Offizierzivilversorgung
von
Kurt Anhalt.
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t.
Druck: "Wilh. Anhalt G. m. b. H., Ostseebad Kolberg.
Ursachen und Arten
der
Offizierzivilversorgung
Inaugural- Dissertation
zur
Erlangung der Staatswissenschaftlichen Doktorwürde
der
Hohen Staatswissenschaftlichen Fakultät
der
Eberhard Karls - Universität
Tübingen
vorgelegt von
Kurt Rnhalt
aus Kolberg a. d. Ostsee.
Kolberg a. d. Ostsee
Druck: 'Wi 1 h. Anhalt G. m. b. H.
1916
* /V <7V. X *> ,
3SS.0^2>
Qt/vv^ tc
A^Leinem Vater gewidmet.
5
. Literatur. .
1. P. Laband, Deutsches Reichsstaatsrecht VI. Auflage 1912.
2. Jhering, Der Zweck im Recht. Band I.
8. Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich.
4. Gaupp-Stein: Kommentar z. Z. P. O.
5. Bürgerliches Gesetzbuch.
6. Seidel, Bayr. Staatsrecht. B. III.
7. Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht. II.
8. Stenographische Berichte des Reichstages, II. Session 1905/06.
9. Gesetz über die Pensionierung der Offiziere vom 31. Mai 1906.
10. M. Adam, Das Militärversorgungsrecht im Heere, in der
Marine und in den Schutztruppen. 1915.
11. Die Militäranwärterfrage von M. Erzberger, Berlin 1914.
12. Vorschrift über die Ergänzung der Offiziere des Friedensstan-
des, Berlin 1905.
13. Der verabschiedete Offizier. Eine Aufsatzreihe aus dem Deut-
schen Offizierblatt, Oldenburg (ohne Jahr).
14. Zivilprozeßordnung.
15. Arndt: Staatsrecht.
16. Preuß. Gesetzes Sammlung.
17. Stier-Semlo: Verwaltungs- Archiv. 123.
18. Dr. H. Preuß: Das städtische Amtsrecht.
19. Anstellungsnachrichten für Offiziere 1913.
20. Kommunalbeamten-Gesetz 1892.
21. Zentralblatt f. d. Deutsche Reich. Jahrg. 1882.
22. Ministerialblatt 1885.
23. Reichsgesetzblatt 1871, 1874, 1893, 1906.
24. Anlage zu Nr. 433 der Drucksachen des Reichstages.
25. Handelskammerberichte 1913 und 1914.
26/27. „Handel und Gewerbe“. Zeitschrift für die zur Vertretung
von Handel und Gewerbe gesetzlich berufenen Körperschaften
XX. und XXI. Jahrgang.
28. Statistisches Jahrbuch fürs Deutsche Reich; Jahrgänge 1885,
1892, 1905 und 1912.
29. Aktenmaterial aus dem Königlich Preußischen Kriegsministerium.
30. Eine Anzahl Tagesblätter und Fachschriften.
31. Kommunale Rundschau. Zeitschrift für alle Gebiete der Selbst-
verwaltung.
32. Kommerzienrat Felix Krais: Die Verwendungsmöglichkeiten der
Kriegsbeschädigten.
Vorwort.
Obwohl jährlich viele Offiziere im besten Mannesalter
aus Heer und Marine ihren Abschied erhalten und einen
neuen Beruf ergreifen müssen, hat die Frage über »Ursachen
und Arten der Offizierzivilversorgung« noch keine Behandlung
erfahren. Dies muß umsomehr überraschen, als die Frage
von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist und wegen der
Anzahl der verabschiedeten Offiziere auch privatwirtschaftliches
Interesse hat. Eine Erklärung hierfür kann nur in dem
Mangel jeglichen Materials gefunden werden, der sich auch
bei der Fertigstellung unserer Abhandlung als sehr störend
erwies. Nur mit Hilfe des Herrn Kriegsministers, dem der
Verfasser ganz ergebenen Dank ausspricht, ist es gelungen,
einige Unterlagen für die Arbeit zu erhalten.
Ganz besonderen Dank spricht der Verfasser Herrn
Major van den Bergh (Ernst) in der Verwaltungs- und
Justizabteilung des Königlich Preußischen Kriegsministeriums
aus, der in zuvorkommendster Weise ihm zur Seite gestanden
hat. Auch dankt der Verfasser Herrn Professer Dr. Wygod-
zinski in Bonn, der ihm die Anregung zu dem Thema
gab und Herrn Professor von Blume in Tübingen für die
freundliche Mühewaltung und die Hinweise auf die zur
Vervollständigung erforderlichen Ergänzungen.
Die Arbeit ist unmittelbar vor Kriegsausbruch ab-
geschlossen worden. Der Verfasser ging ins Feld und hat
während des Krieges der Arbeit noch einen Anhang bei-
gegeben, der einige Anregungen über die Versorgung kriegs-
beschädigter Offiziere enthält.
Kurt Anhalt.
y
' I. Teil.
Die Ursachen der Offizierzivilversorgung.
1. Abschnitt.
Die Pensionsverhältnisse der Offiziere.
Der Anspruch der staatlichen Beamten und der Offiziere des
Landheeres und der Marine auf Diensteinkommen besteht zwar
nicht immer und mit Notwendigkeit, aber regelmäßig; denn da die
Beamten gewöhnlich ihre ganze Lebenstätigkeit, die Offiziere einen
größeren oder geringeren Teil derselben dem Staate widmen und
neben dem Staatsdienst einen anderen Erwerbsberuf weder haben
können noch dürfen, so übernimmt der Staat regelmäßig die Ver-
pflichtung, sie standesgemäß zu unterhalten. Die rechtliche Natur
dieses Gehaltes als standesgemäßer Versorgung zeigt sich darin,
daß seine Auszahlung nicht bedingt ist und durch wirkliche Leistung
der Dienste, sondern auch in Krankheitsfällen, bei kürzerem Urlaub
usw. erfolgt1), und daß es, soweit zum standesgemäßen Unterhalt
unbedingt erforderlich, der Pfändung nicht unterworfen und unüber-
tragbar ist2).
ln neuerer Zeit ist von mehreren Seiten behauptet worden,
daß die Besoldung lediglich Gegenleistung für die Dienste sei, die
dem Staate geleistet würden 3). Die Unrichtigkeit dieser Auffassung
dürfte sich schon daraus ergeben, daß die Pflicht zur Versorgung
die Dienstpflicht überdauert. Erfolgt einstweilige Versetzung in
den Ruhestand, dann erhalten Offiziere und Beamte ein Warte-
geld, bei völliger Dienstunfähigkeit eine Pension.
Auf Pension haben Beamte und Offiziere unter gewissen
Umständen einen gesetzlichen Anspruch, der für die letzteren im
*) P. Laband, Deutsches Reichsstaatsrecht, VI. Aufl. 1912 S. 108.
J he ring, Zweck i. B., 1, S. 201.
2) Zivilprozessordnung § 850 Abs. 1 Ziffer 8; Abs. 2 BGB. § 400.
— Gaupp-Stein: Komm. z. Z. P. O. Anm. II, 8 zu § 850.
3) Seydel: Bayr. Staatsrecht III. S. 415 und O. Meyer: Deut-
sches Verwaltungsrecht II. S. 46.
10
»Gesetz über die Pensionierung der Offiziere« (Offizierspensions-
Gesetz) vom 31. Mai 1906 geregelt ist. Dieser Anspruch ist
unverkürzbar, wenn der Offizier nach mindestens zehn Dienstjahren
zur Fortsetzung des aktiven Militärdienstes dauernd unfähig
geworden ist. Bei kürzerer als zehnjähriger Dienstzeit haben die
Offiziere des Friedensstandes Anspruch auf Pension nur» wenn sie
infolge einer Dienstbeschädigung zu jedem Militärdienst unfähig
werden, ln diesen Fällen wird die Pension jedoch nur solange
gewährt, wie die Dienstfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung
aufgehoben ist ').
Erreicht das jährliche Gesamteinkommen eines pensionierten
Leutnants nicht 1200 Mark» eines pensionierten Oberleutnants nicht
1800 Mark und eines pensionierten Hauptmanns nicht 2400 Mark,
dann kann im Falle besonderer Bedürftigkeit die oberste Militär-
Verwaltungsbehörde des Kontingents eine Pensionsbeihilfe bis zur
Erreichung dieser Beträge gewähren. Auch kann einem ohne
Pensionsberechtigung ausscheidenden Offizier für die Dauer und
nach dem Grade der Bedürftigkeit eine Pension bis zum Betrage
von 20/60 des zuletzt bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens
zugebilligt werden* 2). Offiziere, welche durch besondere, im § 1 1
des Offizierspensionsgesetzes aufgezählte Gründe dienstunfähig
werden, haben für die Dauer dieses Zustandes neben dem Anspruch
auf Pension Anspruch auf die sogenannte Verstümmelungszulage.
Wie bereits angeführt, haben Offiziere mit mehr als
10 Dienstjahren einen Anspruch auf Pension, wenn sie »zur Fort-
setzung des aktiven Militärdienstes« dauernd unfähig geworden sind,
ln dieser Hinsicht unterscheidet sich das Offizierspensionsgesetz
von den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen der Beamten
in Zivilstellung» und gerade diese Bestimmung ist es, aus der sich
weitgehende Folgerungen ergeben. Im juristischen Sinne ist der
Offizier ein Staatsbeamter, die von ihm verwaltete Stelle im Heere
ist im rechtlichen Sinne ein Staatsamt» die ihm obliegenden Pflichten
sind Beamtenpflichten. Das ist allgemein anerkannt3). Anderer
Meinung sind nur Arndt 4 *) und Laband 6).
0 O. P. G. § 1.
2) O. P. G. § 7. . ' \
3) Vergl. Gordan in Hirths Annalen 1908, 483 fg,
4) Arndt: Staatsrecht. S. 551.
°) Laband: Deutsches Reichsstaatsrecht. 5. Auf). 1909. 5. 358.
11
Diese Verschiedenheiten zwischen Offiziers- und Beamten-
Pensionsgesetz werden allseitig unangenehm empfunden. Für die
Finanzen der öffentlichen Körperschaften, also für das Reich,
bedeuten die aus militärischen Gründen erfolgenden Verabschie-
dungen der Offiziere eine große Belastung, während die Offiziere
in den unteren Stellen (Leutnant, Oberleutnant und Hauptmann)
in sehr vielen Fällen darauf hinweisen, daß nicht nur die ihnen
zugestandene Pension zu gering sei, sondern daß sie sich in jeder
Beziehung für fähig erachten, den militärischen Dienstleistungen
ihrer Stelle auch weiterhin gerecht zu werden. Diese verabschie-
deten Offiziere fühlen sich als »unverbraucht« und sie sind es in
erster Linie, mit denen sich die nachfolgenden Untersuchungen
beschäftigen sollen.
Aus den vorliegenden Unterlagen über die Pensionierungen
der Offiziere ergibt sich, daß bei den Regimentskommandeuren
und höheren Offizieren in letzter Zeit im frühen Lebens- und
V
Dienstalter zur Verabschiedung geschritten wird, bei den andern
Offizieren dagegen im späteren Alter. Eine Vergleichung der
Jahre 1886/87 mit dem Jahre 1903
Kontingent folgende Zahlen.
Es wurden pensioniert:
1886/87 Kommand. Generäle . . im
1903
1886/87 Divisions-Kommandeure -
1903
1886/87 Brigade - Kommandeure -
1903
1886/87 Regts. - Kommandeure -
1903
1886/87 Batl.-Kommandeure . . -
1903
1886/87 Hauptleute u. Rittmeister -
1903
1886/87 Oberleutnants u. Leutnants -
1903
zeigt z. B.
für
das
preußische
69. Lebens-
■ u.
55.
Dienstjahr
63.
-
48.
-
61.
-
47.
-
58.
-
42.
-
58.
-
43.
-
56.
-
40.
-
54.
-
37.
-
53.
-
36.
-
48.
-
32.
-
49.
-
30.
-
41.
-
24.
-
42.
-
23.
-
31.
-
12.
-
32.
-
13.
-
Während demnach im Jahre 1903 die Regiments-Kommandeure,
Hauptleute und Rittmeister, Oberleutnants und Leutnants bei der
Verabschiedung an Lebensjahren älter waren als die Inhaber der
gleichen Rangstellen in den lahren 1886/87, hat sich in allen
12
Rangstellen die Anzahl der bis zur Pensionierung zuriickgelegten
Dienstjahre beträchtlich vermindert. Die kommandierenden Gene-
räle, welche 1903 pensioniert wurden, waren an Lebensjahren 6 und
an Dienstjahren 7 jünger als die 1886/87 verabschiedeten; bei den
Divisionskommandeuren betrug der Unterschied in jenen Zeitpunkten
an Lebensjahren 3 und Dienstjahren 5. Die Angaben über Lebens-
und Dienstalter in den übrigen Rangstellen weisen im Jahre 1903
gegen 1886/87 nicht so große Unterschiede auf, es ergibt sich
sogar, daß die Verabschiedungen der Leutnants und Oberleutnants
1903 um ein Dienstjahr später erfolgte als im Jahre 1886/87.
Diese »Verjüngung« des Offizierkorps, die im Deutschen
Reiche stärker vor sich gegangen ist als in anderen Ländern,
namentlich schneller als in Frankreich und Italien, worüber wir
Angaben erhalten konnten, ist nicht nur auf militärische Gründe
zurückzuführen, sondern auch auf körperliche und geistige Ursachen
bei den betreffenden Offizieren, ln der Begründung der Vorlage
des Offizierspensionsgesetzes, die dem Reichstage am 28. November
1905 zuging, heißt es u. a.: »daß die Anforderungen, welche im
Frieden zum Zwecke der kriegsmäßigen Ausbildung des Heeres
durch Steigerung der Leistungen an die körperlichen und geistigen
Kräfte der Offiziere gestellt werden müßten, im Laufe der Jahre
erheblich gewachsen seien« x). Die natürliche Folge davon ist das
früher eintretende Versagen der körperlichen und geistigen Fähig-
keiten der Offiziere namentlich in den höheren Altersklassen, in
denen ja auch, wie gezeigt wurde, die Verabschiedungen viel eher
als 1886/87 eintraten, als das Deutsche Reich noch die dreijährige
Dienstzeit hatte.
Bei der hohen Bedeutung aber, welche ein geistig und
körperlich frisches, jederzeit felddienstfähäges und den hohen An-
forderungen des Krieges unbedingt gewachsenes Offizierkorps für
die Schlagfertigkeit der Armee hat, ist es unvermeidlich, daß viele
Offiziere ihre Dienststellung verlassen und somit den Lebensberuf
aufgeben müssen in einem Lebensalter, das für andere Stände erst
der Beginn des Aufsteigens in die höheren und besser besoldeten
Stellen ist, die ihnen ein Verbleiben im Berufe sowie in sicherer
wirtschaftlicher Lage noch viele Jahre gewährleisten. Die in dieser
Hinsicht in Betracht kommenden »militärischen« Gründe bezwecken
neben einer Verjüngung des Offizierkorps vor allen Dingen die
*) Stenogr. Ber. d. Reichstags. II. Sess. 1905/06, 2. Anlageb. S. 1102.
13
Aufgabe, nur wirklich befähigte Personen als Offiziere zu behalten,
und in die Führerstellen aufrücken zu lassen, Das deutsche
Offizierkorps ist deshalb in' seinem Innenverhältnis demokratischer
als jeder andere Berufsstand.
Das Lebensalter der in Frankreich, Italien und Deutschland
verabschiedeten Offiziere stellt sich im Durchschnitt bei den
Komm. Gene-
rälen auf . . . .
65
in
Frankreich
60
in
Italien
60
in
Deutschland
Divisions-
Kommandeuren
65*
»
»
60
»
))
58
»
»
Brigade-
Kommandeuren
62
»
))
55
))
))
55
))
))
Regiments-
Kommandeuren
60
»
))
52
))
))
52
»
))
Bataillons-
Kommandeuren
57
»
»
52
»
»
48
))
))
Haupt-
leuten
53
»
»
45
»
)>
41
»
))
Wenn in Frankreich die verabschiedeten Offiziere in allen
Dienstgraden an Lebensjahren älter sind als in Italien und bei
uns, muß beachtet werden, daß die in jener Zusammenstellung
angegebenen Lebensalter für Frankreich die Altersgrenzen sind,
in denen die Offiziere ausscheiden müssen. Eine derartige
Bestimmung kennen Italien und Deutschland nicht, und jene An-
gaben enthalten deshalb nichts über die Ausscheidungen vor Er-
reichung dieser Grenze. Ein Vergleich zwischen Italien und
Deutschland zeigt, daß nur die verabschiedeten kommandierenden
Generäle, sowie die Brigade- und Regiments-Kommandeure gleich-
altrig sind, während in allen anderen Rangstellen bei uns die
Pensionierung früher erfolgt, bei Bataillons-Kommandeuren und
Hauptleuten um 4 Jahre, bei den Divisions-Kommandeuren um
2 Jahre.
Daß in Wirklichkeit aber die »Verjüngung« des deutschen
Offizierkorps dem französichen gegenüber größere Fortschritte
gemacht hat, geht aus dem Durchschnittsalter einiger Dienstgrade
hervor. So findet man in Frankreich die Oberstleutnants zwischen
dem 44. und 58. Lebensjahre, die Obersten zwischen dem 54. und
60. Lebensjahre, während sie in Deutschland nicht über 55 Jahre
alt sind; der Bataillons-Kommandeur ist dort zwischen 38 und
14
56 Jahre alt, bei uns nicht über 52; die französischen Hauptleute
sind 30 bis 47 Jahre alt, die unsrigen 32 bis 47.
Aus den hier angezogenen Gründen sind naturgemäß auch
die Pensionsbeträge in den einzelnen Etatsjahren gewachsen. Die
verabschiedeten Offiziere der Armee bezogen:
pro Kopf
1886/87 an Pensionen 22 377 470 M. od. im Durchschn. 1219 M.
1895 »
» 32 108 690
M. » »
»
1434 M.
1903 »
» 40 233 631
M. » »
»
1692 M.
Die Zahl
der eine Pension
beziehenden
Offiziere
betrug:
1886/87 bei einer Etatstärke von
17 863
8 639
48%
1895 » »
» »
21 931
10 526
48%
1903 » »
» »
23 327
11823
50%
Im ersten Jahr dieser Berichtszeit stellte sich die Zahl der
eine Pension beziehenden Offiziere auf 48 % des aktiven Be-
standes, im letzten Jahre aber schon auf 50%, während über die
Verhältnisse späterer Jahre keine Angaben zu erhalten waren, da
deren Spezialisierung im Etat nicht erfolgt. Weil jedoch im
Reichshaushalt die Gesamtausgaben für die in Betracht kommenden
Titel 74, 79 und 80 keine Zunahme, ja in einzelnen Fällen wegen
der geringeren Zahl der Kriegsveteranen sogar eine Abnahme
erfuhren, darf angenommen werden, daß der Prozentsatz der eine
Pension beziehenden Offiziere nicht zugenommen hat.
Andererseits kann aus den von uns ermittelten Angaben über
die Pensionsbeträge gefolgert werden, auch wenn es sich hierbei
nur um Stichproben handelt, das jährlich weniger Pensionierte
wegfallen als hinzukommen, ln dem Zeitabschnitt von 1874 bis
1888 ist der Pensionsfonds um 12 Millionen Mark oder um
% Millionen jährlich gestiegen; von da ab bis 1901 hat er da-
gegen eine Steigerung von 38 Millionen oder von 2,75 Millionen
Mark jährlich erfahren. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen,
daß wiederholt Aufbesserungen der Gehälter und dementsprechend
auch Erhöhungen der Pensionsbezüge vorgenommen worden sind.
Für die Annahme, daß weniger Pensionierte abgegangen als
hinzugekommen sind, sprechen auch die folgenden Tatsachen. Im
Jahre 1886 sind 603 Offiziere des Reichsheeres und 12 der Marine
in Pension gegangen oder 3,3 bezw. 2,2 %. Die entsprechenden
Zahlen für
15
1890 betrugen 590 oder 3,0°/0 beim Heere u. 1 L oder l,8°/0 b. d. Marine
Daß bei den Pensionierungen der Offiziere aller Rangstellen
in erster Linie militärische Gründe ausschlaggebend sind, dürfte
durch die Zunahme unbesetzter Offizierstellen erhärtet werden. Das
erreichbare Material läßt vermuten, daß die Militärverwaltung lieber
viele Stellen unbesetzt läßt, als sie Personen zuzuerkennen, deren
Befähigung ihr nicht ausreichend erscheint. Dieser Mangel macht
sich in den drei unteren Rangstellen am meisten bemerkbar.
