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Full text of "Vergleichend-physiologische Vorträge"

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Columbia  University  Libraries 


http://www.archive.org/details/vergleichendphysOOkruk 


VERGLEICHEND  -  PHYSIOLOGISCEE  VORTRÄGE. 


VERGLEICHEND  -  PHYSIOLOGISCHE 


VORTRÄGE 


VON 


C.  Fli.  ^y.  KRUKENBEIIG. 


ERSTER  BAND. 


HEIDELIJERG. 
(•  A  i;  I,  WIN  i' i; K  s  r n i  v k ks itä ts i? ii ( ; i i ii  a n  d i. u n c. 


Das  Recht  der  Ueberfetzung  in  fremde  Sprachen  wird  vorbehalten. 


QP3( 


WILHELM  KÜHNE 

DEM  I'HYÖIOLOGEN 

OSWALD  SCHMlEBEBEHa 

DEM  PHARMAKOLOGEN 

Wilhelm  Waldeyer 

DEM  ANATOMEN 
IN  VEREHllUNd  UND  DANKBARKEIT 

ZUGEEIüNKT. 


I  Inhalt. 


Seite 

I.  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  Methode  für  die  Biologie  ....  1 

II.  Grandzüge  einer  vergleichenden  Phyfiologie  der  Verdauung    ....  37 
III.  Grundziigo   einer  veigleichenden  Pliyfiologie   der  Farbltoffe   und  der 

Farben 83 

IN'.  Grundzüge  einer   vergleichenden  Phyfiologie   der  thierifchen  Gerüft- 

fubftanzen      18.5 

V.  Grundzüge  einer  vergleichenden  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe  271 

VI.  Grundzüge  einer  vergleichenden  Phyfiologie  der  nervöferr  Apparate  .  395 


-o-^3«®«Mf> 


I. 


DIE  BEDEUTUNG 


DER 


VERGLEICHENDEN  METHODE 


FÜR 


DIE  BIOLOGIE. 


CAKI.  WINTERS  UNIVEBSITÄTSBDCHHANDLUNG  IN  HEIDELBERG. 


Kruktiihtrg,  Vergl.-phyfiol.  VorträKC- 


s/  Alle  Rechte  vorbelialten.  ym 


Die  Bedeutung  der  vergleiclienden  Methode 
für  die  Biologie. 


Die  chemifchen  Erfcheinungen,  welche  die  Thiere  und  Pflanzen 
während  ilii'es  Lehens  erkennen  laffen,  die  Stoffe,  welche  in  der 
lebendigen  Werkftatt  entliehen,  welche  im  Organismus  felbftändig 
thätig  find  oder  an  beftimmten  Plätzen  des  Körpers  für  ein  fpä- 
teres  Verbrauchsftadium  aufgefpeichert  werden,  welche  als  Secrete 
oder  unbrauchbar  für  eine  weitere  Lebensverrichtung  als  Zerfalls- 
producte  an  die  Außenwelt  abgegeben  werden,  haljcn  fchon  feit 
lange  ein  allgemeines  Interelfe  erregt,  und  eine  neue  Aera  in  der 
Biologie  -snrd  gewiß  nicht  mit  Unrecht  von  dem  Zeitpunctc  ab 
datirt,  wo  es  Wähler  zuerll  gelang,  eine  bis  dahin  nur  als  Product 
des  Thierkörpers  bekannte  Subftanz,  den  Harnfloff,  aus  cyanfaurem 
Ammonium  im  Laboratorium  darzuflellen.  Diefer  Synthefe  find 
in  den  feither  verfloffenen  50  Jahren  viele  andere  gefolgt.  Man 
hat  gelernt  die  Oxalfäure,  die  Ameifenfäure ,  die  Milchfäure,  das 
Tauriii,  \iele  Fette  u.  f.  w.  aus  ihren  Elementen  zufammenzufügen, 
und  der  Aun)au  zahlreicher  chemifch  complicirt  zufammengefetzter 
Producte  des  thicrifchcn  wie  })(i;iii/.li(;bon  Stoffwechfels  aus  ein- 
facheren Vfrl)indungen  ifl  gelungen.  Die  tlieoretifche  Chemie  wie 
die  chemifchc  Induftric  halben  in  gleicher  Weife  aus  diefen  8yn- 
thefcn  Nutzen  gezogen,  aber  über  «lio  ProccITe,  wel(;hc  den  Stoffen 
intra  vitam  ibr  Entflehen  geben,  ha])cn  die  künfllichen  Syntliefen 
nur  wenig  AuffchJuß  ertheilt;   denn   (Ue  (Jlieniie  errang  ibre  glän- 


1* 


4  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [4 

zenden  Erfolge  in  diefer  Richtung  ausnahmslos  durch  Anwendung 
von  chemifch  Itark  wirkenden  Agentien  oder  von  fo  hohen  Tem- 
peraturen, welche  ein  lebendes  Wefen  unfehlbar  zu  Grunde  richten 
würden,  und  welches  lieh  deshalb  noth wendig  anderer  Mittel  be- 
dienen muß,  um  zu  den  gleichen  Refultaten  wie  der  Chemiker  zu 
gelangen^).  Auch  die  künlthchen  S}aithefen,  die  Spaltungen,  Re- 
ductionen  und  Oxydationen,  welche  unter  Bedingungen  ausgeführt 
wurden,  die  den  innerhalb  des  lebenden  Körpers  vorhandenen 
möghchft  entfprechend  gedacht  werden,  wie  z.  B.  DrecJifel's  Dar- 
fteilung ^)  des  Harnftoffs  aus  carbaminfaurem  Ammonium  durch 
Electrolyfe  mittelft  Wechfelftröme  oder  Hoppe-Seyler's  Umwand- 
lungsweife ^)  des  Benzols  in  Phenol  durch  Palladiumwallerftoff,  er- 
fordern, um  den  vitalen  Vorgängen  vergleichbar  zu  fein,  noch 
immer  PrämilTen,  welche  der  thatfächlichen  Begründung  entbehren. 
Selbft  nur  in  fehr  feltenen  Fällen  gelang  es,  ohne  Anwendung  kgend 
eines  Mittels,  über  welches  der  lebende  Organismus  nicht  felbfl; 
verfügt,  ein  gut  charakterißrtes  organifches  Stoffwechfelproduct  in 
ein  anderes  überzuführen,  wie  beifpielsweife  bei  der  Umwandlung 
des  Turacins  in  Turacoverdin^). 

Die  Phyßologie  ilt  auf  einem  andern  Wege  in  der  Stoffwechfel- 
frage  entfchieden  weiter  gekommen;  nämlich  durch  die  Experi- 
mente an  den  lebenden  Thieren  felbrt,  durch  vergleichende  Ver- 
fuche,  welche  unter  verfchiedenen  Verhältniffen  an  em  und  cler- 
felben  Art  oder  unter  normalen  Bedingungen  an  möghchft  vielen 
und  möglichft  verschiedenen  Species  ausgeführt  wurden.  Derartige 
Verfuche  erlauben  in  der  Regel  zwar  nicht,  den  ganzen  Proceß, 
welchem  ein  dem  Thiere  emverleibter  Stoff  in  cliefem  unterhegt, 
durch  eme  chemifche  Formel  zum  bündigen  Ausdrucke  zu  brmgen, 
aber  lie  vermögen  uns  meift  doch  darüber  Auffchluß  zu  ertheilen, 
welche  Subftanz  fchließlich  aus  dem  gefütterten  Körper  hervorgeht,  ' 
und  welche  Subftanzen  bei  diefem  Vorgange  in  nennenswerther 
AVeife  nicht  gebildet  werden.  Mittelft  diefes  Verfalu^ens  fand  Wöliler% 


5]  Methode  für  die  Biologie.  5 

daß  die  neutralen  ptianzenfaui-en  Alkalien  bei  der  tliierifchen  Stoff- 
metamorphofe  in  Carbonate  übergehen,  daß  dabei  die  Benzoefäure 
Hippui-faure ,  bei  den  Vögeln  nach  Jaffc^)  aber  flatt  deffen  Orni- 
tliurlaure  liefert ,  und  SalkowsJci '')  entdeckte  fo ,  daß  das  Taurin, 
wenn  es  den  menfclüichen  Körper  pafflrt,  in  Taurocarbaminfäure 
verwandelt  AAird.  Lediglich  unter  Anwendung  der  vergleichenden 
Methode  ließ  ficli  der  merkwüi'dige  Beftand  zweier  eiweißv^erdauen- 
den  Enzyme  m  den  Leberfecreten  der  meiften  Wirl)ellofen  confta- 
tiren:  eine  Thatfache,  die,  fo  berühmt  aucli  die  Forfcher  find, 
welche,  ohne  den  comparativen  Weg  einzufchlagen,  die  A^erdauungs- 
fäfte  der  Evertel^raten  unterfucht  haben,  diefen  vollkommen  un- 
bekannt gebüeljen  war.  Böhm  ^)  be\des  durch  ein  Vergleichsver- 
fahren, daß  das  Glykogen  bei  der  Muskelcontraction  nicht  in  Milch- 
fäure  übergeht,  und  in  älmlicher  Weife  gelangte  man  durcli  Unter- 
fuchungen  der  contractilen  Gewebe'-'),  der  Körperfäfte^'^),  der  lieber 
und  ihre.s  Secretes^^)  l)ci  fehr  verfchiedenartigen  Thieren  zu  dem 
l)indenden  SchluIIe,  daß  der  Inoüt,  das  Kreatin,  Taurin  und  Hy- 
poxanthin  in  den  Muskeln  von  einander  völlig  unabhängig  ent- 
liehen können,  während  anderfeits  nie  in  einem  Organismus  echte 
GaUenpigmente  (Bilirubin  oder  Biliverdin)  ohne  gleichzeitige  Gegen- 
wart von  Hämoglobin,  ja  felbft  nicht  bei  allen  Hämoglobin-führenden 
Tbierformen  angetroffen  wurden,  und  es  ergaben  fich  fernerliin 
bei  diefen  A'^erfuclien  wichtige  Thatfachen,  welche  die  Richtigkeit 
des  Satzes  darthun,  daß  ]jei  verfchiedenartigen  Thieren  Organe  von 
äußerUch  gleicher  Function  principielle  Verfchiedenheiten  in  ihrem 
A'ennögen,  chemifche  Synthefen  auszuführen,  aufweifen  können. 
In  gleichem  Maße,  wie  fich  die  Erwartungen,  welche  man  cinft 
an  die;  rein  cliemifclie  Bcliandlung  der  Lebensvorgänge  ftellte  und 
von  diefer  (tellenweife  nocli  innner  hegt,  jetzt,  wo  feit  dem  epoche- 
maclienden  P^ingreifcn  der  Chemie  in  die  Biologie  mehr  als  50 
Jabre  vergangen  lind,  als  übertrieben  erweifen,  fo  gilt  das,  sage 
ich,  in  gleicliem  Maße  von  den  Hoffnungen,  mit  welchen  man  an 


6-  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [6 

eine  rein  phyükalifche  Behandlung  gewilTer  biologifcher  Fragen 
herantrat.  Ich  fehe  ab  von  den  glänzenden  Errungenfchaften, 
welche  die  phyfiologifche  Optik  und  Akuflik,  die  Nervenphyüologie 
fowie  die  tliierifche  Locomotion  durch  eine  rein  phyükalifche  Be- 
handlung ihrer  Themata  zu  verzeichnen  haben,  und  will  hier  nur 
einiger  Befchränkungen  gedenken,  welche  die  Anwendung  phyli- 
kalifcher  Methoden  und  Begriffe  in  einer  Anzahl  von  Fällen  er- 
fähi't,  und  bei  denen  gleichfalls  nur  das  biologifche  Vergleichsver- 
fahren eine  Ausficht  auf  Erfolg  geftatten  dürfte.  So  wurde  der 
Blutkreislauf  bei  den  Wirbelthieren  lange  Zeit  ziemlich  allgemein 
als  ein  einfach  phyßkalifcher  Vorgang  behandelt,  bis  befonders 
von  Marey  mit  Nachdruck  hervorgehoben  wurde,  daß  die  Gefäße 
nicht  einfache  elaftifche  Röhren,  fondern  Hohlmuskeln  darftellen, 
daß  die  Blutmenge  in  den  einzelnen  Bezirken  und  Organen  des 
Thierkörpers  je  nach  Bedarf  ebbeartig  linkt  oder  fluthartig  an- 
fchwillt,  und  daß  ohne  diefe  vitalen  Vorgänge  die  geringe  Blut- 
menge im  Körper  bei  einer  gleichmäßigen  Vertheilung  wie  WalTer 
im  Sande  verrinnen  würde.  In  vielfacher  Weife  wurde  der  Fort- 
fchritt  auch  in  der  Ernährungslehre  der  Pflanzen  wie  Thiere  durch 
eine  Auffaflung  gehemmt,  welche  in  der  Stoffaufnahme  wie  Stoff- 
abgabe durch  die  lebenden  Gewebe  einen  reinen  Diffußonsvorgang 
erblickte  und  die  Zehe  als  einen  einfachen  Dialyfator  betrachtete. 
Noch  jüngfthin  glaubte  Maly  ^^)  die  Bildung  freier  Salzfäure  in 
den  Labdrüfen,  die  Entitehung  freier  Schwefelfäure  in  den  Vorder- 
darmdrüfen  bei  Gaftropoden  als  eine  Diffufionserfcheinung  erklären 
zu  können;  auf  eine  Erklärung  analoger  Vorgänge  (der  Cimicin- 
fäurefecretion  bei  Rhaphigaster  punctipennis  ^^),  der  Abfchei- 
dung  von  Salicyligerfäure  bei  Chrysomela  populi^"^))  hat  er  je- 
doch aufs  Bereitwilliglte  verzichtet.  Aber  die  Auffaflung,  daß 
fleh  die  lebenden  Zellen  per  difFusionem  ernähren,  ifl  mit  den 
Eigenfchaften  des  Protoplasmas  durchaus  nicht  in  Einklang  zu 
bringen ;   « denn  die  Stoffwechfelvorgänge  in  den  lebenden  Geweben 


7]  Methode  für  die  Biologie.  7 

folgen  nicht  einfach  den  Gefetzen  der  Diffufion  und  Endosmofe, 
fondern  jedes  Gewebselement,  jede  Zelle  belitzt  während  des  Lebens 
die  Fähigkeit,  gewilTe  Stoffe  anzuziehen,  in  ßch  aufzufpeichern 
und  mit  Zähigkeit  feftzuhalten,  andere  dagegen  abzufcheiden  und 
dadiu-ch  unabhängig  von  der  umgebenden  Flüfligkeit  die  Zufammen- 
fetzung  zu  bewahren,  deren  fie  ziu-  Ausführung  ihrer  Functionen 
bedarf.  Worauf  diefe  Fähigkeit  beruht,  ifl  uns  vorläufig  noch  ein 
vollftändiges  RäthfeP^)»;  wii-  Adffen  nm-,  daß  ein  derartiges  Elec- 
tions-  und  Retentionsvermögen  auch  todten  Maffen  zukommt,  z.  B. 
dem  Humus,  welcher  Natriumfalze  durchläßt,  die  Ammonium- 
und  Kalifalze  dagegen  energifch  fefthält.  Viele  thierifche  Ge- 
webe leiflen  in  der  Fähigkeit,  Materien,  welche  ihnen  in  mehr  als 
homöopathifcher  Verdünnung  dargeboten  werden,  in  fich  aufzu- 
fpeichern, ein  Unglaubliches.  Trotz  der  empfindlichen  Reactionen, 
welche  wii*  für  den  Nachweis  des  Jod  und  des  Mangan  beützen, 
ift  es  beifpielsweife  nicht  mögUch  gewefen,  in  dem  A^erdampfungs- 
rückßande  einer  bedeutenden  Waffermenge  aus  der  Adria  irgend 
eines  diefer  beiden  Elemente  nachzuweifen,  und  dennoch  begegnen 
wir  reichlic?ien  Quantitäten  von  Jod  in  den  dortigen  Strandpflanzen 
wie  in  den  Badefchwämmen,  und  das  Mangan  finden  wir  in  feltener 
Reinheit  in  den  Concrementen  einer  adriatifchen  Mufchelfpecies  ^®). 
Wie  unal^hängig  fich  die  cellulare  Einnahme  und  Ausgabe  von  den 
äußeren  Umftänden  geftalten  küimen,  lehrt  gewiß  kein  Beifpiel  beffer 
als  die  von  StrecJcer  ^^)  entdeckte  Thatfache,  daß  bei  den,  in  einem 
kochfalzreichen  Medium  lebenden  Meerwafferfifchen  (Gadus  mor- 
rliua,  Pleuronectcs  maxiiiius)  die  Kaliumfalze  in  dei-  Galle  prä- 
valiren,  wälirend  die  Galle  des  Ochfen,  eines  Thieres,  delfen  Nah- 
rung vorzugsweifc  Kali  enthält,  nur  Spuren  von  Kali  neben  viel 
Natron  nach  dem  Veri^rennen  zeigt,  und  auf  wie  fcliwer  verftändliche 
Verhältnin'e  wir  })ei  dem  Stofiumfatze  im  lebenden  Köri)er  flößen, 
I'linii  <lic  Fiictü.  (I;iß  lniiii  Mcnrclicn  gcracle  die  thätigften  Organe 
(Gcliini.    KückciiiiiMik',    Heiz)    von    einer    Atidjiliie    niii    wejiigficn 


8  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [8 

betroffen    werden,    und   daß,   während   91 — 93*^/0   des    im   Körper 
vertheilten   Fettes   bei  Hungerkuren   fchwindet,    Lipome,    Fettge-  ^ 
fchwüLfte  dabei  nicht  zurückgehen,   obwohl  alles  ein  und  dalTelbe 
Fett  ifl. 

Selbffc  echte  paralitäre  A¥efen  verfügen  über  ein  Affimilations- 
vermögen,  und  wie  für  ihre  Ernährung  und  Erhaltung  Diffufions- 
vorgänge  nicht  ausreichen  würden,  fo  iffc  bei  den  höher  organi- 
firten  Thieren  auch  die  Befchaffung  der  Referveltoffe  ein  \'iel 
comphcirterer  Proceß  als  eine  ümple  Diffulionserfcheinung.  Das 
Thier  produch-t  me  die  Pflanze  feine  Referveftoffe  (fein  Fett,  fein 
Glykogen),  fein  Eiweiß  felber,  und  ledighch  das  Material  dazu  be- 
zieht es  von  außen.  Wie  Suhbot'in's  Verfuche^^)  gelelu't  haben, 
fetzt  ein  Hund  kein  WaUrath  an,  wenn  er  mit  Talg  und  Spermacet 
gefüttert  wird,  kein  oleinfreies  Fett,  wenn  er  ausfchließlich  Stearin- 
palnütinfeife  erhält;  nur  richtiges  Hundefett  lagert  fich  in  feinen 
Geweben  ab,  und  nur  diefes,  kein  anderes  Fett  vermag  er  zu 
bilden. 

Aber  alle  bisher  berührten  Puncto  treffen  bei  weitem  nicht 
den  fruchtbarften  Boden,  von  welchem  ^viI  bei  einer  im  vergleichend 
phyliologifchen  Sinne  betriebenen  Bewkthfchaftung  che  reichften 
Ernten  erwarten  dürfen. 

Bei  jedem  Schritte,  den  T^dr  in  der  Biologie  vorwärts  thun, 
ftoßen  vm  auf  Proceffe,  von  denen  zwar  nur  wenige  (ähnlich  dem 
AfEmilationsvorgange)  den  Erfcheinungen,  welche  an  einem  todten 
Materiale  ablaufen,  unvergleichbar  gebheben  und,  welche  aber  ins- 
gefammt  wegen  ilirer  Variabihtät  in  '\''orkommen  und  Energie  nm' 
durch  Unterfuchungen  an  den  lebenden  Wefen  felbft  erkannt  und 
dm'ch  eine  vergleichende  Behandlungsweife  unter  allgemeinere 
Gefichtspuncte  zu  bringen  fmd. 

Wie  jede  lebende  Protoplasmamalfe  fich  dm-ch  ihi'  Elections- 
und  Retentionsvermögen  ihre  Selbltändigkeit  der  Außenwelt  gegen- 
über bewahrt,  fo  widerftehen  die  lebenden  Theile  des  Organismus 


1 


9]  Methode  für  die  Biologie.  9 

den  Schwankungen  äußerer  Lebensbedingungen  weiterhin  noch 
dadm-ch,  daß  fie  fich  mannigfachen  EinfliUren  und  Schädlich- 
keiten (einem  ungewohnten  Küma,  der  Einwirkung  von  Giften) 
anzupaffen  vermögen.  Seit  lange  ift  bekannt,  daß  die  willkür- 
lichen und  un^nllkürhchen  ]\Iu.skeln,  die  drüfenartigen  Organe  und 
die  Haut  liei  außergewöhnlicher  Inanfpruchnahme  In'pertrophiren ; 
fo  che  Muskeln,  wenn  diefell)cn  größere  Widerflände  zu  überwinden, 
die  Epidermi-s,  wenn  fie  norm^\'idrige  PrelTungen  au.szuhalten  hat, 
und  che  Drüfen,  wenn  von  ihnen  Leiftungcn  gefordert  werden, 
welclie  unter  regelrechten  Verhältnillen  an  lie  nicht  geltellt  werden. 
So  fall,  um  an  ein  Beifpiel  flüchtig  zu  erinnern,  Hunter  bei  einer 
Seemöve  (Laru.s  tridactylus),  welche  er  ein  ganzes  Jahr  lang 
mit  Körnern  fütterte,  die  urfprünglich  weiche  Magen fchleimhaut 
ib  vollftändig  erhärten,  daß  lie  in  ihrem  Ausfeilen  und  Structur 
der  harten  fog.  Hornhaut  des  Körnermagens  einer  Taube  glich, 
und  umgekehrt  gelang  es  Holnifjren,  den  Körnermagen  von  Tauben 
nach  hinreichend  langer  Fütterung  der  Tliierc  mit  Fleifch  allmälig 
in  einen  echten  Kaubvogelmagen  umzuwandeln^").  Auch  die  Sinne 
fchärfen  fich,  wenn  fie  Uebergewöhnliches  zu  leiften  haben,  und 
die  Tiiätigkeit  der  Centralorgane  wächfi;  proportional  den  Anfprüchen, 
welche  an  lie  geftellt  wenlen.  Andcrfeits  verkümmern  die  Organe 
b.'i  chiein  Nic]itgel)rauch  mein-  oder  weniger,  und  indem  man 
künftlerifcli  dafür  Sorge  trägt,  daß,  wie  es  zweckmäßig  erfclieiiit, 
diefer  Orgaiithcil  eine  Hypertroi)hie,  jener  eine  Atr()i)hie  erleidet, 
und  daß  ti'otz  dicfcr  umiatürliclien  Entwicklung  dem  (bnizen  eine 

•A'ide  Harmonie    bewahrt   Ideiht,    gelangt    man   alhnälig  zu    den 
\'urtheüen  der  Hebung  und  Erziehung. 

Ich  will  hier  nicht  an  die  oftmals  ventilirte  Frage  herantreten, 
bis  zu  welehein  l*uncte  licli  die  ny})ertrophie  eines  Organes  treiben 
läßt,  ich  will  auch  nicht  die  Fragen  eingehender  erörtern,  warum 

•  'h   (»ftinaliger,    viele    (Jenerationen    hinduich   rortgefetzler  Zerltö- 
rung  eines  Organtheiles  derfelbe  nicht   zum    iihylogenelilchen    \'er- 


10  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [10 

fchwinden  zu  bringen  ift,  oder  warum  auffälligere  Eigenthümlich- 
keiten,  z.  B.  in  der  Färbung  ausfchließlich  in  männlicher  oder  aus- 
fchließlicli  in  weiblicher  Linie  fortgeflanzt  werden^''),  fondern  allein 
noch  darauf  hinweifen,  daß  auch  in  complicirteren  Fällen  die  für 
die  natürliche  Ausbildung  eines  Gewebes  in  hyper-  oder  atrophifcher 
Form  günftigen,  Momente  aufgedeckt  wurden.  'So  hat  man  durch 
eine  ungewöhnliche  Nahrung  nicht  nur  die  Excretproducte  verän- 
dern können,  fondern  hat  fogar  bei  niederen  Organismen,  den 
äußeren  ErnährungsfiüIIigkeiten  entfprechend  die  Wachsthums-  und 
Sproflungsvorgänge  fowie  die  Größe  der  Zellen  wechfelnd  gefunden ; 
man  erkannte  den  Einfluß  des  Lichtes  auf  die  Entwicklung  der 
Hautpigmente  und  der  Sinnesapparate,  den  merkwürdigen  Einfluß 
der  Kälte  auf  die  Behaarung  der  Säuger.  In  ähnlicher  Weife  wie 
der  Einfluß  des  zinkhaltigen  Bodens  an  der  Flora  der  Galmeiberge 
bei  Aachen  ^^)  zeigt  fleh  hier  an  Thieren  die  metamorphoürende 
Kraft  der  äußeren  Exiftenzbedingungen.  Wenn  man  eingedenk 
aller  der  zahlreichen  Thatfachen,  welche  in  diefer  Hinfleht  die 
Biologie  unferer  Tage  aufweift,  fleh  fchließlich  noch  daran  erinnert, 
wie  man  durch  Abänderung  der  äußeren  Lebensbedingungen  aus 
einem  Axolotl  ein  Amblystoma,  aus  einer  Artemia  salina 
eine  Artemia  Milhauseni,  ja  felbft  einen  Branchipus  ^^)  und 
aus  dem  Soorpilz  eine  Mycoderma  vini^^)  zu  züchten  verfl;and, 
fo  glaube  ich,  whxl  es  ohne  Zuhilfenahme  großer  Phantafle  möglich 
fein,  Mittel  und  Wege  aufzuflnden,  durch  welche  es  einem  amöben- 
artigen Wefen  geflngen  könnte,  eine  hoch  entwickelte  Organifation 
zu  entfalten. 

Wennfchon  anfangs  vielfache  Zweifel  fleh  regten,  ob  es  wirklich 
ganglionäre  Elemente  und  Nerven  feien,  welche  als  folche  bei  Me- 
dufen  befchrieben  worden  waren,  und  durch  Experimente  fchließlich 
entfchieden  wurde,  daß  man  fle  thatfächlicli  gefunden,  fo  lind  doch 
überall  nur  grobe  Täufchungen  untergelaufen,  wo  Drüfen  für  Mus- 
keln, Muskeln  für  Nerven  etc.   gehalten  wurden.     So  fehr  gehen 


11]  "Mt'thodo  für  die  Biologie.  11 

in  der  ganzen  ThieiTeüie  die  morphologifchen  und  die  allgemein 
functionellen  Eigenthüinlichkeiten  der  Gewebe  Hand  in  Hand, 
daß  man  allein  geleitet  von  der,  an  Wirbelthieren  gewonnenen 
P'unctionskenntuiß  lieh  bis  dahin ,  wo  die  Organifation  beginnt, 
für  fchlußberechtigt  halten  durfte.  Und  wer  fein  Auge  nicht  ver- 
fchließt  vor  dem  Iji.sweilen  fehr  auffälligen  Erwerbungs-  und  Ver- 
erbungsvermögen formeller  und  functioneller  Eigenthüinlichkeiten 
und  dabei  nm*  unbeachtet  läßt  die  Defiderien  der  Biologie,  der 
muß  ßch  fehler  erfreuen  an  dem  Theorem  von  dem  Zufannnen- 
hange,  der  unter  allem  Lebenden  befteht. 

Aber  bei  einem  Schlufle  von  fo  fchwerwiegender  Bedeutung, 
der  nicht  nur  für  die  Morphologie,  fondern  für  die  Phyßologie 
in  gleichem  ]Maße  für  fruchtbringend  gehalten  wird,  gilt  es  noch 
andere  Factoren  zu  berückfichtigen ,  die  lebenswichtiger  find  als 
die  Form,  als  die  Structur  und  Textur  des  leljenden  Subflrates. 
Im  mannigfachen  Gegenfatze  zu  den  Vorausfetzungen,  zu  denen 
die  vergleichende  Anatomie,  vorwiegend  bei  Verwendung  mor- 
pliologifch-ontogenetifcher  Thatfachen  gelangte,  flehen  die  Ergeb- 
niffe  der  phyfiologifch-chemifchen  Forfchung;  aus  einigen  That- 
fachen geht  fogar  mit  Evidenz  hervor,  daß  (ähnlich  der  AUotropie 
und  dem  Ifomor})hismus  Ijci  den  Kryftallen)  Form  und  chemifche 
Befchaffenheit  fich  nicht  immer  decken,  daß  ein  und  derfelben 
Form  auch  in  der  lebenden  Welt  chemifch  verfchiedenartige  Su)> 
/tanzen  zu  Grunde  li('g(;n,  und  daß  verfchieden  geftaltete  Zellen 
vorherrfclieiid  ein  und  dcniclbcn  Körper  Ijoherbergen  können. 

I)i<'  generelle  Pliyüologio  hat  nacli  gründlichei'  rnterfuchung 
aller  Erfcheinungen,  welclie  als  rein  vitale,  als  den  lebenden  Wefen 
eigenthiiniliehe  angefprochen  wurden,  nur  die  Ainmilation  (d.  i. 
die  Anbildung  lebender  Subflanz)  als  ein  Charakteriftikon  des 
Lebens  aufrecht  zu  halten  vermocht;  die  AfIimilati<jnsvorgänge  ver- 
laufen aber  in  der  lebendigen  \\'iik(l;itl  nngefclKn  und  inigt  Inirt, 
befchrilnkt    auf   den    kleinllen    Kaum,    (»biie    l>etlniligung    (Imker 


12  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [12 

chemifcher  Affinitäten,  ohne  die  in  unferen  Laboratorien  bei  clie- 
niifclien  Umfetzungen  gebräuchliclien  tiefgreifenden  phyfikalifchen 
Veränderungen  der  gewöhnlichen  Verhältnilfe,  —  und  fie  gelangen 
uns  deshalb  als  folche  nicht  zur  Wahrnehmung;  geringe  Tem- 
peraturerhöhungen, Stoffaufnahme,  Stoffanfatz  und  ifolirbare  Stoff- 
wechfelproducte  fmd  ziemlich  alles,  was  uns  auf  diefe  ProcelTe 
fchließen  und  uns  von  ihnen  indirect  Weniges  erfahren  läßt.  Mit 
der  Unterfuchung  diefer  Erfcheinungen  müllen  wir  uns  fomit  vor- 
läufig begnügen,  und  foUte  der  Kenntniß  der  Stoffwechfelproducte 
von  manchen  Seiten  auch  kein  größerer  biologifcher  Werth  zuge- 
ftanden  werden  als  den  anatomifchen  und  morphologifch-embryo- 
logifchen  Befunden,  fo  flehen  üe  doch  diefen  an  biologifcher  Be- 
deutung jedenfalls  nicht  nach  und  haben  ebenfofehr  ein  Anrecht 
bei  Erörterung  der  Frage  nach  der  Zufammengehörigkeit  des  Leben- 
digen in  Betracht  gezogen  zu  werden  als  jene. 

Stets  wo  es  gelang,  durch  äußere  Eingriffe,  durch  ein  be- 
flimmtes  Nahrungsmittel,  durch  Abhaltung  allen  Lichtes  oder  ge- 
Aviffer  Lichtforten  u.  f.  w.  den  Organismus  zu  modificiren,  han- 
delte es  fich  ausfchheßlich  um  morphologifche  Veränderungen. 
Die  geringfügigen  Modificationen,  welche  man  an  den  Stoffwechfel- 
erfcheinungen  auf  diefem  Wege  hervorzubringen  vermochte,  find 
für  den  Gefammtorganismus ,  vorausgefetzt,  daß  fie  von  diefem 
auf  die  Dauer  hin  überhaupt  ertragen  werden,  von  geringem  Be- 
lang. Wenn  ^^'ir  dem  lebenden  Organismus  Stoffe  einverleiben,  mit 
welchen  er  bisher  noch  nicht  in  Berührung  kam,  und  er  diefelben 
umzufetzen  weiß,  dann  haben  wir  an  ihm  nur  eine  Fähigkeit  ent- 
deckt, die  uns  früher  unbekannt  war;  aber  noch  niemals  ifl  es 
gelungen,  in  einem  Lebewefen  neue  affimilatorifche  oder  metabo- 
lifche  Kräfte  experimentell  zu  erwecken.  Wü'  verflanden  nur, 
ähnhch  wie  bei  den,  der  Hypertrophie  und  AtropMe  fähigen  Ge- 
weben und  Organen,  einen  in  der  lebenden  Subflanz  neben  vielen 
anderen  Proceffen  ablaufenden  Vorgang  durch  unfer  Zuthun  von 


1:^'  Methode  für  die  Biologie.  13 

außen  befoiiders  anzuregen  und  dafür  andere  \dtale  ProcefTe  zum 
Stillftande  zu  zA\ingen.  So  gelang  es  z.  B.  HeclcP*)^  einem  fran- 
zöfifchen  Biologen,  die  Leberfunction  der  Maljn'ghi'^chen  Gefäße 
bei  Infecten  (Mantis  religiosa,  Blatta  oecidentalis,  Ceram- 
byx  heros)  durch  Arfenikfütterung  zu  vernichten,  während  dabei 
ihre  Nierenfunction  erhalten  blieb.  Wie  m  pathologifchen  Fällen 
weder  eine  Zelle,  noch  ein  Organ  Functionen  erkennen  ließen, 
welchen  eine  quahtative  Veränderung  ilirer  vitalen  Verhältniffe, 
ihres  Affimilationsvermögens  oder  ihres  Stoffwechfels  zu  Grunde 
lag,  fo  war  man  auch  experimentell  zu  derartigen  phyfiologifchen 
Transformationen  ftets  außer  Stande.  Nur  zu  den  Sagen  rechnet 
man  jetzt  die  Berichte,  daß  die  Milchdrüfen  als  Nieren  functionirt, 
daß  man  mit  Hautnerven  z.  B.  der  Oberbauchgegend  gelefen,  mit 
Empfindungsnerven  Tifche  bewegt  habe,  oder  daß  Bindegewebs- 
zellen binnen  5  Minuten  den  Charakter  von  Ganglienzellen  ange- 
nommen haben. 

Mit  Ausnahme  der  bezeichneten  Novitäten  des  Stoffwechfels 
und  der  Umformungen,  welche  auf  den  erflen  BHck  bisweilen 
(z.  B.  wenn  an  Stelle  der  Kiemenathmung  die  Hautrefpiration  tritt) 
als  fchwerwiegend  phyfiologifche  imponiren,  im  Grunde  genommen 
aljer  phyfiologifch  nichts  bedeuten,  gelang  es,  wie  gefagt,  an  lebenden 
Tliieren  bislier  ganz  ausfchHeßlich  nur  morphologifche  Verände- 
nnigen  experimentoll  Iiei'vorzurufen,  —  Veränderungen  zwar,  welche 
oft  (wie  z.  B.  bei  der  Züchtung  der  Hausthiere  und  befonders  des 
Geflügels)  fehr  merkwürdiger  Natur  find.  Eine  allgemeinere  bio- 
logifchc  Bedeutung  kann  diefen  Erfahrungen  aber  umfoweniger 
zugeftanden  werden,  als  unl'ere  ]>iologifchen ,  unfere  functionellen 
Begriffe,  die  an  der  Zelle  und  jiii  den  Cog.  organifchen  Geftaltungs- 
gefetzen  überliau|)t  haften,  außerordentlich  minimal  find.  So  ver- 
mögen wir  mit  dem  hiftologifclicn  Haue  weder  bei  den  einzelnen 
Ner\'<'n  und  Ganglien,  noch  bei  den  einzelnen  (glatten,  (|uerge- 
ftn-ifWn    und    doj)])eltfchräggeftreiften)   Muskeln    und    Drüfcn    den 


14  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [14 

Begriff  einer  durcliweg  zutreffenden  Functionseigenthümlichkeit  zu 
verbinden;  nur  durch  die  ausgezeichneten  Unter fuchungen,  welche 
ficli  an  Hermann  Meyer' s  bahnbrechende  Arbeit  ^^)  über  die  Structur 
der  Spongiofa  knüpfen,  gelang  es  in  einer  beftimniten  Textur  der 
Knochen  ebenfo  wie  in  der  Anordnung  der  Fibrovafalftränge  in 
der  Pflanze  einen  phyfiologifchen  Nutzen  zu  erkennen.  Wh  wiffen 
nicht,  warum  hier  die  Zellen  klein,  warum  ße  dort  ausnehmend 
groß  find^^),  wh  mffen  nicht,  warum  die  Zellen,  wie  z.  B.  bei  den 
Blutkörperchen  der  Säuger,  bald  eine  elliptifche,  bald  eine  runde 
Form  haben  ^^),  warum  die  Drüfen  bald  traubenförmig,  bald  fclilauch- 
förmig  geftaltet  ßnd^^);  ja  wh  wußten  bis  vor  kurzem  nicht  ein- 
mal, was  ein  zelliger  Bau  vor  einem  einheitlichen  Protoplasma- 
klumpen voraus  hat.  Erft  Bunge's,  und  Schmiedeherg's  Synthefe 
der  Hippurfäure^^)  durch  das  lebende  Merengewebe,  denen  die 
mittelft  lebensfrifcher  Zellen  anderer  Organtheile  ausgeführten  Syn- 
thefen  von  Salonion,  Kochs^^)  und  Pflüger^^)  folgten,  lehrten  uns 
eine  bis  dahin  völhg  unbekannt  gebliebene  Eigenfchaft  des  orga- 
nifirten  lebenden  Subflrates  in  feiner  ganzen  Tragweite  würdigen. 
In  den  Erfcheiimngen  der  Stoffmetamorphofe  manifeftht  fich 
bald  eine  Zufammengehörigkeit  ähnlich  organißrter  Formen,  bald 
tritt  das  nämüche  Stoffwechfelproduct  bei  fyftematifch  felir  ent- 
fernt flehenden  Gliedern  der  Thierreihe  auf,  während  claffelbe  bei 
organifatorifch  nahe  verwandten  Formen  durch  einen  functionell 
zwar  gleichwertMgen ,  chemifch  aber  fehr  differenten  Körper  ver- 
treten wird.  In  der  Verbreitung  des  Kreatins ,  Kreatinins  und 
Taurins,  der,  wie  es  fcheint,  ausfchheßhch  auf  die  Wirbelthiere  im 
Vorkommen  befchränkten  Gallenfäuren ,  Gallenpigmente,  in  der 
Verbreitung  der  organifchen  Gerüftfubflanzen  ^^)  und  in  den  Eiweiß- 
körpern der  lymphatifchen  Flüfßgkeiten,  welche  für  gewiffe  Typen 
oder  Gruppen  von  Thieren  charakteriftifch  ßnd-'^^),  tritt  die  Abgren- 
zung eines  beftimniten  Modus  des  Stoffwechfels  nach  den  allge- 
meinen Organifationsverhältniffen  klar  zu  Tage.     Die  Verbreitung 


I 


löl  Methode  füi*  die  Biologie.  15 

der  refpirirenden  Materien  im  Blute  refp.  in  der  Hämolymphe,  in 
den  Muskeln  oder  dem  Centralnervenfyftem  folgt  dagegen  \äel 
weniger  der  Organifationsanlage.  Das  Hämoglobin ^^)  z.  B.  findet 
fich  l>ei  allen  AVirbelthieren  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Lepto- 
cephaliden^^);  wir  l)egegnen  ihm  ferner  bei  Infecten,  vielen 
Krebfen,  Anneliden,  Nemertinen  und  Gephyreen,  bei  einigen  La- 
mellibranchiateu  und  Gaftropoden,  wo  es  bei  den  einen  ausfchließlich 
in  der  Gangüenkette ,  bei  anderen  in  den  Muskeln  und  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  wie  bei  den  Wirljclthieren  in  den  Körperfäften 
angetroffen  wird.  Wie  fehr  aber  den  Proceffen,  welche  im  Thier- 
kör})er  zur  Bildung  des  Hämoglobins  führen,  eine  fyftematifche 
Abgrenzung  mangelt,  erfieht  man  daraus,  daß  unter  den  gemeinen 
Süßwalfermollusken  der  refphirende  Stoff  der  Hämolymphe  bei 
Planorbis  Hämoglobin  ift,  während  die  Hämolymphe  von  Lim- 
naeus  und  Paludina  wie  cüejenige  von  Hei  ix,  Limax,  Arion 
und  der  meiflen  marinen  Gaftropodenformen  ftatt  delfen  Hämo- 
cyanin  führt,  daß  unter  den  Gephyreen  die  perienterifche  Flüflig- 
keit  von  Sipunculus  -nudus  einen  ganz  befonderen  Refpirations- 
floff,  das  Hämerythrin  ^^),  enthält,  während  bei  anderen  Arten  diefer 
Claffe,  bei  Phoronis,  Thalassema  die  Hämolymphe  hämoglo- 
binhaltig  fein  wird,  und  daß  endlich  I^ernanthropus  lieh  wie  die 
höliereu  Thiere  eines  durch  Hämoglobin  gerötheten  Blutes  zu  er- 
freuen hat,  trotzdem  bei  Meer-  wieSüßwaffcrcruftaceengewölndich'^^) 
das  Hämocyanin  die  innere  Athmung  vermittelt.  Genau  denfelben 
Al)weichungen  vom  Syfteme  begegnen  wir  bei  der  Harnfäurel)il- 
dung^*).  Die  Harnlaure  erfcheint  als  Stoffwcchfelproduct  bei  ficisch- 
wie  pflanzenfreirenden  Wirl^elthicren  (Schlangen,  Vögel),  bei  flcifcli- 
wic  ])fianzenfren'enden  Mollusken  (Sepia,  Helix),  bei  lieifch-  wie 
pllanzenfre(fenden  Infecten  (Carabus,  Lampyris),  lu'i  Milben 
"ikI  Tunicaten;  bei  gewilfen  carnivoren  wie  phytophagcii  l^'Üclicn 
•  lustelus,  Cyi)rinus)  und  Mollusken  (Octopus,  Pinna)  Ibwic 
bei   Krel>feii""),   Spiinien    und    Scorpionen '")    fclicint    dagegen    die 


16  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  "  [16 

Harnfäure  vollftändig  zu  fehlen  und  ftatt  ihrer  meift  Guanin  auf- 
zutreten. 

Aehnhch  wie  die  Federfarbftoffe  bei  einigen  Vögeln '^^),  be- 
zeugen die  Pigmente  fchon  bei  den  niedrigft  organifirten  lebenden 
Wefen  und  felbft  bei  den  Amorph ozoen,  daß  der  Stoffwechfel 
bei  Thieren  einer  ClalTe  bemerkenswerthe  Verfchiedenheiten,  der 
Species  oder  dem  Nährboden  entfprechend ,  aufweift.  Der  blaue, 
von  niederen  Organismen  producirte  Farbftoffkörper,  den  ich^^)  auf 
feucht  gehaltenem  Fibrin  fich  bilden  fah,  erwies  lieh  als  chemifch 
völlig  verfchieden  von  dem  blauen  Vibrionenfarbftoffe,  den  ver- 
fchiedene  Forfcher  amylumreichen  Nahrungsmitteln  entnahmen; 
und  von  allen  beiden  Stoffen  weicht  chemifch  fowohl  das  färbende 
Princip  des  blauen  Eiters  wi.e  das  der  blauen  Milch ^^)  ab,  welche 
beiden  Pigmente  gleichfalls  von  einander  differhen,  trotzdem  auch 
fie  höchfl  gering  differenchten  Organismen  ihre  Entflehung  ver- 
danken. Diefe  feltfamen  Farbftoffverfchiedenheiten,  denen  lieh 
weiterhin  ein  oder  mehrere  rothe  Pigmente  hinzugefellen ,  bei  den 
vibrionenartigen  Wefen,  die  ßch  hierin  documentirenden  Schwan- 
kungen des  Stoffwechfels  beflärken  uns  in  der  Hoffnung,  daß  es 
möglich  fein  wu-d,  die  Stoflfmetamorphofen  auch  bei  anderen,  bei 
höher  organilirten  Thieren  willkürlich  zu  verändern,  daß  es  viel- 
leicht gelingen  wnd,  als  Excretftoff  ftatt  der  Harnfäm-e  das  Guanin, 
als  Refphationsftoflf  ftatt  des  Hämocyanins  oder  Hämerythrins  das 
Hämoglobin  in  einem  Organismus,  der  unter  gewöhnlichen  A^er- 
hältnilTen  deffelben  entbehrt,  entftehen  zu  lalTen.  Bislang  hegen 
pofitive  Refultate  in  diefer  Richtung  nicht  vor,  und  es  werden  die- 
felben  bei,  im  Syfteme  höher  ftehenden  Formen  um  fo  fchwieriger 
zu  erzielen  fein,  weil  bei  diefen  den  vitalen  ProcelTen  ein  viel  ge- 
ringerer Spiehaum  gewährt  ift  als  bei  den  einfacheren  Lebewefen. 
Die  Keimanlage  vermag  überall  in  der  Thierreihe  Ungleichartiges 
aus  üch  zu  erzeugen,  aber  diefer  am  productiven  Können  kaum 
annähernd   vergleichbar   erfcheinen   felbft   die   für    einen   weiteren 


I 


171  ^Methode  für  die  Biologie.  17 

Ausbau  des  Indmduums  beftimmten  Elemente,  welche  phyriologifcli 
als  Folge  einer  Hiftolyfe^*)  oder  pathologifch  als  Granulationsge- 
webe den  vorgefchriebenen,  nur  Altes  wiederholenden  AVachsthums- 
vorgang  ausnahmsweife  unterlirechen. 

AVie  ich  bereits  hervorhob,  vermochten  ^\tl"  die  Functionen 
\'ieler  Organe  dm'ch  äußere  Umftände  zu  verflärken,  herabzufetzen 
mid  auszufchalten  oder  auch  zu  ihrer  Erhaltung  beizutragen,  aber 
fie  nicht  quahtativ  zu  modificiren,  und  zwar  deshalb  nicht,  weil 
wh*  die  chemifchen  Procelfe  in  ihnen  nicht  zu  verändern  verliehen. 
Wir  und  nur  im  Stande  an  einem  Organe  oder  Gewebe  einen 
Cyclus  von  quantitativen  A'eränderungen  hervorzurufen,  welchen 
mancher  ^luskel,  manche  Drüfe  in  den  einzelnen  Lebensaltern  des 
Indi^dduums  felbft  durchläuft. 

In  fehr  anfprechender  AVeife  hat  die  Descendenztheorie  die 
embryologifchen  Thatfachen  für  ihren  Zweck  zu  benutzen  verftanden. 
Hrf'ckel  erblickt  in  der  Ontogenie  eine  befchleunigte  Recapitulation  der 
Phylogenie  und  bezeichnet  diefe  AuffalTung  als  biogenetifches  Grund- 
gefetz;  aber  es  ift  dabei  fehr  wohl  zu  berückfichtigen,  daß  es  fich 
auch  in  diefem  Falle  nur  um  formelle  oder  organifatorifche  Aehnlich- 
keiten  handelt,  nicht  um  chemifch-phyfiologifche,  nicht  um  fpeciell 
affimilatorifche.  Bemerkenswert!!  ift  allerdings,  wie  fehr  gewill'e 
A])parate  in  der  Anordnung  ihrer  Theilftücke  beim  Embryo  von 
den  fpäteren  Verhältniffen  abweichen.  So  befitzt  in  einem  fpäteren 
Embrs'onalftadium  das  Herz  der  A^ögel*^)  wie  das  der  Säuger ^^) 
noch  keinen  oder  einen  nur  unvollkommen  actionsfähigen  liem- 
mungsapparat;  die  rhythmifchen  Contractionen ,  die  es  fclion  zu 
•  licfer  Zeit  douthcli  walu-nehmen  läßt,  fclieinen  rein  protoplasma- 
tifcher  Natur  zu  fein,  wie  denn  auch  nach  i/a r^m^'.s-Unterfuchungen^^) 
zu  fclilicßen,  die  Bewegungen  der  Chromatophoren  am  Cephalo- 
j)odenenjl>ryo  noch  nicht  von  dem  complicirten  Meclianismus'*^) 
dirigirt  werden,  der  an  der  Hautdecke  des  entwickelten  Thieies 
das  wunderbare  Farbenfpiel  entftelien  läßt. 

h'rukexh/i-f/.  Vcrgl.-jihyfiol.  Vortrüge.  2 


18  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [18 

Zwar  hat  es  keineswegs  an  Forfcliern  gefehlt,  welche  glaubten 
annehmen  zu  dürfen,  daß  bei  höheren  Thieren  die  Stoffwechfel- 
producte  des  Embiyos  von  denen  des  fpäteren  Lebens  völlig  ver- 
fchieden  feien,  daß  erftere  anfangs  denen  glichen,  welche  bei  Cölen- 
teraten  angetroffen  werden,  und  daß  -m  einem  vorgefchritteneren 
Embryonalftadium  interimiflifch  ein  Stoffumfatz  erfolge,  wie  er 
den  Mollusken  oder  Würmern  beifpielsweife  zukomme,  daß  die 
Ontogenie  nicht  nur  morphologifche  VerhältnüTe  niederer  Thiere 
reprocluche,  fondern  auch  chemifch  phyliologifche.  Aber  diefer 
Vorftellung  liegen  entfchiedene  Irrthümer  zu  Grunde,  denn  derar- 
tiges wurde  noch  niemals  beobachtete^);  es  liegen  ■\delmelir  eine 
Anzahl  von  Thatfachen  vor,  die  gerade  das  Gegentheil  des  Ange- 
nommenen als  richtig  erfcliließen  lallen.  In  den  Muskeln  zweier 
Rindsföten  von  180  und  184  mm.  Länge  fanden  ßch  z.  B.  genau 
diefelben  Subftanzen  wie  im  Ochfenfleifche°°),  und  die  Gallerte 
der  Medufen,  der  Knorpel  der  Mollusken,  die  lederartige  Hüllei 
der  Holothurien  beliehen  durchgängig  zum  bei  weitem  größten] 
Theile  aus  Materien,  mit  denen  die  Stütz-  und  SchleunfubftanzenJ 
der  Wirbelthiere  nichts  chemifch  '^'Vergleichbares  enthalten.  Wir' 
erfehen  hieraus,  daß  felbft  den  Primordialzellen ,  aus  denen  lieh 
das  Individuum  entwickelt,  trotzdem  fich  ihr  urfprünglicher  Afli- 
milationsmodus  in  den  Theilproducten  ändert,  die  quahtativen 
Veränderungen  des  Stoffwechfels  vom  Anfang  an  genau  vorge- 
fchrieben  lind,  und  daß  in  der  Kette,  die  ein  Organismus  vom 
Ei  bis  zu  feiner  Ausbildung  durchmißt,  keine  Subftanz  entdeckt 
wurde,  deren  Gegenwart  dafür  fprechen  könnte,  daß  der  Stoff- 
wechfel  höher  organißrter  Formen  im  Anfange  der  Entwicklung 
demjenigen  tiefer  ftehender  Typen  mehr  gliche  als  der  des  ausge- 
wachfenen,  des  ausgebildeten  Thieres.  Die  intereffanteften  Er- 
fcheinungen,  welche  bei  höheren  Thieren  an  VerhältnilTe  tiefer 
flehender  Formen  erinnern,  bleiben  jedenfalls  die  Verdauungs- 
und Refpü'ationsvorgänge ,    die  von  einzelnen  Geweben  gleichfam 


( 


19]  Methode  für  die  Biologie.  19 

auf  eigene  Fauft,  unbekümmert  um  den  allgemeinen  Verdauungs- 
oder Refpirationsproceß  des  Gefammtorganismus ,  rein  egoiftifch 
ausgeführt  werden.  Unbehelligt  von  der  Sauerftoffverforgung  der 
übrigen  Gewebe  bezieht  fo  z.  B.  nach  HuhrecJifs  Unterfuchungen ^^) 
das  Nervengewebe  mehrerer  Nemertinen  auf  directem  Wege  feinen 
Sauerftoffl:)edarf  aus  dem  umgebenden  Meerwaffer  und  felbft  bei 
den  Säugethieren  ahmen  die  Ofteoklaften  und  pathologifche  Zellen- 
neubildungen ^-)  einen  Verdauungsmodus  nach,  welcher  lange  als 
charakteriftifch  für  die  protoplasmatifchen  Gefchöpfe  gegolten  hat, 
bis  erft  in  allerjüngfter  Zeit  uns  die  WilTenfchaft  der  vergleichenden 
Phyliülogie  mit  dem  hochwichtigen  Refultate  bekannt  gemacht  hat, 
daß  der  fog.  protoplasmatifchen  Verdauungsweife  eine  Verbreitung 
auch  unter  den  zoophytifchen  Formen  zukommt  ^^). 

Bisher  liaben  uns  die  Stoffe,  welche  wir  als  eigene  Gebilde 
des  Thierkörpers  in  diefem  antreffen,  und  welche  wir  oft,  trotz 
einer  functionellen  Aehnlichkeit  fubftantiell  auffallend  verfchieden 
fanden,  nur  infofern  interefTirt,  als  ße  uns  einen  Einblick  in  die 
Vorgänge  des  Stoffwechfels,  in  die  vitalen  Procelle  des  Thierkörpers 
felbft  geflatten.  Als  aber  eine  Subflanz  nach  der  andern  als  ani- 
malifches  Product  erkannt,  und  ßch  die  Zahl  der  chemifch  gut 
cliarakterifirten  Thierßoffe  fu  erliel^lich  fteigcrte,  daß  man  zweifel- 
haft wurde,  ob  fchließlich  mehr  Producta  thierifcher  oder  pflanz- 
licher Herkunft  bekannt  fein  werden,  da  tauchte  wiederholt  die 
Frage  auf,  o]>  alle  die  zahlreichen  Materien  dem  Thieiieibe  wirklich 
von  Nutzen  find. 

Die  vergleichende  Anatomie  hat  uns  eine  Anzalil  von  Organen 
als  rudimentäre,  zurückgebildete  und  leiftungsunfähig  gewordene 
vi-rftändlich  gemacht;  es  ifl  kein  Zweifel,  daß  dagegen  die  ver- 
gleicljcnde  Tliierchemie  Subflanzen  nachg(!\viefen  hat,  wclclio  für 
den  Organismus,  der  fie  führt,  noch  nicht  leiftungsf aliig,  noch  nicht 
funetionsmächtig  geworden!  find^*).  Das  PIämoglol)in,  welclies  für 
<lie    Säugetliiere    ein    iiiiciitbclnliclicr    Sauciltolfüljerträgcr  ilt,    hat 


20  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [20 

z.  B.  für  das  Leben  des  Frofches,  der  lange  Zeit  ohne  jeden 
Tropfen  Blut  zu  exifliren  vermag,  keine  jenem  Falle  annähernde 
Bedeutung.  Welchen  Nutzen  das  trj^ptifche  Enzym  vielen  Mol- 
lusken, welchen  das  peptifche  vielen  Würmern  und  Seefternen 
■  fchaffen  könnte,  iffc  durchaus  unbegreifhch^^),  und  fo  begegnen  wir 
denn  auch  großen  individuellen  Schwankungen  in  diefer  Beziehung, 
ebenfo  wie  der  Sauerftoff  übertragende,  dem  Hämoglobin  functionell 
gleichwerthige  Körper  in  der  Hämolymphe  des  Flußkrebfes  bei 
dem  einen  Exemplare  völhg  fehlt,  bei  einem  andern  dagegen  in 
ziemlich  reicher  Menge  vorhanden  ill^*^).  Das  lehrreichlte  Beifpiel 
aber  dafür,  daß  eine  Subftanz,  welche  wichtige  Functionen  zu  er- 
füllen befähigt  iffc  und  bei  vielen  Thieren  diefelben  auch  ausübt, 
für  ein  lebendes  Wefen  nutzlos  bleibt,  iffc  Folgendes  ^ ') :  Im  Plasmo- 
dium von  Aethalium  septicum  findet  üch  ein  auf  Eiweißftoffe 
äußerft  kräftig  wirkendes  Pepün.  Diefes  kann  in  dem  Schleim- 
pilze aber  deshalb  keine  oder  nur  eine  fehr  geringfügige  Wirkung 
entfalten,  weil  das  lebende  Aethalium- Gewebe  conftant  alkahfch 
reagirt;  denn,  me  bekannt,  kommt  den  peptifchen  Enzymen  nur 
in  fchwach  fauren  FlüITigkeiten  eine  peptonifirende  Kraft  auf  die 
Eiweißfubftanzen  zu. 

Trotz  der  vielen  individuellen  wie  fpecififchen  Schwankungen 
prägt  üch  doch  auch  in  dem  Dienftbarwerden  der  Stoffwechfel- 
producte  meiftens  eine  Vollkommenheit  aus,  die  derjenigen  der  Pro- 
pulfionsorgane,  welche  die  Säftemalfe  im  Thierkörper  in  Bewegung 
fetzen,  in  keiner  Weife  nachfteht. 

AVenn  Jemand,  dem  nur  die  Verhältniffe  bei  den  Spongien 
geläufig  wären,  plötzlich  Kenntniß  erhielte  von  den  Refpirations- 
vorgängen  bei  den  Warmblütern,  fo  müßte  er  darüber  im  höchften ; 
Maße  erftaunen,  und  er  würde  es  kaum  für  möghch  halten,  daß 
in  der  lebenden  Welt  ein  und  daffelbe  Bedürfniß  nach  fo  grund- 
verfchiedenen  Principien  geftillt  wird.  Die  Athmung  des  lebenden 
Schwammgewebes  iffc  fo  außerordentlich  mächtig,  daß  darin  felbft 


21]  Methode  für  die  Biologie.  21 

Subftanzen  vor  einer  Oxydation  gefchützt  find,  welche  eine  weit 
größere  Affinität  zum  Sauerftoff  befitzen  als  das  Hämoglobin  ^^). 
Auch  bei  den  Infecten  und  den  Mantelthieren  bezieht  jede  lebens- 
thätige  Zelle  ihren  Sauerftoff  direct  von  außen,  und  fo  fehr  ift 
bei  diefen  Thieren  die  Körperflüfligkeit  von  dem  Refpirationsge- 
fchäfte  entlaftet,  daß  darin,  ungefährdet  für  das  Leben,  Sul^ftanzen 
exifliren,  welche  durch  Zufuhr  geringer  Kohlenfäuremengen  tief- 
greifende Veränderungen  erfahren  und  dabei  in  fchwarze,  äußer fi; 
rcfiftente  Materien  übergehen  ^'^).  Würden  derartige  Stoffe  fich  in 
einem  refpirirenden  Blute  finden,  fo  würden  fie  unzweifelhaft  durch 
die  beim  RefpirationsprocelTe  in's  Blut  ül^ertretende  Kohlenfäure 
fofort  die  angegebene  Zerfetzungsweife  erleiden  und  durch  ihre 
Zerfetzungsproducte  den  Kreislauf  in  den  engeren  Theilen  der  Ge- 
fäßbahn bald  unmöglich  machen.  Bei  den  Thieren,  deren  lebende 
Gewel)e  indirect  mit  Sauerftoff  gefpeilt  werden,  bei  denen  das 
kreifende  Blut  die  Sauerfloffübertragung  verficht,  werden  aber  noch 
andere  Bedingungen  gefordert,  ohne  deren  Erfüllung  fich  die  Ath- 
mung  auf  circulatorifchem  Wege  nicht  vollziehen  kann.  Erftens 
muß  in  diefem  Falle  die  Gewel)eathmung  weniger  onergifch  als 
z.  B.  bei  den  Schwämmen  erfolgen  und  zweitens  darf  die  Sauer- 
ftoff bindende  Kraft  der  Sauerftoff  übertragenden  Stoffe  in  der 
refpirirenden  Plüffigkeit  diejenige  der  zu  verforgenden  Gewebe  nicht 
überfteigen.  In  beiden  Puncten  wird  von  den  verfchiedenartigften 
Thieren  an  Mannigfaltigkeit  und  Vollkommenheit  das  Erftaunlichfic 
geloiftet.  Bei  Sj)irographis  Spallanzanii,  wo  die  Gewebeath- 
mung  weit  cnergifcher  als  bei  den  Säugern  von  Statten  geht,  ver- 
mittelt ein  Körpei-  (\\v  Sauerftoffaufnahme,  welcher  nfit  Sauerftofi" 
imprägnirt,  fmaragdgrün  erfcheint  und  dcshall)  von  Hai/  L(n//.r/h'r''^) 
als  Chloro(;ruoi'iii  bezeichnet  wurde,  des  Sauerltoffs  l)eraubt,  alier 
eine  rothc  Farbe  annininit  uiifl  fo  in  das  Erytlirocruorin  Jiaij  Lav- 
hftcr'H  übergellt.  Mitteilt  <\i-v  Luftpumpe,  mitteilt  Zuleiteiis  von 
A\'a(rerItoirgas  oder  von  Kohlenfäure  gelingt  es  nicht,  das  Cliloro- 


22  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [22 

cruorin  von  feinem  Sauerftoffe  zu  befreien  ^^);  es  bedarf  dazu  Itär- 
kerer  chemifcher  Agentien  (des  Schwefelammoniums  oder  der  StoJces'- 
fchen  Löfung),  um  an  ihm  einen,  dem  des  lebenden  Gewebes 
gleichen  Effect  zu  erzielen.  Bei  Sipunculus  nudus,  wo  die  In- 
tenlität  der  Gewebeathmung  eine  geringere  ifl  als  bei  jenem  Röhren- 
wurme, beforgt  das  Hämerythrin,  welches  fchon  nach  längerm  Ein- 
leiten von  Kohlenfäure  feines  aufgenommenen  Sauerffcoffs  verluftig 
wird,  die  Sauer ftoffübertragung ;  bei  den  meiften  Gaftropoden  und 
Cruftaceen  chent  demfelben  Zwecke  das  mit  einer  noch  geringeren 
Sauerftoff  bindenden  Kraft  als  das  Hämerythrogen  ausgeflattete 
Hämocyanogen,  und  bei  den  Warmblütern  endlich,  wo  die  Stärke 
der  Gewebeathmung  am  meiften  ßnkt,  genügt  die  Gegenwart  des 
Hämoglobins,  um  die  lebenden  Gew^ebe  in  den  fernften  Bezirken 
des  Körpers  mit  Sauerftoff  in  ausgiebiger  Weife  zu  verforgen. 

Auch  bei  den  A^erdauungsfäften  ift  es  hochinterellant  zu  fehen, 
wie  ein  Stoff  einem  andern,  functionell  gleichwerthigen  gegenüber 
zurücktritt.  Es  ift  kein  Grund  dafür  einzufehen,  daß  bei  den 
Säugethieren  die  eiweißhaltige  Kofl  durch  zwei  Enzyme  bewältigt, 
daß  die  Eiweißverdauung  nicht  ausfchließlich  von  Pepfin  oder  aus- 
fchließlich  von  Trypfm  beforgt  wird,'  fondern  daß  der  Organismus 
für  die  Eiweiß  Verdauung  ein  peptifches  und  ein  tryptifches  Enzym 
in  feinem  Secrete  entfendet.  Man  ift  geneigt,  hier  um  fo  mehr  an 
eine  Luxusproduction  zu  denken,  als  felbft  bei  Wirbelthieren  bald 
die  peptifche,  bald  die  tryptifche  Wirkungsweife  der  Verdauungs- 
fäfte  der  andern  gegenüber  zurücktritt,  ja  es  kann  auch  die  eine 
oder  die  andere  diefer  beiden  Wirkungsweifen  den  fämmtlichen 
Verdauungsfäften  bei  einer  Thierart  (fo  z.  B.  die  peptifche  bei 
Cyprinus  carpio^^)  fehlen.  Die  Subftitution  des  peptifchen  durch 
da,s  tryptifche  Enzym  et  vice  versa  tritt  ganz  befonders  auffällig 
bei  den  Mollusken,  Arthropoden  und  Würmern  hervor '^^).  Bei  A^'er- 
tretern  diefer  Typen  begegnet  man  in  diefer  Beziehung  fehr  be- 
deutenden individuellen  Schwankungen,  indem  das  Leberfecret  des 


23]  Methode  für  die  Biologie.  23 

einen  Individuums  nur  ein  peptifclies,  das  eines  andern  zu  der- 
lelben  Art  gehörigen  Individuums  dagegen  nur  ein  tiyptifches  oder 
ein  tryptifch  -\-  peptifches  Enzym  enthält.  Unterfucht  man  aber  die 
Leberfecrete  fehr  ^ieler  Exemplare  ein  und  derfelben  Species,  fo 
erhellen  aus  der  Summe  fchwankender  Refultate  die  fpecififchen 
Eigenthümhchkeiten  mid  die  fehr  bemerkenswerthen  Abweichungen 
Zwilchen  zwei  organifatorifch  nahe  flehenden  Arten.  Das  Leber- 
fecret  z.  B.  des  gemeinen  Flußkrebfes  enthält  in  der  bei  weitem 
größten  Mehrzahl  der  Fälle  trotz  feiner  conftant  fauren  Befchaffen- 
heit  fall  ausfchheßlich  ein  tryptifch  wirkendes  Enzym,  das  feines 
näcliften  Verwandten,  des  Hummers,  dagegen  meift  nur  Homaro- 
peplin,  und  bei  den  meiften  anderen  Krebsarten  finden  fich  in 
dem  Leberfecrete  l)eide  eiweißverdauenden  Enzyme  in  ziemlich 
gleicher  Menge  vor.  Auch  bei  den  Landfchnecken  und  Würmern 
begegnet  man  ähnhchen  A^a-fchiedenheiten :  das  Leberfecret  von 
Hei  ix  i)()matia  enthält  nur  Helicopepfin,  das  von  Arion  empi- 
ricorum,  Limax  agrestis  und  L.  cinereo-ater  dagegen  vor- 
\degend  ein  tryptifches  Enzym;  das  Leberdarmfecret  von  Lum- 
l»ricus  terrestris  oder  L.  complanatus  wirkt  peptifch  und 
ifotryiitifch ,  während  der  in  den  Leberl)lafen  der  Aphrodite 
aculeata  angefammelte  Verdauungsfaft  nur  Ifotrypfin  führt. 

Selbft  die  organifchen  Beftandtheile  der  Gerüflfubßanzen,  von 
denen  man  eine  ganz  l)efonderc  Beltändigkeit  im  ^'^orkommen  er- 
warten follte,  variiren  bei  verfchiedenen  Species  ein  und  derfelben 
'riiierclaire, 

\'i('I('  Holothinicn  (z.  B.  Ilolotliuria  tubulosa  und  H.  Poli) 
balicn  <lic  fcltfame  Angewohnheit,  bei  unfaiifter  Berührung  ihn; 
gefanimte  Eingeweidemaire  aus  der  Kloake  zu  werfen;  einige  andere 
Holotliuricnformen  (z.  B.  Synapta  digitata)  zerftückeln  lieh  unter 
•li'IV-n  riidtänden,  und  wiederum  bei  anderen  Arten  (z.  B.  bei 
ichopus  naso)  (Twcicjit  in  dicfcni  Tallc  die  derbe  lederartige 
II;iutdeck<',   von   der  man   a   piiori    gai'    nielit    glanben    würde,    daß 


24  Die  Bedeutung  der  vergleichenden  [24 

ße  einer  A^erfclileimung  überhaupt  fäMg  wäre.  Letztere  Erfchei- 
nung  beruht  darauf  ^^),  daß  der  Hautpanzer  eine  eiweißartige  Sub- 
rtanz  in  großer  Menge  enthält,  die  in  fcli wachen  Salzlöfungen  außer- 
ordentHch  leicht  löslich  ift ;  in  den  Schutzdecken  gewilTer  Holothu- 
rienarten  (z.  B.  Thyone  fusus),  welche  beim  Kochen  eme  leim- 
artige Materie  Hefern  und  deshalb  fich  zur  Trepangbereitung  Vor- 
zugs weife  eignen  würden,  fehlt  jene  den  fpontanen  Auflöfungs- 
proceß  bedingende  Subftanz  fo  gut  wie  vollltändig,  und  ftatt  ihrer 
tritt  darin  das  Tryptocollagen  auf,  während  bei  der  Mehrzahl  der 
Holothurien  in  den  Hautfchichten  beide  Stoffe  nachzuweifen  flnd^^). 
Ich  habe  im  Vorhergehenden  verfucht,  in  groben  UmrilTen 
die  Principien  vorzutragen,  von  denen  ßch  die  Wilfenfchaft  der 
vergleichenden  Phyßologie  bei  ihren  Unterfuchungen  leiten  läßt; 
es  ift  mein  Wunfeh  gewefen,  zu  zeigen,  daß  auf  diefem  Felde  an 
keinem  Babelthurme  gebaut,  an  keinem  Werke  gearbeitet  wird, 
deß'en  Nutzen  ein  rein  iUuforifcher  ift,  fondern  daß,  wie  die 
mannigfachen  Erfolge,  welche  in  diefer  Richtung  fchon  jetzt  erzielt 
ßnd,  deutlich  genug  beweifen,  hier  ein  Weg  betreten  wm'de,  der 
ausfchließlich  zum  Verftändniffe  der  wichtigften  Lebensvorgänge 
führt,  und  der  betreten  werden  muß,  wenn  es  in  der  Biologie  mit 
der  äußern  FormbefchreÜDung ,  mit  den  rein  morphologifchen  Er- 
fcheinungen  nicht  fein  Be^\'enden  haben  foll.  Ich  habe  darauf 
hinge^^'iefen,  daß  die  Aflimilationsvorgänge,  die  Stoffmetamorphofen, 
die  chennfchen  Proceße  bei  allen  allgemein  biologifchen  Fragen  in 
erfter  Inftanz  in  Betracht  gezogen  werden  muffen,  daß  ledighch 
morphologifche  Verhältniffe,  welche  gleichfam  Ueberproductionen 
des  Lebens  darfteilen  *^*^),  hierbei  nicht  maßgebend  fein  können. 
Müßte,  wie  noch  jetzt  viele  Forfcher  zu  glauben  fcheinen,  che  Bio- 
logie bei  den  \4talen  Proceffen,  bei  den  Producten  des  Stoffwech- 
fels,  bei  den  Unterfuchungen  der  äußeren  Exiftenzbedingungen  der 
Thiere  thatfächlich  Halt  machen,  dann  würde  ße  wahrhch  beffer 
gethan  haben,  wenn  ße  überhaupt  nicht  angefangen  hätte. 


i 


25]  Methode  für  die  Biologie.  25 

A'on  Uebergäiigen,  von  \^crbiiidung.sgliedern  zwifcheii  den  ein- 
fachen und  hoch  differencirten  Wefen  wird  Fich  bei  den  Unter- 
fuchungen  der  eigentlich  vitalen  A^orgänge  allerdings  nichts  er- 
geben ;  denn  Derartiges  tritt  nur  1)ei  Lebensproductionen  auf,  die 
in  der  Form,  in  einer  Anordnung  der  Theile  ihren  Ausdruck  finden. 
Bei  keinem  Lebensacte  befteht,  in  gleicher  Weife  wie  bei  keinem 
chemifchen  ProcelTe,  etwas  Interiniiftifches  von  einigermaßen  an- 
dauerndem Beftande,  nichts  was  zur  Annahme  berechtigt,  hier 
läge  ein  vollkommener,  dort  ein  unvollkommener  Lcbensact  vor; 
jeder  Lebensproceß,  jede  chemifche  Umfetzung  ift  in  ihrer  Art  fo 
vollkommen,  fo  vollftändig,  wie  fie  nur  gedacht  werden  kann,  und 
dalfelbe  gilt  in  diefer  Hinficht  von  jedem  Lebewefen,  wie  fclion 
Claude  Bernard  betonte''^).  Entweder  ein  beftimmter  Proceß  findet 
ßatt  oder  er  findet  nicht  flatt,  entweder  ein  beflimmtes  Stofi'wechfel- 
product  wird  gel)ildet  oder  es  bildet  fich  nicht;  Uebergänge,  ver- 
mittelnde Zwifchengheder  von  zwei  Proceffen  in  der  Art,  wie  fie 
die  vergleichende  Anatonne  fucht,  gibt  es  in  der  vergleichenden 
Phyfiologie  des  Stoff'wechfels  nicht.  Wie  fich  im  Laufe  diefes 
^'ortrages  genugfam  zeigte,  find  für  die  vergleichende  Phyfiologie 
des  Stoffwechfels  nur  die  Sul )ftitutionen  belangreich,  welche  ihren 
Ausdruck  in  dci'  i'unctionellcn  und  fiil)fiantiellen  Analogie  finden, 
und  die  Bearbeitung  gerade  diefes  Kapitöls  der  Biologie  dürfte  zu 
den  fchönflen  Hofihungen  berechtigen. 

Dem  Nachweife,  daß  feit  der  Al)lagerung  der  lilurilchen  und 
devonifchen  Scliichten  ein  außerordentlich  beträchtlicher  Zeitraum 
verflofien  ift,  und  daß  deshalb  bei  der  Entfichung  der  Ai-ten  die 
Länge  der  Zeit  liöcblt  \vahi-rclicinlich  eine  wefentlichc  Rolle  gelpielt 
habe,  kann  nur  niorphologilrlicrrcits  eine  gi-avitii'cndc  rxdcnlung 
für  die  DcscciidcnztlK'oric!  bcigcmcd'en  werden;  denn  die  vergk'i- 
chende  Phyfiologie  zeigt.  <laü  die  fürs  Leben  wichtiglten  Factoren, 
die  vitalen  I'roceHe,  licji  nioinentjin  verändern  muffen.  Pl()tzlicli 
muß  das  erfle  IIämoglobiiniioIel<ül,   plötzlich   ih\s  ei'fle  Krealin-  und 


26  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [26 

Glykogenmolekül  in  einem  lebenden  Wei'en  entftanden  fein;  denn 
was  hier  der  Augenblick  nicht  leiftet,  das  vermögen  ceteris  paribus 
auch  nicht  Millionen  Jahre.  Von  diefem  Gefichtspuncte  aus  ßnd 
für  die  Biologie  Bruchtheile  eines  Augenblickes  fo  mächtig  wie 
Aeonen. 


Anmerkungen  und  Literaturnachweis. 

')  Krulcenberc/,  Das  Verhältniß  der  Toxicologie  zu  den  übrigen  biologirchen 
Disciplinen.  BoUetino  della  Soc.  adriatica  di  sc.  nat.  in  Trieste.  Vol.  V.  1879. 
S.  72—85. 

-)  Brechfei,  E.,  Ueber  die  Bildung  des  Harnftoffes  im  thierifchen  Orga- 
nismus.    Arch.  f.  Anat.  u.  Phyßol.     Phyfiol.  Abth.  1880.     S.  550—556. 

—  ,  Die  fundamentalen  Aufgaben  der  phyfiologifchen  Chemie.  Ein 
academifcher  Vortrag.     Leipzig.  1881. 

3)  Hopi^e-Seyler,  F.,  Ueber  GährungsprocelTe.  Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie. 
Bd.  IL  1878—79.  S.  23. 

*)  Knikenherg,  Die  Farbfloffe  der  Federn.  Zweite  Mitth.  Vgl.-phyfiol. 
Studien.     IL  Reihe.  I.  Abth.  1881.  S.  154. 

")  Wöliler,  Fr.,  \"erfuche  über  den  Uebergang  von  Materien  in  den 
Harn.     Tieclemann's  Zeitfchr.  f.  Phyfiologie.     Bd.  I.  1824.  S.  143  —  146. 

— ,  Lehrbuch  der  Chemie  von  /.  /.  Berzelim.  Bd.  IV.  Abth.  I.  Dresden. 
1831.  S.  376.  Anm. 

ß)  Jaife,  M.,  Ueber  das  Verhalten  der  Benzoefäure  im  Organismus  der 
Vögel.     Ber.  d.  d.  ehem.  Gefellfch.  X.  Jahrg.  1877.  S.  1925—1930. 

')  Salkou-shi,  F.,  Ueber  die  Taurocarbaminfäure.  Ibid.  VI.  Jahrg.  1873. 
S.  744—746. 

8)  Bcelm,  Bild.,  Ueber  das  Verhalten  des  Glykogens  u.  der  Milchfäure 
im  Muskelfleifch  mit  befonderer  Berücküchtigung  der  Todtenflarre.  Arch.  f. 
gef.  Phyfiol.  Bd.  23.   1880.  S.  44—68. 

8)  Krulienherg,  Vgl.-phyfiol.  Beiträge  z.  Chemie  der  contractilen  Gewebe. 
Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.'    Bd.  III.  1880.  S.  197—220. 

— ,  LTnterfuchungen  der  Fleifchextracte  verfchiedener  Fifche  u.  Wirbel- 
lofen.    Ibid.  Bd.  IV.  1881.  S.  33—63. 

— ,  Die  näheren  organifchen  Befiandtheile  der  Luvarus -Muskeln  nebA 
einer  allg.  Betrachtung  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  vergleichenden 
Muskelchemie.     Vgl.-phyfiologifche  Studien.     IV.  Abth.  1881.  S.  56—66. 


27"  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  27 

Krulctnhery,  AVeitere  Unterfuehungen  z.  vergl.  Muskelchemie.  Vgl.-i)hyfiol. 
Studien.  II.  Keihe.  I.  Abth.  1881.  S.  143-147. 

'")  Knile)iher(j ,  \'gl.-phyfiol.  Beiträge  z.  Kenntniß  der  Kefpirationsvorgänge. 
Vgl.-phyüol.  Studien  zu  Tunis,  Mentone  u.  Palermo.    III.  Abth.  1880.  S.  6G— 123. 

— ,  Weitere  Beiträge  z.  Verftändniß  u.  zur  Gefchichte  der  ßlutfarbftotfe 
bei  den  wirbellofen  Thieren.     Vgl.-phyüol.  Studien.    V.  Abth.  1881.  S.  49 — 57. 

— ,  Zur  vergl.  Phyfiologie  der  Lymphe,  der  Hydro-  u.  Hamolymphe. 
Vgl.-phyüol.  Studien.     IL  Reihe.  I.  Abth.  1881.  S.  87—138. 

")  Krulxcnherg,  Ueber  das  Verhältniß  der  Leberpigmente  zu  den  Blut- 
farljftoffen  bei  den  Wirbellofen.      Vgl.-ijhyüol.    Studien   etc.    III.   Abth.    1880. 

-  181  —  191. 

— ,  Unterf.  bitter  fchmeckender  Evertebratenlebern  refp.  deren  Secrete 
auf  Gallenfäuren.     Ibid.  IL  Reihe.  L  Abth.  1881.  S.  175—179. 

'"-)  Maly,  R.,  Unterf.  über  die  Mittel  zur  Säurebildung  im  Organismus 
u.  über  einige  Verhältniffe  des  Blutferums.  Chem.  Centralblatt.  III.  Folge. 
IX.  Jahrg.  1878.  S.  5«— 63  u.  S.  73—80. 

— ,  Notizen  über  die  Bildung  freier  Schwefelfäure  u.  einige  andere 
chemifcheVerhältniffeder  (jaftropoden,  befonders  vonDolium  galea.  Sitzungsb. 
d.  k.  Acad.  d.  Wiff.  in  AVien.     IL  Abth.  März-Heft.  1880.  S.  376—386. 

'*)  Carius,  L.,  Ueber  eine  neue  Säure  der  Reihe  C"nH2n-202.  Ann.  d. 
Chem.  u.  Pharmac.  Bd.  114.  1860.  S.   147  —  156. 

'*)  Liebiff,  J.,  Jahresber.  f.  die  Fortfehritte  der  Chemie.  Für  das  Jahr 
1850.     S.  583  u.  584. 

'*)  Gerlach,  J.,  Ueber  die  Einwirkung  von  Farbftoff  auf  das  lebende 
Gewebe.  AViffenfch.  Mitth.  der  P>langer  phyük.-medic.  Gefellfch.    1858. 

Kn(kenher(j,  Das  Verliältniß  der  Toxicologie  etc.  L.  c.  S.  72  u.  75  ff. 
(Eh  fei  Ix-merkt,  daß  es  in  (liefern  Auffatze  S.  76  Zeile  2  von  oben,  ftatt  «bei 
«ler  Morbus  Brightii//  felbllverftändlich  «bei  morbus  regius»  heißen  muß.) 

— .  Nachträge  z.  meinen  vgl.-phyüol.  Unterf.  über  die  Verdauungsvor- 
gänge.    Vgl.-phyüol.  Studien.  V.  Abth.  1881.  S.  58—71. 

Jinnrje,  (r.,  Ueber  das  Verhalten  der  Kalifulzc  im  Bhitc.  Zcitfcinift  f. 
l.hyli..l.  Cheuüe.     Bd.  IIL   1879.  S.  69. 

Ko/rd,  Alhr.,  Ueber  die  chemifchen  Wirkungen  der  DiHiidoii.  IL     Ibid. 

-  210  u.  211. 

"V  KritLenhenj,  Mangan  ohne  nachweisbare  Mengen  von  Eilen  in  den 
'  iicretionen  aus  dem  Bojanus'fchen  Organe  von  Pinna  squamosa.  Unterf. 
a.  d.  phyfioj.  Inft.  <1.   Univ.   Ileirlelberg.     Bd.  II.   1879.  S.  287-289. 

";  Slredcer,  Ail.,  Beobachtungen  über  die  (ialb;  verfchiedener  'l'liiere. 
Ann.  <l.  Chem.  u.  Phurmao.     Bd.  70.  1849.  S.  177. 

'",  Sithhotin,  V.,  Beiträge  ■/..  l'iiyliologic  des  I"cttge\vel)es.  Zcilfchr.  f. 
r.i<flr>gio.     Bd.   VI.   1870.  S.   73   -94. 


28  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [28 

1^)  Vgl.  Semper,  C,  Die  natürlichen  Exiftenzbedingungen  der  Thiere. 
Leipzig.  1880.   Th.  I.  S.  66  ff.,   S.  83  u.  84,  ö.  254  u.  255.  Th.  IL  S.  278. 

20)  Eines  der  interelTanteflen  ßeifpiele  dieler  Art  bietet  eine  Papageien- 
art, Eclectus  polychlorus  Warfler.  Cf.  Krukenherg,  Die  Farbftoffe  der  Federn. 
Zweite  Mitth.  L.  c,  S.  161—165. 

^')  Braun,  A.,  Ueber  das  Vorkommen  von  Zink  im  Pflanzenreich.  Pocj- 
gendorff's  Annalen.  Bd.  92.  1854.  S.  175—179  und  Journ.  f.  pract.  Chemie. 
Bd.  61.   1854.  S.  317—320. 

'^'^)  Schmanliewitfch,  W.,  Zur  Kenntniß  des  Einfluffes  der  äußeren  Lebens- 
bedingungen auf  die  Organifation  der  Thiere.  Sonderabdruck  aus:  Zeitfchr.  f. 
wiir.  Zool.  Bd.  22.  1877. 

2^)  Graiüitz,  F.,  Beiträge  z.  Tyltemat.  Botanik  der  pflanzl.  Parafiten  mit 
exp.  Unterf.  über  die  durch  fie  bedingten  Krankheiten.  Virchoiv's  Archiv. 
Bd.  70.  1877.  S.  546—598. 

2^)  Heckel,  E.,  De  quelques  phenomenes  de  la  localisation  de  substances 
minerales  chez  les  Articules;  consequences  physiologiques  de  ces  faits.  Compt. 
rend.  T.  79.  1874.  p.  512—514. 

-s)  Meyer,  Herrn.,  Die  Architectur  der  Spongiofa.  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol. 
1867.  S.  615-328. 

26)  Der  für  die  verfchiedenen  Typen  des  Thierreichs  wenig  charakte- 
riftifcdien  Größendifferenzen  der  Zellen  gedenkt  Leyäig  (Lehrbuch  der  Hillologie. 
Hamm.  1857.  S.  15)  in  folgenden  Sätzen:  «Man  weiß,  daß  unter  den  Wirbel- 
thieren  bei  den  Vögeln  und  Säugern  im  Allgemeinen  die  Zellen  und  deren 
Derivate  kleiner  find  als  bei  Fifchen  und  nackten  Eeptilien,  und  unter  Letzteren 
überragen  wieder  die  zelligen  Theile  des  Landfalamanders  und  des  Proteus 
die  aller  übrigen  Wirbelthiere ;  doch  ift  zuzugeftehen,  daß  eine  ftrenge  Durch- 
führung diefes  Satzes  nicht  wohl  möglich  ilt,  denn  die  Ganglienkugeln  des 
Proteus  z.  B.  fcheinen  mir  kaum  größer  als  die  des  Frofches  zu  fein.  In  den 
Gruppen  der  Wirbellofen  dürfte  es  bei  den  Arthropoden  an  vielen  Stellen 
(Darm  der  Infecten,  Serikterien,  Harngefäße  etc.)  größere  Zellen  geben,  als  bei 
Mollusken,  Würmern  etc  ,  obfchon  auch  hier  beltimmte  Organe  (man  denke  z.  B. 
an  die  großen  Ganglienkugeln  im  Gehirn  und  die  langen  Cylinderzellen  im 
Darm  der  Gaftropoden)  fehr  umfangreiche  Elementargebilde  haben.» 

2')  Bergmann  und  Leuclcart  berührten  bereits  diefen  Punct.  In  ilirer 
«Vergleichenden  Anatomie  u.  Phyfiologie»  (Stuttgart.  1855.  S.  159)  fchreiben 
fie:  «Während  die  Verfchiedenheit  der  Form  der  Blutkörperchen  bis  jetzt  zu 
keinen  phyfiologifchen  Folgerungen  Anlaß  gibt,  fo  kann  man  allerdings  an  die 
Größe  derfelben  eine  Bemerkung  knüpfen,  welche  fich  auf  ihre  Function  be- 
zieht. Es  wird  fich  zeigen,  daß  die  Blutkörperchen  wahrfcheinlich  bei  dem 
Acte  der  Athmung  betheiligt  find,  daß  überhaupt  jedes  einzelne  Blutkörperchen 
eine  vorübergehende,  vielleicht  kurze  Exifi;enz  befitzt.     Denken  Avir  uns  nun 


29]  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  29 

an  der  Oberfläche  der  Blutkörperchen  eine  Wechfelwii'kung  zwifchen  denfelben 
und  der  umgebenden  Flülfigkeit,  fo  ift  es  klar,  daß  die  Intenfität  eines  folchen 
Procefles  eine  ihrer  Bedingungen  in  der  Summe  der  Oberflächen  der  Blut- 
körperchen hat,  an  welchen  ein  folcher  Proceß  gefchieht;  es  wird  diefer  Proceß 
um  fo  energifcher  vorfchreiten  können,  je  feiner  vertheilt  ein  gewilTes  Quantum 
ßlutkörperchenfubftanz  im  Blute,  oder  mit  anderen  Worten,  je  kleiner  die  Blut- 
körperchen find,  gerade  wie  z.  B.  die  Auflöfung  eines  Salzes  um  fo  rafcher 
möglich  ifl:,  je  feiner  man  es  gepulvert  hat.»  «Diefe  Ueberlegung  feheint  fchon 
Edicards  (De  l'influence  des  agents  phys.  sur  la  vie.  p.  283)  angefl;ellt  zu  haben.» 

**)  Knikenherg,  Der  phyfiologifche  Vergleich.  Vgl.-phyü(jl.  Studien. 
IL  Reihe.  I.  Abth.  1881.  S.  8. 

*®)  Bunge,  G.,  und  Schmiedeherg,  0.,  lieber  die  Bildung  der  Hii:)purfäure. 
Archiv,  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol.     Bd.  VI.  1877.  S.  233—255. 

^)  Kochs,  W.,  Ueber  eine  Methode  z.  Beltimmung  der  Topographie  des 
Cliemismus  im  thierifchen  Körper.  Arch.  f.  d.  gef.  Phyßol.  Bd.  20.  1879. 
S.  64—80. 

— ,  Fortgefetzte  Unterf.  über  die  Bildung  der  Aetherfchwefelfäuren  im 
thierifchen  Organismus.     Ibid.  Bd.  23.  1880.  S.  161—171. 

'•)  Fflüger,  E.,  Der  lebendige  Organbrei  u.  die  Topographie  des  phyfiolo- 
gifchen  Chemismus.     Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  23.  1880.  S.  172—175. 

^^)  Knikenherg,  Zur  Kenntniß  der  organifchen  Beftandtheile  der  thierifchen 
Gerüfl;fubflanzen.  Vergl. -phyfiol.  Studien.  V.  Abth.  1881.  S.  1—37  und  ibid., 
II.  Reihe.  I.  Abth.  1881.  S.  21—75. 

^')  Krukenberg,  Zur  vergl.  Phyfiol« )gie  der  Lymx)he  etc.  L.  c. 

^^)  Tabellarifche  Zufammenftellung 

der  Hämoglobin-Xaclnveife  bei  wirbellofen  Thiereu')« 

(o  ))edeutet  in  der  Tabelle,  daß  da.s  Spectrum  des  O-Hämoglobins,  o  -\-  r,  daß  daneben  auch 
das  des  reducirten  Hämoglobins  beobachtet  wurde.) 

Wiii'iiKM'. 

a)  Dendrocöle  Turbellarien. 


«I-ecies.  Gewebe.       1  ^'^'^  Jlf^frij'*'^''' i    Beobachter.  Literaturangabe. 


weife«. 


I,  r-  »   •  •    1  i  lucctrn- 

I  aralitarc-         iiidit  aii''«'  --i         i-  i  ir    /•/ 

J'latiuria.  geljcn.  J.^  i  -^ 


Natiirc.   V(.l.    \'. 
4.  Jan.    1872.   p.  184. 


')  IJiä  l'rotozoen,  Cölenteraten  und  Eehinodcrmen  konnte  ilas  Ililmogloliin  bi.slang 
nlelit  nacliKewicfen  werden  ;  Angaben  über  das  Vorkojnnien  Hiimoglobin-iiliniicliir  Stoffe 
b*l  Jxihlnodennen  und  einfacher  organilirten  Wefen  Hegen  jedoch  vor.  So  Ijcfclnieb  ./.  Un/- 
ßgnoH  (Comiit.  rend.  T.  13.  18.^0.  ji.  OWJ)  al.s  eine  dem  Hlute  in  ihren  pliylikalirchcn  wie 
äußeren  ehemifchcn  Kigenlebaften  Ulnilich«;  Fliifligkeit,  das  in  der  Nilhc  de»  Dorfes  <le  la 
VIrtud   bei   (Jbolutrca   in  ('«iitralanierika  aus  trachytifchem  (Jefteine   cntfiiringemle,   an  In- 


30 


Anmerkungen  und  Literaturnachweis. 
b)  Nemertinen. 


[30 


Species. 

Gewebe. 

Art  des 
Nachweifes. 

Beobachter. 

Literaturangabe. 

Meckelia 

s  0  m  a  1 0 1 0  m  u  s  u. 

Ehrenbergii,  Po- 

lia  geniculata. 

ausfchließlich 
die  Ganglien. 

fpectro- 
Ikopifch 

(0). 

Hubreclit. 

Mederl.  Arch.  f. 

Zoologie.  Bd.  II. 

1874—75.8.99—130. 

Polia  sangui- 
rubra. 

Gefäßflüffig- 
keit. 

Ipectro- 
Ikopifch 

(0). 

Bay 

Lankeßer. 

Proeeed.  of  the  r. 

Soc.  Vol.  XXI. 

Nr.  140.  1872.  p.  73. 

Drepanophorus 

rubrostriatus  u. 

serraticollis. 

Gefäßflüffig- 
keit. 

Ipectro- 
fkopifch 

(0). 

Iliibrecht. 

1.  c,  S.  104—106. 

c)  Hirudineen. 


Hirudo  und 
Nephelis. 

Perivisceral- 
flttfligkeit. 

fpectro-                jo 
^^°g5^^^         LaJeller. 

Arch.  f.  d.  gel". 

Phyüol.  Bd.  IV. 

1871.  S.  320. 

jSi  ephelis. 

Perivisceral- 
flüfligkeit. 

Hämatin- 
kryftalle  (?)  be- 
obachtet in 
Form  rothge- 
fäibter  tafelför- 
miger Blätt- 
chen etc. 

Leydig. 

Zeitfchr.  f.  wilT.  Zool. 
Bd.  I.    1849.   S.  116| 
Lehrb.  d.  Hiltologiei 
1857.    S.  446  u.  447.* 

d)  ChaBtopoden. 


Lumbricus 
terrestris. 


Perivisceral- 
flüfligkeit. 


Häminkryl- 
talle  u.  Di- 
chroismus. 


fpectrofkopifch 

(0)  u.  Hämo- 

globinkryftalle. 


Bollett. 


Preyer  0 


Sitzb.  d.  k.  k.Acad.  d., 
WilTenfch.  zu  Wien.' 
Bd.  44.  1861.  S. 615  ff.' 


De  hämoglobino   obfer-, 

vationes  et  experimenta. 

Dissertatio.  Bonnae. 

1866.  p.  9  et  p.  30. 


Tubifex,  Limno-I 

drilus,  Lumbri-   (Vom  Lymph- 


culiis,  Enehy- 

t  r  ä  u  s ,  N  a  i'  s , 

Chaetogaster. 


räum  getrennte 
BlutHüffigkeit. 


fpectro- 
fkopifch 

(0). 


Bay 
Lanlceßer. 


Arch.  f.  d.  gef. 

Phyfiol.  Bd.  IV.  1871. 

S.  319  u.  320. 


Ophelia,  Cirrha-       feparirte 
tulus,  Terebella,!     Blutflüflig- 
Eunice,  N  er  eis.  I  keit 


fpectro- 
fkopifch 

(0). 


Bay 
Lankeßer. 


Journ.  of  Anat.  and 

Phyfiol.  Vol.  II.  1868. 

p.  114.  Proc.  of.  the  r. 

Soc.  Vol.  XXI.  Nr.  140. 

1872.  p.  73  note. 


fuforien  reiche  QuellwafTer  des  Eio  de  8angre.  Nach  T.  L.  Pht'p/on  (Compt.  rend.  T.  ?ä 
1879.  p.  316—318)  foll  fleh  ein  dem  Hämoglobin  verwandter  Körper  bei  einer  Alge  (Palmellj 
cruenta)  finden,  und  nach  AI.  Fmtünger  (Bull,  de  l'Acad.  r.  de  Belgique.  T.  49.  1880.  p.  402—404 
und  Archives  de  Biologie  Vol.  I.  1881.  p.  405-412)  kommt  in  dem  Waffergefäßfy^Q^me  von 
Ophiactis  virens  ein  rothbrauner  Farbftoff  vor,  defl"en  Spectrum,  ähnlich  dem  des  Hämo- 
globins, zwei  Abforptionsbänder  aufweift,  ohne  aber  in  anderen  Eigenfchaften  mit  diefem 
übereinzußimmen  (cf.  Knikenherr/,  Vgl. -phyfiol.  Studien.  II.  Reihe.  I.  Abth.  1881.  S.  94,  Anm.  2.) 
1)  Auf  Herrn  Profefl"or  Preyer's  gefällige  Zufchrift  hin,  berichtige  ich  hiermit  eine 
frühere  Angabe  (Vgl. -phyfiol.  Studien.  II.  Reihe.  I.  Abth.  S.  HO,  Anm.),  welche  Raij  Lankeßer 
die  Priorität  des  fpeetralanalytifchen  Nachweifes  des  Hämoglobins  bei  Lumbricus  vin- 
dicirte.  Später  als  Fretjer,  aber  noch  früher  als  Raij  Lankeßer  (November  18C7)  theilte  auch 
N/mrocki  (Februar  1867)  mit,  daß  fleh  der  rothe  hämolymphatifche  Farbftoff  bei  L  u  m  b  r  i  c  u  s 
wie  Hämoglobin  verhalte. 


31" 


Anmerkungen  und  Literaturnachweis. 


31 


Species. 


Gewebe. 


Art  des 
Nachweifes. 


Beobachter. 


Literaturangabe. 


Arenicola  pis-     Blutflünig- 
c  a  t  o  r  u  m.  keit. 


Hämin- 
kryftalle. 


A.  Eicald. 


fpectro- 
fkopifch 
(0+r) 


Kridenherr/. 


Meine  Vgl.-phyüol. 
I       Studien.  I.  Reihe. 

I.  Abth.  1880.  S.  165. 
I  Anm.  2^ 

IVgl.-phyüol.  Studien. 
i     III.  A1)th.  1880. 

i  S.  79. 


.,    „  I    Hämolvm- 

Capitella,      I    pj^j^tifche 
(Tlycera.         Körperchen. 


N er eis 
eultrifera. 


Blutflüffig- 
keit. 


fpectro- 
fkopifeh 

_iOjf  r)._ 

Häminkryftalle 

u.  fpectrofko- 

I    pifch  (0  +  r). 


i     u      j-i        I    Ganglien- 
Aphrodite      ^^^^p  ^    pi^^J 

aculeata.        ,-vnxmuskeln.| 


Ipectro- 
fkopifch 

(0  4-  r). 


Proc.   of  the  r.  Sog. 

Vol.  XXI.  Nr.  140. 

1872.  p.  72  and  73^ 

Vgl.-phyßol.  Studien. 
Krukenhercj.  \  II.  Reihe.  I.  Abth. 
1    1881.  S.  9.5  Anm. 
iProc.  of  the  r.  Soc\ 

Vol.  XXI.  Nr.  140. 
I         1872.   p.  75. 


Bay 
Lankeßer. 


6)  Gephyreen. 


Phoronis. 


Thalassema 
Neptuni. 


Hämolym- 
Iphat.  Körper- 
:        chen. 

iTläniolympha-  | 
tifche  Körper- 
eben, Muskeln, 
Cölovnepithel, 
Cölombeklei- 
dung  der  Ge- 
Ichlechts- 
tafchen. 


fpectro- 
fkopifch. 


Ray 

Lanließer. 


,!;P«^t;:'^;      ]         Ray 
Ikopifch      I    j^,,„;,,/^,,. 

(O  +   Y). 


Proc.  of  the  r.  8oc. 
Vol.  XXI.  Nr.  140. 
1872.   p.  72   and  73. 

Zool.  Anzeiger. 
IV.  Jahrg.  Nr.  87. 
1881.  8.  350—353. 


ArtliropoderL. 
a)  Cruftaceen. 


l.ernanthro- 

pen  u.  Cla- 

vellen. 


Hämatifche 
Flüfligkeit. 


fpectro- 
fkopifch. 


Ed.  Van  Be- 
neden. 


Zool.  Anzeiger. 

III.  Jahrg.  Nr.   17.  1881. 

S.  .S.'>--3i)  u.  Nr.  48. 

8.  55    60. 


(•heirocepha-|^,^f^ßflj^jr,g- 
lus  diajthanus  j^^j^. 

II.  Daphnia.    , ' 


I  „  I  Journ.  of  anat.  and 

fpcctro-  Rriy         I    physiol.  Vol.  IV. 

fkoi)ifcli.         Lankelter.    j        i869.  p.  122. 


b)  Infecten. 


Larve  von 
Clii  rononiUH 

JllumOKUH. 


Solen 
legunien. 


ccfaßnünrig 

k(ät. 


Hämin- 
krj'flalle  u. 
DichroKsmus. 


Rollett. 


I  Sitzt),  d.  k.  k.  Acad. 
Id.  Wiff.  zu  Wien.  Bd. 
|44.    18C.I.    S.    615  ft. 


Raif        \Prcyc);  Blutkryftalle. 
Lnulefler.    ;  Jena.  1871.  H.  262. 


MolUiHkexi. 
a)  Lamellibranchiaten. 
ilainolviii  Ipectro-       |  j^^^ 

phatifch.,  rkopifcl.      !    La„Mlcr. 

K(ii|i(U(:li('n.        (()  -f-  r).      I 


Proc.  of  tlic!  r.  So(;. 
Vol.  XXI.  Nr.  140. 
1872.  p.  73  und   74. 


32 


Anmei-kungen  und  Literatuniaclaweis. 


[32 


b)  Gaftropoden. 


Species. 


Gewebe. 


Art  des 
Kacliweifes. 


Beobachter. 


Literaturangabe. 


Planorbis 
corneiis. 


Hämo- 
hinplie. 


fpectro- 
Ikopifch 
(0  +  r). 


Ray 
Lmikeßer. 


Hämin- 
krvflalle. 


KruJcenherg 
und  Mays. 


Journ.  of  anat.  and 

physiol.  Vol.  II. 
1868.  p.  114.  note  2. 


Vergl.-physiol.  Stu- 
dien. III.  Abth.  1880. 
S.  77.  Anm. 


Limnaens,  Palu-    GewiiTe  Mus-  „  -r. 

dina,  Litt orina,!  kein  des  Pha- I  Ipectro-  I  Eay 

Aplysia,  Pa-    i    ryiix  u.  des  Ikopifch.  ■  Lanleüer. 

tella,  Chiton.      Kauapparates.  j 


Arch.  f.  d.  gef.  Phyliol. 
Bd.  IV.  1871.  S.315.  Proe. 
of  the  r.  Soc.  Vol.  XXI. 

Nr.  140.  1872. 

p.  72  and  70. 


35)  Kölliker,  A.,  Zeitfchr.  f.  ^vilT.  Zool.  Bd.  IV.  1853.  S.  364. 

Kay  Lankeßer,  E.,  A  Contribution  to  the  Knowledge  of  Haemoglobin. 
Proceed.  of  the  r.  Soc.  Vol.  XXI.  Xo.  140.  1872.  p.  74  and  75. 

Bobin,  Gh.,  Xote  sur  quelques  caracteres  et  sur  le  coeur  caudal  des  an- 
guilles  des  Congres  et  des  Leptocephales.  Journ.  de  l'aiiat.  et  de  la  physiol. 
16  Ann^e.  1880.  p.  620. 

36)  Kriikenlerg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.     III.  Abth.  1880.  S.  66—78. 

3')  Knil-enberg,  ibid.,  S.  82—99  u.  II.  Reihe.  I.  Abth.  S.  111  Anm.  1. 


^*)  Tabellarifche  Zufammenftellung 

einiger  Harnfänrebefnude  bei  wirbellofen  Thieren. 

(Als  Ergänzung  des  Verzeichuifl'es  in  meinen  „Vgl.-phyiiol.  Studien"  II.  Abth.  1880.  S.  17—21.) 

Nur  die  Angaben  find  im  Folgenden  berückfichtigt,  welche  fich  auf  das  Eintreten  der 

Murexidreaction  gründen. 

Tixnicaten. 


Species. 

Vorkommen.           Beobachter.                Literaturnachweis. 

i 
.    1                             1 

Molgula  (fpec?) 

Concremente  a. 

d.  B ojn Iltis' £chen 

Organe. 

Lacaze- 
Diähiers. 

Arch.  de  Zool.  exper.  et 
gen.  T.  ni.  1874.  p.  309. 

Phallusiamentula. 

Darmch-üfen. 

Krukenherg. 

Vgl.-phviiol.  Studien. 
II.  Abth.  S.  22. 

HVEoIlusken. 


Lutraria 
iolenoides. 


Concremente  a.  j      Lacaze- 
d.  Bojanus'kh.en\  Duthiers  u. 
Organe.  Biche. 


Ann.  d.  scienc.  nat. 
Ser.  IV.  T.  IV.  p.  312. 


Pleurobranchus 

Meckelii  undtestu- 

dinarius. 


dito. 


Lacaze- 
Dutliiers. 


Ibid.  T.  XI.  1859.  p.  260. 


33] 


Anmerkungen  und  Literaturnachweis. 


33 


Species. 


Vorkommen. 


Beobachter. 


Literaturnachweis. 


1 
Pleurobranchus  |   Bojanus [chea 
marmoratus.       j          Organ. 

Krukenherg. 

Vgl.-plivüol.  Studien. 
V.  Abth.   1881.  S.  70. 

Helixpomatia,    i         j^.^^.^^. 

nemorahs  und          ,oncremente. 
hortensis.          \ 

C.  Mylius. 

Journ.  f.  pract.  Chemie. 
Bd.  XX.  1840.  S.  509—511. 

Limax-Arten. 

Excremente. 

Votjel  und 
Heifchauer. 

Neues  Repert.  f.  Chemie. 
Bd.  VI.  S.  357. 

1 

Harleß. 

Arch.  f.  Naturg. 
Jahrg.  XIII.  1847.  S.  1. 

Sepia  officinalib. 

Nieren- 
concremente. 

Krukenherg. 

Unter!",  a.  d.  phyfiol.  Inft. 
d.  Univ.  Heidelberg, 
ßd.  II.  1879.  S.  412. 

Vigelius. 

Nieder!.  Arch.  f.  Zool. 
Bd.  V.  1880.  S.  129. 

Artliropoden. 


Ixodes. 


Dejeetionen  der 
Larven  und  des 
Mutterthieres. 


Megnin. 


We.spcn-  und 
Ilornill'enlarven. 


Secret  der 

Malpiglu  M\Qn 

Gefäße. 


C.  Schmidt. 


Compt.  rend.  T.  83.  1876. 
p.  994. 


Müller' B  Ardiiv.  1849. 
S.  62. 


Polistes  gallica. 


Dejeetionen  bei 

der  letzten 
Metamorphofe. 


Audouin. 


Ann.  d.  scienc.  nat.  S^r.  II. 
T.  V.  1836.  p.  134. 


Tachinu larvarum, | 
Sitaris  humeralis,  Un+fi,;-....^«,. 

B  o  m  b y  X  b  u  c  e  p  ha  1  a ,  I       *  ettkorper. 
K|i  hipp  ige  r  vltiam.  | 


phinx  pinastri. 


Darminhalt  der 
Puppen. 


Fahre. 


Ann.  d.  scienc.  nat.  86r.  IV. 
T.  VL  1856.  p.  168. 


Schwarzen- 
bach. 


Pieris  rapae, 
\  anessa  atalanta. 


Melolonthu 
vulgaris. 


Fettkörper. 


Leydig. 


I    Körnchen  In  den  1 
einfachen  u.  gefie- 
derten (längen  der  ] 
Malpir/hi  fthcn       i 

I  Oefiiße. 


Kölliker. 


Wittßein'ä  Vierteljahrsfciir.  f. 
pract.  I'harm.  ßd.  VI.  8.  430. 
Verliandl.  d.  ined.-plivlik.  flef. 
zu  Würzburg.   Bd.  VJI.  8.  235. 

Müllers  Archiv.  1863. 
S.  197. 


Verh.  d.  med.-phvük.  Gef. 

zu  Würzhurg.  Bd.  VIII. 

S.  227. 


lachyotoU  textor,      MalpigM  £che 

.\I  e  I  o  e    V  i  o  1  a  c  e  a ,      1  >   ^   - 

II  <.  d  r  o  p  h  i  1  u  it  p  i  c  e  0  s. 


Gemße. 


Kölliker. 


Ibid.  S.  230  ff. 


( '  u  (•  u  j  OH.  Lcuilitorgane. 

h'rukniberij,  Vergl.-pliyiiol.  Vorträge. 


C.  Heine- 
mann. 


Arch.  f.  niikr.  .\nal. 
H.l.   VMI.  S.  4(19. 


34  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [43 

39)  In  befriedigender  Weife  konnte  Harnfäure  bei  Krebfen  bislang  niclit 
nachgewiefen  werden  (cf.  meine  «Vergl.-plwüol.  Studien»  II.  Abth.  1880.  S.  20 
u.  28).  31.  Weber  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  19.  1881.  S.  610—612)  gab  jüngfl 
an,  Urate  bei  Trichoniscus  und  anderen  Onisciden  (Asellus)  im  Fettkörper 
zu  beiden  Seiten  des  Darmes  gefunden  zu  haben;  doch  auch  feine  Anficht 
gründet  fich  nicht  auf  die  Murexidreaction,  fondern  vorwiegend  auf  die  Löslich- 
keit der  Concremente  in  concentrü-ter  kohlenfaurer  Lithionlöfung. 

*'>)  KruTcenherg,  Unterf.  der  Fleifchextracte  etc.  L.  c,  S.  42,  Anm.  1. 

*0  Krukenherg,  Die  FarbfloflFe  der  Federn.  A^gl.-phyßol.  Studien.  V.  Abth. 
,  S.  72—99  und  IL  Reihe.  L  Abth.  S.  151—171. 

■*^)  Krukeviberg,  lieber  einen  blauen  FarbflofF,  welcher  fich  auf  feucht 
gehaltenem  Fibrin  bildete.     Vgl.-phyfiol.  Studien.  V.  Abth.  S.  43 — 48. 

*3)  Neelfen,  F.,  Unterf  über  ßacterien.  X.  Studien  über  die  blaue  Milch. 
Beiträge  z.  Biologie  der  Pflanzen,  herausgegeben  von  F.  Colin.  Bd.  III.  1880. 
S.  187—248. 

**)  Weismann,  A.,  Die  Metamorphofe  der  Corethra  plumicornis. 
Leipzig.  1866. 

Megnin,  Note  sur  la  faculte  qu'ont  certains  Acariens,  avec  ou  sans  bouche, 
de  vivre  sans  nourriture  pendant  des  phases  entieres  de  leur  existence,  et 
meme  pendant  toute  leur  vie.     Compt.  rend.  T.  83.  1876.  p.  993—995. 

*^)  Wernicke,  B.,  Zur  Phyfiologie  des  embryonalen  Herzens.   Jena.  1876. 

Krukenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  III.  Abth.  S.  153,  Anm.  3. 

*^)Soltman,  0.,  in  Jahrb.  f.  Kinderheilkunde  etc.  N.F.  Bd.  XL  1877.  S.  101. 

Langendorff,  0.,  lieber  den  Nervus  vagus  neugeborener  Thiere.  Sep.- 
Abdr.  a.  d.  Breslauer  ärztlichen  Zeitfchrift.     1879.  Nr.  24. 

")  Harting,  F.,  Les  chromatophores  des  embryons  de  Loligo  vulgaris. 
Niederl.  Archiv  f.  Zoologie.  Bd.  IL  1874—75.  Suppl.  S.  8—25. 

*^)  Krukenherg,  Der  Mechanismus  des  Chromatophorenfpieles  bei  E 1  e  d  o  n  e 
moschata.     Vgl.-phyfiol.  Studien.  L  Eeihe.  L  Abth.  S.  1—37. 

48)  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  IL  Abth.  S.  61,  V.  Abth.  S.  33  ff.  und 
IL  Reihe.  I.  Abth.  S.  33  u.  34. 

""'>)  Krukenberg,  Vergl.-phyfiol.  Beiträge  z.  Chemie  d.  contractilen  Gewebe. 
L.  c.  S.  117  ff". 

51)  Hubrecht,  A.  A.  W.,  Unterf.  über  Nemertinen  aus  dem  Golf  von 
Neapel.     Niederl.  Archiv  f.  Zoologie.  Bd.  IL  1874—75.  S.  99—130. 

52)  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  I.  Abth.  S.  55  u.  56. 

^^)  KruJcenberg,  Ueber  die  Enzjanbildung  in  den  Geweben  u.  Gefäßen  der 
Evertebraten.  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Infi;,  d.  Univerf.  Heidelberg  Bd.  IL 
S.  338—365. 

— ,  Nachtrag  zu  den  Unterfuchungen  über  die  Ernährungsvorgänge  bei 
Cölenteraten  u.  Echinodermen.    Ibid.  S.  366—377. 


35]  Anmerkunj^en  und  Literaturnachweis.  35 

Krukenberg,  Ueber  den  Verdauungsmodus  der  Actinien.  Vgl.-]ihyßol. 
Studien.  I.  Reihe.  I.  Abth.  S.  38—56. 

— ,  AVeitere  Studien  über  die  Verdauungsvorgänge  bei  Wirbellofen.   Ibid. 
}  S.  57—76. 

— ,  Zur  Kritik  der  Schriften  über  eine  fog.  intracellulare  Verdauung  bei 
Cölenteraten.     Ibid.  II.  Reihe.  I.  Abth.  S.  139—142. 

**)  Krukenberg,  Vgl.-phyüol.  Studien.  V.  Abth.  S.  58. 

^^'i  Krukcnherg,  Vgl.-phyliol.  Beiträge  z.  Kenntniß  der  Verdauungsvorgänge. 
L'nterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  II.  S.  1—45. 

— ,  Zur  Verdauung  bei  den  Krebfen.     Ibid.  Bd.  II.  S.  261 — 272. 

— ,  Ueber  die  Enzynil>ildung  etc.  L.  c. 

— ,  Nachtrag  z.  den  Unterf.  über  die  Ernährungsvorgänge  etc.  L.  c. 

— ,  Ueber  die  Verdauungsvorgänge  bei  den  Cephalopoden,  Gaftropoden 
u.  Laniellibranchiaten.     Ibid.  S.  402 — 417. 

— ,  Notizen  z.  Literatur  über  die  vgl.  Phyßologie  der  NutritionsprocelTe. 
Ibid.,  S.  418—423. 

S6)  Krukcnherg,  Vgl. -phyfiol.   Studien.   IL  Reihe.   I.  Al)tli.   S.  105  u.  106. 

^')  Krukcnherg,  Uel)er  ein  pei)tifches  Enzym  im  Plasmodium  der  Myxomy- 
ceten  u.  im  Eidotter  vom  Huhne.  L'nterf.  a.  d.  i»hyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg. 
Bd.  IL  S.  273—286. 

58)  Krukcnherg,  Vgl.-phyliol.  Studien.  III.  Al)th.  S.  111  —  123  u.  V.  Abth. 
S.  49—57. 

5»)  Krukcnherg,  Vgl.-phyliol.  Studien.  IIL  Abth.  S.  100—104  u.  V.  Alitli. 
S.  49—57. 

Fredericq,  L.,  Sur  le  sang  des  Inscctes.  Bull,  de  l'Acad.  r.  de  Belgitjue. 
50'nc  Annee.  3c  Ser.  T.  I.  1881.  p.  487—490. 

**)  Ray  Lankc/ter,  K.,  Preliniinary  notice  of  some  o])servationK  with  tlie 
HpectroHcope  on  aninial  suljstances.  Journ.  of  anat.  and  ])hysioI.  Vol.  IL  1868. 
p.  114—116. 

— ,  UelK'r  den  Einfluß  des  Cyangafes  auf  IIämoglo])in  nach  fpcctrosk. 
15e<,bachtungen.     Arch.  f.  d.  geL  Pliyfiol.  Bd.  IL  1869.  S.  493. 

— ,  Abstract  of  a  report  on  tlu;  Kj)e<;troscopic  examination  f)f  certain 
aniinal  substances.     .lourn.  of  anat.  and.  itliysiol.   Vol.  I\'.    1870.    j).   119 — 129. 

Da  nach  l'rcger,  entgegen  der  J'^inlprache  Jlug  LunkcÜer^H  (cf.  meine 
V.'l.  phydol.  Studien.  JL  Reihe.  I.  Abth.  S.  109,  Anm.  1)  da«  Spectrum  des 
(iwafTerflofrhäinoglobinH  (cf.  I'reyer,  JJlutkryftalle.  Taf.  I.  Nr.  12)  aus  dem 
liiimoglobin  durch  Behandlung  mit  Cvankalium  und  Schwefelammoniiim  er 
lialten  wird,  fo  bleibt  es  vorerlt  zweiA-lbaft,  ob  bei  demfelben  Verfaiircn  aus 
«leiii  ('lilorocru«>rin  derfelbo  Körj»er  als  aus  «li-m  Hämoglobin  entft(!lit,  ob  licidcn 
KarbdofFen,    wie  Uug  Jj(uikc/tcr  glaubt,   ein   gleiches  Railical    zu  (Iruinlc    lirgt. 

•'•)  Krukcnherg,    Vgl.  i)liynol.  Studien.    IL  Keilic    I.  .\btli.   S.   lo'.t  ii.    lio. 


36  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [36 

62)  Krukenberg,  Verfuche  z.  vergl.  Phyiiologie  der  Verdauung  mit  be- 
fonderer  Berückfichtigung  der  VerhältniJTe  bei  den  Fifchen.  Unterf.  a.  d. 
phyfiol.  InA.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  I.  S.  327—340. 

— ,  Zur  Verdauung  bei  den  Fifchen.   Ibid.  Bd.  IL  S.  385— 40L 

— ,  Notizen  z.   Lit.   über  die  vgl.   Phyfiol.   der  NutritionsprocelTe.   L. 

63)  Siehe  Note  55. 

64)  Knikenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  IL  Keilie.  I.  Abth.  S.  35  flF. 
6»)  Krukenberg,  Ibid.  S.  39—44. 
66)  Cf.  Bernard,  Cl.,  Le^ons  sur  les  phönomenes  de  la  vie  communs  aux 

animaux  et  aux  vegetaux.  T.  I.  Paris.  1878. 

6')  Bernard,  Gl.,  Eecherches  sur  une  nouvelle  fonction  du  foie.  Ann. 
des  scienc.  nat.  Zoologie.     3e  Ser.  T.  XIX.  1853.  p.  340. 


n. 


GEUNDZÜGE 


EINER 


VERGLEICHENDEN  PHYSIOLOGIE 


DER 


VERDAUUNG. 


...feWd 


^ 


:  v^.^ir/.v^ 


CAKI,  WlNTEir.S  UNIVKHSITATSBUCHHANDLUNG  IN  IIEIDELBKKO. 


Kniktnl/trg,  V<T(i;\.-\t\iyl\<i\.  VortrRK''-. 


^)t  Alle  Bechte  vorbehalten. 


Griindzüge  einer  Yergleiclienden  Pliyfiologie 
der  Yerdaimng. 


Während  Chlor  und  WalTer  fich  am  Lichte  zu  Salzfäure  und 
Sauerftoff  umfetzen,  wird  die  Jodwaflerftofffäure  dui-ch 
den  Sauerftoff  der  Luft  unter  Abfcheidung  von  Jod  oxydnt.  Erft 
mit  Hülfe  der  Electrolyfe  gehngt  es,  aus  der  Salzfäure  und  der 
BromwafTerflofffäure  die  Halyle  abzufpalten.  Genau  der  nämlichen 
verfchiedenen  Widerfbandsfähigkeit  begegnen  wir  bei,  unter  üch 
analog  zufammengefetzten  Kohlenftoffverbindungen.  So  erleidet 
der  Schwefclkohlenfloff  fchon  bemi  Aufbewahren  an  der  Luft 
durch  die  Einwirkung  des  Lichtes  eine  tiefgreifende  A''eränderung, 
indem  aus  ihm  mercaptanartige  Körper  hervorgehen  ^) ;  die  Kolilen- 
fäure  läßt  fich  dagegen  erft  durch  ftärkere  Agentien  (wie  bei  der 
Synthefe  der  Ameifenfäure  von  Kolhe  und  Schmitt^)  oder  der  Oxal- 
Täure  von  DrechfeP))  ihres  Sauerftoffs,  und  alsdann  auch  nur  thcil- 
weife  beraul)en.  Aber  eine  große  Clanb  unter  den  lebenden  Wefen 
befitzt  die  Fähigkeit,  allein  unter  Lichteinfluß  die  Kohlenfäure  zu 
desoxydiren,  und  zwar  gcfchieht  das,  ähnhch  wie  bei  der  Um- 
wandlung des  8eh[)urpurs  in  Sehgclb^),  am  Icichteften  durcli  die  ciiioro- 
gelben  refp.  rhiicli  di(!  gell>grünen  Strahlen,  nicht  durch  die  ultra-  fi"'etion, 
violetten,  welche  lieh  bei  anderen  chemifchen  Spaltungen  als  die 
wirkfamflon  crwcifcn.  Es  und,  wie  allgemein  bekannt  ift,  die 
Chlorophyll-führenden  Pflanzenzellen  und  die  Clihnoijhyll-führenden 


40  Grundzüge  einer  vergleichenden  [4 

Thierzellen,  welche  ihren  Bedarf  an  organifcher  Subftanz  der  Kohlen- 
fäure  direct  entnehmen,  und  welche  außer  diefem,  in  feinem  Zu- 
ftandekommen  uns  bislang  völlig  dunkel  gebliebenen  Vermögen 
keiner  weiteren  Vorkehrung  bedürfen,  um  ein  anderes  organifches 
Nährmaterial  ihrem  Stoffwechfel  zugängig  zu  machen. 

Mit  großem  Unrechte  hat  man  Itets  den  Ernährungsmodus 
der  Chlorophyll-haltigen  Zellen  —  von  dem  wir  nicht  einmal  wilTen, 
ob  er  fleh  nicht  auch  ohne  Chlorophyll  und  felbft  im  Dunkeln 
vollziehen  kann,  ja  ob  er  nicht  unter  diefen  VerhältnilTen,  wie  es 
nach  Armand  Moreau's  Unterfuchungen  ^)  für  die,  mit  der  Außen- 
welt nicht  communicirenden  Schwimmblafen  mehrerer  Fifche  allen 
Anfchein  hat,  thatfächlich  exiftirt,  —  mit  der  Ernährung  der 
Chlorophyll -führenden  Pflanze  oder  des  Chlorophyll -bildenden 
Thieres  identiflcirt;  denn  erfcheint,  wie  angenommen  wird,  bei  den 
meiften  Organismen  die  Stärke  und  vielleicht  auch  fettes  Oel  unter 
den  erflen  fynthetifchen  Producten^),  zu  welchen  die  Kohlenfäure- 
zerfetzung  führt,  fo  liegt  es  als  felbflverfliändlich  auf  der  Hand, 
daß  zur  Verwendbarmachung  diefer  unlöslichen  und  als  folche 
unaflimilirbaren  Stoffe  noch  Mittel  verlangt  werden,  um  auch  die 
Chlorophyll-freien  oder,  richtiger  gefagt,  diejenigen  Gewebselemente 
des  Körpers,  welche  des  Vermögens  der  Kohlenfäurezerfetzung 
entbehren,  an  diefem  Selbflerwerb  participiren  zu  lafl^en. 
Begriff  der         Die  Proccfl'e  nuu,  durch  welche  die  aus  der  Kohlenfäure  ent- 

Verdauung. 

flian denen,  in  den  Körperflüfligkeiten  fchwer-  oder  unlöslichen 
Materien  (Stärke,  Fett  und  gewilfe  Eiweißfubflanzen)  durch  lebende 
Wefen  refp.  durch  deren  (Zerfalls-  oder  Secret-)Producte  in  lösliche 
Stoff'e  übergeführt  werden,  faßt  man  unter  dem  Begriffe  der  Ver- 
dauung zufammen,  und  wir  unterfcheiden  diefelbe  aufs  Beflimm- 
teflie  ebenfofehr  von  den  übrigen  vitalen  Umfetzungen  und  ganz 
fpeciell  von  der  Aflimilation  (d.  i.  die  Anbildung  lebender  Subftanz) 
wie  von  der  Reforption  (d.  i.  die  protoplasmatifche  refp.  intraceflu- 
lare  Aufnahme  flüfliger  oder  in  Löfung  beflndhcher  Materien). 


5]  Phyfiologie  der   Verdauung.  41 

Die  ^^erdauu^gsvorgänge  werden  nach  der  Natur  ihres  Agens  vitaie  und 
in  protoplasmatifche  refp.  celUilare  und  in  fecretive  unterfchieden,verdauuiig. 
und  dem  entfprechend  wird  auch  ihr  Zuftandekommen  auf  \itale 
(fog.  organifirte  Fermente)  oder  chemifche  (lösliche  Fermente  oder 
Enzyme)  "Wirkungsweifen  bezogen,  ohne  daß  jedoch  bislang  lieber 
entfchieden   werden   konnte,    ob    lieh    die   protoplasmatifche   refp. 
cellulare  ^''erdauung  ausnahmslos    nur   durch    die   fog.   geformten 
Fermente  vollzieht.    Der  Vorgang  der  Digeftion,  fpeziell  die  proto- X*^''*iauung 
plasmatifche   refp.    cellulare  Verdauung   ift,    wie  BenianV)   zuerft    meine 

■^  '■  ■  Lebenser- 

erkannte  (aber  dabei  infofern  fchlecht  unterfchied,  als  er  nicht  die  fciieinung. 
protoplasmatifche  refp.  cellulare  Verdauung  der  fecretiven,  fondern 
die  -propriete  chgestive»  der  «fonction  digestive»  gegenüberftellte), 
eine  Allgemeinerfcheinung  des  Lebenchgen;  ihre  Betrachtung  fällt 
demnach  an  erfter  Stelle  der  generellen  Phyßologie  anheim,  und 
unfere  erJfte  Aufgabe  würde  eigentlich  nur  die  fein,  zu  unterfuchen, 
•wo  in  der  lebenden  Welt  die  enzymatifche  Verdauung  einfetzt 
und  fich  der  rein  cellularen  Verdauungsweife  hinzugefeilt.  Wenn 
ich  mich  trotz  BernarcTs  ausführlicheren  Auseinanderfetzungen  ver- 
leiten lalTe,  einen  Schritt  auf  das  Feld  der  allgemeinen  Phyfiologie 
zu  thun,  fo  glaube  ich  diefes  Vorgehen  dadurch  entfchuldigen  zu 
können,  daß  es  für  das  Verftändniß  vergleichend  phyfiologifch 
Anchtiger  Thatfachen  unbedingt  nöthig  ift,  die  bei  ihrer  Zufammen- 
fteUung  maßgebenden  Princiijien,  welche  durchweg  auf  allgemein 
phyßologifchen  Anfchauungen  fußen,  genau  zu  kennen. 

Ift  es  doch  keineswegs  fo  ganz  leicht  licli  ohne  Weiteres  vor- 
zuftellen,  daß  jedes  lebende  Wefen  im  Befitz  eines  Verdauungs- 
vermögens ift;  gibt  es  doch  felbft  viele  Thiere,  welche  —  ganz 
abgefehen  von  den  Formen,  welche  ein  fog.  latentes  Lel)cn") 
führen  (d.  h.  welclie  todt,  aber  lebensfähig  find)  —  monate-, 
jahrelang  ohne  Trank  und  Speife  zu  leben  vermögen,  andere, 
welchen  der,  von  ihren  Eltern  ü})erkommene  Vorrath  an  liefervc- 
material  für  das  ganze  Leben  au.sreicht,  und  endlicli  aucli   Colclie, 


42  Grundzüge  einer  vergleichenden  [6 

welche  als  echte  Parafiten,  nach  Art  eines  Tumor  in  den  gefunden 
Geweben  eines  anderen  Thieres  wurzeln  und  von  diefem  wie  das 
eigene   Fleifch   und   Blut  mit   bereits  verdauten,    reforbirten   und 
eigens  präparirten  Nährftofflöfungen  getränkt  werden. 
Leben  ohne        Darf  ich  an   einige    diesbezügliche  Beifpiele   erinnern,    fo   fei 

Nahrung. 

erwähnt,  daß  befonders  Galtropoden  lange  Zeit  ohne  Nahrung  aus- 
zuhalten vermögen.  So  fand  Wollaßon^)  Helix  papilio  Loive  und 
H.  tectiformis,  die  am  1.  Mai  1848  auf  der  Infel  Porto  Santo 
in  Schächtelchen  gepackt  waren,  beim  Oeffnen  am  19.  October  1850 
noch  lebend,  und  im  Brittifchen  Mufeum  wurden  Schnecken,  welche 
mit  ihren  Gehäufen  aufgeleimt,  jahrelang  in  der  Sammlung  auf- 
geftellt  gewefen  waren,  plötzlich  durch  befonders  günitige  Witterungs- 
verhältnille  zum  Davonkriechen  veranlaßt  ^°). 
Leben  auf  j)[q  VerhältnilTe,   wo  das  Mutterthier  für  die  lebenslängliche 

Koßen  von  " 

Referve-  Ernährung  feiner  Nachkommen fchaft  forgt,  werden  wohl  am  heften 

material.  "  " 

exemplificü't  durch  die  Pefultate  der  Unterfuchungen  von  liegnin^^)' 
an  Acarinen.  Binnen  eines  Monates  erhielt  diefer  Forfcher  von 
einem  afrikanifchen  Ixodes-Weibchen  12,000  Eier  (von  durch- 
fchnittlich  ^/a  mm.  im  Durchmelfer  und  erfüllt  von  gelbbraunem 
Dotter),  aus  denen  nach  4^2 — 6  Wochen  Larven  mit  Augen,  aber 
ohne  erkennbare  Refphationsorgane  hervorgingen.  Obgleich  Megnin 
die  Larven  auf  verfchiedene  Weife  zu  füttern  verfuchte,  nahmen 
lie  doch  durchaus  keine  Nahrung  auf.  «La  presence  d'une  bonne 
Provision  de  nourriture  en  reserve  dans  leur  estomac  et  qui  vient 
de  leur  mere  donne  explication  du  fait.»  Ganz  in  gleicher  Weife 
leben  auch  die  mundlofen  Acarinenlymphen  aus  den  Gattungen 
Hypopus,  Homopus,  Trichodactylus,  Astomes,  Cellularis  etc. 
ohne  Nahrung.  Aus  den  Ixodes -Larven  gehen  Weibchen  und 
Männchen  hervor;  während  aber  die  Weibchen  fpäter  enorme 
Mengen  von  Blut  aufnehmen,  gehen  die  Männchen  bald  nach  der 
Begattung  zu  Grunde,  ohne  —  wie  fchon  ihre  zur  Nahrungs- 
aufnahme   untaughch    gewordenen  Mundwerkzeuge   bekunden  — • 


7]  Phyliologie  der  Verdauung.  43 

während  ihres  ausgebildeten  Zuftandes  auch  nur  ein  einziges  Atom 
von  Nahrung  zu  lieh  genonunen  zu  haben. 

Aber  noch  überboten  werden  diefe  Abfonderhchkeiten  von  der  ^"'*,^^""e 

der 

Emährungs  weife  einiger  paralitären  Wefen.  An  der  ventralen  Parafiten. 
Fläche  des  Abdominalanhanges  von  Carcinus  msenas  findet  man 
nicht  feiten  eine  gelbliche  gefüllte  Blafe,  welche  fich  bei  näherer 
Unterfuchung  als  der  Genitalfack  einer  anderen  Krebsart  (Saccu- 
lina  carcini  TJiompson)  ausweift,  bei  der  faft  alle  übrigen  Organe 
vollftändig  degenernt  find.  Diefer  fackförmige  Ki-ebskörper  befitzt 
eine  einzige  Oeff'nung  am  hintern  Pole,  während  der  vordere,  als 
ein  kurzer  Anliang  wm-zelförmige  Ausläufer  entfendet,  die  Stomato- 
rhizen  oder  Radicellen.  Letztere  Gebilde  beliehen  aus  feinen  Röhren, 
gefüllt  mit  milchiger  Materie  und  durchfetzen,  ähnlich  wie  die 
Haultorien  der  Cuscutaceen,  die  Gewebe  des  Wirthes.  So  lagern 
i\(i  fich  bei  Carcinus  befonders  um  den  Verdauungstractus  bis 
zum  Oefophagus  hin;  fie  di-ingen  in  die  Leber,  in  die  Gefchlechts- 
organe,  in  die  Muskulatur  der  Sternalregion,  ja  bis  in  die  Spitzen 
der  Füße.  Frei  davon  bleiben  aber  das  Herz,  die  Kiemen  und 
das  centrale Nerveniyrtem,  und  fo  erklärt  fich,  warum  der  Carcinus 
lieh  auch  alsdann  noch  der  beften  Gefundheit  zu  erfreuen  fcheint, 
wenn  er  zwei  oder  drei  Parafiten  zu  verforgen  hat^^). 

Ein  noch  feltfamerer  parafitifcher  Krebs  (Laura  Gerardiae) 
lebt  nach  Lacaze-Diithicrs  Befchreibung^^)  in  dem  Korallpolypen 
Gerardia  tuberculata  Lani.  Li  das  Cönofark  der  Gerardia 
tief  verlenkt,  ruht  in  Gellalt  einer  nierenförmigen  Kapfei  von  rofa 
und  \ioletter  Farbe  der  von  einem  hornigen  Panzer  umhüllte  1  cm. 
lange  Körper  der  Laura.  Der  Panzer  des  Parafiten  ifi;  von  Canälen 
durchfetzt,  die  nach  außen  durcli  düime,  von  feinen  Filamenten 
(Stemhaare)  umftellte  Memln-anen  gefchlofren  find,  nach  innen  zu 
aber  mit  eirujm  Caijillarfyfleme  in  Verbindung  liehen.  Die  Stern- 
haarc  der  Laura  glei(;hen  nach  Larnze-Dutlucrs  Anficht  den 
Stomatorhizen    oder  liudicellen    der  Sacculina;    lio    befoi-gcu    die 


44  Grundzüge  einer  vergleichenden  [8 

Reforption  der  Gerardia- Säfte,  welche  durch  das  Secret  der  fich 
im  Panzer  vielfach  veräftelnden  Leberfchläuche  die  für's  Leben 
der  Sacculina  geeignete  Befchaffenheit  erhalten. 

Am  überrafchendflen  war  jedoch  die  Kunde,  daß  bei  einigen 
Bäderthieren  und  Krebfen  (Lerna^aden)  das  Männchen  das  Weib- 
chen als  Wirth  benutzt;  auf  diefem  nicht  nur  feßhaft  wird,  fondern 
nach  Art  der  echten  Paraßten  fich  von  deffen  Chymus  oder  Körper- 
fafte  nährt.  Ein  merkwürdiges  Beifpiel  diefer  Art  bietet  ferner 
eine,  auch  ihres  grünen  Pigmentes  (Bonellein)  wegen  fehr  inter- 
effante  Gephyree  des  Mittelmeeres,  die  Bonellia  viridis  (x.H). 

1868  fand  Kotüalevs'ky  bei  feinen  Bonelhen,  welche  ebenfo  ^de 
die  früher  von  Lacase-Duthiers  unterfuchten,  ausfchließhch  weib- 
hchen  Gefchlechtes  waren,  im  ausführenden  Abfchnitte  des  Ei- 
behälters  eine  Anzahl  kleiner  planarienähnhcher  Schmarotzer,  die 
lieh  ihrerfeits  fämmtlich  als  Männchen  ausmefen.  Er  fprach  des- 
halb diefe  paraßtären  Wefen,  wennfchon  mit  einer  gewilTen  Referve, 
als  zwerghaft  gewordene  Bonelüenmännchen  an  und  forderte  zu 
erneuten  Unterfuchungen  auf.  Catton  und  Marion  folgten  zuerJft 
feiner  Aufforderung  und  ßimmten  feiner  AuffalTung  bei,  welche 
fpäter  auch  in  Vejdovsky  —  der  entdeckte,  daß  bei  Bonellia  eine 
wahre  Polyandrie  exiftirt  —  und  in  Selenha  ihre  Vertreter  fand; 
nm"  Greef  glaubte  anfangs,  daß  die  fraglichen  Thiere  Turbellarien 
feien,  gab  diefe  Anßcht  aber  fehr  bald  wieder  auf.  Seitdem  nun 
auch  durch  Spengel  die  Entwicklungsgefchichte  des  Bonelhamänn- 
chens  bekannt  geworden  ift,  dürfte  der  Beweis  für  die  Richtigkeit 
von  KoivaUvsky  s  fcharffinniger  Idee  zur  Genüge  erbracht  fein. 
Vejdovslifs  Beobachtungen  führten  zugleich  zu  dem  intereüanten 
ErgebnilTe,  daß  die  Männchen  vom  Weibchen  für  gewöhnüch  im 
Vorderdarme  ernährt  werden  und  erlt  zur  Zeit,  wo  die  Eier  in  den 
Eibehälter  gelangen,  aus  dem  Darmrohre  in  den  Eileiter  wandern, 
um  die  Befruchtung  des  Eies  zu  Stande  zu  bringen. 

Wie  lieht  es  nun  bei  diefen  Thieren,  die  wh  gar  nicht  fressen 


9]  rhyfiologie  der  Verdauung.  45 

oder  nur  bereits  verdaute  Nalii'ung  aufnehmen  fehen,  mit  der  ^'^er- 
dauung?  Belitzen  fie  eine  folche,  verdauen  fie  oder  verdauen  fie 
nicht?  Ift  ^'iclleic]lt  fpcciell  bei  den  parafitären  Wefen  diejenige 
der  beiden  Möglichkeiten  verwirkhcht,  wo  der  lebende  Thierleil) 
das  zum  Aufbau,  oder  heller  gefagt  zAim  fortdauernden  AVieder- 
erfatz  feiner  verfchiedenen  Beflandtheile  außerordenthch  mannig- 
fache und  z.  Th.  lehr  com})licirte  Material  fertig  vorgebildet  und 
zulammengefügt  aufnnnmt? 

Das  Leben  ohne  Xahrungszufuhr  von  außen  verliert  als  ein 
außergewöhnlich  protrahirter  Hungerzuftand  (ermöghcht  durch  reich- 
lichen Refervevorratli  oder  Ijei  geringerer  ^"erproviantirung  durch 
emen.  mit  den  Lebensäußerungen  allerdings  notliAvendig  verbun- 
denen, aber  höchft  unbedeutenden  Stoffverbrauch)  fein  Wider- 
fprechendes,  und  es  ergi]:>t  lieh  ohne  "\\^eiteres,  daß  auch  diele 
Thiere  ohne  eine  cellulare  ^"erdauung  nicht  fortzubeftehen  ver- 
mögen. Etwas  anders  liegt  zur  Zeit  die  Sache  bei  den  parafitären 
Formen,  welche  (»Imc  l'unctionirenden  Veixlauungstractus  (wie  z.  B. 
bei  den  Gregarinen,  0})alinen,  Cestoden  und  Acantlioce- 
phalen)  lieh  mittelst  der  äußern  Haut  von  dem  Chymus  oder 
endo-  refp.  ectoparalitifch  von  den  Körperfäften  anderer  Thiere 
beftändig  und  Ibrtgefetzt  ernähren;  denn  es  wäre  immerhin  denk- 
bar, daß  bei  diefen  «Icn  einzelnen  leljensthätigen  Gewebselementen 
die  Xährlöfuiig  von  Seiten  des  Wuthes  innnittelbar  in  der  Be- 
fchaffenheit  zuginge,  welche  tur  die  Ausübung  iln-er  Lobensfunc- 
tioneii  gefordert  wird.  Unterfucliungen,  durch  welche  diefe,  wie 
es  fcheint.  ziemlidi  allgemein  gemachte  Annahme  ehien  irgend- 
welchen Anlialt  gewimien  könnte,  liegen  gegenwärtig  nicht  vor, 
und  ich  glanbe  nicht  lelil  zu  gehen,  wenn  ich  ;inl"  (Jrnnd  nndei'- 
weitiger  Thatlachen    einer  andeicn   Auffaflung   den   \'or/ug   gebe. 

Oltichon  die  ccto-  wie  endo[)aralitären  Species  auf  verfchieden- 
artigeii  W'iithen  (»rganifatorifch  meist  von  einander  al)weichen,  viele 
Paraliten    anf  ein    einziges  'Phier   oder   nnf   nnr   wenige;  ^l'hieraiien 


46  Grundzüge  einer  vergleichenden  [10 

im  Vorkommen  befchränkt  find,  mid  üch  hieraus,  obgleich  diefe 
Thatfachen  auch  anders  interpretirt  werden  können,  eine  innige 
Beziehung  zwdfchen  dem  Schmarotzer  und  dem  Nährboden  er- 
fchließen  läßt,  fo  bin  ich  doch  der  Meinung,  daß  der  Parafitismus 
nur  eine  extracellulare,  eine  fecretive  Verdauungsweife  entbehrlich 
inachen,  daß  nur  diefe  mit  ihren  Confequenzen  bei  Parafiten  de- 
generiren,  ja  völlig  obhteriren  kann,  —  niemals  aber  die  ceUulare 
A'^erdauung,  niemals  ferner,  was  ziemhch  offen  zu  Tage  liegt,  ein 
typifches  Peforptions-  und  typifches  Affimilations vermögen.  Ja  ich 
zweifle  nicht,  daß  die  Gewebszufammenfetzung  eines  Schmarotzers 
von  der  feines  Whthes  ftets  erheblich  abweicht,  und  daß  jenem  felbft 
nicht  die  Stoffwechfelvorgänge  fehlen,  welche  zur  Bildung  eines 
eigenartigen  Körperfaftes  führen.  So  fehr  auch  die  Folgen  eines 
andauernden  Parafitismus  fich  in  der  Abnahme  der  Organifation 
bemerkbar  machen,  fo  werden  die  vitalen  Procefle  des  Schmarotzers 
doch  davon  nicht  tangirt.  Die  Ernährungsweife  des  herunter- 
gekommenffcen  Eingeweidewurmes  wird  nicht  anders  verlaufen  als 
die  vieler  fanguifugen  Anneliden,  und  was  die  A^erdauung  betrifft, 
auch  wohl  kaum  verfchieden  von  der  einiger  blutfaugenden  Wirbel- 
thiere.  Die  uns  bei  Schmarotzern  bekannt  gewordenen  Organi- 
fationsverhältniffe  und  Stoffwechfelproducte  weifen  ebenfo  wie  die 
an  höheren  Thieren  gewonnenen  Thatfachen,  welche  für  die  all- 
gemein biologifchen  Begriffe  bislang  faft  ausfchheßlich  maßgebend 
waren,  darauf  hin,  daß  diefe  Anfchauung  die  richtige  ist. 

Jede  lebende  Thierfpecies  befitzt,  wenn  nicht  alles  täufcht,  eine 
Körperflüfiigkeit  von  eigenartiger  Zufammenfetzung,  welche  fie  fich 
aus  dem  aufgenommenen  Nährmaterial,  einerlei  wie  ihr  daflelbe 
zufließt,  felblt  präpariren  muß,  und  me  fehr  der  Fortbeiland  der 
einzelnen  lebenden  Elemente  jedesmal  an  eine  ganz  beftimmte  Zu- 
fammenfetzung des  umgebenden  und  zugleich  ernährenden  inneren 
Mediums  gebunden  ift,  lehren  mannigfache  Erfalirungen  zur  Ge- 
nüge.   In  ähnlicher  Weife,  wie  auf  gewilTe,  chemifch  äußerft  pafliv 


11]  Phyfiologie  der  Verdauung.  47 

lieh  verhaltende  Stoffe  oft  nur  ein  einziges  oder  nur  fehr  wenige 
Gewebe,  alsdann  aber  meifl  fehr  energifeh  reagiren,  wie  das  der 
Befruchtung  bedürftige  Ei  zu  femer  Weiterentwickhing  eine  ganz 
beftmimte  Sorte  von  Samenelementen  verlangt,  fo  ift  auch  die 
Exiftenz  \-ieler  lebenden  Gewebe  an  eine  FlüIIigkeit  gebunden,  der 
normal  eine  unglau])lich  conllante  Zufammenfetzung  in  mancher 
Hinßcht  Ijewahrt  zu  Averdcn  fcheint.  An  Säugethieren ,  welche 
einen  Chymus  von  annähernd  gleicher  Befchaffenheit  durch  ihre 
Darmzotten  reforbiren,  haben  die  Transfufionen  der  jüngft  ver- 
flogenen Jahre  gelehrt,  daß  che  Infufion  verhältnißmäßig  geringer 
Quantitäten  eines  fremdartigen  Blutes  (d.  h.  eines  Blutes  von 
Thieren  anderer  Species)  für  das  Verfuchsthier  leicht  gefahrvoll 
wird,  daß  wenn  z.  B.  Ijei  einem  Hunde  20 '''o  der  urfprünglichen 
Blutmenge  durch  Lammblut  erfetzt  Averden,  gewöhnlich  fchon  am 
crftcn  oder  zweiten  Tage  der  Tod  eintritt,  und  die  variabeln  Re- 
fultate  der  Uebertragung  von  Infectionskranklieiten  zeigen,  wie  fehr 
iinpfindhch  felbft  die  niedrigft  flehenden  Lebewefen  für  (ho  den 
nackten  Zellen-  oder  Protoplasmaleib  umfpülenden  Flülligkeiten 
lind;  zugleich  folgt  aus  diefen  Beifpielen  —  el)cnfo  wie  aus  den 
Mißerfolgen,  maligne  Gefchwülfle  von  einem  Individuum  auf  ein 
anderes  zu  übertragen  —  in  welcher,  für  die  vitalen  Proceffe 
gravitirenden  Weife  die  Körperfäfte  naheftehender  Formen  ver- 
lihieden  zufammengefetzt  lind.  Schließlich  will  ich  au<li  nicht 
unterlaffen  daran  zu  erimiern,  daß,  wie  fchon  Ilrr.icliiis  für  Albii- 
minlöfungen  und  andere  Forfcher  für  fremdartiges  Blut  oder  Serum 
nachgewiefen  haben,  felbft  die  nahrhaftefte  Koft  direct  in  das  Blut 
'/'•bracht,  bei  Säugethieren  mn-  Albuminurie  erzeugt. 

Ift  es  mir  aus  den  angeführten  Gründen  (deren  Summe  lieb 

vorau.sfichtlich    noch   beträchtlich  vermehren  läßt,    wenn    die   mit- 

'  thcilten  Erfahrungen  an   Warmblütern   leitend   füi-   X'crrucjic    an 

Kaltblütern    und    fpccicll    an    wirlx-llofen    Thieren    geworden    lind) 

Iclion    iKiclid     Widirrclicinlicli,    daß    die    allgcnicincn    Fniäliiungs- 


48  Grunclzüge  einer  vergleichenden  [12 

Vorgänge  der  freilebenden  und  der  paralitären  Formen  im  Grunde 
nicht  von  einander  abweichen,  daß  letzteren  nur  die  inteftinale 
Verdauung  erfpart  bleibt,  fo  hegen  zugleich  poßtive  Beweife  dafür 
vor,  daß  wenigltens  einigen  und  zwar  den  typifchften  Paraüten 
{Gregarinen,  Cestoden)  jedenfalls  eine  cellulare  Verdauung 
nicht  mangelt;  denn  auch  diefe  befitzen  ihre,  wie  man'  wohl  an- 
nehmen darf,  felbft  producirten  Referveftoffe  (von  denen  außer 
fettartigen  Materien  das  Glykogen  von  Rindfleifch^^)  bei  Cestoden 
[für  Tsenia  und  Cysticercus  beitätigt  von  Bernard^^)  und  fpeciell 
für  Tsenia  s  er  rata  von  Fredericq^'^)]  und  von  M.  FoRer'^^)  bei 
Ascaris  lumbricoides  nachgewiefen  wurde),  die  unter  gemllen 
Umftänden  ficherlich  wieder  in  Löfung  gehen  und  aufgebraucht 
werden;  ße  (Cestoden)  belitzen  auch,  'w\&  Sommer  unä.  Landois^^), 
KaJicme^^)  und  PintJiner^^)  nachgewiefen  haben,  ein  mit  der  Außen- 
w^elt  nicht  communicirendes  (Kahane  u.  Finthner)  « plasmatifches 
Canalfyftem»  (Sommer  u.  Landois). 
Ernährung         Die  Verhältnilfe  bei  den  reinen  Parafiten  leiten  uns  unmittel- 

der  Amor-  »  i  n    t    f 

thozoen  u.  bar  ZU  den  Em ährungs Vorgängen  der  Amorphozoen  und  Infuso- 

Infuforien.    .  .        ,        -, 

rien.  Auch  diese  Wesen  ernähren  fich  nicht  einfach  auf  dem 
'  Wege  der  Endosmofe,  wie  Dujardin  annahm,  fondern  lie  refor- 
biren,  ße  aißmihren  und  ße  verdauen;  letzteres  zwar  nicht,  me 
ich,  um  nicht  misverftanden  zu  werden,  hier  abermals  ausdrück- 
lich betonen  will,  vermöge  enzymatifcher  Secrete,  fondern  die  lebende 
Subftanz  felbft  beforgt  in  einer,  zum  Ueberfluß  oft  befchriebenen 
Weife  fowohl  die  Verflüßigung  aufgenommener  Nährbeftandtheile 
als  die  abgefchiedener  Eiweißkörper  (wie  z.  B.  nach  K.  Brandfs 
Beobachtungen^^)  bei  den  Heliozoen  die  Auf  löfung  junger  Acan- 
thinflacheln)  und  der  als  Referveftoffe  zu  betrachtenden  Kohlehydrate, 
von  denen  Glykogen  von  Certes  bei  Infuforien,  Stärke,  amyloide 
oder  paramyloide  Subftanz  von  Gottlieh,  Schneider,  Äuerhach, 
Fougef  und  JBütfclüi  bei  Amöben,  Gregarinen  und  Infuforien 
nachgewiefen  wurden  ^  ^) . 


13]  Phyfiologie  der  Verdauung.  49 

Ob  nun  bei  diefer  protoplasmatifchen  refp.  cellularen  Verdau- 
ung Enz}Tiie,  und  wie  weit  diefelben  eventuell  betheiligt  find  oder 
ob,  vde  vm:  Urfache  haben,  bei  Bacterien  und  Vibrionen  anzu- 
nehmen, das  Verdauungsvermögen  mit  dem  Tode  ausnahmslos  er- 
hfcht,  —  darüber,  fage  ich,  wiffen  wir  nichts,  trotzdem  fchon  ein 
eiweißverdauendes  Enzym  mit  fehr  wirkfameii  Eigenfchaften  aus 
nackten  Protoplasmamafren  (Aethalium  septicum)  extrahirt-'^) 
und  auch  eine  faure  Reaction  am  Protoplasma  und  an  FlüITigkeiten 
bei  Amöben  und  Infuforien  von  Engehnann^^)  und  K.  JBrmicU^^) 
conftatirt  wurde.  Erwähnen  will  ich  noch,  daß  verhältnißmäßig 
nur  fehr  wenige,  in  Löfung  befindliche  Subftanzen  von  der  Sar- 
kode der  Protiften  —  analog  dem  Krappfarbftoffe  von  Geweben 
höherer  Tliiere  (von  den  Knochen,  dem  Schmelz  und  der  Eburnea 
der  Zähne;  vom  Eierweiß  bei  Fifchen  und  Vögeln,  von  der  Ei- 
fchale,  der  Schleimhaut  des  Oviductes,  des  Kaumagens  und  des 
Kropfes  beim  Huhne;  vom  Spinndrüfenfecret  bei  Bombyx  etc.)  — 
als  folche  aufgenommen  werden ;  evR.  jimg[thm  gelang  es  K.  Brandt^'^) 
und  Certes'^^)  den  Nachweis  zu  führen,  daß  gewilTe  Farbftoffe 
( Bismarckbraun,  Hämatoxyhn,  Cyanine  oder  Bleu  de  Quinoleiiie), 
aber  auch  diefe  nur  in  geringer  Menge  das  lebende  Protoplasma 
ohne  eine  nachtheihge  Wirkung  auszuüben,  pafliren  und  lebende 
Theile  färben. 

Xov  kurzem  wurde  durch  Mittheilungen  von  K.  JBrandt^^)  die 
allgemeine  Auf  merk  famkeit  auf  die  parafitären  Algen  gelenkt, 
welche,  wie  es  auch  für  SalzwafTerfpongien  von  F.  E.  Schuhe  an- 
gegeben ift,  nach  Brandt  bei  Hydren,  Spongillen,  einer  SüßAvalTcr- 
planarie  und  zahlreichen  Infusorien  (Stentor,  Paramaicium, 
Stylonychia,  verfchiedene  Vorticellinen  etc.)  vorkommen. 
Brandt  fchließt  aus  feinen  Unterfuchungen ,  daß  die  bezüglichen 
parafitären  Algen  (Zoocldorellen,  welchen  bei  Radiolarien,  gewiflen 
Hydrozoen  und  Actinien  die  Zooxanthellen  cntfprechen)  ihre  Wirthe 
vollkommen  am  Leben  erhalten.     Solange  die  Thiere  wenige  oder 


50  Grundzüge  einer  vergleichenden  [14 

gar  keine  grüne  oder  gelbe  Zellen  beherbergen,  ernähren  fie  lieh 
ausfchließhch  wie  echte  Thiere  durch  Aufnahme  fefter  organifcher 
Stoffe,  fobald  ße  genügende  Mengen  von  Algen  enthalten,  ernäh- 
ren fie  fich  von  den  Stoffen,  welche  die  Zoochlorellen  refp.  die 
Zooxanthellen  ledighch  aus  anorganifchem  Material  (unter  Kohlen- 
fäurezerfetzung  am  Lichte)  bereiten. 

Ob  und  auf  welche  anderen  grün  gefärbten  Thiere  Brandt' s 
Theorie  zu  erweitern  ift,  werden  fortgefetzte  und  befonders  experi- 
mentelle Unterfuchungen  erft  noch  zu  lehren  haben;  ich  möchte 
Mer  nur  darauf  hinweifen,  daß  es  durchaus  nothwendig  erfcheinen 
muß,  in  Fällen,  wo  der  Algencharakter  der  Zellen  nicht  ganz  offen 
zu  Tage  hegt,  niemals  zu  unterlaffen,  den  grünen  Farbltoff  (wel- 
cher nach  jRcq/  LanJiester^^)  selbft  bei  Spongilla  fluviatilis  vom 
Chlorophyll  abweicht  und  deshalb  Chondriochlor  genannt  wurde) 
auf  feine  Chlorophyllnatur  gründhch  zu  prüfen,  damit  fich  fpäter 
einmal  nichts  ähnliches  ereignet  me  beim  Bonellein,  wo  der  Bo- 
nellia  allgemein  ein  Chlorophyllgehalt  zugefchrieben  wurde,  aber 
fchon  die  erfte  eingehendere  Unteriüchung  den  groben  Irrthum 
aufdecken  mußte. 

Völhg  verfehlt  ilt  die  Idee  von  MerejJcoivsJiP'^) ,  daß  fich  bei 
Vertretern  der  verfchiedenartigften  Claffen  unter  den  Whbellofen 
das  Zoonerythrin  findet,  und  daß  diefes  für  diefe  Thiere  eine  ana- 
loge Leiftung  beforgt,  wie  das  Hämoglobin  bei  M^irbelthieren  und 
bei  einigen  AVhbeUofen ;  denn  erftens  läßt  fich  zeigen,  daß  in  den 
meiften  von  Merejhoiüshi  bezeichneten  Fähen  (Actinia,  Gorgo- 
nia  verrucosa,  Comatula,  Echinus,  Toxopneustes,  Holo- 
thuria,  Cucumaria,  Phascolosoma,  Maja,  Palaemon  etc.) 
vom  Zoonerythrin  in  iliren  chemifchen  Eigenfchaften  abweichende 
rothe  oder  braune  Pigmente  vorliegen;  zweitens  findet  fich  das 
Zoonerythrin  nicht,  me  Merejhoivshi  glaubt,  vorzugsweife  bei  Hämo- 
globin-freien Thierformen  vor,  fondern  gerade  bei  Hämoglobin- 
haltigen  (weit  verbreitet  unter  den  Vögeln  und  Fifchen),  und  drit- 


15]  Phyfiologie  der  Verdauung.  51 

tens  w'ird  doch  ein  Pigmentkörper,  der,  wie  ich  zeigte,  am  Lichte 
einmal  desoxydirt  dm-ch  die  ox^'direndften  Mittel  nicht  zu  regene- 
riren  ift,  für  ein  lebendes  Wefen  als  Refpirationsftoff  ganz  un- 
brauchbar fein  müITen.  Auf  die  Erfahrungen,  daß  viele  rothe 
EvertebratenfarbftofFe  licli  unter  Lichteinfluß  durch  Sauerftoffauf- 
nalune  in  einen  choleftearinähnUchen  Körper  verwandeln,  und  daß  Ernährung 

^  der 

daneben  ätherifche  Oele  in  den  Geweben  gefunden  werden,  habe  ^p^'wsiß"- 
ich^^)  frülier  für  die  Ernährung  gemffer  Spongien  (z.  B.  mehrerer 
Suberitiden),  deren  Farbftoff  mit  dem  Zoonerythrin  als  identifch 
oder  als  diefem  in  feinem  phyßkalifchen  wie  chemifchen  Verhalten 
wenigftens  fehr  naheftehend  befunden  wurde,  eine  andere  Theorie 
gegründet,  welche  ich  bereits  1<S79  in  folgendem  (hier  nur  ftyli- 
flifch  ein  wenig  veränderten)  Satze  kurz  zufammengefaßt  habe: 
«  Wie  unter  Kohlenfäurezerfetzung  aus  dem  Chlorophyll  die  noth- 
wendigften  Baufteine  des  Pflanzenkörpers  hervorgehen,  fo  wird  fich 
bei  den  Suberiten  und  \delleicht  noch  bei  ^delen  anderen  Schwäm- 
men das  Zoonerythrin  unter  Verbrauch  des  im  Schwammkörper 
felbft  producirten  Ozons  in  Stoffe  transformh-en ,  welche  für  den 
Schwammorganismus,  für  den  Fortbeftand  feines  Lebens  und  für 
fein  Wachsthum  keinen  geringeren  Werth  haben  als  die  Kohle- 
hydrate und  die  Fette  für  die  lebende  Pflanze.» 

Zugleicli  conflatirte  ich  aber,  daß  auf  die  äußere  Schwamm- 
fläche geheftete  Fäden  rohen  Fibrins  binnen  24  bis  36  Stunden 
vom  Schwammkörper  gelöft  und  reforbirt  werden,  während  fie 
durcli  das  Thier  hindurchgezogen  innerhalb  viel  längerer  Zeit  keine 
erkennbare  W-ränderung  erleiden.  Da  eine  mucöfe  Flüfligkeit, 
welche  unter  diefen  Verhältniflen  allein  —  indem  fie  am  Schwamm- 
gewebe kleben  l)leiben  und  nicht  fogleich  mit  dem  MeerwalTer 
ficli  mifchen  würde  - —  als  ^'erdauungsfaft  von  Nutzen  fein  könnte, 
bei  den  unterfuchten  S])ongien  (Suberites,  Chondrosia)  nicht 
vorlianden  ift,  fo  ergibt  fich  ohne  Weiteres,  daß  mn-  lebende  Zellen 
des  Schwaminkör|)ers   die  Verdauung   wie   i\ef()r])ti()n    des  Plbrins 


52  Grundzüge  einer  vergleichenden  [16 

beforgen.  Durchaus  verkehrt  ift  deshalb  die  Schilderung,  welch -^ 
MiMucho-Maday^^)  von  der  Verdauung  der  Spongien  gibt,  ui^.^' 
Metfchnilwff's  ^^)  Angaben  über  die  Nahrungsaufnahme  diefer  Thiere 
verdienen  nur  infofern  Beachtung,  als  fie  zu  der  Frage  Anlaß 
geben,  ob  hier  nicht  amöboide  Zellen  die  Verdauung  und  Reforp- 
tion  vermitteln,  ■ —  eine  AuffalTung,  welche  wir  fogleich  weiter  zu 
berückfichtigen  haben  werden.  Aus  einem  Zerfallen  und  Aufge- 
löJftwerden  lebender  Protiften  in  der  Nachbarfchaft  des  Spongien- 
parenchyms  SchlülTe  auf  den  Verdauungsmodus  des  letzteren  zu 
ziehen,  wie  LieherMlhn  und  MetfcJmikoff  wollten,  muß  als  unftatt- 
haft  erfcheinen,  da  jene  protoplasmatifchen  Wefen  auch  fchleimig 
erweichen  und  zerfallen  unter  Verhältnillen  (z.  B.  in  höchft 
fchwachen  Chininlöfungen ,  wie  zuerft  Bin^  beobachtete),  welche 
mit  einer  Verdauung  nichts  zu  fchaffen  haben;  auch  ift  es  nicht 
einmal  bekannt,  ob  diefe  Sarkodethierchen  nicht  felbft  Enz}rme 
oder  andere,  eine  Selbltverflüffigung  bewirkende  Subltanzen  (ähn- 
lich wie  es  mit  der  Haut  einiger  Holothurien  gefchieht^°)),  bei  fich 
führen.  Durch  Verreiben  mit  Glycerin  und  von  mir^^)  aus  ver- 
fchiedenen  Spongienfpecies  (ebenfo  wie  bei  Actinien  und  Medufen) 
tryptifch  (d.  h.  Eiweißftoffe  bei  alkalifcher,  neutraler  und  außerdem 
auch  bei  fehr  fchwach  faurer  Reaction  verdauend),  diaftatifch  (d.  h. 
Stärke  in  Zucker  überführend)  und  auch  peptifch  (d.  h.  Eiweiß- 
körper ausfchließlich  in  fauren  FlüIIigkeiten  verdauend)  wirkende 
Auszüge  erhalten  worden;  ob  diefe  Enzyme  den  Schwämmen  bei 
ihrer  cellularen  Verdauung  aber  zu  gute  kommen,  wird  noch  fo 
lange  unentfchieden  bleiben,  als  die  Reaction  ihrer  einzelnen  Ge- 
webe resp.  der  bei  der  Verdauung  betheiligten  Zellen  nicht  lieber 
beurtheilt  werden  kami. 

Viele  jüngere  Forfcher  haben  es  dem  «alten»  Ehrenberg  fehr 
übel  genommen,  daß  er  den  Infuforien  einen  ausgebildeten  Ver- 
dauungsapparat zufchrieb ;  aber  niemand  von  denen,  welche  gegen 
Ehrenherg's  Auffallung   fo   lebhaft   protefthten,    unterzog  lieh  der 


17]  Phyfiologie  der  Verdauung.  53 

Mühe,  dm'ch  beweiskräftige  Versuche  den  A^erdauungsraodus  der 
Actinien  und  Medulen    zu  ergründen,    welchen    nicht  nur  i'Ärew- Ernährung 

der  Acti- 

herq,  fondern  ^\ii'  müITen   geftehen,  felbfl  einige  der  heften  Ken-  i»ien  und 

Medufen. 

ner  der  OrganifationsverhältnifTe  bei  den  Medufen  noch  heutzutage 
emen  klagen  und  Verdauungsfecrete  zuerkennen.  Den  letztver- 
floflenen  Jahren  bheb  es  vorbehalten,  liier  den  Weg  zum  richtigen 
Verftändniß  anzubahnen  und  zu  zeigen,  daß  Ehrenherg  vollkom- 
men in  feinem  Rechte  war,  wenn  er  den  Verdauungsmodus  der 
Cölenteraten  dem  der  Protisten  für  analog  hielt.  Aber  wir  fahen, 
daß  bei  den  Amorphozoen  der  Verdauungsact  kein  fecretiver,  fon- 
dern ein  protoplasmatifcher  ift,  und  dalfelbe  gilt  (ebenfo  wie  für 
Spongien)  ficherhch  auch  für  Actinien  und  Medufen,  vielleicht 
fogar  für  die  Ctenophoren,  an  welchen  zweckentfprechende  Unter- 
fuchungen  noch  nicht  ausgeführt  wurden. 

Bei  unferen  Verfuchen  über  die  Verdauung  der  Actinien  und 
Medufen  gelangten  wir^^)  zu  ganz  ähnhchen  Ergebnifren  als  bei 
unferen  Spongienunterfuchungen,  nur  trat  bei  jenen  Cölenteraten 
die  Auflöfung  des  Fibrins  \T.el  früher  ein  als  bei  den  Schwämmen. 
Schon  Fritz  Müller ^^)  hatte  beobachtet,  daß  K^rebsmuskeln  mit 
den,  einer  lebenden  Tamoya  hoplonema  entnommenen  Rand- 
fäden bedeckt  und  mit  ein  wenig  reinem  Seewafter  übergoITen  in 
10 — 12  Stunden  vollftändig  refp.  faft  ganz  zu  einer  trüben  Flüf- 
figkeit  gelöft  waren,  während  entfprechende  Muskeiftücke  ßch  in 
reinem  Seewaffer  während  diefer  Zeit  nicht  merklich  verändert 
zeigten.  Ganz  die  nämliche  Erfcheinung  fleht  man  an  ungekochten 
Fibrinfäden  eintreten,  welche  von  den  Randfäden  einer  Zygodac- 
tyla  oder  Cyanea  längere  Zeit  umfchlungen  gehalten  werden. 
Bringt  man  eine  mit  rohem  Fibrin  gefüllte  Federfpule  in  den 
cölenterifchen  Raum  eines  Cerianthus,  eüier  Anthea  oder  Sa- 
gartia,  fo  erfolgt  eine  Verflüfligung  des  Fibrins  nur  an  den  Stellen, 
wo  ein  inniger  Contact  zwifchen  den  Mefentei-ialfilamenten  und 
dem  Fibrin   zu  Stande  kommen   kann;    alle   anderen   Partioen  des 

h'ruktnbtrff,  Verffl.-pliyiiol.  Voitriige.  •'> 


54 


Grundzüge  einer  vei-gleichenden  [18 


Fibrins  bleiben  unverflüffigt.  Sehr  klar  ßnd  die  Erfcheinungen, 
wenn  man  die  bezeichneten  größeren  Actinienformen  zu  den  Ver- 
fuchen  verwendet;  zweifelhaft  fallen  die  Refultate  bei  kleineren 
Arten  aus,  weil  hier  der  Auflöfungsproceß  zu  langfam  fortfclireitet, 
und  das  Fibrin  unter  günfligen  Bedingungen,  welche  im  Meer- 
walTer  ausnahmslos  gegeben  und,  zu  feiner  A^erflülligung  durch 
Fäulnißorganismen  kaum  längerer  Zeit  bedarf,  als  in  Berührung 
mit  den  verdauenden  Geweben  kleinerer  Zoophytenformen.  Durch 
diefen  Umftand  wurden  Leives  und  Couch^^)  bei  ihren  Verfuchen 
getäufcht,  und  auch  ich  blieb  bei  Beginn  meiner  Unterfuchungen 
im  Zweifel,  ob  jene  Autoi'en  vielleicht  nicht  doch  das  Richtige 
getroffen  haben  möchten.  Aber  die  Sache  verhält  fich  genau  fo, 
me  ich  fie  bereits  bei  Befprechung  der  Spongien  km'z  fkizzirt 
habe,  und  um  meinen  Vortrag  nicht  über  das  gefteckte  Ziel  hinaus 
zu  erweitern,  will  ich  die  bei  diefen  gegebene  Darftellung  hier  nur 
noch  durch  wenige  Sätze  ergänzen. 

Die  Prüfung  der  fchleimigen  Secrete,  welche  den  Actinien-  wie 
Medufenkörper  gewöhnlich  umhüllen,  und  befonders  derjenigen 
FlüITigkeiten,  welche  fich  in  dem  cölenterifchen  Räume  und  feinen 
Verzweigungen  finden,  auf  eine  enzymatifche  Whkung,  hat  ftets 
ein  negatives  Refultat  zur  Folge  gehabt;  letztere  fehlt  jenen  felbft 
bei  den,  für  eine  Verdauung  günftigflen  Temperaturen  (38 — 40*^  C). 
Dm-ch  vergleichende  Verfuche  ift  für  Actinien  fernerhin  gezeigt, 
daß  weder  die  Nelfelkapfeln  (oder  ihre  Secrete)  an  der  Außenfeite 
der  Tentakeln  noch  die  Flimmerzellen  an  deren  Innenfläche  auf 
Eiweißfloffe  verdauend  wirken;  es  find  lediglich  die  Mefenterial- 
filamente,  welche  bei  diefen  Formen  die  Eiweißverdauung  beforgen. 
Bei  den  Medufen  dagegen  find  allem  Anfchein  nach  fehr  verfchie- 
denartige  Theile  der  äußeren  wie  inneren  Oberflächen  mit  einem 
cellularen  Verdauungs vermögen  ausgeftattet**');  auch  durch  das 
Thier  hindurchgezogene  Fibrinfäden  werden  bei  einigen  Medufen- 
arten  (z.  B.  bei  Cyanea  capillata)  verdaut  und  reforbirt.    Hier- 


19]  Phyüologie  der  Verdauung.  55 

bei  dürften  die  von  MetfcJiniJioff  und  Bai/  Lcml-eßcr'^^)  über  alle 
Gebühr  m  den  ^^ordergrund  gefchobenen  mobilen  Zellen  mit  in 
Frage  kommen,  auf  deren  Nachweis  diefe  Forfcher  den  Cölenteratcn 
eine  intracellulare  Verdauung  Adndicii-ten,  aber  ohne  zu  bedenken, 
daß  unter  natürHchen  Verhältniffen  fich  etwas  derartiges  bei  den 
Zoophyten  kaum  ereignen  ^vird,  weil  die  Eiweißnahrung  bereits 
an  der  Peripherie  des  Thierleibes  der  Verdauung  und  Reforption 
unterhegt.  Wie  gefagt,  ift  es  aber  fehr  wohl  möglich,  daß  amö- 
boide Zellen  bei  der  Verdauung  der  Medufen  eine  Rolle  mitfpielen, 
indem  ilinen  eine  gewiffe  Verdauungsfähigkeit,  welche  gleichfalls 
den  Oßeoklaften  und  anderen  Zellenneubildungen  bei  Säugern  zu- 
geftanden  whd,  nicht  vollltändig  zu  mangeln  fcheint.  Daß  die 
für  Cölenteratcn  gang  und  gebe  gewordenen  Bezeichnungen  wie 
Magen,  Gaftrovascularapparat,  Stomogaftrium  u.  dgl.  m.  phyfio- 
logifch  nicht  weniger  verwerflich  und  als  Ehrenboys  Bezeich- 
nungen (Magen,  Darm,  Mund  und  After)  bei  den  Infuforien,  bedarf 
fomit  keiner  weitern  Erläuterung;  fchon  das  völhge  AbgefchloITen- 
fein  des  cölenterifchen  Raumes  von  der  Außenwelt  bei  Individuen 
von  Bougainvillea  paradoxa  oder  die  zwifchen  beiden  nur 
durch  enge  Canäle  beftehende  Communication  (A\ie  z.  B.  bei  Rhi- 
zostomum  Cuvieri,  wo  nach  Hamann^'^)  die  cellulare  Verdauung 
in  den  Trichterkraufen  ftattfindet)  deuten  an,  wie  unrichtig  die  an 
diefe  Namen  ficli  knüpfenden  Vorftellungen  lind. 

Daß  Zellen  von  feftweicher  Befchaffcnheit  ein  ähnhches  Ver- 
dauungsvermögen ])efitzen  wie  die  enzymatifchen  Secrete,  wird  den 
niclit  wenig  überrafchen,  der  fich  feine  Anfchauungcn  nach  den 
Eigenfchaften  der  wäffrigen  Verdauungsfäfte  von  Säugethieren, 
Würmern,  Artlii-oi)oden,  Echinodermen  oder  Mollusken  bildete. 
Aber  wie  überall  im  Thierreiche  Secrete  von  Zellen  umi  lebenden 
Gebilden  wegen  der  mannigfaclien  und  ganz  allmäligen  Uel)er- 
gäiige,  welche  iiier  beftejien,  nic])t  Itreng  zu  unterfcheiden  find, 
fo  Ijietet  un.s  nach   Ch.  liirliri*'^)  der  an  zelligen  Elementen  reiche 


56  Grundzüge  einer  vergleichenden  [20 

Magenfaft  oder,  treffender  ausgedrückt,  Magenfchleim  der  Fifche 
auch  ein  Beifpiel  dafür,  daß  zähe  fchleimige  Materien  fehr  wohl 
im  Stande  ßnd,  die  Verdauung  der  Eiweißftoffe  ebenfo  vollkommen 
auszuführen  als  der  weit  flüHigere  Magenfaft  der  meiflen  übrigen 
Thiere. 

Am  räthfelhafteften  blieb, '  welchen  Weg  die  reforbirte  Nahrung 
im  Körper  der  Zoophyten  einfchlägt.  Aus  neueren  Fütterungsver- 
fuchen  mit  gefärbter  Kofl  dürfte  jetzt  zu  fchheßen  fein,  daß  bei  Acti- 
nien  das  verdaute  Material  vorwiegend  von  den  Mefenterialfilamenten 
aufgenommen  wird,  bei  Medufen  dagegen  in's  Canalfyltem  über- 
geht und  von  dort  aus  reforbirt  T\Trd;  doch  fcheinen  bei  diefen 
die  Verhältnilfe  der  Species  entfprechend  verfchiedene  zu  fein, 
fodaß  im  allgemeinen  kaum  einer  oberflächhch  gelegenen  Partie 
ein,  wie  fich  vermuthen  läßt,  fehr  ausgefprochenes  Reforptions- 
vermögen  fehlt. 
Ernährung         In  fehr  ähnlicher  Weife   wie  bei  den  Cölenteraten  wird   ßch 

der  Turbel- 

larienunddie   Vcrdauung   bei   Turbellarien'^*)   und   Tunicaten*^)   vollziehen; 

Tunicaten. 

doch  gefeilt  fich  wahrfcheinlich  bei  einigen  Arten  diefer  Claflen 
dem  cellularen  Verdauungsmodus  bereits  der  fecretive  hinzu,  und 
bei  einigen  Tunicatenfpecies  dient  letzterer  wohl  ausfchheßlich 
dazu,  die  aufgenommene  Nahrung  im  Darmcanal  reforptionsfähig 
werden  zu  laffen.  Vor  allem  verdienen  die  Salpen  in  diefer  Hin- 
licht eingehender  berücklichtigt  zu  werden;  fchon  an  lieh  ift  es 
fchwer  verftändlich,  wie  bei  diefen  Formen  die  Nahrung  in  den 
meift  engen  und  langen  Darmtractus  hineingelangt,  und  wie  das 
Unverdaubare  fchließhch  wieder  herauskommt. 
Erftes  Auf-        Wir  find,  indem  wir  bei  den  Lebewefen  von  einfachfter  oder 

treten  der 

fecretiven  ohne  jede  Organifation  begannen  und  in  der  Thierreihe  aUmähe: 

Verdauung.  ü  &  fe  & 

aufwärts  fliegen,  jetzt  bei  dem  Puncto  angelangt,  wo  die  enzyma- 
tifch-fecretive  Verdauung,  die  Verdauung  par  exceUence,  fich  der 
protoplasmatifchen  refp.  cellularen  hinzuaddirt.  Letztere,  eine  All- 
gemeinerfcheinung  des  Lebens,  bietet  den  Protiften  wie  Zoophyten 


31]  Phyfiologie  der  Verdauung.  57 

das  einzige  Mittel,  fich  der  eiweiß-,  fett-  und  kohlehydrathaltigen 
feiten  Koft  zu  bemächtigen;  bei  den  Tunicaten  beforgen  daneben 
auch  enz}Tnatifche  Secrete  die  Nahrungsaufnahme,  und  bei  den 
Claffen,  deren  Befprechung  folgen  vrird,  bei  den  Echinodermen, 
Anneliden,  Arthropoden,  Mollusken  und  Wirbelthieren  tritt  (voraus- 
gefetzt, daß  es  fich  um  keine  parafitäre  Formen  handelt)  nur  noch 
die  enzjTnatifche  Verdauungsweife  äußerUch  in  die  Erfcheinung. 
Ich  brauche  aber  kaum  zu  wiederholen,  daß  die  cellulare  Ver- 
dauung auch  bei  diefen  Thieren  neben  der  fecretiven  fortbeftehen 
bleibt,  in  einzelnen  Fällen  fich  auch  hier  fehr  auffälhg  manifeftirt, 
und  daß  diefelbe  von  uns  im  Folgenden  eben  nur  deshalb  nicht 
weiter  berückfichtigt  ^\ird,  weil  ihre  Befprechung  der  allgemeinen 
und  nicht  der  vergleichenden  Phyfiologie  angehört. 

Alle  Enzyme  und  fpeciell  die  eiweißverdauenden,    welche  bei  Allgemei- 
nes über 

Thieren  bekannt  geworden  find,  ftimmen  unter  einander  darin  über-<iie fecietive 

.  Verdauung. 

ein,  daß  das  Maximum  ihrer  Wirkfamkeit  bei  verfchiedenen  Tem- 
peraturgraden nahezu  bei  40''  C.  liegt.  In  der  Literatur  ifi;  zwar 
wiederliolt  über  fchlechte  Beobachtungen,  welche  zum  größten  Theil 
auf  den  Magenfaft  von  Knochenfifchen  Bezug  haben  ^^),  berichtet, 
bei  welchen  man  zu  einem  entgegengefetzten  Refultate  gelangt  fein 
wollte;  man  l)raucht  aber  noch  kein  vorzüglicher  Experimentator 
zu  fein,  um  fich  von  den  Fehlern,  welche  bei  diefen  Verfuchen 
begangen  find,  zu  überzeugen;  jeder  muß  fogleich  erkennen,  daß 
jene  Beobachter  quantitative  Verfchiedenheiten  für  qualitative  an- 
gefehen  und  für  folche  ausgegeben  haben.  Der  an  fich  fehr  be- 
deutende Nachtheil,  in  welchem  fich  demnach  die  poikilothcrmen 
Tliiere  den  homoiothermen  gegenüber  befinden  müllen,  wird  bei 
Wirl)ellofen  dadurch  etwas  gemindert,  daß  alle  fecretiv  verdauenden 
Foniicn  ülx'r  eine  vcrhältnißmäßig  fehr  große  Menge  von  Ver- 
dauungsfaft  verfügen ;  noch  in  diefer  Hinficht  günfliger  fcheint  mir 
aber  für  die  Evcrtebraten  der  folgende;  Umfiand  zu  fein.  Bei  wohl 
allen   Wirlx'llofen,  welche  ihre  Nalinnig  ausfchließlich  durch  enzy- 


58  Grundzüge  einer  vergleichenden  [2^ 

matifche  Secrete  verdauen,  find  die  Freßwerkzeuge  gut  entwickelt; 
diefe  erreichen,  fo  verfchieden  organißrt  ße  bei  ^''ertretern  der  ein- 
zelnen Abtheilungen  (z.  B.  bei  Echinodermen,  Arthropoden  und 
Ctenobranchien  [RhipidogloITen,  PtenogloITen,  RhachigloITen,  Toxo- 
glolTen  und  Taeniogloffen] )  auch  und,  in  vielen  Fällen  einen  er- 
ftaunlich  hohen  Grad  der  Ausbildung,  fo  daß  die  Wirbellofen  in 
der  dadurch  ermöglichten  äußerft  feinen  Zertheilung  der  Speifen, 
welche  den  A^erdauungsact  fehr  befchleunigen  muß,  den  meilten 
Wirbelthieren  bevorzugt  erfcheinen  muffen. 

Bei  allen  Thieren  mit  einer  fecretiven  Verdauung  begegnen 
wir  auch  ein  und  demfelben  Principe  der  Secretbefchaffung.  Stets 
ßnd  es  difCeminirte  Drüfenzellen  oder  dem  Darme  entlang  flächen- 
artig ausgebreitete  oder  endlich  conglomerirte  Drüfenlager,  welche 
durch  ihren  Zerfall  oder  durch  Transfudation  den  enzymatifchen 
Verdauungsfaft  liefern.  Bald  beforgt  eine  einzige,  grob  anatomifch 
nicht  zu  fondernde  DrüfenmalTe  die  Production  fämmtlicher  zur 
Verdauung  erforderlichen  Enzyme,  bald  entflehen  diaftatifch  wir- 
kende und  die  Eiweißjftoffe  peptonißrende  Enzyme  in  verfchiedenen 
Organen,  bald  liefern  verfchiedene  Drüfenkörper  verfchiedenartige 
eiweißverdauende  Enzyme,  —  kurz  alle  Möghchkeiten  diefer  Art 
finden  fich  in  der  Thierreihe  verwirklicht.  Es  ift  hier  nicht  der 
Ort,  diefe  Differenzen  näher  zu  beleuchten;  nur  Weniges  mll  ich 
aus  der  großen  Fülle  diesbezüglicher  Thatfachen  kurz  erwähnen. 
Soviel  wir  gegenwärtig  wiflen,  exiftiren  bei  Mollusken  zwar  befon- 
dere  fäurebildende  Drüfen,  alle  Enzyme  (eni  diaffcatifches,  ein  pep- 
tifches,  ein  tryptifches  und  vielleicht  auch  ein  die  Fette  emulgiren- 
des)  werden  aber  von  einem  einzigen  Drüfenorgane ,  der  fog. 
Leber,  geliefert,  welche  deshalb  nicht  nur  der  Leber  und  dem 
Pankreas  der  Säuger,  nicht  dem  Hepatopankreas  der  Lopho- 
branchier,  der  Cypriniden  und  vieler  anderen  Knochenfifche 
vergleichbar  ift,  fondern,  wenn  A'^ergleiche  hier  überhaupt  fchon 
zuläflig    ßnd,    functionell    als    ein    Complex    von    Speicheldrüfen, 


23]  Phyfiologie  der  Verdauung.  59 

Magendrüfen.  Leber  und  Pankreas  aufgefaßt  werden  müßte.  Des- 
halb ift  auch  die  in  jünglter  Zeit  gebräuchheh  gewordene  Bezeich- 
nung der  ]\Ionuskenleber  als  Hepatopankreas  für  diefes  Organ 
ebenfo  unzui-eichend  als  die  uns  von  Alters  her  überkommene  der 
Leber,  welche  ich  vorläufig  in  Ermanglung  einer  belTern  noch  bei- 
behalten muß.  Bei  Afteriden,  Würmern  und  Krebfen  treffen  wir 
ähnliche  VerhältnilTe  als  bei  den  Mollusken,  nur  find  bei  jenen 
Clalfen  rein  acidogene  A'erdauungsdrüfen  noch  nicht  aufgefunden. 
Bei  Lifecten  find  zuerffc  wahre  (d.  h.  ein  diaftatifches  Enzym  bildende) 
Speicheldrüfen  mit  Sicherheit  wahrzunehmen,  während  auch  hier 
die  Leber  von  ihrem  productiven  Können  noch  nichts  einbüßt. 

Diefes  find  in  groben  UmrilTen  die  Refultate,  welche  fich  an 
die  neueften  L^nterfuchungen  über  die  Verdauung  der  Evertebraten 
knüpfen,  welche  für  die  einzelnen  ClalTen  aber  nur  unter  der  Berück- 
lichtigung  zutreffen,  daß  auch  fpecififche  Eigenthümlichkeiten  auf- 
treten können.  Wie  ich  Ijereits  angedeutet  habe,  entfendet  die 
Leber  bei  den  meiftcn  Wirlx'llofen  allerdings  zwei  eiweißverdauende 
(ein  peptifches  und  ein  tryptifches)  Enzyme  in  ihrem  Secrete;  bei 
einigen  Species  verfchiedener  ClafTen  fehlt  aber  das  eine  oder  das 
andere  von  diefen,  und  diefelben  fpecififchen,  ja  indixäduellen 
Befonderheiten  geben  fich  auch  an  der  Leber  im  Vorhandenfein 
oder  dem  Ausfall  der  Säurebildung  zu  erkennen.  Schließlich 
möchte  ich  nicht  unerwähnt  lalTen,  daß  weder  alle  peptifchen  noch 
alle  tryptifchen  Enzyme,  welche  wir  bei  verfchiedenen  Thierarten 
antreffen,  in  ihren  Eigen fchaften  genau  übereinflimmen,  daß  felbft 
bei  nahe  verwandten  Formen  (wie  befonders  bei  Mollusken)  pep- 
tifch  qualitativ  verfchieden  wirkende  Leberfecrete  vorkommen,  aber 
Sicheres  war  bislang  hicrübci'  nicht  zu  ermitteln;  wiibrcnd  uns  in 
der  Zerflörbarkeit  des  Pepfins  durch  Alkalien  und  der  des  Tiypfins 
durch  Säuren  ein  ausgezeiclmetes  Mittel  geboten  wird,  (ilieder 
Ixider  Rcilien  eiweißverdauender  Enzyme  neben  einander  zu  er- 
kennen,   mxl  (außer  durch   das  Vergleiclisverfahren)  fo  allein  die 


60  Grundzüge  einer  vergleichenden  [24 

Thatfache  aufgedeckt  werden  konnte,  daß  die  meiften  Evertebraten- 
lebern  fowolil  ein  peptifches  als  auch  ein  tryptifches  Enzym  zu 
bilden  vermögen,  —  fo  fehlt  uns  doch  zur  Zeit  noch  jedes  fcharfe 
Kriterium  für  eine  Unterfcheidung  verfchiedener  peptifch  wirkender 
Enzyme*'^). 
Einzeihei-  Gehen  wir  nun  auf  einige  befonders  interelTante  Specialfälle 

ten  über  die 

fecretive  einer  rein  fecretiven  Verdauung   und  im  Anfchluß   daran  auf  die 

Verdauung 

tei  vertre- j]p]2ährungs weife  der  höher  flehenden  Wirbellofen  etwas  näher  ein, 

tern  ver- 

rchiedener  fo  hätten  wir  zucrft  der  infektenfreffenden  Pflanzen  zu  gedenken. 

ClalTen.  ^ 

Aus  der  über  diefen  Gegenfland  zu  dicken  Bänden  pilzartig  ange- 

infectivore^vachfenen  Literatur  erfährt  man  aber  nur  fehr  Weniges,  was  wirk- 
pflanzen. ® 

lieh  von  wiffenfchaftflchem  Werthe  ifl ;  man  findet  darin  die  That- 
fache weitläufig  behandelt,  daß  peptifch  wirkende  Säfte  auch  von 
dicotylen  Pflanzen  felbfländig  gebildet  werden ,  erhält  aber  nicht 
einmal  darüber  Klarheit,  ob  fie  diefen  während  ihres  Lebens  über- 
haupt etwas  nützen.  Vergleichend  phyfiologifch  von  großer  Be- 
deutung ifl  das  Ergebniß  der  Verfuche  von  Hoppe-Seyler^^\  daß 
bei  Drosera  das  Enzym  leicht  im  Secrete,  aber  nicht  in  den 
fecernirenden  Blattflächen  nachzuweifen  ifl;  bei  diefer  Pflanze  zeigt 
fomit  die  Enzymbildung  diefelbe  normwidrige  Abweichung  als  im 
Darme  der  Holothuria,  auf  welche  wir  zurückkommen  werden. 
Verdauung  Wir  verlaffcn  noch  nicht,    indem  wir  jetzt  zu  den  Infecten 

bei  Arthro-..,  ,  .  •  n  i  rt  T-r-ifi  -\     • 

poden,  rpe- übergehen,  an  deren  enzymatifchen  Secreten  die  Forfchung  bei 
Infecten.  Wirbcllofcn  ciufl  begonnen  hat,  ein  ganz  modernes  Gebiet  der 
Forfchung;  ^\ir  haben  immer  noch  über  Refultate  zu  berichten, 
die  insgefammt  erfl  die  Früchte  der  allerletzten  Jahre  find.  Wenn 
Senehier^^)  von  Spallanzani,  deflen  in  mehrfacher  Hinficht  bahn- 
brechende Verfuche  über  die  Verdauungsvorgänge  fich  auf  Am- 
phibien, Reptilien,  Vögel  und  Säuger  befchränken,  fagt :  « il  a  par- 
couru  tout  le  regne  animal  pour  nous  montrer  l'uniformite  de  la 
nature  dans  ses  procedes,  et  la  maniere  dont  eile  plie  les  formules 
ä  tout  les  cas»,  —  fo  ifl  das  ein  übertriebenes  Lob;  denn  entgegen 


25]  Phyfiologie  der  Verdauung.  Gl 

der  Angabe  von  Senehier  A^oirden  nicht  einmal  die  Infecten 
von  Spalla)i^a)i(  in's  Bereich  der  Unterfuchung  gezogen.  Abgefehen 
von  vereinzelten  Notizen  älteren  Datums  und  der  unter  Briicl-es 
Leitung  entftandenen  Arbeit  von  S.  Bafcli,  von  der  ßch,  fo  oft  die- 
felbe  auch  von  Dilettanten  als  meifterhafte  Leiftung  gepriefen  wurde, 
nm'  Tagen  läßt,  daß  lie  (ausgenommen  den  Nachweis  einer  diafta- 
tifchen  Wirkung  des  Speicheldrüfenfecretes )  ül^er  die  chemifchen 
Verdauungsvorgänge  von  Periplaneta  orientalis  nur  Unrichtiges 
enthält,  —  ift  hier  an  erfter  Stelle  der  umfangreichen  Arbeiten 
von  Fäix  Plateau  zu  gedenken,  dem  unzweifelhaft  allein  das  Ver- 
dienfl  gebührt,  die  Phyüologie  der  Verdauungs Vorgänge  bei  Arthro- 
poden erfolgreich  angeregt  und  nach  beftem  Können  ftets  gefördert 
zu  haben.  Eine  Befprechung  von  PJatcau's  detaillirten  Auseinander- 
fetzungen  darf  aber  deshalb  unterbleiben,  weil  die  VerhältnifTe  bei 
Arthropoden,  auf  welche  lieh  feine  Unterfuchungen  befchränken, 
diejenigen  find,  welche  Avir,  da  fie  eine  Allgemeingültigkeit  für  die 
höheren  Wirbellofen  befitzen,  fchon  im  voraus  befprochen  haben. 
Ich  halje  einmal  beiläufig  die  Anficht  geäußert  ^^),  daß  da, 
wo  die  Leber  ein  peptifcli  wie  tryptifch  M-irkendes  Secret  liefert, 
die  Säuerung  refp.  Alkalescenz  der  Secrete  nicht  in  der  Art  gere- 
gelt werde,  um  der  aufgenommenen  Nahrung  immer  eine  beflimmte 
Reaction  zu  geben;  damit  dem  Organismus  jedoch  aus  diefer  Un- 
vollkommenheit  kein  größerer  Schaden  erwüchfe,  fo  würden  bei 
diefen  Thieren  ein  in  faurer  und  ein  in  alkalifcher  wie  neutraler 
Löfung  wirkendes  Enzym  der  Speife  gleichzeitig  beigemifcht.  Es 
find  auch  hier  vor  allem  die  Refultate  einer  neueren  Arl)eit  von 
Plateau-'^),  welche  in  vollem  Einklänge  mit  meinen  früheren  Be- 
obachtungen und  mit  analogen  Befunden  anderer  Forfclier  (z.  B. 
iJanvin'fi^^)),  die  Wahrfcheinlichkeit  (Hefer  Vermutlmng  crlicblicli 
rieigeni ;  docli  möchte  icli  hierbei  nicht  ganz  das  Moment  außer 
Augen  laden,  daß  es  fich  in  gewiffen  Fällen,  (belbnders  in  folchen, 
WC»  die  X'erliältnifi'e  bei  organifatorifcli  naheltehenden  Formen  ge- 


62  Grmidzüge  einer  vergieichenden  [26 

rade  entgegengefetzte ^^)  und)    auch  um  eine  veritabele  Luxuspro- 
duction  handeln  dürfte. 

Die  ClalTe  der  Infecten  bietet  uns  mehrere  fehr  prägnante 
Beifpiele  dafür,  daß  an  jeder  behebigen  Stehe  des  Darmrolires 
Leberdrüschen  entftehen  können,  deren  Entwickhmgsgrad  von  der 
Natur  ihrer  Enzyme,  der  Befchaffenheit  der  zu  verdauenden  Nah- 
rung und  der  Zeit,  Avälirend  welcher  das  Secret  im  Darmrohre 
feine  AVhkung  entfalten  kann,  abhängen  wird;  andere  Beifpiele 
(wie  der  außerordentlich  lange  Darm  des  fleifchfrellenden  Hydro- 
philus)  lehren,  wie  unberechtigt  die  gang  und  gebe  gewordene 
Vorftellung  ift,  daß  den  Pflanzenfrefrern  ein  langer,  den  Fleifch- 
frelTern  dagegen  ein  verhältnißmäßig  kurzer  Darm  eigen  ift,  und 
eine  andere,  befonders  bei  Infecten  deuthch  Avahrnehmbare  Erfchei- 
nung  —  aber  nicht,  wie  man  lange  glaubte,  eine  Eigenthümlich- 
keit  derfelben,  denn  fie  fehlt  auch  bei  anderen  Arthropoden,  bei 
Gaftropoden,  Anneliden  und  Afteriden  nicht  —  ift  die  theilweife 
orale  Bewegung  des  Leberfecretes :  eine  Thatfache,  welche  unge- 
wöhnliche anatomifche  Befunde  (z.  B.  bei  der  Larve  von  Core- 
thra  plumicornis  •''^)  und  bei  afterlofen  Infectenlarven^^))  leicht 
verftehen  und  der  allgemeinen  Regel  fubfummiren  läßt.  Um  diefe 
Vorwärtsbewegung  und  gleichmäßige  Vertheilung  des  Leberfecretes 
im  Verdauungsrohre  zu  ermöglichen,  finden  fich  bei  Infecten 
ebenfo  wie  bei  Gaftropoden  (Wülfte  und  Falten  im  Darmblindfacke 
bei  Helix^*^))  und  Cephalopoden  (fog.  Spiralmagen ^^))  l^isweilen  be- 
fonclere  Einrichtungen ;  als  folche  betrachte  ich  unter  anderen  den 
fog.  Proventriculus  der  Orthopteren,  welcher  mir  mit  Unrecht  dem 
echten  Kaumagen  der  Vögel  oder  dem  als  DarmprelTe  wirkenden 
Muskelbulbus  am  Vorderdarme  von  Mugil  cephalus  verghchen  zu 
fein  fcheint^^). 
Verdauung-         Aucli  die  A'^crdauungseinrichtungen  der  Mollusken  bieten  einige 

bei 

Mollusken.  Eigenthümlichkeiten,    welche   gleich  denen  der  Infecten  aber  nur 
auf  Nebenumftände  Bezug  haben. 


27]  Phyfiologie  der  \'erdaiUTng.  63 

Jederzeit  vom  liervorragenclften  Interefle  war  der  fog.  Kryltall- 
ftil  (Knorpelllil  Langer' s),  welcher  fich  bei  mehreren  Lamelh- 
branchiaten  wie  Cephalophoreii  findet,  und  über  delTen  Function 
fehl-  verfcliiedene,  z.  Th.  fehr  vage  Behauptungen  aufgeftellt  wurden. 
Es  ift  dies  in  den  meilten  Fällen  ein  durclüichtiger  Gallertltab, 
welcher  das  Lumen  enies  (bei  einigen  Arten  fehr  entwickelten) 
Darmbhndfackes  oder,  wenn  diefer  fehlt,  das  Darmrohr  felbft  an 
manchen  Stellen  faft  vollftändig  ausfüllt  und  fo  den  Chymus  zwingt, 
in  möglichft  nalie  Berührung  mit  dem  reforbirenden  Epithclbelag 
des  Darmes  zu  treten.  Der  Kryitallftil  erfcheint  hiernach  als  Theil- 
flück  eines  liöchft  merkwürdigen  Mechanismus,  an  welchen  die 
Tvphlofolis  der  Lumbriciden  und  ähnlich  gelagerte  Leiften  bei 
anderen  Würmern  nur  entfernt  erinnern.  Während  fonft  im  Thier- 
reiche  einem  gefleigerten  Reforptionsbedürfnilfe  durch  Faltenbil- 
dungen, durch  kegelförmige  Erhebungen  der  Secretionsfläche  auf 
unterliegenden  Gallertzapfen  (bei  Luvarus  imperialis),  durch 
blindfackförmige  Anhänge,  durch  rhythmifche  Contractionen  der 
Darmmuskulatur  oder  in  vereinzelten  P'ällen  auch  wohl  durch  eine 
Zunahme  der  Darmlänge  entfprochen  wird,  gelangt  der  Organisnms 
vieler  Mollusken  einfach  dadurcli  zu  demfelben  Refultate,  daß  ein 
elaftifcher  Stempel  aus  todter  Materie  das  Centrum  des  Darmrohres 
verfchließt  und  der  Nahrung  nur  einen  verzögerten  Durchtritt  an 
den  peripheren  Bezirken  geftattet.  Als  ich^")  auf  diefen  augen- 
fcheinlichen  Nutzen,  den  der  Kryftallftil  —  welclier,  wie  die  ein- 
gehenden Unterfuchungen  von  J.  Hazai/'^^')  für  Süßwan'ermufcheln 
außer  allen  Zweifel  geftellt  haben,  zwar  niclit  inuner,  doch  wälu-end 
<ler  längfleii  Zeit  im  Jahre  das  Darmrohr  tlieilweife  verftopft  — 
notliwendig  für  das  ReforiHionsgefchäft  haben  muß,  vor  zwei  Jalii-en 
ziierft  aufmerkfam  maclite,  da  w;ii'  icli  mir  wohl  bewußt,  daß  (l.iiiiit 
die  Functiou  des  Kryftallftils  niclit  ( iTeli()plen<l  ausgediiiekt  fein 
würde.  Di«;  ganze  Bedeutung  diefes  fonderbareu  (Jebiides  i(t  eilt 
«lurcli  Jldzdii   bekannt   geworden.      Dielei-    •'"'oiTelier    liuid,    daß   der 


64  Grundzüge  einer  vergleichenden  [28 

gallertige  Inhalt  der  Darmerweiterungen  bei  SüßwalTeracephalen  vom 
Frühjahr  bis  zum  Herbfle  zunimmt,  und  daß  Hand  in  Hand  mit 
delTen  Anfammlung  fich  der  Kryftallftil  entwickelt.  Bei  Mufcheln, 
welche  zu  Ende  October,  und  zu  Anfang  November  unterfucht 
wurden,  war  der  fog.  Magen  leer,  d.  h.  er  enthielt  keine  Gallerte, 
dafür  aber  den  ausgebildeten  Kryftallftil.  Diefer  nahm  im  December, 
Januar  und  Februar  allmälig  ab  und  war  zu  Ende  März  gänzlich 
verfchwunden.  Hasay  fchließt  aus  diefen  und  einigen  anderen 
Beobachtungen,  daß  der  EjLyftallflil  verhärtete  Gallerte  (ein  Theil 
des  Leberfecretes?)  ift  und  den  für  den  Winterfchlaf  erforderlichen 
Vorrath  an  Eiweiß  repräfentirt.  Hasmj  fcheint  feine  Befunde  voll- 
kommen richtig  interpretirt  zu  haben;  aber  in  Hinbhck  darauf, 
daß  diefe  Erfcheinung,  wo  der  Darm  die  Referveftoffe  zu  beher- 
bergen hat,  nh^gends  bei  Thieren  ein  Analogon  findet,  habe  ich 
auf  meine  frühere  Erklärungsweife  nochmals  hingewiefen,  denn 
auch  der  von  mir  geltend  gemachte  Factor  fcheint  für  die  Func- 
tionskenntniß  des  Kryftallftils  belangreich  zu  fein. 

Bei  einer  großen  Abtheilung  unter  den  Nacktfchnecken  (den 
Aeolidiern)  und  auch  bei  anderen  Species  (z.  B.  bei  Tethys 
fimbria  s.  leporina)  trägt  das  Darmrohr  eine  oft  anfehnhche 
Zahl  feitlicher  Tafchen,  welche  ßch  in  die  papillenartigen  Fortfätze, 
die  den  Körper  des  Thieres  außen  garniren,  hineinerftrecken.  Man 
weiß  feit  lange,  daß  in  diefe  Tafchen  Speifebrei  gelangt,  und  ich 
zeigte''^),  daß  darin  auch  verdaut  wird.  Die  functionell  allein 
richtige  Bezeichnung  diefer  Darmanhänge  ift  deshalb  Hepatoin- 
teftinalcanäle,  und  die  ftatt  deren  dafür  gebräuchlichen  Namen, 
welche  den  canaux  gastro-hepatiques  oder  dem  appareil  gastro-vas- 
culaire  Milne-Edivards'  und  dem  appareil  gastro-bihaire  Sotdeyefs 
nachgebildet  find,  erwecken  in  Betreff  ihrer  Function  fchon  des- 
wegen eine  vollkommen  irrige  Vorftellung,  weil  ein  dem  Magen 
höherer  Thiere  vergleichbares  Organ  den  Wirbellofen  (bei  welchen, 
wie   wir   fahen,    das   Leberfecret   die  Eiweiß  Verdauung   ganz    aus- 


29]  Phyfiologie  der  V'erdauung.  65 

fchließlich  beforgt)  iusgefammt  vollftälidig  fehlt.  Diefe  Gebil(;le 
haben  vor  einigen  Decennien  ein  großes  InterelTe  erregt,  und  man 
glaubte,  daß  ihr  Vorkommen  mit  der  Abwefenheit  eines  Gefäß- 
apparates Hand  in  Hand  gehe,  was  in  befchränkterem  Maße  auch 
nehtig  fein  wii'd. 

Wenden  wir   uns  nun    zu  den  Würmern,   fo    treten  uns   den  Verdauung 

bei 

Hepatointeftinalcanälen  der  Aeohdier  morphologifch  ähnliche  Bil-  würmerD. 
düngen  entgegen,  wie  z.  B.  in  den  Leberblafen  der  Aphroditiden^^). 
Wie  ihr  Name  richtig  befagt,  dienen  diefe  Darmanhänge  nur  der 
Secretion,  der  Aufbewahrung  und  Ableitung  des  Leberfecretes  und 
fmd  als  folche  nicht  analog  den  Hepatointeftinalcanälen  der  Aeo- 
lidier,  vielleicht  aber  der  fog.  «grünen  Drüfe»  der  Siphonostomen. 
Dem  Hepatointeftinal- Apparate  äußerhch  fehr  verwandt,  erfcheinen 
auch  die  fog.  Magentafchen  von  Hirudo  officinalis,  welche  jenem 
aber  gleichfalls  nicht  analogifirt  werden  dürfen,  weil  Hirudo  keine 
fecretive  inteftinalc  Verdauung  befitzt,  fondern  die  nährenden  Be- 
ßandtheile  des  von  ihm  gefogenen  Blutes  vom  Darme  aus  einfach 
reforbirt  werden*^^).  Diefe  Reforption  erfolgt  bei  Hirudo  aus- 
nehmend langfam.  G.  F.  Stodter^^),  unfer  befter  Kenner  der 
Leben.sweife  von  Hirudo,  hat  unter  einer  Menge  von  Egeln,  die 
mit  rothem  warmen  Blute  genährt  waren,  felbft  nach  Verlauf  des 
zweiten  Jahres,  während  welcher  Zeit  ßc  keine  Nahrung  erhielten, 
immer  einzelne  Exemplare  gefunden,  die  einen  Theil  unverdautes 
Blut  bei  fich  führten  und  nocli  fo  kräftig  waren,  um  neuer  Nahrung 
noch  nicht  zu  bedürfen. 

