrzggs}  aslav.  drüzükü  aus  got.* daürzus 
(germ.  durzu-z).  Beachtenswert  ist  noch,  daß  die  älteste  germ. 
Lehnschicht  wegen  einiger  lat.  Elemente  wie  aslav.  vino  sakü 
ocitü  ostlü  c^sarl  vrütü  u.  a.  erst  nach  der  Übernahme  der  lat. 
Lehnworte  ins  Germanische  dem  Slavischen  zugeführt  sein  kann. 

Betrachtet  man  derartige  Lehnworte,  die  wohl  zumeist  im 
3. — 5.  Jahrh.  aus  dem  Germanischen  und  teilweise  speziell  aus 
dem   Gotischen   in   das   vorliterarische   Slavisch   gedrungen  sind, 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  41 

nun  auch  auf  ihren  kulturellen  Inhalt,    so  ergeben  sich  folgende 
Bereiche  für  die  Begriffe,  die  damals  vordrangen: 

a)  Staatlich-kriegerische  Begriffe:  aslav.  künegü  künezt  'Fürst' 
westgerm. /^^«^/^^ ;  d.%\2M.gospodt'Y{.^xx'  go\..*gast-faßs\  disXdiY.  c^sari 
got.  kaisar  (angls.  cäsere)\  disXdi^.  Ijudije  'Leute'  ahd.  Imtz;  aslav. 
plükü  'Kriegsschar'  westgerm./6>/^;  a.s\a.v.  m^ci  'Schwert'  got.  me^ezs; 
aslav.  drady  andd.  barda ;  aslav.  sUmü  'Helm'  germ.  helma  J.  Schmidt 
KBeitr.  V  467;  aslav.  choragy  'Fahne'  got.  hrugga\  disldiv.  briinja 
got.  brunjö\  a.s\a.v.  bugzl  'Armband'  westgerm.  baug;  a.s\3iY.  useregu 
'Ohrring' ;  aslav.  chomqtü  nhd.  kamen  'Kummet' ;  aslav.  trqba  'tuba' 
ahd.  trumba  ;  aslav.  tynü  'Mauer'  westgerm.  tun ;  aslav.  gradü  got. 
gards\  aslav.  dunia  got.  ddms\  aslav.  vragü  'Feind'  —  vrazida 
'Feindschaft'  got.  wargs  —  wargipa ;  aslav.  drüzükü  'kühn'  germ. 
durzu-z  (=  gr.  GpacTix;). 

b)  Begriffe  des  Handels  und  Verkehrs:  aslav.  kupiti  kupovah 
germ.  kaupjan  kaupöjan ;  aslav.  skl^zi  got.  skilliggs  ;  aslav.  pinegü 
westgerm.  "^paning ;  aslav.  ceta  'obolus'  got.  kintus ;  aslav.  skotü 
'Vieh'  got.  skatts ;  aslav.  myto  'Zoll'  —  mytarl  'Zöllner'  got.  möta  — 
mdtäreis\  aslav.  nuta  'Rind'  ahd.  nön\  aslav.  (iborü{kü)  ahd.  ambar 
angls.  ambor\  aslav.  kotUü  got.  katils\  aslav.  kUblü  ahd.  kubilt\ 
aslav.  sakulü  'Tasche,  Sack'  got.  sakkus\  aslav.  sttklo  'Glas'  got. 
stikls ;  aslav.  ocUü  got.  akeit. 

c)  Worte  für  Ackerbau  und  Viehzucht,  Feld  und  Wald,  Haus 
und  Hof:  aslav.  nuta  'Rind'  germ.  nauta-\  aslav.  plugü  'Pflug' 
andd.  plög\  aslav.  örSda  'Herde'  got.  hatrda\  aslav.  chrütü  'Hund' 
angls.  hroßhund\  aslav.  chrqstt  'Käfer'  got.  pramstei\  aslav.  lukü 
'Lauch*  germ.  lauka-\  aslav.  buky  'Buche'  ^di.buohha\  aislsLY.  brostz 
'Färberröte'  germ.  wratja  (ahd.  rezza);  aslav.  chlümü  'Hügel'  an. 
holmr\  aslav.  br^gü  'Ufer'  ahd.  berg\  a.s\a.y.  c/iy zu  got.  Ms;  aslav. 
vrüiogradü  got.  aürtigards ;  aslav.  istüba  'Zelt'  ahd.  stuba ;  aslav. 
örimü  'Zelt'  ähd.  chräm  (aus  '^krenia-)}  aslav.  ö^do  'Kind'  ahd. 
kind\  aslav.  chlsbü  'Brot'  got.  hlaiba-\  aslav.  olü  'Bier'  angls.  ealu\ 
aslav.  bljudo  'Tisch,  Schüssel'  got.  biuda- ;  aslav.  klad^zi  'Brunnen* 
got.  *kaldiggs. 

d)  Worte  für  Künste  und  Fertigkeiten :  aslav.  iskari  'Arzt'  got. 
likeis  (aslav.  Mü  'Medizin');  aslav.  buky  'Buchstabe'  got.  bdka\ 
aslav.  kiinjiga  'Buchstabe'  got.  *kunninga}  aslav.  Itsii  'List'  got. 
lists\  aslav.  chqdogü  'erfahren'  got.  handugs\  3.s\z.y, plpati  'tanzen' 
got.  plinsjan ;  aslav.  gotovü  lit.  gatavas  'bereit'  zu  got.  gataujan ; 
aslav.  gobizü  'ergiebig'  got.  gabigs. 


42  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

e)  Kirchlich-religiöse  Begriffe :  aslav. /öj///^" 'fasten'  got,fasian\ 
aslav.  chabiti  se  'sich  enthalten'  got.  gahaban ;  aslav.  gonoziti  'er- 
retten' got.  ganasjan\  aslav.  crüky  'Kirche'  westgerm.  *kirika\ 
disXdiY. popii  'Geistlicher'  got. papa\  aslav.  almuzino  'Almosen'  ahd. 
almuosan\  aslav.  sabota  'Samstag'  ahd.  sambas-tag. 

Kap.  8.     Germanischer  Einfluß  auf  das  Finnische. 

§  29.  Nachdem  schon  der  Schwede  Joh.  Ihre  im  Vorwort  zu 
Gloss.  Suiogothicum,  Upsala  1769  und  der  Däne  Rask  in  seiner 
Preisschrift  Om  det  gamle  nordiske  eller  isl.  Sprogs  oprindelse, 
Kopenhagen  1818,  nahe  Berührungen  zwischen  dem  gotisch- 
nordischen und  dem  finnisch-lappischen  Wortschatz  aufgedeckt 
hatten,  zeigte  F.  Dietrich  185 1  in  Höfers  Zs.  f.  d.Wiss.  d.  Sprache 
III  32,  daß  das  Lappische  unter  die  ältesten  Erkenntnisquellen 
für  das  Germanische  zu  stellen  ist,  und  W.  Thomsen  hat  dann 
in  seinem  gelehrten  und  bewunderungswürdig  orientierenden  Buche 
Über  den  Einfluß  der  germ.  Sprachen  auf  die  finnisch-lappischen, 
Halle  1870  alles  gründlich  erörtert  und  zusammengefaßt,  was  er 
über  die  Beziehung  des  Germanischen  zum  Finnisch-Lappischen 
ermittelt  hat.  Thomsen  erweist  im  Finnischen  eine  älteste  Schicht 
von  Entlehnungen  aus  dem  Germanischen,  deren  Charakteristikum 
die  Bewahrung  der  vollen  Endungen  ist,  und  schließt  daraus, 
daß  die  Völker  des  finn.  Stammes  wahrscheinlich  in  den  ersten 
Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung  in  Mittelrußland  oder  eher 
in  den  jetzigen  Ostseeprovinzen  in  der  unmittelbarsten  Berührung 
mit  Germanen  gewohnt  haben.  Die  altgerm.  Lehnworte  im  Finni- 
schen erstrecken  sich  auf:  i.  Staats-  und  Kriegswesen;  vgl.  finn. 
kuningas  urwestgerm.  kuningaz  (auch  ins  Slavolettische  gedrungen 
§  28  a);  finn.  ruhtinas  urwestgerm.  druhtinaz)  airut  'Bote'  got. 
airus\  arpa  'Botschaftsstock'  an.  gr. 

2.  Kulturprodukte  und  Fertigkeiten:  kulta  'Gold'  got.  gulpa-\ 
kaltio  'Brunnen'  an.  kelda  (aus  *kaldj6) ;  rengas  'Ring'  ahd.  kring 
aus  *hringaz\  paita  'Hemd'  got.  paida\  kinnas  'Fausthandschuh* 
an.  skinn\  vantus  'Handschuh'  an.  vgttr\  patja  'Kissen'  got. 
badi\  naula  'Nagel'  got.  nagljan\  satula  '^2X\.^\ \  akana  'Spreu' 
got.  ahana\  haasia  'Gestell  z.  Trocknen  des  Heus'  an.  hes. 

3.  Fauna  und  Flora:  nauta  'Rind'  an.  naut\  lammas  'Lamm' 
got.  lamb\  kana  'Huhn'  got.  hana\  havukka  'Habicht'  ahd.  ha- 
buh\  haikara  'Reiher'  ahd.  heigaro\  valas  'Walfisch'  an.  hvalr\ 
turska  'Dorsch'  2lV\.. porskr\  mato  'Wurm'  got.  mapa\  vorma  'Wurm* 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  43 

an.  ormr.  —  matara  'Labkraut'  an.  madra\  liina  'Flachs'  got.  lein\ 
ruis  'Roggen'  angls.  ryge\  kaura  'Hafer'  ahd.  habaro. 

4.  Auffällige  Einzelheiten  sind  die  Entlehnung  von  finn.y«  'und' 
asächs.  ja  und  finn.  sama  'derselbe'  got.  sama\  beachtenswert 
ist  noch  die  Entlehnung  der  Zusammensetzung  finn.  napakaira 
^Bohrer'  ahd.  nabager. 

Anmerkung  i.  Daß  das  Germanische  die  Grundsprache  für  diese  Entlehnungen 
ist,  ersehen  wir  u.  a.  auch  daraus,  daß  einzelne  derselben  früh  auch  in  andere 
Sprachen  aufgenommen  sind,  die  dem  Germanischen  geographisch  benachbart 
waren :  ins  Slavische  wie  kuningas  (lit.  kuningas)  und  laukka  (aslav.  lukü),  ins 
Romanische  wie  vantus  'Handschuh'  (frz.  ganf)  und  riulta  'Sandbank'  (ital.  greto 
'Ufersand'). 

Die  Frage,  ob  dialektische  Herkunft  der  einzelnen  Entlehnungen 
zu  erweisen  oder  ob  gemeingerm.  Substrata  anzunehmen  sind, 
ist  offen;  Thomsen  nimmt  urostgerm.  Entlehnungen  an  und  be- 
obachtet sowohl  mit  dem  Gotischen  wie  mit  dem  Nordischen 
Berührungen  (S.  106):  mit  dem  Gotischen  bringt  er  das  a  von 
Femininis  wie  finn.  akana  (got.  ahana)^  multa  'Staub'  (got.  muldd) 
usw.  zusammen;  zum  Nordischen,  allerdings  zugleich  auch  zum 
Westgermanischen,  stimmt  das  u  von  Femininis  wie  finn.  arkku 
panku  und  das  r  von  napakaira  (ahd.  nabager)^  wofür  got.  z  {*naba- 
gaiza-)  vorauszusetzen  ist.  Zum  Westgermanischen  stimmt  kuningas 
(an.  konungr)  =  ahd.  asächs.  kuning. 

Anmerkung  2.  Die  Frage  nach  der  Herkunft  der  germ.  Lehnworte  im  Fin- 
nischen hat  Setälä  (Zur  Herkunft  und  Chronologie  der  älteren  germ,  Lehn- 
wörter in  d.  ostseefinn.  Sprachen  1906)  einer  neuen  Erörterung  unterzogen,  deren 
Ergebnisse  erS.  45fF.  zusammenfaßt:  die  meisten  Lehnworte  weisen  auf  keinen 
bestimmten  germ.  Dialekt  hin,  sondern  auf  den  germ.  Urzustand;  die  Zeit  um 
Christi  Geburt  ist  als  die  Periode  der  ältesten  finn.-germ.  Berührungen  anzu- 
setzen (vgl.  Anm.  3) ;  daß  die  alte  germ.  Sprachform,  aus  welcher  diese  Lehn- 
wörter herstammen,  eine  Sprachform  gewesen  ist,  die  entweder  dem  Gotischen 
oder  dem  Nordgermanischen  vorangegangen  ist,  darüber  können  wohl  alle  einig 
sein,  aber  eine  scharfe  Grenze  zwischen  einer  urgerm.  Sprachform  und  einer 
frühen  Stufe  des  Gotischen  oder  Urnordischen  ist  wenigstens  auf  Grund  einzeln- 
stehender, aus  ihrer  Umgebung  herausgerissener  Lehnwörter  schwer  zu  ziehen; 
auch  sicher  got.  Entlehnungen  kommen  vor,  wobei  meist  von  einer  vorliterarischen 
Stufe  des  Gotischen  auszugehen  ist. 

Worin  der  eminent  sprachgeschichtliche  Wert  der  germ.  Lehn- 
worte im  Finnisch-Lappischen  besteht,  hat  Thomsen  gezeigt :  sie 
erweisen  Endungen,  welche  sich  vielfach  mit  den  konstruierbaren 
urgerm.  Grundformen  decken.  In  bezug  auf  die  Endungen  steht 
die  Sprache  der  ältesten  Runeninschriften  zunächst:  finn.  armas 
'lieb,   teuer',   kernas  'willig',   sairas   'krank'   oder  Maskulina  wie 


44  I-  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

rtihtinas  'Fürst',  kuningas  'König'.  Auf  den  urgerm.  «-Akkusativ 
(runisch  staina  zum  Nom.  *stainaz)  gehen  einige  finn.  Worte  auf 
Ä  zurück,  denen  germ.  Mask.  der  «-Deklination  zugrunde  liegen: 
satula  'Sattel'  (vgl.  an.  sgdul  Akk.  zu  spdull),  antura  'Schlitten- 
baum' (an.  gndurr  M.),  murkina  'Frühstück'  (got.  maürgins\  arina 
'Herd'  (ahd.  (rin  M.  'Tenne'),  havukka  'Habicht'  (ahd.  habuh  M.), 
laukka  'Lauch',  /«?^//« 'Fähre'  (ahd.^02),  rauma  'Strom'  {d\idi.  strouni)^ 
vuokra  'Zins'  (got.  wokrs).  Entsprechend  dem  runischen  Neutrum 
horna  zeigt  das  Finn.  kulta  'Gold',  viina  'Wein',  riutta  'Sandbank* 
(angls.  greot  Neutr.) ;  dem  runischen  Neutr.  arbija  'Erbe'  (=  got. 
arbi)  entsprechen  Reflexe  neutraler  /«-Stämme  in  patja  'Polster', 
lattia  'Fußboden'  (got.  badja-  'Bett'  und  ^flatja-  'Fußboden'). 

Anmerkung  3.  Wenn  das  charakteristische  Endungs-«  zu  dem  Verhalten  der 
ältesten  Runeninschriften  stimmt,  so  ist  jetzt  der  Nachweis  Setäläs  S.  23  wichtig 
geworden,  daß  auch  die  in  dem  römischen  Eigennamenmaterial  (§  22  a)  vorliegende 
Grundstufe  0  in  einer  ältesten  finn.  Lehnschicht  vorkommt :  ansos  'Balken',  jukko 
'Joch',  juusto  'Käse',  pelto  'Feld'  usw. 

Auch  das  Verhalten  der  i-  und  ^^-Stämme  entspricht  den  Er- 
wartungen :  finn.  kaunis  'schön'  und  Huris  'teuer'  urgerm.  skauniz 
diuriz\  finn.  ruis  'Roggen'  urgerm.  ruyiz  (an.  r^^^r  =  angls.  r;'^^) ; 
finn.  vantus  'Handschuh'  urgerm.  wantuz  (an.  vgttr). 

Die  femininen  ö-Stämme  des  Germanischen  enden  in  den  finn. 
Lehnentsprechungen  teils  auf  0,  teils  auf  a,  teils  auf  w.  runo 
'Gedicht',  tanko  'Stange',  tauko  'Tau'  —  multa  'Staub',  paita 
'Hemd',  panka  'Spange'  —  arkktt  'Kasten'. 

Besondere  Erwähnung  beansprucht  das  Fortleben  von  neu- 
tralen OS-  ^^-Stämmen  in  den  finn.  Entlehnungen.  Dieselben 
enden  auf  as^  das  somit  dem  gr.  0^  von  ^kNOZ,  und  dem  lat.  us 
von  genus  entspricht:  lammas  'Lamm'  (vgl.  den  Plur.  ahd.  lembir 
=  angls.  lombru) ;  für  ahd.  malz  laut  bort  machen  finn.  mallas 
lannas  porras  alte  neutrale  öi-- Stämme  wahrscheinlich,  obwohl 
das  Germanische  solche  hier  nicht  bestätigt  (doch  vgl.  ahd.  bret 
Plur.  britir  und  dazu  die  Ableitung  ahd.  briiisa  'Pritsche').  Viel- 
leicht deckt  sich  kinnas  'Handschuh'  als  ursprünglicher  <?.y-Stamm 
mit  an.  skinn  'Leder'. 

Auch  in  bezug  auf  die  Mittelvokale  zeigen  die  germ.  Lehn- 
worte im  Finnischen  eine  bedeutungsvolle  Altertümlichkeit :  akana 
'Spreu'  (ahd.  agana^^  arina  'Herd'  (ahd.  erin)^  satula  'Sattel'  (ahd. 
satut)^  antura  'Schlittenbaum'  (an.  gndurr\  havukka  'Habicht'  (ahd. 
habuh)^  autuas  'beatus'  für  *audugaz  (an.  audugr),  kakkula  'Zug- 
strang' (an.  skgkull) ;  aber  tursas  'Meerungeheuer'  gegen  ahd.  duris. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  45 

So  ergeben  sich  auch  gelegentlich  aus  jenen  Entlehnungen 
wertvolle  Kriterien  zur  Bestimmung  der  urgerm.  Formen.  Die 
finn.  Form  saipio  'Seife'  dürfte  mit  oberdeutsch  seipfe  aus  urgerm. 
saipjön  erklärt  werden;  finn.  ahjo  'Esse'  repräsentiert  ein  germ. 
asjö  =  2\i^.  essa\  für  finn.  kulju  'Pfütze'  bezeugt  alemann.  ^^7/^ 
'Pfütze'  eine  westgerm.  Grdf.  gullju  =  urgerm.  guljo;  den  got. 
Ä-Stamm  hma  'Lösegeld'  setzen  unsere  Hülfsmittel  als  Neutrum 
an,  aber  das  entlehnte  finn.  lunnas  'Lösegeld'  macht  ein  Mask. 
wahrscheinlicher;  für  finn. z'/V/^/^ö 'Woche'  weist  Möller  KZs.  24,  500 
auf  angls.  wice. 

Kap.  9.    Dunkle  Lehnbeziehungen. 

§  30a.  Lehnworte.  Die  lat.  und  kelt.  Lehnworte  der  gemein- 
germ.  Vorzeit  haben  noch  andere  altgerm.  Lehnworte  unbestimm- 
barer Herkunft  neben  sich. 

Eine  kleine  Anzahl  urgerm.  Worte  deckt  sich  lautkorrekt  mit 
Entsprechungen  anderer  idg.  Sprachen,  wenn  z.  B.  got.  alew  'Öl' 
mit  lat.  oliva  und  got.  silubr  'Silber'  mit  aslav.  sirebro  überein- 
stimmt. Derartige  Wortgleichungen  beweisen  nur  ein  hohes  Alter, 
aber  nicht  einen  gemeinsamen  idg.  Ursprung  aus  gemeinsamem 
Erbe.  Der  kulturelle  Inhalt  spricht  für  Wanderung  und  Ent- 
lehnung. Bei  got.  silubr  spricht  die  Abweichung  vom  idg.  Wort- 
typus für  eine  nicht-idg.  Sprache.  Gleiches  gilt  von  der  Über- 
einstimmung angls.  hcEuep  aus  "^hanapiz  =  gr.  Kdvvaßi<s  'Hanf 
trotz  der  Differenz  n:nn.  Das  griech.Wort  gilt  als  Lehnwort,  das 
germ.  Wort  ist  vor  der  i.  Lautverschiebung  entlehnt.  Die  Heimat 
sucht  man  bei  den  Skythen;  jedenfalls  verrät  das  Wort  ein  nicht- 
indogerm.  Aussehen.  So  trägt  got.  paida  'Rock'  neben  gr.  ßaiiri 
Telzrock,  Ziegenfell'  (Thumb  ZfdW.  7,  261)  das  Kennzeichen 
der  I.  Lautverschiebung,  aber  der  Anlaut  (§  30  b)  macht  idg. 
Ursprung  zweifelhaft,  und  gr.  ßaiir)  scheint  mit  Rücksicht  auf 
Herodot  IV  64  von  den  Skythen  ausgegangen  zu  sein.  Got.  smakka 
=  aslav.  smoky  wird  nicht  als  indogerm.  gelten  dürfen,  ohne  daß 
klar  ist,  welche  Sprache  von  der  andern  entlehnt  hat. 

Zeigt  die  eben  besprochene  Wortgruppe  im  Germanischen  die 
Wirkungen  der  i.  Lautverschiebung  und  anderer  urgerm.  Laut- 
gesetze im  Vergleich  zu  verwandten  Worten  anderer  idg.  Sprachen, 
so  gibt  es  auch  eine  kleine  Wortgruppe,  die  innerhalb  des  Ger- 
manischen auf  eine  dunkle  Sprachmischung  deutet.     Wenn  got. 


46  I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen. 

kaupatjan  'ohrfeigen*  unverschobenen Konsonantismus  n^\it.nhaubip 
'Haupt'  (vgl.  lat.  caput)  und  got.  faihö  'Betrug'  verschobene  Laut- 
form neben  angls.  bepstcan  'betrügen'  zeigt,  so  tragen  die  ver- 
schobenen Wortformen  das  Aussehen  von  Erbworten.  Aber  woher 
stammen  dann  die  unverschobenen  Wortformen  ?  Solcher  Dualis- 
mus zeigt  sich  noch,  wenn  angls.  cnoll  neben  ahd.  nol  (für  hnol) 
'Spitze'  gilt.  Nicht  anders  ist  das  Verhältnis  von  angls.  pceßpan 
'treten'  und  ahd.  vadön  'gehen'. 

Zu  den  ältesten  germ.  Lehnworten  rechne  ich  auch  die  reiche 
Sippe  der  germ.  Bezeichnungen  für  'Krug',  in  der  sich  die  mannig- 
faltigsten lautlichen  Berührungen  zeigen :  im  Wortinnern  wechseln 
ö  und  u  sowie  kk  :  k  :  f  =  s  :  w  :  "^'^  vgl.  krokka  :  krukka  an. 
krukka  angls.  crocca  —  kruka  angls.  cruce  ndl.  kruik  ndd.  krüke  — 
kroga  :  kruga  mittelengl.  crös  mndl.  croes  mhd.  krüse  —  krö)(x<^  :  kruga 
angls.  crohha  crög  ahd.  chruog  chrugula.  Sichere  außergerm.  Be- 
ziehungen älterer  Verwandtschaft  fehlen  völlig. 

§  30b.  Anlauts-/.  Als  untrügliches  Kennzeichen  fremden, 
nicht  erbwörtlichen  Ursprungs  hat  sich  der  /-Anlaut  im  Germa- 
nischen bewährt,  seitdem  man  erkannt  hat,  daß  das  reine  b^  das 
einem  germ./  zugrunde  liegen  muß,  kein  idg.  Laut  war.  Zunächst 
wird  dies  bestätigt  durch  lat.  Lehnworte  wie  got.  pund^  angls. 
pipor  plante^  dann  auch  durch  griech.  Lehnworte  wie  got.  papa 
'Geistlicher',  asächs.  pinkusti  'Pfingsten'  und  bayr.  pfinztag  'Don- 
nerstag' (§  26).  Anlauts-/  zeigt  sich  dann  aber  auch  in  mehreren 
Fremdelementen  von  dunkler  Herkunft  wie  got. paida  'Rock'  (§  30a) 
und  peikabagms  'Palmbaum' ;  got.  plinsjan  'tanzen'  steht  zwar  in 
einem  Verwandtschaftsverhältnis  zu  aslav.  plesati  'tanzen',  ist  aber 
sicher  kein  germ.  Erbwort.  Vielleicht  gehört  es  in  den  fernen 
Osten,  denn  ahd.  pfad  angls.  pceß  klingen  zu  nahe  an  avest.  pap 
'Weg',  und  man  darf  daran  erinnern,  daß  slav.  süto  'hundert'  = 
finn.  sata  'hundert'  aus  dem  arischen  Asien  stammt.  Got.  puggs 
ahd.  pfung  angls.  pung  'Beutel'  ist  kein  westliches  Kulturwort, 
denn  der  Umstand,  daß  es  auch  im  Mittelgriechischen  als  TüOUTfO? 
vorkommt,  deutet  auf  den  Osten  hin.  Anderseits  gehört  ahd.  pfluog 
angls.  plög  zu  einem  rhätischen  plövum^  das  Plinius,  Naturgesch. 
18,  172  im  Zusammenhang  mit  der  Tatsache  erwähnt,  daß  zu  seiner 
Zeit  der  Räderpflug  in  Rhätien  erfunden  worden  sei;  und  das 
rhätische  plövum  scheint  zusammenzuhängen  mit  dem  aus  dem 
kelt.  Oberitalien  stammenden  plaustrum  'Wagen'  und  ploxemum 
'Wagenkasten'. 


I.  Das  Germanische  und  die  Nachbarsprachen.  47 

Bei  so  vielen  Zeugnissen  dafür,  daß  der  /-Anlaut  im  Germa- 
nischen den  Charakter  der  Entlehnung  birgt,  wird  man  wohl  auch 
Worte  wie  got.  plat  'Lappen'  und  praggan  'bedrängen'  für  un- 
germ.  halten  müssen.  Bei  ahd.  pfarra  'Pfarre'  macht  der  christ- 
liche Inhalt  Entlehnung  zur  Gewißheit,  wenn  auch  das  Quell- 
wort noch  nicht  gefunden  worden  ist.  Auch  für  ahd.  pferrih 
=  angls.  pearroc  'Pferch',  für  ahd.  pfoso  =  angls.  posa  'Beutel', 
für  ahd.  pfuol  =  angls.  pol  'Pfuhl'  usw.  fehlen  etymologische  An- 
knüpfungen, die  über  die  Herkunft  der  germ.  Worte  Aufschluß 
gäben.  Aber  Entlehnungen  sind  es  sicherlich,  und  wir  müssen 
für  die  gemeingerm.  Urzeit,  die  sich  über  viele  Jahrhunderte  er- 
streckt, die  Möglichkeit  verschiedener  Kultureinflüsse  offenlassen, 
auch  wenn  wir  sie  heute  noch  nicht  näher  fixieren  können. 


48  II.  Konsonantismus. 


II.  KONSONANTISMUS. 

Das  idg.  Lautsystem  umfaßte  die  Gutturale  k  und  g  als  Ver- 
schlußlaute, kh  und  gh  als  Aspiraten,  -q  als  Nasal,  und  zwar  unter- 
schied man  drei  verschiedene  Gutturalreihen;  vgl.  Brugmann  Grdr.  P 
§  59Ö — 694.  —  Dann  die  Dentale  ^  und  </als  Verschlußlaute  und 
th  und  dh  als  Aspiraten,  s  und  z  als  Spiranten  und  n  als  Nasal. 
—  Ferner  den  Labial  /  als  Verschlußlaut,  ph  und  bh  als  As- 
piraten, m  als  Nasal.  —  Schließlich  die  Liquiden  r  und  /  und 
die  Halbvokale  j  und  w. 

Das  germ.  Lautsystem  kennt  als  Gutturale  die  Tenuis  k  und 
die  Spiranten  y  und  ^,  als  Dentale  die  Verschlußlaute  t  und  d 
und  die  Spiranten  s  und  z,  d  und  /,  als  Labiale  die  Verschluß- 
laute/ und  b  und  die  Spiranten /" und  b\  dann  die  Nasale  'q  n  m^ 
die  Liquiden  r  und  /  und  die  Halbvokale  j  und  w. 

Die  genauere  Bestimmung  der  Gutturale  im  Germanischen 
gibt  §  49. 

Die  Dentale  des  Germanischen  scheinen  sämtlich  alveolar  ge- 
wesen zu  sein;  vgl.  Braune  IF  IV  342. 

Die  Labiale  (vgl.  Wilmanns  DGr.^  §  93)  waren  eigentl.  labio- 
labial,  doch  ist  f  früh  labiodental  geworden,  worauf  got.  ahd.  finf 
für  eigtl.  fimf  deutet. 

Die  Nasale  waren  im  Germanischen  dunkel  gefärbt,  wie  sich  aus 
der  Entwicklung  von  un  um  aus  dn  dm  (^  m  §  105)  ergibt  und  aus 
dem   anglofries.  Lautgesetz,    wonach    an   am   zu  dn  6m   werden. 

Auch  die  Liquiden  r  und  /  waren  dunkel;  das  folgt  aus  der 
Vertretung  von  idg.  /--^r  und  l-dl  durch  germ.  ur  ul  (§  105)  und 
in  den  westgerm.  Sprachen  hat  sich  besonders  in  Konsonanten- 
verbindungen von  r  und  /  +  Konsonant  das  dunkle  Timbre  ge- 
wahrt, das  sich  in  angls.  Brechungen  und  oberdeutschem  Umlauts- 
mangel kund  gibt. 


IL  Konsonantismus.  49 


Kap.  10.     Die  Lautverschiebung. 

§  31.  Die  indogermanischen  Aspiraten.  Es  bestanden  in 
der  idg.  Grundsprache  harte  {kh  th  pJi)  und  weiche  {gh  dh  bh)^ 
und  zwar  nahmen  die  letzteren  einen  großen  Raum  im  idg.  Laut- 
system ein,  während  die  harten  Aspiraten  relativ  selten  waren.  Diese 
Aspiraten  sind  alle  als  solche  im  Altindischen  bezeugt;  teilweise 
auch  im  Altgriechischen,  wo  x  0  cp  als  harte  Aspiraten  auch  für  die 
idg.  weichen  Aspiraten  gelten.  In  der  Mehrzahl  der  idg.  Sprachen 
werden  die  idg.  Aspiraten  entweder  durch  die  betreffenden  Spi- 
ranten oder  durch  die  betreffenden  Verschlußlaute  vertreten. 
Das  Germanische  hat  Spiranten  durchgeführt  und  zwar: 

a)  Die  idg.  Mediae  aspiratae  gh  dh  bh  sind  zu  den  Spi- 
ranten ^  d  b  geworden,  wofür  aber  nach  §  42  auch  tönende  Ver- 
schlußlaute eintreten  können;  orthographisch  werden  allerdings 
diese  Spiranten  und  Verschlußlaute  gleichmäßig  durch  g  d  b  dar- 
gestellt; doch  ergibt  sich  der  Lautunterschied  deutlich  aus  §  36: 
got.  guma  aus  idg.  ghdmon-  (lat.  homo)\  got.  ligan  aus  Wz.  legh 
(g^*  ^^X^ÖJ  S^t.  laigön  aus  der  idg.  Wz.  leigh  (gr.  Xeixw  ind.  rih)\ 
got.  gasts  aus  idg.  ghostis  (lat.  hostis)\  got.  gaits  aus  vorgerm. 
ghaid-  (lat.  haedus)\  got.  agis  aus  idg.  aghes  (gr.  d'xo«;).  —  got. 
midjis  an.  midr  aus  germ.  midja-z  =  idg.  medhyos  (ind.  mädhya- 
lat.  medius) ;  an.  mjgdr  'Met'  aus  idg.  medhu  (ind.  mddhu  gr.  |Lie0u) ; 
got.  daühtar  gr.  GuyaTrip;  got.  daur  gr.  0upa.  —  asächs.  klioban 
aus  der  idg.  Wz.  glubh  (gr.  fXuqpuu);  asächs.  nebal  ahd.  nebul  aus 
idg.  nebhdlä  (gr.  veqpeXri  lat.  nebula  ind.  ndbhas)\  got.  bairan  bäuan 
beitan  zu  den  ind.  Wz.  bhar  bhü  bhid(gr.  qpepiu  cpOu)  lat.  ferofui 

findd)\  an.  vefa  ahd.  weban  zu  der  ind.  Wz.  vabh\  angls.  beofäp 
ahd.  bibit  aus  idg.  bhibhaiti  (ind.  bibkiti)\  asächs.  Hof  angls.  ISof 
zur   ind.  Wz.  lubh, 

b)  Die  idg.  Tenues  aspiratae  werden  in  derselben  Weise 
zu  tonlosen  Spiranten  verschoben  (vgl.  KZs.  26,  88)  und  fallen 
insofern  mit  den  idg.  Tenues  zusammen,  als  diese  auch  nach  §  32a 
zu  tonlosen  Spiranten  verschoben  werden :  ahd.  feim  ind.  phina- 
'Schaum';  ahd.  rtha  ind.  r^kha-  'Reihe';  ahd.  huof  ind.  gaphä- 
'Huf;  got.  Ivapö  ind.  kvath\  got.  wipön  ind.  vyath\  got.  skapjan 
gr.  6.(5Yx\^x\c^\  nhd.  liederlich  gr.  dXeuöepo«;;  nhd.  hinken  ind.  khang\ 
got.  höha  'Pflug'  ind.  gdkha-  'Zweig' ;  angls.  fipa  'Fußheer'  zu  ind. 
panth-  'Weg';  an.  meipr  'Stange'  ind.  mithi-\  ahd.  rad  aus  germ. 
rapa-  =  ind.  rdtha-\  ahd.  flado  aus  germ.  flapan-  zu  gr.  TrXdGavov; 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  4 


50  II.  Konsonantismus. 


g^rm.  felßu  'Feld'  zu  md.  pj'thü-  'breit';  über  ge.tm.  fallan  =  \dX. 
/allere  vgl.  Et.  Wb.  unter  fallen;  ahd.  hadara  'Lumpen'  zu  ind. 
fithird'  'locker';  got.  frapjan  gr.  cppdZ^iu  aus  Wz.  phrat  phrad\ 
ahd.  glnääa  zu  ind.  näthd-  'Hülfe';  an.  m/ ''Dach'  gr.  ^peqpo^  idg. 
rSph,  —  Diese  Regel  von  der  Verschiebung  der  Tenues  aspiratae  zu 
tonlosen  Spiranten  erleidet  Einschränkung  a)  durch  das  Vernersche 
Gesetz,  wonach  nach  §  36  tonlose  Spiranten  tönend  werden 
müssen  und  ß)  nach  §  35b  in  der  idg.  Verbindung  skh  sph  stk^ 
die  im  Germanischen  als  sk  sp  st  erscheinen. 

Anmerkung.  Der  Anlaut  von  got.  haban^  den  ich  mit  Rücksicht  auf  lat.  habere 
Y^jL,  26,  88  auf  Tenuis  aspirata  (Wz.  khabh)  zurückgeführt  habe,  fällt  sicher  nicht 
unter  die  Regel  der  Tenues  aspiratae,  da  got.  haban  als  Durativum  zu  got.  hafja 
(unten  §  194)  =  lat.  capio  gehört  und  lat.  habeo  besser  mit  got.  gabei  'Reichtum' 
zu  einer  idg.  Wz.  ghabh  zu  ziehen  ist. 

§  32.  Die  indogermanischen  Verschlußlaute,  a)  Die  ton- 
losen k  tp  des  Indogermanischen  werden  zu  tonlosen  Spiranten  x  /  / 
(die  literarische  Vertretung  von  x  ist  Ji).  Beispiele  für  den  An- 
laut; got.  kaum  lat.  cornu\  ahd.  hlinen  gr.  KXivr|;  got.  hilan  lat. 
ciläre\  got.  hairtö  lat.  cord-\  hd.  halm  gr.  KÖcXaiuo^  lat.  culmus^, 
hd.  hals  lat.  Collum  (Grdf.  kolso-m)\  a.ng\s. peccan  lat.  legere;  angls. 
pynne  lat.  tenuis;  angls.  ßunorian  lat.  tonäre;  got.  preis  lat.  tres 
gr.  Tpei<;;  got.  fötus  lat.  pes  gr.  tto\J(;  (ind.  päd);  ahd.  fruo  gr. 
TTpuji;  got.  fill  lat.  pellis;  got.  ßsks  lat.  piscis.  —  Beispiele  für 
den  Inlaut:  got.  bropar  ind.  bkrätf-;  got.  teiha  lat.  dico;  ahd.  loh 
lat.  lücus  aus  idg.  loukos;  got.  tiuha  lat.  düco;  got.faihu  ind. pdf u; 
got.  iaihun  gr.  öexa;  ahd.  nevo  ind.  ndpät;  ahd.  swehur  lat.  socer; 
ahd.  zahar  gr.  6dKpu;  got.  aha  lat.  aqua. 

b)  Die  idg.  tönenden  Verschlußlaute  g  d  b  werden  zn  k  t  p 
verschoben:  angls. peccan  lat.  legere;  got.  qino  gr.  Y^vri  (ind.  gnä); 
got.  akrs  gr.  (XYpo^  ind.  djra-;  asächs.  ahd.  werk  gr.  ^pyov;  got. 
^;22?^  gr.  Yovu;  got.  qiman  ind.  ^ä;;^;  ahd.  thunkön  lat.  iingere.  — 
got.  hairtö  lat.  ^ör^-  gr.  Kapöia;  got.  sitan  lat.  sedere  ind.  j«^; 
angls.  jze;*?/^  'süß'  gr.  fjöug  ind.  svädü-;  got.  /z£;<35  lat.  ^^^ö  gr.  öuo 
ind.  dvä;  got.  0;/  lat.  ad;  got.  tamjan  gr.  öttjuauj;  got.  2/^;/  gr. 
IÖO|Liai  ind.  ad. 

c)  Bezüglich  des  vorgerm.  b  (Beitr.  20,  325)  ist  hervorzuheben, 
daß  es  nur  sehr  wenige  verbreitete  Worte  mit  idg.  b  im  Anlaut 
gibt;  etwas  öfter  ist  urgerm./  =  vorgerm.  b  im  Inlaut:  ndd.  slap 
(got.  sUpan  'schlafen')  zu  aslav.  slabü  'schlaff'  (lat.  labi  'gleiten'); 
got.  ßaürp  lat.  tribus  kelt.  treb-  in  Atrebates;  mndd.  lippe  andl. 
lepor  lat.  labium;  angls.  slipor  lat.  lübricus.  Über/  für  q  aus  idg.^ze» 


IL  Konsonantismus.  51 


s.  §  46.  In  einigen  der  Provenienz  nach  unsichern  vorhistorischen 
Lehnworten  (§  30)  begegnet  die  vorgerm.  <^-Stufe  zugleich  mit  germ./ : 
got.  paida  (gr.  ßaiTr|),  angls.  hcenep  (gr.  KCtvvaßK^).  Sonst  findet  sich 
gemeingerm.  p  noch  in  einigen  jüngeren,  meist  lat.  Lehnworten 
wie  got.  pund  (lat.  pondd)^  angls.  pipor  (lat.  piper).  Griech.  Ur- 
sprungs sind  got.  papa  'Geistlicher'  sowie  hd.  Pfingsten  und 
Pfinztag  oben  §  26.  —  Über  germ.  st  und  sk  aus  vorgerm.  zd 
und  zg  vgl.  §  40  und  §  70. 

§  33.  Chronologisches.  Der  Verlauf  unserer  bisherigen 
Darstellung  entspricht  der  mutmaßlichen  Chronologie  der  ge- 
meingerm. Lautverschiebung.  Bei  der  weitverbreiteten  Um- 
wandlung der  Mediae  aspiratae  in  tönende  Reibelaute  dürfen 
wir  vielleicht  sogar  die  Vermutung  aufstellen,  daß  dieser  erste 
Verschiebungsprozeß  (Paul  Beitr.  I  199)  bereits  vorgermanisch, 
d.  h.  während  des  Zusammenhanges  mit  andern  idg.  Sprachen 
stattgefunden  hat.  Doch  ist  diese  Annahme  nicht  zwingend,  und 
man  kann  anderseits  für  interngerm.  Verschiebung  eine  Chrono- 
logie aufstellen,  wonach  der  erste  Verschiebungsakt  in  der  Aspi- 
rierung der  Tenues  (idg.  k  t  p  zw.  urgerm.  kh  tk  ph)  zu  suchen 
wäre;  es  könnten  dann  die  neuen  tonlosen  Aspiraten  mit  den 
altererbten  zusammengefallen  und  weiterhin  gemeinschaftlich  dem 
Übergang  in  tonlose  Spiranten  erlegen  sein,  wie  etwa  gleich- 
zeitig die  tönenden  Aspiraten  zu  tönenden  Spiranten  geworden 
wären. 

Unsere  Behandlung  der  lat.-röm.  Beziehungen  (Kap.  5)  hat  in 
gleicher  Weise  wie  die  Lautgebung  der  germ.  Lehnworte  im  Finni- 
schen (§  29  und  §  48  Anm.  i)  und  im  Slavobaltischen  (Kap.  7)  ergeben, 
daß  im  Beginn  unserer  Zeitrechnung  die  Lautverschiebung  mitsamt 
dem  Kap.  12  zu  behandelnden  Vernerschen  Gesetz  völlig  durch- 
geführt war.  Das  einzige  got.  Krikös  ahd.  Kriahha  =  lat.  Graecos, 
das  bei  der  von  Paul  dafür  in  Betracht  gezogenen  Möglichkeit 
(Beitr.  I  197)  für  sehr  junge  Verschiebung  der  idg.  Medien  sprechen 
könnte,  ist  nicht  beweiskräftig,  da  das  anlautende  germ.  k  eben- 
sogut Substitut  für  den  lat.  Verschlußlaut  g  sein  kann  (das  Alt- 
germanische hatte  im  Anlaut  nur  y).  Die  nachbarlichen  Beziehungen 
zwischen  Kelten  und  Germanen  fallen  schon  vor  die  Zeit  der 
Lautverschiebung  {Volcae  =  germ.  Walhöz  §  4);  darum  hat  die 
Lautverschiebung  erst  in  der  germ.  Urheimat  gewirkt;  die  Iden- 
tität von  angls.  hcenep  =  skyth.  Kdvvaßiq  und  got.  paida  =  skyth. 
ßaiTr)  weist  vielleicht  auch   auf  solche   Chronologie  hin.    Neuer- 

4* 


52  II.  Konsonantismus. 


dings  vermutet  Much  Beitr.  XVII  63  das  3.  vorchristliche  Jahrh. 
als  den  Zeitraum,  in  dem  die  i.  Lautverschiebung  durchgeführt 
wurde,  Kossinna  Beitr.  XX  297  vielmehr  das  4.  Jahrhundert:  beide 
Annahmen  datieren  die  Lautverschiebung  wohl  zu  spät. 

Anmerkung  i.  Ältere  und  neuere  Theorien  über  die  Ursachen  der  germ, 
Lautverschiebung  erörtert  und  vermehrt  Feist  Beitr.  36,  307  ff.  Für  das  Alter 
der  Lautverschiebung  ist  noch  hervorzuheben,  daß  sie  als  Hauptcharakteristikum 
des  Germanentums  doch  wohl  schon  in  das  2.  vorchristliche  Jahrtausend  zu 
verlegen  ist;  denn  auch  die  charakteristische  Ausbildung  des  Urgriechischen  und 
des  Urindischen  war  sicher  schon  im  2.  Jahrtausend  v.  Chr.  abgeschlossen, 
und  Gleiches  wird  wohl  auch  für  das  Uritalische  und  das  Urkeltische  zu  gelten 
haben. 

Anmerkung  2.  Das  germ.  Sprachmaterial  der  antiken  Überlieferung  setzt  der 
Datierung  der  Lautverschiebung  scheinbare  Schwierigkeiten  entgegen,  die  zum 
Teil  durch  unvollkommene  Wiedergabe  von  germ.  Lauten  zu  erklären  sind, 
wenn  z.  B.  Catumerus  Catuvolcus  Catuvalda  für  zu  erwartendes  Chathumerus 
usw.  erscheinen.  Freilich  kann  der  Römer  in  solchen  Fällen  durch  Einmischung 
von  kelt.  Elementen  (vgl.  den  Völkernamen  Catu-rtges)  zu  seiner  Schreibung 
geführt  worden  sein.  Anderseits  zeigt  die  röm.  Überlieferung  vereinzelt  wirklich 
unverschobene  Lautform,  wenn  z,  B.  der  Völkername  Teutoni  dem  got.  piudanos 
'Könige'  entspricht:  der  germ.  Völkername  muß  schon  im  2.  vorchristlichen 
Jahrtausend  zu  benachbarten  Kelten  gedrungen  sein  und  dort  seine  ältere  un- 
verschobene Lautform  festgehalten  haben.  In  andern  Fällen  wird  schwer  zu 
entscheiden  sein,  ob  ältere  kelt.  Lautform  oder  unvollkommene  Lautschrift  an 
scheinbaren  Schwierigkeiten  Schuld  ist :  der  germ.  Völkername  Nemetes  (eigtl. 
'Hainbewohner'  zu  asächs.  nimid=  gall.  nemeton  'Hain')  hat  wohl  eher  kelt. 
Lautgestalt,  als  daß  an  /  für  th  zu  denken  wäre.  Aber  die  Bezeichnung  der 
Slaven  als  Veneti  substituiert  wohl  t  für  germ.  th  (vgl.  ahd.  Winida  mit/  gegen- 
über angls.  JVinedas,  das  zu  der  bei  Plinius  bezeugten  Schreibung  Venedi  stimmt); 
doch  kann  auch  der  weitverbreitete  kelt.  Völkername  Veneti  die  Schreibung 
Veneti  bei  Tacitus  veranlaßt  haben.  Übrigens  erscheint  auch  der  alte  Völker- 
name der  Charuden  mit  grammatischem  Wechsel  als  Charudes  und  in  Überein- 
stimmung mit  angls.  Hcerede  auch  als  Charuthes  (Much  Beitr.  17,  204;  Bugge, 
Runenstein  v.  Rök  S.  80). 

Anmerkung  3.  Daß  die  kelt.  Lehnworte,  die  ins  Germanische  gedrungen 
sind  (oben  §  4  ff.),  teilweise  die  germ.  Lautverschiebung  mitgemacht  haben,  hat 
als  Beweis  dafür  zu  gelten,  daß  die  Germanen  die  Ausbildung  ihrer  sprachlichen 
Eigenart  als  geographische  Nachbarn  der  Kelten  erlangten.  Zu  dem  Völkernamen 
Volcae  =  germ.  Walhoz  gesellt  sich  noch  ein  in  der  Glosse  Chorthonicum 
Walholant  (Ahd.  Gl.  III  610,  4)  steckende  germ.  Namensform  Chorthoni,  die 
nach  Stokes,  Sprachschatz  S.  63  mit  der  alten  Bezeichnung  der  Brittanier  als 
TTp€TTavoi  (für  urkelt.  Qftanös)  zusammenhängt. 

Anmerkung  4.  Ein  germ.  Lehnwort  im  Keltischen  beweist  Lautverschiebung 
schon  für  das  2.  vorchristliche  Jahrhundert,  wenn  das  zuerst  bei  Lucilius  be- 
zeugte bräces  bräcae  'Hose'  mit  Schrader  ZfdW.  i,  239  als  echt  germanisch  an- 
zusehen ist :  das  germ.  Wort  war  in  den  letzten  vorchristlichen  Jahrhunderten 
den  Kelten  schon  geläufig. 


II.  Konsonantismus.  53 


Kap.  II.     Ausnahmen  der  Lautverschiebung. 

§  34.  Vorgerm.  Störungen.  Wo  die  im  Kap.  10  vorgeführten 
Regeln  durchbrochen  werden,  liegen  entweder  kleinere  Sonder- 
regeln vor  oder  es  sind  die  scheinbaren  Anomalien  aus  Differenzen 
zu  erklären,  welche  aus  der  Zeit  vor  der  Lautverschiebung 
datieren. 

a)  Vorgermanische  Störungen:  vielfach  läßt  sich  Wechsel  der 
idg.  Verschlußlaute  beobachten,  derart  daß  in  der  Ursprache 
Mediae  und  Tenues  nebeneinander  bestanden  haben  müssen.  Seit 
Zimmer  QF  13,  287  nimmt  man  vielfach  sekundäre  Entstehung 
von  idg.  Medien  aus  idg.  Tenues  in  nasaler  Umgebung  an.  Feste 
Regeln  über  diesen  Wechsel  lassen  sich  nicht  gewinnen ;  für  das 
Germanische  werden  Differenzen  der  Dialekte  untereinander  und 
nach  außen  hin  auf  diese  Weise  verständlich :  got.  taikns  zu  teihan 
(die  idg.  Wz.  d%k  mit  der  Nebenform  d^g  vgl.  lat.  dignus)\  angls. 
fdcen  'Betrug'  neben  got.  faihö  (idg.  pik  mit  der  Nebenform  /%•); 
asächs.  drukno  'trocken'  neben  angls.  dryge  (idg.  Wz.  dhrük  neben 
dhrüg)\  germ.  manßjan  (ahd.  mendan)  aus  einer  idg.  Wz.  mant 
(aber  mit  Erweichung  ind.  mand)  'sich  freuen';  angls.  huntian 
'jagen*  zu  got.  hinpan  'fangen';  mhd.  stumpf  Mnd.  stumbel.  Es  sind 
somit  eine  Reihe  sicherer  Fälle  vorhanden,  bei  denen  Nasalierung 
mitspielt.  Doch  gibt  es  auch  gleichartige  Fälle  ohne  Nasalierung, 
wofern  got.  hatis  'Haß'  zu  gr.  köto^  und  mhd.  hader  gehört  (idg. 
Wz.  kot  kod)\  vgl.  ahd.  nas  aus  germ.  nata-  mit  gr.  V0Tep6(;  'naß' 
(idg.  Wz.  not  nod) ;  angls.  düfan  'tauchen'  und  deop  'tief ;  an.  kroke 
und  hrtiga  'Haufen'.    Vgl.  Brugmann  Grdr.  P  %70i. 

b)  Zu  den  vorgerm.  Störungen  zählen  wir  diejenigen  schein- 
baren Abweichungen  der  normalen  Konsonantenentsprechung,  die 
in  der  Sonderentwicklung  der  verwandten  Sprachen  bedingt  sind; 
vor  allem  kommt  hier  das  im  Griechischen  und  im  Indischen 
beobachtete  Hauchdissimilierungsgesetz  in  Betracht,  wonach  eine 
Wurzel  nicht  mit  Aspirata  an-  und  auslauten  kann:  got.  biudan 
entspricht  dem  ind.  budh  gr.  ttuO,  insofern  alle  drei  regelmäßig 
aus  idg.  Wz.  bhudh  entwickelt  sind ;  ebenso  beruhen  got.  bindan 
ind.  bandh  gr.  TrevGepo^  auf  der  idg.  Wz.  bhendh ;  got.  deigan  ind. 
dih  gr.  TeTxoq  lat.  figulus  auf  der  idg.  Wz.  dhtgh\  ahd.  driogan 
ind.  druh  auf  idg.  dhrügk\  ahd.  buog  ind.  bähü-  gr.  TTfJxu?  auf  idg. 
bhäghü-\  ahd. gebal  aui GrdL ghebhald  gr.  K€9a\r|  Fick  BBeitr.  II  265. 
Außer  diesen  und  ähnlichen  von  Grassmann  KZs.  12,  81  erkannten 


54  n.  Konsonantismus. 


scheinbaren  Ausnahmen  der  Lautverschiebung  bei  doppelter  Aspi- 
rata in  der  Wurzel  wären  noch  mehrfache  Einzelgesetze  der 
übrigen  idg.  Sprachen  zu  erwähnen,  durch  welche  das  Lautver- 
schiebungsgesetz scheinbar  gestört  wird;  so  ist  z.B.  im  Indischen 
h  für  g  in  einigen  Fällen  eingetreten :  ind.  duhitdr  aber  gr.  ©uyairip, 
ind.  mähi  {majmdn)  aber  gr.  jueY«  an.  mjgk  KZs.  ii,  177.  Über 
derartige  Einzelgesetze  der  verwandten  Sprachen  ist  auf  Brug- 
manns  Grundriß  I  zu  verweisen. 

§  35.  Germ.  Störungen,  a)  Zu  den  internen  Störungen  der 
germanischen  Lautverschiebung  gehören  die  gemeinindoger- 
manischen Konsonantenverbindungen  kt  pt  tt  und  sk  st  sp :  das 
zweite  Element  dieser  Verbindungen  bleibt  unverschoben,  in  ktpt 
tritt  Spirans  xt  fi  ein  (die  Verbindung  //  ist  besonders  zu  be- 
handeln); vgl.  got.  ahtau  gr.  öktüu;  got.  nahts  gr.  vukt-;  ahd.  sehto 
'der  Sechste'  gr.  eKT0(;;  got.  raihts  lat.  rectus\  ahd.  nift{ild) 
lat.  neptis   ind.  naptt\    got.   hliftus   gr.  KXe'rTTr|(;;    got.  fimfta   gr. 

TrejUTTTO^. 

b)  Beispiele  für  idg.  sk  st  sp  =  germ.  sk  st  sp:  lat.  västus  ahd. 
wuosti]  \dit.  piscis  got.  fisks\  \dit.  hostis  got.  gasts\  lat.  specio  ahd. 
spehdn\  lat.  sponti-  'Antrieb'  ahd.  spanan  'antreiben'. 

Für  idg.  skh  sth  sph  gilt  germ.  sk  st  sp\  ahd.  spaltan  nach  P.  v. 
Bradke  =  ind.  sphöt  sphut  'spalten';  ahd.  sptirnan  ind.  sphur\ 
angls.  spöwan  ind.  Wz.  sphä\  got.  skaidan  aus  idg.  sqhait  (gr. 
(5y^Xs)S)\  ahd.  stän  star  ind.  sthä  sthird-\  ahd.  stollo  ind.  sthünä 
'Säule' ;  ahd.  first  ind.  pj-sthd-  'Gipfel'. 

c)  Wir  schließen  hieran  die  Behandlung  von  idg.  ks  ps^  die  im 
Germanischen  als  hs  und  fs  erscheinen:  got.  taihswa  =  lat.  dexter\ 
got.  saihs  =  lat.  sex\  ahd.  wahs  idg.  woksü-  (gr.  öHu^);  ahd.  ahsa 
'Achse'  aus  idg.  aksä  (lat.  axis)\  got.  aüksa  aus  idg.  uksn-  (ind. 
uksdn')\  ahd./a/is  'Haar'  (ind.  paksd-).  Ähnlich  wird  /vor  ^  zu  ^; 
vgl.  Suffix  sni  in  got.  anabüsns  aus  vorgerm.  -bhütsnis  für  bhüdhsnis 
(zu  got.  biudan)\  got.  usbeisns  aus  "^-bhitsnis  (zu  got.  beidan)  für 
bhtdhsnis\  auch  angls.  wräsen  (ahd.  reisan)  aus  *wroitsna  (zu  angls. 
wridan) ;  ferner  ahd.  brösma  'Brocke'  aus  "^bhroutsmen-  iüvbhroudsmen- 
(angls.  breotan)\  ahd.  rosamo  aus  ^rutsmen-  für  rudhsmen-  {Wz.  idg. 
rüdk);  angls.  ondre'sn  'timor'  aus  -etsni  (eigtl. /^,  daraus  .y.y;  über 
den  Wandel  von  j.y  in  i-  §  65).  —  Germ,  fs  in  ahd.  lefs  'Lippe' 
geht  auf  vorgerm.  leps  für  eigtl.  lebs-  (vgl.  leb  in  angls.  lippa  andl. 
lepor)  zurück;  ebenso  ahd.  ahsala  neben  uohhasa  auf  idg.  aksld 
für  eigtl.  ag{e)s-.    So  beruht  das  ps  von  lit.  vapsa  'Wespe'  =  ahd. 


IL  Konsonantismus.  55 


wafsa  wohl  auf  der  idg.  Wz.  webh  'weben'.    Vgl.  gr.  dHivr|  neben 
got.  aqizi  aus  einer  idg.  Wz.  ag. 

d)  Die  idg.  Lautverbindung  //  wird  urgerm.  vor  Konsonanten 
vereinfacht  zu  p  vor  n  in  got.  sibun  =  idg.  septn-  (§  300). 

Über  die  Anlautsverbindung  idg.  //  =  vorgerm.  p  vgl.  §  69  a. 

e)  Germ,  ht  ft  beruhen  jederzeit  auf  idg.  kt pt\  in  allen  Fällen, 
wo  /  als  Suffix  an  eine  Wurzel  auf  Gutturale  und  Labiale  tritt, 
war  vorgerm.  kt  pt  gesetzlich :  got.  waiirhts  'gewirkt'  aus  idg. 
wxkto-s  Wz.  wj'g  (gr.  IpYOv) ;  got.  daühtar  aus  idg.  dhukter  (:  gr. 
GuYOiTrip).  Daher  got.  -gifts  zu  giban^  saühts  zu  siukan,  raihts 
(lat.  rectus)  zu  lat.  regere,  got.  gaskafts  zu  skapjan,  brähts  pühts 
baühts  usw.  zu  briggan  pugkjan  bugjan  usw. 

Eine  Ausnahme  bildet  got.  gahugds  sowie  die  schwachen  Praete- 
rita  asächs.  habda  sagda^  die  auf  einem  älteren  Gesetz  (idg.  gh  +  A 
bh  -\-  t  =  idg.  ghdh  bhdh)  zu  beruhen  scheinen. 

f)  Idg.  /  +  /hat  im  Germanischen  Verschiebung  zu  .y^  erfahren; 
eine  früher  angenommene  Mittelstufe  //  ist  von  Braune  IF  IV  341 
widerlegt.  Vgl.  got.  gawiss  zu  witan  (aus  wit-to-s) ;  got.  gaqiss 
zu  qipan  (Grdf.  gwetti)\  got.  Jvassaba  zu  hatjan  (idg.  Grdf.  qotto 
idg.  Wz.  qod)\  weiteres  über  ss  §  62b. 

Anmerkung,  Ein  von  Brugmann  P  §  527  aufgestelltes  Gesetz  «/  +  >^  im  Wort- 
innern  ergibt  germ.  sk-»  gründet  sich  auf  Fälle,  bei  welchen  ebensogut  das  germ. 
sk  aus  idg,  t  -V  sk  gedeutet  werden  kann :  an,  beiskr  'bitter'  kann  aus  idg.  bhoii-ko-s, 
aber  auch  aus  idg.  bhoit-sko-s,  ahd.  rase  'schnell'  entweder  aus  idg.  rot-ko-s  oder 
rot-sko-s  (altir,  rethim  'laufe')  gedeutet  werden. 

Kap.  12.  Der  grammatische  Wechsel  und  Verners  Gesetz. 

§  36.  Erweichung  der  tonlosen  Spiranten.  Während 
die  indogerm.  Grundsprache  nur  einen  tonlosen  Reibelaut  {s) 
besitzt,  weist  das  Germanische  infolge  der  Verschiebung  der 
idg.  Tenues  und  Tenues  aspiratae  {t-th  p-ph  k-kJi)  noch  die 
Reibelaute  xfß  auf;  dieselben  gelten  ursprünglich  gesetzlich 
an  allen  Stellen  des  Wortkörpers,  haben  aber  unter  dem  Ein- 
fluß der  vorgerm.  Betonung,  die  nach  §  JQ  im  Urgermanischen 
noch  herrschte,  teilweise  eine  sekundäre  Verschiebung  zu  den 
tönenden  Spiranten  {^  d  b  z)  erfahren.  «Die  nach  Vollzug  der 
germanischen  Lautverschiebung  vorhandenen  vier  harten  Reibe- 
laute h  p  f  s  sind  außer  in  den  Verbindungen  ht  hs  ft  fs  sk  st  sp 
erweicht,  wenn  der  nächst  vorhergehende  Sonant  nicht  nach  der 
idg.  Betonung  den  Hauptton  trug.»  Diese  von  Paul  Beitr.  6,  538 
aufgestellte   Formulierung   der   berühmten    Entdeckung  Verners 


56  II.  Konsonantismus. 


KZs.  23,  97  sei  zunächst  nach  der  Richtung  hin  illustriert,  daß 
wir  Beispiele  anführen,  in  denen  die  tonlosen  Spiranten  bei  vorger- 
manischer Akzentuierung  des  zunächst  vorhergehenden  Vokals 
haften  geblieben  sind :  got.  faihu  ind.  pägu ;  got.  taihun  ind.  dd(fa 
gr.  Ö^Ka;  got.  brößar  ind.  bkrät^-^  ahd.  nevo  ind.  ndpät\  got. ßmf 
ind.  pänca  gr.  irevie;  got.  wulfs  ind.  vfka-  gr.  X0kO(J.  Die  im  Indi- 
schen bewahrte  idg.  Betonung  läßt  sich  also  auch  im  Germanischen 
erkennen,  sobald  eine  Silbe  auf  einen  tonlosen  Spiranten  ausgeht: 
got.  qipu-s  aus  idg.  gwetu-s\  got.  haha-  'Hals'  aus  *kölso-  (lat. 
colluni)\  got.  neJvs  'nahe'  aus  niqo-\  ahd.  föh  löfi  =  lat.  paucus 
lücus  usw. 

Ist  die  von  einem  tonlosen  Reibelaut  geschlossene  Silbe  ohne 
Akzent  gewesen,  so  entsteht  daraus  tönender  Reibelaut,  weswegen 
idg.  pater  swekrü  kasö  zu  germ.  fader  swer^rü  hazo  führen  und 
zwar  durch  die  Mittelstufe  '^faper  "^swe^rzi  '^hasö  hindurch.  Vgl.  auch 
asächs.  edor  'Zaun'  aus  germ.  edozo-  für  eßosö-  =  ind.  atasd-  'Ge- 
büsch' (Beitr.  25,  571).  Die  so  entstandenen  tönenden  Spiranten 
können  nach  §  42  mit  Medien  g  d  b  (resp.  nach  §  148  mit  r) 
wechseln:  got.  hund  aus  hundö-  =  hunpö-  ==  gr.  eKaiöv  ind.  gatd-\ 
got.  hardus  aus  '^harpü-  =  gr.  KpaTU(^;  got.  jugga-  für  juK\d-  aus 
*juwn\6-  (ind.  yuvagd-  lat.  juvencus) ;  ahd.  swigar  ind.  gvagrü ;  an. 
j//^r 'Wölfin'  mdi.vTki-\  got.  tigus  gr.  beKciq;  got.  ßridja  ind.  txtfya-; 
%Q>t.  fidwor  ind.  catvdras\  angls.  snoru^=m^.  snmä\  angls.  hara 
'Hase'  =  ind.  gagd-.    Diese  und  andere  Belege  bei  Verner  a.  a.  O. 

Beispiele  für  die  Erweichung  von//x  "=  ^^S-  t^ P^  ^^  sind  wohl 
an.  fold  ind.  pTthivf  Beitr.  9,  193 ;  angls.  hreddan  ind.  grathdy  und 
angls.  and  'und'  ind.  atha  Beitr.  10,  443,  444;  an.  mgndull  zu  ind. 
manthd\  ahd.  nagal  ind.  nakhd\  mhd.  ^Ä^^/  avest.  y^^ö/ij;  'Berg'. 
Vgl.  KZs.  26,  88. 

Anmerkung.  Über  Sievers'  Gesetz,  wonach  hw  mit  w  wechselt,  s.  §  46  und 
über  einen  grammatischen  Wechsel  von  jj  mit  j  (an.  Frigg:  got.  frijon)  und 
«/zc  mit  ze;  vgl.  §  58. 

§  37.  Wechsel  von  tonlosen  und  tönenden  Reibe- 
lauten. Da  nach  §  75  der  vorgerm.  Akzent  variabel  war,  d.  h. 
innerhalb  gewisser  Formensysteme  nach  festen  Normen  wechselte, 
so  können  Wortstämme  resp.  Verbalwurzeln  im  Auslaut  bald  ton- 
lose, bald  tönende  Spiranten  aufweisen,  a)  Diesen  Wechsel  nennt 
man  seit  Holtzmanns  Ad.  Gr.  1878  grammatischen  Wechsel,  insofern 
er  innerhalb  der  verbalen  Stammbildung  auftritt :  ahd.  ziohan  zöh 
zugumes  gizogan^  zzhan  zeh  zigumes  gizigan,  dthan  gidigan^  angls. 
seopan   seap   sudon  gesoden,  forleosan  forleas  forluron  forloren^ 


IL  Konsonantismus.  57 


dreosan  gedroren.  Der  hier  zutage  tretende  Wechsel  im  Wurzel- 
auslaut ist  durch  das  Vernersche  Gesetz  erklärt;  den  darnach 
vorauszusetzenden  idg.  Akzentwechsel  zeigt  das  Indische,  darüber 
s.  unten  §  yj.  Daß  auch  die  Faktitiva  im  Verhältnis  zu  den  pri- 
mären Verben  grammatischen  Wechsel  zeigen  (angls.  Icedan  zu 
Izßan^  got.  frawardjan  zu  wairpan  usw.),  ist  auch  durch  die  ind. 
Akzentuation  gerechtfertigt  Verner  KZs.  23,  120.  Auch  Doppel- 
formen wie  got.  pahan :  ahd.  dagen  und  ahd.  frähen :  fragen  er- 
klären sich  durch  alten  Akzentwechsel. 

b)  Derselbe  Wechsel  von  tonlosen  und  tönenden  Spiranten  ist 
auch  für  die  nominale  Stammbildung  bedeutsam;  vgl.  an.  ylgr 
(ind.  vfki-^  mit  got.  wulfs  (ind.  vfka-) ;  ahd.  swigar  (ind.  fvagrü-) 
mit  ahd.  swehur\  an.  haugr  'Hügel'  mit  got.  hauhs  'hoch';  Mate- 
rialien s.  Stammbildungslehre  passim.  Da  auch  innerhalb  der  Dekli- 
nation Akzentwechsel  die  einzelnen  idg.  Formen  trennte  (gr.  irööa  : 
TTOÖoq,  ind.  mdnus  Lokativ  manäu^  sdna-  Ablativ  sanät  u.  a.),  so 
kann  ein  und  dasselbe  Nomen  innerhalb  des  Germanischen  gram- 
matischen Wechsel  aufweisen  §  218. 

c)  Unsere  bisherigen  Belege  sind  alle  dem  Wurzelauslaut  ent- 
nommen ;  dasselbe  Gesetz  gilt  aber  auch  von  allen  tonlosen  Spi- 
ranten in  Suffixen;  nur  läßt  sich  die  strenge  Regel  hier  nicht 
erkennen,  weil  hier  zahlreiche  Analogiewirkungen  eingetreten 
sind;  zugunsten  einer  Uniformierung  sind  nach  dem  Eintritt  der 
germ.  Akzentgesetze  entweder  Formen  eliminiert  oder  ursprünglich 
geregelte  Doppelformen  unverständlich  geworden;  z.  B.  sollten 
ursprünglich  oxytonierte  Maskulinstämme  wie  gr.  Kpaxuq  ind.  sünu- 
im  Germanischen  tonloses  ^  als  Nominativcharakter  haben;  aber 
alle  Nominative  des  Singulars  haben  im  Germanischen  z  gehabt 
nach  dem  Muster  der  paroxytonierten  wie  *wulfaz  (=  ind.  vfkas). 
Diese  Erscheinungen  gehören  in  die  Formenlehre  (Kap.  43.  46). 

d)  Außer  dem  Wortin-  und  -auslaut  scheint  gelegentlich  auch  der 
Wortanlaut  von  dem  Vernerschen  Gesetz  betroffen  zu  werden, 
wie  Bugge  Sv.  Landsm.  IV  2,  48  und  Beitr.  12,  399  erkannt  hat. 
Zahlreich  sind  anlautende  bl  statt  und  neben  ^:  \\d.  ßecken  ndd. 
blecken'^  oberd.  ßach  md.  blach  (hess.  blacke  'flache  Hand',  Schweiz. 
^/«^^^ 'großes  Brett') ;  hd.fladen  Schweiz,  ^/«^^^r 'Kuhfladen' ;  ahd. 
blos  'superbus'  =  ßösltkho  (got.  flauts)\  angls.  dyhtig  neben  f>yhtig\ 
angls.  dim  neben  asächs.  thim  'finster* ;  angls.  deorc  neben  deorc 
mittelengl.  therke  'finster'.  Hierher  wohl  auch  got.  ga-  als  Präfix 
=  lat.  CO-  (neben  com-)  unten  §  283.     Wahrscheinlich  rührt  der 


58  II.  Konsonantismus. 


grammatische  Wechsel  im  Wortanlaut  zum  Teil  aus  dem  Gebrauch 
von  Worten  als  zweiten  Kompositionsgliedern  her. 

§  38.  Störungen.  Es  erübrigt  noch,  zu  konstatieren,  daß 
germ.  ht  ft  hs  fs  ss  sk  sp  st  durch  das  Vernersche  Gesetz  nicht 
betroffen  werden;  mit  ind.  uksdn-  vgl.  ahd.  okso\  mit  ind.  astdu 
gr.  ÖKTUJ  vgl.  got.  ahtau  ahd.  ahto\  ahd.  nift  ind.  naptl-\  wichtig 
sind  germ.  dohtr-  ind.  duhUf  und  got.  liuhaß  :  liuhtjan  idg.  Uukot-  : 


Bechtels  Annahme,  wonach  idg.  st  im  Germanischen  zu  zd  durch 
das  Vernersche  Gesetz  geworden  sein  soll  (ZfdA.  21,  214),  ist  durch 
Kögel  Beitr.  7,  192  widerlegt.  Kögels  Vermutung,  wonach  idg.  //  im 
Germ,  st  und  mit  grammatischem  Wechsel  ss  werden  soll  (Beitr.  7, 
171),  ist  nach  Beitr.  9,  150  nicht  stichhaltig. 

Anmerkung.  Nachdem  Rud.  v.  Raumer  (Gesamm.  sprachwissenschaftliche 
Schriften)  S.  i  fF.  der  Phonetik  eine  hohe  Bedeutung  zuerkannt,  hat  man 
neuerdings,  zumal  seit  Scherers  Behandlung  der  Lautverschiebung  zGDS  ^  32, 
durch  lautgeschichtliche  Parallelen  wie  durch  theoretische  Erwägungen  die  Pro- 
bleme aufgeklärt.  Während  die  phonetische  Behandlung  der  idg.  Verschlußlaute 
einfach  und  ohne  besondere  Schwierigkeit  war,  schwankte  die  Auffassung  von 
i<^g«  S"^  =  germ.  g,  idg.  dA  =  germ.  d,  idg.  dA  =  germ.  d.  Scherer  setzte  tönende 
Reibelaute  als  Übergangsstufe.  Paul  hat  das  Verdienst  (Beitr.  I  145)  die  sprach- 
lichen Beweise  für  diese  Auffassung  ausführlich  vorgeführt  und  die  Existenz  der 
tönenden  Reibelaute  in  großem  Umfang  für  das  Altgermanische  erwiesen  zu 
haben.  Braune  lieferte  Beitr.  I  513  eine  weitere  Stütze  für  die  Theorie  der 
tönenden  Reibelaute  aus  dem  "Wechsel  j  :  z  und  einer  genauen  Betrachtung  des 
grammatischen  Wechsels,  der  zuerst  von  Holtzmann  Ad.  Gr.  I  346  erkannt  zu  sein 
scheint.  Verner  fand  KZs.  23,  97  die  Lösung  des  Problems  des  grammatischen 
Wechsels,  beseitigte  damit  die  hauptsächlichste  Ausnahme  der  Lautverschiebung 
und  lieferte  zugleich  ein  weiteres  Beweismoment  für  die  Theorie  der  tönenden 
Reibelaute,  die  ten  Brink  Angl.  I  515  aus  der  angls.  Lautgeschichte  stützte. 

Kap.   13.    Die  urgermanischen  Spiranten. 

§  39.  Idg.  s.  Aus  dem  Indogerm.  hat  das  Germanische  nur 
einen  tonlosen  Reibelaut  ererbt,  das  s.  Innerhalb  des  Germa- 
nischen erfährt  das  idg.  s  eine  Einbuße  durch  den  grammatischen 
Wechsel  i^hazo  angls.  hara  neben  ahd.  haso^  *auzö  ahd.  öra  neben 
got.  ausö^  ahd.  snura  =  ind.  snusa). 

a)  Beachtenswert  ist,  daß  die  indogerm.  und  auch  die  jüngere 
germ.  Verbindung  sr  im  Germanischen  zu  str  wird:  ahd.  ström 
altir.  sruaim  zur  idg.  Wz.  sru  (ind.  sru  gr.  pu)  'fließen';  angls. 
streawberie  lat.  frägum  aus  idg.  sräghw  IF  IV  309;  angls.  Eostre 
(germ.  Austrd)  Trühlingsgöttin'  zu  lit.  auszra  =  ind.  usrä  'Morgen- 
röte' ;  mndl.  deemster  'finster'  aus  germ.  pimistra-  für  idg.  iemesro- 


II.  Konsonantismus.  59 


zu  lat.  tenebrae  =  ind.  tamisrä\  got.  swistr  Dat.  Sg.  =  ind.  svasri 
'der  Schwester'  zum  Stamme  svasar-,  der  deshalb  im  Germanischen 
als  swestr-  (ahd.  swester)  erscheint  (vgl.  andd.  swiri  'Schwester- 
sohn' aus  swesio-?)\  ahd.  stredan  lat.  fretum  aus  einer  idg.  Wz. 
sret  Fick  GGA  1894,  245.  Auffällig  an.  strodenn  Partiz.  zu  serda. 
Hierher  got.  gilstr  'Steuer'  (^u  gildan)  aus  ^gelsr  für  "^gelssro- 
*ghelttro- ;  ebenso  angls.  föstor  (Grdf.  fostra-)  zu  fedan  Beitr.  9, 1 50. 

b)  Über  die  idg.  Sprachen  verbreitet  ist  die  Erscheinung,  daß 
verschiedene  Worte  bald  mit,  bald  ohne  s  im  Anlaut  auftreten : 
ahd.  spehön  lat.  specio  aber  ind.  Wz.  pag  'sehen' ;  got.  ^ßakjan 
lat.  Wz.  teg  'decken'  gr.  (TieY^iv  lit.  stögas  ind.  sthag\  lat.  tundo 
ind.  tud  got.  stautan ;  ahd.  hinchan  gr.  cTKdZiuj ;  ahd.  sleo  aslav.  Uvü 
'link';  an.  prgstr  'Drossel'  lit.  siräzdas\  ahd.  stehhan  ind.  Wz.  tig 
tij\  ahd.  sceran  gr.  Keipuj  'schere';  ndd.  schuft  'Schulterblatt'  ind. 
füpti-  BBeitr.  I  341 ;  dihd.latta  altir.  slat  'Latte';  ahd.  lam  ind.  sräma. 
Innerhalb  des  Germanischen  begegnen  mehrfach  ähnliche  Doppel- 
formen: Island,  frekla  'Sommersprossen'  nhd.  gesprenkelt',  ahd. 
stior  an.  pj6rr\  a.ng\s.  protu  ndd.  fries.  strote;  an.  nef  ahd.  snabul; 
angls.  n^ss  an.  snps;  mhd.  tznk  ndrrhein.  slink;  angls.  hrympele 
'Runzel'  an.  skrukka\  angls.  meltan  ahd.  smelzan\  an.  melr  schwed. 
smälg  'dünnes  Gras'  mhd.  smelhe  smelwe  (Grdf.  idg.  s-melqo-)\  fries. 
skokka  PI.  'Garben'  engl,  shock  =  ndd.  hocken.  Vgl.  Joh.  Schmidt, 
Vokal.  II  284;  Möller  KZs.  24  460;  EStud.  III  157;  Siebs  KZs.  37, 
277  und  Hollander,  Prefixal  s  in  Germanic  1905.  Daß  der  .r-Anlaut 
nicht  immer  das  Ursprüngliche  sein  muß,  lehrt  ind.  parnd-  =  lit. 
sparnas  'Flügel'  nach  §  69  a. 

§  40.  Tönendes  z  setzt  Osthoff  KZs.  23,  87  für  die  idg. 
Grundsprache  in  bescheidenem  Umfang  voraus,  a)  Die  idg.  Ver- 
bindung zg  zd  verschiebt  das  Germanische  der  Hauptregel  gemäß 
zu  sk  st\  vgl.  ahd.  m&sca  an.  mgskve  (gemeingerm.  mesqen-  schwN.) 
aus  idg.  mezgen  =  lit.  mazgas\  mhd.  meisch  angls.  mdsc  aus  vor- 
gQrm.maizgo-  =  disXdiW.  mizga\  ahd.  Wascun  zmX^X.  Vosegus;  ferner 
ahd.  nest  aus  mzdo-  {xnd.  ntid-  lat.  nfdus);  Bhd.  mast{boum)  zu  lat. 
malus  aus  mazdo-  KZs.  25,  313;  ahd.  geist  mast  nach  v.  Bradke 
KZs.  28,  295  =  ind.  hiias  midas  aus  idg.  ghaizdos  mazdos\  an. 
lesta  zu  lat.  laedo  fidg.  Wz.  laizd?) ;  got.  asts  gr.  ÖZ;o^(ö(TÖoq)  aus  idg. 
ozdo-\  ahd.  gersta  lat.  hordeum  {ghfzd  Beitr.  8,  523);  2in.  ßrpstr 
lat.  turdus  {trzd?)  lit.  sträzdas\  mhd.  vist  lat.  pedo  (idg.  V^z.pezd) 
Fick  BBeitr.  7,  94;  got.  aistan  ind.  ti  Bartholomae  BBeitr.  12,  91. 

b)  Erhalten  blieb  der  idg.  2-Laut  in  vorgerm.  zgh  zdh  =  germ. 


6o  II.  Konsonantismus. 


zg  zd\  Grdf.  ntazghos  N.  =  germ.  mazg{az)  vgl,  an.  mergr  ahd.  marg 
(aslav.  mozgü  avest.  mazga-)\  idg.  mizdho-  (ind.  mtihd-  gr.  )nicr06-q) 
mizdhä  (aslav.  mizdd)  got.  ntizdd\  got.  ^/^i^^j  lat.  ^^^/^  Osthoff 
KZs.  23,  87;  got.  huzd  lat.  <:«5/ö.f  (Grdf.  kuzdh).  Ähnlich  urgerm. 
zd  in  ahd.  ort  brort  an.  (?ö^ö^r  broddr  (altir.  ^r^/  'Stachel'  aus  bruzda)^ 
angls.  heord  an.  haddr^  got.  razda.  Auffällig  im  Heliand  (C)  V.  1647 
165 1   1654  3261   3284  3288  hord  horth  neben  hord  2490. 

q)  z  ist  im  wesentlichen  nur  gotisch,  die  übrigen  Dialekte  haben 
R  resp.  r  (§  148),  soweit  nicht  Ausgleichungen  oder  sonstige  Ge- 
setze gewirkt  haben.  Durch  antike  Überlieferungen  wird  an.  geir 
angls.  ^ir  2Mi gaiza-  {lat.  gaesum),  a.ng]s.  g/s^r  auf  g/eza-  (lat.  glesum) 
zurückgeführt.  Sonst  sind  Parallelformen  mit  s  und  r  Beweise  für 
urgerm.  z:  ahd.  öra  aus  *auz6n  (got.  auso);  ahd.  beri  (ndl.  bes 
got.  basi)  aus  *bazja-\  ahd.  elira  angls. ^^/t'r  gegen  ndl.  ^/f  got.-span. 
aliso\  ahd.  irri  got.  airzeis  ind.  irasydti\  ahd.  marren  got.  marzjan\ 
ahd.  barren  'starr  sein'  neben  ^ör.y/  'Borste'.  Beachte  den  be- 
weisenden i?-Umlaut  in  an.  ^/;/r  ^r  «;/r<3;  gegen  angls.  ^//ör  deor 
ahd.  nioro\  an.  e'^r angls.  ze'*^'^ 'Meer'  vgl.  Bugge  Tidskr.  f.  Filol.  7,  320. 

d)  Die  Verbindung  zn  steckt  in  got.  razn  an.  rann  angls.  cern 
(und  rcBsn) ;  an.  hrgnn  'Meer'  angls.  hcern  aus  *kraznd-.  Im  West- 
germanischen und  Nordischen  ist  dieses  zn  zu  ;2;^  angeglichen  in 
altangls.  hrcsn  'Meer'  und  rcen  'Haus'  (und  zwar  erst  nach  dem 
Eintritt  der  angls.  Tonerhöhung  von  a  zu  cb).  Für  rzn  aus  rsn 
zeugen  ahd.  hornün  aus  germ.  horzn-  und  mlat.  furslo  für  hurslo 
(oben  §  13)  ndl.  horzel  aslav.  srüsenü  'Hornisse',  ahd.  hirni  (aus 
"^hirznjo-)  ndl.  hersen  (ind.  ftrsdn-).    Vgl.  Beitr.  VIII  521. 

e)  zm  wird  urgerm.  bereits  zu  mm  assimiliert  (unten  §  60):  got. 
im  aus  *immi  "^izmi  idg.  esmi^  ferner  in  got.  imma  pamma  für 
ursprgl.  *izme  "^pazme  =  vorgerm.  i-smed  to-smed  s.  unten  §  60 
und  §  234.  Wenn  aber  dem  ind.  mämsd-  'Fleisch'  ein  got.  mimza- 
(i.  Cor.  8,  13)  entspricht,  so  deutet  wohl  auch  asächs.  thim  'dunkel' 
wegen  ind.  tamasd-  auf  ein  got.  '^pimza-  :  mz  hat  also  urgermanisch 
noch  bestanden. 

Anmerkung  i.  In  d^n  einzelnen  Dialekten  läßt  sich  Angleichung  von  z  an 
vorhergehende  r  und  /  sowie  s  und  n  öfters  beobachten :  angls.  se//a  s&lla  aus 
*sdlizo  'besser',  wyrsa  'schlechter'  für  ^wirsizo ;  Icessa  'weniger'  aus  *laisizo ; 
an.  minne  'weniger'  aus  *mlnnlze,  hreinne  'reiner'  aus  *hrainize\  vgl.  noch 
angls.  pisse  neben  pisre.  In  diesen  Fällen  ist  die  Angleichung  erst  nach  der 
Synkope  vollzogen. 

Anmerkung  2.  Das  Gotische  bewahrt  urgerm.  rz  in  airzeis  und  marzjan^ 
wo  die  übrigen  Dialekte  gesetzlich  rr  haben.  —  In  jüngeren  Dialekten  zeigt  sich  //, 
wo  einmal  germ.  zl  gegolten  haben  muß,   ohne   daß  sich  etwa  durch  gotische 


II.  Konsonantismus.  6i 


Beispiele  oder  sonstige  Garantien   das   Alter  der   Angleichung  erweisen   ließe ; 
darüber  Beitr.  VIII  524. 

§  41.  Die  tonlosen  Spiranten  des  Germ,  gehen  durchaus 
auf  vorgerm.  Tenues  (oder  seltener  auf  Tenues  aspiratae)  zurück; 
im  Wortinnern  weisen  sie  zudem  stets  auf  die  vorgerm.  Akzen- 
tuierung des  zunächst  vorhergehenden  Vokals  hin.  Beispiele: 
got.  hafja  lat.  capio\  got.  faihu  lat  pecu;  got,  ßa/ia  lat.  faceo; 
got.  fraihnan  lat.  precor\  got.  peibö  'Donner'  aslav.  tqca\  got. 
fimf  ind.  pänca ;  got.  haihs  lat.  caecus ;  ahd.  fdh  lat.  paucus.  — 
Got.  ßragjan  an.  prall  aus  idg.  Wz.  t{h)rek{h) ;  ahd.  rävo  'Sparren' 
aus  '^rip{h)en-  (eine  idg.  Wz.  reph  in  gr.  ^pecpoq  'Dach'). 

§  42.  Die  tönenden  Spiranten  des  Urgermanischen,  welche 
entweder  durch  das  Vernersche  Gesetz  §  36  aus  tonlosen  urgerm. 
Reibelauten  oder  aus  idg.  Mediae  aspiratae  §  31a  entstanden  sind, 
sind  größtenteils  gemeingerm.  zu  Medien  geworden.  Darüber 
vgl.  Paul  Beitr.  I  147.  Anlautend  sind  h  und  d  nur  noch  als  Ver- 
schlußlaute bezeugt,  ja  für  anlautende  Spiranten  i  und  d  spricht 
überhaupt  kein  historisches  Zeugnis  außer  vielleicht  nach  Wimmer, 
Run. 2  108  der  Ursprung  der  Rune  /  aus  lat.  D\  wir  kennen  nur 
tönende  Verschlußlaute  b  und  d  im  Anlaut,  hier  sind  die  tönenden 
Spiranten  rein  hypothetisch,  aber  sichere  Postulate  der  Theorie 
der  Lautverschiebung. 

Ganz  dasselbe  gilt  von  h  und  d  nach  den  gleichartigen  Nasalen ; 
also  nur  mb^  nd  für  eigtl.  mt^  nd.  Als  germ.  Grundformen  sind 
daher  anzusetzen  bindan  aus  '^i'endan^  dumbaz  (got.  dtimbs  an. 
dumbr)  aus  "^dumba-z  usw.  Auch  inlautende  Id  und  zd  (für  eigtl. 
Id  zd)  gelten  für  das  ganze  germ.  Gebiet:  got.  kalds  an.  kaldr 
westgerm,  kald  aus  germ.  kaldaz  für  eigtl.  *kaldaz  und  got.  huzd 
diVi.hoddrdLMSgGrm.  huzdaivx  eigtl.  '^huzda\  r^ bewahrt  das  Nordische 
{gard  bord)  gegen  got.-westgerm.  rd  (got.  baürd  gards)\  post- 
vokalisch  bewahren  das  Gotische  und  das  Nordische  die  Spiranten 
t  d\  im  Altnordischen  zeigt  sich  in  Übereinstimmung  mit  dem 
Angelsächsischen  und  Altniederdeutschen  in-  und  auslautendes  b. 
Y  hat  im  Anlaut  gemeinwestgerm.  spirantische  Funktion,  desgl. 
im  In-  und  Auslaut. 

Kap.  14.     Die  indogermanischen  Gutturale.*) 

§  43.  Die  indogermanischen  Gutturalreihen.  Außer  den 
bereits  behandelten   Regeln,    wonach   Verschiebungen    der  idg. 


*)  Vgl.  Zupitza,  Die  germ.  Gutturale,  Berlin  1896. 


62  II.  Konsonantismus. 


Gutturale  eingetreten  sind,  bedürfen  noch  zahlreiche  Erschei- 
nungen, welche  das  Germanische  charakterisieren,  der  Bespre- 
chung. Besonders  ist  der  Zusammenfall  der  drei  indogerm,  Gut- 
turalreihen (oben  S.  48)  im  Germanischen  hervorzuheben:  die 
germ.  h  k  g  können  auf  alle  idg.  Gutturalreihen  zurückgehen: 
%o\..  juk  (ind.  yugd-),  ahd.  chuo  angls.  cü  (ind.  gäm),  got.  kaürus  (ind. 
gurü-  gr.  ßapu^)  beruhen  auf  idg.  Wurzeln  mit  velarem  g^  während 
k  in  got.  akrs  (ind.  djra-),  kunnan  (ind.  Wz,  jaii),  kinnus  ik  auf 
palatalem  g  beruht;  so  ist  h  in  got.  haidus  (ind.  ketü-),  ahd.  href 
(ind.  krp-)^  naht  (ind.  nakt-),  hahsa  (ind.  kdksa-)  ein  idg.  Velar; 
dagegen  steckt  ein  idg.  Palatal  in  dem  h  von  got.  hu7td  (ind.  fatd-), 
got.  hliuß  (zur  ind.  Wz.  fru)^  an.  hjarse  (ind.  firsdn-)^  got.  aika- 
(ind.  dfva-),  got.  swaihra   (ind.  fvdfura-)^   ahtau  (ind.  astdti)  usw. 

Im  allgemeinen  kann  demnach  die  genaue  Herkunft  der  germ. 
Gutturale  nur  aus  den  verwandten  Sprachen,  besonders  dem  Slavo- 
lettischen.  Armenischen  und  Indoiranischen  erkannt  werden;  wir 
können  hier  nicht  darauf  eingehen,  wie  die  letztgenannten  Sprachen, 
die  man  nach  §  i  Anm.  i  unter  dem  Namen  '^«/^»^-Sprachen'  zu- 
sammenfaßt, über  die  germ.  Gutturale  Aufschluß  geben ;  darüber  vgl. 
Brugmann  I  §  596  ff.  Nur  die  Fälle  sollen  hier  zur  Sprache  kommen, 
in  denen  der  idg.  Unterschied  der  reinvelaren  und  der  labio- 
velaren  gegenüber  den  palatalen  Gutturalen  im  Germanischen 
noch  zutage  tritt.  Während  die  idg.  Palatalreihe  durch  nichts 
innerhalb  des  Germanischen  charakterisiert  wird,  zeigen  die  velaren 
Reihen  des  Indogermanischen  im  Germanischen  wie  im  Südeuro- 
päischen und  Keltischen  Labialisierungen,  indem  sie  nicht  bloß 
durch  k  h  g^  sondern  auch  durch  kw  hw  gm  und  p  f  b  repräsentiert 
werden :  wo  immer  im  Germanischen  sekundäre  Labialisierungen 
vorliegen,  ist  von  idg.  Velaren  auszugehen.  Dabei  ist  selbstver- 
ständlich von  Fällen  wie  got.  ai/va-  'Pferd'  =  ind.  dfva-  (idg. 
ek'^wo-)  oder  von  got.  keits  'weiß'  zu  ind.  gvetd-  'weiß'  oder  von 
got.  kapo  'Schaum'  zu  der  ind.  Wz.  kvath  abzusehen :  die  germ. 
kw  hw  können  zuweilen  echtes  uridg.  w  aufweisen,  was  mög- 
licherweise für  lat.  aqua  got.  aka  oder  für  got.  afhapnan  Jvassaba 
höta  köpan  u.  a.  gilt. 

Anmerkung.  Das  Gutturalproblem  ist  für  die  germ.  Sprachen  weniger  wichtig 
als  für  die  übrigen  idg.  Sprachen :  infolge  des  Zusammenfalls  mehrerer  Reihen 
liefert  das  Germanische  keine  entscheidenden  Kriterien,  wenn  Diflferenzen  zwischen 
den  idg.  Sprachen  bestehen.  Denn  keine  idg.  Sprache  zeigt  die  mutmaßlichen 
Grundverschiedenheiten  noch  durchweg  in  ihrer  ursprünglichen  Reinheit,  wenn 
z.  B.   preuß,  pecku  'Vieh'   dem  ind.  pägu^    aslav.  svekrü   'Schwiegervater'    dem 


II.  Konsonantismus.  63 


ind,  fvdgura-,  lit.  akmü  'Stein'  dem  ind.  dgman-  und  lit.  klausyii  'hören'  der  ind. 
Wz.  frus  gegenüberstehen.  Germ.  Entsprechungen  solcher  Fälle  würden  sich  mit 
beiden  Möglichkeiten  vertragen,  wenn  es  auch  wahrscheinlich  oder  so  gut  wie 
sicher  ist,  daß  man  das  Germanische  hier  besser  mit  dem  Indischen  zu  ver- 
gleichen hat. 

§  44,  Labialisierung  im  Anlaut.  Die  Entwicklung  zu  kw 
gw  ghw  treffen  wir  auch  im  Griech.,  Latein,  und  Kelt.  (Brugmann 
a.  a.  O.).  Im  Germ,  ist  sie  im  Anlaut  eingetreten  vor  idg.  e  i 
QF  32,  8  und  nach  Möller  Beitr.  7,  482  auch  vor  idg.  df,  während 
sie  vor  idg.  ö  ü  unterbleibt.  Chronologisch  ist  wichtig,  daß  die 
Labialaffektion  während  des  Bestehens  des  idg.  Vokalismus  statt- 
gefunden hat;  denn  nur  vor  germ.  a  =  idg.  a  tritt  sie  ein,  nicht 
auch  vor  germ.  a  =  idg.  0.  Gleiches  gilt  von  germ.  ö:  germ.  ö 
=  idg.  ä  hat  Labial  äffe  ktion  vor  sich,  bei  germ.  ö  =  idg.  ö  unter- 
bleibt sie:  idg.  gfwo-  {ind.  jwd-)  got.  qiwa-\  idg.  genä  (ind.  gna) 
got.  qinö\  idg.  geni-  (ind.  jäni-)  got.  qens'.,  got.  qiman  idg.  Wz. 
gem\  ahd.  querdar  'Köder'  zu  gr.  ßopd .?  ahd.  querchala  (lat. 
gurgtild)\  angls.  cwidu  'Harz'  ind.  jdtu-\  got.  qairnus  lit.  glrna\ 
ahd.  quelan  quäla  idg.  Wz.  gel  (lit.  gelti) ;  angls.  hwer  'Kessel'  ind. 
carü- ;  an.  hvel  angls.  hweol  aus  idg.  kekro-  (ind.  cakrd-) ;  angls. 
hwösta  'Husten'  idg.  käs  (ind.  käs)\  nach  Bezzenberger  BBeitr.  5,  175 
gehört  got.  kara  zu  ahd.  queran.  Wohl  auch  in  got.  qißus  (und 
lausqißrs)  liegt  q  aus  g  vor.  Hier  erklärt  sich  Wechsel  von  k 
und  kw  usw.  in  got.  preihan  an.  pryngva\  got.  lew  'Gelegenheit* 
zu  ligan\  got.  skohs  'Schuh'  zu  skewjan  'gehen';  got.  brükjan  zu 
lat.  fruor  für  '^frugvor\  got.  battgjan  neben  angls.  bywan  aus 
*bauwjan  (Orrm  bstwenn  aus  "^beawian  für  ^^bauwön) ;  ahd.  ntgan  und 
got.  hneiwan  für  *hneigwan  (Wz.  knigk  in  lat.  contveo).  Beachte 
ahd.  sagen  'sagen'  zu  der  idg.  Wz.  seq  in  got.  spül  aus  *sqetlon. 

§  45.  Labialisierung  im  Inlaut.  Im  Inlaut  lassen  sich  feste 
Regeln  über  diese  Labialisierung  für  das  Germanische  nicht  mit 
Sicherheit  ermitteln;  wahrscheinlich  haben  hier  jedoch  die  gleichen 
Regeln  gewirkt  wie  im  Anlaut,  sind  aber  infolge  des  Suffix- 
ablautes verdunkelt  oder  verwischt.  Belege:  got.  leikan  saikan 
siggwan  sigqan  stigqan  igqar  naqaps  riqis.  Aus  dem  Altnordischen 
vgl.  klgkkva  'stöhnen',  pryngva  'dringen',  nykr  (ahd.  nicchessa)^ 
dekkr  'dunkel',  mjgrkve  'Dunkelheit',  ekkvenn  'geschwollen'.  Die 
westgerm.  Sprachen  beweisen  die  Labialaffektion  im  Inlaut  nur 
in  seltenen  Fällen  durch  Geminationserscheinungen  (§  158);  aber 
in  Fällen  wie  ahd.  ancho  'Butter*  (lat.  unguen  altir.  imb\  ahd. 
thunkön  (lat.  tinguere)  läßt  sich  im  Westgermanischen  kein  Kriterium 


04  n.  Konsonantismus. 


für  ^finden;  für  m^  liefert  das  Altfriesische  nach  Leffler,  Om  v-om- 
Ijudet  S.  24  volle  Beweise  {siunga  —  got.  siggzvan).  In  zahlreichen 
Fällen  fehlt  überhaupt  innerhalb  des  Germanischen  (und  sonst) 
jegliche  Spur  von  Labialaffektion;  für  germ.  ligjan  juka-  mikan 
biugan  daga-  brükan  bergan  können  meist  nur  auswärtige  Formen 
wie  aslav.  legc^  ind.  j/ugd-  ugrd-  bhug-nd-  dagdhd-  (Wz.  dah)  bhundkti 
aslav.  br^gc^  den  Charakter  des  Gutturals  beweisen ;  ob  in  Fällen 
wie  ahd.  troum  zu  triogan,  zoum  zu  ziohany.  an.  laun  zu  Ijüga 
auf  yw  (ind.  drugdhd-  zu  Wz.  druh^  aslav.  lügati)  gedeutet  und 
damit  Velar  erwiesen  wird,  ist  unsicher;  vgl.  noch  an.  Ijöme 
mit  ind.  Wz.  ruc  ruk.  Für  die  Verbindung  germ.  hi  und  hs  läßt 
sich  mit  germ.  Mitteln  der  Ursprung  des  Gutturals  nie  direkt 
erweisen :  für  tohtr-  ahtau  naht-  rehta-  oder  sehs  können  nur  andere 
idg.  Sprachen  den  Ursprung  des  Gutturals  aufklären. 

§  46.  Labiale  für  Gutturale.  Durch  sekundären  Laut- 
übergang (Hildebrand  DWb.  V  5  und  Bechtel,  Sinneswahrneh- 
mungen S.  74)  sind  die  gemeingermanischen  qw  hw  gw  noch 
vorhistorisch  zu  p  f  b  geworden ;  vielleicht  ist  es  richtiger, 
diesen  Prozeß  vor  die  Lautverschiebung  zu  legen  und  eine  Ent- 
wicklung von  idg.  q  über  kw  zm  p  =  germ.  f  anzunehmen.  Assi- 
milierende Einflüsse  benachbarter  labialer  Konsonanten  und  Vo- 
kale dürften  den  Übergang  bewirkt  haben  (Beitr.  11,  560):  w  inner- 
halb des  Wortkörpers  scheint  gewirkt  zu  haben  in  got.  fidwör 
aus  *petw6res  =  "^qetwöres  (lat.  quatiuor^  ind.  catvdras) ;  anlau- 
tendes w  hat  gewirkt  in  got.  wulfs  aus  '*"wulpe  =  *wdlqe-  (ind. 
vfka-,  aber  die  Wölfin  ist  an.  ylgr  =  ind.  vTki-).  Vgl.  ferner  ahd. 
zwtvo  (neben  zw'ehd)  aus  "^dweipen-  "^dweikwen-  (angls.  getwsefan  got. 
tweifls)\  got.  sweiban  'aufhören'  zu  ahd.  swtgen  (idg.  Wz.  swiq^\ 
^ot.  tibizwaxi^h^n  an.  ux  ups  nordixi^s.  oeksan  (Grdf.  idg.  uqeswä); 
got.  wairpan  ind.  vTJ  aslav.  vrtgc^  Beitr.  9,  193 ;  asächs.  wöpian 
'weinen'  =  lat.  vägtre  'wimmern' ;  ahd.  f'eraha  zu  lat.  quercu-s 
(*perku-)\  engl,  wisp  neben  ahd.  wisc  (Grdf.  wiskwe-)  Beitr.  11, 
561 ;  got.  twalif  lit.  dvylika\  got.  fimf  aus  "^pempe  idg.  penqe  Fick 
KZs.  21,  44;  angls.  f&le  aus  ge^rm.felu-  w org&rm.  pelu  (qelw-)  ent- 
spricht dem  ind.  cdru-  'schön'  Beitr.  11,  561.  Unklar  ist  ahd. 
forspon  neben  forscon ;  aber  ahd.  zorft  (neben  asächs.  torht)  wird 
von  Zupitza  (Gutturale  S.  17)  auf  eine  idg.  Wz.  derp  zurück- 
geführt. Beachte  auch  an.  kvikvende  —  ind.  jdgat-  'lebendig'.  — 
Über  anlautendes  sp  s.  §  69*=. 

Nach  u  zeigen   sich   dieselben   Erscheinungen   —   Labiale   an 


II.  Konsonantismus.  65 


Stelle  von  Gutturalen  — allerdings  weniger  sicher;  hier  scheinen 
Doppelformen  nebeneinander  herzugehen  wiegot.  aühns  ahd.  ovan\ 
ahd.  hovar  mhd.  hoger  'Buckel';  angls.  süpan  sücan;  angls.  cre'o- 
pan  ahd.  kriohhan\  aschwed.  sufl  sughl  'Vorkost';  angls.  hopian 
'hoffen'  neben  hyht  'Hoffnung' ;  got.  raupjan  zur  ind.  Wz.  ruj  {rüg). 
Idg.  qt  erscheint  germ.  als  ft  (und  ht)  in  ahd.  stiftan  (angls. 
stihtan) ;  mhd.  swiften  'beschwichtigen'  zu  swigen ;  an.  leiptr  'Blitz' 
zu  mhd.  weterleichen. 

§  47.  Sievers'  Gesetz.  Für  das  an  Stelle  von  hw  (aus  x^^) 
nach  Verners  Gesetz  zu  erwartende  ^w  {gw)  zeigt  das  German. 
nach  Sievers  Beitr.  5,  149  w\  dieses  w  ist  somit  grammatischer 
Wechsel  zu  hw\  ahd.  gisewan  giliwan  und  angls.  gesiwen  als 
Partizipia  zu  Wz.  sehw  'sehen',  Wz.  lihw  'leihen',  Wz.  s^hw  'seihen' 
(angls.  seohhe  aus  '^sehwöri) ;  angls.  hweowol  aus  "^hweywol ind.  cakrd-\ 
ahd.  zäwa  'tinctura'  zu  zehön  (Wz.  Wiw)\  ahd.  iwa  angls.  eoh  'Eibe'; 
ahd.  dw'erah  dwerawer ;  mhd.  schelch  schelwer  (an.  skjalgr) ;  mhd. 
smelhe  smelwe\  angls.  midfyrwe  zu  got.  fairkus  (aber  diVi.firar  aus 
'^firhjöz^  nicht  *firhwjöz) ;  angls.  horh  horwes,  holh  holwes,  earh  earwe 
Sievers  Beitr.  9,  232.  Hierher  2ing\s.feawe\  ^hd.föhe  vgl.  Xdit.paucus 
(idg.  pauqos)\  auch  ahd.  swalwa  für  *swalgwa  =  gr.  üiXkOiuv. 

Vokalisierung  des  so  entstandenen  w  zeigt  sich  in  got.  jiuleis 
(aus  yeywljd-)  zu  angls.  geohhol\  an.  hjöl  angls.  hweoli^ViS,  '^hwetdo- 
=  ^hweywlo-)  ind.  cakrä- ;  got.  siuns  aus  ^seywni-  zu  Wz.  sehw  'sehen' ; 
ahd.  ouwa  aus  "^aujö  "^aywjö  zu  got.  aha, 

Anmerkung.  Sievers'  Regel  muß  wohl  anders  formuliert  werden,  weil  jedes 
aus  labiovelarem  gh  entstandene  gw  nur  als  w  erscheint,  ohne  daß  der  vorgerm. 
Akzent  eine  Rolle  spielte.  Das  Germanische  kennt  überhaupt  keine  guten  und 
sicheren  Beispiele  für  gw  (außer  in  der  Verbindung  ngw  z.  B.  got.  siggivan). 
Für  den  Anlaut  vgl.  ahd.  warm  für  *gwarma-  =  ind.  gharmd-  lat.  formus. 
Für  den  Inlaut  vgl.  got.  snaiws  =  lit.  snegas  russ.  snigü\  angls.  streawberie 
=  \aX..  frägum  (Grdf.  srägho-)\  angls.  *ean  'Lamm'  (in  geean  'trächtig')  =  lat. 
agnus  (Grdf.  aghno-)\  ahd.  nioro  gr.  veqppö?;  got.  hneiwan  lat.  coniveo  (idg. 
Wz.  kntgh). 

§  48a.  Spiritus  as per.  Beachtenswert  ist  bezüglich  des  ger- 
manischen h  noch,  daß  es  frühzeitig  —  sicherlich  schon  während 
der  Römerzeit  §  21  a  —  zum  Spiritus  asper  geworden;  die 
römische  Schreibung  als  ch  {Chario-)  beweist  nichts  dagegen 
(Kern,  Germ.  Woorden  S.  5).  Caesar  schreibt  Vacalus^  aber 
Tacitus  Vachalis  =  nhd.  Waal',   sonst  wechseln  CAafti  und  Catfi. 

Anmerkung  1.  Auch  das  Finnische  in  seinen  germ.  Entlehnungen  (oben  §  29) 
bestätigt  für  eine  frühe  Zeit  die  Aussprache  des  /i  als  Spiritus  asper:   haasia 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermantsch.  5 


66  IL  Konsonantismus. 


'Gestell  zum  Heutrocknen'  (an.  kes),  haahla  'Kesselhaken'  (ahd.  hähald),  haikara 
'Reiher'  (ahd.  heigaro)^  hartia  'Schulter'  (an.  herdar)^  hunaja  'Honig'  (ahd. 
honag),  huokea  'leicht'  (an.  hoegr),  hurskas  'fromm'  (an,  horskr).  Nach  Thomsen, 
Einfluß  S.  65  zeigt  sich  daneben  auch  Anlauts-^  an  Stelle  von  Anlauts--^  in 
kailas  'schräg'  (ahd.  hald),  kana  'Huhn'  (got.  hana),  kansa  'Volk'  (got.  hansa)'. 
darin  vermutet  Thomsen  Substitution  von  k  für  älteres  x  und  verwirft  die  Mög- 
lichkeit, daß  solche  Entlehnungen  aus  der  Zeit  vor  der  i,  Lautverschiebung 
stammen. 

§  48  b.  Das  Romanische  zeigt  in  den  ältesten  germ.  Lehn- 
worten (Meyer-Lübke  I  38  und  Mackel  S.  135)  hl  und  hr  bXs  ß 
und  fr  in  irz.flanc  aus  *hlanca,  freux  =  hröc^  froc  (mlat.  froccus 
oben  S.  16)  =  asächs.  hroc  (Gl.  II  716*'*),  ßou  =  hlao  und  frimas 
=  hrim\  dazu  der  afrz.  Eigenname  T^ööz'««/  2MsChlodowing\  über 
lat.-germ./r«/^  'Honigwabe'  aus  germ.  hräta  —  mhd.  rage  und 
über  lat.  fruncetura  'Runzel'  zu  an.  hrukka  vgl.  oben  §  13. 

Anmerkung  2.  In  frühmlat.  Quellen  zeigt  sich /auch  sonst  als  Vertreter  eines 
germ.  h  z,  B,  mafalus  neben  machalus  'Speicher',  lefa  neben  leha  'Mutterschwein', 
mufula  neben  mocha  'Handschuh',  naufum  neben  nauchum  'Leichenbinde', 
Die  Beurteilung  dieses  /  ist  unsicher. 

§  48  c.  Als  Spiritus  asper  verklingt  h  frühzeitig  in  der  Kom- 
positionsfuge: got.-lat.  carrago  'Wagenburg'  aus  ^carr-hagon  (vgl. 
angls.  bord-hagd)\  an.  einardr  zu  hardr\  ahd.  lihmo  an.  Itkame  angls. 
licoma  gegen  angls.  lic-homa ;  an.  grv-endr  'linkshändig'  zu  hgnd\ 
run.  Haukopuz  aus  "^haug-haßuz^  an.  Nißupr  gegen  angls.  Nip-had 
(aus  ^Nlp-haduz)\  an.  ülfüd aus  *wu//-/iugd;  an.  Gunnarr  =  angls. 
Güphere ;  über  got.  püs-undi  an.  püs-hundrad  Lex  Sal.  thüs-chunde 
s.  §  300.  Weiteres  s.  ZfdA.  3,  142;  Beitr.  14,  585.  Auch  der 
Umstand,  daß  das  Runenzeichen  h  dem  phonetisch  stummen  lat.  h 
entstammt,  spricht  gegen  rein  gutturalen  Lautwert. 

Anmerkung  3.  Wegen  seiner  leichten  Aussprache  erliegt  germ,  h  öfter  der 
Angleichung  an  folgendes  r  oder  n ;  vgl.  angls.  hyrra  'höher'  aus  "^hyhra,  heanne 
aus  *heahne,  an.  ndrre  'näher'  aus  *ndhre  =  angls.  nearra  a.\is*neahra.  Doch 
ist  der  Prozeß  nicht  gemeingermanisch. 

Anmerkung  4.  Verbreitet  ist  ein  allerdings  nicht  konsequentes  Verklingen 
von  ^  vor  j- Verbindungen  in  verschiedenen  germ.  Dialekten;  vgl.  got.  waürstw 
für  ^waürhstw,  ahd.  forscon  für  *forhskdn,  ahd.  bolstar  zu  belg  für  *bolhstra-, 
ahd.  lastar  für  germ.  lahstra-,  ahd.  zeswo  =  got.  taihswa^  ahd.  mist  =  got. 
maihstus,  ahd.  niusan  =got.  niuhsjan,  altangls.  thtsl  'Deichsel'  =  ahd.  ihi{h)sala\ 
angls.  wcBStm  asächs.  wastom  zu  weaxan.  Aber  vgl.  auch  ahd.  ahsala  asächs. 
ahsla  angls.  eaxl  aus  Grdf.  *ahslo-  (lat.  äla  wegen  axilla  entstanden  aus  *axla). 

Anmerkung  5.  Das  h  in  asächs.  hatol  beruht  wohl  auf  Anlehnung  an  hettian, 
die  eigentliche  Wortform  zeigt  angls.  atol  (zu  lat.  odisse  'hassen').  Sekundär 
ist  auch  das  h  von  ahd,  helfant  =  angls.  elpend  aus  lat.  elephantus. 

§  49.  Die  Aussprache  der  Gutturale  im  Altgermanischen 
läßt  sich  einigermaßen  näher  bestimmen.     Zunächst  ist  h  urger- 


II.  Konsonantismus.  67 


manisch  zu  den  dunkelfarbigen  Konsonanten  zu  zählen,  besonders 
in  den  Verbindungen  hs  und  ht^  die  im  Althochdeutschen  auf 
oberdeutschem  Boden  umlauthindernde,  also  sehr  dunkle  Aus- 
sprache gehabt  haben.  Im  Angelsächsischen  tritt  vor  h  -f-  Kon- 
sonant ^-Brechung  ein  vgl.  angls.  eahta  ahd.  ahto^  angls.  feax  ahd. 
fahs.  Im  Gotischen  kann  das  Unterbleiben  der  Tonerhöhung  von 
germ.  e  zu  i  (germ.  etan  got.  itan)  vor  h  z.  B.  in  faihu  {dihd.ßhu), 
taihun  (ahd.  zehan)  nur  aus  der  dunkeln  Aussprache  des  h  erklärt 
werden.  Wir  dürfen  schließen :  wo  h  die  Funktion  als  gutturale 
Spirans  bewahrt  hat,  ist  es  dunkle,  nichtpalatale  Spirans  ge- 
wesen, und  zwar  auch  nach  hellen  Vokalen;  die  schweizerische 
Aussprache  in  recht  und  richtig  war  auch  urgermanisch.  Und 
diese  selbe  rein  gutturale,  nicht  palatale  Aussprache  hatte  auch 
^,  insofern  es  nach  der  hochdeutschen  Lautverschiebung  in  Schweiz. 
ich  mich  dunkel  geblieben  ist.  Die  Palatalisierung  der  anglofries. 
Dialekte  ist  eine  jüngere  Sonderentwicklung.  Denn  man  wird  auch 
noch  in  der  Verwandlung  von  Gutturalen  in  Labiale  (idg.  q 
=  germ.  /",  idg.  g  =  germ.  p  §  46)  ein  Zeugnis  für  das  dunkle 
Timbre  der  Gutturale  haben.  Für  germ.  g  ist  dunkle  Aussprache 
gesichert  in  der  Gemination,  insofern  oberd.  brück  muck  für  nhd. 
Brücke  Mücke  umlautslos  sind.  —  Es  darf  dabei  nicht  vergessen 
werden,  daß  nach  §  43  die  drei  Gutturalreihen  des  Indogerm.  im 
Germ,  zusammenfallen ;  hier  ergibt  sich,  daß  auch  die  Palatale  dunkel 
geworden  sind. 

Kap.  15.     Die  unverschobenen  Konsonanten. 

§  50.  Die  Nasale  der  idg.  Grundsprache  bleiben  gemeingerm. 
im  wesentlichen  unverändert:  got.  namö  gr.  övO|Lia  lat.  nömen\ 
asächs.  nimid  'Hain'  gr.  vejuo^;  ahd.  manön  lat.  monere\  got.  ^ä- 
munds  lat.  mentem^  mana-  ind.  manu-  'Mensch'.  —  Got.  ains  lat. 
ünus\  got.  qinö  gr.  f^vri ;  got.  sunus  ind.  sünü-\  got.  nahts  gr. 
vuKT-6(;  lat.  noct-is.  —  Got.  mizdö  gr.  )Liicr96q;  ahd.  müs  lat.  müs 
gr.  )Liö?.  —  Ahd.  lang  lat.  longus\  ahd.  dankön  lat.  tongere\  ahd. 
(ngi  lat.  angustia\  ahd.  thunkön  lat.  tingere. 

Das  idg.  m  erleidet  Einbuße  durch  Übergang  in  «: 
a)  Vor  germ.  d  resp.  d:  got.  skanda  zu  skaman\  ahd.  sant  aus 
germ.  sanda-  =  gr.  d)LiotGo^  (aber  bayer.  sampt  aus  germ.  samada-)\ 
got.  sun-drö  ahd.  sun-tar  'allein,  einzeln'  neben  got.  sim-U  'einst' 
(§  300);  angls.  an.  sund  'das  Schwimmen'  zu  Wz.  swem  (an.  symja 
got.  swimman)\  got.  hund  lit.  szimtas  'hundert'  (§  300);  got.  taihun 

5* 


68  II.  Konsonantismus. 


ahd.  zehan  aus  idg.  d^knit  dekomt  (§  300) ;  an.  samkunda  'Gelage' 
zu  koma  'kommen'.  Aber  die  Verbindung  -mp-  hat  durchweg  ihr 
m  bewahrt;  vgl.  got.  gaqumps  ahd.  kumft  zu  kuman  'kommen', 
got  -numts  für  "^numfts  (ahd.  firnumft).  Somit  ist  nhd.  rand  und 
ranft  nach  Möller  Beitr.  7,  477  alter  grammatischer  Wechsel 
randu  :  rampu. 

b)  Im  Wortauslaut  wird  »?  zu  «  in  got.  pan-a  =  ind.  tarn  lat. 
is-tum,  got.  Jvan-a  =  ind.  kam.  So  steht  auch  in  run.  worahtö  ta- 
widö  das  auslautende  -ö  als  -6n  für  eigtl.  -6m^  ebenso  got.  dage 
gibö  für  germ.  darben  ^ebön  =  idg.  dhoghem  ghebhöm\  s.  darüber 
die  Auslautsgesetze  §  137. 

c)  Vorhistorisches  n  erleidet  in  unbetonter  Silbe  nach  i  Wandel 
zu  /,  doch  teilweise  unter  Schwanken  der  Dialekte:  lat.  asinus 
got.-germ.  asilus\  lat.  catinus  got.  '^katilus  ahd.  kennil,  doch  auch 
ahd.  '^che^^i(n)\  ahd.  ?l§"27gr.  exivog;  ahd.  chumil\2X.cumtnum\  ahd. 
wirtil  aslav.  vräteno\  mhd.  kuchel  lat.  coquina^  aber  auch  ahd. 
chuhkina.  Beachte  die  Doppelformen  asächs.  heban  :  himil ;  angls. 
Wöden  Wedelgeat  (mhd.  Wuoten  Wüetelgoi) ;  ahd.  tougan  angls. 
dygel\  ahd.  tougal  und  got.  himins  verdanken  ihr  /  resp.  n  dem 
Einfluß  ihrer  Nebenformen. 

d)  Einigemale  geht  n  durch  assimilatorische  Einflüsse  in  m  über, 
wenn  ein  Labial  im  Wortkörper  steckt;  auch  hier  zeigt  sich  ein 
Schwanken  der  Dialekte:  ahd.  farm  angls.  fearn  'Farnkraut' 
=  ind.  parnd-\  angls.  botm  neben  an.  hotn  =  ind.  budhnä-\  angls. 
wetma  'Mitgift'  zu  gr.  ^'övov ;  angls.  fäm  ahd.  feint  =  ind.  phina- ; 
ahd.  muoma  =  an.  möna  andd.  *mdna;  mhd.  pfriem  angls.  preon. 

Anmerkung.  In  anord.  padan  hedan  (=  angls.  panon  heonan)  sowie  in  angls. 
heofon  asächs.  h'ehan  (=  got.  himins)  und  angls.  geofon  asächs.  getan  (zu  an. 
geime)  liegt  Dissimilierung  der  Nasale  vor. 

§  51.  Urgermanische  Nasalvokale.  Einbuße  erleidet  n 
noch  durch  Verklingen  vor  germ.  %=  h^  wobei  zunächst  Nasal- 
vokal eintritt:  äy^  wird  durch  das  angls.  ö  (und  mit  Umlaut  ce  e) 
erwiesen  in  fön  hon  urengl.  föhan  höhan  aus  *fähan  Viähan^ 
bröhte  pöhte  aus  "^brähte  "Spähte  und  dieses  öh  für  anh  ist  auch  afries. 
(afries.  brockte  thöchte  vgl.  van  Helten,  Altostfries.  Gramm.  §  42). 
Die  in  der  eddischen  Abhandlung  'um  stafrößf  bezeugten  Nasal- 
vokale (Holtzmann  Ad.  Gr.  I  57)  wie  ere  (aus  germ.  jühize)^  fser 
{dMsfähiz),  pH  (=  2^^.  fthald)  usw.  behandeln  Lyngby  Tidskr.  II 317 
und  Bugge  NArk.  II  230;  aus  einem  schwedischen  Dialekt  werden 
die  gleichen  Nasalvokale  bestätigt  durch  Noreen  NArk.  III  iff.  Sonst 


II.  Konsonantismus.  69 


zeigt  sich  nur  Ersatzdehnung  (nicht  Nasalvokal),  und  die  nasale  Prove- 
nienz eines  langen  Vokals  läßt  sich  nur  bei  grammatischem  Wechsel 
(-hing)  erkennen  (vgl.  got.  hührus  mit kuggrjan^  got. ßrethan  =  an. 
ßryngva,  ahd.  dihan  aus  ßthan  vgl.  das  angls.  Partiz.  gepungen)\ 
auch  zeugen  ahd.  bringan  dunkan  für  ursprünglichen  Nasal  in 
brähta  dühta  aus  brähta  pühta.  In  allen  diesen  Fällen  ist  urger- 
manisch —  bis  über  die  Dialektspaltung  hinaus  —  unzweifelhaft 
Nasalvokal  anzunehmen,  also  fähan  jühizö  ßhlö  brähtd\  vgl.  noch 
angls.  pöhcE  ahd.  däha  aus  '^panhön^  an.  hsell  angls.  heia  und  höh 
aus  germ.  hanh-.  Durch  etymologische  Gründe  wird  urgerm.  Na- 
salierung erwiesen  für  got.  peihs  'Zeit'  (=  lat.  tempus  QF.  32,  21 
vgl.  auch  ahd.  ding)  wxidigoi.  peikö  'Donner'  (zu  aslav./^CöJ  'Regen'). 
Vgl.  unten  §  127. 

Anmerkung.  Innerhalb  der  römischen  Überlieferung  war  Nasalierung  noch 
richtig  vorhanden,  da  der  Völkername  Tencteri  und  der  burgund.  Personenname 
Hanhavaldus  (=  ahd.  Häholt)  mit  Much,  Haupt  Zs.  35,  363  hierhergehören.  Von 
germ.  Lehnworten  im  Finnischen  wird  dies  bestätigt  durch  finn.  tanhu  'beider- 
seits bezäunter  Weg'  (aschwed,  iä  aus  germ.  tanhu)  und  durch  finn.  hanho 
'Henkelbecher'  (zu  germ.  hanhan  got.  hähan) ;  vgl.  Brate,  Äldre  Vestmannalagens 
Ijudlära  S.  4  und  Setälä,  Zur  Herkunft  und  Chronologie  S.  30,  der  aber  auch 
auf  finn.  haahla  'Kesselhaken'  =  ahd.  hähala  aufmerksam  macht. 

Während  das  Gotische  und  Hochdeutsche  die  Nasalvokale  im 
urgerm.  Umfang  fortführen  resp.  durch  lange  Vokale  vor  h  er- 
setzen, hat  das  Nordische  und  die  sächsischen  Dialekte  neue 
Nasalierungen  auch  vor  den  Spiranten  .y  /  und  /  eingeführt,  und 
diese  Nasalierungen  werden  auch  durch  lange  Vokale  ersetzt; 
doch  wird  an  durch  0  vertreten  im  Angelsächsischen  sowie  teil- 
weise im  Altsächsischen :  germ.  anperaz  ist  angls.  öder  asächs.  öthar 
(und  äthar)  afries.  6ther\  ahd.  amsala  angls.  ösle\  germ.  fanpja- 
asächs.  fäthi  angls.  fcethi  fede\  germ.  nanpjan  asächs.  näthian 
angls.  nedan.  Wird  hier  durch  ö  aus  an  eigentlicher  Nasalvokal 
vorausgesetzt,  so  werden  wir  auch  sonst  Nasalvokal  als  Zwischen- 
stufe anzunehmen  haben,  so  für  angls.  asächs.  üs  =  got.  uns^ 
angls.  wyscan  ahd.  wunskan.  Vielleicht  vertritt  an.  ö  für  un  einen 
Nasalvokal  z.  B.  in  ösk  'Wunsch',  ös  (oss)  'uns';  ebenso  an.  e  für 
in  in  an.  me7  =  ahd.  mindil.  Im  Altsächsischen  ist  die  Regel  für 
den  Nasalverlust  nicht  klar  bei  ahd.  ab  and  kind  mondän  =  asächs. 
äband  kind  m^ndian. 

§  52.  Die  Liquiden.  Die  idg.  /  und  r  treten  im  Germa- 
nischen auf  in  völliger  Übereinstimmung  mit  den  idg.  Sprachen 
Europas:    gr.  KaXeuu  ahd.  hal6n\    lat.  Collum  got.  hals\    lat.  velit 


70  II.  Konsonantismus. 


gut.  wili\  lat.  molo  ahd.  malu\  gr.  ttoXO  %o\.  filu\  lat.  «//«j  got. 
aljis\  gr.  Xmapeiu  got.  bileiban.  —  gr.  Kapbia  got.  hairtö'^  lat.  vir 
got.  z£;«/r;  lat.  fräter  got.  brößar\  lat.  gränum  got.  kaürn\  lat. 
^Är^  got.  marei\  lat.  «^^r  got.  «^rj;  lat.  ^ör;^«  got.  kaum.  Über 
nordwestgerm.  i?-r  aus  2  s.  unten  §  148.  Wechselbeziehungen 
zwischen  r  und  /  sind  für  die   urgerm.   Zeit   nicht   nachweisbar. 

Beide  idg.  Liquiden  erleiden  innerhalb  des  Gemeingermanischen 
keinerlei  Einbuße,  nur  daß  vielleicht  germ.  steian  =  gr.  aiepeoiaai 
durch  Einfluß  von  helan  für  st'eran  steht  (vgl.  Osthoff  Beitr.  13, 
460)  und  got.  ligra-^  eigtl.  suffixgleich  mit  sitla-  (für  eigtl.  ligla-)^ 
dissimiliert  ist.  Sie  haben  aber  auch  keinerlei  wesentlichen  Zu- 
wachs (germ.  /  aus  ;/  s.  §  50c).  Ein  in  andern  idg.  Sprachen 
wiederkehrender  scheinbarer  Ausfall  von  wurzelhaftem  r  nach 
Labialen  muß  auf  unbekannte  Ursachen  zurückgehen:  ahd.  sprehhan 
spehhan  angls.  sprecan  specan\  ahd.  waso  mndd.  wrase\  hess.  spenge 
westfäl.  sprenge  'spärlich' ;  angls.  weccan  wreccan  'wecken'  (nord- 
fries.  wreakan  'wach');  an.  z;/;ir/ angls.  wrixl  {2ihdi.  w'ehsaT)\  an.  vä 
z'r«  'Winkel';  got.  wähs  mittelengl.  wrong\  dingXs.  psetig  prsetzg\ 
mittelengl.  picchen  priken  'stechen' ;  angls.  specca  mhd.  spreckel 
'Flecken';  ahd.  spahha  angls.  sprcBC\  an.  veit  aschwed.  vreter 
'Streifen' ;  an.  veina  'wiehern'  aschwed.  vrenskas  'wiehern' ;  mhd. 
wecholter  :  recholter  'Wachholder'.  Bei  idg.  dakru  'Träne'  =  asächs. 
"^tahur  und  trahan  'Träne'  hat  wohl  Dissimilierung  dakru  für 
drakru  gewirkt.? 

Anmerkung  i.  Ähnlich  scheinen  sich  nhd.  Schrank  südfränk.  schank,  an.  skokkr 
an.  skukka  angls.  scrincan  'einschrumpfen',  mhd.  stumpf  strumpf,  hess.  stunz 
strunz  zu  einander  zu  verhalten. 

Anmerkung  2.  Bei  /  sind  parallele  Erscheinungen  aus  alter  Zeit  nicht  bezeugt; 
jüngeren  Datums  sind  die  Doppelformen  alemann,  glufegufe ;  md.  plumpe  pumpe; 
s p int  Splint \  mittelengl.  splott  j/^?// 'Flecken';  mittelengl.  placche  pacche  'Flick'. 

§  53.  Die  Halbvokale.  Im  Gegensatz  zu  andern  idg.  Sprachen 
zeigt  das  Germanische  nur  einen  y-Laut;  im  übrigen  bestehen  7 
und  w  in  Übereinstimmung  mit  den  meisten  idg.  Sprachen :  got. 
juk  'Joch'  \dit.  jugum  ind.  jugam;  got.  jus  'ihr'  ind.  j/uyäm;  got 
fuggs  'jung'  Xdit.  juvencus  Ind.jyuvafds;  got.  frija-  'frei'  ind. przjyd.  — 
Got.  wz/z  lat.  veäi;  got.  waz'r  lat.  mr;  got.  waz  lat.  vae;  got.  waürd 
lat.  verbum'j  got.  widuwö  'Witwe'  lat.  vidua  ind.  vidhdvä'^  got.  aiws 
lat.  aevum\  got.  awistr  'Schafstall'  zu  lat.  ovis\  got.  awö  'Groß- 
mutter' zu  lat.  avus'.,  an.  tivar  ind.  deväs. 

Im  Anlaut  nach  Konsonanten  ist  wurzelhaftes  i  als  Konsonant 
im  Germanischen  völlig  unbekannt;  es  gibt  keine  germ.  Wurzeln, 


II.  Konsonantismus.  71 


die  den  ind.  cyu  tyaj  syand  u.  a.  entsprechen,   und   Formen  wie 
ind.  syü-tä-  'genäht'  (zu  got.  siujan)  kennt  das  Germanische  auch  nicht. 

Germ,  w  hatte  durchweg  bilabiale  Aussprache :  engl,  water  wild 
wind  bewahren  die  urgerm.  Aussprache,  die  zugleich  die  idg. 
Aussprache  gewesen  ist.  Wenn  lat.  Lehnworte  der  ältesten  Zeit 
wie  got.  wein  'Wein'  und  gaweisön  'besuchen'  aus  lat.  mnum  resp. 
vtsere  und  angls.  päwa  ahd.  pfäwo  aus  lat.  pävo  Kongruenz  zwischen 
germ.  w  und  lat.  v  zeigen,  so  wird  lat.  v  sich  mit  dem  germ.  w 
in  der  Aussprache  wohl  gedeckt  haben.  Aber  eine  doch  wohl 
erst  dem  5./6.  Jahrh.  angehörige  Lehnschicht  der  roman.  Sprachen 
ersetzt  den  germ.  w-Anlaut  durch  gw  (frz.  g^  in  mlat.  guardäre 
{frz.  garder)  aus  germ.  wardön ;  mlat.  guadium  (kz.  gage)  zu  got. 
wadi;  mlat.  vantus  'Handschuh'  (frz.gant)  zu  an.  z^pffr  (finn.  vantus)\ 
mlat.  warantia  (frz.  garance)  zu  ahd.  rezza  'Färberröte'  (germ. 
wratja).  Aber  im  Inlaut  gilt  diese  Regel  nicht;  vgl.  ital.  biavo  zu 
ahd.  bläwer  und  frz.  epervier  zu  ahd.  sparwäri. 

Germ,  w  erscheint  urgerm.  im  W^ortanlaut  auch  vor  /  und  r  (wo 
es  späterhin  vielfach  verklungen  ist):  got.  wratön  'gehen';  wröhs 
'Anklage';  wripus  'Herde';  wrikan  'verfolgen'.  —  Angls.  wryncel 
'Runzel' ;  wrstna  'Hengst' ;  zvritan  'schreiben' ;  wröt  'Rüssel' ; 
wrenna  'Zaunkönig' ;  mittelengl.  wraulen  oberd.  (schweiz.)  raueln 
bayr.  raulen  'schreien'  (von  Katzen);  mittelengl.  wrong  'ungerecht', 
mittelengl.  wra  'Winkel'  (altdän.  vrd})\  mittelengl.  wriste  (angls. 
wyrsi)  'Handrist';  angls.  wrenc  'List'.  —  Asächs.  wrisi  'Riese'; 
ahd.  rezza  'Färberröte'  aus  Grdf.  *wratja  (mlat.  warantia) ;  an.  rot 
'Wurzel'  aus  ^wräd=^  lat.  räd-tx.  —  Got.  wlits\  angls.  wlacu  wlisp 
wlonc  wldtian  wlöh. 