Berechnet man unter Zugrundlegung der bisherigen Steigerung
die Zahl der unbesetzten und unbesetzbaren Stellen im Offizier-
korps, dann ergibt sich für das Jahr 1915 ein Fehlbetrag von 3545
Offizieren gegenüber 3253 im Jahre 1913 und 865 im Jahre 1905.
ln diesem Jahre machten die unbesetzten Stellen 4,5 % von der
etatsmäßigen Gesamtsumme aus, um dann für das Jahr 1913 infolge der
großen Heeresvermehrung auf 13,3% anzuschwellen. "Wenn in den
Jahren 1910/11 der Vomhundertsatz der unbesetzten Stellen gegen
die Vorjahre zurückging, dann dürften sich hier Zusammenhänge
mit der allgemeinen Wirtschaftslage ergeben. Weil in den Jahren
1907 bis 1909 die deutsche Volkswirtschaft unter einer Depression
zu leiden hatte, welche die Kräfte der vorhergehenden Hochkon-
junktur ausglich, werden viele junge Leute den Offiziersberuf erwählt
haben, die in anderen Erwerbsberufen entweder gar nicht oder nur
unter schwierigeren Verhältnissen als sonst Unterkommen konnten.
Wir finden hier dieselbe Erscheinung wie bei den akademischen
Berufen: Ist ein zu großer Andrang in einem dieser Berufe an-
haltend gewesen, wodurch die Erwerbsmöglichkeiten nach Ablauf
des Studiums erschwert werden, dann wendet sich die studierende
Jugend einem anderen Fache zu, oft unter Hintenansetzung der
erforderlichen Fähigkeiten und Neigungen.
Andererseits läßt die folgende Zusammenstellung eine Ver-
größerung des Offiziersmangels erkennen, wenn die allgemeine
wirtschaftliche Lage sich bessert und einer Hochkonjunktur ent-
gegengeht. Das zeigen die Angaben der Jahre 1905 bis 1907.
Die Annahme, daß ein Kausalzusammenhang zwischen allgemeiner
Wirtschaftslage und der Zahl der unbesetzten Offiziersstellen be-
steht, dürfte jedenfalls nicht dadurch widerlegt werden, daß beide
Erscheinungen zeitlich nicht genau zusammenfallen.
1895
1900
1903
560 „ 2,5% ..
607 „ 2,8% „
642 „ 2,3 % „
16
Aber noch in weiterer Hinsicht ist die folgende Zusammen-
stellung über die Zahl der Fehlstellen im Offizierkorps bemerkenswert.
Vergleicht man die einzelnen Waffengattungen untereinander, dann
ist festzustellen, daß bei der Infanterie und beim Train in jedem
Jahre Anwärter fehlen, bei den Pionieren war in der Berichtszeit
nur im Jahre 1911 ein Ueberschuß und zwar von 8 Anwärtern
vorhanden, bei der Fußartillerie in zwei Jahren, bei der Feldartillerie
und den Verkehrstruppen in drei, dagegen bei der Kavallerie in
sieben oder neun Jahren. Der lieberschuß bei dieser letzten
Waffengattung dürfte auf soziale Faktoren zurückzuführen sein, weil
auch unter den Offizieren der einzelnen Waffengattungen Standes-
unterschiede bestehen, und mancher nur Kavallerieoffizier wird, um
im späteren bürgerlichen Leben eine höhere soziale Stellung ein-
zunehmen. Der grundbesitzende Adel ist stark bei der Kavallerie
vertreten, und es gibt bei dieser Waffengattung Regimenter, deren
Offiziere nur adelig sind.
Die Fehlstellen im Heere:
Nach
dem
Stande
am
1.10. 14.
Inf.
Jäger
u.
Schüt-
zen
Ka-
val-
lerie
Feld-
artil-
lerie
Fuß-
artil-
lerie
Ing.
Pio-
nier
Korps
Ver-
kehrs
-trup
-pen
Train
Sum-
me
der
Fehl-
stellen
In %
der
Etats-
stellen
Zahl d.
Fähn-
riche u.
Fahnen
Junker
am
15.11.13
In %
auf
den
Leut-
nants
etat
1905
799
10
46
45
25
17
23
865
4,5
1018
12,1
6
828
-1-37
62
31
17
12
15
928
4,7
1092
12,9
7
976
+86
+ 10
45
42
28
10
1005
5,1
1112
13,1
8
944
+77
+54
41
68
23
12
957
4,7
1205
14,1
9
878
+89
+ 17
11
55
+ 6
11
843
4,2
1295
15,1
10
657
+83
29
+ 17
23
+30
25
604
3,0
1435
11,8
11
595
+95
6
+37
+ 8
+22
14
453
2,3
1528
12,6
12
992
+81
226
88
58
9
33
1325
6,3
1742
14,4
13
2291
129
324
72
183
163
91
3253
13,3
2220
16,4
17
2. Abschnitt.
Die Pensionsbeträge.
Die Verbesserungen des Offizierspensionsgesetzes vom 31. Mai
1906 lassen deutlich drei Ziele erkennen:
1. Aufbesserung der Pensionsbeträge der drei unteren Dienst-
grade, aber nicht in dem Maße, daß jeder verabschiedete Leutnant
und Oberleutnant so günstig gestellt wird, daß er keinen anderen
Beruf zu ergreifen braucht.
2. Wesentliche Aufbesserung der Pensionen der mittleren
Dienstgrade, also der Bataillons-Kommandeure und etatmäßigen
Stabsoffiziere.
3. Endlich soll ein höherer Prozentsatz der höheren Dienst-
grade namentlich der Regiments- und Brigade-Kommandeure die
Höchstpension erreichen können.
Auf Grund des erwähnten Gesetzes beträgt die Pension bei
vollendeter zehnjähriger oder kürzerer Dienstzeit jährlich 20/60
und steigt nach vollendetem zehnten Dienstjahre mit jedem weiteren
Dienstjahre um 1/60 bis auf 45/60 des zuletzt bezogenen pensions-
fähigen Diensteinkommens; jedoch mit der Maßgabe, daß in Stellen
mit dem Diensteinkommen eines Regimentskommandeurs einschließlich
aufwärts die Pension nach dem 30. Dienstjahre nur um 1/120 mit
jedem weiteren Dienstjahre steigt.
Diese in § 6 des Offizierspensionsgesetzes festgelegten Bestim-
mungen decken sich wörtlich mit § 34 des Reichsbeamtengesetzes.
Während jedoch die Beamten in der Regel die Höchstpension
erreichen, bildet diese für die verabschiedeten Offiziere die Ausnahme.
Auf Grund der Nachweisungen, welche der Reichskanzler der
Budgetkommission für den Reichshaushalt des Etatjahres 1905/06
vorlegte und die den Zeitabschnitt von 1886/87 — 1903 umfassen,
ergibt sich folgendes 1).
Nur die verabschiedeten Kommandierenden Generäle erreichen
in dieser Berichtszeit alle die Höchstpension, ebenso die Admirale,
von den Divisions-Kommandeuren 91,3 °/0, den Brigade-Komman-
deuren 62,5% und den Regiments-Kommandeuren nur 15,1%
*) Anlage zu Nr. 433 der Drucksachen.
18
Diese Verhältnisse sind ungünstig genug, werden aber noch
übertroffen von denen für die mittleren und unteren Dienstgrade.
Von den verabschiedeten Bataillons-Kommandeuren erreichten nur
1,3% in jener Zeit den Anspruch auf die Höchstpension auf der
Grundlage ihres Diensteinkommens; von den Hauptleuten und
Rittmeistern 0,14 % und von den Oberleutnants und Leutnants
nur 0,02 %. Die verabschiedeten Oberleutnants und Leutnants
mit dem Anspruch auf die Höchstpension entfielen in jener Bericht-
zeit allein auf des bayrische Kontingent, während in Preußen,
Sachsen und Württemberg kein Offizier dieses Dienstgrades mit der
Höchstpension abging. Auch wurden im sächsischen und Württem-
berg! sehen Kontingent keine Hauptleute und Rittmeister mit dem
Anspruch auf die Höchstpension verabschiedet, in Preußen nur 7
und in Bayern 11.
Bemerkenswert an diesen Tatsachen erscheint vor allem, daß
trotz der nicht größer gewordenen Zahl der Verabschiedungen die
Verhältnisse für die Pensionierung nicht besser geworden sind.
Die in so großer Anzahl erreichten Höchstpensionen in den unteren
Dienstgraden fallen hauptsächlich in die Jahre vor 1896 und dürften
heute kaum noch Vorkommen.
Die Eigenart des militärischen Berufs, besonders auch der
Umstand, daß nur rund 2,5 % der Leutnants Regiments-Komman-
deure werden können, führt im Unterschiede zu anderen Berufen
von gleicher sozialer Bedeutung dahin, daß in der Zeit von 1901
bis 1903, worüber Angaben vorliegen, nur 1 % der Offiziere das
Lebensalter von 65 Jahren überschritten, nur 2% erreichten ein
Alter von 60 bis 64 Jahren und 11% waren 55 bis 59 Jahre alt.
Demnach waren 86 % aller eingetretenen Offiziere vor dem 55.
Lebensjahre abgegangen, also in einem Lebensalter, in dem die
Mitglieder anderer Berufskreise sich zur Erfüllung ihrer Pflichten
noch völlig in der Lage fühlen.
Aus dem Dienst der allgemeinen Verwaltung sind dem gegen-
über in den Jahren 1901 bis 1903 ausgeschieden:
41,7% mit einem Alter von 65 und mehr Jahren
16,7% mit 60 bis 64 Jahren und
12,5% mit 55 bis 59 Jahren.
ln diesem Berufszweige waren demnach 70,9 % aller Erwerbs-
tätigen älter als 55 Jahre gegen 14% im Heere.
19
Aus der Justizverwaltung sind in jenem Zeitabschnitte aus-
geschieden:
65 Jahre und älter
60 bis 64 Jahre .
55 bis 59 Jahre .
72,41% |
5,31 % j
8,22 %
77,72 %
so daß hier sogar 85,94 % aller Festangestellten ein Lebensalter
von 55 und mehr Jahren erreicht hatten und somit die Verhältnisse
in diesem Berufe noch günstiger Jagen als bei der allgemeinen
Verwaltung.
Aus diesen Gegenüberstellungen der Offiziere einerseits und
der Beamten der Justiz und allgemeinen Verwaltung andererseits
ergibt sich als gerechte Forderung, den Offizieren im allgemeinen
mit 55 Lebensjahren, d. h. mit 35 Dienstjahren die Höchstpension
erreichen zu lassen. Denn die langjährige Erfahrung lehrt, daß der
Offizier in den meisten Fällen zu diesem Zeitpunkte abgehen muß,
weil er verbraucht ist. Nur wenige Offiziere können über dieses
Alter hinaus im Dienste bleiben, während der weit größere Teil, nach
unseren Ermittlungen 86 %, der Schlagfertigkeit der Armee zum
Opfer fallen muß.
Diese ohnehin schon ungünstigen Verhältnisse der Offiziere
werden es aber dadurch in letzter Zeit noch mehr, daß die
Feldzugsteilnehmer in den oberen Dienstjahren schon anfangen zu
verschwinden. Die Offiziere werden älter, ohne daß sie deshalb
mehr Dienstjahre haben, weil die Feldzugsjahre bei Gehalts- und
Pensionsberechnung doppelt gezählt werden.
Die geschilderten, wenig erfreulichen Tatsachen, welche mit
den Verabschiedungen der Offiziere verbunden sind, haben eine
über den Rahmen des aktiven Offizierkorps hinausgehende Beteutung,
weil sie mitbestimmend sind für die Berufswahl der Söhne aus
gebildeten Kreisen. Offiziere, die nach ihrer Meinung zu früh
verabschiedet sind und deren Pensionsbezüge zum standesgemäßen
Unterhalt nicht ausreichen, werden kaum ihre eigenen Söhne dem
Offiziersberuf zuführen. Die wirtschaftliche Sicherstellung der
Kinder ist die erste Aufgabe, welche die Erziehung zu erfüllen hat,
und diese Sicherstellung wird nicht zuletzt die späteren Lebensjahre
in Betracht ziehen müssen. Es ist entmutigend für einen Mann,
von vorneherein bei der Berufswahl damit rechnen zu müssen, daß
er höhere Dienstgrade kaum jemals erreichen kann und bei seiner
etwaigen Verabschiedung eine Pension erhält, die eben ausreicht.
20
seine dringendsten Existenzbedürfnisse zu befriedigen. Wird der
Offizier der mittleren Dienstgrade pensioniert, dann hört seine
Aktivität meist in einer Zeit auf, die an die Erziehung seiner Kin-
der hohe wirtschaftliche Anforderungen stellt. Hierzu reichen die
Pensionsbezüge in der Regel jedoch nicht aus, so daß andere
Einkommensquellen nutzbar gemacht werden müssen. Hat der
verabschiedete Offizier ein ausreichendes Besitzeinkommen, dann
wird er seine Pensionierung nicht sehr schmerzlich empfinden.
Aber hinsichtlich der Vermögensverhältnisse der meisten Offiziere
scheinen falsche Vorstellungen zu herrschen. Nur wenige Offiziere
sind im Besitze eines Vermögens, das eine auskömmliche Rente
abwirft während der größere Teil, meist Söhne von Offizieren und
Beamten, entweder gar kein oder ein sehr geringes Vermögen besitzt.
Besteht dieses Vermögen in Geldkapital und reicht die Rente nicht
aus zur Bestreitung der Lebensbedürfnisse, dann besteht für den
verabschiedeten Offizier die Gefahr, daß er Vermögensteile verbraucht
und dadurch seiner wirtschaftlichen Existenz einen Teil seiner
Unterlage entzieht.
Diese ungünstigen Pensionsverhältnisse der Offiziere sind
sicherlich ein Grund für die große Anzahl der Fehlstellen im Heere,
auf die bereits schon hingewiesen wurde, und die die Schlagfertigkeit
des Heeres zweifellos schädigen. Je weniger Offiziere in den unteren
Dienststellen vorhanden sind, desto unvollkommener wird die Ausbil-
dung des einzelnen Mannes sein. Der Kriegsminister hat auf der
Tribüne des Reichstages denn auch öffentlich bekannt, daß ein neues
Pensionsgesetz der Offiziere nötiger sei als eine Heeresvermehrung.
Und zwischen den Zeilen seiner Ausführungen war deutlich zu
lesen, daß dem mangelnden Nachschub an Offiziersersatz am besten
durch eine Verbesserung der Pensionsverhältnisse abgeholfen wer-
den könne.
Daß die materielle Lage der aktiven Offiziere nicht die Ur-
sache für den Offiziersmangel ist, darf aus dem Nichtvorhandensein
berechtigter Klagen geschlossen werden. Es hätte dann die Anzahl
der Fehlstellen immer abnehmen müssen, wenn die Gehälter erhöht
wurden, was wiederholt seit der Reichsgründung geschehen ist.
Die tatsächlichen Verhältnisse legen indessen davon Zeugnis ab,
daß die Zunahme der unbesetzten Stellen mit den Gehaltsfragen
in keinerlei Verbindung steht. Die Ungewissheit über den Zeit-
punkt der Pensionierung ist vielmehr die Ursache, die in vermögens-
rechtlicher Hinsicht an erster Stelle steht.
21
Weil von den verabschiedeten Offizieren in den unteren
Dienststellen nur in besonderen Ausnahmefällen die Höchstpension
ihres Diensteinkommens erreicht wird und diese Beträge nicht
ausreichen, um mehr als die notwendigsten Lebensbedürfnisse zu
befriedigen, verdient die Frage der Berufswahl nach der Verab-
schiedung besondere Aufmerksamkeit. Der Offizier ergreift seinen
Beruf allerdings, um in ihm seine Lebensaufgabe zu erfüllen und
will ihn nicht als ein Durchgangsstadium für sein späteres Fort-
kommen betrachten, wie es bei den Personen der Unterklassen der
Fall ist. Aber aus militärischen und gesundheitlichen Gründen
muß, wie bereits oben mitgeteilt und auch allgemein bekannt ist,
die größte Anzahl der jungen Offiziere weit eher abgehen, als die
Lebenskraft verbraucht ist, und es würde volkswirtschaftlich auch
wenig erfreulich sein, wenn die Ueberzahl der verabschiedeten
Offiziere ihr ferneres Leben untätig verbringen würde, ln diesem
letzten Hinweis liegt auch ein Grund dafür, daß die Pensionbe-
messung der unteren Dienstgrade nicht so günstig gestaltet werden
darf, daß die jüngeren Offiziere nach ihrer Entlassung auf jedes
weitere Einkommen verzichten können, ganz abgesehen davon, daß
die Reichsfinanzen eine derartige Belastung unter den heutigen
Verhältnissen garnicht zu ertragen vermögen. Unter solchen Um-
ständen würde sicherlich zu der Offizierslaufbahn ein viel größerer
Andrang sein als heute, weil mancher Anwerber die Beschwer-
lichkeiten des Dienstes durch eine baldige Verabschiedung abzulösen
wüßte. Daraus ergibt sich für die Pensionsbemessung der unteren
Dienstgrade ohnehin schon ein Interessengegensatz, wie er im
gesammten Wirtschaftsleben auftritt, und der bei der Fortsetzung
aller Einkommenzweige sich bemerkbar macht.
Ist der verabschiedete Offizier der unteren und mittleren
Dienstgrade nicht im Besitze eines Vermögens, dessen Ertrag
seine Pension in ausreichendem Maße ergänzt, so ist er zu einer
neuen Berufswahl gezwungen, die durch seine bisherige Stellung
nicht selten durch seinen Gesundheitsstand, meist aber auch durch
mangelnde spezielle Vorbildung eher erschwert als erleichtert wird.
Daher muß es anerkannt werden, daß die maßgebenden Stellen sich
unausgesetzt mit der Frage beschäftigt und bereits ermutigende
Resultate erzielt haben, wenn auch eine zufriedenstellende endgül-
tige Lösung der ebenso wichtigen wie schwierigen Frage bisher
noch nicht gelungen ist.
22
II. Teil.
Die Arten der Olfizierzivilversorgung.
1. Abschnitt.
Eine allgemeine Betrachtung.
Ist der Offizier nach seiner Verabschiedung gezwungen, sich
neben der Pension ein weiteres Arbeitseinkommen zu verschaffen,
dann kann dies sowohl in bürgerlichen als auch in öffentlichen Be-
rufen geschehen, ln den meisten Fällen wird dann der Beruf
ergriffen, der am leichtesten zu erreichen ist und namentlich die
wirtschaftlich Schwachen überlegen sich kaum, ob ihnen die Tätig-
keit in diesem neuen Berufe auch die erforderliche Befriedigung
zu verschaffen vermag. Fast stets wird der Offizier in den unteren
und mittleren Dienstgraden von der Verabschiedung überrascht, und
da er völlig in seinem bisherigen Berufe aufgegangen ist, hat et
sich bis dahin weder die Fähigkeiten noch die Erfahrungen ange-
eignet, ohne welche eine Entscheidung in der Berufswahl niemals
erfolgen sollte.
Im allgemeinen darf behauptet werden, daß der verabschiedete
Offizier einen öffentlichen Beruf lieber wählt als einen privaten.
Jener gewährt nach fester Anstellung ein sicheres Einkommen,
dieser kann aus irgendwelchen Gründen wieder verloren gehen.
Auch ist der öffentliche Beruf, von einzelnen Ausnahmen abgesehen,
mit einer Pension verknüpft, welche eine angenehme Ergänzung der
Offizierspension ist.
Wenn der Offizier Gelegenheit haben soll, bei seiner Verab-
schiedung einen öffentlichen Beruf d. h. eine Anstellung im Dienste
des Staates und der Gemeinde zu finden, dann müssen solche Stellen
freigehalten werden. Einem solchen an den Staat gestellten Ver-
langen steht jedoch entgegen, daß der Offizier seinen Beruf als
Lebensberuf und nicht als Uebergangsstadium und Vorbereitungszeit
auffaßt, wie es bei den Unterklassen des Heeres der Fall ist. Auch
wird es trotz der stark fortschreitenden Arbeitsteilung nicht möglich
sein, einen für Offiziere entsprechenden Beruf zu finden, für den der
23
Militärdienst als besonders geeignete Vorbereitung erscheint. Außer-
dem müßte es sich um einen Beruf handeln, der geeignet wäre,
wenigstens die Mehrzahl der verabschiedeten Offiziere aufzunehmen.