Die  im  Magen  der  Selachier  (und  in  dorn  kräftig  wirkenden 
Magenfafte  diefer  Fifche  tagelang  am  Leben  zu  erhaltenden)  Tre- 
niatodenarten  regen  wie  andere  Eingeweidewürmer,  welche  gleich 
jenen  P'ormen  den  energifchft  wirkenden  Darmfecreten  ftändig 
exponirt  find,  die  Frage  an,  warum  diefe  Wefen  gleich  der  leben- 
den Magen-  und  Darmfchleimhaut  den  Verdauungsfäften  zu 
widerftehen    vermögen:   eine  Frage,    die   oft   berührt   und   zu   er- 


66  Grundzüge  einer  vergleichenden  [30 

klären  verflicht  wurde,  aber  kaum  fchon  endgültig  entfchieden  fein 
dürfte. 
Verdauung         Dem  Leberdamie,  wie  er  ficli  bei  den  meiflen  Anneliden  findet, 

"bei 

Afteriden.  ähneln  die  langen  Leberfchläuche  (die  fog.  Radialanhänge  des 
Darmes)  der  Afteriden.  Auch  diefe  dienen  wie  die  Leberblafen  der 
Aphroditiden  nur  zur  Bildung  und  Aufbewahrung  des  Leberfecretes 
und  find,  da  in  ihnen  nicht  verdaut  mrd,  den  Hepatointeftinal- 
canälen  der  Aeohdier  ebenfowenig  -wie  jene  vergleichbar '^°). 
^^^"E^hinf         Unfere   allgemeine   Darfteilung   der   Verdauungs Vorgänge   bei 

deu  u.  Ho-  (^Q-^^  Wirbellofen  würde  unvollftändig  bleiben,  wenn  wh  nicht  noch 

lothurien.  o  ' 

des  gegenwärtigen  Standes  unferer  KenntnilTe  von  der  Verdauung 
bei  den  Holothurien  kurz  gedenken  würden.  In  dem,  aller  makro- 
fkopifchen  Secretionsorgane  haaren  Darme  der  Holothurien  trifft 
man  wie  bei  allen  höheren  Wirbellofen  einen  mehr  oder  weniger 
ftark  gefärbten  Verdauungsfaft,  der  fich  gleich  dem  der  Arthro- 
poden, Mollusken  und  Würmer  verhält,  indem  er  in  der  Regel 
fowohl  ein  diaffcatifches  wie  ein  peptifches  und  trj^tifches  Enzym, 
jedes  oft  in  fehr  mrkfamer  Menge  führt.  Woher  diefe  Enzyme 
ftammen,  in  welchen  Organen  des  Holothurienkörpers  diefelben 
gebildet  werden,  wifTen  wir  nicht;  bekannt  wurde  nur,  daß  auch 
extrainteftinale  Gewebe  gewilTer  Holothurienarten  Enzyme  enthalten, 
und  hieraus  würde  der  Schluß  zu  ziehen  fein,  daß  der  inteftinale 
Verdauungsfaft  nicht  von  den  Geweben  des  Darmrohres,  fondern 
von  diefem  entfernter  gelegenen  gebüdet  wKd  und  erft  auf  Um- 
wegen in  den  Darm  gelangt.  Die  Verhältnifle  bei  den  Afteriden 
und  Echiniden,  wo  der  Darm  refp.  deffen  Annexe  felbft  enzym- 
bildend find,  laßfen  uns  jedoch  vermuthen,  daß  im  Darme  der 
Holothurien  Secretionsorgane  nur  deshalb  experimentell  nicht  ficher 
nachzuweisen  find,  weil  in  diefen  die  Enzymbildung  langfam, 
die  Ausfcheidung  des  Secretes  aber  verhältnißmäßig  rafch  von 
Stattengeht. 


i 


311  Phyßologie  der  Venlauung.  67 

Wer   die   irebräuclilichen    zooloffifchen  Lehrl)üelR'r    in  Betrcff'^'c''<iauuug 

*-  ^  bei  den 

der  ^"erdauungsdrüfen  bei  den  Fifchen  confnltirt,  wird  ausnahmslos  ^ifchen. 
angegeben  finden,  daß  den  Fifchen  wie  den  fleifchfrefrenden  Ceta- 
ceen  die  Speicheldrüfen  vollftändig  felileu;  ja  Wele  Forfcher  liaben 
fich  durch  diefe  negativen  anatoniifchen  Befunde  fogar  verleiten 
lafTen,  die  Anwefenlieit  des  Speichels  bei  den  Fifchen  als  felbft- 
verltändlich  zu  negiren  und  aus  diefer  vermeintlichen  Abwefenheit 
SchlüfTe  auf  die  Speichelfunction  bei  den  Säugern  zu  ziehen.  Ich 
laffe  es  dahin  gelt  eilt,  ob  l3ei  einigen  Fifchen  nicht  auch  grob- 
anatomifch  ifoHrbare  Speicheldrüfen,  wie  z.  B.  3IcclrJ  und  BafMc 
wollten,  vorhanden  find  und  berichtige  hier  nur  die  Annahme, 
daß  den  Fifchen  diaftatifch  \Airkender  Speichel  fehlt. 

Schon  Spallanzam^^)  fclnieb:  «Au  commencement  de  l'oeso- 
phage  des  Carpes,  immediatement  sous  les  dents,  leui-  palais  est 
couvert  d'une  licjueur  blanche,  abondante,  ^^.squeuse,  insipide,  qui 
se  reproduit  au  moment  qu'eUe  a  ete  essuyee  avec  un  petit  linge. 
L'on  y  decouvre  plusieurs  papilles  blanches  et  aigues,  dont  la  base 
est  large,  qui  laisscnt  echapper  une  liqueur  quand  dies  sont  com- 
primees;  dans  les  autres  places  voisines  qui  sont  sans  papilles,  on 
en  fait  aussi  sortir  mie  liqueur  par  une  legere  compression;  mais 
cette  liqueur  nie  parait  differente  de  la  premiere,  eile  est  plus  trans- 
parente, plus  fluide,  et  presquc  i:)oint  \dsc{ueuse.»  Jetzt  haben  die 
experimentellen  Untcrfuchungcn  auch  auf's  Beftimmteltc  dargethan, 
daß  die  Mundfchleimliaut  des  Karpfen  und  des  Lopliius  pisca- 
torius  von  einer,  gekoclitc  Stärke  rafch  faccharificirendcn  Flüflig- 
keit  befeuchtet  wird,  und  fpätere  Unterfuchungcn  werden  nur 
darülx'i-  Liclit  zu  verbreiten  haben,  welclie  Inftologifche  Befchaffen- 
heit  die  Drüfenzencn  l)c[itzcii,  denen  das  diaflatifcli  wirkende  En- 
'/vm  entflammt. 

Audi    über  das  J^ankreas   der  Fifclie   cuiliren    nur   iiiige  An- 

fdiauungen.     Hin    Pankreas,    fo   lautet   meid   (He   gang    und   gdu; 

wordene  Anlicht,    findet   lieh    nui-  bei  einigen    Mfehen,   und    die 


68  Grundzüge  einer  vergleichenden  [32  if 

i 
i 

fog.  Appendices  pyloricae  können  als  folches  nicht  functioniren, 
weil  bei  einigen  Arten  (z.  B.  bei  Perca  fluviatilis)  neben  den 
Pylorialanhängen  auch  ein  gefondertes  Pankreas  vorkommt.  Ich 
will  auf  den  logifchen  Fehler,  welcher  letzterer  Schlußfolgerung  zu 
Grunde  hegt,  nur  ganz  kurz  aufmerkfam  machen;  diefer  befteht 
nämhch  darin,  daß  man  die  Möglichkeit  nicht  erwogen  hat,  daß 
auch  zwei  morphologifch  verfchiedenartige  Organe  in  principi  ein 
und  dielelbe  Leiltung  entfalten  können.  Die  Neuzeit  hat  lieh  aber 
nicht  damit  begnügt,  nur  diefe  Möghchkeit  aufzultellen,  fondern 
zugleich  gezeigt,  daß  es  ßch  bei  den  Fifchen  thatfächHch  fo  und 
nicht  anders  verhält;  bald  hefert  hier  nur  der  Magen,  bald  nur 
oder  vorzugsweife  nur  das  Pankreas  refp.  ein  Hepatopankreas,  bald 
gemeinfam  mit  jenen  auch  der  Mitteldarm  (delTen  Schleimhaut 
alsdann,  um  möglichffc  ausgiebig  fecretorifch  thätig  fein  zu  können, 
oft  Falten  und  Wülfte  bildet  oder  fich  zu  den  Appendices  pylo- 
ricae ausfackt)  die  eiweiß verdauenden  Secrete. 

Die  Verhältnille  bei  den  Fifchen  beanfpruchen  gerade  deshalb 
eine  befondere  Berücklichtigung,  w^eil  uns  darin  die  letzten  An- 
klänge des  für  die  höheren  Wirbellofen  charakteriltifchen  Ver- 
dauungsmodus entgegentreten.  Vor  allem  gilt  diefes  von  der 
fowohl  ein  peptifch  und  tryptifch  wie  auch  ein  diaffcatifch  wirken- 
des Secret  produchenden  Mitteldarmfchleimhaut  einiger  Fifche  und 
außerdem  von  dem  Hepatopankreas,  welches  bei  zahlreichen  Species 
nachgewiefen  wurde.  Bereits  1827  kam  Ernü  Heinrich  Weher  zu 
dem  Ergebiüife,  «daß  die  Leber  bei  den  Cyprinus- Arten  zugleich 
die  Function  des  Pankreas  habe,  weil  lie  nämhch  mit  doppelten 
Ausführungsgängen,  von  denen  die  einen  Galle,  die  anderen  einen 
davon  verfchiedenen  Saft  führen,  verfehen  ift,  weil  lie  auch  ihrer 
Farbe,  Form,  Anheftung  an  dem  Darmcanale  und  ihrer  Eintheilung 
in  kleinere  Läppchen  nach,  mehr  Aehnlichkeit  mit  einem  Pankreas 
als  mit  einer  Leber  hat,  und  weil  endlich  ihr  Gefchmack  nicht 
mit  dem  der  Leber  bei  anderen  Fifchen  übereinilimmt. »      Webers, 


33]  Phyßologie  der  Verdauung.  69 

Beobachtungen  erregten  die  Aufmerkfamkeit  von  Claude  Bernard, 
der  ßch  in  feinem  Memoii-e  sur  le  pancreas  (p.  543)  über  Weber's 
Anficht  folgendermaßen  äußerte:  Ich  kann  die  Auffaflung  nicht 
zulaffen,  welche  vorausfetzt,  daß  ein  und  dalfelbe  organifche  Ge- 
webe fehr  verfchiedene  Functionen  erfüllen  kann;  aber  es  könnte 
indefTen  ganz  gut  möglich  fein,  daß  die  beiden  Gewebe  (des  Pan- 
kreas und  der  Leber),  obwohl  anatomifch  wie  phyfiologifch  von 
emander  wefentlich  verfchieden,  eine  einheitliche  Mafle  bilden. 
Lcfjouis'  umfaflende  anatomifche  Unterfuchungen  lieferten  neue 
Anhaltspuncte  für  die  BcDiard'Mie  Deutung  der  Weher  ^chen  Be- 
funde; aber  daß  die  A^ermuthung  E.  H.  Trc/jcr's  in  der  von  Cl. 
Bernard  inteipretirten  AVeife  nicht  nur  für  Cyprinus,  fondern  zu- 
gleich für  eine  große  Anzahl  von  Ai'ten,  welche  den  verfchiedenften 
Famihen  unter  den  Fifchen  zugetheilt  werden,  vollkommen  richtig 
ift,  wurde  erft  nach  genau  50  Jahren  experimentell  bewiefen '^^). 

Alle  die  zahlreichen  Dislocationen  der  A^erdauungsdrüfen,  wo- 
für die  Fifche  fo  inftructive  Beifpiele  bieten,  werden  aber  an  Selt- 
famkeit  noch  l>ei  weitem  überboten  von  den  fog.  Beindrüfen  der 
Phronimiden,  —  vorausgefetzt,  daß  Clans'  Deutung^^)  ihrer 
Function  die  richtige  ift.  Man  würde  ßch  alsdann  das  bei  diefen 
Krebfen  beftehende  Verhältniß  dadurch  veranfchaulichen  können, 
daß  man  licli  vorftellt,  unfere  Speichel-,  Pankreas-  und  Magendrüfen 
befönden  fich  in  unferen  Armen,  ihre  Ausführungsgänge  mündeten 
an  der  Volarfläclie  unferer  Hände  nach  außen ,  fo  daß  jedem 
ergriffenen  Biffe'n  die  für  feine  Verdauung  erforderliche  Secretmenge 
gleich  bei  feiner  Kinfübrung  in  den  Mund  mitgegeljen  und  fchon 
in  diefcm  die  Speife  mit  dem  Verdauungsfafte  aufs  innigfte  ge- 
mifdit  wird. 

l'iid  aiicli  die  P\älle,  wo  dci'  N'ordei--  oder  Enddann  außer- 
g<'\vöhnliclic  I''un<-tioiien  (wie;  /.  I>.  l)ei  Cobitis  l'ossilis  die  Atli- 
niung''"),  bei  den  Coliimbidcu  die  Secretion  einer  zur  l'Jiiiiliruiig 
der    Jungen    dienenden    käfeartigen    Materie^"))    veilielit,    lind    an 

Kiuknihinj,  Vi-rKl.-iiliyliol.  Vortrüge.  0 


70  Grundzüge  einer  vergleichenden  [34 

einzelnen  Wirbellofen  noch  ^del  vortrefflicher  als  an  Wirbelthieren 
zu  exemphficiren.  Ich  erinnere  in  cliefer  Beziehung  nur  an  die 
Schwefelfäure  bildenden  Drüfen  am  Yorderdarme  von  Dolium 
und  Cassidaria^^)  an  die  verfcMedenartigen  Producte,  welche  der 
Enddarm  der  Infecten  hefert,  an  die  refpü'irende  Thätigkeit  des 
Sylhdendarmes^^),  —  und  ich  glaube  überhaupt  auf  keinen  Wider- 
fpruch  zu  ftoßen,  wenn  ich  behaupte,  daß  die  intereffanteften  Pro- 
bleme der  vergleichenden  Phyfiologie  der  A'erdauung  an  niederen 
Thieren  aufgedeckt  wurden,  und  die  biologifch  ^ichtigften  Fragen 
nm'  an  diefen  der  Löfung  entgegenzuführen  lind, 
verfuche  Müffen  wir  nun,  um  die  Fundamente,  w^elche  füi'  den  Aufbau 

über  Ver- 
dauung an  einer  vergleichenden  Phyfiologie    der  Verdaumig   gefchaffen    find, 

Thieren.  mögüchft  erfcliöpfeiid  zu  behandeln,  noch  auf  Beobachtungen  an 
höheren  Thieren  recmTiren,  fo  find  wü*  dazu  nur  deshalb  gez^Min- 
gen,  weil  diesbezügliche  Unterfuchungen  an  Whbellofen  bislang 
nicht  angefteUt  wurden,  nicht  etwa  weil  ße  an  diefen  nicht  aus- 
geführt werden  könnten. 
Ernährung         j)[q   fötale  Emähruiig   iedes  viviparen  Whbelthieres   verläuft 

u.  Enzym-  o    t^  x. 

biidung  vollkommen    analog    der   eines  exquifiten  Schmarotzers.     Nur  aus 

beim  Fötus.  ^  '■ 

dem  mütterhchen  Blute  (und  nicht  aus  dem  Fruchtwaller)  be- 
friedig-t  die  Frucht  gleichzeitig  ihr  Athmungs-  und  Nälirbedürf- 
niß.  Trotz  alledem  begmnen  die  Magendi'üfen  der  lebendig  gebä- 
renden Selachier ''^),  die  Speichel-,  Pankreas-  und  Magendrüfen  bei 
einigen  Säugethieren  ^^)  fchon  in  einer  fein*  frühen  Embryonal- 
periode zu  functionnen,  —  zu  einer  Zeit,  wo  die  gebildeten  Enzyme 
wochenlang  -^wirkungslos  bleiben  müiren.  Wh  treffen  liier  alfo  ge- 
nau diefelben  A^'erhältniffe  an,  welche  wir  bei  den  Protiften  und 
Cölenteraten  eingehender  befprochen  haben. 

A^on   den  Gelichtsi3uncten ,    welche   bei    der  Erforfchung    der 

Verdauungsvorgänge  bei  VertelDraten   maßgebend  waren,   ift  wohl 

^f^^^l^'^'f^^keinev  von  fo  hoher  Bedeutung  für  diefen  Abfchnitt   der  verglei- 

^^un-ra^.^"  chenden  Phyliologie  als  derjenige,  welcher  feit  Heidenhain's  Arbeiten 


I 


35]  Phyßologie  der  Verdauung.  71 

für  die  Hiftologie  der  A^'erdauungsdrüfen  der  allgemem  leitende 
geworden  ift.  Ich  denke  an  die  von  Heidenhain"")  und  feinen 
Schülern  an  Eiweiß-.  Schleim-  und  ]\Iagendrüfen  aufgedeckten,  von 
Kühne  und  Lea'^)  zuerft  am  lebenden  Gewebe  des  Pankreas  näher 
ermittelten  ^^eränderungen  des  liiftologifchen  ^'erhaltens  diefer 
Drüfen  wälirend  ihrer  Thätigkeit.  Und  in  gleichem  ^laße,  ^^-ie 
lebhaft  zu  wünfchen  ift.  daß  unterfucht  werde,  ob  fich  auch  bei 
Wirbellofen  eine  anhaltende  Thätigkeit  durch  mikroskopifch  nach- 
weisbare Umwandlungen  der  feceniii-enden  Zellen  verräth,  ob  auch 
in  den  Speichel-  und  LeberzeUen  der  Evertebraten  zu  gewifTen 
Zeiten  Secretionsmaterial  zum  Zwecke  des  Verbrauches  während 
der  Thätigkeit  angehäuft  ^\-ird.  —  fo  muß  es,  fage  ich,  m  gleichem 
Maße  wünfchenswerth  erfcheinen,  daß  die  befonders  von  Kühne 
mit  fo  großem  Erfolge  angebahnten  Unterfuchungen  über  die  Spal- 
tungsproducte  bei  der  Eiweißverdauung''),  über  die  Abfcheidung 
und  Reingewinnung  der  Enzyme '  *)  auch  auf  die  Secretionsproducte 
der  Wirbcllofen  Ausdehnung  finden.  Abgefehen  von  einigen  bei 
der  A'erdauung  durch  Evertebratenenzyme  aus  Fibrin  entftehenden 
gut  charakterifirten  Spaltungsproducten  ift  in  chefer  Art  bei  Wnbel- 
lofen  noch  nichts  bekannt  geworden.  Die  Leber  der  Ki'ebfe  und 
Mollusken  würde  ficli  für  hiftologifche  Unterfuchungen  in  der  be- 
zeichneten Richtung  ganz  vorzügHch  eignen ;  « ob  in  diefem  viel- 
feitigen  Organe»,  fo  fchrieb  ich^^)  vor  5  Jahren,  und  der  Stand 
der  Dinge  ift  feitdem  ziemUch  derfelbe  gebheben,    «alles  (die  ver- 

liiedenen  Enzyme,  das  Fett,  der  Zucker,  das  Glykogen,  die  fog. 

lUenfarbftoffo)  durch  Colliquation  aus  Einer  Zelle  hervorgehen 
jvunn.  ob  Transfudation  und  zur  Bechcrzcllenbildung  führende 
Quellung  der  Zellen  periodifch  abwechfeln  oder  ob  Arlxntstheilung 
unt^r  den  Leberzellen  herrfcht,  muß  zur  Zeit  als  eine  offene  Frage 
ügefehen  werden.  Der  kleine  und  gi"oße  periodifche  Wecl)fel  der 
Enzymproduction ,   (He  Verfchiedenheiten    unter  den  Leberfecreten 

6* 


72  Grundzüge  einer  vergleichenden  Phyfiologie  der  Verdauung.  [36 

bei  nahe  verwandten  Thieren  werden  ßchere  Ausgangspuncte  zur 
Löfung  diefer  Fragen  bieten». 
Schluß-  Ein  Rüclcblick  auf  das  Vorgetragene  lehrt  uns,    daß  in  der 

betracli- 

tungen.  lebenden  Welt  die  Umwandlung  der  feiten  in  flüffige  Nahrung  auf 
zweifache  Weife  gefehehen  kann:  erftens  durch  die  lebende  Sub- 
Itanz  als  folche  und  zweitens  durch  enzymatifch  w^irkende  Secrete. 
Von  diefen  beiden  Verdauungsmodi  kann  der  eine  an  Stelle  des 
anderen  treten ;  ohne  eine  directe  oder  indirecte  Verdauung  ifl  aber 
der  Fortbeltand  des  Lebens  undenkbar.  Für  die  Möglichkeit,  daß 
die  ^dtale  (protoplasmatifche  oder  cellulare)  Verdauung  die  fecre- 
tive  erfetzt,  find  uns  im  Vorhergehenden  zahbeiche  Beifpiele  be- 
kannt geworden,  für  die  thatfächhche  Exiflenz  des  umgekehrten 
Falles,  der  in  mehrfacher  Weife  (ohne  oder  durch  Vermittlungeines 
anderen  Lebewefens)  perfectionü-t  gedacht  w^erden  könnte,  ift  jedoch 
ein  Beweis  noch  nicht  geliefert.  Die  A^erdauung  ift  bei  allen  leben- 
den Wefen  höchft  wahrfcheinlich  in  potentia  quahtativ  ein  und 
diefelbe.  Aber  nicht  alle  Wefen  wußten  lieh,  wie  wir  fahen,  das 
Verdauungsvermögen  in  feiner  ganzen  Vielfeitigkeit  zu  bewaliren, 
mid  andere  verftanden  die  Vortheile  ihrer  Befähigung,  verdauende 
Enzyme  zu  bdden,  gar  nicht  oder  wenigffcens  nicht  annähernd  aus- 
zunützen. Der  Inftinct  beftimmt,  wie  man  zu  fagen  pflegt,  das 
eine  Thier  ein  ausfchließlicher  PflanzenfrelTer,  das  andere  ein  aus- 
fchließlicher  Fleifchfreffer  zu  fein,  obgleich  eine  gemifchte  Koft 
keinem  von  beiden  fchaden  würde. 

So  zeigt  denn  kein  anderer  Abfchnitt  der  vergleichenden  Phy- 
üologie  fo  deuthch  als  der  der  Verdauung,  wie  in  der  Fülle  der 
Mittel,  über  welche  der  lebende  Organismus  verfügt,  die  Ver- 
fchiedenheiten  begründet  liegen,  welche  fich  an  verfchiedenartigen 
Formen  offenbaren. 


73 


Anmerkungen  und  Literaturnachweis. 

(Die  fettgedruckten  Zahlen,  auf  welche  im  Folgenden  verwiefen  wird,  beziehen  lieh  auf  die  den 
einzelnen  Literaturangaben  vorgeletzteu  Nummern  in  der  Tabelle  am  SchlulTe  diefes  Heftes.) 


0  Vergl.  icF/r  in  SiUiinait'ii  Journ.   1866.  Xovemberheft. 

-)  KoJhe,  H.  u.  Schmitt,  Jittä.,  Directe  Uimvandlung  der  Kohlenfänre  in 
Ameifenmure.     Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.     Bd.  119.  1861.  S.  251-253. 

^)  Dreclifel,  E.,  Keduction  der  Kohlenfänre  zn  Oxalfänre.  Ann.  d.  Chem. 
u.  Pharm.     Bd.  146.  1868.  S.  140  u.  141. 

*)  Kühne,   W.,  Ueber  den  Sehpurpur.    Unterf.  a.  d.  phyiiol.  Inlt.  d.  Univ. 
Heidelberg.     Bd.  I.  1877.  8.  54— JS. 

Eicahl,  A.   u.  Kühne,   W.,   l'nterfudiungen   über  den   Sehpurpur.     Il)id. 
Bd.  I.   1877.  S.   185— ^18. 

^)  Moreau,  Fr.  A.,  Sur  1  air  de  Ja  vessie  natatoire  des  i)oissons.    Com])!, 
rend.  T.  57.  1863.  p.  3.7—39  et  p.  816—820. 

— ,    Variation   des  proportions   d'oxygene  dauB  la    veHsie  natatoire  des 
poissons.     Ibid.  T.  58.  1864.  p.  219. 

— ,  Reeherfhe.s  physiologiques  sur  la  vessie  natatoire.    ^lemoire  de  phylio- 
logie.     Paris,  nin/foiu  1877.  p.  64—67  et  p.  69—86. 

6)  Pfeffer,   W.,  Pflanzenphyliologie.     Bd.  I.  l.eipzig.   1881.  S.  182  ff. 

'y  Bernard,  Cl.,  Le(,'ons  sur  les  ph(''nonienes  de  la  vie  etc.    T.  II.  Paris. 
1870.  1).  241  —  389. 

")  Vergleiche  hierzu  die  Vorträge  von:   Harting,  1\,   I>as  rclduiiunernde 
Leben.     Skizzen  aus  der  Natur.     II.  Leipzig.  1856.  S.  69 — 106. 
Bernard,  GL,  L.  c,  T.  I.  1878.  p.  65  fi'. 

l'reijer,    W.,    Ueber  die  allgemeinen   Lebensbedingungen.     Naturwillen- 
r.liaftlidie  Thatfaehen  u.   Probleme.     Berlin.    1880.  S.   1-32  u.  S.  281—301. 

»)  Wolla/Io»,  Ann.  of  nat.  bist.     T.  \'I.  1850.  j).  489. 

10    V«*rgl.  Seinper,  C,    Di*-   natürlidii'n   l';.\ilt(iizl>i-dingiiMgcn    der   Tbicre. 
Tb.   L   L«-ipzig.   1880.  S.  250. 


74  Anmerkungen  und  LiteraturnacliAveis.  [38 

")  Megnin,  Note  sur  la  faculte  qu'ont  certains  Acariens,  avec  ou  sans 
bouche,  de  vivre  sans  nourriture  pendant  des  phases  entiei'es  de  leur  existence, 
et  meine  pendant  toute  leur  vie.     Compt.  rend.  T.  83.  1876.  p.  993 — 995. 

12)  ygi_  Jourdaiii,  S.,  Sur  les  stomatorhizes  de  la  Sacculina  Carcini 
Thompson.     Compt.  rend.  T.  92.  1881.  p.  1352—1354. 

13)  de  Lacase-Duthiers,  H.,  Histoire  de  la  Laura  <jrerardiae,  type  nou- 
veau  de  Crustace  parasite.  Arch.  de  zool.  exp.  et  gen.  T.  VIII.  1880.  p.  537 — 581. 

1*)  de  Lacase-Butliiers,  H.,  Recherches  sur  la  Bonellie.  Ann.  d.  scienc. 
nat.  Zool.     Ser.  IV.  T.  X.  1858. 

Kowalevsky,  Schriften  der  naturf.  Gefellfch.  zu  Kiew.     Bd.  V. 

Vejdovsky,  Fr.,  Ueber  die  Eibildung  und  die  Männchen  von  Bonellia 
viridis.     Zeitfchr.  f.  wiiT.  Zool.  Bd.  30.  1878.  S.  487—500. 

Selenlia,  E.,  Das  Männchen  der  Bonellia.  Zool.  Anz.  I.  Jahrg.  1878. 
S.  120  u.   121. 

Spengel,  J.  W.,  Beiträge  zur  Ivenntniß  der  Gephyreen.  I.  Mitth.  a.  d, 
zool.  Station  zu  Neapel.     Bd.  I.  1879.  S.  357—419. 

Greef,  B.,  Arch.  f.  Naturg.  1877.  S.  343  u.  Die  Echiuren.  Nova  acta  d. 
k.  Leop.  Carol.  Acad.     Halle.  1879. 

1^)  Eindflei/cli,  Zur  Hiltologie  der  Ceftoden.  Arch.  f.  niikr.  Anat.  Bd.  I, 
1865.  S.  142. 

")  Bernard,  Cl.,  L.  c.  T.  II.  p.  116. 

")  5.  p.  222. 

1*^)  Foßer,  M.,  Proc.  of  the  r.  Soc.  Jan.  1866.  u.  Journ.  of  anat.  and 
physiol.  Vol.  I.   1867.  p.  162. 

'^)  Sommer,  F.,  u.  Landois,  L.,  üeber  den  Bau  der  gerchlechtsreifen 
Glieder  von  Bothriocephalus  latus.  Zeitfchr.  f.  wilT.  Zool.  Bd.  22.  1872.  S.  47. 

'Sommer,  F.,  Ueber  den  Bau  und  die  Entwicklung  der  Gefchlechtsorgane 
von  Tfenia  mediocanellata  und  Tsenia  solium.  Sep.-Abdr.  a.  d.  Zeitfchr, 
f.  wiir.  Zool.  Bd.  24.  1874. 

^°)  Kaliane,  Z.,  Anatomie  von  Tgenia  perfoliata,  als  Beitrag  zur  Kennt- 
niß  der  Ceftoden.     Zeitfchr.  f.  wüT.  Zool.  Bd.  34.  1880.  S.  175—254. 

^0  Pinthner,  Tli.,  ünterf.  über  den  Bau  des  Bandwurmkörpers  mit  bef. 
Berückiichtigung  der  Tetrabothrien  u.  Tetrarhy neben.  Sep.-Abdr.  a.  d.  Arbeiten 
d.  zool.  Inft.  zu  Wien.     T.  III.  Heft  2.  1880. 

2-)  Brandt,  K.,  Ueber  die  Axenfäden  der  Heliozoen  u.  die  Bewegungen 
von  Actinosphterium.  Sonderabdr.  a.  d.  Sitzungsb.  d.  Gef.  naturf.  Freunde 
in  Berlin  vom  15.  Oct.  1878. 

— ,  Unterfuchungen  an  Eadiolarien.  Monatsber.  d.  k.  Acad.  d.  Wifl".  zu 
BerHn.  (21.  April)  1881.  S.  388—404. 

-2)  Gottlieh,  J.,  üeber  eine  neue,  mit  Stärkemehl  ifomere  Subftanz.  Ann. 
d.  Chem.  u.  Pharm.     Bd.  75.  18-50.  S.  51—61. 


{ 


i 


39]  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  75 

Schneider,  A.,  Beiträge  zur  Xaturg.  der  Infulbrien.  Arch.  f.  Anat.  u. 
Phyliol.  1854.  S.   191—207. 

Auerbach,  L.,  Ueber  die  Einzelligkeit  der  Amöben.  Zeitfehr.  f.  will'. 
Zool.  Bd.  VII.  1856.  8.  384. 

Bonget,  Des  substances  amyloides;  de  leur  röle  dans  la  oonstitution  des 
tissus  des  animaux.     Journ.  de  la  physiol.  T.  II.  1859.  p.  315. 

Biitfchli,  ().,  Notiz  über  das  Vorkommen  einer  dem  Amyloid  verwandten 
Subftanz  in  einigen  niederen  Thieren.  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.  1870.  S.  302—365. 

Certes,  A.,  Sur  la  glycogenese  chez  les  Infusoires.  Compt.  rend.  T.  90. 
1880.  p.  77—80. 

")  Kritkenherg,  [Jeber  ein  peptifches  Enzym  im  Plasmodimii  der  Myxo- 
niyeeten  u.  im  Eidotter  vom  Huhne.  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Fniv.  Heidel- 
berg.    Bd.  II.  1878.  S.  273—286. 

-■')  Engehnann,  Th.  W.,  Protoplasma  u.  Elimmerbewegung.  Handbuch 
der  Phyüologie  von  L.  Hermann.     Bd.  I.  Theil  I.  Leipzig.  1879.  S.  349. 

■■'•*;  Brandt,  K.,  Färbung  lebender  einzelliger  Organismen.  Biologifches 
Centralblatt.     I.  Jahrg.  1881.  S.  204. 

«•)  Brandt,  K.,  1.  c.  u.  Verhandl.  d.  phyfiol.  Gefellfch.  zu  Berlin.  1878.  S.  35. 

2»)  Certes,  A.,  Sur  un  procede  de  coloration  des  Infusoires.  Compt.  rend. 
T.  92.   1881.  p.  424—426  und  Zool.  Anzeiger.  IV.  Jahrg.   1881.  S.  208—212. 

— ,  Dosage  de  la  Solution  de  C'yanine  pour  la  coloration  des  Infusoires. 
Ibid.  .S.  287—288. 

29)  Brandt,  K.,  Ueber  das  Zufammenleben  von  Thieren  und  Algen.  Ver- 
handl. d.  phyfiol.  Gefellfch.  zu  Berlin.  1881—82.  S.  22—26  u.  Biolog.  Centralis. 
\.  Jahrg.   1881.  8.  524—527. 

3")  Baij-Lankeater,  E.,  Al)Htract  of  a  report  on  the  Ki)ectrosc(pit'  exami- 
nation  of  certain  aninial  substances.    Journ.  of  anat.  Vcjl.  IV.  1870.  p.  126—129. 

ä')  de  Merejkoir.ski,  C,  Sur  la  tetronerytlirine  dans  le  regne  animal  et 
sur  Hon  role  ])hysiologique.     Coni])t.  rend.  T.  93.   1881.  ]>.   1029—1032. 

*■-;  Krukenberg,  Vergleichend-i)hyfiologifche  Studien.  I.  Reibe.  II.  A)»th. 
1880.  S.  39—73. 

Mehrere  Referenten  (z.  15.  E.  Salkinrdi  im  Ilir/ili-V'irehoir'Mn'n  Jahres- 
berichte für  1879)  und  Coini)iIatoren  (cf.  Jlal'cmann,  IMlanzenstoil'e.  2.  Aufi. 
Bd.  I.  Berlin.  1882.  S.  280;  find  dadurch,  daß  in  meinen  Arbeiten  über  die 
X'erbreitung  <leH  Zoonerythrins  'damals  von  mir  Tetronerythrin  genannt)  einige 
Maie  (tatt  Sjx.ngien  die  Bezeichnung  Sciiwänmie  gebraucht  ilt,  zu  der  irrigen 
V(»r(telhing  gelangt,  die  von  mir  unterfuditen  Spongien  ('Sul)er it«'s,  ("bon- 
droHJa  etc.;  fler  Adria  feien  Pilze.  Derartige!  Pilzformen,  weiche  mau  gcwoiiulicli 
hIh  Schwämme  bezeichnet,  finden  fich  aber  bekanntlicii  im  Meere  uiclit,  und 
icli  brauche   wohl    kaum    weiUtr  auHeinanderzufetzen,   <!al.(    die    vnu    mii-  unter 


76  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  '  [40 

fuchten,  genau  fpecificirten  Schwämme  (Spongien)  veritabele  Thiere  und  keine 
Pflanzen  lind. 

33)  MiMuclio-Maday,  N.,  Beitr.  z.  Kenntniß  der  Spongien.  I.  Jenaifche 
Zeitfchr.  f.  Medicin  u.  Naturw.  Bd.  IV.  1868.  S.  233. 

3*)  Metfclmikoff,  E.,  Spongiologifche  Studien.  Zeitfchr.  f.  wiJI.  Zool.  Bd.  32. 
1879.  S.  371—375. 

35)  Ygl.  meinen  erllen  Vortrag,  S.  23. 

36)  3,  S.  339—342  und  7,  S.  64—75. 

37)  Vgl.  Vortrag  I.  Note  53. 

38)  Müller,  Fr.,  Die  Magenfäden  der  Quallen.  Zeitfchr.  f.  wiJT.  Zool. 
Bd.  IX.  1858.  S.  542—543. 

39)  Vgl.  Leives,  G.  H.,  Naturftudien  am  Seeftrande.  LTeberfetzt  von  J. 
Frefe.     Berlin.  1859.  S.  198  ff. 

*°)  Aus  diefem  Grunde  halte  ich  es  trotz  neuerer,  TremlAey'a  Verfuchs- 
refultaten  widerfprechender  Angaben  (cf.  Engelmann,  Tli.  W.,  Ueber  Trembley's 
Umkehrungsverfuch  an  Hydra.  Zool.  Anzeiger.  I.  Jahrg.  1878.  S.  77 — 78  u. 
Jenünk,  F.  A.,  Tidfchr.  nederl.  dierk.  Vereen.  1879.  IV.  D.  2.  Afl.  Versl.  S.  LI— 
LIII)  für  mehr  als  wahrfcheinlich,  daß  Hydren,  welche  derart  umgeftülpt  Avurden, 
daß  die  Entodermis  nach  außen,  das  Ectoderm  dagegen  nach  innen  lieht,  in 
dem  von  der  Ectodermis  umgebenen  Behälter  ihre  Koft  ebenfo  gut  verdauen 
als  normal,  wo  das  Entoderm  den  Sack  innen  auskleidet.  Ein  theoretifches 
Bedenken,  welches  Tremhley'a  Ergebniffe  unwahrfcheinlich  macht,  liegt  jedenfalls 
nicht  vor,  und  daß  Hydren  das  Experiment  des  Umflülpens  oft  fogar  an  lieh 
felbll  vornehmen,  wird  wer  lieh  Hydren  hält  leicht  beobachten  können. 

*0  Vgl.  Knikenherg,  Zur  Kritik  der  Schriften  über  eine  fog.  intracellulare 
Verdauung  bei  Cölenteraten.  Vergl.-phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.  I.  Abth.  1882. 
S.  139—142. 

*^)  Hamann,  0.,  Die  Mundarme  der  Rhizoltomen  u.  ihre  Anhangsorgane. 
Jenaifche  Zeitfchr.  f.  Medicin  u.  NaturwilT.  Bd.  XV.  1881.  S.  243—285. 

*3)  51,  p.  69—70. 

**)  Vgl.  Metfchnihoff,  E.,  Ueber  die  Verdauungsorgane  einiger  Süßwaffer- 
turbellarien.     Zoolog.  Anzeiger.  I.  Jahrg.  1878.  S.  387—390. 

*5)  3,  S.  360—361  u.  8,  S.  62—63. 

*6)  52,  S.  37—46. 

")  Specielleres  hierüber  findet  fich  2,  3,  6,  10  u.  32. 

*8)  9,  S.  396. 

*9)  40,  p.  XLIX.  ■       . 

5»)  2,  S.  36. 

^0  26. 

=2)  Darwin,  Gh.,  Die  Bildung  der  Ackererde  durch  die  Thätigkeit  der 
Würmer.     In  Ueberfetzung  von  J.   V.  Garns.     Stuttgart.  1882.  S.  28. 


41]  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  77 

Vergleiche  dazu  meine  weit  älteren  Angaben  (2,  S.  37)  über  die  Reaction 
des  Darminhaltes  bei  Lumbricus,  welche  Dancin,  ohne  daß  er  lie  kannte, 
nur  zu  beflätigen  vermochte. 

53^  Vgl.  Vortrag  I,  S.  23. 

^*)  Vgl.  2,  S.  6  Anm.  1. 

**  Cf.  Grube,  Ed.,  Fehlt  den  Wefpen-  und  HornilTenlarven  ein  After 
oder  nicht?  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyüol.  1849.  S.  47—74. 

Ich  \\ill  zu  dem  im  Texte  Gefagten  noch  bemerken,  daß  einige  Ento- 
mologen z.  B.  Hermann  Müller  (vgl.  die  Zeitfchrift  «Humboldt»  1882.  Nr.  1) 
von  der  angelilichen  Afterloligkeit  der  Bienenlarven  nicht  überzeugt  zu  fein 
fcheinen,  und  daß  der  genannte  Forfcher,  nachdem  er  fclum  vor  12  Jahren  Ex- 
cremente  von  Megachile- Larven  beobachtet,  neuerdings  die  Anwefenbeit  und 
Thätigkeit  eines  Afters  bei  den  Larven  von  D  a  s  i  p  o  d  a  b  i  r  t  i  p  e  s  nachgewiefen  hat. 

*^)  Cf.  Gartenauer,  H.  M.,  Ueber  den  Daimcanal  einiger  einheimifchen 
Gafteropoden.     Jena.  1875.  8.  11 — 15  u.  Fig.  3. 

-)  2,  8.  5. 

58)  2,  S.  28—32. 

^9'  32,  S.  414—41(3. 

ßö)  Hazay,  J.,  Die  ^Molluskenfauna  von  Budapefl.  III.  Biologifcher  Tlieil. 
Malakozoifche  Blätter  von  L.  Pfeiffer.  X.  F.  Bd.  IV.  1881.  S.  196—203. 

6';  3,  S.  350—352. 

6-2)  3,  8.  352—356. 

«••»)  3,  S.  357. 

**)  Stcnlter,  G.  F.,  Ueber  die  Nahrung  des  medicinifchen  Blutegel.  Viertel- 
jahrsfchrift  f.  pract.  Pharmacie  von   Wittßein.  Bd.  VI.  S.  528—532. 

•■'5;  Kriikenherg,  Sind  die  nicht  drüfigen  Theile  der  fog.  Radialanhänge 
des  Afteriden<larmes  Hei)atointeftinalcänale  oder  reine  Leberausführungsgänge'? 
Vgl.-pliyliol.  Studien.  II.  Reihe.  I.  Abth.  1882.  S.  181  —  182. 

««J  40,  p.  149—150. 

«")  1,  2,  8.  41  ff.  un<l  49. 

*8)  Claim,  ('.,  Der  Organismus  der  l'hioniiiiidcn.  Arb.  des  zoojog.  Inlt. 
der  Univ.  zu  Wien.  T.  II.  Heft  1.  1879. 

*»7  Vgl.  Baumert,  M.,  Chemifche  Unterfuchungen  über  die  l\cfi)iratioii 
de»  Schlamnipeizgers  (Col)itis  frjssilis;.  .Viin.  d.  ('bcin.  u.  IMiarm.  Bd.  88. 
1853.  S.  1—56. 

•";  Vgl.  Ifitfll;  ('.,  Leber  den  Oefoiibagns  der  Taulicn  etc.  Zcitfcbr.  f. 
rationelle  Medicin.  III.  Reib.-.  I'.d.  23.   186.',.  s.   101      132. 

")  Die  vollltändige  Literatur  über  di(r  Schwefelfäure  haltigen  Secrete  der 
Vorderdarnidrüfen  von  (iaftrojioilen  findet  (ich  zufammengelteiit  in  iiieiiieii 
«'Vergl. -phyliol.  Studien   .     I.   Reihe.   V.   .\btli.    IKKl.  S.  66.  Anm.    I. 

'''    Cf.   Kifitf.   ](.,    I'eber  das   N'orkniiiiiicii   eines   fcliw  iiiiinhlareniiliiiiicheii 


78  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [42 

Organs  bei  Anneliden.     Mittli.  a.  d.  zoolog.  Station  zu  Neapel.   Bd.  II.  Heft  3, 
1881.  S.  255—304. 

'3)  49,  S.  396  u.  397. 

''*)  Langendorff,  Ofc,  Ueber  die  Entftehung  der  Yerdauungsfermente  beim  j 
Embryo.     Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.   1879.  Phyfiol.  Abth.  S.  95—112. 

")  Vgl.  Heidenhain,  B.,  Phyüologie  der  Abfonderungsvorgänge.  Hand- 
buch der  Phyfiologie  von  L.  Hermann.     Bd.  V.  Th.  I.  1880. 

''^)  Kulme,  W.  u.  Lea,  A.  Sli.,  Ueber  die  Abfonderung  des  Pankreas. 
Öonderabdr.  a.  d.  Verhandl.  d.  naturhift.-med.  Vereins  zu  Heidelberg.  N.  F. 
Bd.  I.  Heft  5.  1876. 

")  Kühne,   W.,  Ueber  das  Secret  des  Pankreas.    Ibid.  Bd.  I.  Heft  4.  1876, 

''^)  Kühne,  W.,  Ueber  das  Trypfln  (Enzym  des  Pankreas).  Ibid.  Bd.  I 
Heft  3.  1876. 

")  2,  8.  22  u.  23. 


Zufammenftellung  der  Literaturangaben 
über  die  fecretive  Vei'dauung'  bei  TVirbellofen  und  bei  Fifcheii. 

(Chronologifch  geordnet.) 

\o\\  ^''ertretern  mehrerer  Typen  handeln: 

1.  Krukenherg,  Yerfuche  zm'  vergl.  Phyüologie  der  ^"erdauung  mit  befonderer 

Berücklichtigung  der  VerhältnilTe  bei  den  Fifchen.  Unterf.  a.  d.  phyüol, 
Infl.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  I.  1877.  S.  327—340.  (Infecten,  Krebfe, 
Würmer,  Mollusken  u.  viele  Fifchfpecies.) 

2.  — ,  Yergleichend-phyiiol.  Beiträge  zur  Kenntniß   der  Verdauungsvorgänge, 

Ibid.  Bd.  IL  1878.  S.  1—45.  (Infecten,  Krebfe,  Würmer,  Mollusken,  Fifche.) 

3.  — ,  Ueber   die  Enzymbildung  in  den   Geweben  und  Gefäßen  der  Everte- 

braten.  Ibid.  Bd.  IL  1878.  S.  338—365.  (Zahlreiche  Repräfentanten  aller 
Typen.) 

4.  — ,   Nachtrag  zu  den  Unterfuchungen    über    die  Ernährungsvorgänge  bei 

Cölenteraten  u.  Echinodermen.     Ibid.  Bd.  IL  1878.  S.  366—377. 

5.  Fredericq,  L.   Sur  la    digestion    des    albuminoides    chez    quelques  inverte- 

bres.  Bull,  de  l'acad.  r.  de  Belgique  IL  Ser.  T.  46.  1878.  p.  213—228  u. 
Archives  de  zool.  exper.  et  gen.  T.  VII.  1878.  p.  391—400.  (Lumbricus 
terrestris,  Nereis  pelagica,  Haemopis  vorax;  Arion  rufus, 
Mya  arenaria,  Mytilus  edulis;  Asteracanthion  rubens.) 

6.  Kruken'berg,  Noizen  zur  Literatur    über    die  vergl.    Phyfiologie   der  Xutri-' 

tionsprocelTe.  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  IL 
(Verfendet  1878.)  S.  418—423.  (Kritik  der  Arbeiten  von  Fredericq  und 
Litchhaii.) 


43]  Anmerkungen  und  Liten^tul■nach^veis.  79 

7.  Krukenberg,  "Weitere  Studien  über  die  Verdauungsvorgänge  bei  Wirbellofen. 

Vgl.-phyüol.  Studien.  I.  Reihe.  I.  Abth.  1879.  S.  57—76. 

8.  — ,  Nachträge  zu  meinen  vergleichend-pliyfiologifchen  Unterfuchungen  über 

die  Verdauungsvorgänge.    Vgl.-phj-fiol.  Studien.  I.  Reihe.  V.  Abth.  1881. 
S.  .58—71. 


Artliropoden. 
a)  Cruftaceen. 

9.  Hoppe-SeyJer,  F.,  Ueber  Unterfchiede  im  ohemifchen  Bau  und  der  Ver- 
dauung höherer  u.  niederer  Thiere.  Arch.  f.  d.  gef.  Phyliologie.  Bd.  XIN'. 
1876.  S.  397—398  u.  Phyfiologirche  Chemie.   II.  Theil.  BerUn.  1878.  S.  176. 

10.  Krukenberg,  Zur  Verdauung  bei  den  Kreblen.     Unterf.   a.    d.   phyüol.  Inft. 

d.  Univ.  Heidelberg.     Bd.  II.  1878.  S.  261—289. 

11.  Weher,  M.,  Veber  den  Bau  u.  die  Thätigkeit  der  fog.  Leber  der  Cruftaceen. 

Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  17.  1880.  S.  385-457. 

b)  Arachnoiden. 

12.  Blancliard,   E.,  L'organißation    du    regne    animal.    Classe  des  Araehnides. 

Paris.  1852 — 1855.  p.  60—70.     (Scorpio  occitanus.) 

13.  Plateau,  F.,  Note  eur  les  phenomenes  de  la  digestion  et  sur  la  structure 

de  l'appareil  digestif  chez  les  Phalangides.     Extrait  des  Bullet,   de  l'acad. 
r.  de  Belgique.  2.  S6r.  T.  42.  1876. 

14.  — ,  Recherches  sur  la  structure  de  l'appareil    digestif   et  sur  les    pheno- 

menes de  la  digestion    chez   les  Araneides    dipneumones.     Ibid.    2.  Ser. 
T.  44.  1877. 

15.  Bertkau,  Ph.,  Ueber  den   Bau  und  die  Function  der    fog.    I.,eber    bei    den 

Spinnen.     Zool.  Anzeiger.  IV.  Jabrg.   1881.  S.  543—544. 

c)  Myriopoden. 

10.  Platmu,  F.,  Recherches  sur  les  pheiKnnenes  de  la  digestion  et  sur  la 
structure  de  rapi»areil  digestif  chez  les  Myriapodes  de  Belgique.  Extr.  des 
JUilIct.  d(;  ]  aca.l,  r.  de  Bclgitjue.  2.  Ser.  T.  42.   1876. 

d)  Infecten. 

17.   licngger,  J.  Ji.,    Phyliologifche    l'nterfuchungen    liber   die   tbicrifche   Ilaus- 

liaitung  der  Infecten.     Tübingen.   1817.  S.  7  ff. 
IH.  Jiouchardnt,  De  la   digestion    chez   le   ver   ä   soie.    MeuHjire   d'ol)S('rvationH 

sur  les  niaiadies  de  cet  insecte.  Compt.   rend.   'l\  31.    1H50.   p.   379 — 381 

u.   Uev.  et  Mag.  <le  Zoologie.   1851.  p.  34—40. 


80  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [44 

19.  Bafcli,  S.,  ünterruchungen  über  das  chylopoetifche  u.  uropoetifche  Syllem 

der  Blatta  orientalis.  Sitzungsb.  d.  k.  Ak.  d.  Will,  in  Wien.     Math, 
naturw.  ClalTe.  Bd.  23.  1858.  S.  234—260. 

20.  Plateau,  F.,  Recherches  sur  les  phenomenes  de  la  digestion   chez-  les  in- 

sectes.  Bruxelles  1874. 

21.  Jousset  de  Bellesme,  Eecherches  experimentales  sur  la  digestion  des  insectes. 

Paris.  1875. 

22.  — ,  Eecherches  sur  les    fonctions   des   glandes    de  l'appareil  digestif   desj 

insectes.     Compt.  rend.  T.  82.   1876.  p.  97—99. 

23.  Plateau,  F.,  Sur  la  digestion  chez  les  insectes;   remarques  ä  propos   d'un ' 

travail  recent  de  Mr.  Jousset.  Ibid.  p.  340 — 342. 

24.  Jousset  de  Bellesme,  Reponse  ä  la  reclamation  de  INIr.  F.  Plateau,  au  sujet 

de  la  digestion  des  insectes.     Ibid.  p.  461- — 463. 

25.  Plateau,  F.,  Note  sur  les  phenomenes  de  la  digestion  chez  la  Blatte  ameri- 

caine   (Periplaneta  americana  L.).    Extr.   d.   Bull,   de   l'acad   r.   de 
Belgique.  n.  Ser.  T.  41.  1876. 

26.  — ,  Note  additioneile  au  memoire  sur  les  phen.  de  la  digestion  chez  les 

insectes.     Ibid.  T.  44.  1877. 

27.  Jousset  de  Bellesme,  Travaux  originaux  de  physiologie  comparee.     Vol.  I. 

Insectes.  Paris.  1878. 

28.  Erlenmeyer ,  E.,  u.   v.  Planta-Beichenau ,  A.,    Chemifche  Studien   über  die 

Thätigkeit  der  Bienen.  EichßcEdter  Bienenzeitung.  Bd.  34.  1878.  S.  181—183. 
u.  Bd.  35.  1879.  S.   155—158. 


'NLollnsk-en.. 

29.  Bernard,  Gl.,  Recherches  sur  une  nouvelle  fonction  du  foie.  Ann.  d.  scienc 

nat.    Zoologie.   IIL   Ser.    T.    19.    1853.    p.   331  —  335.   (Loligo,    Limax^ 
Ostrea  u.  Anodonta.) 

30.  — ,  Memoire  sur  le  pancreas.   Supplement  aux  Compt.   rend.  T.  I.   1856 

p.  545. 

31.  — ,  Le^ons  de  physiologie  experimentale.    1856.  T.  I.  p.  101.   u.  T.  11.  pi 

487—493. 

32.  Krukenberg,  Ueber  die  Verdauungsvorgänge  bei  den  Cephalopoden,  Gaftro 

poden  u.  Lamellibranchiaten.     Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heide! 
berg.  Bd.  IL  (Verfendet  1878.)  S.  402—417. 

a)  Gaftropoden. 

33.  Barfurth,  D.,    Die  Leber  der  Gaftropoden,    ein  Hepatopankreas.     Zoolog 

Anzeiger.  III.  Jahrg.  1880.  S.  499—502. 


45]  Anmerkungen  und  Literaturnaclnveis.  81 

b)  Cephalopoden. 

34.  Bert,  F.,  ^Memoire  sur  la  j^hysiologie  de  la  Seiche.     Extr.  des  Mem.  de  la 

80C.  des  seienc.  phys.  et  nat.  de  Bordeaux.  T.  V.  1857.  p.  115.  u.  Compt. 
rend.  T.  65.  1867.  p.  300—303. 

35.  Fredericq,  L.,   Sur  l'organisation   et   la   physiologie   du  Poulpe.     Bull,  de 

l'acad.  r.  de  Belgique.    IL  Ser.  T.  46.  1878.  p.  761—762.  u.  Archives  de 
zool.  exper.  T.  VII.  1878.  p.  578—581. 

36.  Jousset  de  BcUesme,   Recherches  sur  le  foie  des  ^lollusques  cephalopodes. 

Compt.  rend.  T.  88.  1879.  p.  304—306. 

37.  — ,  Recherches  sur  la  digestion   chez  les  MoUusques  cephalopodes.     Ibid. 

p.  428—429. 

38.  Vigelim,   W.  J.,  I'el)er  (.las  fog.  Pankreas  der  Cephalopoden.     Zoolog.  An- 

zeiger. IV.  Jahrg.  1881.  S.  431—433. 
3vt.  Boitrquelot,   E.,    Recherches    relatives    ä    l'action    des    sucs    digestifs    des 
Cephalopodes  sur  les  matieres   amylacees.   Compt  rend.  T.  93.  1881.  p. 
978-980  (Widerlegung  der  Ideen  \o\\  Jomset  de  Bellesme,  Bellätigung  u. 
Erweiterung  meiner  ^'erfuche). 


Anhang. 

40.  Spallanzani,  L.,  Exjjcriences  sur  la  digestion  de  liioinnie  et  de  differentes 

especes  d'animaux.  Avec  des  considerations  par  J.  Sencbier.  Nouvelle 
Edition.  Geneve.  1784.  p.  146—154. 

41.  Tiedemann,  F.,  u.   Gmelin,  L.,    Die   Vei-dauung   nach    Verfuchen.    IL   Bd. 

2.  Aufl.  Heidelberg  u.  Leipzig.  1831.  S.  270—271  (Außer  neuen  Ergeb- 
neren zugleich  eine  Zufainnienitellung  vereinzelter  Angaben  aus  älteren 
Schriften  enthaltend). 


')  Außer  (liefen  AbhaiuUiingen  phyliologifchen  Inhaltes   veigl.  auch  folgende,   zum 
gTÖ&ten  Theile  wenig  bekannt  gewordenen  anatomifche  Arbeiten  : 
Weber,  K.  IL,  l'ebir  die  Leber  von  Cy  p  riii  u  s  cariiio,  die  zugleicli  die  Stelle  des  Panliieas 

zu  vertreten  rdicint.     Anh.  f.  Anat.  u.  Pliyfiologie.  .Jahrg.  1827.  S.  294—299. 
Vi'aalittijti,  //.  »'.,  Uijdrage  tot  <le  Histologie  van  den  Vi.Hchdami.  Acad.  Proefschrift  Leiden.  1872. 
Legouis,  I'.,  I£eeherche«  sur  le.s  tube.s  <\e  W'fitir  et  sur  le  j)ancr(''as  des  jiois.sons  osseu.x.  Ann. 

d.  »cienc.  nat.  Zoologie.  V.  8er.  T.  XVII.  u.  XVIII.  1873. 
Edivijer,  L.,  l'ebcr  die  Schleimhaut  des  Fifehdannes  etc.    Arcli.  f.  niiki.  Anat.  I'.d.  -XIII.  1870. 

8.  cii-caa. 
Oaril,  J.,  Heeherehes  sur  i'anat.  gen.  eomp.  et  la  .signifieation   mori)hologi((uc.  des  giandes 

de  la  mucjueuse  intestinale  et  gastririue  des  animaux  vertelirrs.    Paris.  1879. 
l^niiUji,  .!.  S.,  XI.  Siifiill,  II.,    On   tlie  Changes   in    Pi'iisiii-forming  ülands  during  Secretion. 

.louni.  of  Physiology.  Vol.  II.  1879-1880.  ji.  2'.»i(-  291. 


82  Anmerkungen  und  Literaturnachweis.  [46 

42.  Fick  u.  Muriner,   lieber  das  Magenferment  kaltblütiger  Thiere.    Verhandl. 

d.  Würzburger  phyf.-med.  Gerellfcli.  N.  F.  Bd.  IV.  1873.  S.  120  ff. 

43.  Babuteau  et  PcqMlon,  Observations  sur  quelques  liquides  de  l'organisme  des 

poissons  etc.     Compt.  rend.  T.  77.  1873.  p.  136. 

44.  Hoppe-Seyler,  F.,  Arcb.  f.  d.  gef.  Phyßologie.    Bd.  XIV.  1876.  S.  395—396 

u.  PhyUologifclie  Chemie.  II.  Theil.  Berlin.  1878.  S.  218—219,  230  u.  257. 

45.  Luchhcm,  E.,  Vorläufige  Mittheilung  über  die  Magenverdauung  einiger  Fifche. 

Centralbl.  f.  d.  medic.  Wiff.  1877.  S.  497—498. 

46.  Homturger,  L.,  Zur  Verdauung  der  Fifche.     Ibid.  S.  561 — 562. 

47.  Bichetj  Gh.,   Des  proprietes  chimiques   et  physiologiques  du  suc  gastrique 

chez  l'homme  et  les  animaux.     Paris.  1878.  p.  12 — 16  et  p.  69 — 79. 

48.  Luchhcm,  F.,  lieber  die  Magen-  u.   Darm  Verdauung  bei  einigen  Fifchen. 

Inaug.-Dillertation.     Königsberg.  1878. 

49.  Krulienberg,  Zur  Verdauung   bei  den  Fifchen.     Unterf.  a.  d.  phyüol.  Inll. 

d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  11.  (Verfandt  1878)  S.  385—401. 

50.  Bernard,  Gl.,  Lepons  sur  les  ph^n.  de  la  vie.    T.  II.  1879.  p.  350. 

51.  Bichet,  Gh.,  et  Mourrut,  De  quelques  faits  relatifs  ä  la  digestion  gastrique 

des  poissons.  Compt.  rend.  T.  90.  1880.  p.  879—881. 

52.  Kriikenberg,    Phyßol.-chem.    Unterfuchungen    an    Luvarus    imperialis. 

(Die  enzymat.  Eigenfchaften  der  Secrete  der  Drüfen  am  Digeftionstractus.) 
Vergl.-phyfiol.  Studien.  I.  Eeihe.  IV.  Abth.  1881.  S.  37—46  (Enthält  zu- 
gleich eine  eingehendere  Erörterung  der  um-ichtigen  Vorflellungen  über 
die  Wirkung  des  Fifchmagenfaftes  bei  verfchiedenen  TemiDeraturen) 


i 


III. 


GRUNDZÜGE 


EINER 


VERGLEICHENDEN  PHYSIOLOGIE 


DER 


FARBSTOFFE  UND  DER  FARBEN. 


M^ 


(Mi f.  WINTKIfH  I'NIVER8ITÄTSBrCHHANDLUNG  IN  HKIDELBEKG. 
Kruktnhiry,  Vtrgl.-iihylifd.  Vorträge.  7 


^Z      Alle  Rechte  vorbehalten.      \s? 


Gnmdztige  einer  yergleiclieiideii  Phyfiologie 
der  Farbftoffe  und  der  Farben. 


Die  Phyfiologie  der  tliierifchen  und  pflanzlichen  Farbftoße  hat 
in  der  jüngllen  Zeit  infofern  eine  gewifle  Abrundung  erfahren, 
als  es  gelungen  ift,  fowohl  die  Zahl  der  einzelnen  Farbftoffgruppen 
dadurch  zu  vermindern,  daß  man  emen  Zufammenhang  zwifchen 
mehreren  derfelben  erkannte,  als  auch  die  Identität  refp.  die  Zu- 
fammengehörigkeit  von  Pigmenten  bei  weit  von  einander  ab- 
flehenden Formen  nachzuweifen. 

Yov  vier  Jahren  fließ  ich  bei  meinen  Spongienunterfuchungen 
auf  einen  rothen  Farblloff",  welcher  fich  mit  dem  von  Wumi  aus 
den  fog.  Rofen  der  Auerhähne  extrahirten  und  von  ihm  Tetron- 
erythrin  genannten  Pigmente  in  feinen  chemifchen  und  phyü- 
kalifchen  Eigenfchaften  als  identifch  erwies^).  Diefem  Befunde,  der 
feiner  Zeit  fehr  überrafchen  mußte,  wurde  jedoch  bald  feine  Ab- 
fonderhchkeit  genommen,  indem  ich  weiterhin  zeigte,  daß  das  sog. 
Tftronerythrin  einer  Claffe  von  Farblloff en  angehört,  welche  bei 
den  verfchiedenartigflen  Thier-  wie  Pflanzenfpecies  ihre  Vertreter 
findet.  Das  Tetronerythrin  (Zoonerythrin  Bof/danotv's)  war,  wie 
UH-hrere  gleichfalls  fchon  länger  bekamite  Pigmente  (Carotin,  Saffran- 
farbfloffe,  LutoTn  etc.),  hiermit  als  Glied  einer  weit  verbreiteten 
I  irbfloffclalfe  erkannt,  welche  man  jetzt  als  Lipochrome  (Fettfarb- 
lt<jfte)  bezeidmet,  und  man  darf  behaupten,  daß  gerade  das  Studium 


86  Grundzüge  einer  vergleichenden  •  [4 

der  Lipochrome,  die  Abgrenzung  diefer  Farbftoffgruppe  und  die 
Kenntniß  ihrer  Verbreitung  uns  über  viele  vermeintliche  Compli- 
cationen  bei  der  Pigmentirung  der  Thiere  wie  der  Pflanzen  hin- 
weggeholfen hat.  Die  Lipochrome  find  die  Wegweifer  geworden, 
mittelfl  deren  es  möglich  war,  lieh  in  dem  zuvor  wilden  Chaos 
der  thierifchen  wie  pflanzlichen  Pigmentirungen  zurechtzufinden, 
das  Gleichartige  auszulefen  und  von  dem  äußerlich  Aehnhchen, 
aber  feiner  chemifchen  Befchaffenheit  nach  ganz  Differenten  zu 
unterfcheiden.  Die  Lipochrome  muffen  deshalb  bei  einer  verglei- 
chenden Chromatologie  der  lebenden  Wefen  vor  allem  in's  Auge 
gefaßt  werden,  und  es  bedarf  keiner  weiteren  Rechtfertigung,  wenn 
wir  unfere  Betrachtungen  mit  denfelben  beginnen  laffen^). 
''chroirfe''  Durch  ihre  LöslichkeitsverhältnifTe,  ihre  Unzerffcörbarkeit  bei 

der  Verfeifung  mit  üedender  Natronlauge  in  wäffriger  wie  alkoho- 
lifcher  Löfung,  durch  die  Blaufärbung,  welche  fie  im  trockenen 
Zuftande  durch  conc.  Schwefelfäure  oder  ftarke  Salpeterfäure  er- 
fahren, durch  ihre  Lichtempfindlichkeit ,  durch  die  Gleichartigkeit 
ihrer  Bleichpro ducte  (Choleflearin  oder  choleftearinartige  Körper), 
durch  ihre  chemifche  Zufammenfetzung  (nur  aus  Kohlenftoff, 
WafTerftoff  und  Sauerftoff  beftehend),  und  endlich  durch  ihre  Fär- 
bungen (grüngelb,  gelb,  orange,  roth)  und  die  Lipochrome  im  All- 
gemeinen charakterifirt.  Eine  fcharfe  Abgrenzung  derfelben  ift 
zwar  unmöglich,  weil  fie  einerfeits  in  die  fpectrofkopifch  fchlecht 
gekennzeichneten  und  in  den  lipochromatifchen  Löfungsmitteln 
fchwer  oder  faft  unlöslichen  Lipochromoide  refp.  Melanoide  über- 
gehen und  weil  andererfeits  Küline^)  nachgewiefen  hat,  daß  ein 
echtes  Lipochrom,  das  Rhodophan  nämlich,  nach  befTerer  Reinigung 
keine  Blaufärbung  durch  falpetrige  Säure  mehr  annimmt.  Ferner- 
hiii  verdient  bei  einer  allgemeinen  Charakteriftik  der  Lipochrome 
die  Thatfache  nicht  außer  Acht  gelaffen  zu  werden,  daß  fich  ein 
Theil  derfelben  auch  beim  Benetzen  mit  Jod-Jodkaliumlöfung  blau- 
grün färbt,  ein  anderer  Theil  dagegen  nicht  oder  nur  mangelhaft"*), 


5]  Phyfiologie  der  FarbftofFe  und  der  Farben.  87 

und  daß  das  fpectrofkopifche  ^''erhalten  der  einzelnen  Lipoehrome 
in  manchen  Fällen  erheblich  von  einander  abweicht,  indem  die 
Löfungen  der  Xanthophane  und  Rhodophane  durch  ein,  die  der 
Chlorophane  durch  zwei  oder  drei  Abforptionsbänder  ausgezeichnet 
ßnd.  Die  Abforptionsbänder  ein  und  desfelben  Lipochromes  lagern 
im  Spectrum  verfchieden,  je  nach  dem  angewandten  Löfungsmittel. 
In  alkoholifcher  oder  ätherifcher  Löfung  hegen  ße  am  meiften  dem 
\-ioletten  Ende  des  Spectrums  genähert,  in  Schwefelkohlenftoff  find 
fie  am  meiften  nach  dem  Roth  zu  verfchoben  und  in  Chloroform 
oder  fetten  Oelen  gelöft,  hält  die  Lage  der  Streifen  zwifchen  beiden 
Extremen  die  Mitte  ein.  Aus  Kundfs  Unterfuchungen^)  über  die 
Verfchiebung,  welche  die  jNIitte  des  dem  rothen  Ende  des  Spectrums 
zunächft  liegenden  Abforptionsftreifens  vom  Chlorophyll  und  welche 
der  Abforptionsftreifen  des  Cyanins  bei  Anwendung  verfchiedener 
Löfungsmittel  erfährt,  wü'd  zu  folgern  fein,  daß  die  entfprechende 
Lageveränderung  der  Lipochrombänder  nicht,  wie  Kraus  für  das 
Chlorophyll  annahm "),  mit  dem  fpecififchen  Gewichte  des  Löfungs- 
mittels  durchgängig  im  Einklang  fteht,  fondern  durch  die  l^rechende 
Kraft  des  Löfungsmittels  derart  veranlaßt  wird,  daß,  je  größer  die 
Disperfion  desfelben  für  den  blauen  Theil  des  Spectrums  ift,  um 
fo  weiter  die  Abforptionsftreifen  nacli  der  brechbareren  Seite  des 
Spectrums  fortfchreiten. 

Die  Tinctionskraft  der  Lipoclu'omc  ift  eine  außerordentlich 
intenfive,  die  Umfetzung  in  choleftearinartige  Stoffe^),  welche  fie 
unter  Sauerftoffaufnahme  am  Lichte  (aber  auch ,  wenn  fchon  weit 
langfamer,  im  Dunkeln)  erfaln-en,  eine  verhältnißmäßig  rapide,  fo 
daß  fell)ft  aus  äußerlich  ftark  gcfärl)ten  Geweben  davon  meift  nur 
fehr  fclnvierig  größere  Quantitäten  rein  zu  erhalten  find.  Deshalb 
l>lieb  man  zur  Feftft^llung  der  cliomifchen  Zufammenfetzung  der 
Lil)Ochrorae  bislang  allein  auf  das  Carotin  angcwicfen,  welches  als 
der  am  b<'ften  bekannte  Repräfentant  diefer  Farl)ftofFclane  zu 
gelton  hat. 


88  Grundzüge  einer  vergleichenden  [6 

Das  Carotin  (C18H24O)  ift  der  Farbftoff  der  cultivirten  Mohr- 
rübe (Daucus  Carota  L.).  Seine  braunrotlien  Bandkryflalle  voii 
rhombifcher  Wetzfleinform  fchmelzen  bei  168°  C,  und  es  zeigt  un- 
mittelbare Beziehung  zum  Hydrocarotin  (CigHgoO),  welches  fich 
neben  ihm  in  der  Mohrrübe  findet  und  dem  Choleltearin  nahe  fteht. 

Solange  wie  die  chemifche  Zufammen  fetzung  allein  vom  Ca- 
rotin bekannt  ift,  ficher  kryltallifirt  außerdem  nur  noch  das  Luteni, 
Eläochrin,  Lecitochrin  und  das  Chlorophyllgelb  gewonnen  wurden^), 
ßnd  es  vorwiegend  optifche  Differenzen,  welche  zu  Unterfcheidungen 
in  der  Lipochromreihe  nöthigen.  «Diele  Unterfcheidung  ift  aber 
einie  zwingende,  denn  man  hat  jetzt  im  Carotin,  Lutein  und  Eläo- 
chrin rein  und  kryftalhnifch  zu  gemnnende  Körper,  welche  in 
diefem  Zuftande  fchon  ohne  Weiteres  verfchieden  erfcheinen  durch 
die  Farbe,  vollends  bei  genauerer  Unterfuchung  der  KryftaUe  unter 
Beachtung  des  Dichroismus  und  der  Abforption.  Wie  die  Spectren 
der  Fettpigmente  vom  Carotin  bis  zum  Chlorophan  in  gleichen 
Löfungsmitteln  eine  merkwürdige  Reihe  zur  brechbareren  Seite 
fortfchreitender  Abforptionsftreifen  darbieten,  deren  Verfchiebung 
vielleicht  in  derfelben  Weife  durch  die  chemifche  Zufammenfetzung 
der  einzelnen  Glieder  bedingt  wird,  wie  dies  für  die  Linienfpectren 
der  Didymverbindungen  nach  Bimsen  s  bekannten  Arbeiten^)  gilt, 
fo  bilden  die  am  reinften  dargeflellten  Pigmente  auch  eine  Reihe 
bezüglich  der  direct  wahrnehmbaren,  dem  Gelb  zugehenden  Farbe 
und  eine  Reihe  in  Hinficht  auf  die  Verwifchung  des  Dichroismus.»^*^) 

Was  die  Herkunft  der  Lipochrome  anbelangt,  fo  ift  es  wahr- 
scheinlich, daß  diefelben  in  den  meiften  Fällen  aus  fettartigen 
Subftanzen  hervorgehen,  denn  häufig,  wenn  auch  wohl  nicht  aus- 
nahmslos, find  üe  in  ihrem  Vorkommen  an  Fett  gebunden  und 
laffen  fich  auch  leicht  in  choleltearin  artige  Körper  überführen.  So 
wird  ebenfalls  ihr  Vorkommen  in  den  grünen  Gewächfen  zu  er- 
klären fein,  welches  bekanntlich  ein  fo  conftantes  ift,  daß  bis  zu 
den  verdienftvollen   Arbeiten    von   Hänfen  trotz   der   unzählbaren 


7]  Phyfiologie  der  Farbftofte  und  der  Farben.  89 

Abhandlungen  über  diefen  Gegenftand  der  grüne  und  der  gelbe 
Chlorophyllforbftoff  als  eine  einheitliche  Subftanz  angefehen  werden 
konnte.  Aber  zweifellos  entliehen  die  Lipochrome  auch  noch  auf 
andere  Weife,  aus  Lipochromogenen  oder  aus  Pigmenten,  welche 
keine  directe  Verwandtfchaft  zu  den  Lipochromen  erkennen  lalTen ; 
fo  aus  dem  CyanokrvftalUn^^),  dem  kryftallirirten  blauen,  unter  dem 
Panzer  bei  \ielen  Cruflaceen  abgelagerten  Farbftoffe,  der  fich  dm-ch 
die  geringfügigften  Eingriffe  in  ein  Lipochrom  umfetzt. 

Die  Verb reitungs weife  der  Lipochrome  ift  von  großem  Intereffe. 
Sämmtliche  bislang  unterfuchten  gelben  Blüthenblätter,  gelbe  und 
rothe  lymphatifche  Flüdigkeiten  und  zahlreiche  Secrete  bei  Wirbel- 
thieren  wie  Wirbellofen,  die  bunten  Oelkugeln  in  den  Zapfen  der 
Wirbelthierretina,  die  Corpora  lutea,  die  Eierdotter  der  verfchieden- 
ften  Thierfpecies,  die  gelben,  grünen,  orangenen  oder  rothen  Haut- 
theile  der  Aillu-opoden  und  Yertebraten  (von  den  Fifchen  bis  zu 
den  A^ögeln)  verdanken  ihre  Färbungen  mit  äußerfb  geringen  Aus- 
nahmen gelöften,  körnig  oder  diffus  abgelagerten  Lipochromen; 
dagegen  betheiligen  fich  die  Lipochrome  nie  in  erfichtlichem  Maße 
an  den  Färbungen  der  Epithelialgebilde  bei  den  Säugethieren, 
an  den  Färbungen  der  ^"ogeleierfchalen  und  fcheinen  auch  vielen 
protoplasmatifchen  refp.  unicellulären  Wefen  zu  fehlen.  Auffallend 
find  die  conftanten  ünterfchiede ,  welche  verfchiedene  Species  in 
der  Intenfität  der  lipochromatifchen  Färbung  gewilTer  Gewebe,  be- 
fonders  des  Fettgewebes^^),  aufweifen,  und  fehr  üben-afchend  ift 
die  Thatfache,  daß  Lipochrome  bei  Schlangen  nur  fpurenweife  auf- 
treten, während  die  verfcliiedenartigften  Organe  der  A^ögel,  Am- 
phibien, Fifclie  und  auch  vieler  Rei)tilien  mit  lipochromreichen 
Löfungen  getränkt  lind.  Einer  eingehenderen  Unterfuchung  würde 
-  fich  gewiß  weiterliin  lohnen,  welche  von  den  zahlreichen,  mit 
eigenen  Namen  belegten  gelben,  orangenen,  i'otlien  und  braunen 
Farliftoffeii  pflanzHcher  Gebilde  (z.  B.  Bixin,  Polychroit,  SafHorgelb, 
CartliHiiiii).    Luteolin,    Draconin)    d(!n    Lipochromen    zugerechnet 


90  Grundzüge  einer  vergleichenden  [8 

werden  müfTen  und  welche  nicht ;  befonders  wünfchenswerth  dürfte 
es  aber  fein,  in  Erfahrung  zu  bringen,  ob  fcharfe  chemifche  Unter- 
fchiede  zwifchen  den  fpectrofkopifch  fo  unter fchiedhchen  Chloro- 
phanen,  Xanthophanen  und  Rhodophanen  beliehen,  ob  fich  viel- 
leicht nicht  die  eine  von  der  anderen  Gruppe  als  Homologes  oder 
als  Anhydridverbinduug  ableiten  läßt. 
Lipociiro-  j)ig  Lipochromoide  und  Melanoide,  welche,   me  ich  zeigte ^^), 

M^eianüfe!'  vorzugswcifc  die  Stämme  von  Gorgoniden ,  die  Gehäufe  von  Mol- 
lusken gelb,  roth,  braun,  violett  oder  fchwärzlich  färben,  führen 
unmittelbar  zu  den  dunkelen  Pigmenten,  welche  feit  lange  als 
Melanine ^■^)  zufammengefaßt  werden.  Es  fteht  außer  Frage,  daß 
unter  diefem  Gefammtbegriff  fehr  verfchiedene ,  gegen  Reagentien 
widerftandsfähige  braune,  in  dickerer  Schicht  fchwarz  erfcheinende 
Pigmente  vereinigt  wurden,  von  denen  einige  (z.  B.  die  fchwarzen 
Farbftoffe  melanotifcher  Gefchwülfte,  der  fchwarze,  fedimentirende 
Körper  pathologifchen  Harnes)  ebenfo  ficher  eines  ganz  andern 
Urfprungs  als  die  Lipochromoide  und  Melanoide  find.  Dafür  je- 
doch, daß  manche  fog.  Melanine  trotz  ihres  Gehaltes  an  Eifen  und 
an  Stickftoff  mit  den  Lipochromen  in  näherer  genetifcher  Beziehung 
flehen  als  z.  B.  mit  dem  Hämoglobin,  dürften  die  fcharfe  Abgren- 
zung einer  melanotifchen  von  einer  hpochromatifchen  Färbung 
(z.  B.  in  vielen  Federn),  fowie  das  bei  vielen  Thieren  ftets  verge- 
fellfchaftete  Vorkommen  von  Repräfentanten  beider  FarbftoflFgruppen 
aufs  Ueberzeugendfte  fprechen.  Für  die  Entftehung  vieler  mela- 
notischen  Pigmente  fcheinen  Licht  und  Sauerftoffmangel  in  einer 
zwar  noch  unaufgeklärten  Weife  unbedingtes  Erforderniß  zu  fein^^); 
derartige  Nebenumftände  machen  es  denn  auch  verfländlich ,  daß 
bei  albinotifchen  Individuen  die  Melanofe  in  den  Epidermoidal- 
gebilden  ausbleiben  kann,  während  fich  die  hpochromatifchen  Fär- 
bungen völlig  normal  entwickeln.  Ich  befchränke  mich  hier  des 
Weiteren  darauf,  eine  Zufammenftellung  der  genaueften  Analyfen 
derartiger    melanotifcher    Farbftoffe    zu   geben   und    die    Refultate 


9] 


Phvfiologie  der  Farbftoffe  und  der  Farben. 


91 


neuerer  Unterfuclimigeii  mitzutheilen ,  welche  am  Fnscin,  dem 
bramieii  Chorioi'dealpigmente  des  Wirbelthierauges ,  und  an  dem 
Sepiafarbftoffe  gewonnen  find. 

Elementare  Zufaniffienfetzung  melauotifclier  Pigmente  (in  Piocenten). 


Chorioideal- 
pigmeut 


Pigment  aus 
melanot.  Carci-      verfcnie- 
nonieu 


Schwarzer  Federfarbftoff 
von  Pica     i        von 


Jener  Conus- 
Arten 


Scherer.     Ro/oie.  \  Dreßler  ■  Hei'nts. 


caniiHta      [  Cicoiiia  allm 

i 

Hodgkinson  u.  Sorby. 


Sepien  fchwarz 
P.  Girod. 

I.        I       II. 


c 

H 
N 
O 

Afche 


58,28      54,00 

5,92  j     5,30 

13,77  j   10,10 

(22,03)1(30,0) 

'     0,6 


51,73 

53,44 

55,4 

49,5 

55,5 

53,6 

5,07 

4,02 

4,28 

4,8 

4,8 

4,04 

13,24 

7,10 

8,5 

7,6 

8,5 

8,8 

(29,96) 

(35,44) 

(1,47) 

0 

53,9 
4,02 
8,6 

0 


Das  Fuscin  erwies  ficli  bei  verfchiedenen  Thieren  als  mehr 
oder  weniger  hchtempfindlich,  in  keinem  Falle  aber  als  (bei  Sauer- 
ftoffanwefenheit)  vollkommen  lichtbeftändig;  concentrirte  Säuren  wie 
Alkalien  bedürfen  jedoch  längerer  Zeit  oder  des  Erhitzens,  um  eine 
und  felbft  dann  nur  fehr  unvollftändige  Zerfetzung  oder  Auflöfung 
des  Pigmentes  zu  bewirken.  Nur  nach  längerer  Einwirkung  von 
verdünnter  Salpeterfäure  wird  da^  Fuscin  in  verdünnten  Alkalien 
fehr  leiclit  löslich. 

Das  Sepienfchwarz  ift  eine  braunfchwarze,  amorphe  Mafle  mit 
grünlich  metallifchem  Reflex.  Es  ift  vollkommen  unlöslich  in 
Waffer,  Alkoliol  und  Aether.  Concentrirte  Schwefelfäure  wie  Sal- 
peterfäuro  zerfetzen  es  und  färben  fich  dabei  rothbraun;  Salzfäure 
wirkt  fehr  fchwach  ein,  Chlor  bleicht  den  Farbftoff.  AVarme  Kali- 
lauge erzeugt  eine  tiefbraune  Löfung,  die  durch  Schwefelfäui'e  wie 
Salzßiure  gefällt  wird;  auch  Ammoniak  foll  löfend  wirken,  nicht 
aber  Alkalicarbonate. 

Eine  große  Anzahl  von  dunkelviolettcn,  gelb-  und  rothbraunen 
Pigmenten,  welche  lieh  von  den  Lipochromoiden   und  Melanoiden 


i 


92  Grundzüge  einer  vergleichenden  [10 

durch  das  Nichteintreten  der  Schwefelfäurereaction ,  von  den  Me- 
laninen durch  ihre  Färbung  unterfcheiden,  gleicht  in  der  Reliftenz 
gegen  Löfungsmittel,  gegen  Säuren  und  Alkalien  den  Melaninen;  j 
über  jene  läßt  ßch  zur  Zeit  aber  noch  weniger  fagen  als  über  diefe.  * 
Ich  erinnere  deshalb  nur  kurz  an  jene  humusartigen  Subltanzen, 
welche  fich  unter  Sauerftoff-  und  WalTeraufnahme  aus  Chromogenen 
in  ablterbenden  Pfianzentheilen  (z.  B.  in  den  lieh  zur  Herbftzeit 
bräunenden  Blättern  und  Akazienfchoten)  bilden,  oder  welche  durch 
Wärme-  wie  durch  Alkalieinmrkung  aus  den  Uranidinen  unter 
Sauerftoff  aufnähme  hervorgehen. 

^^*^jP''^"^"  Als  Uranidine^^)   habe    ich  jene   gelben   Farbftoffe   fehr   ver- 

fchiedenartigen  Vorkommens  (Aplyfmofulvin  in  Aplysina  aero 
phoba  und  Aplysilla  sulfurea,  die  lymphatifchen  Farbftoffe  voü 
Ascidien  und  Infecten  [Hydrophilus,  Dyticus,  Oryctes,  Melo 
lontha,  Lepidopterenpuppen  etc.],  AethaHoflavin  in  Aethaliur 
septicum)  zufammengefaßt,  welche  unter  Mitwirkung  von  Fer 
menten  (fei  es,  daß  folche  bei  der  Melanofe  zerftört,  fei  es,  daß 
diefe  dabei  überhaupt  erft  in  Wirkfamkeit  treten)  in  bräunliche 
oder  dunkelviolette,  gegen  lipochromatifche  Löfungsmittel  und  AI 
kahen,  theilweife  auch  gegen  Säuren  widerflandsfähige  Mafien  ver- 
wandelt werden.  Diefer  Art  wird  auch  der  grüne  Farbftoff  fein, 
welchen  Graf  B.  Haller  in  den  Epithelzellen  der  Zuckerdrüfe  von 
Chitonen  antraf,  und  deflen  Veränderung  in  Violett  er  mit  dem 
Secretionsvorgange  der  Drüfen  als  in  Beziehung  ftehend  nachwies  ^^); 
Die  Tabelle  auf  S.  98  gewährt  einen  Einblick  in  die  bei  der  Ver 
färbung  der  Uranidine  verlaufenden,  jedenfalls  fehr  comphcirten 
Vorgänge. 

Am   längften   und   am  beften  bekannt  von   allen  thierifchen 
Farbftoffen  find  die  Hämöglobine  mit  ihren  Derivaten. 

Die  Hämo-  J)iq  HämogloMnc  zählen  zu  den  Proteiden,   d.  h.  Eiweiß ver-^ 

globme  ^  ' 

Abkömm-  biudungen,  welche  bei  Spaltungsvorgängen  neben  anderen  Stoffen 
Eiweißfubftanzen  liefern;   fo   zerfallen  fie  bei  längerer  Erwärmung 


11]  Phyfiologie  der  FarbftofFe  und  der  Farben.  93 

der  wäfTrigen  Löfung  auf  70 — 80^  C.  in  coagulirtes  Eiweiß  vincl  in 
Hämatin. 

Das  Speetralverhalten  der  Hämoglobine  und  ihrer  Abkömm- 
linge ift  ein  fehr  beftimmtes  und  zum  Nachweife  derfelben  wohl 
geeignet.  Diefes  gilt  jedoch  nur,  wenn  man  fich  fraglichen  Falls 
nicht  nur  mit  der  oberflächlichen  fjDectrofkopifchen  Prüfung  eines 
einzigen  Körpers  diefer  Reihe  (z.  B.  des  Oxyhämoglobins)  begnügt, 
fondern  die  Unterfuchung  auch  auf  die  Zerfetzungsproducte  des- 
felben  ausdehnt,  die  Intenfität  der  einzelnen  Abforptionsbänder  und 
deren  Lageverhältniß  zu  den  Fmimhofe/ khen  Linien  im  Spectrum 
allemal  genügend  berückfichtigt ;  diefes  ift  fchon  deshalb  nöthig, 
weil  nicht  nur  die  aus  dem  Indigcarmin  durch  Kochen  mit  über- 
fchüITigem  Alkali  entftehende  Purpurinfchwefelfäure  ein  dem  redu- 
cirten  Hämoglobin  ähnliches  Spectralbild  liefert,  fondern  auch 
thierifche  Farbftoffe  (Turacin,  Helicorubin,  Carmin)  dem  Oxyhämo- 
globin  fpectrofkopifcli  außerordentlich  ähneln  ^^).  Nach  Kimdfs 
Unterfuchungen  ^^)  fcheinen  die  felbft  in  kaum  gefärbten  Hämoglobin- 
löfungen  fo  fchwarz  ^xie  Tintenftriche  hervortretenden  Spectralflreifen 
auf  anormaler  Disperüon  zu  beruhen  und  an  das  fpectrofkopifche  Ver- 
halten des  Hämoglobins  Betrachtungen  über  Abforptionsverhältnifle 
und  chemifche  A\"irkungs\veife  zu  knüpfen,  dürfte  deshalb  heute 
nicht  unfruchtbarer  fein  als  bei  dem  Chlorophyllgi'ün. 

Bei  den  Hämoglobinen  liegen  die  Dinge  gerade  umgekehrt  wie 
bei  den  Lipochromen :  die  optifche  Analyfe  läßt  uns  der  chemifchen 
und  kryftallograj^hifchcn  (vgl.  beiftehende  Tabelle)  gegenüber  im 
Stiche  und  zeigt  conftantc  Abforptionen  bei  großen  fonftigen 
Differenzen,  was  fich  vermuthlich  daraus  erklärt,  daß  alle  Hämo- 
globine als  einziges  gefärbtes  Derivat  das  ftets  gleiche  eifenhaltige 
Hämatin  liefern,  wonacli  fie  fämmtlich  als  Verbindungen  dcfl'elben 
Farbftoffcs,  und  zwar  des  »SVo/ir.s'fchen  reducirtcn  Hämatins 
( =  Hämo(;hromogen  Hoppe- ScylcrH)  aufzufa/Ten  wären ^").  Nur  die 
Färbungsintonntät    weiclit    zwifchcn    llämogloljiiu'ii    vorfcliiedener 


94 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


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13]  Phyüologie  der  Farbftoffe  und  der  Farben.  95 

Herkunft  bisweilen,  and  in  manchen  Fällen  alsdann  felbft  erheb- 
lich ab-'=^). 

"Wie  die  Tabelle  auf  S.  29—32  im  erften  Hefte  diefer  Vorträge 
zeigt,  wurde  das  Hämoglobin  außer  bei  allen  Wirbelthieren  (mit 
alleiniger  Ausnahme  von  Amphioxus  [?]^^)  und  den  Leptocepha- 
liden)  auch  noch  bei  Würmern  (Turbellarien  [?],  Nemertinen,  Hi- 
rudineen,  Chätopoden,  Gephyreen),  Arthropoden  (Cruftaceen,  Infecten) 
und  Mollusken  (Lamellibranchiaten,  Gaftropoden)  nachgewiefen.  Den 
Echinodermen ,  Cölenteraten ,  Protiften  fcheint  daffelbe  ebenfo  wie 
den  Pflanzen  zu  fehlen;  es  hat  fich  herausgeftellt ,  daß  alle  dies- 
bezüglichen pofitiven  Angaben  auf  Irrthümern  und  fchlcchten  Be- 
ol)achtungen  beruhen. 

Auch  leicht  künlllich  zu  erhaltende  Abkömmlinge  des  Hämo- 
globins wurden  in  thierifchen  Organismen  angetroffen^'*).  So  finden 
ßch  die  aus  dem  Oxyhämoglobin  durch  Säuren  oder  ftärkere  Al- 
kalien unter  Eiweißabgabe  hervorgehenden  Hämatine  in  feltenen 
Fällen  auch  in  alten  Blutextra vafaten  bei  Wirbelthieren  vor,  das 
eifenfreie  Hämatin  (Hämatoporphyrin),  in  welches  das  Hämoglobin 
durch  conc.  Schwefelfäiu'e  überzuführen  ilt,  ift  ein  Secretionspro- 
duct  von  Drüfen  des  Ovarialtractus  bei  Vögeln,  deren  Eierfchalen 
es  ein  rothes,  braunes,  lederfarbenes,  gelbes  oder  fchwarzes  Colorit 
verleiht;  bei  Hämoglobinurie  foU  im  frifchen  menfchlichen  Harne 
nur  Methämoglobin ,  ein  moleculares  Umwandlungsproduct  des 
Oxyhämoglobins,  auftreten  ^°),  und  Malijs  Hydrobilirubin  (Urobilin 
Jaffc»),  welches  durch  Einwirkung  von  nascirendem  WalTerftoff 
aus  dem  Hämoglobin  erhalten  wird,  ift  ein  häufigei-,  vielleicht  fo- 
gar  ein  conflanter  Beflandtheil  des  Harnes  bei  Säugetliieren.  Das 
Hydrobiliruliin  wurde  nicht  nur  aus  dem  Hämoglobin,  fondei-n  auch 
aus  dein  Biliruljin  (durch  2 — 3tägigc  Maceration  mit  Natriumamal- 
gam l)('i  Luftal)fc]diiß  oder  durcli  Ziiiii  und  Salzfäure)  gewonnen, 
und  CS  wurde  dadurch  wabrfchcinlich  gemacht,  daß  auch  das 
Biliniliiii  und  di(!  ühriiren  Gallen fafblioffc  Abköintnlinire  des  Hämo- 


96  Grundzüge  einer  vergleichenden  [14 

globins  find,  für  welche  Annahme  das  A'^orkommen  der  fog.  Hämo- 
toidmkry Halle,  welche  nichts  anderes  als  Bilirubm  find,  in  alten 
BlutergüfTen  jedenfalls  noch  überzeugender  fpricht. 

Die  Gallenpigmente  der  Wirbelthiere  werden  durch  eine  Farben- 
reaction,  durch  die  fog.  Gmelin  (che  Gallenfarbftoffprobe,  welche 
an  ihnen  fowohl  rohe  Salpeterfäure  wie  alkoholifche  Bromlöfung 
hervorbringt,  als  Ganzes  zufammengehalten.  Bei  diefer  Reaction 
hefern  fämmthche  Gallenfarbftoffe  als  Oxydationsproduct  fchließlich 
das  Choletelin,  mit  dem  das  Hydrobihrubin,  welches  ein  Reductions- 
product  des  Bihrubins  darftellt,  nicht  zu  verwechfeln  ifl.  Die 
Angabe,  daß  auch  Choletelin  bei  Behandlung  mit  AValTer  und 
Natriumamalgam  Hydrobilirubin  liefere,  ift  nicht  ohne  Widerfpruch 
geblieben. 

Entgegen  vielen  neueren,  fchon  durch  ältere,  weit  genauere 
Verfuche  als  widerlegt  zu  betrachtenden  Angaben  mußte  bis  vor 
Kurzem  angenommen  werden,  daß  die  durch  das  Eintreten  der 
Gmelin  (chen  Gallenfarbftoflfreaction  gekennzeichneten  Pigmente  auf 
die  Wirbelthiere  im  Vorkommen  befchränkt  find;  die  Leber  und 
ihre  Secrete  hatten  ßch  bei  Wirbellofen  verfchiedeniter  Clallen  von 
derartigen  Farbffcoffen  als  vollkommen  frei  erwiefen^^).  Bei  den 
Wirbelthieren  waren  diefe  Pigmente  jedoch  nicht  nur  in  der  Galle 
gefunden,  fondern  auch  die  Placenta  des  Hundes ^'^),  die  blauen 
und  grünen  Vogeleierfchalen  waren  als  biliverdinhaltig  erkannt 
worden  ^^).  Ich  konnte  indeß  zeigen  ^^),  daß  auch  Wirbellofe  BiH- 
verdin  bilden,  daß  fich  diefes.  in  großer  Menge  in  den  Gehäufen 
von  Trochiden  und  Haliotiden  findet,  daß  es  nach  Extraction 
der  verkalkten  Gebilde  mit  Salzfäure,  fowohl  durch  Salpeterfäure 
oder  Bromwaffer,  wie  auch  durch  die  fuccefiive  Aufeinanderfolge 
der  Spectraleigenthümlichkeiten  bei  der  Gmelinlchen  Probe  als 
folches  leicht  und  ficher  in  der  Löfung  nachgewiefen  werden  kann. 
Fernerhin  zeigte  ich  auch,  daß  ein  dem  Hämoglobin  chemifch  fehr 
fern  flehendes  Pigment,  das  Turbobrunin,  welches  die  dunkelrothen 


15]  Phyfiologie  der  Farbftoffe  und  der  Farben.  97 

Gehäufe  von  Turbiden  und  Halioten  tingirt,  einfach  in  falz- 
faurer  Löfung  kui"ze  Zeit  gekocht,  in  BiHverdin  übergeht^'').  Diele 
Befunde  lehren,  daß  das  Biliverdin  und  vermuthhch  auch  alle 
fonfligen  Gallenpigmente  der  AVirbelthiere  nicht  nothwendig  aus 
Hämoglobin  zu  entftehen  brauchen,  fondern  auch  aus  andersartigen 
Subftauzen  hervorgehen  können,  während  zugleich  die  Refultate 
einer  anderen  Reihe  vergleichend  phyfiologifcher  Unterfuchungen 
lehren,  daß  ßch  das  Hämoglobin  bei  vielen  Thieren  (z.  B.  bei 
Planorbis,  Lumbricus,  Aphrodite)  niemals  in  veritabele Gallen- 
farbftoffe  transformirt,  fondern  im  Organismus  andersartig  zer- 
fallen muß. 

Das  bei  der  Umfetzung  des  Hämoglobins  in  eifenfreie  Farb- 
ftoffe (Hämatoporphmn,  Gallenfarbftoffe,  Hydrobilirubin)  austretende 
Eifen  verläßt  bei  den  Säugethieren  in  der  Galle  und  der  Milch 
den  Organismus  und  ift  in  diefen  Secreten  dm'cli  Reagentien  chrect 
nachweisbar,  während  z.  B.  der  Harn  niemals  Eifenfalze  in  freiem 
Zuftande  enthält.  Eine  ähnliche  Abfpaltung  von  Eifen,  wie  ßch 
folche  normal  im  Körper  vollzieht,  erfährt  auch  das  Hämoglobin 
in  Blutextra vafaten ,  welche  in  Folge  deffen  zu  gelbbraunen  eifen^ 
reiclien  Infiltrationen  Veranlagung  werden ^'^).  Bei  den  Vögeln 
fammelt  fich  das  bei  der  Hämatoporphyrin-  und  Gallenfarbftoff- 
bildung  aus  dem  Hämoglobin  abgefplifTene  Eifen  oft  reichlich  in 
den  Federn  an;  ])ei  einem  bosnifchen  Lämmergeier  fand  ich  in 
den  durch  Eifenoxydhydrat  dunkelbraun  gefärbten  Federn,  welches 
diefen  durch  verdünnte  kalte  Salzfäure  fo  gründlich  entzogen  wer- 
den konnte,  daß  die  Federn  nach  der  Salzfäureeinwirkung  voll- 
kommen weiß  erfchienen,  nicht  weniger  als  4 — 5  "/o  reinftes  Eifen- 
oxyd  {Fe,0,r'). 

Durch  die  Eigen fchaft,  den  Sauerftoff  der  Luft  locker  chemifch 
zu  binden  und  den  feilten  bei  einer  Sauerftoffverarmung  der  Um- 
gebung an  diefe  wieder  abzutreten,  ift  das  Hämoglobin  für  den 
Wiri>elthierorganismus    ein    Kefpirationsftoft"  /aT'sio/YJv.     P^ür  eine 


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Grundzüge  einer  vergleichenden 


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17]  Phyßologie  der  Farl)Itoffe  und  der  Farben.  99 

vergleichende  Betrachtuug  der  Refpirationsvorgänge  der  Thiere  ift 
es  nicht  wenig  günflig,  daß  auch  manche  andere  in  thierifchen 
Organismen  als  SauerJftoffüberträger  fungirende  Subflanzen,  ganz 
ebenfo  wie  das  Hämoglobin,  fchon  durch  die  Färbung  allein  ihren 
Gehalt  an  Sauerftoff  errathen  lalTen^-).  Harlcß  entdeckte  einen, 
lieh  dem  Oxyhämoglobin  in  diefer  Beziehung  fehr  ähnlich  verhal- 
tenden blauen  Farbftoff,  das  Hämocyanin,  in  der  Hämolymphe 
von  Mollusken,  und  durch  meine  Unterfuchungen  wurde  die  Zahl 
derartiger  Refpü-ationspigmente  noch  um  ein  Erhebliches  vermehrt. 
Zu  den  Refpirationspigmenten  zählen  vornehmhch  die  Floridine  ■^^)  wie  Fiori- 

diin'. 

(Hämer}i;hrin,  Bugulapurpur,  das  kirfchrothe Pigment  von  Reniera 
purpurea,  das  Rofa  der  Hircinia  variabilis  und  einiger  Spon- 
gelia-  wie  Reniera-Arten),  \'iolette  bis  purpurrothe  Farbftoffe, 
welche  in  WalTer  und  Glycerin  löslich,  in  den  lipochromatifchen 
Löfungsmitteln  dagegen  unlöshch  find,  ohne  aber  von  diefen  zer- 
ftört  zu  werden.  Sorbys  Mittheilungen  ■^^)  zufolge  würde  das  Aphi- 
(lin  gleichfalls  den  Refpirationspigmenten  einzureihen  fein.  —  Ich 
überzeugte  mich  aber  zugleich,  daß  bei  den,  dem  Hämoglobin 
functionell  analogen  Farbftoffen  der  Wirbellofen  die  refpiratorifche 
Action  keineswegs  fo  einfach  ift  wie  bei  dem  Hämoglobin,  und 
wie  fie  auch  für  jene  von  mehreren  Forfchern  ohne  Weiteres  an- 
genommen war.  Auf  der  hier  nochmals  zum  Abdruck  gebrachten 
Tabelle  dürften  die  diesbezüglichen  Complicationen  auffällig  genug 
li  ervortreten. 

Als  venneintliche  Hämatinverbindungen  hat  man  noch  meh-Aiisfbiiciic 
rere  andere  thierifclie  Farbftoffe  mit  dem  Hämoglobin  in  dii-ecter  ^i'^,'"g["' 
Beziehung  geglaubt,  fo  das  Chlorocruorin  I{aij-Lanl-('ßers^%  einen 
rothen,  kryftallifabeln  Farbftoff  des  Lcberfecretes  von  Helix  po- 
iiiatia  (Helicorubin )■*'')  und  die  fog.  Dermochrome^^). 

Die  Angaben  von  Hay-Lankcäcr  über  das  Chlorocruorin,  fowio 
die  üV)er  das  Helicorubin  von  Sorhy  habe  ich  in  vielen  gi-a\dtireii- 
df-n  Punkten  berichtigen  müiren,  und  auch  die  Anficht  diefer  Au- 

Kruktuhtrg,  Vergl.-phyfiol,  Vorträge.  8 


Dermo- 
clirome. 


100  Grundzüge  einer  vergleichenden  [18 

toren,  daß  es  fich  bei  diefen  Pigmenten  um  refpirirende  Stoffe 
handle,  ift  vollkommen  hinfällig  geworden,  feitdem  ich  nachgewiefen 
habe,  daß  Ray-Lankelier' s  Oxychlorocruorin  und  Er}i;hrocruorin  ein 
und  diefelbe  Subftanz  und,  welche  durch  Schwefelammonium  nicht 
zu  reduciren  iffc.  Ebenfo  erhellt  aus  meinen  Unterfuchungen,  daß 
das  Helicorubin  durch  Schwefelammonium  keine  Reduction  er- 
leidet, und  nur  die  durch  thatfächhch  Beobachtetes  fehr  un- 
genügend genützten  Vermuthungen,  daß  das  Chlorocruorin  durch 
Cyankalium  und  Schwefelammonium  dasfelbe  Reductionsproduct 
me  das  Hämoglobin,  das  Helicorubin  bei  der  Oxydation  durch 
Kaliumhypermanganat  Hämatin  liefern  foll,  bedürfen  noch  der 
Beftätigung  oder,  was  fich  vermuthlich  eher  ereignen  wird,  der 
Befeitigung. 

Die  Speculationen  Mac  Munn^  über  feine  fog.  Dermochrome 
wären  der  WilTenfchaft  licherlich  ganz  erfpart  geblieben,  wenn  fich 
diefer  Forfcher  mit  meinen  ^,'4  Jahre  vor  feiner  Publication  erfchie- 
nenen  Unterfuchungen  bekannt  gemacht  hätte;  fo  entging  es  ihm 
aber,  daß  feine  Dermochrome  nur  Gemifche  von  Lipochromen  und 
Hämoglobin derivaten  find.  Daß  Mac  Munn  aus  der  Haut  von 
Hirudo  medicinalis  durch  Digeriren  und  Erwärmen  mit  Itarker 
Natronlauge  und  nachherige  Säurebehandlung  fchheßlich  Hämato- 
porphyrin  erhielt,  kann  Den  nicht  Wunder  nehmen,  welcher  weiß, 
wie  weit  fich  bei  diefem  Wurme  die  Darmwülfte  an  die  äußere 
Haut  erftrecken,  und  wie  fchwierig  diefe  zu  präpariren  ift;  daß 
daneben  Lipochrome  {Mac  3Iunns  Lutein)  gefunden  wurden,  ift 
ebenfalls  nichts  Neues,  da  ich  diefelben  nicht  nur  bei  Arthropoden 
und  MoUusken,  fondern  auch  bei  Würmern  und  Echinodermen 
weit  verbreitet  fand.  Ein  gewiffer  Werth  ifl;  in  Mac  Munns  Arbeit 
nur  den  Angaben  beizumelfen,  daß  auch  aus  dem  Integumente  von 
Uraster,  Limax  flavus  und  Arion  ater  durch  fuccelfive  Be- 
handlung mit  kochender  Kalilauge  und  verdünnter  warmer  Schwefel- 
fäure  Hämatoporphyrin  erhalten  werden  kann,  was  jedoch  an  Ge- 


191 


Phvfioloeie  der  Farbftoffe  und  der  Far})en. 


101 


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102  Grundzüge  einer  vergleichenden  [20 

weben,  welchen  zuvor  die  Lipochrome  voUItändig  entzogen  wurden, 
erft  noch  näher  zu  unterfuchen  fein  wird. 

Eine  mittelbare  Beziehung  zwdfchen  den  einzelnen  im  Vorher- 
gehenden abgehandelten  Farbftoffgruppen  ergab  ßch  mit  Sicherheit 
nur  für  das  Turbobrunin  (durch  das  Biliverdin)  mit  den  Gallen- 
farbfloffen  einerfeits,  und  (durch  das  Hycbobilirubin)  mit  dem 
Hämoglobin  anderfeits,  eine  directe  für  das  Cyanokryftallin  mit 
den  Lipochromen;  vielleicht  exiftirt  eine  mittelbare  Beziehung 
auch  zwifchen  den  Lipochromen  und  dem  Hämoglobin,  nämlich 
durch  die  Lipochromoide,  Melanoide  und  Melanine.  Die  fchema- 
tifch  gehaltene  Tafel  auf  S.  101  bringt  diefe  VerhältnilTe  zum 
Ausdruck. 
Echtes  uud         Die  Chlorophyllfarbltoffe   betreffend,    hatte   fich  in  der  bota- 

falfches  ^    "^  ' 

phyiigrto  üifchen  Literatur  während  der  letzten  Jahre  der  Unrath  in  einer 
fo  enormen  Weife  angehäuft,  daß  es  unmöglich  war,  auf  Grund 
derfelben  den  Chlorophyllnachweis  bei  Thieren  überhaupt  nur  zu 
verfuchen.  Was  von  Unkundigen  in  diefer  Richtung  trotzdem 
unternommen  wurde,  mußte  in  feinen  Refultaten  nothwendig  be- 
langlos bleiben.  Aus  den  Unterfuchungen  von  Hanfen^^),  welche 
den  Ballaft  aus  der  Literatur  entfernten,  die  begangenen  Irrthümer 
aufdeckten  und  der  verdienffclichen  Arbeit  von  Kraus  wieder  zu 
dem  verdienten  Anfehen  verhalfen,  ift  der  WilTenfchaft  ein  uner- 
meßlicher Segen  erwachfen.  Jetzt,  wo  durch  Hänfen  fertgeftellt 
wurde,  daß  das  Chlorophyll  ein  Gemenge  zweier  Farbftofife,  des 
Chlorophyllgrüns  und  eines  Lipochromes,  des  Chlorophyllgelbs,  ift, 
beide  Beftandtheüe  des  fog.  Chlorophylls  kryftalhßrt  erhalten,  über 
das  optifche  Verhalten  beider  endgültig  entfchieden  und  das  Chloro- 
phyllgrün qualitativ  wie  quantitativ  genau  analyfirt  werden  konnte, 
dürfte  es  allerdings  der  Mühe  werth  fein,  zu  unterfuchen,  inwiefern 
frühere  Vermuthungen  in  Betreff  des  Vorkommens  von  Chloro- 
phyllgrün bei  wirbellofen  Thieren  das  Richtige  getroffen  haben  oder 
auch  nicht ^^).     Abgefehen  von  pflanzlichem  Paraßtismus  und  auf- 


21]  Phyfiologie  der  Farbftofle  und  der  Farben.  103 

genommenem  pflanzlichen  Chlorophyll,  fcheint  mir  die  Gegenwart 
echten  Chlorophyllgrüns  bei  Thieren  äußerft  zweifelhaft.  Sorhy 
und  ich  haben  bereits  dargethan,  was  Schenk  vordem  nicht  ver- 
mochte, daß  das  Bonellein  kein  Chloropliyllgrün  ift**');  ich  zeigte 
fernerhin ^^),  daß  den  grünen  Infectenflügeln  keine  Chlorophyll- 
farbung  zu  Grunde  liegt  und  daß  die  gegentheiUge  Angabe  von 
U.  Pocldinfjtow^^)  nm'  darauf  beruht,  daß  diefer  Forfcher  nicht  die 
gefonderten  Cantharidenflügel ,  fondern  die  ganzen  Thiere  mit  Al- 
kohol extrahirte  und  —  weil  der  Darmtractus  der  Käfer  in  den 
aufgenommenen  Efchenblättern  unverändertes  Chlorophyll  ja  in 
Menge  führt  —  fo  nothwendig  eine  Chloroj)hylllöfung  erhalten 
mußte.  Ebenfo  erklärt  fich  die,  meinen  Ergebniffen  feltfamer  Weife 
entgegengeftellte  Angabe  von  3£ac  3fiinn^^),  welcher  eine  fpetro- 
fkopifche  Aehnlichkeit  zwifchen  dem  von  den  durchfcheinenden 
Raupen  der  Pieris  rapae  reflectirten  Lichte  und  dem  des  Chloro- 
phylls beobachtet  zu  haben  angibt.  Ein  eventuell  gefehenes  Chloro- 
phyllfpectrum  kann  in  diefem  Falle  aljer  niclit,  wie  3Iac  Mann 
annimmt,  von  den  Pigmenten  des  Integumentes,  fondern  nur  von 
unveränderten  clrlorophyllhaltigen  Maffen  im  Darmkanale  der  Raupe 
hergerührt  haben.  Schließlich  wurde  auch  von  mir  die  fchützende 
Färbung  der  zwifchen  Tangen  lebenden  grünen  Virbius-Artcn  als 
nicht  durch  Chlorophyll  veranlaßt  erwiefen**).  Befonders  verdienft- 
Hch  müßte  es  jetzt  fein,  das  Antheagrün  und  die  grünen  Farb- 
ftoffe  von  Stentor,  Raphidiophrys,  Heterophrys,  8pon- 
gilla,  Hydra  viridis,  Idotea  viridis,  Convoluta  Schultzii, 
Mesostomum  viride,  Chaetopterus  Valcnciennesii,  Elysia 
viridis,  Actaeon  viridis,  die  chlorophylloiden  Farbftoffe  in  den 
Leitern  von  Mollusken,  Artlu'opodcn,  AVürmorn  und  Ecliinodermen 
einer  ebenfo  gründliclien  Unterfuchung  zu  unterwerfen,  als  die  ift, 
M'clclie  }ieut(j  über  da.s  pflanzliche  Chlorophyll  vorliegt,  und  auf 
Grund  dorfol))en  das  Chlorophyllgrün  hier  kurz  charakterifirt 
werden  foll. 


104  Grundzüge  einer  vergleichenden  [22 

Das  afchefreie  Chlorophyllgrün  befteht  nach  Haufens  Analyfen 
aus  67.60  Th.  Kohlenftoff,  10.50  Th.  WalTerfloff,  5.34  Th.  Stick- 
Itoff,  16.55  Th.  Sauerftoff  und  enthält  nur  fehr  minunale  Spuren 
von  Elfen,  keinen  Schwefel.  Gleich  den  Lipochromen  widerfteht 
es  einer  Verfeifung  mit  ßedender  Natronlauge  in  wälTriger  wie 
alkoholifcher  Löfung  und  geht,  wenn  man  bei  der  Extraction  der 
Seife  nach  Kühnes  Methode '^'^)  verfährt,  in  den  Aetherauszug  über; 
es  wüxl  von  Alkohol,  Aether,  fetten  Oelen,  Chloroform  etc.  in 
Löfung  gebracht,  gibt  mit  Waffer  eine  dunkelgrüne  Löfung  und 
löft  fich  auch  in  concentrhter  Schwefelfäure  mit  fchön  fmaragd- 
grüner  Farbe,  nicht  aber  in  Schwefelkohlenitoff.  Durch  Salzfäure 
entfteht  aus  dem  Chlorophyllgrün  eine  fpangrüne,  in  Aether  un- 
löshche  Salzfäm^everbindung,  durch  Chlor  ein  braungelbes  Chlorid. 
Die  den  Löfungen  des  Chlorophyllgrüns  zukommende  blutrothe 
Fluorescenz  fehlt  der  feiten  Subltanz,  welche  Dichroismus  zeigt. 
Die  Lichtempfindlichkeit  des  Farbltoffes  ift  befonders  beträchthch 
in  wäffriger  Löfung  und  in  Chloroform.  Salpeterfäure  lölt  das 
Chlorophyllgrün  chamoisfarbig ;  roth  fluorescirend  ilt  die  im  übrigen 
gleich  gefärbte  Löfung  diefes  Körpers  in  Aether.  Das  Spectral- 
verhalten  der  Umwandlungsproducte  durch  Salzfäure,  Schwefelfäure 
oder  Salpeterfäure  ilt  von  dem  des  unveränderten  Chlorophyllgrüns 
nm'  clm-ch  eine  Lageverfchiebung  der  Abforptionsbänder  gekenn- 
zeichnet. 

Auf  die  zm-  Zeit  wohl  noch  keineswegs  ganz  außer  Frage 
gelteilte  Symbiofe  von  Thieren  und  einzelhgen  Algen  hier  näher 
einzugehen,  muß  überflülTig  erfcheinen,  weil  diefer  Gegenltand  von 
K.  JBrandt^^)  erlt  ganz  klnzlich  mit  großer  Ausführüchkeit  behan- 
delt wurde.  Nur  glaube  ich  ausdrücklich  hervorheben  zu  foUen, 
daß  fämmtliche  in  Brandts  fonll  fo  verdienltvoller  Arbeit  heran- 
gezogenen, vermeintHchen  Chlorophyllnachweife  bei  WirbeUofen 
durchaus  nichts  befagen,  und  daß  es  unltatthaft  ilt,  die  Verdienlte 
von  Geddes  durch  die  Bemerkung  abzufchwächen :   «Da  aber  fchon 


23]  Phyfiologie  der  Farliltofte  und  der  Farben.  106 

längft  durch  3Ia:c  ScJiiilfze  das  A^orkommen  von  echtem  Chlorophyll 
hei  Turbenarien  und  anderen  Thieren  fichergeftellt,  und  auch 
fpäter  durch  SorJtif  und  Andere  auf  fpectrofkopifchcm  Wege  echtes 
Chlorophyll  in  Thieren  nacligewiefen  war,  fo  hatte  das  Ergebniß 
der  Unterfuchung  von  Geddcs  nichts  Ueberrafchendes. »  Auch 
Efigchiicuni  foll  durch  feine  «forgfältigen  Unterfuchungen»  dargethan 
liaben,  daß  der  «goldgelbe»  (!)  Farbftoff  der  Acanthometridcn 
Chlorophyll  ift.  Capramca  hatte  feiner  Zeit  die  Farbe  des  Hühner- 
eierdotters in  eine  fchön  fehrothe  und  die  Spectren  der  Auszüge 
von  Eigelb  in  die  von  Extracten  aus  Hühneraugen  verwandeln 
können'*'),  warum  vermöchte  alfo  nicht  auch  Eugelmann  in  einem 
goldgelben  Pigmente  ein  fmaragdgrünes  zu  erblicken?  Ich  wieder- 
hole hier,  was,  wie  es  fcheint,  zwar  nur  Wenigen  zu  hören  ange- 
nehm ift,  daß  chlorophyllähnliche  Stoffe  (Enterochlorophyll  Mac 
Munnii)  von  mir  auch  im  Lebergewebe  zahlreicher  Mollusken-, 
Arthropoden-,  Würmer-  und  Echinodermenfpecies  aufgefunden  find, 
und  daß  pflanzliches  Chlorophyllgrün  durch  eine  zweckentfprechende 
Farl^ftoffanalyfe  bislang  noch  bei  keinem  einzigen  Wirbellofen  nach- 
gewiefen  wurde.  Jeder  Sachkundige  wird  zugeftehen  muffen,  daß 
es  ohne  lehr  forgfältige  und  eingeliende  Unterfuchungen  ganz  un- 
mr»glich  ift,  manche  veritabelc  Thicrpigmente  (z.  B.  Bonellein  und 
die  zahlreichen  Hepatochrome)  von  dem  Chlorophyllgrün  mit  feinen 
Zerfetzungsproducten  auf  hgend  einem  Wege  —  durch  Behandlung 
mit  noch  fo  vielen  Keagentien  oder  auch  fpectrofkopifch  —  zu 
uiiterfcheiden;  auf  einer  großen  Literaturunkenntniß  beruht  es 
zwar,  wenn  Mac  Mumi  glaubt,  icli  ha1)e  den  chlorophylloiden 
Farbftoff  der  gel])en  Zellen  bei  Anthea  viridis  mit  dem  Antliea- 
grün  verwechfelt;  bin  ich  docli  der  Erftc  gewefen,  welcher  l)eide 
Farbftofie  nicht  nur  unterfchied,  fondern  fie  auch  von  einander 
tn-imcii   lehrte^**). 

Zu  der  Annalime,  daß  die  gelben  ]i[)oclii'()iii;itirclieii  rilaii/.en- ^'•'J.'/^'J,,'^."'^ 
farbftofft.-  (z.  I>.  das  C'bloro[)hyllgelb,  di(!gell)en  liliitlieiifaiMlolfe  etc.)  luiiiiiöni-. 


106  Grundzüge  einer  vergleichenden  [24 

direct  aus  dem  Chloropliyllgrün  hervorgegangen  lind  oder  zu  diefem 
in  irgendwelclier  chemifchen  Beziehung  ftelien,  refp.  daß  fie  unter 
Aufnahme  von  Stickftoff  und  gleiclizeitiger  Abgabe  von  WalTerltoff 
und  Sauerltoff  in  Cliloropliyllgrün  übergelien  können^^),  hegt  gegen- 
wärtig gar  kein  Grund  vor;  wir  wilTen  vielmelir,  daß  ßcli  Lipo- 
chrome  aucli  in  den  Geweben  der  Thiere,  felbffc  nocli  bei  Vögehi 
und  Säugern  felbftändig  bilden,  daß  üe  in  chemifcli  ganz  anderen 
Subrtanzen  als  das  Chlorophyllgrün  ilt,  vorgebildet  fein  können. 
Eine  gleiche  Unabhängigkeit  vom  Chlorophyllgrün  documentiren 
auch  die  gewöhnlichen,  hn  Zellfaft  gelöJften  rothen,  blauen  wie  violetten 
Blüthen-  oder  Fruchtfarbltoffe,  welche  als  Erytlii'ophyll,  Anthocyan, 
Cyanin,  Oenolin  etc.  bezeichnet  wurden.  Die  blauen  und  violetten 
Farbrtojffe  gehen  durch  Säuren  in  den  rothen  über,  und  der  rothe 
wird  durch  Eifenvitriol  wie  durch  wenig  Natriumphosphat  violett, 
auf  reichlichem  Zufatz  des  Natriumfalzes  aber  blau.  Alkalien  färben 
die  rothen  Löfungen  grün,  beim  nachherigen  Neutralifiren  mit  hgend 
einer  Säure  kehrt  aber  das  urfprüngliche  Roth  unverändert  zurück  ^°). 
Ein  farblofes  Chromogen  im  Blattparenchym  der  Aloearten 
geht,  wie  Hänfen  nachmes  ^^),  unter  Walfer-  und  Sauerftoffaufnahme 
in  ein  rothes  Pigment  über,  welches  mit  dem  Violettroth  vieler  Früchte 
völhg  übereinftimmt.  Die  Umwandlung  diefes  Chromogenes  in  den 
rothen  Farbfloff  erfolgt  bei  Anwefenheit  von  Waller  und  Sauerltoff 
noch  nach  vorausgegangenem,  mehrere  Stunden  unterhaltenem  Trock- 
nen des  Blattparenchyms  bei  150^  C,  nicht  aber  in  kaltem  oder  lie- 
deiidem  Alkohol;  ein  in  Walfer  gegolfener  alkohohfcher  Auszug  des 
Parenchyms  färbt  fich  aber  gleichfalls  roth,  was  beweill,  daß  das 
Chromogen  durch  den  Alkohol  nicht  zerltört,  fondern  durch  diefen 
nur  an  einer  Walferaufnahme  verhindert  w^urde.  Aus  diefen  wich- 
tigen Beobachtungen  folgt  die  Unabhängigkeit  des  Entflehens  der 
rothen  Pflanzenfarbltoffe  von  der  Anwefenheit  des  CUorophyllgrüns. 
^iSiii-"^  Subltanzen  der  Indigogruppe  5^)  finden  fich  bei  Pflanzen  wie 
ftoffe.     bei   Thieren.     In   den    fauren    Säften   mehrerer  Pflanzen,    welche 


25]  Phyüologie  der  FarbftaÜ'e  und  der  Farben.  107 

Indigweiß  nicht  zu  löfen  vermöchten,  findet  üch  nach  SrhancJi  ein 
Chromogen  von  Glykofidnatur,  das  Indican  (CoeHgiNOi^),  welches 
lieh  durch  verdünnte  Säuren  und  Fermente  leicht  in  Indigblau 
^  (C16H10N2O2)  und  Indiglucin  (C^HioOg)  fpaltet.  Specics  der  ver- 
fcliiedenften  Pflanzenfamilien  werden  zur  Indigobereitung  verwandt 
und  auch  aus  vielen  anderen,  darauf  noch  nicht  genauer  unter- 
fuchten  Pflanzenarten  läßt  fich  ein  dem  Indigblau  ähnlicher,  viel- 
leicht damit  übereinftimmender  Farbflioff"  gewinnen. 

Im  Harne  der  Säugethiere  findet  fich  oft  in  reichlicher  Menge 
das  fogenannte  Harnindican,  d.  i.  indoxylfchwcfelfaures  Kahum 
(CgH^NSOJv),  hervorgegangen  aus  reforljirtem  Indol  (CgH^N),  einem 
Zerfetzungsproducte  der  Eiweißkörper  bei  dem  Fäulnißvorgange  im 
Darmkanale,  und  ganz  analog  dem  Indol  crfcheint  das  homolog 
conftitunte  und  glciclifalls  bei  der  Eiweißfäulniß  entflandene 
Skatol  (C.jH,N)  als  fkatoxylfchwefelfaui'es  Kalium  (C.HgNSOJ^:) 
im  Harne  wieder. 

Dem  Indigblau  verwandt  oder  damit  identifch  fchien  lange 
der  dunkelpurpurrothe  Farbfloff",  welcher  fich  am  Lichte,  unab- 
hängig vom  Sauerfi^off"  der  Luft,  aus  einem  Chromogene  in  dem 
Mantelfecrete  von  Purpura  lapillus  und  P.  patula  bildet.  Diefer 
Farbfloff",  der  Purpur  der  Alten,  Schundes  Punicin  ifi  in  Waffer, 
Alkohol  und  Aether  unlöslich,  in  liedendem  Benzol  wie  fiedendem 
Eisefiig  in  geringem  Grade  und  in  heißem  Phenol  wie  in  kochen- 
dem Anilin  fehr  leicht  lö.slich.  Jjctztere  Löfung  zeigt  einen  breiten 
Al)forptionsftreifen  zwifchcn  C  und  D.  Das  Punicin  fublimirt  bei 
VMV'  C.  in  fcliönen,  metallglänzenden  Kryftallen,  deren  Ränder  tief 
indigblau  gefärl>t  lind,  löil  licli  in  conc.  Schwefel  lau  re,  bildet  aber 
keine  Sulfolaure,  wodurcli  es  vom  Indig])lau  abweicht.  Die  Schwefcl- 
Täurelöfung  zeigt  einen  A))forptionsftreifen  zwifchen  D  und  E,  wiid 
durdi  alkalifdie  Zinnoxydullöfung  reducirt,  der  Farbfloff'  iallt  aber 
uu.s  diefer  Löfung  an  der  Luft  wieder  aus.  Hali)etei-fäui'c  und 
Chromfäure  greifen  das  Punicin  auch  in  der  Wärme  lun-  langCam 


108  Grundzüge  einer  vergleichenden  [26 

an,  Brom  verwandelt  es  in  einen,  in  gelben  Nadeln  kryftallißrenden, 
in  Alkohol  löslichen  Körper.  Schmiele  vermuthet,  daß  das  Punicin 
ein  fonfl  noch  unbekanntes  Ghed  der  IndigogrujDpe  ift. 

Der  violette  Körper,  welcher  fich  unter  Lichteinwirkung  aus 
einem  gelblichen  Chromogene  in  dem  Purpurdrüfenfecrete  mehrerer 
Muriciden  bildet,  belteht  nach  Ä.  und  6r.  de  Negri  bei  Murex 
trunculus  aus  zwei  Farbltoffen,  deren  einer  Indigo  fein  Toll,  welchen 
diefe  Forfcher  daraus  abgefchieden  haben  wollen.  Diefe  Schluß- 
folgerung befindet  fich  im  Widerfpruche  mit  den  Angaben  von 
Bizio,  denen  gemäß  der  Purpur  von  Murex  dmTii  conc.  Schwefel- 
fäure  nicht  angegriff'en,  durch  conc.  Salpeterfäure  goldgelb  gefärbt 
wird.  Nach  JBi.do  iü  der  Farbfiioff  in  Alkohol,  Aether,  Waffer, 
verdünnten  Samten  und  kalten  Alkalien  unlöshch,  nur  kochende 
Kalilauge  färbt  er  gelbhch.  Mir  gelang  es  aus  dem  Purpur fafte 
von  M.  trunculus  (in  einem  gewiffen  Stadium  feiner  Umfetzung) 
eine  wäßrige  violettblaue  Farbltofflöfung  zu  erhalten,  deren  Spec- 
trum ein  breites  Abforptionsband  vor  und  um  E  zeigte.  Näheres 
ift  über  den  Muricidenpurpur  nicht  bekannt  geworden. 
Angebliche         Aucli   natürliche  Anilinfarbftoffe  •^^)   will  man   im  Thierreiche 

Aniliiif'arb- 

Äoffe.  aufgefunden  haben.  Nach  0.  Erdmann  foll  das  carminrothe  Pig- 
ment, welches  Monas  prodigiosa  auf  ftickftofi'h altigen  Nahrungs- 
mitteln bildet,  nur  in  feinem  Verhalten  gegen  Salzfäure  vom  Ros- 
anilin abweichen.  Durch  die  Güte  des  Herrn  Dr.  G-.  Ffeffer  erhielt 
ich  kürzlich  Rahm,  welcher  von  diefem  Schizomyceten  befallen  war, 
und  überzeugte  mich,  daß  der  Farbftoff  in  Waffer  unlöshch,  in 
Aether  wie  Alkohol  dagegen  leicht  löslich  ift.  Die  alkoholifche 
Löfung  wurde  durch  Alkalien  entfärbt,  beim  Neutralifiren  mit 
Salzfäure  das  Pigment  aber  regenerirt.  Im  trocknen  Zuftande 
färbte  fich  der  Farbftoff"  mit  conc.  Schwefelfäure  vorübergehend 
purpur\iolett,  mit  ftarker,  roher  Salpeterfäure  anfangs  gelblich, 
fpäter  verfchwand  die  Färbung  ganz.  Das  Spectrum  der  alkoho- 
lifchen  Löfung  zeigte    drei  Abforptionsbänder:    eins  hinter  D,  ein 


271  Phyüologie  der  Farbltoffe  und  der  Farben.  109 

zweites  unmittelbar  vor  E  und  ein  drittes  vor  F.  Da  nun  das 
Fuchfin  ein  nur  einbänderiges  Spectrum  liefert,  der  in  der  Mitte 
von  D  und  E  lagernde  Streifen  fich  mit  zunehmender  Concentra- 
tion,  befonders  nach  dem  violetten  Ende  des  Spectrums  hin  rafch 
verbreitert,  fo  ift  der  rothe  Farbftoff  von  Monas  prodigiosa  un- 
möglich damit  identifch. 

Erdmann  wies  ebenfalls  darauf  hin,  daß  die  Blaufärbung  der 
von  Vibrio  cyanogenus  befallenen  Milch  auf  einem  Farbltoffe 
beruht,  welcher  in  feinen  Reactionen  fpeciell  demjenigen  Anilinblau 
gleicht,  welches  A.  W.  Jlofuiann  als  Triphenylrosanilin  betrachtet. 
Mh"  hat  fich  mehrfach  Gelegenheit  geboten,  diefen  Vibrionenfarb- 
ftuff  auf  Leichentheilen ,  feucht  gehaltenem  Fibrin  zu  beobachten 
und  zu  unterfuchen.  Die  Uebereinftimmung  desfelben  mit  einigen 
Anilinfarbftoffen  ift  eine  auffallende,  auch  fein  fpectrofkopifches 
Verhalten  weicht  nur  darin  von  dem  Anihnblau  ab,  daß  das  Ab- 
forptionsband  um  D  bei  dem  ^"ibrionenblau  ein  wenig  mehr  nach 
dem  violetten  Ende  des  Spectrums  verfchoben  ift  als  bei  irgend 
einem  der  von  mir  geprüften  Sorten  von  Anilinblau.  Ob  es  lieh 
bei  diefem  blauen  Vibrionenpigmente  jedoch  thatfächlich  um  einen 
Farbftoff  aus  der  Triphenylmethan-Gruppe  handelt,  vermag  nur 
die  Elementaranalyfe  desfelben  endgültig  zu  entfcheiden. 

Auf  Grund  weniger,  nichtiger  Reactionen  behauptete  M.  Ziegler, 
daß  die  gefärbte  FlüfTigkeit,  welche  Aplysia  depilans  abfondert, 
eine  concentrirte  Löfung  von  Anilinroth  und  Anilin\aolett  fei.  Er 
gibt  an,  daß  lieh  die  gefärbte  Löfung  fehr  leicht  zerfetzt;  fälle 
man  aber  den  Farbftoff  durch  Schwefelfäure  und  nochmals  aus 
der  alkoholifchen  Löfung  duirli  Kochfalz,  fo  werde  eine  Sul)ftanz 
gi'woimeii,  die  lieh  durch  concentrirte  Schwefelfäure  in  ein  fchöncs 
Blau  verwandele,  beim  Lölcn  in  Waffer  aber  wieder  violett  werde 
{Zirf/lc/ii  Anilinviolett).  Der  bei  der  Kochfalzfällung  in  Löfung 
))leibende  Farbltoffdurch  Gerl)fäure  abgefchieden,  Ibllte  (wieFuchlin), 
durch  Ammoniak  entfärijt,  durcl)  EHigfäure  wieder  geröthet  werden. 


HO  Grundzüge  einer  vergleichenden  ■  [28 

Die  Farbftoffe  im  Aplyüafecrete  find  auch  von  Mofeley  und 
Mac  Miinn  ftudirt  worden.  Mofeley  s  Apiyfiopurpurin  ifl  ein  Pur- 
purfarbJftoff,  deJTen  alkoholifche  Löfung  ein  fehr  dunkles  Band 
zwifchen  b  und  F  zeigt,  das  ficli  über  E  hinaus  in  ein  fchwächeres 
fortfetzt.  Beim  Anfäuern  wird  die  Löfung  fchön  \dolett  und  zeigt 
dann  drei  Spectralbänder,  indem  ßch  das  fehwarze  zwifclien  b  und 
F  in  unveränderter  Lage  erhält,  und  an  Stelle  feiner  fchwächeren 
Verbreiterung  nach  dem  Roth  zu  zwei  neue  Bänder  auftreten,  ein 
fchmales  unmittelbar  vor  D  und  ein  breites  in  der  Mitte  von  D 
und  E.  Nach  Mac  Munn  löft  fich  der  Aplyßapurpur  (ficherlich 
ein  Farbftoffgemifch ! )  in  Walfer,  Alkohol,  Aether,  Chloroform, 
Schwefelkohlenitoff  und  zeigt  in  wäJTriger,  alkoholifcher,  ätherifcher 
Löfung  wie  auch  in  Chloroform  ein  ähnliches  Spectralverhalten 
(ein  Band  vor  D  und  zwei  breitere  vor  E  und  vor  F),  welches 
aber  von  dem  des  Apiyfiopurpurin  Mofeley^  immerhin  erheblich 
abweicht.  Durch  Natronlauge  wird  die  alkoholifche  Löfung  fchwach 
blau  oder  grün,  und  in  dem  Spectrum  der  Löfung  zeigt  ßch  nur 
das  Band  vor  D  erhalten.  EIßgfäure,  Salzfäure,  Schwefelfäure  wie 
Salpeterfäure  färben  die  alkoholifche  Farbftofflöfung  violett,  welche 
dann  ein  breites,  dunkeles  Band  um  D  bis  E  und  ein  fchwächeres 
vor  F  aufweift.  Mofeley  unterfuchte  Aplyßen  vom  Cap  Vincent 
und  von  den  Cap -Verdif eben  Infein,  Mac  Munn  folche  von  der 
Weftküfte  Lrlands,  woraus  ßch  vielleicht  einige  Differenzen  in  ihren 
Ajigaben  erklären.  Die  fpectrofkopifchen  ünterfuchungen  iDeider 
Forfcher  lehren  indeß  übereinftimmend,  daß  bei  der- Färbung  des 
Aplyßafecretes  keine  Anilinfarbftoffe  in  Frage  kommen. 

Die  thierifcheu  Färbungen  entftehen  in  allen  bislang  betrach- 
teten Fällen  einfach  in  Folge  der  durch  die  in  den  Geweben  depo- 
nirten  feflen  Farbftoffe  oder  Farbftofflöfungen  erfolgenden  Abforption 
einzelner  Strahlengattungen  des  in  die  Gewebe  eindringenden  Lichtes. 
Fallen  die  nicht  abforbuten  Lichtbeftandtheile  durch  die  farbftoff- 
haltigen  Gewebe  hindurch,    fo    erfcheinen   diefelben  farbig  durch- 


29]  Phyüologie  der  FarbftoÖ'e  und  der  Faiben.  111 

ßchtig,  M'erden  diefelben  dagegen  zurückgeworfen,  fo  erfcheinen 
lie  farbig  undm-chfic-htig.  Beide  Male  rührt  die  Körperfarbe  von 
den,  bei  der  Abforption  übrigbleibenden  Beftandtheilen  des  weißen 
Lichtes  her ,  und  da  in  dem  zurückgeworfenen  Lichte  diefelben 
Strahlengattungen  fehlen  \ne  in  dem  dm-chgelalTenen,  nämhch  die 
in  den  oberßen  Schichten  abforbü'ten,  fo  muß  ein  farbig  durch- 
fichtiges Gebilde  im  durchfallenden  Lichte  chefelben  Farben  zeigen 
■wie  im  reflectü-ten.  Die  Farbe  wechfelt  hierbei  weder  miter  ü'gend 
einem  Winkel  des  einfallenden  Lichtes,  noch  des  die  Farbe  perci- 
pirenden  Auges.  Nur  die  Oberflächenbefchaffenheit  der  überliegen- 
den durchfichtigen  Gewebsfchichten  modificirt  die  Färbung  infofern, 
als  bei  rauher  Oberfläche  die  Farben  mehr  oder  weniger  matt  find, 
-bei  glatter  hingegen  mehr  oder  weniger  glänzend  und  gefättigter 
erfcheinen. 

Die  FäUe,  wo  den  thierifchen  Färbungen  ein  Farbfloffkörper 
zu  Grunde  Hegt,  find  zweifellos  die  theoretifch  emfachften;  außer 
diefen  fog.  objectiven  chemifchen  Abforptionsfarben,  durch  welche  JJ/,^^^*/^]',^' 
fämmtliche  fchwarze  und  braune,  die  rothen,  orangenen  und  gelben 
Farbentöne  meiftentheils  be^^ii-kt  werden,  kommen,  abgefehen  von 
den  Fluorescenz-  und  Phosphorescenzerfcheinungen,  bei  einer  ver- 
gleichenden Chromatologie  der  Organismen  aber  auch  noch  die 
objectiven  und  fubjectiven  Stmcturfarben ^^)  in  Betracht,  welche, 
ausgenommen  wenige  zweifelhafte  Fälle,  im  durchfallenden  Lichte 
ftets  andere  find  als  im  auffallenden.  Gerade  die  brillanteften 
Tliierfarben  beruhen  fehr  liäulig  nicht  (oder  nicht  hauptfächhch) 
Muf  cler  Gegenwart  eigen thüinlicher,  vermöge  ihrer  chemifchen 
Natur  farbiger  Stoffe,  fondem  auf  befonderen  Structurverhältniffen 
(Faferung,  Streifung,  eingefchloffene  Lufträume  u.  f  w.),  weshalb 
fie  auch  flurch  rein  mechanifche  Eingriffe  (Quetfclien,  Hämmern, 
Pulverifiren)  verändert  oder  aufgelioben  werden,  chemifchen  Agcn- 
tien  gegenüber,  foweit  die  Structurverhältniffc  dadurch  keine  Ab- 
Jinderung  erfahren,  dagegen  wid<Tn<'li<ii.     Xirgcnds  in  der  ganzen 


112  Grunclzüge  einer  vergleichenden  [30  I 


Thierreihe  treten  die  Structurfarben  in  einer  lolchen  Mannigfaltig- 
keit und  fo  überrafchend  in  ihrem  Effecte  auf  als  am  Gefieder 
der  Vögel,  an  welchem  wir  diefelben  deshalb  auch  vorzugsweife 
erläutern  wollen.  ^ 

Die  objectiven  Structurfarben  unterfcheiden  fich  dadurch  von 
den  fubjectiven,  daß  erflere  in  keiner  Weife  von  der  Lage  des 
Auges  oder  der  auffallenden  Liclitftrahlen  abhängig  find,  während 
die  fubjectiven  Structurfarben  unter  diefen  beiden  Verhältnillen 
wechfeln. 

Der  einfachfte  Fall  einer  objectiven  Structurfarbe  ift  das  reine 
"Weiß,  welches  durch  einen,  dem  Gewebe  eingelagerten  undurch- 
Tichtigen  Körper  hervorgerufen  wird,  der  alle  Beflandtheile  des  auf 
ihn  fallenden  Sonnenhchtes  in  hohem  Betrage  und  in  gleichem 
Maße  zurück-wdrft,  wie  fie  in  dem  Sonnenlichte  enthalten  und,  der 
alfo  nur  kleine  Beträge  davon  abforbirt.  Derfelbe  Effect  wird  oft 
(z.B.  in  allen  weißen  Federn,  den  weißen  Haaren)  dadurch  erzielt, 
daß  die  Gewebe  von  Lufträumen  durchfetzt  werden,  bisweilen  fo 
reichlich,  daß  die  feiten  Gebilde  auf  ein  zartes  Mafchenwerk 
reducirt  find. 

Viele  weiße  Färbungen  von  Thieren  find  als  AnpafTungser- 
fcheinungen  gedeutet,  andere  als  zweckmäßig  für  das  darüber  ver- 
laufende Chromatophorenfpiel  befunden  worden.  In  der  That  ließe 
fich  außer  dem  amorphen  Calciumcarbonat  kaum  eine,  in  thierifchen 
Zellen  auftretende  Subftanz  ausfindig  machen,  welche  wegen  ihrer 
kreidigen,  undurchflchtigen  Befchaffenheit  einen  paffenderen  Unter- 
grund für  ein  Spiel  von  Farbftoffzellen  abgeben  könnte  als  das 
Guanin^^),  welches  Epidermiszellen  bei  Fifchen,  Amphibien  und 
Reptilien  oft  fo  malTenhaft  erfüllt.  Einer  Verallgemeinerung  diefer 
Idee  fteht  aber  die  Thatfache  entgegen,  daß  bei  vielen  Thieren 
{Batrachier,  Schlangen)  vornehmlich  die  untere  Körperfläche  guanin- 
haltig  ift,  nicht  die  Schaufeite,  an  der  doch  allein  der  Farben- 
wechfel  wirkungsfähig  werden  könnte.  —  Wie   die   kreidigen  Par- 


I 


31]  Phj'fiologie  der  Farl)ftofl'e  und  der  Farben.  113 

tieen  in  der  Haut  bei  Ranpen  zu  Stande  kommen,  wifTen  wir  noch 
nicht  mit  Beftimmtheit  anzugeben,  nur  foviel  fleht  feft,  daß  diefelben 
nicht,  wie  Loydig  glaubte,  auf  Guanineinlagerungen  berulien^*^). 

"Während  das  reine  Guaiiin  die  Hautdecke  der  Batrachier, 
Reptilien  und  Selacliier  flellenweife  in  einen  undurcliliclitigen  weißen 
Mantel  verwandelt,  auf  welchem  die  Chromatophoren  oder  Chro- 
matoblaften  ihr  Spiel  treiben,  verleilien  feine  Kryltällchen  von 
Guaninkalk  der  äußern  Haut  von  Knochenfifchen  den  prächtigften 
Silberglanz.  In  der  Cephalo})odenfklera  lind  es  fpindelförmige 
Krvflalloide  —  deren  chcniifche  Natur  noch  nicht  aufgeklärt,  fon- 
dern nur  l)ewiefen  wurde,  daß  fie  weder  aus  Uraten  noch  aus 
Guanin  beliehen-'''),  —  Avelche  einen  fehr  ähnlichen  Eindruck  her- 
vorrufen. In  wie  weit  diefer  Silberglanz  auf  Interferenz  oder  auf 
totaler  Reflexion  beruht,  wo  alsdann  der  Guaninkalk  ähnlich  den 
mit  Luft  erfühlen  Poren  an  der  Unterfeite  der  Hydrophiliden, 
Dyticiden  und  der  Hydrometra  wirken  würde,  bedarf  wohl 
noch  eingehenderer  Unterfuchungen. 

Zu  den  objectivcn  Structurfarben  zählt  fernerhin  das  helle  bis 
dunkele  Blau  vieler  Vogelfedern  (Irena  puella,  zahlreicher  Psit- 
tacidenfpecies,  Pitta  moluccensis  etc.)  und  nackter  Hautllehen 
bei  Vögeln  (z.  B.  bei  Casuarius)  wie  bei  Säugethieren  (z.  B.  beim 
^hlndri^).  Das  pbyfikalifche  Zuftandekommcn  der  intenliven  Blau- 
färbung in  den  Hauttheilen  wurde  noch  immer  ganz  uuuntcrfacht 
gelaffen,  und  wie  diefe  Färbungen  durch  die  vielfachen  Abforp- 
tionen  und  Brechungen,  welche  die  das  Gewebe  treffenden  Licht- 
flrahlen  bis  zum  Eintritl  in  die  fclnvarze  Pigmentlage  oder  in 
iiiifer  Auge  erfahren,  in  den  Federn  der  Vögel  entlieht,  ifl  äußerft 
fchwer,  all<T  W'alirfchcinnchkcil  nacli  ganz  miiiKighcli  zu  erklären. 
Wir  wiircii  iiui-,  daß  in  aHen  derartigen  Federn  der  l)laue  Farben- 
ton genau  an  der  Stelle  einfetzt,  wo  fich  über  (he,  llets  zu  unterft 
liegende  fchwarz(!  rcfp.  l)rauiu!  I^igmentlage  eine  Schiclit  von  pris- 
malifchen  oder  kugiiHgcu  Hohh'äumen  (als  l'c'iiiail  zuerfl;  von  7'Vf;f/V> 


114  Grundzüge  einer  vergleichenden  [32 

befchrieben  und  als  große  polygonale  Zellen  mit  gefärbten  Kernen 
gedeutet;  Gadow's  prismatic  cells  oder  prismatic  columns)  fchiebt; 
meifl  zeigt  fich  die  Blaufärbung  auf  die  Federäfte  befchränkt, 
welche  an  diefen  Stellen  jeder  weitern  Veräftelung  und  der  Anhänge 
entbehren,  dafür  aber  breiter  und  flacher  w^erden. 

Einige  thierifche  FlüIIigkeiten  und  durchfcheinende  Gewebe 
zeigen  im  durchgelalTenen  Lichte  einen  mehr  gelblichen  oder  röth- 
lichen,  im  auffallenden  Lichte  dagegen  einen  bläulichen  Farbenton. 
Diefe  Farbenerfcheinungen  beruhen  nach  BrücJce  und  Heimholte 
darauf,  daß  das  Licht  unter  diefen  LTmftänden  ein  mit  fehr  kleinen 
Theilchen  erfülltes  Medium  paüirt;  das  auffallende  ■weiße  Licht 
wird  dann  nicht  gleichmäßig  zurückgeworfen,  weil  die  Lichtwellen 
der  verfchiedenen  Strahlengattungen  ja  bekanntlich  verfchieden 
groß  und  je  kleiner  diefelben  und,  defto  bedeutender  auch  die 
relative  Größe  jedes  Theilchens,  auf  das  die  Lichtwelle  auffällt, 
und  delto  größer  demnach  auch  die  Reflexion  fein  muß.  Im  zer- 
ftreuten  Lichte  fehen  wir  deshalb  das  Blau  überwiegen  und  das 
durchgelalTene  Licht  wird  da,  wo  von  ihm  nur  eine  kurze  Strecke 
in  dem  trüben  Medium  zurückgelegt  wurde,  gelblich  erfcheinen. 

Li  vielen,  ftellenweife  blauen  Papageienfedern  liegt  (unter  Bei- 
behaltung der  deil  blauen  Federn  charakteriftifchen  Textur)  über 
der  fchwarzen  Pigmentfchicht  ein  gelb  gefärbtes  Horngewebe,  wo- 
durch die  Feder  einen,  im  auffallenden  Lichte  rein  dunkelgrünen 
Farbenton  bekommt.  Alle  gelben  Federn,  mögen  diefelben  ein 
gelbes  Pigment  enthalten  oder  nicht,  zeichnen  üch  nach  Gadotv's 
Unterfuchungen  durch  eine  fehr  feine  Längsftreifung  ihrer  Ober- 
fläche aus,  bei  der  die  einzelnen  Erhabenheiten  mehr  oder  weniger 
parallel  zu  einander  flehen  und  als  gerade  verlaufende  Linien  er- 
fcheinen. Häufig  beruht  die  Gelbfärbung  von  Federn  lediglich 
auf  einer  folchen  Längsftreifung;  fo  z.  B.  bei  den,  im  auffallenden 
Lichte  gelb,  im  durchfallenden  farblos  erfcheinenden  Federn  von 
Pitta,    bei  welchen  die  Längswülfte  nur  um  ca.  0.0015  mm  von 


33]  Phyfiologie  der  Farbftofle  und  der  Farben.  115 

einander  abftehen.  Die  \T.olette  Färbimg  gewilTer  Federn  (z.  B.  bei 
Aethopyga  und  Sturnus)  liegt  in  ähnlicben  VerhältnifTen  be- 
gründet, jedoch  ill  bei  diefen  die  Riffelung  eine  viel  feinere  als 
bei  den  gelben  Federn,  und  die  leiftenförmigen  Erhebungen  fclieinen 
auch  nicht  geradlinig  zu  verlaufen. 

Nach  Gadoiv's  Unterfuchungen  kommt  auch  das  Grün  bei  den 
meißen  gi-ünen  Federn  nicht  als  Mifchfarbe  eines  gelben  Pigmentes 
und  eines  durch  die  Textur  bedingten  Blau  zu  Stande,  fonderii 
durch  eine  andersartige  Structur.  Die  grünen  Federn  beützen. 
gewöhnlich  eine  glatte  Oberfläche  und  z^^'ifchen  den  durchlichtigen, 
äußeren  Zellenlagen  und  dem  bald  gelben,  Ijald  braunen  oder 
nelkenfarbigen  Pigmente  in  der  Tiefe  befindet  üch  ein  Syflem  von 
Streifen  und  feinen  Grübchen.  Je  regelmäßiger  und  paralleler  die 
dadurch  entfhehenden  Furchen  angeordnet  find,  delto  mein*  foU 
das  Grün  in's  Gelbe  übergehen.  Da  pigmentfreie  grüne  Federn 
unbekannt  find,  lieh  aber  bei  allen  die  eigenthümhche  Zwdfchen- 
ftructur  findet,  fo  wnd  man  nach  Gadow  niclit  annehmen  können, 
daß  das  Grün  oder  em  eventuelles  Blau  rein  in  der  Textur  be- 
gründet Hegt,  fondem  daß  vielmehr  die  Federn  das  von  dem  gelben 
Pigmente  ausgehende  Licht  dem  Grün  zu  brechen.  Vergleiche  ich 
indeß  die  Zeichnung  einer  folchen  grünen  Feder  in  der  Abhand- 
lung Gadow  s  mit  den  von  mir  eingehender  unterfuchten  blauen 
Federn  der  Irena  puella,  fo  kann  ich  niclit  zugeben,  daß  ficli 
beide  Federn  in  ihrer  Structur  erheblich  unterfcheiden.  —  Durch 
ähnliche  Lichtreflexe  wie  in  den  Federn  entfteht  zweifellos  auch 
die  grüne  Hautfarbe  der  Amphibien  (z.  B.  bei  Rana,  Hyla  ar- 
borea)  und  Reptilien  (Charaaeleo,  Ijacerta  etc.). 

0]>  die  Vjlauen  Farbentöne,  welche  man  oft  in  felir  intcnfivem 
Grade  und  ohne  begleitendes  fchwarzcs  Pigment  an  Mollusken- 
fchalen  (z.  B.  l>ei  Mytilus  edulis,  Cypraea  moneta)  auftreten 
fieJit,  welche  fich  aber  weder  bei  durchfallendem  und  in  verfchie- 
denen  Richtungen    auffallendem  Lichte,    noch  wenn    die   Gehäufe 

Krukenhtnj,  VcTgl.-phyliol.  Vortrüge,  0 


116  Grundzüge  einer  vergleichenden  [34 

ZU  Pulver  zerJftoßen  lind,  ändern  oder  gar  verfchwinden,  ebenfalls 
nur  in  der  Structiu'  des  Gewebes  begründet  liegen,  vermag  die 
wilTenrchaftliche  Optik  unferer  Tage  wohl  kaum  zu  entfcheiden. 
Mir  gelang  es  nicht,  mich  in  diefen  Fällen  von  der  Anwefenheit 
eines  Farbftoffkörpers  direct  zu  überzeugen,  gefchweige  denfelben 
aus  den  Schalen  zu  extrahiren,  wobei  allerdings  eine  vorherige 
Befeitigung  der  Kalkfalze  durch  Säuren  nicht  umgangen  werden 
konnte. 

Die  fubjectiven  Structurfarben  find  folche,  welche  wechfeln 
mit  der  Stellung  des  einfallenden  Lichtes  und  des  beobachtenden 
Auges.  Diefe  zerfallen  in  zwei  Gruppen,  1)  in  die  Interferenzfarben 
und  2)  in  die  prismatifchen  Disperfionsfarben. 

Die  Interferenzfarben  werden  hervorgebracht  durch  eine  äußerft 
feine  Streifung  oder  auch  durch  fchichtenweifes  Abwechfeln  von 
dünneren  und  dickeren  Gewebslamellen  refp.  von  zarten  Häuten 
und  eingefchloITenen  Lufträumen.  Die  metallifch  glänzenden  Farben 
der  Schlangenfchuppen,  der  Schmetterlingsfiügel ,  der  Schwing- 
plättchen  bei  den  Rippenquallen,  der  Calyptren  einiger  Käfer  (Cur- 
culioniden,  Hoplia  farinosa)  verdanken  einer  feinen  Streifung 
ihre  außergewöhnhche  Farbenpracht.  Sehr  fchön  zeigen  lieh  «die 
Farben  der  geftreiften  Oberflächen»  am  fog.  Perlmutter  der  Mol- 
luskenfchalen.  Hier  find  es  ausnehmend  dünne  Lagen,  welche, 
wenn  man  üe  beim  Poliren  der  Schale  durchfchneidet,  ihre  Ränder 
und  dazwifchen  die  für  das  Zuflandekommen  der  Interferenz- 
erfcheinungen  erforderlichen  kleinen  und  regelmäßigen  Furchen 
zeigen.  BrewRer  lieferte  den  entfcheidenden  Beweis,  daß  das  Iri- 
liren  des  Peiimutters  dem  mechanifchen  Zultande  der  Schalen- 
oberfläche zuzufchreiben  iit,  dadurch,  daß  er  ein  irifirendes  Schalen- 
ftück  in  fchwarzes  Siegellack  abdrückte,  worauf  diefes  mit  den 
Furchen  auch  die  Farben  des  Peiimutters  wiedergab. 

Als  Interferenzfarben  betrachtet  Brücke  auch  das  an  den  Edel- 
opal   erinnernde  Opalifiren    der  Haut  von  Cephalopoden,    welches 


35]  Phyßologie  der  Farl)IloftV  und  der  Farben.  117 

unter  den  mittelläudifelien  Species  befonders  fchön  an  Sepiola 
Rondeletii  beobachtet  werden  kann.  «Es  ift  mir  nicht  zweifelhaft», 
fagt  BrücJce,  «daß  diefe  Farben  Interferenzfarben  dünner  Blättchen 
lind.  Erftens  fpricht  dafür  der  außerordenthche  Glanz  und  die 
Lebhaftigkeit  der  Farben,  und  zweitens  der  Umitand,  daß  alle 
Farben,  welche  hier  vorkommen,  einer  beftimmten  Abtheilung  der 
Farbenfcala  entnommen  und;  es  fmd  nämlich  keine  anderen  als 
die  des  dritten  Xcnion'Mien  Ringfyftemes,  w^elche  vom  Violet  auf- 
wärts bis  zum  Roth  vollftändig  und  in  allen  Abftufungen  vertreten 
find.  Xamentlich  waren  an  meinem  Exemplare  häufig  l^laue, 
meergrüne,  grasgrüne  und  gelbgrüne  Fhttern.  Man  nuiß  lieh  er- 
innern, daß,  wenn  väi  mit  unferen  zufammengefetzten  Mikrofkopen 
die  Gegenftände  bei  durchfallendem  Lichte  unterf neben,  unfere 
Netzhaut  kern  Bild  derfelben  im  gewöhnhchen  Sinne  des  Wortes 
empfängt,  fondern  der  Schatten  des  Objects  auf  lie  geworfen  wii'd. 
Wenn  ]um  aucli  der  Effect  der  Beugung  bei  größeren  Gegenftänden 
fo  gering  i(t,  daß  er  nicht  wahrgenommen  Avird,  fo  kann  er  doch 
bei  einem  fo  kleinen  Objecte,  wie  das  in  Rede  fi;ehende,  die  op- 
tifchen  Eigcnfchaften  desfelben  fehr  wohl  verdecken.  Vielleicht 
mochte  auch  die  Intenfität  der  im  durchfallenden  Lichte  inter- 
ferirenden  Wellenzüge  fo  verfchiedeii  lein,  daß  die  Farbe  an  fich 
imr  fehr  fchwach  ausfallen  konnte.  Deshah)  iah  man  die  Flittern, 
wenn  fie  von  unten  beleuchtet  waren,  nur  als  einzelne  helle,  matt 
gelbliche  oder  bräunUche  Punkte,  von  einem  dunkleren  Rande 
nmgel^en.»  P^ine  Nachforfchung  über  das  Entftehen  der  irifirenden 
l'arben  an  der  Haut  von  Sepiola  Rondeletii  haben  mir^^)  indeß 
■zeigt,  daß  diefclljen  nicht,  wie  Uriich-f  will,  (luicli  zahllofe,  fehr 
kleine,  der  Haut  eingeftreute  FUtterclien,  Ibudciii  (liiicli  eine  feine 
Ritt'elung  von  Zellen  bewirkt  wei'dcn,  und  diele  JM'fclieiuungen 
loniit  iilivfikalilch  ganz  die  nändichen  lind,  wie  an  den  .Scliup})en 
'ler  Sdilangeii,  Lej)idoi)teren  und  TJurculioniden. 

Die  Scliillerfarben  weißer  und  grauer  Federn  (z.  J>.  beiTau!>en), 

9* 


118  Grundzüge  einer  vergleichenden  [36 

welche  fich  beim  Uebergange  von  der  fenkrechten  zur  ftreifenden 
Incidenz  von  Roth  in  Grün  oder  von  Grün  in  Roth  ändern,  und, 
wenn  man  die  Feder  (am  heften  mit  Alkohol)  benetzt,  verfchwinden, 
beim  Trocknen  aber  wiederkehren,  hält  Brüclie  für  Farben  dünner 
Blättchen,  welche  als  folche  durch  zwei  Reflectionen  hervorgebracht 
werden,  von  denen  die  eine  beim  Uebergang  von  Licht  aus  der 
Luft  in  einen  feiten  Körper,  die  andere  beim  Uebergang  von  Licht 
aus  einem  feiten  Körper  in  Luft  entlieht.  Auch  die  Schillerfarben 
beim  Chamäleon-  entliehen  nach  Brücke  wie  die  Farben  der  Newton - 
fchen  Ringe;  «bei  diefen  ill  der  Ablland  der  refiecthenden  Flächen 
fehr  ungleichmäßig,  fodaß  das  Mikrofkop  an  einer  und  derfelben 
Zelle  immer  mehrere  Farben  gleichzeitig  nachweill.  An  den  Tauben- 
halsfedern ift  dies  in  geringerem  Grade  der  Fall,  fo  daß  eine  Farbe 
Ilets  die  Hauptfarbe  ill,  neben  der  nur  hier  und  da  andere  auftreten. 
Für  die  mikrofkopifche  Unterfuchung,  bei  der  zunächll  die  Strahlen 
in  Betracht  kommen,  die  mit  dem  Einfallslothe  verhältnißmäßig 
kleine  Winkel  machen,  ill  die  Hauptfarbe  des  auffallenden  Lichtes 
bei  den  meillen  Zellen  grün,  die  des  durchfallenden  roth». 

Weit  refervirter  äußert  lieh  Brüclie  über  das  Zultandekommen 
des  Metallglanzes  an  den  Pfauenfedern.  Diefe  Federn  «verlieren 
durch  Benetzen  ihre  Schillerfarben  nicht,  ja  felblt  durch  Kochen 
in  Terpentinöl  werden  lie  nicht  zerftört,  fondern  nur  in  Glanz 
und  Farbenton  etwas  verändert;  legt  man  das  mit  dem  fog.  Auge 
verfehene  peripherifche  Ende  einer  folchen  zwifchen  fich  und  eine 
Lichtquelle  horizontal  auf  eine  Unterlage,  die  fich  um  eine  verti- 
cale  Axe  dreht,  fo  wird  man  finden,  daß  die  Farben  durch  alle 
Phafen  der  Drehung  diefelben  bleiben;  hebt  oder  fenkt  man  aber 
die  Feder,  dann  ändern  fich  die  Farben  fofort;  fie  find  alfo  unab- 
hängig von  der  Orientirung  und  nur  abhängig  von  der  Incidenz. 
Beim  Uebergange  aus  der  fenkrechten  in  die  Ilreifende  Incidenz 
verändert  fich  Grün  durch  Blau  in  Purpur  und  andererfeits  Kupfer- 
roth  in    Grün».     Brücke  verfuchte,  diefe  Erfcheinungen  ebenfalls 


37]  Phyfiologie  der  Farbftoffe  und  der  Farben.  119 

nach  dem  Princip  der  dünnen  Blättchen  zu  deuten;  ich  muß  je- 
doch dagegen  einwenden,  daß  nach  Entfernung  des  fchwarzen  Pig- 
mentes durch  Kahumchlorat  und  Salzfäure  die  metallglänzenden 
Partieen  der  Pfauenfedern  (bei  ftarken  Vergrößerungen  betrachtet) 
fehr  wohl  eine  feine  Streifung  erkennen  lallen,  und  fich  ihre  Me- 
tallfärbung deshalb  doch  ^ielleicht  nach  dem  Princip  der  irifiren- 
den  Knöpfe  erklären  dürfte;  jedenfalls  find  die  regelmäßigen  Furchen- 
fyfteme  an  der  Oberfläche  für  das  Entftehen  des  Metallglanzes  in 
diefem  Falle  von  der  größten  Bedeutung. 

Die  Betrachtung  der  Structurfarben  und  der  pigmentöfen  Ein- 
lagerungen umgreift  die  thierifchen  Färbungen  insgefammt.  Fälle, 
wo  fich  che  Gewebsfubfiianz  felbft  aus  einer  farbigen  Maffe  auf- 
baut, find  denkbar,  aber  kaum  reahfirt.  Die  gelben  Horngebilde, 
die  fchwarzen  Antipathidenftämme  verdanken  ficherlich  diffus  ver- 
theilten  Farbftoffen  ihr  Colorit,  und  daß  keine  an  fich  rothe  Mus- 
keln exiftiren,  -wie  folches  noch  PoncJiet^'-')  annahm,  fondern  nur 
mit  Hämoglobin  oder  einem  anderen  rothen  Pigmente  imprägnirte, 
iß  heute  jeder  weiteren  Discufiion  enthoben. 

Ein  guter  Theil  der  aus  Organismen  in  reinem  Zuftande 
künfllich  abgefchiedenen  Subftanzen  fällt  auf  che  thierifchen  und 
pflanzlichen  Pigmente;  allerdings  nur  von  wenigen  derfelben  ift 
die  cliemifche  Confl;itution  erforfcht  und  außer  Frage  geftellt,  und 
ihre  Befprechung  fchließt  deshalb  ein  chemifclies  Hand-  oder  Un- 
ttrrichtsbuch  für  gewöhnlich  ab.  In  der  Phj^fiologie  gebührt  den 
Pigmenten  jedoch  eine  höhere  Rangftellung,  —  eben  deshalb,  weil 
nur  wenige  andere,  fich  an  dem  Aufbaue  der  lebenden  Wefen  be- 
theihgenden  Stofle  einer  wiirenfchaftlichen  Behandlung  verhältniß- 
mäßig  fo  Uiclit  zugängig,  die  Kenntnißnahme  von  der  chemifchen 
Natur  der  Farbfl-offe  gegenwärtig  durch  weit  mehr  Mittel  ermög- 
licht ift  als  z.  B.  die  der  Eiweißkörper,  ja  felbft'  der  Kohlehydrate. 
Die  fpectralanalytifchou  T^iiterfuchungen  mit  allen  ihren  Feinlieitcn, 
die   Reinigungsverfahren   in  ihrer,    noch  vor  wenigen    Jaln-en  un- 


120  Grundzüge  einer  vergleichenden  [38 

geahnten  Vollkommenheit,  charakteriftifche  Reactionen  geben  heut- 
zutage unzählige  Mittel  an  die  Hand,  die  Pigmente  mit  einer  Voll- 
ftändigkeit  zu  ifoliren  und  uns  von  ihrem  Intactfein  zu  überzeugen 
wde  bei  nur  wenigen  anderen,  aus  der  lebendigen  Werkftatt  her- 
vorgegangenen Verbindungen. 

Vergleichen  Avir  die  Farbenphyliologie  von  heute  mit  der 
weniger  Jahre  zuvor,  fo  fehen  wir  die  Zahl  der  pflanzlichen  Pig- 
mente gegen  damals  erheblich  vermindert,  die  der  thierifchen  Farb- 
ftoff'e  dagegen  um  ein  Beträchtliches  vermehrt.  Was  mit  unzu- 
reichenden Mitteln  unterfucht,  fleh  als  zahlreich  ergeben  haben 
foUte,  wurde  auf  ein  Minimum  reducirt,  und  man  begreift  nicht 
mehr,  wie  Hoppe-Seyler  noch  im  Jahre  1881  den  vierten  Theil 
feiner  phyfiologifchen  Chemie  mit  dem  Satze  eröfii'nen  konnte:  «Die 
große  Mannigfaltigkeit  und  der  Reichthum  an  verfchiedeneu  che- 
mifchen  Producten,  welche  in  den  Lebensprocellen  der  Pflanzen 
entflohen,  finden  in  den  Thieren  nicht  ihresgleichen».  Ein  kaum 
mehr  als  zehn  Thiere  umfalTendes  WilTen  fteUt  hier  Hoppe-Seißer 
der  jahrhundertelangen  Erfahrung  gegenüber,  welche  z.  Th.  fchon 
feit  der  Zeit  des  TlieophraR  oder  Bioscorides  datirt  und  jetzt  Tau- 
fende von  Vertretern  des  Pflanzenreiches  umfaßt.  Wie  kann  es 
darum  nur  wunderbar  erfch einen,  daß  gegenwärtig  mehr  Stoffe 
pflanzhcher  als  thierifcher  Herkunft  bekannt  find,  und  wie  nur 
Jemand  fich  erkühnen,  diefes  zu  einem  Axiom  zu  geftalten,  welches 
auf  feine  Richtigkeit  zu  prüfen,  vor  mir  noch  keiner  ernftlich  ge- 
willt war.  Das  Folgende,  bei  welchem  wir  rein  fyffcematifch  vor- 
gehen woUen,  wird  uns  eine  Anfchauung  davon  zu  geben  ver- 
mögen, was  in  der  Bildung  von  Pigmenten,  der  am  heften  charak- 
terifirten  Stoff'wechfelproducte  alfo,  auch  der  Thierkörper  zu  leifteu 
vermag,  und  daß  diefer  in  feinem  productiven  Können  hierin 
keineswegs  dem  pflanzlichen  Organismus  nachfteht. 

Indem  wir,  foweit  es  eben  der  gegenwärtige  Stand  unferer 
Kenntniffe  geflattet,    die  Urfachen  der  Färbung  bei  ausgewählten 


39]  Pliyliologie  der  Failjftotll"  und  dt-r  Farl)en.  121 

Repräfentauteii  der  einzelnen  Thierclaflen  jetzt  kurz  erläutern  wollen, 
übergehen  wir  dabei  die  durch  das  Hämoglobin  veranlaßten  Pig- 
mentationen,  weil  diefe  fchon  in  meinem  erften  A^ortrage  Berück- 
fichtigung  fanden,  und  l)erühren  auch  die  lipochromatifchen  und 
cldorophylloiden  Farbftoffe  nur  in  den  Fällen,  wo  diefclljcn  zu 
weiteren  Betrachtungen  A^eranlall'ung  geljen;  Lipochrome  finden 
fich  mit  fehr  geringen  Ausnahmen  in  der  Thierreihe  überall  vor, 
und  über  die  chlorophylloiden  Farbftoffe  läßt  lieh,  wie  ich  bereits 
bemerkte,  erft  wenig  Beftimmtes  ausfagen,  weil  man  bis  vor  Kurzem 
das  A'erlialten  des  pfianzlichen  Chloroph3'lls  nicht  einmal  kannte, 
und  um  über  das  Vorkommen  des  Clilorophylls  fchlüffig  zu  werden, 
eine  Uuterfuchung  nach  Kühne  h  Verfeifungsmethode  unumgäng- 
lich nöthig,  Iblche  al^er  Inslang  nur  von  mir  in  vereinzelten  Fällen 
an  Farbftofflöfungen  von  A\^irl3ellofen  ausgeführt  worden  ift. 

Den  auf  niedrigfter  Stufe  der  Organifation  flehenden  Lel)e-  i''fii'^|'ft"ffö 
wefen^"),  den  Schizomvceten  und  ]\Iyxomyceten,  Icheinen  die  Lipo-^''°^"''"^"' 
chrome  nocli  zu  mangeln;  ganz  andersartige  blaue,  rothe  und  gelbe 
Pigmente  treten  hier  in  Wirkfamkeit,  über  welche  Repräfentanten 
holierftehender  Thierclaffen  gar  nicht  mehr  verfügen.  Wie  ich 
gleichfalls  fchon  in  meinem  erften  Vortrage  hervorhob,  ftoßeii  wir 
bei  diefen  Formen,  befonders  in  Betreff  der  blauen  Pigmente,  auf 
]>ifferenzen,  deren  genauere  Kenntniß  für  eine  allgemeine  Biologie 
fehr  werthvoll  fein  müßte.  Den  v(jn  fehr  verfchiedenartig  gefchulten 
und  intereffirten  Forfchern  gemacliten  Angaben  läßt  fich  wenigftens 
fchon  jetzt  foviel  entnehmen,  daß  Fordos'  und  Lüche  h  Farbftoff  des 
blauen  Eiters  fovvohl  von  ErdmunnH  blauem  Vibrionenpigmente, 
wie  auch  von  NeelfenH  Farbftofie  der  blauen  Milcli  clHiiiircli  er- 
heblich abvN'cicht.  ])ocli  Irhon  bei  den  Flagellaten  addiren  [ich 
«inern,  den)  Chlorophyllgrün  ähidichen  Farbftofie  cliloiophan-  wie 
rliodojihaiiartige  Li[>ochrome  hinzu. 

Durch  die  Güte  des  Herrn  (ieheimcrath  Kii/nir  bin  ich  in  der 
Lage.  liinen  in  diefer  Hinfieht  ftatt  weitläufigtu-  Referate  das  Er- 


122  Grundzüge  einer  vergleichenden  [40 

gebniß  einer  vollftändigen  Farbftoffanalyfe  mitzutheilen.  Meine 
Unterfuchung  betrifft  einen  alkoholifchen  Auszug  von  Euglena 
sanguinea,  welchen  Herr  ProfelTor  BütfcJdi  angefertigt  hatte. 
Derfelbe  wurde  nach  Kühnes  Methode  verfeift  und  bei  dem  nach- 
herigen Behandehi  der  Seife  mit  Petrolätlier,  Aether  und  Efligäther 
1)  ein  gelber,  chlorophanartiger  Farbftoff  erhalten,  der  auch  ohne 
vorheriges  Ausfalzen  der  Seife  mit  Kochfalz  vollftändig  in  Petrol- 
äther  überging,  2)  ein  fpectrofkopifch  als  Rhodophan  charakteri- 
firter  Körper,  aus  der  Seife  direct  nur  dm^h  EITigäther  zu  extra- 
hhen,  mit  fchön  purpurvioletter  Farbe  in  SchwefelkohlenJftoff  löslich, 
und  3)  ein  gelbgrünes  Pigment,  welches  fich  weder  mit  Petroläther 
noch  Aether  der  wällrigen  Flüfligkeit  entziehen  ließ ,  in  welche  es 
nach  dem  Ausfalzen  der  Seife  übergegangen  war.  Das  Spectrum 
diefer  Löfung  zeigte  zwei  Abforptionsftreifen  (einen  hinter  C,  den 
anderen  hinter  D),  was  ebenfo  wie  das  chemifche  Verhalten  auf 
ein  Zerfetzungsproduct  von  Chlorophyllgrün  hinweift.  Ein  ficherer 
Anhaltspunkt  für  diefe  Muthmaßung  wird  vorausüchthch  aber  nur 
an  Euglena  viridis  zu  gewinnen  fein,  über  deren  Farbftoff  die 
vom  Fürften  Scdm-Horßmar  mitgetheilten  Reactionen  allein  nichts 
fchheßen  lalTen.  Daß  in  Euglena  sanguinea  ein  an  verfeifbares 
Fett  gebundener  rother  Farbftoff  vorkommt,  hatte  fchon  v.  Wittich 
bemerkt  und  diefen  von  dem  begleitenden  chlorophylloiden  Körper 
auch  zu  trennen  vermocht;  doch  die  beiden  lipochromatifchen  Farb- 
rtoffe  blieben  in  feinen  Löfungen  vereinigt,  und  es  ift  deshalb  auch 
unmöglich  anzugeben,  ob  die  granatrothen,  durch  Chlor  nur  die 
Farbe  verlierenden,  nicht  die  Form  verändernden  Octaeder,  welche 
er  erzielte,  auf  das  chlorophan-,  rhodophanartige  Pigment,  das  chole- 
rtearinähnliche  Zerfetzungsproduct  beider  oder  vielleicht  nur  auf 
anderweitige  Verunreinigungen  der  Farbftoffe  zu  beziehen  find. 

Hänfen  und  ich  haben  uns  wiederholt  bemüht,  rhodophan- 
artige Farbftoffe  auch  im  Pflanzenreiche  nachzuweifen ;  es  ift  uns 
aber  bislang  nicht  gelungen.     Wir  können  zwar  nicht  behaupten, 


41]  Phyßologie  der  Farbftolie  und  der  Farben.  123 

auch  mir  einen  nennenswerthen  Tlieil  der  vegetabilifchen  Gebilde 
in  Unterfuchiing  gezogen  zu  haben,  Ijei  welchen  der  Augenfchein 
che  Anwefenheit  von  Rhodophanen  wahrfcheinhch  macht;  allein 
die  von  uns  getroffene  Auswahl  dürfte  eine  folche  gewefen  fein, 
daß  unfer  negatives  Refultat  wenigftens  den  Schluß  erlaubt,  daß 
rhodophanartige  Lipochrome  im  Pflanzenreiche  außerordentliche 
Seltenheiten  und,  wodurch  natürlich  nicht  ausgefchloffen  bleibt, 
daß  lie  hier  ganz  fehlen.  Die  gewöhnlichen  rothen  Blüthen-, 
Blätter-,  Frucht-  und  Stengelfarbftoffe  find,  wie  wir  gezeigt  haben, 
überhaupt  keine  Lipochrome,  und  was  von  rothen,  pflanzliche]i 
Lipochromen  (z.  B.  das  Carotin,  die  Saffranfarbftoffe)  bislaug  unter- 
fucht  wurde,  ergal:»  lieh  fpcctrofkopifch  immer  als  der  Chlorophan- 
gruppe  angehörig.  In  den  rotlien  Augenpunkten  der  Flagellaten 
präfentu-t  lieh  uns,  foviel  wir  willen,  das  Rliodophan  zum  erften 
Male;  durch  alle  Claffen  des  Thierreiches ,  bei  der  einen  Species 
fehlend,  bei  einer  andern  um  fo  reicher  entwickelt,  wird  es  uns 
von  jetzt  al)  ])is  zu  den  Vögeln  hinbegleiten,  in  deren  Retina  es 
am  längften  Ijeharrt;  denn  ift  das  Rliodophan  bei  den  höher  or- 
ganifirten  Wirljclthieren  erft  aus  dem  Sehorgan  verfchwunden, 
dann  hat  der  Organismus  feiner  auch  fo  gut  wie  ganz  entfagt. 

Den  Stand  unferer  Kenntniffe  über  die  Farbftoffe  der  Rhizo- 
poden  refumirt  Bütfchli  in  folgenden  Sätzen:  «Bei  marinen  Rhizo- 
poden  lind  namentlich  die  feinkörnigen,  intenriv  rothen  bis  gelb- 
lichrothen  und  gelbbraunen  Pigmente  fehr  verbreitet  und  verleihen 
«lurch  ihre  reiclüiche  Anhäufung  diefen  Formen  meift  eine  mehr 
oder  minder  intenlive  Färbung.  Befonders  reichlich  find  üe  in  den 
iilteren  Kammern  der  Polythalamen  angehäuft.  Die  genauere  Unter- 
fuchung  diefes  Farblloffes  fowie  der  Farl)ftoffbläschen  bei  J^)ly- 
-tomeUa  und  (rl-oniia  dlll'cb  ^f.  SikuUse  (Uoltcr  den  OrgaiiimmiH  der 
l'olytlialaini<ii  neljft  Ijciin.rkuiim'n  ühor  dio  Ilhizopodcn  im  Allg(;ni('inen.  J^eip- 
zii,'  iHöij  ergab,  daß  es  (ich  liier  um  eini^n  dem  Diatoniin  entfpre- 
'  henden  Körper  handelt,  und  leitet  ihn  von  der  vorzugsweifc  aus 


124  Grundzüge  einer  vergleichenden  [42 

Diatomeen  befteh enden  Nahrung  her.  Die  Richtigkeit  diefer  Auf- 
falTung  ergab  fich  auch  noch  daraus,  daß  fich  in  hungernden 
Polystom eilen  der  Farbltoff  fehr  verminderte,  wogegen  reichliche 
Fütterung  ihn  bald  wieder  vermehrte.  Auch  SüßwalTerformen 
weilen  nicht  feiten  ähnliche  Pigmente  auf.  So  findet  fich  ein  ähn- 
liches diatominartiges  Pigment  häufig  bei  Pseudochlamis  pa- 
tella,  ein  tief  violettes  bei  Amphizonella  violacea  Grceff'.  Ein 
zinnoberrothes,  zuweilen  in's  Braunrothe  und  Grünliche  gehendes 
ilt  charakteriltifch  für  Plakopus  ruber  F.  E.  Schuhe  und  foll 
wahrfcheinlich  aus  dem  Chlorophyll  der  Nahrung  hervorgehen,  wie 
ja  ähnliche  Umwandlungen  gefrelTener  Chlorophyllmaffen  zu  gelben 
bis  braungelben  Mafien  z.  B.  auch  von  Auerbach  (Zeitfchr.  für  willenrch.  | 
Zoologie.  Bd.  VII)  bei  Cochliopodium  bilimbosum  beobachtet 
wurden.  Chlorophjdl  felbft,  als  endogenes  Erzeugniß  des  Rhizo- 
podenkörpers,  ift  mit  Sicherheit  kaum  bekannt,  es  fcheint  fich  hier 
fafi;  durchaus  um  als  Nahrung  aufgenommenes  Chlorophyll  zu 
handeln.  Doch  iffc  eine  der  befchriebenen  Varietäten  der  Dacty- 
losphaera  vitreum  H.  u.  L.  mit  grünen  Körnern  reichlich  ge- 
füllt, während  die  andere  Varietät  ähnliche  gelbe  Körper  zeigt. 
Zahbeiche  Chlorophyllkörner  enthalten  auch  eine  Art  oder  Varietät 
von  Cochliopodium,  fowie  fehr  häufig  auch  die  Difflugien 
{Carter,  Ann.  and  mag.  of  nat.  hist.  3  Ser.  Bd.  XIII)». 

Ich  vermag  dem  nichts  Genaueres  oder  Beltimmteres  hinzu- 
zufügen, und  auch  in  Betreff  der  Infuforien  ift  nichts  Wichtigeres 
zu  verzeichnen.  Nur  mit  dem  blauen  Farbftoffe  aus  Stentor 
caeruleus  wurden  von  Ray-LanlieRer  einige  Verfuche  angeftellt, 
welche  Folgendes  ergaben:'  Das  Spectrum  des  blauen  Stentorins 
zeigt  zwei  Abforptionsbänder ,  ein  dunkleres  an  der  rothen  Seite 
von  C  und  ein  fchwächeres  zwifchen  D  und  E.  Der  Farbftoff  wird 
von  Effig-,  Salz-  und  Schwefelfäure  nicht  angegriffen,  Kalilauge 
macht  ihn  dunkler,  löfcht  das  Band  im  Spectrum  zwifchen  D  und 
E  aus  und  läßt  das  andere,  jetzt  etwas  nach  B  verfchobene  Band 


43]  Phyüologie  der  Farbftofle  und  der  Farben.  125 

ftärker  hervortreten.  —  Im  Ectoplasma  von  Yorticellen  fand 
EiKjrJmann  einen  grünen  Farbftoff  (Chlorophyll?)  diffus  vertheilt, 
der  die  Thiere  befähigt  im  lichte  Sauerftotf  auszAifcheiden  und  ein 
eigenes  Erzeugniß  des  Vorticcllenkörpers  vxx  fein  verfprieht. 

Unter  den  Cölenteraten^'^)  findet  lieh  Ichon  l)ei  den  Spongien  ^'^'"^^^.^'^0 
eine  reichhaltige  Pigmentirung.  ^^rfchiedenartigeu  gellten  und  tS-Slü 
rhodophanartigen  Lipochromen  verdankt  eine  große  Anzahl  von 
Schwämmen  (Suberitiden,  Myxilla,  Clathria  etc.)  ausfchließ- 
lich  ihre,  oft  fehr  inten üve  Färbung,  welche,  je  nachdem  chloro- 
phan-  oder  rliodoi»hanartige  Pigmente  in  den  Geweben  vorherrfchen, 
gelb,  orange  oder  fatt  roth  erfclieint;  l>ei  keiner  einzigen,  daraufhin 
unterfuchten  Salzwalferfpongie  Avurden  Lipochrome  ganz  vermißt. 
Bei  Aplyfiniden  gefeilt  fich  den  Fettfarbftoffen  ein  gelbes  Ura- 
nidin  hinzu,  und  auch  die  SchAvärzungen  vieler  Cacofpongien 
beruhen  wohl  ebenfo  wie  die  Verfärbung,  welche  das  alkoholifche 
Extract  von  Hircinia  spinosula  bei  der  Verfeifung  erfährt,  auf 
der  Bildung  melanotifcher  Zerfetzungsproducte  von  Uranidinen. 
Ein  fchwärzliches  Pigment  maskirt  einen  gelben  Fettfarbftoff  bei 
den  Gummineen  (Chondrosia),  und  bei  einigen  llenierafpecies 
werden  die  Lipochrome  durch  Floridine  vülhg  unfichtbar  gemacht, 
während  z.  B.  bei  Reniera  aquaeductus  auch  fie  es  find,  welche 
die  Färbung  diefer  Spongie  ausfchließlich  bedingen  und  zwifchen 
gelb,  orange  und  roth  variiren  lalfeii. 

Die  rothen  Floridine  der  Kcnieren  und  der  Hircinia  varia- 
bilis  zeigen  in  ihrem  chemifchen  Verhalten  manche  Ueberein- 
ftinmiung  mit  rothen  pflanzlichen  Blütlien-  und  Fruclitfarbfioffen, 
auch  wohl  mit  rothen  Algenpigmenten.  Sie  lüfcn  licli  mn-  in 
W'adcr  und  (dycerin  (Vjisvveilen  mit  prächtiger  Fluorescenz),  und 
iliic  Löfungen  entfärben  fich  meilt  k-icht  unter  Sauerftoffabgabe, 
ohne  aljer  einer  Kückverwandluiig  bei  Sauerftoffzufuhr  unzugängig 
zu  werden.  Ich  halx!  früher  mehrere  Gründe  gelteiul  gemacht, 
welche  micli   bcftimmcn,    dicCc   Pigmente   als   thiereigeiu!  Pixxhicte 


126  Grundzüge  einer  vergleichenden  [44 

ZU  betrachten,  und  halte  daran  um  fo  mehr  feft,  als  das  Hämery- 
thrin  in  den  hämolymphatifchen  Körperchen  der  Sipunculiden 
den  Floridmen  nicht  fern  zu  ftehen  fcheint,  und  jenem  analog 
functionirende  Pigmente  bei  Pflanzen  zur  Zeit  noch  unbekannt, 
bei  Thieren  hingegen  weit  verbreitet  find.  Ob  den  einzelnen,  fpectro- 
fkopifch  gut  gekennzeichneten  Floridinen,  fpeciell  dem  kirfchrothen 
Farbftoffe  der  Reniera  purpurea  ßch  auch  das  von  Mofeley 
unterfuchte  Roth  von  Poliopogon  Amadou  anfchließen  wird, 
läßt  üch  den  Angaben  diefes  Forfchers  nicht  entnehmen. 

Bei  Protozoen  wie  Spongien  erlaubt  —  abgefehen  von  den 
quantitativ  differirenden  Färbungen  zwifchen  Rinden-  und  Mark- 
fubftanz  (z.  B.  bei  Steletta,  Chondrosia,  Tethya)  —  außer  der 
Farbfloffanalyfe  nur  eine  mikrofkopifche  Prüfung  die  Sonderung 
einzelner ,  verfchieden  localifirter  Pigmente.  Bei  den  .  Anthozoen 
tritt  das  ungleichartige  Colorit  einzelner  Theile  aber  fchon  in  fo 
hohem  Maße  hervor,  daß  hier  eine  anatomifche  Trennung  der  ftark 
und  verfchieden  tingirten  Organe  einer  nachfolgenden  Farbftoff- 
analyfe  wefentliche  Dienfte  leiften  kann ;  von  diefem  Vortheile  haben 
allerdings  nur  wenige  Forfcher  Gebrauch  gemacht  und  wie  bei  den 
Prötiften  und  Spongien  auch  bei  den  Actinien  noch  die  gefammten 
Thiere  der  Extraction  unterworfen. 

Bei  den  Alcyonarien  und  es  bald  verkalkte  Axenfkelete 
(Coralinen,  Milithaeaceen),  bald  die  das  Axenfkelet  überziehende, 
aus  Körpern  des  Cönenchyms  gebildete  Kalkrinde  (Gorgoniden), 
bald  die  Einzelthiere  allein  (Alcyoniden,  Pennatuliden),  welche 
durch  eine  ftärkere  Pigmentirung  hervorltechen. 

Schon  Trommsdorff  gab  an,  daß  bei  der  Edelcoralle  das  feu- 
rige Roth  nicht,  wie  viele  vor  und  nach  ihm  angegeben  haben, 
auf  Eifenoxyd,  fondern  auf  der  Gegenwart  eines  in  Terpentinöl, 
und  wenn  es  dadurch  aus  der  Kalkmalfe  erffc  einmal  ausgezogen 
ift,  auch  in  Alkohol  und  Aether,  nicht  aber  in  Kali  löslichen 
Harzes  beruhe.     Meine  diesbezüglichen  Unterfuclmngen  haben  er- 


45]  Phyüologie  der  Farbfloffe  und  der  Farben.  127 

geben,  daß  Tronnii.^sdorffs  Anficht  infofern  eine  richtige  ifi,  als  der 
die  Färbung  bedingende  Körper  ein  fog.  Fettfarbftofi'  ift,  der  mit 
den  Lipochromen  das  Verhalten  zu  conc.  Schwefelfäure  und  ftarker 
Salpeterräure  theilt,  fich  aber  von  diefen  durch  feine  Refiftenz  den 
lipocliromatifchen  Löfungsmitteln  gegenüber  und  durch  das  un- 
charakteriftifche  Spectralverhalten  diefer  Löfungen  unterfcheidet. 
Ich  Helle  denfelben  deshalb  zu  den  Lipochromoiden ,  denen  auch 
die  gelben  und  rothen  Pigmente  im  Axcnfkelete  der  Melithaeen 
fowde  die  dunkehdoletten  in  der  Rindenfchicht  der  Leptogorgien 
und  die  gelben,  orangenen  und  rothen  Rindenfarbftoffe  anderer 
Gorgoniden  zuzurechnen  find.  Sämmtliche  hier  namhaft  gemachten 
Pigmente  färben  fich  mit  conc.  Schwefelfäure  wie  mit  conc.  Sal- 
peterfäure  blau,  und  daß  fie  auch  als  Lipochrome  einftmals  vor- 
gebildet waren,  fcheinen  die  Spuren  von  letzteren  anzudeuten,  welche 
man  ziemhch  regelmäßig  findet,  wenn  man  frifche  Gebilde  unter- 
fuclit.  Es  ifi;  fehr  merkwürdig,  daß  die  Lipochrome  nur  ganz  be- 
ftimmter  Vorkommniffe  (in  pflanzlichen  Gebilden,  fo  viele  ich  deren 
auch  unterfuchte,  nur  in  den  Blüthenblättern  einiger  Compofiten, 
in  Federn  nur  [aber  hier  bei  faft  allen  Species]  bei  Papageien  und 
außerdem  noch  in  den  Schalen  der  Mollusken)  zu  einer  Umwand- 
hnig  in  diefe  unlösHchen  und  fpectrofkopifch  fchlecht  markirten 
Producte  (Lipochromoide  und  Melanoide)  incliniren.  Die  Meinung, 
daß  es  fich  bei  den  I^ipochromoiden  vielleicht  nur  um  Gemifche 
von  andersartigen  Far])ftoffen  mit  Lipochromen  handelt,  ifl;  end- 
gültig dadurch  widerlegt,  daß  ich  auch  nach  gründlicher  Extrac- 
tion  der  entkalkten  und  durch  Pepfin  wie  Trypfin  angedauten 
'  "  webe  mit  den  verfchiedenartigflien  lipochromatifchen  Löfungs- 
mittc'ln  an  den  gefärbten  Rückftänden  noch  innner  die  Schwefel- 
wie  Salpeter fäurereaction  erhielt.  Am  überrafchendften  war  für 
mich  diefes  Refultat  bei  dem  viol(;tten  Gorgonidenfarbfi:ofFe,  aber 
auch  für  dicfiTi  dürfte  fich  das  Räthfcl  lofeji,  wenn  man  darauf 
ausgehen  wird,    die    VanquelM^cha  Angabe'''^)  näher  zu  verfolgen, 


128  Grundzüge  einer  vergleichenden  [46 

der  gemäß  bei  einer  rothen  Maclrepore  ein  durch  Alkali  violett 
werdendes  rothes  Pigment  aufgefunden  wurde.  Der  Analyfe  von 
Witting^^  welche  für  die  käufhchen  rothen  Corallen  einen  Gehalt 
von  4,25 ''/o  Eifenoxyd  angibt  (über  viermal  mehr,  als  Vogel^^) 
fand),  werden  erhebliche  Fehlerquellen  anhaften;  zweifellos  ift  das 
Eifen  bei  der  Färbung  der  rothen  Edelcoralle  weder  direct  noch 
indirect  (als  Beftandtheil  des  rothen  Lipochromoids,  wie  z.  B.  ScMoß- 
herger  vermuthete)  irgendwie  betheihgt;  denn  in  ftark  rothen  Exem- 
plaren traf  ich  nur  fo  minimale  Mengen  von  Eifen  an,  daß  eine 
quantitative  Beftimmung  derfelben  gar  nicht  auszuführen  war. 

Die  weichen,  von  zahlreichen  Ernährungskanälen  durchzoge- 
nen Achfencylinder  der  Melithaea  ochracea  und  verwandter 
Species  zeigen  bald  eine  gleichmäßige  zinnoberrothe  oder  ockergelbe, 
bald  außen  eine  rothe  und  innen  eine  gelbe  oder  aber  außen  eine 
gelbe  und  innen  eine  rothe  Färbung.  Nur  infofern  fcheint  bei 
diefer  Pigmentirung  eine  Uebereinftimmung  zu  herrfchen,  als  fehr 
ftarke  alte  Stöcke  gewöhnlich  gelb  find.  Diefe  Farbenverfchieden- 
heiten  laffen  ficli  nur  durch  die  Annahme  erklären,  daß  zwei  Lipo- 
chromoide  (ein  rothes  und  ein  gelbes)  in  dem  Achfenfkelete  der 
Melithaea  vorkommen,  von  welchen  das  rothe,  fei  es  durch  Zer- 
fetzung oder  daß  es  ftellenweife  überhaupt  nicht  abgelagert  wird, 
bisweilen  ausfällt. '^°) 

Den  blauen  Farbftoff  von  Heliopora  caerulea  unter fuchte 
Mofeley,  und  bei  mehreren  Zoantharien  (Flabellum  variabile, 
Fungia  hymmetrica,  Stephanophyllia  formosissima  etc.) 
wie  auch  bei  einer  Cassiopeia  der  Tieffee  fand  derfelbe  ein  in 
Waffer,  Glycerin,  Alkohol  und  Aether  wie  auch  in  flarkem  Am- 
moniak und  Kalilauge  unlösliches  krapprothes  Pigment,  welches 
aber  nach  Behandlung  mit  ftarker  Salz-,  Salpeter-  oder  Schwefel- 
fäure  rothbraun  gefärbte  wälfrige  wie  alkoholifche  Löfungen  lieferte, 
die  bei  gewilfen  Lichtftellungen  grün  erfchienen,  alfo  dichroitifch 
waren.     Das  Spectrum  des  genuinen   feiten  Farbftoffes  befaß  drei 


47]  Phyfiologie  der  Farbftofle  und  <lcr  Farben.  129 

Abforptioiisbäiider  von  ziemlich  gleicher  Stärke;  eins  hinter  C,  ein 
zweites    unmittelbar  vor  D  und    ein   drittes  vor  E.     Die    Spectren 
der  fauren  Lüfungen  wielen    dagegen    nur    zwei  Bänder    auf,    das 
^  eine  dicht  vor  1)  und  das  andere  zwifchen  D  und  E,  nälier  an  D; 
letzteres  verbreiterte  lieh  bei  zunehmender  Concentration  befonders 
nach  E  hin.     Diefen   Farbftoff   nannte   Mofdc})  Polyperythrin ;    es 
foU  derfelbe  durch  Alkalien    aus   den    fauren  Löfungen  in  dunkel- 
braunen Flocken   niedergefchlagen   werden  und  (ich  dann  fpectro- 
fkopifch  wieder  wie  der  natüi'liche  Farl)ftoff  verhalten.    Indem  ich 
in  Betreff   der    unzureichenden  J3eobachtungen  3Iordri/s  üljer    die 
Farblloffe  einer  Adamsia  der  Tieffee  und  einer  Coenopsammia 
von  St.  Vincent   auf  das    Oiiginal    felbfl   verweife,     fei   noch    der 
Unterfuchungen  diefes  Forfchers  über   das  Actiniochrom   gedacht. 
Es  ift  diefes  der  dunkelrothe  Farbftoff  von  Bunodes    crassicor- 
nis,    den  3Iac  Mnnn  auch  bei  Actinia   mesembryanthemum, 
I'raster  rubens  und  in  der  Hypodermis  von  Homarus  vulgaris 
angetroffen  haben  will.     Ein  Eöl'ungsmittel   für    das  Actiniochrom 
wurde  nicht  gefunden;  es  zeigt  dasfelbe  aber  ein  charakteriftifches 
S[)ectral]jand,  ähnlich  lituirt  wie  das  des  reducirten  Hämoglobins. 
Das    Puqiuridin    des    Ceriantlius    membranaceus    löft   lieh    in 
ammoniakahürten,  kamn    in    faureni,  Wafler  und    ift   in    den  lipo- 
chromatifchen  Löfungsmitteln  ganz  unlöslicli;  fein  fj)('ctrofkopifches 
^'e^llalten  zeigt  nichts,  was  zu  feiner  Erkennung  beitragen^  könnte. 
Aus  Antliea  Cereus  var.  smaragdina  extrahiren  lieh  durch 
Mkohol   mehrere  Pigmente,  von   denen    mindeftens  das  Eine  aus- 
Iiniend  rafch  Veränderungen  unterliegt,  welche  an  der,  zwar  fehr 
unregelmäßigen  Verlagerung  dei-  Abrori)tionsbändei-  fj)ecti'ofko})ifcli 
l'idit  zu  verfolgen   find,      im   fcbi-offen  Gegenfatze  zu   den   weclifel- 
mIIoi  fpectrofkopifchen  Bildei-n,  welche  die  Auszüge  der  Tentakeln 
■  Icr  der  ganzen  Antliecn  «larljieten,   (teilt  das  fpCH^trofkopifch  ül)er- 
«  inftimmendc  Verlialtcn  dci-  ajkoholifclien  Extracte,  weldie  aus  den 
Entod(,'i-mg(bildcn   des  Antbcaköi-yers  nacb  Abtrennung  dei- Tcnta- 


130  Grundzüge  einer  vergleichenden  [48 

kein  gewonnen  werden,    und  welches    auf  die  FarbftofFe  der  fog. 
gelben  Zellen  zu  beziehen  fein  wird. 

Ueber  die  blauen,  in  Waller  löslichen,  in  den  lipochromatifchen 
Löfungsmitteln  aber  unlöslichen  Farbftoffe  der  Medufen  lauten  die 
Angaben  der  einzelnen  Unterfucher  fo  übereinfbimmend,  daß  anzu- 
nehmen ift,  es  handle  ßch  fowohl  beiVelella  väe  auch  bei  Rh i- 
zostoma,  Aurelia  und  Cyanea  um  den  gleichen  Farbftoff,  um 
Cyanein.  Entgegen  der  Angabe  de  Negri's  wü^d  zweifellos  auch 
der  blaue  Farbftoff  der  Velella  ein  Bandenfpectrum  zeigen  und 
die  meine  Beobachtungen  bemeifternden  und  davon  abweichenden 
Angaben  R.  Blancharcl's  beruhen  nur  darauf,  daß  diefer,  der 
deutfchen  Sprache  nicht  hinreichend  mächtig,  meine  Abhandlung 
ftellenweife  nicht  verftanden  und  die  Reagentien  in  einer  andern 
Concentration  als  ich  angewendet  hat.  Der  gelbbraune  Farbftoff 
der  Chrysaora  foll  nach  MerejJiotvshj  in  Waffer  ( Vorzugs  weife  in 
liedendem)  gleichfalls  löshch  fein,  das  Spectrum  desfelben  nach 
Mac  Kendrick  aber  keine  Abforptionsbänder  aufweifen. 
Farbßoffe  Vou  den  Epidermoidalpigmentcn  der  Echinodermen*^*^)  -uairden 

dermen'  u^ntcrfucht  das  ComatuKu  (der  rothe  Farbftoff  der  Comatula  me- 
diterranea),  das  Antedonin,  das  pm-purfarbene  und  das  rothe 
Pentacrinin  (Pigmente  von  Pentacrinusformen  der  Tieffee),  die 
Farbftoffe  in  der  Haut  von  Holothuria  Poli,  verfchiedener  Afte- 
riden  und  der  kalkreichen  Schälen  und  Stacheln  von  Echiniden. 
Das  Comatulin  ift  ein,  in  verdünntem  Alkohol  wie  in  Waffer 
leicht  löslicher  Körper,  der  aber^"  von  abfolutem  Alkohol,  Aether, 
Chloroform  nicht  aufgenommen  wüd ;  am  Lichte  verwandelt  es  lieh 
in  braune  und  gelbe  Materien,  welche  lieh  im  Uebrigen  von  ihm 
wenig  unterfcheiden  und  in  den  gleichünnig  gefärbten  Comatula- 
varietäten  natürlich  vorzukommen  fcheinen.  Als  Antedonin  wurde 
von  MoMey  der  Farbfloff  einer  dunkelpm-purfarbenen  Antedon- 
fpecies  befchrieben,  deffen  alkoholifche  Löfung  drei  Abforptions- 
bänder (zwei  dunkele  zwifchen  D  und  E,   ein  fch wacheres  vor  F) 


4Vtj  Phyfiologie  der  Farbftofle  und  der  Farben.  131 

im  Spectrum  aufweift,  während  reine  Comatulinlöfungen  ftreifen- 
treie  Spectren  zeigen.  Auf  Salzfäurczufatz  fchlägt  die  rothe  Farbe 
der  alkoholifcben  Antedoninlöfung  in  Orange  um,  und  das  Spec- 
trum zeigt  dann  um-  zwei  fcharfe  Bänder  (vor  E  vmd  hinter  b) 
inid  bei  geeigneter  Concentration  außerdem  einen  weniger  deuthchen 
Streifen  dicht  vor  F.  Beim  AlkaHfiren  fällt  der  Farbftoff  in  purpur- 
farbigen Flocken  aus  der  alkoholifcben  Löfung  nieder ;  diefem  find 
zwei  breite  Bänder  im  Spectrum  (eines  vor  D  und  ein  zweites 
genau  in  der  Mitte  zwifchen  D  und  E)  eigenthümlich.  Das  Ante- 
donin  traf  Mofelcy  auch  l)ei  einer  Tieffeeholothurie  des  füdlichen 
indifchen  Oceaus  an. 

Das  Specti-um  der  Löfung  von  3Iofdnjs  purpurfarbenen  Penta- 
criniii  in  fchwach  angefäuertem  Alkohol  zeigt  drei  Abforptions- 
bänder,  von  denen  che  erften  beiden  fehr  ähnlich  gelagert  und 
unter  einander  ebenfo  verfchieden  an  Stärke  wie  die  Turacinbänder 
find,  das  dritte  fchwächer  ift  und  zwifchen  b  und  F  hegt;  letzteres 
Band  gehört  walu-fcheinhch  einem  Rhodophane  [Mofeley^  Red 
Pentacrinin)  an,  da  dasfelbe  feine  Lage  nicht  ändert,  wenn  auf 
Zufatz  von  Alkahen,  welche  die  Flüffigkeit  blaugrün  und  roth 
fluoresch'end  machen,  die  beiden  anderen  verfchwinden  und  ein 
neuer  Streifen  zwifchen  a  und  B  erfcheint.  Durch  abwechfelnden 
Säure-  und  Alkalizufatz  läßt  fich  der  Farbenwechfel  an  der  alko- 
liolifchen  Löfung  eine  beliebige  Anzahl  von  Malen  repetiren,  und 
Mofelcy  ift  der  Anücht,  daß  die  weißen,  gelben  und  orangenen 
Pentacrinusfpecies  von  den  Ke-Islands,  Panglao  und  den  Signijor- 
T^ilands,  welche  Alkohol  faftgrün  färben  und  erft  auf  Säurezufatz 
r<iitacrinin  frei  werden  laffen,  die  alkalifche  Modification  diefes 
Pigmentes  enthalten.  Diefer  Deutung  dürften  die  von  mir  klar 
l'gteu  \'erhältninc  Ixi  den  Echinometriden  fehr  günftig  fein. 

In  den  dicken  und  großen  Stacheln  der  Acrocladien'^^)  fin- 
den fich  meift  zwei  Pigmente,  ein  blauviolettes  und  ein  rothes. 
Wafier  wie   Alkohol,    dcru-n   eine    ftärkere  Säure    zugcfetzt  wurde, 

h'ruktiihfr;/,  Vcrgl.-jih vliol.  Vortrüge.  10 


132  Grundzüge  einer  vergleichenden  [50 

löfen  beide  Farbftotfe  mit  intenfiver  Chamoisfärbung  auf,  und  nach 
Entfernung  der  freien  Säure  durch  Dialyfe  oder  durch  Alkahzufatz 
fällt  fämmtlicher  Farbftoff  in  blau  violetten ,  nur  minimale  Spuren 
von  Eifen  enthaltenden  Flocken  aus.  Es  kann  kein  Zweifel  dar- 
über beliehen,  daß  die  Acrocladien  bald  die  faure  rothe  Modifica- 
tion  diefes  Pigmentes,  bald  dagegen  die  neutrale  oder  alkalifche 
violette  führen.  Auch  Kupfervitriol  wie  Gerbfäure  fällen  den  Farb- 
ftoff aus  der  fauren  Löfung,  nicht  aber  Sublimat  oder  Alaun; 
Eifenchlorid  bemrkt  keine  Reaction,  conc.  Salpeterfäure  bräunt 
nur  die  trockene  Farbftofffubftanz  und  conc.  Schwefelfäure  färbt 
lieh  damit  prachtvoll  kirfchroth.  Letztere  Löfung,  welche  lieh 
wochenlang  unverändert  hält,  zeigt,  fpectrofkopifch  unterfucht,  drei 
Abforptionsbänder  (eins  hinter  D,  ein  zweites  um  E  und  ein  drittes 
vor  F),  wälirend  die  Spectren  der  fauren  alkoholifchen  und  wäffrigen 
Löfung  keine  deutliche  Streifen  darbieten.  Das  Echinorubin  und 
Echinin  von  Merejhoivshij  können  aus  allem  Denkbaren  beftehen; 
ihr  Entdecker  vermochte  ße  durch  keine  Reaction  irgendwie  fcharf 
zu  charakterißren.  Das  Hoplacanthinin  Mofeleys,  ein  dunkelröthes, 
frifch  in  Alkohol  lösliches,  ßch  darin  nach  ca.  12  Stunden  aber 
wieder  ausfcheidendes  Pigment  aus  einer  unbeftimmten  Hopla- 
canthusart  dürfte,  feinem  Spectral verhalten  nach  zu  urtheilen, 
ein  Lipochrom  oder  ein  lipochromatifches  Gemifch  fein. 

Durch  das  bei  Holothurien  weit  verbreitete  braune  Pigment 
wird  in  der  Haut  von  Holothuria  Poli  ein  Farbftoff  verdeckt, 
der  ßch  in  Alkohol,  Wafler  und  Glycerin  mit  gelber  Farbe  und 
grüner  Fluorescenz  leicht  auflöft.  Diefer  Uranidin  genannte  Farb- 
ftoffkörper  ilt  gerade  deshalb  von  großem  Interefle,  weil  er  ßch  in 
unreinen  Gewebsauszügen  fehr  rafch  zerfetzt,  in  reiner  alkoholifcher 
Löfung  aber  fehr  beftändig,  weder  licht-  noch  wärmeempfindlich 
zu  nennen  ifl.  Die  Unterfuchung  diefes  Farbftoffes  hat  die  Kennt- 
niß  von  den  Uranidinen  außerordentlich  gefördert,  und  ich  bedaure 
nur,    an    diefer  Stelle   nicht   ausführlicher   auf  ihn    eingehen    zu 


51]  Phyüologie  der  Farl)ftofle  und  der  Furljen.  133 

können;    die    für    feine    melanotifche   Verfärbung    maßgebenden 
Factoren  lind  in  der  Tabelle  auf  S.  98    mitberückrichtigt  worden. 

