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Sandafut 1937.
Sen der Sof. SHomaun’fiien Puhörnkerei.
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Dorworf.
Im 107. Jahre ſeines Beſtehens übergibt der Hiſtoriſche Verein
ſeinen Mitgliedern zum 70. Mal einen Band ſeiner Verhandlungen.
Konnten auch unter Bedachtnahme auf die wirtſchaftlichen Verhält-
niſſe die Wünſche und Abſichten für ſeine weitere Ausgeſtaltung
nicht alle verwirklicht werden, ſo iſt es immerhin gelungen, außer
dem 2. Teil der Arbeit „Der Bauernaufſtand vom Jahre 1705 im
bayeriſchen Unterland“ noch Verzeichniſſe der Neuzugänge der
Bücherei und der Sammlungen aufzunehmen. Auch eine kurze Be⸗
ſprechung des in letzter Zeit erſchienenen niederbayeriſchen Schrift⸗
tums konnte untergebracht werden. Über die im Verein herrſchende
rege Tätigkeit hat der geſchäftsführende Vorſitzer berichtet.
In der Jahreshauptverſammlung am 14. Januar 1937 wurde ich
einſtimmig wieder zum 1. Vorſitzer des Vereins gewählt. Ich habe
die mich ehrende Wahl angenommen und die bisher dem Beirat
angehörenden Herren wieder als meine Mitarbeiter beſtimmt.
Es iſt mir eine angenehme Pflicht, allen denjenigen Stellen und
Perſönlichkeiten, welche die Beſtrebungen des Vereins fördern
halfen, den beſten Dank zum Ausdruck zu bringen. Dieſer Dank ge⸗
bührt in erſter Linie der Stadtverwaltung, welche den Belangen
des Vereins die weiteſtgehende Anteilnahme und finanzielle Unter-
ſtützung zu teil werden ließ; er gilt der Verwaltung der ſtaatlichen
Schlöſſer, Gärten und Seen, welche dem Verein bei den verſchie⸗
denſten Anläſſen größtes Entgegenkommen bewieſen hat. Unſer
Dank ſei auch ausgeſprochen dem Kreistag von Niederbayern für
die Zuwendung von 100 AM, allen Spendern, welche durch Shen:
kungen die Sammlungen des Muſeums bereichert haben, ſowie der
örtlichen Preſſe für die aufmerkſame Berichterſtattung über die Ver⸗
anſtaltungen des Vereins. Ganz beſonderer Dank aber ſei gezollt
den Herren des Beirats, die durch ihre ſelbſtloſe und mühevolle
102
Mitarbeit jo weſentlich mit zur Erfüllung der dem Verein geitellten
Aufgaben beigetragen haben.
Im Verlaufe des Berichtsjahres hat der Verein vier Mitglieder
durch Tod verloren. Es ſind dies die Herren:
Profeſſor Dr. Franz Trautmann, der für ſein verdienſtvolles
Wirken auf dem Gebiet der Kunſt⸗ und Kulturgeſchichte mit der
Ehrenmitgliedſchaft des Vereins ausgezeichnet war;
Regierungsdirektor a. D. Karl v. Liel, der lange Jahre dem
Ausſchuß angehörte;
Antiquar Max Kummer; er hat durch zahlreiche Schenkungen
ſeine Anhänglichkeit an den Verein zum Ausdruck gebracht;
Pfarrer Sebaſtian Huber, der als Verfaſſer der Geſchichte der
Pfarrei Neuhauſen bei Landshut ſich einen geachteten Namen unter
den Heimatſchriftſtellern Niederbayerns erworben hat.
Ihnen allen wird der Verein ein treues Andenken bewahren.
Mit Befriedigung kann der Verein auf die im letzten Jahre ge⸗
leiſtete Arbeit zurückblicken. Als ſchönſte Anerkennung dafür wird
er es empfinden, wenn die alten Mitglieder ihm die Treue be⸗
wahren und wenn ſie ihre Anteilnahme dadurch zum Ausdruck
bringen, daß ſie dem Verein neue Freunde gewinnen.
Heil Hitler! |
Vielweib, Oberbürgermeiſter,
1. Vorſitzer.
der Bauernaufſtand
vom Jahre 1705
im bayeriſchen Unterland
2. Teil
Guitav Baumann
| Oberſtlentnant a. d.
5. Der Bruch des Waffenſtillſtandes
und die kriegeriſchen Ereigniſſe im Dezember 1705.
Im Gegenſatz zu der hinhaltenden und nicht ganz aufrichtigen
Politik des Adminiſtrators haben die Bauernführer und mit ihnen
die untere. Station in Braunau niemals einen Zweifel gelaſſen,
daß es ihnen mit der Fortſetzung des Krieges und mit der Ver⸗
treibung der Fremdherrſchaft heiliger Ernſt fei. Ihre Taten ließen
auch nicht lange auf ſich warten.
Die offenkundige Begünſtigung, welche die Regierung bisher den
auf Frieden gerichteten Beſtrebungen hatte zu teil werden laſſen,
war von den Machthabern in Braunau mit wachſendem Argwohn
beobachtet worden; und ſie entſchloſſen ſich, dieſer ihnen ſo uner⸗
wünſchten Tätigkeit ein für allemal ein Ende zu bereiten. Ohne das
Ergebnis der Beſprechungen in Anzing abzuwarten, erſchien am
Morgen des 12. Dezember der Oberkommandant Hoffmann in Be⸗
gleitung Meindls und des ehemaligen kurbayeriſchen Oberſtwacht⸗
meiſters Lechner in Burghauſen, berief die Gemein zuſammen und
legte den Bauern den Standpunkt der Landesdefenſion klar: Durch
Annahme des Waffenſtillſtands drohe das ganze Befreiungswerk zu
ſcheitern. Der Regierung dürfe man nicht im geringſten trauen; ſie
trage auf zwei Schultern und arbeite nur darauf hin, aus Liebe⸗
dienerei für die Adminiſtration der Aufſtandsbewegung das Waſſer
abzugraben. Auch die Landſchaftsverordnung ſei ganz kaiſerlich ge⸗
ſinnt und denke nicht daran, dem gemeinen Bauersmann zu helfen.
Nur durch Selbſthilfe könnten das Land und die Untertanen vor
dem vollſtändigen Ruin bewahrt werden. Man müſſe daher den
Waffenſtillſtand ſofort brechen, de Wendt aus dem Lande treiben
und das Rebellionsfeuer durch das ganze Land anblaſen. Obwohl
die Bürger und Bauern wenige Tage vorher ihren Friedenswillen
bekundet hatten, fiel es Hoffmann nicht ſchwer, die Wankelmütigen
wieder auf ſeine Seite zu ziehen, und als er ſich der Zuſtimmung
der Gemein verſichert hatte, ſchlug er vor, den verdächtigen Priel⸗
mayr als Kommandanten abzuſetzen und dafür Lechner zu wählen.
Auch damit war die Gemein einverſtanden. Noch aber gab ſich Hoff⸗
mann nicht zufrieden. Er ließ durch Lechner an die Regierung die
unerhörte Zumutung ſtellen, ihre Pflicht auf den Kurfürſten zu er⸗
neuern und dieſe Verpflichtung auch auf die Landesdefenſion abzu⸗
legen. Die Räte waren ſich über die gefährlichen Folgen dieſes An⸗
ſinnens nicht im unklaren und verſuchten, ſich demſelben mit allen
möglichen Einwänden zu widerſetzen. Da aber der Gang vor der
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Regierungskanzlei gedrängt voll betrunkener Bauern ſtand, die ihre
Gemehre geſpannt hatten und jeden Widerſpenſtigen ſofort tot zu
ſchlagen drohten, fügten ſich Vizedom, Kanzler und Räte angeſichts
der „ſchwierigen und erhitzten Menge“ ins unvermeidliche; ſie er⸗
neuerten ihre Pflicht gegen den Kurfürſten und ſchwuren, „ſich von
der Landesdefenſion auf erforderlichen Fall gebrauchen zu laſſen in
dem, was der Regierungsfunktion obliegt“. Trotz aller Bedrängnis
war es ihnen gelungen, in die Eidesformel dieſes Hintertürchen
einzuſchwärzen, durch das man „bei gefährlichen Konjunkturen“,
deren baldiger Eintritt unſchwer vorauszuſehen war, entſchlüpfen
konnte. Aber die Tatſache war nicht mehr aus der Welt zu ſchaffen,
daß die Regierung mit der Erneuerung der Pflicht auf den Kur⸗
fürſten und dem Verſprechen, ſich der Landesdefenſion zur Verfü⸗
gung zu ſtellen, ihren dem Kaiſer geſchworenen Treueid gebrochen
und ſich ganz in die Gewalt der Aufſtändiſchen begeben hatte.
Bürgermeiſter und Rat in Burghauſen hatten mit Beſorgnis von
dem Treiben Hoffmanns gehört und ihm durch Prielmayr ſogar
„eine Realverehrung“ von 1000 fl. anbieten laſſen, wenn er ſeine
Hetzreden einſtelle und die widerſpenſtigen Braunauer zum Halten
des Waffenſtillſtands bewege. Amſonſt! Hoffmann, der böſe (Get
der Bauern, verſchloß ſich allem Zureden. Wie zerfahren ſchon um
dieſe Zeit die Zuſtände waren, läßt ſich daraus erkennen, daß der
neue Kommandant Lechner bereits nach zwei Tagen ſich wieder aus
der Stadt entfernte. Er hatte genug geſehen.
Im Vollzug der Anzinger Abmachungen hatte ſich de Wendt am
14. Dezember von Badhöring nach Altötting zurückgezogen. Schon
am nächſten Tage war es zwiſchen den beiderſeitigen Vorpoſten
wiederholt zu kleinen, von den Bauern geſuchten Zuſammenſtößen
gekommen. De Wendt hatte durch Parlamentäre auf die beſtehende
Waffenruhe hinweiſen laſſen, aber von den Bauern die Antwort
erhalten: „Wir ſind nicht Untertanen des Kaiſers und wollen nicht
aus dem Land gehen“. Erſt auf eine Beſchwerde de Wendts bei der
Regierung in Burghauſen trat Ruhe ein.
Ein eigenartiger Zufall wollte es, daß an jenem Abend, an dem
in Anzing die Grundlage für eine friedliche Verſtändigung geſchaf⸗
fen worden war, ein neues Rebellionsfeuer im Lande an der Donau
emporloderte. Ein Kelheimer Bürger, der Metzgermeiſter Mathias
Kraus, pflanzte dort die Fahne der Empörung auf. Schon einige
Wochen vorher hatte Kraus in Kelheim einen kleinen Wirbel an⸗
gezettelt. Nach reichlichem Biergenuß waren am ſpäten Nachmittag
des 15. November etwa 30 einheimiſche junge Burſchen unter Schießen,
Trommeln und Johlen durch die Straßen gezogen und hatten allerlei
Unfug verübt. Aus dem gewaltſam geöffneten Schergenhaus be⸗
freiten ſie zwei Gefangene. Dann wurde der Gerichtsſchreiber grün
5
und blau geſchlagen und zum Schluß der in Kelheim auf Werbung
ſtehende Hauptmann Werner vollſtändig ausgeplündert. Dem Zu⸗
reden der Beamten, beſonders des Pflegers Wolf Frh. von Leoprech⸗
ting gelang es am andern Tag, die Unruhſtifter wieder zur Ver⸗
nunft zu bringen. Die Rädelsführer Kraus, die Söhne des Metzgers
Pixl und der Gaſtwirt Ponritzer, machten ſich aus dem Staube, „weil
die Bürgerſchaft gegen die Böſewichte ganz mißhellig und aufrührig
geworden war“. Dieſer Mißerfolg entmutigte aber den tatenluſtigen
Kraus nicht. Ende November begab er ſich in das Hauptquartier der
Aufſtändiſchen nach Simbach und redete dort große Töne: „Im Re⸗
vier Kelheim ſind auch Leute, die mitgehen möchten und wohl auf⸗
zubringen wären“. Was konnte den Führern erwünſchter ſein, als
ſolche Poſt! Am 30. November ſtellten ſie Kraus ein Patent aus,
laut welchem er „die Mannſchaft allarmieren und zuſammenziehen
und die in Bayern ſtehenden feindlichen Truppen austreiben ſolle“.
Kraus machte ſich ſofort ans Werk. |
Am 4. Dezember kam er mit einigen bewaffneten Leuten in den
Markt Pfaffenberg, zeigte dem Kammerer ſein Patent und begehrte
die Herausgabe von Gewehren und das Aufgebot der Schützen. Da
beides abgelehnt wurde, ſchickte er ſeine Genoſſen in die Umgebung
und ließ von Hof zu Hof Aufgebotszettel verteilen. Nachdem ſich im
Lauf der nächſten Tage an die zweihundert Bauernburſchen und
einige abgedankte Soldaten ihm angeſchloſſen hatten, hielt ſich Kraus
für ſtark genug, einen Handſtreich auf Kelheim zu wagen. Auf
Schleichpfaden näherte er ſich in der dunklen Herbſtnacht des 12. De⸗
zember der Stadt und überſchritt die unbewachte Donaubrücke. Un⸗
bemerkt zog der Haufen zum Donautor. Es war verſchloſſen. Doch
der ortskundige Kraus wußte Rat, Er durchwatete mit ſeinen Leuten
den am Südrand der Stadt fließenden knietiefen Altmühlarm und
gelangte um 3 Uhr morgens durch ein nicht verſperrtes Gartentür⸗
lein in das Weiße Bräuhaus. Hier ließ er ſeine Leute ſich trocknen
und „einen Trunk tun“ und gab ſeinen Kriegsplan bekannt. Eine
Stunde ſpäter verteilten ſich die Aufſtändiſchen in kleinen Gruppen
in der Stadt und überwältigten die ſchlaftrunkenen Wachen und
Poſten ohne jede Gegenwehr. Obwohl der Kommandant Hauptmann
v. Gillani durch die Straßen lief und ſeine Leute zum Widerſtand
aufmunterte, ließ ſich von ſeiner Mannſchaft niemand blicken. Die
geſamte Beſatzung, eine nur 70 Mann ſtarke Kompagnie des Regi⸗
ments Tattenbach, wurde gefangen geſetzt, Hauptmann v. Gillani
ausgeplündert. Der kühne Handſtreich, gut vorbereitet und ſchneidig
durchgeführt, war glänzend gelungen.
Als am andern Morgen die Bürger ſich den Schlaf aus den Augen
rieben, ſahen ſie die nächtliche Beſcherung. Dem am Vormittag zu⸗
ſammenberufenen Rat ſtellte ih Kraus als kͤurfürſtlich bayeriſcher
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Oberitleutnant und Kommandant vor, zeigte ihm das Patent der
Landesdefenſion und forderte, daß man ihm allen Vorſchub geben
ſolle. Er fand wenig Entgegenkommen. Die Ratsmitglieder meinten,
daß auf den liederlichen Zettel nichts zu halten ſei, und daß die
Sache nichts Gutes, ſondern nur Übel und Unheil bringen werde.
Aber trotz dieſer Warnung ließen fic) die ängſtlichen Bürger von
Kraus einſchüchtern und beſchloſſen, den Wachdienſt zuſammen „mit
der landſchützenden Mannſchaft“ zu verſehen. Als Kraus ſich der
Mitwirkung der Bürgerſchaft verſichert hatte, ſchwoll ihm der Kamm.
Der Pfleger Frh. v. Leoprechting wurde abgeſetzt und feſtgenommen;
in ſeinem Größenwahn ließ es ſich Kraus beifallen, die Kleider des
Pflegers anzulegen und damit in der Stadt herumzuſpazieren. Das
Geſpött der Bürger hat ihn nicht bekümmert. Krauſens nächſte Sorge
galt, wie ſich dies bei einem Oberſtleutnant der Landesdefenſion
von ſelbſt verſteht, der Beſchaffung von Geld. Zur Löhnung für „die
allhier als Landesdefenſores ſtehenden Truppen“ mußte das Bräu⸗
amt 1000 fl. vorſchießen; Geiſtlichkeit und Klöſter wurden „nach
Proportion beſchwert“, die Kaſſen des Pflegamts und der Stadt ge⸗
bührend erleichtert. Freigebig gewährte Kraus ſeiner Mannſchaft
eine tägliche Löhnung von 10 kr. Noch am 13. Dezember erließ er
Patente an die nahe gelegenen Städte Abensberg und Neuſtadt und
verlangte die Geſtellung der wehrhaften Leute und die Einlieferung
der Feuerwaffen. Da die dortigen Beamten vor der Teilnahme am
Aufſtand warnten, verhielten ſich die Abensberger und Neuſtädter
vollſtändig ruhig. Weitere Mandate ſchickte Kraus in die Hallertau.
In einem an den Rat von Mainburg gerichteten Schreiben ver⸗
langte er, „daß man dieſes ſo importante Werk mit Darſetzung von
Gut und Blut für das Vaterland befördere“ und drohte nach be⸗
kanntem Muſter, die Strafe mit Feuer und Schwert würde nicht
unterbleiben, „wenn die Geſtellung der Mannſchaft mit einigem
Vorbehalt geſchehe“. Die Hallertauer Bauern waren aber bezüglich
der Wichtigkeit des Werkes anderer Meinung; fie rührten ſich nicht
und meinten, mit dem Vollzug der Drohung werde es noch gute
Weile haben. Größeren Zulauf erhielt Kraus aus den nächſt Kel⸗
heim gelegenen Ortſchaften und aus der Gegend von Langquaid.
ſodaß ſein Haufen nach wenigen Tagen gegen 1500 Mann zählte.
Die Sache hatte ſich bis jetzt ganz gut angelaſſen, aber mit der
Einnahme von Kelheim war noch wenig erreicht. Man mußte ſich
darüber klar werden, was nun zu geſchehen habe. Die einen machten
den Vorſchlag, nach Cham zu marſchieren; man kam davon ab, weil
der an der Landesgrenze gelegene Platz für den weiteren Verlauf
des Aufſtandes keine Bedeutung beſaß. Andere wollten nach Vils⸗
hofen ziehen; da aber die Bauern dieſe Stadt ſchon ſeit vierzehn
Tagen beſetzt hielten, wurde der Plan wieder verworfen. Eine dritte
5
Meinung ging dahin, man ſolle auf Riedenburg oder Neuſtadt los⸗
marſchieren. Dieſer Angriffskoller erfuhr aber bald eine gewaltige
Dämpfung, als das Einrücken kaiſerlicher Truppen in dieſen Orten
bekannt wurde. Je mehr Vorſchläge zur Beratung kamen, deſto
weniger konnte ſich Kraus zu einem Entſchluß aufraffen. Der ganze
Schwung, mit dem der Zug nach Kelheim begonnen hatte, war
nach wenigen Tagen erſchöpft. Ja, Kraus mußte dem Drängen der
Bürgerſchaft, die mit den in der Stadt zuſammengeſtrömten un⸗
nützen Eſſern ſtark beſchwert war, nachgeben und den größten Teil
ſeiner Leute bis auf 200 Mann wieder in ihre Heimat entlaſſen.
Damit war der Verzicht auf die Weiterführung des Unternehmens
ausgeſprochen und Kraus erwartete in Untätigkeit die Gegenmaß⸗
nahmen der Adminiſtration, die er bald zu verſpüren bekam.
Durch Zufall war die Nachricht von dem Anſchlag auf Kelheim
ſchon am 13. Dezember abends in München bekannt geworden und
unverzüglich hatte der Adminiſtrator an den Grafen Bagni in
Ingolſtadt den Befehl ergehen laſſen, Kelheim ohne Zeitverluſt
wieder zurückzuerobern. Bereits am 15. Dezember marſchierte der
zur Leitung des Unternehmens beſtimmte Oberſt v. Truchſeß mit
300 Mann des fränkiſchen Kreisregiments von Ingolſtadt ab und
erreichte noch an dieſem Tage Neuſtadt. Eine willkommene Ver⸗
ſtärkung brachte ihm das vom Markgrafen von Ansbach „erhandelte“
Grenadierbataillon. Es war am 9. Dezember in kaiſerlichen Sold
übergetreten und wurde vom Grafen Bagni von Eichſtätt aus nach
Riedenburg in Marſch geſetzt.
Am 16. Dezember erſchien Truchſeß vor Kelheim und forderte die
Stadt zur Übergabe auf. Das Antwortſchreiben des Kommandanten
Kraus iſt ein merkwürdiges Gemiſch von ſpöttiſchem Hohn und kind⸗
licher Harmloſigkeit. Kraus erſtattet zunächſt ſeinen ſchuldig gehor⸗
ſamen Dank für das geſtellte Verlangen, daß jene, welche die Stadt
überfallen haben, ſogleich ausgeliefert werden. Man kann aber, ſo
heißt es weiter, dem geſtellten Begehren, ſo gerne man es auch von
ſeite der Bürgerſchaft und ſonderlich aller Beamten tun würde, nicht
willfahren, weil der Kommandant durchaus nicht abziehen will, und
weil die Bürgerſchaft nicht in ſolchem Stande iſt, ihn und ſeine
ſtarke Mannſchaft dazu zu zwingen. Kraus verſichert aber, daß er
nichts Feindſeliges zu unternehmen gedenkt; er verlangt nur, „den
hieſigen Ort, der von der Landesdefenſion erhaltenen Anſchaffung
gemäß, zu behaupten“. Als bald darauf auch der Anmarſch von
Truppen im Altmühltal bekannt wurde, verließ eine beträchtliche
Zahl von Landesverteidigern die Stadt; ſie waren nicht geſonnen,
„die Extremität abzuwarten“. Kraus hielt es nun für angebracht,
andere Saiten aufzuziehen und ſchlug dem Oberſt v. Truchſeß eine
Waffenruhe vor. Er ſei bereit, die Feindſeligkeiten einzuſtellen, die
E
gefangenen Soldaten der Bürgerſchaft zu übergeben und am 20. De-
zember die Stadt zu verlaſſen. Sollte dieſer Vorſchlag nicht ange⸗
nommen werden, ſo erwarte er den Angriff. Da von der Gewährung
freien Abzugs keine Rede ſein konnte, beſchloß Oberſt v. Truchſeß,
das Städtchen mit ſtürmender Hand zu nehmen. Am 18. Dezember
nachmittags ließ er durch eine Franziskanerabordnung Kraus und
die Bürgerſchaft nochmals zur gütlichen Unterwerfung auffordern
und fügte die Verſicherung bei, daß keinem ein Leid widerfahre,
wenn die Stadt wieder zum Gehorſam gegen den Kaiſer zurückkehre.
So ſehr auch die Beamten und Bürger, „denen es gar nicht wohl
bei der Sache war“, auf Übergabe der Stadt drängten, Kraus und
ſein Anhang blieben halsſtarrig und die Franziskaner mußten un⸗
verrichteter Dinge wieder abziehen. Truchſeß hatte inzwiſchen ſeine
Truppen auf der Nord⸗ und Weſtſeite der Stadt zum Sturm bereit
geſtellt. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, als die Franken
unter lautem Geſchrei die Tore einhieben und ſich in den Gaſſen aus⸗
breiteten. Sie fanden weder von den Bürgern, noch von den Landes⸗
verteidigern den geringſten Widerſtand. Bei dem auf den Straßen
herrſchenden Gedränge und der allgemeinen Verwirrung wurde eine
große Zahl von Bauern ohne Gnade niedergemacht. Einem kleinen
Teil gelang es, ſich auf Kähnen zu flüchten; andere wurden in die
Altmühl getrieben und ertranken; der Reſt flüchtete in die Freyung
der Pfarrkirche. In kaum einer Stunde war die Stadt im Beſitz der
Kaiſerlichen, denen der Sturm nur einen Verwundeten gekoſtet
hatte. Auch eine Plünderung wurde den Bürgern nicht erſpart, bei
der ſich beſonders die Ansbachiſchen Grenadiere hervortaten. Die
eifrigen Nachforſchungen nach den Führern, welche im Laufe der
Nacht erfolglos geblieben waren, ließ Oberſt v. Truchſeß am nächſten
Morgen fortſetzen. Dabei beobachtete der Hauptmann Koffler, wie
ein Mann, der ſich vorher ſcheu nach allen Seiten umgeſehen hatte,
in größter Eile durch ein Fenſter in ein Kellergewölbe hineinkroch.
Der argwöhniſch gewordene Offizier ging ihm nach, fand ihn hinter
einem großen Bierfaß unter einer Strohſchütt verborgen und trieb
ihn mit ſeinem Pallaſch heraus. Auf Befragen gab der Mann an,
er ſei ein armer Tagwerker und fürchte ſich vor den Soldaten. Wenn
er ein gutes Gewiſſen habe, meinte Koffler, brauche er ſich nicht zu
fürchten, da werde ihm nichts geſchehen. Während die beiden noch
miteinander ſprachen, kam der Feldwebel von der Kompagnie des
Hauptmanns Gillani hinzu und rief erſtaunt aus: „Das iſt ja der
Kraus!“ Kraus konnte es nicht leugnen und wurde ſofort in ſichere
Verwahrung gebracht. Das Schickſal hatte ihm einen böſen Streich
geſpielt!
Als die Eroberung Kelheims in München bekannt geworden war,
glaubte die Adminiſtration nunmehr mit den ſchärfſten Mitteln ein⸗
as SOF Se
ſchreiten zu müſſen und ſchon am 20. Dezember ließ Graf Löwen⸗
ſtein folgendes Urteil ergehen: Der Haupträdelsführer Kraus ſoll
enthauptet und gevierteilt, ſein Haus niedergeriſſen und dem Erd⸗
boden gleichgemacht, auf dem Grund ein Galgen errichtet werden.
Von denjenigen, welche an dem Überfall auf die Stadt teilgenom⸗
men haben, miijjen je 15, von den Bürgern, die ſich zu den Auf⸗
ſtändiſchen geſellt haben, je 10 um ihr Leben würfeln. Der mit der
niederſten Nummer ſoll im Angeſicht der andern mit dem Strang
hingerichtet werden. Die Überlebenden werden, wenn tauglich, zum
Kriegsdienſt ausgehoben, wenn untauglich, unter Einziehung ihres
Hab und Guts des Landes verwieſen.
So erfreut man im Hauptquartier in Braunau über die Ein⸗
nahme von Kelheim geweſen war, ſo bitter wurde die Nachricht von
der Wiedereroberung durch die Kaiſerlichen empfunden und zwar
um ſo mehr, als gleichzeitig auch ein anderes Unternehmen ein un⸗
rühmliches Ende gefunden hatte.
In der Abſicht, den im Iſartal gänzlich erloſchenen Aufſtand neu
zu beleben, hatte man in Braunau einen Vorſtoß nach Norden an⸗
geordnet und mit deſſen Durchführung den Arzt und Landmeſſer
Kaſpar Dörfl von Vilshofen und den ehemaligen Stadtſchreiber von
Diterhofen Karl Männinger betraut. Sie erreichten mit ihrem
über 2000 Mann ſtarken Haufen, dem auch 6 Geſchütze beigegeben
waren, am 15. Dezember Landau a. J. Die ſchwache Beſatzung,
etwa 40 Barthels⸗Küraſſiere, ging nach Verluſt von 11 Gefangenen
nach Dingolfing zurück. Auf die Meldung von dieſem Wirbel zog
Oberſt Barthels am 16. Dezember fünf in der Nähe liegende Kom-
pagnien ſeines Regiments in Dingolfing zuſammen. Dieſe Truppen⸗
bewegungen riefen in der ganzen Gegend größte Beſtürzung hervor
und einige geſchickt verbreitete Schreckensnachrichten brachten den
Kampfesmut der Landesverteidiger vollends zum Erlöſchen. Ebenſo
ſchnell wie er erſchienen war, verlief ſich der ganze Schwarm. Män⸗
niger und Dörfl wollten ebenfalls das Weite ſuchen, wurden aber
von den Landauer Bürgern vom Pferde geriſſen, feſtgenommen und
dem Oberſtleutnant de Straka übergeben, der am 17. Dezember
ohne Schwertſtreich in Landau einzog und mit den Rädelsführern
kurzen Prozeß machte. Die bisherigen Verſuche, die Aufſtands⸗
bewegung weiter zu tragen, waren jämmerlich zuſammengebrochen.
Alle dem Bauernheer anhaftenden Mißſtände und Schwächen waren
dabei mit unheimlicher Deutlichkeit zu Tage getreten. Beſonders
das Auseinanderlaufen von 2000 Bauern, welche auf die bloße
Nachricht vom Anmarſch der Kaiſerlichen Reißaus genommen und
nicht das geringſte verſucht hatten, das Feld zu behaupten, verur⸗
ſachte im Hauptquartier der Landesdefenſion hellen Zorn. Jehle
entſandte Offiziere, welche die, „heimlich vom Corpo Weggegange⸗
— 10 —
nen“ wieder jammeln jollten. Shr Bemiihen war frudtlos. Die
Bauern hatten eingeſehen, „daß dieſer Handel fein gut tue“; froh,
der Sache ledig zu ſein, erklärten ſie, ſich nicht mehr dazu herzu⸗
geben, auch wenn man ſie nötigen würde.
In Braunau erwartete man in dieſen Tagen voll Ungeduld Nach⸗
richten aus dem Oberland. Es wurde erwähnt, daß der Kriegs⸗
kommiſſär Fuchs ſich anfangs Dezember von Braunau nach Tölz
begeben hatte. Über ſeine dortige Tätigkeit und über die einer Er⸗
hebung günſtige Stimmung hat er jedenfalls nach Braunau be⸗
richtet. Wenn man annimmt, daß dieſe wichtige Botſchaft etwa um
die Mitte Dezember dort eingetroffen iſt, dann wird nicht nur das
ſelbſtbewußte Auftreten Plinganſers am 16. Dezember in Burg-
hauſen erklärlich, ſondern es hellen ſich auch die Gründe auf, welche
den plötzlichen Aufbruch des Bauernheeres am 17. Dezember ver⸗
anlaßt haben. Dieſe mutmaßlichen Zuſammenhänge zwiſchen Ober⸗
und Unterland hat zum erſtenmale v. Wallmenich einer Betrachtung
unterzogen. Seine Annahmen und Folgerungen ſind ſo ſchlüſſig,
daß man ſie bis zu dem kaum mehr zu erwartenden Beibringen von
Gegenbeweiſen als der Wahrheit am nächſten liegend bezeichnen
muß. Der Mitwirkung des Oberlands ee holte Plinganſer
zu einem großen Schlage aus.
Am Morgen des 16. Dezember erſchien er im Auftrag der Landes⸗
defenſionsführer überraſchend in Burghauſen und begab ſich ſofort
zur Regierung, wo er die eben zu einer Sitzung verſammelten Räte
antraf. Ohne weitere Förmlichkeiten begann er in herriſchem Tone
zu ſprechen: Die ſämtlichen Herren Oberoffiziere und auch das
Landesdefenſions⸗Kriegskommiſſariat haben zu den Verhandlungen
in Anzing niemals ihre Zuſtimmung gegeben, vielmehr denſelben
jederzeit aufs ſchärfſte widerſprochen. Sie verlangen daher jetzt,
daß die Regierung ſich in den von der Burghauſer Gemein unbefugt
abgeſchloſſenen Vertrag nicht einmenge, ſondern der Gemein die
Nichtigkeit des Vertrages vorſtelle und auch begründe. Die Landes⸗
defenſion hat nunmehr 20 000 Mann aufgebracht und ſchon erheb⸗
liche Vorteile gegen die Kaiſerlichen errungen. Je länger wir zögern,
dieſe Erfolge auszunützen, deſto mehr erkaltet der Eifer unſerer
Leute. Die uns jetzt durch den Vertrag aufgezwungene Tatenloſig⸗
keit wird es dem Feind möglich machen, immer mehr Truppen ins
Land zu ziehen und dann, wenn er die Übermacht erlangt hat, den
Aufſtand um ſo kräftiger niederzuſchlagen. Noch iſt es Zeit, dem
vorzubeugen. Die Regierung, die ſich eidlich verpflichtet hat, alles
zur Landesdefenſion Nötige vorzukehren, wird daher unverzüglich
die Maßnahmen hiezu treffen. Als ſolche erkennen wir: Der Adel
des Rentamts ſoll noch im Laufe des Dezember 500 Dragoner
mit Pferden und Ausrüſtung ſtellen. Alle Offiziere und Soldaten,
DE, GG
welche ehemals in furbayerijden oder franzöſiſchen Dienſten ge-
ſtanden waren, müſſen ſich binnen 8 Tagen beim Korps Hoffmann
in Braunau einfinden. Die Weltgeiſtlichkeit ſoll mit Geld und Ge⸗
treide, jeder Hof mit einer Kriegsanlage von 4 fl. und mit einer
Rauhfutterlieferung beſteuert werden. Die Maut⸗ und Bräuämter
haben von nun an ihre Gefälle an das Kriegszahlamt einzuliefern.
Das Weißbier ſoll ohne Aufſchlag verkauft, die Getreideſteuer nicht
mehr erhoben werden. Endlich verlangen wir, daß, wie die Regie⸗
rung, ſo auch der Adel und die Beamten der Landesdefenſion den
Treueid leiſten.
Plinganſer muß von allen guten Geiſtern verlaſſen geweſen ſein,
als er dieſes Anſinnen an die Regierung ſtellte; konnte er doch
unmöglich annehmen, daß die Regierung, die bisher eifrig eine
friedliche Beendigung des Aufſtands angeſtrebt hatte, jetzt ihre
Hand zur Fortführung des von ihr als ausſichtslos betrachteten
Unternehmens bieten würde. Zudem hatten ſich in den letzten Tagen
die Anzeichen gemehrt, daß der Waffenſtillſtand von Anzing der
Sache der Landesdefenſion nicht gerade förderlich geweſen war. Die
neuerlichen Rufe der Führer nach Kämpfern, Geld und Verpflegung
waren ziemlich ungehört verhallt und ihre Drohungen begannen
allmählich wirkungslos zu werden. Von einem großen Teil der
Bevölkerung wurde die eigenſinnige und verbohrte Haltung der
Landesdefenſionsführer nicht mehr verſtanden, während die auf
Frieden gerichtete Politik der Regierung bei allen Einſichtigen An⸗
erkennung und Zuſtimmung fand. Die immer beſtimmter lautenden
Nachrichten von dem baldigen Eingreifen der Reichstruppen hatten
ein übriges getan, um die Zweifel am Gelingen des Aufſtands und
die Sehnſucht nach Frieden zu verſtärken. Der Regierung war dieſer
Stimmungswechſel wohl bekannt und im Vertrauen darauf nahmen
die Räte Plinganſers Forderungen ſehr kühl auf. Sie antworteten
gemeſſen, man habe in Anzing nur über jene Punkte verhandelt,
welche von der Bauernſchaft ſelbſt gutgeheißen worden ſeien. Die
Burghauſer Gemein habe den Waffenſtillſtand angenommen; daran
ſei nichts mehr zu ändern. Wenn jetzt verlangt werde, den Vertrag
als nichtig zu erklären, ſo könne dies nur mit Einwilligung der
Bauernſchaft geſchehen; dieſe ſei aber entſchloſſen, während der
Dauer des Vertrages nichts gegen den Feind zu unternehmen. Nach⸗
dem Oberſt de Wendt ſich ſchon nach Altötting zurückgezogen habe,
ſei kaiſerlicherſeits mit der Durchführung der Vereinbarungen be⸗
reits begonnen. Und dabei müſſe es bleiben. Alle anderen Anträge
wurden von den Räten mit Stillſchweigen übergangen. Plinganſer,
ob dieſer Abſage wohl verärgert, aber keineswegs geſonnen, ſeine
Pläne aufzugeben, legte ſogleich ein zweites Eiſen ins Feuer. Er
ließ durch Meindl die Gemein zuſammenrufen und zog aus dem
wi YO: see
altbayeriſchen Kernſpruch: Mander, ſeid's gſcheid, habt's a Schneid,
halt's zſamm! die Nutzanwendung auf die augenblickliche Lage.
Mit der ihm eigenen Beredſamkeit ſprach er auf die Bauern ein:
Gerade jetzt iſt Einigkeit der Bauernſchaft und Zuſammenwirken
mit uns Braunauern notwendig. Wenn die Landesverteidiger ein⸗
mütig zuſammenſtehen, dann iſt an einem guten Ende nicht zu
zweifeln. Wenn das Band der Eintracht aber zerriſſen wird, dann
iſt es um des Landes Wohlſtand getan. Der Feind wird neue Trup⸗
pen heranziehen und mit Übermacht einen Teil nach dem andern
über den Haufen werfen. Damit das nicht geſchehe, müſſen wir die
Kaiſerlichen ſofort angreifen. Die Braunauer rücken morgen gegen
de Wendt vor. Wollt ihr zurückbleiben? Wollt ihr die Ehre, das liebe
Vaterland von ſeinen Bedrückern befreit zu haben, den Braunauern
allein überlaſſen? Der Schwung ſeiner Rede machte auf die An⸗
weſenden tiefen Eindruck. Von allen Seiten ſchallte es durchein⸗
ander: Plinganſer hat Recht! Wir müſſen mit den Braunauern Au:
ſammengehen und die Kaiſerlichen mit Waffengewalt vertreiben!
Den noch Schwankenden und Unſchlüſſigen ſetzten dann die Freunde
Plinganſers mit hitzigen Reden derart zu, daß auch ſie ihre Be⸗
denken aufgaben und ſich zum Mitgehen entſchloſſen. Und als am
Abend des 16. Dezember die Dunkelheit in die engen Winkel des
Städtchens einfiel, da widerhallten die Straßen von dem Wirbel
der Sturmtrommeln und dem Rufe: Zu den Waffen! Um 7 Uhr
abends ſtand ein Streithaufen von mehr als 3000 Mann mit 5 Ge⸗
ſchützen, Proviant⸗ und Gerätewagen unter Meindls Führung ver⸗
ſammelt und marſchierte bei ſtrömendem Regen in guter Ordnung
zur Vereinigung mit dem bereits nach Marktl vorgerückten Korps
Hoffmann ab. Plinganſer war die Einigung der Burghauſer und
Braunauer Gemein gelungen; ſein draufgängeriſcher Geiſt hatte
alle Schwachmütigen und Zweifler in ſeinen Bann gezogen. Noch
am Abend dieſes ereignisreichen Tages richtete Plinganſer eine
Denkſchrift an die Regierung und an die Burghauſer Gemein, worin
es heißt: Die Landesdefenſion erkennt den Anzinger Vertrag nicht
an und wird ſich nicht daran halten. Denn die Regierung von Burg⸗
hauſen war zu deſſen Abſchluß ohne Beiziehung und Anhörung der
Häupter der Landesdefenſion nicht ermächtigt. Sie hat der Landes⸗
defenſion den Eid der Treue geſchworen, hat ſich damit unter deren
Befehle geſtellt und durfte ohne deren Genehmigung überhaupt
nicht verhandeln. Aber auch die Burghauſer Gemein hatte keine
Berechtigung, ſich mit dem Feind in Unterhandlungen einzulaſſen,
denn ſie war nur zu dem Zwecke eingeſetzt, die Verteidigung der
Feſtung vorzubereiten. Der Vertrag iſt daher null und nichtig und
die Landesdefenſion wird keine Schuld und keine Verantwortung
für die Folgen treffen. Wir werden ohne Verweilen auf den in
DN CG E
Otting ſtehenden Feind losgehen und den Krieg mit allem Eifer
fortſetzen. Tags darauf begab ſich Plinganſer zur Regierung, um
die Antwort auf ſeine Denkſchrift zu hören. Sie war kurz, aber be⸗
deutungsvoll. „Es wird eine Verſammlung nach Braunau einbe⸗
rufen, welche über das Landesdefenſionsweſen weiter beraten wird.