Gegen die Durchführung eines derartigen Planes, für alle ver-
abschiedeten Offiziere in einem einzigen oder in mehreren Berufen
entsprechende Stellen offen zu halten, lassen sich außer jenen prak-
tischen noch Gründe der sozialen Gerechtigkeit geltend machen.
Der Staat muß als seine Beamten die Anwerber aus allen Schichten
aufnehmen, wenn sie die Bedingung erfüllen und die Befähigung
nachweisen, welche die Ausübung des betreffenden Berufs erfordert.
Es dürfte aus sozialen Gesichtspunkten heraus niemals angängig
sein, die gewesenen Offiziere vorweg zu begünstigen, zumal jeder
Leutnant bei seinem Eintritt in das Heer weiß, daß die Mehrzahl
der Offiziere vorzeitig den Dienst aufgeben muß.
Dieser Auffassung haben auch die gesetzlichen Maßnahmen
Rechnung getragen. Sie sehen eine Versorgung der unteren Dienst-
grade vor und in dieser scheinbaren Bevorzugung der sogenannten
Militäranwärter, die im Mannschaftsversorgungsgesetz ihren Aus-
druck findet, wird man bei objektiver Würdigung der Verhältnisse
eine Ungerechtigkeit gegen die verabschiedeten Offiziere nicht er-
blicken können. Es handelt sich eben um durchaus verschiedenartige
Grundsätze, aus denen sich die verschiedenartigen Rechtsverhältnisse
entwickelt haben. Die zwölfjährige Dienstzeit der Unteroffiziere
ist Mittel zum Zweck, der Offizier ergreift seinen Beruf aber
als Selbstzweck. Deshalb erhält der verabschiedete Offizier auch
eine Pension, der Unteroffizier dagegen einen Anspruch auf einen
geeigneten Posten in der Zivilverwaltung. Würde der Staat die
Verpflichtung übernehmen, für seine frühzeitig ausgeschiedenen Of-
fiziere in derselben Weise zu sorgen wie für seine Unteroffiziere,
dann würde bei einem Teil der Offiziere der Offizierstand nicht
mehr Beruf, sondern Durchgangsstadium werden. Dann würden aber
auch seine Leistungen leiden. Was nützt der Armee ein Offizierkorps,
in dem ein Teil nur eine Versorgung erreichen will nach einer
bestimmten Zeit, anstatt dauernd nach Vervollkommnung in dem
erwählten Beruf zu streben. Daß im Offizierkorps unter diesen
Umständen nicht mehr soviel gearbeitet werden würde, ist klar.
Hinsichlich der Militäranwärter bestimmt § 15 des Mann-
schafts-Versorgungs-Gesetzes, daß Kapitulanten durch zwölfjährige
Dienstzeit Anspruch auf den Zivilversorgungsschein erwerben, wenn
24
sie zum Beamten würdig und brauchbar erscheinen. Als Kapitu-
lanten gelten nach § 1 d. M. V. G. diejenigen Unteroffiziere und
Gemeinen, welche sich über die gesetzliche Dienstzeit hinaus zum
aktiven Dienste verpflichtet haben und in dessen Ableistung be-
griffen sind. Militäranwärter ist jeder Inhaber des Zivilversorgungs-
scheines nach Antrag A. der Grundsätze für die Besetzung der
mittleren Kanzlei- und Unterbeamtenstellen bei den Reichs- und
Staatsbehörden mit Mi litäran Wärtern v. 7/21, März 1882 x). Die
Anstellungsberechtigung eines Militäranwärters beschränkt sich auf
denjenigen Bundesstaat, dessen Staatsangehörigkeit er seit zwei Jah-
ren besitzt1 2). Durch Allerhöchsten Erlaß vom 30. Juni 1885 3) »st
das Stellenverzeichnis und dessen Nachträge aller derjenigen Stellen
genehmigt, die als Subaltern- und Unterbeamtenstellen zu erachten
und als solche den Militäranwärtern Vorbehalten sind. Die Beamten
der Gemeinden in der Forstverwaltung fallen nicht unter das Gesetz,
vielmehr bleiben diese Stellen den Forstversorgungsberechtigten
Vorbehalten.
Die meisten Staaten haben es jedoch schon im Interesse des
Ansehens des Offizierstandes als ihre Pflicht erachtet, auch den
verabschiedeten Offizieren ihre weitere Fürsorge angedeihen zu
lassen, indem sie ihnen Stellen in öffentlichen Berufen offen hielten
oder beim Unterkommen in privaten Unternehmungen behilflich waren.
Diese Fürsorge findet sich am stärksten in den Ländern mit aus-
gesprochenen Berufsheeren ausgebildet, und es ist bekannt, daß
Friedrich der Große für Preußen (1740 — 1786) die Versorgung
der verabschiedeten Offiziere als Postmeister und Salzfaktoren an-
geordnet hat.
Dabei muß allerdings bedacht werden, daß es damals leichter
war als heute, einen verabschiedeten Offizier in eine Beamtenstelle
zu bringen. Ja, der Offizier war meist einer der weniger ernst-
haften Bewerber um einen freien Posten, weil er schreiben und
lesen konnte, während heute weitestgehende Fachkenntnisse verlangt
werden, welche der Offiziersberuf als solcher nicht kennt. Auch
waren damals die für verabschiedete Offiziere geeigneten Stellen
verhältnismäßig viel zahlreicher als es heute der Fall ist, weil mit
der fortschreitenden allgemeinen Bildung auch der Andrang zu allen
1) Zentralblatt für das Deutsche Reich. S. 123. Jahrg. 1882.
2) § 1. Abs. 1 d. Gesetzes v. 1892.
3) Ministerialblatt 1885. S. 165.
25
Berufen stärker und die gestellte Anforderungen erhöht wurden.
Viele Stellen, die früher von verabschiedeten Offizieren verwaltet wer-
den konnten, dürfen heute nur noch mit akademisch vorgebildeten
Bewerbern nach Ablegung bestimmter Prüfungen besetzt werden,
die eine längere Vorbereitung und Probezeit erfordern.
Allerdings wird vielen verabschiedeten Offizieren Allerhöchsten
Orts die Aussicht auf Anstellung im Zivildienst verliehen,
da aber diese „Aussicht“ nicht als „Anrecht“ im Sinne des Mann-
schaftsversorgungsgesetzes aufgefaßt wird, haben sich die in Frage
kommenden Instanzen, allen voran das preußische Kriegsministerium
bemüht, den verabschiedeten Offizieren nach und nach eine ganze
Reihe von Sellungen zugänglich zu machen. Als Erfolg dieser Be-
mühungen ist beim Bundesrat zunächst die Aufnahme einer Bestim-
mung in den „§ 10 der Anstellungsgrundsätze I. Teil“ erreicht
worden, wonach die den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen
auch mit Militärpersonen im Offiziersrange besetzt werden können,
insoweit hierüber bei den einzelnen Bundesstaaten Vorschriften be-
stehen oder erlassen werden, ln Preußen bestanden bei dem In-
krafttreten der Anstellungsgrundsätze im Jahre 1882 bereits solche
Vorschriften, doch wurde in einer Ausführungsbestimmung zum
§ 10 erneut festgesetzt, daß die mit Aussicht auf Anstellung im Zivil-
dienst verabschiedeten Offiziere zu allen den Militäranwärtern vor-
behaltenen Stellen mit den Rechten der Militäranwärter zuzulassen
seien, sofern von den beteiligten Zentralbehörden nichts anderes
bestimmt sei oder bestimmt würde. Infolgedessen war es möglich,
für Offiziere besondere Vergünstigungen eintreten zu lassen und von
den den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen diejenigen zu be-
zeichnen, die, weil hierzu geeignet, entweder in ihrer Gesamtheit
oder zum Teil vorzugsweise mit Offizieren besetzt werden sollen.
Die Verhandlungen hierüber zwischen Militärverwaltung und
den Reichs- und Staatsbehörden gestalteten sich um so schwieriger,
als geprüft werden mußte, inwieweit etwa berechtigte Interessen
der Militäranwärter geschädigt oder die dienstlichen Interessen der
Behörden gefährdet werden könnten.
Da die Mehrzahl der Zivilstellen den Militäranwärtern zu-
gänglich sind, ergeben sich aus der gesellschaftlichen und militärischen
Differenzierung, wie diese während der Dienstzeit unter den An-
wärtern bestand, von vornherein Schwierigkeiten. Namentlich der
verabschiedete junge Offizier will nicht mit Peronen zusammenar-
26
beiten, die früher seine Untergebenen waren und jetzt ihm Gleich-
berechtigte sind. Wir meinen, daß bei beiderseitigem Takt und
gutem Willen sich diese Schwierigkeiten schon überwinden lassen.
Es handelt sich in der Regel nur um die Vorbereitungszeit in der
ein Zusammenarbeiten notwendig ist und die Wahrscheinlichkeit,
daß sich die Anwärter auf ein und demselben Posten aus ihrer
früheren Dienstzeit kennen, ist doch außerordentlich gering. Der
Offizier hat bei der Vorbereitung auf seinen Zivilberuf die beste
Gelegenheit zu zeigen, daß er auf Grund seiner allgemeinen Vor-
bildung und seines Willens rascher voran kommt, als sein Mitbe-
werber aus dem Unteroffizierstand und schon nach einigen Jahren
wird er in einer Stellung sein, die der des Militäranwärters vor-
gesetzt ist. Wenn viele Stellen gleichzeitig für frühere Offiziere
und Unteroffiziere zugänglich sind, dann bürgt das auch gleichzeitig
für einen guten Kern, der im deutschen Unteroffizierkorps lebendig
ist. Daß ein Offizier ebenso wie der Militäranwärter in seinem
neuen Zivilberufe von unten anfangen muß, scheint genau so selbst-
verständlich, wie ein Fahnenjunker nicht gleich Kompagniechef werden
kann. Wer im mittleren Dienst nicht von der „Pike“ auf gedient
hat, wird schwerlich in den höheren Stellen etwas Ersprießliches
leisten, können.
Sind auch infolge der vereinten Bemühungen der Zentral-
behörden zahlreiche Stellen mit verabschiedeten Offizieren besetzt
worden — von 5700 verabschiedeten Offizieren vom Leutnant bis
zum Stabsoffizier konnten seit dem Jahre 1892 bis 1910 nicht
weniger als 2589 untergebracht werden — so läßt sich doch nicht
leugnen, daß ein erheblicher Prozentsatz keine geeignete Versor-
gung finden konnte. Die ganze Frage der Zivilversorgung pensi-
onierter Offiziere würde, wie das preußische Kriegsministerium in
einer Denkschrift vom 22. Januar 1910 ^ bemerkt, in günstigere
Bahnen gelenkt werden können, wenn es möglich wäre, für die ver-
abschiedeten Offiziere mehr als bisher solche Stellen verfügbar zu
machen, die ihnen unmittelbar oder nach kurzer Vorbereitung und
ohne Konkurrenz mit Militäranwärtern zugänglich sind. Es wird
daher zu untersuchen sein, welche Stellungen dieser Art den ver-
abschiedeten Offizieren schon jetzt offen stehen und welche etwa
noch freigehalten werden könnten, ohne daß anderweitige berechtigte
Interessen gefährdet oder beeinträchtigt würden. Bei der Wahl
!) Abdruck zu Nr. 431/1. 10. C. 2. Seite 6.
27
eines öffentlichen Berufes im Reichs- Staats- oder Gemeindedienst
wird der verabschiedete Offizier berücksichtigen müssen, daß während
der Dauer seines Amtes die Militärpension eine Kürzung erleidet
beziehungsweise vollständig ruht. Nach den Bestimmungen des
Reichsgesetzes betreffend die Pensionierung und Versorgung von
Militärpersonen vom 27. Juni 1871 $§ 102 u. ff. J) sowie des Er-
gänzungsgesetzes vom 4. April 1874 * 2) § 15 durften die im Zivil-
dienst angestellten Militärpersonen ihre Pension neben dem Dienst-
einkommen ganz oder teilweise nicht weiter beziehen. Diese
Bestimmungen wurden für die im Kommunaldienst angestellten Militär-
personen durch das Reichsgesetz vom 22. Mai 1893 3) außer An-
wendung gesetzt. Durch die neuen Militärversorgungsgesetze vom
31. Mai 1906 4) ist das geändert. $S 24 und 26 des genannten
Gesetzes bestimmen:
§ 24. Das Recht auf den Bezug der Pension und des Pen-
sionszuschusses (§ 6 Abs. 5) ruht:
3. während einer Anstellung oder Beschäftigung im Zivil- oder
Gendameriedienste, soweit das Einkommen aus diesem Dienste
unter Hinzurechnung der Pension den Betrag des früheren
pensionsfähigen Diensteinkommens oder, sofern es für den
Pensionär günstiger ist, folgende Beträge übersteigt:
bei einer Gesamt-Militär- und Zivildienstzeit
von weniger als 21 Jahren 4000 M.
bei
einer solchen
von wenigstens 21 „
4400 „
9 9 99
„ , 24 „
4800 „
t>
9 9 9 9
>> >> 27 ,,
5100 „
99
99 99
>> >> 30 ,,
5400 „
99
•9 99
». .. 33 ,,
5700 ,.
99
99 99
„ 36 ,,
6000 „
Als Zivildienst gilt jede Anstellung oder Beschäftigung als
Beamter oder in der Eigenschaft eines Beamten im Reichs-, Staats-
oder Kommunaldienste, bei den Versicherungsanstalten für die In-
validenversicherung oder bei ständigen oder solchen Instituten,
welche ganz oder zum Teil aus Mitteln des Reiches, Staates oder
der Gemeinden unterhalten werden.
*) Reichsgesetzblatt S 275.
2) Reichsgesetzblatt S. 25.
3) Reichsgesetzblatt S. 172.
4) Reichsgesetzblatt S. 565. u. 593.
28
§ 26. Hat ein pensionierter Offizier in einer der im $ 24
Nr. 3 genannten Stellen eine Zivilpension erdient, so ist neben
ihr die Militärpension an den Pensionär bis zur Erreichung des-
jenigen Pensionsbetrages zu zahlen welcher sich für die Gesamt-
dienstzeit aus dem pensionsfähigen Militärdiensteinkommen, sofern
es für den Pensionär günstiger ist, aus den in dem § 24 Nr. 3
dieses Gesetzes festgesetzten Beträgen nach Maßgabe des Reichs-
beamtengesetzes ergibt. Ist dieser Pensionsbetrag geringer als die
erdiente Militärpension, so ist dem Pensionär neben der Zivilpension
von der Militärpension soviel zu zahlen, daß deren Betrag erreicht
wird.
Bei Berechnung der Gesamtdienstzeit wird die nach den Vor-
schriften dieses Gestzes festgestellte pensionsfähige Mälitärdienstzeit
angerechnet.
Der an den Pensionär nicht zu zahlende Pensionsbetrag wird
dem Zivilpensionsfonds erstattet, wenn bei Bemessung der Zivil-
pension die Militärdienstzeit nach Maßgabe des Reichsbeamtenge-
setzes oder doch mindestens soweit angerechnet worden ist, als die
Zivildienstzeit nach den Vorschriften des Landesrechts angerechnet
wird.
Nach dem Gesetz vom 22. Mai 1893 (RGB. S. 171) wurde
nur den im Reichs- und Staatszivildienst angestellten pensionierten
Offizieren die Pension gekürzt, soweit Gehalt und Pension zusam-
men das zuletzt bezogene pensionsfähige Diensteinkommen oder
doch, falls dies weniger als 4000 M. betrug, 4000 M. überstiegen,
während die im Kommunaldienste angestellten Offiziere ihre Pension
unter allen Umständen unverkürzt weiter bezogen. Der § 24 des
Ges. von 1906 hat die Kürzung auch wieder bei den Kommunal-
beamten eingeführt, allerdings unter Höherstellung der Beträge, bei
deren Ueberschreitung die Kürzung eintritt und zwar nach Ver-
hältnis der Gesamtdienstzeit. Das Gesetz vom 31. Mai 1906 ist
am 1. Juli 1906 mit der Maßgabe in Kraft getreten, daß die
Pensionsverhältnisse der seit dem 1. April 1905 aus dem Militär-
dienste ausgeschiedenen Offiziere nach den Vorschriften dieses
Gesetzes festzustellen sind. Auch für alle am 1. Juli 1906 bereits
pensionierten Offiziere gilt der § 24, jedoch mit der Maßgabe,
daß keiner durch das neue Gesetz gegen früher schlechter gestellt
werden darf. Für die im Privatdienste angestellten Offiziere hat
der § 24 keine Geltung.
29
Nach § 26 wird auch den im Kommunaldienst pensionierten
ehemaligen Offizieren, welche nach der Novelle vom 22. Mai 1893
ihre Militärpension neben der etwa erdienten Zivilpension unver-
kürzt weiter bezogen, unter den gesetzlichen Voraussetzungen ebenso
wie den im Reichs- und Staatsdienst angestellt gewesenen die
Militärpension gekürzt. Zur Ermittlung, ob und wie weit zu kürzen
ist, wird berechnet, wie viel die Pension betragen würde, wenn sie
unter Zugrundelegung der Gesamt- (Militär- und Zivil-) Dienstzeit
von dem zuletzt bezogenen pensionsfähigen militärischen Einkom-
men oder von den im § 24 angegebenen Beträgen berechnet würde.
Ist die Summe der tatsächlich erdienten Zivil- und Militärpension
höher, so wird die letztere entsprechend gekürzt. Hat sich ein
Militärpensionär, der im Kommunaldienst angestellt ist, bei seinem
Ausscheiden aus dem Zivildienst eine Pension noch gar nicht
erdient, so bezieht er seine alte Militärpension weiter. "Werden
ihm die Militärjahre bei der Pensionierung nicht oder nicht ganz
angerechnet und tritt nach den obigen Grundsätzen eine Kürzung
der Militärpension ein, so erspart diese gekürzte Summe die
Militärverwaltung; werden ihm aber auf Grund besonderer Anstel-
lungsbedingungen die Militärjahre bei der Pensionierung als Dienst-
zeit und zu der Zivildienstzeit hinzugerechnet, so hat der Militär-
fiskus die ersparte Summe der betreffenden Kommune zu ersetzen.
30
2. Abschnitt.
Die öffentlichen Berufe.
Die Mehrzahl der verabschiedeten Offiziere hat von Anfang
an den Zivilberufen in den staatlichen und städtischen Verwaltungen
ihre besondere Aufmerksamkeit zugewendet, und das aus leicht erklär-
lichen Gründen. Der Offizier hat sich in seiner Dienstzeit an eine
Tätigkeit gewöhnt, welche der eines Beamten ziemlich nahekommt.
Auch ist es erklärlich, daß der Offizier, weil er schon einmal im
Staatsdienst war, den staatlichen und städtischen Dienst allen anderen
Beschäftigungen nach seiner Verabschiedung vorzieht. Das feste
Einkommen ist ihm lieber als ein unsicheres im privaten Zivilberufe,
und der Offizier weiß, daß er im ersten Falle auch den Anspruch
auf eine Pension erwirbt. Dieser Auffassung haben die oberen
Behörden, namentlich die Kriegsministerien, von Anfang an beson-
ders Rechnung getragen, indem sie den Offizieren nur Stellen dieser
Art vermittelten. Wenn das Einkommen in diesen Berufsstellen auch
meist nicht so hoch ist wie in kaufmännischen, muß doch daran
erinnert werden, daß der Offizier außerdem noch seine Pension
bezieht, die allerdings, wie noch gezeigt werden soll, von einer ge-
wissen Höhe ab mit dem neuen Einkommen verrechnet wird.
Welche Stellen im Reichs- und Staatsdienst für verabschiedete
Offiziere in Betracht kommen, zeigt folgende Zusammenstellung, zu
der die Anstellungsnachrichten für Offiziere vom 30. Januar 1913
als Unterlage dienten x). Da die Anstellungs-Nachrichten vom
Königlich Preußischen Kriegsministerium herausgegeben sind, dürfen
sie Anspruch auf Vollständigkeit machen.