Bei  vielen  Afteriden  ift  die  äußere  gelbe,  orangene  oder  rothe 
Färbung  eine  rein  lipochromatifche.  Bei  Aftropeeten  auran- 
tiacus  babe  icli  das  Farbftoffgemifch  der  kalkigen  Decke  nacb 
Kühnes  Methode  analyfirt;  ein  chlorophanartiges  Pigment  (Orangin) 
Avurde  dabei  der  ausgefalzenen  Seife  durch  Petroläther  und  Äther, 
ein  Rhodophan  derfelben  vollftändiger  erft  durch  EfTigäthcr  ent- 
zogen. Neben  den  Lipoclii'omen  wurde  von  mir  in  dem  Aftro- 
pectenpanzer  em  eigenthümlich  blauer  Farbftoff  (Afterocyanin)  an- 
getroffen, der  in  Waffer  mit  tief  l3lau\äoletter  Farbe  löslicli  ift, 
delTen  Spectrum  zwei  Abforptionsbänder  (z^^'ifchen  C  und  D  wie 
hinter  D)  zeigt,  und  der  durch  Erwärmen  auf  80 '^  C.  durch  Al- 
kohol wie  Natronlauge  in  eine  rothe  Subftanz  verwandelt,  durch 
Ammoniak  wie  Salzfäure  aber  nicht  verändert  wird.  Bei  Urafter 
fand  ferner  3Iae  Mumi  ein,  nach  eintägiger  Digeftion  mit  Natron- 
lauge ficli  in  diefer  mit  Ijraunrother,  in  Alkoliol  mit  gell^er  Farbe 
löfendes  Pigment,  deffen  alkoholifche  Lüfung  licli  bei  alkalifcher 
und  famx'r  Reaction  wie  Hämatoporphyrin  verhielt. 

In  der  Peri\'isceralflüfrigkeit,  der  Schale  und  den  Ovarien  von 
Echinu.s  (esculentus?)  foll  fich  nach  Mac  Munn  ein  anderer 
brauner  Farljftoff  (Echinochrom)  finden,  der  lieh  durch  ein  breites 
Band  vor  E  auszeichnet;  in  der  PerivisceralflüfTigkeit  ift  derfelbe 
gelöft,  und  auf  Zufatz  von  Schwefelammonium  ff)ll  das  Al)forptions- 
band  noch  deutlicher  hervortreten.  Zumal  auf  Zufatz  diefes  Rea- 
gens in  der  Flülfigkeit  ein  Niederfclilag  entftebt,  vei-mag  icli  der 
Anficht  diefes  Forfchers  nicht  beizuftimmen,  daß  bicivbircli  ein 
Rt'duction.sproduct  gefchaffen  wird,  luiidcni  halte  es  i'üi-  walirfchein- 
licliei-,  daß  durch  das  SchwefelamiiKHiiuiii  \^  rinnvinigungcn  ent- 
r«rnt  werden  und  i)i  Folge  dedcn  das  Band  bei  einer  ftärkeren 
Scliichteiidicke  als  in  der  anfänglichen  Ecifung  noch  zu  felicn  ift 
und    deshalb    auch    vei-liefter    eiTcliein«!!     kann.       Der    N'eirneh    ]\f(if 

Kl* 


134  Grundzüge  einer  vergleichenden  [52 

Munns  ift  alfo  nicht  geeignet,  die  Anficht  von  Gecldes  experi- 
menteh  zu  ftützen,  daß  es  fich  bei  den  amöboiden,  acajou- 
braunen  hämolymphatifchen  Körperchen  der  Ecliiniden  und  einiger 
Holothuriden  um  einen  Refpirationsftoff  handelt,  der  im  desoxy- 
dirten  Zuftande  grün  gefärbt  ift. 

Im  Iniaalte  des  WafTergefäßfyltemes  gewiffer  Holothurienformen 
(z.  B.  Cucumaria  doliolum)  findet  man  nicht  feiten  einen  roth 
gefärbten  Bodenfatz,  defCen  Färbung  von  einem  Pigmente  herrührt, 
das  dem  Helicorubin  in  mancher  Beziehung  gleicht;  eine  derartige 
Subftanz  wurde  vielleicht  auch  von  Foettinger  bei  Ophiactis 
virens  gefehen  und  ohne  jeden  triftigen  Grund  für  Hämoglobin 
erklärt. 

Die  Leberpigmente  der  Afteriden  erinnern  fehr  an  die  vieler 
Arthropoden  und  Mollusken;  fie  beftehen  in  Lipochromen  oder  in 
einem  durch  Alkohol  leicht  lösbaren  Farbftoffe,  einem  fog.  Hepato- 
chrome,  das  durch  ßedende  Natronlauge  zerfetzt  wird  und  deffen 
Spectrum  ein  Abforptionsband  nahe  der  C- Linie  auf  weift.  Der 
Darm  einiger  Seeigel  (z.  B.  Sphaerechinus  granularis)  führt 
reichliche  Mengen  chlorophanartiger  Lipochrome,  und  die  rothen 
Ovarien  von  Holothuria  Poli  färbt  ein  ziemlich  reines  Rhodophan. 
Farbftoffe  Unter  den  Ascidien*^®)  herrfcht  eine  große  Farbenmannigfaltig- 

Ascidien.  \q{i^  M-Qii\  trifft  oft  an  ein  und  demfelben  Fundorte  blaue,  violette, 
gelbe,  gelbgrüne,  orangefarbige,  fchwarze,  gelb-  und  rothbraune 
Species.  Der  violette  Farbftoff  der  mittelländifchen  Botryllus- 
arten  fcheint  nur  im  feften  Zuftande  als  folcher  beltehen  zu  kön- 
nen, da  denfelben  alle  als  Löfungsmittel  auf  ihn  einwirkenden 
Reagentien  bräunlich  färben,  Säuren  das  Violett  aber  regeneriren. 
Bei  den  zwifchen  gelb  und  roth  varihenden  Cynthien  und  Di- 
demnen  find  es  meift  Lipochrome  (Chlorophane  und  Rhodophane), 
welche  die  Färbungen  bedingen;  bei  einigen  Ascidien  (z.  B.  bei 
Ascidia  fumigata  und  A.  mentula)  ifl:  es  ein  gelbes  Uranidin, 
das  die  Lymphe    wie  die  inneren  Organe  bei  Berührung  mit  der 


53]  Phyüologie  dei"  Farbftofle  und  der  Farben.  135 

Luft  dunkelbraun  werden  läßt  (vgl.  Tabelle  auf  S.  98),  und  von 
dem  das  Pigment  in  den  fclnvarzen  Mantelftellen  der  Ascidia  fu- 
migata  \'ielleicht  nur  ein  Umwandlung.sproduct  darftellt. 

A"on  Br}''Ozoen '''')  wurde  nur  Bugula  neritina  einer  eingehen-  Faibßoflfe 
deren  Farbftoffanalyfe  unterworfen.  In  diefer  Bryozoe  und  min-  '^'"^ozoen. 
deftens  zwei  verfchiedene  Farbftoffe  vorhanden:  Einer  (Bugulapur- 
pm*),  welcher  lieh  mit  rofa  oder  purpurrotlier  Farbe  in  Glycerin 
und  Waffer  löll  (vgl.  Tabelle  auf  S.  98)  und  ein  (chlorophan- 
artige.s  Pigment)  oder  mehrere  (Hepatochrom  etc.)  andere,  welche  in 
Glycerin.  Waffer  und  Benzol  wenig  oder  unlöslich  find,  dagegen 
in  Alkohol,  Chloroform,  Schwefelkohlenftoff,  Terpentinöl  etc.  mehr 
oder  weniger  leicht  übergehen  und  diefe  Flüffigkeiten  alsdann  gelb- 
gi'ün,  gelb  oder  bräunlich  färben. 

Die  Hautfärbungen  bei  den  Würmern  ^'^)  und  gewöhnlich  keine  i-'a,iJftoffe 
fehr  hervorftechende.  Die  Epidermis  ill  bei  vielen  durchüchtig  (iri-  Türmer, 
firt  auch  wohl  in  Folge  ilirer  feinen  Canellirung),  und  die  bisweilen 
kräftigen  Färbungen  innerlich  gelagerter  Organe  lind  alsdann  durch 
die  Haut  hindurch  üchtbar.  Bei  einigen  Arten,  wo  die  Hautpig- 
mentirung  eine  intenfivere  ift  (z.  B.  bei  Hirudo  medicinalis  [cf. 
S.  100],  Spirographis  Spallanzanii),  hat  man  die  derfelben  zu 
Grunde  liegenden  Farbftoffe  zu  extrahiren  und  durch  Reactionen 
zu  charakterifiren  verfucht;  wichtigere  Auffchlüffe  lind  durch  diefe 
Beftrebungen  jedoch  nicht  erreicht. 

Bei  Paramatta  in  New  South  Wales  beobachtete  Mofdcy  zwei 
große  Rynchodemusipecies,  von  deneii  die  eine  blau,  die  andere 
roth  war.  Das  blaue  Pigment  der  erfteren  Art  war  in  Alkohol 
unlöslich,  wurde  durch  Säuren  rotli  und  durcli  Alkalien  abermals 
blau,  während  der  rothe  Farbftoff  der  zweiten  Art  iiiclit  in  (ünen 
blauen  Körper  zu  verwandeln  war  und  wahrfcheinlich  ein  rhodo- 
phaiiaHiges  Pigment  gewefen  ift.  Ben)erkensvverth  ift  von  den 
Hautfarbftoffen  bei  den  Würmern  eigentlich  nur  das  grüne  Pig- 
ment der  Bonellia  viridis,   welches  lange  für  echtes  Gl dorophyll- 


138  Grundzüge  einer  vergleichenden  [56 

halb   wir   zuerft    die   Infecten  betrachten  und  die  Cruftaceen  den 
Mollusken  direct  vorausgehen  lalTen. 
^'^^^^°^^  Die   gelben   bis  rothen  Farbftoffe  in  den  Cal3^ptren  der  Coc- 

cion eilen,  wahrfcheinlich  auch  die  mehrerer  anderen  roth  ge- 
färbten Käfer  (Elateriden,  Cerambyx  Köhleri  u.  f.  w.),  die 
lieh  im  frifchen  Zuftande  durch  Alkohol,  Aether  etc.  extrahken 
lalTen,  gehören,  wie  das  Eintreten  der  Schwefel-  und  Salpeterfäure- 
reaction,  die  LöfungsverhältnilTe  bekunden,  der  LipochromgTuppe 
an.  Mitteilt  der  Verfeifungsmethode  wurden  diefe  Farbftoffe 
noch  nicht  analylirt,  in  den  Spectren  der  orange  bis  roth  gefärbten 
alkoholifchen  Auszüge  von  Chrysomela  populi  vermochte  ich 
von  Lipochrombändern  nichts  zu  entdecken,  und  bei  längerer  Auf- 
bewahrung der  eingetrockneten  Gewebe  nehmen  die  Pigmente  einen 
lipochromoiden  Charakter  an,  Avodurch  es  lieh  zugleich  erklärt,  daß 
ich  über  ihre  Natur  früher  in  Zweifel  bleiben  konnte''^). 

Eingehendere  Verfuchsreihen  liegen  nur  über  die  Farbftoffe 
der  Cocciden  und  Aphiden'^^)  vor,  von  denen  der  Eine,  die 
Carminfäure,  durcli  mehrere  neuere  Arbeiten  beffer  bekannt,  deffen 
chemifche  Conftitutionsformel  aber  auch  noch  keineswegs  endgültig 
feftgeftellt  worden  ift.  Die  getrockneten  Weibchen  von  Coccus 
cacti  enthalten  von  diefer  Säure  26  —  50*^/o :  ein,  in  der  thierifchen 
Organifation  wohl  einzig  daftehender  Fall,  daß  ein  fo  beträchtliches 
Quantum  der  gefammten  thierifchen  Trockenfubftanz  in  einem 
Farbftoffe  aufgefpeichert  wird.  Diefe  Thatfache  dürfte  auch  wohl 
nur  dadurch  verftändlich  werden,  daß  die  Carminfäm^e  für  die 
Cocciden  einen  Referveftoff  nach  Art  des  Glykogens  oder  der  Gly- 
kofe  darfteilt,  was  ihr  Zerfall  beim  Kochen  mit  verdünnten  Säuren 
in  einen  unvergährbaren ,  optifch  inactiven  Zucker  (CgHioOs)  und 
in  Carminroth  (C11H12O7)  andeuten  dürfte. 

Die  Carminfäure  (CuHisOio)  fcheint  im  Thierreiche  auf  Coc- 
ciden und  Aphiden  im  Vorkommen  befchränkt  zu  fein;  aber 
bei  einer  Labiate  des  Alleghaniegebirges ,  bei  Monarda  didyma, 


57]  Phyfiologie  der  Fai-hltoHe  und  der  Farben.  139 

Avill  Belhomme  lie  gleichfalls  gefunden  haben.  Seit  lange  bei  Coc- 
ciis  cacti  bekannt,  wiu-de  das  Carmin  von  Sorhy  bei  Aphiden, 
Avelche  von  den  Rinden  der  Apfelbäume  gefammelt  waren,  und 
von  mir  bei  Coccus  ilicis  und  C.  polonieus  nachgewiefen ;  im 
letztern  Falle  rein  dargeftellt,  in  Carminroth  übergeführt,  die 
Löfungen  wie  die  der  Spaltungsproducte  mit  denen  der  Carmin- 
lam-c  aus  Coccus  cacti  fpectrofkopifch  genau  vergHchen  und  in 
allen  Punkten  damit  identifch  liefunden.  Die  freie  Säure  layftalli- 
lirt,  lölt  lieh  in  Alkohol  und  Walfer,  fchwer  in  Äther  und  liefert 
meifl  roth  gefärbte  Sal/.t>.  Alle  durch  Säuren  aus  dem  Carmin 
entllehenden  Derivate  haben  faure  Eigenfeh aften.  Durch  kochende 
Salpeterfäure  entllelit  daraus  die  in  großen  fill:)erglänzendeii  Platten 
kryftallilirende  Nitrococcusiaure  (C7a[N02]30H.CO.OH),  welche  mit 
Waller  auf  180"  C.  erhitzt,  (ich  weiterhin  in  Kohleniaure  und 
Trinitrokrefol  (CgHfCHa]  [NOäjaOH)  fpaltet.  Erhitzen  mit  conc. 
ßchwefeUaure  verwandelt  die  Carminfäure  unter  Entwicklung  von 
Kohlenräure  und  von  fchwefliger  Säure  in  Ruficoccin  (CioHioOc), 
fchmelzendes  Kali  in  gelbes  Coccinin  (C14H12O5). 

Die  übrigen  Farl^ftoffe  der  Aphiden  find  von  Sorhy  wie  von 
Mac  Mann  unterfucht;  mir  hat  fich  bisher  leider  nie  Gelegenheit 
zu  euier  Nachunterfuchung  geboten,  und  ich  theile  deshalb  einige 
Ergebnille  aus  den  Arl)eiten  jener  beiden  Forfcher  mit,  obfchon 
die  von  diefen  in  Anwendung  gebrachten  Methoden  zur  Tremunig 
der  einzelnen  Pigmente  als  unzweckmäßige  bezeichnet  werden 
müflen,  und  deshallj  Farbflott'gemifche  auch  für  reine  Farbftolf- 
kürper  gehalten  und  mit  eigenen  Namen  belegt  worden  find. 

Verfetzte  Sorhy  den  cai-melim-othen  Heißwairerauszug  feiner 
Aphiden  mit  Eifciiviti-iol  und  Schwefelan)m(iiiium,  fo  nahm  derfelbe 
eine  blalle  Fleifchfarbe  an  und,  falls  ein  wenig  Ammoniak  im 
Ueberfchuß  zugefetzt  wm'de,  entfärl)te  licli  dic^  Löfung  faß  voll- 
fländig.  IJeim  Stehcni  an  der  Tjuft  kehrte  tue  urfpi'üngliche  Farl)e 
zurück,    von   <ler  OberHäche    nach   dem  Grunde   zu  fortfchreitend. 


140  Grundzüge  einer  vergleichenden  [58 

An  dem  fauer  gemachten  Auszuge  war  keine  Farbenveränderung 
durch  das  Eifenfalz  zu  erzielen.  Es  exiftirt  der  betreffende  Färb- 
ffcoff  (Aphidein),  fo  fchließt  Sorh/,  ebenfo  wie  das  Hämoglobin  in 
einer  oxydirten  und  in  einer  desoxydhten  Form  (in  beiden  Fällen 
bei  alkalifcher  Reaction  der  Löfung)  und  whd  für  Aphis  jedenfalls 
eine  ähnhche  refpiratorifche  Bedeutung  haben  wie  das  Hämoglobin 
bei  anderen  Thieren.  Mac  Munn  erhielt  aus  Aphiden,  welche  er 
auf  Physalis  Alkekengi  («Morella  cherry»)  gefunden  hatte,  eben- 
falls einen  Aphidein-haltigen  Auszug,  dellen  fpectrofkopifches  Ver- 
halten üch  auch  durch  Schwefelammonium  änderte;  von  einer  ge- 
glückten Rückverwandlung  in  den  oxydirten  Zuftand  whd  von 
ihm  aber  nichts  berichtet.  Zweifellos  ilt  Sorhys  Aphideni  ein 
Farbftoffgemifch  und  die  von  ihm  als  Umwandlungsproducte  des- 
felben  betrachteten  und  als  Aphidilutein,  Aphidiluteohn  und  Aphi- 
dh'hodein  bezeichneten  Pigmente  find  z.  Th.  Lipochrome  oder  auch 
wohl  unreine  Carminfäure,  welche  in  reinem,  freien  Zuflande  und 
in  alkohohfcher  Löfung  von  wälTrigem  Carminammoniak  fpectro- 
fkopifch  fehr  unerheblich  abweicht,  während  faure  Carminlöfungen 
fehr  bald  ganz  anders  gelagerte  Spectralbänder  aufweifen. 

Nur  die  Chironomuslarven  wurden  von  allen,  darauf  unterfuchten 
Infecten  als  hämoglobinhaltig  erkannt;  die  Angabe  Mac  Mtmns,  daß 
bei  Musca  domestica  diefer  Stoff  üch  ebenfalls  finde,  kann  auf 
keiner  exacten  Prüfung  bahren,  denn  ich  habe  mich  mederholt 
überzeugt  und  über  diefe  Verfuche  bereits  früher  berichtet  '^■^),  daß 
der  rothe  Farbftoff  in  den  Fliegenköpfen  weder  Hämoglobin  noch 
ein  Lipochrom  ift,  fondern  feinen  Eigenfchaften  nach  am  nächflen 
dem  Stäbchenpurpm-  der  Cephalopoden  fteht. 

Landois  wie  Graher  hatten  in  ihren  morphologifchen  Arbeiten 
fchon  vor  mehreren  Jahren  die  Färbungen  der  Infectenlymphe  ^^) 
befprochen,  das  Zuftandekommen  der  eigenthümüchen  Melanofe, 
welche  diefelbe  bei  den  meiflen  Coleopteren  und  Lepidopteren  zeigt, 
wurde   aber   erft  vor  Kurzem   durch  Fredericq  aufgeklärt.     Diefer 


59]  Phyfiologie  der  Farbflofle  und  der  Farben.  141 

Vorgang  beruht  wie  bei  Aplysina,  Ascidia  fumigata  und 
Aethalium  septicum  auf  der  Anwefenheit  eines  Uranidines  und 
ift  in  der  Infectenlymphe  gerade  dadurch  fo  merkwürdig,  daß  durch 
^  eine,  nur  kurze  Zeit  unterhaltene  Erwärmung  auf  ca.  55''  C.  die 
Oxydation  und  fomit  aucli  die  melanotifche  Verfärbung  inhibirt 
wird.  Eine  vergleichende  Unterfuchung  der  LymphfarbllofFe  bei 
verfchiedenartigen  Käfern  und  Saturnidenchryfaliden  hat  mir  er- 
geben, daß  da.s  gelbe  Uranidin  keine  charakterillifchen  Spectralbänder 
befitzt,  daß  fich  daneben  aber  meift  noch  andere  FarbftofFe  finden, 
welche  für  die  einzelnen  Species  eine  große  Conftanz  beßtzen  und 
fpectrofkopifch  gut  gekennzeichnet  find.  So  findet  fich  in  der 
bräunlichgelben  Lymphe  von  Saturnia  Pernyi,  Callosamia 
Promethea  und  Telea  Polyphemus  ein,  nach  der  Verfeifung 
der  ausgefalzenen  Seife  leicht  durch  Äther,  unvoUfländig  oder  gar 
nicht  durch  Petroläther  zu  entziehendes,  chlorophanartiges  Lipo- 
clirom  und  in  der  gelbgrünen  von  Saturnia  Pyri  wie  von  Plati- 
samia  Cecropia  neben  diefem  Pigmente  noch  ein  anderes,  delTen 
Spectrum  ein  breites  Band  um  D  zeigt,  das  aber  fowohl  auf  Effig- 
fäure-  oder  Ammoniakzufatz  wie  auch  nach  längerem  Erwärmen 
der  Lymphe  auf  66"  C.  fch windet.  Dasfelbe  Lipochrom,  welches 
fich  bei  den  Puppen  in  der  Lymphe  findet,  pflegt  auch  dem  Fett- 
körper fein  gelbes  oder  grünliches  Colorit  zu  geben. 

Dem  Hämocyanin,  einem  meift  kupfer-,  bisweilen  aber  auch  Farbftoffe 
eifenhaltigen  Albuminate,  das  beim  Kochen  wie  dm-ch  Alkohol  ^'"«ßaceen. 
coagulirt,  bei  Sauerftoffentziehung  in  ein  farblofes  Chromogen 
(Hämocyanogen)  übergeht,  aus  dem  es  durch  Sauerftoffzufuhr  zu 
regeneriren  ift,  begegnen  wir  bei  den  Krebfen  ^''')  zum  erften  Male. 
r.-  ift  niclit  zu  bezweifeln,  daß  diefes  für  das  Refpirationsgefchäft 
lifo  wie  das  bei  einigen  Krebfen  (Daphnia,  Lernanthro- 
pus  etc.)  fich  findende  Hämoglol^in  von  Nutzen  fein  kann;  ob 
aber  auch  noch  andere,  in  ähnUcher  Weife  als  SauerItoflul)er- 
träger  fungirende  rothe  Pigmente  bei  Krebfen  vorkommen,  ilt  nach 


142  Grundzüge  einer  vergleichenden  [60 

meinen    Beobachtungen    wahrfclieinlich ,    jodoch   keineswegs    ent- 
fchieden. 

Wefentlich  verfchieden  von  dem  Hämocyanin  erweifl  lieh  das 
fo  leicht  zerfetzbare  Cyanokryftallin,  welches  üch  kryllallifirt  in  der 
Hypodermis  fehr  vieler  Krufter  findet.  Unrichtig  iR.  die  Vermuthung 
Merejhoiuslcy  s ,  diefer  Farbftoff  fei  eine  mit  dem  Velellablau  iden- 
tifche  Subftanz ;  denn  ich  habe  fchon  früher  nachgeMdefen,  daß  das 
Cyanokryftallin  (fowohl  von  Astacus  wie  von  Homarus)  weder 
in  reinem  Waller,  noch  in  Salzlöfungen  verfchiedenfter  Concentra- 
tion  auf  irgend  eine  Weife  zu  löfen  ifl. 

Was  fonft  von  Cruftaceenpigmenten  genauer  bekannt  geworden 
ifl,  betrifft  nur  die  hpochromatifchen  Farbftoffe,  welche  hier  fehr 
verbreitet  find  und  durch  die  Verfeifungsmethode  aus  dem  alko- 
holifchen  Auszuge  der  Ovarien  von  Maja  squinado  wiederholt 
ifolirt  find.  Das  Crustaceorubrin  Ilofeleys,  das  Vitellorubin  Mcdys 
find  lediglich  andere  Bezeichnungen  für  Kühnes  Rhodophan.  Die 
grünen  Cruftaceenfarbftoffe  find  gewöhnlich  (z.  B.  bei  Virbius) 
ebenfo  leicht  durch  Löfungsmittel  zerfetzbar  als  die  der  Infecten 
(z.  B.  von  Locusta);  doch  treten  bei  einigen  Ivrebfen  grüne  Farben- 
töne auf,  die  fich  gegen  Alkohol  äußerft  refiftent  verhalten  (z.  B. 
bei  Palinurus  argus  und  P.  spongipes)  und  ebenfo  violette 
(z.  B.  bei  Gonodactylus  chiragra  und  auch  bei  Palinurus 
argus);  beide  find  noch  nicht  Gegenftand  einer  genaueren  Unter- 
fuchung  gewefen.  Indem  ich  bei  Befprechung  der  Cruftaceen 
fchließlich  noch  auf  die  Ipectrofkopifchen  Unterfuchungen  der 
Leberpigmente  aufmerkfam  gemacht  haben  möchte,  weife  ich  zu- 
gleich die  feltfame  A'^ermuthung  Mac  Mimn's,  daß  der  Farbftoff 
der  grünen  Drüfe  reducirtes  Hämoglobin  fein  könne '^''),  auf  Grund 
meiner  Verfuche  als  unrichtig  zurück, 
^'^^de^^^'^  Die  allgemeine  Uebereinflimmung  in  den  Stoffmetamorphofen 

Mo  US  en.  |^^^   Cruftacecn  und  Mollusken  ^^)   documentirt   fich  in  Bezug  auf 
die  bei  beiden  Claflfen  gebildeten  Pigmente:   1)  in  den  Farbftoffen 


öl]  Phj-fiologie  der  Farbftoffe  und  der  Farben.  143 

der  Hämolymphe  (Hämocyamn,  Hämoglobin),  2)  in  denen  der 
Leber  (Hepatochronie,  Lipochrome)  wie  einiger  anderen  Drüfen 
z.  B.  der  Ovaiien  (Lipochrome)  und  3)  in  denen  der  äußeren  Haut 
(Lipochrome).  Nm*  bei  verhältnißmäßig  wenigen  Molluskenfpecies 
zeigen  die  Gallen-  refp.  die  HautfarbftofFe  fpecififche  Eigenthüm- 
lichkeiten.  So  findet  fich  in  der  Galle  von  Helix,  Limax,  Zo- 
nites,  Cyclostoma  und  LTnio  tumidus  ein  rother,  in  WalTer 
löslicher,  in  den  hpochromatifchen  Löfungsmitteln  aber  unlöslicher 
und,  wie  fich  den  Beobachtungen  von  Hazay  entnehmen  läßt,  «in 
icharffpitzigen  Rhorabusformen»  kryftallifirender  Farbltoff,  das  Heli- 
corubin  (vgl.  S.  99).  Diefes  wurde,  ebenfo  wie  gewilTe  Hautpig- 
mente von  Arion  ater  und  Limax  variegatus  in  unmittelbare 
Beziehung  mit  dem  Hämoglobin  gebracht  (vgl.  S.  100),  aber,  wie 
ich  bereits  andeutete,  ohne  genügende  Gründe.  K.  B.  Hof  mann 
berichtet,  daß  im  Mantel  von  Arion  ater  ein  in  Säuren  mit  prächtig 
violetter  Farbe  lösHches,  in  Weingeift  unlösliches  Pigment  vorhanden 
fei,  und  einige  weitere  Angaben  über  das  Verhalten  diefes  und  der 
Hautfarbfloffe  von  Limax  flavus  finden  fich  bei  Mac  Mmm. 

Eigen  ift  den  Mollusken  eine  Fülle  von  Farbftoffen  in  befon- 
deren  Hautfecreten,  welche  theils  zur  Vertheidigung  entfandt,  theils 
zur  Färbung  der  Gehäufe  verwendet  werden.  So  bildet  fich,  wie 
wii-  bereits  fahen  (S.  91),  bei  Cephalopoden  ein  melaninartiger 
Körper,  der  in  dem  Secrete  des  Tintenfackes  ausgefi:oßen  wird,  bei 
.\plysia  ein  puqnirfarbiges,  bei  Purpura  patula  ein  grünes  Pig- 
ment, bei  Muriciden  ein  am  Lichte  veränderhches  Chromogen; 
'  «rithien  fecerniren  eine  gelbe  Flüfiigkeit,  die  an  der  Luft  gras- 
gi'üu  wird,  und  Scalaria  clatlirus  einen  Puiiau-faft,  der  durch 
AlkaHcii  nicht  verändert,  durch  Mineralfäuren  blaugrün  und  duicli 
Licht  nur  langfam  gebleicht  wird.  Die  von  Planorbis  cornous 
auf  Reizung  (,'ntleerte  P'lüfiigkeit  ift  aber  bekanntlich  kein  Drüfen- 
fecret,  fondern  hämoglobinhaltige  Hämolymphe,  und  ebenfo  wird 
der  liinimelblaue  Saft,  welchen  nach  PMe/j^rd's  Angabe  Triton i um 


I 


144  Grundzüge  einer  vergleichenden  [62 

nodiferum  vor  dem  Tode  entleeren  foU,  die  hämocyaninhaltige 
Hämolymphe  diefes  Thieres  fein. 

Einige  Reactionen  und  das  fpectrof  kopifche  Verhalten  des  Janthi- 
nins,  des  blauen  Farblloffes  in  dem  Secrete,  welches  gewilTe  Jan- 
thinafpecies  am  Rande  und  der  Oberfläche  des  Mantels  abfondern, 
find  (fpeciell  von  nordatlantifchen  Formen)  durch  Mofeley  bekannt 
geworden.  Das  Janthinin  lölt  lieh  in  Weingeift  wie  Aether  mit 
blaß  violetter  Farbe,  rother  Fluorescenz  (ähnlich  alfo  dem  Aesculin) 
und  zeigt  drei  Abforptionsbänder  im  Spectrum  (ein  tief  dunkeles 
um  D  und  zwei  fchwäche  vor  E  und  vor  F).  Dasfelbe  Spectral- 
verhalten  befitzt  die  mit  tief  violetter  Farbe  in  Glycerin  gelöfle 
Farbfubftanz.  Salzfäure  verwandelt  die  Farbe  der  alkoholifchen 
Löfung  in  ein  reines,  lichtes  Blau  mit  nur  einem  Spectralbande 
um  D.  In  angefäuertem  Aether  lölt  lieh  das  Janthinin  mit  pracht- 
voll tief  blauer  Farbe ;  diefe  Löfung  fluorescirt  nicht,  und  ihr  Spec- 
trum ilt  ohne  Abforptionsltreifen.  Die  Janthininlöfungen  waren 
wenig  haltbar;  nach  1  bis  2  Wochen  fand  Mofeley  fämmtliche 
zerfetzt. 

Was  fpeciell  die  Färbungen  der  Gehäufe  bei  den  Mollusken 
anbelangt,  fo  ift  die  Zahl  der  dabei  in  Anwendung  gebrachten 
Farbftoffe  eine  ausnehmend  große.     Wir  finden  hier: 

1.  Farbftoffe  mit  allen  'Eigenfchaften  der  Lipochrome  (z.  B. 
bei  Littorina  und  gelben  Pe et en Varietäten). 

2.  Lipochromoide  und  Melanoide,  welche  die  Gehäufe  der 
Muriciden,  Coniden  und  vieler  anderen  Gaftropoden  (z.  B.  Cassis, 
Mitra,  Strombus,  Cypraea,  Turbinella)  wie  zahlreicher  La- 
mellibranchiaten  (z.  B.  Pecten)  von  dem  zarteflen  Rofa,  durch 
Gelb,  Orange,  Roth  und  Braun  hindurch  bis  zum  tiefen  Braun- 
fchwarz  (z.  B.  bei  Murex  radix,  Conus  marmoreus,  Turbi- 
nella rinoceros)  variiren  laden.  Wie  viel  die  Structur  und  wie 
viel  nur  vorhandene  Spuren  eines  LipochromoTdes,  z.  B.  eines  rothen 
bei  dem  leichten  Rofaanfluge    an  der  inneren  Schalenfläche   von 


63]  Phyliülogie  der  Farbftofte  mid  der  Farben.  145 

Strombus  gigas,  Murex  bicolor  und  Delphinula  laciniata 
beitragen,  vrird  fich  allerdings  nur  durch  fortlaufende  Sehnittferien 
der  Schalenftücke  entfclieiden  lalfen. 

3.  Biliverdin  bei  Haliotiden  (z.  B.  Haliotis  Crachcrodi)  und 
Trochiden  (z.  B.  Turbo  margaritaceus,  T.  concinnus,  T.  dis- 
junotus,  Troclius  pyraniis,  Tr.  olivaceus). 

4.  Turbobrunin,  ein  in  angefäuertem  Alkohol  wie  in  angefäuer- 
tem  WalTer  leicht  lösliches,  eifenfreies  oder  nur  Spuren  von  Eifen 
enthaltendes  rothes  Pigment,  das  beim  Neutralifiren  feiner  Löfung 
in  braunrothen  Flocken  ausfällt  und  bei  längerer  Berührung  oder 
beim  Kochen  mit  fauren  Flüffigkeiten  in  Bihverdin  übergeht,  un- 
vermifcht  mit  diefem  die  Gmeliu''kh.e  Gallenfarl^ftoffreaction  aber 
nicht  zeigt.  Das  Turbobrunin  fcheint  auf  die  Haliotiden  (Ha- 
liotis rufusens)  und  die  Gattung  Turbo  (T.  sarmaticus,  T.  ru- 
gosus)  befchränkt  zu  fein. 

5.  Bei  Helix  nemoralis  ein  intenßv  gelber,  in  kaltem  Alkohol 
leicht  löshcher,  in  Waffer,  Aether,  Chloroform  u.  dgl.  m.  al)er  un- 
löslicher Farbftoff,  der  fich  beim  Erwärmen  feiner  Löfung  auf 
etwa  90''  C,  ähnlich  den  Uranidinen  bräunt,  und  deffen  Spectrum 
frei  von  Aljforptionsljändern  ift;  feine  alkoholifchc  Löfung  ift  fehr 
lichtempfindhch. 

0.  Ein  i)Uii3ur\dolettes,  eifenreiches  Pigment,  vorkommend  bei 
Gaftropoden  (Troclius  rota,  Tr.  erythraeus)  wie  Acephalen  (Pla- 
cuna  sella,  Perna  isognomum),  das  im  unveränderten  Zuftande 
ein  Ijreites  Abforptionsband  zwifchen  b  und  F  aufweift,  beim  Löfen 
in  faurem  Alkohol  oder  Waffer  aljer  leicht  in  andere,  fpectrofkopifch 
gut  gekennzeichnete  Farbfloffe  umgewandelt  wird.  Der  Farl)ftoff 
und  die  durch  keine  tiefgreifendere  Umfetzung  aus  iliin  hervor- 
.rangenen  Derivate  lind  in  Chloroform  wie  Aetlicr  uid<)slich.  Die 
lain-en  wäffrigcii  Löfungen  erfahren  Ix-im  Kociien  keine  fpcctro- 
fkopifdie  \'()'änd('i'ung,  werden  (hn'ch  Alkali(;n  gefällt,  nidit  aber 
durcl)  Sublimat,  Alaun  oder  (Jerbfäure;  l'm  gel)en  fernerhin  weder 


144  Grundzüge  einer  vergleichenden  [62 

nodiferum  vor  dem  Tode  entleeren  foll,  die  hämocyaninhaltige 
Hämolymphe  diefes  Thieres  fein. 

Einige  Reactionen  und  das  fpectrof  kopifche  Verhalten  des  JantM- 
nins,  des  blauen  Farbftoffes  in  dem  Secrete,  welches  gewiffe  Jan- 
thinafpecies  am  Rande  und  der  Oberfläche  des  Mantels  abfondern, 
und  (fpeciell  von  nordatlantifchen  Formen)  durch  MoMey  bekannt 
geworden.  Das  Janthinin  löft  fleh  in  Weingeifl:  wie  Aether  mit 
blaß  violetter  Farbe,  rother  Fluorescenz  (ähnlich  alfo  dem  Aescuhn) 
und  zeigt  drei  Abforptionsbänder  im  Spectrum  (ein  tief  dunkeles 
um  D  und  zwei  fchwäche  vor  E  und  vor  F).  Dasfelbe  Spectral- 
verhalten  befltzt  die  mit  tief  \äoletter  Farbe  in  Glycerin  gelöflie 
Farbfubftanz.  Salzfäure  verwandelt  die  Farbe  der  alkoholifchen 
Löfung  in  ein  reines,  lichtes  Blau  mit  nur  einem  Spectralbande 
um  D.  In  angefäuertem  Aether  löft  fleh  das  Janthinin  mit  pracht- 
voll tief  blauer  Farbe ;  diefe  Löfung  fluorescirt  nicht,  und  ihr  Spec- 
trum ifl  ohne  Abforptionsfl;reifen.  Die  Janthininlöfungen  waren 
wenig  haltbar;  nach  1  bis  2  Wochen  fand  Mofeley  fämmtliche 
zerfetzt. 

Was  fpeciell  die  Färbungen  der  Gehäufe  bei  den  Mollusken 
anbelangt,  fo  ift  die  Zahl  der  dabei  in  Anwendung  gebrachten 
Farbftoffe  eine  ausnehmend  große.     Wir  flnden  hier: 

1.  Farbftofl"e  mit  allen  'Eigenfchaften  der  Lipochrome  (z.  B. 
bei  Littorina  und  gelben  Pe et en Varietäten). 

2.  Lipochromoide  und  Melanoide,  welche  die  Gehäufe  der 
Mmiciden,  Coniden  und  vieler  anderen  Gaflropoden  (z.  B.  Cassis, 
Mitra,  Strombus,  Cypraea,  Turbinella)  wie  zahlreicher  La- 
mellibranchiaten  (z.  B.  Pecten)  von  dem  zartefl:en  Rofa,  durch 
Gelb,  Orange,  Roth  und  Braun  liindurch  bis  zum  tiefen  Braun- 
fchwarz  (z.  B.  bei  Murex  radix,  Conus  marmoreus,  Turbi- 
nella rinoceros)  variiren  lalfen.  Wie  viel  die  Structm^  und  \y\q 
viel  nur  vorhandene  Spuren  eines  Lipochromoides,  z.  B.  eines  rothen 
bei  dem  leichten  Rofaanfluge   an  der  inneren  Schalen  fläche  von 


63]  rhyüologie  der  FarbfloHe  und  der  Farben.  145 

Strombus  gigas,  Miirex  bicolor  und  Delphinula  laciniata 
beitragen,  Avird  iich  allerdings  nur  durch  fortlaufende  Schnittferien 
der  Schalenftücke  entfcheiden  laffen. 

3.  Biliverdin  l>ei  Haliotidcn  (z.  B.  Haliotis  Crachcrodi)  und 
Trochiden  (z.  B.  Turbo  margaritaceus,  T.  concinnus,  T.  dis- 
junctus,  Trochus  pvramis,  Tr.  olivaceus). 

4.  Tiu'bobrunin,  ein  in  angefäuertem  Alkohol  wie  in  angefäuer- 
tem  WalTer  leicht  lösliches,  eifenfreies  oder  nur  Spuren  von  Eifen 
enthaltendes  rothes  Pigment,  das  beim  Neutralifiren  feiner  Löfung 
in  braunrotheu  Flocken  ausfällt  und  l)ei  längerer  Berührung  oder 
beim  Kochen  mit  fauren  Flüffigkeiten  in  Biliverdin  übergeht,  un- 
vermifcht  mit  diefem  die  Gmelin'ichQ  Gallenfarbftoffreaction  aber 
nicht  zeigt.  Das  Turbobrunin  fcheint  auf  die  Haliotiden  (Ha- 
liotis rufusens)  und  die  Gattung  Turbo  (T.  sarmaticus,  T.  ru- 
gosus)  befchränkt  zu  fein. 

5.  Bei  Helix  nemoralis  ein  intenfiv  gelber,  in  kaltem  Alkohol 
•  leicht  löslicher,  in  Waffer,  Aethcr,  Chloroform  u.  dgl.  m.  aber  un- 

lösHcher  Farl)ft<)fl\  der  üch  beim  Erwärmen  feiner  Löfung  auf 
etwa  90"  6'.,  ähnlich  den  Uranidinen  bräunt,  und  deffen  Spectrum 
frei  von  Abforptionsbändern  ift;  feine  alkoholifche  Löfung  ift  fehr 
lichtempfindlicli. 

<j.  Ein  })ur})urviolettes,  eifenreiches  Pigment,  vorkommend  bei 
Gaftropoden  (Trochus  rota,  Tr.  erythracus)  wie  Acephalen  (Pla- 
cuna  sella,  Perna  isognomum),  das  hn  unveränderten  Zultande 
ein  breites  Abforptionsband  zwifchen  b  und  F  aufweift,  beim  Löfen 
in  faurem  Alkoliol  oder  Walfer  ah^v  leicht  in  andere,  fpectrofko])ifcli 
gut  gekennzeichnete  Farbftoffe  umgewandelt  wird.  Der  I'\irl)lt()if 
und  die  durch  keine  tiefgreifendere  Umfetzung  aus  iliiii  licrvoi'- 
gegangenen  Derivate  lind  in  ( .'hlorofonn  wie  Aether  unlöslich.  Die 
fauren  wäffrigen  Löhnigen  erfahren  Ix'im  Koclien  keine  Cpcctro- 
fkopifclie  \'(  rändennig,  werden  «hu'ch  Alkahen  gefällt,  nidit  aber 
durch  Subliniat,  Alaun  oder  Gerbfäurc;   lie  geben   ferneiliin   wcdc^r 


146  Grundzüge  einer  vergleichenden  [64 

mit  roher,  Ilarker  Salpeterfäure  oder  conc.  Schwefelfäure,  noch  mit 
Eifeiichlorid  oder  Kupfervitriol  cliarakteriftifche  Reactionen  und 
ändern  fich  felblt  nach  tagelanger  Behchtung  nicht. 

7.  BeiTrochus  pica  einen  Miwarzen,  in  dünnen  Schichten 
blaugrünen  Farbftoff,  delTen  Spectrum  drei  Abforptionsbänder  (ems 
vor  D,  ein  zweites  in  der  Mitte  von  D  und  E  und  ein  drittes 
zwifchen  b  und  F)  aufweilt.  Derfelbe  wird  im  trockenen  Zuftande 
von  conc.  Schwefelfäure  lange  intact  gelallen,  durch  rohe  Salpeter- 
fäure gelb  gefärbt  und  von  Natronlauge  gar  nicht,  von  falzfäm'e- 
haltigem  Waller  nur  fchwer  in  Löfung  übergeführt ;  in  verdünnter 
Salpeterfäure  löft  er  ßch  dagegen  mit  blauvioletter  Farbe,  und  die 
Löfung,  welche  zwei  Spectralbänder  (eins  hinter  D,  ein  anderes 
zwifchen  D  und  E)  zeigt,  hält  fich  wochenlang  unverändert.  Die 
Farbe  der  blauen  Löfung  des  Pigmentes  in  KönigswalTer  geht 
rafch  in  ein  unanfehnliches  Violettroth  und  fpäter  in  ein  bräun- 
liches Gelb  über.  Nach  Entfernung  der  freien  Säure  durch  Dialyfe 
oder  durch  Ueberfättigen  mit  Ammoniak  wird  der  Farbftoff  aus 
feinen  Löfungen  in  dunkelindigblauen  Flocken  unverändert  ausgefällt. 

Neben  einem  gelbgrünen,  den  entkalkten  Schalenhäuten  bis- 
lang nicht  zu  entziehenden  Farbffcoffe  findet  fich  bei  Neriten  ein 
dem  foeben  befprochenen  Pigmente  ähnlicher,  in  dünnen  Lagen 
violettblau,  in  dickeren  fchwarz  erfcheinender,  aber  weit  widerJftands- 
fähiger  Körper,  der  durch  Salpeterfäure  ebenfalls  remer  violett  ge- 
färbt, jedoch  weder  durch  diefe  Säure  direct  gelölt,  noch  dadurch 
für  Ammoniak  lösbar  gemacht  wird. 

8.  Ein  tief  indigblaues  Pigment  bei  Trochiden,  welches  fich 
auch  durch  feine  Refifi^enz  gegen  Säuren,  AlkaHen  und  lipochro- 
matifche  Löfungsmittel  dem  Indigblau  in  feinen  Eigenfchaften 
nähert;  aber  weder  Salpeterfäure  noch  conc.  Schwefelfäm-e  üben 
auf  den  trockenen  Farbfi;off  einen  auffälligeren  Einfluß  aus,  und 
auch  Alkalien  löfen  ihn  nicht  nach  vorausgegangener  Behandlung  j 
mit  ftarker  Salpeterfäure. 


65]  Phyüologie  der  Farbftofle  und  der  Farben.  147 

9.  Bei  verfchiedeiien  Species  der  Gattung  Melania  ein  dunkel- 
braunes, in  Aether  ^^'ie  Cliloroforni  unlösliches,  in  falzfäurehaltiges 
Walter  und  Weingeift  niit  einer,  bald  in's  Gelbe  umfchlagenden 
( iummiguttfärbung  übergehendes  Pigment  ohne  charakteriftifches 
Spectralverhalten  und  diu"ch  Ammoniak  aus  der  fam^en  Löfung  in 
braunen  Flocken  zu  fällen.  Dm'ch  conc.  Schwefelfäure  wie  durch 
conc.  Salpeterfäure  wird  der  Farbftoff  gebleicht,  nicht  blau  gefärbt 
wie  che  Lipochrome. 

10.  Undefinirbare  braune  (z.  B.  bei  Lithodomus  litho- 
phagus)  und  grüne  (bei  AmpuUaria  und  Achatina)  Farbjftoffe, 

flehe  nicht  die  Lipochromreactionen  geben  und  bislang  auch 
iiiclit  in  Löfung  zu  bringen  waren. 

Um  die  Ueberzeugung  zu  befeftigen,  daß  noch  manches  Wiflens- 
werthe  über  die  Schalenfärbungen  der  Mollusken  unaufgeklärt,  ja 
ganz  ununterfucht  gelaffen  werden  mußte,  erinnere  ich  kurz  an 
das  intenßve  Blau  der  Mytilusfchalen  (vgl.  S.  115)  und  das  tiefe 
Himmelblau  der  Chryf  oten,  an  die  braunen  durchlichtigen  Stellen 
in  den  Schalen  von  Ortho  Stylus  nimbosus  und  verwandter 
Species,  welche  (im  durchfallenden  Lichte  betrachtet)  von  dem 
opaken  Weiß  fo  auffällig  abftechen,  an  die  grünen  Farben  bei 
' '(K'hlodi'vas  florida  vmd  Helicostyla  orbitula''"). 

Es  erübrigt  noch,  des  Stäbchenpurpurs  der  Cephalopoden  zu 
gedenken.  Der  Stäbchenpur|uir  (fpeciell  von  Sepiola  Rondeletii) 
unterfcheidet  fich  vom  Sehpuii)ur  allein  fchon  durch  feine  Perfiftenz 
gegen  Licht.  Es  löll  fich  derfelbe  in  Ammoniak ;  durch  verdünnte 
Säuren,  Kupfervitriol-  wie  Bleiacetatlöfungen  wird  der  Stäbchen- 
purpur zerflört.  während  er  fich  in  Kochfalzlöfungen  felir  ver- 
fchicdcner  Concentration  (2— 30''/o),  in  Löfungen  von  Nati-ium- 
fulfat  und  Natriumjdiospliat  fowie  in  Benzol  als  halt])ar  erwciit. 
Beim  Erwärmen  der  Retina  in  einer  SOprocentigen  Kochfalzlölüng 
auf  70"  C  büßt  der  Purpur  kaum  etwas  von  feiner  Färbung  ein, 
und    nur    längeres    Erwärmf-n    bei   100°  C.   l)k'ic]it   die  Kcliiia  all- 

Krukdtljtnj,  VcrKl.-jihyCiol    Vorträge.  II 


148  Grundzüge  einer  vergleichenden  [66 

mählich,  aber  vollftändig.  Nach  V.  Henfen  findet  fich  üi  der 
Stäbchenfchicht  von  Pecten  Jacobaeus  wahrfcheMich  wahrer 
Sehpurpur;  eine  Nachunterfuchung  hat  mir  aber  ergeben,  daß  nur 
ein  Theil  der  rothen  Stäbchenpigmente  bei  diefer  Pectenfpecies 
hchtempfindhch  ift,  ein  anderer  dagegen  fehr  hchtbeftändig. 
FarbÄoffe  ßej   ^q^  Wirbelthicrcn   vereinfachen   fich    die   Färbungen   in 

der  "^ 

mS!'  auffallendem  Maße;  nicht  etwa  infofern,  als  denfelben  intenüvere 
oder  mannigfaltigere  Färbungen  abgingen  oder  daß  eine  geringere 
Anzahl  von  Farbftoffen  in  Anwendung  gezogen  würde,  fondern 
ledighch  in  der  Weife,  daß  fämmtliche  Pigmentirungen  durch 
Glieder  weniger  Farbftoffgruppen  veranlaßt  werden,  daß  eigenartige 
Pigmente,  wie  folche  bei  Wirbellofen  aller  Typen  in  reichhchem 
Maße  angetroffen  werden,  bei  den  Wirbelthieren  außerordenthche 
Seltenheiten  find. 

Abgefehen  von  dem  Hämoglobin  und  Biliverdin,  welche  wegen 
ihres  conitanten  Auftretens  in  der  Wirbelthierreihe  für  uns  mchtig 
find,  welche  aber  bei  Wirbellofen  gleichfalls  vorkommen,  —  ob- 
fchon  bei  diefen  das  Gallenpigment  eines  ganz  andern  Urfprungs 
ift  als  bei  den  Wnbelthieren  ^'')  —  find  es  nur  das  Zoorubin,  Tu- 
racin  und  Turacoverdin,  welche  von  den  befier  bekannten  Pigmenten 
auf  Wirbelthierfpecies  im  Vorkommen  befchränkt  gefunden  wurden. 

Mit  feltenen  Ausnahmen  find  es  Lipochrome  und  Hämoglobine, 
welche  nebft  ihren  Abkömmlingen  ( Gallenfarbftoffe,  Melanine  und 
Melanin-ähnliche  Stoffe)  die  fog.  objectiven,  chemifchen  oder  Ab- 
forptionsfarben  bei  den  Wirbelthieren  bedingen  und  nur  unter 
Mitwirkung  gewifi'er  Structm-eigenthümlichkeiten  auch  blaue  wie 
grüne  Farbentöne  möglich  machen.  Die  Urfache  der  Grünfärbung 
unferer  Fröfche^^)  kannten  bereits  viele  ältere  Forfcher,  ebenfo  auch 
die  Thatfache,  daß  die  in  Alkohol  lavendelgrau,  ja  oft  blau  gewordene 
Frofchhaut  beim  Bedecken  mit  angefeuchtetem  gelben  Seidenpapier 
wieder  grasgrün  erfcheint.  Bogdanow  und  ich  wiefen  daraufhin,  daß 
die  blauen  Federn  im  durchfallenden  Lichte  bräunlich,  die  grünen 


67]  Phvfiologie  der  Farbftofte  und  der  Farben.  149 

gell)  erfcheinen,  und  Ä.  B.  Meyer  machte  darauf  aufmerkfam^^), 
daß,  «wenn  man  bei  dem  grünen  Eclectus  polychlorus  das 
Licht  möghchft  horizontal  auf  das  Grün  des  Rückens  auffallen 
läßt,  wenn  man  z.  B.  in  Augenhöhe  über  den  grünen  Rücken, 
dem  Lichte  zugewendet,  hinwegficht,  derfellje  fchön  orangegelb 
erfcheint,  fo  l)lendend  grün  fchillernd  er  auch  bei  auffallendem 
Lichte  ift;  fafl  noch  in  die  Augen  fpringender » ,  bemerkt  Meyer 
weiter,  «ift  diefes  Verhalten,  und  zwar  fchon  bei  fchräg  auffallen- 
dem Lichte,  bei  den  grünen  Federn  der  Araras,  bei  Sittace  mi- 
litaris  L.  und  S.  chloroptera  Gray».  Schließlich  gelang  es 
Gadoic^^)  an  den  tiefblauen  Federn  eines  Makao  durch  einfache 
Preffung  das  Blau  ganz  zu  bofcitigen. 

Obfchon  bei  den  von  mir  Ijcobacliteten  mittclländifchen  Cre- 
nilabriden  die  grünen  und  blauen  Farben^*)  in  ähnlicher  Weife 
wie  l)ei  den  Federn  auf  Structurverhältniffen  beruhen,  fo  foll  ßch 
nach  G.  Francis  bei  einigen  feltenen  Fifchen  (Odax  radiatus, 
0.  frenatus  und  0.  Richardsonii)  ein  grünblauer  Farbftoff 
finden,  und  auch  bei  BananenfrelTern,  welche  in  ihren  Färbungen 
gleichfam  eine  Ausnahmeflellung  einnehmen,  kommt  ein  grünes 
in  Waffer  lösliches  Pigment  den  grünen  Federn  zu.  Hiermit  ift 
aber  die  Summe  aller  Ijci  Wirbelthiercn  in  der  Pigmentirung  auf- 
gefundenen Befonderheiten  erfchöpft;  denn  daß  die  Salmonfäure  ^^) 
nicht  nur  ein  unreines  Lipochrom  darfteilt,  ift  bislang  als  ebenfo- 
wenig  feftgeftellt  zu  erachten,  als  daß  der  Färbung  der  Belone- 
knochen  ein  grüner  Farbftoffköry)er  thatfächlich   zu  Grunde  liegt. 

L^ntei-  den  Wirbelthiercn    felbft  gibt  licli  aber  ein  allgemeiner 

Wechfcl  in  der  Pigmentirung  auch    noch  daiin  zu  erkennen,  daß 

Fifche,   Am})hibien    und  Reptilien  (mit  Ausfchluß  doi-  Schlangen) 

vorzugswein»  auf  lij)Oc]n()matische  Färbungen  angewiefcn  find,  l)ei 

Schlangen    nnd   Säugetliieren    die   melanoklen   Färbungen   vorhcrr- 

fchen,  die  lipocjn-oniatifchen  dagegen   felir  zurückftehen  odei-  auch 

wohl  ganz   zum  Ausfall  kommen,   wälircml   mitcr  <lcn   N'ögcln  Ix'i 

11* 


150  Grundzüge  einer  vergleichenden  [68 

einigen  Species    die   Lipochrome,    bei   anderen   die   Melanine   mit 
ihren  Verwandten  bevorzugt  erfcheinen. 

Das  Wiclitigfle,  was  die  Analyfe  der  Farbftoffe  bei  den  Wirbel- 
thieren  bereits  erfchloITen  hat,  ifl  die  Befchränkung  charakteriftifcher 
Pigmen,te  auf  vereinzelte  Species  oder  auf  Vertreter  einer  oder 
weniger  Familien.  Selbft  die  Verbreitung  der  Lipochrome  bietet  uns 
prägnante  Beifpiele,  wie  die  Anbildung  auch  diefer,  wie  es  fcheint, 
fo  veränderlichen  Subftanzen  mit  der  Organifationsanlage  Hand  in 
Hand  geht.  Mehr  oder  weniger  beträchtlich  ift  fo  z.  B.  die  rho- 
dophanartige  Beimengung,  welche  das  Lipochriii  in  der  Haut  der 
einheimifchen  Salamandrinen  conftant  begleitet;  ffcets  findet"  man 
ferner  in  der  Haut  der  einheimifchen  Lacertiden  einen  andern 
chlorophanartigen  Körper  (Lacertofulvin)  als  in  der  Haut  von 
Hyla  arborea,  Rana  temporaria  und  R.  esculenta  (Lipochrin), 
und  diefelbe  Differenz  belteht  nach  Kulme  für  diefe  Thiere  auch 
bezüglich  der  gelben  Lipochrome  in  den  Zapfen  der  Retina®^), 
'^'^'ftoffe^^"  ^™-  lehrreichften  find  in  diefer  Hinficht  die  Pigmentirungen 
Vögel,  des  Gefieders  der  VögeP'');  mit  Ausnahme  der  in  ihren  Effecten 
fo  überrafchenden  Structurfarben ,  welche  den  Colibris  und  vielen 
anderen  tropifchen  Vögeln  ihre  Farbenpracht  und  Farbenmannig- 
faltigkeit verleihen  ,  beruhen  an  diefem  alle  gefättigteren  Farben 
auf  der  Anwefenheit  von  Lipochromen.  Vorwiegend  find  es  chloro- 
phan-  und  rhodophanartige  Stoffe,  welche  ihre  Wirkung  dabei  ent- 
falten, deren  Repräfentanten  in  den  Federn  verfchiedener  Vogel- 
arten oft  aber  differente  find.  Bald  findet  fich  in  den  Federn  von 
Lipochromen  veritabeles  Rhodophan,  bald  das  fchlecht  charakteri- 
firte  Zoonerythrin  vor,  und  in  den  rothen  Papageienfedern  ein  dem 
Rhodophan  nm-  entfernt  verwandter  Körper,  das  Araroth,  welches 
fich  gleich  feinem,  dem  Chlorophan  analogen  Begleiter,  dem  Pfitta- 
cofulvin,  in  feinem  Verhalten  gegen  Reagentien  fehr  den  Lipo- 
chromoiden  nähert.  Von  gelben  Lipochromen  fcheint  das  Zoofulvin 
die  weiteffce  Verbreitung  zu  befitzen,  weniger  häufig  findet  fich  das 


69]  Phyüologie  der  Farbltoffe  und  der  Farben.  151 

Coriofulfurin  und  das  Picofulviii  charakterifirt ,  foviel  wir  wifTeii, 
die  Vertreter  einer  einzigen  Familie,  nämlich  die  Piciden. 

Das  Picoful^'in  ^'*)  wurde  von  mir  in  den  grünen  Federn  von  Ge- 
cinus  viridis  entdeckt  und  bei  forgfältiger  Prüfung  von  19  Specht- 
arten bei  9  Species,  theils  nur  mit  Rhodophan  (Campop hilus 
Malherbii,  Picus  major,  Callolophus  mentalis,  Gecinus 
viridis),  theils  mit  Rhodophan  und  Coriofulfurin  (Mulleripicus 
fulvus,  Yungipicus  Temminckii,  Chrysoptilus  punctigula, 
Chloronerpes  aurulentus,  Chi.  Kirkii)  vergefellfchaftet  gefun- 
den, bei  10  Species  (Dendropicus  cardinalis,  Campethera 
nubica,  Tiga  tridactyla,  Dr3^ocopus  flavifrons,  Colaptes 
auratus,  C.  olivaceus,  C.  rubricatus,  Melanerpes  formici- 
vorus,  Picumnus  minutus,  Jynx  torquilla)  dagegen  vermißt. 
Bei  weiterer  Nachforfchung  über  eine  eventuelle  Verbreitung  des 
Picofulvins  bei  Vertretern  der  den  Piciden  nächftftehenden  Familien 
(Pfittaeiden,  Bucconiden,  Ramphastiden)^^),  welche  die  groß- 
artige Liberahtät  Adolf  Bernhard  Mei/er's  und  fein  warmes  InterefTe  für 
jeden,  auch  noch  fo  kleinen  Fortfehritt  in  der  Lehre  von  den  thie- 
rifchen  Färbungen  mü'  ermöglichte,  —  ergab  fich,  daß  diefer  Farb- 
floff  hier  durchgängig  fehlt  und  demnach  (wenn  auch  nur  vorläufig) 
als  eine  Eigenthümliclikeit  der  Piciden  betrachtet   werden  muß. 

Einen  ebenfo  }>efchränkten  Verbreitungsbezii'k  als  das  Pico- 
fulvin  fcheint  das  Turacin''")  zu  befitzen.  Diefer  kupferreiche,  purpur- 
rothe  Farbftoff  der  Mufophagiden  ift  durch  die  Reifebefchreibung 
von  Vcrrcaitj-  zuerfl  ])ekannt  geworden.  Den  fpäteren  Mittheilungen 
anderer  Ornithologen  läßt  lieh  entnehmen,  daß  lieh  das  Turacin 
bei  den  meiden  Mufophagidenfpecies  findet,  davon,  daß  es  bei  irgend 
einer  derfelben  tliatfäclilich  vermißt  wurde,  ilt  mir  überhaupt  nichts 
bekannt  geworden.  Scbr  genaue  Unterfuchungen  über  diefen  Farb- 
ftoff verdanken  wir  Chiirrh.  Nacli  Clutrcli,  aber  unbeeinflußt  von 
den  in  feiner  Arbeit  niedergelegten  Refultaten,  unterfuchte  icl)  das 
Turacin  und  fand  fcliließlich,  nach  vielem  Suclien,  aucli  feine  Ab- 


152  Grundzüge  einer  vergleichenden  [70 

hancllung  wieder  auf,  welche  bis  dahin  vergelTen  und  begraben 
lag  in  der  großen  Katakombe  der  Philofophical  Transactions. 

Nach  allen  Beobachtungen,  welche  über  das  Turacin  in  der 
Literatur  niedergelegt  lind,  und  nach  den  Erfahrungen,  welche  ich 
in  den  größeren  ornithologifchen  Sammlungen  Deutfchlands  wie 
Oelterreichs  bezüglich  einer  zu  erw^artenden  Turacinfärbung  bei 
anderen  Gruppen  zugetheilten  Species  fammeln  konnte,  hatte  es 
den  Anfchein,  als  ob  diefer  Farbftoff  nur  bei  Mufophagiden  vor- 
komme. Bei  meinem  Befuche  des  SencJcenberg' ^chen  Mufeums  zu 
Frankfurt  fiel  mir  jedoch  kürzlich  ein  Cuculide  von  Manilla,  Dasy- 
lophus  super ciliosus  Swainson  auf,  bei  welchem  das  fatte  Roth 
fparfam  vorhandener  Köpffedern  auf  Turacin  fchließen  ließ.  Dank 
der  Bereitwilligkeit  der  Direction  der  SencJceiiberg' ^chen  Gefellfchaft 
:war  mu'  eine  Unterfuchung  diefer  Federn  möglich,  welche  zu  dem 
Refultate  führte,  daß  der  fragliche  Farbftoff  wirkliches  Turacin  war. 
Mofeley  erwähnt  in  feiner  von  mir  fchon  wiederholt  citirten  Ab- 
handlung, er  glaube  gelefen  zu  haben,  daß  das  Turacin  auch  bei 
einer  kleinen  Papageienart  Auftraliens  entdeckt  fei.  Ich  habe  in 
ornithologifchen  Kreifen  von  einer  derartigen  Mittheilung  nichts  in 
Erfahrung  bringen  können  und  bin  deshalb  geneigt  anzunehmen, 
daß  diefe  Notiz  nur  auf  Verwechslung  des  Turacins  mit  einem 
andern  Farbftoffe  von  Seiten  Mofeley  &  beruht;  ift  es  mir  doch  fchon 
wiederholt  vorgekommen,  daß  mir  Mittheilungen  über  das  Turacin 
zugingen,  welche  fich  ftets  als  irrthümhche  entpuppten.  Daß  fich 
diefer  Farbftoff  bei  keinem  Papageien  findet,  ift  mh  fo  ficher  als 
irgend  etwas. 

Noch  fpecialifirter  im  Vorkommen  als  das  Turacin  ilt  der 
grüne  Farbftoff,  welcher  aus  ihm  bei  längerer  Aufbewahrung  im 
angefeuchteten  Zultande  und  an  der  Luft  hervorgeht,  das  Turaco- 
verdin^^);  diefes  wurde  von  mir  bei  Corythaeola  cristata  aufge- 
funden, aus  den  grünen  Federn  von  Corythaix  albicristata 
ifolh't  wie  in  Löfung  erhalten  und  ifl  weder  bei  anderen  Mufopha- 


71]  Phyruiliigie  der  Failtltotie  und  der  Farben.  153 

gideu    noch    bei  irgend   einer   Spccies    einer    andern    Vogelfamilie 
fernerhin  nachgewiefen. 

Während  das  Picofulvin,  Turacin  und  Turacoverdin  durch 
ihre  Befchränkung  auf  Repräfentanten  einer  einzigen  Famihe  (und 
refp.  auf  wenige  andere,  diefer  fehr  nalieltehende  Formen,  deren 
fyftematifche  Stelknig  überdies  noch  fraghch  ift)  von  Interelfe  find, 
venhent  das  Zoorul)in  deshalb  Beachtung,  weil  es  bei  verhcältniß- 
mäßig  wenigen  Species  fernftehender  Familien  in  den  Federn  auf- 
tritt; auch  diefer  Farljfiotf  wurde  fonft  im  Thierreiche  nicht 
wiedergefunden . 

Bei  Paradifeklen  ift  das  Zoorubin  ^^)  am  regelmäßigften  anzu- 
treffen; fo  findet  es  fich  bei  Paradisea  papuana,  P.  rubra, 
Diphyllodes  magnifica  und  ganz  befonders  reichlich  bei  dem 
Männchen  von  Cicinnurus  regius,  deireii  Gefieder  es  eine  präch- 
tige l)raunrothe  Färbung  verleiht.  Außerdem  habe  ich  dielen 
Farbftoff  aber  auch  Ijei  Trogoniden  (Pyrotrogon  Diardi  ö"), 
Alectoridcn  (Otis  tarda)  und  Phafianiden  (gewiffe  Varietät  von 
Gallus  domesticus)  nachzuweifen  vermocht,  und  zweifellos  wird 
derfelbe  auch  Arten  mehrerer  anderen  Familien  nicht  fehlen;  in 
lammtlichen  von  mir  unterfuchten  braunen  Phanipliaftiden- 
Fftlcni  lialic  ich  ihn  indeß  vermißt. 

Gewöhnliche  und  außergewöhnliche  Färbungen  treten  uns  bei  ^.J;i^^^]^_ 
den  Vögeln  nicht  nur  am  Gefieder,  fondern  auch  an  den  Eier-  *"■'■^"^"^^• 
fchalen'-'^)  entgegen.  Durcli  die  Unterfuchungen  von  Sorhi/,  Lirhrr- 
iiinuH  und  mir  ift  feftgeftellt,  daß  die  Färl)ungen  der  blauen  l)is 
grüiK  II  \'ogeleierfchalen  von  Biliverdin  oder  diefen  fclu-  naheih  licn- 
den  Farbftoffköri)eni  (Oocyaii  Sorliyn)  herrühren,  während  die 
dunkelen  und  rötldichen  Farbentöne  (fleilch-,  olivcu-,  lederfarlng, 
i"oth ,  braun,  fchwarz  u.  dgl.  m.)  durch  ein  Häm()gl<)l)iudci'ivat 
(Oorhodein  Sorhi/'s)  veranlaßt  werden,  welches  nacli  dem  J^]iitkalken 
der  Sclialen  als  Hämatopori)hyrin  in  die  Säure  übergelit.  Beide 
l'igrneiitirungKweiP-n    ni;niif('(lii-<'n    lidi    als    gi'iindlicli    vcrfcliicdcn- 


154  Grundzüge  einer  vergleichenden  [72 

artige  fchon  dadurch ,  daß  die  Biliverdinfärbung  auch  in  .tiefere 
Schaleiilagen  hinabreicht,  daß  fie  im  Umfang  der  Schale  aber  an 
allen  Stellen  ftets  eine  gleichmäßige  ift,  während  das  dkecte 
Spaltungsproduct  des  Hämoglobins  nur  ganz  oberflächlich  und 
hier  ftets  in  mehr  oder  weniger  circumfcripter  Vertheilung  (als 
Flecke,  Punkte,  Kritzeln,  Schlieren  etc.),  niemals  in  der  Tiefe  der 
Schalen  zu  finden  ift.  Das  fog.  Oocyan  mrd,  fo  fchheßen  wir  aus 
diefen  Befunden,  in  Gemeinfchaft  mit  den  Kalkfalzen  fecernirt, 
das  Oorhodein  hingegen  der  fertigen  Eierfchale  erft  ganz  zuletzt 
aufgetragen. 

Außer  dem  Biliverdin  und  Hämatoporphyrin  tragen  nachge- 
mefenermaßen  nur  noch  bei  zwei  Vogelclallen  andere  Pigmente 
zur  Eierfchalenfärbung  bei,  indem  in  beiden  Fällen  auf  die  Oorho- 
deinfärbung  verzichtet  wird.  Es  ift  bemerkenswerth ,  daß  diefe 
Abweichungen  Familien  betreffen,  bei  denen  die  Färbungen  des 
Gefieders  fich  durch  keine  Abfonclerlichkeiten  auszeichnen,  und 
daß  anderfeits  die  Vögel  mit  ungewöhnlichen  Federfarbftoften  keine 
von  dem  allgemein  Gang  und  Geben  in  ihrer  Färbung  abweichende 
Eier  legen.  Ledighch  che  Crypturiden  und  Cursor  es  nehmen 
durch  die  Pigmentirung  ihrer  Eierfchalen  eine  Sonderftellung  unter 
den  Vögeln  ein,  indem  fich  nämhch  bei  den  Cursores  dem  Oocyan 
das  Oochlorin,  und  bei  den  Crypturiden  Oochlorin  und  Ooxanthin 
hinzugefellen. 

Wir  können  hiermit  unfere  Darfteilung  der  Färbungsurfachen 
bei  den  Wirbelthieren  befchheßen,  denn  die  Unterfuchung  der  me- 
laninartigen Stoff"e  hat  wegen  der  Schwerlöshchkeit  diefer  Subftanzen 
zu  vergleichend  -  phyfiologifch  mchtigeren  Refultaten  noch  nicht 
geführt.  Bei  der .  Lösbarmachung  und  Reinigung  diefer  Pigmente 
von  Hörn-  und  Eiweißgebilden  hat  man  fi^ets  zu  Mitteln  greifen 
muffen,  welche  die  Farbftoffe  felbft  verändern  und  zerfetzen,  ohne 
aber  zugleich  auch  nur  irgendwelche  Garantie  zu  bieten,  daß  die 
verunreinigenden  Stoffe  thatfächhch  dadurch  befeitigt  werden.  Vieles 


73]  Phyliulogie  der  Farbftofle  und  der  Farben.  155 

der  Befprecliuiig  und  der  Unterfuchung  Wertlie  ließe  licli  allerdings 
auch  noch  aus  der  Farbenwelt  bei  den  AVirbelthieren  namhaft 
.  machen,  doch  giaulje  ich  nicht,  daß  die  Forfclunig  bereits  foAveit 
■'  vorgefchritteu  ift,  als  daß  man  über  das  Wie  diefer  Färbungen 
auch  niu-  eine  ^'^ermuthung  ausfprechen  könnte.  Meine  und  die 
Unterfuchungen  anderer  Autoren  haben  allerdings  gelehrt,  daß 
das  rothe  Knochenmark,  die  meiften  rothen,  halbrothen  oder  tief 
lackfarben  zinnoberrothen  Wirbelthiermuskeln  durch  unverändertes 
Hämoglobin  gefärbt  lind,  was  jedoch  die  Färbung  des  gellten 
Knochenmarkes  bedingt,  wie  die  Farbe  der  himmelblauen  Muskeln 
vieler  Scomberiden,  die  rothe,  auf  fog.  «acide  salmonique»  beru- 
hende Färbung  des  Lachsfleifches  7at  Stande  kommt,  das  wiffen 
wir  nicht  und  was  die  gelbe  Farbe  des.Blutferums  bei  Säugethieren 
veranlaßt,  das  wilfen  wir  aucli  nicht.  Ebenfo  fchlecht  find  wir 
über  (he  gelben  l>is  hochrot] len  Färbungen  der  Schneidezähne  ge- 
wifler  Nagethiere,  über  die  Schwarzfärbung  der  Zähne  von  Wieder- 
käuern und  Fachydermen  unterrichtet,  und  bei  Fragen  nach  den 
Fär]>ungsverfchiedenheiten  der  Haare ^^)  würde  üch  ein  Räthfel  an 
das  andere  reihen.  Auch  über  die  Federfarben  der  Vögel  breitet 
ßch  ftellenweife  noch  ein  tiefes  Dunkel  aus.  Die  \äoletten  und 
purpurvioletten  Federn  bei  den  Tauben  der  Infein  um  Neu-Guinea 
(Ptilopus  speciosus  lios.  cf,  P.  pulchellus  Tcni.,  P.  geminus 
Sab:.  9)  trotzten  bislang  jedem  Verfuche,  eine  ähnlich  gefärbte 
Subftanz  aus  ihnen  a])zufc;heiden,  und  nichts  Avilfeu  wir  über  die 
feurigen  Farben  des  Goldfafans,  nichts  über  das  wunderbare  Roth 
der  Xipliob'iia  pf)iiipa(l()]'a.  Ueljcrall  wüi'dcii  hier  zur  Zeit  nur 
^Vünf(•ll(■  an  Stelle  des  Geiftes  abgefchlolfener  exacter  Unteiiucli- 
ungeii  treten  können. 

T"nl)eirrt  durcli  die  \"orurtheilc  und  die  Suclit  einzelner  Unter-  inukbiick. 
fucher,  in  jedem  rotbcii,  Ijraunen  oder  dunkelgrünen  JMgmente  — 
befinde  es  iicb  iiii   hdüforien  gebunden  in  den  Flüden  bi'i  (hiate- 
mala  f Jlo/rifji/oiiJ,    in    Algen  (Phijilhn)   oder    irgendwo    l»<i  'Tliicren 


156  Grundzüge  einer  vergleichenden  [74 

(Fimj-Lankeßer,  Sorhy,  Mac  Munn)  —  ein  verkapptes  Hämoglobin- 
derivat zu  entdecken,  in  Jedem  gelben  wie  grünen  Farbftoffe  die 
Kraft  des  Chlorophyllkorns  zu  wittern,  jede  lebhaftere  Pigmentirung 
als  das  Product  einer,  auch  unter  natürlichen  VerhältnilTen  ab- 
laufenden PettenJcof er  Ichen  Gallenfäurereaction  zu  deuten  (Cafali) 
oder  überall  nur  Lipochrome  zu  fehen  (Merejlioivsliy),  habe  ich 
verfucht,  Ihnen  von  den  thierifchen  Pigmentirungen  nur  Das  zu 
bieten,  was  als  erwiefene  Thatfachen  in  der  WilTenfchaft  von  dauern- 
dem Beflande  ift,  was,  um  nicht  zu  Irrlichtern  zu  werden,  berichtigt 
werden  mußte,  und  fchließlich  auch  die  auf  Thatfachen  baürten 
Theorieen  und  Ideen,  an  deren  Hand  lieh  rüftig  weiter  forfchen  läßt. 
Wir  nahmen  bis  dahin  den  thierifchen  Pigmentirungen  eine 
analoge,  allerdings  ganz  entgegengefetzte  Stellung  gegenüber  ein 
als  der  moderne  anatomifche  Mikrofkopiker  den  thierifchen  Ge- 
weben ;  diefer  ift  zufrieden  geftellt,  wenn  ihm  eine  möglichft  brillante 
und  diftincte  Färbung  an  einem  Organelemente  gelungen  ift,  und 
es  könnte  nach  dem  Vorgetragenen  auch  leicht  den  Anfchein  er- 
wecken, als  ob  unfer  Intereffe  völlig  befriedigt  fei,  wenn  die  Farb- 
ftoffextraction  eine  gelungene  gewefen  ift.  Ich  bin  jedoch  weit 
davon  entfernt  zu  glauben,  daß  mit  der  Kenntniß  der  chemifchen 
Natur  der  Farbftoffe  allein,  und  mag  ßch  diefelbe  in  der  Zukunft 
auch  noch  fo  vollkommen  geflalten,  biologifch  viel  gewonnen  ift; 
cüefe  bildet  meines  Erachtens  nur  ein  unbedingtes  Erforderniß, 
um  die  Päthfel  der  thierifchen  Färbungen,  deren  es  fo  unend- 
lich viele  und  einer  wiffenfchaftlichen  Unterfuchung  fo  würdige 
gibt,  überhaupt  erft  ihrer  Löfung  näher  zu  führen.  Ebenfo  wie 
in  einer  rationellen  Hiftologie  der  beabüchtigte  Zweck  aller  Tinc- 
tionen  nur  der  fein  kann,  zu  erforfchen,  was  in  jedem  einzelnen 
Falle  für  chemifche  Gewebsbeftandtheile  und  warum  gerade  diefe 
mit  dem  angewandten  Färbemittel  imprägnirt  werden,  fo  hat  auch, 
fage  ich,  eine  wilTenfchaftliche  vergleichende  Chromatologie  der 
Thiere  vor  allen  in  Erfahrung  zu  bringen,  warum  gerade  diefe  und 


T-V  Phyfiologie  der  Farl)ftoflL'  und  der  Farben.  157 

nicht  andere  lebende  Organtheile  gefärbt  Und,  und  auf  welchem 
Wege  der  Farbftoff  an  die  betreffenden  PLätze  gelangt  ilt,  refp.  ob 
derfelbe  erft  an  Ort  und  Stelle  gebildet  wurde.  Der  Hiltologc 
wird  feiner  Aufgabe  ficherlicb  erfl  dann  gerecht  werden,  wenn  er 
hell  nicht  darauf  l)efchränkt,  die  Gewebe  durch  Anilin,  Eolin  u. 
dgl.  ni.  in  ein  gefchmackvoUes  Licht  zu  fetzen,  fondern  ücli  aucli 
dazu  bequemen  wird,  durch  fuccellive  Entfernung  der  durch  ver- 
fchiedene  Farbflofflöfungen  different  gefärbten  Gewebstheile  üchere 
Anhalts[>unkte  über  die  chemifche  Structur  der  Gewebe  felbft  zu 
erlangen.  In  entfprechender  A\"cife  wird  die  vergleichende  Phyflo- 
logie  der  tliierifchen  Färbungen  al)cr  auch  nur  dann  ihrem  beab- 
fichtigten  Ziele  lieh  zu  nähern  wilfen,  wenn  ße  niclit  in  einer 
Farbftoffchemie  aufgeht,  fondern  vorwiegend  ihr  Augenmerk  der 
Erforfchung  der  natürlichen  Färbungsurfachen  zulenkt ^^). 

Wa.s  ich  Ilnien  nach  diefer  Richtung  zu  bieten  vermag,  ifl 
fehr  wenig.  Das  zur  Jjöfung  diefer  Fragen  angehäufte  Erfahrungs- 
material ift  außerordentlich  reichhaltig  und  gewiß  noch  weit  be- 
deutender, als  ich  es  zu  überfehen  vermag;  ich  fülüe  mich  unfähig, 
ohne  eine  große  Eigenerfahrung  und  ohne  Unterftützung  geeigneter 
Sammlungen  dasfelbe  zu  lichten  und  in  eine  fo  aphoriltifche  Form  , 
zu  kleiden,  als  es  der  Rahmen  diefer  Vorträge  mir  geftattet.  Ich 
befchränke  micli  doshall)  <larauf,  nur  die  Punkte  hervorzuheben, 
an  deren  Klarflellung  uns  bei  einer  naturgemäßen  Betrachtung 
der  thierifchen  Pigmentirungen  vorzugsweife  gelegen  fein  nniß, 
welche  al)er  nur  tiefere  imd  umfadendc  Studien  zu  dctaillii'en 
vermöcliten. 

Wii-  l)egannen  unfere  Betraditungen  damit,  die  Momente  aus-  nerkmift 

der 

lindig  ZU  niacjicn,  wcjclic  (idi  l'ür  eine  genetifchc  Beziebnng  zwi leben  Pittmento, 
den  einzelnen  Farbftottgrui^pen  verwerthen  ließen;   diefer  Tendenz 
lind  wir  bei  allen    uideren  Auseinanderfetzungen,    wie   ich   glaube, 
treu  gebheben,  und    es   ergal)    lieh    außer    den  Refultaten,    welche 
die  Tafel  auf  S.   lOl  refuniirt,  weiterhin  nodi  die  Tliatfache,   daß 


158  Grundzüge  einer  vergleichenden  [76 

einige  natürliche  Farbjftoffe,  obfclion  äußerlich  einander  fehr  un- 
ähnlich (rothe  und  violette  Farbltoffe  der  Acrocladien  wie  der 
Blüthenblätter,  das  Pentacrinin  und  feine  grüne  Verbindung)  doch 
nichts  anderes  vorflellen  als  in  dem  einen  Falle  die  freie  Farbftoff- 
fäure,  in  dem  andern  das  Salz  derfelben.  Hiermit  ift  aber  alles 
erfchöpft,  was  ßch  über  die  thierifchen  und  pflanzlichen  Farbftoffe 
in  diefer  Beziehung  Tagen  läßt. 

Eine  andere  Frage  ifl  nun  die,  ob  ein  oder  der  andere  Farb- 
ftoff  in  offenbarer  Beziehung  zu  einer  ungefärbten  Subftanz  fteht, 
fei  es,  daß  diefe  im  Organismus  bereits  unter  phyßologifchen  Ver- 
hältnilfen  vorhanden  ifl,  fei  es,  daß  diefe  denfelben  nur  bei  einer 
gewiffen  Ernährungsweife  zugeführt  wird.  Soviel  ich  erfehe,  läßt 
ßch  für  ein  derartiges  Abhängigkeitsverhältniß  nur  ein  einziges 
ßcheres  Beifpiel  anführen  (die  Umwandlung  des  Indol  in  fog.  Harn- 
indican  und  Indigo),  welches  nicht  viel  bedeuten  kann,  wenn  man 
berückßchtigt,  daß  jeder  thierifche  Farbftoffkörper  eine  folche  Ab- 
flammung  fchließhch  haben  muß.  AYie  fchwer  es  hält,  in  diefer 
Richtung  Refultate  zu  erzielen,  dürfte  fchon  daraus  zu  entnehmen 
fein,  daß  mr  in  vielen  Fällen  nicht  einmal  wiffen,  ob  eine  Subftanz 
whklich  ein  thiereigenes  Product  ifl  oder  fchon  als  folche  von 
außen  aufgenommen  wurde;  ob  es  ßch  bei  ihr  nicht  um  einen 
Körper  handelt,  welcher  in  minimaler  Menge  dem  Organismus 
einverleibt,  in  diefem  (ähnlich  dem  Kupfer  in  den  Haaren,  dem 
Silber  in  der  Haut  bei  Arg3aie)  retinht  blieb,  um  gelegentlich  viel- 
leicht, wie  der  Krapp  dem  Kalke  in  die  Knochen  und  in  die  Eier- 
fchalen  folgt,  auch  mit  dem  Fette  oder  gewiffen  Eiweißfloffen  mobü 
und  transportabel  zu  werden. 

Viele  Abhandlungen  find  erfchienen,  bevor  man  die  Kohlen- 
partikelchen  im  Lungenparenchym  als  folche  erkannte,  den  Guanin- 
producenten  unter  den  Thieren  kennen  wir  noch  immer  nicht,  und- 
man  kann  ßch  deshalb  nicht  gerade  wundern,  wenn  fafl  alle,  der 
Entflehung    thierifcher    Pigmente    zugewandten    Nachforfchungen 


77]  Phyßologie  der  Farbftofle  und  der  Farl^en.  •  159 

einen  mein-  oder  weniger  generalifirenden  Charakter  angenommen 
haben,  und  man  fich  vorläufig  auch  damit  zufrieden  ftellt,  wenn 
es  aufcheinend  gelungen  ift,  eine  beftimmte  Färbung  in  caufalem 
Zufammenhange  mit  einem  beftimmten  Nahrungsmittel  zu  wiflen. 
Wie  \'iele  von  den  Beobachtungen  aber,  durch  welche  ein  derartiges 
Abhängigkeitsverhältniß  z^^ifchen  Farbe  und  Nahrung  crfchloITen 
fein  foll,  richtig  find,  ftelle  ich  fpäteren  Experimentatoren  zur  Ent- 
fcheidung  anheim  und  führe  hier  nur  einige  derfelben  auf. 

So  ifi;  behauptet  worden,  daß  die  Flamingos  ihr  zartes  Roth 
aus  der  Fifchnahrung  beziehen,  daß  das  Schwarzwerden  von  in 
Käfigen  gehaltenen  Gimpeln,  Buchfinken  und  Stieglitzen  bei  einer 
zu  übermäßigen  Fütterung  mit  Hanf  eintrete  ^^),  daß  verfchiedene 
Yölkerfchaften  es  verliehen,  grüne  Papageien  durch  eine  befondere 
Art  der  Ernährung  und  auch  durch  andere  Mittel  gelb  zu  färben 
(«tapiriren»)^^),  und  neuerdings  hat  man  gelbe  Canarienvögel  dui-ch 
Füttern  mit  fpanifchem  Pfeffer  dunkelorange  zu  färben  vermocht. 
Nur  felir  vage  allgememe  Angaben  liegen  über  den  Einfluß  des 
Futters   auf  die   Färbungen   bei   den    Infecten^*)  vor.     Allgemein 

9 

bekannt  ift  die  Behauptung,  daß  Schmetterlinge,  ganz  befonders 
Arten  der  Gattung  Euprepia,  eine  andere  Färbung  als  die  ge- 
wöhnliche annehmen,  wenn  ihre  Raupen  mit  ihnen  für  gewöhnlich 
niclit  zu  Gebote  flehenden  Blättern  gefüttert  werden;  fo  foll  Eu- 
prepia caja  einfarbig  braun  werden,  wenn  man  ihre  Larven  mit 
Walnußblättern  ernährt.  Die  Raupe  von  Elloparia  fasciaria 
foll  auf  Fichten  grün,  auf  Kiefern  braun  fein,  und  die  Raupe 
von  Xylomiges  conspicillaris  entfprechend  der  Verfärbung  des 
Ginfters,  auf  dem  fie  lebt,  die  Farbe  ebenfalls  wechfeln;  fo  lange 
diefcr  jung,  ift  fie  grün,  wenn  die  gelben  Blüthen  kommen,  erfcheint 
fie  auch  im  gel]>en  Koftüm  nnd  wcchfclt  diefes  noch  einmal  in 
Graubraun  um,  wenn  Wq^  fchon  ausgewachfen,  zwifchcn  dürrem 
T  Mibe  fich  bewegt.  Eine  andere  Raupe,  Eu])itliccia  absinthiata, 
;  polypliages  Thier,  foll  auf  dem  gelb  blülienden  Senccio  Jaco- 


160  Grundztige  einer  vergleichenden  [78 

baea  gelb,  auf  rothen  Centaureen  röthlich  und  auf  weißer  Camille 
weiß  fein.  Leydig  verfiel  fogar  auf  den  Gedanken,  daß  das  feiner 
irrtliümlichen  Annahme  nach  in  den  grünen  Heufchrecken-  und 
Chryfopa-Flügeln  deponirte  Chlorophyllgrün  üch  mit  vorrückender 
Jahreszeit  an  feinem  neuen  Platze  ebenfo  me  das  der  Blätter  ver- 
färbe. 

Strenger  durchgeführt,  befonders  in  den  Arbeiten  von  Weis- 
mann, find  die  Beobachtungen  über  den  Einfluß  von  Licht  und 
Temperatur  auf  die  Entwicklung  der  Farben  bei  den  Schmetter- 
lingen. Schon  Dorf  meißer  war  es  gelungen,  bei  Euprepia  caja 
das  normale  Hothgelb  der  Hinterflügel  durch  erhöhte  AVärme  in 
Mennigroth,  durch  erniedrigte  in  Ockergelb  nach  Belieben  umzu- 
wandeln. Der  Saifon-Dimorphismus ,  d.  h.  die  nach  den  Jahres- 
zeiten wechfelnde  Färbung  des  Netzfalters  (Vanessa  levana  L.) 
und  einer  Reihe  anderer  Tagfchmetterlinge,  den  bereits  Bö  fei  ge- 
kannt. Weismann  aber  erft  näher  erforfcht  und  erklärt  hat,  bietet 
in  diefer  Beziehung  wohl  das  anziehendfte  Beifpiel  dar.  Diefe 
Farbenveränderungen,  welche  V.  Graher  in  feinem,  fo  origüiellen 
Werke  «Die  Infecten»  höchft  finnreich  befchrieben  und  den  wei- 
teften  Kreifen  dadurch  erfchlolfen  hat,  betreffen  aber  insgefammt 
nur  die  Structurfarben ,  welche  einem  A^erftändnifle  und  einer 
eingehenderen  Unterfuchung  zur  Beantwortung  des  Warum  weit 
fchwieriger  zugängig  find  als  die  Fälle,  wo  die  Färbung  durch 
greifbare  und  ifohrbare  chemifche  Stoffe  eine  Beeinfluff'ung  erfährt; 
ihre  wiJTenfchafthchere  Inangriff'nahme  erfordert  weit  mehr  Vorar- 
beiten als  die  der  letzteren  Art,  welche  fchon,  wie  mr  fahen,  fehr 
complichter  Natur  ift.  Nur  eine,  für  die  Kenntniß  des  Entftehens 
der  chemifchen  Färbungen  fehr  wefentliche  Vorfrage  bleibt  uns 
bei  den  Structurfarben  erfpart,  nämlich  die  nach  der  Bildungs- 
fiätte  des  Färbungsmateriales ,  zu  deren  Befprechung  ^Air  fogleich 
übergehen  können,  weil  von  den  äußeren  phyfikalifchen  Einflülfen 
auf  die  fonftigen  Färbungen  der  Thiere  nur  foviel  gewiß  ift,   daß 


79]  Fhyfiologie  der  Farbftoffe  und  der  Farben.  161 

das  iiitenfivfte  Sonnenliebt  verbunden  mit  der  gr(3ßten  Wärme, 
wie  man  es  in  den  Tropen  findet,  die  größte  Mannigfaltigkeit  und 
Pracht  der  Farben  bedingt,  und  daß  fowohl  mit  der  Erhebung 
über  die  INIeeresfläche  wie  namenthch  gegen  die  Pole  7A\  ficb  die 
Farben  mehr  und  mehr  al)fchwächen  oder  monotoner  werden. 

«Ob  das  Pigment  am  Orte,  wo  man  es  vorfindet,  entftanden  Biiduugs- 

^  flätte  der 

ift  und  fo  z.  B.  in  den  Farbezellen  als  Product  ihrer  metabofifchen  Pigmente. 
Thätigkeit  angefehen  Averden  kann,  oder  ol)  es  fchon  als  folches 
auf  h'gend  eine  Weife  (flüflig  oder  feft)  in  die  Zelle  gelangt»,  ift 
eine  Frage,  welche  nach  meinem  Dafürhalten  für  jeden  befonderen 
Fall  erwogen  und  nicht  feiten  verfchieden  beantwortet  werden  muß. 
Ich  gebe  zu.  daß  bei  manchen  thierifchen  Färbungen  ein  in  Hin- 
bhck  auf  die  chemifche  Zufammenfetzung  des  Farbftoffkörpers 
unbedeutendes  Atom  einer  hinzugeführten  Subftanz  (wie  z.  B.  von 
einem  Eifenfalze  bei  chlorotifchen  Pflanzen)  ausreicht,  aus  einem 
ungefärl)ten  Chromogene  einen  Farbfloffkörper  an's  Licht  zu  zau- 
l)eru,  daß  auch  entfernt  liegende  Organe  (fo  z.  B.  die  Nel)ennieren 
bei  der  Adfli/oi/'i'cheii  Krankheit)  auf  eine  Pigmentablagerung  in 
ganz  anders  gearteten  Geweben  von  gra\dtirendem  Einfluife  fein 
können;  für  die  Federn  fpeciell,  vertrete  ich  aber  die  Auffaffung, 
daß  fämmtliche  Farbftoffe  derfelj^en,  mit  alleiniger  Ausnahme  des 
Coriofulfurins,  in  loco  entftehen  und  l)eziehe  mieh  dal)ei: 

1.  auf  .1.  7!,'/r«Ws  Tinctionsverfuclie  •'•'),  welche  ergeben  lial^en, 
daß  die  Affinität  anderer  tliierifchcn  Gewel)e  fiu-  die  aus  den  Federn 
in  Löfung  erlialtenen  Pigmente  weit  größer  ilt  als  die  des  Feder- 
"'■weljes  fell)ft ; 

2.  auf  die  fcharfe  Abgrenzung  i\i-v  lipochromatifclicn  und  nicla- 
■tifchen    P^ärbungen,    welche  für  erftere  Farl>ftoffe  an  «Icr  X'ogcl- 

retina,  wo  <lic  einzelnen  Za]»fenkugeln  ihre  eigenen  Lij)()chr(jme 
fülircn,  un<l  ganz  befonders  an  Pigmentzellen  der  Jhuit  von  Fifehen, 
wo  in  einei-  einzigen  Zelle  fepariil  i'olhe,  gelbe  und  gi'üidiehe  Fett- 
tropfen lagern,  noch  weit  pi'ägnantei-  h(!rvoi'tritl  als  an  den  J*\'dern. 


162  Grundzüge  einer  vergleichenden  [80 

Nur  durch  die  Annalime  eines  ganz  außergewöhnlichen  Elections- 
vermögens  gemfler  Zellenbeftandtheile  heßen  fich  diefe  fo  abfon- 
derlichen  VerhältnilTe  fonfl  noch  erklären; 

3.  auf  die  chemifche  Eigenartigkeit  fo  yieler  Federfarbftoffe, 
welche  weder  im  Blute,  noch  in  Drüfen,  Muskeln  und  Haut,  ja 
nicht  einmal  im  Federfchafte  ^°°),  fondern  nur  in  der  Federfahne 
anzutreffen  ßnd; 

4.  auf  die  Schwerlöslichkeit  und  große  Unveränderhchkeit  des 
Melanins  durch  chemifche  Agentien,  welche  dasfelbe  gar  nicht 
transportfähig  erfcheinen  lalTen; 

5.  auf  'den  Fortfall  der  melanotifchen ,  nicht  der  lipochroma- 
tifchen  Färbungen  bei  albinotifchen  Formen,  und 

6.  auf  die  Eegeneration  des  Turacins  nach  Entfernung  des- 
felben  aus  den  Federn  durch  Waller  oder  alkalifche  Flüfligkeiten. 

Um  dem  Farbenbildungsvermögen  der  Zellen  felbft  näher  zu 
treten,  wüßte  ich  für  die  Melanine  kein  anderes  Mittel  anzugeben, 
als  einen  Vergleich  der  durch  gründliche  anatomifche  und  hifto- 
logifche  Unter fuchungen  (welche  nicht  nur  die  Federn,  fondern 
auch  alle,  eventuell  dabei  in  Frage  kommenden  Organe  betreffen) 
an  albinotifchen  und  normalen  Formen  gewonnenen  Refultate, 
während  uns  in  Betreff  der  Lipochrome  auch  allgemeiner  gehaltene 
vergleichend -phyßologif che  Studien  eine  Aufklärung  verfprechen 
dürften, 
ver-  Nicht  feiten  erfahren  gefärbte  Theile  nach  kürzerer  oder  län- 

farbuugen  ^ 

Pigmente,  g^i'^r  Zeit  eine  Abnahme  ihrer  Farbenintenfität,  ja  felbft  einen  voll- 
ftändigen  Schwund  ihres  Pigmentes,  fei  es,  daß  der  Farbftoff  an 
Ort  und  Stelle  zerftört  oder  durch  Keforption  entfernt  mrd.  Am 
dm^chßchtigffcen  find  die  Verhältnifle  bei  den  turacinhaltigen  Federn 
der  Mufophagiden,  wo  jeder  ftärkere  Regen,  dem  diefe  Tropenvögel 
in  ihrer  Heimath  zwar  nur  feiten  ausgefetzt  und,  den  Farbftoff  aus 
den  pm-purvioletten  Federn  abwäfcht  und  diefe  verblaffen  macht. 
Wo  hpochromatifche  Färbungen   an   den    dem   Lichte  exponirten 


81]  Phyfiologie  der  Farhftofte  und  der  Farben.  163 

Körpertheüeii  eine  Abfchwächung  ihrer  Intenütät  erfahren,  wnd 
(Ue  gemeinfame  AVirkung  des  Luftfauerftoffs  und  des  Sonnenhchtes 
für  die  Abnahme  der  Färbung  verantwortHch  zu  machen  fein; 
(benfo  verhält  es  fieh  auch  bei  der  Umwandlung  des  Comatulins 
in  unanfehnhche  bräunhche  oder  gelbhche  Subftanzen.  Aber  fchon 
bei  der  Entfärbung  der  Lipochrome  fpielen  Factoren  mit,  welche 
uns  noch  vollkommen  dunkel  find,  und  diefe  tragen  auch  daran 
die  Schuld,  daß  einige  lipochromatifche  Färbungen  (z.  B.  in  der 
Haut  von  Luvarus  imperialis)  außerordentlich  lichtempfindHch, 
andere  (z.  B.  das  in  den  gelben  Fängen  der  Raubvögel  abgelagerte 
Coriofulfmin,  das  Zoonerythrin  in  den  fog.  Rofen  der  Waldhähne) 
weit  hchtbeltändiger  find,  und  die  lipochromatifchen  Färbungen 
an  den  Federn  (auch  nicht  foiiderlich  vor  Licht-  und  Lufteinwir- 
kung gefchützt)  ^^ele  Jahre  fich  erhalten. 

WeinJand^^^)  väes  bereits  1856  darauf  hin,  daß  das  Fett  die 
Farbenintenfität  fehr  beeinfluITe,  und  ich  überzeugte  mich  durch 
A'erfuche,  daß  fettarme,  fchwach  gefärbt  erfcheinende  Federn  nach 
Durchtränkung  mit  fettem  Oele  eine  ungleich  gefättigtere  Färbung 
annehmen.  BekanntHch  verfchwinden  aus  normalen  Geweben  bei 
fchlechter  Ernährung  und  bei  Krankheit  kehie  anderen  Stofte  fo 
leicht  als  die  Fette,  und  L.  Martin'^^^)  bezieht  gewiß  mit  Recht 
viele  fog.  flüchtige  Farben,  welche  er  bei  Säugethieren  (z.  B.  an 
r  dottergelben  Kehle  des  Baummarders)  und  A^ögeln  (am  Rofa- 
auflug  der  Pelikane,  am  Frühlingsgefieder  vieler  Möven  und  Meer- 
(V-hwalben,  am  Flaumgefieder  der  Trappen,  am  fchönen  Gelb  der 
Pilger  u.  f.  w.)  nacligcwiefen  hat,  und  welche  «bei  kranken  oder 
1' blecht  genährten  Thieren,  fowie  an  alten  Häuten  und  Bälgen 
<itl  ganz  verfchwinden»  auf  eine  unter  normalen  Verhältnifien  in 
'l'ii  Geweben  vorliandene  F'ettmengc.  Dagegen  glaube  ich  in  Ueber- 
einnirnmung  mit  anderen  Ornithologen,  daß  das  vergängliche  fchöne 
Afcbgrau  der  Reiherfedern  (Ardea  cinerea),  welclies  bei  der 
Icifeften  Berülirung  fchwindet,  und  über  welches  Herr  Baron  E.  F. 

KruktnUrij,  Verf^L-phyliol.  VortrüKC.  12 


164  Grundzüge  einer  vergleichenden  [82 

von  Homeyer  mich  brieflich  zu  unterrichten  die  Güte  hatte,  auf 
feineren  StructurverliältnilTen  beruht,  welche  durch  mechanifche 
Infulte  leicht  zerflört  und  entfernt  werden.  Das  Verfchwinden 
des  namentlich  bei  den  Amazonen-Papageien,  doch  von  Martin'^^^) 
auch  bei  manchen  BulTarden  und  WalTervögeln  beobachteten  Duft- 
gefieders, welches  man  feit  Nitfch  befonderen  Puderdunen  zufchreibt, 
wird  fich  nach  der  Anficht  des  erftgenanuten  Forfchers  wahrfchein- 
lich  auch  in  einer  ähnhchen  Weife  vollziehen,  nämlich  durch  eine 
Abfchülferung  der  Federhälfe.  Worauf  es  jedoch  beruht,  daß,  wie 
E.  F.  von  Homeyer'^^^)  auch  an  unferen  einheimifchen  Vögeln  be- 
obachtete, die  Farben  mit  dem  Schwinden  des  Lebens-  (fchon  für 
das  bloße  Auge  bemerkbar)  fich  verändern,  fo  z.  B.  bei  alten- 
Männchen  unferes  Pirols,  wo  mit  dem  Erkalten  des  Vogels  ein 
bemerklicher  Theil  des  Farbenglanzes  erlifcht,  läßt  fich  an  durch- 
fichtigeren Erfcheinungen  noch  nicht  verfi:ändlich  machen. 

In  einer  Entfernung  des  zuvor  veränderten  Pigmentes  durch 
Reforption  liegt  es  zweifellos  begründet,  wenn  man  die  von  der 
Geburt  an  fchwarze  Hautfarbe  fich  bei  ge^vilTen  fchwarzen  Hühner- 
arten lichten  ^*'^)  und,  was  allerdings  zu  einer  großen  Seltenheit 
gehört,  die  Haut  eines  Negers  zu  der  eines  Kaukafiers  werden 
ficht  ^"^^j.  Eine  ganz  eigene  Bewandtniß  hat  es  mit  dem  plötzHchen 
Ergrauen  der  Haare.  Zahlreicher  und  ficherer  als  für  Thiere  find 
die  über  das  plötzliche  Ergrauen  bei  Menfchen  gemachten  An- 
gaben ^^^),  welche  die  oft  beflrittene  Möglichkeit,  daß  derartiges 
vorkommen  könne,  zur  völligen  Gewißheit  werden  laflen.  AVir  be-  ; 
fitzen  über  einen  derartigen  Fall,  der  einen  Mann  betrifft,  welcher 
während  eines  Anfalles  von  Säuferwahnfinn  in  einer  Nacht  ergraute, 
eine  fehr  gediegene  Arbeit  von  Leonard  Landois,  nach  der  die  Ver- 
färbung darin  begründet  lag,  «daß  fich  reichliche  Luftbläschen  im 
ganzen  Marke  der  (blonden)  Haare,  zerfi^reut  auch  in  der  Rinden- 
fubftanz  entwickelt  hatten,  während  das  Haarpigment  erhalten  war. 
Diefe  Luftbläschen  verliehen  dem  Haare  den  exquifit  grauen  Schein. » 


83]  Phyfiologie  der  Farbftoffe  iiml  tler  Farl)en.  165 

In  fehr  feltenen  Fällen  hat  man  auch  em  intermittirendes  Ergrauen 
der  Haupthaare  beobachtet,  fo  daß  das  Haar  in  Abfländen  von 
etwa  1  mm  abwechfelnd  hell  und  dunkel  geringelt  war.  Lrindois 
fand  auch  in  einem  derartigen  Falle  die  hellen  Stellen  von  einer 
reichlichen  Entwickelung  kleiner  Luftbläschen  im  Markcanale  und 
dem  umgebenden  Rindenbezirke  herrührend,  während  das  Pigment 
wohl  erhalten  war. 

Das  dem  blendendweißen  Schneekleide  arktifcher  Formen 
gleichende  Winterkleid  einiger  anderen  Säugethiere  und  Vögel  ent- 
fteht  nach  einigen  Autoren  gleichfalls  durch  Verfärbung,  nicht  in 
Folge  einer  Härung  refp.  Maufer;  ift  diefe  AuffaJTung  richtig,  fo 
Müi'de  noch  feftzuftellen  fein,  ob  dabei  (wie  bei  den  Haaren  der 
Greife)  ein  -wirklicher  Schwund  des  meift  dunkelen  Pigmentes  oder 
nur  eine  Maskirung  desfelben,  \delleicht  (ebenfo  wie  in  den  plötzlich 
ergrauten  Haaren)  durch  Luftporen,  welche  lieh  im  Marke  anhäu- 
fen, eintritt.  Hierhin  zählt  auch  die  von  J.  lifinhardt^^^)  gemachte 
Beobachtung,  daß  das  Männchen  von  Chasmorhynchus  nudi- 
'oUis,  einer  brafilianifchen  Cotengide,  fein  grünliches,  unten  gelb 
geflecktes  Jugendkleid  in  das  fchneeweiße  des  alten  Vogels  um- 
ändert; die  weiße  P'arbe  ift  nach  Reinhardt  das  llefultat  einer  Ver- 
färbung, aljer  foweit  er  beobachten  konnte,  erfolgt  lie  nur  einmal, 
nämlich  beim  Uebergang  vom  Jugendkleide  zum  Gefieder  des  alten 
\'ogels,  denn  wenn  der  alte  weiße  Vogel  fpäter  wieder  maufcrt, 
lind  die  neu  hervorfproffenden  Federn  rein  weiß.  Das  von  Chr. 
L.  lirrhn  beobachtete  Verfchießen  des  Jugend-  wie  des  ausgefärbten 
Kleide.«  l>ei  Milvus  parasiticus,  das  Verbleichen  der  Federn  beim 
Habicht  und  bei  fämmtlichen  Geiern  (mit  alleiniger  Ausnahme 
von  (iyps  Rupj»elii,  bei  dem  das  Gefieder  mit  zunehmendem  Alter 
buntei-  wird)  beruht  gewiß  iiui-  auf  ciiui'  diii-cli  das  Licht  hervor- 
ir'Tufenen  Zei-ftöruiig  des  Pigmentes. 

Die  mir  geglückten  Umwandlungeu  natüi-licli  vorkoniiiicnder 
Pigmente  in  einander,  wie  z.  ß.  die  des  Turacins  in  'J^uracoverdiii 

VI* 


166  Grundzüge  einer  vergleichenden  [84 

(ohne  Anwendung  irgend  eines  Mittels,  über  welches  der  lebende 
Organismus  nicht  felblt  verfügte),  des  Turbobrunins  in  Biliverdin, 
des  Comatulins  in  die  braunen  oder  gelblichen  Farbltoffe  gewifler 
Antedon-Varietäten,  des  violetten  in  den  rothen  Acrocladienfarb- 
rtoff  und  umgekehrt,  bieten  ebenfo  wenig  wie  die  künftlich  er- 
zeugten Veränderungen  des  Hämoglobins  genügende  Anhaltspunkte 
dar,  welche  die  natürliche  Umbildung  der  Pigmente  in  loco  auf- 
klären könnte;  felblt  den,  unter  natürlichen  Bedingungen  lieh  fo 
leicht  vollziehenden  Umfärbungen  der  Lipochromoide  flehen  wir, 
wenn  es  die  Erfcheinungen  zu  deuten  gilt,  noch  ziemlich  rathlos 
gegenüber.  Manche  Verfchönerung  der  Farbe  mag  in  bereits  an- 
gedeuteter Weife  durch  eine,  feitens  der  Organe  ftattfindenden 
Fettaufnahme,  bedingt  werden,  aber  auch  diefes  Moment  reicht  für 
die  Erklärung  vieler  Erfcheinungen  keineswegs  aus.  Und  nicht 
nur  fehen  wir  die  Pigmente  in  den  Geweben  an  MalTe  zunehmen 
oder  aus  diefen  verfchwinden,  nicht  nur  lieh  in  andere  transfor- 
miren,  fondern  auch  in  Theilen,  welche  aller  Lebensfäfte  baar  zu 
fein  fcheinen,  regt  fich  bisweilen  die  ftoff  bildende  Kraft  von  Neuem, 
um  alte  Farben  wieder  zu  erzeugen  oder  zuvor  noch  gar  nicht 
dagewefene  zu  bilden.  Das  hebte  Blau  der  Augen  ifl  bei  den 
neugebornen  Säugethieren  gewöhnlich  nur  von  kurzem  Beftande 
und  in  feltenen  Fällen  von  Retinitis  pigmentofa  färbt  fich  auch 
die  Linie  wachsgelb,  ja  fogar  mahagonibraun.  Am  merkwür- 
digften  find  aber  auch  in  diefer  Beziehung  die  Erfcheinungen, 
welche  fleh  am  Gefieder  der  Vögel  abfpielen,  fowohl  bei  den- 
jenigen, deren  anfangs  helle  Federn  fleh  an  gewiffen  Körperflellen 
(fo  z.  B.  an  der  Kehle  bei  Charadrius  auratus,  am  Kopfe 
bei  Larus  minutus)  erft  fpäter  fehwarz  färben  oder  welche  ihr 
weißes  Winterkleid  gegen  das  dunkle  Sommerkleid  vertaufchen, 
was  felbfl  bei  den  Schneehühnern  durch  eine  Verfärbung  des 
Gefieders  und  nicht  durch  Maufer  zu  erfolgen  fcheint,  wie  auch 
bei  den  Mufophagiden,  welche  den  ausgewafchenen  Purpurfarbftoff 


85]  Pliyfiologie  dor  Fnrbftofl'e  und  der  Farben.  167 

ihren  Federn  anfs  Neue  einzuverleiben  wiQ'en.  Nichts  wäre  in- 
terelTanter  als  zu  erfahren,  wie  lieh  im  erlleren  Falle  die  Wieder- 
hei'ftellung  der  temporär  verfelnvundcnen  dunkeln  FarlxMitöne,  in 
letzterem  wie  lieh  die  Regeneration  (unter  oder  ohne  Nerveneinliuß) 
des  Turaeins  vollzieht. 

Eine  der  anffälligften  Erfcheinungen  ill  die  Ausbildung  des 
log.  Hochzeitskleides  bei  den  Vögeln;  diefe  äußert  lieh  jcxloch  in 
fehr  mannigfacher  "Weife.  Bei  den  Ilühnerarten  fehwellen  die 
Kännne  und  Augenpolfter  an,  womit  eine  Erhöhung  der  Farbe 
diefer  Theile  verbunden  ift.  Ein  Taucher  (Colymbus  septentrio- 
nalis),  der  Staar,  die  Annnern,  die  J^erehen  und  fehr  viele  Finken- 
arten helfen  fich  beim  Anlegen  ihres  Hochzeits])\ilzi>s  einfach  damit, 
daß  fie  von  ihrem  dülleren  Winterkleide  die  grauen  Sjntzen  und 
Ränder  der  einzelnen  Federn  al)werien  und  in  Folge  delfen  zuvor 
bedeckt  gelegene  und  fo  vor  Abnutzung  gefchütztc  Theile  der 
Federn  fichtbar  werden.  Bei  anderen  Vogelarten  aber  (zu  welchen 
die  Fhegenfchnäi)per  [nach  Mdiiin  Muscica})a  collaris,  M.  atri- 
'•apilla  und  M.  parva],  wahrfchcinlich  auch  mehrere  Drod'el- wie 
Entenarten  [nach  Schlegel  z.  B.  Anas  carolinensis  und  A.  galeri- 
culata]  gehören),  Avelche  es  zu  diefem  Kunftgriffe  noch  nicht  ge- 
bracht liaben,  findet,  wenn  die  Hochzeit  naht,  eine  gelteigcrte  Säfte- 
zufulir  zu  den  Federn  ßatt,  und  das  ])is  dahin  fchleeht  ernährte 
<Jclic<l('r  gewinnt  in  Folge  dcUcn  den  verlrhwundencn  (ilanz  nnd 
das  Luftre  wieder,  mit  denen  es  in  längh  vergangeiu^i-  .Ingendltlüthe 
prangte. 

Bei   I^eiirtheilung  aller  P^ärbungsvei-rchiedenheiten,  welclu'  auf  eunftanz 

individuellen,  fexuellen  oder  auf  Ivalleneigenthümlichkeiti'n  beruhen, ''"'gtlj}}^!.''^" 

nwigen   dielelben  (wie  z.  I).  an  den   menfchlichen  Haaren   (»dei'  wie  inodiKtc, 

ipoficll  der 
II  den  l''edei-n  von    Ivdectus  j)ol ycli  loi'us)  noch    fo  überrafcbend  i*'i>''''W"rt'"- 

in   ihrem   Ell'ecte  fein,   wiiwl   hdiii   nie  zn   \'('i-gell'en   liaben,  dal.i  alle 

derartigen  Dillei-enzen  mn-  dnidi  den  .\nsl'all  eines  Pigmentes  (nn- 

vollftändiger  Albinismus)  oder  ihiicb   llrnetnrelle  N^'i-fehiivlenbeiten 


168  Grunclzüge  einer  vergleichenden  [86 

der  Organtheile  oder  endlich  dadurch  zu  Stande  kommen  können, 
daß  es  bei  der  Bildung  einer  definitiven  FarbltoffTubJftanz  nur  bei 
Vorltufen  derfelben  bleibt;  die  chemifchen  Eigenthümlichkeiten 
einer  Zelle,  die  fynthetifchen' Procefie  in  ihr  werden  durch  die 
Factoren,  welche  das  Individuum,  die  Sexualität  oder  die  RalTe 
beflimmen,  fo  viel  wir  wenigflens  bis  jetzt  wilTen,  nicht  tangirt. 
Niemals  ifl  es  möglich  gewefen,  die  fpecififchen  Stoffwechfelvor- 
gänge  einer  Zelle  in  gravitirender  Weife  umzugellalten  oder  diefel- 
ben  von  felbfl  fich  verändern  zu  fehen.  Wie  ich  in  meinem  erflen 
Vortrage  ausführte,  handelt  es  üch,  abgefehen  von  den,  in  fehr 
weiten  Grenzen  fchwankenden  rein  morphologifchen  Verhältniffen, 
die,  wie  Claude  JBemarcl  bewies,  ftreng  biologifch  nichts  bedeuten, 
bei  allem,  was  Kunft  und  Natur  unter  unferen  Augen  als  Ab- 
änderungen fchuf,  nur  um  ein  Plus  oder  Minus  des  Normalen, 
nicht  um  Außergewöhnliches.  Auf  diefen  Satz  gründete  ehemals 
Budolf  Virchmv  den  Bau  der  modernen  Pathologie,  und  clerfelbe 
trägt  in  gleicher  Weife  auch  die  vergleichende  Phyfiologie  unferer 
Tage. 

Ebenfowenig  wie  fich  Taurin  ftatt  des  Kreatins  in  den  menfch- 
lichen  Muskeln,  ebenfowenig  wie  fich  ein  Lipochrom  Itatt  des 
Uranidins  bei  den  Myxomyceten  bildet,  oder  Melanine  ftatt  der 
Floridine  bei  Hircinia  variabilis  entflohen,  vermag  das  menfch- 
liche  Haar  einen  grünen  Farbfloff  zu  erzeugen;  was  jüngfl  Der- 
artiges gefabelt  wurde,  beruht  entweder  auf  der,  S.  158  erwähnten 
Kupferfärbung  oder  auf  einer  ähnlichen  Pigmentirung,  welche  aus 
Geliert's  Gedichte  vom  grünen  Efel  jedermann  bekannt  ift.  Das 
Beifpiel  von  Eclectus  polychlorus^^^)  beweift,  daß  die  Sexuali- 
tät beftimmend  werden  kann  für  die  Art  des  entftehenden  Lipo- 
chromoides ;  zahheiche  andere  Formen  lehren  fernerhin,  daß  indi- 
viduelle Einflüfie  die  Lipochromoide  refp.  die  Melanoi'de  zwifchen 
gelb,  roth  bis  braunfchwarz  variiren  lauen,  und  in  den  Farben- 
abweichungen der  menfchlichen  Haare  befteht  eine  entfprechende 


ST]  Phyßologie  der  Favbftoffe  und  der  Fai-ben.  169 

Skala  für  das  Melanin  mit  feinen  ^"o^ftufen  refp. .  feinen  Abkömm- 
lingen. Die  Macht  der  Individualität,  der  Sexualität  und  der 
Ralleneigentliümlichkeiten  reicht  aber  nicht  einmal  ib  weit,  an 
Stelle  de^^  Melanins  das  Hämoglobin  .oder  ein  echtes  Lipochrom 
treten  zu  laffen,  ja  bei  den  Wirbelthieren  zeigt  ßch  felbft  die  Ab- 
grenzung der  chlorophan-  und  rhodoph anartigen  Pigmente  fo  be- 
Itändig,  daß  individuelle  oder  fexuelle  Unterfchiede  ße  nicht  mehr 
vermfchen. 

Srniper  ift  einer  von  den  wenigen  Zoologen  gewefen,  der  zwi-  Farbftofif 
fchen  Färbung  und  Farbftoff  ftreng  zu  unter fcheiden  wußte.  In  Färbung. 
feinen  «NatürHchen  Exiftenzbedmgungen  der  Thiere»  (Leipzig- 1880. 
Th.  IL  S.  231)  fagt  er:  «Daß  die  Zuchtwahl  unter  keinen  Umltänden 
das  Pigment,  den  eigentlichen  Farbftoff  felbft,  zu  erzeugen  vermag, 
ift  eüileuchtend.  Die  Entftehung  der  Pigmente  muß  abhängen 
von  phj'fiologifchen  Procetren  im  Körper  jedes  Individuums,  welclie 
für  das  gefunde  Leben  diefes  einzelnen  Thieres  von  hoher  Bedeu- 
tung zu  fein  fcheinen.  Die  beftimmte  Art  ihrer  Vertheilung  auf 
der  Haut  wird  fomit  zunächft  ganz  allein  durch  innere,  im  Thiere 
felbft  tliätige  Urfachen  bewirkt  werden  muffen;  lie  kann  dabei  von 
Anfang  an  eine  regelmäßige  oder  ganz  ungeordnete  fein,  und  dies 
wird  davon  abhängen,  ob  die  inneren  phyfiologifchen  Urfachen  die 
Ablagerung  der  Farbftoffe  in  die  Haut  in  gewilfe  Bahnen  leiten 
"der  nicht.  Sind  dicfe  Bahnen  fehr  fcharf  beftimmt,  fo  wird 
natürlich  auch  die  Farbenvertheilung  eine  fehr  regelmäßige  fein 
muffen,  und  viele  der  fo  ungemein  charakteriftifchen  Zeichnungen 
bei  den  Actinicn,  Stehlkorallen,  Schnecken-  und  Mufchelfchalen 
dürften  auf  fblche  Weife  entftanden  fein.»  Daß  natürlich  da,  wo 
I'igmentzellen  untei-  directem  oder  indirectem  Nerveneinfluß  ftehen, 
lieh  nervöfe  Einflülle  an  den  Färbungen  bemerkbar  werden,  kann 
•  Itenfowenig  übcrrafchen ,  als  daß  fleh  der  Muskel  durch  Ai'l)eit 
ftärkt,  durcli  geiftige  Anftrengungen  der  CJeliclitsausch-uck  lieh 
.  <  rfeinert. 


170  Gruudzüge  einer  vergleichenden  [88 

Auch  noch  heute  fragen  lieh  viele,  wenn  üe  eine  weiße  Katze 
auf  einer  weißen  Mauer,    und   einen  fchwarzen  Kater   auf   einem 
fchwarzen  Dache  fehen,  warum  der  Kater  in  diefem  Falle  fchwarz 
und  die  Katze  in  jenem  Falle  weiß  ift.     Eine  Erklärung  ift  bald 
gefunden;  denn  läßt  die  Vererbung  im  Stiche,  fo  muß  .das  Gefetz 
der  AnpalTung  helfen.    Andere  glauben  mederum,  der  Wilfenfchaft 
dadurch   einen  Dienlt   zu  erweifen,    wenn   lie   die  mannigfachften 
Farbffcoffgemifche  mit  recht  vielen  Reagentien  tractiren;  ich  befand 
mich   feiner  Zeit  in    der   mh    allerdings  unangenehmen  Lage,  in 
letzterer  Art  felbffc  thätig  fein  zu  muffen,  allein,  wie  ich  wohl  be- 
haupten darf,   indem  ich  fehr  eklektifch  vorging  und  nur  das  als 
Unterfuchungsmaterial   auswählte,    an    welchem  fleh  allgemeinere 
Geflchtspunkte  gewinnen  refp.  deren  Richtigkeit  erproben  ließ.    Ich 
prüfte  nicht,  wie  fo  mancher  nach  mir,  Alles,  was  ich  gerade  auf 
dem  Wege  fand!     Jetzt,    wo  man  fowohl  viele  fehr  hübfche  Bei- 
fpiele  kennt,  welche  von  einer  Schutzfärbuug  Zeugniß  ablegen,  wo 
man  fernerhin,  wie  das  Vorgetragene  lehren  dürfte,  über  die  tliie- 
rifchen  Farbfloffe  im  Allgemeinen  orientirt  ift,    und   die  Lücken, 
welche  die  Allgemeinbetrachtung  laffen  mußte,   nur  von  kundiger 
Seite  ausgefüllt  werden  können,  erfcheinen  alle  Arbeiten  im  gerüg- 
ten ein  oder  andern  Sinne  nicht  nm'  überflüflig,    fondern  als  lite- 
rarifcher  Ballaffc  überhaupt  verAverflich.    Wer  als  Zoologe  die  Sache 
ernftlich  fördern  will,    mag  die  albinotifchen  Formen  anatomifch 
und  hiftologifch  eingehend  ftudiren,  wer  als  chemifcher  Phyflologe 
fleh  an  dem  weiteren  Ausbau  einer  vergleichenden  Chromatologie 
erfolgreich  zu  betheiligen  gedenkt,    mag    die  einzelnen  Farbftoffe 
rein  darzuftellen,  zu  analyfiren  nnd  ihre  chemifche  Conftitution  zu 
ergründen  verfuchen,  und  wer  der  A^ivifection  Herr  ifl,  mag  fehen, 
wie  Nerv,  Ernährung  und  Licht  auf  die  Pigmentbildung  wirken. 
Von  alledem,  was  fleh  ohne  Aufwand  fonderlicher  Mühe  über  die 
thierifchen  Pigmente  in  Erfahrung  bringen  läßt,  ift,  foviel  wie  Noth 
thut,  jetzt  bekannt. 


89]  Phyliologie  der  Farbfloöe  und  der  Farben.  171 

Wir  haben  uns  ftets  zu  vergegenwärtigen,  daß  die  Farbftoffe Bedeutung 
nicht  nur  vom  äfthetilchen  Geflchtspunkte  aus  den  übrigen  Be-  anaiyi'eu" 
flandtheileii  des  Organismus  an  Interelle  etwas  voraus  liaben, 
fondern  daß  ihr  Studium  wegen  der  Sicherheit  und  Genauigkeit 
der  zur  Erkennung  und  Charakteriftik  der  Pigmente  dienenden 
Methoden  auch  der  cliemifchen  Phyfiologie  vorläufig  weit  mehr 
neue  Anfchauungen  und  wichtige  thatfächhche  Ergebniffe  zuwenden 
kann,  als  die  Unterfuchung  irgend  einer  andern  Claffe  animahfcher 
Stoffwechfelproducte.  Kein  Studium  verdient  deshalb  ein  fo  in- 
tenßves  zu  werden,  wie  das  der  Farbftoffe  und  der  Farl)en. 

Am  räthfelhafteften  bleibt  jedenfells  noch  die  Thatfache,  daß 
ein  fcharf  eharakterifirtes  Stoffwechfelproduct  (wie  z.  B.  Bonellein, 
Turacin  oder  die  Carminfäure),  wie  es  fcheint,  ein  Selbfterwerl) 
nur  weniger  Thierformen  ift,  daß  diefes  auf  wenige  Species  oder 
wenige  Thierfamilien  im  ^^orkommen  befchränkt  ift.  Diefe  Er- 
Icheinungen  zu  deuten,  hatte  Mofch'i/^'''*)  unter]iommen;  al^er  wenn 
er  glaubt,  diefelben  durcli  den  Hinweis,  daß  das  Kupferfulfat  blau 
ift,  und  diefem  entfprechend  conftituirte  Kupferitüze  niclit  JDlau 
gefärbt  find,  verftändliclier  gemacht  zu  haben,  fo  befindet  er  fich 
in  einem  großen  Irrthum;  denn  fämmtliche  Pigmente,  welche 
diefen  l)efchränkten  \'^erbrcitungsbezirk  befitzcn,  find  fo  eigenartige 
Producte,  daß  man  nicht  erwarten  kann,  iliiien  nahe  Wn'wandtes 
ganz  allgemein  zu  finden.  Lehrt  docli  das  von  Mofclci/  felbft 
herangezogene  Beifpiel  mit  E\ädenz,  daß  wo  fich  ül3erhaupt  inten- 
iivere  Färbungen  zeigen,  fei  es  in  der  lel)enden  oder  in  der  todten 
Natur  (icli  erinnere  auch  an  die  Chrom-  und  Kobaltverbindungen), 
faft  alle  Subftanzen  mit  dem  nämlichen  Radicale  oft  wohl  anders, 
aber  immerhin  doch  e.vquifit  gefärbt  crfclieiiien. 


172  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [90 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


1)  lieber  das  Zoonerythrin  (Tetronerythrin)  vgl.:  Bogdanow,  Compt. 
rend,  T.  45.  1857.  p.  688 — 690  u.  Journal  f.  Ornithologie  von  Gahanis.  VI.  Jahrg. 
1858.  S.  311—312;  Wurm,  Zeitfchr.  f.  will.  Zoolog.  Bd.  31.  1871.  S.  535—537; 
Krukenberg,  Centralbl.  f.  d.  medic.  WilT.  1879.  Nr.  40,  Vergl.-phyfiol.  Studien. 
I.  Reihe.  IL  Abth.  S.  67—71,  III.  Abth.  S.  114—115,  IV.  Abth.  S.  30—35, 
V.  Abth.  S.  87—94,  II.  Eeihe.  I.  Abth.  S.  165—167  und  III.  Abth.  S.  135. 

2)  Wichtigere  Literatur  über  die  Lipochrome: 

Carotin:  Wackenroder,  (rei^/er's  Magazin.  Bd.  33.  1832.  S.  144;  Zeile,  Ann. 

d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  62.  S.  380;  Th.  Hulemann,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm. 

Bd.  117.  S.  200. 

Lutein    und    pflanzliche    Lipochrome:    Marquart,    Die   Farben   der 

Blüthen.  Bonn.  1835;   Fremy  u.  Cloez,  Journ.  f.  pract.  Chem.  Bd.  62.  S.  269; 

FüJiol,  Compt.  rend.  T.  39.  p.  194,  T.  50.  p.  545  u.  1182;  Piccolo  u.  Lieben, 

Giornale  di  scienze  naturali  ed  economiche.  Palermo.  1866.  IL  Jahrg.  Vol.  IL 

S.   258;   Holm  u.   Stcedeler,  Journ.   f.   pract.  Chem.    Bd.  100.    1867.    S.  142; 

Städeler,  ibid.  S.  149;    ThudicJium,  Centralbl.  f.  d.   medic.  WiH.    1869.    S.  1; 

Kühne,  TJnterf.  aus  dem  phyfiol.  Inftitut  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  IV.  1882. 

S.  249  —  252;    A.  Hänfen,  Sitzungsber.  d.  phylik.-medic.  GefelUch.  zu  Würz- 
burg. 1883. 

Chromophane:  G.  Schimlbe,  Handb.  d.  gef.  Augenheilkunde  von  Grcefe 

u.  Scemifch.  Bd.  I.  1874.  S.  414;    St.  Cajjranica,  Arch.  f.  Anat.  und  Phyfiol. 

Phyfiol.  Abth.  1877.  S.  283-296;  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Infi.  d.  Univ. 

Heidelberg.  Bd.  L  1878.  S.  341—369,  Bd.  IV.  1882.  S.  169—248. 

Lipochrome   der  wirbellolen  Thiere:    GÖbel,  Schweigger's  Journal. 

Bd.  39.    1823.   S.  426  —  431;    v.   Wittich,  Arch.  f.  path.  Anat.,   Bd.  27.    1863. 

S.  573  —  575;    Krukenberg,   Vgl.-phyfiol.  Studien.   IL  Reihe.  III.  Abth.   1882. 

S.  1—115. 

Auf  das  Vorkommen  luteinartiger  Körper  im  Pflanzenreiche  mit  Be- 
ftimmtheit  hingewiefen  zu  halben,  ill  das  Verdienit  Thudichum's,  während  der 
Itricte  Beweis  für  die  weite  Verbreitung  der  Lipochrome  im  Thierreiche  erft 
durch  meine  Unterfuchungen  erbracht  wurde;  nur  unklare  Ideen  fprach  zuvor 
Pouchet  (Journ.  de  l'anat.  et  de  la  physiol.  T.  XII.  1876.)   aus  und  zu  unbe- 


91]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  .  173 

grüntleten  Behauptungen  verflieg  üch  C.  de  Merejlowsl'i/  (Compt.  rend.  T.  93. 
1881.  p.  1029  u.  Bull,  de  la  soc.  zool.  de  France.  1883.),  welcher  deshalb  auch 
allerverfchiedenartigften  Pigmentkörper  zufammenwarf . 

Die  Blaufärbung  der  rothen  Fettfarbfloffe  durch  conc.  Schwefellaure 
kannte  bereits  v.  Wittich  (1863),  welcher  fie  an  den  erhaltenen  i'othen  Kryflallen 
aus  Euglena  sanguirubra  auftreten  fah.  Die  VeranlalTung,  diefen  Verfuch 
anzuftellen,  war  eine  ^littheilung  von  Buchlioltz,  «daß  in  den  großen  Ganglien- 
zellen einiger  wirbellofen  Thiere  ein  eigenthümlich  rothgelbei-,  an  Fett  ge- 
bundener Farbftoff  voi-komme,  der  durch  Schwefelfäure  blau  gefärbt  wird,  nach 
Auswafchen  derfelljen  aber  feine  frühere  Farbe  annimmt».  Koch  weit  älteren 
Datums  ifl  jedoch  die  Beobachtung,  daß  fich  Marquart's  Blumengelb  (Antho- 
santhin)  «mit  Mtrioliil  dunkel -indig]>lau  färbe,  welche  Farbe  in  Purpurroth 
■übergeht  und  durch  Waller  verfchwiudet».  Ficcolo  und  Lieben  fanden  ein 
nämliches  Verhalten  beim  Lutc'in,  und  Filhol,  Stüdeler  wie  Thudichum  er- 
kannten, daß  conc.  Salpeterfäure  ganz  ähnlich  wie  conc.  Schwefelfäure  auf  die 
Lipochi'ome  einwirkt.  Die  Jodreaction  wurde  zuerfl  von  Schivalhe  an  den  far- 
j'-n  Kugeln  in  den  Zapfen  der  ^'ogel-  und  Eidechfenretina  erhalten.  «Die 
verfchiedenen  Farbflofle  diefer  CJebilde»,  fo  bemerkt  Scliicalbe  (1.  c,  8.  414), 
«zeigen  eine  höchft  auffüllende  Keaction.  Auf  Jodzufatz  färben  lieh  fowohl 
die  rothen  wie  die  gelben  Kugeln  fchon  blau,  die  rothen  faft  blaufchvvarz,  die 
gelben  erft  grün,  dann  blaugrün  und  fchließlich  rein  blau.  Die  farblofen  Kugeln 
zeigen  diefe  lieaction  nicht;  wo  an  ihnen  eine  mattgrüne  oder  bläuliche  Fär- 
bung wahrzunehmen  ifl,  kann  man  auf  Spuren  von  Farbfloü'  fchließen.»  Daß 
die  Lipochrome  ftickftofffrei  find,  machten  bislang  nur  die  gründlichen  Arbeiten 
über  das  Carotin  zur  Gewißheit.  Für  thierifche  Lipochrome  wurde  ein  Fehlen 
des  Stickftofis  fchon  1823  von  Gühel  an  den  Farbftoffen  der  Vogelhaut  wie  bei 
Krebfen  beobachtet,  und  die  Unterfuchungen  von  Mahj  wie  von  Kulme  be- 
ftätigten  feine  Angabe. 

lOrft  durch  Kühne'»  bahnbrechende  Arbeiten  über  die  Ghromophane 
uurden  Ilandhal^en  gewonnen,  die  Lipochrome  von  den  übrigen  Pigmenten, 
1  Fetten  u.  f.  w.  zu  trennen,  die  einzelnen  Gliedei-  diefer  Farbfloftieihe  von 
einander  zu  fclieiden  und  durch  ihr  fpectrofkopifclies  Verhalten,  durch  ihre 
•lift'erente  Lichtemplindlichkeit  etc.  fcharf  zu  cliarakterifiren.  Viele  fpätero 
I  nterfucher  (t,.  B.  WdlchU,  Meirjl.oiisl:!/,  Mac  Munn,  Tfchirch)  hal)cii  lieb  diefe 
wiirenfchaftlichen  Krnmgcnfcliaften  uilerdingH  nicht  anzueignen  verltanden  und 
fcheiiien  den  Anforderungen,  welclu;  die  Jetztzeit  an  Farbltcjüiintcrfucliungen 
Itejlt,  auch  nidit  gewachfen  zu  fein. 

^  Kiihne,  Unterf.  a.  <!.  pliyn«].  lult.  .1.  L'niv.  Heidelberg.  F.d.  IV.  S.  213. 

*;  Kiihne,  ibid.  S.  213. 

V  A.  Kundl,  Ann.  d.  Cbem.  ii.  I'bylik.   1874.  Jubelban.l.  S.  615-024. 

',  Kriins.  Zur  K<Tiiitni(i  der  (  bli)r<.pliylifarbftofrc.  Stuttgart.   1872.  S,  63. 


174  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [92 

')  Vgl.  Kriilcenberg,  Vgl.-phyüol.  Studien.     I.  Reilie.  III.  Abth.  S.  114. 

8)  Ein  rliodophanartiges  Pigment  fcheint  fchon  1863  von  v.  Wittich  aus 
Euglena  sanguirubra  und  ein  clilorophanartiges  1876  von  Pouchet  (Journ. 
de  l'anat.  et  de  la  plij'-fiol.  T.  XII.  p.  12.)  aus  Hummer  im  kryltalliürten  Zu- 
ftande  erlialten  zu  fein.  Ivrj'ftallifirtes  Lutein  wurde  zuerA  von  Piccolo  und 
Liehen,  fpäter  von  Thudichum  u.  A.  dargeftellt,  das  Eläochrin  und  Lecithoclirin 
zum  Kryftallißren  zu  bringen,  gelang  Kulme,  und  unzweifelhafte  Kryftalle  von 
Chlorophyllgelb  fah  ich  bei  Hänfen.  Schon  1849  beobachtete  Zeife  die  rubin- 
rothen  Kryftalle  des  Carotins. 

«)  Bunfen,  Ann.  d.  Pliyfüc  u.  Chemie.    Bd.  128.  1866.  S.  100-108. 

10)  Kulme,  1.  c,  S.  204. 

11)  Krukenherg,  Vgl.-phj^fiol.  Studien.  IL  Reihe.  III.  Abth.  S.  71  Anm.  1. 

12)  Vgl.  Kühne,  1.  c,  S.  205  Anm.  1  u.  S.  252. 

Die  fo  häufig,  aber  Ilets  ohne  Quellenangabe  erwähnte  Beobachtung 
Chevreul's,  daß  im  Hühnereidotter  ein  rother  Farbfloff  den  gelben  begleite, 
findet  fich  im  «Dictionnaire  des  sciences  naturelles,  T.  35.  1825.  Article:  Oeufs 
d'oiseaux.  p.  444»,  und  lautet  folgendermaßen:  «Le  jaune  d'oeuf.  On  y  admet 
generalement,  1.  De  l'albumine;  2.  Une  matiere  grasse  .  .  .;  3.  Une  partie  colo- 
rante,  qui  me  paroit  formee  de  deux  principes  colorans,  un  de  couleur  jaune 
et  un  autre  de  couleur  rouge:  le  premier  semble  avoir  quelque  analogie  avec 
le  principe  colorant  jaune  de  la  bile». 

13)  Krukenberg,  Centralbl.  f.  d.  medic.  Wiffenfch.    1883.  S.  785—788. 
1*)  Literatur  über  die  Melanine: 

ScMoßherger,  Chemie  der  Gewebe.  Leipzig  u.  Heidelberg.  1856.  S.  147.  ff.; 

Scherer,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  40.  S  63 ;  Heintz,  Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  3. 

S.  477;  Hofäus,  Arch.  d.  Pharm.  Bd.  120.  1861.  S.  27;  Dreßler,  Prager  Viertel- 

jahrsfchr.  Bd.  101.  1869.  S.59;  Bofou;  Gräfe's  Archiv,  f.  Ophthalmol.  Bd.  IX. 

Abth.  3;    K  Mays,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.   d.  Univ.  Heidelberg.    Bd.  H. 

S.  324;    B.  HodgMnCon  u.  Sorhy,   Journ.  Chem.  Soc.  London.    1877.  p.  427; 

P.  Girod,  Compt.  rend.  T.  93.  p.  96  u.  Arch.  de  zool.  exp.  et  gen.  T.  X.  1882. 

p.  1—100. 

Auf  Grund  feiner  Beobachtungen  an  Frofchlarven  nimmt  Hoppe- Seyler 
(Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  9.)  an,  daß  anfänglich  pigmentlofe  Zellen  dadurch 
pigmenthaltig  werden,  daß  fie  fich  durch  einen  Ausläufer  mit  den  Capillar- 
gefäßen  in  Communication  fetzen  und  auf  diefe  Art  und  ohne  Extravafat  oder 
Infiltration  Blut  in  fie  gelange,  delTen  Körperchen  in  den  Zellen  dann  zu  Grunde 
gehen  und  das  Pigment  frei  werden  lalTen ;  diefes  metamorphofire  fich  allmäh- 
lich zu  Melanin. 

1°)  Bei  Fröfchen,  die  18  Tage  lang  in  reinem  Sauerftofigafe  geathmet 
hatten,  will  Molefchott  (cf.  ScMoßherger .,  1.  c.  S.  172.)  ein  Verfchwinden  des 
fchwarzen   Hautpigmentes    beobachtet  haben.     Daß   Licht    und   Wärme    eine 


93]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  175 

Briiunung  der  Haut,  Kälte  eine  Entfärlning  der  Haare  zur  Folge  hat,  lehren 
zahlreiche  Beobachtungen  zur  Genüge,  die  aber  experimentell  und  planmäßig 
weiter  zu  verfolgen  fohwer  fein  wird. 

'^)  Die  Literatur  über  die  Uranidine  findet  ficli  zufannnengeftellt  in 
meinen  Vgl.-phyfiol.  Studien.  II.  Reihe.  III.  Abth.  S.  41  —  56.  ^'gl.  dazu:  Fredericq, 
Bull,  de  l'acad.  r.  de  Belgique.    3  ser.  T.  I.  1881.  p.  487—490. 

1')  B.  HaUer,  Arb.  a.  d.  zoolog.  Inft,  d.  Univ.  Wien,  Bd.  IV.  Heft  3. 
1882.  S.  341  ü". 

18)  Cf.  meine  \'gl.-phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  V.  Abth.  Taf.  3,  II.  Reihe. 
IL  Abth.  S.  65. 

1»)  A.  Kundt,  Ann.  d.  Phyfiiv  u.  Cliemie.  Bd.  142,  143  (1871),  144,  145  u. 
14G  (1872). 

20)  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelljerg.  Bd.  IV.  S.  195. 

21)  Vgl.  C.  Bojnnowsli,  Zeitfchr.  f.  wiff.  Zoolog.  Bd.  12.  1863.  S.  312—335. 

22)  Cf.  Hoppe-Seyler,  Handbuch  d.  phyfiol.-  u.  path.-cliemifchen  Analyfe. 
5.  Aufl.  Berlin.  1883.  S.  290  ^. 

23j  Nach  Mofelcij  (Quart.  Journ.  of  mikr.  Scienc.  New  Ser.  Vol.  XVII. 
1877.  p.  18.)  fcheint  auch  bei  dem  durchfichtigen  Fifche  Plagusia  das  Hämo- 
globin zu  fehlen. 

2*)  Vgl.  meinen  (irundriß  der  medic. -chemifchen  Analj'fe.  Heidelberg. 
1884.  S.  58. 

25)  Eine  Anficht  Hojjjje-Sei/ler's  (cf.  Salkowshi-Leube,  Die  Lehre  vom  Harn. 
Berlin.  1882.  S.  249.).  Seitdem  ich  mich  felbft  mit  dem  fog.  Methämoglobin 
eingehender  zu  befchäftigen  angefangen  habe,  komme  ich  jedoch,  trotz  der 
vielen  über  diefen  Körper  vorliegenden  Arbeiten  immer  mehr  zu  der  Einficht, 
daß  derfelbo  nur  ein,  durch  Hämatin  verunreinigtes  Oxyhänioglobin  ift.  Auch 
die  Abweichungen  in  den  Angaben  der  einzelnen  Unterfucher,  nach  welchen 
da«  Oxyhämogloljin  durch  Trj^pfin  anfangs  in  Methäraoghjbiii  {Kühne,  Unterf. 
a.  d.  7)hyfiol.  IiiKt.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  I.  S.  342,  Anm.  1),  oder  in  Hämo- 
fliromogon  (Ildpjte-Seyler,  Handl).  d.  phyfiol.-  u.  path.-chem.  Analyfe.  5.  Aufl. 
1883.  S.  308)  verwandelt  wird,  dürften  diefer  Auffalfung  nicht  wenig  günftig  fein. 

2«;  Krulenbery,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  IL 
.<.   18  (f.  u.   Vgl.-j)liyfiol.  Studien.    I.  Rciiie.  III.  Abth.  S.  181  —  191. 

2'j  Jfoppc-Seyler,  Handb.  d.  phyfiol.-  und  path.-chem.  Analyfe.  3.  Aull. 
S.   180;  Ein,  OcfteiT.   Vierteljahrsfchr.  f.  wilF.  Veterinärkunde.  Bd.  36.  Heft  1. 

2*)  Cf.  Kruketibery,  Die  Farbftofie  der  Vogeleierfchalen.  Würzburg.  1883. 

2«J  Kruhmhcry,  Ccntraibl.  f.  d.  medic.  Willenfcii.    1883.  S.  785. 

'")  Vgl.  Kunkel,  Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie.    Bd.  V.  S.  40—56. 

•";  J^-  Jfodek  u.  Krukenberg,  Mitth.  deH  ornithol.  V{Mein<;H  in  Wien.  .labi- 
^'ung  VII.   \m:\.  Nr.  2;  E.  F.  v.  Homeyer,  ibid.  Nr.  3  u.  4;  E.  JIndck,  il)id.  Nr.  4. 

Kiirzlich  unterwarf  ich   au<'ii   noch  den   lieft   der  in   meinem  Belitze  bcv 


176  Anmerkungen  und  Litei'aturnachweife.  [94 

findlichen  Federfahnen  delTelben  Lämmergeiers,  die  aber  Aveit  fchwächer  als 
die  zu  den  erften  beiden  Analyfen  verwendeten  "gefärbt  .waren,  einer  quanti- 
tativen Eifenbeflimmung.  1,293  gr.  der  zuvor  bei  100"  C.  anhaltend  getrockneten 
Federfahnen  lieferten  0,0413  gr.  Eifenoxyd  (=  3,20  «/o  Fe203),  welches  vor  der 
Wägung  von  Kiefelfäure  (durch  abwechfelndes  Eindampfen  und  Aufnehmen 
mit  Salzfäure),  Thonerde  (durch  Auskochen  mit  Natronlauge)  und  allen,  in 
Waller  löslichen  Salzen  (durch  Auskochen  mit  WalTer)  aufs  Sorgfältigfte  be- 
freit war. 

ä^)  Die  Literatur  über  die  Refpirationsfermente  findet  lieh  zufammen- 
gellellt  in  meinen  Vgl.-phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  III.  Abth.  S.  66—123,  V.  Abth. 
S.  49-57,  IL  Reihe.  L  Abth.  S.  87—138,  III.  Abth.  S.  1—61. 

^^)  lieber  die  Floridine  ßehe  meine  Vgl.-phyßol.  Studien.  IL  Reihe. 
III.  Abth.  S.  22—40. 

34)  Sorby,  Quart.  Journ.  of  mikr.  Science.    N.  S.  XL   1871.  p.  352—361. 

Schon  von  Kuhlmann  (Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  9.  S.  286)  war  an- 
gegeben, daß  ßch  Cochenilledecoct  durch  reducirende  Mittel  (am  rafcheflen 
durch  Zink  und  Salzfäure,  langfamer  durch  Schwefelammon  oder  Eifenoxydul- 
hydrat)  entfärbe,  an  der  Luft  aber  feine  Farbe  wieder  annehme.  Ein  näm- 
liches Verhalten  zu  SchwefelwaßerftofF  zeigen  auch  Schütsenherger's  Carmin- 
fäuren  (Compt.  rend.  T.  46.  p.  47,  N.  Ann.  de  Chim.  et  de  Phyßk.  T.  54.  p.  52), 
von  denen  die  Cochenille  zwei  oder  mehrere  (deren  einer  die  Formel  CisHieOio 
mit  Wahrfcheinlichkeit  zukommt,  während  die  anderen  vielleicht  nach  den 
Formeln  Ci8Hi60]2,  CisHieOis  und  CisHieOi-t  zufainmengefetzt  ßnd)  nach  diefem 
Forfcher  enthalten  foU. 

3°)  lieber  das  Chlorocruorin  vgl.  meine  Studien.  IL  Reihe.  III.  Abth. 
S.  16  und  die  dafelbft  erwähnten  Schriften. 

36)  Cf.  meine  Vgl.-phyßol.  Studien.    IL  Reihe.  IL  Abth.  S.  63-69. 

")  Mac  Munn,  Proc.  of  the  Birmingham  Philos.  Soc.  Vol.  III.  1883. 
p.  351  —  407. 

38)  A.  Hänfen,  Sitzungsb.  d.  phyfik.-medic.  Gef.  zu  Würzburg.  1883.  u. 
Arbeiten  des  botanifchen  Infi,  in  Würzburg.    Bd.  III.  Heft  1.  1884. 

39)  Literatur  über  die  vermeintlichen  Chlorophyll  n  ach  weisebei  wirbel- 
lofen  Thieren: 

V.  Siebold,  Zeitfeh.  f.  wifl".  ZooL,  Bd.  L  S.  274;  F.  Colin,  ibid.,  Bd.  IIL  S.  264; 
M.  Schnitze,  Compt.  rend.,  T.  34.  1852.  p.  683  —  685;  Bay-Lmikeüer,  Journ. 
of  anat.  and  phyßol.  Vol.  IL  1868.  p.  114,  Vol.  IV.  1870.  p.  126,  Quart.  Journ. 
of  mikr.  Science  Vol.  14.  p.  400,  Vol.  19.  p.  434,  Vol.  22.  p.  229,  Nature 
Vol.  27.  Nr.  682.  p.  87;  Sorby,  Quart.  Journ.  of  mikr.  Science  1871.  p.  352, 
ibid.  Vol.  15.  1875.  p.  47;  Gl.  Bernard,  Le^ons  sur  les  phen.  de  la  vie.  ^T.  I. 
1878.  p.  209  ff.;  de  Negri,  Ber.  d.  d.  chem.  Gef.  IX.  Jahrg.  1876.  S.  84; 
P.  Geddes,  Compt.  rend.  T.  87.  p.  1005,  Proc.  of  the  r.  Soc.  Vol.  28.  p.  449, 


95] 


Anmerkunjren  und  LiteraturnacliAveife. 


177 


Areh.  d.  zool.  exp.  et  gen.  T.  8.  p.  51;  Enychnann,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol. 
Bd.  25.  1881.  S.  285—292;  K.  Brandt,  ]Mitth.  a.  d.  zool.  Station  zu  Neapel. 
Bd.  IV.  1883.  S.  191—302. 

■*<>)  VoUIländige  Literatur  ül)er  das  Bon  eil  ein  in  meinen  Vgl.-phyfiol. 
Studien.  II.  Eeilie.  II.  Abth.  S.  70. 

*')  Krulenhery,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  II.  Al.tli.  S.  73  -  76,  III.  Abth. 
'^.  «2— 04. 

*==)  PockJ Im/ton,  Pharm.  Journ.  Transact.    T.  III.  p.  081  u.  949. 

«)  Mac  3Ii(n)),  1.  c,  p.  387. 

")  Krukenberg,  A^d.-phyfiol.  Studien.   IL  Reihe.  III.  Abth.  S.  104  ff. 

*')  Kühne,  XJnterf.  aus  dem  phyfiol.  Inftitut  d.  Univ.  Heidelljerg.  Bd.  I. 
S.  341  —  369  u.  Bd.  IV.  S.  169—248. 

^6)  K.  Brandt,  Mitth.  a.  d.  zool.  Station  zu  Neapel.  Bd.  IV.  S.  191  —  302 
u.  Arch.  f.  Phyüologie.  1883.  S.  445—454. 

Die  von  Vosvuer  und  Brandt  mit  fo  großem  Aufwände  an  Zeit  und  jNIühe 
zufammengefuchten  Literaturangaben,  -welche  die  Anwefenheit  pflanzlicher  Stärke 
bei  Spongien  beweifen  foUen,  befagen  gleichfalls  nlfhts;  denn  in  den  meiften, 
wenn  nicht  in  allen  Fällen  haben  die  Unterfucher  das  Eintreten  der  Schvalbe-' 
fchen  Lipochromreaction  auf  Amyluni  bezogen.  Stärkelialtige  wäffrige  Aus- 
kochungen, an  welchen  diefe  Subltanz  allein  ficher  erkannt  werden  könnte, 
habe  ich  (Studien.  I.  Reihe.  II.  Abth.  S.  55  ff.)  vielleicht  ausfchließhch,  jeden- 
falls zuerft  aus  Spongien  zu  erhalten  verfucht,  jedoch  mit  negativem  Erfolge. 

*')  Vgl.  Kühne,  1.  c,  Bd.  IV.  S.  192  u.  193. 

")  Krukenherg,  Vgl.-phyßol.  Studien.   IL  Reihe.  III.  Abth.  S.  72—87. 

*»)  Eine  von  E.  Sach/Te  (cf.  A.  und  Th.  Hufemann,  Die  Pflanzenßoffe. 
2.  Aufl.  Berlin.  1882.  S.  248  u.  249)  vertretene  Anficht. 

'""')  Nach  unpublicirt  gebliebenen  llnterfuchungen  von  Hänfen. 
Die  von  MarquaH  und  Hänfen  aufgedeckten  Beziehungen  zwifchen  den 
rothen,    violetten    und    l)lauen    Pflanzenfarbftoffen  laffen   ficli    folgendermaßen 
überfichtlich  grupjiiren : 


Es  gehen  über: 

in  Roth 

in  Violett 

in  Blau 

Il'ith 

1)  Durch  Eifen- 
oxyd-  oder  Eifen- 

oxydulfalze. 

2)  Durch  kleine 
^Mengen  von 

Na2HP04 

Durch  gnißere 

Mengen  von 

Na2HP04 

Violett 

Durch  HCl,  IhSO* 

wie  organifclic 

Säuren 

Durch  größere 

Mengen  von 

NajHPOi 

Blau 

Durch  Säureji 

Diin-Ii   Spuren 
IVrbwaclicr  Säuren 

178  Anmerkungen  und  Liter  aturn  ach  weife,  [96 

51)  Bislang  nicht  publicirt. 

52)  Literatur  über  das  Vorkommen  der  fraghchen  Indigofarbftoffe  bei 
wirbellofen  Thieren: 

Bizio,  Jotu'n.  de  chim.  medic.  T.  10.  p.  99;  de  Lacaze-Dutliiers,  Ann.  d. 
scienc.  nat.  IV.  ser.  T.  12.  1859.  p.  5  —  84;  de  Negri,  Ber.  d.  d.  ehem.  Gef, 
IX.  Jahrg.  1876.  S.  84  u.  X.  Jahrg.  S.  1099:  Schund,  ibid.  XII.  Jahrg.  1879. 
S.  1358  u.  XIII.  Jahrg.  S.  2087;  Krukenberg ,  Vgl.-phyliol.  Studien.  II.  Reihe. 
III.  Abth.  S.  62. 

=3)  Literatur  über  das  angebhche  Vorkommen  von  Anilinfarblloffen 
im  Thierreiche: 

Blaue  und  rothe  Schizomycetenfarbitoffe:  Erdmann,  Journ.  f.  pract. 
Chem.  Bd.  99.  1866.  S.  385— 407;  Krukenberg,  Vgl.-phyjQol.  Studien,  L  Reihe. 
V.  Abth.  S.  43 — 47;  F.  Neelfen,  Beitr,  z.  Biolog  der  Pflanzen,  herausg.  von 
Colin.  Bd.  3.  1880.  S.  187—248;  G.  W.  Schneider,  Bot.  Zeitung.  1873.  S,  406; 
0.  Helm,  Arch.  d.  Pharmac.  1875.  S.  19  —  24;  Bay-Lmikeüer,  Quart.  Journ. 
of  mikr.  Science.  N.  S.  Vol.  13.  p.  408. 

Farbftoffe  der  Aplyfien:  M.  Ziegler,  Journ.  f,  pract,  Chem.  Bd.  103. 
1868.  S.  63;  Mofeleij ,  Quart.  Journ,  of  mikr.  Science.  N.  S.  Vol.  17.  1877. 
p.  12  —  14;  MacMunn,  Proc.  of  the  Birmingham  Philos.  Soc.  Vol.  III.  1883. 
p.  392  —  394. 

s^)  Literatur  über  die  objectiven  und  fubjectiven  Structurfarben: 

Böfel,  Infectenbelultigungen.  Bd.  3.  S.  254;  Gourneau,  Ann.  de  la  soc. 
entomol.  de  France.  2  ser.  T.  I.  p.  201  (Lepidopterenfchuppen);  Breivßer, 
Philos.  Transact.  1814  (Perlen);  Brücke,  Sitzungsb.  d.  Akad.  d.  Will,  in  Wien, 
Math.-naturw.  Clalfe.  Bd.  8.  1852.  S.  196  (Octopus),  ibid.,  Bd.  7.  1851.  S.  802, 
Unterf.  über  d.  Farbenwechfel  des  Chamäleons  (Sonderabdr.  a.  d.  IV.  Bd.  d. 
Denkfchr.  d.  math.-naturw.  Clalfe  d.  Akad.  d.  Wifl".  zu  Wien.  1852.)  u.  Sitzb. 
d.  math-naturw.  Clafl'e  d.  Akad.  d.  Wilf.  zu  Wien.  Bd.  43.  1861.  S.  177  (Feder- 
farben); V.  Witticli,  Müller's  Archiv.  1854.  S.  41 — 59  (Amphibien);  B.  Altum, 
Journ.  f.  Ornithol.  1854.  S.  XIX  — XXXV  u.  Naumannia.  Bd.  IV.  1854. 
S,  293  —  304;  A.  Bogdanoiv,  Journ.  f.  Ornithol.  Bd.  VI.  1858.  S.  311  —  312; 
V.  Fatio,  Mem.  de  la  soc.  de  physique  et  d'hist.  nat.  de  Geneve.  T.  18. 
2epart.  1866;  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Stuchen.  IL  Reihe.  IL  Abth.  S.  12 
u.  S.  14  —  19;  H.  Gadotv,  Proc.  of  the  zool.  Soc.  of  London.  1882.  p.  409  —  421; 
J.  Amory  Jeffries,  Bull,  of  the  nuttal  ornithol.  Club.  Boston.  Vol.  7.  1882. 
p.  129  —  135. 

5=')    Wichtigere  Literatur   über    Guanin  ablag  er  ungen  in  der  äußern 
Haut,  in  der  Argentea,  im  Peritoneum  etc.: 

Barresioil,  Compt.  rend.  T.  53.  p.  246;  Voit,  Z.  f.  wifl".  Zool.  Bd.  15.  S.  515; 
Kühne  u.  Seivall,  ünterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  3,  1880, 
S.  223—235;  A.  Etvald  u.  Krukenberg,  ibid.  Bd.  4.  S.  253—265   u.  Zeitfchr. 


97]  Anmerkungeil  und  l^iteraturnachwoife.  179 

f.  Biologie.  Bd.  19.   1883.    8.  154—158.     Vergl.  aucli  E.  Berger,  Morpholog. 
Jahrb.  v.  Gegenhaur.  Bd.  8.  1882.  S.  97—165. 

5^)   Leydtg,    Arch.   f.  mikr.  Anat.  Bd.  12.  8.  537;    Ewald  u.  Knil'enherg, 
l'nterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  4.  S.  2G1. 

-)  Ewald  u.  Kndenberg,  Zeitfchr.  f.  Biologie.   Bd.  19.   S.  154.    Anni.  1. 
^*)  Ewald  u.  Krulcenherg,  ibid.  S.  154.  Anm.  1. 

5^)  G.PoKchet,  Journ.  de  l'anat.  et  de  la  phys.  par  i?o?>ü?.  T.  12.  187G.  p.  4. 
®°)  Literaturangaben  über  die  Färb  Hoffe  der  Protozoen: 
Schicomyceten:  vgl.  Anm.  53. 

Myxomyceten:  J.Rehike  u.  H.  Bodewald,  Studien  über  das  Protoplasma. 
Berlin  1881.  S.  43  u.  44;  Kndicnherg ,  Vergl. -phyfiolog.  Studien.  II.  Reihe. 
III.  Abth.  S.  51—53. 

Flagellaten:  Salm-Horümar ,  Ann.  d.  Phj'ük  u.  Chemie.  Bd.  97.  185G. 
S.  331-333.  r.  Wittich,  Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  27.  18G3.  S.  573-575; 
P.  Geddes,  Quart.  Journ.  of  mikr.  Science.  January  1882  (Chlamydomyxa 
labyrinthuloides  Arch.). 

Rhizopoden:  Bütfchli,  Bronn's  Claffen  u.  Ordnungen  des  Thierreiches. 
Bd.  I.  1880.  S.  102. 

Infuforien:  Ray-Lankeßer,  Quart.  Journ.  of  mikr.  Science.  Vol.  13. 
1873.  p.  139;  Engelmann,  Onderz.  Phyfiol.  Laborat.  Utrecht.  III  R.  VIII  Dl. 
1883.  S.  147— 1G9. 

ß')  Literaturangalten  über  die  Farbltoffe   der  Cülenteraten: 
Mofeleij,  Quart.  Journ.  of  mikr.  Science.  N.  S.  Vol.  17.  1877.  p.  1;  Kruken- 
herg,  Vgl.-i.hyfiol.  Studien.  II.  Reihe.  III.  A])th.  S.  1—115;  C.  de  Mercjkowsl-g, 
Conipt.  rend.  T.  93.  p.  1029  u.  Bull,  de  la  soc.  zool.  de  France.  1883. 

Antliozoen:  Trommsdorff,  deSen  .]o\una].  Bd.  22.  S.  40;  MacMunn,  Proc. 
of  the  Birmingham  Philo.s.  Soc.  Vol.  3.  1883.  p.  351;  Mofeleg,  Quart.  .lourn. 
of  the  mikr.  Science.  Vol.  13.  1873.  p.  143;  K.  Brandt,  Mittli.  a.  d.  zool. 
-tation  zu  Neapel.  Bd.  4.  S.  191  H'. 

Ilydromedufen:     Cf.    die  Zufaminenltellung    der    Literatur    in    meinen 
N'gl.-jihyfiol.  Stu<lien.  II.  Reilie.  III.  Abth.   S.  G2  ff.     Ferner:    R.  Blanchard, 
15ull.  de  la  soc.  zool.  de  France.  T.  7.  p.  181.  p.  402.  u.  Zool.  Anzeiger  von 
V.  Carus.  VI.  Jalirg.  1883.  S.  67;  Krukenberg,  ibid.  S.  215. 
")  Vgl.  Schlauberger,  Chemie  d.  (iewebe.  1856.  S.  163. 
«»)  Witting,  Ann.  d.  Pharmacia.  Bd.  I.  S.  113. 
"j  Vogel,  Ann.  de  Chimie.  T.  89.  p.   113. 
«*)  Nach  eigenen,  bisher  unpublicirt  geblieben(;n  Verfuchcn. 
«•>;  Lit<Taturangaben  über  die  Farbftoffe  der  lOchinodermen: 
Mofeleg,  Quart.  .lourn.  of  tlio  mikr.  Science;.  N.  S.  Vol.  17.  p.  1  If. ;  Krukcubcrg, 
Vgl.  pliylMjJ.  Studi<;n.  II.  Reihe.  III.  Abth.;  Mac  Murin,  ].v.\  Merejkowskg,\.  v. 
'''•)  Nicht  |iiiblicirte  cigf-iu!  BcolKichtuiigcn. 
Kriikiiil/iifj,  V'<:r^l -i'l'y''"'.  Viirtrüf^c.  13 


180  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [98 

6s)  Literatur  über  die  Farbltoffe  der  A seidien:  Cf.  meine  Vgl.- 
phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.  IIL  Abth.  S.  48—51  u.  S.  105—107. 

69)  Ueber  Bryozoenfarbltoffe  (bei  Bugula  neritina  u.  Lepralia) 
cf.  meine  Vgl.-phyliol.  Studien.  IL  Eeihe.  III.  Abth.  S.  23—29. 

^0)  Ueber  Farbfloffe  der  Würmer  vgl.  die  sub  66)  angeführten  Schriften. 

71)  Krulienlerg,  Vgl.-phyüol.  Studien.  IL  Reihe.  III.  Abth.  S.  6—21. 

72)  Vgl.  Knikenherg,  ibid.,  I.  Reihe.  V.  Abth.  S.  92.  Anm.  1.  Ueber  Fär- 
bungen bei  Infecten  cf.  auch  H.  Hemmerling,  Ueber  die  Hautfarbe  der  Infecten. 
Inaug.-Diir.  Bonn  1878  u.  II.  A.  Hagen,  Proceed.  of  the  American  Acad.  Vol. 
17.  1882.  p.  234-267. 

'3)  Ueber  Aphiden-  u.  Coccidenfarblloffe  cf.  H.  C.  Sorhy,  Quart. 
Journ.  of  mikr.  Science.  N.  S.  Vol.  XL  1871.  p.  352  —  361  u.  Mac  Mann,  1.  c, 
p.  385 — 387.  Unpublicirt  geblieben  find  meine  Verfuche,  Avelche  das  Vorkom- 
men der  Carminfäure  bei  Coccus  polonicus  darthun. 

Speciell  über  Carminfäure  vgl.  die  Literaturangaben  in  GmeUn-Kraiit's 
Handbuch  der  Chemie.  Bd.  VII.  S.  1135  u.  ferner:  HlaRwetz  u.  GräboivsTä, 
Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  141.  S,  333;  C.  Liebermann  u.  v.  Dorp,  Ber.  d. 
d.  chem.  Gef.,  Bd.  4.  S.  655;  Belhomme,  Compt.  rend.  T.  43.  p.  382. 

7*)  Krukenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.  III.  Abth.  S.  104  Anm.  1. 

76)  Die  Farbltoffe  der  Infectenlymphe  behandeln:  John,  Tableau 
chimique  du  regne  animal.  p.  307;  C.  H.  Lehmann,  Lehrb.  d.  phyfiol.  Chemie. 
Leipzig  1853.  Th.  IL  S.  222  ff.;  H.  Landois,  Zeitfchr.  f.  will.  Zool.  Bd.  14. 
1864.  S.  55—70;  V.  Gräber,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  AVilT.  zu  Wien.  Bd.  64. 
Abth.  L  1871.  Juni-Heft.     Cf.  fernerhin  die  Litei-aturnachweife  in  Note  16. 

76)  Literaturangaben  über  die  Farbltoffe  der  Crultaceen: 
Cyanokryftallin:   Cf.  meine  Vgl.-phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.    IIL  Abth. 

S.  71.  MerejTioiosTcy,  Bullet,  de  la  soc.  zool.  de  Fi-ance.  1883. 

Lipochrome:  Goebel,  Schweigger  ^  Journ.  Bd.  39.  1823.  S.  426—431; 
Fremy  u.  Valenciennes,  Ann.  Chim.  Phys.  T.  50,  p.  165;  B.  Maly,  Sitzber. 
d.  k.  Akad.  d.  WiE.  zu  Wien.  Bd.  83.  Abth.  IL  1881.  Mai-Heft;  Krukenherg, 
Vgl.-phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.  III.  Abth.  S.  99  ff. 

Maly  war  nicht  der  Erlte,  der  das  rothe  von  dem  gelben  Oruflaceenlipo- 
chrome  trennte;  fchon  Pouchet  (Jom-n.  de  l'anat.  et  de  la  physiol,  T,  12. 
1876.  p.  10  ff.)  war  diefes  gelungen. 

Leberfarbftoffe:  Krukenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  IIL  Abth. 
S.  181  ff.;  Mac  Munn,  Proceed.  of  the  r.  Soc.  1883.  No.  226. 

77)  Mac  Munn,  Proc.  of  the  Birmingham  Philos.  Soc.  Vol.  III.   1883.  p. 
383;  Krukenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  III.  Abth.  Taf.  I. 

78)  Literaturangaben  über  die  Farbflioffe  der  Mollusken: 
Hämolymphatifche  Farbflioffe:    cf.  Heft  I  dief.  Vortr.,  Anm.  34u.  37, 

fowie  Verhdl.  d.  naturhifli.-medic.  Vereines  zu  LIeidelberg.  N.  F.  Bd.  3.  Heft  1. 


''■']  Annierkunsjeii  und  Literaturnachweifo.  181 

Leber-  u.  Galleni)igmente:  J.  Hcuaij,  Ffeiff'er's  MaJakozoifche  Blätter, 
X.  F.  Ikl.  4.  1881.  S.  197.  Vgl.  auch  die  Angaben  in  Note  34  u.  76. 

Pigmente  der  Haut fecrete  u.  der  Schalen:  Schloßhenjo;  Die  Chemie 
der  Gewebe.  S.  165;  K.  B.  Hofmann,  Lehrb.  d.  Zoochemie.  Wien  1879.  S. 
369;  cf.  die  Angaben  sub  Note  13,  37,  52  n.  53.  Meine  Unterfuchungen  über 
die  Schalenfarbltoffe  find  in  extenso  bislang  nicht  publicirt. 

Stäbchenpurpur:  Knikenberg,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ. 
Heidelberg.  Bd.  H,  S.  58  —  61;  V.  Henfen,  Zool.  Anzeiger.  I.  Jahrg.  1878. 
S.  30. 

■'■*}  Auf  mehrere  diefer  prägnanten  Färlningen  machte  mich  Herr  Dr. 
(}.  Pfeffer  in  Hamburg  freundlichft  aufmerkfam. 

*'')  Es  hat  lange  gewährt,  bis  daß  die  Abflammung  der  Gallenpigmente 
vom  Hämoglobin  bei  den  Säugethieren  über  allen  Zweifel  erhoben  wurde.  Das 
von  Kühne,  Frerichs,  Neulcomm  und  Städeler  beobachtete  Auftreten  von  Gallen- 
farbfloff  im  Harn  von  Thieren,  welchen  Gallenfäuren  in  das  Blut  injicirt  wur- 
den, hatte  Frerichs  Veranlaffung  gegeben,  diefe  Erfcheinung  im  Zufammen- 
lialte  mit  gewilTen  anderen  Beobachtungen  und  klinifchen  Erfahrungen  in 
anderer  Weife  zu  deuten  und  anzunehmen,  daß  die  Gallenfäuren  im  Blute  in 
<  hvllenfarbflofF  umgewandelt  Avürden.  Da  nun  aber  Icterus  nicht  allein  nach 
Injection  von  Gallenfäuren,  fondern  auch  von  Walfer,  Ammoniak  etc.  eintritt, 
Gallenfäuren  auch  im  Harne  Icterifcher  nachgewiefen  wurden,  und  das  Bili- 
rubin alter  Blutextravafate  licherlich  aus  Hämoglobin  hervorgegangen  ift,  kann 
die  Theorie  von  Frerichs  keine  Berückfichtigung  mehr  finden. 

«')  Vgl.  Schloßberfjer,  Chemie  der  Gewebe.  1856.  S.  157  u.  158. 
82)  A.  B.  Meyer,   Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  AVilf.   zu  Berlin.    Bd.  24. 
1882.  S.  517—524. 

*^)  H.  Gadow,  1.  c. 

**)  Ueber  die  grünen  Farbentöne  bei  Fifchen  cf.  meine  Vergl. -phyfiol. 
>tudien.  II.  Reihe;.  III.  Abth.  S.  139  —  143. 

*^)  Frennj  und  Valencicnnes ,  Journ.  de  Pharm,  et  de  Chim.  Ser.  III. 
T.  28.  1).  401. 

««;  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Infi.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  I.  S.  341  ff. 
II.  B<1.  IV.  S.  169  ff.;  Krukcnhcrf/,  Vgl.-phyfioi.  Studien.  II.  Reiiie.  II.  Abth. 
-.  43-58  u.  III.  Abth.  S.  138  iL 

Ueber  die  Ketinapigmente  der  Wirbelthiere  (Sehpurpur,  Cin'onio- 
)>hane  etc.)  liegt  eine  zufammcnfairende  Ar])eit  von  KüJine  {Hermantit^  Handl). 
der  Phydologie.  Bd.  4.  Th.  I.  S.  235-342)  vor,  auf  welche  an  diefer  Stelle 
mir  verwiefen  w(!rden  kann. 

*')  Vgl.  die  4  Abhandlungen  über  die  Farbfloffe  der  Federn  in 
meinen  Vgl.-i.liyüol.  Studien.  I.  Reihe.  V.  Abth.  S.  72—99,  II.  Reihe.  I.  Abth. 
-.   151-171,  II.  Abth.  S.  1-42,  III.  Abth.  S.  128—137;   ferner:  A.  B.  Meyer, 


182  Anmerkungen  und  LiteraturnachM-eife.  [100 

Mitth.d.  Ornitholog.  Vereines  in  Wien.  V.  Jahrg.   1881.  No.  11.   S.  83—85  u. 
Siteungsber.  d.  k.  Akad.  d.  AViff.  zu  Berlin.  Bd.  24.  1882.  S.  517—524. 

88)  Krulcenberg,  Vgl.-pliyfiol.  Studien.  II.  Eeilie.  IL  Abth.  S.  19—24  und 
III.  Abth.  S.  128—135. 

Die  Spectren  der  Picofulvinlöfungen  zeigen  Avie  die  der  übrigen  cliloro- 
phanartigen  Lipochrome  zwei  Abforptionsbänder,  welche  aber  fo  weit  in's  Blau 
und  Violett  gerückt  und  wie  bei  keinem  anderen  diefer  Fettfarbltoffe. 

89)  Von  Bucconiden  (Capitoniden)  unterfuchte  ich  Chotorea  (Mega- 
laema)  mystacophanes  Gray  imd  von  Khamphalliden,  welche  ich  z.  Th. 
von  Herrn  Hofrath  Ä.  B.  Meyer  in  Dresden,  z.  Th.  von  Herrn  ProfelTor 
W.  Blaßus  in  Braunfchweig  erhielt,  Pteroglossus  aracari  lU,  Ft.  torqua- 
tus  Wagl,  Pt.  maculirostris  Lieht,  Pt.  viridis  lU,  Ehamphastus  dis- 
colorus  L.,  Rhamphodryas  vitellinus  III,  und  Aulacorbynchus 
pavoninus  Bonap. 

"0)  Ueber  das  Turacin  cf.  meine  Vgl.-phyliol.  Studien.  I.Reihe.  V.  Abth. 
S.  75—87,  II.  Reihe.  I.  Abth.  S.  151—155;  Mofeley,  Quart.  Journ.  of  the  mikr. 
Science.  N.  S.  Vol.  17.  1877.  p.  17,  note  l. 

Das  Turacin,  dem  nach  Church  die  Formel  CsoHseCuNsOig  zukommt, 
welches  zugleich  aber  auch  ziemlich  viel  Eifen  enthält,  ill  in  reinem,  allerdings 
leichter  noch  in  alkalifchem  WaHer  löslich ;  von  den  lipochromatifchen  Löfungs- 
mitteln  wird  es  dagegen  nicht  aufgenommen,  und  auch  verdünnte  Mineral- 
fäuren  wie  einige  Salze  (z  B.  Alaun,  baf.  Bleiacetat,  Chlorcalcium)  fchlagen  es 
aus  den  wälTrigen  Löfungen  nieder.  Sein  fpectrofkopifches  Verhalten  erinnert 
fehr  an  das  des  Oxyhämoglobins,  verändert  fich  aber  weder  durch  Schwefel- 
walTerftoff  oder  Schwefelammonium,  noch  diu'ch  Einwirkung  von  Ilärkerem 
Alkali  und  ilt  bei  der  feiten.  Subftanz  nur  wenig  anders  als  bei  der  gelöften. 
Wie  fchon  Preyer  wußte,  verändert  üch  die  Lage  der  beiden  Abforptionsbänder 
im  Spectrum  nach  Sättigen  der  wäffrigen  Löfung  mit  Cyankalium;  dasfelbe 
gefchieht,  wie  ich  fand,  auch  beim  Eintragen  von  Rhodannatrium.  Werden 
jedoch  die  Salze  durch  Dialyfe  entfernt  oder  das  Turacin  durch  Efligfäure  ge- 
fällt, fo  zeigt  fich  der  Farbltoff  als  fpectrofkopifch  unverändert.  Das  Turacin 
ift  fehr  licht-  wie  wärmebeltändig,  rauchende  Salpeterfäure  zerftört  den  trockenen 
Farbltoff  fchon  in  der  Kälte  unter  Schwarzfärbung,  conc.  Scliwefelfäure  ver- 
wandelt ihn  in  Turaeein,  welches  die  Säure  purpurviolett  färbt  und  ein  Ab- 
forptionsfpectrum  mit  zwei  Bändern  (ein  ftärkeres,  breiteres  hinter  D  und  ein 
fchwächeres  vor  D)  aufweill;  die  von  mir  früher  als  a -Turaeein  bezeichnete 
Subftanz  ift,  wie  ich  fpäter  fand,  nur  ein  Gemifch  jenes  Stoffes  (des  fog.  ß- 
Turaeein)  mit  unverändertem  Turacin. 

91)  Kruhenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.  L  Abth.  S.  151  —  155. 

Das  Verhalten  des  Turacoverdins  gegen  Licht,  Wärme  und  Löfungs- 
mittel  ift  ziemlich  das  nämhche  wie  das  des  Turacins;   doch  fcheint   es   von 


101]  Annu-rkuiiiicn  und   l/itcintninacliwcife.  183 

iliefem  nicht  nur  durch  feine  grüne  Farbe  und  fein  fpectrofkopifches  Verhalten 
(das  Spectrum  der  wälTrigen  Löfung  zeigt  ein  fcharfes,  dunkeles  Abforptions- 
band  urunittelbar  vor  D)  abzuweichen,  fondern  auch  dadurch,  daß  es  kupfer- 
frei ift.  Eifen  enthält  das  Turacoverdin  verhältnißniiißig  viel.  Kalte  conc. 
Sclnvefelfäure  bräunt  den  trockenen  Farbftoff,  Salpeterfäure,  conc.  Natronlauge 
•wie  conc.  Salzfäure  greifen  ihn  gar  nicht  oder  erft  fehr  langfam  an.  Schichtet 
man  eine  Turacoverdinlöfung  auf  conc.  Sclnvefelfäure,  fo  fär])t  fich  letztere 
violettroth,  während  Salpeterfäure  lange  einflußlos  auf  Turacoverdinlöfungen 
bleibt  und  fchließlich  die  Flüfligkeit  nur  unanfehnlicher  macht. 

^^)  Krulenhery,  ibid.  S.  155—160,  II.  Abth.  S.  1  ft'. 

Das  Zoorubin  ill  in  alkalifclien  FlüOigkeiten  leicht  Irislicli,  unlöslich  in 
Alkohol,  Chloroform,  fetten  wie  ätherifchen  Oelen,  Schwefelkohlenftnff  u.  f.  w. 
Verdünnte  Mineralfäuren  fällen  es  aus  der  alkalifchen  Löfung,  ftin-ke  Saljjcter- 
fäure  l>leicht  das  Trockenpräparat,  Salzfäure  färljt  es  dunkclviolott  und  conc. 
Schwefelfäure  blaugrün;  es  enthält  keine  nachweisbare  Mengen  von  Eifen, 
Kupfer  oder  Mangan  und  fcheint  auch  fchwefel-  wie  ftickitofl'frei  zu  fein.  Zoo- 
rubinlöfungen  zeigen  fpectrofko])if(^h  nichts  charakteriftifcheB,  dagegen  zwei 
Reactionen,  welche  zur  Erkennung  diefes  FarbllofFes  verwerthbar  find.  Schichtet 
man  nämlich  eine  Zoorubinlöfung  auf  englifche  Schwefeiräure,  fo  bleibt  letztere 
farblos,  während  die  Zoorubinlöfung  an  der  Berührungsfläche  mit  der  Säure 
anfangs  eine  violettrothe,  fpäter  eine  dunkelgrüne  Farbe  annimmt;  und  eine 
zweite  Probe  mit  Efligfäure  fchwach  fauer  gemacht,  färbt  lieh  auf  Zufatz 
minimalfler  Spuren  eines  Kupferfalzes  fchön  kirfchroth. 

^^)  (T.  Krulenherf/,  Die  Farbfloffe  der  Vogel eierfchalen.  Würzburg.  1883. 
Fernerhin:  G.  DicJde,  Ann.  and  mag.  of  nat.  bist.  Ser.  IL  Vol.  12.  1848.  p.  169 
bis  176;  Cornay,  ^lem.  sur  les  causes  de  la  coloration  des  oeufs  des  oiseaux  etc. 
1860;  Glofjer,  Verliandl.  d.  Gef.  naturf.  Freunde  zu  Berlin.  Bd.  I.  1829.  S.  332. 

»*)  //.  C.  Sorbij,  Journ.  of.  the  Anthrop.  Inst.  Vol.  8.  1878.  p.  1  —  14; 
Knikenherf/,  Vgl.-phyfiol.  Studien.   I.  Reihe.  V.  Abth.  S.  89  Anm.  1. 

**;  Cf.  Kahne,  Lnterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  I.  S.  224. 
11.  I{.  IL  Chittcmlen,  ibid.  Bd.  III.  S.  171-193. 

»«)  iJohner,  Zoolog.  Garten.    Jahrg.  VI.  1865.  S.  3  —  12. 

")  Cf.  A.  B.  Meyer,  Sitzungsb.  d.  k.  Akad.  d.  Will",  zu  lieilhi.  Bd.  24. 
1882.  8.  521. 

^'y  \'g].  Sentker,  Die  natürlichen  Kxiftenzbedingungciu  der  Thiere.  i5d.  I. 
^.  HI  ff.;  V.  Graher,  Die  Inferten.  Bd.  IL,  Abth.  I.  S.  37  ff.;  Leydif/,  Anh.  f. 
mikr.  Anat.  Bd.  12.  1876.  S.  540  (cf.  meine  Vgl. -pliyliol.  Studien.  I.  IJcilio. 
II.  Abth,  S.  73  ff.,. 

**/  Vgl.  meine  in  .\(jte  87  nandiaft  gcmacliliMi  Scliiin<'M  ülicr  «lic  l'cdcr- 
farbftrjfre. 

'""j  Eine  intenfive  lijfochromalirchc  l'ärbung  «Ich  iMMlciicIiartcH  (ludet  licii, 


184  Anmerkungen  und  Literaturnacliweife.  [102 

foviel  ich  weiß,   nur  bei  einigen  Piciden  (z.  B.  bei  Colaptes    auratus  und 
0.  rubricatus). 

101)  D.  F.  Weinland,  Journ.  f.  Ornithologie.    1856,  S.  125—129. 

102)  L.  Martin,  Zoolog.  Garten.  Jahrg.  20.  1879.  S.  249  —  252,  Illuflr. 
Naturgelch.  der  Thiere.'    Heft  32.  1882. 

103)  Briefliche  Mittheilung. 
10*)  Briefliche  Mittheilung. 

105)  G.  Brucklacher,  Zoolog.  Garten.   Jahrg.  8.  1867.  S.  274  u.  275. 

106)  Ä.  Smester,  Eevue  d'Anthrop.    1879.  p.  675. 

10')  Sehr  bekannt  find  die  Erzählungen  von  einem  plötzlich  eingetretenen 
Ergrauen  der  Haare  bei  Marie  Antoinette  und  dem  früheren  preußifchen  Kammer- 
deputirten  Waldeclc.  Auch  erzählt  die  Gefchichte  (Raumer's  Gerch.  d.  Hoheuftaufen), 
«daß  Ludwig  von  Bai/ern,  der  in  dem  Wahne,  fein  Weib  fei  ihm  untreu  ge- 
worden, die  vermeintlichen  Mitwiller  diefes  Verbrechens  mit  dem  Schwerte 
niedergeftoßen  hatte,  nachdem  er  von  der  Unfchuld  überzeugt  wurde,  vor  Gram 
und  innerem  Seelenfchmerze  in  Einer  Nacht  graues  Haar  bekommen  habe. 
Merkwürdig  ifl  auch  jene  Erzählung  von  einem  jungen  Schweizer,  der  fich,  um 
aus  einem  Geierhorffce  die  Jungen  auszunehmen,  mit  einem  Säbel  bewaffnet, 
mitteilt  eines  Taues  von  einer  überragenden  Felswand,  unter  welcher  der  Horll 
fich  befand,  herunterlalTen  ließ.  Unter  ihm  gähnte  ein  jäher  Abgrund.  Nach- 
dem er  die  Jungen  herausgenommen,  und  er  eben  wieder  heraufgezogen  werden 
foll,  flürzen  die  alten  Vögel,  durch  das  Gefchrei  der  Jungen  herbeigelockt, 
zum  Kampfe  auf  ihn  los.  Mit  dem  Säbel  um  fleh  hauend,  bemerkt  er  plötz- 
lich einen  Euck  am  Seile,  das  ihn  trägt.  Er  fleht  hinauf  und  erblickt,  daß  er 
mit  der  Säbelfchneide  in  den  Strick  gehauen,  der  jetzt  nur  noch  mittelfl;  einer 
dünnen  unverletzten  Stelle  zufammenhält.  Namenlofe  Angft  befällt  ihn,  jede 
Secunde  kann  der  Strick  völlig  zerreißen;  als  er  endlich  glücklich  wiederum 
nach  oben  hinaufgezogen,  ift  fein  Haar  ergraut.  S.  G.  Vogel  {Hecker's  liter. 
Annalen.  1825)  erzählt  von  fleh  felbft,  daß  ihm  in  feinem  dreißigftien  Lebensjahre 
durch  den  Schmerz  über  den  Verlufl;  feiner  geliebten  Seh  weiter  in  Einer  Nacht 
das  Haupthaar  gebleicht  fei.  Aehnliche  Fälle  berichten  uns  Nicolaus  Floren- 
tinus  (Sermon,  vil.  tract.  6  sum.  3.  c.  24),  Schenl;  Borelli,  Turner,  Cälius  Bhodigimis» . 
Vgl.  L.  Landois,  Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  35.  1866.  S.  575—599. 

108)  Briefliche  Mittheilung.  Cf.  auch  Beinhardt,  Videnskabl.  Meddelel. 
Naturh.  Ferening.  1870.  S.  316. 

109)  Ueber  Eclectus  polychlorus  vgl.  die  in  meinen  Vgl.-phyfiolog. 
Studien.  IL  Reihe.  L  Abth.  S.  161  fowie  in  Note  87  angeführten  Schriften  von 
A.  B.  Meyer. 

110)  Mofeley,  Quart.  Journ.  of  the  mikr.  Science.  N.  S.  Vol.  17.  1877.  p.  19. 


IV. 


GRUNDZÜGE 


EINER 


VERGLEICHENDEN  PHYSIOLOGIE 


DER 


THlEI{It<CHEN  GERÜSTSUBSTANZEN. 


I  AIIK  WINTf:R'S  rNIVKIi.SITÄTHBL't'IlIIANDLUNG  IN  HEIDELBERG. 
h'ruktnljtrg,  Vergl.-pliyfiol.  Vorträge.  14 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Grundzüge  einer  vergleichenden  Phyfiologie 
der  tMerifclien  Gernftfubftanzen. 


I 


An  die  Entdeckung  der  Aetherfchwefeiräuren  in  den  wäffrigen 
Abfonderungen  der  Säugethiere,  an  die  Kenntniß  ihrer  Ent- 
ftehung  und  ihres  Ausgangsmaterials  fchloß  fich  eine  lange  Reihe 
wiclitiger  ünterfuchungen  über  die  Veränderungen,  welchen  gewilTe, 
dem  Organismus  an  und  für  fich  fremde  Subftanzen,  nach  ihrer  Ein- 
führung in  den  allgemeinen  Kreislauf,  im  Getriebe  des  thierifchen 
Stoffwechfels  unterworfen  find.  Nach  und  nach  famraelte  sich  ein 
reichhaltiger  Erfahrungsfehatz  an,  welcher  auf's  Unzweideutiglte 
lehrte,  daß  che  Stoffwech  fei  Vorgänge  bei  verfchiedenen  Thierarten, 
ja  felbll  bei  zwei  Individuen  ein  und  derfelben  Species  ihrem  Wefen 
nach  weit  bedeutender  auseinandergehen  können,  als  es  nach  ver- 
einzelten, fchon  länger  bekannten,  aber  mehr  als  Curiofa  betrach- 
teten Thatfachen  bis  dahin  angenommen  wurde.  Die  fo  gewonnene 
Ueberzeugung ,  daß  die  Stoffwechfelprozelfe  bei  naheftehenden 
Formen  bisweilen  fehr  verfchiedenartig  verlaufen,  wurde  auch 
weiterhin  befefligt  durch  mehrere,  auf  dem  Gebiete  der  vergleichen- 
den Toxicologie  fowie  durch  die  mit  Hülfe  der  hilliofynthetifchen 
Methode  SrhmiedeherfjH^)  erzielten  Refultate,  und  ihre  Richtigkeit 
wohl  am  Schlagendflen  illuftrirt  durcli  die  nach  mehr  iils  einer 
Richtung  liin  'Ah.  ])ahnbrechend  zu  Ixzeichnenden  farbenanaly- 
tifclicn  Studien  von  Ehrlirh'^)  ül)er  das  Sauerfloirbcdürfiiiß  des 
Organismus. 

u* 


188  Grundzüge  einer  vergleichenden  [4 

Diefes  Ergebniß  ift  freilich  kein  fehr  erfreuliches;  denn  einmal 
irre  geworden  an  dem  Glaubensfatze,  daß  bei  Wahrung  der  Aehn- 
Hchkeit  in  groben  anatomifchen  VerhältnilTen  auch  der  Stoffumfatz 
in  den  lebenden  Zellen  das  Bild  der  Uebereinflimmung  nicht 
wefentlich  verwifche,  wird  von  vorn  herein  nicht  mehr  zu  ent- 
fcheiden  fein,  welche  von  den  beifpielsweife  für  den  Hund  feflge- 
Itellten  Thatfachen  auch  auf's  Kaninchen  palfen,  gefchweige  welche 
von  den  an  Fröfchen  gewonnenen  Erfahrungen  bei  SchlüITen  auf 
die  Lebensvorgänge  des  Menfchen  ohne  Weiteres  verwerthbar  find. 

Eine  Hauptaufgabe  der  chemifchen  Phyßologie  wird  fomit 
jetzt  darin  zu  fehen  fein,  die  Summe  der  mit  der  Art,  dem  Ge- 
fchlechte,  dem  Alter  und  der  Individualität  qualitativ  fchwankenden 
Stoff wechfelvorgänge  noch  weiter  zu  vermehren,  um  dermaleinfb 
in  der  Lage  zu  fein,  die  Gründe  für  diefe  Abweichungen  klarzu- 
legen. Der  allein  naturgemäße  Weg,  auf  welchem  üch  der  Löfung 
aller  diefer  Fragen  zu  nähern  ift,  wird  auch  hier  wieder  der  ver- 
gleichend-phyliologif  che  fein ;  denn  vorerft  gilt  es  doch,  die  compli- 
cirenden  Nebenumftände  als  folche  zu  erkennen  und  Objecto 
ausfindig  zu  machen,  bei  welchen  bald  diefer  bald  jener,  eine 
reine  Beobachtung  erfchwerende  Factor  fehlt;  wie  das  lieh  aber 
anders  erreichen  lallen  wird  als  durch  Unterfuchungen  an  mög- 
lichfl  zahlreichen  und  organifatorifch  möglichft  entfernt  ftehenden 
Thieren,  ift  wenigftens  mir  völlig  räthfelhaft.  Indeß  lind  auf  dem 
Felde  der  vergleichenden  Phyüologie  bislang  nur  erft  wenige  von 
den  Schätzen  gehoben,  welche  uns  fchon  das  Studium  der  natür- 
hchen  Verhältnille  und  der  normalen  Gewebsbeftandtheile  bei 
Inangriffnahme  der  namhaft  gemachten  und  gegenwärtig  fo  bren- 
nenden Fragen  zu  bieten  vermag.  Befchränkt  ift  zwar  die  Zahl 
der  Fälle,  wo  das  Erz  hier  offen  zu  Tage  fleht,  und  wo  nur  ein 
fcharfes  Zufehen  und  ein  fachgemäßes  Prüfen  erforderlich  ift,  um 
lieh  über  den  whklichen  Thatbeftand  zu  verlichern;  doch  fehlen 
derartige  FäUe  keineswegs  ganz,   wenn  fchon  auch  lie  lange  Zeit 


5]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubflanzen.  189 

ganz  ununterfucht  gelaflen  wurden  und  auch  jetzt  nur  erst  fehr 
dürftig  bekannt  lind.  Ich  denke  dabei  vor  allem  an  die  thierifchen 
Farbftoffe,  welche  den  Stempel  ihrer  gegenfeitigen  Verwandtfchaft 
oder  Verfchiedenheit  offen  zur  Schau  tragen,  und  gewiß  fchon  die 
erfte  Bearbeitung  diefer  fo  viel  verheißenden  Klaffe  thierifcher 
Stoffwechfelproducte,  welche  ich  in  dem  vorigen  Hefte  diefer  Vor- 
träge verfucht  habe,  ifb  trotz  ihrer  unvermeidlichen  UnvoUkommen- 
heiten  nicht  Johne  jeden  Erfolg  gebheben.  Des  Weitern  abgefehen 
von  einigen  wenigen  Thierftoffen ,  welche  an  fich  zwar  farblos, 
aber  durch  charakteriltifche  und  zugleich  fehr  empfindliche  Farben- 
reactionen  ücher  und  felbft  in  minimalflen  Mengen  nachzuweifen 
find,  yvie  z.  B.  die  Harnfäure  und  das  Guanin,  —  deren  Nachweis 
überdies  aber  auch  weit  weniger  fchwer  ins  Ge\\'icht  fällt  als  der 
gewiffer  Farbftoffe,  weil  die  in  Vergleich  zu  ziehenden  Objecte 
(im  angeführten  Falle  z.  B.  der  Harnftoff  und  die  Xanthinkörper) 
weit  weniger  fcharf  zu  erkennen  Und,  —  abgefehen  von  den  .thie- 
rifchen Pigmenten  und  der  bezeichneten  Gruppe  von  mittelbar  fich 
in  der  gleichen  augenfälligen  Weife  manifeftirenden  Stoffwechfel- 
producte find  es,  fo  fage  ich,  nur  noch  die  Subftanzen,  welche 
dem  Thierleibe  als  tragende  Pfeiler  Innern  Halt,  als  fchützende 
Decke  conflante  Form  verleihen,  welche  in  hinreichender  Reinheit 
zu  erhalten  waren,  und  deren  Verfchiedenheit  unter  einander  ficher 
dargethan  werden  konnte. 

Nur  auf  der  niederften  Stufe  der  Organifation  und  in  feltenen 
Ausnahmefällen  greift  der  Organismus  zu  dem  nächft  liegenden, 
dem  anorganifchen  Materiale,  um  dem  Ganzen  ein  feftes  Gerüft 
und  feinen  Weichtheilen  eine  weniger  nachgiebige  Stütze  zu  bieten, 
oder  befchränkt  fich  darauf,  durch  ein  dichteres  und  derberes 
Gefüge  diefen  den  nothwendigcn  Halt  zu  fchaffen.  Das  Gcwölm- 
lichc  blei})t  ftets  die  Verwendung  eigenartiger,  felbfi.  producirter, 
organilV'lier  Subftanzen,  welclie  licli  moift  niclit  nur  durch  ihre 
phylikalifche  Widerftandsfäliigkcit,  verbunden  mit  einem  mehr  oder 


190  Grundzüge  einer  vergleichenden  [ü 

weniger  hohen  Grade  von  Elafticität  auszeichnen,  fondern  denen 
auch  eine  große  Immutabilität  gegen  chemifche  Eingriffe,  gegen 
die  Einwirkung  der  Enzyme,  freier  Säuren  und  Alkahen,  ja  felbfi; 
gegen  die  vitalen  Procefle  innewohnt,  welche  noch  weit  mächtiger 
als  jene  ßnd;^)  nur  hier  und  da  fehen  wh  die  der  organifchen 
Gerüftfubltanz  eigene  Fefligkeit  durch  anorganifche  Einlagerungen 
oder  in  Folge  einer  mit  anorganifchen  Stoffen  eingegangenen, 
locker  chemifchen  Verbindung  den  Anforderungen,  welche  an  den 
Organismus  geltellt  werden,  entfprechend  erhöht.  Stoffe  von  einer 
verhältnißmäßig  beträchtüchen ,  phylikaHfchen  wie  chemifchen 
Widerffcandsfähigkeit,  welche  fich  bei  den  Lebensvorgängen  ftets 
mehr  paffiv  verhalten,  finden  lieh  im  Organismus  nur  an  beftimm- 
ten  Plätzen  vor,  in  den  vorwiegend  lebensthätigen  Herden  würden 
fie  nicht  allein  nutzlos,  fondern  geradezu  hinderlich  fein,  und  fo 
erklärt  es  lieh  denn  auch,  daß  die  thierifchen  Stütz-  und  Deck- 
gewebe nicht  nur  eine  fcharfe  anatomifche  Definition  und  Ab- 
grenzung zulaffen,  fondern  daß  der  entfprechende  Begriff  der 
«thierifchen  Gerüftfubftanzen»  auch  chemifch  gut  umfchrieben  ift; 
letzterer  fubfumkt  die  in  ihrem  Vorkommen  auf  die  inneren  und 
äußeren  Skelettheile  befchränkten  Subftanzen  und  muß  biologifch 
nur  deshalb  etwas  weiter  gefaßt  werden,  als  es  üch  vom  rein  che- 
mifchen Standpunkte  aus  rechtfertigen  läßt,  weil  bei  Vertretern 
einiger  Klaffen  unter  den  Wirbellofen  veritabele  Eiweißkörper,  ohne 
befonderes  typifches  Verhalten,  lediglich  durch  Aufnahme  anorga- 
nifcher  Materie  erhärten  und  fo  demfelben  Zwecke  dienftbar  ge- 
macht werden,  welchen  die  fpecififchen  Gerüftfubftanzen  bei  den 
höheren  Thieren  allerdings  in  meift  viel  vollkommenerer  Weife 
erfüllen. 

Das  allgemeine  Intereffe  wird,  wie  fchon  dem  Gefagten  zu 
entnehmen  ift,  weit  weniger  den  anorganifchen  Beftandtheilen  der 
Schutz-  und  Stützvorrichtungen  zugewandt  fein  als  vielmehr  dem 
organifchen  Subftrate  derfelben,  und  diefes  foU  deshalb  auch  vor- 


7]  Phyßologie  der  thierifchen  GerüilfubHanzen.  191 

wiegende  Berückfichtiguug  finden.  Verfuchen  wir  jedoch,  die 
organifche  Gnmdlage  der  Skelettheile  chemifch  näher  zu  definiren, 
das  Verwandte  zufammenzubringen  und  von  dem  chemifch  ent- 
fernter Stehenden  zu  fcheiden,  fo  ftoßen  Avii-  auf  Schwierigkeiten, 
welche  keine  geringe  find,  und  die  hauptfächhch  in  der  fo  fchweren 
Angreifbarkeit  der  Gerüftfubßanzen  für  chemifche  Agentien  begrün- 
det liegen.  Das  Verhalten  gegen  die  proteolytifchen  Enzyme  und 
beim  Kochen  mit  concentrirter  Salzfäure,  die  Xanthoprotein-  und 
MiUon  (che  Reaction,  die  Zerfetzungsproducte,  welche  beim  Kochen 
mit  verdünnten  Säuren  und  beim  Schmelzen  mit  kauftifchen 
Alkalien  entfi;ehen,  gefi;atten  uns  allein  ein  Urtheil  abzugeben,  ob 
die  fragliche  Subltanz  ein  Eiweißkörper  ifi;  oder  nicht,  refp.  -wie 
weit  fie  fich  von  den  Albummftoffen  in  ihren  chemifchen  Eigen- 
fchaften  entfernt.  Aber  auch  die  wenigen,  für  unfern  Zweck  ge- 
eigneten Reactionen  find  keineswegs  den  Eiweißköi-pern  eigenthüm- 
hche,  fondern  eine  Reihe  anderer  und  verhältnißmäßig  einfach 
conflituirter  Stoffe  geben  diefelben  gleichfalls,  und  es  muß  deshalb 
auch  angenommen  werden,  daß  diefe  Reactionen  an  befl;immte 
Seitenketten  im  Molecül  geknüpft  find,  deren  Exifl;enz  bei  den 
Eiweißkörpern  im  engern  Sinne  zwar  durchgängig  bewahrt  zu 
fein  fcheint,  bei  deren  Verlufl;e  aber  der  Stammkern  der  Ver- 
bindung nicht  nothwendig  einen  tiefgreifendem  Zerfall  erlitten  zu 
haben  braucht,  obfchon  die  Subfianz  alsdann  nur  noch  eine  oder 
die  andere,  oder  vielleicht  auch  gar  keine  Eiweißreactioneii  mehr 
zeigen  wird.  Andererfeits  wird  man  fich  aber  auch,  wenn  die 
Millon'tche  oder  die  Xanthoproteinreaction  gelingt,  Leuciii  und 
Tyrofin  beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelfäure  erhalten  werden, 
oder  wenn  man  bei  Einwirkung  von  fchmelzcndem  Kali  Indol 
unter  den  Zerfetzungsproductcn  auftreten  ficht,  ftets  zu  vergegen- 
wärtigen haben,  daß  trotz  aller  Uebereinftimmung  der  Reactionen 
mit  d('nen  der  ächten  Eiwcißftoffe  der  in  Frage  kommendem  Körj)er 
doch  in  voro  fich  fehr  weit  von  den  Albumin fubftanzen  entfernen, 


192  Grundzüge  einer  vergleichenden  [8 

ja  daß  das  Radical  der  Verbindung  ganz  anderer  chemifcher  Natur 
als  das  der  zum  Vergleich  herangezogenen  Eiweißkörper  fein  kann. 
Inwiefern  das  Gefagte  nun  aber  nicht  nur  für  die  bei  feften  Ei- 
weißftoffen  allein  anwendbaren  Nach  weife,  fondern  auch  für  die 
fog.  Alkaloidreactionen,  welche  nur  an  Eiweißlöfungen  ausführbar 
und,  Gültigkeit  beiitzt,  läßt  lieh  meines  Erachtens  zur  Zeit  nicht 
entfcheiden;  dazu  bedürfte  es  erft  einer  Erweiterung  und  Verviel- 
fältigung der  von  Fr.  Hof  meißer  ^)  angeflellten  Verfuche  über  die 
Empfindlichkeit  der  einzelnen  fog.  Eiweißreactionen. 

Durch  die  künftlichen  Zerfetzungen  der  Eiweißkörper  fcheint 
lediglich  das  gefiebert,  daß  die  Conftitution  derfelben  «fehr  compli- 
cirt  und  die  Molecüle  fehr  groß,  Gruppen  aromatifchen  Charakters 
neben  folchen  der  fetten  Stoffe  in  den  Molecülen  enthalten  find, 
und  die  Gefammtanordnung  der  letzteren  den  Harnftoffen  oder 
Guanidinverbindungen  oder  Hydantoinen  zugehört. » ^)  Wir  wilTen 
des  Weitern  aber  auch,  daß  aus  Eiweißffcojffen  fowohl  Fette  wie 
Kohlehydrate  hervorgehen,  wenn  fchon  letztere  ebenfalls  aus  Fetten, 
und  umgekehrt  Fette  aus  Kohlehydraten  entftehen  können;  damit 
jedoch  aus  Eiweiß  Fett  abgefpalten  werde  oder  Fette  fich  in  Kohle- 
hydrate verwandeln,  bedarf  es  der  Action  lebendiger  Zellen:  beide 
Metamorphofen  haben  noch  immer  als  Functionen  lebender  Zellen 
zu  gelten^).  Glückficher  war  man  bei  üeberführung  der  Eiweiß- 
körper in  Kohlehydrate ! 

Lange  bekannt  ift  die  Thatfache,  daß  viele  Eiweißfubltanzen, 
fo  die  fchwefelreichen  Hornftoffe,  bei  Maceration  mit  Laugen  einen 
Theil  ihres  Schwefels  als  SchwefelwalTerfboff  abgeben,  und  auch 
Beobachtungen,  daß  durch  diefelben  Agentien  Stickfloff  aus  eiweiß- 
artigen Materien  abgefpalten  wird,  finden  fich  in  der  Literatur 
verzeichnet.  Erfl;  kürzHch  zeigte  ich^)  aber,  daß  eine,  fich  in  ihren 
Reactionen  als  ein  Eiweißkörper  verhaltende  SubJftanz,  das  Spiro- 
graphin  in  den  Wohnröhren  von  Spirographis  Spallanzanii, 
durch  Behandlung  mit  kalter  Natronlauge  unter  Umffcänden  glatt, 


9]  Phyfiologie  der  thierifclien  Gerüllfuliftanzen.  193 

ohne  daß  ein  eiweißartiger  Rückftand  bleibt,  in  ein  fliekftoffhaltiges 
Derivat  der  Kohlehydrate  überzuführen  iffc,  welches  beim  Kochen 
mit  verdünnter  Schwefelfäure  ein  Spaltungsproduct  hefert,  das  ßch 
nicht  mehr  den  Eiweißfubftanzen  anfchheßt,  fondern  feinem  chemi- 
fchen  Verhalten  nach  den  Zuckerarten  entfpricht,  —  und  fprach, 
geflützt  auf  weitere  Erfahrungen,  zugleich  die  Vermuthung  aus, 
daß  dem  Spirographin  analoge  eiweißartige  Stoffe  (Hyalogene) 
in  gewilTen  Gewel)sparthien  bei  Wirbeltliieren  wie  Wirbellofen 
normal  vorhanden  find,  m  anderen  Gewebslagen  fich  dagegen 
nur  zeitweife  oder  unter  pathologifchen  A'^erhältnilTen  in  größerer 
Menge  bilden  und  anhäufen.  Ein  bindender  Beweis  für  die  auf 
die  Befunde  bei  Spirographis  begründeten  Verallgemeinerungen 
ließ  fich  bislang  allerdings  nicht  beibringen,  denn  die  Eiweißkörper 
von  nicht  hyalogener  Natur  überwiegen  in  den  Organen  fo  lehr 
au  Malfe,  daß  ein  dem  Abnehmen  der  Eiweißreactionen  ent- 
fprechendes  Anwachfen  der  zuckerbildenden  Subftanz  nicht  wie 
bei  Verarbeitung  der  Spirographishüllen  zu  conftathen  ift.  Aus 
Gründen,  die  aber  ebenfalls  nicht  beweiskräftig  lind,  haben  mehrere 
Forfcher  eme  meiner  Auseinanderfctzung  ähnliche  Anficht  ent- 
wickelt. So  gelangte  Landwehr^)  durch  Beol)achtung ,  daß  das 
Glykogen  nach  Natronzufatz  befTer  als  ohne  folchen  den  Geweben  zu 
entziehen  ift,  zu  der  Auffaffung,  daß  ein  eiweißartiger  Beftandtheil 
des  Protoplasmas  fich  aus  Glykogen  und  einer  Gloljulinful)ftanz 
zufaminenfetze,  für  FrtrP)  wurde  eine  Beziehung  zwifchcn  Eiweiß 
und  Kohlehydraten  wahrfcheinlich  wegen  eines  älndiclien  Ver- 
haltens beider  bei  der  Aldehydreaction  (mit  Natronlauge  und  Dia- 
zobenzolfulfoufäure)  und  J^afchiitiu^'^)  fah  lieh  veranlaßt,  auf  (he 
Kohlehydratentartuiig  der  Gewebe  fi)eciell  in  paihologilrhcn  Zii- 
ftänden  (bei  der  Zuckerharnruhr)  hinzuweifen.  Da  jedoch  l)ei 
Diabetes  der  maßgebende  Fack^r  allgenujin  und  ganz  mit  Recht 
mehr  in  dem  N'erüegen  oder  Stocken  der  ncn-malen,  Zucker  zer- 
ftörenden  Procelle  als  in  einer  anormalen  K(jhlehydratdegeneniti(jii 


194  Grundzüge  einer  vergleichenden  [10 

eiweißartiger  Gewebsbeftandtheile  gefacht  wird ,  fo  hat  diefe 
Krankheit  für  die  vorliegende  Frage  noch  nicht  die  Bedeutung, 
welche  man  ihr  ohne  eingehendere  Kritik  fo  gern  einräumen 
möchte. 

