THE UNIVERSITY
OF ILLINOIS
LIBRARY
5 OG
RH
V.43
Yerli andhi n gen
des
naturhistorischen Vereins
der
preussischen Rheinlande, Westfalens und des
Reg.-Bezirks Osnabrück.
Mit ß e i t r ä g* e n von
F r. V o g* e 1 y A. W olle m a n n , A. H o s i u s ?
F. L e h m a 11 n.
Herausgegeben
von
I)r. Pli. Bertkau,
Sekretär des Vereins.
Xe 1111 itml v i erzi gster Ja li rg an g.
Fünfte Folge: 9. Jahrgang.
Mit 4 Tafeln und 9 Holzschnitten.
Bonn.
In Kommission hei Friedrich Cohen./
1892.
I
Für die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Mit¬
theilungen sind die betreffenden Autoren allein ver¬
antwortlich.
3Z)<ä
ft W
/. 4- 7
Inhalt.
|
V
v
Geographie, Geologie, Mineralogie und
Paläontologie.
Seite
Fr. Vog'el: Das Ober-Senon von Irnich am Nord¬
rand der Eifel (Taf. I) . Verhandl. 1
A. Wollemann: Verzeichniss der im Eisenstein
des Lias y von Rottorf am Kley bei Helm-
stedt bislang gefundenen Versteinerungen - 107
A. Hosius: Beiträge zur Kenntniss der Fora-
nimiferen-Fauna des Miocäns (Taf. II, III) - 148
F. Lehmann: Die Lamellibranchiaten des Mio¬
cäns von Dingden, 1. Theil (Taf. IV) . . - 198
v. Hägens: Das Neanderthal in naturgeschicht¬
licher Hinsicht . Ivorr.-Bl. 29
K. Könen: Heber das relative Alter der Abla¬
gerungen im Neanderthal . - 31
Heus ler: Ueber die kohlensauren Quellen bei
Burgbrohl . . - 40
Fabricius: Geologische Karte der Rheinprovinz,
Westfalens etc. in Massst. Vsoooo .... - 48
Hauff: Fossilisationsprozess gewisser verkiesel-
ter Spongien . - 51
— Ueber fälschlich für Fossilien gehaltene,
auf innere Gesteinsstauchungen zurückzu¬
führende Gesteinsbildungen . - 57
E. Lienenklaus: Ostracoden des nordwestdeut¬
schen Tertiärs . - 58
Pohlig: 2. Bd. seiner Diluvialmonographieen . Sitzgsber.41,53
— Ueber das Karbonkonglomerat von Valor¬
sine bei Chamounix . - 41
— Ueber den Dryopithecus ....... - 42
Heusler: Durchbruch des Basalts durch die Cob-
lenzschichten des Unterdevons am Scheids¬
kopf . - 44
512432
IV
Seite
Pohlig: Fossilien des Devons Australiens. . . Sitzgsber. 45
— Zinnoberrhomboeder und andere Zinnober-
kry stalle von Almaden . « . - 46
— Einschlüsse in Feuersteinen von Rügen . - 46, 48
— Besuch ungarischer und Schweizer Museen - 46
— Literatur (Andrea e- Osann; A. Sehr auf;
Jour dan-Marshall; A. Gaudrv; E. D.
7 t/ 7
Cope; Nikitin) . ■ 46
— Das neue Museum für Naturkunde in Brüssel - 49
— Bunt angelaufener Saphirkrystall aus dem
Basalt des Oelberges; Fossilien des Rhei¬
nischen Devons; Ceratites sp. in trierischem
Kalk; Natica millepunctata von St. Cassian - 54
— Velates Schmiedeliana angeblich von Eg¬
genburg nördl. von Wien . - 55
Rein: W. Sievers: Africa, eine allgemeine Lan¬
deskunde . - 55
— Zur Feier der Entdeckung Amerikas . . - 56
Rau ff: F. Karrer: Führer durch die Baumate¬
rialsammlung d. k. k. Naturh. -Hofmuseums
Wien . - 57
— Ueber die Organisation und systematische
Stellung der Receptaculiten . 59, 74
Philipp son : Ueber die Küstenform der Insel
Rügen . - 63
Pohlig: Die Cerviden des thüringischen Dilu¬
vialtravertins . - 91
— Ueber den diesjährigen Aetnaausbruch . - 91
Stein: Erdbeben in Japan . - 94
Rein legte den 1. Bd. seiner „Geographischen
und naturhistorischen Abhandlungen“ vor - 98
— Unterlauf des Guadalquivir . . - 103
Pohlig: „ Altpermische1 Fische, Saurierfährten u.
Medusen der Gegend von Friedrichrode
in Thüringen“ . - 105
— Steinbeil; Pinus silvestris im thüring. Tra¬
vertin; Photographieen von Dolomiten und
Gletschergegenden der Alpen; der Jura
am Ostufer des Urmiahsees . - 105
y
Seite
Chemie, Technologie, Physik und Meteorologie.
Jansen: Warum wird bei einem mehrstimmigen
Satze die Melodie der Oberstimme zuge¬
wiesen? . Korr. -Bl. 40
Frauberger: Verwerthung von Thier- u. Pflan¬
zenformen im Kunstgewerbe . - 60
Giesel er: Ueber die physikalischen Institute in
Edinburgh, Glasgow, Oxford . Sitzgsber. 46
Stein: Beobachtung* einer elektrischen Erschei¬
nung in einem Eisenbahnzug . - 50
B o t a n i k.
Noll: Veranschaulichung der Bewegungen einer
Keimpflanze durch ein Stroboskop . . . Sitzgsber. 37
— Zwitterblüthe von Larix europaea ... - 57
Br an dis: Sargent, The silva of North America,
III. Bd . - 72
Hauff: Ueber Kalkalgen (und Receptaculiten) . - 74
Anthropologie, Ethnologie, Zoologie und
A n a t o m i e.
p —
Schaa ff hausen: Ueber die Urzeugung . . . Korr.-Bl. 32
— Prähistorische und römische Funde ... - 50
Bertkau: Bau der Giftdrüse einheimischer Spin¬
nen . - 59
Farwick: Thierwelt des Viersener Gebiets . . - 00
A. König: Die Kriechthierfauna Tunesiens . . Sitzgsber. 3
Schaaffhausen: Vorgeschichtliche Funde in
Mähren . - 26
Ludwig: Bau der rädchenförmig*en Kalkkörper
der Gattung Chiridota . - 43
Strub eil: Zwei Nacktschnecken des süssen Was¬
sers in Amboina . - 62
Ludwig: Neuere Literatur über Echinodermen
(J ä c k 1 , A g a s s i z , D a n i e 1 s s e n , S v.
Loven) . - . . 62, 63
Bert k a u : E. W a s m a n n : Die zusammengesetz¬
ten Nester und gemischten Kolonieen der
Ameisen . - 99
— Ueber das Gift des Chiracanthium nutrix - 102
*
Seite
Voigt: Karten zur Verbreitung- 'der Planaria al-
pinä und gonoeephala; Polycelis cornuta Sitzgsber. 104
N ussbaum : Geschlechtsentwicklung bei Polypen -13B, 40B
— Vergleichende Studien über die Orbita des
Menschen und der Thiere . - 40 B
Gesundheitspflege, Physiologie, Medizin und
Chirurgie.
Binz: Ueber die etwaige Giftigkeit des Ahimi-
niums .
— Ueber die mechanische Giftwirkung des
Staubes der Thomasschlacke .
Bo hl and: Fall von Empyem .
Leo: Cystenbildung im Abdomen .
Schultz e: Fall von Krampfzuständen der rech¬
ten Hand .
Hackenbruck: Radikaloperation einer faust¬
grossen Cruralhernie .
— Laparotomie wegen Ileus .
Binz: Neues spektroskopisches Hämatometer .
Trendelenburg: Ueber Blasenscheidenfistel¬
operationen .
Kocks: Bemerkungen dazu .
— Operative Behandlung der Lageverände¬
rungen des Uterus . . . .
Krukenberg: Ueber Dührssen’s tiefe Cervix-
und Scheidendammeinschnitte .
Pietz er: Prophylaktische Dehnung der Scheide
bei Erstgebärenden .
Hackenbruck: Ueber die sogen, rheumatische
Muskelschwiele .
D outrelep ont: Ueber Tuberkulose der Haut .
U ngar: Ueber Phosphorbehandlung bei Rhachitis
Binz: Ueber die Veränderungen des Chloroforms
am Licht .
D outrelep ont: Ueberimpfung von Lupus . .
Graeser: Chloroform gegen Taenien; Anwen¬
dung von Syzygium Jambulanum gegen
Diabetes .
Schultze: Zusammenvorkommen von tabes dor-
salis und Insufficienz der Aortenklappen .
Drees mann: Ueber Knochenplombirung . . .
Sitzgsber.
47, 92
93
1 B
2 -
4 -
6 -
6-
6 -
9 -
12 -
14 -
15 -
17 -
17 -
18 -
20 -
20 -
21 -
24 -
VII
Seite
Schultze: Fall von eigenthümlicher Hautlipo- Sitzgsber.
matose . 28 B
Jo res: Cystöse accessorischc Strumen .... - 29 -
Köster: Demonstration eines grossen Aorten¬
aneurysma . - 30 -
«7
Pelm an: Entwickelung' der Psychiatrie seit
Griesinger . - 30 -
Knickenberg: Fall von aussergewöhnlich aus¬
gedehnter Erkrankung an Favus .... - 33 -
Boenn ecken: Ueber Trigeminusneuralgien . 33 -
Ungar: Ist Secale cornutum ein Abortivum? . - 33 -
— Die Grösse des Luftwechsels in den ersten
Lebenstag'en . - 34 -
Peters: Behandlung chron. Conjunktivalerkran-
kungen . - 35 -
— Mikroskopische Untersuchung eines Falles
von doppelseitigem Schiclitstaar .... - 36 -
Binz: Wirkung des Morphins und Atropins auf
die Athmung . - 37 -
Schultze: Fall von Sarkom des linken Vorhofs - 40 -
— Grosser Tumor der linken Pleurahöhle mit
Dermoidcyste . - 40 -
Ungar: Ueber Carboivergiftung vom Darm aus - 41 -
K oester: Demonstration eines Lungentumors . 41 -
Mitgliederverzeichniss des naturhistorischen Ver¬
eins . Korr.-Bi. 1
Bericht über die 49. Generalversammlung des
Vereins . - 26
Bericht über den Zustand und die Thätigkeit des
Vereins im Jahre 1891 . - 26
Erwerbungen für die Vereinsbibliothek ... - 63
Erwerbungen für die Vereinssammlungen ... - 78
Bericht über den Zustand der Niederrheinischen
Gesellschaft im Jahre 1891.
Naturwissenschaftliche Sektion Sitzgsber. 1
Medizinische Sektion .... - 2
Vorstandswahl für 1893 der Naturwissenschaft¬
lichen Sektion . 103
VIII
Seite
Aufnahme neuer Mitglieder der Naturwissenschaft- Sitzgsber.
liehen Sektion . 37, 56, 62, 98, 103
Aufnahme neuer Mitglieder der Medizinischen
Sektion .
Beschluss über den Antrag, die Einladungen zu
den Sitzungen in der Neuen Bonner Zei¬
tung zu veröffentlichen .
Vorläufiger Beschluss über eine Feier des Tojähr.
1B. 32B. 40B.
98
Bestehens der Gesellschaft im Jahre 1893 - 98
Neubeschaffung von Mitgliederdiplomen ... - 98, 105
Einladung zur Enthüllungsfeier des R. Mayer-
Denkmals . - 98
Zur Erinnerung an den verstorbenen Schriftführer
der med. Sektion Geh. Sanitätsrath L e o
Neuwahl eines Schriftführers der med. Sektion .
32 B
32 B
Universitäts-Buclulruckerei von Carl Georgi in Bonn
,
Das Ober-Senon von Irnich am Nordrand der Eifel.
Fr. Vogel,
Assistent am Palaeontologischen Institut in Bonn.
(Hierzu Tafel I.)
Irnich ist ein Weiler wenige Minuten westlich von
dem Dorfe Schwerfen, welches etwa 5 km südlich von
Zülpich im Regierungsbezirk Köln liegt.
In unmittelbarer Nähe einiger abseits gelegener Ar¬
beiterwohnungen an der Ostseite der alten Römerstrasse,
welche — jetzt ein bescheidener Feldweg — nach Zülpich
führt, findet sich an zwei Stellen von geringer Ausdehnung
ein heller Kalkmergel, erfüllt mit zahlreichen Resten einer
marinen Fauna. — Es ist dies die Kreide von Irnich.
Dieselbe hat von Dechen1) zuerst erwähnt und als
Pläner angesehen. In den Erläuterungen zur geologischen
Karte der Rheinprovinz und der Provinz Westphalen 1884
führt er dieselbe, durch Herrn Professor Schlüter veran¬
lasst, als vermuthlich zum Ober-Senon gehörig an2). Später
1) Orographisch-geognosfische Uebersieht des Reg. - Bezirks
Aachen. 1866. S. 200.
Erläuterungen der geol. Karte der Rheinprovinz und West¬
falen. II. 1884. S. 16 und S. 441—442.
2) An Versteinerungen erwähnt er Ostrea vesicularis Lk., Pecten
striato-costatus Goldf., sowie Reste von Scalaria, Dentcilium, Venns,
Turbinolia, Pinula (?) und Orbitulina.
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXJX. 5. Folge. Bd. IX.
1
2
4 •
berichtet B lan ken hör n *) über dieselbe und macht auf
die Reichhaltigkeit an Gastropoden aufmerksam, zugleich
erwähnt er die Meinung Schlüters, dass sie möglicher
Weise dem obersenonen Kalke von Kunraed in holländisch
Limburg äquivalent sei. 1888 führt noch Holzapfel1 2)
in seiner Arbeit über die Aachener Kreide das Vorkommen
von Irnich an, ohne näher darauf einzugehen.
Von Dechen und Blankenborn nehmen an,
dass dieser Kreidefetzen dem Keuper aufgelagert ist, wel¬
cher wenige Schritte davon ansteht. Es ist jedoch auch
möglich, dass Unterer Lias das Liegende der Kreide ist.
Derselbe ist bei Drove 12 km nordwestlich von Irnich bei
einer Brunnenanlage angetroffen.
Von Bonn aus ist der Punkt mehrfach besucht und
durch Nachgraben ist Material beschafft worden, welches im
Paläontologischen Museum zu Bonn auf bewahrt und mir zu
der vorliegenden Arbeit von Herrn Professor Schlüter
giftigst zur Verfügung gestellt wurde. Ich selbst besuchte
Irnich im Jahre 1889, fand aber nur noch wenige Gesteins¬
stücke auf dem Abfall des Ackers zum Wege vor.
Das Gestein, ein heller Kalkmergel von gelbgrauer,
bisweilen weisslicher Färbung, in Stücken von Nuss- bis
Kopfgrösse, ist meist weich und leicht zerbrechlich, stel¬
lenweise zerreiblich und bildet beim Bruch weder scharfe
Kauten noch glatte Flächen.
Die Erhaltung der Fossilien ist verschieden. Von
Cephalopoden sind die Steinkerne einzelner Baculiten er¬
halten, ferner ein Bruchstück einer Belemnitella mucronata.
Die Gastropoden finden sich nur als Steinkern und Ab¬
druck, auf welchem sich meistens nach losem Ausspülen
durch einen Wasserstrahl die feinste Skulptur zeigt. Leider
enthält die Sammlung eine Anzahl Steinkerne, deren zu¬
gehöriger Abdruck sich nicht mehr vorfand. Vermittelst
1) Die Trias am Nordrande der Eifel zwischen Commern, Zül¬
pich und dem Roerthal. Inaug.-Diss. der Univ. Bonn 1885 und Ab¬
handlung zur geol. Spezialkarte von Preussen etc. Bd. VI. Heft 2.
2) Die Mollusken der Aachener Kreide. Paläontographica
XXXIV. 1888. S. 44.
3
Kautschuk liess sich gewöhnlich aus den Abdrücken ein
befriedigendes Bild des ehemaligen Gehäuses herstellen.
Bei den Lamellibranchiaten unterscheiden sich die Mono-
myarier von den übrigen dadurch, dass ihre Schale häufig
erhalten ist. Dieselbe liegt dem Gestein fest auf und ist
nicht sehr zerbrechlich. Von den übrigen Pelecypoden
wird nur Steinkern und Abdruck gefunden. An Brachio-
poden ist die Fauna von Irnich arm. Die wenigen Exem¬
plare sind mit Schale erhalten. Von den etwa zahlreicher
vertretenen Bryozoen sind nur kleine Bruchstücke der kal¬
kigen Stöcke vorhanden, deren Zellen gut erhalten sind.
Die wenigen Foraminiferen sind vollständig. Von Korallen
bemerkt man ebenfalls Spuren, es sind leider aber nur
Ausfüllungen der Kelche. Sie gehören vielleicht der Fa-
* milie der Turbinoliden an, lassen aber eine Bestimmung
nicht zu.
Wie Herr Professor Schlüter hervorhob, setzt sich
die Fauna von Irnich auf den ersten Blick in Gegensatz
zu der Fauna des nahegelegenen Westphälischen Beckens
durch das völlige Fehlen der in diesem so reichlich ent¬
wickelten Spongien und Echiniden, durch das Fehlen der
Gattung Inoceramus unter den Lamellibranchiaten, welche
dort für die Gliederung der Kreide so ausserordentliche
Wichtigkeit erlangt hat, durch das fast gänzliche Zurück¬
treten der Cephalopoden, durch das Vorherrschen der
Gastropoden (und unter den Lamellibranchiaten der Nucu-
liden). Dagegen erinnert das Fehlen der genannten Spon¬
gien und Inoceramen, das Seltenerwerden der Ammoneen
und der Reichthum an Gastropoden an die jüngeren Schichten
des Limburger Kreidegebiets.
Die Kreide von Irnich setzt sich jedoch auch zu
diesen in Gegensatz durch das Fehlen der Echinodermen
und Zurücktreten der Brachiopoden. Dennoch haben wir
in diesen beiden Gebieten, weiche dem Nordrande der
Rheinisch-Westphälischen paläozoischen Formationen vor¬
gelagert sind und durch die Diluvial- und Tertiärablage¬
rungen der Kölner Bucht getrennt werden, das Aequivalent
der Kreide von Irnich zu suchen. Von dem nächsten
Punkte des Westphälischen Kreidegebiets bei Mülheim a.
I
4
d. Ruhr ist Irnich noch einige 90 km entfernt, von dem
des Aachen-Limburger Gebiets etwa 37 km.
ln der That findet man die engsten Beziehungen zu
dem Aachen-Limburger Kreidegebiet, von dessen grösserer
Ausdehnung in früherer Zeit noch die von Dumont zu¬
erst erwähnten und später durch v. Dechen wieder be¬
sprochenen ,,Flint-(Feuerstein-)Knollen“ der Hohen Venn1)
Zeugniss ablegen, „ welche offenbar den Rest einer an
dieser Stelle vorhanden gewesenen Ablagerung von Kreide
mit schwarzem Flint darstellen, die aus dem weichen Ge¬
stein völlig ausgewaschen worden und an Ort und Stelle
liegen geblieben sind“.
Unter den 97 Arten, die im folgenden Theile der
Arbeit beschrieben sind, konnten 64 mit bereits bekannten
Arten identificirt werden und 59 von ihnen fanden sich
in dem preussisch- belgischen Grenzgebiet. Die Stellung
zu den einzelnen Horizonten dieses Kreidegebiets ergiebt
sich aus folgender Tabelle, welcher die Listen Bosquets
bei Staring2) zu Grunde gelegt sind, wie sie von I) e -
w a 1 q u e 3) und U b a g h s 4) vervollständigt und ver¬
öffentlicht sind.
1) Dumont, Mem. sur les terrains Ardennais et Rhenans.
S. 105. Mein, de l’acad. roy. de Belgique. T. XX. 1853.
v. Dechen, Erläuterungen. II. S. 425.
2) Staring, de Bodem van Nederland. 1860.
3) Dewalque, Prodrome d’une deseription geol. de la Bel¬
gique. Ed. II. 1860.
4) U b a g li s , Deseription geol. et paleont. du sol du Lim-
bourg. Roermonde 1879.
v
7
o
Aaclienien
Hervien
1
a
<D
a
o
q
<D
CO
Maestricli-
tien
inferieur
raoyen
s
Ä
p
Xi
Belemnitella mucronatci Schloth.
t :
t
t
Baculites cf. vertebralis Larnk.
t
.
•
Dentalium sexcarincitum Goldf.
•
t
t
i-
Solarium glaberrimum Vgl.
*
f
Delphinula spinulosa Binkh.
t
Trochus sculptus Binkh.
*
• 1
t
» lineatus Binkh.
t
Turbo cf. cariniferus Binkh.
f
» cf. clabhrabus Binkh.
•
t
Turritella socialis Müller
t
•
•
» Humboldt i Müller
t
» Falcoburgensis Binkh.
.
t
Mesostoma Mülleri Holzapfel
t
'
•
Aporrhais BeisseVi Holzapfel
t
» Limburgensis Binkh.
.
t
Helicaulax granülata Sow.
f
t
JRo stellar ia nuda Binkh
t
Cypraea Deshayesii Binkh.
t
*
t
Fusus glaberrimus Binkh.