Plinganſer ſoll ſich dorthin verfügen und das weitere abwarten!“
Mit der ſo unerwartet eingetretenen Sinnesänderung der Burg⸗
hauſer Gemein war der Anzinger Vertrag gegenſtandslos geworden.
Der Wiederbeginn der Feindſeligkeiten bezeichnet den großen Wende⸗
punkt in der Aufſtandsbewegung des Unterlands und es mag hier
der Ort ſein, mit der Darſtellung der Ereigniſſe innezuhalten und
eine zuſammenfaſſende Schilderung der Lage zu geben, wie ſie ſich
bis zum 18. Dezember geſtaltet hatte.
Noch ſtand Graf Löwenſtein ganz unter dem Eindruck der Ein⸗
nahme von Kelheim und des Vorſtoßes im unteren Iſartal. Be⸗
ſonders das letztere Unternehmen, welches nach dem Abſchluß des
Anzinger Vertrages ins Werk geſetzt worden war, hatte den Grafen
arg verſtimmt. Mußte er doch darin mit Recht eine grobe Ver⸗
höhnung ſeiner friedlichen Abſichten erblicken. Allerdings waren die
Häupter der Landesdefenſion durch den Vertrag von Anzing nicht
gebunden; durch ihre ſcharfe Abſage, ſich an den Verhandlungen zu
beteiligen, hatten ſie ſich vollkommene Handlungsfreiheit bewahrt.
Doch es will faſt ſcheinen, als ob in Anzing darüber keine rechte
Klarheit geherrſcht habe, und als ob dort die Abſonderung der
Braunauer Gemein, vielleicht mit Abſicht, verſchleiert worden wäre.
Graf Löwenſtein war jedenfalls der Überzeugung, daß durch den
Waffenſtillſtand das ganze Rentamt Burghauſen betroffen werde.
Um ſo größer war ſeine Enttäuſchung, als er am frühen Morgen
des 18. Dezember durch einen Eilboten de Wendts die Nachricht von
dem tags vorher begonnenen Vormarſch des Bauernheeres gegen
Mühldorf erfuhr. Er erkannte, daß nun keine Hoffnung mehr auf
gütliche Beilegung des Streites beſtehe und war mehr denn je ent⸗
ſchloſſen, den Aufſtand mit Gewalt niederzuwerfen. Aber dieſem
Willen ſtand die Unzulänglichkeit der ihm zu Gebote ſtehenden
militäriſchen Kräfte entgegen. Mit den ſchwachen Truppen de Wendts,
der fidh jetzt der Übermacht des vordringenden Bauernheeres zu er-
wehren hatte, konnte die Lage nicht gehalten werden. Auf eine
wirkſame Anterſtützung durch die im Lande befindlichen, aber noch
unausgebildeten Rekruten war nicht zu zählen. Und mit dem Ein⸗
treffen der Hilfstruppen, die von den benachbarten Reichsſtänden
erbeten und auch zugeſagt worden waren, hatte es noch „ein weites
Ausſehen“. Der Herzog von Württemberg hielt ſeine Truppen zur
Deckung der Schwarzwaldpäſſe für notwendig und wollte von dort
Kräfte erſt dann wegziehen laſſen, wenn andere ſchwäbiſche Kreis⸗
os 14 —
truppen zur Ablöſung eingetroffen wären. Der Kurfürſt von der
Pfalz hatte wohl Marſchbefehl an zwei Regimenter erlaſſen; die⸗
ſelben ſtanden aber bei Mannheim und es mußten Wochen ver⸗
gehen, bis ſie nach Bayern kamen. Graf Löwenſtein hatte zudem
gegen die Verwendung von Reichstruppen ſchwere Bedenken; er
befürchtete, daß ihre Hilfe vom Kaiſer zu teuer bezahlt werden
müßte, und daß die von ihnen geforderten Leiſtungen zur vollſtän⸗
digen Entkräftung des Landes führen würden. Da der am 11. De⸗
zember in München eingetroffene General v. Kriechbaum 1000 alte
Fußknechte, die ſich eben in Tirol „von ihrer Unbäßlichkeit erholt
hatten“, vorſorglich bei Scharnitz und Kufſtein bereit geſtellt hatte,
glaubte Graf Löwenſtein mit ihnen auszureichen und erbat vom
Prinzen Eugen, der ſich die Verfügung über dieſe Truppen aus⸗
drücklich vorbehalten hatte, deren ſofortige Inmarſchſetzung nach
Bayern. Für alle Fälle ſicherte er ſich aber auch noch die Unter⸗
ſtützung der Reichstruppen und drängte den Markgrafen Ludwig
von Baden, dieſelben „eilfertig“ nach Bayern zu entſenden. Als
Graf Löwenſtein dieſe Erwägungen anſtellte, waren ihm die Wieder⸗
eroberung Kelheims und die Auflöſung der Kampfgruppe im unte⸗
ren Iſartal noch nicht bekannt. War dadurch auch eine fühlbare
Entſpannung im Unterland eingetreten, ſo hatte doch die Geſamt⸗
lage eine weſentliche Verſchärfung erfahren. Denn am 18. Dezember
war das „Manifeſt der kurbayeriſchen Landesdefenſion Oberlands“
erſchienen, das eine offene Kriegserklärung an die Adminiſtration
darſtellte. Die Kundgebung enthielt zunächſt eine Reihe unmög⸗
licher Forderungen, wie Abzug der kaiſerlichen Truppen aus Bayern,
Rückgabe von Stadt und Rentamt München an das Kurhaus, Er⸗
jtattung der weggeführten Sachen und allen Schadens, der durch
die Beſetzung des Landes entſtanden war. Dann folgte die unge⸗
ſchminkte Aufforderung an die Adminiſtration, das Land zu ver⸗
laſſen; ſie war in die drolligen Worte gekleidet: „Sollten ſich die
eingedrungenen fremden Regierungsgäſte nicht dorthin begeben, wo
ſie hergekommen ſind, ſo ſollen ſie im Fall eines unverhofften
Widerſtandes mit Gewalt abgetrieben werden, wobei ſie ſich der
Gefahr des äußerſten Ruins und blutigen Maſſakres ausſetzen wür⸗
den“. Bezeichnenderweiſe war beigefügt, daß die geheiligte Perſon
des Kaiſers und das heilige römiſche Reich von den geplanten Maß⸗
nahmen nicht berührt werden, und daß man ſich in alles das, was
zwiſchen dem Kurhaus Bayern und dem Erzhaus Ojterretd „priva⸗
tim obſchwebet“, nicht einmiſchen wolle. Damit war auch der Auf⸗
ſtand im Rentamt München verkündet! Der Vormarſch des Bauern⸗
heeres im Unterland und die auf den Tag damit zuſammenfallende
Ausgabe des Manifeſtes der Oberlandsdefenſion ſind unumſtößliche
Beweiſe für die einheitliche Leitung der Aufſtandsbewegung.
= Hi as
Der Eindruck des Manifeſtes in München war niederſchmetternd.
Für die Adminiſtration beſtand nun alle Veranlaſſung, „nach ſo
vielen aufgeſtoßenen Fatalitäten“ die Lage im trübſten Licht zu
ſehen, und Graf Löwenſtein hat auch in ſeinem Bericht an die
Reichskanzlei in Wien mit der Schilderung der bei der Adminiſtra⸗
tion herrſchenden Stimmung nicht hinter dem Berge gehalten. Faſt
aller Machtmittel entblößt, mußte er ſich zunächſt damit begnügen,
den über das Land brauſenden Sturmwind mit einer papierenen
Drohung zu beſchwören. In ſeinem Mandat vom 19. Dezember macht
er „dem aufrühreriſchen Bauernvolk“ den Vorwurf, den von ihm
ſelbſt erbetenen Waffenſtillſtand in leichtfertiger Weiſe gebrochen
zu haben und bedroht alle, welche nicht ſofort nach Haufe zurüd-
kehren, mit Galgen und Schwert, Vertreibung ihrer Weiber und
Kinder und mit der Einziehung ihrer Habe. Die Häupter und
Rädelsführer werden als vogelfrei erklärt und auf ihre Einliefe⸗
rung, tot oder lebendig, eine Belohnung geſetzt. Alle aber, welche
ſich dem rebelliſchen Haufen entziehen, ſollten ſich des Pardons und
der kaiſerlichen Gnade erfreuen. Das Mandat konnte natürlich in
den vom Aufſtand betroffenen Gerichten, für welche es hauptſächlich
beſtimmt war, nicht bekannt gemacht werden; es blieb daher ohne
jede Wirkung. Der ins Rollen gekommene Stein wäre auch nicht
mehr aufzuhalten geweſen.
Aber auch die Regierung in Burghauſen lag nicht auf Roſen ge⸗
bettet. Bis zum Vertrage von Anzing hatte ihr weiches und unent⸗
ſchloſſenes Verhalten das nicht grundloſe Mißtrauen der Admini⸗
ſtration erregt. Angeſichts ihrer Bemühungen um das Zuſtande⸗
kommen des Kongreſſes war dann das beiderſeitige Verhältnis
wieder etwas leidlicher geworden; aber der Stimmungsumſchlag
der Burghauſer Gemein am 16. Dezember und die Wiedereröffnung
der Feindſeligkeiten hatten den Argwohn der Adminiſtration aufs
neue geweckt. Lag doch die Vermutung nahe, daß die Regierung.
ſei es in gänzlicher Verkennung der Verhältniſſe, ſei es durch nicht
genügende Einwirkung auf die Häupter des Aufſtands, den Bruch
der Waffenruhe mitverſchuldet, ja daß ſie vielleicht gar ein falſches
Spiel betrieben habe. Der Verdacht war unbegründet; denn die
Regierung durfte mit Recht behaupten, alles in ihren Kräften
Gelegene zur Beruhigung der erregten Volksſtimmung getan zu
haben. Trotzdem regte ſich bei den Herren Räten in der Erinnerung
an ihren dem Kurfürſten und der Landesdefenſion geleiſteten Eid
das ſchlechte Gewiſſen und das Gefühl der Unbehaglichkeit bedrückte
ſie um ſo ſchwerer, als die Zuſtände in Burghauſen eine Wendung
nahmen, welche zu den größten Beſorgniſſen Anlaß bot. Hatte ſchon
das Auftreten Hoffmanns Schlimmes ahnen laſſen, ſo war nun
durch die Reden Plinganſers jede Hoffnung auf einen friedlichen
18 ex
Ausgleich geſchwunden. Die Burghauſer Gemein war wieder voll:
ſtändig in Plinganſers Hörigkeit geraten und die Kriegstreiber und
Scharfmacher hatten wieder Oberwaſſer bekommen. Unfähig, den
Ernſt der Stunde zu erkennen und alle Kräfte zum Gelingen des
Befreiungswerkes zuſammenzufaſſen, ließen die Führer der Gemein
ihrem Haß gegen jede Obrigkeit die Zügel ſchießen und legten
durch unerfüllbare Forderungen, kleinliche Einwände und fortge⸗
ſetzte Drohungen die Tätigkeit der Behörden vollſtändig lahm. Doch
nicht genug damit! Viele hatten überhaupt das Wohl des Ganzen
aus dem Auge verloren und waren nur noch darauf bedacht, ihre
Macht zur perſönlichen Bereicherung auszunützen. Unter dem Titel
„Vorſchuß zur Landesdefenſion“ wurden Beamten und wohlhaben⸗
den Bürgern beträchtliche Summen abgenommen und von den
Führern eingeſteckt. Der Prokurator Sallinger hat ſich dabei beſon⸗
ders hervorgetan. Auch der Erlös für die aus dem Salzburgiſchen
kommenden Wein⸗ und Salzfrachten, deren Beſchlagnahme und Ver⸗
kauf angeblich von der Regierung angeordnet war, verſchwand in
ihren weiten Taſchen. Tag und Nacht ſaßen ſie im Wirtshaus, ließen
den Vorſchuß der Landesdefenſion durch ihre Gurgel rinnen und
„ergötzten ſich an den feinſten Delikateſſen an Speiſe und Trank“.
Stimmen, die zur Beſonnenheit rieten, wurden niedergeſchrien,
mißliebige Außerungen über die Gemein und ihre Führer mit roher
Gewalt unterdrückt. Allgemeine Zuchtloſigkeit war eingeriſſen und
kündigte wie ein Wetterleuchten den bevorſtehenden Zuſammen⸗
bruch an. f |
Prielmayr war es, der den Weg aus diejer Wirrnis weiſen jollte.
Er hatte erkannt, daß das vollſtändig unterhöhlte Anſehen der Re⸗
gierung nicht mehr ausreiche, um in dem allgemeinen Durcheinan⸗
der Ordnung zu ſchaffen und warf nun den Gedanken auf, durch
Einberufung einer Ständeverſammlung, bei der außer den drei
gefreiten Ständen auch die Bauernſchaft vertreten ſein ſollte, eine
breitere Grundlage für das Landesdefenſionswerk zu ſchaffen. War
erſt einmal die Verſammlung zuſtande gekommen, dann hoffte er
durch ſein Anſehen und ſeine Beredſamkeit ein leichtes zu haben,
die Abgeordneten von der Ausſichtsloſigkeit des Aufſtands zu über⸗
zeugen, ſie aus der Abhängigkeit der Landesdefenſionsführer zu
löſen und nach Ausſchaltung derſelben den Frieden mit der Admi⸗
niſtration herbeizuführen. Sollte aber dieſer Plan mißglücken, dann
war wenigſtens die Verantwortung, mit der die Regierung ſchon
mehr als genug belaſtet war, auf die Allgemeinheit abgeſtoßen.
Eine ſtraffe Führung der Landesdefenſion hat Prielmayr von einem
Kongreß weder erhofft noch erwartet; im Gegenteil, er ſah richtig
voraus, daß eine vielköpfige Verſammlung, in der die widerſtrei⸗
tendſten Meinungen vertreten waren, eine erhebliche Schwächung
ee ao 2
des ganzen Landesdefenſionsweſens bedeute. Der Plan fand bei
den Regierungsmitgliedern Verſtändnis und Zuſtimmung. Es blieb
nur noch die Frage, wer die Ausführung desſelben übernehmen
ſolle. Auch hiefür fand Prielmayr eine raſche Löſung. Am Nach⸗
mittag des 18. Dezember ſprach der zufällig in Burghauſen anwe⸗
ſende Jehle bei Prielmayr vor, und dieſer ſetzte ihn von dem Vor⸗
haben in Kenntnis. Jehle, der ſich durch die Vertraulichkeit des
Herrn Regierungskaſtners nicht wenig geſchmeichelt fühlen mochte,
war ſogleich dafür gewonnen, und als Prielmayr gar davon ſprach,
daß Jehle ſich ein Verdienſt um das Vaterland erwerben könnte,
wenn er die Ausſchreibung zu einer Verſammlung beſorge, erklärte
ſich der harmloſe, aber doch ehrgeizige Mann ohne weiteres Be⸗
ſinnen dazu bereit. Nachdem Prielmayr noch die Einzelheiten be⸗
züglich der Auswahl der Teilnehmer, Zeitpunkt der Verſammlung
und Form der Einladung beſprochen hatte, reiſte Jehle ſofort nach
Braunau zurück und ließ noch am ſelben Abend die „Citierung zum
Kongreß in Braunau“ ergehen. Das Schreiben lautete:
Sonders vielgeehrter Herr!
Nachdem das Corps des Oberſten de Wendt aus dem Rentamt
Burghauſen völlig vertrieben worden iſt, wurde auf morgen ein
großer Kriegsrat über einige gewiſſe Umſtände beſchloſſen. Es
wurde beſtimmt, daß aus jedem Gericht dieſes Rentamts ein Be⸗
güterter vom Adel, ein Pfarrer, ein Bürger und ein Bauers⸗
mann erſcheinen und dieſem Kriegsrat anwohnen joll; es werden
auch einige Heren Räte von der Regierung e erſcheinen.
Braunau den 18. Dezember 1705.
Johann Aloyſius Jehle,
Obriſter und Kommandant zu Braunau.
Die Erſcheinung iſt bei hoher Strafe auf den 21. au feſt⸗
geſetzt.
So lagen zu Beginn der zweiten Dezemberhälfte die Dinge im
Lande, als am Morgen des 17. Dezember ein ſtattliches Bauern⸗
heer in einer Stärke von etwa 12 000 Mann aus ſeiner Verſamm⸗
lung bei Marktl den Vormarſch zum entſcheidenden Waffengang
mit den Kaiſerlichen antrat. Eine amtliche Anzeige an de Wendt
über Kündigung des Waffenſtillſtandes iſt nicht erfolgt. Von dem
taktiſchen und moraliſchen Wert dieſer Streitmacht wurde ſchon ge⸗
ſprochen. Über ihre Gliederung fehlen Nachrichten. Kaum die Hälfte
des Fußvolks war mit Feuergewehren verſehen. Die Munitions⸗
ausſtattung war vermutlich ganz ungenügend. Einige Dragoner⸗
kompagnien und Geſchütze erhöhten die dürftige Kampfkraft. Das
Heer wurde von dem Oberkommandierenden Oberſt Hoffmann ſelbſt
geführt. Als Unterführer werden Hartmann, Brunner, Heumann
und Grempelbeck genannt. Vollſtändig befangen von der Vorſtel⸗
»
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lung, den Feldzug in den Formen des Kleinkriegs zu führen, plante
Hoffmann zunächſt einen Überfall gegen den in Alt⸗ und Neuötting
ſtehenden de Wendt. Der große Sttinger Forſt, der eine gedeckte
Annäherung erlaubte, und der trübe Wintertag ſollten das Unter-
nehmen begünſtigen. Langſam wälzte ſich die Marſchſäule auf der
Straße über Hohenwarth gegen Altötting vorwärts. Da bot ſich beim
Erreichen des Waldſaumes ein unerwarteter Anblick. De Wendt,
dem frühzeitig Meldungen über den Anmarſch des Bauernheeres
zugegangen waren, hatte ſeine Truppen hart öſtlich Altötting in
Schlachtordnung bereit geſtellt. Nachdem ſomit die beabſichtigte
Überraſchung vereitelt war, zog Hoffmann die Artillerie vor, die
zwiſchen 1 und 2 Uhr nachmittags vom Waldrand aus mit 8 Ge⸗
ſchützen zu feuern begann. Das Feuer blieb wirkungslos. Da Hoff-
mann einen Angriff gegen die Kaiſerlichen über das freie Feld
nicht wagte, entſandte er eine Abteilung, die den rechten Flügel
de Wendts umgehen ſollte. Der kriegserfahrene de Wendt erkannte
darin die Abſicht, ihn von Mühldorf abzuſchneiden und trat gegen
5 Uhr abends unter dem Schutz der bereits eingebrochenen Dämme⸗
rung den Rückzug an. Als ſich ſeine Vorhut dem Dorfe Teiſing
näherte, erhielt fie von dorther Feuer; einer kleinen Bauernſchar
war es gelungen, den Ort noch vor den Kaiſerlichen zu erreichen.
De Wendts Vorhut griff ſogleich und ſo kräftig an, daß die Bauern
nach ganz kurzem Gefecht den Ort verließen und den Weg nach
Mühldorf frei gaben. Weiterhin unbeläſtigt, ſetzte de Wendt ſeinen
Marſch dorthin fort, überſchritt bei völliger Dunkelheit die ſtark be⸗
ſchädigte Innbrücke und bezog ſpät abends ein Lager bei Altmühl⸗
dorf. Die Bauern rückten nach dem Abzug de Wendts mit klingen⸗
dem Spiel in Alt⸗ und Neuötting ein und plünderten in ihrer
Siegesfreude die Wohnungen des Pflegskommiſſärs und Propſtei⸗
verwalters vollſtändig aus. Mit Betrübnis mußten die Sttinger
Bürger erfahren, daß die von den Landesverteidigern erhobenen
Forderungen an Verpflegung, Quartier und Bargeld nicht beſchei⸗
dener waren, als jene der kaiſerlichen Soldateska. Neuötting allein
hatte in dieſen Tagen einen Schaden von 8740 fl. zu beklagen.
Da das Bauernheer am 18. Dezember Raſttag hielt, de Wendt
alſo nicht gedrängt wurde, blieb auch er im Lager bei Altmühldorf
ſtehen.
Am 19. Dezember ſetzte Hoffmann den Vormarſch gegen Mühldorf
fort. Eine ſchon ſeit einigen Tagen am nördlichen Innufer geſtan⸗
dene Abteilung nahm ihren Weg über Erharding, die Maſſe rückte
ſüdlich des Inn an Mühldorf vorbei auf Kraiburg vor. De Wendt,
der dieſe Bewegung von dem hochgelegenen Altmühldorf aus beob⸗
achtete, beſorgte eine iberfliigelung von Kraiburg her und mar:
ſchierte um Mittag aus ſeinem Lager gegen Ampfing ab. Den
Oberſtwachtmeiſter Bauer entjandte er mit 200 Mann zu Fuß und
150 Reitern nach Kraiburg mit dem Auftrag, dort den Bauern den
Flußübergang möglichſt lange zu verwehren. Bauer verfiderte ſich
noch am Abend der Innbrücke und ließ ſie durch Verhaue ſperren.
De Wendt ſelbſt bezog ein Lager, deſſen Örtlichkeit nicht überliefert
iſt; vermutlich iſt es in der Nähe des Dorfes Heldenſtein geweſen.
Die Landesdefenſionsarmee erreichte an dieſem Tage Kraiburg;
wegen der früh eingebrochenen Dunkelheit wurde der Angriff auf
den nächſten Tag verſchoben.
Am Morgen des 20. Dezember eröffneten die Bauern mit 4 Ge⸗
ſchützen das Feuer gegen die an der Innbrücke ſtehenden Kaiſer⸗
lichen und zwangen ſie nach mehrſtündiger Kanonade zum Abzug.
Bauer führte ſeine Infanterie nach dem hochgelegenen Dorf Pürten
zurück und nahm am Südrand des Ortes und im Friedhof erneut
Stellung. Seine Reiter hatte er am Morgen zur Sperrung der Inn⸗
brücke nach Gars entſendet. Die Bauern begnügten ſich mit der Frei⸗
machung des Übergangs und ſtanden von einem Angriff auf die
ſtarke Stellung bei Pürten ab. Hoffmann hatte aus der Zähigkeit
des Widerſtandes auf die Anweſenheit ſtärkerer Kräfte geſchloſſen
und beabſichtigte nun, durch eine überholende Verfolgung den Rück⸗
zug der Kaiſerlichen ohne Kampf zu erzwingen. Zu dieſem Zweck
ließ er an dieſem Tage noch eine ſtarke Vorhut bis Gars vorgehen.
In einem ſchwungvollen Heeresbericht gab er bekannt: „Wir haben
anheint den zu Kraiburg geſtandenen Oberſt de Wendt jo weit
hinauf getrieben, daß wir dermalen die gänzliche Hoffnung haben,
ihn allernächſtens völlig aus dem Vaterland zu entfernen.“ Die
Nachricht erweckte im Unterland laute Freude und die Führer in
Burghauſen feierten ſie mit einem Lob⸗ und Dankamt, bei dem
unter Pauken⸗ und Trompetenbegleitung das „Te deum laudamus“
geſungen und die Stücke auf der Feſtung gelöſt wurden. Mittags
hielten dann die wackeren Heimatkrieger „unter ſich ſelbſt“ ein Feſt⸗
mahl beim Schattenkirchnerbräu und ließen beim Geſundtrinken faſt
den ganzen Nachmittag aus den Feuerrohren ſchießen. Da de Wendt
entſchloſſen war, nur einer ſtarken Übermacht zu weichen, die ihm
nördlich des Inn gegenüber ſtehende Kampfgruppe aber ſich nicht
rührte, blieb auch er am 20. Dezember im Lager bei Heldenſtein
ſtehen.
Im Verfolg der Abſichten Hoffmanns wäre es notwendig geweſen,
das Bauernheer am 21. Dezember über Gars auf Haag vorzuführen.
Stattdeſſen ordnete Hoffmann aber wieder einen Raſttag an; wahr⸗
ſcheinlich hat ihn die ſchlechte Verfaſſung ſeiner Truppen dazu veran⸗
laßt. Damit war der taktiſche Vorſprung preisgegeben. Am Morgen
. Bieles Tages erhielt de Wendt eine Meldung Bauers über die Vor⸗
gänge bei Kraiburg und über das Erſcheinen der Bauern bei Gars.
2%
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Er erkannte, daß es nun höchſte Zeit ſei, ſich vom Feinde loszulöſen
und marſchierte am Vormittag von Heldenſtein nach Haag ab. Bauer
ließ er Befehl zugehen, ſich ebenfalls dorthin zu wenden. Grundloſe
Wege, anhaltendes Schneegeſtöber und Beläſtigungen durch den
nachfolgenden Feind erſchwerten und verlangſamten den Marſch;
wiederholt hatten kleine Reiterabteilungen der Bauern zum Angriff
gegen die Nachhut angelegt; jie kamen aber nirgends zum Einhauen,
ſondern wurden jedesmal durch Feuer abgewieſen. Völlig erſchöpft
erreichten die Kaiſerlichen ſpät abends Haag. Hier vereinigte ſich
Oberſtwachtmeiſter Bauer wieder mit de Wendt; auch er hatte
ſeinen Rückzug glücklich bewerkſtelligen können und nur 10 Leute
verloren. In Haag wurde de Wendt vom General v. Kriechbaum
erwartet, der ihm vom Grafen Löwenſtein entgegen geſchickt worden
war. De Wendt übergab ihm ſofort den Oberbefehl und reiſte nach
München ab. Auch der Rückzug de Wendts aus dem Unterland muß
als eine ausgezeichnete taktiſche Leiſtung gewertet werden. Trotz
aller Widrigkeiten was es ihm geglückt, ſich ohne Kampf und mit
Erhaltung ſeiner ſchwachen Kräfte immer rechtzeitig dem Feinde zu
entziehen und der ihm drohenden Gefahr der Einkreiſung zu ent-
gehen. | | |
Erſt am 22. Dezember jegten die Aufſtändiſchen den Vormarſch
fort. Ihre Vorhut war gegen Mittag von Gars auf Haag ange⸗
treten und näherte ſich dieſem Ort in den erſten Nachmittagsſtunden.
Der dort noch im Lager ſtehende Kriechbaum wollte einen Zuſam⸗
menſtoß vermeiden und marſchierte ohne Gefechtsberührung mit den
Bauern nach Anzing ab, wo die Kaiſerlichen gegen Mitternacht ein⸗
trafen. Die Vorhut der Bauern ſtellte in Haag ihren Marſch ein,
traf aber keine Anſtalten, den Verbleib des abgezogenen Feindes
feſtzuſtellen. Als der Oberkommandant Hoffmann am Abend nach
Gars gelangte, konnte er ſich der Tatſache nicht verſchließen, daß ſich
im Laufe des Tages die Lage erheblich zu ungunſten des Bauern⸗
heeres geändert habe. Die Fühlung mit dem Gegner war verloren
gegangen; damit war der Plan, ihn von München abzuſchneiden,
mißlungen. Wenig erfreulich war auch die Meldung, daß ein kaiſer⸗
liches Korps von Landshut her ſich München nähere; man mußte
alſo damit rechnen, noch vor dem Erreichen der Hauptſtadt einen
neuen Gegner von unbekannter Stärke zu treffen. Dagegen waren
die ſehnlich erwarteten Botſchaften aus der Hauptſtadt und von den
Oberländern ausgeblieben. Hoffmann wurde nachdenklich. Obwohl
nach der Verabredung die aus dem Ober⸗ und Anterland anrücken⸗
den Kampfgruppen ſich am Weihnachtstag vor München vereinigen
ſollten, wagte er es nicht mehr, ſeinen Marſch auf dem nächſten
Wege über Hohenlinden dorthin fortzuſetzen, ſondern entſchloß ſich,
zunächſt die Verbindung mit den Oberländern zu ſuchen und zu
dieſem Zwecke gegen Süden auszubiegen. Die bei Schäftlarn ver⸗
muteten Oberländer ließ er vor einem voreiligen Angriff auf
München warnen.
Am 23. Dezember taſtete ſich das Bauernheer vorſichtig in zwei
Gruppen von Haag gegen Ebersberg und von Gars nach Edling
vor. Mehrere tauſend Mann, die in den Gerichten Erding, Schwa⸗
ben und Ebersberg in den letzten Tagen aufgeboten worden waren,
verſtärkten die Reihen der Landesverteidiger. Aber leider begannen
ſich auch die ohnehin nur ſchwachen Bande von Zucht und Ordnung
in bedenklicher Weiſe zu lockern. Es darf nicht verſchwiegen werden,
daß die Bauern auf ihrem Vormarſch von Braunau her wie in
Feindesland gehauſt und „durch ungemeine exzeſſive Konſumption,
Plünderung und Gelderpreſſung“ das Anſehen der Landesdefenſion
aufs ſchwerſte geſchädigt haben. Kriechbaum ließ ſeine Truppen an
dieſem Tage in Anzing ruhen; er blieb hinter dem ſchützenden
Schleier des Ebersberger Forſtes unbeläſtigt.
Am 24. Dezember wurde die Hauptmacht der Aufſtändiſchen bei
Ebersberg verſammelt. Das Hauptquartier kam nach Steinhöring;
die Vorhut erreicht am Abend Zorneding. Es war nicht geglückt,
eine Verbindung mit den Oberländern herzuſtellen, die ſich an
dieſem Tage von Schäftlarn her über Baierbrunn der Hauptſtadt
näherten. Da die Meldung von ihrem Anmarſch bereits nachmit⸗
tags nach München gelangt war, ließ Graf Löwenſtein an General
v. Kriechbaum die dringende Aufforderung ergehen, ſofort nach
München abzumarſchieren. Kriechbaum erhielt dieſen Befehl um
10 Uhr abends und rückte eine Stunde ſpäter bei ſchneidender Kälte
von Anzing ab.
Am Weihnachtstag traf er bei Tagesgrauen auf dem Gaſteigberg
ein und ſtieß dort auf die Oberländer, die trotz der Warnungen
Hoffmanns am Heiligen Abend „mit aller Präzipitanz“ bis München
vorgedrungen waren und ſich vor den Wällen der Stadt zwiſchen
dem Iſar⸗ und Angertor feſtgeſetzt hatten. Kriechbaum ſchritt unver⸗
züglich zum Angriff, der mit dem Gemetzel bei Sendling ein ſchreck⸗
liches Ende fand. Da auch in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember
keine Meldungen aus München und von den Oberländern einliefen,
hielt Hoffmann einen Marſch ins ungewiſſe für zu gewagt und
ordnete Gefechtsbereitſchaft an. Zur Klärung der Lage ſcheint er
nichts unternommen zu haben. In Spannung und quälender Un⸗
ruhe vergingen die Stunden des Weihnachtstages. Da traf am
Abend die Kunde von der Vernichtung der Oberländer bei Send:
ling ein. Kurz vor Erreichung des Ziels hatte das Schickſal ein
grauſames Nein geſprochen. Der weitere Vormarſch gegen München
war, wollte man nicht auch das Aufgebot des Unterlandes einer
ſicheren Niederlage ausſetzen, zwecklos geworden.
E ee
Am nächſten Morgen trat das Bauernheer den Rückzug gegen
den Inn an; am Abend gelangte der Haupttrupp, etwa 4000 Mann
mit 4 Geſchützen, nach Haag. Schon an dieſem Tage traten Zer⸗
ſetzungserſcheinungen in bedenklichem Maße auf. Vom Oberſt bis
zum Spießler herrſchte eine unbeſchreibliche Aufregung und Ber-
wirrung; die letzten Reſte von Kriegszucht verfielen, die Verbände
löſten ſich; Hoffnungsloſigkeit und Verzweiflung hatten ſich aller
Gemüter bemächtigt.
Tags darauf ſetzten die Bauernhaufen ihren Rückmarſch gegen
Gars fort und überſchritten bei Kraiburg den Inn. Nach dem Ab⸗
brechen der Innbrücke wagte man zum erſten Male wieder Atem
zu ſchöpfen. Doch wie jah das Heer aus, das mit jo großen Hoff-
nungen gegen München gezogen war! Furchtbar hatten ſich in zwei
Tagen ſeine Reihen gelichtet. Alle, die ſich aus den Gerichten weſt⸗
lich des Inns bei den Fahnen der Landesdefenſion eingefunden
hatten, waren bis auf den letzten Mann wieder nach Hauſe ge⸗
gangen. Aber auch Tauſende aus dem Unterland hatten ſich „ohne
Urlaub heimlicher Weiſe durchpraktiziert“. Nachdem in Kraiburg
eine notdürftige Neugliederung vorgenommen war, marſchierten am
28. Dezember etwa 3000 Mann unter Hoffmann nach Schnaitſee ab.
Der Reſt, kampfunfähige Trümmer, zog, ſchwache Nachhuten an den
abgetragenen Innbrücken von Kraiburg, Mühldorf und Neuötting
belaſſend, nach Braunau ab, überall Entmutigung und Nieder⸗
geſchlagenheit verbreitend.
6. Der Kongreß von Braunau.
Während des Zuges gegen München hatten ſich auch in Braunau
wichtige Begebenheiten abgeſpielt. Am 21. Dezember war dort der
Kongreß zuſammengetreten. Dieſe Verſammlung, von den Zeit⸗
genoſſen „Parlament“, von den Bauern ſpöttiſch „Brunngreß“ ge⸗
nannt, hat dem Aufſtand im Anterland ein ganz beſonderes Ge⸗
präge gegeben. War es doch das erſte Mal in der deutſchen Ge⸗
ſchichte, daß der politiſch entrechtete Bauernſtand zur Beratung über
die Geſchicke des Landes beigezogen wurde. Darin barg ſich der ver⸗
heißungsvolle Keim zu einer politiſchen Entwicklung, der ſich freilich
bei der noch allgemeinen ſtaats bürgerlichen Unreife nicht hat ent⸗
falten können.
Als die Regierung in Burghauſen am 19. Dezember die Ein⸗
ladung zum Kongreß erhielt, da war es ganz natürlich, daß ſie
Prielmayr als ihren Vertreter beſtimmte. Er beſaß nicht nur das
Vertrauen ſeiner Amtsgenoſſen, ſondern auch der Burghauſer Ge⸗
mein, die ſeine Anweſenheit in Braunau dringend wünſchte. Priel⸗
mayr ſollte dort „alle Uneinigkeit begleichen, eine beſſere Ordnung
einführen und die beſtehende Verwirrung durch ſeine Geſchicklichkeit
in einen richtigen Stand verjegen“. Das war aber nur möglich,
wenn der gefährliche Plinganſer, der den Räten ſo ſchwer im Magen
lag, unſchädlich gemacht wurde. Er war als der Hauptſtörenfried be⸗
kannt, und ihn matt zu ſetzen, mußte Prielmayrs erſte Aufgabe ſein.
Am 21. Dezember begannen die Beratungen, zu denen ſich über
100 Abgeordnete aus dem ganzen Rentamt eingefunden hatten. Als
Vertreter des Adels waren erſchienen der Pfleger von Mauerkirchen
Joſeph Franz Graf v. Aham, der Landrichter Johann Marian
v. Leyden von Schärding, und Franz Freiherr v. Paumgarten,
Pfleger in Neumarkt. Prielmayr und der Rentmeiſter von Wid-
mann waren von der Regierung abgeordnet. Auch die Städte und
Märkte hatten durch Entſendung zahlreicher Vertreter ihre Teil⸗
nahme zu erkennen gegeben. Die Geiſtlichkeit hielt ſich fern. Die
meiſten Abgeordneten waren Bauern. In deren Namen eröffnete
der Kupferſchmied Andrä Thanner von Braunau die Verſammlung
mit ſchlichten Worten: „Alle Bauern ſetzen auf die zum Kongreß
erwählten das Vertrauen, daß ſie ſich des lieben Vaterlandes an⸗
nehmen“. Dann gab Prielmayr eine Darſtellung der politiſchen
Lage. Die Bauernſchaft, ſo ſprach er, hat ſich mit vollem Recht gegen
die Ausſchreitungen der kaiſerlichen Truppen empört; aber der Bruch
der in Anzing verabredeten Waffenruhe war ein Fehler, denn er
hat uns in den Krieg gegen den Kaiſer hineingetrieben und man
muß ſich jetzt darüber klar werden, was mit dem Krieg eigentlich
bezweckt werden ſoll. Wirr ſchallten die Stimmen der Bauern durch⸗
einander: Wir wollen keine Steuern mehr zahlen! Die Kaiſerlichen
müſſen aus dem Lande vertrieben werden! Friede und Ordnung
ſoll wieder im Lande ſein! Prielmayr fuhr fort: Wenn nun einmal
der Krieg beſchloſſene Sache iſt, dann muß man auch die Mittel
überlegen, wie man ihn bei der allgemeinen Entkräftung des
Bauernſtandes führen kann. Zunächſt aber iſt es notwendig, daß
die Leitung verſtändigen Leuten anvertraut wird, am beſten ſolchen
vom Adel, die eine größere Erfahrung haben, das Landesdefenſions⸗
weſen beſſer einrichten und dem ganzen Werk durch ihre Perjon
ein größeres Anſehen verleihen können. Den jetzigen Häuptern kann
ſich die Bauernſchaft nicht mehr länger anvertrauen; es ſind dies
alles Leute von geringem Anjehen; fie werden die erſten fein, welche
ſich unſichtbar machen, wenn die Sache übel ausgeht. Schweigend
würgten Plinganſer und ſeine Freunde die Hiebe hinunter. Auch
die Verſammlung war den Ausführungen Prielmayrs mit Ruhe
und Aufmerkſamkeit gefolgt und als aus ihrer Mitte heraus die
anweſenden adeligen Herren als Leiter des Landesdefenſionswerks
vorgeſchlagen wurden, war alles einverſtanden. Als dieſe hörten,
zu welcher Ehre ſie auserſehen ſeien, wurde ihnen die Sache unge⸗
mütlich und ſie verſuchten, ſich mit verſchiedenen Ausflüchten dieſer
se Of u
Aufgabe zu entledigen. Aber die bäuerlichen Abgeordneten waren
mit einer Antwort ſchnell bei der Hand: „Wir müſſen auch mittun
und wenn die Herren nicht wollen, könne man es ſie ſchon lehren“.