Anmerkung  i.  Germ,  w  kann  vor  Vokalen  auch  mit  idg.  u  wechseln :  got. 
twa  =  lat.  äuo,  ahd.  swalwa  =:  gr.  öiXkOuuv. 

Anmerkung  2.    Über  die  nach  Gutturalen  auftretenden  w  vgl.  §  44/46. 

§  54.  Verlust  von  w.  Innerhalb  der  germ.  Dialekte  zeigt  das 
Westgerm,  zusammen  mit  dem  Nord,  oft  Verlust  von  w^  den  das 
Gotische  noch  nicht  kennt.  Das  Althochdeutsche  zeigt  in  Anlauts- 
verbindungen Ausfall  von  w  vor  u  resp.  uo:  dem  angls.  hwosta 
'Husten'  entspricht  huosto  für  *h(w)uosto ;  doch  ist  im  Alemannischen 
{wueSte)  das  Verklingen  von  h  älter,  und  so  konnte  w  ebenso- 
wenig verklingen  wie  in  ahd.  wuosti  oder  wuol.  Dem  angls.  swite  aus 
"^swöti  entspricht  ahd.  suoni  mhd.  süe%e^  doch  zeigt  sich  noch  ver- 
einzelt ahd.  swuo^i\  ahd.  dwahan  sw$rien  Prät.  duog  suor  und 
dwuog  swuor.     Zu  dwingan  swimman  heißen  die  Part,  im  ältesten 


72  II.  Konsonantismus. 


Althochdeutschen  (Braune  §  107  Anm.  i)  gidungan  ==  bidungan 
Musp.  61;  ahd.  Partiz.  ünsiimman  Ahd.  Gl.  I  308  zu  swimman.  Die 
germ.  Verbalwurzel  qem  bildet  die  Abstrakta  ahd.  kunft  =  got 
gaqumßs  und  asächs.  kumi=  got.  qums.  Im  Altenglischen  schwindet 
w  vor  w,  aber  nicht  vor  ö\  vgl.  angls.  tti  aus  *twü  für  twa 
§  300  und  ^^^  für  *h(w)ü  =  hwö\  dsunden  OET  (Erf.  Corp.  Gloss.) 
=  dswunden^  dazumhd.  gesunde(n)  MF  37,  19;  auch  verklingt  angls. 
w  nach  d  im  Auslaut  in  Id  (vgl.  ahd.  lewes)^  hrd  =  got.  hraiw.  — 
Vereinzelt  ist  noch  ahd.  so  für  '^swö  und  ahd.  sus  für  '^swiis  zu 
got.  jze;«.  Unsicher  ist,  ob  ahd.  tuoh  mit  ind.  dkvajd-  'Fahne'  zu- 
sammenhängt. 

Übrigens  gilt  die  gleiche  Regel  vom  Verklingen  des  w  vor  un- 
betontem u  im  Wortinnern:  ahd.  nahhut  angls.  nacud  entspricht 
dem  got.  naqaps.  Zu  anord.  ngkkve  vgpve  und  got.  gatwö  ühtwo 
gehören  eigtl.  die  Akk.  ahd.  nahhun  wadun  gannün  ühtün^  wozu 
dann  die  Nominative  ahd.  nahho  wado  ganna  ühta  angls.  ühte  ge- 
bildet sind;  so  stellt  sich  2iS\di.wahta  neben  %Q\..wahtwö\  so  ent- 
spricht das  ndd.  swäle  (andd.  swala  Ahd.  Gl.  II  724,  24)  dem  hd. 
Schwalbe  vc^di.  swalwe:  germ.  swalwdn-\  so  bildet  ahd.  sparo  mit 
angls.  spearwa  ursprgl.  ein  Paradigma:  ^om..sparwo  Akk.  spar{w)un. 
Vgl.  angls.  ea  aus  ^ahu  für  '^ahwu  =  got.  aka  und  beachte  angls. 
nicor  aus  nikuz-  für  niquz-  neben  ahd.  nicchessa  aus  *niqisjö-. 
Instruktiv  ist  noch  die  Flexion  von  angls.  magtt  mcscge(s)  Plur. 
mcECgas  magum  aus  mag(w)u  Plur.  magwös  sowie  angls.  sacu  Obliq. 
scBcce  aus  sak{w)u  Akk.  sakwo. 

Ausfall  vory  erfährt  w  gemeingerman.  nach  Mahlow  30  in  stojan 
aus  stöwjan  (got.  stöjan  ahd.  stuen)\  in  got.  töja  Dat.  Sg,  aus 
urgerm.  tö{w)jai  (vgl.  an.  tckjd)\  für  e  vermutet  Mahlow  das  Gleiche, 
indem  er  ahd.  ei  aus  urgerm.  ewja-  (:  idg.  öwjo  gr.  ujov),  ahd. 
kreia  (neben  kräwd)  aus  *krewja-  erklärt.  Den  gleichen  Verlust 
von  w  erkennt  Mahlow  30  noch  in  got.  hardja-^  sutja  aus  *hardwj- 
*suiwj-  (Grdf.  hardu-  swötu-)^  ferner  in  dihd.fatureo  aus  *fadur(w)ja 
=  ind.  pitxvya-, 

§  55a.  Inlautendes/.  Nach  Sievers-Hübschmann  KZs.  24,  362 
(Beitr.  5,  129)  wechselt  postkonsonantisch  /  mit  i  nach  langer  Silbe 
{-joy  aber  -id)  uridg.  Das  Germanische  hat  diesen  Wechsel  auf- 
gehoben und  überall y  lautgesetzlich  eingeführt:  im  Germanischen 
ist  nicht  bloß  idg.  medhyo-  (ind.  mädhya-  gr.  |Lie(T0-)  zweisilbiges 
'^midja-  (got.  midja-\  auch  germ.  got.  nipja-  aus  idg.  neptyo-  Ost- 
hoff Perf.  464;  ja  dreisilbiges  idg.  tretw-  'dritter'  (ind.  tfttya-  avest. 


IL  Konsonantismus,  73 


pritia  Hübschmann  KZs.  24,  354)  ist  germ.-got.  pridja-.  Für  kon- 
sonantisches j  in  der  Verbindung  ndj  spricht  die  mehrfach  be- 
zeugte Tatsache,  daß  d  schwindet  (allerdings  bestehen  Neben- 
formen mit  erhaltenem  d^  offenbar  unter  dem  Einfluß  der  Neben- 
form nd%)\  angls.  synn  ahd.  suntea  aus  urgerm.  sun(d)jd-  (Nom. 
'^sundi);  got.  sunja-  zu  angls.  söß  (ind.  satyä-  zend.  haipya-  Hübsch- 
mann KZs.  24,  345  idg.  sis-tjö-)-^  angls.  wrenna  'Zaunkönig'  aus 
'^wran(d)jan  (ahd.  wrendo  Ahd.  Gl.  III  458,  32);  asächs.  henginnia 
'Zustand  des  Hängens'  zum  Partizip  vorgerm.  kankent-i\  ahd. 
hevianna  'Hebamme'  deute  ich  als  uraltes  Partizipium  kdpyontyä- 
'die  Hebende'  (zu  got.  hafjan)\  ahd.  lungunna:  andd.  Plur.  lun- 
gundian  Ahd.Gl.  II  718;  vielleicht  verhält  sich  ahd.  wunniax  an. 
ynde  =  asächs.  suntea  angls.  synn\  an.  synd^  so  daß  nach  Stammb.-L. 
§  126  vovg&rm.  W9n(e)tya-  swdn{e)tya-  vorauszusetzen  wären.  Man 
beachte  noch  mhd.  virgunt  zu  got.  fatrguni}  got.  brunjö  ahd.  brunia 
zu  altir.  bronn  'Brust'  aus  bhrondh-}  ahd.  zinna  zu  zand  an.  tindr} 
Vielleicht  finden  hier  ahd.  pfentinc  pfenninc  und  ahd.  trennila  angls. 
trendel ihre  Erklärung,  indem Gvnndvfotte pandjo-: pandio-,  trandjo- : 
trandio-  vorauszusetzen  wären;  über  got.  bisunjane  s.  Beitr.  10,  444. 

In  diesen  Fällen,  deren  Mehrzahl  keinerlei  Zweifel  zuläßt,  ist  7 
auch  nach  langer  Silbe  nicht  vokalisch,  sondern  konsonantisch 
gewesen  (Brate  BBeitr.  ii,  196).  Das  gleiche  wird  erwiesen  durch 
die  im  Ahd.  häufige  Konsonantendehnung  (s.  unten  §  157)  nach 
langer  Silbe :  horren  gilouppen  irlössen  usw.  aus  '^hörjan  '^giloubjan 
^irlüsjan  §  157.  Konsonantisches/  nach  langer  Silbe  wird  endlich 
auch  durch  den  von  Mahlow  AEO  S.  28  erkannten  Ausfall  von  w 
in  got.  stöjan  aus  "^stöwjan,  töja-  aus  "^töwja-  (ahd.  ei  aus  *^/  für 
'^ewjo-  :  *öwjo-  in  gr.  üjov)  erwiesen.  Im  Westgermanischen  ergibt 
sich  aus  den  Geminationserscheinungen,  daß  j  nach  kurzer  auf  r 
schließender  Silbe  Vokal  wird  {nerian^  doch  fränk.  nerren). 

§  55b.  Durch  Kontraktionserscheinungen  schwinden  die 
idg.  y  und  w  im  Germanischen  nur  in  geringem  Umfang,  weswegen 
Gesetz  und  Chronologie  dafür  kaum  mit  Sicherheit  zu  ermitteln 
sind.  Vgl.  got.  bairös  aus  idg.  bheröwes  (ind.  bhärävas)}  an.  söl 
'Sonne'  neben  lat.  söl  einerseits  und  got.  sauil  gr.  deXio?  ander- 
seits.? an.  störr  'groß'  ind.  sthavird-  'fest'?  angls.  töl  'Werkzeug' 
aus  '^töwel}  Germ,  jünga-  'jung'  aus  *jünga-  verkürzt  für  *juwunga- 
(idg.  yuw^kö-  ind.  yuvafd-)  sowie  ahd.  öheim  (angls.  e'am)  aus  germ. 
awunh-  idg.  awdnko-  (lat.  avunculus)  und  got.  *fidurda  aus  idg. 
getw^thO'  behandelt  Mahlow  AEO  S.43. 


74  II-  Konsonantismus. 


y-Schwund  infolge  von  urgerm.  Kontraktion  dürfte  stecken  in 
(got.)-germ.  priz  aus  *ßrijiz  'drei'  aus  idg.  treyes  (ind.  trdyas\ 
gasttz  'Gäste'  aus  "^ghostejes^  germ.  friz  'frei'  aus  ^prijes  (ind. 
priyä-s)\  germ.  hauziz  (got.  hauseis)  aus  '^kousejesi\  got.  bairau  aus 
*beraju  =  idg,  bherojm  nach  Paul  Beitr.  4,  378.  —  Got.  ^«.f/^  Gen. 
Plur.  (vgl.  angls.  leoda  aus  *leuäin)  zeigt  ^  aus  ^/^;«  kontrahiert 
(vgl.  got.  suniwe).  Ein  gelegentliches  Schwanken  der  /-Deklination 
in  die  «-Deklination  findet  vielleicht  durch  ähnliche  Annahmen 
eine  Erklärung:  zu  got.  haimi-m  Nom.  Plur.  haimös  {dz  =  djes})\ 
zu  got.  wegi-m  Nom.  Plur.  wigos  {os  =  öjes?);  zu  den  z-Stämmen 
auf  fni  (got.  laiseins)  lauten  die  Nom.  Plur.  got.  -einös  {laiseinös) 
=  ahd.  -fnä  {höhtnä  festtnä) ;  wahrscheinlich  wechselten  nach  ähn- 
lichen Normen  wohl  auch  got.  aiwi-  :  atwö-,  saiwi-  :  saiwö-.  Beim 
schwachen  Verbum  spielen  die  Kontraktionen  eine  Rolle,  indem 
idg.  -ojesi  -ajesi  -ejesi  im  Germanischen  eben  durch  Kontraktionen 
zu  dz{i)  aiz(i)  iz{i)  verschmolzen  sind  (unten  Kap.  41). 

§  56.  Durch  Vokalisierung  erleidet  w  nach  idg.  Gesetzen 
Einbuße  resp.  Zuwachs  durch  Entstehung  aus  u  resp.  Um- 
wandlung zu  u :  vgl.  germ.  swin  'Schwein'  zu  sü  'Sau' ;  angls.  ofor 
'Fischotter'  zu  wceter  'Wasser';  an.  sofa  'schlafen'  zu  svefn\  got. 
fidwör  :fidur-\  mhd.  ürte  'Zeche'  zu  wirt\^  an.  soppr  svgppr  'Ball'; 
angls.  sulh  kent.  swulung  (Grdf.  swlk-) ;  an.  sorta  'schwarze  Farbe' 
zu  svartr\  angls.  dol  neben  dwola\  angls.  dwses  :  dysig\  angls. 
sund  'das  Schwimmen'  aus  Wz.  swem\  angls.  äsolcen  zu  mhd. 
swelken\  angls.  äcollen  zu  mhd.  quellen;  ahd.  gidungan  zu  dwingan. 
Über  die  Assimilierung  von  nu  nw  zu  nn  s.  §  59.  Beachtenswert 
ist  w  als  Konsonant  in  germ.  twa  'zwei'  gegen  gr.  buo  (aber 
bFiubeKa)  lat.  duo  zend.  dua  (ind.  dua  und  dva) ;  anderseits  germ. 
niuja-  'neu'  gegen  ind.  ndvya-  nävtya-  (lat.  Novius\  got.  siuja  =  ind. 
sivyä-mi^  got.  frauja  ind.  pürviä-  usw. 

§  57.  y  für  w.  Einige  idg.  w  erscheinen  im  Germ,  als  y  (Bugge 
Beitr.  13,  504),  ohne  daß  sich  eine  strenge  Lautregel  erkennen 
ließe;  folgende  sichere  Fälle  zeigen  diesen  Wandel  in  der  Laut- 
folge 'Uwu-  und  -uwi-:  ahd.  Jugund  angls.  geogop  zu  'got.  junda 
aus  *juw9ntä  =  lat.  juventa  re.s^.juvenis  ind.  yuvdn-;  asächs.  ahd. 
jügiro  'jünger'  aus  "^yurnis-  §  285;  asächs.  bruggia  aus  *bruwt-  (an. 
brü  altgall.  brzva  'Brücke'  =  ahd.  bräwa  'Braue');  asächs.  muggia 
aus  "^muwt-  (=  an.  my  gr.  |Lima);  angls.  sugu  aus  "^suw  =  sü 
'Sau' ;  got.  sugil  (Runenname)  angls.  sygel  sigel  'Sonne'  aus  *suwil 
(=  ind.    süar)   neben    '^söwil   (got.   sauil).     Ebenso    verhält   sich 


II.  Konsonantismus.  75 


asächs.  nigtm  angls.  nigon  'neun'  aus  *niwun  zu  ahd.  niwan  lat. 
novem  s.  §  300. 

§  58.  Verschärfungen  von  y  und  ze;.  Diese  Konsonanten  er- 
scheinen im  Germanischen  bald  einfach,  bald  in  einer  Verschärfung, 
die  Holtzmann  Isid.  129  Ad. Gr.  I  109  erkannt  hat.  So  haben  wir 
im  Got.  waja-  bajöps  fawai  awö^  ferner  die  Stämme  triwa-  kniwa-^ 
anderseits  glaggwus  bliggwan  waddjus  twaddje.  Und  zu  got.  glagg- 
wus  triggws  stimmt  an.  glgggr  tryggr,  anderseits  steht  dem  an. 
hgggva  ahd.  houwan  asächs.  hauwan  angls.  heawan^  dem  an.  dggg{v) 
ahd.  tou  asächs.  dau  angls.  deaw,  dem  an.  ugla  (aus  ^^uggwaldn) 
ahd.  üwila  'Eule'  gegenüber.  Also  entspricht  den  ostgerm.  hagg- 
wan glaggwus  daggwa-  uggwalön-  j-z^^^^ze;««- im  Westgermanischen 
hauwan  glauw  dauw  uuwalö  {uwalo)  skuuwan-  {sküwan-). 

Ähnliche  Verschärfung  vor  j  zeigen  got.  twaddje  an.  tveggja ; 
got.  waddjus  an.  veggr\  got.  iddja  'ich  ging';  an.  Frigg\  dem  an. 
egg  (got.  ^addj  =  krimgot.  ada)  entspricht  ahd.  as.  ez^  dem  got. 
twaddje  ahd.  zweio.  Die  ostgerm.  Lautentwicklung  war  ursprgl. 
twaggje  —  haggwan  =  an.  tveggja  —  hgggva^  das  Gotische  hat 
sekundär  das  ursprgl.  ggj  durch  ggj  in  ddj  gewandelt  (Joh.  Schmidt 
KZs.  23,  294,  Braune  Beitr.  9,  545).  Die  urgerm.  Grundformen 
schreiben  wir  jetzt  am  deutlichsten  mit  Braune  ibid.  twajje  hawwan. 

Die  wahrscheinliche  Ursache  dieser  urgerm.  Verschärfung  ist 
die  idg.  Betonung  des  unmittelbar  vorhergehenden  kurzen  Wurzel- 
vokals nach  QF.  32,  127;  vgl.  got.  iddja  'ich  ging'  mit  ind.  äyänt 
'ich  ging'  (unten  §  174);  got.  daddja  aus  ^dajjö  =  ind.  dhdyämi\ 
mit  got.  twaddje  vgl.  den  Genetiv  Dualis  ind.  dvdyös. 

Dagegen  waren  auf  dem  Suffix  betont  und  entbehren  die  Ver- 
schärfung Fälle  wie  got.  bajöps  'beide'  aus  vorgerm.  bhoyöt-\ 
got.  qiwa-  =  ind.  jtvä-  'lebendig' ;  germ.  frija-  'frei'  =  ind.  priyd- 
'lieb'. 

Insofern  der  vorgerm.  Akzent  das  Auftreten  der  Verschärfung 
regelt,  ist  hier  auch  eine  Art  von  grammatischem  Wechsel  möglich 
von  jj  :  j  und  ww  :  w;  vgl.  an.  Frigg  aus  "^frijjö  zu  frijön  'lieben', 
an.  sngggr  'schnell'  zu  got.  sniwan  'eilen',  an.  hgggva  neben  got. 
hawi  'Heu*,  an.  tryggr  zu  trur\  got.  kijans  Part,  zu  *kiddjan.  Dem 
ind.  dvi-  'Schaf  entspricht  ahd.  ou  aus  *awwiz^  aber  angls.  eowu 
an.  dr  ist  germ.  awiz. 

Anmerkung.  In  got.  waddjus  neben  angls.  wdg^  in  ahd.  reia  neben  rM,  auch 
in  angls.  blcege  nhd.  biete  neben  blicke  steckt  ein  Lautgesetz,  wonach  germ.  -a/Yy- 
zu  -ajj-  wird. 


76  II.  Konsonantismus. 


Kap.  i6.    Konsonantengruppen. 

A.  Geminaten. 

Nur  in  geringem  Umfang  läßt  sich  der  Ursprung  der  zahl- 
reichen urgerm.  Geminaten  ermitteln.  Die  j  und  w^  die  in  spä- 
terer, d.  h.  westgerm.  Zeit  dehnenden  Einfluß  auf  vorhergehende 
Konsonanten  üben,  haben  in  der  urgerm.  Zeit  nicht  dieselbe 
Wirkung  gehabt:  derjenige  Konsonant,  der  im  größten  Umfang 
für  die  meisten  gemeingerm.  Geminaten  verantwortlich  gemacht 
werden  muß,  ist  n^  das  durch  Angleichung  nachweislich  vielfach 
eingebüßt  hat. 

§  59.  Geminiertes  n  selbst  hat  mehrfachen  Ursprung,  zumeist 
aus  nw  nti\  got.  minniza  'weniger'  aus  ^minwis-  zu  lat.  minuo  gr.  )ai- 
vuuu ;  an.  punnr  ahd.  dunni  neben  lat.  ienuis  (ind.  tanü-) ;  got.  mann- 
aus  ^manzü-  (ind.  manu-) ;  got.  kinn-us  'Kinn'  aus  idg.  genw-  (ind. 
hdmi  gr.  fevu-  QF.  32,  46;  KZs.  24,  428);  ahd.  tanna  ind.  dhänvan- 
'Bogen'  Schrader  Sprachvergl.^  S.  104;  daher  kann  ahd.  senawa 
'Sehne*  nicht  aus  idg.  senwä^  sondern  nur  aus  "^senawa-  (vgl. 
ind.  snävan-)  entstanden  sein.  —  Selten  entsteht  nn  aus  ndn: 
ahd.  httnno  'centurio'  für  *kundno  zu  kund  'hundert' ;  ahd.  sinnan 
'gehen'  zu  sind  sentan  'senden'  Beitr.  8,  185.  —  Außerdem  ent- 
steht nn^  wenn  n  im  Wurzelauslaut  und  n  im  Suffixanlaut  zusam- 
mentreffen: got.  kun-mi-m  (zu  der  idg.  Wz.  gnö  gdn)  =  ind. 
jä-nt-mäs  aus  idg.  gpn-nd-mes ;  hierher  got.  brin-nan  und  rin-nan 
neben  angls.  bryne  'Brand'  und  ryne  'Lauf. 

§  60.  Geminiertes  r  und  m.  Unklar  sind  noch  immer  die 
gemeingermanischen  rr  und  mm\  vgl.  got.  fairra  'fern',  qairrus 
'sanft',  wamms  'Makel';  swimman  könnte  mit  Rücksicht  auf  an. 
symja  aus  '^swem-nan  gedeutet  werden.  In  ahd.  hamma  'Schenkel' 
(gr.  Kvri|ur|  altir.  cnäini)  ist  mm  nach  v.  Firlinger  KZs.  27,  559 
aus  n  +  m  (Grdf.  kan-mä)  zu  erklären,  wie  der  got.  Dativ  Plur. 
hanam  für  '^hanammiz  aus  *hanan-miz.  —  In  got.  im  'ich  bin', 
pamma  imma  'dem,  ihm'  muß  urgerm.  mm  aus  zm  als  lautgesetz- 
liche Vertretung  gedeutet  werden  (ind.  asmi  gr.  ei)Lii,  ind.  tas- 
niäd  asmäd). 

Übrigens  ist  rn  gemeingerm.  durchaus  statthaft :  got.  kaum  kaürn 
paürnus  qairnus\  asächs.  harn  torn  ßrni\  angls.  styrne  (lat.  str^- 
nuus)  murnan  spurnan  wyrnan.  Wechsel  von  rr  :  rn  begegnet  in 
oberd.  sterro :  fränk.  sterno  asächs.  sterro  angls.  steorra  an.  stjarna 


II.  Konsonantismus.  tj 


got.  stairnö  'Stern';  in  got.  andstaurran  'murren'  ahd.  stornen\ 
in  got.  qairrus  neben  älter  nhd.  körnen  'ködern';  in  ahd.  w'erra 
werna ;  beachte  angis.  fearn  'Farnkraut'  =  ind.  parnä-  'Flügel' 
wegen  der  Akzentuation.  —  mn  scheint  auch  im  Germanischen 
möglich,  allerdings  kann  die  seltener  auftretende  Verbindung  für 
in  stehen,  so  daß  got.  stibna  angls.  stefn  älter  als  ahd.  stimna 
wäre  (Grdf.  idg.  stebhnä}).  Aber  völlig  fehlt  germ.  mw. 
§  6i.     Germ.  //  hat  einen  durchsichtigen  Ursprung: 

a)  durch  mehrere  etymologische  Gleichungen  wird  Entstehung 
aus  idg.  In  gesichert:  got.  wtilla  ind.  ürnd  'Wolle';  got.  fulls  ind. 
pürnd-  (lat.  plenus  altir.  län) ;  ahd.  w'ella  aslav.  vlüna  (lit.  vilnis) 
'Welle';  ahd.  stollo  ind.  sthünä  'Pfosten'  aus  idg.  sthdlnä;  ahd.  stilli 
aus  Idg.sthelnu  (ind.  sthänü-  'unbeweglich') ;  ahd.  kallöm  ind.  gTnämi. 
Wahrscheinlich  ist  germ.  //  zumeist  aus  ursprgl.  In  zu  erklären, 
also  got.  falla  aus  *fal-na-^  wallan  aus  "^wal-na-  usw.;  angls. 
hyll  'Hügel'  aus  '^hulli-  =  lat.  collis  aus  idg.  kdlnis  (vgl.  lit.  kalnas 
'Berg');  got.  fill  iyaX.  pellis)  aus  ^pel-no-\  beachte  angls.  swellan 
neben  swyle  'Anschwellung'.  Im  Urgermanischen  fehlt  überhaupt 
die  Kombination  In ;  daher  muß  idg.  In  unter  allen  Umständen  — 
ohne  Rücksicht  auf  die  Akzentuation  —  zu  //  geworden  sein. 

b)  Durch  andere  Etymologien  wird  nach  Sievers  IF  IV  335  Ur- 
sprung von  //  aus  germ.  dl  erwiesen  (nicht  aus  //,  wie  Eschmann, 
Ad  linguae  germ.  historiam  symbolae  S.  17  gewollt  hat);  vgl.  mlat. 
(Lex  Sal.j  mallus  =  got.  maßl;  hd.  stall zms  "^sihadklo  (eigtl.  'Standort') 
=  lat.  stabulum\  ahd.  wallön  neben  wadaldn\  got.  spül  aus  idg. 
sq-etlö-m  =  altir.  scel  zu  Wz.  seq  unten  §  69^.  Auch  die  Lautgruppe 
dl  fehlt  gemeingermanisch. 

§62.  Geminierte  Spiranten  (abgesehen  von  ss)  kennt  die 
gemeingermanische  Zeit  nur  selten. 

a)  Für  ff  und  hh  dürften  keine  sicheren  Beispiele  aufzubringen 
sein,  wenn  man  nicht  einigen  onomatopoietischen  Verben  wie 
angls.  ceahhetian  cohhettan  *sihhian  (mittelengl.  sighen)  oder  ahd. 
juhhazzen  kahhazzen  mhd.  wuchzen  kicken  urgerm.  Alter  beilegen 
will.  //  ist  gemeingerm.  in  got.  aippau  'oder',  das  als  junge  Kom- 
position aus  germ.  eh-pau  aufzufassen  ist;  vgl.  ahd.  mitthönt  got. 
mippanei\  vielleicht  sind  für  got.  atta  'Vater',  an.  spotta  'spotten', 
an.  motte  'Motte',  angls.  Icetta  'Latte'  urgerm.  Formen  mit  //  an- 
zusetzen (ahd.  Ätto  spottÖ7t  motta  lattd). 

b)  SS  ist  die  einzige  urgerm.  geminierte  Spirans  und  hat  durch- 
weg deutlichen  Ursprung;  sie  beruht  entweder 


78  II.  Konsonantismus. 


a)  auf  idg.  ts :  andd.  wissun  aus  *witsnt  Osthoff  Perf.  397,  got. 
missö  'wechselseitig'  (zu  ind.  mithds  Adv.)  aus  idg.  mitsäm  mi- 
th(e)säm\  nach  Joh.  Schmidt  Plur.  S.  379  an.  eisa  'glühende  Asche' 
aus  "^aidhs-  vgl.  gr.  aiGoq;  oder 

ß)  zumeist  auf  idg.  t(d)  +  t\  alle  auf  idg.  dentale  Verschlußlaute 
und  Aspiraten  ausgehenden  Wurzeln  nehmen  im  Germanischen 
wie  im  Lateinischen  und  Keltischen  bei  /-Suffix  ss  an ;  eine  Mittel- 
stufe st  ist  ausgeschlossen.  Belege  sind  got.  hassaba  'scharf  zu 
katjan^  gaqiss  'Übereinstimmung'  zu  qipan^  twis-stass  zu  standan^ 
gawiss  zu  witan  u.  a.  Das  z  von  got.  andawleizn  'Gesicht'  neben 
wlits  und  angls.  wUtan  für  -ssn-  (§  64)  scheint  nicht  auf  altem 
grammatischem  Wechsel  zu  beruhen,  sondern  junge  sekundäre 
Anlehnung  zu  sein. 

§  63.  Geminierte  Tenues  fehlen  der  idg.  Grundsprache, 
aber  der  germ.  Inlaut  hat  sie  in  großem  Umfang;  daß  sie  se- 
kundären Ursprungs  sind,  ergibt  sich  aus  Wurzelverwandten 
mit  einfachem  Wurzelauslaut.  Es  ist  dabei  zu  beachten,  daß  kk 
pp  tt  auf  germ.  Wurzeln  mit  auslautendem  k  h  oder  g^  t  p  d^ 
f  p  b  zurückgehen  können ;  die  gemeinsame  Dehnung  der  Guttu- 
ralreihen ist  kk^  die  der  Dentalreihe  //,  die  der  Labialreihe  pp.  Wahr- 
scheinlich liegen  Angleichungen  von  n  an  vorhergehende  idg. 
Verschlußlaute  vor  (Bezzenberger  Gott.  Gel.  Anz.  1876,  S.  1374): 
got.  bilaigdw.  asächs.  likkoian  'lecken'  (gr.  XixveOiu);  angls. /nV^Ä 
'Herold'  zu  ind.  pragnä-  'Befragung'  und  lat.  precor\  ahd.  ziga 
:  ziccht;  an.  kid:  ahd.  chizzt\  3.n.  ßrüga:  asächs.  thrukkian\  ahd. 
fliogan  :flucchi\  ahd.  ziohan  :  zocckön;  ahd.  ntgan  :  nicchen\  ahd. 
trüha  :  truccha\  an.  hrüga:  angls.  hrycce  {Jtreac)\  angls.  ^^// neben 
höd  'Hut' ;  ahd.  smoccho  'Rock'  zu  smiogan. 

§64.  Ausnahmen.  Daneben  hält  sich  jedoch  «nach  Verschluß- 
lauten und  Spiranten  auch  sehr  häufig,  ohne  assimiliert  zu 
werden:  ahd.  Uhan  aus  germ.  laihn-  (ind.  riknas),  got.  aühns  (gr. 
iTTVog)  apns  rahnjan  u.  a.;  angls.  swefn  (ind.  svdpna-  gr.  uttvo^), 
täcen  fdcen  beacen  u.  a.  Wahrscheinlich  ist  diese  Doppelbe- 
handlung aus  Akzentwechsel  zu  erklären,  so  daß  angls.  tdcen 
auf  Grdf.  doigno-^  angls.  isecan  (aus  ^taikkjan)  auf  vorgerm.  doignejo 
zurückzuführen  wären.  Die  häufige  Assimilierung  im  Innern  der 
Verbalstämme  spricht  für  Suffixbetonung  {^-nd  nü-),  aber  für  die 
Akzentuierung  der  Nomina  vgl.  ind.  riknas  svdpna-  sowie  die 
tonlosen  Spiranten  von  got.  aühns  ahd.  ovan.,  got.  apns.  Freilich 
bleibt  an.  botn  =  ind.  budhnd-  (:  gr.  TTu6jLir|v)  auffällig;  aber  got. 


II.  Konsonantismus.  79 


fraihnan  kann  als  Parallelbildung  zu  brin-nan  (angls.  mur-nan 
spur-nan)  §  162  verstanden  werden.  Doch  macht  noch  asächs. 
th'egan  aus  germ.  pegna-  (:  gr.  T€KVOv)  Schwierigkeiten. 

§  65.  Vereinfachung  der  Geminationen  nach  langer 
Silbe  (vgl.  Beitr.  IX  152)  sind  mehrfach  zweifellos:  ss  wird  ge- 
meingerm.  zu  .f  in  angls.  hxs  'Befehl'  aus  *haisi-  (für  "^haissi- 
=  *kaztä-)  zu  haitan ;  angls.  füs  für  "^funsa-  (=  "^funsso  *funtto)  zu 
fundian  (über  got.  gilstr  aus  "^gelstro  für  *gelssro  =  *ghelt-tro  s. 
oben  §  39*);  angls.  ^s  ahd.  äs  germ.  esa-  aus  *issa-  Grdf.  etto-  zu 
Wz.  et  'essen'  (vgl.  lat.  isus  zu  edere)\  ahd.  muosa  'mußte*  für 
'^mossa  =  *mdtfa;  got.  anabüsns  aus  *-büsni-  für  "^büpsni-  =  *bhütsni-\ 
got.  usbeisns  aus  '^btssni-  für  *bipsni-  =  *bhttsm-  oben  §  35c; 
ferner  angl.  brosnian  zu  breotan  und  ebenso  angls.  formolsnian 
'verwittern*  zu  ind.  m^tsna-  'Staub'.  Über  die  Erweichung  von  .y 
zu  s  in  got.  andawleizn  (eigtl.  wlttsna-)  s.  §  62  ß. 

Anmerkung.  Ein  vorgerm.  Fall  von  Verkürzung  langer  Konsonanten  liegt 
vielleicht  vor  in  goxm.  f'epro-  'Feder'  aus  *petro-  für  *pettro-(ynA.  pat-tra-)  de  Saus- 
sure Memoires  de  la  Soc.  6,  246;  angls.  heorpa  ahd.  herdo  'Fell'  ind.  krtii-\ 
asächs.  wurd  'Geschick'  ind.  vj'tti-;  ahd.  fuotar  aus  ^pät-tro-  zu  gr.  TraT^oiaai; 
wohl  auch  mhd.  luoder  'Lockspeise'  aus  idg.  lät-tro-  (zu  ahd.  ladon  'locken, 
laden');  got.  hairpra  angls.  hr'eper  aus  "^kerttro  *kreiiro  zw.  lat.  cord-gx,  Kapb-(a? 
Sonst  vgl.  über  vorgerm.  tt  =  germ.  ss  §  35. 

B.  Anlautende  und  inlautende  Konsonantengruppen. 

§  ^.  Das  Germanische  kennt  im  Anlaut  manche  Konsonanten- 
verbindung wie  km  hm  gm  tm  pm  dm  (tn  pn  dn)  pm  fm  bm  nicht, 
weil  das  Indogermanische  entsprechende  Anlautsgruppen  nicht 
kannte ;  wo  etwa  im  Indischen  oder  Griechischen  solche  Anlaute 
vorkommen,  sind  sie  durch  Systemzwang  oder  Anlehnung  zu  er- 
klären.   Vgl.  R.  M.  Meyer  ZfdA.  38,  46. 

Daß  //  als  idg.  Anlaut  möglich  war,  lehren  got.  pliuhan  plaqus 
(unten  §  148).  Aber  germanisch  fehlt  jede  Spur  von  anlautendem 
dl  und  tl\  daß  idg.  dl  im  Anlaut  möglich  war,  möchte  man  aus  ind. 
dräghtyas-  'länger'  zu  dirghd-  'lang'  =  gr.  öoXixö?  schließen.  Aber 
es  läßt  sich  nicht  ermitteln,  ob  idg.  dhl  und  dl  ins  Germanische 
anlautend  vererbt  wurden  und  wie  sie  vertreten  sind. 

§  67.  Idg.  sklskmskn  erscheinen  im  Germanischen  nach  Johans- 
son Beitr.  14,  289  als  sl  sm  sn\  mit  lat.  claudo  'schließe'  wird 
ahd.  slioggau  auf  eine  idg.  Wz.  sklud  zurückgeführt;  mhd.  slanc 
'schlank'  mit  Rücksicht  auf  angls.  hlanc  'mager'  auf  idg.  skieng. 


8o  II.  Konsonantismus. 


Auch  im  Inlaut  kennt  das  Germanische  die  genannten  Konso- 
nantengruppen nicht. 

§  68.  Die  idg.  Anlautsverbindung  mr-  scheint  im  Germanischen 
anlautend  durch  br  (für  mbrT)  vertreten  nach  Osthoff  MU  V  85 
und  Johansson  KZs.  30,  445;  vgl.  angls.  brcegen  'Hirn'  mit  gr. 
ßpeX|Liö^  aus  *mrogh-  *mregh-. 

§  69.  a)  Falls  //  ein  indogerm.  möglicher  Anlaut  gewesen  ist, 
muß  vorgerm.  Erleichterung  zu  ^  angenommen  werden;  vgl.  got. 
fairzna  =  ind.  pärsni-  gegen  gr.  iTTepva ;  ahd.  varn  =  ind.  parnä- 
'Blatt'  gegen  gr.  TTiepi^  'Farnkraut'  (Wz.  pet  'fliegen');  ahd.  vesa 
=  lat.  pisum  gegen  gr.  TTTiCTdvri;  ahd.  velawa  gegen  gr.  TiTeXea 
'Ulme'.  So  wäre  eine  idg.  Anlautsgruppe  kt(ghdh)  =  ind.  ks  vor- 
germ. zu  k  (gh)  erleichtert;  vgl.  got.  haims  mit  ind.  ksima-\  got. 
guma  lat.  homo  mit  gr.  xöiwv  'Erde'  ind.  ksam-. 

b)  Ob  es  eine  idg.  Anlautsgruppe  ks  gab  und  ob  sk  ihr  germ. 
Vertreter  war,  ist  schwer  zu  entscheiden;  vgl.  ind.  ksubh  mit 
ahd.  scioban}  ind.  ksud  mit  ahd.  scionsan}  ind.  ksirä-  'Milch'  mit 
got.  skeirs} 

c)  Beachtenswert  ist,  daß  sq  als  Anlaut  germ.  nicht  zu  erweisen 
ist.  Ein  Beispiel  legt  den  Verdacht  nahe,  daß  dafür  sw  einge- 
treten ist:  an.  svgppr  'Schwamm'  =  gr.  (TcpoYTO?  aus  idg.  skhwongo-} 
In  einem  andern  Beispiel  erscheint  vielmehr  sp :  got.  spül  falls  für 
"^sqedla-  =  kelt.  sqetlo-  in  altir.  scel  'Geschichte'.  Vgl.  noch  an.  spjöt 
'Spieß'  zu  skjöta  Wz.  sqeudt 

Anlautendes  sr  wird  wie   inlautendes  sr  behandelt  vgl.  §  39  a. 

§  70.  Die  an-  und  inlautenden  germ.  Verbindungen  sk  st  sp 
sind  verschiedenen  Ursprungs.  Im  Anlaut  stehen  sie  sowohl  für 
idg.  sk  st  sp  als  auch  nach  §  35b  für  idg.  skh  sth  sph  (in  got. 
skaidan  gr.  CTxi^iuj,  ahd.  stän  ind.  sthä^  angls.  spöwan  ind.  spkä).  Im 
Inlaut  gelten  die  gleichen  Entsprechungen:  3hd.  ßrst  indi. pTsß(^'\ 
got.  ist  gr.  ^CTTI  ind.  dsti\  angls,  weste  lat.  västus. 

Außerdem  aber  können  inlautende  germ.  sk  st  nach  §  40  a  auf 
zg  zd  beruhen  (germ.  nesta-  'Nest'  aus  idg.  nizdo-,  germ.  masqan- 
aus  idg.Ä>2ö52§-<2-);  vielleicht  war  diese  Entsprechung  auch  anlautend 
möglich,  wofür  jedoch  sichere  Belege  fehlen. 

Germ,  sp  kann  nach  §  69c  auf  eigtl.  sq  beruhen  (got.  spül  altir. 
sceT),  Anlautendes  sq  fehlt  völlig,  aber  im  Inlaut  war  sq  möglich, 
vgl.  got.  wrisqan  und  an.  mgskve  'Masche'. 

Germ,  str  kann  nach  §  39  a  auf  eigtl.  sr  beruhen. 

Germ,  st  in  got.  brunsts  ansts  ahd.  kunst  runst  asächs.  giwunst 


IL  Konsonantismus.  8i 


wird  vielfach  aus  dem  nn  (aus  nw  §  59)  der  zugehörigen  Verba 
abgeleitet;  aber  eher  beruht  es  auf  Analogie  einiger  Grundtypen, 
wozu  wir  got.  ansts  zählen,  das  auf  einer  germ.  Wz.  ans  uns 
beruhen  kann  (ahd.  unnan  für  unzan}). 

Kap.  17.    Metathesen. 

§  71.  Konsonantenaustausch  von  dem  Typus  akefo  ateko  ist 
in  gemeingerm.  Zeit  sehr  selten ;  es  zeigt  sich  kaum  ein  Fall,  in 
dem  alle  Dialekte  zusammentreffen.  Doch  dürften  mehrere  Bei- 
spiele in  die  ältere  germ.  Zeit  zurückreichen.  Vgl.  ahd.  m^h 
andd.  etik  aschwed.  etikia  (aber  Schweiz,  auch  ächis)  aus  ateco 
aceto  lat.  acetum\  angls.  ticcen  ahd.  chizzt\  ahd.  ziga  (für  '^tigö 
=  *gitö)  zu  geis  DWb.;  angls.  weleras  got.  wairilös\  ahd.  elira  erila\ 
bayr.  ziimpfel  (aus  '^tump^  neben  angls.  pintel  'penis' ;  mhd.  kitzeln 
engl,  to  tickle  (Wz.  tiq  qit)\  henneb.  zipf  ahd.  pfifft^  aus  *tipuita 
lat.  pituita\  md.  kane  andd.  naco  'Nachen'.?  mhd.  biihel  =  hübel> 
ahd.  (Notker)  neimen  für  meinen}  ahd.  nagaber  Gl.  II  6  aus  nabager 
(mhd.  nabeger  und  nagber). 

§  72.  Vorgerm.  Metathesen.  Neben  diesen  sporadischen 
Fällen  begegnen  Metathesen  von  n^  die  aus  der  idg.  Grundsprache 
übernommen  sind  (vgl.  Joh.  Schmidt  KZs.  23,  288) :  ahd.  nabulo 
gr.  ö|LicpaXö(;;  ahd.  naba  lat.  umbo\  ahd.  chnebil  \  chembil\  angls. 
cnäwan  :  cunnan  (got.  kun-ßs)  steht  dem  ind.  jnä :  Jan  (gr.  fvvjxöc; 
lat.  i-gnotus)  parallel;  ahd.  chnuat  got.  knöps  neben  ahd.  chin-d 
erinnert  an  gr.  yvujtÖ(;  'Verwandter'  zu  Wz.  yev  (ind.  jnäti-) ;  vgl. 
noch  ahd.  hamma  mit  gr.  Kvrjiiiri  (altir.  cndini)^  ahd.  nagal  mit 
lat.  unguis^  got.  namö  mit  altir.  ainm. 

§73.  r-Metathesen  zeigt  das  Germanische  reichlicher;  zumeist 
ist  idg./*  §  105  die  Ursache  von  r-Metathesen  im  Germanischen: 
germ.  ar  ur  können  auch  zu  hoch-  und  mittelstufigem  ra  re  ro 
als  Schwundstufe  (idg.  t)  gehören,  vgl.  §  108 :  lat.  gränum  hd.  korn\ 
lat.  crätes  got.  haurds\  lat.  corpus  ahd.  href\  angls.  bord :  br'ed\ 
angls.  pr'ep-prop  :  porp ;  angls.  cornuc  ahd.  chranuh ;  ahd.  garba 
(ind.  gräbhd-)  zu  idg.  Wz.  ghrebh  (ind.  gvbh);  an.  röV  aus  *ze;r£?/ 
(lat.  räd-tx)  ahd.  würz;  ahd.  scarbön  :  screv6n\  Sihd. /orscön  :  frähen 
frägin\  ahd.  ^^rj^  zu  angls.  hrade\  angls.  cearcian :  cracian  ahd. 
chrahhön ;  ahd.  Trasan  ind.  dJiT^nü- ;  angls.  styrne  (aus  *sterni)  lat. 
strenuus\  sehr  auffällig  ist  an.  strodenn  Partiz.  zu  serda\  angls. 
^r^/  aus  ^bhrüto-  zu  Wz.  bherw  \dX.  ferveo\  d^n.  priipr  aslav.  tvrüdii 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  6 


82  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

'hart' ;  nhd.  zwerg  zu  trügen ;  got.  frauja  ind.  pürvid-  'erster'  — 
ahd.  frö  ind.  pürva-  'erster'  (vorgerm.  Grdf.  pj'wjo-  pfwo-)\  ahd. 
dröen  angis.  preawian  aus  praw-  zu  lat.  torvus ;  got.  straujan  und 
ahd.  strö  aus  straw  =  stj'-w  (gr.  aiop  ind.  siar). 

Wahrscheinlich  sind  angls.^r^'^<?r:  got.  hairpra^  got.fruma  :  angls. 
forma  anders  zu  beurteilen ;  die  Grdf.  des  ersteren  ist  wohl  k[e)r- 
(e)fro-\  wegen   got,  fr-mna   vgl.  hind-uma  inn-uma   unten  §  291. 

Metathesen  bei  /  sind  auch  auf  vokalischen  Zitterlaut  zurück- 
zuführen :  \dit.  plenus  altir.  Idn  (aus  *pl6no-)  =  ge,TVCi.fulla-  aus  "^pdl-nö- 
'^plnö-  (ind.  pürnd-)\  altir.  Idm  'Hand'  aus  *pldmä^  aber  dihd. /olma 
(vgl.  lat.  palmd)  aus  *pdlmä-  *plmä-\  lat.  clödus  claudus  aber  got. 
halts\  lat.  läna  für  *wlänä  =  ahd.  zc;ö//ä  (aus  *wplnd  *wlnd); 
angls.  foide  'Erde'  aus  ^pdlthwd-  ^plthwd-  idg.  Wz.  pleth  (ind. 
prdtkaSy  dih&v  prfhivi-)\  auch  ahd.  zc;*?//^^  gegen  aslav.  vlüna. 

III.  WORT-  UND  SATZAKZENT. 

§  74.  Die  Betonung  reguliert  den  Satz-  und  den  Wortrhythmus. 
Der  Wortakzent  verteilt  das  Silbengewicht  in  einer  Weise,  daß 
der  ganze  Entwicklungsgang  der  germ.  Sprachen  dauernd  dadurch 
bestimmt  wird:  mit  dem  Akzent  stehen  die  Verkürzungen  der 
Endsilben,  die  sg.  Auslautsgesetze  im  Zusammenhang,  die  germ. 
Alliteration  und  der  jüngere  Endreim  ebenfalls.  Insofern  der  Wort- 
akzent die  Rhythmik  der  Silben  im  Wort  bestimmt,  wäre  hier  nun 
die  Frage  zu  erledigen :  wo  im  Wort  liegt  die  Silbengrenze  für 
die  urgerm.  Zeit.?  Eine  Antwort  auf  diese  Frage  liegt  in  der 
Behandlung  der  Reime  im  Altnordischen,  wo  die  Silbenteilung 
hund-um^  dag-ar^  mgnn-um^  fang-enn^  all-e  usw.  lautet;  und 
angls.  Reime  finden  auch  nur  so  ihre  Erklärung.  In  der  jüngeren 
Zeit  des  Westgermanischen  wäre  ahd.  ta-ge,  hun-de^  man-ne^  al-le 
zu  trennen.  Rein  sprachliche  Kriterien  für  die  Urzeit  scheinen 
zu  fehlen.  Aber  vielleicht  ist  die  westgerm.  Konsonanten- 
dehnung §  157  so  zu  deuten,  daß  einmal  aus  sib-ja  sib-bja,  aus 
sit-jan  sit-tjan  geworden  ist.  Vielleicht  deutet  auch  die  hoch- 
deutsche Tenuesverschiebung  (/  zu  ff^  t  zu  n,  k  zu  xx)  darauf 
hin,  daß  etwa  im  4.  Jahrhundert  zunächst  für  Deutschland  eine 
Verschiebung  der  Silbengrenzen  eingetreten  ist.  Während  im 
Gotischen  noch  saiw-al-a  getrennt  war,  tritt  urdeutsch  "^se-wla 
als  Silbentrennung  auf;  und  indem  der  Silbenanlaut  wie  der  Wort- 
anlaut behandelt  wird,  schwindet  w^  es  tritt  sela  ein.  Das  Vernersche 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  83 

Gesetz  nimmt  auf  die  Silbentrennung  Bezug :  ist  *fap-er  zu  ^fad-er 
oder  vielmehr  ^fa-per  zu  '^fa-der  geworden  ?  Ich  glaube  nicht,  daß 
sprachhistorische  Erwägungen  dieses  Problem  lösen  können,  wenn 
man  die  Beweiskraft  der  Skaldenreime  nicht  in  Anschlag  bringen 
will.  Allerdings  dürfen  auch  germ.  Lehnworte  im  Romanischen 
in  Betracht  gezogen  werden :  das  germ.  flota  'Flotte'  (angls.  im 
8.  Jahrh.  bezeugt)  wird  rom.  flotta^  das  eher  auf  flot-a  als  auf 
flo-ta  beruht. 

Im  Satzrhythmus  haben  wir  zwischen  betonten  und  unbetonten 
Worten  zu  unterscheiden.  Einzelne  Worte  kennen  wir  im  Bereich 
der  idg.  Sprachen  nur  als  Atona,  dahin  gehören  Enklitika  wie 
lat.  que  (gr.  xe  ind.  ca)  =  got.  uh.  Die  Mehrzahl  aller  Worte  kann 
im  Altgermanischen  betont  oder  unbetont  auftreten:  Worte,  die 
an  und  für  sich  einen  Akzent  haben,  können  im  Satz  unbetont 
werden,  je  nach  ihrer  Stellung. 

Kap.  18. 
Die  indogermanische  Betonung  und  ihre  Wirkungen. 

§  75.  Seit  Bopps  Akzentuationssystem  1854  hat  der  griech.-ind. 
Akzent  ein  Anrecht  darauf,  für  altertümlicher  zu  gelten  als  der 
germ.  Aber  erst  mit  der  Entdeckung  Verners  KZs.  23,  97  (1875) 
ist  die  Tatsache  allgemein  anerkannt,  daß  der  altind.  Akzent  im 
großen  und  ganzen  prinzipiell  dem  urindogerm.  Akzent  am  nächsten 
steht.  Seit  Verners  Entdeckung  hat  man  dies  in  zahllosen  Einzel- 
heiten bestätigt  gefunden.  Danach  gestaltet  sich  der  idg.  Wort- 
akzent als  ein  durchaus  freier:  er  ist  nicht  durch  die  Quantität 
der  Ultima  oder  der  Paenultima  und  durch  kein  Dreisilbengesetz 
wie  im  Griechischen  und  Lateinischen  reguliert,  er  ist  auch  nicht 
an  erste  Wortsilben  wie  im  Germanischen  gebunden  —  der  idg. 
Akzent  kann  jede  beliebige  Silbe  eines  beliebiglangen  Wortes 
treffen,  einerlei  ob  Wurzel  oder  Suffix,  ob  langen  oder  kurzen 
Vokal;  er  ist  zugleich  wandelbar,  er  wechselt  wie  in  gr.  irobeq 
—  TTobüuv,  ind.  i-mi  —  i-tnds^  ind.  dura-  Kompar.  ddvtyams :  und 
zwar  hat  der  Akzentwechsel  als  wort-  und  formbildender  Faktor 
im  Indogermanischen  eine  große  Bedeutung  gehabt. 

§  yö.  Verner  hat  den  Beweis  erbracht,  daß  die  Erscheinung 
des  grammatischen  Wechsels  (Kap.  12)  im  idg.  Akzentwechsel 
eine  unzweifelhafte  Erklärung  findet,  woraus  sich  ergibt,  daß  der 
germ.  Akzent  eine  relativ  junge  Erscheinung  ist  und  daß  der  uridg. 

6* 


84  in.  Wort-  und  Satzakzent. 

Akzent  einst  auch  im  Germanischen  gegolten  haben  muß.  Wo  im 
Inlaut  nach  Kap.  12  tonlose  Spiranten  oder  tönende  Spiranten 
für  tonlose  stehen,  ist  die  vorgerm.  Betonungsweise  bestimmbar. 
So  deutet  got.  fädar  auf  vorgerm.  pater,  ahd.  swigar  auf  vorgerm. 
swekrti,  ahd.  snüra  auf  vorgerm.  snusti^  got.  fidwör  2^u{  md.  catväras^ 
got.  hdrdus  auf  gr.  KpaTuq,  an.  ylgr  auf  ind.  vxkt-. 

§  ']"].  Verner,  der  für  viele  Einzelworte  seine  Entdeckung 
verwertet  hat,  war  auch  der  erste,  welcher  die  systematische 
Verwendung  des  idg.  Akzents  für  Formreihen  erwies: 

a)  Er  zeigte,  daß  der  grammatische  Wechsel  im  Stammauslaut 
der  Faktitiva  auf  die  Betonungsweise  von  ind.  Faktitiven  wie 
säddyämi  veddyämi  hinweist:  germ.  laizjö  aus  *loisejö^  ndzjö  aus 
"^nosejö^  sdndjö  aus  ^sontejo^  Ididjö  aus  "^loitejö  usw. ;  es  ist  eine  durch- 
gängige Erscheinung,  daß  die  germ.  Kausativa  im  Wurzelauslaut 
tönende  Spiranten  für  tonlose  verlangen,  vgl.  an.  hldegja  zu  got. 
hlahjan^  westgerm.  nerian  zu  nesan  usw. 

b)  Verner  entdeckte  den  Zusammenhang  des  grammatischen 
Wechsels  im  starken  Verbum  mit  der  idg.  Betonung:  der  Akzent- 
wechsel im  Perfekt,  ind.  bibhida  :  bibhidüs^  tiitöda  :  fufudüs,  pa- 
päta  :  paptüs  usw.  erklärt  den  grammatischen  Wechsel  ahd.  sluoh  : 
shiogun,  asächs.  sah  :  sägon^  ahd.  zeh  :  zigun,  leh  :  liwun,  flöh  : 
ßugun,  quad  :  quätun^  ward  :  wurfun  usw. 

c)  Verner  zeigte,  daß  gewisse  Suffixe  mit  idg.  t  im  Germanischen 
^-Suffixe  werden,  wofern  vorgerm.  Suffixbetonung  gegolten :  got. 
tamida-  aus  idg.  domitö-  (ind.  damitä-)^  got.  satida-  =  idg.  soditö- 
(ind.  säditd-) ;  wie  das  Partizipialsuffix/^  indogermanisch  betont  war, 
so  zumeist  auch  das  Suffix  ti  der  Verbalabstrakta ;  ein  idg.  Suffix 
efä  wird  durch  Bildungen  wie  ind.  krürdtä  got.  hailipa  erwiesen. 

d)  Das  Vernersche  Gesetz  gestattet  Schlüsse  auf  die  Betonung 
der  Flexionssuffixe,  wofern  diese  tönende  resp.  tonlose  Spiranten 
enthalten :  Gen.  Sg.  dages  aus  ^da'^eso^  ahd.  nahtes  aus  *noktes  (Paul 
Beitr.  6,  550),  Nom.  Sing,  da^az  aus  ^dhöghos^  wulfaz  aus  ^wfkos 
usw. ;  dabei  ist  natürHch  zu  beachten,  daß  keine  individuellen 
Beweise  möglich  sind  —  wir  können  also  nur  behaupten,  daß  das 
Suffix  des  Nom.  Sing,  az  meist  unbetont,  des  Gen.  Sing.  es(o) 
dagegen  meist  betont  war ;  es  gab  natürlich  Schwankungen,  z.  B. 
Nom.  Plur.  6z  :  6s  oder  beim  Verbum  2.  Sing.  iz(i)  :  is(i),  3.  Sing. 
id(i)  :  ip(i)  usw.,  worüber  Paul  Beitr.  6,  546.  548  ff.  des  näheren 
handelt. 

§  78.  Für  die  idg.  Komposita  gelten  Akzentregeln,  welche  vom 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  85 

Ton  der  Simplicia  unabhängig  sind.  Das  Genauere  darüber  ist 
nicht  ermittelt,  wird  sich  auch  vielleicht  für  alle  Einzelfälle  über- 
haupt nicht  ermitteln  lassen.  Im  Germanischen  lassen  sich  die 
Wirkungen  des  Kompositionsakzents  an  dem  Charakter  von  in- 
lautenden tönenden  oder  tonlosen  Spiranten,  also  am  Vernerschen 
Gesetz  erkennen.  In  Betracht  kommt  besonders  das  Präfix  germ. 
tüz-  aus  vorgerm.  dus-  (ind.  dus^)  QF.  32,  132,  desgl.  germ.  uz- 
aus  idg.  us-^,  die  beide  vorhistorisch  wesentlich  unbetont  waren. 
Im  Angelsächsischen  besteht  Präfix  ed-  neben  ed-^  ahd.  ita-  neben 
Isidors  ith-^  wodurch  idg.  Akzentwechsel  für  die  idg.  eio-  ^//-Kom- 
posita erwiesen  wird.  Ähnlich  steht  es  mit  den  Suffixworten :  got. 
owairßa-  ^falßa-  neben  angls.  '^weard  an,  ^faldr. 

§  79.  In  folgenden  Fällen  ist  der  Anlaut  des  zweiten  Kompo- 
sitionselements den  Wirkungen  des  Vernerschen  Gesetzes  ver- 
fallen: Hernmn-duri  zu  Thuringi\  ahd.  meg^i-rahs  (angls.  meteseax 
asächs.  met-sas)  zu  sahs  Schmeller  BWb.  ^  I  1670;  ahd.  gabissa 
zu  vesa\  angls.  s ing äl zm  häl}  beachte  ahd.  anavalz  'Amboß*  angls. 
anfilt\  mndl.  aenbelt  ^dsv.  ambolt.  So  gehört  wohl  auch  angls.  cE-rende 
(ahd.  ä-runti)  zu  angls.  ä-sendan.  —  Das  erste  Kompositionselement 
zeigt  im  Inlaut  der  Zusammensetzung  andere  Verschiebung  als 
im  Simplex:  2ing\s.  fyßerfete  zu  got.  fidwor  (vgl.  ind.  cätiis-pad- 
zu  caiür-)  Beitr.  6,  394 ;  an.  fimbul-tyr  zu  ftfl-  Weinhold  ZfdA.  VI 
318;  got.  naudi  (+  bandi)  zu  naußi-  Joh.  Schmidt  AfdA.  VI  126; 
an.  Vingpör  zu  Veorr\  ahd.  (Otfr.)  endidago  zu  enti\  angls.  ander- 
gylde  nach  Cosijn  Tijdschr.  v.  ndl.  Taal-  en  Letterkunde  i,  155  zu 
ößer\  angls.  Tondbeorht  z\i  t6ß\  angls.  eagorstream  neben  ear-geblond 
[ear  aus  *eahor}).  Beachte  germ.  haßu-  als  hadti-  in  run.  (Strand) 
Hadu-  laikaz'Buggt:  Aarbog.  1884,  85  und  in  angls.  Niß-had.  Im 
Inlaut  des  zweiten  Kompositionselementes  zeigen  grammatischen 
Wechsel  got.  "^fadi-  (=  brüßfadi-)  =  ind.  -l  pati-  {göpati-)  z\i  pdti- 
QF.  32,  25;  an.  eim-yrja  zu  ysja  KZs.  26,  84;  got.  awiliud  zu 
liuß-äreis\  got.  unleds  eigtl.  'besitzlos'  zu  angls.  /^/'Grundstück' 
Dietrich  ZfdA.  13,  27;  angls.  ctswind  zu  swide\  angls.  ongnora  zu 
nosu  nasu\  neweseoda  zu  seod  'Beutel'.  Das  Resultat,  das  diese 
und  ähnliche  Fälle  ergeben,  ist  ein  vages,  insofern  die  genaue 
vorhistorische  Akzentstellung  z.  B.  in  Hermtmduri  got.  awiliud 
(doch  auch  lat.  leudus  bei  Venant.  Fortun.)  nicht  zu  ermitteln  ist. 
Für  Fälle  wie  angls.  fyßerfete  ahd.  gabissa  got.  unleds  britßfaßs 
läßt  sich  der  idg.  Akzent  allerdings   gewinnen  {qeturpöd  kapist). 


86  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

Kap.  19.    Der  germanische  Hauptton. 

§  80.  «Das  Germanische  hatte  noch  nach  dem  Eintreten  der 
Lautverschiebung  den  freien  indogermanischen  Akzent.»  Dies 
ist  das  chronologische  Resultat  von  Verners  Entdeckung.  Wir 
haben  oben  §  23  gezeigt,  daß  der  jüngere  germ.  Akzent  bereits 
im  Beginn  unserer  Zeitrechnung  geherrscht  haben  muß  :  die  Allit- 
teration  in  den  Namen  einer  Familie  wie  der  des  Arminius  (^^- 
gestes  Segimerus  Segimundus  Segithancus)  sowie  die  oben  §  23  a 
behandelte  Vokalisation  der  germ.  Eigennamen  lehren,  daß  zur 
Zeit  des  Tacitus  der  idg.  Akzent  im  Germanischen  nicht  mehr 
galt,  wie  ja  auch  der  grammatische  Wechsel  schon  durchgeführt 
war.  Die  Behandlung  des  Akzents  der  lat.  Lehnworte  kann  für 
die  Datierung  der  germ.  Akzentverschiebung  nach  keiner  Seite 
verwertet  werden,  da  die  lat.-roman.  Lehnworte  auch  in  jüngeren 
historischen  Perioden  sich  meist  der  germ.  Akzentuation  unter- 
geordnet haben.  Das  Germanische  hat  schon  in  vorhistorischer 
Zeit  den  freien  idg.  Akzent  aufgegeben  und  ein  eigenes  System 
dafür  durchgeführt:  die  durchgängige  Betonung  der  ersten  Wort- 
silbe: idg._pafer  zu  */aäer  zm  fdder \  idg.  swekrü  zu  '^swer^rfi  zu  ahd. 
swigar\  idg.  qetwöres  zu  "^fedwörez  zu  got.fzdwdr\  idg.  aikdme  'wir 
haben'  zu  *aigume  zu  got.  germ.  äigum ;  idg.  soditö  zu  got.  sätips ; 
idg.  domitö  zu  got.  tdmißs ;  idg.  duswirö-s  zu  tuzweri-z  zu  got.  '^tüzwers ; 
so  erhält  die  ursprünglich  unbetonte  Perfektreduplikation  im  Ger- 
manischen den  Akzent:  idg.  lelödnt  'sie  haben  gelassen'  got.  läi- 
lötun\  idg.  rerödhnt  'sie  rieten'  got.  räirddun\  idg.  bhrütipoti-s 
kmtöpotis  =  got.  brüpfaps  hündafaps.  Mit  dieser  Formulierung 
des  germ.  Akzentgesetzes  —  «Betonung  der  ersten  Silbe  jedes 
Wortes»  —  vertreten  wir  die  vielfach  verlassenen  Anschauungen 
Lachmanns  (1832)  Kleine  Schriften  I  366. 

§  81.  Wir  haben  oben  bereits  erwähnt,  daß  hier  das  Germa- 
nische mehrfach  Berührungen  mit  dem  Keltischen  und  dem  Ur- 
lateinischen aufweist,  wobei  wir  an  Thurneysens  Aufsatz  Rev. 
Celt.  VI  312  angeknüpft  haben;  die  slav.-lett.  Sprachen  bewahren 
teilweise  noch  heute  den  freien  idg.  Akzent  abgesehen  vom  Letti- 
schen, das  auch  rein  mechanisch  die  erste  Wortsilbe  betont  (beachte 
z.  B.  russ.  snochä  'Schwiegertochter'  =  ind.  snusä  ahd.  snura ;  russ. 
svekröv  'Schwiegermutter'  =  ind.  gvagrü-  ahd.  swigar\  russ.  zend  'Weib' 
=  gr. fuvri  ind. gnd;  russ.  cetyre  'vier'  =  ind.  catvdras  got.ßdwör).  Wir 
haben  es  hier  nicht  sowohl  mit  einer  gleichzeitigen  oder  gemein- 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  87 

samen  Akzentverschiebung  zu  tun  als  vielmehr  mit  einer  jener 
großartigen  Bewegungen,  die  auf  einem  Punkte  beginnen  und 
stets  voranschreitend  verwandte  Stämme  ergreifen.  Bei  dieser 
Auffassung  können  wir  die  abweichende  Behandlung  in  einzelnen 
Fällen  wohl  verstehen.  Im  großen  und  ganzen  zeigen  sich  Über- 
einstimmungen :  lat.  päter  ir.  äthir  got.  fädar  aus  idg.  pater^  lat. 
mäter  ir.  mdthir  ahd.  müoter  aus  idg.  mäter^  lat.  neptis  ir.  nicht 
ahd.  nift-ila  aus  nept-i  usw.  oder  lat.  cecidt  air.  memaid  got.  läildt\ 
lat.  de-di  ahd.  te-ta\  lat.  *tnimicus  aus  *in-amtcus^  '^inerntis  aus 
*in-armis, 

§  82.  In  einem  Punkte  weicht  das  Germanische  gänzlich  vom 
Lateinischen  ab,  nämlich  bezüglich  der  verbalen  Partikeln.  Das 
Urlateinische  betonte  die  Verba  auf  der  Partikel,  die  auch  im 
Indischen  im  Hauptsatz  betont  ist :  lat.  cöncido  dccolo  cöndo  edo ; 
vgl.  Zimmer,  Gurupujak.  S.  79.  Im  Gegensatz  dazu  läßt  das  Ger- 
manische die  Verbalpartikel  akzentlos  entsprechend  dem  ind. 
Nebensatz;  mit  dem  Germanischen  stimmt  im  wesentlichen  nach 
Thurneysen  Rev.  Celt.  6,  312  auch  das  Altirische  überein  (abge- 
sehen von  der  Imperativbetonung):  also  got.  (germ.)  gaqiman 
gadäban  duginnan  fr akünnan  fr ahtnp an  Msvf.\  beachte  auch  ahd. 
irfürren  irteillen  irlöuben  ir  lösen  zu  ürfür  ürloub  urteil  ürlöst 
(Otfr.  II  6,  54  a)  sowie  got.  andwaürdjan  zu  dndawaurdi.  Eine 
Spur  der  im  Lateinischen  geltenden  Regel  vermute  ich  für  das 
Gotische,  wo  die  Partikel  vom  Verb  durch  ein  Enklitikon  («  uh) 
getrennt  werden  kann  in  Fällen  wie  gä-u-Jva-sebi  diz-uh-ßan-sat  u.  a. 
KZs.  26,  68.  Noch  ist  Bezzenbergers  Deutung  (BBeitr.  5,  67)  ahd. 
folgen  aus  ^fola  +  S^'^  (•  asächs.  fuUgdngan)  zu  erwähnen,  woran 
sich  noch  angls.  fülwian  'taufen'  aus  ^fulwihjan^  ferner  got.  gafülla- 
weisjan  und  dingXs.  fyls tan  füllcss tan  Sisächs.  flllestian  a,hd.fölleisten 
angls.  fultumian  anschließen ;  hierher  auch  ahd.  git  aus  urgerm. 
gd-id  (=  gr.  eiCTi  ind.  iti  idg.  Wz.  «"  'gehen') } 

Wir  haben  hiermit  den  Hintergrund  gezeichnet  für  die  germ. 
Akzentuation,  zu  deren  einzelnen  Gesetzen  wir  nunmehr  übergehen. 

§  83.  a)  Im  Simplex  trifft  der  neue  germ.  Akzent  die 
erste  Wortsilbe,  einerlei  wo  der  vorgerm.  Akzent  geruht  hat: 
idg.  dekomt  'zehn'  ahd.  zihan^  idg.  wfkos  ahd.  wülf^  ind.  snuM  ahd. 
snüra,  ind.  pitdr  ahd.  fdter,  ind.  gvagrA  ahd.  swigar^  idg.  sontejö 
ahd.  sentu  'sende',  idg.  widnt  got.  witun  'sie  wissen',  ind.  damitd-s 
got.  tdmißs,  ind.  j^uvafd-s  'jung'  got.  jüggs^  ind.  svädü  ahd.  süoggi 
angls.  swe'tej   ind.  fatdm  gr.  ^kutov  got.  /lund.    Die  Formulierung 


88  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

Scherers  ZGDS*  151  «im  einfachen  Worte  trägt  das  materielle 
Element  desselben  —  die  Wurzelsilbe  —  den  Hauptton»  trifft 
tatsächlich  meist  zu;  aber  vom  genetischen  Standpunkt  aus  paßt 
sie  nicht  auf  Fälle  wie  got.  s-ind  =  ind.  s-änti  'sie  sind',  angls. 
s-öd  =  ind.  s-ät-^  got.  s-ünjis  'wahr'  =  ind.  s-atyd-  'wahr'  aus  der 
idg.  Wz.  es  'sein' ;  got.  t-ünpus  'Zahn'  =  ind.  d-at-  Wz.  Sd  'essen' ; 
got.  kn-iu  tr-iu  zu  ind.  jän-u  där-u\  ahd.  swtn  zu  sü\  ahd.  kr-anuh 
gr.  "fep-otvo<;;  got.fr-uma  'erster'  (gebildet  wie  hind-uma  inn-umd) 
zu  faür-a ;  angls.  hn-itu  'Niss'  gr.  KOV-ib- ;  got.  gr-edus  'Hunger* 
zu  ahd.  g'er-ön  'begehren'.  Am  energischsten  protestiert  die  Re- 
duplikation im  Germanischen  gegen  Scherers  Formulierung  und 
beweist  mit  Paul  Beitr.  6,  544  mechanische  Betonung  der  ersten 
Wortsilbe. 

b)  Die  Reduplikation  des  Perfekts  —  sie  kann  nirgends 
im  Indogermanischen  durch  ein  Enklitikon  vom  Verb  losgelöst 
werden  —  ist  im  Altindischen  durchaus  unbetont,  übernimmt 
aber  im  Germanischen  (wie  im  Urlateinischen  vgl.  *peperci  aus 
'^peparct^  "^cectdi  aus  '^cecaedt  usw.  sowie  im  Urkeltischen  vgl.  altir. 
cuala  =  "^küklova  'habe  gehört',  leblaing  memaid  bei  Windisch 
KZs.  23,  201)  den  Akzent  überall  da,  wo  sie  erhalten  geblieben: 
got.  hdihait  angls.  he-hi  aus  '^hehait^  got.  räiröp  angls.  reo-rd  aus 
*rer6d^  got.  Idilöt  angls.  kort  usw.  aus  '^leldt\  ahd.  t'eta  (doch  s.  §  174) 
gegen  ind.  dadhdii  bibhida  cakdra  tutöda  usw.  —  Auch  sonst  trägt 
überall  im  Germanischen  die  Reduplikation  den  Akzent;  so  in 
Präsensbildungen  wie  ahd.  se-sto-t  (gr.  laiaxi),  bi-be-t  (ind.  bi-bhe-ti) 
und  got.  rei-rai-p  unten  §  167,  ferner  in  Nominibus  wie  ahd. 
wi-wint  fi-f ultra. 

Für  die  Betonung  des  Augments  fehlt  es  im  Germanischen  an 
Material ;  das  einzige  got.  i-ddja  =  ind.  d-yä-t  'er  ging'  (idg.  e-ye-t 
zu  V^z.ye  'gehen')  stimmt  zu  unserer  Formulierung. 

§  84.  Nominal komposition.  Der  Akzent  trifft  im  zusammen- 
gesetzten Nomen  das  erste  Element  auf  der  ersten  Silbe:  ahd. 
Hiltibrant  Hddubrant  sünufatarung  güdhamo  chünincrtchi  wentilseo^ 
an.  midgardr  rekstoll  vdlhgll  jgtunheimr\  die  Betonung  Segestes 
Segimerus  Segimundus^  die  oben  §  80  erschlossen  wurde,  kann 
als  frühester  Beleg  für  den  Kompositionsakzent  gelten.  Die  Un- 
betontheit der  zweiten  Kompositionsglieder  führte  schon  in  vor- 
historischer Zeit  zur  Bildung  neuer  Suffixe  aus  selbständigen 
Worten  (ältester  Beleg  lat.  -varii  in  Amsivarii  Chäsuarii  Chdttuarii 
Bdmarii\  -^skapi-  -^döma-  ■^haidu-)\  vgl,  unten  §  277. 


III.  Wort-  und  Satzakzent. 


§  85.  Partikeln  in  der  verbalen  Zusammensetzung  sind 
unbetont:  got.  duginnan frakünnan  ahd.  firtüott ßrld$san  obld^%c,n. 
«In  ihnen  liegt  nur  Zusammenrückung,  Verschmelzung  vor,  eine 
Verschmelzung,  die  im  Gotischen  noch  nicht  vollzogen  ist»  {ga-u- 
laubjats)  Scherer  ZGDS  ^  82 ;  und  zwar  hat  sich  diese  Zusammen- 
rückung vollzogen  nach  dem  Eintritt  des  germ.  Akzentgesetzes 
(Hermann  KZs.  33,  531),  weil  sonst  der  Akzent  auf  das  Präfix  ge- 
fallen wäre.  Da  nun  aber  im  Indischen  die  Verbalpartikel  betont, 
das  Verbum  aber  unbetont  ist,  muß  man  annehmen,  daß  die 
Partikel  unbetont,  das  Verb  aber  betont  war  vor  der  Zusammen- 
rückung. 

Die  Regel  von  der  Unbetontheit  der  Verbalpartikeln  vor  Verben 
äußert  sich  im  Westgermanischen  in  der  Vokalgestalt  der  Präfixe 
(westgerm.  gi  ff  neben  gä  frd  usw.).  Auch  ist  die  Apokope  der 
Präfixvokale  in  asächs.  togian  (:  got.  at-äugjan  angls.  cet-ywait) 
KZs.  26,  69,  mittelengl.  taunen  aus  *cEt-eawnian  (ndl.  t-oonen  mfrk. 
Zonen)  und  asächs.  ge-t-ökon  aus  asächs.  at-aukön  zu  beachten. 
Vgl.  angls.  r^fnan  aus  ar-^fnan  Paul  Beitr.  VI  553 ;  angls.  blinnan 
=  got.  a/-linnan  aus  germ.  ab-imnan  'aufhören'  (vgl.  ahd.  bi-/innan)-, 
ahd.  spreiten  gleich  got.  us-bräidjan\  ahd.  b-armen  'erbarmen'  = 
angls.  of-earmtan  ZfdW.  8,  29. 

§  86.  Verbalpartikeln  in  Nominibus  sind  betont: 

a)  in  Substantiven  (Lachmann  366 ff.):  ahd.  bibot  'Befehl'  zu 
bibiotan^  frd-iät  zu  firtüon^  gdscaft  zu  giscepfan^  zürgang  zu  zir- 
gdngan^  angls.  öndgit  zu  ongttan^  got.  dndabeit  zu  andbeitan^  dnda- 
halt  zu  andhditan^  dndahafts  zu  andhdjjan^  dndanumts  zu  and- 
niman\  ahd.  dnagin  neben  angls.  onginnan\  angls.  secelma  'Frost- 
beule' zu  acdlan ;  wohl  auch  angls.  drende  'Botschaft'  zu  äsendan 
'absenden'  und  rv^id.  vrdsüme  'Versäumnis'  zn  versümen\  wertvoll 
ist  auch  das  bisher  nicht  beachtete  Verhältnis  von  angls.  wiper- 
cwide  ^cora  ^saca  ^winna  ^steall  zu  wip-cwedan  ^ceosan  ^sdcan 
owinnan  ^styllan,  Beispiele  für  Nomina  zu  schwachen  Verben  sind 
ahd.  urteil  zu  irtälen^  ürloub  zu  irlöuben^  dntseida  zu  intsdgin^ 
ürlost  'Erlösung'  zu  irlösan  =  got.  üslauseins^  dntreiti  'Ordnung', 
angls.  öndleofen  (=  got.  dndawizns). 

b)  in  Verbaladjektiven  resp.  Partizipien,  wie  wieder  durch  die 
vollere  Lautform  der  Präfixe  und  andere  lautgeschichtliche  Kriterien 
(auch  handschriftliche  Akzentzeichen  bei  Otfrid  und  Notker)  er- 
wiesen wird. 

a)   Adj.  der  Möglichkeit   resp.  Notwendigkeit.     Im   Gotischen 


90  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

beweist  die  vollere  Präfixform  den  Akzent  von  ändanems  dndasits 
neben  andniman  andsitan ;  dazu  stimmen  angls.  ändfenge  ändgdtte 
dndscste  neben  onfön  ongitan  onsittan ;  vgl.  noch  asächs.  dndhiti 
'verlobt'  zu  andhitan  und  aus  dem  Althochdeutschen  dntsämc 
dntläBBic  neben  intsizzan  intldnnan. 

Im  Altenglischen  beweist  betontes  or  =  unbetontem  ä  den 
Akzent  von  örcncswe  örg^te  neben  äcnäwan  ägitan.  —  Germ,  bi- 
ßarbi-  steckt  in  ahd.  bitherbi  angls.  b{pyrfe\  vgl.  angls.  önsc^ge  = 
ahd.  dnaseigi^  ahd.  ürdruzzt  'verdrießlich'  zu  irdrtossan. 

ß)  Einige  altertümliche  Partiz.  Praes.  Activi  zeigen  Präfixbe- 
tonung ;  wider  (für  unbetontes  wid)  ist  beweisend  in  angls.  wider* 
hliniendi  'innitens'  Epin.-Gl.  537,  widerwinnende  Germ.  23,  389b, 
widerhycgende  Andr.  1074.  1174.  lul.  196.  El.  952.  Güdl.  635;  sub- 
stantiviert erscheint  das  Partiz.  in  widerfeohtend  'Feind'  Andr. 
1185  Jul.  664.  Im  Indischen  gilt  im  Partiz.  Präs.  echte  Komposition, 
aber  nicht  Präfixbetonung  (Whitney  §  1085). 

Y)  Part.  Perf.  Pass.  haben  auch  noch  oft  den  alten  Akzent  auf 
dem  Präfix,  wie  sich  KZs.  26,  73  aus  der  Etymologie  angls. /täVö^ 
'verachtet'  für  ^frä-cüd  zu  angls.  forcünnan  =  got.  frakünnan  'ver- 
achten' ergeben  hat.  Got.  ändapähts  'andächtig'  neben  andpägkjan 
'erinnern'  zeigt  die  betonte  Form  des  Präfixes.  Im  Altenglischen 
erscheint  volltoniges  wider-  für  unbetontes  wid  in  einigen  alter- 
tümlichen Passivpartizipien  wie  widermeten  widerbrecen  OEGloss. 
463*^.  519^^;  sonst  begegnen  vereinzelte  widercweden  widercoren 
widersacen. 

Beachte  noch  angls.  ünderpeoded  Metr.  17^^  als  metrisch  ge- 
sichert. In  den  altkentischen  Glossen  168.  399.  994  begegnet 
änfünden  dncwäwen  neben  onfindan  oncwäwan\  auch  dnbtdende 
Blickl.-Hom.  zu  onbidan. 

Aus  dem  Althochdeutschen  stimmt  ante hund 'Qo&tYi.  35  a  'gnarus, 
expertus'  zu  got.  ändapähts  und  d^ngXs.  fräcop  (=  got.  *frä-kunps)^ 
ündertän  Boeth.  33.  39a.  195a  Ps.  46'*  zu  angls.  ünderpeoded.  Be- 
achtenswert ist,  daß  für  die  Bedeutung  'vollkommen'  im  Deutschen 
verschiedene  Synonyma  mit  betontem  Präfix/wr^  auftreten :  asächs. 
thürhfremid  WeX.  3283,  ahd.  durnoht^oeXh.  (oft),  dürhscaffen  Boeth. 
149;  gleiche  Betonung  gilt  wohl  auch  für  die  synonymen  M«r»Ä- 
thigan  Tat.  =  dhurahkund  Isid.  =  volwahsan  Isid.  Wichtig  ist 
wieder  ünderskeiden  Kateg.  41  =  249,  wozu  das  in  alten  Glossen 
(Jun.  201)  auftretende  giüntarskeidan  'distinctus'.  Vereinzelt  Notk.  I 
480  ündernomen^  Boeth.  30  misselungen^  Ps.  26^  ümbefaren^  misse- 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  91 

sezzit  usw.;  ferner  gamissalihhöt  Gl.  Hrab.  960b;  beachte  auch 
ürloubit  Würzb.  Beichte  20,  24  neben  ünarloubit\  übartrunchan 
Ahd.  Gl.  I  80 1^.  —  Diese  germ.  Reste  der  Präfixbetonung  im  Part. 
Perf.  Pass.  stehen  im  Zusammenhang  mit  der  verwandten  Akzent- 
regel im  Indischen  und  Griechischen  (ind.  prdbhxta- präntta-  vibhüta- 
gr.  dTToßXrjTog  eTriiLiacTTog  ^|acpuTO(;  L.  Schröder  KZs.  24,  121). 
Übrigens  hielt  Lachmann,  dem  einige  der  beigebrachten  Belege 
entnommen  sind,  die  Akzentuation  üntarskeidan  üntartän  usw.  für 
»wunderbare  Fehler«  oder  für  »Schreibfehler«.     Vgl.  KZs.  26,  73. 

Wahrscheinlich  ist  daher  im  Gotischen  swikunps  fräwaurhts 
iiswaurhts  üskunps  üswiss  u.  a.  (ahd.  ür-alt  zm  uzdlan})  zu  betonen. 

§  87.  Es  bleibt  noch  eine  Ausnahme  jüngeren  Datums  zu 
besprechen,  die  das  Hauptgesetz  von  der  Betonung  der  ersten 
Wortsilbe  scheinbar  aufhebt.  In  der  Nominalkomposition  geben 
die  offenen  Präfixe  ga-frä-  und  meist  auch  bt-  den  ihnen  gebüh- 
renden Hauptton  an  die  folgende  Wurzelsilbe  ab  (nur  einige 
isolierte  Komposita  wie  ahd.  frätät  fräsen  angls.  gömen  gömel 
KZs.  26,  70  bestätigen  das  Gesetz  vom  Hauptton).  Diese  Regel 
hat  Lachmann  S.  367  für  das  Althochdeutsche  erkannt,  das  ge- 
samte Westgermanische  bestätigt  sie,  aber  das  Gotische  hat  — 
wahrscheinlich  wenigstens  —  in  einigem  Umfang  noch  Präfix- 
betonung in  der  Nominalkomposition  der  Hauptregel  gemäß 
gehabt. 

So  stehen  den  älteren  Typen  ahd.  fräsen  frä-vali  gd-bissa 
asächs.  bi-het  angls.  frse-beorht  gö-mel  die  jüngeren  firsen  givesahi 
angls.  behdt  formdre  gegenüber;  angls.  gea-tol  ahd.  gi-zäl  adj. 
'schnell'  (:  got.  gagätilon) ;  got.  gagämainjan  beruht  auf  gämains 
=  ahd.  gimeini;  got.  ga-gäleikön  aus  gdleiks  neben  sonstigem 
galik{az)  an.  glikr.  Akzentverschiebungen  sind  anzunehmen  für 
ahd.  firnümft  (ünfernumest)  firlüst  (got.  frälusts)  farthült  virgift 
(got.  frägifts)  giböt  firböt  gibtir  usw.  asächs.  forgäng. 

Allen  diesen  Fällen  ist  der  Rhythmus  v:.|x  gemeinsam,  d.  h.  das 
Stoffwort  war  ohne  jede  Tonhöhe  infolge  der  Kürze  des  Präfixes, 
es  war  somit  jeder  Verstümmelung  preisgegeben  (angls.  geatwe 
frcEtwe  gomol  fracop-frcecüp).  —  Nur  bei  Positionslänge  kann 
jüngerer  Nebenton  auf  das  Stoffwort  fallen  (ahd.  gäskaft  noch  bei 
Notk.  und  nhd.  Grimmelsh.  gästad).  So  kommt  in  die  westgerm. 
Sprachen  das  Prinzip,  die  Nominalkomposita  mit  gä  frä  bi  auf 
der  Wurzelsilbe  zu  betonen  —  ein  Bestreben,  das  durch  den 
Nebenton  der  Trikomposita  §  94  (angls.  ün-forciip  daher  forcüp, 


92  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

ahd.  ünbidMi  daher  Otfr.  bithirbi^  angls.  güßgetäwe  daher  getdwe 
usw.,  ahd.  üngiüh  daher  gilih  gegen  got.  gdleiks)  befördert  wurde. 
Am  häufigsten  findet  sich  im  Westgermanischen  noch  betontes  bi 
(Lachmann  S.  367) :  asächs.  bismer  bihet  (angls.  biot  aber  Genes. 
V.  2761  ist  *wördbehät  zu  lesen),  ahd.  btheiz  biderbi  bigihti, 

Kap.  20.     Der  germanische  Nebenton. 

Während  für  das  Gesetz  vom  Hauptakzent  die  Erkenntnis  mit 
Hülfe  umfassender  Kriterien  leicht  gewonnen  ist,  ist  es  mit  den 
größten  Schwierigkeiten  verbunden,  etwas  Zusammenfassendes 
über  den  Nebenton  zu  sagen.  Nachdem  Lachmann  mit  dem 
Kriterium  der  Otfridischen  Verstechnik  unter  Zuziehung  der  Not- 
kerischen  Akzentuierung  für  den  ahd.  Nebenton  Hervorragendes 
geleistet,  gewann  Sievers  1887  durch  lautgeschichtliche  Ver- 
gleichung  der  altgerm.  Dialekte  untereinander  für  die  westgerm. 
Grundsprache  wichtige  Resultate. 

§  88.  Die  Haupttatsachen,  aus  denen  wir  den  vorliterarischen 
Nebenton  erschließen  können,  sind  zweifach:  a)  negativ:  kein 
durch  Synkope  geschwundener  Vokal  kann  nebentonig  gewesen 
sein ;  völlige  Unbetontheit  ist  vorhistorisch  für  alle  auf  Grund  der 
Auslautsgesetze  synkopierten  Vokale  anzunehmen;  also  waren 
unbetont  die  Endungsvokale  in  wulfa{z)  gasti(z)  daupu(z)  biridi 
berandi.  Unbetont  ferner  alle  später  synkopierten  Mittelvokale 
wie  in  ^hauzidö  (angls.  hyrde),  "^hairizö  (ahd.  herro),  "^langitö  (ahd. 
lenzd)  oder  in  Kompositis  wie  '^likhamö  (ahd.  lihmd).  Auch  kein 
Vokal,  welcher  anomale  Wandlungen  erfahren  hat,  kann  neben- 
tonig gewesen  sein,  z.  B.  nicht  das  ^  ^  in  ahd.  salböta  habeta  oder 
in  lioboro,  auch  nicht  das  u  in  angls.  cefpunca  (Grdf.  -pankÖ). 

b)  positiv:  als  nebentonig  haben  alle  nicht-Haupttonsilben  zu 
gelten,  die  die  Vokalentwicklung  der  Haupttonsilben  zeigen  (ahd. 
öheim  arbeit  ärwei^  drmüoti  wermuota)  oder  von  Notk.  undWillir. 
akzentuiert  werden  und  durch  Otfrids  Verstechnik  als  neben- 
tonig erwiesen  werden,  oder  solche,  welche  in  der  Allitterations- 
poesie  in  Versschematen  vorkommen,  wo  Nebenakzent  unbedingt 
erfordert  wird. 

Folgende  Regeln  gelten  für  den  Nebenton. 

§  89.  Aus  den  Auslautsgesetzen  ergibt  sich,  daß  ä  i  ü  (ö  e) 
—  die  syn-  oder  apokopierten  Vokale  —  in  den  Endungen  nicht 
nebentonig   gewesen  sein   können:    einhebig  waren   also  ddfa(z) 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  93 

wülfa(z)  gdsti(z)  ddußu(z);  birizi  biridi  berome  berandi\  dd-^ami(z) 
wülfami(z)  ^dstimi(z)  Dat.  Plur.;  süniwiz  N.  Plur.  'die  Söhne'; 
ndmini(z)  lat.  nomini{s)\  '\ümini{z)  lat.  homini(s).  Gleiches  gilt 
von  den  dem  Auslautsgesetz  unterstehenden  6  im  offenen  Aus- 
laut: einhebig  sind  urgerm.  wördö  'die  Worte'  (auch  instr.  'mit 
dem  Worte')  =  angls.  word  ahd.  wort. 

Wenn  nun  ä  i  und  ü  in  daga  wulfa  gasti  daupu  wordö-wordu 
nicht  nebentonig  fürs  Urgermanische  resp.  Urwestgermanische 
anzusetzen  sind,  ergibt  sich,  daß  die  zweite  Wortsilbe  nicht  neben- 
tonig, sondern  unbetont  ist.  Dazu  stimmen  nun  mehrere  Kom- 
posita des  Rhythmus  vL|x,  die  auf  der  Wurzelsilbe  des  zweiten 
Elements  keinen  Nebenton  haben  können :  westgerm.  wer-old  (aus 
*wer-alduz)  'Welt',  gä-mäl  'alt'  (angls.  gömel),mhalß  (angls.  mhold), 
fräkunß  (angls.  frdcoß)^  twälif  (angls.  twelf)^  hwtlik  (angls.  hwßc 
ahd.  welth)^  swültk  (angls.  swylc)^  gä-  fra-tewöz  (angls.  geatwe 
frcBtwe)^   ahd.  btderbi  (Willir.  biderbe)\   Otfr.  (Salom.  4)   zwivalta. 

§  90.  Auch  vom  Rhythmus  ^|x  gilt  Gleiches;  asächs.  hdgu- 
stold  aus  "^hdgustald-^  angls.  Unferd  aus  *tinfrißu(z)^  angls.  süllung 
(aus  ^swulh-lang  Sweet  Angl.  3,  151);  ahd.  zürdel  'impatiabilis' 
deute  ich  aus  *iuz-ßola(z)  vgl.  ahd.  dolen.  Daß  im  älteren  West- 
germanischen -£|x  ohne  Nebenton  ist,  lehren  noch  ahd.  Otfr. 
einfolt  für  einfalt  angls.  fültum  löngsum  fyrwett  weofod  herepop 
öllung  aus  "^fulteam  *ldngsom  *ßrwitt  *wihbeod  "^hdripap  '^öndlong, 

§91.  Für  den  Rhythmus -i  |  ^^  ergibt  sich  das  Fehlen  eines  Neben- 
tons für  die  Wurzelsilbe  des  zweiten  Gliedes  in  ahd.  lih7iio  aus 
*lfk-hamo^  angls.  heardra  aus  *heardhara^  angls.  göndra  aus  *gönd- 
hara^  ahd.  kätaro  aus  *kdd-haro;  ahd.  hiutu  aus  ^hiu-dagu  (nicht 
hiudagu)\  ahd.  würzala  aus  *wiirtwalu  (nicht  würtwälu).  Auch 
dieses  Resultat  bestätigen  die  westgerm.  Synkopierungsgesetze, 
die  in  dem  Rhythmus  -^^x  mittleres  äiü  beseitigen;  das  im  West- 
germanischen synkopierte  i  von  got.  hausida  (ahd.  hörta),  von 
urgerm.  hairizö  (ahd.  herrd),  langitö  (ahd.  knzo)^  wrunkita  (ahd. 
runzd)  kann  nicht  nebenbetont  gewesen  sein. 

§  92.  Bisher  sind  nur  kurze  Mittelvokale  oder  Endvokale  be- 
handelt (-^^)  und  das  Fehlen  eines  Nebentons  konstatiert.  Für 
den  Kompositionsakzent  hat  sich  ergeben,  daß  die  Wurzelsilbe 
des  zweiten  Kompositionselementes  nicht  notwendig  einen  Neben- 
ton haben  muß.  Das  Gleiche  gilt  in  einigen  Fällen  auch  für  Kom- 
posita des  Rhythmus  -^  |  -^ :  ahd.  (Otfr.)  irachar  (aus  *dirwakr), 
angls.  öretta  aus  örhdttta  (nicht  aus  ""orh^ttd),  angls.  dcumba  (nicht 


94  ni.  Wort-  und  Satzakzent. 

aus  *äcbmba)^  angls.  stfpunca  (nicht  aus  "^dbpbnco).  In  dem  Schema 
^  I  -X  sehen  wir  bezüglich  der  Suffixe  ein  Schwanken.  Ahd. 
nordruoni  beruht  auf  nörproni^  aber  angls.  norperne  muß  völlig 
unbetonte  Mittelsilbe  gehabt  haben;  ahd.  dmema  beweist  mit  ei 
(für  e)  Nebenton  gegen  angls.  cBmette\  aus  lautgeschichtlichen 
Gründen  haben  ahd.  armuoti  heiniuoti  Nebentöne.  Die  in  der 
Flexion  mehrsilbigen  angls.  aren  gylden  können  im  Gegensatz 
zu  ahd.  irtn  güldtn^  angls.  earfop  gegen  ahd.  arbeit  keinen  Neben- 
ton gehabt  haben;  für  ahd.  (Otfr.)  süntono  ginädono  Gen.  Plur. 
erweist  Wilmanns  ZfdA.  i6,  114  das  Fehlen  eines  Nebentons  auf 
der  Mittelsilbe;  dazu  vgl.  angls.  sealfedon  aus  '^sälbödun;  Otfr. 
winmnne  Beitr.  IV  535. 

§  93.  Eine  positive,  alle  Fälle  umfassende  Regel  für  die  Stellung 
des  Nebentons  ist  noch  nicht  gefunden.  Es  scheint,  daß  nur  lange 
Silben  nebentonig  sein  können,  und  in  dem  zuletzt  behandelten 
Schema  dürfte  sich  das  Schwanken  vielleicht  erklären,  wenn  man 
annähme,  daß  -^-^w,  aber  -^— ^  zu  betonen  wäre.  Aus  dem  Gotischen 
wäre  an  die  lautliche  Bedeutung  schwerer  Mittelsilben  in  äinnöhun 
(zu  ainana)^  dinummehun  (zu  dinammd)^  jaindre  (aus  "^jaina-drt) 
usw.  zu  erinnern.  Am  instruktivsten  ist  außer  angls.  weorplue: 
weorplecör  die  von  Fleischer  ZfdPh.  XIV  166  konstatierte  Neigung 
Notkers  (Boeth.),  eine  lange  Ableitungssilbe  beim  Antritt  einer 
leichten  Flexionsendung  zu  betonen,  beim  Antritt  einer  schweren 
Endung  dieser  den  Nebenton  zu  übertragen :  fettäh  aber  gevettachöt, 
wirdige  aber  wirdigör^  sdlige(n)  aber  sdliger  sdligör^  gieinöte  aber 
giiinotiu  gieinotir.  War  dieses  Gesetz  urgermaniseh,  so  würde 
etwa  dübonb  'der  Tauben'  (Gen.  Plur.)  für  angls.  dufena  Otfr  dtibonb, 
nörpröniz  aber  Plur.  nörprönjäi  für  die  Differenz  ahd.  nördriioni: 
angls.  norperne  vorauszusetzen  sein. 

Notk.  und  Will,  geben  Akzentzeichen  nur  schweren  Suffixen, 
aber  diesen  keineswegs  konsequent,  so  daß  Notk.  einünga  und 
einunga^  leidünga  und  leidunga  gebraucht,  ebenso  kelthnisse  und 
kelthnisse.  Nebenakzente  tragen  die  Suffixe  von  edelingen  wende- 
lingä  menniskind  Notk. ;  Willir.  hat  silberine  Pfenning 0  glthnisse 
küninginno  (auch  düsunt  arbeit).  Aus  der  Reimtechnik  Otfrids  u.  a. 
ergibt  sich  driinti  blintilmgon  süntarlngon  hüarilmaz.  Für  Willir. 
pfe'nningos&iztde,v  spätere  Ausfall  des  n  (Pfennig  kunig)ndiChS\&vQVS 
Beitr.  4,  534  ein  nicht-nebentoniges  Suffix  voraus;  nach  demselben 
Gelehrten  kann  auch  ahd.  -anti  -inti  -bnti  im  Part.  Präs.  nicht  einen 
festen  Nebenton  gehabt  haben  {rihtintl  u.  a.  s.  MS.  Denkm.  ^  401). 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  95 

Durch  die  allitterierende  Verstechnik  wird  im  Beow.  Beowulf 
Hröpgar  Hygelac  ohne  Nebenton  (Sievers  Beitr.  10,  223)  bezeugt, 
aber  daneben  flektiert  Beowülfe(s)  Hrdpgäre{s)  Hygeläce{s)  usw. 
mit  Nebenton  erwiesen;  die  Suffixe  -Itc  -sum  -dorn  -f esst  msw.  er- 
scheinen unflektiert  im  Beowulf  sehr  häufig  ohne  metrisch  ge- 
sicherten Nebenton,  gleiches  gilt  von  Kompositis  auf  -rof  -wudu 
'Sele  -stede  -wine  usw. ;  unflektierte  ünriht  dghwylc  hringnett  haben 
metrisch  keinen  Nebenton  (aber  dghwylcne).  Im  Hei.  stehen  Hk- 
hamo  mündboro  ünreht  mödseto  langsam  lidltk  infald  herdörn^  auch 
-^craft,  -^werk  usw.  an  Versstellen,  welche  keinen  Nebenton  er- 
fordern. Notk.  und  Will,  lassen  sehr  häufig  selbständige  Suffixe 
unakzentuiert  {lüssam  nietsam  einvalt  wärheit  sämolih  usw.j,  be- 
zeichnen auch  ünreht  lichamo  ündanches  ünmaht  u.  a.  nur  mit 
einem  Akzent.  Hieraus  ergibt  sich,  daß  zumal  Komposita  des 
Schemas  -  |  -  nicht  notwendig  einen  Nebenton  haben  müssen, 
und  da  §  90  gezeigt  ist,  daß  die  Lautgeschichte  keinen  Nebenton 
in  solchem  Schema  verträgt,  so  kann  es  nur  ein  jüngerer  Neben- 
ton sein,  der  etwa  in  ünreht  arbeit  dheim  vorliegt;  es  ist  kaum  zu 
bezweifeln,  daß  dieser  Nebenakzent  den  mehrsilbigen  Flexions- 
formen entstammt;  also  aus  ünrehtes  ärbeiti  6heime(s)  usw. 

Außer  diesem  Einfluß  des  Akzentwechsels  in  der  Flexion 
ist  aber  noch  ein  anderer  Faktor  für  den  Eintritt  von  Neben- 
akzenten maßgebend  gewesen.  Tatsächlich  begegnet  neben  ahd. 
lihmo  aus  "^likhamo  allerwärts  auch  lihhamo  (Notk.  Boeth.  Ifchdma 
Fleischer,  Hei.  Itkhamo  und  likhamo),  das  sich  aus  Einfluß  seitens 
des  Simplex  hämo  erklärt:  es  ist  das  Streben  der  Sprache,  daß 
das  zweite  Element  seinen  natürlichen  Hauptton  in  der  Zusammen- 
setzung durch  einen  Nebenton  ersetzt;  dadurch  wird  der  Laut- 
charakter des  zweiten  Elementes  geschützt,  die  Zusammensetzung 
verliert  den  Zusammenhang  mit  ihren  Einzelgliedern  nicht.  So 
treffen  wir  im  Hei.  heritogo  indago  irdhgun  mödkära  thiodgumo 
ördfrumo  wdrsago  usw.,  im  Beow.  wtnreced  Hringdene  Healfdlne 
dndsäca  biorsele  ("aber  dryhtsele)  ländfriima  scydwlga  drdäge  usw. 
Otfr.  akzentuiert  (Lachmann  393)  dltquena  edilthegan  wöroltthiot 
usw. ;  Notk.  und  Will,  bestätigen  den  Kompositionsakzent,  zeigen 
aber  zugleich,  daß  derselbe  nicht  obligatorisch  ist. 

§  94.  Tritt  vor  eine  Bikomposition  x  |  -  oder  x  |  -^  ein  ein- 
silbiges weiteres  Kompositionselement,  so  erscheint  der  Rhythmus 
-L  I  x:l  für  den  eigtl.  zu  erwartenden  Rhythmus -i  |  x_:  eine  weitere 
Bestätigung  der  Regel  §  93 :  angls.  rihiwts  aber  ünrihtwh^  frd-cop 


96  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

aber  ünforcuf>^  got.  ändasets  aber  ünandshks ;  ahd.  frätat  aber 
angls.  mänford^dla;  angis.  beot  (aus  *bi-hät)  aber  '^wördbehat 
(Genes.  2761);  angls.  geatwe  aber  güßgetäwe ;  ahd.  gäskaft  aber 
angls.  förßgesceaft;  ahd.  bitherbi  aber  ünbitherbi  (Otfr.  II  2,  22.  IV 
5,  15;  26,  51)  ==  angls.  ünbepyrfe  (Jul.  97.  217);  übrigens  werden 
solche  Fälle  zur  Ausbildung  einer  neuen  Simplexform  {dingX.  forctiß 
getdwe  gesceaft  ahd.  biderbi)  geführt  haben ;  wir  dürfen  vielleicht 
annehmen,  daß  damit  die  Unbetontheit  der  Präfixe  ^ä//-«  bi  auch 
in  Nominalkompositis  des  Westgermanischen  zusammenhängt.  — 
Tritt  an  das  Schema  -^  |  >^  ein  weiteres  Kompositionselement,  so 
übernimmt  letzteres  den  Nebenton  (-^x  |  ^) :  angls.  lichoma  aber 
luum-lice ;  angls.  örlege  aber  örleghwil^  öretta  aber  öretmäcgas ; 
ahd.  biscbfz.hev  bisketuom,  ärzat  aber  ärzetuom^  arbeit  aber  arbeit- 
sam (Luther  erbeit  aber  erbtsam):  «Wir  finden  die  Neigung,  die 
erste  und  dritte  Silbe  ohne  Rücksicht  auf  die  Art  der  Zusammen- 
setzung zu  betonen»  Lachmann  Kl.  Schriften  I  400,  wo  reichliche 
Belege  aus  den  Notk.  Texten.  Aus  dem  Angelsächsischen  vgl. 
die  metrisch  gesicherten  unrihtlue^  rihtwislice  ünmurnlice  ünscom- 
Rce  eädmodlice  ömbihtßegnas  u.  a. 

§  95.  Fassen  wir  das  Resultat  dieser  Darlegung  zusammen,  so 
ergibt  sich  i)  daß  zweisilbige  Worte  —  Simplicia  wie  Komposita  — 
nicht  notwendig  einen  Nebenton  haben  müssen;  2)  daß  mehr- 
silbige Worte  einen  Nebenton  haben  können;  3)  daß  die  Wurzel- 
silben zweiter  Kompositionsglieder  nicht  eo  ipso  nebentonig  sind; 
4)  daß  dritte  Silben  gern  den  Nebenton  übernehmen,  zumal  solche 
mit  langer  Quantität.  Dabei  ergibt  sich  aber  aus  zahllosen  Doppel- 
formen und  Dialektverschiedenheiten,  daß  der  Nebenton  häufig 
zwischen  zweiter  und  dritter  Wortsilbe  schwankt.  Paul  erinnert 
an  nhd.  mutiges  pferdl  mutige  Verteidigung  und  an  gütlichen  dus- 
gleich :  gütlicher  vergleich.  Ähnlich  könnte  der  altgerm.  Nebenton 
gewechselt  haben. 

Kap.  21.     Der  germanische  Satzakzent. 

Für  die  Betonung  im  Satze  fehlen  sichere  Kriterien  zwar  nicht 
im  Westgermanischen  und  im  Nordischen,  dafür  aber  von  einigen 
Fällen  der  Enklise  abgesehen  gänzlich  im  Gotischen.  Die  Gesetze 
der  alliterierenden  Metrik  ermöglichen  einen  Einblick  in  den 
altgerm.  Satzakzent,  und  Riegers  Entdeckungen  ZfdPh.  VII  i  ff. 
haben  für  das  Westgermanische  das  Wichtigste  ermittelt.  Für 
das   Althochdeutsche   ermöglichen   Otfrid,   Notker  und  Williram 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  97 

durch  ihre  akzentuierten  Texte  Einsicht  in  den  ahd.  Satzakzent, 
aber  da  sie  Haupt-  und  Nebenakzente,  Enklise  und  Proklise, 
Pausabetonung  und  Satzbetonung  nicht  streng  durchführen  und 
scheiden,  so  ist  die  Rekonstruktion  der  gemeingerm.  Regeln  sehr 
erschwert.  Wir  wagen  im  folgenden  einen  Entwurf,  der  die 
Haupterscheinungen  zusammenfassen  soll,  dabei  aber  der  Gefahr 
entgehen  will.  Einzelsprachliches  aufzunehmen. 

§  96.  Partikeln.  Das  enklitische  idg.  qe  'und'  (ind.  ca  gr.  re 
lat.  qtie)  ist  auch  im  Gotischen  {^-uK)  enklitisch;  da  es  im  Ger- 
manischen seinen  Vokal  eingebüßt  hat,  ist  uralte  Enklise  sicher. 
Falls  der  Akzent  von  ind.  ätha  {ddha)  'und,  auch'  als  idg.  zu  gelten 
hat,  ist  für  asächs.  angls.  and  'und*  junge  Tonlosigkeit  (wegen 
d  für  /)  zu  vermuten;  Notk.  (Boeth.)  hat  ünde^  Will,  schwankt 
zwischen  Betonung  und  Nichtbetonung. 

Die  germ.  Negation  ni  ist  proklitisch,  kann  in  der  Alliterations- 
poesie nicht  alliterieren  und  wird  von  Otfr.  Notk.  Willir.  nicht 
akzentuiert.  Man  beachte,  daß  ind.  nd  stets  betont  ist.  —  Notk. 
hat  im  Gegensatz  zu  unbetontem  ne  'nicht*  betontes  nt  (Osthoff 
Beitr.  8,  312).  —  Für  got.  nih  'und  nicht'  darf  urgerm.  mit  Pausa- 
akzentuation  ne-h  aus  *ne-qe  angenommen  werden  (idg.  qe  ind.  ca 
kann  sich  nur  an  Tonworte  anlehnen). 

Im  Altindischen  ist  nü  'jetzt'  stets  betont,  das  Griechische 
unterscheidet  die  enklitische  Partikel  vu  vom  Zeitadverb  vöv  (ind. 
nün-am).  Bei  Notker  lautet  das  Zeitadverb  nü^  als  Partikel  herrscht 
im  Althochdeutschen  unbetontes  nu :  ahd.  wola-nu  wolaga-nu^  got. 
sai-nu  ahd.  sinu  (Notk.  sihno  Will,  sind)  angls.  heonu  'ecce'.  Im 
Gotischen  kann  nu  enklitisch  zwischengeschoben  werden  (Luk. 
20,  25  usnugibip).  Die  Zeitpartikel  nü  wird  gern  durch  ein  En- 
klitikon gestützt:  got.  (Rom.  7,  6;  Galat.  4,  9;  2.  Kor.  8,  11; 
Ephes.  2,  13)  nü  sai  'vuvi',  angls.  nüpa  (aus  nü  + /^) ;  beachte 
got.  naüh  ahd.  noh  aus  *nü-qe  (oder  vgl.  ind.  nü-kaniT). 

Ein  urgerm.  pau  hat  in  got.  pauh  angls.  peak  ein  enklitisches 
qe  oder  kam  angenommen,  pauh  ist  jedoch  nach  Ausweis  von  ahd. 
döh  wegen  der  Vokalkürzung  als  nicht-volltoniges  Wort  anzusehen. 
Jenes  pau  ist  in  got.  aippau  (ahd.  edo)  enklitisch  einem  andern 
Worte  angefügt;  aber  auch  dieses  germ.  eppau  (aus  *ehpau  vgl. 
asächs.  eftho  und  Meringer  Beitr.  12,  211)  ist,  wie  die  Konsonanten- 
kürzung in  ahd.  edo  an.  eda  lehrt,  als  Wort  von  geringer  Akzent- 
stärke zu  betrachten.  —  Notker  verwendet  unbetontes  7ta  als  enkli- 
tische Fragepartikel  für  negative  Sätze  {newästdu  na}  ZfdPh.  14, 1 39). 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  7 


98  HI.  Wort-  und  Satzakzent. 

Die  germ.  Relativpartikeln  got.  ei  an.  es  er  sem  (angls.  ße  ahd. 
der  dar)  schließen  sich  enklitisch  an  den  Artikel  an:  got.  ßat-ei 
angls.  ßcBt-ße  ßcstte  Tat.  Otfr.  thm-dar  Notk.  dan  dir  —  dan  der^ 
angls.  ßäße  ahd.  dieder.  —  Enklitische  Pronominalpartikel  ist  noch 
germ.  hun  :  ^in  (lat.  cmique  ind.  betont  cand)  zur  Bildung  verall- 
gemeinernder Pronomina:  got.  ni  hdshun  (ind.  na  käs  cand)  dins- 
hun  mdnnahun\  an.  hverge  enge  hvarge  niange\  asächs.  hwergin. 
Verallgemeinernd  ist  got.  -^uh{/uazuk  karjizuhvgX. 2i\t\r: . cdch  'jeder') 
angls.  -^wega  in  hwsetwega^  was  vielleicht  ein  Genet.  eines  u- 
Stammes  —  wegu  —  ist  (vgl.  an.  vegar). 

Ein  deiktisches  Element  id  steckt  in  got.-germ.  sai  (ind.  sa  id) 
nach  Osthoff  Beitr.  8,  311;  und  dieses  sai  tritt  (doch  nicht  im 
Gotischen  —  aber  got.  nü  +  sai  'vuvi')  deiktisch  an  den  Artikel 
in  der  lautgesetzlich  verkürzten  Form  -se^  dem  got.  sai  'ecce' 
zugrunde  liegt;  vgl.  an.  run.  sa-si  sti-si ßat-si ßeim-si ßa-si ßau-si 
und  ahd.  de-se  neben  de^  Gen.  Sg.  Musp.  103  des-se  zu  d'es^  Plur. 
ahd.  de-se  asächs.  the-se  zu  the  'die' ;  darüber  s.  bes.  Bugge  Tidskr. 
f.  Philol.  9,  III,  sowie,  unten  §  239;  got.  '^sd  sai^  '^'sö  sai  usw. 
sind  unbezeugt.  Dafür  zeigt  das  Gotische  sa-h  'dieser',  dessen  h 
dem  lat.  c  in  hi-c  hun-c  hujus-ce  usw.  entspricht. 

Ein  Pronominalenklitikon  steckt  in  got.  mi-k  =  gr.  k.\xi  y^  (ind. 
tudm  ha).  —  Die  Vokativpartikel  angls.  lä  —  auch  Interjektion 
—  ist  unbetont;  sie  lehnt  sich  häufig    an    vgl.    angls.  eala   wäla. 

Tonlos  ist  auch  die  Vergleichungspartikel  swa.,  die  vielfach 
enklitisch  angelehnt  wird;  vgl.  auch  ahd.  diso  angls.  eal-swa\ 
angls.  gese  engl,  j/^j  aus  *ge-swa^  angls.  ne-se  'nein'  aus  "^ne-swa; 
proklitisch  ist  es  in  angls.  seßeah  (got.  sweßauJi)  sowie  in  ahd. 
(Otfr.  1 27 s«  III  20^0  IV  \^?\  1583^  sowerso  mhd.  swer  {OxKx.  sower 
I  1*2^)  und  angls.  swxder  n^^^n  swähzvstderswä\  mittelengl.  whö-se 
aus  angls.  swähwdswä. 

§  97.  Präpositionen.  Im  Altindischen  sind  sie  betont  (ab- 
gesehen von  Avyayibhäva  wie  pratikämdm  pr atidos  dm  anusvadhdm 
usw.);  die  griech.  Präpositionen  haben  ihren  alten  Akzent  nur 
bei  Anastrophe,  während  sie  vor  dem  Nomen  den  Akzent  ganz 
einbüßen  (gk  KaKÜJv)  oder  proklitischen  Gravis  (diTÖ  uttö  usw.)  er- 
halten. Im  Germanischen  präsentieren  sich  die  Präpositionen  als 
akzentlos  durch  Vokalerscheinungen,  die  eigentlich  nur  ganz  un- 
betonten Silben  zukommen:  ahd.  2/ asächs.  /^  (angls.  // OET)  aus 
*ta\  ahd.  durh  angls.  ßurh  aus  germ.  ßerh  (got.  ßairk)\  angls.  öd 
aus  *^/  "^üß  *unß  (:  got.  und) ;  auch  weist  die  Lautverschiebung  in 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  99 

ahd.  ab  ob  und  ur  gegen  ind.  dpa  üpa  gr.  otTiO  utto  auf  Unbetontheit 
der  Präposition;  beachte  einen  grammatischen  Wechsel  zwischen 
angls.  asächs.  mid  und  mid^  ahd.  ubur  und  got.  ufar  (ind.  updri 
gr.  UTtep),  got.  und  und  angls.  öd  aus  %;«/,  got.  and  aus  vorgerm. 
anta-,  und  wir  werden  für  die  urgerm.  Zeit  Schwanken  einiger 
Präpositionen  zwischen  Betontheit  und  Unbetontheit  annehmen 
müssen.  In  den  literarischen  Perioden  überwiegt  die  Unbetont- 
heit: in  der  alliterierenden  Dichtung  sind  Präpositionen  nicht 
alliterationsfähig. 

Einen  vereinzelten  Fall  anomaler  Betonung  der  Präposition, 
die  dadurch  alliterationsfähig  wird,  zeigt  im  Hei.  und  in  der  angls. 
Poesie  innan:  Hei.  606.  3294  innan  breostun  (asächs.  Genes.  84, 
auch  angls.  Genesis  B  715);  Domesdäg  i  innan  bearwe\  Andr.  1237. 
1549  inna7i  burgum  (dafür  bürgum  on  innan  Beow.  1968.  2452; 
Güdl.  1341 ;  Jul.  691;  Elene  1057);  innan  healle  Dan.  719  —  innan 
ceastre  Andr.  1176.  Diese  Ausnahme  widerspricht  so  sehr  der 
allgemeinen  Regel  von  der  Proklise  der  Präposition,  daß  dafür 
eine  besondere  Erklärung  versucht  werden  muß:  jedenfalls  ist 
innan  eine  junge  Präposition,  entstanden  aus  inne  on  [inne  on 
healle  Beow.  642,  inne  in  rcBcede  Mod.  17;  vgl.  on  breosttim  inne 
Metr..25,  45);  vgl.  Litt.-Bl.  1895,  333- 

Eine  andere  Ausnahme  ist  es,  wenn  in  alten  Quellen  midi  miti 
in  der  volleren,  also  doch  wohl  auch  akzentuierten  Lautform  vor 
Nominibus  steht:  ahd.  miti  Deotrihhe  —  miti  wäbnumY{\\^^hx.  19. 
26.  68  und  im  Cott.  des  Heliand  midi  Josepe  757,  midi  thtnun 
wordun  143,  midi  swerdu  747- 

Otfrid  kann  betonen  übar  stnaz  höubit^  üntar  demo  löube^  übar 
einan  kling  an  i^QAt,nsX.t\vs.  S.  46  ff.). 

Im  Heliand  wird  proklitisches  wid  vor  andern  Atonis  gebraucht, 
aber  bei  unmittelbar  folgendem  Akzentwort  steht  das  doch  wohl 
volltonige  widar:  widar  winde^  widar  kettiandun,  widar  wridun^ 
widar  fiandun^  aber  wid  themu  winde,  wid  de  wridun,  wid  thea 
fiund  usw.  —  Das  Angelsächsische  hat  als  Präposition  das  pro- 
klitisch  entstandene  wid  mit  der  betonten  Nebenform  wider  \  aber 
angls.  cEt  und  in  haben  nicht  den  Vokalismus  der  Atona;  angls. 
od  aus  *üp  *üp  *unp  (:  got.  und)  zeigt  die  Vokalkürzung  der  unbe- 
tonten Silben ;  auch  angls.  on  (für  *an),  of  (für  cef)  u.  a.  sind 
lautgeschichtlich  Atona.  —  Im  Griechischen  gilt  bei  Anastrophe 
betonte  Präposition  (9€ujv  diro,  toutou  irepi  usw.).  Notker  im  Boeth. 
unterscheidet  nach  Braune  Beitr.  2,  147  vortoniges  äne  'ohne'  {Hb 

7* 


loo  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

äne  töd)  von  nachgesetztem,  zweifellos  volltonigem  äno  {allero 
chrefto  äno,  vgl.  ina  äno  Hei.  1489).  Die  germ.  Alliterationspoesie  be- 
stätigt den  Akzent  der  Präpositionen  bei  Anastrophe;  vgl.  Beow.  19 
Scedelandum  in,  iio  mäncynne  fr  dm,  17 15  möndreamum  fröm,  2358 
Frislondum  ön,  Genes.  1052  eastlondum  in,  1392  wölcnum  ünder, 
1491  wsegprea  ön,  2231  röderum  ünder,  2^^g  göldburgum  in,  2844 
swigle  ünder  (ebenso  Crist  399,  Wyrd  62,  Möd.  14,  Phönix  2.  97. 
362,  Panther  10,  Rätsel  23^^,  Güdl.  1337;  Edda  hgllu  f,  bedjum  ä 
usw.).  Isolierte  Form  scheint  ahd.  (Willir.)  dlli^-äna  'immer'  (neben 
an,  ane  Präp.,  ane,' ana  Adv.). 

Bei  Voranstellung  der  Präposition  treten  Avyayibhäva  ein,  die 
als  Komposita  im  Indischen,  Griechischen  und  Lateinischen  ein- 
fache Akzentuation  aufweisen;  vgl.  ind.  abhi-jnü  prati-kämäm 
yathä-vagdm  oder  gr.  rrpoxvu  eKTTOÖiüv  irapaxpni^ot  eHaiqpvri«;  (em- 
(Txepiü  eTTiiribeg  TrapaTTcXu  dviiKpu?)  oder  wie  lat. ////<:<?  (für  '^in-sloco) 
öbviam  invtcem  interdiu  u.  a.  Das  Lateinische  mit  seinem  vor- 
historischen Kompositionsakzent  zeigt,  welche  Behandlung  des 
Akzentes  das  Germanische  aufweisen  muß  bei  altem  Avyayibhäva: 
nhd.  übermorgen  mhd.  Sgester  weisen  auf  ahd.  übarmorgane  ige- 
stron,  deren  Akzent  in  ahd.  Zeit  nicht  bezeugt  ist;  ist  die  Rück- 
erschließung sicher,  so  können  diese  Adverbia  nur  durch  die 
Bildung  der  Avyayibhäva  erklärt  werden.  Unsicher  ist  die  Be- 
urteilung der  vielleicht  hierher  gehörigen  got.  dndaugiba  dndaugjö, 
ahd.  fürenomes  'besonders',  Otfr.  ümbikirg  (aber  stets  umbiring 
=  Hei.  2945  umbihring)  'ringsherum',  ijtlachenes  'intrinsecus',  angls. 
öndlong (öllung)  'entlang',  instcBpe{s)  'sofort',  widersynes,  örceapes u.a.. 

Ob  auf  ähnliche  Weise  die  Bildung  und  Akzentuation  in  lat. 
interea  interim  antehac posthac  usw.  zu  erklären  ist,  kann  zweifelhaft 
sein.  Im  Germ,  haben  wir  ähnliche  Komposita,  aber  mit  schwanken- 
der Betonung;  vgl.  Notker  <3''^r-«';^^  aber  andiu,  dar-mite  aber  mit 
thiu,  dara-ziw  dih&Y  zediu.  Otfrid  verwendet  amVersschlufS  afterthiu, 
aber  im  Versinnern  meist  afterthiu,  ebenso  innanthes  und  innanthes 
(Bodenstein  S.  74  ff.).  Notker  II  134,  4.  233,  10  hat  innan  des, 
Williram  innedes,  wozu  Parziv.  703,  10  und  der  Reim  indes:  gesindes 
Wernhers  Marienl.  (Fundgruben  II  199,  3)  stimmt.  Im  Heliand 
^ndi^nv^ix  dftarthiu  304.  1709.  2395.  2755.  3186.  3195.  3208.  3287. 
3325.  4613  und  innanthes  4040.  Angls.  siddan  (an.  sidan)  beruht 
auf  "^sip-pan  (vgl.  got.  panaseips)',  angls.  sefterdam  Menol.  128  — 
sefterdon  Phon.  238,  Psalm  144  ^^  Dazu  ahd.  mitthont  =^  got.  mip- 
pan.    Aber  auch  angls.  todön  fordön,  ahd.  bediu  zediu.    Ahd.  unta^ 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  ioi 

(daraus  mit  Synkope  ahd.  mhd.  unz)  als  Konjunktion  entspricht 
dem  asächs.  ünthat  (vgl.  antat)^  got.  und ßatei  (aber  got.  tmte  wohl 
aus  und  peT).  Daß  got.  faürßis  'vordem,  früher'  (dius  faür  -{- ßis 
entstanden,  vgl.  nhd.  vordem)  Erstbetonung  gehabt  hat,  dafür 
spricht  spätahd.  mhd.  vördes  (bei  Williram  38,  7  vördes  und  Iwein 
36.  1304.  3028.  7975)  aus  ahd.  vöra  des.  Ebenso  mhd.  i-des  'vor- 
dem' z.  B.  Parziv.  186,  9.  354,  25.  688,  19.  —  In  mhd.  Reimdichtung 
ist  vür  sich  gern  auf  der  Präposition  betont  (Stosch  ZfdW.  I  330) 
z.  B.  Parziv.  804,  21;  Walther  24,  8;  Trist.  2269. 

Die  Personalpronomina  lieben  im  Westgermanischen  die 
volleren  Lautformen  der  Präpositionen  vor  sich.  Notker  betont 
im  Boethius  dn  mir,  an  in.,  obwohl  sonst  an  nicht  regelmäßig 
betont  wird,  und  verwendet  unakzentuiertes  zuo  in  zuo  mir,  zuo  iro 
gegen  sonstiges  ze\  Williram  hat  zu  herrschendem  an  die  dnne 
mir  (mik),  dnne  dir  {dih)\  in  Otlohs  Gebet  begegnet  inni  mir 
(neben  in  mir)\  Hei.  3073  dftar  mt,  2425  äftar  tht  (ob  auch  4697 
midi  thi>  wie  thärmidi)\  im  angls.  Psalter  55^  begegnet  ze'^^^r  mi 
gegen  sonstiges  wiß\  auch  angls.  Rätsel  41,86  ünder  me\  Crist 
322,  332  äfter  him.  Aus  mittelengl.  Reimdichtungen  beweisen 
Reime  wie  to  me:  Rgme  Owl  1672,  bi  me'.  time  Hörn  550,  mitte 
{=  mid  ße)\  sitte  Hörn  644.  Im  Neuhochdeutschen  finden  sich 
ähnliche  Reime,  z.  B.  bei  Hans  Sachs  zuder  (—  zu  dir) :  bruder. 
Otfrid  hat  vereinzelt  dfter  mir  I  27  ^^,  üntar  iti  III  13  *^.  Und  Willi- 
ram, der  ab  als  Präposition  nicht  mehr  kennt,  hat  noch  ein  dbe  mir. 
Es  läßt  sich  hieraus  folgern,  daß  die  Präpositionen  vor  dem  en- 
klitischen Personalpronomen  betont  waren  (Rieger  ZfdPh.  7,32), 
wie  sie  es  noch  im  Neuenglischen  und  zum  Teil  auch  im  Neu- 
hochdeutschen sind.  Beachte  gr.  7Tp6(;  |ue,  TTp6<;  (Je,  ei^  |li€  und 
nach  Thurneysen  (vgl.  Lit.-Bl.  14,  420)  auch  altir.  di-m  'von  mir', 
för-m  'auf  mich'. 

§  98.  Pronomina.  Für  die  altind.  Enklitika  im  stm  mä — mi 
tvä — te  näu — nas  väm — vas  (gr.  |i^  (Te)  fehlen  im  Germanischen  nach- 
weisbare Enklitika  von  eigener  Lautform.  Lautliche  Zeugnisse 
für  Unbetontheit  der  Pronomina  sind  unsicher ;  in  Betracht  kommt 
das  westgerm.  (vielleicht  urgerm.)  l  für  e  in  ik  mik  miz  sik ;  das 
z  für  s  (ind.  ti^äm  yi^ätn)  in  got.  ßize  für  ^ßaizi  (angls.  ßära  got. 
blindaize)  und  in  angls.  ßc^re  aus  ^ßaizjai  (ind.  tdsyäi) ;  das  mm 
für  zm  in  got.  ßamma  (ind.  tdsmäd)^  imma  (ind.  asmäd) ;  das  m  für 
mm  in  ahd.  imo  demo\  jüngere  Lautkriterien  zeigen  mittelengl. 
t  US  it  aus  unbetonten  ic  üs  hit\    ahd.  wir  aus  *wiR  (got.  weis\ 


102  III.  Wort-  und  Satzakzent. 

ahd.  ir  gegen  got.  jus ;  das  run.  ek  für  eka  (Grdf.  egöm).  Vor 
allem  haben  wir  literarische  Zeugnisse  für  den  Satzakzent  der 
Pronomina,  die  nur  in  kleinem  Umfang  alliterationsfähig  sind. 
Die  persönlichen  Pronomina  treten  häufig  enklitisch  auf:  angls. 
wen'ic  Beow.  338.  442,  far'ic  Germ.  23,  394;  über  Enklise  von  ek 
ßü  im  Altnordischen  s.  Noreen  §  455;  über  westgerm.  pü  {ic  ist 
danach  urwestgerm.  gestaltet,  angls.  tc  nhd.  eich)  als  betonte 
und  tonlose  Form  vgl.  die  Fälle  der  Enklise  bei  Paul  Beitr.  6, 
549;  angls.  wenstu  Sievers  Beitr.  9,  273.  Die  altfränk.  Dialekte 
scheinen  her  und  er  (Ludwigsl.)  als  Doppelformen  ursprünglich 
ebenso  zu  verwenden.  Otfrid  (QF.  48,  50)  läßt  die  Personalprono- 
mina meist  unbetont.  Im  Boeth.  akzentuiert  Notker  st  chdd-,  aber 
-chtt  siy  ih  wein-,  tu  weist-  aber  -wein  ih,  -weist  tu  (ähnlich  Willir.). 
Für  den  Begriff  'wir  zwei,  wir  beide'  vgl.  Otfr.  III  16,  46  ^  uns 
zwein^  angls.  ünc  b<^m,  üncer  twega  (auch  bigra  uncer  Gen.  1914, 
bdm  ine  Crist  357),  an.  V^lusp.  YitX'g.  ykkar  beggja,  —  Die  ahd. 
Betonung  iro  irü  imb  usw.  (aber  Notk.  Boeth.  und  Willir.  stets 
imo)  erklärt  sich  mit  Lachmann  Kl.  Sehr.  I  380  aus  Enklise  wie 
gr.  ecTTi  neben  lern  und  somit  aus  den  unbetonten  Formen  ind. 
asyäs  asyäi  asmäd  usw.,  nicht  mit  Scherer  ZGDS*  152  aus  einem 
Beharren  der  idg.  Urbetonung  (ind.  asyäs  asyäi  asmäd) ;  für  ahd. 
unsth  iuwih  gilt  dieselbe  Erklärung. 

Das  unbestimmte  Personalpronomen  westgerm.  man  ist  in  der 
angls.  Poesie  und  im  Heliand  (auch  Hildebrandsl.  V.  37.  51.  52) 
nicht  hebungsfähig  genug,  um  die  Alliteration  zu  tragen,  wird 
auch  von  Otfr.  Notk.  und  Willir.  nicht  betont. 

Für  die  urgerm.  Betonung  der  Demonstrativa  (s.  auch  unten 
§  240)  sprechen  ahd.  hiutu  Mnaht  hiuro  asächs.  Hei.  hiudu  hindag 
'heute'  (got.  *hija  daga  und  himma  dagd)  sowie  an.  hingat pdngat 
und  hinneg  ßdnneg  'hierher'  (ersteres  aus  hinn  veg) ;  ferner  nach 
Rieger  30  angls.  Beow.  ßy-dögore  ßys-dögor,  Crist  on ßäm  dcsge, 
Hei.  4600  an  thim  dagun  —  2408  an  themu  dage\  Otfr.  III  16,  44^ 
in  then  dag  usw.,  schließlich  angls.  ßydcEges  idcsges  (beachte  lat. 
hodie  quomodo  hujusmodi  u.  a.) ;  Beow.  197.  790.  806  Crist  1097. 
1372  on  pam  dcsge;  on  pä  ttd  Judith  307  ;  Beow.  736  ofer  ßä  niht ; 
Beow.   1675  on  ßä  healfe,   1797  ßjf  dögore. 

Angls.  ßes^  bei  Voranstellung  zumeist  wenig  betont,  bei  Post- 
position wie  in  der  Edda  aber  betont,  zeigt  Alliterationsfähigkeit 
Beow.  790.  1395;  Crist  22  und  sonst. 