•
t
Fasciolaria laevis Kaunhowen
•
•
t
Volutilites nana Müller
f
0
Voluta irregularis Vgl.
t
Bingicula Hagenowi Müller
t
•
Actaeonina doliolum Müller
t
•
Gglichna Mülleri Bosquet
t
.
» Schwerfeniensis Vgl.
•
v
.
Ostrea vesicularis Larnk.
t
t
t
t
t
Exogyra decussata Goldf.
t
•
t
» cf. auricularis Goldf.
*
t
t
Lima cf. semisulcata Ni Iss.
.
t
t
Beeten virgatus Nilss.
t
t
» actinodus Goldf.
.
t
» Faujasi Goldf.
m
1
t
» Dujardini Gold.
t
t
V ula substriato-costata d’Orb.
?
?
t
Astarte similis Münster
t
t
.
Leda siliqua Goldf.
t
t
i > Försteri Müller
t
Nucula teuer a Müller
t
t
»
Cardium cf. tubuüferum Goldf.
t
*
Trigonia spec. nov.
.
.
f
t
Liopistha aequivalvis Goldf.
t
t
t
Corbüla lineata Müller
t
Tellina cf. strigata Goldf.
t
#
#
Bhynchonella plicatilis Sow.
t
9
•
9
Terebratulina chrysälis Schloth.
t
f
•
t
1
6
4
Aachenien
1
Hervie n
Senonien
1
Mae»trich-
tien
U
S P
3 ; j O
o i a ; -h
•r4 o ^
-- r '
2 ! o i g-
.2 ! 5 ; £
Argiope microscopica Schloth.
t
•
t
Defrancia Michelini Hag.
•
J-
1
Ceriopora theloidea Hag.
f
.
T
Membranipora Koninckiana Hag.
2L
t
.
JL.
1
Lepralia cf. Brongniarti Hag.
•
• .
t
B,eptescharinella pusilla Hag.
•
t
Eschara propinqua Hag.
t
t
j> dichotoma Goldf.
t
t
t
» sexangular ts Hag.
t
t
t
» stigmatophora Goldf.
f
t
Semiescliara piriformis Goldf.
t
t
t
Porina flograna Goldf.
•
t
i
t
Biflustra Espen Hag.
*
t
Pyrgopolon Mosae Montf.
*
,
JL
t
Serpula gordialis Schloth.
+
t
♦
T
t
Orbitoides Faujasi Defr.
• -
•
•
JL
!
4
Der in der vorstehenden Tabelle als Aachenien be-
zeielmete Horizont enthält die Aachener Glauconitfreien
Sande, sowie die eingelagerten Thone und Sandsteinbänke.
In den Thonen führt er vorwiegend Land pflanzenreste, in
den Sanden dagegen eine marine Fauna mit Inoceramus
lobatus 1). Der Name Aachenien wird von belgischen
Autoren nach Dumonts Vorgang auch auf wesentlich ältere,
vielleicht der unteren Kreide angehörige Schichten des
Hennegau angewendet, für welche Purves den Namen
Bernissartin vorschlägt 2).
Das Hervien ist benannt nach dem Ort Herve in der
Provinz Lüttich, es begreift die Glaucönitführenden Sande
mit den eingeschlossenen Sandsteinbänken.
Aachenien und Hervien entsprechen unseren Schichten
mit Belemnitella quadrata.
1) Dewalque scheint die Schichten mit Inoc. lobatus schon
zum Hervien zu ziehen, da er keine marine Reste aus dem Aache¬
nien anführt. Prodrome. IT. Ed. S. 168.
Vergl. Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide. S. 36.
2) Vergl. Böhm, der Griinsand von Aachen. 1885. S. 16 Anm,
Die folgende Rubrik der Tabelle wurde von B o sq net
für das Senonien bestimmt und enthält die Arten des
weissen Kreidemergels, wie er am Schneeberge, bei Vet¬
schau, Grtilpen u. s. w. entwickelt ist.
Das Maestrichtien inferieur enthält den Kalk von
Kunraed x), das Maestrichtien moyen die Schichten von
Valkenburg, das Maestrichtien superieur die von St. Peter
bei Maestricht. Senonien und Maestrichtien entsprechen
den Mueronatenschichten,
Aus der Tabelle ergeben sich übereinstimmende
Formen mit dem
Oberen Maestrichtien 40.
Mittleren Maestrichtien 5.
Unteren Maestrichtien 26.
Senonien 12.
Hervien 23.
Aachenieu 1.
Die einzige Art des Aachenieu ist Ostrea vesicularis
Lamk. Von den 23 Arten des Hervien reichen 10 höher
hinauf, von den 12 des Senonien 11, und die zwölfte fand
sich bereits im Hervien.
- v i •
1) Ich habe die Bezeichnung Maestrichtien inferieur beibehalten,
trotzdem in der Sitzung der Societe Beige de Geologie, de Paleon¬
tologie et de Hydrologie zu Maestricht 1887 auf die Auslassungen
von Ubaghs, Rutot und van den Broek beschlossen ist,
diese Ablagerung wegen ihrer Uebereinstimmung mit der phosphat¬
haltigen Kreide von Ciply als oberste Abtheilung zum Senonien zu
stellen. Obgleich diese veränderte Benennung den Vergleich zwischen
den Ablagerungen Limburgs und des Hennegau erleichtert, erscheint
sie doch unthunlich, da sie jetzt Schichten grösster Verwandtschaft
in paläontologischer und petrographischer Beziehung, den Kalk
von Kunraed und den von Maestricht trennt und da nunmehr der
weisse Kreidemergel den Namen Senonien inferieur tragen würde,
was zu Irrthiimern leicht Anlass geben könnte , da sie unserm
Ober Senon angehören.
Bulletin de la Societe Beige de Geologie, Paleontologie et
Hydrologie. Tome I. 1887. S. 215.
Ubaghs, De geologische Aardforming van Limburg. Vor-
dracht gehouden te Amsterdam in het 1. Natuur en Geneskundig
Congres van Nederland 1887.
8
Das Untere Maestrichtien (Kunraed) hat 19 Arten mit
anderen Horizonten gemein und zwar die meisten mit dem
Oberen Maestrichtien und einige wenige mit dem Senonien
und Hervien.
Von den 5 Arten des mittleren Maestrichtien sind, wie
die Tabelle zeigt, die meisten nicht sicher für diesen Hori¬
zont bestimmt, ausserdem gehören 3 derselben den nächst
älteren oder jüngeren Horizonten an.
Von den 40 Arten des Maestrichtien superieur standen
schon 24 in den vorhergehenden Rubriken.
Ein etwas anderes Bild giebt die Zahlenzusammen¬
stellung, wenn man das Maestrichtien zusammenfasst. Es
entfallen dann auf dasselbe 49 Arten, von denen nur 16
in den älteren Ablagerungen gefunden wurden. Diese
Zahlen weisen auf eine nähere Beziehung dieses vereinzelten
Kreidepunktes zu dem Maestrichtien, wenn sie auch gleich¬
zeitig einen Beitrag liefern zur Erkenntniss der engen
Zusammengehörigkeit der einzelnen Glieder der senonen
Kreide nach deutscher Auffassung.
Die zwölf dem Hervien allein zukommenden Arten sind:
Turritella socialis Müller
„ Humboldti Müller
Mesostoma Müllen Holzapfel
Aporrhais JBeisseli Holzapfel
Volutilites nana Müller
Ringicida Hagenowi Müller
Actaeonina doliolum Müller
Cylichna Mülleri Bosqu.
Leda Forsten Müller
Gardium cf. tubuliferum Goldf.
Corbula lineata Müller
Tellina cf. strigata Goldf.
ln dieser Reihe befinden sich zwei, deren Bestimmung
fraglich geblieben ist: Gardium tubuliferum und Tellina
strigata. Ferner sind Formen dabei, welche als Leitfossile
weniger werthvoll sind, da ihnen leicht erkennbare und
charakteristische Merkmale mangeln. Ein Beispiel hierfür
bietet Turritella socialis Müller, eine Art, die sich durch
die grosse Zahl der Windungen bei geringer Grösse und
9
durch die Glätte ihrer Oberfläche charakterisirt, Eigen¬
schaften, die sie mit der Brut vieler anderen Turritellen
theilen wird, oder vielmehr, die sie schwer davon unter¬
scheiden lassen. Hierher zählen beispielsweise noch Bingi-
cula Hagenowi, Corbula lineata, CylicJma Mülleri und Leda
Försteri .
Es bleiben demnach nur wenige Petrefacten, welche
mit einer gewissen Sicherheit für sich allein eine Verwandt¬
schaft unseres Vorkommens mit dem Hervien beweisen würden.
Ihnen gegenüber stehen 4 dem Kalk von Kunraed
allein zukommende Arten und 14, welche ausschliesslich
dem Maestrichtien superieur zugehören, oder 33 irrten des
gesummten Maestrichtien incl. Kunraed.
Es sind dies:
Baculites cf. vertebralis Lamk.
Dentalium sexcarinatum Goldf.
Solarium glaberrimum Vgl.
Delphinula spinulosa Binkh.
Trochus sculptus Binkh.
,, lineatus Binkh.
Turbo cf. cariniferus Binkh.
,, cf. clathratus Binkh.
Turritella Falcoburgensis Binkh.
Aporrhais Limburgensis Binkh.
Bostellaria nuda Binkh.
Cypraea Beshayesii Binkh.
Fusus glaberrimus Binkh.
Fasciolaria laevis Kaunhovven
Voluta irregularis Vgi.
CylicJma Schwer feniensis Vgl.
Fxogyra decussata Goldf.
„ cf. auricularis Goldi.
Lima cf. semisulcata Miss.
Beeten actinodus Goldf.
Trigonia spec. nov.
JDefrancia Michelini Hag.
Ceriopora theloidea Hag.
Biflustra Fsperi Hag.
Borina filograna Goldf.
10
Eschara stigmatophora Goldf.
„ propinqua Hag.
Reptescharinella pusilla Hag.
Lepralia JBrogniarti Hag.
Membranipora KonincJciana Hag.
Pyrgopolon Mosae Montf.
Orbitoides Faujasi Defr.
Unter diesen sind wegen schlechter Erhaltung un¬
sicher bestimmt: Lima semisidcata , Exogyra auricularis ,
Turbo cariniferus, T. clathratus und Lepralia Brongniarti ,
von denen ausserdem die ersten beiden in anderen Kreide¬
gebieten eine grössere verticale Verbreitung aufweisen.
Ferner sind hier ebenfalls weniger charakteristische
Formen vorhanden, z. B. Fasus glaberrimus , jedoch nicht
so viele wie bei den aufgezählten Arten des Hervien.
Jedenfalls bleibt die Reihe so gross, dass an der Gleich¬
altrigkeit der Kreide von Irnich mit der von Maestricht
nicht zu zweifeln ist, obwohl ihr besondere Eigenthümlich-
keiten nicht fehlen. Zu diesen gehört, wie schon hervor¬
gehoben, der Mangel an Echinodermen und die Armuth an
Brachiopoden; ferner treten im Limburgisehen die Bryozoen
in ausserordentlicher Zahl der Individuen auf und bilden
Bänke, wie dies von Kunraed und Valkenburg bekannt ist,
bei Irnich dagegen findet sich zwar auch eine Reihe von
Arten, aber alle sind selten und in enger Verbindung mit
den übrigen Fossilien.
Aehnlieh verhält es sich mit einzelnen Arten und
Gattungen der Mollusken ; ist doch z. B. das Genus Ostrea ,
das besonders bei Valkenburg in grosser Individuenzahl
zu finden ist, in Irnich auf wenige Exemplare einer Art
beschränkt, während mehrere Species der Nuculiden ebenso
wie die Astarte similis in verhältnissmässig grosser Zahl
der Individuen auftreten,
Der Nachweis der Gleichaltrigkeit mit einer der
Unter-Abtheilungen der Maestrichtschichten lässt sich zur
Zeit noch nicht führen, denn wenn auch das Maestrichtien
superieur mit Irnich eine etwas grössere Anzahl Arten ge¬
mein hat als Kunraed, so ist dieser Unterschied doch nicht
schwerwiegend. Bemerkenswerth ist, dass die petrographi-
11
sehe Beschaffenheit der Kreide von Irnich mehr an Kunraed
als an die höher liegenden Schichten erinnert.
Mit der Kreide von Maestricht ist schon früh die der
Provinz Hainaut in Beziehung gebracht. Cor net und
Briart3) unterscheiden in ihrer ausführlichen Beschreibung
dieses Gebietes 6 Etagen, von denen nur die beiden
jüngsten für uns in Betracht kommen.
Die V., die Craie blanche, soll der weissen Kreide von
Limburg entsprechen, und wie wir auch bereits in letzterer
eine Anzahl Fossilien angetroffen haben, die auch in
Irnich gefunden sind, so auch in dieser, jedoch sind es
alles Arten, die nicht auf diesen Horizont beschränkt sind :
Belemndtella mucronata Schloth.
Baculites vertebralis Lamk.
Ostrea vesicularis Lamk.
Vola substriato-costata d’Orb.
Rhynchonella plicatilis Sow.
Die VI. Etage bei Cor net und Briart ist gleich
dem Maestrichtien. Nach ihnen ist dieselbe gegliedert in:
0 ,, , . j Tufeau
bous-etage supeneur: ,.
1 I Poudingue
Sous-etage inferieur: Craie gris
Unter der reichen Eanna dieser Ablagerungen finden
sich 12 Arten, weiche mit Irnich gemein sind :
<Ü
D
bD
o
"S
C3
*s
u
p
o
«♦—
p
o
pH
Belemnitella mucronata Schloth.
Baculites vertebralis Lamk.
t
f
t
t
—
Pecten Faujasi Goldf.
t
Vola substriato-costata d’Orb.
_L
T
t
Fxogyra auricularis Goldf.
—
Argiope microscopica Schloth.
—
—
Porina füograna Goldf.
—
—
Eschara stigmatophora Goldf.
—
f
t
Pyrgopolon Mosae Montf.
t
t
1) Cornet et B r i a r t , Description mineralogique , geo-
logique et paleontologique du terrain cretace de la Province de
Hainaut. Mons 186G.
Arten von grösserer verticaler Verbreitung sind fort¬
gelassen. Leider geht aus dem Verzeichniss von Cor net
und Briart (a. a. 0. S. 50) nicht für alle Arten hervor,
welcher Unterabtheilung der Etage VI sie angehören. So¬
weit es ersichtlich war, ergibt es die obige Tabelle. —
Auch hier herrscht grössere Uebereinstimmung mit den
von Dumout Maestrichtien genannten Schichten , als
mit den älteren der dortigen Kreide. Allerdings hat die
Zahl der gemeinsamen Arten abgenommen, im Limbur-*
gischen waren es 49, hier sind es nur noch 12.
Zwischen diesen beiden Hauptgebieteu der Kreide in
Belgien, dem Limburgs und des Hennegau, liegen einzelne
Punkte, an welchen Kreide aufgeschlossen ist und die inter¬
essant sind dadurch, dass sie gewissermassen die Verbin¬
dung zwischen den beiden Hauptgebieten herstellen.
Hierher gehört die Kreide von Foix les caves1), welche
zum Theil vielleicht dem Kalk von Kunraed entspricht und
demgemäss auch einige Fossilien gemeinsam mit Irnich
führt. Ich erwähne :
Belemnitella mucronata Lamk.
Baculites vertebralis Lamk.
Exogyra auricularis Goldf.
Vola stricito-costata ? Goldf.
Beden Faujasi? Goldf.
Eshara sexangnlaris Hag.
„ propinqua Hag.
,, dichotoma Goldf.
Semieschara piriformis Goldf.
Von der Kreide an der Seron, einem kleinen Bach,
welcher in die Hemptinne, ein Nebenflüsschen der Mahaigne
Giesst, geben uns ß u t o t und v a n den B r o e c k 2) ein
1) Ubaghs, Considerations paleontologiques relatives au
tufeau de Foix les caves. Mein, de la Soc. de Geol. etc. T II.
S. 49, 1879.
Bi n k hörst, Esquisse geol. et paleontol. des couches cret
du Limbourg. S. 79, 1859.
Bin k hörst, Verhandlungen des naturh. Vereins der Rhein! .
Jahrg. 16. 1859. S. 410.
2) Etüde sur le Massif cret. du 8ud de la vallee de la Ma¬
haigne. Mem. de la Soc. geol. de la Belgique. T. XIIL S. 71.
1885—86.
13
Profil. Von zweien der Schichten werden Fossilien ange¬
führt. Die jüngere derselben führt JBelemnitella mucronata,
Pecten Faujasi, Pecten trigeminatus und Vola aequicostata,
von welchen bemerkt wird, dass sie ebensowohl dem Mae-
strichtien wie dem Senonien angehören.
Aus der grösseren Reihe der älteren Ablagerung ist
nur Pecten virgatus mit Irnich gemeinsam. Sie wird als
Hervien oder vielleicht noch älter angesehen.
Nicht weit von diesem Vorkommen findet sich ein
anderes zwischen Fumal und Hemptinne, welches Dumont
als Maestrichtien angesehen hatte und das vonRutot und
van den Br o eck als Senonien angesehen wird. Die Arten,
welche dort gefunden werden, sind solche, die beiden Etagen
gemein sind. Ferner ist noch das von B r i a r t 1) beschrie¬
bene der LEntre Sambre et Meuse zu erwähnen. Auch
hier sind die jüngsten Ablagerungen, das Jlaestrichtien und
das Senonien wieder aufgefunden.
Verlassen wir nunmehr das belgische Kreidegebiet,
um die Beziehungen zu den übrigen deutschen Kreidevor¬
kommen zu betrachten.
Aus der senonen Kreide Westphalens führt Schlüter2)
106 Arten an, unter diesen sind jedoch nur vier Gastro-
poden und 20 Lamellibranchiaten, während die bei Irnich
nur spärlich gefundenen Cephalopoden, Spongien und
Echiniden die grössere Zahl der erwähnten Arten einneh¬
men. Aehnlich ist das Verhältnis in den Listen Ferd.
Römers 3). Selbst nach Durchsicht des reichhaltigen
Materials an Gastropoden und Lamellibranchiaten in der
Sammlung der hiesigen Universität bleibt die Thatsache
bestehen, dass nur wenige Fossilien dem kleinen Kreide¬
vorkommen von Irnich und dem grossen Gebiete von West-
phalen gemein wird.
1) Notice descriptive des terrains tertiairs et cret. de l’Entre
Sambre et Meuse. Mem. de la Soc. gcol. de Belgique. T. XV.
2) Die Spongitarienbänke der oberen Quadraten und unteren
Mucronatenschichten des Münsterlandes. 1872.
3) Ferd. Römer, Kreidebildungen Westfalens. Zeitschr.
d. D. geol. Ges. Bd. VI. 1854. S. 99.
14
Die Namen derselben und ihre Verbreitung ergibt
folgende Tabelle.
Turon
Emsclier
Marsupitenzone
Z. d. Pect, muricatus
Z. d. Scaph binodosus
Z.d.Becksia Söckelandi
Z. d. Lepid. rugosa.
a
r— *
o
o
Ä
o
pH
0)
HH
HH
S3
Belemnitella mucronata Schloth.
t
t
t
Baculites cf. vertebralis Lamk.
*
•
t
Ostrea vesicularis Lamk.
t
t
f
f
t
Exogyra cf. auricularis Goldf.
t
t-
JL
1
t
Lima cf. semisulcata Nilss.
f
t
t
t
Beeten virgatus Nilss.
t
?
t
t
Moäiola concentrica Münst.
t
.
t
Astarte similis Münst.
»
T
Leda siliqua Goldf.-
t
,
4
Siliqua concentristriata G. Müller
t
4
I
Gardium cf. tubuliferum Goldf.
i
Liopistha aequivalvis Goldf.
t
t
•
Fusus Irnichensis Vgl.
f
Bhynchonella plicatilis Sow.
! t
t
1
+
Terebratulina chrysalis Sclilotk.
! t
•
•
!
t
•
Eine nähere Beziehung zu einer der westphälischen
Zonen ergiebt sich daraus nicht, da die meisten dieser
kleinen Reihe noch Arten von grosser verticaler Verbrei¬
tung sind, wohl aber ein Hinneigen zu den jüngsten Ab¬
lagerungen des Senon und zwar von der Zone des Scaphites
binodosus an. Die grösste Anzahl der gemeinsamen Arten
hat die Zone des Heteroceras polyplocum, es ist aber keine
Species darunter, die dieser Zone allein angehört. Auffällig
ist das Auftreten der Siliqua concentristriata G. Müller
und Leda siliqua Goldf. allein im Emscher, beide sind
aber als Steinkerne in ihren Beziehungen nicht völlig
zweifellos.
Gehen wir nunmehr zu den A blagerungen über, welche
sich im Norden des Harzgebirges vorfinden. Da diese
ebenfalls den oberen Theilen dieser Formation angehören,
so sind wohl eine Anzahl gleichartiger Fossilien zu erwarten.
Von den aus Irnich bekannten Arten finden sich auch
in diesem Gebiet, theils im Unter-, theils im Ober-Senon :
1
Unter- j Okr-
Scnon
Belemnitella mucronata Schloth.
-
f
Helicaulax grcmulata Sow.
t
Actcieonina doliolum Müller
t
|
_
Ostrea vesicularis Lamk.
f
t
T
? Exogyra decussata Goldf.
t
Exogyrci cf. auricularis Goldf.
t
Beeten virgatus Nilss.
t
t
Astarte simüis Münst
«
T
f
Leda siliqua Goldf.
f
Nucula tenera Müller.
t
Caräiuni cf. tubuliferum Goldf.
t
Siliqua concentristriata G. Müller.