Bei den öffentlichen Berufen der verabschiedeten Offiziere
sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Erstens solche, welche nur
den Offizieren zugängig sind, zweitens solche, welche auch den
Militäranwärtern Vorbehalten sind. Bei der Berufswahl dieser zwei-
ten Gruppe ergeben sich (vgl. die Ausführungen des letzten Ab-
schnitts) für den Offizier leicht soziale Gegensätze, die manchen
abhalten, die Stelle anzunehmen. Würde es zur Regel, daß der
verabschiedete Offizier in solchen Fällen seinem Mitbewerber aus
*) Verlag: E. S. Mittler u. Sohn.
31
dem Unteroffizierstand unterliegt, dann litte nicht nur das Ansehen
des Offiziers im Heeresdienst, sondern die verabschiedeten Offiziere
würden sich um derartige Stellen überhaupt nicht mehr bewerben,
ln Erwägung dieses Umstandes sind deshalb in den letzten Jahren
Stellen geschaffen worden, die nicht den Militäranwärtern, sondern
nur den Offizieren allein zugängig sind. So sind die in den An-
stellungs-Nachrichten aufgeführten Vorsteherstellen der Reichspost-
und Telegraphenverwaltung ausschließlich für die aus dem Heere
ausgeschiedenen Offiziere bestimmt. Die für verabschiedete Offiziere
in Betracht kommenden Stellen des öffentlichen Dienstes lassen sich
nach den Anstellungs-Nachrichten wie folgt einordnen:
I. Steilen im Reichs- und Staatsdienst.
II. Stellen im Gemeindedienst der Einzelstaaten.
Im Reichsdienst gibt es wieder Stellen in der
a) Heeresverwaltung,
b) Marineverwaltung im Reichsamt des Innern und
c) Reichs-Postamt;
im Staatsdienst der Einzelstaaten vor allem in den Ministerien und
in der inneren Verwaltung.
Im Reichsdienst sind vorhanden auf Grund des Reichshaus-
haltes von 1913 für verabschiedete Offiziere:
a) Heeresverwaltung:
90 Stellen bei den Militär-Intendanturen mit einem Einkommen
von 2100 — 4500 M., ferner 12 Stellen mit 1800 — 2500 M.,
27 Stellen als Bürovorstände mit 2400 M. Jahreseinkommen,
33 Stellen im Militär-Erziehungs- und Bildungswesen mit
1422—4200 M„
2 Stellen bei der Artillerie-Prüfungskommission mit 1782 M.
Stellenzulage,
48 Stellen bei der General -Militärkasse mit 2100 — 7500 M.
Einkommen,
501 Stellen bei den Proviantämtern mit 2000 — 5500 M. Einkommen
79 Stellen bei den Bekleidungsämtern mit 2000 — 5000 M.,
267 Stellen bei den Garnisonverwaltungen mit 2000 — 5500 M.,
258 Stellen beim Militärmedizinalwesen mit 2000 — 5000 M.,
1 Stelle beim Invalidenhaus Berlin mit 2800 — 4200 M.
b) Marineverwaltung:
7 Stellen beim Reichsmarineamt in Berlin mit 1800 — 5000 M.,
52
15 Stellen beim Admiralstab der Marine mit 1500 — 5100 M.,
2 Stellen beim Kommando d. Marinestationen mit 1800 — 3300 M,
1 Stelle beim Bildungswesen der Marine mit 1800 — 3300 M.,
35 Stellen bei der Seewarte in Hamburg mit den Observatorien
mit 2400—7200 M.,
1 Stelle beim Lotsenkommando an der Jade mit 5400 — 6600 M.,
1 Stelle beim Gouvernement in Kiautschou mit Schutzgebiet-
einkommen,
356 Stellen bei den Kaiserlichen Werften in Danzig, Kiel und
Wilhelmshafen mit 1800 — 5500 M.,
142 Stellen bei den Marine-Intendanturen mit 2100 — 4500 M.,
20 Stellen in den Marine-Lazaretten mit 2000 — 5000 M.,
54 Stellen bei den Garnisonverwaltungen mit 2000 — 5000 M.,
19 Stellen bei den Bekleidungs- und Verpflegungsämtern mit
2000—5000 M.,
1 Stelle bei der Schiffsartillerieschule mit 2500 — 3200 M.,
13 Stellen bei den Militärgerichten mit 1800 — 4500 M.
c) Reichsamt des Innern:
765 Stellen bei den verschiedensten Aemtern mit denselben Ein-
kommensklassen wie bei der Heeres- und Marinevevwaltung.
d) Reichs-Postamt:
132 Stellen als Vorsteher von Postämtern erster Klasse in den
älteren preußischen Provinzen mit einem Einkommen von
3000 — -6000 M. Von diesen Stellen, die, wie bereits be-
kannt, den Militäranwärteim nicht zugängig sind, kommen 7 für
Stabsoffiziere und 125 für Hauptleute und Rittmeister in
Betracht.
Weiterhin gibt es im Reichs-Postamt
38 192 Stellen als Oberpostassistenten und Assistenten,
1 379 Stellen als Bureaubeamte,
3 390 Stellen als Sekretäre,
693 Stellen als Vorsteher an Postämtern II. Klasse,
1 949 Stellen als Postsekretäre und
633 Stellen verschiedenster Art.
Im ganzen kann also das Reich 49112 verabschiedeten Offizieren
eine Berufsstellung mit festem Einkommen bieten. Diese auffallend
hohe Zahl muß jedoch noch besonders beachtet werden. Einmal
sind, mit Ausnahme der 132 Stellen als Vorsteher an Postämtern
erster Klasse in den älteren Preußischen Provinzen, diese Stellen
33
nicht nur verabschiedeten Offizieren zugängig; außerdem entfallen
46 236 Stellen auf die Reichspost, die nicht nur neben den Offizieren
den Militäranwärtern sondern sogar Zivilpersonen offen stehen. Bei
der Neubesetzung von Sekretärstellen an der Post werden die Zivil-
bewerber in gleichem Umfange berücksichtigt, wie die militärischen,
sodaß dadurch ohnehin schon die Anzahl der Stellen auf die Hälfte
vermindert wird. Auch um die übrigen 2744 Stellen der Heeres-
und Marineverwaltung und des Reichsamts des Innern können sich
außer Offizieren auch Militäranwärter und sonstige frühere Unter-
offiziere bewerben. Sehr viele von diesen Stellen, wie die der
Bureaubeamten und Buchhalter, eignen sich für Offiziere überhaupt
nicht oder höchstens in Ausnahmefällen.
A. Preußen.
Von den neun preußischen Ministerien, welche in ihrer engeren
oder weiteren Verwaltung verabschiedete Offiziere unterbringen
können, stehen das Finanzministerium, das Ministerium des Innern,
das Ministerium der öffentlichen Arbeiten und das Ministerium für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten an erster Stelle. Neben
diesen beschäftigt auch jedes andere Ministerium verabschiedete
Offiziere, aber nicht in belangreichem Umfange.
Beim Finanzministerium können frühere Offiziere Anstellung
als königliche Rentmeister finden, deren Zahl 425 beträgt. Diese
Stellen sind im Wege der Beförderung für die aus dem Militär-
dienst hervorgegangenen Beamten in gleicher Weise wie für die
aus dem Zivilstande hervorgegangenen erreichbar, wenn sie die
erforderliche Befähigung durch Ablegung der vorgeschriebenen
Prüfung nachweisen. Das Gehalt eines königlichen Rentmeisters
beträgt ohne Wohnungsgeldzuschuß 3000 — 4800 M. für das Jahr.
Die Rentmeisterstellen kommen nur für Kreiskassen in Betracht.
Bei der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern können
verabschiedete Offiziere als Oberzollkontrolleure, Inspektoren und
Rechnungsdirektoren Anstellung finden. Alle diese Posten werden
indeß nur im Wege des Aufrückens erlangt, und es darf als aus-
geschlossen gelten, daß ein früherer Offizier zur Erlangung einer
solchen Stelle zuerst Zollaufseher wird.
Bei der Lotterieverwaltung gibt es für gewesene Offiziere
außer den begehrten Stellen eines Lotterieeinnehmers ebenfalls
Stellen als Kontrolleure, Rendanten und Buchhalterei -Vorsteher.
34
Das Ministerium des Innern hat 9 Stellen als Grenzkommis-
sare, die ebenso wie die 176 Polizei-Distriktskommissariate in der
Provinz Posen, mit verabschiedeten Offizieren besetzt werden.
Auch kommen für die 288 Stellen der Polizeileutnants und Krimi-
nalkommissare sowie der Polizeihauptleute und Kriminalinspektoren
in Berlin und Vororten regelmäßig nur Offiziere in Frage. Das
Einkommen eines Polizeileutnants beträgt ohne Stellenzulage und
Wohnungsgeld 3000 — 4500 M., das der Polizeihauptleute und
Kriminalinspektoren 4200 — 5400 M.
Bei der Strafanstaltsverwaltung gibt es 33 Direktorstellen mit
einem Gehalt von 3600 — 6600 M.,. während 10 weitere Direktor-
stellen an Gefängnissen im Verwaltungsbereiche des Justizministe-
riums den Zivilanwärtern Vorbehalten sind.
ln der Eisenbahnverwaltung gibt es 15774 Stellen für Assi-
stenten, Bahnhofs- und Materialienverwalter, von denen 1051 vor-
zugsweise Offizieren Vorbehalten sind. Beim Eintritt wird eine
diätarische Jahresbesoldung von 1500 M. gezahlt, die bei der
Anstellung von 1650 — 3300 M. steigt. Bewerber dürfen das
vierzigste Lebensjahr nicht überschritten haben, müssen körperlich
gesund, rüstig und gewandt sein, namentlich auch das vorgeschriebene
Seh-, Farbenunterscheidungs- und Hörvermögen besitzen.
Von den 4161 Stellen als Bahnhofs-, Güter-, Kassen- und
Materialienvorsteher werden 2080 mit ehemaligen Militärs besetzt,
ganz einerlei, ob die Bewerber aus dem Offiziers- oder Unter-
offiziersstande hervorgegangen sind. Eine Bevorzugung der ver-
abschiedeten Offiziere ist ausgeschlossen. Die Anwartschaft kann
frühestens nach einer auf die Prüfung zum Eisenbahnassistenten
folgenden zweijährigen Beschäftigung und Ausbildung durch das
Bestehen der Fachprüfung erster Klasse erlangt werden.
Die 5805 Stellen als Oberbahnhofsvorsteher, Eisenbahnsekre-
täre und Betriebskontrolleure werden ebenfalls zur Hälfte mit
Zivilanwärtern besetzt, sind jedoch nur im Wege der Beförderung
aus den vorhin genannten Stellen der Vorsteher zugängig.
Von den 114 vollbeschäftigten Forstkassenrendanten sind 19
vorzugsweise den Offizieren Vorbehalten, d. h. andere Bewerber
kommen erst in Frage, wenn sich geeignete Offiziere nicht melden.
Bedingung für den Bewerber ist eine mindestens einjährige Be-
schäftigung bei einer hauptamtlich verwalteten oder mit einer
Königlichen Kreiskasse verbundenen Forstkasse.
35
Bei der Ansiedlungskonimission in Posen sind die Stellen
eines Hauptkassenrendanten, eines Kassierers und Oberbuchhalters
den Offizieren zugängig, ihnen aber nicht Vorbehalten. Bedingung
für die Zulassung ist der Nachweis gründlicher Kenntnisse im Ver-
waltungs-, Kassen- und Rechnungswesen durch das Bestehen der
Sekretärprüfung.
Bei der Besetzung der 02 Stellen als Rechnungsrevisoren,
Buchhalter und Sekretäre wird kein Unterschied gemacht, ob der
Bewerber Militäranwärter oder Offizier ist. Dagegen werden die
Offiziere in 33 Fällen bevorzugt und bei weiteren 34 in Wett-
bewerb mit den Militäranwärtern gesetzt, wenn es sich um An-
stellung der Generalkommissions-Sekretäre handelt. Die 1 25 Stellen
der Spezialkommissions-Sekretäre sind für die aus dem Offiziers-
stande hervorgegangenen Beamten erreichbar, wenn diese die
erforderliche Befähigung und die notwendigen Eigenschaften hier-
für besitzen.
Die vorhandenen vier Badeinspektoren-Posten der Domänen-
verwaltung werden vorzugsweise den Offizieren Vorbehalten. Andere
Bewerber kommen demnach erst in Betracht, wenn sich geeignete
Offiziere nicht melden. Das Gehalt beträgt für diese Stellen außer
Wohnungsgeldzuschuß 2100 bis 4500 M.
Von den 36 Stellen der Domänenrentbeamten werden sechs
vorzugsweise mit Offizieren besetzt, während die fünf Rendanten-
stellen der Hauptgestüte für verabschiedete Offiziere erreichbar sind.
Außer diesen hier gesondert aufgeführten Stellen der Domänen-
verwaltung gibt es noch einige als Rechnungsführer, Sekretäre,
Administratoren und Rendanten, welche den Offizieren zugängig sind.
Bei der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung sind 190 Schicht-
meister und Rendanten beschäftigt, die in erster Linie mit Militär-
anwärtern und Offizieren besetzt sind. Auch hierfür sind gründ-
liche Kenntnisse im Kassen- und Rechnungswesen der Bergver-
waltung erforderlich. Verabschiedete Offiziere werden, falls sie
angenommen sind, sofort als Diätare beschäftigt, während die
Militäranwärter nur in freie Diätarstellen einberufen werden.
Der Bewerber hat sich einer dreijährigen Ausbildung auf
Staatswerken zu unterwerfen, an die sich die vorgeschriebene
Prüfung schließt. Für das Einrücken in Rendantenstellen ist ledig-
lich der Besitz der für die Verwaltung dieser Stellen erforderlichen
33
besonderen Befähigung entscheidend, während eine vorzugsweise
Berücksichtigung für bestimmte Klassen von Anwärtern hierbei
nicht in Aussicht gestellt werden kann.
Im Wege des Aufrückens kann der als Schichtmeister oder
Rendant angestellte Offizier, Sekretär bei einer Bergwerksdirektion
werden.
Im Bereiche des Ministeriums der geistlichen und Unter-
richts-Angelegenheiten sind ebenfalls einige Stellen für verab-
schiedete Offiziere vorhanden und zwar als Inspektoren, Rendan-
ten und Bureaubeamte.
B. Die Großherzogtümer.
1. Baden.
ln Baden gibt es 10 Stellen bei der Gendarmerie, der Polizei
und an den Strafanstalten, die Offizieren zugängig und mit einem
guten Einkommen verbunden sind. Darüber, ob die Stelle mit
einem Offizier zu besetzen ist, entscheidet die Anstellungsbehörde
nach den durch das Interesse des Dienstes gebotenen Rücksichten
2. Hessen.
Das Großherzogtum kündigt in den Anstellungs-Nachrichten
7 Stellen für gewesene Offiziere an, die an Strafanstalten bestehen.
5. Die beiden Mecklenburg.
Diese Staaten kennen 90 Stellen für Offiziere und Militär-
anwärter nach dem Muster Preußens.
4. Oldenburg.
ln diesem Großherzogtum ist die Zahl der für Offiziere in
Betracht kommenden Staatsstellen mit 350 außergewöhnlich groß,
wofür die Erklärung in dem Umstande liegt, daß Oldenburg viele
Stellen in der Eisenbahnverwaltung mit Offizieren und Militär-
anwärtern besetzt.
C. Die Herzogtümer und die übrigen
Ei nzelstaaten.
ln Braunschweig sind 4 Stellen für Offiziere erreichbar, ihnen
jedoch nicht Vorbehalten.
37
ln Sachsen -Meiningen ist eine Kommandeurstelle des Herzog-
lichen Feldjäger-Korps den Offizieren Vorbehalten, die ersten
Bürgermeisterstellen einzelner Städte können sie erlangen.
Auffallend groß ist die Anzahl der Stellen, welche Bremen
für Offiziere und Militäranwärter zu vergeben hat, nämlich 338,
unter denen jedoch nur 4 sind, bei denen Offiziere bevorzugt
werden. Auch im Staatsdienste Elsaß-Lothringens können manche
Offiziere eine Anstellung finden, namentlich in der dortigen allge-
meinen Landesverwaltung.
II. Stellen im Gemeindedienst der Einzelstaaten.
Bei Versorgung der verabschiedeten Offiziere sind auch die
Kommunalbehörden beteiligt, obwohl ihnen nach § 8 Ziffer 2 der
Anstellungsgrundsätze eine Verpflichtung hierzu nicht auferlegt
wird. Es handelt sich in den verschiedenen Einzelstaaten haupt-
sächlich um die Stellen als Bürgermeister, Standesbeamte,
Amtsvorsteher, Amtmänner (letztere in Westfalen), ferner um
die Stellen der Polizei-Inspektoren und Kommissare, Brand-
direktoren und Brandmeister sowie der Vorsteher kommu-
naler Kur- und Badeetablissements. Derartige Stellen werden,
da ihren Inhabern eine selbständige Verwaltung übertragen ist,
nicht zu den Subaltern- und Unterbeamtenstellen des Mannschafts-
versorgungsgesetzes gerechnet, sie werden daher in vielen, allerdings
nicht in allen Fällen mit verabschiedeten Offizieren besetzt, obwohl
diese dafür als besonders geeignet erscheinen.
Die Entwicklung der Kommunen hat übrigens die Schaffung
noch zahlreicher anderer Stellen sowohl in der eigentlichen städ-
tischen Verwaltung sowie in der Verwaltung städtischer Betriebe
zur Folge gehabt, die zur Besetzung mit verabschiedeten Offizieren
geeignet sind. Es seien hier nur die Stellen der Vorsteher von
1 rren-, H eil - und Pflegeanstalten, Blinden -.Taubstummen-,
Besserungs- und Fürsorgeanstalten, El ektri zitäts-, Gas-
und Wasserwerke erwähnt, ebenso der Schlachthäuser, Straßen-
bau- und Wasserbau-, sowie der Materialienverwaltung etc.
Wenn bei der Besetzung derartiger Stellen verabschiedete
Offiziere nur ausnahmsweise als Bewerber erscheinen, so hat dies
seinen Grund:
1. in den verschiedenartigen Rechtsverhältnissen und An-
stellungsgrundsätzen der Kommunalbeamten;
38
2. darin, daß die Eignung von der Ablegung einer Prüfung
abhängig gemacht wird.
Durch das Gesetz betr. die Anstellung und Versorgung der
Kommunalbeamten vom 80. Juli 1899 4) sind die Vorschriften über
die Rechtsverhältnisse der Gemeindebeamten für den Umkreis der
preußischen Monarchie neugeregelt bezw. ausgestaltet worden. Dieses
Gesetz aber gibt ebensowenig wie die Städteordnung eine Defi-
nition des Begriffes „städtischer Beamter“. Die im § 1 des Ge-
setzes gegebene Begriffserläuterung „Kommunalbeamter“ soll keine
allgemein gültige Definition geben, sondern nur den Wortgebrauch
im Sinne des Gesetzes festlegen. Die Begriffsbestimmung des
Beamtenverhältnisses gehört dem öffentlichen Rechte an. Danach
sind diejenigen Personen als Gemeindebeamte zu betrachten, welche
zur Stadt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen
und in dieses durch einen besonderen öffentlich-rechtlichen Akt
zum Zwecke der Ausübung von Gemeindegeschäften bestellt sind2).
Nicht zu den städtischen Beamten gehören daher diejenigen, welche
auf Grund eines privatrechtlichen Dienstvertrages angestellt sind.
Da die Vorschriften der Städteordnung über die Dauer der
Anstellung von Gemeändebeamten von einander abweichen, hat das
Kommunal-Beamten-Gesetz insofern eine einheitliche Regelung vor-
genommen, als es im § 8 Abs. 1 die Anstellung auf Lebenszeit als
Regel hinstellt. Gleichzeitig aber erweitert es den Kreis der auf
Kündigung anzustellenden Beamten gegenüber den Vorschriften der
Städteordnung 1853 und macht die lebenslängliche Anstellung der
Beamten der städtischen Betriebsverwaltungen von einem ausdrück-
lichen Gemeindebeschluß abhängig, stellt sie also in das freie
Ermessen der Gemeindeverwaltungen.