Da ein Mißverſtehen dieſes zarten Winks die eben bekräftigte
Einigkeit gefährdet hätte, erklärten ſich die Herrn bereit, aber nur
unter der Bedingung, daß ihnen von der Regierung ein ausdrück⸗
licher Befehl erteilt werde. „Dafür werde ſchon geſorgt werden“,
meinten die Bauern. Als Landesdefenſionsgeneral verlangten ſie
dann den ehemaligen kurbayeriſchen Oberſt Ludwig Baron d' Ocfort,
der bei ihnen große Stücke galt. Da Prielmayr Wert darauf legte,
Plinganſer und Hoffmann bei der Stange zu halten, ſchlug er vor,
daß Plinganſer als Sekretär beim Kongreß weiterhin tätig ſein und
Hoffmann die Führung des gegen München marſchierenden Bauern⸗
heeres beibehalten ſolle. Der Antrag wurde einſtimmig angenom⸗
men. Damit waren die beiden Männer, die bisher die ganze Auf⸗
ſtandsbewegung beherrſcht hatten, aus ihrer Führerrolle verdrängt
und hatten die adeligen Herren die Leitung des Kongreſſes und da⸗
mit des geſamten Landesdefenſionswerkes übernommen. Plinganſer
hat ſich dem Entſcheid, der ihn ſo jäh der Macht beraubte, ohne
Widerrede gefügt. Doch der Sieg Prielmayrs war zu leicht, als daß
er ſich deſſen lange hätte freuen können. Auf allgemeines Verlangen
übernahm Frh. v. Paumgarten dann den Vorſitz der Verſammlung
und es entſpann ſich nun eine lebhafte Ausſprache über das, was
man eigentlich mit dem Kongreß vorhabe. Anträge und Meinungen
gingen dabei „wie in einer Judenſchule“ durcheinander. Schließlich
einigte man ſich in der Erklärung, daß man nichts anderes verlange,
„als daß die im Rentamt Burghauſen entſtandene Unruhe beigelegt,
die guten alten Geſetze und Landesgewohnheiten wieder geachtet,
Gehorſam und Sicherheit gehalten und auch die ſonſt üblichen Herr⸗
ſchaftsſchuldigkeiten abgeſtattet werden“. Da zur Abwendung der
vom Kaiſer gemachten Auflagen und zum Schutz des Landes gegen
feindliche Einfälle „eine weitere Veranſtaltung“ notwendig ſei, ging
die Meinung dahin, daß im Rentamt „ein beſtändiger Soldat auf⸗
geſtellt“, das heißt eine Wehrmacht von etlichen Tauſend Mann
unterhalten werde. Hier erhob ſich aber kräftiger Widerſpruch. Die
Kaſſen ſeien leer, hieß es; man könne aus dem gänzlich ruinierten
Rentamt nichts mehr herausziehen und an eine Beiſteuer der an⸗
deren Rentämter ſei nicht zu denken. Auch müſſe man mit dem bal⸗
digen Eintreffen der von allen Seiten im Anmarſch gemeldeten
kaiſerlichen Hilfstruppen rechnen. Raſch erfaßte Plinganſer dieſe
gefährliche Wendung und da er mit gutem Grunde hinter den
Reden der Miesmacher Einflüſſe der adeligen Abgeordneten und
der Regierung vermutete, legte er mit ſchwungvollem Eifer los:
Wir haben bisher die Mittel für das Landesdefenſionswerk auch
ohne die Regierung hereinbekommen. Wenn die gegenwärtige Ver⸗
ſammlung wirklich und ernſtlich die Leitung der Landesdefenſion
übernehmen will, dann wird es ihr nicht ſchwer fallen, auch die
nötigen Gelder aufzubringen. Dazu brauchen wir aber die Regie⸗
rung nicht, die bisher überall nur hemmend gewirkt hat. Mit Un⸗
geſtüm forderte er einen Beſchluß, daß die Regierung dem Kongreß
untergeordnet werde, und daß man mit allem Eifer die Belagerung
Münchens ins Werk ſetze. Ohne Säumen nahm Prielmayr den
Kampf mit ſeinem Widerſacher auf. „Man hat ihm noch nicht das
Wort erteilt“, herrſchte er Plinganſer an, und „in welchem Auftrag
er eigentlich ſolche Anträge ſtelle“. Plinganſer antwortete ſchlag⸗
fertig und ſelbſtbewußt: Alle bisherigen Erfolge ſind durch meine
Tätigkeit allein erzielt worden; wenn aber jetzt der Adel glaubt,
es beſſer zu machen, ſo bin ich der letzte, der eiferſüchtig zur Seite
ſteht, wenn es ſich um das Wohl des Kurfürſten und des Vater⸗
landes handelt. Es war das erſtemal, daß in einer Beratung der
Bauern der Kurfürſt genannt wurde! Prielmayr ſprang ſofort dar⸗
auf ein: Nachdem die Perſon des Kurfürſten hereingezogen worden
ſei, müſſe man erſt wiſſen, ob dieſem das Unternehmen der Landes⸗
defenſion überhaupt recht ſei. Um ſeine Abſichten zu erfahren ſollten
die Bauern eine Abordnung nach Brüſſel ſchicken. Dieſer allzu
plumpe Verſuch, die Entſcheidung auf die lange Bank zu ſchieben,
erweckte den heftigen Arger Plinganſers und mit Recht entgegnete
er: Der Kurfürſt kann doch nichts dagegen haben, wenn er durch
unſere Hilfe ſein Land wieder zurück erhält. Auch wird es ihm ſicher⸗
lich nicht mißfallen, wenn wir auf unſere eigene Rettung bedacht
find. Und niemals können wir es verantworten, wenn wir zulaſſen,
daß unſere Söhne den angeſtammten Landesherrn bekriegen helfen.
Scharf platzten die Geiſter in der nun folgenden Ausſprache auf⸗
einander; aber ſchließlich behielt die Kriegspartei die Oberhand und
ſetzte die Annahme folgender Beſchlüſſe durch: Die Regierung ſoll
zu einer Erklärung aufgefordert werden, ob ſie, wie vormals unter
dem Kurfürſten, jo auch unter den jetzigen Umſtänden dem Reni-
amt pflichtgemäß vorſtehen wolle, und ob ſie ſich dies vor Gott und
dem Vaterland zu verantworten getraue. Wenn, wie man hofft, die
Regierung ſich dazu bereit erklärt, dann ſoll ſie die beim Kongreß
anweſenden Vertreter des Adels mit der Leitung der Landesdefen⸗
ſion, aber in Abhängigkeit von der Regierung beauftragen, die
anderen Rentämter zur Beihilfe bei der Landesdefenſion anhalten,
und die vormals in kurfürſtlichen Dienſten geſtandenen Offiziere
zur ſofortigen Dienſtleiſtung beim Bauernheer nach Braunau ein⸗
berufen. Dieſer „Eventualabrede“ genannte Beſchluß wurde noch
am gleichen Tage der Regierung übermittelt. Prielmayr ſchrieb dem
Vizedom über ſeine Eindrücke und knüpfte daran die ahnungsvollen
-— 2 —
Worte: „Bei der Konſultation und Reſolution find verſchiedene
Hitzigkeiten wider die Regierung hervorgebrochen, die mehr zum
üblen als zum Guten ausſchlagen dürften“.
Am 22. Dezember ſetzte der Kongreß ſeine Beratungen aus.
Plinganſer nützte die Zeit, um die Bauernabgeordneten gegen die
Friedensbeſtrebungen ſcharf zu machen und auch Prielmayr wird es
nicht unterlaſſen haben, Unſchlüſſige und Zweifler in ſeinem Sinne
zu beeinfluſſen. Die Regierung beriet an dieſem Tage über die in
Braunau geſtellten Anträge und beeilte ſich, den Forderungen des
Kongreſſes nachzukommen. Sie erklärte ſich willig und geneigt, der
gewählten Abordnung in allem an die Hand zu gehen, ſoviel ihr
immer möglich ſei und es ihre Stellung mit ſich bringe. Mit ein⸗
ſchränkenden Redensarten waren ja die hohen Herren immer frei⸗
gebig geweſen. Paumgarten, Leyden und Aham erhielten den Auf⸗
trag, ſich dem Landesdefenſionsweſen zur Verfügung zu ſtellen; an
d' Ocfort erging das Erſuchen, die Stelle eines kommandierenden
Generals zu übernehmen und ſich ſofort in Braunau einzufinden,
wohin auch die im Rentamt wohnenden ehemaligen Offiziere unter
Androhung der Landesverweiſung einberufen wurden. Nur einen
Punkt der Eventualabrede lehnte die Regierung ab: Da die ande⸗
ren Rentämter nicht untergeben, die Kaiſerlichen aber noch im Beſitz
der Gewalt ſeien, könne dem Verlangen, die übrigen Regierungen
zur Mithilfe aufzurufen, nicht entſprochen werden. Die Abhängigkeit
der Landesdefenſion von der Regierung, wie ſie in der Eventual⸗
abrede beſchloſſen war, wurde mit keinem Wort erwähnt.
Am 23. und 24. Dezember wurden die Beratungen in Braunau
fortgeſetzt. Mit Befriedigung vernahm der Kongreß die Bereit⸗
willigkeit der Regierung zur Mitarbeit am Landesdefenſionswerk.
Als Ausdruck des Dankes beteuerte er ihr den untertänigſten Reſpekt
des ganzen Rentamts und gelobte, allen ihren Befehlen Gehorſam
zu erweiſen. Das waren aber leere Worte! Denn durch die Aus⸗
führung der Beſchlüſſe der Eventualabrede hatte ſich die Regierung
ja bereits als dem Kongreß untergeordnet bekannt und die Leitung
des Aufſtands ſtillſchweigend an den Kongreß abgetreten. Im Vor⸗
dergrund der nun folgenden Ausſprache ſtanden die Rüſtungen und
die hiefür aufzubringenden Mittel. Und es iſt wirklich erſtaunlich,
welche Leiſtungen der Kongreß der kleinen, gänzlich verarmten
Provinz aufzuerlegen wagte. Von jedem Hof des Rentamts, man
zählte deren gegen 4300, ſollte ein tauglicher lediger Mann mit
Bewaffnung und Ausrüſtung geſtellt und aus dieſen Leuten vier
Regimenter, jedes zu 1000 Mann, gebildet werden. Leyden, Priel⸗
mayr und Jehle wurden zu Oberſten ernannt und mit der Errich⸗
tung dieſer Regimenter betraut, welche die Namen Leibregiment,
Kurprinz und Prinz Philipp erhielten, „wohl in der Meinung, daß
as OF we,
fie für die ſtreiten würden, deren Namen He führten“. Adel und
Geiſtlichkeit jollten ein Dragonerregiment aufrichten. Kriegsſteuern,
monatlich 4 fl. von jedem Hof, und Naturalabgaben, von jedem Hof
ein Schaff Korn, ein Schaff Haber, 20 Bund Stroh und 4 Zentner
Heu, wurden beſtimmt. Je bedenkenloſer die Bauern dieſe Forde⸗
rungen bewilligten, deſto größer wurden die Sorgen, welche die
adeligen Herren bedrückten. Sie waren gekommen, um zum Frieden
zu reden und mußten nun hören, wie der Kongreß unter dem unge⸗
brochenen Einfluß Plinganſers leichten Herzens ſich zur Fortſetzung
des Krieges entſchloß, der nach ihrer Aberzeugung das Land ins
Elend ſtürzen mußte. Paumgarten brachte den Mut auf, der Ver⸗
ſammlung nochmals das Gefährliche des Vorhabens darzulegen.
Man dürfe es nicht auf das Außerſte ankommen laſſen, ſondern ſolle
durch Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg eine friedliche Bei⸗
legung des Aufſtands anſtreben und eine Denkſchrift an den Reichs⸗
fonvent nach Regensburg abgehen laſſen, damit auch die Fürſten
und Stände des Reichs ſich des Landes annehmen. Doch es half alles
nichts. Die Mehrheit des Kongreſſes war friedlichen Erwägungen
nicht mehr zugänglich und die geſtellten Rüſtungsanträge wurden
ohne langes Beſinnen angenommen. Beifall fand jedoch der Ge⸗
danke einer Beſchwerdeſchrift an den Reichskonvent, mit deren Ab⸗
faſſung die Regierung beauftragt wurde. Die Beſchlüſſe über die
Rüſtungen fanden keineswegs überall freudige Zuſtimmung. Viele
Bauern ſchüttelten bedenklich die Köpfe, als ihnen mit Mannſchafts⸗
ſtellung und Steuern Verpflichtungen auferlegt wurden, welche ſie
in dieſer Höhe noch nie getragen und die ſie gerade durch ihre Be⸗
teiligung am Aufſtand abzuwälzen verſucht hatten. Auch Plinganſer
muß zugeben, daß das eine und andere Gericht nicht recht daran
gewollt hat, den Unterhaltsbeitrag für die Regimenter zu entrichten.
Der Regierungskanzler v. Stromer in Landshut meinte, wenn die
Leute dem Kaiſer nur ein Drittel von dem hätten geben ſollen, was
Jie ſich ſelbſt auferlegt haben, jo wäre dies unmöglich geweſen. Und
als ſich Bauern bei Prielmayr unwillig über die unerſchwinglichen
Abgaben ausließen, gab er ihnen patzig zur Antwort: „Wenn ihr
nichts geben könnt oder wollt, dann müßt ihr eben das Kriegführen
bleiben laſſen“. Da zahlreiche Beamte unter den Drohungen der
Bauern ihre Amtsſitze verlaſſen hatten, die Durchführung der
Riiftungen ohne deren Mitarbeit aber unmöglich geweſen wäre,
erbat der Kongreß von der Regierung die Zurückberufung der Be⸗
amten auf ihre Dienſtſtellen und ihre Verpflichtung auf die Landes⸗
defenſion. Ihnen allen wurde Sicherheit der Amtsführung ver⸗
ſprochen, aber auch ſtrenge Beſtrafung bei Bedrückung der Unter-
tanen angedroht. Sämtliche Verabredungen wurden als „Einhel⸗
liger Schluß des Landſchutzkongreſſes“ ſchriftlich niedergelegt und
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die Regierung zu ſofortiger Bekanntgabe desſelben an die unter⸗
ſtellten Gerichte aufgefordert.
Am 24. Dezember ſtellte ſich Obert d Ocfort dem Kongreß als
kommandierender General vor. Er trug große blaue Beulen im
Geſicht; ein Zufall hatte es gewollt, daß zwei Tage vorher „eine
Raubersrott heylloſer Pauernpurſch“ das Schlößchen Schedling bei
Troſtberg, den Wohnſitz d'Ocforts, heimgeſucht und dort nach be-
kannter Art gehauſt hatte. Der alte Oberſt, ſeine Frau und ſeine
Töchter waren mit Schlägen „mörderiſch traktiert“, Waffen und
Wertgegenſtände mitgenommen, Einrichtung und Hausrat finnlos
zerſchlagen worden. Es läßt ſich denken, mit welchen Gefühlen
d'Ocfort tags darauf feine Ernennung zum Landesdefenfionsgeneral
aufnahm. Zur Vermeidung von weiteren Unzuträglichkeiten hielt
er es jedoch für angebracht, dem Rufe Folge zu leiſten. Mit dem
Eintritt d'Ocforts in die „Regierung der nationalen Verteidigung“
hatte der Kampfgedanke alles andere eher als eine Stärkung er⸗
fahren. Seine erſte Amtshandlung war, daß er im Kongreß das
Abmahnungspatent der Adminiſtration vom 19. Dezember zur Ver⸗
leſung brachte. Prielmayr beantragte deffen ſofortige Bekanntgabe
an die Gerichte; denn es wäre unverantwortlich, es den Leuten vor⸗
zuenthalten. Die „Herren“ ſtimmten natürlich zu, aber die Gemein,
die darüber eine getrennte Beratung pflog, widerſprach heftig. Hier
in Braunau, hieß es, jet man bayeriſch und habe es nicht nötig,
ein kaiſerliches Patent auszuſchreiben, wodurch die Leute nur klein⸗
mütig gemacht würden. Plinganſer war zwar die Genugtuung zuteil
geworden, daß der Kongreß ſich für die Fortführung des Krieges
entſchieden hatte. Aber die Widerſtände, die während der Ausſprache
über die Rüſtungen zutage getreten waren, ließen ſeinen Argwohn
gegen die adeligen Herren nicht zur Ruhe kommen. Und als er gar
aus dem Antrag Prielmayrs erſehen mußte, daß die Friedenspartei
nach wie vor ihre Fäden weiterſpinne, machte ſich ſein Zorn in einer
Denkſchrift Luft, die er am 24. Dezember an die adeligen Kongreß:
mitglieder richtete. Er ſagt darin: Wir zweifeln zwar nicht, daß der
löbliche Adel ſowohl gegen den Kurfürſten, wie auch gegen das all⸗
gemeine Wohl getreue Gedanken führt und die äußerſten Kräfte
anwenden will, um mit dem Feind einen ſicheren Frieden ein⸗
zugehen. Aber zu unſerem Leidweſen haben wir doch verſpüren
müſſen, daß man die Patrioten durch allerlei Einwände von dem
Landesdefenſionsweſen abſpenſtig machen und ihren Eifer durch alle
möglichen Schwierigkeiten erkalten laffen will. Wenn es daher den
Herren Räten und Kavalieren ernſtlich darum zu tun iſt, den Kon⸗
greß fortzuſetzen, dann ſollen ſie ſich angelegen ſein laſſen, zum Wohl
des Kurfürſten und des Vaterlandes nützliche Vorſchläge zu machen
und die Mittel zu ihrer Durchführung ſchleunig bereitzuſtellen. Dieſe
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Worte bildeten eine nur notdürftig verkleidete Kampfanſage an die
adeligen Herren und zeigten deutlich, vom welchem Machtbewußtſein
Plinganſer beſeelt war. Paumgarten erwiderte auf dieſen Anhieb
recht matt: „Auch wir denken nur daran, uns dem Kurfürſten als
getreue Vaſallen zu erweiſen und wollen nach Kräften dazu bei⸗
tragen, dem bedrängten Vaterland zu helfen“. Damit war die
Tagesordnung erſchöpft und am Nachmittag des 24. Dezember begab
ſich der Kongreß in die Weihnachtsferien, „nicht ohne große Be⸗
ſtürzung der Wohlgeſinnten“, ſchreibt Plinganſer.
Sofort nach ſeiner Rückkehr nach Burghauſen berichtete Priel-
mayr der Regierung über den Verlauf der Tagung, die mit einer
vollſtändigen Niederlage der Friedenspartei geendet hatte. Das
Schlimmſte aber war, daß die Regierung, anſtatt wie gehofft, den
Kongreß zu beherrſchen, vollſtändig in deſſen Schlepptau geraten
war. Zum drittenmale, und diesmal endgiltig, hatte Plinganſer
das Friedenswerk zerſtört. Sorgenvoll ſaßen die Herren Räte am
Weihnachtsabend um den ſpärlich erleuchteten Ratstiſch und be⸗
ſchloſſen, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, die unver⸗
zügliche Bekanntgabe des Einhelligen Schluſſes an die Gerichte.
Empfindlicher aber wurde der Weihnachtsfrieden geſtört, als im
Laufe des 26. Dezember in Burghauſen die ſichere Nachricht von
der Niederlage der Oberländer einlief und bald darauf auch be⸗
kannt wurde, daß ſich das Bauernheer in voller Auflöſung auf dem
Rückzug gegen den Inn befinde. Zudem erfuhr man, daß auch der
zweite, kurz vor Weihnachten ins Werk geſetzte Vorſtoß an die untere
Iſar geſcheitert ſei. 2000 Bauern unter Führung des ehemaligen
kurbayeriſchen Leutnants Simon Beck und des Hofmarkverwalters
Auguſtin Walter von Oberndorf waren am Morgen des erſten
Weihnachtsfeiertages mit dem üblichen Wirbel in Landau a. J.
eingedrungen. Aber ſchon auf die bloße Meldung, daß eine Kom⸗
pagnie Barthels⸗Küraſſiere von Dingolfing her im Anmarſch fei.
hatte der Haufen die Stadt wieder verlaſſen und ſich vollſtändig
aufgelöſt. Die Beſtürzung über dieſe Nachrichten war ungeheuer.
Die einzige Möglichkeit, aus der immer ſchwieriger werdenden Lage
herauszukommen, bot das Schreiben der Landſchaftsverordnung des
Oberlands an die Gemein des Rentamts Burghauſen, das in
München am 25. Dezember ausgefertigt, am 26. Dezember in Burg⸗
hauſen übergeben wurde. „Wir haben“, ſo heißt es dort, „mit Ver⸗
wunderung erſehen, daß die Gemein unſere bisherigen Mahnungen
keiner Erinnerung gewürdigt und den Waffenſtillſtand nicht ange⸗
nommen hat. Auch ihre Beſchwerden hat ſie trotz der Verabredung
nicht überreicht. Ja jie hegt immer noch die Hoffnung, durch die
Gewalt der Waffen ihr Ziel zu erreichen. Das iſt aber der ſchnur⸗
gerade Weg zur gänzlichen Verheerung und zum Untergang der in
— 30 —
Aufſtand geratenen Mannſchaft und des ganzen Landes. Denn der
Kaiſer wird das Land mit Krieg überziehen und die in ſtarker Zahl
ins Land kommenden Truppen werden den ganzen Winter nicht
mehr aus dem Lande gehen, ſondern es auf alle Weiſe beſchweren,
wenn nicht die in Waffen ſtehende Gemein ſich dem Kaiſer unterwirft
und die Abhilfe ihrer Beſchwerden auf gütlichem Wege zu erreichen
verſucht. Dies wird ihr um ſo leichter fallen, als ſichere Nachrichten
eingelaufen ſind, daß der Kurfürſt an dem Aufruhr das größte Miß⸗
fallen hat“. „Sollte“, ſo ſchließt das Schreiben, „unſere treu patrio⸗
tiſche Meinung ohne Frucht vergehen, ſo müßten wir dem verderb⸗
lichen Lauf der Sache zuſehen und alles dem lieben Gott befehlen,
mit dem einzigen Troſt, daß wir nichts verſäumt haben, an das
kommende Unheil zu erinnern“. Die Abmahnung der Landſchaft
war ein eindrucksvolles Warnungszeichen vor dem Sturm. Was von
den Häuptern des Aufſtandes, die trotz aller bisherigen Mißerfolge
hartnäckig an ihren Plänen feſthielten, nicht erwartet werden konnte,
das mußte jetzt die Regierung tun. Ihr erwuchs die Pflicht, ihr
ganzes Anſehen in die Waagſchale zu werfen, um das nun drohende
Verhängnis abzuwenden. Nachdem es ſich als unmöglich erwieſen
hatte, die Führer der Landesdefenſion von der Nutzloſigkeit eines
weiteren Kampfes zu überzeugen und ſie zum Nachgeben zu bewegen,
mußte ſich die Regierung jetzt von den Bauern losſagen und han⸗
delnd in die Ereigniſſe eingreifen. Durch ſofortige Außerkrafterklä⸗
rung des Einhelligen Schluſſes, rückſichtsloſes Beiſeiteſchieben des
Kongreſſes und Aufnahme von Verhandlungen mit der Adminiſtra⸗
tion wäre allein noch die Möglichkeit gegeben geweſen, den Auf⸗
ſtand ohne Blutvergießen zu beenden. Es iſt nichts geſchehen!
Während in Braunau die Entſcheidung über Krieg und Frieden
fiel, hatte auch die Adminiſtration bange Stunden zu beſtehen ge⸗
habt. Die immer bedrohlicher lautenden Meldungen über den An⸗
marſch der Oberländer und des Bauernheeres aus dem Unterland
hatten in München eine recht unbehagliche Stimmung aufkommen
laſſen. Doch obwohl Graf Löwenſtein ſtündlich gewärtig ſein mußte,
„von dieſem loſen Gefindel umringt und eingeſperrt zu werden“,
behielt er ſeine vornehme Ruhe: „Wir ſind entſchloſſen, hier unſeren
äußerſten Effekt zu tun“, ſchreibt er am 24. Dezember an den Kaifer.
Mehr aber als die Bedrohung Münchens, das ſich mit ſeiner ſtarken
Beſatzung immerhin einige Zeit halten konnte, hat ihn die Geſamt⸗
lage bedrückt. Ein paar Tauſend Bauern hatten ſich gegen den
Kaiſer erhoben und waren daran, durch Wegnahme der Landes⸗
hauptſtadt dem kaiſerlichen Anſehen einen ſchweren Schlag zu ver⸗
ſetzen. Der Kaiſer, außerſtande, mit eigenen Kräften die Aufrührer
zum Gehorſam zu bringen und Ruhe und Ordnung wieder herzu⸗
ſtellen. war gezwungen, bei den kleinen Reichsfürſten um Hilfe zu
23 Gp =
betteln und unter demiitigenden Bedingungen einige Regimenter
„einzuhandeln“, um die rebelliſchen Bauern zu Paaren zu treiben.
Fürwahr, ein trauriges Bild von der Machtloſigkeit des heiligen
römiſchen Reiches deutſcher Nation und von dem inhaltsloſen Schein,
in dem ſich der Träger ſeiner Krone wiegte. In ſeiner Not nahm
Graf Löwenſtein ſeine Zuflucht zur Geiſtlichkeit; durch die Land⸗
ſchaftsverordnung ließ er die Biſchöfe von Freiſing, Regensburg,
Salzburg und Paſſau um ihre Einwirkung auf ihre Diözeſanen
bitten. Die Seelſorger ſollten den Pfarrkindern zuſprechen, „ſich des
Aufruhrs zu enthalten und ſich der kaiſerlichen Gnade bequemen“.
Die Biſchöfe haben auch alle ihren Landklerus beauftragt, das Volk
von den offenen Kanzeln und im Beichtſtuhl „von ſolchen Tätlich⸗
keiten abzumahnen und zu friedſamen Gedanken zu bringen“. Wie
mag Graf Löwenſtein aufgeatmet haben, als am Weihnachtsmorgen
Kriechbaums Kanonen vor dem Iſartor donnerten und bald darauf
Nachrichten einliefen, daß auch das aus dem Unterland heran⸗
ziehende Bauernheer ſich zur Flucht gewendet habe. Wider alles
Erwarten ſchnell war er wieder Herr der Lage geworden; und er
war entſchloſſen, ſie auszunützen.
Noch ehe er die entſcheidenden Schritte hiezu unternahm, hatte
ſich am 29. Dezember der Kongreß in Braunau zu neuem Tun ver⸗
ſammelt. Es war damit zu rechnen, daß die Niederlage der Ober⸗
länder ſich bald auf das Unterland auswirken werde, und daß das
Auftreten kaiſerlicher Truppen im Rentamt Burghauſen nicht mehr
lange auf ſich warten laſſe. Was wäre alſo näher gelegen, als den
einmal ausgeſprochenen Willen zum Kämpfen durch Beſchleunigung
der Rüſtungen in die Tat umzuſetzen. Stattdeſſen vertrödelte der
Kongreß die koſtbare Zeit mit Beratungen über die Denkſchrift an
den Reichskonvent in Regensburg. Es hat faſt den Anſchein, als ob
die „Herren“ dabei nicht ganz unbeteiligt geweſen wären. Bei der
großen Bedeutung, welche der Denkſchrift ſpäter beigelegt wurde,
verdient ihr Entſtehen eine kurze Betrachtung. Im Einhelligen
Schluß war die Denkſchrift von den Bauern ausdrücklich gefordert
worden. Mit ihrem Entwurf hatte die Regierung den Sekretär
Johann Georg Hagen beauftragt und ihm empfohlen, das Schrift⸗
ſtück maßvoll „in submissis terminis“ abzufaſſen. Unter Anführung
vieler Einzelheiten gab Hagen eine nüchterne, auf allgemein be⸗
kannten Tatſachen beruhende Darſtellung der Leiden und Bedräng⸗
niſſe, welche die Untertanen zum Aufſtand getrieben hatten. Aber
ſchon bei der Prüfung des Entwurfs durch die Regierung veränderte
ſich die Tonart. Mehrere Räte hielten mit der Begründung, die
Bauern wollten dies ſo haben, auch noch andere Punkte für er⸗
wähnenswert und Hagen mußte die in ziemlich ſpitzigen Worten
gehaltenen Zuſätze in ſeinen Entwurf mit aufnehmen; als aber
32 e
gar die Denkſchrift dem Kongreß zur Beratung vorlag, da wurde
unter dem Druck der Bauern Inhalt und Form immer noch gröber.
„Könnt's nit arg genug ſchreiben“! war ihr allgemeines Verlangen.
Die Herren ſahen mit Unbehagen, daß die Denkſchrift, die als diplo⸗
matiſches Aktenſtück Verwendung finden ſollte, immer mehr an
Schärfe zunahm; aber ihre Einwände wurden mit den üblichen
Drohungen erwidert und ſo entſtand aus dem urſprünglich durch⸗
aus gemäßigten Bericht Hagens ſchließlich eine wuchtige Anklage,
in der dem Kaiſer Rechtsverletzung und Vertragsbruch vorgeworfen
und das Recht der Selbſthilfe in Anſpruch genommen wurde. „Alle
dieſe Drangſale“, heißt es zum Schluß, „haben endlich unſere Ge⸗
duld überwunden und unſere ſonſt zum Frieden und Gehorſam ge⸗
arteten Gemüter angetrieben, daß wir uns jetzt der natürlichen
Defenſive bedienen, um die von der kaiſerlichen Miliz uns zugefügten
Leiden von unſerem Halſe abzuwälzen“. Unterzeichnet war die
Denkſchrift von der „geſambten conföderierten Gemein der Landten
Ober⸗ und Underbayern“. Das Einverſtändnis der drei anderen
Rentämter hatte man ohne weiteres vorausgeſetzt. Mittlerweile
hatte auch das Abmahnungsſchreiben der Landſchafsverordnung vom
25. Dezember ſeinen Weg zum Kongreß gefunden. Die Eindringlich⸗
keit ſeiner Worte wäre wohl geeignet geweſen, abkühlend auf die
erregten Gemüter zu wirken und eine gründliche Abkehr von den
undurchführbar gewordenen Plänen zu bewirken. Die Führer haben
mit einer ſolchen Möglichkeit auch gerechnet und deshalb bewußt die
Bekanntgabe des Schreibens an den Kongreß unterlaſſen.
Mit Sehnſucht hatte die Landſchaftsverordnung eine Antwort auf
ihr Schreiben erwartet. Als eine ſolche bis zum Neujahrstage noch
nicht eingelaufen war, ließ fie am 2. Januar eine zweite Abmah⸗
nung folgen. Da man in München den Verdacht hegte, daß die Ver⸗
breitung des erſten Schreibens mit Abſicht verzögert oder gar ver⸗
hindert worden ſei, wurde die zweite Mahnung durch Druck verviel⸗
fältigt und durch Vertrauensmänner, fahrende Kaufleute und wahr⸗
ſcheinlich auch durch die Geiſtlichkeit auf dem flachen Lande ver⸗
breitet. Die „landſchaftliche Erinnerung“ vom 2. Januar wiederholt
in volkstümlicher Sprache die Punkte des erſten Abmahnungs⸗
ſchreibens; ſie weiſt wirkungsvoll auf die Blutopfer von Kelheim,
Sendling und Vilshofen hin und lehnt jede Verantwortung für das
kommende Unheil ab, „wenn die Antertanen nicht von weiteren
böſen Anmutungen und Unternehmungen billig abſtehen“. Das
Volk, das bisher alles nur durch die Brille der Landesdefenſions⸗
führer geſehen hatte, hörte nun zum erſtenmale Worte, die ſich mit
jeiner eigenen Dent- und Sinnesart deckten. Die landſchaftliche Er-
innerung fand einen fruchtbaren Boden und tat der ohnehin nur
noch geringen Luſt zu weiteren kriegeriſchen Abenteuern gewaltigen
— 33 —
Abbruch. Noch eindringlicher aber ſprachen die as im Unter:
land vorgefallenen Begebenheiten.
Als am Abend des 30. Dezember nach zweitätiger Beratung ende
lid) eine Einigung über den Wortlaut der Denkſchrift an den Reichs⸗
fonvent erzielt worden war, verbreitete ſich in Braunau die Kunde,
die Kaiſerlichen hätten Vilshofen erſtürmt. Das Gewitter, das ſich
über dem Unterland zuſammenzog, war dort zur erſten Entladung
gekommen. Vilshofen war, wie erwähnt, am 27. November von den
Bauern beſetzt worden. Der Kommandant Inzinger hatte nicht nur
dem Rat und der Bürgerſchaft manchen Gulden „Beiſteuer zur
Landesdefenſion“ aus der Taſche gezogen, ſondern auch in der Um-
gebung Mittel für den Unterhalt ſeiner Leute flüſſig zu machen
verſtanden. So hatte am 14. Dezember ein anſehnlicher Bauern⸗
haufen in Schönberg im Bayeriſchen Wald vom Bräuhausverwalter
„auf Befehl der hohen Generalität“ die Herausgabe der Bräuhaus⸗
kaſſe gefordert. „Man hat“, meldete der Verwalter an die Regie⸗
rung, „die Leib⸗ und Lebensgefahr nicht auf ſich laden wollen, ſon⸗
dern hat das Vorhandene dem kommandierenden Leutnant unver⸗
züglich ausgehändigt“. In Vilshofen war die Stimmung den Bauern
nicht günſtig; wiederholt hatte der Rat bei der Regierung in Lands⸗
hut eine Beſatzung erbeten, „um von den loſen Schelmen befreit zu
werden“. Da der Platz als Donauübergang von Bedeutung war
und alle Anzeichen darauf hindeuteten, daß von dort aus die Er⸗
hebung in den Bayeriſchen Wald übergreife, empfand es Graf
Bagni ſehr unangenehm, die Stadt im Beſitz der Bauern zu wiſſen
und erteilte anfangs Dezember dem Obert d' Arnan den Auftrag.
in Straubing eine Heeresabteilung zu ſammeln und Vilshofen zu
entſetzen. D'Arnan hielt die eben aus Böhmen angekommenen Re-
kruten der Regimenter Guido Starhemberg und Kriechbaum, zu⸗
ſammen etwa 1200 Mann, in Straubing an und zog aus der Ober⸗
pfalz Kavallerie heran. Als nach dem Falle von Kelheim auch das
Ansbachiſche Grenadierbataillon zu ihm geſtoßen war, und der am
Weihnachtstag in Landau entſtandene Wirbel die Gegend in neue
Unruhe verſetzt hatte, glaubte d'Arnan die Zeit für gekommen, um
in dem Winkel an der unteren Iſar Ruhe zu ſtiften und Vilshofen
wegzunehmen. Am 26. Dezember ſchickte er, um den Feind zu täuſchen.
ſeine Reiterei gegen Dingolfing vor; das Fußvolk, 900 Rekruten
und die Ansbachiſchen Grenadiere nebſt einigen Geſchützen, wurde
am Abend auf Donaukähnen von Straubing nach Deggendorf ver⸗
bracht. Am andern Morgen trat d' Arnan auf dem linken Donau-
ufer den Vormarſch gegen Vilshofen an. Um 9 Uhr abends erreichte
er das Schloß Hilgartsberg, in dem eine ſchwache Beſatzung vom
Regiment Starhemberg Jag. Der Kommandant berichtete ihm: Im
Lande nördlich der Donau werden die Untertanen immer ſchwieriger.
3
1
An Weihnachten find von Vilshofen an die 500 Mann über die
Donau in den Bayeriſchen Wald abmarſchiert; augenblicklich ſtehen
in Vilshofen nicht viel mehr als 400 Mann. Die Verteidigungs⸗
anlagen der Stadt ſind nicht ſtark, aber in gutem Zuſtand. Die
eigentliche Stadt iſt mit einer Mauer umgeben; auf der Weſt⸗ und
Südſeite derſelben iſt ein trockener ſeichter Graben vorgelagert. Die
an der Straße nach Regensburg gelegene Vorſtadt iſt durch einen
niedrigen Wall mit einer Palliſadenwand geſichert. D' Arnan ent-
ſchloß ſich zu einem nächtlichen Überfall. Auf raſch beigetriebenen
Plätten wurde die Infanterie über die Donau geſetzt, rückte dann
zum Friedhofkirchlein St. Barbara vor und ſtellte ſich hier zum
Angriff bereit. Aus dem nahe gelegenen Kapuzinerkloſter ſchickte
d' Arnan zwei Patres in die Stadt und ließ den Kommandanten zur
Übergabe auffordern. Als die Unterhändler längere Zeit nicht zu⸗
rückkehrten, befahl d'Arnan feinen Grenadieren, Sturm zu laufen.
Kaum angetreten, erhielten ſie Gewehrfeuer von den hinter den
Palliſaden gut gedeckten Bauern. Die Grenadiere ſetzten ihnen aber
mit Handgranaten derart zu, daß die Bauern ſehr bald den Kampf
aufgaben und Hals über Kopf durch das obere Tor in die Stadt
flüchteten. Den meiſten gelang es, über die Vilsbrücke zu entkommen,
wo ſie durch Abwerfen einiger Balken die Verfolgung zum Halten
brachten. Inzwiſchen war eine Abordnung der Bürgerſchaft am
Stadttor erſchienen. Der Bürgermeiſter Dunzinger übergab d' Arnan
die Schlüſſel der Stadt, verſicherte, daß die Bürgerſchaft immer gut
kaiſerlich geweſen ſei und bat um Schonung für die durch die letzten
Kriegsläufte ſchwer mitgenommene Stadt. D' Arnan ſicherte fie zu,
konnte aber nicht verhindern, daß die Ansbachiſchen Grenadiere in
der Vorſtadt plünderten. Raſch hatte ſich die Nachricht von dem Fall
der Stadt in der Umgebung verbreitet und ſchon am Vormittag des
30. Dezember marſchierten auf den von Ortenburg und Aidenbach
heranführenden Straßen ſtärkere Bauernhaufen, es ſollen bei 3000
Mann geweſen ſein, auf Vilshofen vor, um die Kaiſerlichen wieder
aus der Stadt zu vertreiben. D' Arnan rückte ihnen ſofort entgegen.
Die Bauern nahmen aber den Angriff nicht an, ſondern zogen
eilends wieder ab. Ein größerer Trupp warf ſich in ein bei dem
Dorfe Liſſing gelegenes Wäldchen, das alsbald von den verfolgen⸗
den Reitern umſtellt wurde. Einzelne, die noch zu entfliehen ver⸗
ſuchten, wurden niedergehauen; die bald darauf eintreffende In⸗
fanterie nahm mit einigen Geſchützen das Wäldchen unter mörde⸗
riſches Feuer und richtete ein gräßliches Blutbald an, dem 300
Bauern zum Opfer fielen. Die Reiter hatten inzwiſchen die Ver⸗
folgung bis Aldersbach fortgeſetzt und noch viele Gefangene ein⸗
gebracht. Alle Dörfer in der Amgebung wurden ausgeplündert und
niedergebrannt; die Bewohner ließen Haus und Hof im Stich und
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flüchteten ſtundenweit in die Wälder, überallhin Angſt und Schrecken
1 Abermals hatte der Aufſtand einen ſchweren Schlag er⸗
en.
Nach der Einnahme Vilshofens gedachte d'Arnan gegen den Inn
vorzurücken und ſchon am 30. Dezember forderte er die Stadt Schär⸗
ding auf, ſich in des Kaiſers Gnade und Schutz zu begeben, „widrigen⸗
falls er armata manu ſie zur Devotion und Gehorſam bringen werde.
Als ein Kavalier verſpricht er einen raiſonnablen Akkord, erwartet
aber eine kategoriſche Antwort, entweder ja oder nein“! Doch
d' Arnans Siegeszug wurde plötzlich unterbrochen. Auf die Nach⸗
richten von der Einnahme der Stadt Cham am 31. Dezember durch
den Pfarrer Miller und von dem neuen Aufflackern des Aufſtands
im Nabtal hatte Graf Bagni d' Arnan in die Oberpfalz zurückge⸗
rufen, wohin auch die beiden kurpfälziſchen Regimenter, die um
dieſe Zeit in der Markgrafſchaft Ansbach eingetroffen waren, be⸗
ordert wurden. D' Arnan beließ die Ansbachiſchen Grenadiere und
500 Rekruten in Vilshofen und marſchierte am 5. Januar mit dem
Reſt ſeiner Truppen nach Regensburg ab.