Der  idg.  Pronominalstamm  to-  (N.  Sg.  so)  —  im  Rigveda  stets 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  103 

betont  —  hat  im  Germanischen  keinen  schweren  Akzent,  viel- 
leicht überwiegend  Unbetontheit.  Ob  und  in  wieweit  die  kom- 
plizierten Akzentuierungsgesetze  Notkers  und  Otfrids  (ZfdPh.  14, 
143;  QF.  48,  55)  urgermanisch  sind,  läßt  sich  nicht  sagen,  da  die 
alliterierende  Poesie  versagt:  Otfrid  und  Notker  kennen  auch 
geringere  Akzentstufen,  die  von  der  Alliterationspoesie  nicht  ver- 
wertet werden  müssen.  Aus  ihrem  Bereich  ergibt  sich  ein  Akzent- 
grad wohl  nur  bei  Postposition  wie  an.  Edda  hüna  ßeira^  rdnna 
ßeira^  günina  peira  usw.  oder  Beow.  gründwong  pöne^  freodowong 
ßöne^  wselhlem  pöne^  göldweard  ßöne.  Bei  Zwischenstellung  dürfte 
der  Artikel  stets  unbetont  gewesen  sein :  Notk.  selbe?  tan  here^ 
dlle  die  liute^  einen  die  mennisken\  Otfr.  dllo  thio  ziti\  angls.  Andr. 
begen  ßä  gebröpru  (Dat.  bdm  ßäm  gebrößrum) ;  also  auch  got.  bd 
p6  skipa  und  diese  Betonung  erklärt  auch,  wie  mittelengl.  böthe 
'beide'  aus  angls.  ba  -{- ßä  oder  ahd.  bede  aus  be  +  de  (unten  §  300) 
entstehen  konnte.  Neben  dem  unbetonten  ind.  sama  'irgend  einer' 
darf  wohl  auch  germ.-got.  sums  als  unbetont  angesetzt  werden 
(betontes  süme  im  angls.  Boeth.  bei  Rieger  32);  im  Beow.  ist  sum 
nicht  alliterationsfähig  (außer  2157);  aber  mittelengl.  sümthing 
sümdel. 

Das  Possessivum  hat  einen  höheren  Ton  als  das  Personalpro- 
nomen bei  Otfr.  (QF.  48,  52);  auch  die  Alliterationspoesie  be- 
stätigt es  durch  häufige  Postposition  {leode  mine^  hldford  ßfnne 
usw.);  die  Possessiva  sind  auch  häufiger  alliterationsfähig  als 
andere  Pronomina  (nifne  gefrage^  ßurh  mine  hond^  ymb  ßtnne  stfi) ; 
bei  Zwischenstellung  dürfte  früh  Unbetontheit  gegolten  haben 
{Otfr.  mit  dllen  unsen  kreftin):  aber  auch  sonst  ist  Proklise  wie 
Enklise  der  Possessiva  geläufig  (Hei.  3194  ist  hirron  mfnumu  zu 
lesen  vgl.  V.  3197);  beachte  Enklise  beim  Vokativ  asächs.  frö 
mtn  angls.  wine  mtn  (aber  Beow.  2047  auch  min  wine).  —  Selb 
hat  einen  höheren  Akzent  als  zugehörige  Personalia :  angls.  he-self 
ßü-self^  asächs.  ina  selbon^  mt  selbon.  —  An  Einzelheiten  seien 
erwähnt  angls.  dngeßinga  'quoquomodo*,  dnigmon  ndnßing  ndn- 
wuht  ndnmon  (engl,  nöbody  nöthing)  äghwylc  s^ghwä  ahd.  ioman 
(vgl.  iomer)  iowiht\  beachte    angls.  ndthwylc  an.  nbkkurr. 

§  99.  Zahlworte.  Für  das  Westgermanisch-Nordische  gilt  das 
Gesetz,  daß  Kardinalzahlen  vor  ihrem  Nomen  stets  einen  höheren 
Ton  tragen:  Beow.  seofon-mht {t.ng\. sdnnight)\  dingXs. f^owertyne-niht 
(engl,  förtnight);  beachte  engl,  iwöpence  thrcepence  twelfmonth 
u.  a.  —  Hei.  sibun  wintar^  umbi  thria  naht^  obar  twd  naht  Rieger 


104  m«  Wort-  und  Satzakzent. 

ZfdPh.  7,  20;  Otfr.  dhto  dagon^  zwäif  thegana  Piper  Beitr.  8,  229; 
entsprechend  an.  (Vgl.-kv.)  siau  vetr^  (Thrymskv.)  dtta  rgstum^  dtta 
nöttum^  stau  missere  (Gudr.).  Wenn  wir  dieses  Gesetz  auch  für  das 
Gotische  annehmen,  ergibt  sich  wohl  auch  der  Akzent  für  die 
Dekadennamen  got.  fidwör  tigjus ,  fimf  tigjus  (an.  ßrir  tiger  Atlam., 
um  fjönim  tegum  Grimn.  23.  24):  das  Westgermanische,  in  wel- 
chem die  Benennung  'Dekade'  zum  Suffix  herabgesunken,  erklärt 
sich  nur  aus  dieser  Betonung:  ahd.  drisuc  sehszuc  angls.  prittig 
sixtig  dMS  prt-tigu  sehs-  tigu  {ßri  -tigu  enthält/rf  =  ind.  ^rf  als  Neu- 
trum.?). Im  Gegensatz  zu  diesen  multiplikativ  gebildeten  Kardi- 
nalien  haben  die  Dvandva-Bildungen  13,  14  usw.  Doppelakzent 
(level  stress),  den  das  Englische  noch  heute  zeigt :  angls.  fiftßne 
sixtßne  (aber  ßftig  sixtig) ;  so  akzentuiert  Notk.  zwar  zweinzec 
zenzec^  aber  sehzen  ntunzene  I  618,  daher  auch  mit  Auflösung 
(Graff  5,  628)  drin  zhiin  I  619.  Willir.  hat  überwiegend  sezzoch 
ähzoch  u.  a.  ohne  Nebenakzent.  Über  die  Parallelerscheinungen 
der  verwandten  Sprachen  vgl.  Wheeler  Gr.  Nominalakzent  S.  41. — • 
Die  Zahladverbia  'zweimal'  'dreimal'  betonen  im  Westgermanischen 
bei  Juxtaposition  das  Zahlwort:  dingXs.  twelf  sidum  (Phoen.);  Hei. 
sibun  stdun ;  Otfr.  dria  stunta,  einlif  stuntön ;  Willir.  sümstunt 
driestunt  =  nhd.  (vgl.  DWb.)  dreistunt\  ahd.  auch  fiorstunt  finf- 
stunt  sibunstunt  usw. ;  nhd.  dreimal  manchmal  beruhen  auf  ze  drin 
mälen^  ze  mdnigen  malen  usw. ;  danach  ist  wohl  auch  got.  prim 
sinpam^  fimf  sinpam,  sibun  sinpam  zu  akzentuieren,  in  Überein- 
stimmung mit  den  oben  vermuteten  fidwor  tigjus^  fimf  tigjus 
usw.  —  Für  den  germ.  Akzent  beachte  auch  angls.  bütü  bdtwa 
(Dat.  bdmtwäm)^  das  auf  Enklise  von  'zwei'  beruht.  —  Isoliert  ist 
an.  einneg  (aus  einn  veg)  'auf  dieselbe  Weise'. 

§  IOC.  Nomina.  Im  Altindischen  gilt  für  Vokative  im  Satz- 
anfang das  Gesetz,  daß  zugehörige  Genetive  oder  Adjektive  ak- 
zentuell  mit  ihnen  eine  Einheit  bilden :  s/lno  sahasah  oder  sdhasah 
silno  'Sohn  (Vok.)  der  Kraft'  oder  vigve  deväh^  vdsö  sakhex&%^.  sdkhe 
vasö  'guter  Freund'  (Whitney  §  314).  Die  gleiche  Regel  treffen 
wir  in  der  Alliterationspoesie  wieder,  wenn  z.  B.  im  Hei.  2420. 
3098  helag  dröhtin^  auch  frö  min^  hirro  min  betont  wird  als  Vo- 
kativ; vgl.  Beow.  2047  min  wine^  aber  457.  530.  1704  wine  min. 
Vielleicht  schließt  sich  an  diese  auffällige  Erscheinung  das  all- 
gemeine Akzentgesetz  des  Germanischen  an,  wonach  auch  got. 
fimf  tigjus^  sibun  tigjus  zu  betonen  ist:  überall  wo  zwei  gram- 
matisch   aufeinander    bezogene    Nomina    nebeneinander   stehen. 


III.  Wort-  und  Satzakzent.  105 

trägt  das  voranstehende  den  höheren  Akzent:  angls.  indre  peoden^ 
wiges  heard^  wine  Scyldinga  usw.;  andd.  Hei.  wörd godes  —  gödes 
word^  dröhtines  engil^  lengron  hwtla  usw. ;  ahd.  Otfr.  ther  güato 
man,  götes  boto^  der  liobo  drost  usw.  Notker  bezeugt  den  höheren 
Ton  der  vorangehenden  Bestimmung  bei  man  [nechein  man^  etelich 
man  I  543,  win  man  I  523)  Fleischer  ZfdPh.  14,  295,  wozu  angls. 
dnigmon^  nänmon^  ahd.  toman  stimmen;  Willir.  hat  ümbe  mitten 
dag  (vgl.  nhd.  Mittag).  Daß  diese  Akzentuation  —  ein  rein  me- 
chanisches, kein  logisches  Prinzip  —  der  lebendigen  Sprache 
zukam,  beweisen  Komposita,  die  auf  Juxtaposition  beruhen: 
got.  baürgswaddjus  (aus  baürgs  -f-  waddjus\  asächs.  hrinkurni 
dldfader  ädalkuning  lös-  söd-  späh-word\  ahd.  quecbrunno  mitti- 
wecha  briitigomo  nähgibür\  beachte  nhd.  Mittag  ahd.  zi  mit- 
temo  tage\  nhd.  Mitternacht  dihd.  zi  jnitterti  naht  \  nhd.  Weihnachten 
aus  mhd.  ze  den  wihen  nahten\  engl,  midnight  aus  angls.  cet  midre 
niht^  engl,  midsummer  aus  angls.  oit  midite  sumor\  nhd.  Viertel 
aus  ahd.  dan  fiorda  teil]  nhd.  Jungfrau  aus  ahd.  jüncfrouwa\ 
engl,  leman  aus  mittelengl.  lefman  angls.  (Akk.)  leofne  monnan\ 
engl,  daisy  aus  angls.  dceges-eage\  angls.  wideferhd  töwfdanfeore\ 
engl,  dlways  angls.  ealneweg  ealneg.  Schon  im  Altindischen  finden 
sich  zusammengewachsene  Bildungen  vjiq  pürvedyüs  'gestern', /^.y- 
pati-  'Hausherr',  sapta-Tsdyas  'die  7  Weisen',  sapta-gfdhräs  'die 
7  Geier',  madhydm-dina  'Mittag' ;  vgl.  auch  gr.  Aiö^KOUpoi,  lat.  Jüp- 
piter  postridie  meridie  u.  a.  bei  Brugmann  I  §  1043  (H  i  §  24  über 
die  Bildung  und  den  einfachen  Akzent  bei  Juxtapositionen).  Be- 
achtenswert ist  für  das  Germanische,  daß  die  Gradadjektiva  all 
mikil  manag  im  Westgermanischen  meist  bloß  vortonig  sind. 

Die  Hauptregel  —  Betonung  des  voranstehenden  Nomens  — 
ist  durch  so  immenses  Material  aus  dem  Westgermanischen  und 
Nordischen  gesichert,  daß  wir  uns  mit  den  voranstehenden  Be- 
legen begnügen  können;  vgl.  Rieger  ZfdPh.  7,  igff. ;  Sobel  QF. 
48,  26ff. ;  Piper  Beitr.  8,  226  ff.  Es  sei  noch  bemerkt,  daß  im 
Althochdeutschen  —  durch  Otfrids  Akzentuierung  erwiesen  — 
eine  Akzentverschiebung  beginnt,  die  für  die  deutsche  Sprach- 
geschichte wichtig  ist;  mit  dieser  haben  wir  uns  aber  bei  der 
Darstellung  der  urgerm.  Verhältnisse  nicht  zu  befassen. 

§  loi.  Verbum.  Im  Altindischen  gilt  die  Hauptregel,  daß  das 
Verbum  tonlos  ist  (abgesehen  vom  Satzanfang  und  vom  Neben- 
satz); das  Griechische  zeigt  Spuren  dieser  Regel  (J.  Wackernagel 
KZs.  23,  457)     Im  Germanischen  finden  sich  keine  Lauterschei- 


io6  IV.  Vokalismus. 


nungen,  die  mit  Sicherheit  in  dieser  Erscheinung  ihre  Erklärung 
finden.  Mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  gehören  folgende  Fälle 
hierher:  germ.  im  'ich  bin'  und  sind  'sie  sind'  entsprechen  den 
unbetonten  ind.  asmi  santi  (wegen  mm  =  idg.  sm  und  d  =  idg.  /), 
nicht  den  betonten  ind.  dsmi  sdnti;  angls.  dfd  dfd  steht  für  eigent- 
liches did;  angls.  sindon  wolde  sceolde  haben  im  Mittelenglischen 
(Orrm.)  die  Lautentwicklung  der  Atona  {stunden  wöllde  shöllde^ 
nicht  sinden  wolde  shölde)\  ebenso  zvdron.  In  alter  Unbetontheit 
finden  wohl  auch  ihre  Erklärung  die  auffälligen  Kontraktionen 
in  ahd.  gef  stet  hat  quit  git  [lät]  aus  ursprünglichen  gaid  staid 
habaid  qipid  gibid  {lätid).  —  Willir.  betont  ist  sint  häufig  nicht. 
—  Nach  dem  Zeugnis  der  alliterierenden  Poesie  (Rieger  ZfdPh. 
7,  24)  hat  das  Germanische  jene  wohl  uridg.  Akzentregel  dahin 
ausgebildet:  das  Verbum  hat  einen  niedrigeren  Akzent  als  die 
Nomina  und  Adverbia  desselben  Satzes :  Beow.  fand  ßä  ßdr  inne^ 
eode  ßä  to  setle^  setton  him  tö  heafdum ;  aber  es  finden  sich  auch 
zahlreiche  Fälle  mit  Betonung  des  Verbs  im  Satzanfang  [gyrede 
hine  Beowulf  Beow.  1442^,  heold  hyne  syddan  Beow.  142^, 
789b,  onfök  ßissum  fülle,  äräs  ßä  bt  rönde^  glidon  ofer  gärsecg^ 
setton  sdmede^  gritte  Geata  leod^  egsode  eorl  usw.).  Belege  für  die 
Unbetontheit  im  Satz  resp.  Versinnern  sind  überflüssig;  im  Hei. 
ist  das  Verb  im  Satzanfang  meist  unbetont  {that  menda  that  bärn 
godes^  warp  an  thena  sio  innan\  selten  betont  {wil  imu  aninnan 
hugi).  Neben  Präpositionaladverbien  hat  das  Verbum  auch  einen 
geringeren  Akzent :  Beow.  ßä  com  in  gän^  him  bi  stödon.  Verba 
sind  schwächer  betont  als  zugehörige  Infinitive ;  so  im  Angelsäch- 
sischen bei  hätan  l^tan'.  also  secgan  hyrde  i^eo-w.  391^  eow  hit 
secgan).  Hilfsverba  haben  bei  Stoffverben  natürlich  keinen  Ton: 
Otfr.  lesan  scalt^  wolia  irstän.  Ähnlich  steht  es  mit  Hauptsätzen 
wie  ich  hörte  (dass)^  welche  tonlos  sind ;  der  Heliand  hat  vielfach 
tho  gifragn  ik  that  im  Auftakt,  ebenso  im  Beow.  hyrde  ic  ßcEt-^ 
ebenso  mynte  ßcet-^^  cwcsß  pcst^^  bced  ßcet-^  Rieger  25. 

IV.  VOKALISMUS. 

Kap.  22.     Die  indogermanischen  und  germanischen 
Vokalentsprechungen. 

§  102.  Die  indogermanischen  Kürzen.  Das  Indogerma- 
nische hat  folgende  Kurzvokale  besessen:  i  ü  a  Ö e  9.  Nur  0  und  9 
erfahren  im  Germanischen  eine  Artikulationsänderung.  Die  übrigen 
Vokale  i  ü  ä  e  bleiben  im  wesentlichen  erhalten. 


IV.  Vokalismus.  107 


a)  Idg.  l  =  germ.  i\  asächs.  angls.  witun  'wir  wissen'  gr.  iö]Li€V 
ind.  vidmd.  —  run.  gastiz  lat.  hostis.  —  got.  gastim  ahd.  g^stim 
lat.  hosti-bus.  —  ahd.  asächs.  fisk  \^\., piscis.  —  got.  is  lat.  is  'er'.  — 
got.  ita  lat.  id  'es'.  —  ahd.  witu  'Holz'  zu  altgall.  vidu-  'Holz'.  — 
ahd.  bibet  'er  bebt'  ind.  bibheti  'fürchtet  sich'.  —  ahd.  witawa 
lat.  vidua  'Witwe'.  —  ahd.  zwir  lat.  bis  'zweimal'.  —  ahd.  suas^isto 
gr.  fibicrTO(;.  Einbuße  erleidet  das  i  innerhalb  des  Urgermanischen 
in  beschränktem  Maße  durch  Übergang  in  ^  §  123. 

b)  Idg.  ii  =  germ.  //:  an.  uxe  ind.  uksdn-  'Ochse'.  —  got.  u/ar 
ahd.  ubar  ind.  updri.  —  got.  jtik  lat.  jugum  'Joch'.  —  ind.  grutd 
ahd.  Hluduwtg.  —  ahd.  turi  ind.  düras  gr.  0upa  'Tür'.  —  ahd.  biitun 
ind.  bubudhüs.  —  ahd.  snura  ind.  snusd.  —  got.  nu  ind.  nu.  — 
got.  tuz-  ahd.  zur-  gr.  h\}<;-  ind.  dus-.  —  In  großem  Umfang  tritt 
urgerm.  ö  für  eigtl.  ü  ein  durch  sg.  ö-Umlaut  oder  Brechung  vgl.  §  1 23b . 

c)  Idg.  ä  =  germ.  ä:  an.  aka  gr.  dY€iv.  —  ahd.  a/tsa  lat.  axis.  — 
got.  barizeins  zu  lat.  far  'Spelt'.  —  got.  ahs  lat.  acus.  —  asächs. 
eggja  got.  *agja  =  lat.  aci'es,  —  ahd.  ana  'Großmutter'  zu  lat.  anus. 

—  got.  anan  zu  gr,  dve|UO<;.  —  got.  arJvazna  'Pfeil'  lat.  arcus.  — 
got.  awö  'Großmutter'  zu  lat.  avus.  —  got.  af  'gr.  dTTO.  —  ahd.  salaha 
lat.  Salix.  —  got.  salta  lat.  sallo.  —  got.  alan  lat.  alere.  —  got. 
l^g''^  gr-  öoiKpu.  —  got.  gabei  'Reichtum'  zu  lat.  häbeo.  —  got.  smals 
'gering'  =  lat.  malus  (für  *smalos)  'schlecht'.  —  got.  apns  'Jahr' 
lat.  annus. 

In  gemeingerm.  Zeit  erleidet  dieses  ä  keine  Einbuße ;  für  die 
Geschichte  der  Einzeldialekte  ist  der  z-Umlaut  von  ä  zu  jf,  teil- 
weise auch  Erscheinungen  von  /^-Umlaut  für  die  Umgestaltung  des 
Vokalismus  wichtig,  was  jedoch  nicht  in  den  Rahmen  dieses 
Buches  hineingehört. 

d)  Idg.  ö  =  germ.  ä:  ahd.  räd  lat.  rofa.  —  ahd.  /ar/t  lat.  porcus. 

—  got.  gards  lat.  hortus.  —  ahd.  asächs.  lang  lat.  longus.  —  got. 
awistr  'Schafstall'  zu  lat.  ovis  'Schaf.  —  got.  ahtau  ahd.  asächs. 
ahto  gr.  ÖKTÜu  lat.  octo  'acht'.  —  got.  ahd.  asächs.  naht  lat.  noctem 
'Nacht'.  —  got.  gasts  ahd.  asächs.  gast  lat.  hostis.  —  got.  -faps 
'Herr'  zu  lat.  potiri  gr.  TiocTiq  TUOTVia.  —  got.  tamjan  lat.  domäre. 

—  got.  hlaf  'stahl'  gr.  KeKXoqpa.  —  got.  pata  gr.  t6.  —  got.  ba  lat. 
quod.  —  ahd.  spanan  'antreiben'  zu  lat.  sponte  'Antrieb'.  Vgl.  noch 
§  104  c.  —  Dieses  germ.  ä  wird  dem  unter  c)  besprochenen  germ. 
^vollständig  gleich  behandelt;  doch  ergibt  sich  die  ursprüngliche 
Verschiedenheit  beider  daraus,  daß  idg.  qa-  germ.  als  hwa-,  aber 
idg.  qo-  germ.  als  ha-  erscheint  nach  Möller  (oben  §  44). 


io8  IV.  Vokalismus. 


e)  Idg.  e  =  germ.  e\  angls.  asächs.  etan  lat.  edere  'essen'.  —  ahd. 
asächs.  heran  gr.  q)ep6iv  lat.  ferre  'tragen'.  —  ahd  angls.  f'elQl) 
lat.  pellis  'Fell'.  —  ahd.  asächs.  s'ehs  lat.  sex  gr.  ^H.  —  ahd.  swehur 
gr.  ^KUpog.  —  ahd.  spehön  idg.  Wz.  spek  in  lat.  specio.  —  ahd. 
gebal  'Schädel'  gr.  KeqpaXrj.  —  ahd.  tenar  gr.  Gevap.  —  ahd.  s'ef! 
gr.  ^'öo<;  zu  der  idg.  Wz.  sed  'sitzen'.  —  ahd.  mein  'Met'  gr.  |ue6u.  — 
angls.  nefa  lat.  nepos.  —  ahd,  fersana  gr.  TTxepva.  —  ahd.  zeso  zu 
lat.  dexter  gr.  öeHi6<;.  —  ahd.  gelo  lat.  helvus.  —  ahd.  z'ehan  asächs. 
tehan  lat.  decem  gr.  öeKa.  —  Das  germ.  e  geht  vielfach  in  i  über, 
worüber  §  122.  —  Über  den  genaueren  Lautwert  dieses  <?,  das 
wir  im  Gegensatz  zu  dem  jüngeren  Umlauts-^  stets  e  schreiben, 
vgl.  §  130  b. 

f)  Idg.  3  =  germ.  u  wird  von  Sievers  Beitr.  16,  236  angenommen, 
für  Tonsilben  mit  Unrecht.  —  Für  angls.  dyde  'tat'  aus  dzidi  — 
als  Perfekt  zu  Wz.  dö  'tun'  —  ist  die  Annahme  eines  idg.  p  in 
der  Reduplikation  unmöglich,  da  das  Germanische  wie  überhaupt 
das  Indogermanische  sonst  stets  echtes  e  in  der  Reduplikation 
des  Perfekts  besitzt.  Angls.  sfyde  kann  zu  gr.  cttOuj  (Ttu\o(;  ge- 
hören. Ob  idg.  ppter  für  ind.  pifd  'Vater'  =  gr.  irairip  vorauszu- 
setzen ist  oder  vielmehr  ein  idg.  pater,  ist  für  das  Germanische 
belanglos ;  vgl.  ind.  sthiti-  =  got.  sfa/s.  —  In  welchem  Umfang  es 
ein  idg.  p  in  Tonsilben  gegeben  hat,  ist  unsicher.  Wahrscheinlich 
aber  hat  das  Urgermanische  in  großem  Umfang  ein  p  (in  der  Um- 
gebung von  Nasalen  und  Liquiden)  gehabt,  worüber  §  105 ;  doch 
sind  die  Ansichten  darüber  geteilt,  ob  dieses  p  auch  der  idg.  Grund- 
sprache zukommt. 

Diesem  unsichern  p  steht  ein  sicheres  p  der  idg.  Grundsprache 
gegenüber  in  der  Umgebung  von  Nasalen  und  Liquiden,  wo  das 
Germanische  u  (resp.  0  §  123b)  zeigt:  idg.  tpnu  'dünn'  (ind.  fanü- 
gr.  Tavu-)  an.  punnr.  —  idg.  gJiPmon-  (lat.  homo)  got.  guma  ahd. 
gomo.  —  idg.  tplay  got.  pulan  'dulden'.  —  idg.  gpru  'schwer'  gr. 
ßapO  got.  kaüru. 

§  103.  Die  indogermanischen  Längen.  Zu  den  idg.  Kürzen 
i  ü  ä  ö  e  besitzt  das  Indogermanische  parallele  Längen  t  ü  ä  6  i^ 
wovon  nur  ä  eine  Umwandlung  in  urgerm.  Zeit  erfährt. 

a)  Idg.  2  =  germ.  2:  ahd.  biliban  gr.  Xlirapeuj.  —  got.  wileima 
lat.  veltmus.  —  ahd.  stt  'ihr  seid'  lat.  sitis.  —  an.  sime  gr.  Tjad«^.  — 
ahd.  wtda  gr.  iiea.  —  ahd.  rtm  'Zahl'  altir.  Hm.  —  Dieses  t  erhält 
sich  in  den  altgerm.  Sprachen  uneingeschränkt,  fällt  aber  völlig 
zusammen  mit  einem  jüngeren  t  =  idg.  ei  §  104  a. 


IV.  Vokalismus.  109 


b)  Idg.  ü  =  germ.  m\  got.  brükjan  dazu  lat.  früges  idg.  Wz. 
bhrüg(w).  —  ahd.  stlgu  lat.  sügo  'sauge'  aus  idg.  süghö.  —  asächs. 
bür  'Gemach'  idg.  Wz.  bhü.  —  ahd.  müs  lat.  müs  'Maus'.  —  angls. 
brü  gr.  öqppög.  —  ahd.  sü  lat.  süs  'Schwein'.  — '  got.  füls  \\t.  püti 
'faulen'.  —  ahd.  ütiro  ind.  üdhar-  'Euter'.  —  got.  rilna  altir.  rün 
'Geheimnis'.  —  ahd.  sür  lit.  suras  'salzig'.  —  ahd.  asächs.  nü  gr.  vOv. 
—  ahd.  zun  altgall.  -dünum.  —  angls.  ßü  lat.  tu.  —  Das  germ.  ü 
bleibt  in  den  alten  Dialekten,  sofern  nicht  jüngerer  2-Umlaut  wirkt. 

c)  Idg.  ^  =  germ.  6\  a.ng\s.  brödor  möäor  asächs.  bröthar  mödar 
lat.  fräter  ntäter.  —  an.  bögr  gr.  TTdxu«;.  —  angls.  böctreow  'Buche' 
lat.  fägus.  —  angls.  swöte  Adv.  'süß'  gr.  hhxic,  (lat.  suävis  für 
*suädvis).  —  asächs.  wosfi  aXtir.  fds  lat.  västus.  —  Dieses  ö  erfährt 
in  jüngeren  Perioden  teils  Umlaut  (angls.  de  e^  an.  ce)  teils  Di- 
phthongierung (ahd.  ud). 

d)  Idg.  ö  =  germ.  ö  (Beitr.  8,  334,  522):  angls.  röw  'Ruhe'  gr. 
^pujr|.  —  ahd.  frö  fruo  gr.  Tipiui  'früh'.  —  got.  knops  'Geschlecht' 
gr.  yvu)t6(;  'Verwandter'.  —  ahd.  knödilen  (knuodelen)  'erkennbar 
werden'  gr.  yiyvüuCTkuj.  —  Zu  lat.  nomen  'Namen'  gehört  mndd. 
nömen  aus  '^nömjan.  —  got.  weitwößs  gr.  eiöFuüt;  'wissend'.  —  ahd. 
intuoma  'Eingeweide'  neben  lat.  abdömen,  —  an.  öss  'Mündung' 
lat.  ÖS  'Mund'.  —  ahd.  kö  (kuo)  idg.  gö-  (in  ind.  gä-m  'Kuh').  — 
got.  flödus  'Flut'  zu  gr.  ttXujtö«;.  —  got.  gibö  Genet.  Plur.  zu  gr. 
Gedujv.  —  Über  germ.  berö  =  gr.  96puj  s.  §  136;  über  got.  tuggön- 
im  Verhältnis  zu  lat.  Jündn{ein)  vgl.  §  227 ;  über  ahd.  suonro  aus 
germ.  sw6tizd(n)  =  gr.  fjöiujv  vgl.  §  285.  —  Dieses  germ.  ö  hat 
genau  dieselben  Schicksale  wie  germ.  6  aus  idg.  ä:  beide  sind 
völlig  zusammengefallen,  verraten  aber  ihre  Verschiedenheit  bei 
vorhergehendem  Velar  genau  wie  germ.  a  aus  idg.  <?  und  ä  §  102  d. 

e)  Idg.  e  =  germ.  e:  got.  se-ps  'Saat'  lat.  se-men  aslav.  s^me 
apreuß.  semen.  —  got.  neßla  'Nadel'  gr.  vfj-cri^.  —  got.  *tuzwers 
lat.  verus.  —  got.  deps  'Tat'  gr.  Ti-0r|-|Lii.  —  got.  menöps  'Monat' 
lit.  min^  lat.  mensis.  —  got.  qemum  brekum  setum  nemum  lat. 
vinimus  frigimus  sedimus  imimus.  —  Das  Nord.- Westgermanische 
hat  ä  für  dieses  germ.-idg.  e  eingeführt  (vgl.  ahd.  sät  tat  =  got. 
seps  deps)  §  147. 

§  104.  Die  indogermanischen  Diphthonge  ei  ai  oi  und 
eu  au  ou.  Ob  es  idg.  auch  ei  6i  äi  und  iu  öu  äu  gegeben  hat 
und  in  welchem  Umfang,  das  ist  eine  noch  unerledigte  Frage ;  auch 
weist  das  Germanische  nicht  durch  interne  Erscheinungen  auf  solche 
Langdiphthonge  hin,  weshalb  wir  dieselben  unberücksichtigt  lassen. 


HO  IV.  Vokalismus. 


a)  Idg.  ei  =  germ.  /:  ahd.  Uhu  gr.  XeiTTUJ.  —  ahd.  zthu  gr. 
beiKVUfbii.  —  ahd.  bitu  gr.  TieiGiu.  —  ahd.  sitgu  gr.  aieixtu.  —  got. 
deigan  zu  gr.  TeTxo<;.  —  got.  weitwöps  gr.  eibiuq.  —  an.  tivar 
'Götter'  idg.  deiwös  (ind.  divds).  —  ahd,  gisal  altir.  giall  aus  Grdf. 
gheislo-,  —  Über  die  Entstehung  dieses  germ.  f,  das  mit  dem  t 
§  103*  im  Germanischen  völlig  zusammengefallen  ist,  vgl.  §  122.  — 
Vor  folgendem  r  scheint  idg.  ei  nicht  zu  /,  sondern  zu  e  (durch 
Brechung)  geworden  zu  sein  §  126. 

Idg.  eti  =  germ.  eu:  germ.  beudan  (got.  biudan  angls.  beodan) 
gr.  iTe\jOo|aai.  —  germ.  peudö  'Volk'  (vgl.  den  Völkernamen  Teu- 
toni)  aus  idg.  teutä  (altir.  tüatU).  —  germ.  leußera-  (mhd.  liederlth) 
'liederlich'  gr.  e\eu6epo^  (idg.  leutheros).  —  ahd.  fiohta  'Fichte' 
gr.  TreiJKr|.  —  got.  hliuma  zu  gr.  KXeFo(S  idg.  Wz.  klü  kleu.  —  got. 
liuhaß  zu  Wz.  leuk  in  gr.  XeuKO^.  —  Das  urgerm.  eu  erscheint  in 
den  Einzelsprachen  als  iu  eo  io  nach  §  129. 

b)  Idg.  ai  =  germ.  ai:  germ.  slaiwa-  gr.  Xaio^  (ahd.  sleo  QF. 
32,  35).  —  got.  wraiqs  gr.  paißoc.  —  got.  "^ais  (aiz)  idg.  ais  ayos 
(lat.  aes).  —  got.  aiws  gr.  aiüuv  (lat.  aevum).  —  got.  haihs  lat.  caecus. 

—  ahd.  eit  'Scheiterhaufen'  zu  gr.  aiGuj.  —  got.  aistan  lat.  aestimäre. 
Idg.  au  =  germ.  au:  germ.  Austro-  (angls.  Eastre)  lat.  auröra 

aus  idg.  ausrä  ausös.  —  got.  aukan  lat.  augere.  —  germ.  fauha- 
(ahd.  foh)  lat.  paucus. 

c)  Idg.  oi  ==  germ.  ai:  got.  /ai/is  gr.  iroiKiXog.  —  ahd.  eig  'Ge- 
schwür' gr.  0iÖ0(S.  —  got.  bairais  gr.  qpepoK;.  —  got.  wait  gr.  oiba. 

—  got.  baiß  gr.  ireTTOiGa.  —  got.  laik  gr.  XeXoiTra.  —  ahd.  teig  gr. 
TOixo^.  —  ahd.  swei?  aus  germ.  swaita-  zu  lat.  südor  aus  idg.  swoido-. 

—  got.  ains  altlat.  oinos  (=  lat.  ünus).  —  got.  gamains  lat.  com- 
munis. 

Idg.  ou  =  germ.  au:  got  bauß:  gr.  eiXr|Xou9a.  —  ahd.  /o/i  aus  germ. 
lauha-  =  lat.  lücus  idg.  löuqos.  —  got.  raußs  aus  *roudhos  =  lat. 
rüfus.  —  angls.  seaw  'Saft'  aus  germ.  sauwa-  =  lat.  sücus  'Saft' 
aus  gemeinsamer  Grdf.  souqö-s.  —  got.  gaurs  'betrübt'  ind.  ghörd- 
aus  idg.  ghourö-.  Der  Wandel  von  idg.  oi  und  ou  zu  germ.  ai  und 
au  stimmt  zu  dem  Gesetz  §  102  d,  wonach  idg.  ö  zw  germ.  ä  wird. 

§  105.  Die  indogermanischen  Nasale  und  Liquiden  als 
Vokale.  Brugmann  hat  diese  idg.  Konsonanten  für  die  gemein- 
indogerm.  Grundsprache  auch  als  Vokale  l  f  W-  V'  angenommen, 
wovon  Y  (auch  /)  im  Indischen  als  Vokal  besteht;  vgl.  den  epoche- 
machenden Aufsatz  Brugmanns  in  Curtius'  Studien  8,  287  und 
seinen  Grundriß  I  §  445 ff.  518  ff.  531.  Er  setzt  mit  idg.  /•  resp.  /  als 


IV.  Vokalismus.  iii 


Vokal  die  idg.  Grundformen  an  für  ind.  vfka-  'V^ oW ^  pxthivi-  'Erde', 
pYCchämi  'fordere',  txsü-  'dürr'. 

Dagegen  setzt  Joh.  Schmidt  in  seinem  Buche  «Sonanten- 
theorie»  dafür  vielmehr  idg.  pr  pI  an,  also  wdlqo-  pdlthzv-  usw.  für 
Brugmanns  wlqo-plthw-.  —  Die  Beweisführung  beider  liegt  wesent- 
lich aufSerhalb  des  Germanischen.  Innerhalb  des  Germanischen 
dürften  dl  dr  als  nächste  Vorstufen  für  die  geschichtlichen  Ver- 
tretungen ul  ur  anzuerkennen  sein.  So  führen  got.  wulfs  asächs. 
folda  a.hd.  forscön  zunächst  aui^wp/qo-  *pp///iw-  *pprksqü  usw.,  wobei 
wir  vom  Standpunkt  des  Germanischen  unentschieden  lassen 
könnten,  ob  ihr  pI  oder  pr  noch  ältere  /*  oder  /  als  Vokale  waren, 
wenn  nicht  Ablautserscheinungen  (angls.  dorä:  bred  §  loS«^)  es 
wahrscheinlich  machten,  daß  dem  ind.  T  als  Reduktion  von  ar  und 
von  ra  auch  in  irgend  einer  Stufe  der  vorhistorischen  Grund- 
sprache ein  X  als  Reduktion  von  er  und  von  re  entsprochen  hat. 

Die  von  Brugmann  angesetzte  Nasalis  Sonans  {n  rp.)  der  idg. 
Grundsprache  ist  in  keiner  idg.  Einzelsprache  erhalten  geblieben ; 
für  die  Fälle,  wo  Brugmann  v-  und  rp,  ansetzt  {ktpio-m  'hundert', 
dekrjtt  'zehn',  d'fif-  'Zahn'),  setzt  Joh.  Schmidt  ebenso  pn  und  pm 
als  idg.  Grundformen  an.  Hier  liefert  das  Germanische  kein  Argu- 
ment für  Brugmanns  Ansatz,  insofern  im  germ.  Ablaut  (§  io8d) 
wohl  en  (em),  aber  nicht  auch  ne  (nie)  zu  un  (um)  reduziert  wird. 
Doch  gibt  es  vorgerm.  Zeugnisse  einer  derartigen  Reduktion, 
indem  z.  B.  der  idg.  Negation  ne  (germ.  ni)  ein  reduziertes  germ. 
un-,  lat.  in-,  ind.  a-  an-,  gr.  d-  dv-  entspricht;  vgl.  auch  got. 
kunps  'bekannt'  zu  Wz.  gnö  (Schwundstufe  gv)  in  lat.  notus.  Wenn 
wir  also  auf  Grund  von  Ablautserscheinungen  Brugmanns  Ansätze 
von  X  l  V^  V^  als  idg.  Vokale  in  irgend  einer  ursprachlichen  Stufe 
gelten  lassen,  so  eignen  wir  uns  Schmidts  Ansicht  in  dem  Sinne 
an,  daß  das  Germanische  vielmehr  zunächst  auf  reduziertes  d  in 
solchen  Fällen  hinweist.    Wir  belegen  die  einzelnen  Ansätze. 

a)  Idg. /•  pr  =  germ.  ur  (or):  an.  ^urr  ind.  /x^zi-  'dürr*.  —  got. 
7naürgjan  aus  idg.  mxghü-  (gr.  ßpaxu?).  —  Und.  forscöm  md.pxcchdmi. 
—  ahd.  mord  aus  idg.  mfto-  neben  lat.  morti-  'Tod'  aus  *mxti-.  — 
nhd.  Hörn  lat.  cornu  aus  idg.  kxno-.  —  ahd./«r//  XaX.porca  aus  *pxk-. 

b)  Idg.  /  pI  =  germ.  ul  (ol) :  angls.  wul/  ind.  vf^a-  'Wolf.  — 
asächs.  /olda  ind.  pxthivU  'Erde'.  —  angls.  füll  idg.  plnös  pplnös 
(ind.  pürnd-).  —  angls.  hyll  aus  *hulli-  (für  *hulni-)  =  lat.  collü 
(idg.  klnis). 

c)  Idg.  V  pn  =  germ.  un:  ahd.  mund  lat.  mentum  'Kinn'  aus  idg. 


112  IV.  Vokalismus. 


ni'^to-.  —  got.  tunßus  'Zahn'  idg.  dii^t-  dant-  (lat.  dent-em,  ind.  dat-).  — 
angls.  lungor  'schnell'  idg.  l'^ighrös  (gr.  eXacppog  QF.  32,  22). 

d)  Idg. 7(1  3m  =  germ.  um\  ^ot.gaqumßs  idg.  g7p,ti- gdmti-  {^z.gvem 
'kommen'). 

Also  ist  u  der  Vertreter  der  Vokalreduktion  im  Germanischen; 
der  Wechsel  von  u  mit  ö  fügt  sich  unter  die  Regel  §  123  b. 

Zu  den  kurzen  Y  l  W'  V-  werden  auch  entsprechende  Längen  für 
die  idg.  Grundsprache  angesetzt  (Brugmann  Grundriß  I  §  531). 
Im  Germ,  scheinen  ar  und  al  die  Entsprechungen  von  /'  und  / 
vor  Konsonanten  zu  sein:  ahd.  walm  idg.  wlmi-  (ind.  ürmi-).  — 
ahd.  scart  idg.  skfto-.  —  ahd.  garba  idg.  ghfbhä  'Handvoll'  (idg. 
Wz.  ghrebU).  —  got.  barn  'Kind'  aus  idg.  bhf-no-m  (eigtl.  Partiz. 
Pass.  'das  Geborene'  zu  Wz.  bher  'gebären').  —  ahd.  arm  lat.  armus 
ind.  trmd-  aus  idg.  fmö-s.  —  got.  hardus  gegenüber  gr.  Kpaiu^. 
—  ahd.  tharm  zu  Wz.  ßre  'drehen'. 

§  106.  Allgemeines.  Der  germ.  Vokalismus  zeigt  seine 
Eigenart  in  dem  Wandel  von  idg.  ö  (auch  in  oi  ou)  zu  germ. 
ä  und  von  idg.  ä  zu  germ.  6,  sowie  in  der  Entwicklung  von  idg. 
T  l  W-  V-  z\i  dr  dl  dm  dn  und  in  der  Vertretung  von  d  durch  u  {p).  Die 
idg.  Quantitätsverhältnisse  sind  im  Urgermanischen  ungestört  ge- 
blieben, wie  die  behandelten  Vokalentsprechungen  zeigen.  Doch 
ist  zu  beachten,  daß  das  Germanische  vor  Nasal  oder  Liquida 
und  Verschlußlaut  (oder  Spirans)  keine  langen  Vokale  duldet; 
daher  steht  nach  Osthoff  Perf.  84  germ.  ^winda-  ^wenda-  'Wind' 
für  idg.  we-nto-^  ahd.  fersana  für  idg.  p^rsnä  (ind.  pärsni-)  resp. 
ptersnä  (gr.  iriepva),  ahd.  herza  für  idg.  kird-  (ind.  härdi  gr.  Kr|p), 
got.  viimz  für  idg.  memso-  (ind.  mämsd-) ;  vgl.  noch  got.  ams  aus 
idg.  omso-  (gr.  a)]LiO(;).  Daneben  bleibt  aber  vor  sk  st  zg  zd  ebenso 
vor  ht  ft  und  ^.y  alte  idg.  Länge  im  Germanischen  durchaus  be- 
wahrt :  asächs.  thrtsti  lat.  trtstis ;  ahd.  wuosti  aus  ^wöstu  "^wästu  (altir. 
fäs) ;  angls.  öst  'Ast'  aus  ^ozdo-  \  asächs.  mäsca  aus  urgerm.  mesqen- 
(vorgerm.  mezgen-)  Holthausen  Beitr.  11,  551;  vgl.  angls.  rüst 
'Rost',  hwösta  'Husten',  mist  'Nebel',  ßistel  'Distel',  list  'Leiste', 
ahd.  krüsci  nuosc.  Vor  den  gleichen  Konsonantenverbindungen 
sind  Diphthonge  möglich  (ahd.  irost  löset  deisc  fleisc  usw.). 

Kap.  23.    Der  Wurzelablaut. 

Das  Germanische  teilt  mit  allen  idg.  Sprachen  einen  geregelten 
Vokalwechsel,  den  man  zunächst  für  Wurzelvokale  «Ablaut»  nennt. 
Derselbe  ist  für  Wort-  und  Formenbildung  in  der  idg.  Ursprache  sehr 


IV.  Vokalismus.  113 


bedeutsam  gewesen.  Das  Germanische  macht  in  der  Flexion  der 
Verba  einen  festen  Gebrauch  davon,  doch  zeigen  sich  auch  beim 
Nomen  (§  220)  zahlreiche  Ablautspuren.  Innerhalb  des  Indo- 
germanischen scheint  eine  große  Fülle  von  Regeln  für  die  Ver- 
teilung der  einzelnen  Stufen  bestanden  zu  haben.  Hier  ver- 
zichten wir  auf  eine  Darstellung  der  für  das  Germanische 
teilweise  unwesentlichen  Ablaute.  Unwesentlich  sind  einzelne 
idg.  Ablaute  im  Germanischen  dadurch  geworden,  daß  innerhalb 
des  Germanischen  die  Urvokale  idg.  ö  und  ä  sowie  0  und  ä  zu- 
sammenfielen. Es  trat  dadurch  innerhalb  des  Germanischen  eine 
Vereinfachung,  zugleich  aber  auch  eine  Verwischung  der  alten 
Ablaute  ein. 

§  107.  Ablaut  S '.  ö.  Indem  für  idg.  ö  im  Germanischen 
ä  eintrat,  änderte  sich  die  germ.  Gestaltung  des  Ablauts.  Ehe 
wir  die  einzelnen  Stufen  systematisch  durchnehmen,  mögen  einige 
germ.  Beispiele  den  idg.  Ablaut  e  :  ö  belegen:  an.  fjgrdr  (aus 
*ferdu-z)  got.  faran  ferja  forum  aus  idg.  per  pör\  got.  sitan  sat 
situm  angls.  söt  (vgl.  altir.  suide  aus  "^södia)  'Ruß'  aus  der  idg.  Wz. 
sM  söd  'sitzen';  asächs.  ahd.  f'egdn  'fegen'  ^o\.  fagrs  'schön' 
gafehaba  'passend'  an.  fäga  asächs.  fögian  'fügen'  aus  idg.  Wz. 
pSkpök ;  got.  ligan  :  lag  :  lew  'Gelegenheit'  —  lewjan  'verraten' :  ahd. 
luog  'Wildlager' ;  ferner  ahd.  giscehan  :  giscah  got.  skewjan  :  sk6hs\ 
got.  brikan  brak  brekum  ahd.  bruoh ;  got.  ntitan  mat  ahd.  mä^a  an. 
m6t\  Wz.  dSq  döq  in  mhd.  zechen  got.  taujan  tewa  t6{w)ja-\  Wz. 
k^l  köl  in  got.  hilan  hal  helum  hölön.  Mit  Hülfe  von  Ergänzungen  aus 
andern  idg.  Sprachen  lassen  sich  alle  vier  Vokalstufen  in  zahl- 
reichen Wurzeln  nachweisen.  Es  verdient  aber  hervorgehoben  zu 
werden,  daß  nicht  alle  Wurzeln  in  diesen  vier  Stufen  bezeugt 
sind;  die  Verbalwurzeln  kennen  meist  nur  e  ä  e\  für  ^/- und  eu- 
Wurzeln  ist  die  i-  und  ^-Stufe  unmöglich. 

§  108.  Schwundstufe.  Für  den  ^:<y-Ablaut  kommt  zunächst 
in  Betracht  die  niedrigste  Vokalstufe  oder  die  Tiefstufe,  welche 
in  unbetonter  Silbe  ihre  Stelle  hat. 

a)  Hier  tritt  die  größtmögliche  Vokalreduktion  ein  und  zwar 
völliger  Vokalschwund ;  vgl.  got.  s-ind  'sind'  zu  is-t  'ist'  (idg.  Wz. 
es)\  angls.  söd  ahd.  sand  'wahr'  eigentlich  'seiend'  aus  s-ont-  als 
Partizip  zu  der  idg.  Wz.  es  'sein'  und  dazu  noch  got.  sunjis  (ind. 
satyd-)  aus  idg.  stit-jfö-.  —  got.  t-unpus  'Zahn'  lat.  d-ent-cm  eigent- 
lich 'Essender'  als  Partiz.  zu  der  idg.  Wz.  Sd  'essen' ;  got.  gr-edus 
zu  ahd.  g'er-ön   'begehren' ;    got.  tr-iu   'Baum'   zu   gr.  öopu ;    got. 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  8 


114  IV.  Vokalismus. 


kn-iu  zu  lat.  genu  gr.  yovu ;  angls.  hn-iiu  gr.  KOV-ib- ;  got.  fr-uma 
zvi  faür\  ahd.  chr-anuh  gr.  Yep-avo(^;  germ.  sp'ell  aus  idg.  sqetlö- 
zu  der  idg.  Wz.  .y^^  'sagen'. 

b)  Dieser  ^-Schwund  in  den  unbetonten  Silben  der  idg.  Grund- 
sprache, der  immer  für  Unbetontheit  des  synkopierten  Vokals 
spricht,  zeigt  sich  vor  allem  noch  in  den  ei-  und  <?/^-Wurzeln, 
deren  niedrigste  Stufe  i  und  ü  in  der  Wurzelsilbe  ist.  Diese  a" 
und  ü  stehen  daher  urindogerm.  von  Haus  aus  in  unbetonter 
Silbe;  so  z.  B.  in  den  germ.  Partizipien  mit  idg.  Suffixbetonung 
got.  büdans  Mtans  zu  den  idg.  Wurzeln  bheudh  bheid. 

c)  So  sind  r  l  m  n  bei  ^-Wurzeln  durch  den  Schwund  des 
^-Vokals  vokalisch  geworden,  eine  fundamentale  Entdeckung, 
durch  welche  Brugmann  1876  (Curtius'  Studien  8,  287.  361)  eine 
neue  Auffassung  der  idg.  Vokalverhältnisse  inaugurierte.  Die 
germ.  Lautentsprechungen  der  idg.  X  l  W'  V  sind  in  §  105  auf- 
geführt; germ.  ur  (or)  —  ul  (ol)  —  um  —  un  erscheinen  im  e- 
Ablaut  (got.  wairpan  hilpan  finpan)  im  Part.,  wo  ursprünglich 
Suffixbetonung  galt :  got.  waürpans  hulpans  funpans. 

d)  Diese  idg.  Vokale  T  l  V}  V  =  germ.  tir  ul  tmi  un  gelten 
nicht  bloß,  wenn  in  der  Mittel-  und  Hochstufe  der  Wurzel  der 
Vokal  e  \  ö  {e  '.  a)  der  Liquida  resp.  dem  Nasal  vorhergeht  (idg. 
wert  wft  usw.),  sondern  auch  ebenso,  wenn  er  ihnen  folgt:  got. 
baürd  zeigt  /'-Stufe  zu  ahd.  bret\  ahd.  forscön  (für  ^forh-skon) 
zu  fragen;  an.  horskr  zu  angls.  hrade\  angls.  folde  (ind.  pTthivi-) 
zu  ind.  präthas  'Breite'  (ahd.  ßadd).  Doch  ist  hervorzuheben,  daß 
/'  im  Germanischen  durch  ru  [rd)  vertreten  wird  im  Ablautsystem 
von  Verben  wie  got.  brikan  :  brukans^  trudan  :  trap\  ahd.  sprehhan 
:  gisprohhan^  trehhan\  gitrohhan^  brestan  \gibrostan^flehtan\giflohtan^ 
{w)rehhan  '.  gi{w)rohhan^  triff  an  :  troffan,  brettan:gzbrottan,  hrespan 
:  irhrospan^  dreskan  :  gidroscan\  an.  gnesta  :  gnostenn.  Die  Stellung 
des  r  in  diesen  tiefstufigen  f-Formen  beruht  auf  Analogie  der 
Mittel-  und  Hochstufe;  doch  bleibt  an.  strodenn  zu  serda  un- 
erklärt. 

§  109.  Eine  zweite  Tiefstufe  ist  bei  ^-Wurzeln  beob- 
achtet: der  Vokal  schwindet  nicht  völlig,  sondern  bleibt  als  un- 
betontes e  (eigentlich  d)  =  germ.  e;  in  den  zahlreichsten  Fällen 
dürfte  dieses  e  einfach  übernommen  sein  aus  der  Mittelstufe. 
Es  herrscht  im  Partizip :  die  Partizipia  got.  gibans  itans  zeigen 
die  gleiche  Vokalstufe  wie  b^tans  zu  beitan^  büdans  zu  biu- 
dan,  resp.   wie  funpans   spunnans   zu  finpan    spinnan.     Dieses  e 


IV.  Vokalismus.  115 


hat  eigentlich  seine  Stellung  nur  zwischen  Verschlußlauten  und 
Spiranten.  Aber  e  findet  sich  germ.  als  Tiefstufe  auch  nach 
Liquiden  ;  vgl.  die  Partizipien  ahd.  gilesan  {gileran)  ginesan  gilegan 
u.  a.,  wo  nach  den  herrschenden  Anschauungen  vielmehr  idg. 
d  =  germ.  u  zu  erwarten  wäre. 

Die  ez-  eu-Wurze\n  haben  als  zweite  Tiefstufe  z  ü:  got.  ana- 
büsns  zu  biudan ;  ahd.  {Ji)lüt  'laut'  zu  der  idg.  Wurzel  kleu  (gr. 
kXu-tÖ(S);  ahd.  blügo  zu  an.  bljügr\  ahd.  ütiro  zu  asächs.  *eodar\ 
andd.  üp  'auf  got.  iup;  angls.  rüst  'Rost'  zu  der  idg.  Wz.  reudk 
'rot'  (vgl.  an.  rjödd).  —  Aber  idg.  z  ist  im  Germanischen  mit 
idg.  ei  zusammengefallen,  es  lassen  sich  daher  im  Germanischen 
die  zweite  Tiefstufe  und  die  Mittelstufe  nicht  mehr  unterscheiden. 
Mit  einiger  Sicherheit  hat  idg.  z  als  Ablautstufe  zu  idg.  ei  zu 
gelten  in  got.  -beisns  aus  "^bhztsni-  zu  Wz.  bheidh\  an.  tigenn  zu 
gr.  öeiKVUiuii;  wohl  auch  in  got.  skei-rs  skei-nan  skei-ma.  —  Als 
zweite  Tiefstufe  zu  x  (=  germ.  ur)  gilt  ^  (=  germ.  ar)\  ahd. 
garba  zu  der  idg.  Wz.  ghrebh  (ind.  gTbh)\  ahd.  scar-t  zu  scer-an 
(also  Grdf.  ghfbhä  skj-tö-).  Unsicheres  ist  bisher  über  tfi  ^  als  Ab- 
laut zu  em  en  vorgebracht;  ihre  Vertretung  im  Germanischen  ist 
noch  nicht  klar. 

§  HO.  Mittelstufe.  Während  die  beiden  Tiefstufen  in  ur- 
sprünglich unbetonten  Silben  ihre  Stellung  gehabt  haben,  gilt  für 
die  Mittelstufe  eigentlich  Betonung;  das  Germanische  legt  mit  dem 
grammatischen  Wechsel  im  Verbum  dafür  Zeugnis  ab:  got.  filhan 
aber  Ydxt.  fulgins^  ahd.  werdaw.  Part,  wortan^  lesan:  Favt.  gi/eran^ 
siodan  (aus  *seußan):  Part,  gisotan^  ahd.  sntdan  (aus  vorgerm. 
snSito-)'.  FdiVt.  gisnitan.  e  z  eu  sind  die  germ.  Mittelstufen  der  drei 
^-Ablaute. 

§  III.  Die  Hochstufe  ist  idg.  0,  in  betonter  wie  in  unbetonter 
Silbe  erscheinend ;  vgl.  gr.  öebopKtt  zu  b€pKO|Liai  (löpaKOv),  xeKXocpa 
zu  KXeTTTiu,  7T6TTOv0a  ZU  TievGoq ;  lat.  toga  socius  zu  tego  sequor.  Als 
f^^-Wurzel  beachte  gr.  eiXrjXouGa  zu  ^Xeij(e)(TO)Liai  (riXuOov).  Inner- 
halb des  Germanischen  zeigt  sich  a  als  ^-Ablaut  im  Perfekt  wie 
got.  warp  fanp  halp  bait  baud  usw. 

§  112.  Dehn  stufe,  i  zeigt  sich  als  Ablaut  zur  Mittelstufe  e 
innerhalb  des  Germanischen  nur,  wo  der  Verdacht  einer  uridg. 
Ersatzdehnung  besteht:  got.  nemun  gebun  mit  idg.  Ersatzdeh- 
nung aus  *ne-nm-un  *ge-gb-tin  §  171;  got.  ga-qems  mit  idg. 
Dehnung  aus  * qe-qm-i-  *ge-gnt-i-  —  m^.jdgmi-  QF.  32, 134.  Gleiche 
idg.  Ersatzdehnung  dürfte  anzunehmen  sein  für  an.  vdr  'Frühling' 

8* 


ii6  IV.  Vokalismus. 


(lat.  vir)  aus  vorgerm.  wer-  für  *wesr-\  got.  -wirs  (lat.  verus)  aus 
'^wes-rö-s  (zu  ahd.  wesan  EtWb  unter  wahr)\  vgl.  idg. patir  poimin 
aus  *pat^rs  *poimen-s  (gr.  Tratrip  TTOi|nriv). 

§  113.  <^  als  Ablaut  zu  Mittelstufe  ^ist  sehr  selten:  mhd.  schuor 
zu  schern\  ahd.  luog  'Wildlager'  zu  F art  güegan  {idg.Wz.  l^gk); 
got,  föttis  zu  \dX. ped-em\  angls.  dögor  Tag'  (an.  dagr  'Tag')  zu  lit. 
d?^j^/^  'brennen'. 

§  114.  Neben  dem  Ablaut  mit  e  als  Mittelstufe  finden  sich 
einige  Fälle  von  Ablaut,  der  sich  wesentlich  zwischen  i  :  6  (gr. 
pr|YVU)Ui:  ^pptuya)  bewegt  und  nur  selten  eine  Tiefstufe  mit  germ. 
ä  aufweist :  got.  se-ßs  aber  sai-so-un ;  ahd.  knäen  :  knuodelen ;  ahd. 
gitä-n :  tuo-n,  ahd.  iä-t:  tuo-m\  ahd.  ^^/^ö  zu  angls.  höc  neben  angls. 
haca  und  ahd.  kräko  neben  an.  krökr ;  ahd.  spuoen :  aslav.  sp^Ja 
(dazu  ahd.  spä-rön  'sparen');  vgl.  noch  angls.  rö-por  zu  lat.  re-mus\ 
ahd.  räwa  :  ruowa\  got.  ^^/^  mit  dem  Kompar.  angls.  sdella\  got.  j er 
gr.  üjpa.  In  diesen  Fällen  dürfte  ö  Mittelstufe  sein  und  e  eine 
Tiefstufe,  weil  die  Verteilung  von  e  und  6  hier  der  sonstigen 
Verteilung  von  Mittel-  und  Tiefstufe  entspricht.  Möglicherweise 
hat  dieselbe  Auffassung  auch  zu  gelten  für  got.  letan  laüöt  mit 
dem  Ablaut  ä  in  got.  latjan ;  für  got.  Ukan  taitok  mit  dem  Ablaut 
ä  in  an.  taka. 

§  115.  Daneben  gibt  es  Fälle  von  idg.  Ablaut  0  :  ^ --=  germ. 
ä\ö\  vgl.  got.  aleina  gr.  ibXevr) ;  got.  namö  lat.  nomen  (mndd. 
nömen  'nennen');  nhd.  Ast  (gr.  oto<^  angls.  öst\  lat.  opus  ahd. 
Moban\  got.  dags  \fidurddgs  fidg.  Wz.  dhegh  in  lit.  degti  'brennen'). 
Für  den  parallelen  Ablaut  e  :  e  vgl.  got.  ^mö  :  ^ens  (ind.  jäni-) 
'Weib' ;  got.  inu  :  ahd.  äno\  got.  taihun :  -tehund\  mhd.  sweher\swäger\ 
ahd.  sweran  :  swäri\  got.  /r^^^ö:  ahd.  trägt \  lat.  ^^r2  ahd.  gestron 
an.  /  ^^r. 

Anm.  Einige  Verbalwurzeln  schwanken  zwischen  / ;  ^  vgl.  gr.  ^Zo|Liai  lat. 
j^^^j  'Sitz'  —  ahd.  sizzan  aber  himilsäzzo  'Himmelsbewohner',  ahd.  h'elan :  lat. 
celäre,  ahd.  sp'ehön  :  spähi  (lat.  suspicio),  got.  fraihnan :  ahd.  fragen. 

§  1 16.  Der  a-Ablaut  hat  als  feste  Mittelstufe  ^,  als  Hochstufe 
a  =  germ.  6\  Tiefstufe  dazu  ist  im  Germanischen  ä.  Hierher  ge- 
hört der  Verbalablaut  got.  faran  for  farans\  vgl.  mit  gr.  ayeiv 
lat.  agere  das  an.  aka  6k  ekenn.  —  Hochstufe  ä  bei  ^-Wurzeln 
steckt  in  gr.  XeXr|0a  ^k.^x\^o.  Te9r|Xa  XeXriKa  usw.  Innerhalb  des 
Germanischen  ist  dieser  Ablaut  ä  :  ä  lautgesetzlich  mit  dem  idg. 
Ablaut  ö\  ö  zusammengefallen,  so  daß  das  Germanische  nicht 
ausreicht,   einen   selbständigen   Einblick   in   den  ^-Ablaut  zu  ge- 


IV.  Vokalismus.  117 


währen.  Daß  die  df- Wurzeln  gemeinindogerm.  in  der  Tiefstufe 
eigentlich  Vokalreduktion  resp.  Synkope  gehabt  haben,  dafür 
sprechen  manche  Zeugnisse  außerhalb  des  Germanischen ;  inner- 
halb des  Germanischen  beachte  angls.  nösu  neben  näsu  (lat.  näsus 
angls.  nöse)  mit  a  \  ä\  aber  es  herrscht  durchaus  ä  als  germ.  Tief- 
stufe vgl.  got.  fadar  gr.   Ttatrip   (gegen   got.   bröpar  lat.  fräter). 

Kap.  24.    Der  Suffixablaut  und  die  Mittelvokale. 

§  117.  Dieselben  Ablautserscheinungen,  die  in  den  Wurzelsilben 
auftreten,  zeigen  sich  auch  in  den  Suffixsilben.  Dem  Wechsel 
gr.  q)6po-|uev  9epe-Te  oder  X\jko-(;  XuKe  entspricht  got.  baira-m 
bairi-ß,  wttlfa-m  Dat.  Plur.  wulfi-s  Gen.  Sg.  Innerhalb  der  Dekli- 
nation beachte  die  u:eu  :  ö«-Stämme  in  got.  sunu-s  suniw-e  sunau-s 
oder  die  i  :  ei  :  ^/-Stämme  in  got.  ansti-m  anstei-s  anstai-s.  Bei 
der  idg.  ö-Deklination  wechseln  6  \  e  \w  got.  daga-m  dagö-s  dagi-s 
dagL  Bei  den  ;^-Stämmen  (Osthoff  Beitr.  3,  i)  wechseln  n:en:on 
in  got.  aühs-n-i  aühs-in-s  aühs-an-s  (Nebenform  ön  in  got.  augö 
augöna).  Die  r-Stämme  zeigen  T:r\erm  got.  broß-ru-m  bröp-r-e 
bröp-ar.  Beachte  got.  inu  :  gr.  dveu  :  ahd.  äno  (dies  aus  germ. 
iftau)  mit  dem  Suffixablaut  u  :  eu  '.  ou.  —  Das  Suffix  nt  der  pri- 
mären Präsenspartizipia  hat  nur  in  vorhistorischer  Zeit  Ablaut 
Vt  \  ont  gekannt:  Zeugnis  got.  t-unp-us  ahd.  z-and.  Die  Lautstufe 
-und-  aus  -dnt-  zeigt  das  Germanische  noch  in  dem  auf  s-dnt- 
'seiend'  beruhenden  got.  stmjis  'wahr'  aus  '^sundja-  =  ind.  satyä- 
und  got.  bisunjane  'ringsherum'  eigtl.  'der  Herumwohnenden'  Gen. 
Plur.  zu  *sunjan-  aus  *sundja-  (§  i8oa).  Beachte  auch  den  Suffix- 
ablaut ahd.  zehan  :  got.  taihun  (Grdf.  dekonit :  dektjit).  —  In  einer 
Kategorie  zeigt  sich  ein  idg.  Suffixablaut  germ.  jön  :  tn :  die  Ad- 
jektivabstrakta  des  Typus  got.  managein-  decken  sich  mit  dem 
lat.  //^«-Typus  in  Partizipialabstrakten  wie  lat.  ratio  statio  nätio 
(zu  ratus  Status  nätus)\  vgl.  unten  §  261.  Ebenso  verhält  sich 
Suffix  Jan  :  in  in  angls.  fricca  'Herold'  (Grdf.  vorgerm.  preknjön-) 
:  ind.  prafnin-  'Frager'  zu  pragnd-  'Frage'.  Innerhalb  der  Kon- 
jugation vgl.  run.  tawidö  :  got.  tawide-s  (ahd.  nfritu-n  mit  nie- 
drigster Vokalstufe  im  Suffix  s.  unten  Kap.  38).  Beachte  got. 
s-ind  :  bair-and.  Der  Ablaut  im  Optativsuffix  ji  :  t  (KZs.  24,  303) 
zeigt  sich  in  got.  sia-i  aus  idg.  siet  gegen  ahd.  sft  (lat.  s-f-tis) 
Joh.  Schmidt  Vokalism.  II  413. 

Innerhalb  des  Germanischen  hat  sich  der  Suffixablaut  (Paul 
Beitr.  6,   227)   durchaus   nicht   immer  in   seinen   ursprünglichen 


Ii8  IV.  Vokalismus. 


Normen  gehalten.  So  zeigt  das  Germanische  nicht  mehr  eine 
Verteilung  der  e  :  ö-Formen  bei  den  neutralen  ö^-Stämmen  auf 
die  einzelnen  Kasus  (lat.  genus  generis  gr.  fevo^  Y^veo^  usw.); 
es  flektiert  vielmehr  beide  Formen  durch,  verteilt  sie  nur  zu- 
weilen auf  die  Dialekte.  Aus  einem  Paradigma  wie  lat.  caput 
:  capitis  entstehen  an.  haufud  angls.  heafod :  ahd.  hotwit  asächs. 
höhid\  vgl.  asächs.  hacud  \  ahd.  hehhit\  asächs.  racud  \  angls.  reced\ 
an.  stgpull :  angls.  stypel\  angls.  warod  :  ahd.  werid\  angls.  gicel 
:  an.  jgkull\  got.  wairilö  :  angls.  weleras  (aus  germ.  weral6s)\ 
ahd.  elira  'Erle'  :  angls.  alor\  ahd.  üwila  :  angls.  M{w)le\  ahd. 
Modal  :  angls.  edel\  got.  ubizwa  :  ahd.  obasa\  got.  naqaps  :  an. 
nekkvedr  (aus  '^naqidaz)\  an.  morgunn  myrgenn  got.  maürgins  ahd. 
morgan]  ahd.  magan  \  megin\  asächs.  hetan  \  himil\  ahd.  enit  \ 
anut\  ahd.  elbi$  :  an.  glpt  (aus  ^^albut)'^  ahd.  ^^///  aus  *apili  neben 
angls.  cBdele  aus  ^apali\  ahd.  menigtn  (aus  '^manigm-) :  managt  neben 
manag \  diSx^.  f remidi  \  framadi  neben  got.  framaps \  asächs.  heban: 
got.  hijnins  haben  Suffix  -ono-  :  -eno-\  so  steht  ahd.  morgan  neben 
got.  maürgins^  ahd.  nebul  aus  "^nebhdla-  neben  gr.  vecpeXr)  (an. 
niflheimr)^  got.  naqaps  neben  an.  nekkvedr  aus  *naqidaz,  got.  mikils 
neben  gr.  )U€YdXr| ;  zu  angls.  Wödan  gehört  der  Genet.  mittelengl. 
Wednesdai  (aus  *  Wodines-dag).  Wohl  gehören  hierher  auch  angls. 
hrcegl  neben  ahd.  hregil  und  an.  hagl  :  hagall  =  angls.  hcEgl 
hagol\  auch  angls.  sncBgl  =^  n\idi.  (dial.)  Schnegel. 

§  II 8.  Erwähnung  verdient  das  Fehlen  von  Mittelvokalen,  wo 
dieselben  zu  erwarten  wären ;  dieses  Fehlen  ist  als  Schwundstufe 
aufzufassen;  alle  Fälle,  welche  hier  in  Frage  kommen,  sind  aus 
vorgerm.  Ablaut  zu  erklären.  Vgl.  gr.  0UYdTrip  :  got.  daühtar 
(aus  ^^dhukter) ;  gr.  d|ua0o<;  (bayr.  sampt)  :  angls.  sand\  gr.  Kd- 
Xa|Liog  :  ahd.  halm  ;  got.  naqaps  :  air.  nocht\  got.  gibla  zu  gr.  Kecpa\r| ; 
ahd.  anado  :  anio  angls.  onepa  :  onda;  ahd.  akir  :  got.  a/is;  got. 
liukap:  ahd.  liokt;  ahd.  le/s  :  ahd.  lefur;  ahd.  irri  'zornig'  zu  ind. 
irasydti  'er  zürnt'.  Hierher  asächs.  for-mo  :  got.  fr-uma  und  got. 
hair-pra  :  angls.  hr-eder.  Bei  Ableitungen  vgl.  got.  asn-eis  zu 
asan-s^  got.  liuht-jan  zu  liuhap^  ahd.  nift:  nevo  (idg.  neptf :  nepdt)\ 
got.  namn-jan  zu  namin-s  namo;  an.  ^//  aus  *ah-ti-  =  ind.  ö^p//- 
s.  §  302. 

§  119.  Das  Indogermanische  besaß  einen  eigenen  unbetonten 
Mittelvokal  p  (ind.  i  gr.  a),  der  im  Germanischen  durch  ^/  ver- 
treten wird:  \nd.  jä-nt-mds got. kun-nu-m{\dg.  gi^-nd-mes) ;  got.  -uma 
{hind-uma  inn-uma)  aus  idg.  dmo  (lat.  inf-imus)  §  291 ;  got.  berum 


IV.  Vokalismus.  119 


aus  idg.  bherdme  (ind.  -ima  gr.  -a|U€v).  Ahd.  nabulo  ist  vorgerm. 
nobhdlo-  (vgl.  gr.  ö|LicpaX6^),  ahd.  nebul  vorgerm.  nebhdlä  (aber  an. 
nifl-  aus  ^nibil-  entspricht  dem  gr.  veqpeXri). 

Anmerkung.  Dieses  u  aus  vorgerm.  9  steht  nur  vor  oder  nach  Liquiden  und 
Nasalen.  In  got.  berup  beruht  das  u  wohl  auf  Einfluß  von  herum  berun.  Das 
u  in  got.  waldufni  fraistubni  usw.  deutet  darauf  hin,  daß  /  resp.  b  für  m  ein- 
getreten ist. 

§  120.  Nachdem  wir  die  auswärtigen  Beziehungen  der  germ. 
Mittelvokale  erledigt  haben,  bleibt  die  Frage  zu  erörtern:  wie 
werden  die  alten  Mittelvokale  intern  germanisch  behandelt.^  Hat 
etwa  die  Stellung  in  der  unbetonten  Silbe  auf  die  Lautgestalt 
gewirkt } 

Idg.  e  als  Mittelvokal  ist  urgerm.  e^  woneben  sich  eine  jüngere 
Entwicklung  l  einstellt,  e  zeigt  sich  im  Gen.  Sg.  germ.  da-^es  aus 
*da'^eso\  nach  Paul  Beitr.  6,  550  auch  in  ahd.  mannes  nahtes\  aber 
im  Wortinnern  tritt  i  für  e  ein  wie  in  ahd.  egiso  aus  idg.  aghes-, 
ahd.  heilisön  zu  vorgerm.  koiles-.  e  hat  sich  noch  vor  r  gehalten: 
ahd.  fater  angls.  fceder  gr.  iraiep-a ;  germ.  ttber  (aus  *tiperi)  gr. 
UTiep;  ahd.  ander  angls.  öder\  run.  after  ahd.  after  angls.  cEfter\ 
angls.  wcEter  aus  idg.  woder\  angls.  hwcEper  gr.  7t6t6PO<;. 

Sonst  herrscht  im  Germanischen  i  für  e  als  Suffixvokal:  ahd. 
^lina  gr.  ibXevri ;  ahd.  eibin  \  aslav.  lebedi\  got.-germ.  gumin  gr. 
7T0i|Lievi  (lat.  homini) ;  got.  *gudini  aus  vorgerm.  ghutent\  got. 
hauhipa  diupipa  aus  idg.  kotiketä  dheubetä\  ahd.  birit  aus  "^berid 
*bered*beredi  (idg.  bhereti)\  ahd.  mihhil  aus  *megelos  (:  gr.  luejaXo-.) 

Idg.  es  erscheint  im  Germanischen  als  iz  im  Nom.  Plur.  run. 
dohtriz  (angls.  dehter);  ahd.  ttiri  aus  *duriz\  angls.  fet  aus  "^fötiz  : 
gr.  TTOÖe^ ;  ahd.  k^lbir  als  *kalbiztt  für  "^golbhesö ;  ahd.  sigiron  ge- 
hört zu  idg.  seghes'  'Sieg'. 

§  121.  In  Bezug  auf  idg.  0  ist  zu  bemerken,  daß  es  den  Wandel 
in  a  mit  den  aus  §  132  sich  ergebenden  chronologischen  Modifika- 
tionen durchgemacht  hat ;  also  -a  für  idg.  -om  in  finn.  huotra  telta 
raippa  (Thomsen  88)  run.  horna  staina ;  ebenso  idg.  -os  (gr.  XOxoq) 
=  germ.  -az  finn.  -as  {armas  kernas)  und  run.  -az  {pewaz  holtingaz 
haitinaz)\  für  eine  germ.  Grundform  da'^oz  fehlt  intern  jeder 
Anhalt.  Nach  §  147  hat  sich  0  nur  vor  labialem  und  zum  Teil 
auch  vor  dentalem  Nasal  erhalten:  urgerm.  Dat.  Plur.  da-^om 
(=  an.  dggutn  ahd.  iagum  got.  dagain)\  ahd.  berumis  gr.  qpepOjLiev; 
ahd.  hanun  'den  Hahn'  aus  *hanon.  Bei  gedecktem  Nasal  zeigt 
sich  ä  in  got.  bairand  \  ahd.  berant  (idg.  bheronti)\  vgl.  auch  das 
Partizip  ahd.  b'eranti  mit  gr.  cpepovT-. 


I20  IV.  Vokalismus. 


In  einigen  dunkeln  Fällen  scheint  mittleres  i  für  eigentliches 
ä  zu  stehen:  run.  mininö  (Bugge  Aarb0ger  1884,  80)  gegen  got. 
nteinana ;  angls.  ^nne  'einen'  aus  *aininö^  gegen  got.  ainana ;  in 
diesen  beiden  Fällen  kann  sekundärer  Übergang  von  ^  in  / 
kaum  zweifelhaft  sein ;  daher  got.  pmdinassus  zu  ßiudans. 

Anmerkung.  Ob  idg.  0  sonst  in  unbetonten  Silben  im  Nordischen  und  West- 
germanischen als  u  möglich  ist,  bleibt  zweifelhaft.  Man  möchte  für  an.  haufud 
angls.  heafod  nord.-westgerm.  u  =  vorgerm.  0  (got.  ä)  vermuten;  ebenso  für  ahd. 
habuh  'SiXi.  heafoc  nach  got.  ahaks.  Nach  van  Helten  Beitr.  15,  462  war  dieses 
nord.-vv^estgerm.  u  gesetzlich  vor  Endungs-«. 

Kap.  25.     Ausbildung  des  germanischen  Vokalismus. 

Die  nach  den  Kap.  22  zusammengefaßten  Gesetzen  entstandenen 
urgerm.  Vokale  erleiden  durch  sekundäre  jüngere  Gesetze  eine 
Weiterbildung,  durch  welche  die  spätere  Buntheit  und  Eigenart 
des  germ.  Vokalismus  entsteht.  Hierher  gehören  Tonerhöhungen, 
Brechungen,  Vokalisierungen,   Epenthesen,   Nasalierungen. 

§  122.  Erhöhung  von  e  zu  i  war  nach  §  104  in  dem  idg.  Di- 
phthong ei  =  germ.  t  (Mittelstufe  U  ist  unbezeugt)  eingetreten: 
gr.  XeiTTUJ  ahd.  Hhu,  gr.  öeiKVuiui  ahd.  zthu.  Dieselbe  Erhöhung 
von  ^  zu  ^  findet  statt: 

a)  vor  gedecktem  Nasal:  dihäi.  ßmf  gr.  irevTe;  ahd.  sind  altir. 
set  aus  Grdf.  sento- ;  ahd.  imbi  zu  gr.  e|HTri^  'Mücke' ;  ahd.  bintan 
gr.  TievGepo^;  ahd.  lindi  lat.  lenius\  ahd.  zvint  lat.  ventus\  ahd. 
gimma  minza  entlehnt  aus  lat.  gemma  mentha ;  daher  i  statt  e  in 
^■-Wurzeln  wie  ahd.  brinnan  spinnan  findan  springan  singan  u.  a. 

b)  vor  i  (j)  im  Suffix :  asächs.  middi  lat.  medius ;  ahd.  nift  lat. 
neptis  (zu  ahd.  nevo  lat.  nepos)\  ahd.  hirti  zu  heria  'Herde';  asächs. 
himil  ZM  heban\  ahd.  mihhil  z\i  gr.  juefCxXo-;  ahd.  irrt  zu  lat.  errare\ 
ahd.  igil  gr.  exivo^;  daher  gilt  l  für  ^in  y^-Präsentien  wie  asächs. 
liggiatz  sittian  (gr.  Xex  ^ö  in  Xexo?  eZ!o|uai);  desgl.  in  ahd.  birit 
nimit  zu  beran  neman.  Über  diese  Tonerhöhungen  vgl.  die 
gründliche,  abschließende  Untersuchung  von  Leffler  NTidskr.  Ny 
Räkke  IL 

c)  In  unbetonten  Worten  entsteht  germ.  i  aus  e\  vgl.  ahd.  mit 
in  angls.  mid  in  aus  eigtl.  *;;2^^  und  "^en  (vgl.  gr.  juerd  und  ev) ; 
ahd.  ni  'nicht'  aus  idg.  ne  (lat.  ne-fas  ne-scio);  ahd.  ih  angls.  ic  aus 
ursprgl.  ek  (vgl.  lat.  ego  gr.  v^\i}).  Da  Enklitika  auch  als  Ton- 
worte auftreten  können,  zeigen  solche  Worte  auch  e  neben  /; 
vgl.  angls.  mec  'mich'  gegen  ahd.  mih\   an.  med  gegen  ahd.  mit. 


IV.  Vokalismus.  I2I 


d)  In  unbetonten  Silben  erscheint  nach  §  120  i^  für  e^  nur  daß 
vor  auslautendem  r  und  .y  das  alte  e  beharrt.  Wo  durch  das 
alte  Auslautsgesetz  e  urgerm.  geschwunden  ist,  ist  es  als  e  und 
nicht  als  i  geschwunden;  darüber  vgl.  §  139.  Auch  das  e  im  vul- 
gärlat.  Wortauslaut  bei  Entlehnung  ist  germ.  als  e  übernommen 
und  als  e  (nicht  als  i)  gemäß  den  Auslautsgesetzen  geschwunden; 
vgl.  angls.  munt  aus  lat.  monte-  'Berg',  torr  aus  lat.  turre-  'Turm', 
pic  aus  lat.  pice-  (nicht  aus  pici-). 

e)  Urgerm.  bleibt  ^bei^  im  Suffix,  dXso  fehu  {2,S2lq\\s.  fehii)  'Vieh', 
felu  {d^n.fjgl)  'viel',  medzc  (an.  mjgdr)  'Met',/^r^/^ 'TrepuCTi'  {2Si.fjgrd)\ 
vgl.  auch  an.  miglk:  got.  miluks  und  an.  hjgrtr\  angls.  heorot.  Aus 
dem  Althochdeutschen  beweisen  swehir  (gr.  eKup6(;)  und  ebur  'Eber' 
im  Gegensatz  zu  miluh  'Milch'  und  hirm  'Hirsch'  mit  jüngerem  i. 

§  123.  Unter  Brechung  (oder  <3;-Umlaut)  verstehen  wir  den 
meistens  durch  suffigiertes  0,-6  bewirkten  sekundären  Übergang 
von  i  zvi  e  und  von  ü  zu  ö.  Der  Wandel  von  idg.  i  zu  germ.  e 
ist  sehr  selten,  gesetzlich  vor  r  in  asächs.  wer  'Mann'  lat.  vir 
'Mann',  sowie  in  asächs.  herod  (ahd.  hera)  'hierher'  neben  asächs. 
hinan  'von  hier'  und  in  angls.  pere  'Birne'  aus  lat.  pira ;  dann  vor 
der  Spirans  h  in  asächs.  tweho  ahd.  zweho  'Zweifel'  aus  *dwtqen- 
(:  ahd.  zwivo)^  in  asächs.  wehsal  (aus  vorgerm.  wikslo-)  zu  lat. 
vicis.  Die  Gleichung  ahd.  hehera  =  gr.  KiCTCTa  (aus  '^kikjd)  'Häher' 
ist  unsicher,  aber  angls.  higre  'Häher'  beweist  ein  vorgerm.  i.  Ob 
die  ahd.  Vogelnamen  speht  und  weho  ursprgl.  1  gehabt  haben, 
läßt  sich  nicht  mit  unsicheren  Etymologien  erweisen.  —  Ferner 
gilt  gemeingerm.  e  für  vorgerm.  i  in  angls.  nest  aus  idg.  nizdo- 
(lat.  ntdus) ;  ahd.  z>  im  Nom.  lautet  im  Genetiv  es  (vgl.  den  Nom. 
Sg.  er). 

Anmerkung  i.  Der  a-Umlaut  von  echtem  i  hat  den  größten  Umfang  im 
Hochdeutschen  und  im  Nordischen ;  aus  dem  Ahd.  Mhd.  vgl.  Beispiele  vor  ch 
wie  Lech  (lat.  Lictcs),  mhd.  blech  (mndd.  blik)  b'ech  b'echer  und  ahd.  w'ehha  'Woche' ; 
Beispiele  vor  ss  und  ff  haben  nur  beschränkte  Geltung  (fränk.  wessa  'wußte' 
und  alem.  sce/  'Schiff',  aber  gemeinahd.  pfeffar  aus  lat.  piper) ;  Beispiele  vor 
ck  sind  der  Flußname  Neckar  (lat.  Nicro-y  Nom.  Nicer)  und  mhd.  lecken^  sowie 
zecke  'Holzbock',  qu'ec  'lebendig'  und  sp'ec  'Speck'.  Näheres  bei  Braune  Ahd. 
Gramm*  §  31  Anm.  i.  Die  beiden  sächs,  Dialekte  stimmen  mit  dem  Hoch- 
deutschen nur  überein  in  dem  aus  lat.  Signum  entlehnten  angls.  s'egn  'Feld- 
zeichen' =  ahd.  s'egan,  wozu  asächs.  s'egnon  'segnen'  und  in  dem  aus  lat.  sinäpi 
'Senf  entlehnten  ahd.  j^«a/=  angls.  s'enep\  wahrscheinlich  gehören  diese  Fälle 
deswegen  gar  nicht  unter  den  a-Umlaut  oder  die  Brechung;  denn  die  beiden 
sächs.  Dialekte  haben  sonst  keine  übereinstimmenden  Fälle  dafür  (Anm.  2). 

Anmerkung  2.  Von  den  beiden  sächs.  Dialekten  steht  das  Anglsächs.  dem 
gemeingerm.  Urzustand  am  nächsten,  wenn  es  liccian  'lecken'  gegenüber  asächs. 


122  IV.  Vokalismus. 


likkdn  und  lekkofi,  sowie  spie  'Speck'  neben  asächs.  sp'ek  besitzt ;  vgl.  auch  angls. 
siician  gegen  ahd.  stehhon  (zu  lat.  instigäre)^  sowie  angls.  sticca  =  ahd.  st'ecko. 
So  steht  auch  das  asächs.  bikeri  dem  ahd.  b'ehhäri  und  asächs.  quik  =  angls. 
civic  dem  ahd.  quec  gegenüber. 

Anmerkung  3.  Vor  dem  aus  R  =  z  {%  148  a)  entstandenen  r  zeigt  umgekehrt 
das  Anglsächs.  a-Brechung,  während  das  Ahd.  am  alten  /  zunächst  festhält.  Dem 
ahd.  Urnen  steht  angls.  leornian  und  dem  an.  viseitn  'verwelkt'  oxi^s.  forweoren 
'verwest'  gegenüber;  vgl.  auch  angls,  med  'Lohn'  für  *meRd  =  gr.  lUiöGöc;  und 
he  'er'  gegenüber  ahd.  ir,  we  'wir'  =  ahd.  wir,  ge  'ihr'  =  ahd.  ir  (für  *jir) :  die 
urengl.  Grundformen  dafür  waren  *heR  *weR  *jeR.  Im  Asächs.  stimmt  meda 
'Lohn'  für  *meRda  (doch  vgl.  §  126  Anm.). 

Anmerkung  4.  Das  Altnordische  zeigt  erhebliche  Abweichungen  vom  West- 
germanischen im  Bereich  der  «-Brechung:  Kock  Beitr.  23,  544  beschränkt  die 
Belege  auf  kurze  Wurzelsilben  z.  B.  hedan  nedan  gegenüber  ahd.  hinana  nidana, 
anderseits  fiskr  'Fisch'  =  asächs.  fisk.    Beachte  an.  glede  =  angls.  glida. 

Die  Brechung  von  ü  zu  ö  nimmt  einen  großen  Raum  im  Ger- 
manischen ein;  es  ist  dabei  einerlei,  ob  idg.  ü  zugrunde  liegt  oder 
ob  germ.  ii  für  3  sich  in  der  Umgebung  von  Liquiden  (aus  idg. 
T  i  durch  ^r  ^/ hindurch)  entwickelt  hat.  Bei  ä  resp.  ^oder  0  der 
folgenden  Silbe  wird  urgerm.  u  in  der  Wurzelsilbe  zu  0,  vgl.  idg.  ü 
in  ahd.  tohter  ind.  duhitdr-  gr.  0UY(XTr|p;  ahd.  noh  aus  idg.  nu  'jetzt' 
+  qe  'und';  ahd.  bodam  gr.  7TU0|Liriv;  ahd.yc»/?  {^t.xvs\.  joka-  aus  "^juka-) 
gr.  ZiuYÖv.  Dazu  die  Partizipia  von  ü  :  ^^^- Wurzeln  ahd.  gizogan 
firloran  gegen  Prät.  Plur.  zugun  firlurun. 

Idg.  X  §  105  wird  durch  or  statt  durch  ttr  im  Germanischen  ver- 
treten, wenn  a  oder^  in  der  Ableitung  steht:  asächs.  iorhtmdi.  dxstä-\ 
ahd.  zvolfmd.  vfka-\  ahd.yb/  \n^.pi%rnä-\  ahd.  dorf  2MS  ^ixbo-\  daher 
ahd.  giholfan  aber  hulfun^  wortan  aber  wurhm^  scolta  aber  sculun. 

Ausnahmen  von  der  Regel  der  «-Brechung  des  ü  zeigen 
sich  im  Altsächsischen,  Angelsächsischen  und  Altnordischen  gern 
bei  an-  oder  inlautendem/  und  w,  wenn  /  mit  im  Spiele  ist: 
asächs.  angls.  wulf  {2^1.  ülfr)  =  ahd.  wolf,  angls.  wul/(an.  ult)  =  ahd. 
wolluy  angls.  wuldor  ==  got.  wulßra-^  asächs.  angls.  füll  (an.  fullr) 
=  ahd.  fol^  asächs.  fugal  angls.  fugol  (an.  fugl)  =  ahd.  fogal. 
Auch  vor  m  wird  in  den  sächs.  Dialekten  u  bevorzugt:  angls.  guma 
asächs.  ^^^wö  =  ahd.  gomo  und  angls.  cuman  asächs.  kuman  =  ahd. 
koman\  hierher  angls.  trum  'fest,  stark',  sowie  angls.  frumbearn 
frumcynn  Jrumgdr  neben  an.  fmmgjgf  frumvgxtr  (unten  §  301). 
Auffällig  ahd.  sumar=  angls.  sumor  =  an.  sumarr  und  ahd.  asächs. 
angls.  sum  =  an.  sumr  (Pron.),  sowie  ahd.  luba  'Liebe'  =  angls.  lufe 
(got.  hibo).    Beachtenswert  sind  aber  auch  angls. /<?/r  und  wolcen. 

Auch  vor  n  ist  die  «-Brechung  nicht  überall  durchgedrungen; 
vgl.  angls.  pmtor  'Donner'  =  ahd.  donar;    asächs.   wunon    wonön 


IV.  Vokalismus.  123 


'wohnen' ;  an.  hunang  angls.  huneg  =  ahd.  honang  asächs.  hoheg ; 
angls.  sunu  Gen.  suna  =  an.  sunr  Gen.  sonar.  Außerdem  an. 
brune  'Bra.nd\  fune  'Feuer',  rune  'Fluß'  und  angls.  dunian  'dröhnen', 
grunian  'grunzen'  usw. ;  aber  asächs.  thona  'Ranke'  =  ahd,  dona. 

Das  Ahd.  ist  in  der  Durchführung  der  «-Brechung  am  konse- 
quentesten ;  vgl.  erbinomo  (angls.  yrfenuma),  donar  (angls.  ßunor)^ 
wonen  (angls.  wunian)^  honang  (an.  hunang)^  wolf  (asächs.  wulf), 
wolla  (mndd.  wtUle),  fogal  (asächs.  fugat). 

Anmerkung  5.  Über  die  ß-Brechung  von  u  handelt  Kock  Beitr.  23,  511  mit 
spezieller  Berücksichtigung  des  Altnordischen. 

Anmerkung  6.  Differenzen  zwischen  den  altgerm.  Dialekten  wie  ahd.  fuhs  : 
angls. /ox,  ahd. /u/is :  angls.  lox,  ahd.  duhs:  angls. /^öx,  ahd.  /url:  asächs. /orä, 
ahd.  kus :  angls.  coss  erklären  sich  wohl  aus  ursprgl.  z^-Stämmen,  wie  ahd.  /«;-/ 
angls.  /ord  =  lat.  portus  'Hafen'  lehrt.  Die  Differenz  rührt  her  von  einer  Flexion 
wie  an.  sunr  Gen.  sonar. 

§  124.  Epenthese  von  i  wird  neuerdings  meist  geleugnet; 
Scherer  zGDS*  472  und  Joh.  Schmidt  Vok.  2,  472  vertreten  dieselbe 
wohl  mit  Recht.  Wenigstens  wird  für  folgende  Fälle  gern  Epenthese 
angenommen :  angls.  an.  dr  'Ruder'  (finn.  aird)  =  germ.  azrö-  aus 
*  erjä-  (gr.  Tpirjpric;) ;  ahd.  meinen  aus  Wz.  man ;  got.  hraiw  aus  ^kravjas- 
=  ind.  kravis-  gr.  Kpeaq;  got.  daila  aus  '^deljö-  aslav.  dHü\  zhd.  feilt 
gr.  TTUjXeojuai.  Eine  strikte  Regel  für  die  germ.  Epenthese  ist  noch 
nicht  gefunden  (über  aslav.  ör^vo  dälü  vgl.  Amelung  ZfdA.  18,  213). 
Germ.  ^^-Epenthese  ist  nicht  nachgewiesen;  in  dem  au  von  got.- 
germ.  augo  (aus  idg.  oq-  ok-  in  lat.  oculus  gr.  öcTCTe  ind.  aksdn-) 
erkenne  ich  Einfluß  von  Seiten  des  germ,  atisö  auzö  'Ohr'. 

§  125.  Es  scheint  urgerman.  in  einigen  noch  näher  zu  be- 
stimmenden Fällen  anlaytendes  we  über  wo  zu  wä  geworden  zu 
sein  (ein  ähnlicher  verdunkelnder  Einfluß  von  w  auf  e  ist  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  und  auf  verschiedenen  Gebieten  bezeugt);  aber 
bei  /  oder  j  der  Endung  bleibt  dann  e  bestehen.  Vgl.  ahd.  wald 
(neben  wildi  'wild')  aus  *weltu-\  nhd.  warm  neben  gr.  6ep|Liö(;  (gegen 
ahd.  wirmen?)\  ahd.  zc'^^.y (neben  zvichsen)  aus  "^wekso-]  ahd.  wahsan 
gr.  oteHuj;  ahd.  wafsa  =  lat,  vespa\  ahd.  wagan  neben  altir.  fin  aus 
ursprgl,  wegno-.  Aber  germ.  wera-  ist  lat.  vir\  ahd.  wehha  ist  germ. 
wlkö.,  ahd.  wehsal  ist  vorgerm.  wikslo-  nach  §  123. 

§  126.  Eine  auffällige  Neuerung  im  germ.  Vokalismus  ist  das 
Auftreten  eines  gemeingerm.  6^,  das  von  dem  idg.  e  durchaus  ver- 
schieden ist;  im  Nordischen  und  Westgermanischen  fallen  beide 
nicht  zusammen  (idg.  e  =  nord.  westgerm.  ä  §  147,  aber  junges 
i  =  an.  angls.  asächs.  S  ahd.  ^  ea  ia)\  nur  im  Gotischen  lassen  sich 


124  IV.  Vokalismus. 


die  beiden  i  nicht  scheiden  resp.  in  ihrem  Unterschied  erkennen. 
Es  findet  sich  in  Lehnworten  wie  got.  Kreks  mes  aus  lat.  Graecus 
mensa\  ahd.  pfiesal  aus  lat.  pens(i)lem;  ahd.  biesa  aus  lat.  beta\ 
ahd.  ziagal  aus  lat.  teg(u)la\  ahd.  Rian  aus  lat.  Raetia\  ahd.  (Gl. 
ni  6ii,  15)  Trieren  'Trier'  =  lat.  Triveros.  Für  einheimische  Worte 
kommt  in  Betracht:  a)  die  Verbindung  er  als  «Brechung»  für  eer  aus 
idg.  eir^  das  sonst  germ.  f  ist;  got.-germ.  kir  'hier'  aus  vorgerm.  keir 
(vgl.  ahd.  he-ra  :  dära  =  her  :  dar),  got.  fira  Sihd.ßara  'Seite',  ahd. 
zeri  ziara  'decus',  scero  scearo  'schnell'.  —  b)  ^  erscheint  in  redu- 
plizierten Perfekten  wie  ahd.  feng  fei  wel  zu  fähan  fallan  wallan 
oder  angls.  din.  lethetw.  a. ;  ihre  Entstehung  aus  den  zugrunde  liegenden 
reduplizierten  Formen  (wie  got.  fatfäh  laüöt  haihait)  ist  unklar, 
doch  ist  junge  Kontraktion  wahrscheinlich.  Der  lautliche  Unter- 
schied der  beiden  germ.  e  ist  nicht  mit  Sicherheit  ermittelt  (Janko 
IF.  20,  229  und  van  Helten  IF.  23,  92).  —  c)  Im  Westgermanischen 
entsteht  e  aus  iz  in  asächs.  meda  angls.  med  got.  niizdö  (aslav. 
mtzda  'Lohn')  und  in  asächs.  angls.  he  'er'  aus  '^hiz. 

Anmerkung.  Volltoniges  e  wechselt  mit  i :  angls.  iir  neben  ahd.  ziari,  angls. 
wir  ahd.  wiara,  asächs.  her  hir ;  mhd.  Kriemhilt  Krhnhilt  (Bohnenberger  Beitr. 
24,  221).  Wenn  aber  den  angls.  me  'mir'  und  we  'wir'  die  asächs.  7ni  und  wi 
entsprechen,  so  ist  angls.  7ne  wegen  des  Akk.  Sing.  7nec  'mich'  wohl  auf  *niez, 
aber  angls.  we  wegen  ahd.  wir  wohl  auf  "^wiz  zurückzuführen  ;  asächs,  linon 
'lernen'  zeigt  auch  i  für  iz. 

§  127.  Nasa  1  vokale  entstehen  urgerman.  inlautend  nur  vor 
h  und  zwar  äh  th  üh  für  anh  inh  unk  =  anh  inh  unh\  vielleicht 
gleichzeitig  dürfte  die  Genesis  auslautender  Nasalvokale  §  ii'ji^hornä 
*stainä)  anzusetzen  sein,  die  allerdings  nur  hypothetisch  sind.  In 
den  meisten  Dialekten  tritt  Ersatzdehnung»ein:  äh  th  üh  {ahd.  fähan 
hähan  fihila  got.  peihs  peiJvo)\  aber  durch  das  übereinstimmende 
Zeugnis  des  an.  Grammatikers  der  Snorra  Edda  Holtzmann  Ad. Gr.  57 
(ed.  Dahlerup,  Samfund  XVI  p.  25),  sowie  der  von  Noreen  NArk.  3,  i 
behandelten  neuschwed.  Dialekte  und  des  angls.  Vokalismus  (Sievers 
Angls.  Gr.2  §  ^^)  ist  die  Existenz  nasalierter  {i  nef  kvedenn)  Vokale 
für  das  Urgermanische  über  jeden  Zweifel  erhaben.  Urgermanisch 
konnten  sie  nur  vor  h  stehen :  an.  fer  'er  erhält'  angls.  fehst  aus 
'^fähiz\  an.  'era  'das  jüngere'  aus  '^jühizön  (zu  nhd.yV^/^^  KZs.  23, 
127);  an.  pel  'Feile'  aus  "^piMd  (mit  dem  Punkt  bezeichnet  der  Edda- 
traktat die  Nasalvokale),  ä  gilt  urgerman.  noch  in  angls.  bröhte 
pöhte  pöhcB  töh  wöh  cehtan  höh-hckla  (an.  hckll  Grdf.  hähila-  Ark.  3, 
20).     Näheres  oben  §  51. 

§  128.    Vokalisierungen.    w  wird   im  Wortinnern  vor  Kon- 


IV.  Vokalismus.  125 


sonanten  zu  u\  es  ist  dabei  gleichgültig,  ob  idg.  w  zugrunde  liegt 
oder  ob  es  sekundär  durch  ^w  (§  46)  aus  altem  Guttural  idg.kw  ghw 
entstanden  ist:  got.  siuja  ind.  sivyä-mi\  got.  frauja  md. ptlrvjyd-\  got. 
niujis  ind.  ndvya-  (lat.  Novius)\  got.  qiujan  zu  qiwa-.  —  Ferner  got. 
mawi  Gen.  maujös  (aus  ^ma^wl  als  Femininum  zu  magus)  oder  got. 
siuns  (aus  * se^w-m-s)  Sievers  Beitr.  5,  149;  an.  tjyja  'Zweifel'  aus  ur- 
sprgl.  '^twiujön  '^twr\wi6n  (:  ahd.  zwehd).  Gemeingermanisch  tritt  t 
und  ü  für/  und  w  ein,  wenn  durch  Apokope  eines  äj  und  w  in  den 
Auslaut  traten;  daher  got.  triu  kniti  Gen.  triwis  kniwis\  got.  gawi 
badi  aber  Dat.  gauja  badja\  ahd.  ^^«/^  kneo  betti  hirti  aus  *skadw{a) 
*knew{a)  *badj{d)  '^hirdj{a). 

§  129.  Besondere  Behandlung  erheischt  noch  das  idg.  eu.^  das  in 
keinem  alten  Literaturdialekt  des  Germanischen  erhalten  geblieben 
ist.  Die  urgerm.  Existenz  dieses  Diphthongs  folgt  aus  den  von 
antiken  Autoren  überlieferten  germ.  Eigennamen  wie  Greuthungi 
Reudigni  Eudoses  AeubopiH  Teutoburgiensis  Teutomeres\  inschrift- 
lich bezeugt  Leubaccus  Leubius  Leuboricus.  Dazu  kommen  die 
in  Runenschriften  erhaltenen  leub  leubwini  (Wimmer  Runenschr.'^ 
108,  135,  224).  Dieser  urgerm.  Diphthong  erleidet  im  Germa- 
nischen Wandel  zu  eo  (Brechung)  und  iu  (Umlaut);  vgl.  angls.  beo- 
dan  dreogan  deore  (in  den  ältesten  Texten  steupf  csder  greut),  aber 
bei  Ableitungs-«^/)  asächs.  biudid  driugid  diuri\  ahd.  leoht:  liuhtan^ 
deota  :  diutisc.  Gemeingerman.  scheint  m  als  sekundäre  Entwick- 
lung aus  eu  noch  einzutreten  vor  Labialen  und  Gutturalen :  an. 
fliuga  riuka  biuga  siukr  —  driupa  kliufa  Ihifr  dmpr,  oberd.  (ahd.) 
fliugan  riuhhan  biugan  siuh  —  triuffan  kliuban  Hub  tmf  sniumo 
Braune  Beitr.  4,  557;  auch  im  Schlcsischen  herrscht  leub  teuf  aus 
Imb  Huf  Weinhold  Dialektforschg.  63.  Für  dieses  iu^  das  nicht 
durch  /-Umlaut  erzeugt  ist,  tritt  angls.  eo  ein  (vgl.  angls.  ßeo-s 
freond  heodcBg  deofol  =  ahd.  diu  friunt  hiutu  Huval) ;  das  Fehlen 
von  m  vor  Labialen  und  Gutturalen  im  Angelsächsischen  beweist 
also  nichts  gegen  das  urgerm.  Alter  des  iu.  Bezeugt  ist  angls. 
(Epin.  Gl.)  treulesnis  asächs.  (Hei.)  treulös  treuhaft.  —  Möglicher- 
weise ist  in  Entsprechung  von  eo  :  iu  das  urgerm.  äü  früh  zu  äö 
vor  Dentalen  sowie  vor  r  h  und  im  Auslaut  geworden:  ahd.  östrun 
aus  "^aostrun  =  angls.  iastron  (aus  "^ccostrun  *aostrun).^  ahd.  giböt 
aus  "^gibaod  =^  angls.  gebead  (aus  "^gibccod  *gibaod  usw.);  aber  es 
fehlen  sichere  Kriterien  für  das  urgerm.  Alter  von  ao. 

§  130.  Die  Qualität  der  germ.  Tonvokale  ist  durch  folgende 
Erwägungen  zu  ermitteln: 


126  IV.  Vokalismus. 


a)  Das  germ.  ä  —  einerlei  ob  aus  idg.  o  oder  aus  idg.  ä  ent- 
standen —  scheint  hell  gewesen  zu  sein;  dafür  spricht  die  anglo- 
fries.  Tonerhöhung  zu  cc\  zudem  zeigt  es  in  Tonsilben  keine 
Wechselbeziehungen  zu  ö,  nur  daß  im  Anglofriesischen  vor  Nasalen 
der  dumpfe  Laut  auftritt.  Dagegen  zeigt  ä  im  Nord.- Westgerma- 
nischen Beziehungen  zu  e  unter  dem  Umlaut. 

b)  Germ,  ^war  sicher  geschlossen;  es  ist  in  dem  idg.  Diphthong 
ei  an  das  2.  Element  des  Diphthongs  angeglichen ;  es  zeigt  ferner 
mit  dem  i  viele  Berührungen,  indem  dies  im  Gotischen  konsequent 
dafür  eingetreten  ist  und  im  Urgermanischen  nach  den  Regeln 
§122  dafür  eintreten  mußte.  Dann  ist  im  Angelsächsischen  das 
germ.  e  nachweislich  geschlossen,  während  das  Umlauts-^  im 
ältesten  Angelsächsischen  davon  als  offenes  e  (geschrieben  ae) 
verschieden  war  (vgl.  meine  Engl.  Sprachgeschichte  §  96).  Wenn 
man  einem  solchen  urgerman.  geschlossenen  e  gegenüber  im  Alt- 
hochdeutschen vielmehr  offenes  e  findet,  so  ist  dies  durch  ^-Umlaut 
oder  Brechung  zu  verstehen.  Germ,  brekan  mit  geschlossenem  e  ist 
im  Althochdeutschen  infolge  der  dunkeln  Färbung  des  Konsonanten 
resp.  des  folgenden  Vokals  zu  offenem  e  geworden,  anderseits  im 
Gotischen  noch  mehr  geschlossen  worden  {brikan)\  zwischen 
ahd.  e^^an  mit  offenem  e  und  got.  itan  vermittelt  germ.  etan  mit 
geschlossenem  e.  Wenn  im  Althochdeutschen  das  Umlauts-^  ge- 
schlossen worden  ist,  so  beruht  das  auf  dem  Fortbestehen  des 
umlautwirkenden  Faktors:  baddj  wird  über  betti  mit  offenem  e 
zu  betti  mit  geschlossenem  e  durch  die  Fortdauer  des  Umlauts, 
aber  der  Weg  von  a  zu  geschlossenem  e  ging  naturgemäß  (wie 
im  Angelsächsischen)  über  offenes  ^,  das  für  das  älteste  Althoch- 
deutsch durch  Schreibungen  mit  ae  (Braune  Ahd.  Gramm.  §  26 
Anm.  4)  erwiesen  wird. 

c)  Germ,  e  erscheint  im  Gotischen  mit  geschlossenem  Lautwert, 
der  sich  durch  die  häufige  Schreibung  ei  verrät.  Aber  in  den 
übrigen  altgerm.  Sprachen  zeigen  sich  keine  solchen  Berührungen 
mit  ^,  und  zudem  haben  die  nord.-westgerm.  Sprachen  dafür  ä  ein- 
geführt, das  sich  bis  ins  3.  Jahrh.  zurückverfolgen  läßt.  Zur  Zeit, 
als  die  lat.  Lehnworte  ins  Germanische  eindrangen  (§  14)  bestand 
das  idg.-got.  i  (§  103)  nicht  mehr  im  Westgermanischen,  denn 
sonst  hätten  wir  zu  erwarten,  daß  ein  lat.  Lehnwort  mit  e  den 
german.  Wandel  von  got.-germ.  e  zv.  ä  mitgemacht  hätte,  wofür  es 
aber  kein  einziges  Beispiel  gibt.  Somit  ist  urgerm.  e  offen  gewesen 
und  im  Gotischen  nach  der  Neigung  dieser  Sprache  zu  den  Extrem- 


IV.  Vokalismus.  127 


vokalen  geschlossen  worden,  wie  geschlossenes  e  zu  i  wurde. 
Und  das  offene  urgerm.  e  ist  früh  im  Nord.-Westgermanischen  ä 
geworden.  —  Über  das  zweite  germ.  e  vgl.  §  126. 

d)  Germ.  6  war  ursprünglich  offen.  Ein  geschlossenes  6  fehlte 
dem  Germanischen,  das  den  geschlossenen  ö-Laut  in  Tonsilben 
von  lat.  Lehnworten  wie  Roma  mörus  lörea  vtnitörem  durch  ü  (ahd. 
Rüma  mülberi  lürra  wtnzür-il^  ersetzt.  Doch  ist  in  offener  Endung 
für  ö  früh  geschlossener  Laut  eingetreten,  das  Nord.- Westgerma- 
nische zeigt  u  (darüber  wie  über  aslav.  crüky  raky  s.  unten  §  136. 
145  und  Möller  Beitr.  7,  484  sowie  oben  §  7).  Es  hat  nirgends  Be- 
rührung mit  ü^  außer  im  Gotischen,  dessen  Neigung  ja  zu  den 
Extremvokalen  geht;  der  einzige  Fall,  wo  im  Nord.-Westgerma- 
nischen ü  dafür  eintritt,  ist  im  unmittelbaren  Wortauslaut  in  an. 
sü  got.  so,  angls.  hü  tu  für  germ.  hwo  twö  und  angls.  cti  (ahd.  kuo). 
Berührung  mit  ä  vgl.  in  got.  ßo  angls.  anord.  ßd.  Im  Althoch- 
deutschen und  Alfsächsischen  bleibt  das  aus  gedecktem  0  verkürzte 
0  von  Endungen,  geht  aber  im  Angelsächsischen  und  Altnordischen 
in  a  über  (ahd.  tago  angls.  daga).  Nach  Möller  KZs.  24,  508  ist 
0  noch  durch  die  ahd.  Diphthongierung  zu  oa  als  offen  zu  erkennen. 

e)  Germ,  ö  ist  durchweg  aus  eigtl.  ü  entstanden  (idg.  0  war 
schon  früher  zu  a  geworden);  es  steht  entweder  für  idg. /^  (ahd. 
gibotan  angls.  geboden  zu  der  idg.  Wz.  bhudh)  oder  für  3  bei  liquider 
Umgebung  (ahd.  angls.  gold  aus  germ.  golpa-  für  '^ghdlto-*ghlto-^.  Im 
Gotischen  tritt  u  dafür  ein,  was  für  geschlossenen  Lautwert  spricht; 
im  Angelsächsischen  hat  es  geschlossenen  Lautwert.  Berührungen 
mit  a  zeigen  sich  nirgends  in  Tonsilben.  Wenn  also  im  Althoch- 
deutschen 0  offen  war,  so  kann  das  durch  Brechung  aus  ge- 
schlossenem Wert  entstanden  sein. 

f)  Germ,  i  und  ü  waren  Extremvokale,  sie  wandeln  sich  nirgends 
in  e  resp.  6\  nichts  deutet  auf  offenen  Lautwert. 

Kap.  26.     Chronologisches. 

Während  der  germ.  Konsonantismus  seine  wesentlichsten  Wand- 
lungen, speziell  die  Lautverschiebung,  in  vorchristlicher  Zeit  er- 
fährt, zeigt  sich  die  Ausbildung  des  germ.  Vokalismus  keineswegs 
mit  dem  historischen  Auftreten  der  Germanen  abgeschlossen;  viel- 
mehr finden  sich  reichliche  Spuren,  die  beweisen,  daß  gerade  der 
Wandel  der  Vokale  noch  im  Fluß  begriffen  war. 

§  131.  Daß  in  urgerm.  Zeit  die  ä  und  6  der  idg.  Grundsprache 
noch  verschieden  gewesen  sind,   erkennt  Möller  Beitr.  7,  483  an 


128  IV.  Vokalismus. 


der  nur  vor  hellen  Vokalen  eintretenden  Labialisierung  von  Velaren, 
die  sich  auch  vor  idg.  ä  (aber  nicht  auch  vor  idg.  6)  im  Germa- 
nischen zeigt:  angls.  hwösta  'Husten'  aus  idg.  käs-ton-  (aber  andd. 
kö  'Kuh'  aus  idg.  gö-).  Spuren  dieses  urgerm.  ä  findet  Möller 
KZs.  24,  508  noch  in  keltischen  Lehnworten  wie  Dänubius  (ahd. 
Tuonoiiwa)  und  möchte  auch  annehmen,  daß  lat.  Römäni  den 
Wandel  von  ä  zxx  ö  (got.  Rümöneis)  mit  durchgemacht  hätte; 
hierher  nach  Bremer  Idg.  Forschgn.  4,  22  auch  das  bei  Caesar  Bell. 
Gall.  VI  10  überlieferte  {silva)  Bäcenis  =  ahd.  Btwhhunna  und  nach 
Schrader  ZfdW.  i,  239  gall.  bräces  'Hose'  =  angls.  bröc.  Aber 
unklar  ist  das  Endungs-«  in  lat.  bräca  ganta^  wenn  es  nicht  auf 
Substitution  beruht,  ö  erscheint  im  Germanischen  niemals  in  lat. 
Lehnworten  als  Vertreter  für  lat.  ä  (vgl.  sträta  rädix  pävo  §  14). 
In  finn.  Entlehnungen  zeigt  sich  das  germ.  ö  als  uo  in  huotra  nuora 
ruotas  Thomsen  51  (über  germ.  6  in  slavischen  Lehnworten  vgl. 
plugü  Dunavi  buky  Möller  Beitr.  7,  487). 

§  132.  Das  idg.  ö  war  urgermanisch-vorhistorisch  auch  noch  von 
dem  idg.  ä  verschieden ;  nach  Möller  Beitr.  7,  483  tritt  vor  idg.  ä^ 
aber  nicht  vor  idg.  ö  Labialisierung  der  Velare  ein.  Wie  der 
Wandel  von  idg.  ä  zu  germ.  ö  von  den  Germanen  erst  in  Deutsch- 
land vollzogen  ist  (vgl.  Dänubius  ahd.  Tuonouwa)^  so  ist  auch  der 
Wandel  von  idg.  ö  zu  a  erst  in  Deutschland  geschehen.  Anteil 
daran  hat  lat.-gall.  Mosa  ahd.  Masa  angls.  Masu,  lat.-gall.  Vösegus 
nhd.  Wasgau {aber ahd.  Wascöno /ant Ahd.Gl.lll 610^  ist  dieGascogne, 
das  Baskenland),  lat.-gall.  Volcae  ahd.  Wa/M,  Moguntiactim  ahd. 
Magunza,  lat.-gall.  Boihaemum  mhd.  Beheim  (aus  *  Baihaim).  Aber 
got.  aUwa-  ist  nicht  unmittelbar  aus  lat.  oletim  resp.  oliva  zu  er- 
klären, da  das  Germanische  in  lat.  Lehnworten  0  {coquus  corbem 
posteni)  durchaus  beibehalten  hat  (oben  §  16)  und  auch  alte  Orts- 
namen wie  Borbetomagus  und  Bonna  ihr  0  bewahren. 

Anmerkung  i.  Der  von  Much  erkannte  germ.  Ursprung  der  bei  Plinius  über- 
lieferten Bezeichnung  des  Eismeeres  als  niare  Cronium  liegt  in  einem  kelt. 
*cronos  'Walfisch',  das  eine  vorgerm.  Lautentsprechung  für  angls.  hran  'Walfisch' 
sein  muß:  es  handelt  sich  also  um  eine  uralte  Entlehnung  aus  dem  Germani- 
schen (in  der  Römerzeit  hätte  dem  angls.  hran  nur  ein  latinisiertes  *chranus 
entsprechen  können). 

Über  idg.  0  =  germ.  0  in  unbetonten  Silben  {Chariovalda 
Langobardi),  das  in  den  ersten  Jahrhunderten  n.  Chr.  erhalten 
blieb,  vgl.  oben  §  22  a.  Dazu  stimmen  nach  Setälä  (oben  §  29 
Anm.  3)  die  ältesten  Entlehnungen  im  Finnischen  wie  jukko  'Joch', 
juusto  'Käse',  pelto  'Feld'.    Allerdings  zeigt  mannigfaches  Material 


IV.  Vokalismus.  129 


der  Römerzeit  doch  auch  schon  a  in  unbetonten  Silben;  wenn  bei 
einem  Teil  solcher  unbetonter  a  auch  die  Entstehung  aus  0  nicht 
zu  erweisen  ist,  so  ist  die  Tatsache  doch  an  und  für  sich  sicher; 
vgl.  etwa  Requalivahanus  Nahanarvali  Adrana   Vacalus. 

Anmerkung  2.  Die  Forderung  der  Annahme,  daß  idg.  o'm.  unbetonten  Silben  sich 
länger  halten  konnte,  ergibt  sich  auch  aus  den  Dativen  ahd.  tagum  wortum  = 
angls.  dagum  wordum,  die  auf  urgerm.  dago-m  wordo-m  beruhen;  desgleichen  auch 
aus  den  Akk.  der  w-Stämme  ahd.  hanun  angls.  galgu(n),  die  germ.  hanon  galgon 
mit  u  erweisen.  Das  Gotische  hat  die  germ.  dagom  wordom  hanon  wie  jedes 
andere  unbetonte  0  m.  ä  verwandelt :  got.  dagam  waürdam  hanan. 

Über  das  germ.  eu  (finn.  keula  'Steven')  und  seine  Chronologie 
vgl.  §  129.  —  Für  die  Existenz  von  idg.  ei  (germ.  i  =  idg.  ez)  fehlt 
jeder  Anhalt  im  Urgermanischen;  weder  aus  den  finn.  Lehnworten 
noch  sonst  intern  bietet  sich  die  Möglichkeit,  die  Existenz  des 
idg.  ei  im  Urgermanischen  zu  erweisen.  Die  Beurteilung  von  ahd. 
I^m  'Rhein',  das  kelt.  Ursprungs  ist  (altir.  r/an  'Meer'  Thurneysen, 
Handbuch  d.  Altir.  S.  34),  ergibt  keinen  endgültigen  Beweis  für 
eine  Grdf.  Reinos^  weil  auch  Substitution  (germ.  i  für  gall.  e)  vor- 
liegen kann. 

Die  Entstehung  von  germ.  ur  aus  idg.  T  scheint  sich  wohl  auch 
erst  vollzogen  zu  haben,  als  die  Germanen  Nachbarn  der  Kelten 
waren.  Man  möchte  dies  schließen  aus  der  oben  §  33  Anm.  3 
behandelten  Gleichung  altgerm.  Chorfhoni=  gall.TTpeTTavoi:  beiden 
liegt  für  die  erste  Silbe  ein  ursprgl.  kxt-  zugrunde. 

§  133.  Der  germ.  /-Umlaut  von  e  (germ.  i  §  122)  ist  im 
ersten  nachchristlichen  Jahrhundert  noch  nicht  eingetreten  oder 
durchgeführt:  Segimerus  Segimtmdus  =  ahd.  Sigimär  Sigimunt; 
hierher  Hermi(n)ones  für  *Erminones  neben  ahd.  irmin-\  dann 
auch  finn.  teljo  =  ahd.  äü/a.  Aus  internen  Kriterien  ergibt  sich 
aus  ahd.  nifi  ~  lat.  neptis^  sowie  aus  ^hd.  gi/t  gisciht  gisiht  ginist 
neben  g'eban  giscehan  sehan  ginesan  der  Beweis,  daß  der  ^'-Umlaut 
von  ^  zu  /  vor  der  Wirkung  der  Auslautsgesetze  d.  h.  etwa  vor 
dem  4.  Jahrh.  stattgefunden  haben  muß. 

Anmerkung  i.  Gegenüber  der  beträchtlichen  Zahl  von  röm.  Belegen  für  e 
macht  Collitz  (Journal  of  Engl,  and  Germ.  Philol.  6,  253)  den  Versuch,  die  Über- 
lieferung Sigimerus  bei  Vell.  Paterc.  als  echt  germanisch  und  die  sonst  herrschen- 
den Segimerus  als  Gallisierungen  (altgall.  Segovassus)  hinzustellen.  Da  aber  für 
Fenni  und  Venethi  die  Annahme  von  Keltisierungen  ausgeschlossen  ist,  so  ergibt 
sich  schon  hieraus  e  als  echt  germanisch.  Bestätigung  hierfür  ist  ja  auch  die  finn. 
Entlehnung  teljo. 

Vor  gedecktem  Nasal  galt  in  der  Römerzeit  e^  nicht  das  jüngere 
i\  Fenni  3ing\s,  Finnas;  gr.  "Evog  =  nhd.  /nn;  nur  erscheint  -eng 

Grundriß  der  germ.  Philol.     Urgermanisch.  9 


130  V.  Auslautsgesetze. 


bereits  als  -ing  (Inguaeones  Inguio-mirus  Thingsus  —  Tulingi 
Tcrvingi)\    aber  doch  noch  finn.  rengas  =  germ.  hringaz  'Ring'. 

In  Mittelsilben  bestand  zur  Römerzeit  noch  e^  wo  später  i  er- 
forderlich wurde :  Venethos  =  angls.  Winedas  an.  Vindar  aus  *  Wi- 
nip6z\  vgl.  die  Namen  Segestes  und  Veleda  sowie  Nemetes  oben 
§  22  k.  Doch  zeigt  sich  auch  schon  mittleres  i  für  e  in  Erminones 
und  wohl  auch  in  Scadin-avia. 

Einige  ältere  Lehnworte  aus  dem  Lateinischen  machen  daher  den 
germ.  Wandel  von  ^  zu  2  mit:  a.hd.  iksüt  \at.  exi/ium ;  angls.  gimm  lat. 
gemma,  angls.  minfe  lat.  mentha.  So  wird  lat.  meretricem  (durch  eine  vul- 
gärlat.  Mittelstufe  meltrtce)  zu  urangls.  '^miltrigge  =  angls.  miltestre\ 
jung  noch  ahd.  piligrim,  aber  noch  jünger  ahd.  pelHs  und  pfersih. 

Auch  an  den  Brechungen  nehmen  die  lat.  Lehnworte  teil ;  vgl. 
angls.  box  aus  lat.  buxum^  angls.  torr  aus  lat.  turrem,  ahd.^  köpf 
aus  lat.  cuppa,  ahd.  most  aus  lat.  mustum  usw.  Man  wird  daher 
das  Alter  der  Brechung  demjenigen  des  ^-Umlautes  von  germ.  e 
chronologisch  gleichsetzen  müssen. 

Anmerkung  2.  Das  e  von  asächs.  wer  'Mann'  =  lat.  vir  'Mann'  galt  schon  in 
der  Römerzeit :  ich  folgere  dies  aus  dem  durch  asächs.  gum-kust  angls.  gum-cyst 
'virtus'  bestätigten  ver-custis  'virtus',  das  in  dem  Namen  der  inschriftlich  mehr- 
mals bezeugten  Göttin  Vagda-vercustis  steckt,  die  wohl  als  Entsprechung  der 
röm.  Virtus  gedacht  ist  (das  Element  vagda-  scheint  auf  einen  Völkernamen  zu 
deuten,  wie  der  Anklang  an  die  gall.  Vocontii  oder  an  lit.  Vbketis  'Deutscher' 
nahelegt).  Über  die  Kompositionsfuge  von  ver-custis  vgl.  §  222  b;  zu  der  Per- 
sonifikation Vercustis  =  Virtus  vgl.  germ.  Nerthus  als  Entsprechung  von  ind. 
nj'tü-  'Held'  (eigtl.  'Heldenhaftigkeit'). 

Anmerkung  3.  Auch  das  Alter  der  ö-Brechung  von  ^  zu  ^  (§  123)  reicht  in 
die  Römerzeit  zurück:  das  wird  erwiesen  durch  die  außergotische  Lautform 
(angls.  Goian  =  an.  Gotar)  als  Cotones  bei  Tac.  (das  von  Plinius  gebrauchte 
Gutones  beruht  auf  der  echtgotischen  Dialektform) ;  über  die  mannigfaltigen  Ge- 
staltungen des  Gotennamens  vgl.  Schönfeld  Wb.  d.  altgerm.  Personen-  und  Völker- 
namen S,  120.  Ob  die  altgerm.  Göttin  Hludana  mit  ü  oder  mit  ü  anzusetzen  ist, 
läßt  sich  nicht  entscheiden. 

Aus  lat.  Austr-avia  Seadin-avia  sowie  aus  der  Behandlung  von 
lat.  cavea  als  *kauja  könnte  man  schließen,  daß  die  §  128  erörterte 
Vokalisierung  von  w  jüngeren  Datums  sei;  die  germ.  Sprachen 
erweisen  -*aujö  (etwa  in  Scadin-aujo) ;  aber  möglicherweise  ist  lat. 
-avia  nur  Lautsubstitution. 

V.  AUSLAUTSGESETZE. 
Das  Germanische  hat,   wie   zuerst  Westphals  Entdeckung   von 
got.  Auslautsregeln  KZs.  2,  161  ff.  gezeigt  hat,   ursprünglich   die 
vollen  Endungen  besessen,  die  wir  z.  B.  im  Griechischen  oder  im 


V.  Auslautsgesetze.  131 


Indischen  kennen  und  als  gemeinindogerm.  voraussetzen  müssen: 
got.  Wulfs  aus  '^wulfaz  (gr.  Xuko^  ind.  vfkas)^  got.  gasts  aus  *gasHz^ 
got.  tawida  aus  *  tawided^  got.  wulfe  aus  *  wulfem,  got.  baira  aus 
*^^r<?  (gr.  cpepuj).  Hatte  Westphal  eine  wesentlich  gotische  Norm 
zur  Beurteilung  der  Auslautserscheinungen  aufgestellt,  so  zog 
1868  Scherer  die  übrigen  germ.  Dialekte  in  Betracht.  Durch 
die  runologischen  Entdeckungen  von  Bugge,  Wimmer  u.  a. 
erhielt  die  neben  Scherer  aufstrebende  kombinatorische  Rück- 
erschließung der  germ.  Grundformen,  die  von  Schleicher  ausging, 
überraschende  Bestätigung,  die  mit  Thomsens  durchsichtiger 
Behandlung  der  germ.  Lehnworte  im  Finnischen  wiederum  be- 
deutend erhöht  wurde.  Kern  wies  in  den  Glossen  zur  Lex  Salica 
S.  86  aul  die  Bewahrung  von  u  in  angelsächsischen  Endungen  von 
«-Stämmen  {sunu  magu)  hin,  1870  dann  Bugge  auf  die  angelsäch- 
sischen /-Stämme  mit  bewahrtem  Ausgang  (wini  —  wine^  sigi  — 
sige,  kygi  —  hyge^  stedi  —  stede  Aarb.  1870,  205).  Nachdem 
A.  Leskien  1872  auf  der  Leipziger  Philologenversammlung  das 
gemeingerm.  konsonantische  Auslautsgesetz  Vortragsweise  erörtert 
hatte,  brachte  1876  Braunes  Aufsatz  «Über  die  Quantität  der  althoch- 
deutschen Endsilben»  (Beitr.  2,  125)  den  Beweis,  daß  und  in 
welchem  Umfang  gedeckte  Längen  der  germ.  Grundsprache  in 
Endungen  des  Ahd.  noch  erhalten  sind.  Fortan  traten  —  wie 
Kerns  und  Bugges  Hinweis  es  nahegelegt  hatte  —  die  westgerm. 
Sprachen  in  den  Vordergrund ;  1877  brachte  der  vierte  Band  der 
Beiträge  zwei  Abhandlungen  von  Paul  und  Sievers;  1878  lieferte 
Sievers  durch  zusammenhängende  Würdigung  sämtlicher  Dialekte 
den  Beweis  eines  urgerm.  und  eines  westgerm.  Auslautsgesetzes ; 
und  ihm  gebührt  damit  das  Verdienst,  nachgewiesen  zu  haben,  daß 
die  westgerm.  Sprachen  teilweise  andere  Auslautsgesetze  ver- 
langen als  die  ostgerm.;  das  Westgermanische  zeigt  z.  B.  aus- 
lautendes i  in  angls.  asächs.  m^ti  st^di  wini  ahd.  turi^  während 
das  Gotische  und  das  Nordische  in  solchen  Fällen  das  i  nicht 
mehr  aufweisen.  Daraus  ergibt  sich  mit  Sicherheit,  daß  urgerm. 
stadiz  winiz  Akk.  stadi(n)  wini(n)^  gastiz  Akk.  gasti(n)^  urgerm. 
duriz  usw.  ohne  Vokalverlust  anzusetzen  sind. 

Kap.  27.     Die  urgermanische  Zeit. 

Alle  durch  Konstruktion  gewonnenen  Resultate  decken  sich  mit 
unanfechtbaren  historischen  Zeugnissen :  der  älteste  germ.  Sprach- 


132  V.  Auslautsgesetze. 


Charakter  zeigt  für  die  ersten  Jahrhunderte  unserer  Zeitrechnung 
die  vorgerm.  Endungsvokale  noch  nicht  synkopiert  oderapokopiert. 

§  134.  Die  Sprache  der  ältesten  Runen  {hlewagastiz  holtingaz 
hagustaldaz  dagaz  erilaz  haitinaz  pewaz  horna  usw.)  hat  kein 
vokalisches  Auslautsgesetz  erfahren  nach  den  Entdeckungen  Bugges, 
Wimmers  u.  a.  (die  gesamte  Literatur  s.  bei  Burg,  Die  ältesten 
nord.  Runeninschriften,  Berlin  1885  und  bei  Noreen  Altisl.  Gramm. 
S.  334)- 

Die  vollen  Endungen,  die  in  zwei-  und  mehrsilbigen  Worten 
der  Synkope  erliegen,  sind  im  Gotischen  in  einsilbigen  Worten 
erhalten  geblieben;  diese  erleichtern  daher  die  Rekonstruktion 
der  zwei-  und  mehrsilbigen :  got.  so  ßo  (Art.)  erweist  für  Nom- 
Akk.  giba  eine  Grdf.  gebd\  got.  ßo  Nom.  Plur.  für  waürda  Ent- 
stehung aus  urgerm.  wordd\  got.  kas  für  wulfs  Entstehung  aus 
"^wulfaz.  Ähnlich  beweist  ahd.  si  für  got.  will  (=  lat.  velit)  eine 
Grdf.  wilt. 

Außerdem  wird  häufig  die  ältere  Grundform  bei  angefügten 
Enkliticis  im  Gotischen  gewahrt:  got.  Jvamma  aber  hamme-h^ 
ainana  aber  ainnö-hun^   Jvana   aber  kanö-h^  Jveila  aber  keilö-hun. 

§  135.  a)  Die  Entdeckungen  Thomsens  über  die  finn.-germ. 
Beziehungen  beweisen  eine  echt  germ.  Zeit,  in  der  die  vollen 
Endungen  noch  bestanden:  finn.  kuningas  'König',  ansas  'Balken', 
rengas  'Ring',  armas  'lieb',  kernas  'gern',  kaunis  'schön',  Huris 
'teuer'  usw.  haben  ihre  vollen  Endungen  mit  den  germ.  Grund- 
formen kuningaz  ansaz  hringaz  usw.  übernommen. 

b)  Die  germ.-lat.  Beziehungen  (oben  §  18)  fallen  in  eine  Zeit 
mit  vollen  Endungsvokalen:  got.  mes  pund  lukarn  fäski  aüräli 
aus  lat.  mensa  pondö  lucerna  fäscia  drärium  setzen  germ.-vulgärlat. 
mesa  pundo  lukerna  fäscia  örärio  voraus ;  got.  wein  saban  akeit 
ahd.  chupfar  beruhen  auf  vulgärlat.  vtno  aceto  sabano  cupro ;  ahd. 
zabal  mias  munin  beruhen  regulär  auf  den  Grundformen  tab(u)la 
me(n)sa  moneta ;  angls.  munt  cealc  pic  post  torr  ahd.  chorb  ent- 
sprechen vulgärlat.  monte  calce  pice  poste  corbe  torre  (=  Akk. 
montem  calcem  corbem  usw.),  und  angls.  bytt  ahd.  churb  sind  lat. 
buttis  corbis\  got.  asilus  sakkus  =  lat.  asinus  Saccus  und  an. 
kgttr  =  spätlat.  cattus.  Die  lat.  Lehnworte  im  Altgermanischen 
sind  somit  ein  sicheres  Zeugnis  dafür,  daß  in  den  ersten  nach- 
christlichen Jahrhunderten  das  Germanische  noch  wesentlich  die 
vollen  ungekürzten  Endungen  der  idg.  Grundsprache  besessen  hat. 