Ob ein Beamter der eigentlichen städt. Verwaltung angehört
oder als Betriebsbeamter zu erachten ist, hängt von der Natur der
ihm übertragenen Geschäfte ab. Allerdings kann darüber kein
Zweifel bestehen, daß alle gewerblichen Unternehmungen einer
Gemeinde Betriebsverwaltungen sind3). Im übrigen aber leidet der
Begriff der Betriebsverwaltung an großer Unbestimmtheit, weshalb
darüber ortsstatutarische Festlegung vorgeschrieben äst4).
x) Preuß. Gesetzes-Sammlung S. 141.
") Stier-Semlo. Verw. Arch. 12. S. 447.
J) Ausführung® -Anw. Art. III. Nr. 2. Abs. 2.
4) Dr. Hugo Preuß: Das städtische Amtsrecht. 1902. S. 346, 429
39
Uebrigens sind Abweichungen von der Regel des § 8 Abs. 1
die lebenslängliche Anstellung betreffend, nach $ 9 durch Ortsstatut
oder auf Grund von aufsichtsbehördlich genehmigten Gemeinde-
beschlüssen zugelassen. Diese Abweichungen können in der Fest-
setzung von Kündigungsfristen oder auch darin bestehen, daß die
Beamten auf eine bestimmte Reihe von Jahren mit Pensionsberech-
tigung angestellt werden.
Jeder definitiven Anstellung von Gemeindebeamten kann nach
Belieben der Gemeinde eine Beschäftigung auf Probe vorangehen,
die bei Zivilanwärtern in der Regel zwei Jahre1), bei Militär-
anwärtern 6 Monate, für den Dienst der Straßenbau- und "Wasser-
bauverwaltung, sowie im Bureau- und Kassendienst2) ein Jahr nicht
übersteigen darf.
Bei den zur Vorbereitung angenommenen Personen kann die
definitive Anstellung von der Ablegung einer Prüfung abhängig
gemacht werden, eine solche aber bei den auf Probe Angenomme-
nen bezw. Angestellten verlangt werden.
Dem Ermessen und der Bestimmung des Magistrats unter-
liegen ferner die persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die
der Gemeindebeamte für sein Amt mitzubringen hat. Gesetzliche
Vorschriften über eine wissenschaftliche, technische oder praktische
Vorbildung der städtischen Beamten bestehen nicht. Der Magistrat
kann die ihm nötig erscheinenden Prüfungen selbst vornehmen.
Diese Bestimmungen erscheinen erfahrungsgemäß dem verab-
schiedeten Offizier zu vielgestaltig und schwer zu überwinden, da
er den kommunalen Verwaltungsangelegenheiten meist fern steht
und auch die Probeanstellung schon eine gewisse Vertrautheit mit
den gestellten Aufgaben zur Voraussetzung hat. Er zieht es des-
halb in den meisten Fällen vor, von einer Bewerbung überhaupt
abzusehen. "Wir meinen mit Unrecht; denn so verschieden auch
die Aufgaben der Inhaber der einzelnen Stellen im Gemeinde-
dienst sein mögen, so kann doch allgemein festgestellt werden, daß
jeder Anwärter mit einer guten Allgemeinbildung sich schnell in
den Aufgabenkreis einarbeiten kann. Es handelt sich fast überall
nur um Kenntnisse des Kassen- und Rechnungswesens im Rahmen
der kameralistischen Buchführung sowie um solche der allgemeinen
9 § 10, Abs. 1 d. Komm.-Beamten-Ges. v. 21. 7. 1892.
~) § 13 d. Komm.-Beamten-Ges. v. 21. 7. 1892.
40
Verwaltung. Also alles Kenntnisse und Fähigkeiten, die bei ihrem
technischen und schematischen Charakter in kurzer Vorbereitungs-
zeit vom Bewerber beherrscht werden können.
Und weil die in den Anstellungs-Nachrichten angeführten Stellen
nur derartige Fähigkeiten von den Bewerbern verlangen, wollen sie
uns als sehr wichtig erscheinen. Der aktive Offizier hat mehr
praktischen als wissenschaftlich-theoretischen Dienst, so daß er sich
in den neuen Beruf leichter und freudiger einarbeitet, als wenn er
von Grund auf anfangen müßte *).
Hat der vorzeitig verabschiedete Offizier keine Lust, einen
*) Uebrigens bieten mehrere geeignete Spezialinstitute Gelegenheit
zur Ausbildung für den Kommunaldienst. Zu erwähnen wäre die Kölner
Hochschule für kommunale und sozi al e Verwaltung, ferner das in
Tübingen geplante Seminar für Kommunalwesen und Wohlfahrtspflege, endlich
die ,, Akademie für kommunale Verwaltung“ in Düsseldorf. Letztere hat
neuerdings sogar besondere Kurse zur Vorbildung kriegsbeschädigter Offi-
ziere für den Kommunaldienst eingerichtet und bietet auch verabschiedeten
Offizieren, die sich dem Kommunaldienst widmen und eine Prüfung ab-
legen wollen, hierzu Gelegenheit. Ein Anrecht auf Zulassung hat jeder
deutsche Offizier. Der Lehrgang umfaßt ein bis zwei Semester und kann
mit einer Prüfung abgeschlossen werden, über deren Resultat ein vom
staatlichen Prüfungskommissar, vom Bürgermeister und vom Studiendirektor
unterzeichnetes Diplom ausgestellt wird. Gelegenheit zur Einarbeitung in
die kommunale Praxis wird geboten. Die zur Teilnahme an allen Vor-
lesungen, Uebungen und sonstigen Veranstaltungen zu erlegende Gebühr
beträgt 105 Mark für jedes Semester einschließlich Krankenkassen- und
Un fall versicherungs- Beitrag.
Der Lehrplan umfaßt folgende Gegenstände: Kommunal-, Staats- und
Reichsverfassung. Kommunalbeamtenrecht, Verwaltungs- und Polizeirecht,
Kommunalabgabenrecht, Reichsversicherungsrecht, Bürgerliches Recht für
Kommunalbeamte, Zivilprozeß, Zwangsvollstreckung, Konkurs, freiwillige
Gerichtsbarkeit, Arbeitervertrags- und Arbeiterschutzrecht, das Derzernat in
der Gemeindeverwaltung. Verwaltungsrechtliche Uebungen, Volkswirtschafts-
politik, Finanzwirtschaft, Gewerbepolitik, Kommunale Wirtschaftspolitik,
Bauverwaltung, Schulwesen und Schulverwaltung der Gemeinden. Kauf-
männische Buchführung. Volkswirtschaftliche Uebungen. Uebungen über
Fragen der kommunalen Sozialpolitik. Gewerberecht, Wege-Baupolizei-
Wasserrecht. Jagd-, Fischereirecht, Schulrecht, Volkswirtschaftslehre, kom-
munales Finanzwesen, Staatssteuerwesen, Armenwesen. Praxis des bürger-
lichen und Prozessrechts. Praktische Einführung in die kameralistische
Buchführung. — lm Anschluß an die Vorlesungen finden Besichtigungen
kommunalwissenschaftlich interessierender Betriebe und Anlagen statt. Der
Lehrgang bietet demnach hinreichende Gelegenheit zur Vorbereitung für
alle Zweige des Kommunaldienstes unter Bedingungen, die auch der unbe-
mittelte verabschiedete Offizier zu erfüllen in der Lage sein dürfte. —
Kommunale Rundschau. 9. Jahrg. Nr. 5. S. 61. — Vergleiche ferner Stier-
Semlo: Kommunale Wissenschaften und kommunale Ausbildung. 1911.
41
neuen Beruf zu ergreifen, der ein längeres akademisches Studium
erfordert, dann könnte er gegen die Wahl eines der öffentlichen
Berufe, der nur Probe- oder Vorbereitungszeit erfordert, nur noch
einwenden, daß es sich um Subaltern-Stellen handle. Die Haupt-
sache sind jedoch tüchtige Leistungen im neuen Beruf, der in fast
allen Fällen das Aufrücken in eine höhere Stelle ermöglicht. Hat
z. B. der Offizier die sicherlich nicht leichte Assistentenzeit bei
der Eisenbahnverwaltung hinter sich, dann kann er Bahnhofs- oder
Oberbahnhofsvorsteher werden. Und in solchen Stellen des Eisen-
bahndienstes brauchen die bis dahin an das Frontleben Gewöhnten
nicht einmal Stubenhocker und Bureaukraten zu werden, sondern in
dieser Laufbahn können sie im Außendienst die Haupteigenschaften
des tüchtigen Soldaten, Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit, Umsicht
Tatkraft und schnelle Entschlußfähigkeit zur Geltung bringen.
42
3. Abschnitt.
Die privaten Zivilberufe.
] m Unterschiede von der Anstellung der verabschiedeten
Offiziere im Reichs-, Staats- und Gemeindedienst ist die berufliche
Tätigkeit im kaufmännischen und technischen Gewerbe nicht mit
einem pensionsfähigen Einkommen verbunden, bietet auch keine
lebenslängliche Versorgung. Es hat deshalb auch lange Jahre hin-
durch eine Abneigung der Offiziere gegen die Wahl dieser Berufe
bestanden. Im allgemeinen wurden Offiziere nach ihrer vorzeitigen
Verabschiedung nur Kaufmann, wenn sie selbst aus einem Geschäfts-
hause stammten, gute Beziehungen nach dieser Seite hin hatten
oder spekulativ genug veranlagt waren, ihr Vermögen als Handels-
bezw. Industriekapital anzulegen.
Daß der Wahl des kaufmännischen Berufs jedoch mehr Auf-
merksamkeit geschenkt werden müsse als früher, ist in den letzten
Jahren Gemeingut der verabschiedeten Offiziere geworden, und
diese Erkenntnis spricht auch aus einem Rundschreiben des Preußi-
schen Kriegsministers an die Handelskammern vom 1. Mai 1913 *).
Der Minister betont in diesem Rundschreiben, daß die bereits
bestehende staatliche Fürsorge für die mit Aussicht auf Anstellung
im Zivildienst verabschiedeten Offiziere ihre Aufgabe noch nicht
in dem Maße erfüllen könne, wie es bei der Bedeutung dieser
Frage, die die Interessen des Heeres aufs innigste berührt,
wünschenswert ist. Vor allen Dingen erscheine es nötig, den Kreis
der den Offizieren zugänglichen Stellen tunlichst zu erweitern, und
es sei dringend zu wünschen, daß geeigneten Persönlichkeiten unter
den verabschiedeten Offizieren Anstellung auch in Bank-, Handels-
und Industriekreisen verschafft oder ihnen hierzu wenigstens die
Wege geebnet würden. In dem Bestreben, diese Angelegenheit
zu fördern, bat das Kriegsministerium die Handelskammern, in
ihren Bezirken doch dahin wirken zu wollen, daß den mit Aussicht
auf Anstellung im Zivildienst verabschiedeten Offizieren der Zutritt
zu geeigneten Stellen des Handels und der Industrie ermöglicht
werde. Die Offiziere würden sicherlich in Stellen, die besonderes
3) Abgedruckt in „Handel und Gewerbe “, 20. Jahrgang, S. 719.
43
Vertrauen, Disponierungstalent usw. mehr als kaufmännisches Wissen
erforderten, vermöge ihrer Erziehung im Heere Gutes zu leisten
imstande sein.
Um den Offizieren den Uebergang in einen Zivilberuf zu
erleichtern, hat das Kriegsministerium am 1. April 1913 die Aus-
kunftsstelle für Offizierzivilversorgung (Berlin W. 66, Wilhelm-
straße 82/84) errichtet, auf die in diesem Rundschreiben besonders
hingewiesen wird und die einen Sammelpunkt für Angebot und
Nachfrage bilden soll. Der Minister wies in dem angeführten
Schreiben an die Handelskammern darauf hin, daß die Auskunfts-
stelle mit größtem Dank Mitteilungen von Stellen entgegennehmen
würde, in denen Offiziere Verwendung finden könnten. Sehr dankens-
wert seien auch Fingerzeige darüber, für welche Stellen besondere
Kenntnisse verlangt würden, und wo der Offizier Gelegenheit habe,
sich diese anzueignen.
Neben der Auskunftsstelle im Kriegsministerium besteht zu
demselben Zweck seit Anfang 1913 ein Stellennachweis für verab-
schiedete Marineoffiziere beim Reichsmarineamt.
Gegen dieses Ansuchen des Preußischen Kriegsministers, dem
bald darauf die Kriegsministerien in den drei anderen Königreichen
folgten, haben sich jedoch die meisten Handelskammern und die
Soziale Arbeitsgemeinschaft der kaufmännischen Verbände in Leipzig,
bestehend aus dem Verband deutscher Handlungsgehilfen (Leipzig),
dem Verein für Handlungs-Commis von 1858 (Hamburg) und dem
Deutschen Verband Kaufmännischer Vereine (Frankfurt a. Main),
gewandt, ln der Eingabe1) der Sozialen Arbeitsgemeinschaft vom
26. Juli 1913 an die Kriegsministerien von Preußen, Bayern,
Sachsen und Württemberg heißt es u. a.
„Als Vertreter von mehr als 300000 deutschen Handels-
angehörigen gestatten wir uns hiermit an das hohe Mini-
sterium die ergebene Bitte zu richten, im Interesse der
Angestellten in Handel und Industrie, wie auch im eigenen
Interesse der verabschiedeten Offiziere von der Verwirk-
lichung dieses Vorhabens abzusehen und in anderer, geeig-
neterer Weise für die Beseitigung etwa bestehender Miß-
stände Sorge tragen zu wollen.“
Zur' näheren Begründung wurde in dieser Eingabe darauf hinge-
wiesen, daß die Wahl des kaufmännischen Berufes durch das
1) Abgedruckt in „Handel und Gewerbe“, 20. Jahrgang, S. 719.
44
Ministerium nur auf eine Verkennung der näheren Berufsverhält-
nisse im Hände] zurückzuführen sei. lind in der Tat muß dieser
Hinweis der Sozialen Arbeitsgemeinschaft als berechtigt gelten.
Denn nach anderweitigen Ergebnissen der von der Stellenvermitt-
lung des Verbandes Deutscher Handlungsgehilfen zu Leipzig ge-
führten Gehaltsstatistik betrug das Durchschnittseinkommen in den
Jahren 1911 und 1912 der
Kontoristen Reisenden Lageristen Verkäufer
1911 1478 M. 1838 M. 1588 M. 1393 M.
1912 1496 M. 1818 M. 1691 M. 1422 M.
Das Durchschnittseinkommen der Angestellten erreicht also in vielen
Fällen kaum dasjenige gelernter Arbeiter.
Wie ferner die Erfahrungen der Stellenlosenkassen der Ver-
bände beweisen, herrscht im kaufmännischen Beruf in außerordent-
lich hohem Maße Stellenlosigkeit. Diese Zustände sind die Folge
eines übergroßen Angebots an Arbeitskräften, das in dem Ein-
dringen zahlreicher ungeeigneter und mangelhaft vorgebildeter Kräfte
seine Erklärung findet, „ln keinem andern Beruf“, heißt es in
der Eingabe der Sozialen Arbeitsgemeinschaft, „ist daher eine in
jeder Beziehung so umfassende Ausbildung notwendig wie gerade
im Handel, wenn anders der in den Beruf Eintretende nicht von
vornherein dazu bestimmt sein soll, das große Heer der Stellen-
losen zu vermehren“. Insbesondere sei, wie auch andere Körper-
schaften und Interessenvertretungen betonen, die Absolvierung einer
praktischen Lehre unumgängliches Erfordernis. Auf der von mehreren
Hundert Vertretern des Reiches und der Einzelstaaten, Handels-
kammern, Fortbildungsschulen usw. besuchten kaufmännischen Lehr-
konferenz zu Leipzig im Jahre 1909 ist auch ausdrücklich anerkannt
worden, daß die Grundlage der kaufmännischen Erziehung nach wie
vor die praktische Lehre bilden müsse.
Indessen reicht diese allein heute nicht mehr zur Vermittlung
der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten aus; Hand in Hand
mit der praktischen Lehre muß die Ausbildung in der Fortbildungs-
schule erfolgen und die praktische Lehre ergänzen. Nur wenn
diese Voraussetzungen erfüllt und die sonst erforderlichen Eigen-
schaften vorhanden sind, können die sich dem Handel zuwendenden
Kräfte damit rechnen, sich eine leidliche Existenz zu sichern, wenn-
gleich auch das Streben großer Teile unter ihnen auf die Er-
reichung höherer und besser bezahlter Posten gerichtet ist, weil
45
unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen, die infolge der
großgewerblichen Betriebsweise den Uebergang zur Selbständigkeit
immer mehr erschweren, nur dieses Streben die Möglichkeit zum
sozialen Aufstieg gibt.
Freilich gelingt es bei der beschränkten Anzahl solcher Stel-
lungen bei weitem nicht allen, das gesteckte Ziel zu erreichen.
Aber dennoch muß dieses Vorwärtsstreben als ein überaus erfreu-
liches Zeichen für den Geist und die Pflichtauffassung weiter
Kreise des deutschen Angestelltenstandes betrachtet werden, an deren
Erhaltung im Interesse einer gedeihlichen Weiterentwicklung von
Handel und Industrie alle Glieder des Staates gleichmäßig inter-
essiert sind. Durch den Eintritt verabschiedeter Offiziere in den
kaufmännischen Beruf würde dieser Trieb nach vorwärts aber
zweifellos in hohem Maße unterbunden werden, da für die Ver-
wendung der Offiziere nach Ansicht des Kriegsministeriums gerade
die Besetzung derartiger leitender Posten vorgesehen ist, was natür-
lich eine wesentliche Herabminderung der an und für sich sehr
geringen Aussicht der wirklich kaufmännisch gebildeten Angestellten
auf Erlangung besserer Stellungen bedeuten würde.
Außerdem dürfte die Unterbringung der Offiziere voraussicht-
lich auch zu einer weiteren Verschlechterung der oben geschilderten
ungünstigen wirtschaftlichen Lage der Angestellten beitragen, da
derartige Bewerber infolge ihrer Pensionsbezüge erfahrungsgemäß
mit zum Teil außerordentlich niedrigen Gehaltsforderungen an die
Geschäftsinhaber herantreten.
Daß die wirtschaftliche Lage und die Stellenlosigkeit der
kaufmännischen Angestellten sich noch ungünstiger gestalten würden,
wenn die bisher nur vereinzelt in das Handelsgewerbe eingetretenen
Offiziere auf Grund einer vom Kriegsministerium geleiteten Organi-
sation zahlreich diesen Beruf ergreifen, ist auch die Auffassung des
Verbandes reisender Kaufleute Deutschlands, die in dessen Organ
„Die Post“ vom 7. August 1913 niedergelegt ist. Bei der An-
ziehungskraft, die der Offiziersrang und Offizierstitel auf manche
Menschen ausübt, sei es nicht ausgeschlossen, daß dem Rund-
schreiben des Kriegsministeriums einiger Erfolg beschieden sei.
Aber ein tüchtiger Offizier brauche noch lange kein guter Kauf-
mann zu sein. Der Verband reisender Kaufleute ist sogar der
Ansicht, daß gerade die eigentlichen Offizierseigenschaften das
Fortkommen im kaufmänni sehen Leben erschweren werden, denn
46
hier komme es nicht nur auf Disziplin und strammes Kommandieren
an, sondern auf eine große Biegsamkeit und Geschmeidigkeit, die
es ermöglichen, sich leicht in veränderte Verhältnisse hineinzufinden
und in ihnen zurechtzukommen. Gerade diese Eigenschaften gingen
den Offizieren jedoch meist ab.
„Wenn man bedenkt“, heißt es in dem angeführten Aufsatze
der „Post“ vom 7. August, „daß für die besseren Stellen in Handel
und Industrie — und doch nur für solche kommen die früheren
Offiziere in Betracht — jetzt eine recht weitgehende Vorbildung
verlangt wird, und daß es sich die Inhaber dieser Posten meist
durch Hochschulbesuch und Auslandsaufenthalt haben etwas kosten
lassen, um diese Stellen zu erlangen, so wird man zugeben müssen,
daß es ungerecht wäre, die verabschiedeten Militärs besonders zu
bevorzugen“.