Die Eroberung Vilshofens hatte in Braunau wie ein kalter
Waſſerſtrahl gewirkt. In nächſter Nähe hatte ſich plötzlich eine Ge⸗
fahr aufgetan, deren Größe von den Führern der Landesdefenſion
wohl erkannt und deren Bekämpfung von ihnen unverzüglich be⸗
ſchloſſen wurde. Denn trotz der ſchlimmen Nachrichten der letzten
Tage hatte die kriegeriſche Stimmung des Kongreſſes keine Schmä⸗
lerung erfahren. Schon am 1. Januar erhielt die bei Ering am Inn
ſtehende Kampfgruppe den Befehl, „dem Feind bei Vilshofen ent⸗
gegen zu gehen und ihn aus dem Lande zu ſchlagen“. Der Führer
dieſes Haufens rief ſogleich „alles, was zum Gewehrtragen tauglich
iſt, auf, ſich ohne Verluſt einiger Minuten, wohlbewehrt und mit
Proviant auf vier Tage verſehen, zuſammenzuziehen“. Großſpurig
war das Patent unterzeichnet von Ludwig Werkſtedter, „Kurfürſt⸗
licher Durchlaucht und Landsdefenſion beſtellter Obriſtleutnant und
dermalen hochgnädig abgeordneter Kommandant der Armee zu Vils⸗
hofen“. In richtiger Einſchätzung der Notwendigkeit, gegen d'Arnan
alle Kräfte einzuſetzen, forderte der Kongreß auch die Führer der
neuen Regimenter auf, die gegen Vilshofen aufgebotene Kampf⸗
gruppe zu verſtärken. Jedoch dem Aufruf folgte eine bittere Ent⸗
täuſchung. Die adeligen Herren waren von Anfang an überzeugt
geweſen, daß eine Erneuerung des Heeres, das ſich nach der Send⸗
linger Schlacht faſt vollſtändig aufgelöſt hatte, nicht mehr möglich
ſei. Sie hatten ſich daher die Werbetätigkeit recht wenig angelegen
ſein laſſen. Die Regimenter Leydens und Jehles ſteckten noch in den
erſten Anfängen. In beſſerer Verfaſſung befand ſich das Regiment
Prielmayrs „Prinz Philipp“, das bereits am 4. Januar auf einen
3*
— 36 —
Stand von 8 Kompagnien gebracht war. Da aber Bewaffnung und
Ausrüſtung noch unvollſtändig waren, konnte man an deſſen Ver⸗
wendung vor dem Feinde vorerſt nicht denken. Das Dragoner⸗
regiment, mit deſſen Aufſtellung Oberſt d'Ocfort beauftragt worden
war, zählte zwar 400 Mann; davon waren aber kaum 50 Mann
beritten. Als der Kongreß den mangelhaften Stand der Rüſtungen
erfuhr, wurde die Beſchleunigung derſelben mit allen Mitteln be⸗
trieben. Scharfe Befehle ergingen an die Oberſten, ihre Regimenter
möglichſt bald kriegsfertig zu machen; die Regierung wurde ange⸗
halten, den Adel zur Stellung von Reitpferden zu veranlaſſen, die
Schützen aus den ſüdlichen Teilen des Rentamts in Burghauſen
zuſammenzuziehen und durch Ausſchreiben von Steuern, Ablieferung
der Aufſchlagsgefälle an die Landesdefenſion und Aufnahme von
Anlehen die leere Kriegskaſſe zu füllen. Dabei war es hauptſächlich
auf die im Rentamt anſäſſigen Adeligen abgeſehen. Eine allzu große
Bereitwilligkeit, die Sache der Landesdefenſion zu unterſtützen,
haben aber dieſe Herren, wie es ſcheint, nicht gezeigt. So ſollte z. B.
der General v. Weickhel um ein Anlehen von 30 000 fl. angegangen
werden. Als er von der Sache Wind bekam, erbat er ſich umgehend
einen Reiſepaß nach Reichenhall, „da er wegen ſeines ſchadhaften
Fußes zu Dr. Köſtler zum Gebrauch der Kurmittel verreiſen wie".
Doch es war nicht nur die mangelnde Kriegsbereitſchaft des Bauern⸗
heeres allein, welche den Entſatz Vilshofens verzögerte. Der Kon⸗
greß ſtieß auch auf den offenen Widerſtand der Regimentsführer,
die ſich mit aller Beſtimmtheit weigerten, nach Vilshofen zu mar⸗
ſchieren. Prielmayr gab auf zweimalige Aufforderung überhaupt
keine Antwort und d'Ocfort erklärte, er habe Soldaten, aber nicht
Bauern zu kommandieren gelernt. Als ihm hierauf die Bauern⸗
führer vorſtellten, daß das nun wieder auf 30 000 Mann gebrachte
Bauernheer es wohl mit den 2000 Kaiſerlichen d' Arnans aufnehmen
könne, erwiderte er, er würde ſich lieber von den Bauern ſelber
maſſakrieren laſſen, als mit ihnen gegen einen regulierten Feind
ins Feld ziehen. Es läßt ſich denken, daß ſolche Worte nicht geeignet
waren, das Vertrauen der Bauern auf die adeligen Herren zu
ſtärken und man darf, wie Plinganſer berichtet, wohl glauben, daß
die Bauern in ihrer Wut die Abſicht hatten, die Kongreßmitglieder
„erbährmlich zu maſſakrieren“. Plinganſer vermochte aber doch, ſie
eines beſſeren zu bereden. Es kam dazu, daß auch die Taſchnerbauern
dem Aufruhr Werkſtedters nur langſam folgten, ſodaß erſt das Ein⸗
treffen der Verſtärkungen aus dem Innviertel abgewartet werden
mußte. Zweifellos hat das Abmahnungsſchreiben der Landſchaft vom
2. Januar viele vom Mitgehen abgehalten. Mehr denn je wäre
angeſichts der aufs höchſte geſtiegenen Bedrängnis eine kraftvolle
Führung notwendig geweſen. Hatten bei der erſten Tagung des
— 37 —
Kongreſſes die Bauern ſich der Leitung Paumgartens wenigſtens
einigermaßen gefügt, ſo wurde jetzt der Einfluß der Adeligen und
der gemäßigten Elemente vollſtändig zurückgedrängt; die von Tag
zu Tag ſich mehrenden Schwierigkeiten und die Unmöglichkeit, ſie zu
meiſtern, erzeugten im Kongreß eine begreifliche Unruhe, die ſich
zunächſt in maſſenhaften Vorſchlägen Luft machte; jeder fühlte ſich
berufen, mit ſeiner Weisheit zum allgemeinen Wohl beizuſteuern;
endloſes Geſchwätz über die unbedeutendſten Dinge war die Folge;
unüberlegte und ſinnloſe Anträge wurden zum Beſchluß erhoben,
um ſofort wieder umgeſtoßen zu werden. Und jo konnte es nicht
ausbleiben, daß die Meinungsverſchiedenheiten ſich bald zur offen⸗
kundigen Uneinigkeit ſteigerten. Alle Mahnungen zur Vernunft be-
antwortete die vollſtändig unter die Botmäßigkeit Plinganſers ge⸗
ratene Mehrheit des Kongreſſes mit Widerſpruch und unflätigen
Drohungen, ſodaß es den Herren ganz unmöglich wurde, ſich durch⸗
zuſetzen ; fie beteiligten ſich an den Beratungen nur noch zum Schein
von einer Leitung war keine Rede meht; „die Sache ging in aller
Konfuſion durcheinander“. Doch mehr und mehr trieben die Ereig⸗
niſſe zu raſchen Entſcheidungen.
Schon am 2. Januar hatte der Rat von Schärding dem Kongreß
das Schreiben d'Arnans vom 30. Dezember überſandt und um Ver⸗
haltungsmaßregeln gebeten. In ſeiner Ratloſigkeit gab es der Kon⸗
greß an die Regierung weiter, die ſich, eingedenk ihrer Verpflich⸗
tung, die Sache der Landesdefenſion „nur in dem zu unterſtützen,
was der Regierungsfunktion obliegt“, mit der bezeichnenden Aus⸗
rede aus der heiklen Lage zog: „Dieſer Punkt iſt von einer ſolchen
Eigenſchaft, daß er simpliciter von den militäriſchen Affairen depen⸗
diert; die Dexterität der Braunauer wird hoffentlich in dieſer Sache
Rat zu ſchaffen willen; man läßt es alſo dahingeſtellt ſein“. Jedes
Wort ein ſchneidender Hohn! Die Antwort des Kongreſſes an die
Schärdinger, welche die ganze innere Zerriſſenheit der Landes⸗
defenſion offenbart, war ebenſo kurz wie nichtsſagend: „Weil wir
notgedrungen die Waffen haben ergreifen müſſen, ſind wir gänzlich
entſchloſſen, Gut und Blut bis auf den letzten Mann daranzuſetzen,
bis wir von dem unerträglichen Joch befreit ſind. Die Landesdefen⸗
ſion iſt jedoch nicht dagegen, wenn die Schärdinger ihre Beſchwerden
dem kaiſerlichen General vorbringen“. Mit dieſem Entſcheid, der
durch die gleichzeitige Betonung des Kampfwillens und die Crlaub=
nis, in Unterhandlungen einzutreten, einen vollkommenen Wider⸗
ſpruch in ſich barg, mochten ſich die Schärdinger abfinden. Prielmayr
witterte in dieſer Unentſchloſſenheit den langerſehnten Stimmungs⸗
umſchlag und ſchöpfte neue Hoffnung. Er verlas vor dem Kongreß
das Mandat der Adminiſtration vom 28. Dezember, das allen, die
ſich von den Rädelsführern zur Auflehnung hatten bereden laſſen,
GE
Gnade und Strafloſigkeit zuſicherte, wenn fie fid nach Haufe be-
geben und ihrer Wirtſchaft nachgehen. Wie immer verſtand es Priel⸗
mayr, die Bedeutung dieſer Kundgebung, die den Aufſtändiſchen
noch im letzten Augenblick eine goldene Brücke baute, eindringlich
darzuſtellen und es hätte bei der im Kongreß allmählich ſich bemerk⸗
bar machenden Neigung zum Nachgeben wenig gefehlt, daß er mit
ſeinem Vorſchlag, auseinander zu gehen und damit den Aufſtand
ſang⸗ und klanglos zu beenden, durchgedrungen wäre. Aber ſeine
Gegner wußten dies zu verhindern. Plinganſer verdächtigte ihn,
mit den Kaiſerlichen zuſammenzuſpielen und die Sache des Vater⸗
landes zu verraten; darüber erregten ſich die Bauern ſo ſehr, daß
Leyden nur mit Mühe einen gegen Prielmayr gerichteten tätlichen
Angriff zu verhindern vermochte. Stolz und Starrſinn behielten die
Oberhand und wieſen die Gnade des Kaiſers zurück.
Doch bald ſollte der von Plinganſer unentwegt hochgehaltene
Gedanke des bewaffneten Widerſtands eine noch ſchwerere Be⸗
laſtungsprobe zu beſtehen haben. Am 5. Januar nachmittags lief
beim Kongreß die wichtige von der Regierung übermittelte Mel⸗
dung ein, daß tags vorher mehrere Tauſend Mann unter Führung
des kaiſerlichen Generals v. Kriechbaum in Neumarkt a. Rott ein⸗
gerückt ſeien. Die Regierung hatte die kurze Bemerkung beigefügt:
„Wir wollen es dahingeſtellt ſein laſſen, welche Anſtalten der Kon⸗
greß zu verfügen belieben will“. Die ſofort einberufene Kongreß⸗
ſitzung verlief kurz und kleinlaut. Niemand konnte ſich der Erkennt⸗
nis verſchließen, daß Schlimmes bevorſtehe und auch diejenigen.
welche bisher jeden Gedanken an Frieden und Unterhandlungen
abgelehnt hatten, wurden jetzt beſinnlich. Ohne Widerrede wurden
die Anträge Prielmayrs angenommen, „den Ruheſtand zu ſuchen
und den Landesfrieden zu erwerben, und hiezu die Vermittlung des
Erzbiſchofs von Salzburg zu erbitten“. Der in Braunau immer noch
gefangen gehaltene General Graf Tattenbach wurde angegangen,
dieſe Beſchlüſſe dem General v. Kriechbaum mitzuteilen und ihn zu
bitten, ſich bis zum Wirkſamwerden der Vermittlung aller Feind⸗
ſeligkeiten zu enthalten; das gleiche wurde für die Landesdefenſion
verſprochen. Auch die Bittſchrift an den Erzbiſchof fand allgemeine
Billigung. Graf Tattenbach übergab noch am Abend dieſes Tages
Plinganſer den für Kriechbaum beſtimmten Brief zur Beförderung.
Anſtatt nun beſchlußgemäß die Schreiben an Kriechbaum und den
Erzbiſchof abzuſenden, hielt Plinganſer dieſelben eigenmächtig zu⸗
rück und begann, bei ſeinen Freunden aufs neue zu ſchüren: „Es
könne dem Kongreß ganz gleichgültig ſein, was ein kaiſerlicher
General dem anderen ſchreibe; der Wunſch nach Frieden beſtehe
wohl bei den Herren, nicht aber bei den Bauern. Gerade jetzt dürfe
ſich die Bauernſchaft nicht ſchwach zeigen, ſondern müſſe auf ihren
ch "DEN
alten Forderungen beſtehen bleiben“. Mit größter Verwunderung
erfuhr Prielmayr am andern Tag, daß die Briefe noch nicht ab⸗
gegangen ſeien. Und als er, über dieſe Verzögerung erzürnt, „heftig
ſakramentierte“, wies ihm Plinganſer höhniſch einen Kongreßbe⸗
ſchluß vor, wonach man mit der Abſendung der Briefe noch einige
Tage zuwarten ſolle. Das Verhalten des Kongreſſes, der zum Nach⸗
geben entſchloſſen war, gleichzeitig aber duldete, daß die zur Herbei⸗
führung des Friedens notwendigen Maßnahmen hintertrieben wur⸗
den, ſchiene unfaßlich, würde man ſich nicht den großen perſönlichen
Einfluß vergegenwärtigen, den Plinganſer und Meindl auf ihre
Leute ausgeübt haben. Auch diesmal war es den beiden wieder ge⸗
lungen, den Kongreß, dem doch ſicherlich auch vernünftige und be⸗
ſonnene Männer angehörten, umzuſtimmen, obwohl der mit Rieſen⸗
ſchritten nahende Zuſammenbruch vor aller Augen ſtehen mußte.
Aber nicht zufrieden, die letzte Möglichkeit, zum Frieden zu kommen,
vernichtet zu haben, ſetzte es Plinganſer noch durch, daß der Kongreß
am 6. Januar ein Generalaufgebot beſchloß, durch das die geſamte
waffenfähige Mannſchaft des Rentamts zu den Waffen gerufen
wurde. Die Regierung gab das Aufgebot mit Mandat vom 7. Januar
den Gerichten bekannt. Es war das letzte Röcheln eines Sterbenden.
7. Der Zuſammenbruch. |
Unheimlich mehrten fic jetzt die Anzeichen des nahen Endes.
Aus den Gerichten des Gebirges trafen Meldungen ein, daß man
dort einen Einfall der Tiroler befürchte und infolgedeſſen der Auf⸗
forderung zur Mannſchaftsgeſtellung nicht nachkommen könne. All⸗
gemeines Aufſehen erregte es ferner, daß der beliebte, bisher immer
in vorderſter Linie geſtandene Kaſtner v. Prielmayr ſeine Stelle
als Oberſt niederlegte. Mit Ekel und Verbitterung und ſatt des
Kampfes gegen menſchliche Bosheit und Unvernunft zog er ſich jetzt
von dem Unternehmen zurück, das er in ehrlichem Bemühen zum
beſſeren zu führen verſucht hatte. Auch der Kongreß empfand Priel⸗
mayrs Rücktritt höchſt peinlich. Er verweigerte ſeine Genehmigung
und legte ihm nahe, „die obhabende Oberſtencharge auch inskünftig
mit möglichſtem Eifer zu vertreten“. Prielmayr ließ ſich aber nicht
mehr umſtimmen. Einen ganz ſchweren Stoß aber erhielt das Auf⸗
ſtandsunternehmen durch die am 4. Januar ergangene dritte Ab⸗
mahnung der Landſchaft. Hatte ſchon das Schreiben vom 2. Januar
im Volke einen gründlichen Wechſel der Stimmung hervorgerufen,
ſo war das neue Patent im Verein mit den in den letzten Tagen
vorgefallenen Ereigniſſen erſt recht geeignet, die Sehnſucht nach
Frieden laut werden zu laſſen. Das Ausſchreiben war gegen die
Führer des Aufſtands gerichtet und ungemein wirkungsvoll abge⸗
faßt. Es heißt darin: „Es iſt uns ſchmerzlich zu Gemüt gegangen,
4; >
daß die Untertanen ſich durch Aufwiegler haben verblenden laſſen,
ihnen entweder aus Furcht vor Drohungen oder auch aus freiem
Willen Gehorſam geleiſtet haben, in große Haufen zuſammenge⸗
laufen ſind und die Sorge für Weib und Kind, Haus und Hof an
den Nagel gehängt haben. Dieſe Anführer und Aufhetzer haben ſich
aber bei allen Gelegenheiten zur Flucht umgeſehen und die Anter⸗
tanen im Stich gelaſſen. Ihre Abſicht geht nur dahin, im trüben
Waſſer zu fiſchen und ihre Säckel zu ſpicken. Vor dieſen Leuten, die
ſich ganz unverdient Landesdefenſionierer betiteln, die aber in Wirk⸗
lichkeit Landesruinierer, falſche Propheten und Volksverführer ſind,
können die Untertanen nicht genugſam gewarnt werden. Niemand
ſoll ihren Reden Gehör ſchenken, ſondern in Frieden und Ruhe
bleiben und das Vertrauen auf die Landſchaft bewahren, die nie⸗
mals aufhören wird, den Schaden von den Untertanen möglichſt
abzuhalten“. Dieſe Bloßſtellung öffnete nun auch die Augen derer,
die immer noch nicht an die Unfähigkeit und den Eigennutz der
Führer hatten glauben wollen. Raſch ſchmolz der Reſt des Ver⸗
trauens dahin, das man ihnen bisher noch entgegengebracht hatte.
Das Verlangen nach einem baldigen Ende aller Trübſal wurde all⸗
gemein und äußerte ſich in dem faſt vollſtändigen Mißlingen des
Generalaufgebots. An vielen Plätzen blieb es gänzlich unbeachtet,
von den meiſten Orten fand ſich kaum der zehnte Teil der Stellungs⸗
pflichtigen ein.
Es war eine ſchwüle Stimmung, die über dem Anterland lagerte,
als in den erſten Januartagen General v. Kriechbaum an den
Grenzen des Rentamts Burghauſen pochte, um das angedrohte
Strafgericht zu vollziehen. Durch die Niederlage von Sendling
waren die Machtverhältniſſe in Bayern von Grund aus umgeſtaltet
worden. Hoffmanns Bauernheer war in alle Winde zerſtreut und
die ſchweren Verluſte der Oberländer hatten in den betroffenen
Gegenden eine ſolch tiefe und allgemeine Entmutigung hervorge⸗
rufen, daß eine ernſtliche Gefährdung der kaiſerlichen Herrſchaft in
abſehbarer Zeit nicht mehr zu befürchten war. Graf Löwenſtein
hielt daher den Zeitpunkt für gekommen, nun auch das Rebellions⸗
feuer im Rentamt Burghauſen auszutreten, ohne das Eintreffen
der württembergiſchen Truppen abzuwarten, welche in den letzten
Tagen des Jahres die Gegend von Alm erreicht hatten. Er erteilte
dem Generalfeldwachtmeiſter Georg Friedrich v. Kriechbaum den
Befehl, ins Unterland zu marſchieren, ſich mit dem in Vilshofen
ſtehenden Oberſt d'Arnan zu vereinigen und dann gegen das Haupt-
verſchwörerneſt Braunau einen entſcheidenden Schlag zu führen.
Eine zweite Heeresabteilung unter dem Oberſt v. Hochberg, deren
Kern die 1000 Fußknechte aus Tirol bildeten, ſollte von Waſſerburg
her ins Aufſtandsgebiet eindringen.
= 41 =
Die Streitmacht Kriechbaums war wenig größer, als jene, welche
einige Wochen vorher Oberſt de Wendt ins Feld geführt hatte. Nur
900 Mann Infanterie, ausgeſuchte Leute verſchiedener Regimenter,
und 800 Reiter, davon 520 Küraſſiere und 280 Huſaren, ſowie vier
kleine Kanonen hatte der Landeskommandant zur Verfügung ſtellen
können. Aber das den kaiſerlichen Truppen innewohnende Gefühl
der taktiſchen Überlegenheit, die Geringſchätzung, mit der fie auf die
Bauern herabſahen, die ſich vor München ſo ſchlecht geſchlagen hatten,
und der Arger, durch den Aufſtand in den behaglichen Winter⸗
quartieren geſtört worden zu ſein, wog die geringe Zahl reichlich auf
und drängte Führer und Mann, an den Feind zu kommen und ihm
die Luſt zu weiteren Unternehmungen gründlich zu vergällen. Auf
beſonderen Wunſch der Landſchaftsverordnung ſchloß ſich auch Frh.
v. Gemmel wieder dem Stabe Kriechbaums an. Dieſer verließ am
1. Januar mit ſeinen Truppen München und erreichte über Schwa⸗
ben, Dorfen, Neumarkt am 6. Januar Eggenfelden; er hatte auf
ſeinem Marſche nicht den geringſten Widerſtand erfahren und das
Land in vollſter Ruhe angetroffen; die Abmahnungspatente der
Landſchaft hatten bereits ihre Wirkung getan. Die in Eggenfelden
eingegangenen Nachrichten beſagten, daß am 5. Januar mehrere
Tauſend Bauern in Griesbach eingerückt ſeien. Es war das Bauern⸗
heer, das ſich auf den Aufruf Werkſtedters bei Ering am Inn ge⸗
ſammelt hatte und an dieſem Tag an die 7000 Mann ſtark unter
dem Befehl des Oberſten Hoffmann den Vormarſch gegen Vilshofen
angetreten hatte.
Als Kriechbaum am Morgen des 7. Januar erfuhr, daß auch in
Braunau ſich eine Kampfgruppe zum Marſch gegen Vilshofen rüſte,
marſchierte er ſofort nach Pfarrkirchen ab, um den im Marſch auf
Vilshofen vermuteten Bauernhaufen noch vor dem Eintreffen dieſer
Verſtärkungen zur Schlacht zu zwingen. Bei ſeiner Ankunft in
Pfarrkirchen wurde Kriechbaum gemeldet, daß die Hauptmacht der
Bauern bei Aidenbach ſtehe, er ſetzte unverzüglich den Marſch dort:
hin fort und erreichte bei Dunkelheit den Weiler Dummeldorf, wo
ſeine Truppen die kalte Winternacht verbrachten.
Am 8. Januar noch vor Tagesgrauen brach Kriechbaum gegen
Haidenburg auf. Hier erhielt er von ſeinen Huſaren die Meldung,
daß fie in und bei Aidenbach auf ſtarken Feind geſtoßen feien; auch
erfuhr er, daß Oberſt d'Arnan vor zwei Tagen in die Oberpfalz
abgerückt ſei, in Vilshofen aber eine ſtarke Beſatzung zurückgelaſſen
habe. Dem Kommandanten Oberſtleutnant v. Marſchall ſandte
Kriechbaum den Befehl, ſofort auf Aidenbach vorzumarſchieren, um
den dort ſtehenden Bauern in den Rücken zu kommen. Da bei der
Nähe des Feindes ein Zuſammenſtoß unmittelbar bevorſtand, ließ
Kriechbaum ſeine Truppen mit Front gegen Aidenbach aufmar⸗
— 42 —
ſchieren, in der Mitte die Infanterie, in den Zwiſchenräumen der
Kompagnien die Geſchütze und eng angelehnt auf den beiden Flügeln
die Reiter. Nach dem Aufmarſch wurde die Bewegung gegen Aiden⸗
bach fortgeſetzt. Als die Kaiſerlichen den Schöfbacher Wald durch⸗
ſchritten hatten, erblickten ſie im Schein der roten Morgenſonne auf
den ſchneebedeckten Hängen jenſeits des Tales ſtarke zu Klumpen
geballte Bauernhaufen. Nach kurzem Halt am Waldrand, während
dem im Angeſicht des Feindes die Ordnung wieder hergeſtellt wurde,
traten die Kaiſerlichen wieder an, ſtiegen in das Tal des Eggl⸗
hamer Baches hinab und überſchritten den vereiſten Bachlauf. Die
am Weſtrand von Aidenbach und in den Dörfern Karling und Heft
eingeniſteten Bauerngruppen waren kurz vorher auf die Höhen öſt⸗
lich von Aidenbach zurückgegangen. Feſtgeſchloſſen folgten Kriech⸗
baums Schlachthaufen über die gefrorenen Sturzäcker. Sie hatten
ſich den Bauern bis auf 200 Schritt genähert, als, es war um die
elfte Vormittagsſtunde, die aufs höchſte geſteigerte Spannung ſich
in einer dramatiſchen Wendung löſte: „Gleichſam in einem Augen⸗
blick, ohne Verlierung des geringſten Feuers“ machten die Bauern
auf der ganzen Linie kehrt und wandten ſich beſinnungslos zur
Flucht. Kaum waren ihre weiter rückwärts haltenden Offiziere dies
gewahr geworden, als ſie ſich auf ihre Pferde warfen und zuſammen
mit den wenigen beim Bauernheer befindlichen Reitern davon⸗
jagten, an ihrer Spitze der Oberkommandant Hoffmann, der, ebenſo⸗
wenig wie ſeine Unterführer, nicht den geringſten Verſuch unter⸗
nahm, die Flüchtigen zum Stehen zu bringen. Während die In⸗
fanterie im Vorgehen blieb, ſtürzten ſich von den Flügeln her die
Reiter auf die Bauern, die ſchon bei dieſem erſten Zuſammenprall
ſchwere Verluſte erlitten. Der weitere Verlauf des Gefechts, in dem
der am Wege nach Aunkirchen ſtehende rechte Flügel der Bauern
gegen Süden abgedrängt wurde, ſpielte ſich dann in der Weiſe ab,
daß die Küraſſiere und Huſaren wie Schäferhunde die Fliehenden zu
Haufen zuſammentrieben und ſie zum Halten brachten, bis die In⸗
fanterie heran war, die dann den ungewandten und nur zum ges
ringſten Teil mit Gewehren bewaffneten Bauern mit dem Kolben
den Reſt gab. Von einem eigentlichen Kampf kann nicht geſprochen
werden; es war ein Gemetzel, in dem die Kaiſerlichen alles, was
ihnen vor die Klinge kam, erbarmungslos niederhieben. Das Gefecht
hat ohne Unterbredung bis gegen 4 Uhr nachmittags gedauert.
Vereinzelt, am Kleeberg, in Neſchendobl, beſonders aber in Martins⸗
tödling, wo ſich die Bauern im Pfarrhof und im Wirtshaus feſt⸗
geſetzt hatten, ſcheint ein ſtärkerer Widerſtand geleiſtet worden zu
ſein, der aber durch Anzünden der Gebäude raſch gebrochen wurde.
Alles, was zu entfliehen verſuchte, wurde niedergemacht; wer zurück⸗
blieb, verbrannte bei lebendigem Leibe. Die Verluſte der Bauern
— 43 —
waren entſetzlich. Am Abend des Schlachttages lagen an 4000 Tote
auf der ſich über eine Stunde weit erſtreckenden Walſtatt. Es iſt
alſo mehr als die Hälfte der Landesverteidiger gefallen. Die Beute
der Sieger beſtand aus 4 Geſchützen, aus denen nicht ein Schuß ab⸗
gegeben worden war, einem Munitions: und einem Schanzzeug⸗
wagen; das war alles, was die Bauern mit ſich führten. Die Tat⸗
ſache, daß nur ganz wenige Gefangene, unter ihnen der vormalige
bayeriſche Hauptmann Weber, gemacht wurden, läßt darauf ſchließen,
daß die Truppen Befehl hatten, keinen Pardon zu geben. Der vom
Adminiſtrator geäußerte Wunſch, „daß die Rebellanten einen recht⸗
ſchaffenen Streich bekommen, und daß der Kehraus auf einmal er⸗
folge“, war ſchrecklich in Erfüllung gegangen. Die Truppen Kriech⸗
baums verloren in dem faſt fünfſtündigen Treffen nur 8 Mann,
der ſprechendſte Beweis für die Art des Kampfes, in dem die mit
dem Munde ſo tapferen Taſchnerbauern widerſtandslos unter den
Streichen der Kaiſerlichen dahinſanken. Erſt gegen Abend erſchien
Oberſtleutnant v. Marſchall mit ſeinen Grenadieren auf dem Schlacht⸗
feld; er fand die Blutarbeit ſchon getan und kehrte am andern Tag
wieder nach Vilshofen zurück. Die Flüchtigen zerſtreuten ſich unter
dem Schutz der bald einfallenden Dämmerung nach allen Richtungen.
Ein Teil war gegen Griesbach abgezogen und ſtieß hier ſpät abends
auf die von Jehle und Meindl herangeführten Verſtärkungen; ſie
waren am Morgen von Braunau entſendet worden, vermochten aber
das Schickſal des Tages nicht mehr zu wenden und marſchierten noch
in der Nacht wieder nach Braunau zurück. Die Nachricht von der
Schlacht verbreitete ſich wie ein Lauffeuer im Lande und rief über⸗
all lähmendes Entſetzen hervor. Und als in den nächſten Tagen viele
von den gegen Vilshofen Gezogenen nicht mehr in der Heimat er⸗
ſchienen, „da war in den Gerichten Griesbach und Reichenberg, in
denen über 3600 Mann abgängig waren, das Lamentieren der
Weiber und Kinder nicht zu beſchreiben“. Mit der Niederlage bei
Aidenbach war das Ende des Aufſtands auch im Unterland end⸗
gültig beſiegelt. |
Gemmel, der Augenzeuge der Schlacht geweſen war, hielt es nun⸗
mehr an der Zeit, mit ſeiner Vermittlung einzuſetzen. Am 11. Ja⸗
nuar erließ er aus dem Kloſter Aldersbach ein Patent an das Rent⸗
amt Burghauſen und an die Stadt Schärding: „Die löbliche Land⸗
ſchaft in Bayern hat ſchon wiederholt die in Waffen ſtehende Gemein
des Rentamts Burghauſen zur Ruhe ermahnt. Die Landſchaft hat
mich nun abermals beauftragt, die Bürger⸗ und Bauernſchaft wohl⸗
meinend zu erinnern, ſie möchte die Niederlagen von Waſſerburg,
München und Aidenbach, wo ſo viel tauſend Landeskinder zu grund
gegangen und erbärmlich maſſakriert worden ſind, zu Herzen nehmen.
Sie ſollen die anrückende Gewalt nicht erwarten, ſondern ſich dem
= AE. oe
General v. Kriehbaum unterwerfen, die Waffen niederlegen und
die Verzeihung und Gnade des Kaiſers erbitten. Er wird ihnen da-
zu getreulich beiſtehen. Sollte aber die zum beſten des liebwerteſten
Vaterlandes abzielende Abmahnung wider Erwarten nicht ver⸗
fangen, und ſollten ſie die offen ſtehende kaiſerliche Gnade außer
acht laſſen, ſo müßten ſie ſich wegen des hereinbrechenden Elends
ſelber anklagen; er und die löbliche Landſchaft wollten dann gegen
Gott und die liebe Welt entſchuldigt ſein“.
Schärfer klangen die Worte Kriechbaums. Er hatte am 9. und
10. Januar ſeine ermüdeten Truppen in Aidenbach raſten laſſen
und war am 12. Januar in Paſſau eingerückt. Von hier aus gab er
am 13. Januar folgendes Patent bekannt: „Ich tue jedermann zu
wiſſen, daß ich mit einem ſtarken corpo regulierter Miliz hier an⸗
gelangt bin. Ich habe den Befehl des Kaiſers erhalten, das wider
alles Recht und Vernunft aufgeſtandene Rentamt Burghauſen zu
überziehen und mit Feuer und Schwert zu verheeren. Ich werde
zunächſt gegen Schärding marſchieren und den Befehl dergeſtalt
vollziehen, daß kein Stein auf dem andern bleibt; niemand, weder
Weib noch Kind, foll verſchont werden, wenn nicht die aufgeſtan⸗
denen Inwohner innerhalb 24 Stunden die Waffen niederlegen,
ſich nach Haus begeben und ſich dem Kaiſer unterwerfen. Wenn dies
aber geſchieht, verſpreche ich allen Untertanen kaiſerliche Gnade,
Schutz und Pardon“.
Den Schärdingern ſtand das Unheil am nächſten. Der Komman⸗
dant Zwiegler gab ſich zwar den Anſchein eines tapferen Kriegs⸗
manns und wollte die Stadt verteidigen. Als würdiger Bauern⸗
führer hatte er ſich ſelbſt vom Feldwebel zum Oberſt befördert und
ſich während ſeiner Kommandoführung „in Zivil⸗ und Kameral⸗
ſachen eingemengt“, das heißt, bei jeder Gelegenheit ſeine Taſchen
gefüllt. Sein Anſehen in Schärding war daher gering und vorſichts⸗
halber meldete er an die Landesdefenſion, daß er ſich im Fall der
Not auf die Bürger und Bauernburſchen nicht verlaſſen könne.
Hatte ſchon der nichtsſagende Beſcheid des Kongreſſes vom 4. Januar
wenig ermunternd auf die Bürger gewirkt, jo war durch die Ab-
mahnungsſchreiben der Landſchaft ihr Eifer für die Sache der Landes⸗
defenſion noch mehr abgeflaut. Und als gar am 13. Januar das
Kriechbaumſche Patent bekannt geworden war, verweigerten die
Bürger dem Kommandanten rundweg ihre Mithilfe bei der Ber:
teidigung des Platzes. Im Laufe des Tages ſtahl ſich dann ein
Bäuerlein nach dem andern zum Rieder Tor hinaus und Zwiegler
ſah nun ein, daß er auf einem verlorenen Poſten ſtehe. Noch am
Abend zog er mit dem Reſt der Beſatzung, etwa 1000 Mann, über
die Innbrücke nach Braunau ab. Am nächſten Morgen eilten Ab⸗
geordnete der Bürgerſchaft zu Kriechbaum nach Paſſau, um ihm die
— 45 —
Unterwerfung der Stadt anzubieten. Gie begegneten ihm auf dem
Wege dorthin bet Zwicklöd und entledigten ſich ihres Auftrags. Der
kaiſerliche General ſicherte ihnen Gnade und Verzeihung zu und
rückte am Nachmittag in Schärding ein. Noch am Abend forderte er
die Stadt Braunau zur Unterwerfung auf.
Dort war im Schoße des Kongreſſes noch immer keine Entſchei⸗
dung gefallen. Am 9. Januar früh morgens waren die Scharen
Jehles und Meindls in jämmerlichem Zuſtand wieder in Braunau
eingerückt und hatten über das Blutbad von Aidenbach berichtet.
Aller bemächtigte ſich jetzt tiefſte Entmutigung; ſelbſt der ſo red⸗
ſelige Kongreß verſtummte angeſichts der niederſchmetternden Bot⸗
ſchaft. Aber ſchon tags darauf fand er ſeine Sprache wieder. Wohl
konnte er ſich dem ungeſtümen Drängen, mit dem die Abgeordneten
der Städte und Märkte die ſofortige Einleitung von Verhandlungen
forderten, nicht mehr widerſetzen und ordnete die Ausführung der
bereits am 5. Januar gefaßten Beſchlüſſe an. Aber für die Sinnes⸗
art des Kongreſſes iſt es bezeichnend, daß der Auftrag für die nach
Salzburg beſtimmte Abordnung nur dahin lautete, die Vermittlung
des Erzbiſchofs zu erbitten und einen Waffenſtillſtand zu erwirken.
Von einer Unterwerfung war keine Rede., ja am gleichen Tage hat
der Kongreß noch eingehend über die Aufbringung des vom Adel
zu ſtellenden Dragonerregiments und über ein großes Anlehen be⸗
raten. Man verſchloß ſich mit Gewalt der rauhen Wirklichkeit. Am
11. Januar reiſte endlich die Abordnung, zu der Paumgarten, der
Prälat von Ranshofen und der Bürgermeiſter Dürrnhart von
Braunau beſtimmt wurden, nach Salzburg ab. Prielmayr, der
Bürgermeiſter Harter und der Bauer Naglſtätter ſchloſſen ſich ihr
in Burghauſen an. In unheimlicher Stille ſchlichen die nächſten Tage
dahin. Da wurde am Abend des 14. Januar bekannt, daß kaiſerliche
Truppen bereits in Schärding eingerückt ſeien und noch in ſpäter
Nachtſtunde überbrachte ein Poſtreiter das Patent Kriechbaums, die
Aufforderung zur Übergabe und die Antwort auf Tattenbachs Brief,
in der Kriechbaum jede Art von Verhandlung auf das Beſtimmteſte
ablehnte. on
Der Morgen des 15. Januar jah Kongreß und Bürgerſchaft in
hellſter Aufregung. Die Bürger, durch die Drohungen Kriechbaums
vollſtändig eingeſchüchtert, waren zur Unterwerfung bereit, die Wort⸗
führer des Kongreſſes aber zum Widerſtand entſchloſſen. Aber alle
Bemühungen d Ocſorts, fie von der Ausſichtsloſigkeit weiterer Gegen-
wehr zu überzeugen, ſcheiterten an ihrem Starrſinn. D'Ocfort ver-
ſicherte ſich nun ſchnell im geheimen des Einverſtändniſſes der Bür⸗
gerſchaft und ſetzte mit kühnem Wagemut alles auf eine Karte. Er
ſtellte den Bauernführern vor, daß man, wenn man den Kampf auf⸗
nehmen wolle, am beiten den Kaiſerlichen entgegenrüde, weil da⸗
a AG we
durch die Stadt beſſer verteidigt und die eigene Übermacht wirk⸗
ſamer zur Geltung käme. Der Vorſchlag leuchtete den Bauernführern
ein und am Mittag des 15. Januar zog d'Ocfort mit der an 4000
Mann ſtarken Beſatzung aus und beſetzte die zwiſchen Braunau und
der Mattig gelegenen Höhen und die über dieſen Bach führenden
Übergänge. Unter dem Vorwand, gegen Schärding zu erkunden, ent⸗
fernte er ſich dann vom Bauernheer, kehrte eilends in die Stadt zu⸗
rück und traf hier die mit den Bürgern vorher ſchon verabredeten
Maßnahmen. Die Zugbrücken wurden aufgezogen, die Tore ge⸗
ſchloſſen, die Wälle mit ſtarken von den Bürgern geſtellten Wachen
beſetzt und die Geſchütze feuerbereit gemacht. D'Ocforts Anordnun⸗
gen waren kaum vollzogen, als gegen Abend die frierenden und
hungrigen Bauern wieder vor den Toren erſchienen und Einlaß
begehrten. Er wurde ihnen verweigert und zu ſpät erkannten ſie,
daß ſie das Opfer einer Liſt geworden ſeien. Verbittert gaben ſie
jetzt ihre Sache verloren; die meiſten ſuchten auf Umwegen ihre
Heimat auf, froh, wenigſtens das nackte Leben gerettet zu haben.