Die  germ.  Eigennamen  und  Appellativa  der  antiken  Überliefe- 


V.  Auslautsgesetze.  133 


rung  zeigen  Übereinstimmung  mit  den  germ.  Grundformen :  Nerthus 
=  an.  Njgrdr  aus  *Nerpuz  (=  ind.  nttü-  f) ;  Albis  =  an.  elfr  Bugge 
NArk.  II  209  aus  *albiz\  lat.  "^alcis  (Plur.  aices)  =  urgerm.  alyiz 
(an.  elgr)\  brütis  für  *brüthis  (Braune  Beitr.  32,  38)  =  got.  brüßs 
für  '^brüßiz'^  Vercustis  (§  133  Anm.  2)  neben  angls.  gumcyst\  lat. 
ürus  —  an.  ürr  aus  *üruz;  lat.  Segimundus  =  an.  Sigmundr  aus 
^Sigimunduz\  wohl  auch  vulgärlat.  *^/^5{7  i^dX.  glesuni)  =  urgerm. 
glezain)  =  mndd.  ^/«r  'Harz'.  Gegenüber  diesen  vokalischen 
Stämmen  beachte  man  besonders  noch  den  konsonantischen  Stamm 
n^  'König'  in  den  germ.  Eigennamen  Boiorix  Mallortx  Cruptortx 
(Tacit.)  AeuöopiH  BairopiH  (Strabo),  wofür  erst  im  4.  und  5.  Jahrh. 
Namen  auf  -ricus  wie  Theudoricus  eintreten. 

Auf  Grund  dieser  geschichtlichen  Zeugnisse  fällt  die  Fortdauer 
der  vollen  Endungen  noch  in  die  nachchristliche  Zeit.  In  der 
zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  zeigt  die  Sprache  des  Ulfilas 
bereits,  daß  das  Gotische  die  vollen  Endungen  nach  festen  Ge- 
setzen aufgegeben  hat;  für  die  übrigen  germ.  Dialekte  sind  — 
von  den  Runen  und  der  Lex  Salica  abgesehen  —  keine  frühen 
Termine  zu  gewinnen;  vermutungsweise  mag  die  Periode  der 
Auslautsgesetze  etwa  mit  dem  2.  Jahrh.  beginnen;  das  früheste 
Zeugnis  ist  der  Dat.  Plur.   Uatuims  aus  ^w^twi-miz  §  215. 

Kap.  28.    Gemeingermanisches. 

§  136.  Einen  frühesten  Auslautswandel  hat  0  erfahren,  das 
ungedeckt  war.  Während  ö  als  offener  Vokal  (§  I30d)  anzu- 
setzen ist  auch  für  unbetonte  Silben  wie  in  germ.  minöß-  (§  145), 
ist  es  geschlossen  worden  in  germ.  b'erö  für  *bero^  sowie  in  germ. 
peudö  für  *peudg  (got.  ßiuda  aus  vorgerm.  teutä) ;  so  ist  auch  idg. 
wfdhä  oder  wj-dkö  (lat.  verbd)  germ.  wordo  für  *word6.  Dieses  6 
charakterisiert  sich  durch  seinen  nord.-westgerm.  Vertreter  u 
gegenüber  got.  a\  s.  §  150.  Gedecktes  ö  in  Endungen  bleibt  aber 
durchweg  offen. 

§  137.  Der  älteste  konsonantische  Lautwandel  im  germ.  Wort- 
auslaut ist  der  auch  im  Griechischen  begegnende  Wandel  von 
Endungs-w  in  n :  got.  ßan-a  aus  idg.  tom  (ind.  tarn  lat.  istum) ; 
got.  in-a  aus  idg.  im  (ind.  im-am  'diesen',  im  'ihn,  sie');  daher 
auch  urgerm.  wolfan  wolfon  aus  idg.  w{qom  Akk.  Sg.  (zu  got. 
wulfs)\  urgerm.  Gen.  Plur.  wolfen  aus  idg.  wlqem  (ind.  -äm)\ 
germ.   wordon  =  lat.  verbum  Grdf.  wxdhom.     Hierdurch    ist   die 


134  V-  Auslautsgesetze. 


Zahl  der  auslautenden  n  im  Germanischen  gewachsen,  da  es 
schon  alte  idg.  n  im  Wortauslaut  gab  (urgerm.  namön  semon: 
lat.  nömen  simen).  Alle  alten  und  neuen  n  im  Wortauslaut  ver- 
klingen mit  Nasalierung  der  vorhergehenden  Vokale  (Leskien 
Germ.  17,  376):  urgerm.  hornä  aus  *hornan^  wolfi  aus  *wolfen, 
yehö  aus  '^yebön^  namö  aus  '^namön^  tawidö  'ich  machte'  aus 
^tawidon.  Diese  Nasalvokale  (§  127)  —  auf  keinem  germ.  Gebiet 
vorhanden  —  sind  vorauszusetzen,  weil  die  nach  dem  Abfall  von 
Dentalen  (got.  berun  für  '^berunß)  in  den  Auslaut  getretenen  Na- 
sale niemals  in  urgerm.  Zeit  verklingen;  um  die  Bewahrung  des 
n  in  got.  berun  tawidedun  zu  erklären,  ist  ein  Laut  notwendig, 
der  zwar  nasalisch,  aber  von  dem  n  verschieden  ist.  Daher  sind 
urgerm.  Akkus,  wie  dagä  hornä  runo  gasti  ansti  anzusetzen. 
Wir  können  nicht  einfach  daga  horna  gasti  sunu  ansetzen,  weil 
nach  §  139  in  Grdf.  wie  dayasa  'des  Tages',  wasa  'ich  war', 
anda  'und'  u.  a.  die  alten  Runeninschriften,  welche  horna  staina 
u.  a.  (mit  a  aus  an)  beibehalten,  das  reine  Auslauts-^  bereits 
apokopieren ;  eine  Ausnahme  macht  das  proklitische  ek  aus  "^eka 
(=  idg.  egom),  falls  nicht  idg.  eg  (vgl.  idg.  tu  ind.  tuam)  =  lit.  asz 
zugrunde  liegt. 

§  138.  Urgerm.  Abfall  der  auslautenden  d  t  ist  nach  Leskien 
(Germ.  17,  374)  die  erste  wirkliche  Auslautskürzung;  die  durch 
dieses  Gesetz  in  den  Auslaut  tretenden  Vokale  unterliegen  allen 
vokalischen  Auslautsgesetzen:  got.  germ.  bairai  aus  idg.  bheroit^ 
got.  ahd.  will  germ.  will  aus  "^welit  (=  lat.  veUt  aus  '^velit)  got. 
berun  aus  idg.  bhernt\  run.  dalidun  (statt  ^^dailidun)  mit  -idun  aus 
-idunß\  got.  tawida  3.  Sg.  aus  -ed,  got.  iddja  aus  urgerm.  ijjed 
=  ind.  dyät.  —  Aus  der  Deklination  vgl.  got.  hamme-h  aus  idg. 
kosnied  (ind.  kdsmäd)}  —  Isolierte  Formen  sind  got.  mena  aus 
'^men6{ß)  Joh.  Schmidt  KZs.  26,  346;  ahd.  zan  (zehan)  aus  urgerm. 
tanß  i^tehand)  =  iäig.  dont  [dektiit  '10')  Mahlow  158;  angls.  hcEle 
ealo  Platt  Beitr.  9,  368  aus  "^haleß  *aluß\  ahd.  nevo  aus  germ. 
nefö{d)  =  ind.  näpät\  angls.  gefea  (:  ahd.  gif'ehd)  =  got.  faMps\ 
gotJva  =  lat.  quod  ind.  kad\  got.  taihun  gegen  ahtautehund  'achtzig'. 

§  139.  Reines  (nicht  nasaliertes)  ä  e  ö  m  Endungen  schwindet. 
Schon  die  ältesten  Runeninschriften,  die  horna  staina  arbija  (= 
got.  haürn  stain  arbi)  mit  ursprünglich  nasaliertem  Vokal  be- 
wahren, zeigen  kein  altes  ä  e  ö  des  idg.  Auslauts  mehr.  Runisch 
endet  der  Gen.  Sg.  der  maskulinen  «-Stämme  auf  -as  für  -asa 
{Godagas).  Die  i.  3.  Sg.  Perf.  lautet  runisch  nam  was  mit  Ve.rhist 


V.  Auslautsgesetze.  135 


von  ä  e\  daher  ist  für  idg.  woittha  'du  weißt'  (gr.  oi(T0a  ind. 
vitthd)  germ.  waist  eingetreten.  Vgl.  ferner  germ.  berom  birip 
aus  älteren  *berome  "^berede^  berum  beruß  aus  älteren  "^berume 
*beru(ie\  run.  waritü  got.  ^writü  'wir  beide  ritzten'  mit  der  Endung 
-9we  (Ind.  -ivd)'^  Imperat.  far  aus  "^fare  (vgl.  lat.  funde  gr.  tutttc); 
Vokat.  wulfoMS  *wulfe  (\dX.  lupe  gr.  \\iY.^\fimf  zyxs  woicg^rm.  pempe 
penqe  'fünf  (lat.  quinque  gr.  irevre) ;  got.  germ.  mik  germ.  mek  aus 
*me-ge  (gr.  d|LX€  ye);  so  ist  ^  apokopiert  noch  in  dem  Enklitikon 
qe  (got.  -k  -uh),  ferner  in  got.  sa-h  sö-h  (aus  *sö  ke  —  "^sd  ke 
'dieser,  diese'  mit  der  deiktischen  Partikel  ke  von  lat.  hujus-ce)^ 
dann  auch  in  dem  Enklitikon  qene  (ind.  cand)  =  got.  -/lun  resp. 
westgerm.  -ftn  in  angls.  hwergen.  Dieses  Gesetz  von  der  Apo- 
kope  der  ä  e  schafft  wohl  auch  die  Präpos.  (got.)  and  und  aus 
*anda  *unda ;  dagegen  ist  got.  ana  'an'  gegen  das  verbreitete  an 
(an.  d  angls.  on)  durch  völlige  Tonlosigkeit  der  Apokope  ent- 
zogen oder,  wie  Joh.  Schmidt  KZs.  26,  28  ff.  meint,  ist  got.  ana 
(statt  an)  wie  anda-  neben  and^  ahd.  oba-  gegen  got.  uf  eigentlich 
Kompositionsform  für  Nomina.  Die  Partikel  angls.  and  'und' 
stpht  für  *anda  (ind.  atka  adhd).  Das  run.  (Varnum)  jah  enthält 
das  idg.  qe  'und'  =  lat.  que  'und'.    Vgl.  §  140  Anm. 

§  140.  Ein  weiteres  vokalisches  Auslautsgesetz  der  vorrunischen 
Zeit  hat  i  im  Auslaut  dritter  Silben  abgestoßen  (Sievers  Beitr. 
5,  155):  run.  halaiban  aus  "^hlaibani  Lokativ  Sg. ;  daher  auch 
ahd.  bibem  'ich  bebe'  aus  urgerm.  bibaim  =  ind.  bibhemi\  got. 
bairand  gt.gen  ind.  bhdranti\  got.  «;^ö^^r  angls.  under^MS  idg.  '^dheri 
(avest.  adairi  vgl.  Joh.  Schmidt  KZs.  26,  34) ;  got.  ufar  run.  ubar 
angls.  ofer  aus  urgerm.  über  ober  für  idg.  uperi  (ind.  updri) ;  germ. 
ferud  (an.  fjgrd)  =  gr.  TrepuCTi.  Urgerm.  aluß  haUp  m^nöp  als 
Lokat.  Sg.  zu  den  kons.  Stämmen  alup-  haUp-  mendß-  (umlautslos 
Dat.  Sg.  angls.  ealod  mönad)  anzusetzen  ist  möglich ;  gleiches 
würde  für  urgerm.  sunawi  (Lok.  Sg.  zu  sunu-)  =  sunau  (got. 
sunau  angls.  suna)  gelten  können,  resp.  für  urgerm.  sunew-i 
=  urnord.  suniu  (an.  syne)   vgl.  run.  (nach  Bugge)  Kunimu{n)diu. 

Anm.  Wie  aus  den  beigebrachten  Belegen  hervorgeht,  ist  ? im  unmittelbaren 
Wortauslaut  nicht  als  T,  sondern  noch  als  ?  apokopiert ;  vgl.  got.  uns  =  angls.  üs 
aus  germ.  uns{e).  Daß  /  im  urgerm.  Auslaut  möglich  war,  lehrt  die  Behandlung 
des  vulgärlat.  ^  im  Wortauslaut  nach  §  122  d.  Die  Apokope  von  i  in  uteri  zu 
über  fällt  in  die  Zeit  vor  der  Wirkung  des  i  auf  vorhergehendes  e  (§  I22'>). 
So  zeigt  ahd.  noh  (==  got.  natih)  aus  idg.  nu  qe  'und  jetzt'  sogar  a-Brechung 
in  der  Tonsilbe,  ebenso  angls.  ofer  =  ind.  updri  idg.  uperi. 

§  141.     Die  nach  §  137  im  Auslaut   entstandenen  Nasalvokale 


136  V.  Auslautsgesetze. 


verlieren  den  Nasalklang:  run.  horna  staina  arbija  aus  *hornä 
^stainä  *arbjä\  rünq  Akk.  Sing,  aus  *rünÖ^  sowie  die  Präterita 
Sg.  tawidö  worahto  faihido.  Nasalverlust  zeigen  auch  die  ins 
Finnische  entlehnten  Neutra  urgerm.  golpa  lina  födra  wtna  (finn. 
kulta  liina  huotra  viind)  u.  a.  nach  Thomsen  S.  ']"j.  Die  Behandlung 
der  lat.  Lehnworte  wie  vtnum  acetum  spricht  nicht  dagegen,  in- 
sofern hier  direkt  von  vulgärlat.  vino  aketo  usw.  auszugehen 
sein  wird.  Hat  Kossinna  AfdA.  3,  207  mit  seinem  Hinweis  auf 
-wlsö  in  Idistaviso  recht,  so  wäre  für  den  Verlust  der  auslautenden 
n  m  {wisö  aus  *wisön)  damit  ein  chronologischer  Anhalt  gegeben. 

b)  Im  Gotischen  bleibt  nach  Leskien  Germ.  17,  375  alte  Länge 
bei  Verlust  des  Nasalklanges  {tuggo  namo  managei^  Gen.  Plur.  dag^ 
gibö  usw.)  erhalten,  anderseits  gilt  aber  auch  ä  für  J,  so  im  Akk. 
gibüy  im  Nom.  hana^  im  Prät.  nasida  'ich  rettete'.  Im  Westgermani- 
schen ist  ebenso  eine  doppelte  Vertretung  (durch  0  und  a  §  145) 
vorhanden.  Mit  Recht  nimmt  Leskien  auf  Grund  von  slav.  Analo- 
gien an,  daß  der  Nasalklang  früher  bei  den  kurzen  Vokalen, 
später  bei  den  langen  Vokalen  geschwunden  sein  wird.  Urgerm. 
ö»*  ist  überall  von  urgerm.  0  gesetzlich  unterschieden  geblieben: 
wir  dürfen  dies  als  geschlossenes  <?,  jenes  {p  aus  ö^)  aber  als  offen 
für  die  jüngere  Entwicklung  voraussetzen,  also  *X^bo  NSg.  — 
aber  ^X^bg  Akk.  Sg.  'die  Gabe' ;  *taujo  'ich  tue'  —  aber  tawidg 
'ich  tat'. 

Hiermit  sind  die  Auslautsgesetze  erschöpft,  die  bereits  in  vor- 
runischer  Zeit  gewirkt  haben ;  die  Runeninschriften  legen  Zeugnis 
ab  für  die  hier  angenommenen  Erscheinungen. 

§  142.  Wir  fügen  auf  Grund  des  run.  dohtriz  hinzu,  daß  für 
die  run.  Zeit  e  in  unbetonter  Silbe  vor  tönendem  z  zMi  geworden 
ist,  also  urgerm.  manniz  'Leute',  nahtiz  'Nächte',  tanßiz  'Zähne', 
duriz  'Tüv\  fariz  'du  fährst';  ebenso  in  birid  'er  trägt'  (Lyngby 
Tidskr.  f.  Filol.  6,  38  ff.). 

Nachweislich  ist  e  erhalten  geblieben  vor  r  (got.  ahd.  ubar  angls. 
ofer  aus  "^uber  =  idg.  uperi^  germ.  anpera-  'anderer'  =  got.  anpar 
angls.  öder  ahd.  ander,  ahd.  fater  angls.  fceder)  und  vor  ^  in  ahd. 
ivolfes  Wortes  \  vgl.  oben  §  120. 

§  143.  Die  gemeingerm.  Auslautsgesetze  wirken  aber  noch 
länger  und  zwar  weit  hinaus,  nachdem  die  Dialekte  sich  bereits 
differenziert  hatten.  Es  ist  ein  Prozeß,  der  immer  kontinuierlich 
bei  den  Germanen  weiter  wirkt.  Die  Spaltung  in  Ost-  und  West- 
germanisch  vollzieht   sich,   während   die   Auslautsgesetze    immer 


V.  Auslautsgesetze.  137 


neue  und  das  ganze  Germanisch  treffende  Kraft  zeigen.  Es  tritt 
nämlich  die  Differenzierung  in  der  Behandlung  des  auslautenden 
z  ein,  wonach  das  Westgermanische  es  im  Auslaut  verklingen 
läßt,  während  Gotisch  und  Skandinavisch  es  beibehalten  resp. 
durch  r  ersetzen:  westgerm.  da'xa  aus  ^da-^az,  ^asii  aus  "^-^astiz, 
sunu  aus  "^sunuz^  duri  aus  *duriz\  föHoMS  *f6tiz  (gr.  iTOÖe^)  usw. 
Diese  Differenzierung  der  Dialekte  ist  keineswegs  ein  Hemmnis 
der  Gemeinsamkeit  weiterer  Auslautsstörungen.  Ich  erinnere  an 
die  gemeinwestgerm.  Auslautsgesetze,  die  im  Angelsächsischen 
wirken  nach  dem  Eintritt  des  Umlauts,  während  sie  im  Deutschen 
lange  vor  der  Periode  der  Umlaute,  aber  auch  nach  der  Periode 
der  hd.  Tenuisverschiebung  in  Kraft  waren. 

§  144.  Der  letzte  Zug  der  gemeingerm.  Auslautsstörungen 
besteht  im  Abstoßen  des  auslautenden  ä:  run.  horna  gemeingerm. 
hörn,  run.  siaina  gemeingerm.  stain ;  im  Westgermanischen  treten 
Nominative  ein  wie  da^  wulf^  dem  Akkusativ  gleich.  Dieses 
Gesetz  wirkt  im  Ostgermanischen  auch  auf  die  Nom.  da^az  wulfaz, 
was  zu  got.  dags  wulfs  und  an.  dagr  ülfr  führt.  —  Das  Gesetz 
von  der  Apokope  des  a  wirkt  nach  §  18  c  auch  auf  die  entlehnten 
lat.  mensa  lucerna.  Nach  dem  Eintritt  eines  speziell  got.  Auslauts- 
gesetzes wirkt  gemeingerm.  noch  folgendes  Gesetz. 

§  145.  Die  Längen  im  o  und  g  sowie  e  im  Wortauslaut  (einerlei 
ob  sie  immer  im  offenen  Auslaut  gestanden  haben  oder  ob  da- 
hinter Nasal  oder  Dental  verloren  sind)  verfallen  der  Verkürzung 
zu  i  ti  q  und  9  sowie  e.  Belege  für  altes  t  sind  Feminina  wie 
got.  mawi  piwi  haißi  Saürini  (Sievers  Beitr.  5,  136);  ferner  will 
=  idg.  velfi  (gegen  ahd.  si  'er  sei'),  beri  aus  ^birt(d)\  angls.  sec 
'suche'  Imperat.  aus  '^söki  für  *sökt\  angls.  Lok.  dcEgi  Sievers 
Beitr.  8,  324  aus  urgerm.  dagf  (Grdf.  dhoghe-i).  —  Belege  für  ur- 
germ.  ü  sind  unsicher ;  vielleicht  idg.  Nom.  Sg.  swekrü  snusü  gernü 
=  ahd.  swigar  snura  (§  149)  quirna  aus  *swe'^r(u)  *snuru  *qern(u)}  — 
Für  urgerm.  S  ist  Kürzung  zu  Ö  im  Auslaut  anzunehmen ;  durch  p 
lassen  sich  die  sich  völlig  entsprechenden  got.  ä  =  westgerm. 
nord.  u  (vgl.  got.  bairam  dagam  =  nord.  westgerm.  berum  dar\um) 
vereinigen:  germ.  ber$  wird  b'erö  (got.  baira  sonst  bertc)^  germ. 
fatQ  wird  fatö  (got.  fata  sonst  fatu\  germ.  -^ebo  wird  ^ebö  (got. 
giba  sonst  -^ebu) ;  vgl.  u  in  finn.  arkku  panku  Thomsen  79.  Über 
slav.  y  als  Entsprechung  für  auslautendes  germ.  0  in  Lehnworten 
vgl.  §  28.  —  Germ,  p  im  Auslaut,  sei  es  aus  6{d),  6(n)  oder  westgerm. 
auch  aus  ö(z)  entstanden,  erfährt  Kürzung  zu  p^  wofür  jedoch  got.- 


138  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

angls.  a  eintritt :  idg.  nepöt  ahd.  nevo  angls.  nefa^  menöt  got.  mena 
ahd.  mäno  angls.  möna^  han6{n)  got.  hana  ahd.  hano\  got.  namö 
ahd.  namo\  got.  blindös  ahd.  dlinfo;  got.  ßtzös  asächs.  fkero;  auch 
ahd.  äio  neben  got.  ßös.  — •  Belege  für  e  aus  e  im  Auslaut  sind 
an.  /lane  'der  Hahn'  aus  *^ane^  an.  sag^e  'er  sagte'  aus  *safde(ct)j 
angls.  kt^le  'Held'  aus  '^hale(p). 

VI.  OST-  UND  WESTGERMANISCH. 
Kap.  29.     Ostgermanisch. 

§  146.  Die  Anschauungen  über  die  Verwandtschaftsgrade  der 
altgerm.  Dialekte  untereinander  haben  geschwankt  und  schwanken 
noch  heute.  Während  J.  Grimm  das  Ahd.  mit  dem  Got.  nahe 
zusammenbrachte,  stellte  Schleicher  das  Ahd.  mit  den  übrigen 
westgerm.  Sprachen  zusammen,  isolierte  aber  das  Nordische. 
Holtzmanns  Ad.Gr.  basiert  auf  der  Anschauung,  daß  Gotisch  und 
Nordisch  einander  zunächststehen.  Die  heute  vorherrschende 
Anschauung  von  einer  Zweiteilung  der  altgerm.  Dialekte  in  Ost- 
und  Westgermanisch  hat  Geltung  gewonnen  durch  Scherers  mehr 
andeutende  als  ausführende  Behandlung  der  Frage  ZGDS  ^  passim; 
dazu  vgl.  Zimmer  ZfdA.  19,  393.  Der  wohl  begründete  Angriff 
Joh.  Schmidts  auf  die  Stammbaumtheorie  überhaupt  (oben  §  2) 
führte  diesen  Gelehrten  zu  einer  allerdings  einseitigen  Beleuch- 
tung der  Verwandtschaftsfrage  (Vokal.  II  451),  indem  er  den  tat- 
sächlich bestehenden  überraschenden  Berührungen  zwischen  Angel- 
sächsisch und  Skandinavisch  besondere  Aufmerksamkeit  widmete. 

Als  das  stichhaltigste  Kriterium  für  eine  ostgerm.  Sprachgruppe, 
welche  Gotisch  und  Skandinavisch  umfaßt,  gilt  allgemein  die  §  58 
behandelte  Entwicklung  von  urgerm.  jj  ww  zu  ggj  ggw :  an.  egg 
tveggja  Frigg  got.  glaggwö  triggws  bliggwan  an.  hgggva  gegen 
urgerm.  ajja-  twajje  Frijjo  glawwö  trewwa-  blewwan  haw- 
wan  usw.  Weiterhin  ist  für  das  Gotisch-Nordische  die  Vokal- 
synkope got.  dags  an.  dagr.,  got.  mats  an.  matr  (germ.  da'^az 
matiz)  charakteristisch;  das  Westgermanische  (vgl.  §  151)  kennt 
in  solchen  Fällen  keine  Synkope,  sondern  nur  Apokope  i^dar^a 
*banki  wird  zu  *^«y  "^bank).  Überhaupt  ist  die  westgerm.  Sprach- 
gruppe durch  selbständige  eigenartige  Auslauts-  und  Synkopie- 
rungsgesetze  charakterisiert.  Sonst  ist  die  dem  Ostgermanischen 
fremde  Ausbildung  eines  Abstraktsuffixes  -haidus  (ahd.  man-heit 
angls.  mcegp-häd)  Zimmer  ZfdA.    19,  414  dem  Westgermanischen 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  139 

gemein,  desgl.  der  Verlust  der  alten  Bildung  der  2.  Sg.  Perf.  auf  / 
(got.  gaft  namt)^  wofür  die  westgerm.  Dialekte  die  parallele  Op- 
tativform (ahd.  gäbt  nämi  aus  got.  gebeis  nenteis)  gebrauchen. 
Den  ostgerm.  Sprachen  fehlen  die  Verba  ahd.  bin  asächs.  bium 
angls.  beom  und  ahd.  tuon  angls.  dön\  einen  flektierten  Infinitiv 
kennen  nur  die  westgerm.  Sprachen  (angls.  tö  faranne  ahd.  zi 
faranne).  Auf  Einzelheiten  des  Wortschatzes  wie  westgerm.  makön 
'machen'  und  anderes  von  Zimmer  ZfdA.  19,  452  ff.  zusammen- 
gestelltes Material  ist  kein  besonderer  Wert  zu  legen.  Kleinere 
Züge,  die  für  die  ost-  oder  für  die  westgerm.  Sprachgruppe 
zeugen,  kommen  gelegentlich  im  Verlauf  unserer  Darstellung 
zur  Sprache. 

Reden  wir  nun  heute  stets  von  Ost-  und  Westgermanisch,  so 
ist  damit  nicht  sowohl  ethnographische  Verwandtschaft  als  sprach- 
liche Kontinuität  gemeint.  Denn  obwohl  der  Unterschied  von  Ost- 
und  Westgermanisch  sich  kaum  vor  dem  2.  nachchristlichen  Jahrh. 
entwickelt  haben  kann,  sind  die  Germanen  schon  zu  und  zweifels- 
ohne auch  vor  Caesars  Zeit  in  zahlreiche  Stämme  gespalten  gewesen : 
die  Spracheinheit  oder  besser  -einheitlichkeit  beweist  nichts  für 
nähere  Blutsverwandtschaft.  Auch  hört  die  Einheitlichkeit  der  sprach- 
lichen Entwicklung  keineswegs  mit  der  Spaltung  in  Stämme  auf. 
Die  gemeingerm.  Runen  und  die  deutschen  Namen  der  Wochentage 
(Scherer  ZGDS^  8)  müssen  sich  in  nachchristlicher  Zeit  von  einem 
Punkte  ausgebreitet  haben  über  alle  Germanen,  und  diese  Ein- 
heitlichkeit kulturellen  Lebens  zu  einer  Zeit,  wo  die  Germanen  in 
zahllose  Stämme  zerfielen,  ist  ein  instruktiver  Fingerzeig  dafür, 
was  wir  unter  «gemeingermanisch»  zu  verstehen  haben.  Die  ge- 
meingerm. Auslautsgesetze  dürften  sich  zwischen  200 — 300  n.  Chr. 
entwickelt  haben,  also  zu  einer  Zeit,  wo  von  einer  ethnologischen 
Einheit  schon  längst  nicht  mehr  die  Rede  sein  kann.  Vgl.  Kossinna 
IF.  7,  289. 

Kap.  30.  Nordisch-westgermanische  Übereinstimmungen. 

Die  eben  dargelegten  Anschauungen  schließen  —  bei  dem  durch 
zahlreiche  sprachliche  Tatsachen  gebotenen  Festhalten  an  der 
Theorie  von  der  Spaltung  des  Germanischen  in  Ost-  und  West- 
germanisch —  die  ebensogut  beglaubigte  Kontinuität  zwischen 
Skandinavisch  und  Westgermanisch  'nicht  aus.  Wenn  wir  von  den 
durch  Joh.  Schmidt  Vokal.  2,  45 1  behandelten  Berührungen  zwischen 


140  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

Angelsächsisch  und  Nordisch  hier  absehen,  so  sind  folgende  weiter- 
reichende Entsprechungen  von  Belang. 

§  147.  a)  Das  Nordische  teilt  mit  dem  Westgermanischen  den 
Übergang  von  idg.  e  in  ^,  während  das  Gotische  an  e  festhält 
(dafür  krimgot.  t).  Zur  Zeit  von  Caesar  und  Tacitus  galt  Suebi  (dafür 
ahd.  Suäbd)  und  Segimerus  (dafür  ahd.  Sigimär).  Daß  um  200  n.  Chr. 
sich  in  Deutschland  der  Wandel  von  ^  in  ^  vollzogen  hat,  dafür 
werden  oben  §  22  b  beweisende  Eigennamen  beigebracht.  Auf  den 
ältesten  nord.  Runeninschriften  findet  sich  kein  idg.  e  mehr  be- 
wahrt; im  Finnischen,  das  got.  e  in  miekka  'Schwert'  und  niekla 
'Nadel'  =  got.  mikeis  und  neßla  noch  verrät,  finden  sich  urnord. 
Lehnworte  mit  ä  (finn.  maanan  paanu  an.  mdna  spann  Thomsen 
S.  43).  Im  Westgermanischen  vollzieht  sich  der  Wandel  vom 
3.  Jahrh.  an,  doch  so,  daß  das  Fränkische  (Bremer  Beitr.  11,  19) 
noch  teilweise  bis  ins  6.  Jahrh.  das  e  kannte.  Dabei  ist  zu  be- 
achten, daß  kein  e  eines  lat.  Lehnworts  {acetum  tegula  mensa 
catena  moneta  usw.)  den  Wandel  von  ^  in  ^  durchmacht;  offenbar 
deckten  sich  lat.  e  und  idg.-germ.  e  nicht. 

Während  in  Tonsilben  nord.-westgerm.  ä  das  idg.-got.  e  vertritt 
(an.  lata  asächs.  lätan  =  got.  letan^  an.  sldpa  asächs.  släpan  =  got. 
siepan,  lat.  semz-  ahd.  sämi-quec^  gr.  fJTpov  ahd.  ädra)^  hält  sich 
das  völlig  unbetonte  e  nach  Sievers  Beitr.  9,  561,  resp.  wird  bei 
Kürzung  zu  e  nach  Paul  Beitr.  4,  421;  vgl.  an.  fader  aus  germ. 
fader  idg.  pafer;  got.  hausides  mit  an.  heyrder  angls.  hyrdest  asächs. 
Monac.-Hel.  (Paul  Beitr.  4,  420)  weldes  821,  habdis  2956,  mahtes 
2953.  3063,  sendes  4097,  ahd.  (Isid.)  chiminnerödes\  über  ahd.  unser 
(Braune  Beitr.  2,  140)  im  Vergleich  zu  an.  värr  s.  unten  §  253  ; 
über  an.  hvi  =  got.  he  s.  Paul  Beitr.  4,  474;  über  ahd.  -mes  in 
gebumes  s.  §  197.  Beachte  e  für  germ.  i  noch  in  an.  heyrde  'hörte' 
aus  germ.  hauzide^  hane  'Hahn'  und  mäne  'Mond'  aus  germ.  hane 
mene,  fjarre  'fern'  aus  "^ferre^  angls.  hcele  'Held'  aus  "^hale  neben 
dem  Obliq.  angls.  hceled  aus  "^halep-, 

b)  Germ.  0,  das  nach  dem  §  136.  145  behandelten  Gesetz  im 
urgerm.  Wortauslaut  oder  in  Endungen  vor  m  (auch  n)  steht,  er- 
scheint westgerm.-nord.  als  u^  während  das  Gotische  ^hat:  angls. 
gifu  an.  gjgf  aus  "^X^bu  (=  got.  giba)  aus  urgerm.  -^ebd'^  angls. 
fatu  an.  fgt  aus  "^fatu  '^fatö  (got.  *fata) ;  ahd.  tagum  an.  dggum 
aus  '^da^om  (=  got.  dagam)  Paul  Beitr.  4,  363.  Auch  einige  u  in 
Mittelsilben  sind  dem  Nordisch -Westgermanischen  gemeinsam, 
wo  das  Gotische  a  hat:  an.  mjgtußr  angls.  meotod  —  got.  mitaps. 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  141 

§  148.  a)  Stimmhaftes  z  =  got.  z  [s)  erscheint  im  Nordisch- 
Westgermanischen  als  R.  Im  Urnordischen  ist  R  sowohl  durch 
die  Runeninschriften  als  auch  durch  den  davor  auftretenden  2-Um- 
laut  (Bugge  Tidskr.  f.  Filol.  7,  320)  gesichert;  nord.  r  und  R  unter- 
scheiden sich  ursprünglich  nur  durch  das  Timbre :  das  alte  r  wurde 
mit  Ä-Timbre  hervorgebracht,  das  neue  R  (aus  z)  mit  /-Timbre 
(Verner  AfdA.  4,  341,  Hoffory  NArk.  I  41).  Für  die  westgerm. 
Sprachen  ist  dieser  phonetische  Unterschied  der  beiden  r-Laute 
nicht  mehr  sicher  nachweisbar.  Chronologische  Data  für  den  nor- 
disch-westgerm.  Rhotazismus  fehlen;  auch  ist  ungewiß,  ob  die 
ältesten  Runen  schon  R  oder  noch  z  (=  Y)  enthalten.  Kein  lat. 
Lehnwort  zeigt  im  Germanischen  Rhotazismus;  vgl.  §  17  b.  Beispiele 
für  nordisch-westgerm.  R\  an.  geirr  ahd. gSr;  an.  ver  angls.  w^r; 
an.  ker  ahd.  kar  (got.  kas);  an.  heyra  ahd.  horran  (got.  hausjan). 
Westgerm,  r  für  z  noch  in  asächs.  edor  'Zaun'  =  altind.  atasä- 
'Gebüsch'  und  in  ahd.  l'effur  'Lippe'  neben  ahd.  lefs.  In  der  germ. 
Verbindung  rz  erscheint  naturgemäß  rr  in  ahd.  marren  =  got. 
marzjan^  ahd.  irri  =  got.  azrzezs,  ahd.  durri  'dürr'  (=  got.  paürstis). 

Anmerkung  i.  Urgerm.  0  muß  vor  der  Wirkung  der  westgerm.  Synkope  vor- 
ausgesetzt werden,  wenn  angls.  wyrsa  =■  asächs.  wirsa  nach  Ausweis  von  got. 
wairsiza  =  ahd.  wirsiro  und  angls.  l<kssa  'weniger'  aus  einer  Grdf.  laisizo  s  -\r  z 
haben  zusammenfließen  lassen.  Auch  zeigt  angls.  sella  'besser'  (aus  einer  Grdf. 
solizo)  eine  Angleichung,  die  wohl  eher  aus  z  als  aus  r  zu  erklären  ist ;  ähnlich 
an.  heill  (Dat.  heille)  N.  'Heil'  für  *heilz-  (§  229). 

Anmerkung  2.  Germ,  z  ist  im  Westgerman.  scheinbar  spurlos  verschwunden, 
wenn  rzn  durch  eine  Mittelstufe  rrn  zu  rn  geworden  ist:  ahd.  hirni  'Gehirn*  für 
germ.  hirznja-  zu  ind.  firsdn-,  ahd.  /lornug  'Hornisse'  aus  einer  Grdf.  horznut 
zu  lat.  cräbro  (für  '*cräsrö)\  vgl.  Beitr.  8,  521. 

Anmerkung  3.  Germ,  zn  und  nz  werden  im  Nordischen  und  Westgermanischen 
zu  nn  angeglichen:  an.  rann  =  got.  razn,  an.  hrgnn  =  angls.  hcern  'Woge* 
aus  einer  Grdf.  hrazn-\  ahd.  angls.  unnan  'gönnen'  für  *unzan  zu  got.  ans-ts 
'Gnade';  aber  angls.  leornian  =  ahd.  Urnen  (gegenüber  asächs.  ünon  Anm.  5) 
aus  einem  Grundwort  *liznai-  bewahrt  z  wohl  unter  dem  Einfluß  von  angls. 
l^ran  =  ahd.  leran. 

Anmerkung  4.  Eine  urgerm.  Angleichung  von  zm  zu  mm  muß  aber  schon  für 
die  vorgot.  Zeit  angenommen  werden,  wenn  got.  im  'ich  bin'  (=  ahd.  dim)  aus 
*izmi  (=  ind.  asmi)  und  got.  pamma  'dem'  aus  *pazma  dem  ind.  tasmäd  ent- 
spricht. 

Anmerkung  5.  Germ,  z  kann  unter  Umständen  mit  Ersatzdehnung  verstummen: 
asächs.  meda  'Lohn'  ^  got.  mizdo ,  asächs.  linon  'lernen'  =  ahd.  Urnen  zu 
got.  lais  (doch  vgl.  Anm.  3),  asächs.  angls.  he  'er'  für  */«z,  asächs.  wi  =  angls. 
we  neben  ahd.  wir  (got,  weis). 

b)  Das  //  des  Got.-German.  erscheint  nord.-westgerman.  im  An- 
laut als  fl\  got.  pliuhan  =  a.n. ßjj'a  ahd.  fliohan\  got.  plaihan piaqus 


142  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

=  mhd.ßiken  flach.  Derselbe  Wandel  erscheint  inlautend  in  ahd. 
driscüfli{'.  an.  preskoldr),  in  an.  innyfle  angls.  mit  Umstellung  innelfe 
ahd.  innuovili  (:  ahd.  innödli)  Sievers  Beitr.  5,  531.  Daneben  zeigt 
sich  nord.-westgerman.  im  Inlaut  auch  der  Wandel  von  //  in  hl\ 
vgl.  an.  n^l  'Nadel'  aus  *nählu  =  got.  nepla\  an.  böl  'Haus'  aus 
'^bopl  (Hei.  bodlos  angls.  botr)\  an.  stdl  'Heuschober'  ahd.  stadal\ 
an.  m^la  ahd.  mahalan  got.  mapljan\  an.  vdlad  'Elend'  zu  angls. 
w^dl  'Armut'  (vgl.  Noreen  Altisl.  Gramm.  §  228). 

Anmerkung  i.  Inlautend  zeigt  sich  westgerman.  ein  neues  -pl-  für  germ.  -tl- 
in  ahd.  s'edal  asächs.  s'edal  (angls.  seid  und  -sedel)  ■=  got.  sitls  'Sitz' ;  damit  verwandt 
ist  ein  Fall  von  germ.  -tn- :  an.  botn  ist  ahd.  bodam  =  angls.  bodem  (Lit.-Bl.  8, 
114);  vgl.  KZs.  26,  96. 

Anmerkung  2.  Wenn  anlautendes  //  (got.  pliuhan)  in  den  außergot.  Dialekten 
durch  fl  (ahd.  fliohan)  vertreten  ist,  so  besteht  für  angls.  mapuldor  'Ahorn'  mit 
Rücksicht  auf  ahd,  mag§altar  die  Möglichkeit  eines  gemeinsamen  Grundstammes 
matla-,  so  daß  inlautendes  tl  hier  mit  //  gewechselt  hätte  ;  über  die  Möglichkeit 
von  Anlauts-//  im  Westgermanischen  für  ursprgl.  //  vgl.  ZfdW.  8,  29. 

Kap.  31.     Das  westgermanische  Auslautsgesetz. 

Die  urgerm.  Auslautserscheinungen  sind  Kap.  28  chronologisch 
behandelt ;  es  ist  daselbst  schon  hervorgehoben,  daß  weitere  Aus- 
lautsgesetze den  sämtlichen  germ.  Sprachen  gemeinsam  sind,  aber 
chronologisch  verschieden  gewirkt  haben ;  die  meisten  Berührungen 
hat  das  Nordische  mit  dem  Westgermanischen. 

§  149.  Die  ursprünglich  nicht  nasalierten  t  ü  o  ms.  Auslaut 
verfallen  der  Verkürzung  zu  i  ü\  ahd.  will  lat.  velit  für  *veltt\ 
urgerm.  y^^^^^V^^  Sievers  Beitr.  5,  136  wird  westgerm.  ^udini  (vgl.  got. 
Saürini)\  urgerm.  sökt  'suche'  (Imperat.)  wird  '^sökl\  das  so  ent- 
standene i  des  Auslauts  wird  im  Westgermanischen  genau  wie 
altes  i  im  Auslaut  behandelt.  —  Gleiches  gilt  von  ü  =  westgerm. 
u\  germ.  qernü  'Mühle'  (asl.  "^zirny  Schmidt  Vokal.  II  24)  west- 
germ. qernu\  germ.  swe^rü  (ahd.  swigar  aus  * swigru)  =  aslav. 
svekry  ind.  gvagrü-\  germ.  snuzü  (ahd.  snura  für  "^snuru)  =  lat. 
nurus.  Nord.-westgerm.  u  für  urgerm.  0  erscheint  in  "^beru  germ. 
bero  'ich  trage',  "^-^ebtc  germ.  ^ebo  'die  Gabe',  *fatu  germ.  fatd 
'Gefäße'  usw.  Ob  dieses  u  aus  ö  für  0  entstanden,  ist  unsicher; 
da  jedoch  das  ganze  Kürzungsgesetz  —  nur  chronologisch  ver- 
schieden —  genau  auch  im  Gotischen  gewirkt  hat  (got.  mawi 
piwi  Saürini  —  wili  beri)  und  sonst  zwischen  nord.-westgerm.  u  und 
got.  a  {dagum  got.  dagam^  berum  got.  bairam)  eine  Grundform  o 
vermitteln  kann,   so  dürfte  an.  gigf  aus  *y^'^?^  (angls.  gifti)   und 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  143 

got.  gzda  eine  Grundform  *fedo  vermitteln;  auch  */af(?  =  got.  */a^a 
angls.  /afu.  Sonst  wäre  auch  Übergang  von  0  über  z2  zu  west- 
germ.  u  denkbar,  was  durch  slavische  Entlehnungen  wie  crüky 
raky  u.  a.  (Möller  Beitr.  7,  487)  vorausgesetzt  werden  dürfte.  Finn. 
Lehn  Worte  [arkku  panku  got.  arka  *spagga)  zeigen  das  nord.- 
westgerm.  u.  —  Dieses  nord.-westgerm.  Verkürzungsgesetz  hat  vor 
der  Apokope  von  if  ^7  §  152  gewirkt,  denn  die  alten  i  tl  ^werden 
—  wie  schon  angedeutet  —  von  dem  Apokopierungsgesetz  §  152 
genau  so  behandelt  wie  auslautende  i  und  ü.  Anders  im  Gotischen: 
im  Gotischen  hat  erst  die  ^-Synkope  —  gast{s)  mat{s)  aus  *gasti{z) 
'^mati{£)  —  gewirkt  und  erst  später  ist  auslautendes  t  {^ mamf^ piwf) 
zu  i  {mawi  piwi)  verkürzt  worden. 

§  150.  Der  zweite  Punkt  der  nord.-westgerm.  Übereinstimmungen 
besteht  —  wie  eben  angedeutet  —  in  dem  Wandel  einzelner  0 
zu  u^  während  das  Gotische  a  hat  (Paul  Beitr.  4,  363.  450).  Vor 
Nasalen  vgl.  urgerm.  dar^om  (got.  dagani)  ==  da^um ;  urgerm.  nahtom 
(got.  nahtam)  =  nahtum ;  urgerm.  berom  'wir  tragen'  (got.  bairam) 
=  b'erum\  urgerm.  blindommo  (got.  blindammd)  daraus  asächs. 
blindumu  (angls.  blindum  ahd.  blintenm)\  germ.  hanon  Akk.  Sg. 
'den  Hahn'  ahd.  hanun  (angls.  galgu  Ruthw.).  Gleiches  u  aus  0 
gilt  auch  in  ahd.  biru  gr.  qpepiu,  angls. /ia;/^  aus  "^fato  (vgl.  got. /0), 
angls.  gifu  'Gabe'  aus  *y^'^^  (•  got.  s6).  Die  so  entstandenen  west- 
germ.-nord.  u  fallen  mit  den  urgerm.  u  zusammen;  das  got.  a 
{baira  'ich  trage',  waürda  'Worte',  giba  'Gabe')  allein  erweist  den 
verschiedenen  Ursprung.  —  In  gleicher  Weise  ist  g  vor  n  in  un- 
betonter Silbe  zu  Q  geworden,  das  im  Gotischen  später  mit  allen 
übrigen  0  zusammenfiel,  insofern  diese  auch  geschlossen  wurden. 
Aber  ahd.  zungün  an.  tungu  (dazu  angls.  foldu  bei  Caedmon)  ist 
tungün  für  ^tunggn  (vgl.  lat.  Jündn-em).  Dieser  Wandel  von  gn 
zu  6n  (weiter  zu  ün)  ist  erst  eingetreten,  nachdem  der  Nominativ 
tunggn  sein  n  verloren  hatte. 

§  151.  Allen  westgerm.  Sprachen  ist  früh  der  Verlust  von  aus- 
lautendem z  gemeinschaftlich  —  ein  frühester  Punkt  der  Dialekt- 
spaltung, der  sich  noch  während  der  Zeit  der  gemeingerm.  Aus- 
lautsgesetze vollzog:  urwestgerm.  ^asti  gegen  run.  gastiz\ 
urwestgerm.  dohtri  (angls.  dehter)  gegen  run.  dohtriz\  urwestgerm. 
da'^{a)  gegen  run.  dagaz\  urwestgerm.  ßew(d)  gegen  run.  ßewaz\ 
ahd.  wili  'du  willst'  =  got.  wileis  (lat.  veUs\  ahd.  bäri  'du  trugst' 
=  got.  bireis,  ahd.  g^sti  =  got.  gasteis.  Das  Alter  dieser  2-Apokope 
ist  unsicher.    Die  Malberg.  Glossen  der  Lex  Salica   stehen  noch 


144  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

auf  dem  urwestgerm.  Standpunkt,  indem  sie  die  Auslauts-2  nicht 
mehr  kennen,  aber  die  Auslauts-^  i  ü  noch  nicht  apokopieren: 
focla  'Vogel'  für  '^fogla{z)^  chunna  'Hund'  {\3X'^hunda{z)^  lammi  'Lamm' 
aus  '^lambi(z)  =  angls.  lemb^  tualepti  (an.  tylpt)  aus  '^tualifti{z)^  steorci 
(angls.  styrc)  aus  *steor-ki(z).  Die  deutschen  Runeninschriften  zeigen 
—  im  Gegensatz  zu  dem  ßewaz  dagaz  holtingaz  gastiz  usw.  der 
nord.  Inschriften  —  endungslose  Nominative  wie  Wodan  (für 
urgerm.  Wödanaz)  und  Leubwini  (für  urgerm.  Leub(a)-winiz)  auf 
der  Nordendorfer  Spange,  Leub  (für  "^Leubaz)  auf  der  Spange  von 
Engers.  Sonst  könnte  eine  genaue  Untersuchung  der  Eigennamen 
auf  -rix  -gastis,  jünger  -rtcus  -gastus  (oben  §  24)  Licht  auf  die 
Periode  der  Auslautsgesetze  werfen  [Boiorfx  AeubopiH  BaiTOpiH 
Mallortx  Cruptortx  bei  Strabo  und  Tacitus  Rieger  ZfdPh.  6,  335, 
dafür  erst  später  -ricMs  -pixo^).  Kaum  ist  der  Schwund  einiger 
auslautender  r  (lat.  presbyter  archiater  papaver)  durch  den  Abfall 
des  westgerm.  R  (angls.  preost  ahd.  arzät  angls.  popcEg)  bedingt ; 
von  den  Entlehnungen  ins  Westgermanische  hinein  wird  also  die 
chronologische  Frage  des  i?-Schwundes  kaum  Aufklärung  er- 
langen können. 

Anmerkung  i.  Für  das  Alter  des  Verklingens  eines  auslautenden  z  erinnert 
Bremer  IF.  14,  366  an  die  bei  Tacitus  bezeugten  germ.  Namen  Catvalda  Chariovalda, 
da  die  Eigennamen  auf  germ.  -wald  immer  stark  deklinieren;  dann  muß  es 
schon  im  i.  nachchristlichen  Jahrh.  germ.  Gebiete  gegeben  haben,  die  das 
nominativische  z  verloren  hatten. 

Anmerkung  2.  Auslautendes  r  für  germ.  z  hat  sich  westgerm.  nur  noch  bewahrt  in 
ahd.  mir  dir  =  got.  ?ms  pus,  in  ahd.  wir  ir  ==  got.  weis  jus,  in  ahd.  er  =  got. 
is,  in  ahd.  hwer  =  got.  k^as ;  ferner  in  Komparativadverbien  ahd.  nähor :  got. 
sniumundos\  auch  in  ahd.  zwiror  neben  zwiro  'zweimal'  (germ.  twizwöz  =  an. 
iysvar)  §  303. 

§  152.  Nach  dem  Wirken  der  bisher  behandelten  Auslautsge- 
setze beginnen  die  westgerm.  Apokopierungen,  die  Sievers  Beitr.  5, 
loi  richtiggestellt  hat.  Nur  die  Ä-Apokope  ist  älteren  Datums, 
desgl.  die  ^-Apokope  in  dritter  Silbe.  Es  bleiben  also  übrig  die 
i  und  u  in  zwei-  und  mehrsilbigen  Wörtern.  Alle  /  und  u  werden 
im  Wortauslaut  nach  langer  Silbe  (resp.  nach  der  Auflösung  ^^ 
statt  -)  apokopiert,  halten  sich  aber  nach  kurzer;  es  ist  dabei 
gleichgültig,  ob  urgerm.  m  n  oder  z  darauf  folgte  oder  oh  i  ü  o 
zugrunde  liegen.  Danach  stehen  ahd.  gast  angls.  gest  für  ^-^asti 
(run.  Nom.  Sg.  gastiz  Akk.  *gasti) ;  ahd.  bank  angls.  benc  aus  *bankz 
(an.  bekkr  aus  *bankiz) ;  Beispiele  von  ursprünglicher  Dreisilbigkeit 
liefern  angls.  hcenep  mcEgep  für  ältere  '^hanapi{z)  '^magapi{z)  Beitr. 
37,  471.  —  Von   der  konsonantischen  Deklination  fallen  hierher 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  145 

der  Dat.  Sg.  und  der  Nom.  (Akk.)  Plur. :  ahd.  bürg  angls.  byrg 
aus  *bur\i{z) ;  ahd.  man  angls.  men  aus  *manni(z)  ;  ahd.  naht  angls. 
niht  aus  *nahti(z)  vgl.  gr.  vuKTi  vuKteg;  angls.  meder  mceder  aus 
*mödri  gr.  |Lir|Tpi.  —  iz  war  urgerm.  die  Endung  von  Kom- 
parativadverbien: ahd.  min  aus  *minni(z)^  std  aus  '^sißi{z)^  wirs 
aus  *wirsi(z)  usw. 

Bei  kurzsilbigen  Stammformen  bleibt  i  und  wird  nicht  apo- 
kopiert:  /-Stämme  sind  ahd.  hugi  wini  asächs.  meti  siedi  wliti 
angls.  byre  ryne  Bugge  Aarbög.  1870,  205;  dazu  das  Neutr.  ahd. 
meri  (=  lat.  mare)\  der  Nom.  Plur.  ahd.  ttiri  Sievers  Beitr.  5,  m 
und  angls.  hnyte  hnite\  vgl.  angls.  bere  aus  *bariz^   ege  aus  *afZ2. 

Treten  diese  i  in  den  Auslaut  mehrsilbiger  Wörter,  so  kann 
wieder  Apokope  eintreten:  ahd.  asächs.  winz  'Freund'  aber  Friduwin 
Liobwin^  angls.  ryne  Sih&v  ymb-ryn  cyn-ryn. 

Germ,  t  =  westgerm.  z  ist  apokopiert  in  angls.  sß^c  sie  'suche' 
(Imperat.)  gegen  sele  'verkaufe' ;  ebenso  in  ahd.  gutin  aus  *^udim 
Beitr.  5,  136  (run.  ßurüßhild  auf  der  Friedberger  Spange  aus 
^hildi  ^hildi). 

§  153.  ii  erfährt  im  Auslaut  nach  langer  Silbe  westgerm.  Apo- 
kope :  asächs.  angls.  hand  aus  '^handu{z)^  asächs.  angls.  scild  aus 
^skildu{z)\  ahd.  asächs.  lust  luft  aus  *lustu{z)  *hiftu(z)\  asächs. 
angls.  flod  (got.  flödtis) ;  daneben  zeigen  die  kurzsilbigen  Stämme 
auslautendes  u  in  ahd.  fridu  sigu  hiigu  situ  fihu  filu  angls.  magu 
sunu.  Treten  kurzsilbige  ^^-Stämme  als  zweite  Glieder  in  Kompo- 
sita, so  kann  wieder  Synkope  eintreten :  ahd.  Friduwin  aber  Sigi- 
frid  Winifrid,  Hadubrant  aber  Walthad^  angls.  Haßoldc  aber 
Wulfhceß  Niß-had,  Be.lege  für  das  aus  0  entstandene  ü\  angls. 
Word  'Worte'  aber  fätu  'Gefäße',  bän  'Knochen'  Plur.  aber  geöcu 
'Joche' ;  heall  'Halle'  aber  gifu  'Gabe',  lär  'Lehre'  aber  czvalu 
'Tod'  feinen  parallelen  Lautwandel  6  \nü  vollziehen  germ.  so  twö 
bö  hwo  kö  im  Nordischen  und  Angelsächsischen ;  vgl.  an.  stl  angls. 
tu  bü  hü  cü  Mahlow  AEO  S.  61  und  Beitr.  8,  336).  —  Im  Alt- 
hochdeutschen zeigt  sich  «-Apokope  im  N.  Sg.  der  ««^-^-Abstrakta 
{scouwung  Isid.  Bened.)  Joh.  Schmidt  KZs.  19,  283;  über  «-Apokope 
in  den  ahd.  Langsilblern  wts  halb  stunt  s.  Paul  Beitr.  12,  553  ; 
über  ahd.  hüs  darf  neben  tagu  ibidem. 

Anmerkung.  Im  Althochdeutschen  hat  das  Gesetz  von  der  /-  und  «-Apokope 
erst  nach  der  hochdeutschen  Lautverschiebung  gewirkt:  westgerm.  (=  angls.)/«/« 
skipu  haben  durch  die  hd.  Lautverschiebung  lange  Wurzelsilbe  bekommen  und 
dann  erst  Apokope  erfahren ;  daher  ahd.  fafi  (für  *faSSu),  seif  (für  *sciffu)  auch 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  10 


146  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

im  Nom.  Akk.  Plur.  Ein  instruktives  Zeugnis  bietet  ahd.  kuhma  'Topf  aus  lat. 
cucuma :  die  Synkope  ist  nicht  etwa  lateinisch  oder  vulgärlateinisch,  denn  dann 
hätte  o  in  der  Tonsilbe  entstehen  müssen;  auch  wäre  inneres  -kin-  wohl  nicht 
zu  -X'w-  verschoben  worden.  Daher  westgerm,  pakida  urd.  thahhida  ahd.  dahta, 
wie  urd.  sandida  ahd.  santa.  Daher  auch  ahd.  haS  bah  (=  asächs.  h^ti  l>fkt) 
lautgesetzlich  aus  *ha33i  *bahhi,  ahd.  grif  (=  asächs.  angls.  grifii)  lautgesetzlich 
aus  *grifß,  ahd.  /^«/ 'Hüfte'  (angls.  hype)  aus  */^?<!//?  durch  Apokope  entstanden; 
vgl.  ahd.  baS  'besser'  aus  *baB8i(^)  für  westgerm.  bati(z).  Wir  erklären  die  Tat- 
sache, daß  im  Althochdeutschen  weitergehende  Apokope  als  im  Altsächsischen 
und  Angelsächsischen  stattfindet,  eben  mit  dem  Umstand,  daß  im  Althochdeutschen 
die  Zahl  der  langsilbigen  Stämme  durch  die  hd.  Lautverschiebung  viel  größer 
geworden  ist,  als  sie  ursprünglich  war. 

§  154.  Neben  dieser  Apokope  kennt  das  Westgermanische 
auch  eine  gemeinschaftliche  Kürzung  der  Diphthonge  ai  au  zu 
e  ö\  vgl.  angls.  nime  ahd.  n'eme  aus  '^nemai(d)  =  got.  nimai\  ahd. 
blinte  angls.  blinde  gegen  got.  blindai\  ahd.  tage  aus  urgerm. 
dagai  (vgl.  gr.  oiKoi);  angls.  hätte  aus  *haitadai  (got.  haitada)\ 
angls.  p^re  aus  "^paizjal  (:  got.  ßizat). 

Für  auslautendes  au  =  westgerm.  0  vgl.  got.  aktau  aippau  mit 
ahd.  ahto  Mo ;  wie  dem  ahd.  tago  Gen.  Plur.  und  hano  Nom.  Sing, 
die  angls.  daga  und  hana  entsprechen,  so  ist  auch  dieses  ö  angls. 
zu  ä  geworden,  vgl.  eahta  eppa  und  angls.  suna  =  got.  sunau\ 
hierher  ahd.  äno  aus  vorgerm.  enou  vgl.  gr.  dveu  und  an.  gn  aus 
*änu  (:  got.  inuJi) ;  auch  angls.  fela  =  got.  filaus  ? 

§  154  b.  Auffällig  ist  die  westgerm.  Behandlung  des  ursprünglich 
nasalierten  langen  ö^\  es  erscheint  gekürzt  als  a  (dafür  angls.  ce  e) 
in  ahd.  herza  zunga  angls.  heorte  tunge  aus  *hertd^  '^tungö'^  (got. 
hairtö  tuggo)^  in  ahd.  horta  angls.  hyrde  aus  '^hauzidö'^\  in  ahd. 
g'eba  Akk.  Sg.  angls.  gife  aus  ^^ebö"^^  anderseits  aber  als  0  in  ahd. 
geböno  (Endung  eigtl.  -öni)^  hano  (Grdf.  -ön)^  lango  (got.  laggo)^ 
vgl.  angls.  eallunga  mit  got.  unweniggö. 

Hat  hinter  o  urgerm.  ein  d  (p)  gestanden,  so  steht  ahd.  0  (angls. 
a)  im  Auslaut  wie  in  ahd.  mäno  nevo  d'emo  aus  vorgerm.  menöt 
nepdt  tosmöd. 

Ist  hinter  dem  langen  6  im  Urwestgermanischen  ein  z  geschwunden, 
so  erscheint  dafür  ö  (angls.  a)  in  ahd.  blinto  N.A.Fem.  Plur.  =  got. 
blindos^  ahd.  (Hymn.)  g'ibo  angls.  giefa  —  got.  gzbös  'Gaben' ; 
asächs.  thero  =  got.  pizös.  Aber  ahd.  gebä  (=  got.  gibos)  hat 
sekundäre  Länge  unter  dem  Einfluß  von  geböno  geböm  und  ahd. 
tagä  mit  ä  ist  unsicher  bezeugt,  könnte  statt  auf  got.  dagös  aber 
auch  auf  got.  dagans  weisen. 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  147 

Kap.  32.   Synkope. 

§  155.  Das  westgerm.  Auslautsgesetz  trifft  nicht  bloß  endende 
Vokale,  sondern  auch  mittlere;  und  zwar  werden  mittlere  i  und 
ii  in  dreisilbigen  Worten  nach  langer  Tonsilbe  synkopiert,  halten 
sich  aber  nach  kurzer.  So  erklären  sich  die  Präterita  angls.  sende 
hyrde  kyste  (aus  "^sandidö  '^hauzidö  *kussido)  gegen  nerede  fremede\ 
desgl.  ahd.  santa  hörta  kusta  gegen  nerita  fremita.  Daher  haben 
asächs.  diurda  hönda  märda  ^aM?  als  Normalentsprechungen  zu  den 
gleichgebildeten  got.  diupipa  hauhipa  weihißa  zu  gelten.  /-Synkope 
zeigen  noch  ahd.  herro  aus  *hairiro^  lenzo  runza  aus  "^langitö 
"^wrunkita^  ferner  angls.  cildru  aus  *kilßiru.  Diese  Synkopierung 
der  mittleren  i  setzt  voraus,  daß  keine  Art  von  Nebenton  auf  der 
Mittelsilbe  gelegen  haben  kann ;  der  Nebenton  konserviert  alle 
Mittelvokale  (s.  oben  Kap.  20).  Auch  ä  e  öm  Mittelsilben  erfahren 
gemeinwestgerm.  Synkope  nach  langer  Tonsilbe;  diese  Synkope 
ist  dem  Gotischen  völlig  fremd:  ahd.  aftro  fordro  andre  für  *af' 
t(a)ro  '^ford{e)ro  '^andU)re\  angls.  häleg  Plur.  hdlge  gegen  moneg 
Flur,  monege ;  angls.  morgen  Dat.  morgne ;  angls.  sdwol  Akk.  säwle^ 
deofol  Gen.  deofles^  engel  Gen.  engles ;  angls.  rixian  aus  *rzkisdn ; 
aber  angls.  eafora  hämora  nicera  näcodes  meotodes  gänotes  usw. 
Das  Althochdeutsche  bewahrt  dieses  Synkopierungsgesetz  bei 
weitem  nicht  in  der  Reinheit  wie  das  Angelsächsische ;  isolierte 
Fälle  sind  wohl  ahd.  runza  westgerm.  wrunkita ;  herro  aus  *heriro 
'der  ältere',  erro  =  got.  airiza\  vgl.  Sievers  Beitr.  5,  70,  Paul 
Beitr.  6,  144  ff.  Dabei  ist  mit  Paul  hervorzuheben,  daß  ein  kurzer 
unbetonter  Vokal  nur  in  offener  Silbe  synkopiert  werden  kann, 
also  nur  etwa  das  i  von  got.  gasan-di-dai^  nicht  das  von  got.  ga- 
sandißs  —  d.  h.  das  westgerm.  Synkopierungsgesetz  tritt  später 
auf  als  die  ^-Synkope.  Finden  sich  in  der  spezifisch  westgerm. 
Synkopierungsperiode  zwei  synkopierbare  Vokale,  so  wird  der 
nebentonige  Vokal  erhalten  und  der  völlig  unbetonte  erleidet 
Synkope :  ahd.  k^lbir  beruht  auf  *kdlh\ru^  aber  angls.  cealfru  auf 
*kdlburü.  Über  die  Bedeutung  des  Nebentons  für  die  Mittelvokale 
und  die  Synkope  unbetonter  Mittelvokale  ist  auf  das  Kap.  20  bei- 
gebrachte Material  zu  verweisen. 

§  156.  Erwähnung  verdient  noch  die  oben  §  85  behandelte 
Synkope  von  unbetonten  Präfixvokalen  im  Westgermanischen. 
Wenn  asächs.  tögian  (=  got.  at-augjan)^  wozu  mittelengl.  taunen 
aus  "* cEt-iawnian  und  ndl.  taunen  stimmen,  ein  anlautendes  ä  ver- 


148  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

loren  hat,  so  können  wir  diese  Erscheinung  sehr  wohl  unter  das 
westgerm.  Synkopierungsgesetz  bringen;  beachte  noch  andl.  (Gl. 
Lips.)  gi-t-ökön  'adjicere'  aus  "^at-aukön^  sowie  ahd.  barmen  'er- 
barmen' neben  angls.  of-earmian  (ZfdW.  8,  29) ;  Pauls  Deutung  von 
angls.  rsefnan  aus  *ar-äfnan  (Beitr.  6,  553)  zeigt  dieselbe  Erschei- 
nung. Dazu  stimmt  an.  granne  aus  got.  garazna  'Nachbar'.  Die 
bekannten  ahd.  Präfixerscheinungen  (s.  Braune  Ahd.  Gr.  §  /off.) 
beruhen  auch  auf  eigentlicher  Synkope ;  wir  dürfen  daher  neben 
hochtonigem  frä-  vortoniges  /tj.  für  das  Westgermanische  an- 
setzen. 

Kap.  33.     Die  westgermanische  Konsonantendehnung. 

§  157.  Eines  der  wichtigsten  Charakteristika  der  westgerm. 
Dialektgruppe  ist  der  geminierende  Einfluß  von  j  w  r  l  n  m  auf 
vorhergehende  Konsonanten.  Mehrere  lat.  Lehnworte  haben 
dieses  Gesetz  mit  durchgemacht  (angls.  pytt  =  lat.  puteus^  ahd. 
^pfi  milli  =  lat.  apium  milium^  ahd.  cullantar  =  lat.  coriandrum 
usw.,  ahd.  kupfardiMS  lat.  cuprum^  ahd.  sHipfala  aus  vulgärlat.  stupla, 
dhd.facchala  aus  vulgärlat./«^/^,  ahd.  ecchildMS  aciale^  angls.  47// aus 
solea).  So  wird  das  Gesetz  nicht  vor  dem  3.  Jahrh.,  aber  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  —  ebenso  wie  die  Kap,  31.  32  behan- 
delten Synkopierungsgesetze  —  vor  der  Auswanderung  der  Angel- 
sachsen nach  England  gewirkt  haben.  Ob  in  dem  Namen  der 
germ.  Göttin  Nehalennia  der  älteste  Typus  der  movierten  Fe- 
minina wie  got.  Saürini  und  ahd.  kuningin{na)  und  damit  ein  frühe- 
ster Beleg  für  die  westgerm.  Konsonantendehnung  vorliegt  (Kauff- 
mann  Beitr.  16,  217),  ist  unsicher,  weil  der  Name  noch  nicht  sicher 
gedeutet  ist.  Wenn  aber  Braune  IF.  IV  348  in  dem  bei  Tacitus 
bezeugten  hess.  Ortsnamen  Mattium  (jetzt  Metze)  den  frühesten 
Beleg  für  die  westgerm.  Gemination  erkennen  möchte,  so  ist  der 
Fall  um  deswillen  nicht  ganz  sicher,  weil  hier  auch  urgerm.  // 
(wie  in  got.  skattjd)  vorliegen  kann ;  denn  das  Etymon  des  Namens 
ist  nicht  zu  bestimmen.  Daß  die  westgerm.  Konsonantendehnung 
auch  in  dem  vulgärlat.  Wortmaterial  der  Reichenauer  Glossen 
(beachte  bes.  danea  'Tenne'  und  brunia  'Brünne'  unbezeugt  ist, 
wurde  bereits  oben  §  13  erwähnt.  Die  frühesten  sicheren  Zeug- 
nisse liefert  die  Lex  Salica  {adchrammire  neben  adchramire). 

Im  Westgermanischen  hat  j  im  Inlaut  immer  konsonantische 
Funktion  gehabt  (§  55),  woraus  stets  Gemination  des  vorangehenden 
Konsonanten  entspringt. 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  149 

a)  bei  kurzer  Tonsilbe:  got.  aljun  asächs.  $llian\  got.  wilja 
asächs.  willio\  got  /la/ja  asächs.  ^el/m;  got.  satjan  asächs.  seUmn; 
got.  lagjan  asächs.  leggian\  vgl.  angls.  smißpe  ahd.  smittha  aus 
*smißßja\  angls.  hlihhan  =  got.  hlahjan\  beachte  noch  aus  dem 
altfränk.  Ludwigsl.  (a.  881)  ellian  gisellio  willio. 

b)  Für  lange  Tonsilbe  liefert  das  Oberdeutsche  bis  in  die 
heutigen  Mundarten  hinein  zahlreiche  Beweise  (Paul  Beitr.  7,  109) : 
ahd.  (Musp.J  suannan  lössan  arteillan^  auch  ftrra  aus  lat.  feria ; 
mhd.  diupe  'Diebin',  geitze  Tflugsterz'  aus  westgerm.  diubbja 
gaittja  (nhd.  Schweiz,  büetse  grüeise  usw.)  oder  nach  Konsonanten 
mhd.  wülpe  'Wölfin',  rinke  'Schnalle'.  Daher  ursprünglich  die 
Doppelformen  ahd.  wem  Dat.  Sg.  weizze^  wini  Dat.  Sg.  wtzze 
(Scherer  AfdA.  3,  64).  Für  das  Angelsächsische  ist  aber  der- 
artige Gemination  bei  langer  Tonsilbe  nur  bei  ngj  und  Igj  durch 
jüngeres  gg  erweislich :  angls.  hrincge  spyncge  sencgan  auch  bylcge 
(Schweiz,  rinke  bulke)\  wichtig  ist  angls.  öretta  (got.  '^ushaitjd)  mit 
Verkürzung  der  Mittelstufe.  Beachte  aus  dem  Mittelfränkischen 
nach  Paul  Beitr.  7,  124  r&ken  reiken  sceken^  auch  siebenbürg,  sceken 
ohne  Lautverschiebung  aus  *sökkjan.  Die  geographische  Ver- 
breitung der  Affrikata  in  nhd.  beizen  heizen  reizen  Rinke  Weizen 
u.  a.  bleibt  noch  genauer  zu  fixieren. 

§  158.  Die  dehnende  Kraft  des  w  zeigen  angls.  teohhian  'an- 
ordnen' aus  Grdf,  tehwön  (vgl.  got.  tewa  'Ordnung'),  angls.  seohhe 
'Seihe'  aus  "^slkwö^^  (zu  ahd.  sthan  Part,  angls.  gesiwen)\  ahd.  acchus 
nacchut  got.  aqizi  naqaps.  Anderes  Material  bei  Kögel  Literatur- 
blatt 1887,  109.  Die  dehnende  Kraft  des  w  ist  noch  nicht  näher 
bestimmt;  ob  ahd.  sehan  Ithan  aha  auf  got.  saiJvan  leiJvan  aJva 
mit  ZV  beruhen  und  warum  die  Dehnung  unterbleibt,  darüber 
lassen  sich  Vermutungen  aufstellen,  aber  es  fehlt  noch  an  der 
Beweisführung.  Vgl.  noch  angls.  ceahhettan  aus  '^kahwatjan  zu 
angls.  cegan  aus  ^kaujan  "^kar^wjan} 

r  hat  Dehnung  vor  sich  in  ahd.  acchar  swepfar  wacchar  angls. 
bitter  snottor  (neben  angls.  acer  swipor  biter  snotor) ;  mhd.  zachem 
'weinen'  ahd.  Plur.  zachari  zu  ahd.  zahar  angls.  tcehher  :  tear. 

l  erzeugt  Dehnung  in  ahd.  apful  gottkolön  angls.  geohhol  hweohhol^ 
auch  frühnhd.  Gemachel  neben  Gemahl.  Für  Konsonantendehnung 
vor  m  vgl.  angls.  mdädum  Plur.  mddmas.  Über  n  als  Ursache  von 
Gemination  vgl.  Kauffmann  Beitr.  12,  520;  vgl.  angls.  bituichn 
mittelengl.  betuhhen  zu  got.  tweihnai\  sonst  läßt  sich  «-Einwirkung 
nur  in  alten  «-Stämmen  mit  Geminata  im  Stammauslaut  vermuten  ; 


150  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

vgl.  ahd.  snecco  rocco  tropf 0  snepfo  angls.  frogga  und  bei  lang- 
silbigen  Stämmen  wie  ahd.  häcco  kräpfo  "^snäcco  stritloiipfo  gi- 
släpfa.  Es  bestehen  zahlreiche  Doppelformen  mit  und  ohne 
Geminata  vgl.  mhd.  rabe  rappe^  knabe  knappe^  ahd.  troffo  tropf 0 
u.  a.  Diese  Doppelformigkeit  erklärt  sich  aus  alter  Flexion  wie 
got.  aüksa  Gen.  Plur.  aühsne^  d.  h.  Gemination  konnte  ursprünglich 
nur  in  einigen  Formen  eintreten,  andere  mußten  einfache  Kon- 
sonanz bewahren. 

Kap.  34.     Die  westgermanischen  Halbvokale. 

§  159.  Für  den  Halbvokal  j  gilt  im  Westgermanisch-Nordischen 
nach  Paul  Beitr.  7,  160  das  Gesetz,  daß  es  vor  i  verklingt,  so 
daß  ligjan  für  diese  Gruppe  liggju  lt\iz  lr\id  Plur.  liggjum  lr\id 
liggjand  flektiert  hätte  (vgl.  angls.  liege  ligep  licgap  asächs.  liggiu 
ligid  liggiad).  Dieses  im  Westgermanischen  vor  dem  Konsonanten- 
dehnungsgesetz wirkende  Gesetz  will  Mahlow  AEO  S.  43  in  die 
urgerm.  Zeit  verlegen,  um  got.  ligip  ligan  aus  "^ligip  '^ligjan  zu 
verstehen  (got.  bidan  :  bidjan^  got.  sitan  sonst  sitjan  usw.).  Da 
sichere  isolierte  Zeugnisse  mit  unzweideutiger  Lautgestalt  fehlen, 
lassen  wir  die  Chronologie  des  Gesetzes  unentschieden;  wo  es 
wirkt,  zeigt  das  Westgermanische  keine  Konsonantendehnung. 

Für  das  Verhalten  der  y^-Stämme,  welche  teils  mit  teils  ohne 
Konsonantendehnung  im  Westgermanischen  erscheinen,  liegt  die 
Sache  sehr  kompliziert.  In  Formen  wie  Gen.  Sg.  kunjis  Dat. 
Plur.  (Paul  Beitr.  7,  113)  *kunji-m  könnte  früher  Ausfall  von  j 
vor  i  (aus  urgerm.  e)  eingetreten  sein,  und  so  wäre  der  Mangel 
an  Gemination  in  ahd.  beti  neben  betfi^  in  mhd.  ribe  neben  ahd. 
rippi^  angls.  mene  ahd.  menni^  mndl.  vene  'Sumpf  ahd.  fenni 
(got.  fanja-),  angls.  dile  ahd.  tilli^  angls.  pile  ahd.  dilli^  mhd.  wehe 
weitze  erklärt;  vgl.  ahd.  bmi  (nie  *binni).  Betrachtet  man  aber 
angls.  hyse  Plur.  hyssas^  mete  mettas  u.  a.,  so  ergibt  sich,  daß 
zwischen  2-Stämmen  {mati-)  und  y^-Stämmen  {saggja-  angls.  secg) 
eine  weitergehende  Berührung  bestanden  haben  muß :  wahr- 
scheinlich haben  bei  kurzsilbigen  Stämmen  die  Nom.  Akk.  Sg. 
westgerm.  gleich  gelautet  (urwestgerm.  husi  mati  —  sar\i  ribi). 
So  erklären  sich  vielleicht  ahd.  Neutra  auf  i  ohne  Konsonanten- 
dehnung wie  ahd.  bini,  ndd.  feen  =  angls.  fenn^  asächs.  meni 
=  ahd.  menni  (nhd.  Beet  Luther  Riebe)  und  für  nhd.  Gau  Heu 
wäre  got.  gawi  Dat.  gauja^  hawi  Dat.  hauja  auch  den  westgerm. 
Grundformen  gleich.  Daß  das  Auslautsgesetz  im  Westgermanischen 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  151 

vor  dem  Eintritt  der  Konsonantendehnung  gewirkt  hat,  ergibt 
sich  außerdem  mit  Kauffmann  Beitr.  12,  539,  Streitberg  Beitr. 
14,  184  aus  den  Doppelformen,  die  infolge  eines  dehnenden  r 
und  /  entstehen:  ahd.  acchar  ahhar  angls.  cEcer^  ahd.  apful  afful\ 
Sievers  Beitr.  10,  496.  508  erweist  angls.  biter  bitter^  snotor  snottor\ 
beachte  ahd.  chupfar  angls.  copor.  Ihr  urwestgerm.  Paradigma 
war  akx  Gen.  Dat.  akkre{s\  apl  Gen.  Dat.  apple{s)  usw.  Vgl.  bes. 
ahd.  affoltra  angls.  apuldre  mit  westgerm.  Synkope  aus  apldro 
apl{u)dr.  Hierher  gehören  auch  die  von  Sievers  Beitr.  12,  486 
behandelten  ahd.  kuni-  eli-  als  erste  Kompositionsglieder.  In 
welchem  Umfang  auf  Grund  dieses  Gesetzes  für  die  westgerm. 
Sprachen  Ausgleichungen  für  die  y^-Stämme  anzunehmen  sind, 
ergibt  sich  leicht. 

§  U59b.  Der  Halbvokal  w  unterliegt  gern  dem  Verklingen 
und  zwar: 

a)  im  Westgermanischen  und  Nordischen  gemeinsam  nach  Paul 
Beitr.  7,  162  (vgl.  oben  §  54)  vor  u  im  Inlaut:  während  ur- 
germ.  naqida-  (an.  n&kkvedr)  zu  ahd.  nacchut  führt,  wird  urgerm. 
naqoda-  durch  *naqud  zu  *naktid  =  angls.  nacod  ahd.  nahhut\ 
daher  ahd.  Akk.  Sg.  nahhun  wadtm  gmnün  ühtün  (danach  dann 
die  Nom.  nahho  zvado  ganna  ühta  angls.  ühte)  zu  an.  ngkkve  vgßve 
got.  gatwö  üktw6\  daher  ahd.  wahta  gegen  got.  wahtwa\  asächs. 
swala  ndd.  swäle  Ahd.  Gl:  II  724=4  gegen  ahd.  swalwa\  ahd.  sparo 
neben  angls.  spearwa  got.  sparwa ;  angls.  ea  aus  '^ahti  für  *ah{w)u 
=  got.  a/i>a ;  beachte  angls.  nicor  (aus  "^nihiz-)  neben  ahd.  nicchessa 
aus  "^niqist.  Zahlreiche  Ausnahmen  von  dem  westgerm.  Kon- 
sonantendehnungsgesetz Kap.  33  finden  durch  die  in  diesem 
Kap.  34  behandelten  Gesichtspunkte  ihre  Erklärung;  instruktiv 
ist  die  angls.  Flexion  magti  mcücgeis)  Plur.  mcscga{s)  Dat.  Plur. 
ntagtini\  angls.  sacu  scECce  aus  *sak{w)u  *sakwd  und  angls.  Ises 
mstd  (vgl.  ahd.  mätaT)  aus  *lses{w)tt  '^m6ed{w)u  mit  dem  Obl.  Istswe 
msedwe.  Im  Grunde  ist  diese  Lautregel  eins  mit  der  oben  §  56 
behandelten,  wonach  ahd.  gidungan  kunft  dMi'^gidwungan  ^qumfti- 
beruht. 

b)  Wahrscheinlich  gilt  noch  eine  zweite  Regel  im  Westger- 
manischen (nicht  auch  im  Nordischen)  für  Verklingen  von  w: 
es  verklingt  (Holtzmann  Ad.  Gr.  I  327)  nach  langer  Silbe  wie  in 
singan  sinkan  stinkan  =  got.  siggwan  sigqan  stigqan\  vgl.  angls. 
ine  =  got.  igqis\  ahd.  dringan  =  an.  pryngva  (:  got.  ßreihan  oben 
§  44);    asächs.   mirki  für    *mirqi  =  an.   myrkr  (vgl.  an.  mjgrkve 


152  VI.  Ost-  und  Westgermanisch. 

'Dunkelheit'  aus  "^mergi)-,  ahd.  anko  'Butter'  aus  *anqo  =  lat. 
unguen\  ahd.  tmc  'Schlange'  aus  *unqi-  =^\z!i.  angtds\  ahd.  wtda 
poln.  wiiwa  'Weide';  ahd.  lentin  'Lende'  aslav.  lfdvije\  dingXs.  gdd 
—  got.  gaidw ;  ahd.  ^rahhar  'früh  wach'  für  '^^rwahhar  (über  ahd. 
ang-weizzaivx* angw-eizza  germ.  angu-ait  wg\.  Schmidt  Vokal.  I  8i). 
Hierher  noch  ahd.  selida  =  got.  salipwa^  ahd.  obasa  =  got.  ubizwa^ 
ahd.  fiadön  zu  got.  fijaßwa^  ahd.  wurhto  =  got.  waürstwja.  — 
Nach  dieser  Regel  vom  Verstummen  des  w  hinter  Doppelkon- 
sonanz erklären  sich  auch  der  angls.  Akk.  scecce  für  '*sakk{w)a 
zu  sacu  und  der  angls.  Plural  mcscgas  für  '^magg{w)os  zu  magu. 
Beachte  noch  asächs.  folda  für  germ.  foldwö{n)  zu  ind.  pfthivt- ; 
aus  idg.  patxvyo-  (ind.  pit'fvya-  gr.  Tüdipuu«;)  stammt  ahd.  fatureo 
fetiro. 

Anmerkung  i.  AufFälligerweise  hat  das  Angelsächsische  (Beitr.  12,  378X mehr- 
fach, insbesondere  nach  der  Kompositionsfuge  im  Anlaut  von  zweiten  Wort- 
gliedern, w  nach  Konsonanten  festgehalten,  wo  das  Althochdeutsche  es  hat 
verklingen  lassen:  angls.  acweorna  'Eichhorn' =  ahd.  W/zA^rw ;  2LXi^'s,.  wyrtwalu 
=  ahd.  wurzala  (zu  got.  walus  'Stock');  angls.  burgware  Romware  =  ahd. 
burgära  Romära  (Plur.);  angls.  Eadwacer  =  ahd.  Otacchar.  Auffälliger  sind 
noch  angls.  windwian  'schaufeln'  =  ahd.  winton  und  nordhumb.  genehwla 
'nahen'  (zu  got.  ncha  Adv.  'nahe').  Ganz  singulär  ist  frühangls,  quiquae  (Epin. 
Gl.  464)  neben  gewöhnlichem  cwice  'Quecke'  und  die  Anglia  VI  176  festgestellte 
Flexion  angls,  mdd  Obl.  mcedwe. 

§  159  c.  Das  Urwestgermanische  besaß  nach  der  Durchführung 
der  Auslautsgesetze  teilweise  neue  Halbvokale,  wenn  r  und  /, 
m  und  n  nach  Konsonanten  in  den  Auslaut  traten.  Allerdings 
ist  das  Prinzip  der  Auslautsgesetze  eine  Kürzung  der  Zweisilbig- 
keit zur  Einsilbigkeit,  wenn  daga(z)  zu  dag^  horna  zu  hörn  wurde ; 
daher  wird  man  wohl  auch  annehmen  dürfen,  daß  pegna(z)  'Degen' 
durch  die  Auslautsgesetze  zunächst  zu  einsilbigem  ßegn^  fagra(z) 
'schön'  zu  einsilbigem  fagr,  äpma(z)  'Atem'  zu  einsilbigem  äßm 
wurden.  Ist  doch  auch  westgerm.  ktcnnj(a)  'Geschlecht'  im  Angel- 
sächsischen einsilbiges  cynn  und  westgerm.  nattj(a)  'Netz'  im 
Angelsächsischen  einsilbiges  nett  geworden,  aber  ahd.  kunni  nezzi 
sprechen  für  die  Möglichkeit  einer  neuen  Zweisilbigkeit.  —  Im 
Frühangelsächsischen  kann  Einsilbigkeit  noch  vorliegen  in  alten 
Schreibungen  wie  libr  'Leber',  segl  'Segel',  hc^sl  'Hasel',  daher 
kann  auch  einsilbiges  botl  mit  einsilbigem  bolt  wechseln.  Noch 
lange  bestehen  im  Angelsächsischen  einsilbige  Formen  wie  hrcefn 
'Rabe',  stefn  'Stimme',  botm  'Boden',  fcedm  'Umarmung',  sedm 
'Atem'.     Aber  im  allgemeinen  besteht  doch   eine   Tendenz,  der- 


VI.  Ost-  und  Westgermanisch.  153 

artige  r  l  m  n  \m  Auslaut  zu  einer  vollen  Silbe  zu  entwickeln; 
vgl.  besonders  das  Althochdeutsche  und  Altsächsische  mit  Formen 
wie  ß'egan  'Degen',  fagar  'schön',  s'egal  'Segel',  hungar  'Hunger', 
wintar  'Winter'.  Die  frühesten  Belege  für  derartige  sekundäre 
Vokalentfaltung  reichen  in  den  Anfang  des  6.  Jahrhs.,  wenn  Prokop 
einen  Langobarden  MXÖiYKTaX  und  einen  Ostgoten  OuXiYlcraXo«; 
nennt  (über  germ.  Namen  auf  -gisclus  vgl.  Schönfeld  Wb.  unter 
Arnigisclus).  Für  das  Westgermanische  wird  man  wohl  auch  die 
Entfaltung  von  Mittelvokalen  teilweise  schon  in  das  6.  Jahrh.  zu 
verlegen  haben ;  aber  wahrscheinlich  ist  zunächst  Eintritt  von  sil- 
bischem l  ni  ■t}  T  etwa  für  pegn  fagT  hmgx  wintf  vorauszusetzen. 
Der  sich  neu  entfaltende  Mittelvokal  war  fast  immer  a  (daraus 
angls.  cE  e) ;  aber  bei  m  erscheint  im  Asächs.  gern  0,  im  Ahd.  u : 
asächs.  medom  'Kleinod'  (angls.  mäddum)^  ahd.  ätum  'Atem'.  Das 
Genauere  über  solche  Sekundärvokale  s.  bei  Bülbring  Ae.  Ele- 
mentarb. §  443  ff.  und  Braune  Ahd.  Gramm.  §  65. 

Anmerkung  2.  Das  Westgermanische  und  besonders  das  Althochdeutsche 
haben  eine  große  Fülle  sekundärer  Mittelvokale  auf  diesem  Wege  erhalten,  so 
daß  es  oft  Schwierigkeiten  macht,  alte  germ,  und  neue  westgerm.  Mittelvokale 
streng  auseinander  zu  halten.  Es  verlohnt  sich  daher,  hier  einmal  die  Beweise 
für  echte  und  feste  Mittelvokale  zusammenzustellen,  da  speziell  vom  ahd.  Stand- 
punkt aus  die  Rekonstruktion  des  Urgermanischen  in  diesem  Punkt  fast  unmöglich 
ist.  Von  einem  idg,  Standpunkt  aus  wird  Mittelvokal  gesichert  für  ahd.  n'ebul 
'Nebel'  gr.  veqp^Xri  resp.  ahd.  sw'ehur  =  gr.  ^KUpö<;  und  Fehlen  eines  Mittel- 
vokals für  ahd.  ahsala  asächs.  ahsla  durch  lat,  äla  für  *axla  (wegen  lat.  axilla) 
und  für  ahd.  lungar  =  gr.  dXaqppö?.  Durch  das  Finnische  werden  echte  Mittel- 
vokale erwiesen  für  ahd.  agana  satul  =  finn.  akana  satula,  anderseits  Fehlen 
eines  alten  Mittelvokals  für  ahd.  habaro  =  finn.  kaura  'Hafer',  ahd.  nädala  (got. 
neplci)  =  finn.  niekla,  ahd.  hähala  =  finn.  haahla,  ahd.  nagal  =  finn.  Jiau/a 
(vgl.  got.  nagljati).  Daher  beweisen  finn.  haikara  'Reiher'  und  inatara  'Färber- 
röte' für  ahd.  heigaro  und  an.  madra  echte  Mittelvokale.  Die  westgerm.  Kon- 
sonantendehnung kann  als  Indizium  für  Fehlen  des  Mittelvokals  gelten  in  ahd. 
apful  für  *applu-  statt  *aplu-  (vgl.  ahd.  affoltrd),  stupfala  statt  *stuppla-  aus 
*stupla-  (vulgärlat.  stupila  statt  siipula),  ahd.  kupfar  statt  "^cuppra-  aus  *cupro- 
(lat.  cuprtan)  neben  mittelrhein.  koffer  ndl.  koper  angls.  copor,  ahd.  opfaron 
'opfern'  aus  "^oppron  für  *opron  (=  lat.  operäre).  So  können  ahd.  zabal  ziagal 
pfiesal  nicht  auf  lat.  tabula  tcgula  pensilis  beruhen,  sondern  müssen  zunächst  auf 
vulgärlat.  tabla  tegla  pesle  weisen.  Aber  der  sicherste  Beweis  steckt  im  allge- 
meinen in  den  ostgerm.  Sprachen  und  speziell  im  Gotischen,  das  diese  sekun- 
däre Vokalentfaltung  gar  nicht  kennt :  got.  wintrus  =  ahd.  asächs.  wintar,  got. 
hührus  =  ahd.  asächs.  hungar,  got.  mapl  =  ahd.  mahal,  got.  maipms  =:  angls. 
mdddum.  Zudem  stimmt  das  Gotische  mit  den  finn.  Lehnworten  zusammen: 
got.  maürgins  =  finn.  murkina,  finn.  ruhtinas  'Fürst'  zu  got.  dratihtinassus. 
Allerdings  muß  mit  der  Möglichkeit  gerechnet  werden,  daß  Suffixablaut  mit 
eventueller  Nullstufe  in  Frage  kommt  (ahd.  hregil  gegen  angls.  hrcegl  aus  *hragla-)' 


154  VII.  Konjugation. 


VII.  KONJUGATION. 

Das  Germanische  bewahrt  von  dem  großen  Formenreichtum,  den 
die  indogerm.  Grundsprache  besessen  hat,  geradezu  das  meiste 
nicht  mehr.  Keine  deutliche  Spur  weist  vom  Germanischen  aus 
auf  das  alte  Futur  mit  -sjö  (ind.  dek^yämi  'werde  zeigen'  =  gr. 
beiHuJ  ?),  den  j-Aorist  (gr.  ^^Xuipa  zu  Y^ucpiu)  und  andere  alte  Erb- 
formen. Anderseits  weist  das  Germanische  nur  sehr  wenig  Formen 
auf,  die  altererbt  sein  müssen,  ohne  in  einer  andern  idg.  Sprache 
sicher  nachweisbar  zu  sein;  dahin  gehört  nur  die  Bildung  des 
schwachen  Präteritums  §  175  und  als  Einzelheit  noch  die  ahd. 
Endung  -mes  als  Primärsuffix  der  i.  Person  Pluralis  §  197. 

Trotz  dieser  großen  Verluste  hat  die  Konjugation  im  Germani- 
schen ein  wesentlich  anderes  Aussehen  angenommen,  als  in  irgend 
einer  andern  idg.  Sprache.  Indem  der  Formenbestand  sich  auf 
Präsens  und  Perfektum  resp.  Präteritum  beschränkte,  normierte 
der  Ausgleichungstrieb  der  Sprache  das  Verhältnis  dieser  beiden 
Tempora.  War  von  Haus  aus  die  Präsensbildung  sehr  mannig- 
faltig, aber  die  Perfektbildung  sehr  strenge  —  so  tritt  jetzt  eine 
streng  einheitliche  Präsensbildung  neben  das  streng  normierte 
Perfekt.  Zur  wesentlichen  Triebkraft  der  Konjugation  wird  so  der 
Ablaut  erhoben,  indem  das  Normalpräsens  mit  Mittelstufe  und 
ursprünglicher  Wurzelbetonung  neben  das  abstufende  Perfekt  tritt. 
In  direktem  Zusammenhang  steht  mit  dem  Ablaut  die  Akzentua- 
tion  und  damit  die  Wirkungen  des  Vernerschen  Gesetzes. 

Der  Ablaut  ist  bedingt  durch  die  ererbte  Wurzelgestalt.  Der  maß- 
gebende ^-Ablaut  fügt  sich  an  die  gr.  Schemata  TrevGo^  ireTTOvOa 
TTeiraOma,  eXeucroiLiai  eiXrjXouGa  riXij0ov,  ireiGuj  TreTtoiBa  TreiriOuTa 
usw.  Das  Germanische  hält  hierin  naturgemäß  die  idg.  Ablautsregeln 
Kap.  23  völlig  ein  unter  den  lautgesetzlich  bedingten  Modifika- 
tionen. Störungen  der  Ablautsreihen  sind  vor  dem  3.-4.  nach- 
christlichen Jahrhundert  kaum  möglich ;  dann  zeigen  sich  zunächst 
nur  Übertritte  von  ^z- Verben  unter  die  ^-Verba  (ahd.  kl'enan  Wz.  kU^ 
germ.  bidjan  Wz.  Md). 

Mit  mehr  oder  weniger  Konsequenz  unterliegt  der  alte  gram- 
matische Wechsel  jungen  Störungen.  Im  Gotischen  zeigt  ihn 
kein  ablautendes  Verb  mehr,  bald  haben  die  harten  Spiranten  ge- 
siegt {^finpan  wairpan)^  bald  die  weichen  {Jmeiwan  skaidan  bairban 
bileiban). 

Im  Altnordischen   haben  sich  noch  umfänglichere  Spuren  des 


VII.  Konjugation.  155 


grammatischen  Wechsels  erhalten,  aber  nur  in  Verben  auf  -ahan 
wie  flä  klä  slä  pvä  zeigt  er  sich  noch  regelmäßig,  während  sonst 
überall  Störungen  eingetreten  sind.  Das  Angelsächsische  und  Alt- 
hochdeutsche haben  ihn  noch  am  konsequentesten,  doch  auch 
nicht  ohne  Störungen;  so  ist  angls.  wriden  miden  Part,  zu  wridan 
midan ;  ärisan  einerseits  und  findan  anderseits  zeigen  Aus- 
gleichungen nach  verschiedener  Richtung.  Aus  dem  Ahd.  vgl. 
rtdan  Fartgiridan;  neben  hwervan  swelhan  treten  werban  swelgan\ 
ahd.  sceidan  und  got.  skaidan  ergänzen  sich  zu  skaipan  Partiz. 
skaidanaz. 

Kap.  35.     Das  ö-Präsens. 

Wie  alle  idg.  Sprachen  unterscheidet  auch  das  Germanische 
mi-  und  ^-Präsentia.  Unter  dem  ö-Präsens  versteht  die  verglei- 
chende idg.  Sprachwissenschaft  Stämme  auf  0  :  e  mit  ö  in  der 
I.  Pers.  Sing.  Ind.;  vgl.  gr.  cpepu)  (pepo-)Liev  cpepe-xe,  lat.  tundö 
iundu-nt  tundi-tis^  ind.  bhdvä-mi  bhävä-mas  bkdva-tha,  got.  batra 
(aus  '^bero)  baira-m  bairi-p  usw.  Das  ;«2-Präsens  fügt  die  Personal- 
endungen nicht  an  ein  thematisches  0  :  e^  sondern  unmittelbar  an 
die  Wurzel  resp.  eine  durch  konsonantisch  anlautendes  Suffix 
erweiterte  Wurzel  und  die  i.  Pers.  Sing,  wird  auf  mi  gebildet 
z.  B.  es-mi  3.  Sg.  es-ti  Plur.  s-ntes  s-enti.  Es  gibt  mehrere  Arten 
von  ^-Bildungen,  die  durch  Akzent,  Ablaut  oder  konsonantische 
Elemente  charakterisiert  sind.  Im  folgenden  verweisen  wir  mög- 
lichst auf  die  feststehende  Zählung   der  indischen  Grammatiker. 

§  160.  Der  Haupttypus,  der  in  allen  idg.  Sprachen  überwiegt 
und  im  Germanischen  zur  Alleinherrschaft  gekommen  ist,  verlangt 
mittlere  Ablautstufe  bei  Wurzelbetonung  z.  B.  idg.  bherö  bheudhö 
deiko  dgo  usw.  (i.  Klasse  des  Ind.);  im  Slavisch-Litauischen  sind 
Akzentstörungen  eingetreten  (aslav.  bereti  vezeti  Leskien  Sl.  Archiv 
V  509).  Indogerm.  Erbformen  waren  im  Indikativ  bherö  bheresi 
bhereti  bkeromes  bherete  bheronti  und  im  Optativ  ein  Stamm  bhero-i-. 
Im  Germanischen,  das  in  dieser  Präsensbildung  seinen  Normaltypus 
ausgebildet  hat,  zu  welchem  fast  alle  anders  gebildeten  Präsentia 
nach  und  nach  übergehen,  wird  die  ursprüngliche  Wurzelbetonung 
durch  zahlreiche  Fälle  von  tonloser  Spirans  im  Wurzelauslaut 
erwiesen  (bei  mittlerer  Wurzelstufe):  got.  teiha  ßeiha  preiha  weiha 
leipa  sneipa  reisa  —  tiuha  pliuha  hiufa  driusa  kiusa  fraliusa  — 
finpa  hinpa  pinsa  filha  pairsa  saika  hlifa  qipa  lisa  ganisa  wisa 
pwaha  hlapa  falpa  fäha  häha   und   zahlreiche   Präsentia   anderer 


56  VII.  Konjugation. 


germ.  Dialekte  beruhen  auf  Grundformen  der  gekennzeichneten 
Art. 

§  i6i.  Ein  damit  verwandter  Nebentypus  ('Aoristpräsentia* 
Osthoff  Beitr.  8,  266)  zeigt  niedrigste  Wurzelstufe  bei  Betonung 
des  Mittelvokals  0  \  e  (6.  ind.  Klasse  tudd-mi).  Aus  der  Gestalt 
der  Personalendungen  wird  die  vorgerm.  Betonung  Kap.  42  wahr- 
scheinlich gemacht.  Im  Germanischen  erscheint  niedrigste  Wurzel- 
stufe in  got.  trudan  (QF.  32,  40)  an.  knoda;  in  an.  koma  sofa 
angls.  rtpan  (Sievers  Beitr.  8,  84;  9,  277;  Noreen  Svensk.  Landsm. 
I  693);  ahd.  tretan  kn'etan  qu'eman  angls.  swefan  ripait  sind  nach 
dem  Haupttypus  umgeformt.  Auf  Suffixbetonung  weisen  hin  an. 
vega  (J.  Schmidt  AfdA.  VI  127)  aus  Wz.  w^k\  got.  hneiwan  bileiban 
sweiban  ahd.  sniwan  sigan  wegen  der  vorgerm.  Wurzeln  kmghw 
Itp  swiq  smghw  s^q  (ahd.  wehan  nigan  sind  dem  Haupttypus  ge- 
nähert). In  dem  ii  von  germ.  stlpan  hlkan  sügan  angls.  brtican  bügan 
hat  Osthoff  Beitr.  8,  282  'Aoristpräsentia'  erkannt  (angls.  bügan 
aus  Wz.  bhuk  in  ahd.  bühil  'Hügel',  angls.  sügan  aus  Wz.  suq). 
—  Wegen  ahd.  sntwit  =  gr.  vicpei  beachte  auch  avest.  snaezaiti 
sowie  gr.  veicpei  lat.  ninguit.  Ahd.  swedan  swtdan  —  mhd.  kresen 
krisen  werden  mit  Beseitigung  des  grammatischen  Wechsels  hierher 
gehören.  Beachte  noch  ahd.  (oberd.)  bahhan  gegen  gr.  cptÜTU), 
an.  taka  gegen  got.  tekan^  ahd.  watan  gegen  lat.  vädo  —  in 
welchen  Fällen  der  schwerere  Vokal  wohl  zum  Haupttypus,  der 
kurze  Vokal  zum  Aoristpräsens  stimmt.  In  mehreren  Verben,  die 
in  anderen  idg.  Sprachen  ihr  Präsens  nach  der  6.  ind.  Klasse 
bilden,  zeigt  das  Germanische  den  Haupttypus;  vgl.  got.  wairpa 
mit  aslav.  vrigci\  ahd.  milchu  (gr.  d|ue\YUj)  mit  altir.  mligim  aslav. 
mlüza\  got.  kiusa  mit  ind.  jusdmi\  got.  liuga  'lüge'  mit  russ.  Igy 
(aus  '"^lüga  Leskien  Sl.  Archiv  V  510);  angls.  delfan  mit  aslav. 
dlüba\  angls.  ceorfe  mit  gr.  Ypacpuj  Möller  Beitr.  7,  532;  ahd.  triugu 
mit  ind.  druhämi  avest.  druzämi.  Ahd.  stehhan  (scheinbar  Normal- 
typus der  ^-Reihe)  ist  idg.  sttgö  (mit  -jö  gr.  CTTiZiu)),  hat  jedoch 
seinen  alten  /-Ablaut  aufgegeben  (vgl.  Osthoff  Beitr.  8,  142,  wo 
auch  got.  bida  aus  idg.  bhidhö  zu  vergleichen  ist);  ahd.  wahsu 
ist  auch  Normaltypus  gegen  ind.  uksämi  avest.  ttyjämi.  Aber 
germ.  wtkan  wtqan  'weichen'  (gegen  ind.  vijdmi)  kann  Mittel- 
oder Tiefstufe  haben. 

§  162.  no-  :  ne-  als  Präsenscharakter  (lat.  sperno  contemno  gr. 
bdKVU)  irivuj  öd|nvu)  ind.  mtnämi  pptämi  usw.)  hat  sich  im  Ger- 
manischen   nur   selten   in   seiner   alten   Funktion   erhalten:    got. 


VII.  Konjugation.  157 


fraihnan  mit  dem  Perfektumyrd;^  (aber  mdi.  pxcchämiz.y!^^t.  pTsämi) ; 
gut.  keinan  (Part,  uskijans)  QF.  32,  143  ;  nach  Paul  Beitr.  9,  583 
auch  ahd.  bacchan  (aus  '^baknan  s.  §  63)  neben  dem  Perf.  buoh  (Normal- 
typus ist  dafür  eingetreten  in  mndl.  vrien  aus  '^fr'ehan^  ahd.  bahhan). 

Sonst  ist  das  präsensbildende  n  durchweg  zur  Verbalwurzel 
gezogen ;  niedrige  Präsensvokalstufe  zeigen  noch  angls.  spur-nan 
mur-nan  QF.  32,  145  und  nach  Franck  Tijdschr.  v.  nederl.  Taal-  en 
Letterkunde  2,  20  mndl.  ron-nen  beghon-nen.  Präsentische  Normal- 
stufe des  Wurzelvokals  ist  sekundär  eingeführt  in  got.  brin-nan 
(aber  angls.  bryn-e  'Brand'),  got.  rin-nan  (aber  angls.  ryn-e  'Lauf); 
got.  skei-nan  (aber  skei-ma  skei-rs)^  ahd.  swi-nan  (angls.  swi-ma 
'Schwindel') ;  ahd.  kt-nan  (aber  kt-mo) ;  ahd.  grt-nan  (aber  an. 
gri-ma})',  an.  gi-na  angls.  gi-nan  neben  ahd.  gUn  (lat.  hiäre)\ 
ahd.  sinnan  für  "^sntnan}  Ein  großer  Teil  dieser  Präsentia  glich 
dem  Haupttypus  und  hielt  sich,  wobei  jedoch  n  in  alle  Verbal- 
stufen eingeführt  wurde.  Ursprünglich  kam  jedoch  diesen  Prä- 
sentien  wohl  stets  niedrigste  Wurzelstufe  zu:  t  {ski-nan  gt-nan 
usw.)  kann  natürlich  als  idg.  t  niedrigste  Wurzelstufe  sein ;  i  zeigt 
sich  in  ahd.  chl'enan  (vgl.  altir.  gle-nimT)  aus  Wz.  ^/i' (angls.  cld-m 
cl^-man).  Nach  unserer  Erörterung  §  59  ff.  besteht  der  Verdacht, 
daß  alle  Verbalstämme  auf  //  und  nn  (ahd.  fallan  =  lit.  pülu^ 
wallan  spannan\  beachte  angls.  spinel  'Spindel'  zu  spinnait)  ur- 
sprünglich präsentisches  n  hatten.  Für  aslav.  sta-na  'stehe'  herrscht 
ahd.  stä-m. 

§  163.  ö-Präsentia  mit  infigiertem  Nasal  (ind.  sincdmi  vinddmi 
zu  Wz.  sie  vid)  sind  im  Germanischen  nicht  erhalten  geblieben 
mit  Ausnahme  von  standan  aus  vorgerm.  sthantö  (vgl.  das  got. 
Prät.  stöp-um).  Vielleicht  ist  noch  der  scheinbar  wurzelhafte  Nasal 
in  ahd.  chlimban  swintan  wegen  an.  klifa  und  ahd.  swtd  'ruina' 
ursprünglich  nur  präsentisch.  Für  Nasalinfix  anderer  idg.  Sprachen 
hat  das  Germanische  fast  durchweg  den  Normaltypus  eingeführt. 
Vgl.  lat,  Vinco  fingo  praehendo  lambo  linquo  findo  tundo  fundo  mingo 
gegen  got.  weiha  deiga  gita  ahd.  laffu  Uhu  btsm  stöuu  gium  angls. 
mtge\  gegen  aslav.  s^dq-  l^ga  stellen  sich  got.  sita  liga  (sowie 
westgerm.  sittjti  liggjti)^  gegen  ind.  dangdmi  got.  tahja^  gegen  lat. 
ninguere  ahd.  sniwan. 

§  164.  Die  y^-Präsentia  der  4.  ind.  Klasse  (ind.  hfsyämi  yüdh- 
yämi)  zeigen  im  Indischen  Wurzelbetonung  mit  niedrigster  Wurzel- 
stufe ;  diese  Präsensklasse  ist  auch  in  andern  idg.  Sprachen  reich 
vertreten ;    vgl.  lat.  capio  sapio  in  Übereinstimmung  mit  got.  hafja 


158  VII.  Konjugation. 


ahd.  s^ffu.  Auch  im  Germanischen  hat  diese  Präsensbildung  vor- 
historische Wurzelbetonung  gehabt ;  das  wird  nach  dem  Verner- 
schcn  Gesetz  durch  die  inneren  tonlosen  Spiranten  von  got.  hafja 
(=  lat.  capio),  skaßja  (idg.  Wz.  sk&th  in  gr.  6.(5yx\^x\%  'schadlos') 
bestätigt ;  vgl.  got.  hlahja  frapja^  außerdem  ahd.  s^ffu  aus  germ. 
safjö  (=  lat.  sapid). 

Allerdings  scheinen  dingXs.fricgean  (Wz.  fr^^h)  und  picgean  (Prät. 
peaJi)  Suffixbetonung  vorauszusetzen,  wofern  nicht  Einfluß  von 
angls.  licgean  aus  anzunehmen  ist.  Auch  im  Germanischen  gilt 
ursprünglich  niedrigste  Wurzelstufe  für  diese  Präsensklasse,  wie 
ahd.  wurken  neben  werk  gr.  Ipyov  und  bitten  got.  bidjan  neben 
gr.  TTeiGuj  (Beitr.  8,  142)  erweisen;  diese  niedrigste  Wurzelstufe 
ist  in  Verben  wie  asächs.  liggian  und  sittian  mit  der  Mittelstufe 
zusammengefallen,  zeigt  sich  aber  noch  in  Verben  wie  got.  bugjan 
und  pugkjan^  ahd.  swizzu  =  ind.  svidyämi  und  in  ahd.  gurt(j)u 
=  got.  *gairda  'gürte'  (QF.  32,  148),  die  jedoch  zu  den  schwachen 
resp.  halbschwachen  Verben  übergetreten  sind. 

Diese  primären  y<9-Präsentia  sind  nämlich  überhaupt  dem  Verfall 
preisgegeben,  weil  sie  sich  lautlich  mit  den  schwachen  Verben 
auf  -Jan  berühren,  die  auf  ursprünglichen  Präsentien  auf  -ejö  be- 
ruhen (§  192).  Unter  den  schwachen  Verben  auf  -jan  führt  das 
Germanische  alte  y^-Präsentia  der  4.  ind.  Klasse  weiter. 

Anmerkung.  Nach  Möller  Beitr.  7,  532  kann  auch  mittlere  Ablautstufe  stehen: 
asächs.  wirkian  gegen  got.  waürkjan^  got.  wahsjan  gegen  avest.  uy^saimi,  ahd. 
tuen  gegen  got.  da-ddjan  =  ind.  dhd-yäjm\  vgl.  germ.  wopjan  hröpjan  sokjan, 
ahd.  spuoen  angls.  spöwan  aber  aslav.  spejq. 

In  Übereinstimmung  mit  den  verwandten  Sprachen  zeigt  sich 
ein  y^-Präsens  in  got.  hafja  lat.  capio^  got.  waia  saia  aslav.  v^ja 
sija\  got.  da-ddjan  ind.  dhä-yämi\  got.  paürsja  ind.  tfsyämi\  ahd. 
swizzu  ind.  svidyämi  Scherer  zGDS.  ^184;  got.  ahjan  gr.  ö(ycro|nai; 
got.  siuja  ind.  stvyämi\  an.  spyja  ind.  stMvyämi\  an.  berja  aslav. 
borjq\  angls.  cennan  ind.  jdyämi\  ahd.  chnäen  chräen  druoen  angls. 
röwan  spöwan  aslav.  znaja  graja  traja  r^ja  speja ;  got.  arjan  ahd. 
erien  lit.  ariii  aslav.  orj^} ;  vgl.  noch  ahd.  fzant  zu  ind.  pi-yat-. 

Abweichend  ist  die  germ.  Präsensbildung  von  der  anderer  idg. 
Sprachen  in  folgenden  Fällen:  sitjan  (gr.  e2[o|Liai)  gegen  aslav. 
sed(}  ind.  stdämi  (ind.  sddämi  =  got.  sita)\  ligjan  gegen  aslav. 
legq\  bidjan  gegen  lat.  ftdo  gr.  TreiGo)  Beitr.  8,  140;  dynne  'töne' 
(aus *dhunj6)  gegen  ind.  dkvdnämi\  ahd.  würgen  gegen  aslav.  vrizct\ 
got.  waia  (aslav.  v&ja)  gegen  ind.  vä-mi  gr.  d-ri|Lii;  ahd.  chnäen 
(aslav.  znajq)  gegen  ind.  jä-nä-mi. 


VII.  Konjugation.  159 


Das  Germanische  liebt  den  Haupttypus  gegen  anderweitige 
y<?-Präsentia :  got.  qima  gegen  gr.  ßaivuu  lat.  venio\  ahd.  triogan 
gegen  ind.  drühyämi\  angls.  sw'efan  gegen  aslav.  süpljq, ;  ahd.  kinchti 
gegen  gr.  aKd^uj ;  got.  speiwa  gegen  ind.  sthivyämi  (an.  spyjd) ; 
got.  sitan  ligan  bidan  gegen  germ.  sitjan  ligjan  btdjan ;  ahd.  brühhan 
gegen  got.  brükjan\  ahd.  wahsan  gegen  got.  wahsjan\  got.  swaran 
gegen  ahd.  swerien\  ahd.  liogan  gegen  aslav.  lüza  (ahd.  lugt 
'Lüge'  aus  '*lugtni-  weist  auf  ein  Präs.  *lugjan).  Beachtenswert 
ist  got.  ahd.  swimman  gegen  an.  symja. 

Schließlich  werden  noch  einzelne  Verba,  die  teilweise  schwach 
geworden  sind,  durch  verbale  oder  nominale  Zubehör  innerhalb 
des  Germanischen  als  ursprünglich  starke  /ö-Präsentia  erwiesen: 
neben  primären  Nominibus  zeigen  sich  schwache  Verba  (mit  angls. 
starken  Präteriten)  in  ahd.  bäen  (vgl.  ba-d)^  dräen  {drä-t  angls. 
ßrdwan)^  kräen  {krä-t  angls.  crdwan)^  näen  {nä-t)^  mäen  {ma-d 
angls.  mdwan)^  spuoen  {spuo-t  angls.  spöwan)^  gluoen  (gluo-t  angls. 
giöwan),  kluoen  gruoen  bluoen  ahd.  touwan  {tö-d  to-t  an.  deyja  st.  V.); 
got.  hatjan  'wetzen'  mit  dem  alten  st.  Partiz.  hassa-ba ;  got.  arjan 
schw.V.  —  aber  ahd.  erian  st.  V. ;  ahd.  gurtan  schw.  V.  QF.  32,  148 
=  got.  gairdan  st.  V. ;  got.  ßaürsjan  neben  pairsan ;  ahd.  spennen 
neben  spanan^  ahd.  hüllen  mullen  neben  helan  malan.  Zu  angls. 
besnyppan  vgl.  an.  snodenn\  got.  hleibjan  ahd.  hlippen  schw.V.  neben 
2i}ci6..  Itban  stV. ;  ^^kz\i?>.  qutdian  schw.V.  aber  an. /^z.7'</<a5  st.V. ;  an. 
lyja  Part.  lüenn\  ahd.  bläen  (angls.  bldwan)  Part,  gibläan.  Un- 
sicherer ist  die  Hergehörigkeit  von  got.  taujan  ahd.  fernen  dewen 
bewen  flewen  angls.  cigan  hegan  stregan  sowie  sellan  tellan  cweccan 
reccan  dreccan. 

§  165.  Die  idg.  Konjugation  besaß  noch  zahlreiche  andere 
Präsensbildungen  auf  6^  von  denen  das  Germanische  nicht  die  ge- 
ringste sichere  Spur  aufzeigt.  So  fehlt  dem  Germanischen  völlig 
der  reduplizierte  Präsenstypus  von  lat.  bibo  (ind.  pibämi)^  lat.  gigno^ 
gr.  |Lii|Livuj,  lat.  se-r-o  si-st-o\  dem  gr.  tti-ttt-uu  entspricht  ahd.  gi- 
fman  'fallen'  mit  dem  Normaltypus  pedö  (Wz.  ped).  —  Es  fehlen 
ferner  sichere  Spuren  vom  Präsenssuffix  -sko  (gr.  ßdcTKUü  ind. 
gäcchämi).  —  Die  Präsensbildung  auf  -tö  (gr.  tutttuj)  hat  eine  ge- 
ringe Spur  in  ahd.  fleh-tan  (lat.  plec-td)  gegen  gr.  irXoKri  hinter- 
lassen (aber  vgl.  got.  hlifa  nach  dem  Normaltypus  gegen  gr. 
KXeTTTU)).  Eine  vereinzelte  Bildung  auf  -ijö  scheint  in  ahd.  missen 
aus  *mit-tiö  Mnd  furh-ten  {got.  fatirh-tjan)  mit  dem  Vrit.  forah-ta 
Partiz.  forah-t  zu  stecken.     Für  got.  aipan  und  waldan  steht  tö- 


i6o  VII.  Konjugation. 


Präsens  nicht  ganz  fest  (weil  unsicher  ist,  ob  altir.  flai-th  und 
lat.  valeo  oder  aslav.  vladc^  zunächst  steht).  Mit  den  griech.  Prä- 
sentien  auf  -dvuj-  -aiviu  (Kepbaiviu  irepaivw  Xajußdvuj  |Liav9dvuj) 
berühren  sich  ahd.  giwahinnen  Prät.  giwuoh  Osthoff  Beitr.  8,  264; 
angls.  onwcEcnan  oitwöc  Sievers  Angls.  Gr.  §  392;  vielleicht  ur- 
sprünglich auch  got.  rahnjan  'rechnen'  und  ahd.  rahanen  'rauben' 
(Wz.  raq  in  lat.  rapioT).  An  Stelle  von  gr.  uqpaivuü  hat  das  Ger- 
manische den  Normaltypus  ahd.  weban.  —  Reduplizierte  /^-Prä- 
sentia besaß  das  Indogermanische  nur  wenig;  vgl.  gr.  vi(T(T0)uai 
aus  *vi-vcr-yo)Liai ;  aslav.  dezda  aus  *de-d-j6\  so  auch  ahd.  wiumman 
aus  *zvi-wm-jan  (neben  ahd.  wem-ön  wim-idön). 

Kap.  36.    Das  »«/-Präsens. 

Gegenüber  den  ö-Präsentien  mit  dem  Themavokal  0  :  e  steht 
eine  themavokallose  Bildungsweise  mit  der  i.  Person  Sg.  Ind.  auf 
-mi  (die  Personalsuffixe  sind  im  übrigen  mit  denen  der  ^-Präsentia 
identisch);  sie  zeigt  den  bei  allen  unthematischen  Flexionen  so 
beliebten  Akzentwechsel  und  Ablaut:  ind.  i-mi  i-ti  \  i-mäs  i-thd; 
ds-mi  ds-ti  :  s-mds  s-thd  usw.  Diese  Klasse,  die  in  den  Literatur- 
sprachen Europas  nur  geringe  Spuren  hinterlassen  hat,  stellt  sich 
für  die  urgerm.  Zeit  folgendermaßen  dar: 

§  166.  Einfache  Wurzelpräsentia  (2.  ind.  Klasse)  —  vgl.  gr. 
€i|Lii  i-|uev  —  zeigt  das  Germanische  nur  noch  restweise.  Ablaut 
zeigt  sich  nur  in  got.  is-t  Plur.  s-ind  Optat.  ahd.  s-ts  (=  lat.  s-fs)^ 
Part,  s-anß  in  angls.  söd  ahd.  (Otfr.  II  4,  16)  sand  zu  Wz.  es  'sein' ; 
dazu  ahd.  b-irum  aus  "^irum  "^iz-um  für  "^'es-dmen  (Joh.  Schmidt 
KZ.  25,  592);  weiteres  §  169. 

Weitere  //«/-Formen  sind  die  westgerm.  Verba  ahd.  gern  gäm, 
Stern  stäm^  tuom  (ahd.  gern  aus  '''gd-inii  =  gr.  eijui  lit.  eiml  ind.  emz; 
gäm  für  idg.  yemi  resp.  ko-yemi  unter  dem  Einfluß  von  gern  ganga\ 
über  Wz.  je  vgl.  Schade  Ad.Wb.  s.  jän)\  ahd.  stäm  nach  gäm-yemt 
für  idg.  sthä-mi;  ahd.  tuom  =  ind.  dhä-mi  aus  idg.  dho-mi;  der 
Optat.  ahd.  ste-  ge-  kann  auf  abgeläutetem  .y/^-/-  yä-i-  beruhen  §  200. 

Got.  wil-ei-s  wil-ei-ma  ist  nach  Scherer  ZfdA.  19,  158  und  Joh. 
Schmidt  Vok.  II  468  alter  /-Optativ  zu  einem  /«/-Präsens  (lat. 
vel-t-s  zu  volo^  vgl.  lit.  pa-velmi) ;  vielleicht  ist  ahd.  ni  churi  'noli' 
nach  Scherer  zGDS  194  mit  ahd.  wili  gleich  zu  beurteilen. 

In  dem  angls.  Optativ  cyme  aus  germ.  kum-t-  hat  Sievers  Beitr.  8, 
80  eine  alte  /«/-Form  (vgl.  ind.  gdn-mi^  ebenso  apers.  avest.)  ent- 
deckt; sonst  herrscht  ö-Präsens  got.  qima  ahd.  quimu. 


VII.  Konjugation.  i6i 


Normaltypus  wie  in  germ.  qemait  ist  für  ursprüngliches  mi- 
Präsens  eingetreten  in  angls.  swefan  (an.  sofa)  gegen  ind.  svdpimi, 
got.  anan  (Präsens  allerdings  unbezeugt)  gegen  ind.  dnimi^  ahd. 
riusu  'weine'  gegen  lit.  rdudmi  ind.  rödimi  v.  Firlinger  KZs.  27, 
435.  Auch  Wz.  ed  'essen'  (ind.  ddmi  aslav.  Smi  lit.  edmi  lat.  est) 
zeigt  im  Germanischen  als  Verb  das  Normalpräsens  etan;  für  ind. 
märjmi  stimmt  ahd.  milchu  'melke'  zu  gr.  d|LieXYUJ ;  für  ind.  ddrmi 
gilt  Normalpräsens  got.  gatatra;  für  ind.  vä-mi  gr.  dFii|Lii  hat  das 
Germanische  wejö  (got.  waia  =  aslav.  v^ja). 

§  167.  Reduplizierte  Präsentia  der  3.  ind.  Klasse  {ind.  ju-/tü-mi 
Wz.  /lu,  bi-bhi-mi  Wz.  ^///,  gr.  öiöuj|Lii  Wz.  dö^  "iCTTriiui  Wz.  stha, 
Ti-0r|-)uii  Wz.  dhi.,  \x\)X\  usw.).  Diese  Bildungsweise  ist  im  Germa- 
nischen nur  in  erstarrten  Resten  erhalten,  wobei  die  RedupHkation 
stammhaft  geworden  ist;  die  betr.  Präsentia  sind  in  die  Flexion 
von  schwachen  Verben  übergetreten :  ahd.  biben  Prät.  bibeta  beruht 
auf  einem  redupl.  Präsens  ahd.  bi-be-m  bi-be-s  bi-be-t  usw.  aus 
germ.  bi-bai-m  bi-bai-s  bi-bai-d  =  ind.  bi-bhi-mi  usw.  (Wz.  bM 
'beben')  Beitr.  34,  558;  dazu  stellen  sich  nach  Beitr.  8,  342  wohl 
auch  die  zwei  synonymen  Verba:  got.  rei-rai-s  rei-rai-p  (got. 
reiran  reiraida  ist  schwach  geworden)  und  das  schwache  Verb 
ahd.  zittarön  'zittern',  das  auf  germ.  ti-trö-m  ti-trö-s  ti-trö-d  beruhen 
kann  (idg.  Wz.  drä  drö>).  Ahd.  se-stö-m  wird  Beitr.  8,  513  dem 
gr.  i-aTr|-)Lii  (idg.  si-sthä-mi  Wz.  sthä)  gleichgestellt.  Vielleicht 
weist  noch  got.  geigan  geigaida  auf  ein  germ.  ^t-^ai-m  fz-fai-s 
usw.  (Wz.  gM  in  mhd.  git).  Ein  weniger  sicheres  Zeugnis 
für  Präsensreduplikation  ist  angls.  higian  'eilen*,  das  auf  germ. 
ht-^ai-m  hi-^ai-s  usw.  beruhen  kann  (idg.  ki-kdi-mi  Wz.  k%  in 
ahd.  hi-r-lih  'eilig'  und  lat.  ci-to  'schnell');  ahd.  hesken  wäre 
vielleicht  ein  vorgerm.  ki-skai-mi  (Wz.  sk%})\  ahd.  wihen  'wiehern', 
falls  aus  germ.  hwi-hwai-m,  ein  vorgerm.  qi-qai-nti  (Wz.  q%)} 

§  168.  n&-  :  nd'  als  Präsenscharakter  mit  »^/-Flexion  =  9.  ind, 
Klasse  (lat.  incli-n&re  asper-näri  conster-näre  Fröhde  BBeitr.  3, 
305,  gr.  öd|U-vri-)Hi  öd|Li-va-)Liev,  ind.  krt-nd-mi  kri-ni-mds).  Nach 
§  178  gehört  got.  kunnu-m  'wir  wissen'  =  ind.  jä-nt-mds  zu  Wz. 
idg.  gdn  gnö  (i.  Sing,  gf^-nd-mi^  i.  VI.  g^i-np-m^s).  Ferner  dürften 
innerhalb  des  Germanischen  unter  den  schwachen  Verben  auf  -ön 
einige  alte  «^-w/-Präsentia  stecken  und  zwar  —  da  nach  Osthoff 
Beitr.  8,  298  die  nä-mi-Verba.  innerhalb  des  Germanischen  gern 
schwach  geworden  sind  —  diejenigen,  welche  zugleich  stark  und 
schwach  innerhalb  des  Germanischen  erscheinen:  angls.  murnan 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  I ' 


i62  VII.  Konjugation. 


st.V.  —  ahd.  ntornen  schw.V.,  angls.  spurnan  st.  V.  (ahd.  Otfr.  spurni 
Konj.  Prät.)  —  ahd.  spornön  schw.V.;  got.  keinan  st.V.,  aber  Prät. 
auch  kein6da\  got.  ufkunnan  Prät.  ufkunpa  Partiz.  ufkunnaips  und 
kunnan  kunnaida  neben  kann  Braune  §  195  Anm.  2.  199  Anm.  i ; 
an.  gina  st.V.  neben  ahd.  ginön  schw.V.  =  aslav.  zi-na  Osthoff 
MU.  4,  41.  Mehrfach  deuten  Faktitiva  auf  derartige  starke  Verba, 
die  zur  schwachen  Flexion  übergetreten  sind ;  vgl.  got.  usgeisnan 
usgeisnöda  mit  usgaisjan\  ahd.  Urnen  lernön  mit  lerran. 

Hierher  gehören  auch  ahd.  kallöt  an.  kailad  v.  Firlinger  KZs.  27, 
190  =  ind.  gt-nd-ti  {y^z.  gir)\  dhd.  follöt  'er  füllt'  =  ind. pf-nä-fi; 
angls.  hleonad  ahd.  hlinet  =  lat.  clinä-t  (aber  gr.  kXivuj  Osthoff  MU. 
4,  39).  Nach  Osthoff  a.  a.  O.  gehören  zahlreiche  schwache  Verba 
mit  Geminata  im  Stammauslaut  hierher :  ahd.  locchön  zocchön  Ucchön 
aus  idg.  luk-nä-mi  dtik-nä-mi  ligh-nä-mi}  Und  daraus  hat  Osthoff 
mit  vollem  Recht  das  m  in  ahd.  salbö-m  habe-m  für  eine  Spur 
der  alten  starken  ;;2?-Konjugation  erklärt  (Beitr.  8,  298).  Übrigens 
sind  einige  auswärtige  ;f^-;;^/-Präsentia  im  Germanischen  durch 
den  Normaltypus  vertreten ;  vgl.  ahd.  bindan  weban  zeran  mit  ind. 
badh-nd-mi  (avest.  jedoch  bandämi)  ubk-nd-mi  dr-nd-mi\  anderseits 
fällt  angls.  hlosnian  gegen  ind.  grösami  auf. 

Anmerkung.  Von  der  5.  ind.  Klasse  {no-mi:  nu-mäs;  vgl.  gr.  beiK-vö-|Ui)  be- 
wahrt das  Germanische  keine  unzweideutige  Spur.  Auf  ind.  dhj's-no-mi  weist 
vielleicht  mndd.  dam  Höfer  Germ.  23,  3;  mit  ind.  va-nv-änti  (:  vanomi)  kann 
got.  winnan,  mit  ind.  rittvanti  (:  ri-no-mi)  got.  ri-nn-an  zusammenhängen. 
Sonst  herrscht  der  Haupttypus  an  Stelle  auswärtiger  «z^-Bildungen :  got.  teiha 
gr.  beiKVU)Lii;  got.  friusa  ind.  prus-no-mi\  got.  steiga  ind.  stigh-no-mt. 

Schwach  scheint  angls.  earnian  ahd.  arnon  gegen  gr.  äp-vu-|LAai  'erwerbe* 
(auch  ahd.  l'ecchdn  aus  *Ugh-nu-  wegen  gr.  \ix-v6Ü-uj  ?).  Möglicherweise  ist  die 
Präsensklasse  auf  gr.  -vu|Ui  im  Germanischen  in  die  auf  -vri|uii  aufgegangen,  weil 
beide  im  Plur.  germ.  auf  -nuni  -nup  mit  mittlerem  u  ausgingen. 

Von  der  7.  ind.  Klasse  bewahrt  das  Germanische  ebensowenig  feste  Spuren 
wie  das  Griechische  und  Lateinische ;  für  ind.  bhi-nä-dmi  bhi-n-dänti  (\2X.find0) 
hat  das  Germanische  den  Haupttypus  got.  beiia\  desgl.  für  ind.  vr'näjmKy^z.  vfj) 
got.  wairpa\  für  ind.  ri^dcmi  (lat.  linqud)  got.  leiba\  für  ind.  pfndcmi  (auch 
pj'ncämt)  got.  filha ;  für  ind.  undbhmi  ahd.  weban. 

§  169.  Eine  besondere  Besprechung  erheischt  das  Präsens  des 
Verbum  substantivum  im  Germanischen,  das  mit  den  Schwester- 
formen der  übrigen  idg.  Sprachen  auf  Wz.  es  mit  «^/-Flexion  beruht. 
Im  Ind.  Sg.  bestanden  idg.  esmi  —  esi  für  essi  (ind.  dsi  avest.  ahi 
gr.  €1  Hübschmann  KZs.  26,  606)  -—  esti\  got.  im  is  ist  sind  regulär. 
Im  Westgermanischen  mischte  sich  damit  ein  germ.  biju  btz  btd 
(=  \zX.fio  altir.  biu  Beitr.  8,  339)  =  angls.  beo  bis  bid  mit  der  Vokal- 


VII.  Konjugation.  163 


kürzung  der  Enklitika;  vgl.  ahd.  bist  (mit  dem  /  der  Präterito- 
präsentia  Braune  §  379  Anm.  i);  aus  dieser  Mischung  von  ^biju 
und  *im  erklären  sich  asächs.  bium  und  ahd.  bim.  Die  3.  Plur.  got. 
sind  aus  unbetontem  idg.  senti  (ind.  sänti  santi  gr.  eiai  für  *evTi) 
ist  gemeingerm.  (angls.  sind  ahd.  sint)\  für  die  i.  2.  Fl.  ist  germ. 
izum  izud  (für  idg.  sme  sthe  resp.  S9me  sdthe)  vorauszusetzen, 
und  das  ahd.  b-irum  b-irut  erklärt  sich  aus  der  Mischung  dieser 
Formen  mit  jenem  Stamm  bija-  nach  Kern  Taal-  en  Letterk.V  89. 
Die  got.  Formen  sijum  sijup  sind  unerklärt.  Angls.  eart  ard  (§  43) 
Plur.  earon  arun  beruhen  auf  urgerm.  ar-ß(d)  arun{ß),  die  Joh. 
Schmidt  KZs.  25,  595  mit  lit.  yrä  'ist'  (eigtl.  'existentia')  in  Zu- 
sammenhang bringt.  Über  den  Optativ  s.  §  200.  Der  zugehörige 
Infinitiv  ist  gemeingerm.  w'esan  (ind.  vdsana-m  Wz.  vas^^  doch  angls. 
auch  beon  aus  *bijan.  Auch  die  übrigen  Formen  werden  durch 
w'esan  ergänzt.  Folgende  Tabelle  veranschaulicht  die  urwest- 
germanisch vorhandenen  Formen: 

Singular  Plural 

im        biju       —  irum       bijum         arum 

is(t)     bfs{t)    arp  irud       biß  arup 

ist       biß        —  sind       bijand       arun, 

Kap.  37.     Das  Perfektum. 