Weit  wichtiger  als  die  Zuckerkrankheit,  als  die  fog.  Colloid- 
und  Mucinmetamorphofen  der  Kröpfe,  Gallertkrebfe,  Myxome  und 
Ovarialkyflome  ift  für  uns  der  Umitand,  daß  die  Unterfuchungen 
der  thierifchen  Gerüftfubftanzen  fchon  jetzt  eine  Reihe  von  Stoffen 
aufgedeckt  haben,  von  denen  einer  ein  achtes  Kohlehydrat,  ein 
zweiter  das  Amidoderivat  eines  folchen  ift  und  andere,  welche 
—  obgleich  lie  durch  das  moleculare  Verhältniß  des  Stickftoffs 
und  Kohlenftoffs  (C30  ^4,-9)  noch  ihre  Beziehung  zu  den  Kohle- 
hydraten erkennen  lalTen  — ■  fich  nach  diefer  od^r  jener  Reaction 
mehr  oder  weniger  den  Eiweißftoffen  in  ihrem  chemifchen  Verhalten 
anfchließen. 

Scheinen  wir  aber  fomit  auch  noch  ein  ziemliches  Stück  davon 
entfernt  zu  fein,  die  ächten  Eiweißkörper,  die  Keratine  und  Ver- 
wandte als  Derivate  der  Kohlehydrate  oder,  wie  ich  (gemäß  der 
Genefe  des  Spirographeins)  annehmen  möchte,  als  fehr  reßftent 
gewordene  Spaltungsproducte  von  Hj^alogenen  begreifen  zu  lernen, 
fo  wünfche  ich  doch,  darauf  Bedacht  nehmen  zu  wollen,  daß,  wenn 
ich  mich  entfchließe,  bei  Claflification  der  thierifchen  Gerüftfub- 
ftanzen die  Trennung  der  Eiweißkörper  von  den  Kohlehydraten 
noch  fcharf  hervortreten  zu  laffen,  lieh  (trotz  der  neu  aufgeflellten 
Gruppe  der  Skeletine)  die  Grenzen  an  allen  Punkten  verwifchen, 
und  daß  es  kaum  zu  rechtfertigen  ift,  wenn  ich  die  Hyalogene 
den  Albuminoiden ,  das  Cornein  aber  den  Skeletinen  zugefelle. 
Nur  praktifche  Gründe,  die  Wahrung  der  UeberfichtHchkeit  und 
die  Vermeidung  von  Wiederholungen  beftimmen  mich,  an  diefer 
z.  Th.  Drechfel^^)  entlehnten  und  auf  den  erften  Blick  fehr  beftechen- 
den  Eintheilung  der  Gerüftfubftanzen  feftzuhalten.  Diefelbe  würde 
folgende  fein: 


11]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  195 

I.  Claffe:   Reine  (d.  h.  ftickftofffreie)  Kohlehydrate,  welche  bei    f"!**^»«- 

cation  der 

der  Spaltuno-  Zucker  liefern:  ^^/'^'li'^'^1'^ 

Tunicin  Berthelot  (thierifche  Cellulofe  Loeivig  und  Kölliher).  "'"''^°" 
II.  Claire:  Skeletine.  Stickftoff haltige ,  aber  fchwefelfreie  Sub- 
ftanzen,  welche  nur  eine  oder  die  andere  Eiweißreaction  geben, 
ßch  durch  ilire  Widerftandsfähigkeit  gegen  Alkalien  Avie 
Säuren  auszeichnen  und  auch  von  den  amylolytifchen  wie 
proteolytifchen  Enzymen  durchaus  unverändert  gelaffen  werden. 
Auch  von  kaltem  oder  fiedendem  Waffer,  von  Alkohol,  Aether 
u.  dgl.  m.  werden  fie  in  keinerlei  Weife  angegiifien  und  auf 
Jod  reagiren  ße  nur  mit  Braunfärbung. 

A.  Derivate  der  Kohlehydrate,  welche  bei  der  Spaltung  redu- 
cirende  Subllanzen  (Zucker,  Glykofamin)  aber  keine  Amido- 
fäuren  liefern: 

Chitin  Odier. 

B.  Stoffe,  welche  bei  der  Spaltung  keine  reducirende  Sub- 
llanzen fondern  Amidofäuren  geben.  Bei  allen  beffer 
bekannten  Gliedern  diefer  Gruppe  kommen,  wie  auch  beim 
Chitin,  im  Molecül  auf  30  Kohlenftottatome  eine  beftimmte 
Anzahl  (9  oder  10)  von  Stickftotfatomen ,  und  das  Ver- 
hältniß  des  Sauerftoffs  zum  Walferftoff  macht  es  wahr- 
fcheinlich,  daß  auch  fie  Derivate  von  Kohlehydraten  find. 

Spongin  Staedder. 

Conchiolin  Fremy  (und  die  Byflusfubltanz  der  Bivalven?). 

CorneTn    Valencicnnes. 

Fibroi'n  Midder. 
III.  Clafre:  AlbuminoVde  Subftanzen.    Körper,  welche  lieb  in  ihren 
chemifchen   Eigenfchaften    fchon   mehr    den    Eiweißfubflunzen 
annähern,  doch  durch  das  Felden  dereinen  oder  aiid<rn  Eiweiß- 
reaction  von  den  AlbuTninnoffen  abweichen: 

Myelogene. 

Collagene. 


196  Grundzüge  einer  vergleichenden  [12 

Keratine    oder    erhärtete    Mucine    (nach   Ausfchluß    der 

Hyalogene  und  Hyaline). 
Elaftine. 
IV.  ClalTe:  Aechte  Eiweißfloffe,  welche  bei  BS'^— 40«  C.  durch 
Pepfm  in  falzfauren  FlüITigkeiten  (0,1 — 0,2  *^/o  Cl  H)  wie  durch 
Trypßn  bei  neutraler  oder  alkahfcher  Reaction  (l,0*^/o  CO3  Nag) 
des  Verdauungsgemifches  leicht  und  gleich  gut  verdaut 
werden. 


I.  Die  Kohlehydrate. 

Das  Tunicin  Berthelot' ^^%  die  thierifche  Cellulofe  Loewig's  und 
^Tunicin.  KölUker's  wurde  bereits  1845  von  C.  Schmidt  als  ein  Jftickflofffreier 
Gewebsbeftandtheil  bei  Phallusia  mammillata  erkannt  und  mit 
der  Subftanz  der  Pflanzenzellmembran  verghchen.  Loewig  und 
KöUiJcer  wiefen  darauf  durch  chemifche  und  mikrofkopifche  Unter- 
fuchungen  das  Tunicin  bei  einer  großen  Anzahl  von  Tunicaten 
(5  verfchiedene  Species  von  Phallusia,  Clavelina  lepadiformis, 
3  Species  von  Cynthia,  Diazona  violacea,  Botryllus  poly- 
cyclus  und  violaceus,  Didemnum  candidum,  Aplidium 
gibbulosum,  Pyrosoma  giganteum,  Salpa  niaxima  und 
bicaudata)  nach,  vermißten  es  aber  bei  den  erfl  fpäter  damit 
vereinigten  Formen  der  AppendicuUaria  und  Pelonaea.  Payen 
beobachtete  feine  Löslichkeit  in  concentrirter  Schwefelfäure  und 
die  Blaufärbung  durch  Jod-Schwefelfäm-e,  und  Schacht  wie  0.  Hertivig 
conftatirten  durch  mikrochemifche  Reactionen  (befonders  durch  das 
Verhalten  des  Tunicins  gegen  Jod-Schwefelfäure),  daß  der  fog. 
Cellulofemantel  der  Tunicaten,  Jftreng  genommen,  nur  die  Tunica 
externa  (Cuticula)  desfelben  ijft,  daß  aber  auch  im  Innern  des 
Tunicatenkörpers  ein  Bindegewebe  vorkommen  kann,  welches  die 
Cellulofereactionen  des  Mantels  zeigt,  fo  z.  B.  am  Muskelfchlauche 
und  am  Darme  von  Cynthia  mytiligera. 


I 


13]  Phyßologie  der  thienfchen  Gerüftfubftanzen.  197 

Die  Verfuche,  das  Tunicin  bei  PoljT^en  und  Acalephen  zu 
entdecken,  blieben  erfolglos,  und  obfchon  die  orgauifche  Grund- 
lage der  Ectocyfte  bei  Bryozoen,  welche  mit  den  Tunicaten  zu  der 
ClalTe  der  Molluskoide  vereinigt  wurden,  gleichfalls  refiftent  gegen 
fiedende  Kalilauge  vne  auch  gegen  ftarke,  kalt  angewandte  Säuren 
(mit  Ausnahme  der  concentrirten  Schwefelfäure,  welche  löfend 
^\irkt)  ift,  fo  zeigte  mir  doch  diefelbe  (auch  nach  Behandlung  mit 
concentrh-ter  Salzfäure  und  Salpeterfäure  oder  nach  dem  Kochen 
mit  KaHlauge)  Aveder  bei  Bugula  plumosa  und  B.  neritina, 
noch  bei  Flu  st  ra  papyrea  die  Jod-Schwefeiräure-  oder  die  Chlor- 
zink-Jodreaction,  fondern  färbte  fich  mit  den  Reagentien  im  günftig- 
ften  Falle  nur  ähnlich  dem  Choleflearin  ^^). 

Das  zu  den  Analyfen  verwandte  Tunicin  wurde  meift  diu-ch 
Auskochen  der  Tunicatenmäntel  zuerft  mit  einer  ISIineralfäure  und 
darauf  mit  Kalilauge  gewonnen;  Schaefer  kochte  zur  Darflellung 
desfelben  Tunicatenmäntel  einen  Tag  lang  im  Pcqnn' [chen  Topfe 
mit  WafTer,  hierauf  längere  Zeit  mit  verdünnter  Salzfäure,  dann 
mit  conccntrirter  Kalilauge  und  laugte  fie'  fchheßlich  mit  WalTer 
vollftändig  aus. 

Das  Tunicin  ftimmt  in  feinen  wefentlichen  Eigenfchaften  und 
Reactionen  mit  dem  Holzftoffe  (Lignin)  der  Gewäclife  überein. 
Es  bildet  eine  durchfcheinende  weiße,  in  dünnen  Schichten  felbft 
durchfichtige,  papierähnHche  Maffe,  welche  die  Form  der  Cuticula 
beibehalten  hat.  Es  löft  fich  in  Kupferoxydammoniak,  und  Säuren 
fällen  es  aus  diefer  Löfung  flockig  nieder,  welches  W-rhalten  von 
Franchimont  auch  zur  Reinigung  benutzt  wurde;  durch  längere 
Einwirkung  von  Schwefelfäure  entfteht  daraus  ein  gährungsfähiger, 
rechtsdrehender,  kryftallinrbanr  Zucker,  mit  Glykofe  wahrfdieinlich 
idontifcb  (Franchimont),  und  rauchende  Sali)eterfäure  verwandelt 
das  Tunicin  in  ein  Nitro] )roduct,  wclclies  in  alkolioliCchem  yVcther 
klar  löslich  ift,  beim  Verdunften  der  Löfung  eine  collodiuiniilinlicihü 
Haut  hinU;rläßt  und  beim  Erhitzen  verpufft.     Mit  Jod  iiii'l  wwcn- 


198 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[14 


trirter  Schwefelfäure  Towie  mit  Chlorzink-Jod  färbt  fich  das  Tuni- 
cin  blau,  und  es  wird,  wie  ich  zeigte,  weder  von  Diaftafe,  noch 
von  Pepfin  oder  Trypiin  unter  den  günftigften  Verfuchsbedingungen 
irgendwie  angegriffen.  Nach  Berthelot  unterfcheidet  lieh  das  Tunicin 
durch  feine  Reßllenz  gegen  Säuren  von  den  vegetabilifchen  Cellu- 
lofen,  auch  foll  es  nicht  wie  letztere  durch  Fluorborgas  in  der 
Kälte  verkohlt  werden;  m  der  procentifchen  Zufammenfetzung  ftimmt 
es  jedoch  mit  der  Pflanzencellulofe  überein,  wie  folgende  Analyfen 
lehren : 


Berechnet 


Gefunden  bei 


Phallusia  mam- 
millata 
(C.Schmidt)     (Loewig)       (Loewig)      (Berthelot) 


Cynthia  papulosa 


Ciona 

i  n  t  e  st  i  - 

nalis 

(Payen) 


Pyrosoma 
atlanti- 

cum 
(Schaefer) 


Hic 


44.44 

6.17 

49.39 


45.38 
6.47 

(48.15) 


43.40 

5.68 

(50.92) 


43.20 

6.16 

(50.64) 


44.6 
6.1 

(49.3) 


44.5 
6.4 

(49.1) 


44.09 
6.30 

(49.61) 


Ueber  die  Bildung  des  Tunicins  im  Organismus  der  Tunicaten  ifl 
nur  Hiftiologifches  ermittelt.  «Der  Cellulofemantel»,  fagtO.  Hertwig, 
«ift  keine  perfiftente  Eihaut.  Er  entlieht  nicht  aus  den  Tefta- 
zellen,  fondern  zunächfl  als  Cuticularbildung  von  den  Epidermis- 
zellen  aus.  Diefes  Stadium  findet  fich  dauernd  erhalten  im  Mantel 
von  Doliolum  und  Appendicularia,  in  welchem  fich  keine 
Formelemente  vorfinden.  Später  wandern  bei  den  Ascidien  Epi- 
dermiszeUen  in  den  Mantel  ein  und  bilden  feine  urfprünglicliften 
und  auf  einem  gewilTen  Stadium  allen  Ascidienarten  in  derfelben 
Form  zukommenden  zelligen  Elemente.  Die  urfprüngliche  Cuti- 
cularfchicht  der  Epidermis  verwandelt  fich  alfo  fpäter  durch  Zellen- 
einwanderung in  wirkliche  cellulofe  Bindefubjftanz. » 


15]  Phyfiologie  der  thierilchen  Gerüftful)ftanzen.  199 

II.  Die  Skeletine. 

Das  Chitin  ^^)  befitzt  wohl  unter  allen  thierifchen  Gerüftfub- 
ftanzen  die  intereirantefle  Gefchichte.  Bereits  1823  von  0dl er  ent-  ^^'^■ 
deckt,  in  Folge  eines  leicht  erklärlichen  Irrthmns  aber  für  ftick- 
ftoÖYrei  gehalten,  wurde  es  erft  wieder  im  Jahr  1843  von  LalTaiync, 
der  es  im  Seidenwm-me  auffand  und  als  ftickftofflialtig  erkannte, 
zmn  Gegenftande  der  Unterfuchung  gemacht.  Von  diefer  Zeit  ab 
wird  der  Stickitoffgehalt  des  Chitins  durchgehend  aber  weit  zu 
lioch  (von  Fayen  zu  8,93 — 9,05^/0,  von  Childrcn  und  Baniell  zu 
10,29 ^/o)  angegeben,  und  andererfeits  wu'd  auch  von  angefehenen 
Forfchern  noch  angenommen,  daß  das  Chitin  ftickitofffrei  (Fremy) 
oder  nur  eine  Verbindung  von  thierifcher  Cellulofe  und  einer 
albuminoiden  Materie  fei  (Felujot).  Die  Widerfprüche  verfchwanden 
indeß  bald,  als  C.  Schmidt  und  C.  G.  Lekmann  das  Chitin  analyfu-t 
hatten  und  zu  Werthen  gelangt  waren,  welche  fich,  wie  wir  jetzt, 
Dank  den  unermüdlichen  Arbeiten  von  Ledderhofe  und  Sundwih 
zu  urtheilen  berechtigt  lind,  von  der  Wahrheit  nicht  fehr  weit 
entfernen.  Nur  in  einer  incorrccten  Wiedergabe  des  feftgeJftellten 
Thatbeftandes  hegt  es  begründet,  wenn  Claude  Bernard ^■')  noch 
vor  wenigen  Jahren  bemerkte,  daß  die  Cruftaceen  mit  Holz  ge- 
panzert feien. 

Das  Chitin  ift  die  einzige  Gerüftfubftanz  aller  Arthropoden;  . 
bei  Repräfentanten  zahlreicher  Infectenordnungen,  bei  vielen  Crufta- 
ceen und  Arachnoiden  ift  es  nachgewiefen ,  und  auch  bei  den 
Myriopoden  verdanken  das  Außenfkelct,  welclies  zugleicli  das  ganze 
Darmrolir  auskleidet,  wie  die  inneren  derberen  Gewebslamellen 
(Apodemen  oder  Sehnen)  ihre  Widcrftandsfäliigkeit  uikI  I'ilafticität 
au.sfchließUcli  dem  Chitin.  Eine;  anahtgt-  Dillcn-nz  wie  hei  den 
Wirljcltliicren ,  wo  die  äußere  Dcckfchicht  aus  Kei-atin,  das  Bin- 
nenfkelet  aus  Collagen  gebildet  ift.,  giebt  es  bei  den  Ai'throjjoden 
nicht;  felljft  die  Scheiden  der  Nervei ifa fern,  welche  bei  den  Wirbel- 
thieren  aus  Neurokeratin  beftehcn,  lind  na<li  A'/taWs  und  Kühne» 


200  Grundzüge  einer  vergleichenden  [16 

Verfuchen  ^^]  an  den  Itarken  Nervenfafern  im  Bauchmarke  des  Fluß- 
krebfes  aller  Wahrfcheinlichkeit  nach  chitinöfer  Natur. 

Seitdem  Bud.  Leuckart^'^)  1852  das  Thierreich  auf  Cliitin 
durchmuflert  hat,  ilt  das  Vorkommen  des  Chitins  auch  bei  Thieren 
aus  anderen  als  den  4  im  Arthropodentypus  vereinigten  ClafTen  wieder- 
holt behauptet,  doch  nicht  einwurfsfrei  bewiefen  worden.  Erlt  ganz 
kürzHch  wurde  auf  elementaranalytifchem  Wege  fowie  durch  Reac- 
tionen  und  durch  das  Studium  der  Zerfetzungsproducte  endgültig 
entfchieden,  daß  die  Rückenfchulpen  vonLoligo  vulgaris  und  die 
fog.  Sepienknochen  achtes  Chitin  und  zwar  fehr  reichlich  enthalten, 
daß  ßch  diefes  daraus  leicht  und  abfolut  rein  darftellen  läßt.  Ein 
gleicher  Befund  ergab  fich  weiterhin  auch  für  Lingula  anatina, 
in  deren  Schalen  Hilger  1867  leltfamerweife  kein  Chitin,  wohl  aber 
fog.  Chondrogen  nachzuweifen  vermochte,  während  Schmiedeherg 
1882  richtig  angab,  daß  die  durch  Salzfäure  und  Kalilauge 
gereinigte  organifche  Subftanz  der  Schalen  von  Lingula  anatina 
keine  Spur  von  Biuret-  oder  anderen  Albuminoidreactionen  gebe, 
aber  alle  Eigenfchaften  und  Reactionen  des  Chitins  belitze.  Nach 
abwechfelnder  Behandlung  mit  verdünnter  kalter  Salzfäure  und 
Kalilauge  hinterlallen  fowohl  der  Stiel  als  auch  die  Schalen  von 
Lingula  verhältnißmäßig  reichliche  Mengen  von  Chitin,  welches 
nur  in  den  Schalen  von  einem  gegen  Kalilauge  ebenfo  unlös- 
lichen Körper,  wahrfcheinlich  von  Conchiolin  begleitet  wird,  während 
eine  folche  Beimengung  in  den  Stielen  voUfländig  fehlt.  Weiteres 
ilt  über  die  Verbreitung  des  Chitins  außerhalb  des  Arthropoden- 
typus zm^  Zeit  noch  nicht  ermittelt. 

Die  Sepienrückenfchilder,  welche  jederzeit  und  überall  in  be- 
liebiger Menge  zu  erhalten  lind  und  nicht  wie  die  Panzer  der  Krebfe 
oder  die  Flügeldecken  der  Käfer  von  fchwer  zu  befeitigenden 
Einlagerungen  von  Farbftoffen  und  deren  ebenfo  widerftandsfähigen 
Umwandlungsproducten  erfüllt  ßnd,  eignen  lieh  jedenfalls  am 
Beften  zur  Reindarftellung  des  Chitins.     Die  Organe  werden  nach- 


17]  Phyüologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  201 

einander  mit  kalter  verdünnter  Salzfäure  ausgezogen  und  mit 
Kalilauge,  Alkohol  und  Aether  ausgekocht;  zur  vöHigen  Entfernung 
der  anorganifehen  Bellandtheile  kann  man  das  Chitin  noch  in 
concentrirter  Salzfäm-e  löfen  und  durch  Waflerzufatz  wiederum 
ausfällen. 

Das  Chitin  ift  eine  amorphe,  fchneeweißc  Maffe,  welche  die 
Form  der  Organe,  welchen  es  entflammt,  beibehalten  hat,  mehr 
oder  weniger  dm-chfcheinend  ift  und  beim  Erhitzen  verkohlt  ohne 
zu  fchmelzen.  Laugen  verändern  es  felbft  nach  anhaltendem 
Kochen  nicht,  concentrirte  Schwefelfäure  wie  concentrirte  Salzfäure 
lüfen  es  fchon  in  der  Kälte,  anfangs,  wie  Emmerling  bewies,  ohne 
Zerfetzung.  Beim  Eindampfen  mit  concentrirter  Salzfäm-c  Hefert 
das  Chitin  neben  humusartigen  Maffen  Elligfäm-e,  Butterfäure  und 
als  allein  ficheres  primäres  Produet  ca.  90°/o  falzfaures  Glykofamin, 
welche  Menge  70 — 75 ''/o  freien  Glykofamins  entfprechen  würde. 
Aehnhch  fcheint  auch  die  Umfetzung  des  Chitins  beim  Kochen 
mit  verdünnter  Schwefelfäure  zu  verlaufen,  während  es  mit  Salpeter- 
Täure  einen  im  Waffer  unlöshchen,  nicht  beim  Schlag,  wohl  aber 
beim  Erhitzen,  getrocknet  manchmal  unter  112''  C.  explodirbaren 
Salpeterräureäther  liefert  (Sundivik).  Schmelzendes  Kali  verwandelt 
das  Chitin  in  Ammoniak,  Efligfäure,  Butterfäure  und  Oxalfäure, 

Das  wichtigfte  Spaltungsproduct  des  Chitins  ift  zweifellos  das 
falzfaure  Glykofamin  (C6Hi3N05,HCl).  Dasfelbe  bildet  farb- 
lofe,  harte,  glasglänzende,  monofymmetrifche  Kryftalle,  die  fich  bei 
100 '^  C.  nicht  zerfetzen,  in  Walfer  leicht,  in  Alkohol  fehr  fchwer 
und  in  Aether  ganz  unlöslich  find;  es  fchmeckt  anfangs  füß,  bc- 
litzt  aber  einen  bittern,  falzigen  Nachgefchmack,  ift  rticlitsdrehcnd, 
reducirt  7'V'///m//'fche  Löfung  ebenfo  ftark  als  Traubenzucker,  bei 
Einwirkung  von  concentrirter  Natronlauge  entftelit  daraus  Milcli- 
fäure  und  Brenzkatechin,  und  feine  wälfrigen  I.öfungcn  werden 
durch  Fermente  nicht  in  Gälirung  verfetzt.  Durch  Einwirkung 
äquivalenter  Mengen  von  fali)eterfaurem  oder  fchwcfclfaurem  Silber 

KrukcnhcTfi,  Vergl.-phyflol.  VorlnlKf.  "* 


202  Grundzüge  einer  vergleichenden  [18 

ßnd  aus  der  falzfauren  Verbindung  leicht  das  falpeterfaure  und 
fchwefelfaure  Salz  darzuffcellen,  das  freie  Glykofamin  (CgHiiOg-NHa) 
ift  aber  im  kryftalliürten  Zuftande  noch  nicht  ficher  zu  erhalten 
gewefen.  Ledderhofe,  dem  wir  diefe  werthvoUen  Auffchlüffe  über 
das  falzfaure  Glykofamin  verdanken,  hat  weiterhin  gezeigt,  daß 
beim  Erwärmen  von  falzfaurem  Glykofamin  mit  Silber  refp.  Kalium- 
nitrit Stickftoff  entwickelt  wird,  und  hat  durch  MelTen  des  bei 
diefer  Reaction  gebildeten  Stickftoffs  feftgeftellt,  daß  die  Zerfetzung 
nach  folgender  Gleichung  verläuft: 

C6Hii05NH2,HCl  +  KNO2  =  CeHi^Oe  +  N^  +  H^O  +  KCl. 
Er  hat  den  dabei  entgehenden,  vorausßchtlich  nach  der  Formel 
CgHigOe  zufammengefetzten,  zuckerartigen  Körper  nur  in  Form 
eines  Syrups  erhalten  und  nachgewiefen ,  daß  derfelbe  die  Ebene 
des  polarifirten  Lichtfbrahles  nach  rechts  dreht,  auf  FeJiling' ^che 
Löfung  reducirend  einwirkt,  aber  durch  Hefe  ebenfowenig  wie  das 
falzfaure  Glykofamin  in  Gährung  verfetzt  werden  kann.  Tiemann 
erhielt  aus  dem  falzfauren  Glykofamin  durch  Einwirkung  von 
Salpeterfäure  eine  weiße,  zähe  Mafle  vom  Ausfehen  des  Traganth- 
gummis,  welche  in  Waller  gelöft  und  mit  Calciumcarbonat  gefällt 
das  Calciumfalz  der  Ifozuckerfäure  (CgHgOgCa)  gab,  welches 
durch  Verfetzen  feiner  wälTrigen  Löfung  mit  der  genau  äquivalenten 
Oxalfäuremenge  und  Eindampfen  der  vom  Calciumoxalat  abfiltrirten 
FlüIIigkeit  die  freie  Säure  (CgHioOg)  in  fchönen,  weißen,  rhom- 
bifchen  Kryffcallen  heferte.  Von  derfelben  wurden  die  Baryum- 
(CgllgBaOg),  die  Kupfer-  (CgHgCuOg)  und  die  Silberverbindung 
(CßHgAgaOg)  analyürt  und  feftgeftellt,  daß  beim  Erhitzen  derfelben 
weit  über  ihren  Schmelzpunkt  (bei  185*^  C.)  hinaus  Kohlenfäure 
und  WalTer  abgefpalten  werden  und  reichlich  Brenzfchleimfäure 
(C5H4O3)  fubhmirt;  auch  wurde  durch  Behandeln  des  in  Alkohol 
vertheilten  ifozuckerfam^en  Calciums  mit  Salzfäm-egas  der  ifozucker- 
fäure Aethyläther  (C4Hg04.2C02C2H5)  gewonnen. 


19] 


Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen. 


203 


Analyfen   des  Chitins   aus: 

^ 

.f 

Arthropoden 

Cephalopoden 

£  's- 

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ö 

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Ss'e 

iZ  s*^ 

"(5  >  fco 

0     -- 

CO 

C,5 

45.69 

^60 

46.75 

46.66 

46.73 

46.32 

45.69 

46.03 

46.78 

46.14 

46.30 

46.57 

H26 

6.60 

Hioo 

6.50 

6.60 

6.49 

6.40 

6.42 

6.26        6.42 

6.53 

6.42 

6.39 

N, 

7.10 

Ns 

7.27 

6.53 

6.59 

6.14 

7.00 

7  r.r}{BÜtJchU) 

'•""17.02  (Em- 

1  merling) 

6.81 

7.35 

7.37 

0,0 

40.61 

038 

39.48 

(40.21) 

(40.19) 

(41.14) 

(40.89) 

(40.71) 

(40.52) 

(39.93)|  (39.67) 

Die  Refultate  der  \Tielen  Elementaranatyfen ,  welche  über  das 
Chitin  voriiegen,  und  von  denen  die  zuverläffigllen  oben  zufammen- 
geftellt  find,  fo\A'ie  die  befprochenen  Zerfetzungsweifen  desfelben 
haben  eine  rationelle  oder  auch  nur  eine  empirifche  Formel  dem 
Chitin  noch  nicht  gefiebert.  Ledderhofe,  welcher  die  Efiigfäure  als 
gleichzeitig  mit  dem  Glykofamin  entfl;anden  und  als  direct  aus 
dem  Chitin  hervorgegangen  anficht,  nimmt  für  das  Chitin  die 
Formel:  Ci5H^,jN20io  an  und  drückt  die  Bildung  des  falzf-iuren 
Glykoiamins  durch  l^eiltehende  Gleichung  aus: 

2C,,H,„N,Oio  +  6H2O  =  4C,H,3NO,  +  3C,H,0.,. 

SimdniJi  faßt  dagegen  als  primäres  Spaltungsproduct  des 
Chitins  nur  das  Glykofamin,  beziehungsweife  die  Glykofe  auf,  welche 
letztere  bei  dem  Procefle  weiterhin  in  die  ftets  zu  beobachtenden 
humusartigen  Maffcn,  in  Efiigfäure  und  Butterfäure  zerfallen  foU. 
Er  giebt  dem  Chitin  die  allgemeine  Formel:  CijoHnjoNgOag -[- nHgO, 
in  welcher  n  zwifchen  1  und  4  variiren  kann,  und  findet  eine 
Stütze  für  feine  Anficht  darin,  daß  die  verfchiedenen  Chitinanalyfen 
zwar  nicht  untereinander,  aber  fi;ets  mit  der  Zufammenfetzung 
eines  der  nach  diefer  Formel  mögliclien  Hydrate  ülx'reinfiimmen. 
Lcddcrfiofe  z.  B.,  der  bei  110"— 120'^  C  <las  Chitin  trocknete, 
fand  bei  feinen  Analyfen  eine  Gruppe  von  Piilparaten,  welche 
45,04— 45, 10°/o  C  enthielten,  und  euie  andere  mit  45,82— 4(),18"/o, 

15* 


204  Grundzüge  einer  vergleichenden  [20 

aber  keine  mit  dazwirchen  liegenden  "Werthen  und  flets  einen  viel 
geringeren  KohlenJftoffgehalt  als  Sundwih,  der  das  Chitin  bei  132  bis 
135  <*  C.  getrocknet  und  im  Mittel  von  9  Analyfen  46,78  ^'/o  C, 
erhalten  hat.  Nach  Sundicih  gefchieht  die  Spaltung  des  Chitins 
nach  folgender  Gleichung: 

CeoHiooNgOss  +  14  H,0  =  8  C6H,3N05+  2C,-R,,0,, 
und  er  denkt  fich  das  Chitin  als  Amin  aus  einem  Kohlehydrate 
CßoHiooOgo  dmxh  Aufnahme  von  8NH2  in  folgender  Weife  entftanden: 
C60H100N50  +  8NH3  =  CeoH,ooN8038  +  12H,0. 
Das  ganze  Exofkelet  der  Arthropoden  wird  von  den  darunter 
hegenden  Zellen  erzeugt,  entweder  indem  diefe  die  Chitinfubftanz 
ausfchwitzen,  die  dann  erhärtet  oder,  was  Huxley^^)  fpeciell  für  die 
Krebfe  wahrfcheinhcher  ift,  durch  chemifche  Metamorphofe  der 
oberflächhchen  Zone  der  Zellkörper  zu  Chitin.  Wie  es  fich  jedoch 
auch  damit  verhalten  mag,  jedenfalls  bilden  die  Cuticulargebilde 
anhegender  Zellen  zuerft  ein  einfaches,  zufammenhängendes  dünnes 
Häutchen.  Durch  Wiederholung  des  ProcelTes,  dm^ch  den  diefes 
entftanden  ift,  nimmt  die  Dicke  der  Cuticula  zu.  Das  fo  an  der 
Innenfläche  der  letztern  hinzukommende  Material  hat  aber  nicht 
immer  die  gleiche  Befchaffenheit,  fondern  ift  abwechfelnd  dichter 
und  weicher.  Das  dichtere  Material  bildet  die  -zähen  Blätter,  das 
weichere  die  durchfichtigere  Zwifchenfubftanz.  Die  Menge  der 
letztern  ift  anfangs  fehr  gering ;  daher  hegen  die  äußeren 
Blätter  fehr  dicht  auf  einander.  Später  nimmt  die  Menge  der 
Zwifchenfubftanz  zu,  und  fo  entfteht  die  dicke  Schichtung  in  der 
mittlem  Region  des  Exofkelets,  während  fie  in  der  Innern  unbe- 
deutend bleibt. 
spongin.  ^as  Homfafergerüft  der  Spongien  ^^)  fcheint  aus  zwei  chemifch 

verfchiedenartigen  Subftanzen  zu  beftehen,  wenigftens  wh'd  die 
zartflockige,  gleichfam  verfilzte  Materie,  welche  die  Hornfäden 
überzieht,  von  5°/oiger  Natronlauge  ziemhch  rafch  unter  Am- 
moniakentwicklung gelöfl,   während  die   Fäden  felbft  dabei  nicht 


21]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüllfubftanzen.  205 

bemerklich  angegriffen  -werden  (Stacdder).  Kupferoxyd -Am- 
moniak vernichtet  an  den  20 — 30  Stunden  lang  zuvor  mit  Natron- 
lauge digerirten  Fäden  die  Elafticität  und  macht  lie  brüchiger, 
indem  nm-  eme  Spur  organifcher  Materie  ausgezogen  wird;  ohne 
vorausgegangene  Behandlung  mit  Natronlauge  ibllen  dagegen  die 
Fäden  durch  das  Reagens  von  außen  ftark  angegriffen  werden. 

Das  mit  verdünnter  Salzfäure  und  5°/oiger,  kalter  Natronlauge 
ausgezogene  Schwammgerült ,  das  Spongin  Sfaedelcr's,  MÖi-d  von 
verdünnter  kalter  Natronlauge  nicht  wefentüch  oder  doch  nur  fehr 
langfam  gelöft,  leicht  aber,  wenn  es  damit  gekocht  wird.  Concen- 
trirte  Schwefelfäm-e  löft  es  unter  fchwacher  Braunfärbung  fchon 
bei  gehndem  Erwärmen  rafch  auf;  bei  zehnflündigem  Kochen  mit 
der  verdünnten  Säure  (1:4)  wird  eine  geringe  Ammoniakentwick- 
lung wahrgenommen  und  Leucin,  Glycin,  aber  kein  T^ToIin  erhalten. 
Concentrirte  Salzfäure  und  Salpeterfäure  von  1,3  fpec.  Gew.  löfen 
das  Spongin  ebenfalls  beim  Kochen,  und  in  beiden  Fällen  erhält 
man  anfangs  farblofe  Löfungen.  Das  Spongin  giebt  nicht  die 
3Iülo)i' [che  Reaction,  färbt  concentrirte  Salzfäure  beim  Kochen  in 
keiner  Periode  blau  oder  violett  und  zerfetzt  fich  beim  Erhitzen, 
ohne  vorher  zu  erweichen  oder  klebrig  zu  werden  (Po/TcU). 

Als  Fo/fdt  und  Croocheivit  ihre  Analyfen  des  Badefchwammes 
ausführten,  war  das  differente  Verlialten  der  organifchen  Schwamm- 
fubftanz,  welche  Behandlung  mit  kalter,  verdünnter  Salzfäure, 
Aether,  Alkohol  und  Waffer  zurückläßt  und  worauf  fich  ilu'  Reini- 
gungsverfahren })efchränkte,  noch  unbekannt,  und  ihre  Ergcbniffe 
find  fclion  deshall)  unzureichende  geworden.  Die  Verfuchsreilien 
beider  Forfcher  weichen  in  iliren  Refultaten,  welche  icli  deshalb 
aucli  hier  mitgetheilt  habe,  nur  unbeträchtHch  von  einander  al), 
wenn  fclion  die  aus  den  Analyfen  berechneten  Formehi  zweifellos 
unrichtige  find,  und  die  ZufannnenCctzung  des  Spongins  vorau.s- 
ficlitUcli  auch  wie  die  des  Chitins,  Conchiolins  und  Corneins  auf 
30  Kohlenftoff  im  Molecül  hinausgehen  winl.     RcHlucircn  wir  die 


206 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[22 


aus  den  Analyren  für  das  Spongin  berechneten  Zahlen  auf  30 
Kohlenftoffatome  im  Molecül,  fo  erhalten  wir  für  diefes  die  Formel: 
C30H46N9O13,  welche  mit  den  Befunden  weit  belTer  übereinftimmt  als 
die  von  FofCelt  berechnete  Zufammenfetzung  (C48H7gNi3022)  oder  als 
die  von  CroocJceivit  ad  hoc  angenommene  Miilder^che  Fibroinformel. 
Analyfen  der  Spongins, 


Be- 
rechnet 

Gefunden 

(PoßeltJ 

fCrooclceivitJ 

C30 

48.65 

48.75 

49.11 

48.74 

47.14 

48.01 

46.91 

47.20 

47.28 

H46 

6.22 

6.35 

6.25 

6.27 

6.34 

6.35 

6.35 

6.51 

6.33 

N, 

17.02 

16.4 

15.9 

16.40 

16.33 

16.07 

Oi3 

28.11 

(28.50) 

(28.74) 

(28.59) 

(30.32) 

(29.44) 

(30.54) 

(30.09) 

(30.19) 

Das  Conchiolin^*'),  welchen  Namen  1855  Fremy  dem  in  ver- 
conchioiin.  dünuter,  kalter  Salzfäure  unlöslichen  organifchen  Beftandtheile  der 
Mufchelfchalen  beilegte,  war  kurz  zuvor  von  KoR  für  identifch 
mit  dem  Chitin  erklärt,  fpäter  von  Schloßherger  wieder  als  ein  Körper 
sui  generis  angefprochen  und  in  jüngfter  Zeit  von  Schmiedeherg 
als  eine  albuminoide  Subftanz  bezeichnet.  Jetzt,  wo  der  in  Frage 
kommende  Körper  aus  den  Eierhüllen  der  Muriciden  in  großer 
Menge  rein  zu  gewinnen  war,  läßt  lieh  nachweifen,  daß  Schloß- 
lerger's  Arbeit  allein  Werth  befitzt,  und  auch  die  von  ihm  mitge- 
theilte  Analyfe  der  nach  dem  Entkalken  der  Auflernfchalen  und 
Auskochen  des  organifchen  Rückffcandes  mit  Kalilauge  erhaltenen 
braunen  Membranen  ftimmt  gut  zu  den  Procentzahlen,  welche  fich 
für  das  Conchioiin  der  Eikapfeln  ergeben  haben. 

Das  Conchioiin  fcheint  in  den  Lingulafchalen  das  Chitin  zu 
begleiten,  in  den  Schalen  von  Mytilus  edulis  findet  fich  da- 
neben aber  kein  Chitin  vor  und  ein  fehr  fparfam  verwendeter 
Mucin-  oder  Hornftoff  hält  in  den  meilten  Eierballen  der  Profo- 
branchier  die  einzelnen  conchiolinöfen  Eikapfeln  unter  einander 
zufammen.  Außerhalb  des  Molluskentypus  ift  diefe  SubJftanz  bis- 
lang nicht  nachgewiefen  worden. 

Beim  Erhitzen    fchmilzt  das  Conchioiin,    bläht   fich   auf  und 


23]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubllanzen.  207 

hinterläßt  eine  fchwer  verbrennliche  Kohle.  Es  wiixl  von  über- 
hitztem WalTer  nicht  gelöft  (Schloßbcryer),  in  der  Kälte  durch 
concentrirte  Schwefelfäure ,  rauchende  Salpeterfäure ,  concentrirte 
Salzfäure,  Salpeterfäure  und  Kaliumchlorat  innerhalb  zwei  Tagen 
nicht  bemerkUch  verändert;  nur  concentrnte  Chromfäurelöfung 
greift  das  Conchiolin  Avälirend  diefer  Zeit  erüchtlich,  aber  auch 
nur  langfam  an.  Beim  Kochen  löft  es  lieh  in  concentrirter  Schwefel- 
fäure  «de  üi  Salpeterfäure  auf  Kahumchloratzufatz  fofort,  in  ver- 
dünnten Mineralfäuren,  rauchender  Salpeterfäure  und  concentrirter 
Salzfäure  aber  auch  erft  dann  alhiiähhg,  während  es  von  fiedender 
Effigräure  gar  nicht  angegriffen  wird.  Laugen  färben  es  fchon  in 
der  Kälte  citronengelb ,  verändern  es  äugen fcheinhch  jedoch  nicht 
weiter.  Wenn  fchon  anhaltendes  Sieden  mit  concentrirter  Kali- 
lauge (1:1)  das  Conchiolin  unter  Bräunung  nur  fchrumpfen  macht, 
fo  bin  ich  doch  der  Anficht,  daß  es  von  den  Laugen  nicht  ganz 
intact  gelaffen  wird,  und  befchränkte  mich  deshalb  auch  darauf, 
das  zu  den  Analyfen  verwandte  Material,  nachdem  es  durch  Salz- 
fäure entkalkt,  durcli  Pepfm-  und  Trypfinein Wirkung  von  den 
Eiweißkörpem  befreit  war,  nur  48  Stunden  mit  verdünnter  Natron- 
lauge zu  maceriren  und  nicht  mit  Kalilauge  auszukochen.  Die 
Widerftandsfähigkeit  des  Conchiolins  gegen  AlkaHen  fcheint  um 
ib  beträchthcher  zu  fein,  je  länger  dasfelbe  angebildet  war  oder, 
mit  anderen  Worten,  je  älter  es  ift.  Altes  Concliiolin  (und  ebenfo 
verhält  fich  auch  das  gleich  näher  zu  befprechende  Cornein)  zeigt 
eine  ähnUche  Verfärbung  als  die  ift,  welche  AlkaHen  an  völlig 
farl>lofen  und  reinen  Präparaten  hervorrufen;  diefer  gelbhche  oder 
bräunliche  Farbenton  fcheint  durch  kein  befonderes  Pigment  liedingt 
zu  fein,  fondern  dem  Conchiolin  wie  Cornein  als  folclien  anzuge- 
hören, wenn  gleich  derfelbe  letzterm  durch  kalte,  rauchende  Salpeter- 
fäure leicht  zu  benehmen  ift.  Zum  Untcrfchicde  hiervon  bietet 
<la.s  Chitin  in  allen  Vorkommniflen  die  gleiche  weiße  Farbe  dar, 
gewöhnlicl)  mir  imi)rägnirt  mit  fremdartigen  Pigmenten. 


208 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[24 


Beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelfäm-e  entfteht  aus  dem 
Conchiolin  Leucin,  niemals  Cornikryftallin ,  und  auch  Tyrolin, 
Glycin,  wie  ein  auf  alkalifche  Kupferfulfatlöfung  bei  Siedetemperatur 
desoxydirend  wirkender  Körper  lind  unter  den  Spaltungsproducten 
nicht  nachgewiefen ;  beim  Eindampfen  mit  concentrirter  Salzfäure 
bildet  lieh  aus  ihm  kein  Glykofamin,  fondern,  wie  es  fcheint, 
hauptfächlich  ebenfalls  nur  Leucin.  Das  Conchiolin  giebt  keine 
einzige  der  für  die  Eiweißftoffe  charakteriflifchen  Farbenreactionen ; 
es  röthet  ßch  nicht  beim  Kochen  mit  Mülon's  Reagens,  färbt  fich 
bei  der  Xanthoproteinreaction  auf  Ammoniakzufatz  nur  gelb  oder 
braungelb,  niemals  rothbraun,  und  concentrirte  Salzfäure  nimmt 
beim  Kochen  mit  Conchiolin  weder  eine  purpurne,  noch  eine 
violette  oder  blaue  Färbung  an;  ebenfo  verfagt  die  Reaction  von 
.  Adamkiewics ,  welche  allerdings  auch  nur  eine  befchränkte  Anzahl 
ächter  Eiweißftoffe  in  prägnanter  Weife  darbietet.  Höchffcens 
können  die  minimalen  Indolmengen,  welche  man  beün  Schmelzen 
des  möglichft  gereinigten  ConchioHns  mit  Kali  auftreten  fieht,  ver- 
muthen  lalTen,  daß  ein  allen  Eiweißkörpern  eigenthümlicher  Atom- 
complex  auch  im  ConchioHn  erhalten  blieb. 

Aus  beigefetzten  Analyfen  berechnet  lieh  für  das  Conchiohn 


die  Formel: 

C30H48 

Analyfen  des 

ConcMolins : 

Be- 
rechnet 

Gefunden  für 

die  Eierkapfeln  von 

die  brau- 

] 

Murex   truncu 
(Krukenberg 

.  Präparat 

lus 

) 

II.  Präparat 

Bucci- 

num  un- 

datnm 

(Kruken- 
berg) 

in  den 
Aufterfcha- 

len 

(Schloss- 

berqer) 

C30 

50.70 

6.76 

17.75 

24.79 

50.78 
6.71 

17.88 
(24.70) 

50.88 

6.81 

17.74 

(24.54) 

17.79 

51.22 
7.01 
17 

(23.78) 

51.00 
7.04 
.99 
(23.97) 

50.72 

6.82 

17.92 

(24.54) 

50.7 
6.5 
16—16.7 

(26.1) 

Ebenfo  wie  das  Spongin  ift  auch  der   in  fiedender  Kalilauge 
unlösliche  Theil  des  Secretes  der  bei    gewilTen  LameUibranchiaten 


25]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüllfubftanzen.  209 

ßch  findendeu  By ffusdrüfe -^ ) ,  welclier  bei  Pinna  nobilis, 
Dreissena  polymorpha  von  Schloßhcrgcr,  bei  Mytilus  gallo- 
provincialis  von  mir,  allerdings  nur  fehr  ungenügend  unterfucht 
wurde,  einer  weitern  Nachforfchung  in  hohem  Grade  bedürftig. 

Der  Byflus  wurde  von  Lavini  und  ScharUng  zu  den  Hornge- 
weben  geflellt,  von  LchcImH  für  Chitin  erklärt,  fein  in  fiedendor 
Kahlauge  unlöshcher  Beftandtheil  fcheint  mir  jedoch  die  nämUchen 
chemifchen  Eigenfchaften  wie  das  Conchiolin  zu  beiitzen;  er  verhält 
lieh  gegen  Säuren  und  Alkalien  ziemüch  genau  fo  wie  jenes,  und 
auch  die  Zerfetzungsproducte  find,  foviel  fich  eben  darüber  ausfagen 
läßt,  in  beiden  Fällen  die  gleichen.  Ich  würde  fogar  nicht  anftehen, 
beide  Subftanzen  für  identifch  zu  erklären,  wenn  nicht  die  Ana- 
lyfen  von  Schloßherger,  welchen  zu  mißtrauen  ich  keinen  Giiind 
kenne,  für  die  Byirusfubflanz  einen  weit  niedrigem  Stickftoflgehalt 
ergeben  hätten  als  für  das  Conchiolin.  Der  mechanifch,  dann 
durch  Auskochen  mit  Waffer,  Alkohol  und  verdünnter  Salzfäure 
gereinigte  Byffus  gab  13,5 — 13,9 °/o  Stickflotf,  während  die  nach 
vollkommener  Extraction  mit  kochender  Kalilauge  zurückbleibenden, 
gelbbraunen,  fehr  brüchigen  Bänder  nur  nocli  12,2 — 12,G'^/o  Stick- 
ftoff  enthielten. 

Da  eine  eingehendere  Arbeit  über  die  BylTusfubflanzen  l)evor- 
fteht,  fo  will  ich  mich  hier  des  Weiteren  darauf  befchränken,  von 
Schloßhergers  Befunden  am  Pinna-Bylfus  nur  noch  folgende  ber- 
vorzuheben:  Beim  Erhitzen  verkohlen  die  Byllüsfäden  ohne  zu 
fchmel/en,  mit  Beibehaltung  ihrer  Form  (wie  Cliitin).  Kalte  wie 
fiedende  EfTigfäure  lalTen  die  Fäden  unverfehrt  und  auch  mehrtägige 
Berührung  mit  feuchtem  Chlorkalk  verändert  deren  Structur  kaum. 
Nach  einer  Stunde  langem  Koclien  mit  Walfcr  unter  G  Atmo- 
ft)liärendruck  war  der  Byflüs  nur  etwas  brüchiger  geworden;  «die 
über  ihm  befindliche  Flüfligkeit  war  gelb,  leimte  und  gehitinirtc 
nicht,  gab  aber  mit  Gerbfäure  reicliHclie  Flocken», 

Das  Comein"),  die  Gerüllfubftaiiz   der  Gorgoiiiilm   iiikI  Aiiti-  «omnn. 


210 


Grundzüffe  einer  vers;leiehenden 


[26 


pathiden,  flimmt  in  den  meiften  Reactionen  mit  dem  Conchioliu 
überein:  eine  Aehnlichkeit ,  welche  bereits  Fremy  aufgefallen  war. 
Ebenfo  ift  feine  Reingewinnung  die  nämliche  wie  die  des  Conchio- 
lins;  doch  auf's  Beftimmtefte  unterfcheidet  fich  von  diefem  das 
Cornein  in  folgenden  Punkten:  Es  röthet  lieh,  ohne  aber  eine 
andere  Eiweißreaction  zu  geben,  beim  Kochen  mit  Mülons  Reagens, 
verhält  lieh  weniger  refiftent  als  das  Conchiolin  beim  Kochen  mit 
rauchender,  concentrirter  Salpeterfäure  wie  überhaupt  den  concen- 
trirten  Säuren  gegenüber,  entwickelt  mit  Kali  gefchmolzen  anfehn- 
liche  Mengen  von  Indol  und  liefert  beim  Kochen  mit  verdünnter 
Schwefelfäure  neben  Leucin  einen  in  dachziegelförmig  aufgebauten 
Plättchen  kryftalliürenden ,  äußerfl  hygrofkopifchen  Körper,  der 
nur  in  concentrhter  Schwefelfäure  als  unlöshch,  darin  aber  als 
jahrelang  haltbar  befunden  wurde,  das  Cornikryftallin.  Die  unten 
mitgetheilten  Analyfen  deuten  an,  daß  ßch  das  Cornein  zum 
Conchiolin  wie  die  Oxalfäure  zum  Aethylenalkohol  verhält,  indem 
an  Stelle  von  4  WalTerftoff  im  Conchiolin  2  Sauerftoff  getreten 
lind.  Während  Frhmj  die  Achfe  einer  unbeftimmten  Gorgonenfpecies 
aus  49,4  Kohlenftoff,  6,3  Wafferfloff,  16,8  Stickitoff  und  dement- 
fprechend  aus  27,5  Sauerftoff  beffcehend  fand,  ergab  mir  das 
nach  Art  meiner  Conchiolinpräparate  belTer  gereinigte  Cornein 
folgende  Werthe: 


Be- 
rechnet 

Gefunden  bei 

Rhipidogorgia 

Gorgonia 

Anti- 

flabellum 

verrucosa 

pathes 

C30 

48.78 

48.92 

48.96 

48.86          49.18 

48.86 

H44 

5.95 

5.68 

5.93 

5.80            5.83 

6.26 

N9 

17.07 

17.06 

16.76 

16.60 

0,3 

28.20 

(28.34) 

(28.05) 

(28.58)        (28.23) 

(28.28) 

Ueber  die  Genefe  der  Hornachfe  von  Gorgonia  verrucosa 
fowie  der  von  Antipathes  haben  die  Arbeiten  6r.  v.  Koch's^^) 
einen  werthvoUen  Auffchluß  ertheilt.  Nach  v.  Koch's  Unterfuchunffen 


27]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  211 

entlieht  das  Achfenfkelet  von  Gorgonia  verrucosa  nicht  durch 
Verhornung  der  Bindefubftanz  des  Cönenchyms,  fondern  es  ifl 
ein  Ausfcheidungsproduct  der  Achfenepithelzellen,  und  ebenfo  \\^rd 
auch  das  Binnenfkelet  bei  Antipathes  «von  einer  Zellfchicht 
(Achfenepithel)  ausgefchieden,  welche  ßch  innerhalb  der  dünneren 
ßindefubltanzlamelle ,  die  eine  Fortfetzung  der  Polypen  wand  ift, 
befindet  und  weder  mit  Ectoderm  noch  mit  Entoderm  in  Ver- 
bmdung  fleht». 

Noch  eine  Subllanz   bleibt  uns  zu  betrachten  übrig,    welche  'seriein!" 
lieh  den  bisher  abgehandelten  Skeletinen,  befonders  dem  Spongin, 
mit  welchem  fie  auch  von  Croockewit  identificirt   wurde,   in  ihren 
Eigenfchaften  und,  wie  wir  fogleich  erfahren  werden,  auch  in  ihrer 
cliemifchen  Zufammen fetzung  eng  anfchließt:  das  Fibroin^*). 

Die  theils  blinddarmähnlichen,  theils  baumartig  gelappten, 
wohl  auch  birnförmig  geftalteten  Spinndrüfen  oder  Sericterien, 
welche  einige  Abtheilungen  der  Arthropoden  auszeichnen,  fondern 
kurz  vor  der  Puppenperiode  oder,  was  nur  feiten  (z.  B.  bei  den 
Phryganeen)  vorkommt,  im  ganzen  Larvenlladium  eine  zähe  Flüflig- 
keit  ab,  welche  bei  ihrem  Hervortreten  aus  den  Secretgängen ,  zu 
einem  Faden  ausgezogen,  an  der  Luft  erftarrt.  Die  betreffenden 
Arthropoden  bereiten  fich  auf  diefe  Weife  Gefpinnfte,  welche  ihnen 
Schutz  gegen  feindliche  Eingriffe  gewähren,  ihnen  zum  Auskleiden 
von  Erdhöhlen,  zum  Aufbau  der  Gehäufe  dienen  oder,  wie  z.  B, 
die  fog.  Herbftfäden  den  Xyllicus-,  Pachygnatha-  und  Mi  er  j'- 
phanthus- Arten,  zur  fchnellen  Ortsbewegung  behülflich  find. 

In  diefem  Secrete,  von  welchem  z.  B.  die  Seidenraupen  im 
reifen  Zuftande  nach  Vi-ligot^-')  etwa  8-  lO'^/o  ihres  Gewichtes  ent- 
leeren, treffen  wir,  wenn  dasfelbe  feft  geworden  ift,  fowohl  bei 
Spinnen  wie  bei  den  Lepidopterenclnyfaliden  das  Fi))roiu  an ; 
daneben  findet  fich  der  fog.  Soidenleim ,  das  Sericin ,  auf  welches 
wir  fpäter  noch  zurückkommen  werden. 

Wird   li/jhfeide   nacheinander    mit    Wafier,    Alkoliol,    Aelher, 


212 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[28 


kalter  5^/oiger  Natronlauge  und  mit  Salzfäure  ausgelaugt,  darauf 
mit  WaJTer  ausgewafchen  oder  mit  WalTer  ftundenlang  auf  133*^  C. 
erhitzt  und  dann  mit  Aether  und  Alkohol  extrahirt,  fo  bleibt  das 
Fibroin  als  eine  farblofe,  der  entfchälten  Seide  ähnliche,  zu  zartem 
Pulver  zerreibliche  MalTe  zurück.  Dasfelbe  löft  fich  in  concentrirter 
Salz-  und  Schwefelfäure  rafch  fchon  in  der  Kälte  und  wird  in 
pulveriflrtem  Zuftande  auch  von  liedender  Effigfäure  (nach  mehr- 
ftündigem  Kochen),  fowie  von  concentrirter  Kalilauge,  von  Kupfer- 
oxyd- und  Nickeloxydulammoniak  aufgelöft;  Säuren  fällen  aus  den 
Metallfalzlöfungen  farblofe  Flocken,  welche  fleh  bei  Säureüberfchuß 
wieder  löfen.  Eiweißreactionen  foU  das  Fibroin  nicht  geben,  obfchon 
es,  mit  Barythydrat  auf  150^ — 180^  C.  erhitzt,  diefelben  Zerfetzungs- 
producte  wie  die  Eiweißkörper  hefert,  beim  Kochen  mit  verdünnter 
Schwefelfäure  Spuren  von  Ammoniak  entwickelt  und  in  Leucin, 
Tyrofin  und  Glykocoll  zerfällt.  Gramer  nahm  für  das  Fibroin  die 
Formel:  C3oH4eNioOi2  an,  welche  fleh  meines  Erachtens  nur  wenig 
Von  der  Wahrheit  entfernen  kann,  und  der,  wie  beiftehende  Tabelle 
zeigt,  die  belferen  Analyfen  auch  annähernd  entfprechen. 


Analyfen  des  Fibroms 

! 

a> 

Gefunden 

nach 
Cramer 

"3 
tu 

S 

(Mulder) 

(Staede- 
ler) 

(Cramer) 

(Vogel  jr.) 

(Bolley) 

C30 

48.77 

47.83 

48.60 

48.39 

48.06 

49.99 

47.08 

48.50 

H46 

6.24 

6.54 

6.40 

6.51 

6.02 

6.88 

7.20 

6.58 

N10 

18.97 

17.36 

18.89 

18.40 

18.21 

19.03 

17.70 

18.89 

Ol. 

26.02 

(28.27) 

(26.11) 

(26.70) 

(27.71) 

(24.10) 

(27.02) 

(26.03) 

Wir  wilTen  von  einer  ganzen  Reihe  thierifcher  Gerüftfubftanzen, 
daß  fie  fleh  im  Jugendzuftande  gegen  chemifche  Einwirkungen, 
ja  felblt  in  ihrer  chemifchen  Zufammenfetzung  anders  verhalten 
als  im  Alter.  So  erfuhren  wir  bereits,  daß  fowohl  beim  Cornein 
wie  beim  Conchiolin  (und  dasfelbe  gilt  auch  für  die  Byllusfubrtanz) 


29]  Phyßologie  der  thierifchen  Gerüflfubftanzen.  213 

«die  Unlöslichkeit  in  Alkali  meift  um  fo  ausgefprochener  ift,  je 
melir  diefe  Stoffe  eine  ge-^älTe  Entwicklung  oder  ein  beftimmtea 
Alter  erreicht  haben  »^'').  Noch  auffälliger  find  Altersdifferenzen 
diefer  Art  bei  dem  Elaftin,  und,  dem  Folgenden  vorgreifend,  fei 
auch  fehon  hier  bemerkt,  daß  die  keratinöfe  Subftanz,  welche  die 
Selachiereierfchalen  bildet,  anfangs  durch  Pepfinfalzfäure  leicht  zu 
verdauen,  fpäter  aber  für  diefe  ebenfo  unangreifbar  wie  die  übrigen 
Hornfubltanzen  geworden  ift.  BoJIcys  ^Vnalyfen  weifen  bei  dem 
Fibrom,  Schloßherger  b  Befunde  bei  der  B^^ffusfubftanz  auch  darauf 
hin,  daß  beide  Materien  mit  der  Zeit  nicht  nur  fchwerer  angreifbar 
für  chemifche  Agentien,  fondern,  me  w^ahrfcheinüch  auch  die  Horn- 
fubftanzen,  zugleich  ftickftoffreicher  werden.  Handelt  es  fich  jedoch 
darum,  in  überzeugender  Weife  darzuthun,  daß  fo  ziemlich  alle 
der  hier  aufgezählten  thierifchen  Gerüilfubftanzen  frifch  angebildet 
oder  fecernirt  ganz  andere  Eigenfchaften  befitzcn  als  auf  einer 
höheren  Altersftufe,  wo  fie  ihrer  phyfiologifchen  Beftimmung  erft 
entfprechen,  fo  bietet  uns  die  Seide  unzweifelhaft  das  inftructivite 
Beifpiel  dar;  man  könnte  fich  faft  verfucht  fühlen,  für  die  durch 
ihre  veräftelten  Riefenkerne  fchon  hifliologifch  fo  merkwürdigen  Zellen 
der  Sericterien  bei  den  Schmetterüngsraupen  einen  ebenfo  myfleriöfen 
Einfluß  auf  das  Flüffigbleiben  des  Spinndrüfenfaftes  anzunehmen, 
als  ein  folcher  den  unfcheinbaren  Endothefien  der  Gefäßwandung 
als  fibringerinnungshinderndes  Moment  zuerkannt  wird. 

Ganz  im  Gegen fatze  zu  dem  Fibroin,  deffen  große  Widcrftands- 
fähigkeit  den  gewöhnlichen  Löfungsmitteln  gegenüber  wir  foeben 
kennen  gelernt  haben,  befitzt  der  frifche  Seidenfaft  eine  bernflein- 
bis  goldgelbe  Farbe,  ift  durchfichtig,  zähe,  löft  fich  in  Waficr  zur 
neutralen  goldgelben  Flüffigkeit,  welche  beim  Kochen  ohne  zu 
gerinnc-n  auffchäumt,  beim  Stellen  zur  zitternden  Gallerte  erftan't 
und  fich  beim  Kochen  nicht  wieder  völlig  klärt.  Die  Löfuiig  ift 
in  der  Hitze  fadenziehend  und  fcheidet  auf  Säurezufatz  ein  (lockigci 
Gerinnfel  ab,  welches  (ich  bei  Säureübcrlcliiiß  iiidil  ;iiillö(l;   loglcich 


214 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[30 


mit  viel  Säure  verfetzt,  bleibt  ße  klar,  erJftarrt  aber  nach  einigen 
Stunden  zur  Gallerte.  Die  Löfung  färbt  ficli  beim  Kochen  mit 
concentrirter  Salzfäure  fchmutzig  violett,  wird  durch  Natronlauge, 
KalkwaiTer,  Sublimat,  Höllenflein  oder  Blutlaugenfalz  nicht  verän- 
dert und  entwickelt,  mit  Natronlauge  gekocht,  auf  Salzfäurezufatz 
kein  Schwefelwalferrtoffgas ;  Bleizucker  und  Kupferfulfat  erzeugen 
in  der  urfprünglichen  Löfung  einen  gallertigen,  Gerbfäure  einen 
flockigen  Niederfchlag. 

Diefer  frifche  Seidenleim,  der  an  der  Luft  zur  Seide  erhärtet, 
ift  nach  JBoUey  nichts  anderes  als  weiches  Fibrom,  welches  fich 
beim  Spinnen  oberflächlich  in  Seidenleim  (Sericin)  umfetzt.  Das 
Sericin  geht  aus  der  Rohfeide  in  die  wäffrige  Abkochung  über, 
läßt  fich  aus  diefer  durch  Bleieflig  fällen  und  fteUt,  aus  der  Blei- 
verbindung durch  Schwefelwafl'erftoff  abgefchieden  ein  weißes, 
geruch-  und  gefchmacklofes  Pulver  dar,  welches  fich,  wie  die  bei- 
ffcehend  mitgetheilten  Analyfen  lehren,  in  feiner  chemifchen  Zu- 
fammenfetzung  nicht  fehr  weit  vom  Fibroin  entfernt,  fich  von 
diefem  aber  durch  feine  Löshchkeit  in  Waffer  wie  durch  feine  Zer- 
fetzungsproducte  unterfcheidet.     Schon  in  kaltem  Wafi'er  quillt  das 

Analyfen  des  Sericins:      ^    ^^^^i^i^   a^^'   l^A  üch  in  heißem 

und  bildet  dann,  ähnhch  dem 
Glutin,  beim  Erkalten  eine  gelati- 
nirende  Malle.  Aber  auch  vom 
Glutin  unterfcheiden  es  fchon  feine 
Zerfetzungsproducte ;  denn  Sericin 
18.64  giebt  beim  Kochen  mit  verdünn- 
ter Schwefelfäure  kein  Glykocoll 
und  nur  wenig  Leucin,  wohl  aber  etwa  57o  Tyrofin  und  lO^/o 
Serin  (die  in  Prismen  kryftallifirende  Glyceramin-  oder  Amidomilch- 
fäure),  welches  mit  falpetriger  Säure  in  Glycerinfäure  übergeht: 
C3H,N03  +  NQ.OH  =  CH^lOH).  CH(OH).  GOGH  +  N,  +  H^O. 

(Serin)  (Glycerinfäm-e) 


Berechnet 

Gefunden 

Äüttel- 

werth 

(Cramer) 

(Bolley) 

C30 

44.67 

44.82 

44.29 

H50 

2.61 

6.18 

5.81 

N,o 

1762 

18.80 

18.64 

0,e 

31.50 

(31.20) 

(31.26) 

31] 


Phyfiologie  der  thierifclien  Gerüftfubftanzen. 


216 


Ueber  die  Genefe  des  Fibroins  ift  nichts  Näheres  ermittelt; 
doch  möchte  ich  die  Angabe  von  Peligot  niclit  unerwähnt  lafTen, 
daß  die  Seidenraupen,  wenn  fie  bereits  die  erften  Fäden  gefponnen 
haben,  grüne  oder  weiße,  harnfäurereiche  Excrete  bilden,  während 
fie  fpäter  eine  farblofe,  in  Folge  des  Gehaltes  an  l,5°/o  Kahum- 
carbonat  alkahfche  Flüffigkeit  abfondern. 

Die  Formeln  für  die  einzelnen  8keletine. 


Chitin 

Conchiolin 

Coruein 
(Krukcnbcrg} 

Spougiu 

Fibroin 
(Cra 

Serie  in 

(Snndwik)      riedrfer- 
nnfc) 
Halbirte      Verdoppelte 
Formel            Formel 

mer) 

Cso         '        '-"so 
H50                H52 

N4       !      N, 

0,9                      O20 

^30 

C30 
H44 

0:3 

C30 
H4G 

0,3 

C30 
H46 

o„ 

('30 
H50 

0,6 

"Wenn  ich  mich  veranlaßt  fah,  die  Ijcfondere  Gruppe  der 
Skeletine  aufzuftellen,  fo  gefchah  das  weniger  aus  dem  Grunde, 
•weil  die  in  ihr  vereinigten  Stoffe  dm-ch  ihren  Schwefelmangel  und 
das  Fehlen  aller  entfcheidenden  Reactionen  fo  fehr  von  den  E'weiß- 
körpern  al) weichen,  daß  es  völlig  willkürlich  fein  würde,  fie  als 
AlbuminoTde  zu  bezeichnen,  fondern  weit  mehr  noch  deshalb,  weil 
diefelben  (wie  fchon  ein  flüchtiger  Blick  auf  beiftehende  Tafel  lehren 
dürfte),  vielleicht  mit  Ausnahme  des  Chitins,  dem  wir  überdies  eine 
Sonderftellung  unter  den  Skeletinen  eingeräumt  haben,  in  ihrer 
chemifchen  Zufammenfetzung  fo  außcrordentlicli  verwandt  erfchei- 
nen.  Der  von  Stacdder,  Lcdderhofr,  Ticmann  u.  A.  geäußerten 
Anficht,  daß  bei  chemifch  fo  complicirt  gebauten  Subftanzen,  wie 
es  die  Skeletine  find,  und  welche  keine  Verl)indung('n  mit  anderen 
Köi*[)ern  eingehen,  deren  Reingewinnung  ferner  mit  ausnehmendeu 
Schwierigkeiten  vcr})unden  ift,  die  Berechnung  einer  chemifchen 
Fonnel  durch  die  Analyfen  allein,  ohne  genaue  Kenntnifi  der 
Spaltung.sproducte ,  nicht  cniiöglicht  wird,  fchlicßc  ich  mich  voll- 
kommen an;   aber  wenn  icii  aucl»  zugeftehe,   daU  die  von   Cnnnn- 


216  Grundzüge  einer  vergleichenden  [32 

für  das  Fibroin  und  Sericin  berechneten  Werthe  von  den  gefundenen 
erheblich  abweichen,  fo  kann  ich  mich  doch  nicht  des  Gedankens 
erwehren,  daß  die  durch  die  Analyfen  gefundenen  Beziehungen, 
wenn  auch  mit  geringfügigen  Abweichungen,  zwifchen  den  einzel- 
nen Skeletinen  thatfächhch  beliehen.  Auf  diefen  Nachweis  lege 
ich  kein  geringes  Gewicht;  denn  ich  glaube  dadurch  den  Schlüilel 
gefunden  zu  haben,  mit  welchem  das  dunkle  Gebiet  der  Eiweiß- 
ffcoflfe,  wenn  auch  erft  im  Laufe  der  Jahre,  zu  erfchheßen  fein  wird. 
Durch  das  Studium  der  Skeletine  und  ähnlicher  Subftanzen  wird 
fich  ücherlich  am  Leichteften  entfcheiden  laffen,  von  welchen  Seiten- 
ketten im  Molecül  die  einzelnen  Eiweißreactionen  abhängig  zu 
machen  find,  und  die  Erfahrungen  an  der  Summe  der  hierhin 
zählenden  Körper  werden  dann  auch  zu  erfetzen  vermögen,  was 
uns  an  Speciellerm  über  ein  und  diefelbe  Subftanz  zu  ermitteln 
verfagt  ift. 

Das  Chitin  weicht  in  feinen  Zerfetzungsproducten  wie  in  feiner 
procentifchen  Zufammenfetzung  zu  fehr  von  den  übrigen  Skeletinen 
ab,  als  daß  an  eine  nähere  Beziehung  desfelben  zu  jenen  vorerft 
gedacht  werden  könnte;  vielen  Reactionen  nach  Heße  es  lieh  weit 
befler  einer  andern  Gruppe  der  Gerüftfubflanzen,  nämhch  den 
Hyalogenen  einreihen,  doch  da  dasfelbe  keine  Eiweißreactionen 
giebt,  kann  es  weder  als  ein  achtes  Hyalogen,  noch,  wegen  feiner 
Unlöslichkeit  für  Waffer,  als  ein  achtes  Hyahn  betrachtet  werden. 


III.  Die  albuminoiden  Subftanzen. 

Die  Hyaio-         Bei  den  Wohnröhren  meln-erer  Borftenwürmer ,  bei  der  Haut 

gene  und 

Hyaline.  gewilTer  Holothurienformen,  bei  den  Matrixzeilen  der  Schlangenhaut, 
beim  Knorpelgewebe  der  Säugethiere,  bei  den  Blafen  der  Echino- 
coceen,  bei  den  Gummineen  oder  den  Gummifchwämmen  (Chon- 
dro sia  reniformis)  und  gewiß  noch  an  unzähligen  anderen 
Plätzen  im  Organismus  ftößt  die  Forfchung,  wie  ich  km^z  fchon 


33]  Phyüologie  der  thierifchen  Gerüftfubßanzen.  217 

vorhin  (S.  192)  bemerkte,  auf  Mateiien,  welche  die  wefentliehen 
Eiweißreactionen  {fo  vor  allem  die  Violettfärbmig  beim  Kochen 
mit  concentrii-ter  Salzfäm-e,  die  Xanthoprotein-  mid  die  3IiUon  (che 
Probe)  mein-  oder  weniger  vollkommen  zeigen,  welche  ßcli  aber 
dadurch  von  allen  aechten  Eiweißkörpern  unterfcheiden ,  daß  üe, 
ohne  oder  unter  Abnahme  ilires  Schwefel-  und  Sticklloffgehaltes 
beim  Kochen  mit  verdünnten  Mineralfäuren ,  bei  Behandlung  mit 
kalter  Natronlauge  oder  durch  vitale,  nervöfe  EinflüITe  (fo  bei  den 
Holothurieh),  manche  vielleicht  auch  fchon  durch  die  Einwirkung 
proteolytifcher  oder  amylolytifcher  Enzyme  m  für  Wafler  leicht  lös- 
liche, IlicküofFhaltige  Körper,  in  Hyaline  übergehen,  welche  durch 
weitergehende  Umfetzungen  fchließhch  reine  Kohlehydrate  ergeben ; 
wie  ich  S.  193  bereits  ebenfalls  bemerkte,  ift  diefer  Wechfel  m 
den  Reactionen  aber  nur  am  Spirographin  genau  verfolgt,  in  den 
übrigen  Fällen  fließ  fein  Nachweis  auf  unüberwindliche,  experimen- 
telle Schwierigkeiten. 

Die  Zufammenfetzung  der  Hyalogene^^),  welche  uns,  da  die 
Hyaüne  in  wäflrigen  Flüffigkeiten  durchgängig  leicht  löshch  lind 
und  deshalb  als  Stützfubflanzen  direct  keine  Bedeutung  befitzen 
können,  flreng  genommen  hier  allein  angehen,  haben  jedenfalls 
eine  fahr  verwickelte  chemifche  Structur,  und  diefe  muß  uns  nach 
den  Analyfen  noch  weit  compHcirter  erfcheinen  als  fie  es  in  \yahr- 
heit  fein  wird ,  weil  die  Hyalogene  fehr  labiler  Natur  find  und 
mit  den  hyalinen  Spaltungsproducten  häufig  fchon  in  ihrem  natür- 
lichen Vorkommen  gemifcht  find  oder,  wenn  das  nicht  der  Fall 
ift,  bei  den  angew^andten  Reinigungsverfahren  ganz  regelmäßig 
zum  Theil  in  Hyaline  umgefetzt  werden.  Die  beiden  näher  unter- 
fuchten,  in  größerer  Menge  zu  erhaltenden  und  leichter  zu  rei- 
nigenden Hyalogene,  das  Spirographin  und  das  Hyalin  xat'  e^oy/Jv 
—  letzteres  von  Lücke  in  den  Echinococcusblafen  entdeckt  und 
von  Ifopjin-Seykr  benannt,  —  bieten  als  folche  keine  Belbndcr- 
heilen  dar;   ein  weit  größeres  chcmifches  Intereffc  fällt  aber  den 

Krnkinherg,  Vergl.-iihyflol.  Vorträge.  '*• 


218  Grundzüge  einer  vergleichenden  [34 

Hyalinen  zu,  durch  deren  Eigenfchaften  auch  die  zugehörigen 
Hyalogene  allein  zu  charakterifiren  lind.  Die  belTer  bekannt 
gewordenen  Hyaline,  welche  im  reinen  Zuflande  keine  Eiweiß- 
reactionen  mehr  aufweifen,  unterfcheiden  üch  von  einander  vor- 
nehmlich durch  ihren  abweichenden  Stickftoffgehalt  und  dm'ch  ihr 
Verhalten  zu  den  Metallfalzen.  So  verbindet  lieh  das  durch  die 
Chloride  des  Baryums,  des  Eifens,  des  Chroms  und  des  Zinns, 
nicht  aber  durch  Calciumfalze  fällbare  Spirograpliidin  mit  ca.  37*^/0 
Eifen  und  mit  48,87"/o  Zinn;  das  mit  Calcium-  wie  mit  Eifenphos- 
phat  unlösliche  Doppelfalze  gebende  Onuphin  bindet  dagegen 
34— 56*'/o  Eifenphosphat,  und  von  der  ledighch  durch  neutrale 
Ferricumfalze ,  durch  bafifches  Bleiacetat  und  ZinncUorid ,  nicht 
aber  durch  die  Chloride  des  Calciums,  Baryums  und  Chroms  nieder- 
zufchlagenden  Chondroitfäure  fmd  nur  Salze  bekannt  geworden, 
welche  10— 12'7o  Eifen  oder  etwa  39*^/o  Blei  enthalten;  auf  Zufatz 
von  Silbernitrat  wie  Quecklilberchlorid  bleiben  fämmthche,  bislang 
unterfuchten  Hyaline  gelöft.  Eine  Reingewinnung  der  Hyahne 
ifl  immer  noch  nicht  gelungen,  und  es  ift  jetzt  gewiß  fehr  fraglich, 
ob  diefelben  im  freien  Zuftande  überhaupt  exiftenzfähig  find;  der 
Afchengehalt  der  Chondroitfäm*e  Heß  üch  im  günftigflen  FaUe 
auf  7,470  reducüen,  der  des  Onuphins  betrug  10 — lö^'/o  und  der 
des  Spirographidins  fogar  noch  17,4 — 23''/o.  Unfer  ftellenweife 
fehr  dürftiges  Wiffen  von  den  Hyalogenen  und  ihren  Derivaten 
habe  ich  vor  einem  Jahre  gelegenthch  zufammengeftellt ;  eine  Ver- 
voUftändigung  durch  fortgefetzte  Unterfuchungen  hat  dasfelbe 
inzwifchen  nicht  erfahren,  und  fo  kann  denn  auch  die  damals 
gegebene  Ueberücht,  welche  auf  S.  219  reproducut  ift,  noch  jetzt 
zur  Orientirung  dienen. 

Die  Subftanzen,  welche  unter  der  landläufigen  Bezeichnung 
«Mucine»  gehen,  find  in  der  Regel  nichts  anderes  als  durch 
Hyahne  oder  Kohlehydrate  verunreinigte  Eiweißfloffe,  voraus- 
gesetzt  daß    in   solchen    Fällen    nicht    ganz    andersartige    Verun- 


35^ 


Phvüologie  der  thierifchen  Gerüllfuljftanzen. 


219 


Tabellarifclie  Zufammenftellung  der  Su))ftanzen  aus  der 
Hyaliiignippe. 


Hvalogen 


Zugehöriges  Hya- 
lin 


Bei  der  Um- 
fetzung  biswei- 
len auftretender 
Körper  aus  der 
Eiweißgruppe 


Reines  Kohlehy- 
drat als  Endpro- 
duct  derUmfetzung 


Hyalogener  Be- 
ftandtheil  des  Knor- 
pels 


Chondroitfäure 
(als  Eifenfalz: 
C^sHjiSNaOsoFe^) 


Metalbumin,  Mucin 
zum  Theil  zum  Theil 


Linksdrehende 
Chondroglykofe,  die 
fleh  durch  Gährung 
(ähnlich  derMelitofe) 
in  einen  gährenden 
und  nicht  gährungs- 
fähigen  Zucker  fpal- 
tet  {J.  de  Bary) 


Thierifches  Gummi 
(CjjHjoOio) 


Hyalogen  in  der 
Schlangenhaut,beim 
Häutungsprozefle 
fleh  erft  in  größerer 
Menge  bildend.  Von 
de  Luca  für  Cellu- 
lofe  gehalten 


de  Lucaa  reduci- 
rend  wirkender 
Körper 


Hyalogener    Be-  i 
ftand  theil  derWohn- 
röhren    von    Gnu-  1 
phis  tubicola 


Schmiedeherg's 
Onuphin  Albuminoid  (?)  |    Schniiedeberg'aDex- 

(C24H43NO18)        I  (45,35«/o  C.  trinoid 

6,60»/oH)     I 


Spirograpldn 


I     Spirographidin 
!  (C38H,oN,025) 


Spirographefn        Glykofe  (?) 


Hyalogener    Be- 

ftandtheil   des  fog. 

.Schneckenmucins          Achrooglykogen 
HeHx  pomatia) 

l)(!xtrin  und  Gly- 
kofe 

Sog.    Hyalin   der  1 
Echinococcus-              (nicht  unterfucbt) 
blafen ') 

Gährungsfilhiger, 
rechtsdrchcndcr 
Zucker  (Glykofe?) 

Chondrofin  (aus    ,      ,            ^    <•    ,  ^ 
Chondrosia  reni-  (noch  ununterfucht 
formi«)                        gelaffen) 

Gilhrungsfilhige, 
kryfliillilin'iidc 
1  Zu("kcr:irt  (Glykofe?) 

')  Obfchon  .i<T  Afclicgclialt  Ix^i  jiiiiK<Tcn  (ir),80''/o)  iiikI  illtercn  (0,25t»/o) 
Kchin'icocciiHlilafen  erlKiblicli  abweicht,  iiiitcrlicgt  di<!  ejcnicntan'  Ziifiiiiiiiicn 
fetzung  nur  geringen  .Schwankiing(;n.  jAickc  fand  für  jüngtTcIIiliitc  ■ll,07"/o  C, 
6,7P;o  H,    4,48"/o  N,   44,74"  0  O  und  für  ältere  4ö,34<'/o  <^';  (i,G5«>/o  U,  G.lf.o/o  N, 

42,950/0  O. 

10* 


220  Grundzüge  einer  vergleichenden  [36 

reinigungen  eiweißartigen  MalTeu  eine  fchleimige  Befchaffenlieit 
verleihen,  welche  dann,  wie  z.  B.  das  aus  Eiweiß  und  Gallen- 
fäuren.  bestehende  fog.  Gallenmucin ,  ohne  genauere  Prüfung 
ebenfalls  für  Mucine  ausgegeben  wurden.  Nach  Abtrennung  der 
Hyalogene,  der  Hyahne  und  ihrer  Endproducte  von  reiner  Kohle- 
hydratnatur ift  zwifchen  den  fog.  unlöslich  gewordenen  Mucinen 
und  den  Hornftoffen  keine  Grenze  mehr  zu  ziehen;  im  phylio- 
logifchen  Sinne  decken  sich  beide  Begriffe  vollftändig. 

Es  wird  sich  kaum  verkennen  lallen,  daß,  indem  wir  unfere 
Betrachtungen  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen  mit  dem  Tunicin 
begannen,  durch  die  Skeletine  hindurch  weiterführten  und  dann 
zu  den  Hyalogenen  gelangten,  wir  von  chemifch  einfacher  confti- 
tuirten  Verbindungen  zu  immer  complicirter  werdenden  vorgei'ückt 
und.  Noch  mehr  erhellt  diefe  Steigerung  der  Complicirtheit  in 
der  Zufammenfetzung,  wenn  wir  die  Analyfen  und  die  Spaltungs- 
producte  derjenigen  Albuminoide  mit  in  Vergleich  ziehen,  deren 
Befprechung  uns  noch  bevorfteht:  der  Collagene,  der  Keratine 
und  der  Elaftine.  Entfprechend  dem  verwickeitern  chemifchen 
Gefüge,  der  Annäherung  an  die  aechten  Eiweißftoffe  conitatnen  wir 
dann  die  auch  von  DrechfeP^)  hervorgehobene  Thatfache,  daß  im 
Gegenfatze  zum  Tunicin  und  den  Skeletinen,  welche,  foviel  wenig- 
ßens  bis  jetzt  ermittelt  werden  konnte,  ein  ausfchheßlicher  Belitz 
wirbellofer  Thiere  lind,  die  Collagene,  che  Keratine  und  die  Elaftine 
hauptfächhch  bei  den  Vertebraten  vorkommen  und  in  analoger 
Weife,  als  die  Nachforfchungen  über  die  Verbreitung  des  Hämo- 
globins ergeben  haben,  nur  hier  und  da  bei  einer  kleinen  Gruppe 
oder  bei  nur  wenigen  Vertretern  der  Wirbellofen  ganz  vereinzelt 
auftreten.  Ich  brauche  indeß  wohl  kaum  weiter  auszuführen,  daß 
über  die  Verbreitung  der  Gerüftfubftanzen  weit  fchwieriger  eine 
Gewißheit  zu  erzielen  ift  als  bei  denFarbftoffen;  denn  des  äußeren 
Stempels  der  Uebereinflimmung  oder  Verfchiedenheit,  welchen 
letztere  an  lieh  tragen,   entbehren  die  Gerüftfubftanzen  ganz;  wo 


37]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  221 

man  glaubte,  auch  ße  fogleicli  als  das,  Avas  fie  find,  erkennen  zu 
können,  hat  man  fich  nahezu  allemal  bitter  getäufcht:  der  Schleier, 
der  die  wahre  Natm-  der  Gerüftfubftanzen  uns  verhüllt,  ift,  fo  lehrt 
die  Gefchichte,  nur  durch  die  intenfivften  Unterfuchungen  zu  lüften. 
Bei  diefer  Sachlage  verdient  nun  aber  der  Umftand  alle  Beachtung, 
daß  die  aechten  Eiweißkörper  fich  nicht  wie  die  Albuminoide  vor- 
herrfchend  bei  den  Wh'belthieren  an  dem  Aufbaue  der  Stütz- 
vorrichtungen betheihgen,  fondern  daß  fie  eine  mächtigere  Entfaltung 
nach  diefer  Richtung  hin  nur  im  Bereiche  der  Wirbellofen  erfahren: 
unter  den  Echmodermen,  fpeciell  bei  den  Afteriden,  vielleicht  auch 
bei  den  Echiniden  \vie  Crinoiden  (aber  nicht  fchon  mehr  bei  vielen 
Holothurioiden)  und  außerdem  noch  unter  den  Zoophyten,  z.  B.  bei 
den  Medufen. 

Können  wir,  was  die  ^'^erbreitung  im  Thierreiche  anbetrifft, 
die  Collagene,  Keratme  und  Elaftine  in  eine  Parallele  mit  dem 
Hämoglobin  bringen,  fo  werden  die  Hyalogene  durch  ihren  umfang- 
reichen Verbreitungskreis  den  Lipochromen  an  die  Seite  zu  ftellen 
fein;  denn  ihrer  werden  fich,  Avenn  fchon  die  Acten  darüber  keines- 
wegs gefchloffen  find,  vorausfichtlich  fämmthche  Organismen  be- 
dienen, wenn  es  gilt,  untauglich  geAVordene  Gewebe  abzuftoßen, 
innere  Theile  durch  andersartige  zu  erfetzen  oder  gewilTe  StofF- 
wechfelproducte  fecretionsfähig  zu  machen. 

Das  BindegCAvebe,  das  elaftifche  GcAvebe,  das  Knochen-,  Knor-  ^^^  ^^^^^^ 
pel-  und  Zalmgewebe  bilden  bei  fämmtlichen  Wirbelthicren  (auch  '''^'"^' 
Amphioxus  ift,  entgegen  der  irrigen  Behauptung  A^on  Hoppc- 
Seylcr,'^^)  dal)ei  nicht  au.szufchließen)  eine  hiftiologifch  wie  cluiiiifcli 
zufammengehörigc  Gruppe.  Das  hiftiologifcli  Gemein fame  diefer 
auf  den  erften  Blick  fehr  verfcliiedcnartig  ausfeilenden  Structuren 
liegt  darin,  daß  eine  als  Zellenderivat  oder  Zelleiuiuslcheickuig  be- 
trachtete und  deshalb  gewöhnlich  Intercellularfubfianz  gcinannto 
Gnindniaffe  mit  eingelagerten  Zcilcnkörpern  in  allen  vorlinnilen 
ift.     Ferner  in  ihrer  Molecularftructui-:   die  Analyfe  im  ixiiarilirten 


222  Grundzüge  einer  vergleichenden  [38 

Lichte  erweiffc  jene  Grundfubflanz  aus  zahlreiclien,  kleinften,  ein- 
achfigen,  pofitiv  doppelt  brechenden  Körperchen  zufammengefügt, 
welche  mit  ihrer  Hauptachfe  der  Längsrichtung  jener  Zellenkörper, 
die  meifl  länglich-oval  lind,  oder  deren  Flächenausdehnung  parallel 
liegen.  In  chemifcher  Beziehung  ftimmen  lie,  ausgenommen  das 
elaflifche  Gewebe,  darin  überein,  daß  lie  beim  Kochen  mit  WalTer 
Glutin-,  d,  h.  Leimlöfungen  geben,  FlüITigkeiten  alfo,  welche  lieh 
durch  ihre  Klebkraft  auszeichnen  und  beim  ruhigen  Erkalten  zu 
einer  Gallerte  erltarren.  Die  Subftanz,  welche  das  Gelatinirungs- 
vermögen  der  wälTrigen  Auskochungen  veranlaßt,  ift  das  Collagen  ^*^), 
welches  bei  jener  Operation  in  Glutin  übergeführt  wird,  und  welches, 
da  diefe  Umfetzung  (unabhängig  von  der  Textur  des  Gewebes  oder 
von  fremden  Beimengungen)  bald  fehr  rafch  (fo  z.  B.  bei  dem  ge- 
wöhnlichen Bindegewebe  der  Filclie),  bald  weit  langfamer  erfolgt, 
nicht  überall  genau  das  nämliche  fein  kann;  deshalb  fprechen  wir 
auch  nicht  von  einem,  fondern  von  mehreren  Collagenen^^). 

Vorwiegend  durch  den  Einfluß  Hoppe -Seyler'^  und  feiner 
Schüler  hat  lieh,  fo  unglaublich  es  auch  dermaleinft  erfcheinen 
wird,  die  Auffaflung  Decennien  hindurch  unangetaftet  erhalten 
können,  daß  dem  Knorpel  eine  chemifch  ganz  andere  Subftanz, 
das  fog.  Chondrogen,  welches  beim  Kochen  mit  WalTer  das  fog. 
Chondrin  liefern  follte,  zu  Grunde  hege  als  dem  Binde-  und  dem 
Knochengewebe.  Diefe  gänzhch  verfehlte  Anlicht  wurde  zuerft 
von  V.  Morochowet^^^)  als  höchft  unwahrfcheinlich  hingeftellt,  und 
fpäter  dann  auch  von  mir^^)  gezeigt,  daß  das  fog.  Chondrogen  nichts 
anderes  als  ein,  mit  einem  Hyalogen  und  deflen  Spaltungsproducten 
(in  diefem  Falle  Chondroitfäure  und  Chondroglykofe)  gemifchtes 
Collagen  ift. 

Mit  dem  Collagen  in  ihren  Haupteigenfchaften  und  befonders 
in  dem  Gelatinirungsvermögen  der  wäflrigen  Auskochungen  überein- 
ftimmende  Gerüftfubftanzen  lind  auch  bei  Wirbellofen  nachgewiefen, 
fo  z.  B.  bei  einem  Gephyreen  (Sipunculus  nudus),  bei  mehreren 


'^^]  Phyüologie  der  thierirchen  Gerüftfubftanzen.  223 

Holothurienarten(Cucumaria  Planci,  Thyone  fiisiis,  Stichopiis 
regalis,  Holothuria  tiibulosa,  H.  Poli)  und  im  Kopfknorpel 
der  Cephalopoden ;  da  ßch  nun  aber  in  letzteren  Fällen  die  ur- 
Iprüngliche  Subftanz  gegen  die  proteolvtifchen  Enzyme  diametral 
verfchieden  von  dem  Collagen  der  Wirbetliiere  verhält,  fo  liegt 
im  Cephalopodenknorpel  wie  bei  den  Holothurien  ficherlich  eine, 
auch  hier  (ähnlich  wie  im  Säugerknorpel)  außerdem  noch  mit  einem 
Hyalogen  und  defTen  Spaltungsproducten  untermifchte  Materie 
vor,  die  mit  dem  Collagen  unmöghch  identifch  fein  kann  und 
deshalb  auch  als  Tr}q)tocüllagen  bezeichnet  wm-de.  Auch  noch 
bei  einigen  anderen  Holothurienformen  (Colochirus  quadrangu- 
laris,  Mulleria  lecanora  etc.)  wie  bei  Brachiopoden  (Lingula 
anatina)  will  Hihjer,  in  Tunicatenmänteln  Schaefer,  in  Auftern 
Pasquier  collagene  Stoffe  nachgevviefen  haben ;  doch  gelang  es  diefen 
Unterfuchern  in  keinem  Falle  das  Gelatinirungsvermögen  der  wälT- 
rigen  Auskochungen  zu  beobachten  und  ihre  ziemlich  willkürlichen 
Annahmen  ii'gendwie  beffer  zu  ftützen. 

Ueber  das  Collagen,  welches  durch  Extraction  von  Knochen 
mit  verdünnter  Salzfäure,  aus  Sehnen  durch  Extraction  mit  Koch- 
falzlöfung  und  darauf  folgende  alkahfche  Tiypfinverdauung  an- 
nähernd rein  zu  gewinnen  ifl,  läßt  ßch  wegen  feiner  Unlöslichkcit 
als  folchem  felbftverftändlich  ebenfowenig  ausfagen  als  über  die 
Hyalogene.  Bemerkenswerth  ift  darüber  nur,  daß  fich  dasfelbe 
weder  in  WafTer  noch  in  Salzlöfungen  und  Natronlauge  löft,  durch 
Pepfin  verdaut,  von  alkalifchen  Trypfmflüffigkeitcn  dagegen  nur  dann 
in  füg.  Leimpeptone  übergeführt  w'ird,  wenn  es  zuvor  durch  Säuren 
zum  Quellen  oder  durch  Waffer  von  70''  C.  zum  Sclirumi)fen  ge- 
l^raclit  wurde;  ganz  anders  verhält  fich  das  Tryptocollagen :  diefes 
ift  durch  Trypfin  leicht  verdaulich  und  wird  von  PepfinfalzHlure 
fehr  larigfam  ang(;griffen. 

Wie  in  der  Klalfe  der  Hyalogene  die  Unterfucliungen  faft 
ausfchließlidj  den  Hyalinen  zugewandt  waren,  Ib  in  d«r  Kliillc  der 


224  Grundzüge  einer  vergleichenden  [40 

Collagene  vorwiegend  dem  Glutin.  Reine  Leimlöfungen  find  farblos, 
in  dünnen  Schichten  durchfichtig,  ftark  Hnksdrehend,  färben  fich 
(zum  Unterfchiede  von  den  Eiweißftoffen)  nicht  beim  Kochen  mit 
MiUon's  Reagens,  geben  aber  die  Biuretprobe  und  find  fällbar 
durch  Alkohol,  Queckfilberchlorid,  Metaphosphorfäm-e  und  Gerb- 
fäure,  nicht  aber  durch  Alaun,  Bleizucker,  Eifenfalze  oder  durch 
Elfigfäure  und  Ferrocyankahum.  Bei  längerem  Kochen  mit  WalTer 
verlieren  Leimlöfungen  ihr  Gelatinirungsvermögen,  indem  das  Glutin 
in  fog.  Leimpepton  übergeht;  letzteres  iü  Yon  Hof meilier^^)  in  zwei 
zweibafifche,  weiterhin  in  Glycin  und  Leucin  zu  fpaltende  Säuren 
zerlegt,  von  denen  die  eine,  das  Semiglutin,  durch  Platinchlorid, 
die  andere,  das  Hemicolhn,  durch  Phosphorwolframfäure  gefällt 
wurde;  die  Analyfen  der  Kupfer-  refp.  Platin  Verbindungen  diefer 
Körper  veranlaßten  Hofmeißer  für  die  Umwandlung  des  Collagens 
in  Glutin  und  deffen  Spaltung  in  Semiglutin  und  Hemicollin 
folgende  Gleichungen  aufzuftellen : 

I-  C102H149N31O38  +  H2O  =  C102H151N31O39 

(Collagen)      '  (Glutin) 

IL    C102H151N31O39  +  2H2O    =    C55H85N17O22   +  C47H70N14O19. 
(Glutin)  (Semiglutin)  (Hemicollin) 

Mannigfacher  Art  find  die  aus  dem  Glutin  erhaltenen  Zer- 
fetzungsproducte, '  fowohl  beim  einfachen  Erhitzen  (Wafi'er,  Am- 
moniak, Methyl-  und  Butylamin,  Kohlenfäure,  Cyanammonium, 
Pyrrhol  [C4H5N]  und  Derivate  desfelben,  wie  Homopyrrhol  [C5H7N] , 
Dimethylpyrrhol  [CgHgN],  Pyrocoll  [CigHeNgOa];  außerdem  noch 
kleine  Mengen  flülfiger  Kohlenwafl^erfioffe,  Spuren  von  Phenol  und 
anderen  nicht  näher  unterfuchten  Producten,  vielleicht  Chinolin, 
aber  ficher  nichts  von  Pyridinbafen),  beim  Kochen  mit  verdünnten 
Mineralfäuren  (GlykocoU,  Leucin,  Afparaginfäure  und  unter  anderen 
Amidofäuren  wahrfcheinHch  auch  Glutaminfäure,  aber  kein  Tyrofin) 
wie  beim  Erwärmen  mit  Kalilauge  (unter  anderen  Leucin  und  Gly- 
kocoU).    Gegen  Barythydrat  verhält  fich  Leim  bei   150^ — 200*^  C. 


41]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüflfuljftanzen.  225 

im  Allgemeinen   wie  die  Eiweißkörper;    ebenfo   bei  der  Oxydation 
mit  Kaliumehromat  und  Schwefeiräm-e. 

Es  Lft  eine  Eigenthümlichkeit  der  Epidermiszellen  der  A\''irlDel-  '^'^{^1^.^"''"" 
thiere,  daß  lie  miter  AValTerverluft  und  gewöhnlich  auch  unter 
SchAnnden  des  Zellkerns  dem  Organismus  noch  eine  längere  Zeit, 
zwar  mehr  als  paffive  Theile  erhalten  bleiben.  Die  Zellen  verhornen, 
wie  man  fagt,  und  gehen  fo  in  die  Subftanzen  über,  welche  als 
Keratine^^)  zufammengefaßt  werden.  Die  Zufammenfetzungder  Horn- 
Jftoffe  muß  demnach  nothwendig  in  der  urfprünglichen  Zufammen- 
fetzung  der  Zellen  begründet  liegen,  und  damit  Hörn  lieh  bilde, 
bedarf  es  weder  einer  Erfetzung  des  im  urfprünglichen  Eiweiß 
vorhandenen  Sauerftoffs  durch  Schwefel,  wie  z.  B.  Drechfd^^)  an- 
ninnnt,  noch  der  Subflitution  eines  Theiles  der  im  Eiweiß  ange- 
nommenen Leucin-  oder  verwandte  Amidofäuren  gebenden  Atom- 
complexe  durch  Tyrofm.  Die  Verhornung  läßt  fich  durch  eine  einfache 
Wafferabgabe  vollauf  verftändlich  machen,  durch  eine  Walferabgabe 
allerdings,  die  mit  einer  Eintrocknung  durchaus  nichts  zu  fchaffen 
hat;  «denn  diefelbe  verläuft  auch  an  Stellen,  die  niemals  aufhören 
befeuchtet  zu  fein,  fo  an  der  Epidermis  der  im  Waller  lebenden 
Säugethiere,  beim  Fötus  u.  f  w.»^^)  Erinnert  man  lieh  der  fog. 
DermoidgefchAvülfte,  deren  Bildung  von  Organen  ausgeht,  die  nacli- 
weislich  dem  eml)ryonalen  Ilorn blatte  angehören,  des  Vorkonnnens 
großer  Haarbüfchel  in  den  Eieiftockscyllen,  deren  Entwicklung  von 
Zellen  des  Ovariums  ausgegangen  fein  muß,  welche  in  hifliogene- 
tifchem  Sinne  dem  Eie  fell>ft  gleichwerthig  lind,  des  Neurokeratins 
als  Stützfubftanz  der  Hirjunalfe  und  der  marklialtigen  Nervenfafern, 
welche  letzteren  dadurch  ebenfalls  ihren  ectodermalen  Urfprung 
docunientiren,  ferner  auch  des  Auftretens  keratinöfor  Subllunzcii 
in  den  Eierfchalen  fow(jlil  der  Vögel  und  Selachiei-,  wie  auch  der 
Profobranchier  unter  den  Molhisken,  fo  liegt  g(!wiß  nichts  iiiihcr 
als  (he  Annahme,  daß  alle  perliflenten  ectodeniialcii  (icMldc  <l<i- 
Honibildung  unterworfen  IVin  müiren,  wähniid  nur  ganz  au.snalnns- 


226 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[42 


weife  Mefocierm-  oder,  wenn  man  will,  Entodermbildungen  (wie 
die  Hüllen  um  den  Selachier-  und  Hühnereiern)  in  gleicher  Art 
keratiniliren.  «Die  Zufammenfetzung  des  Linfengewebes,  in  welchem 
Keratin  zu  fehlen  fcheint,  lehrt  indeß,  daß  aus  dem  Hornblatte 
bei  der  Entwicklung  nicht  nothwendig  immer  Epidermisfubftanz 
hervorzugehen  braucht;  denn  während  in  allen  epidermoidalen 
Zellen  das  Eiweiß  zurücktritt,  befindet  es  ßch  befonders  rein  und 
reichhch  gerade  in  den  Linfenfafern. »  Die  zuletzt  angeführten 
Fälle  des  Keratinvorkommens,  fein  Auftreten  in  den  Eikapfeln  bei 
organifatorifch  fo  verfchiedenartigen  Thieren  zeigt  uns  aber  weiter- 
hin, daß  es  lieh  bei  den  Keratinen  nicht  ausfchließlich  um  meta- 
morphofirte  Zellen  handelt,  fondern  daß  auch  aechte  Secrete  voll- 
rtändig  keratinißren:  Secrete,  welche  frifch  erffcarrt,  fleh  in  ihren 
chemifchen  Eigenfchaften  dem  Fibrin  ähnlich  verhalten  oder  wenig- 
ftens  von  Pepfinlöfungen  leicht  verdaut  werden  und  erft  ganz  all- 
mählich zu  der  Refiftenz  gelangen,^®)  welche  als  eine  Eigenthüm- 
lichkeit  der  Keratine  angefprochen  wird, 

Analyfen  der  Keratine: 


'S 

9 
S 

"äs 

o 

S 

g 

Meufchliche  Nägel 
(Scherer) 

3 
a  s 

a| 

3  C3  ■ 

'S 

1 

m 

ä 

1 

p 

o 

1 

o 

1 

1 
1 

pH 

1 

li 

■ö  S 
'S  e 
^^ 

03    .r-t 

w 

Eierfchale  von 

Scyllium   catuUis 

(Krukenberg) 

c 

50.65 

50.5 

50.65 

51.09 

51.04 

51.10 

51.9 

51.86 

52.4 

54.89 

49.78 

51.50 

H 

7.03 

6.9 

6.36 

6.82 

6.80 

6.77 

6.7 

6.87 

7.2 

6.56 

6.64 

6.51 

N 

17.71 

16.8 

17.14 

16.90 

17.23 

17.28 

17.8 

15.71 

17.9 

16.77 

16.43 

15.34 

ö 

[24.61 

5.4 

5.00 

|25.19 

J24.93 

4.60 

124,0 

3.60 

]  22.5 

1 

2.22 

4.25 

0.88 

0 

20.4 

20.85 

20.15 

1 

21.17 

19.56 

22.90 

25.  VV 

Unter  diefen  VerhältnilTen  kann  es  nun  auch  nicht  Wunder 
nehmen,  wenn  für  die  Hornftoffe  fo  fehr  verfchiedene,  procentifche 
Zusammenfetzungen  (f.  obenftehende  Tabelle)  gefunden  wurden,  wenn 


43]  Phyßologie  der  thierifchen  Geröftrubftanzen.  227 

der  meift  hohe,  4\2— ö^^^'/o  erreichende  Schwefelgehalt  ein  anderes 
Mal  unter  Vio  hinabfinkt,  und  übereinftimmende  Werthe  für  ein 
Keratin  durchaus  analoger  Herkunft  nicht  erzielt  werden  konnten ; 
es  liegt  deshalb  auch  diefer  Bezeichnung  ein  rein  phyfiologifcher, 
.kein  chemifclier  Begriff  zu  Grunde.  Wo  die  Subftanzen  phyAo- 
logifchen  Transformationen  ftänchg  unterworfen  bleiben,  genügt  es« 
der  chemifchen  Phyßologie  diefen  AVandel  verliehen  zu  lernen,  und 
die  Sucht,  chemifche  Formeln  aufftellen  zu  können,  führt  unter 
folchen  Umftänden  kein  Verlländniß  herbei,  fondern  nur  von 
diefem  ab. 

Wie  bereits  kurz  angedeutet  wurde,  find  die  Keratine  keines- 
wegs im  Vorkommen  auf  die  Wirbelthiere  befchränkt;  auch  bei 
den  Würmern  fetzen  fich  die  Epidermoidalgebilde  vorwiegend  aus 
ihnen  zufammen  und  auch  bei  Mollusken  finden  fich  diefelben 
vor.  Die  fehr  inflructiven,  demnächffc  zur  VeröffentKchung  ge- 
langenden Bilder,  welche  Herr  Giltfeh  von  den  Eierfchalen  mehrerer 
Profobranchier  nach  dem  Kochen  derfelben  mit  Millon'ii  Reagens 
entworfen  hat,  weifen  jedoch  darauf  hin,  daß  diefc  Thiere  äußerft 
fparfam  bei  der  Verwendung  der  keratinöfen  Malfe  als  Kitt- 
material verfahren,  und  die  chitinöfen  Gebilde  der  Arthropoden 
■s\ie  der  Cephalopoden  find  zwar  mit  peptifch  leicht  verdaubaren 
Eiweißfu])ftanzen  dicht  durchwebt,  aechte  Hornfubfl:anzen  find  darin 
aber  nicht  aufzufinden  gewefen.  Zugleich  lehrt  die  Erhaltung 
aller  Gelenkverbindungen  an  dem  Integumente  der  Arthropoden 
nach  der  Reingewinnung  des  Chitins,  daß  diefes  iiiclit  nur  (Uu 
einzelnen  Skelettheile  Inldet,  fondern  auch  die  Verbindungsmaffe 
zwifchen  den  einzelnen  Stücken  ausmacht,  während  das  Conchiolin, 
vielleicht  weil  es  zu  rafch  erfl:arrt,  fich  zu  diefem  Zwecke  nicht 
eignet  und  deshalb  als  KittfuJ>Itanz  Ijei  den  Eierfchalen  der  Mol- 
lunken  auch  ein  keratinöfer  Stoff  Verwendung  finden  mußte. 

Die  durch  Extraction  mit  Waffer,  Alkohol,  Aether  gereinigten 
und  mit  einer  kalten,  verdüiinU;n  Minerulfilure  behafidelten  Keratine 


228  ,     Grundzüge  einer  vergleiclienden  [44 

werden  weder  von  Pepfinfalzfäure,  noch  von  Trj'pßnflüIIigkeiten 
irgendwie  angegriffen.  Nur  die  meiften  derfelben  zeichnen  ßch 
durch  einen  verliältnißmäßig  hohen  Schwefelgehalt  aus,  der  aber 
auch  von  anderen  organifchen  Beftandtheilen  des  Thierkörpers  er- 
reicht (die  Chondroitfäure  enthält  z.  B.  4,45 — 5, 74*^/0)  und  von  dem 
Taurin,  welches  in  dem  Fleifchfafte  der  Cephalopoden  fo  malTen- 
haft  enthalten  ift,  mit  einem  Schwefelgehalte  von  25,6  ^/o  noch 
weitaus  übertroffen  wird.  Ueberdies  ift  der  Schwefel  in  den  Horn- 
fubftanzen  ganz  oder  theilweife  fehr  locker  gebunden;  Haare  z.  B. 
fchwärzen  lieh  fchon  bei  Berührung  mit  metallifchem  Blei  durch 
Bildung  von  Schwefelblei,  und  Wolle  kann  nach  den  Angaben 
von  Chevreul  durch  anhaltendes  Kochen  mit  Waffer  faft  ganz  ent- 
fchwefelt  werden,  ohne  ihre  fonftigen  Eigenfchaften  einzubüßen; 
doch  ift,  wie  gefagt,  ein  ausnehmend  hoher  Schwefelgehalt  nicht 
durchgehends  bei  den  Hornftoffen  vorhanden,  die  Eierfchalen  von 
Scyllium  catulus  enthalten  fogar  weit  weniger  Schwefel  als 
zahlreiche  veritabele  Eiweißfubftanzen. 

Mit  Waffer  im  Po^^m'fchen  Topfe  bei  mehreren  Atmofphären 
Druck  überhitzt,  werden  die  Keratine  zu  einer  nicht  gelatinirenden 
FlüIIigkeit  gelöft,  welche  im  Gegenfatze  zu  allen  bekannten  Eiweiß- 
körpern mit  Effigfäure  und  Ferrocyankalium  in  überfchülliger  Säure 
lösliche  Niederfchläge  giebt;  bei  Natroneinwirkung  fpalten  ße  ßch 
unter  Schwefelabfcheidung  in  Alkalialbuminat  und  Pepton  und 
liefern,  mit  Barythydrat  auf  150''— 200^*  C.  erhitzt,  im  Ganzen  die- 
felben  Producte  wie  die  Eiweißkörper  unter  den  nämlichen  Be- 
dingungen. Beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelfäure  geben 
alle  Keratine  Leucin  und  erhebliche  Mengen,  bis  5°/o  Tyroßn; 
beim  Kochen  mit  concentrirter  Salzfäure  und  Zinnchlorür  entfteht 
Glutaminfäure,  Afparaginfäure,  Leucin,  Tyroßn,  Ammoniak  und 
Schwefelwafferfloff, 
toieEiaftine.  Wie  die  Collagene  durch  ihre  Löslichkeit  in  ßedendem  Waffer 
und  das  Gelatinirungsvermögen  der  wäßrigen  Abfude,  die  Keratine 


45]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  229 

durch  ihre  Unverdaubarkeit  für  die  eiweißverdauenden  Enzyme, 
durch  ihre  Zerfetzungsproducte  und  ihren  gewohnUch  hohen 
Schwefelgehalt  ausgezeichnet  find,  fo  werden  die  Elaftine  charak- 
terifirt  und  vor  allem  von  den  Eiweißkörpern  dadurch  fcharf  unter- 
fchieden,  daß  fie  fchwefelfrei  find,  beim  Kochen  mit  verdünnter 
Schwefeiräure  fehr  viel  Leucin  (36 — 45 ^/o),  wahrfcheinhch  aber  gar 
kein  Tyrolin  hefern  und  von  den  beiden  Arten  der  proteolytifchen 
Enzyme  unter  Bildung  von  Hemialbumofen  (fog.  Hemielafi.in)  wie 
Peptonen  (fog.  Elaftinpepton)  zwar  verdaut,  aber  immerhin  nm' 
langfam  angegriffen  werden. 

Die  Elallme^^)  aehneln  darin  den  Collagenen,  daß  fie  der  Ein- 
wirkung von  Reagentien  ^ne  von  Enzymen  bald  mehr,  bald  weniger 
gut  widerftehen,  und  gleichen  genetifch  darin  den  Keratinen,  daß 
fie  fowohl  durch  eine  chemifche  Umwandlung  aus  Zellen  direct 
liervorgehen,  als  auch  in  Secretform  abgefchieden  werden  können. 
Von  letzterem  Modus,  der  zu  einem  chemifch  ganz  gleich  zufam- 
mengefetzten  Producte  wie  die  reine  Zellenmetamoqihofe  führen  kann, 
erfcheinen  die  Elaftine  als  fchalenbildend  um  den  Eiern  der  Schlangen, 
z.  B.  bei  der  Ringelnatter;  bei  den  Säugethieren  dagegen  weit  ver- 
breitet  in  einer  Form,  die  Zellenausläufern  zu  entfprechen  feheint. 
Auch  bei  Fifchen  findet  fich  Elaftin  vor;  es  beliehen  daraus  z.  B. 
flie  fog.  Hornfäden  in  den  Floffen  der  Selachier,  und  nach  dem 
Verhalten  zu  Kalilauge,  zu  den  proteolytifchen  Enzymen  und  nach 
dem  Ausfall  der  Eiweißreactionen  kann  es  auch  kaum  einem  Zweifel 
unt<,-rüegen,  daß  die  organifche  Grundlage  der  von  mir  unterfuchten 
Pennatulidcnachfen,  fo  bei  Fusculina  und  Halisceptrum  Gufla- 
vianum,  ebenfalls  elaftifche  Subflanz  ift.^'') 

Elaftin,  welches  von  Fett,  Eiweiß,  von  den  Salzen  und  den 
collagenen  Verunreinigungen  auf  chemifchem  Wege  zuvor  befreit  ifl, 
ftellt  getrocknet  eine  fpröde,  fehr  harte,  kaum  gelbliche  Mafie  <lur, 
die  im  Walfer  quillt,  unter  dem  Mikrofkoi)e  noch  die  Form  des 
frifclien    elaftifchen    Gewebes    erkennen    läßt    und    (i<n    <inzelneu 


230 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[46 


Ünterfuchern  folgende  Procentzahlen   als  Mittelwerthe  in  der  Zu- 
fammenfetzung  ergab: 


Nackenband  vom  Oclifen : 

Eifchale 

Homfädeu 

von 
Coluber 

Mustelus 

(Tilanus) 

(W.  Müller) 

(Horhac- 
zeiuski) 

natrix 
(Hilger) 

(Kruken- 
berg) 

c 

55.28 

55.46 

54.04 

54.68 

49.83 

H 

7.33 

7.41 

6.95 

7.24 

6.11 

N 

17.63 

16.24 

16.67 

16.37 

15.97 

0 

19.76 

20.89 

22.34 

21.10 

28.09 

Die  reinen  Elafline  zeigen  die  Mülon'^che  wie  Xanthoprotein- 
reaction,  nehmen  aber  erft  beim  Abdampfen,  nicht  fchon  bei 
mehrmaügem  kurzen  Aufkochen  mit  concentrirter  Salzfäure  eine 
Violettfärbung  an  und  löfen  lieh  nur  in  concentrirter  kalter 
Schwefelfäure,  in  ganz  concentrirter  Salpeterfäure,  fowie  in  kochen- 
der concentrirter  Kalilauge.  Aber  gerade  letzterm  Reagens  gegen- 
über beftehen  ebenfo  wie  hinlichtlich  des  Verhaltens  der  Elaftine 
zu  den  eiweißverdauenden  Enzymen,  von  welchen  Peplin  gewöhn- 
lich belTer  auf  diefelben  wirkt  als  Trypfm,  nennenswerthe, 
hauptfächlich  wohl  auf  Altersdifferenzen  hinauslaufende  Ver- 
fchiedenheiten,  indem  fchon  manches  Elaftin  beobachtet  wurde, 
welches  auch  kalte,  concentrirte  Kalilauge  in  kurzer  Zeit  angriff, 
und  anderfeits  das  Schalenelaffcin,  welches  den  Eidotter  bei  den 
Reptilien  umhüllt,  gegen  Enzyme  noch  reliftenter  ßch  erwies  als 
das  Elaflin  des  Nackenbandes  der  Wiederkäuer. 


IV.  Veritabele  Eiweißkörper  als  Gerüftfubftanzen. 

•Biwefßftoffe         ^^^  Wunderbarfte,  was  in  dem  mechanifchen  Aufbau  und  der 

fubftanzen.  Textur  der  Gerüftfubftanzen  ein  lebender  Organismus  geleiftet  hat, 

find  jene,  hiftiologifch  wie  chemifch  fo  lange  unerklärt  gebliebenen 

Gebilde,  welche  bald  von  gallertiger,  bald  von  knorphger  Befchaffen- 


47]  Phyüologie  der  thierifchen  Gerüftsubftanzen.  231 

lieit  im  Grunde  nichts  anderes  vorftellen  als  ein  mit  äußerfl 
waDTeiTeichen  Flüfligkeiten  gefülltes  und  von  Eiweiß-  oder  Keratin- 
membranen gebildetes,  fo  außerordentlich  feines  Mafchenwerk,  daß 
dasfelbe  nicht  nur  den  Hiftiologen  unter  Zuhülfenahme  der  ftärk- 
ften  Vergrößerungen  entging,  fondern  daß  es  fogar  erft  gewilTer 
Kunftgriffe  bedurfte,  um  durch  chemifche  Reactionen  feine  Exiftcnz 
und  eiweißartige  Natur  endgültig  feftzuftellen. 

Bildungen  fo  merkwürdiger  Art  treten  uns  fowohl  in  dem 
von  Hans  Virchow^^)  hifliologifch  genau  unterfuchten  Glaskörper 
im  Auge  der  Wirbelthiere  entgegen,  als  auch  in  den  Nahrungs- 
dottern der  Vogel-  und  Selachiereier,  ganz  befonders  aber  in  der 
Gallerte  der  Medufen^-').  Letztere  enthält  z.  B.  bei  Rhizostoma 
Cuvieri  aus  der  Adria  nicht  mehr  als  4,G08*'/o  fefte  Beftandtheile, 
von  denen  noch  3,0  anorganifche  und,  und  Formen  weniger 
falzreicher  Meere  (z.  B.  der  Oftfee)  fcheinen  nach  den  Angaben 
von  Moehius  noch  weit  walferreicher  zu  fein.  Ein  leicht  verdau- 
licher, dem  Fibrin  wohl  nicht  unähnlicher  Eiweißkörper,  bald  zu 
derberen  Fafern  verdickt  und  gegen  Löfungsmittel  reliflentcr  ge- 
worden, bald  zu  zarten  Häuten  gedehnt,  hält  hier  bei  den  Medufen 
die  cololfale  WalFermaffe  zufammen,  welcher  das  Thier  feine  pralle 
Befchaffenheit  und  ein  Körpergewicht  verdankt,  das  zu  feinem 
Gehalte  an  organifcher  Materie  in  gar  keinem  \''crhältniire  fteht. 
Koratinöfe  wie  collagene  Subftanzen  fehlen  bei  den  Medufen  ganz, 
und  Hyalogene  lind  darin  höchftens  in  minimaler  Menge  vertreten''^): 
Thatfaclien,  die  um  fo  mehr  hervorgehoben  zu  werden  verdienen, 
als  in  neuefter  Zeit  wiederholt  die  Anlicht  ausgefprochen  wurde, 
daß,  gelie  man  die  Zufammenfetzung  der  Gewebe  vergleichend  von 
den  nieder  organifirten  zu  den  liöher  entwickelten  Tliieren  fort- 
fchreitend  durcli,  man  zucrft  das  Auftreten  von  fog.  mucingel)en(K'n 
^lewelx'U  linde,  dann  bald  von  fog.  choiKh-ingcbendcii  und  endlicli 
auch  das  Auftret<.'n  von  glutingel^cndrn  Geweben,  und  <laß  ganz 
diefelbe  Reihenfolgo  refultire,  weiui  mau  die  SUidien  <ler  Entwick- 


232  Grundzüge  einer  vergleichenden  [48 

lung  eines  Embryo,  z.  B.  des  Hühnchens  im  Ei  verfolgt.  Ganz 
abgefehen  davon,  daß  diefe  von  Hojype-Seyler^'^)  entwickelte  Idee 
mit  zwei  Körpern,  dem  fog.  Mucin  und  dem  fog.  Chondrogen,  operirt, 
welche  nicht  einmal  als  phyliologifche ,  gefchweige  als  chemifche 
Individuen,  fondern  nur  als  Gemifche  in  der  Natur  exifliren,  fo 
kann  ich  nach  meiner  Erfahrung,  welche  Repräfentanten  ziem- 
lich aUer  ThierklalTen  umfaßt,  nur  fagen,  daß  alle  Thatfachen  mehr 
und  mehr  darauf  hinweifen,  daß  diefer  chemifche  Parallehsmus 
zwifchen  ontogenetifcher  und  phylogenetifcher  Entwicklung  ein 
fcheinbarer  ift,  daß  die  Gerüftfubftanzen  wie  mehrere  andere 
Stoffe  in  ilirer  Verbreitung  eine  den  Typen  und  Klaffen  gemäße 
Sonderung  aufweifen.- 

Analoge  Verhältniffe  wie  bei  den  Medufen  dürften  nach  den 
ünterfuchungen  von  Stenberg^^)  beim  Chordagewebe  der  Petromy- 
zonten  vorliegen;  denn  auch  an  diefem  fiel  die  Prüfung  auf  fog. 
Mucin  und  Collagen  negativ  aus.  Was  für  ein  chemifcher  Stoff 
dem  Glaskörpergewebe  der  Wirbelthiere  zu  Grunde  hegt,  ift  noch 
nicht  ficher  ermittelt.  Die  Gallertmaffen  um  den  Eiern  der  Selachier^^) 
verdanken  ihre  Conßftenz  einer  keratmöfen  Materie,  die  aber  erft 
allmählich  ihre  Eeßftenzfähigkeit  gegen  Enzj^me  erlangt  und  in 
einem  frühen  Stadium  genau  fo,  wie  es  von  Kühne^'^)  für 
die  das  Weiße  im  Hühnereie  durchfetzenden  Membranen  an- 
gegeben ift,  aus  einem,  dem  Fibrin  vergleichbaren  Eiweißltoffe 
befteht. 

Abgefehen  von  den  Medufen  bilden,  foviel  bis  jetzt  feftgeftellt 
wurde,  ausfchheßhch  aechte  Eiweißltoffe''®)  die  Gerüftfubftanzen  nur 
noch  bei  den  Afleriden*^),  welchen  das  organifche  Subftrat  des 
Echinidenpanzers  verwandt  zu  fein  fcheint.  Diefe  albuminöfen 
Gerüftfubftanzen  gleichen  in  ihrem  Verhalten  den  proteolj^tifchen 
Enzymen  gegenüber  fowie  in  ihren  anderen  chemifchen  Eigen- 
fchaften  den  Eiweißftoffen  im  Gallertgewebe  der  Medufen.  Bei 
den   Afteriden    wde  Echiniden  begegnen  wir  aber   der    im  Thier- 


49]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  233 

reiche  immerhin  fehenen  Erfcheinung,  daß  aechte  Albuminftoffe  im 
großartigften  Maßftabe  verkalken,  und  es  erfordern  diefe  Verhält- 
nifTe  eine  allgemeine  Betrachtung  des  Zuftandekommens  von  Hart- 
gebilden durch  Incruftation  oder,  was  dasfelbe  befagt,  der  Impräg- 
nation von  Geweben  mit  Metallfalzen. 


Die  Paradoxie,  welche  darin  liegt,  daß  man  fich  einerfeits  mit  ^'^  Peo-ifi- 
dem  Gedanken  vertraut  gemacht,  die  einheitlichen,  organifchen  Stoff- 
wechfelproducte  müßten  ohne  Anwendung  zerflörender  Mittel 
wenigftens  in  einem  afchenfreien  Zuftande  zu  erhalten  fein,  und 
anderfeits  der  Anficht  huldigt,  daß  die  normal  erfolgende  Petrifi- 
cation  der  Gewebe  in  erfter  Inftanz  A^on  der  chemifchen  Befchaffen- 
heit  des  fich  incruftirenden,  organifchen  Subftrates  abhänge,  läßt 
fich,  väe  ich  glaube,  nicht  verkennen.  Doch  wird  kaum  zu  leugnen 
fein,  daß  man  bei  Einhaltung  des  erflieren  Principes  glücklicher 
in  den  Refultaten  gewefen  ist  als  bei  Vertretung  des  letzteren. 

Es  gelang,  che  meiften  Gerüftfubftanzen  ohne  tiefgehendere 
Eingriffe  nahezu  rein  zu  gewinnen ;  fo  fand  Horhaczewshi  in  feinem 
Elaftin  nur  noch  0,51*'/o  anorganifche  Beftandtheile,  das  Chitin  ift 
leicht  vollftändig  afchenfrei  zu  erhalten,  und  das  Conchiolin  wie 
Comein  hinterlafien  nach  dem  von  mir  eingefchlagenen  Reinigungs- 
verfahren ftets  einen  unverbrennlichen  Rückftand  von  nur  0,35° /o. 
Die  einzige  Klaffe  unter  den  thierifchen  Gerüftfubftanzen,  deren 
Glieder  nicht  in  annähernd  gleicher  Weife  von  den  anorganifchen 
Stoffen  zu  befreien  waren,  bheben  die  Hyalogene  mit  ihren  nächfteif 
Abkömmlingen,  den  HyaHnen.  Deren  Entftehung  verlangt  allemal, 
das  läßt  fich  den  Befunden  entnehmen,  die  gleichzeitige  Anwefen- 
heit  einer  gewifien  Menge  von  Mineralbeftandtheilen ,  welche  von 
Urnen  chemifch  gebunden  werden  können;  falls  es  an  jiiiorganifclien 
Mat<*rien  fehlt,  bleibt  die  Bildung  der  Plyalogene  aus  oder  fic 
zerfallen  fogleich  weiter  in  Kolilcliydratc,  geben  auch  wohl  rellftente 
8paltungsi)roducte  von  Eiw<ißriatur.     In  ähnlichem  Sinne  äußei-tf 

h'ruktnbcry,  VcTgL-phyrtol.  VcjrlrilKC.  17 


234  Grundzüge  einer  vergleichenden  [50 

lieh  bereits  Schmiedeher g°^)  über  die  Bildung  der  Wolmröliren  von 
Onuphis  tubicola.  «Die  Onupliisröliren  beftelien»,  fo  fagt  er, 
«bis  auf  geringe  Beimengungen  von  albuminoider  Subftanz  fowie 
von  Kali  und  Natron  aus  einer  gut  charakterilirten ,  organifche 
und  anorganifche  Beftandtheile  enthaltenden  chemifchen  A-^erbindung, 
ein  Fall,  wie  er  bisher  an  keinem  analogen  tliierifchen  Gebilde 
nachge'wdefen  ift. »  «Am  Wahrfcheinlichften  erfcheint  die  Annahme, 
daß  das  Onuphin  in  Form  einer  Alkali-,  vielleicht  Kaliumphosphat- 
verbindung, "vne  fie  künftlich  erhalten  wurde,  als  eine  das  ganze 
Thier  umhüllende  Schicht  abgefondert  wird,  die  fich  durch  Subfli- 
tution  von  Kaüum  durch  Calcium  und  Magnefium  in  die  völlig 
unlösliche,  feite  und  wiclerflandsfähige  Verbindung  umwandelt,  deren 
chemifche  Zufammenfetzung  (unter  Anm.  50)  mitgetheilt  ift.  In 
Folge  der  durch  diefen  Vorgang  bewirkten  Confolidirung  verdünnt 
lieh  die  Wandung  diefer  fo  gebildeten,  zunächft  aus  einer  äußerfl 
dünnen  Lamelle  beftehenden  Röhre,  während  ihr  Lumen  weiter 
wird,  fodaß  die  Wandung  lieh  von  der  Oberhaut  des  Thieres  abhebt 
und  dadurch  zunächft  für  die  Ablagerung  einer  neuen  Schicht  der 
Onuphinverbindung  und  fchließhch  für  die  freie  Bewegung  des 
Thieres  Platz  gefchaffen  wü'd. » 

Zwar  vermag  ich^^)  mich  nach  meinen  Erfahrungen  an  den 
Hüllen  von  Spirographis  Spallanzanii  der  von  Schmiedeberg  ver- 
tretenen Anficht  nicht  in  allen  Punkten  anzufchheßen  und  zwar 
fehon  deshalb  nicht,  weil  ich  mich  von  der  Exiftenz  eines  der- 
artigen Hyahns,  me  es  Schmiedeberg  im  Onuphin  annimmt,  in  den 
Spirographisröhren  nicht  habe  überzeugen  können,  fondern  vielmehr 
nachwies,  daß  ein  folches  aus  einem  in  den  Röhren  präformirt 
enthaltenen  Hyalogene  erft  bei  der  A^erarbeitung  entfteht;  aber  hier 
kommt  es  uns  lediglich  darauf  an,  die  Thatfache  zu  konftatiren, 
daß  mit  dem  Entftehen  eines  Hyalogens  ftets  die  Bindung  eines 
bedeutenden  Procentfatzes  an  anorganifcher  Materie  unbedingt 
verknüpft  ift,  und  in  diefer  Beziehung  fmd  Schmiedebergs  Angaben 


51]  Phyüologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  235 

für  uns  von  nicht  geringerem  Belang  als  diejenigen  von  LncJie^-), 
denen  gemäß  junge  Echinococcusblafen  einen  Gehalt  von  15,807o 
Afche,  alte  dagegen  einen  folchen  von  nur  0,29 ^o  hinterlallen. 
Vorausgefetzt,  daß  LUrlr  nicht,  wie  es  mir  fall  vorkommt,  alte 
Blafen  für  junge  und  junge  für  alte  gehalten  hat,  würde  aus  diefen 
Beobachtungen  zu  fchheßen  fein,  daß  die  hyaline  Befchaffenheit 
der  Blafen  fich  mit  der  Zeit  ändert,  indem  \'ielleicht  fchließlich 
ein  reines  Kohlehydrat  refultirt,  welches  keine  Verwandtfchaft  zu 
den  anorganifcheu  Stoffen  mehr  befitzt. 

In  entfprechender  Weife,  -wäe  von  den  Hyalogenen  und  Hya- 
linen Händig  bedeutende  Mengen  anorganifcher  Stoffe  chemifch 
und  zwar  fehr  feft  gebunden  werden,  hat  man  fich  auch  die 
Incruftirung  mehrerer  anderen  Gerüftfubflanzen  vorgeftellt.  Seitdem 
durch  die  Unterfuchungen  der  letzten  Jahre  entfchieden  ifl:,  daß 
die  fog.  Mucine  als  Gemengtheile  meift  Stoffe  aus  der  Klaffe  der 
Hyalogene  einfchließen ,  häufig  aus  folchen  vornehmlich  beflehen, 
und  fich  die  von  Kilhnc'^^)  bereits  1868  ausgefprochene  Anficht, 
daß  fich  die  Skeletine  augenfcheinlich  den  Kohlehydraten  anfclili'^ßen, 
immer  mehr  zu  bewahrheiten  fcheint,  muß  ein  verhältnißmäßig 
hoher  Gehalt  an  Mineralbeftandthcilen  jener  fog.  mucinöfcn  Secrote 
als  ein  ebenfo  unbedingtes  Erforderniß  gelten  wie  für  die  Secrete, 
aus  welchen  die  Wohnröhren  der  Spirographis  und  der  Onuphis 
hervorgehen ;  auch  kann  es,  fo  glaube  ich,  nicht  mehr  befremden, 
wenn  man  den  organifchen  Secrctbcftandtheilcn ,  welche  fpätcr 
zu  Conchiolin,  Comein  oder  Spongin  erhärten,  die  Eigenfchaft 
vindiciren  wollte,  fich  in  dem  Stadium,  wo  fie  die  Zelle  als  Secret 
verlaffen,  mit  einer  beftimmten  Menge  anorganifcher  Stoffe  zu 
verbinden  und  diefe  wiederum  frei  werden  zu  laffen,  wenn  \w  in 
die  refiflenten  Endproducte  übergegangen  find.  Dorfell)e  Stoff, 
welcher  in  einem  frülicrn  Stadium  die  Mineralbeftandtheile  durch 
chemifche  W-rwandtfchaft  an  fich  kettete,  würde  dann  als  eine 
für  Waffer  und  Salzlöfungen  fcliwer  durclidringbarc   und  zugleich 


236  Grundzüge  einer  vergleichenden  [52 

als  eine  meclianifch  fehr  widerflandsfähige  Membran  die  anorgani- 
fchen  Materien  auch  fernerhin  zufammenhalten.  Lange  bevor  man 
von  den  Eigenfchaften  der  Hyalogene  eine  Anfchauung  befaß,  ifl 
die  hier  entwickelte  Idee  fowohl  für  die  «Verirdung»  der  Mollusken- 
fchalen  wie  auch  für  die  Petrification  von  pathologifchen  Secret- 
malTen  entwickelt,  doch  heute  wohl  allgemein  wieder  verlalTen  w^orden. 

So  vertrat  z.  B.  H.  Meckel^^)  diefe  Anficht  in  der  Pathologie, 
indem  er  meinte,  daß  die  zur  Steinbildung  führende  Krankheit 
der  Harn-  und  Gallenwege  fog.  colloides  Material  erzeuge,  welches, 
weil  es  zähe  und  fchwer  beweglich  ifl,  retinirt  würde  und  mit  dem 
fchwer  löslichen  Körper,  namenthch  mit  dem  Kalk  der  Gewebs- 
flüfligkeit,  chemifche  Verbindungen  einginge.  Die  Fremdkörper 
follten  in  den  Secretions wegen  ia  der  Regel  erfl  eine  Entzündung, 
einen  Katarrh  hervorrufen,  welcher  dann  das  Material  zu  ihrer 
Incruflation  liefere,  und  die  feltenen  Fälle  von  Speichel-  und  Blafen- 
fleinen  bedingen.  Diefe  Theorie  würde  als  Confequenz  die  Annahme 
zm"  Folge  haben,  daß  bei  der  Verfteinerung  der  Gewebe  die  chemifche 
Befchaffenheit  der  letzteren  die  Hauptfache  ausmache,  und  alfo 
eine  beflimmte  Art  von  Collagen,  Muskelfubftanz,  Kryflalhnfe  oder 
von  Fibrin  erforderhch  fein  würde,  um  die  Kalkfalze  zu  fixu-en; 
nicht  jede  veränderte,  abgeftorbene  Muskelfafer,  nicht  jeder  nekro- 
tifche  Herd,  auch  bei  langem  Beflehen,  würde  fomit  geeignet  fein, 
fich  zu  einem  Steinlager  umzubilden. 

Der  meiflen  Anhänger  hat  fich  die  chemifche  Theorie  der 
Incruflationen,  wie  ich  mich  kurz  ausdrücken  will,  feit  lange  bei 
dem  Olfificationsvorgange  zu  erfreuen  gehabt.  Bei  der  einge- 
fchlolfenen  Lage  der  Knochenkörperchen ,  ihrer  Feinheit  und 
ungleichen  Vertheilung,  bei  dem  verfteckten  Verlaufe  von  tiefer  in  ■ 
den  Knochen  eindringenden  Gefäßen,  Nerven  und  Fafern  des 
Periofts  —  alles  Verhältnifi'e,  welche  fowohl  die  EntwälTerung  des 
Collagens  nur  unvollkommen  ausführen  und  kein  gleichartiges 
Unterfuchungsmaterial  befchajffen  lafi'en,  —  überrafcht  die  üeberein- 


53]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüilfubftanzen.  237 

Ilimmung  in  den  Analyfeu  der  Knochen  —  gleichgültig  ob  diefelbeu 
einem  oder  verfcliiedenen  Tliieren  entftammen,  ob  diefelben  gleichen 
oder  verfchiedenen  Alters  find^^)  —  nicht  wenig  und  reden  der 
Annahme  von  einer  z\\äfchen  dem  Collagen  und  der  Knochenerde 
beltehenden  chemifchen  Verbindung  gewiß  ebenfo  fehr  das  Wort 
als  die  Thatfachen,  daß  bei  der  Reforption  der  Knochenfubftanz 
durch  die  !Myeloplaxen  die  KalkmalTe  ftets  gleichzeitig  mit  dem 
Collagen  aufgelöft  wii-d,  daß  das  phyüologifche  Yerhältniß  zwifchen 
organifchen  und  anorganifchen  Beftandtheilen  auch  in  den  erhalte- 
nen, normalen  Knochenreften  rhachitifcher  Knochen  bewahrt  bleibt, 
und  daß  eine  fo  gleichmäßige  Durchdringung  des  organifchen 
Subftrates  von  den  Mineralbeftandtheilen  als  gerade  beim  Kochen 
wohl  fonft  nur  feiten  beobachtet  wird.  Auch  die  Erfahrung,  daß 
bei  einer  Zunahme  der,  in  den  Gewebsfäften  normal  gelöften  oder 
der,  mit  dem  Gewebseiweiß  in  chemifcher  Verbindung  befindlichen 
anorganifchen  Stoffe  die  Zufammenfetzung  der  Knochenerde  und 
ihr  Verliältniß  zum  Collagen  unverändert  bleibt,  hat  man  als 
Beweis  für  ein,  im  Kochen  vorhandenes,  beftimmtes,  gegenfeitiges 
Mengen verhältniß  zu  verwerthen  verfucht  und  ebenfo  überzeugte 
man  fich,  daß  die  regelrechte  Ausbildung  der  Knochen  nur  bei 
äußerfler  Kalkarmuth  der  Gewebsfäfte  unterbleibt,  fei  diefe  nun 
durch  eine  ungenügende  Reforption  vom  Darme  aus  (z.  B.  durch 
eine  übermäßige  Aufnahme  von  kalireicher  Nahrung''^))  bedingt 
oder  durch  eine  kalkarme  Koft,  deren  Gehalt  an  Erdfalzen 
vielleicht  in  diefem  Falle  nur  deslialb  nicht  ausreicht,  weil  zur  Zeit 
ausnehmend  \iel  davon  im  Organismus  anderweitig  verbraucht  wird 
(fo  z.  B.  für  die  Entwicklung  des  Skelets  der  Frucht  während  der 
Schwangorfchaft,  oder  für  die  Milch  während  der  Lactation);  über 
weder  bei  Verabreichung  kalkarmer  Nahrung  gelang  es  bei  unferen 
Ilaustliieren,  noch  in  einer,  von  Ih-iü'''')  falt  ein  Jahr  lang  fortge- 
fetzten Experimentalunterfuchung,  während  «Icr  ein  kleiner  Ilun.l 
tägiicl)  im  MitU^l    7,4  gr,    im   (ianzen   2280  gr,   d.  li.    beinahe   «lie 


238  Grundzüge  einer  vergleichenden  [54 

Hälfte  feines  Körpergewichtes  Milchfäure  erhielt,  dem  einmal  fertig 
geftellten  Knochen  feine  Erdfalze  wieder  zu  entziehen.  Scliließlich 
ergab  fich  eine  mit  dem  Knochen  übereinftimmende  Zufammen- 
fetzung  auch  für  die  an  lieh  reinere  Zahnmalle,  und  Hoppe- Seyler^^) 
fragt,  auf  diefe  Thatfache  verweifend,  wohl  nicht  mit  Unrecht,  ob 
diefe  Coincidenz  nicht  darauf  hindeute,  daß  der  eigentlichen,  fecun- 
dären  Ablagerung,  die  in  Zahnbein  und  Knochen  die  Zellen  umgiebt, 
eine  ganz  beltimmte  Quantität  von  Collagen,  und  zwar  ungefähr 
25*^/ 0  zu  Grunde  hege. 

Wiederholt  lind  nun  von  diefen  Geßchtspunkten  aus  Formeln 
für  die  Knochenerde  ^^)  aufgefteUt,  welche  man  ßch  als  ein  chemifch 
mehr  oder  weniger  fcharf  definirbares  Calciumphosphat  meiß;  mit 
dem  Collagen  verbunden  dachte.  So  hatte  Berselius  der  Knochen- 
erde die  Formel  SPO-  +  8CaO  zuerkannt,  welche,  in  unfere  jetzige 
Lehre  unagefetzt,  befagen  würde,  daß  die  Knochen  neben  dem 
neutralen  gefättigten  Calciumphosphate,  (P04)2Ca3,  noch  die  Ver- 
bindung: P04CaH  enthalten.  Heint^  wies  dagegen  nach,  daß  das 
im  Knochen  vorhandene  Calcium  zur  alleinigen  Bildung  von 
{FO^^Goi^  neben  COgCa  und  Fl2Ca  vollkommen  ausreiche.  Später 
haben  indeß  v.  BecMingJiaufen  und  Wüdt  wieder  das  Vorhanden- 
fein von  P04CaH  im  Knochen  angenommen,  während  Hoppe-Seyler, 
der  zwar  die  Knochenerde  mit  dem  Collagen  nicht  chemifch  ver- 
bunden fein  läßt,  fich  nach  feinen  Unterfuchungen  dahin  ausfpricht, 
«daß  in  dem  Schmelze  der  Zähne  und  in  den  Knochen  Phosphor- 
fäure  und  Calcium  trotz  mancher  Schwankungen,  die  die  Analyfen 
ergeben,  fich  annähernd  in  den  VerhältnilTen  des  Apatit  befinden, 
nämlich  lOCa  :  6PO4,  ein  Verhältniß,  welches  den  wefentlichften 
und  wichtigflen  Vorkommen  der  Phosphate  in  den  Gefteinen  ent- 
fpricht.  Die  Phosphorfäure  ift  nicht  im  Stande,  fo  viel  Calcium 
zu  fättigen,  der  übrige  Theil  des  Metalles  findet  in  Knochen  und 
Zähnen  feine  Sättigung  hauptfächlich  durch  Kohlenfäure,  nur 
Spuren  davon  werden  durch  Chlor  und  Fluor  gefättigt».     Hoppe- 


55]  Phyfiologie  der  thierirdien  Gerüftfubftanzen.  239 

Seifhr  überzeugte    ficli  zugleich,    daß   diefes  Yerhältniß  im  Zahne 

wie  im  Schmelze  eingehalten  wird,   und  verßnnlicht  uns,   indem 

er  von  den  Spuren  an  Chlor  nnil  Fluor  in  der  Knochenerde  abfieht, 

die    Verbindung:    3([POj2Ca3)«CaC03    dm-ch    folgende   moleculare 

Anordnung  der  Atome: 

PO, 

/Ca/ !  \Ca. 
PO/         Ca        \po. 

Ca"^  Ca  CO3  Ca^  Ca. 

'^Ca^^'-^/Ca/      ' 
PO, 

Ganz  anderer  Anficht  ift  fchließlich  noch  Aehij,  welcher  haupt- 
fächliches Gewicht  auf  das  Verhalten  der  Knochengebilde  beim 
Erhitzen  und  auf  die  Befchaffenheit  von  foffilen  Knochen  legt. 
Nach  Acht/  ift  der,  eine  vom  Knochen  durchaus  verfchiedene 
Metamorphofe  durchmachende  Zahnfchmelz  neutrales  Orthophosphat, 
und  er  erkennt  dem  Elfenbeine,  von  welchem  fich  das  Knochen- 
pliosphat  nur  durch  den  Mangel  an  bafifchem  Waffer  (2H.^0) 
unterfcheiden  foll.  folgende  Formel  zu: 

6P,OgCaa-2H,0.2CaO.CO,  +  3aq. 

Auf  einem  von  den  genannten  Unterfuchungsmethodcu  lehr 
abweichenden  Wege  ift  man  ebenfalls  beftrebt  gew^efen,  den  Nach- 
weis zu  führen,  daß  die  Knochenerde  mit  dem  Collagen  wirklich 
cliemifch  verbunden  fei.  Man  bereitete  fich  Glutin-  und  Calcium- 
phosphat  enthaltende  Löfungen,  mifchte  beide  und  erhielt  dann 
Niederfchläge,  welche  fowohl  Glutin  als  auchCalciumfalze  einfcliNjÜen. 
Ich  brauche  indeß  wohl  kaum  zu  bemerken,  daß  derartige  N'erfuche 
nur  zeigen,  wie  fein  vertheilte  Niederfchläge,  fonft  in  Jjöfuiig 
verbleibende  Subftanzen  mit  ausfällen,  und  daß  «licrclbcii  /ui-  Fiit- 
fcheidung  der  Frage,  um  deren  Willen  fie  angeftellt  wurden,  fchon 
deshalb  nichts  beitragen  können,  weil  <ler  Knochen  kein  (Jlutin, 
fondern  Collagen,  alfo  einen  ganz  andersartigen  Körper  enthält,  wenn- 
fchon  Jloj/pr-Seijler  beide  Bezeiclinungen  in  feinen  Auseinander- 
fetzungen  immerfort  promiscue  gebrauclit. 


240  Grundzüge  einer  vergleichenden  [56 

Nun  giebt  es  jedoch  eine  allerdings  nur  kleine  Zahl  von 
Ueberlegungen  und  Thatfachen,  welche,  wie  ich  glaube,  weit 
fchlagender  gegen  eine  chemifche  Verbindung  der  Knochenerde 
mit  dem  Collagen  fprechen  als  alle  vorgebrachten  Argumente  für 
diefelbe.  Ich  will  nicht  auf  den  fog.  permanenten  Knorpel  ^°) 
hinweifen,  delfen  Gehalt  an  Kalkfalzen  lieh  viele  Jahre  hindurch 
auf  einem  Niveau  von  4 — 7°/o  erhält,  denn  hier  würde  einzuwenden 
fein,  daß  die  Knorpelgrundfubftanz  nur  deshalb  nicht  in  ausgiebigerem 
Grade  petrifiche,  weil  in  ihr  die  meiften  freien  Affinitäten  des 
CoUagens  durch  das  Hyalogen  gefättigt  find ;  aber  ich  frage,  warum 
petrificirt  nicht  ebenfo  wie  der  Knochen  alles  hyalogenfreie,  collagene 
Bindegewebe,  was  doch  nothwendig  der  Fall  fein  müßte,  wenn 
die  Anziehung  und  Ablagerung  der  Kalkfalze  eine  rein  chemifche 
Urfache  im  CoUagen  befäße.  Andererfeits  tritt  nun  aber  auch 
im  Zahnfchmelze,  defifen  Subfi;rat  bekannthch  kein  Collagen,  fondern 
Epithelzelle  ifl;,  wenn  auch  wohl  nicht,  wie  Hoppe-Seyler  will,  die- 
felbe, fo  doch  eine  chemifch  fehr  annähernd  conftituirte,  anorganifche 
Verbindung  wie  im  Knochen  auf,  und  es  fteht  fomit  außer  Zweifel, 
daß  die  übereinftimmende  Zufämmenfetzung  der  Knochenerde  fo 
verfchiedenartiger  Vorkommniffe  lediglich  eine  vitale  Zellenleiftung 
ift,  und  nicht  etwa  die  petrificirende  Subftanz  fie  zufammenführt. 
Schließlich  whd  auch  noch  geltend  zu  machen  fein,  daß  keine 
Affinitäten  bekannt  find,  welche  eine  chemifche  Verbindung  zwifchen 
der  Calciumphosphatverbindung  und  dem  Collagen  begreiflich 
erfcheinen  heßen,  und  daß  Muskel-  wie  Nervenfafern,  Ganglien- 
zellen, Chitin  ^^)  wie  Corneingebilde^^),  trotzdem  fie  ebenfalls  keine 
chemifche  Verwandtfchaft  zu  Kalkfalzen  befitzen,  fich  unter  Um- 
Itänden  in  ganz  ähnhcher  Weife  wie  das  Knochengewebe  mit 
diefen  beladen  können.  Die  annähernde  Befländigkeit  in  der 
Zufämmenfetzung  der  Mineralbeftandtheile  hegt  hier,  wie  überall 
in  der  lebenden  Welt,  in  der  Zellenfunction  felbft  begründet;  nie 
geftattet  diefelbe  als    folche  den  Schluß    auf  eine   Beziehung  der 


57]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen.  241 

Salze  zu  den  organifchen  Beftandtheilen  der  Zellenproducte.  So 
ift  es  bei  den  flüITig  bleibenden  Drüfenfäften  wie  auch  bei  den 
bald  feit  werdenden  Secreten ,  welchen  letzteren  die  Knochen- 
grundfubltanz  ebenfo  wie  die  verkalkende  Chitinmembran  zuzu- 
rechnen ilt. 

Schon,  wenn  man  fich  erinnert,  daß  ein  Hyalogen  oder  Hyalin 
unter  günitigften  Verhältniflen  40^/o  Alkah-  und  Erdalkalimetalllalze 
chemifch  zu  binden  vermag,  und  die  wahi-haft  cololfalen  MalFen  anor- 
ganifcher  Stoffe  dagegen  hält,  welche  das  Knochengewebe  oder  nun 
gar  die  Molluskengehäufe,  die  Korallenftöcke  erfüllen,  die  Speichel- 
und  Uratfteine  bilden,  ferner  die  fpecififchen  Differenzen  erwägt, 
welche  in  Betreff  der  Petrification  bei  nahe  verwandten  Formen  auf- 
treten und  wofür  uns  die  Arthropoden  wie  Gorgoniden,  unter  Gleich- 
bleiben des  organifchen  Subftrates  die  eclatantellen  Beifpiele  liefern, 
fo  muß  man  die  Fragen,  warum  fich  bei  Loligo  die  Rücken- 
lamelle, bei  Infecten  die  chitinöfe  Decke  —  welche  im  erltern  Falle 
bei  Sepia,  im  letztern  bei  den  Cruftaceen  doch  in  ausgiebigftem 
Maße  verkalken  —  fo  ausnehmend  arm  an  Mineralbeltandtheilen 
erweifen,  warum  fich  in  den  Brachiopodenfchalen ,  gleich  denen 
der  Laraelübranchiaten  in  der  erlten  Zeit  ihrer  Entwicklung  {Ras2)aü 
und  Frevost*^^)),  aber  fo  abweichend  von  den  älteren  aller  fonfligen 
Mollusken  ^^),  haupträchhch  Calciumphosphat  und  nicht  Calcium- 
carbonat anhäuft,  als  ebenfo  unzeitgemäße  bezeichnen,  als  wenn 
gefragt  und  zu  entfcheiden  verfucht  wird,  warum  die  Magendrüfen 
Salzfäure  und  ftatt  ihrer  keine  Schwefellaure  fecerniren  oder  warum 
die  Concremente  im  ^o;Vm?(.s'fchen  Organe  von  Pinna  sqammosa 
fo  reichUch  Mangan,  aber  kein  Eifen  und  kein  Kupfer  enthalten  *'•'*), 
warum  bei  dem  einen  Fifchc  das  Guaniii  vorwiegend  in  der 
Schwimmblafe  und  im  Peritoneum,  bei  einem  andern  dagegen  in 
den   P)indegeweljszellen  der  Epidermis  lagert. 

Derartige  fpecififche,  vitale  ZellenfunctioiK'ii  wi<'  die  eben 
betrachteten,    können,    entfiireclund    «Jen     Stoffweclifelvorgängen, 


242  Grundzüge  einer  vergleichenden  [58 

weiterhin  noch  nach  Alter  und  Gefchlecht  fehr  variiren  und  erfchei- 
nen  auch  in  pathologifchen  Zuftänden  weit  mehr  verändert  als 
die  organifchen  Subftrate;  doch  im  Allgemeinen  bewahren  auch 
ße  ßch  eine  ziemliche  Conftanz. 

Zur  eingehenderen  vergleichenden  Betrachtung  diefer  Verhält- 
niffe  wähle  ich  nur  noch  zwei  Beifpiele  aus,  welche  mir  in 
mehr  als  einer  Beziehung  biologifch  lehrreich  und  foweit  unterfucht 
erfcheinen,  daß  man  einen  vollkommenen  Einblick  in  die  hier  ob- 
waltenden Variationen  empfängt;  es  feien  das  die  Verkiefelung 
der  Federn  und  die  Verirdung  der  Molluskengehäufe. 

Als  es  am  Ende  der  fechziger  Jahre  den  Bemühungen  von 
Friedel,  Grafts  und  Ladenburg  gelungen  war^^),  organifche  Ver- 
bindungen darzuflellen,  in  welchen  fämmtlicher  Kohlenfloff  oder 
wenigftens  ein  Theil  desfelben  durch  das  allein  ebenfalls  noch 
vieratomige  Silicium  erfetzt  ift,  und  man  fo  zu  den  Synthefen  des 
Silicochloroforms,  des  Anhydrids  der  Siliciumameifenfäure,  der  Silico- 
propion-,  Silicobenzoe-  und  Silicotolylfäure  fowie  zu  den  Synthefen 
des  Siliciumäthyls,  der  Siliciumäther  und  des  Silicononylalkohols 
gelangt  war,  fand  zugleich  mit  den  Ideen,  es  könne  fehr  wohl  den 
Kohlenftofforganismen  ein  füg.  Siliciumleben  vorausgegangen  fein, 
und  es  fei  wohl  alle  Ausficht  vorhanden,  auch  den  complicirter  auf- 
gebauten Kohlenftoffverbindungen,  den  Kohlehydraten  und  Eiweiß- 
körpern, fich  in  ihren  chemifchen  Eigenfchaften  analog  verhaltende 
Silicium  Verbindungen  künfthch  erzeugen  zu  lernen,  —  zu  einer 
Zeit,  wo  man  auch  der  Vorftellung  huldigte,  es  möchten  fich,  als 
Ueberbleibfel  jener  vorausgegangenen  Siliciumwefen  noch  bei  mehre- 
ren recenten  Organismen  organifche  Siliciumverbindungen  erhalten 
haben,  da  fand,  fage  ich,  auch  die  Anficht  ihre  Vertreter,  daß  die 
Kiefelfäiu-e  in  den  Tabafchiren  der  Bambufen,  in  den  Skeleten  der 
Equifetaceen  nicht  nur  als  folclie  abgelagert  fei,  fondern  fich  viel- 
mehr hier  mit  einem  organifchen,  mit  einem  Kohlenftoffcomplexe 
in  wahrer,  chemifcher  Verbindung  befände.     Diefe  jedenfalls  geilt- 


59]  Phyfiologie  der  thierifehen  Gerüftfubftanzen.  243 

reichen  Hx-potheleu  lind  indeß  durch  Thatrachen  niclit  zu  ftützen 
gewefen,  und  wir  Tehen  deshalb  in  den  Kiefelfäureablagerungen 
pflanzlicher  und  thierifcher  Vorkomnnülle  gewiß  mit  Recht  das 
nämhche  Reliütat  eines  fpecififchen  Ausfcheidungsvermögens  leben- 
der Zellen,  welches  an  den,  die  verfchiedenartigllen,  organifchen 
Stoftwechfclproducte  (ohne  irgend  welchen  chemifchen  Connex) 
imprägnircnden  Kalkverbindungen  fo  often  zu  Tage  tritt. 

Quantitative  Beftimmungen  des  Kiefelerde-  und  Afchengehaltes 
der  Vogelfedern  wurden  in  großer  Anzahl,  mit  Berückfichtigung  der 
Ernährungsverhältnilfe  und  des  Alters  der  Thiere  von  v.  Gorup- 
Befanez  angefkellt.  Hauptlachlich  bildet  der  Federbart,  weniger 
die  Spule  und  das  Federmark  die  Stätte  der  Ablagerung,  und  die 
unter  Anmerkung  G7  mitgetheilten  Analyfen  weifen  fowohl  eine  be- 
ftimmte  Beziehung  des  Kiefelerdegehaltes  zur  Nahrung  nach,  indem 
die  Federn  der  Körner  freflenden  Vögel  am  meiften,  diejenigen 
der  Fifche  freflenden  am  wenigften  Kiefelfäure  enthalten,  wie  auch 
ein  Steigen  des  Gehalts  der  Federn  an  diefer  Säure  mit  zunehmen- 
dem Lebensalter. 

Die  gäng  und  gäbe  gewordene  Anficht  über  die  Entftehuiig  der 
Molluskengehäufe  geht  trotz  wiederholt  erhobener  Einwände"^) 
gegenwärtig  noch  dahin, ,  daß  diefelben  gleich  dem  äußern  Skelet 
der  Arthropoden  zu  den  membranöfen  Zellenabfcheidungen  (Cuti- 
cularbildungen)  gehören,  und  daß  die  ihnen  in  Form  von  Häuten 
oder  eines  Mafchenwerks  zu  Grunde  liegende  conchiolinöfe  Subltanz 
—  wie  Frülijahrs  an  unferen  einheimifchen  Helix-Arten  und  auch 
an  Schneckenembiyonen  gut  zu  l^eobachten  ift  —  das  zuerft  (»c- 
bildetc  ift,  welches  erft  nach  und  nach  in  verl'chiedenem  Grade 
mit  Kalkfalzen  imprägnirt  oder  in  den  Holilräumcn  mit  den  Kalk- 
verbindungen au.«g(füllt  wird.  Wie  fchon  C.  Sdnnidt^^^)  richtig 
erkannte,  der  der  E[)ithelzelle  des  Mantels  die  Eigenfcliaft  znfclirifb, 
ein  Kalkalbuminat  abzufondcrn,  das  zur  Schale  erftarrc,  wir«!  (lj(5 
Schalenmafle  von  der  gefammten  Haut  uimI  zwar  von  ilcn  Ei»itlicl- 


244  Grundzüge  einer  vergleichenden  [60 

Zellen  felbli;  abgefondert;  befondere  Drüfen  liefern  noch  Schleim 
hinzu,  aber  H.  MeckeV^)  befand  fich  gewiß  im  Unrechte,  wenn  er 
befondere  Kalk  abfondernde  Drüfen  annahm,  wie  lie  für  die  Farben 
allerdings  und  ausfchließlich  im  Mantelrande,  der  überdies  nach 
Semper  auch  die  Epidermis  der  Schalen  bildet,  vorkommen. 

In  frühefter  Zeit  fcheint  man  die  Schale  ''^)  allgemein  als  etwas 
von  außen  zum  Thiere  Hinzugekommenes,  als  eine  Incruftation 
aus  dem  WaDfer  aufgefaßt  zu  haben,  deren  Bildung  man  fich 
nicht  anders  vorzuftellen  habe  als  die  der  fog.  Dornenfteine  in 
den  Gradirwerken  und  der  in  vielen  Quellen  abgefetzten  Sinter- 
oder Sprudelfteine.  Erft  Reaumur  unterwarf  1709  die  Schale  einer 
genaueren  Unterfuchung  und  conftatirte,  daß  diefelbe  ein  Secret 
fei  und  ihre  Dickenzunahme  an  der  gefammten  Mantelfläche,  das 
Weiterwachfen  jedoch  nur  am  Mantehande  gefchehe.  Entgegen 
diefer  Anficht  Beaumur's  betrachtete  1766  HeriJTant  die  MoUusken- 
fchale  als  einen  knochenartig  belebten  Körper  und  vindicirte  ihr, 
wenigftens  bis  zu  einem  gewiHen  Grade,  ein  inneres  Wachsthum, 
auf  welches,  feiner  Meinung  nach,  fchon  die  Auswüchfe  und 
Stacheln  an  vielen  Conchyhen  hinweifen  follten. 

Die  Auffaffung,  daß  ein  Theil,  wenn  auch  nur  0,5  "/o  des 
Calciumcarbonates  mit  dem  Conchiohn  chemifch  verbunden  fei, 
finden  wir  noch  von  Bifchoff  in  feinem  Lehrbuche  der  chemifchen 
Geologie  vertreten,  der  darin  die  Erklärung  findet,  daß  die  innere 
Schicht  der  Aufterfchalen  z.  B.  36mal  foviel  kohlenfaures  Walfer 
zur  Auflöfung  bedarf  als  Kreide,  ISmal  fo\T.el  wie  gepulverter 
Kalkfpath  und  lOOmal  fo  \del  als  frifch  gefälltes  Calciumcarbonat. 
Die  Widerftandsfähigkeit  der  mit  den  lebenden  Thieren  in  Ver- 
bindung befindlichen  "Schalen  gegen  den  fog.  Verffceinerungsproceß 
(welcher  im  Wefentlichen  darin  befieht,  daß  das  Calciumcarbonat 
in  der  Schale  wirklich  kryftallifirt  oder  pfeudomorphotifch  durch 
andere  Mineralftoffe  verdrängt  wird),  gegen  das  Zerfrefienwerden 
der  Wu'bel,  wie  es  bei  manchen  Flußmufcheln  zu  beobachten  ift, 


61]  Phyfiologie  der  thierifehen  Gerüftfubltanzen.  245 

und  fchließlioli  auch  gegen  ein  Spröde-  und  Hinfälligwerden, 
welches  bei  einem  Zurückziehen  des  Thieres  aus  den  hiuterften 
Schalenwindungen  bei  Bulimus  decollatus,  Truncatella,  einigen 
Cyclostoma-,  Mclania-,  Cerithium-  und  Buccinum- Arten  fo 
fchön  gefehen  ward,  ^"^j  hat  ebenfalls  mehrere  Autoren  auf  eine  zwi- 
fchen  dem  Conchiohn  und  den  anorganifchen  Schalenbeftandtheilen 
befl^hende  chemifche  Verbindung  recurrhen  lafTen;  doch  diefe 
Thatfachen  lalTen  fich  nicht  weniger  gut  und  noch  weit  unge- 
zwungener durch  die  rein  mechanifch  fchützende  Hülle,  welche 
die  einzelnen  Conchiohn ftraten  den  Kalkeinlagerungen  bieten,  oder 
durch  den  Halt,  den  die  Spitzen  der  Gehäufe  durch  die  in  fie 
cingefenkten  Theile  des  lebenden  Thieres  erfahren,  erklären,  und 
es  liegt  hier  zu  der  Annahme  einer  wirklich  chemifchen  Vereinigung 
zwifchen  den  anorganifchen  und  den  organifchen  Beftandtheilen 
ebenfowenig  irgend  ein  triftiger  Grund  vor  als  beim  Collagen. 

Was  den  Chemismus  der  Secretion  und  des  Verkalkungsvor- 
ganges  der  Schalenfubftanz  felbll  anbelangt,  fo  hatte  C.  Schmidt  '^) 
die  Meinung  geäußert,  daß  die  Epithelzellcn  des  Mantels  ein  eigen- 
thümliches  Kalkalbuminat  aus  der  Hämolymphe  abfcheiden,  und 
diefes  dann  zur  Schale  erhärte.  In  der  Hämolymphe  von  Ano- 
donta  hatte  Schmidt  Fibrinogen,  Kalkalbuminat,  Alkalien,  Calcium- 
phosphat  nachgewiefen  und  glaubte  nun,  daß  in  den  Mantel- 
epithelien  aus  der  Hämolymphe  freies  Albumm  und  Calcium- 
phosphat  abgefchieden  und  dem  Kreisläufe  zurückgegeben,  wäh- 
rend ein  anderer  Albuminkalk  zur  Sehale  abgefondert  werde. 

Dank  den  Unterfuchungen  fo  vieler  ausgezeichneter  Minera- 
logen find  wir  weit  beffer  als  über  jene  Verhältniire  über  die  Menge 
der  anorganifchen  Beftandtlicile,  über  deren  Modification  und  Ab- 
lageningHWoife  in  den  Molluskcngchäufen  unteniclitot.  Wie  aus 
beiftehenden  analytifchen  Belegen  erüchtlich  fein  wii-d  (hi  denen 
zwar  die  gefammte  ermittelte  Kohlen fäuremenge  auf  Calcium- 
carbonat berechnet  und  auf  die  übrigen,  hi  der  Schale  vorhandenen 


246 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[62 


Carbonate  keine  weitere  Rückficlit  genommen  wurde),  ift  der 
Afchengehalt  der  MoUuskengehäufe  ein  fehr  bedeutender,  und 
dementfprecliend  hoch  ift  auch  ihr  fpecififches  Gewicht.  Letzteres 
fand   G.   Bofe  bei  einer    Schale  von    Strombus  gigas    =    2,97, 

Specififches  Glewiclit  der  Molhiskengeliäufe  und  Gelialt  derfelbeii  an 

Calciumcarbonat ; 


Species 

(unterfucht  von 

de  la  Seche) 

'S 

.r-( 

q 

ö 

O 
Oh 

Species 

O  c 

Species 

(unterfucht  von 

ScJiloßberger) 

O  P 

Helix    iDomatia 

2.82 

1 

V  e  n  u  s  d  e  c  u  s  - 
sata 

93.5 

Oliva 

93.20 

Bulimus  decol- 
latus 

2.85 

Mytilus  edulis 

(junge) 

82.1 

Cypraea 
moneta 

92.85, 

Paludina 

2.82 

Anodonta 

89,0 

Turbo 
neritoides 

92.48 

Jantliina  com. 

2.66 

h 

{Poti/l'a  bei 
om-        a,  Bofe) 

99.19 

Voluta  rustica 

92.01 

Chiton 

2.79 

jas     (Oesten  bei 
G.  Bofe) 

98.97 

Turritella 
fuscata 

88.70 

Bulla,  Voluta  j 

musica,  Cassis- 

testiculus      J 

2.83 

Helix  pomatia 
(JoijJ 

98.50 

Helix 
nemoralis 

82.62 

Haliotis  tuberc. 

2.70 

rS 

CO 

Cypraea 
chineusis 

95.16 

Strombus  gigas 

2.77 

C.  erosa 

94.21 

Pyrula  Melon- 
gen a 

2.84 

Pupa  (aus 
W  e  s  t  i  n  d  i  e  n) 

93.48 

Helix  citrina 

2.87 

Bulimus 
r  a  d  i  a  t  u  s 

93,41 

aKo  weit  höher  als  das  des  Kalkfpaths  (2,6 — 2,8),  ja  felbft  das 
des  Aragonits  (2,9)  noch  um  etwas  übertreffend.  Die  conchio- 
linöfe,  organifirte  Grundfubftanz  ift  in  der  Schale  oft  nur  in  fein- 
geringer  Menge  vertreten,  in  Strombus  gigas  finkt  der  Procent- 
gehalt  an  ihr   auf    0,8,   doch    immer  bleibt    lie    durch    die    Ent- 


63]  Phyliologie  der  thierirdien  Gerüftfubftanzen.  247 

kalkungsmethode  nachweisbar,  und  ihr  werden  ßch  jedenfalls  die 
fo  beträchthcheu  Kalkablagerungen  in  ihrer  Form  anzufchließen 
haben.  Sehen  wü'  aber  fo  die  organifche  Materie  auf  ein  Minimum 
reducirt,  noch  weit  tiefer  im  Procentfatz  fmken  als  bei  den  Stein- 
corallen,^^)  welche  man  bis  zu  Tournefort  und  PctjITond  für  vege- 
tirende  Steine  hielt,  dann  kann  es  auch  kaum  mehr  Wunder 
nehmen,  wenn  die  Kalkfalze,  ähnlich  den  Otolithen  oder  wie  in 
den  Kalkfäckchen  an  den  vSpinalganglien  beim  Frofche,  ihren 
eigenen  Formgefetzen  folgen  und  in  den  fäulenartigen  oder  platten 
Lückenräumen,  welche  die  Conchiohnmembranen  auszufüllen  ge- 
ftatten,  als  Krvftallaggregate  fich  niederfchlagen. 

Bereits  1826  hatte  He /Ter'")  Kalkfpathrhomboeder  in  verfleinerten 
Crinoideen  beobachtet  und  fah  diefelben  nur  als  eine  weitere  Aus- 
bildung der  KryltaUtendenz  an,  welche  fchon  in  dem  feilen  Gerüfte 
des  lebenden  Thieres  vorhanden  fei.  Boiirnon  und  Haidinger''^) 
fanden  fpäter  in  dem  zarten  Mafchenwerke  der  Echinidenflacheln''^) 
den  Kalkfpath  zwar  nicht  zu  einzelnen  Kryftallen  individualifirt, 
doch  fo  gut  ausgebildet,  daß  die  einzelnen  Seeigclftacheln  Kalkfpath- 
kryftallen  glichen,  indem  die  Hauptachfe  der  Kryflalle  den  Längs- 
achfen  des  Stachels  parallel  ging  und  in  diefer  Stellung  die  rhomboe- 
drifche,  durch  fämmtliche  Mafchen  des  Stachelgewebes  gleichmäßig 
hindurchgehende  Spaltbarkeit  des  Kalkfpathes  deutlich  wahrzu- 
nehmen war.  Die  Kalkimprägnationen  der  Molluskenfchalen  lind 
fehr  ähnlicher  Natur  als  die  der  Echinidenitacheln,  während  im 
Gegenfatz  dazu  das  Calciumcarbonat  in  den  Panzern  der  Crullaceen 
völlig  amorph  verharrt. 

An  d(.'n  Lamellibranchiatenfchalen  unterfcheidet  man  3  Lagen, 
deren  Au.sbildung  aber  bei  vcrfchicdenen  Species  großen  Schwan- 
kungen unterliegt.  Es  find  diefes:  1.  das  Perioftracum,  d.  i.  die 
erhärt<;te  und  mit  dem  verkalkten  Tlieile  der  Schale  feil  vcr- 
wachfene,  aber  ablös})are  Epidermis,  welclie  mit  dem  Abfatz  der 
äußern    Kalkfchicht  weiterhin  wechfellagcrt  und   lieh  i>is  z\vif<;hen 


248  Grundzüge  einer  vergleichenden  [64 

diefe  und  die  innere  Schicht,  bisweilen  auch  noch  in  die  letztere 
mit  äußerft  zarten  Lamellen  hinein  fortfetzt.  Unter  dem  Perioftracum 
liegt  2.  die  zellige  oder  prismatifche  Schicht  und  zu  innerft  lagert 
3.  die  aus  zahllofen  dünnen  Plättchen  zufammengefetzte,  Tehr  ver- 
fchieden  ftark  entwickelte,  aber  niemals  völlig  fehlende  Perlmutter- 
fchicht.  Bei  den  Gaftropoden  trifft  man  beide  kalkhaltigen  Schichten 
feltener  (z.  B.  bei  Haliotis,  Turbo,  Trochus)  zufammen  an, 
fondern  hier  ift  gewöhnhch  nur  die  zellige  Schicht,  welche  als  die 
porzellanartige  bezeichnet  ^ird,  entwickelt. 

Nachdem  Home  1806  auf  die  fchönen  rhomboedrifchen  Kjy- 
rtallebei  Teredo  gigantea  aufmerkfam  gemacht  und  Graf  Bournon 
in  feinem  berühmten  Traite  von  1808  mitgetheilt  hatte,  daß  er  an 
Bruchflächen  von  Strombus  gigas  den  rhomboidalen  Blätter- 
durchgang fo  deutlich  wie  an  einem  Stücke  Kalkfpath  beobachtet 
und  daran  auch  die  Winkel  von  101^32'  und  87*^28'  gemelTen 
habe,  nachdem  ferner  BreivRer  (1814)  gefunden,  daß  Perlmutter, 
gleich  dem  Aragonit,  zwei  Achfen  doppelter  Strahlenbrechung  be- 
fitze, ift  die  kryftallinifche  Textur  der  Mollusken fchalen  mehrfach 
Gegenftand  eingehender  Unterfuchungen  gew^efen.  Die  Arbeiten 
von  L.  V.  Buch,  Necker  und  Nöggerath  haben  ergeben,  daß  bei  den 
Lamellibranchiaten  nur  die  eine  der  beiden  Schalenfchichten  die 
Eigenfchaften  des  Aragonits,  die  andere  aber  die  des  Kalkfpaths 
befitzt;  fo  fand  Necker,  daß  das  kryfi;allinifche  Gefüge  der  äußeren 
Schichten  der  Schalen  von  Unio  und  Anodonta  Körper\Adnkel  zeige, 
welche  mit  Aragonit,  aber  nicht  mit  Kalkfpath  verträglich  find,  daß 
alle  unterfuchten  Schalen  (ca.  30  Arten)  und  am  ftärkften  die  von 
Pholas  und  Venerupis,  gleich  dem  Aragonit,  isländifchen  Doppel- 
fpath  ritzen  und  meiffc  auch  etwas  fchwerer  als  Kalkfpath  find, 
aber  doch  das  fpecififche  Gewicht  des  Aragonits  (wohl  wegen  ihrer 
Beimengungen)  nicht  erreichen.  Eine  weitere  Beftätigung  fanden 
diefe  ErgebnilTe  durch  mehrere  geologifche  Funde. ''^)  So  zeigte 
fich  z.  B.,  daß  in  der  Kreide  von  Spondylus  oft  allein  die  äußere 


65]  Phyüologie  der  thierifchen  Gerüllfubllauzen.  249 

von  Pinna  in  den  Liasfchiefern  öfters  nur  die  innere  Schalenfchicht 
erhalten  war,  daß  in  dolomitifchen  und  kiefeligen  Kalkgebirgen 
außer  den  blättrigen  Schalen  von  Oflrea  und  einigen  Verwandten 
alle  Conchyhenrefte  bis  auf  ihre  Abdrücke  verfchwunden  waren, 
und  man  fand  bei  Petunculus  im  Tertiär  die  innere  von  der 
äußeren  Schalenfchicht  losgelöft. 

Für  die  Gaftropodengehäufe  ift  vorAnegend  durch  die  Unter- 
fuchungen  von  G.  Böse  und  Leijdolt  feftgertellt,  daß  die  Perlmutter- 
fchicht  aus  Aragonit  befteht,  und  daß  diefe  nach  dem  Anätzen  auf 
ihren  Flächen  6-  und  8eckige  Felder  üchtbar  werden  läßt,  welche 
Querfchnitten  durch  Aragonitprismeu  von  116^,  combinii-t  mit  der 
Längsfläche,  angehören.  Auch  die  Porzellanfchicht  läßt  aus  ihrem 
fpecififchen  Gewichte  und  ihrer  Härte  eine  Aragonitbefchaffcn- 
heit  erfcliließen,  doch  gelang  es  nicht,  an  ihr  die  Structur  wie  an 
der  Perlmutterfchicht  hervorzurufen  und  es  fcheint  demnach  hier 
der  Kalk  durch  die  überwiegendere  Menge  der  organifchen  Materien 
an  der  Kryftallifation  weit  mehr  beeinträchtigt  zu  fein  als  in  der 
Perlmutterfchicht.  In  der  porzellanartigen  MalTe  find  der  Dicke  nach 
gewöhnhch  drei  Kalklagen  zu  unterfcheiden,  welche  aus  kleinen, 
in  allen  Lagen  gleich  gebildeten,  rechtwinklig  fpaltenden  Plättchen 
oder  Prismen  zufammengefetzt,  der  Bruchfläche  ein  fplittriges  Aus- 
fehen  geben.  Die  drei  Lagen  erweifen  fich  oft  von  fehr  ungleicher 
Stärke  und  wie  befonders  fchön  bei  Strombus  gigas  zu  erkennen 
Lft,  find  die  Plättchen  in  der  mittlem  Lage  anders  gofi:cllt  als  in 
den  beiden  feitlichen. 

Ifl;  nun  aber  die  confl^ntc  Zufammenfetzung  der  Knoclienerde 
und  der  MoUuskenfchalen  ledigHch  der  Effect  electiver  Eigenfchaften 
fecemirender  Zellen,  fo  liegt  nichts  näher  als  die  Vernnitliung,  daß 
die  phyfiologifchen  Verfleinerungsmaterialien  der  (JerüfiTubflnnzcn 
eine  Vertretung  durch  ifomorj)he  und  clicmifcli  analog  conflituirte 
Salze  geftatten.  Diefe  Frage  verfudite  fchon  vor  vielen  Dccrnnien 
Wicdemann  7.\i  entfcheidcn  und  fpäter  erfuhr  diefeUxdnnli  Iluii/li}/''') 

Krukfnhrrij,  Vergl.-phyflol.  Vorträge.  J" 


250  Grundzüge  einer  vergleichenden  [66 

eine  ausgedehntere  experimentelle  Behandlung.  RouIRn  fand  bei 
Hühnern  fowohl  nach  Fütterung  mit  Witherit  und  Strontianit  den 
Baryt-  refp.  Strontiangehalt  der  Eier  fchalen  proportional  den  gefütterten 
Mengen  fteigen,  als  auch  nach  Einverleibung  von  Verbindungen 
mehrerer  Schwermetalle  (z.  B.  von  Manganit,  Manganoxydul,  Zink- 
carbonat,  Eifencarbonat,  von  Kobalt,  Kupfer  wie  Bleifalzen)  die  ent- 
fprechenden  Metalle  in  den  Eierfchalen  wieder,  während  er  Thon- 
erde  und  Antimon  aus  der  Nahrung  nicht  in  die  Schale  übertreten 
fah;  auch  beobachtete  BovtMn,  daß  beim  Kaninchen  Calciumarfenat 
reichlich  in  den  Knochen  wiedererfchien.  Doch  alle  diefe  Beob- 
achtungen geftatten  keineswegs  den  Schluß,  daß  in  in  diefen  Fällen 
eine  wirkliche  A^^ertretung  der  normalen  Organbeftandtheüe  durch 
die  künfllich  zugeführten  ifomorphen  Verbindungen  und  nicht 
nur  eine,  davon  ganz  unabhängige  Retention  derfelben  (wie  in 
vielen  anderen  Organen,  fo  auch  in  den  Knochen  und  Eierfchalen) 
ftattgefunden  hat.  Eine  Entfcheidung  der  hier  aufgeworfenen 
Frage  ift  demnach  noch  nicht  erfolgt. 

Die  Verödung  der  MoUuskengehäufe  und  zwar  ganz  befonders 
bei  Mitberücklichtigung  der  natürlichen  wie  künfthchen  Perlbildung 
—  wo  es  ja  bekanntlich  leicht  gelingt,  zwifchen  Mantel  und 
Schale  eingeführte  Fremdkörper,  ähnlich  wie  in  den  Karlsbader 
Quellen  mit  Kalkßnter,  fo  hier  gleichmäßig  mit  Perlmutterfubftanz 
zu  überkleiden  —  führt  uns  unmittelbar  über  zu  der  dritten  Art 
der  Petrificationen,  welche  üch  von  den  beiden,  bisher  betrachteten 
Verffceinerungsweifen,  der  auf  rein  chemifchem  Wege  erfolgenden 
(wie  bei  den  Hyalogenen  und  Hyalinen)  und  der,  auf  einer  vitalen 
Zellenfunction  beruhenden,  welche  fich  am  EffectvoUften  bei  den 
NuUiporen^*')  geftaltet  und  in  der  Holothurienhaut  die  zierhchflen 
und  regelmäßigften  Kalkgebilde  hervorbringt,  fehr  wefentlich  unter- 
fcheidet,  wenn  fchon  man  die  Unterfchiede  feiten  beachtete  und 
die  VerhältnilTe,  bei  denen  es  fich  lediglich  um  ein  Abfetzen  oder 
Niederfchlagen  von   fchwer  löshchen  Materien  auf  todten,    durch 


67]  Phyfiologie  der  tliierifchen  Gerüftfubftanzen.  251 

zackige  A'orfprünge  und  andere  Unebenheiten  dazu  befonders  ge- 
eigneten Fremdkörpern  handelt,  gern  zur  Erklärung  der  Ijeiden  an- 
deren Verfteinerungsmodi  herangezogen  hat. 

Bei  allen  derartigen,  rein  mechanifch  refultirenden  Incrultationeu 
treffen  wir  ein  Ablagerungsmaterial  an,  welches  (ich  in  den  Gewebs- 
Täften  normal  gelöft  findet,  fich  aber  durch  feine  fchwere  oder 
durch  eine,  von  der  Reaction  der  Fluida  fehr  abhängige  Löslichkeit 
auszeichnet.  So  willen  wir,  daß,  wenn  im  menfchlichen  Urine  die 
Erdphosphate  ausfallen,  und  diefe  in  der  ßlafe,  ja  fchon  im  Nieren- 
becken ein  Sediment  bilden  und  felbft  die  Epithehen  der  offenen 
Sammelröhren  in  den  NierenpjTamiden  incrufliren,  eine  Verlängerung 
der  Acidität  und  vollends  die  Alkalescenz  des  Harnes  dafür  eine 
ausreichende  Erklärung  bietet.  Oft  bedarf  es  aber  zum  Unlöslich- 
werden derartiger  Stoffe  nicht  einmal  einer  Veränderung  der  Re- 
action, fondern  ein  längeres  Stagniren  der  mit  diefen  Körpern 
überladenen  Flüffigkeit,  eine  Verzögerung  ihrer  Fortbewegung  in 
dilatirten  Organen,  in  Divertikeln,  Procelfus  und  Venenplexus 
ift  ausreichend  eine  Sedimentirung  zu  veranlaffen  und  ganz  be- 
fonders in  folchen  Fällen,  wo  durch  irgend  welche  Urfache  fich 
die  fchwer  löshchen  Subftanzen  in  den  Fluidis  in  ungewöhnlich 
großer  Quantität  angehäuft  finden.  Wie  wir  l^ereits  erörterten, 
ipielt  bei  den  Incruftationen,  welche  lediglich  eine  mechanifche 
Urfache  hal^'U,  auch  die  Anwefenheit  eines  Fremdkörpers,  zu 
welchen  im  Organismus  verbhel)ene  al)geflorbene  Malfen  das  Ilaupt- 
contingent  (teilen,  eine  große  Rolle.  Die  todte  Tricliine  oder  P^inne 
incruftirt  fich  von  außen  nach  innen  fortfchreitend  mit  Erdfalzcii, 
die  Extrauterin frucht  bekommt  eine  förmliche  Kalkfcliale  uiul  wiid 
fo  zum  Litliopädioii,  der  'J'liiomlnis  verwandelt  lieli  in  eiiKii  X'eiien- 
Ilein,  das  Exfudat  in  ein  mörtelartiges  Coiicrement  und  winzige 
Schleimfiöckdien,  Jihitg(;riimfel,  Mikrococcen-  wie  Bacterienunfumm- 
lungen  können  die  Veranlalfung,  ein  Punctum  crystallisutioniH 
werden  für  die  Bildung  eines  Gallen-,  eines  Dann-  oder  llarnfleincs, 


252  Grundzüge  einer  vergleichenden  [68 

eines  Speichel-,  Zahn-  oder  Mandelfteines.  Doch  bedarf  es  augen- 
fcheinlich  nicht  einmal  der  Nekrofe,  d.  h.  des  völligen  Erlöfchens 
der  Adtalen  Vorgänge,  um  einen  günftigen  Boden  für  die  Ablagerung 
der  Erdfalze  zu  fchaffen,  fondern  es  genügt  hierfür  vielleicht  fchon 
eine  erhebhchere  Schwächung  und  eine  hochgradig  verringerte 
Energie  derfelben,  eine  Obfolescenz,  wie  es  Virchoiv  genannt  hat. 
Ob  nun  aber  auch  auf  einer  folchen  z.  B.  die  Kalkincruftationen 
der  fenilen  Gefäße  und  die  zuweilen  fehr  voluminöfen  Verkreidungen 
gefäßarmer  Gefchwülfbe  beruhen,  wie  eine  große  Zahl  pathologifcher 
Anatomen  angenommen  hat,  ift  ftark  zu  bezweifeln  und  die  Mit- 
wirkung der  Vita  minima  bei  dem  Zuftandekommen  diefer  Ver- 
kalkungen noch  keineswegs  ausgefchloITen.  Hüten  wir  uns  ftets,  die 
einfachen  Sedimentirungen  irgend  welcher  Stoffe  in  gefättigten 
Secreten  oder  GewebsflüHigkeiten  und  die  daraus  mechanifch  reful- 
tirenden  Incruftationen  mit  den  chemifchen  und  durch  vitale  Procelle 
erfolgenden  Petrificationen  zu  confundiren  oder  die  Letzteren  wegen 
jener  für  verftändlicher  zu  halten. 

Die  allgemeineren  Gefichtspunkte,  welche  ßch  bei  Betrachtung 
der  Gerüftfubftanzen  in  der  Thierreihe  gewinnen  heßen,  find  im 
Vorhergehenden  (vergl.  u.  a.  S.  232)  hervorgehoben  und  es  würde 
unfruchtbar  bleiben,  wollten  wir  nochmals  das  ganze  Thierreich 
in  Hinblick  auf  die  einzelnen  Klaffen  und  Ordnungen  darauf 
durchmuftern.  Um  fo  mehr  glaube  ich,  von  einer  derartigen 
Aufzählung  Abfland  nehmen  zu  dürfen,  als  man  lieh  in  den 
letzt  vergangenen  Decennien'  nicht  fehr  weit  von  dem  Puncte 
entfernt  hat,  auf  welchem  lieh  ScMoßherger  und  die  Bearbeiter 
von  Bronn' s  Claffen  und  Ordnungen  des  Thierreichs  befanden,  als 
üe  eine  Darftellung  der  thierifchen  Gerüftfubftanzen  nach  diefem 
Eintheilungsprincipe  durchführten;  ift  doch  ziemlich  Alles,  was  ich 
Ihnen  mehr  als  jene  Compilatoren  zu  Ende  der  fünfziger  und  zu 
Beginn  der  fechziger  Jahre  unferes  Jahrhunderts  zu  bringen  ver- 
mochte, erft  das  Werk  der  allerletzten  Jahre,  zum  Theil  nicht  ein- 


69]  Phyfiologie  der  thierifchen  Gerüftfubflanzen.  253 

mal  ausfüliiiicher  publicirt  und  noch  kaum  in  weitere  Kreife  ge- 
dnmgen! 

Schließlich  würde  der  erfolgi-eichen  Arbeiten  zu  gedenken 
fein,  welche  uns  eine  fo  innige  Beziehung  zwifchen  der  feineren 
Textur  und  der  Function  der  einzelnen  Stützorgane  erfchloflen 
haben.  Alle  Unterfuchungen  diefer  Art  befchränken  fich  indeß  noch 
immer  einerfeits  auf  den  Menfchen  und  andererfeits  auf  die  Ge- 
wächfe,  und  geltatten  deshalb  noch  keine  vergleichend  phyüologifche 
oder  allgemein  biologifche  Behandlung. 

Obfchon  diefes  Forfchungsgebiet  in  der  aidmalen  Phyfiologie 
und  Morphologie  feine  Wiege  fand,  fo  hat  es  in  diefen  Disciplinen 
leider  doch  nur  verhältnißmäßig  fehr  wenige  Bearbeiter  angezogen, 
ja  felbft  nur  einen  kleinen  Kreis  von  Interelfenten  gefunden  1  Eine 
weit  zahlreichere  Theilnahme  wurde  den  Arbeiten  Schtvcndcner's 
von  Seiten  der  Pflanzenphyfiologen  entgegengebracht,  und  auf 
diefem  Felde  konnte  es  Potonie^^)  aucli  fchon  unternehmen,  ein 
gedrängtes  Bild  von  den  Unterfuchungen  über  «das  Skelet  der 
Pflanzen»  zu  entwerfen.  Wenn  aber  die  einzelnen  thierifchen  Ge- 
rüftfuljftanzen  dermaleinft  genauer  erforfcht  fein  werden,  und  die 
Einblicke  in  die  gegenfeitigen  Verwandtfchaftsverhältnifle  derfelben 
vollfländigere  geworden  find  als  heute,  dann  werden  zweifellos 
auch  die  Beziehungen  zwifchen  Textur  und  Function  eine  all- 
gemeinere wie  größere  Würdigung  finden  und  auch  einer  ver- 
gleichend phyfiologifchen  Behandlung  nicht  mehr  unzugängig 
bleiben. 


254  Anmerkungen  und  Literaturnacliweife.  [70 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


1)  Vgl,  Kriikenlierg,  Die  eigenartigen  Methoden  der  chemirchen  Phyfio- 
logie.     Heidelberg.  1885.  S.  6—8. 

2)  P.  Ehrlich,  Das  Sauerltoff-Bedürfniß  des  Organismus.  Eine  farben- 
analytifche  Studie.     Berlin.  1885. 

3)  Es  ift  fchon  mehrfach  die  Frage  aufgeworfen,  warum  die  gegen 
ehemifche  Agentien  fich  l'o  reüftent  verhaltenden  Gerült-  und  Deckfubltanzen 
der  Wirbellofen  (befonders  das  Chitin,  Cornein  und  Spongin)  nicht,  wie  fich 
erwarten  ließe,  als  Ueberrefte  von  fo  vielen  vergangenen  Generationen,  den 
Meeresgrund  in  ungeheurer  Mafle  erfüllen,  warum  von  ihnen  weit  weniger 
zurückbleibt  als  von  den  verkalkten  Binnenfkeleten  der  Steinkorallen?  —  Zwar 
ift  es  richtig,  daß  das  Chitin,  Cornein,  Spongin,  Conchiolin  wie  auch  das 
Tunicin  von  den  proteolytifchen  Enzymen  durchaus  nicht  verändert  werden, 
aber  dem  fermentativen  Verdauungsvermögen,  welches  bei  den  Mikroorganismen 
fo  fehr  entwickelt  ift,  vermögen  jene  Subftanzen  ebenfowenig  als  die  Cellulofe- 
membranen  der  Pflanzen  Widerftand  zu  bieten ;  der  Zerfetzung  durch  Fäulniß- 
vorgänge  find  fie,  gleich  den  eiweißartigen  Gewebsbeflandtheilen,  wenn  fchon 
langfamer  unterworfen. 

Diefem  Verhalten  entfprechend  beobachtete  Schloßherger  (Ann.  d.  Chem. 
u.  Pharm.  Bd.  98.  S.  119  und  120),  daß  Chitin,  welches  ein  Jahr  unter  AVaUer  auf- 
bewahrt wurde,  erweichte,  unter  Entwicklung  eines  «eigenthümlichen  Geruches» 
in  eine  fchleimige  Mafl"e  zerfloß  und  theilw^eife  fich  auch  löfte. 

*)  Fr.  Hofmeißer,  Zeitfchr.  f.  phyfiolog.  Chemie.  Bd.  II.  1878.  S.  288—295. 

^)  F.  Hoppe-Seyler,  Handb.  d.  phyfiol.-  und  pathol.-chem.  Analyfe.  V.  Aufl. 
Berlin.  1883.  Ö.  260. 

6)  Vgl.  Colmlieim,  Vorlefungen  über  allg.  Pathologie.  Bd.  I.  2.  Aufl.  Berlin. 
1882.    S.   652—654;    J.    Sachs,    Vorlefungen   üb.   Pflanzenphyfiologie.     Leipzig. 
1882.     Vorlef.  19—21.     Roppe-Seyler,     Phyfiologifche    Chemie.      Berlin.    1881. 
S.   1002—1009. 
^         ')  Krukenberg,  lieber  die  Hyaline.    "Würz bürg.  1883. 

8)  Lanäivehr,  Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie.     Bd.  VHI.  1884.  S.  167. 

8)  Petri,  ibid.  S.  291—297. 


71]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  256 

10)  V.  Pafchutin,  Centralbl.  f.  d.  medic.  WilF.   1884.  8.  689—695. 
")  Brechfel,    Chemie  der  Abfonderungen  u.  Gewebe.      Hermann'a  Hand 
buch  der  Phyliologie.     Bd.  V.  Th.  II.    Leipzig.  1883.  S.  587. 
1*)  Literatur  über  das  Tunicin  (thierifche  Cellulofe): 
C.  Schmidt,   Zur  vgl.  Phyliologie   der   wirbellofen  Thiere.     Braunfchweig. 

1845.     S.     61  —  65;      Locuig    u.    KoeUiker ,     Compt.     rend.     T.    22.     1846. 

p.  38  u.  Ann.   scienc.  nat.  3.  8er.   T.  V.   1846.  p.  193—239;    Ikiyen,   Compt. 

rend.    T.   22.    p.   581   u.    Ann.   scienc.  nat.    T.    V.     1846.    p.    240—242;    H. 

Schacht,    Miilhr'H    Archiv.     1851.    S.    176  —  200;    Berthelot,    Ann.    chini.  et 

phys.  3.  Ser.  T.  56.  1859.  p.  149;  Schäfer,  Ann.  Chem.  u.  Pharmac.  Bd.  110. 

1871.     S.   312—329;    F.  E.   Schuhe,    Zeitfchr.   f.  wilT.  Zool.     Bd.  12.    1863. 

S.    175—188;     0.  Herticig ,      Jenailche    Zeitfchr.     Bd.   7.     1873.    S.  46  —  73; 

Franehimont ,     Bei:    d.     d.     chem.     Gef.      Bd.    12.      1879.     S.    1938  —  1940; 

Krukenberg ,    N'gl.    phyüol.    Studien.     I.   Reihe.    5.      Abth.  Heidelberg.   1881. 

.S.  32  Anm.  1. 

'ä)  Nur  von  Bugula  plumosa  Itanden  um-  durch  gef.  Vermittlung 
der  zoologifchen  Station  zu  Neapel  erheblichere  Quantitäten  zur  Ver- 
fügung, und  diefe  Art  eignet  ficli  fchon  wegen  ihres  großen  Gehaltes  an 
Bugulapurpur  fchlecht  zmn  Stucfium  jener  vielleicht  ganz  eigenthümlichen 
Gerüflfubftanz,  welche  die  Anwendung  fämmtlicher,  beim  Chitin  gebräuchlichen 
Reinigungsverfahren  geftattet.  Der  mit  verd.  Salzfäure,  Alkohol  und  Aether 
extrahirte,  mit  Waller  (lundenlang  ausgekochte  und  fcliließlich  mit  Natron- 
lauge mehrere  Tage  digerirte  wergartige  Rückftand  der  Bugula  enthielt  14,3''/o 
anorganlfche  Beftandtheile,  und  es  erfchien  deshalb  wenig  lohnend,  denfelben 
einer  Klementaranalyfe  zu  unterwerfen.  Beim  Eindampfen  mit  conc.  SalziUure 
auf  dem  Wall'erbade  bildeten  üch  reichlich  Ichwarzbraune,  amorjjhe  Materien, 
nur  fehr  wenig  war  von  Stoffen  entftanden,  die  alkalifche  Kupferlöfungen  beim 
Kochen  desoxydirten  und  in  Alkohol  löslich  waren.  Die  in  angegebener  Weife 
gereinigte  Subftanz  der  J-]ctocyften  färbte  üch  weder  (zum  Unterfchiede  von 
allen  Eiweißftoflen  und  auch  vom  Cornem)  beim  Kochen  mit  MiUon'a  Reagens, 
noch  mit  Kalilauge  (zum  Unterfdiiede  von  Conchiolin  und  Cornein)  gell);  auch 
löfte  fich  diefelbe  nicht,  wie  das  Chitin,  in  conc.  kalter  Salzfäure  auf  und  wurde, 
im  Vergleich  mit  den  übrigen  (ierüftfubltanzen,  lelblt  von  conc.  SchwefelTäure 
nur  langfam  angegriffen. 

'♦;  Lit<;ratur  über  das  Chitin  und  (Jly kofamin: 

Chitin   bei  A  rthroj.oden:   A.  Odier,  M6m.  de  la  soc,  d'liist.  nat.  de 

Paris.  T.  l.  1823.    p.    29;    Lasmigne,  Compt.  rend.  T.    16.    1843.    p.    1087  u. 

.lourn.  de  cliim.  m<'-dicale,  2.  Ser.  T.  9.  1843.  \>.  379;  Payen,  Compt.  rend.  T.  17. 

1843.    p.  227;    Children   und    JJanicIl ,    Todd'n  Cyclop.  of  anat.   and   i.liysiol. 

T.  II.  p.  882;  C.  Schmidt,  a.  a.  (>.,  S.  32-69  u.  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharmac. 

Bd.  54.  1845.  S.  284;  Lehmann,  Journ.  f.  pract.  Chem.  1843.  S.  323  n.  l-.hrb. 


256  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [72 

d.  phyßol.  Chemie.  Bd.  I.  Leipzig.  1853.  S.  382;  E.  Fremy  Ann.  chim.  et 
phys.  3.  Ser.  T.  43.  1855.  p.  93—96;  Schloßherger,  Ann.  Chem.  u.  Pharm. 
Bd.  98.  1856.  S.  115—120;  Peligot,  Compt.  rend.  T.  47.  1858.  p.  1034;  G. 
Staecleler,  ibid.  Bd,  111.  1859.  S.  21 — 28;  BütfchU  u.  Emmerling,  Bu  Bois- 
BeymoncVs,  Archiv.  1874.  S.  362  ff.;  G.  Ledderhofe,  Ber.  d.  d.  chem.  Gef.  Bd.  9. 
1876.  S.  1200  —  1201,  Zeitfchr.  für  phyfiol.  Chem.  Bd.  2.  1878.  S.  213—227 
u.  Bd.  4.  1880.  S.  139—159;  E.  E.  Sundwik,  ibid.;  Bd.  5..  1881.  S.  384—394; 
Krukenberg,  Vergl.  phyfiol.  Studien.  I.  Eeihe.  5.  Abth.  1881.  S.  32. 

Chitin  bei  Mollusken:  Hilger,  Journ.  f.  prakt.  Chem.  Bd.  102.  1867. 
S.  418—424;  Schmiedeberg,  Mitth.  a.  d.  zoolog,  Station  z.  Neapel.  Bd.  3.  1882. 
S.  392;  KruUnberg,  Ber.  d.  d.  chem.  Gef.  Bd.  18.  1885.  S.  989—993;  W.  D. 
Halliburton,  Quart.  Journ.  of  microsc.  scienc.  Vol.  25.  New  Ser.  1885.  p. 
173—181. 

Glykofamin:  Ledderhofe,  a.  a.  0.;  Simdioik,  a.  a.  O.;  F.  Tiemann,  Ber. 
d.  d.  chem.  Gef.,  Bd.  17.  1884.  S.  241—251;  Krukenberg,  ibid.,  a.  a.  0. 

1^)  Gl.  Bernard,  LeQons  sur  les  phön.  de  la  vie  etc.  T.  IL  Paris.  1879. 
p.  113. 

16)  A.  Eicald  u.  Kühne,  üeber  einen  neuen  Beltandth.  des  Nervenfyllems. 
Sep.-Abdr.  a.  d.  Verh.  des  naturh.-medic.  V^ereins  zu  Heidelberg.  N.  F.  Bd.  I. 
Heft  5.  1876.  S.  13. 

")  Bud.  Leuckart,  Arch.  f.  Naturgefchichte.  18.  Jahrg.  1852.  S.  22—28. 

18)  T.  H.  Huxley,  Der  Krebs.     Leipzig.  1881.  S.  165  u.  166. 

19)  Literatur  über  das  Spongin: 

L.  PoJffeU,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  45.  1843.  S.  192  —  198;  J.  H. 
Croockeivit,  ibid.,  Bd.  47.  1843.  S.  43—56;  Schloßherger,  ibid.,  Bd.  108.  1859. 
S.  64;  Staedeler,  ibid.,  Bd.  111.  1859.  S.  16-21;  Kruke^iberg,  Vergl.  phyfiol. 
Studien.  I.  Reihe.  5.  Abth.  S.  15  Anm.  1. 

20)  Literatur  über  das  Conchiolin: 

H.  Koß,  Ueber  die  Structur  u.  chem.  Zuf.  einiger  Mufchelfchalen.  Dissert. 
medic.  Wirceb.  Hildburghaufen.  1853  (bietet  nichts  als  völlig  unrichtige  Ana- 
lyfen);  Fremy,  Ann.  chim.  et  phys.  3.  Sör.  T.  43.  1855.  p.  96—97;  Schloß- 
herger, Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  98.  1856.  S.  9.9—109  u.  Die  Chemie 
der  Gewebe.  Leipzig  u.  Heidelberg.  1856.  I.  S.  243 — 247;  Krukenberg,  Vgl. 
phyfiol.  Studien.  L  Reihe.  5.  Abth.  1881.  S.  16—24,  H.  Reihe  I.  Abth.  1882. 
S.  58—62  u.  Ber.  d.  d.  chem.  Gef.  Bd.  18.  1885.  S.  989-993.  —  Viele  neuere 
Eefultate  über  das  Conchiolin  habe  ich  bislang  nicht  publicirt;  eine  aus- 
führlichere Arbeit  wird  aber  demnächlt  von  mir  in  der  «Zeitfchrift  für 
Biologie»  erfcheinen. 

21)  Literatm'  über  die    Byffusfubftanz: 

Lavini,  Mem.  d.  r.  Accad.  d.  sc.  d.  Torino  1835.  T.  38.  S.  111;  Scharling,  Ann. 
d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  41. 1841.  S.  48;  B.  Leuckart,  Archiv  f.  Naturgefchichte. 


73]  Anmerkungen  und  J>iteraturnach\\eife.  257 

1852.  S.  25;  Schloßberger,  Ann.  Chem.  u.  PJiarm.,  Bd.  98.  1856.  S.  109—114 
u.  Chemie  der  Gewebe.  1856.  S.  248—251;  Krukenherg,  Vgl.  phyfiolog.  Studien. 
II.  Reihe.  1.  Abth.  1882.  S.  59—62. 

2")  Literatur  über  das  Cor  nein: 

Valenciennes,  Compt.  rend.  T.  41.  1855.  p.  11;  Frcmij,  Ann.  chim.  et  phys. 
3.  Ser.  T.  43.  1855.  p.  97;  Krukenherg,  Vgl.  phyüol.  Studien.  I.  Reihe.  5.  Abtli. 

1881.  S.  2—16  u.  Ber.  d.  d.  chem.  Gef.  Bd.  17.  1884.  S.  1843  —  1846. 

2»)  G.  V.  Koch,  Morphol.  Jahrb.  von  Gegenbaui:  Bd.  4.  1877.  S.  269—278 
u.  Bd.  IV.  Suppl.  1877.  S.  74—86. 

2*)  Literatur  über  das  Fibroin  und  Sericin: 

Miikler,  Poggendorfs  Ann.  Bd.  37.  S.  504,  Bd.  39.  S.  498  u.  Bd.  40.  S.  289; 
Hinterherger  u.  Waltenberger ,  Ber.  d.  AViener  Acad.  Bd.  11.  1853.  S.  450; 
Staedeler,  Ann.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  111.  1859.  S.  12—28;  A.  Vogel  jun., 
Chem.  Centralbl.  1859.  S.  527;  Schloßberger,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  HO. 
1859.  S.  245;  E.  Cramer,  Unterf.  d.  Seide  u.  des  thier.  Schleims.  Zürich  1863; 
Bolleg,  Journ.  f.  prakt.  Chem.  Bd.  93.  S.  347  u.  Bd.  108.  S.  364. 

")  Peligot,  Compt.  rend.  T.  33.  p.  490. 

")  Schloßberger,  Chemie  der  Gewebe.  1856.  I.  S.  251. 

")  Literatur  über  die  Hyalogene  und  Hyaline: 

Sog.  Hyalin  der  Echinococcusblafen:  A.  Lüche,  Arch.  f.  ])ath.  Anat. 
Bd.  19.  1860.  S.  189  —  196;  Hoppe-Segler,  Handb.  d.  phyliol.-  u.  i)ath.-chem. 
Analyfe.  4.  Aufl.  Berlin.  1875.  8.  198;  Krukenberg,  Ueber  die  Hyaline.  Würz- 
burg. 1883.  S.  7.  Ann.  3. 

Hyalogene  in  der  Holothurienhaut:  C.  Semper,  Reifen  im  Archipel 
der  Phihppinen.  Theil  1.  Bd.  1.  Holothurien.  Leipzig.  1868.  S.  171-175. 
Krukenberg,  Vgl.  phyfiol.  Studien.  IL  Reihe.  1.  Abth.  1882.  S.  35—48  uml 
Zeitfchr.  f.  Biologie.     Bd.  20.  1884.  S.  310. 

Hyalogene  in  den  Wohnröhren  der  Chätopoden:  Krukenberg, 
Vgl.  phyßol.  Studien.  L  Reihe.  5.  Abth.  1881.  S.  28—30,  II.  Reihe.  1.  Abth. 

1882.  S.  57—58  u.  Ueber  die  Hyaline.  Würzburg.  1883;  O.  Schmiedeberg, 
Mitth.  a.  d.  zoolog.  Station  zu  Neapel.  Bd.  3.  1882.  S.  373  —  392. 

Achroodextrin  aus  Helix  pomatia:  Landwehr,  Zeitfclir.  f.  pliyüol. 
Chem.  Bd.  4.  1882.  S.  74-77. 

ChondroTtHäuro  ans  SiUigcthicrknorpcil:  Vgl.  meinen  ausführlichen 
Auffatz  in  der  Zeitfchr.  f.  Biologie.  B.l.  20.   1884.  S.  307—326. 

Sog.  Mucin,  Met-  u.  Paralbumin:  0.  Hammarßcn,  Zeitfchr.  f.  phyüol. 
Chemie.  Bd.  6.  1882.  S.  194-226;  Landuehr,  ibid.  S.  371— 383,  Bd.  «.  1881. 
S.   114—121   u.  S.   122—128. 

HyalinbilduMg  in  der  Haut  der  Scliliingen:  ,S'.  de  Luca,  Compt. 
rend.  T.  57.  1863.  ],.  437—440;  Krukenherg,  Vgl.  phyliol.  Stiidicm.  II.  Hoilu-. 
2.  Abth.   1882.  S.  92.  L'eber  die  Hyaline.  1883.  S.  18  u.  19. 