+
-
Liopistha aequivalvis Goldf.
t
f
Corbula lineata Müller.
JL
1
Lima cf. semisulcata Nilss.
t
Bhynchonella plicatilis Sow.
t
Terebratulina chrysalis Schloth.
t
t •
Eschara sexangidaris Hag.
t
Semieschara piriformis Goldf.
t
Pyrgopolon Mosae Montf.
t
Zu dem Uuter-Senon sind in dieser kleinen Tabelle
die Arten gezählt worden, welche stammen aus dem Salz¬
bergmergel von Quedlinburg1), aus den Schichten, welche
diesen von G. Mülle r 2) gleich gestellt sind, der Gegenden
von Zilly-Heudeber, Harzburg- Vienenburg und vom Sudmer-
berg, ferner die der Thone von Suderode 3) und der Kreide
von Gehrden.
Die Schichten, welche G. Müller 1. c. als Ober-Senon
anführt, der obere Theil der Ilsenburgmer gel und die ent¬
sprechenden Schichten der Gegend Harzburg-Vienenburg
haben keine Fossilien geliefert, die sie mit Irnich gemein
1) Brauns, Die senonen Mergel des Salzbergs bei Quedling-
burg. Zeitschr. f. die gesammte Naturw. 1875. S. 325.
2) Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide am nördlichen
Harzrand. Jahrb. d. geol. Landesanst. 1887. S. 39G.
3) Frech, Die Versteinerungen der Unter-Senonen Thon¬
lager zwischen Suderode und Quedlinburg. Zeitschr. d. D. g. G.
Bd. 39. 1887. S. 141.
Iß
batten, dagegen war dies der Fall von den Kreideablage-
rungen der Umgegend von Königslutter, welche in Gr i epe n-
kerl1) ihren Bearbeiter gefunden haben. Ferner sind zum
Ober-Senon gezählt die Kreidevorkommen von Schwiehelt
bei Peine und die von Ahlten. Das Verzeichniss ergiebt
eine nahezu gleichmässige Vertheilung der Arten auf Ober¬
und Unter-Senon, nur wenig überwiegt das letztere. 10
der Arten sind nördlich vom Harz nur im Unter-Senon be¬
kannt, nur 5 von ihnen jedoch überhaupt bislang als Arten
des Unter-Senon erwähnt. Nur eine von ihnen, Siliqua
concentristriata G. Müller, gehörte bislang dem Unter-
Senon des Harzes allein an.
Das geringe Ueberwiegen des Unter-Senon in diesem
Gebiete kann die Beurtheilung des Alters der Irnicher Ab¬
lagerung nicht beeinflussen, da dasselbe dadurch hervor¬
gerufen sein kann, dass das Unter-Senon weiter verbreitet
ist als das nur an wenigen Punkten verkommende Ober-
Senon und dass das erstere häufigere und ausführlichere
Beschreibungen gefunden hat als das Ober-Senon. Von
letzteren ist in neuerer Zeit nur das von Königslutter be¬
handelt, ohne dessen Kenntniss die Zahl der gemeinsamen
Arten aus der jüngsten Kreide dieses Gebiets und von
Irnich stark zusammenschmelzen würde.
Im Anschluss an dieses Kreidegebiet ist noch das
vereinzelte Vorkommen von Lüneburg hier zu erwähnen.
Am Zeltberge, sowie am Altenbrücker Thore sind senone
Schichten bekannt. Unter den 10 Arten, welche von
S tro m b ec k 2) aus dem östlichen Theile des Rathsbruches
und aus dem Behrschen Bruch beschreibt, ist keine, die
auch in Irnich gefunden wäre, ausser Ostrea vesicularis.
Die Schichten dieser Brüche werden dem Unter-Senon zu¬
gezählt. Von den 50 Arten, welche aus den Brüchen der
Cementfabrik oder vom Ufer der Ilmenau am Altenbrücker
1) Die Versteinerungen der senonen Kreide von Königslutter
im Herzogth. Braunschweig. Palaeont.ol. Abhandl. von Dam es rnd
Kays er, 1889.
2) v. Strombeck, lieber die Kreide am Zeltberg bei Lüneburg
Zeitschr. d. D. g. G. Bd. XV. 1863. S. 123.
17
Thore stammen, sind mit Irnich gemein : Belemnitella mu-
cronata Schioth., Ostrea vesicularis Lamk., Bhynchonella pH-
catilisSow.var. octoplicata und Terebratulina chrysalis Schioth,
Der baltischen Kreide 1) gehören an :
Baculites vertebralis Lamk.
Ostrea vesicularis Lamk.
Exogyra äecussata Goldf.
„ auricularis Goldf.
Lima semisulcata Nilss.
IAopistha aequivalvis Goldf.
Rhynchonella plicatilis Sow.
Terebratulina chrysalis Schioth.
Defrancia Michelini Hag.
Geriopora theloidea Hag.
Porina fdograna Goldf.
Eschara dichotoma Goldf.
Pyrgopolon Mosae Montf.
Auch diese Reihe verräth eine annähernde Gleichal¬
trigkeit der Ablagerungen. Die acht erstgenannten und
Pyrgopolon Mosae sind aus Schweden bekannt und ge¬
hören zum grössten Teil dem Köpinge-Sandstein an. Es
sind aber alles Arten von grosser horizontaler und verti-
caler Verbreitung.
Wenngleich die Kreide von Irnich auch mit den
übrigen senonen Ablagerungen Norddeutschlands und der
benachbarten Gebiete mannigfache Uebereinstimmung zeigt,
so ist diese doch viel geringer als die mit dem Limburger
Gebiet. Der Vergleich der Arten führt fast überall auf die
jüngsten Ablagerungen, ohne jedoch die Identität mit
einem der hier entwickelten Horizonte zu erweisen.
1) H agenow, Monographie der Rügenschen Kreideverstei¬
nerungen. N. Jahrb. für Min. etc. 1839, 1840 und 42.
Nilsson, Petrificata Suecana formationis cretaceae. Londini
Gothorum 1827.
Hie s inger, Lethaea Suecica seu Petrificata, Iconibus et
Characteribus illustrata. Holmiae 1837.
Lundgren, Faxekalke von Limhamn 1807.
Schlüter, Bericht über eine geogn.-palaeontol. Reise im südl.
Schweden. N. Jahrb. 1870.
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX.
2
18
Beschreibung der Arten.
Belemnitella mucronata Schloth1).
Schlüter, Die Cephalopoden der oberen deutschen Kreide.
Palaeontographica Bd. XXIV. S. 200, Tafel 55.
Ein Bruchstück einer grossen Scheide, welches sich
trotz des fehlenden Alveolar-Endes durch die „Gefässein-
drücke“ leicht als zu der Art gehörig charakterisirt, wurde
bei Irnich auf dem Acker gefunden. Obgleich dasselbe
nicht im Gestein sass, so ist an der Zugehörigkeit zur
Kreide von Irnich doch nicht zu zweifeln, da der Fund¬
punkt sonst keine Geschiebe anderer Kreidegebiete auf¬
weist und an ein Verschleppen aus solchen bei der grossen
Entfernung und dem seltenen Besuch von Sammlern nicht
zu denken ist.
Baculites cf. vertebralis Lamk.
Schlüter, Die Cephalopoden der oberen deutschen Kreide.
Palaeontographica Bd. XXIV. S. 143, Tafel 39,
Fig. 11—13. Tafel 40, Fig. 4, 5, 8.
Zahl der untersuchten Exemplare: 15.
Die Oberfläche ist glatt, der Querschnitt war anschei¬
nend oval. Ob die Rundung desselben an beiden Enden
gleichmässig ist oder ungleich, lässt sich nicht feststellen,
da die grösseren Stücke alle verdrückt sind. Nur an zwei
Exemplaren ist eine Kammerwand zu beobachten, welche
einen dreitheiligen Dorsal- oder Ventrallobus (ein Sipho ist
nicht zu erkennen) und jederseits zwei Lateral-Loben und
-Sättel zeigt. Die letzteren sind an Breite und Tiefe ein¬
ander ungefähr gleich. Das Gehäuse ist nach den Bruch¬
stücken zu urtheilen ausserordentlich schlank gewesen.
Es liegen Stücke vor, welche einen grössten Durchmesser
1) In dem folgenden paläontologischen Theile ist bei den Arten,
welche in neuerer Zeit ausführlich behandelt sind, von einem Lite-
raturverzeichniss abgesehen und nur die eingehendere Bearbeitung
angeführt.
19
yoü 2 cm haben und solche, bei denen derselbe 2 mm
beträgt.
An glatten Baculiten erwähnt Schlüter noch Baculites
anceps d’Orb., bei welchem die Lateral-Sättel die doppelte
Breite der -Loben haben; ferner Baculites Knorrianus Desm.
Hohe zweitheilige Sättel übertreffen auch hier der Abbil¬
dung nach die Loben, dazu ist der Querschnitt ausge¬
sprochen eiförmig, an der einen Seite weit schärfer ge¬
rundet als an der anderen. Wenngleich nun wie bemerkt
die Irnicher Exemplare meist verdrückt sind, so zeigen
doch besonders einzelne Jugendzustände, dass sie einen
anderen Querschnitt besessen haben, dessen Enden weniger
von einander verschieden waren.
Baculites vertebralis Lamk. ist nach Schlüter mit Sicher¬
heit nur aus den Maestrichtschichten bekannt, ungewiss ist
das Vorkommen derselben in den oberen Mucronaten-
Schichten von Haldem und Lemförde.
Dentalium nutans Kner.
1848 Kner, Versteinerungen des Kreidemergels von Lem¬
berg. Haidingers Natur w. Abh., Bd. III, S. 23,
Tafel IV, Fig. 10.
1849 Alth, Geognostisch- Palaeontologische Beschreibung
der Umgegend von Lemberg. Haidingers
Naturw. Abh. Bd. III, S. 226.
1869 Favre, Description des mollusques fossils de la craie
des environs de Lemberg. S. 100, Tafel XI,
Fig. 6.
1889 Griepenkerl, Versteinerungen der senonen Kreide
von Königslutter. Palaeontolog. Abh. von
Dames und Kayser S. 70.
Die vorliegenden 11 Exemplare dürften zum Theil
eine Länge bis zu 7 cm erreicht haben. Die Schale war
dick, die Oberfläche derselben mit nicht ganz regelmässigen
Rippen von ungleicher, aber stets nur geringer Stärke
bedeckt.
Bei der Bestimmung könnten noch in Frage
kommen :
20
1. D. decussatum Sow. Min. Conch. 1, T. LXX, Fig. 5r
S. 181.
2. D. „ d’Orb. Pal. franc. Terr. cret, Gaste-
ropodes S. 400, Taf. 236.
3. D. „ Sow. bei Altb, Umgegend von Lem¬
berg, S. 226, Tafel XII, Fig. 1.
4. D. medium Reuss, böhm. Kreidef. I, S. 40, Taf. XI,
Fig. 1.
5. I). striatum Sow. Min. Conch. I, Tafel LXX, Fig. 4.
6. D. ,, Reuss, böhm. Kreidef. I, S. 41, Taf. 11,
Fig. 18.
Tertiär 7. Z). geminatum Goldf. Petref. Germ. III,
S. 2. Taf. CLXVI, Fig. 13.
8. D. JBouei Desh. Monogr. du genre Dentale. Menu
de la soc. d’hist. nat. de Paris II, 1825,
S. 355, Taf. XVIII, Fig. 8.
D. decussatum Sow. ist stärker gebogen, die Rippen
sind weniger zahlreich und der Abstand derselben von
einander ist grösser als bei JD. nutans. Dasselbe gilt von
JD. medium (Sow.) bei Reuss (I, S. 40). Ein falsches Citat
bei Reuss (sowohl D. medium \ Sow. wie D. decussatum
Sow. werden angeführt als Fig. 5 der Tafel LXX in der
Min. Conch., während in Wirklichkeit I). medium durch
die Fig. 5 der Tafel LXXIX dargestellt wird) legt den
Gedanken nahe, dass von ihm nur D. decussatum Sow.
gemeint ist, denn nur dieses zeigt Aehnlichkeit mit seiner
Abbildung und Beschreibung, während D. medium Sow.
erheblich abweicht. Im Uebrigen lässt die Abbildung von
D. medium oder decussatum Reuss auch auf Unterschiede
von D. decussatum Sow., d’Orb. und Alth schliessen. D. stria¬
tum ist bedeutend kleiner, auch von geringerer Rippenzahl
(10 — 12 nach Reuss), ferner ist es fast vollkommen gerade,
während D. nutans in der Jugend gebogen ist und erst
im Alter beinah gerade fort wächst. Ausser diesen be¬
schreiben Hall und Meek noch ein D. gracilis aus dem
oberen Theile des Horizonts IV der Kreide von Nebraska,
welches der vorliegenden sehr nahe kommt, nur dass bei
dieser amerikanischen Art keine Abnahme und kein Ver¬
schwinden der fadenförmigen Rippen im Alter beobachtet
21
wird, wie dies JD. nutans zeigt, sondern ein Zwischen¬
schieben neuer. (Hall et Meek, Descr. of new Spec. of
Nebraska. Memoirs of the american Äcad. Vol. V, S. 393,
Tafel III, Fig. 11.)
Von tertiären Formen zeigt in Folge der stärkeren
und gedrängten Berippung D. geminatum Goldf. viele
Aehnlichkeit mit unserer Art, sie unterscheidet sich nur
durch die Form der Rippen, diese sind breit und haben
auf ihrem Rücken eine Furche, welche sie zweigetheilt er¬
scheinen lässt. Noch mehr Uebereinstimmung bietet JD. JBouei
Desh. Zahlreiche schwache Rippchen zieren hier wie bei
D. nutans die Schale, jedoch wechseln stärkere und
schwächere ab, während bei der Irnicher Art eine Regel¬
mässigkeit hierbei nicht gefunden wird. Ferner erhalten
die Rippchen bei der tertiären Form ihre Stärke auch im
Alter fast vollkommen bei, während unsere zuletzt fast
glatt wird und nur mit Anwachsstreifen versehen ist.
Die Beschreibung, welche Kner von JD. nutans gibt,
passt vollkommen auf die Form von Irnich, nur habe ich
keine Einschnürung an der Spitze beobachten können, es
ist dies aber kein Grund die beiden Formen zu trennen,
da ich, trotz der Häufigkeit des Vorkommens, nur bei
einem plattgedrückten Exemplar den Abdruck einer Spitze
beobachten konnte. Alth 1. c. möchte diese Art wieder
mit D. decussatum Sow. vereinigen, da jedoch die vor¬
liegenden Exemplare sämmtlich die erwähnten Abwei¬
chungen zeigen, so ist die Art aufrecht zu erhalten. Bei
einer etwaigen Vereinigung würden jedenfalls auch
die anderen Arten mit in Rücksicht und eventuell einzu¬
ziehen sein.
Vorkommen: Nagorzany bei Lemberg und imOberseuon
von Königslutter in Braunschweig (Gr iepenker 1).
Diese, wie auch die anderen vorkommenden Denta-
lien haben noch eine erwähnenswerthe Eigenthiimlichkeit
in ihrer Erhaltung. Der Steinkern ist fast stets ein- oder
mehrmal in dem röhrenartigen Abdruck festgehaiten durch
einen Kranz des Gesteines. Das häufige Vorkommen dieser
Erscheinung machte zunächst den Eindruck der Regel¬
mässigkeit. Bei Vergleichung der einzelnen Exemplare
22
ergab sich jedoch, dass diese nicht vorhanden war, nnd
nun lag* der Gedanke nahe, dass die Abdrücke gangartig
von Gestein durchsetzt seien. Da nun aber das Gestein
des Kranzes nicht im Geringsten von dem umliegenden
abweicht, so ist anzunehmen, dass wir es mit Bruchstellen
der Dentalien zu thun haben, in die das Gestein einge¬
drungen ist. Dass ein Zerbrechen der Dentalien bei sonst
guter Erhaltung noch nach der Ablagerung möglich ist,
zeigten mehrere tertiäre Exemplare, bei denen die einzelnen
Bruchstücke nur gering verschoben aber zerbrochen in
richtiger Reihenfolge bei einander liegen.
Dentalinm sexcarinatum Goldf.
G o 1 d f u s s , Petrefacta Germaniae Bd. III, S. 1 , Tafel CLXVL
Fig*. 12.
Die 4 vorliegenden Stücke zeigen eine Länge bis
zu 11 mm und eine Dicke von 1 bis 1,5 mm. Die Schale
war sechskantig. Die Kanten sind scharf, kielartig, be¬
sonders die an den gebogenen Seiten gelegenen. Zwei
Seitenflächen sind eben, die zwei Paar Flächen an der
Rücken- und Bauchseite stark concav.
Die von Goldfuss aus Maestricht beschriebenen
Stücke zeigen eine Abweichung, die indess die Zusammen¬
gehörigkeit beider Formen nicht in Frage stellt. Der
Rückenkiel ist nämlich bei diesen in weit stärkerer Weise
ausgebildet, ich konnte dies aber nur an Exemplaren be¬
obachten, die doppelt so gross sind als die Irnicher und
auch hier nur an dem jüngeren Theile. Ob die Form
von Friedland in Schlesien, welche Gold fuss erwähnt, hier'
her gehört, ist nach dem mir vorliegenden Originalexem¬
plar sehr fraglich. Zwar haben die sechskantigen Röhren¬
abdrücke denselben Querschnitt, aber sie nehmen im Alter
gar nicht oder nur wenig an Umfang zu, wie dies bei
Dentalien sonst der Fall ist und sie sind nicht in einer
Ebene gebogen, sondern lang gestreckt gewunden; ob regel¬
mässig oder nicht, konnte ich nicht feststellen.
Erwähnenswertb ist noch die grosse Aehnlichkeit
unserer Art mit Dent. ( Paliurus ) pentangulatus White. Der
Unterschied ergibt sich aus dem Namen (White, Contri-
butions to invert. Pal. No. 1 Cret. Foss. of the Western
States and Territories. — U. St. Geological and Geographical
Survey of the territories embracing Idaho and Wyoming
by Hayden 1877, S. 302, Tafel 4, Fig. 4). De Ryckholt
(Melanges Paleontologiques Mem. Cour. Bd. XNIV, S. 122)
stellt die Art mit Dentalium Mosae und anderen zusammen
unter den Namen Ditrupa clava Lamk. und erwähnt dabei,
dass JD. sexcarinatum nur Jugendform sei, dass ausserdem
die Kiele im Alter sich verlören und schliesslich, dass
D. sexcarinatum nicht 6, sondern 7 Kanten zeige. Die
mir vorliegenden Exemplare des D. sexcarinatum von
Maestricht haben Dimensionen, welche denen der am gleichen
Gesteinstück befindlichen D. Mosae mindestens gleich kom¬
men, wenn sie dieselben nicht gar übertreffen; hier sind
nun die letzteren nur rundlich eingeschnürt, während erstere
im Alter zunehmende Kanten oder Kiele zeigt. Da auch
bei den deutlichen Abdrücken Maestrichts ein Verzählen
von 6 bis 7 nicht wohl denkbar ist, so muss man anneh¬
men, dass de Ryckholt etwas anderes als D. sexcarinatum
Vorgelegen hat.
Dentalium spee.
Ausser den vorhergenannten Arten sind noch zwei
Bruchstücke von Steinkernen nebst den zugehörigen röhren¬
artigen Abdrücken vorhanden, die als Dentalien gedeutet
werden dürfen. Beide sind im Durchschnitt kreisrund,
beide fast gerade, nur wenig gekrümmt. Bei der kleineren
von beiden kleidet noch ein Theil der Schale den Abdruck
aus. Da die glatte Oberfläche keine Merkmale bietet, auch
ein etwa vorhanden gewesener Schlitz keine Spuren hinter¬
lassen hat, die Bruchstücke nur ein ungenügendes Bild
der ganzen Gestalt bieten, so ist von einer Bestimmung,
die einer Wahl unter den glatten Dentalien gleich gekom¬
men wäre, abgesehen.
24
Die Grössen Verhältnisse der Bruchstücke sind folgende:
Länge: Durchmesser vorn: Durchmesser hinten:
1) 4 cm 0,75 cm 0,3 cm
2) 1,1 „ 0,4 „ 0,3 „
lieber die glatten Dentalien der Kreide vergl. Holz¬
apfel, Mollusken der Aachener Kreide S. 177.
Solarium glaberrimum nov. spec.
Fig. la und b.
Untersucht wurde ein Exemplar von Irnich und eins
von Maestricht.
Das Gehäuse ist niedrig, kreiselförmig glatt, es be¬
sitzt fünf bis sechs nicht gewölbte Umgänge. Die Höhe
beträgt 1 cm, der Durchmesser der Basis 2 cm.
Der Steinkern aus den obersten Windungen zeigt,
dass die Mündung breit oval war, er lässt auf einen weiten
Nabel schliessen. Auf dem Steinkern liegt ein wurmför¬
miges Gesteinsstückchen, welches ich für die Ausfüllung
eines sptraligeu Canals im Nabel ansehe, wie ihn einzelne
Arten der Gattung Solarium haben.
Ein Abdruck mit Steinkern dieser Art aus Maestricht
befindet sich im Museum der Bonner Universität, welcher
von G o 1 d f u s s unbestimmt gelassen ist. Derselbe ist etwas
höher als die Irnicher Form.