§  170.  Das  reduplizierte  Perfektum  der  idg.  Sprachen 
zeigt  bei  Akzentwechsel  Ablautserscheinungen  in  der  Wurzelsilbe : 
ind.  bibhida  bibhidüs,   bubödha  bubudhüs\   gr.  TreiTOiGa  7T€7neuTa. 

Im  Singular  herrscht  die  höhere  Vokalstufe  der  Wurzel  bei  ur- 
sprünglicher Betonung,  im  Plural  niedrigste  Stufe  bei  Betonung 
der  Personalendungen  (der  Optativ  schließt  sich  an  den  Plural  an); 
aber  alle  Perfektformen  gehen  von  der  Wurzel,  nicht  vom  Präsens- 
stamm aus.  Also  vgl.  z.  B.  ind.  Präs.  kf-nö-mi  Perf.  cakdra  PI.  ca-kf- 
md  ca-kr-üsy  Präs.  bhinddmi  bhinddnti  Perf.  bibhida  PI.  bibhidüs  xlsvj. 
Das  Germanische  stimmt  zu  diesen  idg.  Zügen  zunächst,  indem  nach 
dem  Vernerschen  Gesetz  (KZs.  23,  104)  derselbe  Akzentwechsel 
im  Germanischen  gegolten  und  seine  deutlichen  Spuren  hinter- 
lassen hat;  gerade  im  Perfekt  zeigt  sich  der  grammatische  Wechsel 
am  deutlichsten :  got.  ßarf  ßaürbum  —  aih  aigum ;  ahd.  sneid snitum^ 
reis  rirum^  zöh  zugum,  kos  kurum  usw.  Ferner  ist  identisch  die 
Abstufung  resp.  der  Ablaut  der  betonten  und  unbetonten  Wurzel- 
silbe: got.  bait  bitum  (ind.  bibhida  bibhidüs\  bauß  budum  (ind. 
bubödha  bubudhüs),  warp  waürßum  (ind.  vavdrta  vavrttis)  usw. 

II* 


i64  VII.  Konjugation. 


§  171.  Verlust  der  Reduplikation.  Auffällig  weicht  das 
Verhalten  der  Reduplikation  im  Germanischen  von  dem  idg.  Ur- 
typus  ab.  Im  wesentlichen  fehlt  dem  Germanischen  die  Redupli- 
kation ;  vgl.  ind.  bibhida  mit  got.  bait^  ind.  vavdrta  mit  got.  warp^ 
ind.  sasdda  mit  got.  sat.  Es  erhebt  sich  die  Frage,  ob  das  Ger- 
manische hier  sekundär  ist,  und  das  ist  in  der  Tat  der  Fall. 

Wo  immer  im  Germanischen  Perfektreduplikation  erhalten  ge- 
blieben ist,  ist  e  der  Reduplikationsvokal,  auch  bei  «-Verben  wie 
hlaupan  stautan  usw.,  resp.  bei  /-Verben  wie  haitan.  Aber  im 
Latein  treffen  wir  tutudi  ptipugi  und  dazu  stimmt  das  Irische  und 
das  Indische  im  Gegensatz  zum  Griechischen  (ireqpeuYa  eiXrjXouGa 
usw.).  Doch  stimmt  ind.  babhtwa  zu  ahd.  biruwun  (Otfr.),  das  auf 
He-züw  für  ^be-büw  beruht.  Vielleicht  hat  das  Germanische  mit  dem 
Reduplikations-^*  eine  Altertümlichkeit  bewahrt. 

Für  den  teilweisen  Verlust  der  Reduplikation  im  Germanischen 
haben  wir  auszugehen  von  dem  merkwürdigen  Ablaut  got.  sat  setum 

—  qam  qemum,  der  dem  Gesetz  von  der  niedrigsten  Wurzelstufe  im 
Plural  entgegen  ist;  für  das  Indogermanische  sind  se-zd-nt ge-gm-nt 
als  Grundformen  zu  erwarten,  und  derartige  Formen  finden  sich 
auch  in  den  ostindogerm.  Sprachen:  die  ^-Wurzeln  mit  einfachem 
Konsonanten  imAn-undAuslaut  zeigen  im  Indischen  und  Avestischen 
zahlreiche  Formen  wie  ind.  pa-pt-imä  ja-gm-imä.  Dieser  redupli- 
zierte Typus  hat  einen  Sekundärtypus  mit  e  i^petnt  für  ^pe-pt-nt^ 
*sedni  für  *  se-zd-nt).  Welches  der  lautgesetzliche  Bereich  der  beiden 
Typen  ,ist,  darüber  gibt  Osthoff  Perf  S.  i  ff.  Vermutungen  (vgl. 
idg.  wer-  (lat.  ver)  'Frühling'  =  an.  vdr  schott.  wer  'Frühling'  neben 
idg.  wesr- ;  lat.  verus  ahd.  wärzM's,  idg.  wero-  für  '^wesro-  zu  ahd.  wesan ; 
lat.  stdö  aus  '^si-zd-6).  Das  Germanische  hat  den  reduplizierten 
Typus  gänzlich  aufgegeben  und  den  ^-Typus  zur  ausschließlichen 
Herrschaft  gebracht  (got.  qemun  nemun  gebun).  Vereinzelt  e  im 
Sing,  in  dem  gemeingerm.  et  'ich  aß'  nach  Jessen  Tidskr.  f  Filol.  I 
205.  Danach  gab  es  eine  Zeit,  wo  etwa  gegöme  gemnt — sesöde 
sednt  bestanden,  und  es  wäre  denkbar,  daß  die  scheinbare  Redu- 
plikationslosigkeit  solcher  Pluralformen  zunächst  auf  den  Singular 
eingewirkt  hätte,  so  daß  göme  gemnt  —  söde  sednt  =  got.  qam  qemun 

—  sat  setun  entstanden  wäre;  dann  wäre  dieser  reduplikationslose 
Typus  weiterhin  für  den  ganzen  ^-Ablaut  {bait-bitum  bauß-budum 
warp'Waürpum)  maßgebend  geworden.  —  Übrigens  beruht  das 
germ.  e  von  ahd.  tätun  asächs.  dädun  auf  langem  Reduplikations- 
vokal: idg.  Grdf  dhe-dh-nt  (vgl.  gr.  dKTiKoa  eYpriYopa  usw.  und  ind. 


VII.  Konjugation.  165 


jägära  jagTväs)  —  aber  auch  dhe-dh-nt  (=  asächs.  d'edun)^  welche 
Formen  übrigens  auch  durch  das  Fehlen  des  Wurzelvokals 
wichtig  sind. 

Dieser  Abfall  der  Reduplikation  dürfte  eigentlich  wohl  nur  da 
eingetreten  sein,  wo  Singular  und  Plural  durch  Ablaut  getrennt 
waren.  Das  war  jedoch  keineswegs  überall  der  Fall.  Es  ist  noch 
nicht  genügend  erklärt,  warum  das  Germanische  in  großen  Kate- 
gorien den  Perfektablaut  nicht  kennt:  got.  för  forum  —  haihald 
haihaldum  —  haihait  haihaitum  —  lailöt  lailötum  usw.  Dieser  ab- 
lautslose Perfekttypus  ist  stets  mit  der  Reduplikation  verbunden, 
mit  Ausnahme  allein  der  kurzsilbigen  Verba  vti^färan  säkan  slähan. 

Sonach  zerfallen  die  germanischen  Perfekta  in  ablautende  ohne 
Reduplikation  (nur  ^-Ablaut),  in  ablautlose  ohne  Reduplikation  {för 
förtim)^  in  reduplizierende  ohne  Ablaut. 

Im  Verhältnis  zum  Präsens  zeigt  das  Perfekt  Ablaut  bei  den 
fe^- Wurzeln  (ahd.  neman  nam  —  werdan  ward  got.  letan  lailöt).  Von 
den  Ä- Verben  zeigen  nur  die  kurzsilbigen  ^-Wurzeln  {faran  för) 
Ablaut;  alle  übrigen  zeigen  keinen  Ablaut,  also  got.  haldan  haihald, 
haitan  haihait^  aukan  aiauk,  böpan  kaiJvöp. 

§  172.  Die  reduplizierten  Perfekta.  Warum  die  Klasse 
got.  (Jialdan)  haihald  haihaldum  innerhalb  des  Perfekts  keinen  Ab- 
laut entwickelt,  darüber  läßt  sich  vom  Germanischen  aus  nichts 
beweisen.  Vom  idg.  Standpunkt  aus  vermutet  Osthoff  im  Perfekt 
Sing.  Verkürzung  von  idg.  älx  zu  germ.  älx  und  im  Perfekt  Plur. 
idg.  langvokalisches  /.  Dann  wäre  anzunehmen,  daß  Verba  wie 
got.  hlaupan  haitan  Ivöpan  nach  dem  Muster  von  got.  haihald  hai- 
haldum ihren  Perfektablaut  aufgegeben  hätten.  Wahrscheinlich 
dürften  angls.  reord  neben  got.  rairoß^  angls.  leort  neben  got.  lailöt 
angls.  weold  neben  got.  "^waiwald^  angls.  weolc  neben  got.  '^waiwalk^ 
angls.  weoll  neben  got.  *waiwall^  angls.  weop  neben  got.  *waiwöp 
als  uralte  abgeläutete,  sich  ergänzende  Doppelformen  gelten,  so 
daß  urgerman.  etwa  reröd  —  rerdtm^  lelöt  —  leltun^  wewald  — 
weuldun,  wewalk  —  weulkun^  wewall  —  weullun^  wewöp  —  weupun 
vorauszusetzen  wären.  Anderseits  stehen  angls.  heold  heow  regulär 
für  '^hehald  "^hehöw. 

Daß  übrigens  der  Unterschied  zwischen  reduplizierten  und 
nicht  reduplizierten  Präteriten  sekundär  ist,  dürften  einige  zer- 
streute Reste  lehren;  vgl.  an.  sveipa  Prät.  sveip\  an.  hlaupa  Prät. 
Plur.  hlupu\  got.  taitök  taitökum  an.  tök  tökum\  got.  wöhs  angls. 
weohs\  angls.  heof  zu  heofan\  angls.  wöc  weoc  zu  wcscnan  Sievers 


i66  VII.  Konjugation. 


Angls.  Gr.  §  392;  angis.  spön  speon\  angls.  hliod  (Beow.)  ahd.  (Gl. 
Ra.)  gihliad  (falls  nicht  mit  Graff  I  63,  Holtzmann  Ad.  Gr.  254 
Schreibfehler  für  gihluad)  und  ahd.  Prät.  iar  zu  ^rren  ^rian  (Part. 
giaran)  für  germ.  dr\  angls.  gang  (Beow.)  Prät.  zu  gangan. 

Im  Westgermanischen  entwickelt  sich  aus  den  ererbten  Per- 
fekten mit  Reduplikation  ein  neuer  Typus  mit  innerem  z  (r);  vgl. 
got.  saizlep  zu  slepan^  an.  sera  'säte'  aus  *sezöw.  So  dürfte  ahd. 
sliaf  aus  "^slep  auf  *sl'ezep^  ahd.  skiad  aus  "^skep  auf  '^sk'ezaip  zurück- 
gehen; vgl.  ahd.  screröt  aus  *skrezaud  zu  scrötan^  ahd.  bl'erun  aus 
'^bl'ezot  zu  bluonnctn^  ahd.  biruwun  Opt.  biruwtn  aus  *bezuwun  für 
*bebüwun  =  ind.  babhüvus.  Das  innere  r  solcher  westgerm.  Formen 
hat  zum  Teil  von  den  mit  ^  anlautenden  reduplizierenden  Verben 
seinen  Ausgang  genommen  (Osthoff  Beitr.  8,  540). 

Anmerkung  i.  Wir  stellen  hier  eine  Liste  der  reduplizierenden  Verben  aller 
germ.  Sprachen  zusammen  und  zwar  von  dem  got.  Bestände  ausgehend;  die  im 
Gotischen  unbezeugten  geben  wir  in  got.  Lautform:  alpan  *bannan  (angls. 
bonnan)  blandan  fallan  f alpan  fähan  gangan  haldan  prangan  saltan  *skaldan 
(ahd.  skaltan)  staldan  waldan  *wallan  (ahd.)  ^w  alt  an  (ahd.  walzan).  —  aikan 
fraisan  haitan  laikan  maitan  *skaipan  (got.  skaidan)  swaipan  (an.  sveipa) 
"^taisan  (ahd.  zeisan)  plaihan.  —  *audan  (an.  Part,  audenn)  aukan  *ausan 
(an.  ausd)  *bautan  (an.  Part,  bautenn')  *hagg'wan  (an.  hgggva  usw.)  hlaupan 
*hnaupan  (angls.  hneapan)  stautan.  —  bnauan  *gnauan  (an.  gnüa)  *bauan 
(an.  büa  ahd.  büan),  snauan  (an.  snüa).  —  *bega7i  (ahd.  bägan),  blesan  *besan 
(ndl.  basen  Litt.-Zeitg.  17.  4.  1892)  *bredan  (ahd.  brädan),  *gretan  (an.  grata), 
*frahwetan  (ahd.  ßrwäsfgan)  letan  *skepan  (ndd.  skäden  Beitr.  ii,  552)  slepan\ 
*blean  *klean  *knean  *krean  *mean  *prean  =  angls.  bläwan  cldwan  cndwan 
cräwan  nidwan  präwan;  got.  saian  laian  waian.  —  blötan  flokan  *hrdpjan 
hwdpan  *hwdsjan  (angls.  hwesan)  swogjan  (angls.  swogan)  *wdpjan  (angls.  wepan) 
*wrdtan  (angls.  wrbtan);  *bldan  *ßdan  *groan  *hldan  *rdan  *spdan  =  angls. 
blöwan  flöwan  grbwan  hlowan  röwan  spbwan. 

Anmerkung  2.  Im  letzten  Jahrzehnt  ist  die  Entstehung  des  (?-Typus  von  let 
het  usw.  der  Gegenstand  mancher  und  umständlicher  Erörterungen  und  Er- 
klärungen geworden  (Literaturnachweise  Beitr.  32,  447).  Aber  eine  allgemein 
anerkannte  Lösung  des  Problems  ist  noch  nicht  erzielt,  und  so  darf  ich  neben 
den  neueren  Theorien  meine  ältere  Ansicht  (vgl.  auch  QF.  32,  95)  hier  ohne 
Änderungen  wiederholen,  bis  einmal  eine  Übereinstimmung  zwischen  denjenigen 
eintritt,  die  über  die  Frage  streiten.  Ich  möchte  jedenfalls  auf  dem  alten  Stand- 
punkt beharren,  daß  dieses  Problem  kein  indogermanisches,  sondern  ein  intern 
germanisches  ist.  Für  den  zt? -Typus  entnehme  ich  die  Gewißheit  dafür  aus  ahd. 
asächs.yf^r  neben  zweisilbigem  fiwar  (==  got.  fidzuor  §300).  Welche  Art  Kom- 
plikation bei  Mehrsilbigkeit  wie  hehaldun  lelotmt  eintreten  kann,  lehrt  ahd. 
hiutu,  dessen  lautliche  Entstehung  aus  hiu  -j-  tagu  sich  durch  keine  gute  Parallele 
erhärten  läßt.  Wenn  ahd.  zh'i  ziari  'prächtig'  wegen  angls.  asächs.  tir  auf  einen 
neutralen  öj- Stamm  germ.  t'ehas-  =:\qX.  decus  zurückgeführt  werden  dürfte,  würde 
sich  für  hehald  vielleicht  die  Möglichkeit  einer  lautgesetzlichen  Umgestaltung 


VIL  Konjugation.  167 


(ter  aus  tehar)  ergeben.  Auch  wird  das  z  von  got.  saizlep  und  das  r  von  an. 
sera  für  die  Entstehung  des  ^-Typus  mit  in  Betracht  kommen. 

§  173.  Es  erübrigt  noch,  einen  Hauptgesichtspunkt  darzulegen, 
der  die  spezifisch  germ.  Perfektentwicklung  bestimmt:  im  Ger- 
manischen hat  das  Präsens  als  dominierendes  Tempus  den  Verbal- 
stamm und  speziell  den  Perfektstamm  beeinflußt,  der  ursprünglich 
nur  von  der  Verbalwurzel  abhängig  war.  Es  haben  sich  erhalten 
got.  fraihnan  frah  —  standan  stop  —  keinan  Part,  kijans^  ahd. 
wahinnen  wuoh^  bacchan  buoh,  angls.  onwcecnan  onwöc,  aber  überall 
sonst  besteht  das  Bestreben,  den  präsentischen  Nasal  wurzelhaft 
zu  machen;  daher  2ing\s.  frignan  frcsgu,  mhd.  standen  stuont^  kinen 
kein.  Dieses  Bestreben  hat  schon  in  urgerm.  Zeit  geherrscht,  wie 
die  Verbalstämme  gemeingerm.  brinn-  rinn-  skin-  ßresk-  wask- 
fleht-  nach  der  Erörterung  §  162  lehren.  Hierdurch  hat  das  Perfekt 
seine  alten  charakteristischen  Unterschiede  vom  Präsens  einge- 
büßt; und  indem  die  Vokalstufe  des  Präsensstammes  fast  durch- 
aus die  Mittelstufe  geworden  war,  trat  jetzt  der  Ablaut  als  form- 
beherrschender Charakter  des  Verbums  immer  deutlicher  hervor. 
Während  das  Griechische  und  Lateinische  bei  einer  Fortführung 
der  alten  Präsenstypen  nur  in  bescheidenem  Maße  den  Ablaut 
durchführen,  hat  das  Germanische  trotz  des  Aufgebens  der  Perfekt- 
reduplikation das  Perfektum  ausreichend  eben  durch  den  Ablaut 
charakterisiert;  und  wo  der  Ablaut  nicht  zur  Entfaltung  kam, 
erhielt  die  alte  Reduplikation  die  Funktion,  Präsensstamm  und 
Perfektstamm  zu  scheiden. 

Auf  der  anderen  Seite  läßt  sich  freilich  nicht  leugnen,  daß 
auch  das  Perfekt  die  übrigen  Verbalformen  oft  beherrscht  hat: 
die  Ausbildung  eines  Normaltypus  für  das  Präsens  läßt  sich  teil- 
weise nur  durch  Regulierung  vom  Perfektum  aus  erklären.  Wenn 
für  ind.  rindkti  germ.  lihwid(i)  eintritt,  so  kann  das  Perfektum 
laihwe  li(g)wun(p)  dazu  beigetragen  haben,  nach  bekannten 
Mustern  ein  Normalpräsens  neu  zu  bilden,  und  so  dürfte  der 
festgeregelte  germ.  Verbalablaut  vielfach  entstanden  sein. 

Kap.  38.     Der  Aorist. 

§  174.  Die  Augmenttempora  der  uridg.  Zeit  fehlen  im  Slavi- 
schen,  Italischen,  Keltischen  und  auch  im  Germanischen.  Dieses  be- 
sitzt nur  noch  einen  einzigen  Augment-Aorist :  idg.  e-ye-t  (ind.  d-yä-t) 
'er  ging'  in  germ.  ijje{d)\  vgl.  got.  iddja  nach  der  Auffassung 
QF.  32,  124;  KZs.  24,  432  (got.  iddjedun  gleich  angls.  iodun  Sievers, 


i68  VII.  Konjugation. 


Zum  angls.  Vokalismus  S.  51).  Augmentlos  ist  das  reduplizierte 
Imperfekt  idg.  (e)di-dhe-m^  dem  nach  Bezzenberger  (ZfdPh.  5,  475) 
ahd.  ie-ta  aus  germ.  di-dö-n  (vgl.  gr.  TiGr||Lii,  auch  ind.  dd-dhä-mi) 
entspricht.  Ein  augmentloses  Imperfekt  dürfte  auch  angls.  fBeow. 
1009.  1295.  13 16)  gang  sein. 

Spuren  sigmatischer  Aoriste  ohne  Augment  erkennt  man  in 
ahd.  scri-run  'sie  schrieen'  zu  scrtan  (got.  *skri-zun)  und  einigen 
ähnlichen  Formen  (KZs.  i,  573;  25,  599);  Osthoff  Perfekt  397 
deutet  asächs.  ahd.  wissun  aus  idg.  wit-snt  als  alten  ^-Aorist.  — 
Augmentlose  Aoriste  auf  -em  vermutet  Möller  EStud.  3,  161  für 
an.  olla  fr&ra  kera  und  für  angls.  funde  asächs.  funda. 

Anmerkung.  Abgesehen  von  der  eben  vertretenen  Auffassung  von  got.  iddja 
als  altem  Augment -Aorist,  die  allerdings  von  Collitz  (zuletzt  1912  Das  schwache 
Präteritum  S.  142)  beanstandet  wird,  scheinen  mir  alle  übrigen  Annahmen  von 
ursprünglichen  Aoristen  mehr  oder  weniger  zweifelhaft.  Insbesondere  wird  die 
Deutung  von  ahd.  teta  nach  griech.  dxiGriv  wohl  aufzugeben  sein,  da  nach  Walde 
(Et.  Wb.  unter /ä«^)  das  lat.  *  dedi  in  con-didi  per-didi  dem  ahd.  teta  zunächst  steht. 

§  175.  Das  schwache  Präteritum.  Während  diese  Spuren 
ausgestorbene  idg.  Typen  im  Germanischen  reflektieren,  ist  ein 
Aoristtypus  im  Germanischen  besonders  lebenskräftig,  ohne  daß 
sich  außerhalb  des  Germanischen  Parallelformen  dazu  mit  Sicher- 
heit nachweisen  lassen.  Es  ist  der  Typus  der  schwachen  Präterita, 
der  zumeist  durch  d  repräsentiert  wird  —  das  germ.  Dental- 
präteritum. 

Die  Flexion  desselben  schließt  sich  in  bezug  auf  die  Personal- 
endungen im  Singular  an  den  Aorist  (Scherer  zGDS^  202),  nicht 
an  das  eigentl.  Perfektum  an;  die  Urformen  haben  gelautet  im 
Singular  dö{m)  (run.  tawidö  ahd.  salböta  angls.  sealfode),  dez  (got. 
-des)^  de(d)  (got.  da  an.  de)  und  im  Plural  dd-m(e)  —  du-m(e)  (ahd. 
töm  und  tum)^  ded{e)\dud{e)^  dön{d)  \  dun{d)  Sievers  Beitr.  9,  561. 
—  Die  Existenz  von  0 :  ^-Ablaut  wird  auch  durch  ahd.  suoktös 
'du  suchtest'  und  alemann,  suohtön  'wir,  sie  suchten'  erwiesen 
nach  Scherer  zGDS*  203undKögelZs.f.d.Gymn.  34,  407.  Die  ^-Stufe 
steckt  außer  in  got.  -des  -da  noch  in  an.  -der  -de  sowie  in  angls. 
hyrdes(t)  asächs.  weldes  ahd.  chiminnerödes  (oben  §  147).  Daneben 
besteht  als  niedrigste  Ablautstufe  -du-  (mit  u  =  idg.  p)  in  ahd. 
suohtun  angls.  söhtun  usw.  Vielleicht  waren  -dorn  -ded  -dun  die 
ursprünglichen  Pluralendungen,  die  aber  unter  dem  Einfluß  der 
starken  Perfektformen  u  angenommen  haben. 

Im  Gotischen  hat  dieses  Suffix  im  Dual  und  Plural  die  seltsame, 
den  andern  altgerm.  Dialekten  völlig  fremde  Erweiterung  -dedu 


VII.  Konjugation.  169 


-deduts,  -dedum  -dedup  -dedun.  Wahrscheinlich  ist  die  ursprüng- 
liche Form  der  2.  Pluralis  -did  i^nazided)  gewesen  und  diese  hätte 
noch  -up  nach  dem  Perfektum  an  sich  genommen;  dann  hätte 
nasididuß  den  Anlaß  zu  einer  weitgehenden  Neubildung  gegeben; 
vgl.  Kögel  Z.  f.  d.  Gymn.  34,  407. 

Dieses  Element  -dö-  :  -de- :  -du-  ist  gewiß  schon  im  Vorgerma- 
nischen ein  aoristbildendes  Element  gewesen  und  hat  ursprünglich 
Wurzelverben  wie  abgeleiteten  Verben  gleichmäßig  angehört. 
Seine  vorgerm.  Gestalt  ist  wahrscheinlich  töiteitd  gewesen;  auf 
/  dürften  hinweisen  got.  kunßa  aus  "^gn-tet,  wohl  auch  an.  olle 
'regierte'  aus  '^wülße(d)  '^wl-te-t  (vgl.  val-da  nach  §  165  zu  lat.  val-ed). 

Mit  dem  Suffixablaut  dö :  de  :  du  war  nach  Sievers  Beitr.  9,  562 
urgermanisch  auch  Wurzelablaut  verbunden,  daher  die  Doppel- 
formen angls.  westsächs.  sceolde  wolde  dorste  —  nordhbr.  scalde 
walde  darste^  asächs.  war{a)hta  ahd.  worahta,  asächs.  ahd.  mohta 
got.  ahd.  mahta.  Wichtig  ist  noch  der  Ablaut  in  ahd.  brähta  (aus 
*branhfa)  zu  bringan.  Weiterhin  ergibt  sich  die  Annahme  von  Akzent- 
wechsel (Sievers  ibid.) :  daher  got.  kun-pa  (aber  mundo)  aus  *gn-fe-t, 
an.  olle  aus  *wl-tet.  Vielleicht  erklärt  sich  so  auch  der  grammatische 
Wechsel,  der  besteht  zwischen  got.  hausjan  nasjan  laisjan  pahan 
einerseits  und  ahd.  hörran  nerian  lerran  dagen  anderseits  und  in 
anderen  Fällen  mit  Sievers  Beitr.  9,  563. 

Anmerkung.  Innerhalb  der  verwandten  idg.  Sprachen  finden  sich  keine  Spuren 
eines  besonderen  /-Präteritums,  so  daß  die  Vorgeschichte  desselben  völlig  im 
Dunkeln  liegt.  Es  gibt  zahlreiche  Vermutungen,  die  man  jetzt  bei  CoUitz,  Das 
schwache  Präteritum  und  seine  Vorgeschichte  (1912)  S.  I/28  dargestellt  findet. 
Unsere  obige  Formulierung  betrachtet  das  Problem  von  einem  intern  germ. 
Standpunkt  aus,  ohne  sich  in  Polemik  über  idg.  Theorien  einzulassen. 

§  176.  Der  Bereich  dieser  Dentalpräterita  ist  beim  starken 
Verbum  innerhalb  des  Germanischen  sehr  eingeschränkt;  sie  sind 
an  den  Reduplikationsperfekten  zugrunde  gegangen;  geblieben 
sind  sie  bei  Wurzelverben  nur,  wenn  zugleich  /ö-Partizipia  be- 
stehen ;  kein  germ.  Verb  mit  «ö-Partizip  hat  ö'ö-Aorist,  es  sei  denn, 
daß  man  ahd.  brungan  neben  bräht  als  altertümlich  ansieht.  Es 
kommen  nach  Paul  Beitr.  7,  136  folgende  Kategorien  in  Betracht: 

a)  Zu  Präsentien  auf  -jö  §  164  finden  sich  Aoriste :  got.  baühta 
waürhta  pühta  pähta  brühta  ahd.  hoc-ta  forah-ta  asächs.  söhta  = 
angls.  söhte. 

b)  Zu  nicht-y^-Präsentien  beachte  got.  brähta  zu  bringan  (asächs. 
br^ngian  angls.  brengan  ist  jünger  als  bringan,  gebildet  nach 
asächs.  th^nkian  usw.);   ahd.   bigonda  zu  biginnan  (auffällig  sind 


I/o  VII.  Konjugation. 


die  doch  wohl  uralten  Partiz.  ahd.  brungan  bigunnan) ;  got.  brühta 
zu  westgerm.  brükan  Paul  Beitr.  7,  149. 

c)  Es  kommen  einige  schwache  Präsensbildungen  in  Betracht:  st. 
Präsentia  fehlen  zu  asächs.  wekkian  angls.  weccan  Prät.  asächs. 
wahta  angls.  weahte  und  angls.  ßeccan  Prät.  ßeahfe  {wakjan  und 
ßakjan  sind  Kausativbildungen) ;  angls.  röhte  sealde  tealde  usw. ; 
von  andern  schwachen  Verben  vgl.  asächs.  hebbian  hab-da  (angls. 
hcBfde) ;  asächs.  seggian  sagda  (angls.  scegde) ;  asächs.  libbian  libda 
(angls.  lifde)  Paul  Beitr.  7,  136;  asächs.  lagda  satia  u.  a.  sind 
jüngste  Neubildungen  Möller  Beitr.  7,  479.  Das  Angelsächsische 
kennt  noch  mehrfach  mittelvokallose  Präterita  zu  schwachen  Verben, 
die  teilweise  eigentlich  gewiß  starke  Wurzelverba  waren:  tealde 
sealde  reahte  cweahte  dreahte  u.  a.  zu  tellan  sellan  reccan  cweccan 
dreccan.  Über  ahd.  missen  missa  vgl.  Sievers  Gott.  Gel.  Anz. 
1880,  414. 

d)  Es  kommen  ferner  sämtliche  Präteritopräsentia  in  Betracht:  got. 
skulda  wilda  mahta  kunpa  paürfta  ahd.  dohta  (beachte  got.  aihta 
angls.  dhte  neben  dem  alten  Part,  aigana-  aigina-).  Beachte  got. 
wissa  ahd.  wessa  wissa  'wußte'  aus  vorgerm.  wittöm  und  ahd. 
muosa  aus  germ.  mösön  für  ^mössön  vorgerm.  möttöm. 

§  177.  Die  abgeleiteten  oder  schwachen  Verba,  deren  Parti- 
zipialcharakter  ausschließlich  idg.  to  ist,  haben  im  Germanischen 
nur  einen  ^-Aorist  entwickelt,  der  das  für  die  idg.  Grundsprache 
nicht  nachweisbare  Perfekt  ersetzt;  dabei  gehen  Partizip  und 
Aorist  immer  nebeneinander  her:  ahd.  nerita  ginerit^  salböta  gi- 
salböt  usw.  Und  es  kann  kaum  fraglich  sein,  da  das  Perfekt  der 
schwachen  Verba  eine  junge  sekundäre  Schöpfung  ist,  daß  das 
Nebeneinanderbestehen  von  starkem  Aorist  und  /^-Partizip  in 
worhtö  —  worhta-^  kunßö  —  kunßa-  usw.  die  Veranlassung  war,  daß 
zu  den  schwachen  Partizipien  got.  nasips  salböps  usw.  parallele 
Aoriste  neu  gebildet  wurden. 

Diesen  Verben  hat  sich  findan  in  den  sächs.  Dialekten  ange- 
schlossen, vgl.  asächs.  funda  Heliand  MC  2017  =  angls.  funde 
(2.  Pers.  fundest  bei  Grein  Prosabibl.  I  75,  84  und  Psalmen  Th. 
16^);  offenbar  hdl  fundun  im  Plural  den  Übertritt  veranlaßt  (vgl. 
nhd.  wurde  für  ward  nach  wurden). 

Kap.  39.    Präteritopräsentia. 

§  178.  Das  Urgermanische  hat  neben  dem  gemeinindogerm. 
Präteritopräsens    *wöida   '^wöittha    '^wöide   3.   Plur.  '^widnt  einige 


VII.  Konjugation.  171 


andere  ausgebildet,  von  denen  die  verwandten  Sprachen  keine 
Spur  zeigen.  In  Betracht  kommen  got.  kann  ßarf  gadars  —  skal 
man  mag  ganah;  gamöt  dg;  aih  lais;  daug\  davon  sind  lais  und 
ög  nur  im  Gotischen,  die  übrigen  aber  zumeist  in  allen  germ. 
Sprachen  vertreten.  Ein  weiteres  Präteritopräsens  liefert  das 
Westgermanische  in  ahd.  an.  Alle  zeigen  bei  perfektischer  Flexion 
präsentische  Bedeutung  und  verbinden  die  perfektische  Bedeutung 
mit  de-  ^«^-Aoristen.  Die  Ausbildung  dieser  Gruppe  läßt  sich  aus 
Kap.  36  teilweise  wenigstens  begreifen.  Die  alten  idg.  »//-Präsentia 
fielen  nämlich  innerhalb  des  Germanischen  in  einigen  Formen  mit 
Perfektformen  zusammen,  sobald  die  Reduplikation  als  Perfekt- 
zeichen ausgestorben;  vor  allem  fielen  die  Optative  zusammen. 
Germ,  durz-i-  (got.  gadaürsei-)  kann  echt  germ.  Perfektform  sein, 
darf  aber  auch  als  Optativ  eines  /^//-Präsens  aufgefaßt  werden, 
zumal  Wz.  dh^s  im  Indischen  Formen  der  2.  Präsensklasse  bewahrt. 
Got.  kun-nu-m  wird  durch  die  Identität  mit  ind.  ja-nt-mds  zu  jä- 
nd-mi  (ind.  Wz.  jnoi)  auf  ein  echtes  idg.  Präsens  gn-nd-mi  Plur. 
gn-nd-mes  (vgl.  de  Saussure,  Memoire  S.  274  Anm.  2)  zurückgeführt. 
Für  das  ndd.  dam  (Konj.  dürne)  steht  präsentischer  Ursprung  nach 
Höfer  Germ.  23,  3  durch  ind.  dhfs-nd-mi  fest;  ind.  dliTs-nu-mds 
=  got.  '^daürznum  asächs.  *durnun.  Für  ahd.  an-unnum  (vielleicht 
urgerm.  unz-nu-m  Wz.  ans  in  ans-ii-  'Gnade'  und  got.  anses 
'Halbgötter')  macht  das  doppelte  n  wie  in  ahd.  kan  kunnum  präsen- 
tischen Ursprung  wahrscheinlich.  Zu  germ.  aigan  vgl.  das  aller- 
dings medial  flektierte  »//-Präsens  ind.  ige.  Dazu  beachte  man  die 
Partizipia  mit  Präsenssuffix  got.  witands  (und  weitwöps  §  179), 
got.  kunnands  =  ind.  jä-ndni^  got.  magands  skulands  paürbands. 
Diese  Auffassung  der  germ.  Präteritopräsentia  (beachte  auch 
aslav.  v6mi  'ich  weiß')  erklärt  die  präsentische  Bedeutung  etwa 
von  kunnan  durzan  u.  a.  und  läßt  es  begreiflich  erscheinen,  daß 
das  Germanische  eine  ziemliche  Anzahl  von  Verben  des  Typus 
wait^  das  noch  dazu  vielleicht  als  Vorbild  mitgewirkt  hat,  ent-. 
wickelt  und  ausgebildet  hat;  und  wenn  unsere  Erklärung  der 
germ.  Präteritopräsentien  aus  alten  Präsentien  des  w/'-Typus  (got. 
magan  nach  Mahlow  166  zu  aslav.  moga  für  *mogk-mi})  das  richtige 
trifft,  so  ist  es  doch  auch  nicht  ausgeschlossen,  daß  etwa  got. 
man  mit  lat.  memini  gr.  )Lie|Liova  (PI.  fie|Lia|Liev)  echt  perfektischen 
Ursprungs  ist;  für  got.  aigan  wird  perfektischer  Ursprung  viel- 
leicht durch  das  alte  Perfektpartizip  andd.  ^xo  (aus  *aig-us-o} 
"^aigusjo  ?)  empfohlen.  Und  wie  lat.  6di  növi  memini  und  gr.  eoiKa 


172  VII.  Konjugation. 


|ae)Liova  yeTUDva  beibuj  ind.  cikiia  'weiß'  lehren,  kann  es  in  der 
idg.  Urzeit  vielleicht  mehr  echte  reduplizierte  Präteritopräsentia 
gegeben  haben  als  das  eine  reduplikationslose  gr.  oiöa  ind.  vida. 

Die  Präteritopräsentia,  die  also  mit  perfektischer  Form  prä- 
sentische Bedeutung  verbinden,  sind  zumeist  abstufend:  got. 
wait  witum^  skal  skulum,  kann  kunnum  usw.  Ausnahmen  sind 
gemeingerm.  aik  aigum  und  möt  mötum\  mag  magum^  für  das 
Osthoff  Beitr.  15,  219  ursprüngliche  Abstufung  mög  magtun  ver- 
mutet, entwickelt  im  Westgermanischen  einen  jüngeren  Ablaut 
mag  mugum\  aber  die  Abstraktbildung  mahti-  'Macht'  spricht 
dafür,  daß  a  wirklich  die  niedere  Wurzelstufe  war. 

Präteritale  Bedeutung  wird  durch  Dentalpräterita  wiedergegeben; 
vgl.  got.  mahta  skulda  kunßa  usw.  §  I76d. 

Kap.  40.     Verbaladjektiva. 

§  179.  Am  frühesten  hat  das  Germanische  die  Partizipia  Per- 
fekti  aktivi  aufgegeben;  es  haben  sich  nur  ein  paar  Substan- 
tivierungen erhalten,  in  denen  das  idg.  Suffix  iis  :  wöt  erhalten 
ist:  got.  ßai  berusjös  'Eltern'  (wohl  eigtl.  nur  Fem.  ^bherüst 
'die  geboren  Habende'  Beitr.  36,  224) ;  got.  weitwöd-  'der  Zeuge' 
aus  idg.  weid  wöt-  gr.  eiöOT-  (ind.  vid-üs)  eigentlich  'wissend' 
(oder  besser  'gesehen  habend'  zu  lat.  videre  =  got.  wüan 
'sehen'.?)  und  andd.  exo  'Besitzer'  (Möller  KZs.  24,  447)  —  falls 
für  "^eg-sio  —  angls.  egsa  gehören  zu  den  Präteritopräsentien 
als  isolierte  Formen  einer  älteren  Schicht.  Noreen  IF.  4,  324 
sieht  diese  Bildung  auf  -usan  (oder  -wisan^  -wasan)  auch  in  den 
nord.  Adjektiven  (Stammbildgsl.  §  21 5j  auf  -si\  an.  prä-si  'auf- 
recht', hugsi  'nachdenklich',  dän.  tavs  'schweigend';  doch  scheint 
mir  ihre  Hergehörigkeit  zweifelhaft,  sie  treten  mehr  mit  Präsens- 
funktion  auf. 

Daß  die  Präteritopräsentia  in  historischer  Zeit  nur  Präsens- 
partizipia  bilden  (got.  kunnands  magands,  auch  witands  munands 
aigands),  erklärt  sich  aus  dem  überwiegend  präsentischen  Ur- 
sprung dieser  Verbalklasse.     Beachte  ahd.  trunkan  'potus'. 

§  i8oa.  Die  Partizipia  Präsentis,  im  Idg.  auf -/^Z- gebildet, 
erscheinen  im  Germ,  mit  -nd-^  auch  bei  jüngerer  Substan- 
tivierung; sie  flektieren  als  konsonantische  Stämme,  soweit  nicht 
Übergang  in  die  schwache  Deklination  oder  /«-Stämme  erfolgt. 
Substantivierungen,  welche  der  konsonantischen  Deklination  folgen, 
sind   z.  B.  got.  frijönds  fijands^  angls.  wigend.     Das  zugehörige 


VII.  Konjugation.  173 


Femininum  idg.  -nt-i  (Akk.  -ni-yäni)  hat  im  Germanischen  den 
Anlaß  dazu  gegeben,  daß  die  Partizipia  in  den  Dialekten  —  mit 
dem  Aussterben  der  konsonantischen  Flexion  —  als  y^-Stämme 
flektiert  werden:  got.  giband-ei  Fem.,  sowie  ahd.  nemanti  und 
angls.  gifende. 

Anmerkung  i.  Von  alten  wz-Präsentien  zeigen  sich  altertümliche  Reste  der 
Suffixabstufung  -nt-  neben  -oni- :  got.  sunjis  'wahr'  für  urgerm.  sundja-  =  ind. 
satyä-  'wahr'  gehört  als  Weiterbildung  zu  dem  Präsenspartizip  der  Wz.  es  'sein', 
die  in  angls.  sod'wohx'  vorliegt  (vgl.  gr.  ouaa  =  dor.  ?a(J(Ja  für  idg.  sonii-.sntyä-). 
Hierher  die  Substantivierung  got.  tunpus  =  ahd.  zand  'Zahn'  neben  lat.  dent-em 
=  gr.  öbövT-a  'Zahn'  als  älteres  Präsenspartizip  dnt- :  don^-  zu  der  idg.  Wz.  ed 
'essen'  (Zahn  eigtl.  'Essender')  vgl.  die  Präsensform  ind.  ädmi  lit.  ednii  und 
aslav.  janii  'ich  esse'.  Wenn  got.  hulundi  F.  'Höhle'  (als  'Bergende'  zu  ahd. 
h'elan)  hierher  gehört,  muß  es  ein  bisher  nicht  nachgewiesenes  w/-Präsens  zur 
Voraussetzung  haben.  Auf  Grund  von  dem  durch  got.  bisunjane  (Beitr.  10,444) 
enthaltenen  Substantiv  *bisundja  'Nächster',  das  letztlich  auf  das  idg.  Partizip 
sni  'seiend'  zurückgeht,  hat  wohl  auch  got.  nehundja  'Nächster'  als  Ableitung 
zu  einem  -«/-Partizip  zu  gelten,  und  man  gelangte  damit  zu  dem  ^/-Präsens 
einer  idg.  Wz.  neq  (vgl.  got.  neban  'nahe').  Daß  asächs.  fiund  'Feind',  für  das 
Einfluß  von  friund  'Freund'  (mit  Diphthong  iu)  unmöglich  ist,  auch  zu  den 
-«/-Partizipien  gehört  und  dann  im  Suffix  eine  Ablautvariante  zu  ahd.  fiant 
darstellt,  ist  nicht  ganz  sicher. 

Anmerkung  2.  Präsenspartizipien  treten  frühzeitig  auch  substantiviert  auf, 
wie  got.  frijotids  'Freund'  und ßjands  'Feind',  asächs.  wtgand  'Kämpfer',  waldand 
'Herrscher',  heliand  neriand  'Heiland'.  In  der  Deklination  solcher  Substantiva 
zeigt  sich  noch  vielfach  die  alte  konsonantische  Deklination. 

§  i8ob.  Der  Aorist  auf  dö  :  de  hat  kein  Partizip  entwickelt.  — 
Die  Augment- Aoriste,  welche  im  Germanischen  nach  §  174  Spuren 
hinterlassen  haben,  weisen  keine  sicheren  Partizipia  auf,  da  die 
in  Betracht  kommenden  Belege  auch  zu  w/-Präsentien  gehören 
können:  got.  digands  Joh.  Schmidt  KZs.  19,  268;  AfdA.  6,  125 
(QF.  32,  107). 

§  181.  Perfektische  Passivpartizipia.  Die  idg.  Sprachen 
haben  dafür  die  beiden  Suffixe  -to  und  -no\  beide  Bildungsweisen 
zeigen  Suffixbetonung  und  bei  Wurzelverben  Schwundstufe  der 
Wurzelsilbe.  Es  läßt  sich  nicht  ermitteln,  wie  die  Verteilung 
der  beiden  Bildungsweisen  von  Haus  aus  geregelt  gewesen  ist; 
denn  die  Einzelsprachen  gehen  in  der  Anwendung  der  beiden 
Suffixe  verschiedene  Wege,  so  daß  sich  der  Urzustand  im  allge- 
meinen nicht  mehr  erkennen  läßt.  Im  einzelnen  zeigen  sich  Diffe- 
renzen wie  ind.  nagnä-  'nackt'  :  altir.  nocht  'nackt'  (das  zugehörige 
Wurzelverb  fehlt  allerdings),  aber  auch  Übereinstimmungen  wie 
ind.  gnitd-  gr.  kXutö?    lat.  inclutus   angls.  hloß-   (in  dem  Eigen- 


174  VII.  Konjugation. 


namen  Hlop-here)  zu  der  idg.  Verbalwurzel  klu  'hören',  ind.  jnatd- 
gr.  YVUJTÖg  lat.  nöttis  got.  kunps  zu  der  idg.  Wurzel  gnö  'erkennen' 
und  ind.  pürnd-  'voll'  lat.  plenus  got.  fulls  lit.  pilnas  zu  der  idg. 
Wurzel  ple  (vgl.  lat.  implettis).  Übereinstimmung  des  Germanischen 
mit  andern  idg.  Sprachen  ist  für  das  ;/ö-Suffix  selten  nachweisbar: 
angls.  pegn  eigtl.  'Knabe'  =  gr.  xeKVOV  'Kind'  eigtl.  'das  Ge- 
borene' (zu  der  griech.  Verbalwz.  tek).  Für  das  /^-Suffix  bestehen 
Berührungen  zwischen  Germanisch  und  Lateinisch  in  asächs.  ald 
=  lat.  a/tiis  und  in  got.  ^a/fs  =  lat.  captus\  für  lat.  rectus 
==  got.  raihts  sollte  man  mit  Rücksicht  auf  ind.  xj^^-  'gerade, 
recht'  idg.  t  in  der  Wurzelsilbe  erwarten.  Im  allgemeinen 
weicht  das  Germanische  zumeist  von  den  übrigen  verwandten 
Sprachen  ab :  asächs.  ökan  'schwanger'  neben  lat.  auctus^  got.  sal- 
tans  'gesalzen'  neben  lat.  salsus^  got.  brukans  'gebrochen'  neben 
lat.  fractus^  got.  taihans  taühans  neben  lat.  dictus  ductus  usw. 
Schließlich  läßt  sich  innerhalb  des  Germanischen  selber  beob- 
achten, wie  sich  verschiedene  Bildungsweisen  ablösen:  so  bildet 
die  idg.  Verbalwurzel  bher  'tragen,  gebären'  die  germ.  Partizipial- 
bildung  got.  barn  'Kind'  (eigtl.  'das  Geborene')  neben  got.  ga- 
baürans  'geboren'  und  hierzu  setzt  got.  baürpei  'Bürde'  als  Par- 
tizipialabstraktum  noch  ein  mit  ind.  bhxtd-  'getragen'  überein- 
stimmendes Partizipium  voraus;  so  stand  einmal  neben  dem 
Partizipium  ahd.  gimalan  'gemahlen'  ein  altes  /^-Partizipium,  das 
noch  in  got.  muldä  'Staub'  steckt. 

§  182.  Das  /ö-Partizip.  a)  Das  Suffix  -to  kommt  in  allen 
idg.  Sprachen  den  abgeleiteten  Verben  zu  und  so  erscheint  es 
auch  gemeingerm. ;  vgl.  got.  nasips  salböps  habaips  mit  ind.  da- 
mitd-  trsitd-  usw.  oder  mit  lat.  amätus  auditus. 

b)  Dasselbe  Suffix  findet  sich  bei  denjenigen  starken  Verben 
im  Germanischen,  welche  ein  Dentalpräteritum  anstatt  des  Perfekts 
besitzen ;  vgl.  got.  *brähts  (doch  ist  ahd.  brungan  vielleicht  alter- 
tümlicher als  ahd.  bräht)  zu  brähta^  waürhts  zu  waürhta^  bauhts 
zu  baühta  usw.  §  176. 

c)  Die  Präteritopräsentia  haben  aus  dem  gleichen  Grunde  to- 
Partizipia,  aber  in  adjektivischer  Bedeutung :  got.  kun-ps  paürfts 
skulds  mahts  binaühts. 

d)  Am  verbreitetsten  ist  -to  als  Suffix  starker  Verbalwurzeln 
in  isolierten  Adjektiven,  die  von  Verben  losgelöst  sind  oder 
zugehörige  Verba  verloren  haben  :  got.  kalds  (zu  an.  käla^  Wz. 
gel  in  lat.  gelv)^  alds  zu  alan^  daups  (zu  an.  deyja\  asächs.  torht 


VII.  Konjugation.  175 


(zu  gr.  bepKO|uai),  got.  raihts  zu  lat.  rego^  ahd.  lüt  'laut'  zu  ind. 
gru  'hören'  (vgl.  Stammbildungslehre  §  221/3). 

e)  Im  Sinne  der  griech.  Verbaladjektiva  auf  -to  vgl.  got.  unat- 
gähts  'unzugänglich',  unsahts  'unbestreitbar'. 

§  183.  Das  ;^ö-Partizip.  Während  das  Suffix  -io  innerhalb  des 
German.  bei  Wurzelverben  an  Umfang  eingebüßt  hat,  hat  sich 
das  Suffix  -no  dafür  ausgedehnt:  jenes  ist  von  der  Hauptklasse 
der  starken  Verba  völlig  ausgeschlossen  und  dieses  beherrscht 
die  starke,  wie  jenes  die  schwache  Konjugation  des  Germani- 
schen. Seine  ursprüngliche  Gestalt  -no  zeigt  sich  german.  nur  noch 
in  Adjektiven  partizipialen  Ursprungs  (§  181) ;  doch  beachte 
ahd.  gi-tä-n  zu  tuo-n,  angls.  ge-gd-n  zu  gä-n  und  ind.  bhugnd-  zu 
bhuj,  pan-nd-  z\i  pad^  htnd-  zu  ha.  Vgl.  noch  aslav.  da-nü  'gegeben', 
po-zna-nü  'bekannt',  o-d^-nü  'bekleidet'.  Für  dieses  -no^  das  auch 
in  den  Substantivierungen  (§  181)  germ.  barna-  'Kind'  (eigtl.  'das 
Geborene')  und  in  germ.  pegna-  =  gr.  TeKVOV  steckt,  herrschen 
im  Germanischen  erweiterte  Suffixformen  vor  (vgl.  aslav.  nesenü 
'getragen',  peöenü  'gebacken',  pletenü  'geflochten',  grebenü  'ge- 
graben' mit  der  germ.  Suffixgestalt  -ina  unter  c). 

a)  Die  maßgebende  germ.  Gestalt  des  Suffixes  ist  -ana  (aus 
-ond) :  got.  gibans  ahd.  gigeban^  got.  funpans  ahd.  funtan  asächs. 
fundan  usw. ;  beachte  got.  w-ans  =  ind.  ü-nd-  Osthoff  MU.  4,  369. 

b)  Die  angls.  anord.  Endung  -en  fasse  ich  als  germ.  -enaz: 
angls.  gifen  an.  gefenn  aus  *yebenaz^  angls.  boren  an.  borenn  aus 
'^borenaz\  angls.  feigen  an./egenn  aus  */ayenaZj  angls.  slcsgeit  an. 
slegenn  aus  ^slayenaz  usw. 

Anmerkung.  Das  Problem,  wie  sich  ahd.  funtan  wortan  in  Bezug  auf  den 
Endvokal  zu  angls.  funden  worden  an.  fundenn  ordenn  verhält,  ist  noch  nicht 
endgültig  gelöst.  Die  übereinstimmende  Umlautslosigkeit  der  Partizipia  im  Angel- 
sächsischen und  Nordischen  verträgt  sich  nicht  mit  der  unter  c  behandelten 
Suffi.xgestalt  -in.  Kock  Beitr.  23,  484  erörtert  das  Problem  zu  einseitig  vom  nord. 
Standpunkt  aus  und  berücksichtigt  nicht  genug  die  Übereinstimmung  mit  dem 
Angelsächsischen.  Aber  das  älteste  Angelsächsisch  der  Epinaler  Glossen  (Sievers 
Beitr.  8,  325)  kennt  nur  Partizipia  auf  -aen  :  faerscribaen  52,  gibeataen  140, 
athrungaen  176,  afigaen  414,  gibaen  525,  asolcaen  531,  suollaen  \oi%^  forslaegaen  814 
(während  binujnin  104  und  forslegin  744  unter  c  fallen). 

c)  Eine  seltenere  germ.  Nebenform  -ina  (aus  -eno.,  Nebenform 
iM-eno)  ist  im  Altfriesischen  lebendig;  vgl.  ehlepenz\ihläpa^estenden 
zu  stonda,  kernen  'gekommen'  usw.  (Günther,  Verba  im  Altostfriesi- 
schen  S.  8.  17.  21).  Dazu  beachte  run.  haitinaz  'geheißen'  zu  haitany 
sowie  got.  fulgins  gafulgins  zu  filhan ;  got.  aigin  N.  'Eigentum' 
als  Substantivierung  zu  einem  germ.  aigina  =  angls.  stgen  'eigen* 


176  VII.  Konjugation. 


neben  dgen.  Hierher  noch  angis.  cymen  (=  afries.  kernen)  zu  cuman^ 
geßrebwen  zu  präwan.  Beachte  die  Übereinstimmung  von  afries. 
epen  aschw.  ypin  gegenüber  asächs.  opan  ahd.  offan^  wozu  aller- 
dings das  Wurzelverb  nicht  nachweisbar  ist  (vgl.  Beitr.  6,  240; 
8,  328;  23,  503). 

d)  Eine  Nebenform  mit  mittlerem  u  hat  sich  im  Angelsächsischen 
erhalten  in  Partizipien  wie  forweoren  durheoten  wreodenihilt)  — 
wahrscheinlich  eine  sekundäre  Entwicklung  des  eigentlichen  -ana 
zu  -on^  'Un. 

§  184.  Im  Westgermanischen  wird  das  unbetonte  Präfix  ga- 
bei  unkomponierten  Verben  in  Passivpartizipien  notwendig.  Die 
Regel  ist  am  strengsten  im  Althochdeutschen,  am  wenigsten 
strenge  im  Angelsächsischen  durchgeführt.  Vgl.  die  Partizipien  ahd. 
gihouwan  asächs.  gihauwan^  ahd.  ginoman  gisalböt^  asächs.  gilegid 
gisendid\  zusammengesetzte  Verba  können  kein  gi-  annehmen: 
ahd.  binoman  untarnoman  biliban  (nhd.  ge-bliebeft) ;  daher  auch 
ahd.  vr-e^nan  angls.  fr-eten  als  Partizip,  aber  im  Heliand  (5680) 
gi-t-ögid  zu  iögian  =  got.  at-augjan.  Bei  trennbarer  Partikel  heißt 
es  ahd.  abaginoman  (ausnahmsweise  ana  hangan  Tat.  94*).  Mit 
betontem  Präfix  ahd.  giüntarsceidan  oben  §  86. 

Doch  hat  das  Deutsche  noch  einige  Partizipien  ohne  ga-.  So 
heißt  zu  'finden'  das  Part,  fast  immer  ahd.  funtan  fundan  (ver- 
einzelt z.  B.  ga-fundan  Ahd.Gl.  I  27^9),  Hei.  fundan  Singh.  funden. 
—  zu  'bringen'  ahd.  bräM  und  brungan  angls.  b7'6ht.  —  zu  'kommen' 
ahd.  queman  quoman  =  asächs.  cuman  angls.  cumen.  —  zu  'heißen' 
asächs.  hetan  'nominatus',  aber  ahd.  giheman  (doch  keman  Tat. 
13^).  —  zu  'werden'  ahd.  wortan  und  giwortän.  —  zu  'treffen' 
ahd.  troffan  und  gitroßan  angls.  drepen  dropen.  —  Vereinzelt 
Otfr.  I  12^3  boran  für  giboran\  preitit  Ahd.Gl.  I  74621 ;  hapan 
'elatus'  I  13232.  —  asächs.  writan  Hei.  5789  und  Abec.  Nordm. ; 
asächs.  kennid  Hei.  5130  =  angls.  cenned  Beow.  12.  Über  das 
Althochdeutsche  vgl.  Braune  §  323  und  über  das  Asächs.  Holt- 
hausen  Elementarb.  §  421.  Eine  Darlegung  der  angls.  Materialien 
fehlt.  Partizipien  mit  adjektivischer  Funktion  nehmen  kein  ga-  an ; 
vgl.  ahd.  trunkan  'ebrius',  femit  'pinguis',  eigan  'proprius',  asächs. 
fagan  'laetus' ;  angls.  fctied  hroden  forod\  ahd.  (Hildebr.)  wuntan 
=  angls.  wunden-^  asächs.  ökan  angls.  eacen\  hierher  ahd.  (Tat.) 
sd  scaffan  'praegnans'  und  asächs.  armscapan  angls.  earmsceapen 
(mhd.  wanschaffen  wintschaffen).  Dem  ahd.  offan  entspricht  afries. 
epen  aus  ^upin.     Daher  stehen   in  Zusammensetzungen  Partizipia 


VII.  Konjugation.  177 


gern  ohne  ga-  z.  B.  Hei.  hurnidscip  neglidskip  =  angis.  ncegledcnearr  \ 
angls.  bunden-^  wundenstefna^  collenferhd^  asächs.  erthungan  neben 
githungan,  ahd.  unwahsan  fulboran. 

§  185.  Verbaladjektiva  der  Möglichkeit  und  der  Notwendigkeit 
bildet  das  historische  Germanisch  kaum  noch;  ursprünglich  sind 
in  urgerm.  Zeit  solche  auf  -i  und  -ni  gebildet,  die  aber  dann  zu 
Adjektiven  mit  einer  von  den  zugehörigen  Verben  losgelösten 
Bedeutung  geworden  sind.  Nur  für  das  Suffix  -i  hat  das  Altnor- 
dische eine  reiche  Verwendung :  drstpr  ^tr  sätr  kvsemr  gsetr  scerr 
stdedr  fcerr  usw.  stehen  noch  deutlich  im  Zusammenhang  mit  den 
Verben  drepa  eta  sitja  koma  geta  sverja  standa  fara  usw.  Das 
Westgermanische  hat  fast  nur  adjektivische  Verwendung  derartiger 
Bildungen;  vgl.  ahd.  antfengi^  nämi  ginämi  antnämi^  angls.  gedefe 
zu  gedafan^  ydfynde  zu  findait,  bryce  zu  brücan^  onssege  (ahd. 
anaseigi)  zu  onsstgan.  Bei  Zusammensetzung  mit  Präfixen  hat 
sich  näherer  Anschluß  an  das  Verb  bewahrt ;  vgl.  angls.  ypfynde 
orgedte  {dgitan)^  got.  unandsöks  'unbestreitbar',  unqeps  'unaussprech- 
lich', andanems  'angenehm',  an.  audfengr  (Schlütery«-  Suffix  S.  8  ff.). 
Andd.  antheti  'verlobt'  hat  die  Funktion   eines   Part.   Perf.   Pass. 

§  186.  Auf  -ni  finden  sich  nur  Adjektiva,  die  ihre  verbale 
Funktion  aufgegeben  haben,  ursprünglich  waren  es  Verbaladjek- 
tiva der  Möglichkeit  oder  der  Notwendigkeit  (vgl.  ind.  preni-  'lieb- 
reich', türni-  'eilend',  lat,  lenis  segnis).  Vgl.  ahd.  scö-ni  'schön' 
eigentlich  'anschaulich'  zu  scouwön^  tar-ni  'heimlich'  (angls.  dyrne) 
zu  mittelengl.  mndl.  dären  'verborgen  sein',  gruo-ni  'grün'  zu 
angls.  gröwan^  (h)rei-ni  'rein'  eigentlich  'siebbar'  zu  ahd.  (h)rt-tara 
'Sieb',  asächs.  leh-ni  'vergänglich'  zu  Ithan^  got.  analaugniba  'ver- 
borgen' zu  liugan^  anasiuns  'sichtbar'  zu  saikan^  ahd.  gisceini 
'sichtbar'  zu  sci-nan  sct-mo. 

§  187.  Verbaladjektiva  der  Geneigtheit,  der  Neigung  und  des 
Hanges  auf  -ula  -ala  (vgl.  lat.  bibulus  credulus  qnerulus  sedulus 
tremulus  garrulus).  Aus  dem  Gotischen  vgl.  sakuls  'streitsüchtig', 
slahuls  'zum  Schlagen  geneigt',  skapuls  =  ahd.  scadal\  ferner  an. 
svikall  =  angls.  swicol  'dolosus' ;  ferner  an.  gjgfull  'freigebig', 
pagall  'schweigsam',  vpkull  'wachsam',  spurull  'neugierig',  svipall 
'wandelbar'.  —  Angls.  flugol  'fugitivus',  hlagol  'zum  Lachen  ge- 
neigt', sldpol  slaepol  'schlafsüchtig',  forgitol  'vergeßlich',  södsagol 
'wahrheitsliebend'.  —  Asächs.  hattd  'feindselig',  wankal  'wandel- 
bar'. —  Ahd.  sprungal  'gern  springend',  mal  'edax',  äg'mal  'ver- 
geßlich', unf'ehtal  'inermis'. 

Grundriß  der  germ.  Philol.   Urgermanisch.  12 


78  VII.  Konjugation. 


§  i88.  Der  germ.  Infinitiv  auf  -an  (got.  bairan  nasjan  usw.), 
wozu  in  ahd.  tuo-n  gä-n  stä-n  eine  kürzere  Nebenform  tritt,  be- 
ruht auf  einem  alten  Akk.  ana-n  =  vorgerm.  ono-m  Zimmer  ZfdA. 
19,  434.  Mit  got.  itan  'essen'  wird  das  neutrale  Substantivum 
gr.  döavov  ind.  ädana-  sowie  ahd.  e^^an  'Speise,  Futter'  verglichen. 
Mit  got.  bindan  vgl.  ind.  bdndhana-  N.  'das  Binden',  mit  got.  sitan 
ind.  ni-sädana-  N.,  mit ßlkan  ind.  upapdrcana-^  mit  got.  leihan  ind. 
ricana- ;  ferner  neutrale  Verbalnomina  wie  ind.  pdcana-  virnöcana- 
jivana-  hdvana-  sävana-  und  ahd.  magan  (neben  megin)  N.  'Kraft* 
neben  dem  Infinitiv  magan. 

Da  die  Infinitive  überall  sonst  sekundäre  Entwicklung  von 
Verbalnominibus  sind,  dürfte  diese  Erklärung  der  germ.  Infinitive 
das  Richtige  treffen.  Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  daß 
—  die  Richtigkeit  unserer  Erklärung  vorausgesetzt  —  der  Infinitiv 
ursprünglich  vom  Präsensstamm  völlig  unabhängig  war,  so  daß  etwa 
germ.  s'etan  zu  Präs.  sitjo^  germ.  lihwan  zu  lat.  linquo,  germ*  bindan 
zu  ind.  badhndmi  usw.  gehört  hätte ;  so  gehören  im  Lateinischen 
zu  facio  capio  sapio  die  Infinitive  (ohne  j)  facere  capere  sapere. 
Aber  tatsächlich  steht  im  Germanischen  (vgl.  besonders  got.  hafjan 
gegen  lat.  capere^  ahd.  seffan  gegen  lat.  sapere)  der  Infinitiv  mit 
dem  Präsensstamm  in  Zusammenhang ;  vielleicht  hat  er  mit  seiner 
festen  Bildungsweise  dazu  verholfen,  den  germ.  Normaltypus  des 
Präsens  auszubilden,  wozu  nach  §  173  auch  die  germ.  Perfekt- 
bildung das  ihrige  beigetragen  haben  wird. 

Von  der  großen  Fülle  der  idg.  Infinitivbildungen,  die  durch 
eine  oder  mehrere  Sprachen  als  alt  erwiesen  werden,  hat  übrigens 
das  Germanische  keine  Spur  mehr  bewahrt;  so  fehlt  dem  Ger- 
manischen der  idg.  Infinitivausgang  auf  -esai  (lat.  tundere)^  auf 
-edhyai  (ind.  vahadhyäi  'zu  fahren'),  auf  -menai  (gr.  i|uevai  ^ö|U€vai 
iö)Lievai). 

§  i88b.  Die  Infinitivbildung  der  schwachen  Verba  zeigt  den 
gleichen  Typus,  nur  mit  kleinen  Abweichungen.  Die  schwachen 
Verba  der  i.  Klasse  haben  in  Übereinstimmung  mit  dem  Präsens- 
stamm auf  -ja  Infinitive  wie  got.  hausjan  nasjan  =  asächs.  hörian 
nerian.  Aber  bei  den  schwachen  Verben  der  2.  und  3.  Klasse 
kommen  Schwierigkeiten  in  Betracht.  Die  got.  ahd.  Infinitive 
von  schwachen  Verben  auf  -ön  (got.  ahd.  salbon)  repräsentieren 
wahrscheinlich  nicht  den  Urzustand:  die  anglofries.  Infinitive  auf 
-ian  (angls.  sealfian  cleopian  hneappian)  sind  mit  Sievers  Beitr. 
16,  260  in  Übereinstimmung  mit  asächs.  Infinitiven  aus  dem  He- 


VII.  Konjugation.  179 


Hand  wie  halojan  ladojan  samnojan  skauwojan  theonojan  auf  gerra. 
Typen  salböjan  lapöjan  samnojan  zurückzuführen.  Der  gemein- 
same Grundtypus  für  die  Infinitive  von  schwachen  Verben  der 
3.  Klasse  (got.  haban  =  ahd.  haben)  ist  schwer  zu  bestimmen: 
sie  endigten  ursprünglich  wohl  auf  -ajan^  so  daß  asächs.  hebbian 
seggian  durch  Synkope  aus  germ.  habajan  sagajan  hervorge- 
gangen wären. 

§  189.  Das  Gerundium,  dem  Westgermanischen  eigentümlich, 
ist  auf  -anja-  gebildet  und  erscheint  zumeist  im  Dat.  mit  dem 
Präp.  tö  ti  z.  B.  tö  älösannea  Hei.  (C)  523,  te  seggennea  Hei.  (M)  1839; 
der  Genetiv  sweriannias  begegnet  Sachs.  Beichte  8,  28 ;  vereinzelt 
mit  in  und/ona  z.  B.  ahd.  zn  liuhtanne  edo  in  scouwönne^  in  zapaloitne, 
fona  sinkanne  (über  die  ahd.  Nebenform  auf  -anni  z.  B.  zi  quethanni 
vgl.  Kögel  Ker.  Gl.  S.  142);  vgl.  noch  ndd. helciannias  Gramm.  4, 105. 

Kap.  41.     Das  schwache  Verbum. 

§  190.  Das  Germanische  besitzt  in  ziemlich  scharfer  Scheidung 
zwei  Verbaltypen,  die  in  den  verwandten  Sprachen  mit  weniger 
großen  Differenzen  zusammengehen.  Der  idg.  Urzustand  scheint 
der  folgende  gewesen  zu  sein :  neben  den  primären  Präsens- 
klassen existierten  Verba,  die  im  Indischen  in  die  10.  Präsens- 
klasse aufgegangen  sind;  sie  endeten  im  Präsens  auf  -ijd  -öp 
oder  -djd  mit  Betonung  der  Mittelvokale  e  ö  &  oder  aber  des 
thematischen  Vokals  0  :  e.  Diese  Verba  waren  zumeist  sekundär, 
verbalen  oder  nominalen  Ursprungs.  Es  gab  jedoch  auch  schein- 
bar Primitiva,  die  auf  die  bezeichnete  Art  ihr  Präsens  und  zu- 
gleich ihren  Verbalstamm  bilden  konnten ;  Primärverba  fehlen  zu 
lat.  tacet  =  got.  pahaip^  lat.  silet  =  got.  silaip^  auch  zu  ahd.  harin 
hlosen  swtg^n  luogen  und  auch  zu  spehön  mahhön  scouwdn  oder 
hörran\  vgl.  auch  ahd.  wecchu  hr^ttu  ind.  väjäyämi  grathdyämi  dX^ 
Verba  mit  kausativem  Aussehen.  Für  ahd.  dolen  hlosen  und 
scouwdn  erweisen  Nominalbildungen  wie  ahd.  gidult  asächs.  hlust 
und  ahd.  scöni  primären  Charakter.  Aber  zweifellos  sind  die 
meisten  Verba  dieser  Typen  abgeleitet.  Über  verbale  Derivata, 
besonders  über  Kausativa  s.  §  192. 

Die  Denominativa  zeigen  naturgemäß  eine  mannigfaltige 
Stammentwicklung,  da  die  nominale  Stammbildung  in  der  idg. 
Grundsprache  reich  war.  Zum  Teil  haben  sich  Deverbativa  und 
Denominativa  durch  den  Akzent  unterschieden.  Aber  dieser 
Unterschied  ist  für  die  Lautgestaltung  von  germ.  Verben  gleich- 

12* 


i8o  VII.  Konjugation. 


gültig.  Aus  germ.  Mitteln  selbst  scheint  sich  sonst  ein  Akzent- 
wechsel erweisen  zu  lassen :  got.  pahan  ahd.  dagen^  ahd.  (Bened.- 
Regel)  frähen  —  sonst  fragen^  ahd.  hlosen  an.  hlora  'lauschen*, 
ahd.  f'ehön  fegön  'schmücken,  reinigen' ;  wohl  auch  got.  hausjan 
nasjan  wasjan  laisjan  raisjan  drausjan  wröhjan  gegen  ahd.  hörran 
nerian  werian  lerran  rerran  trörran  ruogan  Paul  Beitr.  7,  147;  eine 
Vermutung  über  den  Ursprung  dieses  grammatischen  Wechsels 
bei  schwachen  Verben  gibt  Sievers  Beitr.  9,  561. 

§  191.  Berührung  der  ja-  und  ^^-Konjugationen  des 
Germanischen  begegnet  nur  in  geringem  Umfang;  vgl.  got.  iamjan 
gegen  lat.  domäre  gr.  öa|udiu,  ahd.  hären  gegen  got.  hazjan^  got. 
hatan  hatjan\  ahd.  haben  asächs.  hebbian\  ahd.  sagen  asächs.  seg- 
gian^  ahd.  leben  asächs.  libbian^  ahd.  hogen  angls.  hycgan\  ahd. 
dröen  angls.  preagan\  ahd.  ftant  neben  got.  fijai-\  angls.  hette^id 
(got.  hatjan)  zu  hatian  got.  hatan\  dieses  und  anderes  Material 
bei  Sievers  Angls.  Gr.  §  415.  416.  Nach  Mahlow  13.  42  und  Kögel 
Beitr.  9,  517  war  das  ursprüngliche  Paradigma  dieser  schwachen 
Verba   auf  -jan   -ajan   durch   ein  Synkopierungsgesetz  geregelt: 

1.  Pers.  habjö  (aus  "^habajÖ)  =  angls.  hebbiu  secge\  2.  3.  Pers.  habais 
habaiß  [ai  =  aß)  =  ahd.  habes  habet  usw.;  Plur.  2.  Pers.  habaiß 
(ahd.  habet)  aus  '^habajid  und  "^habajaß  ==  asächs.  hebbiad  angls. 
secgad\  die  asächs.  angls.  Infinitive  secgan  hycgan  —  seggian 
huggian  dürften  älter  sein  als  die  entsprechenden  ahd.  sagen  hogen. 

Neben  diesen  kurzsilbigen  Verben  auf  -(a)jan  3.  Sg.  ~aiß  aus 
idg.  -ajö  -ajeti  besteht  ein  anderer  Typus  auf  idg.  -ejo  in  der 
Hauptmasse  der  schwachen  «/-Verba;  e  dürfte  mit  Mahlow  149 
durch  got.  armaiö  {faheßs})  etwa  in  got.  arman  armaida  wahr- 
scheinlich werden.  Ihre  Flexion  stimmt  vielfach  gesetzlich  mit 
der  von  hab(a)jan  zusammen  vgl.  got.  armais  armaip  wie  habais 
habaip\  andere  Formen  waren  durchaus  verschieden;  im  allge- 
meinen vgl.  Kögel  Beitr.  9,  516.  Idg.  -äjö  und  -öjö  steckt  in  den 
denominativen  Verben  auf  -ön\  got.  salbön  zu  germ.  salbö-,  karön 
zu  karö-,  ahd.  klagön  zu  klaga  Amelung  ZfdA.  21,  238.  Wegen 
der  gemeingerm.  Flexion  (i.  Pers.  salböjö  =  angls.  sealfie\  3.  Pers. 
salböp  aus  '^salbd{j)ip   =   got.  salbö p   angls.   sealfap    ahd.   salböt\ 

2.  Pers.  Plur.  salböp  (got.)  aus  '^salböjip  und  "^salböjap  =  angls.  seal- 
ß'ad;  3.  Sg.  Optat.  salböjai  =  angls.  sealfie  ahd.  salböe\  3.  PI. 
salböjain  =  angls.  sealfien  asächs.  tholojan  ahd.  salböjen\  Inf.  sal- 
böjan  =  angls.  sealfian  asächs.  tholojan\  Part,  salböjand-  =  angls. 
sealfiende  asächs.  wacojandi)  vgl.  besonders  Kögel  Beitr.  9,  505. 


VII.  Konjugation.  i8i 


Die  idg.  Verba  auf  -ejö  besitzt  das  Germanische  als  y^-Verba ; 
über  die  Deverbativa  vgl.  §  192.  An  Denominativen  kommen  Ab- 
leitungen aus  Adjektiven  in  Betracht  wie  got.  fulljan  qiujan  'voll, 
lebendig  machen'  aus  *fuUejö  ^qiwejo  =  idg.  plnejö  giwej6\  auch 
ahd.  frewen  festen  starken  garawen  usw.;  ferner  Ableitungen  aus 
Substantiven  wie  got.  namnja  aus  idg.  nomn-ejö.  Einige  Verba 
auf  -Jan  weisen  auf  germ.  /-Stämme  zurück :  got.  dailjan  matjan 
wenjan  —  hrainjan  gamainjan  vgl.  Scherer  ZGDS  *  183.  Die  Be- 
deutung der  jö  (=  /70) -Verben  ist  durchweg  die  faktitive  'froh 
machen,  einen  Namen  machen,  losmachen'  usw. 

§  192.    Stammbildung  der  Faktitiva. 

I.  Kausativa  auf  idg.  -ejö  {-ejesi  -ejeti  Msvf.  mit  höherer  Ablaut- 
stufe der  Wurzel  z.  B.  sodejö  Wz.  sed^  loghejö  Wz.  legh,  bhoidejo 
Wz.  bhid^  bhoudhejö  Wz.  bhüdh  usw.).  Innerhalb  des  Germanischen 
tritt  -jö  (für  eigentliches  -ijö)  ein,  wodurch  vielfach  Berührungen 
mit  den  §  164  behandelten  starken  Präsentien  entstehen.  Zusammen- 
hang mit  der  im  Indischen  erscheinenden  Akzentuation  {sädäyämi  = 
got.  satja^  äddyämi  ==  ahd.  ezzu,  svedäyämi  =  ahd.  sweizzti)  zeigt 
der  grammatische  Wechsel  gegenüber  den  Primitiven;  vgl.  got. 
fra-wardjan  'vernichten'  v\Qb&n  fra-wazrpan  'umkommen';  anord. 
hldegja  'lachen  machen'  zu  got.  hlahjan  'lachen';  asächs.  ledian 
'leiten'  zu  lidan  'gehen';  ahd.  ginerian  'erretten'  neben  ginesan 
'genesen';  ahd.  hengan  'aufhängen'  neben  hähan  'hangen';  weitere 
Beispiele  für  Faktitiva  mit  grammatischem  Wechsel  sind  asächs. 
lerian  (got.  lais  'ich  weiß');  ahd.  trören  'abwerfen'  (got.  driusan 
'fallen');  ahd.  reren  'fallen  lassen'  [risan  'fallen');  mhd.  vroeren 
'frieren  machen'  {vriesen  'frieren');  vgl.  Verner  KZs.  23,  120.  Ur- 
sprünglich sind  die  Kausativa  aus  der  Wurzel  gebildet,  ohne 
irgendwie  vom  Präsens  abhängig  zu  sein;  doch  hat  das  Germani- 
sche kein  Zeugnis  von  Evidenz  hierfür  (Spuren  werden  gleich 
angedeutet).  Vielmehr  herrscht  für  Kausativa  innerhalb  des  Ger- 
manischen völlige  Abhängigkeit  von  dem  Präsensstamm,  der  ja 
allerdings  meist  Verbalstamm  geworden  ist;  vgl.  ahd.  sceinen 
'zeigen'  zu  der  germ.  Wz.  skt  wegen  scinan\  got.  brannjan  zu 
der  germ.  Wz.  br'en  wegen  brinnan\  got.  rannjan  zu  der  germ. 
Wz.  r'en  wegen  rinnan\  got.  kannjan  zu  der  germ.  Wz.  kun  (idg. 
gdn  gnö)  wegen  kunnan\  eine  zweifelhafte  Spur  alter  Formation 
steckt  wohl  noch  in  got.  sandjan  gegen  ahd.  sinnan  (aus  *sentnd 
*sntnö  wegen  got.  sinßs  altir.  set}).  Kausativa  zu  Verben,  die  in 
geschichtlicher   Zeit  nur  schwach   flektieren,   setzen   alte   starke 


i82  VII.  Konjugation. 


Verba  voraus:  ahd.  sweizzen  zu  swizzen,  wecken  zu  wahhen, 
kleinen  zu  hlinin^  got.  usgaisjan  zu  usgeisnan^  ahd.  lerren  zu 
Urnen  §  i68;  beachte  got.  gatarhjan  (:  ind.  dargäyämi)  zu  der 
idg.  Wz.  fl^(?ry^  (gr.  öepKO)iiai).  Einige  alte  Kausativa  haben  nur 
kausativische  Form,  ohne  je  Primitiva  besessen  zu  haben:  ahd. 
wecku  hrettu  =  ind.  väjdyämi  grathdyämi\  angls.  ß^cce  ßenne  cenne 
haben  die  Bedeutung  ihrer  vorhistorischen  Primitiva  (lat.  tego  ind. 
tanömi jänämiT)\  auch  zu  got.  tandjan  'anzünden'  mit  dem  Medial- 
verb tundnan  'brennen'  fehlt  eine  starke  Verbalwz.  tend  tenp. 

Ablaut  in  schwachen  Verben  ist  selten;  vereinzelt  sind  ahd. 
Störren  gegen  angls.  styrian^  ahd.  anabören  gegen  ahd.  burien. 

Von  Kausativen  denominativen  Ursprungs  zeigen  got.  daupjan 
zu  diups^  ahd.  giwennen  zu  giwon  (an.  vanr)^  angls.  fremman  ahd. 
frummen,  angls.  blendan  zu  blind  Ablaut  (ZfdW.  VII  i68).  Gram- 
matischen Wechsel  zeigen  an.  vigja  'heiligen'  zu  got.  weihs^  got. 
gafahrjan  zu  fagrs^  angls.  n^gan  'nahen'  aus  "^negjan  zu  got. 
neJvs^  got.  "^ga-anpjan  zu  andeis  Germ.  8,  l ;  got.  huggrjan  zu 
hührus\  got.  söpjan  (angls.  dsedan  'sättigen')  zu  saps  'satt';  ahd. 
scinten  zu  an.  skinn  (aus  ^^skinpa-).  Doch  zeigt  die  Mehrzahl  der 
Denominativa  weder  Ablaut  noch  grammatischen  Wechsel  (germ. 
lausjan  zu  latisa-^  got.  nehjan  ahd.  nähen^  ahd.  chunden^  got. 
weihjan  ahd.  wihen).  Beachtenswert  sind  noch  ahd.  irteilen  neben 
urteil^  irfürren  (angls.  äfyran)  neben  ürfür,  irlöuppen  neben  ürloub^ 
irlössen  neben  ürlosi,  irmdrren  neben  ürmäri,  angls.  wipstyllan 
neben  wipersteall^  got.  andwdurdjan  neben  dndawaurdi:  das  be- 
tonte Präfix  nominaler  Zusammensetzungen  verliert  in  zugehörigen 
denominativen  Verben  den  Akzent,  soweit  es  alte  Denominativa 
sind.  Aber  in  jüngeren  Denominativen  derselben  Bildungsweise 
richtet  sich  die  Betonung  nach  dem  Nomen  (ahd.  dntwurti  dazu 
dntwurte7t^  angls.  öndswaru  dazu  öndswerian). 

§  192  b.  Durativa  mit  ö;/-Typus  in  ahd.  w'eren  'währen'  zu 
ahd.  wesan^  got.  haban  zu  hafjan  (lat.  capid)  mit  grammatischem 
Wechsel  wie  in  ahd.  dagen  'schweigen'  neben  got.  pahan  (=  lat. 
tacere).  Hierher  got.  witan  Prät.  witaida  'schauen'  =  lat.  videre^ 
got.  silan  Prät.  silaida  =  lat.  silere.  Das  Germanische  teilt  diesen 
Verbaltypus  mit  dem  Latein  (vgl.  die  lat.  ^-Präsentia  sedeo  jaceo). 
So  entspricht  got.  pulan  Vv'iX.  pulaida  der  starken  Verbalwz.  lat.  tollo 
und  tuli,  die  auch  durch  das  //-Abstraktum  ahd.  gidult  vorausgesetzt 
wird;  vgl.  got.  liban  Prät.  libaida  mit  dem  st.  Ztw.  got.  biliban  (gr. 
Xmapeuj),  ahd.  hangen  neben  hähan.  Weitere  Beispiele  ZfdW.  VIII 28. 


VII.  Konjugation.  183 


§  193.  Inchoativa  (Egge  American  Journ.  of  Philol.  7,  38) 
wie  got.fullnan  'voll  werden',  andbundnan  ' sich.  \öse.n\  2in.  kvikna 
'lebendig  werden,  aufleben',  angls.  druncnian  'trunken  werden'. 
Das  Gotische  bildet  sie  2M.{-nan  -nöda  für  gemeingerm.  -anön-anöda\ 
a  und  i  werden  im  Gotischen  in  drei-  und  mehrsilbigen  Wort- 
formen bei  schwerer  Endung  gesetzlich  synkopiert;  vgl.  mikildüps 
gamaindüßs  für  *mikiladüßs  *gamainidüßs,  kaupasta  für  "^  kaupatida^ 
'*'  ainnöhun  für  *atnanöhun  oder  ^aininöhun^  jaindre  für  *jainadre^ 
auhmista  für  *  auhumista.  Die  Verba  auf  urgerm.  -anon  sind  Ab- 
leitungen des  Passivpartizips  auf  -ana  (idg.  -ono  §  183)  vgl.  got. 
gaskaidnan  andUtnan  ushtknan  usgutnan\  dazu  kommen  adjek- 
tivische Ableitungen  wie  gablindnan  gadaubnan  ushauhnan  Braune 
§  194.  Übereinstimmung  mit  got.  gabatnan  gafullnan  paürsnan 
gawaknan  u.  a.  zeigen  an.  batna  fullna  porna  vakna  Zimmer  ZfdA. 
19,  416.  Aus  dem  Westgermanischen  vgl.  angls.  eacnian  zu  eacen^ 
druncnian  zu  druncen,  ahd.  wesanen  'welk  werden'  und  adjekti- 
vischen Ursprungs  angls.  gefcestnian  fsetnian. 

Ein  einfacherer  Inchoativ-Typus  zeigt  sich  bei  Adjektivablei- 
tungen wie  zhd.fülen  'faul  werden',  grämen  'grau  werden',  gruonen 
'grün  werden',  quehhen  'lebendig  werden',  tunklen  'dunkel  werden', 
warmen  'warm  werden',  weihhen  'weich  werden';  substantivischer 
Herkunft  sind  die  Inchoativa  ahd.  tagen  'Tag  werden'  und  äbanden 
'Abend  werden'.  Das  Alter  dieser  Bildungsweise  ergibt  sich  so- 
wohl aus  Ablautserscheinungen  wie  ahd.  toben  neben  toub  'un- 
sinnig' und  mhd.  sochen  'krank  werden'  neben  mhd.  siech  als  auch 
aus  der  Übereinstimmung  von  mhd.  röten  'rot  werden'  (mit  Ablaut 
zu  rot)  mit  lat.  rubere  und  aslav.  rüd^ti  'rot  werden'  (idg.  Adj. 
roudho-s  'rot'). 

§  194.  Intensiva  auf  -atjan  und  -ön  -alön  -arön  -aqön. 

a)  Got.  swögatjan  lauhatjan  kaupatjan ;  angls.  hleapettan  hoppettan 
spornettan  bealcettan  cohhettan  cancettan  gyrrettan\  ahd.  slagazzen 
sprungezzen  fuolezzen  flogezzen  usw.  Kögel  Beitr.  7,  183  vergleicht 
die  griech.  Verba  auf  -dZiuj,  so  daß  got.  lauhatjan  auf  *loukadjö 
(vgl.  gr.  XeuKttb-  lat.  lücidus  ?)  zurückzuführen  wäre. 

b)  Auf  -ö  mit  Hochstufe  der  Wurzelsilbe ;  vgl.  got.  bilaigön  zu 
gr.  Xeixuj  (lat.  lingo)^  got.  wlaitön  zu  angls.  wlitan,  got.  Ivarbön  zu 
hairban\  ahd.  streihhön  zu  strthhan^  greiffdn  'tasten'  zu  griff  an  ^ 
screiön  zu  scrian,  sprangön  'sprudeln'  zu  springan^  beitön  zu  bitan, 
brastön  zu  br'estan^  wagön  zu  wegan,  scarbön  'zerschneiden'  zu 
angls.  sceorfan. 


184  VII.  Konjugation. 


c)  Auf  -alön  -ilön\  shd.krankolön  skrankolonzaboldnspratolönklin- 
gildn  kizzilön  usw.,  angls.  fyrclian  ticelian  spearnlian  steartlian 
tearflian  twinclian  und  die  Denominativa  angls.  wordlian  cneowlian 
handlian  gefystlian  nestUan  ahd.  siohhalön  und  bei  Otfrid  dawolön 
zu  Wz.  dau  'sterben'. 

d)  Auf  -arön ;  vgl.  ahd.  zwizzarön  flogarön  släfarön  chouwarön 
sowie  angls.  flicorian  flotorian  ßotorian. 

e)  Auf  -aqön  -iqön  (vgl.  got.  *bidaqa  'Bettler',  falls  bidagwa  ver- 
schrieben): ahd.  hörahhön  'horchen'  zu  hörren\  angls.  bedecian 
'betteln'  (zu  got.  *bidaqa)^  ceorcian  zu  ceorian^  fercian  murcian 
grüncian  smercian  (für  "^ smeorcianT)  becarcian  ästyfecian  (an.  stüfr 
styfä)  äswefecian\  mittelengl.  talken  'schwatzen'  zu  teilen^  runken 
zu  rounen^  schtrken  zu  schtren^  lurken  zu  louren^  skulken  zu  skoulen, 
granken  zu  grönen^  dwalken  zu  dwellen^  walken  'gehen'  zu  angls. 
weallian  'wallen',  stalken  'schreiten'  (vgl.  angls.  stealcung  'das 
Schreiten')  zu  angls.  styllan ;  ferner  mndl.  htirken,  an.  kveinka.  De- 
nominativ sind  angls.  gearcian  yldcian  cearcian  —  becarcian  ? 

Kap.  42.     Personalendungen. 

§  195.  Von  Haus  aus  hat  das  Germanische  in  Übereinstimmung 
mit  andern  idg.  Sprachen  in  allen  Temporibus  und  Modis  ver- 
schiedene Personalendung  für  je  3  Personen  in  den  ursprünglichen 
drei  Numeris  besessen.  Der  ursprüngliche  Reichtum  an  Personal- 
endungen aber  nimmt  im  Lauf  der  Zeit  immer  mehr  ab.  Schon 
im  Gotischen  zeigt  sich  Reduktion  des  alten  Bestandes  im  Passivum, 
indem  die  3.  Person  Plur.  auch  die  Funktion  der  i.  und  2.  Pers. 
Plur.  mit  versieht,  die  ursprünglich  ganz  andere  Endungen  hatten 
(§  202);  so  hat  im  Sing,  die  3.  Pers.  (bazrada)  auch  die  i.  zu  ver- 
treten, die  urgerm.  berai  hieß.  Im  Angelsächsischen  ist  der  Plural 
im  Indikativ  und  Optativ  Präs.  und  Prät.  durch  alle  Formen  gleich- 
lautend, ursprünglich  aber  hießen  nur  die  3.  Pers.  so:  angls.  bäron 
'wir,  ihr,  sie  trugen'  ist  eigentlich  nur  3.  Pers.  =  got.  berun  'sie 
trugen'.  Im  Altnordischen  hat  die  2.  Pers.  Präs.  /e/lr  'du  fällst' 
(=  got.  */allzs)  auch  die  3.  Person  (got.  '^fallip)  zu  vertreten.  Im  Spät- 
althochdeutschen (Alemannisch)  ist  nement  'sie  nehmen'  auch  gleich 
'ihr  nehmt'.  Also  einzelne  Personalendungen  sterben  aus,  indem 
andere  Personen  ihre  Funktion  ausdehnen. 

Der  Reichtum  der  Erbformen  war  deswegen  so  groß,  weil  die 
idg.  Grundsprache  für  jede  Person  zwei  Endungen  besaß:  eine 
sogenannte  primäre  und  eine  sekundäre ;  die  primären  Formen  ge- 


VII.  Konjugation.  185 


bührten  wesentlich  dem  Indikativ  des  Präsens,  die  sekundären 
allen  Optativen  und  den  historischen  Temporibus.  Ursprünglich 
bestand  eine  enge  Konformität  zwischen  den  beiderlei  Endungen, 
etwa  primär  als  -mi  -st  -ii  3.  PI.  -nti —  sekundär  als  -m  -s  -t  -nt 
darzustellen.  Eine  weitere  Reduktion  des  Formenbestandes  äußert 
sich  nun  noch  so,  daß  die  primären  Endungen  eintreten,  wo  von 
Haus  aus  sekundäre  bestanden,  und  umgekehrt. 

§  196.  Singular.  Erste  Person.  Über  das  primäre  -mi  und 
-ö  vgl.  Scherer  ZGDS^  173.  Das  Germanische  hat  überwiegend  -o 
=  got.  -a  westgerm.  -u\  vgl.  got.  batra  ahd.  biru  altmerc.  beoru 
aus  germ.  bero  =  gr.  cpepoi ;  got.  tiuha  ahd.  ziuhu  aus  germ.  ieukd 
=  lat.  äztco ;  got.  tei/ia  ahd.  zf/tu  =  lat.  äfco  (idg.  b/ie'rö  deukö  deiko). 

Außer  in  got.  im  und  asächs.  bium  ahd.  bim  'bin'  §  169  zeigt 
sich  das  alte  m  der  mi-Yoxm.  (gr.  öibujjui  TiGr||Lii)  nur  noch  west- 
germ. in  ahd.  tuom  gam  stäm  und  habem  salböm  sowie  in  angls. 
(merc.  northumbr.)  dorn  {beom  fleom  Vespas.  Ps.  138,  7). 

Die  Sekundärendung  ist  idg.  -m  =  germ.  -n\  run.  tawidö  aus 
^tawidön^  ahd.  nerita  aus  '^nazidön\  über  die  aoristische  Flexion 
der  schwachen  Präterita  vgl.  §  175.  Außerdem  got.  iddja  für  *iddjen 
idg.  e-ye-m  =  ind.  d-j/ä-m.  Für  got.  bairau  an.  bera  als  i.  Pers. 
Optat.  ist  Kontraktion  aus  *beraju(m)  aus  idg.  bheroym  nach  Paul 
Beitr.  4,  378  die  einzige  haltbare  Erklärung. 

Zweite  Person.  Suffix  war  primär  -si\  sekundär  ^  gemein- 
indogerman.;  got.  bairis  aus  *berezi*beresi  =  ind.  bhdrasi  ttidäsi\ 
der  Spirant  ist  tönend  gewesen  nach  an.  -r,  tonlos  nach  ahd.  -is^ 
angls.  -es  Paul  Beitr.  6,  549.  —  Die  Sekundärendung  bewahrt  der 
Aorist  got.  naside-s  (aus  vorgerm.  U-s)\  ferner  der  Opt.  Präs.  got. 
bairais  ahd.  beres  gr.  q)epoi5  ind.  bhdres\  der  Optat.  Aor.  und  Perf., 
sowie  der  Optat.  im  »^/-Präsens:  got.  ber-ei-s  aus  urgerm.  beriz^ 
nasidideis  wileis  ahd.  sis.  Im  Optat.  scheint  s  im  German.  tönend 
gewesen  zu  sein:  got.  wileis  =  ahd.  wi/i  angls.  wile;  got.  bairais 
=  angls.  b'ere  usw.  Über  got.  bereis  =  ahd.  bäri  angls.  bskre  siehe 
weiter  unten. 

Anmerkung.  Der  Imperativ  ist  german.  endungslos :  got.  hilp  ahd.  hilf  angls. 
help.  Die  idg.  Endung  war  €  in  gr.  q)^pe  äY€  TUirre ;  das  'S  ist  urgerman.  als  S 
(nicht  als  T,  vgl.  §  140  Anm.)  apokopiert;  ahd.  hilf  steht  unter  dem  Einfluß  von 
hilfu  hilfis  hilft. 

Dritte  Person.  Suffix indogerman.  primär-//, sekundär-/:  angls. 
-id  -ed  aus  urgerm.  -ißi^  ahd.  -//  aus  urgerm.  -^edi  (got.  -iß)\  vgl.  ind. 
bhdrati  tuddti.  Die  Sekundärendung  fiel  gemeingerman.  ab  im 
Aor.  nasida   aus   -tV,   im  Optat.  got.  bairai  ahd.  angls.   b'ere   aus 


i86  VII.  Konjugation. 


urgerm.  -aid  =  idg.  -oit  (ind.  bhdrit  gr.  qpepoi);  got.  ahd.  wili 
=  idg.  veli-t  (lat.  z'^///);  ahd.  st  =  vorgerm.  sz-t  (lat.  sif). 

§  197.  Plural.  Erste  Person.  Primär-  und  Sekundärsuffix 
sind  nicht  ganz  sicher  ermittelt.  Wahrscheinlich  ist  das  idg.  primäre 
-^mes  ibheronies)  german.  mit  Synkope  in  dritter  Silbe  durch  -miz 
zu  -mz  -mm  -m  geworden  (vgl.  got.  hanam  aus  "^hananmiz)  :  got. 
bairam  an.  herum. 

Nach  Scherer  ZGDS^  191  (Kögel  Beitr.  8,  126)  gilt  im  Althoch- 
deutschen ursprünglich  -mes  als  Primär-  und  -m  als  Sekundärsuffix. 
Das  .y  von  ahd.  -mes  beweist  nach  Beitr.  6,  547,  daß  der  Akzent 
vorgerman.  auf  dem  e  geruht  haben  muß;  unbetontes  urgerm.  e 
bleibt  nach  §  147  erhalten;  also  verhält  sich  germ.  m{i)z  :  mes 
=  idg.  -^mes  :  -mis  (idg.  bhero-mes  aber  i-mis)  vgl.  dor.  -|Lieg  ind. 
-mas^  d.  h.  es  gab  idg.  -mes  bei  den  Ä>2/-Verben,  sofern  sie  die 
Personalendung  betonten,  und  das  Althochdeutsche  hat  ja  auch 
sonst  mehr  Reste  der  ;;^2-Konjugation  bewahrt  als  die  übrigen 
Dialekte.  In  diesem  Falle  hat  eine  idg.  betonte  Endung  lautlich 
unverändert  bleiben  müssen. 

Das  Sekundärsuffix  idg.  -men  (Joh.  Schmidt,  Jen.  Lit.-Ztg.  1878 
S.  179)  wurde  urgerm.  -m\  dazu  zeigen  got.  bairaima  bereima  eine 
junge,  vielleicht  allerdings  gemeingerm.  Erweiterung,  die  auch 
in  ahd.  b'erem  an.  berem  stecken  kann,  falls  g  die  eigentliche  An- 
fügung war;  doch  vgl.  §  200  Anm. 

Zweite  Person.  Das  Indische  unterscheidet  primär  -tha  und 
sekundär  -ta :  ind.  bhdratha  (=  idg.  bherethe)  und  Optativ  bhdrita 
(=  idg.  bheroite)^  Imperf.  äbharata  (==  idg.  ebherete) ;  das  Griechische 
hat  nur  -te  promiscue.  Im  Germanischen  mußten  beide  Formen 
zusammenfallen,  und  so  hat  das  Gotische  Ind.  bairip^  Opt.  bairaip^ 
Perf.  beru-ßj  Opt.  berei-p^  Aorist  nasidedu-p.  Außerhalb  des  Go- 
tischen schwankt  der  Mittelvokal  der  ^-Verba  im  Präsens;  das 
Althochdeutsche  der  Monseer  Fragmente  zeigt  in  Übereinstimmung 
mit  dem  Gotischen  die  Endung  -//  {quidit  'dicitis')  Joh.  Schmidt 
KZs.  23,  359.  Demnach  ist  birid  qipid  usw.  (==  gr.  cpepere  idg. 
bherefe)  als  gemeingerm.  anzusetzen  ;  und  ahd.  gebaf  asächs.  gebad 
angls.  gifap  stehen  unter  dem  Einfluß  der  3.  Pers.  Plur.;  bei  angls. 
berap  ist  noch  die  tonlose  Spirans  zu  beachten. 

Dritte  Person.  Sie  hat  indogerm.  Primärsuffix  -nti^  Sekundär- 
suffix -nt\  got.  bairand  ahd.  berant  aus  urgerm.  berand(i)  =  idg. 
bheronti  ind.  bhdranti  dor.  9epovTi.  Im  Angelsächsischen  kann 
farad  (Sievers  Angls.  Gr.  §  360)  aus  ^faröp  für  "^faranp  auf  ein 


VII.  Konjugation.  187 


germ.  -anp{i)  hinweisen,  so  daß  abermals  wie  in  gifed  der  Akzent 
der  Aoristpräsentia  (ind.  tuddmi)  zur  Geltung  käme.  Ob  für  asächs. 
faradfarat  die  gleiche  Erklärung  anzunehmen  wäre,  ist  unsicher. 
—  Die  Sekundärendung  mußte  gemeingerm.  ihren  Dental  ver- 
lieren: daher  got.  berun  aus  *bhernt\  nasidedun  aus  -nt\  im  Opt. 
*bheroint  ist  zunächst  '^berain  eingetreten,  und  daraus  wurde  got. 
hairaina^  ebenso  Perf.  bereina  —  nach  dem  Muster  der  i.  Pers. 
Präs.  bairaima  Prät.  bereima.  Die  westgerm.  Dialekte  vertragen 
die  got.  Grundform,  weisen  aber  eher  mit  an.  bere  b^re  direkt 
auf  germ.  berain(d)^  berin{d). 

§  198.  Dual.  Seine  Endungen  machen  Schwierigkeiten.  In 
der  I.  Pers.  ist  got.  bair-ös  im  Verhältnis  zu  ind.  bhdr-ä-vas  un- 
klar; es  wird  Kontraktion  vorliegen;  Primärendung  scheint  nach 
dem  Ind.  ein  idg.  -wes  zu  sein :  got.  bairos  aus  germ.  b'eröz  für 
*b'erduz  für  *berdw{e)s.  Dazu  sekundär  -we  z.  B.  idg.  bheroiwe 
(=  aslav.  -vS\  woraus  got.  ^bazraiwa^  und  daneben  -we  im  Aor. 
und  Perf.:  got.  beril  für  eigtl.  berü  (QF.  32,  91)  aus  '^beruwe  = 
bher-d-we  (ind.  -ivd)^  run.  (Stein  von  Järsburg)  waritu  für  ^writü 
aus  "^writuwe  'wir  beide  ritzten'. 

Anmerkung.  Wahrscheinlich  hängt  die  idg.  Endung  -we(s)  zusammen  mit 
dem  idg.  Pronominalstamm  we-  'wir  beide'  in  got.  wit  'wir  beide'  (vgl.  unten 
§  254).  Wahrscheinlich  ist  die  Primärendung  -wes  frühzeitig  an  die  i.  Pers. 
Sing.  Präs.  auf  -o  {bhero)  getreten:  idg.  bhero-wes  ist  die  wahrscheinlichste 
Grundlage  für  got.  bairos  \  vgl.  Brugmann  IF.  24,  165.  314. 

Das  Gotische  hat  für  die  2.  Dualis  primär  und  sekundär  die 
Endung  -ts  {baira-ts  bairai-ts  beru-ts)  wohl  aus  germ.  -tiz  -tes, 
eine  dem  Anschein  nach  ursprünglich  primäre  Endung.  Dieser 
Form,  von  der  sich  in  den  übrigen  germ.  Sprachen  keine  Spur 
erhalten  hat,  steht  wohl  ind.  -ihas  {bhdra-thas)  zunächst,  wenn 
man  annehmen  darf,  daß  das  got.  /  (an  Stelle  des  nach  §  31  b  zu 
erwartenden  d  resp.  /)  bei  wZ-Präsentien  mit  tonlosem  Reibelaut 
im  Stammausgang  eingetreten  wäre,  so  daß  etwa  dem  ind.  s-thäs 
'ihr  beide  seid'  (=  lat.  estis  'ihr  seid')  eine  germ.  /.y-Form  ent- 
spräche (vgl.  got.  waist  =  gr.  oiaGa). 

§  199.  Perf.  Ind.  Sing.  Dieser  hat  seine  eigenen  Endungen, 
während  die  übrigen  Perfektformen  ebenso  wie  die  Aoristformen 
sich  der  allgemeinen  Sekundärendungen  bedienen.  Auch  im  Grie- 
chischen und  Indischen  geht  der  Sing.  Perf.  eigene  Wege,  und 
dazu  stimmt  das  Altgermanische ;  vgl.  gr.  oiba  oiaOa  oiöe  =  ind. 
v^da  vittha  vida  =  got.  wait  waist  wait  resp.  bar  bart  bar.  Das 
idg.  -tha  der  2.  Perf.  Sg.  ist  im  Germanischen  nur  als  /  bewahrt 


i88  VII.  Konjugation. 


(doch  vgl.  §  169  angls.  ar-ß  'du  bist*  aus  *ar-ika) ;  darüber  vgl. 
KZs.  26,  91.  Dafür  zeigen  alle  westgerm.  Dialekte  die  ent- 
sprechende Optativform  auf  -iz  als  Indikativform :  ahd.  bäri  =  got. 
bireis,  ahd.  nämi  =  got.  nemeis,  ahd.  zugi  aus  germ.  tw^tz^  vgl. 
den  Optativ  lat.  velis  =  got.  wileis  =  ahd.  andd.  wilt. 

Kap.  43.  Die  Modusbildung, 

§  200.  Der  idg.  Konjunktiv  fehlt  dem  Germanischen  gänzlich ; 
eine  Spur  ist  das  Imperativisch  gebrauchte  got.  ögs  Joh.  Schmidt 
KZs.  19,  291  (ZfdPh.  5,  355). 

I.  Der  idg.  Optativcharakter  ist  nach  Joh.  Schmidt  KZs.  24, 
303  ablautendes  -ze-  -yi-  :  -t-  z.  B.  im  Optat.  Präs.  der  idg.  Wz.  es 
'sein' :  s-ie-m  s-ie-s  s-ie-t  Flur,  s-f-men  s-i-fe  stnt.  Das  Germanische 
hat  die  starken  Formen  aufgegeben  (vgl.  lat.  sim  sts  sit  für  altlat. 
siem  sies  siet)  und  kennt  nur  f  und  zwar: 

a)  Im  Perfektum  got.  ber-ei-s  Plural  ber-ei-ma  ber-ei-ß  ber-ei-na\ 
ahd.  wurt-t-  Plural  wurt-t-m  wurt-i-t  wurt-t-n. 

b)  Im  Dentalpräteritum  got.  nasided-ei-s  nasided-ei-ma  usw.,  ahd. 
nerit-t-s  nerit-t-m. 

c)  Bei  den  Präteritopräsentien  z.  B.  got.  skul-ei-na  gadaürs-ei-na 
ßaürb-ei-na  =  angls.  scylen  dyrren  ßyrfen  ahd.  scultn  gittirrin 
durftn  usw. 

d)  Bei  einzelnen  zerstreuten  Resten  der  »^/-Konjugation  got. 
wil-ei-ß  lat.  vel-t-tis^  ahd.  ge-m  stem  aus  ga-t-m  sta-i-m  (vgl.  ind. 
stheyäm  gr.  cTiairiv  lat.  stem  Müllenhoff  ZfdA.  23,  16).  Über  germ. 
kutn-i-  (angls.  cyme^  zu  qeman  vgl.  oben  §  166.  Dem  lat.  simus 
sitis  entspricht  ahd.  stm  stt\  das  got.  sijais  sijainia  sijaiß  usw. 
=  an.  ser  sem  sed  Joh.  Schmidt  Voc.  II  413  scheint  auf  idg.  siem 
sies  siet  =  lat.  siem  sies  siet  ind.  siäm  siäs  siät  usw.  zurückzu- 
deuten,  allerdings  unter  Einwirkung  des  Haupttypus,  indem  idg. 
siet  zu  got.  "^sia  ^sija  durch  bairai  beeinflußt  wurde  (ebenso  angls. 
seo  neben  si). 

Anmerkung.  Das  a  in  got.  bairaima  bairaina  und  bere'wia  bereina  scheint 
eigtl.  nur  den  ersten  und  nicht  auch  den  dritten  Pers.  des  Plurals  zuzukommen. 
Es  gilt  als  ursprgl.  selbständige  Optativpartikel,  wird  aber  besser  mit  Wiedemann, 
Lit.  Handb,  S.  109  mit  der  Annahme  erklärt,  daß  im  Indogerm.  -jne  und  -we 
Sekundärsuffixe  der  i.  Plur.  und  Dual  gewesen  seien. 

2)  Der  Haupttypus  der  Optativbildung  herrscht  im  Präsens  der 
ö-Flexion,  wo  oi  (aus  eigentlichem  0  -{-  f)  =  germ.  ai  den  Optativ- 
charakter ausmacht:  idg.  bher-oj-dm  bher-oi-s  bher-oi-t  Plur.  bher- 
oimen  bheroite  bherojdnt  =  ind.  bhär-e-s  bhdr-e-t  gr.  q)epOi^  qpepoi 


VII.  Konjugation.  189 


=  got.  bairais  bairai  Plur.  bairaima  bairaip  bairaina  ahd.  beres 
b'ere  Plur.  b'ereni  b'eret  berat  usw.  Vom  got.  Mediopassiv  gilt  das 
gleiche:  got.  bair-ai-zau  bair-ai-dau  bair-ai-ndau. 

§  201.  An  Imperativformen  fehlt  allen  germ.  Dialekten  die  2. 
Fers.  Sg.  auf  idg.  -dhi  der  ;^^/-Flexion,  weil  die  wZ-Flexion  auch 
sonst  sehr  eingeschränkt  ist  (gr.  kXööi  i0i  ind.  i-hi  bo-dhi  usw.). 
Von  der  3.  Fers.  Sg.  Flur,  auf  idg.  -etu  -ontu  (ind.  bhdratu  bkdrantu) 
bewahrt  nur  das  Gotische  verdunkelte  Reste  in  atsteigadau  Matth. 
27*2  Mark.  15^2^  lausjadauyi.-a.\X\i.  27*2,  Uugandau  i.  Kor.  7».  Scherer 
zGDS*  199  akzeptiert  die  Meinung  Bopps  (vgl.  Gramm.  2,  254), 
der  die  medialen  Formen  des  Indischen  auf  -tarn  -ntäm  (ind.  bhdra- 
täni  bhärantäm)  vergleicht. 

Die  herrschenden  germ.  Imperativformen  der  2.  Fers.  Sing,  und 
Flur,  haben  Apokope  von  e  erfahren:  den  idg.  bhere  (ind.  bhdra 
gr.  qpepe  lat.  tunde)  und  bherete  (ind.  bhärata  gr.  qpepeie)  ent- 
sprechen got.  bair  und  bairiß ;  übrigens  ist  im  Germanischen  die 
2.  Flur.  Imper.  mit  der  entsprechenden  Indikativform  identisch, 
wie  auch  die  i.  Flur.  got.  bairam  und  die  2.  Dual  got.  bairats 
mit  den  Indikativformen  übereinstimmen. 

Eine  erstarrte  Imperativform  innerhalb  des  Westgermanischen 
ist  wohl  angls.  wuton  titon  =  asächs.  witzm,  das  als  Rest  eines 
W2- Verbs  zu  witan  'gehen'  gehören  könnte.  Unerklärt  ist  der 
Ursprung  von  got.  hiri  Flur,  hirjiß  Dual  hirjats  'komm,  kommt 
hierher'. 

Kap.  44.     Fassivum. 

§  202.  Von  dem  idg.  Fassivum  bewahrt  das  Germanische  nur 
noch  wenige  trümmerhafte  Fräsensformen :  das  Nordische  und 
das  Westgermanische  zeigen  nur  noch  von  dem  einzigen  Verb 
haitan  je  eine  präsentische  Verbalform  des  Fassivs.  Reicher  ist 
es  im  Gotischen  vertreten,  aber  auch  schon  durch  Formenüber- 
tragungen und  Formenverluste  arg  gestört.  So  fehlt  schon  im 
Gotischen  völlig  der  alte  Dual  (vgl.  ind.  bhärävahe  bhärethe  bhdreti 
im  Indikativ).  Und  das  idg.  bheroftfai  der  3.  Flur.  (ind.  bkdrantu 
gr.  cpepovTai)  übernimmt  in  got.  bairanda  zugleich  die  Funktion 
der  I.  und  2.  Flur.,  so  daß  das  Gotische  wie  überhaupt  das  Ger- 
manische für  gr.  q)epö)Lie6a  9epeTr|V  und  für  ind.  bhdrämahe  bhd- 
radhve  keine  Spur  von  Entsprechungen  bewahrt.  Wahrscheinlich 
hatte  im  Germanischen  die  3.  Fers,  im  Flur,  zunächst  nur  dife 
Funktion  der  i.  Flur,  übernommen.   Denn  im  Gotischen,  das  für 


igo  VII.  Konjugation. 


gr.  qpepoiLiai  und  ind.  bhdri  als  i.  Sing,  keine  Entsprechung  hat, 
erscheint  offenkundig  die  3.  Person  (idg.  bhereiai  =  gr.  cpepetai 
ind.  bhärate)  auch  als  i.  Person.  Die  2.  Pers.  idg.  bheresai  (gr. 
(p^peai  ind.  bhdrast)  zeigt  sich  noch  als  got.  bairaza^  indem  das 
thematische  e  der  idg.  Grundform  wie  in  der  3.  Pers.  (idg.  bheretai 
=  got.  bairadd)  unter  dem  Einfluß  der  Pluralform  {bairanda) 
durch  a  ersetzt  ist. 

Das  Gotische  bewahrt  außer  diesen  Indikativformen  noch  die 
parallelen  Optativformen  bairaizau  bairaidau  bairaindau.  Wenn 
man  als  idg.  Grundformen  der  3.  Sing.  Plur.  bheroito  bherointo 
=  ind.  bhdreta  gr.  cpepoiTo  cpepoiVTO  annehmen  darf,  sollte  man 
^beraid  ^beraind  als  germ.  Entsprechungen  erwarten. 

Anmerkung.  Ein  zugehöriger  Partizipialtypus  auf  -omenos  in  gr.  q)epö|nevo(; 
=  ind.  bhäramänas,  den  das  Latein  in  Substantivierungen  wie  alumnus  aututmius 
vertumnus  bewahren  soll,  hat  im  Germanischen  keine  Reflexe. 

§  202  b.  Innerhalb  des  Westgermanischen  zeigt  nur  noch  das 
Verb  'heißen'  eine  passivische  Form:  Ettmüller  Lex.  Ags.  447. 
475  und  Grein,  Ablaut  S.  37  haben  die  angls.  Präsensform  hätte 
'er  heißt'  (auch  'ich  heiße')  als  ein  passivisches  got.  haitada  er- 
kannt, so  daß  haitadai  (nicht  haitidai  nach  gr.  cpepexai)  als  ur- 
germ.  Form  zur  Bestätigung  von  got.  bairada  hinzutritt;  ob  das 
einmalige  angls.  heette  (Rätsel  17^°)  noch  auf  "^haitidai  hindeutet, 
ist  unsicher.  —  Das  Verb  haitan  hat  im  Altnordischen  nach 
Scherer  zGDS*  197  und  Bugge  Aarb.  1871  S.  188  noch  eine  alte 
Passivform  bewahrt  in  heite^  welche  Form  Sievers  Beitr.  6,  561 
aus  urgerm.  haitai  deutet  und  dem  ind.  bhdre  (gegen  gr.  qpepOjLiai) 
gleichstellt.  —  Übrigens  hat  angls.  hdtte  (Plur.  hdtton)  sekundär 
auch  Präteritalfunktion  angenommen  in  Übereinstimmung  mit 
mndl.  mndd.  ndd.  (westfäl.)  hette  'hieß'  (Germ.  18,  307),  das  gewiß 
auch  dem  got.  haitada  entspricht.  Vom  Germanischen  aus  er- 
kennen wir  als  Passivpräsens  mit  Sicherheit  also  i.  haitai  2.  hai- 
tazai  3.  haitadai  —  Plur.  haitandai  (für  alle  Personen). 

Kap.  45.     Jüngere  umschreibende  Tempora. 

§  203.  Das  Alter  des  umschriebenen  Perfekts  mit  haben  ist 
gemeinwestgermanisch,  vorliterarisch.  Im  Althochdeutschen  wurde 
nach  Jac.  Grimm  Gr.  4,  150  zumeist  im  Plural  eigan^  im  Sing. 
haben  verwendet :  ih  haben  vuntan  —  wir  eigun  vuntan.  Das  wird 
so  zu  verstehen  sein,  daß  urdeutsch  eigentlich  nur  das  Zeitwort 
eigan   als   Hülfsverb   gebraucht  wurde:    also   urd.  ih   eh  vuntan. 


VIII.  Deklination.  191 


Aber  als  eh  eht  eh  (=  got.  aih  aiht  aih)  im  Singular  ausstarb,  trat 
haben  zunächst  im  Singular  ein,  um  schließlich  eigan  ganz  zu 
verdrängen.  Dem  ahd.  haben  im  periphrastischen  Perfekt  ent- 
spricht asächs.  hebbian  angls.  habban  an.  hafa  in  gleicher  Funktion ; 
nur  dem  Gotischen  fehlt  dieses  Perfekt,  dessen  Ausbildung  an 
dem  roman.  //^^^r^-Perfektum  eine  etwa  gleichzeitige  Parallele 
hat.  Im  Angelsächsischen  treffen  wir  noch  die  Flexionsfähigkeit 
des  Partizips  bei  dem  Hülfsverb  habban. 

Wie  dieses  Perfektum  schon  in  den  ältesten  westgerm.  Quellen 
begegnet,  so  auch  das  Passivum  mit  sein.,  das  dem  Gotischen 
abermals  noch  fremd  ist :  ahd.  diu  maraha  ist  farprunnan  Musp. ; 
Perfekt  ahd.  was  giwortan  =  angls.  wces  geworden. 

Das  Futurum,  dessen  Funktion  im  Altgermanischen  das  Präsens 
mit  besitzt,  kann  durch  Umschreibung  mit  skulan  zum  Ausdruck 
gelangen. 

VIII.  DEKLINATION. 
§  204.  Den  ursprünglichen  Reichtum  an  Flexionsformen,  den 
die  idg.  Grundsprache  besessen  hat,  bewahrt  das  Germanische 
nicht.  Innerhalb  der  Substantivdeklination  äußert  sich  das  Aus- 
sterben alter  Formen  am  wesentlichsten  im  Fehlen  des  alten 
Duals,  der  beim  Verb  und  Pronomen  sich  weit  länger  hielt;  kein 
echter  Dual  hat  sich  beim  Substantiv  erhalten.  Aber  man  glaubt 
seme  einstige  Existenz  im  Urgermanischen  erschließen  zu  dürfen 
aus  jüngeren  Formen,  die  auffällig  sind.  Für  isländ.  tjogu  'zwanzig' 
nimmt  Möller  KZs.  24,  429,  für  afries.  alder  ebenderselbe  Beitr. 
7,  486  ursprünglichen  Dual  an;  vielleicht  sind  got.  pai  fadrein 
und  angls.  twegen^  auch  angls.  nosti  dum  breost  (synkopiert  aus 
Hriostti)  mit  Rücksicht  auf  die  Bedeutung  als  alte  Duale  aufzu- 
fassen; Platt  Anglia  6,  175  denkt  noch  an  angls.  sculdru  als  Plural 
zu  sculdor.  Brate  Beitr.  13,  42  glaubt  im  Altschwed.  noch  Duale 
zu  erkennen.  Joh.  Schmidt  Pluralbildgn.  S.  6  erklärt  an.  angls. 
Und  'Lende'  aus  einem  alten  Dual  *landhwi. 

Kap.  46.  Kasussuffixe. 
§  205.  Der  Nominativ  Sing,  hat  idg.  s  als  Suffix,  das  ur- 
germ.  als  z  (oben  §  37  c)  anzusetzen  ist.  Zur  Römerzeit  bestand 
dieses  z  durchgängig,  wie  sich  aus  der  Konformität  got.  asilus 
aus  lat.  asinus^  lat.  Segimerus  aus  urgerm.  Seyimeroz  ergibt; 
diesen  j-Laut  bewahren  finn.  Lehnworte  wie  armas  kernas  viisas 
sairas  und  kaunis  tiuris  oder  wie  kuningas  paarmas  rengas  ruis 


192  VIII.  Deklination. 


(Thomsen  86,  96,  98).  Bei  den  ältesten  Runeninschriften  ist  unent- 
schieden, ob  noch  z  oder  bereits  R  anzunehmen  ist  {-gastiz  oder 
-gasHR}  holtingaz  oder  holtingaR}  die  erhaltenen  2-^-Nominative 
der  ältesten  Runen  s.  bei  Noreen  An.  Gr.  §  366) ;  got.  dags  gasts 
sunus  (neben  ainzu  Jvazuh  Jvarjizuh  sumzuJi)  =  an.  dagr  gestr  sunr. 
Im  Westgerm,  mußte  z  :  R  nach  §  151  verklingen:  nach  Bremer 
IF.  14,  366  schon  im  i.  Jahrh.  {Chariovalda  Catvalda).  Um  500  in  der 
Lex  Salica  focla  für  "^fogla-z^  skimada  =  an.  skimudr^  tualepti  aus 
"^twalifii-z ;  sonst  gelten  nach  dem  Wirken  der  westgerm.  Auslauts- 
gesetze ahd.  tag  wolf  gast  sunu  usw.  Nur  das  Ahd.  bewahrt  das  r  in 
einsilbigen  Pronominalformen  wie  {h)we-r  (Ablaut  zu  got.  kas), 
von  wo  aus  es  sich  ausdehnt  {de-r  blint-er  usw.). 

Anm.  Das  feste  o  im  ahd.  Nomin.  Akkus,  der  7£/^-Stämme  ahd.  melo  geh 
erklärt  sich  aus  germ.  m'elw{a)  in  der  Weise,  daß  die  hochdeutschen  Grund- 
formen m'elau  "^elau  mit  sekundärem  a  für  melaw-  ^elaw-  =  melw  ^Uw  stehen. 

Konsequent  fehlt  das  nominativische  z  allen  Neutris.  In  der 
0  :  ^-Deklination  ist  m  Nominativzeichen  (ind.  am  lat.  um  gr.  öv), 
das  aber  schon  auf  den  ältesten  Runeninschriften  dem  urgerm. 
konsonantischen  Auslautsgesetz  gemäß  (oben  §  141)  fehlt:  run. 
horna  =  gemeingerm.  hörn  aus  idg.  kxno-m.  Auch  die  neutralen 
i-  und  ^^-Stämme  bildeten  ihre  Nominative  ohne  z\  urgerm.  mari 
'Meer'  =  lat.  mare ;  got.  faihu  =  lat.  pecu ;  angls.  cwiodu  ind. 
jätu.  Die  neutralen  os-  ^^-Stämme  entbehren  auch  überall  im 
Idg.  ein  besonderes  Nominativzeichen. 

Nominative  Sing,  ohne  z  bilden  ferner  im  Germanischen  —  in 
Übereinstimmung  mit  den  verwandten  Sprachen  —  i.  die  femi- 
ninen ^-Stämme,  welche  urgerm.  auf  0  ausgehen:  ^ebo  'die  Gabe' 
(got.  giba  an.  gjgf  angls.  gifu  oben  §  149). 

2.  Die  femininen  y^-Stämme,  deren  idg.  Nom.  Sing,  nach  Joh. 
Schmidt  Verwandtschaftsv.  6  auf  t  ausgehen  konnte  (jetzt  Plural- 
bildgn.  S.  73);  das  Urgermanische  verlangt  nach  Sievers  Beitr.  5, 
136  2  als  ursprünglichen  Ausgang  für  got.  mawi  bandi piwi  frijdndi\ 
Thurneysens  Ansatz  idg.  bJiTghntt  KZs.  28,  146  wird  durch  ahd. 
Burgund  Nom.  Propr.  aus  ^bur^undt  bestätigt;  das  r  in  an.  j//^r 
(aus  "^wlkt  =  angls.  wylf)  ist  junge  Anfügung  (Möller  Beitr.  7,  546). 

3.  Ebendaselbst  nimmt  Möller  S.  544  bei  einigen  femininen 
^^-Stämmen  Nom.  Sing,  auf  ^  ohne  ^  oder  z  an:  ahd.  swigar  angls. 
sweger  beruhen  auf  vorgerm.  swekrü  (nicht  *swekrüs)^  ahd.  quirn 
angls.  cweorn  auf  '^gernü  (nicht  ^gernüs),  ahd.  snura  auf  *snusti\ 
vgl.   ind.  gvagrü-s   aslav.  zrüity   (Joh.  Schmidt  Pluralb.    S.  54  ff.). 


VIII.  Deklination.  193 


4.  Die  idg.  «-Stämme  zeigen  statt  des  nominativischen  idg.  5 
Dehnung  des  vorhergehenden  Vokals:  gr.  7T0i)ir|V  zu  Troi|Liev- 
wie  TTaTrjp  zu  Traiep-.  Im  Germanischen  ist  das  n  der  ;2-Stämme 
im  Nom.  Sing,  nach  dem  Auslautsgesetz  verklungen:  got.  tuggö 
hairtö  nianagei  aus  urgerm.  tungo''  hertö**  managi»^\  bei  den 
Mask.  ist  n  bereits  vorgerm.  nicht  überall  mehr  vorhanden  ge- 
wesen (lat.  homo  ind.  rdjä) ;  vgl.  an.  hane  aus  urgerm.  hane\  doch 
scheinen  ahd.  kano  angls.  hona  daneben  auf  urgerm.  hang^^  worauf 
auch  got.  hana  beruhen  könnte,  zu  weisen. 

Der  idg.  Nominativ  TTaTrjp  zeigt  sich  in  an.  fader  (vielleicht 
auch  angls.  fceder)^  während  ahd.  fater  die  ursprüngliche  Akku- 
sativform (idg.  paterni)  sein  dürfte;  über  das  idg.  e  in  Endungen 
des  Nord.-Westgermanischen  s.  oben  §  126. 

Im  Idg.  herrschte  vielfach  nominativische  Dehnung  z.  B.  Nom. 
Sg.  pöd  Akk.  Sg.  pödtP'  Dat.  Sg.  pedi  usw. ;  vielleicht  beruht  angls. 
hcele  auf  urgerm.  hale{p)  Beitr.  9,  368. 

Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  einsilbigen  konson.  Stämme  ihre 
Nominative  auf  z  (got.  baürgs  reiks  usw.  an.  madr  fötr)  bildeten ; 
doch  sind  die  an.  Feminina  wie  nött  geit  mjglk  usw.  ohne  z 
wichtig. 

§  206.  Der  Akkusativ  endet  bei  allen  Deklinationen  indoger- 
manisch auf  m  mit  der  einzigen  Einschränkung,  daß  bei  allen 
Neutren  Nom.  und  Akk.  identisch  sind.  Dieses  m  ist  im  Ger- 
manischen erst  zu  n  (vgl.  got.  pan-a  ahd.  de-n)  geworden  und 
nachher  verklungen  (oben  §  137);  also  run.  staina  =  gemeingerm. 
stain\  idg.  dhogho-m  ist  germ.  über  *da-^a  zu  *^«y  geworden. 
Idg.  ghebhäm  germ.  X^^o  (vgl.  got.  pö  ho  ainöhun)\  idg.  stutum 
germ.  got.  run.  sunu\  got.  run.  angls.  magu  'den  Jüngling,  Sohn'. 
Bei  den  konsonantischen  Stämmen  ist  für  tn  idg.  tp,  eingetreten 
(gr.  a  in  Troöa,  lat.  em  in  pedem)\  got.  fötu  an.  föt  aus  *pöd-7ii\ 
got.  tunpu  aus  *dont-iii\  angls.  nosu  nasti  aus  *näs-iii;  angls.  duru 
aus  ^dhür-tp,'^  got.  handu  aus  "^komt-rp,'^  angls.  hnutu  aus  *knud-7ii\ 
angls.  studu  aus  '^stüt-7ii\  angls.  hnitu  aus  *knid-7p,  (gr.  Koviöa); 
an.  mgrk  aus  germ.  marku.  Die  zweisilbigen  konsonantischen 
Stämme  scheinen  m  nicht  zu  um  entwickelt  zu  haben;  sie  bleiben 
erhalten  und  entwickeln  im  Singular  keine  Formen  von  «-Stämmen: 
got.  fadar  aus  idg.  pater-m}  got.  hanan  aus  idg.  kanon-m}  got. 
menöp\  {fahep)\  got.  fijand  weitwöd^  angls.  hcelep  haben  offenbar  m, 
nicht  rp,  verloren;  möglicherweise  gilt  dasselbe  auch  für  einige 
einsilbige  Stämme:  Akk.  Sing.  got.  baürg  naht. 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  '3 


194  VIII.  Deklination. 


§  207.  Im  Genitiv  des  Singulars  erscheinen  mehrere  Suffixe; 
das  'Sya  der  «-Stämme  des  Ind.  fehlt  dem  Germanischen  ganz. 
Das  Germanische  hat  dafür  ein  -s  aus  -so  (slav.  ^e-so  Möller 
Beitr.  7,  500),  das  vielleicht  eigentlich  aus  der  Pronominaldekli- 
nation stammt.  Der  Themavokal  ist  germ.  a  (run.  Gödaga-s  Ansu- 
gisala-s  angls.  pce-s  'des'  und  frühangls.  metudae-s  selae-s  hrofae-s 
geacae-s  hraefnae-s  fuglae-s,  woraus  normal  -es  in  dag  es  wulfes) 
und  e  (got.  dagi-s  ßi-s  =  ahd.  tage-s  de-s).  Das  s  ist  durchaus 
stimmlos :  urgerm.  da^as(a)  wulfas(a)  oder  dafes{o)  wulfes(o) ;  vgl. 
run.  Gödagas;  an.  dags  ahd.  tages.  Allerdings  zeigt  das  Gotische 
bei  angefügtem  Enklitikon  vielmehr  s  (an  Stelle  von  s)  in  piz-ei 
piZ'Uh  Jviz-uh  anpariz-uh\  dieses  z  ist  aber  vielleicht  sekundär 
für  s  eingetreten. 

Sonst  erscheint  os  es  als  idg.  Genitivcharakter;  es  erhält  sich 
nach  Paul  Beitr.  6,  548  in  ahd.  naht-es  mann-es  (aus  *nokt-es 
*manu-es)\  reguläre  Synkope  zeigen  die  gleichfalls  der  konsonanti- 
schen Deklination  angehörigen  Genitive  got.  mans  baürgs  bröprs\ 
auf  urgerm.  iz  (aus  idg.  es)  als  Genitivendung  beruhen  angls.  bec 
aus  "^bokiz^  byrg  aus  *bur^iz,  an.  merkr  aus  *markiz.  Außerdem 
bildeten  alle  «-Stämme  ihren  urgerm.  Genitiv  auf  iz^  wobei  in 
dritter  Silbe  frühe  Synkope  des  i  eintrat:  urgerm.  hanan(i)z 
kanin(i)z  =  got.  hanins  an.  hana  angls.  hanan  ahd.  henin.  Bei 
den  M-Stämmen  war  idg.  sunow-es  nach  dem  Auslautsgesetz  für 
die  dritte  Silbe  urgerm.  zu  '^sunauz^  ebenso  idg.  anstoj-es  zu 
*anstaiz  geworden ;  vgl.  got.  sunaus  anstais  an.  sonar  angls.  suna. 
Die  ^-Maskulina  bildeten  urgerm.  gasti-s(o)  =  got.  gastis  an,  gests 
angls.  wines.  —  Vielleicht  ist  ohne  Suffix  der  Genitiv  der  r-Stämme 
iycidi.  pitür)  gebildet  gewesen:  angls.  bröpor  bröpur  feadur  =  an. 
bröpur  fgpur.  —  s  als  Genitivzeichen  vermutet  Leskien,  Decli- 
nation  S.  7.  29  in  got.  sunau-s  =  ind.  sunö-s,  in  got.  anstai-s :  ind. 
fuci-s.  Die  Feminina  auf  ä  =  germ.  ö  enden  im  Genitiv  germ. 
auf  -öz:  got.  gtbös  an.  gjafar. 

§  208.  Unter  dem  germ.  Dativ  verstehen  wir  formell  den  idg. 
Lokativ  auf  /.  Dieses  i  ist  den  Auslautsgesetzen  gemäß  in  2.  Silbe 
geschwunden,  im  Nordischen  und  Englischen  Umlaut  hinterlassend 
bei  allen  langsilbigen  konsonantischen  Stämmen:  germ.  fadri 
(gr.  Traipi  lat.  patri)  —  got.  fadr  an.  fedr  neben  ahd.  fater  angls. 
fceder  aus  germ.  fader(i)  =  idg.  pateri\  angls.  breder  aus  *bröpri^ 
aber  ahd.  bruoder  aus  *bröper(i)\  germ.  manni  angls.  men  ahd. 
man  got.  mann.  In  dreisilbigen  Formen  ist  i  frühzeitig  apokopiert. 