Kleinere Gruppen führten noch einige Wochen lang im Weilhart
und im Kobernauſer Wald ein Freibeuterleben, bis ſie von den
kaiſerlichen Reitern aufgeſtöbert und auseinandergetrieben wurden.
Während dieſer Vorgänge im Süden der Stadt hatte ſich im Laufe
des Tages ein anſehnlicher Bauernhaufen auch am nördlichen Inn⸗
ufer bei Simbach angeſammelt. Es waren Flüchtlinge von Aiden⸗
bach, die von Zwiegler geführten Reſte der Beſatzung von Schärding
und neu eingetroffene Verſtärkungen aus dem Alztal. In der Ab⸗
ſicht, ſich mit den in Braunau ſtehenden Landesverteidigern zu ver⸗
einigen, verlangten ſie die Offnung des Innbrucktores und waren
höchlich überraſcht, als ſie mit barſchen Worten zum Verlaſſen des
Feſtungsbereichs aufgefordert wurden, widrigenfalls ſie „ein feind⸗
liches Traktament“ zu gewärtigen hätten. In Unkenntnis von den
Ereigniſſen in der Stadt, von einem Angriff der auf Neuötting
vorrückenden Kaiſerlichen bedroht und ohne Befehle der Landes⸗
defenſion ſich ſelbſt überlaſſen, war der Entſchluß der Führer zum
Auseinandergehen bald gefaßt. Noch in den Abendſtunden verlief
ſich der ganze Haufen.
Indeſſen hatten die Bürger ihr Schickſal ſelbſt in die Hand genom⸗
men. Bürgermeiſter und Rat richteten am Nachmittag ein Schreiben
an Gemmel: „Wir wiederholen unſere Bitte um Generalamneſtie
und um Schutz vor den wütenden Soldaten. Wenn die kaiſerlichen
Truppen anrüden, wird ſich die Bürgerſchaft nicht im geringſten
widerſetzen, ſondern ſie als Beſatzung einlaſſen. Man hat bereits
die Veranſtaltung getroffen, daß das Bauernvolk den Platz geräumt
hat, und daß die, welche ſich noch haufenweiſe außerhalb der Feſtung
befinden, nicht mehr hereingelaſſen werden“. Dieſes Abrücken der
rn AT A
Bürgerſchaft brachte endlich auch die Häupter der Landesdefenſion
zur Beſinnung und zum Einlenken. Am ſpäten Abend dieſes ereig⸗
nisreiden Tages baten fie Kriechbaum um fünf Tage Aufſchub, um
die eingeleitete Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg wirkſam
werden zu laſſen. Kriechbaums ſcharfe Abſage traf bereits am
16. Januar früh in Braunau ein: „Ich gebe nicht eine Stunde Auf⸗
ſchub. Wenn ich vor die Stadt komme und mir nicht die Schlüſſel
der Stadt entgegen getragen werden, wird die Stadt zu einem Stein⸗
haufen gemacht und das Kind im Mutterleib nicht geſchont werden“.
Gegenüber einer ſolchen Sprache ſchwiegen nun auch die größten
Schreier, und die Ruhe des Kirchhofs breitete ſich dort aus, wo
wochenlang das Klirren der Waffen ſich mit kriegeriſchen Reden
gemiſcht hatte. Mit Bangen ſah man dem Eintreffen Kriechbaums
entgegen. Am 17. Januar mittags erſchien er mit ſeinen Truppen
vor dem Rieder Tor, wo ihm der Rat feierlich die Schlüſſel der Stadt
überreichte und die Bewohner der Gnade des Kaiſers empfahl.
Kriechbaum ſicherte ſie zu. Braunau, der Sitz der Landesdefenſion,
war wieder kaiſerlich geworden.
Näher und näher zog fi nun das Gewitter um Burghauſen au:
ſammen. Auch hier war der Schlag von Aidenbach der Bürgerſchaft
und der Bauerngemein gewaltig in die Glieder gefahren, am meiſten
wohl den Herren Räten der Regierung. Laut hämmerte in ihren
Buſen das ſchlechte Gewiſſen und die Angſt vor dem, was nun
werden ſollte. Am 14. Januar erhielt die Regierung Kenntnis von
den jüngſten Patenten Kriechbaums und Gemmels. Sie beeilte ſich
nicht nur, dieſelben den Gerichten bekannt zu machen, „fiat die
ſchleunigſte Expedition“ hatte der Vizedom eigenhändig auf dem
Entwurf vermerkt, ſondern ſie veranlaßte auch den Magiſtrat, eine
Verſammlung der Bürger und Bauern einzuberufen, bei der die
Regierungsräte von Imhof und Leitner die beiden Kundgebungen
verlaſen und die Lage in den ſchwärzeſten Farben malten. Aber ſie
erzielten damit bei der Gemein keinen beſonderen Eindruck und von
einer Nachgiebigkeit war nichts zu ſpüren; man wiffe ja noch gar
nicht, hieß es, ob die Schärdinger und Braunauer ſich zu wehren
gedächten; man werde ſich darnach erkundigen und dann weitere
Entſchlüſſe faſſen. Während die Verſammlung noch darüber beriet,
traf die Nachricht ein, daß ſich ſeit zwei Tagen kaiſerliche Truppen
bei Waſſerburg verſammeln. Niemand konnte zweifeln, daß dieſe
neue Bedrohung der Stadt Burghauſen gelte, und es fiel Leitner
nicht ſchwer, jetzt eine gründliche Sinnesänderung herbeizuführen.
Die Gemein entſchloß ſich zur Unterwerfung und bat die Regierung,
dies der Adminiſtration mitzuteilen und den bereits am 5. Dezember
von de Wendt verſprochenen Generalpardon zu erbitten. Im Gegen⸗
ſatz jedoch zu der Abſicht, ſich zu unterwerfen, hielt es die Gemein
— 48 —
für notwendig, einen Kommandanten für Burghauſen zu ernennen
und begehrte hiezu den Regierungsrat Grafen v. Tauffkirchen. Dieſer
lehnte aber das gefährliche Amt mit aller Entſchiedenheit ab. Wher
die Bauern beſtanden auf ihrer Forderung und drohten, wie immer,
bei fernerer Weigerung mit Totſchlag und Plünderung. Da legte
ſich die Regierung ins Mittel und drang in Tauffkirchen, ſich dem
Verlangen der Gemein zu fügen. Sie wird ihm wohl vertraulich
geſagt haben, daß ſeine Tätigkeit als Kommandant nur von kurzer
Dauer ſein werde, da allen Anzeichen nach eine kampfloſe Übergabe
in den nächſten Tagen unvermeidlich ſei. Tauffkirchen erklärte ſich
dann bereit und legte den Eid auf die Landesdefenſion ab. Tags
darauf verdüſterte ſich die Lage noch mehr. Schon am frühen Morgen
marſchierten 300 Bauern durch Burghauſen nach Braunau und be⸗
richteten, daß ſie geſtern abend ihre Stellung an der Kraiburger
Innbrücke vor den von Waſſerburg anrückenden Kaiſerlichen hätten
räumen müſſen. Die Bekanntgabe zweier Briefe des Adminiſtrations⸗
ſekretärs v. Unertl an den Rentmeiſter v. Widmann brachte neue
Beſorgniſſe. Sie enthielten die Mitteilung von den Anmarſch würt⸗
tembergiſcher Truppen und den dringenden Rat, fiH ſofort zu unter-
werfen, wenn man noch auf Gnade und Generalpardon hoffen wolle.
Und als gar noch die Nachricht von der Übergabe Schärdings ſich
verbreitete, da trat den Bürgern und Bauern der ganze Ernſt der
Lage vor Augen. Angſt und Kleinmut fraßen an ihren Herzen und
trieben ſie zu dem Beſchluß, die Friedensverhandlungen nunmehr
mit allen Mitteln zu beſchleunigen. Schreiben der Regierung und
der Gemein ergingen an die Adminiſtration, an Gemmel und an
die Landſchaft mit der nochmaligen Erklärung der Unterwerfung
und der Bitte um Generalpardon. Die wirkſamſte Hilfe aber er⸗
wartete man vom Erzbiſchof von Salzburg und die geſamte Gemein
richtete an ihn eine de⸗ und wehmütige Bittſchrift, in der die nieder⸗
geſchlagene Stimmung ſich recht deutlich widerſpiegelt. „Wir ſind
nunmehr willig und bereit, allſogleich die Waffen niederzulegen und
Tür und Tor zu öffnen. Wir wollen in unverbrüchlicher Treue in
der kaiſerlichen Devotion verharren und nach Kräften alles leijten,
was den Untertanen zuſteht. Auch bitten wir, der Erzbiſchof möge
durch ſeine Vermittlung beim Kaiſer Verzeihung und Vergeſſung
des Geſchehenen und einen Generalpardon erwirken“ Seltſame Töne
aus dem Munde derer, die wochenlang mit den Kriegstreibern durch
dick und dünn gegangen waren und noch vor wenigen Stunden jede
gütliche Übereinkunft verſchmäht hatten.
Als am 16. Januar noch keine Antwort von der Adminiſtration
eingelaufen war, wurde die Auffaſſung wieder zuverſichtlicher und
unter dem Einfluß des immer noch weiter ſchürenden Sallinger ver⸗
maß ſich die Gemein ſogar, in einer Denkſchrift an die Regierung,
— 49 —
ihre Unterwerfung an Bedingungen zu knüpfen, die geradezu heraus»
fordernd wirken mußten. Die Gemein wiederholte zwar ihre Bereit⸗
willigkeit, die Waffen niederzulegen und ſich dem Kaiſer zu unter⸗
werfen; ſie forderte den Generalpardon aber auch für Fahnenflüch⸗
tige, Befreiung der Bürger⸗ und Bauernſöhne vom Kriegsdienſt
und Erleichterung der Steuern und Kriegsauflagen. Um über dieſe
Punkte verhandeln zu können, ſollte die Regierung bei der Admi⸗
niſtration einen Waffenſtillſtand, ſowie die Beſtimmung eines Ortes
erwirken, wo man „zur Ausmachung der Sachen“ zuſammentreten
könne. Es waren die Gedankengänge aus der Zeit des Kongreſſes
von Anzing. Die Regierung übermittelte dieſes Schreiben noch am
gleichen Tage ohne Zuſatz an die Adminiſtration; fie wußte, daß es
jetzt nichts mehr „auszumachen“ gab. Bald ſtiegen neue Nöte auf.
Unter den Mannſchaften des in der Stadt liegenden Regiments
„Prinz Philipp“ war Uneinigkeit entſtanden. Viele erkannten, daß
die Lage in Burghauſen gefährlich werde und wollten nach Hauſe
gehen. Doch es gab auch ſolche, die nichts zu verlieren hatten; fie
konnten ſich mit dem Gedanken, daß das bisher auf Koſten der
Bürger geführte ſchöne Leben nun ein Ende haben ſolle, durchaus
nicht befreunden und waren, wenigſtens mit dem Munde, bereit,
Widerſtand zu leiſten. Wohl bemühte ſich die Bürgerſchaft, durch
Zureden und Austeilung von Liebesgaben die Aufwiegler zu be⸗
ſänftigen; aber die hitzigen Burſchen wurden dadurch nur noch
widerſpenſtiger und drohten ſogar mit Plünderung der Stadt. Da
griff Tauffkirchen ein. Am Abend des 16. Januar ließ er das Regi⸗
ment auf dem Stadtplatz zum Appell antreten und ſprach zu den
Soldaten: „Leute! Der Feind rückt von allen Seiten auf Burg⸗
hauſen an und wir müſſen uns jetzt wehren. Es ſind aber viele
unter euch, die nur gezwungen mitgegangen find; andere müſſen
befürchten, daß ihnen Haus und Hof in Rauch aufgeht, weil ſie die
Heimat verlaſſen haben. Wer heimgehen will, ſoll ſich melden, denn
in der Stadt muß man wiſſen, auf wieviele Leute man bei der Ver⸗
teidigung ſicher rechnen kann“. Tauffkirchens Worte wurden von
der Mannſchaft beifällig aufgenommen. Aber auch Widerſpruch und
Murren ging durch die Reihen und man hörte ſagen, wer weggehe,
ſolle auf der Stelle erſchoſſen werden. Ja, ein Korporal ging auf
Tauffkirchen zu und ſchmähte ihn in frechem Ton, weil er ſich nicht
wehren wolle. Da brüllte ihn Tauffkirchen an: „Kerl, ich will dich
lehren, wie man einem Kommandanten begegnet“, und ſchlug dem
Korporal mit ſeinem Stock über den Kopf, daß ihm Hören und
Sehen verging. Laut jammernd lief dieſer wieder zum Haufen Au:
rück und ſchrie: „Alles iſt verkauft und verraten; der Kommandant
iſt auch ein Schelm und will ſich nicht wehren“. Der Vorgang hatte
auf die Maſſe den ſtärkſten Eindruck gemacht und ihr gezeigt, daß
, 4
— 50 —
jetzt ein anderer Wind wehe. Und da die Aufforderung Tauff⸗
kirchens zum Auseinandergehen der Abſicht der Mehrheit entgegen
kam, löſte ſich die Spannung ſehr bald; die Mannſchaften legten die
Gewehre nieder, nahmen Sold und Kommißbrot in Empfang und
zogen noch am Abend truppweiſe ihrer Heimat zu. Das Regiment
„Prinz Philipp“ hatte zu beſtehen aufgehört. Wie von einem Alp
befreit, atmete die Bürgerſchaft auf, als gleichzeitig mit den Sol-
daten auch die Wortführer der Bauerngemein, die neun Wochen
lang der Regierung und den Bürgern ihre rohe Herrſchaft hatten
ſpüren laſſen, die Stadt verließen. Voll Sorge und Ungewißheit
verbrachten die Bürger den nächſten Tag. Am 18. Januar früh über⸗
gab ein reitender Bote der Wache an der Salzadyhrüde die Auf:
forderung Kriechbaums, „ſich nach dem Beiſpiel von Schärding und
Braunau dem Kaiſer zu Füßen zu werfen; wenn die Stadt ſich nicht
bis 12 Uhr mittags erklärt habe, würde eine kaiſerliche Gnade nicht
mehr ſtattfinden, ſondern die Stadt und alles, was darinnen iſt,
Mann, Weib und Kinder, mit Feuer und Schwert verheert werden“.
Wenige Stunden ſpäter traf auch die Antwort der Adminiſtration
auf die Anträge vom 16. Januar ein: „Es iſt jetzt nicht an der
Zeit, mit den aufgeſtandenen Burſchen zu unterhandeln und ihnen
einen Waffenſtillſtand zu gewähren. Zur Erlangung der kaiſerlichen
Gnade iſt kein anderer Weg mehr, als daß man die feſten Plätze
abtrete und die Waffen niederlege. Die Regierung und die auf⸗
geſtandenen Burſchen ſollen ſich deshalb an General v. Kriechbaum
wenden“. Das waren deutliche Worte! Bürger und Bauernſchaft
ſahen nun keinen Ausweg mehr und beſtürmten den Vizedom, ſich
mit einer Abordnung zu Kriechbaum nach Braunau zu begeben und
ihm die Unterwerfung der Stadt anzubieten. Es geſchah. Der Sieger
von Aidenbach überhäufte die Burghauſer mit den ſchwerſten Vor⸗
würfen, aber er nahm die Unterwerfung an und gewährte den
erbetenen Pardon. Mittlerweile hatte ſich das Schickſal der Stadt er⸗
füllt. Gegen Mittag war die von Neuötting her anrückende Heeres⸗
abteilung des Oberſten Hochberg vor dem oberen Tor erſchienen
und um 1 Uhr nachmittags ohne Schwertſtreich in die Stadt ein⸗
gerückt. Die letzte Hochburg des Aufſtands war gefallen.
Am 19. Januar ließ Kriechbaum durch die Regierung folgendes
Patent bekanntgeben: „Allen, die ſich der landesverderblichen Re⸗
bellion ſogleich entziehen und nach Hauſe gehen, wird die kaiſer⸗
liche Gnade zugeſprochen. Wer ſich noch beim rebelliſchen Haufen
befindet und ſich auf dieſe Mahnung hin nicht nach Hauſe begibt,
ſoll ohne weitere Gnade mit Feuer und Schwert verheert werden.
Bürger: und Bauernſöhne, Knechte und ledige Handwerksburſchen
ſollen künftighin nicht mehr zu Kriegsdienſten gezwungen werden“.
= Gi =
Inzwiſchen hatte aud die Vermittlung des Erzbiſchofs von Salz⸗
burg ihre Früchte getragen. Der von ihm nach Wien entſandte Ge⸗
heime Rat Dreer hatte eine am 27. Januar ergangene Verordnung
des Kaiſers erwirkt, in welcher die Adminiſtration angewieſen
wurde, „dem gemeinen Landvolk, das die Waffen bereits nieder⸗
gelegt und ſich nach Hauſe begeben hat, die Verzeihung alles Ver⸗
gangenen ohne Vorbehalt einiger Beſtrafung kundzumachen und
alle Feindſeligkeit einzuſtellen“. Nicht aber konnte ſich der Kaiſer
dazu verſtehen, den Pardon auch auf „die Häupter des Aufitandes,
die Mitglieder der Burghauſer Regierung, den Frh. v. Leyden und
andere Bürger, die ſich zu Direktoren der Landesdefenſion hatten
gebrauchen laſſen“, auszudehnen. Ihnen wurde zwar die verwirkte
Lebensſtrafe nachgeſehen, nicht aber eine Unterſuchung ihres wäh-
rend des Aufſtands bezeigten Tun und Handelns. Nachdem bereits
durch das Patent Kriechbaums vom 19. Januar der Generalpardon
für das Rentamt Burghauſen verkündet worden war, erging unter
dem 5. Februar ein gedrucktes Mandat der Adminiſtration, das
allen Bürgern und Bauern und auch den abgedankten bayeriſchen
Soldaten, nicht aber den Haupträdelsführern die Verzeihung „ihres
ſo boshaften Unternehmens“ zuſicherte und die Hoffnung ausſprach,
„daß nun jeder ſich ohne Scheu nach Haus begebe, ſich dort ruhig
aufhalten und ſeiner Wirtſchaft abwarten möge“.
Damit hatte der Aufſtand ſein Ende gefunden. Das mit ſo großen
Hoffnungen begonnene Unternehmen war kläglich und ruhmlos zu⸗
ſammengebrochen.
III. Folgen des Aufftandes.
Ein ſchweres Aufatmen durchzog die Bruſt des Grafen Löwen⸗
ſtein. Mit vieler Mühe war es endlich gelungen, des Aufſtands
Herr zu werden und das kaiſerliche Anſehen im Lande wieder auf⸗
zurichten. Im Volk freilich ſchwelte ein ſchlecht verborgener Groll
über die Mißgunſt des Schickſals weiter und am 28. Januar 1706
mußte der Adminiſtrator dem Kaiſer melden: „Die Splitter der im
Herzen ſteckenden Deſperation ſind noch nicht völlig herausgezogen
und die Wunden des jüngſthin vorgeſchwebten Exempels noch nicht
geheilt“. Dem kaiſerlichen Willen gemäß fand eine Beſtrafung des
zur Teilnahme am Aufſtand verführten Landvolks nicht ſtatt. Scharf
aber griff die Adminiſtration gegen die Führer ein, ſie ſollten der
ganzen Strenge des Geſetzes verfallen. Die getroffenen Maßnahmen
gewähren nicht nur bemerkenswerte Einblicke in die Rechtspflege
4*
— 52 —
der damaligen Zeit; ſie erzählen auch von den Lebensſchickſalen
jener Männer, die beim Aufſtand als Führer hervorgetreten ſind
und verdienen daher, eingehender geſchildert zu werden.
Mit beſonders ſchwerer Schuld beladen ſchien die Regierung in
Burghauſen. Galt es doch in München als ausgemacht, daß ihre
Räte ſich der Aufſtandsbewegung nicht nur unter dem Druck der
Bauern, ſondern freiwillig und mit innerer Anteilnahme ergeben
hatten, und daß hauptſächlich die Mitwirkung der Regierung dem
Aufſtand ſolche Kraft und Ausdauer verliehen habe. Die Darſtel⸗
lung der Ereigniſſe hat ergeben, daß dieſe Auffaſſung nicht der
Wirklichkeit entſpricht. Aber vom Standpunkt der Adminiſtration
aus war ſie verſtändlich. Von allen Fehlern und Unterlaſſungen
mußte in dem Bruch des dem Kaiſer geleiſteten Treueides das
ſchwerſte Vergehen erblickt werden, und man kann es dem Grafen
Löwenſtein nicht verdenken, wenn er jede weitere Zuſammenarbeit
mit dem des Hochverrats ſchuldigen Räten ablehnte. „Die Räte
in Burghauſen ſind alle miteinander nichts wert und man kann
keinen bei der Ratsſtelle laſſen“ hat er einmal geäußert. Bereits
am 8. Februar erging ein Erlaß der Adminiſtration: „Obwohl die
Regierungsmitglieder wider die Perſon des Kaiſers auf vielerlei
Weiſe höchſt ſtrafbar gehandelt und dadurch verwirkt haben, daß
ſie mit einem förmlichen Kriminalprozeß verfolgt und beſtraft wer⸗
den, wird dieſer Prozeß in Gnaden erlaſſen, jedoch folgende einſt⸗
weilige Ahndung verfügt: Sämtliche Regierungsmitglieder, abge⸗
ſehen die Räte Oxle und Megerle, werden ihrer Stellen entſetzt“.
Die Räte konnten darüber wohl nicht im Zweifel ſein, daß ſie für
ihr Tun und Laſſen während des Aufſtands zur Rechenſchaft ge⸗
zogen würden. Aber auf dieſe ſcharfe Maßregelung waren ſie doch
nicht gefaßt. Als ſie ſich von dem erſten Schreck erholt hatten, ließen
ſie eine Rechtfertigungsſchrift an die Adminiſtration ergehen, in der
He beteuerten: „Die Regierung ift während der abgelaufenen Un-
ruhen in ihren Entſchlüſſen nicht frei geweſen; ſie war vielmehr in
ſtändige Leib⸗ und Lebensgefahr verſetzt. Denn nachdem die ver⸗
wilderte Bauernſchaft geſehen hatte, daß wir ihre widerſinnigen
Forderungen zu umgehen verſuchten, haben ſie es auf offenbare
Gewalt ankommen laſſen. Das haben mehrere Räte, beſonders aber
der Kaſtner v. Prielmayr wiederholt erfahren müſſen. Die hitzigen
Bauern haben ſie mit Streichen und Rippenſtößen traktiert und
ihnen die Piſtolen auf die Bruſt geſetzt. Immer mußten wir hören,
daß man die Regierungsräte totſchlagen ſoll. Die Verpflichtung auf
die Landesdefenſion haben wir eingeſchränkt durch die Worte: „Was
der Regierungsfunktion anhängig iſt“. Wir haben darin keine Ver⸗
letzung des dem Kaiſer geleiſteten Treueids erblickt und wir bitten,
daß wir von der kaiſerlichen Gnade nicht ausgeſchloſſen werden“.
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Die Adminiſtration würdigte den Erguß keiner Antwort, jondern
beauftragte unter dem 10. Februar 1706 den Hofrat Ferdinand
Joſeph Herwart Graf v. Hohenburg, die Regierung von Burghauſen
zu übernehmen.
Das Verhalten der Burghauſer Regierung während des Auf⸗
ſtandswinters kann unter keinen Umſtänden entſchuldigt werden.
An ihrer ehrlichen Abſicht, eine friedliche Beendigung des Auf⸗
ſtands herbeizuführen, darf man freilich nicht zweifeln. Auch die
Schwierigkeiten, die ihr durch den Druck der Bauern erwuchſen,
ſollen nicht verkannt werden. Aber die Räte waren ja an der Ent⸗
wicklung der Dinge ſelbſt ſchuld. Ein kräftiges Nein, geſprochen zu
einer Zeit, in welcher der Machtdünkel der Bauern noch nicht ſo
hoch ins Kraut geſchoſſen war, hätte ſich als das beſte Vorbeugungs⸗
mittel gegen die mit Gewißheit zu erwartenden Widerwärtigkeiten
erwieſen. Gerade durch die ſchwächliche Nachgiebigkeit gegenüber
den Forderungen der Bauern wurde aber deren Begehrlichkeit
immer noch mehr geſteigert, bis ſchließlich die Verpflichtung der
Regierung auf die Landesdefenſion dem ganzen die Krone auf⸗
ſetzte. Aber auch die Klugheit und Menſchenkenntnis der Räte er⸗
ſcheint in wenig günſtigem Licht. Schon Ende November hätte das
Ungeſtüm, mit dem die Bauern ihre Forderungen bei der Regierung
vorbrachten, zu denken geben ſollen. Noch deutlicher ließ die Weige⸗
rung der Braunauer Führer, ſich an den Verhandlungen in Anzing
zu beteiligen und die Ablehnung der dort getroffenen Abmachungen
die Unmöglichkeit erkennen, auf die Bauern mäßigend einzuwirken
oder gar ihre Entſchlüſſe entſcheidend zu beeinfluſſen. Auch wäre
es wirklich nicht ſchwer geweſen, die Abſicht Plinganſers zu durch⸗
ſchauen, der die Regierung mit der Verantwortung für die Weiter⸗
führung des Aufſtands belaſten wollte. Dieſes Ränkeſpiel mußte
durchkreuzt werden, auch gegenüber den ärgſten Drohungen der
Bauern. Bei der ſprichwörtlichen Gutmütigkeit des Volkscharakters
darf man wohl mit Sicherheit annehmen, daß es auch in den Augen⸗
blicken der höchſten Erregung nicht zum äußerſten gekommen wäre.
Die ſpäter dann immer mehr ſich zuſpitzende Lage wies klar darauf
hin, von den Bauern abzurücken und die Beilegung des Streites
durch Zuſammenarbeit mit der Adminiſtration zu verſuchen. Die
Regierung hat aber immer nur mit den Bauern verhandelt und es
gefliſſentlich unterlaſſen, die Verbindung mit der Adminiſtration
aufzunehmen. Ein unſeliges Geſchick hat den Männern, die durch
ihre Stellung und ihre Bildung berufen geweſen wären, zu handeln,
Mut, Selbſtvertrauen und Verantwortungsfreudigkeit verſagt. Sie
haben ſich bis zuletzt von den Ereigniſſen treiben laſſen und ſie
tragen zum großen Teil mit die Schuld an dem unglücklichen Ende.
Der Amtsentſetzung der Regierungsmitglieder folgte am 11. Fe⸗
a BA,
bruar die Dienſtenthebung Leydens. Da er als Landrichter von
Schärding kaiſerlicher Beamter war, konnte ihm das Los feiner
Burghauſer Amtsgenoſſen nicht erſpart bleiben.
Als erſter ſühnte Mathias Kraus von Kelheim das Verbrechen,
das er ſich gegen die geheiligte Majeſtät des Kaiſers hatte zu
Schulden kommen laſſen. Das gegen ihn gefällte Urteil wurde ſchon
erwähnt. Am 17. März 1706 rollte vor dem Altmühltor in Kelheim
ſein Kopf in den Sand. Sein Körper wurde gevierteilt und ſtück⸗
weiſe vor den Stadttoren an Ketten aufgehängt. Auf der Richt⸗
ſtätte ließen ſeine Gegner eine Tafel mit der Inſchrift anbringen:
Ich wählt' anſtatt des Beils mir den Kommandoſtab,
Und gab das Schlachten auf als oberſter Rebelle.
Jedoch der Henker trat ſogleich an meine Stelle
Und legt' ein Meiſterſtück im Schlachten ab.
Die Zerſtörung ſeines Hauſes iſt unterblieben. Draufgängertum und
Mißmut über die Zeitläufte haben Kraus zur Teilnahme am Auf⸗
ſtand verleitet. Größenwahn und Leichtſinn ließen ihn die Schwie⸗
rigkeiten eines Unternehmens verkennen, das auch bei beſſerer Vor⸗
bereitung und Führung niemals Ausſicht auf dauernden Erfolg
gehabt hätte. Kraus hat für fein Tun ſchwer büßen müſſen. Sein
Ende erweckt alle menſchliche Teilnahme, aber nach Recht und Geſetz
hatte er als Rädelsführer ſein Leben verwirkt. Das gegen die
übrigen Kelheimer „Übeltäter“ erlaſſene Urteil wurde nicht voll:
ſtreckt. Das Gnadengeſuch der Landſchaft vom 23. Dezember 1705
hatte beim Kaiſer Gehör gefunden. Bezeichnend für die Denkweiſe
der Zeit iſt folgendes Vorkommnis. Krauſens Witwe führte nach
dem Tode ihres Mannes das Geſchäft fort. Weil nun der Ehemann
der Zunftgenoſſin „auf dem Schinderkarren zum Galgen geführt
und durch den Scharfrichter malefiziſch hingerichtet wurde“, hielt
das Handwerk der Metzger ſeine Berufsehre für verletzt und ver⸗
langte vom Rat, es ſolle der Klara Kraus verboten werden, Fleiſch
auszuſchlagen und zu verkaufen. Der Rat hatte aber mit „der
armen Tröpfin“ ein Einſehen und genehmigte der Klara Kraus
auch weiterhin das Mebgern.
Anfangs Mai 1706 wurde dann in Burghauſen eine eigene „In⸗
quiſitionskommiſſion“ unter dem Vorſitz des Grafen v. Seeau ein⸗
geſetzt, die am 26. Mai ihres Amtes zu walten begann. Sie ver⸗
legte den Schwerpunkt der Unterſuchung darauf, die Gründe, Ab-
ſichten und treibenden Kräfte des Aufſtands kennen zu lernen. Die
übereinſtimmenden Ausſagen der in großer Zahl verhafteten Per⸗
ſönlichkeiten gingen dahin, daß der eigentliche Anlaß zum Aufſtand
die Zwangsaushebung geweſen iſt. Sie ließen aber auch erkennen,
„daß der Aufſtand anfangs nur ein bloßes, unüberlegtes Bauern⸗
werk war, und daß erſt nach den Anfangserfolgen andere Gedanken
Cat GER. ee
aufſtiegen, die dahin gerichtet waren, dem Kaiſer Ziel und Maß in
der Verwaltung des Landes vorzuſchreiben oder gar das Land der
kaiſerlichen Herrſchaft wieder zu entziehen und die Regierung durch
die Kongreßdeputierten, zwar nicht für ſich, ſondern für den zum
Regenten zu wählenden Kurprinzen ausüben zu laſſen“. Es zeigte
ſich ferner, daß die „anderen Gedanken“ erſt mit dem Zuſammen⸗
tritt des Kongreſſes in den Vordergrund getreten waren. Die Be⸗
deutung des Kongreſſes für die Weiterführung des Aufſtands lag
alſo offen zutage. Da, wenigſtens nach außen hin, die Leitung des⸗
ſelben in den Händen der adeligen Abgeordneten und der Regie-
rung lag, mußten enge Beziehungen zwiſchen den Urhebern des
Kongreſſes und der Regierung vermutet werden. Es war bekannt,
daß Jehle in ſeinem Einladungsſchreiben ausdrücklich das Erſcheinen
von Regierungsmitgliedern beim Kongreß in Ausſicht geſtellt hatte;
dies war ihm alſo offenbar von amtlicher Seite vorher zugeſagt
worden; denn von ſich ſelbſt aus hätte Jehle dieſe Ankündigung
wohl kaum in das Ausſchreiben aufnehmen können. Zudem hatte
Plinganſer bereits am 17. Dezember nachmittags, alſo zu einer
Zeit, wo von einem Kongreß noch niemals die Rede geweſen war,
von der Regierung einen diesbezüglichen Hinweis erhalten. Dieſe
Zuſammenhänge aufzuhellen, ließ ſich die Kommiſſion beſonders
angelegen ſein, und die Verhöre brachten auch volle Klarheit. Der
zuerſt vernommene Jehle, der die Ausſchreibungen zum Kongreß
hatte ergehen laſſen, behauptete, daß er den Auftrag hiezu von
Prielmayr erhalten habe. Im Widerſpruch damit ſagte Prielmayr
bei ſeiner erſten Vernehmung aus, er wiſſe überhaupt nicht, wer
zum Kongreß eingeladen habe. Dann änderte er ſeine Angabe da⸗
hin, er ſei durch einen Befehl der Regierung dazu veranlaßt worden,
mit Jehle wegen einer Zuſammenkunft zu ſprechen. Darauf wurde
ihm entgegengehalten, ſeine Beſprechung mit Jehle habe ja ſchon
viel früher ſtattgefunden. Prielmayr wollte ſich aber deſſen nicht
erinnern. Nun wurde ihm Jehle gegenübergeſtellt, der unter Er⸗
wähnung aller begleitenden Umſtände darauf beſtehen blieb, er
ſei von Prielmayr ausdrücklich gebeten worden, von Mattighofen,
Mauerkirchen und Schärding Leute nach Braunau zu beordern.
Durch dieſe Ausſagen Jehles zur nochmaligen Gewiſſenserforſchung
angeregt, hat Prielmayr ſchließlich doch die Möglichkeit zugegeben,
„er habe dem Jehle aufgetragen, er ſolle die Leute eventualiter
zuſammenrufen“. Deler verunglückte Verſuch, durch Vorſchützen von
Unwiſſenheit und Mangel an Erinnerungsvermögen die Urheber⸗
ſchaft des Kongreſſes in Abrede zu ſtellen und die Verantwortung
auf Jehle abzuwälzen, trübt nicht nur das ſonſt ſympathiſche Cha⸗
rakterbild Prielmayrs, ſondern hat auch die von der Unterſuchungs⸗
kommiſſion längſt gehegten Vermutungen beſtätigt. War ſomit be⸗
— 56 —
wieſen, daß der Kongreß von Braunau auf Betreiben der Regie⸗
rung von Burghauſen zuſammenberufen wurde, ſo lag für die
Anterſuchungskommiſſion die Folgerung nahe, daß auch die Regie-
rung das Ziel zu verwirklichen wünſchte, das den Führern des Auf⸗
ſtands von Anfang an vorgeſchwebt hatte, die Befreiung des Landes
von der Fremdherrſchaft. Und das war Hochverrat.
Eine große Bedeutung hat die Unterſuchungskommiſſion auch der
Frage über das Zuſtandekommen der Beſchwerdeſchrift an den
Reichskonvent in Regensburg beigemeſſen. Die Adminiſtration hatte
die Schrift arg in übel genommen, nicht nur wegen der ſchweren
Beleidigungen, die darin gegen die Perſon des Kaiſers ausge⸗
ſprochen waren, ſondern auch deshalb, weil die Denkſchrift die in
Bayern herrſchenden Zuſtände aller Welt bekannt gemacht und die
Beweggründe für den Aufſtand aufgedeckt hatte. Die Unterſuchung
ergab, daß der urſprüngliche Sinn und Worlaut der vom Sekretär
Hagen entworfenen Schrift nicht nur unter dem Druck der Bauern,
ſondern ſchon vorher durch die Regierungsmitglieder eine weſent⸗
liche Verſchärfung erfahren hatte; der gegen die Räte erhobene
Vorwurf, durch ihre Zuſätze eine Animoſität gegen den Kaiſer be⸗
wieſen zu haben, war daher nur zu berechtigt. Als die Räte merkten,
daß ihnen aus dieſer Sache ein beſonders dicker Strick gedreht werde,
verſuchten ſie, den harmloſen Hagen für die Denkſchrift verantwort⸗
lich zu machen. Dieſer ſetzte ſich aber kräftig zur Wehr und legte in
einer durchaus ſchlüſſig abgefaßten Verteidigungsſchrift den wahren
Sachverhalt klar. „Die Schuld, welche die Regierungsräte ſelbſt im
Buſen tragen, ſoll jetzt hinumgeſpielt werden, als ob ich das Waſſer
trüb gemacht hätte, da doch die Regierung oben am Fluß, ich aber
am unterſten Ende ſtehe“, ſchreibt er in ſeiner mit vielen köſtlichen
Redewendungen geſpickten Schrift. |
Anfang Auguſt 1706 ſchloß die Unterſuchungskommiſſion in Burg⸗
hauſen ihre Tätigkeit ab und am 9. Auguſt berichtete die Admini⸗
ſtration über das Ergebnis derſelben und über die von der Kom⸗
miſſion beantragten Strafen an den Kaiſer. Beſonders hart be⸗
kamen die beim Kongreß hervorgetretenen Männer die Schwere
ihres Vergehens zu fühlen. Die Beſtrafung des nach Anſicht der
Kommiſſion ſtark belaſteten Vizedoms wurde dem Kaiſer anheim
gegeben. Für Scherer, Widmann, Prielmayr und Leyden wurde
die Entſetzung vom Amt als verdiente Strafe angeſehen. Die beiden
letzteren, ſowie Paumgarten, ſollten zudem auf zwei Jahre in ein
Gefängnis außer Landes verſetzt werden. Für d' Ocfort waren 3 bis
4 Wochen Stadtarreſt und dann Entlaſſung mit einem Verweis
beantragt. Als weniger beſchwert wurde Aham betrachtet. Die
Kommiſſion ſchlug vor, ihm „zum Schrecken“ ſeine Pflege zu nehmen,
aber auf ſeine Bitte gleich wieder zu geben. Tauffkirchen ſollte in
— f--]. a aa ee rem bp
u WRT. we
Anerkennung ſeines unerſchrockenen Auftretens gegen die Bauern
wieder in ſein Amt eingeſetzt werden, aber zwei Jahre ohne Be⸗
ſoldung dienen. Hart war der Strafantrag gegen den Sekretär
Hagen: Amtsentſetzung und Landesverweiſung. Glimpflich dagegen
kam Sallinger weg. Auch er mußte die Strafe der Amtsentſetzung
über ſich ergehen laſſen. „Da aber bei ſolchen Schwätzern allzeit
mehr unterläuft, als fih gebührt“, wurde er oon der zugedachten
Gefängnisſtrafe befreit. Plinganſer wurde eine Freiheitsſtrafe von
6 Jahren zuerkannt. Für die ehemaligen kurbayeriſchen Offiziere
Jehle, Inzinger und Hartmann hielt die Kommiſſion die Strafe
der Landesverweiſung als angemeſſen; Weber und Brunner endlich
ſollten auf drei Jahre zur Schanzarbeit nach Raab in Ungarn ver-
ſchickt werden.