Nahe Verwandtschaft mit S. glaberrimum scheint S.
Vylapaudiense Stol 1 2) aus der Arriaioor Group des südlichen
Indiens zu haben, bei welchem jedoch die Schlusswindung
einen schärferen Rand hat und die Mündung viereckig ist.
Dazu kommt eine allerdings sehr schwache Spiral- und
Längsstreifung.
Delphinula spinulosa Binkiiorst.
B inkhorst, Monographie des Gasteropodes et des C6-
phalopodes de la craie superieure de
Limbourg S. 55, Tafel III , Fig. 1 a, b.
Tafel V a, Fig. 2.
1) Stoliczka, Cretaceous Fauna of Southern India. Calcutta
1864. Palaeontologica Inaica II. Gasteropoda S. 257, Taf. XX, Fig. 5 — 6.
Delphinula spinulosa , von der 2 Exemplare vorliegen,
besitzt ein niedriges treppenförmiges Gewinde. Die jüngeren
Umgänge sind unter der Kante mit etwa 7 rauhen Spiral-
leisten geschmückt, von denen der fünfte stärker als die
übrigen ausgebildet ist. Die Kante ist mit weit auseinan¬
derstehenden schuppenartigen Stacheln versehen. Nach der
Spitze zu werden die Spiralstreifen glatt und die Kanten¬
stacheln verschwinden. In der Jugend scheinen die Win¬
dungen überhaupt glatt gewesen zu sein. Binkhorst
besass scheinbar nur das Bruchstück eines Exemplares,
welches den Abdruck der Schale zeigte, das er abgebildet
hat, ausserdem wohl mehrere Steinkerne. Seine Beschrei¬
bung, sowie die Abbildungen stimmen mit der Xrnicher
Form vollkommen überein, so dass das Fehlen einer Be¬
schreibung der inneren Windungen der Xdentificirung bei¬
der Vorkommen nicht hinderlich ist. Die Originale zur
B inkho rst ’schen Arbeit sind im Museum der Berliner
Universität, wo ich dieselben vergleichen konnte.
Trochus lineatus Binkh.
Binkhorst, Monographie des Gasteropodes et des Ce-
phalopodes de la craie sup. du Limbourg
1861. S. 52. Tafel V a1, Fig. 9 a, b.
Trochus lineatus , von welchem zwei Abdrücke und
ein Stein kern vorhanden, ist eine kleine niedrig kegelför¬
mige Schnecke. Sie hat nach Binkhorst 5 Umgänge.
Bei dem vorliegenden Exemplar sind deren nur 4 erhalten.
Dieselben sind flach oder kaum merklich gewölbt. Die
Oberfläche der Windung ist mit 6 bis 8 Spiralstreifen ver¬
sehen, von denen der unterste doppelt so stark wie einer
der übrigen ist. Die Höhe des Gehäuses beträgt 7 mm,
der Durchmesser der Basis 12 mm. Die Art ist ein Trochus
im weiteren Sinne; in Folge ihrer ungünstigen Erhaltung
konnte dieselbe bislang weder einer der abgetrennten ver¬
wandten Gattungen, noch einer der Untergattungen von Tro~
chus eingereiht werden. Ixaunhowen erwähnt dieselbe in
seiner Dissertation nicht.
26
Binkliorst besass nur ein Exemplar. Von Irnich
liegt ein gut erhaltener Abdruck vor mit zugehörigem
Steinkern, ferner ein Abdruck.
Troclms cf. sculptus Binkh.
Bin k hör st, Monographie des Gasteropodes et des Ce-
phalopodes de la, craie sup. du Limburg
1861. S. 53, Taf. II, Fig. 6.
Es liegen zwei Abdrücke vor, ein kleiner und ein
grösserer (Höhe 1,2 cm, Durchmesser der Basis 1 cm),
dieser mit einem Steinkerne von 6 eng aufeinander liegen¬
den Windungen. Auf dem Abdruck ist die einzelne Win¬
dung geziert mit 5 spiralen Leisten, von denen die untere
glatt ist, während die darüber liegende stärkere etwas
längliche Knötchen trägt. Es folgen dann zwei mit perl¬
schnurartig aneinandergereihten Knötchen, welche zwischen
sich noch eine dünnere, ebenfalls nicht glatte liegen haben,
die nach der Spitze zu verschwindet. Die Körnerreihen
liegen in einem concaven Theile der Windung. Die Basis
ist flach, die Mündung lang oval.
Binkliorst erwähnt bei seinem Tr. sculptus 6 Leisten,
welche anders gruppirtsind, ausserdem sind nach ihm die Win¬
dungen convex. Trotz dieser Unterschiedehalte ich beide For¬
men für dieselbe Art. Das Original BinkhorsUs war grösser,
es ist demnach nicht ausgeschlossen, dass sich bei ihm im
Alter noch eine 6. Leiste eingeschoben hat. Der Unter¬
schied der Gruppirung wird aufgehoben, sobald man die
unterste seiner Körnerreihen als zur folgenden Windung
gehörig betrachtet. Da B inkliorst ebenfalls nur Abdrücke
und Steinkerne hatte, ist in dieser Beziehung ein Irrthum
sehr leicht möglich, zumal wenn die Basis des Abdrucks
gefehlt hat. Nimmt man nun diese Verschiebung der
Leisten an, so fällt auch der 3. Unterschied, denn nun¬
mehr liegt die grösste Erhebung nicht mehr in der Mitte,
sondern am unteren Rande der Windung und oberhalb ein
concaver Th eil.
Eine verwandte Form ist T. JBinkhorsti Bosq. svn.
27
T. Montis St. Petri Binkh. Die länglichen Knötchen der
Hauptleiste finden sich dort ausgeprägter wieder, die an¬
deren Leisten sind aber äusserst schwach. Auch die
Steinkerne unterscheiden sich, da bei T. Binkhorsti die
Windungen nicht so eng liegen wie bei T. sculptus. Auch
ist die Mündung des ersteren vierseitig.
Turbo cf. cariniferus Binkh.
Binkh orst, Monographie des Gasteropodes et des Ce-
phalopodes. S. 50. Tafel V a. Fig. 5.
Ein Abdruck eines Turbo stimmt in der Skulptur
überein mit Turbo cariniferus , ist jedoch scheinbar schlanker
gebaut. Zu einer endgültigen Bestimmung oder Beschrei¬
bung reicht das vorliegende Stück nicht ans.
Turbo cf. clathratus Binkh.
B inkhorst, Monographie des Gasteropodes etc. S. 48
Tafel III, Fig. 7 a, b.
Auch hier liegt nur ein Abdruck vor, der hinsichtlich
der Skulptur Uebereinstimmung zeigt, aber wie die vorher¬
gehende Form durch die spitzere Gestalt abweicht. Wie¬
derum ist die Erhaltung nicht derart, dass mit Sicherheit
eine genaue Bestimmung erfolgen kann. •
Liotia parva spec. nov.
Fig. 2.
Das Gehäuse ist kreiselförmig. Das beste der vor¬
liegenden Exemplare hat sieben Umgänge bei 3,5 mm Länge.
Dieselben sind geziert durch entfernt stehende Längsrippen
(etwa 12 bis 14 auf einem Umgang) und durch zahlreiche
feine Spiralstreifen. Die Vertical rippen sind scharf und
haben auf den oberen Windungen zwei Knötchen, während
die Schlusswindung deren drei zeigt. Die Nähte sind tief.
Die Mündung ist kreisrund, der Mundsaum breit, wulstig.
Ein Nabel war vorhanden, wie der Steinkern lehrt. Die
nächststehende Art ist Scalaria macrostoma Müller1) aus
dem Untersenonen Grünsand von Vaels. Bei ihr scheinen
sich nach den Abbildungen Holzapfel’ s jedoch weit we¬
niger Spiralleisten zn befinden, diese wenigen sind aber
stark und bilden an den Kreuzungspunkten mit den Rippen
Knoten. Ferner ist unsere Art schlanker. Gri epenkerl2)
beschreibt Sc. macrostoma aus der unteren Mucronaten-
kreide von Lauingen, doch scheint auch dieses Vorkom¬
men sich von dem Aachener zu unterscheiden. Er schreibt:
,, schmale“ Zwischenräume trennten die Rippen; der Ab¬
bildung Müller entspricht dieses, weniger denen Holz-
apfeLs. Ferner erwähnt er 8 bis 10 Spiralrippen, wäh¬
rend das Maximum auf den Zeichnungen Holzapfel’s
5 sind. Diese erhöhte Zahl würde die Braunschweiger
Art der unsrigen näher bringen. — Dieselben Gründe,
welche Böhm und Holzapfel leiteten, diese Art zu
Liotia, nicht zu Scalaria zu stellen, waren auch für mich
bei Liotia parva massgebend.
Tnrritelia socialis Müller.
J. Müller, Monographie der Petrefacten der Aachener
Kreideformation II, 1851, S. 30, Tafel 4, Fig. 9.
Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Palae-
ontographica XXXIV, S. 164, Tafel 15, Fig. 14.
Eine kleine Schnecke, von der zwei Abdrücke vor-
liegen, mit spitzem thurmförmigem, aus vielen Umdrehungen
bestehendem Gewinde, deren Oberfläche glatt erscheint,
entspricht der von Müller gegebenen Beschreibung und
1) J. Müller, Monographie der Petrefacten der Aachener Kreide¬
formation: II. Theil. Bonn, 1851. S. 8, Tafel 3, Fig. 7. Liotia macro¬
stoma M. Böhm, Grünsand von Aachen. S. 37. Liotia macrostoma
M. Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Palaeonto-
graphica XXXIV. S. 170. Tafel XVIII. Fig. 3 — 7.
2) Die Versteinerungen der senonen Kreide von Königslutter.
1889. S. 77.
29
Abbildung. Das kleinere der vorliegenden Exemplare zeigt
bei einer Länge von 4 mm 8 Windungen. Die grösste
Dicke beträgt 1 mm.
Das andere Stück zeigt die jüngeren Windungen ;
dasselbe bat eine Länge von 6 mm und grösste -Dicke von
2 mm bei 5 bis 6 Windungen. Diese sind stärker ge¬
wölbt und daher die Nähte tief und im Abdruck deutlich
wieder gegeben. Der Steinkern ist glatt. Häufig bei
Aachen.
Turritella Humboldti Müller.
J. Müller, Monographie der Petrefacten der Aachener
Kreideformation II, S. 32, Tafel 4, Fig. 17.
Böhm, Der Grünsand von Aachen und seine Mollusken¬
fauna 1885, S. 40.
Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Palae-
ontogr. XXXIV, 1887, S. 156.
Die vorliegenden Bruchstücke von Abdrücken zeigen
bei 5 mm Länge 3 Windungen und bei 9 mm 5 bis 6
derselben. Sie schliessen fest an einander und sind mit
3 Leisten geziert, von denen die untere die stärkste ist.
Die mittlere ist der unteren etwas genähert und am
schwächsten. Die obere ist mit Knötchen geziert. Eine
vierte Leiste, wie sie Müller und Böhm beschreiben, ist
nicht vorhanden, da dieselben nach den Beschreibungen
meist schwach ist und hart an der Naht liegt, dürfte ihr
Fehlen nicht von Wichtigkeit sein. Zwischen den Leisten
findet sich dann noch eine ausserordentlich feine Liniirung.
Dieselbe wird sowohl von Müller wie von Böhm erwähnt.
Holzapfel erwähnt die Art unter T. nodosa Röm. und
vereinigt hiermit noch T. Noeggerathiana Goldf., nodosa /
Althausi , Carnallana und acutissima Müller, sowie T. no¬
dosa Stol. und Frech und schafft somit eine grosse aber
varietätenreiche Art. Da die allerdings nur wenigen
Exemplare von Irnich sich alle gleich bleiben und der
Müller’ sehen Art gut entsprechen, so habe ich mit Böhm
einstweilen den Artnamen Müll er ’s beibehalten. Vor¬
kommen: Untersenon Aachens.
Turritella Falcoburgensis Binkh.
Binkhorst, Monographie des Gasberopodes etc., S. 34,
Tafel V, Fig. 2.
Die Art ist von Kaunhowen nicht erwähnt. Bink¬
horst beschreibt sie vom Schaesberg bei Valkenburg, von
einem nicht mehr zugänglichen Fundorte. Seine Angaben,
die Grössen ausgenommen, können auf die zwei vorliegen¬
den Stücke von Irnich Anwendung finden. Das eine der¬
selben zeigt uns den älteren Theil nahe der Spitze, bei
einer Länge von 2,2 cm kann man 8 Windungen zählen.
Die Dicke der letzten beträgt etwa 8 mm. Bei einem
anderen grösseren Stücke ist der Durchmesser der letzten
Windung 1,7 cm, die Höhe derselben 7 mm. Die flachen
Umgänge sind durch tiefe Nähte getrennt. Die Mitte der
Windung ist durch eine breite Depression eingenommen.
DieOberfläche ist nach Binkhorst mit zahlreichen, feinen
nur schwach angedeuteten Strichen bedeckt.
leb konnte dieselben nur an einer kleinen Stelle des
grösseren meiner Stücke, hier aber deutlich mit scharfer
Lupe wahrnehmen. Die Zeichnung Binkhorst’s gibt
dieselben stärker wieder.
Von anderen ist diese Art leicht durch die Depression
zu unterscheiden. Hinsichtlich der Gestalt steht nahe T.
imbricataria Lamk. var. c. Desh.1) aus dem Eocän von Paris.
Dieselbe besitzt jedoch wie die meisten Turritellen starke
Spiralrippen.
Turritella spec.
, Ein Abdruck ohne Spitze und Mündung zählt 18 Win¬
dungen bei einer Länge von 3 cm. Dieselben sind fast
eben oder etwas eingezogen. Sie schliessen fest aneinander,
so dass die Nähte kaum sichtbar sind. Dicht unter der
Naht tragen sie eine Doppelleiste mit Knoten, darauf folgt
eine schwächere und drei gleiche stärkere, glatte Reifen.
1) Deshayes, Coquilles foss. des environs de Paris. S. 272.
Tafel 37, Fig. 9-10.
31
Zwischen denselben sind bisweilene dünne Spirallinien
wahrnehmbar.
Am nächsten stehen einige Varietäten der Turritella
nodosa Rom. J), von denen allen sich unsere Art unterscheidet
durch die erwähnte Doppelleiste und dadurch, dass sie
fünf resp. 6 Spiralleisten hat und nicht vier wie jene
Aachener Art.
Da Steinkerne nicht erhalten sind, ist die Zugehörig¬
keit zum Genus Turritella zweifelhaft.
Laxispira turritelliformis spec. nov.
Fig. 3.
Das am besten erhaltene der 12 vorliegenden Stücke
hat 6 Windungen und eine Länge von 1,5 cm. Bruch¬
stücke anderer Abdrücke und Steinkerne verrathen jedoch,
dass sowohl Länge wie Zahl der Windungen noch grösser
sein kann. Während der Jugend sind die Windungen im
Querschnitt rund, im Alter werden sie gerundet vierseitig.
Die Oberfläche ist mit spiralen Linien bedeckt, welche
anscheinend gering von der Spirale der Schale ab weichen,
dieselben sind einfach, nicht gewellt, wie es von L . lum-
bricalis Gabb1 2) erwähnt wird.
Die zunächststehende Art ist L. cocMeiformis Müller3),
welche jedoch ein schnelleres Dickenwachsthum des Ge¬
häuses zeigt, auch ist die Spirale mehr auseinanderge¬
zogen als bei unserer Art, die, obwohl sie schlanker ist,
sich doch auch dadurch unterscheidet, dass die einzelnen Um¬
gänge näher stehen. Die Mündung unserer Art, sowie der
Aachener ist kreisrund. Böhm schreibt zwar L. cochlei-
formis eine ovale Mündung zu, dem schon Holzapfel
1) Römer, Kreide S. 80. Tafel 11. Fig. 20.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide S. 155. Tafel
XVI, Fig. 14-15.
2) Gabb, Kotes on American cret. fossils. Proceedings of
nat. Sciences of Philadelphia. 1875. S. 300.
3) Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Palae-
ontographica XXXIV. S. 153.
32
widerspricht. Der Irrthum Böhm ’s dürfte dadurch veran¬
lasst sein, dass die Schale nicht senkrecht, sondern geneigt
gegen die Spirale abgebrochen ist. Das in der Sammlung
des naturhistorischen Vereins befindliche Stück, welches
Böhm Vorgelegen hat, entspricht in seiner Gestalt mehr
der Mülle r’schen Abbildung als der Holzapfel’s, ja die
Spirale ist noch weniger regelmässig als sie bei ersterem
gezeichnet ist. — L. pinguis Holzapfel ist gedrungener,
sie hat bei gleicher Länge weniger Umgänge und die
Bohre nimmt schnell an Dicke zu. Ihr steht nahe L. tro-
chleata Böhm1) aus dem Ober Senon Bayerns, bei der die
Spiralleisten stärker sind.
Natica spec.
Das Genus Natica ist durch eine Anzahl unbestimm¬
barer Steinkerne, wahrscheinlich verschiedener Arten, in
Irnich vertreten.
Mesostoma Miilleri Holzapfel.
Scalaria pulchra Müller (non Sowerby,), Monographie der
Petrefacten der Aachener Kreideformation,
II. S. 7.
Mesostoma Miilleri Holzapfel, die Mollusken der
Aachener Kreide. Figur 7. Tafel XV.
Figur 1.
Der Beschreibung Holzapfel’s ist nichts hinzuzu¬
fügen, als dass das vorliegende Exemplar noch schlanker
erscheint. Erhalten ist nur ein sehr guter Abdruck mit
Bruchstücken des Steinkernes.
Vorkommen: Unter-Senoner Grünsand von Vaels und
vom Lusberg bei Aachen.
Mesostoma cretacea spec. nov.
Fig. 4. :
Das zur Beschreibung vorliegende Exemplar, dem die
Spitze fehlt, ist 2,2 cm lang, während die Höhe des letzten
1) J. B ö h m , Kreidebildungen des Fürberges und Sulzberges
etc. Palaeontographica XXXVIII. S. 65. Tafel II, Fig. 18.
33
Umgangs 1 cm und die Dicke desselben etwa 0,6 cm be¬
trägt. 6 Umgänge sind vorhanden, sie sind mit etwas
wulstigen Rippen geziert, welche von Spiralen gekreuzt
werden. Zwölf bis vierzehn Rippen kommen auf den vor-
p
letzten Umgang, desgleichen 7 oder 8 Spiralleisten. Auf
der Schlusswindung werden zwischen die letzteren eben¬
solche kleinerer Art eingeschoben. Die Basis ist glatt.
Der etwas verdrückte Steinkern zeigt Spuren der Rippen.
Die zunächst stehenden Arten sind Mesostoma ßey-
richi Holzapfel1) aus dem Grünsand von Vaels und die
vorhergehende M. Mülleri Holzapfel, bei beiden sind
jedoch die Rippen weit schärfer und leistenförmig“ und
die Spiralsculptur besteht aus feinen Linien. Viel Aehn-
lichkeit mit M. cretacea hat auch die kleine M. Beisseli
Holzapfel, dieselbe weist jedoch eine viel grössere An¬
zahl Windungen auf, bei einer Länge von 6 mm etwa 12,
so dass sie nicht mit der Irnicher Art zu identificiren ist.
Chemnitzia spec.
Fig. 5.
Der Abdruck, dessen Spitze fehlt, ist 15 mm lang
und 4 mm dick, er zeigt noch 6 Windungen. Die Schluss¬
windung hat mehr als 1/3 der Gesammtlänge. Der Bau
schlank, Windungen eben, Oberfläche glatt, nur auf dem
unteren Theile sind feine Spirallinien sowie Anwachsstreifen
sichtbar. Die Mündung ist nach vorn und hinten etwas
spitz auslaufend. — Da Spindelfalten und Zähnelung der
Aussenlippe fehlen, so dürfte diese Art zu Chemnitzia zu
stellen sein.
Von Ch. turritelliformis Müller2) unterscheidet sie
1) Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreideform. S. 130,
Tafel X1Y, Fig. 8.
2) Müller, Monographie der Petrefacten der Aachener
Kreideformation, II, S. 77.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreideformation 8. 133.
Verb. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX 5. Folge Ed. IX. 3
34
sich durch das glatte Gewinde und durch grössere Schluss¬
windung, auf gleiche Weise von Ch. Dewalqni Holzapfel.
Von den von d’Orbigny beschriebenen Arten
unterscheidet sie sich durch den Mangel der Sculptur.
Grössere Aehnlichkeit hat sie mit der Eulima amphora
d’Orb. !), jedoch ist sie schlanker als diese und die Mün¬
dung vorn nicht so gerundet, sondern zur Spitze ausge-
zogen. Die nächststehende Art ist Ch. lactea Lamk. var.
a Desli.1 2), aus dem Eocän von Grignon ; auch von dieser
ist sie durch die abweichende Gestalt der Mündung ver¬
schieden.
Cerithium Sehwerfeneuse spec. nov.
Fig. 6.
Die thurmförmige Schale zeigt bei einer Länge von
1 cm 13 Windungen, die sehr langsam an Höhe zunehmen.
Die Oberfläche ist glatt, die Windungen sind fast eben.