VIII.  Deklination.  19$ 


so  daß  das  Nordische  und  Englische  keinen  Umlaut  zeigen: 
*hanan(i)  *hanin(i)  =  got.  hanin  an.  hana  angls.  hanan  ahd.  henin\ 
daher  auch  '^sunaw{i)  *suniw(i)  =  got.  sunau  angls.  suna  run. 
*sumu  an.  syne  ahd.  suniu\  /-Stämme  hatten  urgerm.  Lokative 
wie  *gastij-i  ^gastt  resp.  *ans-taj-i  ^anstai\  auf  urgerm.  gastt 
weist  an.  gest\  urgerm.  anstai  =  got.  anstai.  Bei  den  idg.  e :  0- 
Stämmen  ergeben  sich  urgerm.  Lokative  dar\e-i  da-^t  (angls.  dcegi 
Sievers  Beitr.  8,  324)  oder  da'\o-i  dagai  (ahd.  tage)}  —  Bei  den 
femininen  ^-Stämmen  trat  urgerm.  ä  -\-  i  =  ai  ein:  got.  gibai  = 
angls.  gife. 

§  209.  Eine  idg.  Ablativ  form  auf  ed  zeigen  die  ö-Stämme: 
urgerm. da-^e(t)  =  got.  daga  (vgl.  got. /^  /vS  kamm^-h)\  entsprechend 
ind.  vtkät^  altlat.  facillunted. 

§  210.  Urgermanisch  endet  ein  Instrumentalis  aufp:  a)  bei 
den  maskulinen  und  neutralen  ö-Stämmen  (vgl.  angls.  hu  asächs. 
hwo  ahd.  hud)\  ahd.  tagu  worin  aus  urgerm.  da^o  wordd\  die  loka- 
tivisch gebrauchten  Dative  ahd.  dorf  hüs  angls.  häm  usw.,  welche 
zu  ^-Stämmen  gehören,  haben  u  nach  langer  Silbe  verloren, 
b)  bei  den  femininen  ö-Stämmen :  ahd.  g'ebu  aus  *y^'^<?,  an.  fjgdr 
aus  *fedru  ^f'epro\  ahd.  halb  wis  aus  *halb(u)  *wis(u)  in  Ver- 
bindungen wie  ze  d'ero  selbün  wis. 

§  2X1.  Ältere  Anschauungen,  wonach  slavolett.  Instrumental- 
bildungen wie  lit.  nakti-mi  sünu-mi  und  aslav.  patt-mi  vlüko-nti 
für  den  Singular  auch  im  Germanischen  Reflexe  besessen  hätten, 
hat  Osthoff  IF.  20,  163  widerlegt:  die  fraglichen  Formen  wie 
angls.  nosum  heafdum  miolcum  usw.  sind  normale  Pluraldative 
auf  -m.  Ein  altes  Kasussuffix  könnte  vielleicht  auch  in  got.  andau- 
giba  zu  andaugi  sowie  in  den  andern  got.  ^öt-Adverbien  §  292 
stecken. 

§  212.  Plural.  Der  Nominativ  hat  indogerm.  das  Suffix  es  = 
germ.  iz.  Es  zeigt  sich  in  dieser  Gestalt  bei  den  konsonantischen 
Stämmen;  es  erliegt  den  Auslautgesetzen,  macht  sich  aber  englisch- 
nordisch  durch  Umlaut  bemerkbar :  run.  dohtriz  an.  datr ;  urgerm. 
fötiz  (gr.  TTobeq)  =  an.  fetr  angls.  fet\  urgerm.  frijöndiz  =  got. 
frijönds  dingXs.  frynd  ahd.  /rinnt]  urgerm.  nahtiz  (gr.  vuKTCq)  = 
angls.  niht  an.  n^tr-,  urgerm.  manniz  =  got.  mans  an.  menn  ntedr 
angls.  men  ahd.  nian\  urgerm.  tanßiz  =  angls.  tid axi.  tenn\  urgerm. 
duriz  =  ahd.  turi  (aus  idg.  dhures)  sowie  angls.  hnite  gr.  Koviöe^, 
angls.  hnyte  aus  *hnut-iz  bewahren  als  kurzsilbig  im  Westgermani- 
schen ihr  /.  Zweisilbige  konsonantische  Stämme  zeigen  im  Westger- 

13* 


igö  VIII.  Deklination. 


manischen  keinen  Umlaut,  da  i  in  dritter  Silbe  früh  synkopiert 
wird:  *men6ß(i)z  =  got.  menöps  an.  mdnadr  angls.  m6nad\  *ha- 
Uf{i)z  =  angls.  hcsled.  Die  «-Stämme  endeten  indogerm.  auf 
•w-eSf  ew-es\  vgl.  idg.  manu-es  =  germ.  manniz  angls.  men\  idg. 
gen-u-es  (gr.  y^vu-)  =  germ.  kinniz  an.  kinnr  kidr\  aus  idg. 
sunewes  (vgl.  ind.  sündvas  gr.  -eFe?-  =  -eeg  -ei^)  wird  durch  frühe 
Synkope  in  dritter  Silbe  *suniuz  *sunjuz  =  got.  sunjus  an.  syner. 
Ebenso  von  /-Stämmen  idg.  -ej-es  =  germ.  -fz:  got.  gasteis  an. 
gester  angls.  geste.  Bei  den  (^-Stämmen  ergab  sich  idg.  6s  durch 
urindogerm.  Kontraktion  (Osthoff  MU.  2,  113):  germ.  6s  (angls. 
dagas)  und  6z  (got.  dag6s  an.  dagar) ;  über  s\zs.  Paul  Beitr.  6, 
548;  für  afries.  dagar  nimmt  Möller  Beitr.  7,  505  einen  urgerm. 
Ausgang  -6ziz  aus  -6s-es  an.  Die  Feminina  der  ä-  :  ^-Deklination 
haben  germ.  nur  die  Endung  -6z  (got.  gib6s  an.  gjafar  angls.  ^//<?). 
—  Die  Neutra  der  0- :  ^-Deklination  enden  urgerm.  auf  o :  barnd 
'Kinder'  =  got.  barna  an.  bgrn  angls.  bearn\  westgerm.-nord.  ist 
u  (angls.  fatu)  der  eigentliche  Ausgang,  er  erliegt  jedoch  teilweise 
den  Auslautgesetzen  (angls.  word  für  ^^wordu). 

§  213.  Der  Akkusativ  Pluralis  endet  indogerm.  2M{-ns  (in  alt- 
preuß.  deiwa-ns  'Götter',  nautins  'Nöte',  kret.  TÖvg  XuKOvg) ;  dafür 
germ.  -nz  in  got.  dagans  gastins  sununs  (vgl.  kanz-uh  und  anßa- 
ranz-u  ?)  =  an.  daga  geste  sunu.  Die  konsonantischen  Stämme  ent- 
wickeln -2?^  zu  germ.  -unz ;  vgl.  got.  fotuns  gr.  irobaq  ind.  padäs 
{\dg.pöd-'(is)^  got.  tunßuns  idg.  dönti^s  dp'(is  (gr.  obovxag  ind.  datds)\ 
got.  broßruns  aus  "^bhrätr-vs ;  got.  wintruns  zu  dem  germ.  Stamm 
wintr-\  got.  handuns  zu  dem  Plur.  an.  hendr\  beachte  zu  den 
Ä/^-Stämmen  ahd.  öirö  ^irVö  die  Akk.  Plur.  urgerm.  arn-unz  b'ern- 
unz  (daher  die  «-Stämme  an.  gm  bjgrn  sowie  angls.  earn).  Im 
Altnordischen  haben  die  konsonantischen  Stämme  den  Nominativ  für 
den  Akkusativ  angewendet ;  im  Westgermanischen  sind  durchweg 
Nominativ  und  Akkusativ  geeinigt,  indem  der  Akk.  ausstarb.  Anlaß 
dazu  mochte  der  Umstand  geben,  daß  die  Neutra  der  ö-Deklina- 
tion  und  die  Feminina  der  ^-Deklination  im  Plural  Nom.  und  Akk. 
nicht  unterschieden:  got.  waürda  gib6s  Nom.  Akk.  Plur;  freilich 
sucht  Kern  Beitr.  31,  272  für  das  Urengl.  im  Plur.  der  «-Stämme 
einen  Unterschied  zwischen  Nom.  und  Akk.  festzustellen.  —  Viel- 
leicht haben  sich  in  den  auffälligen  Formen  angls.  brößru  wintru 
sculdru  applu  alte  ursprüngliche  Akk.  '^br6ßr-unz  "^wintr-unz  "^skuldr- 
unz  *apl-unz  erhalten;    daher  angls.  dum  =  *dur-unz  ^dhur9ns} 

§  214.    Der   Genitiv  Pluralis   setzt  vom   Germanischen   aus 


VIII.  Deklination.  197 


eine  idg.  Grundform  (darüber  Osthoff  MU.  2,  113)  im  für  das 
Suffix  voraus ;  es  hat  im  Germanischen  seinen  Nasal  regulär  ver- 
loren ;  vgl.  got  aühsn-e  suniw-e  bröpr-e  baürg-e  mann-e.  Auch  die 
Maskulina  und  Neutra  der  ö-Deklination  enden  auf  -e\  got.  dage 
waürde  (wobei  dage  auf  eigentliches  "^dhoghe-em  zurückzuführen 
ist).  Mit  got.  suniwe  aus  idg.  sunew-em  deckt  sich  angls.  esa  'der 
Götter'  zu  6s-  (germ.  Stamm  ansu-)  aus  *ansi(w)e  sowie  ahd.  (Mers. 
Zaub.)  cunio  'der  Kniee'  aus  vorgerm.  gdnew-em  (vgl.  gr.  yovu).^ 
—  Nur  die  ^-Feminina  haben  im  Gotischen  ö  in  gibö  (eigtl.  ^ghe- 
bhä-imt).  Das  im  Nordischen  allein  auftretende  -a  [daga  sona  föta) 
scheint  nur  die  Endung  got.  ö  {gibd)  zu  repräsentieren,  ebenso 
ahd.  ö  in  tago  g'eböno. 

§  215.  Der  Dativ  Pluralis  endet  urgerm.  in  seiner  ältesten 
erreichbaren  Urgestalt  auf  -miz  (=  aslav.  -mt).  Vielleicht  liegt 
diese  Urgestalt  -miz  noch  vor  in  dem  inschriftlich  bezeugten  Dat. 
Plur.  Saitchamimis^  falls  diese  Lesung  richtig  ist  (Schönfeld  Wb. 
d.  altgerm.  Personennamen  S.  3).  Dieses  -miz  schimmert  in  einer 
zweisilbigen  Form  twai-miz  (=  an.  tveimr  angls.  twsem)  durch. 

Da  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Dative  des  Plurals  drei- 
silbig war,  trat  frühe  Synkope  zu  -mz  ein  [deabus  Vatvims  Kern, 
Germ.  Word.  S.  32  und  deabus  Aflims  Much  ZfdA.  31,  355 ;  dafür 
mit  Assimilierung  got.-germ.  -m  (vgl.  got.  bairam  =  gr.  q)epojU€<;) : 
got.  dagam  (urgerm.  da'^ont)  anstim  sunum  usw. 

Konsonantische  Stämme  konnten  das  Suffix  mit  dem  Mittel- 
vokal idg.  9  =  germ.  u  anfügen,  also  got.  menößum  aus  *men6t- 
9mis^  got.  bajöpum  aus  *bhoydt-dmis\  got.  f 6 tum  aus  "^pöd-dmis^  got. 
tunpum  aus  "^dut-dmis.  Bei  den  r-Stämmen  got.  bröprum  ist  -rum 
entweder  T-'^is  oder  r-dmis.  Daher  laufen  die  ursprünglichen 
konsonantischen  Stämme  Gefahr,  zur  «-Deklination  überzugehen. 

Die  «-Stämme  bildeten  *gumonmiz  zu  *gumommiz  =  got.  gu- 
mam  um ;  doch  scheint  in  angls.  earnum  an.  grnum  bjgrnum  viel- 
mehr -n-dmiz  (Grdf.  ar-n-dmis  ber-n-dmis)  zu  stecken.  Der  anomale 
Dativ  got.  nahtam  beruht  entweder  auf  Nachbildung  von  d^d^^^w  oder 
mit  Joh.  Schmidt  KZs.  26,  18  auf  ind.  naktabhyas  (alter  «-Stamm). 

Eine  besondere  Bemerkung  sei  noch  über  den  Dat.  Plur.  der 
y^-Stämme  gemacht ;  er  hat  urgerm.  die  Endung  -im(i)z  für  'je-m(i)z 
-je-mlz:  ahd.  hirtim  Paul  Beitr.  6,  221 ;  für  die  Feminina  ergibt  sich 
-i-mz  durch  Vatvims  'Vatviabus',  Aflims  'Afliabus',  Saitchamim(i)s 
'Saithamiabus'. 

Anmerkung.  Über  die  westgerm.  Pluralbildung  auf  -iru  -oru  vgl.  unten  §  229. 


igS  VIII.  Deklination. 


Kap.  47.     Ablaut  und  Akzent. 

§  216.  Wie  das  idg.  Verbalsystem,  so  besaß  auch  die  idg. 
Nominaldeklination  im  Akzent  und  zugleich  im  Vokalablaut  ein 
wesentliches  Charakteristikum  zur  Unterscheidung  der  Formen. 
Das  Indische  und  das  Griechische  zeigen  vielfach  den  uralten 
Akzentwechsel  (z.  B.  Akk.  pädant  Lok.  padi  gr.  TToba  TTobi).  Nach 
Osthoff  MU.  II  12  bestand  auch  bei  vokalischer  Flexion  alter 
Akzentwechsel;  dafür  seien  aus  dem  Indischen  einige  Reste  auf- 
geführt :  sanät  zu  sdna-^  samand  zu  sdmana-,  madhyd  zu  mädhya-^ 
upaki  zu  üpaka-^  mandu  (+  adhi)  zu  manu-  sowie  der  Vokativ 
sdntya  zu  satyd-. 

§  217.  Das  Germanische  zeigt  nur  sehr  spärliche  Reste  von 
festem  Akzentwechsel  und  Ablaut  in  bestimmten  Kasus;  zu  ahd. 
altar  gehört  mit  grammatischem  Wechsel  der  Dat.  in-aldre  Braune 
§  163  Anm.  6;  zu  ahd.  einlif  zwelif  gehören  die  Obliqui  got. 
ainlibim  twalibe  twalibim\  singulär  ist  der  alte  Ablaut  Gen.  Plur. 
an.  kvenna  Möller  Beitr.  7,  507  zu  kona  (ind.  gnd  a.\tk.  ben)\  Sievers 
Beitr.  9,  232  weist  grammatischen  Wechsel  nach  in  angls.  horh 
horwes\  vgl.  an.  fjgr  N.  Dat.  Sg.  fjgrve. 

§  218.  Sonst  finden  sich  zahlreiche  Spuren  innerhalb  des  Ger- 
manischen, welche  auf  vorgerm.  Akzentwechsel  in  der  Deklination 
hinweisen,  ohne  daß  er  sich  auf  einzelne  Kasus  verteilen  ließe. 
Während  die  meisten  konsonantischen  Stämme  feste  tonlose  Spi- 
ranten haben  (angls.  gös  müs  lüs  wlöh  furh  sulh  prüh  usw.),  zeigt 
angls.  studu  studu   Sievers  §  282    noch  grammatischen  Wechsel. 

Von  /^-Stämmen  kommen  in  Betracht  ahd.  haso:  angls.  hara; 
got.  auso:  ahd.  6ra\  an.  here  hegre\  angls.  müga  müwa\  mhd.  lohe 
an.  loge\  ahd.  anado  anto  (angls.  onepa  ondd)\  angls.  ^dre  ahd. 
ädara ;  beachte  an.  hjarse  gegen  ind.  gtrsän-.  Meist  beharren  ur- 
germ.  tonlose  Spiranten  (angls.  hrüse  ahd.  rosa). 

Von  vokalischen  Stämmen  vgl.  ahd.  chortar  quartar  mit  angls. 
cordor\  got.  aühns  mit  aschwed.  ughn\  ahd.  glas  isl.  gler\  got. 
fairzna  2i\i^.  fersana\  got.  razn  angls.  rcBsn\  got.  haürds  ahd.  hurd\ 
got.  anz  an.  ds  'Balken' ;  ahd.  ruoba  ruova ;  ahd.  beri  got.  basi  ndl. 
bes\  got.  tagr  ahd.  zahar\  got.  hührus  ahd.  hungar\  got.  bagms 
ahd.  boum  (aus  *ba'^wmö-}  doch  s.  §  46);  got.  blöpa-  ahd.  bluot\ 
got.  rausa-  =  ahd.  rör\  got.  ubizwa  ahd.  obasa\  got.  aqizi  ahd. 
akus\  angls.  wind  ind.  vdta-\  ahd.  htwf  md.  gaphd-. 

Von  Adjektiven  kommen  in  Betracht  ahd.  eivar  eibar^  frabali 
fravali^  tüvar  tübar\  got.  ganöhs  ahd.gmuog;  ahd.  scelah  an.  skjdlgr 


VIII.  Deklination.  199 


(:  mhd.  schelwer)\  ahd.  dweraher  dwerawer\  ahd.  bar  gegen  lit. 
bäsas\  vgl.  noch  got.  ßaürsus  ahd.  durri. 

§  219.  Ablautserscheinungen  bezüglich  der  Mittelvokale  werden 
im  Germanischen  bezeugt  durch  ahd.  anado  anto  angls.  onepa  onda 
(Grdf.  anöton  antön)\  ahd.  sant  \  gr.  d)na0og  (ahd.  ^samat  in  bayr. 
sampt)\  gr.  Sutdirip  ind.  duhitdr-:  got.  daühtar\  ind.  agiti-  'achtzig' 
an.  (nach  Brate)  seit  'Achtzahl'  (aus  '^ah-tt)\  an.  synp  aus  "^sunidi 
aber  ahd.  sunte  (Grundformen  sitneti  suntyds) ;  angls.  wynn  asächs. 
wunnia  neben  din.ynde  (aus  "^wunldja-  zu  got.  wunan  an.  una  'sich 
ergötzen');  ahd.  Höht:  got.  liuhap\  got.  naqaßs:  altir.  nocht  'nackt'; 
got,  hairßra:  angls.  hr-eßer\  ahd.  quer-dar:  gr.  bep-e-tpov.  Ahd. 
hregil  beruht  auf  "^hragila-^  aber  angls.  hrcegl  auf  ^hragla-\  vgl. 
auch  mhd.  snegel  'Schnecke'  mit  angls.  sncBgl.  Sonstigen  Ablaut 
im  Mittelvokal  zeigen  einige  konsonantische  Stämme :  halep-  halip- 
halup-  in  angls.  hceleid)  ahd.  helid  an.  hgldr\  ahd.  hirm  hirz^  anut 
enit^  an.  glpt:  ahd.  ^/^/f.  Synkope  des  Wurzelvokals  zeigt  sich  in 
ind.  snävan-  gegen  ahd.  senawa\  ind.  vräta-  'Schar'  angls.  werod\ 
angls.  hnitu  gegen  gr.  Kovibe^;  ahd.  chranuh  gegen  gr.  Yepavo<;; 
angls.  hr-'eper  gegen  got.  hair-pra\  got.fr-uma  gegen  angls. /<?r-w«. 

§  220.  Sonstiger  Ablaut  zeigt  sich  a)  bei  konsonantischen 
Stämmen,  wobei  es  hier  gleichgültig  ist,  ob  im  historischen  Ger- 
manischen dafür  etwa  vokalische  Stämme  eingetreten  sind :  angls. 
nas-u  nos-u  (lat.  när-es);  got.  tunp-us  ahd.  zand\  got.  brusts  asächs. 
hriost.  An  «-Stämmen  kommen  in  Betracht  ahd.  rehho  angls.  racu\ 
angls.  hn'ecca  an.  hnakke;  ahd.  sega  saga\  ahd.  mado  modo\  malta 
molta\  got.  qinö  an.  kona\  angls.  hrüse  ahd.  rosa\  ahd.  wtho  :  w'eho\, 
angls.  pl'iga  plaga  'Spiel';  ahd.  stühha  angls.  stocu\  ahd.  balcho 
an.  bjalke\  ahd.  scincho  nhd.  dial.  sQhunken\  ahd.  chr'eta  chrota 
i^chratd) ;  ahd. giwuno  an.vane;  ahd.  zw'eho  zwivo  (idg.  Grdf.  dwfqen-) ; 
ahd.  kuohho  engl.  cake\  zxv.  fluga  zhdi.  fliuga.  Von  konsonantischen 
Stämmen  beachte  noch  ahd.  gif'eho  \go\..  faheps. 

b)  Vokalische  Stämme :  angls.  ceorl  cearl^  mos  meos^  worn  wearn, 
rodor  rador\  angls.  sceofl  pistel  ahd.  scüvala  distil\  ahd.  bini  bini^ 
chortar  quartar^  ruowa  räwa^  zädal  zädal^  got.  sauls  ahd.  sül\  an. 
prsell  ahd.  drigil\  got.  winja  ahd.  wunna\  mhd.  kreh  ndl.  krijt\, 
asächs.  dröhiin  ahd.  trühtin.  Zumal  zwischen  germ.  und  außer- 
germ.  Worten  besteht  häufig  die  Differenz  des  Ablauts :  germ. 
sünu-  =■  ind.  sünü- ;  germ.  hüdi-  'Haut'  lat.  cutis ;  got.  wair  ind. 
vtrd-\  ahd.  w'ella  aslav.  vlüna\  angls.  beorc  ind.  bhürja-\  ahd.  riomo 
gr.  ^öfia;  got.y?5/^5  altir.  /aj/^  (aus  *{p)eisko-)\  gr.  üuXevTi  got. äleina\ 


200  VIII.  Deklination. 


gr.  TTiüXo?  dihd. /o/o;  lat.  nömen  got.  namö\  zhd.ßrst  (angls. /<?örj/?) 
ndl.  forst  ind.  pr^thd- ;  ahd.  href  lat.  corpus ;  got.  ^»wä  lat.  hämo 
(hemo) ;  ahd.  ^»ö/*  ind.  gaphd-. 

Zu  einigen  ursprünglich  ablautenden  Stämmen  hat  das  Ger- 
manische nur  eine  Ablautstufe  bewahrt ;  das  gilt  für  got.  fötus 
hairtö  augö  ahd.  turi  u.  a. 

§  221.  Schließlich  seien  die  Adjektiva  mit  Ablautserscheinungen 
hier  zusammengetragen.  Innerhalb  des  Germanischen  vgl.  ahd. 
röt  got.  gariuds  mhd.  rot  {got.  ßlu  2ing\s.  feala)\  an.  bljügr  zu  ahd. 
blügo\  an.  mjükr  got.  muka-\  got.  baitrs  ahd.  bittar\  ahd.  giwon 
an.  vanr\  ahd.  muruwi  marawi\  got.  mikils  angls.  mycel  (aus  '^mukil)\ 
^ngXs.fcsgerfäger;  2ing\s.  glcsd gl6td\  got.  dwals  ahd. /o/.  Außer- 
dem got.  qiwa-'.  md.jtvä-\  zhd.heitar'.  ind.  ciird-\  got.  filugT.T^o\\i\ 
got,fulls:  \3.t.  plenus  \  got.  kalts  lat.  clödus.  Hierher  auch  alemann. 
chltn  und  laub  für  mhd.  kleine  und  /^V/  (Schweiz.  Idiot.  III  650.  958). 

Kap.  48.    Vokalische  Stämme. 

§  222.  Die  idg.  Sprachen  bilden  ursprünglich  ihre  Stämme 
vokalisch  oder  konsonantisch  auslautend.  Von  vokalischen  Stämmen 
kommen  in  Betracht  0  :  e^  i  :  ei  :  oi^  u  :  eu  :  ou  und  ^-Stämme ; 
über  die  Stufen  des  Mittelvokals  im  allgemeinen  s.  Kap.  24;  ihre 
Verteilung  im  Urgermanischen  ist  unfest,  indem  die  Dialekte  viel- 
faches Schwanken  zeigen;  darüber  ist  bei  der  Lehre  von  den 
Kasussuffixen  (Kap.  46)  die  Rede  gewesen. 

Der  Auslaut  vokalischer  Stämme  hat  in  den  idg.  Sprachen  von 
Haus  aus  eine  feste  Stellung  in  der  Kompositionsfuge.  Auch 
die  altgerm.  Dialekte  liefern  noch  viele  Beweise  für  die  ursprüng- 
lichen Fugenvokale.  Nicht  nur  finden  sich  in  der  Römerzeit 
Eigennamen  wie  Boio-rtx  Mallo-rix  Chario-merus  Chario-valda 
Striibilo-skalleo  Lango-bardi  Marko-manni- —  Segi-merus  Segi-mtmdus 
Armi-lausi  —  Catu-merus  Catu-volcus\  sondern  auch  noch  im 
Gotischen  überwiegen  die  Mittelvokale  in  himina-kunds  guda- 
faürhts  gasti-göps  grundu-waddjus.  Auch  das  Althochdeutsche 
zeigt  noch  Erla-bald  Erla-frid  Erla-win  usw.,  sowie  mittila-gart 
mihhila-möt.  Von  'finn.  Entlehnungen  aus  dem  Germanischen  ge- 
hört hierher  marha-minta  'Pferderiemen'  (zu  germ.  minßla-  =  ahd. 
mindal  angls.  midi  an.  mel  KZs.  26,  328)  sowie  der  Ortsname 
Haria-valta.  Hierher  auch  das  aslav.  Lehnwort  vrüto-gradü  'Garten' 
aus  einem  got.  *aürta-garda-  =  angls.  ort-geard  (überliefert  nur 
got.  aürti-gardi-).    Auf  den   älteren   Runeninschriften  finden  wir 


VIII.  Deklination.  201 


Hadu-laikaz  Hagu-staldaz  Wödu-rtdaz  und  daneben  auf  dem  Stein 
von  Tune  auch  witada-hlaibe  'Amtsgenosse'  in  Übereinstimmung 
mit  got.  witoda-laisareis. 

Anmerkung  i.  Die  femininen  Stämme  auf  idg.  ä  =  germ.  0  haben  im  Bereich 
der  idg.  Grundsprache  nach  Brugmann  Grundriß  II  i,  82  keine  einheitliche  Fugen- 
gestalt gehabt ;  vgl.  etwa  gr.  NiKÖ-|Liaxo?  neben  vkri  oder  laoipri-Yevri^  zu  jiioipa, 
'A\Kd-0oo(;  zu  dXKr|.  Im  Gotischen  gibt  es  kein  o  in  der  Kompositionsfuge, 
sondern  nur  «,  z.  B.  in  airpa-kunds  hleipra-stakems  heila-hairbs  mota-staps. 
Für  das  Althochdeutsche  stehen  ö-Feminina  als  erste  Wortglieder  in  fira-tag 
nasa-helm  scama-lih  suona-tag  zoolla-meit  usw.  Ein  germ.  ö-Stamm  steckt  auch 
in  finn.  napa-kaira  'Bohrer'  =  ahd.  naba-ger,  woneben  aber  die  sehr  auffälligen 
ahd.  nabu-ger  asächs.  nabu-ger  angls.  nafu-gär  (Gröger,  Kompositions  fuge  S.  68). 

Anmerkung  2.  Das  Angelsächsische  zeigt  das  a  der  Kompositionsfuge  in  den 
ältesten  Glossen  als  ae  (Sievers  Beitr.  8,  324):  Epin.  Gl.  "^fo  fulae-trea,  248  uuodae- 
uisilae,  831  diiuergae-dostae,  895  bradae-leac,  Oi'jt  gundae-suelgiaey  1045  uuandae- 
uuiorpae,  857  nectae-galae  (neben  necti-galae  Epin.  Gl,  26,  673) ;  vgl.  auch  noch 
/  als  Fugenvokal  in  gecyndilic  Ep.  480  und  ti  in  haeguthorn  19.  956. 

b)  Gegenüber  dem  älteren  Typus,  der  Bewahrung  der  Stamm- 
vokale in  der  Kompositionsfuge  zeigt,  gibt  es  einen  jüngeren  ver- 
kürzten Typus  ohne  Stammvokal  wie  in  got.  gud-hüs  (für  *guda-Ms) 
und  frei-hals  (für  *frija-hals).  Das  entlehnte  aslav.  gospodt  'Herr' 
weist  auf  ein  got.  *gast-fadi-  (daneben  überliefert  got.  gasti-göps). 
Schon  in  der  Römerzeit  findet  sich  der  verkürzte  Typus :  carrago 
'Wagenburg'  für  '^carr{o)-hagö^  dessen  Ursprung  ich  durch  angls. 
bord-haga  'Schildburg'  erwiesen  habe ;  über  ver-custis  'virtus'  für 
*vero-custis  vgl.  oben  §  133  Anm.  2;  hierher  auch  Ermun-duri 
neben  Ermana-ricus ;  Saith-chamiae  für  "^Saithi-chamiae  (eigtl.  'die 
Zauberhemdigen') ;  Boi-hemum  (mhd.  Biheim)  neben  Boio-haemum ; 
gr.  AouTT-qpoiJpbov  für  *AoiJ7Ti(o)-q)Oupbov.  Wenn  mit  Amm.  Marc. 
barritus  statt  des  Taciteischen  barditus  zu  lesen  sein  wird,  so 
hat  man  für  ein  erstes  Wortglied  schon  an  an.  bar-dage  'Schlacht' 
(zu  an.  berja  'kämpfen')  erinnert  und  dann  dürfte  -ritus  wohl  als 
rithus  für  chrithtis  aufgefaßt  werden ;  an.  hrid  F.  'Kampfsturm' 
könnte  auf  ein  an.  *bar-hrid  hindeuten  (zum  Verstummen  des  k 
in  der  Kompositionsfuge  vgl.  carrago  §  48  c). 

Anmerkung  3.  Im  Nordischen  und  Angelsächsischen  ist  unter  Umständen  ein 
Fugenvokal-/  frühzeitig  geschwunden,  ohne  Umlaut  zu  hinterlassen :  an.  kvän-fang 
kvdn-lauss  sowie  angls.  som-civic  gegenüber  lat.  semi-vtvus  =  ahd.  sämi-qu'ec ; 
vgl.  auch  angls.  contware  neben  cent^  angls.  rug-ern  'Roggenemte'  neben  ryge, 
angls.  äglica  zu  ahd.  eigi-leihhi  'phalanx';  frühangls.  scult-hceta  'Schultheiß'  zu 
scyld\  frühangls.  Sd-berct  neben  S(b\  hierher  auch  angls.  Ealhmund  gegen 
gr.  'AXk{voo<;  ?  Dem  gegenüber  fallen  ahd.  Zusammensetzungen  wie  sämi-qu'ec 
resp.  dulti-tago  giburti-tago  brüti-gomo  eigi-leihhi  me^yi-rahs  auf.  Für  die  ahd. 
Kompositionsfuge   vgl.  die   gründliche  Untersuchung  von  Gröger,  Die  ahd.  und 


202  VIII.  Deklination. 


asächs.  Kompositionsfuge  191 1  sowie  die  Dissertationen  von  Sänger,  Der  Vokal 
in  der  Kompositionsfuge  in  den  ältesten  ahd.  Sprachdenkmälern  1910  und 
Bader,  Die  ahd.  Fugenvokale  in  den  ältesten  Eigennamen  1909.  Über  das  Alt- 
nordische vgl.  Kock  Arkiv  12,  251  und  Noreen  Altisl.  Gramm.  §  63.  Über  das 
Gotische  verzeichnet  Braune  Got.  Gramm.  §88a  Anm.  4  die  nötige  Literatur. 

Anmerkung  4.  Für  das  Verhalten  der  yVz-Stämme  in  der  got.  Kompositionsfuge 
macht  Kremer  Beitr.  8,  416  einen  Unterschied  zwischen  kurzsilbigen  und  lang- 
silbigen:  einerseits  alja-leikos  lubja-leis  wadja-bokos,  anderseits  arbi-numja 
püsundi-faps.  Der  westgerm.  Eigenname  Agi-ulfus  (5.  Jahrh.  bei  Schönfeld 
Wb.  d.  altgerm.  Personennamen  S.  4)  gehört  zu  asächs.  eggia  =  lat.  acies.  Kurz- 
typus und  Volltypus  nebeneinander  begegnen  im  Beginn  des  5.  Jahrhs.  bei  dem 
Burgunderprinzen  Hari-tilfus  Hanha-valdi  filius.  Über  ya-Stämme  im  Altnor- 
dischen vgl.  Sievers  Beitr.  12,  486.  Für  das  Westgermanische  liegt  die  Synkope 
des  Stammvokals  vor  der  westgerm.  Konsonantendehnung  (Sievers  Beitr.  12,  489) : 
ahd.  eli-lenti  gegen  got.  alja-leikos \  asächs.  beni-wunda  zu  got.  banja  F.  'Wunde'; 
ahd.  Brutii-hilt  für  *Brunja-hUd(is)  ;  asächs.  kuni-burd'Gtsc\i\tc\\V  neben  kunni. 

§  223  a.  Vor  allem  ist  zu  konstatieren,  daß  die  ^^-Deklination  mit 
der  konsonantischen  mehrfache  Berührungen  hat;  solche  entstehen 
im  Akk.  Sing.,  indem  idg.  w,  durch  dm  zu  um  u^  u  wird;  gleiches 
gilt  vom  Akk.  Plur.  idg.  Tfis  =  germ.  unz;  und  das  idg.  Dativsuffix 
des  Plur.  mis,  durch  p  an  konsonantische  Stämme  gefügt,  ergab 
urgerm.  -um  wie  für  die  ^^-Stämme.  Hieraus  ergibt  sich  für  eine 
jüngere  Periode  fast  allerwärts  mehr  oder  weniger  starke  Sprengung 
der  alten  konsonantischen  Deklination.  Folgende  «-Stämme,  die 
allerdings  sämtlich  im  Germanischen  noch  Spuren  der  konsonan- 
tischen Deklination  zeigen,  dürften  auf  solche  Weise  entstanden 
sein:  got.  fötus  handus  iunpus  wintrus  an.  gm  bjgrn  angls. 
duru  nosu. 

Die  «-Deklination  verliert  anderseits  einige  Worte,  welche  sich 
den  konsonantischen  Stämmen  anschließen:  ind.  manu-  führt  im 
Germanischen  durch  manw-  (z.  B.  im  Dat.  Sing,  man-u-i  Nom.  Plur. 
man-u-es)  zu  mann-  (angls.  men  ahd.  man) ;  auch  idg.  genu-  'Kinn' 
(ind.  hdnu-  gr.  Y^vuq)  wird   zu  kinn-  (Nom.  Plur.  an.  kinnr  kidr). 

Anmerkung  I.  Beachtenswert  ist,  daß  in  urgerm.  Zeit  viele  mask.  Eigennamen 
als  «-Stämme  deklinierten :  urnord.  * Kunimunduz  (Dat.  Sing.  Kunimundiu);  aru 
Arenbjqrn  Gen.  Arenbjarnar,  Asmöpr  Gen.  Asmbpar,  Geirropr  Gen.  GeirraPar, 
Nipopr  Gen.  Nipapar,  Sigmundr  Gen.  Sigmundar,  Sigurdr  Gen.  Sigurdar, 
Pornibpr  Gen.  Pormopar,  Vglundr  Gen.  Vglundar;  angls.  Wihtgär  Gen.  Wiht- 
gära.  Da  sich  zahlreiche  notorische  «-Stämme  gern  in  zweiten  Wortgliedern 
finden  wie  warduz  (an.  vgrdr),  fripus  'Friede',  harduz  'kühn',  hapuz  'Krieg', 
darf  man  auch  für  die  urgerm.  Zeit  Eigennamen  auf  -uz  in  großem  Umfang 
annehmen :  Sigimunduz  Sigifripuz  Sigiwarduz  Hariogaizuz  Wel(h)anduz  usw. 
Im  ältesten  Angelsächsisch  sind  Namen  wie  Alcfripu  Ecgfripu  inschriftlich 
noch  bezeugt. 


VIII.  Deklination.  203 


§  223  b.  Sehr  gering  an  Zahl  waren  urgerman.  die  neutralen 
/^-Stämme :  got.  faihu  =  ind.  pägu  lat.  pecu^  sowie  got.  qairu  = 
lat.  veru  N.  'Spieß'  (Streitberg  IF.  24,  174);  hierher  gehörtauch 
m'edu  'Met'  (allerdings  im  Anord.  Angls.  Ahd.  nur  als  Mask.  be- 
zeugt) =  gr.  |Lie0u  ind.  mddhu  N.  'Süßtrunk'.  Dem  ind.  Neutr.y«/» 
'Harz'  entspricht  im  Angls.  der  neutrale  ze;«-Stamm  cwiodu  'Harz'. 
Gr.  öotKpu  (ind.  dgru  N.  'Träne')  verrät  im  Germanischen  keine 
Spur  des  neutralen  /^-Stammes  (got.  tagr  ist  neutraler  ^-Stamm 
und  ahd.  zahar  mask.  /-Stamm).  Dem  lat.  Neutr.  cornü  steht  run. 
horna  (kelt.  Kdpvov)  gegenüber.  Das  Verhältnis  von  ind.  jdnu 
gr.  fovu  (lat.  genu)  und  ind.  däru  gr.  bopu  zu  germ.  knewa- 
trewa-  ist  nicht  durchsichtig ;  doch  beachte  aslav.  drivo  (St.  dr^ves-) 
'Baum'. 

Anmerkung  2.  Ein  defektes  Neutrum  der  «-Deklination  liegt  vor  in  got.  ßlu 
'viel'  (mit  dem  Gen.  filaus  'um  vieles'),  das  durch  Substantivierung  auf  ein  im 
Germanischen  nicht  mehr  nachzuweisendes  Adjektiv  zurückgeht  (das  griech. 
Adj.  TToXO-c;  entwickelt  auch  nicht  alle  Formen  der  «-Deklination). 

§  224.  Neutrale  /-Stämme  sind  für  das  Germanische  nicht  nach- 
weisbar außer  mari-  'Meer'  (lat.  mare)  =  ahd.  merz  (auch  in  got. 
mari-saiws) ;  vielleicht  hat  got.  föjt  (Gen.  funins)  vorgerm.  pdni 
gelautet. 

§  225.  Die  mask.  «-Deklination  gibt  zu  einer  Bemerkung  Anlaß 
über  eine  noch  unerklärte  Tatsache.  Vielfach  gehen  <?-Stämme 
in  «-Stämme  über,  die  Gründe  dafür  sind  unermittelt  (teilweise 
liegt  gewiß  Anschluß  an  begriffsverwandte  Worte  vor);  vgl.  gr. 
öjLiqpaXoq  aber  ahd.  nabalo\  ferner  ahd.  elaho  angls.  eolh\  angls. 
heorr  an.  hjarre\  an.  brunnr  ahd.  brunno\  an.  mdlmr  ^ot.  malma\ 
an.  gömr  ahd.  guomo^  ahd.  karl  karlo,  reh  reho^  siern  st'erno  usw. 
(auffälliger  noch  sind  «-Erweiterungen  zu  konsonantischen  Stämmen 
ahd.  ^giso  zu  got.  agis^  got.  mann-an-  zu  mann-^  an.  hjarse  zu  ind. 
giras  u.  a.). 

§226.  Zu  den  Adjektiven  mit  vokalischem  Stamm  ist  zu  bemerken, 
daß  die  »-Stämme  urgerm.  im  Begriff  sind  unterzugehen  und  zwar 
infolge  ihrer  feminalen  Bildung  auf  -yd-  (Nom.  Sg.  i\  wodurch  Über- 
tritt in  die  /-Deklination  nahe  gelegt  wird  (vgl.  lat.  tenuis  KZs.  6,  88 
aus  *t9nu-^  ind.  tanvt  zu  tanü-s  Schmidt  KZs.  26,  371);  vgl.  auch 
Mahlow  30,  Bechtel  ZfdA.  29,  367 :  idg.  tdnu-  wird  durch  ßunw- 
zu  ^punn-i  =  ahd.  dunni  srngls.  Pynne;  aus  idg.  mdru-  entsteht  ahd. 
muruwi.  Anderseits  werden  durch  die  westgerm.  «-Apokope 
Übertritte  in  die  «-Deklination  bedingt:    got.   hardus   ahd.  hart 


204  ^^^^'  Deklination. 


(und  h?rti)\   *fastuz  wird  angls.  fcest  (aber  ahd.  ßsti)  Behaghel 
Germ.  23,  275  und  Stammbildgsl.  §  197  ff. 

Die  adjektivischen  ^-Stämme,  wozu  auch  die  erweiterten  »-Stämme 
gehören,  haben  in  der  Flexion  zahlreiche  Berührungen  mit  der 
Flexion  der  y^-Stämme  (got.  midja-mma  frija-na  hrainj-amma  und 
hrainj-ana) ;  infolge  davon  gibt  das  Westgermanische  die  /-Formen 
überall  auf  und  führt  die  /«-Flexion  durch  (ahd.  reini  gimeini  suoni 
durri  dtmni  usw.). 

Kap.  49.     Konsonantische  Stämme. 

§  227.  Im  historischen  Germanisch  haben  die  Neutra  den  ge- 
ringsten Umfang.  Ohne  nachweisliche  Spur  konsonantischer  Flexion 
bewahrt  das  Germanische  ein  urindogerm.  Neutrum  sowel  suel 
(ind.  süar  N.  lat.  sdt)  in  got.  sauil  an.  söl  mit  der  Nebenform 
got.  sugil  (aus  '^suwil)  angls.  sygel  sigel\  ferner  got.  haubiß  an. 
haufud  =  lat.  caput\  got.  milip  =  gr.  |ueXi(T);  angls.  wceter  an. 
vatr  aus  idg.  woder  urgerm.  water  \  an.  vdr  N.  =  lat.  ver  ind. 
vasar-\  ahd.  t'enar  angls.  üder  gr.  Gevap  ouOap.  Aber  ahd.  füir 
ist  wohl  neutraler  os-  ^.?-Stamm  (idg.  pües}).  Konson.  Deklination 
zeigt  bloß  angls.  ealo  (Gen.  ealod)  Platt  Beitr.  9,  368. 

§  228.  Nur  neutrale  /^-Stämme  lassen  sich  als  urgerm.  in  einigem 
Umfang  erweisen,  obwohl  auch  sie  in  den  literarischen  Perioden 
des  Germanischen  wenig  zahlreich  sind  ;  nur  das  Ostgermanische 
kennt  noch  eine  verhältnismäßig  größere  Anzahl,  im  Westgerma- 
nischen fehlen  sie  beinahe  ganz.  Zu  den  neutralen  ;2-Stämmen 
gehören  wesentlich  Körperteilbenennungen ;  got.  hatrto  augö  ausö 
ahd.  wanga  an.  lunga  nyra  eista  gkkla.  Durch  Genusdifferenzen 
innerhalb  der  Dialekte  erweisen  sich  als  hergehörig  an.  müle 
=  ahd.  müla^  an.  nyra  ahd.  moro^  ahd.  galla  angls.  gealla^  an. 
vange  ahd.  wanga^  angls.  hracu  ahd.  rahho^  ahd.  scö^a  scöno^  scincho 
scincha^  scollo  scolla ;  ferner  an.  hjarse  M.  wegen  ind.  gtrsän-  N., 
angls.  molda  (M.  T)  wegen  ind.  mürdhän-  N.  (Stammbildungslehre 
S.  37).  —  Ferner  Neutra  auf  Suffix  -men  [smen) :  got.  namo  (lat. 
ndmen)\  an.  sima  N.  (=  ind.  stman-  N.) ;  an.  heima  'Haus';  lat.  semen 
lümen  gr.  pOjua  avest.  sraoma  ind.  sthäman-  machen  ursprünglich 
neutrales  Genus  wahrscheinlich  für  ahd.  sämo  asächs.  Homo  ahd. 
riomo  got.  hliuma  Stoma ;  asächs.  s'elmo  M.  =  aslav.  sUme  N. ; 
hierher  wegen  Genusdifferenz  noch  ahd.  bluomo  bluoma^  asächs. 
brösmo  ahd.  brösma  u.  a. 


VIII.  Deklination.  205 


Sonst  kommen  außer  den  bekannten  got.  Worten,  wozu  ich 
an.  hvela  'Rad',  leika  bjüga  hnoda  füge,  noch  Einzelheiten  in  Be- 
tracht, wobei  wieder  Genusdifferenzen  innerhalb  der  Dialekte  den 
Weg  weisen:  ahd.  sunno  sunna  (got.  sunnö  FN.  Mahlow  S.  156); 
got.  stairnö  ahd.  sterno\  ahd.  wolcha  wolchan\  ahd.  drunno  aitigls. 
burne)  ahd.  rehho  angls.  racu\  asächs.  spado  angls.  spadu\  an. 
mgskve  ahd.  mäsca\  ahd.  gidingo  gidinga^  giloubo  gilouba,  spuolo 
spuola,  gasoffo  gasoffa^  r'ebo  r'eba\  ahd.  falawisca  diVi.  fplske.  Angls. 
ühte  (=  got.  ühtwö  F.)  als  Neutrum  und  Femininum  gebraucht 
dürfte  auch  hierher  gehören.  Got.  funins  ahd.  ütiro  sind  zu  neu- 
tralen «-Stämmen  gebildet  vgl.  ind.  üdhan-\  ahd.  ancho  M.  =  lat. 
unguen  N. ;  got.  wato  N.  =  ind.  üdan-  N.  Von  alten  Neutris  haben 
in  jüngerer  Zeit  n  stammhaft  gemacht  an.  vatn  nafn  hrogn  sowie 
angls.  wolcen  geofon  (:  an.  geinte).  Vgl.  Joh.  Schmidt,  Plural- 
bildungen 92. 

§  229.  Noch  zahlreicher  waren  urgerm.  die  neutralen  os-  es- 
Stämme  des  Indogermanischen.  Allerdings  zeigen  sich  in  den 
literarischen  Perioden  des  Germanischen  nur  sehr  geringe  Spuren 
konsonantischer  Deklination;  der  Nom.  Akk.  Sing,  allein  ist  mit 
intern  germ.  Mitteln  als  auf  -az  -iz  ausgehend  zu  erschließen.  Auch 
hier  sind  Genus-  und  Flexionsschwankungen  beweisend  für  den 
urgerm.  Typus.  Weiterhin  zeugen  auch  die  übrigen  idg.  Sprachen 
für  das  Germanische.  Ich  habe  zahlreiches  Material  Anglia  V  85 
und  Stammbildungslehre  §  84  zusammengetragen.  Die  ältesten 
Formen  zeigen  finn.  kinnas  lammas  lannas  mallas  porras  (§  29) 
=  an.  skinn  ahd.  lamb  lant  malz  bort.  Im  Westgermanischen  hat  der 
Nom.  Sing,  teilweise  auf  t(z)  gelautet;  vgl.  Lex  Sal.  lammi  =  angls. 
lemb.  In  der  westgerm.  Dialektgruppe  bildete  sich  aus  der  Deklination 
der  OS-  ^j-Stämme  ein  eigener  Pluraltypus  heraus  (angls.  lombru 
cildrudhd.k^lbirhuonir\xsvf.),diQv  innerhalb  der  spezifisch  deutschen 
Dialektgruppe  produktiv  geworden  ist.  Beachtenswert  ist  an. 
hens  Plur.  'Hühner'  (ahd.  huonir).  Vereinzelt  ist  die  westgerm. 
/r-Form  auch  in  den  Sing,  gedrungen;  vgl.  ahd.«^/r,  angls.  hryder^ 
wohl  auch  ahd.  füir\  das  erste  Kompositionselement  in  dem  ahd. 
Ortsnamen  Albires-bah  war  vielleicht  ein  Neutr.  ^alb  'Schwan'. 
Hierher  vielleicht  auch  angls.  xfre.,  falls  aus  *aiwizai  (wegen 
gr.  aiei  aus  "^aiwesi);  vgl.  ZfdW.  9,  317. 

Anmerkung  i.  Charakteristisch  für  die  neutralen  <7j-Stämme  ist  von  einem 
idg.  Standpunkt  aus  mittelstufiger  Wurzelvokal  wie  in  gr.  Y^voq  ?T0?  \(.\ioc, 
ILi^voq  vd(po(;  TT^vGo?  und  äolisch  Kp^TO(;  0^pao(;;  vgl.  auch  gr.  ß^vGoq  neben 
ßa60^  und  ind.  prdthas  neben  prthü-  'breit'.    Unzweideutige   Mittelstufe   des 


2o6  Vlll.  Deklination. 


Wurzelvokals  zeigt  das  Germanische  in  den  hierher  gehörigen  got.  peihs  =  lat. 
tempus^  angls.  cild  'Kind',  ahd.  rind^  bret  Plur.  britir. 

Anmerkung  2.  Wo  die  verwandten  Sprachen  neutrale  «^j-Stämme  besitzen, 
muß  innerhalb  des  Germanischen  infolge  der  durch  die  Auslautsgesetze  bedingten 
Störungen  der  alte  konsonantische  Flexionstypus  überall  aufgegeben  werden, 
doch  schimmern  die  Grundformen  noch  meist  deutlich  durch ;  vgl.  got.  agis  mit 
gr.  äxog,  got.  riqis  mit  gr.  Ipeßo?,  got.  sigis  mit  ind.  sähas,  an.  setr  Gen.  setrs 
=  ahd.  s'e^  N.  'Sitz'  mit  gr.  ?bO(;,  ahd.  ahir  =  angls.  ear  mit  lat.  acus. 

Anmerkung  3.  Schwundstufe  im  Suffix,  das  dann  als  bloßes  s  (z)  erscheint, 
zeigt  sich  in  got.  ais  =  ahd.  er  'Erz'  in  Übereinstimmung  mit  lat.  aes ;  vgl.  auch 
got.  a/is  Plur.  ahsa  'Ähre'  gegenüber  lat.  acus  und  ahd.  ahir;  got.  PeiAs  Gen. 
peihsis  'Zeit'  =  lat.  tempus,  got.  weihs  Gen.  weihsis  N.  'Dorf,  Flecken'  (urver- 
wandt mit  lat.  vicus  M.). 

Anmerkung  4.  Die  neutralen  ^i'-Stämme  lauten  als  erste  Kompositionsglieder 
schon  in  vorgerm.  Zeit  auf  einfaches  0  =  a  aus,  wie  die  Übereinstimmung  von 
run.  Hlewa-gastiz  zu  gr.  KXeö-Sevo?  (:  kX^o?  'Ruhm')  lehrt.  Daraus  ergibt  sich 
vielleicht  die  Möglichkeit,  den  Übertritt  von  öj-Stämmen  in  die  «-Deklination 
für  das  Ostgermanische  zu  erklären;  vgl.  got.  lamb  N.  'Lamm'  gegenüber  ahd. 
Umbir  =  angls.  lombru  'Lämmer'.  Hierher  wohl  auch  got.  hraiwa-dübo  'Turtel- 
taube' zu  angls.  hr(kw\  vgl.  Brugmann  Grundriß  II  i,  88. 

Anmerkung  5.  Im  Angelsächsischen  deutet  z-Umlaut  auf  ursprüngliche  En- 
dung i{z)  für  den  Nom.  Sing,  in  fl^sc  'Fleisch',  hlcew  'Grabhügel',  hr&w  'Aas', 
hdl  'Heil',  Idn  'Lehen',  cild  'Kind',  lenib  'Lamm'  (neben  lomb).  Über  Spuren 
konsonantischer  Flexion  in  merc.  ccelf  Plur.  calfur  vgl.  Weyhe  Beitr.  31,  78. 
Über  die  öj-Stämme  im  allgemeinen  vgl.  von  Unwerth  Beitr.  36,  i  fF. 

§  230.  Im  Indogermanischen  gab  es  ursprünglich  bei  einigen 
konsonantischen  Neutris  Mischdeklination  (darüber  Joh.  Schmidt, 
Pluralbildungen);  r-  und  ;^-Stamm  wechselten  ursprünglich  in 
got.  watö  angls.  wcEter\  Schmidt  S.  202  erklärt  ahd.  ütiro  'Euter' 
als  Mischform  aus  idg.  üdhn-  und  üdhr--^  hierher  wohl  auch 
angls.  dögor  adän.  dcegn  (vgl.  ind.  akan-  ahar-)^  falls  hier  nicht 
Wechsel  von  os-  und  ;/-Stamm  vorliegt  wie  wahrscheinlich  auch 
in  ahd.  ndg  Plur.  nosir  angls.  nyten.  Ob  angls.  ryge  :  asächs.  roggo 
ursprünglich  Neutra  waren,  ist  unsicher. 

§  231.  Alte  r-Stämme  sind  die  ererbten  idg.  Verwandtschafts- 
namen (Stämme  fadr-  mödr-  brößr-  dohtr-  swestr-,  dazu  vielleicht 
ursprünglich  noch  mhd.  dichter  angls.  tdcor  =  ind.  devar-  gr.  öärjp.^). 
Der  idg.  Nom.  pater  ist  hur  durch  an.  fader  (vielleicht  auch  angls. 
fisder)  aus  *fader  bezeugt.  Über  die  Stammform  mit  -er  (z.  B. 
im  Dat.  Akk.  ahd.  fater  angls.  fceder  aus  vorgerm.  pateri  resp. 
paterm)  sowie  über  die  ^^-Formen  got.  bröprtim  bröpruns  ist  bereits 
§  213.  215  gehandelt. 

Anmerkung.  Im  Nom.  Sing,  entspricht  an.  fader  dem  gr.  irarrip,  aber  angls. 
sweostor  (aus  idg.  swesor)  dem  lat.  soror  lit.  sesu  KZs.  32,  iii.  Der  Gen.  Sing, 
an.  fgdur  =  altmerc.  feadur  erinnert  an  ind.  pitür.  —  Der  Nom.  Plur.  ahd. 


VIII.  Deklination.  207 


muoter  tohter  entspricht  nicht  dem  run.  dohtriz  =  an.  dHr^  sondern  dem  gr. 
laär^peq;  ebenso  beruht  der  Dat.  ahd.  bruoder  (gegen  angls.  breäer  zm%  *broprt) 
auf  germ.  brdper(t).    Auch  im  Slav.  herrscht  der  Stamm  mater-  in  allen  Kasus. 

Zu  den  ;2-Stämmen  ist  bereits  bemerkt,  daß  urgerm.  auch  ein 
paar  Berührungen  mit  der  «-Flexion  bestanden;  auch  über  den 
Zuwachs  an  ^/-Stämmen  aus  andern  Stämmen  ist  schon  gesprochen. 
Es  bedürfen  einer  kurzen  Bemerkung  einige  idg.  feminine  ^-Stämme, 
welche  im  Germanischen  zu  femininen  ^«-Stämmen  auf  unklare 
Weise  (Möller  Beitr.  7,  514,  Joh.  Schmidt  Pluralbildungen  74)  er- 
weitert sind:  idg.  swekrü  got.  swaihrdn-\  idg. plthü  2ing\s.  foläan-; 
idg.  d^ghu  got.  tuggön-.  Beachtenswert  ist  noch  die  germ.  Sonder- 
ausbildung der  idg.  Stämme  auf  -yön-.^  die  im  Germanischen  meist 
auf  -/;/-  (got.  managein-)  enden,  aber  gelegentlich  doch  auch  auf 
-Jon-  enden  können :  got.  rapjön-  :  ahd.  redin-a ;  got.  brunjö  :  ahd. 
bruni-a^  urgerm.  "^aipjön  (ahd.  fuotar-eida)  :  got.  aipein-;  idg.  bh^- 
työn-\  got.  baürpein-\    darüber  Paul  Beitr.  7,  108. 

§  232.  Mehrere  Dentalstämme  verlieren  in  dem  suffixlosen 
Nominativ  Singularis  ihren  auslautenden  Dental  nach  §  138:  tanß- 
menöp-  fahep-  ebanp-  halep-  bilden  im  Nominativ  dentallose  Formen 
wie  ahd.  zan  mäno  nefo  gif'eho  angls.  möna  nefa  gefea  (aus  ^gifcehd) 
skfen  hcele  (ahd.  HaloT)\  daraus  sind  fast  überall  Störungen  der 
alten  konsonantischen  Flexion  resultiert  (meist  Übertritte  in  die 
schwache  Deklination;  vgl.  daher  auch  gall.  gnabat  'Sohn*  Corp. 
Gloss.  Lat.  V  600  ^^  mit  ahd.  knabo  >  und  angls.  teona  asächs.  tiono 
neben  fries.  iianut-T).  Über  Ablautserscheinungen  bei  konsonanti- 
schen Stämmen  s.  Kap.  47. 

§  233.  Zu  den  Übertritten  aus  der  //-Deklination  in  die  kon- 
sonantische (oben  Kap.  46)  -kommen  scheinbar  noch  einige  Ab- 
weichungen von  den  verwandten  Sprachen:  angls.  gät  kons.  St. 
=  lat.  haedus\  angls.  sulh  eigtl.  swulh  aus  einem  idg.  kons.  St. 
swlk  =  lat.  sulcus  (doch  auch  gr.  auXaH);  angls.  furh  kons.  St. 
aber  lat.  porca\  angls.  gös  kons.  St.  aber  ind.  hansä-  (gr.  x^v); 
angls.  bröc  aber  lat.  bräca. 

Der  einsilbige  Stamm  idg.  gow  ist  im  Germanischen  erhalten 
in  einer  Form,  welche  auf  den  idg.  Akk.  göm  (ind.  gäm)  zurück- 
geht; idg.  gdm  =  got.  *kö  (vgl.  idg.  fäm  =  got./^);  dafür  westnord.- 
engl.  *kü  (vgl.  germ.  /wp  hwg  =  angls.  tu  hü  Mahlow  AEO  S.  61 ; 
Beitr.  8,  336)  aber  asächs.  ahd.  *k6\  vgl.  Akk.  Sg.  an.  kü  angls. 
cü  ostnord.  aschwed.  adän.  asächs.  kd  ahd.  chuo\  diese  Form  ist 
der  Ausgangspunkt  für  einen  neuen  Stamm  kü  :  kö  geworden  (ein 
*kau  =  gr.  ßoF-  ind.  gö-  findet  sich  im  Germanischen  nicht). 


2o8  VIII.  Deklination. 


Kap.  50.     Pronominal-  und  Adjektivdeklination. 

Innerhalb  des  Germanischen  bestehen  zwischen  den  Pronominibus 
und  den  Adjektiven  gegenüber  den  Substantiven  in  der  Dekli- 
nation vielfache  Unterschiede,  die  teilweise  urindogerm.  sind  und 
im  Ind.  ganz  besonders  reiche  Parallelen  haben. 

§  234.  Singular,  a)  Im  Dat.  Sg.  Mask.  Ntr.  erscheint  got.  -mma 
{ßa-mma  i-mma)  für  älteres  -zme  idg.  -smed  (vgl.  got.  ka-mmi-hun 
ainu-mme-hun  karja-mme-h  =  ind.  kasmäd  tasmäd  altpreuß.  stesmu). 

b)  Das  Femininum  zeigt  im  Dativ  eine  Grdf.  paizjai  für  angls. 
pskre  an.  peire^  im  Genitiv  eine  Grdf.  ßaizjöz  für  angls.  pstre  an. 
ßeirar\  die  hierin  zutage  tretenden  Suffixe  -zjai  -zjöz  decken 
sich  mit  den  Suffixen  in  ind.  ta-syäs  ta-syäi\  got.  pizös  pizai  = 
ahd.  äera  {dem)  sind  lautlich  nicht  ganz  klar,  ebensowenig  *ßaiz6s 
(aus  blindaizös  zu  folgern),  wenn  man  nicht  gesetzlichen  Verlust 
von  j  annehmen  will. 

c)  Im  Dat.  Sg.  an.  peim  angls.  p^m  steckt  vielleicht  vorgerm. 
toi-smei  oder  toi-smin  (ind.  ta-sme  ta-smin)  oder  toi-mi  =  aslav. 
tämi  (vgl.  auch  ZfdA.   16,  148). 

d)  Im  Singular  bedarf  noch  der  Nom.  Akk.  Ntr.  der  Hervor- 
hebung: idg.  fo-d  ko-d  i-d  (ind.  ta-d  i-d-am  lat.  quo-d  i-d  usw.); 
der  Dental  ist  abgefallen  lautgesetzlich  in  got.  Jva^  aber  durch 
angefügtes  Enklitikon  geschützt  in  got.  pat-a  it-a  =  ahd.  da-^  <?-f 
angls.  pcB-t  hi-t. 

Plural.  Nach  Joh.  Schmidt  KZs.  25,  5  gebührt  dem  Maskulinum 
i  als  Pluralzeichen,  also  z.  B.  to-i-.  Der  Nom.  Plur.  dazu  ist 
endungslos:  ind.  te  =  got.  pai  gr.  toi.  Der  zugehörige  Genitiv 
war  idg.  toi-sem  (nach  ind.  tesäm  aslav.  Uchü  apreuß.  steison)  = 
angls.  pdra  an.  peira  got.  (bHnd)aize\  danach  gebildet  das  Fe- 
mininum angls.  pdra  an.  peira.  Im  Dat.  Plur.  got.  paim  an.  peim 
angls.  pstm  pdm  ahd.  dem  steckt  idg.  toimos  nach  lit.  tems  aslav. 
ti^mü.  Das  Fem.  Plur.  steht  im  Germanischen  unter  dem  Einfluß 
des  Mask.;  vgl.  got.  paim  gegen  ind.  tä-bhyas^  got.  pizö  gegen 
ind.  täsäm. 

§  235.  Alle  bisher  nicht  besprochenen  Formen  stimmen  eigent- 
lich mit  der  Substantivdeklination  überein:  z  im  Nom.  Sg.  got. 
is  kas\  s  im  Gen.  Sg.  got.  is  pis  kis\  im  Fem.  Sg.  Nom.  got. 
so  wie  giba  aus  ^gibo,  im  Akk.  pd  (vgl.  got.  keilö-kun  ainö-hun 
harjö-h) ;  Fem.  Plur.  Nom.  Akk.  pös  wie  gibös,  Ntr.  Plur.  pö  wie 
waürda  aus  ^wordQ\  Akk.  Plur.  Mask.  pans  ins  wie  wulfans  gastins. 


VIII.  Deklination.  209 


—  Besonders  hervorzuheben  ist  noch  der  Akk.  Sg.  Mask.  idg. 
to-m  (wie  bei  der  Substantivdeklination  gebildet),  daraus  germ. 
pan-^  wofür  got.  pana  aus  ^pand^  bana  aus  *hwanö  (vgl.  hanö-h^ 
ainnö-hun  aus  *ainind-hun,  harjanö-K) ;  das  angls.  pone  hine  hwone 
scheint  auf  *pan6n  *hwanön  hinzudeuten.  Ahd.  ina-n  wena-n  haben 
neuere  Erweiterung  nach  der  Adjektivdeklination  erfahren.  Ablaut 
haben  ahd.  d'e-n  we-n,  dgl.  an.  pann  Akk.  (und  pess  hwess  Gen.)  Sing. 
§  236.  Die  unter  §  234  besprochenen  urindogerm.  Charakte- 
ristika der  pronominalen  Deklination  gebührten  ursprünglich  allen 
Pronominibus  auf  /  und  0.  An  die  eigentlichen  Pronomina  schließt 
das  Indische  zahlreiche,  den  Pronominibus  der  Bedeutung  oder 
der  Abstammung  nach  nahestehende  Adjektiva,  die  in  mehr  oder 
weniger  Formen  dem  pronominalen  Paradigma  folgen:  anyä-  'ander', 
üttara-  'höher',  ika-  'ein',  vigva-  sama-  simä-  sdrva-  'all,  jeder', 
nima-  ardhä-  'halb',  ptirva-  'vorder',  prathamd-  'erster',  caramd- 
'letzter'  und  mehrere  andere  Adjektiva  (näheres  über  das  Alt- 
indische bei  Macdonell,  Vedic  Grammar  §  403);  ebenso  avest. 
anya  vtspa  aeva.  Danach  wird  man  mit  Sievers  Beitr.  2,  109  für 
diese  halbpronominalen  Adjektiva  teilweise  pronominale  Flexion 
für  die  idg.  Grundsprache  anzunehmen  haben.  Das  Litauische 
hat  in  Übereinstimmung  mit  dem  Germanischen  die  Flexion  auf 
alle  Adjektiva  ausgedehnt  (Sievers  Beitr.  2,  109).  Aber  im  Latein 
zeigen  bekanntlich  Adjektiva  wie  ttnus  sölus  tötus  üllus  uter  alter 
usw.  teilweise  pronominale  Kasusbildungen,  so  daß  man  durch 
die  Übereinstimmung  von  Indisch  und  Latein  zu  der  Annahme 
gezwungen  ist,  daß  der  Übertritt  der  Adjektiva  in  die  Pronominal- 
deklination von  einer  kleinen,  schon  im  Indogermanischen  vor- 
handenen Gruppe  pronominaler  Adjektiva  mit  der  Bedeutung 
'ander,  jeder,  all'  ausgegangen  ist. 

§  237.  Im  Germanischen  treffen  wir  Übereinstimmung  von 
Pronominal-  und  Adjektivdeklination  in  folgenden  Formen:  got. 
blindamma  nach  pamma^  blindana  nach  pana\  blindai  nach  pai\ 
blindaize  nach  '^paize  (dafür  pize)\  blindaim  nach  paim\  Fem. 
blindaizös  nach  *paizös  (dafür  pizös) ;  blindaizo  nach  *paiz6  (dafür 
pizS).  Dazu  kommt  Ntr.  blindata  nsich  pa/a.  In  allen  diesen  Formen 
ist  sekundärer  Anschluß  der  eigentlich  der  Nominalflexion  fol- 
genden Adjektiva  an  die  Pronominaldeklination  sicher.  Mit  den- 
jenigen Kasus,  in  welchen  Nominal-  und  Pronominaldeklination 
im  übrigen  übereinstimmten  (Nom.  b/inds  aus  *b/tndaz,  Gen.  blindis 
aus  ^blindeso^  Fem.  blinda  aus-^  -äm^blindösdMS-äs^^iT,  Flur. b/inda 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  14 


210  VIII.  Deklination. 


aus  -d),  hat  das  Germanische  keine  Änderungen  vorgenommen, 
abgesehen  vom  Akk.  Sg.  blindana  nach  pana  (idg.  tom\  idg.  wlko-nt). 
Auffällig  ist  der  got.  Dat.  Sg.  Fem.  blindai  (wie  gibai)  gegen 
pizai  izai\  dafür  nach  der  Pronominaldeklination  ahd.  blintero 
angls.  an.  blindre.  Das  Ntr.  der  Adj.  schwankt  im  Gotischen 
zwischen  blind  und  blindata\  Angelsächsisch  und  Altsächsisch 
kennen  die  ata-Yoxm  bei  Adj.  nicht;  aber  an.  blint  (aus  blindata)  = 
ahd.  blintas.  Im  Althochdeutschen  schließen  sich  die  Adjektiva 
noch  in  weiteren  Formen  an  die  Pronominaldeklination  an:  ahd. 
blintir  nach  *ther  (welches  als  Atonon  zu  der  verkürzt  ist  wie 
*wir  =  got.  weis  zu  wtr)^  blintiu  nach  thiu. 

b)  Das  Alter  des  Übertritts  der  Adjektiva  in  die  Pronominal- 
deklination läßt  sich  relativ  bestimmen:  alte  Substantivierungen 
flektieren  nach  der  idg.  Nominaldeklination  und  noch  nicht  nach 
der  Pronominaldeklination.  Hierher  gehören  Substantiva  wie 
ahd.  kind  (:  lat.  genitus)^  ahd.  th'egan  (:  gr.  tekvov),  ahd.  barn 
(eigtl.  'das  Geborene'),  ahd.  gold  (:  ind.  härita-  'gelb'),  auch  got. 
mulda  'Erde'  (eigtl.  'die  Gemahlene'),  got.  gu-p  'Gott'  (eigtl.  'das 
angerufene  Wesen').  Hierher  gehören  auch  Präsenspartizipia  wie 
got.  frijönds  'Freund'  und  fijands  'Feind'  gegenüber  adjektivisch 
flektierten  Pluralen  wie  ahd.  (Hildebrandsl.)  seoltdante  'Seefahrer* 
und  sceotante  'Schützen'. 

b)  Für  das  Alter  des  Übertritts  der  Adjektiva  zur  Pronominal- 
deklination ist  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  derselbe 
zuerst  im  Nom.  Plur.  der  mask.  ö-Deklination  eingetreten  ist. 
Denn  im  Latein  und  im  Griechischen  sind  für  die  parallelen 
Formen  in  der  gesamten  Nominaldeklination,  d.  h.  nicht  nur  bei 
Adjektiven,  sondern  auch  bei  Substantiven  der  ö-Deklination, 
Formen  der  pronominalen  Deklination  maßgebend  geworden,  da 
im  Griechischen  nicht  nur  iToXXoi  sondern  auch  XuKOi  und  im 
Latein  nicht  nur  plent  sondern  auch  lupt  aus  der  Pronominal- 
deklination erklärt  werden  müssen.  Mit  Recht  folgert  dann 
Brugmann-Thumb  (Griech.  Gramm.  *  §  267)  aus  der  weiteren 
Übereinstimmung,  die  mit  altir.  fir  (aus  *viroi  =  lat.  virf)  und 
mit  aslav.  v/üci  lit.  vilkaz  (=  lat.  iupi  gr.  XuKOi)  besteht,  daß  der 
Übertritt  der  Nominaldeklination  zur  Pronominaldeklination  im 
Nom.  Plur.  der  mask.  ö-Stämme  schon  vorgermanisch  begonnen 
haben  müsse.  Jedenfalls  führte  der  Weg  zu  den  Substantiven  zu- 
nächst über  die  Adjektiva,  und  so  würde  das  Germanische  einen 
älteren  Zustand  als  die  übrigen  europäischen  Sprachen  aufweisen. 


VIII.  Deklination.  211 


Kap.  51.    Pronominalstämme. 

§  238.  Als  Demonstrativum  (mit  der  jüngeren  Funktion  als 
Artikel)  verwendet  das  Germanische  die  idg.  Doppelstämme  to- 
so-  und  tio-  sio-.  Der  idg.  Stamm  to-  (ind.  ia-  gr.  tö-)  hatte  von 
jeher  einen  Nominativ  Mask.  so  (ind.  sa  gr.  6)  —  Fem.  sä  (ind. 
sa  gr.  d  r|)»  denen  got.  sa  sd  und  an.  sd  sü  entsprechen.  Im  West- 
germanischen entspricht  ein  Nom.  Mask.  se  im  Altsächsischen  und 
Angelsächsischen,  dessen  Vokal  unerklärt  ist.  Aber  er  scheint  alt 
zu  sein,  insofern  asächs.  ahd.  the  (auch  durch  ahd.  blinter  als  alt  er- 
wiesen) Substitut  für  si  unter  dem  Einfluß  des  germ.  Stammes 
pa-  pe-  sein  dürfte.  —  Dieser  Stamm  herrscht  im  %o\.. pa-na pa-mma 
pi-s  sowie  in  pai  pize  paim  usw.  —  Der  Dat.  Sing,  angls.  pdm 
asächs.  thim  entspricht  dem  aslav.  Hmi}  Vgl.  got.  pata  an.  pat 
angls.  pcet  asächs.  that  ahd.  da9  mit  ind.  iad  gr.  t6(ö). 

Unklar  ist  die  ahd.  Form  dei  (vgl.  auch  dei-su)  im  Nom.  Plur. 
Neutr.  und  das  parallele  an.  pau. 

Beachtenswert  sind  Ablautsdifferenzen  got.  pa-na  angls.  po-ne: 
ahd.  de-n,  ahd.  de-s  :  2iV\g\s.  pcE-s  (asächs.  thas  Heliand  C  2156, 
sonst  thes).  Adverbial  gebrauchte  Wortformen  des  Stammes  /an- 
weist das  Germanische  mancherlei  auf.  Davon  ist  ahd.  ihö  als 
Zeitadverb  'da,  dann'  jedenfalls  der  adverbial  gebrauchte  Akk. 
Sing.  Fem.  (=  got.  po)^  wie  lat.  tum  'damals'  der  entsprechende 
Akk.  Sing.  Mask.  aus  dem  idg.  Stamm  to-  ist.  Über  got.  pan 
'damals'  vgl.  §  295,  sowie  über  got.  par  'dort*  §  296.  Ob  das  .s 
in  asächs.  thus  'so'  auch  als  Wortform  gedeutet  werden  muß, 
bleibt  unsicher;  man  könnte  auch  an  Entstehung  des  auslautenden 
s  aus  -5<?,  -sai  denken,  das  im  nächsten  Paragraphen  erörtert  wird. 

Der  idg.  Doppelstamm  sio-  tio-  besteht  im  Indischen,  wo  er 
meist  einsilbig,  aber  auch  zweisilbig  auftritt  (Nom.  syd  Mask.  — 
syd  Fem.),  die  übrigen  Formen  werden  aus  dem  Stamm  tyd-  ge- 
bildet (vgl.  lit.  cza  'hier'  aus  tja-);  der  altpers.  Stamm /m-  'welcher' 
beruht  auf  einer  zweisilbigen  Grundform  tio-  (Nom.  altpers.  hya 
aus  syä)  und  diese  zweisilbige  Grundform  sio-  tio-  hat  auch  im 
Westgermanischen  Spuren  hinterlassen  und  zwar  im  angls.  Fem. 
seo  aus  *siu  germ.  si^  =  ind.  sy&\  danach  ahd.  asächs.  thiu  für 
*siu  unter  dem  Einfluß  der  obliquen  mit  th  anlautenden  Kasus- 
formen. Der  idg.  Stamm  tio-  steckt  noch  in  ahd.  dia  (Akk.  Sg. 
Fem.)  aus  *//^",  ahd.  diu  (Instrum.  Neutr.)  sowie  in  ahd.  die  dio 
diu  (Nom.  Plur.  Mask.  Fem.  Neutr.)  aus  *//«/  ^piös  *pi^ ;  ferner  im 

14* 


212  VIII.  Deklination. 


Instrumental  ahd.  diu.    Vgl.  Scherer  ZGDS*  363,  van  Helten  Beitr. 
16,  286.    Somit  war  die  Urflexion  folgendermaßen: 
Sing.N.jd5  got.  sa  an.  sä  sq  got.  s6  an.  sü 

si  angls.  si  si^  angls.  seo 

thi  ahd.  asächs.  the  ßi$  ahd.  diu 

G.  ßesgot.ßisdhd.desdiS'ichs.tkes  pezöz  asächs.  thero  got.  ßizös 

pas  angls.  pcBS  paizjös  angls.  ßsere 

D.  pamme  got.  pamma  p'ezai  got.  ßizai 

paim(i)  angls.  psem  pezo  ahd.  theru 

pemg  ahd.  th'emo  paizjai  angls.  pskre 

Akk.  pang  got.  pana  angls.  pone      pö  got.  pö  angls.  an.  pd 

Plural  pai  got.  Pai  angls.  pd  piö  ahd.  ^^^ 

piai  ahd.  ^<?«.?  /^£r  got.  pös 

Akk.  /ä«2  got.  /^//.y  angls.  pd         piöz  ahd.  ^/V> 

Gen.  paizö  angls.  /ir^ 

/^■s(?  got.  pizo  ahd.  Z^^^-rö 

Dat.  paim(i)z  got.  paim  2ing\s.pskm 

§  239.  Dieser.  Das  Gotische  hat  den  Artikel /«-  mit  einem 
deiktischen  Pronomen  -h  (=  lat.  -ce  in  kic  hujusce)  zusammen- 
gesetzt, wobei  nur  das  erste  Element  flektiert:  got.  sah  söh 
patuh  usw. 

Die  übrigen  altgerm.  Sprachen  setzen  den  Stamm  pa-  mit  dem 
deiktischen  got.  sai  *ecce'  zusammen,  das  wir  in  got.  nü  sai  'vuvi' 
und  auch  in  paruk  sai  Lukas  7,  12.  37  antreffen  (ähnlich  wird  im 
Angelsächsischen  Id  'ecce'  enklitisch  an  pcst  pces  gefügt :  pcetld 
pcssld  usw.).  Nordische  Runeninschriften  zeigen  das  erste  Element 
flektiert  in  sdsi  Fem.  süsi  Neutr.  patsi,  Akk.  Mask.  pansi  Fem. 
pdsi,  Dat.  Sing,  paimsi,  Plur.  Ntr.  pausi.  Über  diese  Formen  vgl. 
Bugge  Tidskr.  f.  Fil.  9,  iii.  Im  Althochdeutschen  treffen  wir 
Musp.  V.  103  den  Gen.  Sing,  des-se  als  einzigen  Rest  des  Ursprüng- 
lichen (eigtl.  p'es  +  se).  Durch  andere  Formen  schimmert  die 
alte  Flexion  des  i.  Elementes  nur  ungenau  hindurch;  am  meisten 
noch  im  Angelsächsischen,  wo  aber  das  -e  des  enklitischen  -se 
apokopiert  ist;  vgl.  Plur.  pds  für  ""pd-se  neben/«';  Instr.  Sing. 
pjfs  für  *py-se  neben  py ;  Akk.  Fem.  Sing,  pds  für  *pd-se  neben 
pd.  Der  angls.  Nom.  Mask.  Sing,  pes  stimmt  somit  zu  asächs.  ahd. 
these  und  das  Fem.  angls.  peos  zu  asächs.  tkius.  Danach  ergibt 
sich  als  alter  Formenbestand  mit  Sicherheit  folgendes  Paradigma : 


VIII.  Deklination.  213 


Nom.  Sg.  sase  (run.  säst)  patse  VMn. ßaisi  söse  run.  süsi 

tkese  (ahd.  dese)  thiö-se  asächs.  thius  2Si^^.peos 

Genit.  M.N.  ßes-se  ahd.  desse 
Dativ  M.N.  paim-se  run.  peimsi 
Akk. Sg-pane-semn. paust    patsexMn.patsi    pö-ser\xn.pdsi?ing\s.pds 
J^om.VX. paise  angis.  pds     pauserxm.pausi  pös-se  angls.  pds 
ahd.  dese 
Diese  noch  erkennbare  Flexion  ist  nun  im  Westgermanischen 
dadurch   gestört,   daß  man   zunächst  die  Flexion   auch  noch  am 
Wortende  zum  Ausdruck  brachte,  wo  ja  sonst  der  eigentliche  Sitz 
der  Flexion  zu  sein  pflegt;  so  trat  wohl  zunächst  im  Gen.  Sing, 
ahd.  d'esse-s  angls.  pisse-s  Doppelflexion  (nach  Art  des  gr.  TOicy- 
becTCTi)    ein;     auch    mochte    die    ahd.    Pluralform    these   doppelt- 
flektiert aussehen.    Neubildung  mit  Doppelflexion  scheinen  ahd. 
deasa  und   im  Neutr.  Plur.   deisu  zu  sein.    Schließlich  starb  die 
Flexion   des  i.  Elements   ab,   und   es   zeigte  sich   nur  noch  die 
Endung  flektiert  in  angls.  pissum  pisre^  Fem.  Gen.  Dat.  pisse  (aus 
*pisRe)  und  im  Gen.  VXmt. pissa  (aus  *pisRd)\  ebenso  in  ahd.  d'esemo 
d'esan  usw. 

Anmerkung.  Das  Neutr,  ahd.  thizzi  =  asächs,  thit  (angls.  pis  für  pit -\-  seT) 
weist  auf  das  im  Hei,  bezeugte  th'et  (für  thai)  gemäß  ahd.  asächs.  thes  themo 
thera  th'eru.  Das  deiktische  Element  von  ahd.  thizzi  deckt  sich  mit  got.  ja  jai 
'wahrlich' :  also  ahd.  thizzi  für  westgerm.  pittj{ä)  aus  germ.  th'et  -\-  ja. 

§  240.  Ein  anderer  deiktischer  Pronominalstamm  ist  hi-,  von 
dem  nur  wenige  flexivische  Spuren  erhalten  sind  und  zwar  nur 
bei  Zeitbestimmungen :  got.  himma  daga  'heute'  —  und  hina  dag 
'bis  heute*  —  und  hita  'bis  jetzt' ;  ferner  ahd  Mnaht  und  mhd. 
hiure  'heuer'  und  (ZfdA.  23,  208)  hibendene  'heute  Abend' ;  ahd. 
(Beitr.  12,  376)  hiutu  aus  "^hiu  t(a)gu  für  hij^  da^ö. 

Auf  dem  gleichen  Pronominalstamm  hi-  beruhen  noch  Lokal- 
adverbia  wie  ahd.  hinan  =  angls.  heonan  =  an.  (mit  Dissimilierung) 
hedan ;  ferner  germ.  her  'hier'  got.  hidri  (an.  hedrd)  'hierher'  angls. 
hider  'hierher'  —  ahd.  h'era  (für  *hi-rg)  'hierher'. 

Dieser  germ.  Pronominalstamm  hi-  wird  mit  lat.  ci-  in  eis  citra 
und  mit  aslav.  si  =  lit.  szis  altpreuß.   schis   'dieser'  verglichen. 

§  241.  Ein  deiktischer  Stamm  swa-  'dieser'  steckt  in  dem 
Adverb  got.  swa  angls.  swa  und  in  dem  damit  zusammenhängenden 
ahd.  sus  (für  *swus})  und  ahd.  so  für  so  (eigtl.  *swö})  in  ahd. 
soHh  sulih  'solcher'  wegen  angls.  swylc  (neben  swa  'so')  aus  *swulic} 

§  242.    Für  jener  hat  das  Germanische  einige  lautverwandte 


214  VIII.  Deklination. 


Stämme,  die  sich  jedoch  nicht  wohl  einheitlich  auffassen  lassen. 
Got.  jains  'jener'  hat  äi  in  der  Tonsilbe ;  angls.  g^on  Cur.  Pastor. 
443  ^^  fasse  ich  als  geön  (germ.  jöna-  oder  jina-) ;  angls.  (Epin. 
Gloss.  1041)  biginan  =  sonst  bigeonan  weisen  auf /V;/^-;  hinwieder 
muß  angls.  geönd  auf  jön-  jin-  beruhen.  Das  erst  bei  Otfrid  auf- 
tretende ahd.  j^ner — gener  (Notk.  euer)  hat  nach  Franck  ZfdA.  25, 
223  Umlauts-^,  ohne  daß  sich  ein  Grund  für  Umlaut  zeigte ;  dazu 
ahd.  enönt  'jenseits'.  Wie  sich  die  sicher  zu  erschließenden 70/«^- 
jina-  und  jdna-  zueinander  verhalten,  ist  nicht  zu  erkennen.  Sollte 
Komposition  eines  flektierten  Stammes  ja-  anzunehmen  sein,  wie 
bei  nhd.  dieser  (sa-sai,  so-sai  usw.j.?  Das  Germanische  scheint 
ein  verstärkendes  nai  in  ahd.  danne  wanne  inne  (gegen  got.  pan 
han  inn)  zu  besitzen. 

§  243.  Pronomen  personale  der  3.  Person:  got.  Stamm  i-  (lat. 
is  id\  ergänzt  im  Nom.  Sg.  Fem.  durch  si  (aber  Akk.  ija  =  lat. 
eani).  Im  Ahd.  gilt  derselbe  Stamm,  doch  ist  der  Stamm  si-  (vgl. 
ind.  sim  Obl.  Sg.  Plur.)  im  Nom.  Akk.  Fem.  {siu-si  sia)  sowie 
im  Nom.  Plur.  {sie  sin  sid)  eingedrungen;  vgl.  auch  altir.  e  si 
ed\  ind.  id-äm  im-äm  (ob  got.  imma  ==  ind.  asmät  zu  idg.  e-  T).  — 
Während  das  Angls.  dafür  den  Stamm  hi-  durch  alle  Kasus  hat, 
treffen  wir  ihn  im  Altsächs.  nur  im  Nom.  Sing.  Mask.  he^  sonst 
im  Sing,  aber  is  imo  ina  und  im  Plural  sia  iro  im. 

§  244.  Relativum  ist  got.  saei  sdei  ßatei,  der  Artikel  mit  der 
Relativpartikel  ei.  Im  Ahd.  ist  der  Artikel  zugleich  Relativum. 
Das  Angelsächsische  gebraucht  gleichfalls  den  Artikel,  häufig  in 
Verbindung  mit  der  Relativpartikel  de  {sede  seode  pcette).  Das  Alt- 
nordische bedient  sich  der  Partikeln  sem  und  es  mit  voraus- 
gehendem sd  SU  pat.  —  In  got.  jabai  'wenn'  steckt  ein  idg.  ^^-Kasus 
eines  alten  Relativpronomens  yo  (in  md.j/a-s  =  gr.  0-5  'welcher'), 
ebenso  in  angls.  gif=  ahd.  ibu  'wenn'  (für  yibu  wie  ahd.  ir  'ihr' 
für  *;Vr  §  253). 

§  245.  Interrogativstamm  ist  idg.  qo-  {qe-)  vgl.  ind.  ka-  gr. 
TTO-;  entsprechend  substantivisch  got.  kas  fvö  fva,  ahd.  wer  wan, 
angls.  hwd  hwcet^  an.  hvat\  alle  ohne  Pluralformen  und  auch  im 
Sing,  reduziert.  Daneben  gr.  iroTepo^  lat.  uter  ind.  katarä-  'wer 
von  beiden'  =  got.  hapar  angls.  hwceder  und  mit  Ablaut  ahd. 
hw'edar  (an.  hvadarr  kvdrr)\  ferner  got.  karjis  'wer'  (lit.  kurs 
aus  ^^kurjas).  Adjektivisch  werden  gebraucht  got.  kileiks  angls. 
hwilc aus  *qe-ltgo-  und  ahd.  hwelth  aus  '^qo-ligo-  (vgl.  lit.  lygus  'gleich'). 
Von  hwa-  muß   als   urgerm.  Instrumental   auch  hwo  =  angls.  hü 


VIIL  Deklination.  215 


(für  '^hwü  Beitr.  8,  336)  und  asächs.  hwö  'wie'  erwähnt  werden, 
sowie  got,  Jvaiwa  ahd.  hweo  (gebildet  wie  ind.  evä  'so*  und  iva 
'wie'  ?) ;  angls.  hwi  'warum'  =  asächs.  hwt  'warum' ;  angls.  hwan 
hwon  in  tohwon  'wozu'. 

§  246.  Für  selbst  gilt  got.  silba  2in.  sjalfr  ^ngXs.  seolf  seolfa 
ahd.  selb  s'elbo.  Da  lit.  pats  'selbst'  dem  ind.  pdtis  'Herr'  (got. 
-faßs)  entspricht,  liegt  dem  germ.  Pronomen  möglicherweise  ein 
Wort  für  'Herr'  zugrunde. 

§  247.  Identitätspronomen  entsprechend  dem  gr.  ö|Li6-g  =  ind. 
samä-s  'derselbe'  ist  got.  sa  sama  an.  samr  angls.  som  ahd.  der 
samo  (vgl.  angls.  swd  some  'ebenso').  Aus  diesem  sama-  'der- 
selbe' (vgl.  ind.  samanä  Adv.  'zusammen')  stammen  die  Adverbia 
got.  samaß  samana  'zusammen'.  —  Im  Angelsächsischen  herrscht 
daneben  se  ilca  aus  *f-lika-\  auf  das  kürzere  Pronomen  weist 
auch  angls.  tdcsges  'desselben  Tages'  hin  (Angl.  V  Anz.  85);  doch 
findet  sich  von  diesem  Stamme  t  'derselbe'  sonst  keine  Spur. 

§  248.  Indefinit  ist  got.  sums  an.  sumr  angls.  ahd.  sum  'irgend 
einer'  aus  idg.  sdmo-  =  ind.  sama-  (unbetont)  'irgend  einer'  (gr. 
d|UÖ-9ev  'irgend  woher');  dieser  Stamm  spmo-  ist  zweifelsohne 
verwandt  mit  dem  Zahlwort  sem  'eins'  §  300  und  wohl  auch  mit 
dem  §  247  behandelten  idg.  somo-  'ein  und  derselbe'.  Zudem  er- 
scheint im  Gotischen  auch  /i^as  indefinit  als  'irgend  jemand',  dazu 
negiert  mit  der  Indefinitpartikel  als  ni  Ivashmi  'niemand'  und  ni 
ainshun  'niemand,  kein'. 

§  249.  Außerdem  werden  verallgemeinernde  Indefinita  durch 
Anfügung  von  Enklitiken  an  Pronomina  gebildet,  a)  -uh  'und'  in 
got.  kazuh  karjizuh  entspricht  dem  lat.  que  in  quisque ;  got.  Jvapar- 
uh  =  lat.  uterque  'jeder  von  beiden' ;  diese  Bildung  für  'jeder* 
durch  -uh  kennt  nur  das  Gotische  (beachte  ind.  käs  ca  'irgend- 
wer'). 

b)  Das  Suffix  -hun  bildet  im  Gotischen  mit  der  Negation  den 
Begriff  'niemand'  ni  mannahun^  ni  ainshun\  das  Suffix  ist  durch 
Enklise  (vgl.  lat.  quicunqtie)  hindurch  aus  einem  selbständigen 
Wort  entstanden,  das  im  Indischen  als  die  Hervorhebungspartikel 
cand  erscheint  {nd  .  .  .  kds  cand  'nicht  irgend  einer,  keiner*, 
kds  cand  'jeder  beliebige').  In  der  Gestalt  yin  (mit  gramm. 
Wechsel)  erscheint  dasselbe  Enklitikon  in  ahd.  w^rgin  asächs. 
hwergin  angls.  hw^rgen  'irgendwo'  (asächs.  ni-hw^rgin  'nirgends') 
neben  got.  här  'wo*.  Und  mit  dieser  Form  yin  bildet  das  An. 
hvatke  'was  auch  immer',  hverge  'wer  auch  immer'  (zu  got.  karjis)\ 


2i6  VIII.  Deklination. 


dem  got.  ainshun  entspricht  so  an.  enge^  an.  mange  ist  gleich 
got.  mannahm,  an.  vetke  weist  auf  got.  "^ni-waihthun. 

c)  Das  gemeinwestgerm.  Pronomen  man  fügt  sich  zu  dem 
kollektivischen  Gebrauch  von  ind.  manu-  mdnus-  (im  Singular 
=  'die  Menschen,  die  Menschheit';  vgl.  ind.  pürü  Singular  = 
'Mensch,  die  Menschen,  Volk').  Denselben  kollektivischen  Ge- 
brauch des  Singulars  findet  Behaghel  Germ.  23,  261  bei  Otfr. 
1114^/0/  mannes  'voll  von  Menschen'  und  III  6*  düsunt  mannes; 
vgl.  auch  mhd.  niht  mannes  'keiner  der  Menschen'  Reinmar  d. 
Alte  V.  140  und  was  mannes  'wer  der  Menschen'  Konr.  Fleck, 
Flore  V.  3533. 

§  250.  Für  'anderer'  erscheint  got.  aljis  (lat.  alius  gr.  aWog) ; 
westgerm.  noch  in  ahd.  eli-lenti  asächs.  elilendi  'ausländisch'  angls. 
eilende  elßeodig  usw.,  sowie  in  asächs.  ellior  angls.  ellor  'anders- 
wohin' (got.  aljar  'anderswo'),  asächs.  elkor  ahd.  elihhör.  Ob  das 
umlautslose  Adverb  ahd.  alles  'anders'  mit  dem  altgall.  allo-  in 
dem  Völkernamen  Allo-broges  zusammenhängt,  ist  unsicher.  — 
Daneben  ursprünglich  nur  von  zweien  gebraucht  got.  anpar  ahd. 
ander  angls.  öper  an.  annarr  =  lit.  äntras.  Übrigens  got.  anpar : 
ind.  anyd-  =  lat.  alter',  alius \  offenbar  hat  als  idg.  antero-s  und 
aljos  zu  gelten,  so  daß  das  Germanische  den  idg.  Bestand  re- 
präsentiert; im  Lateinischen  einerseits  und  im  Ind.  anderseits 
wären  Ausgleichungen  nach  verschiedenen  Richtungen  eingetreten; 
vgl.  §  290. 

§251.  Possessiv a.  Für  'mein,  dein,  sein'  wird  Suffix  -tna (§  274) 
(wie  in  ind.  m&kina-  'mein',  später  auch  ind.  tävakina-  äsmäkina- 
yauSmäkzna-  und  mämakfna-)  verwendet :  *minaz  (vielleicht  aus  idg. 
meytno-s)^  '^ptnaz  (idg.  eigtl.  tu-tno-s)^  '^smas  (eigtl.  *sw-ino-s>). 
Von  idg.  mejo  ('lat.  meus),  tewo-  (lat.  tuus)^  swo  (ind.  sva-)  usw. 
zeigt  das  Germanische  keine  Spur.  —  Die  Plurale  und  Duale 
der  ungeschlechtigen  Pronomina  bilden  ihre  Possessiva  auf  ero\ 
an.  V'dr  ahd.  uns-er  got.  unsar,  got.  izwar  ahd,  iuwer^  got.  igqar 
angls.  incer^  an.  okkar  angls.  uncer.  Außerhalb  des  Germanischen 
gehören  zu  dieser  Bildung  nach  Hübschmann  Armen.  Stud.  S.  92 
die  Genitive  der  Personalpronomina,  die  zugleich  Possessiva  sind, 
armen,  me-r  'unser',  dze-r  'euer'  u.  a.,  ferner  nach  Brugmann 
(Thurneysen)  Grundr.  II  184  altir.  ar  'unser',  far-bar  'euer'.  Das 
an.  vär-r  'unser'  ist  genau  so  wichtig  wie  der  Gen.  Plur.  vär 
gegen  ahd.  unser ^  als  Beweis  für  den  Satz,  daß  unbetontes  germ. 
e  {j=  an.  d  in  vdrr)  im  Althochdeutschen  erhalten  bleibt;  es  geht 


VIII.  Deklination.  217 


aus   von   idg.  we-   im   Nom.  Plur.  we-i  'wir'  =  ind.  vay-äm   got. 
weis,   wozu   der  Dual   aslav.  vi  asächs.  wi-t  ind.  vätn. 


Kap.  52.     Die  ungeschlechtigen  Pronomina. 

§  252.  Singular.  Das  Pronomen  'ich'  lautete  idg.  egom  — 
run.  "^eka  in  der  enklitischen  Form  ka  (kaiti-ka) ;  das  urnord.-run. 
ek  (=  aschwed.  anorw.  jak  westgerm.  ik)  kann  keinen  Vokal  im 
Auslaut  verloren  haben,  beruht  also  auf  idg.  eg  (beachte  ind. 
tvam  =  lat.  /»,  ind.  vay-dm  aus  idg.  wei)  ind.  id-am  lat.  id  =  lit. 
asz  'ich'.  Das  i  des  westgerm.  ik  gegen  germ.  ek  beruht  auf  der 
Unbetontheit  des  Pronomens  wie  in  asächs.  mid  gegen  gr.  laeidt, 
asächs.  in  gegen  gr.  dv,  asächs.  ni  neben  lat.  ne-scio. 

Der  zugehörige  Akkusativ  war  idg.  me  (gr.  )Lie  lat.  me  ind. 
unbetont  mä^  betont  mäm) ;  me  wurde  im  Germanischen  erweitert 
zu  mek  (angls.  mec)  entweder  im  Anschluß  an  ek  oder  eher 
durch  Anfügung  einer  enklitischen  Partikel  wie  gr.  y€  in  ^y^T^ 
IjueYC  (vgl.  ind.  tuam  ha>)\  ob  die  angls.  Nebenform  me  auf  idg. 
me  zurückgeht,  ist  unsicher.  Asächs.  mik  ahd.  mih  sind  unbe- 
tonte Lautformen  zu  angls.  mec. 

Im  Dativ  got.  mi-s  ahd.  mi-r  asächs.  mt  angls.  me  erscheint  ein 
dem  Germanischen  eigentümliches  z  als  Kasussuffix.  Als  urger- 
manisch wird  mez  zu  gelten  haben,  wobei  Apokope  eines  Endungs- 
vokals {roT)  denkbar  wäre.  Angls.  mi  hat  dasselbe  e  wie  angls. 
med  gegenüber  got.  mizdo.  Aber  asächs.  mt  erinnert  an  asächs. 
lindn  aus  *liznön. 

Als  Kasusbildung  ist  ebenso  unklar  das  Suffix  des  Genitivs  got. 
meina  an.  angls.  min  aus  urgerm.  mtno\  das  genaue  Verhältnis 
zum  Possessivpronomen  mina-  ist  nicht  bestimmbar. 

Das  idg.  Pronomen  personale  der  2.  Pers.  Sing,  war  iü  (im  Ind. 
zu  tu-am  erweitert)  =  germ.  pü.  Der  zugehörige  Akkusativ  war 
idg.  twe  mit  konsonantischem  ze;,  vgl.  apers.  ^väm  Akk.  zu  tuam^ 
avest.  ^wäm  zu  tuem  gr.  a^  (aber  doch  auch  ind.  tuäml).  Im  Ger- 
manischen steht  der  Akk.  Sing.  (got.  ßuk  und  mehr  noch  ahd. 
dih)  wie  der  Dativ  (got.  ßus  und  mehr  noch  ahd.  dir)  und  der 
Genitiv  (got.  ßeina  ahd.  dfn)  ganz  im  Abhängigkeitsverhältnis  zu 
den  Parallelformen  der  i.  Person. 

Dasselbe  gilt  vom  Reflexivum  (got.  seina  sis  sik  an.  sin  sir 
sik  ahd.  stn  sih),  das  dem  lat.  se  gr.  t  aslav.  s^  sebs  zunächst  steht 
und  mit  ind.  sva  lat.  suus  aus  *sevos  verwandt  ist. 


2i8  VIII.  Deklination. 


Anmerkung.  Zu  den  in  andern  idg.  Sprachen  auftretenden  Kasusformen  wie 
ind.  mama  tava  lat.  mihi  tibi  gr.  |lioi  TOI  ind.  te  hat  das  Germanische  keine  Parallel- 
formen. 

§  253.  Plural.  Die  i.  Person  besaß  urindogerman.  einen  No- 
minativ we-i  (=  ind.  vayäm  mit  angefügtem  deiktischem  Sekundär- 
element am)  =  urgerm.  wf,  das  in  got.  weü  (=  an.  ve'r  ahd.  mit 
der  Vokalkürzung  der  Atona  w^-r)  um  das  z  des  Nom.  Plur.  er- 
weitert ist  (vgl.  gasti-z).  Der  hierin  enthaltene  Pronominalstamm 
idg.  w^-  (vgl.  unten  §  254  beim  Dual)  bildete  urgerman.  noch  den 
Genitiv  we-ra  =  an.  vär  Leskien,  Deklination  S.  155;  über  das 
hierin  enthaltene  Possessivsuffix  idg.  ro  s.  §  251.  Das  e  von  ahd. 
unser  iuwer  (angls.  user  eower)  Braune  Beitr.  2,  140  beruht  wohl 
auf  Übertragung  von  jenem  germ.  wer  (an.  vdr)  'unser',  es  hat 
sich  nach  §  147  in  unbetonter  Silbe  auch  im  Westgermanischen 
halten  können.  —  Im  Obliquus  herrscht  im  übrigen  gemeingerman. 
nicht  der  idg.  Stamm  w^^  sondern  U7ts  aus  idg.  ns-\  dieses  ns-  ist 
urverwandt  nach  de  Saussure  Memoire  S.  25  mit  ind.  nas  aslav. 
ny  lat.  nos  (gr.  viüiv)  und  auch  mit  gr.  d)Li-|ue-<;  aus  *dcr-jLi6.  Die 
Bildung  des  Dat.  Akk.  aus  urgerm.  uns  (=  idg.  ns)  ist  nicht  deut- 
lich; überall  zeigt  sich  Einfluß  seitens  des  Singulars  (got.  mis 
ahd.  miK),  so  daß  es  schwer  ist,  die  unbeeinflußten  Formen  zu 
rekonstruieren.  Klar  ist  ahd.  tmsih  angls.  üsic  (ndd.  ösch  ösek  ver- 
kürzt seck^  andd.  *üsik)  nach  ahd.  mih  usw.  gebildet.  Die  urgerm. 
Akkusativform  scheint  uns{e)  gewesen  zu  sein. 

Die  2.  Person  hat  im  Plural  indogerman.  den  Stamm  j/u;  vgl. 
ind.  yü-y-am  yu-smän  usw.,  gr.  U|Li|Lie(j  für  *yu-sme-s\  daneben 
eine  enklitische  Kurzform  Gen.  Dat.  Akk.  ind.  vas  lat.  vos  (aslav. 
vy)^  von  der  das  Germanische  keine  Spur  aufweist.  Der  Stamm 
yü'  (ind.  yüy-äm  lit.  jus)  steckt  in  got.  jus ;  die  jüngeren  an.  er 
angls.  ge  ahd.  ir  für  Grdf.  jiz  stehen  unter  der  Einwirkung  der 
I.  Person.  —  In  den  obliq.  Kasus  zeigt  das  Germanische  einen  Stamm 
ezw-^  der  durch  eine  Mittelstufe  ezgw-  mit  gr.  CTqpuje  'ihr  beide' 
zusammenzuhängen  scheint;  das  innere  zw  ist  im  Westgerma- 
nischen zu  ww  angeglichen.  Das  Westgermanische  (angls.  eow  ahd. 
m  iu)  beruht  auf  einer  Grdf.  eww{e)^  wie  westgerm.  uns  auf  '^üns{e)\ 
ahd.  iuwih  ndd.  jöck  angls.  eowic  sind  vom  Singular  beeinflußt. 
—  Der  Dat.  got.  izwis  an.  ydr  (Bugge  Kz.  4,  252)  einerseits  — 
angls.  eow  ahd.  eu  iu  anderseits  ist  gebildet  wie  bei  der  i.  Per- 
son; und  dasselbe  gilt  von  got.  izwara  an.  ydvar  ahd.  iuwer  angls. 
eower  aus  urgerm.  iww^rd. 


VIII.  Deklination.  219 


§  254.  Dual.  Wie  beim  Verb,  so  besaß  das  Germanische  beim 
Personalpronomen  einen  Dual  für  die  i.  2.  Person.  Aber  er  hat 
sich  rein  nur  im  Gotischen  und  Nordgermanischen  erhalten,  während 
er  in  den  jüngeren  südgerm.  Sprachperioden  nur  noch  in  plura- 
lischer Funktion  und  reduziert  auftritt.  Aber  auch  schon  im 
Gotischen  ist  der  idg.  Erbbestand  reduziert.  Nirgends  im  Ger- 
manischen finden  sich  Spuren  der  alten  enklitischen  Obliquen 
ind.  näu  väm^  gr.  vub,  aslav.  nama  vama.  Dann  wird  der  germ. 
Dual  dadurch  als  sekundär  charakterisiert,  daß  seine  Flexion  in 
den  obliquen  Kasus  genau  mit  der  Pluralflexion  übereinstimmt; 
wenigstens  besitzt  im  Indischen  der  Dual  der  Personalia  Formen, 
die  von  den  entsprechenden  Pluralformen  verschieden  sind. 

Die  gemeingerm.  Stammformen  sind  i.  Person  unk-,  2.  Person 
inq-\  vgl.  got.  ugkis  igqis  =  an.  okkr  ykkr  =  angls.  unc  ine  nord- 
fries.  tmk  junk  im  Gen.  Dat.;  doch  weist  das  Nordische  und  Angel- 
sächsische auf  eine  Endung  ohne  i  gegenüber  dem  Gotischen  hin 
ebenso  wie  beim  Plural.  Auswärtige  Zubehör  zu  diesen  Stämmen 
unk-  inq-  hat  sich  nicht  gefunden.  Die  Bildung  der  zugehörigen 
Nominative  ist  eigenartig;  in  der  i.  Person  treffen  wir  ein  mit 
aslav.  v(i  'wir  beide'  verwandtes  got.  wit  an.  vit  angls.  mit  nord- 
fries.  wat  asächs.  wit^  in  dem  man  das  we-  von  idg.  wei  'wir' 
=  got.  weis  (§  253),  aber  auch  das  we  im  Personalsuffix  der 
I.  Person  Dualis  (ind.  bhärävas  —  bhdreva  §  198  Anm.  i)  wieder- 
erkennt. In  der  2.  Pers.  gilt  an.  it  angls.  git  nordfries.  gat^  das 
sich  wohl  nach  wit  sekundär  gerichtet  hat,  aber  man  darf  wohl 
germ.-got.  jut  (vgl.  ind.  yuväm)  'ihr  beide'  voraussetzen ;  ähnlich 
entspricht  dem  got.  pus  'dir'  ein  ahd.  dir  usw.  Das  /  von  got. 
wit  und  *jut  leitet  Scherer  ZGdS*  253  aus  {wi)twa  {ju)twa  'wir, 
ihr  zwei'  ab  (vgl.  got.  uk  für  -uhw  =  lat.  que)  und  dafür  könnten 
die  verwandten  Dualformen  lit.  miiäu  juäu  sprechen ;  aber  man 
sollte  vielmehr  das  Zahlwort  ba-  'beide'  in  der  Zusammensetzung 
erwarten.  Im  Angelsächsischen  können  die  Akkusative  unc  ine 
nach  den  Nominativen  wit  git  zu  uneit  incit  erweitert  werden, 
während  sonst  bei  den  geschlechtslosen  Pronominibus  Nomin.  und 
Akkus,  sich  nicht  beeinflussen. 

Früh  haben  die  Duale  das  Zahlenverhältnis  noch  durch  den 
Zusatz  von  'zwei'  oder  'beide'  markiert;  vgl.  an.  ykkur  beggja 
Völ.-kv.  36^,  anord.  vit  Bäder  und  angls.  ine  bdm^  ineer  twega^ 
unc  bdm,  une  twdm  sehr  oft  und  vgl.  auch  Hei.  5592.  So  hat 
Otfrid  III  22"   unker  zweio   als   einzigen  Rest  des  Duals  im  Alt- 


220  IX.  Nominale  Wortbildung. 

hochdeutschen.  Aber  späterhin  —  seit  dem  Ende  des  13.  Jahrhs. 
—  tritt  bayr.  es  enk  als  Plural  auf,  und  dies  ist  das  alte  {j)it  *ink. 
Indem  der  Zusatz  des  Zahlwortes  nach  und  nach  notwendig  wurde, 
konnte  das  duale  Pronomen  Pluralfunktion  annehmen.  Und  das 
gilt  noch  vom  südwestfäl.  it  git  Obliq.  ink  'ihr,  euch';  auch  vom 
neueren  Isländischen. 

IX.  NOMINALE  WORTBILDUNG. 

Kap.  53.     Flexionstypen. 

Die  germ.  Wortbildung  macht  von  der  idg.  Nasalierung  keinen 
Gebrauch,  was  sich  daraus  erklärt,  daß  innerhalb  des  Verbums  die 
Nasalierung  im  Germanischen  keine  Bedeutung  mehr  hat  (oben  §112 
und  168).  —  Die  im  Indischen  erscheinende  Nominalbildung  durch 
Vxddhi  aus  primären  Nominibus  ist  wahrscheinlich  nur  in  kleinem 
Umfang  urindogermanisch  gewesen ;  ^  zeigt  sich  im  Germanischen 
als  Vxddhi  in  einigen  denominativen  Nominibus;  vgl.  mhd.  swäger 
zu  sweher^  got.  megs  zu  magus\  auch  got.  -tekund  zw.  taihun}  —  Der 
Akzent  als  nominalbildendes  Prinzip  zeigt  sich  urgerman.  nicht 
häufig  mehr  wirksam;  auf  dem  Adj.  got.  hauhs  beruht  an.  haugr 
'Hügel'  KZs.  23,  100.  Sonst  zeigen  sich  noch  vielfache  Spuren, 
daß  der  Akzent  abgeleitete,  mit  Suffixen  versehene  Sekundär- 
bildungen gegenüber  den  Primärworten  auch  im  Urgermanischen 
charakterisiert  hat;  einzelnes  wird  alsbald  zur  Sprache  kommen. 

§  255.  Die  germ.  Wortbildung  zeigt  zwei  verschiedene  Typen. 
Eigentlich  lebenskräftige  Suffixe  haben  stets  feste,  durch  Auslauts- 
gesetze unzerstörbare  Konsonanten  in  sich;  über  diese  vgl.  Kap.  54. 
Daneben  gibt  es  eine  Art  Wortbildung,  welche  durch  nichts  als 
die  Flexionstypen  im  Germanischen  charakterisiert  ist.  Vom  idg. 
Standpunkt  aus  sind  die  Flexionstypen  germ.  wulfaz  da-^az  fastiz 
sunuz  usw.  nicht  suffixlos;  wir  haben  hier  aiu  vom  idg.  Stand- 
punkt aus  als  Suffixe  zu  bezeichnen,  aber  hier  kann  auf  intern 
germ.  Gebiet  nicht  mehr  von  Suffixen,  sondern  nur  noch  von 
Flexionen  geredet  werden.  Hier  soll  nun  in  der  Kürze  angeführt 
werden,  welche  Flexionstypen  im  Urgermanischen  lebenskräftig 
waren. 

§  256.  Das  a-  der  ^-Deklinationen  ist  als  Wortbildungselement 
noch  bei  Verbalnominibus  wie  an.  hlaup  angls.  hle'ap  ahd.  lauf 
oder  ahd.  asächs.  werk  (gr.  ?pY-o-v)  erkennbar;  besser  in  Fe- 
mininen wie  ahd.  keifa  zu  helfan,  fräga  zu  fragen.     Auch   Ad- 


IX.  Nominale  Wortbildung.  221 

jektiva  werden  zu  Verben  mit  dem  «-Suffix  gebildet  (got.  siuks 
zu  siukan,  ahd.  bleik  zu  blihhan).  Aber  diese  Typen  sind  wenig 
lebensfähig. 

§  257.  i  ist  in  zahlreichen  Völkernamen  produktiv:  ahd.  Hüni 
Wilzi  angls.  Dene  Engte  Myrce  Nordhymbre  got.  Makidöneis 
Rümöneis  Saüreis  Tyreis\  jüngeres  Substitut  ist  das  §  277  behan- 
delte Suffix  -varii. 

Anmerkung.  Vermutungsweise  gebe  ich  hier  eine  neue  Deutung  von  mhd. 
Niöelunge,  das  nach  neueren  Anschauungen  synonym  mit  mhd.  Burgunden  ist. 
Wie  angls.  Nordhymbre  zu  dem  Flußnamen  Humbor  gehört,  so  kann  auch  zu 
dem  im  2.  Jahrh.  bezeugten  Flußnamen  Nemaningus  oder  Nemaninga  (ahd. 
Miniminga  =  nhd.  Mümling;  vgl.  Röm.-Germ.  Korrespondenzbl.  III  9)  ein 
Ethnikon  germ.  Nemaningiz  gebildet  werden,  und  aus  einer  solchen  Form  könnte 
vielleicht  durch  doppelte  Dissimilierung  ein  eigtl.  ahd.  *Nibilingi  gebildet  sein, 
das  unter  Anlehnung  an  die  Ethnika  auf  -inga  zu  Nibilinga  resp.  Nibilunga 
geworden  wäre.  Zu  den  Dissimilierungen  vgl.  me.  nevenen  nemlen  'nennen' 
an.  nafn  'Name'  und  an.  hifenn  'Himmel'  =  ahd.  himil.  Der  Mümling  war 
vielleicht  die  Grenze  der  Burgunder,  von  denen  also  auch  ein  östlicher  Teil 
Nemaningiz  d.  h.  'Mümlingsleute'  genannt  sein  konnte.  Das  Alter  solcher 
/-Bildungen  ergibt  sich  wohl  aus  dem  alten  Völkernamen  Nemetes  für  germ. 
Nemethiz,  das  eigtl.  wohl  'Hainbewohner'  bedeutet  und  zu  asächs.  nimid  = 
altgall.  nemeton  'Hain'  gehört. 

In  der  älteren  Zeit  werden  auf  i  auch  primäre  Verbalabstrakta 
gebildet  wie  got.  wröhs  runs  muns  slahs  plaühs  angls.  cyle  ece 
ryne  bryne.  —  Für  Verbaladjektiva  findet  sich  /-Suffix  vgl.  §  185. 

§  258.  y^-Suffix  ist  in  alter  Zeit  im  2.  Glied  von  Zusammen- 
setzungen verbreitet  §  281,  wir  treffen  es  sonst  zur  Bildung  von 
movierten  Femininis  wie  got.  ßiwi  zu  ßius^  mawi  zu  magus,  fri- 
jöndi  zu  frijönds.  Jüngeres  Substitut  dafür  ist  -injö-  §  268.  — 
Ferner  werden  sekundäre  Nominalabstrakta  auf  -ja  gebildet:  got. 
reiki  andbahti  zu  reiks  andbahts^  piubi  zu  piubs\  ferner  aglaiti  zu 
*aglaits^  biuhti  zu  biuhts,  barniski  zu  barnisks. 

§  259.  Das  n-  der  /^-Deklination  ist  in  größerem  Umfang  als 
die  rein  vokalischen  Suffixe  produktiv  in  alter  Zeit  geblieben. 
Man  bildet  Nomina  agentis  auf  diese  Weise:  ahd.  boto  zu  biotan, 
angls.  wiga  'Krieger'  zu  wigan^  got.  nuta  'Fischer'  zu  niutan\ 
auch  Denominativa  wie  got.  spilla  zu  spül.  Auch  alte  Verbal- 
abstrakta wie  angls.  geleafa  zu  gelyfan,  fnora  'das  Niesen'  zu 
*fneosan  treten  vereinzelt  auf.  —  In  zweiten  Kompositionsgliedern 
findet  sich  dieses  «-Suffix  §  281. 

§  260.  Das  -es  -os  der  §  229  behandelten  Neutra  war  urgerm. 
noch  produktiv;  vgl.  got.  hatis  zu  hatan,  skapis  zu  skapjan^  agis 


222  IX.  Nominale  Wortbildung. 

zu  agan.  Es  scheint  auch  einige  alte  Adjektivabstrakta  gebildet 
zu  haben:  an.  7/^27/ angls.  hxl  (aus  '^hailiz)  Glück'  zu  an.  ^^///angls. 
hdl\,  an.  myrkr  N.  'Dunkelheit'  zu  myrkr  'dunkel',  angls.  dyp  'Tiefe' 
zu  deop. 

§  261.  Das  tn-  der  managin-Y^d.ss^  bildet  alte  Adjektivabstrakta 
wie  got.  hlütrei  mikilei  bairhtei.  Die  Bildungsweise  ist  identisch 
mit  den  zu  /^-Partizipien  gehörenden  Partizipialabstrakten  des 
Typus  von  lat.  sta-iio  ra-tio  na-tio  fac-tio  fic-tio ;  vgl.  lat.  trans- 
latio  (zu  transferre)  mit  got.  baürpei  'Bürde'  (zu  dem  Partizipium 
ind.  bhxtä-)  und  lat.  nötio  mit  ahd.  kundi  mhd.  künde.  Die  gemein- 
same Lautgestalt  des  Bildungselementes  war  -iön-  :  -m-;  vgl. 
ZfdW.  X  64. 

Kap.  54.    Konsonantische  Suffixe. 

Neben  die  älteste  Schicht  von  einfachen  Wortbildungselementen, 
welche  später  zu  Flexionselementen  werden,  stellt  sich  in  allen 
idg.  Sprachen  eine  jüngere  Schicht,  in  welcher  feste  Konsonanten 
als  Charakteristika  vor  die  Flexionstypen  treten.  So  ist  f—ya 
(in  ind.  vrkf  an.  y^gr  'Wölfin')  durch  n  erweitert  in  ind.  pätni 
gr.  TTÖTVia.  Der  Ausgangspunkt  der  zum  Suffix  gehörigen  Kon- 
sonanten läßt  sich  teilweise  noch  erkennen;  so  ist  das  eben  be- 
sprochene Suffix  -nya  (Nom.  Sg.  -nf)  ausgegangen  von  /«-Stämmen 
wie  z.  B.  ind.  rdjnt  'Königin'  zu  räjan.  Aber  vom  spezifisch  germ. 
Standpunkt  aus  läßt  sich  der  Ursprung  der  urgerm.  konsonanti- 
schen Suffixe  nicht  mehr  erkennen;  ihr  Ursprung  fällt  in  vorgerm., 
in  die  urindogerm.  Zeit.  Das  Germanische  bevorzugt  konsonantische 
Suffixe,  da  sie  durch  Auslautsgesetze  nicht  zerstört  werden  konnten; 
vielfach  fanden  sich  beide  Typen  im  Germanischen  nebenein- 
ander: got.  piwi  'Dienerin'  2sv<^s.  peowen^  angls.  mäge  ahd.  mägin, 
got.  fr ij 6 ndi  2ih(^.  friuntin^  got.  asilus  ahd.  esilin.  Von  Adjektiven 
seien  genannt:  got.  sunjis  sunjeins^  ahd.  war  wärtn^  Höht  Hehtzn, 
angls.  bldw  blsewen)  ferner  ahd.  werd  wirdic^  reht  rihtic\  desgl. 
an  Abstrakten:  got.  hauhei  hauhipa^  mikilei  mikildüps,  managet 
managdüps^  hlütrei  hlütrißa,  gaurei  gauripa. 

Weiterhin  ist  für  das  Germanische  von  Belang,  zu  konstatieren, 
daß  Suffixe  mit  Mittelvokal  lebenskräftiger  sind  als  solche  ohne 
Mittelvokal.  So  ist  das  -nt  in  ind.  pdtnt  rdjnt  innerhalb  des  Ger- 
manischen unfruchtbar  im  Vergleich  zu  der  ablautenden  Neben- 
form -ent  {-pnf  germ.  -unf) ;  vgl.  got.  Saürini  ahd.  gutin  kuningin 
usw.;  so  ist  ahd.  -ado  produktiv  (Stammbildgsl.  §  118),   während 


IX.  Nominale  Wortbildung.  223 

das  einfache  -do  -to  (ahd.  huos-td)  tot  ist ;  das  Abstraktsuffix  idg. 
-tä  ist  bei  weitem  nicht  so  zahlreich  vertreten  im  Germanischen 
wie  das  damit  identische  -etä  (Stammbildgsl.  §  120,  121). 

§  262.  Suffixe  mit  Labialen  fehlen  im  allgemeinen,  abge- 
sehen von  dem  ^«-Suffix,  das  unten  §  292  a  besprochen  wird. 
Jedenfalls  gibt  es  produktive  «^-Suffixe;  vgl.  ahd.  kt-mo  zu  kinatty 
sä-mo  zu  säjan^  wahsnio  zu  wahsan^  sct-nto  zu  sctnan^  gismagmo 
zu  smeckan\   vgl.  noch  angls.  gli-ma  slü-ma  glö-nta  si-ma  leo-ma, 

§  263.  Suffixe  mit  Gutturalen,  k  erscheint  als  Diminutiv 
(§  269)  in  got.  ahaks  angls.  hafuc  cornuc  rudduc  sowie  in  alten 
Kosenamen  wie  burgund.  Gibica.  —  Ein  germ.  Suffix  -aha  zeigt 
sich  in  got.  Adjektiven  unbarnahs  stainahs  waürdahs,  in  denen 
die  Bedeutung  'versehen  mit'  für  das  Suffix  zutage  tritt.  Dazu 
stellen  sich  ahd.  Kollektiva  auf  -ahi  §  270.  —  Dieselbe  Bedeutung 
eignet  dem  damit  identischen  Suffix  -aga  in  Adjektiven  wie  got. 
gredags  'hungrig',  ahd.  bluotag  'blutig',  muotag  'mutig'  usw. 

Ein  erweitertes  Suffix  -inga  -unga  bildet  Substantiva  und  zwar 

a)  maskuline  Dynastiennamen  wie  Karolingi  Merovingi  Gund- 
badingi\  Einwohnerbezeichnungen  wie  Wulpingi  'homines  de 
Wulpia'  ZfdA.  2,  4;  angls.  Centingas  Lindisfarnealondingas  (Wanley 
Catal.  S.  252)  Eoforwicingas\  lat.-germ.  Northalbingi\  Patronymika 
wie  angls.  [Hygeläc)  Hrepling^  {Finn)  Folcwalding^  [Wulf)  Won- 
reding  'Sohn  des  Hredel  Folcwald  Wonred'.  —  Nomina  agentis 
vgl.  §  267. 

b)  Verbalabstrakta  zu  schwachen  Verben,  dem  Gotischen  fremd, 
aber  den  übrigen  Dialekten  gemeinsam.  Vgl.  ahd.  ladunga  zu 
ladön^  scouwunga  zu  scouwön  und  von  -///^^-Bildungen  die  aus 
dem  Salfränkischen  stammenden  afrz.  losenge  'Schmeichelei',  haenge 
'Haß',  laidenge  'Kränkung',  costenge  (Diez  Et.  Wb.  I  198).  —  Viel- 
leicht hängt  hiermit  die  Adverbialbildung  auf  -ingo  (got.  unweniggd 
'unverhofft')  §  292  c  zusammen. 

§  264.  Suffix  mit  Dentalen.  /  hat  in  Koseformen  §  278  eine 
diminutive  Bedeutung.  —  Das  auf  idg.  -ti  beruhende  Suffix  -// 
(got.  gabaür-ßs  gaqum-ps  nau-ßs)  resp.  -di  (got.  de-ßs  se-ßs 
vgl.  mahts  lists)  bildet  Verbalabstrakta  zu  starken  Verben;  über 
Zahlabstrakta  unten  §  302.  —  Germ,  -ißa  (aus  -etä)  bildet  Adjektiv- 
abstrakta  wie  got.  hauhißa  hlütrißa  weihißa  mildipa\  dazu  stellen 
sich  aslav.  vrazida  'Feindschaft'  zu  vragü  'Feind'  (=  got.  wargißa 
zu  wargs\  finn.  autio  'Einöde'  (aus  *außid6)^  mlat.  höntha  'Schande' 
(frz.  honte)  ==  ^i'&z.o^is.hönda^x^^X..  faida  =  zhd.  fehida.  Ein  aus  idg. 


224  IX.  Nominale  Wortbildung. 

'tu  erweitertes  germ.  *-^/«-  bildet  Verbalabstrakta  zu  schwachen 
Verben  auf -<?«  wie  goi. gaunößus  gabaürjöpus  dingXs.huniad  langaä. 
—  Das  Suffix  -da  =  idg.  -to  zur  Bildung  von  Partizipien  ist  §  182 
behandelt.  —  s  im.  Suffix  ist  lebendig  nur  in  dem  mit  dem  Suffix 
-ödu  verwandten  Suffix  -inassus  in  got.  ßiudinassus  hörinassus 
gudjinassus  drauhiinassus  lekinassus. 

Anmerkung.  Über  das  idg.  Superlativsuffix  -tho,  das  auch  für  die  Bildung  der 
Ordinalzahlen  verwendet  wird,  vgl.  §  287.  301. 

n  im  Suffix  zeigt  sich  in  den  Femininbildungen  auf -z«/ wie 
ahd.  gutin  friuntin  esilin  (§  268),  in  primären  «/-Abstrakten  zu 
starken  Verben  wie  got.  taikns  siuns  anabüsns  usbeisns^  wozu  sich 
Abstrakta  wie  got.  laiseins  naiteins  gameleins  (sowie  asächs.  döpi 
'Taufe',  hrört  'Bewegung'  und  ahd.  egt  digt  r^stt  usw.)  — ßulains 
pahains  —  mitons  frijöns  zu  schwachen  Verben  fügen. 

Über  die  Suffixe  -no  und  -ni  zur  Bildung  von  Partizipien  und 
Verbaladjektiven  vgl.  §  183  und  186. 

Es  erübrigt  Suffix  -tna-^  das  Stoffadjektiva  wie  got.  silubreins 
gulpeins  staineins  und  auch  Adjektiva  moralischer  Bedeutung  wie 
got.  sunj eins  galaub eins  pistikeins  h\\dtt\  es  wird  zur  Bildung  der 
Possessiva  got.  meins  ßeins  seins  §  251  verwendet.  Bei  Substan- 
tiven hat  -tna  nach  §  269  diminutive  Funktion :  got.  gumein  qinein. 

§  265.  Halbvokale  im  Suffix,  -wa  ist  Adjektivsuffix  für 
einige  Farbenadjektiva  §  275.  —  -jan  bildet  denominative  Nomina 
agentis  wie  got.ßskja  timrja  kasja  haürnja.  —  -ja  bildet  Adjektiv- 
abstrakta  wie  got.  hauhisti  frumisti  vgl.  ahd.  steinahi  'steinichte 
Stelle'  zu  got.  stainahs^  ist  aber  zumeist  als  Kompositionssuffix 
§  281  geläufig:  got.  gaskohi  gawaürdi  garüni  andanahti  faüra- 
filli  usw. 

§  266.  Liquiden  im  Suffix:  -ila  bildet  Nomina  agentis  (§  267) 
wie  ahd.  butil  bitil  tregil.  —  Für  Nomina  instrumentorum  wie  ahd. 
slmnil  zugil  meinnil  vermute  ich  germ.  -ila  für  -ello  -edlo  =  vorgerm. 
-etlo,  also  germ.  Grdf.  skludetlö  duketlö  maidetlö  (vgl.  got.  spill  aus 
vorgerm.  sqetlö  oben  §  69).  —  Mit  -ula  werden  die  §  187  behan- 
delten Verbaladjektiva  der  Neigung  wie  got.  slahuls  skapuls  sakuls 
an. gjp/u/l  vpkiiit  gebildet.  —  Das  Lehnsuffix  -drja  ist  §  19  behandelt. 

§  266b.  Lehnbeziehungen.  Im  allgemeinen  handelt  es  sich 
innerhalb  der  germ.  Wortbildungslehre  im  wesentlichen  um  ererbte 
Typen  der  germ.  Urzeit.  Es  muß  hier  jedoch  noch  ausdrücklich 
hervorgehoben  werden,  daß  die  germ.  Wortbildungstypen  auch 
fremdländischen  Einfluß  erfahren  haben,  anderseits  darf  hier  aber 


IX.  Nominale  Wortbildung.  225 

auch  noch  ausdrücklich  festgestellt  werden,  in  welchem  Umfang 
germ.  Wortbildungstypen  auf  Nachbarsprachen  eingewirkt  haben. 
Mit  den  lat.  Lehnworten  der  röm.  Kaiserzeit  stellten  sich  im 
Anschluß  an  Lehnworte  (asächs.  muniteri  lat.  monetärius^  ahd. 
mulinäri  lat.  tnolmärius)  Neubildungen  (§  19)  ein  wie  got.  bokäreis 
laisäreis  liupäreis  ntötäreis^  und  dieser  Typus  ist  im  Westger- 
manischen sehr  fruchtbar  geworden  (beachte  besonders  angls. 
fullere  lat.  ftillo^  cäsere  lat.  Caesar).  Vom  Germanischen  aus  drang 
dann  unser  germ.  Lehnsuffix  ins  Slavische,  indem  sich  an  Ent- 
lehnungen wie  aslav.  mytari  =  got.  mötäreis  Neubildungen  an- 
schlössen wie  Ukari  'Arzt'  gegen  got.  lekeis.,  cisari  'Kaiser'  gegen 
got.  kaisar.  Wenn  das  Gotische  hier  für  das  Slavische  maßgebend 
geworden  ist,  so  zeitigen  auch  got.  Abstraktbildungen  auf  -ipa 
wie  diupißa  hailipa  weihipa  Nachbildungen,  indem  etwa  aslav. 
vrazida  'Feindschaft'  =  got.  wargißa  (aslav.  vragü  =  got.  wargs) 
Vorbild  für  die  bei  Leskien  Gramm,  d.  altbulg.  Sprache  S.  86 
verzeichneten  aslav.  Adjektivabstrakta/rÄZ^/öT^  'Gerechtigkeit'  und 
krivtda  'Ungerechtigkeit'  (zu  den  Adj.  pravü  'recht'  und  krivü 
'krumm,  unrecht')  geworden  ist.  Aber  die  aus  dem  Salfränkischen 
ins  Altfranzösische  übernommenen  /;/^«-Abstrakta  afrz.  kaenge 
*Haß',  losenge  'Schmeichelei',  laidenge  'Kränkung'  usw.  (§  263  b), 
sind  im  Französischen  kaum  je  produktiv  geworden. 

Kap.  54b.    Bedeutung  der  Suffixe. 

§  267.  Nomina  agentis  werden  nach  §  259  auf  -«  gebildet 
wie  ahd.  boto  zu  biotan\  öfters  auf  -jan  §  265  wie  angls.  scyifa 
ahd.  scuszeo  zu  scman;  gleiches  gilt  von  denominativen  Bildungen 
wie  got.  s/>ii/a  'Bote'  zu  spzll  oder  angls.  ßjma  'Flüchtling'  zu 
ße'am  'Flucht',  got.  ßskj'a  'Fischer'  zu  ßs^s,  gudja  'Priester'  zu 
gup.  Für  Denominativa,  die  komponiert  sind,  gilt  im  Gotischen 
germ.y^-Suffix  wie  in  gupblöstreis  'Opferer'  zu  *bl6str,  faüramaßleis 
'Vorsteher'  zu  mapl  (fatiramapli).  —  Dem  Gotischen  fremd,  aber 
dem  Nordisch-Westgermanischen  geläufig  ist  -il  wie  in  ahd.  bitil 
'Werber',  tribil  'Treiber',  fragil  'Träger'  und  -ing  wie  in  angls. 
flyming  'Flüchtling'.  Das  jüngste  Suffix  für  Nomina  agentis  ist 
das  §  19  behandelte  lat.  Lehnsuffix  -ärius. 