Als nach Jahresfriſt eine Beſtätigung des Urteils noch nicht er⸗
folgt war, brachte die Adminiſtration in einem Bericht an den
Kaiſer vom 5. Auguſt 1707 den Abſchluß des Gerichtsverfahrens in
Erinnerung. Veranlaßt war dieſe Mahnung weniger durch rechtliche
Bedenken über die Verzögerung der Urteilsfallung oder aus Mit⸗
gefühl für die zum Teil in ſtrenger Haft gehaltenen Perſönlichkeiten,
als vielmehr durch eine recht nüchterne Erwägung. Die während
des Aufſtandswinters an ihrem Vermögen zu Schaden gekommenen
kaiſerlichen Offiziere hatten nämlich mit großer Dringlichkeit Scha⸗
denerſatzanſprüche in einer Höhe von 60 000 fl. geltend gemacht, die
von der Adminiſtration nicht befriedigt werden konnten. Der Ge⸗
danke, wenigſtens einen Teil der verhängten Freiheitsſtrafen in
Geldſtrafen umzuwandeln und damit die Forderungen der Offiziere
zu decken, lag nahe. Die Adminiſtration ſchlug daher dem Kaifer
vor, Paumgarten mit 10 000 fl., Widmann mit 4000 fl., Leyden
und Prielmayr mit je 2000 fl. Geldſtrafe zu belegen. Auch hielt ſie
es für angebracht, die Städte Burghauſen, Braunau und Schärding,
„in denen ſich bei dem Rebellionsunweſen weder der bürgerliche
Magiſtrat noch die Bürgerſchaft ihrer Schuldigkeit und ihren Pflich⸗
ten gemäß bezeigt haben“, mit einer doppelten Standſteuer heran⸗
zuziehen. Wieder verging ein Jahr. Der Kaiſer ſchwieg. Da drängte
die Adminiſtration am 23. Dezember 1707 zum zweitenmale, das
Urteil bekannt zu geben.
Endlich am 23. Mai 1708 erfolgte die Verkündigung desſelben.
Es lautete in ſeinen wichtigſten Punkten: Die erſten Urheber des
Aufſtands, Grosſchopf, die Kagerlſöhne und der Pfeiferjackl werden,
da ihr Aufenthalt nicht feſtgeſtellt werden kann, für vogelfrei er⸗
klärt und auf ewig aus dem ganzen römiſchen Reich verwieſen. Die
bisher vom Amt enthobene Regierung von Burghauſen wir »in
corpore kaſſiert“. Ausgenommen werden die Räte Megerle und
Orle. Dem Vizedom Frh. v. Weichs, dem Kanzler v. Scherer, dem
Gen, BR. as
Kaſtner v. Prielmayr, dem Landrichter v. Leyden und dem Pfleger
Grafen v. Paumgarten wird der peinliche Prozeß in Gnaden nach⸗
geſehen; ſie ſind aber unter Verluſt ihrer Amter bis auf weiteren
kaiſerlichen Befehl in Feſtungshaft zu verbringen und zwar Weichs
nach Kufſtein, Scherer nach Rattenberg, Prielmayr nach Ingolſtadt
und Leyden nach Ehrenberg, wo ſie ſich aus eigenen Mitteln zu
unterhalten haben. Die auch von Paumgarten verdiente Gefäng⸗
nisſtrafe wird unter Auferlegung einer Geldſtrafe von 10 000 fl.
in Hausarreſt umgewandelt. Außer Paumgarten hatte nur noch
Leyden eine Geldſtrafe von 2000 fl. zu erlegen. Widmann und
Tauffkirchen werden zwar ebenfalls von ihren Amtern entfernt,
follen jedoch bei der Neubeſetzung der Regierung berückſichtigt, ins-
beſonders aber Tauffkirchen mit der erſten freien Ratsſtelle be⸗
gnadet werden. Die über Sallinger und Hagen ergangenen Urteile
wurden vom Kaiſer beſtätigt, ebenſo die Strafe Plinganſers „Ver⸗
dammung auf 6 Jahre ad carceres“. Aham und d' Ocfort ſollten
aller Strafe frei ſein; auch die Bauernoffiziere wurden freigeſpro⸗
chen. Endlich hat der Kaiſer auch dem Antrag der Adminiſtration
wegen Beſtrafung der Städte zugeſtimmt. Burghauſen mußte 750 fL.
Braunau 1376 fl. und Schärding 960 fl. bezahlen. Es muß eine
ſchwere Stunde geweſen ſein, als am 19. Juni 1708 Weichs, Scherer,
Prielmayr, Leyden und Paumgarten vor den Grafen Löwenſtein
geführt wurden und aus feinem Munde das Urteil vernahmen.
Er wird ihnen mit ernſten Worten den Treubruch gegen den Kaiſer
und die Mitſchuld an dem Tod und dem Elend ſo vieler Tauſender
vorgehalten haben. Noch am gleichen Tage wurden ſie unter mili⸗
täriſcher Bedeckung an ihre Beſtimmungsorte gebracht.
Der weltlichen Gerechtigkeit war damit Genüge getan. Bald her⸗
nach ſetzte eine Flut von Begnadigungsgeſuchen ein, denen der
Kaiſer in faſt allen Fällen ſtattgab. Schon am 16. September 1708
wurde die Landesverweiſung Hagens zurückgenommen. Da Graf
Löwenſtein deſſen Wiederverwendung in einem Dienſt befürwortete,
„bei dem er ſeinen Unterhalt findet“, iſt zu vermuten, daß Hagen,
der unter allen Verurteilten wohl der unſchuldigſte war, bald wie⸗
der eine Anſtellung gefunden hat. Wenige Tage ſpäter genehmigte
der Kaiſer die Haftentlaſſung des Vizedoms; es wurde ihm jedoch
auferlegt, „ſich in der Stille auf ſeinem Gut aufzuhalten und ſeine
geſchwächte Geſundheit zu pflegen“. An Weihnachten 1708 öffneten
ſich auch für Scherer, Prielmayr und Paumgarten die Tore des
Gefängniſſes; ſie erhielten zwar die lang entbehrte Freiheit wieder,
nicht aber die Wiedereinſetzung in ihren Dienſt. In dieſem Punkte
war der Kaiſer unerbittlich geblieben; erſt die Rückkehr des Kur⸗
fürſten brachte ihnen ihre Amter und Würden wieder. Des Kaiſers
beſondere Ungnade traf den Landrichter v. Leyden; obwohl ſich
— 59 —
Oberſt de Wendt für ihn eingeſetzt hatte, wurde feine Haft nicht
abgekürzt, er ſchmachtete noch im Jahre 1714 im Gefängnis in Ro-
e und kehrte ert 1715 als gebrochener Mann in die Heimat
zurück. |
Aber noch einem wurde die Verzeihung des Kaiſers zuteil, Plin⸗
ganſer! Nach der Übergabe Braunaus hatte er ſich zuerſt einige
Wochen im Franziskanerkloſter in Eggenfelden verborgen gehalten
und dann nach Teiſendorf im Salzburgiſchen begeben. Als die Ruhe
im Lande eingekehrt war, wagte er im Mai eine Wallfahrt nach
Altötting. Hier erreichte ihn ſein Schickſal. Der Propſteiverwalter
Franz Niklas Stadler erkannte ihn, ließ ihn feſtnehmen und nach
Burghauſen bringen, von wo Plinganſer nach einem erſten Verhör
nach München überführt und im Falkenturm verwahrt wurde. Bei
ſeiner Verhaftung hatte er geäußert, er fürchte nicht, daß ihm am
Leben etwas geſchehe; „wenn es nicht anders gehe, wolle er viele
Große in das Spiel bringen“. Am 1. Juli 1706 richtete Plinganſer
eine Rechtfertigungsſchrift an den Kaiſer, in welcher er mit um⸗
fangreicher Begründung um Gnade und Verzeihung und um Ent⸗
laſſung aus der Haft bittet. Daß Plinganſer beteuert, er habe ſich
nur unter dem Druck der Bauern der Aufſtandsbewegung ange⸗
ſchloſſen, iſt begreiflich. Auch mag ihm zugute gehalten werden,
wenn er behauptet, er habe als Kriegskommiſſär nur die Befehle
des Oberkommandierenden Hoffmann ausgeführt und ſei bei der
Landesdefenſion „nur in geringer Vermögenheit geſtanden“. Pein⸗
licher mutet es an, wenn er die Urheberſchaft am Aufſtand ab⸗
leugnet und ſie auf den Pfeiferjackl, die Gebrüder Grosſchopf und
die Kagerlſöhne abſchiebt; da dieſe alle landesflüchtig waren, hatte
er freilich von ihnen keine Widerrede zu befürchten. Ein ſtarkes
Stück aber iſt es, wenn Plinganſer ſein Unglück beſeufzt, unter den
rebelliſchen Haufen gekommen zu ſein und wenn er verſichert, er
habe ſich immer bemüht von den Bauern wieder loszukommen. Wenn
es ihm wirklich darum zu tun geweſen wäre, hätte er Gelegenheit
dazu genug gehabt; hat er doch wiederholt „Dienſtreiſen“ unter⸗
nommen, die freilich nicht immer durch die Beſchaffung von Geld
und Lebensmitteln für die Landesdefenſion veranlaßt waren, ſon⸗
dern auch durch ſeine Sehnſucht nach der Kathi, einem molligen
Bürgerstöchterlein in Pfarrkirchen, „die ihn ſchon früher mehr als
genug getröſtet hatte“, und deren liebreichen Zuſpruch er auch in
den rauhen Kriegszeiten nicht miſſen wollte. Den Gipfel der Un⸗
verforenheit jedoch erklimmt Plinganſer, wenn er in der Denkſchrift
glauben machen will, „er habe jederzeit getrachtet, das Rebellions⸗
weſen zu dämpfen und das kaiſerliche Intereſſe zu erhalten, und er
habe bei jeder Gelegenheit den bayeriſchen Revoltanten das Wider⸗
ſpiel geſpielt, ihnen ihren Vorteil benommen und ſelbigen dem
a GO. os
Kaiſer in die Hand gegeben“. Das Schriftſtück ſtrotzt alſo von frechen
Lügen und bewußten Entſtellungen und es wirkt geradezu wider⸗
lich, wenn Plinganſer dem allerhöchſten Gott unſterblichen Dank
erſtattet, „weil er des Kaiſers allergerechtſamſte Waffen unüber⸗
windlich angeführt habe“. Zum Schluß erniedrigt ſich Plinganſer
dann noch zu einer hündiſchen Schmeichelei: „Das beglückte Bayern
gratuliert E. K. Majeſtät zu ſolch' glorreich erfochtenem Sieg und
frohlockt über die unaufhörlich bewieſene kaiſerliche Milde und
Güte“. Mit welcher Verachtung mag Graf Löwenſtein bieles Ge-
ſchreibſel geleſen haben! Von einer Freilaſſung war natürlich keine
Rede. Die Adminiſtration wußte genau, welch gefährlicher Kumpan
ihr ins Garn gegangen war. Plinganſer blieb in Haft und ver⸗
nahm im Juni 1708 ſeine Verurteilung zu 6 Jahren Gefängnis.
Und nun begibt ſich etwas Merkwürdiges! Am 19. Auguſt 1710
erhält Plinganſer von der Adminiſtration die Bewilligung, daß
er ſich nach Ableiſtung des Treueides „ruhiglich in Bayern auf⸗
halten möge“. Er muß ſomit kurze Zeit vorher aus dem Gefängnis
entlaſſen worden ſein. Ihm, dem Urheber und Leiter des Aufſtands,
wurde alſo ein beträchtlicher Teil ſeiner Strafe geſchenkt. Man geht
kaum in der Annahme fehl, daß ſich ſehr hohe und einflußreiche
Perſönlichkeiten, die ſelbſt belaſtet waren und aus der Mitwiſſer⸗
ſchaft Plinganſers Unannehmlichkeiten befürchteten, mit Erfolg für
ihn verwendet haben. Da ſich Plinganſer in ſeiner Denkſchrift an
den Kaiſer als einer jener Bauernoffiziere bezeichnet, die ſeinerzeit
in Braunau den tätlichen Angriff auf den Grafen Tattenbach ab-
gewehrt haben, iſt wahrſcheinlich auch dieſer als Fürſprecher für
Plinganſer eingetreten. Im Jahre 1713 wird Plinganſer als Ver⸗
walter der Hofmark Mengkofen bei Dingolfing genannt und von
hier aus richtete er anfangs Mai 1715 an den Kurfürſten Max
Emanuel, der kurz vorher nach 11jähriger Abweſenheit wieder nach
München zurückgekehrt war, eine Denkſchrift, in der er ſich nach aus⸗
führlicher Schilderung der Begebenheiten des Aufſtands „der Huld
und Gnade des Kurfürſten empfiehlt“.
Dieſe Denkſchrift iſt zuſammen mit der Rechtfertigungsſchrift an
den Kaiſer eine der wichtigſten Quellen für die Geſchichte des Auf⸗
ſtands geworden. Es iſt begreiflich, daß Plinganſer darin ſeine
Verdienſte um Fürſt, Land und Volk ins hellſte Licht ſtellt. Stolz
bekennt Plinganſer, daß er, nachdem er ſich einmal, wenn auch
unter Zwang, den Bauern angeſchloſſen hatte, ihrer Sache mit
beſtem Wiſſen gedient hat, und daß er es geweſen iſt, der das ganze
Landesdefenſionswerk geleitet hat. Mit Nachdruck hebt er hervor,
daß neben „der Konſervierung der innerlichen Landskräfften“ auch
die Sorge um die Wohlfahrt des Kurfürſten und ſeiner Familie
die Haupttriebfeder ſeines Handelns war. Das ſtimmt nun nicht!
a pi se
Wäre dies der Fall geweſen, jo hätte Plinganſer ſicherlich bei der
Werbung für den Aufſtand auch die Gefühle der Treue und An⸗
hänglichkeit an das angeſtammte Fürſtenhaus wachgerufen. Aber
kein Schriftſtück der Landesdefenſion enthält auch nur den leiſeſten
Hinweis auf den Kurfürſten; erh bei den Kongreßverhandlungen
in Braunau hat ihn Plinganſer einmal und auch da nur flüchtig
erwähnt. Es muß ferner auffallen, daß Plinganſer niemals den
geringſten Verſuch gemacht hat, eine Verbindung mit dem Sur:
fürſten aufzunehmen und deſſen Meinung über den Aufſtand zu er⸗
fahren. Abgeſehen von dieſer durch den Zweck der Denkſchrift be⸗
dingten Hervorhebung der Liebe und Verehrung für den Kurfürſten
iſt aber die Schrift im Gegenſatz zur Rechtfertigungsſchrift an den
Kaiſer durchaus ſachlich gehalten und die Wahrheit der Darſtellung
wird nicht nur durch die kritiſche Prüfung der inneren Juſammen⸗
hänge, ſondern auch durch den umfangreichen Schriftwechſel der
Adminiſtration, die Verhörsniederſchriften und andere Urkunden
erhärtet. Max Emanuel hat die Verdienſte Plinganſers auch aner⸗
kannt und belohnt, denn ſchon im Jahre 1716 erfolgte deſſen An⸗
ſtellung als Hofgerichtsadvokat in München. 1723 berief ihn der
Abt des Reichsſtifts St. Ulrich und Afra in Augsburg als erſten
Rat und Stiftsfanzler; als ſolcher tit Plinganſer dann bis zu feinem
am 7. Mai 1738 erfolgten Tod tätig geweſen.
Die Geſchichte des Aufſtands läßt klar erſehen, daß Plinganſer
nicht nur der Urheber des ganzen Unternehmens, ſondern auch die
Seele und die treibende Kraft der Bewegung geweſen iſt. Die
ſtaunenswerte Rührigkeit, mit der er das Werk der Befreiung ſeines
Vaterlandes betrieb, hob ihn von Anfang an aus dem Kreiſe der
übrigen Führer heraus und zwang ſie zur Anerkennung ſeiner
Führerperſönlichkeit. Ein ſcharfer, juriſtiſch geſchulter Verſtand und
eine ſchlagfertige Beredſamkeit verbanden ſich in ihm mit einem
ſtarken, einzig auf das Endziel gerichteten Willen und machte ihn
zum berufenen Anwalt ſeiner bedrückten Landsleute. Aber dieſe
Vorzüge wurden von düſteren Schatten verdunkelt. Plinganſers
Charakter war durch keinerlei Lebenserfahrung und Selbſtzucht ge⸗
ſtählt, fein Starrſinn, gepaart mit einem außergewöhnlichen Ein⸗
ſchlag von Größenwahn und Ehrgeiz, benahm ihm die Fähigkeit,
die Grenzen des Möglichen und ſeines eigenen Könnens zu be⸗
meſſen. Beſonders bemerkenswert iſt, daß es Plinganſer an jeg⸗
lichem Verantwortlichkeitsgefühl und an perſönlichem Mut gefehlt
hat. Wagte er es ja nicht einmal, den von ihm entzündeten Auf⸗
ſtand mit ſeinem Namen zu decken; als Kriegskommiſſär hat er ſich
hinter dem Oberſt Hoffmann verſteckt und bei allen kriegeriſchen
Unternehmungen iſt er zu Hauſe geblieben. Die ſittliche Pflicht, für
das von ihm begonnene Befreiungswerk auch ſein Leben einzu⸗
= 02) u
teten, kam ihm nicht zum Bewußtſein. Plinganſer ijt eben nur ein
Held des Mauls und der Feder geweſen! Auf ihm laſtet nicht der
Vorwurf, den Anſtoß zum Aufſtand gegen die Fremdherrſchaft ge-
geben zu haben, ſondern die ſchwere Anklage, auf der Durchführung
des Unternehmens auch dann noch beharrt zu haben, als jede Aus⸗
ſicht auf ein Gelingen desſelben geſchwunden war und die furcht⸗
bare Schuld, Tauſende umſonſt in den Tod getrieben zu haben. Die
Rechtfertigungsſchrift an den Kaiſer rundet ſein Charakterbild im
ungünſtigſten Sinne ab. Einige Geſchichtsſchreiber haben dieſes
Machwerk damit zu entſchuldigen verſucht, daß Plinganſer es ange⸗
ſichts der ihm drohenden Folter geſchrieben hat. Aber ganz abge⸗
ſehen davon, daß er ja ſelbſt derartige Folgen gar nicht befürchtete,
durfte ein Mann von Ehre ſich niemals zu einem ſolch würdeloſen
Schritt, zu einer ſolch jämmerlichen Ableugnung ſeines Lebens⸗
werkes erniedrigen. Es muß offen ausgeſprochen werden, daß es
charakterliche Minderwertigkeit geweſen iſt, welche Plinganſer die
Feder geführt hat. Durch dieſe Schrift hat er ſich jedes Anſpruchs
auf Heldentum beraubt und ſich ſelbſt vor der Geſchichte gerichtet.
Es erübrigt, noch kurz der Geſchicke Meindis und Hoffmanns zu
gedenken. Meindl hatte ſich nach dem Falle Braunaus noch einige
Wochen im Kobernauſer Wald herumgetrieben und war dann „als
Kraxenträger“ nach Oſterreich gegangen; ſeitdem blieb er verſchollen.
Bald darauf legte ſein Vater der Adminiſtration die Bitte um Be⸗
gnadigung ſeines Sohnes vor, die zwar unbeantwortet blieb, aber
zu nochmaligen Erhebungen über die Tätigkeit Meindls während
des Aufſtandswinters führte. Dieſelben hatten anſcheinend ein gün⸗
ſtiges Ergebnis; denn am 21. Juli 1707 teilte die Adminiſtration
dem Landgericht Mauerkirchen mit, es möge dem Meindl oder deſſen
Verwandten unter der Hand beigebracht werden, daß er begnadigt
werde, wenn er darum nachſuche. Meindl ließ aber nichts von ſich
hören; es wäre möglich, daß ihn die Nachricht in der Fremde nicht
erreicht hat; vielleicht hielt ihn auch ſein ſchlechtes Gewiſſen ab, den
ehemaligen Waffengefährten unter die Augen zu kommen; ſollte er
es aber unter feiner Würde gehalten haben, Gnade von denen zu
erbitten, die er vorher aus ehrlicher Überzeugung und mit ſeinem
ganzen Haß bekämpft hatte, ſo würde das ſeinem Charakter alle
Ehre machen. Jahre vergingen, aus denen über das Schickſal Meindls
nichts bekannt iſt. Die Rückkehr des Kurfürſten Max Emanuel nach
Bayern hat endlich dann auch ſein Lebensſchifflein in eine geord⸗
nete Bahn gebracht. Am 22. Auguſt 1715 wurde ihm der Forſt⸗ und
Beimautsdienſt in Stelzen im Landgericht Ried übertragen. Im
Jahre 1741 verſah Meindl noch ſeinen Dienſt als Förſter im Wild⸗
meiſteramt Mauerkirchen. Dann verliert ſich ſeine Spur. Am 9. März
1767 ſtarb in Salzburg im Alter von 87 Jahren ein Johann Georg
E
Meindl, hochfürſtlich Salzburgiſcher Karabinierkorporal und Leut⸗
nant. Es könnte der ehemalige „Student“ von Altheim geweſen
ſein; das Alter würde ſtimmen.
Übler hat das Geſchick dem Bauernoberſt Johann Hoffmann mit-
geſpielt. Nach der Auflöſung des Bauernheeres zog er mit einem
Hauſierer durch Salzburg nach Italien und ließ ſich dort bei einem
kaiſerlichen Regiment unter ſeinem wahren Namen anwerben. Als
der gegen ihn erlaſſene Steckbrief bekannt geworden war, wurde er
Ende Dezember 1706 verhaftet und nach Braunau verbracht, wo
nach kurzem Prozeß ſein Kopf unter dem Beile des Henkers fiel.
Durch ſeine Roheit und Unwiſſenheit hat er ſich bei den Zeitgenoſſen
mit allgemeiner Verachtung, durch ſein feiges und ſchimpfliches Ver⸗
halten bei Aidenbach bei der Nachwelt mit ewiger Schande bedeckt.
Wenn man die ergangenen Urteile und die ſpäter erfolgten
Strafnachläſſe ohne Voreingenommenheit würdigt, wird man ſich
der Auffaſſung nicht verſchließen können, daß der Kaiſer große Nach⸗
ſicht und Milde hat walten laſſen. Eine fühlbare „Ahndung“ iſt nur
wenigen Führern und den beſonders belaſteten Mitgliedern der
Regierung von Burghauſen zuteil geworden. Freilich verbargen ſich
hinter dieſer Großmut ernſte politiſche Erwägungen. Die ſchweren
und endloſen Bedrückungen hatten in Bayern eine Erbitterung er⸗
zeugt, die das Ende des Aufſtands noch lange überdauerte. Noch im
Sommer 1706 hörte man von Zuſammenrottungen der Bauern im
Innviertel, ſodaß die Befürchtung neuer Unruhen bei der Bemeſſung
der Strafen ſicherlich von Einfluß geweſen iſt. Und der Kaiſer hat
gut daran getan, die erregte Stimmung im Lande nicht durch über⸗
mäßige Strenge aufs neue zu reizen. Bayern war zwar durch Waffen⸗
gewalt unterworfen, aber durchaus nicht für die Sache des Kaiſers
gewonnen. Man hatte in Wien das drückende Bewußtſein, ein Land
im Rücken zu haben, das in grollender Zurückhaltung den weiteren
Verlauf der Geſchehniſſe abwartete, um vielleicht im geeigneten
Augenblick nochmals zu den Waffen zu greifen.
Graf Löwenſtein war entſchloſſen, dieſer Möglichkeit unter allen
Umſtänden vorzubeugen und nahm ohne Säumen die Politik der
Befriedung wieder auf, die durch den Aufſtand ſo jäh unterbrochen
worden war. Es galt vor allem, im Lande geordnete Zuſtände zu
ſchaffen und das zerſtörte Wirtſchaftsleben wieder in Gang zu
bringen. Die Ausſichten für ein baldiges Gelingen dieſer Pläne
waren freilich nichts weniger als günſtig. Schon im Sommer 1705
waren die Steuereingänge immer ſpärlicher geworden, ſeit dem
Herbſt hatten ſie ganz aufgehört. Die wenigſten Gerichte vermochten
noch Naturallieferungen aufzubringen. Die öffentlichen Kaſſen waren
leer und auch aus dem Verkehr war das Geld faſt ganz verſchwun⸗
den. Übel jah es in den Gebieten aus, die vom Aufſtand heim-
— 64 —
geſucht worden waren. Neuerdings waren Hunderte von Höfen in
Flammen aufgegangen, die Beſitzer entweder gefallen, verdorben,
oder geflüchtet. Bei der Felderbeſtellung im Frühjahr machte ſich
Mangel an Saatgetreide und Zugtieren fühlbar. Handel und Wan⸗
del lagen darnieder, jeglicher Verkehr ſtockte. Die vor dem Aufſtand
noch einigermaßen wohlhabenden Städte waren vollſtändig aus⸗
geblutet. So berechnete z. B. die Stadt Vilshofen ihren durch die
Bauern und Oberſt d' Arnan entſtandenen Schaden auf 26—30 000 fl.,
der Kämmerer von Kelheim ſchätzte die in den Dezembertagen an⸗
gelaufenen Unfojten auf mehr als 10 000 fl. Und der Bürgerſchaft
von Neuötting haben allein die vier Tage, in denen im November
die Truppen de Wendts im Quartier lagen, 12 200 fl. Koſten ver⸗
urſacht. Zu dieſen Verluſten an Geld und Sachwerten geſellten ſich
ſittliche Schäden. Gartendes Geſindel, das ſich zu größeren Räuber⸗
banden vereinigte, durchzog das flache Land und nahm den auf
Einöden und Weilern ſitzenden Bauern den letzten Heller weg. So⸗
gar die religiöſen Grundſätze waren ins Wanken geraten, ja die
Verzweiflung war ſo weit geſtiegen, daß viele Leute „den leidigen
Satan um Hilfe anriefen und zu ihm ihre Zuflucht nahmen“. Die
allgemeine Niedergeſchlagenheit wurde noch mehr geſteigert, als
am 10. Mai 1706 die Achterklärung des Kurfürſten Max Emanuel
öffentlich verkündet wurde. Das niederdrückende Bewußtſein, daß
ſo viele Drangſale und Leiden umſonſt erduldet, Ströme von Blut
vergebens gefloſſen waren, laſtete ſchwer auf den Gemütern.
Graf Löwenſteins erſtes Trachten war darauf gerichtet, die Kriegs⸗
völker aus dem Reich, die dem Land „den letzten Herzſtoß gegeben“,
aber mit Ausnahme der Ansbacher Grenadiere zur Niederwerfung
des Aufſtands nichts beigetragen hatten, wieder aus dem Land zu
bringen. Es gelang, aber mit vieler Mühe. Scharf griff der Admini⸗
ſtrator auch zu, um den Ausſchreitungen der Truppen ein Ende zu
machen. Auf Grund der ihm vom Kaiſer erteilten Vollmacht ernannte
er am 13. März die Hofkammerräte v. Gemmel und v. Wachtern zu
Oberkriegskommiſſären und beauftragte ſie, durch genaue Regelung
der Märſche und Quartiere die in Bayern ſtehende Miliz in ge⸗
ziemender Ordnung zu erhalten, über alle Ausſchreitungen genaue
Unterſuchungen anzuſtellen und die Schuldigen ohne Anſehen der
Perſon der Beſtrafung zuzuführen. Die beiden Räte ſcheinen ihre
Aufgabe mit großer Tatkraft durchgeführt zu haben; denn nur
ihrem ſcharfen Auftreten iſt es zuzuſchreiben, daß trotz des allge⸗
meinen Notſtands den Reichsvölkern, die im Frühjahr 1706 durch
Bayern nach Italien zogen, eine geregelte Verpflegung gereicht
werden konnte. Auch den Ausſchreitungen der Truppen haben ſie
nach Möglichkeit Einhalt getan; ganz aufgehört haben die Klagen
darüber freilich nicht. Nach hartem Kampf mit dem Hofkriegsrat
— 63 <=
erreichte Graf Löwenſtein für Bayern eine Reihe von wichtigen
Zugeſtändniſſen. Die Kriegsſteuern für das Jahr 1706 wurden auf
1 400 000 fl. ermäßigt, im Winter 1706/07 ſollte Bayern nur drei
Regimenter in die Winterquartiere aufnehmen; auch die ſo hart
empfundene Getreideſteuer wurde aufgehoben. Eine weſentliche Er⸗
leichterung für das Landvolk ergab ſich aus der Beſtimmung, daß
den einquartierten Soldaten nur noch die Hausmannskoſt und täg⸗
lich ein Groſchen gereicht werden ſollte. Auch der ärgſte Stein des
Anſtoßes, die Zwangsaushebung, wurde aus dem Wege geſchafft.
Nachdem Prinz Eugen ſchon im Oktober 1705 darauf verzichtet hatte,
verfügte der Kaiſer am 16. Februar 1706 die Wiedereinführung der
Werbung und machte den Werbeoffizieren „die ungezwungene Auf⸗
bringung der Rekruten“ zur Pflicht.
Zu den verſtändnisvollen Beſtrebungen der Adminiſtration ge⸗
ſellte ſich der lebensbejahende Sinn des bajuwariſchen Stammes,
der auch durch die ſchweren Wunden, welche der Aufſtand Land und
Volk geſchlagen hatte, nur eine vorübergehende Einbuße erlitten
hatte. Mit ererbtem Fleiß und gewohnter Zähigkeit packten die alt⸗
bayeriſchen Bauernfäuſte wieder an, entriſſen dem fruchtbaren Boden
der Heimat neue Ernten und legten ſo den Grund zu neuem be⸗
ſcheidenem Wohlſtand. Daß die Schäden der letzten Kriegsjahre ver⸗
hältnismäßig bald behoben waren, dafür zeugt das Wort Unertls:
„Die Untertanen ſind in den letzten Jahren der kaiſerlichen Be⸗
ſetzung mit Steuern und Auflagen ſo leidlich gehalten worden, daß
fie ſich eher erholt, als gelitten haben“. Und mag man auch dieſes
Urteil Unertls durch ſeine Stellung als kaiſerlicher Beamter beein⸗
flußt betrachten, ſo wird es doch durch die Tatſache bekräftigt, daß
noch während der öĩſterreichiſchen Herrſchaft und bald nach dem
Ende derſelben eine Reihe prächtiger und koſtſpieliger Kirchen⸗ und
Kloſterbauten aufgeführt wurden, deren Errichtung in einem wirt⸗
ſchaftlich erſchöpften Lande wohl kaum möglich geweſen wäre. War
es doch zum großen Teil bayeriſches Bauerngeld, mit dem die Prä⸗
laten ihre Stifte zu neuem Glanz erſtehen ließen. Und von dem
Lebenszuſchnitt in den Gegenden, die vom Aufſtand unberührt ge⸗
blieben waren, berichtet der Gerichtsſchreiber Chriſtoph Pader in
Pfatter am 24. Juli 1706 an das Rentamt Straubing. Er ſchreibt:
Die Bauernſöhne und Knechte bezeigen eine ſolche Hoffart und
Leichtfertigkeit, daß jedermann ſich darüber bei ſo bedrängten Zeiten
verwundern muß. Sie tragen Juchtenſtiefel auf veroneſiſche Form,
die Bänder ihrer Hüte ſind mit Gold und Silber durchwirkt und
ihre Hoſen von ſchwarz gefärbten Bockhäuten können nicht weit
genug ſein. Noch ärger treiben es die Bauerntöchter und Mägde.
Mit einem Kamiſol von Leinwand find fie nicht mehr zufrieden;
es muß von Atlas, Taffet oder Brokat ſein. Die Brüſtl ſind von der
5
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ſchönſten Kammerleinwand gefertigt, die Schuhe auf Rahmen ab⸗
genäht, die Abſätze mit Zinnober hochrot angeſtrichen und die Bruſt⸗
flecke mit ſilbernen Borten und Ketten verziert. Dieſe Prunkſucht
kommt von den hohen Löhnen, die bei einem Knecht 20—25, bei
einer Magd 10—15 fl. neben den kleinen Rechten betragen. Die
Not der Bauern kann alſo doch nicht überall ſo groß geweſen ſein,
wie ſie geſchildert wird.
Allmählich verblich im Volke nicht nur die Erinnerung an das
erlittene Ungemach, ſondern es erloſch auch das Andenken an jene,
welche ihre Teilnahme am Aufſtand mit dem Leben bezahlt hatten.
Als dann während des öſterreichiſchen Erbfolgekrieges Bayern aufs
neue unter den Bedrückungen der kaiſerlichen Heere zu leiden ge⸗
habt hatte, hielt man es in Wien für notwendig, das Vergangene
der Vergeſſenheit preiszugeben, um die Feindſchaft der beiden Völker
nicht aufs neue anzufachen. Die kaiſerliche Regierung bot alles
auf, um zu verhindern, daß durch Erzählungen und Schauſpiele die
üblen Erinnerungen aus den Tagen der öſterreichiſchen Herrſchaft
in Bayern fortgepflanzt werden. In dieſer Abſicht wurde ſogar nach
dem bayeriſchen Erbfolgekrieg 1778 ein Staatsvertrag mit dem
Kurfürſten Karl Theodor abgeſchloſſen. Hundert Jahre waren ſeit
den Tagen von Sendling und Aidenbach verfloſſen, als Johann
Chrijtoph Frh. v. Aretin durch feine Schrift: „Die Sſterreicher in
Bayern zu Anfang des 18. Jahrhunderts“ das Gedächtnis an den
Aufſtand wieder erweckte und die Begebenheiten des Aufſtands⸗
winters den Lebenden wieder nahe brachte. Die ſpäteren Geſchlechter
haben dann das Andenken an die Gefallenen liebevoll gepflegt und
ihnen auf den Gefilden von Aidenbach würdige Denkmäler geſetzt.
Auf ihnen könnten ebenſo gut die Worte ſtehen, die König Ludwig J.
den im ruſſiſchen Feldzug von 1812 Gebliebenen auf dem Obelisk
in München gewidmet hat:
„Auch ſie ſtarben für des Vaterlandes Befreiung“.
IV. Würdigung.
So, wie wir Nachfahren von heute das Entſtehen und den Ver⸗
lauf des Aufſtands zu überſehen vermögen, liegt es klar zu Tage,
daß das Unternehmen von Anfang an den Keim des Mißlingens
in ſich trug, und daß die Schwierigkeiten, die ſich ihm entgegen⸗
türmten, unüberwindlich geweſen find. Die Würdigung eines ge⸗
ſchichtlichen Ereigniſſes erheiſcht aber ein Eingehen in die Zeit⸗
umſtände, unter denen es ſich abſpielte und ein Einfühlen in die
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Gedankengänge der führenden Männer. Und zum Verſtändnis ihres
Handelns ijt es notwendig, zu erforſchen, wie fie die Lage betrachtet
haben, welche Grundlagen ſie für die Durchführung ihrer Pläne
gegeben glaubten, und in welchem Einklang ihre ſeeliſchen Kräfte
mit ihren Taten ſtanden.
Daß die Befreiung des Landes von der Fremdherrſchaft das ganze
Denken der Führer der Landesdefenſion erfüllt hat, das haben ſie
durch ihr Tun bewieſen. Ebenſo ſicher iſt, daß Plinganſer und ſeine
Genoſſen ernſtlich und nach beſtem gewillt waren, ihre Pläne zu
verwirklichen, und daß ſie von dem Gelingen ihres Werkes überzeugt
geweſen find. Angeſichts der allenthalben herrſchenden Erbitterung
rechneten ſie mit einer allgemeinen Volkserhebung; ſie erwarteten
einen leichten und raſchen Sieg über die im Lande ſtehenden kaiſer⸗
lichen Truppen und hofften auf eine Unterſtützung durch das mit
dem Kurfürſten verbündete Frankreich. Alle dieſe Hoffnungen haben
ſich aber ſehr bald als trügeriſch erwieſen. Es iſt nicht gelungen,
das ganze Land zum Aufſtand zu bringen, nur zwei weit von⸗
einander entfernte Gaue haben ſich daran beteiligt. Die große Mehr⸗
heit des Volkes wollte von einem Aufſtand nichts willen; in ange-
borener Gleichgültigkeit zog ſie es vor, untätig den Dingen ihren
Lauf zu laſſen. Die unbeſtreitbare Tatſache, daß ſowohl im Ober⸗
wie im Unterland die meiſten Landesverteidiger nur unter ſchweren
Drohungen zur Teilnahme gezwungen werden konnten, beweiſt das
eindringlicher als alles andere. Es war die erſte große Enttäuſchung
für die Führer, als das Volk in ſeiner Opferbereitſchaft und in
ſeiner Hingabe an die Sache der Befreiung verſagte. Sie hatten das
Beharrungsvermögen der Bauernbevölkerung und das in der All⸗
gemeinheit vorhandene Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung gründ⸗
lich unterſchätzt. Auch der Glaube an einen raſchen Sieg über die
Kaiſerlichen wurde zu Schanden. Die empfindlichen Schläge, welche
die ſchwachen, aber feſtgefügten und kriegserfahrenen Truppen de
Wendts dem ſchlecht bewaffneten Aufgebot der Landesverteidiger
verſetzt hatten, waren nicht dazu angetan, die Zuverſicht auf einen
guten Ausgang zu beleben. Und der Gedanke an eine Hilfe der
Franzoſen, der von vornherein ein Luftgebilde geweſen war, hatte
nach der Schlacht von Höchſtädt jede Bedeutung verloren. Bald
trübten ſich die Ausſichten auf einen Erfolg des Unternehmens noch
mehr. Es wollte nicht glücken, größere Geldſummen aufzutreiben
und der ſchon Ende November auftretenden Verpflegungsſchwierig⸗
keiten Herr zu werden. Es iſt undenkbar, daß dieſe bittere Wirklich⸗
keit von den Führern unbeachtet geblieben iſt, und daß ſich ihnen
nicht die Frage aufdrängte, ob ſich die Landesdefenſion auf die
Dauer zu behaupten vermöge. Aber die müheloſe Eroberung der
Innfeſtungen und die verſprochene Mitwirkung der Oberländer ließ
5*
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dieje trüben Whnungen und alle Zweifel am endgültigen Erfolg
verſtummen, den die Führer mit heißem Herzen erſehnten.
Von größter Bedeutung für das Gelingen des Aufſtands mußte
die Führerfrage werden. Das öffentliche Leben des Landes ſtand
ganz unter dem Einfluß des Adels, der Geiſtlichkeit und der Städte.
Ihre Stellungnahme war daher von größter Wichtigkeit.
Der Adel war durchaus kaiſerlich geſinnt. Die vielen, meiſt im
Genuß einer Pflege befindlichen adeligen Herren waren nach der
Ablegung des Treueides alle im Beſitz ihres Amtes und damit auch
im Genuß ihrer Einkünfte geblieben. Und da die Adminiſtration,
abgeſehen von einigen Sonderauflagen, auch das Vorrecht weit⸗
gehender Steuererleichterung nicht angetaſtet hatte, beſtand für den
Adel um ſo weniger Veranlaſſung, eine Anderung dieſer Verhält⸗
niſſe herbeizuwünſchen, als die Plünderung zahlreicher Herrenſitze
die ſozialen Hintergründe des Aufſtands nur zu deutlich gezeigt
hatte.