258  Anmerkungen  und  Literaturnachweire.  [74 

Nach  Cartier's  ünterfuchungen  (vgl.  Semper,  Die  natüii.  Exiftenzbedingungen 
der  Thiere.  Leipzig.  1880.  Th.  1.  S.  23  ff.)  mrd  der  Häutungsproceß  der 
Schlangen,  ganz  analog  der  Häutung  bei  dem  Flußkrebfe  nach  M.  Braun'» 
Angaben,  durch  eine  im  Innern  der  Epidermis  fich  bildende  Lage  von  fehr 
feinen,  ungleichmäßig  vertheilten  Härchen,  welche  durch  ihre  Starrheit  und 
Stellung  die  alte,  abzuwerfende  Haut  mechanifch  abheben,  eingeleitet.  Es 
liegt  indeß  auf  der  Hand,  daß  diefe  fog.  Häutungshaare  fich  an  der  Häutung 
nur  in  zweiter  Linie,  erft  wenn  eine  Erweichung  der  Verbindungsfchicht 
eingetreten  ilt,  bethätigen  können,  und  daß  der  Bildung  des  fo  leicht  lös- 
lichen Hyalins  bei  dem  Vorgange  die  Hauptrolle  zufällt. 

Meine  ünterfuchungen  des  Chondrofins  —  jenes,  in  kalter  Natronlauge 
leicht  löslichen  Kückftandes,  welchen  Chondro sia  reniformis  nach  Behand- 
lung mit  verd.  Salzfäure,  Alkohol,  Aether  und  andauernder  Pepfineinwirkung 
hinterläßt,  und  der  die  Mülon'khe  Reaction  in  fehr  vollkommenem  Grade 
zeigt  —  find  in  extenso  noch  nicht  publicirt. 

28)  Drechfel,  a.  a.  0.,  S.  587  u.  588. 

29)  Boppe-Seyler,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiologie.  Bd.  14.  1877.  S.  400;  Ant. 
Schneider,  Beitr.  z.  vgl.  Anat.  u.  Entwicklungsgefchichte  der  Wirbelthiere. 
Berlin.  1879.  S.  4;  Krukenhercj,  Zoolog.  Anzeiger.  1881.  S.  64—66;  Hoppe-Setßer, 
ibid.  S.  185—187;  Kriikenberg ,  ibid.  S.  263  —  264  u.  Vgl.  phyfiol.  Studien.  L 
Reihe.  5.  Abth.  1881.  S.  32—36. 

^0)  Literatm-  über  die  Collagene  und  Glutine. 

Leimgebende  Stoffe  bei  Wirbellofen:  Pasquier,  Berzelius'  Lehrbuch  der 
Chemie.  Bd.  4.  Abth.  1.  Dresden.  1831.  S.  647;  Valenciennes,  Compt.  rend. 
T.  19.  1844.  p.  1146  —  1147;  Hoppe- Seyler,  Medic.-chem.  ünterfuchungen. 
Heft  4.  1871.  S.  586;  Silger,  Journ.  f.  prakt.  Chem.  Bd.  102.  1867.  S.  418  — 
424,  Semper's  Reifen  etc.,  a.  a.  0.,  S.  174—175  u.  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiologie. 
Bd.  3.  1870.  S.  166—171;  Scliaefer,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  110.  1871. 
S-  330—383;  Krukenberg,  Vgl.  phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  5.  Abth.  S.  21—28 
und  n.  Reihe.  1.  Abth.  S.  35—55.  Vgl.  auch  in  Betreff  des  Collagenvor- 
kommens bei  Mollusken:  J.  Müller,  Ann.  d.  Physik  u.  Chemie.  Bd.  38.  1836. 
S.  318;  J.  C.  Strahl,  Müller's  Archiv.  1848.  S.  337—352;  Schloßherger,  Chemie 
der  Gewebe.  1856.  I.  S.  13  —  14  und  F.  Forßer,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  14. 
1877.  S.  51—54. 

Collagen  und  Glutin  aus  den  Geweben  von  Vertebraten:  Vgl.  die  bekannten 
chemifchen  und  chemifch-phyfiologifchen  Handbücher,  z.  B.  von  Gmelin-Kraut, 
Schloßberger,  Lehmann,  Drechfel  in  Hennann's  Handbuch,  v.  Goriip-Befanez 
und  von  Hoppe-Segler. 

31)  Collagen  und  Glutin  verfchiedener  Herkunft  ergaben  folgende  procen- 
tifche  Zufammenfetzung : 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


26ft 


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Sehnen 

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(Scherer) 

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I 

II 

c 

-Ji 

'5 

Kohlenftoff 

öO.ÖG 

Ö0.76 

50.77 

49.56 

50.13 

50.40 

50.40 

Wafferftoff 

6.90 

6.G4 

7.15 

7.15 

7.07 

6.64 

7.11 

Stickftotr 

18.79 

18.31 

18.32 

18.47 

18.45 

18.34 

18.-15 

Sauerftoff 
und  Schwefel 

23.75 

24.29 

23.75 

24.82 

24.35 

24.64 

24.34 

Die  von  Fremtj  (Ann.  de  chim.  et  de  phys.  3.  Sör.  T.  43.  1855.  p.  59  u.  (iO) 
in  den  Knochen  gewilTer  Waffervögel  und  den  Gräten  einiger  Fifclie  aufge- 
fundene Subftanz,  welche  fich  vom  Collagen  durch  ihre  Reßllenz  gegen  kochendes 
"Waffer  und  gegen  Säuren  unterfcheidet,  doch  nach  Fremy  dem  Collagen  gleicli 
zufammengefetzt  erfcheint,  dürfte  in  den  Fifchgräten  wohl  nichts  anderes  als 
Elaftoidin  fein,  welches  fich  fo  fehr  rein  in  den  Hornfäden  der  Sclachier  findet. 

^'')  V.  Morochoicetz,  \'erhandl.  d.  naturh.-medic.  Ver.  zu  Heidelberg.  1877, 
Bd.  1.  Heft  5. 

'^)  Krukenherg,  Sitzungsb.  d.  Würzburger  phylik.-medic.  Gefellfch.  1884 
und  Zeitfchr.  für  Biologie.     Bd.  20.  1884.  S.  307—326. 

3*)  F.  Hofmeißer,  Zeitfchr.  f.  phyüol.  Chemie.  Bd.  2.  1878.  S.  299-323. 

35)  Literatur  über  die  Keratine:  Ewald  u.  Kühne,  a.  a.  ü.  (Neurokeratin) ; 
Hammaräen  u.  V.  LinclicaU,  .lahresl).  über  d.  Fortfchr.  der  Thierchemie.  Bd.  11 
über  das  Jahr  1881.  S.  38—39  (Schalenhaut  des  Hühnereies);  Krukenberg,  Vgl. 
phyüol.  Studien.  II.  Reihe.  I.  Abth.  S.  62—70  u.  2.  Abth.  S.  89—92  (Selachier- 
eierfchalen);  eine  ausführlichere  L'nterfuchung  der  Eierhüllen  von  Scyllium 
catulus  werde  ich  demnächft  in  den  Mitth.  a.  d.  zoolog.  Station  zu  Neapel 
mittheilen.  Im  Uebrigen  vergl.  die  In^kannten  cheniifdien  u.  pliyliolcjg.- 
chemifchen  Handbücher,  vor  allem  Schloßherger. 

ä»;  iJrechfel,  a.  a.  O.,  S.  601. 

")  Vgl.  den  clalTifchen  Abfchnitt  über  die  Hornftoffi;  in  Knhne'H  Lelirbucli 
der  phyfiolog.  Chemie.   Leipzig.   1808.  S.  424—426. 

*";  Vgl,  die  Mittlieiiur)gen  über  das  Schalenkeratin  von  Kaja  quadri- 
macuiata  {S.  L.  Schenk,  Sitzungsb.  d.  Wiener  Acad.  Math.-nat.  Cl.  IM.  68. 
Abth.  1.  1874.  S.  305)  und  von  Scyllium  catulus,  welche  ich  demnilcldt  a.  u.  O. 
venilfentlirhen  werde;  ferner  vgl.  mit  einander  di(!  von  Kühne  (Lehrbiu-h  etc. 
H.  652j.  llammarüen  (a.  a.  O.)  und  mir  (Vgl.  phyllol.  Stu<lien.  IL  Heilie.  1.  Abth. 
K.  66 — 70;  gemachten  Angalien  über  das  N'erhalten  <les  ScrlialenlunitinH  der 
Höhnereier. 


260  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [76 

•''9)  Literatur  über  die  Elaftine: 

Echte  Elaltine  (mit  einem  KohlenllofFgehalte  über  54 ''/'o):  Mulder, 
Verf.  einer  allg.  phyL  Chemie.  Bd.  2.  S.  592;  W.  Müller,  Zeitfchr.  f. 
rat.  Medic.  3.  Eeihe.  Bd.  10.  Heft  2;  Erlenmeyer  u.  Schaff  er,  Jom-n.  f. 
prakt.  Chem.  Bd.  80.  S.  357;  Horhaczeioski ,  Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chem. 
Bd.  6.  1882.  S.  330.  Die  Schalenhaut  des  Kingelnattereies  behandeln: 
Tli.  Eimer,  Tagebl.  der  44.  Verf.  d.  Naturf.  u.  Aerzte  in  Roftock.  1871. 
S.  55—57  u.  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  8.  1872.  S.  216—243;  Hilger,  Ber. 
d.  d.  chem.  Gef.  Bd.  6,  1873.  S.  165  —  166;  Krukenberg,  Vgl.  -  phyfiol. 
Studien,  IL  Eeihe.  2.  Abth.  1882.  S.  89—92. 

Elaftoidine  (mit  einem  Kohlenlloffgehalte  unter  50<'/o):  Die  Literatur 
über  die  fog.  Hornfäden  der  Selachier  ifl  von  v.  la  Valette  St.  George 
(Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  17.  1880.  S,  187  —  193)  zufammengeflellt ;  cf.  auch 
M.  V.  Davidoff,  Morphol.  Jahrb.  Bd.  5.  1879.  S.  458  Anm.  1.  Ueber 
meine  Unter fuchungen  der  Hornfäden  von  Mustelus  werde  ich  demnächlt 
ausführlicher  in  den  Mitth.  a.  d.  zoologifchen  Station  zu  Neapel  berichten. 
*o)  Ausführlichere  Mittheilungen  meiner  Unterfuchungen  über  die  Pennatu- 
Jidenachfen  liegen  noch  nicht  vor. 

*^)  H.   VircJioiv,  Beitr.  z.  vergl.  Phyfiologie  des  Auges.  Berlin.  1882. 
*2)  Literatur  über  die  Gallerte  der  Medufen: 

B.   Vircliow,  Arch.  f.  path.  Anat.   Bd.  7.  1854.  S.  558  —  562;    M.  Schnitze, 

Müller'^  Archiv.   1856.    S.   311  —  320;    Kruhenberg,   Vergl.    phyfiol.   Studien, 

I.  Eeihe.  2.  Abth,  1880.    S.  85  ff.,    IL  Eeihe    1.  Abth.  1882.   S.  23  —  34  und 

Zoolog.  Anzeiger.  1880.  S.  306;  G.  Möbius,  ibid.  1880.  S.  67  und  1882.  S.  586. 

*3)  Cf.  Krukenberg,   Vgl.  phyfiol.  Studien.  IL  Eeihe.  1.  Abth.  S.  23—34. 

")  Hoppe-Seyler,  Arch.  f,  d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  14.  1877.  S.  400  und  Phyfio- 

logifche  Chemie.     Berlin.  1877.  S.  93. 

45)  S.  Stenberg,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.  1881.  Anat.  Abth.  S.  105—108. 

*«)  Krukenberg,  Vergl.  phyfiol.   Studien.  IL  Eeihe.     1.  Abth.   S.  69  u.  70. 

*'')  Kühne,  Lehrb.  d.  phyfiol.  Chemie.  1868.  S.  552  u.  553. 

*^)  Um  vollltändig  zu  fein,   darf  ich  nicht  unerwähnt  lalTen,   daß  die  von 

M.  Scliiütze  (Das  Protoplasma  der  Rhizopoden  und  der  Pflanzenzellen.     Leipzig. 

1863.   S.  29—36)    in   den    Pfeudopodien  von  Actinosphaerium   entdeckten 

ftarren  Achfenfäden,  welche  die  Scheinfüßchen  ihrer  Länge  nach  durchfetzend, 

fich  durch  die  ganze  Eindenfubflianz  erltrecken   und  endlich  mit  einer  feinen 

Spitze  zwifchen  den  peripherifchen  Vacuolen  der  Markfubftanz  endigen,  nach 

Greef  (Sitzungsb.   d.  niederrh.  Gef.  in  Bonn.  1871.  S.  5)  aus   organifcher  Sub- 

flanz  beliehen.     Nach  K  Brandt  (Sitzungsb,  d.  Gef  naturf.  Freunde  in  Berlin. 

15.  Oct  1878  u.   Monatsber.    d.  k.  Ac.  d.  Wiff.  in   Berlin.    1881.   S.   388  —  404) 

können  junge  Stacheln  mit  einander  verfchmelzen,  auch  in  der  Grundfubftanz 

des  Thieres  vollkommen  aufgelöJft  werden  und  belleheu  in  der  erllen  Zeit,  da 


77]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  261 

lie  fich  in  10  — 12o;oiger  Kochfalzlöfung  auflöfen,  aus  «reinem  N'itellin»,  dem 
fich  fpäter  noch  eine  andere  organifche  Materie  hinzugefeilt,  über  die  jedoch 
Brandt  nichts  mittheilt.  Dasfelbe  Löslichkeitsverhältniß  zeigt  auch  die  von 
Haeckelals  «Acanthin»  bezeichnete  organifche  Subftanz  der  Acanthometriden- 
und  Spongosphaera-Stacheln,  deren  Zerftörung  beim  Glühen  und  rafche  Auf- 
löfung  durch  kauftifche  Alkalien  und  conc.  Mineralüiuren  bereits  von  Haeckel, 
deren  langfame  Löslichkeit  in  reberosmium-  und  Efligräure  von  Hertwüj'H  feft- 
geßellt  war.  Näheres  wurde  über  das  Acanthin  von  Brandt  nicht  ermittelt,  und  es 
bedarf  fomit  noch  weiterer  Unterfuchungen,  bevor  fich  entfcheiden  lalTen  wii'd, 
ob  dasfelbe  thatfächlich  ein  Albuminkörper,  fpeciell  ein  Globulin  refp.  ein 
Nucleoalbumin  ift. 

")  Cf.  C.  K.  Hoffmann,  Niederl.  Arch.  f.  Zool.  Bd.  2.  1874  —  75.  S.  2  und 
Krukenberg,  Vgl.  phyfiol.  Studien.  I.  Reihe.  5.  Abth.  Ö.  31. 

*o)  Schmiedeberg,  a.  a.  O.,  S.  387  u.  389.. 

Den  Wohnröhren  von  Onuphis  tubicola  kommt  nach  Schmiedeherg's. 
Analyfen  folgende  Zufammenfetzung  zu: 

HjO 23.04 

Onuphin      38.53 

Albuminoid    ....    3.84 

P2O5     .  • 19.78 

MgO 8.65 

CaO 4.32 

K2O      0.82 

Na20 0.23 

SiOj  +  Verluft     .    .    .    0.79 

100.00''/o 

")  Krukenherg,  Ueber  die  Hyaline.    Würzburg.  1883. 

")  A.  Lücke,  Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  19.  1860.  S.  189  —  190. 

*»)  Kühne,  Lehrbuch  etc.  S.  390. 

")  H.  Meckel,  Mikrogeologie,  herausgeg.  von  Billroth.  Berlin.  1850. 

")  Siehe  Tabello  auf  S.  262. 

*•)  Nach  f'infr,  in  Salkoirski'H  Laboratorium  ausgeführten  Unterfuchung 
{Seemann,  Anh.  f.  path.  Anat.  Bd.  77.  S.  299)  nimmt  nUmlich  das  Kulium- 
[»hoHiihat  dor  Nahrung  das  Chlor  des  Blutplasma  in  Bcfülilag  und  di(r  dadurch 
(;ntiU:]\cn<\(;  Mangel  an  Cliloridcn  hat  eine  mangelhafte  Bildung  von  Salzfiluro 
im  Magen  zur  Folge  und  macht  auf  «liefe  Weife  indirect  di(f  LöCiing  und 
Ii<;forption  der  Kalkfalze  uniiKiglich. 

")  JJeiß,  Zeitfchr.  f.  Biologi«;.   IM.   12.   1870.  S.   151-109. 

'■")  Hoppe-Segler,  Phyfiologifche  f.'hemic.  1877.  S.   lOJ. 


262 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


[78 


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Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


263 


°®)  Wichtigere  Literatur  über  die  Zufammenfetzung  der  Knochenerde: 

J.  Berzelim,  Lehr]),  d.  Chemie.  Dresden.  183L  Bd.  2.  S.  622,  Bd.  4.  Abth.  1. 

S.  444;  Heintz,  Ann.  d.  Phyfik  u.  Chemie.  Bd.  77.  S.  267;  v.  liecUinghaHfen, 

Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  14.  1858.   S.  466;    Wildt,    Diss.  inaug.    fac.  philos. 

Leipzig.  1872;  Hoppe-Seyler,  Phyfiologifche  Chemie.  1877.  S.  99  — 108;  Aehy, 

Journ.  f.  prakt.    Chemie.     2.  Reihe.    Bd.  5.   S.  308  u.  Bd.  6.  S.  169;    ferner 

Ber.  d.  d.  ehem.  Gefellfch.  Bd.  7.  S.  555,  Bd.  9.  S.  469  u.  Bd.  10.  S.  408. 

ß")  Die  Analyfen  des  fog.  Chondrogens  und   des   fog.  Chondrins  ergaben 

beiftehende  Procentziffern : 


Rippen-      !      Rippen- 
knorpel vom  j  knorpel  des 
!Menfch      I      Karpfen 
(Scherer)     I    fc.  Bihra) 


Cornea 
(Sclierer) 


Knorpelleim 
(Muläer) 


Kohlenftotr  50.9 

WalTerftoff  1            6.9 

Stickftoff  14.9 

Sauerftoff  +  Schwefel              27.2 


50.3 

7.2 

18.4 

24.0 


49.5 

7.1 

14.4 

28.9 


49.9 

6.6 

14.5 

29.0 


In  100  Theilen  frifch er  Knorpel  eines  Haies  (Scymnus  bo real is)  fanden 
l'eterftn  und  Soxhlet  (Journ.  f.  prakt.  Chemie.  2.  Reihe.  Bd.  7.  S.  179)  25,8o/o 
Trockenfubftanz  und  68,89«/o  Afche.  Letztere  beftand  aus  94,24o/o  NaCl,  0,79''/o 
Ka^O,  1,640/0  K/J,  0,400/o  CaO,  0,05o;o  MgO,  0,27o/o  Fe^Os,  l,03o/u  PA  und 
LSSo/oSOj.     Die  organifche  Subftanz  des  Knorpels  enthielt  15,4»/o  Stickftoflf. 

8>)  Von  den  Panzern  verfchiedener  Krebfe  finden  lieh  folgende,  ältere 
Analyfen  (cf.  Schloßheryer,  Chemie  der  Gewebe.  1856.  I.  S.  218  u.  219)  vor: 


Hummer 

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Organ.  Mat<me 

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14.00 
28.00 

49.20 

3.22 

44.76 

07.73 

9.29 

22.98 

00.00 
12.00 
28.00 

40.20 

7.01 

46.73 

02.80 

6.00 

28.60 

68.50 
14.68 
16.50 

19.50 
17.66 

62.84 

6»)  Analyfen  von  den  Polyp(;nltöckcn  der  Itindencoralion  ((Jorgoninae) 
liegen  nur  wenige  vor.  Am  Genaueften  dürfte  die  von  G.  v.  Koch  (Morph. 
Jahrli.  Bd.  4.  8.  118)  mitgetheilte  und  von  Schridde  auHgcfOhrte  Analyfo  der 
Kalkgliedcr  von  IhIh  X  cji  polilan  a  fein. 


264 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


[80 


Isis  Neapo- 
litana 

(Schridde) 

Corallium  rubrum 

{Vogel,  Ann. 

de  chimie.  T.  89 

p.  113) 

{Witting,  Ann.  der 

Chem.   und  Pharm. 

Bd.  I.  S.  113) 

C02 

42.36 

COsCa 

85.5 

83.25 

CaO 

49.57 

COaMg 

6.5 

3.50 

MgO 

7.98 

Fe203 

1.0 

4.25 

SiOa 

0.09 

Gyps  +  ClNa 

0.5 

Organifche  Ma- 
terie 

unwägbar 

Organifche  Sub- 
flanz 

WalTer 

1.0 

6.0 

7.75  (incl. 
Sand  etc.) 

Der  Procentgehalt  an  Afche  ift  bei  den  kalkreichen  Achfen  einiger  Pennatu- 
liden  nach  Fremy  (Ann.  de  chim.  et  de  phys.  3.  Ser.  T.  43.  1855.  p.  98)  der 
Folgende: 

Pennatula    spinosa    ....    40.0*>/o 

P.  grisea 31.2o/o 

P.  phosphorea 45.2''/o 

(andere  Form) 48.0*^/o 

VoUftändigere  Analyfen  zweier  Pennatulidenfpecies  ergaben  Fremy  (ibid.) 
beiftehende  Werthe: 


I. 

IL 

Calciumphosphat 

23.70 

16.00 

Calciumcarbonat 

44.26 

53.57 

In  Säuren  unlösliche  organifche  Subftanzen 

16.40 

11.10 

In  Säuren  lösliche  organifche  Subllanzen 

15.64 

19.33 

8^)  Baspail  u.  Prevoß,  Bronn's  Klaffen  und  Ordnungen  des  Thierreichs. 
Bd.  3.  Abth.  1.  1862.  S.  410. 

6*)  Siehe  Tabelle  auf  S.  265. 

65)  Ygi_  KruTienberg ,  Unterf.  a.  d.  phyüol.  Inft.  der  Univ.  Heidelberg, 
Bd.  2.  1878.  S.  287—289. 

66)  Vgl.  Naturforfcher  von  W.  SUarek.  IL  Jahrg.  1869.  S.  47;  Induftrie- 
blätter.  10.  Jahrg.  1873.  S.  388,  399,  408  u.  416  fowie  die  bekannten  neueren 
Handbücher  der  Chemie, 

«')  Siehe  Tabelle  auf  S.  266. 

68)  Vgl.  die  abweichenden  Anfchauungen  von  Fei.  Müller,  Zool.  Anzeiger. 
8,  Jahrg.  1885.  S.  70—75, 

69)  G.  Schmidt,  Zur  vgL  Phyüologie  etc,  S.  56. 
'0)  B.  Meckel,  Wlüller's  Archiv.  1846.  S.  17. 


81] 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


266 


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Krukenberg,  Vergl.-phyflol.  Vortrüge. 


266 


Anmerkungen  und  Literaturnachweire. 


[82 


")  Beftimmungen  des   Kiefelfäuregelialtes   der  Federn  von 

V.  Gorup-JBesane^ 

(Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  66.  S.  321). 

A.  Einfluß  der  Nahrung  auf  den  Kiefelerdegehalt  der  Federn. 


Nahrung 


T  h 


Species 


In   100  Thln. 
Subllanz 


Afche 


Kiefel- 
erde 


In  100  Th. 

Afche 
Kiefelerde 


O 


Haushahn 

Truthahn 

Saatkrähe 

Taube   

Gans 

Rebhuhn      

Mittel  .    . 

Sturmmöve      

Nachtrabe 

Fifchreiher 

Weißer  Reiher   .... 
Kropfgans    ...... 

Albatros 

Eisvogel 

Mittel  .•  . 

Schleiereule 

Waldkauz 

MäufebuHard 

Rauhfüßiger  Falke     .    . 

Sperber     

Nebelkrähe  (mit  Fleifch 
gefüttert)  .... 
Mittel  .    . 


7.43 
6.79 
4.83 
2.37 
3.83 
3.79 
4.84 


3.71 
1.69 
1.95 
0.59 
1.47 
2.47 
1.98 


50 
25 
38 
25 
38 
65 
40 


^  s 


CD     03 

Qu 


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1.25 

2.04 
2.06 
1.07 
5.45 
2.43 
0.99 
2.41 


0.29 
0.28 
0.19 
0.53 
0.25 
0.09 
0.23 


14 

13 

18 

9 

10 
10 
10.5 


2.92 
1.41 
2.19 
2.14 

2.70 

1.62 
2.16 


1.35 
0.39 
0.51 
0.61 

0.87 

0.11 
0.64 


46 

27 
23 

28 
32 

7 
27 


B.  Einfluß  des  Alters  auf  den  Kiefelerdegehalt  der  Federn. 


T  h  i  e  r  e 

In  100  Thln. 
Subflanz 

In  100  Th. 

Afche 
Kiefelerde 

Afche 

Kiefel- 
erde 

Picus  viridis   Altes  Thier 

»             »           Junges  Thier 

Corvus  pica      Altes  Thier 

»             »          Junges  Thier 

Columba  dorn.  Altes  Thier 

»             »          Junges  Thier 

2.19 
1.65 

3.78 
2.30 
2.37 
0.86 

0.62 
0.32 
1.51 
0.74 
0.59 

28 
19 
40 
32 
25 

83] 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


267 


^1)  Literatur  über  die  Verkalkung  der  Molluskengehäufe : 
Beaumur,  Hiftoire  de  l'acad.  r.  des  scienc.Annee  1709.  Paria  nil.Memoires. 
p.  364  —  400  u.  Annee  1716.  Paris  1718.  Mem.  p.  303  —  311;  Herissant, 
ibid.  Annee  lT66.  Paris  1776.  M6m.  p.  508—540.  Home,  Philos.  Traneact. 
1806.  p.  276;  Comte  de  Bournon,  Traite  eomplet  de  la  chaux  carbo- 
natee  et  de  laragonite.  Vol.  I.  London.  1808.  p.  310  —  338;  H.  de  la 
BecJie,  Eesearches  ou  theoretical  geology.  London.  1834.  p.  75  ff.  L.  Ä.  Necker, 
Ann.  d.  scienc.  nat.  2.  Ser.  Zoologie.  T.  11.  1839.  p.  52—55;  Bifchoff)  Lehrb. 
d.  cbeni.  Geologie.  Bd.  2.  S.  1136;  L.  v.Buch,  Abhandl.  der  Berliner  Academie. 
Jahrg.  1828.  (1831).  S.  47;  /.  Noeggerath,  Archiv  f.  Naturg.  Bd.  15.  1849.  I. 
S.  209  —  224;  F.  LeijdoH,  Sitzb.  d.  math.-nat.  Klaffe  d.  k.  Acad.  d.  Wiff.  zu 
Wien.  Bd.  19.  1856.  S.  10—32;  G.  Bofe,  Abhandl.  d.  k.  Acad.  d.  Wiff.  in 
Berlin.  Jahrg.  1858.  (Berlin  1859.)  S.  63—111. 

'*)  Keferßein,  Bronn's  Klaffen  und  Ordnungen  des  Thierreichs.  Bd.  3. 
Abth.  2.  1866.  S.  909. 

")  C.  Schmidt,  a.  a.  0. 

")  Die  ausgedehnteften  Analyfen  der  Mineralbeltandtheile  riffebauender 
Corallen  und  von  Silliman  ausgeführt,  der  diefelben  in  Dana's  mnfangreichem 
Werke  über  die  Zoophyten  (Auszug  im  Americ.  Journ,  for  scienc.  sec.  Ser.  I. 
p.  189—199)  bekannt  machte.     Derfelbe  fand: 


COjCa 

Fluoride 

und 
Phosphate 

O    73 

Porites  favosa  (Sandwichsinfeln) 

95.84 

2.05 

2.11 

P.  limosa  (aus  Feejees) 

94.41 

0.90 

4.68 

P.  cylindrica    (dto.) 

94.80 

0.95 

4.24 

P.  fragosa        (dto.) 

93.87 

1.56 

4.56 

Madrepora  palmata  (Weftindien) 

94.81 

0.74 

4.44 

M.  spirifera  (Ceylon) 

92.85 

0.60 

6.58 

M.  prolifera  (Bermudasinfeln) 

95.08 

0.30 

4.61 

M.  plantaginea  (Ceylon) 

94.88 

0.71 

4.40 

Pocillopora  damicornis  (Saoloo) 

94.65 

0.55 

4.79 

P.  elongata  (Ceylon) 

93.16 

1.90 

4.50 

P.  grandis  (Feejees) 

95.00 

1.45 

3.54 

P.  ligulata  (Sandwichsinfeln) 

93.84 

0.55 

5.60 

P.  caespitosa        (dto.) 

94.58 

1.05 

4.39 

Mille pora  tortuosa  (Feejees) 

94.22 

1.20 

4.57 

Heliojiora  coerulea  (Oftindion) 

95.54 

1.00 

8.45 

Gemmipora  brassica  (Feejees) 

92.75 

1.50 

5.75 

Maeandrina  phrygia  (Ceylon) 

93.56 

0.91 

6.54 

AHtraea  Orion  (Feejees) 

96.47 

0.80 

2.78 

19» 


268 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


[84 


Als  Phosphate  und  Fluoride  find  hier  diejenigen  Materien  aufgeführt, 
welche  aus  der  fauren  Löfung  durch  KalkwalTer  gefällt  wurden.  Bei  einigen 
Arten,  die  Silliman  in  zahlreichen  Exemplaren  zur  Verfügung  hatte,  konnte 
er  diefe  Fällungen  näher  unterfuchen.     Sie  beftanden  aus: 


"=    03 
<o  " 

S  o 

O   o3 

-51 

d    P. 

Madr. 
plant. 

Pocill. 
Hg. 

Maeandr. 
phryg. 

Astrae  a 
Orion 

Kiefelfäure 

22.00 

12.25 

13.50 

10.32 

23.74 

5.35 

11.0 

30.01 

Calciumoxyd 

13.03 

7.50 

10.40 

15.57 

35.01 

7.17 

25.9 

17.45 

Magnefiumoxyd 

7.66 

4.20 

1.63 

38.49 

1.25 

0.49 

0.8 

24.57 

Calciumfluorid 

7.83 

26.34 

34.85 

7.50 

8.88 

4.05 

15.0 

0.85 

Magnefiumfluorid 

12.48 

26.62 

19.06 

2.62 

20.44 

4.25 

23.2 

4.31 

Magnefimnphosphat 

2.70 

.   8.00 

5.87 

0.25 

3.46 

16.30 

4.7 

0.32 

Albuminiumoxyd 

16.00 

14.84 

14.69 

25.25 

7.12 

35.00 

19.4 

22.49 

Eifenoxyd 

18.80 

— 

— 

— 

— 

27.39 

— 

— 

Die  Afche  des  Skelets  von  Stylophora  digitata  befltzt  nach  Schridde 
(cf.  G.  V.  Koch,  Jenaifche  Zeitfchr.  Bd.  11.  1877.  S.  376)  folgende  procentifche 
Zufammenfetzung : 


CaO 
Fe 


53,7 

41.7 

3.8 

0.6 


Mg 0.005 

Rückfland   ....     0.003 
Verlult 0.012 


100,00 

75)  HeJTel,    Einfluß    des    organifohen   Körpers    auf  den   unorganifchen. 
Marburg.  1826. 

76)  Haidinger,  Verhandl.  d.  böhm.  GefeUfch.  d.  Wifl".  Prag.  1841.  S.  6  u.  7. 
")  Eine   Analyfe   der   Schale    des    Echinus    lividus    durch   Brunner 

(0.  Schmidt,  Zoologie.  1854.  S.  66)  ergab: 

COgCa 86.81 

COaMg 0.84 

SO^Ca 1.38 

Andere  Salze  +  Verlult  ....      1.14 
Organifche  Stofl"e    .......      9.83 

100.00 
'8)  Keferßein,  a.  a.  0.  Bd.  3,  Abth.  1.  1862.  S.  411. 


85] 


Anmerkungen  und  Literaturnaclnveife. 


269 


''')  EoHSsin,  Journ.  de  pharm,  et  de  chimie.  T.  43.  p.  102. 
*")  Damour's  Analyfen  (Compt.  rend.  T.  31.  p.  253 — 255)  von  NuUiporen, 
Milleporen  und  verwandten  Formen  ergaben  folgende  Prooentzahlen: 


Mlllepora 
cervi- 
cornis 
(Canal) 

Litho- 

phyllum 

(Mittelmeer) 

Melobesia 
(Algier) 

Amphiroa 

tribulus 
(Antillen) 

Halimeda 

opuntia 

(Rolhes 

Meer) 

Galax- 

aura 

fragilis 

(Antillen) 

COjCa 

87.32 

77.36 

72.78 

70.84 

86.17 

72.56 

COjMg 

8.51 

11.32 

12.32 

16.99 

0.56 

0.86 

XaaO 

0.45 

0.55 

1.75 

0.89 

1.13 

0.73 

K.,0 

0.34 

0.27 

0.65 

0.39 

0.54 

1.02 

FegOs 

0.55 

0.08 

0.20 

— 

— 

— 

SO3 

0.89 

0.95 

1.25 

0.93 

Spuren 

Spuren 

P2O, 

0.23 

0.32 

0.38 

0.27 

Spuren 

Spuren 

CI, 

Spuren 

0.60 

0.34 

0.53 

0.84 

1.17 

SO^Ca 

— 

— 

— 

0.20 

0.55 

1.80 

(Jrgan.  Subftanz 

0.35 

4.70 

3.95 

6.40 

8.30 

17.50 

Feuchtigkeit 

0.64 

1.46 

1.40 

1.38 

0.90 

0.95 

SiOj 

— 

— 

— 

— 

— 

2.20 

Sand 

0.63 

1.36 

4.28 

— 

— 

Das   Korallenmoos  (Corallina  officinalis)    fand  Boiicier   (Anat.  der 
Tange.  1843.  8.  8)  folgendermaßen  zufammengefetzt: 

COgCa 61.6 

COjMg 7.4 

(POJaCaa 0.3 

S04Ca3 1.9 

2(ClNa) 1.9 

Fe^Oa 0.2 

Gallerte O.ß 

Eiweiß      6.4 

"')  //.  l'otonie,  Das  Skelet  der  Pflanzen.  Samml.  wiHVnfch.  Vortrüge  von 
R.   Virdww  und  F.  v.  HoUzendorf.  Heft  382.  Berlin.  1882. 


'--T>=*=OX^;^ 


lö** 


V. 


GErNDZÜUE 


EIXER 


YERGLEICHEXDEX  THYSIOLOGIE 


DER 


CONTEACTILEN  GEWEBE. 


rAI'.I.  WINTKK'H  IJNIVER.SITÄTHBUC'HnANDLUN(i  IN  IIKIDKIJJEKG. 

Kriilunlifnj,  V(:rKl.-l'''>''''''-  VortrÜK''. 


SO 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


> 


Grundztige  einer  yergleicliendeu  Physiologie 
der  contractilen  Gewebe. 


Kehl  zweites  thierifches  Gewebe  würde  ich  namhaft  zu  machen 
wilTen,  welches  bei  einer  nacli  jeder  Richtung  hin  zu- 
treffenden Definition  eine  fo  vielfeitige  und  lohnende  Vergleichung 
geftattet,  wie  das  Muskelgewebe.  Als  das  einzige  faferig  ftruirtv 
Gewebe,  welches  unter  Nerveneinfluß  ßeht  und  fich  in  der  Rich- 
tung der  Faferung  durch  innere  Kräfte  vorübergehend  verkürzt, 
erfüllt  das  Muskelgewebe  in  der  Thierreihe  überall  die  nämliche 
Function,  aber  fein  chemifcher  \vie  hiftiologifcher  Bau  und  das 
Maaß  feiner  Leillungsfähigkeit  bieten  uns  die  denkbarften 
Verfchiedenheiten  dar.  Bald  bauen  fich  die  einzelneu  Fafern  aus 
einer  großen  Anzahl  ungleichwerthiger  Stücke,  von  ifotropen  und 
anifotropen,  mehr  oder  weniger  dicken  Querfcheiben  auf,  l)al<l 
machen  fie  in  ihrer  ganzen  Länge  einen  vollkoiiinien  einheitfichen 
Eindruck;  bald  finden  wir  fie  überladen  mit  gewill'en,  Icidit  nnch- 
weisbaren  ►Stoffwechfelproducten,  bald  werden  die  conftanteften 
Producte  der  Muskelthätigkeit  aus  dem  Gewebe  fo  fchnell  entfernt, 
daß  es  maningfacher  Anftrengungen  ])edurfte,  diefeJben  als  Iblche 
überhaupt  nur  zu  erkennen;  bald  ifi  das  ausgiebigfie  Contractili- 
tätsvemiögen  an  die  Integrität  des  Muskelgewebes  fo  eng  grbun 
den,  daß  der  ausgefchnittene  Muskel  feine  i.liyliologifchcBcfiinimung 
kaum  noch  errathen  läßt,  und  l);dd  lelirt  «ler  phyfi(tl<»gifclH-  Vcr 
fucl),  daß  trotz  einer  annäherndeji  WaJjnnig  des  clieiiiifclien  Ge- 
fiige.s  nur  in  Folge  ehier  niciit  leicht  zu  überfehendcn  rnilngerung 


plasma. 


274  Grundzüge  einer  vergleichenden  [4 

der  hifliologifchen  Elemente  das  urfprünglich  als  Muskelzelle  an- 
gelegte Gebilde  auf  Reize  nicht  mehr  zuckt,  fondern  ftatt  deffen 
elektrifche  Schläge  entfendet.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  bei  einem 
derartigen  Gewebe,  deffen  charakteriftifche  Function  fo  gewaltigen 
quantitativen  Schwankungen  unterworfen  ift,  deffen  chemifche 
Beftandtheile  fo  wechfelvolle  find,  und  deffen  hiftiologifcher  Bau 
vom  Unkenntlichen  bis  zum  fein  Differenzirten  ßch  fteigert,  alle 
forfchenden  Augen  darauf  gerichtet  waren,  den  Beziehungen  nach- 
zufpüren,  welche  zwifchen  Function,  chemifchem,  phyßkalifchem 
und  hiltiologifchem  Verhalten  in  einer  oder  der  anderen  Weife 
nothwendig  beftehen  muffen, 
formverän^  Die  Function  des  Muskelgewebes,  wie  es  mit  feinen  Scheiden, 
Proto-^^  Nerven,  Gefäßen  und  in  der  Art  feiner  Anordnung  als  Organ,  als 
Muskel,  uns  entgegentritt,  fachen  wir  in  dem  Vermögen,  Verkür- 
zungen auszuführen  und  fo  auseinander  liegende  Körperftellen 
einander  zu  nähern.  Aber  felbft  dann,  wenn  wir  die  Contractionen 
unter  Nerveneinfluß  ftellen,  bleibt,  entgegen  der  Anfchauung  von 
Hermann^),  die  Contractilität ^)  kein  Specificum  des  Muskels;  denn 
es  giebt  auch  eine  große  Reihe  protoplasmatifcher  Gebilde,  fo  z.  B. 
die  Chromatoblaften  in  der  Haut  der  Pleuronectiden^),  welche  mit 
Nerven  verbunden  find.  Soll  ein  Cönnex  zwifchen  Function,  che- 
mifchem, phyiikalifchem  und  hiftiologifchem  Verhalten  aufgefucht 
werden,  fo  haben  wir  neben  den  Muskeln  auch  die  Organe  zu  be- 
rückfichtigen,  welche  nervenlos,  in  ihrem  feineren  Gefüge  gewöhn- 
lich nicht  faferig  angeordnet  find  und  an  denen  deshalb  auch  die 
Contractionswellen  in  weniger  fixirten  Bahnen  als  an  den  Muskeln 
verlaufen.  Wir  fetzen  den  Muskeln  fomit  das  innervirte  und  das 
fog.  felbftcontractile ,  d.  h.  das  wegen  feiner  Nervenlofigkeit  nur 
direct  zur  Contraction  zu  bringende  Protoplasma  entgegen,  und 
könnten  als  befondere  Formen  des  felbftcontractilen .  Protoplasmas 
auch  noch  die  den  Muskelfafern  durch  die  ftructurell  vorgefchrie- 
benen    Contraction sbahnen   fehr   nahetretenden   fog.    « contractilen 


i 


6]  Phyfiologie  der  oontractilen  Gewebe.  275 

Fafem»,  welche  ßch  bei  Spongien  und  ^'orticellen  finden,  fowie 
die  oontractilen  Antlieile  der  Flimmerzcllen  unterfcheiden.  Der 
allgemeiufte  Unterfchied  in  der  Bewegung  der  Flimmern  und  der 
der  Muskelfafern  befteht  nach  Engelniann^)  darin,  daß  die  Form- 
veränderung im  erften  Falle  nicht  auf  allen  Punkten  deslelben 
Querfchnittes  gleichzeitig  und  gleich  ftark,  alfo  nicht  lyniinctrifch 
in  Bezug  auf  jede  durch  die  Längsaxe  des  Organes  gelegte  Ebene, 
fondern  afymmetrifch  ftattfindet:  es  erfolgt  nicht  eine  geradlinige 
Verkürzung  bezüglich  Streckung,  fondern  eine  Seitwärtskrümmung 
des  Organs.  Ob  diefes  Unterfcheidungsmerkmal  ein  dm-chfchlagen- 
des  ift,  fleht  meines  Erachtens  aber  felir  dahm,  und  einen  triftigen 
Grund  für  die  Behauptung,  daß  die  contractilen  Theilchen  der 
Flimmerzellen  nicht  automatifch  reizbar  und,  hat  uns  Emjdmann 
noch  nicht  geliefert.  Die  Fortpflanzung  des  Reizes  wird  bei  den 
Fümmerorganen  in  analoger  Weife  erfolgen  wie  bei  den  Blättern 
der  Sinnpflanzen,  alfo  auf  fporadifchen  und  partiellen  Turgescenz- 
erfcheinungen  in  den  Zellkörpern  felbft  beruhen.  Wenn  nun  al)er 
Engelmann'^)  äußert,  die  mit  den  Contractilitätserfcheinungcn  ein- 
hergehenden Quellungen  an  den  Flimmerorganen  wie  an  den 
doppeltbrechenden  Querfcheibcn  der  Muskelfafcrn  auf  eine  einfache 
Wallerimbibitiun  «unzweifelhaft  leblofer  Körper  (z.  B.  getrockneter 
oder  in  abfolutem  Alkohol  erhärteter  Bindegewebsfibrillen)»  zurück- 
gefülirt  zu  halben,  fo  möchte  ich  von  ihm  doch  auch  die  Frage 
gelöfl  fehen,  warum  das  Walfer  die  doi)peltljrechende  contractile 
Subftanz  fo  rafch  wieder  verläßt  und  der  Contraction  eine  Er- 
fchlaffung  auf  dem  Fuße  nac])folgen  kann.  So  roh  und  plump, 
wie  lieh  Enfjdinann  die  Contractionen  vorftcllt,  verhalten  (ich  diefe 
vitalen  Vorgänge  jedenfalls  nicht,  und  es  geflatten  dirfclbfn  uui- 
anzunelimen,  daß,  wie  es  Theilc  giebt,  (he  (z.  B.  <ii"'  «Jallcitr  der 
Medufen)  nur  folange  lie  lc})en,  mit  colodalcn  W'aM.Tinallcn  im 
prägniil  bleiben,  und  andere  (Frofcheileiter),  die  intni  vitain  j(<le 
mächtigere  Wafleraufnahmc  verweigern,  gleich  nach  dem  To(h'  aber 


276         '  Grundzüge  einer  vergleichenden  [6 

die  melir  als  liundertfaclie  AValTermenge  auffaugen*^),  auch  in  den 
contractilen  Geweben  folclie  exifliren,  bei  denen  die  WalTerauf- 
nahme  und  die  WalTerabgabe  entfprechend  den  vitalen  Reizzuflän- 
den  wechfeln.  Auch  für  die  Behauptung  Engehnann's ''),  daß  einige 
Flimmerzellen  unter  directem  NerveneinfluITe  liehen,  fehlt  jeder 
experimentelle  Nachweis.  Speciell  für  die  Schwingplättchen  von 
Beroe  habe  ich^)  gezeigt,  daß  die  Nervenreize  nicht  die  auto- 
matifch  immer  thätigen  Flimmern  treffen  und  deren  Bewegungen 
direct  fiftiren,  fondern  dem  Flimmerfchlage  nur  dadurch  Einhalt 
gebieten,  daß  lie  die  Radialmuskeln  zur  Contraction  bringen  und 
daß  erJft  in  Folge  delfen  die  Schwingplättchen  wie  durch  Sperr- 
leiften  feftgeftellt  und  fo  indirect  unbeweghch  gemacht  werden. 

Abgefehen  von  der  Zuleitung  der  regulirenden  Impulfe  und 
der  Anordnung  ihrer  contractilen  Elemente,  lind  die  aufgezählten 
fog.  felbftcontractilen  Protoplasmaformen  nicht  näher  zu  präcifiren 
und  auseinanderzuhalten,  ja  es  gelingt  felbft  nicht,  contractiles  und 
nicht  contractiles  Protoplasma  durch  irgend  ein  chemifches  Merk- 
mal zu  unterfcheiden,  und  es  entfpricht  daher  dem  gegenwärtigen 
Stande  der  WilTenfchaft ,  wenn  wir  diefelben  einfach  unter  der 
Bezeichnung  «formveränderliches  Protoplasma»  den  Muskeln 
gegenüber  ftellen.  .  - 

Durch  die  in  den  fiebenziger  Jahren  viel  Auffehen  erregende 
Arbeit  Klemenhergs  über  Hydra  fehlen  üch  der  Begriff  des  Mus- 
kels noch  anderweitig  zu  verwifchen.  Es  verlohnt  lieh  gewiß  der 
Mühe,  auf  die  Kleinenherg' Mien  Anfchauungen  hier  etwas  näher 
einzugehen,  da  diefelben  jetzt  auch  unter  den  fog.  Specialphyfio- 
logen  ihre  Verehrer  gefunden  haben  und  in  kaum  einem  neueren 
Lehrbuche  der  fog.  menfchhchen  Phyßologie  mit  Stillfchweigen 
übergangen  lind;  die  Biologen  willen  zwar  fchon  feit  einem  halben 
Decennium,  daß  von  dem  viel  bewunderten  Gebäude  der  fog. 
Neuromuskeltheorie^)  auch  nicht  zwei  Steine  aufeinander  ge- 
blieben lind. 


7J  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  277 

KMnenhcrg  ^nes  nach,  daß  bei  Hydra  die  ^Miiskellamelle  aus    Neuro- 

miiskel- 

Zellenforträtzen  belteht,  die  mit  den  großen  Zellkörpern  des  Ecto-  th«>orie 
derms  im  üändigen  Zufammenhauge  bleiben.  Reizverfuche,  aller- 
dings fehr  primitiver  Art  und  bei  welchen  Täufchungen  keines- 
wegs ausgefchloITen  waren,  zeigten  ihm,  daß  die  Fortfätze  allein 
contractu  find,  tue  dazu  gehörigen  Zellkörper  dagegen  üch  bei  den 
Bewegungen  nur  pafliv  verhalten.  Klcinenhery  hält  es  für  unbe- 
rechtigt, ein  fo  befchaffenes  Gewebe  morphologifch  einem  der  be- 
kannten Gewebe  anderer  Thiere  gleich  zu  fetzen  oder  ihm  phyfio- 
logifch  nur  eine  Function  zuzuerkennen,  vielmehr  erblickt  er  in 
ihm  den  niedrigften  Entwäcklungszuftand  des  ganzen  «Nerven- 
muskelfyftems,  in  welchem  eine  anatomifche  Sonderung  der  beiden 
Sylteme  in  der  Weife,  wie  fie  bei  allen  höheren  Thieren  vorkommt, 
noch  nicht  Itattgefunden  hat ».  Jede  einzelne  Zelle  ift  nach  Kleinen- 
berg's  Theorie  die  Trägerin  einer  doppelten  Function,  indem  die 
Theile  derfelben,  die  als  lange  Fortfätze  in  der  Mitte  der  Körper- 
wandung verlaufen,  contractu  find  und  als  Muskel  functioniren, 
während  der  Zellköiper,  von  dem  fie  ausgehen  und  der  in  un- 
mittelbarer Berührung  mit  dem  umgebenden  Medium  fteht,  Reize 
leitet  und  durch  Uebertragung  derfelben  auf  die  Fortfätze  Con- 
tractionen  an  (liefen  auslöft,  d,  h.  als  motorifcher  Nerv  wirkt. 
Eine  fo  Ijefchaffene  Zelle  wird  daher  als  Neuromuskelzelle  be- 
zeichnet. 

(xeyenhuur  und  llucckd  vcrlüchten  diele  Theorie  Aveiter  auszu- 
bilden, und  fahen  in  den  Neuromuskelzellcn  «die  erften  Anfänge 
der  in  höher  differenzirten  Zuftänden  in  dem  Zufammenhaug  von 
(ianglicnzelle,  Nerven-  und  Muskelfafer  ausgefprochenen  Einricli- 
tung.»  «Wenn  wir  annehmen»,  äußerte  (icgcnlxuir,  «daß  die  bei 
Hydra  nur  als  Fortfätze  von  Zellen  erfcheinenden  Fafeni  allmählig 
einen  Kern  eriialten,  indem  das  Theilungsproduct  des  Kernes  der 
Zelle  auf  die  Fafer  gelangt,  daß  ferner  di(!  Kctddciinzclle  iiirlit 
mehr    fo    unmittelbar,    fondeni    (hirch    einen    gdnnderten    F(»rtfatz 


278  Grundzüge  einer  vergleichenden  [8 

mit  der  fomit  gleichfalls  felbflftändiger  gewordenen  Fafer  fich  ver- 
bindet, fo  ilt  damit  ein  Uebergang  zu  jenem  differenzirteren  Zu- 
ftande  gegeben;  Nerven  wie  Muskeln  erfcheinen  von  diefem  Geßchts- 
punkte  aus  als  die  Producte  der  Sonderung  einer  und  derfelben 
Gewebsfchicht  des  Ectoderms.  Damit  wird  zugleich  ein  phyliolo- 
gifches  Poftulat  erfüllt;  denn  es  ilt  völlig  undenkbar  (?),  daß  Nerv 
oder  Muskel  in  ihren  Elementen  einmal  von  einander  gefondert 
beftanden,  und  daß  der  die  Functionen  beider  beftimmende  Zu- 
fammenhang  das  Ergebniß  einer  fpäteren  Verbindung  fei.» 

Zwar  ohne  die  Entftehung  der  von  ihm  beobachteten  Theile 
aus  einer  Zelle  nachzuweifen,  fchrieb  £d.  van  Beneden  dem  Neuro- 
muskelfyfteme  bei  Hydra ctinia  eine  höhere  Ausbildung  zu.  Einer 
Stützlamelle  liegen  hier  Muskeif  afern  auf,  deren  jede  von  einer 
dünnen  Protoplasmalage  mit  Kern  bedeckt  ifl.  Ein  Protoplasma- 
faden, ein  wahrer  motorifcher  Nerv,  ftellt  die  Verbindung  mit  einer 
Ectodermzelle  her,  welche  phyßologifch  gleichzeitig  die  Stelle  einer 
Sinnes-  und  Ganglienzelle  vertritt.  Die  Neuromuskelzelle  von  Hydra 
foll  lieh  daher  bei  Hydra  ctinia  in  eine  neuroepitheliale  Zelle,  in 
eine  Nervenfafer  und  eine  Muskelzelle  gefondert  haben. 

Eine  noch  weiter  gehende  Differenzirung  des  Neuromuskel- 
fyftems  foUte  nach  Eimer  bei  Beroe  und  felbft  bei  allen  Acephalen, 
wahrfcheinüch  überhaupt  bei  den  Cölenteraten  vorliegen.  Eimers 
Angaben  zur  Folge  findet  lieh  bei  den  Rippenquallen  unter  einem 
einfcliichtigen  Plattenepithel  als  äußerfte  Lage  einer  muskelfreien 
Gallertf chicht,  welche  von  dem  die  Muskelfafern  enthaltenden 
Theile  der  Gallerte  überall  fcharf  abgegrenzt  ift,  eine  derbe,  dünne 
homogene  Membran.  Das  Epithel  wird  der  Epidermis,  die  Mem- 
bran und  die  muskelfreie  Gallertfchicht  werden  der  Cutis  der 
höheren  Thiere  verglichen  und  die  beiden  letzteren  mit  dem  Namen 
der  Nervea  belegt,  weil  lie  fich  durch  einen  großen  Reichthum  an 
Nervenfafern  und  Ganglienzellen  auszeichnen,  welche  durch  com- 
plicirte  Netze   von  PrimitivfibrUlen  mit   äußerft   feinen,   drei-  und 


0]  Phyliologie  der  contractüen  Gewebe.  27'J 

N-ielecldgen  ]\Iafclieu  zufammenliängen.  Die  auf  der  Nervea  be- 
lindlichen  Epitlielzellen  treten  iiisgefammt  mit  feinften  Primitiv- 
fibrillen  in  Verbindung,  welche  aus  dichotomifch  Fich  theilenden 
Nervenfafern  hervorgehen.  Diefe  können  durch  die  Gallerte  verfolgt 
und  als  die  directe  Fortfetzung  von  Muskelfafern  erkannt  werden, 
wobei  das  Neurilemm  in  das  Sarcolemm  und  die  Nervenfubüanz 
allmählig  in  die  contractile  Subftanz  übergeht.  Der  Uebcrgang 
zwifchen  nervöfen  und  contractilen  Fafern,  welche  beide  zufammen 
Nem-omuskelfafern  genannt  werden,  gefchieht  an  der  nnieren  Grenze 
der  Nervea,  und  eine  weitere  Eigenthümlichkeit  des  Nervengewebes 
der  Beroiden  belteht  nach  Eimer  noch  darin,  daß  lieh  überall 
« vollftändigeUebergangsformen  zwifchen  den  ausgebildeten  Ganglien- 
zellen und  den  Varicolitäten  der  Nervenfafern  vorfinden»,  fo  (5aß 
die  Nerven  als  «Ketten  von  Ganglienzellen  oder  Ganglienkernen» 
zu  betrachten  find  und,  da  kein  anderes  befonders  differenzirtes 
Centralorgan  vorhanden  fein  foll,  die  Nervea  das  Centralneivcii- 
fyftem  der  Beroiden  darftellt. 

Huxlcy,  der  die  in  einem  pafliven  nutritiven  ^^erhaltcn  gege- 
bene Eigenthümüchkeit  der  Nerven  nicht  kennt,  glaul^t,  auch  ohne 
felbft  Hand  an  die  Löfung  der  Frage  gelegt  zu  haben,  daß  den 
Klemenbcrf/lchon  Fafern  der  Neuromuskelzellen  lediglich  eine  lei- 
tende Function  zukomme,  und  daß  das  von  Eimer  für  Beroe  ge- 
fchildertc  Verhalten  darauf  zurückzuführen  fei,  daß  jene  Fafern 
durcli  Entwicklung  eines  mächtigen  Mefoderms  fich  trennten  und 
verlängerten.  Als  Grund  für  feine  Auffalfung  der  Klriiienherffi'dwn 
Fafern  als  reine  Leitungsbahnen  vermag  Huxlrn  nur  aiiziil'ülircii, 
daß  diefelben  als  contractile  Elemente  allein  die  Verkürzung,  niehl 
aber  die  mindeftens  cbenfo  kräftige  Verlängerung  des  Tolviicii 
köq)ers  erklären  wüi'dcn. 

Eine  richtige  hiftiologifche  Deutung  erfuhren  di(!  Klrimitln r;f 
feilen  Befunde  erft  durch  r;^^^s•,  Urrfiriff  und  C/inn.  Diefe  Antonii 
verglichen   <len    plasmatifchen,    nacli   außen   gewendeten  Tlieil    <ler 


280  Grundzüge  einer  vergleichenden  [10 

log.  Neuromuskelzelle  dem  Muskelkörperclien  höherer  Thiere  (dem 
wandftändigen  Kerne  mit  umgebendem  Plasma  der  jungen  Cteno- 
phorenmuskeln)  und  erfetzten  zugleich,  um  die  morphologlfch 
wichtige  Lagerung  der  Muskelzellen  im  Ectoderm  und  auch  im 
Entoderm  anzudeuten,  die  Bezeichnung  «Neuromuskelzelle»  durch 
den  Namen  «Epithelmuskelzelle».  Treffend  vaachen  Herüvig's  darauf 
aufmerkfam,  daß  bei  den  Infuforien  zwar,  wo  die  größten  hiftio- 
logifchen  Sonderungen  im  Rahmen  einer  Zelle  zu  beobachten  fmd, 
die  morphologifche  Einheit  der  fuuctionell  verfchiedenen  Theile 
niemals  aufgegeben  wird,  daß  aber  bei  den  höheren  Thieren  die 
hiftiologifche  Sonderung  nicht  in  der  Weife  erfolgt,  daß  eine  Zelle 
zwei  Functionen  befonders  ausbildet  und  dann  entfprechend  den 
beiden  diflferent  gewordenen  Theilen  in  zwei  functionell  vejfchiedene 
Zellenindividuen  zerfällt,  fondern  daß  es  ftets  fchon  gefonderte, 
urfprünglich  gleichartige  Zellen  und,  die  unter  fleh  die  Arbeit 
theilen  und  fleh  zu  diefer  oder  jener  Function  befonders  weiter 
entwickeln.  «Die  hiftiologifchen  Sonderungsprocelfe  beruhen  nicht, 
wie  die  Neuromuskeltheorie  annimmt,  auf  der  Trennung  und  auf 
einem  Selbftfländigwerden  verfchieden  differenzirter  Zellentheüe, 
fondern  auf  der  verfchiedenen  Differenzirung  getrennter  und  ur- 
fprünglich gleichartiger  Zellen.» 

Diefe  theoretifchen  Erwägungen  fanden  ihre  Stütze  darin,  daß 
bei  den  Medufen,  fpäter  auch  bei  den  Actinien  die  drei  als  wef ent- 
lich zu  bezeichnenden  Elemente  des  Nervenfyftems :  die  Sinnes-, 
Ganglien-  und  Muskelzelle  (durch  Nervenfibrillen  unter  einander 
verbunden)  thatfächlich  zur  Beobachtung  gelangten,  und  daß  die 
an  Medufen  wie  an  Ctenophoren  gewonnenen  experimentellen 
Refultate  ohne  die  Annahme  von  Hemmungscentren  ganz  unver- 
ftändlich  bleiben  mußten.  Mit  Hinweis  auf  letztere  Erfahrungen 
bemerkte  auch  Chun,  daß  eine  Neuromuskelzelle,  die  mit  dem 
protoplasmatifchen,  nach  außen  gewendeten  Fortfatze  die  Contrac- 
tionen  hemmenden  Reize  der   contractilen  Fafer   zuleitet,   ein  Ab- 


11]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  281 

lurdum  iß.  «Da  gerade  die  Exiflenz  von  Hemmnngsnerven  die- 
jenige eines  ii-ritabeln  Muskels  vorausfetzt,  fo  werden  wir  zur 
Annahme  gedrängt,  daß  erft  fecundär  das  Nervenfyftem  mit  dem 
Muskel  in  Verbindung  trat,  daß  feine  motorifclien  und  hemmenden 
Quahtäten  erlt  erworben  wurden,  nachdem  die  Sinnesorgane  aus 
dem  gleich  fam  neutralen  Bildungsmateriale  des  Gemeingefühls  in 
ihren  fpecififchen  Energiecn  ßch  abgefpalten  hatten  und  das  Be- 
dürfniß  entftand,  die  Perceptionen  in  zweckmäßiger  Weife  dem 
Gefammtorganismus  zu  Gute  kommen  zu  lalTen. »  Erft  in  der  ver- 
gleichenden  Nervenphyliologie  werde  ich  ausführlicher  auseinander 
zu  fetzen  haben,  daß  fich  bei  keinem  Vertreter  einer  andern  Claffe 
unter  den  Wirbellofen  der  Beweis  für  die  Exiftenz  von  motorifclien 
Nervenendigungen,  analog  denen  der  quergeltreiften  Muskeln  von 
W'irbelthieren  fo  ficher  führen  läßt,  als  gerade  bei  den  Medufen. 
Repräfentanten  anderer  Typen  unter  den  Wirbellofen,  welche  mit 
den  Wirbelthieren  in  der  Einrichtung  des  ganzen  Nervenmuskel- 
ajjparates  eine  größere  functionelle  Ueberemftimmung  darbieten, 
lind  nicht  aufzufinden  gewefen!  Und  im  Grunde  die  gleichen 
Einrichtungen,  welche  fich  betreffs  der  Ditferenzhung  und  der 
Anordnung  der  Nervenelemcnte  durch  einwurfsfreie  A^erfuche  für 
die  Medufen  ergeben  haben,  finden  fich  zweifellos  auch  Ijci  den 
Anthozoen  verwirklicht;  denn  die  an  verfchiedenen  Actinienfpecies 
Ixiobachteten  Vergiftungsbilder  fi;immen  in  allen  wefentlichen 
l'unkten  gut  mit  denen  der  Medufen  überein  und  nur  eine  zu 
gleichmäßige  Vertheilung  der  Ganghen,  Nerven  mid  Muskeln  im 
übrigen  Körpergewebe  verbietet  bei  den  Fleifchpoly[)en  eine  IcbaiT«' 
experimentelle  Trennung  der  einzelnen  nervöfen  Tbcilcauszufiiliren. 
\''öllig  negativ  fielen  dagegen  die  entfprechenden  Verfuchsergebnifib 
bei  den  Si)oiigien  aus;  1)ei  diefen  Thicren  ließen  uns  fclbd  dio 
feinitcn  anatomifchen  Mefier,  als  welche  Claude  lirnKU-d  die  Giften 
defiiiircn  konnte,  vollkommen  im  Stidie,  und  felbft  bei  Formen, 
wie  Tethya,  deren  Oscula  lidi  beim  Verlafien  des  WuM'rrs  [u^nvi 


■282  Grundznge  einer  vergleichenden  [12 

fchließen,  gelang  es  mir  nicht,  die  Elafticitäts-  und  Contractilitäts- 
wirkungen  einzeln  fichtbar  und  unterfcheidbar  zu  machen.  Diefe 
Thatfachen  beftimmen  uns  ebenfo  wie  die  erwiefene  Irritabilität 
eines  jeden  contractilen  Gewebes,  die  oben  erörterte  Meinung 
Gegenbaur'&  von  einer  unabänderlichen  Verknüpfung  von  Nerv 
und  Muskel  als  unzeitgemäß  zu  verwerfen  und  die  Annahme 
F.  E.  Sclmlse's^^)  von  nervenlofen  contractilen  Fafern  bei  den 
Spongien  wenigftens  als  höchft  wahrfcheinlich  zuzulalTen. 

Unfere  fpecielle  Aufgabe  fehen  wir  darin,  an  den  contractilen 
Geweben  die  zwifchen  den  chemifchen,  den  phyfikalifchen,  den 
hiftiologifchen  und  vitalen  (d.  h.  den  Contractilitäts-)  Erfcheinungen 
beftehenden  Wechfelbeziehungen  klarzulegen.  Der  Löfung  diefer 
Aufgabe  flellen  ßch  gegenwärtig  noch  mannigfache  Schwierigkeiten 
in  den  Weg;  die  umfangreiche,  einfchlägige  Literatur  bietet  uns 
nur  wenig  Verwerthbares  und  das  Wenige  von  Unrath  überwuchert. 
Würden  wir  zur  Löfung  unferer  Aufgabe  den  naturgemäßen  Weg 
einfchlagen,  mit  unferen  Betrachtungen  bei  dem  form  veränderlichen 
Protoplasma  beginnen  und  uns  darauf  erffc  zu  den  differenzirteren 
Gebilden,  den  Muskeln  wenden,  dann  würde  unfer  ganzes  Unter- 
nehmen an  dem  dürftigen  Materiale  ficherlich  fehr  bald  Schiff- 
bruch erleiden  und  vollkommen  zu  WalTer  werden.  Aber  Dank 
den  Arbeiten  der  letzten  Jahre  ift  uns  ein  Einblick  in  den  che- 
mifchen Bau  und  in  die  Leiftungsfähigkeit  wenigftens  bei  einigen 
Muskelarten  gewährt:  Errungenfchaften  find  zu  verzeichnen  ge- 
wefen,  welche  als  ein  geficherter  Beßtz  der  WiHenfchaft  zu  be- 
trachten find  und  auf  welchem  wir  zuverfichtlich  weiter  bauen 
dürfen.  Ein  vergleichend  phyliologifcher  Zufammenhalt  des  an 
Thatfachen  Erworbenen  kann  fich  allein  aus  einer  Aneinander- 
l-eihung  der  Thatfachen  felbft  ergeben,  und  fo  wird  unfere  erfle 
Aufgabe  nur  darin  zu  fachen  fein,  die  vergleichend  phyfiologifch 
verwerthbaren  Daten  auf  Grund  der,  wenn  auch  nur  an  wenigen 
Muskelarten  klargelteUten  Verhältniffe  als  folche  zu  erkennen  und 


13]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  283 

7A1  würdigen  lernen;  erft  eine  zweite  Aufgabe  wird  für  uns  darin 
beftehen,  das  diu-ch  Beobachtung  Erworbene  unter  einheitliche 
Gefichtspunkte,  unter  Gefetze  zu  bringen.  Diefen  Prineipien  gemäß 
betrachten  wir  zunächft  die  chemifchen,  die  phyfikalifchen  und 
die  hiltiologifchen  Eigenfchaften  der  einzelnen  Muskelarten,  fchließen 
hieran  eine  vergleichende  Betrachtung  der  Muskelphyliologie  und 
tragen  diefer  fchließlich  noch  die  wenigen  vergleichend  phyfiologifch 
verwerthbaren  Thatfachen  nach,  welche  an  den  formveränderhchen 
Protoplasmamaflen  erfchloITen  find. 


An  dem  Aufbau  des  Muskelgewebes  betheiligen  fich  von  or- 
ganifchen  Stoffen  nachgewiefenermaßen  folgende: 

1.  Eiweißfubftanzen  (Myofin,  Musculin,  Kalialbuminat,  Serum- 
albumin  etc.). 

2.  Stickftofffreie  Säuren  (Fleifch-  und  Gährungsmilchfäure). 

3.  Enzyme  (Pepfin,  Diaftafe). 

4.  Kohlehydrate  (Glykogen,  Erythrodextrin ,  Fleifchzucker, 
Inofit,  Scylht). 

5.  Fette. 

6.  Chromogene  und  Farbftoffe  (Hämoglobin,  Lipochrome, 
Uranidin  der  Infectenflugmuskeln). 

7.  Säureamide  und  Amidofäuren  (Harnftoff,  Harnfäure,  Krea- 
tin,  Kreatinin,  Taurin,  Glykocoll,  Körper  aus  der  Xanthin- 
gruppe  [Xanthin,  Carnin,  Hypoxanthin],  Inofinfäurc,  Prot- 
faure) 

und  außerdem  noch  anorganifche  Salze  (fog.  Archcnbenaiidthcilc), 
WafÜT  inid  Gafe  (Sauerftoff,  Kohlenlaure). 

Unter  Einhaltung  gewifler  Vorlichtsmaßregcln,  voi-  allen  einer   ^jJlli^i"' 
Temperatur  von  etwa  — 7"  C.  g(!wanii  KHImr.  aus  blutfreien  Frofch- 
muskeln   eine    deutlich    alkalifclu^   Fhilligkeit:   das    Miiskeli>lusnia, 
welches  ähnlich  wie  das  Plasma  d(;s  Blutes  bei  ZiiiiiiHi(riii|Miatiii- 
gerann*').    Die  Geriiiiiuiig  des  Muskeli)lasinas  bciiilit   niil'  der  l  in- 


284  Grundzüge  einer  vergleichenden  [14 

Wandlung  einer  myolinogenen  Subftanz  in  Myofin  und  erfolgt  in 
gleicher  Weife  beim  Eintropfen  eines  mit  10  °/oiger  Kochfalzlöfung 
bereiteten  Fleifcbauszuges  in  deftillirtes  Waller  oder  beim  Sättigen 
desfelben  mit  feffcem  Koclifalz.  Während  Kühne  das  Myolin  dem 
Fibrin  an  die  Seite  ftellt,  zählt  es  Hoppe-Seyler  zu  den  Globulinen; 
feitdem  jedoch,  in  Beftätigung  früherer  Angaben  von  Kühne, 
Kuegler  und  Klemptner  nachgewiefen  haben,  daß  die  bei  der 
Todtenftarre  der  Muskeln  eintretende  Myofingerinnung  ein  enzy- 
matifcher  Vorgang  ift,  läßt  fich  IIop2Je-Seyler's  AuffalTung  nicht 
mehr  aufrecht  erhalten. 

Das  Myofin  oder,  richtiger  gefagt,  die  myofinogene  Subftanz 
fand  fich  bei  allen  daraufhin  geprüften  quergeftreiften  Muskeln 
vor  und  muß  als  alleinige  Urfache  der  fichtbaren  Doppelbrechung 
derfelben  angefprochen  werden.  JBrücke's  sarcous  Clements  find 
demnach  ein  Beftandtheil  des  Muskelplasmas  und  mit  dem  Myofin 
identifch.  Ebenfo  bedingt  das  Myofin  die  fog.  Wairerftarre,  jene 
Summe  von  Veränderungen,  welche  eintreten,  wenn  das  Muskel- 
gewebe mit  deftilhrtem  Wafier  in  unmittelbare  Berührung  gelangt, 
und  in  erfter  Stelle  auch  die  fpontane  oder  Zeitflarre,  welcher 
fämmtliche  muskulöfen  Gebilde  (die  quergeftreiften  wie  die  glatten, 
der  Wirbelthiere  wie  der  Wirbellofen)  beim  Abfterben  unterworfen 
find.  Das  Myofin  ift  aber  weder  in  feinem  Vorkommen  auf  die 
contractilen  Gewebe  befchränkt,  nochftimmt  (wie  die  you.  DanilewsJcy 
angegebenen  ünterfchiede  beim  Sättigen  der  Myofine  verfchie- 
dener  Thiere  mit  Säuren  und  ihre  differente  Löslichkeit  in  Koch- 
falzlöfungen,  die  von  0.  NafCe  gefundene  ungleiche  Schwächung 
der  Anifotropie  bei  Muskeln  verfchiedener  Thiere  nach  Behandlung 
mit  verfchiedenen  Neutralfalzen  lehren)  das  Myofin  aller  Vorkomm- 
niHe  in  den  Eigenfchaften  vollkommen  überein.  So  fand  JBruns 
Myofin  in  der  Cornea  und  bezeichnete  als  delTen  Sitz  die  contrac- 
tilen Hornhautkörperchen,  Sclnveigger-Seydel  Hellte  es  durch  Mace- 
ration  mit  10*^/oiger  Kochfalzlöfung  aus  der  Cornea  und  den  Sehnen 


I 


15]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  285 

von  Warm-  wie  Kaltblütern  dar  und  hielt  es  füi-  befchränkt  auf 
die  interfibrilläre  Subflanz;  llcnnllns  fand  eine  Subllanz  mit  älni- 
lichen  Reactionen  in  den  Blutkörperchen.  Doch  fcheint  die  Todten- 
ftarre,  welche  auch  cmige  contractionslofe  Zellen,  fpcciell  die  der 
Leber,  befällt,  nach  Kühne' s  Angaben ^^^  eher  auf  Kalialbuminat 
als  auf  Myofin  zu  beruhen.  Aus  dem  elektrifchen  Organe  von 
Torpedo  war  kein  jNIyorm  zu  gewinnen. 

In  Hinficht  auf  die  Verfchiedenartigkeit  der  myofinogenen 
Subßanz  verfchiedenen  Vorkommens  macht  NalTc  auf  die  Tem- 
peraturdifferenzen bei  der  Wärmeftarre  aufmerkfam,  welche  Kühne 
an  Wirbelthiermuskeln  beobachtet  hat.  Diefe  Diiferenzen  bewe- 
gen ßch  zwifchen  45*^  und  50*'  C.  und  find  deshalb  wohl  fchwer- 
lich  auf  das  erfl  bei  ca.  bb^  C.  gerinnende  IMyofin,  fondern  nur 
auf  das  fogleich  zu  befprechendc  IMusculin  zu  beziehen,  delfen 
Coagulationspunkt  zwifchen  40*^  und  49°  C.  fchwankt.  Erinnere 
ich  mich  ferner  meiner  Vcrfuche,  bei  welchen  Muskelfafern  vom 
Kre]»s,  Kaninchen,  Lachs  und  Frofch  mit  reinftem  Glycerin  all- 
mählig  erwärmt  wurden  und  die  Doppelbrechung  der  Species  ent- 
fprechend  zu  fehr  verfchiedenen  Zeiten  fchwand  oder  wenigftens 
ftark  gefchwächt  erfchien,  fo  muß  mir  felljft  die  von  Isall'r  zuge- 
lalfene  MögUchkeit:  «daß  das  Myofmeiweiß  überall  das  gleiche 
und  nur  che  mit  ihm  verbundenen  anorganifchen  Beflandtheile, 
die  nach  den  Unterfuchungen  von  Lhinileirslij  gerade  im  Myolin- 
molekül  von  Wiclitigkeit  zu  fein  fclieinen,  verfchicdeii  lind-, 
zweifelhaft  werden.  Ehifaclie  Beimengungen,  bei  J)ar/ielhmg  der 
Löfungen  vielleiclit  ganz  zufällig  entitandenc  Salzverbinchmgeii  des 
Myolins,  texturellc  Verfchiedenheiten  des  Muskelgewebes  kiiinicii 
meines  P>ac]itens  die  an  Muskeln  vcrfcliiedener  Thieri;  beobachteten 
Differenzen  betreffs  der  Sclivvächuiig  d<i-  Aiiilotropic  diircb  go- 
fättigte  Neutralfalzlcifinigcii  rcsj».  des  rcbcrgaiigcs  der  myolinogciien 
Materie  aus  den  Ginveben  in  K()chfalzl<ifinig  vollauf  erklänn. 

Durcli  Ausziehen   der  Gewebe  mit  einer  lO'Voigen  Kodilulz 


I 


286  Grundzüge  einer  vergleichenden  [16 

löfung  und  Fällen  diefer  Löfung  durch  deftillirtes  WalTer  wie  durch 
Sättigen  mit  Kochfalz  conltatirte  ich  die  Anwefenheit  des  Myofms 
in  den  Muskeln  von  Homarus  vulgaris,  von  Eledone  mo- 
schata,  in  den  Schheßmuskeln  von  Spond3dus  gaederopus 
und  Mytilus  gallo-provincialis.  Aus  einigen  Schwämmen 
(Chondrosia  reniformis,  Tethya  Lyncureum,  Suberites 
massa),  aus  den  Hautmuskeln  von  Thyone  fusus  und  den 
Schheßmuskeln  von  Pectunculus  pilosus  war  nach  dem  ange- 
gebenen Verfahren  kein  Myolingerinnfel  abzufcheiden.  MeinJce  und 
Bodewald  führen  als  eiweißartigen  Beftandtheii  von  Aethalium 
septicum  neben  Vitellm  und  Plaftin  zwar  auch  das  Myofin  auf, 
meine  negativen  VerfuchsergebnilTe  an  den  Spongien  und  der  Um- 
ftand,  daß  die  Todtenftarre  beim  neugeborenen  Menfchen  fchwach 
und  kurz  ifl,  beim  Embryo  vor  dem  ßebenten  Monate  ganz  fehlt 
[Melde],  fcheinen  indeß  dafür  zu  fprechen,  daß  bei  den  auf  niedrig- 
fter  Stufe  der  Organifation  flehenden  Whbellofen  das  Myofin  fehlt 
und  hier  vielleicht  durch  ein  dem  Vitelhn  ähnhches  Proteid  ver- 
treten wird.  Als  einen  lieberen  Gewinn  der  Forfchung  dürfen  wir 
trotz  alledem  die  bereits  von  Kühne'^^)  hervorgehobene  Thatfache 
betrachten,  daß  äußernden  contractilen  Subftanzen  kerne  natürhch 
vorkommende  Eiweißlöfungen ,  die  zwifchen  35*^  C.  und  50"  C. 
gerinnen,  bekannt  geworden  find;  auch  die  Coagulationsbeftim- 
mungen,  welche  ich  an  den  lymphatifchen  Flülfigkeiten  zahlreicher 
Arthropoden,  Mollusken-  und  Würmerfpecies  ausführte^*),  verän- 
derten an  diefem  Satze  nichts. 

Die  Flüfligkeit,  welche  nach  der  Gerinnung  des  Myofins  zu- 
rückbleibt, ift  das  Muskeiferum;  fie  reagirt  anfangs  neutral,  wird 
aber  fchnell  fauer  und  enthält  nach  Kühne  drei  unterfcheidbare 
Eiweißkörper.  Erftens  das  Musculin  oder  Muskelalbumin,  welches 
unabhängig  von  der  Reaction  der  Flüfligkeit,  je  nach  der  Thier- 
fpecies  bei  45«  C.  (Frofch),  bei  49 "  C.  (Kaninchen),  bei  50«  C. 
(Hund)  oder  bei  53°  C.  (Taube)  gerinnt,  ohne  Beimifchung  anderer 


17]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe. 


287 


Eiweißkörper  aus  dem  ;Muskelferum  aber  nur  dann  ei-halten  wird, 
wenn  man  die  bei  der  zunehmenden  Erwärmung  cntftehende  Säure 
fortwährend  neutralilirt.  Zweitens  fehlt  in  keinem  Muskeiferum 
das  KaUalbuminat,  welches  nach  Entfernung  des  Musculins  durch 
fchwaches  Anfäuern  mit  Efligfäure  erkannt  werden  kann.  Der 
dritte  Eiweißkörper  endhch,  welcher  in  dem  angefäuerten  Muskei- 
ferum nach  vollftändiger  Ausfällung  des  Kahalbuminates  in  fehr 
bedeutender  ^Menge  zurückbleibt,  ilt  das  Serumeiweiß;  dasfelbe 
coagulirt  in  faurer  Löfung  erll  bei  70^ — 75"  C.  und  ift  von  dem 
Serumeiweiß  des  Blutes  nicht  zu  unterfcheiden.  Diefe  Verhältnifle 
fcheinen  in  der  Thicrreihe  keine  wefenthche  Abweichungen  zu 
erfahren;  denn  auch  in  den  wälTrigen  Auszügen  fämmtlicher  bis- 
lang unterfuchter  Amorphozoen,  aller  contractilen  Gewebe  von 
Cölenteraten,  Echinodermen,  Arthropoden,  Mollusken  und  Würmern, 
ja  felbft  in  dem  Auszuge  des  electrifchen  Organes  von  Torpedo 
ftellte  fich  fowohl  eine  Gerinnung  gegen  40 '^  C.  resp.  zu  Anfang 
der  vierziger  Grade  ein,  welche  auf  einen  dem  Musculin  oder 
(in  folchen  Fällen,  wo  diefelbe  nach  eingetretener  pollmortalen 
Säuerung  ausbleibt,  wie  z.  B.  beim  Schließmuskel  von  Anodonta) 
auf  einen  dem  Kalialbuminat  der  Wii'belthiere  entfprechcndeu  Ei- 
weißftoff  zu  fchließen  geftattet,  noch  fehlte  in  fämmtUchen  ange- 
fülirten  Fällen  die  auf  Serumalbumin  zu  beziehende  Gerinnung 
in  den  fiebenziger  Graden;  worauf  zwar  die  innnerliin  geringen 
Temperaturfch wankungen  beun  Eintreten  der  erften  Coagulation 
beruhen,  welche  bereits  Kulme  bei  Untcrfucliung  des  formverän- 
derliclien  Protoplasmas  aufgefallen  waren,  wird  fchwcr  zu  eruinMi 
fein.  Sollten  weitere  Erfahrungen  lehren,  daß  (He  bei  Befi)re(hnng 
des  Myofins  von  uns  angeführten  Momente  zur  Erkläinng  «Ich 
licobacljteten  nicht  ausreichen,  fo  würde  nodi  immer  eher  als  an 
verfchiedene  Verbindungen  des  Musculins  mit  Mincralbeflandtlicilcn 
an  folche  rnit  dem  Myofin  zu  denken  fein;  machte  doeli  fclion 
1857   C7.  Benann'')  —  um  die;  Thatfache  zu  erklären,   «laß  Eier- 

I 


288  Grundzüge  einer  vergleichenden  [18 

albumin  oder  Blutferum  von  clerfelben  Thierart  in  die  Venen  ge- 
fpritzt,  den  Harn  nur  eiweißhaltig  werden  läßt,  was  bei  Injection 
von  Blut  derfelben  Thierart  nicht  eintritt,  —  die  Vorausfetzung, 
daß  das  Serumalbumin  mit  dem  Fibrinogen  im  Blutplasma  ver- 
bunden ift. 
^^^der™^  Je  nach  dem  Grade  der  Erwärmung  und  nach  der  dabei  ein- 

getretenen Säuerung  ^'^)  kann  es  lieh  bei  der  Wärmeltarre  des 
Muskels  nur  um  coagulirtes  Muscuhn  und  Myolin  oder  zugleich 
auch  um  unlöslich  gewordenes  Kalialbuminat  und  geronnenes 
Serumeiweiß  handeln.  Die  fpontan  eintretende  Starre  beruht  da- 
gegen nur  auf  einer  Myolingerinnung  und  auf  einem  (in  Folge  ein- 
tretender Säurebildung)  Unlöslichwerden  des  Kalialbuminates ;  wie 
Kühne  zeigte,  wird  aber  der  todtenltarre  Muskel  durch  Lockerung 
des  Myoflngerinnfels  (in  Folge  der  im  Muskel  felbft  fich  entwickeln- 
den Milchfäure)  fchon  eher  wieder  weicher,  als  es  zur  löfenden 
Fäulniß  kommt. 

Frifche  ruhende  oder  geruhte  Muskeln  zeigten  bei  allen  Thieren 
eine  alkalifche  oder  neutrale  Reaction ;  nur  die  ftändig  functioniren- 
den  Herzmuskeln  und  die  anhaltend  contrahirten  Schheßmuskeln 
der  Bivalven  ließen'  keine  Prüfung  der  Reaction  im  Ruhezuftande 
zu.  Bei  den  quergeftreiften  Muskeln  der  Wirbel thiere  und  nach- 
gewiefenermaaßen  auch  bei  den  quergeftreiften  Muskeln  der  Krebfe 
(Fredericq)  und  den  glatten  der  Mollusken  ('^erw/i^em,  Voit)  fchlägt 
aber  die  Reaction  beim  Eintritt  der  Todtenftarre  wie  nach  ftärkerer 
Thätigkeit  in  eine  faure  um,  und  diefe  Säuerung  rührt,  wie  du 
Bois-Beymond  nachwies,  nicht  ausfchließlich  von  faurem  Kalium- 
phosphat, fondern  von  freier  Säure  her,  welche  zum  Theil  Milch- 
fäure ift,  zum  Theil  durch  diefe  aus  einem  Gemifche  von  Salzen 
verfchiedener  Säuren  abgefpalten  wurde.  An  den  glatten  M^irbel- 
thiermuskeln  und  den  electrifchen  Organen  bleibt  die  Säuerung 
beim  Abfterben  wie  nach  anhaltender  Thätigkeit  gewöhnlich  aus  ^^), 
indem    die   frei   werdende   Säure    vermuthlich    durch    die    Alkali- 


19]  Phyüologie  der  coutractüeu  Gewebe.  '  289 

albumiiiate  fofort  gebunden  oder  auderweitis;  in  Befchla»-  we- 
nonimen  Anrd. 

Sowohl  die  Gähmngs-  wie  die  Fleifcbmileliräure  ift  in  Muskehi 
nachgewiefen,  die  Herkunft  diefer  Säuren  lilieb  jedoch  unklar. 
Einzelne  Thatfachen  (wie  z.  B.  das  Ausbleil)en  der  Säuerung  an 
Muskeln  gehungerter  Thiere,  der  conftant  beträchtiichere  Säuregrad 
der  glykogenreichen  Rückenmuskeln  gegenüber  dem  geringeren 
der  Sclienkelmuskeln  beim  Kaninchen)  fchiencn  anzudeuten,  daß 
die  Milchfäm'e  aus  den  Kohlehj^lraten  des  Muskels  hervorgehe; 
Böhm  führte  indeß  den  Nachweis,  daß  Milchfäure  lieh  zu  bilden 
vermag,  ohne  daß  die  Glykogenmenge  des  Muskels  fich  vermindert, 
und  damit  ifl  beNnefen,  daß  das  Glykogen  nicht  die  Mutterfubllanz 
der  Milchfäure  ift.  Böhm  glaubt,  daß  die  Milchfäure  aus  Eiweiß 
entfteht,  und  zur  Stütze  diefer  Anfleht  macht  Na/Te^^)  gewiß  mit 
Recht  geltend,  daß  bei  der  acuten  Phosphorvergiftung  das  Auf- 
treten der  Fleifchmilclifäure  im  Harne  ebenfalls  an  einen  mäch- 
tigen Eiweißzerfall  geknüpft  ift.  So  erklärt  denn  die  Milchfäure- 
bildung  nicht  nur  die  Ausfcheidung  des  Kalialbuminates  bei  der 
Todtenftarre,  die  merkwürdigen  Fälle  ihres  plötzhchen  Eintretens 
(z.  B.  an  Choleraleichen,  an  Gefallenen  auf  dem  Schlaclitfelde  und 
an  melireren  kleinen  Seefifchen  [Julis,  Labrus  etc.])  und  die 
Löfung  derfelben  in  ehiem  fpäteren  Stadium,  fondern  dei-  Connex 
zwifchen  Säuerung  und  Muskeleiweiß  fclioint  dadurcb  noch  ein 
weit  innigerer  zu  fein,  daß  die  Milclifäure  aus  dem  l>i\vciß  über- 
haujjt  erft  hcrvorgelit. 

Niclit  weniger  durchflchtig,  als  gegenwärtig  die  Bclbciligung 
der  «inzehien  eiweißartigen  Beftandtheile  des  Mu.skelgowebes  bei 
der  Bildung  der  Milclifäure  \m  uns  iH,  geliaUct  lieb  imrcr  WifTen, 
wenn  es  gilt,  jedem  einzelnen  Eiweißftolle  des  Muskels  re.sp.  der 
.Milchlaurebildung  die  richlige  Stelle  bei  gewilfen  i)aMiologifclien 
rroccrllen,  welche  die  Muskelfafern  ergn'ifeu.  juizuweileii.  (ierade 
ix-i  Erkrankungen  der  Muskeln»,  fagt  r'V//*//^//^/ ''•),   «ilt  es  febr  vcr- 


290  Grundzüge  einer  vergleichenden  [20 

führerifch,  an  gewiJTe  chemifche  Veränderungen  der  contractilen 
Subllanz,  vielleicht  an  beginnende  Gerinnungen  zu  denken » ;  aber 
felbfl  bei  der  parenchymatöfen  Muskeldegeneration  iffc  die  Gerin- 
nung eines  fonit  flülligen  normalen  oder  irgendwie  modificirten 
Eiweißkörpers,  und  bei  der  wachligen  Muskeldegeneration  die  un- 
geordnete Erftarrung  von  Muskelfafern ,  die  aus  irgend  einem 
Grunde  fchon  während  des  Lebens  abgeltorben  waren,  noch  nicht 
über  den  Werth  einer  Hypothefe  hinaus  gelangt.  Bei  einer  Er- 
klärung diefer  Veränderungen  muß  es  fogar  noch  zweifelhaft  ge- 
lalTen  werden,  wieviel  davon  der  Temperaturerhöhung  als  folcher, 
wieviel  den  jeweiligen  Krankheitsurfachen  zugefchrieben  w^erden 
muß,  und  bei  der  ausgefprochenen  Muskelfchwäche,  der  verringer- 
ten Leiftungsfähigkeit  der  Muskehi,  welche  fich  bei  jedem  fchweren 
Fieber  einteilen,  fehlt  auch  noch  jedwede  Entfcheidung,  wieviel 
davon  auf  ein  abnormes  Verhalten  der  centralen  oder  peripheren 
Innervation  zu  beziehen  ilt. 

Genügt  es  Ichon,  das  Elaltin  und  Collagen  als  Muskelbeftand- 
theüe  einfach  anzuführen  und  deren  Betheihgung  am  Aufbau  der 
contractüen  Subftanz  als  fraglich  hinzuftellen,  fo  können  -wir  die 
Eiweißkörper  des  "Muskelgewebes  doch  nicht  verlafTen,  ohne  etwas 
ausführlicher  des  fog.  Bündelgerüftes  von  Banüeiüshy'^^)  gedacht 
zu  haben,  welches  fowohl  als  künftliches  Zerfetzungsproduct  wie 
auch  unter  gewilfen  Umfländen  intra  vitam  Myolin  liefern  foll. 
Als  Bündelgerüft  bezeichnet  Danileivshj  den  Muskeh'ückftand, 
welcher  nach  Extractibn  von  Myolin,  anderen  Eiweißftoffen,  Salzen 
und  Kohlehydraten  durch  Behandlung  der  Muskeln  mit  8 — 15^/oiger 
Salmiaklöfung  zurückbleibt.  Das  Bündelgerüft,.  welches  man  lieh 
in  einem  feftweichen  Zuffcande  zu  denken  hat,  befitzt  alle  morpho- 
logifchen  Haupteigenthümüchkeiten  der  normalen  Muskelbündel, 
läßt  insbefondere  auch  die  Querftreifung  deutlich  erkennen  und 
ftellt  alfo  das  Gerüffc  oder  Stroma  des  Muskels  dar.  Wurde  unter 
den    nöthigen    Vorfichtsmaßregeln    in    dem    Salmiakauszuge    das 


21]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  291 

Myofin  (M)  dem  Gewichte  nach  beftimmt  und  ebenfo  das  Trocken- 
ge^icht  des  Bündelgcrüftcs  (B),  das  freihch  auch  bei  der  forgfäl- 
tigften  Präparation  Bindegewebe,  Gefäße  und  Nerven  mitemfchUcßen 
muß,  fo  fand  ßch  das  Verhältniß  M  :  B  bei  verfchiedenen  Thieren 
und  bei  verfcliiedenen  Muskclgruppen  desfelben  Thieres  fehr  ver- 
fchieden.  So  kommen  beim  Frofch  auf  1  M  0.81  B,  bei  der  Taube 
(Bruftmuskel)  dagegen  5  B.  Faft  ebenfo  groß  können  die  Diffe- 
renzen bei  den  Muskeln  desfelben  Thieres  fein:  die  Sclienkehnuskeln 
der  Tauben  enthalten  auf  1  M  nm-  1.22  B,  die  Bruflmuskeln 
dagegen,  wie  bereits  angegeben,  migefähr  5  B.  Aber  nicht  bei 
allen  Thierarten  find  die  Unterfchiede  fo  bedeutend,  viel  geringer 
find  diefelben  z.  B.  beim  Kaninchen.  Werden  fowohl-die  ver- 
fcliiedenen Thiere  nach  der  freilich  nur  auf  erfahrungsmäßigen 
Schätzungen  Ijeruhenden  Lebhaftigkeit  ihrer  Bewegungen  als  auch 
die  einzelnen  Muskeln  derfelben  Thierart  nach  ihrer  genau  gemef- 
fenen  Contractionsgefchwiudigkeit  gruppirt,  fo  ergiel)t  iich  im  All- 
gemeinen ein  Zufammenhang  zwifchcn  Bewegungsfchnelligkeit  und 
Zufammenfetzung  der  Muskeln,  welchen  Danüeivsh/  daliin  aus- 
di-ückt,-«daß,  je  fchneller  die  Contractionen  und  Erfchlaffungen  der 
Muskeln  ausgeführt  werden,  delto  reicher  die  letzteren  an  Gerüft- 
fubftanzen  im  Verhältniß  zum  Myofin  find.» 

Ifl;,  wie  weit  wir  auch  liinfichtlich  der  EiweißftofFc  der  Mus- 
keln unfere  Blicke  fchweifen  heßen,  die  Ausbeute  an  verglei- 
chend-phyfiologifch  verwerthbarem  Material  eine  iiiiinei-hin  nur 
fehr  geringe,  fo  nehmen  wir  als  P^rwerb  doch  die  Uebcrzeugungen 
mit  uns,  daß  1.  fämmtliche  contractilen  Gebilde  durcli  den 
Gehalt  an  Eiweißkörpern  (Musculin  )( Ip.  Kalialbuniinat)  diarak- 
terifirt  find,  welche  bei  einer  Ib  niedrigen  Temiieratur  wie  kein 
einziger  irgend  eines  andern  thierifchen  Gewebes  gerinnen,  daß 
2.  nicht  weniger  conftant  fiel»  daneben  Serumeiweiß  findet,  «laß 
8.  bei  anhaltender  Contraction  wie.-  lieiin  Abfterben  <les  Muskels 
ein  Thoil  des  Eiweißes  in  Milchfäure   übergeht,   und   <laß  ( ii<lli<li 


292  Grundzüge  einer  vergleichenden  [22 

4.  die  Muskeln   aller  Vertebraten,    -sdelleicht    fogar   auch    die    der 
meiften  höher  organißrten  Wirbellofen  Myoßn  enthalten. 
Enzyme.  jj^  Zahlreichen  extrainteftinalen  Säften  und  Geweben  hat  Kühne 

Pepün  wie  Diaftafe  nachgewdefen^^),  das  Vorkommen  von  Tr}^ün^ 
welches  unter  die  Haut  lebender  Thiere  gebracht,  die  entfetzlichften 
Zerftörungen  erzeugt,  blieb  dagegen  bei  Wirbelthieren  ausfchließ- 
lieh  auf  Pankreas  und  Darminhalt  befchränkt,  und  auch  das  an- 
fcheinende  Auftreten  desfelben  in  der  Darmfchleimhaut  (nach  den 
Verfuchen  an  der  T/m-y'fchen  Fiftel)  Heß  ßch  auf  bloße  A-^erun- 
reinigungen  der  Darmoberfläche  mit  Pankreasfaft  zurückführen. 
Die  Angaben  von  Hafner  und  Stolnikoiv,  daß  in  normalen  oder 
pathologifch  veränderten  Lungen  Trypiin  als  präformirtes  Product. 
vorkomme,  lind  durch  die  Unterfuchungen  von  Kühne  und  Efchericli 
als  irrig  widerlegt.  Im  Anfchluß  an  eine  Arbeit  von  Filehne  He- 
ferte  Efcliericli  den  Nachweis,  daß  das  im  Auswm-f  bei  Lungen- 
gangrän, (wenn  auch  in  viel  geringerer  Menge)  im  Cavernenfputum 
der  Phthiüker  und  in  fehr  vorgefchrittenen  Fällen  von  Bronchiek- 
talie  auftretende  tryptifche  Enzym  ein  Fäulnißproduct,  höchft, 
wahrfcheinlich  ein  Secretftoff  gewilTer  Bacterienformen  ift;  deren 
Entwicklung  zugleich  das  normal  vorhandene  Lungenpeplin  mehr 
oder  weniger  vernichtet.  Daß  der  Muskel  Pepün  enthalte,  lehrte 
fchon  vor  vielen  Jahren  BrücJce,  und  Fiotrowshj  ftellte  aus  Fleifch 
zuerft  ein  zuckerbildendes  Enzym  dar.  Ueber  den  Urfprung  diefer 
Muskelenzyme  äußerte  fich  Kulme  neuerdings  nicht  wieder,  Brücke^^) 
findet  dagegen  in  dem  Pepüngehalte  des  Muskels  noch  immer 
einen  Beweis  dafür,  daß  das  Pepün  vom  Darmrohre  aus  reforbirt 
und  durch  das  kreifende  Blut  den  verfchiedenflen  Organen  des 
Körpers  (Milz,  Leber,  Muskeln  u.  f.  w.)  zugeführt  wird.  Neuere  Erfah- 
rungen und  Ueberlegungen  weifen  aber  ^delmehr  darauf  hin,  daß  die 
^rwc^e'fchen  Vorftellungen  falfch  find,  und  daß  die  in  den  extraintefti- 
nalen Organen  anzutreffenden  Enzyme  nicht  vom  Darmtractus  aus 
reforbirt,  fondern  in  den  Geweben  an  Ort  und  Stelle  gebildet  find. 


23]  Phyliologie  der  contractilen  Ge-\vebe.  293 

Xeben  Pepfm  findet  fich  in  manchen  Organen  Diaftalc,  und 
die  gewiß  fehr  merkwürdige  Erfcheinnug,  daß  nirgendwo  außer- 
halb des  Verdauuugstractus  Trypün  anzutreften  ift,  läßt  fich  daher 
nicht  einfach  mit  dem  Satze  abthun,  daß  das  Pepfin  (wegen  feiner 
Unverdaulichkeit  für  Trypiin)  als  kein  Körper  von  reiner  Eiweiß- 
natur dem  TrN-pfin  unvergleichbar  fei.  Müßte  es  doch  in  lu)luin 
Grade  auffallen,  wenn  das  Pepfin  — ,  welches  durch  niedere  Orga- 
nismen, alib  durch  vitale  Zellenthätigkeitcn,  cbenfo  rafch  zerflört 
wird  als  Trypfin,  ja  fich  von  diefem  noch  in  der  für  einen  Trans- 
port durch  das  alkalifche  Blut  fehr  unvorth eilhaften  Weife  dadurch 
unterfcheidet,  daß  es  in  alkahfchen  Flüffigkeiten  bei  Körpertempe- 
ratur verhältnißmäßig  leicht  feine  peptonifirende  Wirkung  ehibüßt, 
—  den  reforbirenden  Darmepithelbelag  ungefährdet  paffiren,  durch 
das  alkahfche  Blut  unzerfetzt  in  die  Tiefen  der  Gewebe  transportirt 
werden  könnte,  während  das  Trypfin  den  vitalen  Eiufiüllen  der 
Darmepithelien  doch  fehr  bald  erliegt! 

Durch  meme  Unterfuchungen  über  die  A^erbreitung  der  pep- 
tifchen  Enzyme ^^),  welche  de  Bary,  Hänfen,  Külz,  Rodcivald  u.  A. 
nur  beftätigen  konnten,  ifl;  bewiefen,  daß  Pepfin  auch  in  folchen 
Organen,  ja  bei  folchen  Organismen  felbfi;ftändig  gelnldet  wird,  in 
denen  es  durchaus  functionslos  bleiben  muß;  die  gegen  diefe 
Schlußfolgerung  von  Xaire^'^)  erhobenen  Einwände  werden  dadurcli 
entkräftet,  daß  Pepfin  in  Kohlenfäure  gefättigten,  an  fich  neutralen 
Flüffigkeiten  niemals  feine  pe[)tonifirende  Eigenfcliaft  ei-langt,  mid 
fernerhin  noch  kein  Beobachter  auch  nur  die  Andeutung  einer 
faui-en  Pteaction  bei  Aethalium  zu  fehen  vermocht  l)at.  Was  in 
diefer  Hhificht  fürs  Pepfin  gilt,  gilt  in  gleicher  Art  für  die  diallM- 
tifchen  Enzyme  gewilfer  Vorkommnille  uii<l  n.ieli  llimlni'^  \  \\W\- 
fudiungen")  auch  für  ein,  nielir  gleichmäßig  tryi-tileh  und  pei.tirdi 
wirkendes  Enzym  in  den  pflanzlieben  Milchlaften;  <ii«'  lOn/.ynie 
},leiben  an  allen  dielen  Plätzen  völlig  functi(.nsl<.s.  Daß  Vav/xuw 
reforbirt,    durcli    die    Gewebsfäfte   transi.ortirt    un.l    rrl,liel.;iir|,    in 


I 


294  Grundzüge  einer  vergleichenden  [24 

gewilTen  Zellenterritorien  deponirt  werden,  lind  unerwiefene,  aus 
der  Luft  gegriffene  Annalinien,  während  die  Auffaffung  von  der 
Autochthonie  der  Enzyme  in  den  extrainteftinalen  Organen  einen 
feften  Halt  in  jeder  vergleichend-phyriologifchen  Betrachtung  findet. 
Glykogen.  Claude  Bernard^^)  hat  in  der  ihm    eigenen   geiftvoUen  "Weife 

wiederholt  entwickelt,  wie  der  Stapelplatz  für  das  Glykogen  im 
Laufe  der  Entwicklung  mehrfach  verlegt  wird;  wie  bei  den  Aufter- 
larven  das  vergänghche  Segel  die  Glykogenkammer  darftellt,  bei 
feinem  Schwinden  das  Glykogen  - — ,  ganz  analog  den  Pflanzen- 
blättern, aus  welchen  bei  ihrem  Hinwelken  die  Phosphate  in  den 
überwinternden  Stammtheil  zurückkehren,  oder  welche  nach  Sachs' 
wichtigen  Unterfuchungen  jede  Nacht  entamyliflrt  werden,  —  aus 
dem  Segel  zurückgezogen  wird,  und  lieh  dann  die  Glykogenreferve 
in  der  Leber  wie  in  anderen  Dauergeweben  etablirt;  wie  beim 
Kaninchen  die  Glykogenefe  in  der  Placenta,  bei  den  Wiederkäuern 
im  Amnion  beginnt,  fpäter  dann  das  Muskelgewebe  reichliche 
Mengen  von  Glykogen  in  fich  auffpeichert  und  beim  ausgewach- 
fenen  Thiere  die  Leber  den  größten  Glykogenvorrath  beherbergt; 
me  das  Glykogen  beim  Hühnchen  fchon  in  der  Keimanlage  (cica- 
tricula)  im  freien  Zuftande  und  in  Zellen  eingefchloffen  erkennbar 
ift,  fich  darauf,  den  Venen  folgend,  in  der  Area  vasculosa  anhäuft, 
am  achten  Tage  ßch  richtige  Glykogenzotten  an  den  Venae  om- 
phalo-meseraicae  bilden,  fpäter  das  Glykogen  in  den  Herzmuskeln, 
dann  auch  in  den  Epithelialgeweben  erfcheint  und  fchheßhch 
fleh  Verhältniffe  herausbilden,  welche  denen  der  Säugethiere  voll- 
kommen entfprechen.  NachdrückHch  wurde,  von  Gl.  Bernard  auch 
wiederholt  hervorgehoben,  daß  das  in  den  thierifchen  Geweben 
anzutreffende  Glykogen  kein  dem  Organismus  fremdes,  kein  von 
außen  zugeführtes  Product,  fondern  fein  eigenes  Fabrikat  ift,  und 
man  darf  unferen  heutigen  Erfahrungen  nach  gewiß  noch  weiter 
gehen  und  fagen,  daß  dasfelbe  (analog  den  Enzymen)  in  allen 
glykogenführenden  Geweben  in  situ  entftanden  ifl;;  fpeciell  füi-  die 


25]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  295 

Muskeln  hat  Külz-'')  diefe  Annahme  durch  Traubenzuckerinjectionen 
au  entleberten  Fröfchen  wahrfchcinUch  zu  maclien  gewußt. 

Das  Glykogen  wurde  fowohl  in  den  quergeftreiften  wde  in 
den  blaffen  Muskeln  bei  Thieren  aus  allen  Claffen  —  nur  für  die 
Cölenteraten  fehlen  noch  }>oritivo  Angaben  —  aufgefunden,  und 
auch  fein  Vorkommen  in  Aethalium  scpticum  kennen  wir 
durch  Kiihne^^)  feit  lange.  NalTe^^)  betrachtet  es  als  einen  beftän- 
digen  Muskelbeflandtheil ,  doch  nicht  als  einen  «wefentlichen 
Muskelltoff  erfter  Ordnung»,  deffen  Menge  im  Allgemeinen  im 
umgekehrten  Verhältniffe  zur  Thätigkeit  des  Muskels  fleht.  «Der 
größere  Glykogengehalt  derjenigen  Muskeln,  welche  durch  Nerven- 
durchfchneidung,  künftliche  Behinderung,  natürliche  Bedingungen 
der  Organifation  in  ihrer  Function  geftört  find,  anderfeits  die  Ver- 
minderung des  Glykogengehaltes  durch  Tetanifirung  und  Inanition, 
bei  welcher  es  parallel  der  Leiftungsfäliigkeit  fcli windet,  alle  diefe 
Thatfachen  fprechen  entfchieden  für  die  Naüx^^chQ  Lehre.»  Ein 
rafchcr  vitaler  Verljrauch  des  Glykogens  wird  befonders  augen- 
fällig,  wenn  man  Meeresthiere  in  dem  Zuftande  unterfucht,  in 
welchem  fie  auf  den  Markt  zu  konnnen  pflegen;  bei  diefen  ver- 
moclite  ich  liöcliftens  nur  Spuren  von  Glykogen  nachzuweifen  und 
mußte  deslialb  auch  die  meift  nur  indirecten,  jetzt  als  ganz  un- 
geeignet erkannten  Glykogenbeflimmungen  IJitio'H  an  niclit  lel)ens- 
frifcherem  Materiale  als  unzuverläffige  verwerfen'^").  Weitere  un- 
richtige Angaben  halben  den  (Jlykogengehalt  der  Muskeln  von 
Tliieren  aus  anderen  Clallcn  l^edeutender  und  conftantcr  erfchcincii 
laflen,  als  derfelbe  tliatfäcl)lich  ifl.  So  follte  z.  B.  der  eigenartige 
Gcfchmack  des  Hummer-  und  Kr(0)sfleifches  ledigh<-h  auf  Glykogen 
beruhen,  aber  gerade;  an  lluiinnrniiuskcln  l'ällt  olinc  JxToiidri-c 
Sclionung  des  Verfuchsthieres  (Uv  (ilykogenniicliwcis  iiui'  reiten 
pofitiv^')  aus.  Jedenfalls  ifl  das  embryonale  Muskelgewebe!,  in  ucl 
ehern  durcli  Cl.  Ji'rniard's  und  JCü/mrs  gcmcinfamc  Arbeiten  das 
Glykogen  aufgefunden  wurde,  allemal  weit  reicher  an  (liefern  Stoffe 


296  Grundzüge  einer  vergleichenden  [26 

als  das  entwickelte,  aus  welchem  es  unter  anormalen  Bedingungen 
felbltverfländlicli  auch  viel  leichter  als  aus  den  embryonalen  Mus- 
keln verfchwindet.  Hinüchtlich  des  Glykogens  bieten  die  embryo- 
nalen und  die  ausgebildeten  Muskeln  aber  nicht  nur  quantitative 
Unterfchiede  dar,  fondern  auch  in  der  Art  der  Ablagerung,  welche 
uns  einen  Einblick  in  die  phyfiologifche  Bedeutung  des  Glykogens 
eröffnet,  beltehen  Differenzen. 

Bei  fötalen  Muskelfafern  der  Katze  iah  Cl.  JBernard  die 
Glykogenkörnchen  in  dichter  Anhäufung  zwifchen  den  fehr  regel- 
mäßig angeordneten  Kernen  liegen;  in  einem  fpäteren  Stadium, 
als  die  Fafern  eine  deutliche  Querftreifung  angenommen  hatten 
und  die  Kerne  weiter  auseinander  gerückt  waren,  zeigte  fich 
von  den  Glykogenkörnern  nichts  mehr,  fondern  nur  noch  ge- 
löftes  Glykogen,  welches  fchließlich  ebenfalls  verfchwand.  In  der 
fertigen  Muskelfafer  dagegen,  und  zwar  in  der  protoplasmatifchen 
Markfubftanz  eingebettet,  traf  ScJiwalhe^^)  das  Glykogen  nm*  bei 
Hirudo  an,  und  NaITe  glaubt,  daß  die  fibrilläre  Subftanz  der 
quergeftreiften  wie  glatten  Muskeln  überhaupt  kein  Glykogen  führt. 
Diefer  Auffaffung  entfprechen  fowohl  die  Beobachtungen  von  J5'Ar- 
lich^^),  welcher  in  Frofchmuskeln  das  Glykogen  interfibrillär,  in 
Form  feiner,  längs  verlaufender  Streifen  abgelagert  fand,  als  auch 
die  Angaben  von  Barfurth^"^),  denen  gemäß  in  dem  glykogen- 
reichen  Fuße  von  Helix  pomatia  die  Muskelfafern  felber  nur 
wenig  Glykogen  enthalten,  dagegen  die  zwifchen  den  contractilen 
Fafern  liegenden  Bindegewebszellen  (Plasmazellen  und  Bindefub- 
ftanzzellen  BrocJcs).  dasfelbe  in  ungeheurer  Menge  aufftapeln.  «Es 
dürfte  fomit»,  fchließt  auch  JEhrlich^'^)  aus  feinen  Befunden,  «wohl 
ein  allgemeines  Gefetz  fein,  daß  in  allen  einer  Bewegung  fähigen 
Elementen  das  Glykogen  oder  analoge  Keferveftoffe  nicht  in,  fon- 
dern um  das  fpecififch  Contractile  gelagert  ßnd.» 

Ein  ausgedehnteres  vergleichend  phyüologifches  Intereffe  ge- 
winnt der  Glykogengehalt  der  Muskeln  dadurch,  daß  derfelbe  fich 


27]  Pliyfiologie  der  contractilen  Ge-\vebe.  297 

bei  ungleich  fuiictionirenden  Muskeln  eines  Thieres  quantitativ 
verfchieden  geftaltet.  Bei  unferen  weiteren  Betrachtungen  werden 
wir  wiederholt  darauf  hingewielen  werden,  daß  in  vielen  Fällen 
eine  Beziehung  zwifchen  der  durch  Hämoglobin  verurfachten  Fär- 
bung des  Muskels,  feiner  Function  und  Textur  nicht  zu  verkennen 
ift;  dem  Folgenden  in  manchen  Punkten  vorgreifend,  müflen  wii' 
fchon  an  diefer  Stelle  einiger  Eigenthümlichkeiten  der  fog.  rothen 
und  blaffen  Muskeln ^'^')  gedenken. 

Die  dm'ch  ihre  rothe  Färbung  fofort  in  die  Augen  fallenden 
Muskelgruppen,  welche  bei  Knochenfifchen  längs  der  Seitenlinien 
verlaufen,  veranlaßten  die  Anatomen,  diefelben  ebenfo  wie  die 
ähnlich  gelagerten  rothen  Muskeln  der  Rochen  als  Refte  der  Haut- 
muskulatm',  gewiffermaßen  als  rudimentäre  Organe  zu  betrachten. 
Auf  Grund  vieler  fchöner  Beobachtungen  an  der  Rochen-  und  Ka- 
ninchenmuskulatur fchloß  dagegen  Banvier  auf  ein  durchgängiges 
Abhängigkeitsverhältniß  z\\'ifchen  Hämoglobingehalt,  Textur  und 
Function  bei  den  quergeflreiften  Wirbelthiermuskeln,  und  trotzdem 
E.  Meyer  zeigte ,  daß  auch  bei  diefen  die  Coincidenz  in  Textur 
imd  Farbe  keine  durchgreifende  ift,  hat  Ranvicr  feine  Auffaffung 
doch  niclit  wieder  aufgegel)en.  Kähne  hatte  dem  Hämoglobin  nur 
eine,  vielleicht  nicht  un\nchtige  Rolle  bei  den  Oxydationsproceffen 
in  der  contractilen  Subftaiiz  zugeftanden;  lianvier  war  jetzt  der 
.Meinung,  die  beiden  Arten  der  quergeftreiften  Muskeln  bei  Säuge- 
thieren  und  Rochen  möcliten  eine  von  einander  verfchiedene  Be- 
ftimmung  halben,  die  bladen  mit  ihrer  plötzliclien  Contraction 
wüi-den  wohl  vorzüglich  Muskeln  der  Thätigkeit  fein,  die  rothen 
mit  ihrer  langfameren  und  lieharrenden  Contraction  dienten  da- 
gegen zur  Erhaltung  und  Ilegulirung  des  Gleichgewichtes.  Zu 
einer  wefentlich  anderen,  aber  niebt  weniger  als  20  Jahre  vor  ihm 
von  Sr/doßheffjrr'^'')  ('utwickelten  Auffairung  gelangh!  A'.  Mei/er. 
Uiefer  Forfcber  fand,  daß  z.  B.  beim  Kaninclien  di(!  rotben  nui.sc. 
ma.s.seter   und   Hexor  digitorum   comm.    dem    liilliologifchen    Bau(* 


298  Grundzüge  einer  vergleichenden  [28 

nach  nicht,  wie  zu  erwarten  gewefen  wäre,  dem  von  Banvier  als 
Prototyp  der  rothen  Muskehi  gewählten  musc.  semitendinosus, 
fondern  dem  weißen  musc.  adductor  magnus  entfprechen.  Meyer 
folgerte  nun,  daß  die  Muskeln,  welchen  eine  der  normalen  gleich 
intenflve  Kraft  abgeht,  allmählig  gewiffe  Veränderungen  erfahren, 
die  fich  zunächft  in  dem  Verlufle  der  rothen  Färbung  kund  geben ; 
die  rothe  Färbung  finde  fich  überall  da,  wo  eine  bedeutendere 
Leiflung  und  demzufolge  ein  regerer  Stoffwechfel  ftattfinde,  und 
die  Differenzen  zwifchen  blaffen  und  rothen  Muskeln  feien  eine 
durch  den  verfchiedenen  Gebrauch  entftandene  und  merkwürdiger 
Weife  bei  einzelnen  Hausthieren  erft  vermöge  der  Züchtung  und 
mangelnder  Bewegung  hervorgerufene  Eigenthümlichkeit.  Meyer's 
Anficht  fchloffen  fich  u.  A.  Kraufe,  LucliRnger ,  Grütsner  an  und 
NalFe^^)  glaubte,  die  Frage  nach  den  Beziehungen  zwifchen  Farbe, 
Contraction  und  Textur  kurz  mit  dem  Satze  abthun  zu  können: 
«Das  Studium  der  Bildung  des  Hämoglobins  im  Muskel,  zu  deffen 
wefentHchen  Befi;andtheilen  es  natürlich  nicht  zu  rechnen  ift,  bietet 
übrigens  kein  allzu  großes  phyfiologifches  Intereffe,  umfo weniger, 
als  fich  durch  die  Unterfuchung  von  E.  Meyer  herausgeftellt  hat, 
daß  Ranvier's  Entdeckung  keine  allgemeine  Bedeutung  befitzt, 
nämlich  daß  weder  diefelben  anatomifchen  Eigenfchaften  (Lage  der 
Muskelkerne,  Form  der  Capillaren),  noch  diefelben  phyfiologifchen 
(Schnelligkeit  und  Dauer  der  Contraction)  allen  gleichgefärbten 
Muskeln  eines  Thieres  zukommen».  Diefer  abfprechende  ürtheils- 
fpruch  wird  aber  weder  durch  die  Unterfuchungen  Meyer's,  noch 
durch  die  fpäteren  von  Grütsner,  LucliRnger  und  Barfurth 
genügend  geftützt  und  verliert  jede  Berechtigung,  wenn  die  von 
Meyer  ausgewählten,  zu  derartigen  Verfuchen  ungeeignetften  Ob- 
jecte,  die  domefticirten  Vögel,  von  der  Betrachtung  ausgefchloffen 
werden. 

Meine  Erörterung  der  Frage  nach  den  phyfiologifchen  Eigen- 
thümhchkeiten  der  rothen  und  blaffen  Wirbelthiermuskeln  ift  wenig 


29]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  299 

bekannt  geworden,  und  in  Folge  delTen  find  in  den  Darftellungen 
auch  mehrere  Factoren  unberückriclitigt  gelalTen,  deren  Kenntniß 
für  einen  Einblick  in  die  Verhältniffe  unumgänglich  nüthig  ift. 
Ilallcr  und  ich  haben  gezeigt,  daß  bei  Luvarus  imperialis  rothe 
und  blaife  Muskeln  von  differentem  anatomifchen  Gefüge  lieh  an 
ein  und  diefelbe  Sehne  heften,  die  Wirkungen  beider  fomit  nur 
als  coorcünirte  gedacht  werden  können,  und  daß  eine  phyüologifche 
Differenz  zwifchen  den  beiden  Muskelarten  in  diefem  Falle  ohne 
jeden  Belang  für  die  Leiftung,  ohne  Werth  für  den  Organismus 
bleiben  muß.  Zugleich  wies  ich  darauf  liin,  daß  bei  den  Fifchen 
außer  den  am  energifchften  arbeitenden  Muskeln  nur  noch  die- 
jenigen Hämoglobin  führen,  welche  am  meiften  der  Peripherie  ge- 
nähert find  und  in  Folge  deffen  mit  dem  fchlechteften  arteriellen 
Blute  gefpeift  werden,  daß  die  Bedeutung  des  Muskolhämoglobins 
in  vielen  Fällen  deshalb  auch  nur  in  den  Circulations-  und  Re- 
fpirationsverhältnilTen  der  Muskeln  zu  fuchen  ift.  Trotz  alledem 
habe  ich  mich  doch  ftets  dagegen  verwahrt,  die  z.  B.  Ijei  Fifchen 
offenbar  vorhandenen  Beziehungen  zwifchen  Hämoglobingehalt, 
Contractionsdauer  und  Textur  der  Muskelfafern  einfach  als  un- 
wichtig bei  Seite  zu  fchieben.  Kühne^^)  fprach  aus,  daß  die  Con- 
tractions-  (und  die  damit  einhergehenden  Textur-)verfchiedenheiten 
der  blall'en  und  rothen  Muskeln  durch  die  Farbe  allerdings  nicht 
bedingt,  dadurch  a])cv  wohl  angedeutet  feien,  und  diele  FafTung 
rlürfte  dem  Thatbeftande  am  heften  entfprechen. 

Betrachten  wir  nun  von  dem  Kü/me'khcn  Gelichtspunkte  aus 
die  Arbeiten,  welche  uns  über  den  differenten  Glykogengehalt  der 
rothen  und  blaffen  Muskeln  ein  Urtheil  zu  fällen  erlauben,  fo  er- 
giebt  lieh,  daß  wahrfcheinlich  überall  da,  wo  die  Färbungserfchei- 
nungen  mit  feineren  Structurdifierenzen  fich  decken  —  mit  Aus- 
nahme der  durch  Zucht  ftark  beeinflußten  Muskeln  fcheint  das 
ja  überall  der  Fall  zu  fein  —  und  l^ei  der  Contraction  den  rothen 
ein  größeres  Lat<jnzftadium,  dafür  aber  eine  weit  längere  Contrac- 


300 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[30 


tionsdauer  als  den  blaffen  zukommt,  die  rotlien  Muskeln  auch 
glykogenreicher  fmd  als  die  blaffen.  Die  diesbezüglichen  A'^erfuchs- 
ergebniffe  werden  aus  beiftehender  Tabelle    erßchtlich;    zu    diefen 


Rothe  Muskeln  Glykogen- 

■(mit  laugfamer  Contraction)      gehalt 


Blaffe  Muskeln 
(mit  rafclier  Contraction) 


Beobacliter 


Rückenmuskeln  vom 
Kaninchen  (ob  roth?) 

Adductores  femoris 
von  der  Katze  (ob  roth  ?) 

Eückenmuskeln 

vom  Hund 

Adductores  femoris 

vom  Hund 

Schenkelmuskeln 

vom  Huhn 

Bruflmnskeln  der 

Fledermäufe 


Kaninchenmuskeln 


Pferdemuskeln 
Frofchmuskeln 


> 
> 

gleich 

< 
< 

> 


> 
> 


Adductores  femoris,      0.  NalTe,  Arcli.  f.  d.  gef. 


Iliopsoas  V.  Kaninchen 

Eückenmuskeln, 

Quadriceps  fem.  von  der 

Katze  (ob  blaß?) 


Bruftmuskeln  vom 

Huhn 

Körpermuskeln 


Kaninchenmuskeln 


Pferdemuskeln 
Frofchixiuskeln 


Phyüologie.    Bd.  14. 

1877.     S.  482. 


Luchßnger,  ibid.  Bd.  18. 

1878.     S.  472. 
Grotlie,    V.   Wittich    in 

Hermann's  Handb.d. 

Phyüologie.     Bd.    5. 

Th.  2.     S.  367. 

Grützner,  Breslauer 
ärztliche  Zeitfchrift. 
Nr.  24  vom  22.  Dec. 
1883. 


ift  nur  zu  bemerken,  daß  die  abweichenden  Relültate  Luchfmger's 
•als  am  Huhne  erhaltene,  für  unfere  Auffaffung  am  wenigften  von 
Belang  fein  können,  und  daß  das  derfelben  ebenfalls  widerfprechende 
Ergebniß  von- Grothe  einer  Beftätigung  bedürftig  erfcheint. 

Man  hat  diefe  Ergebniffe  gewöhnlich  dahin  zufammengefaßt, 
daß  der  Glykogengehalt  der  Muskeln  üch  umgekehrt  proportional 
wie  ihre  Thätigkeit  verhalte,  und  es  dürfte  diefe  Faffung  fchon 
deshalb  annehmbarer  als  die  obige  erfcheineii,  weil  die  Muskulatur 
nicht  überall  eine  fo   fcharfe  Sonderung  in  rothe  und  blaffe,  wie 


31]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  301 

Z.B.  bei  Luvai'us  imperialis  zuläßt,  fondern  bei  einigen  Thieren 
(z.  B.  beim  Hunde  nach  Kiilnu\  bei  der  Taube  nach  E.  Meyer) 
fich  die  gefammte  Muskulatur  als  hämoglobinh altig  erweift,  in 
vielen  Muskehi  (z.  B.  bei  Säugethieren  nach  Griitzner)  die  rothen 
und  blalTen  Fafern  gemilcht  find,  in  anderen  (z.  B.  in  den  Muskel- 
kegeln von  Pelamys  sarda)  eine  Fafer  theil weile  roth,  theilweife 
blaß  ift  und  auch  durch  Hämoglobin  nur  fchwach  tingirte  (fog. 
halbrothe)  ]\Iuskchi  vorkommen,  von  denen  wir  zur  Zeit  noch  gar 
nichts  ■wiften.  Dazu  kommt  noch,  daß  die  Uebereinftimmungen 
im  hiftiologirchen  Baue,  der  Function  und  dem  Glykogengehalte 
an  fich  eine  weit  umfangreichere  vergleichend -phyfiologifche  Be- 
handlung geftatten,  als  wenn  zugleich  noch  auf  die  Färbung, 
welche  außer  an  Wirbclthiermuskeln  nur  noch  an  einer  fein-  be- 
fchränkten  Zahl  von  Evertcbratenmuskeln  zum  Ausdruck  gelangt, 
Rückficht  genommen  Anrd.  Leider  hat  Grüüner  durch  feine,  mit 
allen  Erfahrungen  an  den  Wirbelthiermuskeln  im  fchiieidcnden 
Widerfpruch  flehenden  Behauptung,  daß  die  den  rothen  Muskel- 
fafeni  entfprechenden  dicker  feien  als  die,  den  blaffen  fich  in  ihrer 
Function  anfchließenden  Fafern,  die  Frage  nach  der  Ueberein- 
flimmung  im  Glykogengehalte,  hiftiologifchen  und  functionellen 
\'erhalten  der  Muskeln  vollkommen  verwirrt.  Allem  Anfcheine 
nach  decken  fich  die  A^'erfchiedenheiten  im  Glykogengehalte,  func- 
tionellen und  hiftiologifchen  Verhalten  al^er  ebenfo  unvoUftändig 
als  ContractionsmcKlus,  Textur  und  Hämoglobinvorkommen.  Warnt 
doch  auch  Na/Tf^^)  davor,  bei  den  Muskeln  ohne  Weiteres  aus 
dem  Glykogengehalte,  «der  von  verfchiedenen,  gar  nicht  mit  ein- 
ander in  Verbindung  ftehenden  Umftänden  abhängen  kann»,  auf 
die  Zuckung.sgefc]iwiii(ligkeit  zu  fclilicßcn.  l^ui  zu  allgcinciueren 
phyliologifclien  Geficht.spuiiktcn  in  diefer  Hinliclit  zu  gelangen, 
find  bei  je<ler  v«'rgk'ichend(!n  Betrachtung,  einerlei  ob  wir  vom 
Hämoglobin  oder  vom  (Jlykogen  ausgehen,  von  vornherein  gciwiüe 
rylteniatifehe   Abgrenzungen    vorzunelimen;    in    wc-lciier  Weife  die- 


302  Grundzüge  einer  vergleichenden  [32 

felben  aber  hier  zu  treffen  ßnd,  wird  ficli  erft  ergeben,  wenn  wir 
am  SchluITe  unferer  Betrachtungen  die  fubltantiellen,  textureilen 
und  funetionellen  Eigenfchaften  der  Muskeln  in  ihrem  ganzen 
Umfange  werden  kennen  gelernt  haben. 

Legen  wir  uns  nun  die  Frage  vor,  welche  Bedeutung  fpeciell 
dem  Glykogen  für  die  Muskelcontraction  zukommt,  fo  muß  darauf 
geantwortet  werden:  lediglich  die  eines  Referveftoffes,  —  eines 
Referveftoffes,  der  ebenfo  gut  in  irgend  einem  andern  Organe  als 
im  Muskel  felbffc  deponht  fein  könnte. 

Die  neueren  Unterfucher  (Boelim  und  Landivehr)  unterfcheiden 
zwei  Zuftände  des  Muskelglykogens :  Erftens  eine  lösliche  oder 
gelöfte,  leichter  angreifbare  Form  und  zweitens  einen  fefteren  Zu- 
ftand,  wobei  das  Glykogen  mit  der  Muskelfubftanz  verbunden  zu 
denken  ift.  Unfer  gegenwärtiges  Wilfen  über  die  Hyalogene  und 
deren  Derivate  legen  den  Gedanken  nahe,  daß  es  ßch  im  letzteren 
Falle  um  Uebergangsftufen  von  einem  reinen  Kohlehydrate  zu  den 
Eiweißftoffen  handelt,  und  daß  das  Glykogen  Jich  nicht  nur  dhect 
oder  indirect  als  Refpirationsftoff  bei  der  Muskelaction  betheiligt, 
fondern  auch  beim  Aufbau  der  eigentlich  contractilen  Subftanz 
Verwendung  findet.  Was  bislang  über  die  Umwandlung  des 
Glykogens  experimentell  ermittelt  wurde,  fpricht  allerdings  weder 
für,  noch  gegen  eine  folche  Annahme.  Die  Thatfachen,  daß  an 
abgeftorbenen  Muskeln  beim  Schwinden  des  Glykogens  der  Fleifch- 
zucker  auftritt,  daß  in  Muskeln  auch  Dextrin  nachzuweifen  ift, 
reden  keineswegs  der  Annahme  das  Wort,  daß  das  Glykogen  bei 
der  Muskelcontraction  in  Zucker  umgefetzt  wird;  daß  dasfelbe 
post  mortem  einer  folchen  Transformation  unterhegt,  bedarf  feit 
Kenntniß  des  diaftatifchen  Enzymes  der  Muskelfubftanz  kaum  eines 
befonderen  Nachweifes,  und  felbft  wenn  Verfuche  an  lebenden 
Muskeln  die  Verzuckerung  des  Glykogens  während,  der  Contraction 
wahrfcheinlich  machen  follten,  fo  würde  immer  erft  noch  der 
Einwand  fortzuräumen  fein,  daß  ausnehmend  geringe  EingriflFe  im 


83]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  303 

Stande  find,  die  \'italen  albumiiiogenen  Proceffe  in  faccharogene 
umzuändern,  wie  z.  B.  fehr  unbedenklich  erfcheinende  jMittel  zur 
Melliturie  führen.  Das  InterelTe,  welches  der  vergleichende  Phy- 
liologe  gegenwärtig  an  dem  Muskelglykogen  nimmt,  kann  noch 
kein  anderes  und  größeres  als  bei  den  Muskelenzymen  fein;  es 
beruht  lediglich  auf  der  glykogenbildenden  Kraft  der  Muskelfub- 
ftanz,  und  auch  über  diefe  ift,  ^^'ic  wir  fahen,  noch  keineswegs 
endgültig  entfchieclen. 

Der  aus  todtenftarren  Muskeln  dargeftellte  Fleifchzucker'^M  ift  Fieifch- 

ö  I  zuckev. 

der  alkoholifchen  Gährung  fähig,  verändert  beim  Kochen  mit  ver- 
dünnter Schwefelfäurc  fein  Reductionsvermögen  in  merklicher 
Weife  nicht  und  dürfte  fich  bei  näherer  Unterfuchung  als  mit 
Traubenzucker  identifch  erweifen;  ebenfo  wenig  als  diefem  kommt 
dem  aus  Pferdemuskeln  von  Limpricht,  aus  Kaninchenmuskeln 
von  Killinp  abgefchiedenen  Ervthrodextrin^^)  eine  vergleichend-  J^'ythro- 
phyfiologifche  Bedeutung  zu.  Wichtiger  ift  für  uns  der  Inofit^^), 
welcher  in  den  quergeftreiften  Muskeln  der  Säugethiere,  Vögel  und  ^'^o'^'- 
Reptihen  ziemlich  regelmäßig  anzutreffen  ift  und  auch  der  glatten 
Muskulatur  bei  diefen  Tliierclairen  nicht  durchgängig  mangelt. 
Sein  Vorkommen  wird  ein  weit  conftanteres  und  allgemeineres  fein, 
als  noch  vor  Kurzem  angenommen  wurde.  In  den  Muskeln  von 
Cephalopoden  (Eledone  moschata),  Arthropoden  (Periplaneta 
Blatta  Orientalis)  und  Geph}Teen  (Sipunculus  nudus)  ift 
Inofit  aufgefunden,  nur  bei  Amphibien  und  Fifchen  mißlangen 
alle  Bemühungen,  fein  Vorkommen  darzuthun.  WeyV^*)  l)erichtet 
zwar,  daß  im  electrifchen  Organe  von  Torpedo  Inofit  enthalten 
fei;  ich  liabe  mich  indeß  von  der  Richtigkeit  diefer  Angabe  nicht 
überzeugen  können,  und  die  Differenzen  im  Inofitgehalte,  welclie 
zwifclien  den  (juergeftreiften  Muskeln  der  Ichthyopfiden  einerfeits, 
und  denen  der  Sauropliden  und  Mammalia  andererfeits  beftelien, 
find  als  eine  abgemachte  Sache  zu  betrachten;  verinuthlicb  tritt 
in   den  Muskeln    der  P'ifche   gleiclifam    an    Stelle    des   Inofits   ein 

KrukcnhcTfj,  VerKl.-phyfiol.  Vorlrüge.  '■^- 


Fette. 


304  Grundzüge  einer  vergleichenden  [34 

anderer  Zuckerftoff,  nämlich  der  von  Frerichs  und  Staedeler^^)  aus 
einem  Gemifche  fehr  verfchiedener  Organe  von  Rochen  und  Haien 
erhaltene  Scyllit.  Verhältnißmäßig  ^del  Inoßt  finden  fich  in  dem 
Herzmuskel  der  Säuger  und  in  den  rothen  Muskeln  der  Scliild- 
kröten  (Testudo  marginata)  vor,  wie  denn  überhaupt  die  Rep- 
tihenmuskeln  an  diefem  Zucker  die  reichften  zu  fein  fcheinen. 
Abgefehen  von  den  ClalTenunterfchieden  verfprechen  die  flark 
hämoglobinhaltigen  Muskeln  im  Allgemeinen  die  ergiebigfle  Inofit- 
ausbeute,  und  ^dr  haben  demnach  bezüglich  des  Inofitvorkommens 
gerade  das  entgegengefetzte  Refultat  von  dem  zu  conftatiren,  welches 
die  Unterfuchungen  über  das  Glykogen  zur  Folge  gehabt  haben. 
Erwähnung  verdient  noch  das  Auftreten  des  Inofits  im  Pflanzen- 
reiche. Obfchon  der  fog.  Phafeomannit  weit  anfehnlichere  Kryftalle 
darfteilt  als  der  aus  thierifchen  Geweben  immer  nur  mikrokryftal- 
linifch  erhaltene  Inolit,  fo  haben  die  Unterfuchungen  doch  für 
beide  Zucker  die  nämlichen  phyfikalifchen  und  chemifchen  Eigen- 
fchaften  ergeben,  und  ihre  Identität  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel 
mehr'*^).  Im  Uebrigen  und  wir  über  die  chemifchen  Eigenfchaften 
des  Inofits  nur-  erft  fehr  lückenhaft  unterrichtet,  und  Gründe  für 
die  leichte  Zerfetzlichkeit,  welcher  der  Inofit  felbft  beim  Aufbe- 
wahren im  trocknen  Zuftande  unterliegt,  und  welche  fich  häufig 
an  einer  Rofafärbung  bemerkbar  macht,  fowie  ihn  feines  Reactions- 
vermögens  auf  die  Scherer' [che  Probe  beraubt,  find  bislang  nicht 
gefunden. 

Mit  unferem  Wifien  über  den  Fettgehalt  der  Muskeln  ift  es 
fehr  mißlich  beflellt.  Die  unter  den  einzelnen  Organen  des  Thier- 
körpers  beflehenden  Wechfelbeziehungen,  fei  es,  daß  diefe  fich  in 
zeitweifen  Schwankungen  der  Leiflungsfähigkeit  oder  in  einer  all- 
mählig  anwachfenden  und  fich  erhaltenden  Functionsfteigerung 
eines  Organs  auf  Koflen  eines  anderen  äußern,  treten  nirgends  in 
den  fie  begleitenden  Subftanzveränderungen  fchlagender  hervor  als 
an  gewiffen  Muskelgruppen.     Die  Beziehungen  zwifchen  dem  Stoff- 


35]  Phyfiologie  der  contraetilen  Ciewebe.  305 

■\vechfel  der  Muskeln  und  dem  der  Gefchlechtsorgane  fpringen  be- 
foudcrs  deutlich  in  die  Augen.  Nur  bei  denjenigen  ungewöhnlichen 
Bewegungsformen,  welche  den  fog.  Kautfcliukleuten  eigen  find 
und  nach  H.  Virchoiv"^^)  in  einem  vollftändigen  Ausfchlufie  anta- 
gonifhfcher  Muskel wü'kungen  begründet  liegen,  fcheinen  beim 
Menfchen  die  Gefchlechtsorgane  in  ihrer  Entwicklung  normwidrig 
gehemmt  zu  werden;  degenerative  Vorgänge  bei  Ausbildung  der 
Gefchlechtsproducte  vollziehen  fich  an  den  Muskeln  aber  nicht 
nur  im  exquilitelten  Maße  bei  den  Metamorphofen  der  Infecten 
und  anderer  Wirbellofen,  fondern  auch  die  Wirbelthiere  bieten 
davon  typifche  Beifpiele  dar.  Am  lehrreichlten  find  in  diefer 
Hinficht  die  Unterfuchungen  Miefchcr's'^'')  am  Lachfe. 

Bekanntlich  verfchmäht  der  Lachs  während  feines  langen 
Verweilens  im  Rheine  irgend  welche  Nahrung  aufzunehmen  und 
ent\nckelt  dabei,  vornehmlich  auf  Kofien  feines  großen  Rumpf- 
muskels, Eierflöcke  resp.  Samendrüfen.  Die  Gewichtszunahme  der 
Eierflöcke  erfolgt  befonders  rafch  von  Auguft  bis  Mitte  November. 
Miefcher  berechnete  den  während  diefer  Zeit  (vom  7.  Augurt  bis 
zum  11.  November)  eingetretenen  Gewichtszuwachs  der  zuvor  280  g 
fchweren  Eierftöcke  auf  1G08  g  und  diefer  Verbrauch  war  haupt- 
Tächlich  gedeckt  durch  die  Rumpfmuskeln,  deren  Gewicht  in 
zwifchen  von  (]340  g  (mit  einem  Eiweißgehalte  von  10,7  ^'/o)  iiuf 
3630  gr  (mit  einem  Eiweißgehalte  von  nur  13,2  "/o)  gcfunken  war. 
Von  100  Th.  Rumpfmuskel  waren  fomit  43  Th.  ganz  verfchwunden, 
der  Reft  an  Eiweiß  um  21^/0  verfchleclitert  und  noch  weit  größer 
war  der  Schwund  an  Fett,  während  der  Vcrlult  an  Phosi)horfäure 
ungefähr  der  Eiweißabnahme  parallel  ging.  Andere  Muskelgrup])en 
(wie  die  Schwanzmuskeln,  der  obere  luid  untere  Längsmuskcl,  die 
Muskulatur  des  Kiefers,  des  Zungenbeins,  dei-  Ihufi-,  After-  und 
Rückenflf)ffen )  waren  dabei  intact  geblieben  und  es  geht  hieraus 
mit  Eviflonz  liervor,  daß  vor  allen  der  Rumpfmuskel  diis  Bau- 
material   für    den    Eierftock    zu    liefern    liat.      Diefer   Anfchauung 

Ü2* 


306  Grundzüge  einer  vergleichenden  [36 

näherte  lieh  bereits  Valenciennes^^),  von  dem  die  Beobachtung 
herrührt,  daß  beim  Verblaffen  der  Rumpfmuskeln  Fett  und  Farb- 
rtofF  in  den  Laich  übergehen. 

Ich  habe  die  von  Miescher  fo  fein  unterfuchten  VerhältnilTe 
beim  Lachs  fchon  deshalb  etwas  ausführlicher  mitgetheilt,  weil 
die  außerordentliche  Labilität  des  Muskelfettes  bei  diefem  Fifche 
vielleicht  auch  zur  Erklärung  der  bei  Atrophie  menfchlicher  Mus- 
keln fo  häufig  eintretenden  interftitiellen  Fettanhäufung  beizutragen 
geeignet  ilt.  Bei  Hausthieren  wie  bei  Menfchen  fah  man  unthätige 
und  gelähmte  Muskeln  fehr  häufig  verfetten  und  mit  Hinweis  auf 
diefe  Befunde  warf  Cohnheim^^)  die  Frage  auf,  ob  bei  derartigen 
Krankheiten  der  reinen  Atrophie  der  Muskelfafer  nicht  confliant 
ein  Zuftand  der  Verfettung  vorausgehe.  «Das  interftitielle  Fett 
wäre  dann  dasjenige,  welches  urfprünglich  aus  einem  Theil  des 
Eiwxiß  der  Muskelfafern  abgefpalten  und,  nachdem  es  mehr  oder 
weniger  lange  in  letzteren  verweilt,  fchließlich  in  die  Zellen  des 
intermuskulären  Bindegewebes  übergeführt  worden  war;  letztere 
wären  dann  zu  Fettzellen  geworden,  während  die  Muskelfafern, 
wegen  mangelndem  Wiedererfatz,  atrophirt  find.» 

Um  feine  vielen  fonderbaren,  allen  ficher  geftellten  Thatfachen 
geradezu  ins  Geficht  fchlagenden  Ideen  in  der  Muskelchemie  noch 
um  eine  neue  zu  vermehren,  vertritt  Hoppe- Seyler^^)  eine  der 
Cohnhemi' khen  diametral  entgegengefetzte  Anficht  und  hält  dafür, 
daß  Fett  wie  glutingebende  Subftanz  dem  interfibrillären  Binde- 
gewebe und  nicht  der  normalen  Muskelfafer  als  folcher  angehöre. 
In  feinem  denkwürdigen  Auffatze  über  die  contractilen  Gewebe 
hat  aber  [chon  Kühne  ^'^)  betont,  daß  es  bei  der  hiftorifch  geheilig- 
ten Leichtfertigkeit,  welche  die  IIifi;iologie  dem  Fettgehalte  der 
Muskeln  jederzeit  bewiefen  hat,  allerdings  nicht  Wunder  nehmen 
konnte,  «wenn  gleich  die  erften  Verfuche  quantitativer  Fettbellim- 
mung  fog.  fettig  metamorph ofirter  Muskeln  (des  Herzens),  in  denen 
das  Mikroskop  fcheinbar  ungeheuren  Fettreichthum  dargethan,  ge- 


37]  Phyßologie  der  contractilen  Gewebe.  307 

rade  das  entgegengefetzte  Refultat,  Verminderung  des  Fettes  gegen- 
über den  normalen  Herzmuskeln  ergeben  haben » .  Bei  Behandlung 
mit  abfolutem  Alkohol  und  Aether  wie  durch  Tinction  mit  Os- 
miumfäure  überzeugte  lieh  Kühne,  daß  normale  Muskeln  Ilets  Fett 
enthalten,  daß  aber  (z.  B.  in  den  Frofchmuskeln)  nicht  Alles  Fett 
ift,  was  man  dafür  angefehen  hat.  In  glatten  wie  in  quergeftreif- 
ten  Muskeln  ift  das  Fett  um  den  Kernen,  fowie  in  der  Ernährungs- 
flüffigkeit  um  den  Muskelfäulchen  dm"ch  Osmium fäure  meift  leicht 
zu  erkennen,  und  beim  Lachfe  fand  ich  zu  gewiflen  Zeiten  des 
Jahres  die  gefammte  Muskelfafer  ziemhch  gleichmäßig  mit  Fett 
durchtränkt,  fo  daß  bei  diefem  wie  bei  vielen  anderen  Fifchen 
auch  die  eigenthch  contractile  Subltanz  fetthaltig  fein  muß.  Ift, 
wie  ich  mit  Cohnlichn  glaube  annehmen  zu  follen,  nicht  nur  das 
intrafibrilläre,  fondern  mindeftens  zum  Theil  auch  das  interfibrilläre 
Muskelfett  ein  Product  der  contractilen  Subflanz,  fo  hat  es  felbft- 
verftändUch  wenig  Sinn,  wenn  man  mit  NairrJ^"^)  darnach  trachten 
wollte,  zu  beftimmen,  wie\iel  von  dem  Fette  der  eigentlich  con- 
tractilen Subftanz,  wieviel  den  intra-  und  den  interfibrillären 
Zwifchenmaffen  zukommt;  um  die  Schwankungen  zu  erfahren, 
denen  die  phyfiologifche  Verfettung  der  contractilen  Subftanz 
unterworfen  ift,  dürften  Beftimmungen  des  Fettgehaltes  der  Mus- 
keln nach  möglichfter  Entfernung  anderer  fettführenden  Gewebe 
genügen,  und  von  hervorragendem  Werthe  bleiben  in  diefer  Hin- 
ficlit  die  Vcrfuchsrefultate •''■'),  nach  denen  der  Fettgehalt  in  man- 
chen Muskeln  auf  1,07  ''/o  (Extremitätenmuskeln  des  Hafen)  oder 
felbft  auf  0,76  "/o  (Muskeln  eines  mageren  Ochfun)  linken  kami. 

Wie  Hell  der  Fettgehalt  für  Muskeln  von  verfcliiedener  Fär- 
bung oder  von  ungleicher  Contractionsdauer  ein  und  desfelbeu 
Thieres  geftaltet,  ift  erft  fehr  mangelhaft  unterfucht  worden.  Ich 
vermag  nur  anzugeben,  daß  im  Schwanztlieile  von  Luvarus  im- 
periali.s  die  rothen  Muskeln  lieh  fettreiclier  als  die  mcerblauen 
t-rwiefen •''*),    und   das   näniliciie  Verhältniß   fchcint   auch    bei   dem 


308  Grundzüge  einer  vergleichenden  [38 

Lachfe  vor  der  Laichzeit  zu  beflehen;  in  Gemeinfchaft  mit  Herrn 
Dr.  H.  Wagner  ^^)  ausgeführte  Fettbeftimmungen  an  den  Lachs- 
muskeln ergaben  jedoch  nicht  immer  einen  größeren  Fettgehalt 
für  die  rothe  Muskulatur,  fondern  ließen  es  wahrfcheinlich  werden, 
daß  lieh  das  Verhältniß  im  Fettgehalte  beider  Muskelarten  zu  ge- 
wilfen  Zeiten  des  Jahres  ändert,  fei  es,  daß  der  Fettgehalt  in  beiden 
proportional  abnimmt,  oder  daß  die  eine  Muskelart  mehr  an  Fett 
verarmt  als  die  andere. 

Schließlich  fei  noch  eines  Refultates  von  MieMier  gedacht, 
weil  dasfelbe  für  die  Richtigkeit  eines  durch  Thatfachen  fonfl  wenig 
geftützten  Satzes  von  Richet^^)  fpricht,  welcher  befagt,  daß  die 
Muskeln,  welche  viel  Fett  enthalten,  wenig  Waffer  führen  und 
umgekehrt.  Miefclier  fand  den  Waüergehalt  des  großen  Rumpf- 
muskels beim  Lachs  während  und  kurz  vor  der  Laichzeit  im  No- 
vember durchfchnittlich  zu  81,5  7«,  dagegen  vor  Ausbildung  der 
Gefchlechtsdrüfen  zu  73,2  "/o. 

Gewiß  in  den  Muskeln  vieler  Thierarten  werden  Spuren  jenes 
Chromogenes  vorhanden  fein,  welches  in  den  Fleifchauszügen  nach 
Ausfällung  der  Phosphate  bei  dem  Inolit  bleibt  und  zur  Bildung 
eines  carminrothen,  in  warmem  Waffer  mit  bräunüchgelber  Farbe 
leicht  löslichen  Pigmentes  führt.  Zur  Darfteilung  diefes  Farbftoffes  ^\ 
deffen  wäffrige  Löfung  ein  dem  Hydrobilirubin  nahe  verwandtes 
Spectralverhalten  aufweift,  bedm^fte  es  aber  refpectabeler  Fleifch- 
quanta,  und  derfelbe  ift  bislang  auch  nur  aus  Liehig'^chem.  Fleifch- 
extracte  abgefchieden  worden.  In  weit  reichlicherem  Maaße  treten 
in  Muskeln  fertig  geftellte  Farbffcoffe  auf,  die  üch  fchon  bei  einer 
oberflächlichen  Betrachtung  verrathen,  und  welche  alsdann  einen, 
wenn  auch  nur  indirecten  und  keineswegs  immer  zutreffenden 
Schluß  auf  den  Contractionsmodus  und  den  hiffiologifchen  Bau 
der  Muskelfubftanz  geftatten. 
Hämo-  Die  intenßve  Röthung  einiger  Muskeln ^^)  war  bereits  Luitjen 

und  Mulder  bei  Säugethieren  wie  bei  Vögeln  aufgefallen,  und  fie 


39]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  309 

leiteten  diefelbe  von  dem  Inhalte  der  zahlreichen  Muskelblutgefäße 
her.  Daß  der  Farbfloff  der  Mu.skelfubftanz  in  gleichmäßiger  Ver- 
theilung  felbfl  angehört,  fanden  Bicluit  wie  Magendie  und  mehrere 
deutfche  Forfcher  (Heule,  Simon,  v.  Bibra,  Köllilier,  Schloßhenjer) 
hielten  denfelben  für  Hämoglobin.  Die  Identität  des  Muskeh-othes 
mit  dem  Hämoglobin  wurde  aber  erft  von  Kühne  durch  genaue 
fpectrofkopifche  Prüfung  dünner,  vollkommen  blutfrei  erhaltener 
Muskeln  (Zwerchfell)  und  ihrer  wäflrigen  Auszüge,  fowie  durch 
Darftellung  von  Häminkr3^rtallen  zur  Gewißheit  erhoben.  Die  dem 
Kühne'khen  Nachweife  widerfprechenden  Angaben,  wie  z.  B.  die 
von  Brozeit  und  Hoppe- Seyler,  welche  behaupten,  daß  das  rothe 
Fleifch  im  Leben  weiß  fei  und  erft  durch  künfllich  gefetzte 
Blutungen  lieh  röthe,  oder  wie  die  Angabe  von  Pouchet,  daß 
die  rothe  Farbe  der  Muskelfubftanz  als  folcher  zukomme  und 
nicht  von  einem  Farbftoffe  herrühre,  wurden,  infofern  diefelben 
einer  Richtigftellung  überhaupt  werth  fmd,  fchon  von  Kähne 
berichtigt. 

Ein  BHck  auf  die  dem  erften  diefer  Vorträge  beigegebene 
Tabelle  (S.  29—32)  lehrt,  daß  hämoglobinhaltige  Muskeln  kein 
Alleinbefitz  der  Wirbelthiere  find,  fondern  daß  die  Forfchung  auch 
bei  Würmern  und  Mollusken  auf  diefelben  ftieß.  Bei  den  Säuge- 
thieren  fpeciell  finden  lieh  fowohl  glatte  wie  ({uergeffcreifte  hämo- 
globinhaltige Muskelfafern  vor,  und  der  Differenzen,  welche  lieh 
hinlichtlich  der  rothen  Fafern  gerade  hier  zeigen  und  für  uns  von 
Werth  lind,  ift  Ijcreits  oben  8.  297  Erwähnung  gethan.  Bei  einigen 
Thierarten  (z.  B.  beim  Ochfen)  erlangen  die  rothen  Muskeln  eine 
intenfivere  Färbung  erft  fehr  allmählig '''''),  fo  daß  die  auf  gewilfe 
Muskelgruppen  befchränkte  Röthung  Ijei  alten  Thieren  am  meiften 
in  die  Augen  fpringt.  Derartige  an  der  Färbung  fogleicli  zu  er- 
kennende Altersunterfchiedc  lind  überall  da  Regel,  wo  das  Pigment 
durch  ein  den  lebenden  Zellen  innewohnendes  IClectionsvermögen 
von  außen   her  aufgenomnjen  wiid,   nicht,  wo  dasielhe  in   loeo  ent- 


310  (jrundzüge  einer  vergleichenden  [40 

fleht  und  durch  eme  den  Zellen  eigene  Retentionskraft  diefen  eine 
Zeit  erhalten  bleibt.  Ich  glaube  deshalb  auch,  daß  die  rothen 
Muskeln  ihr  Hämoglobin  während  des  Lebens  aus  der  Blutbahn 
zugeführt  erhalten,  nicht,  daß  fie  das  Hämoglobin  felbfl  produ- 
ciren.  Ampullenartige  Erweiterungen  der  Blutgefäße,  welche  in 
rothen  Muskeln  gefehen  werden,  muffen  eine  Hämoglobinaufnahme 
aus  dem  Blute  befonders  begünftigen,  und  auch  die  Angabe  von 
JSfalTe^^),  «daß  der  rothe  Farbfloff  in  den  anfangs  fafl  farblofen 
Muskeln  der  Kälber  in  einer  ganz  beflimmten  Periode  beim  Ueber- 
gang  von  Milchnahrung  zu  Grünfutter  auftritt»,  erklärt  üch  meines 
Dafürhaltens  ungezwungener  durch  eine  in  Folge  des  Nahrungs- 
wechfels  eingetretene  Veränderung  im  Stoffumfatze  der  rothen 
Blutköi'perchen ,  als  durch  eine  in  Folge  des  Grünfutters  hervor- 
gerufene intramuskuläre  Hämoglobinbildung;  für  letztere  ließe  fleh 
vielleicht  mit  mehr  Recht  das  Auftreten  von  hämoglobinführenden 
Muskeln  bei  Gaflropoden  (Paludina,  Lymnaeus,  Aplysia  etc.) 
verwerthen,  deren  einziger  hämolymphatifcher  Farbfloff*  das  Hämo- 
cyanin  ifl.  Doch  können  bei  den  Wirbellofen  die  Verhältniffe 
immerhin  wefenthch  andere  als  bei  den  Wirbelthieren  fein,  und 
gerade  für  die  Muskeln  der  Gaflropoden  find  die  von  Ray-Lanhe/ier 
herrührenden  Angaben  keineswegs  jedem  Zweifel  enthoben.  Der 
befte  Kenner  der  feineren  Gaflropodenanatomie,  Graf  JB.  Haller^'^), 
hat  erfl  kürzlich  darauf  hingewiefen,  daß  der  rothe  Farbfloff  in 
den  Buccalmuskeln  der  Chitonen  durch  Alkohol  extrahirbar  ifl,  auch 
nach  einiger  Zeit  in  einen  grüngelben  übergeht  [Boll)  und  dem- 
nach doch  wohl  kein  Hämoglobin  fein  kann,  welches  Puiy-Laiikeßer 
hier  nachgewiefen  haben  wollte.  Uebrigens  hüllen  die  Beobach- 
tungen von  Roebei;  Gfcheidlen  und  Heidenhain,  daß  ein  deutlicher 
Farbenunter fchied  fchon  bei  einfeitiger  Curarifirung  wie  Strychnin- 
vergiftung  an  correfpondirenden  Muskeln  wahrnehmbar  wird,  in- 
dem die  durch  das  eine  oder  andere  der  beiden  Alkaloide  afficir- 
ten  Muskeln  ein  gefättigteres  Muskelroth  als  die  der  Giftwirkung 


M  Iso- 
chrome. 


41]  l'liyfiologie  der  contractilen  Gewelje.  311 

uuausgefetzt  gebliebenen  darbieten,  die  Frage  nach  der  Herkunlt 
des  Hämoglobins  in  ein  neues  Dunkel. 

^lit  den  durch  Hämoglobin  gerötheten  Muskeln  find  häufig 
andere  confundirt,  die  ihr  Roth  einem  von  Frcnnj  und  Valencicnnes 
als  aeide  sahiionique  bezeichneten  Farbftotfe  aus  der  Lipochrom- 
gi'uppe^-)  verdanken.  Diefer  Rhodophanfarbftoif  fand  ficli  nur  in 
Fifchmuskeln ,  wo  er  bei  einigen  Ai"tcn  (z.  B.  bei  Luvarus  im- 
perialis)  fich  mit  dem  Hämoglobin  zufammen  an  der  Färbung 
betheihgt,  bei  anderen  Species  dagegen  die  von  Hämoglobin  frei 
gelallenen  Muskelgruppen  tingirt  und  in  hämoglobinh altigen  Fafern 
dann  voUftändig  fehlt;  wo  letzteres  Verhältniß  obwaltet,  entfprechen 
die  rhodophanhaltigen  Fifchmuskeln  den  blaffen  der  Säuger. 
Schhßhcrgcr  belchreibt  auch  einen  gelben  Farbftoff  aus  dem  Fleilche 
der  Goldforelle;  diefer  gehört  nach  den  bekannt  gegebenen  Reac- 
tionen  ebenfalls  den  Lipochromen  zu,  wird  jedoch  kein  Rhodophan, 
fondern  ein  Kör[)er  aus  der  Chlorophanreihe  fein.  Die  bald  mein- 
ins  Grüne,  bald  mehr  ins  Blaue  fpielenden  Färbungen  der  Mus- 
keln einiger  Scomberiden  (z.  B.  Scomber,  Luvarus)  und  diefen 
verwandter  Formen  flehen  indeß  den  Lipochromen  fern  und 
muffen  nach  meinen  Erfahrungen  über  den  grünen  Bclone-Farb- 
ftoff"^)  einem  diffus  vertheilten  Pigmente  zugefchrieben  werden, 
zu  deffen  Extraction  fich  die  üblichen  Methoden  als  unzurei- 
chend enviefen.  Die  blauen  Färbungen  anderer  Muskeln  und  die 
röthliche  F'ärbuug  der  ifotropen  Subftanz  leidender  Muskel- 
i'iik'Vii  ( Kü/inc'J  find  Structurf arben ;  erftere  werden  nach  Fouchd'''^) 
durcli  kleine,  in  Zellen  (Idiocyftcn)  eingefchloffene  Köi'perchen 
verurfaclit. 

Die  durcli  den  rafclien  Wecbfd  ihicr  Coutractioiicu  \u\(\  (Unx-li •;<•''.'''•  i''"'''- 

lloll    in  iluii 

ilire  feine  Faferung  au.sgezeichneten  gelben  Flugnmskelii   der  In-  'k,'.|f,'"i,'.';.' 
lecU.'n   cliaraf<tenfirt   em    von    den   Lipo(;lir()m('n    ni    leinen    JMgeii- 
fcliaften  ganz  alnveicliender  Farbftoll''''),    wclehci'   den    ( 'raiiidiiieii 
zugezählt  werden  muß,  iilniliclicn  \'(  rlaihungcn  wie  «las  Aplyliuo- 


312  Grundzüge  einer  vergleichenden       -  [42 

fulvin  unterliegt  und  wie  in  den  Muskeln,  fo  auch  in  der  Infeeten- 
lymphe  Itändig  anzutreffen  ilt. 

Sämmtliche  hier  aufgezählten  Farbendifferenzen  der  Muskeln 
können  für  uns  erft  dann  eine  größere  Bedeutung  gewinnen,  wenn 
wir  die  Unterfchiede  im  hiftiologifchen  Baue  der  Muskeln  kennen 
gelernt  haben. 

Haben  wir  es  als  wahrfcheinlich  hingeftellt,  daß  die  rothen 
und  blaffen  Muskeln  der  Säugethiere  nur  mit  einem  verfchiedenen 
Electionsvermögen  für  das  in  der  Blutbahn  frei  werdende  Hämo- 
globin begabt  und,  hat  üch  auch  weiterhin  gezeigt,  daß  einige 
Muskelproducte  (wie  z.  B.  die  Enzyme)  in  geringer  Menge  faft 
regelmäßig  im  Muskelgewebe  zu  finden  und,  fo  giebt  es  anderer- 
feits  Fälle,  wo  die  bei  der  Muskelcontraction  entftehenden  Zer- 
fetzungsproducte  das  Muskelgewebe  fo  außerordentlich  rapide 
wieder  verlaffen,  daß  man  über  die  Bildungsflätte  derfelben  lange 
in  Zweifel  bleiben  konnte,  oder  auch  folche,  wo  die  nämlichen 
Stoffe  üch  in  fo  immenfem  Grade  im  Muskelgewebe  anhäufen,  daß 
der  Fleifchfaft  eine  concentrirte  Löfung  diefer  Subftanzen  darftellt. 
Das  Elections-  und  Retentionsvermögen  der  lebenden  Zellen  variiren 
bei  keinem  anderen  Organe  in  fo  weiten  Grenzen  als  bei  den 
Muskeln  und  gerade  dadurch  wird  die  Muskelchemie  fo  lehrreich 
und  hochintereffant. 
Hamftoff  j)JQ  breiten  Schwankungen  in  der  Retention sgröße  für  gewifTe 

arn  aure.  g^^g-g  ju^ßpjp^  ^m  schlagendften  der  Harnftoffgehalt  der  Muskeln*^"), 
In  jüngfter  Zeit  ift  zwar  mehrfach  -dafür  plaidirt,  daß  der  Harn- 
floff  bei  den  Säugern,  die  Harnfäure  bei  den  Vögeln  und  Reptilien 
zum  größten  Theile  aus  Ammoniumverbindungen  in  der  Leber 
hervorgehen.  Die  Verfuche,  auf  welche  man  fich  berief,  beweifen 
indeß  nichts  und  wir  haben  deshalb  als  eine  der  Hauptbildungs- 
ftätten  für  beide  Stoffe  noch  wie  zuvor  die  Muskulatur  anzu- 
fehen.  Es  find  feltene  Ausnahmen,  wenn  die  Muskeln  größere 
Mengen  ihrer  Zerfetzungsproducte  bei  lieh  behalten;  Regel  ift,  daß 


43]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  313 

die  Stoffe,  fobald  fie  entftanden  und,  auch  ausgefchieden  werden. 
Otcsjmmil-oic  und  Ißoniin  wollen  bei  künftlicher  Durchblutung  des 
Hundemuskels  das  ausflrömende  Blut  reicher  an  Harnlloff  als  das 
einllrömende  gefunden  haben  und  Picard  berichtet,  aus  Hunde- 
wie  Kaninchenmuskeln  Harnftoff  ifolirt  zu  haben.  Diefe  Angaben 
find  jedoch  mit  äußerfter  Vorücht  aufzunehmen,  und  ich  fteho 
nach  meinen  Verfuchen  nicht  an,  wie  einft  Lieh  ig  zu  behaupten, 
daß  aus  normalen  Säugethiermuskeln  Harnftoff  nach  den  gegen- 
wärtig übhchen  Methoden  nicht  abzufcheiden  und  darauf  als  iblcher 
nicht  zu  erkennen  ift.  Nur  unter  ganz  abnormen  Verhältniffen  (nach 
Exftirpation  der  Nieren,  nach  Ureterenunterbindung,  bei  Cholera- 
kranken, die  im  Stadium  des  Choleratyphoid  geftorben  find)  traf 
man  in  Hunde-,  refp.  in  menfchlichen  Muskeln  Harnftoff'  in  ficher 
nachweisbarer  und  alsdann  bisweilen  auch  in  beträchthcher  Quan- 
tität an.  Bei  Choleraleichen  fand  Voit  in  den  Muskeln  weit  größere 
Mengen  Harnftoff  als  im  Blute  und  zieht  daraus  den  Schluß,  daß 
die  Muskeln  unmöglich  einen  höheren  Gehalt  an  Harnftoff  zeigen 
könnten  als  das  Blut,  wenn  fie  ihn  nur  durch  Vermittelung  des 
Blutes  von  anderen  Organen  herbezögen;  hierin  fehen  auch  wir 
den  Beweis  dafür,  daß  der  Harnftoff  in  den  Muskeln  felbft 
entfteht. 

Eiqe  große  Anzahl  forgfam  ausgewählter  Repräfentanten  der 
wichtigeren  Familien  aus  allen  Wirbelthierclaffen  ift  auf  Harnftoff 
geprüft  worden;  mit  Ausnahme  der  neun  unterfuchten  Vertreter 
einer  einzigen  Ordnung  halxiii  ficli  für  den  Harnftott"  aber  ül)erall 
die  nämlichen  \x'rhältniire  als  bei  den  Säugcthieren  offenbart: 
Harnftoff  war  in  dem  normalen  Muskelgewebe  nicht  nachzuweifcn, 
und  aiicli  unter  den  Wirbellofen  blieb  fein  V'oi-konnncn  auf  di(> 
Artliropoden  befchränkt.  Für  die  Harnfäure")  war  das  Ilelültat 
ein  völlig  analoges;  auch  hier  fanden  fich  nur  bei  W-rtretern  einer 
Onhjung  erlieblicherc  Harnfäunnnengen  hi  den  Muskeln  vor. 
Wälirend  nun   aber   fonlt  in   den  Muskeln  der  WirlKjltliiere    nicht 


314  Grundzüge  einer  vergleichenden  [44 

eine  Spur  von  Harnftoff  aufzufinden  war,  ergab  fich  für  fämmt- 
liche,  der  Prüfung  unterworfenen  Selachier  (Rochen  und  Haie), 
daß  der  Fleifchfaft  gleichfam  eine  concentrirte  Harnftofflöfung 
vorftellt,  und  daß  in  gleicher  Weife  wie  die  Muskeln  auch  die 
übrigen  Körperorgane  mit  Harnftofflöfung  mächtig  durchtränkt  find. 

Ein  namhafter  Zoologe  äußerte  mir  gegenüber  die  Anficht, 
der  fo  ifolirt  daftehende  Harnftoffreichthum  der  Selachiergewebe 
möchte  durch  die  Kleinheit  der  Nieren  bedingt  fein;  die  Excretions- 
organe  feien  den  Anfprüchen,  welche  der  Organismus  an  fie  ftelle, 
nicht  gewachfen  und  fo  bleibe  eine  größere  Harnftoffmenge  in  den 
Körpergeweben  zurück.  Ho])pe-Seyler^^)  ficht  den  Grund  ebenfalls 
in  den  Nieren ;  er  vermuthet,  « daß  die  Kräfte,  welche  in  den  Nieren 
der  übrigen  Thiere  thätig  find  und  den  Rücktritt  des  Harnftoffes 
aus  dem  Harn  in  das  Blut  verhindern,  alfo  einer  osmotifchen 
Bewegung  entgegenwirken»,  den  Nieren  der  Rochen  und  Haie 
nur  in  geringem  Grade  oder  gar  nicht  eigen  find.  Beide  Hypo- 
thefen  rechnen  nicht  genügend  mit  den  feftgeftellten  Thatfachen. 
Ich*^^)  habe  gezeigt,  daß  nicht  nur  aus  der  Dotterfackplacenta  und 
5  cm  langen  Embryonen  von  Mustelus  laevis,  fondern  auch 
aus  den  Eidottern  von  Scyllium  canicula  und  Myliobatis 
aquila  mit  Leichtigkeit  größere  Harnftoff quantitäten  abzufcheiden 
find.  Der  Harnftoffreichthum  ift  alfo  bereits  in  einem  Entwick- 
lungsftadium  vorhanden,  in  welchem  die  Gewebe  durch  eine 
Nieren fecretion  von  den  Excretftoffen  noch  bei  keinem  Wirbelthiere 
entlaftet  werden.  Es  muffen  daher  die  Gewebe  der  Selachier  ganz 
anders  functioniren  als  die  der  übrigen  Wü'belthiere,  und  da  auch 
das  Retentionsvermögen  ihrer  Muskeln  für  Harnftoff  ein  von  dem 
tibfichen  abweichendes  ift,  fo  treffen  wir  felbft  dann  noch  den 
coloffalen  Harnftoffgehalt  in  ihnen  an,  wenn  die  Nieren  fich  Jahre 
lang  in  regelrechter  Thätigkeit  befunden  haben. 

In  entfprechender  Weife  find  nun  auch  die  A-^erhältnifTe  bei 
den  Alligatoren   und   Crocodilen   zu   deuten,    wo   nicht  Harnftofif, 


I 


45]  l'hyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  315 

fondern  {^xiQ  bei  den  LampjTideu)  Harnfäure  die  Muskeln  oft 
malTeuhaft  erfüllt.  Das  Harnfäurevorkommen  in  den  Muskeln  der 
Alligatoren  -wm-de  1849  von  Lichifj  beobachtet  und  1864  von  Cariust 
nachentdeckt.  Beide  Forfcher  bezeichneten  den  Harnfäurereichthuni 
der  Muskehl  als  einen  normalen  und  diefer  Auffaffung  fchloß  fich 
Fagen/lechcr  an,  während  Meißner  derfelben  Aviderfprechen  zu 
muffen  glaubte.  In  den  letzteren  Jahren  habe  ich  wiederholt 
Gelegenheit  genommen,  Fleifch  von  Crocodilen  wie  von  Alligatoren 
zu  unterfuchen,  und  der  Harnfäuregehalt  desfelben  war  allemal 
ein  fehr  bedeutender,  die  Thiere  z.  Th.  ohne  längeres  Kränkeln 
plötzhch  geflorben,  z.  Th.  auch  bei  beftem  Wohlbefinden  getödtet, 
fo  daß  heute  kein  Zweifel  mehr  an  einem  verhältnißmäßig  großen 
Harnfäuregehalte  der  Muskeln  felbft  bei  ganz  normalen  Crocodilen 
beftehen  kann.  Aehnliche  Retentionseigenthümlichkeiten  zeigen 
die  Muskeln  einiger  anderen  Thiere  für  Taurin,  Glykocoll  und 
Kreatinin. 

Geringe  Mengen  von  Taurin  ^"^j  fand  Limpricht  in  Pferde-  wie  cT^koeoii' 
in  Fifchfleifch;  reicher  daran  find  die  Muskeln  von  Rana  tem- 
poraria,  und  auch  in  den  Muskeln  von  Gaftropoden  und  Ace- 
phalen  gab  fich  feine  Anwefenheit  zu  erkennen.  Nirgendwo  finden 
fich  aber  in  den  Muskeln  folche  Mafien  von  Taurin  aufgeftapelt 
als  bei  den  Cephalopoden.  Hier  wurde  das  Taurin  von  Fremy 
und  Valenciennes  Vjei  Sepia  officinalis  entdeckt,  fpäter  von 
Fredericq  SLUfi  Octopus  vulgaris,  von  mir  aus  Eledone  moschata 
und  (in  Gemeinfchaft  mit  J.  Steiner)  aus  Loligo  vulgaris  ifolirt; 
bei  allen  der  Prüfung  unterzogenen  Cephalopoden fpecies  glich  der 
Fleifchfaft  einer  ccjncentrirten  Taurinlöfung.  In  dem  Schließmuskel 
von  Pecten  irradians  traf  ('hiUemhn''^)  das  Glykocoll  (die  zweite 
Amidofäure,  welche  wie  das  Taurin  fonfi  nur  noch  mit  CholalTäuro 
gepaart  als  Gallenbe/landtbcil  Ixi  den  Wirbelthieren  auftritt)  in 
(•iner  annäbernd  ebenfo  bedeut(!rid(;n  Menge  an. 

Keicldichere  Quantitäten  von  Kreatinin  ^^),  welche  iiuchweislich  '<""•'"'" 


316  Grundzüge  einer  vergleichenden  [46 

nicht  erft  bei  der  Darfteilung  aus  Kreatin  entitanden  fmd,  fanden 
fich  nur  bei  einigen  Knochenfifchen  (Luvarus,  Thynnus,  Pela- 
rays,  Conger).  Ausnehmend  groß  ift  der  Kreatiningehalt  der 
meerblauen  Rumpfmuskeln  von  Luvarus  imperialis;  aus  dem 
alkoholifchen  Auszuge  von  l^/g  kg  diefer  Muskeln  fchieden  fich 
bei  vorfichtigem  Eindampfen  auf  dem  WalTerbade  nicht  weniger 
als  5  g  reinlte  Kreatininkrj^Italle  ab.  Auch  in  den  quergeftreiften 
Muskeln  der  Säuger  und  Vögel  wird  das  Kreatinin  ßcherlich  nicht 
ganz  fehlen,  doch  lalTen  die  Unterfuchungen  noch  Zweifel  beliehen, 
wie  viel  von  dem  gefundenen  Kreatinin  in  den  Muskeln  wirkhch 
als  präformirtes  vorhanden  gewefen  und  wie  viel  erll  bei  Verarbei- 
tung des  Fleifches  aus  Kreatin,  dem  conftanteften  unter  den 
kryftallifabelen  ftickftoffhaltigen  Extractivftoffen  der  Wirbelthier- 
muskeln  entftanden  war. 
Kreatin.  Ausgenommen    einen   einzigen  negativen  Befund  bei  Lichia 

amia,  wo  die  Unterfuchung  überdies  mit  großen  Schwierigkeiten 
zu  kämpfen  hatte  und  das  Refultat  daher  kein  ganz  zuverlälliges 
ift,  hat  fich  das  Kreatin  ^^)  in  den  quergeftreiften  Muskeln  bei 
fämmtlichen  Wirbelthieren  (und  zwar  fchon  bei  jungen  Embryonen) 
gefunden,  bei  welchen  man  darnach  gefucht  hat.  Das  Kreatin 
ift  nicht  nur  der  conftantefte,  fondern  auch  ein  charakteriftifcher 
Beflandtheil  der  quergeftreiften  Vertebratenmuskulatur ;  es  findet 
fich  noch  bei  den  Selachiern,  Ganoiden,  Cycloflomen,  ja  bei  Am- 
phioxus  lanceo latus  vor,  ift  aber  aus  den  Muskeln  keines 
einzigen  Wirbellofen  zu  erhalten  gewefen.  Ob  Kreatin  in  den 
glatten  Wirbelthiermuskeln  vorkommt,  fteht  noch  dahin;  Lehmann 
giebt  an,  es  darin  gefunden  zu  haben,  ich  habe  es  dagegen  bei 
allen  in  Unterfuchung  genommenen  glatten  Muskeln  vermißt. 

Die  Veränderungen,  welche  das  Kreatin  im  Muskel  durch- 
macht und  fein  eventueller  Uebergang  in  Harnkreatinin  find  noch 
wenig  durchfichtig.  Durch  Sarokm  wifien  wir,  daß  der  Kreatin- 
gehalt  fauer  reagirender,  zuvor  todtenftarr  gewordener  Frofchmuskeln 


47]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe!  317 

von  dem  alkalifcli  reagirender  nicht  nennenswertli  al)weicht,  daß 
aber  der  Kreatiningehalt  eines  tetanifirten  Frofchmuskels  auf  Koften 
feines  Krcatins  ums  dreifache  anwachfen  kann.  Beftimmungen 
des  Kj-eatingehaltes  von  verfchiedenen  Muskehi  desfelben  Thieres 
haben  ebenfalls  zu  keinem  abrclihcßendcn  Refultatc  geführt;  nur 
für  das  Herz  fcheint  feftgeftellt,  daß  es  krcatinärmer  ift  als  die 
Extremitätenmuskulatur.  Voit  fchließt  aus  feinen,  an  frifchen 
Muskeln  von  Frofch,  Fuchs,  Rind,  Hund,  Pferd,  Kaninchen  und 
Menfch  au.sgeführten  quantitativen  Beftimmungen,  daß  der  (in  den 
Verfuchsprotokollen  zwifchen  0.2 — 0.3*^/o  wechfelnde)  Kreatingehalt 
bei  den  verfchiedenen  Thierfpecies  keine  größeren  Unterfchiede 
darbietet  als  l)ei  Individuen  der  gleichen  Species,  und  den  näm- 
Hchen  Eindruck  gewann  auch  ich  bei  vielen,  allerdings  nicht 
quantitativ  durchgeführten  Analyfen  von  Fifchfleifch. 

Daß  zwifchen  den  Muskeln  nahe  verwandter  Formen  und 
zwifchen  den  verfchiedenen  Muskelarten  ein  und  desfelben  Thieres 
oft  hervorflechende  chemifche Unterfchiede  beftehen,  daß  ein  Muskel 
Subftanzen  enthält,  die  einem  anderen  fo  gut  wie  vollftändig  fehlen, 
hat  ficherlich  ein  Gaftronom  niemals  bezweifelt.  Des  verfchieden- 
artigen  Gefchmackes  von  dunklem  und  blallem  Fleifche  bei  Ge- 
flügel ift  von  Literaten  wiederholt  gedacht,  der  verfchiedene 
Gefchmack  des  hellen  und  i-otlien  Thunfifchfleifches  ift  unter  den 
Bewohnern  der  Seeftädte  am  Mittelmeere  allgemein  bekannt.  So 
klar  wie  am  Rochen-  und  Haififchfleifche,  dedcn  widerwärtiger 
Gefchmack  und  Geruch  auf  Zerfotzungs[)roducten  des  darin  fo 
reichlich  vorhandenen  Harnftofls  berulit,  treten  bei  der  chemifchen 
Analyfe  derartige  Verfchiedenheitcn  in  der  Zufammenfetzung  fonft 
nidit  liervor,  und  foll^It  ]>ei  Fleifchforten  von  fo  eigenartigem 
Gefclimacke  wie  die  der  Kreljfe  ift  derfelbe  nur  mit  Univclit  dem 
<^dykogen  zugefchrieben,  feine  wahre  Uri'in-hv,  noch  unei-inittelt. 
«Der  Inftinct  des  Gefchmackes  ift»,  wie  //////^//-»SV/zvo-/«^*)  bemerkt, 
'i(\(r  Wifr(;nrch,'in.  voi-au.sgeeilt. » 


318  Grundzüge  einer  vergleichenden  [48 

Die  Mehrzahl  der  Fleifchfloffe,  welche  fich  dem  Gefchmacke 
fo  leicht  verrathen,  widerflehen  bekanntüch  dem  Kochen  und 
finden  ficlT  bei  Verarbeitung  des  Fleifchauszuges  nach  dem  Liebig'- 
fchen  Verfahren '^^)  in  dem  bafifchen  Bleiacetatniederfchlage  wieder, 
delTen  Darltellung  zur  Abfcheidung  des  Inofits  üblich  geworden 
ift.  Diefer  Bleiniederfchlag  läßt  fich  durch  Auskochen  mit  Wafier 
in  zwei  Portionen  zerlegen:  in  die  Bleiverbindungen,  welche  in 
heißem  Wafier  löslich  und  in  die,  welche  darin  unlöslich  find. 
Zu  letzterer  ClalTe  gehört  das  Inofitblei,  zu  erfterer  zählen  die 
Stoffe,  welche  den  typifchen  Gefchmack  mancher  Fleifchforten  zu 
bedingen  fcheinen. 

Durch  Zerfetzung  des  in  fiedendem  Waffer  löslichen  Antheils 
der  bafifchen  Bleiacetatfällung  mit  Schwefelwafferftoff"  find  eine 
Reihe  gut  kryftallifirender  Stoffe  aus  Fifch-,  Frofch-,  Alhgator-  und 
Hummerfleifch  erhalten  worden''^),  welche  in  verfchiedene,  eben- 
falls gut  kryfiiallifirende  Salze  übergeführt,  jedoch  nicht  in  der 
zu  einer  Elementaranalyfe  erforderlichen  Menge  gewonnen  werden 
konnten.  Durch  Beftimmung  des  Zerfetzungspunktes,  fowie  ihres 
Verhaltens  gegen  Fällungsmittel  und  beim  Eindampfen  mit  con- 
centrnter  Salpeterfäure  heß  fich  nur  wahrfcheinlich  machen,  daß 
die  aus  dem  Fifch-,  Frofch-  und  Alligatorfleifche  auf  diefem  Wege 
erhaltenen  Subflanzen  Verbindungen  darltellen,  aus  welchen  Taurin 
künltfich  abzufpalten  und  auf  welche  vielleicht  auch  das  Taurin 
als  Zerfetzungsproduct  zurückzuführen  ifi;,  welches  aus  Frofch-  wie 
Fifchfleifch  wiederholt  gewonnen  wurde.  Der  in  fiedendem  Waffer 
lösliche  Antheil  des  bafifchen  Bleiacetatniederfchlages  aus  dem 
Fleifchauszuge  vom  Hummer  liefert  dagegen  einen  in  feinen  Eigen- 
fchaften  wefentlich  abweichenden  organifchen  Körper,  deffen  lange 
garbenartig  gruppirten  Kryftallnadeln  beim  Verdunften  der  Mutter- 
lauge unter  Wafferverluft  eine  rapide  moleculare  Umlagerung  er- 
fahren und  dabei  in  Kryfi:alltäfelchen  zerfpringen,  die  bei  270*^  C 
noch    nicht    vollfiiändig   verkohlen.     Kreatin,    Taurin    und    Inofit 


49]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  319 

fehlen  in  den  Hummermuskeln,  und  fo  ift  jene  die  einzige  orga- 
nifche  Subftauz,  welche  in  krvftalliürtem  Zuftande  aus  denfelben 
abgefchieden  wurde  und  welche  auch  wohl  für  den  eigen thüm- 
lichen  Gefchmack  des  Krebsfleifches  verantworthch  zu  machen  ift. 

In  dem  Fieifche  von  Fröfchen  wie  Süßwalferfifchen  ift  von  ,.  ^^'f. 
//.  Wa(/)icr  und  mir  neben  der  fraglichen  gepaarten  Taurinverbin-  ^"'i'""- 
düng  auch  der  Körper  aufgefunden,  welcher  von  Weidel  in  Liehig' - 
fchem  Fleifchextracte  entdeckt  und  als  Carnin^^)  bezeichnet  wurde. 
Das  Carnin  entwickelt  beim  Erhitzen  über  freier  Flamme  einen 
charakteriftifchen  Bratengeruch  und  documentirt  (bei  Behandlung 
mit  BromwalTer  oder  beim  Erwärmen  mit  Salpeterfäure)  durch  den 
Uebergang  in  H^^poxanthin  feine  Zugehörigkeit  zu  den  Xanthin- 
körpern.  Die  fruchtbaren  Arbeiten  der  letzten  Jahre  beftimmen 
uns,  bei  der,  fo  wichtige  Producte  des  thierifchcn  Stoffwechfels 
umfalfenden  Gruppe  der  Xanthinkörper  etwas  länger  zu  verweilen. 

Die  Xanthingruppe^^)  zerfällt  in  drei  Abtheüungen,  als  deren 
Repräfentanten  das  Hypoxantliin  oder  Sarkin  (C5H4N4O),  das  Xan- 
tliin  (C5H4N4O2)  und  die  Harnfäure  (C5H4N4O3)  anzufehen  lind. 
Dem  Hy}>oxanthin  reiht  lieh  an  das  Carnin  (C^HgN^Oa)  und  das 
Adenin  (C^H^Nr;),  dem  Xanthin  das  Theobromin  (=  Dimethyl- 
xantljin,  C^H^N^O^),  das  Coffein  oder  Thein  (=  Trimethylxanlhin, 
CgHjoN^Og),  das  Guanidin  (C-H^N^O),  vielleicht  noch  zwei  von 
(r.  Salonion  im  menfchliclieii  Jlani  gefundene  Kör[)er  (das  mit  dem 
Theobromin  ifomere  Paraxanthin  [C7HyN402  nach  is.  Fifclicr]  und 
iloteroxanthin,  welches  wahrfcli  ein  lieh  ein  Methylxanthin  ift)  fo- 
wic  (als  ein  weiteres  Ifomere  des  Theobromins)  das  von  J'J.  Fischer 
künftlicli  dargeftelltc  Dioxvdimethylpurin,  während  die  IlarnCäure 
nach  diffcr  Richtung  hin  flaute  noch  unvermittelt  dafteht.  Trotz- 
dem Hypoxanthin,  Xanthin  ^nd  Harnfäure  nur  durch  ein  oder 
zwei  Sauerftoffat^>me  in  der  I'ormel  von  einander  abweichen,  licü 
fiel)  d<'r  zwifclicn  ilincn  bcfteliende  nälicn;  Znfannnenhang  nicht 
«rmitteln.      Die   Angaben    von   Strecker,    d;iü    I  lypoxanlliin    (hn'cli 

Krukf.nbcrg,  Venfl.-iihydol.  Vorlräge.  -•' 


320  Grundzttge  einer  vergleichenden  [50 

Behandlung  mit  Salpeterfäure  in  Xanthin,  Harnfäure  in  alkalifcher 
Löfung  durch  fehr  natriumarmes  Natriumamalgam  in  Xanthin  und 
Hypoxanthin  umzuwandeln  feien,  haben  den  Nachunterfuchungen 
von  BocMeder  und  HlaRivetz,  von  KoMl  und  E.  Fifcher  nicht 
Stand  gehalten.  Nur  in  weiter  abliegenden  Spaltungsproducten, 
im  AUoxan,  in  der  Parabanfäure  resp.  deren  Methylderivaten  und 
in  den  durch  JE.  Fifcher  erfl  jüngft  bekannt  gewordenen,  aber 
noch  nicht  eingehender  Itudirten  Abkömmlingen  des  Methylpurins 
(CHg'CgN^Hg)  lind  Ausgangspunkte  für  alle  drei  Claffen  fchon 
gegenwärtig  gegeben.  In  die  Hypoxanthin-  und  Xanthinreihe  ifl 
durch  die  neueren  Erfahrungen  über  die  Nuclenie  noch  ein  wei- 
terer Einblick  eröffnet;  denn  wie  Koßd  zeigte,  liefern  die  Nucleine 
bei  längerem  Kochen  mit  Waffer  oder  mit  verdünnten  Säuren  fo- 
wohl  Guanin  und  Xanthin,  als  auch  Adenin  und  Hypoxanthin. 
Noch  weit  vollfländiger  fmd  die  Wechfelbeziehungen  zwifchen  den 
einzelnen  Gliedern  ein  und  derfelben  Abtheilung  in  der  Xanthin- 
gruppe  aufgeklärt  w^orden.  So  gelang  nicht  nur  die  Ueberführung 
des  Carnins  in  Hypoxanthin  (Weidel),  fondern  auch  das  Adenin 
ifl  durch  Erwärmen  feiner  Löfung  in  verdünnter  Schwefelfäure 
mit  Kaliumnitrit  zum  Sieden  in  Hypoxanthin  (KoITel)  überzuführen 
gewefen.  Das  Guanin  geht  bei  dem  Behandeln  mit  falpetriger 
Salpeterfäure,  Löfen  des  entftandenen  Nitrokörpers  in  fiedender 
Ammoniakflüffigkeit  und  fchheßlicher  Reduction  der  Verbindung 
durch  Eifenvitriol  in  Xanthin  über  (StrecJcer),  und  diefes  liefert 
beim  Erhitzen  feiner  Bleiverbindung  (CgHaN^^OgPb)  mit  Jodmethyl 
auf  100*'  C.  Theobromin  (F.  Fifcher),  welches  in  der  Silberverbin- 
dung (C7H7N402Ag  +  3  aq)  weiterhin  zu  Coffein  (StrecJier)  zu  methy- 
hren  ifl.  Die  Umwandlung  des  Guanins  in  Xanthin  erfolgt  nach 
F.  Fifcher  nahezu  quantitativ,  wenn  man  10  gr.  Guanin  in  20  gr. 
conc.  Schwefelfäure  und  150  gr.  Waffer  kochend  löfl  und  nach 
Abkühlung  auf  TO*' — 80"  C.  allmählig  eine  wäffrige  Löfung  von 
8  gr.  käufhchem  Natriumnitrit  unter  flarkem  Umfchütteln  zufetzt. 


51]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  321 

Während  für  die  Harnßlure  die  Murexidprobe,  für  das  Guanin 
eine  jener  fehr  ähnliche  Farbenrcaction  charakteriftifch  ift,  werden 
das  Xanthin  und  feine  unmittelbaren  Derivate  (Theobromin,  Para- 
xanthin,  Coffein)  durch  die  fog.  WeideVM^e  Probe,  welche  auf  der 
Bildung  von  Amalinfäure  (d.  i.  Dimethyl-Alloxantin)  zu  beruhen 
fcheint,  enger  verbunden  und  dadurch  fowohl  von  dem  Hetero- 
xanthin,  Guanin  und  Dioxydimeth ylpurin ,  wie  von  den  Gliedern 
der  H}i:>oxanthinreihe  und  der  Harnfäure  abgetrennt. 

Für  die  Muskelchemie  befitzen  von  den  Xanthinkörpern  außer 
der  Hararäure  und  dem  Carnin  nur  noch  das  Hypoxanthin  und 
Xanthin  Bedeutung.  Hyi^oxanthin  ift  fowohl  aus  allen  daraufhin 
unterfuchten  Muskeln,  als  auch  aus  dem  Plasmodium  von  Aetha- 
lium  septicum^^)  darzuftellen  gewefen;  doch  find  viele  diefer  Re- 
fultate  belanglos  geworden,  feitdem  wir  wiffen,  daß  fich  Nucleine 
in  allen  zelligen  Gebilden  finden  und  Kochen  mit  Wafier  ausreicht, 
um  aus  ihnen  Hypoxanthin  abzufpalten ^").  Das  Xanthin,  von  dem 
frifches  Pferdefleifch  nach  Scherer  0,0026*^/0  enthalten  foll,  wird 
von  diefem  Forfcher  auch  als  ein  Beftandtheil  des  Fifchfleifches 
angeführt,  doch  ift  es  hierin  weder  von  Älmm  noch  von  mir  auf- 
zufinden gewefen.  Die  Angaben  über  das  Xanthinvorkommen  in 
den  Geweben  der  Wirbellofen  (nach  J.  B.  Ens  bei  Chrysomela 
aenea,  nach  Ph.  Schreiner  bei  Melolontha,  nach  lieinJce  und 
Ilodeiralfl  in  Aethalium  septicum),  wo  überdies  die  Ablagerungs- 
ftätte  desfelben  nicht  ennittelt  wurde,  Ijedürfen  fehr  der  Bcftätigung, 
und  auch  für  das  Xanthin  ift  die  für  das  Hypoxanthin  hervorge- 
hobene Mögfichkeit,  daß,  wo  es  gefunden  wird,  erft  bei  der  Ver- 
arbeitung des  Fleifclies  aus  Nucleinen  entfl^ndcn  ift,  nicht  von 
der  Hand  zu  weifen. 

Aul"  die  von  Liehif/  im  Fleifchauszugc   entdeckte   zweibalifclie  |.7^{',i;„;j; 
Jiiolinfäurc'*')  (CiJi^N/J,,).  zieren  Vorkommen  fpäter  von  (iregory 
und  Meißner  in  IIühiiermusk(!ln,  von  Crrifr  im  Flcifche  der  Ente, 
«N-r  Gans,  der  Taube,   des   Kanincliens    und   (k;r  Katze,    von  ]/im- 


322  Grundzüge  einer  vergleichenden  [52 

pricM  neben  einer  anderen,  ähnlich  conJftituirten  ftickfloff haltigen 
organifchen  Säure  im  Fifchfleifche  (bei  Plötzen ,  Häringen  und 
Knorpelfifchen)  nachgewieXen  wurde,  ifl  neuerdings  nicht  wieder 
geprüft  worden.  Nach  Creite  liefern  die  Muskeln  des  Huhnes 
0,005—0,008  0/0,  die  der  Ente  0,26  *>/o  inofinfaures  Barium,  und 
nach  Meißner  ift  die  Menge  der  Inolinfäure  im  Hühnerfleifch  bei 
Fütterung  der  Thiere  mit  Gerfle  um  das  Zehnfache  größer  als  bei 
Fleifchfütterung.  Die  aus  Fifchmuskeln  von  LimpricM  dargeftellte 
Protfäure^^)  ift  ein  undefinirbares  Etw^as  geblieben;  fie  foll  die  Zu- 
fammenfetzung  und  Eigenfchaften  eines  Eiweißftoffes  belitzen  und 
fteht  als  ein  künfthches  Zerfetzungsproduct  des  fo  veränderlichen 
Myoßns  vielleicht  den  Hyalinen  näher  als  der  Inoßnfäure.  — 
Stoffen,  welche  in  wenig  fcharfer  Umgrenzung  die  Gruppen  der 
Lecithine  und  Nucleine  ausmachen,  begegnen  wir  in  allen  thie- 
rifchen  Gewebstheilen,  den  Lecithinen  hauptfächlich  in  den  Nerven, 
und  die  Anwefenheit  diefer  Stoffe  in  den  Muskeln  erfcheint  dem- 
nach felbflverftändlich,  entzieht  ßcli  aber  gerade  wegen  der  allge- 
meinen Verbreitung  derfelben  jeder  fpeciell  vergleichend-phyßolo- 
gifchen  Betrachtung  des  Muskelgewebes, 
^nifche  '^^  ^^  chemifchen  Beftandtheile  des  Muskels  durchgegangen 

then'e.  zu  fciu,  erübrigt  nur  noch  die  Betrachtung  der  anorganifchen  Ver- 
bindungen, des  Waßer-,  Afche-  und  Gasgehaltes^^).  Auf  S.  308 
wurde  erwähnt,  daß  der  Waffergehalt  der  Muskeln  fich  im  Allge- 
meinen umgekehrt  proportional  als  ihr  Fettgehalt  verhält,  und 
diefer  Satz  beßtzt  nicht  nur  für  den  vom  Fettgewebe  befreiten 
Muskel,  fondern  auch  für  die  Muskelfafer  als  folche  Gültigkeit. 
Weiterhin  nimmt  man  als  Regel  an,  daß  der  Waffergehalt  der 
Muskeln  junger  Thiere  etw^as  höher  ift  als  bei  Erwachfenen,  der- 
jenige tetanifirter  Muskeln  bedeutender  als  ausgeruhter,  höher 
auch  in  den  Muskeln  gehungerter  Thiere  ift  und  bei  Wirbelthieren 
fich  niedriger  ftellt  als  bei  Wirbellofen.  Ebenfalls  ift  das  Imbibi- 
tionsvermögen   abgeftorbener  Muskeln  von  verfchiedenen  Thieren 


53]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  323 

oft  ein  fehl"  ungleiches;  bei  Fifchen  gewöhnlich  beträchtlicher  als 
bei  Säugern  und  Vögeln.  Unter  Berückfichtigung  des  ungleichen 
Fettgehaltes  der  hämoglobinhaltigen  und  der  hämoglobinfreien 
Muskeln  bei  ein  und  demfelben  Thiere  bietet  der  Waflergehalt 
derfelben  weder  nach  den  Unterfuchungen  von  lianlc  am  Kanin- 
chen, noch  nach  denen  von  H.  Wagner  am  Lachs  größere  Ab- 
weichungen als  von  1 — 2^io  (zu  Ungunften  der  fettreicheren  hämo- 
globinhaltigen Muskeln)  dar,  und  in  Uebereinftimmung  damit  fand 
auch  Gfcheidlen  für  die  durch  ihren  größeren  Hämoglobingehalt 
von  intact  gelalTenen  leicht  zu  unterfcheidenden  tetanifirten  resp. 
vergifteten  Kaninchenmuskeln  (vergl.  S.  310)  keine  anderen  Werthe 
und  Schwankungen  im  Waflergehalte,  als  folche  fich  bei  corre- 
fpondirenden  Muskeln  fchon  ohnehin  ergaben.  Die  heutige  Lite- 
ratui"  Anll  bei  den  Säugethicren  nur  das  Herz  vor  den  willkürlichen 
Muskeln  durch  einen  größeren  WalTergehalt  ausgezeichnet  wiffen. 
Bei  Verfuchen,  von  einem  anderen  Geüchtspunkte  aus  unternom- 
men, find  indeß  noch  immer  pofitive  Refultate  in  Bezug  auf  einen 
differenten  AVairergehalt  auch  bei  anderen  verfchieden  functioniren- 
den  Muskeln  eines  Thieres  zu  erwarten.  Muskeln  geben  nämlich 
unter  gewiffen  Umftänden  leicht  ihr  Waffer  ab  und  erfahren  als- 
dann eine  fehr  vollkommene  Entwäfferung  fowohl  vital  (durch  den 
Kommabacillus  bei  den  Cholerakranken),  als  auch  poftmortal  (z.  B. 
bei  mehrftündigem  Liegen  in  einer  Koldenfäureatmofphäre 
[G.  Li('hi()]);  nach  Falles  und  HchcffcrH  Verfuchen  an  Hunden  ver- 
lieren die  Muskeln  im  Durltzuftande  von  allen  Geweben  das  meifte 
WafllT,  und  es  würde  daher  zu  unterfuchen  fein,  ob  bei  diefer 
Wafrergabe  nicht  erheblichere  Differenzen,  den  verfchiedenen 
Muskelarten  entfprechend,  beftohen.  Haben  doch  auch  die  Verfuche 
Cho/fai'H  an  Tauben  gezeigt,  daß  im  Hungerzuftande  das  Herz 
einen  0(;wicl)tsverluft  von  etwa  45  "/o  erfälirt,  dit!  J\'ct()ralmusk('ln 
r)3,l  (feucht)  resp.  55,0  "/o  (trocken)  und  die  übrigen  Skchamuskch» 
nur  ;55,6  resp.  35,9  "/o  ihres  normalen  Gewichtes  einhüßcn;  ilt  zu- 


324  Grundzüge  einer  vergleichenden  [54 

gleich  doch  auch  von  Voit  feflgeftellt,  daß  bei  der  Katze  die  wiR- 
kürhchen  Muskeln  im  Hungerzuflande  ca.  30  °/o  an  Gewicht  ver- 
lieren, das  Herz  dagegen  nur  um  2,6  '^jo  abnimmt. 

Um  eine  Anfchauung  von  der  quantitativen  Zufammenfetzung 
der  Muskeln  zu  geben,  habe  ich  unter  den  Anmerkungen^^)  zwei 
voUftändige  Fleifchanalyfen  mitgetheilt.  Was  den  Gehalt  der  Mus- 
keln fpeciell  an  Mineralbeltandtheilen  anbelangt,  fo  liegen  nur  für 
wenige  Säugethiere  ausführlichere  Analyfen  vor;  diefe  ergeben 
aber  übereinftimmend,  daß  von  den  Salzen  des  Fleifches  etwa 
80^/0  in  die  Fleifchbrühe  übergehen  (ühevreul)  und  vor\\degend 
aus  Kaliumphosphaten  beflehen  (Liehig).  Sulfate  fehlten  in  den 
unterfuchten  Fleifchafchen  vollftändig  (Berselius,  Liehig),  auch 
Natrium  war  im  Ochfenfleifche  fo  fchwach  vertreten,  daß  es  nur 
auf  unvermeidhche  Blut-  und  Lymphbeimengungen  bezogen  werden 
kann,  und  Weher'B  genauen  Analyfen  des  Pferdefleifches  lalTen 
fchließen,  daß  das  Dikaüumorthophosphat  in  diefem  nicht  allein 
das  vorherrfchende,  fondern  auch  das  faft  einzige  anorganifche  Salz 
ifl;  bei  der  fpontanen  Säuerung  des  Muskels  durch  Milchfäure  wird 
dasfelbe  zum  Theil  in  das  faure  Salz  umgewandelt.  Aber  fchon 
bei  den  Fifchen  beflehen  wefenthch  andere  Verhältnifle ;  bei  diefen 
herrfchen  weit  mehr  als  bei  den  Säugethieren  die  Erdphosphate 
in  der  Fleifchafche  vor  (v.  Bihra,  Schloßherger),  und  nach  Fremy 
und  Valenciennes^'")  trifft  man  Kaliumphosphate  reichlicher  nur  bei 
Thieren  mit  fehr  entwickeltem  Knochenbaue  an;  in  den  Muskeln 
der  Arthropoden  und  Mollusken  z.  B.  finden  fich  davon  nur  Spuren. 

Von  Gafen  enthält  der  Säugethiermuskel,  über  den  wdr  auch 
in  diefer  Hinficht  ziemhch  ausfchheßhch  unterrichtet  find,  Kohlen- 
fäure,  wenig  Stickfloff  und  gar  keinen  Sauerfloff.  Die  Bildung 
der  Kohlenfäure,  welche  im  Muskel  verfchieden  fefl  gebunden  ift, 
findet  noch  ohne  Sauerflofi'zufuhr  flatt,  ifl  im  gebrühten  Muskel 
felbfl  nicht  ganz  erlofchen  und  fcheint  demnach  verfchiedene 
Quellen  zu  haben.     Die  producirte  Kohlenfäuremenge  fleigt  beim 


55]  Phyfiologie  der  contiactilen  Gewebe.  325 

Erwärmen  der  Muskeln  von  Fifchen  und  Säugethieren  in  annähernd 
gleicher  Weife  bis  34°  refp.  38**  C.  an  und  nimmt  bei  höherer 
Erwärmung  allmählig  wieder  ab,  bei  Warmblütern  langfamer  als 
bei  Fifchen  (TicgnanJj^^). 

Unfere  Darftellung  einer  vergleichenden  Muskelchemie  würde^^"*^^^'^^^- 
unvollfländig  fein,  wenn  wir  nicht  der  merkwürdigen  Verände- 
rungen gedacht  hätten,  welche  die  als  Muskelgifte  ^^)  bezeichneten 
Stoffe,  oft  fchon  in  minimalften  Dofen  angewandt,  in  Muskeln 
vorübergehend  hervorrufen.  Die  Toxicologie  ift  ein  integrirender 
Theil  der  chemifchen  Phyßologie;  «unter  dem  Einfluffe  der  Gifte 
entftehen  in  einem  Gewebe  niemals  neue  Functionen,  fondern  nur 
einige  der  normal  vorhandenen  phyfiologifchen  Gewebseigenfchaften 
werden  durch  die  Gifte  befonders  deutlich  für  uns  zur  Wahrneh- 
mung gebracht»  (Cl.  BernardJ.  So  können  durch  die  toxicolo- 
gifchen  Erfahrungen  nur  unfere,  auf  irgend  einem  anderen  Wege 
der  experimentellen  Forfchung  erw^orbenen  Ueberzeugungen  in 
envünfchtem  Maaße  befeltigt  oder  neue  Bahnen  den  chemifchen, 
phyliologifchen  und  hiftiologifchen  Arbeiten  eröffnet  werden.  Wie 
dürftig  auch  bis  auf  den  heutigen  Tag  das  Feld  der  vergleichenden 
Muskelchemie  toxicologifch  beftellt  fein  mag,  werthvoll  lind  doch 
manche  der  bereits  gewonnenen  Ergebniffe.  Die  fcharfe  Abgren- 
zung Zwilchen  Muskeln  und  form  veränderlichem  Protoplasma  findet 
eine  wefentliche  Stütze  in  der  durch  Jiinz  entdeckten  außerordent- 
lichen Empfindlichkeit  faft  aller  nervenlofen  Protoplasmen  gegen 
neutrale  Chininlöfuugen,  in  einer  Empfindlichkeit,  welche  fich  nur 
bei  Turbellarien  wiederfand,  fonft  aber  an  keiner  Muskelfafer,  fei 
es  bei  Wirbelthieren  oder  bei  Wirbellofen  zur  Beobachtung  gelangte. 
Der  durch  die  Verbreitung  des  Kreatins  veranlaßto  Gegen fatz 
zwifcheii  den  quergeftreiften  Muskeln  der  Wirbelthiere  und  den 
fämmtlichen  Evertebratenmuskeln  fi>iegelt  lieh  in  den  Wirkungen 
der  Anälthetika  wid«;r,  w(!lch(;  l)oi  den  Wirbelthieren  ausnahmslos  das 
Centralorgan,  die  Muskeln  ungleich  fpäter,  oft  gar  niclil   in  crliclil- 


326  Grundzüge  einer  vergleichenden  '      [56 

licher  Weife  ergreifen,  während  fie  bei  den  Wirbellofen  regelmäßig 
zuerft  die  Muskeln  afficiren, .  diefe  in  einen  einfachen  Lähmungs- 
oder Reizzufland  (z.  B.  die  Radiärfafern  um  den  Pigmentkörpern 
bei  Eledone  mos ch ata)  verfetzen  oder  durch  gleichzeitig  ein- 
tretende Starre  brettartig  hart  werden  lalTen  (z.  B.  die  Hautmuskeln 
von  Hirudo  officinalis);  nur  Unter fucher,  welche  centrale  und 
periphere  Lähmungen  nicht  auseinander  zu  halten  und  eine  Muskel- 
lähmung nicht  zu  diagnofticiren  verftehen,  konnten  letzteren  Er- 
gebniflen  widerfprechen.  Auf  einem  indirecten  Wege  find  auch 
die  quergeftreiften  und  die  glatten  Muskeln  bei  den  Wirbelthieren 
durch  Gifte  unterfcheidbar  zu  machen :  das  Curare  lähmt  ausfchließ- 
lich  die  Nervenendigungen  in  den  quergeftreiften,  das  Atropin 
mehr  oder  minder  rafch  nur  die  Endapparate  der  in  die  glatten 
Muskeln  eintretenden  Nerven.  Eine  den  Thierclaffen  entfprechende 
Sonderung  der  Muskeln,  wie  folche  z.  B.  der  Taurinreichthum 
bei  den  Cephalopoden,  der  cololfale  Harnftoffgehalt  bei  den  Sela- 
chiern  mit  ßch  bringt,  läßt  lieh  auf  Grund  der  bislang  ftudirten 
Giftwirkungen  allerdings  nicht  treffen;  aber  eine  Verfchiedenartig- 
keit  der  chemifchen  Beftandtheile  des  Muskelgewebes  manifeflirt 
üch  (fowohl  bei  naheftehenden  Formen  wie  bei  verfchieden  func- 
tionirenden  Fafern)  bei  Anwendung  keiner  anderen  Mittel  fo  deutüch 
als  gerade  unter  dem  EinfluITe  einiger  Gifte;  felbft  die  Gefchmacks- 
knofpen  der  menfchlichen  Zunge  vermögen  diefe  an  Empfindlich- 
keit für  gewille  chemifche  Unterfchiede  nicht  zu  überbieten. 

So  mrken  Coffein  ( Schmiedeher g)  und  Veratrin  (FrevoR)  weit 
fchneller  und  heftiger  auf  die  Skeletmuskeln  von  Rana  tempo- 
raria  als  auf  die  von  Rana  esculenta,  und  bei  Hirudo  offi- 
cinalis fand  ich  nach  20-ftündigem  Verweilen  des  Thieres  in 
einer  1  *^/oigen  Atropinfulfatlöfung  die  Hautmuskulatur  vollkommen 
fteif  und  elektrifch  unerregbar,  während  ein  nahe  verwandter 
Wurm,  Aulastomum  Gulo  Moq.  Tand.,  nach  einem  24-Mndigen 
Aufenthalte   in   einer   gleichen   Löfung    «nur   unerheblich    alterirt 


57]  Phyßologie  der  contractilen  Gewebe.  327 

war,  ficli  mit  beiden  Saugnäpfen  munter  feil  faugte  und  iich 
fpontan  fortbewegte»  (C.  Arnold). 