§  268.  Durch  Motion  werden  Feminina  aus  Maskulinen  ge- 
bildet und  zwar  nach  §  258  auf  -jo  wie  in  got.  ßiwi  mawi frijöndi 
zu  pius  magus  frijönds,  dann  auf  -injd  wie  got.  Saürini  'Syrierin' ; 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  1$ 


226  IX.  Nominale  Wortbildung. 

älteste  Beispiele  in  der  Römerzeit  Matronennamen  wie  Chaimineae 
Chathuf rafineae  Mahlineae  Vacalineae  Ansericeneae  Ulauhineae 
Cuchineae  usw.  —  Eine  andere  Bildung  zeigen  ^«-Feminina 
neben  ^«-Maskulinen  wie  got.  swaihrö  neben  swaihra,  garaznö 
neben  garazna,  arbjö  neben  arbja.  —  Dem  älteren  Angelsächsischen 
eignet  Suffix  -icge  (eigtl.  -iagia  in  AlaesiagiaT)  z.  B.  in  dryicge 
neben  dry,  hunticge  neben  hunta  und  -istrce  in  sangestre  webbestre. 
§  269.    Diminution  ist  mit  verschiedenen  Suffixen  verbunden: 

a)  /  ist  charakteristischer  Konsonant  in  got.  Attila  'Väterchen', 
mawilö  'Mädchen',  barnilö  'Kindchen',  magula  'Knäbchen'. 

b)  Suffix  -tna^  das  Junge  oder  Kleine  von  Lebewesen  bezeichnend : 
ahd.  gemin^  fulin  'Füllen',  gamastn  murmunttn  zikktn^  dazu  alt- 
noT^.  yxin  Liden  IF.  19,  341. 

c)  -inkltn  in  ahd.  huoninklin  esilinklin  eninkltn  usw. 

d)  -ing-ling  in  a.n.yrmängr'k\.  Schlange',  w/,f//«§-r 'Mäuschen' usw. 

e)  k  als  charakteristischer  Konsonant  in  Vogelnamen:  got.  ahaks, 
angls.  hafoc  cornoc  und  rttddoc. 

§  270.  Kollektiva.  Die  verbreitetste  Bildung  mit  /^-Suffix 
und^Ä-Präfix  vgl.  §  283.  Im  Althochdeutschen  existieren  Kollek- 
tiva auf  -ahi^  eine  Örtlichkeit  bezeichnend,  wo  ein  bestimmter 
Baum  oder  Strauch  usw.  reichlich  wächst:  ahd.  eihhahi  boumahi 
riotahibinmahi -^isvj.;  ferner  Kollektiva  auf -fö'/;  vgl.  ahd.  gzswzstrfde 
(asächs.  gisustritkt),  ahd.  pfeittdi  'Kleider',  juhhtdi  'Gespann'.  — 
Über  suffixlose  Kollektiva  wie  angls.  gebrödru  gedohtru  vgl.  §  283. 

§  271.  Patronymika  werden  germ.  auf  -ing  gebildet:  angls. 
Wödening  'Sohn  des  Wöden',  Hreßling  'Sohn  des  Hredel' ;  vgl.  §  263. 

§  272.  Verbalabstrakta.  Zu  den  §  256.  257  aufgeführten 
Flexionstypen  treten  die  idg.  Suffixe  -ii  und  -ni  §  264  für  Wurzel- 
verba.  Für  abgeleitete  Verba  zeigt  sich  -//  kaum,  wohl  aber  -ni 
(in  got.  salböns  naseins ga-höbains).  Im  Westgermanischen  überwiegt 
-öpu  und  -unga  für  Abstrakta  zu  schw.  Verben  (ahd.  scouwdd — 
scouwunga^  opfaröd — opfarunga). 

§  273.  Nominalabstrakta.  Von  Substantivierungen  abge- 
sehen, kommen  neutrale /^-Bildungen  für  Substantivabstrakta  wie 
got.  reiki  neben  reiks^  andbahti  neben  andbahts^  ßiubi  neben  piubs, 
wadi nehen\2.\..  vas  Gen.  vadis  in  Betracht;  dann  Adjektivabstrakta 
auf  -in  wie  got.  braidei  diupei  managei  hauhei  mikilei  gödei  §  261, 
und  die  /^^-Bildung  wie  got.  diupipa  mildipa  weihipa  §  264. 

§  274.  Stoffadjektiva,  die  in  lat.  aureus  argenteus  gr.  xp^CTeog 
eine  andere  Bildung  haben,  bildet  das  Germanische  auf -?«« ;  vgl. 


IX.  Nominale  Wortbildung.  227 

got.  eisarneins  gtUßeins  silubreins  usw.  Die  damit  verwandten 
Bildungen  der  Possessiva  got.  meins  ßeins  seins  (§  251)  gehören 
zu  lat.  Bildungen  wie  dtvtnus  femininus  lupinus  taurtnus. 

§275.  Farbenadjektiva  werden  auf  -wa  gebildet:  ahd.  gräo 
bläo  angls.  haso  baso  usw. ;  vgl.  lat.  helvus  gilvus  fulvus  flavus 
sowie  ind.  gyävä-  'braun'  —  aslav.  sivü  'grau'  und  aslav.  slavo 
neben  ahd.  salo^  lat.  helvus  lit.  zelvas  neben  ahd.  gelo^  lit.  pälvas 
2iS\zM.  plavo  neben  ahd./^^/ö  und  lat.  flavus  kelt.  blavo  neben  ahd. 
bläo.  Sekundäre  Farbenadjektiva  enden  auf  -tna\  angls.  wäden 
hxwen   ahd.  weitin  tüsin  losctn. 

§  276.  Adjektiva  der  Abstammung  bilden  die  altgerm. 
Sprachen  auf  -iska  wie  in  got.  judaiwisks  fpnikisks  ahd.  frenkisc 
angls.  wylisc  denisc\  vgl.  aslav.  rumiskü  'römisch',  X\\..  prusiskas 
'preußisch*. 

Kap.  55.    Kompositionssuffixe. 

§  277.  Wir  bezeichnen  hiermit  ursprüngliche  Kompositionen, 
deren  zweite  Elemente  zu  Suffixen  geworden  sind.  Die  Ent- 
stehung solcher  Suffixe  aus  selbständigen  Worten  hat  wohl  den 
germ.  Akzent  zur  Voraussetzung :  so  lange  der  variable  idg.  Akzent 
herrschte,  konnte  wohl  kaum  ein  selbständiges  Wort  Suffix  werden, 
und  wir  vermissen  diesen  Kompositionstypus  daher  auch  in  den 
älteren  Stufen  der  meisten  idg.  Sprachen.  Und  innerhalb  des  Ger- 
manischen nehmen  diese  Bildungen  zusehends  mehr  und  mehr 
Raum  ein.  Aus  der  Römerzeit,  für  welche  der  spezifisch  germ. 
Akzent  bereits  gegolten  hat,  ist  -varii  als  Völkernamensuffix  über- 
liefert: Amsivarii  Chasuarii  Chattuarii^  auch  Ripuarii  (zu  lat.  rtpa 
'Ufer')  =  ahd.  Riphera  Ahd.  Gl.  III  132,  37  (dazu  der  rhein.  Orts- 
name Reiffers cheid)\  vgl.  auch  angls.  burgware  Römware  =  ahd. 
burgära  Römära  (Beitr.  12,  379);  das  -varii  ist  als  Simplex  im 
Germanischen  unbezeugt. 

Das  Gotische  hat  bei  weitem  nicht  so  viel  Kompositionssuffixe 
wie  das  Westgermanische.  Das  westgerm.  -haid  als  Suffix  (ahd. 
manheit  angls.  wifhäd  Zimmer  ZfdA.  19,  415)  erscheint  im  Goti- 
schen nur  als  selbständiges  haidus\  das  westgerm.  -dorn  (ahd. 
meistartuom  asächs.  kesurdöm  angls.  biscopdöm  an.  jarldömr)  ist 
auch  als  Suffix  dem  Gotischen  fremd;  gleiches  gilt  von  den  Ab- 
straktsuffixen -skapi  (an.  vinskapr  angls.  friondscipe  ahd.  friunt- 
skaf)  und  -skaftu.  Von  den  später  so  verbreiteten  adjektivischen 
Kompositionsbildungen  finden  sich  im  Gotischen  nur  erst  Ansätze  für 

15* 


228  IX.  Nominale  Wortbildung. 

-Hka  {wairaleiks  laßaleiks  sildaleiks)  und  -sams  (lustusams).  Danach 
ergibt  sich,  daß  gemeingerm.  die  Kompositionsbildungen  erst  in 
ihren  Anfängen  waren.  Die  jüngeren  Perioden  zeigen  in  stei- 
gendem Maße  die  Verwendung  selbständiger  Worte  als  Suffixe; 
diese  gehören  daher  wesentlich  in  die  Geschichte  der  Ausbildung 
der  einzelnen  Dialekte. 

Kap.  56.     Koseformen. 

§  278.  Wir  müssen  hier  darauf  verzichten,  das  Gebiet  der 
Eigennamen  zu  betreten,  in  dem  die  Koseformen  eine  große  Rolle 
spielen.  Hier  sollen  nur  sonstige  Bildungen  von  mutmaßlich  ur- 
germ.  Alter  vorgeführt  werden ;  freilich  ist  nur  die  Lautform  das 
Kriterium,  auf  das  wir  den  Verdacht  auf  Kosebildung  gründen: 
meist  sind  Geminationserscheinungen  der  Anhaltspunkt.  Germ. 
appon-  (got.  attd)  scheint  Koseform  zu  idg.  pater,  andd.  *m6na 
(auch  ahd.  muoia)  zu  germ.  möder-  zu  sein ;  ahd.  muoma  'Tante' 
ist  Kurzform  zu  angls.  mödrie\  angls.  fapu  'Tante'  scheint  für 
*fapor-swesd  'Vaterschwester'  zu  stehen,  wie  ahd.  basa  nach  Bugge 
Beitr.  13,  175  auf  *badurswesö  'Vaterschwester'  zurückgeht  (auch 
ahd.  wasa  scheint  damit  identisch);  über  solche  Bildungen  zu 
Verwandtschaftsworten  vgl.  Bugge  Beitr.  13,  175.  In  Betracht 
kommen  noch  ahd.  gotto  =  angls.  godfceder^  wohl  auch  ahd.  eid-um 
angls.  dP'Um  (zu  Eid)  im  Vergleich  mit  engl,  brother-in-law. 

Noch  scheinen  einige  Kurzformen  von  Tiernamen  hierher  zu 
gehören:  angls.  crabba  zu  ahd.  krebin}  mhd.  wanze  =  wantlüs} 
nhd.  Spatz  zu  Sperling}  ahd.  snecco  zu  angls.  sncEgel}  angls.  frogga 
zu  hd.  frosch.  So  dürfte  an.  valr  abgekürzt  sein  aus  angls.  wealh- 
hafoc^  und  ahd.  heimo  erweckt  den  Verdacht  ähnlicher  Abkürzung. 
Hierher  ahd.  hunno  =  got.  hundafaps  ind.  faia-patis} 

Kap.  57.     Komposition. 

Die  Fähigkeit  der  Wortzusammensetzung  war  gemeinindoger- 
manisch. Aber  die  Festigkeit  von  altgerm.  Kompositis  ergibt  sich 
sowohl  aus  der  Fülle  von  Eigennamen,  die  in  der  Antike  als 
germanisch  überliefert  sind  {Segimerus  Langobardi  Scadinavia  Asci- 
burgiuni)^  als  auch  aus  der  Übernahme  von  festen  germ.  Kompo- 
sitis in  die  Nachbarsprachen;  vgl.  lat.  carrago  'Wagenburg'  aus 
germ.  carr-hagö  (vgl.  angls.  bordhaga  'Schildburg');  finn.  napa- 
kaira  'Bohrer'  =  ahd.  naba-ger\  finn.  marha-minta  'Pferderiemen' 


IX.  Nominale  Wortbildung.  229 

zu  ahd.  mindal  aus  ^minpla-  (angls.  midi) ;  aslav.  vrütogradü  'Garten* 
aus  gut.  *aürta-garda-  (überliefert  ist  atirti-gardi-)\  aslav.  gos- 
podf 'Herr'  =  got.  *gast-/aßs  (urverwandt  mit  lat.  hospes  aus  *kosti- 
potis) ;  aslav.  useregü  'Ohrring'  =  got.  '^ausa-hriggs.  Im  Altroma- 
nischen zeigt  sich  frühmlat.  haribergum  =  ital.  albergo  und  mlat. 
mariscalats  (ital.  mariscalcd)  =  germ.  marh-skalk.  —  Aus  der 
Sprache  der  ältesten  Runeninschriften  lassen  sich  hagu-staldaz 
und  witada-hlaibe  nachweisen. 

§  279.  Zahlreiche  Komposita  zeigen  als  Stammform  im  ersten 
Kompositionselement  eine  andere  Form  als  im  Simplex;  vgl.  got. 
midjun-gards  zu  ntidja-  (ind.  madhydmdina  zu  mädhya-})\  got. 
ala(-mans^  -brunsts)  zu  alls\  mana('Seßs)  gegen  got.  mann-  (aus 
*WÄ«ze;-)  ahd.  mana-houbit  \  ebenso  ahd.  khunawithi  got.  kuna(-wida) 
'Fessel'  zu  idg.  gonu  gdnu  'Knie'  ?  im  Heliand  steht  überwiegend 
himil :  h'ebankuning. 

Wieweit  der  Stammvokal  {a  i  u)  in  der  Kompositionsfuge  ur- 
germ.  und  urwestgerm.  erhalten  geblieben  ist,  dafür  ist  oben  §  222 
zu  vergleichen.  Innerhalb  der  literarischen  Überlieferung  seien 
hier  einige  auffällige  Erscheinungen  aus  dem  Westgermanischen 
erwähnt.  Umgelautete  Adjektiva  treten  als  erste  Kompositions- 
glieder umlautslos  auf  in  mhd.  bös-heit  kuon-heit  trdc-heit  zu  boese 
küene  trcEge.  Alte  adjektivische  «-Stämme,  die  ja  im  Westgerma- 
nischen in  y^-Stämme  übergehen,  haben  im  Urwestgermanischen 
in  der  Kompositionsfuge  noch  das  alte  u  gehabt;  daher  zeigen 
sich  Spuren  von  Rückumlaut:  angls.  swete  aber  swötstenc,  ^nge 
aber  angsum^  asächs.  ^dili  aber  adal-kunni. 

Genitive  als  erste  Kompositionsglieder  sind  urgerm.  selten;  in 
Betracht  kommen  als  früheste  Schöpfungen  die  dem  Lateinischen 
nachgebildeten  Benennungen  der  Wochentage  wie  ahd.  Donarestac 
angls.  Wödnesdceg  (ihr  Alter  s.  §  12);  vgl.  noch  got.  baürgs- 
waddjus\  aus  dem  Althochdeutschen  gehören  wohl  hierher  mit 
Genitiven  der  «-Deklination  lihhin-amo  erin-grion  (letzteres  zu  aro 
vgl.  angls.  earngeat) ;  mhd.  fncEntac\io\A  auch  aus  ^mdnintac  {Lunae 
dies)  sowie  sün-giht  sünne-wende  (aus  *sunnin-). 

Über  die  im  Westgermanischen  auftretenden  Kompositionen, 
die  auf  ursprünglicher  Juxtaposition  beruhen  (angls.  feowertig 
ahd.  fiorzug  gegen  got.  fidwör  tigjtis)^  vgl.  die  §  99 — 100  aufge- 
führten Materialien. 

Dunkel  ist  die  Behandlung  alter  neutraler  os-  ^j-Stämmc  in  der 
Komposition.     Ein  beweiskräftiges  Zeugnis   gibt   germ.  ßüs-hund 


230  IX.  Nominale  Wortbildung. 

'looo'  =  aslav.  tys^Sia  zu  idg.  iüs  (ind.  tavds-  tuviS-)  nach  Bugge 
ßeitr.  13,  327.  Sonst  kann  got.  j/^^/Wöw«  alten  Typus  aufweisen; 
desgl.  angls.  eeger-geolu  zu  äg,  aber  auffällig  angls.  hriphyrde  zu 
hryper. 

Wenn  wir  von  den  durch  die  oben  §  79  behandelte  Lautver- 
schiebung bedingten  Kompositionselementen,  soweit  sie  von 
den  Simplicibus  abweichen,  hier  absehen,  finden  wir  im  ersten 
Gliede  alte  Ablautsformen  innerhalb  des  Indogermanischen;  vgl. 
angls.  ncEspyrel  ncBsgristle  (gebildet  wie  lat.  nas-turtium)  zu  nosu ; 
an.  ik-orne  zu  eik\  zu  ahd.  mdno  (aus  idg.  menot)  'Mond'  ge- 
hört ahd.  ntAnod-siuh  angls.  mönap-seoc,  -fallen.  Von  dem  alten 
idg.  Stamm  ghom  'Land'  haben  sich  asächs.  gam-bra  und  gam-ban 
'Steuer*  als  Komposita  erhalten.  Zu  germ.  augö"^  'Auge',  das  durch 
Anlehnung  an  germ.  auzö'"^  'Ohr'  aus  idg.  oqen-  entstanden  ist, 
gilt  als  erstes  Kompositionsglied  eine  Form  germ.  awi-  (aus 
*a^wz-  Kögel  Litt.-Bl.  8,  iio)  in  ahd.  awi-zoraht  ouzoraht.  Zu 
germ.  auz6'>^  gehört  wohl  auch  eine  germ.  Nebenform  auzi-  ausi- 
(lat.  auris\  welche  Leskien  in  dem  entlehnten  aslav.  use-regü 
'Ohrring'  vermutet.  Zu  angls.  sulh  vgl.  die  Nebenform  swulh- 
in  kent.  swulung  (aus  "^swulhlong)  vgl.  gr.  auXaH  (Sweet  Anglia  3, 
151).  Zu  idg.  US-  aus-  usrä-  ausrä-  usw.  'Morgenröte'  (angls.  EostrcB 
bei  Beda)  gehört  angls.  earendel  'Morgenstern'  =  ahd.  Ör-{w)entil. 
Der  idg.  Stamm  n&w  'Schiff'  erscheint  als  erstes  Kompositions- 
element in  an.  nau-st  'Schiffsstation'  (vgl.  ahd.  ewi-st  'Schafstall' 
und  ind.  gö-sthä-  'Kuhstall'  §  280). 

§  280.  Das  Altgermanische  bewahrt  manche  uralte  Komposita, 
welche  in  jüngerer  Zeit  das  Aussehen  von  Zusammensetzungen 
verloren  und  das  Aussehen  abgeleiteter  Primitiva  angenommen 
haben,  i)  Ist  die  lautgesetzliche  Zerstörung  des  ursprünglichen 
Lautcharakters  des  zweiten  Kompositionselementes  die  Ursache 
der  Verdunkelung  der  alten  Komposition ;  vgl.  got.  püsundi  nach 
§  300  aus  "^ßüs-hundi  =  /^^-/^^i^z// 'Vielhundertheit'*  ein  Primitivum 
germ.  sta-  'Standort'  (ind.  gö-sthd-  'Kuhstall')  steckt  nach  Pott  in 
ahd.  ewi-st  'Schafstall'  (aus  *awi-sta-)  und  nach  Bezzenberger  in 
an.  nau-st  'Bootsschuppen'  (aus  idg.  "^nau-sta-)  zu  an.  nör  ind.  ndus 
(Schmidt  Pluralbldg.  S.  346).  Außer  jüngeren  Fällen  wie  ahd. 
wurzala  gegen  angls.  wyrt-walu^  ahd.  burgära  Römdra  gegen 
angls.  burgware  Römware  bleibt  für  lautgesetzliche  Störungen  alter 
Kompositionsformen  auf  Beitr.  12,  378  zu  verweisen.  2)  Kann  das 
Aussterben  altererbter  Simplicia  die  Verdunkelung  der  Komposita 


IX.  Nominale  Wortbildung.  231 

bedingen;  dazu  kommt  meist,  daß  der  Ausgang  der  Zusammen- 
setzungen an  bekannte  Suffixe  erinnert;  so  hat  Schweizer-Sidler 
KZs.  2,  367  das  got.  sin-teins  'täglich',  worin  das  Sprachgefühl 
leicht  das  bekannte  Ableitungssuffix  -eins  vermuten  konnte,  mit 
Recht  dem  ind.  dina-  aslav.  dini  'Tag'  gleichgestellt,  das  im  Ur- 
germanischen verloren  ging;  vgl.  an.  ga-mall  (aus  ^^gd-mdl)  'be- 
jahrt' (eigtl.  'bezeitet')  zu  got.  mel  'Zeit'.  So  dürfen  auch  an. 
ga-ntan  (vgl.  ein-man),  got.  fazr-ina  (vgl.  inilo)  eigtl.  Komposita  sein. 

§  281.  Nur  einen  Punkt  will  ich  hier  noch  zur  Sprache  bringen, 
der  im  Germanischen  eine  gewisse  Bedeutung  hat,  ohne  im  Indi- 
schen zutage  zu  treten;  doch  stimmt  das  Germanische  in  diesem 
Punkte  mit  dem  Latein  überein. 

Es  werden  nämlich  im  Altgermanischen  gern  zweite  Komposi- 
tionsglieder durch  Flexionstypen  ausgezeichnet,  die  den  Simpli- 
cibus  fehlen.  Zu  germ.  bürg-  gehören  Quadri-  Asci-burgium  — 
ein  urgerm.  Prinzip,  für  Konkreta  ja-  mit  neutralem  Genus  als 
Kompositionssuffix  anzuwenden  (lat.  jugum  :  conjugium,  fun- 
dus  :  latifundium^  verbum  :  proverbium^  mürus  :  pomoerium,  annus  : 
biennium,nox:aequinoctium  gr.  jLiecrovuKTlOV) ;  vgl.  got.  aßn :  at-aßniy 
nahts  :  andanahti\  angls.  gedr  :  missere  ZfdA.  13,  576;  ahd.  uro: 
müs-ari  sparw-ari^  hdr  :  scäp(k)äri,  weg  :  altwicki,  sunna  :  drisunni, 
wtg  :  einwtgi\  daher  auch  got.  gaskalki  'Mitknecht';  vgl.  mlat. 
faldistölium  'Fauteuil'  zu  stöl  'Stuhl'. 

Ein  anderes  Kompositionssuffix  ist  -n-  (d.  h.  schwache  Dekli- 
nation): an.  hamr  aber  likame^  angls.  pdd  aber  hop-pdda^  ping 
aber  intinga  (aus  "^incpingd)  ahd.  gidingo\  angls.  trum  zb&v  zvyrt- 
truma,  ahd.  frosi  aber  gruntfrosio^  an.  stafr  aber  rddstafe^  ahd. 
iac  aber  suonatago  (sogar  Christ  aber  Antichristo  Musp.);  got.  leik 
aber  manleika^  daür  aber  augadaüro^  auch  angls.  eastanwinda 
neben  wind  und  angls.  ongnora  'Enge  der  Nase  zwischen  den 
beiden  Augen'  zu  nosu  'Nase'. 

Feminine  ;<;-Bildung  zeigen  got.  piudangardi  F.  zu  gards  und 
püs(h)undi  F.  zu  hund  Bugge  Beitr.  13,  327. 

Komposita,  die  auf  Adjektiva  ausgehen,  nehmen  in  derselben 
Weise  /«-Bildung  am  Wortende  an;  auch  adjektivische  Bahuvrihi- 
Bildungen  (vgl.  lat.  animus — exanimis,  somnus — exsomnis,  arnta— 
semiermis).  a)  ahd.  zürwäri  mitiwäri  zu  germ.  wera-  'wahr'  (lat. 
verus)\  angls.  seienge  zu  long  (lat.  longus)\  ahd.  gitriuwi  zu  got. 
triggwa-\  mit  grammatischem  Wechsel  gehören  hierher  angls.  wö«/- 
wsere  (ahd.  man-dwärt)  und  gelenge  zu  a.ng\s.  ßwäes  töh.  b)  Bahuvrihi- 


232  IX.  Nominale  Wortbildung. 

Adjektiva  sind  ahd.  frömuoti  diomuoti  zu  muot^  an.  bld-eygr  zu 
auga^  angls.  fyperfite  zu  föt^  ortydre  zu  tüddor,  got.  ingardeis 
ufaißeis  (oder  ingards  ufaißs)  zu  *garda-  aipa-.  Sonst  begegnen 
auch  zahlreiche  Bahuvrihi-Komposita  ohne  ja-(i-ySvS.^yi  wie  angls. 
eapmöd  fyperföt  orsorh.  —  Das  Gotische  hat  \mY)^\'g\x  fidurdögSy 
eine  Ablautsform  zu  dags. 

§  282.  Von  den  idg.  Kompositionsarten  sind  am  frühesten  die 
Additionskomposita  ausgestorben;  erhalten  geblieben  sind  nur 
Zahlen  wie  %o\..  fidwörtaihun  fimftaihun  '14,  15'  (lat.  undecim  gr. 
buJÖeKa  usw.);  dazu  noch  je  einmal  belegte  asächs.  gisunfader 
angls.  suhtergefcederan  äßumswerian  (Verwandtschaftsdvandva  sind 
altgerm.  ersetzt  durch  Bildungen  wie  an.  fedgar  mckdgar  fedgen 
mcedgen systken\  vgl.  got.  fadrein  berusjos).  Eigennamen  wie  Angli- 
saxones  angls.  Weder-Geatas  sind  erst  jungen  Datums ;  vgl.  Storch, 
Angls.  Nominalkomp.  S.  5. 

Völlig  fremd  sind  dem  Urgermanischen  Komposita  wie  ind. 
mandäd-vira-  'Männer  erfreuend',  es  sei  denn,  daß  die  von  Falck 
Beitr.  14,  42   behandelten  altnord.  Komposita  doch  uralt  wären. 

—  Alte  Avyayibhäva  wie  ind.  yathävagäm  sind  bei  der  Lehre 
vom  Akzent  Kap.  21  §  97  zur  Sprache  gekommen.  —  Sonst  kennt 
das  Germanische  alle  Kompositionsarten,  die  auch  in  den  ver- 
wandten idg.  Sprachen  vorkommen,  i)  Bahuvrihi- Adjektiva  wie 
got.  hauh-hairts  'hochmütig',  hrainja-hairts  'reinherzig',  lausa- 
waürds  laus-handus  laus-qiprs  twalibwintrus  \  got.  unlefs  eigtl. 
'besitzlos',  unwamms  'fleckenlos'.  2)  Tatpurusa  sind  sehr  gewöhn- 
lich :  got.  fötu-baürd  fötu-bandi  gudhüs  gußblöstreis  manamaür- 
prja  manasips  matibalgs  usw. ;  mit  Flexion  im  ersten  Kompositions- 
element vgl.  got.  baürgswaddjus.    3)  Urgerm.  Karmadhäraya  sind 

—  wenn  man  von  der  Komposition  mit  Präfixen  absieht  —  nicht 
sehr  zahlreich  gewesen;  erst  mit  dem  Westgermanischen  treten 
sie  wirksam  auf,  scheinen  also  jüngeren  Ursprungs  zu  sein,  indem 
sie  durch  sekundäre  Zusammenrückung  unter  dem  Einfluß  des 
Satzakzents  entstanden  sein  können  (oben  §  100):  asächs.  aldfader 
lösword  ahd.  jungfrouwa  quecbrunno  u.  a.  Eine  auffällige  Zu- 
sammensetzung zweier  Substantiva  (nach  Art  des  nhd.  Königin- 
mutter gr.  XuKctvOpuJTTG^  iaTp6|uavTi(;)  scheint  in  got.  piu-magus 
angls.  frea-dryhten  wine-dryhten  peow-mon  wif-mon  ahd.  gom-man 
tkegan-kind  zu  stecken ;  angls.  carlfugel  cwenfugel  hysecild  heortbucca 
vgl.  Storch,  Angls.  Nominalkomposita  S.  9.  16.  Ähnlich  ist  wohl  das 
Adjektiv  asächs.  widbred  zu  beurteilen;    auch  angls.  earmcearig> 


IX.  Nominale  Wortbildung.  233 

Kap.  57b.     Nominalpräfixe. 

§  283.  Das  Germanische  verwendet  eine  Fülle  von  Präfixen 
in  der  Wortbildung;  die  Mehrzahl  derselben  sind  zugleich  Verbal- 
präfixe. Nur  wenige  sind  ausschließlich  nominal.  Wir  ordnen  sie 
alphabetisch. 

Ä  ein  westgerm.  Nominalpräfix  (=  got.  idg.  *^),  der  Verbal- 
komposition wohl  fremd.    Es  zeigt  sich 

i)  in  Substantiven  mit  privativer  Bedeutung  wie  ahd.  ä-maht^ 
mhd.  ä-kraft  'Ohnmacht',  mhd.  ä-smac  'schlechter  Geschmack',  ahd. 
ä-kust  'Schlechtigkeit'  (Ggs.  angls.  cyst  'Vortrefflichkeit'),  ä-wizzi 
'Unverstand',  ä-g'en  'Vergessenheit'  (vgl.  noch  angls.  se-mynd).  Als 
Verstärkung  im  üblen  Sinne  beachte  ahd.  ä-swik  'Betrug',  ä-bulgi 
'Neid'  und  angls.  se-ßrytt  'Verdruß'. 

2)  in  Substantiven  mit  der  Bedeutung  'Abfall,  Schmutz,  Über- 
bleibsel, Wertloses'  wie  ahd.  äkambi  angls.  dcumba^  ahd.  äswing 
äsweif  äscröt  äfihili  äleiba,  angls.  secyrf  6ewyrp  (=  ahd.  ä-werf) 
stscedäa^  ahd.  ä-fermt  'Unreinigkeit'  angls.  eefyrmd\  hierher  wohl 
auch  ahd.  ä-mad  'Öhmd,  Grummet',  auch  äwahst  'Unkraut'.  Unklar 
ist  ahd.  ä'Weistn  'cadaver'  (zu  ahd.  weisunt  'Luftröhre'  =  angls. 
wdsend  wsbsend  engl,  weasand  'Luftröhre'.?). 

3)  in  Substantiven  wie  angls.  se-rist  're-surrectio',  ahd.  ä-mad 
'Öhmd,  Grummet'  eigtl.  'Wiedermahd'  mit  der  Bedeutung  'wieder' } 
Dazu  angls.  se-spryng  se-wylm  'Urquell'  ahd.  ä-dank. 

4)  in  Adjektiven  mit  Privativbedeutung:  angls.  ämöd  'amens', 
ae-wsede  'unbekleidet',  Pfeile  'ohne  Fell',  eecnösle  'degener,  ignobilis', 
xgylde  'unbestraft',  sewene  'hoffnungslos',  Ernenne  'menschenleer', 
semelle  'unschmackhaft',  semyrce  'egregius',  äblsece  sthiwe^  ahd. 
a-faro  'farblos',  ahd.  äwicki  'weglos',  äieilo  'unteilhaftig',  äherzi 
'excors',  mhd.  äschaffen  'ungestalt';  ahd.  <J-jf <?rn 'disseptus' ;  lango- 
bard.  a-ww«^ 'schutzlos';  eigenartig  ist  angls.  ^-/^«^^ 'langweilig, 
verdrießlich'.  Alt  ist  angls.  seswind  'iners'  neben  swide  aus  swinp-^ 
dunkel  ahd.  äriup  'grausam'. 

Anmerkung.  Verbal  wäre  zu  beachten  angls.  d-risan  zu  ce-rist\  angls.  dbylgd 
zu  dbelgan;  SiXigls,  dca/an  neben  ck-celma  'Frostbeule'  und  angls.  dsendan  neben 
a-rende  'Botschaft';  ahd.  äg'eg  ädank  zu  angls.  dgitan  dpencean. 

AB  [ab^  hat  in  Adjektiven  Privativbedeutung:  got.  afguds  'gottlos', 
afhaims  'nicht  daheim,  abwesend',  an.  aflinta  'gliedlos',  angls. 
afhende  'abhanden';  angls.  cefgrynde  ahd.  abagrunti  scheint  aus 
einem  Adjektiv  gebildet. 


234  I^-  Nominale  Wortbildung. 

Es  ist  Verbalpräfix  in  angls.  ofdyncan  mit  csfdonca  'Neid', 
ofunnan  mit  cEf-est  ahd.  abanst  'Neid',  ahd.  dblä^  zu  ob-lässan; 
angls.  {Bfwyrdla  =  an.  auvisle  Arkiv  5,  120.  Unklar  ist  ahd.  abgot. 
Zur  hd.  Lautgestalt  des  unbetonten  ab-  beachte  einerseits  ahd. 
ob-lä33(^n^  anderseits  das  Verhältnis  von  ahd.  (ir)barmen  und 
(ir)bunnan  zu  angls.  of-earmian  und  of-unnan  sowie  das  auf  af- 
weisende  mndd.  ent-varmen  'erbarmen'.  Dazu  noch  angls.  blinnan 
für  eigtl.  *ab-linnan  (ZfdW.  VIII  29). 

ADA  in  ahd.  atahaft  'continuus' .?> 

AFAR  als  Präfix  wie  als  Präposition  im  Got.  'nach'  bedeutend: 
a)  in  den  Verben  afargaggan  afarlaistjan  'nachfolgen',  b)  in  den 
Substantiven  afardags  'folgender  Tag',  afarsabbatus  'Nachsabbat'. 
Im  Althochdeutschen  ist  es  Nominalpräfix  in  avarUra  avarburt 
avarhäcco  avarsprähha  avarsturz  und  im  Adjektivum  avarkalawer. 

ANA  ist  im  Gotischen  Verbalpräfix  in  anabiudan  anafilhan  ana- 
qipan  mit  den  Verbalabstrakten  anabüsns  anafilh  anaqiss\  vgl. 
anamahts  anaminds  und  die  Verbaladjektive  analaugns  'verborgen', 
anasiuns  'sichtbar'. 

Die  Bedeutung  des  Präfixes  im  Gotischen  ist  Verstärkung  wie 
in  anabiudan  anafilhan  anakumbjan  anahneiwan  anaprafstjan. 

ANDA  ist  im  Gotischen  Nominalpräfix  mit  der  verbalen  Neben- 
form and\  vgl.  andanumts-andanems  zu  andniman^  andahait  zu 
andhaitan^  andabeit  zu  andbeitan,  andahafts  zu  andhafjan.  Ent- 
sprechend angls.  ondgit  zu  ongitan,  ondsacu  zu  onsacan ;  vgl.  angls. 
ondleofen  i^andalibains)  mit  got.  andawizns,  ahd,  antläs  zu  inilä^nan^ 
antsegida  zu  intsagen.  Auch  im  deverbativen  Nomen  agentis  zeigt 
sich  anda-  (vgl.  got.  andastapjis  andastaua  angls.  andsaca  'Wider- 
sacher') und  in  Verbaladjektiven  got.  andaseis  andanems  ahd. 
antfengi  antlänn^c  antsänntc.  —  Über  die  Lautgestalt  des  Präfixes 
s.  §  86. 

Die  Grundbedeutung  ist  'gegen,  wider';  vgl.  got.  andalauni 
'Gegenlohn' ;  die  Bedeutung  'Antwort'  zeigen  got.  andahafts  anda- 
waurdi  ahd.  antwurti  antlengl  angls.  andswaru  asächs.  antswdr\ 
Worte  mit  der  Bedeutung  'Gesicht'  (eigtl.  'Gegenblick'?)  sind  got. 
andawleizn  andaugi  angls.  ondwlita  ahd.  antluzzi  antlutti.  —  Zeitlich 
wird  anda-  mit  der  Bedeutung  eines  Paralleltermins  gebraucht  in 
ahd.  ant-tago  'Gegentag  der  nächsten  Woche'  (vgl.  Schade  Ad. 
Wb.  I  21)  und  in  angls.  (Beow.  219)  and-tid  'Gegenzeit  am  folgen- 
den Tage'  (aber  in  got.  andanahti  'Abend'  eigtl.  'Vornacht' 
schimmert   noch   die  Bedeutung   von   lat.  ante  durch).  —  Einige 


IX.  Nominale  Wortbildung.  235 

Adjektiva  zeigen  anda-  wie  ahd.  antfahs  angls.  ondfeax^  angls. 
ondwrdd  ondwis  ondlong. 

AT  (=  lat.  ad)  zunächst  Präposition ;  es  erscheint  als  Verbalpräfix 
gemeingermanisch  in  got.  ataugjan  angls.  cEtywan  asächs.  tögian 
ahd.  zoucken  'zeigen';  sonst  ist  es  verbal  im  Althochdeutschen 
unbezeugt. 

Seine  Bedeutung  ist  'hinzu,  herbei'  in  got.  atbairan  atgaggan 
atgiban  athaitan  atstandan  attiuhan  aiw6pjan\  vgl.  noch  die  got. 
Verbalabstrakta  atgaggs  und  atwitains\  ferner  angls.  cEtfeng  = 
ahd.  a^fengi  (Gl.  Jun.)  'Anfang',  angls.  cBtsteall  'Ansturm',  csthrine 
cEthlyp.  An  Verbaladjektiven  vgl.  angls.  cBtgräpe.  Isoliert  ist  ahd. 
a^ger  angls.  cetgdr  [cEtgfere)  'Lanze',  got.  at-apni  'Jahr'  =  apn\ 
hierher  das  dunkle  ahd.  annasi  'Gerät'.? 

BA  in  got.  ba-rüsnjan  'verehren'.? 

Bi  hat  als  Verbalpräfix  die  Bedeutung  'um,  herum'  in  got. 
bibindan  bigairdan  bigraban  bismeitan  bisitan  biwindan  usw. ;  auch 
in  got.  bi'Sunjane  Beitr.  X  444.  Meist  ist  im  Nomen  die  sinn- 
liche Bedeutung  verblaßt:  ahd.  bisprähha  'Verleumdung',  biswih 
'Betrug',  bi-smer  'Spott'  usw. 

Beim  Verb  hat  bi  Privativbedeutung  in  angls.  beheafdian  'ent- 
haupten', beyrfeweardian  'enterben',  daher  angls.  befeallen  behroren 
bedroren  'beraubt'. 

Dis  dem  Gotischen  eigen,  den  übrigen  germ.  Sprachen  fremd, 
vielleicht  aus  lat.  dis  entlehnt;  als  selbständige  Präposition  un- 
bezeugt; nur  Verbalpartikel,  a)  Bedeutung  des  Scheidens,  daher 
gern  mit  Verben  des  Scheidens  verbunden :  disdailjan  'verteilen', 
dishniupan  'zerreißen',  distairan  'zerreißen',  distahjan  'zerstreuen', 
diswilwan  diswinpjan.  Auch  ein  Verbalabstraktum  dis-wiss  'Auf- 
lösung' zu  "^dis-widan.  b)  Bedeutung  des  Bewältigens  (=  lat.  ob- 
nhd.  be-)'.  dtsdriusan  'befallen',  dishaban  'behalten',  dissitan  'er- 
greifen' (alle  transitiv  mit  dem  Subjekt  »Furcht,  Staunen«). 

DU  ausschließlich  got.  Verbalpräfix,  mit  der  Präposition  du 
identisch:  duginnan  duwakan  durinnan  duginnan. 

EB  in  got.  ibdalja  'Tal'  (umgedeutet  ahd.  ebantat)  und  nach 
Sievers  Angls.  Gr.  §  43  Anm.  4  auch  in  angls.  eofot  'Schuld' 
(got.  *ib-hait)  und  eobolsian  (eigtl.  ^ef-hälsian)^  efdyne  'Abhang'; 
auch  in  ahd.  eba-hewi  angls.  if(h)ig  'Efeu'  (got.  *ibhauja-)} 

ED  mit  den  Nebenformen  ida  —  ahd.  i^a,  mit  grammatischem 
Wechsel  sporadisch  angls.  ep  ahd.  /M,  wohl  mit  lat.  itetum  ver- 
wandt und  'wieder,  nochmals'  bedeutend. 


236  IX.  Nominale  Wortbildung. 

1)  Adjektivpräfix;  vgl.  ahd.  itniuwi  angls.  edniowe  {t^knmwilsid.)^ 
ahd.  itboran  'wiedergeboren',  angls.  edcucu  'wieder  lebendig', 
edgeong  'wieder  jung' ;  aber  an.  idgnögr  'reichlich',  angls.  edmsele 
ahd.  itamdli  'festlich'  lassen  die  Bedeutung  des  Präfixes  dunkel. 

2)  Substantivpräfix:  angls.  edle'an  ahd.  italön,  an.  idgjgld  'Er- 
satz', got.  id-reiga  'Reue'  (gebildet  wie  altir.  aithrige  'Reue'  mit 
Präfix  aith  'wieder'),  angls.  ed-roc  'das  Wiederkauen' ;  ahd.  itwdgi 
angls.  edwealla  edwylle  edwinde  'Strudel';  angls.  edcwide  edgift 
edhwyrft  edwenden  edsceaft  edcyrr  edwyrping  edlsecung  edcenning 
edpingung.  Übereinstimmend,  aber  mit  unklarer  Bedeutung  des 
Präfixes  got.  idweit  angls.  edwit  ahd.  itawts  afries.  ethwit  'Schimpf, 
Schmach';  dunkel  auch  ahd.  itgart  (Gl.  III  532)  'saeculum',  itslaht 
(Schlettst.  Gl.  26,  44),  itgruod  'recidiva  febris'.  Vgl.  noch  mndd. 
etgrode  'Ohmd'  mndl.  etgras  fries.  ethgrow  ethmel  etwit.  Die  Verba 
got.  idreigon^  angls.  edrocian  (=  ahd.  itarucchen)^  ahd.  itaniuwön 
sind  denominativ;  unklar  ist  die  Lautform  des  Präfixes  in  asächs. 
iduglönön  (etwa  für  '^idu-galaunönt). 

FI  in  got.  fi-Hgri  N.  'Versteck'  {ligrja-  ist  Kompositionsform 
zu  ligra-). 

FiR  Nominalpräfix  in  got.  fairweitl  'Schauspiel',  angls.  fyrwet 
'Neugier',  ahd.  firiwizzi  'Wunder' ;  zweifelhaft  ob  got.  fair-ina 
'Beschuldigung,  Ursache'  zu  inilö  'Entschuldigung,  Anlaß'  (KZs. 
XXVI  84);  auch  2Xidid.  fer-kal  'Riegel'  ist  dunkel.  Verbalpräfix 
in  got.  fairgreipan  fairhaitan  "^fairlaistjan  (in  unfairlaistips) 
fairrinnan  fairwaürkjan  fairweitjan. 

FOLLA  in  got.  fullafahjan  fullaweisjan  fullafrapjan^  ahd.  folla- 
ziohan.  Nominalpräfix  westgerm.  in  angls.  ful-tum  (aus  "^ful-team 
Sweet  Angl.  III  151),  dihd.  fol-i eist  'Hülfe'.  Denominativ  scheint 
zu  sein  angls.  fulwian  'taufen'  {^fullawihjan)  aus  ful  +  wih  'heilig' 
Ehrismann  Germ.  37,  435. 

FRA  hat  im  Gotischen  die  Bedeutung  i)  'weg,  fort'  m  frabugjan 
fradailjan  fragiban  fraletan ;  vgl.  ahd.  freidi  asächs.  frethi{g) 
'profugus,  defugus' ;  und  2)  'geringschätzig,  übel'  als  Verbalpräfix 
in  fraqipan  frakunnan  frawaurkjan  frawilwan ;  daher  pleonastisch 
in  Verben  mit  übler  Bedeutung  wie  fralewjan  fraqistjan.  Her- 
gehörige Verbalabstrakta  sind  ahd.  (Notk.-Boeth.) /;-«;/«/  'Sünde', 
frawds  'anathema',  fraseg  (Notk.  Ps.  7746-  48)  'aerugo';  ein  Nomen 
agentis  ahd.  (Hrab.  Gl.  63,  ig)  framano\  ein  altes  Verbaladjektiv 
angls.  fracod  'verachtet'  =  got.  frakunßs  (frakunnan  'verachten') 
vgl.  KZs.  26,  74.     Hierher   ahd.  frafali  angls.  free  feie  aus  fra- 


IX.  Nominale  Wortbildung.  237 

fdli  (vgl.  angls. /^/^)  .-^  3)  Im  Angelsächsischen  ist /r^  als  Stei- 
gerungspräfix lebendig:  frcehrcEde  'sehr  schnell',  frcefxtt  'sehr 
fett',  frcBnixre  frcBmicel  frcEofestlice^  auch  freabeorht  freagleaw\ 
entsprechend  ahd.  frdbald  'procax'.  Im  Altslavischen  ist  pri 
Steigerungspräfix  z.  B.  in  pri-cistii  'sehr  rein'.  4)  Reste  sind  ahd. 
(Gl.  I  ^12^)  fravildi  'campestria',  ahd. /r^/^/ 'Verdienst'  aus  "^fra- 
iht  Möller  KZs.  24,  447  und  asächs.  frataha  angls.  frcetwe  aus 
*fra-tewdz  KZs.  26,  75  und  angls.  freawräsen.  Hierher  got.  fraiw 
an.  frjö  'Samen'  nach  Osthoff  Beitr.  20,  95 .? 

FRAM  'voran'  in  got.  framgähts  'Fortschritt',  framaldrs  'vorge- 
rückten Alters',  ohd.framspuoiframfartframdiht  'Gelingen,  Glück' ; 
aber  ahd.  fram-bäri  'praestans,  excellens'  ist  wohl  jüngeres  Sub- 
stitut für  eigtl.  fra-märi  'sehr   berühmt'   (vgl.  angls.  fore-msere)} 

FRi  nur  in  goi.  frisahts  'Bild,  Rätsel'  (zu  ahd.  sagin}) \  nach 
Joh.  Schmidt  KZs.  26,  24  zu  gr.  irepi.  Dazu  wohl  auch  ahd. 
*fri-si6n  'deuten'  (zu  gr.  eiricTTainai  'verstehe')  in  ahd.  dntfristön 
'übersetzen' ) 

GA  fwohl  urverwandt  mit  lat.  co-^  der  Nebenform  von  lat.  com- 
Bugge  Beitr.  12,  413)  nur  im  Nordischen  selten  und  fast  ausge- 
storben (nur  noch  in  granne  =  got.  garazna,  glikr  =  got.  galeiks^ 
gnögr  =  got.  ganöhs\  nach  Bugge  Arkiv  2,  239  noch  in  gredder 
zu  angls.  gereordian  'speisen'J.  —  Über  die  Betonung  des  Präfixes 
s.  §  86:  urgerman.  galt  wohl  allgemein  im  Nominalkompositum 
Betonung  des  Präfixes  (vgl.  ahd.  gdskaft,  angls.  geatwe  =  got. 
*ga-tew6s  KZs.  26,  328).  —  i)  ga  bildet  «persönliche  Gesell- 
schaftsbegriffe», Substantiva  zur  Bezeichnung  der  Genossenschaft 
oder  Gemeinschaft:  a)  das  Substantiv  bleibt  unverändert:  angls. 
gesid gebeor  zu  sid  beor^  ahd.gzbür  zu  bur;  got.  gaman  'Mitmensch'. 
b)  Das  Substantiv  nimmt  schwache  Flexion  an  foben  §  281):  got. 
gahlaiba  {ahd. gz/eibo)  zu  hlaifs^  gadaila  zu  dails^garazna  {diW. granne) 
zu  razn^  gawaürstwa  zu  waurstw^  gaarbja  gabaürgja  gadauka  ga- 
laista  gasinpa  ahd.  ginamno  gimasso  gibüro  gistallo  gis^llio  giv^rto 
gilanto  asächs.  gib^ddw  gibenkio  angls.  gepofta  gerüna  (ahd.  gzruno) 
geredra.  —  2)  ga  bildet  Kollektiva;  a)  das  Substantiv  (im  Plural) 
bleibt  unverändert:  angls.  gebrödor  'Brüder',  gedohtra  'Töchter', 
asächs.  giswester  'Schwestern',  asächs.  gisunfader  'Vater  und 
Sohn',  got.  ganipjös  'Vettern'  (nur  Plural);  mhd.  gevrhmt  'Ver- 
wandte' und  geliebe  'Liebespaar'.  Hierher  stellen  wir  die  ö-Adverbia 
ahd.  gitago  'täglich'  — gijäro  'jährlich'  —  gimanno  'viritim'.  Ferner 
die   verallgemeinernden  Pronomina   im  Westgermanischen   angls. 


238  IX.  Nominale  Wortbildung. 

gehwd  asächs.  gihwe  'quisque',  angls.  gehwceder  ahd. gihw'edar  'uter- 
que'  und  ahd.  giw^lih  asächs.  gihwilik  angls.  gehwylc.  b)  Das  Sub- 
stantiv nimmt  neutrale  y^-Deklination  an:  got.  gaskohi  angls.  gescy 
ahd.  giscuohi^  ahd.  gidigini  giknihti  zu  d'egan  kneht,  gibirgi  gifildi 
zu  b'erc  f'eld^  gisidili  gifidiri.  3)  ga  bildet  Adjektiva  mit  der  Be- 
deutung 'versehen  mit  etwas' :  got.  gasköhs  mhd.  geschuoch  'be- 
schuht', got.  gaguds  'fromm',  angls.  geleaf  ahd.  giloub  'belaubt', 
ahd.  gibart  angls.  gebeard,  ahd.  gifahs  angls.  gefeax  mhd.  gehär^ 
mhd.  geman  gezan  gehorn  gesnabel  gezagel,  ahd.  gif'edar  'gefiedert', 
gih'erz  'beherzt',  angls.  gemöd  'mutig',  ahd.  gimäl  'bemahlt',  gilob 
'rühmlich';  got. gariuds  eigtl. 'gerötet'  deutet  auf  ein  Neutr.  '''riuda- 
'Röte',  das  zu  gr.  ^peuGo^  'Röte'  gehört.  Die  Adjektiva  angls. 
gefearh  geean  gecealfh^d&uttn  'trächtig'.  Got.  gawiljis  'denselben 
Willen  habend'  zu  wilja.  4)  Auffällig  ahd.  gizwerc  gibret  gizelt 
'Zwerg,  Brett,  Zelt'.  5)  Über  ga  als  Präfix  der  Partizipia  Perf.  Pass. 
vgl.  oben  §  184. 

Anmerkung.  Die  Vorsilbe  ga  kann  nicht  eintreten  resp.  wird  wieder  aufge- 
hoben, wo  ein  neues  Wortglied  vor  eine  ^«-Komposition  treten  sollte ;  vgl.  angls. 
un-m<kne  neben  gemcene,  ahd.  nöt-stallo  neben  gistallo,  run.  witada-hlaibe  neben 
got.  gahlaiba^  got.  un-wiss  'ungewiß'  neben  *gawiss  'gewiß'.  Hierher  auch  ahd. 
ein-boran  niuwi-boran  neben  giboran,  asächs.  arm-scapan  ahd.  so-scaffan  neben 
2k%'ä.<^%.  giscapan  ohdi.  giscaffan.    Vgl.  Beitr.  37,  159. 

HAM  in  altfränk.  hamedii  {=  ahd.  gieidun)\  vgl.  ferner  Bugge  und 
Osthoff  Beitr.  12,  418;  13,  428. 

MIDI  (eigtl.  Präposition)  übernimmt  in  junger  Sprachstufe  die 
Funktion  des  Präfixes  ^a-  z.  B.  in  ahd.  mitigengo  angls.  midwyrhta\ 
angls.  midwist  ahd.  mitiwist.  Auffällig  schon  got.  mipgasinpa 
'Reisegefährte'. 

Ni  in  altangls.  nihold;  verwandt  mit  ni  in  ahd.  nest  a.us  idg.  ni-zdo-s 
Pott  Forsch.  P  148. 

6  ein  seltenes  Nominalpräfix  im  Westgermanischen,  zwischen 
den  Bedeutungen  'zurück,  wieder,  nachher'  schwankend;  angls. 
öheald  iöhylde)  =  ahd.  uohald  'proclivis,  praeceps';  ahd.  uokalawer 
'recalvaster',  ferner  ahd.  uowahst  angls.  öwc£stm\  ahd.  uakunft\ 
ahd. uaqu'emo  'Nachkomme' ;  ahd. mhd.  ^^ö;;^«^ 'Nachmahd, Grummet' ; 
ahd.  uoquimilo  uokumil{ing)  'racemus';  mhd.  (Germ.  19,  426)  uosennel 
'Aufsatz,  Flicken'  —  ahd.  uostaft  'Flicken';  angls.  ögengel  'obex* 
—  öwebb.  Unklar  angls.  öleccan  'schmeicheln'  und  ahd.  (Tat.) 
uozarnen  'spernere'.  Das  Verhältnis  von  angls.  öfor  'Ufer'  und 
ahd.  ur-far  'Hafen'  ist  mehrdeutig. 

OB  in  salfränk.  obgrävio  'Untergraf  (und  angls  of-festre  'zweite 


IX.  Nominale  Wortbildung.  239 

Amme'?)  deutet  auf  gr.  uttö  got.  uf  'unter',  wozu  got.  ufmeljan 
'unterschreiben',  ufstraujan  'unterbreiten',  ufhnaiwjan  'unter- 
ordnen', ufligan  'unterliegen'.  Als  Steigerungspartikel  erscheint 
oB  in  angls.  ofgeorn  'zu  begierig',  an.  ofamikell.  Verbalpartikel  ist 
ut  im  Gotischen;  ferner  in  ahd.  obas'ehan  mit  dem  Abstraktum 
obasiht^  obagangan  obastän  obalickan  (asächs.  ofliges  'Obliegen'); 
asächs.  ofsitiian  (Hei.  M  1306)  'besitzen'.  Unklar  angls.  ofost  'Eile' 
aus  *of-est> 

oz  mit  der  Nebenform  uz:  das  Gotische  hat  natürlich  us  [uz) 
mit  den  Ausnahmen  urrinnan  urreisan  usw.,  in  denen  eigtl.  z-\-  r 
zu  rr  angeglichen  ist;  doch  bleibt  immerhin  auffällig,  daß  «^  auch  vor 
stimmhaften  Elementen  im  Gotischen  stimmlos  ist  {usgiban  usgag- 
gan)\  Ausnahmen  nur  uz-on  'starb'  und  uzeta  'Krippe'.  Im  Altnordi- 
schen herrscht  ^r,  im  Angls.  ör,  im  Ahd.  ur.  Vgl.  an.  er-endr  'tot'  zu 
angls.  orod  'Atem'  (aus  ^uz-anp  zu  got.  anan  'atmen');  an.  erlgg 
asächs.  urlagi  'Schicksal'.  Vgl.  Lehmann,  Das  Präfix  uz-  (Kiel  1906). 

Die  Bedeutung  des  Präfixes  ist  verschieden:  a)  privativ  vgl.  got. 
uswena  'ohne  Hoffnung',  an.  ervsenn  angls.  orwena  (ahd.  urwänz); 
ahd.  i(,rwihi  got.  usweihs  'unheilig' ;  mhd.  urliuge  'Krieg'  als  Gesetz- 
losigkeit (got.  /zugan  'heiraten'  zu  altir.  Zuge  'Eid');  ahd.  urmznni 
'nicht  denkend  an',  urtrzuwi  'treulos',  urhirzi  'herzlos',  urlenti  'ver- 
bannt', ursorc  'sorglos';  angls.  ör;«d?Vhoffnungslos',  orsäwle  'unbe- 
seelt', orleahtre  'tadellos',  orige  'aus  den  Augen  fort,  unsichtbar' 
=  ahd.  urougi. 

b)  steigernd:  ahd.  urmäri  'sehr  berühmt'  {urguol  'insignis'.?), 
uralt  'sehr  alt'  (angls.  oreald). 

c)  in  Verben  und  den  zugehörigen  Verbalnominibus  liegt  dem 
Präfix  die  Bedeutung  'heraus,  hervor'  zugrunde ;  vgl.  got.  ushaitan 
'herausfordern,  reizen'  (ahd.  urhein  'Herausforderung'  —  angls. 
öretta  ahd.  Hildebr.  urhetto  'Krieger');  got.  usgraban  'herausgraben'; 
vgl.  ahd.  urspring  urrunst  urhab  \  zu  got.  zisanan  gehört  als  Nomen 
angls.  orod  'Atem'  aus  *uz-anp. 

SIN  im  Got.  Ahd.  Asächs.  Angls.  (dafür  an.  s{)\  vereinzelt  ahd. 
sina,  angls.  sionu-.  Es  bedeutet  'andauernd,  immerwährend'  (von 
der  Zeit).  Aus  dem  Gotischen  vgl.  sin-teins  sin-teind  'täglich',  nach 
Schweizer-Sidler  KZs.  II  367  zu  ind.  dina-  aslav.  dini  'Tag',  a)  Der 
Begriff  der  zeitlichen  Dauer  steckt  in  asächs.  ahd.  sinhiwun  angls. 
sinhiwan  'Gatten',  angls.  sznrstden  sinscipe  'Ehe',  sinfrea  'Gatte' 
vgl.  altir.  se-tig  'Gattin';  dazu  die  Pflanzennamen  angls.  singrene 
sinfulle.    An  Adjektiven  vgl.  asächs.  sinsköni  angls.  sinceald  ahd. 


240  IX,  Nominale  Wortbildung. 

sinleot\  angls.  singal  'andauernd'  zu  häÜ  Partizipia  wie  angls. 
sinßyrstende  an.  sidrekkandi  enthalten  den  Begriff  der  Steigerung. 
b)  In  einer  Gruppe  zeigt  das  Präfix  die  Bedeutung  der  räumlichen 
Ausdehnung:  ahd.  sinßuot  mhd.  sinwäc  asächs.  sinw^ldi\  daher 
der  Begriff  'rund'  gern  das  Präfix  annimmt:  an.  sivalr  ahd.  sinawel 
sinw'erbal  angls.  sinhwurfol  sionuwealt  usw. 

SU  im  Ind.  weit  verbreitet  (=  gr.  eu  ?),  vgl.  auch  altir.  so-.  German. 
nur  in  Sugambri  vgl.  ahd.  gambar  'tapfer*;  kaum  noch  mit  Bugge 
KZs.  20,  34  in  got.  swikns  (zu  ind.  yajnd-  'Opfer'). 

swi  in  got.  swikunps  angls.  sweotol  (aus  *swi-tal)  'offenbar';  auch 
in  an.  sveviss?  angls.  swceheald}  und  ahd.  swibogo} 

Tuz  eigtl.  Adjektivpräfix  =  ind.  dus-  gr.  öuq-  altir.  do-\  vgl.  ahd. 
zurtriuwi  'treulos',  zurwäri  'suspiciosus',  angls.  torbegete\  be- 
achte ahd.  zurdel  'impatiens',  falls  ich  es  richtig  aus  germ.  tuz-ßol 
zu  ahd.  doUn  'dulden'  deute.  Dann  auch  in  Substantiven  wie  ahd. 
zurwän  zurlust. 

Twis  nur  in  got.  twisstass  F.  neben  dem  Vb.  twis-standan ;  wohl 
=  lat.  bis  §  302. 

UN  Negativpräfix  ==  ind.  a-  an-  und  gr.  d-  dv-  lat.  in-  (redu- 
ziert aus  der  idg.  Verbalnegation  ne  =  got.  ni  und  verwandt  mit 
ahd.  äno  got.  inuh  'ohne'):  zunächst  in  Verbaladjektiven  wie  got. 
unkunßs  lat.  ignötus  gr.  dYVUJTO^  ind.  djnäta-\  dann  besonders 
Adjektivpräfix  vgl.  got.  tmhails  unhrains  unliufs\  gern  in  Litotes 
vgl.  angls.  undyrne  unröt  unlytel.  Dann  auch  Substantivpräfix  got. 
unfiuda  angls.  unrSed  unpeaw  unrim. 

UND  Verbalpräfix  in  got.  undrinnan ;  ob  got.  und-redan  das  angls. 
on-drädan  ahd.  inträtan  ist.?  (Pogatscher  Angl.  Beibl.  1903  S.  182 
deutet  angls.  ondrstdan  wohl  richtiger  aus  got.  *and-redan). 

unJda  Verbalpräfix  in  got.  unpapliuhan  'entfliehen'  sowie  in  angls. 
odberan  odferian  odywan  odfleogan  odgyran.  Dazu  nach  Jac. 
Grimm  zu  Andr.  1106  angls.  üdgenge  'entfliehend',  dem  Bugge 
NArk.  II  222  an.  unningi  'flüchtiger  Sklave'  gleichstellt ;  angls. 
üdwita  'Gelehrter'.  Das  Althochdeutsche  verbindet  die  Bedeutung 
des  Verbalpräfixes  mit  int  =  anda-> 

WANA  in  angls.  wonhäl  ahd.  wanaheil  'schwächlich',  ahd.  wana- 
wizzi  'unsinnig'. 

WE  in  an.  vesall  und  veill  nach  Bugge  NArk.  II  226  aus  ^we-säl-R 
'^we-hail-R. 

f)ERH  steht  im  Westgermanischen  verstärkend  vor  Adjektiven 
wie  ahd.  duruhguot  'sehr  gut',  duruhdicki  'percreber',  duruhlütar 


IX.  Nominale  Wortbildung.  241 

'praeclarus',    duruhwts  duruhnaht  duruhchund\    angls.  purhbeorht 
purhbitter  ßurhhdlig  usw. 

Kap.  58.    Komparation. 

§  284.  Die  idg.  Sprachen  haben  mehrere  Arten  der  Komparativ- 
bildung. Davon  fehlt  im  Germanischen  eine  dem  ind.  tara- :  gr.  repo-  : 
Taxe-  entsprechende  Bildung  der  Komparativa  (gr.  ^XiiKuiepog  q)i\- 
repo^  ind.  ämdtara-  =  gr.  ajjLiOTepGg) ;  doch  hat  sich  die  damit  ver- 
wandte ^rö-Bildung  des  Komparativs  in  Resten  auch  germ.  erhalten 
(§  290);  das  vereinzelte  germ.  anßera-  als  eigtl.  Komparativ  zu  dem 
Superlativ  ind.  anyä-  'andrer'  (s.  unten  §  301)  kommt  nicht  mehr  in 
Betracht.  —  Der  ind.  Superlativbildung  auf  tama-  (ugrdtamd)-  ent- 
spricht im  Lateinischen  die  Bildung  von  optimus^  im  Germanischen 
fehlt  eine  Entsprechung  (doch  s.  über  angls.  furdum  §  301  Anm.); 
aber  die  verwandte  Superlativbildung  auf  idg.  3mo  hat  sich  rest- 
weise auch  germ.  erhalten. 

Die  im  Germanischen  auftretenden  Komparationsarten  haben 
auch  in  den  übrigen  idg.  Sprachen  Anknüpfung.  Wie  in  allen 
idg.  Sprachen  ist  auch  im  Germanischen  die  Superlativbildung 
abhängig  von  der  Komparativbildung.  In  den  idg.  Sprachen  be- 
gegnet ein  Komparativelement  -is  (mit  ablautenden  Nebenformen 
-yes  -yos^  die  dem  Germanischen  völlig  fremd  sind),  woraus  durch 
Anfügung  eines  Mö-Suffixes  -istho  als  Superlativsuffix  entsteht. 
Im  Germanischen  entspricht  -iz  im  Komparativ  mit  der  Super- 
lativbildung -ista  und  dies  ist  die  im  Urgermanischen  überwiegende 
Komparation  gewesen. 

Anmerkung.  Von  einem  intern  germ.  Standpunkt  aus  ist  die  Gleichsetzung 
von  germ.  swotizon  'süßer'  =  gr.  f]b{ujv  (Thurneysen  KZs.  33,  553)  doch  wohl 
fragwürdig;  denn  die  Komparativadverbia  §  293  weisen  für  das  Germanische 
auf  einen  Urtypus  hin,  dem  der  Charakter  der  w-Deklination  fehlte.  Nach  allen 
Analogien  ist  es  wahrscheinlich,  daß  das  Germanische  die  schwache  Deklination 
der  Komparative  nicht  geerbt,  sondern  relativ  spät  nach  intern  germ.  Normen 
entwickelt  hat.  Zudem  weicht  die  got.  Femininbildung  batizei  vünnizei  maizei 
in  auffälliger  Weise  vom  Griechischen  ab.  Bedenken  erregt  vielleicht  auch  noch 
der  Umstand,  daß  das  Germanische  mit  dem  Griechischen  überhaupt  keine 
Belege  für  (?«-Nominative  bei  «-Stämmen  gemeinsam  hat.  Sind  alle  diese  Be- 
denken begründet,  so  hat  nur  -is  als  idg.  Komparativsuffix  für  das  Germanische 
zu  gelten,  und  das  ist  ja  auch  durch  das  Superlativsuffix  -is-tho  an  und  für  sich 
wahrscheinlich. 

§  285.  -iz6n  als  Komparativsuffix  (daneben  besteht  eine  zuge- 
hörige Adverbialbildung  auf  -iz  §  293).  Der  tönende  Spirant  des 
Suffixes  erklärt  sich  aus  der  von  Verner  KZs.  23,  127  beobachteten 

Grundriß  der  germ.  Philol.     Urgermanisch.  l6 


IX.  Nominale  Wortbildung. 


Übereinstimmung  im  Akzent  der  Komparative  des  Indischen, 
Griechischen  und  Slavischen  (ind.  dirghä-  Komp.  dräghiyams-,  gurü- 
Komp.  gdrtyams gr.  fjöu^  :  fibiov,  dXaxO^  :  IXacTcrov  usw.). 

Daß  mit  der  Komparativbildung  dieser  Weise  Wurzelbetonung 
verbunden  ist,  dafür  zeugt  nach  Verner  ib.  noch  got.  jühiza  an. 
(kre  (Grdf.  junhizön)  neben  dem  Positiv  germ.  junga-  (got.  juggs)% 
Paul  LtBl.  I  6  stellt  dazu  ahd.  althro  :  elthiro  neben  alt^  womit  an. 
ellre  =  got.  alpiza  völlig  übereinstimmen.  Hierher  gehört  auch 
die  Komparation  fries.  Ussa  (angls.  Istssd)^  aber  Superl.  lerest 
(angls.  Iseresta).  Dagegen  fällt  der  grammatische  Wechsel  in  an. 
endr  'früher'  zu  lat.  antea  auf;  doch  wäre  immerhin  möglich,  daß 
die  Adverbialbildung  von  der  Adjektivbildung  in  der  Akzentuation 
abwich. 

War  Akzentwechsel  zwischen  Positiv  und  Komparativ  möglich, 
so  dürfen  wir  auch  Ablaut  dabei  erwarten.  Eine  Spur  von  Ablaut 
finde  ich  Beitr.  8,  524  in  angls.  selra  sella  aus  "^sölizön  als  Kom- 
parativ zu  got.  seh.  Im  Althochdeutschen  findet  sich  sidör  neben 
sidör.  Dem  ahd.  wirsiro  entspricht  an.  verre  aus  *warsizdn }  Der 
isolierte  Komparativ  got.  iusiza  'besser'  verträgt  sich  mit  der  Theorie. 

Diese  Komparativbildung  idg.  -ison  =  germ.  -zzön  ist  ursprüng- 
lich nicht  von  dem  zugehörigen  Positiv  abhängig,  sondern  geht 
immer  von  der  Wurzel  aus;  vgl.  ind.  ydmyams-  zum  Vosiii-v yuvafd- 
(altir.  öa  zu  öac  =  umbr.  Jörne  Bechtel  BB.  7,  4).  So  erklärt  sich 
auch  ahd.  {T a.t,)  jugiro,  Hei.  Gott.  ii$o  jugro:  es  scheint  nach 
Bugges  Gesetz  Beitr.  13,  504  aus  *juwtza  (:  ind.  jdviyaißs-)  ent- 
standen zu  sein.  Dieser  Bildung  gegenüber  ist  das  altertümliche 
got.  jühiza  an.  cere^  weil  vom  Positiv  junga-  aus  yuwdnkö-  aus- 
gegangen, doch  als  Neubildung  anzusehen.  Gegen  gr.  juieiiuv  zu 
ILiivOiu  schließt  sich  die  germ.  Komparation  minnizon-  näher  an 
das  zugehörige  Verb  (gr.  juivuiu  lat.  minud)  an:  got.  minniza  für 
urgerm.  mi-nw-ison-.  Eine  alte  Wurzelkomparation  hat  Osthoff 
Beitr.  13,  431  in  got.  maiza  zu  Wz.  me  m  mirs  (me-ro-s)  erkannt. 
So  stellt  sich  zu  Wz.  ple  das  an.  ßeire  (zu  got.  ßlu,  gr.  TrXeiuuv 
TToXug,  altir.  Ha).  Ein  dem  gr.  jieZÜujv  zu  ineY«?  entsprechender 
Komparativ  zu  mikil  fehlt. 

§  286.  Das  Gotische  bewahrt  dieses  Suffix  am  treuesten.  Die 
übrigen  altgerm.  Sprachen  reflektieren  diesen  Urtypus  noch  mit 
Umlautserscheinungen,  Synkope  des  Mittelvokals  und  mit  Rhota- 
zismus.  Im  Althochdeutschen  treffen  wir  Umlaut  und  Rhotazismus 
{lengiro  beBSiro  ergiro  eltiro  usw.);   aber  von  Synkopierungen  hat 


IX.  Nominale  Wortbildung.  243 

sich  nur  das  substantivierte  hirro  für  '^heriro  aus  *hairizdn  erhalten 
(andere  Reste  bei  Braune  §  261  Anm.  3).  Im  Angelsächsischen 
treffen  wir  Umlaut,  Synkope  und  Rhotazismus  z.  B.  in  lengra 
'länger',  yldra  'älter',  hyrra  'höher' ;  in  drei  Fällen  ist  das  z  nach 
eingetretener  Synkope  dem  vorhergehenden  /oder  5  angeglichen: 
sella  scella  aus  *sdlizo^  wyrsa  aus  *wirsizo^  Isessa  aus  ^laisizo.  Im 
Altnordischen  gelten  die  gleichen  Begleiterscheinungen  wie  im 
Angelsächsischen  z.  B.  lengre  'länger' ;  Assimilierungen  des  alten 
z  zeigen  an.  hreinne  'reiner'  aus  *hrainize^  minne  'minder'  aus 
*minnize.  —  Übrigens  dürfte  der  Komparativ  mit  kurzer  Wurzel- 
silbe wie  got.  batiza  im  Altnordischen  eigtl.  nicht  umlauten  und 
im  Angelsächsischen,  Altsächsischen  nicht  synkopieren;  aber  da 
die  Mehrzahl  der  /^«^«-Komparative  lange  Wurzelsilben  haben, 
heißt  es  analogisch  an.  betre  angls.  betra  (daneben  richtig  an. 
batre  angls.  betera). 

§  287.  Das  germ.  Superlativsuffix  -ista-  entspricht  dem  gr.  -ictto- 
(fiöiCTToq  KaKKTToq)  und  dem  ind.  -istha-  {svädistha-  vdristha-) ;  das 
zugrunde  liegende  idg.  -istho-  enthält  das  komparativische  Element 
is  erweitert  um  ein  superlativisches  -tho-^  das  bei  den  Ordnungs- 
zahlen wiederkehrt  (§  301).  In  fries.  lerest  zu  lessa  (angls.  Iseresta 
neben  Isesestd)  zeigt  sich  grammatischer  Wechsel  gegen  afries. 
lessa  angls.  l^ssa  (asächs.  les  'weniger') :  also  germ.  laiziston  gegen 
den  Kompar.  laisizon.  So  steht  neben  angls.  wyrsa  'schlechter' 
(aber  afries.  wirra  an.  verre)  der  Superl.  wyrresta :  also  germ. 
wirsizo  aber  wirzisto.  Ich  habe  für  diese  Erscheinung  Beitr.  8, 
520  an  die  Suffixbetonung  in  den  altind.  Superlativen  jyesthd- 
davüthd-  kanisthd-  erinnert.  Aber  im  allgemeinen  gilt  die  Norm, 
daß  der  Superlativ  zum  Positiv  stimmt.  Ablaut  und  grammatischer 
Wechsel  haben  in  der  Adjektivsteigerung  der  historischen  Perioden 
keinen  Platz.  Vgl.  got.  hardus  hardiza  hardista^  a.hd.  jung  jungiro 
jungisto^  ahd.  alt  eltiro  ^Itisto.  Somit  gehen  im  historischen  Ger- 
manisch die  Steigerungen  nicht  mehr  von  der  Verbalwurzel,  sondern 
durchweg  vom  Positiv  aus.  So  teilt  im  Nordischen  und  West- 
germanischen der  Superlativ  die  Begleiterscheinungen  des  Umlauts 
und  der  Synkope  mit  dem  Komparativ. 

§  288.  Neben  der  älteren  Komparation  auf  -izön-  -ista-  steht 
im  Germanischen  eine  jüngere  auf  -özan-  -östa-.  Die  Verteilung 
der  beiden  Bildungsarten  ist  unklar,  klare  Regeln  sind  nicht  zu 
ermitteln.  Wie  die  uralten  Komparationsanomalien  in  §  289  lehren 
und  die   historischen   Perioden   bestätigen,  fehlte   die   öz-  :  östa- 

16* 


244  ^^-  Nominale  Wortbildung. 

Komparation  von  Haus  aus  den  idg.  Sprachen  (der  Anklang  an  lat. 
minorem^  auch  an  lat.  meliörent  gilt  als  zufällig),  aber  sie  gewinnt 
in  den  altgerm.  Sprachen  immer  mehr  an  Umfang.  Wie  sie  ent- 
standen ist,  ist  auch  nicht  klar.  Für  sie  ist  nur  von  Mahlow  AEO. 
S.  46  eine  lautlich  haltbare  Erklärung  aufgestellt:  nach  dem 
Muster  neh  Komp.  nehis  habe  sich  zu  den  Adverbien  auf  -0  ein 
Komparativ  auf  -6is  gebildet,  letzteres  sei  zu  -ös  kontrahiert  wie 
salböima  zu  salböma  Joh.  Schmidt  KZs.  26,  390. 

§  289.  Es  gibt  einige  Komparationsanomalien,  die  allen  germ. 
Sprachen  gemeinsam  sind  oder  sonst  als  alt  sich  erweisen  lassen. 
Die  Anomalie  dieser  Komparationen  besteht  darin,  daß  der  Positiv 
nicht  zur  gleichen  Wurzel  gehört  wie  die  Steigerungen;  meist 
zeigen  sich  auch  in  den  verwandten  idg.  Sprachen  ähnliche  Ano- 
malien bei  Adjektiven  derselben  Bedeutung. 
"^öda-  :  batizon-  :  batista-  =  got.  göäs  batiza  batista^  ahd.  guot  bes^iro 

benisto^  angls.  göd  betera  befsta,  an.  gödr  betre  beztr. 
Ittila-  :  minnizon-  :  minnista-  =  got.  leitils  minniza  minnista^    ahd. 

luzzil  minniro  minnisto^  an.  litell  minne  minztr. 
:  laisizon-  :  laizista-  =  angls.   l^ssa  Iseresta   {Idsta),   afries. 

lessa  leresta. 
managa-  iflaizon-  :  flaista-  =  an.  margr  fleire  flestr, 
mikila-  :  maizon-  :  maista-  =  got.  mikils  maiza  maista,  ahd.  mihhil 

mero  meist,  angls.  mycel  mära  msest, 
ubila-  :  wirsizon-  :  wirzista-  =  got.  ubils  wairsiza  {wairsistd),  ahd. 

ubil  wirsiro  wirsisto,  angls.  jyfel  wyrsa  wyrresta. 
Eine  andere  Anomalie  der  Steigerungen  äußert  sich  darin,  daß 
der  Positiv  nicht  als  Adjektiv,  sondern  nur  als  Adverb  auftritt. 
So  gehört  zu  got.  airiza  airista  das  Adverb,  air  'frühe';  zu  an. 
ürre  angls.  fyrra  'ferner'  das  Adv.  an.  fjarre  angls.  feor\  zu  ahd. 
furisto  'der  erste'  das  KAn.  fora\  zu  den  Adverbien  an.  sunnan 
nordan  (austan  vestan)  gehören  an.  sydre  syzir^  nyrdre  nyrztr  usw. 
=  angls.  nyrdra  zu  angls.  nord  'nordwärts'. 

§  290.  Das  idg.  Komparativsuffix  -tero-  (gr.  Y^^KUiepo^  ind« 
ämdtara-)  hat  sich  im  Germanischen  bei  Adjektiven  nicht  mehr 
lebendig  erhalten;  es  gehören  dazu  nur  noch  die  Pronomina  got. 
anpar  'der  andere'  und  bapar  'wer  von  beiden'  §  245.  301.  Da- 
neben hat  es  im  Indogermanischen  ein  kürzeres  Komparativsuffix 
-ero-  gegeben,  das  bei  Lokal-  und  Temporaladverbien  in  kleinem 
Umfange  lebendig  ist.  Hierher  gehören  ahd.  innaro  zu  inne^  obaro 
(angls.  ufera)   zu  oba^  fordaro  zu  angls.  ford\    vgl.  auch   asächs. 


IX.  Nominale  Wortbildung.  245 

aMro  (angls.  eafora  aus  germ.  aiurön)  'Nachkomme'  und  fordro 
'Vorfahr'  als  Substantivierungen.  Ferner  angls.  nidera  zu  nidan. 
Diese  im  Germanischen  früh  absterbende  Bildung  hat  Verwandte 
in  ind.  ddhara-  'der  untere',  dpara-  'der  spätere'  (vgl.  damit  asächs. 
abaro  'Nachkomme'),  lat.  inferus  superus  usw.  Beachtenswert  ist 
noch  als  alte  Komparativbildung  ahd.  winisiar  'links'  neben  gr. 
dpi(yTep6(;,  lat.  sinister  (neben  gr.  öeHiiepog  lat.  dexter). 

Anmerkung.  Das  Komparativsuffix  ist  germ.  -uron-  (angls.  eafora  'Nach- 
komme', furdur  'weiter')  aus  -sro-\  in  ahd.  für  dir  'weiter'  zu  ind.  pratardm 
'weiter'  steckt  wohl  ein  Lok.  furperi  mit  der  Suffixgestalt  -ero-,  Tm  got.  anpar 
(aslav.   vütoru)   ist   lit.  äntras   eine   Nebenform   ohne  Mittelvokal. 

§  291.  Zu  den  Komparativen  auf  -ero-  stellen  sich  meist  Super- 
lativa  auf  -uma-  im  Germanischen,  also  auch  meist  mit  lokaler 
und  temporaler  Bedeutung  verbunden.  Wir  treffen  dieses  Suffix 
auch  in  der  Bildung  der  Ordinalia  der  idg.  Sprachen  an.  Außer- 
halb des  Germanischen  sind  Bildungen  zu  vergleichen  wie  ind. 
caramd-  'letzter',  paramd-  'fernster'.  Uralt  ist  ein  Superlativ  me- 
dhdntO'  (=  avest.  madema^  ind.  dafür  madhyamd-  nach  mddhya-),  das 
im  Germanischen  substantiviert  erhalten  geblieben  ist  (got.  miduma 
'Mitte',  aber  ahd.  metamo  Adj.  'mediocris').  Auch  got.  fr-uma 
'erster',  dessen  asächs.  angls.  Nebenform  formo  forma  die  kürzere 
Suffixgestalt  -mo  bewahrt,  gehört  hierher  als  Steigerung  zu  got. 
faüra\  dazu  noch  angls.  furdum  =  ind.  prathamd-  §  301  Anm.  — 
Das  Althochdeutsche  hat  ein  isoliertes  Adverb  hitamun  'demum', 
das  nach  Franck  IF.  5  Anz.  S.  283  mit  lat.  citimus  identisch  ist, 
was  auf  die  Urbetonung  wie  in  ind.  caramd-  paramd-  weisen  würde. 
Mit  got.  hinduma  stimmt  angls.  hindema  überein.  Vgl.  noch  got. 
innuma  auhuma  aftuma  iftuma.  An  got.  hleiduma  'links'  erinnert 
das  substantivierte  ahd.  z'esamo  sowie  mhd.  z'esem  'rechts'  (germ. 
tehswuman-).  Angls.  Icetemest  sidemest  weist  auf  ein  altes  ^latuman- 
*sißuman-^  got.  spedumisis  auf  *speduman-. 

Anmerkung.  Im  Gotischen  haben  die  «wa-Bildungen  wie  fruma  innuma 
auhuma  usw.  nach  Braune  Got.  Gramm.  §  139  komparativische  Geltung:  gegen- 
über dem  superlativischen  Wert  der  entsprechenden  Bildungen  im  Latein  (in- 
fimus  inümus)  und  im  Indischen  {caramd-  paramd-')  bedarf  diese  Erscheinung 
noch  der  Erklärung. 

b)  Dieses  Suffix  -uma-  wird  durch  -ista-  weiter  gebildet  in  got. 
hindumists  aftumists  auhumists  frumists  spedumists  angls.  innemest 
(got.  innuma)  nidemest  midmest  (afries.  medemest)  sidemest  Icetemest \ 
angls.  ymest  =  got.  auhumists.  Ferner  angls.  nordmest  südmest 
eastmest  westmest.   —  Ähnlich  ist  im   Lat.  -isso-  aus  -istho-  (vgl. 


246  IX.  Nominale  Wortbildung. 

lat.  ossa  lautgesetzlich  aus  *ostha  =  ind.  asthän-  'Knochen')  durch 
emo  zu  -issimus  erweitert  worden. 

Nur  das  Gotische  und  Angelsächsische  (und  Altfriesische) 
kennen  diese  Superlativbildung. 

Kap.  59.     Adverbia. 

§  292.    Adjektivadverbia  der  Art  und  Weise. 

a)  Das  Gotische  besitzt  eine  den  übrigen  germ.  Sprachen  un- 
bekannte altertümliche  Adverbialbildung  auf  -ba^  das  an  Adjektiv- 
stämme gefügt  wird :  abraba  ainfalpaba  azetaba  bairhtaba  baitraba 
balpaba  frödaba  gabaürjaba  gagudaba  garedaba  gatilaba  hauhaba 
Jvassaba  raihtaba  sunjaba  swiknaba  swikunpaba  triggwaba  ubilaba 
—  analaugniba  anasiuniba  andaugiba  arniba  gatemiba  —  agluba 
glaggwuba  harduba  manwuba.  Osthoff  KZs.  23,  93  verbindet  diese 
Bildungsweise  mit  aslav.  Abstrakten  auf  -ba  wie  zülo-ba  'Schlech- 
tigkeit' zu  zülü  'schlecht'.  Vielleicht  aber  liegt  vielmehr  ein  idg. 
M-Kasus  vor,  wie  man  wohl  auch  für  got.  ja-bai  und  für  i-ba 
(für  yi-ba)  §  244  einen  alten  <5^-Kasus  annehmen  muß. 

b)  Dem  Gotischen  mit  anderen  germ.  Sprachen  gemein  ist  eine 
Adverbialbildung  auf  -ö  aus  -6n  vorgerm.  -am,  nach  Osthoff  KZs. 
23,  90  mit  Bildungen  wie  lat.  coram  perperam  zu  vergleichen. 
Neben  Adjektiven  stehen  die  got.  Adverbia  galeikö  sinteinö  sniu- 
mundö  ühteigö  usdaudö  wairaleikö\  auch  für  sprautö  'schnell'  ist 
ein  Adjektiv  vorauszusetzen.  Der  u-^X.dSixv^ glaggwus  hWdi^X  glaggwö . 
Identische  Bildungsweise  zeigen  an.  gjarna  ggrva  illa  vida  und 
wohl  auch  angls.  longe  eade  softe  georne  gearwe.  Wahrscheinlich 
steckt  dieselbe  Bildung  in  den  hd.-ndd.  Adverbien  auf  -0  (ahd. 
asächs.  lango  gerno  asächs.  swtdo  diopo  ädro  efno  hedro  garo). 
Für  westgerm.  Adverbialbildungen  zu  Adjektiven  auf  -i  gilt  noch 
die  Regel,  daß  die  Adverbia  Rückumlaut  haben;  \^.  wüciA.  swäre 
schöne  träge  späte  vaste  neben  swcere  schcene  trcege  spcete  veste. 
Erklärt  wird  diese  Erscheinung  damit,  daß  solche  Adjektiva  von 
Haus  aus  meist  ^^-Stämme  sind;    vgl.  got.  glaggwö  zu  glaggwus. 

c)  Dem  got.  Adverb  unweniggö  'unverhofft'  entsprechen  angls. 
änunga  eallunga  dearnunga  usw.  asächs.  wissungo  (ahd.  gähingün 
italingün)\  nach  demselben  Prinzip  bildet  das  Westgermanische 
auch  Substantivadverbia  wie  ahd.  stälingün  ruckilingün  angls. 
eclinga  fseringa.  • 

d)  Einzelheiten:  zu  ^öda-  gehört  got.  waila  asächs.  angls.  wel 
ahd.  wola\  zu  an.  mikell  an.  mjgk  aus  "^mekg  (gr.  |LieYa  ind.  mdki)\ 


IX.  Nominale  Wortbildung.  247 

zu  angls.  lytel  angls.  lyt.  —  Auf-f«  -tm  oder  3M{-j6m  könnten  geendet 
haben  angls.  sene  'einmal',  hsedre  'heiter',  hwene  'wenig'  zu  an 
hddor  hwön\  vgl.  noch  an.  lenge  zu  langr. 

§  293.  Komparativadverbia  auf  urgerm.  -iz  aus  vorgerm.  -is 
(wie  in  lat.  magis)\  Grundformen  airiz  aupiz  andiz  firriz  laisiz 
söliz  wirsiz  samftiz  tu^iz  sipiz  =  angls.  ^r  yp  end  fyrr  laes  scel 
wyrs  seft  tylg  sip\  Grundformen  batiz  minniz  haldiz  =  ahd.  ba 
min  halt\  QiX^i.  framiz  garwiz  langiz  nehwiz  =  an.  fremr  g&rr  lengr 
n^r.  Im  Gotischen  haben  die  Adverbia  hauhis  airis  haldis  framis 
neJvis  unter  dem  Einfluß  von  hauhiza  airiza  usw.  /  wieder  her- 
gestellt, während  in  mins  (aus  '^minniz)^  wairs  (aus  ^wairsiz)  und 
-seips  (aus  *seipiz)  die  lautgesetzlichen  Formen  vorliegen.  Hierher 
angls.  fyrn  asächs.  furn  aus  '^furniz  ?  Über  ahd.  Jurdir  s.  §  290  Anm. 

Daneben  finden  sich  jüngere  Adverbia  auf  -6z:  got.  aljaleikös 
sniumundös  an.  sjaldnar  sjaldar  =  angls.  seldnor  seldor^  angls. 
near  ahd.  nähör.  Im  Althochdeutschen  gilt  die  Regel,  daß  zu 
Positivadverbien  auf  -0  (aus  g  verkürzt)  die  Komparativ-  und  Super- 
lativadverbia  auf  -ör  -öst  ausgehen,  auch  wenn  die  adjektivische 
Steigerung  auf  -iro  -isto  gebildet  ist :  zu  lang  hngiro  l^ngisto  — 
f^sti  festiro  festisto  gehören  die  Adverbia  lango  langör  langöst  — 
fasto  fastör  fasiöst 

§  294.  Superlativadverbia  gleich  der  flexionslosen  Neutral- 
form des  Sg. :  got.  aftumist  f  rumist  maist  an.  lengst  first  nsest  bazt 
mest  —  optast  vidast  framast  angls.  msest  seidost  ahd.  erist  b (fielst 
hartöst  (vgl.  lat.  minimum  gr.  TrXeTcTTOv).  Über  angls.  furdum  s. 
§  301  Anm. 

§  295.  Zeitadverbia.  Auf  -n  enden  Zeitadverbia  aus  Prono- 
minalstämmen: got.  pa-n  'damals',  /va-n  'wann',  suma-n  'einst',  ahd. 
sama-n  'zugleich' ;  dazu  ahd.  selta-n  an.  sjalda-n  'selten'  (got.  silda- 
leiks) ;  angls.  ponne  hwonne  ahd.  danne  wanne  sind  Erweiterungen 
zu  got.  pan  han  (über  ne  aus  '^nai  s.  §  242).  In  ahd.  asächs.  thö  (angls. 
pd)  'dann'  liegt  wohl  der  Akk.  Sing.  Fem.  got.  p6  vor,  wie  ähnlich 
im  Latein  der  Akk.  Sing.  Mask.  tum  und  der  Akk.  Sing.  Fem. 
/<zw  adverbial  gebraucht  werden.  Dementsprechend  wird  in  asächs. 
ddro  ofto  ferro  sano  got.  ufta  fairra  eine  vorgerm.  Endung  -am 
stecken;  abweichend  angls.  oft  eft  feor  asächs.  eft  sän  fer.  Sin- 
gular ist  an.  /  gstr  'gestern'  (lat.  hert).  Sonst  kommen  Avyayt- 
bhävakomposita  in  Betracht  wie  lat.  postridie  gr.  cr-r|)a€pov  auO- 
rinepov,  ind.  aiidmas  'heuer',  paredyavi  'morgen',  pürvedyüs 
'gestern',  aparedyüs  u.  a.  mit  Pronominibus  als  erstem  Wortelement 


248  IX.  Nominale  Wortbildung. 

in  echter  Komposition;  vgl.  ahd.  hi-naht^  hm-tu  aus  *hiu-kiu 
*hiu-tku  =  "^hiu-tagu  'heute',  mhd.  Mure  'heuer'  aus  *hiu-järu  und 
nach  ZfdA.  23,  208  mhd.  hibentene  'heute  abend'  sowie  angls. 
idceges  pysdögor. 

§  296,  Ortsadverbia  der  Ruhe  zeigen  -r:  got.  hä-r  (bestätigt 
wird  ä  durch  ahd.  wer-gin  asächs.  hwer-gin)  pa-r  he-r  jaina-r 
alja-r  ahd.  dä-r  wa-r  (ahd.  sä-r  neben  sä-nö) ;  man  vergleicht  ind. 
kd-r-hi  'warum'  {tärhi  'damals',  prätdr  'frühe',  pünar  'wieder') 
sowie  lit.  ku-f  'wo'  und  visur  'überall'  lat.  cu-r\  zunächst  steht 
armen,  u-r  '\jQt  .  —  Vereinzelte  Bildung  ahd.  dorot  'dort'. 

§  297.  Ortsadverbia  auf  die  Frage  'woher'  zeigen  im  Gotischen 
ein  Suffix  -pro  in  Jva-prö  'woher',  pa-prö  'dorther',  jainpro  'dort- 
her', aljaprö  dalaprö  iupaprö  ütaprö  innapro  allaprö  fairraprö. 
Vielleicht  enthält  got.  sun-drö  'allein,  gesondert'  eine  Spielart  des 
gleichen  Typus,  falls  das  idg.  ssm-  sem-  'eins'  (§  300)  darin  steckt. 
Ein  anderer  Typus  steckt  in  got.  innana  hindana  aftana  iupana 
üfana  ahd.  obana  innana  asächs.  nidana  ferrana  forana  oianaostana 
westana  anord.  aptan  handan  heiman  —  aus  tan  norpan  sunnan 
vestan.  Daneben  von  dunkler  Entstehung  ahd.  danän  hinan  usw. 
Verkürzter  Typus  ist  ahd.  da-na  hi-na  heimi-na  (an.  heiman)  'von 
Hause  her'  und  rüma-na  'von  weitem' ;  vgl.  außerdem  an.  hva-dan 
pa-dan  he-dan,  die  durch  Dissimilierung  aus  *hvanan  "^panan  *hinan 
(§  50  Anm.)  hervorgegangen  sind. 

§  298.  Ortsadverbia  auf  die  Frage  'wohin' :  got.  ha-dre  'wohin', 
jain-dre  'hierhin'  —  an.  pa-dra  he-dra\  dazu  mit  abweichender 
Suffixgestalt  angls.  pce-der  —  pi-der  hi-der  hwi-der  (verwandt  ist 
das  Suffix  ind.  id-tra  yä-tra  puru-ti'ä  deva-trd  lat.  ci-tra  sowie 
nach  Hübschmann  armen,  an-dr  'dorthin');  dazu  wohl  auch  an. 
aus-tr  ves-tr  zu  "^aus-  *wes-.  Ein  ^-Suffix  steckt  in  ahd.  thar-öt 
war-öt  her-od  =  asächs.  tharod  hwarod  h'erod\  auch  in  got.  ka-p 
{piskad-uh)  alja-p  dala-p  und  jain-d  (auch  pad-ei)\  got.  samap 
=  angls.  samod  'zusammen'  heißt  eigentlich  'auf  dieselbe  Stelle 
hin'  (zu  sama-  'derselbe'  §  247).  Joh.  Schmidt  vergleicht  KZs. 
19,  274  aslav.  tada  'dorthin',  kada  'wohin'.  —  Ein  dunkler  ge- 
kürzter Typus  steckt  in  ahd.  dara  wara  h'era.  —  Das  /  in  angls. 
eas-t  wes-t  'nach  Osten,  Westen'  ist  wohl  identisch  mit  dem  Dental 
in  got.  Jva-p  jain-d. 

§  299.  Präpositionaladverbia.  Aus  den  Behandlungen  der- 
selben durch  Paul  Beitr.  4,  468;  8,  219  und  Schmidt  KZs.  26,  20 
ergibt  sich  nur  soviel  als  sicher,  daß   sie   um   einen  Ableitungs- 


IX.  Nominale  Wortbildung.  249 

vokal  länger  als  die  Präpositionen  waren.  Es  sind  zahlreiche 
Störungen  eingetreten.  Im  Gotischen  zeigt  sich  kein  Unter- 
schied, derselbe  ist  am  stärksten  im  Althochdeutschen  ausgeprägt. 
Wahrscheinlich  repräsentieren  folgende  Paare  eine  urgerm.  Laut- 
verschiedenheit von  Präposition  und  Adverb:  ahd.  mit  Präp.  — 
miti  Adv.,  ubar  Präp.  —  tibiri  Adv.,  gagan  Präp.  —  gegini 
Adv.,  widar  —  widiri^  nidar  —  nidiri^  an.  umb  —  angls.  ymbe^ 
asächs.  an  —  ana  (an.  ä  —  got.  and),  got.  af  angls.  of  —  ahd. 
aba.  So  ist  wohl  auch  die  vollere  Lautgestalt  von  bi  neben  bi 
und  von  ahd.  zuo  neben  zi  zu  beurteilen.  Aber  früh  sind  Über- 
griffe der  Adverbialform  eingetreten;  so  sind  angls.  iö  und  ahd. 
umbi  eigentlich  Adverbien,  vertreten  aber  durchaus  auch  die  Prä- 
positionen. So  hat  das  Hildebrandslied  miti  Deotrtchhe  —  miti 
wäbnum  V.  19.  26.  68  (aber  mit  37.  54)  und  tö  deru  hiltiu,  td 
samane  V.  6.  65  (neben  ti  27.  54)  mit  präpositionaler  Verwendung 
der  Adverbien;  vereinzelt  auch  im  Heliand  midi  143.  747.  757 
—  tö  3665.  5952  für  sonstiges  mid  und  ti. 

Kap.  60.     Zahlworte. 

§  300.  Kardinalia.  Sie  sind  teilweise  flexionsfähig.  Die  Ordi- 
nalia  i — 4  sind  erbweise  in  den  meisten  idg.  Sprachen  deklinabel. 
Aber  nach  Schmidt  Pluralbildgn.  292  waren  die  Kardinalia  5 — 10 
von  Haus  aus  indeklinabel,  so  im  Lateinischen  und  Griechischen 
und  z.  T.  noch  im  vedischen  Indisch;  aber  im  Germanischen 
stellt  sich  die  Möglichkeit  ein,  diese  Zahlen  nach  der  /-Deklination 
zu  flektieren,  ebenso  die  Zahlworte  für  11  und  12. 

Halb.  Das  Germanische  hat  eine  dem  ind.  sämi-  gr.  ^\x\-  lat.  simi- 
entsprechende  Benennung  in  asächs.  sämquik  angls.  sömcucu  ver- 
kürzt aus  eigtl.  "^sömcwicu  (mit  Synkope  von  idg.  semi-  zu  säm')\ 
daneben  ahd.  sämiquec  sämitöt.  Neben  dieser  Kompositionsform 
herrscht  als  Simplex  halba-  (aus  vorgerm.  kolpö-s  zu  der  ind.  Wz. 
kip  'ordnen,  teilen' .?),  das  aber  in  jüngeren  Bildungen  (angls.  healf- 
diad  ahd.  halbtot)  auch  in  Zusammensetzungen  erscheint. 

Bruchzahlen  werden  urgerm.  gebildet  nach  dem  Typus  von 
angls.  nigon  teodehealf  gedr  Chro.  Einleitung  und  a.  855  ;  doch  galt 
wohl  schon  urgerm.  auch  der  durch  Verkürzung  entstandene 
Typus  von  ahd.  ander  halp  'i^/a*,  dritto  halp  '2*/a'  =  angls.  öder 
healf  'i*/a',  ßridda  healf  '2^/2'.  Im  Altnordischen  sagt  man  hdlfr 
annarr^  hdlfr  pride.  Verwandt  ist  die  Bildung  von  an.  half-fertogr 
'35  Jahre  alt',  half-nircedr  '85  Jahre  alt'. 


250  IX.  Nominale  Wortbildung. 

Zwei  Drittel.  Eine  isolierte  Bezeichnung  dafür  ist  angls.  twstde 
**/g' ;  sonst  wie  gr.  rd  bvjo  juepri  "^\^  auch  angls.  twegendselas  '^/g',  mhd. 
diu  zwei  teil  '^j^' ;  so  immer,  wenn  der  Nenner  um  eins  größer  als 
der  Zähler  ist. 

Eins.  Europ.  oino-s  =  lat.  ünus  (altlat.  oinos)  altir.  öen  preuß.  ains 
lit.  venas  (vgl.  gr.  oivr]  'eins  auf  dem  Würfel').  Es  entspricht  germ. 
aina-z  =  got.  ains.  Dafür  fehlen  im  Germanischen  andere  Be- 
nennungen der  Einzahl  wie  gr.  010^    avest.  aez^a  resp.  ind.  ^ka-. 

Das  Adj.  aina-  flektiert  wie  die  Pronominaladjektiva  (§  236), 
wie  auch  lat.  unfus  unt  nach  illtus  Uli  usw.  pronominal  flektiert. 
Beachtenswert  ist  eine  alte  umgelautete  Akkusativform  des  Mask. 
Sing,  angls.  6&nne  aus  ^aininö,  das  Litt.-Bl.  VI  59  mit  run.  mininö 
verglichen  wird.  Seiner  Bedeutung  nach  ist  aina-  ein  Singulare- 
tantum; doch  zeigt  sich  im  Althochdeutschen  auch  pluralische 
Flexion  neben  einem  Pluraletantum  z.  B.  in  einen  buochon  Otfr.  Und 
im  Angelsächsischen  ist  häufig  dnra  gehwylc  'jeder  einzelne'  sowie 
äne  'einige'. 

Von  dem  idg.  Stamm  sem  :  sdm  (resp.  sm-  im  Fem.  smt)  in  gr.  el? 
)iia  ev  und  in  lat.  semel  stammt  gotisch  simle  'einst',  das  vielleicht 
für  eigtl.  ^sim-ble  mit  grammatischem  Wechsel  auf  den  Bildungs- 
typus von  lat.  simplus  dupltis  (gr.  öiirXoq)  zurückweist;  dafür 
angls.  (vgl.  §  303)  ^ne  später  ^nes^  noch  später  und  selten  dnes 
'einmal'  =  ahd.  eines.  Vielleicht  steckt  auch  in  got.  sundrö  ahd. 
suntar  'allein,  einzeln'  das  Zahlwort  in  der  Schwundstufe  von 
gr.  d-7TaH  und  ind.  sa-kft  'einmal'  (vgl.  oben  §  297). 

Anmerkung.  Schwer  zu  beurteilen  ist  der  Verwandtschaftsgrad  der  westgerm. 
Adverbia  mit  der  Bedeutung  'immer'  (angls.  simle  asächs.  simbla  ahd.  simbale 
resp.  angls.  simles  ahd.  simbles  simbales  resp.  angls.  simblon  asächs.  simlu7i  ahd. 
simbalum)  neben  dem  doch  wohl  zugehörigen  lat.  semper  'immer'.  Den  west- 
germ. Adverbien  muß  wohl  ein  Substantivum  zugrunde  gelegt  werden.  Wie  sich 
got.  simle  'einst'  zu  der  Sippe  verhält,  läßt  sich  nicht  entscheiden. 

Zwei.  Idg.  duo-  (gr.  öOo  lat.  dud)  fehlt  im  Germanischen;  dafür 
herrscht  im  Germ,  ein  idg.  dvö-.  Urgerm.  ist  der  Gen.  *twajje 
=  got.  twaddje  an.  tveggja  ahd.  zweio  asächs.  tweio  (Grdf.  dvöj-em 
mit  Pluralendung  gegen  ind.  dual,  dväy-ös)'.,  urgerm.  ist  auch 
der  Dat.  got.  twaim  an.  tveim{f)  ahd.  zweim  asächs.  twem  angls. 
tw3em  aus  *twaimiz  =  vorgerm.  dwoi-mes.  Der  in  got.  twaddje 
twai-m  erscheinende  Stamm  *twaj-  "^iwai-  (=  idg.  dvoi-  in  ind. 
dvidhä  'zweifach'  und  gr.  ÖOioi)  erscheint  noch  im  ahd.  Neutr. 
zwei  aus  urwestgerm.  *twajju^  in  got.  iwai  an.  tvei-r  und  in 
ahd.   zwi-ne.     Dem   idg.   dvö  (gr.    öuo)   entspricht   das   Neutrum 


IX.  Nominale  Wortbildung.  251 

gut.  twa  angls.  twd\  aber  angls.  tu  ist  nach  Beitr.  8,  336  eigtl. 
'^twü  für  '^twö  =  idg.  dvö  (vgl.  gr.  öFüübeKa).  Ahd.  zwei  als  Neutr. 
stellt  sich  zu  dem  gemeingerm.  Genitiv  twajje^  aber  asächs.  twe 
angls.  twä  scheinen  dem  alten  Dual  ind.  dve  =  aslav.  düvi  für 
das  Neutr.  zu  entsprechen.  Ist  das  Femininum  an.  tv^r  ahd.  zwä 
ein  germ.  twez  (altir.  di)} 

Anmerkung.  Der  Übertritt  der  sinngemäß  ursprünglich  dualen  Deklination 
unseres  Zahlwortes  in  ein  adjektivisches  Pluralsystem  got.  twai  Dat.  twaim 
Akk.  iwans  usw.  läßt  sich  nicht  klar  erfassen,  weil  der  alte  Dual  im  Germani- 
schen aufgegeben  ist.  Das  Zahlwort  zwei  entzieht  sich  im  Ostgermanischen  der 
Adjektivdeklination  für  den  Gen.  Plur.  (got.  twaddje  an.  tveggja);  das  entspre- 
chende ahd.  zweio  reiht  sich  bald  in  die  Deklination  der  Adjektiva  {zweiero) 
ein,  ebenso  angls.  twega  mit  der  jüngeren  Nebenform  twegra.  Vgl.  noch  van 
Helten  IF.  18,  87. 

In  Zusammensetzungen  ist  'zwei'  germ.  twi-  (gr.  öi-  lat.  bi- 
ind.  dvi-)\  ahd.  zwi-valt  angls.  twifeald. 

Für  beide  hat  das  Germ,  den  idg.  Stamm  bho-  (ind.  u-bhä  gr. 
ö)Li-qpuJ  lat.  am-bo  aslav.  o-ba  lit.  a-bu)  verwandt  und  zwar  flexivisch 
mit  zwei  übereinstimmend ;  got.  ba  :  twa^  an.  beggja :  tveggja,  angls. 
bd  :  twd  usw.  Das  Nordisch- Westgermanische  hat  an  das  Zahl- 
wort den  Artikel  geschweißt,  weil  derselbe  syntaktisch  meist 
folgte  (got.  ba  pö  skipa  'beide  Schiffe'  Luk.  5 '  und  angls.  begen 
ßd  gebröpm  asächs.  bidie  thie  gibröder  =  gr.  d|Liq)6T€poi  oi  döeXqpoi) ; 
so  deutet  Koch  Engl.  Gr.  II  §  271  mittelengl.  böthe  (zuerst  bdde 
Chro.  II 24.  II 37)  aus  angls.  bd  pd,  und  Sievers  empfiehlt  Beitr. 
10,  495  den  gleichen  Ursprung  für  ahd.  be-de  durch  einen  Hin- 
weis auf  die  Genusverschiedenheit  in  schwäb.  bi-d  bue-d  boa-d, 
die  allerdings  eher  nach  zwene  zwo  zwei  geformt  sind.  Meringer 
KZs.  27,  236  deutet  an.  bd-per  aus  "^bai  +  pai-R^  Akk.  bdpa  aus 
^banz  *panz  (über  die  Unbetontheit  des  Artikels  s.  oben  §  98). 
In  asächs.  be-thiti  ahd.  be-diu  bei-diu  steckt  der  neutrale  Dual  *bai 
=  ind.  ubhi.  —  Isoliert  ist  die  Bildung  von  got.  bajöps  aus  vor- 
germ.  bhoyöt-,  für  dessen  Dental  eine  sichere  Herleitung  fehlt. 
—  Im  Angelsächsischen  beachte  bdtwd  bütü,  selten  begentwegen, 
Dat.  auch  bdmtwdm  Genes.  562  (vgl.  ital.  ambedue). 

Drei.  Idg.  tri-  =  ind.  tri-  aslav.  tri-  gr.  Tpi-  lat.  tri-  entspricht 
dem  germ.  pri- :  die  urgerm.  Flexion  war  *prtz  (aus  *trejes),  Akk. 
*prinz^  Dat.  *primiz,  Gen.  *priji»  resp.  *ßrijj6'*  (==  got.  ßrije  resp. 
an.  priggja  ahd.  drto  van  Helten  Beitr.  30,  243)  für  Mask.  Fem. ; 
N.  Akk.  des  Neutr.  war  urgerm.  prij$  =  got.  prija  an.  prjü  ahd. 
driu  angls.  prio.  —  Das  uralte  Feminin  ind.  tisrds  ir.  teoir  fehlt 


252  IX.  Nominale  Wortbildung. 

im  Germanischen.  —  Von  Haus  aus  stand  das  germ.  Zahlwort 
nicht  im  Bereich  der  Adjektivdeklination,  unter  die  es  im  West- 
germanischen geraten  ist.  —  Kompositionsform  war  pri-  z.  B.  in 
ahd.  drifald  angls.  prifeald. 

Vier.  Idg.  qetwT-  qetür-  {qtwx-  qtür-  qtrü-)  Joh.  Schmidt  KZs.  25, 43 
erscheint  im  Germanischen  mit  Labial:  Grdf.  ^petwöres  ==  got. 
fidwör  (krimgot.  fyder) ;  vgl.  ind.  catvdras  russ.  (:etyre  gr.  xer- 
rapeq  usw. 

Der  innere  Dental  zeigt  sich  außer  im  Gotischen  noch  in  sal- 
fränk.  fitter-tüschunde  Jac.  Grimm  GDS  552,  in  aschwed.  fjceper- 
skötter  -skipter  Rydqvist  II  559  und  in  angls.  fyper-fete  -scyte  usw. 
und  andern  altschwed.  und  altengl.  Kompositis  (Beitr.  6,  394.  576). 
Nur  im  Gotischen  hat  das  Simplex  den  Dental  bewahrt.  Das 
Nordisch-Westgermanische  zeigt  dafür  nach  QF.  32,  102  Beitr. 
8,  517  im  Simplex  die  Lautentwicklung  eines  idg.  qeqwT-  qequr-^ 
welches  wahrscheinlich  irgendwie  aus  idg.  qtwY-  (etwa  durch  die 
Mittelstufe  qwx-  in  lat.  quar-tus  Joh.  Schmidt  KZs.  25,  49  und 
mit  Ergänzung  des  Anlauts  von  idg.  qe-twr-)  herstammt;  auf 
"^qeqwr  *qeqttr  beruhen  germ.  fewor-  f'eyur- ;  die  Y-Fori^i  zeigt 
sich  in  ^\a^\.  fjogor  dLSchvied.  fjughur  Neutr.,  sowie  in  di\t\s\. ßogorra 
aschwed.  fiugharra  Gen. ;  sonst  herrscht  skandinav.-westgerm.  die 
Form  mit  gesetzlich  verlorenem  y  (got.  *fiwör)  =  an.  fjörer  angls. 
feower  andd.  fiwar.  Die  mutmaßliche  urgerm.  Flexion  war  Mask. 
"^fedwöriz  '^fe{y)w6riz^  Gen.  '^f'edureV'  *f'eyure^  Dat.  *fedw6rim  '^feiy)- 
wörim  Neutr.  "^f'edur  *f'eytir.  —  Von  der  idg.  Femininbildung  ind. 
cdtasras  avest.  catanhrö  altir.  cetheoir  fehlt  jede  Spur  im  Ger- 
manischen. 

Beachtenswert  ist  die  Kompositionsform  mit  hartem  Reibelaut 
in  angls.  fyper-scyte  fyper-fete  (abweichend  got.  fidur-dögs)^  die 
durch  die  Betonung  ind.  cätur-anga  cdtus-päd  Beitr.  6,  394  (oben 
§  79)  erklärt  wird. 

Fünf.  Idg.  penqe  =  ind.  panca  gr.  Trevie  lit.  penkl  breton.  pemp 
usw.  entspricht  einem  vorgerm.  pempe  germ.  fimf  (auslautendes 
/  aus  p  =  q  infolge  von  Angleichung  an  den  Anlaut  nach  Osthoff 
MU  I  94). 

Sechs.  Idg.  seks  =  lat.  sex  ist  das  germ.  sehs ;  die  idg.  Grundformen 
sweks  (—  kymr.  chwech)  und  weks  (in  gr.  FeH  und  in  apreuß. 
uschts  'sechster')  fehlen  dem  Germanischen  gänzlich.  Der  Umlaut 
von  angls.  six  beruht  auf  einem  flektierten  westgerm.  sihsi  (dafür 
ahd.  sehsi  statt  seksi). 


IX.  Nominale  Wortbildung.  253 

Sieben.  Idg.  septip,  sepUm  =  ind.  saptd  gr.  eiTTd  lat.  Septem.  Für 
das  Germanische  ist  flektiertes  septm-  vorauszusetzen  (vgl.  got.  ahd. 
niun  aus  "^nevn-  für  "^nevn)^  das  über  sepm-  zu  sein-  führen  mußte. 
In  der  Lex  Salica  finde  ich  das  idg.  septm  septhn  noch  als  septun 
für  seftun\  so  trat  für  das  flektierte  sebn-  (§  66)  dann  sebun  ein 
=  angls.  seofon  ahd.|  (mit  «-Umlaut  des  e  zu  i)  sibttn\  flektiert 
angls.  (Beow.)  syfone  =  ahd.  sibuni.  Für  den  Verlust  des  inneren 
Dentals  beachte  angls.  ^fen  gegen  an.  aptan  'Abend'  und  asächs. 
forn  'vormals'  aus  idg.  prtnöm  (zu  ind.  pratnä  'vormalig'). 

Acht.  Idg.  oktö  oktöu  =  lat.  octo  gr.  öktu)  ind.  astdu ;  es  entspricht 
germ.  got.  a/itazi  ahd.  a^to  angls.  eakta,  flektiert  ahd.  ahtowi 
Ahd.Gl.  I  73262  mhd.  ähtewe  ehtewe  ehte  sowie  auch  mittelengl.  ehte 
(neuengl.  eight)  aus  *£Ehte> 

Neun.  Idg.  «^^/^  (mit  der  für  das  Germanische  nicht  in  Betracht 
kommenden  Nebenform  envdn  =  armen,  znn).  Im  Germanischen 
hielt  sich  das  auslautende  n  wie  in  szbun  '7'  {tehun  '10')  wohl  unter 
dem  Einfluß  der  zugehörigen  Ordinalia.  Konsonantisches  w  hat 
noch  ahd.  (Otfr.  II  4^  VDF)  niwan  (Scherer  ZGÜS^  583),  dessen 
an  unter  dem  Einfluß  von  ahd.  z'ehan  steht;  nach  Bugges  Regel 
Beitr.  13,  504  kann  f  für  w  (oben  §  57)  eintreten,  und  es  ergibt 
sich  dann  ein  germ.  neyun  =  angls.  neogon ;  das  i  des  entsprechen- 
den angls.  nigon  asächs.  nigun  (afries.  niugun)  erklärt  sich  aus 
einem  flektierten  westgerm.  niyuni  neben  unflektiertem  neyun. 
Ahd.  niun  mit  /-Umlaut  beruht  auch  auf  dem  Einfluß  eines  flek- 
tierten niuni.  Got.  niun  mit  ahd.  niun  stellen  ein  idg.  nevn-  (wohl 
flektiert)  für  eigtl.  nevdn  nevfi  dar. 

Zehn.  Idg.  äe'Aiii t  {aislav.  deset-  lit.  deszimt)  Mahlow  AEO  S.  158 
wird  mit  Dentalverlust  nach  den  Auslautsgesetzen  (§  138)  zu  germ. 
tehun  (got.  tathun)\  ahd.  zehan  =  asächs.  tehan  vertritt  ein  idg. 
dikomt.  Der  Umlaut  von  angls.  tyn  beruht  auf  flektiertem  "^tehuni, 
während  mittelengl.  te'n  aus  angls.  */<?<?«  das  alte  tehun  resp.  tehan 
vertritt. 

II  — 12.  Got.  ainlif  twalif^  an.  ellifu  tolf^  angls.  senleofan  twelf^ 
asächs.  ellevan  tw^lif.,  ahd.  einlif  zw^lif'.  wahrscheinlich  repräsen- 
tiert der  Zwiespalt  an.  ellifu  :  tolf,  angls.  Senleofan  :  twelf.,  asächs. 
illevan  :  tw^lif  eine  urgerm.  Verschiedenheit,  die  allerdings  noch 
nicht  aufgeklärt  ist.  Das  Element  ahd.  -///(mit  grammat.  Wechsel 
in  got.  ainlibim  twalibim)  beruht  auf  "^lipe  (resp.  ^l'epe  wegen 
asächs.  illevan  angls.  änlefan})  für  *liqe^  das  im  Lit.  {venülika 
dvßika  usw.)  die  Zahlen  11  — 19  bildet;  seine  Bedeutung  ist  um- 


254  IX.  Nominale  Wortbildung. 

stritten;  daß  es  eigtl.  'lo'  bedeutete,  ist  nicht  beweisbar;  eher 
bedeutete  es  adverbial  'drüber',  also  'einer  drüber',  'zwei  drüber', 
so  daß  dekrut  davor  zu  ergänzen  wäre;  vgl.  ind.  tringati  trdyas 
pards  '33'  und  angls.  nigoda  healf  '8V2'  für  eahta  nigoda  healf. 

13 — 19.  Dvandvakomposita  goi.  ßdwortatkun  ßmftaihun  ahd. 
driz'ehan  niunzehan  usw.,  angls.  fiftyne  eahtatyne  =  an.  fimtdn 
nitjdn ;  dazu  mit  doppelter  Flexion  ahd.  föne  dien  anderen  drin 
2/;^/;^beiGraff3,  628.  Für  Zwischenzahlen  '18,  19' resp.  '28,29'  usw. 
ist  Subtraktionsbenennung  urgerm.:  ohd.  eines  min  danne  ßmfzug^ 
mhd.  (bayr.)  zweiminzweinzec,  angls.  twd  Ises  twentig  oder  dnes  wona 
tw entig  \    an.  einu{m)  fdit  i  fimm   tige^    tveim  fdtt  i  Hu  tigu  usw. 

20 — 60.  Diese  Zehner  werden  german.  durch  ein  Substantiv  mit 
der  Bedeutung  beKd?  =  "^te^uz  gebildet,  welches  nach  Brugmann 
Grdr.  II  2  §  15  an  ind.  dagdt-  gr.  beKaö-  anzuknüpfen  ist;  got.  tigunt 
aus  idg.  deknitmis  durch  Mittelformen  '^t'e^itmmiz  ie^um{i)?:  got. 
twai^  preisy  fidwor  tigjus  =  an.  prir^fjörer  tiger.  Infolge  des  §  lOO 
behandelten  Akzentgesetzes  entstand  im  Westgermanischen  durch 
Verwachsung  der  Nebeneinanderrückung  sekundäre  Komposition: 
ahd.  dri-mgfior-zugfimf-zugding\s.ßf-tig  six-tig.  —  Für  '20'  herrscht 
skand.  tjogu  (aschwed.  adän.  tiughu)^  worin  Möller  KZs.  24,  429 
einen  Dual  vermutet  (auch  isl.  tuttugu)\  damit  dürfte  auch  zu- 
sammenhängen krimgotisch  (Busbeck)  stega  mndd.  stige  (nhd.  steige 
stiege  ist  ndd.  md.  schwäb.  bayr.,  auch  ndl.  fries.)  gotländ.  stäig\ 
besteht  Zusammenhang  mit  idg.  wik^ti  'zwanzig'.^ 

Zu  den  Übereinstimmungen  des  Germanischen  mit  den  ver- 
wandten Sprachen  gehört  auch  eine  Flexionserscheinung,  die 
Besprechung  verdient.  Im  Altindischen  können  die  Zehnerbe- 
nennungen (wie  vingati pancagdt  '50',  ähnlich  auch  teilweise  gatdm 
'100'  und  sahdsram  'looo')  adjektivisch  im  Singular  neben  dem  im 
gleichen  Kasus  stehenden  Plural  des  Gezählten  gesetzt  werden. 
Dieselbe  Regel  kennt  das  Angelsächsische,  wenn  wir  im  Beow. 
379  prittiges  manna^  Genes.  1307  8  fiftiges^  ßrittiges  elngemeta  an- 
treffen ;  und  wenn  daneben  fiftiges  daga^  fiftiges  wintra  im  Dat. 
fiftigum  dagum  oder  fiftigum  daga^  fiftigum  wintrum  oder  fifti- 
gunt  wintra  (Sievers  Beitr.  9,  265)  herrschen,  so  ist  diese  dop- 
pelte Behandlungsweise  meines  Wissens  noch  nicht  aufgeklärt. 
Man  beachte  auch  angls.  im  Dativ  feower  hunde  wintrum  (oder 
wintra).  So  teilt  also  das  Angelsächsische  mit  dem  Indischen 
die  Möglichkeit,  die  Zehnerbenennungen  (incl.  hund)  als  Singulare- 
tantum zu  flektieren.    Im  Althochdeutschen  sind  zweinzug  drimg 


IX.  Nominale  Wortbildung.  255 

usw.  indeklinabel;  ebenso  in  got.  sibuntehund  ahtautehund  usw., 
nur  daß  Luk.  IS*^  {in  niuntehundis  jah  niune  garaihtaizi)  ]er\e.  alte 
Regel  noch  deutlich  erkennbar  ist. 

70 — 120.  Im  Indogermanischen  schwankt  die  Zehnerbildung  ;indo- 
german.  ist  w^kfiiti  'zwanzig';  sonst  vgl.  avest. /r/-  capware- pancH- 
satent  (ind.  tringdt-  catväringdt-  lat.  quadraginta  gr.  T€(T(TapdK0VTa 
usw.).  In  Beziehung  zu  der  avest.  oder  griech.  Zehnerbildung  steht 
die  Bildung  von  got.  sibun-  taihun-t^hund.  Es  scheint  ein  idg. 
d(i)kmto-m  resp.  d(e)kmfa  {dekmta-  {d)komta)  'Dekade'  gegeben  zu 
haben  (wegen  des  e  vgl.  ind.  säpia  N.  'Siebenheit'  zu  saptd).  Das 
idg.  Zahlwort  '^krjitö-  'hundert'  ist  augenscheinlich  ö^(^j^??2/ö- also  *Zehn- 
heit',  wobei  'von  Dekaden'  zu  ergänzen  ist  (darüber  Bugge  BBeitr. 
14,  72). 

Den  got.  sibuntehund  taihuntehund  entsprechen  im  Althoch- 
deutschen verkürzte  sibunzo  ahtozo  zehanzo\  dafür  im  Heliand 
antahtoda  und  im  Angls.  hundseofontig  hundeahtatig  usw.  Die  Er- 
klärung  dieser   offenbar  jüngeren  Wortgebilde   steht   nicht  fest. 

100.  Das  Germanische  besitzt  neben  dem  Dezimalsystem  ein 
damit  verquicktes  Duodezimalsystem,  das  in  dem  Großhundert  gipfelt. 
Es  finden  sich  im  Latein  Spuren  eines  Sexagesimalsystems  (vgl. 
nhd.  Schock)^  daher  sexaginta  und  sexcenti  als  unbestimmte  Rund- 
zahlen; auf  eine  besondere  Bedeutung  der  '120'  im  Latein  weist 
Rud.  Hirzel  Ben  der  Sachs.  Gel.  Ges.  1885  S.  26;  auch  im  Alt- 
persischen entdeckte  Cantor  Mathemat.  Beitr.  361  Spuren  des  Sexa- 
gesimalsystems. Das  altgerm.  Duodezimalsystem  äußert  sich  nie 
rein;  denn  es  fehlen  alte  Zeugnisse  für  ndd.  groetken  nhd.  Gross 
(aus  Grosshundert}  Schmeller  BWb.''  I  1129)  ==  'zwölf  Dutzend' 
(auch  die  dafür  auftretende  Bezeichnung  'Großdutzend'  scheint 
jungen  Datums).  Das  germ.  Großhundert  ist  eine  Verquickung 
von  Dezimal-  und  Duodezimalsystem,  gilt  also  überall  '120'  und 
knüpft  —  auch  im  Mittelirischen  kommt  nach  Thurneysen  (Ir.  Texte 
herausgeg.  v.  Stokes  und  Windisch  III  i,  S,  123)  cet  als  '120'  vor  — 
an  jenes  lat.-pers.  Sexagesimalsystem  an.  Daher  haben  die  Zehner 
bis  60  und  von  70 — 120  verschiedene  Bildungsweisen.  Dement- 
sprechend heißt  '100'  got.  taihunte htmd  diVi.  tiutiu  angls.  hundteontig 
ahd.  z'ehanzug  —  nicht  rundweg  hund  =  ind.  gatä  lat.  centum  gr. 
iKttTÖv  lit.  szlmtas  M.  für  *  szlmtam  N.,  da  das  Lit.  das  Neutr.  über- 
haupt eingebüßt  hat  (idg.  kmtöm  Brugmann  in  Curtius  Stud.  9,  326 
aus  eigtl.  tkmtö-  aus  dSkmtö-  'Zehntheit'  sc.  von  Dekaden).  Das  aus 
12   Dekaden   bestehende   Hundert  —  Adelung   kennt  Wort   und 


256  IX.  Nominale  Wortbildung. 

Begriff  'Großhundert'  noch  aus  deutschen  Mundarten  —  scheint 
überall  neben  dem  rein  dekadischen  Hundert  bestanden  zu  haben; 
so  unterscheiden  die  Goten  nach  Holtzmann  1857  Germ.  2,  424 
Groß- und  Kleinhundert,  indem  sie  ^taihuntews  'dezimal'  gebrauchen 
{fimf  hundam  taihuntewjam  bröpre  'TTevTaKoaioi^  dbeXqpoT^*  i.  Cor. 
15,6).  Daneben  bewahrt  das  Nordische  die  Zählung  nach  dem  Groß- 
hundert teilweise  noch  heute:  man  unterscheidet  tircett  hundrap: 
iölfrcett  hundraß  Vigfusson  Dict.  s.  hundrap  und  Rydqvist  2,  567.  Im 
Angelsächsischen  beweist  die  Zählung  hundseofonüg  hundtweif tig^ 
im  Fries,  tolftich^  im  Ahd.  zehanzo  zehanzug  für  das  alte  Groß- 
hundert. —  Beachte  in  der  Lex  Salica  tualepti  (=  an.  tylpt)  eigtl. 
'Zwölfheit'  =  '120',  also  'Großhundert'  wie  ind.  dagati-  'Dekade', 
aber  auch  'Hundert'  und  nach  Pott  Et.  Forsch.  IP  218  sind  die 
altind.  Benennungen  sasti-  saptati-  agiti-  navati-  eigtl.  'Sechsheit, 
Siebenheit'  usw.;  aber  idg.  deki^ti  'Zehnheit'  ist  im  Slavolett.  für 
'10'  herrschend  geworden  {d.%\2M.desettX\\..deszimtis'^x^v&.dessimpts). 
Da  das  Großhundert  auf  dem  deutschen  Kontinent  noch  nicht 
gebührend  beobachtet  ist,  mögen  hier  zwei  Zeugnisse  aus  alten 
Rechenbüchern  Platz  finden.  In  Nicol.  Deter's  Arithmetica  Nova 
(Hamburg  1654)  heißt  es:  «ein  Grosshundert  istö  Steige  als  Bretter, 
Dehlen,Wagenschoss,  Latten,  Posen,  Wallnüsse,  SchuUen,  Rüchen, 
Klippfisch,  Kese  usw.  —  Ein  Kleinhundert  ist  5  Steige.»  —  Renners 
Kompendium  Arithmeticum  (Braunschweig  1706)  S.  70:  «Ein  gross 
Tausend  hält  10 Hundert,  aber  das  Hundert  6  Steige  oder  2  Schock». 
S.  auch  über  'Grossdutzend,  Grosshundert,  Grosstausend'  (dazu 
über  Pfund  =  120  Stück)  die  Wörterbücher  wie  Adelung,  Heinsius, 
Krünitz.  Stellenbrecher  Allgemein.  Taschenbuch  scheint  das  große 
Tausend  als  10X120  und  als  12X120  zu  kennen.  Über  12  als 
Grundzahl  für  gerichtliche  Bußen  in  den  germ.  Volksrechten  vgl. 
die  Literatur  bei  H.  Brunner  Sitzgs.-Ber.  d.  Berl.  Akad.  1889 
S.  1039. 

Anmerkung,  Ältere  Zeugnisse  für  das  Großhundert  in  England  {the  long 
hundred  —  für  Eier  und  Nüsse  noch  jetzt  üblich)  stellt  W.  H,  Stevenson  Arch. 
Review  IV  313—328  zusammen.  Die  Belege  beginnen  erst  mit  der  normannischen 
Eroberung. 

Für  mehrere  Hunderte  gab  es  zwei  Arten  der  Benennung;  ent- 
weder entsprechend  dem  altind.  trt{ni)  gatä{ni),  saptd  gatä{ni) 
=  avest.  hapta  satä  got.  prija  hunda,  sibun  hunda ;  oder  Kompo- 
sition bei  femininer  ^'i/^-Bildung  ind.  sapta-gatt  für  gr.  eTTTaKOiTia 
lat.  septingenti  (im  Lat.-Griech.  sind  aus  den  eigentlichen  Femininis 


IX.  Nominale  Wortbildung.  257 

auf  i  :  ja  flektierte  Adjektiva  lat.  -ginti  -ginfa  gr.  -Kaxioi  -Kaxiai 
neu  entsprungen).  Von  dieser  idg.  Bildung  auf  kmtt  knityä  bewahrt 
das  Germanische  eine  Spur  im  Zahlwort  tausend. 