Auch die Korporation der Aeltesten der Kaufmannschaft in
Berlin hat zu dem Rundschreiben des Kriegsministers in einer Ein-
gabe vom 25. August 1913 Stellung genommen. Nachdem die
Aeltesten das Interesse, verabschiedeten Offizieren Beschäftigung
in bürgerlichen Berufen zu verschaffen, anerkannt haben, verweisen
sie in ihrer Eingabe darauf, daß eine ersprießliche Tätigkeit in
Handels- und Industriekreisen nur möglich sei, wenn die betreffende
Persönlichkeit Fachkenntnisse besitze. Solche könnten aber im
allgemeinen nur durch Ausbildung in der praktischen Lehre und
durch langjährige Uebung erworben werden. Eine theoretische
Ausbildung in Handelsschulen oder Handelshochschulen könne zwar
diese praktische Ausbildung wirksam ergänzen, aber nur in seltenen
Fällen völlig ersetzen.
Dieser Hinweis der ältesten von Berlin verdient besondere
Beachtung, weil die verabschiedeten Offiziere in einem Lebens-
alter stehen, in welchem sie für eine solche Ausbildung in der
Praxis schwerlich noch in Betracht kommen und vielfach auch nicht
mehr die nötige Anpassungsfähigkeit an die kaufmännischen Ver-
hältnisse besitzen. Die Erfahrung hat dies in fast allen Fällen
gelehrt, in denen der Versuch gemacht wurde.
Allerdings gibt es auch Betriebe, wie Waffen- und Munitions-
fabriken, in denen ehemalige Offiziere auf Grund ihrer beim Heer
erworbenen Fachkenntnisse Beschäftigung finden können. Auf diesem
Gebiete dürfte hauptsächlich die Möglichkeit liegen, ehemalige
Offiziere in geeignete!* Weise zu verwenden, ln verschiedenen
47
solcher Stellungen haben sich verabschiedete Offiziere bereits vor-
züglich bewährt.
Wenn das Ministerium in dem angeführten Rundschreiben
darauf hinweist, daß sich die verabschiedeten Offiziere jedenfalls
besonders in Stellen, die besonderes Vertrauen, Disponierungstalent
usw. mehr als kaufmännisches Wissen erfordern, vermöge ihrer Er-
ziehung im Heere Gutes leisten würden, dann wenden die Aeltesten
dagegen zweierlei ein: Zunächst ist die Korporation der Aeltesten
der Meinung, daß in den Kreisen der Handelsangestellten die Ver-
trauenswürdigkeit im weitesten Umfange vorhanden ist, und daß es
den Geschäftsinhabern an vertrauenswürdigen Handelsangestellten
nicht fehlt. Von diesem Gesichtspunkte aus liegt daher keine Ver-
anlassung vor, für diese Stellungen auf verabschiedete Offiziere
zurückzugreifen.
Andererseits können Vertrauensstellungen aber, z. B. solche
zur Beaufsichtigung von Geschäftszweigen, zur Ueberwachung des
Kassenwesens usw., nur von solchen Personen ausgefüllt werden,
die den Betrieb von Grund auf und in allen seinen Einzelheiten
kennen. Ebenso ist rasches und sicheres Disponieren nur auf Grund
gründlicher kaufmännischer oder industrieller Kenntnisse möglich.
Und daß durchweg zu diesen beiden Gruppen des kaufmännischen
Berufs nur die tüchtigsten Anwärter emporsteigen, geht auch dar-
aus hervor, daß die Vertrauens- und Disponentenposten die am
besten bezahlten Stellungen sind. Ein Kaufmann kann eine solche
Stellung nur erlangen, wenn er von der Pike auf dient. Wollte
man aber den kaufmännischen Angestellten durch das Einschieben
von Offizieren die Aussicht auf diese Stellungen nehmen oder zum
mindesten erschweren, dann wäre das eine Zurücksetzung für sie,
die von ihnen als Kränkung bitter empfunden werden würde. Auch
von den Geschäftsinhabern könnte im Interesse eines gut geschulten
Personals dies nicht gutgeheißen werden.
Zum Rundschreiben des Kriegsministers vom 2. Mai 1913
nehmen fast alle der 149 Handelskammern im Deutschen Reiche
Stellung, deren Auffassung im folgenden, soweit diese bemerkens-
wert sind, wiedergegeben werden sollen.
Die Handelskammer zu Bochum x) hat das Rundschreiben des
Ministers mit einem empfehlenden Anschreiben an eine Reihe von
\> Juni-Juli-Mitteilungen der Kammer, 1913.
48
in Betracht kommenden Firmen des Bezirks gesandt und dem
Ministerium die dort bestehenden Auffassungen über die Möglich-
keit der Verwendung ehemaliger Offiziere dargelegt.
Die Handelskammer zu Dessau 4) äst der Ansicht, daß ver-
abschiedete Offiziere im allgemeinen nur dann auf Anstellung im
Handelsgewerbe rechnen könnten, wenn sie sich eine entsprechende
Vorbildung angeeignet haben. Vielleicht könne man sie aber in
Stellungen verwenden, in denen ihre genaue Kenntnis der Heeres-
verhältnisse von Vorteil sei.
Die Handelskammer zu Erfurt * 2) schloß sich der Stellungnahme
der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft an (vgl. oben), während
die Kammer zu Karlsruhe bedauert, der Kriegsministeriellen An-
regung keine weitere Folge leisten zu können 3 4).
Die Handelskammer zu Liegnitz 4) kam nach eingehender
Besprechung des Kriegsministeriellen Wunsches zu der Ueberzeu-
gung, daß der Wunsch in der gedachten Form auf unüberwindliche
Schwierigkeiten stoßen würde. Es unterliege in der jetzigen Zeit
(Sommer 1913) keinem Zweifel, daß augenblicklich im kaufmänni-
schen Beruf die Aufnahmefähigkeit für Angestellte nicht mehr an-
nähernd in dem Maße vorhanden sei, wie noch vor wenigen Jahren,
lieberall besteht wegen der geschäftlichen Schwierigkeiten das Be-
streben, die Gestehungs- und Handlungskosten soweit wie möglich
zu ermäßigen und auf das Notwendigste zu begrenzen. Deshalb
bietet sich nur geringe Anstellungsaussicht für Kräfte, denen jegliche
kaufmännische Ausbildung fehlt. „Es liegt auch auf der Hand“,
heißt es in der amtlichen Niederschrift über die Sitzung der Kammer
vom 26. September 1913, „daß das in Offizierskreisen gehegte
Standesbewußtseän, der leider oft hermetische Abschluß von gewerb-
lichen Kreisen, von vornherein die weitaus größte Zahl etwa zu
besetzender Stellen für den gedachten Zweck ausschalten würde“.
Es müsse außerdem begreiflich erscheinen, daß die vom Kriegs-
minister gewünschte Rücksichtnahme bei Besetzung freier Stellen
bei den Handlungsgehilfen -Verbänden tiefste Verstimmung hervor-
rufen würde. Das gute Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern würde einen unheilbaren Riß bekommen. Der Ein-
Bericht über die Sitzung vom 6, September 1913.
2) Amtliche September-Mitteilungen 1913.
3) Bericht über die Sitzung vom 26. September 1913.
4) Bericht über die Sitzung vom 26. September 1913.
49
tritt einzelner verabschiedeter Offiziere in Großbanken, großindu-
strielle Unternehmungen werde nach wie vor zu verzeichnen sein,
aber ein Eintritt von Offizieren in den kaufmännischen Beruf auf
breiter Grundlage dürfte als ausgeschlossen erachtet werden.
Die Handelskammer zu Limburg J) (Lahn) ist nicht geneigt
die Anregung des Kriegsministers zu unterstützen, und die Kammer
zu Rostock2) beschloß, dem Ersuchen insoweit zu entsprechen, als
sie dem Kontingents-Kommandanten die jeweilige Mitteilung machen
will, wenn ihr von einer Firma angezeigt wird, daß diese eine
Stelle mit einem ehemaligen Offizier zu besetzen wünsche.
Die Handelskammer zu Zittau 3) in Sachsen, ,,weit davon
entfernt, auf die Firmen des Bezirks einen Einfluß im Sinne der
Anstellung verabschiedeter Offiziere auszuüben“, hat ihre Tätigkeit
lediglich darauf beschränkt, durch eine Umfrage unter den in
Betracht kommenden Kreisen die tatsächlichen Verhältnisse im
Bezirke und die Stellungnahme der Beteiligten zu der Angelegen-
heit zu ermitteln. Aus dem Ergebnis dieser Umfrage hat sie
feststellen können, daß nicht nur kein Mangel an Angebot geeig-
neter Bewerber aus dem Zivilstande für Stellen der in Frage
stehenden Art beobachtet worden ist, sondern daß eine Ausdehnung
des Bewerberkreises die Zahl der aus Mangel an Nachfrage un-
beschäftigt bleibenden in bedenklicher Weise vermehren würde.
Zur Ausfüllung der meisten unbesetzten Stellen sei eine praktische
Vorbildung der Bewerber erforderlich, die auf theoretischem Wege
sich allein nicht erwerben lasse. Gleichwohl hat die Kammer zu-
gegeben, daß bei der außerordentlichen Vielgestaltigkeit der An-
forderungen und Bedürfnisse es auch im Dienste von Handel und
Industrie Stellungen gibt, für deren Ausfüllung sich verabschiedete
Offiziere in besonderem Maße eignen würden, beispielsweise in
Fällen, wo der Schwerpunkt der mit der Stelle verbundenen An-
sprüche an die Leistungen der Bewerber auf repräsentativem und
organisatorischem Gebiete liegt oder bei Betrieben, die in unmittel-
barer Beziehung zur Heeresverwaltung stehen.
Die Handelskammer zu Freiburg4) (Baden) erklärt sich bereit,
der Auskunftsstelle für Offizierzivilversorgung Mitteilungen zu-
J) Amtlicher Bericht über die Sitzung vom 23. September 1913.
') Amtlicher Bericht über die Sitzung vom 29. September 1913.
3) September-Mitteilungen 1913.
4) Amtlicher Bericht über die Sitzung vöm 29. September.
50
gehen zu lassen, wenn an sie Nachfragen nach Persönlichkeiten aus
dem Stande ehemaliger Offiziere herantreten.
Die Handelskammer zu Lahr *) lehnt wegen der bestehenden
gewichtigen Bedenken es ab, dem Ersuchen des Kriegsministers
Folge zu leisten, sie verpflichtet sich aber der Auskunftsstelle für
Offizierzivilversorgung sofort Mitteilung zu machen, wenn ein Unter-
nehmen des Bezirks für einen ganz besonders gearteten Posten die
Anstellung eines Offiziers beabsichtigt.
Ablehnend gegen das Ersuchen des Kriegsministers verhielt
sich auch der Hansabund für Gewerbe, Handel und Industrie* 2),
der in seiner Eingabe an das Ministerium darum bat, den Wett-
bewerb unter den Handelsangestellten nicht durch eine systema-
tische Organisation zu vermehren. Und auch die Bezirksgruppe
Darmstadt3) dieser wirtschaftlichen Interessenvertretung nahm den-
selben Standpunkt ein.
Zu derselben ablehnenden Auffassung bekannten sich die Kreis-
vereine des Verbandes deutscher Handlungsgehilfen in Auerbach
(Vogtland)4), Beuthen 5), Glauchau6) und Radebeul7) in ihren Ein-
gaben an den Deutschen Handelstag.
Der Verband der deutschen Versicherungsbeamten 8) (München)
betont in seiner Eingabe an den Deutschen Handelstag vom 7. August
1913, daß die Rentabilität jedes Gewerbes durch die Anstellung
unausgebildeter Beamten in Frage gestellt werde. Die Tüchtigkeit
des deutschen Offiziers müsse sicherlich anerkannt werden, und es
sei auch berechtigt, für die verabschiedeten Offiziere zu sorgen.
Aber das Versicherungsgewerbe könne nur vereinzelt diese im Heere
9 Amtlicher Bericht über die Sitzung vom 18. Oktober 1913.
2) Mitteilungen des Hansa-Bundes, September-Heft 1913.
3) Mitteilungen des Hansa-Bundes, September- Heft 1913.
4) Eingabe des Kreisvereins an den Deutschen Handelstag vom
27. Sept. 1913.
°) Eingabe des Kreisvereins an den Deutschen Handelstag vom
15. Oktober 1913.
6) Eingabe des Kreisvereins an den Deutschen Handelstag vom
1. Oktober 1913.
7) Eingabe des Kreisvereins an den Deutschen Handelstag vom
14. Oktober 1913.
8) Schreiben des Verbandes an den Deutschen Handelstag vom
7* August 1913.
51
freiwerdenden Kräfte gebrauchen und der Verband müsse den
Deutschen Handelstag bitten, die Aufforderung des Ministers zu-
rückzuweisen.
Auf einem anderen Standpunkt stehen die Handelskammern
zu Wetzlar, Koblenz und Essen-Ruhr.
Di£ Kammer zu Wetzlar *) teilt die Auffassung des Kriegs-
ministers durchaus und ist der Ansicht, daß die Zahl der wirklich
für die Fälle einer Anstellung im Privatdienst in Betracht kommen-
den Offiziere im Vergleich allein zu der Zahl der drei großen
Handlungsgehilfenverbände so verschwindend gering ist, daß an
eine überhaupt merkliche Verschlechterung der finanziellen Lage
der Handlungsgehilfen nicht zu denken ist. „Auf der anderen
Seite ist der Vorteil, den gerade Handel und Gewerbe unseres
Vaterlandes aus der steten Erneuerung und der sich damit steigern-
den Schlagfertigkeit des Heeres ziehen, doch so erheblich, daß
auch die Angestellten in Handel und Industrie in wohlverstandenem
Eigeninteresse dieses Mittel zur wirksamen Durchführung einer
solchen Erneuerung gutheißen sollten und auch etwaige für die
leitenden Stellen der Privatverwaltungen daraus ergebenden Un-
bequemlichkeiten hintenangesetzt werden müßten. Von diesen Ge-
sichtspunkten aus betrachtet, müssen wir den Standpunkt, den die
Handlungsgehilfenverbände in ihrer Eingabe vertreten, als nicht
gerechtfertigt aussprechen“.
Die Handelskammer zu Koblenz begrüßt mit Genugtuung den
Umschwung der Anschauungen, der sich, nach dem Ersuchen des
Ministeriums zu urteilen, in militärischen Kreisen in der Bewertung
der kaufmännischen Arbeit und der Einschätzung der sozialen
Stellung des Kaufmanns vollzogen hat. Sie erkennt auch das Be-
streben der Militärverwaltung als durchaus berechtigt an, Offizieren,
die in ihrer bisherigen Laufbahn keine weitere Verwendung finden
können, ein Unterkommen in anderen Berufen zu erschließen. Wer
seiner Veranlagung nach Kaufmann sei, der sei in diesem Stande
willkommen, komme er, woher er wolle. Die von einigen An-
gestelltenverbänden an das Vorgehen der Militärverwaltung ge-
knüpften Befürchtungen hält die Kammer für ungerechtfertigt.
Allein schon die Notwendigkeit, die Leistungsfähigkeit ihrer Unter-
nehmungen auf das höchste anzuspannen, werde die Geschäftsherren
davon abhalten, ihren bisherigen bewährten Mitarbeitern mangels
*) Eingabe an den Deutschen Handelstag vom 20. Oktober 1913.
52
genügender kaufmännischer Durchbildung und Erfahrung im all-
gemeinen weniger geeignete ehemalige Offiziere vorzuziehen x).
Ausführlicher als alle anderen Kammern nimmt die zu Essen-
Ruhr zu dem Ersuchen des Kriegsministers Stellung. Diese Handels-
kammer verweist darauf, daß die Frage der Offizierzivilversorgung
nicht lediglich unter dem Gesichtspunkte betrachtet werden könne,
daß durch Einstellung von verabschiedeten Offizieren in Privat-
betrieben den Kreisen der in Industrie und Handel tätigen Ange-
stellten eine Konkurrenz erwächst. Es müsse vielmehr in erster
Linie bei dieser Frage ins Auge gefaßt werden, daß die Erhaltung
eines dienst- und kriegstüchtigen Offizierkorps im allgemeinen vater-
ländischen und damit auch im Interesse der Kreise von Handel
und Industi'ie liegt. Es kämen für die Anstellung überdies nur
Offiziere in Frage, die sich für derartige Posten eigneten und die
Zahl derer sei sicherlich gering.
Zur Ueberwindung der Schwierigkeiten, welche sich erfahrungs-
gemäß dem verabschiedeten Offizier bei seinem Bemühen, in einem
Zivilberuf eine neue Tätigkeit zu finden, entgegenstellen, erscheint
es der Kammer notwendig, zwischen der im Kriegsministerium
eingerichteten Auskunftsstelle für Offiziersversorgung einerseits und
den Kreisen von Handel und Industrie andererseits eine Verbin-
dung herzustellen. Diese Verbindung wäre so zu denken, daß den
beteiligten Kreisen im Lande periodenweise eine Liste zugeht, in
der angegeben ist, welche Herren, welchen Dienstranges und Alters,
den Wunsch nach einer Anstellung in Handel und Industrie haben.
Welche näheren Angaben zweckmäßig in die Listen extra aufzu-
nehmen wären, müßte näheren Erörterungen Vorbehalten bleiben.
Da es ausgeschlossen erscheint, daß diese Liste seitens der kriegs-
ministeriellen Auskunftsstellen sämtlichen einzelnen Unternehmungen
im Lande zugeht, so dürfte vielleicht ins Auge zu fassen sein, daß
man seitens des Kriegsministeriums an die einzelnen Handelskammern
und sonstigen wirtschaftlichen Vertretungen mit dem Ersuchen her-
antritt, zu erkären, ob sie bereit sind, eine solche ihnen zeitweise
zugehende Liste den in ihrem Bezirk in Frage kommenden Betrieben
zuzustellen. Eine große Anzahl von Handelskammern und wirt-
schaftlichen Interessenvertretungen, vielleicht auch manche Städte
würden sich hierzu bereit erklären.
') Mitteilung über die Sit2ung der Kammer vom 2S. Oktober 1913.
Um den verabschiedeten, bezw. zu verabschiedenden Offizieren
die Anstellung im Zivilberufe zu erleichtern, möge man ihnen Ge-
legenheit geben, die wichtigsten Kenntnisse und Fähigkeiten für
den Kaufmannsberuf sich anzueignen. Vor allem sollte jeder Offi-
zier die Kenntnis der Stenographie besitzen und mit Unterstüt-
zung des Ministeriums könnten die Offiziere auf Handelsschulen
und Handelshochschulen oder auch in besonderen Kursen sich die
grundlegenden kaufmännischen Kenntnisse aneignen ').
Nach der Stellungnahme der verschiedenen Interessenvertre-
tungen nahm der preußische Kriegsminister in einem Schreiben an
die Soziale Arbeitsgemeinschaft vom 13. August 1013 noch einmal
das Wort, um den Standpunkt seines Vorgängers näher zu
erläutern1 2). Des weiteren wurde in diesem Schreiben darauf
hingewiesen, daß es sich nur um eine geringe Anzahl von verab-
schiedeten Offizieren handle, die für den kaufmännischen Beruf
in Betracht kämen. Auch sei es seine Ansicht, daß die jüngeren
Offiziere von der Pike auf den neuen Beruf erlernen müßten, ln
leitende Stellen könnten Offiziere naturgemäß nür dann kommen,
wenn sie sich dafür eigneten, und der Minister halte es für aus-
geschlossen, daß Offiziersbewerber für einen Posten nur deshalb
angenommen würden, weil sie Offiziere gewesen seien. Die Aus-
kunftsstelle für Offizierzivilversorgung solle in erster Linie den
Offizieren die Schwierigkeiten überwinden helfen, welche sich ihnen
nach der Verabschiedung in den Weg stellten.
ln den hier angezogenen Berichten über die Stellung der
Handelskammern und Angestellten -Verbände zu dem oben ange-
führten Ansuchen des Kriegsministers scheinen uns alle Gründe in
Rechnung gestellt zu sein, welche bei der Beurteilung der Frage
in Betracht kommen. Daß die Angestellten-Verbände der Frage
eine schrofFe Ablehnung entgegenbrachten, kann bei dem Aufgaben-
kreis dieser Interessenvertretungen nicht verwundern. Die Hand-
lungsgehilfen-Vereinigungen sind Koalitionen der Privatbeamten,
betraut mit der einseitigen Intercssenwahrnehmung der Mitglieder
Diese Verbände, zur Hebung der wirtschaftlichen Lage ihrer Mit-
glieder berufen, haben naturgemäß alles Interesse daran, die Anzahl
der kaufmännischen Angestellten auf einem Mindestsatz zu halten,
um die unteren Einkommenstufen der Gehilfen möglichst hoch zu
1) Sitzungsbericht vom 28. Oktober 1913.