Am Steinkern sind dieselben sehr eng liegend, plattge¬
drückt. Da eine Mündung und Schlusswindung nicht er¬
halten ist, so bleibt die generische Stellung dieser Art un¬
sicher. Zur Gattung Nerinea , der sie bei oberflächlicher
Betrachtung am nächsten zu stehen scheint, konnte sie
nicht gestellt werden, da auf dem Steinkern keine Spuren
von Falten erhalten waren und da der Abdruck auch nicht
auf das Vorhandensein des Schlitzbändchens schliessen lässt.
Aporrhais Beisseli Holzapfel.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreideformation.
Palaeontogr. XXXIV. S. 115, Tafel XII,
Fig. 4—5.
Länge 1,2 cm. 6 Windungen.
Die Schale ist mit schrägen, etwas gebogenen Hippen
1) d’Orbigny., Paläontologie Frangaise, terr. cret. Ga-
steropodes. Tafel 156, Fig. 1.
2) Deshayes, Description des coquilles fossiles des environs
de Paris II. S. 186. Tafel XIII, Fig. 1-5.
Deshayes, Description des animaux sans vert. II. S. 454.
35
geziert, von denen einzelne stärker ausgebildet sind als
ihre Nachbaren und von den vorhergehenden etwas grösseren
Abstand haben; Holzapfel erwähnt sie als Varices.
Spiralliniirung ist nur auf dem unteren Theile der Schale
vorhanden, wie es auf der Abbildung in der Palaeontogra-
phica angegeben ist. Bei dem Stück von Irnich ist der
Abdruck dieses Theiles der Schale durch einen Rest des
Steinkerns verdeckt, welcher jedoch Spuren der Linien an
seiner inneren Fläche zeigt, mit der er sich um die vor¬
hergehende Windung legte. Der Flügel ist nicht erhalten,
wohl aber der Beginn des oberen Kieles.
Obwohl die Erhaltung nur unvollständig ist, so glaubte
ich doch das vorliegende Exemplar wegen des Mangels an
Spirallinien auf dem oberen Theile und wegen der stellen¬
weis als Varices ausgebildeten Rippen zu Aporrhais Beisseli
steilen zu müssen, da diese Merkmale beide Formen auch
von allen anderen Verwandten trennen.
Vorkommen: Untersenoner Grünsand von Vaels.
Aporrhais Limburgensis Binkh.
Binkhorst, Monographie des Gasteropodes et des Cepha-
lopodes de la craie sup. du Limbourg S. 28.
Tafel I, Fig. 12.
Die Schale zeigt 8 Windungen, dieselben sind mit
zahlreichen Rippen versehen, welche von Spirallinien ge¬
kreuzt werden. Auf der Schlusswindung werden die Rippen
schwächer und verschwinden nach dem Canal zu, der lei¬
der nicht erhalten ist. Der Flügel ist vierfingerig. Der
erste Finger setzt hart an der Naht an und geht anfangs
am Gewinde in die Höhe, sich erst allmählich von dem¬
selben trennend. Die anderen sind in der Richtung der
Spirale ausgespreizt, sie nehmen von oben nach unten an
Stärke ab. Auf der Schlusswindung zeigen sich die drei
zuletzt genannten bereits als kräftige Spiralrippen und sind
hier mit Knötchen geziert. An der Mündung zeigt der
Steinkern Abdrücke von Zähnen, zwischen dem zweiten
und vierten Finger. Auf dem Originale Binkh orst’s in
Berlin waren dieselben nicht zu bemerken. Eine nahe-
36
stehende Art dürfte Aporrhais granulata Müller Q sein,
dieselbe hat jedoch nur zwei Finger auf dem Flügel und
auf der Schlusswindung einen schwächeren dritten Kiel in
der Mitte. Ausserdem ist die Zahl der Spirallinien bei
derselben kleiner.
. Vorkommen: Obere Maestrichtschichten.
Helicaulax granulata Sow. spec.
Holza pfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Palae-
ontographica XXXIV, S. 117, Tafel 12,
Figur 6—9.
Unter dem Namen Ä granulata vereinigt Holzapfel
eine grosse Reihe Formen von theilweise sehr verschieden¬
artigem Aussehen. Die beiden Bruchstücke von Irnich,
denen der Flügel fehlt, gehören ebenfalls zu dieser weit
gefassten Species. Von den Abbildungen in Holzapfe Fs
Arbeit giebt Figur 9 ein getreues Bild des einen unserer
Stücke. Die sechs Windungen sind mit geschwungenen
Rippen geziert, von denen einzelne stärker ausgebildet
sind und wohl als Varices bezeichnet werden können. Die
dichtstehenden feinen Spiralen unterscheiden sie von allen
übrigen nahestehenden Formen und rechtfertigen es in
Verbindung mit den Varices, diese Formen als H. granu¬
lata zu bezeichnen. Ein anderes Stück, welches den
unteren Theil des Gehäuses zeigt, hat neben den feinen
Spiralen bereits einen mit Knoten besetzten Kiel.
Verbreitung: Gosauschiehten, Unter-Senon von Aachen
und von Suderode bei Quedlinburg.
Rostellaria nuda Bmkhorst
Binkhorst, Monographie des Gasteropodes et Cephalo-
podes de la eraie sup. du Limbourg. S. 3.
Tafel V a, Fig. 9.
Diese Art hat glatte Umgänge, auf denen höchstens
1) Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. S. 114,
Tafel XII, Fig. 10.
Anwachsstreifen sichtbar sind. Das Hauptmerkmal ist der
ausserordentlich lange und gerade Kanal.
Von Irnich liegt ein Stück vor, das, obwohl die
Aussenlippe nicht erhalten ist, mit der Maestrichter Art
identificirt werden kann. Die Spitze fehlt. Ergänzt wird
die Schale etwa 58 bis 60 mm lang gewesen sein. Die
Länge der Mündung mit dem Kanal lässt sich auf etwa
31—33 mm berechnen. Diese Schätzungen kommen un¬
gefähr denen B i n k h o r s t 1 s gleich.
Als verwandte Art erwähnt Bin k hörst R. Roe-
meri Müller x) ; diese sei von unserer Art unterschieden
durch gewölbte Windungen und tiefere Nähte. Sie ist
von Holzapfel wieder eingezogen und mit Lispoäesthes
ßchlotheimi Roem. spec. vereinigt, welche sich noch weiter
von unserer Art durch meistens gerippte und gewölbte
Umgänge, besonders aber durch die Flügelbildung unter¬
scheidet.
Vorkommen: Maestricht.
€ypraea Deshayesi Binkfa.
B inkhorst, Monographie des Gasteropodes et des Cepha-
lopodes de la craie sup. du Limbourg. S. 17/
Tafel IV, Fig. 11.
Das Geschlecht Gypraea ist nach Zittel’s Handbuch
aus der Kreide in etwa 10 — 12 Arten bekannt. In der
oberen Deutschen Kreide scheint diese Art bislang die
einzige ihres Geschlechts zu sein. Sie ist von schlanker
Gestalt. Das Gewinde des Steinkerns ist etwas vorragend.
Die Mündung erweitert sich allmählich nach unten. Die
stark verdickte Aussenlippe hinterliess auf dem Steinkerne
den Abdruck von mehr als 17 Zähnen. Die Innenlippe
scheint glatt gewesen zu sein. Die Oberfläche der Schale
1) Müller, Monographie der Petrefacten der Aachener
Kreideformation II. S. 19. Tafel V, Fig. 5.
38
hat veramthlich keinerlei Scnlptur gehabt, jedenfalls ist
sie am unteren Ende vollkommen glatt gewesen. Die
Länge ist 2 cm, die grösste Breite 1,2 cm. Die fast cyliu-
drische Gestalt des mittleren Theils der Schale unter¬
scheidet sie von den übrigen Kreidearten.
Binkhorst giebt eine Zeichnung von C. Deshayesi ,
welche eine Bestimmung völlig unmöglich macht. Da die Ga-
stropoden von Kunraed stets ohne Schale erhalten sind, seine
Abbildung jedoch eine vollständige Cypraea darstellt, kann
man wohl mit Sicherheit annehmen, dass eine Reconstruc¬
tion vorliegt. Herr Ubaghs in Maestrieht theilte mir
freundliehst mit, dass seines Wissens nur eine Art, von
welcher er zwei Steiukerne besass, vorkomme. In seiner
Sammlung waren dieselben G. Deshayesi bestimmt. Nach
der Liste Kaunhowen’s scheint auch in der Sammlung
Binkhorst’s, weiche in Berlin ist, kein Exemplar zu
sein, das jener Zeichnung entspricht, wohl aber führt
Kaunhowen eine neue Art G. Limhurgensis an. Ich
war vor meinem Besuche Maestrichts ebenfalls geneigt,
das hier beschriebene Fossil als spec. nov. anzusehen,
glaube nunmehr aber den Namen Binkhorst’s für das¬
selbe in Gebrauch nehmen zu können. Nahe verwandt
mit dieser Art ist Cypraea ficulina Stol. 1) aus der Triclii-
nopoly Group Indiens. Sie ist jedoch grösser und läuft
nach vorn spitzer zu. Die Mündung und die Form der
Aussenlippe hat sie mit unserer Art gemein. Von den
drei Cypraeiden, welche Forbes von Pondichery be¬
schreibt, besitzt eine eine gezähnelte Aussenlippe, diese ist
aber oben und unten spitz zulaufend.
Ein zweiles Stück einer Cypraea von Irnich, welches
viel breiter und weniger schlank erscheint, zeigte sich bei
weiterem Präpariren verdrückt, so dass hierauf die
Unterschiede zurückgeführt werden können. Auch dieses
Stück zeigt wenigstens an seinem unteren Ende den Ab¬
druck einer glatten skulpturlosen Oberfläche.
Vorkommen: Untere Maestrichtschichten von Kunraed.
1) Stoliczka, Cret. Fauna of Southern India. Palaeonto-
logica Indica. S. 53. Tafel 1Y. Fig. 11 u. 12. Gastropoda.
39
Doliimi cretaceum spec. nov.
Fi g. 7.
Ein Exemplar.
Das Gewinde ist kurz, der letzte Umgang bauchig,
der Kanal kurz und etwas zurtickgedreht. Die Aussenlippe
hinterliess auf dem Steinkern den Abdruck einer bedeu¬
tenden Verdickung, dieselbe ist mit (etwa 7) Zähnen ver¬
sehen, alles Eigenschaften, welche auf die Zugehörigkeit
zum Genus Doliurn hinweisen. Nach Aussen war die
Aussenlippe wenig verdickt. Die Innenlippe glatt. Die
Windungen haben spirale Rippen, die vorletzte deren 7,
zwischen denen Abstände von der doppelten Breite der¬
selben. Auf der Schluss Windung sind Rippen geringerer
Stärke eingeschoben.
Das Genus JDolium ist aus der Kreide erst durch eine
Art bekannt: D. nodosum Sow.1).
Fusus glaberrimus Binkhorst.
B inkhorst, Monographie des Gasteropodes et des Cepha-
lopodes de la craie sup. du Limbourg
S. 11, Tafel Va, Fig. 11.
Kaunhowen, Die Gastropoden der Maestrichter Kreide
Seite 20.
non Fusns glaberrimus Midier, Monographie der Petre-
facten der Aachener Kreideformation II, S. 36.
Leider ist dieses in Irnich häufig vorkommende Fossil
niemals vollständig erhalten, bald fehlte der Kanal, bald die
Spitze. Die Oberfläche der Windungen ist glatt, nur wenig-
gewölbt. Während mehrere Ausfüllungen der Kanäle vor¬
handen sind, ist doch nur ein guter Abdruck desselben
herauspräparirt, welcher spirale Linien zeigt. Der Stein¬
kern entspricht vollkommen der Abbildung B inkhorst ’s-
Die Art war zuerst von Müller aufgestellt, die
Steinkerne derselben wurden jedoch von Holzapfel2) als
1) Mineral Conchyology, Yol. Y, S. 34, Tafel 423 u. 427.
2) Mollusken der Aachener Kreide. S. 119.
40
Lispodesthes Schlotheimi Rom. erkannt. Die Abbildung
Müll er’ s unterscheidet sich auch von der Binkhorst’s
durch eine schlankere Gestalt.
Bei den Steinkernen sowohl wie bei Bruchstücken
der Windungen kann leicht eine Verwechslung mit Rostel-
laria nuda Binkh. eintreten. Bei der letzteren sind im
gleichen Alter die Windungen niedriger, überhaupt ist
dieselbe oben weniger schlank und unten mit dem Kanäle
schlanker als die hier besprochene. Bei dem grössten
Exemplare dieser Art, ebenfalls ein Bruchstück, erreicht
die Dicke 1,7 cm, und schätze ich das vollständige Ge¬
häuse auf 7 bis 8 cm Länge. Die meisten gefundenen
Exemplare dürften jedoch nur 2 bis 3 cm Länge gehabt
haben. Ueber die Zugehörigkeit der Art zu Fusus werden
nach meinem Material immer noch Zweifel erlaubt sein,
da bei Irnich kein Stück mit vollständiger Mündung ge¬
funden ist.
Vorkommen : Maestricht.
Fusus Irnicheusis spec. nov.
Fig. 8.
Die Abdrücke dieser Art oder Bruchstücke derselben
sind zahlreich vorhanden. Die Länge beträgt ungefähr
2 cm, die Dicke der Schluss Windung 6 mm, die Länge
derselben mit Kanal 11 mm. Die Schale ist geziert mit
kräftigen Längswülsten (etwa 9 auf der Schlusswin¬
dung) und mit gleichfalls kräftigen, gleichartigen, um die
Eigenbreite von einander entfernten Spiralleisten. Auf dem
oberen Theile der Windung findet sich eine Depression,
dieselbe ist von der Naht getrennt durch eine mit schuppen¬
förmigen Knoten besetzte Leiste. Der Kanal ist lang, die
Spindel glatt.
In der Zone der Lepidospongia rugosa finden sich bei
Coesfeld verdrückte Sculptursteinkerne , welche wahr¬
scheinlich zu dieser Art gehören. Die Gestalt ist dieselbe,
auch haben sie Rippen und Spiralleisten wie Fusus Imi-
chensis . leider ist bei keinem der fünf von Herrn Prof.
Schlüter gesammelten Exemplare, welche mir vorliegen, die
Erhaltung derart, dass man über das Vorhandensein oder
41
Fehlen der Depression und der sie begrenzenden knoten¬
tragenden Leiste Auskunft geben kann. Bei einem anderen,
ebenfalls von Coesfeld stammenden weit grösseren Exem¬
plar, ist die Depression vorhanden, aber die Leiste fehlt.
Die nächststehende Art ist Raphitoma gracilis Böhm1),
synonym dem Fusus gracilis Holzapfel 2). Diese aus
dem Grünsand von Vaels stammendeArt ist jedoch bedeu¬
tend schlanker, auch fehlt die mit Knoten besetzte Leiste3).
Fusus Fenauxianus d’Orb.4) hat weniger kräftige Wülste
und der Gewindetheil ist schlanker.
Näher steht Latirus Feussianus Stol.5 6), nur wird bei
ihm die Leiste unter der Naht nicht erwähnt. Man würde
trotzdem versucht sein, diese Arten zusammenzustellen,
wäre nicht bei der Indiens die Mündung eine so wesent¬
lich andere, weit offen bis an das Ende des Kanals, wäh¬
rend bei unserer Art der Kanal scharf abgesetzt ist.
Pleurotoma subfusiformis Stol. hat weniger deutliche
Längs- und Spiral-Sculptur, dazu kommt, dass sich dort
deutlich die Zugehörigkeit der Art zum Genus Pleurotoma
zeigt. Bei unserer Art gehen Anwachsstreifen ziemlich
grade vom Kanal zur Naht empor, nur oberhalb der De¬
pression werden sie undeutlich. Sollten sie nachher noch
auf der Knotenleiste die einem Sinus der Mündung ent¬
sprechende Umbiegung machen, eine Möglichkeit, die nicht
gänzlich ausgeschlossen ist, so muss die Art zu Pleurotoma
gestellt werden.
1) Grünsand von Aachen. S. 70, Tafel I, Figur 5.
2) Mollusken der Aachener Kreide. S. 104, Tafel XI, Fig. 1.
3) Der Name Raphitoma gracilis war bereits vergeben für
eine im westlichen Mittelmeer , und im Atlantischen Ocean lebende
und auch jung-tertiär vorkommende Art. Yergl. W e i n k a u f f ,
Conchylien des Mittelmeeres, II. S. 135. Als Fusus gracilis kann
der Name beibehalten werden.
4) Paleontologie fran^aise. terr. cret. Gasteropodes. S. 39,
Tafel 223, Fig. 16.
5) Cretaceous Fauna of Southern India. II. Gasteropoda. S. 107,
Tafel X, Fig. 1—7.
6) ebendaselbst S. 69, Tafel VI, Fig. 1 — 2.
42
Fasciolaria Jaevis Kauuhoweii.
%
Kaunhowen, Die Gastropoden der Maestrichter Kreide
Seite 21.
Die Art ist bislang nur aus dem Verzeichniss der
Gastropoden Maestrichts von Kaunhowen bekannt. Bei
einem Besuche in Berlin konnte ich die Uebereinstimmung
der Maestrichter Art mit den 4 Exemplaren von Irnich
feststellen.
F, laevis hat Aehnlichkeit mit Fasus glaberrimus
Müller, von dem sie nur durch die generischen Unter¬
schiede zu trennen ist. Die Länge des grössten Exemplars
ist 1,2 cm. 3 Spindelfalten. Das Gewinde besteht aus
5 bis 6 glatten und etwas gewölbten Windungen. Die
Mündung ist lang oval.
Fascioiaria pulchra spec. nov.
Fig. 9.
Diese Art findet sich als Abdruck von Bruchstücken
häufig. Das besterhaltene Exemplar ist 12 mm lang. Die
Schale ist mit Rippen geschmückt, von denen 16 bis 20
auf der vorletzten Windung gezählt werden. Dieselben
werden gekreuzt von Spiralleisten, von denen 5 oder 6
auf derselben Windung sichtbar sind und zwischen denen
sich auf den letzten Windungen kleinere einschieben. Die
Mündung ist oval und nach vorn in einen langen Kanal
ausgezogen. Es sind zwei Spindelfalten vorhanden. Die
Aussenlippe war innen, nach dem Steinkern zu urtheilen,
gestreift oder gezähnt. Die Umgänge sind gewölbt.
Die nächstverwandte Kreideform ist Fusus dubius
Briart et Cornet1) aus dem Cenoman, jedoch fehlen bei diesem
Spindelfalten, Zähnelung der Aussenlippe und die einge¬
schobenen Spirallinien.
Pollia spec.
Der Steinkern zeigt bei vier Umgängen ein niedriges
Gewinde. Die Länge beträgt 1 cm, die Breite am letzten
I) Meules de Bracquegnie. S. 25, Tafel III, Fig. 3, 4.
43
Umgang* 9 mm. Er ist spiral gefurcht, an einzelnen Steilen
zeigen sich Längsrippen. Der Abdruck der Aussenlippe
ist vertieft und mit Grübchen versehen, lässt also schliessen,
dass dieselbe innen verdickt und gezähnelt war. Die Zahl
der Zähne lässt sich nur schätzungsweise auf 11 angeben,
da ein Theil der Mündung des Steinkerns abgebrochen
ist. Die Innenlippe war glatt, was ich durch Aufbrechen
des Steinkerns feststellen konnte. Der Kanal sehr kurz,
Das Bruchstück vom x4.bdruck der Schale zeigt einen Wulst,
ausserdem abwechselnde stärkere und schwächere spirale
Rippen. Die stärkeren Rippen tragen hervorragende Knoten,
welche in schräg nach hinten unten verlaufenden, dem
Wulst parallelen, Reihen ungeordnet sind. Dazwischen
liegen feinere erhabene Linien, die nach dem Kanal zu
stärker werden und hier mit den Spiralen, welche am
Kanal den Unterschied zwischen grob und fein sowie die
Knoten verloren haben, ein Netzwerk bilden.
Unter den Kreidearten ist mir keine ähnliche Form
bekannt, nur B in k hör st1 *) bildet zwei Steinkerne mit
niedrigem Gewinde ab. Die Grössenverhältnisse derselben
entsprechen denen unserer Form, der eine ist spiral liniirt,
der andere glatt. Der Abdruck des Ausgusses ist bei
beiden Steinkernen verschieden, bei dem spiral liniirten
ähnelt er, allerdings entfernt, unserer Form. Bei beiden
Steinkernen zeigt sich eine Zähnelung der Innenlippe. Im
Text ist weder ein Name, noch eine Beschreibung zu diesen
Abbildungen zu finden. Wäre bei Figur b die Zähnelung
der Innenlippe nicht vorhanden, würde ich den Steinkern
für identisch mit unserer Form halten. Pollia fenestrata
Müller aus dem Unter-Senonen Grünsand von Vaels unter¬
scheidet sich leicht dadurch, dass ihr die Zähne der Aussen¬
lippe fehlen, und durch die Depression unter der Naht, auf
welcher Spiralleisten nicht vorhanden sind.
Ueber die Zugehörigkeit der Form zu Pollia sind
noch Zweifel berechtigt, es ist nicht ausgeschlossen, dass
sie in die Familie der Muriciden gehört.
1) Monographie des Gasteropodes etc. Tafel V a3, Fig. 12.
. , ' * ) *
44
Pseudoliva cretacea spec. nov.
Fig. 11.