1000.  Gut.  püsundi  (Bugge  Beitr.  13,  327)  für  *püs-hundi  ist  eine 
Zusammensetzung  mit  hund,  das  in  der  Zusammensetzung  ein  fem. 
y^-Stamm  wurde  (vgl.  ind.  pancagati  satgatt  gr.  -Kaxiai  -KOCTia) ; 
beachte  got.  piudangardi  F.  zu  gards  M. ;  Übertritt  zum  Neutr. 
(gr.  -KttCTia,  dazu  -Kacrioi)  zeigt  Nehemia  7,  19  twa  püsundja.  Das 
Slavische  harmoniert  mit  got.  -htmdi  ind.  -gati,  wie  sich  alsbald 
aus  der  femininen  /^-Bildung  urslav.  tysesta  tysasta  ergeben  wird ; 
das  innere  h  ist  germ.  gesetzlich  geschwunden  (vgl.  an.  likame 
angls.  (Cur.  Fast.)  licuma  ahd.  Ithmo  aus  ^lik-hamo  §  48) ;  es  zeigt 
sich  noch  häufig  im  Altnordischen,  bes.  in  püs-hundrap  (z.  B. 
Agrip  53  '),  aschwed.  (run.)  pushundrap  —  vgl.  Vigfusson  s.püsund 
und  Rydqvist  2,  568 ;  besonders  schwer  wiegt  salfränk.  (Lex  Salica) 
ihüs-chunde  (Jac.  Grimm  GDS  ^  385),  das  allerdings  von  v.  Helten 
Beitr.  25,  515  beanstandet  wird.  Diese  Deutung  empfiehlt  sich 
auch  mit  Rücksicht  darauf,  daß  das  Tausend  an  die  duodezimale 
Bedeutung  von  Hundert  anknüpfen  kann  (Adelung  kennt  das  'große 
Tausend'  1200;  vgl.  auch  Vigfusson).  Für  die  Auffassung  von  püs 
ist  thyuphadus  der  Lex  Visigoth.  wichtig;  vgl.  ind.  tuvi-  'viel' 
{thyuphadus  =  ind.  tuvi-pati-}  Schade  Ad.Wb.);  formell  ist  es  nach 
Bugge  Beitr.  13,  327  ein  öJ-Stamm  '^tüs,  eine  Ablautsform  zu  ind. 
tavds  'Kraft'  {tuvistanta-  ttivismat-).  Eine  Grundbedeutung  'Viel- 
hundertschaft' hat  schon  Scherer  ZGdS*  457  wegen  ind.  tuvi-  ver- 
mutet. Wahrscheinlich  war  daher  vorgerm.  tüs-kiflii  iüs-komtt 
eigtl.  eine  unbestimmte  Rundzahl  (gr.  inupioi  )iupioi),  wie  denn 
Vigfusson  an.  püsund  nur  als  fiupioi  gelten  läßt.  Mit  diesem  vor- 
germ. tüs-kriitt  iüsktiityä  'Vielhundertheit'  vertragen  sich  nach 
einer  Mitteilung  Leskiens  —  teilweise  auf  ein  abgeläutetes  tüs- 
komtt  (=  aschwed.  pusand  finn.  tuhantt)  deutend  —  preuß.  tusimta 
aslav.  tysfSta  tysasta.  Die  aus  dem  Germanischen  zu  erschließende 
Akzentuation  tüs-krp,ti  wird  durch  lit.  tükstantis  und  russ.  tysjaöa 
'1000'  bestätigt  nach  VernerKZ.  23,  118.  Annahme  von  Entlehnung 
der  slavolett.  Synonyma  aus  dem  Germanischen  ist  ebensowenig 
notwendig  wie  Annahme  von  Entlehnung  des  germ.  Wortes  aus 
dem  Slavischen,  falls  tüs  -\-  kruto-  die  gemeinsame  Grundform  ist ; 
nur  falls  ind.  tavisd-  'kräftig'  ein  urgerm.  püsa-  als  erstes  Wort- 
glied sicherte,  müßten  die  slav.-lett.  Worte  Entlehnungen  aus  dem 
Germanischen  sein.   Übrigens  hat  weder  gr.  inOpioi  noch  lat.  mtlia 

Grundriß  der  germ.  Philol.    Urgermanisch.  17 


258  IX.  Nominale  Wortbildung. 

'1000'  noch  ind.  sahdsra-  'lOOO'  (zu  jaī5 'Kraft' ?)  im  Germanischen 
irgend  eine  Beziehung. 

§  301.  Ordinalia.  Die  idg.  Ordinalia  werden  durchgängig  aus 
dem  Stamm  der  Kardinalia  und  zwar  als  adjektivische  Superlative 
gebildet.  Eine  Sonderstellung  nehmen  im  Germanischen  (wie 
mehrfach  außerhalb  des  Germanischen)  nur  die  Ordinalia  zu  eins 
und  zwei  ein. 

1.  Der  Stamm  aina-  moviert  kein  Ordinale.  Das  dafür  geltende 
asächs.  formo  angls.  forma  (weiter  gebildet  angls.  fyrmest  aus 
furmist  §  291  b)  beruht  mit  dem  gleichbedeut.  lit.  plrmas  auf  idg. 
pXmO'  mit  Superlativsuffix  -mo-  (aber  lat.  primus  aus  "^prtsmos  steht 
abseits) ;  die  erweiterte  Suffixform  -dmo-  (vgl.  got.  innuma  aftuma 
§  291)  zeigt  got.  fr-uma  aus  '^pr-dmo-  (:  gr.  7Tp-6)Lio^  'erster'  und 
das  zugehörige  Adv.  umbr.  promom^  aber  auch  gr.  TTpd|Li0(s).  Merk- 
würdig ist  die  Differenz  von  angls.  forma  'erster'  gegenüber  einer 
Kompositionsform  frum-  'erster'  in  angls.  frum-bearn  frum-cenned 
frum-gär  frum-wcEstm  (vgl.  auch  an.  frum-burdr  frum-gjgf  frum- 
vgxtr  Kock  Beitr.  23,  512);  aber  got.  fruma-baur  'Erstgeborener' 
steht  in  Übereinstimmung  mit  fruma  'erster'.  Zugrunde  liegt  dem 
got./r/^M«undangls./<?r;«ÄderPräpositionalstamm//*vongot.yb;?^r^ 
gr.  Trdpo?  TTpo.  Auf  gleicher  Grundlage//*  beruht  ein  idg,  Superlativ 
pTvo-  pTvyo-  'erster'  =  ind.  pürva-  pürvyä-  altpers.  paruva  avest. 
paourva  aslav.  prüvü.  Daraus  ist  durch  Substantivierung  hervorge- 
gangen got.frauja  angls.  frzgea  'Herr'  aus  *pfzyo-  und  ahd.frö  angls. 
fre'a  aus  germ.  frau-n-  für  '^frawn-  =  idg.  pTz^o-.  —  Diesen  älteren 
Superlativbildungen  gegenüber  findet  sich  im  Nord.-Westgerma- 
nischen  als  jüngere,  aber  stammverwandte  Bildung  von  superlativem 
Charakter  an.  fyrstr  angls.  fyresta  ahd.  furisto ;  noch  jünger  ist 
angls.  seresta  ahd.  eristo  zu  dem  got.  Komparativ  airiza. 

Anmerkung.  Eine  verblaßte  Superlativform  von  hoher  Altertümlichkeit  ist 
das  Adverb  ^u^?,.  für  dum  aus  vorgerm.  prthsmom  odi&x  prtptnom;  vgl.  ind. 
prathamd-  avest.  fratema-  'erster'.  Weist  got.  frtimadei  'Vorrang'  auf  ein  ver- 
wandtes *frumada  'erster',  das  mit  Mt'-Suffix  aus  got.  fruma  'erster'  gebildet 
ist?  Dann  wäre  von  urgerm.  protho-  und  pr-pmo-  auszugehen.  —  Zugehöriger 
Komparativ  ist  angls.  furdur  aus  vorgerm.  pft)rom  (ahd.  für  dir  ist  pfterei  als 
alter  Lokativ  dazu?). 

2.  Das  Ordinale  zweiter  wird  im  Arischen  zum  Kardinale  (als 
ind.  dvittya-  avest.  Qwitia-)  gebildet,  wohl  unursprünglich  und  zwar 
nach  dem  Ordinale  'dritter'  (ind.  tj-ffya-).  Im  Germanischen  gilt 
dafür  ein  pronominaler  Komparativ  idg.  dntero-s  (vgl.  gr.  öeu-iepo^ 
wegen  der  Komparativform),  das  einen  abweichenden  Superlativ 


IX.  Nominale  Wortbildung.  259 

alyO'S  in  lat.  alius  gr.  dWo?  got.  aljis  besitzt  (dafür  trat  im  In- 
dischen anyd-  unter  dem  Einfluß  von  dntara-  ein  wie  im  Lateinischen 
alter  für  '^anter  unter  dem  Einfluß  von  alms).  Vgl.  got.  anpar 
an.  annarr  angls.  öder  ahd.  ander  'zweiter'  mit  ind.  dntara-  aslav. 
vütorü  lit.  antras.  So  wird  im  Altirischen  aile  (=  lat.  alius  got. 
aljis  usw.)  als  'zweiter'  verwandt;   ebenso  lat.  alter.    Vgl.  §  250. 

3.  Der  idg.  Stamm  tri-  'drei'  bildet  sein  Ordinale  mit  einem 
superlativischen  tia  in  ind.  tj'tiya-  avest.  ßritia-  (vgl.  ind.  dvittya- 
avest.  ^zvitia-  'zweiter'),  in  lat.  tertius  und  in  aslav.  tretifi  lit.  treczas. 
Das  entsprechende  germ.  ßridjan-  (got.  ßridja  ahd.  dritto)  kann 
auf  vorgerm.  tretio-  (aslav.  trettß)  oder  auf  tritio-  (avest.  Grund- 
form) beruhen.     Vgl.  auch  §  55  a. 

4. — 12.  Die  Ordinalia  von  4. — 12.  zeigen  in  den  idg.  Sprachen 
mannigfache  Bildungen ;  vgl.  ind.  turtya-  'vierter'  (aus  idg.  kttirio-)^ 
gr.  eßbo)Lio^  aslav.  sedmü  'siebenter',  gr.  öyöoo<;  aslav.  osmil  'achter', 
lat.  nönus  aus  *nevenos  'neunter'.  Es  überwiegen  superlativische 
Bildungen  (resp.  solche  mit  superlativischem  Aussehen) ;  vgl.  Suffix 
-tka  in  ind.  caturthd-  (ferner  saptamd-  'siebenter',  lat.  septimus  decimus). 
Das  im  Germanischen  herrschende  tan-  ßan-  dan-  stimmt  zu  ind. 
-tha.  —  Der  4.  ist  angls.  feorda  ahd.  fiordo  aus  '^feurpan-^  idg. 
qetwftho-  (aslav.  cetvrütü  lit.  ketviftas) ;  vgl.  wegen  der  Akzentuation 
russ.  äetvertyj  gegen  ind.  caturthd-.  —  Der  5.  war  idg.  penqtho-s 
=  lit.  penktas  ^.sX-dM.p^tü  gr.  Tre|LiTTT0<g ;  entsprechend  germ.  fimftan- 
in  got.  fimfta  ahd.  finfto  angls.  fifta.  —  Zu  idg.  seks  wurde  ein 
altes  Ordinale  sektho-  =  gr.  ^KTOq  und  germ.  sehtan-  in  an.  se'tte 
ahd.  Tatian  sehto  Sievers-Osthoff  MU.  4,  329  gebildet;  got.  saihsta 
ahd.  s'ehsto  beruhen  auf  Einfluß  seitens  der  Kardinalzahl  wie  lat. 
sextus.  —  Zu  'sieben'  zeigt  das  Ordinale  gr.  ^ßboiiio^  lat.  septimus 
lit.  sekmas  altpreuß.  sepmas  aslav.  sedmü  ind.  saptamd-  eine  ältere 
Bildungsweise  als  lit.  septintas  altind.  saptdtha-,  dem  got.  sibunda 
ahd.  sibunto  (Grdf.  septdnthös)  und  mit  grammatischem  Wechsel 
(also  Grdf.  septöntko-)  angls.  seofoda  entspricht.  —  Ordinale  zu 
'acht'  mit  dem  Suffix  -tho  ist  got.  dhiuda  und  mit  grammatischem 
Wechsel  angls.  eahtoda  ahd.  ahtodo]  die  ältere  Bildung  von  lat.  octä- 
vus  resp.  von  aslav.  osmü'dLohtQv'  fehlt  im  Germanischen.  —  Das  Or- 
dinale got.  niunda  ahd.  niunto  (angls.  nigoda  aus  *niwunßan-)  ist 
jüngere  Bildung  als  lat.  nönus  aus  *nevenos\  vgl.  ind.  navamd-  und 
gr.  ^varoq.  —  Das  Ordinale  got.  taihunda  (vgl.  aslav.  des f tu  lit.  de- 
szimtas  gr.  öeKaiG^)  hatte  eine  Nebenform  te^unßo  =  angls.  teogoda 
asächs.  t'egutho.    Die  weiteren   Ordnungszahlen  werden  auf  -ßan 

17* 


26o  IX.  Nominale  Wortbildung. 

gebildet  wie  ahd.  einlifto  zwflifto  =  lit.  v'enuliktas  dvyliktas^  wofür 
aber  im  älteren  Litauischen  (Wiedemann  Handb.  S.  102)  vielmehr 
v'enas  l'ekas^  antras  l'ekas^  so  daß  möglicherweise  auch  für  das 
Germanische  ursprünglich  ähnliche  Formation  anzunehmen  wäre 
(etwa  fornio  libo}  oder  ähnlich?).  —  Beachtung  erheischen  die 
zu  lat.  tertius  decimus  stimmenden  Ordinalia  got.  fimftataihunda 
'der  fünfzehnte'  und  ahd.  dritto  z'ehanto  'dreizehnte'  Jac.  Grimm 
Germ.  I  2. 

Die  Ordnungszahlen  der  Zehner  sind  jüngere  Superlative  wie 
ahd.  zweinzugosto  dripigösto  angls.  twentigda  prittigda  feowertigda 
usw.  Daneben  gibt  es  im  späteren  Angelsächsischen  eine  kürzere 
Bildungsweise  für  die  betreffenden  Ordinalia  auf  -tega  -tiga\ 
schon  Chro.  7Ö3  on  dam  feowertegan  dcEge,  Chro.  1086  on  ßdm 
twentigan  geare^  die  vielleicht  mit  ind.  vingd-  tringä-  pancägä-  zu- 
sammenzustellen sind. 

§  302.  Zahlabstrakta  hat  das  Altnordische  bewahrt;  sie  sind 
mit  Suffix  -ti  (§  264)  gebildet  wie  ind.  sasti-  saptati-  agtti-  navati- 
dagatz-  avest.  y^swaisti-  eigtl.  'Sechsheit,  Siebenheit'  usw.,  aber  für 
'60,  70,  80'  usw.  gebraucht.  Die  entsprechende  Parallelbildung  des 
Altnordischen  hat  Einer-Bedeutung:  an.  ßmt  seit  sjaund  niund 
tylpt\  sttt  'Runengeschlecht'  eigtl.  'Achtheit'  ist  germ.  ahti-Zy  nach 
Brate  =  ind.  agtii-.  Vielleicht  hat  salfränk.  (Lex  Salica)  tualepti 
(an.  tylpf)  noch  die  Zehnerbedeutung  '120'.  Vgl.  aslav./^^// =  ind. 
pankti-  'Fünfheit,  Pentade'  und  aslav.  sesti  deveti  desetz  '6,  9,  10'. 
Ein  gemeingerm.  Zahlabstraktum  te'fu-z  'Dekade'  erscheint  in  der 
Bildung  der  Grundzahlen  für  die  Zehner  S.  253,  ist  aber  sonst 
unbezeugt;  an.  tzund  ist  jüngere  Neubildung. 

§  303.  Multiplikativadverbia.  Für  'einmal'  fehlt  die  dem 
lat.  .y^;«^/ entsprechende  Bildung,  die  im  Gotischen  als  szmle{%  300) 
die  Bedeutung  'einst'  angenommen  hat.  Angls.  sene  'einmal'  und 
ahd.  eines  (jüngere  Form  bei  Notker  einist)  'einmal'  scheinen  sjch 
in  urgerm.  ainjaiz  :  ainjais  zu  vereinigen,  bleiben  aber  genetisch 
unklar.  —  'Zweimal'  (lat.  bis  aus  ^dvis  gr.  bi<;  ind.  dvis)  scheint 
in  got.  twis-stass  'Zwiespalt'  zu  stecken,  von  wo  aus  es  auch  in 
das  Verbum  twis-standan  gedrungen  sein  könnte ;  dazu  mit  einer 
germ.  Grdf.  twzz  ahd.  zwirör  zwiro  (und  angls.  twiwa  tuwwa)\  an. 
tvisvar  und  ahd.  zwirör  für  '^zwirwör  scheinen  sich  mit  ahd. 
zwiro  in  einem  urgerm.  twiswöz  :  twizwöz  zu  vereinigen  (§  151 
Anm.).  —  'Dreimal'  ist  ahd.  driror  asächs.  thriwo  angls.  priwa 
=  an.  prysvar  (gemeinsame  Grdf.  "^ßrizwöz  :  priswöz) :  das  S  von 


IX.  Nominale  Wortbildung.  261 

asächs.  thriwo  (angls.  priwa)  steht  für  iz  wie  in  asächs.  Itnön 
'lernen'  =  ahd.  Urnen  (darüber  vgl.  oben  §  148  Anm.  5).  Außerhalb 
des  Germanischen  vgl.  ind.  tris  gr.  Tpi^  (lat.  ter  für  *ters  =  *fHs).  — 
Für  'viermal,  fünfmal,  sechsmal'  hat  das  Germanische  in  Überein- 
stimmung mit  den  übrigen  idg.  Sprachen  von  Haus  aus  keine  pri- 
mären Multiplikativadverbia  (doch  vgl.  noch  \dit. qtiaterund'md. catür 
'viermal');  dafür  finden  sich  Umschreibungen  wie  got. ßmf  sinßam, 
sibttn  sinßani  (aber  auch  ainamma  sinßa^  iwaim  sinpam^  prim 
sinpam  Braune  Got.  Gramm.  §  149);  ahd.  ßors fünf  sihmsfunt  (sLUch 
stuntöm)  Braune  Ahd.  Gramm.  §  281. 


Grundrifs  der  germ.  Philol.  Urgermanisch.  18 


INDEX. 

I.  Germanisches  Wortverzeichnis,  II.  Außergermanisches  Wortverzeichnis, 
III.  Sachverzeichnis, 

Die  Zahlen  bezeichnen  die  Seiten. 

Die  Einordnung  geschah  durchweg  nach  dem  bürgerlichen  Alphabet; 
also  auch  /  und  -&  z=z  ih,  ce  z=  oe,  co  =  o,  indisch  dh-  steht  unter  den 
^-Worten,  usw. 

Präfixe  und  Suffixe  suche  man  im  Sachverzeichnis. 


I.   Germanisches   Wortverzeichnis. 


d  an.  249 
dbagrimti  ahd.  233 
dband  ahd.  69 
abändert  ahd.    183 
dbaro  asächs.  245 
dblä,'^  ahd.  234 
ähulgi  ahd,   233 
acchus  ahd.   149.    198 
ächis  Schweiz.  81, 
dcumba  angls.  93.   233 
dcweorna  angls.    152 
adalkunni  asächs.  229 
ädank  ahd.  233 
cecelma  angls.  89.   233 
decnösle  angls.  233 
decyrf  angls.  233 
Cßdre  angls.    198 
(Efen  angls.   207.  253 
Gßfest  angls.  234 
Cßfhende  angls.  233 
&,fre  angls.   205 
dßfyrmd  angls.   233 
cegen  angls.    175 
Cßlenge  angls.    231.  233 
d&mynd  angls.   233 


aenbelt  mndl.  85 
(Ene  angls.  247.  250.  260 
cerende  angls.  85.  89.  233 
Cßs  angls.  79 
ceswind  angls.   85.   233 
cetgdr  angls.  235 
CßtgrcEpe  angls.  235 
(Eprytt  angls.  233 
(Ett  an.    199.  260 
afardags  got.  234 
äff  ultra  ahd.   151 
aflima  an.   233 
Aflims  197 
afierthiu  ahd.   loo 
äfyran  angls.   182 
Agenarichus   10 
dgez  ahd.  233 
dgezzal  ahd.   177 
agis  got.   221 
Agiulfus  westgerm.  202 
dgldßca  angls.   201 
Agustus  got.  23 
ahaks  got.   223 
aht'r  ahd.   205.  206 
ahj'an  got.   158 
ahs  got.   206 


ahsala  ahd.   54.   153 
aigan  got.   2.    191 
aigin  got.    175 
aifva-  got.  62 
ainshun  got.  98.    215 
özj-  got.  206 
aistan  got.   59.    iio 
Aistomodius  lo.   32.  35 
aifpau   got.   77.  97.    146 
dkust  ahd.  233 
Albiresbah  ahd.   20  5 
^/5z.y  35.    133 
«/^^.y  lat.-germ.    133 
Alcfripu  angls.    202 
ald  asächs.   174 
alder  afries.   19 1 
ald  fader  asächs.   232 
dleiba  ahd.  233 
alew  got.  7.   45 
alles  ahd.  216 
alor  angls.   n8 
.^/^^  nhd.   12 
a7jo  ahd.  98 
altar  ahd.    198 
alfan  got.    159 
althro  ahd.  242 


Index. 


263 


alps  got.  223 
aliwicki  ahd.  231 
dmad  ahd.  233 
amhaht  ahd.  6 
ambolt  dän.  85 
dniund  langobard.  233 
anabö^  ahd.   15 
anabüsns  got.  54.  79.  115. 

234 
anado  ahd.  118.  198.  199 
analaugniba  got.   177 
anasiuns  got.   177 
ancho  ahd.  63.   152 
a«^  angls.   56.  97. 
ajtdanahti  got.  23 1.  234 
andanems  got.  90.    177 
andasets  got.  96 
andastaua  got.  234 
andawleizn  got.   78.  79 
andbahts  got.  6 
dndMti  asächs.   90.    177 
andtid  angls.  234 
aneisare  lat.-germ.   18 
angsttm  angls.  229 
angweizza  ahd.   152 
«nwo  got.  27 
<J«ö  ahd.   100.   116.    117. 

146.  240 
anscs  got.   17 1 
ansts  got.   141.   171. 
anidago  ahd.  234 
dntfrütön  ahd.  237 
AnU'christo  ahd.  231 
dntinga  angls.  246 
am^/  ahd.   118 
aqizi  got.   55.    149 
arhjQ  got.  226 
ArenbJQrn  an.   202 
driup  ahd.  233 
arjan  got.   159 
Armüausi  35 
arniba  got.  246 
arnön  ahd,   162 
arsrf^  ahd.   144 
^z^  an.   198 
Asbirin  ahd.  8 
dscerri  ahd.  233 


äschaffen  mhd.  233 
Asciburgium  35.  231 
asüus  got.  13.  68 
Asmöpr  an.  202. 
af«m  got.  118 
atafni  got.  231.  235 
dpum  angls.  228 
dfumswerian    angls.   232 
a//a  got.   77.   228 
^z;/!z7a  got.  226 
aiidfengr  an.   177 
augadaürö  got.   23 1 
atihns  got.  65.  78 
ailhsa  got.  2 
mirtigards  got.  14.  26.  41 
auvisle  an.   234 
avarkalawer  ahd.  234 
dweisin  ahd.  233 
dwicki  ahd.  233 
awizoraht  ahd.  23 O 
aze/o  got.  75,   107 
a^fengi  ahd.  235 

B. 

bdßwenn  mittelengl.  63 
bahhan    ahd.     156.     157. 

167 
baitrs  got.  200 
bajops  got.  75.  251. 
bandwa  got.    12 
bardage  an.  201 
bar d aus   12.  201 
barmen  ahd.  89.  148.  234 
Aar«  got.   112.   174 
barren  ahd.  60 
barritus  201 
öa^a  ahd.  228. 
Äflj^«  ndl.   i6b 
öa^/  gct.   198 
da^rtf  an.  243 
baugjan  got.  63 
batird  got.   114 
baürgswaddjiis  got.    229. 

232 
baürPei  got.   207.   222 
i^t/<r  ahd.   103.   251 
bedecian  angls.   184 


j5^^^  nhd.   150 
beghonnen  mndl.   157 
beheafdian  angls.  235 
behhdri  ahd.   29.   122 
beiskr  an.   55 
-beisns  got.    1 1 5 
bepcßcan  angls.  46 
Berna  ahd.  21.  23.  27 
berusj'ös  got.    172.   232 
5«  ndl.  60.   198 
besnyppan  angls.   159 
betuhhen  mittelengl.    149 
biben  ahd.    161 
bigardncm  lat.-germ.    16 
j  biginnan  ahd.    169.    170 
I  bikeri  asächs.   II.    122 
^Z«z'  ahd.  3.   150.   199 
biscof  ahd.  37 
bisketuom  ahd.  96 
bisprähha  ahd.  235 
bisunjane  got.    117.    173. 

235 

bitherbi  ahd.  90,   92.  93. 
96 

^/wzw  asächs.  8.  163 

bjalke  an.    199 

bjqrn  an.    196.    197.   202 

bj'üka  an.  205 

blacke  hess,,    Schweiz.   57 

blaeder  Schweiz.   57 

bldbwen  angls.   222 

^/^z>  nhd.  75 

blei'h  ahd.   221 

blendan  angls.    182 

blinnan  angls.  89.  234 

blügo  ahd.   115,  200 

bodam  ahd.   142 

bolstar  ahd.  66 

öört/  angls.  81.   iii 

bordezel  ndl.    13 

bordhaga  angls.    12 
{  bosheit  mhd.  229 
I  ic/M«r  mittelengl.  103.  251 
j  botl  angels.   142.   152 
!  botm  angls.  68 

boum  ahd.    198 
I  box  angls.   123.   130 


204 


Index. 


brcpgen  angls.   8o 
brastön  ahd.   183 
brdwa  ahd.  74 
hred  angls.   Ili 
briost  angls.   19 1.   199 
bringan  ahd.    169.    170. 

174.   176 
britisa  ahd.  44 
britischa  lat.-germ.   17 
bröc  angls.  207 
öror/  ahd.   60 
brösma  ahd.  54.   204 
brosnian  angls,   79 
brother-in-law   engl.    228 
brücan    angls.  156.    159. 

169  f. 
brunia  ahd.  73.   207 
Briinihild  ahd.  202 
brunno  ahd.  203.  205 
brütis  lat.-germ.   133 
bryce  angls.   177 
bryne  angls.  76 
5/^  angls.   1^5 
bi'igan   angls.    156. 
buli^  ahd.  23  —  25 
b7ilke  Schweiz.   149 
bunnan  ahd.  234 
Buohhunna  ähd.  33.  128 
burgdra  ahd.   227 
ßurgund(wnes)  9.32.  33. 

192.  221. 
burgware  angls.    152 
burien  ahd.    182 
^läzfii  angls.   104 
buiure  angls.  25 
bywan  angls.   63 


carrago  lat.-got.    12.  35. 

66.  201 
cdsere  angls,  225 
cdsering  angls,   1 1 
Catualda  3  1 .   52 
Catum^rus  31.   52 
ceahheitan  angls.    149 
c^-a/c  angls.  29 
cearcian  angls.    184 


ceaster  angls.    12.   22.  28 
Cenwealh  angls.  9 
c^or/  angls.   199 
Charietto   10 
Charudes  52 
rÄzisf  ahd.  78 
chldftara  ahd.  38 
chlimban  ahd.    157 
iTÄ/m  alem.  200 
chnebil  ahd.   81 
Chorthonicum   52.    129 
chräm  ahd.  41 
chreta  ahd.   199 
chriesi  alem.  24 
chruog  ahd.  46 
churz  ahd.  28 
^rzVzif*?  angls.  36 
£•/«>«  angls.   157 
cleofa  angls.   15.  22.  23 
clyppan  angls.  38 
cwo//  angls.  46 
cohhettan  angls.  77.   183 
collenferhä  angls.   177 
Contware  angls.  201 
copor  angls.  25.  29.    151 
cordor  angls.    198 
cöj-,?  angls.    123 
crabba  angls.   228 
crohha  angls.  46 
«^'  angls.    127.   145.  207. 
cullantar  ahd.    148 
cweccan  angls.    159.    170 
cweorn  angls.    192 
cwi{o)dti  angls.  63.   192 
cyrsp  angls.   13 

D. 

daddja  got.   75.    158 
dagen  ahd.   57 
^aÄa  ahd.  69 
^azjrj/  engl.    105 
dankön  ahd.  67 
danne  ahd.   214.   247 
ddren  mndl.    177 
ifar?i  mndd.    162.   17 1 
dawolön  ahd.   184 
deemster  mndl.   58 


dclfan  angls.    156 
Z)^«^  angls.  221 
deorc  angls.   57 
dichter  mhd.  206 
</zw.  angls.  57 
d?««^  ahd.  69 
dio7nuoti  ahd.   232 
dishaban  got.   235 
diswiss  got.   235 
diupe  mhd.   149 
dcegn  adän.   206 
dögor  angls.  206 
^o^z"  asächs.  224 
dräen  ahd.   159 
dr(Epr  an.   177 
drausjan  got.   180 
dreccan  angls.    159.    170 
dreisHmt  nhd.    104 
drifald  ahd.  252 
drigil  ahd.    199 
driogan  ahd.   53 
drirör  ahd.  260 
drüctifli  ahd.   142 
dfrzVifo  >%a^  ahd.  249 
dri^uc  ahd.   104.  254 
dröhtin  asächs.   199 
druncnian  angls.   183 
druoen  ahd.   158 
dryicge  angls.  226 
dunni  ahd.   203 
duris  ahd.  44 
dürnoht  ahd.  90 
^wrrz  ahd.  141.  199.  204 
ffwrz^;  angls.   191 
duruhnaht  ahd.  241 
^WCB^  angls.  74 
^^/Ä/z^  angls.  57 
^^^  angls.  222 


Ealhmund  angls.  201 
^a/o  angls.   134  f. 
earendel  angls.   230 
earmcearig  angls.  232 
^ar^  angls.   163 
/a,yif  angls.  248 
eastanwinda  angls.  231 


Index. 


265 


ebahewi  ahd.  235 
ehantal  ahd.   235 
ebur  ahd.    119.   I2I 
ecchü  ahd.   148 
eclinga  angls.  246 
edcucu  angls.  236 
edel  angls.   1 18 
tdes  mhd.   lOi 
edor  asächs.  56.   141 
edroc  angls.  236 
eftho  asächs.  97 
i gester  mhd.   100 
egg  ja  asächs.   107 
egi  ahd.   224 
egiso  ahd.   203 
e'gsa  angls.   172 
ei  ahd.  72.  75 
eich  nhd.    102 
eichen  nhd.    25 
eigileihhi  ahd.  201 
eihhahi  ahd.   226 
eimyrja  an.   85 
f/w/i-  ahd.  260 
^z«///  ahd.   198.  253 
mtz  an.  78 
eivar  ahd.   198 
^z^;  ahd.   1 10 
ek  run.    134.  217 
elaho  ahd.  203 
f/^'/^  ahd.  38.    199 
Elfr  an.  34 
eliL-nti  ahd.  202.  216 
f//^ör  asächs.   216 
elpend  angls.  24.  27 
eis  ndl.  60 
elj)eodig  angls.  216 
elthiro  ahd.   242 
fjididago  ahd.  85 
^nrf/-  an.  242 
enge  an.  98.  2 16 
enk  bayr.  220 
<?«öM^  ahd.   214 
entvarmen  mndd.  234 
eobolsian  angls.  235 
eoh  angls.  65 
Eömder  angls.  8 
Eostre  angls.  58.  230 


roK-'M  angls.  75 
epen  afries.   176 
epfi  ahd.    148 
erachar  ahd.  93.   152 
erbtsam  frühnhd.  96 
erian  ahd.   166 
er  in  ahd.  44 
eringrio^  ahd.   229 
Ertmmduri  201 
erntac  mhd.  36 
erthungan  asächs.   177 
estrih  ahd.  24 
etgrode  mndd.  236 
ethwit  afries.  236 
f2£//.r/  ahd.   230 
exo  andd.   171,   172 
eyrer  an.   1 1,   22 
e^ih  ahd.  Ii.  8l 

F. 

fadrein  got.    191.   232 
fceger  angls,   200 
f(kle  angls.  64.  237 
f(je,r  an.  68 
/i?^^  angls.  204 
fdßtnian  angls.   183 
fagan  asächs.   1/6 
faheps  got.    193.   199 
/azÄy  got.  46.   53 
fairina  got.  236 
fairweitl  got.   236 
fairzna  got.   80.    198 
fakla  asächs.   24 
fallan  ahd.  38.   50,  157 
/a'/w  angls.  68 
fano  lat.-germ.   18 
farh  ahd.   107 
fäsci  ahd.   22.  23.  28 
fdski  got.  28.    132 
fapu  angls.   228 
fatureo  ahd.  72.   152 
faiirpis  got.   10 1 
/<?a/a  angls.  200,  \g\.  fela 
fia-we  angls.  65 
fedgar  an.  232 
fUgön  ahd.  113 
/M  ahd.  7 


/t"Ä^«  ahd.   180 
feili  ahd.   123 
/<?z>w  ahd.  49.  68 
fei^^it  ahd.   176 
/d7fl!  angls.   146 
fe'll  ahd.,  angls.    108 
Fenni  lat.-germ.  34.   129 
feower  angls.  252 
fe,rs  ahd.  27 
feusa  lat.-germ.    17 
fiadon  ahd.   152 
ßdurddgs  got.  .532.   252 
fidwtr  got.    64.    74.    84. 

252 
fihala  ahd.  68 
fijan  got.  2.   173 
filigri  got.   236 
Filumdr  ahd.  8 
fimbultyr  an.  85 
findan  sächs.   170 
j'^ör  asächs.    166 
fittertüschunde  salfränk. 

252 
fiund  asächs.   173 
fjcBpersköiter  aschwed. 

252 
fjqr  an.   198 
fjqrd  an.   121.    135 
fj^rär  an.   113 
flach  mhd.    142 
flado  ahd.   114 
y?CEj-c-  angls.  206 
flehtan  ahd.   159 
fleire  an.  242.   244 
y?/ow  angls.   185 
flogezzen  ahd.   183 
flö^llhho  ahd.  57 
fluga  an.   199 
flyma  angls.   225 
flyming  angls.  225 
fnora  angls.  221 
ftgian  asächs.   1 1 3 
foh  ahd.  61.  65.   HO 
fohhanza  ahd.   14 
Folcivalding  angls.   223 
fold  an.  56 
folda  asächs.   iil.   152 


266 


Index. 


folde   angls.    2.   82.    114. 

207 
fölgin  ahd.  87 
folieist  ahd.  236 
fölleisten  ahd.  87 
fglske  an.   205 
f6n  got.   203.   205 
forcup  angls.  91 
forgdng  asächs.  91 
forgüol  angls.   177 
forma  angls.  82.  245.  258 
forn  asächs.  253 
forscon  ahd.  66.  81.  in. 

114 
forspon   ahd.   64 
forst  ndl.  200 
forpgesceaft  angls.  96 
föstor  angls.   59 
/o^  angls.   123 
frdbali  ahd.   198.  236 
fracoä  angls.  90.  91.  93. 

95-  236 
frcefddtt  angls.  237 
frcetwe  angls.  91.  93.  237 
frähen  ahd.  57.   180 
fraihnan  got.  156.   167 
fraiw  got.  237 
fratnano  ahd.  236 
framhari  ahd.   237 
fra7ndiht  ahd.  237 
framea  lat.-germ.   12 
frdse^  ahd.  91 
frdtdt  ahd.    89.    91.    96. 

236 
frapjan  got.   50 
frauja  got.   82.   125 
frawd^  ahd.   236 
freadryhten  angls.   232 
freawrdsen  angls.  237 
/r^Ä/"  ahd.  237 
freidi  ahd,  236 
freihals  got.   201 
y^^zi-  got.  7 
f remidi  ahd.    1 1 8 
fressa  ahd.    1 1 
fricca  angls.  78.   I17 
fricgean  angls.   158 


Friduwin  ahd.    145 
^''^^.r  an.  75 
frisahts  got.   237 
frtund  asächs.   173 
froccum  lat.-germ.   16 
frogga  angls.  228 
frutna  got.  82.  258 
frumadei  got.  258 
f rumhur dr  an.   258 
frumgdr  angls.    15.  258 
frummen  ahd.   182 
fugal  asächs.   122 
/wz>  ahd.  204.  205 
fulhoran  ahd.   177 
f Ulcus  lat.-got,    17 
fulgins  got.    1 1 5 
/?^//^  got.   174.  200 
fultum  angls.   236 
fultumian  angls.   87 
fulwlan  angls.  236 
fuotareida  ahd.  207 
für  dir  ahd.   245.  258 
furäum  angls.   241.  245. 

247.  258 
furenomes  ahd.    lOO 
furhten  ahd.    159.   169 
furisto  ahd.   258 
füs  angls.  79 
fyrcUan  angls.    184 
fy per  feie  angls.  85.  232. 

252 

Q. 

gdbei  got.   50.   107 
gafahrjan  got.    182 
gaft'illaweisjan  got.  87 
gagaleikon  got,   91 
gagamainjan  got.  91 
gaguds  got.   238 
gahugds  got.   55 
gaidw  got,   152 
^a//a  ahd.  204 
^a/w  ahd.   160.   188 
gamains  got.    1 1 0 
gamall  an.  23 1 
gaman  an.  231 
gamhan  asächs.  230 


gangan  angls.   160.    166. 

168 
garha  lat.-germ.   16.   17; 

ahd.  81.   112.    115 
gariuds  got.   200.   238 
gascaft  ahd.   89.  91.  96 
^a^^arf' Grimmeishausen  9 1 
gat  nordfries.   219 
gdt  angls.   207 
gaiarhja7i  got.    182 
gauntpus  got.  224 
gaurs  got.   HO 
gaweisdn  got.  71 
gawiss  got.   55 
^«53^  ahd,  72.    151 
geatol  angls.  91 
geatwe  angls,  91.  93.  96. 

237 
gehal  ahd.   53 
geban  asächs.  68 
geheor  angls.  237 
gedefe  angls.    177 
geian  angls.   65 
gefearh  angls.   238 
gefystUan  angls.  184 
gehwd  angls.  238 
geigan  got.    16 1 
geime  an.   20 5 
Geirropr  an.  202 
geitze  mhd.   149 
geizzin  ahd.   226 
geliehe  mhd.  237 
Gemachel  frühnhd,    149 
^^««f'Äwza  nordhumbr.  152 
geohhol  angls.    149 
geönd  angls.   214 
Gepides  31.  34 
getdwe  angls.  92 
getenge  angls.   231 
gezagel  mhd.   238 
gihart  ahd.  238 
Gihica  burgund.  223 
^z/  angls.  214 
gife^^an  ahd.   159 
gij'dro  ahd.  237 
^z7öJ  ahd.  238 
^7^/r  got.  59.  79 


Index. 


267 


gina  an.    162 
gindda  ahd.  50 
ginatnno  ahd.  237 
ginan  angls.   157 
gismagmo  ahd.  223 
gisunfader    asächs.    232. 

237 
gisustrithi  asächs.  226 
git  angls.  219,  südwestfäl. 

220 
git  mhd.    161 
gitoktn  andl.   148 
giwahinnen    ahd.     1 60. 

167 
giwennen  ahd,    182 
gizal  ahd.  91 
glßd  angls.   200 
gldßr  angls.  60 
glär  mndd.    133 
gluoen  ahd.   159 
gold  ahd.  210 
gomel  angls.  93 
gomo  ahd.    122 
gondra  angls.  93 
Goiones   130 
Gotthart    1 5 
gotto  ahd.  228 
goukoldn  ahd.   149 
granken    mittelengl. 

184 
granne  an.   148.  237 
gr edder  an.  237 
gredus  got.   88.    113 
grtnan   ahd.    157 
groetken   ndd.   255 
Gross  nhd.  255 
grünt  fr osto  ahd.  231 
grtioen  ahd.   159 
gtidhüs  got.   201.  232 
^Zif/<?  alem.  70 
^«7/<?  alem.  45 
gunia  got.  80.    108 
gtiomo  ahd.  203 
gurt(j)u  ahd.   158.   159 
^m/  got.  210 
güPgetäwe  angls.  96 
^1//  angls.  213 


H. 

haban  got.  50.   182 
habaro  ahd.   153 
hadara  ahd.  50 
hader  mhd.  53 
Hadumär  ahd.   8 
Hadurzk  ahd.  8 
hcßdre  angls.  247 
ACE/  angls.  206 
Ä^/<?  angls.  134.  135-  138. 

140.   193.   196.   199 
hcBnep  angls.  45.  51 
/tCB^  angls.  79 
Äa//^  got.    174 
hafuc  angls.  223 
hagoL  angls.   iiS 
hähala  ahd.  66.  69,   153 
haims  got.  80 
hairfra  got.  79.  82.   118 
hairus  got.   2 
haitika  run.  217 
Ä<z/^  ahd.    195 
halbtdt  ahd.  249 
half-nirdßär  an.  249 
hdlfr  annarr   an.   249 
ZTa/ö  ahd.  207 
Äa/^  ahd.  247 
Äa//.y  got.  82. 
hamedii  altfränk.    8.   238 
Hamen  nhd.  41 
hamma  ahd.   76.  81 
Äawa  got.  66.    138 
hanappU7n   lat.-germ.    17 
Äawtf  an.  193 
hangen  ahd.    182 
Hanhavaldus  69.  202 
Äara  angls.   56.   58 
Harndfus  202 
harmo  ahd.  58 
Äar^  ahd.  203 
Äa^fö  ahd.  58 
haso  angls.  227 
hatol  asächs.  66 
haugr  an.  57.  220 
hauhisti  got.  224 
Haukopuz  run.  66 


hausjan  got.   169 
hazjan  got.    180 
hiafod  angls.    n8.   120 
hiardra  angls.  93 
het>an  asächs.  68.   118. 

120 
heba7zktining  asächs.  229 
hebbian  asächs.  170.  179. 

180 
heäan  an.  68.   213.  248 
hedra  an.  213.  248 
hegre  an.   198 
h'ehera  ahd.   I2i 
Ä^Mz/f  ahd.   118 
heigaro  ahd.  66  ^ 

heill  an.  222 
heiinan  an.  248 
heinio  ahd.   228 
heitar  ahd.  200 
At/Za  angls.  69 
helan  ahd.    1 73 
hengan  ahd.   181 
henginnia   asächs.   73 
heonu  angls.  97 
heortbucca  angls.   232 
hera  ahd.   121.  213 
her  der  ndd.  29 
herdo  ahd.  79 
Herminones   129.   130 
herdd  ahd.  (asächs.)   I2I. 

248 
Äerro  ahd.   15.   147.   243 
Ä«  an.  42.  66 
Hesiwald  31 
h'esken  ahd.   l6l 
hettend  angls.   180 
hevianna  ahd.  73 
hibendene  mhd.   213.  248 
ÄzV/r^  got.  213 
hfgian  angls.   161 
hinchan  ahd.  49.  59.  159 
hinneg  an.   102 
ÄtW  got.    189 
Äzr/zÄ  ahd.   161 
Äzr«/  ahd.  60.   141 
hitamum  ahd.  245 
hiure  mhd.  248 


268 


Index. 


hiutu  ahd.  93.  102.  166. 

213.  248 
hjarre  an.  203 
hjarse  an.  62.    198.  203. 

204 
hlanc  angls.   79 
hleiprastakeins  got.  20I 
Hlewagastiz  run.  3.   8. 

132.  206 
hlifa  got.    159 
hltppen  ahd    159 
hlö^gja  an.  84.   i8l 
hlera  an.   180 
hlosen  ahd.   173.   180 
hlosnian  angls.   162 
Hlo^here  angls.  8.   174 
Hludana   130 
hnecca  angls.    199 
hnoda  an.  205 
ÄfJt:  angls.   116 
hocken  ndd.   59 
hogen  ahd.   169.   180 
/zo7z  angls.  69 
hoha  got.  49 
holöji  got.   113. 
honag  ahd.  66.   123 
hoppdda  angls.  231 
hdrahhon  ahd.    184 
Äor^  asächs.  60 
Hqräar  an.  31 
ÄorÄ  angls.   198 
hornü^  ahd.  3.  60.   141 
hör  skr  an.   114 
hovar  ahd.  65 
Ära  angls.   72 
hracu  angls.  204 
hrcegl  angls.    199 
hraiwadübo  got,   206 
Ära?«  angls.   128 
hreddan  angls.   56 
Är^  ahd.   81.   200 
hreini  ahd.   177 
hreinne  an.  243 
hreßer  angls.  79.    199 
hrettan  ahd.   2.   182 
Ä^-/^  an.  201 
hriflingr  an.  3 


hrttara  ahd.    177 
hriphyrde  angls.    230 
hr^nn  an.  öo.   141 
hrof>hund  angls.  41 
hryder  angls.  205 
Äw  angls.    72.    127.    145. 

195.  214 
hühel  mhd.   56.  81 
hugsi  an.   172 
hührus  got.  69 
hüllen  ahd.    159 
hulundi  got.   173 
i^w^tz  ahd.  221 
hunno  ahd.  76.  228 
huntad  angls,  224 
hiinteri  ahd.   15 
huof  ahd.    198.   200 
huosto  ahd.  71.  223 
Ä?^r^  ahd.   198 
hurken  mndl.   184 
hiirnidscip  asächs.   177 
hvadan  an.  248 
Ivaiwa  got.  2 1 5 
Jvarßs  got.   214.   215 
Ivassaba  got.   55.  62.  78. 

159.  246 
Jvapar  got.  214.  244 
hapo  got.  62 
/u^zV.f  got.  62 
hve'l  an.  63 
hverr  an.  2 
hwcetwega  angls.  98 
hwedar  ahd.  214 
hwelih  ahd.  214 
hwine  angls.  247 
hweohhol  angls.   149 
Ä'Z£//o/  angls.  63.  65 
Äw^y  angls.  63 
hwergin  asächs.  215.  248 
hwösta  angls.  63 .  7 1 .  112, 

128 
hyht  angls.  65 
hyll  angls.   5.  77.   ill 

I. 

iha  got.   246 
ibu  ahd.  214 


idccges  angls.    102.  215. 

248 
zi/^a  got.  75.   134.    167. 

168.   185. 
idreiga  got.  236 
/  g(Er  an.  247 
igil  ahd.  68 
ihsüt  ahd.   130 
ikorne  an.  230 
'lUiyioaX  153 
z>«5z"  ahd.   120 
zVwz  mhd.  23.  26- 
inc[it)  angls.  219 
z;z^(?.r  mhd.   lOO 
inlachenes  ahd.   lOO 
/««  nhd.   129 
innan  asächs.,    angls.  99 
innanthes  ahd.   lOO 
inne  ahd.  214 
innodli  ahd.   142 
innyfle  an.   142 
intinga  angls.  231 
inträtan  ahd.  24O 
intuotna  ahd,    109 
z'wwÄ  got,   146 
zraÄ  ahd,  26 
irbarmhi  ahd.  234 
irbunnan  ahd.   234 
zVrz  ahd.  60.    118.   120 
z';^  an.  219,  südwestfäl.  220 
italingün  ahd.   246 
itamäli  ahd.  236 
itarucchen  ahd.  236 
itnniwi  ahd.  236 
ZM^  got.   1 1 5 
iupapro  got.   248 
iusiza  got.  242 
iwwer  ahd.  216.  218 

J. 

/a  asächs.  43 
jabai  got,   214.   246 
jains  got.  214 
jarldömr  an.   227 
jener  ahd.  214 
jiuleis  got.  65 
/öV:,^  ndd.  218 


Index. 


269 


JQltull  an.   118 

jügiro   ahd.,    asächs.   74. 

242 
jugund  ahd,   74 
jnhhtdi  ahd,  226 
jühiza  got.  242 
/l^w^a-  73 
yww/lr  nordfries,  219 
7«^  got.  218 

K. 

kala  an.   174 
kallSm  ahd.   77 
kamnierz  schwäb.    1 1 
kam  md,  81 
kannjan  got.    181 
i^«r  ahd.   141 
kara  got.  63 
karlo  ahd,  203 
karra  ahd.  28 
kdtaro  ahd.  93 
kaupatjan  got.  46.   183 
kaürtis  got,  62.   108 
kaivtsjö  got,-lat,  20,  26 
keinan  got,  157.  162,  167 
kelikn  got.  6 
kentüstah  ahd.   15.  25 
kesür  asächs.  25 
khunawithi  ahd,   229 
ktchen  mhd.   77 
/&7(?^  ndl,    16 
*/>a«^  got,   75 
/^/wß?  ahd,  69.   210 
kinnr  an,   202 
kinmis  got,  76 
kl'enan  ahd,    154.   157 
knabo  ahd.   150,  207 
^«zw  ahd.   114 
>^öjf6'r  mittelrhein.,  sieben- 
bürg. 25.   153 
Königinnnttter  nhd.  232 
koper  ndl.   153 
>&o//  ahd.    130 
körnen  nhd.   77 
^V'/r  an.    132 
ko^an  ahd.   14 
kräko  ahd,    1 1 6 


^r^/üT  ahd,   72 
^r^^5^  got.  35-51 
Kriemhilt  mhd.    124 
/fer?;V  ndl.    199 
kriohhan  ahd.  65 
Krist  asächs.   37 
krtte  mndl.  25,   26 
i^rz^-^^  ndd.  46 
krzcmb  ahd.  6 
-^msz"  ahd.  23.  26 
kuhma  ahd.   146 
kundt  ahd.  222 
kunnan  got.   162 
ktmps  got.  81.    III 
kuohho  ahd.   199 
^wi-^z'  ahd.  2  b 
Ktistanteinus  got.  26 
kvdnlauss  an.  201 
kvemka  an.    184 
kvikna  an.   183 
kvikvende  an.   64 

L. 

/a  angls.   72,  98.   212 

/ö&r  angls,    15 1 

Icßssa  angls.  60,  141.  242, 

243 
Äz?/2fa:  angls.  77 
laetus  lat.-germ,  33 
laffu  ahd.   157 
lam  ahd.  59 
latjan  got,    116 
/ff^/a  ahd.   59-77 
/aw^  alem.  200 
lauf  ahd.  220 
ledian  asächs.    181 
leffur  ahd.   141 
iVfs  ahd,  54.   118,    141 
leha  lat.-germ.  66 
lehnt  asächs.   177 
leifvan  got.    3.    63.    162, 

177.   178 
let'ptr  an.  65 
leman  engl.    105 
lend  angls.,  an.    191 
lenge  an.  247 
lentin  ahd.    152 


lenzo  ahd.    147 
lerest{a)  fries,  242.   243 
les  asächs.   243 
Leubwini  run.   144 
Uw  got.  63,   113 
liban  ahd.   159 
libbian  asächs.    170 
liederlich  nhd,  49.    i  lO 
ltfi(hina)?no  ahd.   93,  95. 

229 
likkoian  asächs,  78 
link  mhd,   59 
Itnon    asächs,    124.    141. 

217,  261 
liogan  ahd,    159 
liotno  asächs.  204 
lippe  mndd.   50 
Urnen  ahd.  122.  141,  162. 

182 
liugan  got,  6,   7,  239 
liuhap  got,   199 
Ijöme  an,  64 
löge  an.   198 
lörihhtn  ahd.  22.   24 
/ö;c  angls.   123 
AovnqpovQÖov  20 1 
/z^Z^a  ahd.   122 
htngor  angls.   I12,   153 
lungunna  ahd,  73 
hioder  mhd,  79 
/z/ö^  ahd,   113.   116 
/??rra  ahd.    II.  22 
lyja  an.   159 

M. 
machahis  lat  -germ.  66 
mdädum  angls.  149,  153 
7nadra  an.   153 
^ÄCerf  angls.    151,   152 
mcegep  angls,    144 
7n(kgwlite  angls,   24 
mcBntac  mhd,  229 
magan  ahd.   178 
mag  in  ahd.  222 
tnagti  angls.   151 
magtis  got.   7 
mahalan  ahd.   142 


270 


Index. 


maha  got.  242 
Makidöneis  got.  22 1 
Mallortx  6.  35.  133.  144. 

200 
vialma  got.  203 
tnalta  ahd.   199 
malz  abd.  205 
man  (west)germ.  102.  216 
tnanags  got.   7.  39 
manahotibit  ahd.  15.  229. 
rnänfordo&dla  angls.  96 
inange  an.  216 
manna  got.  2.   76.  203 
indnodsnih  ahd.  230 
mapuldor  angls.  142 
marawi  ahd.  200.  203 
marisaiws  got,   203 
Maroboduus  33 
marren  ahd.  60 
?/za^(?  angls.   59 
mastiboum)  ahd.   59 
viaiihalgs  got.   232 
matjan  got.    18 1 
Mattium   148 
matirgins  got.    118 
maürgjan  got.    1 1 1 
ma^^altar  ahd.    142 
?;2/,:f  angls,    124' 
w<?^a  asächs.   122 
medemest  afries.   245 
megin  ahd.    178 
7«<?^^  got.  220 
meinan  ahd.  39.    123 
meisch  mhd,   59 
■mei^^il  ahd.   224 
w?<f7  an.  69.   200 
meltan  angls.   59 
;«^;2ü!  got.  3.  134.138.230 
mendan  ahd.  69 
/;z(?«(?  angls.   150 
menihha  ahd.  24 
menops  got.    109.    193 
/«<fo^  angls,    199 
meotod  angls.   140 
Merovingi  223 
z«^,y  got.    19.  25.  26.  28 
me^^irahs  ahd.   85.  201 


?«zVf  angls.  asächs.  99 
midfyrive  angls.  65 
vtiduma  got,   245 
■mikils  got.   118 
mila  ahd.   il.  28 
milchti  ahd.   156.    16 1 
müiß  got.   204 
miUestre  angls.   22.  24, 

130 
■minite  an,   243 
mirki  asächs.   151 
missen  ahd.    159.    170 
missdre  angls.   231 
missö  got.   78 
miti  ahd.  99.  249 
mipgasinfa  got.   238 
Mittag  nhd.   105 
mitthont  ahd.   77.   loo 
mittiivohha  ahd.    15 
mJQk  an.   246 
Mjqlner  an.  38 
mjükr  an.  200 
mocke  rheinfränk.  hess.  7 
/«o^o  ahd.   199 
molda  angls.   204 
monfwdere  angls.   231 
7ndr  mhd.    13.    24 
mgskve  an.   205 
m.6tastaßs  got.  201 
niulda  got.   174.  210 
nii'ile  an.  204 
mulinäri  ahd,   29 
mullen  ahd.    159 
Mümling  nhd.   221 
munih  ahd.   24 
muniteri  asächs.  29 
wz/^zif  angls.  29.   121 
muoia  ahd.  228 
muoma  ahd.  228 
murclan  angls.   184 
murnan     angls.     157. 

161 
müsari  ahd.  23  i 
mutii  ahd.    1 1 
mü-wa  angls.   198 
mycel  angls.   200 
m,yrkr  an.  222 


N. 

nahager  ahd.  43.  201 
nahulo  ahd.    119.   203 
7iaigan  angls.    182 
nccgledcnearr  angls.    177 
ncEsp'ßrel  angls.  230 
nagaher  ahd.  81 
nagal  ahd.   153 
ndmi  ahd.   177 
nauchum  lat.-germ,  66 
nat'ih  got.   135 
naus  got.  39.  40 
naust  an.  230 
naußs  got.  223 
?e^*iz^/  ahd.    153 
«^/  an.   59 
Nehalennia   148 
nSlvundja  got.   173 
Nemaningtis  111 
Nemetes  52.    130.  221 
nemlen  mittelengl.  221 
Nerthus   130.    133 
«<?.r^  ahd,   238 
Nihelunge  mhd.   221 
nicchessa  ahd.   72.   15 1 
«z  churi  ahd.    160 
«2/7  ahd.   129 
nigan  ahd,  63 
nigun  asächs.   75.  253 
nih  got.   97 
nihold  angls.  93 
nimid  asächs.  67 
Nipufr  an.   66.  202 
nobody  engl.    103 
noh  ahd.  97 
noker  nindl.   21 
n^kkve  an.    15 I 
;/o/  an.   142 
ndmen  mndd.    109.    116 
nor  au.   230 
Nordhymbre  angls.  221 
nordruoni  ahd.  94 
Northalbingi  lat.-germ. 

223 
nosu  angls,    191.   199 
notstallo  ahd.   238 


Index. 


271 


n$^  ahd.  206 
nußa  angls.  97 
nyräre  an.  244 
nyten  angls.  206 

o. 

obaro  ahd.  244 
obasa  ahd.   1 1 8 
obgr&vio  salfränk,   238 
od  angls.  98.  99 
öder  healf  angls.   249 
oäidßdan  angls.  240 
ofer  angls.    135 
ofjfan  ahd.    176 
ofgeorn  angls.  239 
ögengel  angls.   238 
dgs  got.   188 
oheiin  ahd.   73 
ükan  asächs.   174.   176 
okkar  an.  216 
olle  an.    169 
ollung  angls.   93 
oncor  angls.   ii.  28 
onda  angls.   118 
ondresn  angls.  54 
ongnora  angls.   85.   231 
onsdßge  angls.    177 
onu'cecnan  angls.  160.  167 
opfarön  ahd.   153 
(>r  an.  42 
ora  ahd.  58 
orcTKEwe  angls,  90 
orendr  an.   239 
öretia  angls.    149.  239 
orgedte  angls.  90,   177 
orige  angls.   239 
orm-öd  angls.   239 
<^rn  an.    196.    197.  202 
orsorh  angls.   232 
origcard  angls.   12.    14. 

200 
ortydre  angls.  232 
or'ii'ina  angls.   239 
ösch  ndd.  218 
Otacchar  ahd.    152 
oter  angls.  74 
Oll  ahd.  75 


onzorahi  ahd.  230 
ovan  ahd.  65 
dwcBsttn  angls.  238 
Ovioavdog   i  o 
OvhyiaaXog   1 53 

P. 

pacche  mittelengl.  70 
pdge  westfäl.    13 
papa  got.  36 
pearroc  angls.  47 
peikdbagms  got.  7.  46 
pere  angls.   28.    121 
Pf  dt  ahd.  23 
pfarra  ahd.  47 
pfeffar  ahd.   I2i 
pfeiiidi  ahd.  226 
pfpiih  ahd.    14 
pfenninc  ahd.  73 
pfertd  ahd.  27 
pferrih  ahd,  24.  47 
pfiasal  ahd.   15.  24 
i^z^f^  ahd.  81 
pfinztag  bayr.-österr.  36. 

46.  51 
pfistür  ahd.   14 
pfoso  ahd.  47 
p/ung  ahd.  46 
^/c  angls.  29.   121.   132 
pinsian  angls.  26 
pi(o)se  angls.   14.  28 
pistikeins  got.  224 
plaga  angls.    199 
pldstar  andd.   23 
plinsjan  got.  41.  46 
popccg  angls.   144 
/ör/  angls.   12 
^ö>f/  angls.  29 
Prion  angls.  68 
prdost  angls.   144 
pumpe  md.  70 
/•>///   angls.    20.    23.    26. 

27.   148 


qalru  got.   203 

y/«j  got.    2.    3.   63.   116 


^z«^  got.  50.  63.   116 
qiujan  got.    181 
qi-wa-  got.   75 
quecbrunno  ahd.  232 
quecksilber  westgerm.    16 
quehhen  ahd.    183 
qiielan  ahd.  63 
querchala  ahd.  63 
querdar  ahd.  63 
quidian  asächs.    159 

R. 

Rubelte  mhd.   27 
racM  angls.   199.   205 
ra^  ahd.  49 
rikfnan  angls,   89.j;i48 
rahanen  ahd.    160 
rahnjan  got.   160 
i?a«//  nhd.  68 
ra^'^  got.  32 
raulen  bayr.   71 
raz^o  ahd.  61 
rd^va  ahd.   199 
ruT^e  mhd.   17.   18.  66 
rebo  ahd.  205 
reccan  angls.   159.   170 
r^^<?^  angls.   118 
recholier  mhd.   70 
redina  ahd.  207 
re/^ö  ahd.  203 
r^/a  ahd.  75 
Reiff er  scheid  nhd.   227 
reiki  got.   226 
reiran  got.    l6l 
rf2sa  ahd.   17.   41.  71 
.^zaj  ahd.  124 
^/■<fd^  frühnhd.   150 
rlha  ahd.  49 
Ritt  ahd.   129 
rzw^tf  mhd.    149 
rinnan  got.   162 
ripan  angls.    156 
Riphera  ahd.  227 
riqis  got.   206 
riu^u  ahd.   161 
rodor  angls.    199 
rocken  mittelfränk.   149 


272 


Index. 


roggo  asächs.  206 
rönnen  mndl.   157 
rosa  ahd.   198.   199 
rosamo  ahd.   54 
roten  mhd.   183 
röw  angls.    109 
rümana  ahd.  248 
Rümoneis  got.  33.  35.  128 
rümscttoha  ahd    15 
rüna  got.  7 
runken  mittelengl.   184 
runza  ahd.    147 
ruova  ahd,   198 
rüst  angls.   1 1 5 
ryge  angls.  43.  44.  206 
ryne  angls.  76 

s. 

Sdherct  angls.  201 
sacu  angls.   151.   152 
sagen  ahd.  63 
sah  got.  98 
sai  got.  98 

Saitchamiinis   197.   201 
sakkus  got.    15 
sakuls  got.   177 
^a//ö!  got.   107 
samana  got.  215 
samaf  got.   248 
samöa^tag  ahd.  36.  39.  42 
samcucu  angls.  249 
sdmiquec  ahd.    140,  201. 

249 
samkunda  an.  68 
sampt  bayr.  67.  118    199 
^a^zß?  ahd.    113 
sandjan  got.   181 
jawö  asächs.  247 
sant  ahd  67. 
j«r  ahd.  248 
saiul  ahd.    153 
Saür  got.  25 
Saürmz  gOt.   222.  225 
scadal  ahd.   177 
Scadinavia  32.  34.   130 
scäp(h)äri  ahd.  231 
scarböjt  ahd.    183 


jcar^  ahd.   112.   115 
sciawdrc  angls.  29 
sceort  angls.  28 
schank  südfränk.   70 
schirken  mittelengl.   184 
Schock  nhd.   2^5-  25b 
schone  mhd.  246 
schuft  ndd.   59 
schunken  nhd.  (dial.)  199 
sciluf  ahd.  27 
scincha  ahd.  204 
sc  inten  ahd.   182 
scioban  ahd.  80 
scolla  ahd.  204 
j-^o«/  ahd.   177.    179 
scouwön  ahd.    179 
.y^öj^  s^l^d'  204 
screiön  ahd.    183 
screvön  ahd.  81 
sculdor  angls.    191.   196 
scurz  ahd.  24,   28 
scu^^üa  ahd.    15 
sealtian  angls.    19 
.y/a7£/  angls.   1 1 0 
j-<?c^  ndd.  218 
je;^«^  ahd.   5.   158 
segan  ahd.   121 
segen  angls.    12,   121 
seggian  asächs.    55.    170. 

179.   180 
segina  ahd.  ii.  25 
s'^hto  ahd.  54.  259 
seipfe  oberd.  45 
seid  angls.   142 
silla  angls.  60.   116.  141 

242.  243 
sellan  angls.    159.    170 
s'elmo  asächs.   204 
seltan  ahd.  247 
senaf  ahd.    14 
senawa  ahd.   76,    199 
senep  angls.    I2i 
sennight  engl.    103 
seohhe  angls.   65.    149 
serda  an.    1 14 
Serker  an.   20 
s'estöm  ahd.   161 


s&fs  got.  3 
.r/^/^  an.  259 
shock  engl.   59 
yz'dw«  ahd,   253 
std  ahd.   145 
siddan  angls.    100 
sldör  ahd.  242 
sighen  mittelengl.  77 
Sigim^rus  34.   129 
sigiron  ahd.    1 1 9 
sigislaun  got.  2 30 
Sigicrpr  an.  202 
^zH/?^  an.  20.  22 
silba  got.   215 
südaleiks  got.  228 
silubr  got.  45 
.jiVwa  an.  204,  angls.  223 
sünbalum  ahd.   250 
>s-zw/e  got.  250.  260 
singäl  angls.  85.  240 
sinhiwun  ahd.   239 
sinnan  ahd.   157.   181 
stnrcßden  angls.  239 
sinteins  got.   231.   239 
sinwac  mhd,    240 
.s-m/a  got.  74 
sivalr  an.  240 
skäden  ndd.   166 
skaidan  got.   54.   80 
skapjan  got.  49 
.yÄ-JzVi-  got.    80.   115.   157 
sMwj'an  got.   113 
skimudr  an.    192 
j-,^?^  got.  25.  27 
skjdlgr  an.. -6 5.    198 
^/&ö>^.j  got.  63.   113 
skqktill  an.  44 
slanc  mhd.  79 
slap  ndd,  50 
j'/m^  ndrrhein.   59 
smakka  got.  45 
smelhe  mhd.   59.  65 
sm'^lzan  ahd.   59 
smerctan  angls.   184 
smittha  ahd.    149 
s?noccho  ahd.   78 
snabttl  ahd.   59 


Index. 


273 


sncegl  angls.   I18.    199 
snaiivs  got.  65 
sn'ecco  ahd.  228 
snegel  mhd.   199 
snura  ahd.   142.    192 
sochen  mhd.    183 
scehen  mittelfränk.   149 
s(£,rr  an.    177 
sofa  an.    156.   161 
sömcwic   angls.   20I 
sorta  an.  74 
sö-scaffan  ahd.   238 
söi  angls.   113 
50/   angls.    73.    88.    113. 

173 

söpjati  got.   182 
spadu  angls.  205 
spähi  ahd.    1 16 
Span  ahd.  24 
spanan  ahd.  54.   107 
sparo  ahd.   151 
sparön  ahd.    Ii6 
sparwari  ahd.  231 
5/a^2  nhd.  228 
i;/»eV  mhd.    121 
sp'e'hön  ahd.    108.    I16 
spenge  hess.  70 
s pennen  ahd.    159 
sp^nula  ahd.  23 
j/z//  got.  63.  77.  80.  224 
j;/>z7/a  got.  221 
spinel  angls.    157 
j/m/  md.  70 
j/i^a  ahd.  26 
.f/yö7  an.  80 
sporonus  lat.-germ.    16 
Spott  mittelengl.  70 
spotta  an.  77 
spreiten  ahd.   89 
spuolo  ahd.  205 
spicrnan  angls.    162 
Spuruli  an.   177 
spyncge  angls.    149 
stadal  ahd.    142 
statrnö  got.   205 
stalken  mittelengl.   184 
J/a//  hd.   77 


stä?n  ahd.   160.   188 
Star  ahd.   54 
st'icko  ahd.   122 
j^(?^a  krimgot.  254 
Siehhan  ahd.    156 
siehhön  ahd.   122 
steinahi  ahd.   224 
st'elan  70 
sterno  ahd.   203 
Stiege  nhd.  254 
stimna  ahd.  77 
.f/ce<?/-  an.    177 
stöjan  got.  72 
i-^ö//o  ahd,   54.   77 
Störren  ahd.    182 
sireawherie  angls.  58.  65 
.f^rö  ahd.  82 
strodenn  an.  59.  81.  I14 
siropp  angls.   12 
studu  angls.   198 
.f/2//r  an.   184 
stühha  ahd.   199 
stumbel  mhd.  53 
stttmpf  mhd.   53.   70 
j^z^ws  hess.  70 
Stupf ala  ahd.   148.   153 
stypel  angls.   1 1 8 
styrc  angls.   144 
styrne  angls.   76.   81 
sufl  aschwed.  65 
Sugambri  32.   240 
sugil  got.  74.  204 
suhtergefcederan  angls. 

232 
sül  ahd.   199 
sulih  ahd.  213 
sullung  angls,  93 
suman  got.  247 
sumar  ahd.   122 
si'tmdH  mittelengl.   103 
su7ns  got.    103.   215 
stind  angls.   74 
sundrö  got.  67.  248.  250 
süngiht  mhd.  229 
Suniafrid  got.  8 
sunjis  got.    113 
sunno  ahd.  205 


sunte{a)  ahd.  73.   199 
suontago  ahd.  231 
jz^rzo  ahd.  25 
.JMJ  ahd.  213 
sütire  angls.   15 
svipall  an.   177 
svqppr  an.  74.  80 
siväger  mhd.  I16.  220 
.ywa/^  ndd.  72.   151 
sweger  angls.    192 
swehur  ahd.  50.  108.  12 1 
sweiban  got.  64 
sweotol  angls.   240 
sw'€pfar  ahd.   149 
.yte'feV  mhd.  98 
swete  angls.   50.   87 
swicol  angls.   177 
swid  ahd.   157 
swiften  mhd.  65 
swigar  ahd.  84 
s-wima  angls.  157 
swin  74.  88 
swipor  angls.   149 
swizzu  ahd.    158.   182 
swulung  kent.   74.  230 
swylc  angls.  213 
swyle  angls.  77 
syll  angls.  27.   148 
synn  angls.  73 
synp  an.   199 
systken  an.  232 

T. 

täcor  angls.  206 

tcehher  angls.    149 

täen  ahd.   158 

j?a^r  got.   198.  203 

tahja  got.   157 

taikns  got.   224 

/a^a  an.   156 

talken  mittelengl.   184 

tamj'an  got.    107 

tandjan  got.   182 

tanna  ahd.  76 

iapur  angls.   15.  25 

taujan  got.    II3 

taunen  mittelengl.  89. 147 


274 


Index. 


tavs  dän.    172 
tearfllan  angls.   184 
tegutho  asächs.  259 
tellan  angls.   159.   170 
temsian  angls.  6 
ienar  ahd.    108.  204 
Tender i  69 
ieohhiait  angls,    149 
Teuioni  52.   iio 
t^wa  got.   149 
f>aäa7i  an.  68.   248 
pauh  got.  97 
pai'irp  got.   50 
^aürsjan  got,    159 
peccan  angls.   170 
th'egankind  ahd.  232 
/^'/Ä^  got.  5.    69.  206 
peilvö  got.  61.  69 
^<?/  an.  68.    124 
picgean  angls.    158 
piäurr  an.  38 
thim  asächs.  60 
Thingsus  31.  34.    130 
p'istel  angls.   199 
plubi  got.  221 
piudisks  got.  39 
pjorr  an.   59 
//zö  asächs.  247 
pormöpr  an.  202 
potorian  angls.   184 
pra?nstei  got.  39.  41 
preist  an.   172 
preagan  angls.    180 
Pridja  got.   56 
thriwo  asächs.  260.   261 
protu  angls.   59 
prüpr  an.  81 
pryngva  an.  151 
thunkön  ahd.   50.  63,  67 
ihi'irhfretnid  asächs.  90 
purüphüd  run.    145 
püszmdi  got.    230.    231. 

257 
pysdögor  angls.  248 
pyuphadus  lat.-got.  257 
tiantit-  fries.   207 
ticcen  angls.   81 


Uns  asächs.   26.   27 

tlr  angls.   124.   166 

tut  angls.  6 

tiund  an.   260 

tiuval  ahd.   36 

tlvar  an.   iio 

tj'ogtc  isländ.   191.  254 

tüb^n  ahd.    183 

togian  asächs.     89,     147. 

176.   235 
toi  ahd.  200 
töl  angls.  73 
tolftich  fries.   256 
tolnere  angls,  29 
Tondbeorht  angls,   85 
toonen  ndl.  89 
torht  asächs.    174 
torr  angls,    15.    29.    121. 

130.    132 
tracke  mhd.   27 
tregil  ahd.   224.   225 
trennila  ahd.  73 
Trieren  ahd.   124 
trigö  got.    116 
trimis  angls.   1 1 
triogan  ahd.  2.  64.    156, 

159 
triu  got.  88.   113 
trören  ahd.    18 1 
troiim  ahd.  64 
trüha  ahd,  78 
trüht  angls.   12 
^'<;^    angls,    72.    127.    145, 

251 
tübar  ahd.    198 
tundnan  got.    182 
tunpus  got.   112,    173 
tuoh  ahd.  72 
ifz^öwi  ahd.    116 
tuwwa  angls.   260 
tvisvar  an.  260 
itvcede  angls.  250 
tioalif  got.  64.   253 
twegen  angls.   191 
tweho  asächs.   121 
twelftnonth  engl,    103 
Tivente  ndl,  32 


twisstandan  got.  260 
twopence  engl.   103 
tyj'a  an.   125 
tylg  angls.  247 
^j/^/  an.   144.  256.  260 
tysvar  an.   144 

u. 

übermorgen  nhd,    lOO 
ubt'zwa  got,  64.  152,  198 
wrf<?r  angls.  204 
üdwita  angls.  240 
tifmeljan  got.   239 
2/:^Ä«  aschwed,   198 
ugla  an.   75 
7imbi  ahd.  249 
timbikirg  ahd.   lOO 
unandsöks  got.  96.   177 
imatgähts  got.    175 
tcnbepyrfe  angls.  96 
unbiderbi  ahd.  92.   96 
z/wc  ahd.   152.   —    angls. 

219 
tind  got.  98.  99 
i'indertän  ahd.  90 
unfehtal  ahd.   177 
Unferd  angls.  93 
itnforcüp  angls.  91.   96 
z^«,^  nordfries.  219 
unleps  got.  232 
tinmdene  angls.  238 
tinnan  ahd.  81.    171 
itnq^ps  got.    177 
unsahis  got.    175 
uns^r  ahd.  216 
z/«/^  got,    lOI 
unwahsan  ahd.    177 
untvamms  got.   232 
7/W3  mhd.   10 1 
7ioban  ahd.    116 
uohald  ahd,  238 
uohhasa  ahd.   54 
uornad  ahd.  238 
Jtose^^el  mhd.  238 
7/^j  an.  64 
tirhab  ahd    239 
urlmge  mhd.   239 


Index. 


275 


urlösi  ahd.  87.    182 
iirmdri   ahd.    182 
urminni  ahd.   239 
ürte  mhd.  74 
urivihi  ahd.  239 
tcsbeisns  got.   54.  79.  224 
usgaisj'an  got.   162,    182 
ushatihnan  got.    183 
usluknan  got.    183 
wj!z>ö  ahd.  206 
2^/0«  angls.    189 
z^a:  an.  64 
z^se^a  got.  239 

V. 

vadön  ahd.  46 
Vagdavercustis  130. 133. 

201 
valhgll  an.  88 
z/a/r  an.  228 
7;a«tf  an.   199 
vdr  an.   115.  —  216 
vargus  lat.-germ.   16 
varn  ahd.  80 
varritus   12 
Vatvims   197 
v'elawa  ahd.   80 
Veleda   130 
z/^«<f  mndl.   150 
Venethi  52.    129.    130 
Vengpör  an.  85 
verre  an.   242.   243 
le^a  ahd.  80.   85 
vesall  an,  240 
z/*?^/^?  an.  216 
xv^y«  an.   182 
vinskapr  an.  227 
virgunt  mhd.  73 
visenn  an.    122 
T^/j^  mhd.   59 
V{)lundr  an.  202 
vordem  nhd.   10 1 
vor  des  mhd.    loi 
vgrdr  an.  202 
r'(>/7/*  an.   151 
vrdsüme  mhd.  89 
vrenskas  aschwed.   70 


z'reV«  mndl.    157 
vroeren  mhd.   181 
z^z/r  jzVÄ  mhd.   loi 

w. 

?F<za/  ndl.  31.   129 
wa^fi  got,   5.    17.  226 
wa^fö  ahd.   151 
'W(Bcnan  angls.   165 
wdbdeji  angls.  227 
wdbdl  angls.   142 
wcer  angls.  60.   141 
wcBter  angls.  204 — 206 
ivdg  angls.  75 
waggäri  got.  30 
■wahs  ahd.    54 
wahsan    ahd.    123.    156. 

158.   159 

wahta  ahd.  151 

waia  got.   158.   161 

wairilös  got.  81.   118 

•wairpan  got.  64.    162 

ivaldan  got.   159 

^FaMa  ahd.   128 

walken  mittelengl.    184 

■wallön  ahd.   77 

walm  ahd.   II2 

wankal  ahd.   177 

wawj  got.    175 
I  wanschaffen  mhd.   176 
1  wanze  mhd,   228 
!  wdrtn  ahd.  222 
I  waja  ahd.  228 
j  wat  nordfries.  219 

watan  ahd.  156 

waürdahs  got.  223 

waürstw  got.  66 
1  weasand  engl.  233 
j  w'eban  ahd.   löo.   162 
I  webbestre  angls.  226 
'  weccan  angls.   170.    182 
I  Weder-GMtan  diXigXs.  22)2 
I  IVednesdai  mittelengl. 
;       118 

weho  ahd.   121 

wehsal  asächs.   121 

weihMn  ahd.   183 


Weihnachten  nhd.  105 
weihs  got.  206. — 222 
weitwöps  got.   109.   HO. 

172.    193 
wiofod  angls.   93 
weV  asächs.   130 
wtr  schott.   164 
wer  in  ahd.  182 
werid  ahd.    118 
7verk  asächs.   50,   220 
werod  angls.   199 
werra  ahd.  77 
whöse  mittelengl.  98 
ivicka  ahd.   20.   26.   27 
wtdbred  asächs.   232 
wifmon  angls.  232 
wiga  angls.   221 
w'igend  angls,    172 
•wihin  ahd.   16 1 
w'iho  ahd.   199 
Wihtgdr  angls.   202 
wimidön  ahd.   160 
Winida  ahd.   52 
-lüinistar  ahd.   245 
■winnan  got.    162 
■wintar  asächs.   153 
wintimma  ahd.    ii 
wintön  ahd.   152 
wintschaffen  mhd.    176 
winzüril  ahd.  25.   127 
7£/2'r  angls.  6.   124 
wirtil  ahd.  68 
w?j  ahd.   195 
Wij/>  engl.  64 
wissungo  asächs,  246 
TFijMmdr  ahd.  8 
wit  got.   187.  217.  219 
witan  got.  168.  170 — 172. 

182.   187 
wiß  angls.  89.  99 
wiper  angls.  89.  90.  99 
witu  ahd.   107 
witun  asächs.   189 
wiumman  ahd.    160 
toiwint  ahd,  88 
u'laitön  got.    183 
wolcha  ahd.  205 


276 


Index. 


Wolfg^r  ahd.  8 
•wollameit  ahd.  201 
■wöpian  asächs.  64 
•wrdsen  angls.   54 
wreakan  nordfries.  70 
wrenna  angls.   73 
wröhjan  got.    180 
wröhs  got.  221 
wrong  raittelengl.  70 
wudere  angls.  30 
wuesie  alem.  71 
H^üetelgös  ™^d.   68 
■wuldor  angls.   122 
Wulfhcep  angls    145 
wulfs  got.  3.  56.  57.  64 
wulla  got.   77 
Wulpingi  223 
-ivunsc  ahd.  2 
wuosti  ahd.  7.   54.   112 
wurde  nhd.   170 
■würgen  ahd.   158 
wurhto  ahd.   152 
wurzala  ahd.  93.    152 
wut07i  angls.   189 
wylisc  angls.  227 
tf{;>/rja  angls,  60.  1 41.  243 


X. 

Xristus  got.  37 

Y. 

yd/ynde  angls.    177 

^^j  engl.  98 

_y/^r  an.  56.  57.  64.  84. 

192 
ymhryn  angls.    145 
y?nest  angls.  245 
ynde  an.   199 
ynne  angls.    14.  22.  27 
ypin  aschwed.   176 
yrfenuma  angls.    123 
yrmlingr  an.   226 
yp  angls.  247 
yxin  an.  226 


zabal  ahd.    24.   132.   153 
zabolön  ahd.   184 
zachern  mhd.    149 
zädal  ahd.    199 
zan  ahd.   134.   173.    199. 
207 


zäwa  ahd.  65 
zechen  mhd.   113 
zecke  mhd.   121 
I  ztltdri  ahd.  22 
zesem  mhd.  245 
ziagal  ahd.   153 
2mrz'  ahd.   166 
zikktn  ahd.  226 
Zinna  ahd.   73 
z?^/  henneb.   81 
zittarön  ahd.    161 
zocchön  ahd.   162 
zö«<?«  mittelfränk.   89 
20/-/^  ahd.  64 
zoucken  ahd.  235 
20«;«  ahd.  64 
zun  ahd.    109 
zurdel  ahd.  93.   240 
zürwäri  ahd,   231 
zweho  ahd.  121.  125.  199 
zwelif  ahd.  198.  253 
Zwerg  nhd.  82 
zwzr  ahd.   107 
zwiror  ahd.    144.   260 
zwivalt  ahd.  251 
zz£/iz/ö  ahd.  64.   121 


II.  Außergermanisches  Wortverzeichnis. 


A. 

ahü  lit.  251 

a^lti-  ind.  118.  199. 

260 
äcru  ind.  203 
opz;«-  ind.  62 
ddana-  ind.    178 
ae^ct)   1 23 
agnus   lat.  65 
ahan  ind.  206 
atVt  205 
al(üv  HO 
aithrige  altir.   236 


256. 


a^wtT  lit.  63 
alber go   ital.  229 
a//wj  lat.  259 
Ä?.>ed&oog  201 
'Alxivoog  201 
dA;i:üft)»'  65.   71 
Allobroges  altgall.  216 
alter  lat.   216.   259 
a//?/j  lat.    174 
alumnus  lat.    190 
a}.ia§og   199 
ambedue  ital.   251 
äfxfxeg  218 
af.i6§ev  215 


a«^r  armen.  248 
ctVet;   117 
dnimi  ind.   161 
ahtras   lit.  216.  245.  259 
anyd-  ind.  209.  241.  259 
ardhd-  ind.  209 
OLQvvfiai   162 
ar/»a  finn.  42 
astäu  ind.   58 
atasd-  ind.   56.   141 
a7Äa  ind.  56.  97 
Atrebates  kelt,  50 
aug^re  lat,    iio 
a^Aa^  207.   230 


Index. 


^n 


autio  finn.   223 
auiumnus  lat.    190 
a^lvr)  55 


Bäcenis  Silva  33.    128 
ßaixrj  45-51 
bdndhana-  ind.   178 
ßaqvi;  62.    lOS 
hdsas  lit.   199 
hen  altir.    198 
bhürj'a  ind.   199 
hihulus  lat.   177 
^zj-  lat.  240.  260 
Z»««  altir.  162 
hlavo  kelt.   227 
Boihaemum  lat.-gall.  34. 

35.    128.   201 
bor  ja  aslav.    158 
bräcae  (bräces)  lat.-gall. 

52.   128.  207 
ßga^vg   i i i 
ßgs/^/uög  80 
Brisantes  kelt. -lat.  9 
brtva  altgall.    74 

c. 

cdch  altir.  98 
caecus  lat.  61.   iio 
Caesia    Silva    lat.-germ. 

31.  34 
calvus  lat.   13 
cand  ind.  98.  215 
faphd-  ind.  49.   198 
carpisclum  lat.  3 
Carrodünum  kelt.   19 
cäturanga  ind.   252 
cdtuspdd-  ind.   85.  252 
catväras  ind.  56.  64.  84. 

86.   252 
cesari  aslav.  39.  41.  225 
c^t  mittel ir,  255 
ce/yre  russ.   86 
yjiivaisti  avest.  260 
chwech  kymr,   252 
cÄjVzw  aslav.  39-41 
ciketa  ind.   172 


ftrsdn-  ind.   141.   198. 

204. 
citimus  lat.   245 
<:zYö  lat.   161 
<:zVra  lat.  213.   248 
clödus  lat.   200 
Collum  lat.   50.   56 
cointnünis  lat,   IIO 
condidt  lat.   168 
conxveo  lat,  63.   65 
cornü  lat.  203 
corpus  lat.  200 
costenge  afranz.   223 
0  äbro  lat.   141 
frathdy  ind.   56 
fravas  ind.  3 
Cronium  mare  128 
frutd-  ind.   173 
<:i;(^/.y  lat.   199 
fvafru  ind.   56.   57 
gvdfura-  ind,  63 
fvetd-  ind,  62 
fyävd-  ind.  227 
cza  lit.  211 

D. 

dddhdmi  ind.   168 
^ä>^^   206 
ddxQV  203 
öafzdco   180 
darfdyämi  ind.   182 
ff^^^z  lit.   116 
ösidco   172 

deiwans  altpreuss.   196 
8£}<dg  $6 
ÖSQSTQOV   199 
dtQxo/A.ai   175 
dessimpts  preuss.  256 
devar  ind.  206 
dezdq  aslav.   160 
dhvdndmi  ind.   158 
dignus  lat.   53 
fffwi  aslav,  231 
Jtoa;H:ovßot   105 
5t';rAo?  250 
dh'tnus  lat.  227 
^oAt;CoV  79 


Grundrifs  der  germ.  Philol.  Urgermanisch. 


^o'ßu   113 
dr^vo  aslav.  203 
druhämi  ind.   156 
drüzükü  aslav.  40.  41 
duhitdr  ind.  54.  55.  58. 

122.   199 
<f«wa    aslav.  39.  41 
dvitiya   ind,  258.  259 
dvylika  lit.  253 
^fztfr  armen.  216 

E. 

/  altir.  214 
laaaa  dor.   173 
ixtpog  68 
iöavoj'   178 
sycoys  217 
e^a-  ind.   209 
sXacpQog   112 
slsv^egog  49.   iio 
Epopennus  kelt.  8 
EQsßog  206 
sgecpog  50-  61 
eQev§og  238 
fjoyov  50.  220 
lßa)?7   109 
Äsunertus  kelt.  8 
^j^wj  lat,  79 
^XQOv   140 
exanimis  lat.  231 


facillumed  altlat,   195 
/aaö  lat,  168,   178 
/az</a   mittellat.   223 
faldistölium  mittellat. 

231 
/ar  lat.    107 
farbar  altir,   216 
ferveo  lat,  81 
^r  altir.  210 
/azVÄ  altir,   160 
ßavus  lat.  227 
frägum  lat.  58.  65 
/r^/a  lat.-germ.  66 
fratema  avest.  258 
fretum  lat.  59 

19 


278 


Index. 


frocciis  mittellat.  66 

fruor  lat.  63 

furslo  mittellat.   16.  60 

Q. 

gage  frz.  71 
gant  frz.  71 
garance  frz.  71 
garder  frz.  71 
^tf«w  lat.   114 
ysvvs   76.  202 
Gepides   3 1 
ysQavog  II4-   ^99 
^za//  altir.  6.    HO 
^/üö/i  lit.  38 
gnabat  gall.  207 
gonfalone  ital.   12 
j/dvv   114.   197 
gospodi  aslav.  5.  39 "4 1« 

201.  229. 
g  Ost  ha  ind.   230 
yQacpco   156 

H. 

haahla  finn,  66.  69.  153. 
haenge  altfranz.  223 
haikara  finn.   153 
hanho  finn.  69 
hansa  ind.  207 
hdnu-  ind.  202 
cba^  250 
Äaj/a  lat.  60 
I  gr.  217 
Yjdicov  241 

«r?  250 

sxvQog  2 
himina  lat.   23 
Am  lat.  247. 
s^ofxai  158 
ÄzV:  lat.  212 
latrjfxi   161 
o/^oV  215 
Äo«/ftf  frz.   223 
hordeum  lat.  59 
o?  214 
hospes  lat.   5 


huiustnodi  lat,    102 
v(paiv(o    1 60 

taj/&  altir.   199 
lazQOfxavrig  232 
«7/zVö  lat.    100 
inclutus  lat.   173 
m«  armen.  253 
inier  diu  lat.    lOO 
iterum  lat.  235 
zW  ind.  215 

J. 

jdgmi-  ind.   115 
/aV«-  ind.  63.    192.  203 
j'ivana-  ind.   178 
y'öz^zV  umbr.  242. 
yii^z^  lit.  219 

K. 

i^a^/a  aslav.  248 
kdksa-   ind.  62 
xdXafxog    118 
>&aVÄi  ind.  248 
^ßj-  ca  ind.  215 

PCSIQCO    59 

>&^ifM    ind.  62 
khang  ind.  49 
klausyti  lit.  63 
Kksoisvog  206 
xXsTcxrjg  54 
xXvxög   115.   173 
xvYjfxrj  76.   81 
Hovidsg   199 
XQazvg  56.  57.  84 
ksam-  ind.   80 
k§^ma-  ind.  80 
>&w  lit.  248 
^«rj  lit.  214 
kvath  ind.  49 

L. 

/atfc?ö  lat.   59 
laidenge  altfranz.  223 
Aaiog  I I 0 
lannas  finn.  205 


lebedi  aslav.  38 
/e^ö^  aslav.    157 
kelyo)   183 
lekari  aslav.  225 
/ewzJ  lat.   177 
/tf«/«^  lat.    120 
Letavia  kelt.  2 
Xsvxog   HO 
/w  altir.   242 
A4;fV£vct)   162 
Licus  (lat.)    121 
Xi7taQ£CO   108.   182 
/fM^<?  altir.  6.  7 
losenge  altfranz.   223. 

225 
lübricus  lat.   50 
lücidus  lat.    183 
lücus  lat.   1 10 
/z/^tf  altir.  239 
lunnas  finn.  45 
lygus  lit.  214 

M. 

madema  avest.   245 
?waÄi  ind.   54.   246 
mdktna  ind.  216 
mallus  mlat.  77 
malus  lat.   5.    107 
mdmsd-  ind.  60.   1 1 2 
manu-   ind.    2.   202.  216 
marhaminta  finn.  200. 

228 
mariscalco  ital.  229 
märjmi  ind.    161 
Viatara  finn.   153 
maurus  lat.    13 
(xeyag  118 — 120.  246 
^gAt  204 
(ÄSfxova   171«   172 
mensis  lat.   109 
fisoovvxxiov  231 
^£ra   120 
m^thi-  ind.  49 
?«^Mj  lat.  216 
(xifxvco   1 59 
minuo  lat.  76 
[xivvw  242 


Index. 


279 


(llO^Ös    122 

mizda  aslav.  60 
Moguntiacum   128 
Mosa  lat.-gall.    128 
müdu  lit.   219 
livia  74 
mytari  aslav.  39 

N. 
na  ind,  97 
nakhd   ind.   56 
napakaira  finn.  201.  228 
napti-  ind.   58 
«a/zo  lat.   222 
naiila  finn,    153 
nemeton  altgall.  221 
vtfpih]   119 
neptis  lat,   129 
r^at?  109 
iV/tf^r  (lat,)   121 
nidä-  ind.  59 
«zrfi^j  lat.  59.   121 
Nxxofxaxog  201 
nisadana-  ind.   178 
viooouai   1 60 
«ö^Ä^  altir.  118.  173.  199 
nömen  lat.  109.  116.  200 
nönus  lat.  259 
«(5j  lat.  218 
w<5/zö  lat.  222 
nötus  lat.   III.   174 
Noviiis  lat.  74.   125 
«1/  ind.  97 
nü-kam  ind.  97 

o. 

6ac  altir.  242 
öfl?e«Ä  aslav.  175 
wXsvt]   116.   119.   199 
w/xog  112 
6[i(pa),6g  1 1 9 
6<pQvg  109 
ojja  lat,  246 
oaoofxai  158 
o^vff  54 
oCo?  59 


[12 


65 


108 


pdfM  ind.   2.  50.  62.  203 
paksd-  ind.  54 
pancä^d   ind.  260 
panth-  ind,  49 
paourva  avest.  258 
parnd-   ind.    59.  68.  77. 

jidgog  258 
pärmi-  ind.  80. 
/a/j  lit,   215 
paucus  lat.  5.  61 
pavelmi  lit.   160 
^-r^;cv?  53.  109 
^e^o  lat.  59 
Tieid^oi   158 
/tf//tV  lat.  50.  77, 
/tfwj^  bret.  252 
pensile  lat.  25  f.    124 
jisv^sQog  53.   120 
perperam  lat.   246 
j(>e^l  aslav.  260 
Ttevxf]   HO 
phena-  ind.  68 
(pcbyco   156 
jiijtrco   159 
pivas  ind.   17 
nXd&avov  49 
plaustrum  kelt,-lat.  46 
plavo  aslav.  227 
plenus  lat.   174 
.-rAo;«»;   159 
plövum  rhät.-lat.  46 
ploxetnum  kelt,-lat.  46 
plükü  aslav,  39—41 
jioixiXog   HO 
TTwAoff  200 
jroAvff  200.  203.  242 
pomoerium  lat,   231 
porca  lat,   207 
porras  finn.  205 
portus  lat.   123 
postridie  lat.    247 
:7rov}'}'os'  mgriech.  46 
poznanü  aslav.    175 
jiQa.f.iog  258 


pratardm  ind.   245 
prdthas  ind.  205 
pravida  aslav.  225 
prent-  ind.  177 
UgeTtavoi  gall.   129 
primus  lat.   258 
priyd-  ind.  75 
jr^cot  50.   109 
promom  umbr.  258 
TiQoixog   258 
Pfsämi  avest.   156 
PfStha  ind,  80 
prthivi'  ind.  56,   114 
prthü-  ind.  50.  205 
prusiskdi  lit.  227 
TCTsXsa  80 
itxsQig  80 
TiTSQva  80.   108 
Jtxiodvt]  80 
pürnd-  ind.  77.  82 
^wr?^  ind.  216 
pürva-  ind.  82 
pürv^dyi'is  ind.  105.  247 
pürvyd-  ind.  125 

Q 

quartus  lat,   252 
quater  lat.   261 
quattuor  lat.  64 
<7K<f  lat.  97 
quisque  lat.  215 

R. 

Raetia  lat.  124 
r4;n?  ind.  222 
rdudmi  lit.  16 1 
recana-  ind.  178 
rikha-  ind.  49 
r^mus  lat.  116 
rengas    finn.     130.    132. 

192 
rethini  altir.   55 
r^;>?  lat.   3 
Qaißog   HO 
^v/m   199.  204 
rt'/«  altir.   108 
Rlpuarii  lat,   227 


28o 


Index. 


rübire  lat.   183 
rün  altir.   109 

s. 

sädäyänii  ind.   18 1 
sdhas  ind.  206.  258 
sahdsra-  ind.  258 
ja/&r/  ind.  250 
sallo  lat.  5.   107 
sapio  lat.    178 
>r^//a  ind.  255 
saptätha  ind.  259 
ja/a  finn.  46 
satyä-  ind.   117 
schis  altpreuss.  213 
segnis  lat.   177 
semel  lat.  250,  260 
semen  lat.  3.   204 
orjfisQov  247 
^gw/-  lat.  3.  249 
semper  lat.  2 50 
sescenti  lat.  255 
j^JÄ  lit.  206 
j«?7/(f  altir.  239 
sexaginta  lat.  255 
sextus  lat.  259 
^i  aslav.  213 
Sicilia  lat.  2p 
jf^ö  lat.  164 
simplus  lat.  250 
oxäJioi  59.   159 
j/az'ö  aslav.  227 
sleme  aslav.  204 
snaezaiti  awest.   156 
snegü  russ.  65 
snochä  russ.  86 
snusä  ind.   56.  58 
socius  lat.  115 
JÖ/  lat.  204 
j-^Ä^  ind.  80 
sponti-  lat.   54.   107 
sraoma  a.vest.  204 
azeysiv  59 

steison  altpreuss.  208 
OTSQSouai  70 
stesmu  altpreuss.  2o8 
sthäman  ind.  204 


str^.nuus  lat.   76.  81 
süar  ind.   204 
jwiTMj  lat.   HO 
südor  lat.   iio 
jMirf^  altir.   113 
sulcus  lat.  207 
süplj'q  aslav.   159 
JW/ö  slav,  46 
jz/a  ind.  217 
svekröv  russ.  86 
svekrü  aslav.  62 
öFcos  218 

T. 

/ö5Ca  aslav.  69 
tarn  ind.   133 
/aw  lat.  247 
tanhu  finn.  69 
taväs  ind.  257 
T£  97 

tichü  aslav.  208 
i&gula  lat.   124 
zExvov   174.   175.  210 
/<?/;ö  finn.   129 
ifewzf  aslav.  211 
tempus  lat.  69.  206 
tenuis  lat.  76.  203 
/<fr  lat.   261 
teter-vas  lit.  38 
d^evaQ  204 
^eQjuog    123 
d^vydzrjQ  49.   54.   55 
2?za-  altpers.  21 1 
ting{u)ere  lat.  50.  63 
roioöeoot  213 
tondre  lat.  50 
torvus  lat.   82 
TQirjQYjg  123 
^«aw  Äa  ind.  217 
tudami  ind.   156.   187 
/«;«  lat.  211.  247 
^M«^ö  lat.   59 
turdus  lat.  59 
tusimta  preuss.  257 
TV71TCO   159 
tysesta  aslav.  230.  257 


u. 

uy^saimi  avest.   156.    158 
üdhan  ind.  205 
uHdn-  ind.  54.  58 
Ä«a-  ind.   175 
unguen  lat.  63.  205 
upaparcana-  ind.  178 
updri  ind.   135 
Mr  armen,  248 
ürmi-  ind.   112 
Uschis  altpreuss.   252 
useregü   aslav.    39—41. 
229.  230 

V. 

x;(i<fö  lat.   156 
z;a<?  lat.  70 
vägtre  lat.  64 
z'a/ifö  lat.    160,   169 
vdnchä  ind.  2 
z^aj  lat.  5.  226 
vasar  ind.  204 
z/^to  ind.   198 
vätes  lat.  7 
vaydm  ind.  217.  218 
z^ewaj-  lit.  250 
venas  lekas  lit.  260 
Veneti  lat.-kelt.-germ, 

52.  129 
ventus  lat.   120 
venüHka  lit.  253 
z/gr  lat.   164 
vertumnus  lat.   190 
Z'<?rM  lat.  203 
verus   lat.   116.   164 
z/^j-^a  lat.   123 
vtras  ind.   199 
vispa  avest.  209 
Visurtx  kelt.  8 
vlada  aslav.    160 
z'/m«  aslav.   210 
vlüna  aslav.   199 
Volcae   lat.-gall.  51.  52. 

128 
Vosegus  lat.-gall.  59. 

128 


Index. 


28l 


vragü  aslav.  41 
vrazida  aslav.  40.  41. 

223.  225 
vreteno  aslav.   68 
vrki-  ind.  56.  57.  84 
vrüiogradü  aslav,   200. 

229 
vrütü  aslav.  40 
vyath  ind.  49 


w. 

witwa  poln.  (europ.)  3. 
152 

Y. 

yas   ind.  214 
yatra  ind.  248 
yavlyams-   ind.  242 


viÄfxsg  218 
yrä  lit.   163 
yuvafd-  ind.  73.  87 


z. 

zelvas  lit.  227 
zena  russ.  86 
züloba  aslav.   246 


III.   Sachverzeichnis. 


A. 


ä  (germ.)  32.  39.  63.  69.  92 f.  107. 
113.  115—117.  123.  126.  134.137. 
147.  153-  165. 

—  (idg.)  63.   106.  107. 

ä  (germ.)  33.  39.  68.   124.   128. 

—  (idg.)  33.  63.   108  f.   112  f.   116. 

—  (nordwestgerm.)  33.  109.  123.  126. 
140. 

Ablativ  195. 

Ablaut  111— 120. 154. 160.  163  —  169. 

172.     181  — 183.     198  —  200.     209. 

211.  214.  230.  242.     Vgl.   Suffix- 

ahlaut. 
Abstrakta  84.   117.     138.    145.    172. 

174.  221—227.  260. 
Abstufung   163.   172. 
Ackerbau  3.   41.  46.   256, 
Additionskomposita   104.  232. 
Adj'ektiva  10$.   172.   174,   I76f.   181. 
^183.    198.    200.    203  f.    221  —  223. 

227.  229.231.233.236.240—246. 
j"  Vgl.  Verbaladjektiv a. 
Adjektivdeklination  209  f.  251  f. 
Adverbia  lOO.   104.   106.   144  f.  211. 

213.    215  f.  237  f.    241  f.  244.    246 

bis  250.  260  f. 
Affrikata    149. 
•aga  Suffix  223. 
ai  (germ.)  25.  34.  39.  HO.   146. 

—  (idg.)   109  f. 


Akkusativ  Pluralis   196  f. 

—  Singularis  28  f.  40.  44.  129.  134. 
137.  178.  193.  202.  207.  209 
bis  211.  247. 

Akzent,  germanischer  8.  23.  33  f.  57. 
83.  86-106.  182.  227. 

—  indog.  56.  75.  77  f.  83-86,  160 
169.  179 — 181.  198.  220.  242, 

Alefnannisch  71.   149.   184. 
Allitteration  34.   82.  86.  92 — 106. 
Altfranzösisch  225. 
Altfriesisch  64.  67  f.    126.   175.   196. 
Althochdeutsch   67.  71.  82.  85.  9of. 

102.   105.    121  f.     i26f.    131.    145. 

153-   155.   176.  186.  190.  192.  210. 

249. 
Altnordisch  60 f.  68  f.  82  f.  96.    103. 

121  — 123.    I26f.    140-145.     151. 

177.   184.  260. 
Altsächsisch  61.  69.    122.   127. 
Altschwedisch   1 9 1 . 
Altslavisch  195.  225.  237.  246.    Vgl. 

S lavisch. 
Analogie  57.  81.    114.   243. 
ana-  Präfix  234. 
Anastrophe  98  —  lOO. 
anda-  Präfix  89  f.  234. 
Angelsächsisch  19.  22.  60 f.  67—69. 

72f.    82.    85.    Sgf.   99.   121 — 127. 

145.    148  f.     152.    165.    167.    170. 

175  f.   184  f.   190  f.    196.  201.  206. 

215.  226.  254. 


282 


Index. 


Angleichung  141. 

Anlantswechsel  57  —  59. 

Anomalie  197.   2431. 

Aorist  154.  167— 171.  173.  185.  187. 

Aoristpräsentia   156.    187, 

Apokope    89.    92.     125.     132.     134 f. 

137  f.    143-146.    185.     189.    194. 

203. 
ä'  Präfix  233. 
Arisch  2.  3.   164.   258. 
Arisch- germanische  Berührungen  2. 
-ärium,   -drius    Suffix   24.    29 f.  40. 

225. 
Armenisch  2 16.   248. 
Artikel  98.    103.  211,  214.   251. 
Artikulation   106. 
Aspiraten,    harte     27.    48.    40.   53  f. 

56.  61.  78.  80.   187. 

—  weiche    48.    49,    51.  53.    58—60. 
65.  78. 

Aspirierung  51. 

Assimilation  60.  64.  66.  68.  78.  197. 

ä- Stämme  siehe  0- Stämme. 

d- Stämme  17.  28.  40.  43  f.    192,   194 

bis    196.  201. 
Atona  83.  97—106.  210.  2 17  f. 
au  (germ.)    24.    39.    iio.    123.   125. 

146. 

—  (indog.)    109  f. 
Augment  88.   167  f.   173. 
Ausgleichung  155.  216. 
Auslautsgesetze   19.    27  —  29.    34.   42 

bis  44.  82.   92f.   121.129—148. 

150—152.    193  f,   206.  220. 
Avestisch   164.   258, 
Avyayibhdva  98.   lOO.  232.  247. 


B. 


80. 


b  (germ.)  32.  48 f.  6] 

B  31.  48  f.  61. 

Bahuvrthi  231  f. 

-ha  Suffix  246. 

Baukunst   12.    15. 

Bäume  siehe  Pfianzemiatnen. 

bayerisch  220. 

Beowulf  29.  95 — 106.  254. 

Bezzenberger  87. 


bh-Kasus  246, 

bilabial  48.  71. 

bi- Präfix  91.  96.  235. 

Bopp  83. 

Braune  58.  75.   131. 

Brechung    48.    67.     110.    121—123. 

125  —  127.    130. 
Bruchzahlen  24g  i. 
Brugmann   i.  37.   iio.    114. 
Bugges  Gesetz  74.  242.  253. 

c. 

centum- sprachen   2.  4,  38. 

ch  siehe  Ä. 

Christentum   18.   36  f. 

Chronologie  18.  21.  25.  51  f.  127-130. 

136.  139.  142-145.   148.  I50f.  202. 

210.  259. 
ColHtz   169. 

D. 

d  (germ.)    32.  48  f.   61.   73.  76. 

ä  31.  48f.  61.  77. 

Dativ  Fluralis  2iS-  37«  7^.  93-   119. 

195.  197. 
—   Singularis   179.  194  f.    2o8.  210. 

254. 
Defektiva  203. 
Dehnstufe   I15. 
Dehnung  20  fF,    193;  vgl.  Ersatzdeh- 

7iung. 
deiktisch  98.   135.  212  f.    218. 
Deklination    17 f.    27—29,    34 f.    37. 

39.  43—45.    72.    94f.     ii7f.    123. 

191-222.  249, 
Deklinations  Schwankung     74,     203. 

205.  207. 
Demonstrativa   I02f.   211  —  214. 
Dentale  48.  78.  125.  134.  168  f.  207. 

223. 
Dezimalsystem  255. 
Diminutiva  11},.   226. 
Diphthonge  109f.    II2,    123.    173. 
Diphthongierung   I09.    127. 
Dissimilation  68.  70.  213.  221. 
-f/öm  Suffix  95.  227. 
Doppelakzent  104. 


Index. 


283 


Doppelformen  57.  68.  149— 15 1.  165. 

169. 
Dreisilbengesetz  8.  83. 
Dual  168.  187.   189.    191.  216.  219f. 

250  f.  254. 
Duodezimalsystem  255.  257. 
Durativa   182. 
Dvandva   104.  232.   254. 


e  (germ.)  25.  108.  115.  119.  123. 126. 
I34f.   147.   165. 

—  (indog.)  2f.  34.  63.  loi.  106.  108. 
113.   119 — 121.   129.   136. 

e  (germ.)  33.  109 f,  123f.    126.  137. 
140.  186.  216—218.  220. 

—  (indog.)  2f.  23.  25.  33.  63.  108  f. 
116. 

Edda  29.   I02.   124. 

ei  (indog.)  109  f.   113  — 115.  126.129. 

Eigennamen     8 — 10.     31—35.     125. 

133..  144.    200.    202.    228.     Vgl. 

Ge  schlecht  sna7tien. 
Englisch   71.    lOl.    104.   256. 
Enklitika  83.  87f.  97—106.  120.  132. 

135-   163.   194.  208.  212.  215.  217 

bis  219. 
Epenthese   123. 
Epinaler  Glossen   175.   201. 
Ersatzdehnung    69.    115  f.    124.    141. 

193. 
Erweiterung   168.    175.  207.   247. 
es-Stäm?ne    44.    118.     166.    192.  204 

bis  206.   221.  229 f. 
<"«  34.   39.  I09f.   113  — 115.  125.  166. 
Europäischer   Wortschatz  3.   250. 
Extremvokale   126  f. 


/  (germ.)    31.    39.    48.  50.  54  f.  66. 

77.  80.   119. 
Faktitiva  57.  84.   162.  181  f. 
Farben   13.   227. 
Fauna  siehe   Tiernamen. 
Feminina  192  f.   203.  208,  221.  256. 
Fick  3. 


Finnische  Worte^  aus  dem  Germani- 
schen entlehnt  19.  42  —  45.  65.  69. 
Fische  siehe    Tiernamen. 
Flora  siehe  Pflanzennamen. 
Flußna?nen  31  ff.    121.   129.  221. 
Formübertragung  189. 
Frageworte  97,  vgl.  Interrogativa. 
Franz  18. 

fra-  Präfix  91.   236. 
Fugenvokale  200 — 202. 
Futurum   154.    191. 

Q. 

g  49.  51. 

y  (germ.)  31.  48  f.  51.  61.  65.  67. 
74  f.  80.   138. 

ga-  Präfix  8.  57.  91.  96.   176.  237 f. 

Gartenbau   14. 

Gefässnamen   II.    15.  30.  41.  46. 

Geminaten  27.  63.  67.  75-79.  149. 
162.  228.  v^. Konsonantendehnung. 

Genetiv  Pluralis  197.  208.  216. 

—  Singularis  84.  II7.  119.  194. 
229. 

Genusdifferenzen  2%.  204  f. 

Gerundium   139.    179. 

Geschlechtsnamen  32.  34.   223. 

Glück,  Ch.    TV.  9. 

Goten   19.  21.  35—37.  40.    130. 

Gotisch  43.  60 f.  67.  75  f.  82.  87.  89. 
91.  94.  97.  123.  I26f.  129.  132. 
136.    153.    168.    183.   189.   225. 

Götter  ZI,  34f.  58.  75.  123.  130. 
133.   144.   148.   197.  201. 

Grammatischer  Wechsel  56 — 58.  69. 
75.  78.  99.  115.  I54f.  163.  180 
bis   182.  215. 

Grassmann   53. 

Griechisch  49.  52  f.  63.  79.  83.  91. 
97—100.  105.  162.  164.  203.  210. 
241.  256. 

Griechischer  Einfluss  auf  die  Ger- 
manen 35 — 37. 

Griechisch-germanische  Berüh- 
rungen 8. 

Grimmeis  hausen  91. 

GrÖger  201.  . 


284 


Index. 


Grosshundert  255!. 
Gutturale   2b.    31  f.  48.  61—67.   78. 
125.  223. 

H. 

h  17,  26.  3of.  39.  48,   50.    54f.  65 

bis  69.  71.  77.  80.   I24f.  257. 
-haidus  Suffix  138.    227. 
halbschwache    Verba   158.   169. 
Halbvokale  48.   70—75.   148— 153. 
Handel  und  Verkehr  il.  15.  41.256. 
Handwerk  und  Kunst  d,   13.   15.  41  f. 
Hauch  dissimilier  ung-  53. 
Häuserbau   15. 
Heimat  der  Germanen  5 1  f. 
Heldensage  202.   221. 
Heiland  95  — 106.  229.  249. 
Hildebrandslied  196.   210.   249. 
Hilfsverba   106.   190  f. 
Hochstufe  114 -116.   181.    183. 
Holtzmann  56.   58,   75. 
Ho  ups  14. 

I. 

l  (germ.)  23.  25.  34.  92  f.  107.  1 19  bis 
121.   123.   125.   130.  135.  144.  147. 

—  (indog.)  63.   106 f.   114.   121  f. 

t  (germ.)   25.     108.    110.    115.    124. 
127.   137.   142.   188. 

—  (indog.)  63.  108.   115. 
-ila  Suffix  224 — 226, 
Imperativ  87.    160.   185.    188.    189. 
-%n{a)  Suffix  30.  224.  226. 
Inchoativa  183. 

In  de  finita   215. 

Indeklinabilia  la^^),  255. 

Indikativ   185, 

Indisch    49.     5 2  f.    79.   83.    88— 91. 

97f.  100.  I04f.  HO.  157.  164.  179. 

189.    198.    2o8f.    211.    215.   220. 

243-  254. 
Indisch  -germanische    Berührungen 

2.   8. 
Indogermanische    Grundsprache    i . 

51.  53.   59-  62—64.   79.   108.  iio. 

112.   154.   170.  179.   184.  191.  209. 
Infinitiv   106.    178  f. 


Infix   157. 

-inga  Suffix  223.  225  f.  246. 

•inklin{a)  Suffix  30.   226. 

Instrumental  195.   212.  214. 

Intensiva   183  f. 

Interjektion  98. 

Interrogativa  li^. 

Irisch  87.   164.  255. 

-isko  Suffix  yj.  22^. 

isolierte  Formen  91.    134.    147,    174. 

242.  248.   251. 
i-Stämme    29.    34.    40.  44.  74,    117. 

146.   150.    177.  181.  192.  194.  196. 

203  f.  220f.  249. 
Italisch  52.   167. 
iu  (germ.)   125.   173. 


y  48.  70,  72—75.  120.  125.  138.  148 

bis  150.  208. 
-jä-Stämme   45.    II 7.   192,   207.  221. 
-jo-Stämme  44.  150—152.    158,  169. 

i72f.  181.  202.  204.  224.  231.  257. 
Juxtaposition   I04f. 

K. 

k  (germ.)    39!.    48.  50f.  62.  67.  78. 

223. 
Kardinalzahlen   103 f.  249—258. 
Karmadhäraya  232. 
KasussuffixeS4.1dl— 197.217— 219. 
Kausativa   84.    170.   179.   18 1  f. 
Keltisch  52.  62  f.  78.  86—88.   167. 
Keliisch-germajiische  Berührungen 

6—9.  46.   5lf.    129. 
Kern   131. 
Kögel  180. 

Kollektiva  216.   226.  237. 
Komparativ    144  f.  241—245.   247. 

258. 
Komposita    84  f.  88—96.     loo.   104  f. 

151.  176,  214.  225.  227—241.  247. 

249.  251  f.  254. 
Kompositions  fuge    32.    35.  66,    152. 

200-202. 
Konjugation   1 5 4  —  1 9 1 . 
Konju7tktionen  97.    lOi.    135« 


Index. 


285 


Konju  n  ktiv  1 8  8 . 

Konsonantendehnung    (westgermani- 
sche) 17.  27.  -jz.  76.  82.  148-153. 

202. 
Konsonantenkürzung  79.  97.    loi. 

224. 
Konsonantenverbindungen    31.     48. 

50.  54f.  58  —  60.    64.  66  —  69.  73- 

79-81.  112.  141  f. 
Konsonantische     Stämme    35.     133. 

I44f.     172 f.    193  — 199.  202 f,  204 

bis  207.  254. 
Konsonantismus^  germanischer    30 

bis  32.  39.  48—82. 

—  indogermanischer  48, 

—  (vulgär)lateinischer  26  f.  66.  71. 
Kontinuitätstheorie  4.  9. 
Kontraktion  73.  106.  185.   187  f.  196. 

244. 
Körperteile  50.   191.  204. 
Koseformen  223.   228. 
Kriegswesen  6.   1 2  f ,  4 1  f . 
Küche  14. 

Kurzformen   10.    17.  228. 
Kürzung  152.  siehe    Verkürzung, 


l  (germ.)  3.  27.  48.  60  f.  68—71.  77. 
122.   149. 

Labiale  48.  62.  64.  67.  70.  78.  122. 
125.  223. 

Labialis ierung   62 — 64.    107.   109. 
128. 

Labiovelare  62.  64  f. 

Lachmann  86,   91  f,  96. 

Landwirtschaft  siehe  Ackerbau. 

Langdiphthonge   109     156. 

Lateinisch  63.  78.  83.  86—88.  100. 
162.  164.  167.  171,  178.  209  f.  222. 
245. 

Lateinisch-germanische  Beeinflus- 
sungen 9 — 37. 

Lateinisch-germanische    Verwandt- 
schaft 4  f.  8.   30.  38.   182.  231. 

Lautlehre  23 ff.  48—82.   106 — 153. 

Lautsubsiitution  31  f.  39.  51  f.  65  f. 
128  —  130. 


Lautverschiebung^    germanische  30 

bis  32.  37.  45 f.    49—55.    64.  86. 
98.  127. 

—  hochdeutsche  18.  26.  36.  67.  82. 

137.    145- 

—  vorgermanische   51.   53. 
Leffler  120. 
Lehnpräfix  235, 
Lehnsufßxe  29 f.  40.   225. 
Lehnworte,  germanische    im    Finni- 
schen 42—45.  65.  128.  132. 

—  im   Keltischen  52.    128, 

—  im  Lateinischen   12  f. 

—  im  Romanischen  10,  I2f.  16—18. 
43.  66.  83.  223.  229. 

—  im  Slavischen  36.  38—43.  257. 
Lehnworte  im  Germanischen,  dunkle 

32.  45—47-  51- 

—  griechische  36  f.  46.  51, 

—  keltische  6  f.  9.   19.   52.   129. 

—  lateinische  10—37.  40.  46.  51.  71. 
86.   124.   130,   132.    141.   148.  225. 

Leskien   4.  37. 

Lettisch  37.    62.  86. 

level  stress    104.  ' 

Lex  Salica  22.   131.   133.    I43f.   148. 
192.  205.  253.  256f. 

-Itc  Suffix  95.  228. 

Liquidae  48.69f.  108.  iio.  112.  114 f. 
122.   127.   148  f.  224. 

Litauisch   155.  209.  255.  260. 

Litauisch-germanische  Berüh- 
rungen 38. 

Litotes  240. 

Lokativ  194  f.  258. 

/  Sonans  /^2>.  82.  111.  114.  152 f.  165. 

Luther  96.    150. 


M. 

m  (germ.)   48.  60.  67  f.   76.  80.    lOl. 
119.   122.  133.  141.  153.  i92f.  223. 
AI  ah  low  7  2  f. 

Malberger  Glossen  siehe  Lex  Salica. 
Maskulina   193. 

Mass  und  Gewicht  ii.  15.  254 — 256. 
Matronennamen  226. 


286 


Index. 


Mediae    siehe    Verschlusslaute    und 

Aspiratae. 
medial  182.   189. 
Mediopassiv  189. 
Metathese  81  f. 
Miklosich  39. 

Militär  siehe  Kriegswesen. 
Misch  b  ildu  ngen  4  5  f.    162. 
Mischdeklination  74.   206.    vgl.    Z)<f- 

klinationsschuankungen. 
Mittelstuf e  11^— 116.  154 — 158.  167. 

205. 
Mittelvokale  22,   24,  35.  44.  92  —  94. 

117—120.  130.  140.  147.  153.  170. 

179.   192.   197.    199,  222.  245. 
-mi-Verba   139.    155.  160—163.    17 1. 

173.   185  —  189. 
Modusbildung   188  f. 
Möller   128, 

movieren   221.   225.   258. 
m  Sonans  Ulf.   il4f.    153.   193. 
Multiflikativa    104.   260  f. 
Münzen   II.  21.   41. 

N. 
n  (germ.)  48.  60.  67—69.  76  —  78.  81. 

94.   122.   134.  141.  149.  i56f.  161. 
Nasale  48.  53.  61.  67-69.  108.  iio. 

112.  114.  ii9f.  126,  129.148—150. 

167. 
Nasalierung    26.  39.  68  f.   124.  134. 

136.   220. 
Nebensatz  87.    105. 
Nebenton  91 — 96.    147. 
Negation  97,    iii.    120.   215,   240, 
Neubildungen   170.  213,   258.  260. 
Neutrum.  192  f.   203  —  206.    2o8.    210. 

247-  255. 
ng  hj)  48. 

Niederländisch  21,    157. 
Nomina  agentis  221.    224  f.   234, 
Nominalpräfixe   233  —  240. 
Nominativ  Pluralis  84.  93.  II9. 195  f. 

208.   210. 
—   Singularis   27-  29.    43 — 45.    57. 

72  f.  84.  93.  137.  143  f.  191-193. 

205—207. 


Nordgermanisch  38.  43.    139 — 142. 

Noreen   124. 

•no  Suffix   175  f. 

Notker  81.  89 — 105. 

n  Sonans    33.    48.    111.    114 f.    152 f. 

196. 
n-Stämme   18.  40.  II7.  129.  150.  172. 

193  f-     197  —  199.    203—207.    221. 

231.   241. 
Nullstufe  153.    163, 

o. 

Ö  (germ.)  25.  33.  107.  122 f.  127.  134. 
140.   143.   147. 

—  (indog.)  32,  34.44.63.  106f,  HO. 
112  f.   115.  119.  128  f. 

ö  (germ.)  39.  63.  69.  93.    109.   127. 
133.  136  f.  142  f.   145  f.  185. 

—  (indog.)   63.   109 f.   116. 
oi  (indog.)    109  f. 
onomatopoietisch   77. 

6- Präfix  238. 

Optativ   117.  139.  160.  163,  171.  185. 

188.   190. 
Ordinalzahlen    249,   253.   258 — 260. 
Orrm  63.   106. 
Ortsnamen  9.  226. 
'OS'Sttämme  siehe  -es-Stä7nme. 
0-Stämme  28f.  34.  40.  43  f.  II7.  192. 

195  f.   203.  206.  210.   220. 
Ö-Stämvie  siehe   ä-Stämme. 
Ostgermanisch  43.  75.    136.  138   bis 

140.  153.  206. 
Osthoff  59.    156.    162. 
-6-Suffix  246. 
Otfrid  85.   89—106.  219. 
ou  (indog  )   HO. 


p  (germ.)  45—48-  50 f-  78. 
Palatale  2.  62. 
Palatalisierung  26,  40.  67. 
Partikeln  97 f.    135.   188.   2l4f.  217, 

vgl.  Verbalpartikeln. 
Partizipia    Perfekti  90  f.    I14f.    122. 

169-176.  183.  191. 


Index. 


287 


Partizipia  Präsentis  73.  90.  94.  117. 

171-173.  190.  210. 
Passiv  \n  —  '^ll'   184.  189—191. 
Patronymika  223.  226. 
Paul  51.  55.  58.   117. 
Peisker  39. 

periphrastisch  siehe  umschreibend. 
Perfekium  154.  163-168.  170.   178. 

i87f.   I90f. 
Personalendungen  84.  I19.  139.  156. 

160.   163.   168  f.  184-188. 
Personalpronotnina     lOlf.    122.    124. 

187.  214.  217-219. 
Personennatnen  siehe  Eigennamen. 
Personifikation    130. 
Pflanzennamen   14.  28.  41.   43.  45  f. 

226.   239. 
Phonetik  58. 
Plural  165.    168  f.  205. 
Pluraletanturn  2 50. 
Poesie,  altgermanische  34, 
Pogatscher  18. 
Position  91. 
Positiv  242 — 244. 

Possessiva   103.  216 — 2 18.  224.  227. 
Postposition   102  f. 
Präfixe    59.    87.  89-92.    147.    176 f. 

182.  233-240. 
Präpositionaladverbia   106,  248  f. 
Präpositionen    98 — 101.     135.     249. 

258. 
Präsens   154— 163.    167.   170  f.   178  f. 

181.   185.   188.   190. 
Präteritum^  schwaches  146  f.  168  bis 

172.   174. 
Präteritopräsentia   1 6 1 .  1 63 .  1 70  bis 

172.   174.    188. 
Preussisch  38.  257. 
Primitiva   179.    181  f.   230. 
Privativa  233,   235.  239. 
Proklitika  97  —  106.   134. 
Pronomina  98.  lOl— 103.  211 — 220. 

238.  244.  247  f.   258. 
Pronominaladjektiva  209.   214 — 216. 

250. 
Pronominaldeklination   192,    194. 

208-210. 


0. 

Qualität  (von  Vokalen)   125  —  127. 
Quantität    20  —  25.    112.    vgl.    Deh- 
nun  g  ^Ersatzdehnung  ^  Verkürzung. 

R. 

r  (germ.)  48.  60.  70f.  73.  76.  80  bis 
82.  HO,  119.  121.  i24f.  136.  141. 
144.  149.  166.  185. 

R  60.  122.  141.  144. 

Rechtssprache  6  f.  239.  256.  vgl.  Sitt- 
liche Begriffe. 

Reduktion   iii  — 113.    I17.   157. 

Reduplikation  86.  88.  108.  159  bis 
161.  163-167.  169.  171  f.  228. 

Reduplizierende   Verba   124.  166. 

Refiexivum    217. 

Reibelaute  (germ.),  harte  30.  39. 
48-53.  55-61.  77  f.  84.  155.  158. 
198. 

—  weiche  31  f.  39.  49—52.  55 — 61. 
84.   156. 

Reichenauer   Glosseti   17.   148. 

Reim  82  f.    loof. 

Reitkunst  6.   13. 

Relativa   98.  214. 

Religiöse  Begriffe  42.  47.  vgl.  Chri- 
stentum^ Götter^  Matronennamen., 
Sittliche  Begriffe. 

rhäiisch  46. 

Rhotazismus   14 1.  242. 

Rhythmus  82  f.  91.  93.  95. 

-r%x  in  Eigennamen  35.    144. 

Romanisch  66.  71.    19 1. 

Romanische  Worte.,  aus  dem  Germa- 
nischen entlehnt  10.  12.  16.  66. 
71.  83.  223.  229. 

Römer  siehe  Lateinisch. 

r  Sonans  (r)  33.  48.  81.  111.  Ii4f. 
122.   129.   153.   174. 

r-Stämme   II 7.   193  f.   I97.   206. 

Rückumlaut  229.  246. 

R- Um  laut  60. 

Runen  61.  66.  74.   139.   141. 

Runisch  43  f.  68.  125.  131  f.  134. 
144.   192.  212. 


288 


Index. 


s  (germ.)  26.    32.   37.   39.   48.   58  f. 
66  f.  80.   121.   136.   185  f.    194. 

Sachs,  Hans  loi. 

satem-Sprachen  62. 

Satzakzent  82  f.  96—100.   232. 

Scherer  58.  88.    123.    131. 

Schiffahrt  II. 

Schlesisch   125. 

Schmidt,  Joh.  2.  4.  Q.  37.   iii.  123. 

Schwäbisch   251. 

schwache    Verba    74.     158  f.      16 1  f. 
168—170.  174  f.  178—184.  223  f.; 

Schwedisch  68.   124.  252. 

Schweizerisch  67.   149. 

SchwundsiufeWM.  Il8.i73.206.250. 

Setälä  43  f.   69. 

Sexagesimalsy Stern  255. 

Sievers''  Gesetz  65. 

sigmatisch   154.    168. 

Ä7d^  82  f.    152  f. 

Silbentausch  213. 

Singular   168.    187.   217  f. 

Singularetantum   250.   254. 

sittliche  Begriffe  224. 

J/^  50.  54.  58  f.  79  f.   112. 

Skythen  45. 

Slavisch  62.  86.   136.  155.  167;  vgl. 
Altslawisch. 

Slavische  Worte,    entlehnt   aus    dem 
Germanischen   36.  38 — 42.  257. 

Slavisch-germanische    Verwandt- 
schaft 2 — 4.  37  f. 

Soldaten  9  ff.,  vgl.  Kriegswesen. 

sp  50.  54.  58.  80. 

spanisches  Latein  22. 

Spiranten  siehe  Reibelaute. 

Spiritus  asper  31.  65  f. 

Sprachmischung  45  f. 

^^  55.  58  f.  77—79.   121. 

•S"^   50.    54.    58  f.    78.    80.    1X2.    243. 

Staat  siehe  Kriegswesen. 
Stammbaumtheorie  4.  138. 
Stammbildung,  nominale   57.   179. 

198 — 208.  229  —  232. 
—  verbale  56.   179  ff. 


starkeVerba  84.  105  f.  113. 155—179. 

181.  223  f. 
Steigerung  237.  239—247. 
Stoffadjektive  224.  226. 
Substantivierung  172 — 175. 190.  203. 

210.  243.  245.  258. 
Subtraktionsbenennung  254. 
Suffixablaut  34.  63.  117—120.    153. 

169.   173.  222. 
Suffixe    57.    84.    88.  94  f.   104.    138. 

173.  175.  191—197.  215.  220—228. 

231.    241 — 248.  259  f.;    vg\.  Lehn- 
suffixe. 
Superlativ  241.  243—247.  258 — 260. 
Synkope  22.  24.  92  f.    114.  117.  132. 

138.     141.    143.    146—148.     151. 

179  f.    183.    186.    194,    196  f.    199. 

242  f. 
Synonyma  46.   161.  203. 
Syntax  87.  96 — 106.   251, 
Systemzwang  79.    114.   247. 


t  (germ.)  48.  50.  55.  78.   134. 

Tatpurusa  232. 

Tenues    siehe    Verschluss  laute    und 

Aspiratae. 
P  31.   39-   48.    50.    55-   61.   68.   79. 

141  f. 
Themavokal  155.  160,  179.  190.  194. 
Thomsen,  W.  42  f.  66. 
Thurneysen   8.  86  f. 
Tief  stufe  II 3  — II 7. 
Tiernamen  12— 14.  30.  41  f.  121.  223, 

226.  228. 
Timbre  48.  67.   141. 
ti-Suffix  84.  223.   260. 
Tonerhöhung  60.  (y-J .  120.   126. 
tO'Suffix  84.   173  f.   222. 

U. 
ü  (germ.)  23.  25.  64  f.  72.  92  f.  107  f. 
Ulf.    118— 123.    125.    144  f.   147. 

—  (indog.)  63.  71.  106  f.    114.    122. 
M  (germ.)  25.  39.  72.  109.   124.  127. 

137.   142. 

—  (indog.)  63.   108  f. 


Index. 


289 


Ulfilas   18  f.  36. 

Umlaut    48.    60.    67.   107.   109.   121. 

125.    129.     137.    141.     175-    194  f. 

201.  206.   242.  253. 
Umschreibungen  igof.  261. 
-ung  Suffix  145.  223.  226. 
un-  Präfix  91  f.   240. 
u-Stämme  28  f.  35.  40.  44.  I17.  131. 

192.    194.    196  f.    202—204.    207. 

220.  229.  246. 
uz-  Präfix  85.  90.   239. 

V. 

-varii  Suffix  88.   221.  227. 

Velare  62—64.    128. 

Verbaladjektive  89  f.   172—177.  234. 

Verbalendungen  siehe  Personal- 
endungen. 

Verbalpartikeln(-präfixe)  8.  85.  87. 
89-92.  148.  176.  233  ff. 

Verkürzung  20.  22 — 24.  97.  112.  137. 
140.  142.  146.  162.  165.  201. 
248  f.  255;  vgl.  Konsonantenkiir- 
zung. 

Verners  Gesetz  32.  50—52.  55—58. 

Verschärfung^  ostgermanische  75. 
138. 

Verschluss  laute    (germ.),    harte     32. 

48.   50  f.  53.  59.  78  f. 

—  weiche  49.  56. 

Verwandtschaftsnamen  206  f.  228. 
232.  237. 

Viehzucht  siehe  Ackerbau  und  Tier- 
namen. 

Vögel  siehe   Tiernamen. 

Vokalisierung  65.   74.    124  f.   152. 

VokalismuSj  germanischer  32 — 34. 
92.   107  —  130. 


Vokalismus  ^    indogermanischer     63. 
106.    108. 

—  (vulgär)lateinischer   20 — 25.    121. 
127. 

Vokativ  98.   103  f.   135. 
Völkernamen  9.  31.  36.  52.  221.  227. 
Vortonigkeit  20.  22 — 24. 
vrddhi  220. 
Vulgärlatein  20 — 30. 

w. 

w  48.  62—65.  70-  77.  81  f.  123.  125. 

149.  151  f.  217. 
Wechsel  (indog.),  der  Verschlusslaute 

53. 

—  des  Anlauts  59. 
Weinbau   ii. 
Westgermanisch  19.  24.  36  f.  61.  63. 

71.  73.  82.  91—96.  loi.  103—105. 

123  f.    126  f.   131.  136-153.  166. 

176.  179.  190.  216.  227. 
Westphal  130  ff. 
Williram  94  —  106. 
Wimmer  13 1. 

Wochentage  15.  20.  22.  36.  139.  229, 
Wortbildung  57.  112.  159.  181  — 184. 

220-261. 
W Ortübersetzung  15  f.  229. 
wo-Stämme   192.  224.  227. 
Wurzeln  163.  167.    iSi.  242—244. 

z. 

2  (germ.)  26.  32.  39.  48.  58—61.  loi. 
112.   136.  141.    143  f.    166  f.   188. 

191  f.  195. 
Zahlworte     103  f.     215.     219.     232. 

249-261. 
Zimmer  53. 


PD 
1006 
K57 
1913 


Kluge,  Friedrich 

Urgermanisch,  Vorges- 
chichte der  altgermanischen 
Dialekte  3.  verb.  und  verm, 
Aufl. 


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