In  dem  fpätern  Verlauf  einer  chronifchen  Bleivergiftung  bildet 
fich  (fowolil  beim  Älenfchen  wie  bei  der  Katze,  dem  Kaninchen 
und  Fröfchen,  nicht  aber  beim  Hunde)  eine  Paralyfe  aus;  beim 
Menfchen  erfcheint  diefelbe  am  liäufigften  an  den  oberen  Extre- 
mitäten (feiten  auch  am  Hälfe  oder  Rumpfe)  und  erftreckt  fich 
gewöhnhch  nicht  auf  alle  Muskeln  einer  Extremität,  fondern  er- 
greift allemal  zuerft  die  Extenforen.  Die  Beugemuskeln  erlangen 
dadurch  ein  Uebergewicht  und  flectireu  die  Theile  nach  Innen. 
Im  Widerfpruch  mit  diefen  Erfahrungen  läßt  Grütsner  die  im 
Allgemeinen  den  blaffen  entfp rechenden  Muskeln  (die  Flexoren 
der  Extremitäten,  die  Verengerer  der  Stimmritze  bei  den  Säugern, 
die  'Scheerenoffner  bei  den  Krebfen)  —  welche  zugleich  auch 
leichter  ermüden,  fchon  durch  fchwächcre  Reize  erregt  werden 
und  fich  fchneller  zufammenziehen  als  die  Extenforen  — ,  in  erfter 
Linie  durch  die  verfchiedenartigften  Gifte  gefchädigt  und  l)ei  Nerven- 
durchfchneidung  am  früheften  atrophifch  werden.  Es  liegt  außer- 
halb des  Rahmens  unferer  zufammcnfalfenden  Betrachtungen,  einer 
folchen  offenbar  irrthümhchen  A^erallgemeinerung  ungleicher  Gift- 
wirkungen bei  verfchieden  functionircnden  Muskeln  desfelben  In- 
dividuums die  richtigen  Grenzen  zu  ftecken ;  nur  daß  ein  differentes 
Verhalten  beider  Muskelarten  auch  gegen  Gifte  l^eobachtet  wurde, 
mußte  liier  erwähnt  und  einer  genaueren  Prüfung  empfohlen 
wcrdi-n.  Andere  Muskolgifte  (Kupferfalze,  Veratrin,  Digitalis,  Apo- 
niorp])in,  Phyfofligmin)  hat  man  ebenfalls  auf  hiftiologifch,  refp. 
functionell  unterfchiedliche  Muskeln  bei  Wirbelthieren  wie  bei 
Wirbellofen  einwirken  lallen,  doch  haben  fämmtlichc  derartigen 
Verfuche  vergleiclicjid-phyfiologifclie  Conf('<|uenz('n  nocli  uiclit  zu 
ziehen  erlaubt. 

Die  auf  S.  277  rki/.zirt(;  l'nitätslcbi-c  (iciicnlxiitr^  viiiilicirt  den 
Ganglien-,  Sinnes-  und  .Muskelzcllcii  die  gleiche  AMtimiiiiiing  \\\\t\ 


328  Grundzüge  einer  vergleichenden  [58 

den  gleichen  niorphologifchen  Werth.  Diefer  Hypothefe  könnte 
die  Wahrnehmung  günftig  erfcheinen,  daß  die  Begriffe  von  Nerven- 
(d.  h.  Ganghen-)  und  Muskelgiften  lieh  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
infofern  decken,  als  die  Nervengifte  gleich  den  fpecififchen  Muskel- 
giften eine  deletäre  Wirkung  auch  auf  die  Muskelfafern  ausüben 
und  umgekehrt.  Verlinnlicht  man  fich  diefe  VerhältnilTe  an  dem 
Schmiedeberg' ^chen  Schema  ^^),  indem  man  ein  ftumpfwinkliges, 
gleichfchenkliges  Dreieck  conflruirt  und  an  dem  linken  fpitzen 
Winkel  desfelben  die  ausgefprochenen  Muskelgifte,  an  delTen  rech- 
tem fpitzen  Winkel  dagegen  die  exquifiten  Nervengifte  ftellt,  fo 
kommen  die  meiften  fog.  Muskel-  oder  Nervengifte  auf  verfchiedene 
Punkte  der  beiden  gleichen  Schenkel  zu  liehen:  bald  mehr  nach 
rechts,  bald  mehr  nach  links,  je  nachdem  lie  vornehmlich  auf 
Ganglienzellen  oder  auf  Muskelfafern  einwirken.  Wie  jedoch  jöTw/me 
am  Frofchfartorius  gezeigt  hat,  reagü-t  die  quergeftreifte  Muskel- 
fubftanz  auf  Löfungen  chemifch  reiner  Stoffe  (Ammoniak,  viele 
Metallfalze),  welche  die  Nervenfafern  vollkommen  ungereizt  lauen, 
und  umgekehrt  (Kochfalz  in  niederen  Concentrationen,  Glycerin). 
Diefe  wichtigen  Erfahrungen  find  in  jüngfter  Zeit  noch  vervoll- 
ftändigt  durch  Grützner,  welcher  am  Frofch  und  am  Kaninchen 
nachwies,  daß  das  fcheinbar  verfchiedene  Verhalten  der  motorifchen 
und  fenfibelen  Nerven  gegen  Kochfalzlöfung  lediglich  darauf  be- 
ruht, daß  durch  diefes  Reagenz  die  Entladung  der  Reize  nicht  in 
«Salven»  (wie  bei  Anwendung  von  Natronlauge,  wo  auch  an  mo- 
torifchen Nerven  bald  eine  faft  gleichzeitige  Contraction  fämmt- 
licher  Muskeln  auftritt),  fondern  nach  Art  des  «Pelotonfeuers»  er- 
folgt, bei  welchem  die  einzelnen  GefchoITe  zu  verfchiedenen  Zeiten, 
in  den  Centralorganen  auch  an  verfchiedenen  Punkten  eintreffen 
und  fo  fich  die  einzelnen  Reize  nicht  fummiren  können. 


Bei  Erforfchung  der  phyfikalifchen  und  phyfiologifchen  Diffe- 
renzpunkte hat  man  fich  bisher  an  folgende  Muskelarten  gehalten: 


59]  Phyßologie  der  contractilen  Gewebe.  329 

A.  Bei  Wirbelthieren  au  die 

1.  quergeftreiften  blafTen  oder  lediglich  durch  Lipoclu'ome 
gefärbteu  Muskeln,  welche  anders  ftruirt  find  und  auch 
weniger  Glykogen  fülu-en  foUen  als  die 

2.  quergeftreiften,  durch  Hämoglobin  gerötheten  Muskeln. 
Ausgenommen  find  diejenigen,  welche  den  gleichen 
hiftiologifchen  Bau  Avie  die  blaffen  befitzen.  Unter  diele 
Rubrik  Avird  auch  der 

3.  Herzmuskel  mit  feinen  eigenartigen  Structurverhältniffen 
und  feinem  Inofitreichthum  geftellt  werden  muffen; 

4.  glatten  Muskeln. 

B.  Bei  Wirbellofen  an  die  durchgängig  kreatinfreien 

1.  Schheßmuskeln  der  Bivalven,  welchen  lieh  in  ihrem 
abweichenden  hiftiologifchen  Baue  nur  noch  wenige 
andere  Evertebratenmuskeln  anreihen; 

2.  Schwanzmuskeln  und  die  Itructurell  davon  unterfchied- 
lichen 

3.  fcheerenfchließenden  Muskeln  bei  den  Krebfen; 

4.  gelben,  durch  einen  Körper  aus  der  Uranidingruppe 
gefärbten  Flugnuiskeln  der  Infecten; 

5.  Schirmmuskulatur  der  Medufen,  welche  durch  ilire  In- 
nervationsverhältnifie  und  ihre  Querftreifung  den  ([uer- 
geftreiften  Vertebratenmuskeln  am  nächften  tritt. 

Trifft  ein  (felbft  directer)  Reiz  den  lebenden  oder  lebensfrifchen 
Muskel,  fo  vorgeht  -eine  bald  längere ,  bald  kürzere  Zeit  (Stadium  l[\lu^lu 
der  latenten  Reizung),  bevor  der  Muskel  in  den  Zufland  der  Ver- 
kürzung (Zuckung)  übergeht^^).  Die  Latenzperiode  dauert  länger 
bei  Erregung  durch  fchwache  als  durch  Harke  Reize,  l)ei  ermüdeten 
länger  als  bei  geruhten  Mu.skeln  und  nimmt  unter  gewöhnlichen 
Bedingungen  mit  Zeigender  Temperatur  ab.  Hiermit  mag  es  theil- 
weife  im  Zufammenhange  Itehen,  wenn  wir  das  Latenzdacüum  bei 
WarmblüUirn  (ca.  0,(XJ7  sec.  nach  JIriirhc  uihI  Mrwlrlslhhn)  geringer 


Coiitnic- 
tious- 
c'ilclu'i- 


330  Grundzüge  einer  vergleichenden  [60 

als  bei  den  Kaltblütern  (bei  Frofch  und  Krebs  durchfchnittlicli 
0,008  sec.  [Richei],  beim  Hummer  0,015—0,02  sec.  [Frederkq  und 
Vandevelde] ,  bei  der  Schildkröte  0,02  sec.  und  beim  Fußmuskel 
von  Helix  0,15—0,3  sec.  [Eichet])  finden;  aber  auch  Unterfchiede 
anderer  Art,  welche  mit  der  Thierfpecies  zufammenhängen,  treten 
in  diefen  Zahlen  hervor  und  es  beliehen  folche  in  gleicher  Weife 
für  verfchiedene  Muskeln  desfelben  Thieres.  So  fand  z.  B.  Ranvier 
beim  rothen  musc.  semitendinosus  des  Kaninchens  (0,055  sec.)  euie 
mehr  als  viermal  längere  Dauer  der  latenten  Reizung  als  bei  dem 
blaffen  musc.  adductor  magnus  (0,012  sec);  am  Scheeren-  und 
Schwanzmuskel  von  Krebfen  dauert  das  Latenzftadium  nach  Richct 
aber  gleich  lange.  Die  Muskelzuckung  ift  ebenfalls  von  zahlreichen 
Nebenumftänden  abhängig,  und  die  üe  darfteilende  Curve  (Zuckungs- 
curve)  kann  fowohl  in  ilirem  auffteigenden  wie  in  ihrem  abfteigen- 
den  Theile  erheblich  variiren;  gleich  dem  Latenzftadium  wü'd  auch 
der  A'^erlauf  der  Zuckung  durch  Kälte,  Ermüdung,  Alter,  unvoll- 
kommene Ernährung  und  durch  die  Einwii^kung  gewiffer  Gifte 
(z.  B.  des  Veratrins,  Antiarins  und  Digitalins)  in  die  Länge  ge- 
zogen, vor  Allem  ift  derfelbe  aber  durch  die  Natur  des  Muskel- 
gewebes felbft  bedingt. 

Ganz  allgemein  gehalten,  darf  man  fagen,  daß  es  zwei  Arten 
von  Muskelfafern  giebt:  die  Fafern  mit  rafcher  Contraction  und 
diejenigen  mit  langfamer  Contraction.  Aber  eine  ganze  Stufenleiter 
liegt  hier  vor,  welche  nach  Marey  mit  den  (unter  ßch  fchon  ge- 
waltige Verfchiedenheiten  darbietenden)  glatten  Muskeln  beginnt 
und,  durch  unzählige,  vielfach  combinirte  Uebergangsgheder  (rothe 
und  blaffe  quergeftreifte  Muskeln,  Herzmuskulatur,  embryonale 
und  ausgebildete  Muskeln  etc.),  mit  den  erregbarften,  blaffen  quer- 
geftreiften  Skeletmuskeln  der  Vögel  und  den  gelben  Flugmu.skeln 
der  Infecten  abfchließt.  Am  rapideften  erfolgen  die  Zuckungen 
bei  den  quergeftreiften  Flugmuskeln  einiger  Infecten ;  _  wie  große 
Differenzen    aber   auch  hier   bei   verfchiedenen    Thieren   beftehen, 


tJl]  Phyßologie  der  contractileii  Gewebe.  331 

lehrt  b^iftehende,  den  Werken  2Iareij's  entlehnte  Tabelle.  3Iarcij's 
Zahlen  ftimmen  für  FHege  und  Hummel  überrafchend  gut  zu 
denen,  welche  H.  Landois  (vgl.  S.  336)  aus  der  Tonhöhe  des  Flügel- 
fchlages  berechnet  hat,  entfernen  fich  aber  fehr  weit  von  denen, 
zu  welchen  RoUcH  (vgl.  die  Tabelle)  für  die  ganz  andersartig  ge- 
bauten und  weit  langfamer  functionirenden  Beinmuskeln  einiger 
Käfer  gelangt  ift»«). 

Zahl  der  Zuckungen 
von  gelben  Infectenmuskeln  nach  Marcij 

(pro  Secunde):  » 

Stubenfliege 330 

Hummel 240 

Biene        190 

Wefpe 110 

Libelle 28 

Kohlweißling 9. 

Mittelzahlen  für  die  Beinmuskeln  der  Käfer 
nach  IlollcU: 


Käfer 


Stadium 

der  latenten 

Reizung 


Zucknnt 


Auffteigcnder 
Curveutheil 


AbfteiRender 
Curveutheil 


Dytisfiis 
Hy<Irophilus 
Mf'lolon  tha 
[  IIydJ^ 
Dyt, 
r  z       Mel. 

«e    -  ^  —  ■ 

>  t       Mf'i 
"^       llvcir. 


0,017 
0,047 
0,075 

2,84 
4,53 
1.50 


0,112 
0,350 
0,527 

3,18 

4,71 
1,50 


0,055 
0,108 
0,1  KJ 

1,97 
2,10 
1,07 


0,057 
0,242 
0,411 

4,27 
7,24 
1,G9 


Unter  den  (luergcitreiften  Skeletmuskeln  der  Wirbclthiere  ift 
die  Zuckungscurve  Ik-I  den  wintcrfchlafenden  Murmelthieren  und 
Schildkröten     am    gcdchnterten,     und    lio    verkürzt    licli    bei    den 


332  Grundzüge  einer  vergleichenden  [62 

Fröfchen,  Säugethieren,  Fifchen  und  Vögeln  fortfchreitend  mehr 
und  mehr  (Marey).  Nach  Heimholte  dauert  die  Zuckung  eines 
frifchen  Frofchmuskels  bis  0,2  sec,  nach  Marey's  Curven  diejenige 
eines  unermüdeten  Muskels  am  getödteten  Kaninchen  etwa  0,078 
sec;  weit  länger  ift  der  Zuckungsverlauf  bei  den  Herzen  der 
Säugethiere  (0,3- — 1,0  sec.)  und  den  Schirmmuskeln  der  Medufen 
(Romanes).  Ferner  ift  anzuführen,  daß  nach  Soltmann  lieh  die 
Muskeln  der  Neugebornen  in  einer  ähnlichen  langfamen  Weife  als 
durch  Ermüdung  erfchöpfte  bei  Erwachfenen  contrahiren.  Die 
Contra ctionsdauer  der  blaffen  Muskeln  variirt  fehr;  gewöhnhch 
beträgt  ße  3 — 5  sec.  (Legros  und  Onimus),  beim  Uterus  dehnte 
fie  fich  (während  der  Niederkunft)  auf  106  sec.  aus  (Polaülon). 
Der  Fußmuskel  von  Helix  contrahirt  fich  noch  weit  langfamer, 
und  der  zeitliche  Verlauf  feiner  einzelnen  Zuckungsphafen  ließe 
lieh  nur  ausdrücken,  indem  man  fagen  würde:  das  Latenzitadium 
währe  eine  halbe  Secunde,  das  Anfteigen  der  Contraction  dauere 
eine  halbe  Minute,  und  das  Erfchlaffen  nähme  eine  halbe  Stunde 
in  Anfpruch  (Bicliet).  In  gleicher  Art  verlaufen  die  Erfcheinungen 
an  den  Schließmuskeln  der  Bivalven;  bei  Anodonta  gebraucht 
derfelbe,  um  das  Maximum  der  Contraction  zu  erreichen,  nicht 
weniger  als  10  Secunden  (Fick).  Bernßein  fprach  fchon  feine 
Verwunderung  darüber  aus,  daß  der  gereizte  Schließmuskel  von 
Anodonta  fo  langer  Zeit  bedarf,  um  wieder  zu  erfchlaffen,  und 
erinnert  daran,  daß  das  Schalenöffnen  bei  den  Mufcheln  äußerft 
langfam,  das  Schließen  aber  immer  noch  verhältnißmäßig  fchnell 
gefchieht. 

Für  uns  bleibt  das  Wichtigfte,  daß  in  der  Schnelligkeit  der 
Contraction  quergeftreifter  Muskeln  von  ein  und  demfelben  Thiere 
bedeutende  Differenzen  obwalten.  Mareij  zeigte  das  zuerft  an 
Frofchmuskeln,  wo  die  Zuckungscurve  des  Hyogloffus  fich  viel 
gedehnter  als  die  des  Gaftrocnemius  ausnimmt.  Gleiche  Verfchieden- 
heiten  beobachtete  Banvier  an  den  rothen  und  blaffen  Kaninchen- 


63]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  333 

muskeln.  Kronoclrr  und  Stiding  fanden  die  Banri er' [chen  Beob- 
achtungen an  dem  rothen  musc.  soleus  und  dem  blaflen  musc. 
gastrocnemius  medialis  beftätigt;  nach  ihren  Beftimmungen  beträgt 
die  Zuckungsdauer  des  blaffen  frifchen  Kaninchenmuskels  nahezu 
^/4  Secunde,  die  des  rothen  über  \'2  Secunde,  und  das  Zuckungs- 
maxinium  wird  vom  erften  nach  etwa  ^'25  Secunde,  vom  rothen 
nach  \'io  bis  \'6  Secunde  erreicht.  Hinfichtlich  der  Krebsmuskeln 
hatte  3Iarey  angegeben,  daß  die  Contractionen  von  fehr  ungleicher 
Dauer  und;  «bisweilen  dauern  die  Bewegungen  20 — 30  Secunden, 
zu  anderen  Malen  find  fie  faft  fo  kurz  als  die  des  Frofches».  «Es 
thut  Xoth»,  bemerkte  Marey,  «die  Bedingungen  zu  ergründen, 
welche  die  Erfcheinungen  an  derfelben  Thierart  zu  fo  wechfelvollen 
werden  laffen.»  Diefer  Aufforderung  ift  zuerft  liicJiH  nachgekom- 
men; er  fand  die  Zuckungscurven  der  Schwanz-  und  Scheeren- 
muskulatur  beim  Flußkrebs  fehr  verfchieden,  einerlei  ol)  diefelben 
auf  normalem  Wege  felbftftändig  entftanden  oder  durch  einen 
elektrifchen  Reiz  künftUch  ausgelöft  worden  waren.  Bei  den 
Schwanzmuskeln  war  die  Contraction  ausnehmend  kurz  und  er- 
innerte in  der  Form  fehr  an  die  Zuckungscurve  des  Frofchgaftro- 
cnemius.  Der  Scheerenmuskel  zeichnete  dagegen  eine  weit  ge- 
dehntere Curve  auf,  die  von  der  des  Schwanzmuskels  allemal  ver- 
fchieden war. 

Vor  wenigen  Jahren  hat  Cash  gezeigt,  daß  bei  Schildkröten, 
Fröfchen  und  Kaninchen  verfchiedene  Muskeln  niemals  diefelbe 
myogi-aj)liifche  Curve  geben,  fondern  daß  jeder  Muskel  feine  eigene 
.Muskelcurve  bcfitzt  (f.  umftehende  Tabelle),  an  der  er  zu  erkennen 
ift.  Selbft  durcli  Belaftung  war  der  Charakter  des  Contractions- 
moflus  nicht  zu  verwifchen,  und  l>ozüglich  dci-  Zuckiingscm-vc  des 
weißen  Kaninchenmuskels  (ni.  gastrocnemius  medialis j'Iielltc  lieh 
als  überrafchendes  Refultat  heraus,  «daß  niclit  zu  den  kleinfien 
Belaltungen  die  größten  Zuckungsweillic  gehören,  fondern  daß 
die  Laft  von  100  gr  höher   geholfen  wird  als  von    50  gr,    welche 


334 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[64 


Mittlere  Werthe  der  Contractionsdauer 
verfchiedener  Skeletmuskeln  von  Rana  es- 
c  u  1  e  n  t  a : 

1.  Muse,  hyoglossus 0,205  — 0,3  sec. 

2.  »       rectus  abdominis     .    .0,17  sec. 
gastrocnemius  ....  0,120  sec. 
semimembranosus  und 

gracilis 0,108  sec. 

triceps  femoris    .    .    .  0,104  sec. 


Zuckungsdauer    verfchiede- 
ner Skeletmuskeln  von  T  e  s  t  u  d  o 
europaea: 
1.  Muse,  pectoralis  niaj.  1,8  sec. 


Dauer    einer    Contraction     des    ifolirten 
Frofchherzventrikels : 

bei  0«  C 6,0  sec. 

»  30"  C. 0,5  sec. 

Bei  mittlerer  (Zimmer-)Temperatur  dauert 
eine  Syftole  und  eine  Diaftole  etwa  1—1,5  sec. 


2. 

»  gluteus  (alter)      1,6  sec. 

3. 

»  palmaris    .    .    .1,0  sec. 

4. 

»  gracilis  .    .    .    .1,0  sec. 

5. 

»  biceps  brachii  .  0,9  sec. 

6. 

»  splenius  capitis  0,9  sec. 

7. 

»  triceps  brachii    0,8  sec. 

8. 

»  retrahens  capitis 

et  colli     .    .    .  0,75  sec. 

9. 

»  extensordigit.c.  0,75  sec. 

10. 

»  semimembrano- 

sus et  adductor  0,6  sec. 

11- 

»  omohyoideus  .  0,55  sec. 

Der     Herzpuls      bei      den 

Schildkröten    dauert    etwa    2,5 

bis 

3,2  sec. 

Contractionsdauer  bei  maximalen  Zuckun- 
gen an  den  Skeletmuskeln  des  Kaninchens: 

1.  Muse,  soleus  (roth) etwa  1,0  sec. 

2.  »       gastrocnemius  medialis (weiß)  0,25  sec. 
Dauer  des  Herzpulfes   beim   Kaninchen 

etwa  0,33  sec. 


nur  gleich  Roch  gefördert  wird  wie  Gewichte  von  300  gr.  Erlt 
eine  Lafl  von  500  gr  deprimirt  merklich  das  Zuckungsmaximum. 
Diefes  eigenthümliche  Verhältniß,  welches  an  Beobachtungen  er- 
innert, die  Ficli  an  Mufchelfchließmuskeln,  Heidenhain  (vgl.  S.  346) 
an  Frofchmuskeln  gemacht  hat,  entfteht  dadurch,  daß  bei  einer 
gewiffen  Dehnung  Muskelbündel  in  Wirkfamkeit  treten,  welche  bei 
minderem  Gewichte  fchlaff  bleiben,  und  daß  ein  Theil  der  Laß,' 
welche  vorher  als  Ueberlaftung  wirkte,  fomit  zur  Belaflung  wird. 
—  Der  dünne  rothe  musc.  soleus  wird  fchon  von  geringer  Ver- 
mehrung feiner  Belaftung  in  feiner  Contraction  fehr  gehindert. 

Cash's  Beobachtungen^^)  dürften  zum  Theil  darin  ihre  Erklä- 
rung finden,  daß  die  meiften  Muskeln  Gemifche  verfchiedenartiger 
Fafergattungen  darftellen  (Griäsner),  von  denen  die  einen  den 
blaffen,     die    anderen    den    rothen    Muskeln   analog    functioniren; 


65]  Phyßologie  der  contraotilen  Gewebe.  335 

erfteren  entrprechen  im  Allgemeinen  die  Beuger  (fowie  die  Öffner 
der  Krebsfeheere  und  die  Verengerer  der  Stimmritze),  letzteren 
die  Strecker  {(ovrie  die  Schließer  der  Krebsfeheere  und  die  Erwei- 
terer der  Stimmritze).  Wir  haben  (S.  327)  bereits  erfahren,  daß  die 
Beuger  weit  mehr  den  zerflörenden  Einflüflen  (der  Gifte,  der  Paralyfe 
bei  Ueberanftrengung  [Fifcher  und  Lüche]  oder  nach  Nervendurch- 
fchneidung)  ausgefetzt  und  als  die  Strecker,  und  weitere  Unter- 
fchiede  beftehen  zwifchen  beiden  Claflen  auch  noch  darin,  daß 
die  Beuger  (direct  wie  indirect)  leichter  erregbar  ßnd  und  ßch 
fchneller  zufammen  ziehen  als  die  resiftenteren  Strecker,  dafür  aber 
auch  fchneller  als  diefe  ermüden.  Der  Erfte,  w^elcher  in  diefe  Verhält- 
nilfe  einen  Einblick  gewann,  war  zweifellos  Bitter.  Diefer  Forfcher 
hatte  bereits  eine  phyfiologifche  Verfchiedenheit  einzelner  Muskel- 
gruppen behauptet  und  eine  geringere,  bedingte,  endliche  Erreg- 
barkeit (die  der  Beuger)  und  eine  beträchthchere,  unbedingte,  un- 
endhche  (die  der  Strecker)  angenommen.  Seine  Annahme  bewies 
fjiäter  Rollett,  welcher  zeigte,  daß,  wenn  man  den  Hüftnerven 
eines  Frofches  mit  verfchieden  ftarken  elektrifchen  Strömen  erregt, 
die  Beuger  wefentlich  durch  fch wache,  die  Strecker  (Gaflrocncmius) 
dagegen  durch  ftarke  Ströme  gereizt  werden.  Fleifchl  fah  ähnliche 
Erfcheinungen  an  den  Beinen  von  Hydrophilus,  wo  ein  ein- 
maliger electrifcher  Reiz  in  gewilTen  Muskeln  eine  einzige  Contrac- 
tion,  in  anderen  Muskeln  aber  unter  fehr  großer  Verzögerung 
zahlreiche  Contractionen  auslöfle,  und  Luchsingcr  wie  Eichet  fanden 
ein  ähnliches  Verhalten  an  Muskeln  der  Krebsfeheere,  indem 
Reizung  mit  fcliwachen  Strömen  die  Scheeren  öffnete,  diejenigen 
mit  ftarken  dagegen  fie  fchloß.  Für  die  Muskeln  der  Neugeborenen 
hatte  fclioii  frülier  SolfiiKoni  eine  geringere  directe  wie  indirecte 
Erregbarkeit  conftatirt. 

Folgt  einem  Reize  ein  zweiter,  l)evor  der  contrahirte  Muskel 
/••it  zur  P>fclila(fung  finrlet,  Ib  fujijioiiiren  einander  die  Zuckungen 
nacli  den  von  llelmitoltz  gefundenen  Regeln  und  bilden  einen  um 

Krukenberg,  VtTgl.-iihynol.  Vorlrtlge.  21 


336  Grundzüge  einer  vergleichenden  [66 

SO  vollkommeneren  Tetanus,  je  größer  die  Frequenz  der  Erregung 
ift.  Die  zur  Hervorrufung  einer  con  flauten  Zufammenziehung  er- 
forderliche Reizfrequenz  jiiuß  bei  Muskeln  mit  differenter  Zuckungs- 
dauer nothwendig  verfchieden  ausfallen;  folgende  Zahlen  geben 
einen  ungefähren  Begriff,  väe  viele  Reize  in  der  Secunde  nöthig 
lind,  um  eine  tetauifche  Yerfchmelzung  der  Muskelzuckungen 
herbeizuführen. 

Zahl   der  für  das  Zuftandekommen  eines  Tetanus  erforderlichen 
Eeize  (pro   Secunde): 

Fußmuskeln  von  Helix  pomatia  (Richet) 0,001  (incomplet) 

0,03     (complet) 

Schildkröte  (Marey) 3 

Flußkrebs,  Scheerenmuskel  im  AVinter  (Richet) 6 

»  »  im  Sommer       »        20 

»  Schwanzmuskel  ,     »        40 

Hummer,  musc.   extensor  prim.  abdom.  Mihi.   Echv.   (Fre- 
dericci u.   VandevelcleJ zwifchen  10  u.  20 

Frofph,  Hyoglossus  (Marey) 10 

»    ,  Gastrocnemius  » 27 

»    ,         »    ermüdet    »  15 

Neugeborener  Warmblüter  (SoltmannJ 16 

Kaninchenmuskel,  rother  m.  semitendinosus  (EanvierJ  etwa    55 
»  ,  blauer  m.  adductor  magnus  (RanvierJ  über  357 

»  ,  rother  m.  soleus  (Kronecker  u.  Stirling)  .    .      4  (incomplet) 

10  (zieml.  complet) 
»  ,  blalTer  m.  gastrocn.  med.  »       »         »  .    .    20 — 30 

Meerfchweinchen  (Marey) 60 

Vögel  »  10 

Menfchen,  glatte  Muskeln  (Marey) 2 

»        ,  quergeftreifte  Musk.  (Marey) 40 

Flügelmuskeln  von  Infecten  (Landois;  vgl.  auch  3Iarey  S.  331) 

Stubenfliege      über  352 

Mooshummel  (Bombus  muscorum) über  220 

Honigbiene über  440. 

Die  fehr  auffallenden  Unterfchiede  in  den  Angaben  bezüglich  der  Kanin- 
chenmuskeln beruhen,  wie  Kronecker  und  Stirling  vermuthen,  möglicherweife 
in  gewiJTen  Mängeln  der  Verfuche  Banvier's.  Indeffen  find,  wie  L.  Hermann^-) 
bemerkt,  die  entfprechenden  Zahlen  für  Infectenmuskeln  zu  beachten. 


67]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  337 

Der  Ventrikel  des  Frofehlierzens  iü  in  keinen  wii-klichen  Tetanus  zu 
verfetzen  (Kroneclcer),  und  ebenfo  foll  üch  der  Schirmmuskel  der  Medufen 
(Sarsia)  verhalten  (Romanes). 

Den  tabellarifch  zufammengeftellten  Befunden  fei  noch  hinzu- 
gefügt, daß  Ixolhtt  lieh  an  den  Beinmuskehi  von  Hydrophilus, 
Melolontha  und  Dytiscus  ebenfalls  überzeugen  konnte,  daß  die 
Muskeln  mit  gedehnter  Zuckungscurve  fchon  wenige  Einzelzuck- 
ungen  in  der  Secunde  zu  einem  vollkommenen  Tetanus  zufammen- 
fetzen,  während  die  rafch  zuckenden  Muskeln  dies  erft  bei  höherer 
Reizfrequenz  thun ;  auch  die  Form  der  vollkommenen  Tetanuscurve 
erwies  fich  für  beide  Muskelarten   als  charakteriftifch  verfchieden. 

Nach  den  Unterfuchungen  von  Eichet  beflehen  zwifchen  ver- 
fchiedenen  Muskeln  auch  fehr  bemerkenswerthe  Differenzen  in  der 
Dauer  des  Tetanus.  Bichct  beobachtete,  daß  an  den  Schwanzmuskeln 
des  Flußkrebfes,  wenn  ße  in  einen  phyßologifchcn  Tetanus  ge- 
ratlien,  fchon  nach  50  Zuckungen  der  Contractionszuftand  abnimmt; 
die  Muskulatur  erlahmt  und  ifl  nach  weniger  als  einer  Minute 
nicht  mehr  reizbar.  Ganz  anders  verhielt  fich  der  Scheerenmuskel. 
Hatte  diefer  nicht  fogleich  das  Maximum  der  Contraction  erreicht, 
fo  zog  er  fich  Ijei  gleich])leibcnder  Reizftärke  noch  länger  als  eine 
Minute  mehr  und  mehr  zufammen;  fein  Tetanus  blieb  fi^^ändig  im 
Anfteigen  begriffen.  ^Vie  bei  zeit  weifer  Unterbrechung  der  Strom- 
zufuhr leicht  feftzuflellen  ift,  läßt  fich  an  den  Scheeremnuskeln 
der  Tetanus  durch  elcctrifchc  Reize  (2  pro  sec.)  10  bis  12  Minuten 
hindurcli  unterhalten;  nach  fo  langer  Reizung  erfchlafft  aber  der 
Muskel  nicht  wieder,  fondern  bleibt  durch  eintretende  Starre  im 
Contractionszuflande  fixirt.  «Es  l)eft('ht  hier»,  lagt  Jlivhct,  «ein 
interelfanter  Caufalncxus  zwifchen  der  Leift;ungsfähigkeit  der  Mus- 
keln und  ihrer  phyIi(jlogil'chen  Beftiininung.  Der  Schwanz  des 
Krebfcs  bedarf  keines  andauernden  Tetaiuis,  denn  feine  Function 
befteht  darin,  rafch  zufannnenzufchlagen  und  fich  fcjfort  wieder  zu 
ftrecken;    aber  der  vornehmlich  zum   Greifen    dienende  Schccrcn- 


338  Grundzüge  einer  vergleichenden  [68 

muskel    kann    des    Vermögens   nicht    entbehren,    ohne    Unterlaß 
längere  Zeit  tetanifirt  zu  bleiben.  »^^) 

Im  Anfchluß  an  diefe  Beobachtungen  beJftimmte  Eichet  die 
Dauer  des  Tetanus  an  frei  präparirten  Muskeln  verfchiedener  Thiere 
und  erhielt  dabei  folgende  allgemeinen  Werthe: 

Erlöfchen  des  Tetanus: 
Schwanzmuskulatur  des  Flußkrebfes     in     1  Minute. 
Frofchgaflrocnemius  (im  Sommer)     .     »12  Minuten. 

Schildkrötenmuskel »40         » 

Muskel  vom  Hund     ...'...»     5         » 
Fußmuskel  der  Weinbergsfchnecke  .     »     1  Stunde. 
Scheerenmuskel  des  Flußkrebfes       .     »   l^'2  Stunden. 

Als  keine  vergleichend -phyfiologifche  Ausblicke  zur  Zeit  ge- 
während, übergehen  wir  die  einzelnen  Arten,  welche  von  tetanifchen 
Contractionen  unterfchieden  ßnd,  erwähnen  im  Vorübergehen,  daß 
anhaltende  Muskelcontracturen  nach  einmaliger  Reizung  {Schiffs 
idiomusculäre  Zuckungen  oder  auch  Myooedeme  genannt)  bei  Wirbel- 
lofen (z.  B.  bei  Medufen,  am  Mantel  des  Octopus  von  Freclericq, 
am  Fußmuskel  der  Weinbergsfchnecke  von  Eichet  fowie  am  Herzen 
derfelben  von  Biedermann  beobachtet)  etwas  völlig  Normales  lind, 
bei  den  Säugethieren  aber  nur  Abfterbephänomene  zu  fein  fcheinen, 
und  wenden  uns  fofort  zu  den  Fortpflanzungserfcheinungen  der 
Contractionen  längs  der  Muskelfafer. 

Höchft  wahrfcheinhch  befitzen  die  verfcliiedenen  Muskeln  des- 
felben  Thieres  eine  ebenfo  verfchiedene  Leitungsgefch windigkeit 
als  ihre  Zuckungsdauer  verfchieden  ift;  denn  die  unten  (von  L. 
Hermann)  zufammengeffcellten  Werthe  lehren,  « daß  die  Leitungs- 
gefchwindigkeit  ähnhche  Unterfchiede  zeigt  wie  die  Dauer  des 
Zuckungsvorgangs.  Im  quergeftreiften Warmblütermuskel  am  größten, 
linkt  lie  beim  Kaltblüter,  und  ift  bei  der  Schildkröte  kleiner  als 
beim  Frofch.     Am  Herzen  ift  lie  bedeutend  kleiner  als  an  anderen 


69] 


Phvßologie  der  contractilen  Gewebe. 


339 


quergeftreiften  Muskeln,    und   bildet   hier   den  Uebergang   zu   der 
fahr  langfara  leitenden  glatten  Muskulatur»  (L.  Herniami/^). 


.1 

1        Gefchwindigkeit,  gemeflen.an  der 

Object 

Beobachter 

Contractions- 
welle 

Erregungs-  |     negativen 
welle       1        Phnfe 

^lenfchlioher     Muskel 

Hermann 

im  lebenden  Körper  |           — 

—            10— 13  m. 

Hunde-  u.  Kaninchen- 

Bern/lein u.  Steiner 

muskel  ausgofchnitten  j           — 

3,6  m. 

2  — 6  m. 

Frofchmuskel     ausge- 

Aehij,  V.  Bezold,  En- 

fchnitten  um  1  —  1,2  in. 

1  — 1,2  m. 

— 

gelmann,  Place  u.  A. 

»            — 

j 

3— .5  m. 

— 

Bernnein,  Valentin, 
Hermann 

— 

3  m. 

Bernßein 

.Schildkrötenmuskel        | 

Aehy 

ausgefchnitten   ... 

0,-57  m. 

-                  — 

■    ■    ■   ! 

— 

1,8  m.    i         — 

Hermann 

Herzmuskel      .    .    .    .  ; 

>  0,1  m. 

~                 ~ 

Marclumd 

»           ' 

0,01— 0,03  m. 

bis  0,049  m. 

Engelmann 

Ureter 0,025  m. 

— 

— 

Engelmami 

Medufenfchirm    ...           0,-5  m. 

i 

Bomaties 

Gleich    allen    übrigen    lebenden    Geweben    befitzt    auch    der  Allgemeine 

Mnt;Wpl    TrritaViilifät. 

lind     hpnnt 

n'rirtft    fl  1 

p    ihn    dir 

Jureg- 
ppf    nrlor    inrlirppt.     l'^irkeil. 

(durch  "N'ermittlung  von  Nerven  und  Ganglien)  treffenden  Reize 
durch  Contractionen.  Diefes  Vermögen  erhält  lieh  nach  dem  Tode 
des  Thieres  oder  nach  Lostrennung  aus  dem  natürlichen  Verbände 
an  verfcliiedenen  Muskeln  ungleich  lange;  gewöhnlich  veiTchwindet 
es  (in  Folge  der  Begünfligung  der  die  Gewebe  deftruirenden  che- 
mifchen  Zerfetzungsprocelle)  bei  höherer  Temperatur  rafclier  als 
bei  niedriger.  Wie  die  Verfuche  von  Anderfon'*^)  am  Kaiiinclicn- 
herzcn  in  Co  (chlagender  Weife  gelehrt  haben,  ift  bei  Säugethier- 
muskeln  die  Erhaltung  der  IrritabiHtät  wcfenthch  an  eine  normaie 
Durchlüftung  der  Gewebe  geknüpft,  weit  miichligcr  noch  erwcifl 
lieh  dabei  aber  der  chemifche  und  anatomifcho  Bau  der  Mu.skeln 


340  Grundzüge  einer  vergleichenden  [70 

felbft.  Denn  nur  fo  ift  es  erklärbar,  daß  die  Skeletmuskeln  der 
meiften  Fifche  (vielleicht  mit  alleiniger  Ausnahme  mehrerer  Murae- 
niden,  deren  Muskeln  bei  20  "^  C.  noch  18  Stunden  nach  dem 
Tode  reizbar  gefunden  wurden  [RichetJ),  obgleich  diefe  doch  auch 
zu  den  Kaltblütern  gehören,  außerordentlich  bald  ihre  Reizbarkeit 
einbüßen,  daß  bei  den  Wirbelthieren  Theile  des  Herzmuskels 
(ultimum  moriens  Halleri)  gewöhnlich  länger  irritabel  bleiben  als 
die  Skeletmuskeln,  und  daß  der  Schwanzmuskel  des  Flußkrebfes 
felblt  im  Winter  nicht  länger  als  2  Tage,  im  Sommer  aber  nur 
2  oder  3  Stunden  reizbar  bleibt,  während  der  Scheerenmuskel  den 
Tod  des  Thieres  im  Sommer  noch  um  12  oder  15  Stunden,  im 
Winter  aber  um  5  Tage  überlebt  (Richet). 

Auch  der  Grad  der  Erregbarkeit  kann  für  Muskeln  verfchie- 
dener  Thiere  wie  für  verfchiedene  Fafergattungen  eines  Indivi- 
duums (vgl.  S.  335)  ein  fehr  ungleicher  fein.  Bei  Anwendung  eines 
du  -Bo«'s'fchen  Schhttenapparates  fah  z.  B.  Richet  an  den  Scheeren- 
muskeln  des  Krebfes  Zuckungen  eintreten,  wenn  die  Inductions- 
rolle  11  cm  von  der  Hauptrolle  entfernt  ftand;  Frofchmuskeln 
zuckten  fchon  bei  einem  Abftande  von  22  cm,  der  Fußmuskel  von 
Helix  aber  erfl  bei  einem  Abftande  von  2  cm. 

Vielen  fundamentalen  Eigenthümlichkeiten,  welche  fich  bei 
electrifcher  Erregung  von  Wirbelthiermuskeln  herausgeftellt  haben, 
ift  man  fowohl  an  den  glatten  Muskeln  von  Wirbelthieren,  als 
auch  an  den  quergeftreiften  der  Krebfe  fpäter  wieder  begegnet. 
So  beftätigten  z.  B.  fämmtliche  Erfahrungen  den  Satz,  daß  im 
Allgemeinen  die  Oeffnung  eines  Kettenftromes  für  irritable  Gebilde 
einen  fchwächeren  Reiz  darftellt  als  die  Schließung.  Nur  die  | 
durch  ihre  hiftiologifche  Structur  (vgl.  S.  360)  fchon  an  fich  fo 
merkwürdigen  graugelben,  glafigen  Schließmuskelfafern  der  Bivalven 
fchienen  eine  Ausnahme  zu  machen.  Für  den  gelben  Antheil  am 
vorderften  Abfchnitte  des  hintern  Schließmuskels  der  Anodonta 
wies  erfl  Biedermann  ^^)  nach,  daß  die  normwidrigen  Abweichungen 


71]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  341 

(Contraction  auslchließlicli  bei  Oeffuung  eines  genügend  Harken 
Stromes,  nicht  bei  Schließung  desfelben;  Unfähigkeit  in  Tetanus 
verfetzt  zu  werden),  welche  an  diefen  Muskelbündeln  beobachtet 
waren,  nur  auf  einem  fchwer  zu  befeitigenden  Tonus  derfelben 
beruhen,  und  daß,  wenn  man  ^nrkhch  erfchlaffte  Muskeln  zu  den 
Verfuchen  verwendet,  ausnahmslos  auch  eine  Schließungscontraction 
erfolgt,  während  die  Reaction  bei  der  Oeffnung  entweder  ganz 
fehlt  oder  nur  angedeutet  erfcheint  und  lieh  lediglich  durch  die 
Verzögerung  der  Wiedererfchlaffung  des  Muskels  verräth. 

Nimmt  der  Schließmuskel  der  Bivalven  durch  die  Erfcheinung 
der  Dauercontraction,  welche  fowohl  bei  Schließung  wie  bei  Oeff- 
nung eines  Stromes  fich  einftellt,  immerhin  eine  Sonderftellung 
der  quergeltreiften  und  glatten  Muskulatur  der  Wü'belthiere  gegen- 
über ein,  ähnelt  er  auch  letzteren  durch  die  eigenthümliche  Träg- 
heit der  Reaction  mehr  als  den  erfteren,  fo  Itimmt  derfelbe  im 
Zuftande  möglichfler  Erfchlaffung  hinlichtlich  feines  Verhaltens 
bei  electrifcher  Reizung  doch  in  allen  wefentlichen  Punkten  am 
heften  mit  den  quergeftreiften  Skeletmuskeln  der  Wirbelthiere 
überein.  Ganz  Avie  bei  einem  monomeren  quergeftreiften  Muskel 
löft  an  ihm  ein  electrifcher  Strom  weder  Schließungs-  noch  Oefif- 
nungserregung  aus  oder  wü'kt  wenigftens  viel  fchwächer  erregend, 
fobald  der  Aus-  refp.  Eintritt  desfelben  durch  eine  Schicht  abge- 
ftorbener  contractiler  Subftanz  erfolgt,  und  ganz  wie  bei  einem 
monomeren  f^uergeftrciften  Muskel  geht  auch  hier  die  Erregung 
von  dem  Orte  aus,  wo  der  Strom  aus  der  lebendigen  Muskelfub- 
ftanz  aus,  bezielmngs weife  in  diefelbe  eintritt.  Während  aber 
z.  B.  am  Frofchfartorius  bei  normalen  Erregungsverhältnilleu  im 
AugenbHck  der  SchUeßung  wie  auch  bei  Oeffnung  des  Stromes 
(falls  diefe  als  Reiz  wirkt)  eine  Contractionswelle  fich  von  der 
Kathode  refp.  Anode  aus  mit  großer  Gefcliwindigkeit  (hu'ch  die 
ganze  Länge  des  Muskels  fortpflanzt  und  zur  Entftehung  einer  zu 
beiden  Seiten  der  fixirten  Mitte  annähernd  gleich  ftarken  Schließungs- 


342  Grundzüge  einer  vergleichenden  [72 

oder  Oeffnungszuckung  führt,  fehen  wir  (ähnlich  dem  Verhalten 
wenig  erregbarer,  erfchöpfter  Sartoriuspräparate )  an  dem  Mufchel- 
muskel  in  der  Regel  nur  eine  mehr  oder  minder  befchränkte,  ört- 
hche  Dauercontraction  auftreten,  ganz  entfprechend  der  Schließungs- 
und Oeffnungsdauercontraction  quergeffcreifter  Muskeln.  Aber  auch 
.  darin  belteht  noch  ein  Unterfchied  zwifchen  dem  Schließmuskel 
und  den  monomeren  Skeletmuskeln  der  Wirbelthiere,  daß  die  nach 
einfeitiger  Verletzung  letzterer  bewirkte  Herabfetzung  der  Erreg- 
barkeit für  Schließung  atterminaler  und  Oeffnung  abterminaler 
.  Ströme  bis  zum  völligen  Abfterben  des  Muskels  keine  erhebliche 
Veränderung  erkennen  läßt,  während  bei  dem  Mufchelmuskel  der 
anfangs  höchft  auffallende  Unterfchied  der  Wirkungsweife  beider 
Stromesrichtungen  fich  allmählig  (gewöhnlich  in  2  bis  3  Stunden) 
ausgleicht  und  fchheßlich  unmerklich  wird. 
Eiafficität.  Von  den  Elaflicitätskräften^'^)  ift  für  die  vergleichende  Muskel- 

phyfiologie  gegenwärtig  nur  die  Zugelafticität  belangreich;  die 
Compreflibilität  der  Muskeln  wurde  noch  nicht  geprüft  und  auch 
die  Unterfuchungen  über  Zugelafticität  blieben  ziemHch  ausfchließ- 
lich  auf  ausgefchnittene  Frofchmuskeln  in  der  Faferrichtung  be- 
fchränkt.  Die  eigenthümliche  Schwächung  des  Exten fibilitäts Ver- 
mögens, welche  der  Herzmuskel  der  Wirbelthiere  durch  Digitalin 
erfährt,  ftellt  zwar  den  Elafticitätsbeftimmungen  an  verfchieden 
functionirenden  Muskeln  von  differentem  hiftiologifchen  und  che- 
mifchen  Gefüge  werthvoUe  AuffchlüITe  über  die  fpecififchen  Unter- 
fchiede  der  einzelnen  contractilen  Fafergattungen  in  Ausficht. 
Uebrigens  verändert  fich  aber  der  Dehnungscoefficient  eines  Mus- 
kels in  Folge  der  fortwährenden  chemifchen  Veränderungen  faJft 
jeden  Augenbhck;  derfelbe  ift  keineswegs  eine  fo  conftant  bleibende 
Größe,  wie  Banvier  glaubte,  und  ganz  befonders  fchwierig  an  fol- 
chen  Muskeln  zu  beftimmen,  die  durch  ganglionäre  EinflüITe  noch 
lange  nach  dem  Tode  tonifch  erregt  bleiben  und  deshalb  auch 
die  fog.  elaftifche  Nachwirkung  in  exquifitem    Maaße  zeigen.     So 


r3] 


Phvfiologie  der  contractilen  Gewebe. 


343 


fand  z.  B.  FicTi  für  den  gefammten  hinteren  Schließmuskel  von 
Anodonta  folgende  Abnahmen  der  elaftifchen  Kräfte,  bei  welchen 
jedoch  weder  die  Zufammenfetzung  des  Muskels  aus  zwei  contrac- 
tilen Fafergattungen,  noch  der  Nachlaß  eines  anfangs  vorhandenen 
Tonus  mitberückfichtigt  wurde: 


Be- 
ladung 

Zeit 

stand 

des 

Zeigers 

Belaftung 

Zeit 

Stand 

des 
Zeigers 

Verfuchsreihe 

I: 

1,"  gr. 

11h.  45,5' 
»      46,5' 
»      49' 

4h.  7'  ]).  m. 
»  19' 

32 

IJ  gr. 

llh.l2'a.ni. 
»     17' 
»      19' 
»     23' 
»     27,5' 
»     31' 
»     33' 
»     37' 
»     40,5' 
»     43' 

55,6 
53,5 
52,3 
52,1 
51,8 
51,6 
51,5 
51,5 
33,2 
32,5 

40,8 
42,4 
46,7 

48,5 

N'erfuchsreihe  II  (mit  der  vorigen 
nicht  genau  vergleichbar): 

2.5  gr. 

1,0  gr. 

50,0  gr. 

1,0  gr. 

0' 
1' 
2' 
3' 

37 
19,5 
29,5 
29,5 

NB.  Jeder  Theilftrich  der  Skala  entfpricht  etwa  \V,  mm.  Muskellänge, 
und  in  der  erften  Verfuchsreihe  maß  beim  Stande  des  Zeigers  bei  32  die 
längfte  Muskelfafer  11  mm. 

Die  Scheerenmuskulatur  der  Krebfe  weicht  von  den  Skelet- 
muskeln  der  Wirljelthiere  fehr  bemerkenswerth  darin  ab,  daß  wäh- 
rend letztere  bei  Reizung  aus  dem  Erfchlaffungszuftande  unmittel- 
bar ins  Zuckungsmaximum  übergehen,  an  den  Scheerenmuskeln 
durch  variirend  ftarke  Ströme  leicht  fämmtliche  Uebergänge  in  den 
Contractionen  liervorgerufen  werden  können.  Mit  diefer,  von  mii- 
bereits  1877  gefundenen,  von  liichct^^)  ausdrücklich  hervorgehobenen 
Eigenthümhchkeit  des  Krebsfcheerenmuskels  wird  es  jedenfalls  auch 
in  irgendwelcher  Beziehung  flehen,  wenn  die  Zuckungscurven  des 
Scheerenmuskels  bei  ungleicbcr  Belaftung  desfelben  nicht  nur  iu 
ihrer  Höhe,  fondern  aiub  in  ilncr  Form  fehr  vcrfchiedenartig  aus- 
fallen, während  bei  FnWchniuskcln   '<die  Form  der  Ciu'vc  in  weiten 


344 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


[74 


Grenzen  ganz  unabhängig  von  der  Spannung  ift»  (Fiele).  Für  die 
nicht  tonifch  erregten  Skeletmuskeln  des  Menfchen  und  des  Frofches 
beftätigten  fafl  alle  fpäteren  Unterfucher  das  von  Wertheim  for- 
mulirte  und  für  die  feuchten  thierifchen  Gewebe  allgemein  gültige 
Gefetz,  demgemäß  fich  die  Verlängerung  nicht  einfach  proportional 
den  Belaltungen  verhält,  fondern  nach  der  Formel:  y^  =  ax^  -j- 
bx  (wo  y  =  Dehnung,  x  =  Belaftung  ift  und  a  wie  b  Con- 
flanten  bedeuten)  erfolgt;  diefe  Gleichung  ift  die  einer  Hyperbel,, 
ihre  Afymptote  erffc  würde  dem  Dehnungsgefetz  unorganifcher 
Körper  entfprechen. 

Die  Verfuche   und    zufammenfafTenden    Arbeiten    von   Felix 
Plateau  haben  ergeben,    daß  die   verkürzende  Kraft   der  Muskeln 

Abfolute  Muskelkraft,  in  Grammen  ausgedrückt  und  reducirt  auf 
ein  [Jctm.  Mnskelquerfchnitt. 


Wirbel  thiermuskeln 


ScMießmiiskeln  von  Bivalven 
(Plateau) 


Scheerenrchließer  von  Krabben 
(Plateau)     - 


Menfßh: 
Wadenmuskeln    (Koster) 

y,000- 10,000 
Fiißflrecker   (Henke   und 

KnorsJ   5,900 
ünterfchenkelbeuger 

(HawjUon)  7,780 
Armbeuger  (id.)  6,670 

»     rechts  (Henke  uxiä 
Knorz)  8,991 

»     links  (id.)  7,380 

»     Mittel  (id.)  8,178 

»     rechts     und    links 

(Koüer)  7,400. 

Fr of ch : 
Muskel  tetaniürt  (Bofen- 
thal)  2800—3000 
»     zuckend  (Hermann) 
400. 


Venus  verrucosa  12,431 
Pectunculus  gly- 

cimeris  10,152 

Mytilus  edulis  7,984 
Ostrea  hippopus  6,365 
Tapes  decussatus  6,106 
Ostrea  edulis  5,867 

Pecten  maximus  3,786 
Tellina  solidula  3,667 
Donax  anatinus  3,651 
Cardium  edule  2,856 
Solen  ensis  1,953 

Mya  arenaria  1,178 

Mactra     stulto- 

rum  958 

Anodonta    cyg- 

nea  702,6 

Pecten   opercu- 

laris  530 


Carduus    maenas    von 

Roseoff    (linke    Scheere) 

1,336,7 
Carcinus  maenas  v.  Olt- 

ende  (ead.)  1,182 
Platycarc.pagurus(ead.) 

1,026 
Carc.  maenas  v.  Oftende 

(rechte  Scheere)  961,6 
Carc.  maenas  v.  Eoscoff 

(ead.)  858 
Platycarc.  pagurus(ead.) 

688,9 


75]  Phyüologie  der  contractUen  Gewebe.  345 

bei  verfchiedenen  Thieren  erhebliche  Abweichungen  darbietet,  daß 
die  abfohlte  Muskelkraft*^^),  welche  uns  bei  einer  verglcichend- 
phyliologifchen  Betrachtung  der  contractilen  Gewebe  vorwiegend 
interefliren  muß,  bei  den  Brachiuren  relativ  fchwach,  größer  beim 
Frofche,  noch  bedeutender  beim  Menfchen  ift,  und  daß  die  Schalen- 
fchlicßer  der  Bivalven  —  wahrfcheinlich  weil  lie,  was  von  Flateau 
leider  nicht  beachtet  wurde,  meift  aus  zwei  ganz  differenten  Fafer- 
gattungen  beltehen  —  lieh  fehr  verfchiedenartig  verhalten  (vgl. 
beiftehende  Copie  der  von  Plateau  verfaßten  Ueberfichtstabelle). 

Als  «abfolute  Muskelkraft»  bezeichnete  bekannthch  -E'f^'<f»'f^Mi£kraft 
Wrhrr  das  Gewicht,  welches  an  den  Muskel  gehängt  genau  aus-  Hu'iVhöhe. 
reicht  feine  Verkürzung  zu  verhindern.  Diefe  äußerfte  Grenze  der 
Muskelenergie  ift  unabhängig  von  der  Länge  der  contractilen  Fafcrn, 
fie  wächft  dagegen  proportional  deren  phyüologifchem  Qucrfchnitt. 
Um  die  Beftimmungen  vergleichbar  werden  zu  laffen,  mußten  die- 
felben  daher  auf  eine  Querfchnittseinheit  reducirt  werden,  und  als 
folche  wurde- bei  den  in  der  Tabelle  mitgetheilten  Refultaten  ein 
(^uadratcentimeter  angenommen. 

Wird  das  von  einem  Muskel  gehobene  Gewicht  («Belaftung») 
mit  der  Höhe,  auf  welche  es  gehoben  wurde  («Hubhöhe»),  multi- 
j.Ucirt,  fo  erhält  man  die  von  dem  Muskel  «geleiftete  Arbeit». 
Diefes  Product  wird  durch  mannigfache  Umftände  beeinflußt  (Dicke, 
Länge,  Ermüdung  der  Muskeln,  Reizftärkc  etc.),  und  es  ift  wenig 
Auslieht  vorhanden,  daß  licli  durch  umfaflendere  Beftinnnungen 
der  geleifteten  Muskelarbeit  Kefultate  von  größerem  vergleichend- 
pliyli<jlogifchen  Interelle  ergeben  werden.  Um  ein  Beifpiel  dafür 
zu  liefern,  wie  fehr  die  geleiftete  Arbeit  bei  verfchiedenen  liciz- 
ftärken  fcliwankt  und  wie  ähnlich  liinwiederuni  di(^  Zahlen  hei 
den  verfchiedenailigften  Mu.skeln  ausfallen  können,  lalle  idi  drei 
Tabellen  folgen,  von  welchen  lieh  die  erfte  auf  neuere  Verfuelie  von 
Itofmthal  an  Frofclimuskeln  bezieht,  die  zweite  und  drille  di(^  ße- 
flimmungen  Rkhd'a  an  Muskeln  zweier  Flußkreblr  /ulaniinenfaireii. 


346 


Grund  Züge  einer  vergleichenden 


[76 


I.    B,ofenthal'^  Verfiichsreihe  am  rrofclumuskel : 


Gewicht  .... 
Hubhöhe  .  .  . 
Geleiflete  Arbeit 


10 

20 

40 

60 

80 

100 

120 

150 

24 

26,5 

24 

20 

17,25 

26,5 

19 

21 

240 

530 

960 

1200 

1380 

2650 

2280 

1800 

II.    Richet's  Verfuclisi*eihe  am  erften  Krebsmuskel ; 


180 

9,5 

1710 


Gewicht 


Abftand  dei   Inductionsrollen  in  Centimetern 


Geleiftete  Arbeit 


2  gr. 

10    » 

20   » 

50   » 

100   » 

150   » 


6,8 

14 

16 

16 

16 

16 

16 

18 

60 

80 

80 

80 

80 

80 

18 

76 

116 

136 

140 

140 

140 

0 

40 

135 

165 

175 

185 

200 

0 

0 

20 

110 

140 

130 

180 

0 

0 

0 

0 

15 

75 

90 

16 

80 

140 

170 

190 

90 


III.   MicJiet's,  Yerfuchsreihe  am  zweiten  Krebsmuskel: 


Gewicht 


Abfland  der  Inductionsrollen  in  Centimetern 


10 


Geleiftete  Arbeit 


2  gr. 

10    » 

20    » 

50    » 

100    » 

150    » 


0,4 

0,8 

4 

9 

19 

19 

19 

19 

19 

19 

0 

5 

15 

38 

95 

95 

95 

95 

95 

95 

0 

0 

28 

76 

120 

190 

190 

190 

190 

190 

0 

0 

45 

195 

295 

475 

475 

475 

475 

475 

0 

0 

0 

60 

240 

310 

360 

420 

430 

430 

0 

0 

0 

0 

0 

255 

240 

360 

360 

390 

19 

95 

190 

475 

? 

365 


Electrische 
Erregbar- 
keit, 


Die  von  Fick  zuerft  am  Schließmuskel  von  Anodonta,  fpäter 
aber  auch  an  tetanifirten  Frofchmuskeln  beobachtete  Erfcheinung, 
daß  größere  Laften  höher  gehoben  werden  als  kleinere,  erklärt  lieh 
nach  Heidenhain  aus  einer  durch  die  größere  Kürze  und  Dicke  des 
thätigen  Muskels  bedingten  Elafticitätsabnahme  (vgl.  S.  334). 

Wie  vorauszufehen  war,  fanden  Fredericq  und  Vandevelde  du 
Bois'  Gefetz  des  Muskelftromes    auch   für   die  Streckmuskeln  des 


77]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  347 

Hummerabdomens  beflätigt.  Sie  beobachteten  die  größte  poßtive 
Spannung  am  Aequator,  die  größte  negative  in  der  Mitte  des 
Muskelquerfchnitts ;  bei  Verbindung  der  beiden  Querfchnitte  oder 
zweier,  vom  Aequator  gleich  weit  entfernter  Stellen  erhielten  ße 
keinen  Strom,  wohl  aber,  wenn  die  Längsfeiten  mit  einem  Punkte 
des  Querfchnitts  oder  mit  zwei  vom  Aequator  ungleich  entfernten 
Punkten  verbunden  wurden.  Bei  Prüfung  des  Ruheftromes  am 
Schheßmuskel  von  Anodonta  war  Fiele  (18G3)  zu  dem  gleichen 
Refultate  gelangt.  Er  fah,  daß  der  natürliche  und  künitliche 
Längsfchnitt  fich  zum  künftlichen  Querfchnitt  pofitiv  verhielt,  doch 
fehlen  ihm  die  electromotorifche  Wirkfamkeit  des  Mufchelmuskels 
ftets  beträchthch  kleiner  als  die  Wirkfamkeit  des  Frofchrauskels. 
Biedermann  lehrte,  daß  die  electromotorifche  Kraft  des  Schließ- 
muskels von  Anodonta  relativ  rafch  abnimmt,  wennfchon  nicht 
fo  fchnell  als  die  des  Frofchherzens  nach  Engel inann,  und  findet 
für  diefe  Erfcheinung  eine  Erklärung  darin,  daß  ebcnfo  wie  bei 
den  glatten  Muskelfafern  der  Wirbelthiere,  der  währeiid  des  Lebens 
beflehende  leitende  Verband  an  den  freigelegten  Stellen  weit  früher 
als  bei  den  quergeftreiften  Muskeln  gelockert  wird,  wie  denn 
auch  der  Schließmuskel  durch  feine  im  Allgemeinen  geringere 
electromotorifche  Wirkfamkeit  fich  dem  Herzmuskel  und  der 
glatten  Muskulatur  der  Wirbelthiere  anfchließt. 

Wir  wiffen,  daß  der  Muskelftrom  während  der  Contraction 
fchwächer  wird  und  daß  man  diefe  Erfcheinung  als  «negative 
Sclnvankung  des  Muskelllromes»  bezeichnet  hat;  auch  diefe  nega- 
tive Stromlcliwankung  ifl,  wie  man  wohl  annehmen  darf,  mit  jedem 
Contractionsvorgange  unaljänderlich  verknüi)ft,  doch  ihr  Nacliweis 
niclit  fckcn  mit  außerordentlichen  Schwierigkeiten  verbunden,  und 
war  desball)  aucli  FIrk  am  Schließmuskel  von  Anodonta  nicht 
geglückt.  Fick  meinte  fogar,  "daß  man  lieh  darauf  gefaßt  zu 
machen  habe,  in  dem  Muftrhehnuskel  ein  irritabeles  Gebilde  ken- 
nen /ii  lernen,  deflen  Zufanunenziehung  ohne  Verminderung  feiner 


348  Grundzüge  einer  vergleichenden  [78 

electromotorifclien  Wirkfamkeit  verlaufe»;  an  dem  musc.  extern, 
prim.  abdominis  des  Hummers  haben  aber  Fredericq  und  Van- 
develde  die  negative  Schwankung  des  Muskelftromes  nachweifen 
können. 

Schheßlich  liegen  noch  einige  bemerkenswerthe  Refultate  über 
den  gelben  Faferantheil  des  hinteren  An  odonta- Schließmuskels 
bezüglich  feiner  fecundär  electromotorifclien  Erfcheinungen  nach 
anhaltender  electrifcher  Reizung  von  Biedermann  vor.  Die  Be- 
obachtungen Hering's  am  quergeftreiften  Muskel  der  Wirbelthiere 
hatten  dargethan,  daß  die  unter  Umftänden  äußerft  ftarken  electro- 
motorifchen  Wirkungen,  welche  nach  vorhergehender  kürzerer  oder 
längerer  Durchftrömung  beobachtet  werden,  in  innigfter  Beziehung 
zu  den  Erregungserfcheinungen  flehen,  und  daß  insbefondere  die 
von  d2i  Bois-Beymond  als  «poßtiv»  bezeichneten  gleichgerichteten 
Nachftröme  lediglich  als  der  galvanifche  Ausdruck  der  in  der  Um- 
gebung der  Anode  locahlirten  Oeffnungsdauercontraction  aufzu- 
faffen  ßnd,  ein  Refultat,  zu  welchem  gleichzeitig  auch  Hermann 
gelangte.  Ein  weiteres  Ergebniß  der  Unterfuchungen  Hering's  war 
die  Conftatirung  der  Thatfache,  daß  «eine  innere  Polarifation  des 
Muskels,  im  Sinne  du  Bois-Beymond's» ,  nicht  nachweisbar  ifl, 
weder  eine  pofitive  noch  eine  negative,  indem  « der  wefentliche  Sitz 
der  durch  den  Reizflrom  gefetzten  Veränderungen  nur  diejenigen 
Stellen  der  contractilen  Subftanz  und,  an  welchen  der  Strom  ein- 
oder  austritt».  Biedermann  zeigte  nun,  daß  hinfichtlich  der  ano- 
difchen  Polarifation  des  (im  erfchlafften  Zuftande  zu  den  Verfuchen 
verwendeten)  Mufchelmuskels  eine  ziemhch  weitgehende  Ueberein- 
flimmung  mit  den  entfprechenden  Erfcheinungen  am  quergeftreif- 
ten Frofchmuskel  befteht,  daß  üch  dies  bezüghch  der  durch  Ver- 
änderungen der  kathodifchen  Stellen  des  Schließmuskels  erzeugten 
fecundär-electromotorifchen  Erfcheinungen  aber  wefenthch  anders 
verhält.  Diefelben  find  bei  dem  quergeftreiften  Skeletmuskel  ziem- 
hch einförmig  und  beftehen  nsLch  Hering  im  Wefentlichen  immer 


79]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  340 

Dur  aus  emfinnigen  und  zwar  negativen,  mehr  oder  minder  flarken 
Xachftrömen.  Zwar  fall  Hering  <  bisweilen  an  ganz  frifchen  Mus- 
keln nach  der  erften  Reizung  äußerft  fchwachc  Ausfchläge  des 
Magneten  im  Sinne  einer  poritiven  kathodifchen  Polarifation»,  aber 
diefe  Wirkungen  waren  immer  fo  geringfügig  und  traten  gegen- 
über den  anderen  fo  fehr  in  den  Hintergrund,  daß  von  einer  ge- 
naueren Unterfuchung  derfelben  vorerft  abgefehen  wurde.  Nach 
Biedermann  find  es  gerade  chefe  pofitiv  kathodifchen  Nachftröme, 
welche  an  dem  electrifch  gereizten  Mufchelmuskel  unter  Umftän- 
den  fo  deutlich  hervortreten,  daß  man  fie  als  eine  der  pofitiv  ano- 
difchen  Polarifation  völlig  gleichwerthige  Erfcheinung  aufzufaffen 
berechtigt  ifi;,  die  das  Interefie  in  um  fo  höherem  Grade  auf  fich 
zieht,  als  etwas  AehnHches,  abgefehen  von  den  erwähnten 
fchwachen  Wirkungen  am  Frofchfartorius,  bisher  an  Muskeln 
nicht  beobachtet  wurde. 

Die  chemifchen  Eigenthümlichkeiten  gewifl'er  Muskeln  laffen 
weit  mehr  die  fyfiematifche  Stellung  der  betreffenden  Thierfpecies 
als  die  Natur  der  contractilen  Fafergattung  errathen;  außer  in  den 
Pigmenten  und  dem  diffcrenten  Glykogengehalte  find  z.  B.  bei  den 
rothen  und  blalfen  quergefl;reiften  Muskeln  keine  charakteriftifche 
chemifche  Unterfchiede  nachzuweifen  gewefen,  während  die  Ccpha- 
lopoden-,  die  Selachier-  und  die  (iuergeflreiften  Wirbelthiermuskeln 
durch  eine  chemifche  Analyfe  doch  leicht  erkannt  werden  können. 
Es  reden  diefe  Erfahrungen  gewiß  fehr  der  Auffalfung  das  Wort, 
daß  felbft  der  reiche  Gehalt  einiger  Muskeln  an  den  fog.  flickftott- 
lialtigen  Extractivftoffen  mit  dem  Contractionsvorgange  direct  nicht 
in  Beziehung  fleht,  fondern  daß  für  einen  derartigen  Stoffverblcib 
in  den  Geweben  nur  cigenthümliche  Retcntionsvciliiiltiiin'c  veriiiit- 
wortlich  zu  rriafh<ii  find.  Dalici-  kommt  es  denn  ancli,  wenn 
Mu-^kcln  verfchi('d<'n('r  Thicre,  olino  irgendwie^  ins  (icwiclit  fallende 
functiojiclle  Verfchiedeidjeiten  darzul)ieten,  zu  fdir  abweichenden 
analytifchen  Uefultaten   führen,  oder  wenn  die   functionellen    mul 


350 


Grundzfige  einer  vei^leichenden 


80] 


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^          £    "•            -                           .                          Ka.TiiTir^heTts 

c                                        der  KreViie 

•  ■ 

Stadimn  der  latenten 
Közumg 

^^                      ^                          nicht  verfchieden       _.    .           ^    * 

0                  ^                      ^:   -    fe  5  5   F   =   ^~        =    ^ 

1    liHai     ^?^=     ? 

Dauer  der  Znekimg 

resji.  Form  der  Contrac- 

tionscurve 

Datier  des  anfteigenden 
Cnrrentheiles 

^    1  1 

Datier  des  abfanenden 

Cnrventlieiles 

,5                                           M-l-^fS-S. 

^  ^  _     ^    ^          _ 

Ztir  tetani/chen  Ter- 

rchmelztmg  der  Znekttn- 

gen  erforderliclie  Heiz- 

freqtienz  pro  see. 

V                in 

Erlölchen  des  Tetanus  i 
(Mchcl) 

Datier  der  Eeizbarkeit  l 
(Eichet)                ! 

IC                                                                                                                                   _ 

Grad  der  Erregbarkeit.  ; 

Zncttmg  erfolgt  bei     j 
einem  AbltaDde  der  In-j 

dncQonsroIlen  Ton      | 

81]  Phyliologie  der  contraetilen  Gewebe.  351 

textureilen  Qualitäten  der  Muskeln  in  greifbareren  chemifchen 
Unterfchieden  keinen  Ausdruck  finden.  Difterentes  Leiflungsver- 
mögen  und  verfchiedenes  hiltiologifches  Gefüge  decken  ficli  bei 
den  contraetilen  Geweben  allemal  weit  belTer  als  eines  derfelben 
mit  den  gröberen  Abweichungen  im  chemifchen  Baue. 

Das  wird  fofort  klar  werden,  wenn  wir  an  der  äand  der  vor- 
Ilehenden  Tabelle,  welche  die  in  diefem  Abfchnitto  erörterten 
phylikalifchen  und  functionellen  Ditferenzen  zwifchen  den  ver- 
rchiedenailigen  Muskeln  ein  und  desfelben  Thieres  refumirt,  die 
hiftiologifchen  Eigenthümlichkeiten  der  einzelnen  contraetilen  Fafer- 
gattungen  durchgegangen  sein  werden. 


Es  giebt  in  der  Biologie  kaum  eine  einzige  Claflification, 
welche  nicht  ihre  Ausnahmen  zuzulallen  hätte:  Natura  non  facit 
saltus  macht  fich  hier  überall  geltend!  Wird  man  deshalb  aber 
auf  jede  Eintheilung  verzichten,  wenn  man  fieht ,  daß  eine  folehc 
an  diefem  oder  jenem  Punkte  die  Objecte  nicht  genugfani  um- 
greift, an  diefer  oder  jener  Stelle  ein  klein  wenig  über  das  abzu- 
grenzende Territorium  hinausgeht?  Ich  glaube  nicht.  Jede  noch 
fo  unvollkommene  Eintheilung  hat  in  der  Biologie  ihren  Nutzen 
gebracht,  vorausgefetzt,  daß  üe  von  einem  neuen  Gefichtspunkte 
ausging,  und  man  lieh  betieißigte,  die  Ausnahmen  von  der  Regel 
kennen  und  deuten  zu  lernen. 

An  linnigen  Ueberlegungen  und  glücklichen  Ideen  hat  es  bei 
der  Claflification  des  Muskelgewebes  nie  gefehlt,  und  der  dadurch 
gewonnene  weite  Blick  in  das  Wefen  des  Contraetilen  wird  fich 
jedenfalls  noch  erweitern  und  vertiefen,  wenn  <lie  einzelnen  Muskel- 
arten beflcr  bekannt  geworden  lind  als  heute.  Hier  hat  j('<ler  Ein- 
theilungsverfuch  reiche  Früchte  getragen,  wennfchon  keiner  der- 
felben pedantifch  durchzuführen  war  oder  durchführbar  bleiben 
wird.  So  unterfcheidet  man  feit  lange  zwifchen  willkürlichen  (ani- 
maiifchen)  und  unwillkürlichen  (organifchen),  zwifchen  (|uergeftreif- 

k'rukenbcnj,  ViTgl-phyAol.  VortruKe.  2'> 


352  Grundzüge  einer  vergleichenden  [82 

ten  und  glatten,  zwifchen  athermofyftaltifchen  und  thermofyltal- 
tifchen  Muskeln;  keiner  Eintheilung  läßt  lieh  eine  Berechtigung 
ganz  abfprechen,  keine  derfelben  kommt  allen  Anforderungen  nach! 
Was  nun  fpeciell  das  anatomifche  Verhalten  betrifft,  fo  führ- 
ten die  Unter fuchungen  zur  Aufrechthaltung  folgender  verfchiedener 
Gruppen  von  Muskelfafern : 

A.  Muskeln  der  Wübelthiere. 

1.  Quergeftreifte  Muskeln. 

a)  Weiße  oder  durch  Lipochrome  geförbte  Fafern  mit  fchnell 
erfolgender,  aber  auch  rafch  nachlaffender  Verkürzung. 

b)  Durch  Hämoglobin  geröthete  Fafern  mit  langfam  ein- 
tretender und  langfam  fchwindender  Verkürzung. 

c)  Veräftelte  Fafern  (Herz,  Zunge  etc.). 

2.  Glatte  Muskeln. 

B.  Muskeln  der  Wirbellofen. 

1.  Quergeftreifte  Muskulatur. 

a)  Feinere  blaffe  Fafern  mit  kürzerer  Zuckungsdauer  (z.  B. 

die  Schwanzmuskeln  der  Krebfe). 
b)' Stärkere  blaffe  Fafern   mit  trägerer  Contraction   (z.  B. 

die  Scheerenfchließmuskeln  der  Krebfe). 

c)  Veräftelte  Fafern  (z.  B.  bei  Arthropoden  und  im  Herzen 
von  Gaftropoden). 

d)  Gelbe  Flugmuskeln  der  Infecten. 

2.  Doppeltfchräggeftreifte  Muskulatur. 

3.  Glatte  Muskulatur. 

rÄeMus-  Nach  den  neueften  Unterfuchungen  von  Bollett^^^)  beffeht  der 
wöhniichemvom  Sarkolcmma  umfchloffene  Inhalt  der  quergeftreiften  Muskel- 
fafer  aus  zwei  Theilen:  erftens  aus  dem  hyalinen  oder  feinkörnigen, 
oft  ffellenweife  regelmäßig  (zu  den  i^e^^ms'fchen  Querfadennetzen 
und  zu  zarten  Häuten,  welche  diefe  in  der  Längsrichtung  der 
Fafer  miteinander  verbinden)  verdichteten  Sarkoplasma,  welches, 
wie  der  Name   andeuten   foU,    dem  Protoplasma    nahe  fleht  und 


83]  Phyßologie  der  contractilen  Gewebe.  353 

einen  außerordentlich  hohen  Grad  von  Plafticität  befitzen  muß; 
zweitens  aber  aus  den,  der  Länge  nach  geghedeiten  Fibrillen, 
welche  gruppenweife  zu  ftrang-,  band-  oder  röhrenförmigen  Bün- 
deln (den  fog.  Muskeiräulchen,  die  iliren  Eigenfchaften  nach  einer 
einheitlich  verdickten  Fibrille  gleichen)  verwachfen  find. 

Das  Sarkoplasma  füllt  alle  von  den  FibriUenbündeln  freige- 
lalTenen  Räume  aus;  es  ftellt  das  Querbinderaittel  für  die  Muskel- 
Täulchen  vor  und  ift  eljenfo  in  der  Längsrichtung  zwifchcn  allen 
Muskelfäulchen  continuirlich  vorhanden.  Von  den  Ijeobachteten 
Querftreifen  erfcheinen  die  Querfcheiben  (Q  BoUetfs,  disques  epais 
Ficinvier's),  Engelmann's  Nebenfcheiben  (N  RoUetfs,  Körnerfchichten 
FlögcVs,  disques  accessoires  Ranvier's)  und  die  Zwifchenfcheiben 
(Z  BoUeffs,  disques  minces  lianvier'}^)  doppeltbrechend,  mehr  oder 
minder  anifotrop  ift  auch  die  Mittelfcheibe  Henfen'a  (h  liolktfs, 
Querhnie  Kraufe's),  während  der  von  liollctt  mit  E  bezeichnete 
Streifen  zwifchen  Z  und  N,  fowie  der  mit  J  bezeichnete  zwifchen 
N  und  Q,  lianvier's  bandes  claires,  fich  als  einfachbrechend  ver- 
halten. Alle  von  Rollett  mit  gi-oßen  Buchftaben  Ijezeichnoten 
Querftreifen  entfprechen  einer  fubftantiellen  GHederung  der  die 
Muskelfafer  zufammenfctzenden  Fil)rillen,  und  fpeciell  die  Quer- 
ftreifen N  müden  als  eigene,  durch  die  Fibrillenghederung  be- 
dingte, wenn  aucli  nur  temporär  in  beftimmten  Zuftänden  des 
Muskels  vorhandene  Schicht  anerkannt  werden.  Doch  ift  zu  be- 
rückfichtigen ,  daß  die  unter  der  Bezeichnung  «Scheiben»  von 
J'Jiif/c/iiKtnn  und  befonders  von  lianvicr  den  ifotropen  Scliicliten  der 
Muskelfafeni  entgegengeftellten  anifotropen  Lagen  immer  artcfacto 
Producte  einer  Zerlegung  der  Muskelfafer  und  nicht  mori)hologifch 
präformirte  B(;ftandtheile  derfelberi  find,  während  die  Fibrillen  oder 
Fibrillenbündel  als  präformirte  Beftandtheile  der  (piergeftreiften 
Muskelfafer  aufgefaßt  wci-den  mülfcn.  Der  Streifen  li  bclitzt  in 
keinem  Zuftande  der  Muskelfafer  den  Grad  von  Selbftftäiidigkeit, 
welcher  anderen,  mit  großen  Buchftuben  l^ezeichneten  (Querftreifen 

25* 


354  Grundzüge  einer  vergleichenden  [84 

temporär  zukommt,  wenn  diefelben  auch  mit  Rücklicht  auf  den 
Wechfel  der  verfchiedenen  phyßologifchen  Zuftände  im  Muskel 
vöUig  vergänglich  find.  Der  Streifen  h  [Retsius'  Querfadennetz 
zweiter  Ordnung)  wird  ebenfo  wie  Streifen  E  durch  die  farkoplas- 
matifche  VerbindungsmalTe  der  Muskelfäulchen  hervorgerufen  und, 
wenn  ich  Rollett  recht  verftehe,  dadurch  indirect  auch  Z  {BeUius' 
Querfadennetz  erlter  Ordnung)  zum  Ausdruck  gebracht. 

Obgleich  fich  EoUetfs  Anüchten  vorwiegend  auf  Beobachtungen 
an  blaffen  Coleopterenmuskeln  gründen,  fo  kommt  denfelben  doch 
zweifellos  eine  allgemeinere  Geltung  zu.  An  den  quergeltreiften 
Wirbelthiermuskeln  z.  B.  überzeugt  man  lieh  leicht  von  der  In- 
conftanz  der  einzelnen  Querflreifen,  und  auch  an  den  verzweigten 
Muskelfafern  des  Gaftropodenherzens  (Zeugobranchier  und  Tro- 
chiden)  bemerkte  Haller'^^%  daß  die  « Querltreifung  erft  allmählig 
auftritt,  indem  lieh  glänzende  Kügelchen  ausfcheiden,  die  dann, 
in  den  nebeneinander  liegenden  Fafern  in  gleicher  Höhe  hegend, 
die  Querftreifung  veranlalTen». 

NalTe^^^)  gelangte  bei  feinen  Unterfuchungen  über  die  quer- 
geltreiften Muskelfafern  zu  dem  Ergebnifle,  daß  anatomifche  Ueber- 
gänge  zwifchen  diefen  und  den  glatten  Fafern  im  Thierreiche  nicht 
zu  beftehen  fcheinen,  daß  z.  B.  die  von  Simroth  an  dem  retractor 
oculi  der  Pulmonaten  gefehenen  vermeintlichen  Querltreifeu  nur 
durch  dicht  aneinander  liegende  Contractionsknoten  vorgetäufcht 
waren.  Als  wefenthche  und  conflante,  anatomifch  unterfcheidbare 
Theile  betrachtet  NalTe  die  Querfcheiben  und  (obwohl  er  die  Mittel- 
fcheibe  nur  bei  Vertebraten,  Arthropoden  und  bei  Sagitta  zu 
Gelicht  bekam)  die  Zweitheilung  derfelben;  ferner  auch  die  An- 
wefenlieit  der  Zwifchenfcheiben.  Die  Nebenfcheiben  fah  er  nur 
bei  Vertebraten  (mit  Ausnahme  des  Amphioxus)  und  Arthro- 
poden. Von  der  anifotropen  Subftanz  der  Querfcheiben,  welche 
Myofm  ilt,  foU  fich  die  Mittelfcheibe  chemifch  fehr  verfchieden 
verhalten;  denn  diefe  tritt  noch  in  Fafern  auf,  deren  Myolin  durch 


85]  Phyßologie  der  contractilen  Gewebe.  355 

Säuren  oder  Salze  ßark  gequollen,  ja  in  Krebsmuskeln  felbft  noch 
dann,  -^enn  nach  Behandlung  mit  concentrii'ter  Salzfäure  jede  fon- 
üige  Aniibtropie  völlig  erlofchen  ift. 

Die  hiftiologifchen  Unterfuchungen  an  verfchieden  functioni- 
renden  quergeltreiften  Äluskelfafern  ein  und  derfelben  Thierfpecies 
find  nur  in  befchränktem  ISIaaße  entfcheidend  ausgefallen.  «Alle 
diejenigen  Muskeln»,  fagt  Giiifmcr^^^),  «welche  eine  kurze  Con- 
tractionsdauer  haben,  beliehen  größtentheils  aus  \iel  dünneren 
Muskelfafern  als  diejenigen,  welche  eine  lange  Contractionsdauer 
befitzen.  Die  Muskelbündel  des  Gaftrocnemius  find  in  ihrer  über- 
wiegenden Mehrheit  viel  dicker  als  die  der  Tibiahsgi'uppe,  die  Er- 
weiterer des  Kehlkopfes  haben  \'iel  dickere  Bündel  als  die  Ver- 
engerer, namentlich  als  diejenigen  Fafern  des  musc.  vocalis,  die 
in  unmittelbarer  Nähe  des  inneren  Randes  des  Stimmbandes  liegen; 
am  augenfäUigften  aber  ift  der  Unterfchied  bei  den  Infektenmus- 
keln. Die  fchnell  fich  contrahirenden  Flügelmuskeln  find  geradezu 
zarte  Fädchen  gegenüber  den  langfam  fich  contrahkenden,  ftrick- 
artigen  Beinmu.skeln.  Erftere  haben  aber  auch,  gewiffermaßen  wie 
eine  dünne  Saite,  mehrere  hundert  Male  in  derSecunde  zu  fchwingen 
und  fich  zufammenzuziehen,  letztere  außerordentlich  viel  feltener 
und  langfamer.»  Diefe  Verhältniffe  treffen  jedoch,  wie  Grützner 
fchon  gefühlt  haben  mag,  nicht  allemal  zu;  vergleichende  Beftim- 
mungen  an  hämoglobinhaltigen  und  hämoglobinfreien  Skcletmus- 
keln  des  Kaninchens  und  der  Fifche  (vgl.  Tabelle  auf  S.  350) 
haben  zu  dem  gerade  entgegengefetzten  Ergebniffe  geführt,  und 
auch  die  Anficht  von  Carl  Sachs^^^)  — ,  defi'en  Verfuche  fich  auf 
verfcliiedene  Thierarten  (Warm-  und  Kaltblüter)  beziehen  -  ,  daß 
Bezielmngen  zwifchen  der  abfoluten  Mu.skelkraft,  welche  fclioii  an 
ficli  keine  lichere  Vergleiche  geftattet,  und  der  Hölie  der  MrrkcV- 
fchen  Musk<'lclemente  exiftiren,  ift  felir  unwalirfcheiiilicli  geworden, 
feitdem  J'Jnf/flmann^"^)  für  die  Muskeln  verfejiiedcner  In fecten formen 
nacl)wie.s,  daß  mit  der  Hohe  der  Muskelelemeute  ihre  phyliologifche 


356 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


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Phvfiologie  der  contractilen  Gewebe. 


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358  Grundzüge  einer  vergleichenden  [88 

Verfchiedenheit,  insbefondere  ihre  Contractioiiscurveii  nicht  in  Be- 
ziehung gebracht  werden  können.  Hieraus  geht  bereits  hervor, 
daß  die  textürellen  Verfchiedenheiten  der  Muskeln  mit  rafcher  und 
langfamer  Contraction  bei  verfchiedenen  Thierformen  keineswegs 
entfprechende  lind;  denn  wie  die  vorgehende  Zufammenltellung 
lehrt,  ift  der  Ausfpruch  von  NalTe'^^^),  daß  «bei  derfelben  Thier- 
fpecies  mit  Abnahme  der  Höhe  der  Muskelelemente  die  Contraction 
an  Schnelligkeit  zunimmt»,  in  feiner  Verallgemeinerung  ebenfo 
falfch  als  der  oben  angeführte  Satz  Grüt^ner's.  Es  ift  richtig,  daß 
beim  Kaninchen  die  rothen  und  weißen  Muskelfafern  nicht  nm' 
in  der  Faferdicke,  in  der  Höhe  der  Muskelelemente,  in  der  Form, 
vielleicht  auch  in  der  Zahl  der  Kerne,  fondern  fogar  in  der  Blut- 
verf orgung  von  einander  abweichen;  aber  einige  der  Unterfcliiede 
gleichen  fleh  fchon  bei  den  hämoglobin-  und  rhodophanhaltigen 
Skeletmuskeln  des  Lachfes  ziemlich  aus,  und  bei  den  Scheeren- 
fchließern  und  den  Abdominalmuskeln  der  Krebfe  fchlagen  diefe 
Verhältnifle  theilweife  ins  Gegentheil  um.  Ein  durchgreifender 
hiftiologifcher  Unterfcliied  ift  bei  Muskeln  mit  verfchiedener  Länge 
der  Zuckungscurve  noch  nicht  gefunden  und  wird,  wie  die  bekannt 
gewordenen  Thatfachen  zu  fchließen  erlauben,  auch  nicht  erfl  noch 
zu  entdecken  fein. 

Der  Anfleht  von  NaM,  daß  den  gelben  Thoraxmuskeln  der 
mus  en.  jj^gg^^^g^-^io?^  durch  G.  R.  Wagener  «der  Nimbus  der  Eigenartigkeit» 
geraubt  fei,  vermag  ich  nicht  beizuftimmen.  Ich  erinnere  daran, 
daß  diefe  Muskeln  nicht  allein  durch  ihren  rapiden  fibrillären 
Zerfall  (W.  Krause),  durch  ihre  in  0,6°/oiger  Kochfalzlöfung  wie 
in  Wafler  rafch  zu  durchflchtigen  Kugeln  aufquellenden  Zwifchen- 
körner  (Nalfe)  von  allen  anderen  quergeftreiften  Fafern  abflechen, 
fondern  daß  das  Leben  in  ihnen  auch  fo  eminent  rafch  verflegt, 
daß  es  felbfl  den  forgfältigflen  Unterfuchern  (wie  Koelliker,  Kühne, 
Henfen,  Weismann,  Merkel)  im  günftigften  Falle  nicht  gelang,  mehr 
als  momentan  erlöfchende  Contractionen  an  den  Muskeln  wahrzu- 


Gelbe 
Infecten- 


89]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  359 

nehmen.     HoUdt  bemerkt  mit  Recht,  daß  die  mit  Tracheen  reich 

durchfetzten  und   deshalb  von    einigen  Forfchcrn   auch  für  fettig 

degenerirte  Fafern  gehaltenen  Flugmuskeln  der  Infecten  «in  ihrem 

Baue   von    den   anderen    quergeltreiften  Muskeln   diefer  Thiere  fo 

wefenthch  verfchieden  find,   daß  aus  den  Beobachtungen  an  den 

einen  nicht  SchlüfFe  auf  das  Verhalten  der  anderen  gezogen  werden 

dürfen».    Eingehendere  Unterfuchungen  werden  allerdings  erft  noch 

zu  zeigen  haben,   worin   das  Charakteriftifche  des  feineren  anato- 

mifchen  Gefüges   diefer   fo  wunderbaren  Muskeln,  deren  abiblute 

Kraft  feit  den  Verfuchen  von  FRix  Plateau^'^^)  meift  zu  hoch  an- 

gefchlagen  wird,  zu  fuchen  ift. 

Eine  weitere  Modification    der   quergeftreiften  Muskelfubflanz  verätieite 

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bilden die  verzweigten  und  oft  netzartig  verbundenen  Fäden,  welche    ^"■^^^■ 

die  Herzmuskulatur  von  Wirbelthieren  wie  von  AVii'bellofen  (z.  B. 

bei  Arthropoden,    bei  Asteracanthion  [G.  SchcaJbeJ   und  nach 

Hall  er  auch  ])ei  Mollusken)   zufammenfetzen.     In    der   Zunge   des 

Frofches  waren    fchon   in   den  fünfziger  Jahren  derartige  Muskel- 

fafern  mit  unter  fpitzen  Winkeln   fich  wiederholenden  Theilungen 

aufgefunden.     Später  entdeckte   man   fie  in  dem  gleichen  Organe 

der  Säugethiere  und  traf  bei  einigen  derfelben  in  den  Lippen  und 

Schnauzen    die    nämliche  Varietät  unferes  Gewebes  an;    auch   die 

Lyraphlicrzen  der  Wirbelthiere  zeigen  eine  ähnliche  Muskelflructur. 

Ueber  den   feineren  Bau  der  Zungen-  und  Lippenmuskulatur 

find  wir  viel    mangelhafter   unterrichtet   als   über   die   gut   durcli- 

forfclite   Faferung    des    Herzfleifches.      Die  Herzmuskeln    weichen 

von  den  gewöhnlichen  Arten  der  quergeftreiften  Muskulatur  liaupt- 

rächlich  in  folgendiii  Punkten   ab:    L    anaftomoliren    ihre   Haupt- 

fafcrn  mit  einandei-  durch  Zwifchenglieder,  2.  lind  ihre  Fafern  frei 

von  Sarkolemm  oder  diefes  ift  wenigftens  fo  dum»   und   zart,   daß 

e.H  nicht  in  der  Weife  wie  das  der  Skeletmuskeln  licrvortritt,   und 

3.  ftellcn  fie  kein»;  cinlieitliche  Fafern  dar,  fondi-rn  lind  ans  einer 

großen  Zahl  einfacher  Zellen  zufammengefetzt,   die  dmch   Kiltfub- 


360  Grundzüge  einer  vergleichenden  [90 

ftanz  verbunden  ßnd.  Letzterer  Umftand  iffc  infofern  von  Bedeu- 
tung, als  Reize,  welche  eiüe  Stelle  des  Herzens  treffen,  lieh  auf 
fämmtliche  Muskelfafern  übertragen. 

Abgefehen  von  drei  oder  vier  Ausnahmefällen  weichen  die 
Herzmuskeln  auch  darin  von  den  quergeftreiften  Skeletmuskeln 
ab,  daß  fie  zufammen  mit  der  glatten  Muskulatur  die  Gruppe  der 
unwillkürlichen  oder  organifchen  Muskeln  ausmachen,  während 
bekanntlich  die  übrigen  quergeftreiften  Muskeln  als  willkürliche 
oder  animalifche  charakterifirt  zu  fein  fcheinen.  Durch  E.  H.  Weber 
kennt  man  aber  eine  weitere  Ausnahme  von  letzterer  Regel; 
Weher  fand,  daß,  abweichend  von  allen  übrigen  Wirbelthieren,  bei 
der  Schleie  (Tinea  chrysitis)  auch  im  Darme  quergeftreifte 
Muskeln  vorkommen,  von  denen  es  zwar  nicht  direct  bewiefen, 
aber  doch  wohl  fehr  wahrfcheinlich  ift,  daß  lie  der  Willkür  nicht 
unterworfen  ßnd.  Nach  diefen  Befunden  wird  die  Annahme  kaum 
noch  umgangen  werden  können,  daß  die  verfchiedene  Abhängig- 
keit der  Muskeln  vom  centralen  Nervenfyftem  nicht  in  der  Structur 
des  Muskels,  fondern  ledighch  in  der  Verbindung  der  hinzutretenden 
motorifchen  Nerven  mit  den  Cerebrofpinalapparaten  begründet 
liegt.  Wenn  der  Wille,  fagt  Piichef^^^),  das  Herz  durch  den  Vagus- 
nerven nicht  ftill  zu  flellen  vermag,  fo  beruht  das  nicht  darauf, 
daß  die  Beziehungen  des  Vagus  zum  Herzen  andere  find,  als 
z.  B.  die  des  Phrenicus  zum  Zwerchfell,  fondern  der  Grund 
liegt  allein  darin,  daß  der  Vagus  nicht  wie  der  Phrenicus  will- 
kürlich erregbar  ift. 
^ch?äg-  1869    beobachtete    GuRav   Schwalbe    an    den  Interambulacral- 

^Muskei^  muskeln  von  Ophiothrix   fragilis,   in  den  graugelben    glaligen 

fafem. 

Schließmuskeln  der  Bivalven,  wie  auch  au  den  Muskeln  von 
Asteriscus,  Arenicola,  Lumbricus,  in  der  MundmalTe  von 
Helix  u.  f.  w.  eine  äußerft  zierliche  Mufterung  der  contractilen 
Subftanz.  Diefe  wurde  durch  Linienfyfteme  hervorgerufen,  welche 
nicht    etwa    eine    Quer-    oder   Längsftreifung    darftellten,    fondern 


I 


91]  Phyllologie  der  contractilen  Gewebe.  361 

fchräg,  als  ob  zwei  fich  kreuzende  Syfteme  von  Spiralfafern  um 
den  Miiskelcvlinder  herumliefen,  von  einer  Seite  der  Fafer  zur 
andern  hinüberzogen.  Die  Linienfyfteme  erfchienen  hell  und  die 
zu  Schrägreihen  gruppirten  quadratifchen  Felder  zwifchen  ihnen 
dunkel  und  ftark  lichtbrechend.  Schwalbe  war  der  Anficht,  daß 
bei  diefen,  von  ihm  als  «doppeltfchräggeftreift»^'")  bezeichneten 
Muskelfafern  ebenfo  wie  bei  der  quergeftreiften  Muskulatur  der 
Wirbeltliiere Und  Arthropoden  der  contractile  Theil  zwei  Subftanzen 
enthalte,  eine  einfach-  und  eine  doppeltbrechende,  daß  diefelben 
dort  nur  eine  andere  Anordnung  zeigen  als  bei  diefen  Thieren;  die 
dunklen  Quadrate  der  doppeltfchräggeftreiften  Muskeln  würden 
unzweifelhaft  der  anifotropen  Subftanz  BrücJce's  entfprechen,  wäh- 
rend die  hellen  Linienfyfleme  als  aus  einfachbrechender  Subflanz 
gebildet  anzufehen  wären. 

Derartige  Structurverhältniffe  waren  fchon  vor  Schwalbe  an 
Muskeln  wiederholt  gefchen,  fo  z.  B.  von  Irinchcse  bei  Ophiura 
texturata,  von  Margo  bei  Octopus,  von  G.  Wagener  am  Schließ- 
muskel von  Lima,  aber  von  keinem  Beobachter  richtig  gedeutet 
und  hinlänglich  gewürdigt  worden.  Speciell  für  die  Schlicßnniskeln 
der  Bivalven  zeigte  Schwalbe,  daß  diefelben  aus  zwei  verfchicden- 
artigen  Muskelfafern  beliehen  können;  entweder  ausfchließlich  aus 
doppeltfchräggeftreiften  (wie  z.  B.  der  große  hintere  Schließmuskel 
von  Solen  vagina)  oder  daneben  noch  in  mehr  oder  weniger 
fcharfer  Begrenzung  aus  fibrillären  Fafern  (z.  1).  bei  Ostrea  und 
Anomia).  welche  ein  fchncnartiges  Ausfehen  bclitzen  und  zuvor 
als  Imnd-  oder  fehnenartigcr  Tlieil  des  SchHeßnuiskels  den  Kiiochen- 
bändern  der  Wirliclthiere  verglichen  waren;  drittens  giel)t  es  abei- 
aucli  noch  Schließmuskeln,  welche  (wie  z.  B.  die  Ixidcn  von  My- 
tilus  edulis)  lediglicli  aus  den  fibrillären   i'^ifcni  beftehen. 

Nach  Schwalbe  lind  (!!<■  doppeltfchräggeftreiften  Muskeln  und 
die  in  nicht  geringer  Aii/.ald  daneben  vorkonnnendcn  V:\\'i\-\\  von 
gf-ringf-rer  Diel«-  nnd  ohn«;  erkennbare  Differenzirung  in  d<ii  Inlcr- 


362  Grundzüge  einer  vergleichenden  [92 

ambulacralbündeln  von  Ophiothrix  fragilis  nicht  wefentlich  ver- 
fchieden;  an  den  dünnen  Muskelfafern,  fo  meinte  er,  fei  nur  des- 
halb nichts  von  der  Schrägftreifung  zu  erkennen,  weil  üe  durch 
die  Zufatzflüiligkeiten  leichter  verändert  werden  als  die  dickeren. 
Bezüglich  der  weißlichen  fibrillären  und  der  graugelben  glaßgen, 
doppeltfchräggeftreiften  Schließmuskeln  der  Bivalven  ifl  Schtvcdbe 
jedoch  anderer  Anficht.  «Die  fo  bedeutende  Verfchiedenheit  des 
Baues  der  fibrillären  und  doppeltfchräggeflreiften  Muskelfafern 
deutet  hier  auf  eine  verfchiedene  Function  hin.  Vergleicht  man 
nun  auch  den  Act  des  Schalenfchließens  bei  der  Außer  und  der 
Miesmufchel,  fo  fieht  man,  daß  bei  erffcerer  derfelbe  auf  Einwir- 
kung äußerer  Reize  plötzlich  und  rafch  gefchieht,  bei  Mytilus 
dagegen  fehr  langfam  und  allmählig,  fo  daß  man  bei  offenltehen- 
den  Schalen  bequem  die  Schließmuskeln  durchfchneiden  kann, 
ohne  daß  dabei,  wie  es  bei  der  Außer  gefchieht,  das  MelTer  ein- 
geklemmt wird.»  «Ich  möchte  deshalb  glauben»,  fagt  ScJuvalbej 
«daß  die  doppeltfchräggeflreiften  Fafern  der  Außer  mehr  für  plötz- 
•lich  und  .energifch  auszuführende  Bewegungen  eingerichtet  find, 
während  die  fibrillären  Fafern  vielleicht  den  feßen  Schluß  beforgen, 
der  hier  nur  durch  andauernde . Contraction  zu  erzielen  iß». 

Die  doppeltfchräggeßreiften  Muskeln  find  fpäter  nur  noch  von 
Engelmann  zum  Gegenßande  der  Unterfuchung  gemacht.  Diefer 
Forfcher  will  gefunden  haben,  daß  bei  Anodonta  der  gelbliche 
wie  der  weißliche  Abfchnitt  des  hintern  Schließmuskels  einen  ent- 
fchieden  fibrillären  Bau  befitzt,  daß  die  ifolirten  Fibrillen  (bei 
einer  conßanten  Dicke  von  0,0004 — 0,0006  mm)  doppeltbrechend 
und  zwar  pofitiv  einaxig  find,  daß  von  einer  Zufammenfetzung 
derfelben  aus  abwechfelnd  ifotropen  und  anifotropen  Stücken  keine 
Spur  zu  finden  iß;  « die  Fafern  find  optifch  durchaus  homogen 
und  nur  die  interfibrilläre  Subßanz,  die  fchwächer  lichtbrechend 
iß,  wirkt  nicht  merklich  auf  den  polarifirten  Lichtßrahl  ein».  Die 
Doppeltfchrägßreifung  der  Muskeln   foll  nur  darauf  beruhen,  daß 


93]  Phyüologie  der  contraetilen  Gewebe.  363 

flark  lichtbrechende  homogene  Fibrillen  in  entgegengefetzt  gewun- 
denen, aber  gleich  fteilen  Spiralünien  um  die  Längsaxe  der  Fafern 
herumlaufen;  denn  die  Streifen  follen  an  den  Kreuzungsftellen  in 
verfchiedenem  Niveau  liegen  und  der  Winkel  (a  genannt),  unter 
dem  die  Streifen  ßch  fchneiden,  mit  zunehmender  Verkürzung  der 
Fafern  wachfen.  «Man  muß»,  fagt  Engelniann,  «bei  ftarker  Ver- 
größerung (500 — 1000  mal)  die  Mikrometerfchraube  Um  ein  fehr 
merkliches  Stück  di-ehen,  um  von  der  fcharfen  Einftellung  des 
einen  Streifen  zu  der  des  andern  überzugehen.  Dies  dürfte  nicht 
der  Fall  fem,  wenn  die  oben  angeführte  ScJuvalbe' (che  Anficht  von 
der  Urfache  der  Schrägftreifung  die  richtige  wäre.» 

Jede  doppeltfchräggeltreifte  Fafer  befteht  nacli  Engelmami 
demnach  aus  zwei  Syltemen  von  Fibrillen,  welche  in  zur  Fafer- 
richtung  parallelen  concentrifchen  Lagen,  entgegengefetzt  gewundene 
Schraubenlinien  um  die  Faferaxe  l)efchreiben  und  deren  Verkür- 
zung nicht,  wie  nach  morphologifcher  Analogie  wahrfcheinlich 
wäre,  in  der  Richtung  ihrer  eigenen  Längsaxe,  fondern  parallel 
der  Längsaxe  der  Fafer,  alfo  der  Zelle  erfolgt.  Hiermit  foll  nun 
auch  im  Einklänge  flehen,  daß  die  optifche  Axe  der  Fibrillen  nicht 
mit  der  Längsrichtung  derfelben,  fondern  unter  allen  Umftänden 
mit  der  Längsaxe  der  Muskelfafern  zufammcnfällt.  Sclilicßlich 
äußert  fich  Engelmann  noch  dahin,  daß  die  doppeltfchräggeftreiften 
Muskeln  nur  als  eine  Abart  der  glatten  Muskeln  zu  betrachten 
find;  der  weißhche  Theil  des  hinteren  SchHcßmuskels  der  Fluß- 
'  mufchel  ziehe  fich  auch  nicht  merklich  langfamer  zufammen  als 
der  gelbliche,  mit  dem  die  Gefchwindigkeit  der  Verkürzung  bei 
Cardium  und  Mytilus  ebenfalls  von  gleicher  Ordnung  fei.  Engrl- 
maun  denkt  fich  die  Fibrillen  der  doppeltfchräggeftreiften  Muskeln, 
wie  die  der  glatten  Muskelfafern  und  die  sarcous  eleinents  der 
quergeftreiften  Fibrillen  aus  kleinitcn  falerförniigcMi,  contraetilen 
Molecülc'omi)lcxen  (log.  Inotagmen)  aufgebaut,  deren  Längsaxen 
fund  damit  auch  die  oi^tifchen  Axen)  lannntlieh  der  Längsaxe  «1«  r 


364  Grundzüge  einer  vergleichenden  [94 

Zelle  parallel  orientirt  find;  eigenthümlich  ift  den  Fibrillen  der 
doppeltfchräggeftreiften  Fafern  hiernach  wefentlich  nur  die  treppen- 
förmige  Anordnung  der  Inotagnien,  auf  welcher  der  Ppkahge  Ver- 
lauf der  Fibrillen  beruht.  In  Uebereinftimmung  mit  mehreren 
ausgezeichneten  Hilliologen  fehe  ich  mich  auf  Grund  eigener  Unter- 
fuchungen  und  der  experimentellen  ErgebnilTe  von  Biedermann  (vgl. 
S.  341)  indeß  veranlaßt,  die  Beweiskraft  der  lieh  zum  großen  Theil 
jenfeits    der  Grenze    des    optifch  Beftimmbaren  bewegenden  Beob- 

^  achtungen    von   Engelmann   anzuzweifeln,    und  muß    mich    dahin 

ausfprechen,  daß  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  unferes  Wiflens 
die  ScMvalbe' khe  Anficht,  dergemäß  die  Schrägftreifung  nur  auf 
der  Anwefenheit  zweier  Subftanzen,  nicht  auf  zwei  lieh  kreuzenden 
Syftemen  von  Sphalfafern  beruht,  die  bei  weitem  wahrfcheinHchere, 
um  nicht  zu  fagen,  die  allein  richtige  ift. 

^kuiato^"  ScJnvalhe  ftellte  die  doppeltfchräggeftreiften  und  die  querge- 
ftreiften  Muskelfafern  wegen  ihrer  Sonderung  in  einfach-  und  doppelt- 
brechende  Subftanz  als  höher  differenzirte  Gebilde  der  glatten 
Muskulatur ^^^)  mit  ihren  unregelmäßig  gelagerten  Digdiaklaften 
(Brüche)  und  den  von  Disdiaklaften  ganz  freien  Muskeln  (z.  B. 
bei  Stentor  viridis  nach  Kühne)  gegenüber.  Die  Anficht,  daß 
die  Querllreifung  als  durch  Dififerenzirung  von  urfprünglich  glatten 
Fibrillen  in  einfache  und  doppeltbrechende  Abfchnitte  entflianden 
zu  denken  ift,  vertrat  fpäter  auch  Engelmann,  welcher  einen  be- 
fonderen  Werth  noch  darauf  legte,  daß  diefer  Differenzirung  zu- 
gleich eine  Arbeitstheilung  entfpricht,  infofern  nämlich  die  doppelt- 
brechende Subftanz  allein  contractu  fei,  die  ifotrope  Subftanz  allein 
die  Reize  in  der  Fafer  leite ^^^). 

Ob  diefe  Hypothefen  fich  aufrecht  erhalten  lauen,  kann  erft 
die  Gefchichte  lehren;  doch  fcheinen  mir  die  Unterfchiede,  welche 
die  glatten  Muskelfafern  bei  ihrer  Differenzirung  in  Mark-  und 
Rindenfubftanz  aufweifen,  von  vornherein  zu  verbieten,  fie  msge- 
fammt  für    gleichwerthig    und    als    auf   einer  niederen  Stufe  der 


95]  Phyüologie  der  contraotilen  Gewe])e.  365 

EnUncklung  flehen  geblieben  zu  betrachten.  Die  markfreien 
Mu.'skeln  der  Bryozoen,  der  Ascidien,  die  markfreien  fehnigen  SehHeß- 
muskelfafern  der  Bivalven  einerfeits,  che  durch  die  Anwefeuheit 
einer  großen  Menge  den  Kern  umfchHeßender  Markfubftanz  und 
durch  eine  in  Fibrillen  zerfallende  contractile  Rindenfubftanz  clia- 
rakterißrten  Nematoden-  und  Hirudineenmuskeln  andererfeits  Hellen 
ficherhch  fehr  ungleiche  Grade  einer  Differenzii'ung  vor,  welche 
einige  andere  glatte  Muskelarten  (wie  z,  B.  die  aus  einer  kern- 
reichen protoplasmatifchen  Subftanz  und  einer  inneren  contractilen 
Fibrillenlage  befleheuden  Buccalmuskeln  der  Chitonen  [Hallcr]) 
nur  noch  weit  mannigfaltiger  geftalten.  Nach  den  Arbeiten  von 
Wdfjencr  und  Emjehnann  zu  urtheilen,  bleibt  die  MögHchkeit  eines 
fibrillären  Zerfalls  das  einzige,  der  gef^immten  glatten  Muskulatur 
zukommende  Merkmal,  wennfchon  die  Bedingungen  für  denfelben 
nicht  überall  die  gleichen  find  und  manche  Verhältniffe  die  Locke- 
rung des  Gewebes  zu  Fibrillen  fehr  erfchweren. 

Bei  Betrachtung  der  quergeltreiften  Muskeln  (vgl.  S.  354) 
wurde  bereits  darauf  hingewiefen,  daß  die  glatten  Muskeln  ficli 
von  den  quergeftreiften  durcligängig  durch  das  Fehlen  einer  rich- 
tigen, durch  sarcous  Clements  bedingten  Querltreifung  unterfcheiden 
foUen  (NaWe),  und  auch  das,  was  von  der  Abgrenzung  der  glatten 
als  organifche  Muskeln  von  den  quergeftreiften  als  animaUfclien 
Fafern  zu  halten  ift,  wurde  fchon  früher  (S.  360)  gefagt.  Jetzt  er- 
übrigt es,  noch  zweier  Eigenthümlichkeiten  der  glatten  Muskulatur 
zu  gedenken,  die  zu  Unterfchcidungen  in  anderer  Weife  geführt 
haben.  Die  eine  diefer  beiden  Eigenthümlichkeiten  belteht  darin, 
daß  während  bei  den  f[uergeftreiften  Fafern  die  erregte  Contrac- 
tion  unter  allen  Umftänden  in  den  Fafern,  welche  wirklicli  gereizt 
lind,  verbleibt,  niemals  auf  benachlnirte  übergreift,  Itci  den  glatten 
Mu.skelfafern  die  an  einer  Stelle  erregten  ZufaninK-nziiliiingcn  fich 
auch  auf  die  l^enachl>arten  fortpflanzen.  Der  (irun<l  für  dicfcH 
abweichende  Verhalten    kann    nach    den    Angaben    verfchiedenor 


366  Grundzüge  einer  vergleichenden  [96 

Autoren  (z.  B.  von  Gegenbaur,  Engelmann,  Haller)  aber  allein  darin 
liegen,  daß  die  glatte  Muskulatur  während  des  Lebens  gar  nicht 
aus  einzelnen  muskulöfen  Faferzellen  l^efteht,  fondern  eine  gleich- 
artige zufammenhängende  MalTe  bildet,  welche  erfl  beim  AbJfterben 
in  einzelne  fpindelförmige  Zellen  zerfällt. 

Eine  weitere  Eigenthümlichkeit  der  glatten  Muskulatur  fchien 
noch  in  ihrer  befonderen  Erregbarkeit  durch  plötzhch  eintretende 
Temperaturänderungen  zu  hegen;  die  quergeltreiften  Muskeln  lind 
für  rafch  einwirkende  Kälte-  oder  Wärmegrade  weit  weniger  em- 
pfindlich, und  man  bezeichnete  fie  daher  als  «athermofyftaltifche», 
während  man '  die  glatten  Muskeln  « thermofyftaltifche »  nannte. 
Von  jener  Eigenthümlichkeit  der  glatten  Muskelfafern  kann  man 
fich  an  den  Muskeln  der  Haut,  der  Gefäße,  des  Darmes  und  des 
Magens  bei  den  höheren  Thieren  leicht  überzeugen,  aber  es  fragt 
fich  noch,  ob  wir  darin  eine  Eigenthümlichkeit  der  glatten  Muskel- 
fubftanz  und  nicht  vielmehr  Reflexerfcheinungen  zu  fehen  haben. 
^ncttcd^*^  Oft  nicht  weniger  charakteriftifch  als  der  Bau  der  contractilen 

^°^*^°  Subltanz  als  folcher  ift  die  Endigungsweife  der  motorifchen  Ner- 
ven ^^^).  Das  knappe  beftimmte  Wifien  über  diefe  Nervenveräfte- 
lungen  an  verfchiedenartig  functionhenden  Muskeln  geftattet  zwar 
erft  wenige  vergleichend -phyfiologifche  Ausblicke;  aber  das,  was 
ficherer  Befitz  unferer  Wifienfchaft  geworden  ift,  läßt  auf  Unter- 
fchiede  fchließen,  welche  mehr  den  ThierclalTen  als  den  quantita- 
tiven Functionsdifferenzen  entfprechen. 

Wenn  bei  Verfolgung  der  vorausgegangenen  Arbeiten  anderer 
Autoren  Sspüman  und  Luchßnger  an  höheren  Thieren  zu  dem 
SchluITe  gelangten,  daß  das  Atropin  als  ein  fpecififches  Gift  für 
die  glatte  Muskelzelle  oder  deren  Nervenenden  anzufeilen  ift,  fo 
glaube  ich  diefe  Wirkung  nur  für  eine  mittelbare  erklären  und 
den  Luchßnger' Mien  Ausfpruch  noch  dahin  ergänzen  zu  muffen, 
daß  fich  das  Herz  zum  Atropin  genau  fo  wie  die  glatte  Musku- 
latur verhält  ^^*). 


97]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  367 

Die  forgfam  rtudirten  Combinatious Vergiftungen  an  Herz  und 
'  Irismuskulatur  ^^^)  weifen  darauf  liin,  daß  die  Atropin Wirkung  aus- 
feliließlich  peripher  gelegene  ganglionäre  Apparate  ergreift  und  fich 
fo,  da  die  quergeftreiften  Muskeln  vom  gewöhnlichen  Bau  derfelben 
nicht  unterworfen  find,  nur  indirect  zu  einer  typifchen  für  Herz 
und  glatte  Muskulatur  geftaltet.  Im  Herzfleifche  find  die  bei  der 
Atropinvergiftung  in  Frage  kommenden  Ganglien  feit  lange  bekannt, 
in  der  glatten  Irismuskulatur  aber  noch  nicht  gefehen;  letzterer 
Umftand  feheint  felbft  Schiniedehcrg  bellimmt  zu  haben,  an  dem 
obigen  Satze  nicht  mehr  in  der  Weife  feilzuhalten,  als  es  früher 
von  ilim  gefchehen  ift.  Ich  bin  indeß  wie  zuvor  der  Anficht,  daß 
wenn  das  Atropin  im  Herzen  nur  die  ganglionären  Hemmungs- 
apparate lähmt,  es  auch  auf  die  Iris  nicht  ganz  anders  wirken 
kann,  und  erwarte  daher  den  Gangliennachweis  in  diefem  Organe 
noch  mimer  von  der  Zukunft.  Die  Wirkungen  des  Muscarins,  des 
Nicotins  und  der  Muskelgifte  fprechen  nicht  weniger  fchlagend  gegen 
die  Annahme  einer  directen  Atropinwirkung  auf  die  Muskeln  als 
gegen  die  einer  directen  Reizung  des  Muskelnerven  durch  das 
Gift.  Immer  bleibt  aber  zu  berückfichtigen,  daß  hier  Gebilde  vor- 
liegen können,  welche  durch  ihre  Kleinheit  und  eine  geringe 
moiphologifche  Confohdirung  von  den  vorfchriftsmäßigen  Ganghen- 
zellen  abftechen^^'').  Wäre  der  Angriffspunkt  des  Nicotins  nicht 
fo  ficher  ermittelt,  als  es  thatfächlich  der  Fall  zu  fein  fcheint,  fo 
würde  vielleicht  felbft  daran  gedacht  werden  können,  die  für  die 
glatten  Muskeln  verlangten  {)eri[)her-nervöfen  Apparate  in  den 
intranniskulären  Nervenendigungen  zu  fuchen.  Leider  ift  von 
diefen  zur  Zeit  noch  wenig  bekannt.  Bei  glatten  Muskeln  lali 
man  den  Nerven  nur  an  einem  liügelartigen  Vorfi»runge  in  die 
Fafcr  eintreten  und  feinen  imieren  Tbeil,  ohne  Beziehung  zu  den 
Muskelkernen,  in  der  llindenfubftanz  der  Muskelfafer  verfcliwindcn. 
Auch  bezüglidi  der  f|uergeftreifteii  Muskelfafern  find  wir  über 
di.-  EiuHgungsweife  der  motorifchen  Nerven  durcli  KiihncH  Untcr- 

KrHkf.nhf.ro,  Vcrgl.-phynol.  VorliüKe.  -'' 


b 


368 


Grundzüge  einer  vergleichenden  [98 


ruchungen  des  Beffern  nur  bei  den  Wirbelthieren  unterrichtet. 
Bilder  von  Mmer  deuten  zwar  an,  daß  die  Nervenendigungen  in 
den  quergeftreiften  Muskeln  der  Medufen  fich  ebenfalls  einem  all- 
gemeinen Schema  einreihen  werden,  aber  gerade  deren  Nerven- 
endplatten waren  es  ja,  welche  fich  bei  clen  toxicologifchen  Ver- 
fuchen^^^)  als  ebenfo  empfindhch  gegen  Cmm-e  erwiefen  als  die 
der  quergeltreiften  Vertebratenmuskulatur.  An  quergeltreiften 
Evertebratenmuskeln  hegen  theilweife  abfchließende  Beobachtungen 
fonft  nur  noch  für  die  Käferbeine  von  RoUett  vor. 

Rollett  zeigte,  daß  an  der  Eintrittsllelle  der  Nerven  ledighch 
durch  Anhäufungen  des  Sarkoplasmas  (vgl.  S.  352)  Auftreibungen 
des  Sarkolemms,  die  fog.  J)o?/6"re'fchen  Nervenhügel,  zu  Stande 
kommen,  welche  fich  auch  in  Folge  einfacher  Contractionswellen, 
ohne  daß  ein  Nervenhügel  an  der  betreffenden  Stelle  vorhanden 
ilt,  an  den  Muskeln  gewiffer  Käfer  (z.  B.  der  meilteu  Chrysome- 
hden)  leicht  zu  bilden  vermögen.  Der  zutretende  Nerv  breitet  fich 
in  der  äußern  Partie  des  Nervenhügels  in  dichotomifcher  Ver- 
zweigung aus  und  feine  fcheinbar  feltere  Verbindung  mit  den  fog. 
Zwifchenfcheiben  beruht  nur  darauf,  daß  diefe  Schichten  Aus- 
läufern entfprechen,  welche  das  den  Do?/ere'fchen  Hügel  im  Innern 
bildende  Sarkoplasma  als  Verbinclungsmaffe  für  die  einzelnen 
MuskelfibriUen  abgiebt. 

Bei  den  Wirbelthieren  ^i^)  kleidet  der  an  die  Muskelfafer  tre- 
tende (epilemmale  oder  präterminale)  Nerv  den  gleichfam  für  ihn 
vom  Sarkolemma  frei  gelaffenen  Hof  durch  das  doppeltfchichtige 
Telolemm  (d.  i.  Endolemm  +  Epilemm  mit  den  zwifchen  beiden 
Blättern  gelegenen,  dem  Epilemm  zugehörigen  Epilemmal-  oder 
Außenkernen)  aus  --  indem  er  ferne  obere  Decke  (Perineuralfcheide) 
als  Epilemm,  feine  untere  [Sdiimnn' iohQ  Scheide)  als  Endolemm 
dem  Sarkolemma  entgegenfchickt,  und  beide  Nervenfcheiden  als- 
dann fich  mit  dem  Sarkolemm  durch  eine  Kittfubftanz  (Borften- 
faum,  Sublemmalkitt)  verbinden  — ,  tritt  bis  auf  den  Axencyhndei 


99]  Phyßologie  der  contractilen  Gewel)e.  369 

mit  feinem  Axolemm,  in  welchem  die  fog.  Endknofpen  (d.  f.  nach 
Kiihue  und  Engelniann  wahrfcheinlich  die  reftirenden  Kerne  der 
ehemaligen  Bildungszellen  des  peripherifchen  Anthcils  der  Nerven- 
fafer)  lagern,  rcducirt  als  hvpo-  oder  fublemmaler  Nerv  an  die 
Muskelfubftanz  unmittelbar  heran,  verzweigt  fich  zu  dem  Nerven- 
geweih (hypolemmale  Nervenveräftelung  im  Allgemeinen,  auch 
motorifche  Nervenendplatte  oder  Arborifation  genannt),  begiebt  lieh 
aber  hier  nur  an  die  Sarkoglia  (identifch  mit  liolJrffs  Sarkoplasraa), 
die  wirklich  contractile  Subllanz  des  ISIuskels  (Rliabdoglia)  nicht 
berührend.  Eine  derartige  Verfchmelzung  der  Nervenhüllen  mit 
dem  Sarkolemm  fcheint  auch  bei  allen  Muskeln  der  Wirbellofen, 
wo  fich  ein  folches  findet,  vorzukommen;  bei  den  quergeftreiften 
Wirbelthiermuskeln  zeigen  fich  die  Löthlinien  zwifchen  dem  Telo- 
lemm  und  dem  Sarkolemm  aber  erft  jenfeits  der  Gewciliausläufer 
(End-  oder  Terminalfafern). 

Das  Geweih,  wie  es  durch  die  Vergoldungsmethode  fichtbar 
zu  machen  ift,  befteht  aus  dem  äußeren  Stroma  und  dem  inneren 
Axialbaume;  wie  die  Frucht  den  Kern,  fo  umgiebt  das  gewöhnlich 
weit  dickere  Stroma  feinen  axialen  Einfchluß.  Der  •  Axiallxunn 
Itellt  das  feit  llnnuli'9<  Zeiten  in  jeder  Nervenfafer  l)ekannte  Fibrillen- 
bündel  vor,  während  das  Stroma  dem  quellenden  Beftandtlicile 
des  Axencylinders  entfprechen  dürfte.  An  den  Goldpräparaten 
erfcheint  jeder  Aft  des  Axialbaumes  wie  ein  dunkel  ])urpurner 
Kern  in  dem  rothen  Fruchtflcifche,  und  in  gleiclier  Weife  fcharf 
fetzt  fich  daran  das  Stroma  von  der  dunkler  gefärbten  granulirlen 
Sul)ftanz  der  Plattenfohle  ab,  die  entweder  als  breiler,  körniger 
Sclileier  die  eigentliche  Nervenendigung  umgiebt  oder  bald  einen 
compacten  Kuchen  darflcUciul,  b.-ild  in  deficit  eines  von  Inlcln 
gebildeten  Rahmens,  aucli  als  l)]alige  Mafi'e,  deren  Lücken  in  der 
Regel  die  Sohlenkerne  enthalten,  auftritt.  Die  Sohlenfubfianz 
ftinimt  mit  dem  MuskelbiMungsmateriale,  der  Sarkoglia,  nberein, 
und  wo,  wie  bei  den  Anqihibien  keine  belbndere  Anhänlung  der 


370  Grundzüge  einer  vergleichenden  [100 

Sarkoglia  unter  dem  Geweihe  zu  Stande  gekommen  oder  bei  der 
Entwicklung  des  Muskels  •'zurückgeblieben  ift,  findet  lieh  die  Sohle 
nur  als  ferne  Gliaftreifen  in  den  rubnervöfen  Muskelcanneluren 
angedeutet. 

Alle  bis  heute  bekannten  hypolemmalen  Nerven  der  Wirbel- 
thiere  lallen  als  gemeinfames  Princip  eine  unfymmetrifche  Ab- 
gabelung  der  Geweihäfte  erkennen.  Obfchon  bei  Schildkröten 
(Testudo)  jede  denkbare  Geftalt  der  Geweihbildung  gefunden 
wurde,  fo  lalTen  fich  doch  zwei  Hauptformen  derfelben  unterfchei- 
den:  Erftens  die  geftreckten,  gradäftigen  und  bajonettartig  ge- 
knickten «Stangengeweihe»  des  Frofches  und  Salamanders,  welche 
lieh  bei  letzterer  Species  noch  durch  das  vollftändige  Fehlen  der 
Endknofpen  weiterhin  vereinfachen,  und  zweitens  die  gekrümmten 
Nervengeweihe  der  Eidechfen,  Schlangen  und  Säugethiere,  welche 
zu  mehr  oder  minder  labyrinthifchen  Platten  auf  kleinerem  Räume 
(in  den  Nervenhügeln)  zufammengedrängt  hegen  und  als  «Platten- 
geweihe» bezeichnet  werden.  Als  fernere  Eigenthümlichkeiten  des 
Platten geältes  fand  Kühne  1.  die  gekerbten,  viel  unregelmäßiger 
als  bei  den  Amphibien  befchaffenen  Ränder;  2.  das  Zurückranken 
der  Aefte;  3.  plattenartige  Verbreiterungen  derfelben,  und  4.  ge- 
legentliche Bildungen  von  Anaffcomofen.  Faffc  jedes  Plattengeweih 
läßt  fich  künftlich  zu  einer  Figur  ausbreiten,  deren  Grundform 
eine  Wiederholung  der  einfachften  Geftalten  der  Platten  in  den 
Muskeln  der  Blindfchleiche  oder  der  Natter  ift,  und  diefe  fchließen 
fich  durch  wirkliche  Uebergänge  den  überfichtlichften  geftreckten 
Forraen  des  hj^polemmalen  Nervengeäftes  der  Schildkröten  und 
Amphibien  an. 

Die  bei  den  Vögeln  trotz  aller  fehr  augenfälligen  Verfchieden- 
heit  des  Fleifches  ziemlich  übereinftimmend  gefundenen  Nerven- 
geweihe find  von  denen  der  Eidechfen,  Schlangen  und  Säuger  fo 
verfchieden  als  möghch,  durch  ihre  geftreckte  Form  der  Endigungs- 
weife  bei  den  Amphibien,    befonders  den  Salamandrinen   aber  oft 


101] 


Plivßologie  der  contractilen  Gewebe. 


371 


zum  A'erwechfeln  ähnlich.  Nur  eines  fcheint  die  hypoleminalen 
Nerven  der  Vögel  auszuzeichnen  (obfchon  es  bei  Testudo  ver- 
einzelt vorkommt),  nämlich  daß  manche  Geweihe  die  Muskelfafer 
eine  Strecke  weit  vollkommen  umgreifen,  ferner  das  den  Amphibien 
gegenüber  häufigere  "\^orkommen  von  Geweihen,  deren  Hauptälte, 
ftatt  parallel  der  Muskelfaferaxe,  diefer  circulär  verlaufen. 

Mit  den  Ergebniffen  der  chemifchen  Unterfuchungen  decken 
fich  die  Erfahrungen  über  die  hypolemmalen  Nervenveräftelungen 
an  den  quergcflreiftcn  "Wii'belthiermuskeln  keineswegs.  Den  che- 
mifchen Eigenthümhchkeiten  nach  (hoher  Harnftoff-,  Harnfäure- 
refp.  Taüringehalt,  Verbreitung  des  Inoüts)  gruppirt  lieh  die  quer- 
geftreifte  Vertebratenmuskulatur,  den  Familien  entfprechend,  in 
der  unter  I.  (f.  die  folgende  Tal)elle)  verzeichneten  Weife,  bei 
ausfchließlicher  Berückfichtigung  der  Nervengeweihe  refultirt  da- 
gegen die  unter  U.  eingehaltene  Reihenfolge. 


Reich  an: 


II. 


/  Selachier 


Amphioxua 
C  y  c  1  o  ft  o  lu  e  n 
G  a  n  o  i  d  e  n 
T  e  1  e  o  ft  i  e  r 
Amphibien 


Crocodile 


Schlangen 

Vöjrel 

Silugetbiere 


Harnftoff 


Tiiurin 
Harnräure 


Stangen- 
geweihe 

Uebergangs- 
formen 

riatten- 
geweilie 


/  Salamander 
J  Frofch 


Vögel 

Blindfclileifhc 

Natter 


Eidechfen 
Schlangen 
Säugethiore 


Als  Entladung-sliypothefe"")  bezeichnete  (ht  Ilois-ltn/mond  die 
Annahme  einer  Auslöfung  der  normalen  Mu.skelcontractioiHii  ( 
electrifflic  Schläge,  welche  von  der  motonfchen  Endi)lutte  aus  die 
zug('li()nge  Muskelfafer  treffen.  W.  Kranfc  Ijattc  gemeint,  daß  die 
motonfclic  Kndplatte  wegen  ihrer  cctncjivcn  Form  die  StrouMHchtc 


Kill- 

lllclllllKS- 
1     llVIiDtlldl'U. 

nich 


372  Grundzüge  einer  vergleichenden  [102 

ZU  Gunfteii  der  innervirten  Muskelfafer  verftärken  müITe,  du  JBois- 
Reymond  war  der  Anficht,  daß  die  negative  Schwankung  eines  im 
hypolemmalen,  ruhenden  Nervenäftchen  präexiftkenden  Stromes 
den  Reiz  für  die  direct  berührte  contractile  Subitanz  abgeben 
könne.  Um  die  Unwirkfamkeit  des  Reizvorganges  für  benachbarte 
Muskelfafern  zu  erklären,  verlangte  aber  du  Bois'  Hypothefe  eine 
leichte  Umbiegung  des  äußerften  hypolemmalen  Nervenendes  zur 
Muskelaxe,  von  der  Kühne  niemals  Andeutungen  zu  Geficht  be- 
kam. Kühne  betonte  vielmehr  die  unfymmetrifche  Abgabelung 
und  ungleiche  Länge  der  Geweihltangen,  welche  durch  die  Bajo- 
nettknicke, refp.  durch  die  beiden  hypolemmalen  Aefl;e  zweier 
gegen  einander  rankenden  Bögen  nicht  nur  an  den  Stangen- 
geweihen der  Amphibien,  fondern  auch  an  den  Plattengeweihen 
nachgewiefen  wurden.  In  diefer  unfymmetrifchen  Abgabelung  und 
der  dadurch  bewü'kten  ungleichen  Länge  der  parallel  zur  Axe  des 
Muskels  gefi;ellten  Geweihzinken  ficht  Kühne  eine  gefetzmäßige 
Einrichtung,  welche  fämmtliche,  auf  kürzeJftem  Wege  zu  verbin- 
denden _  und  nur  dm'ch  Muskeif ubftanz  getrennten  Punkte  der 
Terminalfafern  in  allen  Phafen  der  Wellen  mit  verfchiedener  elec- 
trifcher  Spannung  verlieht,  die  fich  ihrerfeits  wieder  quer  durch 
die  Muskehinde  ausgleichen  muß.  Es  ift  klar,  daß  an  zwei  fenk- 
recht  über  einander  liegenden  Punkten  der  beiden  ungleichen 
Gabelzinken  die  negative  Stromfchwankung  nicht  gleichzeitig  ein- 
treffen kann,  fondern  an  dem  entfprechenden  Punkte  der  längeren 
Zinke  um  die  Zeit  verfpätet,  welche  fie  zum  Durchmefien  der- 
jenigen Strecke  bedarf,  um  welche  die  Wegslängen  der  beiden  Gabel- 
äfi;e  bis  zu  dem  entfernter  liegenden  zweiten  Punkte  differiren.  Da- 
durch wird  der  Punkt  an  dem  längeren  Gabelafte  vorübergehend 
pofitiv,  der  an  dem  kürzeren  negativ  und  die  Muskeif ubftanz 
zwifchen   den    Zinken  fomit  electrifch  erregt. 

Die  nichts  Doppeltbrechendes  enthaltende  Gallert-,   Zwifchen- 
oder   Füllfubftanz    vor    der    Nervenendplatte   in    dem'  electrifchen 


103]  Phyüolügie  der  contractilen  Gewebe.  373 

Organe  der  Zitterfifche  Hellt  bekanntlich  den  Refl  des  embryonalen 
Muskels  dar,  Avährend  in  der  fog.  electrifchen  Platte  nur  die  Inner- 
vationsfeheibe  der  um  die  Contractilität  gekommenen  Muskeln  zu 
fehen  ift.  Verglichen  mit  dem  Muskel  und  die  VerhältnilTe  bei 
dem  electrifchen  Organe  derart,  wie  wenn  eine  fehr  kurze  Muskel- 
fafer  nicht  am  Umfenge,  fondern  am  Sehnenanfatze  und  an  Stelle 
eines  Sehnenendes  eine  motorifche  Nervenendigung  von  der  Aus- 
dehnung ihres  größeften  Querfchnitts  erhielte.  Kühne  glaubt,  daß 
es  nur  an  'dem  Innervationsvorgange  und  an  der  Anordnung  der 
Muskeln  liegt,  wenn  diefe  dem  electrifchen  Organe  einiger  Fifche 
an  äußerer  Wirkfamkeit.  fo  erhebhch  nachftehen,  und  daß,  wenn 
wir  «die  motorifchen  Nerven  mit  ihren  Enden  durch  die  Septa  an 
die  Stellen  der  Muskelanfätze,  alfo  an  je  ein  Sehnenende  der 
Muskelfafern  führen  könnten,  die  Schwankungswelle  in  allen  Ele- 
menten des  Muskels  einfmnig  verlaufen  würde,  womit  die  erfle 
Annäherung  an  den  Ablauf  der  electrifchen  Vorgänge  im  elec- 
trifchen Organe  erzielt  wäre». 

Damit  der  Muskel  zu  einem  electrifchen  Organe  wird,  würde 
aber  des  weitern  nötliig  fein,  daß  die  Innervation  einer  großen 
Anzahl  von  Muskelblättern  eine  geregelte  und  fucceflive  wäre,  denn 
eine  Innervation,  welche  erft  mittlere,  dann  kopfwärts  und  fchwanz- 
wärts  gelegene  Fleifchblätter  träfe,  müßte  die  Vortheile  der  Ein- 
feitigkeit  des  Ablaufs  der  electrifchen  Vorgänge  in  den  Elementen 
jedes  Blattes  ja  nothwendig  wieder  vernichten.  Ob  die  Natm-  uns 
wirkliche  i)hyfiologifche  Uebergänge  zwifchen  Muskeln  und  elec- 
trifchen Organen  in  der  kurzfaferigen  Fifchmuskulatur  und  in  den 
noch  mäandrifch  verwälzte  Fleifchprismenfchichten  einfchließenden 
pfeudoelectrifchen  Organen  erhalten  hat  und  welchen  Grades  die- 
f(,*ll>en  find,  läßt  fich  gegenwärtig  kaum  beflimmen,  fondern  ift 
erft  durch  fpeciell  auf  dielen  Punkt  gericbtf.to  Untei-fuchungen  zur 
Entfcheidung  zu  bringen. 


374  Grundzüge  einer  vergleichenden  [104 

Formver-  u^-q  (^gj^  Ganzen    die  Ueberfichtlichkeit    zu  wahren,  mußten 

•änderliches 

Prisma,  wir  fowolil  bei  unferen  einleitenden  Bemerkungen  wie  auch  fpäter 
bei  der  fpeciellen  Betrachtung  der  Muskelfubftanz  das  Verhalten 
des  formveränderlichen  Protoplasmas^^*')  mehrfach  mitberückfich- 
tigen;  es  empfahl  ßch  nicht,  diefe  Auseinanderfetzungen  ganz  bis 
an  den  Schluß  zu  verfchieben.  So  erfuhren  wir  bereits,  daß  weder 
die  Verbindung  mit  Nerven,  noch  eine  faferige  Structur,  fondern 
nur  beide  Eigenfchaften  zufammengenommen,  dem  Muskelgewebe 
als  contractiles  Gebilde  eigenthümlich  und,  daß  das  form  veränder- 
liche Protoplasma  mit  der  Muskelfubftanz  auch  das  Gerinnungs- 
vermögen bei  verhältnißmäßig  niedriger  Temperatur  als  t}^ifches 
Merkmal  theilt  und  wie  diefe  durch  eine  Anzahl  gleicher  Sub- 
flanzen  (durch  Veratrin,  Nicotin  und  durch  die  fog.  Anäfthetica) 
vergiftet  wird.  In  der  großen  Empfindlichkeit  des  nackten  Proto- 
plasmas für  Chinin  erkannten  wir  dagegen  eine  Abweichung  von 
den  Muskeln,  einen  Unterfchied  zwar,  der  kein  durchgreifender 
ifl,  da  z.  B.  die  innervirten  Chromatoblaften  der  höheren  Thiere 
deletären  Einflüffen  diefes  Alkaloides  weit  weniger  unterliegen  als 
die  Waiiderzellen  und  die  meiften  Amöbenformen.  Das  Einzige, 
was  uns  noch  nachzutragen  übrig  blieb,  ift  das  Verhalten  des 
formveränderhchen  Protoplasmas  gegen  Reize  und  zwar  vorzugs- 
weife  gegen  folche  electrifcher  Art. 

Wo  uns  allein  daran  liegt,  die  unterfcheidenden  Merkmale 
des  Protoplasmas  als  contractilem  Gebilde  von  dem  Muskelgewebe 
aufzufuchen,  kann  uns  unmöglich  die  Aufgabe  obliegen,  die  fämmt- 
lichen  Bewegungen,  welche  durch  eine  Wirkung  äußerer  Reize  auf 
die  protoplasmatifchen  Antheile  der  lebenden  Zellen  auch  die 
Wachsthums-,  die  Fortpflanzungs-  und  Ernährungserfcheinungen 
oft  in  fo  hohem  Maße  beeinfluITen,  in  den  Kreis  unferer  Betrach- 
tungen hineinzuziehen.  Das  Irritabilitätsvermögen,  welches  jedem 
lebenden  Theile  zukommt,  ift  bekanntlich  auch  etwas  ganz  anderes 
als  das  ContractiHtätsvermögen,   und    diefes    andererfeits    wohl    zu 


105]  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe.  375 

unterfcheiden  von  den  Bewegungserfcheiuungen,  Avelclie  durch  einen 
Stofianwachs,  durcli  Anhäufung  des  lebenden  Subftrates  an  be- 
ftimmten  Plätzen,  den  fog.  Wachsthunispunkten  zu  Staude  kommen. 
Immerhin  bleibt  jedoch  zu  berückflchtigen,  daß  auf  die  membran- 
lofen,  leicht  beweghchen  Protoplasmamaffen,  Kräfte  als  wirkfam 
fich  enveifen,  welche  ihre  Macht  bei  den,  in  fcfto  Bahnen  gebannten 
Bewegungen  der  contractilen  Subftanz  des  Muskelgewebes  voll- 
ftändig  eingebüßt  haben.  So  werden  viele  Protoplasmen  noch 
Itark  beeinflußt  von  der  Schwerkraft,  vom  Lichte,  von  einer  un- 
gleichmäßigen Vertheilung  der  Feuchtigkeit  in  der  Umgebung,  und 
die  als  Geotropismus,  Hehotropismus  und  Hydi^otropismus  bezeich- 
neten Erfcheinungen  find  noch  befonders  merkwürdig  dadurch, 
daß  fie  entweder  auf  einem  pofitiven  oder  gewiffermaßen  auf  einem 
negativen  EinflufTe  der  Kräfte  beruhen,  die  Bewegungen  der  proto- 
plasmatifchen  Maffe  der  Schwere,  dem  Lichte  refp.  der  Feuchtig- 
keit zugerichtet  oder  denfelbeii  abgewendet  verlaufen. 

Nicht  fo  diametral,  fondern  nur  quantitativ  verfchieden  find 
die  Abweichungen,  welche  an  verfchiedenen  Protoplasmen  bei 
electrifclicr  Reizung  zur  Beobachtung  gelangen;  aber  die  Größe 
der  Reizbarkeit,  gemefi'en  durch  den  fchwächfl:en  noch  wirkfamen 
Reiz  ift  je  nach  der  Art  des  Protoplasmas  auch  in  diefem  Falle 
eine  ungleiche.  Um  nur  ein  diesbezügliches  Beifpiel  anzuführen, 
fei  erwähnt,  daß  nach  Enr/ehnann  das  Protoplasma  von  Süßwafier- 
amöben,  Diatomeen,  Vaüisnenazellen  u.  A.  auf  fehr  viel  fchwächere 
Inductionsltröme  reagirt  als  das  der  weißen  Blutkörperchen.  Außer- 
dem ift;  auch  der  Effect  der  electrifchen  Reizung  zu  Anfang  nicht 
überall  dcrfelbe;  durch  ftärkere  Ströme  oder  Ixi  länger  andau- 
ernder Reizung  kommt  es  aber  allgemein  zn  cincin  Einziehen 
der  Fortfätze,  zu  Verkürzungen  und  Verdickungen,  die  binnen 
einigen  Secunden  zur  Kugelgeftalt  führen  könmai.  Schließung 
eines  beftändigen  Stromes  wirkt  dabei  allemal  fiärker  als  Oelfnung 
desfelben;  denn  letztere  erftjrdeii  längere  Schließungsdauer  bezüg- 


376  Grundzüge  einer  vergleichenden  [106 

lieh  größere  Stromdichte  und  ebenfo  wächft  mit  Steilheit  und 
Umfang  der  Schwankung  innerhalb  gewilTer  Grenzen  der  Erfolg 
fehr  merkbar.  Inductionsfchläge  und  deshalb  durchfchnittlichauch 
weit^wirkfamer  als  Schließungen  conftanter  Ströme. 

Wir  haben  bereits  früher  (S.  373)  erläutert,  in  welcher  Weife  ' 
man  fich  die  Umwandlung  eines  urfprünglich  als  Muskel  ange- 
legten Organes  in  ein  rein  electrifches  vorzuftelleu  hat,  jetzt  tritt 
an  uns  die  Frage  heran,  welche  Momente  erforderlich  lind,  damit 
aus  einer  contractionsfähigen  Protoplasmarnaffe  ein  Muskel  hervor- 
gehe. SarJis'^^^)  hat  jüngft  in  feiner  fmnreichen  Art  entwickelt, 
wie  fich  bei  einem  Myxom yceten  ( D  i  d  y m  i  u  m  f e  r  i  n  o  c  e  u m )  meh- 
rere nackte  Protoplasmakörper  vereinigen,  dann  eine  fefte,  hutpilz- 
artige Form  annehmen,  fich  mit  einer  Membran  bekleiden  und 
innere  Theile  röhrenartige  Fafern  der  verfehl edenften  Form,  das 
fog.  CapiUitium  bilden,  in  welchem  fich  die  Sporen  entwickeln. 
Wäre  das  Myxomycetenplasmodium  von  Anfang  an  von  einer 
Zellhaut  umfchlollen  gewefen,  fo  würden  wir  hier  genau  die  näm- 
lichen Geftaltungsverhältniffe  als  bei  den  Wachsthumsvorgängen 
der  Cöloblafi^en  zu  verzeichnen  haben,  und  « denken  wir  uns  ferner 
innerhalb  eines  Cöloblaften,  etwa  einer  Caulerpa,  Vaucheria, 
Bryopsis  u.  f.  w.  mit  fortfchreitendem  Wachsthum  eine  im  Innern 
Itattfindende  Zerklüftung  der  Protoplasmamafl'e  durch  quer  und 
längs  geftellte  Scheidewände,  fo  bekommen  wir  eine  gewöhnliche, 
aus  Zellkammern  beftehende  Pflanze».  Sehr  ähnlich  würden  nun 
auch  die  Differenzirungen  von  Statten  zu  gehen  haben,  wenn  fich 
aus  den  Plasmodien  eine  veritabele  Muskelzelle  entwickeln  foUte. 
Auch  hier  müßten  die  einzelnen  contractilen  Elemente  eine  geord- 
nete Lagerung  annehmen,  zu  einer  organifch  zufammenhängenden 
MalTe  verfchmelzen,  welche  fich  dann  mit  einer  Membran  zu  um- 
geben, fchließlich  aber  noch  mit  einem  Nerven  in  Verbindung 
zu  treten  hätte.  Die  Wahrung  des  organifchen  Zufammenhanges 
unter  den  einzelnen  Plasmodien  würde  demnach  die  einzige  Schwie- 


107]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  377 

rigkeit  fein,  welche  lieh  der  Herriehtung  eines  echten  «künftlichen 
Muskels»  entgegenftellt  und  welche  vorausfichtlich  auch  immer 
unüberwindbar  bleiben  wird. 


Eine  Zeit,  in  der  die  fpecielle  Behandlung  der  Galle,  des 
Speichel-,  Magendrüfen-  und  Pankreasfecretes  einer  allgemeineren 
Betrachtung  der  Verdauungserfchcinungen  gewichen  wäre,  hat  es 
in  der  Phyüologie  nie  gegeben.  Stets  war  man  beftrebt,  die  ein- 
zelnen Secrete  als  folche  kennen  zu  lernen,  hat  kein  Mittel  un- 
verfucht  gelaffen,  den  gemifchten  Speichel  in  die  Producte  der 
einzelnen  Drüfen  zu  zerlegen,  und  das  Bild  des  Verdauungspro- 
celTes  als  Ganzes  fetzt  fich  fchon  feit  undenklichen  Zeiten  aus  den 
Befchreiljungen  der  Eigenfchaften  der  einzelnen  Secrete  zufammen, 
welche  fuccefTive  daran  betheiligt  lind. 

Ganz  anders  fteht  es  in  der  Muskelphyliologie !  Der  Contrac- 
tionsmodus,  der  hifliologifche  und  chemifche  Bau  bieten  bei  den, 
von  uns  unterfchiedenen  Muskelgattungen  ein  nicht  weniger  mannig- 
faltiges Gepräge  dar  als  die  verfchiedenen  Verdauungsdrüfen  unter 
fich;  aber  noch  immer  giebt  es  nur  eine  einheitliche  Muskelphy- 
fiologie,  in  welcher  alle,  doch  in  fo  vielen  Beziehungen  ungleich- 
artigen Muskelgattungen  im  Grunde  als  ein  und  dasfelbe  betrachtet 
werden.  Mcift  nur  ein  kurzer  Nachtrag  verräth  uns  in  den  neueften 
Handbüchern  der  Muskelphyfiologie,  daß  wir  üIkt  die  glatte 
Muskulatur  erft  fehr  dürftig  unterrichtet  lind  und  uniere  dem 
Texte  eingefügten  Tabellen  zeigen  durch  ihre  mannigfachen  Lücken 
wohl  zur  Gf'nüge  an,  wie  fchlecht  es  mit  einer  wiirenfchaftlichen, 
mit  einer  vergleiclienden  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe  tlint- 
fäcblich  noch  beftcllt  ifi. 

Al)gefehen  von  allen  uns  liinlänglich  bekannt  gewordenen 
AusnahmefilUen  liabe  icli  in  iK-iHcbcndcni  Sclicnia  vei-lucht,  die  in 
ihrer  Contraction,  Structur  oder  in  ihrcjii  cheinifclicn  B;nir  nidir 
oder  weniger   von   einander   abweichenden    Muskelarten    nochmals 


378 


Grundzüge  einer  vergleichenden 


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109]  Phyüologie  der  contractilen  Gewebe.  379 

ziifammenzuftellen.  ]\Iit  Hülfe  diefer  Zufammenfairung  werden 
die  übrigen  Tabellen  leichter  zu  überblicken  fein  und  jene  wird 
durch  diefe  auch  vielfach  vervollftändigt  werden  können 

Erinnern  wir  uns,  daß  bereits  185G  Schloßberger^-^)  die  Äluskel- 
phyfiologie  als  dasjenige  Feld  bezeichnete,  auf  welchem  «vielleicht 
mehr  als  irgendwo  die  comparative  Phj^fiologie  die  Deutung  der 
gewebhchen  Forfchungen  an  den  Apparaten  der  höheren  Thiere 
auf  das  '\;\Ti'kfamfte  weiter  bringen  und  vor  Einfeitigkeit  und  Irr- 
thümern  bewahren  kann»,  daß  aber  trotzdem  erft  die  Arbeiten 
der  allerletzten  Jahre  uns  in  den  Stand  fetzten,  die  Darfteilung 
einer  vergleichenden  Phyfiologie  der  contractilen  Gewebe  in  groben 
Umriffen  durchzuführen,  fo  dürfte  die  Hoffnung  kaum  als  unbe- 
rechtigt erfcheineu,  daß  fchon  in  kurzer  Frilt  fich  auch  diefer 
Zweig  der  vergleichenden  Phyüologie  von  dem  gegenwärtigen 
Standpunkte  weit  entfernt  haben  und  der  vergleichenden  Phyßo- 
logie  der  Ortsbewegungen,  der  Verdauungsvorgänge  und  der  ner- 
vöfen  Apparate  als  ebenbürtig  zur  Seite  flehen  wird. 


380  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [110 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


1)  L.Hermann,  Handbuch  der Phyßologie.  Bd.  1.  Th.  1.  Leipzig  1879.  S.  81. 

2)  Um  Verwechslungen  des  Contractilitätsvermögens  mit  anderen  Kraft- 
äußerungen, welche  am  Muskelgewebe  gleichfalls  zm  Beobachtung  gelangen, 
zu  vermeiden,  feien  einige  hier  in  Betracht  kommende  Ausdrücke  kurz 
erläutert. 

Irritabilität  ift  die  allen  lebenden  Gebilden  ohne  Ausnahme  zukom- 
mende Reactionsfähigkeit  auf  Eeize  (d.  f.  locale  Veränderungen  des  Ge- 
webes [Virclioiv,  Cellularpathologie.  4.  Aufl.  1871.  S.  199]),  und  zwar  nicht 
nur  auf  diejenigen,  welche  den  Geweben  durch  Neryen  übermittelt  werden 
(fog.  Neuroerregbarkeit),  fondern  auch  auf  folche,  welche  die  Gewebe  direct 
trefl'en  {Gl.  Bernard,  Le(;ons  sur  les  phen.  de  la  yie.   T.  I.  Paris.  1878.  p.  248). 

Contractilität  ift  ein  fpecieller  Fall  der  Irritabilität;  man  ver- 
lieht darunter  das  den  Muskeln,  dem  formverändeiiichen  Protoplasma  und 
außerdem  noch  einigen  anderen  lebenden  Gebilden  innewohnende  Vermögen, 
lieh  auf  Reizeinfluß  zu  verkürzen. 

Elafbieität  ift  die  allen  Körpern,  lebenden  wie  todten,  in  mehr  oder 
minder  hohem  Grade  zukommende  Eigenfchaft,  fleh  unter  der  Ein\Aarkung 
von  Drück  (Druckelafticität)  oder  Zug  (Zugelaflicität)  auszudehnen  (Exten- 
fibilität)  und  beim  NachlalTen  der  dehnenden  Kräfte  mehr  oder  weniger 
voUftändig  in  die  urfprüngliche  Ruhelage  z  urückzukehren  (Retractilität). 
L.  Hermann  (Handbuch  der  Phyßologie.  Bd.  1.  Th.  1.  1879.  S.  11)  definirt 
«elallifche  Kräfte»  als  diejenigen,  av eiche  ein  Körper  von  beflimmter  natür- 
licher Geflalt  äußeren  formverändernden  Kräften  entgegenfetzt,  oder  in  Folge 
einer  durch  letztere  bewirkten  Geftaltsänderung  als  potentielle  Energie  ent- 
wickelt. —  Einige  Forfcher  (z.  B.  Bicliet,  Phyfiologie  des  muscl(Js.  1882.  p.  181) 
betrachten  Contractilität  und  Elaflicität  im  Grunde  als  ein  und  dasfelbe. 

Excitabilität  ift  die  Empfänglichkeit  der  Gewebe  für  äußere  Ein- 
flüile ;  fie  ftellt,  in  Hiuficht  auf  die  Irritabilität  als  dem  Activen,  die  reciph-ende 
Seite  der  Reizeinwirkung  vor. 

Tonicität  nennt  man  die  Eigenthümlichkeit  der  contractu en  Gewebe, 
unter  den  normalen,  centralnervöfen  Einflüfl"en  fchwach  contrahirt  zu  bleiben. 


111]  Aiimerkuiiiren  und  Literaturnachwoife.  381 

—  III  der  normale  Muskcltoniis  durch  eine  directe  oder  indirecte  Ueber- 
empfindlichkeit  des  Rückenmarkes  pathologifch  gefteigert,  fo  l'priclit  man  von 
Contracturen. 

ä)  Vgl.  Krulenherr).  Vgl.-phyßol.  .Studien.    1.  Reihe.    3.  Abth.  Heidelberg. 
1880.  S.  59  —  62  (Unterfchied  von   Chromatoblaften  und  Chromatophoren). 

*)  Tli.   W.  Engelmann,   Hermann'a  Handb.  d.  Phyßologie.    Bd.  1.    Th.  1. 
•S.  380. 

*)  Engelmann,  a.  a.  O.,  S.  379. 

6)  Vgl.  Krulcenhery,  a.  a.  0.,  1.  Reihe.  2.  Abth.  1880.  S.  78—100. 
')  Engelmann,  a.  a.  0.,  S.  395. 

^)  Krtikenherg,  a.  a.  O.,  1.  Reihe.  3.  Abtli.  S.  1—22. 
»)  "Wichtigere  Literatur  über  die  Neuromuskeltheorie: 
X  Kkinenherg,  Hydra.  Leipzig.  1872.  S.  10—27;  E.  Hädel,  Anthropo- 
genie.  3.  Aufl.  Leipzig.  1877.  S.  660;  C.  Gegenhaur,  Grundriß  der  vgl.  Ana- 
tomie. Leipzig.  1874.  S.  39;  Ed.  van  Beneden,  De  la  distinction  originelle  du 
testicule  et  de  l'ovaire.  Bull,  de  l'acad.  r.  de  Belgique.  2.  Ser.  T.  37.  Bru- 
xelles.  3874.  p.  24;  Eimer,  Zoolog.  Studien  auf  Capri.  I.  Ueljer  Beroe  ova- 
tus.  Leipzig.  1873.  S.  78;  Hitxleij,  Grundzüge  d.  Anat.  der  wirbellofen  Thiere. 
Deutfeh  von  ./.  W.  Spengel.  Leipzig.  1878.  S.  60—61  u.  S.  115.;  C.  Claus, 
Studien  über  Polypen  und  Quallen  der  Adria.  I.  Acalephen.  Discomedufen. 
Denkfchr.  d.  math.-naturw.  ClalTe  d.  Wiener  Acad.  Bd.  38.  1877.  S.  28  u.  29; 
0.  u.  B.  Hertuig,  Das  ^'ervenfyllem  und  die  »Sinnef-organe  der  Medufen.  Leipzig. 
1878.  S.  157—174;  ir.  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyßol.  Init.  d.  Univ.  Heidelberg. 
Bd.  3.  1879.  S.  107  u.  144;  C.  Chun,  Ctenophoren.  Fauna  und  Flora  des 
Golfes  von  Neapel.  Leipzig.  1880.  .S.  215—221;  Krulenberg,  a.  a.  O.,  1.  Reihe. 
3.  Abth.   1880.  S.   124—146,  *  « 

"j    E.  E.  Schulze,    Zeitfchr.    f.  \\\^.  Zoologie.     Bd.  30.    S.  394,    Bd.  32. 
.S.   136  u.  628,  Bd.  33.  S.  17. 

")  Wichtigere  Literatur  über  die  Eiweißltoffe  der  Muskeln: 
Kühne,  Unterf.  über  das  Protoplasma  etc.  Lei])zig.  18G4  u.  Leiirbuch  der 
phyfiolog.  Chemie.  Leipzig.  1866.  S.  270;  Hoppe-Setjler,  Ilaudb.  d.  phyliol.-  u. 
I.ath.-chemifchen  Analyfe.  5.  Aufl.  Berlin.  1883.  S.  266;  E.  Knglci;  lieber  die 
Starre  des  Säugethiermuskels.  Inaug.-Dillert.  Dor]>at  1883;  J.  Klemjdner,  Ueber 
«1.  Wirkung  des  deft.  Waffers  und  des  CoffeYns  auf  die  Muskeln  u.  über  die 
Crfache  derMuHkelftarre.  Dilfert.  I)ori)at.  1883;  O.NafTe,  Zur  Anat.  n.  PliyUni. 
<ler  quergeftreiften  Muskelfubltanz.  Leij.zig.  1882.  S.  22— 81;  A.  Dnnitnrslci/, 
Zeitfchr.  f.  phyliol.  Chemie.  Bd.  5.  188L  .S.  158;  Brum,  Iloppe-Seglcr'H  Medic- 
chfiii.  Unterfuchungc-n.  Berlin.  1867.  Heft  2.  S.  260;  Sclncciijger-Scidcl,  Arb.  a. 
d.  i.hynol.  Anftalt  zu  L(;ii.zig.  Bd.  4.  1870.  S.  121;  Krulmhrrg,  Vgl.i.hy'i<>l- 
.Studien.  1.  U«-iho.  2.  Ahtli.  1880.  H.  2  — 14  n.  2.  Hcilic  l.Ahth.  1882.  H.  146 
bis    147;     llnintius,    Anh.  f.  d.  gef.   Piiyli..logic.    I'.d.   3.    1870.    S.  414-424; 


382  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [112 

J.  EeinJce  u.  EoäewaU,  Bot.  Zeitung.  38.  Jahrg.  1880.  Nr.  48  u.  Unterf.  a.  d. 
bot.  Labor,  d.  Univ.  Göttingen.  Heft  2.  Berlin.  1881.  S.  49;  Melde,  Handb.  d. 
gerichtl.  Medicin.  Leipzig.  1819  ff.  Bd.  2.  S.  278  u.  Bd.  3.  S.  405. 

12)  Kühne,  Lehrb.  d.  phyüol.  Chemie.  1866.  S.  68. 

13)  Kühne,  Unterf.  über  das  Protoplasma  etc.  1864.  S.  1. 

")  Krukenlercj,  Vgl.-phyJiol.  Studien.  2.  Eeihe.  1.  Abth.  1882.  S.  87  —  138. 

1=)  Gl.  Bernard,  Le^ons  sur  les  effets  des  substancea  tosiques  et  medica- 
menteuses.     Paris.  1857.  p.  45. 

Iß)  Literatur  über  die  Säuerung  deir  Muskeln: 

J.  Liebig,  Chemifche  Unterf.  über  das  Fleifch,  Heidelberg.  1847;  E.  du 
Bois-Beymond,  Monatsber.  d.  Berliner  Acad.  1859.  S.  288;  /.  Bernßein,  De 
animalium  evertebratorum  musculis  nonnuUa.  Dissert.  Berolini.  1860;  C.  Voit, 
Zeitfehr.  f.  will.  Zool.  Bd.  10.  1860.  S.  470—498;  Fredericq  u.  Vandevelde,  Bull, 
de  l'ac.  r.  de  Belgique.  2.  Ser.  T.  47.  Bruxelles.  1879.  p.  783;  Valenciennes 
und  Fremy,  Ann.  de  chim.  et  phys.  T.  19.  1822.  p.  363  u.  8.  Ser.  T.  50.  1857. 
p.  171;  0.  NafTe,  Zur  Anatomie  etc.,  S.  84—94;  B.  Böhm,  Arch.  f.  d.  gef. 
Phyüol.  Bd.  23.  1880.  S.  44;  Ch.  Bichet,  Phyfiologie  des  muscles  et  des  nerfs. 
Paris.  1882.  p.  355. 

1')  KrukenTjerg,  Unterf.  a.  d.  phyüol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  3. 
Heft  3—4.  1880.  S.  15.  Anm.  5. 

18)  0.  NalTe,  Zur  Anat.  etc.,  S.  94. 

15)  J.  Cohnheim,  Vorlefungen  über  allg.  Pathologie,  Bd.  2.  2.  Aufl.  Berlin. 
1882.  S.-565  u.  566. 

20)  A.  Banileicslnj,  Zeitfehr.  f.  phyüol.  Chemie.  Bd.  7.  1883.  S.  124.  Vgl. 
auch  0.  NalTe,  Biolog.  Centralbl.  Bd.  4.  1884.  S.  726—731. 

21)  Literatur  über  die  Muskelenzyme: 

Kühne,  Verbreitung  einiger  -  Enzyme  im  Thierkörper.  Sep.-Abdr.  a.  d. 
Verhandl.  d.  naturhift.-medic.  Vereins  zu  Heidelberg.  Bd.  2.  Heft  1.  1876; 
Brücke,  Sitzungsber.  d.  Wiener  Acad.  Math.-naturw.  Clalfe.  Bd.  43.  Abth.  2. 
1861.  S.  601;  Th.  Efcherich,  Deutfehes  Archiv  f.  klin.  Medicin.  1885.  S.  196 
bis  200;  Piotrowsky,  Kühne's  Lehrb.  d.  phyüol.  Chemie.  1866.  S.  288. 

22)  Brücke,  Vorlefungen  über  Phyüologie.  3.  Aufl.  Bd.  I.  Wien.  1881. 
S.  305  u.  306. 

23)  Krukenberg ,  Unterf.  a.  d.  phyüol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  2. 
Heft  3.  1878.  S.  273—286  u.  S.  338—377. 

2^)  0.  NaJTe,  Zur  Anatomie  etc.  S.  99. 

25)  A.  Hänfen,  Arbeiten  a.  d.  bot.  Infl.  d.  Univ.  AVürzburg.  Bd.  3,  1885. 
S.  278. 

2®)  Gl.  Bernard,  Le^ons  sur  les  phenom.  de  la  vie  etc.  T.  H.  Pai-is.  1879. 
p.  57  —  140.  Vgl.  auch  Krukenberg,  Vgl.-phyüol.  Studien.  1.  Eeihe.  2.  Abth. 
1880.    S.  52—64. 


113]  Anmerkungen  und  Literatm-naohweife.  383 

")  E.  Külz,  Avch.  f.  d.  gef.  Phyfiologie.  ßd.  24.  1881.  S.  64—70. 

")  Kühne,  Lehrbuch  etc.  S.  334. 

")  0.  NafTe,  Zur  Anatomie  etc.  S.  82—84. 

30)  Krukoiberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.   2.  Reihe.  2.  Abth.  1882!  S.  59—62. 

»0  Krttlenherg,  ibid.,  1.  Reihe.  2.  Abth.  1880.  S.  58  u.  59. 

Sä)  G.  Schu-albe,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  5.  1869.  S.  220. 

33)  P.  Ehrlich,  Zeitlchr.  f.  klin.  Medicin.  Ed.  6.  1883.  S.  33. 

3*)  p.  Barfurth,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  25.  1885.  S.  288—297. 

35)  P.  Ehrlich,  a.  a.  0.,  S.  44. 

36)  Allgemeines  über  rothe  und  blaffe  INIuskeln: 

Geyenhaur,  Grundriß  d.  vgl.  Anat.  Leipzig.  1874.  S.  511;  Ki'ihnc ,  Arch. 
f.  path.  Anat.  Bd.  33.  1865.  S.  79—94;  Sanvier,  Lal)oratoiro  d'hiftologie.  Tra- 
vaux  de  l'annöe  1874;  E.  Meijer,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyüol.  1875.  S.  217—232; 
Schloßhcrger,  Die  Chemie  der  (iewebe.  II.  Leipzig  u.  Heidelberg.  1856.  S.  151 
bis  153;  W.  Kraufe,  AUg.  u.  mikrofk.  Anat.  Hannover.  1876.  S.  80  u.  90; 
Lavocat  u.  Arloing,  Revue  d.  scienc.  medic.  T.  8.  1876.  p.  56  u.  57;  JAichlimjcr, 
Arch.  f.  d.  gef.  Phyßol.    Bd.  18.  S.  472;  Grützner,   Breslauer  ärztl.  Zeitfchr. 

1883.  Nr.  18.  22.  Sept.,  Nr.  24.   22.  Dec.  u.  Recueil  zoologique  Suisse.    T.  L 

1884.  p.  665;  D.  Barfurth,  Arch.  f.  mikr.  Anat.    Bd.  25.  1885.   S.  290  u.  291; 
Krul:enher(),  Vgl.-phyfiol.  Studien.  1.  Reihe.  4.  Al>th.  1881.  S.  44—53. 

3')  Schloßhcrger,  a.  a.  O.,  S.  151. 

3»)  0.  NafTe,  Hermann'n  Handb.  d.  Piiyfiol.  Bd.  1.  Th.  1.  1879.  S.  271. 

39)  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Ind.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  3.  Heft 
1-2.. 1879.  S.  57. 

*«)  ().  NafTe,  Biolog.  Centralbl.  YA.  4.  1884.  S.  729. 

*')  Ueber  den  Fleifchzucker  vgl.  0.  NafTe,  Heniiann'H  Handl)U(ii. 
B.I.  1.  Th.  1.  1879.  S.  289. 

")  Limpricht,  Ann.  d.  Chcm.  u.  Pbarm.  lid.  133.  1865.  S.  293;  Kühne, 
Lehrbuch  etc.  S.  307. 

")  Vgl.  Krukenberg,  T^ntcrf.  a.  d.  pliyfiol.  inlt.  d.  Tniv.  Heidelberg.  Bd.  3. 
1880.  S.  197—220,  Bd.  4.  1881.  S.  33-63  u.  V^gl. -phyüol.  Studien.  2.  Reihe. 
1.  Abth.  1882.  S.  143-147;  Th.  \Ve>/l,  Monatsb.  d.  k.  Acad.  d.  Will",  zu  Berlin. 
21.  April  1881.  S.  383. 

♦*)  Frerichü  u.  Staedeler,  Journ.  f.  i)ract.  Chem.  Bd.  73.  S.  48. 

*'•')  Vgl.  Tanret  u.  ViUierx,  Ann.  de  chim.  et  de  phyHiipie.  5.  Ser.  T.  23. 
I'^HI.  j).  389—397. 

*'')  11.  Virchm;  Beitr.  z.  Keni)tiiil.i  der  licwcgnngen  deH  Mcnrcheii.  Wdrz- 
t.iirg.   1883.  S.  7  —  17. 

*')  F.  Miefcher-JiüTch,    Statiftifciu-   u.   l.iolog.    i'xMtriig«'    z.   Kcmitnili  vom 

i.cben  dcH  PJifiiilafhfcH.  1880.  Scparatabdr.  a.  il.  Schweizer  l.itcniliM  rniiiinhiiig 

z    iritiTiiationalen   KifchereiauMlteilung  in    ISerliii. 

h'rukenherg,  Vergl.-phyllol.  Vorlrüye.  '■'" 


384  Anmerkungen  und  Literaturnachweile.  [114 

4«)  Vgl.  Kühne,  Lehrbuch  etc.  S.  309. 

«)  Golmluim,  Vorlef.  über  allg.  Pathologie,    Bd.  1.  2.  Auü.    1882.    S.  653. 

50)  Hoppe- Seyler,  Phyiiologifche  Chemie.  BerHn.  1881.  S.  637. 

51)  Kulme,  Lehrbuch  etc.  S.  308  u.  309. 
5'^)  0.  Na/Te,  Zur  Anatomie  etc.  S.  82. 

53)  Vgl.  J.  König  ü.  B.  Fanvich,  Zeitfchr.  f.  Biologie.  Bd.  12.  1876.  S.  497 
u.  Peterfen,  ebenda,  Bd.  7.  1871.  S.  166. 

51)  Krukenljerg,  Vgl.-phyüol.  Studien.  1.  Reihe.  4.  Abth.  1881.  S.  46. 

55)  KrukenUrg  u.  H.  Wagner,  Zeitfchr.  f.  Biologie.  Bd.  21.  1885.  S.  39 
u.  40.  —  Ausgedehntere  Verfuchsreihen  über  den  Gehalt  verfchieden  functio- 
nirender  Muskeln  ein  und  desfelben  Thieres  an  Fett,  WalTer,  Afchen-  und 
feiten  Beffcandtheilen  follen  demnächlt  ausführlichere  Mittheilung  finden. 

58)  Bicliet,  Phyfiologie  des  muscles  et  des  nerfs.  Paris.  1882.  p.  301.. 

5^)  Krulcenherg  u.  Wagner,  a.  a.  0.,  S.  35. 

58)  Literatur  über  das  Muskelhämoglobin: 

Vgl.  Anm.  36;  ferner:  Henle,  Allg.  Anatomie  des  menfchl.  Körpers. 
Leipzig.  1841.  S.  587;  Simon,  Handb.  d.  angewandten'medic.  Chemie.  Bd.  2. 
Leipzig.  1842.  S.  524;  E.  v.  Bibra,  Arch.  f.  phyüolog.  Heilkunde.  Bd.  4.  1845. 
S.  536;  KölUker,  Mikrofk.  Anatomie.  Bd.  2.  Leipzig.  1850.  S.  248;  Broseit, 
Arch.  f.d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  3.  1870.  S.  361;  Pouchet,  Journ.  de  l'anat.  et  de 
la  physiol.  par  Eohin.  T.  12.  1876.  p.  4;  H.  Eoeber,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol. 
1869.  S.  452;  B.  Giclieiälen,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  7.  1873.  S.  547  u.  548; 
Kulme,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inlt.  der  Univ.  Heidelberg.  Bd.  2.  1878.  S.  133— 136. 

59)  Eichet,  a.  a.  O.,  p.  295. 

60)  0.  NafTe,  Hermann's  Handb.  d.  Phyfiol.    Bd.  1.    Th.  1.    1879.    S.  271. 
•")  B.  Haller,  Die  Organifation  der  Chitonen  der  Adria.    H.  Arbeiten  a. 

d.  zool.  Init.  der  Univ.  Wien.  Bd.  5.  Heft.  1.  1883.  S.  33. 

62)  Ueber  die  lipochromatifchen  Färbungen  der  Muskeln  vgl.: 
Fremy  u.  Valenciennes,  Compt.  rend.  T.  41.  1855.  p.  738;  Krukenberg  u.  Wag- 
ner, a.  a.  O.,  S.  37— 40i  Schloßberger,  Die  Chemie  der  Gewebe.  H.  1856.  S.  152. 

63)  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  2.  Reihe.  3.  Abth.  1882.  S.  139  —  143. 
—  Ohne  meine  Unter fuchungen  über  den  grünen  Belone-Farbfloff  zu  ken- 
nen, fchließt  Eaphael  Dubois  (Compt.  rend.  de  la  soc.  de  biologie.  Ser.  7. 
T.  5.  1883.  p.  317 — 318)  aus  den  Beobachtungen,  daß  das  Pigment  weder 
durch  Kochen  noch  durch  Fäulniß  zei'ftört  und  von  den  Flülfigkeiten,  welche 
viele  organifche  Subltanzen  löfen,  nicht  gelöfl;  wird,  auf  eine  anorganifche 
Befchaff"enheit  desfelben.  Dazu  bemerkt  Maly  (Jahresb.  üb.  d.  Fortfchr.  der 
Thierchemie.  Bd.  13.  Ueber  das  Jahr  1883.  S.  317  Anm.  1),  daß  fich  die 
grüne  Wirbelfäule  von  Belone  beim  Glühen  aber  licht  brennt. 

61)  G.  Pouchet,  Journ.  de  l'anat.  et  de  la  physiol.  par  Eobin.  1876.  p.  1  bis 
90  u.  p.   113—165. 


llö]  Anmorknngon  und  Literatiirnachweifc.  385 

«^)    Nach    eigenen    Unterfuchungen     an    den    gelben     FliiginuRkeln    von 
Melolontha  vulgaris. 

«6)  Literatur  über  den  Harnfloffgehalt  der  Muskeln: 
Owsjannikow    u.    Islomin,    citirt    von    Naße  {Heniuuin'n    Handbucli    der 
Phyfiol.  Bd.  1.  Th.  1.  S.  275);  T.  Picard,  Compt.  rend.  T.  87.  p.  533;  Demant, 
Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie.  Bd.  4.  S.  419;  /.  Liehig,  Ann.  d.  Chera.  u.  Pharm. 
Bd.  62.  1847.  S.  257;  C.  Voit,  Zeitfchr.  f.  Biol.  Bd.  2.  1866.  S.  225;  Kruken- 
berg,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  4.  1881.  S.  33—63. 
ß')  Literatur  über  den  Harnfäuregehalt  der  Muskeln: 
/.  Liehig,  Jahresb.  der  Chemie  für  1849.    S.  531;    Pagenliecher.   Heidel- 
berger Jahrbücher  der  Literatur.    Jahrg.  57.    I.    Hälfte.    1864.    S.  347 — 351- 
Meißner.   Zeitfchr.  f.  rationelle  Medicin.  Bd.  31.  1868.  S.  156;    Krukenherg, 
Vgl.-phyliol.  .Studien.  2.  Reihe.  2.  Abth.  1882.  S.  84;  Krukenherg  u.   Wagner, 
a.  a.  0.,  S.  36—37. 

«8)  Hoppe- Segler,  Phyfiologifohe  Chemie.  1881.  S.  901. 
69)  Krukenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  2.  Reihe.  1.  Abth.  1882.  S.  144—145. 
'0)  Literatur  über  das  Vorkommen  des  Taurins  in  Muskeln: 
H.  Limpricht,   Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  127.    1863.    S.  185—189  u. 
Bd.  133.  1865.  S.  293—305;    Krukenherg,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Init.  d.  Univ. 
Heidelberg.  Bd.  4.  1881.  S.  63;  Fremy  n.  Valenciennes,  Ann.  de  chiin.  et  de 
phys.  3.  Ser.  T.  50.  1857.  p.  129  —  178;  Staedeler  u.  Frerichs,  Journ.  f.  pract. 
Chemie.  Bd.  73.  1858.  S.  51  Anra.;  Fredericq,  Bull,  de  l'acad.  r.  de  Belgique 
2.  Ser.  T.46.  1878.  p.  765;  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  2.  Reihe.  1.  Abth. 
1882.  S.  143 ;  Krukenherg  u.  Wagner,  a.  a.  0.  S.  30. 

'»)  B.  H.  Chittenden,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  178.  1875.  S.  266— 274. 
")  Vgl.  Krukenherg,    Unterf.    a.    d.    phyfiol.  Infl^.    der  Univ.  Heidelberg. 
Bd.  4.  1881.  S.  43  u.  44. 

")  Ueber  Kreatin  in  Muskeln  vgl.  Krukenberg,  Unterf.  a.  d.  ]iliyfiol. 
Inft.  der  Univ.  Heidelberg.  Bd.  3.  1880.  S.  197-220  u.  Bd.  4.  1881.  S.  33  bis 
63;  ferner:  C.  G.  Lehmann,  Zoochemie.  Heidelberg.  1858.  S.  478;  Sarokin, 
Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  28.  1863.  S.  544—551;  C.  Voit,  Zeitfchr.  f.  Biologie. 
Bfi.  4.  1868.  S.  77. 

'*)  Brillat-Sacarin,  Phyfiologie  des  Ciefchniacks.  Deutfeh  von  C.  Vogt. 
4.  Aufl.  Braunfchweig.  1878.  S.  45. 

"■)  Vgl.  Krukenberg,  Grundriß  der  medic.-chem.  .\nalyfe.  Heidelberg.  1884. 
61—64. 

")  Krukenherg  u.  Wagner,  a.  a.  O.,  S.  29—33. 

")  Ueber  Carnin  handeln:   JI.  Weidcl,   Ann.  d.  Chem.  u.  Pliarm.     Bd. 

I'8.    1871.    S.  353     369;    Krukenberg  u.   Wagner,    SitzungHb.    d.    phyr-iiiedic. 

'•lifcli.  zu  Würzburg.   1883.  8.  68-63  u.  Zeitfclir.  f.  Biologie.  J'.d.  21.   1885. 

■-'0-28, 

27« 


386 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


[116 


'8)  isfeuere  Arbeiten  über  die  Xanthinkörper: 

G.  Salomon,  Ber.  d.  d.  ehem.  Gefellfch.  Bd.  16.'  1883.  S.  195  (Para- 
xanthin);  E.  Fifcher,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  215.  1882.  S.  253—320 
(Xanthin  u.  Coffein)  u.  Ber.  d.  d.  chem.  Gefelirch.  Bd.  17.  1884.  S.  328—338 
(Paraxanthin  u.  Methylpurin) ;  Strecker,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  131. 
S.  121;  Bochleder  u.  Hlaßtvetz,  Journ.  f.  pract.  Chem.  Bd.  93.  S.  96;  KoJTel, 
Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie.  Bd.  5.  S.  152,  Bd.  6.  S.  422,  Bd.  7.  ö.  7,  Bd.  8. 
S.  404  u.  Unterruchungen  über  die  Nucleine  u.  ihre  Spaltungsproducte.  Straß- 
burg. 1881;  ferner  Verhandl.  d.  phyüol.  Gefellfch.  zu  Berlin.  23.  Jan.  1885 
u.  Ber.  d.  d.  chem.  Gef.  zu  Berlin.  Bd.  18.  1885.  S.  79—81  (Adenin);  G.  Salo- 
mon, Verhandl.  d.  phyüol.  Gefellfch.  zu  Berlin.  10.  Juli  1885  (Heteroxanthin) 
u.  28.  Dec.  1883  (Guaninartiger  Körper  aus  Schweineharn);  Scherer,  Ann.  d. 
Chem.  u.  Pharm.  Bd.  107.  1858.  8.  314;  Ahnen,  Vierteljahrsfchr.  d.  naturf. 
Gefellfch.  in  Zürich.  Bd.  6;  J.  B.  JEnz,  Vierteljahrsfchr.  f.  pract.  Chem.  Bd.  4. 
S.  321;  Ph.  Schreiner,  Ber.  d.  d.  chem.  Gefellfch.  1871.  S.  763;  Krtilcenderg  u. 
Wagner,  a.  a.  0.,  S.  26—28  (Hypoxanthin  u.  Guanin);  Beinke  u.  Bodeioald, 
Uhterf.  a.  d.  bot.  Laborat.  d.  Univ.  Göttingen.  Heft  2.  Berlin.  1881.  S.  47  u.  48. 
^9)  Krukenherg,  Unterf.   a.  d.  phyüol.  Infi.  d.  Univ.  Heidelberg.     Bd.  8. 

1880.  S.  201. 

^°)  Vgl.  außer  den  unter  78  angeführten  Arbeiten  KoITel's:    G.  Salomon, 

Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie.   Bd.  2.  1878.  S.  65;    B.  H.  Chittenden,  Unterf.  a. 

d.  phyfiol.  Infl.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  2.   S.  424—433;     H.  Kraufe,  Ueber 

die  Darßellung  von  Xanthinkörpern  aus  Eiweiß.  Difl'ert.  Berlin.  1878. 

81)  Ueber  Inofinfäure  handeln:  J.  Liebig,  Ann.  d.  Chem.  und  Pharm. 
Bd.  62.  1847.  S.  257;  Gregory,  ebenda.  Bd.  64.  1847.  S.  106;  Meißner,  Zeitfchr. 
f.  rat.  Medicin.  Bd.  31.  1868.  S.  144;  Creite,  ebenda.  Bd.  36.  1869.  S.  195. 

82)  Limpricht,  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  Bd.  127.  1863.  S.  188. 

83)  Ueber  die  anorganifchen  Beflandtheile  (WalTer-,  Afchen-  und 
Gasgehalt)  der  Muskeln  vgl.  die  chemifch-phyfiologifchen  Handbücher;  befon- 
ders  die  von-  Schloßherger,  NaJTe  und  Hoppe-Seyler. 


') 


Qu.antitative  ZPleirdianalyreia. 


Gefammtfleifch  des  Eindes  nach 
Lehmann's  Zufammenllellungen : 

Walfer  ......    74,0-80,0 

Felle  Beflandtheile    26,0—20,0 
In  Wafl'er  unlösliche  geron- 
nene Eiweißkörper  (Myofin), 
Sarkolemma,  Kerne,  Gefäße 
und  elaflifche  Fafern 

Glutin       0,6  —1,9 


15,4-17,7 


Fleifch  von  Leuciscus  rutilus 
nach  Limpricht: 


I. 

H. 

Wafi'er  ....... 

77,89 

78,18 

Trockenfubftanz     .    . 

22,11 

21,82 

Albumin 

2,85 

3,01 

Kreatin 

0,11 

— 

Protfäure 

0,70 

0,69 

117] 


Anmerkungen  und  LiteraturnacliAveife. 


SS'i 


Gefammtfleifeh   des   Rindes  nach 
Le7iH)rt»»'s  Zufammenftellungen: 

Kalialbuminat,    bei  45o  C.  \ 
gerinnender    Eiweißkörper      2,2   —3,0 
und  Serumeiweiß  ) 

Kreatin 0,07-0,14 

Fett 1,0  —2,30 

Milchfäure 1,5  —2,30 

Phosphorfäure      .    .    .      0,66—0,70 

Kali 0,50—0,54 

Natron 0,07—0,09 

Chlomatrium    ....      0,04—0,09 

Kalk 0,02—0,03 

Magneßa 0,04-0,05 


Fleifch   von   Leuciscus  rutilus 
nach  Limpricht: 


1 

I. 

II. 

Milchräui-e 

Taurin 

Anorganifche  Salze    . 

0,06        - 
0,11        — 
1,35        - 

In  WalTer  löslich  .  . 
In  WalTer  unlöslich  . 

0,76 
0,58 

: 

1000  Gewichtstheile  enthalten  nach  G.  Bmirjc  (Zeitfchr.  f.  phyfiol.  Chemie. 
Bd.  9.  1885.  S.  60-62): 


KjO 

NagO    .    .    .    . 
CaO 

Mgo  .  .  .  : 

Fe^Oj    .... 

P2O5     .    .    ■    . 

Cl 

Präformirte  SO3 

Gefammt-S  .    . 


Fettfreies 
Rindflelfch 


4,654 
0,770 
0,086 
0,412 
0,057 
4,674 
0,672 


Fettreiches 
Riudfleifeh 


4,160 

0,811 
0,072 
0,381 

4,580 
0,709 
0,010 
2,211 


»*)  A.  Valenciennes  u.  Fremy,  Ann.  de  cliim.  et  de  phys.    3.  S^r.    T.  50. 
1857.  p.  129—178. 

"«)  Jiefjnard,  RechercheB  expt'-r.  Hur  Ich  variations  pathologiques  des  com- 
buHtionH  re-Hpiratoires.    These  inaug.  i'ari«.  1878.  p.  30  fl'. 
*')  Ueber  MuHkelgifte: 

C.  Hinz,  Centralbl.  f.  d.  med.  Wiß'.  1867.  S.  308,  Arcb.  f.  mikr.  Aiiat. 
IM.  3.  S.  383,  Exp.  L'ntcrf.  über  daH  Wcfen  der  Chininwirkung.  Merlin.  1868, 
I»aH  Chinin.   Berlin.  1875,   Arch.   f.  Anat.  u.  l'hyßol.    IMiyßolug.  Abth.  1885, 


388  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [118 

S.  146;  Krukenberg,  Vgl.  phyfiolog.   Studien.  1.  Eeihe.  1.  Abth.  S.  1—36  u. 

S.  77—159,  3.  Abth.  S.  1—65  u.  S.  124—180,  2.  Eeihe.  3.  Abth.  S.  116—123; 

Sclimiede'berg ,   Arch.    f.   exp.   Pharmakologie.    Bd.   2.   1874.    ö.  62;    Prevost, 

Gazette  medic.   de  Paris.  1867.  Nr.  5.  8.  10  u.  11;    C.  Arnold,  Beitr.  z.  vgl. 

Phyfiol.   Inaug.-Diir.   Bern.   1881;   Grützner,  Breslauer  ärztl.  Zeitfchr.   1883. 

Nr.   18  u.  24;  Kühne,  Arch.  f.  Anat.   u.   Phyliolog.   1859.  S.  213;    Grützner, 

Arch.  f.  d.  gef.  Phyüol.  Bd.  17^  1878.  S.  250. 

Auf  Grund  der  Verfuche  an  Fröfchen  und  Säugethieren  lauen  ficli  die 
durch  chemifch  reine  Subllanzen  hervorgerufenen  Wirkungen  auf  die  Muskeln 
folgendermaßen  gruppiren: 

A.  Lähmende  Wirkungen. 

1.  Der  Muskel  wird  durch  die  Subftanzen  todtenltarr  gemacht  und  in 
Folge  deJTen  erfolgt  Lähmung. 

Coffein. 

2.  Es  tritt  vollkommene  Erfchlaffung  des  Muskels  (charakteriftifche 
«Ermüdungscurve»)  ein  und  dadurch  wird  der  Eintritt  der  Todten- 
ftarre  ebenfo  unmöglich  wie  die  phyflologifche  Thätigkeit.  Die  Muskel- 
leiftung  wird  durch  gewille  Gaben  aufgehoben,  durch  kleinere  einfach 
abgefchwächt. 

Kupfer,  Antimon  (bei  großen  Dofen),  Helleborei'n,  Kalium, 
Eubidium;  Chloroform  (bei  Kaltblütern). 

3.  Die  Contraction  des  Muskels  ift  die  noi-male,  aber  derfelbe  erfchlafft 
weit  langfamer.  Bei  der  Zuckung  wird  mehr  Wärme  entwickelt  als 
normal,  der  Stoffumfatz  ift  demnach  auch  ein  größerer.  Die  Con- 
tractilität  erlöfcht  verhältnißcQäßig  früh,  doch  ift  die  Muskelleiftung 
gewöhnlich  nur  fehr  wenig  herabgefetzt. 

Veratrin. 

4.  Wahrfcheinlich  durch  Behinderung  der  Starre  wird  der  Muskel  eigen- 
thümlich  ßeif,  blaß  und  bleibt  halb  contrahirt.  Die  Form  der  Er- 
müdungscurve ift  fehr  erheblich  verändert  und  fo  unregelmäßig  ge- 
worden, daß  die  aufeinander  folgenden  Zuckungshöhen  oft  himmelweit 
von  einander  verfchieden  und.  Die  Wirkung  äußert  fich  an  dem 
Herzen  und  den  Skeletmuskeln,  nicht  aber  an  der  glatten  Muskulatur. 

Blei;  Cocain  und  Emetin  (nur  in  großen  Dofen). 

B.  Erhöhung    der    Erregbarkeit,    aber     nicht    der   Leiftungsfähigkeit   und 
Contractilität. 

Phyfoftigmin,  Kampher. 

C.  Ohne  daß  zugleich  die  Erregbarkeit  oder  die  abfolute  Leiftungsfähigkeit 
des  Muskels  gelteigert  zu  fein  braucht,  zeigt  üch  die  Leiftung  desfelben  unter 


119]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  389 

Uniftiinden   erhöht   (cf.  KobeH,   Arch,  f.  exp."  Path.  Bd,  15.  S.    56  —  73   und 
Harnacl;  ebenda.  Bd.  19.  S.  180). 

Kreatin,    Hypoxanthin,    Cottein    (bei    fchwachen    Gaben), 
Glj-kogen. 
D.  Die  Elafticitätsverhältnifle  des  (Herz-)  Mu.skels  verändern  fich  in  eigen- 
artiger Weife,    ohne    daß    zunächft  die  Contractilität   beeinträchtigt   und   die 
abfolute  Leiftungsfähigkeit  erhöht  oder  vermindert  wird. 
DigitaUn. 
K.   Die  ^Muskelfnbftanz  bleibt  durchaus  intact  («indifferente»  INIittel). 

Chlornatrium ,     Natriumtartrat,     Zinnoxyduhiatriumtartrat, 
Alkohol  (in  kleinen  und  mittelgi-oßen  Dofen). 
Vgl.   hierzu:   E.  Haniack,  Arch.   f.   exp.   Path.   Bd.   3.    1875.    S.   44  — GG 
(Emetica);  Hnrnack  u.  E.  Dietrich,    ibid.  Bd.  19.    1885.    S.  153—184  (Rubid. 
u.  Cäfium);  Harnacl;  ibid.  Bd.  2.  1874.  S.  254—306  (Apomorphin);  Harnacl 
u.  W.  Hafemann,  ibid.  Bd.  17.  1883.  S   145  —  188  (Atropin,  Kupfer,  Blei,  Phyfo- 
ftigmin);    Fick   u.  Boehm,  Verhandl.    d.  phyflk.-medic.  Gef.   zu   Würzburg. 
N.  F.  Bd.  3.  1872.   S.    198  (Veratrin);   Harnack,  Arch.   f.   exp.   Path.   Bd.   9. 
1878.  S.  152—225  (Blei);  H.  Kohert,  ibid.   Bd.  15.  1881.   S.  22-80  (Muskel- 
gifte im  (Janzen);   Harnack,  ibid.  Bd.  2.  1874.  S.  307—333  (Atropin,   Phyfo- 
ftlgmin);  Harvack  u.  L.  Witkowski,  ibid.  Bd.  5.  1876.  S.  402—454  u.  Harnack, 
ibid.   Bd.    12.    1880.   S.   334—340  (Phyfoftigmin  u.    Calabarin);  Schmiedeberg, 
Beitr.  z.  Anat.  u.  Phyfiol.  zu  C.  Ludirig'H  Jul)il.  1874.  8.  222  (Digitalin). 
8«j  Cf.  KrukcnJterg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  1.  Reihe.  1.  Abth.  S.  142. 
*'')  Literatur  über  die  Contractionsverhältniffe  der  Muskeln: 
Ch.  Richet,  Archives  de  physiol.  norm,  et  path.  2.  Ser.  T.  6.  1879,  T.  7. 
1880  u.   Physiologie  des  muscles  et    des   nerfs.     Paris.    1882;    Fredericq  u. 
Vandecelde,  Bull,  de  l'acad.  r.  de  Belgique.  2.  Sör.  T.  47.  1879.  p.  771—797; 
liamier,   Archiv  de   physiol.  norm,  et  path.  2.  Ser.  T.  1.   1874.  ]).  5;  Marc;/, 
Du  mouvement  dans  les  fonctions  de  la  vie.  Paris.  1868  u.  Ann.  des  scienc. 
nat.    Zoolog.   5   S(''r.  T.  12.    1869.  p.  58;   //.   Landois,   Zeitfchr.   f.  wilT.  Zool. 
Bd.   17.  1867.  S.  133  u.  178;  A.  liollett,  Zur  Kenntniß  des  Zuckungsverlaufes 
quergoftreifter  Muskeln.     Sitzungsb.  d.  k.  Acad.  zu  Wien.     Bd.  89.  3.  Abth. 
1884.  S.  346—353;  Fontanes,  Proc.  r.  Soc.  T.  24.  1876.  p.  143  u.  T.  25.  1877. 
p.  464;  E.  TleiHchl,  Centralbl.  f.  d.  medic.  AVilf.  1875.  S.  469—470;  A.  Fick, 
P.fiträg(?  z.  vgl.  Plivfiologie  der  -irritabelen  Sulistanzen.  Braunschweig.    1863; 
./.  liermlein,   De  animalium   evertebr.   musculis   nonnulla.    Dissert,    Berolini. 
1860;  //.   Kronecker  u.   W.  Stirlinrj,  Arch.  f.  Phyliologie.    1878.   S.  1  —  18;  /. 
I'h.  Cafh,  ebenda.  1880.  Suppl.  8.  147—160;  GriUzner,  Breslauer  ilrztl.  Zeitfchr. 
-xS.  Nr.  18  u.  24;  Luchßnrjer,  Arcli.  f.  .1.  gef.  Phyfiol.  Bd.  28.  8.  60;  A.  Fick, 
-ndu.     IM.   30.  S.   596;    Fredericq,  Bull,   de   iacad.  r.    de  B<-lgi<|M<'.   T.  46. 


390  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [120 

1878.  p.  765;  W.  Biedermann,  Ueber  das  Herz  von  Helix  pomatia. 
Sitzungsb.  der  Wiener  Acad.  Bd.  89.  3.  Abth.  1884.  S.  30. 

so)  Bollett  (a.  a.  0.,  S.  347  Anm.  1)  bemerkt,  daß  ganz  gleiche  Muskeln  wie 
in  die  Beine,  iich  auch  in  die  Flügeldecken  und  die  Flügel  der  Käfer  infe- 
riren,  hier  den  gelben  Flügelmuskeln  gegenüber  nur  fekr  zurücktre^ten.  Diefes 
Vorkommen  von  zweierlei  Muskeln  fteht  in  Beziehung  zu  zwei  wefentlich  ver- 
fchiedenen  Actionen.  Die  eine  derfelben  ift  die  Entfaltung  des  Flugapparates, 
Stellung  der  Flügeldecken  und  Ausfpannung  der  Flügel.  Diefe  Action  erfolgt 
ungefähr  nach  demfelben  Modus  wie  die  Bewegung  der  Beine.  Die  zweite 
Action  ift  das  Fliegen  felbft,  von  w'elchem  wir  durch  die  Unterfuchungen 
Marey's  willen,  daß  es  bei  den  Infecten  durch  eine  oft  bis  zu  außerordentlicher 
Höhe  gefleigerte  Frequenz  der  Flügelfchläge  zu  Stande  kommt. 

81)  Ein  Blick  auf  die  von  Bollett  gefundenen  Werthe  (vgl.  Tabelle  auf 
S.  331)  zeigt  uns,  daß  von  ihm  an  Käfermuskeln  ähnliche  VerhältnilTe  angetroflen 
wurden  als  von  Cafh  bei  Wirbelthieren.  Bollett  vergleicht  den  Zuckungsverlauf 
der  Dytiscus-Muskeln  dem  der  weißen,  den  Zuckungsverlauf  der  Hydro- 
phil us-  und  Maikäfermuskeln  dem  der  rothen  Kaninchenmuskeln. 

92)  L.  Hermann,  Handb.  der  Phyiiologie.     Bd.  1.  Th.  1.  1879.  S.  43. 

^•0  Bichet,  Physiologie  des  muscles  etc.  p.  115. 

8*)  L.  Hermann,  a.  a.  0.,  S.  56  u.  57. 

ö»)  B.  J.  Anderfon,  Unterf.  a.  d.  phyfiolog.  Infl.  d.  Univ.  Heidelberg. 
Bd.  4.  1882.  S.  277. 

86)  W.  Biedermann,  lieber  die  electrifche  Erregung  des  Schließmuskels  von 
Anodonta.  Sitzungsber.  d.  k.  Acad.  d.  Wiff.  zu  Wien.  Bd.  91.  3.  Abth.  1885. 
S.  29—96. 

8')  Ueber  die  Elafticitätserfcheinungen  an  den  Muskeln  vgl.:  Boß- 
bach  u.  Anrep,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyliol.  Bd.  21.  S.  240—249;  Fiel;  Beiträge  etc. 
a.  a.  p.  u.  Arch.  f.  d.  ges.  Phyiiologie,  Bd.  4.  S.  309;  Wertheim,  Ann.  de  chim. 
et  de  physique.     3.  Ser.  T.  21.  1847.  p..  385. 

88)  Bichet,  Physiologie  des  muscles  etc.  p.  175  note. 

89)  Ueber  abfolute  Muskelkraft  und  Hubhöhe  vgl.:  Fei  Plateau, 
Recherches  sur  la  force  absolue  des  muscles  des  invertebres.  Bull,  de  l'acad. 
r.  de  Belgique.  3.  Ser.  T.  6.  1883  u.  T.  7.  1884;  dazu  ein  Referat  von 
V.  Graber,  Biolog.  Centralbl.  Bd.  4.  1865.  S.  691—697;  Bofenthal,  Arch.  f. 
Phyßol.  1880.  S.  187;  Bichet,  FhjSiologie  des  muscles  etc.  p.  195  —  201;  Fi^c^-, 
Beiträge  etc.  a.  a.  0.,  S.  53;  Heidenhain,  Mechanifche  Leiftung,  Wärme- 
entwicklung u.  Stoffumfatz  bei  der  Muskelthätigkeit.    Leipzig.   1864.  S.  114. 

i°o)  A.  Bollett,  Unterf.  über  den  Bau  der  quergeftreiften  Muskelfafern. 
Theil  I.  Denkfchr.  d.  math.-naturw.  ClalTe  der  k.  Acad.  d.  WilTenfch.  zu  Wien. 
Bd.  49.   1885.  S.  81—132. 


121]  Anmerkungen  nml  Literaturnaclnveife.  391 

»"')  B.  HnUer,  rnterf.  über  marine  Rhipidogloflen.  I.  Morpliol.  Jahr])uoh. 
Bd.  9.   1883.  S.  CO. 

102)  Na/Te,  Zur  Anatomie  u.  Phyßologie  der  quergeftreiften  Muskelfubftunz. 
Leipzig.  1882.  S.  51—70. 

103)  Gridzner,  Breslauer  ärztl.  Zeitfchr.  1883.  Nr.  18. 
lo^^i  C.  Sachs,  Aroh.  f.  Anat.  u.  Pliyfiol.  1872.  S.  607. 

i«5)  Engelmann,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  23.  1880.  S.  071—590. 

106)  Xa/Te,  a.  a.  O.,  S.  66. 

10')  Literatur  über  die  gelben  Flugmuskeln  der  Infecten: 

Na/Te,  a.  a.  0.,  S.  G  u.  60;  G.  B.  Wagener,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.  1863. 
S.  231;  Lei/dig,  Lehrbuch  d.  Hiftiologie.  Hamm.  1857.  8.  137  u.  142;  Külliker, 
Mikrofk.  Anat.  Leipzig.  1850.  Bd.  2.  S.  263;  Kühne,  üeber  die  peripherifchen 
Endorgane  der  motorifchen  Nerven.  Leipzig.  1862.  S.  32  Anm.  1;  V.  Hensen, 
Arb.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  zu  Kiel.  1868.  S.  8;  A.  Weismann,  Zeitfchr.  f.  rat. 
:Medic.  3.  Reihe.  Bd.  15.  S.  72;  F.  Merkel,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  8.  S.  244; 
BoUett,  a.  a.  O.,  S.  87. 

108)  jr^i  Plateau,  Sur  la  force  musc.  des  Insectes.  Bull,  de  l'acad.  r.  de 
Belgique.  2.  Ser.  T.  20.  1865  u.  T.  22.  1866. 

10^)  Buhet,  Physio]f)gie  des  muscles  etc.  p.  143. 

110)  Ueber  doppeltfchräggeftreifte  Muskeln  vgl.:  G.  Schvalhe,  Arch. 
f.  mikr.  Anat.  Bd.  5.  1869.  S.  205—247;  Enyelmann,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol. 
Bd.  25.  1881.  S.  551—564;  B.  Lljanin  (Die  Arten  der  Gattung  Doliolum  etc. 
Fauna  u.  Flora  des  Golfes  von  Neapel.  Leipzig.  1884.  H.  26,  Taf.  1.  Fig.  8 
u.  9,  Tafel  7.  Fig.  3  u.  Taf.  8.  Fig.  7),  der  von  doppeltfchräggeftreiften  Muskeln 
nichts  zu  wiffen  fcheiiit,  l)efchreibt  und  zeichnet  von  Doliolum  einfachfchräg- 
geftreifto  Muskelfafern,  die  der  glatten  ^luskulatur  zugezählt  werden.  Nimmt 
man  dazu,  daß  die  f])itzen  Enden  der  meiften  fpindelförmigen  Muskelzellen 
häufig  korkzicherartig  gebunden  find,  fo  erfcheint  die  Engelma)in'M\e  Auf- 
faffung  der  doi^peltfchräggeftreiften  Fibrillen  keineswegs  fchou  von  vornherein 
als  unwahrfcheinlich. 

1";  üeber  die  glatte  iMuskulatur  vgl.:  G.  Schvalhe,  a.  a.  O.;  Engel  mann, 
a.  a.  ().  u.  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiologie.  Bd.  11.  1875.  S.  460  «".;  B.  Ilaller, 
I>ie  Organifation  der  Chitonen  der  Adria.  II.  Theil.  Arbeiten  des  Zoolog. 
Inftit.  der  Univ.  AVien,  Bd.  5.  S.  29—35;  G.  B.  Wagener,  Arch.  f.  Anat.  u. 
Phyfiol.  I8G3.  S.  211;  ./.  Bofenthal,  Allg.  Phyfiol.  d.  Muskeln  u.  Nerven. 
I^eipzig.  1877.  H.  97;  Bichet,  Physiologie  des  muscles  etc.  p.  256. 

"»)  Ueber  die  Bedenken,  wchhrr  licli  diefer  Annahme  Engelmann'H  ent- 
gegenftellen,  vgl.  Kühne,  Unterf.  u.  d.  phyfiol.  Infi.  d.  Univ.  Heidelberg.  Bd.  3. 
1H79.  S.  49—50,  und  Ueber  Nervenendigung  in  (U-n  Muskchi.  Verlmiidl.  d. 
natnrh.nied.   Ver.iiiH   v.u   Heidelberg.   N.    V.   I'.d.    :{.    Heft   3.   1884.   S.  238—242. 


392  Anmerkungen  und  Literaturnach  weife.  [122 

"3)  Literatur  über  die  motorifchen  Nervenendigungen: 
An    glatten  Muskeln.     J.   Szirilman   u.    Luchßnger,    Arch.    f.    d,   gef. 
Phyßol.  Bd.  26.  1881.   S.  459 — 463;  Sclimieäeberg,  Grundriß  der  Arzneimittel- 
lehre.    Leipzig.  1883.   S.  56;    W.   Wolff,   Arch.  f.   mikr.  Anat.  Bd.   20.  1882. 
S.  361—372;  B.  Haller,  Morphol.  Jahrb.  Bd.  9.  S.  53. 

An  quergeflreiften  Muskeln.  Th.  Eimer,  Die  Medufen.  Tübingen. 
1878.  Taf.  3.  Fig.  5  u.  12;  Eollett,  TTnterf.  über  d.  Bau  der  quergeftr.  Muskel- 
fafern.  Th.  L  (a.  a.  0.)  S.  106—110;  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyfiol.  Inft.  d. 
Univ.  Heidelberg.  Bd.  3.  1879.  S.  1  —  148,  lieber  motorirche  Nervenendigung. 
Sep.-Abdr.  a.  d.  Verhandl.  des  naturh.-med.  Vereins  zu  Heidelberg.  N.  F. 
Bd.  3.  Heft  2.  1882,  Weitere  Beobachtungen  über  mot.  Nervenendigung, 
Die  mot.  Nervenendigung  und  Ueber  Nervenendigung  in  den  Muskeln,  ibid. 
Bd.  3.  Heft  3.  1884,  Die  Verbindung  der  Nervenfcheiden  mit  dem  Sarkolemm. 
Zeitfchr.  f.  Biologie.  Bd.  19.  S.  501—534. 

"*)  Der  fo  eigenartige  Einfluß  des  Atropins  auf  die  Blutegelmuskeln 
(Kruhenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  1.  Reihe.  1.  Abth.  1880.  S.  90—92)  kann 
unmöglich  in  einer  Wirkung  des  Giftes  auf  die  Ganglien,  welche,  mit  den 
Muskelnerven  verbunden,  den  Muskelfafern  fo  eng  und  zahlreich  anliegen 
(vgl.  B.  Gfcheidlen,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  14.  S,  321—332),  begründet  fein; 
die  Unerregbarkeit  der  atropiniürten  Muskeln  lehrt  vielmehr,  daß  es  lieh  in 
diefem  Falle  um  eine  echte  Lähmung  der  contractilen  Subflanz  im  Erfchlaffungs- 
zuftande  liiindelt. 