Länge 17 mm. 4 Windungen. Die Sclilusswindung
des vorliegenden Exemplares ist 12 mm lang. Die Win¬
dungen zeigen scharfe Rippen, welche gekreuzt werden
durch eine ausserordentlich feine Spiralliniirung. Die
Rippen treten nicht scharf an die Naht heran., sondern
lassen eine Rinne frei. Die Zahl der Rippen auf der
letzten Windung beträgt etwa 14. Der Steinkern zeigt
Spuren der Rippen, ferner einen spiral verlaufenden Ein¬
druck auf der äusseren Seite ziemlich weit vorn, einem
Defect des Iiohldruckes entsprechend und jedenfalls durch
den das Genus bezeichnenden Einschnitt und die Furche
der Aussenlippe hevorgerufen.
Von nahestehenden Arten ist Ps. subcostata Stol. U
aus der Arrialoor Group Indiens zu erwähnen, welche
jedoch nur auf dem unteren Theile der Schale Spiral¬
liniirung zeigt, während unsere überall liniirt ist und zwar
auf dem oberen Theile der Schlusswindung stärker als
unten nahe dem Ausguss.
Volutilites irregularis spec. nov.
Fig. 10.
Länge 1 — 3 cm. G Umgänge. Die Windungen haben
unter der Naht eine Depression. Die Schale ist mit zahl¬
reichen hohen Längsrippen geziert. Spiralleisten finden
sich bei einem Stück auf den oberen Windungen, desgl.
unten am Kanal. Der Kanal ist gerade. Die Steinkerne
zeigen bisweilen Spuren der Längsrippung, die aber aucli
durch Verdrückung entstanden sein können.
Von der gleichen Art ist in der Sammlung der Univer¬
sität Bonn ein Exemplar von Maestricht, welches die Spiral¬
leisten deutlicher zeigt. Bei der Schlusswindung sind diesel¬
ben jedoch nur auf den oberen Theil beschränkt. Bei diesem
Exemplar sieht man ebenfalls deutlich eine Spindelfalte,
1) Stoliczka, Cret. Fauna of South. India. Gasteropoda.
S. 145, Tafel 12, Fig. 2.
45
welche sehr schräg nach unten verläuft. Bei den Irnicher
Exemplaren konnte dieselbe nicht nachgewiesen werden,
weil der Kanal bei deu Steinkernen meist abgebrochen
und auch sonst die Erhaltung weniger gut war.
Das Maestrichter Exemplar war von Goldfuss be¬
zeichnet Voluta deperdita G. j uv. — Ein Vergleich mit dem
Original seiner Abbildung Tafel 169, Figur 1 ergibt aber,
dass hier verschiedene Arten vorliegen. Bei V. deperdita
Goldf., einer sehr grossen Art, sind die Rippen viel we*
niger zahlreich, nach Binkhorst1) hat dieselbe 4 Spindel-
falteu, von denen die beiden mittleren stärker ausgebildet
seien. (An dem Bonner Original können dieselben nicht
beobachtet werden, da der Steinkern mit der Mündung
auf dem Gestein sitzt.) Eine Eigenthümlichkcit dieser
letzteren Schnecke, welche sie ebenfalls von unserer V.
irregularis trennt, liegt in der Gestalt der Mündung. Die¬
selbe ist in der Weise der Strombiden nach der Spitze
zu vergrössert und wird beinahe bis an die obere Naht
der nächst älteren Windung gereicht haben. Die Abbil¬
dung des Steinkerns bei Binkhorst deutet diese Ver¬
längerung nur in unzulänglicher Weise an.
Eine nahestehende Form ist Fusus Galicianus Alth.2).
Bei ihr ist das Gewinde länger und der Kanal kürzer als
bei V. irregularis. Sie hat regelmässige gerundete Rippen,
während unsere Form wenigstens auf der Schlusswindung
Rippen in ungleichen Abständen aufweist , die bald scharf,
bald stumpf, völlig abgerundet aber selten sind. Dieselben
Eigenthümlichkeiten trennen die Art auch von Voluta Gas-
parini d’Orb3) aus dem Turon Frankreichs.
Voluta eincta Forbes4) ist der ganzen Grösse nach
1) Monographie des Gasteropodes S. 13, Tafel II, Fig. 7 ab,
Tafel V a2, Fig. 1.
2) Geognostisch-Palaeontolog. Beschreibung der Umgegend von
Lemberg. S. 223, Tafel 11, Fig. 23. He i di nge r’ s Naturw. Abh. III.
Favre, Description des mollusques fossils de la craie des
environs de Lemberg. S. 84, Taf'. 10, Fig. 8.
3) Paleontologie Franqaise, Gasteropodes S. 325, Tafel 220,
Fig. 5.
4) On fossil Invertebrata from Southern India. Transactions
of London geol. Soc. II. Ser. VII. Band. 1845. S. 132, Taf. 12, Fig. 6.
spiral gestreift. Unter der Depression zeigt sie eine
Kante, auf der die Rippen winkelig gebrochen sind, wäh¬
rend unsere Art hier abgerundet ist. Im Uebrigen stehen
beide Formen sehr nahe.
Volutiiites nana Müller spec.
Mitra nana Jos. Müller, Monographie der Petrefacten der
Aachener Kreideformation II, S. 23, Tafel III,
Fig. 24 a und b.
Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Palae-
ontographica XXXIY, S. 100, Tafel IX. Fig. 12.
Ein Exemplar.
Das Gehäuse ist 1 cm lang; es sind 7 Windungen
vorhanden, die wenig gewölbt, fast eben sind und bis auf
die beiden letzten mit zahlreichen geraden, feinen und eng-
stehenden Rippen geziert sind. Die Innenlippe hat 3 hoch¬
liegende Falten. Die Mündung ist nach unten kanalartig
verengt, so dass Aehnlichkeit mit Fasciolaria entsteht.
Müller beschrieb die Art als Mitra nana aus dem
Grünsand von Yaels auf die gleiche Weise, nur erwähnt
er nicht, dass die Berippung auf den unteren Windungen
fehle, seine Abbildung zeigt dies aber mit noch schrofferem
Uebergang als unser Exemplar.
Holzapfel ’s Beschreibung stimmt mit der Mül ler ’s
überein; die Abbildung jedoch, die er gibt, zeigt weder mit
Müller’s noch mit seinen eigenen Angaben Ueberein-
stimmung. Sie zeigt keine Falten, ferner hat sie nur eine
ganz geringe Anzahl Rippen und diese sind von einer
Stärke, wie sie im Verhältniss zur Grösse der Schale kaum
eine der 21 auf jener Tafel abgebildeten Schnecken zeigt.
Da nun in der Beschreibung eigens 3 Falten und ,, schmale,
dichtstehende, oft kaum bemerkbare Querrippen“ erwähnt
werden, so dürfte hier ein Fehler in der Zeichnung vor-
iiegen.
Pleurotoma Irnichensis spec. nov.
Fig. 12.
Diese Art ist deutlich als Tleurotoma erkannt und
9
47
dürfte nicht das Schicksal mancher anderen Form der oberen
Kreide theilen, die zunächst ebenfalls als Pleurotoma auf¬
geführt, später aber anderen Gattungen zugewiesen wurde.
Sie besitzt sechs und mehr Umgänge. Die Schluss¬
windung nebst Kanal ist länger als das Gewinde. Die
Oberfläche ist mit regelmässigen feinen Spiralrippchen
versehen. Obgleich die Art stets nur als Steinkern und
Abdruck erhalten ist, war doch an den zwischen beiden
noch vorhandenen verwitterten Schalresten deutlich der
Verlauf der Anwachsstreifen zu sehen. Oberhalb der Mitte
einer Windung befindet sich das Schlitzband, das in einer
schwachen Depression liegt und wie die übrige Schale
mit Spiralen bedeckt ist. Das grösste Exemplar würde,
ergänzt, etwa 15 bis 20 mm Länge haben.
Aus der Obersenonen Kreide des Gerhardtsreiter Gra¬
ben in Bayern beschreibt Böhm eine nahestehende Form
als Fl. Schäferi1), dieselbe hat mit der unsrigen gleiche
Gestalt und Skulptur, der Sinus der Anwachsstreifen liegt
bei ihr aber nicht in der Depression unter der Naht, son¬
dern auf der Kante zwischen ihr und dem unteren Theil
der Windung, auch sind die Anwachsstreifen stärker und
geben der Oberfläche ein rauhes Aussehen.
Ringicula Hageuowi Müller.
Avellana Hagenowi Müller, Monographie der Petrefacten
der Aachener Kreideformation II, S. 13, Tafel III,
Fig. 16 a, b.
Ringicula Hagenowi bei Holzapfel, Mollusken der Aachener
Kreide. Palaeontographica XXXIV, S. 86, Tafel
VII, Fig. l-r-7.
Von dieser Art sind zwei Steinkerne mit Abdrücken
erhalten. Die Falten auf Innenlippe und Spindel, welche
die Steinkerne gut zeigen, die Zähne der Aussenlippe, die
feinen vertieften Spirallinien und die allgemeine Gestalt
1) J. Böhm, die Kreidebildungen des Fürbergs und Sulz¬
bergs bei Siegsdorf in Oberbayern. Palaeontographica XXXVIII.
S. 56, Tafel 1, Fig. 25.
48
berechtigen wohl, die vorliegenden Exemplare als Ringi-
cula Hagenowi zu betrachten. Der Mundwulst zeigt deut¬
lich Längsrippen, die Holzapfel nicht zeichnet und er¬
wähnt, Müller aber auf der Tafel sehr auffällig wiedergibt,
obgleich er in der Beschreibung sagt: Wulst des Mund¬
randes glatt.
Vorkommen: Untersenoner Grünsand von Aachen.
Actaeonina cf. doliolum Müller spec.
Actaeon doliolum Müller, Monogr. der Petref. der Aacheuer
Kreideformation II, S. II, Tafel III, Fig. 11.
Actaeonina doliolum Müller bei Brauns, Senone Mergel
des Salzbergs bei Quedlinburg. Zeitschrift f. d.
ges. Natur w. 1875, S. 357.
Actaeonina doliolum Holzapfel, Die Mollusken der Aache¬
ner Kreide. Palaeontogr. XXXIV, 1887, S. 77,
Tafel VI, Fig. 15 und 16.
Das von Irnich vorliegende Exemplar ist verdrückt.
Es entspricht der Abbildung, welche Holzapfel Figur
15 giebt, weniger der anderen, die sich auch bei Müller
findet.
Die Länge ist 13 mm. 4 Windungen. Dieselben
sind mit spiralen, vertieften, regelmässigen Linien ver¬
sehen, welche nicht gedrängt stehen.
Spindelfalten können nicht beobachtet werden.
Vorkommen : Untersenon Aachens und des Salzbergs
bei Quedlinburg.
Cylielina Mülleri Bosquet spec.
Rulla cretacea Müller, Monographie der Petref. der Aache¬
ner Kreideform. II. S. 7, Tafel III, Fig. 4.
Rulla Mülleri Bosquet in den Verzeichnissen von Staring,
U b a g h s und D e w a 1 q u e.
Gylichna Mülleri Bosq., bei Böhm, Der Grünsand von
Aachen S. 73.
Gylichna Mülleri bei Hol zapfei, Die Mollusken der Aache¬
ner Kreideformation. S. 75, Tafel VI, Fig. 9 u. 10.
49
Das vorliegende Exemplar hat eine Länge von 1 cm.
Das cylindrische Gehäuse ist mit engen Spirallinien ge¬
ziert. Längsstreifen, welche ßoehm anführt, Müller
und Holzapfel aber nicht erwähnen, sind nicht vor¬
handen. Spindelfalten sind nicht sichtbar.
Von Cyl. Bosqueti Holzapfel ist die Art durch den
Besitz der spiralen Linien verschieden. Von Cyl. gradata
Holzapfel durch die vorn verbreiterte Mündung. Bullina
cretacea Stol. 1) zeigt in ihrem oberen Theile eine andere
Gestalt, sie erscheint stumpfer abgeschnitten. Vergl. die
Abbildung Fig. 19.
Drei Kreidearten von Bulla beschrieb d’Archiac,
jedoch alle ohne Spirallinien2).
Vorkommen: Untersenon Aachens.
Cylichna Schwerfeniensis spec. nov.
Nur als Steinkern vorhanden. 11 mm lang, 5 Win¬
dungen. Gewinde eingesenkt. Mündung oben schmal, unten
verbreitert und den übrigen Theil des Gehäuses weit über¬
ragend.
Von den meisten bekannten und hierher gehörigen
Arten unterschieden durch die Mündung, die hier breiter
und mehr vorgezogen ist, so von C. Mülleri Bosq., C. Bos-
queti Holzapfel, C. gradata Holzapfel, C. cylindracea Gein.
und von den 3 Arten d’Archiacs. Ferner von allen diesen
getrennt durch die mehr bauchige, gerundetere Gestalt.
Bei Bulla faba Kner ist das Gewinde weiter einge¬
senkt und die Aussenlippe oben weiter vorgezogen. Bei
Cyl. Irnichensis ebenfalls. Ausserdem werden diese beiden
von der vorliegenden an Breite des vorderen Th eiles der
Mündung noch übertroffen.
Nahe steht eine kleine Art von Köpinge; dieselbe ist
wenig kleiner und das Gewinde liegt bei dieser schwedi¬
schen Art versteckter. Die Oberfläche dieser letzteren
1) Cretaceous Fauna of Southern India. Gasteropoda S. 414,
Tafel XXVII, Fig. 19.
2) Bull, de la Soc. geol. de France. II. Ser. Bd. XI, S. 216.
Verb. d. nat.. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX. 4
50
Art ist durch winzige Längs- und Querstreifen gegittert.
(Samml. des Palaeontol. Museums der Univ. Bonn.)
Ein Steinkern von C. Schwerfeniensis befindet sich in
der Sammlung der Bonner Universität. Derselbe ist von
G o 1 d f u s s etiquettiert „Cypraea, Kreidetuff, Maestricht“.
Dem Gestein- nach stammt er von Kunraed.
Cyliehna Irnicheusis spee. hov.
Fi g. 13.
Höbe des Gehäuses ohne Mündung 0,5 cm
n n » mit „ 0,8 „
Grösste Breite des Gehäuses 0,45 „
Von dies.er Art liegen mehrere Stein kerne mit Ab¬
drücken vor. Die Aussenlippe überragt beiderseits den
übrigen Theil der Schale. Sie läuft nach oben spitz
aus. Spindelfalten konnten nicht beobachtet werden. Die
grösste Breite des Gehäuses ist unterhalb der Mitte, wie
überhaupt der untere Theil breiter erscheint.
Die Oberfläche ist mit ausserordentlich feinen regel¬
mässigen Spirallinien bedeckt, die nicht wie bei C. Mülleri
dicht gedrängt stehen , sondern breite Zwischenräume
lassen, obwohl auf 1 mm etwa 3 solcher Linien entfallen.
Dem unbewaffneten Auge erscheint der Abdruck glatt.
Am meisten Aehnlichkeit zeigt Actaeonella faba Kner1),
besonders dürfte die äussere Gestalt vollkommen überein¬
stimmen. Unterschieden ist unsere Art durch die entfern¬
ter stehenden und auch wohl feineren Spiralfurchen. Auch
dürften drei deutliche Spindelfalten, wie sie K n e r er¬
wähnt, auf der Mündung eines wohlerhaltenen Steinkernes
Spuren hinterlassen haben. Nach Favre hat Act. faba
auch noch eine sMir feine Transversalsculptur, von welcher
bei Cyl. Irnichensis nichts zu bemerken ist. Dazu kommt,
1) Versteinerungen des Kreidemergels vom Lemberg und Um¬
gebung. S. 14, Tafel III, Fig. 4.
Favre, Descr. des mollusques fossils (?e la craie des envi-
rons de Lemberg. S. 31, Tafel VIII, Fig. 6.
51
dass die Lemberger Art mehr als dreimal so gross ist wie
die unsrige.
An diese Art würde sich noch eine Form mit tief
eingesunkenem Gewinde anschliessen , welche scheinbar
eine glatte Oberfläche hatte, aber zu schlecht erhalten ist
und zu wenig Merkmale für die Bestimmung oder Beschrei¬
bung bot
Ostrea vesicularis Lamk.
Lama r c k , Histoire naturelle des animaux saus vertebres
T. VI, S. 219.
Coquand, Monographie du genre Ostrea. Marseille
1869. S. 35, Tafel 13, Figur 2—10.
Unter vielen Bruchstücken von Ostreiden konnten drei
wohl erhaltene als Ostrea vesicularis Lk. bestimmt werden.
Die Literatur über diese weit verbreitete Art ist in grosser
Ausführlichkeit in der Monographie Coquand’ s ent¬
halten.
Ostrea vesicularis wird aus sämmtlichen oberen Kreide¬
schichten erwähnt, vom Cenoman bis zu den jüngsten. Co-
q u a n d beschränkt die Art auf das Campanien und er¬
wähnt sie aus den Unter- und Ober-Senonen Schichten von
Quedlinburg, Gehrden, Dülmen, Coesfeld, Lemförde, Rügen
und Maestricht. Die abgetrennten Formen stellt er zu
0 . proboscidea d’Arch.1), 0. acutirostris Nils.2), 0. biauriculata
Lk.3) und 0. vesiculosa Gueranger4).
Holzapfel5) hält die von Maestricht stammenden
Formen für eine besondere Art (Var. minor Bosq.). Im
Bonner Museum befinden sich jedoch einige Exemplare
von diesem Fundpunkt, welche jedenfalls nicht abgetrennt
werden dürfen, dieselben erreichen eine Grösse bis zu 4 cm.
Auch die Irnicher Exemplare werden nicht grösser.
1) Coquand 1. c. S. 72. 2) S. 75. 3) S. 104. 4) S. 152.
5) Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide. Palaeontogr.
XXXV. S. 253.
52
Exogyra decussata Goldfuss.
G o 1 d f u s s, Petrefacta Germaniae. Bel. II, S. 35, Tafel 86,
Fig. 11.
Ostrea äecnssata bei Coquand, Monographie du genre Ostrea.
S. 30, Tafel 7.
Das vorliegende Stück erreicht nicht die Grösse der
von Goldfuss abgebildeten Exemplare. Seine rechte
Schale ist gewölbt. Vom Wirbel zieht sich eine gerundete
Kante in der Mitte der Schale zum vorderen Bande. Von
dieser Kante ausstrahlend geht eine deutliche fadenförmige
Seulptur aus, die bei G o 1 d f u s s nur wenig deutlich und
unregelmässig gezeichnet ist.
Goldfuss erwähnt die Art von Maestricht und Eng¬
land. Das Original zu seiner Abbildung ist von ihm selbst
bezeichnet „England ?1‘ Das Gestein weist auf Maestricht.
Coquand führt die Art an aus dem Campanien
Frankreichs, von Ciply in Belgien, von Aachen1) und
Maestricht, Unter- und Ober-Senonen Schichten. Er führt
jedoch auch Vorkommen des Unteren und Mittleren Quader
in Sachsen an: Gittersee, Plauen, Bonnewitz, Strehlen-
Fälschlich identifieirt er die Art mit Chama conica Nilss.2).
Exogyra cf. auricularis Goldfuss.
Petrefacta Germaniae. II. Bd. Seite 39, Tafel 88, Figur 2.
Eine kleine, vollständig erhaltene linke Schale einer Exo¬
gyra dürfte als Jugendzustand &qyE. auricularis Qo\M. ( Ostrea
auricularis Gein.) aufzufassen sein. Hinsichtlich der Literatur
kann auf die Monographie du genre Ostrea von Coquand
Seite 28 verwiesen werden, welcher auch die Synonyma aus¬
führlich aufführt.
Das einzige vollständige Exemplar ist 9 mm lang und
9 mm breit. Diese abweichenden Grössenverhältnisse ver-
1) Boehm und Holzapfel erwähnen die Art nicht. Müller
giebt sie von Vetschau an.
2) Nilsson, Petref. Suec. Tafel 8, Fig. 4.
Hiesinger, Lethaea. Tafel 19, Fig. 4.
53
hindern eine völlige Identificirung mit der breiteren E.
auricularis Goldf. Jedoch können dieselben auch durch
den Jugendzustand erklärt werden. Der Wirbel ist stark
eingedreht. An der Rückseite ist die im allgemeinen schon
feste Schale verdickt. Aeusserlick zeigt sie daselbst eine
Kante, von welcher ein schmaler Rand begrenzt wird.
Auf demselben sind Spuren von Linien senkrecht zur
Kante wahrzunehmen (Figur 2 b der Abb. von G o 1 d f u s s).
Goldfuss erwähnt die Art von Schweden, Belgien und
Maestricht. Das von dem letzteren Fundpunkte herstam¬
mende Original seiner Abbildungen Fig. 2d beschreibt er
später als E. inflata G. In den Listen Bosquets wird
aber auch ferner die Art von Maestricht erwähnt, desgl.
führt sie Coquand von diesem Orte an, er erwähnt ausser¬
dem Aachen, Rügen, Gehrden. In Westphalen kommt sie
vor in der Zone des Heteroceras polyplocum , in der der Lepi-
clospongia rugosa , des Scaphites binodosus und des Pecten
muricatus.
Anomia cretacea spec. nov.
Figur 14.
Das beste und zugleich grösste Exemplar dieser fast
kreisrunden Muschel hat einen Durchmesser von 12 mm.
Die dünne Schale ist flach und mit Anwachsstreifen ver¬
sehen, die sich bisweilen zu concentrischen Rippen ver¬
dicken. Der niedrige Wirbel liegt unter dem oberen et¬
was abgestutzten Rande.