2) Abgedruckt in „Handel und Gewerbe“, 20. Jahrgang S. 822.
54
halten. Durch das Eindringen der Frauenarbeit in die kaufmänni-
schen Gewerbe ist ohnehin schon die Lage der Handlungsgehilfen
schlechter geworden, und es ist deshalb erklärlich, daß sich die
Vereinigungen gegen jeden weiteren Wettbewerb von außen wenden.
Die Handelskammern dagegen sind schon zu einem objekti-
veren Urteil befähigt, namentlich, da die Frage des Wettbewerbs
durch die Anstellung von Offizieren für sie gänzlich ausscheidet.
Nur ist bei der Stellungnahme der Kammern stets zu bedenken,
daß sie diese nicht blos von allgemein volkswirtschaftlichen Er-
wägungen aus begründen, sondern vor allem auf die besonderen
Verhältnisse ihres Bezirkes stützen. Aus diesem Grunde erklärt
sich die günstige Beurteilung des kriegsministeriellen Rundschreibens
durch die Handelskammer zu Essen-Ruhr und die ablehnende
Haltung der anderen Kammern.
Alle ablehnenden Beurteilungen der Kammern werden, wie
wir oben sahen, in mehrfacher Weise begründet. Einmal ist es
der neue Wettbewerb, den man für die anderen Angestellten be-
fürchtet, wenn dieser Wettbewerb den Geschäftsherren selbst auch
nur angenehm sein kann. Zum andern halten die Handelskammern
die Vorbildung der aus dem Offiziersstande hervorgehenden An-
wärter nicht für hinreichend. Die Handelskammer zu Essen hat
deshalb in richtiger Erwägung dieses Umstandes den Kriegsminister
auf besondere kaufmännische Ausbildungskurse hingewiesen. Zur
Einrichtung derartiger Kurse ist das Kriegsministerium allerdings
noch nicht übergegangen, und wir glauben auch nicht, daß es wegen
der bereits zu diesem Zwecke bestehenden Einrichtungen, die Hand
dazu bieten wird. Denn sonst würde das Offizierspensionsgesetz
von 1906, § 7, Abs. 1, neben der gesetzlichen Pensionsbeihilfe eine
fortlaufende Unterstützung an solche verabschiedete Offiziere vor-
gesehen haben, die die durch die Vorbereitung zu einem anderen Beruf
entstehenden besonderen Ausgaben nicht aus eigenen Mitteln be-
streiten können. Als vorbereitend in diesem Sinne wird angesehen
eine unentgeltliche informatorische Beschäftigung bei einer Behörde
oder im Privatdienst, sowie der Besuch von Akademien, Schulen
und Kursen aller Art. Die Unterstützung wird nach Maßgabe des
nachgewiesenen Bedürfnisses und der verfügbaren Mittel bis zu
einem ausnahmsweisen Höchstbetrage von 100 M. monatlich gezahlt,
und zwar ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Verabschiedung.
Entsprechende, begründete Anträge sind an die Versorgungsabtei-
lung des Kriegsministeriums zu richten.
Das Ministerium hat von besonderen Ausbildungskursen für
verabschiedete Offiziere auch jedenfalls deshalb abgesehen, weil
ohnehin die Mehrzahl der ‘Handelskammern schon betont hat, daß
die theoretische Vorbildung für den Kaufmannstand allein nicht
genügt, ln kriegsministeriellen Kursen vorgebildete Bewerber würden
auch sicherlich mit dem Vorurteil der Einseitigkeit im Privatdienst
empfangen und dementsprechend behandelt werden.
Wie auch die Auffassungen der Handelskammern lauten, so
möge sich unseres Erachtens kein Offizier durch sie abhalten lassen,
den Kaufmannsberuf zu ergreifen, wenn er Veranlagung dazu in
sich fühlt. Ohne praktische und theoretische Grundkenntnisse wird
er allerdings wenig oder garnichts erreichen. Doch möge er be-
denken, daß tüchtige Kräfte in allen, auch den überfülltesten Erwerbs-
zweigen ein gutes Unterkommen finden. Im kaufmännischen Leben
haben die Bewerber mit grundlegenden Kenntnissen in der Buch-
führung und in fremden Sprachen, besonders Englisch, Spanisch
und Russisch, wohl auch Türkisch, gute Anstellungsmöglichkeiten
und wer vorwärts will, hat hier dazu mehr Aussichten als in Reichs-
«
Staats- und Gemeindestellen.
56
4. Abschnitt.
Die Vorbedingungen für den neuen Beruf.
a) Der Gesundheitszustand.
Viel zu geringe Aufmerksamkeit wird von Seiten der Offiziers-
aspiranten der voraussichtlichen körperlichen und geistigen Wider-
standsfähigkeit geschenkt. Wenn auch die militärische Untersuchung
die Militärtauglichkeit erklärt, so handelt es sich doch nur um
Feststellung des augenblicklichen Befundes. Hereditäre Disposition
und selbst latente Krankheiten entziehen sich in vielen Fällen der
ärztlichen Feststellung selbst bei gewissenhaftester Untersuchung,
treten vielmehr erst im Verlaufe der Dienstzeit, also wenn die
Berufswahl bereits erfolgt ist, in die Erscheinung. Leute, die in
einem Beamten- oder Privatberuf hätten bis ins hohe Alter leistungs-
fähig bleiben können, zeigen sich in vielen Fällen schon nach
wenigen Dienstjahren den Anforderungen des militärischen Dienstes
nicht mehr gewachsen, müssen in Pension gehen und sind mit ver-
minderter Leistungsfähigkeit gezwungen, eine neue Berufswahl zu
treffen, die dadurch naturgemäß erschwert wird.
Schon an die in die Armee eintretenden, eben aus der Schule
entlassenen Offiziersaspäranten werden sehr erhebliche körperliche
Anforderungen gestellt, die sich von den an die meist in höherem
Lebensalter stehenden Rekruten gestellten in keiner Weise unter-
scheiden. Auch außerhalb seines eigentlichen Dienstes kann der
junge Offizier über seine Person nicht so verfügen und beliebige
Ruhe und Erholung suchen, wie gleichaltrige Leute anderer Berufe.
Dem jungen Offizier kann überhaupt nicht, zumal in Anbetracht
der zweijährigen Dienstzeit, soviel Ausspannung von der körper-
lichen Arbeit wie vorübergehende Dienstbefreiung und Urlaub
gewährt werden, wie den angehenden Beamten zuteil wird.
Die straffe Zucht und Disziplin im Heere stellt besondere
Anforderungen auch an die Nerven des Einzelnen. Schon der
junge Offizier lebt dauernd in einem gewissen Zustande unruhiger
geistiger Spannung, da er niemals vorher über seine Zeit verfügen
kann und erst von Tag zu Tag seinen Dienst erfährt.
57
Auch der ältere, ins volle Mannesalter getretene Offizier
wird körperlich und geistig weit mehr in Anspruch genommen, als
seine Altersgenossen in anderen Berufen. Als Kompagniechef
übernimmt er die persönliche Verantwortung für Ausbildung und
Wohlbefinden des einzelnen Mannes. Sein Dienst erfordert täglich
eine unausgesetzte Arbeit und stellt somit außerordentliche An-
forderungen an die Spannkraft, die Ausdauer und das Leistungs-
vermögen des Einzelnen.
Seit der Einführung der zweijährigen Dienstzeit ist die Pause
zwischen Entlassung der Personen und Neueinstellung der Rekruten
so kurz, daß sie durch Vorbereitungen für die nächste Ausbildungs-
zeit ausgefüllt wird und dem Kompagniechef keine Zeit für einen
einigermaßen nutzbringenden Erholungsurlaub übrig bleibt.
Die lange Reihe von Jahren, welche der Offizier diese Stellung
bekleidet, pflegt daher häufig die Rüstigkeit und Kraft so aufzu-
reiben, daß nicht wenige Offiziere am Schluß der Zeit als Kompagnie-
chef bereits am Ende ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit an-
gelangt sind.
Von Krankheitsumständen, durch welche ein früherer Körper-
verbrauch bei Offizieren eintritt, sind nach einem von dem General-
oberarzt Leuthold im Jahre 1903 dem Kriegsministerium erstatteten
Gutachten folgende besonders hervorzuheben:
1. Erkrankungen des Herzens und der Gefäße mit
ihren Folgen. Die militärische Erfahrung hat gelehrt, daß
namentlich Herzvergrößerungen durch die von Jahr zu Jahr ein-
wirkenden, ununterbrochenen körperlichen Anstrengungen bei Offi-
zieren häufig seien. Als unausbleibliche Folge dieser Herzver-
größerungen müssen vor allem Herzmuskel-Erkrankungen und ganz
besonders Veränderungen der Blutgefäße bezeichnet werden, welche
die regelmäßige Ernährung der großen Körperogane unfehlbar stören.
Von der Unversehrtheit des Herzens hängt in erster Linie
die Leistungsfähigkeit des Körpers ab. Mit geschwächtem Herzen
und mit geschwächten Blutgefäßen versagt der Körper schneller,
besonders auch die geistige Leistungsfähigkeit des Gehirns; Körper-
kraft und Widerstandsfähigkeit werden erschüttert.
Diese Verhältnisse finden zahlenmäßig ihren Beweis in den
von Militärärzten gemachten statistischen Aufzeichnungen, ln der
Altersklasse von 50 — 60 Jahren starben:
58
An Herz- und Gefäßkrankheiten
24% Offiziere gegen 20% der Zivil-Beamten
an Schlaganfällen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr
6,34% Offiziere gegen 4,97 % der Zivil-Beamten
an Schlaganfällen zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr
11,81% Offiziere gegen 10,81% der Zivil-Beamten.
2. Nervenleiden und zwar einmal Krankheiten der Nerven-
bahnen (Nervenentzündung, Nervenentartung, Nervenlähmung), so-
dann Erkrankungen der Zentralorgane (Gehirn- und Rückenmark).
Die erste Gruppe der Nervenleiden geht meist zurück auf Erkäl-
tungen und Durchnässungen, die zweite Gruppe mehr auf die an-
dauernde Inanspruchnahme des Körpers, nicht selten auf vorange-
gangene Verletzungen wie Sturz usw., die im Offizierkorps unver-
meidlich sind. Hierzu kommen als weitere Ursache dann psychische
Einflüsse mannigfacher Art: der hochgespannte Ehrgeiz, mit dem
oft so verschiedenen Material in der Ausbildung nicht zurück-
zubleiben ; die Ungewißheit der Zukunft in Bezug auf die Dauer
der militärischen Dienstfähigkeit; nicht selten materielle Sorgen um
die spätere Existenz, also alles Momente, durch die das Nerven-
system langsam, aber stetig nachteilig beeinflußt wird.
Kein Beruf disponiert nach dem Urteile Leutholds wohl mehr
zu Nervenkrankheiten als der militärische. Für diese Krankheits-
gruppe ergäbt die Statistik der Todesfälle, daß von 100 im Alter
von 30 — 40 Jahren verstorbenen Offizieren nicht weniger als 21
infolge von Nervenleiden aus dem Leben schieden.
Für das nächste Lebensalterjahrzehnt beträgt dieser Vomhun-
dertsatz fast 30, für das Alter von 50 — 60 Jahren immer noch 14,
während sich die Zahlen für „andere Mäiitärpersonen“, also Zahl-
meister, Intendanturbeamte, Aerzte usw. auf rund 15,18 und 9 für
die entsprechenden Lebensalter stellen.
3. Rheumatische Erkrankungen aller Formen.
Spielen hierbei auch die Herbst- und Winter Übungen, namentlich
die Biwaks eine Hauptrolle, so bleibt doch zu beachten, daß der
Offizier im Gegensatz zu anderen Berufsklassen eigentlich ständig
die Unbilden der Witterung in jedem Dienst in besonderer Weise
über sich ergehen lassen muß. Einen Schutz gegen Durchnässungen
und Erkältungen gibt es bei plötzlichem Witterungswechsel während
des Außendienstes einfach nicht. Und darum treten bei den
59
Offizieren schon in frühen Jahren rheumatische Leiden auf, die
sich fast regelmäßig wiederholen, immer mehr Veränderungen an
Gelenken und Muskeln, sowie vorzeitige Gebrauchsstörungen der
Gliedmaßen hervorrufen und den davon Betroffenen früh dienst-
unfähig machen.
4. Ohrenerkrankungen. Schwerhörigkeit wird bei
Offizieren über 50 Jahre recht häufig beobachtet. Die hierfür in
Betracht kommenden Ursachen sind dieselben wie bei rheumatischen
Leiden, also vor allem Durchnässungen und Erkältungen, welche
die Hals- und Rachenorgane angreifen, als deren Folge sich dann
Schwerhörigkeit einstellt.
Aus den Invalidenakten des Offizierkorps gewinnt man die
Beobachtung, daß die meisten Offiziere die hier den Hauptgruppen
nach aufgeführten Krankheiten während der Dienstzeit nach Mög-
lichkeit zu überwinden suchen und die körperlichen Gebrechen
erst bei der Verabschiedung klar hervortreten.
Das Todesursachenmaterial der Lebensversicherungsanstalt für
die Armee und Marine gibt darüber Aufschluß, daß der Tod auf-
fallend häufig in verhältnismäßig jungen Jahren eintritt. Selbst
wenn die Todesfälle im Alter von 20 bis 30 Jahren nicht mit
berücksichtigt werden, dann haben von je 100 gestorbenen Offizieren
(aktiven und inaktiven) nur rund 27, von 100 verstorbenen Sanitäts-
offizieren sogar nur 23 das fünfzigste Lebensjahr erreicht, während
bei den übrigen versicherten Militärpersonen (Beamten) 38 die
genannte Altersgrenze überschritten haben.
Diese Tatsachen werden jedoch erst in das helle Licht gerückt,
wenn man sie mit denen in anderen Berufsklassen vergleicht. So
werden nach den Angaben der Baseler Lebensversicherungsgesell-
schaft mehr als 50°/0 aller Versicherten über 50 Jahre alt, also
etwa doppelt soviel als im Offizierkorps des Deutschen Reiches.
Auch die Versicherungsdauer des Einzelnen bis zum Tode
ist bei den Offizieren und Sanitätsoffizieren im Durchschnitt nicht
unwesentlich kürzer als bei anderen Berufen. So betrug unter
100 versicherten und gestorbenen Offizieren und Sanitätsoffizieren
in 46 Fällen die Versicherungsdauer weniger als 10 Jahre, während
dies bei den Militärbeamten nur 40 mal der Fall war. Nach den
Berechnungen der Gothaer Lebensversicherungsbank auf Gegen-
seitigkeit waren nur rund 37 % aller Verstorbenen weniger als
60
10 Jahre versichert. Dabei ist zu beachten, daß die Offiziere im
0
Durchschnitt in jüngeren Jahren eine Versicherung eingehen, als es
bei den übrigen Berufsklassen geschieht.
Diese Tatsachen beweisen sicherlich mit aller Klarheit, daß
das frühzeitige Verbrauchtsein der Offiziere und Sanitätsoffiziere
auf wirklichen, bestimmt nachweisbaren Schädigungen beruht, welche
der militärische Beruf mit sich bringt. Dabei bleibt zu beachten,
daß die Lebensführung auch außerhalb des Dienstes Straffheit und
Rücksichten von den Standesangehörigen fordert, welche eng mit
dem Dienste verknüpft sind und in ihrer Wirkung auf den Körper
mit in Betracht zu ziehen sind.
b) Die Vorbildung.
Da die Vorbildung der Offiziere nach der Verabschiedung
für den ferneren Lebensberuf ebenso wichtig, ja vielleicht noch
wichtiger ist als die militärische Ausbildung, dürfte es notwendig
sein, darüber einiges mitzuteilen.
Von einer einheitlichen Vorbildung der deutschen Offiziere
kann im allgemeinen nicht gesprochen werden, und wenn eine
Einheitlichkeit in dieser Richtung angeführt werden darf, dann
kommt das bayrische Kontingent dafür in Betracht, ln Bayern
kann nur ein Abiturient Offizier werden.
Aus den Jahresberichten der General-Inspektion des militäri-
schen Erziehungs- und Bildungswesens, der Obermilitär-Examina-
tions-Kommission und der Inspektion der Kriegsschule ergibt sich,
daß die sich der Offiziersprüfung Unterziehenden ihre Vorbildung
erhalten haben auf der Kriegsschule, den Kadettenanstalten und
sonstigen Instituten. Wieviel Aspiranten die einzelnen Vorbildungs-
anstalten seit 1899 in der preußischen, sächsischen und württem-
bergischen Armee gestellt haben, ist aus folgender Zusammen-
stellung ersichtlich:
Anzahl der vor der Ober-Militär-Examinations-Kommission bestandenen Offiziere.
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62
An diesen Aufzeichnungen aus den Akten der Ober-Militär-
Examinations- Kommission sind zwei Tatsachen bemerkenswert.
Einmal das beständige Ansteigen der Anwerber im Besitze des
Abiturientenzeugnisses, ferner daß einige Anwerber das Fähnrichs-
zeugnis von Kaisers Gnaden erhalten, obwohl sie die Prüfung selbst
nicht bestanden haben. Diese auf Friedrich den Ersten in Preußen
zurückgehende Einrichtung dürfte in der öffentlichen Meinung
wenig bekannt sein, da man niemals Klagen darüber im Reichstag
hört und die in der bayrischen Kammer nicht Gegenstand der
Betrachtung sein kann, weil in Bayern alle Offiziersaspiranten das
Reifezeugnis einer neunklassigen Mittelschule x) beibringen müssen.
Im 18. Jahrhundert mochte jene Einrichtung gerecht und notwendig
erscheinen, da es eine geschichtliche Tatsache ist, daß viele Adels-
familien Gut und Blut zur Erhaltung des Preußischen Staatswesens
geopfert haben und erfahrungsgemäß die tüchtigsten Offiziere
stellten. Ob die ohne hinreichende Vorbildung zur Offiziersprüfung
Zugelassenen auch bei den gegenwärtigen hochgeschraubten An-
forderungen tüchtige Offiziere oder ob sie eher als die übrigen
von der unfreiwilligen Verabschiedung getroffen werden, läßt sich
aus Mangel an Unterlagen nicht feststellen. Wir werden jedoch
annehmen dürfen, daß diese Gruppe von verabschiedeten Offizieren
im allgemeinen nicht gezwungen sind, einem neuen Beruf sich zu-
zuwenden, so daß sie aus unserer ferneren Betrachtung ausscheiden.
Erfreulich ist jedenfalls die beständige Zunahme derjenigen
Offiziersaspiranten, welche das Abiturientenzeugnis erworben haben
und deshalb von der Fähnrichsprüfung im allgemeinen befreit sind
und nur bisweilen Nachprüfungen in einzelnen Fächern abzulegen
haben. Rechnet man die Kadettenabiturienten zu denen der bürger-
lichen Anstalten hinzu, dann ergibt sich, daß unter den Offiziers-
aspiranten das Reifezeugnis besaßen :
*) Mittelschulen sind nach dem in Norddeutschland eingeführten
Sprachgebrauch „gehobene Volksschulen“. Sie gehören nicht zu den höheren
Lehranstalten, gehen indessen weit über den Bildungskreis der Volksschulen
hinaus. Lehrplan und Prüfungsordnung für die Lehrer der M. wurde
15. 10. 1872 v. Minister Falk erlassen (Vgl. Bartholomäus: d. Mittelschule
in ihrem Verhältnis z. Volksschule. Gotha 1887). ln Süddeutschland ebenso
wie in österr. Kronländern gelten als M. die höhern, zwischen Volksschule
und Hochschule stehenden Lehranstalten, Gymnasien, Realgymnasien Ober-
realschulen und Realschulen. (Vergi. d. Zeitschrift: Oesterreichische Mittel-
schule, Wien).