Die Geiſtlichkeit hat in allen ihren Gliedern dem Aufſtand be⸗
wußt entgegen gearbeitet. Die Biſchöfe waren als Reichsfürſten
Verbündete des Kaiſers und erklärten ſich ſchon aus dieſem Grunde
gegen die Bewegung. Die Auflehnung gegen die „von Gott gewollte
Obrigkeit“ mußte aber auch vom kirchlichen Standpunkt aus ver⸗
worfen werden und wurde infolgedeſſen auch mit kirchlichen Mitteln
bekämpft. Der Biſchof von Freiſing hat ſeinen Klerus angewieſen,
„ihres Orts alles dazu beizutragen, was zur Austilgung dieſes
Unweſens und höchſt ſchädlichen Komplotts gedeihlich ift“. Die Geiſt⸗
lichkeit, welcher die mit der Aufſtandsbewegung eng verbundene
ſoziale Gärung ebenfalls nicht verborgen geblieben war, handelte
genau nach den von den biſchöflichen Oberhirten ergangenen Wei⸗
ſungen. Die Prälaten der ſtändiſchen Klöſter hielten es, jahrhun⸗
dertelangem Herkommen gemäß, mit dem Kaiſer und verurteilten
die treuloſe Politik des Kurfürſten aufs ſchärfſte. „Die Herrenklöſter
haben gegen Max Emanuel nichts als Übel gewünſcht, haben über
ſein Unheil jubiliert und ihm noch Argeres vergönnt“, ſchreibt im
Auguſt 1707 ein unbekannter Briefſchreiber. Die Prälaten ver⸗
mieden daher vorſichtig alles, was irgendwie als Begünſtigung der
Aufſtändiſchen hätte gedeutet werden können. Die Leiſtungen der
im Aufſtandsgebiet gelegenen Stifte ſind keineswegs freiwillig,
ſondern unter dem Druck der Bauern erfolgt. Im Gegenſatz zur
Weltgeiſtlichkeit und zu den ſtändiſchen Klöſtern ſind die mit dem
Volk engverbundenen Franziskaner und Kapuziner mit ihrer Ge⸗
ſinnung auf Seite der Bauern geſtanden. „Die Franziskanerklöſter
haben bisher vor anderen ihre üblen Neigungen verſchiedentlich an
den Tag gegeben“, berichtet Graf Löwenſtein am 2. Auguſt 1707
nach Wien. Es darf in dieſem Zuſammenhang nicht verſchwiegen
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werden, daß viele Mitglieder der privilegierten Stände der Admi⸗
niſtration gegenüber eine aufdringliche Willfährigkeit und eine
würdeloſe Anterwürfigkeit bezeigt haben, und daß beſonders bei
vielen Herren des Adels das Gefühl der Dankbarkeit gegen den
Kurfürſten, deſſen Gnade ſie Stellung und Vermögen verdankten,
gänzlich in Vergeſſenheit geraten war. Der Kaiſer hat die von Adel
und Geiſtlichkeit bewieſene Treue auch gewürdigt und ihnen in
einem Erlaß vom 23. Februar 1706 das größte Lob für ihr Ver⸗
halten während des Aufſtands ausgeſprochen.
Aber auch der dritte gefreite Stand war den Bauern keineswegs
freundlich geſinnt. Die Kaufleute und Handwerker in den Städten
und Märkten waren von altersher gewohnt, beim Austauſch der
landwirtſchaftlichen Erzeugniſſe auf Koſten der Bauern gut zu ver⸗
dienen. Der Aufſtand, der Handel und Verkehr faſt gänzlich ſtill⸗
legte und die Kaufkraft der Bauern vernichtete, brachte den Städtern
empfindliche Einbußen und fand daher bei ihnen heftige Mißbilli⸗
gung. Es kam dazu, daß die Aufbäumung der Bauern gegen die
Staatsgewalt, die ſo heftig an den Grundſäulen der Stände rüttelte,
die lebhafteſten Beſorgniſſe erweckte und die Kluft, die den gering
geſchätzten und verachteten Bauernſtand ohnehin ſchon von den
herrſchenden Klaſſen ſchied, noch mehr erweiterte. Tatſächlich haben
die Bürger nur dort, wo ihnen unter dem Druck der Landesvertei⸗
diger keine andere Wahl blieb, gemeinſame Sache mit den Bauern
gemacht.
In einer ſchwierigen Lage befand ſich die Vertretung der drei
Stände, die dauernd verſammelte Landſchaftsverordnung. Ihre Mit⸗
glieder, in der Mehrzahl Angehörige des Adels, hielten natürlich zum
Kaiſer und ließen keine Gelegenheit vorübergehen, um die Bauern
zum Nachgeben zu bringen. Das war ſchon beim Kongreß von An⸗
zing offenkundig geworden, wo der Landſchaftskanzler v. Wämpl
ſogar durch Drohungen die Bauern einzuſchüchtern verſucht und
dadurch deren nur allzu berechtigtes Mißtrauen erweckt hatte. Als
die Landſchaftsverordnung dann ſich ihres in Anzing begangenen
Fehlers bewußt geworden war, änderte ſie ihre Taktik. Sie hielt es
nun für geraten, in ihren Abmahnungspatenten die Fürſorge für
das Wohl der Untertanen in den Vordergrund treten zu laſſen.
Dafür war ſie allerdings auch ſchon früher eingetreten; denn in
zahlreichen Denkſchriften an die Adminiſtration hat ſie auf die im
Lande herrſchenden Mißſtände hingewieſen und um Erleichterung
der Quartierlaſten, Steuernachläſſe und Abſtellung der Ausſchrei⸗
tungen gebeten. Aber man merkt dieſen Beſchwerden an, daß kein
rechter Ernſt dahinter ſteckt. Die Landſchaftsverordnung, der doch die
Vertretung des Landes oblag, mußte natürlich von Zeit zu Zeit ſich
bemerkbar machen, und ſie hat ſo nach beiden Seiten den Schein
— 70 —
ihrer Mittlerſtellung gewahrt. Bei der ganzen Lage konnte ſie
übrigens einen Erfolg ihrer Beſchwerden gar nicht erwarten. Zu⸗
dem hätte die Adminiſtration jede ernſtliche Einmiſchung in ihre
Politik zurückgewieſen und hätte nicht gezögert, die ja nur der
leichteren Steuereintreibung wegen beibehaltene Landſchaftsverord⸗
nung aufzulöſen, wenn dieſe in ſcharfen Gegenſatz zu ihr getreten
wäre.
Eine kurze Erwähnung verdient auch die Haltung der im Dienſt
verbliebenen alten bayeriſchen Beamten. Sie waren alle ausnahms⸗
los der Aufforderung, dem Kaiſer den Eid der Treue zu leiſten,
nachgekommen. Daß ſie dieſe Verpflichtung nicht als Formſache be⸗
trachteten, ſondern dem neuen Herrn auch innerlich ſich verbunden
fühlten, hat der Verlauf des Aufſtands gezeigt. Von ganz wenigen
Ausnahmen abgeſehen, ſind die Beamten in der kaiſerlichen Pflicht
verblieben und haben der Aufſtandsbewegung bewußt ihre Förde⸗
rung verſagt. Wo ſie ſich den Landesverteidigern anſchloſſen, geſchah
es unter dem Zwang der Bauern oder unter dem Einfluß von Per⸗
ſönlichkeiten, welche den Beamten die Beteiligung als eine patrio⸗
tiſche Pflicht oder als einen Wunſch des Kurfürſten darzuſtellen
wußten.
Aber mit noch einer Gruppe von Perſönlichkeiten war zu rechnen,
der beim Aufſtand eine führende Rolle zufallen konnte. Es waren
dies die zahlreichen zerſtreut im Lande wohnenden ehemaligen Offi⸗
ziere des kurbayeriſchen Heeres. Verbittert und wirtſchaftlich met
in ärmlichen Verhältniſſen lebend, wäre zu erwarten geweſen, daß
ſie ſich dem Aufſtand zur Verfügung ſtellen. Das iſt nicht geſchehen!
Bei Beginn des Aufſtands fanden ſich nur wenige Offiziere bei den
Landesverteidigern ein. Auch das Patent Plinganſers vom 23. No⸗
vember 1705, das die Offiziere zur Geſtellung aufforderte, iſt ohne
jede Wirkung geblieben. Erſt als das ſcharfe Ausſchreiben der Re⸗
gierung vom 22. Dezember ergangen war, das den Offizieren im
Falle der Weigerung mit Landesverweiſung drohte, hat ſich anfangs
Januar eine kleine Zahl zum Eintritt in die Landesdefenſions⸗
armee entſchloſſen. Der gut unterrichtete Graf Löwenſtein meldete
am 3. Januar 1706 an den Kaiſer, daß ſich bisher nur wenige von
den in Bayern lebenden Ober⸗ und Unteroffizieren und nur ſolche
von minderer Kondition dem tobenden Unweſen zugeſellt haben.
Und am 12. Januar berichtet er nach Wien: „Kein einziger recht⸗
ſchaffener Offizier hat ſich in dieſe Raſerei eingemengt; wäre dies
geſchehen, ſtünden wir gewiß nicht mehr in München“. Dieſe Mei⸗
nung macht den ehemaligen kurbayeriſchen Offizieren alle Ehre.
Ihre Zurückhaltung iſt unſchwer zu erklären; ſie dachten gering⸗
ſchätzig über das Unternehmen der Bauern, auch waren ſie infolge
ihrer beſſeren Einblicke in die politiſchen und militäriſchen Verhält⸗
z= i ee
nijje von der Ausſichtsloſigkeit des Aufſtands überzeugt. Ausſchlag⸗
gebend aber iſt geweſen, daß keine Willensmeinung des Kurfürſten
bekannt war, welche ihnen die Beteiligung nahe legte.
Nachdem ſo die durch Bildung, Beſitz und geſellſchaftliche Stellung
berufenen Führer des Volkes ſich vom Aufſtandsunternehmen fern⸗
hielten, ergab es ſich ganz von ſelbſt, daß Männer aus den unteren
Schichten ſich an die Spitze ſtellten und die Bewegung mit ihrem
Geiſte erfüllten. Es waren dies meiſt Leute, die durch ihren Beruf
als Wirte, Metzger, Viehhändler viel im Lande herumkamen, einen
großen Bekanntenkreis beſaßen und dort für den Aufſtand werben
konnten. Erſt [pater gewannen die Bauern den Haupteinfluß. Daß
es nicht gerade die geiſtige und charakterliche Ausleſe war, welche
in dieſer Schickſalsſtunde die Führung an ſich riß, wurde ſchon aus⸗
geführt. Es gibt zu denken, daß keiner dieſer Führer im Kampf ſein
Leben verlor oder Wunden davon getragen hat. Nicht imſtande, die
Zeitverhältniſſe richtig zu beurteilen, aber doch von dem Ehrgeiz
aufgeſtachelt, eine Rolle zu ſpielen, ſtanden fie den politiſchen,
militäriſchen und wirtſchaftlichen Schwierigkeiten, welche die immer
mehr ausgreifende Entwicklung des Aufſtands mit ſich brachte, bald
ratlos gegenüber. Der am 29. November an Prielmayr ergangene
Hilferuf wirft ein grelles Licht auf die Verwirrung, welche in der
Leitung eingeriſſen war.
Denn ſchon um dieſe Zeit waren Fehler und Unterlaſſungen be⸗
gangen worden, die nicht mehr gut gemacht werden konnten. Ver⸗
fehlt war es zunächſt geweſen, den Aufſtand im Spätherbſt zu ent⸗
feſſeln. Das Einrücken zahlreicher Truppen in die Winterquartiere
ſtand unmittelbar bevor und die Anſammlung kaiſerlicher Streit⸗
kräfte mußte die Ausſichten für ein Gelingen des Aufſtandsunter⸗
nehmens erheblich herabmindern. Es wäre daher beſſer geweſen, zu
warten, bis die Truppen im Frühjahr das Land wieder verlaſſen
hätten und während des Winters den Aufſtand gründlicher vorzu⸗
bereiten. Allerdings beſtanden auch Gründe für das Losſchlagen im
Herbſt. Man hoffte, die ſchwachen Beſatzungstruppen bald unſchäd⸗
lich zu machen und glaubte die augenblicklich herrſchende Erbitte⸗
rung über die Zwangsrekrutierung für die Erhebung ausnützen zu
müſſen. Ein ſchweres Verſäumnis beſtand ferner darin, daß die
Führer es nicht gewagt haben, im November mit den Kaiſerlichen
im freien Feld anzubinden; trotz der Minderwertigkeit des Bauern⸗
heeres wäre angeſichts ſeiner erdrückenden Überzahl ein wenn auch
nur vorübergehender Achtungserfolg doch wohl zu erzielen geweſen.
Jedenfalls hätte man den Verſuch dazu machen müſſen; eine de
Wendt beigebrachte Schlappe hätte ſicherlich mehr „zur Entzündung
des Rebellionsfeuers“ beigetragen, als das wochenlange Stilliegen
vor Braunau. Bitter hat es fih gerächt, daß trotz der Rührigkeit
„
Plinganſers die Rüſtungen nicht von allem Anfang an mit dem
Nachdruck betrieben worden ſind, welchen der Ernſt der Lage er⸗
forderte. Die entgegenſtehenden Hinderniſſe waren freilich ſchwer
genug, die Saumſeligkeit bei ihrer Überwindung aber mindeſtens
ebenſo groß. Die Folge davon war, daß der Zug gegen München
mit einem Heer unternommen wurde, das ſeiner Aufgabe in keiner
Beziehung gewachſen war.
Zu den ſchon begangenen Fehlern geſellten ſich bald neue. Eine
wichtige Vorausſetzung für das Gelingen des Unternehmens gegen
die Landeshauptſtadt war das Zuſammenwirken der Ober⸗ und
Anterländer. Daß es beabſichtigt war, dafür ſpricht das gleichzeitige
Eintreffen der beiden Heeresgruppen vor München. Aber in der
Stunde der Entſcheidung unterblieb jede gegenſeitige Verſtändigung
und ſo kam es, daß die Oberländer allein gegen München vorſtießen,
Hoffmann aber am 24. Dezember untätig bei Ebersberg ſtehen blieb.
Die Unfähigkeit der Heeresleitung wurde noch überboten durch die
Fehler der Bauernführer in Braunau, welche in ihrer Einſichts⸗
loſigkeit die Leitung des Kongreſſes und damit des ganzen Auf⸗
ſtandsunternehmens dem Adel und der Regierung übertrugen. Die
bisherigen Ereigniſſe hatten doch deutlich genug gezeigt, daß die
Räte die ungeeignetſten Führer der Bauernſache waren, und daß
von ihnen eine Förderung der Aufſtandsbewegung nicht erwartet
werden konnte. Die Regierung und die adeligen Herren erſtrebten
den Ausgleich mit dem Kaiſer, die Bauern verlangten die Fort⸗
ſetzung des Kampfes; eine Überbrückung dieſer Gegenſätze war un⸗
denkbar. Der Einfluß der Regierung wurde allerdings bald aus⸗
geſchaltet; aber ihr geheimer Widerſtand wirkte dennoch fort und
bildete gegen die Treibereien Plinganſers ein ſo ſtarkes Gegen⸗
gewicht, daß viele Beſchlüſſe des Kongreſſes und gerade die wich⸗
tigſten, welche die Rüſtungen betrafen, entweder gar nicht oder nur
ſtark verwäſſert zur Ausführung gelangten. Sind die bis Weih⸗
nachten begangenen Irrtümer und Fehler menſchlich begreiflich und
entſchuldbar, ſo muß an die Entſchlüſſe, welche von den Führern
in den erſten Januartagen gefaßt wurden, ein anderer Maßſtab
angelegt werden. Der um dieſe Zeit eingetretene Umſchwung der
Lage, den jedermann aus dem Volke erkannte, mußte auch den
Führern zum Bewußtſein kommen. Wenn ſie nach der Niederlage
von Sendling, nach dem Verluſt Vilshofens und angeſichts des An⸗
marſches neuer kailerlicher Heeresabteilungen noch auf eine günſtige
Waffenentſcheidung hofften, ſo beweiſt dies nicht nur ihre politiſche
und militäriſche Unfähigkeit, ſondern brandmarkt jie zu gewiſſen⸗
loſen Glücksrittern, die nicht den Mut aufbrachten, ihre Fehler ein⸗
zugeſtehen und die Partie verloren zu geben. Noch wäre um die
Jahreswende das Schlimmſte zu verhüten geweſen. Anſtatt aber
DE, EEE
die Landesverteidiger zum Auseinandergehen aufzufordern und daz
mit den Aufſtand von ſelbſt gum Erlöſchen zu bringen, haben die
Führer in unſeliger Verblendung und krankhaftem Starrſinn an
dem Gedanken, den Kampf fortzuſetzen, feſtgehalten, bis er auf den
Höhen von Aidenbach im Blute vieler Tauſender erſtickte.
Der politiſche Gegenſpieler des Aufſtands iſt Graf Löwenſtein
geweſen. Da ſein Wirken als kaiſerlicher Statthalter vielfach ab⸗
fällige Beurteilung erfahren hat, ſei dasſelbe mit wenigen Worten
gewürdigt. Es mag für den Kaiſer Leopold nicht ganz leicht geweſen
ſein, einen Mann zu finden, der die Gewähr bot, die ſchwierigen
Verhältniſſe in Bayern zu ordnen und dort mit Ruhe und feſter
Hand die Belange des Kaiſers zu ſichern. Die auf den Grafen Löwen⸗
ſtein gefallene Wahl hätte keine beſſere ſein können. Graf Löwen⸗
ſtein vereinte ſtaatsmänniſche Klugheit und Weitblick mit Welt-
und Lebenserfahrung und hatte ſich bisher in allen ſeinen Dienſt⸗
ſtellungen wohl bewährt. Und er hat auch das Vertrauen ſeines
Kaiſers voll gerechtfertigt. Die Richtſchnur feines Handelns bildete
die vom Prinzen Eugen entworfene und vom Kaiſer genehmigte
Dienſtanweiſung, die eine möglichſte Schonung Bayerns vorſah. Da
man ſich, wie bereits erwähnt, in Wien mit dem Gedanken trug,
Bayern beim Friedensſchluß mit den kaiſerlichen Erblanden zu ver⸗
einigen, ſollte Bayern möglichſt geſchont werden, ſoweit die For⸗
derungen des Krieges dies irgendwie zuließen. Dieſe Abſicht deckte
ſich mit dem eigenen menſchlichen Empfinden des Grafen Löwen⸗
ſtein, der es freilich nicht abwenden konnte, daß Bayern in den
erſten Jahren der Beſetzung alle Leiden eines eroberten Landes
auszukoſten hatte. Um ſo eifriger machte ſich Graf Löwenſtein daran,
das Land wieder wirtſchaftlich zu kräftigen, und wenn Bayern ſich
von den Kriegsſchäden in verhältnismäßig kurzer Zeit erholt hat,
jo darf dies zum guten Teil der zielbewußten Tätigkeit des Statt⸗
halters zugeſchrieben werden. Einige Geſchichtsſchreiber haben dem
Adminiſtrator vorgeworfen, er ſei gegen die Führer des Aufſtands
mit übergroßer Strenge verfahren. Sein Verhalten war aber durch
das Mandat des Kaiſers vom 27. Januar 1706 beſtimmt. Wenn
dasſelbe den Anſtiftern und Führern zwar die verdiente Lebens⸗
ſtrafe nachſah, aber gegen den einen und andern „eine gelindere
Ahndung“ vorbehielt, ſo war das vom kaiſerlichen Standpunkt aus
nicht nur verſtändlich, ſondern auch politiſch notwendig. Hielt doch
in einigen Gegenden die Gärung im Volke an, und nur durch ſtrenge
Strafen, die als abſchreckendes Beiſpiel wirken ſollten, konnte einer
Erneuerung des Aufſtandes vorgebeugt werden. Auch die Wahrung
des kaiſerlichen Anſehens verlangte ein kräftiges Einſchreiten, „da⸗
mit nicht“, wie Graf Löwenſtein am 29. Januar 1706 an den Kaiſer
ſchreibt, „die Gemüter auf den Gedanken verfallen, als täte man
= TA
jie etwa noch fürchten und ihren Frevel ungeſtraft dahingehen
laſſen“. Des Eindrucks freilich kann man ſich nicht erwehren, daß
bei der Abrechnung die „Herren“ mit anderem Maße gemeſſen wur⸗
den, wie die kleinen Leute aus dem Volk. Graf Löwenſtein hatte
ſchon frühzeitig erkannt, daß der Aufſtand einmal mit Waffen⸗
gewalt unterdrückt werden müſſe und er hat auch die daraus für das
Land entſtehenden Folgen vorausgeſehen. In ſeinem Pflichtbewußt⸗
ſein hat er nichts unterlaſſen, um dem Volk dieſe Prüfung zu er⸗
ſparen und man darf wohl als gewiß annehmen, daß die wieder⸗
holten Abmahnungspatente der Landſchaftsverordnung auf ſeine
Anregung hin ausgegeben worden ſind. Wenn man den Admini⸗
ſtrator auch für die Ausſchreitungen der Truppen verantwortlich
machen will, ſo geſchieht dies durchaus zu Unrecht. Sie fallen nicht
ihm zur Laſt, ſondern der Habgier der kaiſerlichen Generale und
dem rohen und unmenſchlichen Geiſt, der die Kriegführung der da⸗
maligen Zeit beherrſcht hat. Zuſammenfaſſend darf geſagt werden,
daß Graf Löwenſtein fein Amt mit Wohlwollen und Gewiſſenhaftig⸗
keit verſehen hat, und daß Bayern unter ihm im ganzen beſſer ver⸗
waltet worden iſt als unter ſeinem eigenen Landesherrn.
Bald nachdem Aretin die erwähnte Schrift herausgegeben hatte,
begann die romantiſche Geſchichtsſchreibung dem Aufſtand ihre Auf⸗
merkſamkeit zuzuwenden. Sie umrankte ihn mit einem üppigen Ge⸗
ſtrüpp von Legenden und Erzählungen, welche allmählich die ge⸗
ſchichtliche Wahrheit entſtellten, ja ganz zu verdunkeln drohten. Die
führenden Männer wurden mit dem Kranz der Anſterblichkeit ge-
ſchmückt, die Bauern als Vorbilder bayeriſcher Tapferkeit gepriejen;
die Schuld am unglücklichen Ausgang des Aufſtands wurde auf
Verräter abgewälzt und die ganze Bewegung mit dem Loſungs⸗
wort: „Lieber bayriſch ſterben, als in des Kaiſers Unfug verderben“
verklärt. Die Forſchungen der neueren Zeit haben die Unrichtigkeit
dieſer Auffaſſungen dargetan. Der Wille zu einer großen Tat iſt
bei den Führern wohl vorhanden geweſen, aber ihre geiſtigen und
ſittlichen Kräfte haben nicht genügt, um ihren Plänen zum Erfolg
zu verhelfen, und der ihnen zugeſprochene Ruhm verblaßt bei nüch⸗
terner Wertung ihrer Taten. Die Darſtellung der Ereigniſſe hat
ferner erwieſen, daß ſich die Bauern nichtsweniger als tapfer be⸗
nommen haben. In dumpfer Verzweiflung haben ſie ſich überall
abſchlachten laſſen, ohne auch nur den Verſuch zur Gegenwehr zu
wagen. Die geringen Verluſte der Kaiſerlichen bei den zahlreichen
Zuſammenſtößen, beſonders aber bei Aidenbach, ſprechen eine deut⸗
liche Sprache.
In menſchlicher Schwäche und Eitelkeit liegt es begründet, eigene
Fehler und Unvermögenheit zu entſchuldigen und zu bemänteln und
Mißerfolge im Leben anderen aufzubürden. Im Leben der Völker
un WR es
ijt es nicht anders. Beſonders Niederlagen auf dem Schlachtfeld
werden oft nicht dem Mangel eigener Tüchtigkeit, ſondern dem Ver⸗
rat zugeſchrieben. Auch den Zuſammenbruch der Aufſtandsbewegung
hat man einem Verräter in die Schuhe geſchoben. Plinganſer be⸗
richtet, daß der Gerichtsſchreiber Johann Paul Wallner von Reichen⸗
berg die Heeresabteilung Kriechbaums auf dem kürzeſten Wege nach
Aidenbach geführt und das Bauernlager ausgekundſchaftet haben
ſoll. Einen Beweis für ſeine Behauptung bringt er nicht; er weiß
nur, „daß die gemeine Rede darüber ging“. Nun liegt ein Bericht
Wallners an die Regierung vom 21. Dezember 1705 vor, in dem er
ſchreibt: „Heute wurde ich von den Bauern unmenſchlich traktiert
und habe mich in der Nacht auf die Flucht begeben, ohne Wiſſen,
wohin mich die göttliche Vorſichtigkeit führen werde“. Da er ſeines
Lebens nicht mehr ſicher war, wird er, vielleicht in der Freyung
eines Kloſters verborgen, die Wiederkehr ruhigerer Zeiten abge⸗
wartet haben, er war alſo gar nicht in Pfarrkirchen, als Kriech⸗
baum am 7. Januar dort einrückte. Erſt am 26. Januar 1706 hat
Wallner die Weiſung der Regierung erhalten, ſich wieder zu ſeinem
Amt zu begeben. Die gegen ihn erhobene Anſchuldigung iſt alſo
grundlos. Kriechbaum war übrigens durch ſeine Huſaren über die
Bewegungen des Bauernheeres genau unterrichtet und brauchte
keinen Führer, um den Weg nach Aidenbach zu finden.
über den berühmt gewordenen Kampfruf berichtet zum erſten⸗
male ein kaiſerlicher Offizier in einem Brief vom 15. Januar 1706.
Darnach hatten die Rebellen auf ihren Fahnen die Inſchrift ange⸗
bracht: „Wir wollen lieber bayeriſch ſterben, als in des Kaiſers
Unfug verderben“. Aretin hat dieſen Brief in ſeiner Schrift ver⸗
öffentlicht und ſeitdem iſt der Spruch in alle Darſtellungen des
Aufſtands übergegangen und als Ausdruck der im Volke herrſchen⸗
den Stimmung betrachtet worden. Plinganſer, der Hauptzeuge des
Aufſtands, erwähnt ihn in ſeiner Denkſchrift nicht; er hätte das
ſicher getan, wenn er ihn gekannt hätte. Auch in den Akten findet
ſich keine Spur dafür, daß der Spruch bekannt oder gar verbreitet
geweſen wäre. Als Fahneninſchrift hat er wegen ſeiner Länge kaum
gedient; die aus der damaligen Zeit überlieferten Fahneninſchriften
ſind kurz. Auf einem Feldzeichen Max Emanuels ſtehen z. B. die
Worte: „coronari aut rumpi“! (König ſein oder zerſchmettert wer⸗
den); auf einem anderen: „nec sanguine satior“! (ſelbſt Blut ſtillt
meinen Durſt nicht). Den Oberkändern wurden bei Sendling vier
mit dem bayeriſchen Wappen geſchmückte Fahnen abgenommen.
Eine von ihnen zeigte auch das Bild der Mutter Gottes und dar⸗
unter die Worte: „Zu dir hoffen wür“. Auf der andern Seite war
zu leſen: „Kurbayeriſche Oberlandesdefenſion“. Die Bauern im
Unterland führten überhaupt keine Fahnen; wenigſtens iſt nichts
davon überliefert. Der Kampfſpruch ijt aljo wohl geſchichtlich be⸗
glaubigt; dagegen erſcheint es ſehr fraglich, ob er wirklich und all⸗
gemein im Gebrauch war, und ob er die zündende Wirkung auf die
breite Maſſe ausgelöſt hat, die ihm zugeſchrieben wird. Der Zwang,
mit dem die Bauern „zum Mitgehen“ genötigt wurden, würde da⸗
gegen ſprechen.
Faſt alle Geſchichtsſchreiber haben die beim Aufſtand ſo ſtark mit⸗
ſchwingende Unzufriedenheit mit den ſozialen Verhältniſſen ver⸗
ſchwiegen und als einen der Hauptgründe der Aufſtandsbewegung
die Geſinnung der Treue zu dem angeſtammten Fürſtenhaus be⸗
zeichnet. Auch dieſe Auffaſſung trifft nicht zu. Wohl hatten die Siege
des Kurfürſten Max Emanuel bei Wien, Mohacz und Belgrad dem
Volke geſchmeichelt. Aber dieſe Erinnerungen waren längſt ver⸗
blichen. Durch ſeinen jahrelangen Aufenthalt im Ausland, durch
feine ſinnloſe Verſchwendung und feinen unſittlichen Lebenswandel
hatte ſich Max Emanuel die Zuneigung und das Vertrauen des
Volkes vollſtändig verſcherzt, ja durch die offen und wiederholt ge⸗
äußerte Abneigung gegen ſein Stammland ſich geradzu verhaßt ge⸗
macht. Schon im März 1701 hatte der geheime Rat in München den
Kurfürſten gebeten, nach Bayern zurückzukehren, weil das Land die
für die Brüſſeler Hofhaltung benötigten Summen nicht mehr auf⸗
zubringen vermöge. Nur durch ſeine Rückkehr könne der Kurfürſt
„die ſchon ziemlich gewichene Liebe wieder hereinbringen, an deren
Stelle einmal der Fluch von den ſchwierigen Gemütern ein Unheil
nach ſich ziehen dürfte“. Wenn ſchon gegen den Kurfürſten perſön⸗
lich eine ſolche Sprache geführt wurde, dann muß die Erbitterung
gegen den Landesherrn ſchon damals groß und weit verbreitet ge⸗
weſen ſein. Und dieſe Stimmung war in den letzten Jahren nicht
beſſer geworden. Der Adminiſtrator, dem man eine genaue Kennt:
nis der Verhältniſſe in Bayern wohl zutrauen kann, hat in ſeinen
vielen Meldungen und Denkſchriften die Anhänglichkeit des Volkes
gegen Max Emanuel nie erwähnt; beſonders aber muß auffallen,
daß er in den Berichten über die Gründe und Urſachen des Auf⸗
ſtands die Perſon des Kurfürſten mit vollkommenem Schweigen
übergeht. So ſchreibt er am 16. November 1705 an den Kaiſer: „Die
Bauern find durch die Erzwingung der Rekruten, die Exzeſſe der
Miliz und die übermäßigen Kontributionen zum Aufruhr veran⸗
laßt worden“. Und in einem Lagebericht an den Prinzen Eugen
vom 3. Dezember 1705 werden dieſelben Urjaden angeführt. Auch
in dem Bericht der Regierung von Burghauſen an die Admini⸗
ſtration vom 15. Januar 1706 heißt es ausdrücklich: „Durch nichts
anderes als durch die Drangſale und Preſſuren und unbeſchreib—
lichen Exzeſſe ſind die bis aufs Blut ausgemergelten Untertanen
zu dieſer Extremität veranlaßt worden“. Und wie das Volk wirklich
we 77 e
dachte, das meldete Graf Tattenbad am 2. Juni 1706 an die Admi⸗
niſtration: „Die Bauern haben ſich des Kurfürſten entſchlagen; ſie
ſagen: Was Kurfürſt? Er hat uns verlaſſen und wir wollen ihn
verlaſſen!“
Nun hat Graf Löwenſtein am 9. Auguſt 1706 nach Abſchluß der
Unterſuchung in Burghauſen an den Kaiſer berichtet, „daß dieſer
Bauernaufſtand von der ungemeinen Liebe des Landvolks vor ihre
geweſte Herrſchaft und daneben imprimierten großen Haß und Aver⸗
ſion jetziger Landsinhabung den Urſprung genommen hat“. Dieſe
Anderung in der Auffaſſung über die Gründe des Aufſtands er⸗
ſcheint um ſo verwunderlicher, als gerade die Ausſagen der Gefan⸗
genen in Burghauſen, die allen Ständen angehörten, keinerlei An⸗
haltspunkte für einen dynaſtiſchen Einſchlag der Erhebung gegeben
hatten. Es müſſen alſo andere Erwägungen geweſen ſein, welche
den Grafen Löwenſtein veranlaßten, die Gefühle der Anhänglichkeit
für das Herrſcherhaus in den Vordergrund zu rücken. Sie ſind leicht
zu erkennen. Die Beſchwerdeſchrift des Kongreſſes von Braunau
an den Reichskonvent hatte die rohe Vergewaltigung Bayerns
ſchonungslos aufgedeckt und die Maßnahmen der Adminiſtration
waren überall aufs ſchärfſte verurteilt worden. Und als nach der
Achterklärung des Kurfürſten gar damit gerechnet werden mußte,
daß der Kaiſer Bayern ſeinen Erbſtaaten einverleibe, da erregten
ſolche Pläne im ganzen Reich lebhafte Beunruhigung. Die Reichs⸗
ſtände befürchteten mit dieſer Machterweiterung üble Folgen für
ihre eigene Unabhängigkeit, deren Einſchränkung ſie ſich mit allen
Mitteln zu widerſetzen gedachten. Dem Kaiſer, der mitten im Ent⸗
ſcheidungskampf gegen Frankreich ſtand, und der dazu die Hilfe der
Reichsſtände dringend benötigte, mußten alle im Inneren des
Reiches auftretenden Schwierigkeiten höchſt unerwünſcht ſein, und
es lag nahe, die Bedeutung der in Bayern beſtehenden Mißſtände,
für welche die Adminiſtration verantwortlich gemacht wurde, mög⸗
lichſt abzuſchwächen und andere Urſachen für den Aufſtand hervor⸗
zuheben. Wenn Graf Löwenſtein die Liebe des Landvolks für den
Kurfürſten als die Haupttriebfeder für den Aufſtand bezeichnet hat,
ſo widerſpricht dies nicht nur ſeiner früheren Beurteilung, ſondern
auch der einwandfrei erwieſenen Wirklichkeit. Hat doch der ganze
Verlauf der Aufſtandsbewegung gezeigt, daß Rückſichten auf den
Kurfürſten, wenigſtens im Unterland, nicht im Spiele waren.
Es iſt die Frage viel erörtert worden, ob der Kurfürſt von dem
Aufſtand gewußt hat und, wenn ja, ob er ihn gebilligt und unter⸗
ſtützt hat. Die Antwort gibt zunächſt Max Emanuel ſelbſt in zwei
Briefen an ſeine Gemahlin. Am 1. Januar 1706 ſchreibt er: „Der
Bauernaufſtand in Bayern gewinnt, ſo viel ſich aus den Zeitungen
und neueſten Nachrichten erſehen läßt, denn andere Kunde habe ich
geg A 2
nicht, täglich an Bedeutung“. Und am 15. Januar: „Ich kann Ihnen
aufrichtig erklären, daß ich niemals etwas von der Erhebung wußte,
noch in irgend einer Verbindung damit ſtand; ich kenne nicht ein⸗
mal die Häupter des Aufſtands und wer das Ganze angeſtiftet hat.
Von ihrer Seite iſt auch nichts an mich gekommen und alles, was
ich davon weiß, weiß ich nur aus holländiſchen Zeitungen und aus
einigen zufälligen Briefen, die an jemand von meinem Hofe ge⸗
ſchrieben worden ſind. Ich habe dieſen Handel immer als einen
unſicheren betrachtet“. Die Wahrheit dieſer Verſicherung wird noch
durch andere Beweiſe erhärtet. Auch die Adminiſtration war davon
überzeugt, daß der Kurfürſt am Aufſtand unbeteiligt geweſen iſt.
„Man hat es“, berichtet ſie am 14. Januar 1706 an den Prinzen
Eugen, „bisher ſattſam abgenommen, daß der Kurfürſt dieſe Re⸗
bellion nicht zu hegen oder zu unterſtützen geſucht hat, weil die ab⸗
gedankten Offiziere ſich nicht darein mengen wollen“. Dieſem Schluß
kommt eine ganz beſondere Beweiskraft zu. Denn die ehemaligen
kurbayeriſchen Offiziere hätten ſich ohne Zweifel der Landesdefen⸗
ſion zur Verfügung geſtellt, wenn ihnen bekannt geweſen wäre, daß
der Kurfürſt die Erhebung begünſtige. Als einige Offiziere ſich bei
Oberſt d'Ocfort nach dem Stand der Dinge erkundigten und ihn
fragten, ob ſie Dienſt bei den Bauern nehmen ſollten, riet er ihnen
ab, „weil kein Befehl des Kurfürſten da ſei, und weil ſie von den
Bauern wenig Ehre und ſchlechten Dank zu gewärtigen hätten“.
Auch Plinganſer äußert in ſeiner Denkſchrift an den Kurfürſten
Zweifel, ob dieſer mit dem Unternehmen einverſtanden war. Die
wichtige Tatſache, daß Plinganſer mit dem Kurfürſten keine Ver⸗
bindung aufgenommen hat, wurde ſchon erwähnt. Es kann alſo
wohl mit Beſtimmtheit angenommen werden, daß eine Einmiſchung
des Kurfürſten in den Aufſtand nicht ſtattgefunden hat.
Die Frage über die fittlide Berechtigung des Aufſtands liegt
außerhalb jeder Erörterung. Streben nach Freiheit, Widerſtand
gegen eine aufgezwungene Fremdherrſchaft, Abwehr gegen Miß⸗
handlungen durch die Staatsgewalt und Auflehnung gegen unge⸗
ſunde ſoziale Verhältniſſe ſind ſittliche in den Tiefen der Menſchen⸗
ſeele ruhende Triebkräfte, die zum Kampf herausfordern, ſolange
Menſchen und Völker ihre Ehre und ihre Freiheit höher ſchätzen
als ein würdeloſes Leben in Schande und Knechtſchaft. And dieſe
Gründe ſind es auch geweſen, welche den Bauernaufſtand vom
Jahre 1705 im bayeriſchen Unterland entfacht haben. Das Urteil
der Geſchichte hat den Aufſtand ebenſo als ſittlich berechtigt aner⸗
kannte wie den Freiheitskampf der Spanier gegen Napoleon und
die Erhebung der Tiroler im Jahre 1809. Das Schickſal hat gegen
die Bauern entſchieden. Nach menſchlicher Vorausſicht wäre ein Er⸗
folg auch ohne die ſtarken Schatten, die auf dem Unternehmen lagen,
— 79 —
nicht zu erwarten geweſen. Die Teilnahmslofigfeit der breiten Maſſe
lähmte die von den Führern entfalteten Schwingen, der tief im
Stammescharakter wurzelnde Mangel an Unternehmungsgeiſt und
Selbſttätigkeit und die Uneinigkeit unter den Bauern ſelbſt waren
ſchlechte Bundesgenoſſen in einem Kampf, der mit einem geradezu
kindlichen Vertrauen auf die gerechte Sache allein nicht durchge⸗
fochten werden konnte. Auch fehlte dem Volke nicht nur jede poli⸗
tiſche Erkenntnis und Geſchloſſenheit, ſondern auch der unerſchütter⸗
liche Wille zur Erreichung des Endziels, Mängel, die ſchwerer zu
werten find, als das Fehlen einer klaren Führung und einer feſten
Organiſation.
Über der Erhebung des Unterlands aber leuchtet der helle Schein
der Tat. Und diefe Tat ift es, die den Arhebern des Aufſtands die
Anteilnahme der ſpäteren Geſchlechter ſichert.
— 80 —
Verzeichnis der benützten Quellen.
Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, 7. Band.
Europäiſche Fama, 1. und 2. Band.
Theatrum Europaeym, 17. Band.
Vehſe, Geſchichte der deutſchen Höfe, 23. Band.
Riezler, Sigmund, Geſchichte Baierns, 7. und 8. Band.
Schäffler, Dr. Auguſt, Die oberbayeriſche Landeserhebung im
Jahre 1705.
Heigel, Karl Theodor, Quellen und Abhandlungen zur neueren
Geſchichte Bayerns.