Von A. subtruncata d’Orb. J) aus dem Mittel- und
Ober-Quader Sachsens und Böhmens, aus dem Unter-Senon
des Harzes und dem Ober-Senon Westphalens (Z. d. Reterot.
polyplocum und der Becksia Soelcelandi), mit welcher unsere
1) A. truncata Geinitz, Charakteristik des sächs.-böhm. Kreide¬
gebiets. UI. S. 87, Tafel XIX, Figur 4, 5.
A. subtruncata d’Orb., Geinitz, Elbthalgebirge. II. S. 30,
Tafel 8, Figur 22, 23.
A. subtruncata Reuss, böhm. Kreide. II. S. 45, Tafel 31, Fig. 13*
54
Art Aehnlichkeit hat, unterscheidet sie sich durch Mangel
der punktirten Radiallinien und durch die Lage des Wir¬
bels, denn dieser liegt nicht unter der Mitte des graden
Schlossrandes. A. pellucida Müller ist oval. A. verrucifera
Müller1) hat Wärzchen und ist mehr oder weniger vier¬
seitig2). Die übrigen deutschen Arten der oberen Kreide,
welche zu dieser Gattung gehören, wie A. Ewalcli Frech3)
aus dem Unter - Senon des Harzes und des Aachener Ge¬
biets, A intercostaia Zittel4), A. lamellosa Römer5), A. se-
miglobosa Geinitz 6), sämmtlich im Unter-Senon des Harzes
vorkommend, A. granulosa Römer 7) aus der weissen Kreide
Rügens, A. incurvata Holzapfel8), dem Unter-Senon von
Aachen angehörig, unterscheiden sich wesentlich durch
Gestalt und Sculptur.
Lima (Limatula) cf. semisuleata Nilss.
Nilsson, Petrificata Suecana S. 25, Tafel IX, Fig. 8.
Goldfuss, Petrefacta Germaniae. II. S. 90, Tafel 104,.
Fig. 3.
Von dieser Art liegt nur ein kleines, schlecht erhal¬
tenes Stück vor, von 4 mm Länge und 6 mm Höhe. Die
Schale ist auf einer Seite verdrückt, sie zeigt 19 scharfe
Rippen auf der Mitte. Die Seiten sind glatt im Gegen -
1) Müller, Supplement zur Monogr. der Petrefacten der
Aachener Kreideformation. S. 7, Tafel VII, Fig. 5.
2) Vergl. auch Plolzapfel, Mollusken der Aachener Kreide,
Palaeontographica XXXV, S. 246, welcher von Aachen eine Form
kurz erwähnt, die A. subtruncata nahesteht.
3) Frech, Zeitschrift d. D. g. Ges. Bd. XXXIX, S. 154.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide. Tafel XXIX, Figur 12,
S. 245.
4) Frech, 1. c. S. 153.
5) A. Römer, Kreide. S. 48, Tafel VIII, Figur 3.
6) Gei nitz, Quadergebirge Deutschlands. S. 208. G. Müller,
Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide am nördl. Harzrand. Jahrb.
d. geol. Landesanstalt. 1887, S. 403.
7) A. Römer, Kreide. S. 49, Tafel VIII,- Fig. 4.
8) Holzapfel, 1. c. S. 245, Tafel 26, Fig. 23—25.
55
satz zu L. semisulcata von Maestricht, wo hier starke con-
centrische Streifen hervortreten. In der Gestalt gleicht sie
dieser. Der Unterschied ist allenfalls auf die Erhaltungs¬
weise zurückzuführen.
Ueber die verticale Verbreitung dieser Art bemerkt
Holzapfel1) für das Aachen - Limburger Gebiet, dass
sie ihm nur aus dem Danien von Maestricht, Kunraed und
Vetschau bekannt sei. Die von Müller aus Aachen be¬
schriebene Form giebt er als L. decussata Goldf. wieder.
F. Römer2) führt die Art von Haldem an. Schlüter3)
erwähnt sie aus den Ober - Senonen Zonen der Beckski
Soekelandi und der Lepidosp. rugosa Westphalens. In der
letzteren kommt sie häutig vor bei Coesfeld und Darup.
Sie variirt hier stark hinsichtlich Zahl und Breite der
Rippen, auch sind einige weniger stark gewölbte Exem¬
plare zwischen dem reichlich vorhandenen Vergleichsmate¬
rial des Bonner Museums. Ausserdem gehört hierher noch
je ein Exemplar von Haltern aus der Unter-Senonen Zone
des Beeten muricatus und von Flaamsche aus der Zone des
Scaphites binodosus, sowie aus der Tourtia von Essen, alle
gesammelt vom Herrn Professor Schlüter und im Bonner
Museum befindlich.
)
Pecten virgatus Nilssoii.
Beeten virgatus Nilsson, Petrificata Sueeana. S. 22, Tafel
IX, Fig. 15.
„ arcuatus Goldfuss, Petrefacta Germaniae. S. 50,
Tafel 91, Fig. 6.
,, curvatus Geinitz, Kieslingswalde S. 16, Tafel III,
Fig. 13.
„ curvatus Geinitz, Elbthalgebirge. I. S. 193, Tafel
43, Fig. 15. II. Tafel X, Figur 1.
1) Palaeontographica XXXV, S. 242.
2) F. Römer, Kreidebildungen Westphalens. S. 204. Zeitschr. d.
D. geol. Ges. Bd. YI.
3) Schlüter, Spongitarienbänke. S. 36.
56
Camptonectes curvatus Boehm, Grünsand von Aachen. S. 78.
Pecten curvatus Frech, Zeitschr. d. D. geol. Ges. -Bd. 39,
S. 156.
„ virgatus Nilsson bei Holzapfel, Die Mollusken
der Aachener Kreide. S. 229, Tafel 26, Fig. 7 — 9.
Die von Irnich vorliegenden Stücke zeigen durch¬
weg die Innenseite, sowohl der rechten wie der linken
Schale. Durch Präpariren wurden Abdrücke blosgelegt,
die mit den Exemplaren von Camptonectes curvatus ver¬
glichen wurden, welche Boehm aus dem Grünsand von
Aachen beschreibt. Das Höhen- und Längen -Verhältniss
ist etwa 18 : 15, jedoch erscheinen die jüngeren Exemplare
schlanker und gewinnen dadurch noch mehr Aehnlichkeit
mit Pecten virgatus N. Die Oberfläche ist mit Rippen be¬
deckt, welche, von der Mitte ausstrahlend, bogenförmig ge¬
krümmt zum Rande verlaufen. Die Rippen dichotomiren
mehrfach. Die äusserst feinen concentrischen Linien sowie
die Punktirung* der Furchen, welche die Rippen trennen,
konnten nur an einer Stelle undeutlich wahrgenommen
werden. Bei der mangelhaften Erhaltung ist es jedoch
nicht zu verwundern, dass diese feine Skulptur nicht deut¬
licher hervortritt. Boehm erwähnt nicht, dass Wirbel
und Mitte des oberen Theiles der Schale glatt bleiben,
obwohl seine Originale dies gleichfalls zeigen.
Die Art ist nicht selten in Irnich zu finden. P. vir¬
gatus Nilss. und verwandte Arten sind in der letzten Zeit
vielfach und ausführlich besprochen und während noch
Boehm seine Aachener Stücke unter dem Namen P. cur¬
vatus Gein. anführt und nur auf die nahe Verwandtschaft
mit P. virgatus Nilsson hinweisst, so ist Holzapfel auf
Grund der Vergleichung mehrerer Hundert Exemplare zu
der Ueberzeugung gelangt, dass P. curvatus mit P. virga¬
tus übereinstimme. Boehm und Holzapfel geben aus¬
führliche Literaturverzeichnisse und erörtern die Synonyma.
Pecten virgatus ist horizontal wie vertical eine der
verbreitetsten Arten der oberen Kreide.
57
Pecten actinodus Goldf.
Petrefacta Germaniae. II. Tafel 91, Fig. 12, S. 52.
Diese Art scheint nach einer Anzahl Bruchstücke zu
urtheilen häufig vorzukommen. Sie zeigt leider nur die
Innenseite und ist dann schwer vom Gestein zu entfernen,
oder sie ist als Steinkern erhalten.
In beiden Fällen ist sie leicht Verwechslungen mit
P. Dujardini und anderen ausgesetzt. In einem Falle ge¬
lang mir das ümdrehen der Schale derart, dass die Be¬
stimmung auf Grund der Sculptur ermöglicht wurde.
Ich gebe zunächst eine Ergänzung der Beschreibung,
wie wir sie von Goldfuss in seinen Petrefacta Germa¬
niae finden, wobei ich mich an das Originalexemplar und
an ein anderes von Maestri cht stammendes halten werde,
da diese bessere Erhaltung zeigen. Es erscheint mir dies
um so wichtiger, da die Beschreibung, sowie die Ver-
grösserung des Schalstückes in der Zeichnung nicht ganz
dem Original entsprechen.
Die Gestalt der ziemlich flachen Schale ist von
Goldfuss gut wiedergegeben. Die Schale trägt neun
Kippen oder Strahlen. Dieselben sind breit und flach.
Beiderseits tragen sie eine etwas schärfere Kante. Auf
diesen Kanten entwickeln sich die Anwachsstreifen, welche
auf der ganzen Schale in welligen Linien sichtbar sind,
zu flachen, schuppenartigen Bildungen. Weniger stark ge¬
schieht dies auch in radialen Linien, die zu je 3 auf der
Mitte der Rippen, wenigstens der grösseren, liegen. Nur
an einer kleinen Stelle des Originalexemplars, also wohl
nur ausnahmsweise, treten die wellenförmigen Anwachs¬
streifen stark rippenförmig hervor und auch dieser Stelle
gegenüber erscheint die vergrösserte Zeichnung bei Gold¬
fuss übertrieben.
Der Steinkern gleicht in der Sculptur dem P Du¬
jardini und unterscheidet sich wie dieser von Pecten
ternatus. Die Rippen desselben sind glatt, flach ge¬
wölbt und scharf gegen die Zwischenräume abgesetzt,
die etwa die doppelte Breite wie die Rippen selbst haben.
In den Zwischenräumen ist, besonders bei älteren, wenig
oder gar nicht bei jüngeren Exemplaren, eine Dreitheilung
bemerkbar, dergestalt, dass die Mitte derselben nochmals
sehr gering eingesenkt erscheint. Es entstehen so zwei
äusserst schwache Kanten, welche die Rippen begleiten.
Im hiesigen Museum, ferner in der Sammlung Ubaghs
in Maestricht und. irre ich nicht, auch in Lüttich finden
sich Pectinidenschalen , welche nur ihre innere Seite
zeigen und welche einen dem eben beschriebenen Steinkern
gleichen Abdruck hervorrufen. Dieselben sind als P. decem-
costatus G.1) bestimmt, welchen G o 1 dfu s s als Steinkern
von Schandau beschrieben hat und der sich durch kleine
Ohren auszeichnen soll. Mir gelang es, eine dieser als
decemcostatus bestimmten Schalen zu wenden und ich fand
dann, dass hier auch ein P. adinodus vorlag. Leider ge¬
bricht es mir an Material, um festzustellen, ob sich stets
der vermeintliche decemcostatus von der anderen Seite als
adinodus zeigt und demnach der erstere Name aus den
Verzeichnissen der organischen Reste von Maestricht zu
streichen ist. — Wie schon bemerkt, soll der Steinkern
des wirklichen P. decemcostatus durch kleinere Ohren cha-
rakterisirt sein. Ueber die Steinkerne der ebenfalls in
diese Gruppe gehörigen P. cicatrisatus und P. ptychodes2) y
beide von Maestricht, konnte ich leider nichts feststellen.
Die Schalen selbst unterscheiden sich leicht durch die ab¬
weichende Sculptur. P. cicatrisatus hat entfernt stehende
Schuppen auf der Mittellinie der Rippen und P. ptychodes
hat neben den 7 Hauptstrahlen sehr viele erhabene radiale
Linien. — Bei P. septemplicatus Nilss.3) zeigt der Stein¬
kern stärker hervorragende gewölbte Rippen. Derselbe
hat sonst ebenfalls mit den vorher besprochenen grösste
Aehnlichkeit. Auf der Schale selbst sind ebenfalls die
Rippen viel stärker gewölbt und die Knoten stärker als die
Schuppen der neun Rippen von P. adinodus. Roemer4)
hat P. septemplicatus und P. ptychodes synonym erklärt,
1) Petrefacta Germaniae. II. S. 53, Tafel 93, Fig. 2.
2) Goldfass, Petrefacta Germaniae. II. S. 56, Taf. 93, Fig.4 u.ö.
5) Nilsson, Petrif. Suec. S. 20, Tafel X, Fig. 8.
4) Versteinerungen des nordd. Kreidegebietes. S. 51.
jedoch, falls die Unterschiede nicht durch die Ungleichheit
der rechten und linken Schale bedingt sind, wohl irrthüm-
lich, da letzterer keine Knoten oder Schuppen aufzuweisen
hat, wohl aber etwas zahlreichere radiale Linien, die auf
den Rippen selbst äusserst schwach werden. Ich konnte
das Original des P. ptychodes mit Exemplaren des P. se-
ptemplicatus Nilss., die Herr Prof. Schlüter am Balsberg
in Schonen gesammelt, vergleichen. Letztere entsprachen
vollkommen der Abbildung, welche N i 1 s s o n giebt.
Das vom Gestein abgelöste Stück von Irnich zeigt
die breiten Strahlen, auch die Schuppen auf den Leisten,
welche die Strahlen begrenzen, es zeigt aber keine Spur
mehr von Anwachsstreifen. Da die Gestalt der Schale
7
und die Zahl der Rippen auch übereinstimmen, so dürfte
diesem Mangel, der sich durch die äusserst schlechte Er¬
haltung leicht erklärt, für die Bestimmung nicht ins Ge¬
wicht fallen.
Gol dfuss erwähnt die Art aus dem Kreidetuff des
St. Petersberges.
Pecten Faujasi Goidf.
G o 1 d f u s s , Petrefacta Germaniae. II. S. 57, Tafel 93,
Fig. 7.
Es liegt ein Steinkern ohne Ohren vor. Derselbe
misst vom Wirbel zum Stirnrand 38 mm. Er ist schlank
und spitz und zeigt 25 Rippen.
Nach Gol dfuss sind 30 Rippen bei dieser Art
vorhanden, jedoch fällt der geringe Unterschied der Zahl
nicht ins Gewicht, da sie nach den Seiten zu sehr klein
werden und keine Spuren auf dem Steinkern zurückgelassen
haben dürften. Ferner sollen die Rippen dreitheilig und
mit Knoten geziert sein. Seine Abbildung, die Vergrösse-
rung eines Schalstückes, zeigt aber schon, dass auch diese
Eigenthümlichkeiten für den Steinkern fortfallen. — Von
P. muricatus, dessen Steinkern ähnlich gerippt ist, unter¬
scheidet sich diese Art durch spitzeren Winkel am Wirbel.
Die auf Zahl der Rippen und Gestalt der Schale be-
60
gründete Bestimmung blieb mir fraglich, bis ich Gelegen¬
hatte, den Steinkern mit dem Original zu vergleichen, von
dem nur Bruchstücke noch vorhanden sind. Es schwanden
nunmehr die Bedenken. — Das Originalexemplar ist weit
grösser gewesen, das Innere der Schale zeigt vollkommen
das Bild unseres Steinkernes. G o 1 d f u s s erwähnt die
Art vom Petersberge.
Pecten Dujardini A. Roemer.
Pecten septemplicatus Dujardin, Memoire sur les couches
du sol de Tourraine et description des coquilles
de la craie et des faluns. Mein, de la Soc. Geol.
T. II. S. 227, Tafel 16, Fig. 11.
,, Dujardini A. Roemer, Die Versteinerungen des nord¬
deutschen Kreidegebirges S. 53.
d * 0 r b i g n y , Paleontologie frangaise. Terrain cretace.
Lamellibranches S. 615, Tafel 439, Fig. 5—11.
Reu ss, Die Versteinerungen der böhmischen Kreidefor¬
mation. II. S. 30, Tafel 39, Fig. 17.
'? Geinitz, Das Elbthalgebirge in Sachsen. S. 36, Tafel
10, Fig. 10-13.
Die Schale ist flach gewölbt und mit etwa 10 Rippen
geziert. Dieselben sind deutlich dreigetheilt, jeder Theil
trägt regelmässige, schuppenförmige, starke Knoten, die
dichtgedrängt stehen. Zwischen den Rippen liegen noch
zwei ebensolche schuppentragende Linien. Mit der Lupe
nimmt man Anwachsstreifen wahr, die auf den Rippen
wellenförmig zurückgebogen sind.
Bei dieser Bestimmung fusse ich auf der ausführliche¬
ren Beschreibung, welche d’Orbigny von dieser Art
giebt. Dass derselbe ein oder zwei Knotenlinien mehr ge¬
funden hat, als ich sie gesehen, dürfte kaum ins Gewicht
fallen. Ob die Form , welche G e i n i t z unter diesem
Namen beschreibt, mit den französischen und denen von
Irnich zusammengehört, ist mir nach Betrachtung seiner
Abbildung und Beschreibung etwas fraglich geblieben, da
61
nach ihm nur zuweilen die Anwachsstreifen schuppenartig
sich erheben.
Ueber den Steinkern ist bislang nur von Reuss
berichtet, dass er auch Anwachsstreifen trage. Er ist hin¬
sichtlich der Sculptur dem des Peden adinodus gleich.
Von dieser Art unterscheidet sich P. Dujardini durch
höhere Wölbung, durch die scharfe Gliederung der Rippen,
durch die Regelmässigkeit und Stärke der Knoten, sowie
der als concentrische Rippchen ausgebildeten Anwachs¬
streifen.
Nahe steht P. cicatrisatus Goldf.1) von Maestricht,
welcher jedoch nur auf der Mittellinie der Rippen Knoten
trägt.
P. ternatus 2), von Goldfuss aus Schandau beschrie¬
ben, trägt nach Schlüter, welcher ihn aus der Zone
der Decksia Soekelandi erwähnt, nicht Knoten, sondern
Stacheln, auch unterscheidet sich der Steinkern von dem
unserer Art. Seine Rippen sind nämlich noch deutlich
dreitheilig und der mittlere Theil ist dachförmig.
P. osperulinus Stol. aus der Arrialoor Group3) Indiens
zeigt auf der Mittellinie der Rippen Schuppen, welche ent¬
fernter stehen und die übrigen an Grösse weit überragen,
was beides bei unserer Art nicht der Fall ist.
Roemer erwähnt Peden Dujardini aus dem Pläner
von Weinböhl und der oberen Kreide von Tours, von wo
ihn Dujardin als Peden septemplicatus beschreibt.
G e i n i t z führt ihn aus dem Mittelquader Sachsens und
aus dem Plänerkalk von Strehlen und Weinböhl an; Reuss
aus dem Plänersandstein von Trziblitz, Hradeck, Schelko-
witz und Wegstadtei; d’Orbigny von Tours, Royan,
Saintes (Charente inf.) , von Montignac und Colombier
(Dordogne), von Cognac (Charente) und Cambray (Nord).
1) Petref. Germ. II. Tafel 93, Fig. 6, S. 56.
2) Petref. Germ. II. S. 52, Tafel 91, Fig. 13. Roemer,
Kreide, S. 53. Schlüter, Spongitarienbänke. S. 24. Griepen-
kerl, Königslutter. S. 43.
3) Stoliczka, Cret. Pal. of Southern India. S. 432, Tafel 31,
Figur 10 u. 11 und Tafel 34, Fig. 5.
62
Nach dem Verzeichntes bei D e w a 1 q u e kommt die
Art im Hervien nnd Maestrichtien Limburgs vor, Ubaghs
ergänzt die Angabe auf das Maestrichtien sup. Die verti-
cale Verbreitung dieser Art würde sich demnach vom
unteren Turon bis in die jüngsten Schichten der Kreide
erstrecken.
Anm. : Holzapfel1) bespricht einen Pecten aus
dem Gymnicher Loch, der ebenfalls dieser Gruppe ange¬
hört, Ob er aber mit P Dujardini identificirt werden
kann, ist fraglich, da insbesondere der Steinkern wesent¬
liche Abweichungen zeigt. Im Obersenon Westphalens
finden sich ebenfalls noch nahestehende Formen, wie sich
aus einigen Steinkernen im Bonner Museum ergiebt. Da
sich aber bei dieser Gruppe auf Grund von Steinkernen
keine Bestimmung ermöglichen lässt, sehe ich von einer
genaueren Besprechung ab.
Pecten Irnichensis spec. nov.
Fig, 15.
Mehrere Schalen, flache und schwach gewölbte, von
gleicher Sculptur dienen zur Aufstellung dieser Art.
Dimensionen eines vollständigen Exemplares 18 mm :
15 mm. Die Schale ist mit vielen radialen Rippen geziert,
welche jedoch von ungleicher Stärke sind. Rippen I. Ord¬
nung werden etwa 14 gezählt, dazwischen je 2 oder 3
il. Ordnung und zwischen diesen solche III. Ordnung.