115)  Vgl.  Kruhenherg,  Die  eigenart.  Methoden  der  chemifchen  Phyüologie. 
Heidelberg.  1885.  S.  10—15. 

116)  Vgl.  die  Beobachtungen  von  B.  Haller  (Beiträge  z.  Kenntniß  der 
Nerven  im  Peritoneum  von  Doris  tuberculata.  Arb.  a.  d.  Zoolog.  Inft.  d. 
Univ.  Wien.  Bd.  5.  1884.  S.  253 — 270)  über  die  den  Nervenfafern  eingeftreuten 
kleinften  Ganglienzellen  bei  Doris. 

11')  KruJcenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  1.  Reihe.  3.  Abth.  1880.  S.  124 
bis  146. 

Herr  G.  J.  Bomanes  (Jelly-Fish,  Star- Fish  and  Sea-Urchins.  London.  1885. 
p.  237)  ftattet  mir  für  die  Beflätigung  (?)  feiner  Verfuche  und  der  Exactheit 
feiner  Methoden  Dank  ab  und  bemerkt  dazu,  daß  meinerfeits  ein  fundamentaler 
Irrthum  vorliege,  wenn  ich  zur  Prüfung  des,  Contractilitätsvermögens  der  Mus- 
keln die  elektrifchen  Reize  den  mechanifchen  gegenüber  bevorzuge.  Herr 
Bomanes  fcheint  noch  immer  nicht  eingefehen  zu  haben,  daß  feine  Curare- 
verfuche  an  Medufen  in  der  Weife,  wie  er  fie  vor  dem  Erfcheinen  meiner  Ar- 
beiten veröffentlicht  hatte,  fchon  deshalb  vollkommen  belanglos  waren,  weil 
fie  über  den  Zufland  der  Muskeln  nach  der  Vergiftung  keinen  Auffchluß  er- 
theilten.;  nicht  auf  die  Nerven,  fondern  vor  allem  auf  peripher  gelegene  Gang- 


123]  Anmerkungen  und  Literat inniuli weife.  393 

lien  galt  es  bei  den  Vei'fuchen  Rücklicht  zu  nehmen,  und  von  letzteren  aus- 
gehende Reflexwirkungen  heben  fich  nur  dann  als  folche  ab,  wenn  einfach 
mechanifche  Reize  wirkungslos  bleiben,  Inductionsftröme  dagegen  den  Muskel 
noch  zur  Contraction  veranlaflen.  Indem  ich  zum  Nachweife  der  durch  Curare 
vergifteten  Organtheile  BernarcVs  berühmte  Methode  —  welche  Herr  Bomaiie^ 
zwar  nicht  anfleht  für  feine  eigene  auszugeben  —  in  der,  den  Ü7/Her'fchen  Er- 
fahrungen entfp rechenden ,  allein  denkbaren  und  deshalb  auch  von  Herrn 
Honuines  befolgten  ]\Iodification  auf  die  IMedufen  anwandte,  ftellte  ich  zweifellos 
zuerfl  feft,  daß  bei  diefen  Thieren  die  motorifchen  Nervenendapparate  durch 
das  Curare  in  der  gleichen  Weife  wie  bei  den  Wirbelthieren  gelälnut  werden ; 
denn  fo  lange  die  Toxicologie  an  dem  Axiome  feilhalten  wird,  daß  die  Nerven- 
Ilränge  als  folche  unvergiftbar  lind,  kann  auch  bei  ilen  Medufen  der  Angriffs- 
punkt für  das  Curare  nur  noch  in  den  motorifchen  Nervenendigungen  gefucht 
werden.  Die  an  den  IMedufen  von  mir  klargelegten  N'erhältnilTe  laflen  es  ganz 
irrelevant  erfcheinen,  ob  die  Nerven  oder  die  JMuskeln  von  den  elektrifchen 
Reizen  in  erfter  Inftanz  betroffen  werden;  aber  Herr  Eomcmes  begreift  es 
einmal  nicht,  weshalb  hier  elektrifche  Reize  (entgegen  den  mechanifchen)  allein 
am  Platze  find;  ihm  fchweben  nur  Nerven  vor  und  Reflexe,  ausgehend  von 
peripheren  motorifchen  Ganglien,  liegen  feinen  Vorftellungen  fo  unendlich  fern 
wie  einftmals  den  Heroen  des  Mittelalters.  Würde  Herr  Eomanes  über  die 
«gut  bekannten  Principien  der  Nerven-  und  Muskelphyßologie»,  mit  denen  er 
fo  gern  coquettirt,  etwas  beffer  orientiii;  fein,  fo  würde  er  in  meinem  Schema 
der  Innervationsverhältniffe  bei  den  Medufen  auch  ficherlich  etwas  anderes  als 
reine  Willkürlichkeiten  erblicken.  Der  mir  zugefchriel)ene  fundamentale  Irrthum 
liegt  allein  auf  Herrn  liomanes'  Seite. 

Beiläufig  fei  bemerkt,  daß  die  von  Ludiümjcr  (Arch.  f.  d.  gef.  Pliyfiol. 
Bd.  28.  1882.  S.  47)  gewünfchte  Modification  des  Curareverfuches  an  Medufen. 
tue  darin  befiehl,  die  entrandete  Scliirmhälfte  uncurarifirt  zu  lalfen,  die  lliilftc 
mit  intactem  Schirmrande  dagegen  durch  Curare  zu  vergiften,  von  mir  an 
verfchiedenen  Species  mit  dem  nämlichen  entfcheidenden  Refultate  ausgeführt 
ift,  weldies  l>ei  ^'ergiftung  der  enlrandeten  Hälfte  zu  erzicilen  war.  Zuletzt 
führt<;  ich  <lerartige  V'erfiiche  1882  an  Aurelia  aurita  aus  und  es  zeigten  {'wh 
dabei,  daß  bei  öfters  wiederholtem  Wechfel  frifchen  curarifiiten  MeerwallcrH 
die  unvergiftet  gflafffjne  Hälfte  noch  llundenlang  fortfchlagcn  kann,  wenn  an 
der  vergifteten,  mit  erlialt«!nen  Randköritern  j(;de  lelbllitndigii  ('ontractiun  er- 
lofchen  ift.  Demjenigen  zwar,  welcher  die  Innervationsverhältniffe  l)ei  <len 
Medufen  kennt,  wird  das  VerfucliHrefultat,  wclciies  uKÜnes  Dafürhaltens  zur 
Klarlegung  der  Vergiftungserfcheinimgen  ausreichend  war  und  auf  delli-n  Mit- 
theilung ich  mich  dcfshalb  befchränken  zu  dürfen  glaubte,  beweiskräftiger  er- 
fcheinen als  das  von  Luchfinfjer  verlangte.     Daß  >Vu:  ff-nliblcn  Nervf'ncndigiingffn 


394  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [124 

durch  Curare  nicht  gelähmt  werden,  hatte  bereits  Bomanes  feftgeltellt,  aber  auch 
darin  befindet  iich  Bomanes  im  Irrthum,  daß  er  glaubt,  ich  habe  diefem  Verfuche 
die  Beweiskraft  beflritten  und  ihm  die  Anwartfchaft  auf  denfelben  flreitig 
gemacht. 

Die  fpäter  ohne  jede  Literatur-  und  Sachkenntniß  von  B.  Duhois  (Coinpt. 
rend.  de  la  soc.  de  biolog.  1883.  p.  304 — 307)  an  Actinien  und  von  E.  Staßana 
(M6m.  de  la  soc.  de  biolog.  Paris.  1883.  p.  59 — 66)  an  Medufen  etc.  ausgeführten 
Curarevergiftungen  haben   unfer  Wiflen.  nach  keiner  Eichtung  hin    bereichert. 

"8)  Die  Darfteilung  der  InnervationsverhältnilTe  bei  den  quergeftreiften 
Wirbelthiermuskeln  bahrt  ausfchließlich  auf  den  Unterfuchungen  von  Kühne 
(f.  unter  Anm.  113);  wo  es  zweckdienlich  erfchien,  lind  delfen  Arbeiten  die 
tSätze  faffc  wörtlich  entnommen. 

"9)  lieber  die  Entladungshypothefen  vgl.  W.  Kraiife,  Arch.  f.  mikr.  Anat. 
Bd.  13.  S.  170—179;  Kühne,  Unterf.  a.  d.  phyßol.  Inft.  d.  Univ.  Heidelberg. 
Bd.  3.  1879.  S.  1 — 148;  E.  du  Bois-Beymond,  Dr.  Carl  Sachs'  Unterfuchungen 
am  Zitteraal.     Leipzig.  1881.  S.  222,  249  u.  417. 

^20)  Ueber  das  formveränderliche  Protoplasma  vgl.  die  zufammen- 
faflenden  Arbeiten  von  Engehnann,  Protoplasma  und  Flimmerbewegung. 
Hermann's  Handb,  der  Phyiiologie  Bd.  1.  1.  Theil.  1879.  S.  343—408  und 
J.  Sachs,  Vorlefungen  über  Pflanzenphyüologie.  Leipzig.  1882.  Vorlefung  31,. 
34—40. 

121)  J.  Sachs,  a.  a.  0.,  S.  101  u.  521. 

122)  J".  E.  Schloßherger,  Chemie  der  Gewebe.  Leipzig  u.  Heidelberg.  1856. 
Bd.  2.  S.  265. 


VI. 


GRUNDZÜGE 


EINER 


VERGLEICHENDEN  PHYSIOLOGIE 


DER 


NERVÖSEN  APPARATE. 


•^W^  «...  - .. 


^- 


TARl.  WINTER'H  UNIVERSITÄTSBUCnilANDLUNG  IN  HEIDELBERG. 
KfMktnhtrg,  Vergl.-iihylioJ.  Vortrüge.  ** 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Gruiidzüge  einer  vergleiclienden  Pliyfiologie 
der  nervöfen  Apparate. 


Eine  vergleichende  Nervenphyfiologie  ift  nur  dann  möglich, 
wenn  die  di-ei  Elemente  des  Nerven fyflemes  (die  Nervenzellen, 
die  Nervenfafern  und  die  Nervenendapparate)  zufaramenbetrachtet 
werden  ^).  Die  anatomifchen  Verfchiedenheiten,  welche  die  Nerven- 
fafern (markhaltige,  RemaJc' (che  und  allein  aus  dem  nackten  Axen- 
cylinder  beftehende  Fafern)  oder,  richtiger  gefagt,  die  Axencyhnder 
hinfichtlich  ihrer  Umkleidung  aufweifen,  find  zwar  denen  der 
Muskelfibrilleu  an  die  Seite  geftellt  worden^),  geftatten  aber  nicht 
im  Entfernteften  jenen  tiefen  Einblick  in  die  Functionsabweichungen, 
welchen  uns  der  hiftiologifche  Bau  der  Muskelfafern  gewährt  hat. 
Sehen  wir  ab  von  den  CompHcationen  der  Nervenumfcheidung  und 
den  Abweichungen,  welche  durch  einen  wechfelnden  Markgehalt 
bedingt  werden,  fo  walten  zwifchen  den  einzelnen  Nervenfaler- 
gattungen  (centrifugalleitende  [motorifche,  fecretorifche,  hemmende, 
trophifche,  electrifclie  etc.],  centripetalleitendc  [Emptindungs-  und 
Reflexnenen]  und  intercentrale  Nerven),  zwifchen  den  einzelnen 
Ganglienzellen  (reflectorifche,  automatifclic  fconthuiirhcli  oder  rliyth- 
inifcli  thätig;  und  Willenscentren)  nur  greifbarere  phyfiolügifche 
Unterfchiede  ob,  welche  bezüglich  der  Nervenfafern  auch  nur  in 
der  verfchiedenartigen  Einrichtung  der  Endapi»arate  begründet  fein 
können;  weder  das  Mikrofkop  nocli  die  cliemilche  Prüfung  liefieii 
wcfentlichere  Unterfcheidung.smerkmale  erkennen,  und  auch  l)ezüg- 
lich    ilires    Verhaltens    gegen    Reize,    ihres    Lcitniigsverniögens-'), 


398  Grundzüge  einer  vergleichenden  [4 

ihrer  electromotorifchen  Eigenfchaften  gleichen  die  fenlibelen 
Nerven  den  motorifchen  in  allen  wef entlichen  Puncten.  Kurz 
gefagt,  eine  der  vergleichenden  Phyliologie  der  contractilen  Gewebe 
nachgebildete  vergleichende  Phyßologie  des  Nervengewebes  ift, 
wenigftens  gegenwärtig,  eine  wiffenfchaftliche  Unmöglichkeit;  nur 
die  Darftellung  einer  vergleichenden  Phyliologie  der  Innervations- 
verhältnilTe  läßt  fich  verfuchen ! 
chemifches         Noch   eiuc  andere   Ueberlegung   entrückt   das   Nervengewebe 

Verhalten 

^^^     als  folches   einer   vergleichend   phyüologifchen   Betrachtung.     Die 

chemifche  ^  j.     o  -^  <^ 

Vorgänge,  j^ortfchritte ,  welche  die  Verdauungslehre,  unfere  Kenntniß  von 
den  thierifchen  GerüflfubJftanzen ,  den  thierifchen  Färbungen,  den 
Refpirationsvorgängen  etc.  in  den  letzten  Decennien  zu  verzeichnen 
hatten,  hegen  ziemlich  ausfchheßhch ,  die  Errungenfeh aften  der 
Lehre  von  den  contractilen  Geweben  vornehmlich  auf  chemifch- 
phyliologifchem  Gebiete.  Nicht  fo  ilt  es  bei  dem  Nervengewebe ! 
Was  chemifch  über  diefes,  und  zwar  ausfchließlich  an  Wirbel- 
thieren  (meift  am  Säugergehkn)  ermittelt  wurde,  läßt  ßch  in 
wenigen  Sätzen  zufammenfalTen  und  beßtzt  nur  ein  geringes 
fpeciell  phyüologifches,  gefchweige  ein  größeres  vergleichend  phy- 
liologifches  Interelfe,  wennfchon  es  auch  diefem  ücherlich  zugängig 
zu  machen  fein  würde '^). 

Nicht  einmal  die  elementarften  Fragen  find  in  der  Nerven- 
chemie zum  Austrag  gelangt;  bezügHch  der  Reaction  der  Nerven- 
zellen bei  den  Wirbelthieren  begegnen  wir  noch  den  widerfprechend- 
ften  Angaben,  weniger  zwar  für  die  markreiche  weiße  Subftanz, 
welche  auch  nach  dem  Abfterben  ihre  neutrale  oder  fchwach  alka- 
lifche  Reaction  bewahrt,  als  vielmehr  für  die  graue  Nervenparzellen- 
malTe.  Laßhigne  hatte  angegeben,  daß  die  graue  Subftanz  des 
Gehirns  alkahfch  reagire,  nach  dem  Tode  aber  rafch  fäuere,  wäh- 
rend Gfcheidlen  und  Edinger  fie  immer  fauer  fanden;  Langendorff 
neigte  fich  meder  der  LalTaigne' ^cheu.  Anficht  zu  und  fah  die 
Alkalescenz  an  der  Großgehirnrinde  bei  Neugeborenen  weit  befier 


5]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  399 

ficli  erlialten  als  an  der  walTerärmern  von  Erwachfenen.  Alle  diefe 
widerfprechenden  Angaben  fcheinen  jetzt  durch  Tinctionsverfuche, 
welche  Ehrlich  an  verfchiedenen  Nervenfafern  mit  Methylenblau  aus- 
führte, ilire  Erklärung  gefunden  zu  haben.  Ehrliches  Verfuche  er- 
gaben, daß  fowohl  faure  und  alkahfche  wie  neutral  reagu-ende 
Nervenfafern  vorkommen,  und  dementfprechend  auch  im  Gehirn 
je  nach  dem  Orte  und  der  Function  eine  \4eltönige  Abflufung  der 
^Vlkalescenzgrade  ftattfindet,  die  im  Verein  mit  den  Veränderungen 
der  Sauerltofffättigung  darüber  entfcheidet,  ob  und  welche  Körper 
in  beftimmten  Territorien  des  Nervenfyftems  aufgenommen  werden 
können.  Daß  das  Cerebrin  (nach  Geoghegan  und  Hopx)e-Seijler 
C57H109NO12)  der  weißen,  die  Gährungsmilchfäure  und  mehrere 
organifche  Extractivftoffe  (Kreatin,  Inofit,  Xanthin,  Hypoxanthin) 
dagegen  der  grauen  Nervenzellenmaffe  allein  oder  faß  ausfchließ- 
lich  zukommen,  daß  der  Waffergehalt  der  weißen  SubJftanz  geringer 
und  dafür  ilir  Choleftearingehalt  weit  bedeutender  als  der  der  grauen 
Hirnfubftanz  ift,  dürfte  nach  Hoppe-Seyler  jetzt  ebenfalls  ficher  ent- 
fchieden  fein  % 

Von  allen  Beflandtheilen  der  Nervenzellen  kommt  nur  dem 
Cholin,  dem  Protagon  (nach  Gamgee  und  Blankenhorn  CißoHaogNjPOag) 
und  den  Lecithinen  wegen  ihrer  gut  bekannten  Derivate 

/  CH2-OH  CH2 

(Cholin  =    I  ;  Neurin  =  ^         ; 

^  CH2-N(CH3),OH  CH-N(CH,)30H 

CH2-N(CH3)3  CH(0H)2 

Betain  =    '         '  -\-^'^({-\  Mufcarin  =  1  ; 

CO-  O  CH2-N(CH3)30H 

CH2-N(CH3)3C1 
Ikrlinerhlan'^  neue  Bafe:    1 

COH 

eine  größere  chemifch-phyfiologifche  Bedeutung  zu,  wenn  fclion  auch 
letzt<Te  SU^ffe,  gleich  den  im  Gehirn  ebenfalls  aufgefundenen 
Nucleinen,  einen  außerordentlich  weiten  Verlneitungskreis  l)e(itzcn 
und  fo  z.  B.  in  dem  Eidotter,  welcher  mit  dem  Gehirn  eine  auffallende 


400  Grundzüge  einer  vergleichenden  6 

Uebereinftimmung  in  der  qualitativen,  nicht  jedoch  in  der  quanti- 
tativen Zufammenfetzung  darbietet,  reichlich  vertreten  find.  Das 
Protagon  wie  die  Lecithine  beanfpruchen  deshalb  uiifer  InterelTe, 
weil  jüngffc  fowohl  über  ihre  Beziehung  zu  dem  giftigen,  den 
Ptomainen  zugezählten  Neurin,  wie  auch  zu  dem  einzigen  bis- 
lang fynthetifch  dargeltellten  Alkaloide,  dem  Mufcarin*^),  Licht 
verbreitet  wurde.  Ich  habe  mir  nicht  verfagen  w^oUen,  die  zwifchen 
diefen  Körpern  beltehenden  VerwandtrchaftsverhältnilTe  fchematifch  ^) 
zum  Ausdruck  zu  bringen,  was  auf  Seite  401  gefchehen  ift.  Viel- 
leicht werden  fich  demnächÄ  für  einen  andern  Hirnbeftandtheü, 
das  Choleflearin  (C26H44O  +  aq.),  nicht  weniger  wichtige  AuffchlüITe 
ergeben.  Wir  kennen  fchon  jetzt  die  genetifchen  Beziehungen  der 
Choleflearine  zu  den  Lipochromen  (vgl.  S.  86  und  88)  und  wilTen, 
daß  das  Choleftearin  mit  Salzfäure  und  Eifenchlorid  eine  ähnliche 
Reaction  als  der  Kampher  und  das  Terpentinöl  giebt,  gleich  den 
Gallenfäuren  als  Zerfetzungsprodukt  Choleftearinfäure  (CgllioOg) 
hefert  und  fich  ähnlich  den  Cholalfäuren  mit  conc.  Schwefelfäure 
färbt;  den  bisherigen  Erfahrungen  über  das  Choleftearin  läßt  fich 
aber  nur  entnehmen,  daß  dasfelbe  ein  einatomiger  Alkohol  ift. 

Die  chemifchen  Beftandtheile  der  Nervenftränge  weichen  von 
denen  der  Nervenzellen  im  Wefentlichen  nicht  ab,  und  die 
chemifchen  Wechfel,  denen  lie  gleich  diefen  bei  Ausübung  ihrer 
Function  unterworfen  fein  muffen,  lind  ebenfalls  noch  völlig  dunkel 
oder  controvers.  Man  nimmt  an,  daß  der  Nerv  bei  anhaltender 
Thätigkeit  feine  gewöhnlich  alkalifche  oder  neutrale  Reaction  mit 
einer  fauren  vertaufcht  (Funke),  daß  lieh  bei  feiner  Erregung,  be- 
dingt durch  die  ablaufenden  chemifchen  Proceffe,  Wärme  entwickelt 
(Schiff)  und  lieh  dabei  vielleicht  auch  das  electrifche  Leitungs- 
vermögen des  Nerven  ändert.  Gleich  der  Hirnmaffe  gewähren  den 
Nerveniträngen  ein  zartes  Neurokeratingerüft  und  eine  collagene 
Materie  die  nöthige  Feftigkeit  wie  Elafticität,  und  die  Prädilection, 
fei  es  für  einfach  von  außen  aufgenommene  oder  für  felbft  gebildete 


^] 


Phyfiologie  der  nervören  Apparate. 


401 


>'enriu 

(C5H13NO.   Trimethyh-inyl- 
ammoniumhvdroxvd ;  fein-  giftig) 

r 


Durch  Be-  handelu  der 
wäflngeniLöfung  des 
Trimeihyl-  jodäthyl- 
ammonium- 1  Jodids 


mit  Silber- 


Intermediäres 
Prodnct 


Durch  vorfichtige 


oxj-d 


Berlinerblau'^  neuelJafe 

(CsHiXl^^O) 

T 

Durch  Ver-  feifen  des 
Miifcarin-'äthers  mit 
Barj't-jhydrat 


Cholin 


Durch  Erwännen  des 
Chlorids  mit  conc. 


Mnfcariii 


Oxydation      ,^  „    ,,^     Salpeterf.  u.  Behandeln  /%,  ^t    -<rr\ 
y.*-5^iö^^-'2-         mit  Silberoxid  (k^^iäiNU 


1 

Betain 

(CjHiiNOj.  Trime- 
thyJglycin.  Identifch 
mit  L-ycin  u.  Oxy- 
neurin.  Svnth.  aus 
Chloreffigf."  u.  Tri- 
rnethylamLn  wie  aus 
•^Hycin  u.  Methyl- 
jodid) 


Redncirend 
wirkende  Snbftanz  *^ 


Ti-imethylox- 
äthylammoniumhydroxyd. 
Identifch  mit  Sinkalin, 
Bilineurin  u.  Amanitin. 
Synth. :  Durcli  Vermifchen 
der  wälTrigen  Löfung  _  von 
Trimethylamin    mit    Äthy- 
lenoxyd; wenig  giftig) 


Synthefe 

des  Mufcarin- 

äthers :  Durch  Einw. 

von  Monochlor- 

acetal  auf  Tiime- 

thylamin) 


Glyccrinpbosphor- 
fäure 

.OH 

C3H /qh     oh 

^0-PO/ 

\m 

(.Synth.:  Durch  Einw 

von  Glycerin  auf 

Metaphosphor- 

fäure) 


*W;^  Lecithine 


-Bfl 


Sänren  der 
fetten  Reihe 

(Pahnitin- 
fäure  etc.) 


Durch  verbal l- 
nißm.gering- 
fiigigejChem. 
Ein-  grlfte. 


Prota^ron 


402  Grundzüge  einer  vergleichenden  [8 

Pigmente,  auf  welche  bei  melireren  Hirntheüen  (locus  niger 
Soemmeringii,  substantia  ferruginea  ventriculi  quarti,  substantia 
nigra  pedunculi  etc.)  fchon  der  Name  liinweift,  finden  wir  auch 
bei  Nervenfafern  wieder^). 

Die  geringe  Gewichtsabnahme  des  Gehirns  und  Rückenmarks 
wie  die  der  Nervenitränge  im  Hungerzuftande ,  die  befchränkte 
Zahl  der  üe  fpeiTenden  Blutgefäße  und  die  außerordenthche  Weite 
der  Capülarnetze  deuten  fchheßüch  auch  einen  trägen  StofPumfatz 
in  allen  nervöfen  Elementen  an ;  diefer  dürfte  bei  den  Nervenfafern 
im  Allgemeinen  am  geringften  fein  und  deren  verhältnißmäßig 
große  Refiftenz  gegen  Gifte  wie  gegen  Wärme  erklärüch  machen. 
Viele  Forfcher  huldigen  fogar  der  Anficht,  daß  die  zugehörige 
GangHenzelle  das  nutritive  Organ  des  Nerven  fei  und  diefer  nur 
von  jener  aus  ernährt  werden  könne,  daß  z.  B.  die  Ernährung 
der  fenfibelen  Rückenmarksnerven  durch  die  Nervenzellen  in  den 
Gangha  intervertebraha,  die  der  motorifchen  Nerven  von  im 
Rückenmark  felbfi  gelegenen  Zellen  beforgt  werde.  Beweiskräftiger 
fcheinen  uns  indeß  die  Thatfachen  zu  fein,  welche  für  eine 
lymphatifche  Ernährung  der  Nerven  von  ihren  Flanken,  den 
Hanvier' [chen  Schnürringen  aus  fprechen,  und  welche,  fpeciell  die 
motorifchen  Nerven  betrefi'end,  für  eine  Reflitution  der  Lebens- 
eigenfchaften  von  den  intramuskulären  Nervenendapparaten  aus 
in's  Feld  geführt  find^).  Zwifchen  Nervenzelle  und  Nerventoang 
conftathen  wir  ebenfo  wie  z\\T.fchen  Nervenfafer  und  Sinneszelle 
nur  ein  functionelles  Abhängigkeitsverhältniß ,  welches  zwifchen 
Nerv  und  Muskel  allein  befteht  und  durch  die  trophifche  Wirkungs- 
weife gewifier  Nerven  hier  nur  fcheinbar  verwifcht  wn-d ;  denn 
auch  im  letztern  Falle  handelt  es  fich  unferes  Erachtens  nicht 
um  eine  Zufuhr  von  Ernährungsmaterial  feitens  der  centrifugal- 
leitenden  Nerven,  fondern  ledighch  um  Impulfe,  welche  in  den 
Endorganen  felbfi,  ähnüch  wie  m  den  Secretionszellen,  zu  neuen 
Stofimetamorphofen  Anlaß  geben. 


9]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  403 

Die  von  der  Ganglienzelle  aus  dem  Nen-en  zufließende  Erregung 
kann  nicht  mit  einer  electrifchen  Spannungszu-  oder  -abnähme  iden- 
tificirt  werden:  dafür  fchreitet  die  Erregungswelle  im  Nerven  viel 
zu  langfam  fort,  die  Zuckungshöhe  am  Muskel  fteht  mit  der  lu- 
t«nfität  der  zur  Ner\'enreizung  verwendeten  Inductionsllröme  in 
keinem  proportionalen  VerhältnilTe  (Fich  und  Tiegel)  und  bei 
directer  electrifcher  Reizung  des  Muskels  kommt  es  zu  Contrac- 
turen,  die  man  vom  Nerven  aus  nie  erhält.  Trotzdem  ift  der 
Leitungsvorgang  im  Nerven  mit  einer  electrifchen  Spannmigs- 
ändening  verknüpft  und  diefe  «negative  Schwankung  des  Nerven- 
Ilroms»  zeigen  die  fenfibelen  wie  die  motorifchen  Nerven  aller 
Thiere,  mögen  fie  chemifch,  mechanifch,  thermifch  oder  phyfiolo- 
gifch  gereizt  werden.  Für  die  Evertebratennerv^en  beleuchten 
diefe  Verhältniffe  die  Vei-fuche  am  Hummer  von  Fredericq  und 
Vandevelcle  ^°). 

Mit  den  Schwankungen,  welche  der  Nervenftrom  während  der 
Erregung  erfährt,  muffen  nothwendig  moleculare  Veränderungen 
in  der  Nervenfafer  einhergehen,  mit  deren  Auftreten  fich  die  lang- 
fame  Ermüdung  der  Nerven  im  heften  Einklänge  befindet,  und 
durch  welche,  wie  wir  fahen  (vgl.  S.  371  ff.),  auch  die  phyfio- 
logifche  Erregung  der  Nervenfafer  zu  erklären  verfucht  ift.  Eine 
Anzahl  von  Forfchern  betrachtet  zwar,  wie  feiner  Zeit  Claude 
Bertiard  "),  die  electrifchen  Vorgänge  als  bei  der  Nervenerregung 
nebenher  verlaufend  und  glauljt,  daß  es  fich  dabei  um  eine  einfache 
Coincidenz  handele,  wie  etwa  an  der  fecernirenden  SubmaxiUaris 
bei  der  Erweiterung  der  Blutgefäße  und  der  Reizung  des  Chorda- 
nerven;  aV)er  die  von  67.  Bernard  für  feine  Auffaflüng  goUond 
gemachten  Vergiftungsverfuclie  find  völlig  irrelevant,  denn  weder 
das  Antiarin  noch  das  Digitalin  können  als  eigentliche  Nerven- 
fafergifte  angefprochen  werden. 

An  dem  oben  ausgefprochenen  Satze  von  der  phyfiol()gifch«ii    '|',',',*','J^'|. 
fdentität")  der  müUjrifclien   und   fenfibelen  Nerven   vermögen  die   ieTtuu«. 


404  Grundzüge  einer  vergleichenden  [10 

Beobachtungen,  daß  die  fenfibelen  Nerven  thermifch  leichter 
erregbar  lind  (Grützner),  bei  Contracturen,  Spafmen,  Chorea- 
anfällen  und  bei  Hyperkineße  leichter  alteru't  werden  als  die 
motorifchen  (Eichet),  nichts  zu  verändern  ^^) ;  denn  die  Urfachen 
diefes  verfchiedenen  Verhaltens  liegen  nicht  in  den  Fafern,  fondern 
in  deren  verfchiedenartigen  Endorganen  begründet.  Die  experi- 
mentelle Entfcheidung  der  Frage  nach  dem  doppelßnnigen  Leitungs- 
vermögen der  Nervenfafern  ift  von  du  Bois-Reymond  durch  die 
Fortpflanzung  der  negativen  Schwankung  des  Nervenffcroms  an 
beiden  Endquerfchnitten  des  Nerven  in  reinlter  und  unwiderleg- 
licher Form  geliefert;  directe  Beweife  für  eine  perverfe  Leitung 
der  Nervenfafern  lind  indeß  nur  wenige  beigebracht  und  auch 
diefe  erfreuen  fich  keineswegs  einer  allgemeinen  Anerkennung. 

Die  Verfuche  von  PJiiUjjeaux  und  Vulpian,  welche  zu  beweifen 
fchienen,  daß  nach  Durchfchneidung  des  Nervus  hypoglossus  der 
gewöhnlich  rein  fenüble  Nervus  lingualis  motorifch  werde,  find 
fpäter  von  Vulpian  in  anderer  Weife  gedeutet  und  Heidenliain  hat 
das  große  Verdienft,  endgültig  feftgeftellt  zu  haben,  daß  es  fich 
bei  diefem  Verfuche  nicht  um  ein  motorifch  Werden  des  Lingualis 
handelt,  fondern  daß  die  nach  der  Hypoglollusdurchfchneidung 
beobachteten  Bewegungen  der  Zunge  auf  einem  indirecten  Wege 
durch  die  Chorda  ausgelöft  werden.  Seitdem  der  bekannte  Ratten- 
fchwanzverfuch  Faul  Berfs  durch  ein  Hineinwachfen  fenfibeler 
Fafern  ebenfalls  feine  Beweiskraft  für  die  vorliegende  Frage  ein- 
gebüßt hat,  würde  ausfchheßhch  noch  dem  fog.  Zweizipfelverfuche 
am  Frofchfartorius  von  Kühne  und  der  Beobachtung  von  Bdbuehin, 
daß  im  electrifchen  Organe  des  Zitterwelfes  nach  Zerftörung  des 
von  einem  electrifchen  Nerven  verforgten  Bezirkes  auf  Reize  des 
Nerven  normal  von  diefem  nicht  verforgte  electrifche  Loben  auf 
centralem  Wege  erregt  werden,  ein  Gewicht  beizulegen  fein. 
Hemm-jugs-         Durch  eine  ganglionäre  Verknüpfung  fenfibeler  und  rein  moto- 

nerven. 

rifcher  Nervenbahnen   glaubte   man   bis  vor   Kurzem   fämmtliche 


11]  Phyfiologie  der  nervofen  Apparate.  405 

nervüfen  'N^orgänge  im  weiten  Bereiche  der  Wirbellofen  erklären  zu 
können.  Man  war  in  Folge  clelfen  gezwungen,  Annahmen  zu 
machen,  welche  die  verfchwommenen  Ideen  mancher  moderner 
Hirnphyßologen  von  der  Regeneration  exftirpirter  GangUenhaufen, 
von  dem  Zufammenwachfen  durchtrennter  Centralorgane  und  von  der 
Uebernahme  centralnervüfer  Functionen  durch  Bindegewebszellen 
noch  um  ein  Erkleckliches  übertrafen;  wir  werden  aber  im  Laufe 
unlerer  Betraclitungen  noch  wiederholt  Erfclieinungen  begegnen, 
welche  ohne  die  Mitwii'kung  fog.  hemmender  Nervenfafern  gar 
niclit  zu  verliehen  find,  wir  werden  Einrichtungen  kennen  lernen, 
welche  unter  den  unmittelbaren  Einfluß  folcher  Nerven  geftellt 
find,  und  deren  Kenntniß  die  Annahme  von  Hemmungscentren 
und  Hemmungsfafern  hier  nicht  (wie  etwa  das  Hemmungscentrum 
Setfrhenow's  im  Wirbelthiergehirn)  als  einen  überflüfiigen  Ballafi;, 
fondern,  da  auf  den  Ablauf  der  nervofen  Vorgänge  einfach  er- 
fchwerend  wirkende  Verknüpfungen  der  Reflexapparate  mit  anderen 
<  ianghenzeUen  keine  Erklärung  bieten,  als  abfolute  Noth wendigkeit 
crfcheinen  laffen. 

Der  Nachweis  von  Ganglien  in  folchen  Organen,  welche  off'en- 

bar  dem  EinfluIIe  hemmender  Fafern  unterworfen  find  (wie  z.  B. 

las  Herz,  der  Darm  und  die  Speicheldrüfen) ,   hat  die  Vorftelluug 

im  Gefolge  gehabt,  daß  die  hemmenden  Nerven  ^')  auf  periphere 

Ganglien  einwirken  und  im  Reizzuflande  den  von  letzteren  aus- 

j^c.'henden  Erregungsreiz  für  motorifche  Nerven  unterdrücken.    Nach 

liefer  Theorie  müßte  «das  Ergeljniß  einer  gleichzeitigen  Erregung 

Ijeider  Nervenclaffen  die  algebraifche  Summe  ihrer  Einzelwirkungen 

lein,   fofern  jede  Clafie  die  Wirkung  der  andern   unmittelbar  be- 

inträchtigt»;  diefe  Auffallüng  hat  fich  jedoch  nicht  bewahrheitet! 

So  beobachtete  M.  v.  Frctj  au  der  Suljmaxillardrüfe  des  Hundes, 
'laß  der  Verengungs - (Sympathicus)  und  der  Erweiterungsuerv 
Chorda)  der  Gefäße  keineswegs  in  dem  Sinne  unmittelbar  g<'gen 
•  •inander  wirken,  daß  der  eine  ffie  durch  den  andern  gefetzte  Vcr- 


406  Grundzüge  einer  vergleichenden  [12 

änderung  verringert  oder  rückgängig  macht,  fondern  daß  \äelmehr 
der  Sympathicus  die  durch  die  Chorda  liervorgerufenen  Ver- 
änderungen der  Gefäßmuskulatur  fortbeffcehen  läßt  und  nur  die 
Aeußerungen  derfelben  unterdrückt.  Einen  weitern  werthvoUen 
Beitrag  zur  Löfung  der  Frage  lieferte  unter  HeidenJiain's  Leitung 
J.  Paivlotv. 

Diefer  Forfcher  unterfuchte  bei  Anodonta  die  Abhängigkeit 
der  Schheßmuskeln  von  den  einzelnen  Hauptganglien  und  fand, 
wie  fpäter  noch  ausfülirlicher  zu  referiren  fein  wird,  daß  die  Muskeln 
unter  doppeltem  NerveneinfluITe  flehen,  daß  zu  ihnen  zwei  ClalTen 
von  Nervenfafern  treten,  die  einen  motorifche,  die  anderen  hem- 
mende, welche  den  verkürzten  Zuftand  der  Muskeln  aufheben  und 
Erfchlaffung  derfelben  herbeiführen.  Da  nun  im  Innern  diefer 
Muskeln  Gangüenzellen  nicht  vorhanden  und,  muffen  fowohl  die 
motorifchen  als  die  er fchlaff enden  Fafern  hier  direct  auf  die  Muskel- 
fafern  einwirken.  Diefe  Thatfachen  drängen  aber  ferner  zu  der 
Annahme,  daß  der  fog.  Erfchlaffungszuftand  der  Muskeln  nicht 
bloß  Aufhebung  derjenigen  inneren  Veränderungen  in  der  Muskel- 
fafer  ifl,  welche  die  Verkürzung  bedingen,  und  daß  der  innere 
Vorgang  der  Verkürzung  nicht  ohne  Weiteres  diejenigen  ^'"er- 
änderungen  im  Innern  der  Muskelfafern  aufhebt,  welche  die  Er- 
fchlaffung herftellen,  fondern  daß  es  «wohl  befondere  Theile  im 
Innern  der  Muskelfafern  find,  auf  welchen  die  Verkürzung,  und 
befondere,  auf  welchen  die  Erfchlaffung  beruht».  —  Es  empfiehlt 
fich  nicht,  auf  die  Hemmungsvorrichtungen  fchon  jetzt  näher  ein- 
zugehen, und  wü'  wenden  uns  deshalb  den  trophifchen  Nerven  zu, 
über  welche  hier  gleich  alles  berichtet  werden  foU,  was  fich  einer 
fpecieUen  phyfiologifchen  und  pathologifchen  Behandlung  zu  ent- 
ziehen pflegt,  aber  von  hervorragendem  Werthe  für  die  vergleichende 
Phyfiologie  ifl  ^^). 
Trophirciie  Die   tropliifchcn  Nerven   bilden   ein  viel  umftrittenes    Capitel 

Nerven. 

der  Nervenphyfiologie ,   doch,  wie  mir  fcheint,   betreffen  die  über 


13j  Phyßologie  der  nervöfen  Apparate,  407 

die  Berechtigung  ilirer  Aufftellung  Tehr  auseinandergehenden  Mei- 
nungsverfchiedenheiten  wenigftens  in  mancher  Beziehung  mehr 
den  Wortbegriff  als  die  Thatfachen  felbfl:.  Indem  man  fich  ge- 
wöhnte, bei  Claffification  der  centrifugalleitenden  Nerven  die 
phyfikahfche  Seite  des  Effectes  der  Nervenerregung  an  den  End- 
organen mehr  als  die  chemifche  in's  Auge  zu  falTen,  gelangte  man 
zur  Aufltellung  der  motofifchen,  der  vafomotorifchen ,  der  colora- 
torifchen,  der  electrifchen,  der  Licht  erzeugenden  Nerven  u.  f.  w. ; 
nur  wo  die  Producte  der  chemifchen  Proceffe  wie  bei  den  Secreter- 
güffen  fo  offen  zu  Tage  treten,  wurden  auch  die  chemifchen  Vor- 
gänge berückfichtigt.  Im  Uebrigen  war  man  ßch  bei  den  Unter- 
icheidungen  wenig  bewußt,  daß  die  Erregung  jedes  Organes  durch 
Nerveneinfluß  mit  chemifchen  Veränderungen  unabänderHch  ver- 
bunden ifl.  Nichts  erfchemt  aber  plauübler  als  die  Annahme, 
daß  nicht  in  allen  Endorganen  centrifugalleitender  Nerven  die 
durch  Nervenreiz  ausgelöften  chemifchen  Vorgänge  von  einer  Con- 
traction,  einer  beträchthcheren  Electricitäts-  oder  Lichtentwicklung 
begleitet  zu  fein  oder  fich  gerade  als  Secretionen  zu  äußern 
brauchen.  Der  durch  den  Nervenreiz  veränderte  Stoffwechfel  kann 
in  dem  Endorgane  jedenfalls  auch  als  folcher  rein  beftehen,  und  bei 
«ler  Erregung  eines  Organes  durch  Nerveneinfluß  find  die  chemi- 
fchen Verändennigen  allemal  das  Primäre,  die  phyfikafifchen  alle- 
mal das  Secundäre  und  ficherlich  kein  unbedingt  nothwendiges 
Attribut  der  erfleren.  Proceffe  diefer  Art,  welche  fich  unter  Nerven- 
einfluß abfpielen,  bei  denen  es  aber  weder  zu  ausgiebigeren  Secre- 
lionen  noch  zu  Muskelcontractionen  u.  dgl.  m. ,  fondern  lediglich 
zu  Veränderungen  des  gewöhnlichen  Ernährungszuftandes  kommt, 
giebt  es  im  lebenden  Organismus  vorausfichthch  viele  und  die  fie 
.luslöfenden  Nervenfafern  werden  zweifelsohne  die  Bezeichnung 
trophifche»  verdienen.  Icli  werde  mich  darauf  befcbränken, 
liinen  zvNX-i  einfcbiägige,  aljcr  wie  ich  glaube,  cclatmite  Bcifpielo 
vorzuführen. 


408  Grundzüge  einer  vergleichenden  [14 

Bei  meinen  vergleichend  pliyfiologifchen  Unterfuchungen  über 
den  Stoffumfatz  lenkten  vor  allen  die  nach  dem  "\^erfiegen  der 
Lebensvorgänge  erfolgende  coloITale  Wafferabgabe  (wie  z.  B.  bei 
den  Medufen)  refp.  Wafferaufnahme  (fo  z.  B.  bei  dem  Frofcheileijier) 
der  Gewebe  und  der  unter  Umftänden  fehr  rapide  eintretende 
hyaline  Zerfall  der  die  Zellen  conftituirenden  Eiweißftoffe  meine 
Aufmerkfamkeit  auf  fich.  Beide  Erfcheinungsreihen  lehren,  daß 
die  Stoffwechfelvorgänge  in  lebenden  Organen  oft  wefentlich  anders 
verlaufen  als  in  abgeftorbenen ,  daß  in  erfteren  Reize,  trophifche 
Erregungen  beliehen,  welche  die  chemifchen  Proceffe  in  ganz  be- 
Itimmte  Bahnen  lenken,  und  daß  beim  Erlöfchen  derfelben  eine 
Lockerung  des  organifchen  Zellen  Verbandes  refultirt,  welche  mit 
dem  Ablauf  der  Lebensvorgänge  unvereinbar  bleibt. 

Die  hyaline  Metamorphofe  der  Gewebe  ifl  als  krankhaftes 
Phänomen  beim  Menfchen  lange  bekannt  und  wird,  wie  früher, 
unter  der  fehr  unzeitgemäßen  Bezeichnung  der  «fchleimigen  refp. 
coUoiden  Entartung»  in  der  Pathologie  fortgeführt.  Ein  vortheil- 
haftes  Object,  diefe  Vorgänge  zu  ftudiren,  machte  erfl  Semper  aus- 
findig. Diefer  Forfcher  wies  darauf  hin,  daß  fich  die  Haut  einiger 
Stichopusarten  auf  fenfibele  Reize  in  kurzer  Zeit  verflüHigt,  unter 
ungünftigen  Lebensbedingungen  Stichopus  naso  lieh  durch 
heftige  Bewegungen  fogar  felbffc  aus  feiner  ausnehmend  dicken 
Haut  herausfchält,  und.  daß  von  dem  ausgefchnittenen  Hautflücke 
eines  Colochirus  quadrangularis  nach  km-zer  Zeit  nichts  als 
parallele  Fibrillenzüge,  die  ganz  unverfehrten  Muskeln  der  Füßchen 
und  fehr  fchöne,  zufammenhängende  Nervennetze  übrig  geblieben 
lind.  Es  erinnern  diefe  Erweichungen  in  hohem  Grade  an  jene, 
bald  in  Vereiterung  übergehende  phlegmonöfe  Entzündung,  welche 
B.  Koppe  nach  fubcutaner  Injection  felbft  noch  von  0.1  mgr.  Di- 
gitoxin bei  Hunden  (von  der  Applicationsltelle  aus)  regelmäßig  ein- 
treten fah.  Ich  habe  den  Auflöfungsproceß  an  der  Holothurien- 
haut  zuerft  experimentell  weiter  verfolgt   und   die  Uel^erzeugung 


15]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  409 

gewonnen,  daß  derfelbe  mit  der  tryptocollagenen  Materie,  welche 
ficli  in  der  Haut  der  meülen  Holothurienformen  vorfindet,  nicht 
in  Beziehung  zai  fetzen  ift,  fondern  vielmehr  in  einer  Hyalinifation 
eiweißartiger  Subftanzen  begründet  liegt,  und  daß  diefe  abnorme 
Zerfetzungsweife  m  der  nämlichen  Art  durch  nervöfe  Erregungen 
ausgelöft  wird  als  die  SaccharificationsprocelTe  nach  Verletzung  des 
Bodens  des  Äderten  HQrnventrikels  beim  Kaninchen. 

Nicht  nur  experimentell  lalfen  fich  derartige  fog.  fclileimige 
Entartungen  hervorrufen,  nicht  nur  unter  pathologifchen  Verhält- 
nilfen  treten  diefelben  klarer  in  die  Erfcheinung,  fondern  bei  den 
Reptilien  kehren  fie  ganz  regelmäßig  wieder.  Sie  kennen  bereits 
(vgl.  S.  216  ff.  u.  S.  25<S)  die  Gründe,  welche  es  diefen  Thiercn 
ermögüchen,  fich  ihrer  keratinöfen  Hülle  jährlich  ein  oder  mehi-ere 
Male  zu  entledigen.  Sie  wiüen,  daß  es  fich  aucli  in  diefem  Falle 
um  Vorgänge  handelt,  welche  in  einem  hyalinen  Zerfalle  eiweiß- 
artiger  Hyalogene  beliehen,  und  Sie  werden  gewiß  mit  mir  die 
Anficlit  theilen.  daß  diefelben  ebenfo  wie  die  intcrmittirenden  Se- 
cretionen  (z.  B.  der  Milchdrüfen  bei  den  Säugern,  der  Kropfdrüfen 
bei  den  Columbiden)  und  viele  pcriodifche,  durch  einen  Ernährungs- 
wechfel  und  ein  verändertes  Wachsthum  der  Zellen  bedingte  locale 
Umgeflaltungen  des  äußern  Habitus  (z.  B.  der  Schuppenwarzen 
am  Hochzeitskleide  der  Fifche,  der  Rückenkämme  und  der  Zehen- 
franzen  der  männlichen  Tritonen  zur  Begattungszeit)  auf  nervöfem 
AVege  zu  Stande  kommen.  Ganz  ])efonders  für  die  })ilateral  fvm- 
metrifchen  Functionen^"),  als  welche  fich  die  Umbildungen  letzterer 
Art  zu  äußern  pflegen,  erheben  die  Unterfuchungen  von  Bimj, 
('harri)t,  WeHphal  u.  A.  die  Annahme  einer  Mitbetlieiligung  ceii- 
trifugalleitender  Xervenbalmen  über  jeden  Zweifel  uikI  (piccbeii 
fo  indirect  niclit  weniger  fchlagend  gegen  die  von  Si<ininnd  Maifcr 
weitläufig  ausgeführte  Anfchauung,  dergeinäß  Centralapparat,  pe- 
ripherer Nerv  und  inncrvirtes  Organ  lediglicli  eine  einzige  Er- 
rcgungseinheit  bilden  und  in  ihrem  Ernälu-ungszuflande  ficb  felion 


410  Grundzüge  einer  vergleichenden  [16 

ohne  Weiteres  gegenfeitig  beeinfluITen  follen  ^'^).  Mayer' ^  Vorftellung 
vermag  weder  den  periodifchen,  gewöhnlich  dem  Gefetze  der  bila- 
teral Tymmetrifchen  Functionen  unterworfenen  Ernährungswechfel 
an  den  Epidermoidalgebilden  vieler  Vögel  und  Amphibien  ver- 
ftändlich  zu  machen,  noch  uns  irgendeinen  plaußbeln  Grund  für 
den  poflmortalen  WalTerwechfel  und  den  hyalinen  Zerfall  der  Ge- 
webe zu  geben  und  Itößt  auch  bei  den  pathologifchen  Veränderungen 
an  den  Muskeln  (z.  B.  der  Dyjftrophia  muscularis),  bei  den  dm'ch 
pfychifche  Affecte  plötzlich  hervorgerufenen  Ernährungsftörungen 
anderer  Gewebe  (z.  B.  den  Haaren)  auf  widerfprechende  Erfahrungen. 
—  Von  hervorragender  Bedeutung  für  das  Verftändniß  des  hyahnen 
Zerfalls  der  Eiweißftoffe  in  der  Reptilienhaut  fcheinen  mir  neuere 
Unterfuchungen  von  Kühne  zu  fein,  bei  denen  es  gelang,  das  Ke- 
ratinmolecül  durch  Abfpaltung  eines,  vielleicht  der  Chondroitfäure 
verwandten  Hyalins  foweit  zu  vereinfachen,  daß  dasfelbe  weder  die 
Mülon'\^che  Reaction  noch  beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefel- 
fäure  als  Zerfetzungsproduct  Tyrofm  gab. 
Functions-  Obfcliou  cincrfeits   die  Verfuche,    beflimmte  Functionen   der 

eigenthüm- 

lichkeiten  GanghenzcUe  darzulegen,  einer  Jftrengen  Kritik  kaum  Stand  halten 
Ganglien,  (jüpf^gj^  uud  audrerfcits  bei  Wirbelthieren  Gangüen  exiltiren,  für 
welche  (wie  z.  B.  für  das  Gangl.  mesentericum  inferius  und  für 
die  in  der  Nähe  der  Nieren  gelegenen  Ganglien,  welche  der  Nervus 
splanchnicus  durchfetzt)  jede  Prüfung  auf  etwaige  Functionen 
fruchtlos  blieb  ^^),  fo  erwächft  doch  aus  der  vielfeitigen  Erfahrung, 
daß  in  allen  Nerventheilen  — ,  an  denen  wir  Wirkungen  wahrnehmen, 
die  wir  nach  den  uns  bekannten  Eigenfchaften  der  Nervenröhren  an 
fich  nicht  zu  verftehen  vermögen,  —  viele  Ganglienzellen  gefunden 
werden,  eine  gewille  Berechtigung  zu  dem  SchlulTe,  daß  die  ver- 
fchiedenartige  Wirkungsweife  ganghenhaltiger  Nerventheile  die 
Thätigkeit  von  Ganglienzellen  darfteilt  und  die  Lehre  jener 
lieh  mit  der  von  den  Ganglienzellen  durchaus  deckt.  Die  den 
Ganglienzellen   zugetheilten   Functionen   haben   fomit  noch   nicht 


1 


17]  Phyiiologie  der  nervöfen  Apjiarate.  411 

allen  Charakter  des  Hypothetifchen  verloren,  und  es  wird  nützlich 
fein,  fich  dellen  immer  bewußt  zu  bleiben.  Man  würde  fich  aber 
doch  zu  fehr  von  der  gegenwärtigen  Zeitrichtung  entfernen,  wollte 
man  die  Ganglienzelle  als  nervöfes  Centralorgan  fallen  und  an 
ihre  Stelle  ein  unbekanntes  Etwas  treten  lalTen;  aus  diefem 
Grunde  fehen  -wir  denn  felbft  die  vorlichtigften  Forfcher  trotz  allem 
Skepticismus  die  über  die  GangHen  gang  und  gäbe  gewordenen 
Anfchauungen  in  vollem  Umfange  acceptii*en. 

Wir  deuteten  bereits  in  der  Einleitung  zu  diefem  Vortrage  an, 
daß  die  von  den  Ganglien  ausgehenden  Impulfe  dreifacher  Art 
find,  daß  es  fich  um  reflectorifche ,  um  automatifche ,  welche  ent- 
weder continuirhch  oder  rhythraifch  verlaufen,  und  fchließlich  auch 
um  Willensimpulfe  (um  fpontane  oder  pfychifche  Erregungen) 
handeln  kann.  Die  Willensimpulfe,  die  feelifchen  Thätigkeiten 
gehen  bei  den  Wirbelthieren  ausfchließlich  von  dem  Gehirn  aus, 
während  bei  diefen  die  meiften  reflectorifch  und  tonifch  automatifch 
wirkenden  Centren  im  Rückenmark  ihren  Sitz  haben.  Automatifch 
wie  reflectorifch  thätige  Ganglien  find  jedoch  felbft  bei  den  höheren 
Thieren  nicht  auf  das  Cerebrofpinalfyftem  im  Vorkommen  befchränkt, 
fondem  peripher  gelegene  Ganglienhaufen  wirken  in  genau  ent- 
ff>rechender  Weife. 

Sehen  wir  ab  von  den  gewöhnhch  fehr  unregelmäßigen  (z.  B. 
an  Spinnenbeinen)  oder  nur  kurz  andauernden  (z.  B.  am  Eidechfen- 
fchwanze)  Zuckungen,  welche  von  ihrem  natürlichen  Organverbando 
abgetrennte  ganze  Körperftücke  zeigen,  fo  wüßte  ich  als  ein  fchla- 
gondes  Bcifpiel  für  die  rhythmifche  Automatic  peripher  gelegener 
Ganglien  außer  den,  in  diefer  Art  innervirten  Herzen  der  Wirbel- 
tliiere  und  Wirbellofer  allein  noch  den  floffenartig  umgeftalteten 
Th«'il  des  Fußes  von  Carinariu  mediterrant-a  i=')  namhaft  zu 
niiifliMi.  Ich  liabo  nachgewiofon,  daß  diefes  Organ  von  dem,  am 
Anfange  der  Flofrenbafis  gelegenen  Ganglion  pedale  aus  jene  Iin- 
pnlfe  empfängt,   welche  es  in  den  Stand  fetzen,   in   einer  Minute 

Krnkathcrn,  VtrKl-l'byflol.  Vorlrilgc.  -^ 


412  Grundzüge  einer  vergleichenden  [18 

30  —  36  Ruderbewegungen  auszuführen,  und  daß  diefe  Bewegungen 
von  denen  des  Herzens  ganz  unabhängig  ßnd,  obfchon  fie  nach 
Coi^a's  Angabe  mit  diefen  vollkommen  ifochron  verlaufen  foUen. 
Weit  weniger  geßchert  fclieint  mir  die  von  Broivn-Secguard  und 
Vtdpian  mitgetheilte  Beobachtung,  daß  das  mit  dem  Hirnrücken- 
marke außer  Verbindung  gefetzte  Zwerchfell  eines  Säugethieres 
fortfährt,  rh}i;hmifche  Contractionen  auszufüliren. 

Auf  Grund  des  Brondgeeß' i^cheii  Verfuches  (einfeitige  Durch- 
fchneidung  des  Plexus  ischiaclicus  am  decapitkten,  aufgehängten 
Frofche)  wird  allgemein  angenommen,  daß  der  Tonus  der  Skelet- 
muskeln  wie  auch  wohl  der  Tonus  der  Sphincteren  dmxh  äußere 
Reize  vom  Rückenmark  aus  unterhalten  wird.  Unferen  Erfahrungen 
über  die  durch  den  Oculomotorius  dem  Sphincter  pupillae  ver- 
mittelten tonifchen  Erregungen  genügt  aber  die  Annahme  eines 
centralen  Tonus  nicht,  fondern  diefelben  verlangen  außerdem  die 
Anwefenheit  eines  peripher  gelegenen,  tonifch  wü^kenden  Centrums 
(vgl.  S.  367),  und  Vorrichtungen  dierer  Art  müITen  auch,  wie  uns 
die  Erfolge  einer  combinirten  Muscarin-,  Atropin-  und  PhyfoJftigmin- 
vergiftung  zu  fchließen  erlauben,  an  der  Darmmuskulatur  wirkfam 
fein.  Es  ift  nicht  unfere  Aufgabe,  zu  unterfuchen,  ob  die  Bei- 
behaltung automatifcher  Ganglien  eine  vollkommen  berechtigte,  ob 
die  Auslöfung  der  Impulfe  nicht  vielmehr  auch  bei  ihnen  eine  rein 
reflectorifche  ift;  nach  dem  Brondgeeß' M-ien  Verfuche,  der  für  die 
Lehre  vom  Muskeltonus  fo  entfcheidend  war,  ift  lie  es  jedenfalls 
nicht  und  ebenfo  wenig  nach  einem  andern  Verfuche,  der  in  kaum 
geringerem  Maße  die  Aufmerkfamkeit  der  Forfcher  auf  fich  zog. 
Ich  meine  den  fog.  GoW^chen.  Quakverfuch  ^*'). 

Schon  Paton  beobachtete,  daß  Fröfche,  denen  die  Großhirn- 
hemifphären  genommen  waren,  quaken,  wemi  man  ihre  Rücken- 
haut in  der  Interfcapularregion  berührt.  GoUs  machte  diefen  Ver- 
fuch  zum  Gegenitand  eines  befondern  Studiums  und  ftellte  feft, 
daß  für  fein  Zuftandekommen  die  Reizung  der  Rückenhaut  zwifchen 


19]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  •      413 

den  Vorderfüßen  das  Wefentlichfte  ift ;  vnid  die  Rückenhaut  unter 
diefer  Stelle  durchfchnitten,  fo  gelingt  das  Experiment  von  tiefer 
gelegenen  Regionen  des  Rückens  aus  nicht  mehr,  ebenfo  wie  es 
von  den  Extremitäten  und  von  der  Bauchfeite  aus  alsdann  ver- 
fagt.  Derartige  reine  Reflexcentren  werden  wir  bei  unferen  fpäteren 
fpecielleren  Betrachtungen  mehrfach  extracerebrofpinal  gelagert 
finden ;  es  liegt  deshalb  kein  Bedürfniß  vor ,  Beifpiele  für  deren 
Exiftenz  hier  noch  befonders  anzuführen. 


Unter  unferen  bejahrteren  Zeitgenoflen  hat  außer  Rudolf  llr- 
cliow  kein  einziger  Biologe  den  unfchätzbaren  Werth  und  die  Be- 
deutung einer  vergleichenden  Phyfiologie  fo  klar  durchfchaut  als 
Claude  Bernard.  .  Den  Uneingeweihten  wird  es  aber  nicht  wenig 
überrafchen,  wenn  er  aus  dem  Munde  desfelben  Mannes,  der  in 
feiner  hochbedeutfamen  Schrift  ^^),  mit  welcher  er  feine  erfolgreiche 
Thätigkeit  für  immer  abfchloß,  den  Ausfpruch  that:  «L'etude  des 
etres  inferieurs  est  surtout  utile  ä  la  physiologie  generale,  parce- 
que  chez  eux  la  \'ie  existe  ä  l'etat  de  nudite  pour  ainsi  dire», 
wenige  Jahre  vorher ^^)  die  Worte  vernimmt:  «Dans  l'etude,  des 
diverses  manifestations  de  la  vie,  nous  commencerons  par  les 
phenomenes  de  mouvement  et  de  sensibilite,  en  nous  en  adressant 
surtout  aux  organes  des  animaux  eleves,  (^ui  presentent  toutes  les 
fonctions  plus  developpees  et  mieux  isolees».  Ich  fage  für  den 
Uneingeweihten ;  denn  wer  Cl.  Bernard's  unfterbliche  Le^ons  gründ- 
lich kennt,  wird  nicht  einen  Augenblick  darüber  im  Zweifel  fein, 
daß  letzterer  Satz  nur  auf  die  animalen  Functionen  Bezug  hat, 
während  das  Citat  aus  den  «Le^ons  sur  les  phenomenes  de  la 
\i(ip  Cl.  Bernard' H  Anficht  über  das  Verhältniß  der  vergleichenden 
Phyfiologie  zur  fpeciellen  im  Allgemeinen,  alfo  nach  Ausfchluß  der 
Nerveij[)l)yliologie,  zum  Ausdruck  bringt;  hat  lieh  doch  zu  unlerer 
ganzen  Genugthuung  fell>ft  bei  den  contractilen  Geweben  der 
Schwerpunkt  der  Unterfuchungen  fo  lehr  in's  Bereich  der  Wirbel- 


411     •  Grundzflge  einer  veigleichienden  [20 

lofen  Terrclioben,  daß.  um  einen  Ausdruck  von  Fu>neff  zu  ge- 
brauchen, der  Fernerftehende  leicht  zu  der  Meinung  gelangen 
könnte,  man  habe  üch  einer  neuen  Art  von  Scarabäencultus  hin- 
o-egeben.  Um  aber  den  exeluliven  Stand  der  Nervenphyfiologie  auf- 
zudecken, dazu  bedurfte  es  zu  jener  Zeit  noch  der  Eiulieht  eine? 
Claude  Bernard! 
AiigemeiDe  Nehmen  wh  mit  Cl.  Bernard  die  Einrichtungen  der  höchlt- 
des  cerebro-oro-aniJirten  Thiere  zum  Ausarangspunkte  unlerer  vergleichenden  Ee- 
^^w^bef-^ti-achtungen,  fo  IteUen  üch  uns  keine  geringen  Schwierigkeiten  in 
^^^  den  Weg.  Vor  allem  was  die  Phyiiologie  des  Grehims  anbelangt,  irr 
die  Mafle  der  Autoren  gewaltig  und  die  Zahl  der  Hypothefen  eine 
unerfchöpfhche  zu  nennen.  Die  kritiiche  Sichtung  der  Beobach- 
tungen ift  Ibmit  ein  ebenfo  unumgänghche?  Erforderniß  als  die 
Walnung  eines  befümmten  Standpunktes  bei  Deutung  der  experi- 
mentell geftmdenen  Thatfachen.  Ich  glaube  diefen  Forderungen 
meinerfeits  nicht  belTer  gerecht  werden  zu  können,  als  wenn  ich 
mich  in  den  Cardinalfi-agen  den  Auseinanderfetzungen  von  Gdtz-^] 
unbedingt  anfchließe.  und  es  Ibll  nun  verfucht  werden,  ob  fich  m 
diefem  Sinne  dmx-h  die  bei  den  Wirbeltliieren  aufgedeckten  Ver- 
hältniHe  die  gewünfchte  Grundlage  für  eine  vergleichende  Phyfio- 
logie  der  nervöfen  Apparate  thatfachhch  gewinnen  läßt.  Beginnen 
vAy  mit  dem  Centralnervenfyltem  und  zwar  mit  dem  Gehirn! 

Der  vordere  Abfchnitt  der  centralen  Axe  des  Xervenfyftems 
legt  üch  bei  den  Cranioten  entwicklungsgefchichthch  in  Cieüalt  von 
fünf,  moi-phologifch  aber  nicht  ganz  gleichwerthigen  Hirnblafen 
an.  welchen  entfprechend  auch  an  dem  ausgebüdeten  Gehirne 
fünf  Abfchnitte  zu  unterfcheiden  und:  1.  das  Yorderhim,  2.  das 
Zwifchenhirn,  3.  das  jMittelhim,  4.  das  Hinterhim  und  5.  das 
Nachhim.  Von  diefen  theüt  das  Hinterhirn  keineswegs  die  Selb- 
üändigkeit  der  übrigen  Himblafen,  fondem  fleUt  nur  den  vorderften 
Theü  des  Daches  vom  Nachhirne  dar.  Bei  den  auf  niedrigfter 
Entwicklungsftufe  dauernd  verweilenden  Cranioten,  den  M^'xinoiden, 


21]  Phyfiologie  der  nervöfen  A]>parate.  415 

erfcheinen  die  einzelnen  Gehirnabtheilungen  hinter  einander  ge- 
lagert, gleiehfam  wie  Perlen  an  einer  Schnur,  Avährend  bei  den 
übrigen  Claffen  gewilTe  Hirnabfchnitte  präponderii-en  und  andere 
vollkommen  überdecken.  So  verdeckt  bei  manchen  Teleoftiern  das 
mit  dem  Zwnfchenhim  eng  verbundene  Mittelhirn  die  Medulla 
oblongata,  bei  den  Vögeln  überwölbt  nicht  nur  das  Vorderhirn 
das  bei  Batrachiern  und  Reptilien  noch  frei  liegende  Mittelhirn, 
fondern  das  Hinterhirn  überdeckt  auch  das  Nachhii-n,  und  bei  den 
Primaten  überlagert  das  "N^orderhirn  fowohl  das  Zwilchen-  und 
Mittelhirn  als  auch  das  Hinterhirn. 

Schon  aus  diefen  knappen  Bemerkungen^*)  wird  erfichtlich 
fein,  daß  der  relative  Umfang  und  fomit  auch  das  relative  Ge- 
wicht der  einzelnen  Hirntheile  in  der  Thierreihe  großen  Schwan- 
kungen unterhegt,  welchen  fich  beim  Menfchen  noch  individuelle 
hinzugefellen.  Ifl  es  erlaubt,  aus  den  anatomifchen  Befunden 
Schlüffe  auf  die  Leiftungsfähigkeit  der  einzelnen  Organtheile  zu 
ziehen,  fo  giebt  die  in  der  Säugethierreihe  mit  der  Steigerung 
der  Intelligenz  einhergehende  Volumszunahme  der  als  große 
Hemifphären  bezeichneten  Theile  des  ^^orderhirns  gewiß  kein 
unwefenthches  Argument  für  die  Auffaffung  ab,  daß  die  Groß- 
hirnrinde das  Organ  der  höheren  geilligen  Verrichtungen  ift. 
Inwiefern  fich  diefer  Schluß  beim  Experimente  bewahrheitete, 
welche  Functionen  in  ihrem  Zuftandekommen  an  das  Großhirn 
und  welclie  an  andere  Hirntheile  gebunden  find,  foll  nun  das 
Folgende  lehren. 

Flourms  glaubte  auf  Grund  feiner  Verfuche  die  Beluiu[)tuiig 
aufftelleu  zu  dürfen,  daß  das  Großhirn  in  allen  feinen  Abfchnitten 
eine  gleiche  Bedeutung  habe  und  ebenfowenig  in  Organe  gefon- 
dertcr  ^'^e^richtungen  zu  zerlegen  fei  als  etwa  die  Lunge.  Flourois 
dachte  nicht  daran,  die  Centren  für  einzelne  Functionen  in  be- 
ftimmte  Tlieile  der  Hirnrinde  zu  verlegen,  wie  vordem  (Jall  gethan 
hatte  und  wie  e.s  noch  heute,  zwar  in  einem  ganz  andern  Sinne, 


416  Grundzüge  einer  vergleichenden  [22 

als  es  den  Gall'^chen  Lehren  entfpricht,  mehrfach  gefchieht.  Die 
A^erfuche,  welche  Golt^  an  Hunden  ausgeführt  hat,  fprechen  aber 
nicht  wenig  für  die  Flourenslche  Anficht;  es  führten  diefelben  zu 
folgenden  ErgebnilTen: 

Die  verhältnißmäßig  fo  geringen  Störungen  nach  ausgedehnter 
und  tiefer  Vernichtung  Einer  Gehirnhälfte   lallen   ßch  nur   fo  er- 
klären,   daß  wirklich    eine    Hälfte    des  Gehirns    die    fymmetrifche 
andere  Hälfte  bis  zu  einem  gewilTen  Grade  vertreten  kann.     Der- 
artige einfeitige  Verftümmelungen  des  Gehirns    haben   keine   aus- 
fchließhchen  Störungen  an  der  gekreuzten  Körperhälfte  zur  Folge, 
fondern  machen  es  unzweifelhaft,   daß. jede  Hälfte  des  Großhhns 
durch  felbftändige  Bahnen  mit  allen  Muskeln  und  allen  empfind- 
lichen Theilen  des  ganzen  Körpers  zufammenhängt;  zuzugeben  ift 
nur,  daß  die  Verbindung   zwifchen  jeder   Halbkugel   des  Gehirns 
und  der   gekreuzten  Körperhälfte   inniger  ift   als   die   der   gleich- 
linnigen    Körperhälfte.     Die    Verftümmelung    beider    Hälften    des 
Großhirns   ifl    fchon    ein   viel  fchwererer  Eingriff  als    eine   gleich 
große  Verletzung,    die   fich  nur   auf  eine  Hälfte  befchränkt,  und 
die  Gegenüberftellung  der  Erfcheinungen,  Avelche  vorn  refp.  hinten 
an  beiden  Hemifphären  verletzte  Thiere  darbieten,  deutet  an,  daß 
die  MalTe  des  Großhirns  in   allen   ihren  Abfchnitten  nicht  gleich- 
werthig  ifl.    So  ift  bei  den  Hunden  mit  ausgedehnter  Verftümmelung 
des  Hinterlappens  die  Intelligenz  außerordenthch  gefchwächt,  fafl  er- 
lofchen,  und  es  flehen  in  diefer  Beziehung  folche  Thiere  tief  unter 
den  am  Vorderlappen  Operirten.    Ebenfo  bildet  die  Veränderung  der 
Gemüthsart  nach  ausgedehnter  Verflümmelung  der  hintern  Hirn- 
hälfte den  vollfländigen  Gegenfatz  zu  der  Aenderung  des  Charak- 
ters, welchen  die  vorn  operirten  Thiere  erfahren;    erflere   fmd  zu- 
traulich und  harmlos,  gehen  langfam,  ruhig  und  bedächtig  umher 
und  lind  kaum  dazu  zu  bringen,   eine   fchnellere   Gangart   einzu- 
fchlagen,    letztere    find    leicht    in    Zorn    zu   verfetzen,    von    einer 
wunderbaren  Aufgeregtheit  und  Lebhaftigkeit  und  zeigen  die  Nei- 


I 


23]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  417 

g:ung  ftets  iimheivAilaufen,  Diefe,  die  vorn  Operirten,  neigen  zur 
Rauf luft,  jene  erdulden  Gewaltthätigkeiten,  ohne  Rache  zu  nehmen. 
Manche  diefer  Abweichungen  (z.  B.  die  befonders  deuüich  hervor- 
tretenden Störungen  der  Bewegung  und  Empfindung  nach  Ver- 
ftümmelung  der  Scheitellappen,  die  fchweren  Sehftörungen  und 
der  höhere  Grad  von  Blödfinnigkeit  nach  Verletzung  der  Hintcr- 
ftatt  der  Vorderlappen)  werden  zweifellos  auf  eine  Mitverletzung 
der  im  Hirnftamme  mitvcrlaufenden  Nervenbahnen  bezogen  werden 
müITen,  ^\ie  jedoch  die  Veränderungen  des  Charakters  nach 
\\^egnahme  gewilfer  Hirnlappen  zu  erklären  find,  wagt  Goltz 
nicht  zu  entfcheiden,  und  gerade  diefe  Erfcheinungen  dürften  am 
meiften  verlocken,  die  Centren  für  einzelne  Fähigkeiten  in  der 
Hirnrinde  als  mehr  oder  Aveniger  localifirt  zu  betrachten.  Die 
allerdings  nicht  für  alle  Fälle  als  zutreffend  erwiefenen  An- 
gaben von  Bouülaud  und  Broca,  denen  gemäß  als  das  eigentliche 
Rindenfeld  der  Sprache  der  hintere  Theil  des  Gyrus  frontalis  in- 
ferior sinister  und  die  i?e«7'fche  Infel  der  Hnken  Seite  anzufehen 
lind  und  ausgiebigere  Verletzungen  diefer  Hirnpartieen  zur  Apliafie 
führen,  die  Erfahrungen  von  JacJcfon,  welcher  fand,  daß  gowiffe 
Formen  von  Lähmungen  und  Krämpfen,  namentlich  der  Glied- 
maßen, befonders  häufig  nach  Verletzungen  des  Scheitellappens  in 
der  Nähe  der  Bolando' ichen  Furche  vorkommen,  fcheinen,  wie  ähn- 
liche klinifche  Befunde  mehr,  der  Flourens' khen  Anficht  von  der 
Gleichwerthigkoit  der  Großhirnmaffe  ebenfalls  entgegen  zu  ftehon 
und  werden  der  Lehre  von  der  Localifation  gewifi'er  Centren  in 
der  Großhirnnnde  gewiß  noch  viele  Anhänger  zu  erhalten  wiffon^'')- 
\''ertreter  nahe  verwandter  Thierklafien  zeichnen  fiel)  bisweilen 
nicht  nur  durch  eine  fehr  ungleiche  Refifi;enz  gegen  Gifte  ^")  aus, 
fondem  derartigen  Unterfchieden  begegnete  man  auch  vielfach  bei 
den  Bluttransfufionen  (vgl.  S.  47),  ])ei  den  Stoffwechfelverfuclien*') 
und  lernte  auch  bei  (liefen  den  Verliältiiinen  gel)ührende  Rech- 
nung tragen,  welche  rein   durch    die  Individualität   bcdmgt  find. 


418  Grundzüge  einer  vergleichenden  [24 

Specififche  und  individuelle  Eigenthümlichkeiten  treten  aber  bei 
den  Verrichtungen  der  Centralorgane  ficlierlich  noch  weit  mehr  in 
die  Erfcheinung  als  bei  den  Veränderungen,  welche  chemifch  reine 
SubJftanzen  bei  ihrem  Durchtritt  durch  den  Organismus  durchzu- 
machen haben.  So  äußern  z.  B.  lang  andauernde  pfvchifche  Er- 
regungen auf  verfchiedene  Menfchen  oft  eine  ganz  verfchiedenartige 
"Wirkung.  «Wir  fehen»,  bemerkt  L.  Landois^^),  «daß  Nervenein- 
flüfTe,  welche  längere  Zeit  deprimirend  auf  den  Organismus  ein- 
wu'ken,  bei  dem  einen  eine  acute  oder  chronifche  Krankheit,  bei 
dem  anderen  vielleicht  Alteration  eines  einzelnen  Organs,  beim 
dritten  Ergrauen  der  Haare  oder  andere  Zufälle  erzeugen.  Dasfelbe 
gilt  von  denjenigen  abnormen  NerveneinflüfTen,  von  denen  der 
Körper  unvorbereitet,  plötzlich  betroffen  wnd.  Der  eine  kommt 
mit  dem  bloßen  Schreck  davon,  während  der  andere  von  der 
Kataleplie,  von  Krämpfen  aller  Art  befallen  wird  und  der  dritte 
wieder  plötzlich  ergraut.»  Vorzugsweife  bei  den  Sprachftörungen 
iffc  den  individuellen  Dispoütionen  eine  größere  Bedeutung  zuer- 
kannt^^), und  fpecififche  Unterfchiede  fcheinen  fich  felbffc  noch 
nach  Exflirpation  des  ganzen  Großhirns  bei  einander  fo  nahe- 
Itehenden  Formen  wie  Taube  und  Huhn  in  der  Ausführung  der 
Bewegungen  zu  documentken^^).  Trotz  alledem  geftaltet  fich  der 
Symptomencomplex  nach  Abtragung  des  gefammten  Großhirns  bei 
fämmtlichen  Wirbelthieren  im  Wefentlichen  ziemHch  gleichförmig, 
und  die  Schilderung,  welche  Golt^  von  dem  Benehmen  des  Groß- 
hirns beraubter  Tauben  giebt,  kann  geradezu  als  Paradigma  für 
alle  Wirbelthiere  dienen.  «Die  in  diefer  Weife  operirten  Thiere», 
fagt  Golt^,  «befitzen  noch  Sinnesempfindungen,  Avilfen  diefe  aber 
nicht  mehr  zu  ihrem  Nutzen  zu  verwerthen ;  fie  find  unfähig,  durch 
Erfahrungen  etwas  zu  lernen,  haben  kein  Gedächtniß,  und  ebenfo 
vermiflen  wir  bei  ihnen  alle  Aeußerungen,  aus  welchen  wk  auf 
Gemüthsbewegungen  und  Leidenfchaften  fchließen  könnten.  Ferner 
beweift  uns   keine   ihrer  Bewegungen,    daß  fie  noch  das  befitzen. 


25]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  419 

was  wir  bewußte  Ueberlegung  nenuen;  lie  bewegen  ßch  noch,  aber 
fie  handeln  nicht  und  fcheincn  nur  noch  lebendige  Mafchinen 
ohne  alle  höheren  Bewußtfeinsvorgäuge  zu  fein.» 

Mit  dem  Ausfalle  der  Spontaneität  fehen  wir  bei  Ausfchaltung 
des  gefammten  Großlm-ns  weder  die  vegetativen  Functionen  ge- 
fchädigt,  noch  regelmäßige  und  coordinirte  Bewegungen  unmöglich 
werden.  Letztere  kommen  erft  dann  zum  Ausfall,  wenn  beim 
Frofche  die  Lobi  optici  oder  bei  den  höheren  Wirbelthicren  die 
Pons  und  das  Kleinliii-n,  welche  wir  als  das  Centrum  für  die  zu- 
fammenhängenden  Ortsbewegungen  anzufehen  haben,  entfernt  fmd. 
Erheblichere  Bewegungsftörungen  ftellen  ficli  auch  nach  Verletzung 
der  Corpora  striata  ein ;  diefe  Theile  dienen  ebenfalls  der  Bewegung, 
doch  brauchen  nicht  noth wendig  alle  Bewegungsreize,  die  vom 
Großhirn  ausgehen,  die  Corpora  striata  zu  paffiren.  Ein  Durch- 
kreuzungspunkt fämmtlicher  motorifchen  Nervenbahnen  liegt  da- 
gegen in  den  Linfeukernen,  und  was  fchließüch  noch  die  Fähigkeit 
des  Sehens  anbelangt,  fo  erlifcht  diefelbe  bei  Fortnahme  der  Cor- 
pora quadrigemina  refp.  der  C.  bigemina  volllländig,  und  wir 
fchließen  daraus,  daß  diefe  Theile  jedenfalls  Durchgaugspunktc  für 
das  Sehen  find,  wennfchon  das  Centrum  für  dasfelbe  an  einem 
andern  Orte,  wahrfcheinHch  in  der  Medulla  [Lussana]  zu  fuchen  ift. 

Wir  können  uns  nicht  verhehlen,  daß  l)ezügUch  des  Mittel- 
und  Hinterhirnes  noch  viele  Punkte  fraglich  find,  und  ein  tieferes 
Eingehen  auf  diefelben  würde  fchon  deshalb  hier  wenig  erf[)rieß- 
lich  fein.  Neueren  Unterfuchungen  von  Stmicr^^)  zufolge  ver- 
fcluvinden  felljft  die  durch  tiefere  Verletzung  des  Kleinhirns  ver- 
urfachten  Unregelmäßigkeiten  der  Bewegung  nacli  einiger  Zeit 
wieder  vollftändig,  und  diefer  Forfcher  lieht  deslialb  aucli  nicht 
das  Kleinhirn,  fondern  das  Mittelhirn  als  das  Centrum  für  dii; 
coordinirten  Bewegungen  an. 

Nacli  Verletzungen  des  Kleinhirns,  gewiller  Abfchnitte  des 
Mittelhirns,  der  Medulla  oblongata,   kurz   nach  Verletzungen  aller 


420  Grundzüge  einer  vergleichenden  [26 

Hirntheile,  vorausgefetzt,  daß  diefelben  einfeitig  erfolgten,  kommt 
es  zu  Zwangsbewegungen,  welche  als  Reitbahn-  (Manage-)  und 
als  Rollbewegungen  unter fchieden  lind.  Erftere  kommen  beim 
Menfchen  nur  andeutungsweife  vor,  bei  Thieren  treten  lie  befonders 
nach  Verletzungen  des  Großhirns  und  der  Pedunculi  cerebri  auf. 
Die  Rollbewegungen  beliehen  darin,  daß  das  Thier  auf  die  rechte 
Seite  fällt  und  lieh  dann  um  feine  Längsaxe  rotirend  bewegt.  Die 
Drehungen  werden  nach  einiger  Zeit  gewöhnhch  hnksfeitig,  ftellen 
fich  hauptfächlich  nach  Verletzung  des  Kleinhirns,  aber  auch  nach 
Schädigung  der  Rons  wie  der  MeduUa  oblongata  ein  und  kommen 
ebenfalls  beim  Menfchen  vor.  Ueber  das  Zuffcandekommen  diefer 
Zwangsbewegungen  iffc  viel  geftritten,  und  die  Beobachtung  ähn- 
Hcher  Störungen  nach  beiderfeitiger  Entfernung  der  horizontalen 
Bogengänge  hat  ihr  Verftändniß  wefentlich  erfchwert.  Letztere 
Erfcheinungen  haben  nun  aber  mit  dem  Hören  an  ßch  nichts  zu 
thun^^),  fondern  beruhen  darauf,  daß  wir  in  den  Bogengängen 
ein  Organ  beiitzen,  welches  uns  von  der  Haltung  unferes  Kopfes 
Kunde .  verfchafft  und  nach  delTen  Verletzung  uns  das  Gleich- 
gewicht geftört  erfcheint.  Die  nicht  ablichthch,  fondern  wie  aus 
Schiffs  Verfuchen  hervorgeht,  nur  mit  Widerftreben  von  den  Thieren 
ausgeführten  Drehbewegungen,  welche  lieh  nach  einfeitiger  Hirn- 
verletzung einftellen,  haben  vielleicht  zum  Theil  (z.  B,  bei  Ver- 
letzung des  Thalamus  opticus)  ihren  Grund  in  einfeitigen  moto- 
rifchen  Lähmungen  (Schiff). 

Die  MeduUa  oblongata  reicht  von  der  Decussatio  pyramidum. 
bis  zur  Pons  und  begreift  beim  Frofche  noch  letztere  in  lieh.  Sie 
fpielt  fowohl  als  Leitungs-  wie  als  Centralorgan  eine  hervorragende 
Rolle.  Die  vorderen  Stränge  der  MeduUa  dienen  der  Motalität, 
während  die  Durchfchneidung  eines  Seitenftranges  eine  Ueber- 
empfindlichkeit  und  eine  Beeinträchtigung  der  Athmung  an  der 
entfprech enden  Seite  nach  lieh  zieht.  Aus  diefen  Verfuchen  fchloß 
fchon  Bell,  daß  die  Seitenftränge  hauptfächlich  der  Athmung  vor- 


27]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  421 

flehen,  daß  die  rechts  verlaufenden  Fafern  für  die  rechte  Seite 
der  Athmung  beftimmt  feien,  die  Hnks  verlaufenden  dagegen  die 
Athmung  an  der  linken  Körperfeite  vermittelten.  Doch  fo  einfach, 
wie  Bdl  glaubte,  hegen  die  Dinge  hier  nicht;  denn  gerathen  die 
Thiere  wirklich  in  Lebensgefahr,  fo  athmen  fie  noch  bei  feitwärts 
eingefchnittener  Medulla  mit  beiden  Seiten,  und  voUftändig  abgc- 
fchnitten  können  fomit  die  beider feitigen  Bahnen  in  der  Medulla 
nicht  fein,  fondern  an  der  durchfchnittenen  Hälfte  und  nur  gewilTe 
Hinderniffe  zu  überwinden.  Die  vielfachen  queren  Commilfuren 
in  der  Medulla  bedingen  wahrfcheinhch  ein  fymmetrifches  Zufam- 
menwirken  der  Organe,  welches  bei  einigen  Muskeln  (z.  B.  den 
Orbiculares  palpebrarum)  fehr  augenfälhg  und,  wie  \\\y  fahen,  auch 
nach  einfeitiger  Verletzung  irgend  eines  vorderen  Hirnabfchnittes 
nur  graduell  herabgefetzt  ift. 

Die  Medulla  oblongata  enthält  die  ßeflexcentren  für  den 
Schluck-  und  Brechact,  für  das  Schreien  und  Saugen,  für  die 
Kaubewegungen,  für  den  Schluß  der  Augenlider,  für  das  Hüllen 
und  Niefen  etc. ;  daneben  finden  fich  ein  rhythmifch  automatifches 
(Athmungscentrum)  und  zwei  continuirlich  rhythmifche  Centren, 
das  eine  für  die  Gefäße,  das  andere  für  das  Herz.  Alle  diefe 
Centren  können  aber  zugleich  refiectorifch  in  Thätigkeit  verfetzt 
werden  und  die  Athembewegungen,  wie  bekannt,  auch  willkürlich 
befchleunigt  und  verlangfamt  werden.  Als  der  Sitz  des  Gefäß- 
centrums wü'd  gewöhnhch  eine  umfchriebene,  nicht  nälier  ange- 
gebene Stelle  am  Boden  der  Rautengrube  bezeichnet;  daß  iiidcß 
die  Functionen  nicht  fo  fchematifch  in  den  Centralorganen  cinzu- 
fchränken  find,  leliren  fchon  die  Erfaln^ungen  über  das  Athmungs- 
centrum. Als  folches  betraclitete  Floiirms  eine  punktförmige  Stelle 
(nceud  vital)  in  der  Spitze  des  Calamus  scriptorius;  bei  Flonrms 
Verfuchen  erftickten  die  Thiere  jedoch  nur  deshalb,  weil  durch 
den  Stich  die;  gefammte  Umgebung  mitcrl'chüttert  wiu'de.  Leitete 
man  nach  der  Operation  kün[tliclie  Ucfi'inition  ein.  fo  begann  das 


422  ürundzüge  einer  vergleichenden  [28 

Thier  nach  einiger  Zeit  wieder  zu  athmen  (Schiff,  Broivn-Secquard), 
und  Verfuche  diefer  Art  haben  weiterhin  gelehrt,  daß  das  Ath- 
mungscentrum  weit  m  die  Medulla  hinab,  bis  in  das  Rückenmark 
hineinreicht  (Bolcitanslcy). 

Sämmthche  über  die  Verriclitungen  der  Medulla  oblongata 
von  uns  mitgetheilten  experimentellen  Ergebniffe  fanden  in  Beob- 
achtungen an  verftümmelten  Neugeborenen  ihre  Beftätigung,  wäh- 
rend Erfahrungen  an  Mißbildungen  mit  rudimentärem  Kleinhirn 
allerdings  am  heften  mit  den  Steiner' (chen  Anflehten  vereinbar  fmd. 
Es  liegt  uns  jetzt  allein  noch  ob,  einiger  entwicklungsgefchichtlichen 
Zuftände  zu  gedenken,  welche  für  eine  richtige  Deutung  der  Aus- 
fchaltungs-  und  Durchfchneidungsverfuche  am  Gehirn  ebenfalls 
mit  Vortheil  zu  verwenden  find. 

«Während  die  Hühner-  und  Laufvögel,  ferner  die  meiflen 
Wad-  und  Schwimmvögel  bereits  bei  ihrem  Ausfchlüpfen  ein  voll- 
ftändiges  Flaum-  und  Dunenkleid  tragen  und  in  der  körperlichen 
Ausbildung  fo  weit  vorgefchritten  find,  daß  fie  als  Neftflüchter 
alsbald  der  Mutter  auf  da,s  Land  oder  in  das  Waffer  folgen  und 
hier  unter  gefchickter  Bewegung  felbftändig  Nahrung  aufnehmen, 
verlaffen  die  guten  Flieger  und  überhaupt  diejenigen  Vögel,  welche 
vorzugsweife  auf  Bewegung  und  Aufenthalt  in  der  Luft  angewiefen 
find,  wie  die  Gang-  und  Klettervögel,  Tauben  und  Raubvögel,  fehr 
frühzeitig  ihre  Eihüllen;  nackt  oder  nur  ftellenweife  mit  Flaum 
bedeckt,  unfähig  lieh  frei  zu  bewegen  und  zu  ernähren,  bleiben 
ße  als  Nefthocker,  gefüttert  und  gepflegt  von  den  elterhchen 
Thieren,  noch  geraume  Zeit  im  Neft,  bis  fie  fafl  ausgewachfen 
durch  die  Entwicklung  der  Schwingen  zur  Flugbewegung  befähigt 
erfcheinen  ^^). »  Diefe  auffallenden  Unterfchiede  beruhen  nun  vor- 
zugsweife darauf,  daß  bei  den  Neflhockern  der  Entwicklungszuftand 
der  Coordinationscentren  weit  hinter  dem  der  Neftflüchter  zurück- 
geblieben ift,  daß  befonders  das  Mittel-  und  Hinterhmi  bei  jenen 
noch  wenig  ausgebildet  fmd.     Bei  den  neugeborenen  Säugethieren 


V 


'"  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  423 

Itehen  die  Hirntheile  auf  einer  noch  primitiveren  Stufe.  Für 
(liefe  ift  durch  den  experimentellen  Nachweis  der  Abwefenheit 
fammtlicher  pfychomotorifchen  Rindencentren  fowie  durch  Ab- 
tragung der  Großhirnhemifphären ,  wonach  an  den  Bewegungs- 
äußerungen keinerlei  Aenderung  zu  beobachten  war,  von  Solt- 
mann^%  wie  ich  glaube,  dargethan,  daß  fämmtliche  Actionen  als 
unwillkürliche  (refiectorifche ,  automatifche,  inftinctive)  aufgefaßt 
werden  mülTen  und  fomit  im  Mangel  des  Willens,  als  des  mäch- 
tigften  reflexhemmenden  Momentes,  auch  die  erfte  Urfache  für  die 
«erhöhte  Reflexdispofition»  der  Neugeborenen  anzunehmen  ift. 

Das  Rückenmark,  von  den  Alten  als  «crassissimus  nervorum» 
betrachtet,  verknüpft  wie  das  Gehirn  centripetal-  mit  centrifugal- 
leitenden  Nervenbahnen  und  ftellt  fomit  ein  felbftändiges  Central- 
organ  -wie  diefes  dar.  Gleich  dem  Gehirn  fetzt  es  ßch  aus  mark- 
haltigen  Nervenfaferfträngen  (weiße  Subftanz)  und  zellenreicheren 
Theilen  (graue  Subftanz)  zufammen  und  trägt  in  feiner  hiftiologi- 
fchen  Ghederung  in  ausgefprochenem  Grade  die  beiden  Kate- 
gorieen  feiner  Verrichtungen  zur  Schau :  das  Vermögen ,  nervöfe 
Erregungen  zu  leiten,  und  die  Eigenfchaft,  als  automatifches  und 
reflectorifches  Centralorgan  zu  wii'ken.  Die  bei  künftüchen  Rei- 
zungen centralnervöfer  Abfchnitte  allein  zuläffigen  mechanifchen 
Reize  haben  bezüglich  der  directen  Erregbarkeit  der  einzelnen 
Rückenmarkstheile  das  nämliche  Ergebniß  zur  Folge  gehabt  als 
beim  Großhirn:  die  graue  Subftanz  ift  unerregbar,  die  weiße  hin- 
gegen erregbar,  wenn  auch  weniger  ftark  als  die  Nervenfafern. 

Was  Verlauf  und  Sonderung  der  motorifchen  und  fenfibelen 
Leitungsbahnen  im  Rückenmarke  betrifft,  fo  curfiren  darül)er  die 
widerfprechendften  Angaben;  berückfichtigen  wir  die  beweiskräf- 
tigen Verfuclisrefultate,  fo  ergiebt  licli  etwa  Folgendes:  Zwei,  in 
verfcliicdener  Ilölie  des  Rückenmarks  ausgefüln-t(^  contralatcralo 
Durfchfchneidungen,  bei  welclien  der  Querfcbnitt  ])eiderfeits  ein 
wenig    über   die   Sagittalebene   hinausgeführt   wurde,    heben   Em- 


424  Grundzüge  einer  vergleichenden  [30 

i 

pfindung  wie  Bewegung  an  keiner  der  beiden  Körperfeiten  voll-  ■ 
kommen  auf.  Wir  fcliließen  hieraus,  daß  die  fenlibele  wie  die 
motorifche  Leitung  in  der  ganzen  Quere  des  Rückenmarkes  ftatt 
hat,  daß  fich  einzelne  Leitungsbahnen  von  rechts  nach  hnks  und 
von  links  nach  rechts  hinüberziehen.  Für  die  Leitungsfähigkeit 
der  centralen  Zone  des  Rückenmarkes  ift  diefer  Verfuch  jedenfahs 
viel  beweiskräftiger  als  die  Fortnahme  der  Seitenftränge  [Ludtvig's 
Verfuch),  nach  welcher  (wegen  der  zahbeichen  Nebenumltände)  eine 
völlige  Lähmung  und  Empfindungslofigkeit  eintritt,  und  welche 
alfo  genau  das  entgegengefetzte  Refultat  als  der  erftere  Verfuch 
zur  Folge  hat,  Bei  gleichzeitiger  Ausrottung  der  grauen  Subftanz, 
der  Vorder-  und  der  Hinterftränge  bleibt  Empfindung  wie  Bewegung 
erhalten  und  daraus  folgt,  daß  die  M'eißen  Seitenftränge  motorifch 
wie  fenfibel  find.  Bei  ausfchließlicher  Erhaltung  der  Vorderftränge 
zeigen  üch  die  Bewegungen  fehr  beeinträchtigt,  das  Empfindungs- 
vermögen aber  unverfehrt,  während  wenn  die  Hinterftränge  allein 
erhalten  geblieben  fmd,  Bewegung  wie  Empfindung  vernichtet  ift. 
Diefe  Befunde  berechtigen  zu  der  Annahme,  daß  in  den  vorderen 
weißen  Strängen  motorifche  wie  fenfibele  Bahnen  verlaufen.  In  den 
Hinterflrängen  fcheinen  dagegen  längere  Leitungswege  zu  fehlen, 
und  die  heutige  Anficht  geht  dahin,  daß  hier  die  Fafern  zwei 
Punkte  der  grauen  Subftanz  in  geringer  Höhe  mit  einander  ver- 
knüpfen ;  vielleicht  haben  fich  aber  einige  längere  fenfibele  Bahnen 
doch  noch  in  den  Hinterfträngen  erhalten  (Schiff). 

Von  den  beiden  Arten  der  automatifchen  Centren  find  im 
Rückenmarke  der  Säugethiere  nur  die  continuirlich  wirkenden 
nachgewiefen ;  als  folche  werden  die  Centren  für  den  Tonus  der 
Gefäße  und  für  den  Tonus  der  glatten  wie  quergeftreiften  Muskeln 
angefehen^^).  Für  die  Lymphherzen  der  Amphibien  und  Rep- 
tihen,  für  das  Caudalherz  des  Aales  giebt  es  im  Rückenmarke  auch 
rhythmifch  automatifche .  Centren,  von  denen  fich  das  für  die 
vorderen  Lymphherzen  beftimmte  beim  Frofche  in  der  Höhe  des 


31]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  425 

zweiten  Bruftwirbels,  das  für  die  hinteren  in  der  Höhe  des  neunten 
Bruftwirbels  befindet.  Größer  ift  die  Zahl  der  in's  Rückenmark 
verlegten  Reflexcentren,  von  welchen  wii'  nur  die  Centren  für  die 
Harn-  und  Gefchlechtswerkzeuge ,  für  den  hintern  Abfchnitt  des 
Darmtractus  namhaft  gemacht  haben  möchten.  Die  von  diefen 
Organen  ausgeübten  Functionen  verlaufen  ebenfo  wie  der  Geburts- 
act  unabhängig  von  dem  Gehirn  und  der  Medulla  oblongata,  und 
vielleicht  werden  auch  die  meiften  Drüfen  (Nieren,  Pankreas, 
Schweißdrüfen  etc.)  nur  vom  Rückenmarke  aus  inuervht. 

Der  Ausbreitung  der  Reflexe  im  Rückenmark  erwach  fen  aus 
dem  ausgedehnten  Zellenverbande ,  in  welchen  die  Reflexcentren 
hineingezogen  find,  gewöhnhch  nicht  unerhebliche  Widerftände, 
welche  nicht  nur  durch  die  den  Reflexcentren  vom  Gehirne  aus 
zugehenden  willkürlichen  Erregungen,  fondern  auch  durch  fenfibele 
periphere  EinflüITe  herabgefetzt  oder  gehemmt  werden  können. 
Sowohl  durch  beflimmte  Gifte  (Strychnin,  Coffein)  wie  auch  durch 
Erregungen,  welche  von  fog.  dynamogenen  Elementen  des  Cerel^ro- 
fpinalfyftems  den  Reflexcentren  zufließen,  werden  diefe  Hindernilfe 
anderfeits  al^er  wieder  fehr  beeinträchtigt,  die  Reflexenergic  dadurch 
vielleicht  fogar  direct  gefleigert ;  nach  einem  finnreichen  Vergleiche 
von  67.  Bernard  unterliegt  durch  das  Zufammenwirken  diefer  fo 
ganz  entgegengefetzt  wirkenden  Factoren  der  Erregungszuftand  eines 
jeden  Reflexcentrums  im  Rückenmarke  den  gleichen  weiten  Inten- 
ßtätsfclnvankungen  als  ein  Lichtcffect,  welcher  fich  aus  Lichtfi^rahlen 
verfchiedener  Schwinguugsphafen  zufammenfetzt.  Unter  den  Säuge- 
tliieren  ift  die  Reflexthätigkeit  bei  Jungen  in  der  Regel  größer  als 
l)ei  Erwachfenen;  bei  Vögeln  ift  aber  gewöhnlich  das  Umgekelirte 
der  Fall  und  beim  Meerfchweinclicn  läßt  licli  eine  Differenz  in 
diefem  Sinne  kaum  nocli  conftatiren.  Nadi  Jfrown-Srcf/imrd  grui»- 
piren  fich  die  einzelnen  Wirbelthierklafien  hinlichtHch  ihrer  Reflex 
encTgie  folgen<lennaßen :  1.  Vögel,  2.  Ampliibien  und  Reptilien, 
;-i.  Säuger  und  4.  Fifche,  von  welchen  a)>er  niehnro  Species  {/..   B. 


426  Grundzüge  einer  vergleichenden  '  [32 

Aal,  Schleihe,  Karpfen)  auszunehmen  find,  da  diefe  ein  geringeres 
Reflexvermögen  als  die  Säuger  befitzen  (Fachet). 

Für  die  Beziehungen  der  Rückenmarksreflexe  zwifchen  Reizung 
und  darauf  folgender  Bewegung  gelten  im  Allgemeinen  die  von 
Pflüger  aufgeftellten  Regeln,  denen  gemäß  ein  fenfibeler  Reiz  je 
nach  feiner  Stärke  nur  eine  Bewegung  dm^ch  den  zugehörigen 
motorifchen  Nerven  derfelben  Seite  auslöfl;  (einfeitiger  Reflex)  oder 
gleichzeitig  auch  den  motorifchen  Nerven  der  andern  Seite  in  Mit- 
leidenfchaft  verfetzt  (doppelfeitiger  Reflex).  Werden  die  angewandten 
Reize  noch  mehr  verftärkt,  fo  bleibt  es  nicht  bei  einer  transverfalen 
Irradiation,  fondern  die  fenfibelen  Reize  pflanzen  fich  alsdann  auch 
nach  oben  wie  nach  unten  hin  fort  (longitudinale  Irradiation)  und 
wirken  alsdann  auf  die  motorifchen  Nerven  nach  beiden  Richtungen 
hin  gleich  gut  ein  (Cmjrade).  Diefe  Gefetzmäßigkeit  erfcheint  nur 
in  folchen  Fällen  geftört,  wo  durch  oft  geübten  "Willenseinfluß 
die  normalen  Widerflände  in  gewilfen  Richtungen  abgefchwächt 
und  fo  zu  entfernteren  Bezirken  des  Rückenmarkes  gleichfam 
gangbarere  Wege  eröffnet  find.  Zu  diefen  Ausnahmefällen  zählen 
z.  B.  die  von  LucliRnger  an  Tritonen,  Eidechfen,  Schildkröten  etc. 
beobachteten  fog.  gekreuzten  Reflexe ,  welche  fich  unter  anderen 
darin  offenbaren,  daß  auf  Reizung  eines  Vorderbeines  Bewegungen 
des  diagonalen  Hinterbeines  erfolgen. 

Ein  von  Magendie  entdecktes  und  nur  mit  großem  Unrechte  ^^) 
nach  Bell  benanntes  Gefetz  befagt,  daß  die  vorderen  Wurzeln  der 
Rückenmarksnerven  motorifch  und  die  hinteren  fenfitiv  find.  Die 
Richtigkeit  diefes  Lehrfatzes  tritt  bei  Fifchen,  Batrachiern  und 
Vögeln  rein  hervor,  ymd  bei  den  Säugethieren  indeß  durch  die 
Sensibilite  recurrente  maskirt,  welche  darin  ihre  Erklärung  findet, 
daß  an  der  Vereinigungsfl^elle  der  hinteren  und  vorderen  Rücken- 
marksnerven Fafern,  welche  erfteren  entftammen,  umbiegen  und 
in  der  motorifchen  Wurzel  wieder  rückwärts  laufen  (Gl.  Bernard). 
Beide  Wurzeln,    mit  denen  alle  Rückenmarksnerven   entfpringen, 


33]  Phyßologie  der  nervöfen  Apparate.  427 

vereinigen  fich,  nachdem  die  hintere  Wurzel  zu  dem  Ganghon 
intervertebrale  angefchwollen,  alsbald  zu  einem  gemein fchafthchen 
Nervenilamme,  in  welchem  motorifche,  fenübele  und  auch  wohl 
hemmende  trophifche  und  Tecretorifche  Nervenfafern  innig  gemifcht 
vorhanden  und.  So  iß  es  wenigftens  bei  den  Säugethieren,  den 
Vögeln,  den  Reptihen  und  Amphibien;  bei  Selachiern  (Squalus, 
Torpedo,  Raja)  findet  dagegen  nach  Armand  Mormu^'')  eine 
innige  Vermifchung  fenfibeler  und  motorifcher  Fäden  jenfeits  des 
Spinalganghons  nicht  ftatt,  fondern  die  beiden  Nervengattungen 
find  im  Stamme  nur  an  einander  gelagert  und  laflen  fich  noch 
bis  zu  ihren  Endigungen  getrennt  verfolgen. 

Ilt  es  mir  gelungen,  aus  dem  reichen  Beobachtungsmateriale, 
welches  über  die  cerebrofpinalen  Functionen  der  AVirbelthiere  an- 
gehäuft wurde,  das  füi*  uns  Wefentliche  auszuwählen  und  kritifch 
zu  fichten,  dann  wird  es  keine  gi'ößere  Schwierigkeiten  mehr  haben, 
die  Verfuchsergebnilfe  an  Wirbellofen  mit  jenen  zu  vergleichen 
und  die  Differenzpuncte,  welche  zwifchen  beiden  beftehen,  fcharf 
herv-'ortreten  zu  lalTen.  Daß  fich  in  der  Reihe  der  WirbeUofen  das 
Bild  weit  bunter  gefialtet  als  bei  den  Wirbelthieren ,  zeigt  fchon 
em  flüchtiger  Blick  auf  die  fo  ungleichen  Beziehungen,  welche 
Vertreter  verfchiedener  ThierklalTen  zwifchen  den  lebenswichtigften 
Organen  und  dem  Centralnervenfyfteme  (als  Ganzem  oder  feinen 
Theilen)  uns  darbieten. 

Aus  den  oben  erörterten  Verhältnilfen   bei  den  Wirbelthieren  Tr.mspinn- 
ergiebt  fich  für  diefe   ohne  Weiteres  eine  große  Abhänfrifrkeit  dtT  "'"^  ^^'^k«^- 

o  ir>  ft  neration. 

vitalen  Vorgänge  von  den  Nervencentren ,  eine  Al^hängigkcit,  die 
zwar  vielfach  von  dem  höchft  complicirten  Baue  der  athmenden 
Ajjparate  bedingt  ül,  aber  in  der  ganzen  Einrichtung  des  Organismus 
doch  fo  tief  Wurzel  gefaßt  hat,  daß  auch  die  Integrität  der  kl('infi;cn 
und  fehr  unbedeutend  erfcheinenden  Körjx'rtlieilo  an  einen  Zu- 
fammenhang  mit  functionell  wie  m(jrpliol(jgifcli  inadä(juaten  Ge- 
bilden unbedingt  gebunden  ift.    Hierzu  kommt  nocli,  daß  bei  den 

Krukenberg,  Vergl.-phyflol.  Vortrüge.  :w 


428  Grundzüge  einer  vergleichenden  [34 

höher  organilirten  Formen  die  Bildungsfähigkeit  der  Organe  bald 
erlifcht,  und  daß  nach  eingetretenem  Organverluft  fomit  an  eine 
Neugeflaltung  nicht  zu  denken  ift.  Ausgenommen  die  Ganglien 
und  Sinneszellen  wohnt  indeß  den  Geweben  auch  bei  den  Säuge- 
thieren  noch  ein  ausgiebiges  Regenerationsvermögen  inne,  welches 
dem  der  Wirbellofen  in  kaum  einer  Richtung  nachfteht,  da  das- 
felbe  auch  bei  diefen  von  dem  Gefetze  der  Conflanz  und  Unver- 
änderlichkeit  der  einmal  differenzü'ten  Gewebe  regiert  wird.  — 
Betrachten  wir  nun,  welche  Verfchiedenheiten  lieh  in  den  beiden 
angegebenen  Punkten:  1.  in  der  Abhängigkeit  der  lebenswichtigen 
Functionen  von  den  Centralorganen  des  Nervenfyllems  und  2.  in 
einer  bleibenden  Regenerationsfähigkeit  der  Organe  zwifchen  Ver- 
tretern der  einzelnen  Thierklallen  ergeben  haben. 

Enge  Wechfelbeziehungen  zwifchen  den  allimihrenden  Organen 
und  den  ernährenden  Säften  beeinflullen  die  Ernährungs-  und 
Wachsthumsvorgänge  felbft  im  Pflanzenreiche  derart,  daß  eine 
gelungene  Copulation  oder  ein  erfolgreiches  Pfropfen  und  Ocu- 
liren^^)-  nur  dann  zu  Stande  kommt,  wenn  Wildling  und  Knofpe 
von  Pflanzen  verwandter  Arten  flammen.  Es  find  immerhin  fchon 
Seltenheiten,  wenn  es  gelingt,  einen  Apfelfproß  mit  einem  Birnen- 
reis zur  organifchen  Verfchmelzung  oder  Himbeeren  auf  wilden 
Rofen  zur  Reife  zu  bringen.  Gewiß  mit  Recht  halten  fich  die 
_  Botaniker  auf  Grund  vielfältiger  Erfahrungen  für  berechtigt,  die 
Verwandtfchaft  der  den  Oleaceen  zugetheilten  Species,  trotz  ihrer 
mannigfachen  habituellen  Unterfchiede,  dadurch  als  bewiefen  zu 
erachten,  daß  alle  Arten  diefer  Familie  auf  einander  zu  pfropfen 
find.  Pfropfverfuche,  ausgeführt  an  verwandten  Arten  oder  Varie- 
täten mit  verfchieden  gefärbten  Blüthen  oder  Blättern  (z.  B.  von 
Cytisus  purpureus  mit  C.  Laburnum,  von  weißen  Moosrofen 
mit  rothen  Centifolien,  von  Abutilon  Thomsoni  mit  feiner  bunt- 
blättrigen Varietät,  von  verfchiedenen  Kartoffelforten)  haben  dann 
weiterhin    fowohl    den   Einfluß  des  Pfropfreifes  auf  die  Unterlage 


35]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  429 

als  auch  die .  Beemfluffung  des  Edelreifes  durch   die  ernährenden 
Säfte  des  Wildhngs  dargethan. 

Ganz  ähnlichen  Verhältnillen  begegnen  wir  in  der  Thicrwelt! 
Wohl  Nichts  hat  die  eminente  Empfindlichkeit  der  lebenden  Organ- 
elemente des  Thierleibes  für  eine  Veränderung  ihrer  normalen 
Säftezufuhr  fchlagender  illuftrirt  als  die  Transfufionsverfuche  (vgl. 
S.  47),  bei  welchen  fich  herausftellte,  daß  bei  Säugethieren  die 
durch  das  Blut  einer  andern  Species  er  fetzte  Blutmenge  gar  keine 
bedeutende  zu  fein  braucht,  damit  der  Tod  erfolgt ^^),  und  bei 
WafTerthieren,  bei  welchen  die  Structur  der  äußeren  Hüllen  den 
inneren  Organen  und  Gewebsfäften  noch  keine  genügende  Beftän- 
digkeit  dem  äußeren  Medium  gegenüber  gewährt,  wirken  Schwan- 
kungen in  der  chemifchen  Zufammenfetzung  des  umfpülenden 
WafTers  nicht  w^eniger  ftörend  auf  die  Lebensverrichtungen  ein  als 
bei  den  warmblütigen  Wirbelthieren  die  Veränderungen  des  Innern 
Mediums,  des  Blutes.  Doch  darf  nicht  überfehen  werden,  daß  es 
dem  Organismus  gewöhnlich  leicht  gelingt,  fich  derartigen,  l^ei 
einem  plötzlichen  Eintreten  lebensgefährhch  werdenden  Schwan- 
kungen der  Lebensbedingungen  langfam  anzupaflcn,  und  das  Yoy- 
kommen  vieler  in  ihrer  Form  äußcrft  conftant  Ijleibender  Mcdufen- 
formen,  z.  B.  Aurelia  aurita,  in  salzarmen  und  salzreichen  Meeren, 
die  AnpalFung  echter  Parafiten  an  die  Ernährungsfäfte  ihrer  Wirthe 
veranfchaulichen  die  Macht  der  allmäliligen  Gewöhnung  niclit 
weniger  gut  als  die  künftlichen  Züchtungsverfuche  in  salzrciclicin 
und  salzaiTDcm  Waffer,  welche  z.  B.  Bmdant  an  Mollusken, 
Czaniy  an  Amöl>en,  F.  riufmu  und  Schmanknvitfrh  (vgl.  S.  10)  an 
Arthroproden  ausgeführt  haben  ^°).  Bleiben  die  Erna) irungsverhält- 
niffe  ungeändert,  dann  vermögen  al)er  felbft  bei  den  Säugethieren 
einige  aus  ilirem  natürlichen  Organ  verbände  abgetrennte  KörjxT- 
Iheilo  weiter  zu  leben,  ja  zu  prolifcrircn,  und  alle  Tliatfafhcn 
diefer  Art,  welclio  uns  Auffchluß  darülK;r  ertheilen,  in  welclicr 
Weife  ficli  die  Grenze  diefer  Productionsfäliigkeit  l>ci  vcrfchiodenen 


430  Grundzüge  einer  vergleichenden  [36 

Thieren  verfchiebt,  beützen  für  uns  natürlich  die  größefle  Be- 
deutung; lehren  diefelben  doch,  wie  eng  oder  wie  locker  der  Zu- 
fammenhang  zwifchen  den  einzelnen  Organen  und  dem  Central- 
nervenfyfteme  gefügt  iffc.  Die  feit  J.  L.  Beverdin's  Erfolgen  oft- 
mals geübten  Transplantationen^^)  ftellen  zweifellos  die  einfachlte 
und  zuverläfliglte  Verfuchsanordnung  dar,  wenn  es  gilt,  die  ein- 
zelnen Organe  und  Gewebe  des  Thierkörpers  auf  ilire  nutritive 
und  functionelle  Abhängigkeit  vom  Nervenfylteme  zu  prüfen. 
Diefe  haben  für  die  Wirbelthiere  in  der  That  auch  gelehrt,  daß 
bei  Erhaltung  der  Zufuhr  normaler  Ernährungsfäfte  nicht  nur 
Perioft,  Haut-  und  Schleimhautepithelftückchen  eine  Lostrennung 
und  Verpflanzung  an  andere  Plätze  ohne  Schädigung  ihrer  vitalen 
Eigenfchaften  erleiden  können,  fondern  daß  auch  größere  abge- 
hauene Körperltücke  (z.  B.  die  Schwänze  bei  Katten,  abgehauene 
Stücke  von  Ohr,  Nafe  und  Fingern  bei  Menfchen)  wieder  zur 
regelrechten  Verheilung  zu  bringen  lind.  Die  Zahl  diefer  Verfuche 
ilt  aber  eine  noch  fehr  befchränkte;  es  lind  diefelben  meines 
Wiflens- auf  .niedere  Thiere  niemals  ausgedehnt,  und  deßhalb  ift 
mit  den  Refultaten  gegenwärtig  nur  wenig  zu  machen. 

Glücklicherweife  erhalten  die  Transplantationen  eine  wefent- 
Hche  Ergänzung  durch  Verfuche,  welche  die  Erforfchung  der 
Regenerations Vorgänge  an  verflümmelten  Körpertheilen  ^^)  zum 
Ausgang  nahmen  und  an  Vertretern  ziemlich  aller  Thierklaffen 
ausgeführt  lind.  Unfer  Interefle  ilt  dabei  weniger  auf  diejenigen 
anaplerotifchen  Procefle  gerichtet,  bei  welchen  es  lieh  bei  Erhaltung 
aller  mchtigeren  Nervencentren  zu  einer  mehr  oder  minder  voll- 
ffcändigen  Wiedererfetzung  verloren  gegangener  Extremitäten  (Avie 
bei  Fifchen,  Amphibien  und  Krebfen),  abgefchnittener  Antennen 
(wie  bei  Infecten)  oder  Schwänze  (wie  bei  den  Eidechfen)  handelt, 
fondern  Avir  faflen  vor  allen  diejenigen  Regenerationen  in's  Auge, 
welche  noch  nach  tiefgreifender  Verletzung  centralnervöfer  Organe 
von  Statten  gehen  und  felbft  zu  einer  Regeneration  diefer  führen 


37]  PhyQologie  der  nervöfen  Apparate.  431 

können.  Da  fcheint  nun  dui*ch  neuere  Unterfuchungen  von 
Carrüre  u.  A.  für  die  Pulmonaten  ficher  er^nefen  zu  fein,  daß 
diefe  Thiere  nach  Verletzung  ihres  Schlundringes  ausnahmslos  zu 
Grunde  gehen  und  eme  Regeneration  abgefchnittener  Tentakeln 
(mit  ihren  Augen),  Lippen  und  auch  größerer  Theile  des  Kopfes 
nur  bei  Erhaltung  des  Schlundringes  möglich  ift.  Eine  gründhche 
AusbelTerung  des  A^'erlurtcs  nach  tiefgreifender  Schädigung  der 
Nervencentren  glückt  erfl  folchen  Formen,  deren  Körper  in  der 
Anordnung  der  Nervencentren  eine  gleichmäßige  Segmentirung  auf- 
weift; fo  z.  B.  mehreren  Annehden  (Lumbricus,  Nais  u.  dgl.  m.), 
welche  Bonnet  zu  feinen  Verfuchen  benutzte.  Bonnet  fand,  daß 
wenn  er  einen  diefer  Würmer  halbirte,  jede  Hälfte  weiter  lebte  und 
fleh  zum  ganzen  Thiere  ergänzte ;  am  Vorderftücke  bildete  ficli  ein 
neues  Hinterende,  an  dem  Hinterende  entwickelte  lieh  ein  neuer 
Kopf.  Ganz  analoge  Refultate  erzielte  Bonnet,  wenn  er  emen 
diefer  Würmer  ftatt  in  zwei  in  vier,  ja  wenn  er  eine  Nais  in 
1?4  Stücke  zerlegte ;  faft  alle  Fragmente  lebten  fort,  ergänzten  fich 
und  ein  jedes  ghch  fchließhch  einem  vollftändigen  Thiere.  Diefe 
Verfuche  lind  fpäter  mehrfach  wiederholt,  zum  Theil  mit  wdder- 
fprechendem  Erfolge.  So  fand  u.  A.  J.  iVUdiJcem,  daß  fich  bei 
Flußwalferformen  der  Gattung  Tubifcx  zwar  der  vordere  Körper- 
abfchnitt  durch  Neubildung  eines  Schwanzftückes  completirt,  daß 
aber  dem  Hinterende  die  Fähigkeit,  einen  Kopf  anzubilden,  felilt ; 
ähnhche  Verhältniffe  walten  bekanntlich  auch  bei  den  Ceftoden  ol). 
Sowohl  die  vielfach  bcftätigten  Verfuclie  Bomicfs  an  Lumbricus, 
wie  aucli  die  an  Borftenwürmern,  namentlich  Oligochäten  (Myria- 
nida,  Nais,  Chaetogaster),  chigehend  ftudirten  SproIIungs Vor- 
gänge lallen  indeß  fchließen,  daß  wcnigftens  bei  mehreren  Anneliden- 
fpecies  auch  der  Schlundring  von  Nervenknoten  der  hintcrliegenden 
Ganglienkettc  aus  wiedercrfetzt  werden  kann,  und  daß  fomit  l)ei 
diefen  Wünnern  die  gleiclien  Verhältniile  lealilirt  lind,  wolclie  für 
Turbellarieu,  Aftcriden,  Zooiihyten  und  Protozoen  als  Regel  gelten. 


432  i       Grundzüge  einer  Vergleichenden  '  [3S 

Theilungsverfuche  an  Planarien  wurden  von  Pallas,  DraiM^-^ 
naud,  Moquin-Tandon  und  von  Buges  angeltellt.  Letzterer  fall,  wenn 
er  bei  mehreren  Planarien  den  Körper,  fei  es  in  der  Quer-,  fei  es 
in  der  Längsrichtung  theilte,  jedes  Fragment  lieh  derart  entwickeln, 
daß  bald  ein  vollkommenes  Individuum  neu  entftanden  war.  An 
Afteriden  beobachteten  bereits  1741  Bernard  de  JuIReu  und 
Guettard,  daß  ein  einziger  abgelöfter  Arm  im  Stande  ift,  die  ganze 
Mittelfcheibe  nebffc  den  vier  übrigen  Armen  zu  reproduciren ;  Bu- 
jardin  und  Hupe  beftätigten  die  Angaben,  und  Haeclcel  erkannte 
in  diefer  Thatfache  einen  fchwer  wiegenden  Beweisgrund  für  die 
Auffalfung  der  Echinodermen  als  echte  Stöcke  gegliederter  Würmer. 
Gleich  vielen  Anneliden  zerftückeln  lieh  auch  die  Synapten,  wenn 
üe  unter  UDgünftige  Lebensbedingungen  verfetzt  werden;  doch 
ift  es  ebenfo  unwahrfcheinlich,  daß  fleh  folche  Fragmente  zu  voll- 
fländigen  Thieren  wieder  ergänzen,  als  die  Verficherung  von 
Balyell,  daß  Holothurien  ihre  ausgeworfene  Eingeweidemalle  neu 
zu  bilden  vermögen. 

Ausgedehntere  Verfuchsreihen  über  die  Theilbarkeit  der  Me« 
dufen  flellten  in  neuerer  Zeit  HaecJcel  und  Eimer  an.  Bei  mehreren 
Arten  aus  der  Familie  der  Thaumantiaden  konnte  Haeckel  den 
Medufenfchirm  in  mehr  als  hundert  Stücke  zertheilen  und  aus 
jedem  Stück,  fobald  es  nm'  einen  Theil  des  Schirmrandes  enthielt, 
erwuchs  in  2  —  4  Tagen  eine  vollftändige  kleine.  Medufe.  Noch 
überrafchender  war  das  Refultat,  welches  Haeckel  bei  anderen 
Hydromedufen  erhielt.  Hier  konnte  er  den  kugehgen,  nicht  diffe- 
renzirten  Zellenhaufen  (oder  die  wimpernde,  kugelige  Larve),  welche 
aus  der  Eifurchung  hervorgegangen  war,  in  mehrere  Stücke  zer- 
fchneiden  und  aus  jedem  Stück  entwickelte  fleh  eine  felbftändige 
Larve.  Eimer,  der  vorwiegend  an  Aurelia  aurita  experimentirte, 
gelangte  dagegen  zu  der  Anficht,  daß  «kein  Medufenkrüppel,  der 
fämmtlicher  Contractionscentren  beraubt  ift,  dauernd  zu  leben 
vermag,  und  daß  eine  Erholung  der  diefer  Centren  entbehrenden 


39]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  433 

Thiere  nur  eine  vorübergehcude  Erfcheinung  fein  kann».  Ueber- 
dies  ül  aber  zui-  Genüge  bekannt,  daß  die  Strobilaformen  gewilTer 
Acalephen  ßch  fpontan  in  eine  große  Menge  discoider  Stücke 
fpalten,  von  denen  jedes  zu  einer  neuen  Medufe  auswächft,  und 
auch  bei  Actinia  lacerata  fah  Balycll  kleine  Fußffcücke  fich  zum 
ganzen  Thiere  ergänzen.  Bei  dem  SüßwalTerpolypen  Hydra 
( Tremhley),  bei  Spongien  (Laurent),  bei  mehreren  Protozoen  (z.  B. 
bei  Vorticelleu  [Tremhleij],  Difflugia  enchoelis  [A.  Schneider], 
Urnula  epistylidis  [Claparede  und  Lachmann])  kennt  man  die 
Reproduetionsfähigkeit  folcher  minutiöfer  Theilftücke  Ichon  feit 
einer  geraumen  Anzahl  von  Jahren. 

Mit  den  ErgebnilTen  der  Transplantations-  und  Regenerations- 
verfuche,  mit  den  Beobachtungen  über  die  natürlichen  Theilungs- 
vorgänge  und  Knofpenbildungen  ill  eine  große  Fülle  anderweitiger 
Thatfachen  in  Einklang  zu  bringen,  von  welchen  die  wichtigeren 
jetzt  befprochen  werden  foUen.  Wir  gehen  dabei  zweckmäßig  von 
einer  Eintiieilung  der  Nerven verhältnilTe  aus,  welche  wir  zugleich 
als  ein  Refultat  unferer  bisherigen  Betrachtungen  anfehen  dürfen, 
und  welche  fowohl  diefe  wie  auch  die  folgenden  Auseinander- 
fetzungen  überfichtlich  zu  gruppiren  geftattet.    Wü'  unterfcheiden : 

1.  Die  farkoplallifchen  Formen,  bei  denen  es  weder  zu  einer 
Ausljüdung  echter  Muskelfubftanz ,  noch  zu  der  Entwick- 
lung fel])fländiger  nervöfer  Leitungsbahnen  und  gut  um- 
fchriebener  nervöfer  Centren  im  phyüologifchen  Sinne 
gekommen  ift. 

2.  Die  Thiere  mit  differenzirtem  Nerven-  wie  Muskelfyfteme, 
}>ei  welchen  die  centralncrvöfen  Organe  noch  dilleminirt, 
einander  ziemlich  gleichwerthig  lind,  und  bei  denen  die 
Functionen  eines  Centralorganes  deshalb  aucli  durch  ein 
anderes  melir  oder  weniger  vollltändig  übernonnnen  werden 
können. 

i>.  Die    Tliiere,    bei    denen    alle    wiclitigeren    centralncrvöfen 


434  Grunuröge  einer  vergleichenaen  [4U 

Verrichtimgen  gebunden  find  an  ftreng  localifirte  Ganglien- 
anhäufungen,   deren  Veiiuft  unabänderlich  den  Tod  des 
Thieres  nach  fich  zieht. 
4.  Die  Thiere  mit  entwickeltem  Cerebrofpinalfyffceme. 
Unterfuchen  wir,    welche    weiteren  Momente   für  die  Berech- 
tigung diefes  Eintheilungsprincipes  fprechen ! 
Die  sarko-  Bei  allen  der  erften  Gruppe,  den  Sarkoplalten,  anheimfallenden 

plaften. 

Lebewefen  verbindet  lieh  mit  einer  unbegrenzten  Theilbarkeit  und 
Reproductionsfähigkeit  der  Theilflücke  nicht  nur  eine  ausge- 
fprochene  Monotonie  im  hiftiologifchen  Baue,  fondern  auch  eine 
auffallende  Gleichartigkeit  des  Vergiftungsbüdes,  wenn  die  lebenden 
Theile  mit  irgendeinem  deletär  mrkenden  Stoffe  in  innigeren  Connex 
gerathen.  Von  Subftanzen  diefer  Art,  den  fog.  Protoplasmagiften, 
kennen  wir  bereits  (vergl.  S.  325)  das  Chinin,  und  diefem  reihen 
ßch  weiterhin  die  Anäfthetika,  das  Nicotin,  das  Veratrin  und  die 
Kalifalze  an.  Während  alle  fonftigen  Stoffe,  die  nicht  fogleich 
EiAveißgerinnung  verurfachen,  auf  Protozoen  wie  Spongien  ziemhch 
wirkungslos  befunden  T^nirden  und,  was  für  uns  ja  das  Wichtigere 
ift,  an  diefen  keine  prononcirte  ^^ergiftungsfymptome  hervorrufen, 
tritt  dm^ch  jedes  der  genannten  Protoplasmagifte  bald  eine  Lähmung 
ein,  der  ein  Opakwerden  und  ein  Zerfall  der  farkoplaftifchen  Maffe 
nachfolgt. 

Claude  JBernard  verfiel  in  einen  fchweren  Irrthum,  als  er  einfl 
behauptete*^),  die  Anäfthetika  feien  für  die  Fhmmerzellen  deshalb 
nicht  als  Gifte  zu  bezeichnen,  weil  keine  fchädliche  Nachwn-kung 
hiaterbleibe,  wenn  die  Zellen  üch  ihrer  wieder  entledigt  hätten;  fo 
verhalten  üch  jedoch  alle  Gewebe  allen  Giften  gegenüber.  Kein  ■ 
Gift  (weder  das  Strychnin  und  Curare,  noch  die  Anäfthetika)  läßt 
beim  Menfchen,  bei  Arthropoden  oder  Medufen  eine  Nach-\Adrkung 
beftehen,  wenn  es  aus  dem  Organismus  vollkommen  wieder  ent- 
fernt ift,  und  fpeciell  den  farkoplasmatifchen  Giften  gegenüber 
befteht    kein    qualitativer    Unterfchied    zTsafchen    den    einfachften 


41J  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  435 

Lebewefen  und  den  höchft  entwickelten ;  es  wirken  diefe  Stoffe 
jedenfalls  auf  Proceffe  Itörend  ein,  mit  deren  unbehindertem  Ver- 
lauf im  Tliierreiche  überall  das  Leben  eng  verknüpft  ift. 

Auf  Grund  unferer  Vergiftungsverfuche  *■*)  zählen  wir  den 
Sarkoplalten  auch  die  Turbellarien  zu.  Wir  lind  uns  dabei  aber 
wohl  bewußt,  daß  ßch  bei  diefen  eine  Sonderung  centralnervöfer 
Organe  phvüologifch  \'ielleicht  nur  deshalb  fo  unvollkommen 
manifeflirt,  weil  lieh  ihre  Leibesfubftanz  zum  größten  Theil  aus 
protoplasmatifchem  Materiale  aufbaut,  in  welches  felbft  die  kern- 
haltig angelegten  JNIuskelfafern  beim  ausgebildeten  Thiere  wieder 
zurückgefclilagen  lind'^^). 

Weit  weniger  Icharf  begrenzt  als  die  Sarkoplaften  fmd  unfere  nie  acerc- 

Ijiofpinaleu 

zweite  und  dritte  Gruppe.  Als  Repräfentant  der  zweiten  Gruppe  J[|™^. 
müllen  wir  diejenigen  Oligochäten  anfehen,  bei  welchen  (wie  z.  B.  ^^xel-veu"^ 
bei  Lumbricus)  eine  Regeneration  des  Kopfftückes  am  Hinter-  Kewcbu.  * 
ende  beobachtet  wurde  oder  bei  welchen  die  SprolFungsvorgänge 
auf  eine  Gleichwerthigkeit  der  Ganglienknoten  im  Nervenftrang 
hin  weifen,  während  für  die  dritte  Gruppe  die  Pulmonaten  das 
Paradigma  abgeben  würden.  Es  liegt  jedoch  auf  der  Hand,  daß 
die  zweite  mit  der  dritten  Gruppe  verfchmelzen  würde,  wenn  die 
Thiere,  bei  welchen  fich  functionell  gleichwerthige  Ganglien- 
anliäufungen  in  regelmäßigen  Abftänden  von  einander  differenzirt 
haben,  als  Thierftöcke  aufgefoßt  werden  und  die  Zahl  der  einzelnen 
GangUenknoten  auch  als  maßgebend  für  die  Individuenzalil  ange- 
fehen  wird.  In  dicfer  Weife  lind  die  Verhältnille  bei  den  Echino- 
derraen  und  Modufen  thatlaclüich  gedeutet  worden,  indeß  liegt 
z.  B.  bei  den  Anneliden  kein  triftiger  Grund  für  eine  folche  Auf- 
falfung  vor,  und  zugleich  fprechen  auch  viele  morphologifche  That- 
fachen  dafür,  dem  Zuftande  eines  confolidirteren  Centralnerven- 
fyftcms  ein  in  foiiiei-  Anlage  melir  dillüfes  als  Vorltufe  gcgen- 
ülierzuft^'llen.  Müden  wir  demnach  an  einer  Trennung  der  zweiten 
von  der  dritten  Gruppe  auch  unbedingt  feftlialten,  fo  empfiehlt  es 


436  Grundzüge  einer  vergleichenden  [42 

lieh  andrerfeits  aber  ebenfofehr  bei  einer  fpeciellen  Auseinander- 
fetzung  von  diefer  Unterfcheidung  Abftand  zu  nehmen;  denn 
Uebergänge  find,  wie  gefagt,  hier  zahheich  vorhanden  und  nach 
Abtrennung  der  Sarkoplaften  kommen  die  fämmtiichen  Wirbellofen 
mit  alleiniger  Ausnahme  der  Cephalopoden  unter  eine  diefer  beiden 
Gruppen  zu  flehen.  Es  fcheint  mir  deßhalb  rathfam,  lediglich  an 
der  Hand  der  Syftematik  die  Einrichtungen  der  centralnervöfen 
Organe  bei  den  Wirbellofen  durchzugehen. 

Bei  Thierformen,  welche  nicht  einmal  über  eine  enzymatifch- 
fecretive  Verdauung  verfügen,  deren  Körpermaflfe  nahezu  aus 
95  "/o ,  unter  Umftänden  vielleicht  aus  mehr  als  97  °/o  WafTer  be- 
fteht,  treffen  wir  eine  Einrichtung  des  Nervenfyftems  an,  wie  folche 
in  ihrer  phyliologifchen  Uebereinftimmung  mit  den  Verhältniffen 
bei  den  Wirbelthieren  von  keinem  fonftigen  Vertreter  eines  andern 
Typus  unter  den  Wirbellofen  auch  nur  annähernd  erreicht  wird. 
Trotz  allen  Separirtbleibens  der  einzelnen  Ganghenhaufen  weifen 
nämlich  die  Medufen  ^^)  bezügHch  der  Anordnung  und  dem  innern 
chemifchen  Gefüge  ihres  Nervenmuskelapparates  die  weitgehendfte 
Analogie  mit  den  Wirbelthieren  auf,  —  eine  Analogie,  die  üch 
felbft  bei  den  Actinien^^)  noch  erhält,  bei  diefen  aber  deshalb 
weniger  deuthch  hervortritt,  weil  die  Gangüen  den  Endorganen 
dicht  anliegen  und  fo  bei  Abwefenheit  längerer  Leitungsbahnen 
der  ganze  Nervenmuskelapparat  äußerlich  mehr  einen  einheitlichen, 
ich  möchte  fagen,    einen  rein  protoplasmatifchen  Eindruck  macht. 

Es  ift  unzweifelhaft  das  ausfchließliche  Verdienft  von  Eimer, 
experimentell  feftgeftellt  zu  haben,  daß  bei  den  toponeuren  Me- 
dufen (Acrafpeden  Gegenhaur's)  die  rhythmifchen  Contractionen 
angeregt  werden  von  den  « contractilen  Zonen » ,  und  daß  bei  Er- 
haltung einer  einzigen  derfelben  fich  das  Thier  noch  wie  ehi  nor- 
males contrahirt.  Jedes  Theüftückchen,  welches  eine  contractile 
Zone  enthält,  contrahirt  lieh,  während  fämmtliche  Stücke,  die  den 
Zufammenhang   mit   einer   folchen    eingebüßt   haben,    regungslos 


43]  Pliyüologie  der  nervöfen  Apparate.  437 

erfcheinen.  Nach  Verluft  aller  acht,  bei  normalen  Thieren  fyn- 
chronifch  thätigen  contractilen  Zonen  vermögen  ücli  die  Medufen 
(Aurelia  aiirita)  nicht  mehr  zu  contrahiren,  und  unbeweglich, 
^\ie  todt;  fpäter  zeigen  fich  aber  wieder  unregelmäßige,  fchwache 
Contractionen,  welche  anfangs  mehr  localer  Natur  lind,  und  nach 
3  —  4  Tagen  regelmäßigen,  rhythmifchen  Bewegungen  Platz  zu 
machen  pflegen. 

Bei  den  cycloneureu  Medufen  (Crafpedoten  Gegcnhaur's),  z.  B, 
bei  Sarsia,  flnd  die  Ganglien  im  Schirmrande  nicht  in  fo  her- 
vorragender Weife  localiürt  wie  bei  den  Toponeuren ;  bei  jenen  ift 
der  ganze  Schirmrand  contractile  Zone.  «Abfchneiden  des  Schmn- 
randes  hebt,  und  zwar  ohne  Ausnahme,  die  fo  äußerll  lebhaften 
Contractionen  der  Sarsia  fofort  auf.  Der  Schirmrand  felbfl  con- 
trahirt  fich  nun  munter  fort,  während  fich  der  randlofe  Theil  der 
Glocke  nicht  wieder  erholt.  Schneidet  man  drei  von  den  vier,  je 
einen  Augenfleck  tragenden  verdickten  Stellen,  den  fog.  Ganglien, 
des  Schirmrandes  aus,  fo  contrahirt  fich  die  Sarsia  weiter.  Hat 
man  aber  auch  das  letzte  Ganglion  ausgefchnitten ,  fo  fällt  fie 
regungslos  zu  Boden,  um  fich  jedoch  gewöhnlich,  wenn  auch 
nicht  immer,  fo  zu  erholen,  daß  fie  fpäterhin  wieder  rhythmifche 
Contractionen  ausführt,  die  allerdings  wenig  kräftig  find.» 

SchHeßhch  führten  Verfuche  von  Eimer  zu  einem  bemerkens- 
werthen  Refultate  bezüghch  des  phyfiologifchen  Zufammenhanges 
zwifchen  den  contractilen  Zonen  und  der  (luergeftreiften  Umbrellar- 
muskulatur.  Eimer's  diesbezügliche  Verfuchsreihen  find  mit  gi-oßem 
Gefchicke  von  liomanes  weiter  ausgebildet,  eröffneten  diefem  For- 
fdier  aber  keine  neue  Gefichtspunkte,  fondern  beftätigtcn  ihm 
nur  das  Ergebniß  von  Eimer,  demgemäß  eine  lehr  fchmalc  Ver- 
bindungsbrücko,  gleichviel  in  welchem  Tlieile  des  Schirmes,  die 
pliyliologifche  Vcrliitidung  der  eiiizehieu  Bezirke  des  letztern  auf- 
reclit  erhalten  kann. 

Wie  fchwer  felbfl  bei   den  Toponeuren   der  normale  Verband 


438  Grundzüge  einer  vergleichenden  [44 

der  Leitungswege  bei  möglichfler  Reduction  der  contraetilen  Zonen 
gefchädigt  fein  kann,  ohne  daß  die  nervöfe  Leitung  eine  Einbuße 
erfährt,  lehrt  am  fchlagendften  folgender,  von  Eomanes  an  Aurelia 
aurita  ausgeführter  Verfuch:  «Sieben  Randkörper  wurden  ausge- 
fchnitten,  vom  achten  an  wurde  ein  Schnitt  fpiralig  bis  gegen  das 
Centrum  des  Thieres  hingeführt,  fodaß  der  Körper  desfelben  in 
ein  langes  Band  gefchnitten  war,  delTen  eines  Ende  von  dem  letzten 
Randkörper,  deflen  anderes  von  dem  Centraltheile  der  Scheibe  ein- 
genommen wurde.  Es  zeigte  lieh  nun,  daß  die  von  dem  Rand- 
körper angeregten  Contractionswellen  lieh  durch  die  ganze  Spirale 
bis  zu  deren  Ende  hin  fortpflanzen  konnten.  Indeflen  hatten  Länge 
und  Breite  des  Bandes  einen  großen  Einfluß  auf  das  Refultat  und 
es  zeigten  fleh  fehr  große  individuelle  Verfchiedenheiten.  Der 
äußerfte  von  Eomanes  beobachtete  Fall  ununterbrochener  Leitung 
war  der,  in  welchem  die  Spirale  zwei  und  eine  halbe  Windungen 
machte.  Der  die  Spirale  bildende  Gewebsftreifen  war  dann  ungefähr 
einen  Zoll  breit  und  nahezu'  eine  Elle  lang. » 

Wir  verzichten  auf  eine  Auseinanderfetzung  der  vielen  fonder- 
baren  Erklärungsverfuche ,  durch  welche  Eimer  feine  fchönen  ex- 
perimentellen Befunde  entftellt  hat,  wir  fchweigen  von  JEimer's 
verfehlten  Ideen  bezüglich  der  will-  und  unwillkürlichen  Bewe- 
gungen, von  feinen  «Erfatzconcentrationscentren»  und  feinen  Neuro- 
muskelfafern,  und  unterfuchen  jetzt,  welche  theoretifchen  Schlüfle 
fich  aus  dem  reichen  Beobachtungsmateriale  ableiten  lallen. 

Als  ich  1878  verfuchte,  mir  ein  Bild  von  der  Anordnung  des 
Nervenfyftems  bei  den  Medufen  zu  machen,  bemerkte  ich  bald,  daß 
ein  Punkt  imr  fehr  oberflächlich  unterfucht  worden  war,  der  für 
jede  phyüologifche  Erörterung  von  der  allergrößeflen  Wichtigkeit  | 
fein  mußte ;  nämlich  die  Natur  der  Leitungsbahnen  felblt.  Wider 
Erwarten  war  ich  fo  glücklich,  die  empfindliche  Lücke  nach  jeder 
Richtung  hin  auszumerzen,  indem  mir  der  Nachweis  gelang,  daß, 
bei  allen  von  mir  geprüften  Medufen  die  contraetilen  Zonen  mit 


45]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  439 

den  Muskeln  lediglich  durch  Nerven  verbunden  find,  und  daß  diefe 
vöUig  analog  den  motorifchen  Endapparaten  bei  den  Wirbelthieren 
in  die  Schirmmuskeln  eintreten.  Eine  Klarlegung  diefer  Verhält- 
nifie  war  nur  mitteilt  combinirter  Vergiftungsverfuche  möglich 
gewefen,  und  der  entfcheidende  Beweis  ergab  fich  dadurch,  daß 
das  Curare  die  Nervenendigungen  in  den  quergeftreiften  Medufen- 
muskeln  ebenso  lähmt  (vgl.  S.  392  Anm.  117)  als  die  motorifchen 
Nervenendapparate  in  den  willkürlichen  Muskeln  der  Wirbelthiere, 
während  es  in  jenem  wie  in  diefem  Falle  die  centralnervöfen  Or- 
gane und  die  Muskeln  gänzhch  unbeeinflußt  läßt.  Nehmen  w'ir 
zu  diefer  Thatfache  die  Refultate  der  JS'mer'fchen  Verfuche  hinzu» 
fo  ergiebt  fich  für  die  Medufen  Folgendes : 

1.  In  dem  Schirmrande  finden  fich  eine  bald  größere,  bald 
geringere  Anzahl  von  phyfiologifch  durchaus  gleichwerthigen 
Nervencentren  {Eimer's  «contvactüe  Zonen»)  vor,  welche  durch 
zahlreiche,  \delfach  mit  einander  verknüpfte  Nervenfafern  mit  der 
Schirmmuskulatur  im  Zufammenhange  liehen. 

2.  Nach  Abtragung  fammtlicher  contractUen  Zonen  erlifcht  die 
Bewegung  kürzere  oder  längere  Zeit  vollfi;ändig,  fetzt  aber  fpäter 
von  Neuem  ein.  Daraus  fchließen  wir,  daß  die  Muskelcontractionen 
nicht  nur  von  den  contractüen  Zonen  aus  direct,  fondern  auch  noch 
von  anderen  rhythmifch  automatifchen  Centren  aus  erregt  werden, 
auf  welche  unter  normalen  Verhältniffen  die  contractilen  Zonen 
einen  hemmenden  Einfluß  ausüben.  Diefe  oder  noch  eine  andere 
Art  fecundärer  Ganglien  wx'rden  auch  durch  fonfibclc  Reize  direct 
in  Erregung  verfetzt. 

3.  Die  Verbindungsweife  der  Nerven  mit  den  Muskclfafern 
des  Schirmes  ift  vollkommen  analog  derjenigen,  welche  wir  durtli 
Kühne'»  Unterfuchungen  bei  den  quergeftreiften  Vertebratenmuskeln 
kennen. 

Bei  den  Ctcnoplioren'")  wunlen  dio  Jnncrvationsveriiältniiro 
mit  großem  Erfolge  bei  jenen  Arten  fiiulirt,  bei  welchen,  wie  z.  B. 


440  Grundzüge  einer  vergleichenden  [46 

bei  Beroe,  die  automatifcli  immer  thätigen  Schwingplättchen  durch 
leiftenartige  Sperrvorrichtungen  von  dem  Tliiere  nach  Belieben  zur 
Ruhe  gebracht  werden  können.  Bei  jenen  Formen  hingegen,  wo, 
wie  z.  B.  bei  Cliiaja,  diefe  Hemmungsvorrichtungen  fehlen,  und 
der  Schlag  der  Schwingplättchen  deshalb  auch  unter  allen  Um- 
ftänden,  ja  noch  lange  nach  dem  Tode  des  Thieres  fortbeftehen 
bleibt,  erwiefen  ßch  alle  Bemühungen,  über  den  Mechanismus  der 
nervöfen  Apparate  Näheres  in  Erfahrung  zu  bringen,  als  aus- 
lichtslos. 

Bei  Beroe  finden  ßch  an  dem  Afterpole  die  fog.  Sinneskörper, 
von  welchen  acht  Züge  von  Ectodermzellen  als  Nerven  zu  den 
Hippen  ausftrahlen.  Diefe  Sinneskörper  repräfentiren  gewiffermaßen 
das  Centralnervenfyßem  der  Beroe  und  arbeiten  an  allen  oder 
wenigftens  an  beiden  Rippen  ein  und  desfelben  Quadranten  unter 
einander  ebenfo  fynchron  wie  die  contractilen  Zonen  bei  den  Me- 
dufen,  denen  ße  aber  im  Uebrigen  keineswegs  analog  find.  Schneidet 
man  eine  Beroe  der  Quere  nach  durch,  fo  Iteht  die  Schwing- 
plättchenbewegung  an  der  des  Afterpols  verlufiiig  gegangenen  Hälfte 
eine  geraume  Zeit  fl;ill,  während  fie  fich  an  der  aboralen  Hälfte 
fehr  bald  mit  früherer  Lebhaftigkeit  wieder  einflellt^^).  Reizt  man 
bei  Euplothamis  an  der  oralen  Hälfte,  deren  Schwingplättchen 
ftiUfl;ehen,  eine  der  Rippen  mechanifch,  fo  beginnen  faß;  momentan 
die  Schwingplättchen  aller  acht  Rippen  energifch  an  zu  fchlagen 
und  rafch  fchwimmt  das  Theilftück  davon  (Chun).  'Durchtrennt 
man  an  einer  unverfehrten  Beroe  Eine  der  Rippen,  fo  verhalten 
ßch  die  beiden  TheiUtücke  der  durchfchnittenen  Rippe  genau  fo 
wie  die  oralen  und  aboralen  Hälften  vollkommen  durch  fchnittener 
Thiere,  während  die  Flimmerbewegung  an  allen  übrigen  Rippen 
in  normaler  Weife  fortbefteht. 

Aus  diefen  Cardinalverfuchen  ergeben  ßch  einige  wefentliche 
Differenzpunkte  zwifchen  den  nervöfen  Einrichtungen  der  Medufen 
Und  denen  der  Beroe;    denn  wie  ich  gezeigt   habe,   müfien  die 


1 


47]  riiyüologie  der  nervüfen  Apparate.  441 

Beobachtungen  an  Beroe  folgendermaßen  gedeutet  werden:  Jene 
SpeiTVorrichtungen  an  den  Rippen,  welche  fich  über  die  Schwing- 
plättchenreilien  hinüberlegen  und  fo  deren  automatifche  Bewe- 
gungen fiftiren  können,  liehen  durch  Nerven  mit  Ganglien  in 
Verbindung,  von  welchen  den  contractilen  Elementen  der  Sperr- 
leiften  belländig  tonifche  Erregungen  zufließen,  wodurch  das  Ein- 
fchlagen  der  Flimmern  gewöhnlich  verhindert  wird.  Diefe  con- 
tinuirlich  automatifch  Anrkcnden  Centren,  welche  in  großer  Zahl 
vorhanden  und  den  Fhmmern  fehr  benachbart  in  den  Rippen  gelagert 
fein  muffen,  ffcehen  mit  den  Sinneskörpern  am  Afterpole  durch 
Nerven  in  directer  Verbindung.  Die  fpontanen  Impulfe,  welche 
von  den  Sinneskörpern  ausgehen,  üben  aber  nur  einen  hemmenden 
Einfluß  auf  die  automatifchen  Rippencentrcn  aus,  inhibiren  den 
von  ihnen  normal  ausgehenden  Tonus  der  Muskeln  an  den  Sperr- 
vorrichtungen und  Hellen  in  Folge  deffen  den  Schlag  der  Schwing- 
plättcheu  ftill.  Daß  fich  von  den  Sinneskörpern  aus  zugleich  cen- 
trifugal  leitende  Nerven  unmittelbar  an  die  Muskeln  der  Sperrleiften 
begeben,  ift  nach  dem  Beobachteten  höchft  unwahrfcheinlich,  — 
ficlier  erwiefen  indeß,  daß  eine  Verknüpfung  beider  Organe  durch 
centripetal  verlaufende  Falern  ftatt  hat  ^*^). 

Wie  die  Durchfchneidung  Einer  Ri{)pe  an  der  unverfehrten 
Beroe  lehrt,  anaftomofiren  die  von  den  Sinneskörpern  zu  den 
automatifchen  Rippencentrcn  verlaufenden  Nervenftränge  bei  Beroe 
nicht  wie  bei  Aurelia;  doch  nach  Chun's  Verfuche  an  Euplo- 
thamis  zu  fchließen,  befl;ehen  hier  -nicht  weniger  ausgedehnte 
Nervenverzweigungen,  welche  die  automatifch  tliätigen  Centren 
verfcl)iedener  Rippen  mit  einander  verbinden.  Schließlicli  fei  noch 
hervorgehoben,  daß  fämmtliche  an  Beroe  geprüften  Gifte  (z.  B. 
Strycbnin,  Curare)  in  erfter  Inftanz  reizend  auf  die  Sinneskörper 
einwirken  und  wegen  des  bald  eintretenden  Abfi(!r])ens  der  auto- 
matifchen Ripi)encentren  ein  ftändiges  ErlöCchen  des  Plättchen- 
fchlages  herbeiführen,   während  bei  Cliiaja,   wo  (he  Sperrvorricli- 


442  Grundizüge  einer  vergleichenden  [48 

tungen  fehlen,  die  Flimmern  in  der  Stryelmin-  wie  in  der  Curare- 
löfung  außerordentlich  lange  in  Bewegung  bleiben. 

Die  Nervenphyßologie  der  Echinodermen^^)  ift  von  verfchie- 
denen  Forfchern  zum  Gegenftande  experimenteller  Unterfuchungen 
gemacht  worden ;  wir  verfügen  über  Beobachtungen  an  Crinoiden, 
an  Echiniden,  an  Afteriden,  und  nur  für  die  Holothurioiden  liegen 
keine  präeifere  Angaben  vor. 

Den  Hohlraum  des  dorfoventralen  Kelchhöckers  (Quinque- 
locularorgan)  bei  Comatula  betrachtet  William  Carpenter  nicht, 
wie  Johannes  Müller  und  Greeff  thaten,  als  Blutgefäß,  fondern  als 
das  eigentliche  Centralorgan  des  Nervenfyftems,  von  dem  motorifche 
Nerven  zu  den  Armen  abgehn  und  in  den  Pinnulae  enden,  Car- 
penter überzeugte  ßch,  daß  die  ventrale  Kelchfläche  und  die  ganze 
Eingeweidemafle  aus  dem  Kelche  entfernt  werden  kann,  ohne  daß 
die  Coordination  der  Armbewegungen  geftört  wird,  daß  dagegen 
Durchfchneiden  des  Axenftranges  die  Muskelcontractionen  an  dem 
zugehörigen  Arme  zum  Ausfall  bringt.  Auf  die  Ausfpreitzung  der 
Arme  hat  die  Nervendurchfchneidung  keinen  Einfluß,  denn  diefe 
ift  keine  Muskelwirkung,  fondern  gefchieht  durch  elaJftifche  Liga- 
mente, welche  dorfalwärts  zwifchen  den  Segmenten  ausgefpannt 
und.  Carpenter  vermuthet  auch,  die  homogene  plasmatifche 
Structur  der  Nerven  möge  in  dem  ausfchließlich  flectorifchen 
Charakter  der  verforgten  Muskeln  begründet  liegen,  und  hält  die 
ventral  verlaufenden  Fafern  H.  Ludwig'^  für  fenfibele  Nerven,  die 
ihr  Centrum  in  dem  oralen  .Nervenringe  flnden. 

Ich  habe  an  derfelben  Form  (Comatula  rosacea)  wie  Car- 
penter experimentirt ,  bin  aber  zu  einer  von  der  feinigen  fehr  ab- 
weichenden Auffallung  gelangt.  Vor  allen  läßt  ßch  die  Anwefen- 
heit  eines  motorifchen  Nerven  in  dem  Axenftrange  der  Comatula 
nicht  in  der  einfachen  Weife  experimentell  darthun,  wie  Carpenter 
beobachtet  zu  haben  angiebt.  Schneidet  man  nämlich  der  Coma- 
tula von  einem  Arme  Stücke  (ohne  den  zugehörigen  Bafalanfatz) 


J 


49]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  443 

ab,  fo  behalten  diefelben  ihre  Empfindlichkeit  und  ihr  Bewegungs- 
vermögen noch  Itundenlang  bei,  und  daraus  geht,  wie  ich  glaube, 
mit  E^^denz  hervor,  daß  auch  in  den  Armen  Reflexcentren  vor- 
handen find;  hinfichthch  der  Fortleitung  fenfibeler  Erregungen 
zeigt  Comatula  ein  ähnliches  Verhalten  als  das  von  Ä.  v.  Heider^^) 
an  Actinien  beobachtete :  Bei  vorfichtigem  Abfchneiden  einer 
Pinnula  reagu-t  nur  der  zugehörige  Ai-m,  werden  dagegen  mehrere 
Pinnulae  oder  ein  Stückchen  der  Armfpitze  oder  endhch  an  vcr- 
ftümmelten  Exemplaren  das  zu  äußerlt  gelegene  Bracliiale  ent- 
fernt, fo  antworten  fämmtliche  Arme  durch  Abwehrbewegungen. 
Meine  Anficht  geht  demnach  dahin,  daß  l^ei  Comatula  den 
Nerven  überall  ganglionäre  Centren  beigegeben  find,  und  daß  der 
Nervenring,  mag  derfelbe  nun  dorfal  oder  ventral  hegen,  nur  als 
motorifches  Coordinationscentrum  von  Bedeutung  ifi;.  Diefen  Ver- 
hältniffen  begegnen  wir  bei  allen  Echinodermen  wieder. 

Bei  den  Ecliiniden  umgiebt  den  Mund  ein  Nervenring,  welcher 
durcli  eine  Furche  in  zwei  concentrifch  angeordnete  Bänder  getheilt 
ift,  von  denen  das  innere  Band  ausfchließlich  aus  Fafern,  das 
äußere  aus  epithelartig  neben  einander  liegenden,  fehr  kleinen  bi- 
polaren Ganglien  beßeht  und  in  die  Ambulacralnerven  ausläuft. 
Diefes  ift  nach  Fredcricq  das  Centrainer venfy Item  der  Echiniden, 
und  es  fteht  als  folches  der  Coordination  der  Bewegungen  vor, 
welche  an  allen  Stücken  fortfällt,  deren  zugehöriger  Ambulacral- 
nerv  durchfchnitten  wurde.  Durch  Einkerben  der  Buccalmembran 
läßt  fich  der  Nervenring  am  lebenden  Thiere  der  Quere  nach 
durch ft^echen,  und  diefe  Operation  hebt  die  Coordination  an  allen 
Körperfegmenten  auf,  welche  durch  den  Nervenring  nicht  mehr 
unter  einander  in  Verbindung  flehen,  wäln-end  die  Körperfegmente, 
welche  ihre  Ambulacralnerven  von  ein  und  demfelbcn  Stücke  des 
getheilten  Nervenringes  beziehen,  nocli  wie  zuvor  harraonifcb  zu- 
fammenwirken. 

Indem  fich  die  Ambulacralnerven    an  der  gelamnitcn  inneren 

Kruk<:nbcrg,  VeTKl.-phyfloI.  VortrüKC.  ''^ 


444  Grundzüge  einer  vergleichenden  [50 

Schalenfläche  reichhch  veräJftehi,  bilden  lie  den  von  Eivart  ent- 
deckten «hineren  Nerveuplexus»,  von  dem  weiterhin  zahllofe  Fäden 
ausgehen,  welche  die  Kalktäfelchen  der  Schale  feitHch  pafliren,  um 
fich  mit  dem,  ebenfalls  von  Eivart  aufgefundenen  ganglienreichen 
Nervengeflechte  an  der  äußeren  Schalenoberfläche  zu  vereinigen. 
Frederkq  kannte  bereits  die  Thatfache,  daß  bei  mechanifcher 
Reizung  der  oberen  Schalenhaut  die  Stacheln,  die  Saug-  und  Greif- 
füßchen  lieh  fogleich  der  Reizltelle  zukehren  und  die  Haut  vor  dem 
Angrifie  zu  befchützen  fuchen.  Wie  Bomanes  nachwies,  treten 
diefe  Abwehrbewegungen  auch  dann  noch  ein,  wenn  der  innere 
Nervenplexus  durch  Salzfäure  weggeätzt  ift ;  ferner  laflen  fleh  diefe 
Reflexe  auch  auf  ganz  beftimmte  Bezhke  dadurch  befchränken,  daß 
diefe  durch  Schnitte,  welche  nur  die  Schalenoberhaut  zu  dm^ch- 
dringen  brauchen,  von  der  Umgebung  infelartig  abgegrenzt 
werden.  Die  vielfältigen  Bewegungen,  mit  welchen  die  Stacheln, 
die  Saugfüßchen  und  die  Pedicellarien  der  Echinidenfchale  fchwache 
Reize  beantworten,  fcheinen  durchgängig  von  den  Ganghen  des 
äußeren  Nervenplexus  ausgelöft  zu  werden ;  mit  dem  inneren  Nerven- 
geflechte ift  gegenwärtig  noch  kein  anderer  Begriff  zu  verbinden 
als  der  einer  Reizübertragung,  welche  fowohl  von  dem  äußeren 
Plexus  auf  die  Ganghen  des  oralen  Nervenringes  als  auch  umge- 
kelirt  erfolgen  kann. 

Wü'd  ein  Echinus  (Fredericq),  ein  Asterias  (Vulpian)- oder 
eine  Ophiuride  (Bomanes),  bei  welchen  der  Nervenring  zwifchen 
den  Abzweigungen  der  Ambulacralnerven,  alfo  im  Ganzen  fünfmal 
durchfchnitten  ift,  in  die  Rückenlage  verfetzt,  fo  vermag  keines  der 
Thiere  die  normale  Körperftellung  wieder  zu  gewinnen.  Jedes 
Zufammenwirken  der  Ambulacralanhänge  und  der  Skeletmuskeln 
an  den  Antimeren  ift  durch  die  Operation  unmöglich  geworden, 
und  Reize,  welche  einen  l^ehebigen  Punkt  der  Peripherie  oder  der 
Mundfeheibe  treöen,  werden  von  den  Säugfüßchenalleen  an  den 
fünf  Ambulacralfeldern  nicht  mehr  gleichfinnig  beantwortet.    Gleich 


&1]  Phyfiologie  der  nervöfeii  Apparate.  445 

nach  der  Separation  der  fünf  Centren  im  Nervenringe  kommt  es 
an  dem  anf  den  Rücken  gelegten  Astropecten  zu  einem  tulpen- 
artigen Zufammenlegen  der  Arme  und  bei  den  Ophiuriden  Hellt 
ücli  eine  allgemeine  Starre  an  den  Armen  ein;  alle  diefe  Er- 
fcheinungen,  welche  die  unmittelbaren  Folgen  des  experimentellen 
Eingriffes  lind,  verfch winden  indeß  bald,  und  jeder  Arm,  jedes 
Autimer  vollzieht  dann  feine  Bewegungen  auf  eigene  Rechnung, 
unl)ekümmert  darum,  was  an  den  übrigen  vor  fich  geht. 

Werden  in  Folge  emer  Durchtrennung  des  Nervenringes  an 
den  bezeichneten  Stellen  oder  der  verforgenden  Ambulacralnerven 
nur  einzelne  Antimere  aus  dem  Gefammtverbande  ausgefchaltet,  fo 
refultiren  Itets  Verhältnilfe,  welche  nach  dem  Grundfatze,  daß  die 
Ver])indungsftränge  des  Nervenringes  nur  Erregungen  leiten,  welche 
die  Bewegungen  an  den  einzelnen  Aml^ulacren  zu  coordinirten 
werden  lalfen,  mit  vollkommener  Sicherheit  voraus  zu  beftimmen 
find.  Wird  bei  einem  regulären  Seeigel  ein  Ambulacrum,  bei 
einem  Afheriden  oder  einer  Ophiuride  ein  Arm  mit  der  im  BaA^l- 
ende  befindlichen  zugehörigen  Ganglienanfchwellung  des  Nerven- 
ringes amputirt,  fo  benimmt  fich  das  Theilftück  wie  ein  unver- 
fehrtes  ganzes  Thier,  indem  es  fich  bei  unbequemer  Lage  gleich 
jenem  durch  zweckmäßige  Bewegungen  der  Stacheln  und  Füßclien 
die  normale  Körperhaltung  wieder  zu  verfchaffen  weiß.  Aljer  ver- 
fchiedcn,  je  nach  der  Species,  fällt  das  Refultat  aus,  wenn  man  ein 
Antimer  ohne  das  zugehörige  Ringganghon  abtrennt.  Ein  folches 
Stück  von  Asterias  rubens  (Vuljnan),  von  Astropecten  auran- 
tiacus,  A.  pentacanthus,  A.  bispinosus  und  von  Opliio- 
derma  longicauda  vermag  aus  der  Rücken-  in  diu  Bauchlage 
nicht  zurückzukehren,  während  bei  Asteracanthion  glacialis 
Und  wahrfcheinhcli  auch  bei  vielen  anderen  Afteriden  nidit  iiui- 
der  am  Anfatzende  al^genonmicne  ganze  Arm,  fondern  auch  jedes 
beliebige  Querftück  desfcl}>en  ficli  dazu  noch  bcfäliigt  crweifl. 
Durch fcl meidet  man  den  Nerven  eines  amputirten  Afieiaciintliion- 


4.46  Grundzüge  einer  vergleichenden  [52 

armes  mitten  in  feinem  Verlaufe,  fo  ift  die  Coordination  in  den 
Bewegungen  der  Sangfüßchen  zwifchen  der  proximalen  und  diftalen 
Hälfte  des  Armes  geltört ;  an  letzterer  können  die  Bewegungen  der 
Saugfüßchen  z.  B.  nach  oben  gerichtet  oder  ganz  eingeftellt  fein, 
während  ße  an  dem  proximalen  Ende  lebhaft  darnach  ffcreben, 
den  gewonnenen  Befeftigungspunkt  an  der  Unterlage  zu  behauj)ten. 
Wir  entnehmen  diefem  Verfuche,  daß  bei  Asteracanthion  ein 
Ambulacralnerv  die  gleiche  Bedeutung  für  ein  Zufammenarbeiten 
der  einzelnen  Armfegmente  beßtzt  als  der  Ringnerv  für  ein  Zu- 
fammenwirken  der  fünf  Arme.  Wenn  nun  aber  bei  mehreren 
Aftropectenarten  die  Ergebniffe  letzterer  Verfuche  wefentlich  andere 
und  als  bei  Asteracanthion,  fo  glaube  ich  das  lediglich  auf  die 
geringere  Länge  der  Saugfüßchen  und  auf  die  glatte  Form  des 
Armgerüftes,  die  dem  ifolirten  Arme  oder  den  Ai'mftücken  nicht 
die  zu  einer  Umdrehung  nöthige  Fixation  gewähren,  ftatt  auf  einen 
grundverfchiedenen  hifliologifchen  Bau  der  Armnerven  fchieben  zu 
follen.  Ich  muß  zwar  daran  erinnern,  daß  an  den  Armgliedern 
der  Opliio derma  fog.  zweckmäßige  Bewegungen  nach  Abtragung 
des  Bafalganglious  ebenfo  ausbleiben  als  bei  den  genannten  Aftro- 
pectenfpecies ;  aber  beide  Erfcheinungen  laffen  keinen  Vergleich 
zu,  denn  an  den  Ophiodermaarmen  erlifcht  jede  Bewegung  deshalb 
fo  bald,  weil  die  Armnerven  außerordentlich  ganglienarm  lind  und 
ihre  Reflexcentren  fehr  rafch  erlahmen,  während  ßch  die  Saug- 
füßchen bei  Aftropecten  durch  perip'heren  Ganglieneinfluß  fowohl 
an  den  einzelnen  Armfragmenten  als  auch  an  curarißrten  Thieren 
noch  lange  Zeit  kräftig  bewegen.  Wir  müflen  nur  bedauern,  daß 
bislang  nicht  verfucht  worden  ift,  die  Reflexcentren  in  den  Armen 
der  Afleriden  durch  Gifte  verfchieden  zu  beeinflußen  und  dadurch 
die  Innervationsdifferenzen  zwifchen  den  Muskeln  des  Skelets  und 
der  Füßchen  näher  zu  ermitteln,  welche  bei  der  Curarißrung  in 
der  Lähmung  der  erfteren  und  dem  Intactbleiben  der  letzteren 
(J.  Steiner)  nur  fehr  oberflächlich  hervortreten. 


53]  Phyüolopie  der  nervoreii  Apparate.  447 

Was  über  das  Nervenfyftem  der  Würmer  ^^)  experimentell  er- 
fchlofTeu  wurde,  deutet  auf  zwei  verfchiedene  A^erhältnille  hin, 
welche  fieh  auf  die  der  Afteroiden  ungezwungen  zurückführen 
lauen.  Ein  mit  dem  Ringgauglion  in  Verbindung  gebliel)ener 
Ophiodermaarm  wiederholt  mit  der  geringen  Lebensfähigkeit  feiner 
peripheren  Centren  die  Nervenanordnung  bei  der  einen  Abtheilung 
der  Anneliden  und  der  Afteracanthionarm  mit  der  großen  Selb- 
ftändigkeit  feiner  peripheren  Ganglien  die  der  andern  Klaffe.  Zu 
letzterer  ^^'ürden  die  Würmer  mit  regenerationsfähigem  Hinterftücke, 
Vorzugsweife  Oligochäten  gehören,  während  Ijci  den  Hirudineen 
den  Schlundganglien  ein  weit  größerer  Einfluß  auf  alle  Segmente 
eingeräumt  werden  muß ;  nach  KUinenhenj  ^%  welcher  an  der  Larve 
von  Lopadorhynchus  mit  dem  Flimmerkranze  auch  den  Nerven- 
ling  fchwinden  fah,  und  der  dem  entwickelten  Wurme  demnach 
fehlt,  fcheint  außerdem  bei  einigen  Würmerlarven  der  Innervations- 
modus  der  Cölenteraten  reahürt  zu  fein. 

Nur  an  Hirudineen  fmd  weitere  Thatfachen  aufgedeckt,  die 
hier  einer  Erwähnung  werth  find.  Meine  Vergiftungsverfucho'^^) 
führten  zu  dem  llcfultate,  daß  bei  Hirudo  officinalis  die  Haut- 
muskulatur in  analoger  Weife  innervirt  wird  wie  die  Schirmmuskehi 
der  Medufen  und  die  Skeletmuskeln  der  Vertebraten,  indem  in  dem 
einen  wie  andern  Falle  die  motorifchen  Nervenendapparate  durch 
Curare  gelähmt  werden.  Andeutungen  diefer  Nervenendigungen 
fmd  bei  Hirudo  fpäter  von  Armaucr  Hanfen^^)  gefchen.  Gleich- 
zeitig wurde  von  mir  jedoch  ermittelt,  daß  bei  diefem  Wurme  das 
Verhalten  der  Muskeln  zu  den  centralnervöfen  Organen  dadurch 
ein  ganz  eigenthümhches  wird,  daß  die  Muskeln  ib  außerordentlich 
empfindlich  gegen  die  Anäfthetika,  befonders  gegen  Chloroform 
find,  weit  empfindlicher  noch  als  die  Ganglien  des  Schlundriiiges. 
Luchürifjcr  und  (hnlkheau  glaul)en  zwar,  die  LiicIiHwjer'Mxa  Idee-") 
von  einem  überall  im  Tliierreiclie  gültigen  Gefetze,  nach  wekliem 
die  ceutralnei-vüfen  Organe  durch  eine  größere  Empfindlichkeit  für 


448  Grundzüge  einer  vergleichenden  [54 

die  Anälthetika  ausgezeichnet  lind  als  die  Muskeln,  auch  für 
Hirudo  aufrecht  halten  zu  können.  Wer  fich  indeß  die  Mühe 
nimmt,  aus  den  weitfchweifigen  Mittheilungen  diefer  Autoren  die 
wenigen  Thatfachen  auszulefen  und  kritifch  zu  ßchten,  erkennt 
fogleich,  daß  diefe  Herren  nicht  einmal  die  Fähigkeit  erlangt  haben, 
periphere  Wirkungen  von  centralen  zu  unterfcheiden,  und  daß  ihre 
Verfuche  an  meinen  Schlüffen  nicht  das  Mindelte  verändern.  Daß 
das  fog.  Ltichßnger' ^che  Gefetz  rein  aus  der  Luft  gegriffen  und  un- 
haltbar ift,  werden  wir  auch  fpäter  bei  den  Cephalopoden  erfahren, 
wo  Chloroform  allemal  zuerlt  die  Chromatophorenmuskeln  in 
Lähmung  verfetzt. 

Das  reichhaltige  Beobachtungsmaterial,  welches  für  eine  Nerven- 
13hyßologie  der  Arthropoden  ^^)  beigefchafft  wurde,  w^ird  am  zweck' 
mäßigflen  zu  ßchten  fein,  wenn  1.  die  Verfuche  Berückfichtigung 
finden,  welche  die  Frage  nach  der  Gültigkeit  des  fog.  JBeU'Mien 
Gefetzes  betreffen,  2.  der  Verfuche  gedacht  wird,  welche  die  Klar- 
legung  der  Functionen  einzelner  Ganglienknoten  und  deren  Ver- 
bindungsftränge  verfolgen,  und  wenn  fchließlich  3.  die  analogen 
Beziehungen  aufgefucht  w^erden,  welche  fich  zwifchen  dem  Nerven- 
fyftem  der  Arthropoden  und  dem  der  Vertebraten  experimentell 
ergeben  haben.  Bei  diefen  Erörterungen  verfahren  wh  in  der  Art, 
daß  wir  zunächft  die  Cruftaceen  und  darauf  die  Infekten  betrachten ; 
auch  werden  wir  dabei  noch  einiger  Befunde  an  niederen  Wirbel- 
lofen zu  gedenken  haben,  deren  Erwähnung  bis  hierhm  aufge- 
fchoben  werden  mußte. 

Gegen  1833  veranlaßte  Bell  einen  feiner  Landsleute,  H.  New- 
port,  das  nach  ihm  benannte  Gefetz  auf  feine  Gültigkeit  bei  den 
Arthropoden  zu  prüfen.  Neicxjort  verfuchte  feine  Aufgabe  anato- 
mifch  zu  löfeii;  er  fludirte  die  Structur  des  Nervenfyßems  bei 
Astacus  marinus  und  kam  zu  folgenden  Ergebnilfen:  Der 
Bauchftrang  befteht  jederfeits  aus  zwei  über  einander  liegenden 
Längsfaferzügen,   die  durch  keine  Quercommiffur  verbunden  find; 


55]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  449 

der  untere  diefer  beiden  Stränge  enthält  gangliöle  Anfchwellungen, 
der  obere  hingegen  nicht,  und  von  beiden  entlpringen  Nerven,  die 
ebenfalls  gelbudert  verlaufen.  Nach  Neivport  gehen  aus  dem  oberen 
Nervenftrange  die  den  vorderen  Rückenmarkswurzeln  der  Wirbel- 
thiere  analogen  niotorifchen  Nerven,  aus  dem  unteren  die  fenfibelen 
hervor,  und  da  Neicjwrt  bei  Arachniden  (Scorpio  europaeus), 
Myriapoden  (Scolopendra  morsitans)  und  Infekten  (Carabus, 
Sphinx  ligustri)  die  nämlichen  Verhältnifle  antraf,  fo  hielt 
er  auch  den  Schluß  für  berechtigt,  daß  die  Infektenflügel  von 
gefonderten,  rein  motorifchen  und  rein  fenfibelen  Ganglien  aus 
innervirt  werden.  Somit  würden  Ijei  den  Arthropoden  die  mo- 
torifchen und  fenfibelen  Wurzeln  umgekehrt  gelagert  fein  als  bei 
den  Wirbelthieren ,  was  mit  Geoff'roy  St.  Hilaire's  Auffallüng  der 
Arthropoden  als  auf  dem  Rücken  laufender  Thiere  im  guten  Ein- 
\ernehmen  Hand. 

Graut,  Joh.  3IüTler,  Valentin  wie  Bkmchard  beftätigten  die  An- 
gaben von  Neicport,  ohne  daß  fich  jedoch  irgend  einer  derfelben 
dazu  verftand,  die  Frage  experimentell  in  Angriff  zu  nehmen.  Die 
erflen  Verlüche  ftellte  Lonyct  an  Palinurus  ({uadricornis  an. 
Nach  Lomjet  entfpringen  von  den  Ganglien  odei-  den  intergan- 
glionären  Cordons  jederfeits  drei  Nerven  wurzeln ;  bei  Reizung  der 
obern  Wurzel  gaben  fich  keine  Anzeichen  von  Schmerz  zu  erkennen, 
aber  es  erfolgten  heftige  locale  Contractionen ,  während  Reizung 
der  beiden  unteren  Wurzeln  nur  fehr  Ich  wache  Bewegungen  der 
davon  direct  innei-virten  Muskeln  hervorrief,  zugleich  aber  auch 
zu  fehr  fchwachen  allgemeineren  Bewegungen  fülirto,  die  als 
Schmerzäußerungen  gedeutet  wurden.  Lomjct  legte  diefen  Ver- 
luchen  keine  größere  Bedeutung  bei ;  er  weift  darauf  hin,  daß  die 
Trennung  feiner  lieiden  unteren  Wurzeln  durch  eine  Ganglion- 
uiifchwellung  vorgetäufcht  fein  könne,  und  daß  feine  Vcrfuclic 
fomit  nur  die  Befiätigung  der  Navporf  khau  anatomifchen  Befunde 
;ithielt<,'n. 


450  Grundzüge  einer  vergleichenden  [56 

Viäpian  war  der  erfte,    welcher  die   Neicporf^Ghe   Lehre   auf  j 
Grund  feiner  Unterfuchungen  bekämpfte.    Er  hatte  fich  beim  Fluß-  1 
krebs  überzeugt,  daß  von  jedem  Ganglion  des  Bauchftranges  rechts 
wie  links  zwei  Nerven  entfpringen,  welche  vom  Anfange  an  einfach   1 
find   und  von  denen  keiner  eine  gangliöfe  Anfchwellung   belitzt, 
welche   der  hintern  Wurzel  eines  Spinalnerven  bei  Wirbelthieren 
irgendwie  vergleichbar  wäre.    Die  Urfprungsftelle  der  beiden  Nerven 
liegt  im  gleichen  Niveau  mit  der  der  Verbindungsftränge ;  der  eine 
Nerv  entfpringt  etwas  höher  als  der  andere,  aber  beide  lind  moto- 
rifch  und  fenßbel  zugleich.    Für  die  Connective  gilt  dasfelbe,  und 
auch  für  die  obere  und  untere  Seite  der  Ganglien  vermochte  Vulpian 
keinerlei  Unterfchiede  in  dem  motorifchen  und  fenfibelen  Verhalten 
aufzufinden.     Die   eingehenden  Unterfuchungen  von  Lemoine  und 
Yung  betätigten  in  allen  Punkten  die  Angaben   Vulpian'^. 

Yung  wies  nach,  daß  die  von  Langet  dem  Intervertebralganglion 
der  Wirbelthiere  verglichene  Anfchwellung  des  unteren  Nerven 
keine  Ganglien  enthält  und  nm'  eine  inconftante  Verdickung  des 
Verbindungsftranges  darfteilt.  Yttng's  zahheiche  Experimente  an 
den  Abdominal-,  Thoracal-  und  den  beiden  Schlundganghen,  welche 
an  ihrer  Oberfeite  allemal  die  nämlichen  zelligen  Elemente  wie  an 
ilirer  Unterfeite  führen,  feine  Verfuche  an  den  Connectiven  und 
den  peripher  verlaufenden  Nerven  machen  uns  gewiß,  daß  die  den 
beiden  Nervenurfprüngen  an  der  Ganglienkette  ebenfo  wie  die  der 
obern  und  untern  Ganglienfläche  zugefchriebenen  functionellen 
Unterfchiede  rein  illuforifche  find. 

Anders  fteht  die  Sache  bei  den  Infekten!  Wn  verdanken 
Faivre  eine  Fülle  zuverlälTiger  Unterfuchungen  an  Dytiscus  mar- 
ginalis,  nach  welchen  die  VerhältnilTe  folgende  und:  Beim  Opticus 
und  den  Antennennerven  blieb  Faivre  im  Ungewilfen,  ob  erfterer 
nicht  faft  infenlibel  und  ob  der  innere  fehr  fenlibele  Antennennerv 
nicht  zugleich  auch  wie  der  äußere  motorifch  ifl;  aber  die  Fuß- 
iierven    erwiefen  ßch  ausnahmslos  als   gemifchter  Natur  und  be- 


67]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  451 

kündeten  an  ilu-er  oberen  Fläche  keinen  höheren  Grad  von  Moti- 
lität oder  von  Senfibilität  als  an  der  unteren;  aus  Verfuchen, 
welche  an  dem  ^'erbindungsf^range  zwifchen  dem  Unterfchlund- 
und  dem  Prothoracalganghon  ausgeführt  wurden,  ergab  lieh  für 
die  Ganglienconnective  ein  gleiches  A^erhalten.  Mit  Ausnahme  des 
oberen  Schlundganglions,  welches  ähnlich  der  Großhirnrinde  der 
Säugethiere  nur  an  feiner  unteren  Seite  fchwach  fenfibel  zu  fein 
feheint,  und  den  Ganghen,  welche  die  Urfprungs-  (Ganglion  frontale) 
refp.  die  Ausgangsitätte  (Ganglion  stomachale)  für  das  ftomatoga- 
ftrifche  Nervenfyflem  abgeben  und  mehr  oder  minder  deutlich  nur 
eine  motorifche  Function  verrathen,  fmd  fämmtliche  Ganglien  des 
Bauchftranges  (Uuterfchlund-,  meta-  und  prothoracales  Ganglion  etc.) 
an  ihrer  miteren  Fläche  rein  und  in  ausgefprochenem  Maaße  fen- 
fibel, an  ilirer  oberen  ausfchheßlich  motorifch,  während  die  mitt- 
leren und  inneren  Partieen  derfelben  beide  Eigenfchaften  in  lieh 
vereinigen;  felbft  bei  dem  Unterfchlundganglion,  dem  fenfibelften  von 
allen,  verHert  üch  die  feniibele  Zone  allmähg  nach  oben  zu,  indem 
die  motorifche  dementfprechend  langfam  an  wach  ft.  Am  prothora- 
calen  Ganglion  gelang  es  Faivre,  durch  tiefes  Abtragen  der  oberen 
Fläche,  die  Bewegungsfähigkeit  der  davon  innervirten  GHedmaßen 
aufzuheben,  und  ebenfo  durch  oberflächliches  Abtragen  der  unteren 
Seite  des  Ganghons  deren  Senfibilität  zu  vernichten.  Wurden 
an  dem  Ganglion  nicht  nur  die  Ober-  und  Unterfeite,  fondern  zu- 
gleich auch  Seiten [tücke  fortgenommen,  fo  war  die  Nervenlcitung 
zwifchen  Kopf  und  Schwanz  in  keiner  Weife  unterbrochen,  fondern 
nur  die  Gliedmaßen  am  Prothorax  zeigten  licli  empfindungs-  und  ^ 
erregungslos.  Entfernte  Faivre  die  obere,  beziehung.s weife  die 
untere  Fläche  des  Ganglions  nur  an  der  rechten  oder  nur  an 
der  linken  Hälfte,  fo  trat  lediglich  an  dem  Beine  der  correlpon- 
direnden  Seite  eine  Lähmung  der  Motilität,  relp.  ein  Krlöfciien  der 
Senfibilität  auf;  da  die  Muskeln  aber  oft  noch  auf  einem  andern 
Wege  innervirt  werden,  Ib  gelang  es  Ix-i  (lidcn  N'crfuciien  l<i(  liter, 


452  Grundzüge  einer  vergleichenden  [58 

das  Verfch winden  der  Empfindung  als  das  des  Contractions Ver- 
mögens zu  beobachten. 

Berückfichtigen  wir  die  VerhältnilTe  bei  Batrachiern  und  Säuge- 
thieren,  fernerhin  die  von  Moreau  entdeckte  Thatfache,  daß  bei 
Fifchen  die  fenübelen  und  motorifchen  Antheile  der  Rückenmarks- 
nerven  noch  bis  zu  der  Nervenendigung  getrennt  verharren,  und 
endlich  auch  den  Umftand,  daß  bei  den  Infekten  die  Theilung  der 
Functionen  in  den  nervöfen  Centren  fchon  zum  Ausdruck  ge- 
kommen ift,  fo  geben  uns  die  AuffchlülTe  Faivre's  über  den  ein- 
heitlich functionellen  Bau  der  Verbindungsftränge  und  der  Fuß- 
nerven vielleicht  einen  leifen  Fingerzeig,  daß  ßch  die  motorifchen 
und  fenfibelen  Eigenfchaften  erft  an  den  Ganglien,  dann  an  den 
Nervenfafern  differenzirten,  und  daß  die  Selbß-ändigkeit  beider  an 
den  Nerven  der  höheren  Vertebraten  fchließlich  wieder  erlofchen  ift. 

Wir  wenden  uns  jetzt  dem  zweiten  Punkte  unferer  Erörterungen 
zu,  der  die  Localifation  der  Functionen  in  anatomifch  fcharf  be- 
grenzten Gangliengebieten  zum  Gegenflande  hat.  Die  Nerven- 
phyfiologie  der  Krebse  ift  in  neuerer  Zeit  von  Yung  und  Ward 
bearbeitet.  Yimg  hat  mehrere  Brachiuren  wie  Macruren  in  den 
Kreis  feiner  Unterfuchungen  hineingezogen,  und  feine  Arbeit  ift 
hinfichtlich  der  Krebfe  die  voUftändigfte,  die  wir  haben.  Ward 
experimentirte  ausfchließlich  am  Flußkrebs,  und  feine  Angaben  be- 
ziehen fich  nur  auf  die  Functionen  der  Schlundganglien,  ftehen 
aber  in  vielfachem,  wenn  auch  nur,  wie  ich  vermuthe,  in  fchein- 
barem  Widerfpruche  mit  den  Yung'Mwn  Befunden.  Beide  Au- 
toren find  darüber  einig,  daß  Durchkreuzungen  von  Nervenfafern 
in  keinem  einzigen  Ganglion,  auch  nicht  im  Oberfchlundganglion 
vorkommen,  daß  bei  einfeitiger  Verletzung  der  Ganglien  die  Ver- 
lufte  ausfchließlich  die  correfpondirende  Seite  betreffen,  und  es  mag 
darnach  auch  berechtigt  erfcheinen,  wenn  Yung  auf  weniger 
fchlagende  Verfuche  hin  annimmt,  daß  in  dem  Oberfchlundgan- 
glion, welches  mehrere  Körperanhänge  (Augenftiele,  Antennen)  inner- 


59]  Phyüologie  der  nervölen  Apparate.  45S 

\irt,  jedes  Organ  fein  eigenes  motorifches  und  fenfibeles  Centrum 
belitzt.  Von  den  fechs  Schwanz-  und  den  fünf  Thoracalganglien 
(excl.  das  Unterfehlundganglion)  functiouirt  jedes  als  einheitliches 
Reflexcentrmn  für  das  zugehörige  Segment  und  feine  Reflex-snrkung 
fteigert  lieh,  wenn  die  Ganglienkette  vorn  durchfchnitten  wird  und 
dadurch  die  Willensimpulfe  ausgefchaltet  werden.  Den  hinteren 
Schwanzgaiiglien  und  befonders  dem  Analganglion  liegt,  wie  Reizung 
des  letzteren  ergab,  zugleich  die  Function  ob,  die  Darmbewegungen 
auszulöfen  und  die  Entleerung  der  Excremente  zu  beforgen.  Das 
untere  Schlundganglion  verhält  ßch  nach  Yting  nicht  anders  als 
•lie  Schwanz-  und  Thoracalganghen ;  es  verficht  die  Rolle  eines 
Reflexcentrums  für  die  Kaufüße  und  foll  weder  Spontaneität  noch 
eine  coordinatorifchc  Bedeutung  für  die  Bewegungen  befitzen. 
Ward  beobachtete  indeß,  daß  nach  Durchtrennung  der  beiden 
Schlundcommiffuren  ein  in  die  Rückenlage  verfetzter  Krebs  fich 
zwar  nicht  zu  erheben  oder  in  die  Normalftellung  zurückzukehren 
vermag,  daß  aber  die  Kaufüße,  die  Scheeren  und  die  drei  erften 
Beinjtaare  noch  in  gleichem  Tempo,  alternirend,  nicht  fynchron 
wie  die  Schwanzfüße,  fich  hin-  und  herbewegten ;  diefe  rhythmifchen 
Bewegungen  verwandelten  fich  ohne  bemerkbare  Urfache  oder 
auf  fehr  geringfügige  Störungen  in  eigenthümlich  freffende  und 
putzende.  Auf  ähnliche  Erfcheinungen  an  enthirnten  Krebfen  lenkte 
M.  Foster  bereits  die  Aufmerkfamkeit  von  Iluxlcy.  Im  Gegenfatzo 
zu  Ymuf  betrachtet  Ward  das  Unterfchlundganghon  nicht  nur  als 
ein  den  Tlioracal-  und  Abdominalganghen  eljcubürtigcs  Reflexcen- 
trum, fontlern  auch  als  ein  Centrum  für  die  Coordiuation  der  Orts- 
und  Freßbewegungen,  fowie  der  rhythmifchen  Schwingungen  der 
Extremitäten;  nach  Ward  fl;eht  das  obere  Schlundganglion  dorn 
Willen  und  der  Erhaltung  des  Gleichgewichts  vor  und  vermag  in 
Folge  delfen  auch  die  Reflexe  in  den  übrigen  Ganglien  den  ['in- 
ftänrlen  gemäß  abzufchwächen  oder  in  feltere  Bahnen  zu  lenken. 
Ich  fchlif'ße  mich   um   fo  mehr  der    IK«n/'fchen  Anfcluiuung  an, 


454  Grundzüge  einer  vergleichenden  [60 

als  auch  Yung  nach  Durchfchneidmig  des  linken  Schlundflranges 
geordnete  Bewegungen  an  der  operirten  Seite  fortbeftehen  fah,  den 
Effect  einer  beiderfeitigen  Durchtrennung  aber  leider  nicht  abgewartet 
hat;  es  fcheint  mir  zweifellos,  daß  lieh  bei  Yung's  Verfuchen  die  Unter- 
fchlundganglien  nicht  unverletzt  erhielten  und  feine  Ergebniffe  nur 
deshalb  nicht  mit  denen  der  übrigen  Forfcher  übereinflimmen. 

Während  noch  1857  Lepdig  dem  Gehirn  der  Wirbellofen  ledig- 
lich die  RoUe  des  primus  inter  pares  zuerkannte,  fo  geht  doch  felblt 
bei  den  Infekten,  wo  die  einzelnen  Ganglien  des  Bauchffcranges  die 
größte  Unabhängigkeit  von  dem  Oberfchlundganglion  an  den  Tag 
legen,  die  Meinung  aller  Experimentatoren  dahin,  daß  letzteres  als 
der  Sitz  des  Willens  und  der  Direction  der  Bewegungen  aufzufaffen 
ifb.     Ich  will  nicht  entscheiden,  ob  Faivre  lieh  im  Rechte  befindet, 
wenn  er  bei  Dytiscus  das  metathoracale  Ganglion  für  ein  Cen- 
trum anfieht,  welches  nicht  nur  die  Schwimmfüße  und  die  unteren 
Flügel  beherrfcht,  fondern  auch  (indem  die  Abdominalganglien  für 
die   von   ihnen   ausgehenden  Refpirationsnerven  nur  Durchgangs- 
Ilationen  und)  ganz  aUein  die  Refpirationsbewegungen  auszulöfen, 
zu  coordinhen  und  zu  unterhalten  hat,  oder  ob  vielmehr  JBaudelot 
das  Richtige  getroffen,  wenn  er  bei  Libellen  und  Dytiscuslarven  ein 
beftimmtes  Refpirationscentrum  in  Abrede  Itellt  und  üch  fämmtliche 
Abdominalganglien  mit  gleicher  Stärke  an  den  Athembewegungen 
betheiligen  läßt^^),    —    foviel   fteht  außer  Frage,    daß  die   Coor- 
dinationscentren  bei  den  Infekten  weit  diffufer  vertheilt  find  als  bei 
den  Wirbelthieren  und  als  auch  bei  den  Krebfen.     So  richtet  fich 
z.  B.  eine  auf  den  Rücken  gelegte  kopflofe  Biene  fofort  wieder  auf 
(Döhnhoff),  eine  kopflofe  Blatta  orientalis  fährt  fort  zu  laufen  und 
fich  zu  putzen  (YerRn),  und  die  Durchfchneidung  des  Bauchmarkes 
hat  bei  den  Infekten  meift  nm-  die  Aufhebung  eines  Zufammen- 
gehens  der  vorderen  und  der  hinteren  Körperhälfte   zur  Folge  ^^). 
In  einer  Vertheilung  von  Centren  für  eine  lange  Reihe  zweck- 
mäßiger Bewegungen  auf  Gehirn  und  Bauchmark  des  Bruftltückes 


61]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  455 

wie  des  Hinterleibes  liegt  immerhin  ein  auffallender  Unterfchied 
zwifchen  Infekten  und  höheren  Wirbelthieren  begründet;  aber  es 
fragt  lieh  gewiß  noch  fehr,  ob  derfelbe  für  eine  Allgemeinbetrach- 
tung nicht  nur  von  untergeordneter  Bedeutung  ift.  Ich  bin  der 
Meinung,  daß  von  einer  Coordination  der  Bewegungen,  wie  bei 
.den  Wii'belthieren ,  bei  den  Infekten  überhaupt  keine  Rede  fein 
kann,  da  bei  diefen  die  Reflexe  an  fich  fchon  in  fo  hohem  JSIaaße 
den  Charakter  des  Coordinirten  befitzen.  Einerfeits  lehren  die  Ge- 
lenkverbindungen, daß  die  ausführbare  Zahl  der  Bewegungen  an 
den  Infektengliedmaßen  nur  eine  fehr  befchränkte  ift,  und  anderer- 
feits  die  von  LucliRnger  ftudirten  Erfcheinungen  der  gekreuzten 
Reflexe  bei  Abwefenheit  fleh  kreuzender  Fafern  in  den  Ganglien, 
daß  eine  Reflexbewegung  eine  beftimmte  andere  unabänderlich  nach 
fich  zieht,  wodurch  jede  befondere  Regulation  diefer  Bewegungen,  die 
keine  willkürüchc  ift,  überflüflig  werden  muß.  Alle  anderen  Re- 
flexcentren,  deren  Einfluß  fich  nicht  auf  die  Beinmuskeln  miterftreckt, 
vrLQ  z.  B.  das  im  Hinterleibe  der  Biene  liegende  für  das  Hervor- 
ftoßen  des  Stachels  und  das  bei  Dytiscus  im  Ganglion  frontale 
befindliche  für  den  Schluckakt,  finden  in  ihrer  Unabhängigkeit  von 
den  Schlundganglien  vollkommene  Analoga  auch  bei  den  Wirbel- 
thieren. 

Wie  bei  den  Säugethieren  treten  auch  lici  Arthropoden  nach 
einfoitiger  Verletzung  der  wichtigften  Centren  fog.  Reitbahn-  oder 
Rollbcwegungen  (vgl.  S.  420)  auf.  Derartige  Zwangsbewegungen 
finfl  bei  Arthropoden  lange  bekannt.  Yting  beobachtete  fic  an 
Krebfen,  bei  denen  ein  Lobus  des  oberen  Schlundganglions  ausge- 
fchaltet  oder  zerftört  war;  diefe  Thierc  fchwankten  ftets  nach  der 
verletzten  Seite  und  drehten  fich  im  inverfen  Sinne,  z.  P>.  Ixi  Yov- 
letzung  des  linken  Lobus  von  rechts  nach  links.  Achnliche  Er- 
fcheinungen beobachtete  Yerfin  bei  Infekten  nach  Verletzung  des 
untern  Schluudganglions,  und  Faivro/'^)  hat  diefe  Störungen  bei 
Dytiscus  fehr  genau  unterfucht.    Nach  einfeitigcr  Verletzung  des 


456  Grundzüge  einer  vergleichenden  [62 

unteren  Schlundganglions  beobachtete  er  eine  entgegengefetzt  ver- 
laufende Rotation;  war  jedoch  vor  Ausführung  diefer  Operation 
das  obere  Schlundganglion  entfernt,  fo  ftellten  lieh  in  Folge  eines 
activen  Zurückgehens  der  Beine  an  der  verletzten  Seite  Manege- 
bewegungen ein,  welche  nach  Abtragung  der  Füße  der  entgegen- 
gefetzten Seite  fortfielen,  dagegen  nach  Abfchneiden  der  Füße  an 
der  verletzten  Seite  repulfiven  und  conftanten  Rotationen  Platz 
machten.  Andauernde  Manegebewegungen  im  inverfen  Sinne  traten 
regelmäßig  auf,  wenn  ein  Lobus  des  oberen  Schlundganghons  eine 
tiefere  Verletzung  erfahren  hatte,  und  die  Füße  an  der  verletzten 
Seite  amputirt  worden  waren;  Faivre  betrachtet  diefe  Bewegungs- 
Itörungen  als  charakteriflifch  für  eine  einfeitige  Verletzung  des 
oberen  Schlundganglions.  Nach  Exftnpation  eines  Lobus  des  oberen 
Schlundganglions  ftellte  fich  eine  attractive  Rotation  im  inverfen 
Sinne  ein,  die  ebenfalls  beftehen  büeb,  wenn  an  der  verletzten  Seite 
die  Füße  abgetragen  wurden ;  wiederholte  oberflächhche  Reizungen 
des  einen  Lobus  diefes  Ganglions  führten  dagegen  nur  zu  einer 
vorübergehenden  gleichfinnigen  Rotation.  Faivre  fagt  nun:  Weil 
nach  tiefer  Schädigung  oder  Abtragung  eines  Lobus  des  oberen 
Schlundganglions  das  Vermögen  die  Richtung  zu  wechfeln  bei 
Infekten  erlifcht,  fo  folgt,  daß  das  obere  Schlundganghon  der  Sitz 
des  Directionsvermögens  ifi.  Der  Einfluß  des  unverletzten  Lobus 
äußert  fich  Itets  an  den  Gehfüßen  derfelben,  niemals  an  denen  der 
entgegengefetzten  Seite,  und  jeder  Lobus  befitzt  die  Fähigkeit,  die 
Direction  der  Gangbewegungen  an  der  entfprechenden  Hälfte  für 
fich  allein  zu  beforgen.  So  erfcheint  im  Falle  der  oberflächlichen 
Reizung  eines  Lobus  die  attractive  Rotation  an  der  gleichen  Körper- 
feite, nach  tiefer  gehender  Verletzung  des  Lobus  und  gleichzeitiger 
Abtragung  der  correfpondirenden  Gliedmaßen  dagegen  im  inverfen 
Sinne. 

Solange  grob  anatomifche  Befunde  mit  phyfiologifchen  That- 
fachen  vermengt  wurden,    blieb  ein  Vergleich  des  Bauchfiiranges 


63]  Phyliologie  der  nervöfen  Apparate.  457 

der  Articiüatcu  mit  Theilen  des  Nervenfyftems  höherer  Thiere 
wiirenlchaftüch  unausführbar,  und  wu-  begegnen  noch  bis  ins 
vorige  Decenuium  hinein  den  abweichendften  Anflehten.  Beil, 
Ackermann,  Bichat  ibwie  die  Naturphilofophen  hatten  das  Nerven- 
fyllem  der  Evertebraten  dem  großen  Sympathicus  der  Wirbelthiere 
verghchen.  Von  Scarpa,  Blumcnhach,  Cuvicr  und  Gull  war  die  Idee 
einer  Analogie  z'O'ifchen  diefen  beiden  Syftemen  aber  wieder  ver- 
worfen worden ;  fle  deuteten  die  Ganglienkette  der  Arthropoden  als 
dem  Cerebrofpmalfyfleme  der  Wh'belthiere  entfprechend.  3IecJcel, 
WaWter,  Dughs  und  Leuret  Hellten  den  nervöfen  Apparat  der 
Exertebraten  nach  Function  und  Struetm-  dem  Cerebrofpinal- 
apparate  plus  dem  großen  Sympathicus  der  Vertebraten  an  che 
Seite,  während  E.  IL  Weher  die  Ganglienknoten  der  Wirbellofen 
denjenigen  Ganglien  gleichfetzte,  welche  gewilfen  Hirnrüeken- 
uerven  der  Wirbeltliiere  (z.  B.  den  hinteren  Rückenmarkswm-zeln, 
dem  Trigeminus)  eigen  lind;  nach  Treviramis  repräfentiren  die 
Ganglienanfchwellungen  der  Evertebraten  aber  nicht  nur  jene  letzt- 
erwähnten Ganglien  der  AVirljelthiere ,  fondern  außerdem  auch 
noch  das  Kückenmark. 

In  der  neueren  Zeit  betrachteten  die  meiften  Phyiiologen  (fo 
auch  Viäpian  und  Langet)  das  Bauchmark  der  Articulaten  als  analog 
dem  Rückenmarke  der  Wirbelthiere  und  verglichen,  wie  euill  die 
Anatomen  Neivport  und  v.  Siehold,  das  obere  Schlundganghon 
dem  Großhirn,  das  untere  Schlundganglion  nebft  den  Schlund- 
commilfuren  dem  Kleinliirn  und  verlängerten  Marke.  In  den  auf- 
fallend Harken  ganghöfen  An  Ich  wellungen  des  Rückenmarks,  welche 
bei  Fifchen(Trigla,  Ortliagoriscus)  vorkommen,  verniuthete  man. 
Anklänge  an  die  Ganghenkette  der  Wirbellofen  gefunden  zu  liabeii; 
doch  man  vergaß  dabei,  daß  jene  Bildungen  mir  die  Urfprungs- 
ftätten  ftärkerer  Nerven  darftellcn  und  als  folclie  den  Intumes- 
centien  (Hals-  und  I^cndenanfchwellung)  am  Rückenmarke  der 
Wirbelthiere  entfpreclien ,   deren  Schwund  bei  Veiküimncrung  der 


458  Grundzüge  einer  vergleichenden  [64 

Gliedmaßen  (z.  B.  beider  Anfchwellungen  bei  Schlangen,  der  In- 
tumescentia  lumbalis  bei  Cetaceen  und  Chirotes)  in  der  Wirbel- 
thierreihe  gut  zu  verfolgen  ift. 

Gegenbaur  ^'^)  war  der  erfte,  welcher  die  morphologifchen  Ueber- 
einftimmungen  von  den  phyliologifchen  fcharf  trennte  und,  indem 
er  erJftere  gegen  einander  kritifch  abwog,  zu  folgendem  SchluITe 
gelangte:  «Wenn  auch  am  Rückenmarke  der  Wirbelthiere  eine 
Aehnlichkeit  mit  der  Ganglienkette  gegliederter  Wirbellofer  nicht 
zu  verkennen  ift,  fo  kann  doch  das  Rückenmark  von  diefer  keines- 
wegs abgeleitet  werden ;  vielmehr  ift  das  centrale  Nervenfyftem  der 
Wirbelthiere  als  eine  im  hohen  Maaße  weiter  entfaltete  Ausbildung 
der  oberen  Schlundganglien  wirbellofer  Thiere  anzufehen.  Das 
wird  durch  die  üebereinftimmung  in  der  erften  Anlage  begründet, 
die  in  beiden  Fällen  aus  einer  Differenzirung  des  dem  Ektoderm 
homologen  äußeren  Keimblattes  erfolgt.  Während  aber  die  daraus 
entftehende  MeduUarplatte  bei  den  Wirbellofen  lieh  nicht  in  der 
ganzen  Länge  der  Körperanlage  ausdehnt,  oder  wenn  auch  an- 
fäDghch  von  folcher  Länge,  doch  bald  mit  dem  weiter  wachfenden 
Körper  nicht  mehr  gleichen  Schritt  hält,  fo  findet  bei  der  Wirbel- 
thieranlage  die  Ausdehnung  der  MeduUarplatte  in  einer  dem  Längen- 
wachsthum  der  Anlage  adäquaten  Weife  ftatt  und  bedingt  damit 
für  das  daraus  entftehende  Centralnervenfyftem  eine  der  Gefammt- 
länge  des  Körpers  entfprechende  Ausdehnung.» 

Unfere  Aufgabe  befteht  ausfchließlich  darin,  die  analogen 
VerhältnilTe,  unbekümmert  um  die  Homologieen,  ins  Auge  zu 
fallen,  und  da  geftaltet  fich  das  Refultat  wef entlich  anders  als  in 
der  vergleichenden  Anatomie.  Rufen  wir  uns  die  aufgezählten 
Thatfachen  ins  Gedächtniß  zurück,  fo  haben  wir  bei  den  Echino- 
dermen  den  Nervenring  dem  Coordinationscentrum  des  Wirbel- 
thiergehirnes ,  nach  Steiner  alfo  dem  Mittelhirn  zu  analogifiren, 
während  die  Ambulacralnerven  bei  der  einen  Speciesgruppe  (z.  B, 
bei  Afteracanthion)  functionell  den  Refiexcentren  des  Rücken- 


65]  Phyßologie  der  nervören  Apparate.  459 

marks,  bei  anderen  Vertretern  (z.  B.  bei  Echinus)  aber,  wo  die- 
felben  mehr  einfachen  Nervenfträngen  gleichen,  den  Rückenmarks- 
nerven  au  die  Seite  geflellt  werden  muffen.  Für  die  Krebfe 
Ichloffen  wir  nns  der  Anffaüüng  von  Ward  an  und  erachten  dem- 
gemäß das  obere  Schlundganghon  als  analog  dem  Großhirn  nebft 
<len  angrenzenden  Hirntheilen,  das  untere  Schlundganghon  als 
vergleichbar  dem  Mittelhirn,  und  das  Bauchmark  Hellen  wir  in 
Parallele  mit  dem  Rückenmark.  Diefe  Verhältniffe  verwifchten 
lieh  bei  den  Infekten  infofern,  als  bei  dem  oberen  Schlundaanslion 
nur  auf  Spontaneität  und  auf  ein  Directionsvcrmögen  für  die  Glied- 
maßenbewegungen zu  fchließen  war  und  die  Coordinationscentren 
lieh  über  die  ganze  Ganglienkette  vertheilt  fanden. 

Es  giebt  eine  Anzahl  von  Pflanzenftoffen ,  welche  an  Wirbel- 
thieren  eine  excefliv  gefheigerte  Reflexreizbarkeit  des  Rückenmarks, 
der  Medulla  oblongata  und  des  Gehirns  hervorbringen,  und  in  Folge 
deren  es  bei  einer  Vergiftung  mit  diefen  Subftanzen  durch  höchft 
unbedeutende,  oft  gar  nicht  mehr  nachweisbare  Reize,  welche 
das  Auge,  das  Ohr  und  insbefondere  die  Taftwerkzeuge  treffen,  zu 
Reflexkrämpfen  kommt.  Nach  dem  am  heften  und  am  längften 
bekannten  Repräfentanten  diefer  Gruppe  bezeichnet  man  diefelbe 
als  die  des  Strychnins.  Die  Strychninwirkung  ifl  an  zalilreichon 
Vertretern  aller  Evertebratenklaffen  ftudirt,  und  obfchon  die  Angaben 
der  Autoren  über  den  Erfolg  derfelbcn  fehr  verfchiedenartig  hiu- 
teten,  fo  wiff'en  wir  doch  jetzt,  daß  ein  echter  Tetanus  durcli  das 
Strj'chnin  an  keinem  einzigen  Wirbellofen  zu  erzielen  ift.  Diefes 
Refultat  ift  den  meiften  Unterfucliern  fein-  unwalu-fclieinlicli  vor- 
gekommen, und  lic  <;ntftellten  deshalb  ihre  Bcol)achtungeii  in  einer 
Weife,  die  jeden  rnkuiidigcn  glauljeii  niiidicii  mußte,  daß  die 
Strychninvergiftuiig  bei  Wirbellofen  ebenfo  wie  bei  Wirlx'lthicren 
unau.sbleibHcli  einen  Tetaiuis  im  Gefolge  habe.  Dem  Strychniu 
gegr-nüber  erweifen  lieh  indeß  fchon  mehrere  Wirbelthiere  (z.  B. 
Hühner    und    Meerfcliweinchen)    als    außerordentlich    widcrftands- 

Krukinhii'j,  Vergl.-phy/iol.  Vortrüge.  M 


4:60  Grundzüge  einer  vergleichenden  [66 

fällig,  und  ich  begreife  deshalb  die  Sucht  nicht,  an  Wirbellofen 
partout  einen  Strychnintetanus  conftatiren  zu  wollen,  von  dem 
hier  einmal  nirgends  etwas  zu  fehen  ift.  An  Echinodermen,  Wür- 
mern, Krebfen  und  Mollusken  beobachtet  man  bei  einer  Strychnin- 
vergiftung  nur  Lähmungserfcheinungen ;  nur  an  Cephalopoden  ^^), 
wo  diefelben  nachweislich  auch  periphere  Urfachen  haben,  und  an 
Medufen  gelang  es  mir^*),  mich  von  einem  Ueberempfindlich- 
werden  der  Reflexcentren  bei  der  Strychnin Vergiftung  zu  über- 
zeugen. Uns  beffcimmen  diefe  Beobachtungen  zu  der  Annahme, 
daß  jener  Hemmungsmechanismus,  welcher  am  fpinalen  Reflex- 
apparate der  Wirbelthiere  durch  das  Strychnin  eine  Ausfchaltung 
erfährt,  aber  fchon  bei  verfchiedenen  Species  derfelben  fehr  ungleich 
entwickelt  ift,  bei  fämmtlichen  Wirbellofen  nicht  in  einem  irgendwie 
entfprechenden  Grade  zur  Ausbildung  gelangt  ift. 