Lamprecht, Joh. Ev., Hiſtoriſch⸗topographiſche und ſtatiſtiſche
Beſchreibung der k. k. Landesfürſtl. Gränzſtadt Schärding a. Inn.
Das Bayerland. Illuſtrierte Halbmonatsſchrift für Bayerns Land
und Volk.
Buchner, Andreas, Bayeriſche Geſchichte, 9. Band.
Verhandlungen des Hiſtoriſchen Vereins für Niederbayern Band 8,
9, 20, 22, 24, 25 und 41.
Oberbayeriſches Archiv, Band 17.
Sepp, Joh. Nep., Der bayeriſche Bauernkrieg mit den Schlachten
von Sendling und Aidenbach.
Wallmenich, Karl v., Der Oberländer Aufſtand 1705 und die
Sendlinger Schlacht.
Meindl, Konrad, Geſchichte der Stadt Braunau.
Meichelböck, Historia Frisingensis.
Eberl, J. W., Geſchichte der Stadt Dingolfing.
Altbayeriſche Monatsſchrift, Jahrgang 1, 1899.
Maier, Markus, Denkwürdige Kriegsereigniſſe im k. b. Land⸗
gericht Eggenfelden.
Hormayr, Taſchenbuch für vaterländiſche Geſchichte, 6. Jahrgang
Scharrer, Franz, Chronik der Stadt Vilshofen.
Abhandlungen der K. B. Akademie der Wiſſenſchaften, 26. und
29. Band.
Pamler, Joſeph, Die Schlacht bei Aidenbach.
Geschäftsbericht
für das Bereiusjahe 1936.
Die Fortführung alter durch Jahrzehnte hindurch gepflegter Auf⸗
gaben und die Inangriffnahme neuer dem Geiſt der Zeit entſpre⸗
chender Ziele brachte im abgelaufenen Vereinsjahr eine reiche Fülle
von Arbeit, über welche der geſchäftsführende Vorſitzer in der Jahres⸗
hauptverſammlung am 14. Januar 1937 Bericht erſtattet hat.
Die erſte Sorge galt der Vereinszeitſchrift. Da im Jahre 1935
kein Band der „Verhandlungen“ erſchienen war, ergab ſich die Not⸗
wendigkeit, dieſe Lücke zu ſchließen und im Jahre 1936 zwei Bände
herauszugeben. Der Verein war ſich wohl bewußt, daß die Ein⸗
zahlung zweier Jahresbeiträge in einem Jahr eine unerfreuliche
Belaſtung für die Mitglieder mit ſich bringt. Er hoffte aber, daß
ſie in ihrer dem Verein immer bewieſenen Treue nicht wankend
werden und er hat ſich in dieſer Zuverſicht nicht getäuſcht. Die durch
Tod, Wegzug oder Austritt erfolgte Einbuße an Migliedern hat
den gewöhnlichen Durchſchnitt nur um weniges überſchritten und es
iſt gelungen, durch eine Werbung in der Stadt Landshut dieſe Ver⸗
luſte ſo ziemlich wieder auszugleichen. Richt aber konnte der Aus⸗
tritt einer beträchtlichen Zahl von Landgemeinden wettgemacht
werden, die im Hinblick auf ihre wirtſchaftliche Lage glaubten, den
Beitrag für den Verein nicht mehr tragen zu können. Der Verein
hat das Ausſcheiden dieſer Mitglieder mit beſonderem Bedauern
zur Kenntnis nehmen müſſen.
Eine bedeutungsvolle Aufgabe erwuchs dem Verein aus 5 der Be⸗
treuung des Stadt⸗ und Kreismuſeums. Nicht nur das Beſtreben,
der Stadt Landshut, die in dem Stadt⸗ und Kreismuſeum einen ſo
wertvollen kulturellen Mittelpunkt geſchaffen hat, eine Dankes⸗
Fſchuld abzutragen, ſondern noch mehr die Erkenntnis der Verpflich⸗
tung, die Schätze des Muſeums der Allgemeinheit bekannt zu machen,
brachte es mit ſich, das Muſeum durch Führungen den weiteſten
Kreiſen zu erſchließen. Die Mitglieder des Ausſchuſſes haben ſich
gerne in den Dienſt dieſer Sache geſtellt. Im Frühjahr 1936 wurden
21, im Herbſt 11 Führungen durch die Sammlungen veranſtaltet.
Die Anteilnahme, anfangs erfreulich ſtark, flaute im Laufe der Zeit
ab; immerhin konnten in den insgeſamt 32 Führungen 1095 Be⸗
ſucher, alſo im Durchſchnitt 34 Perſonen geführt werden. Angeſichts
der Tatſache, daß nach Übereinſtimmung der Fachleute die Stadt
Landshut das ſchönſte Provinzmuſeum Süddeutſchlands beſitzt, mag
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— 82 —
dieſe Zahl freilich gering erſcheinen. Nicht verſchwiegen werden ſoll,
daß der Beſuch des Muſeums durch Schulen weit hinter den gehegten
Erwartungen zurückgeblieben iſt. Die Führungen erfolgten jeweils
nur durch eine oder zwei Abteilungen; es lag dabei die Abſicht zu
Grunde, die Beſucher eingehender mit dem Zweck und Sinn und
dem künſtleriſchen Wert einzelner Gegenſtände vertraut zu machen
und damit die Bedeutung des alten Kulturguts auch für unſere Zeit
hervorzuheben. Die Aufmerkſamkeit, mit der die Beſucher die Füh⸗
rungsvorträge entgegennahmen, und die laute Anerkennung, welche
die vortragenden Herren gefunden haben, läßt darauf ſchließen, daß
das Ziel erreicht wurde, und daß der Verein mit der Art der Füh⸗
rungen auf dem richtigen Wege iſt; die nun bewährte Bahn ſoll
auch weiterhin beſchritten werden.
Der herkömmliche Ausflug des Vereins führte am 28. Juni 1936
37 Teilnehmer im Kraftwagen in die Ferne. Die Fahrt galt haupt⸗
ſächlich einer Beſichtigung der weit verſtreuten Kunſtwerke unſeres
rühmlich bekannten einheimiſchen Bildhauers Chriſtian Jorhan.
Sie berührte Maria Talheim, Altenerding, Hörgersdorf, Iſen, St.
Wolfgang, Schwindegg und Buchbach. Überall bot ſich durch Führung
und Betrachtung eine Fülle köſtlicher Genüſſe für Geiſt und Gemüt.
Die Wanderfahrt iſt ein Feſttag im beſten Sinne des Wortes ge⸗
weſen.
Im Oktober 1936 beginnend trat der Verein mit ſeinen monat⸗
lichen Wintervorträgen vor die Offentlichkeit. Gegenüber der bis⸗
herigen Gepflogenheit, den Gegenſtand der Vorträge den Vortragen⸗
den zu überlaſſen, wurde der Verſuch unternommen, ſämtliche Ver⸗
anſtaltungen zu einem Ganzen zuſammenzufaſſen. Als leitender
Gedanke war ausgegeben das Zeitalter des Rokoko. Es behandelten
in dieſem Rahmen
am 15. 10. 36 Studienrat Dr. Rudolf Bauer den Geiſt des Rokoko;
am 12. 11. 36 Studienprofeſſer Geiger die Politik des Rokokozeit⸗
alters;
am 17.12.36 Oberbaurat Simon die Baukunſt des Rokokozeit⸗
alters mit Lichtbildern; f
am 21. 1. 37 Studienprofeſſor Renner die Malerei im 18. Jahr⸗
hundert mit Lichtbildern;
am 25. 2. 37 Profeſſor Dr. Lill, Direktor des Landesamts für
Denkmalspflege in München, die Aufgaben der
Plaſtik im Rokokozeitalter mit Lichtbildern;
am 18. 3. 37 Studienrat Dr. Hornung die Dichtung in der Um:
welt des Rokoko.
Die Vorträge waren gut beſucht; merkwürdigerweiſe ſind dabei
die Mitglieder gegenüber den Nichtmitgliedern immer erheblich in
der Minderzahl geweſen. Durch Vorführung von Lichtbildern und
Darbietungen zeitgenöſſiſcher Muſik haben die Vorträge eine will-
kommene Ausſchmückung und Ergänzung erfahren. Den Herren
Rednern und allen, welche durch ihre muſikaliſche Mitwirkung ſo
viel zur Verſchönerung der Vortragsabende beitrugen, ſei hier noch⸗
mals aufs beſte gedankt.
Die mehrfach ſich bietenden Gelegenheiten, das Augenmerk wei⸗
terer Kreiſe auf den Verein zu lenken, wurden immer ausgenützt.
Zur Deutſchen Städteausſtellung in Berlin ſtellte der Verein das
Sandtnermodell der Stadt Landshut zur Verfügung. Die Aus⸗
ſtellung: „Das Pferd in der Kunſt“ in München wurde mit dem
Modell der Hufſchmiede beſchickt. Zur Ausgeſtaltung der keramiſchen
Ausſtellung in Paſſau ſteuerte der Verein 40 Stück Keramiken bei
und bei der Löffelausſtellung des märkiſchen Muſeums in Berlin
war er mit einem Löffel aus dem Jahre 1659 vertreten.
Die Bücherei hatte ſich im Berichtsjahre ſteigenden Zuſpruchs zu
erfreuen und konnte durch Beſchaffung einer Reihe von wertvollen
Neuerſcheinungen bereichert werden. Ein von Herrn Inſpektor a. D.
Otto Rothenfelder erſtelltes handſchriftliches Regiſter, welches die
Verhandlungsbände 27 mit 60 umfaßt, wird ſich als ein willkom⸗
menes Hilfsmittel bei der Benützung der Vereinszeitſchrift erweiſen.
Der Zeitſchriftenſaal, der die Veröffentlichungen der 115 gelehrten
Körperſchaften und Geſchichtsvereine enthält, mit denen der Verein
im Tauſchverkehr ſteht, wurde vollſtändig neu geordnet.
Der Schriftverkehr hat durch die Beantwortung der an den Verein
gerichteten Anfragen eine erhebliche Erweiterung erfahren.
Die Vereinsangelegenheiten wurden vom Ausſchuß in 14 Beſpre⸗
chungen eingehend beraten; bei allen Ausſprachen trat die verſtänd⸗
nisvolle Zuſammenarbeit zum Wohl des Vereins hervor.
Baumann.
6*
ze- BA
Neuzugänge in der Bücherei.
Der Hiſtoriſche Verein hat es ſchon ſeit langem als dringend
wünſchenswert erkannt, ſeinen Mitgliedern Kenntnis von den Neu⸗
zugängen in der Vereinsbücherei zu geben. So lange dieſe nur von
wenigen Leſern benützt wurde, trat dieſe Notwendigkeit weniger
hervor. Nun hat ſich aber ſeit zwei Jahren die Zahl der Bücherei⸗
benützer ganz erheblich gemehrt und der Mangel eines Bücherver⸗
zeichniſſes macht ſich, beſonders für die auswärtigen Mitglieder
immer mehr fühlbar.
Leider geſtattet die wirtſchaftliche Lage des Vereins noch nicht
den Neudruck des zum letzten Male 1917 gedruckten und jetzt voll⸗
ſtändig veralteten Bücherverzeichniſſes. Um aber den Anregungen
unſerer Mitglieder nachzukommen, wenigſtens die letzten Neu⸗
erwerbungen zu erfahren, wurden dieſe in nachſtehendem Verzeich⸗
nis zuſammengeſtellt. Es konnten darin natürlich nicht alle ſeit 1917
zugegangenen Werke aufgenommen werden. Beſondere Berückſichti⸗
gung hat das heimat⸗ und volkskundliche Schrifttum Niederbayerns
gefunden. Alles, was für die Bücherei erworben wurde, iſt auf⸗
geführt. Auch die kunſt⸗ und kulturgeſchichtlichen Werke ſind faſt
alle verzeichnet.
Der Bücherwart hofft, durch die Bekanntgabe der wichtigſten Neu⸗
erwerbungen dazu beizutragen, den Leſerkreis immer mehr zu er⸗
weitern und wäre ſehr erfreut, wenn die Vereinsmitglieder die
ſchöne Bücherei recht fleißig benützen würden.
Baumann.
Aich, Geſchichte des Dekanats Mainburg, 1935. Nr. 2668.
Arco, Graf von, Aus fünf Jahren Feſtungshaft, 1925. Nr. 3287.
Aretin von, Das bayeriſche Problem, 1924. Nr. 898.
Bachmann, Die Verbreitung der flawiſchen Siedelungen in Nord-
bayern, 1925. Nr. 888.
Bayern, Die, im großen Kriege, 1923. Nr. 3236.
Behaghel, Geſchichte der deutſchen Sprache, 1916. Nr. 3149.
Berling, Altes Zinn, 1920. Nr. 2670.
Bezzel, Studien zur Geſchichte Bayerns in den Befreiungskriegen,
1926. Nr. 3501.
Birkner, Ur⸗ und Vorzeit Bayerns, 1936. Nr. 3348.
Blöchl, Von alten Steinkreuzen, 1936. Nr. 1313.
— 85 —
Böhm, von, Ludwig II., König von Bayern. Sein Leben und ſeine
Zeit, 1924. Nr. 404. |
Bramm, Hans Leinberger, ſeine Werkſtatt und Schule, 1928.
Nr. 394.
Brennfleck, Das k. b. 16. Inf. Regt. im Weltkrieg, 1931. Nr. 3342.
Brunner, Bayerns Poſtwertzeichen, 1924. Nr. 3240.
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Hupp, Deutſche Ortswappen. Nr. 2482.
Karlinger, Kunſtdenkmäler Bayerns, 1923. Nr. 3230.
Karlinger, Bayeriſche Kunſtgeſchichte, 1928. Nr. 2590.
Kanzler, Bayerns Kampf gegen den Bolſchewismus, 1931.
Nr. 3273.
Keim, Heimatkundliche Geſchichte von Straubing, 1918. Nr. 2550.
Kempf, Die bayeriſche Heimat. Bildtafeln für Heimatkunde und
Heimatkunſt, 1927. Nr. 3811.
Ketterer, Neukirchen bei Hl. Blut einſt und jetzt, 1927. Nr. 2014.
Krick, Die ehemaligen ſtabilen Klöſter des Bistums Paſſau, 1923.
Nr. 3898.
— 87 —
Krick, Chronologiſche Reihenfolgen der Seelſorgevorſtände und
Benefiziaten des Bistums Paſſau, 1911. Nr. 3096.
Kriß, Volkskundliches aus altbayeriſchen Gnadenſtätten, 1930.
Nr. 3453.
K rik, Volkskundliches aus Mirakelbüchern von Maria Ed, Traun:
walchen, Kößlarn und Halbmeile, 1931. Nr. 3040.
Kriechbaum, Kirchliche Bauten in Braunau und Umgebung,
1935. Nr. 1138.
Kriechbaum, Das Bauernhaus in Oberöſterreich, 1933. Nr. 3003.
Kriechbaum, Hüben und Drüben. Landſchaft und Städte an
Inn und Salzach, 1934. Nr. 3181.
Kunſtdenkmale von Bayern
Oberbayern Nr. 3571. 3 Bände.
Niederbayern Nr. 958. 25 Bände.
Krauß, Die Urſachen unſerer Niederlage, 1920. Nr. 2261.
Kreitmaier, Die Weihnachtskrippe, 1919. Nr. 3075.
Lampert, Niederbayern. Nr. 3904.
Leitgeb, Schöpfungen der Gebrüder Zürn, 1932. Nr. 2147.
Leporini, Der Kupferſtichſammler, 1924. Nr. 2699.
Linnebach, Deutſche Heeresgeſchichte, 1935. Nr. 2706.
Luckenbach, Kunſt und Geſchichte, 1923. Nr. 2113. |
Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen, 1919. Nr. 2854.
L udwig II, Unbekanntes von — 1932. Nr. 767.
Lütz o w, Der Nordſeekrieg. Doggerbank— Skagerrak, 1931.
Nr. 3256.
Männer, Bayern vor und in der franzöſiſchen Revolution, 1927.
Nr. 1149.
Mailer, Die Wahlbewegungen im Jahre 1848 in Bayern, 1931.
Nr. 2636.
Maurer, Die Ortsnamen des Hochſtifts Paſſau, 1912. Nr. 3155.
Merkt, Heimatpflege in der Stadt, 1932. Nr. 3469.
Mitterwieſer, Die Reſidenzen von Landshut, 1927. Nr. 1624.
Mitterwieſer, Alte Hochgräber in Bayern. Nr. 3824.
Mitterwieſer, Geſchichte der Fronleichnamsprozeſſion
in Bayern, 1930. Nr. 2143.
Montgelas, Denkwürdigkeiten, 1887. Nr. 3411. d
Muggenthaler, Die Beſiedelung des VBöhmerwaldes, 1929.
Nr. 1652. =
M ii & e I, e 1921. Nr. 2174. |
Niederaltaich, Führer durch die Kirche, 1925. Nr. 3293.
Niederbayern, Sammelbände:
I. Frühgeſchichte | |
II. Römiſche Ausgrabungen Nr. 3360.
III. Ortsgeſchichte |
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Oſterrieder, Beiträge zur Geſchichte der Stadt Abensberg und
des Bezirkes Nr. 2244.
Oſterrieder, Es war. Aufzeichnungen über die Zeit von 1870
bis 1900 in und um Abensberg, 1936. Nr. 3821.
Poll, Edmund Jörgs Kampf für eine chriſtliche und großdeutſche
Volks⸗ und Staatsordnung, 1936. Nr. 2310.
Prandſtätter, Durch Waldkirchens alte Zeit, 1925. Nr. 2908.
Primbs, Zwiejel einſt und jetzt, 1927. Nr. 2412.
Raumer v., Der Ritter von Lang und ſeine Memoiren, 1923.
Nr. 3887.
Reindl, Das Wolnzachtal in der Geſchichte, 1914. Nr. 3189.
Reindl, Hallertauer Skizzen, 1926. Nr. 3911. |
Reindl, Geſchichte des Hopfenbaus in der Hallertau, 1928.
Nr. 1409.
Reindl, Aus Aiglsbachs Vergangenheit, 1934. Nr. 1488.
Reindl, Bad Gögging. Geſchichte und Führer, 1936. Nr. 1780.
Reindl, Geiſelhöring. Geſchichte des Marktes und der Pfarrei
einſchließlich Greißings, 1936. Nr. 2303.
Rieger, Geſchichte der Stadt Kelheim, 1929. Nr. 2312.
Riemer, Hundert Jahre Prieſterſeminar und Prieſtererziehung
in Paſſau, 1928. Nr. 1022.
Riehl, Die Naturgeſchichte des Volkes als Grundlage einer deut⸗
ſchen Sozialpolitik, 1855. Nr. 319.
Rupprecht, Kronprinz von Bayern. Mein Kriegstagebuch, 1928.
Nr. 2266.
Rummel v., König und Kabinettschef. Aus den Tagen
Ludwigs I, Nr. 2487.
Schäfler, Beiträge zur Pflege von Heimat und Volkstum.
Schellenberg, Kirchberg a. Inn, Julbach. Nr. 2765.
Schiffmann, Die oberöſterreichiſchen Ortsnamen. Nr. 2923.
Schierghofer, Umrittsbrauch und Roßſegen, 1921. Nr. 3551.
Schlecht, Wiſſenſchaftliche Feſtgabe zum 1200jährigen Jubiläum
des Hl. Korbinian, 1924. Nr. 3233.
Schmid, Heimatbuch über die Pfarrei Rattiszell, 1925. Nr. 2256.
Schmid, Illuſtrierte Geſchichte der Stadt Paſſau, 1927. Nr. 2114.
ä . Pötzmes. Eine Haus⸗ und Ortsgeſchichte, 1925.
un ae NND EHEN und Hofmark Leibersdorf,
1928. Nr. 1014.
Schlieben, Das Schwein in der Kulturgeſchichte. Nr. 1010.
Schopf, Die Rodungsfiedelung des Bayeriſchen Waldes in Nieder⸗
bayern, 1928. Nr. 2407.
Schröfl, Und dennoch! — Die Nibelungenfrage gelöſt, 1931.
Nr. 1570.
— 89 —
Schwarz, Abensberg, Altabensberger Bilder für jung und alt,
1927. Nr. 2268.
Seefried, Die Wallfahrt auf den Bogenberg, 1929. Nr. 1136.
Seligen t > al, Ziſterzienſerabtei Seligenthal in Landshut, 1932.
Nr. 2793
Spindler, Joſeph Anton Sambuga und die Jugendentwicklung
König Ludwig I., 1927. Nr. 1439.
Spirkner, Wie entſtand Maria Hilf? 1934. Nr. 3544.
Stegemann, Geſchichte des Krieges. Nr. 311.
Steinhauſen, Geſchichte der deutſchen Kultur, 1929. Nr. 3352.
Stengel, Geſchichte der Lehrerbildungsanſtalt Straubing, 1824
bis 1924. 1925. Nr. 2930.
Streibl, Zur Geſchichte der niederbayeriſchen Fiſcherei. Nr. 2109.
Sturm, Die Gründung der Stadt Oſterhofen, 1928. Nr. 2919.
Sturm, Die Anfänge des Hauſes Preyſing, 1931. Nr. 2696.
Uniformen der alten Armee. Nr. 3419. |
Wagner, Die Römer in Bayern, 1924. Nr. 3235.
Wagner, Die Säkulariſation der Klöſter im Gebiete der heutigen
Stadt Paſſau, 1935. Nr. 306.
Wallmenich v., Der Oberländer Aufſtand 1705 und die Send⸗
linger Schlacht, 1906. Nr. 1611.
Weigert, Untergang der Dorfkultur, 1930. Nr. 968.
Wolf, Geſchichte des Gymnaſiums Landshut, 1921. Nr. 3179.
Woolley, Ur und die Sintflut. Sieben Jahre Ausgrabungen in
Chaldäa, 1930. Nr. 280.
Pork v. Wartenburg, Weltgeſchichte in Umriſſen, 1922.
Nr. 3069.
Zethne A Orts⸗ und Heimatgeſchichte von Vilsheim, 1931.
Nr. 3
Zorn, ir Unterſuchung der St. Martinskirche in Landshut,
1933. Nr. 1845.
Neuzugänge zu den Sammlungen.
Nach früherer Gepflogenheit geben wir in Zukunft alle Neu:
erwerbungen, die durch Ankauf und Geſchenke an das Muſeum
kommen, den Mitgliedern bekannt. Seit Neuaufſtellung der Samm⸗
lungen fielen bis 1. Januar 1937 folgende Gegenſtände an:
1971
1972
1973
1974
1975
1976
1977
1978
1979
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
I, Kulturgeſchichtliche Sammlungen:
Kupferſtichplatte des Handwerkerbriefs der Hutmacher in
Landshut, bez. Paul goßler Sculp. Abensberg.
Reiterpiſtole 18. Ih.
Blashorn aus Ton, Kröninger Arbeit.
Infanteriegewehr Mod. 69, „Werder“, ebenſo 2007.
Hellebarde aus Griesſtätt am Inn, 16. Ih.
Dolch, 15. Ih.
Photo des Joh. Anton Schmidtmüller, Arzt, geb. 28. XI. 1776,
ord. Profeſſor an der Univerſität Landshut, nach einem Ge⸗
mälde.
2 Peſtfahnen aus der Nikolakirche in Landshut.
3 Spielfiguren aus Bein, Chineſe, Dame u. Kind.
Flöſſerbeil, 19. Ih.
10 milit. Orden u. 4 Abzeichen
15 Uniform⸗ u. Ausrüſtungsſtücke, |
ebenjo 2002, 2003 19. u. 20. Ih.
3 Stüd Säbel u. Seitengewehre |
verſchiedene Patronen
Lanzenſpitze aus Eiſen, gef. bei Zeholfing, B. A. Landau.
Puppenküche mit 130 Einrichtungsſtücken von 1728.
Roſenkranz aus Bein u. Silberfiligran, 19. Ih.
Tafelbild, Oel auf Holz, 1,13 1,04 m, Ende 15. JH., Chriftus
von links vor Pilatus geführt, umgeben von 8 Knechten,
links Türöffnung.
Tafelbild, doppelſeitig, Oel auf Holz,
a) Verkündigung an Hirten, alter Hirt mit Schafen in freier
Landſchaft, rechts oben hinter Felſen, vor einem Hügel
liegend eine Stadt, von lichten Bäumen überſchnitten;
b) Heilige Familie im Stall, Joſef links, Maria mit gefalte⸗
ten Händen blickt zum Kind, dieſes ruht auf einem Mantel⸗
zipfel, den 3 Engelchen halten. Durch Mittelöffnung ſind
die Tiere ſichtbar, durch linke Tür 2 Bauern. Ueber einem
sa GE
Streifen Landſchaft auf plaſtiſch EEN Goldhimmel
| 3 Engel. Ende 15. Ih., 1,50X1,13
1990 Pfeifenkopf aus Porzellan von 1825, Gras, Korps Suevia.
1991 Standfigur Chriſtus aus Holz, Mitte 16. Ih. bez. L 1550 L.
aus dem Kunſthandel Frankfurt a. M. Höhe 1,00 m.
1992 Gewehr Mod. 71/84, ebenſo 2004, 2005, 2006.
1993 Gewehr Mod. 58, „Podewils“.
1994 2 Meſſingleuchter, 19. Ih.
1995 EC aus Eiſen, mittelalterl., gef. am Gſchlößlberg bei
| Itdorf
1996 Meſſingkerzenleuchter mit 4fach verſtellbarer Tülle, 19. Ih.
1997 Schlüſſel aus Eiſen, Ring flach geſchmiedet, kreisrund mit
| 7 Löchern, mittelalterl.
1998 Bronze- Medaille von Max Pfeiffer. Av. Portrait Hans
Schemm. Rev. Hoheitszeichen mit 3 Wappen. 90 mm.
2000 Roſenkranz aus ſchwarzen Holzperlen mit 5 Wundmalen aus
Bein, 19. Ih.
2001 2 Wachsfiguren, 21 em hoch, 18. Ih., aus der Landshuter
Gegend, wahrſcheinlich Arbeiten von Jorhan. Zwei Büker-
heilige, Magdalena und ein bärtiger alter Mann mit einem
Stein in der rechten Hand.
2008 2 Lichtbilder von Gebäuden der niederbayeriſchen Handels⸗
und Induſtrie⸗Ausſtellung in Landshut 1903.
II. Bor: und frühgeſchichtliche Sammlung.
Jüngere Steinzeit:
Spitze eines Feuerſteinmeſſers des Altheimer Typus. Viel Feuer⸗
ſteinrohmaterial und Abſchläge aus gebändertem, grauem Feuer⸗
ſtein. Grobe Scherben aus ſtark gemagertem, grauem Ton, dar⸗
unter ein Randſtück eines ſehr großen Gefäßes und einige ſtich⸗
bandverzierte Scherben. Aufſammlungen auf dem Rehlinger Feld
öſtl. Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut. RO. 23.19, Nr. 820a,
823, 816 u. 818a.
Viele bandkeramiſche Scherben, dabei eine große Knuppe, viele
grobe Ware von großen Gefäßen. Verſchindene Silices aus ge⸗
bändertem, grauem Feuerſtein. Aufſammlungen auf der Wein-
leite ſüdweſtl. Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut. NO. 23.19,
Nr. 856.
Feuerſteinmaterial aus gebändertem, grauem Feuerſtein, darunter
ein ſchmales 4,5 em langes Meſſerchen und Rohmaterial in Form
von bis 2,2 em dicken Platten. Viele unverzierte Scherben grober
Ware, Wandſtücke von ſtichbandverzierten Gefäßen. Aus zerſtörten
— 92 —
Wohngruben im Binshamer Feld bei Binsham, Ede. Tiefen⸗
bach, B. A. Landshut, RO. 18.19, Nr. 1046.
Vorderes Bruchſtück eines trapezförmigen Steinbeils mit ſymmetr.
zugeſchliffener, ganz ſchwach grundeter Schneide aus Grünſtein,
noch 8 em lang, Schneide 4,8 em. Zufallsfund auf der Tanzloh bei
Frauenberg, Gde. Frauenberg, NO. 21.22, Nr. 163.
3 Feuerſteinmeſſer aus grau gebändertem Material. Verſchiedene
grobe Scherben aus ſtark gemagertem grauem Ton, ein kleines
ſtichbandverziertes und ein großes fein geglättetes Randſtück aus
rotem Ton, ſowie Hüttenlehm. Aus 3 bei einem Kelleraushub
zerſtörten Wohngruben in Altdorf, Gde. Altdorf, B. A. Lands:
hut, NO. 21.17, Nr. 156 ½.
Bronzezeit:
Ein dickwandiges Stück aus grauem Ton von einer Umbruchſtelle
mit ſenkrecht geſtelltem 1 cm langen und 1 cm voneinander ent-
fernten Strichen am Umbruch verziert. Streufund von der Wein⸗
leite bei Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut, NO. 23.19,
Nr. 856.
Ein mit geſtochenen hängenden Dreiecken verziertes fein geglättetes
Wandſtück eines aus rotem Ton gefert. Gefäßes. Streufund vom
Rehlinger Feld bei Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut,
NO. 23.19, Nr. 820a.
Hallſtattzeit:
Grobe Scherben, einige mit Tupfenleiſten, viele unverzierte Wan⸗
dungsſtücke von großen Gefäßen, darunter ein kreisrundes Boden⸗
ſtück, Durchmeſſer 16,5 cm. Zum Teil angebrannte Tierknochen
von Rind und Ziege (die Beſtimmung der Knochen erfolgte vom
tieranatom. Inſtitut der Univerſität München, gez. Stoß). Höhen⸗
weg nach Schönbrunn Abrutſchſtelle bei Landshut, NO. —,
Nr. 2536.
F. J. Weinzierl.
on
ao nN Q
Beſprechung der orksgeſchichllichen Literatur.
Ortsgeſchichtliche Literatur.
M. Bernarda Wagner, Die Säkulariſation der Klöfter im
Gebiet der heutigen Stadt Paſſau 1802—1836, Münchner Diſſer⸗
tation, Paſſau 1935, 222 S.
Joſef Reindl, Geiſelhöring, Geſchichte des Marktes und der
Pfarrei leinſchließlich Greißings), Kallmünz 1936, 382 S.
Karl Schaefler, Die Kirche zum hl. Bartholmäus und Georg
in Julbach am Inn, Selbſtverlag des Verfaſſers, 1934, 24 S.
Karl Schaefler, Der Schellenberg im Spiegel der Heimat-
geſchichte, ebda, 1931, 35 S.
. Karl Schaefler, Anſere Volksſchulen, Geſchichte der Schule
von Kirchberg a. J. und Schulgeſchichtliches über die Nachbar⸗
orte, ebda, 1931, 179 S.
; Karl Schaefler, Das ehemalige Landgericht Julbach in
ſeinen Burgen, Schlöſſern und Edelſitzen, ebda, 1932, 132 S.
. Simon Huber, Altdorf, Das niederbayeriſche Bauernhaus,
Thomann, Landshut, 20 ©.
Joſef Reindl, Bad Gögging, Geſchichte und Führer, Verlag
Gemeinde Bad Gögging, 1936, 35 S.
Joje Reindl, Aus Aiglbachs Vergangenheit, Verlag Wein-
mayer, Mainburg, 1934, 94 S.
Joſef Huber, Geſchichte der Wallfahrt zur ſchmerzhaften
Mutter Gottes auf dem Gartlberg bei Pfarrkirchen, Verlag
Kambliſche Buchhandlung, Pfarrkirchen, 1935, 47 S.
, Sebaltian Huber, Geſchichte der Pfarrei Neuhauſen bei
Landshut, Selbſtverlag des Verf., 1933, 467 S.
Franz Xaver Aich, Geſchichte des Dekanats Mainburg, Verlag
C. Weinmayer, Mainburg, 1935.
Hanns Zethner, Stoffe zur Ortsgeſchichte und Heimatge⸗
ſchichte von Vilsheim — Allerlei Aberglauben. (Manuſkript.)
Zur Beſprechung ſteht eine ganze Reihe ortsgeſchichtlicher Lite⸗
ratur, die nicht bloß dem örtlichen Intereſſe dienen ſoll, ſondern
darüber hinaus vor allem den Heimatgedanken pflegen und fördern
und damit zugleich die Beſchäftigung mit der Geſchichte und Sinn
und Liebe zur Vergangenheit unſeres Volkes vertiefen will. Dazu
tritt bei einer Reihe von Arbeiten vor allem die Volkskunde, das
Schöpfen aus heimiſcher Sitte und Brauchtum und gerade hier iſt
esp SQA: we
ja die Kette, an der die Gegenwart mit der Vergangenheit ver-
bunden iſt, in vielen Gliedern weit zurück bis in die älteſte Zeit zu
verfolgen. In mehr oder weniger anſpruchsvollem äußeren Gewande,
teilweiſe in ſehr beträchtlichem Umfang erſcheinen dieſe Arbeiten
und zeugen ſo nicht nur von der Liebe zur Heimat einzelner, ſondern
auch von dem Opfergeiſt, mit dem einzelne Verfaſſer ihre Arbeiten
ſelbſt verlegen und ſo den Druck ermöglichen, oder von der ſelbſt⸗
loſen Unterſtützung kleiner örtlicher Druckereien und Verlage, die
auf dieſe Weiſe den Heimatgedanken mit tragen helfen.
1. Die Münchner Diſſertation von M. Bernarda Wagner ſtellt
einen örtlichen Ausſchnitt der großen Säkulariſationsbewegung in
Bayern dar, die Säkulariſation der Klöſter im Gebiet der heutigen
Stadt Paſſau. An Hand der einſchlägigen Akten wird die Aufhebung
der Paſſauer Klöſter eingehend geſchildert; wertvoll iſt vor allem
der geſchichtliche Überblick über Entſtehung und Entwicklung der
einzelnen Klöſter, ſodaß die Arbeit faſt als eine Zuſammenſtellung
von Monographien dieſer Klöſter mit dem Hauptgewicht allerdings
auf der Säkulariſationszeit bezeichnet werden kann. Der große ge⸗
ſchichtliche Zuſammenhang der ganzen Zeit tritt nur in der knappen,
einfachen Einführung heraus. Gute und reichliche Bebilderung.
2. Eine mit ungeheurem Fleiß zuſammengeſtellte Arbeit iſt das
umfangreiche Werk von Joſef Reindl über die Geſchichte des Marktes
und der Pfarrei Geiſelhöring. Es gibt wohl kein Gebiet, das in dem
Band nicht mit in die kleinſten Einzelheiten gehender Gründlichkeit
behandelt iſt. Reiche Bebilderung und ein Schlagwortverzeichnis er⸗
leichtern die Benützung. Hervorzuheben ijt vor allem auch die fultur-
kundliche Seite, von der man vielleicht, ein Vergleich zu der Aus⸗
führlichkeit anderer Abſchnitte, noch mehr erwarten möchte.
3—6. Die Arbeiten Karl Schaeflers zeigen, was durch die Arbeits⸗
freude und den Opferſinn eines einzelnen mit entgegenkommender
Unterſtützung der heimiſchen Druckerei im Intereſſe des Zieles:
Dienſt an der Heimat und am Volkstum geleiſtet werden kann. Der
engere Raum um Julbach am Inn mit ſeiner Kirche, den Burgen,
Schlöſſern und Edelſitzen, dem Schellenberg und den Schulen und
ihrer Geſchichte wird hier lebendig; beſonders intereſſant der Gang
durch die Jahrhunderte, in dem die Burgen: Schlöſſer und Edelſitze
der Gegend, jetzt teilweiſe verſchwunden, zu neuem Leben erwachen.
Der Rahmen iſt teilweiſe ſehr weit und umfaſſend geſteckt, Boden⸗
kunde, Volkskunde, Kulturkunde mit in den Kreis der Betrachtung
gezogen. b
7. Der im Hiſtoriſchen Verein von Niederbayern mit großem Bei⸗
fall aufgenommene Vortrag von H. Pfarrer Simon Huber, Altdorf,
über das niederbayeriſche Bauernhaus liegt in einem bebilderten
Sonderabdruck vor. Man folgt dem Verfaſſer gern auf dieſem Gang
— 95 —
durch Niederbayern, der neben der verſchiedenen Geſtaltung des
bäuerlichen Wohnhauſes vor allem auch volkskundlich ſehr wert⸗
vollen Stoff liefert.
8. Der kleine Führer durch Bad Gögging und ſeine Geſchichte von
Joſef Reindl faßt in kurzen Zügen die Bedeutung dieſes bereits auf
die Römerzeit zurückgehenden Bades zuſammen.
9. Pfarrer Joſef Reindl, Sallach, zeichnet in einer Jubiläums⸗
gabe Aiglbachs Vergangenheit (Kirchenweſen, Schulen, Grundherr⸗
ſchaften, Gemeinde). Bemerkenswert ſind die ortsgeſchichtlichen und
kunſtgeſchichtlichen Angaben, ſowie Kulturkundliches namentlich aus
dem Schulweſen.
10. In der Geſchichte der Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter
Gottes auf dem Gartlberg bei Pfarrkirchen von Joſef Huber finden
wir reiches kulturgeſchichtliches Material zur Wallfahrtsbewegung
auch zur hl. Theodora in der Stadtpfarrkirche Pfarrkirchen, vor
allem aber kunſtgeſchichtliche intereſſante Angaben, belegt aus den
Gartlberger Kirchenrechnungen ab 1659, die dieſen bemerkenswerten
Bau von Dominikus Chriſtof Zuccali, von Carl Anton Carlone in
der hl. Grabkapelle, in den Mittelpunkt rücken.
11. Die Geſchichte der Pfarrei Neuhauſen bei Landshut von
Sebaſtian Huber ſtellt denſelben Verſuch ortsgeſchichtlichen Dar⸗
ſtellung, wie wir ihn in der Geſchichte Geiſelhörings kennengelernt
haben, auf einem noch engeren örtlichen Rahmen mit derſelben
Ausführlichkeit und bis in die kleinſten erreichbaren und der Dar⸗
ſtellung werten ortsgeſchichtlichen Einzelheiten dar. Auch hier er⸗
leichtert ein ausführliches Orts⸗ und Sachwörterverzeichnis die Be⸗
nützung des ebenfalls gut bebilderten Bandes. Das Einbeziehen der
Häuſer⸗ und Familiengeſchichte, ſowie der Flurnamen macht das
Werk auch nach dieſer Seite hin wertvoll.
12. Die Geſchichte des Dekanats Mainburg von Geiſtl. Rat Xaver
Aich iſt vor allem in dem Aufzeigen der geſchichtlichen Entwicklung
wertvoll, bringt dabei aber vor allem auch kulturgeſchichtliche Aus⸗
blicke, ſo z. B. über die Auswirkung der Reformationszeit in dieſem
engeren örtlichen Rahmen, die Peſtzeit und ähnliches.
13. Die im Manuſkript vorliegenden Stoffe zur Orts- und
Heimatgeſchichte von Vilsheim und allerlei Aberglauben von Hanns
Zethner, Vilsheim, ſind gerade in dem letzteren kulturgeſchichtlichen
Abſchnitt intereſſant. Reiches Material zur Geſchichte des Kleinen
Vilstals, ſeiner Orte, Kirchen und Seelſorge wird geboten.
Dr. Hornung.
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