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Die Angaben über die Kadettenabiturienten im Jahre 1910
waren aus besonderen Umständen so niedrig. Wegen Platzmangels
in den Kriegsschulen mußten 95 dieser Anwärter zurückgestellt
werden. Im allgemeinen ergibt sich jedoch, daß die Durchschnitts-
ziffern (trotz der Erhöhungen in den beiden letzten Jahren) der
Kadettenabiturienten sich annähernd gleich geblieben sind, während
sie bei den Abiturienten der bürgerlichen Anstalten beträchtlich
gestiegen sind. Das arithmetische Mittel stellt sich für die Besuchs-
zeit für die Kadettenabiturienten auf 69, hat sich also gegen 1905
kaum verändert, für die Abiturienten der übrigen höheren Schulen
jedoch auf 547.
Ueber die Zunahme der Abiturienten in den Offiziersprüfungen
sprechen sich alle Berichte an das Militärkabinett erfreut aus. ln
dem vom 3. Februar 1911 datierten Bericht heißt es sogar: „Diese
Erscheinung (nämlich die Zunahme der Abiturienten) weist von
64
neuem auf die Möglichkeit hin, in einigen Jahrzehnten die Abituri-
entenprüfung als obligatorische Bildungsgrundlage für den Offiziers-
ersatz zu fordern“.
Wenn die Zahl der Abiturienten unter den Anwärtern eines
Berufs beständig wächst, obwohl die Berufswahl selbst von dem
Reifezeugnis garnicht abhängig ist, dann muß das besondere Ur-
sachen haben. Einen gewissen Anhaltspunkt für die Aufdeckung
dieser Gründe geben uns die Abiturientenziffern der Jahre 1910
bis 1912, die ein plötzliches und sicherlich nicht zufälliges An-
schwellen den Ziffern der Vorjahre gegenüber bekunden. Weil in
allen akademischen Berufen sich eine Ueberfüllung geltend machte,
namentlich im juristischen, werden viele Abiturienten die Offiziers-
laufbahn dem oft langwierigen Studium vorgezogen haben. Eine
zweite Gruppe von Abiturienten ist auf die Reifeprüfung zuge-
steuert, um eben alle Studienmöglichkeiten frei zu haben und als
sie in die Mittelschule eintraten, hatten sie an die Offizierslaufbahn
kaum gedacht. Eine dritte Kategorie endlich wird das Abiturienten-
zeugnis auch als conditio sine qua non für die Offizierslaufbahn
angesehen haben, um im Falle einer frühzeitigen Verabschiedung
die Grundlage für einen neuen Lebensberuf zu haben.
Eine sehr wertvolle Betrachtung ermöglicht die nebenstehende
Tabelle, welche die Ergebnisse der Offiziersprüfung nach der Vor-
bildung für das Jahr 1905 zusammenstellt. Mit der Note „Vor-
züglich“ bestanden von den Kadetten 0,00 °/0, von den Abiturienten
dagegen 3,76°/0; von den auf Kadettenanstalten Vorgebildeten er-
hielten ebensoviel das Prädikat „Sehr gut“, von den Abiturienten
G,7°/0 und mit „gut“ bestanden in jenem Jahre 1,2 °/0 der Kadetten
gegen 25,2 °/0 der Abiturienten. Man kann trotzdem nicht be-
haupten, daß die auf den militärischen Anstalten vorgebildeten
Offiziers- Aspiranten schlechtere Resultate erzielen als die Abituri-
enten der Mittelschulen, da die ersteren unter den Abiturienten
mit enthalten sein dürften, liebrigens waren die Resultate der
Offiziersprüfung auch durchaus zufriedenstellend bei den „ander-
weitig vorbereiteten“, also den Extenien, die sich entweder selbst
vorbereiten oder eine sogenannte Presse besucht haben. Ob in
den anderen Jahren die Prüfungsergebnisse von denen des Jahres
1905 wesentlich oder garnicht abweichen, konnte leider nicht fest-
gestellt werden. -
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a) des Königlich Sächsischen Armeekorps sind durch Rotdruck
b) des Königlich Württembergischen Armeekorps sind durch Blaudruck ersichtlich gemacht ; die in (
bezeichnten Zahlen sind in den schwarzen enthaltenen Kadetten-Abiturienten.
65
Die Militärbehörde scheint eine Gegnerin der Offiziers- Vor-
bereitung auf einer ,, Presse“ zu sein, da es in dem Bericht vom
28. Januar 1912 über die Ergebnisse der Prüfungen heißt, daß die
Presse niemals eine öffentliche Schule ersetzen kann. Die Tat-
sachen beweisen jedoch, daß die meisten Anwerber der Fähnrichs-
prüfung eine Presse besucht und sich nur wenige durch Selbst-
studium und andere Mittel auf dieses Examen vorbereitet haben.
Keine Presse hatten von den die Fähnrichsprüfung Bestandenen
besucht :
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1912 . . .
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so daß sogar ein bemerkenswerter Rückgang zu verzeichnen ist,
ohne daß von einer Erschwerung der Offiziersprüfung etwas ver-
lautete.
Es möge noch darauf hingewiesen werden, daß die Kadetten-
anstalten in den letzten Jahren niemals ihre etatsmäßige Besucher-
zahl aufzuweisen gehabt haben. Bei einer Etatstärke von 2470
fehlten:
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1913 . . .
4
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"Wenn trotz der geringen Erziehungskosten nicht alle Plätze
der Kadettenanstalten belegt werden, dann dürfte das auf besondere
Gründe zurückzuführen sein. Vor allem jedenfalls auf den, daß der
junge Mann sich im frühesten Alter den mililärischen Einrichtungen
dieser Institute noch nicht unterwerfen will und manche Eltern
66
befürchten, daß ihren Söhnen der Offiziersberuf auf diesen Anstalten
verleidet werden könnte bevor diese den Beruf selbst kennen ge-
lernt haben. Die Zahl der nicht besetzten Stellen in den Kadetten-
anstalten ist jedoch von Jahr zu Jahr zurückgegangen und dieser
Rückgang scheint im Zusammenhang mit der neuen Offiziersprüfungs-
ordnung zu stehen, welche am 1. April 1903 in Kraft trat. Weil
die Prüfung zum Offizier mit der neuen Verordnung schwieriger
wurde, wurde den Kadettenanstalten seitens der Aspiranten be-
sondere Aufmerksamkeit geschenkt, da diese Institute mehr als alle
anderen auf die Prüfungsbedürfnisse der Offiziersanwerber einge-
richtet sind.
Außer Vorbildung und Gesundheitszustand kommt für die
weitere Berufswahl der verabschiedeten Offiziere sicherlich auch
die Abstammung als Faktor in Betracht.
Für Söhne aus regierenden Häusern und von Standesherren
ist die Berufswahl nach der freiwilligen oder unfreiwilligen Verab-
schiedung gänzlich bedeutungslos. Die ersten beziehen eine Apanage
aus oder getrennt von der Zivilliste, die letzteren sind in der Regel
Mitglieder von Familien, die aus umfangreichen Rdeikommnissen
jährliche Renten beziehen und somit zeitlebens wirtschaftlich sicher
gestellt sind.
Die von Beamten und Offizieren abstammenden Offiziere
werden jedenfalls überwiegend gezwungen sein, nach dem Abgänge
sich ein ausreichendes Arbeitseinkommen zu verschaffen und gerade
diese Kategorie von Offizieren ist es, für welche die spätere Berufs-
wahl von besonderer Bedeutung ist.
Die Söhne von Gutsbesitzern, Gutspächtern und Gutsverwaltern
werden nach Möglichkeit den Beruf ihres Vaters ergreifen, nament-
lich in einer Zeit, in der die Rentengutsbildung eine Berufswahl
in dieser Hinsicht sehr erleichtert. Viele Gutsbesitzersöhne be-
trachten den Offiziersberuf überdies nur als Uebergangsstadium und
sind von Anfang an zur Uebernahme des väterlichen Gutes be-
stimmt. Die Abstammung der Offiziere im einzelnen ist aus der
folgenden Zusammenstellung zu ersehen. Demnach sind rund 60°/0
der Offiziere Söhne von aktiven und inaktiven Offizieren, höheren
Beamten, Geistlichen, Rechtsanwälten und Zivilärzten, während von
Standesherren und Gutsbesitzern viel weniger abstammen. Sieht
man von den Offizieren ab, welche nach ihrer vorzeitigen Verab-
schiedung als Söhne von Gutsbesitzern und Gutspächtern in die
67
Landwirtschaft zurücktrefen, dann ergibt sich aus der folgenden
Tabelle, daß im Durchschnitt der Jahre von 1906—1912 für 87,2 °/0
der abgehenden Offiziere eine Erwerbsmöglichkeit beschafft werden
mußte oder für rund sieben Achtel. Diese ohnehin schon ungün-
stige Ziffer erhöht sich noch, wenn auch die Söhne von Gutsbe-
sitzern und Gutspächtern einen neuen Beruf ergreifen müssen.
Abstammung des Offiziersersatzes.
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Die Versorgung kriegsbeschfldigter Offiziere.
Mit der Versorgung kriegsbeschädigter Offiziere haben sich
die leitenden Stellen bereits eingehend beschäftigt, umsomehr als
die Zahl der zu Versorgenden bei der Ausdehnung und Dauer des
Krieges eine außergewöhnlich hohe sein wird. Allerdings dürfte
ein nennenswerter Prozentsatz der Beschädigten in die früheren
Berufe zurückkehren und selbst für schwerer Verletzte dürften
vielfach Familienangehörige und Anverwandte in ihren ländlichen
und industriellen Betrieben Stellungen offen halten. Die Arbeits-
unfähigen können für uns außer Betracht bleiben, da der Staat
für ihre Erhaltung Sorge zu tragen hat.
Immerhin bleiben noch zahlreiche Kriegsbeschädigte zu ver-
sorgen, die nach der Art ihrer dauernden Erwerbsverminderung
höhere oder geringere, in den meisten Fällen aber zu standesge-
mäßer Lebensführung nicht ausreichende Pensionen und Zuschüsse
beziehen. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß diese
zum größten Teil noch in jüngerem Lebensalter stehenden Männer
im sozialen Interesse und mehr noch um ihrer selbst willen zu
einem tatenlosen Leben nicht verurteilt werden dürfen. Die All-
gemeinheit kann nicht auf mehrere tausend intelligente, unverbrauchte
Kräfte nur deshalb verzichten, weil mehr oder minder erhebliche
körperliche Defekte einen Teil der Bewegungsfähigkeit, manuellen
Geschicklichkeit oder allgemeinen Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
In dem vielgestaltigen Staatsgefüge gibt es zahlreiche Stellungen,
die den Gebrauch und somit den Besitz einzelner Gliedmaßen
nicht unbedingt erforderlich machen.
Allerdings wird auch hier die Möglichkeit der Verwendung
nicht nur von der Art der Beschädigung sondern von der Vor-
bildung abhängig gemacht werden müssen. Kommerzienrat Felix
Krais hat dies in seinem umfassenden Werke über „Die Verwen-
dungsmöglichkeiten der Kriegsbeschädigten"1) auf Grund zahlreicher
fachmännischer Gutachten für die Mannschaften ausführlich gezeigt,
doch gilt es in weit höherem Maße für die dienstbeschädigten
Offiziere. Wo die erforderliche spezialistische Ausbildung für
*) Stuttgart 1916.
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einzelne Berufsarten ihrer längeren Zeitdauer wegen nicht durch-
führbar erscheint, werden naturgemäß solche Stellungen in Frage
kommen, die nur eine Allgemeinbildung erfordern, wie sie bei
jedem Offizier vorausgesetzt werden darf. Es kämen hier die
Stellungen der Direktoren von Landtags- und Provinzialverwaltungs-
gebäuden, der Verwalter von Staatsarchiven, Staats- und Landes-
bibliotheken sowie einzelner Museen in Frage, da hier der Verlust
einer Ober- oder Unterextremität kaum als Hindernis betrachtet
werden könnte.
Einzelne Offiziere dürften sich nach kurzer Vorbereitungszeit
als Fachlehrer an Militärschulen, ebenso aber auch als Lehrer für
Sprachen, Religionsunterricht und Gesang an Mittel- und Kommunal-
schulen eignen. Sie würden sogar sehr leicht entsprechende
Stellungen finden, da der Verlust an Volksschullehrern nicht so
schnell wie nötig ersetzt werden kann, ln den Grenzbezirken im
Osten und Westen werden ebenso wie in den Kolonien die Stellun-
gen der Dolmetscher sprachgewandten kriegsbeschädigten Offizieren
offen gehalten werden können. Auch die oft recht einträglichen
Stellungen der Güterdirektoren und Domänenverwalter könnten mit
geeigneten kriegsbeschädigten Offizieren besetzt werden, lieber die
Verwendung kriegsbeschädigten Offiziere im Zolldienst hat der
preußische Finanzminister eingehende Bestimmungen getroffen. Ael-
tere Berufsoffiziere können für die allgemeine Zollverwaltung als
Zolldiätare angestellt werden, sofern ihnen die Aussicht auf An-
stellung im Zivildienst verliehen worden ist. Die Zolldiätare sind
außeretatsmäßige Beamte, die nach bestandener Prüfung zu Zoll-
sekretären ernannt werden können. Während der diätarischen Be-
schäftigung erhalten sie im ersten Jahre 1650, im zweiten 1800,
im dritten 1900 und vom vierten Jahre ab 2000 Mark. Der
Prüfung hat eine mindestens zweijährige Ausbildung vorauszugehen:
18 Monate bei einem Hauptzollamt, davon 12 an der Grenze, die
letzten 6 Monate bei einer Oberzolldirektion.
Weiter wäre die Verwaltung aller neu zu errichtenden Wohl-
fahrtseinrichtungen, die der lange, opfervolle Krieg notwendig ge-
macht hat, vorzugsweise kriegsbeschädigten Offizieren zu übertragen.
Neben den zahlreichen Wohlfahrtseinrichtungen für die kriegsbe-
schädigten Stadtbewohner werden solche für die Landbewohner er-
forderlich sein. Sie könnten den Landratsämtern unterstellt
und an diese angegliedett werden. Von hier aus wäre die Fürsorge
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der kreiseingesessenen Kriegsbeschädigten, ihre Unterbringung,
Beschäftigung und Beaufsichtigung zu leiten. Jedes Landratsamt
wüide demnach einen verabschiedeten Offizier beschäftigen, jeder
Kreis die Mittel aufbringen können, die für kleine Einzelgemein-
den eine zu große Last bedeuten würden. Andererseits bilden
solche K re i s f ü r s o r ge s t c 1 1 e n eine willkommene Entlastung
für die kleinen städtischen und ländlichen Gemeindeverwaltungen.
Während schon vor dem Kriege die Stellen der Standes-
beamten vielfach den verabschiedeten Offizieren Vorbehalten waren,
ist dies niemals der Fall gewesen bei den Stellen der Schieds-
und Einigungsämter. Diese bieten einer größeren Zahl selbst er-
heblich Kriegsbeschädigter Aussicht auf Anstellung. Vielfach wird
es sich hierbei allerdings um mehr „nebenamtliche“ Beschäftigung
handeln, die indessen gerade den erheblich Beschädigten, zu an-
strengender Arbeit Untauglichen besonders willkommen sein dürfte.
Eine größere Anzahl kriegsbeschädigter Offiziere könnte in
Auskunfteien Unterkunft finden. Allerdings wird hierbei nicht
an die bisherige Institution privater Auskunfteien zu denken sein,
die sich mit wenigen Ausnahmen überlebt haben und von der
Geschäftswelt vielfach als Uebelstand empfunden werden. Es
dürfte sich empfehlen, mit Hilfe der Handelskammern staatliche
Auskunfteien ins Leben zu rufen, die einer Zentralstelle unterstellt
sind und teils durch diese, teils direkt miteinander in Verbindung
stehen. Diese Organisation, auf die hier nicht näher eingegangen
werden kann, würde nicht nur das Anlagekapital sehr schnell amor-
tisieren, sondern auch mehreren hundert verabschiedeten Offizieren
und einigen tausend Militäranwärtern Unterkunft bieten und den-
noch erhebliche Ueberschüsse bringen, die der Offiziersfürsorge
zugeführt werden können. Die privaten Auskunfteien werden von
der Geschäftswelt nur ungern benutzt, weil es bekannt ist, daß
ihre Auskünfte nur ausnahmsweise auf Zuverlässigkeit Anspruch
machen können, eben weil es an einer Zentralisation fehlt und
weil das oft wechselnde Personal nicht immer objektiv und ge-
wissenhaft genug Auskünfte einholt oder verteilt. (Ausnahmen be-
stätigen die Regel). Dennoch prosperieren die Auskunfteien und
werfen erhebliche Ueberschüsse ab. Der relativ leichte Dienst,
der Rechercheure erfordert diplomatischen Takt und Weltgewandt-
heit, kann aber auch von Kriegsbeschädigten versehen werden.
Dasselbe gilt vom Büropersonal, das in der Hauptsache mechanische.
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namentlich statistische Arbeiten zu erledigen hat, die einige Uebung,
vor allem aber Gewissenhaftigkeit erfordern. Da alle wichtigen
Industrieorte für Auskunftei-Nebenstellen in Frage kommen und
die Zentrale einen großen Beamten-Apparat erfordern würde,
dürfte die Gründung einer solchen Institution umsomehr ins Auge
zu fassen sein, als sie auch von der gesamten Geschäftswelt
freudig begrüßt werden würde.
Es soll hier nicht auf alle die zahlreichen Möglichkeiten der
Versorgung kriegsbeschädigter Offiziere eingegangen, vielmehr nur
darauf hingewiesen werden, daß dieselbe in ebenso großzügiger
Weise organisiert werden sollte wie diejenigen für die Mann-
schaften. Offenbar werden die Schwierigkeiten unterschätzt, die
sich der Zivilversorgung des Offiziers entgegenstellen und deren
Notwendigkeit in Privatkreisen nicht erkannt. Mit dem Begriff
„Offizier“ verbindet sich gar zu leicht derjenige der Wohlhaben-
heit oder doch der Abstammung aus wohlhabender Familie, die
selber die Sorge für Unterbringung ihres kriegsbeschädigten Mit-
gliedes übernimmt, soweit dies nicht der Staat tut. Daß diese
Anschauung ein für viele Offiziere folgenschwerer Irrtum ist,
dürfte aus den Darlegungen im ersten und zweiten Teile dieser
Schrift zur Genüge hervorgehen. Es dürfte notwendig sein, daß
der Offiziersstand aus seiner Reserve heraustritt, auf die Notlage
vieler seiner vorzeitig verabschiedeten oder kriegsbeschädigten Mit-
glieder hinweist und im Interesse eines tüchtigen Nachwuchses
andere, den gegenwärtigen Lebensforderungen entsprechende Ver-
sorgungsgrundlagen anstrebt. Das Recht dazu wird durch die
Bedeutung des Offiziersstandes als wichtigster Faktor der Wehr-
kraft gegeben und die Gelegenheit bietet der gegenwärtige Krieg
mit seinen nach Zehntausenden zählenden Beschädigten. Den
hohen und schweren Pflichten des Offiziers stehen ebenso hohe
des Vaterlandes gegenüber.
] nhalts-Verzeichnis.
Seite
Literatur 5
Vorwort 7
I. Teil.
Die Ursachen der Offizierzivilversorgung ...
1. Abschnitt: Die Pensionsverhältnisse der
Offiziere 9
2. Abschnitt: Die Pensionsbeträge. . . 17
II. Teil.
Die Arten der Offizierzivilversorgung .... 22
1. Abschnitt: Eine allgemeine Betrachtung 22
2. Abschnitt: Die öffentlichen Berufe . 30
3. Abschnitt: Die privaten Zivilberufe . 42
4. Abschnitt: Die Vorbedingungen für
den neuen Beruf .... 56
a) Der Gesundheitszustand . 56
b) Die Vorbildung ... 60
Anhang: Die Versorgung kriegsbeschädigter
Offiziere . 69
Inhaltsverzeichnis 73
Lebenslauf 74
Lebenslauf.
Am 20. April 1887 bin ich, Kurt, Karl, Gustav Anhalt
reformierter Konfession, zu Kolberg a. d. Ostsee (Pommern) als
der Sohn des Fabrik- und Gutsbesitzers Wilhelm Anhalt und sei-
ner Ehefrau Emma geb. Lück geboren. Den Schulunterricht habe
ich in Kolberg, Quedlinburg und Altona b. Hamburg empfangen,
wo ich die Oberrealschule Michaelis 1909 mit dem Zeugnis der
Reifeprüfung verlies. Im ersten Semester studierte ich Jura, trat
dann in das Geschäft meines Vaters ein, von Ostern 1912 an
Nationalökonomie und Staatswissenschaften.