Die  großartigften  Difi'erenzen,  welche  Vertreter  ein  und  des- 
felben  T}^us  in  der  Anlage  ihrer  nervöfen  Apparate  conftatiren 
laflen,  treff'en  wir  bei  den  Mollusken  ^^)  an.  Das  kann  wahrlich 
nicht  Wunder  nehmen,  da  bei  diefen  die  nervöfen  Centren  in  drei 
(Gehirn-,  Fuß-  und  Eingeweideganglion  der  Lamellibranchiaten) 
refp.  in  vier  (oberes  Schlund-,  Fuß-,  Buccal-  und  Gaftroöfophageal- 
gangiion  der  Ctenophoren)  paarweife  oder  felbft  nur  einfach  ange- 
legten GanglienmalTen  concentrirt  und,  welche  ihrerfeits  durch  reine 
Nervenfaferftränge  mit  den  verfchiedenartigften  Organen  in  Ver- 
bindung treten.  Das  grundverfchiedene  Verhalten  einzelner  Mol- 
luskenarten dem  Curare  ^^)  gegenüber  deutet  das  fchon  an. 

J.  Steiner,  welcher  an  unferen  einheimifchen  Landpulmonaten 
Curarevergiftungen  zuerft  erfolgreich  ausführte,  gelangte  zu-  dem 
leicht  zu  beftätigenden  Refultate,  daß  eine  Helix  pomatia  nach 
Injection  von  2^2  mg  Curare  ihre  felbftändigen  Bewegungen 
momentan  vollkommen  einbüßt,  während  die  Reflexthätigkeit  die 
normale  bieibt.  Bei  einigen  Meerwalfergaftropoden  (z.  B.  bei  Ap- 
lyfia,    Doris)    fcheint    die    Wirkung    ebenfalls    wie    bei    unferer 


67]  Phyüologie  der  nervöfen  A]>parate.  461 

Helix  eine  centrale  zu  fein,  aber  diefelbe  Hellt  ßch  lange  nicht  fo 
plötzlich  ein  und  bei  anderen  Formen,  befonders  bei  Lamelli- 
branchiaten  (Anodonta,  Lithodomus,  Mytilus,  Area),  erhalten 
wir  felbll  bei  Anwendung  großer  Dofen  von  Cm-are  nur  ein  ebenfo 
unbeltimmtes  VergiftungsbUd  als  bei  den  Krebfen.  Bei  Cephalo- 
podeu  ift  kaum  eine  andere  Giftwh-kung  fo  unlicher  in  ihren  Er- 
folgen als  die  des  Curare.  Hiermit  flehen  die  Ergebnille  der 
Vivifectionsverfuche  in  voUem  Einklänge. 

Als  die  zuverläffigfte  Arbeit  über  die  Nervenphyliologie  der 
Pulmonaten  ift  noch  immer  die  von  Vulpian  anzufehen,  welche 
durch  die  widerfprechenden  Angaben  H.  v.  Jherhig's  keine  Ein- 
buße an  Anerkennung  erfahren  hat.  Nach  Vidjnan  kommt  dem 
Gehirn-  und  dem  untern  Schlundganglion  eine  fehr  ungleiche  Be- 
deutung für  das  Leben  der  Helix  zu.  Die  Operation  ift  in  dem 
einen  Falle  durch  Nebenumßände  nicht  mehr  gefährdet  als  in  dem 
andern,  aber  trotzdem  überlebt  die  Schnecke  die  Exfthpation  des 
untern  SchlundgangUons  gewöhnlich  nicht  länger  als  24  Stunden, 
die  des  Gehirnganglions  dagegen  4  —  5  Wochen.  Eine  Helix, 
welche  des  untern  Schlundganglions  l)eraubt  ift,  oder  bei  welcher 
diefe  Ganglien  auch  nur  in  der  Medianlinie  durchfchnitten  find, 
benimmt  fich  wie  ein  des  Großhirns  beraubtes  AVirbelthier ;  lie 
v/jllführt  keine  willkürliche  Bewegungen  und  bleil)t  tief  in  ihrem 
Gehäufe  verborgen.  Die  electrifche  Reizung  übt  ebenfalls  an  Ix'iden 
Ganglien  eine  fehr  verfchiedene  Wirkung  aus;  dcrm  während  eii] 
Reiz,  der  das  Gehirnganglion  trifft,  nur  fchwach  l^cantwortet  wird, 
löft  Reizung  des  untem  Schlundganglions  kräftige  und  allgemeine 
Contractionen  aus.  I'^incn  mächtigeren  Einfluß  auf  die  refpinito- 
lifchen  Bewegungen  fcheint  keines  der  l)eiden  Ganglien  zu  Itclllzcn; 
nacli  Entfernung  des  Gehirns  beftclien  diefelbcn  unverändeil  fort, 
und  nacli  Exffii*]»ation  des  oberen  und  des  unteren  Schlundgan- 
glions vei'laufen  diel'elben  nur  gefcbwiubl  mid  deshalb  nnc  li  wcniL'«  r 
nonnal. 


462  Grundzüge  einer  vergleichenden  [68 

Ueber  die  Function  der  einzelnen  Ganglien  bei  den  Lamelli- 
branchiaten  belehren  uns  gegenwärtig  ganz  allein  die  bereits 
S.  406  erwähnten  Unterfuchungen  von  Faivloiv  an  den  Schließ- 
muskeln großer  Exemplare  von  Anodonta  cygnea.  Bei  diefer 
Mufchelfpecies  liegt  jederfeits  unter  dem  Mantel  und  dem  vorderen 
Schließmuskel  benachbart  ein  Ganglion,  die  beiden  fog.  vorderen 
Ganglien.  Diefe  befinden  fich  fowohl  unter  üch  als  auch  mit  dem 
hinteren,  auf  der  Bauchfeite  des  hintern  Schließmuskels  gelegenen 
Ganglion  in  directer  Nervenverbindung,  und  das  hintere  Ganghon 
ift  demnach  mit  jedem  der  beiden  vorderen  Ganglien  durch  Nerven 
(fog.  Verbindungsnerven)  verbunden.  Zu  den  Schließmuskeln  gehen 
nun  zwei  KlalTen  von  Nervenfafern,  die  einen  motorifche,  welclie 
Verkürzung  des  Muskels  veranlalTen,  die  anderen,  wie  man  heute 
noch  fagen  würde,  hemmende,  welche  den  verkürzten  Zuftand  des 
Muskels  aufheben  und  Erfchlaffung  desfelben  herbeiführen.  Die 
motorifchen  Nerven  entfpringen  für  jeden  der  beiden  Muskeln  aus 
dem  zunächft  gelegenen  Ganglion;  die  hemmenden  oder  erfchlaffen- 
den  Fafern  gehen  insgefammt  aus  den  vorderen  Ganglien  hervor; 
fie  werden  dem  vorderen  Schließmuskel  durch  die  kurzen,  ihm 
von  den  vorderen  Ganglien  zugefandten  Nervenftämmchen,  dem 
hinteren  Schließmuskel  durch  die  Verbindungsnerven  zugeführt. 

Das  hintere  Ganghon  fungirt  für  den  hintern  Schließmuskel 
als  motorifches  Centrum,  die  vorderen  Ganglien  fpielen  diefelbo 
Rolle  gegenüber  den  vorderen  Schließmuskeln.  Die  motorifchen 
Zellen  der  beiderfeitigen  Ganglien  können  fowohl  von  peripherifchen 
Nervenfafern  (des  Mantels,  der  Kiemen)  als  durch  gewilfe  Fafern 
des  Verbindungsnerven  in  Thätigkeit  verfetzt  werden.  Die  vorderen 
Ganglien  und  überdies  im  Stande,  in  beiden  Schließmuskeln  Er- 
fchlaffung  herbeizuführen.  Bemerkt  fei  noch,  daß  die  Schließ- 
muskeln felbft  nach  ihrer  Trennung  von  den  zugehörigen  Gan- 
ghen  aus  dem  Zuftande  des  Tonus  in  den  der  Erfchlaffung  über- 
gehen und   aus  diefem  in  den  Zuftand  des  Tonus  zurückkehren 


69]  Phyüologie  der  nervören  Apparate.  463 

können;  aber  beiderlei  Veränderungen  erfolgen  an  den  ficli  felbft 
überlalFenen  Muskeln  überaus  langfam  und  erfordern  Stunden. 

Traten  bei  Infekten  die  fpecififchen  Hirn  Verrichtungen  den  coor- 
dinii'ten  Reflexen  gegenüber  dermaßen  in  den  Hintergrund,  daß 
man  in  diefen  Thieren  reine  Rückenmarkswefen  vor  lieh  zu  fehen 
glaubte,  fo  find  hingegen  bei  den  Mollusken  die  centralnervöfen 
Functionen  derart  localilirt,  daß  man  nur  Ich  wanken  kann,  den 
einen  oder  anderen  Gangliencomplex  feiner  ph^^iologifchen  Dignität 
nach  einem  gewäffen  Hirntheile  der  ^^ertebraten  als  ebenbürtig  zu 
erachten  oder  denfelben  in  die  Klall'e  peripherer  Centren  zu  ver- 
weifen.  An  ein  Analogon  des  Rückenmarks  kann  weder  bei  Ga- 
ftropodcn  noch  bei  Lamellibranchiaten  irgendwie  gedacht  werden. 

Die  verdienllvollen  Arbeiten  von  G.  Colafanii  lalfen   die  \^er-  dus  ccre- 

1)iori>iual- 

hältuilfe  bei  den  Cei)halo])oden  wefentüch  anders  er fehehien.     Hier  J'y'ti™, f^"" 

■•■  •■■  C'eipiiaio- 

finden  fich  Nervenftränge,  welche  dem   Rückenrnarke  der  Wirbel-    '''"^™' 
thiere  nicht  nur  funetioncll  entfprechen,  ibndern  auch  in  ihrer  hiftio- 
logifchen  Anordnung  ganz  den  Eindruck  wie  diefes  machen. 

Wie  uns  Vulpiun  mittheilt,  war  fchon  von  Sharpey  beobachtet 
worden,  daß  in  den  Armen  von  Octopus  zwei  innig  verwachfene 
Nervenftämme  verlaufen,  von  denen  der  eine  in  regelmäßigen  Ab- 
Iländen  GangHenanfch wellungen  führt,  während  der  andere  der- 
felben  entbehrt.  Aus  dem  Ganglien  enthaltenden  Faferzuge  ließ 
Sharpey  die  Nerven  für  die  Saugnäpfe  der  Arme  hervorgehen,  während 
aus  dem  andern  Strange  die  für  die  Muskeln  beftimmten  Fafern 
entfpringen  follten.  Ohne  S/iarpri/s  Arl)eit  zu  kennen.  Hellten 
C/tcron,  Oivsjannihoiv  und  Koivulevshj  üljcr  denfelben  Gcgenftand 
Beo}>ac]jtungen  an  und  gelangten  zu  derfell)en  Auffallüiig  wie 
jener.  Erft  Colafaiiti,  welcher  den  Armnerven  einer  genaueren 
mikrofkopifchen  Prüfung  unterwarf,  zeigte,  daß  die  Vorflellung 
Shar/if'i/i^  und  allei-  übrigen  Autoren  von  einem  auf  die  Anfchwel- 
lungen  befciiränkten  N'orkoninien  der  Nervenzellen  eine  durchaus 
irrige  ift,  daß  vielmelir  der  Nerv  des  CeplialMpndcniniiMs  in    r(in(  r 


464  Grundzüge  einer  vergleichenden  [70 

ganzen  Länge,  von  der  Baus  bis  zur  Spitze  des  Armes,  Ganglien- 
zellen enthält  und  zwar  in  einer  durchaus  beftimmten  Anord- 
nung, die  lieh  auf  jedem  einzelnen  Querfchnitte  in  identifcher 
Weife  und  mit  gleicher  Regelmäßigkeit  reproducirt,  wie  das  be- 
kannte fchräge  Kreuz  auf  dem  Querfchnitte  des  Rückenmarks  der 
Wirbelthiere.  Die  Centralnerven  der  Arme  haben  mit  peripherifchen 
Nervenfafern  demnach  nichts  gemeinfam,  he  gehören  den  nervöfen 
Centralorganen  zu  und  werden  daher  wohl  zweckmäßig  als  die 
«nervöfe  Axe»  bezeichnet. 

Betrachtet  man  das  Querfchnittsbild  eines  folchen  Armnerven, 
fo  tritt  fowohl  in  der  bilateralen  Symmetrie,  zu  welcher  die  von 
der  in  einer  medianen  Längsfurche  der  nervöfen  Axe  eingebetteten 
Arteria  brachialis  ausgehende  Raphe  VeranlalTung  giebt,  als  auch 
in  der  Conitanz  des  Bildes  auf  allen  möglichen  Querfchnitten  eine 
überrafchende  Aehnlichkeit  zwifchen  diefer  Bildung  und  dem  Rücken- 
marke  der  Wirbelthiere  hervor.  Diefe  Uebereinftünmung  gewinnt 
noch  an  Bedeutung  dadurch,  daß  ganz  wie  im  Rückenmarke  fo 
auch  in  der  nervöfen  Axe  das  identifche  Bild  bedingt  wird  durch 
eine  beltimmte  Abwechfelung  und  Configuration  von  zwei  Sub- 
ftanzen,  die  ohne  den  geringflen  Zwang  als  graue  und  weiße  be- 
zeichnet werden  können,  da  die  erfte  ganz  wie  die  des  Rücken- 
marks ausfchheßlich  aus  Ganglienzellen  und  molekularer  MalTe, 
die  zweite  ebenfo  ausfchließlich  aus  Nervenfafern  befteht,  die  ganz 
ebenfo  cjuer  durchfchnitten  erfcheinen  wie  die  weißen  Stränge  des 
Rückenmarks. 

Diefes  ftets  mederkehrende  Querfchnittsbild  der  nervöfen  Axe, 
welches  zuerft,  wenn  auch  ungenau,  von  Cheron  befchrieben  und 
abgebildet  wurde,  ift  allerdings  dem  Querfchnitte  des  Rückenmarks 
einigermaßen  unähnlich.  Li  der  nervöfen  Axe  umgiebt  nicht  eine 
Schale  weißer  Subflanz  den  grauen  Kern,  fondern  beide  Sub- 
rtanzen  erfcheinen  auf  dem  Querfchnitt  neben  einander  gelagert. 
Die  weiße  Subftanz  befleht  aus  zwei  fymmetrifchen  Strängen  von 


71]  Phyiiologie  der  nervöfen  Apparate.  405 

rundlichem  Querfclmitt,  welche  den  der  Außeiifläclie  des  Armes 
zunächfl  hegenden  Theil  der  nervöfen  Axe  einnehmen.  Die  graue 
Subftanz  liegt  der  Innenfeite  des  Armes  näher;  lie  zerfällt  in  einen 
Ganghenzellen-haltigeu  und  in  einen  Ganglienzellen-freien  Theil, 
welcher  letztere  in  feinem  mikrofkopifchen  Ausfeilen  die  größte 
Aehnlichkeit  mit  der  molekularen  Außenfchicht  der  Kleinhirnrinde 
zeigt.  Das  Verhältniß  diefer  beiden  Theile  der  grauen  Subltanz 
ift  ein  durchaus  conftantes,  indem  die  Ganglienzellenfchicht  die 
molekulare  Maffe  von  außen  in  Hufeifenform  umgiebt. 

Die  intereflanteften  Uebereinftimmungen  zwifchen  der  nervöfen 
Axe  und  dem  Rückenmark  ergeben  fleh  aber  erft  aus  einer  Be- 
trachtung der  einzelnen  Querfchnittsbilder ;  denn  hier  zeigt  fleh, 
daß  in  beiden  Fällen  die  abändernden  Factoren  ganz  die  gleichen 
lind.  Am  Cephalopodenarme  erklärt  fleh  die  abwechfelnde  Dicke 
des  Nervenarmes  unfchwer  daraus,  daß  in  den  Einfchnürungen  die 
graue  Subftanz  allein  für  die  Muskulatur  und  Haut  des  Armes 
die  Nervenwurzeln  herzugeben  hat,  während  io  den  Anfchwellungen 
nocli  die  fenßtiven  und  motorifchen  Nerven  für  die  Saugnäpfe  hin- 
zukommen, und  der  allmähge  Schwund  der  weißen  Subftanz  von 
der  Balis  bis  zur  S})itze  des  Armes  hat  offenbar  nur  darin  feinen 
Grund,  daß  je  weiter  man  gegen  das  Ende  vordringt,  der  durch 
füe  weiße  Subftanz  mit  den  höheren  Nervencentren  in  Verbindung 
ftehende  Körpertheil  beftändig  kleiner  wird  und  ein  beftändig  ge- 
ringer werdendes  Nervengebiet  in  der  weißen  Subftanz  re})räfentirt 
zu  werden  braucht. 

Giebt  lieh  in  dielen,  den  anatomifchen  Bau  modificirenden 
Momenten  eine  vollkommene  Analogie  zwifchen  der  nervöfen  Axe 
und  dem  Rückenmark  zu  erkennen,  fo  muß  es  andererfeits  doch 
auffallen,  daß  die  graue  Sul)ftanz  an  der  Spitze  des  Cei^ialo- 
podenaraies  quantitativ  ebenfo  mächtig  entwickelt  ift  als  an  der 
Bali»,  wälircnd  die  dünne  Armfpitze  viel  weniger  Nerven  zu  ihrei- 
Verforgung   brauchen    follte  als  die   liarkv.   Balis.      IiidcHeii    ilt    es 


466  Grundzüge  einer  vergleichenden  [72 

nicht  fchwer,  eine  ausreichende  Erklärung  für  diefen  fcheinbaren 
Widerfpruch  zu  finden:  offenbar  hat  die  dünne  Armfpitze  eine 
ganz  andere  Function  als  die  ftarke  Bafis;  fie  ift  vorzugsweife  Taft- 
organ, während  die  mechanifchen  Leiflungen  des  Armes  ausfchließ- 
lieh  in  der  muskelkräftigen  Bafis  ihren  Sitz  haben.  Wenn  daher 
auch  die  Spitze  des  Armes  fehr  viel  weniger  motorifche  Nerven- 
fafern  verbraucht,  fo  hat  fie  dafür  defto  mehr  fenfitive  nöthig,  und 
es  begreift  fich  leicht,  daß  der  Ueberfchuß  an  letzteren  den  Aus- 
fall an  erfteren  vollkommen  compenfiren  kann.  Off'enbar  mit  diefem 
Verhältniß  hängt  die  charakteriftifche  Verfchiedenheit  der  Arm- 
fpitze von  denen  der  Bafis  zufammen.  Die  zelligen  Elemente  der 
erfteren  find  faft  durchweg  äußerft  klein,  und  ihr  Enfemble  hat 
fehr  große  Aehnfichkeit  mit  der  Körnerfchicht  des  Kleinhirns  oder 
der  Retina.  An  der  Bafis  hingegen  finden  fich  vorzugsweife  große 
Ganglienzellen  mit  deutlichem  Kern.  Es  fcheint  alfo,  als  ob  auch 
innerhalb  des  MoUuskentypus  dasfelbe  Verhältniß  ftattfindet  wie  bei 
den  Wirbelthieren ,  daß  nämlich  die  fenfibelen  Zellen  ftets  kleiner 
gebildet  find  wie  die  Urfprungszellen  der  centrifugalen  Nervenfafern. 
Während  die  nervöfe  Axe,  als  nervöfes  Centralorgan  betrachtet, 
mehrere  höchft  bemerkenswerthe  anatomifche  Uebereinflimmungen 
mit  dem  Rückenmarke  zeigt,  fehlen  folche  durchaus  für  die  von 
ihr  ausgehenden  Nerven,  für  welche  fich  keinerlei  derartige  Be- 
ziehungen mit  den  Rückenmarksnerven  nachweifen  lafTen.  Die 
peripherifchen  Nerven  entfpringen  von  der  nervöfen  Axe  während 
ihres  ganzen  Verlaufes,  reichlicher  von  den  Anfchwellungen,  aber 
auch  von  den  Einfchnürungen.  Ihre  Urfprungsweife  ift  fehr  in- 
conftant:  das  einzige  conftante  Factum  ift,  daß  fie  ftets  aus  dem 
molekularen  Theile  der  grauen  Subftanz  hervorgehen  und  daher, 
um  an  die  Oberfläche  der  nervöfen  Axe  zu  gelangen,  die  Ganglien- 
zellenfchicht  durchfetzen.  Von  einem  Entfpringen  mit  gefonderten 
Wurzeln  wie  im  Rückenmark  ift  niemals  etwas  zu  fehen,  wie  über- 
haupt auf  den  Querfchnitten  der  nervöfen  Axe  nichts  von  einer 


TS]  riiyliolugie  der  nervöfeu  Apparate.  467 

Scheiduug  oder  Localiliriirig  der  motorifcheu  und  fenübeleii  ana- 
tomilclieii  Elemente  uachzuweilen  ift.  Ja,  es  fclieint  in  Bezusf  auf 
Anzahl  und  Modus  der  Nervenurfprünge  nicht  einmal  auf  ])eiden 
fonft  bilateral  fymmetrifchen  Seiten  der  nervöfen  Axe  eine  Ueber- 
einftimmung  vorzuliegen. 

Diefer  hochorganiürten  Natur  der  nervöfen  Axe  entfpricht 
in  allen  Punkten  die  phyhologifche  Sell>Itändigkeit  des  Cephalo- 
podenarmes,  welche  allemal  weit  bedeutender  ilt  als  an  irgend 
einem  abgetrennten  Körpertheile  des  zählebigften  Wirbeltbieres. 
Bei  einigen  Cephalopoden  (Tremoctoi)us  violaceus,  Philonexis 
Carenae  und  Argonauta  argo)  vermag  fogar  ein  abgelölter  Arm 
als  felbftändiger  Begattungsapparat  zu  functioniren  und  wurde  als 
folcher  von  Delle  Chktjc,  von  Ciivier,  ja  felblt  noch  von  KÖllih'r 
für  ein  volles  Individuum,  für  einen  Eingeweidewurm  (Hecto- 
cotylus  octopodis  Cuvler)  oder  für  einen  voUftändigen  männ- 
lichen Cephalopoden  (Tremoetopus  violaceus  KöUiker)  gQXialiQii. 
Ein  folcher  Arm  ladet  lieh  mit  den  merkwürdigen  Samenpatronen, 
löft  üch  von  dem  Thiere  los  und  begiebt  lieh  dann  felbfländig  auf 
die  Frei. 

Bei  electiifcher  Reizung  der  nervöfen  Axe  erhielt  Colafanii  Be- 
wegungen des  Armes,  Action  der  Saugnäj)fe  und  Farben  Verände- 
rung der  Haut,  doch  war  —  da  es  nicht  gelang,  die  Reizung,  wie 
es  das  Thier  vermag,  auf  einzelne  Fafern  zu  ])efchränken,  und  auch 
die  von  den  weißen  Strängen  erlt  nach  Durchfetznng  von  grauer 
8ui>ftanz  und  von  Ganglienzellen  beforgte  Innervation  der  Muskeln 
des  Armes,  der  Saugnäpfe  oder  der  Haut  den  Verfuchen  wenig 
günftig  lieh  erwies,  —  kein  conftantes  Refultat  zu  erzielen.  In 
der  Thatfache,  daß  die  Bewegungen  des  Haft-  uiul  Saugraunies 
un  den  SaugnäitfcheJi  nach  ihrer  Lostrennung  vom  Arme;  oder  nach 
völliger  Zerftöruiig  der  centralen  Axe  noch  in  der  normalen  Weife, 
weini  aiicli  mit  felir  vermiiidci-ter  Energie  von  Statten  geben,  liebt 
Colufitnti  keine  Reflexaction,  fondern  den  Ausdruck   liir  eine  diiccte 


468  Grundzüge  einer  vergleichenden  [74 

Erregbarkeit  der  Muskeln,  wie  folclie  ebenfalls  von  Engelmann^'^) 
für  den  Ureter  und  von  Cohnheim  ''^)  für  die  Arterienmuskulatur 
angenommen  ift. 

Weit  fparfamer  fließen  die  Thatfachen,  wenn  wir  bei  den  Ce- 
phalopoden  nach  den  Functionen  der  einzelnen  Hirnabfchnitte 
fragen ;  nur  Verfuche  von  Klemenliewics  geben  uns  hierüber  einen 
etwas  näheren  Auffchluß. 

Die  NervenmalTe  des  Cephalopodengehirns  befteht  aus  grauer 
und  weißer  Subßanz,  von  welchen  erftere  als  die  Rindenfubftanz 
aufgefaßt  werden  kann;  diefe  iffc  entweder  von  großzelliger  Be- 
fchaffenheit  (Rinde  des  untern  Halbringes,  des  Ganglion  pedunculi, 
des  untern  Theiles  des  Gangl.  cerebrale  und  die  um  dem  Oefophagus 
liegende  ringförmige  Mafle  von  grauer  Subftanz)  und  färbt  lieh 
alsdann  mit  Pikrocarmin  wie  mit  Blauholzextract  nur  fchwach, 
oder  fie  ift,  ähnlich  der  Körnerfchicht  des  menfchlichen  Kleinhirns, 
kleinzellig  (graue  Subftanz  des  Gangl.  opticum  und  des  oberen 
Knoten  des  oberen  Schlundrings  [«Calotte»  oder  Haube  CMron's\) 
und  nimmt  in  diefem  Falle  durch  Pikrocarmin  eine  dunkelrothe, 
durch  Blauholzextract  eine  dunkelblaue  Färbung  an.  In  der  weißen 
Subftanz  lind  eine  große  Anzahl  von  Faferzügen  vorhanden,  welche 
in  den  mannigfachften  Richtungen  verlaufen  und  lieh  durchkreuzen. 
So  und  z.  B.  durch  die  aus  den  Pedunculis  ausJftrahlenden  Fafern 
die  Gangl.  optica  und  möglicherweife  auch  die  Gangl.  pedunculi 
nicht  nur  unter  lieh,  fondern  auch  mit  dem  oberen  und  unteren 
Theile  des  Schlundrings  in  Verbindung,  deren  einzelne  Knoten 
wieder  durch  Faferzüge  zufammenhängen ;  aus  den  letzteren,  den 
Knoten  des  unteren  Halbringes,  gehen  aber  in  großer  Menge  die 
Nervenftämme  zu  den  verfchiedenen  Körpertheilen  ab. 

Diefen  anatomifchen  VerhältnilTen  entfprechen  die  Erfolge  der 
phyßologifchen  Verfuche.  Die  electrifche  Reizung  der  kleinzelHgen 
grauen  Subftanz,  der  Haube,  ruft  weder  Bewegungen  an  den 
Körpermuskeln,    noch   eine  Verdunklung  der  Haut  hervor:    Ver- 


7n]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  469 

änderuDgen,  welche  fofort  erfolgen,  wenn  das  Ganglion  pedale,  die 
hintere  Partie  des  Ganglion  cerebrale,  oder  wenn  die  unmittelbar 
unter  dem  GangHon  cerebrale  und  dem  Oefoi)hagus  liegenden 
Theile  des  Schlundringes  gereizt  werden.  Setzt  man  die  Electroden 
auf  das  Ganglion  opticum,  auf  einen  Pedunculus  oder  je  eine 
Electrode  auf  je  einen  Pedunculus,  fo  erfolgt  wohl  eine  Extenfion 
der  Chromatophoren  und  in  Folge  delTen  eine  Dunkelfärbung  der 
Obei-fläche,  aber  keine  Contraction  der  Haut-  und  der  Körper- 
muskulatur.  Werden  die  Reizungen  an  den  Pedunculis  oder  den 
Ganglien  des  Opticus  einfeitig  ausgeführt,  fo  bleibt  der  Effect  nur 
bei  fchwachen  Reizflärken  auf  die  entfprechende  Körperfeite  be- 
fchränkt,  auf  ftärkere  Reize  reagiren  (wegen  der  mannigfach  fich 
durchkreuzenden  Faferzüge)  die  Chromatophoren  und  die  Muskeln 
beider  Körperhälften.  Ein  hinter  den  Pedunculis  und  mit  diefen 
parallel  laufender  Transverfalfchnitt  durch  den  Schlundiing  fcheidet 
das  Thier  in  zwei  getrennt  innervirte  Körperftücke,  in  ein  vorderes 
mit  Tentakeln,  Kopf  und  Ti'ichter,  und  in  ein  hinteres,  deffen  Wir- 
kungsfphäre  von  einer  Reizung  der  Pedunculi  und  der  Ganglia 
optica  unabhängig  geworden  ift.  Aehnliches  läßt  ßch  auch  durch 
Anlegung  eines  analogen  vorderen  Querfchnittes  für  die  vordere 
Köri)erhälfte  oder  mitteilt  Durchtrennung  der  Bafis  eines  Fang- 
anues  für  einen  folchen  erreichen. 

Alle  Autoren  (Bert,  Klemenlieivicz ,  Fredericq)  lind  darin 
einig,  daß  das  obere  Schlundganglion  der  Cephalopoden  dem 
Großhirn  der  Vertebraten  entfprechend  functionirt,  während  das 
untere  Schlundganglion  motorifclie  Centren  für  die  Athnunig  und 
für  die  Chromatophorenmu.skeln ,  und  Reflexcentren  für  die  Be- 
wegungen verfchiedener  Köq»eiTnuskeln  enthält.  Bert  lagt  von 
Sepia,  Fredericfj  von  Octopus,  daß  fich  der  des  oberen  Schlund- 
ganglions berauljte  Ceplialoj»odc  wie  eine  des  Großhirns  beniubtc 
Taube  benimmt;  die  Atbmung,  die  Circulation  und  die  nK-iftfu 
übrigen   Functionen    vollziehen    lieh   wie  normal,    aber   das  Tbi<r 


470  Grundzüge  einer  vergleichenden  [76 

verhält  fich  voUfländig  pafTiv,  es  führt  keine  willkürhchen  Be- 
wegungen aus  und  rührt  fich,  wenn  es  kein  äußerer  Anftoß 
zwingt,  überhaupt  nicht  von  der  Stelle. 

An  der  hinteren  Fläche  des  unteren  Schlundganglions  ent- 
fpringen  paarig  je  zwei  größere  Nervenftämme ,  der  große  Ein- 
geweidenerv und  der  Mantelnerv,  von  welchen  lieh  letzterer  an 
das  Ganglion  stellare  begiebt.  An  diefen  Nerven  ifl  von  P.  Bert, 
Cheron  und  Freder kq  experimentirt  worden ;  letztere  beiden  Forfcher 
haben  aber  die  Angaben  Berfs  nur  beflätigen  und  denfelben  nur 
wenig  Neues  hinzufügen  können.  .Es  ergab  fich,  daß  beide  Nerven- 
paare motorifch  wie  fenfibel  und  und  in  näherer  Beziehung  zu 
der  Athmung  liehen.  Nach  Fredericq  Averden  die  Refpirations- 
bewegungen,  welche  bekanntlich  Vorzugs  weife  in  rhythmifchen 
Contractionen  des  Mantels  beliehen,  ausfchließlich  auf  refiecto- 
rifchem  Wege  ausgelöfl  und  zwar  durch  Erregungen,  welche  von 
den  großen  Eingeweidenerveu  centripetal  dem  Unterfchlundganglion 
zugeführt  und  Jiier  auf  die  Mantelnerven  als  motorifche  übertragen 
werden.  Nach  Durchfchneidung  der  beiden  A^isceralnerven  flehen 
die  Athembewegungen  fofort  Hill  und  nur  energifche  Erregungen 
anderer  fenlibeler  Nerven  (der  Haut,  der  Arme,  des  Kopfes  u.  f.  w.) 
löfen  alsdann  noch  kurz  andauernde  Refpnationen  aus,  wälirend 
jeder  Reiz,  welcher  das  centrale  Ende  eines  der  beiden  durch- 
fchnittenen  Visceralnerven  trifft,  durch  eine  Reihe  rhythmifcher 
Refpirationsbewegungen  beantwortet  wird.  Durchfchneidung  der 
Mantelnerven  vernichtet  lediglich  die  refpiratorifchen  Bewegungen 
der  beiden  Kiemenfäcke,  von  welchen  ein  jeder  von  dem  Mantel- 
nerven der  zugehörigen  Seite  verforgt  wird,  nicht  aber  che  Con- 
tractionen des  Trichters  und  feiner  Seitenklappen.  Ferner  verfehen 
die  Visceralnerven  bei  den  Pulfationen  der  Herzen  und  der  großen 
Gefäße  die  nämliche  Rolle  als  der  Vagus  am  Herzen  der  Wirbel- 
thiere,  allein  mit  dem  Unterfchiede,  daß  die  Wirkung  eines  jeden 
Visceralnerven  üch   auf  die  gefammten   Kreislaufsorgane  erftreckt 


77]  Pliyüologie  der  nervofen  Apparate.  471 

und  nicht  nur  die  Contractionen  an  den  Gefäßen  der  entfprechendeu 
Körperhälfte  beeinflußt ;  eine  Durch fch neidung  oder  eine  periphere 
Reizung  beider  Nerven  hat  natürhch  eine  energifchere  Wirkung 
zur  Folge,  als  wenn  es  fich  dabei  nur  um  einen  der  Nerven  handelt. 
Entfprechend  dem  herangezogenen  Vergleiche  mit  der  Vaguswirkung 
auf  das  Wirbelthierherz  führt  die  Durchfchneidung  beider  Einge- 
weidenerven eine  fch  wache  Befchleunigung  der  Herzfchläge  herbei, 
während  eine  electrifche  Reizung  der  peripheren  Nervenenden,  je 
nach  der  Stärke,  die  arteriellen  Avie  die  Kiemenlierzen  langfamer 
fehlagen  macht  oder  ganz  zum  Stillftande  bringt.  Sicher  ill 
fchließlich  noch,  daß  beim  Abtragen  des  gefammten  Schlundringes, 
bei  Durchfchneidung  der  Mantelnerven  oder  bei  Ausrottung  der 
Sternalganghen,  bei  Operationen  alfo,  welche  die  Athembewegungen 
fofort  ßftiren,  die  Herzfchläge  keine  Verlangfamung  erfahren.  Frc- 
derkq  hat  auch  angegeben,  daß  mit  der  großen  Hohlvene  auf  die 
Herzbewegungen  befchleunigend  wirkende  Nervenfafern  verlaufen, 
doch  fcheint  es  fich  l)ei  feinen  Verfuchen  eher  um  eine  directe  Rei- 
zung der  Gefäße  als  um  eine  nervöfe  Leitung  gehandelt  zu  haben. 


Die  Wirkungs weife  der  Mantel-  und  Visceralnerven  bei  den 
Cephalopoden ,  deren  Befprechung  von  der  der  Leiftungen  der 
Centralorgane  nicht  gut  zu  trennen  war,  führt  uns  unmittelbar  zu 
dem  dritten  Theile  unfcrer  Aufgabe,  zu  dem  Verfuche  einer  ver- 
gleichenden Phyfiologie  der  Innervationsverhältniffe  der  vegetativen 
A{)parate.  Mit  Ausficht  auf  Erfolg  läßt  fich  eine  vergleichende 
Betrachtung  der  nervöfcn  Erregungen  zur  Zeit  aber  nur  an  zweien 
diefer  Apparate  unternehmen,  an  denen  der  Circulation  und  an 
denen  des  Farben wechfels. 

Unferm  V'orfatze  getreu,  daß  die  Innervationsverhältnifro  bei 
den  höheren  Thieren  uns  als  Richtfchnur  l)ei  den  Wirlx'llofi'n  zu 
dienen  liaben,  wenden  wir  uns  vorerft  nochmals  den  Wirbchhieren 
zu  und  unterfuchen,   wie  fich  bei  (liefen  die  Nervenverbindung  der 


472  Grundzüge  einer  vergleichenden  [78 

einzelnen  Organe  mit  dem  Centralnervenfyfteme  geftaltet.  Werden 
die  Erfahrungen  an  den  Wirbeltliieren  uns  auch  verhältnißmäßig 
Weniges  bieten,  welches  lieh  fchon  gegenwärtig  im  vergleichend 
phyüologifchem  Sinne  weiter  verwerthen  läßt,  fo  fchafFen  wir  uns 
damit  doch  einen  feften  Boden,  auf  dem  erfprießlich  weiter  zu 
bauen  ift,  und  auf  dem  fpeciell  die  Eigenthümlichkeiten  der  Athem- 
innervation  bei  Infekten  wie  Cephalopoden  klarer  hervortreten 
werden,  als  es  bei  einer  einfachen  Erörterung  derfelben  möglich 
war.  Unterfuchen  wir  alfo  zunächfl,  wie  die  Refpirationserfch  ei- 
nungen bei  den  Wirbelthieren  vom  Nervenfyfteme  ausgelöft  und 
regulirt  werden. 
Inner-  Die  Innervation  der  Athembewegungen  ift  am  genaueften  beim 

"Vationsver- 

häitniiTe  äcrj^a^jj;icl-^ej2   Unter fucht,   und   wir  wiJTen  fchon  (S.  421),   daß   das 

Vegetativen  '  \  /' 

äen'^wirbei-eigentliche  Athemcentrum,  doppelt  und  fymmetrifch  angelegt,  in 
der  Medulla  oblongata  wurzelt,  hier  üch  aber  jedenfalls  nicht  auf 
eine  fo  punktförmige  Stelle  befchräukt,  wie  anfangs  Flourens  an- 
nahm, fondern  bis  in  den  Anfangstheil  des  Rückenmarks  hinab- 
reicht. -  Diefes  Centrum  ift  ein  automatifches  oder  autochthones 
(d.  h.  ein  an  Ort  und  Stehe  und  nicht  durch  Vermittlung  einer 
nervöfen  Leitungsbahn  erregtes),  welches  feine  normalen  Erregungen 
von  dem  umfpülenden  Blute  aus  in  genau  derfelben  Weife  wie 
das  excitomotorifche  Centrum  des  Herzens  empfängt,  und  delTen 
Thätigkeit  fich  mit  dem  Sauerftoffgehalte  des  Blutes  ändert.  Die 
Erregungen  diefes  Centrums  äußern  lieh  hauptfächlich  in  rhyth- 
mifchen  Bewegungen,  welche  durch  Vermittlung  des  Phrenicus  am 
Zwerchfell  ausgelöft  werden ;  gleichzeitig  jedoch  auch  in  abwech- 
felnden  Zufammenziehungen  und  Erfchlaffungen  der  theils  infpira- 
torifch  wie  das  Zwerchfell,  theils  aber  auch  exfpiratorifch  wirken- 
den Zwifchenrippennjuskeln.  Der  rhythmifche  Charakter  diefer 
Bewegungen  ift  uns  in  feinem  Zuftandekommen  ebenfo  dunkel  als 
der  der  Herzfchläge  und  die  Einrichtung  des  automatifchen  Athem- 
centrums  nicht   weniger   complicirt   als  die  des  excitomotorifchen 


79]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  473 

Herzcentrums;  zum  Unterfchiede  von  diefem  fleht  erfleres  aber 
unter  dkecter  Herrfcliaft  zweier  verfchiedener  Nervenfafern ,  von 
denen  die  einen  die  Wirkung  des  Phrenicus  fteigern,  während  die 
anderen  diefelbe  abfch wachen  oder  unterdrücken.  Da  es  vornehm- 
hch  im  Vagusflamme  verlaufende  Leitungsbahnen  fmd,  welche 
diefes  Ceutrum  beeinfiußen,  hat  man  dasfelbe  auch  als  Vaguscen- 
trum l)ezeichnet. 

Die  Durchfchneidung  eines  Vagus  führt  keine  Veränderung  der 
Athemzüge  herbei,  dagegen  vertiefen  fich  diefelben  und  nehmen 
zugleich  an  Zahl  ab,  wenn  beide  Vagi  durchfchnitten  lind;  eine 
fchwache  electrifche  Reizung  des  centralen  Endes  eines  oder  l)eider 
Nerven  führt  alsdann  eine  Erhöhung  der  gefunkenen  Athemzahl 
bis  zur  Norm,  ftarke  Reizung  aber  emen  infpiratorifchen  Stülftand 
herbei.  Bofcnthal,  welcher  ermittelte,  daß  die  in  der  Zeiteinheit 
geleiflete  Arl)eit  des  Athmungsapparates  nach  der  Vagidurchfchnei- 
dung  unverändert  bleibt,  nimmt  auf  jene  Erfahrungen  hin  an,  daß 
die  normale  Athmung  durch  fländige  Erregungen,  welche  dem 
Centrum  auf  der  Bahn  der  A'^agi  zufließen,  regulirt  wird,  iiidem 
die  autochthonen  Reize  des  Centrums  durch  die  fchwachen,  aber 
oft  erfolgenden  Reizungen  von  Seiten  der  ^"agi  zur  Abgleichung 
gebracht  werden.  Mag  es  fich  hiermit  verhalten,  wie  es  wolle, 
ficherlich  verlaufen  im  Vagusflamme  infpiratorifche  wie  exfpirato- 
rifclie  Fafern,  von  welchen  letztere  gleichzeitig  einen  hemmenden 
Einfluß  auf  den  Phrenicus  ausüben  und  bei  ausgedehnter,  erflere 
dagegen  bei  collabu-ter  Lunge  in  Thätigkeit  treten.  So  erklärt  fich 
die  Selbflf teuer ung  der  Athnmng  durch  den  Nervus  vagus.  Be- 
fclileunigend  und  infpiratorifch  wie  die  eine  Gattung  der  Vagus- 
fafem  wirken  auch  der  Opticus,  der  Acufticus  (Chri/tüm/)  und 
mehrere  fenfibele  Nerven  auf  die  Athmung  ein,  wälirend  z.  B.  der 
Trigeminus  mit  der  andern  Art  der  Vagusfafern  die  exf|»iriit(iiirche 
Wirkung  tlieilt. 

Bei   erfchwerter  Athmung   oder  Atlicnniolli,    bt-i    jenem    Zu- 


474  Grundzüge  einer  vergleichenden  [80 

flaiide,  welchen  die  Kliniker  als  Dyspnoe  bezeichnen,  macht  fich 
neben  dem  eigentlichen  Athemcentrum  noch  die  Gegenwart  accef- 
forifcher  Reflexcentren  geltend,  indem  fleh  nmi  auch  die  Inter- 
coftalmuskeln,  ja  felblt  die  Bauchmuskeln  in  hervorragenderer 
Weife  an  der  In-  und  Exfpiration  mitbetheiligen.  Außer  bei  der 
Dyspnoe  giebt  ßch  die  Anwefenheit  der  Hülfscentren,  von  welchen 
wir  ein  in-  und  ein  exfpiratorifches  unterfcheiden,  befonders  noch 
bei  Reizung  der  Nervi  laryngei  superiores  zu  erkennen.  Diefe 
Nerven  befinden  fich  für  gewöhnlich  in  keinem  Erregungszuftande, 
und  fo  hat  die  Durchfchneidung  eines  oder  beider  Stränge  nur 
lehr  geringfügige  oder  auch  wohl  gar  keine  Aenderungen  der 
Athembewegungen  zur  Folge ;  reizt  man  aber  einen  vom  Kehlkopf 
abgelöfl^en  Laryngeus  superior-Nerven  an  feinem  centralen  Ende 
mit  electrifchen  Inductionsftrömen ,  fo  ficht  man  bei  fch wacher 
Reizung  Verlangfamung  der  Athembewegungen,  bei  flärkerer  Rei- 
zung abfohlten  Stillffcand  fämmtlicher  vom  automatifchen  Centrum 
innervlrten  Refpirationsmuskeln  zu  Stande  kommen,  und  fchließlich 
bei  noch  ftärkerer  Reizung  die  accefibrifchen  Exfpirationsmuskeln 
in  Tetanus  verfetzt,  die  accefibrifchen  Infpirationsmuskeln  dagegen 
gelähmt  werden.  Letztere  Erfch einungen  fpielen  fich  fomit  an  den 
accefibrifchen  Reflexcentren  ab,  während  erfi;ere  auf  Hemmungen 
der  automatifchen  Erregungen  des  Phrenicus  zu  beziehen  find. 

Manche  Aehnlichkeit  mit  der  Innervation  des  eigentlichen 
Athmungscentrums  zeigt  die  nervöfe  BeeinfluITung  des  excitomo- 
torifchen  Centrums  im  Herzen.  Auch  auf  diefes  wirken  zwei  ver- 
fchieden  functionirende  Nervenfafern  (hemmende  und  befchleu- 
nigende)  ein,  .welche  aber,  wie  die  Unabhängigkeit  der  Wirkungen 
beider  Fafergattungen  (Bowditch,  Baxt)  anzeigt,  erfi:  mittelbar  in 
den  Mechanismus  des  automatifchen  Herzcentrums  eingreifen,  in- 
dem fie  zwei  mit  diefem  verbundene  fecundäre  Herzcentren  (das 
Vagus-  oder  Hemmungscentrum  und  das  acceleratorifche  oder  Be- 
fchleunigungscentrum)    direct   beeinflufi'en.      Die    Wirkungen    der- 


81]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  475 

Herzgifte,  welche  diefe  Verhältnille  Ichlagencl  illuftrircD,  lind  von 
mir  an  einem  andern  Orte*^^)  ausführlich  behandelt;  hier  betrachten 
wir  deshalb  nur  die  Refultate  der  Durchfchneidungs-  und  Reiz- 
verfuche  an  den  für  die  Herzbewegungen  wichtigeren  Nerven. 

Unter  Mitberückfichtigung  der  Beeinfluflung  der  Gefäße  durch 
das  Nervenfyllem  gelangen  wh  zur  Annahme  von  vier  cerebrofpinalen 
Centren,  eines  Vagus-  und  eines  acceleratorifchen  Centrums,  eines 
Deprelfor-  und  eines  vafomotorifchen  Centrums,  von  welchen  die 
beiden  erfteren  ihren  ausfchließlichen  Sitz  in  der  Medulla  oblongata 
haben,  während  Repräfentanten  der  beiden  letzteren  auch  noch  im 
Rückemnarke  anzutreffen  ßnd.  Der  Einfluß  der  Vagusfafern  auf's 
Herz  ift  ein  inehrfacher;  es  hängt  davon  ab,  was  für  Fafern  und 
in  welcher  Richtung  (ob  central  oder  peripher)  diefelben  erregt 
werden.  Den  hauptfächlichften  Einfluß  auf  das  Herz  äußert  der 
Vagus  ohne  Frage  durch  die  Hemmungsfafern,  welche  ihm  vom 
Accessorius  zugeführt  werden,  und  welche  fich  nach  Durchfchneidung 
beider  Vagi  auf  Reizung  des  peripheren  Stumpfes  eines  oder  beider 
Nerven  in  einem  diaflolischen  Stillftande  des  Herzens  zu  erkeimen 
geben  (E.  U.  WeherJ.  Auf  diefe  im  \"agusfl;amme  verlaufenden 
Hemmungsnerven  halben  peripher  erregbare  Faferzüge,  welche  im 
Bauchfympathicus  61//>;  Uoltz' khar  Klopfverfuch),  im  Depreflbr 
(Ludwig  und  Cyon,  Stelling  und  BoeverJ,  ja  im  Halsvagus  felbft 
(Auhcrt  und  liocvcrj  wie  in  vielen  anderen  fenflbelen  Nerv'cn 
(Ifchiadicus ,  Brachiahs,  Rückenmarks-  und  Hautnerven  [LocenJ) 
verlaufen,  einen  reflectorifch  erregenden  Einfluß,  der  aber  felblt- 
verftändlich  nur  bei  wenigftens  einem  unvcrfehrtcn  Vagus  in  Ver- 
minderung der  Pulsfrequenz  und  Ausfetzen  des  Herzfchlages  zum 
Ausdruck  kommen  kann.  Außer  diefen  central  verlaufenden  Nerven- 
bahnen wirken  nach  Hering  i)eriphere  Reizungen  des  Lungenvagus 
auf  das  Vaguscentrun i  ii)  der  Medulla  ein;  wird  diefer  Nerv  bei 
erhalt«;nen  Vagi  durch  die  au.sged(.'hntc  o<ler  mit  Koldcnfäure  ge- 
füllte Lunge  in  den  Erregungszuflaiid  verfetzt,  Ib  tritt  indeß  keine 

h'rukcnlifrff,  Vcrgl-p''yrt"l-  Vortnl({e.  •'•'^ 


476  Grundzüge  einer  vergleichenden  [82 

Verlangfamuiig  der  Herzfchläge,  fondern  weil  die  Hemm migsf afern 
dadurch  vom  Centrum  aus  mehr  oder  weniger  in  ihrer  Function 
gefchwächt  werden,  eine  bedeutende  Befchleunigung  der  Herz- 
fchläge ein. 

Neben  den  hemmenden  und  fenlibelen  Fafern  ziehen  mit  dem 
Halsftamme  des  Vagus  vereint  auch  befchleunigende  Fafern  zum 
Herzen  hin,  deren  Einfluß  befonders  dann  deuthch  wird,  wenn  die 
hemmende  Wirkung  durch  eine  Atropin-  (Schiff)  oder  Nicotin- 
vergiftung  (Truhart  und  Schmiedeberg)  ausgefchaltet  ift.  Diefe  Be- 
fchleunigungsfafern  begeben  fich  vom  Rückenmarke  zum  Gan- 
glion thoracicum  primum,  gehen  erft  von  hier  zum  Ganghon  cervi- 
cale  inferius  und  zum  Vagus  über,  und  ihre  Reizung  auf  den 
Zwifchenflirecken  bringt  eine  Befchleunigung  der  Herzpulfationen 
mit  fleh,  welche,  ohne  durch  eine  Veränderung  im  Blutdruck  ander- 
weitig complicirt  zu  fein,  30 — 70"/o  betragen  kann.  Man  bezeichnet 
diefe  im  Vagusflamme  mitenthaltenen  accelerirenden  Fafern  kurz 
als  Nervus  accelerans  und  fall  eine  reflectorifche  Erregung  derfelben 
nach  Reizung  des  centralen  Stumpfes  des  Halsfympathicus  (Roever)^ 
welcher  die  bezuglichen  Fafern  wahrfcheinlich  aus  den  Herznerven 
empfängt,  wie  auch  nach  Reizung  fenflbeler  Muskelnerven  (ÄIp) 
erfolgen. 

Wie  fchon  jetzt  das  reiche  Beobachtungsmaterial  zu  fchheßen 
erlaubt,  erfahren  die  vorgetragenen  Verhältnifle  bei  verfchiedenen 
Wirbelthieren  oft  nicht  unbeträchtliche  Abänderungen,  indem  z.  B. 
bei  Durchfchneidung  beider  Vagi  die  Frequenzzunahme  der  Herz- 
fchläge bei  Vögeln  gewöhnlich  weit  länger  anhält  (Einbrodt,  Eich- 
horR)  als  bei  Säugethieren,  und  bei  Fröfchen  ganz  ausbleiben  kann, 
der  Vagusftillfland  bei  Säugethieren  die  Dauer  einer  Minute  nicht 
überfchreitet,  bei  Tropidonotus  natrix  aber  fleh  bisweilen  über 
eine  Stunde  ausdehnt  (A.  JB.  Meyer)  und  die  Hemmungsfafern 
auf  beide  Vagi  bei  Emys  lutaria  fo  ungleich  vertheilt  flnd  (A. 
B.  Meyer),  wie  fonft  nirgendwo  beobachtet  wurde;  doch  wir  können 


83]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  477 

auf  eiiie  eingehendere  Befprechung  diefer  Variationen  um  fo  lieber 
verzichten,  als  der  neuefte  Compilator  auf  diefeni  Gebiete  der 
Phyfiologie,  Auhcrt '%  diefelben  angelegentlichft  berücklichtigt  hat. 

Was  die  Innervation  der  Gefäße  betrifft,  fo  flehen  diefelben 
ebenfo  wie  das  Herz  unter  der  Einwhkung  zweier  ganz  entgegen- 
gef^tzt  functionirenden  Nerven,  nämlich  unter  dem  Einflulfe  von 
verengenden  (Vafomotoren,  Prefforen  oder  VafoconJftrictoren)  und 
von  erweiternden  Fafern  (Vafodilatatoren,  DeprelToren,  Hemmungs- 
nerven). Noch  ziemlich  allgemein  erklärt  man  fich  diefe  doppelte 
BeeinfluIIüng  der  Gefäße  durch  das  Nervenfyftem  in  der  Weife, 
daß  man  fich  die  Gefäßmuskeln  nur  in  directer  Verijindung  mit 
den  Vafoconflrictoren  denkt  und  den  erweiternden  Einfluß  der  Dc- 
preflbren  durch  eine  Reflexhemmung  der  gefäßerregenden  Nerven, 
fei  es  in  cerebrofpinalen  oder  in  peripher  gelegenen  Ganglien,  ge- 
fchehen  läßt.  Als  Nerven  letzterer  Art  (Prelfores),  deren  Durch- 
fchneidung  eine  Erw^eiterung  der  zugehörigen  Gefäße  zur  Folge 
hat,  während  an  durchfchnittenen  Nerven  Reizung  des  peripheren 
Endes  die  Gefäße  noth wendig  verengen  muß,  betrachtet  man  die 
Nervi  fplanchnici  für  den  großen  Gefäßbezirk  der  Bauchhöhle 
(Mefenterialgefäße,  Pfortader,  Nierengefäße  u.  f.  w.),  die  von  dem 
Ganghon  cerncale  fupremum  flammenden  fymi)athifchen  Fafern 
für  die  Submaxillar-  und  Ohrgefäße  bei  Hund  und  Kaninchen 
(67.  Bernard  u.  A.)  fowie  die  Nervi  pudendi  für  die  cavernöfen 
Gewebe  der  Uretlu-a  (Lovm);  viel  weniger  deutlich  tritt  dei-  pref- 
forifche  Charakter  an  den  Gefäßnerven  der  Extremitäten  (z.  B.  am 
Ifchiadicus)  und  der  meiften  Skcletmuskeln  hervor,  da  in  dielen 
Stämmen  ftärkere  gefäßerweiternde  P^afern,  wenn  auch  voji  geringerer 
Mächtigkeit  als  die  prefibrifchen,  in  gleichgeiichteter  Err(;gbarkeit 
mitverlaufen. 

Die  genannten,  rein  gefäßverengenden  Nerven  können,  wie 
gefagt,  durch  andere  Faferflrängc  reflcctorif(.'h  gereizt,  —  und  diefes 
vermag  auHfchließlich  durch  centripetal   kitende  Nerven   (feiiMbelo 


4  78  Grundziige  einer  vergleichenden  [84 

PrelTores)  in  cerebrofpinalen  Centren  zu  gefchehen,  —  me  auch  in 
ihrer  Wirkung  geliemmt  werden.  Diefe  Hemmung  kann  üch  voll- 
ziehen durch  centripetal  leitende  Fafern  in  den  cerebrofpinalen 
deprelTorifchen  Centren  oder  durch  centrifugal  leitende  Nerven  in 
peripher  gelegenen  Ganghen,  und  eine  weitere  Complication  er- 
wächft  fernerhin  noch  daraus,  daß  in  den  beiden  cerebrofpinalen 
Centren,  in  den  deprelTorifchen  und  den  vafomotorifchen  Centren, 
zugleich  Nervenbahnen  münden,  die  Reize  übertragen,  durch  welche 
Erregungen  an  den  Hemmungsnerven  ausgelöft  werden.  Eine 
hemmende  deprellorifche  Wirkung  auf  den  vafomotorifchen 
Splanchnicus  befitzen  unter  anderem  Fafern,  welche  im  Rücken- 
marke  verlaufen  und  fich  am  durchfchnittenen  Lendenmarke  bei 
Reizung  des  centralen  Endes  manifeftken  (Afp),  fodann  der  beim 
Kaninchen,  Hafen,  Igel,  Pferde  und  bei  der  Katze,  nicht  aber  beim 
Hunde  gefondert  verlaufende  Nervus  depreffor  (Cyon  und  Ludivig), 
welcher  im  Endocardium  zu  endigen  und  durch  defien  Ausdehnung 
gereizt  zu  werden  fcheint.  Vom  Darme  her  gehen  dem  Deprefibr- 
centrum  außerdem  noch  Splanchnicusfafern  zu,  welche  die  Wir- 
kung des  Nervus  deprelTor  hemmen  und  demnach  den  centripetal 
leitenden  Prelfores  beizuzählen  find.  Zu  einer  directen  vafocon- 
ftrictorifchen  Wirkung  auf  reflectorifchem  Wege  kommt  es  bei  einer 
Reizung  anderer  im  Splanchnicus  mitverlaufender  centripetal 
leitender  Fafern  fowie  auch  wahrfcheinlich  bei  einer  Erregung 
vieler  fenfibelen  Muskelnerven  (Afp),  während  umgekehrt  durch 
Reize,  welche  die  fenfibelen  Nerven  der  Zunge  (Lingualis)  treffen, 
die  gefäßerweiternden  Chordafafern  an  der  Submaxillaris  (Cl. 
Bernard),  und  durch  folche,  welche  die  Empfindungsnerven  der 
Eichel  erregen,  die  gefäßerweiternd  wirkenden  Nervi  erigendi  an 
der  Urethra  in  Thätigkeit  verfetzt  werden  (Eckhard).  In  den 
letzten  beiden  Fällen  wird  von  cerebrofpinalen  Centren  aus  auf 
Vafodilatatoren  (Chorda  tympani.  Nervi  erigendi)  gewirkt,  deren  er- 
weiternder Einfluß  auf  die  Gefäße,  wie  bereits  angedeutet  wurde, 


I 


85]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  479 

als  eine  Hemmung  verengender  Fafern  in  peripher  gelegenen  Cen- 
tren aufzufaffen  ilt.  Schließlich  fei  bemerkt,  daß  6^0?/.^  auf  Reizung 
fenfibeler  Nerven  auch  einen  erectionshemmenden  Einfluß  be- 
obachtete, welcher  fich  felbft  bei  Hunden  mit  querdurch fchnittencm 
Rückenmark  erhalten  zeigte  und  zu  feiner  Hervonufung  keiner 
bis  zur  Schmerzempfindung  gefleigertcr  Reize  bedurfte. 

Die  im  ^'^orhergehenden  mitgetheilten  Innervationsverhältniffe 
des  "SMrbelthierherzens ,  feine  Beeinflulfung  durch  den  Vagus  als 
Hemmungsnerven  einerfeits,  durch  die  accelerirenden  Fafern  andrer- 
feits,  beützen  nur  Gültigkeit  für  den  völlig  ausgebildeten  Organis- 
mus; auf  früher  Ent\ncklungsflufe  können  die  Dinge  wefentlich 
anders  liegen. 

B.    Werniclce    beobachtete ,    daß    am    Herzen    eines    Hühner-  Der  Heiz- 

fchlrt^  bei 

embryo'^j  vom  \'ierten  Bcbrütungstage  nach  Zufatz  von  0.1  ebenen  ^vil•l.cl- 
tiner  auf  38''  C.  erwärmten  U.4'*;oigen  Löfung  von  falzfaurem  ^"^„^'^"11" 
Chinin  fchon  nach  1  ^'2  Minuten  die  Zalil  der  Pulfationen  um  die 
Hälfte  fank  und  nach  5  Min.  völliger  Herzftillftand  eintrat.  In 
Verbindung  mit  den  EcMard' (chen  Beobachtungen,  daß  in  dem 
pulßrenden  embryonalen  Vogelherzen  keine  Ganglien,  ja  überhaupt 
keine  zellige  Elemente  vorkommen  und  nacli  dem  Anlegen  einer 
Stumiius' lachen  Atrioventricularligatur  am  Herzen  12tägiger  Hühner- 
embryonen Ijei  gewöhnlicher  Temperatur  zwar  nur  die  Vorhöfe 
puUiren,  ]>ei  37 — 40  "^  C.  aljcr  auch  der  Ventrikel  rhythmifch 
weiterfchlägt,  war  es  durch  den  WeriiicJce' i'chan  Verfucli  lehr  wahr- 
fcheinlich  geworden,  daß  das  embryonale  Vogelhcrz  rein  i)roto- 
pla.<matifche  Bewegungen  ^^)  ausführt  und  feine  Sclilagfolge  weder 
von  Mu.skclcontractionen  lieiTührt,  nocli  von  nervöfen  Organen 
ausgelölt  oder  regulirt  wird.  Allein  die  den  J'Jckhardlchcw  Angaben 
von  der  Abwefenlieit  der  Ganglien  im  embryonalen  Vogelherzen 
widevlpreclienden  Befunde  von  Jlis  geftutteten  eine  Iblche  8(;hluß- 
folgerung  nicht  zu  ziehen,  während  jedoch  andrerfeits  combinirte 
MuHcaiin-    und   Atropin Vergiftungen    mich   ebenfalls    lehrten,    daß 


480  Grundzüge  einer  vergleichenden  [8Q 

felbfl  in    fpäten    Stadien    der   Bebrütnng   von   einem  hemmenden 

Vaguscentrum  wie  beim  ent^\dckelten  Huhne  nichts  nachzuweifen 

ift.     Meine  Beobachtungen   ßnd  in   neuefter   Zeit   durch  Koherf^ 

fchätzenswerthe  Arbeit  noch  daliin  vervolllländigt,  daß  am  Herzen 

des  bebrüteten  Hühnerembryo  durch  Helleborein  bereits  am  vierten 

Tage  ein  charakteriftifcher ,    fyftoKfcher  Stillftand  bewirkt  werden 

kann,   während  Muscarin  noch  zwei  Tage  vor  dem  Ausfchlüpfen 

felbft  in   großen  Dofen    faß   ganz  wirkungslos   ift.     Einen  echten 

Muscarinffcillftand  des  Herzens  fah  Kohert  am  Hühnerembryo  über^ 

haupt  nicht   eintreten,  und  deuthche,    durch  Atropin    aufliebbare 

Pulsverlangfamung  hat  er  nur  in  den  letzten  24  Stunden  der  Be^ 

brütung  nach  Application  großer   Dofen  direct  auf  das  Herz  gC'- 

fehen;  nach  dem  Ausfchlüpfen  nahm  aber  die  Hemmungsvorrich« 

tung  rafch  an  Erregbarkeit  zu  und  war  beim  Hühnchen  fchon  am 

fiebenten  Tage   von  der  beim  ausgewachfenen  Thiere  kaum  noch 

zu  unterfcheiden.    Beim  Sperling  war  dagegen  noch  in  der  zweiten 

Woche   nach   dem  Ausfchlüpfen   die  Muscarin  Wirkung  eine   nicht 

ganz  vollkommene  und  nur  durch  große  Dofen  zu  erzielen. 

Nicht  fo  cjualitativ  (fondern  mehr  quantitativ)  verfchieden  von 
dem  Zuftande  des  erwachfenen  Thieres  wie  am  embryonalen 
Herzen  der  Vögel,  wo,  wie  beim  Hühnchen,  auf  den  oberen 
Herzabfchnitt  wie  auf  das  ganze  Herz  Muscarin  am  zwölften  Be- 
brütungstage  ohne  w^ahrnehmbare  Einwirkung  bleibt,  Hellen  fich 
die  Verhältniffe  bei  den  Säugethierföten  und  den  Batrachier- 
embryonen.  Aber  auch  bei  jungen  Katzen  und  Kaninchen  kommt 
es  einige  Tage  vor  dem  normalen  Ablauf  der  Schwangerfchaft  noch 
zu  keinem  richtigen  Muscarinftillftande,  fondern  nur  zu  einer  Ver- 
langfamung  des  Herzfchlags,  und  erft  nach  der  Geburt  nimmt  das 
Hemmungscentrum  allmälig  feine  volle  Function  auf,  während 
Hand  in  Hand  damit  die  Empfindlichkeit  der  Herzmaffe  gegen 
Muskelgifte  (Kupfer,  Digitalis)  entfchieden  abnimmt.  An  Kaul- 
quappen,   welche  erft  20  mm  lang  und  nicht  über  14  Tage  alt 


87]  Phyüologie  der  nervöfen  Ai)paiate.  481 

waren,  ließ  fich  der  ]\Iuscannftillfi;and  prompt  herbeiführen  (Kohert). 
bei  50  bis  1)0  mm  langen  Larven  von  Alytes  obstetricans  Nerven- 
ftämme  mit  anhegenden  Ganglienzellen  im  Vorhof  wie  im  ^inus 
venosus  demonftiiren  (E.  Zi&jlcr)  und  an  Iblchen  Thieren  auch 
durch  electrifche  Reizung  des  verlängerten  Markes,  des  Venenlinus 
und  dm'ch  den  Stannms' ichew  Schnittverfuch  das  Vorhandenfein 
eines  vollkommen  entAnckelten  hemmenden  Vaguscentrums  nach- 
weifen. Aehnlich  fielen  die  Verfuche  an  Salamanderembryonen 
(Jordnn)  und  an  kaum  20  mm  langen  Exemplaren  von  Rhodeus 
amarus  aus  (Kohert)  \  auch  l)ei  den  letztgenannten  Fifchchen 
fteUte  fich  em  durch  Atropin  zu  befeitigender  Muscarinftillftand 
am  Herzen  fchnell  und  vollltändig  ein.  Wenn  demnach  und  im 
Hinblick  auf  die  Verfuchsergebnilfe  am  Herzen  ausgewachfener 
Aale  (A.  B.  Meyer),  Karpfen  (C.  E.  E.  Hoffmann),  Hechte  (lind. 
Wagner,  Kafem-Bech  und  J.  Dogiel)  u.  f.  av. ''^),  bei  welchen  die 
VerhältnilTe  die  für  Wirbelthiere  allgemein  zutreffenden  und,  dit 
einzelnen  Entwicklungsftadien  am  Herzen  der  Teleoftier  ontogene- 
tifch  weit  weniger  als  bei  den  Vögeln  hervorzutreten  fcheinen,  Ib 
finrl  doch  andererfeits  die  phylogenetifchen  Abweichungen,  auf 
welche  Kohert  gerade  bei  den  Fifchen  ftieß,  für  uns  von  einer  um 
fo  größeren  Bedeutung.  Es  zeigte  fich  nämlich  fowohl  bei  Unter- 
fuchung  von  .S4  bis  98  mm  langen  Ammocoetes  l)ranchialis 
wie  aucli  an  ausgebildeten  Petromyzon  Planeri,  daß  ßcli  bei 
den  Cyclostfjmen  weder  beim  Einfetzen  in  muscarinhaltigi's  AValfer, 
nocli  bei  directer  Ap[)lication  einer  l"/oigen  Muscarinl(»fung  aui* 
das  freigelegte  Herz  am  Herzfcldage  irgend  etwas  ändci't.  und  (Ia(.< 
fomit  hier  eine  merkwürdige  Ausnalnne  von  doi-  Regel  zu  coii- 
ftatiren  ifi,  der  gemäß  alle  WirlM'lthierc  auf  >his('ariiiaiiplication 
mit  Pulsverhiiigfanmng  oder  mit  HerzftilKtand  reagiicii.  I)ii  nun 
aber,  wie  ich^')  gezeigt  ])abe,  die  I'ctromyztjntcii  lidi  in  «lein 
chemifdien  Aufbau  ilirer  (Jrgaiic  v<in  dem  allgemeinen  N'crluiltiii 
der  Wirbeithiere  nicht  »-ntfernen  und  auch  in  iblchen  Punkten,  w(» 


482  Grundzüge  einer  vergleichenden  .         [88 

(wie  z.  B.  bei  den  Verclaiiungsvorgängen)  zwifchen  ihnen  und  den 
höheren  Wirbelthieren  auffälhgere  Differenzen  beliehen,  diefelben 
keineswegs  Eigenthümhchkeiten  der  Peiromyzonten  lind,  fondern 
ßch  aucli  bei  einigen  Teleoftiern  wiederfinden,  fo  wird  es,  bevor 
eine  pliyüologifche  Würdigung  jener  Erfahrungen  am  Cj^cloftomen- 
lierzen  möglich  ift,  unbedingt  nötliig  erfcheinen,  auch  noch  die 
Ganoiden  und  Selachier  in  diefer  Richtung  zu  unterfuchen'^^). 

Trotz  einer  großen  Anzahl  von  Abhandlungen  find  wir  bei 
den  Mollusken  und  Crufi;aceen  über  das  negative  Refultat,  welches 
lieh  bezüglich  des  Hemmungscentrums  am  Petromyzonherzen 
ergab,  nicht  fonderlich  hinausgekommen  ''^).  Beobachtungen  über 
die  Herzinnervation  bei  Mollusken  find  von  Vulpian,  AI.  Brandt, 
Deiv-Smith  d'  Folter,  JDocjiel,  Yung  und  Kobert  mitgetheilt;  von 
diefen  beziehen  fich  die  Ywj^/fchen  Angaben  auf  Lamellibran- 
chiaten,  die  der  übrigen  Autoren  zumeilt  auf  Gaftropoden.  Dogiel 
war  der  erfte,  welcher  Ganglienzellen  im  Herzen  von  Mollusken 
gefehen  haben  wollte ;  er  gab  ihr  Vorkommen  in  den  Herzvorhöfen 
bei  P&cten,  Aplyfia  und  anderen  Species  an,  hielt  diefelben  aber 
für  apolar.  Yung  glaubte  ebenfalls,  in  der  Herzwand  des  Mufchel- 
herzens  nervöfe  Elemente  für  den  activen  Contractionsvorgang 
pofluliren  zu  müfien,  während  dagegen  Bew-Smith  &  FoRer  die 
Contractionen  am  Herzen  von  Helix  pomatia  als  protoplas- 
matifche  auffaßten.  Alles  in  allem  wird  über  das  Schneckenherz 
hinfichtlich  der  Ganglien  noch  nicht  endgültig  abgeurtheilt  werden 
können;  «nur  foviel  fteht  feft,  daß  höchftens  eine  Sorte  von  Gan- 
ghen,  nicht  aber  deren  zwei  darin  vorhanden  find»  (Kohert). 

Vulpian,  von  dem  ebenfalls  die  Angabe  herrührt "),  daß  am 
Herzen  der  Weinbergsfchnecke  Reizung  des  unteren  Schlundgan- 
ghons  oft  einen  diaftolifchen  Stillfland,  Reizung  des  oberen  Schlund- 
ganglions bisweilen  eine  Befchleunigung  der  Herzfchläge  bewirkt, 
wollte  beobachtet  haben,  daß  das  Helixherz  ebenfo  wie  das  der 
Wirbelthiere  in  einen,   durch  Atropin  zu  befeitigenden  Muscarin- 


89]  Phyüologie  der  iiervöfen  Ajjparate.  483 

ftillftaiid  verfetzt  werdeu  kann,  und  ich  ftand  auf  Grund  diefer 
Ausfage  des  fonft  fo  zuverläfligen  Forfchers  keinen  Augenblick  an, 
die  Anwefenheit  eines  Hemmungscentrums  im  IVIolluskenh erzen 
dadurch  für  bewiefen  zu  erachten.  Aufmerkfam  geworden  durch 
die  Einfprache,  welche  Yang,  Banfom  und  fpäter  Kobert  gegen  die 
Richtigkeit  des  Vidpian'ich.Qn  Verfuches  erhoben,  habe  aber  auch 
ich  mich  überzeugt,  daß  das  Muscarin  auf  das  Helixherz  unwirkfam 
ift  und  fomit  kein  Grund  mehr  vorliegt,  einen  Hemmungsapparat 
(nach  Art  des  Vaguscentrums  bei  den  Wirbelthieren)  in  dem  feil  )en 
anzunehmen.  Die  Befchleunigungen ,  welche  Yiimj  an  Mufcliel- 
herzen  fuwohl  nach  Reizung  der  von  den  Kieraenganglien  ab- 
gehenden Nervenfäden  wie  nach  Nicotin-  und  Veratrinapplication 
zu  fehen  bekam,  können  fehr  wohl  in  einer  directen  Beeinflulfung 
der  Herzmuskulatur  Ijegründet  liegen  und  fcheinen  mir  keineswegs 
die  ExiTlenz  eines  Hemnmngscentrums  ohne  Weiteres  zu  verbürgen. 
Das  einzig  Pofitive,  was  über  das  Molluskenherz  (fpeciell  an  Helix 
}>omatia)  lieber  zu  ermitteln  gelang,  bleiben  hiernach  der  in 
tj'pifcher  Form  zum  Ausdruck  kommende  fyftolifclie  Herzllill- 
ftand,  welcher  durch  die  verfchiedenften  Stoffe  aus  der  Digitalis- 
gruppe, })efonders  leicht  aber  durch  Helleborein  herbeizuführen 
ift,  und  die  Heraljfetzung  der  Leillungsfähigkeit  des  normalen 
Herzens  durch  Kupfer,  welche  durch  Phylbltigmin  wieder  geftei- 
gert  wird  (Kohcrt). 

Daß  (.'in  dem  Vaguscentram  im  Wirbelthierherzen  phyfiologifch 
gleich wcrthiger  HcnHiiungsa[)parat  auch  den  Herzen  der  Krel^fe 
und  Infekten  mangelt,  wirtl  von  allen  Forfchern  zugegeben,  welche 
Muscarin  und  Atropin  auf  Artliropodenherzen  fucceflive  einwirken 
ließen.  \'on  Interene  ift  fernerliiu,  daß  auf  diffe  Uvv/.vu  auch 
das  Helleborein  feine  Wii'kung  verfagt  (Kru/.rnhrrf/.  h'o/xr/).  und 
für  die  Arthropoden  hierdurch  ehi  Unterfcheidung.snierknial  von 
den  Mollusken,  eine  Uebereinftininiung  mit  den  Würmern  (Clej»- 
nine      Tubifex,     Nais    proboscidea    nach    Kolirrl)    angeltalint 


484  Grundzüge  einer  vergleichenden  [9Ü 

wird.  Was  nun  aber  die  Gegenwart  eines,  jedenfalls  anders  als 
bei  den  Wirbelthieren  gearteten  Hemmnngsapparates  im  Herzen 
der  Cruftaceen  und  Infekten  anbelangt,  fo  entfchied  fich  die  Mehr- 
zahl der  Unterfucher  für  die  Annahme  eines  folchen.  Einfchlägige 
Verfuche  hatten  fchon  C.  G.  Carus,  JE.  H.  und  Ed.  Weher  wie 
auch  Äl.  Brandt  angeltellt;  Eckhard  erzielte,  indem  er  am  Herzen 
eines  Cancer  pagurus  fämmtliche  vom  Gehirn  nach  dem  Schlünde 
und  zu  den  Seiten  desfelben  ziehenden  Nerven  oder  das  Gehirn 
felblt  electrifch  reizte,  einen  Herzftillftand  von  zwei  Minuten,  und 
durch  die  Unterfuchungen  von  Lemoine,  Dogiel,  Yung  und  Fei. 
Flateau  dürfte  für  die  Cruftaceen  wohl  als  endgültig  feftgeftellt  zu 
betrachten  fein,  daß  der  Herznerv  (nerf  cardiacque  Lemoine q)  ein 
accelerirender  Nerv  ift,  deüen  mechanifche,  electrifche  oder  chemi- 
fche  Erregung  den  Rhythmus  der  Herzbewegungen  erheblich  be- 
fchleunigt,  nach  dellen  Durchfchneidung  hingegen  lieh  die  Zahl 
der  Herzfchläge  vermindert,  während  hemmende  Fafern  vorwiegend 
oder  ausfchließlich  im  Bauchflrange  verlaufen.  Plateau  betrachtet 
•letztere  Nervenftränge  als  wahre  Antagoniften  des  Befchleunigungs- 
nerven,  obfchon  er  '^®),  auf  Yung's  mündliches  Urtheil  geftützt,  den 
von  Berger,  B.  Bessö  u.  A.  für  das  Krebsherz  verfuchten  Ganglien- 
nachweis nicht  als  einen  bindenden  anzuerkennen  vermag.  Ohne 
mich  über  den  Werth  der  hifliologifchen  Befunde  von  Ganglien- 
zellen in  den  Krebsherzen  äußern  zu  wollen,  muß  auch  ich  mich 
für  die  Gegenwart  eines  Hemmungscentrums  'in  diefen  ausfprechen. 
Ich  fand,  was  Flateau  beftätigte,  daß  bei  Astacus  fluviatilis 
das  Herz  ungleich  empfindlicher  gegen  Veratrin  ift  als  die  Skelet- 
muskulatur ;  der  durch  Veratrin  gefchaffene  Herzftillftand  ließ  ßch 
aber  durch  Digitalis  leicht  und  voUftändig  wieder  befeitigen,  und 
da  es  licherlich  fehr  unwahrfcheinlich  ift,  daß  diefer  Effect  der 
Digitalis  in  der  Aufhebung  eines  durch  das  Veratrin  bewirkten 
Reizzuftandes  der  Herzmuskelfafern  begründet  liegt,  fo  fehe  ich 
darin    ein   weiteres   Argument  für    die   Exiftenz   von   Hemmungs- 


Ol]  Phyßologie  der  nervcife-n  Apparate.  485 

apparateii  im  Aftacusherzen.  Icli  werde  jedoch  wohl  kaum  des 
Näheren  auszuführen  hrauchen,  daß  diefe  Hemmungs Vorrichtungen 
dem  Vaguscentrum  des  Wirhelthierherzens  nicht  als  « fubftantiell 
analog»''^)  zu  gelten  haben,  fondern  ßch  in  diefer  Beziehung  von 
jenem  fchon  durch  ihre  "Widerftandsfähigkeit  gegen  Muscarin  zur 
Genüge  unterfcheiden.  —  Nach  den  Ausfagen  von  AI.  Brandt  und 
Kohert  liegen  bei  Infekten  ähnliche  Verhältnifle  als  bei  den  Krebfen 
vor,  doch  ift  die  Herzinnervation  der  Infekten  viel  weniger  forg- 
fältig  ftudirt  worden  als  die  der  Krebfe. 

Der  Herzfchlag  bei  den  Salpen  ift  von  mir  zum  Gegenftande 
einer  befonderen  Unterfuchung  gemacht.  Jene  merkwürdige  Um- 
kehr in  den  Pulfationen  —  fo  lebhaft  erinnernd  an  jenes  al)- 
wechfelnde  Wogen  des  lieh  bald  in  diefer,  bald  in  jener  Richtung 
hin  fortwälzenden  Menfchenftromes  auf  dem  Brf)adway  von  New- 
York,  in  der  Ilue  de  Rivoli  von  Paris,  welche  zu  gewilfen  Tages- 
ftunden  der  gewaltigen,  fich  vorwärts  drängenden  VolksmalTe  keinen 
freien  Abzug  mehr  zu  gewähren  vermögen  —  ift  keine  Eigenthüm- 
lichkeit  des  Salpen-  und  Aseidienherzens.  Bereits  1805,  alfo 
17  Jahre  vor  van  Ha/Tdfs  Entdeckung  der  Umkehr  des  Blut- 
ftromes  bei  den  Salpen,  berichtete  J.  F.  F.  Braun  über  zwei 
große,  vom  Kopfe  bis  zum  Schwänze  beiderfeits  gefchlängelt  ver- 
laufende Gefäße  bei  Nephelis  vulgaris,  «in  welchen  fich  das 
Blut  fo  bewegt,  daß  das  eine  angefüllt  wird,  während  das 
andere  lieh  entleert».  Erft  1S2H  wurde  von  Joh.  Müller  das 
Phänomen  bei  demfelben  Wurme  wiederentdeckt,  von  K.  II.  Wrhrr 
für  junge  Blutegel  beftätigt,  und  bei  Serpulen  und  8al)elleii  ein 
ähnlicher  Wechfel  in  den  Pulfationen  an  dem  einheitlichen  Gefäß- 
ftammc  fi"ir  die  Kiemenfäden  von  (iruhc  (1H;}8)  l)Cobacht('t;  fpäter 
nahmen  auch  B.  J.  ran  Bcncdcn  und  Winälfchmann  (1841),  Oscar 
Schmidt  (18r)l)  und  (icf/ftihaur  (1870)  analoge  Erfcli(>inungen'  an 
den  }iüm<)]ynij)liatifchen  Räumen  in  d<'n  Embryonen  nackter  Pnl- 
MK'naten   (Limax)  wahr*"').     Wir    erfejjen    lii<niu'<     daß   eine    ah- 


486  Grundzüge  einer  vergleichenden  [92 

weclifelnde  Schlagfolge  der  automatifchen  Herzthätigkeit  lieh  bei 
Würmern  wie  bei  Molluskenembryonen  wiederfindet,  doch  tritt  die- 
felbe  nirgends  fo  klar  in  die  Erfcheinung  und  ladet  nirgends  fo 
fehr  zm-  Unterruchung  ein  als  bei  den  äußerlt  durchfichtigen  und 
großen  Salpenformen. 

Die  an  dem  Salpenherzen  bald  den  Kiemen  (ad^dsceral, 
«courant  cardio-branchiaque»  Laca^e  -  Duthiers) ,  bald  der  Aorta 
(abvisceral)  zu  gerichteten  Pulfationen  fchwanken  in  ihrer  Zahl 
auch  unter  natürlichen  VerhältnilTen  ganz  ungemein,  und  das  von 
mir  als  Norm  angenommene  Verhältniß,  wo  12  adviscerale  Schläge 
15  bis  20  Secunden  und  die  darauf  folgenden  3  bis  6  ab  visceralen 
Schläge  einfchließüch  der'  zwifchen  beiden  Schlagfolgen  meift  be- 
ftehenden  Paufe  ungefähr  die  gleiche  Zeit  in  Anfpruch  nehmen, 
ändert  lieh  fofort  fehr  erheblMi,  wenn  das  Walfer  der  Umgebung 
feine  natürliche  Frifche  und  Befchaffenheit  eingebüßt  hat.  Dann 
nehmen  die  einer  Schlagreihe  zugehörigen  Pulfationen  oft  um's 
Vielfache  an  Zahl  zu,  die  Schläge  werden  weniger  kräftig,  ohne 
daß  aber  ein  Gefetz  anzugeben  wäre,  nach  dem  fich  beftimmen 
Heße,  wann  eine  neue  Umkehr  erfolgen  wird  oder  wie  viele  Con- 
tractionen  bei  den  nächften  Wechfeln  den  advisceralen  und  den 
abvisceralen  Schlagreihen  angehören  werden.  Noch  mehr  ge- 
fchwächt  verlaufen  die  Pulfationen,  wenn  das  Gefäßfyltem  durch 
Verllümmelung  des  Thieres  blutarm  geworden  ift,  und  zum  Unter- 
fchiede  von  dem  Krebsherzen,  delTen  hinterer  Theil  auch  nach 
querer  Halbhung  des  ifolirten  Herzens  fortfährt  zu  pulflren  und 
erft  dann  zur  Ruhe  kommt,  wenn  diefer  weiterliin  in  zwei  fym- 
metrifche  Hälften  zerlegt  wird,  fchlägt  das  angeftochene  und  da- 
durch blutleer  gewordene  Salpenherz  nicht  mehr  fort. 

Es  ift  mir  gelungen,  einige  Thatfachen  aufzufinden,  welche 
auf  eine  Auslöfung  beider  Schlagfolgen  durch  gangliöfe  Apparate 
fchließen  laffen,  wennfchon  meines  Wilfens  Ganglienzellen  im 
Herzen  der  Salpen  mikrofkopifch  noch  nicht    nachgewiefen  und, 


93]  Phyfiologie  der  nervöfen  Apparate.  487 

und  deren  Annahme  zau'  Erklärung  der  automatifchen  Bewegungen 
des  Herzens  trotz  der  quergeltreiften  Befchaffenheit  der  Herzmuskel- 
fafeni  manches  Bedenkhche  hat.  Muscarin  wie  Atropin  erwiefen 
fich  auf  das  Salpenherz  als  durchaus  unwirkfam;  durch  ^"eratrin 
und  Chinin  waren  nur  incompenfirbare  Herzlähmungen  zu  erzielen, 
und  das  Curare  beßtzt  allem  Anfcheine  nach  eine  lähmende  AVir- 
kung  auf  die  Muskelfafern  als  folche,  an  denen  alsdann  Kampher 
die  letzten  Spuren  einer  Erregbarkeit  deutlicher  hervortreten  läßt. 
Es  glückte  mir,  wie  gefagt,  zwei  Subßanzen  ausfindig  zu  machen, 
durch  welche  die  Zahl  der  Pulsfchläge  nach  ein  und  derfelben 
Richtung  einerfeits  vermehrt  und  andererfeits  vermindert  werden 
kann;  erlleres  gelingt  durch  Helleborein,  welches  die  ad\dsceralen 
auf  Koften  der  abvisceralen  Herzfchläge  auf  mehrere  hundert,  ja 
über  taufend  fteigert,  letzteres  durch  Nicotin,  welches  nach  zwei 
oder  drei,  oft  aber  fchon  nach  einer  einzigen  Pulfation  die  Schlag- 
folge zur  Umkehr  zwingt.  Ein  Vergleich  des  Mechanismus  am 
Salpenherzen  mit  dem  am  Krebsherzen  lehrt  demnach  wenigftens 
foviel,  daß  das  Herz  der  Salpen,  ganz  abgefehen  von  der  peiiodi- 
fchen  Umkehr  feiner  Pulfationen,  welche  es  auch  dem  Mollusken- 
herzen functionell  fo  unähnhch  macht,  normal  anderen  Impulfen 
feine  Rhythmik  verdankt  als  das  der  Cruftaceen. 

Daß  die  Farben wechfelapparate^M  ebenfo  wie  die  Propulüons- nie  inner 

^  -^  '  vnlion  de: 

Organe  für  die  inneren  Emährungsfäfte  eine  Abgrenzung  im  phyfio-  1''«'^'^^» 
logifchen  Sinne  nothwendig  machen,  begründete  San  Giovanni 
durch  die  eigene  Lagerung  und  Structur,  durch  die  functionello 
Verkettung  aller  einem  folchen  Apparate  zugehörenden  Theilo  und 
durch  die  Eigenartigkeit,  mit  welcher  fich  deren  Zu fammen wirken 
äußert;  ich*-^)  wies  ferner  darauf  hin,  daß  fich  nirgendwo  die  Be- 
griffe einer  functionellen  und  einer  caufalcn  Analogie  fchärfti-  prä- 
cifiren  und  deren  Gmndverfchiedenheiten  beffer  dartlinii  Im  den  als 
gerade  an  diefen  Organnnlagen. 

Je  nachdem  der  jK-riphere  Endtbcil  <in('H  Farben wechfclappa- 


der 


weclifel- 
82\  apparnte. 


488  Grundzüge  einer  vergieicheiiden  [94 

rates  protoplasmatifcher  Bewegungen  fähig  ift  oder  durch  Muskeln 
in  Thätigkeit  verletzt  wird,  fprechen  wir  bekannthch  von  Chroma- 
toblaften  oder  von  Chromatophoren,  und  wir  wilfen  bereits  (vgl. 
S.  274),  daß  auch  jene  gleich  diefen  nervöfen  EinflüITen  unter- 
worfen und.  Richtige  Chromatophoren  lind  bei  Mollusken  die 
Regel,  bei  anderen  Typen  Ausnahmen.  Die  bei  den  Chroma- 
tophoren um  die  Pigmentkörper  Itrahlenförmig  gruppirten  Muskel- 
flränge  wiefen  Kolliher  und  H.  Müller  wie  Gegenhaur  bei  mehreren 
Species  der  Gattung  Tiedemannia  nach^''=),  und  die  contractile 
Natur  der  fich  an  die  Pigmentkörper  in  der  Cephalopodenhaut 
inferirenden  Fafern  ift  durch  die  Beobachtungen  von  Kölliker,  Harleß, 
H.  Müller,  Boll  und  vielen  Anderen  jedem  Zweifel  enthoben;  be- 
züglich der  Chromatophorenmuskulatur  der  Cephalopoden  werden 
zwar  immer  wieder  von  neuem  Stimmen  gegen  eine  folche  Deutung 
laut,  und  diefe  werden  ficherlich  auch  nicht  eher  verftummen,  als 
lieh  die  Ueberzeugung  allgemein  befeftigt  haben  wkd,  daß  am 
lebenden  Gewebe  die  contractile  Befchaffenheit  der  Radiärfafern 
an  dem  Wechfel  von  Zufammenziehung  und  Erfchlaffung  der 
Fafern  leicht  zu  conflatiren  ift,  während-  die  abgeftorbenen  Muskel- 
fäden ihre  functionelle  Beftimmung  kaum  noch  errathen  lalTen. 

Wenn  ich  mich  nun  zu  einer  Darftellung  des  Chromatophoren- 
fpieles  bei  den  Cephalopoden  wende,  fo  muß  ich  vorausfchicken, 
daß  das  Vorzutragende  in  vollem  Umfange  ausfchließlich  auf 
Eledone  moschata  paßt.  Bei  Octopus,  Loligo,  Sepia  und 
Sepiola  fcheinen  die  Verhältniffe  zwar  fehr  verwandte  zu  fein,  aber 
bei  diefen  Arten  gelingt  es  keineswegs,  üch  über  die  Anordnung 
der  einzelnen  Organtheile  in  der  einfachen  Weife  wie  bei  Eledone 
Gewißheit  zu  verfchaffen;  in  Folge  der  von  Yung  ganz  mit  Un- 
recht behaupteten  Identität  der  Apparate  bei  allen  unterfuchten 
Cephalopoden  lind  die  von  mir  mit  aller  Sorgfalt  ermittelten  That- 
fachen  nur  durch  fchlechte  Beobachtungen  entftellt  und  verwirrt 
worden. 


95]  Phyfiologie  der  nervOren  Apparate.  489 

Daß  das  Clu-omatophoreufidol  bei  den  Cephalopoden  dem  Willen 
des  Thieres  unterliegt,  lehrt  fcbon  die  einfache  Beobachtung,  daß 
fich  bei  pfycliifchen  Erregungen  die  Eledone  bräunt  und  daß  andere 
Species  (z.  B.  Sepiola  Rondeletii  nach  Frcdcricq)  fich  der 
Unterlage  und  der  Umgebung  in  ihrer  Färbung  anpalTen.  Frcdericq 
glaubte  annehmen  zu  füllen,  daß  das  untere  Schlundganglion  das 
nervöfe  Centrum  für  den  Farbenwechfel  fei,  doch  war  bereits  früher 
von  Klemcnlieuicz  gezeigt,  daß  Reizung  des  Ganglion  opticum  eben- 
falls den  activen  Zuftand  an  den  Chromatophoren  auslüft  und 
coloratorifche  Nervenftränge  fowohl  in  den  PeduncuHs  wie  auch 
in  dem  unteren  Theile  des  oberen  Schlundganglions  verlaufen,  an 
welchem  Reizungen  des  Haubentheiles  allerdings  fich  als  wirkungs- 
los auf  die  Chromatophoren  erweifen:  Die  centralen  Erregungen 
werden  durch  die  Pallealnerven,  von  denen  ein  jeder  die  zugeliörige 
Köq)erhälfte  innervirt,  auf  die  Chromatophoren  des  Mantels,  durch 
die  Trichternerven  auf  die  des  Trichters,  durch  die  Brachialnerven 
auf  die  der  Arme  übertragen  und  Ijleiben  felbllverftändlich  ohne 
Einfluß  auf  die  Pigmentköq)er,  wenn  die  fie  indirect  verforgenden 
coloratorifchen  Nerven  durchfchnitten  werden.  Jeder  Reizzultand 
des  ners'öfen  Centrums  äußert  lieh  in  einer  Braunfärl)ung  der 
Haut,  während  jede  Lähmung  ein  Erblallen  des  Thieres  nach  fich 
zielit.  Ein  Lähmungszuftand  an  den  Chromatophoren  refultu-t  aber 
nicht  imr,  wenn  das  untere  Schlundganghon  entfernt  wird,  oder 
wenn  die  zu  den  Chromatophoren  tretenden  Nerven  durchfchnitten 
werden,  fondern  wir  kennen  im  Chinin  auch  ein  Mittel,  welches 
ohne  die  mehr  peripher  gelegenen  Theile  des  Farbenwechfela}»i»a- 
rates  irgendwie  zu  bceiriflulfen,  lähmend  auf  das  coloratorifche  Cen- 
truni  im  (iehirn  einwirkt  und  deshall)  nicht  weniger  lichei-  eine 
Weißfärbung  der  Haut  veranlaßt  als  die  angeführten  l)lutigen 
Operationen. 

Kur/  bevor  die  Nerven  lieh  an  die  Radiärläfern  begclH-n, 
treten  lie  in  ganglionärc  Gebilde  ein,  durcl)  welche  wir  weit  directer 


490  Grundzüge  einer  vergleichenden  [96 

auf  die  Chromatophoren  einwirken  können  als  von  den  Schlund- 
ganglien aus.  Diefe  den  Radiärfafern  unmittelbar  anliegenden 
Ganglien,  welche  als  die  Endigungen  der  coloratorifchen  Nerven  auf- 
zufalTen  find,  vermögen  wir  durch  Nicotin  zu  erregen  und  fo  eine 
Braunfärbung  herbeizuführen,  durch  Strychnin  zu  lähmen  und  fo 
das  Braun  in  ein  reines  Weiß  zu  verwandeln;  äußerft  verdünnter 
Nicotin-  (1  :  100  000)  oder  Strychninlöfungen  (1  :  40  000)  benöthigt 
es,  um  an  den  lebenden  Thieren  oder  an  frifch  abgetrennten  Haut- 
ftücken  diefe  Erfolge  in  kürzefter  Frift  zu  erzielen.  Partieen  der 
Haut,  an  welchen  die  peripheren  GangHen  durch  StrjThnin  voll- 
kommen gelähmt  und  dadurch  fämmtliche  nervöfe  Einfl.üne  zu 
den  Chromatophoren  abgeftellt  find,  vermögen  mr  abermals  auf 
experimentellem  Wege  ein  braunes  Colorit  zu  verleihen  und  diefes 
alsdann  wiederum  zum  Verblafien  zu  bringen.  Es  gelingt  das, 
indem  wir  auf  die  Radiärfafern  unmittelbar  einwirken,  diefelben  er- 
regen durch  Chloroform  und  fie  nachträglich  lähmen  durch  Kampher. 
Aber  auch  an  den  durch  Kampherapplication  weiß  gewordenen 
Eledonen  ruft  eine  electrifche  Reizung  der  Haut  eine  ganz  circum- 
fcripte,  niemals  jedoch  eine  ausgedehntere  Bräunung  wie  bei  in- 
tacter  Nerven  Verbindung  hervor;  diefer  Befund  belehrt  uns  fchließ- 
lich  noch  darüber,  daß  den  Pigmentkörpern  ^^)  noch  benachbarter 
als  die  peripheren  Infertionen  der  Radiärfafern  contractile  Elemente 
(entweder  die  «protoplasmatifche  Malfe»  Klemenßewic^'s  oder  die 
«cellules  bafilaires»  Paul  GirocTs)  lagern,  welche  Kampher  nicht 
lähmt,  electrifche  Ströme  wie  ffcarke  Säuren  aber  zur  Zufammen- 
ziehung  bringen.  So  gelang  es  uns  durch  die  Methode  der  com- 
binirten  Vergiftung,  ein  wahrheitsgetreues  Bild  von  der  Anordnung 
der  einzelnen  Theile  jenes  fo  wunderbaren  Farbenwechfelapparates 
bei  den  Cephalopoden  zu  entwerfen  und,  was  zu  den  größeften 
Seltenheiten  gehört,  an  der  Hand  des  Experimentes  der  hiftio- 
logifchen  Forfchung  voranzueilen. 

Am   Chamäleon   führten  die  Sections-  und   combinirten  Ver- 


97]  Phyüologie  der  nervöfen  Apparate.  491 

giftungsverfuche  zu  nicht  weniger  bindenden  SehlüITen.  Ohne  m 
Abrede  zu  ßeUen,  daß,  wde  Studiati  und  FaiimRecher^^)  wollen, 
beim  Chamäleon  die  einzelne  Chromatophore  auch  als  eine  mit 
Pigment  imprägnirte  Muskelplatte  aufgefaßt  Averden  kann,  denken 
vär  uns  der  größeren  Einfachheit  wegen  ein  folches  Gebilde  aus 
einem  inneren,  mit  gefärbter  Materie  angefüllten  Säckchen  und  aus 
einem  diefes  umgreifenden  Muskelfphincter  beftehend.  Der  active 
Zuftand  der  Chromatophore ,  welchem  eine  Contraction  dos 
Öphincters  entfpricht,  documentü't  fich  demnach  in  einem  Heller- 
werden, der  paflive  Zuftand  der  Chromatophore  dagegen  in  einem 
Dunklerwerden  der  Haut,  und  es  walten  Ibmit  beim  Chamäleon 
gerade  die  umgekehrten  Verhältniffe  ob  als  bei  den  Cephalopoden. 
Das  Centrum,  von  dem  beim  Chamäleon  die  Chi-omatophoren 
aus  inuervirt  werden,  liegt  im  Rückenmarke;  bei  feiner  Erregung, 
fei  es  electrifch,  fei  es  durch  Strychnin,  Pikrotoxin  u.  dgl.  m.,  tritt 
bei  reinen  Verfuchen  allemal  ein  Hellerwerden  der  Haut  ein, 
während  die  Zerftörung  des  Hals-  und  ßrufttheiles  des  Rücken- 
markes ein  fofortiges  Schwarzwerden  der  von  diefen  Bezkken  ver- 
forgten  Hautpartieen  nach  üch  zieht.  Diefes  allem  Anfcheinc  nach 
automatifch  wirkende  Centrum  im  Rückenmarke  fteht  fernerhin 
mit  zwei  Hemmungscentren  in  Verbindung,  die  durch  die  meiften 
Gifte  mehr  oder  minder  ftark  in  Mitleidenfchaft  gezogen  werden 
und  conft^nte  Vergiftungsbilder  kaum  erzielen  lallen.  Der  eine 
diefer  beiden  Hemmungsapparate  befindet  üch  ebenfalls  im  Rücken- 
mark, und  feine  Wirkung  äußert  lieh  befonders  dann,  wenn  Licht- 
reize, welche  die  Haut  treffen,  durch  centripetal  verlaufende  Haut- 
nerven ihm  übermittelt  werden.  Diefes  Hemnumgscentrum  tritt 
jedoch  nur  dann  in  Wirkfamkeit,  wenn  keine  ftärkcre  Erregungen 
von  dem  eigenthch  colcjratorifchen  Centrum  den  Chromatopliorcii 
zufiießen,  und  fein  EinHuß  auf  das  automatifchc  Centrum  ift  zweifcl- 
lo.s  viel  geringer  als  der  des  zweiten  Hennnungsapparate.s,  welcher 
n-inen    Sitz  im   Gehirn  und   nicht,   wie  es   nach   />//'s  Angaben 

Krukenberg,  Verj{l.-i>h>flol.  Vortrügo  •" 


492  Grundzüge  einer  vergleichenden  [98 

fcheinen  könnte,  unterhalb  der  Medulla  oblougata  hat.  Auf 
Reizung  der  Augenfliele  Hellt  fleh  regelmäßig  eine  Schwärzung  der 
Haut  ein,  während  im  Schlafe  und  in  der  Aethernarkofe  die  Cha- 
mäleonen  den  äußerften  Grad  von  BlälTe  annehmen.  Trotzdem 
auch  nicht  näher  eruirt  wurde,  wo  im  Gehirne  jenes  Hemmungs- 
centrum localifirt  ift,  fo  geht  aus  diefen  Thatfachen  doch  wenig- 
ftens  foviel  hervor,  daß  dasfelbe  in  Theilen  des  Gehirnes  wurzelt, 
welche  fowohl  im  Schlafe  als  in  der  Aethernarkofe  außer  Action 
gefetzt  werden. 

Die  Effecte,  welche  beim  Chamäleon  durch  unmittelbare  Er- 
regungen des  coloratorifchen  Centrums  auf  die  Chromatophoren  aus- 
geübt werden,  lalfen  fleh,  ganz  abgefehen  von  den  leitenden  Nerven- 
faferfträngen  an  fleh,  noch  auf  einem  doppelten  Wege  befeitigen: 
erftens,  indem  auf  die  Nervenendigungen  und  zweitens,  indem  auf 
die  Chromatophoren  als  folche  eingewhkt  wird.  Das  auf  die  Färbung 
der  Chamäleonhaut  am  zuverläfligfl:en  wirkende  Gift  ifl;  das  Curare ; 
diefes  lähmt  die  Endapparate  der  coloratorifchen  Nerven  in  den 
Chromatophorenfphincteren  ebenfo  fleher  als  die  der  motorifchen 
Nerven  in  den  quergeftreiften  Muskeln  und  führt  fomit  eine  voll- 
ftändige  Schwärzung  der  Haut  herbei.  Diefer  Expanflonszuftand 
der  Chromatophoren  ift  an  frifch  abgetrennten  Hautftücken  indeß 
nicht  zu  erzielen,  erlifcht,  wenn  er  am  lebenden  Thiere  hervor- 
gerufen wurde,  fowohl  bei  electrifcher  Reizung  der  Haut  wie  auch 
beim  Abfterben  derfelben  regelmäßig  wieder  und  weift  durch  feine 
Unbeftändigkeit  auf  Veränderungen  hin,  welchen  die  Chromatophore 
als  folche  unterworfen  und  denen  fchwer  beizukommen  ifl;.  Nm* 
foviel  ift  gewiß,  daß  die  Chromatophoren  durch  Chloroform  me 
Morphin  direct  in  einen  andauernden  Lähmungszuftand  verfetzt 
werden  und  der  electrifche  Strom  fle  noch  verhältnißmäßig  lange 
nach  dem  Tode  des  Thieres  zur  Contraction  bringt. 

Die  im  Vorftehenden  refumirten  Ergebnifle  meiner  Unter- 
fuchungen  und  meine  fchematifche   Ausführung  der  Einrichtung 


93J  Phyßologie  der  nervöfen  Apparate.  493 

des  Farbenwechfelapparates  beim  Chamäleon  erklären  fämmtliclie 
'  bislang  darüber  angeftellten  Beobachtungen;  wir  kommen  über  die 
Schwierigkeiten  hinweg,  welche  BrücJce  gar  nicht  oder  nur  einer 
höchft  gezwungenen  Deutung  zugängig  zu  machen  wußte,  und  ge- 
rathen  bei  miferen  Erklärungen  nicht  auf  (o  fundamentale  Al)wege 
wie  kurz  zuvor  noch  Faul  Bert,  welcher  die  Pigmentkörper  nach 
Art  der  nackten  Protoplasmamalfen  als  felbltcontractil  und  unter 
doppeltem  NerveneinfluITe  (eines  Diktator  und  eines  Conflrictor) 
ßehend  anfah. 

Nachdem  von  r.  Wittich  gezeigt  war,  daß  electrifche  oder 
mechanifche  Reizungen  der  Frofchhaut  ein  Hellcrwerden ,  eine 
Zufammenziehung  der  Pigmentkörper  zur  Folge  haljcn,  und  der- 
felbe  Zuftand  refultirt,  wenn  die  Thiere  nur  wenige  Zeit  intenliver 
belichtet  (Rana  esculenta)  oder  aus  kalten  Räumen  in  günlliger 
temperirte  verfetzt  werden  (Hyla  arborea),  nachdem  ferner  J".  Li/lrr 
bewiefen  hatte,  daß  der  directe  Lichteinfluß  auf  die  Pigmentkörper 
nur  ein  lehr  geringer  fein  kann,  und  die  auffälligeren  Lichteffecte 
nur  reflectorifch  durch  Vermittlung  des  Sehorgans  und  ner\»öfcr 
Leitungsbahnen  auf  die  Pigmentzellen  übertragen  werden,  erfulu- 
die  Lehre  von  dem  Farbenwechfel  der.Am})liibien  nochmals  einen 
Rückfchlag,  indem  nämlich  Golt^  darauf  Iteftand,  daß  die  mit  der 
Farbenänderung  einhergehende  Umgeftaltung  der  Pigmentzellen 
niclit  durcli  einen  umnittelbaren  Nerv^eneinfluß  Ijowirkt  wei-de, 
fondern  daß  vielmehr  die  Nerven  zunächll  auf  die  Gefäße  ein- 
wirken und  die  Pigmentzcllen  erft  fecundär  wegen  des  Wechfels 
im  Blutreichtlium  der  Haut  ihre  Geftalt  verändern.  Nach  den 
politiven  Refultaten  aber,  welche  an  abgetreimten  HautRücken 
fowie  an  l)losgelegten  Nerven  bei  den  Reizverfuchen  zu  erlangen 
waren,  nmß  die  (roltyi'cho  Idee  eVjcnfo  wie  die  Annahme  diefes 
Forfchers,  daß  nacli  v<)lliger  Zerftörung  des  (JeliiinriickenmarkeH 
die  Durch fchneidung  von  Hautnerven  noclj  von  einer  Wirkinig 
auf   die    Pigmentzellen   l^egleitet   ilt,   als  eine   verfehlte  bezeichnet 

31» 


494  Gnmdzüge  einer  vergleichenden  [100 

werden;  wenigftens  denke  ich  mir  die  Einrichtung  des  Farben- 
wechfelapparates  bei  den  Fröfchen  von  einer  wefenthch  anderen 
Form. 

Von  Henfche  war  angegeben  worden,  daß  in  der  Frofchhaut, 
auch  abgefehen  von  den  Drüfen,  Muskelfafern  vorkämen,  und  es 
würde  hiernach  die  Möghchkeit  nicht  auszufchheßen  fein,  daß  der 
Farbenwechfel  der  Fröfche  ebenfo  wie  derjenige  der  Cephalopoden 
und  Chamäleonen  durch  ein  abwechfehides  Erfchlaffen  und  Zu- 
fammenzielien  von  contractilen  Faferzellen  zu  Stande  komme. 
Weder  Leydig  noch  Stieda  haben  indeß  Muskelfafern  in  der  Frofch- 
haut  auffinden  können,  und  feitdem  von  0.  Ssczesny  die  Ver- 
bindung der  Pigmentzellen  mit  Nerven  endgültig  nachgewiefen  ift, 
kann  überhaupt  kein  Zweifel  mehr  beftehen,  daß  es  lieh  in  diefem 
Falle  nicht  um  Chromatophoren ,  fondern  um  Chrom atoblaften 
handelt.  Wie  FoucJid^'^)  zuerffc  betonte,  läßt  fich  bei  Gebilden  diefer 
Art  nicht  gut  von  einem  activen  und  pafliven  oder  von  einem  Con- 
tractions-  und  Erfchlaffungszuftande  reden,  fondern  wir  lind  dabei 
lediglich  auf  die  Unterfcheidung  eines  arrondirten  und  eines  ex- 
pandirten  Zuftandes  angewiefen;  letzterer  deckt  lieh  nur  inföfern 
mit  einem  activen  Zuftande,  als  er  es  ift,  in  welchen  die  Chroma- 
toblaften  bei  totalen  Erregungen  überzugehen  pflegen. 

Die  Chromatoblaften  in  der  Frofchhaut  befinden  fich  mit  dem 
Gehirne  in  einer  phyfiologifch  ununterbrochenen  nervöfen  Verbin- 
dung, und  zwar  ift  es  der  Sympathicus,  dem  nach  einigen  Ver- 
fuchen  von  Axmann  und  v.  Wittich  hierbei  eine  wichtige  Rolle 
zufällt.  Das  automatifche  Centrum  für  den  Farbenwechfel  befindet 
fich  höchft  wahrfcheinlich  im  Thalamus  opticus ;  denn,  wie  bereits 
V.  Wittich  wußte,  führt  eine  jede  Reizung  der  MeduUa  spinalis  eine 
Entfärbung  der  gefammten  Haut  herbei,  und  J.  Steiner  verdanken 
wir  die  fchöne  Thatfache,  daß  Wegnahme  des  Thalamus  opticus 
die  Haut  immer  dunkel  macht,  und  die  dunkele  Farbe  fich  alsdann 
bis  zum  Tode  ausnahmslos  erhält.     Um  die  Lichtwirkungen,  welche 


101]  Phyüologie  der  nervo fen  Apparate.  495 

fich  au  den  Chi'omatoblaften  der  Frofchhaut  im  umgekehrten  Siune 
als  an  den  Chromatophoren  beim  Chamäleon  äußern,  mitzuerklären, 
bedürfen  wü-  aber  noch  der  Annahme  acceirorifcher  Ganglien, 
welche  nothwendig  in  vorderen  Hirntheilen  gelegen  fein  muffen, 
und  bei  deren  Erregung  der  gewöhnlich  immerhin  nur  fchwache 
Chromatoblaftentonus  bedeutend  zu  fteigern  ift;  außer  mit  diefen 
verflärkenden  Apparaten  mag  das  chromatoblaftifche  Centrum  im 
Thalamus  opticus  lieh  .auch  noch  mit  anderen  Gehirnganglien 
in  unmittelbarer  nervöfer  Verbindung  befinden,  w^elche  in  ihrem  Er- 
regungszuftande  hemmend  auf  dasfelbe  einwirken,  wenn  fchon  bei 
Unterhaltung  eines  imr  fchwachen  Tonus  vom  chromatoblaftifchen 
Centrum  aus  die  fpontanen  Farbenveräiidei'ungen  die  Annahme 
folcher  Hemmungsvorrichtungen  nicht  gerade  unabweisbar  machen. 
Die  Behauptung  Uinimcrmann's  jedoch,  daß  üch  das  Centrum  für 
den  Farbenwechfel  durch  die  MeduUa  oblongata  und  die  ganze 
Länge  des  Rückenmarkes  erftrecke,  ift  thatfächhch  unrichtig  und 
feine  Anficht,  daß  es  in  der  Haut  felbft  eigene  gangliöfe  Vor- 
richtungen für  den  Farbenwechfel  gebe,  ftützt  gegenwärtig  keine 
einzige  Beobachtung,  da  alles,  was  einer  derartigen  Meinung  Yov- 
fchub  gewähren  könnte,  cbenfo  einfach  durch  eine  directe  Ein- 
wirkung auf  die  Chromatoblaften  verftändlich  wird. 

Ueber  den  Farbenwechfel  der  Fifche  ift  vielleicht  das  Meifte 
gefchrieben,  doch,  lediglich  die  Unterfuchungen  von  G.  Fouchet, 
welche  ich  durchgängig  beftätigt  fand  und  nur  in  wenigen  Punkten 
zu  ergänzen  vermochte,  geben  uns  ein  Bild  von  der  Anordnung  der 
einzelnen  Theile  diefes  nach  gewiller  Seite  hin  ebenfo  eigenthüm- 
lichen  Apparates  als  der  des  Cliamäleons  und  der  der  Cephalopoden. 
Es  ift  als  feftgeftellt  zu  eracliten,  daß,  wie  l)ei  den  Fröfchen,  fo 
auch  bei  den  Fifclien  die  Pigmentküri>er  Clu'omatoblaften  lind, 
welche  fich  durch  Nerven  mit  dem  Gehirne  in  ununterl)roclienem 
Connex  befinden.  Ponchct  hat  wiclitige  Erlahrungcn  über  diele 
nei-vöfe  Verknüpfung  nntgetheilt,  denen  gemäß  der  große  Syrapa- 


496  Crrundzlige  einer  vergleichenden  [102 

thikus  als  der  coloratorifche  Nerv  anzufprechen  ift.  Die  Pleuro- 
nectiden,  welche  vdr  ausfchließlich  in  Betracht  ziehen  wollen,  er- 
fcheinen  wie  die  Fröfche  nach  klarem  Sonnenfcheine  allemal  lichter 
gefärbt  als  nach  einem  längern  Aufenthalte  im  Dunkeln;  aber  an 
ihnen  ifl  der  Einfluß  der  Behchtung  ein  weit  mehr  in  die  Augen 
fpringender  als  an  den  Fröfchen,  und  diefer  erlaubt  auf  T\'illkür' 
liehe  Effecte  an  den  Farbftoffzellen ,  welche  nach  Seneca's  Be- 
richtet^) fchon  den  alten  Römern  geläufig  waren,  eigenthch  nur 
aus  den  Abfterbe-  und  AnpalTungserfcheinungen  zu  fchheßen.  Kein 
Nervengift  iffc  aufzufinden  gewefen,  durch  welches  den  Pleuronec- 
tiden  ein  beflimmtes  Colorit  der  Haut  zu  verleihen  gelungen  wäre, 
obgleich  lieh  auch  bei  ihnen  die  Ghromatoblaften  empfindhcher 
als  beim  Frofch  erweifen  und  nicht  nur  durch  electrifche  und 
mechanifche  Reize,  fondern  auch  durch  Kampher  an  abgelöften 
Hautftücken  zur  Zufammenziehung  zu  bringen  find.  An  der  Ober- 
feite von  Zeus  faber  und  Solea  platessa  fah  ich  wiederholt  die 
Mafchen  des  Siebes,  auf  welches  die  todten  Fifche  geworfen  waren, 
fich  als  weiße  Netze  von  den  dunkelen  Carres  ebenfo  deuthch  ab- 
heben als  bei  Cephalopoden ,  die  mit  ihnen  em  gleiches  Schickfal 
theilten.  Alles  in  allem  ift  die  Einrichtung  des  Farbenwechfel- 
apparates  bei  den  Pleuronecticlen  eine  fehr  ähnfiche  wie  die  der 
Fröfche.  Die  Chromatoblaften  Itehen  durch  den  als  coloratorifchen 
Nerv  funghenden  großen  Sympathikus  mit  Gehirnganglien  in 
directer  Verbindung,  und  der  von  diefen  aus  an  den  Pigmentzellen 
unterhaltene  fchwache  Tonus  kann  verftärkt  werden,  fowolil  durch 
lichtempfindüche  fenfibele  Hautnerven  als  auch  von  Centren  aus, 
welche  der  Willkür  des  Thieres  unterworfen  find.  Erftere  find  in- 
deß  den  letzteren  an  Einfluß  bedeutend  überlegen,  und  gerade 
hierin  manifeftnt  fich  die  Eigenartigkeit  des  Apparates  bei  den 
Pleuronectiden. 

Die  vielen,  durchaus  unfyftematifch  betriebenen  Arbeiten  über 
den  Farbenwechfel  bei  den  Cruftaceen  laJTen  es  zwar  wahrfchein- 


103J  Phyüologie  der  nervölen  Apparate.  497 

lieh  werden,  daß  bei  dielen  ein  dem  der  Fifelie  verwandter  Mechanis- 
mus vorhegt,  doch  flelien  den  Angaben  (für  Nika  edulis  von  Jour- 
dnln,  für  verfchiedene  Arten  der  Gattung  Jdothea  von  P.  3Iaijer\ 
welchen  gemäß  üch  die  Chromatoblaften  am  Lichte  zufannnen- 
ballen  und  im  Dunkeln  ausdehnen,  auch  folche  (z.  B.  für  Pro- 
tella  phasma  von  G.  Hallrr)  gegenüber,  wo  das  Umgekehrte  be- 
obachtet wurde.  Fouchet  und  nach  ihm  Jourdain  wie  P.  Mayer 
haben  gezeigt,  daß  die  bei  melireren  Krebfen  fehr  deutliche  chro- 
matil'che  Anpalfung  an  die  Umgebung  nach  radicalei-  Zerftörung 
beider  Augen  nicht  mehr  ilatttindet,  und  ebenlb  ifl  der  Einfluß 
pfychifcher  Affecte  (des  Schreckens),  welche  z.  B.  bei  Squilla 
mantis  ein  ErblalTen  des  Thieres  nach  fich  ziehen  (H.  Eilig), 
feftgeflellt,  ohne  daß  aber  mit  Erfolg  weiter  nachgeforfcht  wurde, 
.durch  welche  Ganglien  und  durch  welche  Nerven  die  Chromato- 
blalten  ihre  Erregungen  zugeführt  erhalten. 


Werfen  ^dr  zum  Schluß  einen  Rückblick  auf  das,  was  als  ge- 
licherter  Fond  für  eine  vergleichende  Nervenphyfiologie  gewonnen 
wurde,  fo  muffen  ^\'ir  zu  unferem  Bedauern  bekennen,  daß  es 
außerordentlich  wenig  ilt.  Trotz  der  Fülle  von  Schriften,  auf 
welche  wir  zu  recurriren  nöthig  hatten,  ift  die  Ausbeute  an  brauch- 
barem Materiale  eine  höchft  minimale  gebheben.  Wir  befitzen  hi 
der  Methode  der  Combinationsvergiftungen  ein  Hülfsmittel,  durch 
welches  viele  Räthfel  in  der  Nervenphyüologie  zu  löfen  lind,  und 
trotzdem  befindet  fich  unfer  Willen  noch  auf  einer  gar  fo  primi- 
tiven Stufe!     Woher  rührt  das? 

Diele  Frage  ift  nicht  fchwcr  zu  beantworten.  Solange  als  das 
Groß  der  Nervenpliyliolc^gen  nicht  die  Begabung  hefitzt,  über 
brauchbare  und  unbrauchbare  Metho(l(;n  abzuurtheilcn,  iblange 
man  verfchmäht,  combinirt  zu  vergiften,  und  deshalb  jeder  Fort- 
fchritt  in  der  vergleichenden  Nervcjnphyfiologie  lediglich  von 
wenigen,    vereinzelt  daftehenden    Forfchcm    iildiiingt,    wird    diefer 


498     Grundzüge  einer  vergleichenden  Phj'fiologie  der  nervöfen  Apparate.     [104 

Zweig  unferer  Disciplin  nur  langfam  vom  Flecke  zu  bringen  fein. 
Die  Betrachtung  der  Farbenwechfelapparate  zeigt  uns  zur  Genüge, 
was  an  Wirbellofen  felbft  in  der  Nervenphyliologie,  wo  nach  JBer- 
narcVs  klaflifchen  Auseinanderfetzungen  fich  die  Verhältnifle  weit 
complicirter  als  an  den  Wirbelthieren  geftalten,  bei  einer  verftän- 
digen  Inangriffnahme  der  Unterfuchungen  noch  alles  aufzudecken 
ift.  Die  Methode  aber,  die  wir  als  erprobte  der  Nachwelt  über- 
geben, verliert  durch  ihre  gegenwärtige  A-^ernachlälligung  an  Be- 
deutung nichts;  üe  wird  ungeahnte  Auffchlülfe  zu  liefern  ßch 
kräftig  erweifen,  fobald  die  Zeit  gekommen  fein  wird,  welche  die 
Methode  der  combinirten  Vergiftung  als  großen  Gewinn  zu  ver- 
liehen ßch  rühmen  darf. 


o-#<3o<^ — 


105]  Anmerkungeu  und  Literaturnaehwt'ife.  499 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


>)  Was  die  Xeuroglia  betriö't,  fo  rdieint  diefelbe  mit  den  Fortfätzen 
der  Pia  niater  im  Zufammenliange  zu  ftehen;  aber  ob  dies  nur  ein  Anlegen 
oder  eine  wirkliche  organifohe  Ver))indung  ift,  ob  die  Neuroglia  bindegewebiger 
oder  nervöfer  Natur  ift,  blieb  bislang  unaufgeklärt.  A.  Götte  (Entwicklungsg. 
d.  Unke,  Bombinator  igneus.  Leipzig.  1875)  war  vielleicht  der  erfte,  welcher 
die  Abftammung  der  Xeuroglia  aus  Xervenmaire  beliaui)tete ;  feiner  auf  l^nter- 
fuchungen  an  Batrachiein  bahrten  Anlicht  ftimmte  fpäter  auch  G.  Friifch 
(Unterf.  üb.  d.  feinern  Bau  des  Fifchgehirns.  Berlin.  1878)  bezüglich  der 
Knochentifche  bei. 

*)  F.  Hoppe-Setjler,  Phyliologifche  Chemie.  Bd.  4.  Berlin.  1881.  K.  677. 
')  Als  Fortpflanzungsgefchwindigkeit  der  Nervenerregunsr  er- 
gab fich  pro  sec. : 

Motorifche  Nerven  des  Menfehen  33.9  m  (Hehnholtz  d-  Baxt), 

.Senfibele  Nerven  des  Menfehen  30  —  40  m  (verfchiedene  Autoren), 

Henlibele  u.  mot.  Nerven  des  Menfehen  62  m  (nach  Schätzung  von  K.vtier), 

N.  facialis  u.  recurrens  l^ei   großen    Säugethieren  05  —  75  m  (Clunirean), 

N.  vagus  der  Säuger  8  m  (Chauvemi), 

Motorifche  Nerven  des  Frofches  26.4  —  27.25  m  (Hehnholtz), 

Motorifche  Nerven  des  Frofches  25  —  33  m  (Jieni/teiii), 

Ner\'en  der  Winterfchläfer  bis  auf  1  m  linkend  (Valentin), 

Nerven  vom  Hummer  6  m  (Frederiai  und   Vandcvclde), 

Nervt?n  vom  Hummer  ^im  Sommer!  2(»  m  CFrcderic'i  und    VandcrchU'), 

Senlibele  JJückemnarkMlcitung  beim  Mctnlchen  H  m  (K.mcrK 

(   11  —  12  m 
Motorifche    Kiicki-iiiiiarkHleitiuig    beim    IMenrcbcii   \  ( l'J.rntr), 

^  {   14-  15  m 

Motorifciie    HfickenniarkHleitunL'    Ixim    liiiinlc     K»    m    f  Frmirdis-  Fninrk 

<t  Pitrex). 

Zum  Vergleiclie  fCilm-    ich    noch   an,    dali    die   iiegativ<-  S(liward<uiig  «Ich 

NervenftromcH,   deren  Latenzlladium  ü.OOÜß  —  0.0007  sec.  in  Anfpruch  nimmt, 


500  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [106 

pro  sec.  28  m  (Bernßein) ,  die  Liehtwelle  in  der  Pennatulidenaxe  pro  sec. 
0.05  m  (Panceri)  und  die  Electricität  in  einem  K^upferdrahte  während  der- 
felben  Zeit  ca.  30  Kilomeilen  zurücklegt. 

*)  Wichtigere  Literatur  über  die  Nervenchemie: 

Keaction.  Ch.  Bichet,  Phyüologie  des  muscles  et  des  nerfs.  Paris.  1882. 
Ö.  540;  Grcheidlen,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyüol.  Bd.  8.  1874.  S.  171;  L.  Edinger, 
Vorlefungen  über  den  Bau  der  nervöfen  Centralapparate.  Leipzig.  1885 
S.  19;  0.  Langendorff,  Die  ehem.  Reaction  der  grauen  Subftanz.  Sep.-Abdr. 
a.  d.  Neurologifchen  Centralblatt.  1885.  No,  24;  P.  Ehrlich,  Deutfche  medic, 
Wochenfchrift.  1886.  Xo.  4. 

Cholinderivate.  Hoppe  -  Segler ,  Phyfiologifche  Chemie.  S.  79  —  82  u, 
S.  677  —  679;  A.  Gamgee,  Text-book  of  the  physiological  Chemistry.  Vol.  1. 
London.  1880.  S.  425  —  442;  0.  Schmiedeberg  u.  Harnacl:,  Arch.  f.  exp.  Path, 
u.  Pharmak.  Bd.  6.  1877.  S.  101  —  112. 

Choleftearin.  Kruhenherg,  Vgl.  phyfiol.  Studien.  1.  Reihe.  2.  Abth. 
1880.  S.  49  ff.,  Sitzungsber.  d.  Jenaifchsn  Gefellfch.  f.  Medic.  u.  Naturw. 
1885.  S.  63;  K.  B.  Hofmann,  Lehrb.  d.  Zoochemie  2.  Heft.  Wien.  1877.  S,  229; 
Th.  Weyl,  Archiv  f.  Phyüologie.  1886.  S.  182;  Hoppe-Segler,  a.  a.  0.  S.  79—82. 
Für  die  Lecithine  find  drei  verfchiedene  Formeln  (cf.  Hoppe-Seyler, 
Pyfiolog.  Chemie.  Th.  1.  Berlin.  1877.  S.  79)  aufgelleilt.  Bezeichnen  wir  den 
Fettfäurereft  (Radical  der  Stearin-,  Palmitin-  oder  Oleinfäure)  mit  R,  fo  find 
diefelben  folgende: 

1.  CoHs  (  J^2    ^  f  OH  (Biakonoic), 

^       ^"^  \  0-N  (CH3)  3-C2  H,OH 

2.  C3H5  Inl-Pn/OH  (StrecTcer), 

^^^      ^^\    O-C2    H4-N      (CHg)    3OH 

3.  CH,   j  J;2        f  OHN  (CH3)  3  (Hoppe-Seijler). 

l  u  ru  I  Q_^^  H4-OH 

Das  Myelin  Firc7i.o?r's,  von  .7. /S'ac7is(Vorlef.  überPflanzenphyfiologie.  Leip- 
zig, 1882.  S.  383)  gewiß  nicht  ohne  Glück  in  eine  Kategorie  mit  Pringsheim's 
Hypochlorin  geftellt,  ficht  Hoppe-Segler  (Handb.  d.  phyfiol-  u.  path. -ehem. 
Analyfe.  5  Aufl.  Berlin.  1883.  S.  166)  für  gequollenes  Lecithin  an. 

=)  Die  Analyfen  des  Rinderhirns  von  PetrowsJcg  (Arch.  f.  d.  gef.  Phy- 
fiol. Bd.  7.  1873.  S.  367)  find  in  mancher  Beziehung  ein  guter  Wegweifer  für 
eine  fpätere  Nervenchemie.  Als  Mittel  von  zwei  Analyfen  ergaben  fich  folgende 
Zahlen : 

100  g 
der  grauen  S  u  b  ft;  a  n  z  enthalten         der  av  e  i  ß  e  n  Subftanz  enthalten 

Waffer 81.604  Waffer 68.351 

Fefle  Beftandtheile  .     .     18.396  Fefte  Beftandtheile  .     .     31.649. 


107]  Anmerkungen  und  Literaturn  ach  weife.  501 

100  g  trockene  Subftanz  enthalten 

Albuminftoffe  +  Glutin  55.37  24.725 

Lecithin  17.24  9.904 

Choießearin  18.68  51.909 

Cerebrin  0.53  9.547 

In  waflerfreiem  Aether  1 

,     ,.  ,  ,  ..  6"1  3.342 

unlöshche  .Subltanz      J 

Anorganifche  Salze  1.45  0.572 

«)  Vgl.  übrigens:  V.  Boehm,  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharmak.  Ed.  19.  1885. 
S.  87  —  100. 

')  Außer  den  unter  Anra.  4  angeführten  Schriften  vgl.  hinfichtlich  der 
auf  .S.  401  gegebenen  Tabelle:  E.  Harnacl;  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharmak. 
Bd.  4.  1875.  S.  168—190;  Berlinerhlau,  Ber.  d.  d.  ehem.  Gef.  Bd.  17.  1884. 
S.  1140;  L.  Brieger,  Ueber  Ptomaine.  Berlin.  1885. 

'')  Der  bei  den  Ganglien  von  Nemertinen  und  anderen  Würmern  fleh 
tindenden  Hämoglobin fär1)ung  haben  wir  fchon  früher  (S.  30  u.  31)  gedacht, 
\'on  Interefle,  aber  chemifch  nicht  näher  unterfucht,  ift  die  Ockei-färbung, 
welcher  B.  Haller  (Denkfchr.  d.  niath.-nat.  Klaffe  d.  k.  Acad.  d.  Wiff.  zu  Wien. 
Bd.  45.  1882.  S.  102)  an  falfchen  Neuroraen  bei  Murex  trunculus  be- 
gegnete, 

")  l'eber  die  E  r  n  ä  h  r  u  n  g  der  Nerven  vgl. :  Kühne.,  Lehrb.  d.  phyflol.  Chem. 
Leipzig.  1868.  S.   351—354;   L.  Banvier,   Trait<^'   technique  d'histologie.  Paris. 

1878.  S.  777;  Eichet,  a.  a.  O.  S.  .547—549. 

'")  Fredericq  u.   Vanclevelde,  Bull,  de  l'acad.  r.  de  Belgique.  2  Ser.  T.  47. 

1879.  S.  771  —  797  u.  Arch.  de  zool.  exp.  et  gön.  T.  8.  1881.  p.  513—520. 
")  Cl.  Bernarä,  Tissu«  vivants.  Paris.  1866.  p.  210. 

'-)  L'eber  die  phyfiologifche  Identität  der  motorifchen  und 
fcnfibelen  Nerven  vgl.:  L.  Hermann,  Handbuch  der  Phyflol.  des  Nerven- 
lyltcmH.  Leipzig.  1879.  S.  9—14;  Bicliet,  a.  a.  O.  p.  619,  629  u.  652;  J{.  Hei- 
•laüiain,  Arch.  f.  Phyflol.  1883.  Supplement.  S.  133  —  177. 

'•)  Ohne    fonderlichen    Erfolg    lind    chomifcho    Unterfuchungcu    an    den 

Nerven  Wirbellofer   von    ('.  Schmidt   (Vau  vergl.  Phyflol.  d.  Wirbellolcn.  1845. 

S.   IBj,    von    Lecmite   und   L\  Fairre  (Gompt.  rend.  T.  45.    1857.  ]k  628  —  630^ 

wie  von  J'J.  Ymuj  (.\rch.  di;  zool.  (!Xp.  et  gen.  T.  7.   1878.   p.  526  —  530)  ausgc- 

ilirt.    In<l(in  ich  auf  das  über  die  chcmifchcn  Nerv«'nr(!ize  auf  S.  328  (icfagb« 

■  rwr-iO',  fei  noch  einiger  Angaben  von  A.  Vidpian  (Lec^onH  etc.  p.  81   u.  759; 

■  dacht.      IMefcr  Lorfcher  beobachtete,  daß  daH  (Ijyccrin  auf  di(!  nerv<>fcn  Gc- 
Idi;  d«'H  MufikreblcH    wie   auf   di<!    «Ich   KrofchcK    als  [tark<n-    Iteiz  wirkt,    daß 

.^^^^^^i^^ll  der  bei  Ilelix  vom  untern  Schliindganglion  cntlpringendc;  Nerv  fowohl 
nicchanifch  wie  ejfctrifcli,    alKT    nicht    duich    (dyrcriii    zu   reizen   ifl,    um!  dal.N 


I 


502  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [108 

der  Ifchiadicus  einer  Wanderratte  (Surmulot)  nur  fchwach  durch  Glycerin  erregt 
wird.  Vulpian  fchließt  aus  diefen  Befunden,  daß  die  Befchaffenheit  der  Nerven 
in  verfchiedenen  Thierklaffen  Unterfchiede  aufweifl,  welche  charakteriltifch 
genug  lind  und  jfich  mit  den  hifliologifchen  Unterfchieden  keineswegs  decken. 
^*)  Ueber  Hemmungsnerven  vgl.:  Heidenhain,  a.  a.  O.;  M.  v.  Frey,  Arb. 
a.  d.  phyüol.  Anftalt  zu  Leipzig.  Jahrg.  11.  1877.  S.  89;  J.  Pmvlow,  Arch.  f.  d. 
gef.  Phyfiol.  Bd.  37.  1885.  S.  6  —  31. 

1^)  Literatur  über  die  trophifchen  Nerven: 

E.  Brücke,    Vorlefungen   über   Phyliol.    Bd.    2.   Wien.    1873.    S.  23  —  24; 

Sigmund  Mayer,   Specielle   Nervenphyliol.   in  Hermann's  Handb.  d.  Phyjjol. 

Bd.  2.  Th.  1.  Leipzig.  1879.  S.  201  —  216;  Krulenherg,  Vgl.  phyüol.  Studien. 

1.  Reihe.    2.  Abth.    1880.    S.   85  —  92,    2.   Reihe.    1.   Abth.    1882.    S.   35   ff.; 

C.  Semper,  Reifen  im  Archipel  der  Philippinen.    Th.  1.  Bd.  1.    Holothurien. 

Leipzig.    1868.    S.  171   u.  172;    B.  Koppe,   Arch.    f.    exp.   Path.  u.  Pharmak. 

Bd.  3.  1875.  S.  278  u.  299. 

16)  Vgl.  Krulenherg,  Vgl.  phyüol.  Studien.  1.  Reihe.  3.  Abth.  1880.  S.  31 
Anm.  1. 

1')  Die  noch  ganz  räthfelhaften  Folgebeziehungen  früherer  zu  fpäteren 
Vorgängen  in  den  Pflanzen,  auf  welche  befonders  DecandoUe  (PflanzeniDhyü- 
logie.  1833-.  S.  18  ff.)  die  Aufmerkfamkeit  lenkte,  laffen  vielleicht  vermuthen, 
daß  auch  im  Thierkörper  zahlreiche  Proceffe  lediglich  durch  den  Verband 
aflimilirender  Zellen  eine  auffallendere  und  in  Folge  gewiffer  Eigenthümlich- 
keiten  des  Protoplasmas  auch  eine  regelmäßig  wiederkehrende  Beeinfluffung 
erleiden,  welche  nur  mit  Unrecht  auf  nervöfe  Erregungen  bezogen  werden. 
Bekanntlich  fahren  unfere  Obltbäume,  in  die  gemäßigten  Gegenden  der  füd- 
lichen  Halbkugel  verfetzt,  noch  einige  Jahre  hindurch  fort,  genau  um  die  Zeit 
zu  blühen,  die  unferm  Frühling  entfpricht  und  das  Umgekehrte  findet  Itatt, 
wenn  man  gewiffe  Bäume  der  füdlichen  Hemifphäre  nach  Europa  bringt.  In 
ähnlicher  Weife  findet  fowohl  bei  den  Laubblättern  wie  auch  bei  den  meteo- 
rifch  beweglichen,  für  Lichtfchwankungen  empfindlichen  Blüthen  eine  Nach- 
wirkung derart  Itatt,  daß  fich  in  conltanter  Finfterniß  die  durch  den  früheren 
Wechfel  von  Tag  und  Nacht  veranlaßte  Tagesperiode  der  Bewegung  noch 
einige  Zeit  fortfetzt  (J.  Sachs,  Lehrb.  d.  Botanik.  4.  Aufl.  Leipzig.  1874.  S.  847 
u.  849).  Der  Eintritt  des  Hungergefühls  genau  zu  der  Stunde,  in  welcher 
man  fich  zu  fpeifen  gewöhnt  hat,  die  leife  Steigerung  der  Pulsfrequenz  an 
Fallen  tagen  genau  um  die  Zeit,  in  der  man  das  Mahl  einzunehmen  pflegte 
(Lichtenfels  und  Fröhlich,  Denkfchr.  der  Wiener  Acad.  Bd.  3 ;  F.  Goltz,  Tagebl. 
d.  Naturforfcherverf.  zu  Baden-Baden.  1879.  S.  131),  der  ausgeprägte  Rhythmus 
der  Fieberanfälle,  der  Krämpfe  und  der  Blutungen  (cf.  UJile- Wagner,  Handb. 
d.  allg.  Päthol.  7.  Aufl.  Leipzig.  1876.  S.  23)  erinnern  zu  fein-  an  die  erwähnten 


109]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  503 

periodifchen  Krfcheinungcn  in  der  Pflanzenwelt,  als  daß  lie  oiine  Weiteres  auf 
Nerveneintluß  bezogen  werden  könnten.  Gebe  ich  nun  aber  aucli  zu,  daß  be- 
fonders  Vorgänge  wie  die  erwähnten,  leicht  und  immer  wieder  die  Exiftenz 
trophifcher  Nerven,  wenn  nicht  gar  die  Anwefenheit  wandernder  Mikrococcen- 
colonieen  vortäufchen  werden,  fo  halte  ich  doch  an  der  Annahme,  daß  folche 
Nerven  thatfächlich  vorkommen  können,  aus  den  im  Texte  angeführten 
Gründen  unbedingt  feft  und  verweife  zugleich  auf  die  in  Anm.  15  citirte 
Au.seinanderfetzung  Brücke's. 

•®)  \%\.  C.Eckhard  \i\  Hermnnn'a  Handb.  d.  Phj-iiol.  Bd.  2.  Th.  2.  Leipzig. 
1879.  S.  15  —  21.  —  In  den  automatifch  thätigen  Herzen  von  Wirbelthier- 
ombryonen  fowie  in  dem  Herzen  von  Helix  pomatia  (ef,  J?.  Kohert^  Arch. 
f.  exp.  Path.  u.  Pharmak.  Bd.  20.  1885.  S.  92  —  115)  haben  wir  dagegen  Or- 
gane, welche  lieh  ohne  die  Anwefenheit  von  Ganglienzellen  rhythmifch  zu 
contrahiren  vermögen. 

'^)  Ueber  die  })endelartigen  Bewegungen  des  Fußes  von  Carinaria 
mediterranea  vgl.:  Kritkenlerfj,  Vgl.  phyfiol.  Studien.  1.  Eeihe.  3.  Abth. 
8.  177  —  180;  Ä.  Coßa,  Ann.  d.  scienc.  nat.  T.  16.  1829.  p.  107  —  109;  A.  Vul- 
pian,  Lecjon.s  sur  la  i>hyIiol.  gen.  et  comp,  du  Systeme  nerveux.  Pai'is.  18üCi. 
p.  7G2. 

■^'')  Vgl.  C.  Eckhard,  a.  a.  ().  S.  117  u.  118. 

■^')  Cl.  Bernard,  Legons  sur  les  phenom.  de  la  vie  etc.  T.  1.  1878.  p.  151. 

2-)  Cl.  Bernard,  Tissus  vivants.  Paris.  1866,  p.  123  u.  173. 

2')  Dem  Folgenden  liegen  mehrfach  Notizen  zu  Grunde,  welche  ich  vor 
mehreren  Jahren  in  den  Vorlefungen  meines  verehrten  Lehrers  niedorfchrieb. 
Von  F.  Goltz  H  neueren  Schriften  feien  genannt:  Ueljer  die  moderne  Plneno- 
logie.  IX'Utfche  Knndfchau.  Jahrg.  12.  1885.  S.  263—283  u.  S.  361—375  fowie 
fein  Bericht  ülter  Verfuche  an  Hunden  in  dem  Tagebl.  d.  58.  Verf.  d.  Naturf. 
n.  Aerzte  in  Straßburg.   1885.  S.  414  u.  415. 

^*)  Des  Näheren  vgl.  Sigm.  Exner  in  Hermann'»  Handb.  d.  Phyliol.  J'.d.  2. 
Tb.  2.  Leipzig.  1879.  S.  193  ff. 

-'»)  Vgl.  ,S'.  Ej-ncr,  a.  a.  0.  S.  308—350. 

■^"y  Bezüglich  eines  Beifpielcs  für  das  fehr  untcrfcbiedliche  Verhalten  nahe- 
(fehender  Species  gegen  (iifte  verweife  ich  auf  das  über  Kana  temiioraria 
und  K.  CHculenta  (iefagte  (H.  320).  Die  Skeletmuskeln  beider  Fröfche  ver- 
halten fich  auch  bei  einer  reinen  Bleivergiftung  fehr  ungleich  refiftent  {E.  Har- 
nack,  Arch.  f.  exi».  l'ath.  u.  Pharmak.  Bd.  9.  1879.  S.  166  u.  172)  und,  ob- 
fclion  gegen  Apotiiorphin  kein  ('ntf-rfchied  zu  conflatiren  war  (E.  Harnack, 
ibid.  n<\.  2.  1874,  S.  299),  fr»  glaubt  «loch  Harnack  (\Wv\.  iJd.  9.  S.  I<i6),  daß 
üffcH  verfchiodene  Vt^rhalten  <ler  beiden  Frofcharton  gegenüber  der  Finwirknng 
'>n  MuHkelgiften  ein  ganz  diirchgehen<leH  und  charukteriflifcheH  (ei.     Daß  lieh 


504  Anmerkungen  und  Literaturnacliweire.  [110 

die  Differenz  auch  auf  den  Herzmuskel  erftreckt,  lehren  z.  B.  folgende  Ver- 
fuche  von  Koppe  (ibid.  Bd.  3.  S.  27.5  u.  276):  Schon  bei  Anwendung  von  Vio 
mgr  Digitoxin  erzielte  diefer  Forfcher  bei  E  a  n  a  t  e  m  p  o  r  a  r  i  a  einen  fyfto- 
lifchen  Herzftilljftand,  während  es  dazu  bei  Rana  esculenta  1—1^/2  mgr 
bedurfte,  und  ebenfo  führten  bei  erfterer  Frofchart  fchon  \.'4  — Vs  mgr  Digi- 
talin  refp.  Digital  ein,  bei  letzterer  hingegen  erft  1— 11/2  mgr  diefer  Subllanzen 
einen  fyftolifchen  Herzftillftand  herbei. 

2')  Nicht  nur  bei  den  Durchblutungsverfuchen  — ,  welche  unter  Anderem 
lehrten,  daß  beim  Hunde  die  Nieren  und  vielleicht  noch  die  Schweißdrüfen 
als  die  ausfchließlichen  Bildungsllätten  der  Hippurfäure  (aus  Benzoefäure  und 
Glykocoll)  fungiren  (Sdimieäeherg  u.  BungeJ,  beim  Kaninchen  dagegen  auch  die 
Muskeln  und  die  Leber  Hippurfäure  aus  Benzoefäure  und  Glykocoll  zu  l^ilden 
vermögen  fW.  SalomonJ  —  fondern  auch  bei  Fütterungsverfuchen  ergaben  üch 
gravirendere  Unterfchiede  in  den  Stoffwechfelvorgängen.  Wir  fehen  hier  natür- 
lich ganz  ab  von  den  bemerkenswerthen  Verfchiedenheiten ,  wie  folche  z.  B. 
in  der  Umwandlung  der  Benzoefäure  zwifchen  Hühnern,  von  denen  diefelbe 
als  Ornithurfäure,  und  den  Säugern,  wo  fie  als  Hippurfäure  ausgefchieden  wird, 
beltehen,  und  berühren  allein  die  Differenzen  im  Stoffumfatze,  welche  ver- 
fchiedene  Säugethierfpecies  darbieten.  Diesbezügliche  Beifpiele  hat  kürzlich 
J.  Munk  (Verhandl.  d.  phyliol.  Gef.  zu  Berlin.  1880  —  81.  No.  17.  S.  69-74) 
gefammelt,  und  es  fcheint  hiernach  viel  davon  abzuhängen,  ob  das  betreffende 
Verfuchsthier  ein  Pflanzen-  oder  ein  Fleifchfreffer  ifl.  So  fetzt  beim  Hunde 
eine  Steigerung  (Ä.  ÄuerbachJ,  beim  Pferde  eine  Herabfetzung  der  Alkalescenz 
des  Blutes  die  Oxydation  des  Phenols  herab;  beim  Kaninchen  wird  von  dem 
in  den  Magen  eingeführten  Taurin  der  größte  Theil  gefpalten  und  in  unter- 
fchweflige  Säure  und  Schwefelfäure  umgewandelt,  während  beim  Menfchen  ein 
großer  Theil,  beim  Hunde  ein  kleiner  Theil  zu  Taurocarbaminfäure  wird;  anor- 
ganifche  Säuren  binden  bei  Herbivoren  fixe  Alkalien,  Kali,  Natron  CSalJcotcslci), 
bei  Carnivoren  Ammoniak  (Waltlier)  u.  f.  w.  Am  Menfchen  machten  fich  in- 
dividuelle Schwankungen  bei  Zufuhr  von  Sarkofin  (cf.  E.  Brechsei  in  JSermann's 
Handb.  d.  Phyüologie.  Ed.  5.  Th.  2.  1883.  S  520)  geltend;  diefes  erfcheint  bei 
tlem  einen  Individuum  faft  in  ganzer  Menge  unverändert  im  Harne  wieder, 
während  es  bei  einem  anderen  wenigftens  zum  Theil  in  Methylhydantoin,  be- 
ziehungsweife  in  Methylhydantoinfäure  umgewandelt  wird.  Der  Cyllinurie 
liegen  wahrfcheinlich  ebenfalls  gewiffe  Familiendispoütionen  zu  Grunde  und 
wie  E  .SalkoivsTci  hervorhebt,  finden  fich  der  _BfH(jHy?rtrÄ;'fche  Körper  (OgHgNjOg) 
fowie  die  Urocaninfäure  (C12H12N4O4  +  4  aq.)  von  Joffe  auch  nicht  im  Harne  eines 
jeden  Hundes  vor. 

28)  L.  Landois,  Arch.  f.  path.  Anat.  Bd.  35.  1866.  S.  575-599. 

29)  Vgl.  L.  Exner,  a.  a.  0.  S.  342—350. 


111]  Anmerkungen  und  Literaturnaclnveife.  505 

ä")  Vgl.  J.  Steiner,  Grundriß  der  riijliol.  des  INIenfclien.  2  Aufl.  Leipzig. 
1883.  S.  405. 

31)  /.  Steiner,  a.  a.  O.  S.  407. 

3-)  Wir  verdanken  ('.  Cliun  (Ctenoplioren.  Fauna  u.  Flora  des  Golfes  von 
Neapel.  Leipzig.  1880.  .S.  174)  die  merkwürdige  Thatfache,  daß  das  Central- 
nervenfyftem  bei  feinem  erllen  Aufti-eten  unter  den  Medufen  in  (jeltalt  eines 
Gehörorgans  die  Regulation  der  Ortsbewegung  übernimmt.  Gewiß  mit  Recht 
erinnert  Chini  an  die  Uebereinftimmung,  welche  lieh  hierin  zwifchen  der 
Beroe  und  den  halbcircelförmigen  Caniüen  höherer  Thiere  (nach  Flourens 
l'nterfuchungen)  ausfpricht. 

83)  C  Clans,  Grundzüge  d.  Zoologie.  3.  Auti.  Marburg  u.  Lei])zig  1876. 
>.   1055. 

3*)  0.  Soltmami,  Jahrb.  f.  Kinderheilkunde.  N.  F.  Bd.  9.  .S.  lOG,  Centralbl. 
f.  d.  med.  Will.  1875.  No.  14  u.  Ueber  einige  phyüol.  Eigen thümlichk.  der  ]\Ius- 
kein  u.  Nerven  des  Neugeborenen.    Habilitationsfchrift.  Breslau.  1877. 

3=)  Ob  es  fich  hierljei  jedoch  um  eine  wirkliche  Aulomatie  und  nicht  viel- 
melir  um  einen  reinen  Retlexact  handelt,  ift  durch  neuere  Unterfuchungen  fehr 
fraglich  geworden. 

36)  Vgl.  Eichet,  a.  a.  O.  S.  541. 

3')  Armand  Moreau,  Compt.  rend.  de  la  soc.  de  Ijiologie,  2  Ser.  T.  5. 
1858.  p.  97,  3  .S«:'r.  T.  1.  1850.  p.  107  u.  T.  2.  18ü0.  p.  159. 

3*)  Ueber  Pfropfhybride  im  Pflanzenreiche  vgl.  V.  Henlcn,  Phyfiologie  d. 
Zeugung  in  Hermann'n  Handl).  d.  Phyfio].  Bd.  ß.  Tb.  2.  1881.  S.  150;  W.  New 
hert,  Tagebl.  d.  Naturforfcherverf.  zu  Baden-Baden.  1879.  S.  215. 

3'''j  Aber  auch  bei  den  Transfufionen  (vgl.  L.  Landois,  Die  Transfulion  des 
Blutes.  Leijizig.  1875  u.  Beiträge  z.  Transfufion  des  Blutes.  Leipzig.  1878)  fällt 
der  Gattungscharakter  fler  Verfuchsthiere  fchwer  in's  Gewicht.  Kaninchen})lut 
einem  Hunde  injicirt  winl  in  der  neuen  Blutbahn  fchnell  zerftfirt  und  ebenlb 
rafcli  zerfällt  dem  menfchlichen  Organismus  infundirtes  Lammblut,  während 
die  Transfulion  bei  Hund  und  Fuchs  wie  Ijei  Pferd  und  Efel  keine  das  Ix'ben 
bedrohend«;  Folgen  mit  lieh  bringt. 

**•;  Beudant,  Ann.  de  cliimie.  T.  2.  1810.  j).  52;  Czerny,  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  5.  18f59.  S,  158;  F.  Tlatcau,  Möm.  de  l'acad.  r.  de  Belgi«|ue.  T.  36. 
1870  u.  Bull  d.  lacad  r.  de  Belgicjue.  T.  34.  1872.  No.  9  u.  10.  —  Vgl.  auch: 
C  Setnpcr,  Die  natürj.  K.xiUenzbedingungen  der  Thiere.  Th.  I.  Leipzig.  1880. 
H.  173  —  217, 

*')  Ueber  l'f  ro  p  f  vc  r  Tu  c  h  e  an  Thieicn  (vi>n  J'.  llert,  J'ai/et  eb;.)  und 
über  di«'  Wiederanbeiiung  ganz  oder  faft  ganz  vom  Körper  g(;tr(!nnter  Theile 
Vgl.  II.  Milne  Edwards,  l.,e(;onH  sur  la  y)liyiioIogie  etc.  T.  8.  Paiis.  1863.  p. 
274  —  277;   Uhk-Waijiu:r,  a.  a,  O.  «.  485  H",  S.  505  u.  Ü30. 


506  Anmerkungen  und  Uteraturnachweife.  [112 

*'^)  Wichtigere  Literatur  über  Regeneration  sverfuche: 

Wirbelthiere:  H.  Müller^  Verband],  d.  phyßk.-medic.  Gefellfch.  zu  Würz- 
burg. Bd.  2.  1852.  8.  66;  Vulpian,  Compt.  rend.  de  la  soc.  de  biologie.  2  S6r. 
T.  5.  1858.  p.  81  u.  T.  6.  1859.  p.  7;  Philippeaux,  Compt.  rend.  de  l'acad. 
1866  u.  1867,  1873  —  1876;  Ä.  Gatte,  Amtl.  Ber.  d.  Naturforfcherverl.  in 
München.  1877.  S.  172;  0.  Frai/Te,  Tagebl.  d.  Naturforfcherverf.  zu  Baden- 
Baden.  1879.  S.  223  —  225;  Flefch,  ibid.  S.  225. 

Mollusken.  Spallanzani,  Prodrome  di  un'opera  sopra  le  reproduzioni 
animali.  1768.  p.  60;  Bonnet,  Journ.  de  physique.  T.  10.  1777.  p.  169;  Diujes, 
Traite  de  physiol.  comp.  T.  3.  1839.  p.  190;  Moquin-Tandon,  Hist.  nat.  des 
Mollusques  terr.  et  fluv.  de  France,  p.  274;  J.  Carriere,  Tagebl.  d.  Natur- 
forfcherverf. zu  Baden-Baden.  1879.  S.  225  —  226. 

Würmer.  Reaitnmr,  M6m.  pour  servir  ä  l'hist.  des  insectes.  1742.  T.  6. 
Pröface.  p.  64;  Bonnet,  Traite  d'insectologie  etc.  1745.  T.  2;  Buges,  Ann.  d. 
scienc.  nat.  T.  15.  1828.  p.  167  u.  316;  J,  cVüdilcem,  Mem.  couronnee  de 
l'acad.  de  Belgique.  T.  26. 

Echinodermen.  Beaumur,  a.a.O.  Pröface.  p.  61;  Dujardin  und  Hupe, 
Hist.  nat.  des  zoophytes  öchinodermes.  1862.  p.  20;  JE.  Haeckel,  Zeitfchr.  f. 
wiir.  Zool.  Bd.  30.  Suppl.  1878.  S.  424  —  445;  Balyell,  British  associat.  for 
the  adY.  of  science.  1840.  Trans,  p.  139.  Glasgow. 

Coelenteraten.  Tremhleij ,  Abh.  z.  Gefch.  einer  Polypenart.  Deutfeh 
von  Goeze.  Quedlinburg.  1775:  Disqitemare,  Philos.  Transact.  1773.  p.  371; 
Balyell,  Rare  and  remarkable  animals  of  Scotland.  1848.  T.  2.  p.  230; 
E.  Haeckel,  Biol.  Studien.  Heft  1.  1870.  S.  22;  Tli.  Eimer,  Die  Medufen.  Tü- 
bingen. 1878.  S.  48  —  51.  —  Laurent,  Voyage  de  la  Bonite.  Zoophytologie.  p.  133. 

Protozoen.  Tremtley,  Philos.  Transact.  1744.  T.  44.  p.  627;  Schneider, 
Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.  1854.  S.  204;  Claparede  u.  Lachmann,  Etüde  sur 
les  Infußoires  et  les  Rhizopodes.  S^^ie  Partie,  p.  209. 

Vgl.  ferner:  H  Milne  Edwards,  a.  a.  0.  T.  8.  1863.  p.  299  —  311. 

«)  Gl.  Bernard,  Tissus  vivants.  1866.  p.  149. 

^*)  Kriikenberg,  Vgl.  phyfiol.  Studien.  1.  Reihe.  1.  Abth.  1880.  S.  8. 

■*5)  A.  Schneider,  ünterf.  über  Platbelminthen.  Gießen.  1873;  Arn.  Lang, 
Die  Polycladen.  Fauna  und  Flora  des  Golfes  von  Neapel.  11  Monögr.  Leipzig. 
1884.  S.  80  u.  81;  Jfao  Jijima,  Zeitfchr.  f.  will.  Zool.  Bd.  40.  1884.  S.  381. 

*fi)  Ueber  die  Innervationsverhältnilfe  bei  den  Scheibenquallen  vgl.: 
Th.  Eimer,  Verhandl.  d.  phyfik.-medic.  Gef.  zu  Würzburg.  N.  F.  Bd.  6.  1874, 
Amtl.  Bericht  d.  Naturforfcherverf.  zu  München.  1877.  S.  182  —  186,  Die  Me- 
dufen. Tübingen.  1878;  G.  J.  Bomanes,  Philos.  Transact.  Vol.  166.  1876. 
p.  269  —  313,  Vol.  167.  1877.  p.  659  —  752  u.  1880.  p.  161  —  202;  Kriilcenherg, 
Vgl.-phyüol.  Studien.  1.  Reihe.  3.  Abth.  1881.  S.  124  —  146. 


113]  Anmerkungen  und  LiteraturnachAveife.  507 

")  Krulcenherg,  ibid.  S.  144;  0.  u.  B.  Hertwig,  Sitzungsb.  d.  Jenaifchen  Gef. 
f.  Medicin  u.  Naturwill'.  Sitzung  vom  4  Juli  1879  und  Die  Actinien.  Jena.  1879. 
")  Ueber  Ctenophoren  vgl.:  Th.  Eimer,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  17. 
1880.  S.  213  —  240;  Krulenherg,  a.  a.  O.  S.  1  —  22;  C.  Chun,  Die  Ctenophoren 
etc.  Fauna  und  Flora  des  Golfes  von  Neapel.  Leipzig.  1880  und  Biolog.  Cen- 
tralbl.  Bd.  2.  1882.  S.  5  —  16. 

*5)  Die  Effecte,  welche  die  Durchfchneidungen  an  Medufen  und  Cteno- 
phoren nach  fich  ziehen,  erinnern  an  diejenigen,  welche  beim  Anlegen  der 
Stannim^ icixen  Ligatur  am  Frofchherzen  (cf.  Auhert,  Innervation  der  Kreis- 
laufsorgane in  J?enHrt>m's  Handbuch  der  Phyfiologie.  Bd.  4.  Th.  1.  1880.  S.  364) 
beobachtet  werden.  Bei  den  Scheiben-  und  Rippenquallen  treten  unmittelbar 
nach  der  Durch  fchneidung  die  Erfch einungen  einer  Reizung  auf  und  erft  vei*- 
hältnißmäßig  fpät  machen  diefe  dem  durch  den  Ausfall  der  Centren  gefchaffenen 
Lähmungszuftande  Platz. 

sö)  Ich  laffe  es  hier  dahin  geflellt,  inwiefern  das  Vorgetragene  den  neueren 
Anfchauungen  über  die  Hemmungsnerven  (S.  405)  gemäß  einer  Modification 
bedürftig  erfcheinen  muß. 

")  Literatur  zur  Nervenphyfiologie  der  Echinodermen: 
Comatula.    W.B.  Carpenter,  Proc.  of  the  r.  soc.  Vol.  24.  No.  166.  1876. 
p.  226-227  u.  No.  169.  p.  451  —  455;  Kriikenberg,  a.a.O.  2  Reihe.  1  Abth. 
1881.  S.  81  u.  82. 

Echiniden.  Frederiajj  Compt.  rend.  T.  83.  1876.  p.  860  —  862  u.  p.  908 
bis  910;  G.  J.  Eomanes  u.  J.  C.  Eivart,  Proc.  of  the  r.  soc.  Vol.  32.  No.  212. 1881. 
p.  5  —  11  u.  Philos.  Transact.  1881.  Part.  3  p.  829  —  885;  Romanes,  Jelly-fish, 
Star  fish  and  sea-urchins.  London.  1885.  p.  276  —  293  u.  p.  301  —  323. 

Afteroiden.  Fr.  Tiedemann,  MeclceVfi  Archiv  f.  Phyßol.  Bd.  1.  1815. 
S.  161  —  175;  A.  Vulpian,  Compt.  rend.  de  la  soc.  de  la  biologie.  3  S6r.  T.  3. 
Annee  1861.  Paris.  1862.  p.  189  — 196;  Krukenherg,  a.  a.  O.  S.  76  —  82;  Eo- 
manes, a.  a.  O.  p.  267  —  276  u.  p.  294  —  301;  J.  Steiner,  Arch.  f.  Phyfiologie 
von  du  Jiois  Hegmond.  1875.  S,  145. 

''^)  A.  r.  Heider,  Cerianthus  mombranaceus.  Sep.-Abdr.  a.  d.  79  Bd. 
d.  Sitzb.  d.  k,  k.  Akad.  d.  Will",  zu  Wien.  1  Alttli.  1879.  S.  45. 

*')  Aeltere  Arbeiten  über  die  Nervenphyfiologie  der  Würmer: 
(!h.  Tionnet,  OotivroH  d'hist.  nat.  et  de  i)hilosophio.  T.  1.  NeufchAtel.  1779.  )>. 
117-258;  Thomax,  ÄKmi.  jtour  sorvir  a  lliist.  nat.  dos  Sangsues.  1806.  p.  87; 
A.  MoquinJ'andon,  Monogra|)liie  des  Ilirudin^es.  Paris.  1846.  j).  74;  Loclchart- 
Clndr,  Ann,  of  nat.  liist.  1857.  p.  250;  Qnatrcfagcs,  TliKtoirn  nat.  des  An- 
ncIt-H.  T.   ].  1866.  p.  87. 

'•*)  N.  Kleinenherg,  Ann,  and  niagaz.  of  n:it.  liist.  6  Her.    \'ol.  9.    No.    J'.». 
1882.  p.  C7  u.  ArcliivcH  itali(!nn<'H  de  biologie.  T.   I.  1882.  p.  63-77, 
Krukenlnrg,  Vorgl.-i>liynol.  Vorlrttgo.  ülj 


508  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  [114 

55)  Krtilcenherg,  a.  a.  0.  1  Eeihe.  1  Abth.  1880.  S.  82—116;  Ä.  Guilleheau 
u.  B.  LucMncjer,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  28.  1882.  S.  1—60;  Krukenherg, 
a.  a.  0.  2  Eeihe.  3  Abth.  1882.  S.  116  —  122. 

se)  J.  Armauer  Hänfen,  Arch.  de  physiol.  norra.  et  patholog.  3  Ser.  13  An- 
nee.  1881.  p.  739—741. 

57)  B.  Liiclißnger,  Zur  allg.  Phyfiol.  der  h'ritabelen  Subltanzen.  Bonn.  1879. 

58)  ünterfuchungen ,  welche  nur  die  Frage  nach  der  Gültigkeit  des 
JSen'fchen  Lehrfatzes  betreffen:  (r.  iVe^cj^ort,  Philos.  Transactious.  1834. 
p.  407  u.  408;  Grant,  Lancet.  1834.  Juli;  J.  Müller,  Handb.  d.  Phyfiol.  des 
Menfchen.  Bd.  1.  4  Aufl.  Coblenz.  1844.  S.  579;  Valentin,  De  functionibus 
nervorum  cerebrahum  et  nervi  sympathici.  ßerne.  1839.  p.  7  ff. ;  F.  A.  Longet, 
Traite  de  physiol.  T.  2.  P.  2.  Paris.  1850.  p.  14;  A.  Vn^yian,  Le^one  etc.  p. 
143  u.  144. 

Speciellere  Ünterfuchungen  über  die  Nervenphyfiologie  der 
Arthropoden : 

Cruftaceen.  H.  Müne  Edwards,  Hist.  nat.  des  Cruftaces.  Paris.  1849. 
T.  1.  p.  149;  Longet,  L  c.  T.  2.  P.  2.  p.  11  — 15;  Vulpian,  I.  c. ;  Owsjannikow, 
Möm.  de  l'acad.  imp.  de.  St.  Petersbourg.  6.  Ser.  T.  7.  1863.  No.  10;  Lemoine, 
Ann.  d.  scienc.  nat.  5.  Ser.  T.  9.  1868.  p.  204;  E.  Yiing,  Compt.  rend.  T.  88. 
1878.  p.  347  —  349  u.  Arch.  d.  zool.  exp.  et  g6i.  T.  7.  1878.  p.  459  —  526; 
T.  H.  Huxley,  Der  Krebs.  Leipzig.  1881.  S.  92  —  95;  J.  Ward,  Journ.  of 
physiol.  Vol.  2.  1879  —  80.  p.  214  —  227. 

Infekten.  J.  B.  Bengger,  Phyfiol.  Unterf.  üb.  d.  thier.  Haushaltung  d. 
Infekten.  Tübingen.  1817.  S.  40  —  43;  C.  A.  Walckenaer,  Mein,  pour  servir 
ä  l'hist.  des  abeilles  solitaires.  Paris.  1817.  p.  39;  G.  B.  Treviraniis,  Das 
organifche  Leben,  neu  dargeflellt.  Bremen.  1831.  Bd.  2.  Abth.  1.  S.  192; 
H.  Bimneißer,  Handb.  d.  Entomologie.  Bd.  1.  Berhn.  1832.  S.  516  —  526; 
Badliam,  The  ,question  concerning  the  sensibility,  iritelligence  and  instinctive 
actions  of  insects.  Paris.  1837;  Dnjardin,  Ann.  d.  scienc.  nat.  3  Sör.  T.  14. 
1850.  p.  196;  A.  Yerßn,  Bull,  de  la  soc.  vaudoise  d.  scienc.  nat.  T.  5. 1856  —  57. 
No.  39.  p.  119  u.  No.  41.  p.  185,  Compt.  rend.  T.  44.  1857.  p.  912  —  915; 
E.  Faivre,  Compt.  rend.  T.  44.  1857.  p.  721  —  722,  Ann.  d.  scienc.  nat.  4. 
Ser.  T.  8.  1857.  p.  245-274,  Compt.  rend.  T.  45.  1857.  p.  2  —  5,  Ann.  d. 
scienc.  nat.  4.  Ser.  T.  9.  1858.  p.  23  — 51,  T.  13.  1860.  p.  321—336,  T.  17. 
1862.  p.  329-361,  5.  S6r.  T.  1.  1864.  p.  89-104,  Compt.  rend.  T.  51.  1860. 
p.  530-533,  T.  56.  1863.  p.  472—475,  T.  80.  1875.  p.  739-741,  p.  1149—1153 
u.  p.  1332—1335;  Baudelot,  Compt.  rend.  T.  58.  1864.  p.  1161  —  1164,  Ann. 
d.  scienc.  nat.  5.  Ser.  T.  2.  1864.  p.  45—48;  Doenhoff,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phy- 
fiol. 1875.  S.  47;  E.  FleiMl,  Centralbl.  f.  d.  medic.  Wifl".  1875.  S.  469  —  470; 
B.  Luchßnger,  Arch.  f.  d.  ges.  Phyfioi.  Bd.  23.  1880.  S.  308  —  312;  Fei  Plateau, 


115] 


Anmerkungen  und  Literaturnachweife. 


509 


Bull,  de  1 'acad.  r.  de  Belgique.  3  Ser.  T.  3.  1882.  No.  6  u.  Recherches  expör. 

sur  le.s  mouveinents  respiratoii-es   des  insectes.     Bruxelles.    1884. 

;Mit  der  Frage  nach  der  Homologie  refp.  der  Analogie  des  Bauch- 
Ilranges  der  Articulaten  mit  dem  Cerebrofpinal-  refp.  dem  fympathifchen 
Nervenfyfteme  der  Wirbelthiere  befchäftigten  fich:  Leydig,  Lehrb.  d.  Hiflio- 
logie.  Hamm.  1857.  S.  186;  Rcil,  Archiv  von  Heil  u.  Autenrietli.  Bd.  7.  S.  190; 
Äckermann,  De  nervosi  systematis  primordiis  commentatio.  Heidelbergae. 
1813;  Bichat,  Anatomie  generale.  Paris.  1812.  T.  1.  p.  243;  Scarpa,  Annot. 
anatom.  Lib.  1.  De  nervorum  gangliis  anat.  Pavia.  1784.  p.  38;  Blumenbach, 
Ilandb.  d.  vgl.  Anat.  Göttingen.  1805.  S.  315;  Cuvier,  LeQons  d'anat.  comp. 
T.  2.  Paris.  1808.  p.  299  ff.  u.  M^m.  pour  servir  ä  l'hist.  et  ä  l'anat.  des 
mollu.sques.  Paris.  1817;  Gall,  Anat.  et  physiol.  du  syst,  nerveux.  T.  1. 
Paris.  1810.  p.  109;  MecM,  Ilandb.  d.  menfchl.  Anat.  Bd.  1.  Halle.  1815.  8.  341 
u.  MeckeVs  Archiv.  Bd.  1.  1815.  S.  11;  Waltlier,  Phyüologie.  Bd.  2.  §  563; 
Buges,  Physiologie  comp.  T.  1.  Montpellier.  1838.  p.  79  u.  81;  Leuret,  Anat. 
comp,  du  syst,  nerv.,  considere  dans  ses  rajiports  avec  l'intelligence.  T.  1. 
Paris.  1839.  p.  46 ;  E.  H.  Weber,  Anat.  comp,  nervi-  sympathici.  Lipsiae.  1817. 
p.  95;  Serres,  Anat.  comp,  du  cerveau.  Paris.  1827.  T.  1.  p.  254,  400  u.  508, 
T.  2.  p.  45;  Treciranus ,  Journ.  compl.  des  scienc.  medic.  T.  18.  p.  250; 
Vulpian,  Lecjons  etc.  p.  780  ff.;  Langet,  a.  a.  (>.  T.  2.  p.  650. 

5»)  Die  hinflchtlich  der  Kofpiration  der  Infekten  in  Betracht  kommenden 
neurophyiiologifchen  Ergel.milTe  der  Sektionsverfuche  hat  Fei.  Plateau  (Recher- 
ches cxpör.  sur  Ics  mouvements  respiiat.  des  insectes.  Bruxelles.  1884.  p.  215) 
in  folgender  Tabelle  zufammengefaßt : 


Beobachter 


Species 


Ausgeführtu  Oj)eratiüii 


auf  die  Refitimtiou.s- 
beweguiigen 


Faivre 


Barlotc 


Dytiscus 


Gryilus 


Libellula 


lUuehfehneidung  der  Cdu- 

nective   zwifchen   protlio- 

racaiein  und  unterem 

.Srlihmdjjanglion 


Enthauptung 


/•'.  J'lfiteau  i  Hydro|»hiluH 


Zcrrflörung  der  obenin 
Schlundganglien 


Sofortige 
.Schwächung 


I    Schwächung  und 
)     Verlangfamung. 

Tiefenabnahme  der 

AthemzCigc  iiml 
fchwaclie  Verlang 
famung  dr'rfelben. 


510 


Anmerkunsfen  und  Literaturnachweife. 


[116 


Beobachter 

Species 

Ausgefülirte  Operation 

Wirkung 

auf  die  Refpirations- 

bewegungen 

Dytiscus 

Enthauptung    . 

Abnahme  an  Tiefe, 
Befchleunigung 

F.  Plateau 

Zerftörung  der  oberen 
Schlundganglien 

» 

Carabus 

Enthauptung 

Schwaches  Placher- 

werden  der  Athem- 

züge 

» 

Oryctes 

Nach  15  Min.  Ab- 
nahme an  Tiefe 

» 

» 

Durchtrennung  des  Bauch- 

Itranges  zwifchen  mefo- 

und  metathoracalem 

Ganglion 

Schwächung 

»    - 

Geotrupes 

[           Enthauptung 

Augenblickliche  Be- 
fchleunigung 

» 

Libellula 

Leichte  Verlang- 
famung 

» 

A  6  s  c  h  n  a 

Durch  Ich  neidung  des 

Bauchllranges  an  der 

Baus  des  Abdomens 

Tiefenabnahme  der 
Athemzüge  u.  leichte 

Stethophyma 

» 

» 

» 

Zerltörung  der  metathora- 
calen  Ganglien 

» 

Stenobothrus 

Durchtrennung  des  Bauch- 

ftranges  an  der  Baus 

des  Abdomens 

Verlangfamung 

Langendorff 

Melolontha 

\           Enthauptung 

» 

Libellula 

60)  Sehr  lehrreich  und,  worauf  fchon  Vulpian  (Le^ons  etc.  p.  793)  hin- 
wies, in  vollem  Einklänge  mit  den  Anfchauungen  Faivre's  über  die  refpira- 
torifcbe  Bedeutung  des' Ganglion  metathoracicum  find  die  Beobachtungen,  welche 


117]  Anmerkungen  und  Literaturnachweife.  511 

L.  Diifour  (Ann.  d.  seienc.  nat.  2.  Ser,  T.  15)  und  Fahre  (il)id.  4.  Ser.  T.  -i.  p. 
120)  au  Spliex,  Cerceris  und  an  anderen  Spliecinen  angeftellt  haben.  Um 
ihren  Larven  die  Nalirung  zu  fichern,  bohren  diefe  Grabwefpenarten  erbeuteten 
Grillen,  Fliegen  oder  Kornwürmern  ihi-en  Stachel  in  den  Bauchftrang  und 
vernichten  delTen  Funktionen  auf  eine  fehr  einfache  Weife  dadurch,  daß  fie 
einen  ätzenden  Stoflf  über  das  zerftörte  Gewebe  hinüberfließen  laflen.  Die  fo 
operirten  Infekten,  welche  meiftens  folchen  Arten  angehören,  bei  denen  die 
Ganglien  fehr  genähert  liegen,  führen  alsdann  gleichfam  ein  latentes  Leben, 
und  fowohl  Fahre  wie  Vulpian  ift  es  an  P'liegen,  Grillen  u.  f.  w.  gelungen, 
dm-ch  Verletzung  des  Bauch ftrauges  und  Einbringen  von  Ammoniak  auch  künll- 
lich  diefen  lethargifchen  Zuftand  herbeizuführen.  Führte  man  die  Operation 
mit  einer  rein  gehaltenen  Nadel  aus,  fo  erzielte  man  diefell)e  Wirkung,  und 
das  zeigt  wohl  klar,  daß  das  Wefentliche  die  traumatifche  Verletzung  des 
Bauchllranges  und  keine  Intoxication  iA. 

«>)  E.  Faivre,  Compt.  rend.  T.  80.  1875.  p.  1149-  1153. 

ß-)  C.  Gcffeiihaur,  Grundriß  der  vergl.  Anatomie.  Leipzig.  1874.  S.  522. 

«ä)  Ziemlich  alle  Forfclier  (Bert,  Colafanti,  Yung,  nicht  aber  Klemen- 
fieicicz),  welche  Cephalopoden  mit  Strychnin  vergifteten,  haben  die  Behauptung 
aufgeftellt,  daß  fich  an  diefen  Thieren  ein  echter  Strj'chnintetanus  entwickele. 
Mir  fcheint  es  fehr  fraglich,  ob  man  berechtigt  ifl;,  die  an  den  Ilrychnifirten 
Cej)halopoden  auftretenden  Zuckungen  als  tetanifclic  Krämpfe  zu  bezeichnen, 
zumal  eine,  durdi  das  Strychnin  herbeigeführte  ülKjrnormale  Einpfindliclikeit 
bei  diefen  Thieren  nicht  nachgewiefen  ift.  Bemerkens werth  ift  die  außer- 
ordentliche Empfänglichkeit  aller  Cephalopoden  für  Strychnin  (Bert,  Knikeii- 
l^ergj;  in  einer  Strychninnitratlöfung  von  1:40.000  beginnen  an  Eledone 
die  typifchcn  Symptome  der  Vergiftung  fofort. 

")  Kriikenhcrf/,  a.  a.  O.  1.  Keihe.  3,  Abth.  S.  133-  135. 

V.  IfenfaiH  wenig  bekannte  Beobaciitung  einer  gefteigerten  Schallempfin- 
dung bei  ftrychnilirtcn  Krel>fen  weift  zwar  auch  bei  diefen  Thieren  auf  ein 
Ueberempfindlichwerden  durch  das  Stryclmin  hin.  Ilenfen  (Zeitfchr.  f.  will". 
Zool.  Bd.  13.  1803.  S.  395;  fagt :  «W(;nn  man  i'alaemon  antennarius  in 
mit  Strychnin  verletztes  Salzwall'er  auf  mehrere  Stunden  iiineinl)ringt,  läßt 
(ich  der  Nachweis  ilirer  Ihirkraft  noch  belfer  füliren.  Dann  erzeugen  felbft 
leife  T<»ne  im  Ilaufe,  am  Tifclu;  oder  (jlafe  Reflexe,  und  man  kann  das  Thier 
durch  wiederholte  Töne  in  entfprechend  häufigen  Sprüngen  im  (ilafe  umher- 
treiben. iJabei  ift  bemerkenswerth ,  (ial.<  von  (U;r  äiil.<crn  .Antennen  ein  li(!llex 
nicht  leicht  kommt.  Wenn  das  'lliicr,  Ichon  flarU  vergiftet,  matt  auf  der 
HeiUi  liegt,  kann  man  es  mit  d(!r  I'inrette  an  der  äußern  .Anlcrnne  in  die  IhVho 
ziehen,  dan  (ilas  lurben  und  das  Walfer  Aihütttiln,  es  rührt  ficth  nicht;  fetzt 
man  das  Glas    ni(;der    und    erregt   damit  oder  fon/twie  eiimn  Ton,    fo  nfißt  es 


512  Anmerkungen  und  Literaturnachweire.  [118 

fich  mit  einem  mächtigen  Schlage  los,  um  machtlos  zu  Boden  ßnken  und  dort 
in  tonifchen  Krämpfen  lieh  zu  biegen.  Die  Thiere  werden,  nachdem  fie  einzig 
noch  athmend,  aber  faft  bewegungslos  auf  dem  Boden  des  Glafes  liegen,  lieh 
allmälig  beleben,  wenn  man  ße  in  reines  WalTer  fetzt.  Dann  ifb  es  intereflant, 
üe  zu  beobachten,  wenn  ße  wieder  anfangen  zu  fchwimmen.  Sie  ftreifen  un- 
gefchickt  im  Glafe  umher;  man  achtet  darauf,  wenn  ße  nirgends  die  Wan- 
dungen berühren  und  erzeugt  einen  Ton;  augenblicklich  wirft  ein  Sprung  ße 
auf  den  Boden  des  Gefäßes,  wo  ße  ruhig  auf  der  Seite  liegen  bleiben.  Richtet 
man  ße  auf,  fo  hat  das  keinen  Reflex  zur  Folge,  fondern  fie  fangen  von  Neuem 
an  zu  fchwimmen  und  das  Spiel  kann  wiederholt  Averden.  üebrigens  Hellt 
ßch  felbft  während  der  Strychninvergiftung  eine  gewifle  Abfl;umpfuug  gegen 
den  Ton  ein,  die  erlt  nach  einiger  Ruhe  wieder  verfchwindet.» 

Jenen  durch  Muskelcontracturen  bewirkten  Zerflückelungsact ,  welchem 
viele  Anneliden,  Synapten  und  in  befchränkterem  Grade  auch  Krebfe  und  Saurier 
(Anguis,  Lacerta)  bei  äußeren  Infulten  ausgefetzt  find,  habe  ich  (Vgl.-phyßol. 
Studien.  1  Reihe.  1  Abth.  1880.  S.  128  u.  129)  als  eine  dem  Opifthotonus  der 
Wirbelthiere  vergleichbare  Krampfform  aufgefaßt.  Später  hat  L.  Fredericq 
(Arch.  de  zool.  exper.  et  g^n.  2.  Ser.  T.  1.  1883.  p.  413  —  426),  ohne  meine 
Verfuche  und  Angaben,  mit  welchen  die  feinigen  vollkommen  übereihflimmen, 
irgendwie  zu  kennen,  diefen  Selbftzerllückelungsvorgang  («Autotomie»  Fre- 
dericq'B)  an  Blindfchleiche  und  Krebfen  ausführlicher  befchrieben  und  die  Frage 
infofern  gefördert,  als  er  nachwies,  daß  die  Contracturen  bei  Krebfen  ßch 
auch  nach  Zerflörung  des  Schlundringes  erhalten  und  von  den  Bauchganglien 
unterhalten  werden.  Eine  folche  Selbß;amputation  der  Gliedmaßen,  welche, 
wie  gefagt,  auf  tetanifche  Erregungen  fchließen  ließe,  habe  ich  nun  aber  bei 
einer  Strychninvergiftung  auch  an  dazu  fehr  disponirten  Krebsarten  niemals 
auftreten  fehen,  während  diefelbe  bei  einer  Vergiftung  mit  Nicotin  an  geeig- 
neten Krebsformen  (z.  B.  bei  Porcellana  longicornis)  ebenfo  wie  an 
Synapta  digitata  eine  ganz  regelmäßige  Erfch einung  iß  (cf.  Kriikenberg, 
a.  a.  O.  S.  120  u.  121). 

65)  Literatur  über  die  Nervenphyßologie  der  Mollusken: 
Lamellibranchiaten.     /.  Pawloiv,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyßologie.  Bd.  37. 
1885.  S.  6  —  31. 

Gaftropoden.  Viüpian,  Legons  etc.  p.  759 — 765;  H.  v,  Ihering,  Göt- 
tinger Nachrichten.  1876.  No.  13.  28  JuH. 

Cephalopoden.  P.  Bert,  Compt.  rend.  T.  65.  1867.  p.  300  —  303; 
/.  Cheron,  ibid.  T.  66.  1868.  p.  1163  —  1167  u.  Recherches  pour  servir 
ä  l'hist.  du  syst,  nerveux  des  Cephalopodes  dibranchiaux.  These.  Paris.  1866; 
Owjannilww  u.  Kowalevsky,  Mem.  de  l'acad.  imp.  d.  scienc.  de  St.  Peters- 
bourg.    7.  Ser.    T.  11.    1867;    G.  Golafanti,    Arch.   f.   Anat.   u.  Phyßol.    1876. 


119]  Anmerkungen  und  Literaturnach  weife.  513 

S.  480  —  500;  li.  Kiemen neu-ic:,  Sitzb.  d.  k.  k.  Akad.  d,  WifT.  in  Wien.  Bd.  78. 
Abth.  3.  1878.  Juni-Heft;  L.  Fredericq,  Arch.  de  zool.  exp^r.  et  gh\.  T.  7. 
1878.  p.  535  —  583. 

«6)  lieber  die  Curarewirkung  an  Mollusken  vgl.:  Vtilpian,  a.  a.  0.  p.  7G2; 
J.  Bernüein,  De  animalium  evertebratoruni  musculis  nonnulla.  Diss.  inaug. 
Berolini.  1862.  p.  30;  P.  Bert,  a.  a.  0.  p.  303;  J.  Steiner,  Das  amerikanifche 
Pfeilgift  Curare.  Leipzig.  1877.  S.  56  —  59;  Kkmenficivicz,  a.  a.  O.;  Colafanti, 
Contribuzione  alla  conosceuza  della  azione  fisiologica  del  curaro.  Roma.  1878. 
p.  6.  note  1;  Krul:enherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  1  Reihe.  1  Abth.  1880.  S.  17, 
118  u.  119;  E.  Yurnj,  Mitth.  a.  d.  zool.  Station  zu  Neapel.  Bd.  3.  1881. 
8.  106  —  110  u.  Arch.  de  zoolog.  exper.  et  gön.  T.  9.  1881.  p.  431;  J.  Ri- 
chard, Recherch.  phj'siol.  sur  le  coeur  des  gasteropodes  pnlmon6s.  Extrait  de 
la  Re\'ue  d'Auvergne.  1886. 

6')  Engelmann,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyßol.  Bd.  2.  1869.  S.  243. 
88)  /.  Cohnheim,  Neue  Unterfuchungen  über  die  Entzündung.  1873.  S.  25. 
«»)  Krukenherg,  Die  eigenartigen  Methoden  der  ehem.  Phyfi,ologie.  Heidel- 
bei-g.  1885. 

^0)  H.  Auhert,  Die  Innervation  der  Kreislaufsorgane.  Hermann's  Handli. 
d.  Phyfiol.  Bd.  4.  Th.  1.  Leipzig.  1880.  S.  341  -  460. 

")  lieber  den  Herz fch lag  der  Embryonen  vgl.:  Prcroß  u.  Lehcrt, 
Ann.  d.  scienc.  nat.  Zoologie.  3.  Sc^'r.  T.  2.  1844.  p.  232  —  238;  C.  Edcharä, 
Zeitfchr.  f.  rat.  Med.  3  Reihe.  Bd.  29.  1867.  S.  57;  W.  His,  Unterf.  ül)er  d. 
erfte  Anlage  des  Wirbelthierleibes.  Leipzig.  1868.  S.  100,  101  u.  151;  R.  Wer- 
nicke,  Beitr.  z.  Phyfiol.  d.  embryonalen  Herzens.  Inaug.-Difr.  Jena.  1876  u.  Zur 
Phyßologie  des  embiyonalen  Herzens.  Jena.  1876;  Seth  N.  Jordan,  Arch.  f. 
exp,  Path.  u.  Pharmak.  Bd.  8.  1878.  S.  17;  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien. 
1  Reihe.  3  Abth.  1880.  S.  153  Anm.  3'  u.  diefe  Vorträge.  S.  17;  W.  Prei/er, 
Specielle  Phyfiologie  des  Embryo.  Leipzig.  1885.  S.  21—66;  R.  Kobcrt  (u. 
E.  Ziegler)  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharmak.  Bd.  20.  1885.  S.  104-115. 

^*j  Nach  den  Angaben  «ler  mcilten  .Autoren  ifi;  die  Spitze  des  Frofch- 
herzens  ganglienfrei  und  ohne  nervöfc  V^erbindung  mit  den  oberhall)  gelegenen 
Herztheilen.  Mnskelreize  ('/..  15.  J'hyfoftigmin,  Teinj)eraturerhöhungen  und 
Product<;,  die  in  dem  Muskel  ftibft  entftehen)  verfetzen  aber  auch  <li('  ab- 
getrennU-,  ganglienfn-ic  Frofchherzfpitze  in  rhythmifche  Bewegungen,  und 
diefe  Erfahnmgen,  fiber  welche  Auhert  (a.  a.  O.  8.  369)  wie  Kohert  (a.  a.  O. 
S.  95)  ausfnhrlieher  berichten,  (Kirften  uns  hinlilnglich  belehren,  daß  fogar 
noch  bei  dem  Frofche  rhythmif<;he  Jb-rzcontractioncii  unabhilngig  von  gang- 
lionärcn  Element4?n  vor  fich  zu  gehen  verm<)gen. 

"J  Die  älteren  Beobachtungen  über  den  lOiiiliuli  des  Vagus  auf  ilas  Herz 
von  Fifelien  find  von  A.  li.  Megrr  (Das  Hfiinnungsnervenfyflem  de{<  IIcrzeuH. 
Berlin.   1869.  H.  26  —  29;  zufammengeftellt  wonlen. 


514  Anmerkungen  und  Literaturnach  weife.  [120 

f*)  Kriikeiiberg ,  Unterf.  a.  d.  phyüol.  Inflitute  d.  Univerütät  Heidelberg. 

Bd.  1.    Heft.  4.    1878.    S.  327  —  340   (vgl.  hierzu:    L.  Edincjer,  Bericht  über  d. 

Senkenberg' [che  naturf.  Gefellfch.  1884.  S.  74)  u.  Bd.  4.  Heft  1.  1881.  S.  37  flf. 
")  Für   das    Störherz    liegt   eine   ältere   Angabe  von   H.   Stammis  (Das 

peripherifche  Nervenfyftem  der  Fifche.   Eoftock.   1849.  S.  84)  vor,  welche  be- 

fagt,  daß  auf  electrifche  Reizung  der  Medulla  oblongata  und  der  Wurzeln  des 

Vagus  Herzitillfland  eintritt. 

■^ß)  Wichtigere  Literatur  über  die  H  e  r  z  i  n  n  e  r  v  a  t  i  o  n  bei  den  Wirbel- 

lofen : 

G  a  Jft  r  o  p  o  d  e  n  u.  L  a  m  e  1 1  i  b  r  a  n  c  h  i  a  t  e  n.  Vulpian,  Lepons  etc.  p.  762 ; 
A.  Brandt,  Bull,  de  l'acad.  imp.  des  scienc.  de  St.  Petersbourg.  T.  10.  1866. 
p.  552  —  561;  M.  Foüer,  Arch.  f.  d.  gef.  Phyfiol.  Bd.  5.  1872.  S.  191  —  195; 
J.  Bogiel,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  14.  1877.  S.  59  —  65  u.  S.  478,  Proto- 
colle  der  Sectionsützungen  der  5.  Verf.  ruIT.  Naturforfcher  und  Aerzte  zu 
Warfchau.  1876,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  15.  1878.  S.  95  — 97;  M.  Foüer  u. 
A.  G.  Beio -Smith,  Proc.  of  the  r.  soc.  1875.  p.  318  —  343  u.  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  14.  1877.  S.  317  —  321;  Vulpian,  Compt.  rend.  T.  88.  1879. 
p.  1293  —  1297;  KriikenUrg,  Vgl. -phyfiol.  Studien.  1  Eeihe.  3  Abth.  1880. 
S.  172;  E.  Yung,  Compt.  rend.  T.  93.  1881.  p.  562  —  564  u.  Arch.  de  zool. 
exper.'et  gen.  T.  9.  1881.  p.  421  —  432;  W.  Biedermann,  Sitzb.  d.  math.- 
naturw.  Klaffe  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiff.  zu  Wien.  Bd.  89.  Heft  1  —  2.  1884. 
S.  19;  B.  Banfom,  Journ.  of  physiol.  T.  5.  1884.  p.  261;  B.  KoUH,  Arch.  f. 
exp.  Path.  u.  Pharmak.  Bd.  20.  1885.  S.  102  u.  103. 
Cephal  opoden.     Cf.  unter  Anm.  65. 

Gruft aceen.  G.  G.  Carus,  Von  den  äußern  Lebensbedingungen  der 
weiß-  u.  kaltblütigen  Thiere.  Leipzig.  1824.  S.  72  —  85;  Ed.  Weber,  Muskel- 
bewegung. B.  Wagner's  Handwörterbuch  der  Phyfiologie.  Bd.  3.  Abth.  2.  1846. 
S.  40;  E.  H.  Weber,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.  1846.  S.  504  u.  505;  A.  Brandt, 
a.  a.  O.  T.  8.  1865.  p.  416  —  430;  Vidpian,  Legons  etc.  p.  795;  C.  EcMard, 
Beitr.  z.  Anat.  u.  Phyfiol.  Bd.  4.  Heft  1.  Gießen.  1867.  S.  33  —  48;  A.  B.  Meyer, 
Das  Hemmungsnervenfyllem  des  Herzens.  Berlin.  1869,  S.  22  —  25 ;  J.  31.  Bogiel, 
Compt,  rend.  T.  82.  1876;  p.  1117  — 1120  u.  p.  1160  — 1161,  Arch.  de  phj^siol. 
norm,  et  pathol.  2  Ser.  T.  6.  1877.  p.  400  —  408;  Fei.  Plateau,  Bull,  de  l'acad. 
r.  de  Belgique.  2  Ser.  T.  46.  1878,  Archives  de  biologie.  Vol.  1.  1880. 
p.  595  -  695 ;  E.  Berger,  Sitzb.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiff.  zu  Wien.  Bd.  74.  1876, 
1  Abth.  Oct.-Heft;  B.  Beszö,  Zool.  Anzeiger.  Bd.  1.  1878.  S.  126;  E.  Yung, 
Arch.  de  zool.  exper.  et  g^n.  T.  7.  1878.  p.  519  —  526;  Krulenberg,  Vgl.- 
phyfiol.  Studien.  1  Eeihe.  3  Abth.  1880.  S.  167  ff.;  Kobert,  a.  a.  O.  S.  104. 
Infekten.  A.  Brandt,  a.  a.  0.  T.  10.  1866.  p.  552  --561.  F.  Graher, 
Sitzb.  d.'k.  k.  Akad.  d.  Wiü:  zu  Wien.  Bd.  65.  1872.  1  Abth.  ]\Iärz-Heft,  Arch. 


121]  Aninorkiingen  und  Literaturnachweife.  515 

f.  mikr.  Anat.  Bd.  9.  1873.  S.  129  —  196,  Die  Infekten.  München.  1877. 
S.  337  flf.;  E.  Faivre,  Compt.  rend.  T.  80.  1875.  p.  1333  u.  1334;  Kohert, 
a.  a.  O.  S.  104. 

Salpen.  Kühl  u.  van  Haßelt,  Algemaene  Kon.st-  en  Letterbode.  1822. 
T.  1.  S.  115  u.  116  (überfetzt  in  Ann.  d.  scienc.  nat.  Zool.  2  Ser.  T.  3.  1824. 
p.  78  —  81  u.  Bull,  des  scienc.  nat.  de  Feni/Tac.  T.  2.  p.  212);  Krukenberg, 
Vgl.-phyfiol,  Studien.  1  Reihe.  3  Abth.  1880.  S,  151  —  176  (mit  Citaten  der 
wichtigeren  äheren  Literatur). 

")  A.  Vidpian,  Lei^'ons  sur  la  physiol.  gen.  et  comp,  du  Systeme  nerveux. 
Paris.  1866.  p.  761  u.  762. 

")  Fei  Plateau,  Archives  de  biologie  Vol.  1.  1880  p.  642. 
")  Cf.  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  2  Reihe.  1  Abth.  1882.  S.  16  u.  17. 
^0)  L'eber  die  Umkehr  der  Herzbewegung  bei  Würmern  und  den  Embryo- 
nen nackter  Pulmonaten  vergl.:  J.  F.  P.  Braun,  Syllemat.  Befchreibung  einiger 
Egelarten.  Berlin  1805.  S.  40;  Joli.  Müller,  MeckeVs  Ai-ch.  f.  Anat.  u.  Phyflol. 
1828.  S.  22  —  29;  E.  H.  Weber,  ibid.  S.  399  u.  400;  A.  E.  Grube,  Zur  Anat.  u. 
Phyflol.  der  Kiemenwürmer.  Königsberg.  1838.  S.  29.  —  P.  J.  van  Beneden  u. 
Windifchmann,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phyfiol.  1841.  S.  176  —  195;  Ose.  Schmidt, 
ibid.  1851.  S.  278  —  290;  C.  Gegenbaur,  Grundzüge  der  vgl.  Anat.  Leipzig. 
1870.  S.  544. 

*')  Bezüglich  der  älteren  Schriften  über  den  Farbenw-echfel  vgl.  außer  den 
Literaturverzeichniffen  in  den  unten  angeführten  neueren  Abhandlungen  die  zu- 
fammenfairenrlen  Auffätze  von  E.  Brücke  (Unterf.  über  d.  Farbenwechfel  d.  afrik. 
Chamäleons.  Aus  dem  4.  Bd.  d.  Denkfchr.  d.  math.-nat.  Klaffe  d.  k.  k.  Akad.  d. 
Wiff.  zu  AV'ien.  1852),  H.  Milne-Edicards  (Le<;:ons  sur  la  physiol.  et  l'anat.  comp, 
etc.  T.  10.  Paris.  1874),  G.  Seidlüz  (Beiträge  zur  Descendenz-Theorie.  Leipzig. 
1876.  S.  1  —36),  C.  Sempcr  (Die  nat.  Exiftonzbedingungen  d.  Thiere.  Th.  1  u.  2. 
F-f'ipzig.  1880)  u.  H.  A.  Pagenttechcr  (Allgemeine  Zoologie.  Th.  4.  Berlin.  1881). 
Im  Texte  befonders  erwähnte  Schriften  über  die  Farben wechfel- 
a  [>  p  a  r  a  t  e : 

Ceph  alo  pod  en.  liud.  K lernen fieicicz,  Beitr.  z.  Kenntniß  (Ujs  Farben- 
wechfel« der  Cephalopoden.  Aus  d.  78  Bd.  d.  Sitzb.  d.  k.  k.  Akad.  <l.  Wiff. 
zu  Wien.  3  A>>th.  1878.  Juni-IIeft;  L.  Fredcricq,  Bull,  de  l'acad.  r.  de  Bel- 
gique.  2  S<-r.  T.  46.  1878.  p.  752  —  761;  Krukenberg,  Vgl.-phyfiol.  Studien. 
1  Reihe.  1  Abth.  1880.  S.  1  —  37;  E.  Yung,  Mitth.  a,  d.  zoolog.  Station  zu 
Neapel.  Bd.  3.  1881.  S.  97  —  120;  Krnkenberg,  a.  a.  O.  2  Reihe.  1  A]»th. 
I8S2.  S.  183  u.  3  Abth.  1882.  S.  118;  P.  Girod,  Arch.  de  zool.  cxikt.  et 
gön.  2  Sc-r.  T.    1.  1883.  p.  225  —  266. 

Chamäleon.  P.  Jierl,  Compt.  rend.  T.  81.  1876.  p.  938  —  941;  Kru- 
kenhfni.  V-I.  i-livdol.  Studien.  1  Reihe.  3  Abth.  1880.  S.  if3  —  65. 


516  Anmerkungen  und  Literaturnachweire.  [122 

Batrachier.  H.  v.  Wittich,  3IilUer'B  Archiv.  1854.  S.  41  —  59  u. 
S.  257—264;  J.  Lißer,  Philos.  Transact.  Vol.  148.  1859.  S.  627  —  643; 
F.  Goltz,  Tagebl.  der  44.  Verf.  d.  Naturf.  u.  Aerzte  in  Roftock.  1871.  S.  147 
u.  148;  Henfche,  Zeitfchr.  f.  wiff.  Zool.  Bd.  7.  1856.  S.  281  ff.;  F.  Leydici, 
Lehrb.  d.  Hiftiologie.  Hamm.  1857.  S.  82;  L.  Stieda,  Arch.  f.  Anat.  u.  Phy- 
ßol.  1865.  S.  59;  0.  Sscsesny ,  Beiträge  z.  Kenntniß  der  Textur  der  Frofch- 
haut.  Inaug.-DilTert.  Dorpat.  1867;  J.  Steiner,  Unterfucliungen  über  d.  Phy- 
ßologie  des  Frofchhirns.  Braunfchweig.  1885.  S.  29;  G.  Axmann,  Beitr.  z. 
mikr.  Anat.  u.  Phyfiol.  des  Ganglien-Nervenryltems  etc.  Berlin.  1853.  S.  74  ff.; 
E.  H.  Bimmermann,  lieber  d.  Einfluß  d.  Nerven  auf  die  Pigmentzellen  des 
Frofches.  DilTert.  Straßburg.  1878.  ~  Vgl.  auch:  F.  Leijdig,  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  12.  1876.  S.  119  —  241  u.  S.  Ehrmann,  Ueber  Nervenendigungen 
in  d.  Pigmentzellen  d.  Frofchhaut.  Aus  d.  84  Bd.  d.  k.  k.  Akad.  d.  WiH'.  zu 
Wien.  1881.  3  Abth.  Juni -Heft. 

Fifche:  G.  Pouchet,  Journ.  de  l'anat.  et  de  la  physiol.  T.  8.  1872. 
p.  71  —  74,  p.  401  —  407  u.  T.  10.  1874.  p.  558  —  560;  Krukenherg,  VgL- 
phyüol.  Studien.  1  Reihe.  3  Abth.  1880.  S.  59  —  62  u.  2  Pteihe.  1  Abth. 
1882.  S.  183. 

Krebfe.  S.  Jourdain,  Compt.  rend.  T.  87.  1878.  p.  302  —  303;  P.  Mayer, 
Mitth.  a.  d.  zool.  Station  zu  Neapel.  Bd.  1.  1879.  S.  521  —  522;  G.  Haller, 
Zeitfchr.  f.  wiff.  Zool.  Bd.  33.  1879.  S.  391;  G.  Pouchet,  Journ.  de  l'anat.  et 
de  la  physiol.  T.  8.  1872.  p.  401  —  407;  H.  Eifiy  citirt  von  Schmidtlein, 
Mitth.  a.  d.  zool.  Station  zu  Neapel.  Bd.  1.   1879.  S.  513. 

82)  San  Giovanni,  Ann.  d.  scienc.  nat.  T.  16.  1829.  p.  313  u.  314. 

83)  Cf.  Krulcenherg,  Vgl.-phyfiol.  Studien.  2  Reihe.  1  Abth.  1882.  S.  11  ff. 

8*)  Ä.  KölKker  u.  H.  Müller,  Zeitfchr.  f.  wiff.  Zool.  Bd.  4.  S.  332; 
C.  Gegenhaur,  Unterfuchungen  über  Pteropoden  u.  Heteropoden.  Leipzig.  1855. 
S.  56  —  59. 

85)  Die  Pigmentkörper  der  Chromatophoren  bei  den  Cephalopoden  muffen 
nach  den  Beobachtungen  von  Klemenßeivicz  und  Girod  als  kernhaltige  Zellen 
aufgefaßt  werden,  die  in  ihrer  bedeutenden  Elaflicität  den  Epithelien  der 
Säugerharnblafe  an  die  Seite  zu  Hellen  und.  Die  auf  Brücke's  Anregung 
von  J.  Paneth  (üeber  das  Epithel  der  Harnblafe.  Aus  dem  74.  Bd.  der  Sitzb. 
d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiff.  zu  Wien.  3  Abth.  1876.  Juli-Heft)  und  unter  C.  Lud- 
wig'B  Leitung  von  B.  London  (Arch.  f.  Anat.  u.  Phyüol.  1881.  Phyfiol.  Abth. 
S.  317  —  330)  unterfuchten  ftructurellen  Veränderungen  der  Harnblafenepi- 
thelien  bei  gefüllter  und  entleerter  Blafe  geben  uns  zugleich  ein  vortreff- 
liches Bild  von  dem  Farbenwechfel  der  Chromatophoren  und  find  außerdem 
phyffologifch  noch   deshalb  fo  hoch   intereffant,    weil   den  meiften  Epithelien 


123]  Anmerkungen  und  Literatuinaclnveife.  617 

ein  (lerartigoH  lilafticitätsvermögen  auch  nicht  im  Entfernteften  innewohnt, 
fondein  (wie  z.  ß.  das  Kapfelepithel  um  dem  Nierenglomerulus  oder  wie  das 
Lungenepithel  nach  Küttner)  einmal  geftreckt,  bis  zur  Unkenntlichkeit  flächen- 
artig gedehnt  verharren. 

^)  C.  Studiati,  ]\Iiscell.  di  osserv.  zootom.  I.  Sulla  causa  dei  cangiamenti 
di  colore  nella  pelle  del  Chamaeleo  africanus.  Mem.  acad.  sr.  Torino. 
•2  Ser.  T.  15.  1853.  p.  89  —  93;  H.  A.  Pagenllecher,  a.  a.  O.  S.  760. 

").^-  l'oiichet,  Compt.  rend.  T.  72.  1871.  p.  868;  cf.  aucli  Kriücenberg, 
Vgl.-phyßol.  Studien,  1  Keihe.  3  Abth.  1880.  S.  57. 

**)  Seneca'a  Naturbetrachtungen.  3  Buch.  Römifche  Profaiker  in  neuen 
Ueberfetzungen  herausgegeben  von  Tafel,  Oßander  u.  Scincab.  Stuttgart.  1830. 
Bd.  54.  S.   1173  —  1176. 


In  Carl  Winter's  UniverfitätsTjucliliandlüiig  in  Heidelberg  find 
vom  gleichen  Verfaffer  ferner  erfchienen: 

Vergleichend  -  phyPiologifche  Studien. 

Exj)  eriment eile  Unt erliicliiaiigeii. 

Ei-ffce  R-eilie. 

Fünf  Abtheilungen.  Mit  15  Holzfchnitten  u.  12  Tafeln,  gr.  8".  brofch.  25  M. 

Z^veite  Reihe. 

I.  Abtheilung.    Mit  4  Holzfchnitten.     gr.  S».     brofch.  6  M. 
II.  Abtheilung.    Mit  3  Holzfchnitten  und  3  Tafeln,    gr.  8".     brofch.  5  M. 
III.  Abtheilung.    Mit  1  Holzfchnitt  und  9   Tafeln,     gr.  8".     brofch.  7  M. 


Die 

eigenartigen  Methoden  der  elieniifclien  Pliyriologie 

als 

Entgegnimg  auf  die  Feftreden  der  Hm.  Leuhe  mid  Hoppe- Seijler. 

Vortrag". 

INIit  2  colorirten  Tafeln,     gr.  8".     brofch.  1  M.  60  Pf. 

UHr*  Wir  erlauben  uns,  auf  diefen  interelfanten  Vortrag  befonders 
aufmerkfam  zu  machen. 


Grundriß 


der 


mediciiiif  eh  -  chemifclien  Analy  f  e 

unter  Zugrundelegung  der  im 

chemifcli  -  phyfiologifchen    Laboratorium    der    königl.    Univerßtät 

Würzburg  gehaltenen  medicinifch-chemifchen  Curfe. 

jVIit  39  HolzrchnitteiT.  ^iiad.  1  litliograpliix'ten  Tafel.    Lex.  8". 
in  L^vd..  geb.  5  Jb 


Diefer  compendiöfe  Grundriß  der  medicinifchen  Chemie  und 
der  chemifchen  Phyfiologie  von  der  Hand  des  dazu  befonders  berufenen 
Verf.  wird  allen  Medicinern  ein  willkommenes  Hilfsmittel  fein. 


— j\j'\/\pj\/\/\y~— 


C.  F.  Winter'fche  Biichdruckerei.  a    ^,^ 


COLUMBIA  UNIVERSITY                 | 

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C2B(638)MS0 

QP51  K88 

Krukenberg 
Vergleichend-physiologischen  vor« 


tr&'ge 


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