Regelmässigkeit ist jedoch dabei nicht vorhanden. Ferner
trägt die Schale concentrische Rippchen, weiche mit erste-
ren zusammen der Oberfläche ein gegittertes Aussehen
geben. Auf der flachen Schale sind die Unterschiede in
der Stärke der Rippen geringer. Die Ohren scheinen gleich
gross gewesen zu sein. P. Irnichensis hat Aehnlichkeit
mit P. cretosus Defr. nach d ’ 0 r b i g n y (Paleontologie
francaise Tafel 440, Fig. 1 — 7), letzterer ist jedoch bei
weitem grösser und ausserdem sind die concentrischen
Rippen nicht angegeben, sondern nur schwache Anwachs¬
streifen. Mit dem als Synonym angeführten P. nitidus Sow.,
1) Palaeontographica XXXV, S. 232.
(33
P. nitida Mantell und P. undulatus Nilsson ist die Ueber-
einstiminung geringer, da diese Autoren den Buckel weit
stumpfer gezeichnet haben.
P. elongatus d’Orb.1 *) aus dem französischen IJnter-
Turon zeigt in der Gestalt Aehnlichkeit ; die grössere An¬
zahl der Rippen, das schärfere Hervortreten und die grös¬
sere Regelmässigkeit derselben unterscheidet ihn von
unserer Art.
Vola substriato-costata d’Orb.
Pecten striato-costatus Goldfuss, pars. Petrefacta Germaniae.
II. S. 55, Tafel 93, Fig. 2 a. b. f. g.
Janira striato - costata d’Orbigny, Paleontologie francaise.
Lamellibrauches. S. 650, Tafel 449, Fig. 5 — 6.
„ snbstriato - costata d’Orbigny, Prodrome de Paleon¬
tologie. II. S. 253.
Non Pecten striato-costatus Goldfuss, Petrefacta Germaniae.
Figur 2 c. d, Tafel 93.
„ Pecten striato-costatus Strombeck, Ueber die Kreide,
am Zeltberg bei Lüneburg. Zeitschrift d. Deutschen
Geol. Ges. XV. S. 155.
Aus der Formenreihe, welche Goldfuss unter dem
Namen P. striato-costatus zusammenfasste, schied d 7 0 r b i g ny
einen Teil unter dem Namen Janira substriato-costata aus.
Der alte Name blieb für die Formen mit polygonalem
Stirnrand, mit den scharfen, nicht gerundeten Ecken,
welche durch die Hauptrippen hervorgerufen werden, für
die Formen, deren Rippen nur eine geringe Gliederung
zeigen gegenüber den vielfach getheilten der anderen Art.
Favre macht auch auf Unterschiede zwischen den
G o 1 d fu s s ’ sehen Formen Figur a. b. f. g und den
französischen aufmerksam, von denen ich allerdings nur
einen anerkennen kann ; die Abbildung d’Orbigny’s
zeigt nämlich kleinere Ohren, als sie die Exemplare aus
1) Paleontologie francaise, Lamellibranches, S. 607, Taf. 437
Fig. 1-4.
64
dem Maestrichttuff besitzen. Hinsichtlich der Sculptur fand
ich Unterschiede zwischen den Formen aus Irnich und dem
Originalexemplar von G ol dfuss einerseits und den mir zum
Vergleich vorliegenden Stücken von La Valette (Charente)
und St. Paterne (Indre et Loire) andererseits. Ich war
daher geneigt, auch diese beiden Formen als verschiedene
Arten anzusehen. Mein Besuch in Maastricht und Lüttich
jedoch überzeugte mich, dass auch in Limburg, besonders
in Kunraed Formen, die den französischen gleichen, sowie
Uebergänge von einem zuin anderen vorhanden sind. Den
Unterschied in der Grösse der Ohren konnte ich nur nach
der Abbildung feststellen, da solche an den mir zu Ge¬
bote stehenden Schalen aus der Kreide Frankreichs nicht
erhalten waren. Ich gebe zunächst eine genauere Beschrei¬
bung der Irnicher Form, welche mit G o 1 d f u s s7 Original
aus dem Kreidetuff von Maes triebt (Valkenberg?) völlig
übereinstimmt, und werde dann die obenerwähnten Unter¬
schiede hervorheben.
Die hoch gewölbte Schale zeigt 6 gerundete Rippen,
zwischen denselben befinden sich je zwei geringere. Die
grösseren Rippen gliedern sich wieder in mehrere kleinere
Rippchen oder Bänder, von denen stets zwei, an Breite
die anderen übertreffende, auf der Mitte der Hauptrippen
liegen. Der Stirnrand erhält durch das Vorspringen der
verschiedenen Rippchen und Bänder ein wellenförmiges
Aussehen. Ausserdem hat der Rand scheinbar durch ver¬
schiedene Längen der einzelnen Schalschichten eine dach¬
förmige Gestalt erhalten. Die flache Schale, welche in
Irnich häufiger und besser erhalten ist, zeigt eine Sculptur,
die der der gewölbten Schale entspricht, es treten aber
die Hauptrippen nur wenig hervor, sind aber trotzdem
leicht zu unterscheiden durch das Vorspringen am Rande.
Die jüngeren Stücke zeigen ausserdem noch concentrische
Liniirung. Bei den mir bekannten französischen Formen,
desgleichen bei denen von Kunraed sind die Hauptrippen
viel höher und stärker gewölbt und auf ihnen zeigen sich
statt zweier Bänder nur eins, das die übrigen noch wesent¬
licher übertrifft. Besonders durch ersteren Unterschied ge¬
währen die Schalen ein anderes Bild.
65
Schon d’Archiac1) unterschied iu der G o 1 d-
f u s s ’ sehen Art 3 Varietäten, von denen Var. A. gibba
der Vola striato-costata s. s. entspricht, während Var. B.
und C., complanata und maxima, der Vola substriato-costata
d’Orb. zu entsprechen scheinen. Abbildungen giebt er nicht.
Spondylus spec.
Ein Exemplar, ein Bruchstück ohne Schloss und
Ohren, einer flachen Schale, ist zu Spondylus zu stellen.
Die Erhaltung gleicht der der Pectiniden d. h. die Schalen¬
oberfläche liegt fest auf dem Gestein. Innen und Aussen
ist die Schale radial gerippt. Sie ist unregelmässig faltig-
gewachsen, zeigt aber keine Stacheln oder Knoten. Grösse
3 cm.
Ein anderes Bruchstück einer Bivalve möchte ich
nach Vergleich mit einem Exemplar des hiesigen Museums
als Sp. aegualis Heb.2) deuten. Diese Art ist von M e u d o n
beschrieben und unterscheidet sich von Sp. spinosus durch
die Gleichmässigkeit der Rippen und zahlreichere Stacheln
auf beiden Schalen. Das vorliegende Stück ist Steinkern
und kann somit die Stacheln nicht zeigen. Nur die Gleich¬
mässigkeit der Rippen und die schwache Wölbung der
Schale erinnert an die oben genannte Art.
Modiola cf. concentrica Münst.
Mytüus concentricus Goldfuss, Petrefacta Germaniae. S.
178, Tafel 138, Fig. 5.
Modiola concentrica Roemer, Kreide S. 67.
„ „ G. Müller, Obere Kreide am nördlichen
Harzrand. S. 418.
„ concentrica Griepenkerl, Die Versteinerungen der
senonen Kreide von Königslutter, Paläont. Abh.
von Dam es und Kayser, S. 53.
1) Formation cretacee du Sud-Ouest de la France 1837. Mem.
de la Soc. geol. de la France. I. Ser. II. Band.
2) Bull, de la Soc. geol. de France. II. Ser. Band XVI. S. 149.
Verla, d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX.
0
66
Von dem Genus Modiola liegen aus Irnich zwei
Exemplare vor, welche leider beide stark verdrückt sind
und demnach die äussere Form nur unvollständig zeigen.
Sie scheinen zu Modiola concentrica Münster aus dem
Ober-Senon Westphalens zu gehören, es ist aber nicht
ausgeschlossen, dass die Ausbuchtung des unteren Randes,
sowie der Buckel, welcher vom Wirbel nach hinten ver¬
läuft, bei unseren Exemplaren ausschliesslich durch Ver¬
drückung hervorgerufen ist. Die Amvachsstreifen zeigt
ein Abdruck sehr deutlich. Die beiden Stücke sind 36
/
und 39 mm lang. Die Höhe lässt sich wegen der Ver-
.
drückung nicht messen. Das Original zu der Abbildung,
welche Goldfuss giebt, ist in München; im Museum zu
Bonn befinden sich zwei Exemplare von Haldem, welche
von Goldfuss als Modiola concentrica Münst. be¬
stimmt sind. Das eine ist verdrückt, bei dem andern
fehlt der Wirbel, beide sind in ihrer Gestalt sehr abwei¬
chend von der Zeichnung, nur die stark hervortretenden
Anwachsstreifen und den Mangel anderer Sculptur haben
sie alle gemeinsam. Ferner liegen mir drei von Herrn
Professor S chl ü ter bei Haldem gesammelte Exemplare
vor, die ebenfalls verdrückt oder unvollständig sind. Alle
diese Stücke weichen von der Zeichnung dadurch ab, dass
der Vorderrand weniger über den Wirbel hinaus vorspringt,
sie neigen in ihrer Gestalt mehr zum Mytilus reversus
Sow. 0 aus dem Grünsand von Blackdown, von dem sie
sich nur dadurch unterscheiden, dass die Einbuchtung am
Stirnrand weniger stark ist als bei der englischen Art.
Mit Mytilus reversus Sow. hat Müller1 2) ein Exem¬
plar aus dem senonen Hornstein des Aachener Waldes
identificirt, das Holzapfel3) Modiola cf. capitata Zittel4)
bezeichnet, welches aber nach der Beschreibung ebensogut
1) Fitton, On the strata below the Chalk. S. 342, Tafel
XVII, Fig. 13.
2) Müller, Petrefacten der Aachener Kreideformation. II.
3. 68. ’
3) Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide. S. 221,
Tafel XXV, Fig. 14.
4) Zittel, Bivalven der Gosau. S. 80, Tafel XII, Fig. 1.
67
zu M. concentrica gestellt werden kann, denn Müller er¬
wähnt coneentrische Linien, die nach den Rändern in
starkeFalten übergehen ; in den stärkeren Anwachsstreifen
aber vermag ich den einzigen Unterschied zwischen der
Hai deiner Art und der der Gosau zu finden *). Zwar er¬
wähnen Zittel und Holzapfel noch, dass sich dieSchale
nach hinten verschmälere, während die Zeichnung bei
Goidfuss einen verbreiterten Hinterrand zeigt. Ein
solcher ist jedoch an unseren Exemplaren nicht zu sehen,
auch sagt Roemer, dass die Schale fast überall gleich
breit sei. Das eine der von Goidfuss etiquettirten
Stücke hat fast genau die Gestalt der Figur 1 b bei
Zittel. Die von Reuss1 2) und Geinitz3) zu Mytilus
reversus gestellten Formen unterscheiden sich von den
bisher besprochenen durch Radialrippen.
Zwei Modioien von Dülmen, Zone des ScapMtes bino-
dosus , im Bonner Museum sind noch als nahestehende
Formen zu erwähnen. Dieselben sind von Goidfuss
etiquettirt Mytilus Fittoni Goldf. 4), sie unterscheiden
sich von der Modiola concentrica durch grössere Länge
11 cm im Verhältnis zur Höhe 4 cm.
Modiola concentrica Goldf. ist bekannt aus der ober-
senonen Zone des Heterocer as polyplocum von Haldem und
aus der untersenonen des ScapMtes binodosus von Dülmen.
G. Müller erwähnt sie aus dem Unter-Senon des
Salzbergs und der Schanzenburg am nördlichen Harzrand
und Griepenkerl aus den Unteren Mucronatensehichten
von Königslutter.
Area bisulcata spec. nov.
Fig. 16.
Die Dimensionen eines grösseren Exemplares dieser
Art betragen: Länge 4 cm, Flöhe 1,5 cm, Dicke 0,7 (1,4)
1) Die Zeichnung Holzapfels mit dem eigenthümlich ver¬
längerten Wirbel lässt allerdings weder auf die eine noch auf die
andere Form schliessen.
2) Reuss, Versteinerungen der böhm. Kreideform. II. S. 15,
Tafel 33, Fig. 9. •
3) Geinitz, Elbthalgebirge. I. S. 216, Tafel 48, Fig. 9.
4) Non Mytilus Fittoni d’Orb. aus dem Neocom syn. M. reversus
68
cm. Der Wirbel ist weit nach vorn gerückt, 1/3 der
Scblosslänge vom Vorderrand entfernt. Mit dem Vorder¬
rand bildet das Schloss einen spitzen Winkel, hinten stossen
die Ränder anscheinend rechtwinkelig zusammen. Der
Vorderrand verläuft im flachen Bogen nach unten, wo der
Rand grade und dem Schlosse parallel ist. Die Zähne
sind klein und an den Enden schräg gestellt. Unter dem
Wirbel fehlen auf dem Steinkerne Abdrücke von Zähnen.
Vom Wirbel geht eine schwache Depression in der Rich¬
tung auf die Mitte des Stirnrandes, verliert sich jedoch
bei unserm grossen Exemplar, bevor sie den Rand erreicht
hat. Auf der Hinterseite verlaufen zwei Furchen vom
Wirbel zum Rande, die auf dem Steinkern tiefe Eindrücke
hinterlassen haben. Die Oberfläche ist mit schwachen
radialen Rippen bedeckt.
Die nächst verwandte Art aus der Kreide ist A. Car-
teroni d’Orb. Besonders die zwei Furchen auf der Hinter“
Seite, sowie der spitze Winkel zwischen Vorderrand und
Schlossrand verursachen die Aehnlichkeit beider Arten.
Jedoch sind bei unserer Form die Furchen der Hinterseite
stärker ausgebildet, während d’Orbigny nur erwähnt:
Deux sillons peu prononces. Während bei unserer Art
die Depression der Schalenmitte nach unten abnimmt, ver-
grössert sich dieselbe bei A. Carteroni d’Orb. und veran¬
lasst am Rande einen flachen Sinus, von welchem bei
unserer Art keine Spur vorhanden ist. Zudem erwähnt
d’Orbigny grobe Anwachsstreifen. Auch von solchen
ist auf dem Abdruck nichts wahrzunehmen.
Area Claldrina d’Orb. *
(Voy. Astrolabe Paleont. Tafel V, Fig. 22—23.)
Trigonoarca Galdrina bei Stoliczka, Fauna of Southern
India S. 355, Tafel XVIII, Fig. 2-5.
Area Galdrina d’Orb. ist eins der am häufigsten vor¬
kommenden Fossile von Irnich. Sie ist meist als Steinkern
d’Orb. Mit Radialrippen. Prodrome. II S. 81, Etage 17, Nr. 343.
Paleontologie frangaise. Lamellibranches. S. 264, Tafel 337, Fig. 1.
69
erhalten. Ein Exemplar mittlerer Grösse hat die Länge
von 31 mm und Höhe von 20 mm. Die Schale hat trapez¬
förmige Gestalt, sie ist vorn gerundet. Der Wirbel ist
eingedreht und liegt am Ende des vorderen Drittels des
geraden Schlossrandes. Das Schloss hat ungefähr 25 gerade,
nicht gebrochene Zähne. Vom Wirbel verläuft ein Kiel
schräg nach unten, eine hintere Seite abtrennend, auf wel¬
cher sich dicht hinter demselben eine Furche befindet, die
auch auf dem Steinkern stets deutliche Spuren hinterlassen
hat. Die Oberfläche ist concentrisch liniirt, jedoch nicht
so regelmässig, wie Stoliczka zeichnet. Kur auf der
dem Schloss nächstgelegenen Hälfte der Hinterseite befin¬
den sich wenige aber deutliche radiale Rippen, welche
ebenfalls in einzelnen Fällen auch auf dem Steinkern
Spuren hinterlassen haben. Ueber die Beschaffenheit der
Area konnte bei dieser Erhaltung kein Aufschluss erlangt
werden.
Mit Rücksicht auf Zahl und Stellung der Zähne so¬
wie auf den abgerundeten Vordertheil kann man Area
rhombea Nilss. 1)J die auch von Maestricht bekannt ist, ver¬
gleichen. Jedoch ist, den Abbildungen nach zu urtheilen,
der hintere Rand bei dieser Art viel kürzer, die Gestalt
nähert sich mehr einem Rechteck, auch fehlt die Furche
auf der hinteren Seite.
A.Ligeriensis d’Orb. 2) aus dem Turon des Bassin der
Loire ist eine nahe verwandte aber viel grössere Art.
Dieselbe hat in der Jugend eine Länge von 50 mm, wäh¬
rend die grössten Exemplare der Area Galdrinci von Irnich
nur die Länge von 35 mm erreichen. Ausserdem fehlen
der französischen Art die Rippen auf der hinteren Seite.
Ferner stehen nahe : A. Cornueliana d’Orb. 3) aus dem Neo-
com und A. carinata Sow. 4) Durch Zahl und Lage der
Zähne sowie durch Radialliniirung sind sie unterschieden.
1) Petrif. Suec. S. 15, Tafel V, Fig. 2.
2) Paleontolog. frangaise. Lamellibranches. Tafel 317, S. 227.
3) Paleontologie frangaise. Lamellibranches. S. 208, Taf. 311,
4) Paleontologie frangaise. Tafel 313, Fig. 1—3.
Area Galdrina d’Orb. ist bisher aus der jüngsten Kreide-
ablagerung des südlichen Indien, der Arrialoor Group,
bekannt.
Area granulato-radiiata Alth.
A 1 1 h , G eognostisch-palaeontologische Beschreibung der näch¬
sten Umgebung* von Lemberg, S. 235, Tafel XII,
Fig. 20 (Haid in ge rs naturwissenschaftliche Ab¬
handlungen Abth. III.)
Favre, Mollusques foss. de la craie des environs de Lem¬
berg S. 128.
Von dieser Art liegt ein kleiner aber wohl erhaltener
Abdruck vor. Die Schale ist ungleichseitig, die vordere
Seite kurzer als die hintere. Vom Wirbel läuft auf der
Mitte der Schale eine Depression zum Stirnrand. Die
Oberfläche ist geziert mit ausstrahlenden Rippen, welche
von gedrängten concentrischen gekreuzt werden. Die hintere
Seite ist durch einen scharfen Kiel abgetrennt. Nach
Alth sind auf derselben die radialen Rippen entfernter
stehend und weniger deutlich. Letzteres ist bei unserni
Abdruck jedoch nicht der Fall. Länge und Höhe 11 mm:
5 mm.
Dieser Art steht Area propinqua Reuss 1 2) nahe, bei
welcher die Rippen schuppig verziert sind, während A.
granulato-racliata Alth nur auf den Kreuzungs punkten der
Rippen einfache Verdickungen trägt. A. irregulär is d’Orb.2)
ist grösser als unsere Art und unterscheidet sich noch
durch Zahl und Gestalt der Rippen. Die Berippung ist
dort wesentlich feiner, die Schale gleicht aber in der Form
unserer Art. Alth erwähnt die A. granulato-racliata aus
dem Kreidemergel von Lemberg und Podhayczyki.
Aus der Zone der Lepidospongia rugosa des Ober-
Senons in Westphalen ist noch eine häufig verkommende
Area zu erwähnen, welche ebenfalls gekörnelte Radial-
1) Reuss, Versteinerungen der böhmischen Kreideformation.
II. S. 12, Tafel 34. Fig. 34.
2) Paleontologie frangaise. Terrain eretace. Lamellibranclies.
S. 240, Tafel 326, Fig. 4—6.
71
rippen und in der Mitte der Schale die Depression trägt.
Dieselbe unterscheidet sich dadurch, dass ihr der scharfe
Kiel fehlt, welcher die Hinterseite abtrennt.
Area spec.
Unter den zum Genus Area gehörigen Formen der
Irnicher Fauna findet sich noch ein Steinkern, der in der
Gestalt wesentlich von der grossen Mehrzahl der Arciäae
abweicht. Derselbe hat eine Länge von 2,7 cm und ist
1 cm hoch. Die Dicke des Steinkerns einer einzelnen
Schalenklappe beträgt 4 mm. Der Wirbel liegt etwas vor
der Mitte. Der Schlossrand bildet mit dem Vorderrand
einen abgerundeten rechten Winkel, mit dem Hinterrand
einen stumpfen. Vom Wirbel laufen schräg nach vorn
und hinten, die Fläche der Schale dreitheilend, zwei gerun¬
dete Kanten. Zwischen diesen beiden bildet der Stirnrand
einen langen und verhältnissmässig tiefen Sinus. Eine
nahestehende Form ist A. bicarinata Reuss 1) aus dem
Plänermergel von Priesen, jedoch ist diese böhmische Form
breiter und die grösste Tiefe des Sinus liegt dort nicht
wie bei diesem Steinkern in der Mitte des Schalenrandes.
Dasselbe gilt von A. subhercynicci Frech2). Da nur ein
Steinkern vorhanden war, also die Scuiptur nicht be¬
schrieben werden konnte und auch die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen ist, dass eine anormale Bildung vor¬
liegt, so ist davon abgesehen, die Art zu benennen, bis
mehr Material vorhanden ist.
Area spec.
Ein Steinkern und mehrere Abdrücke kommen der
Area exornata Briart und Cornet3) aus den cenomanen
1) Versteinerungen der böhmischen Kreideformation. II. S. 10,
Tafel 34. Fig. 43.
2) Zeitschrift der Deutschen geol. Ges. Bd. XXXIX. S. 159,
Tafel XIII, Fig. 1—7.
3) Description des fossiles de la meule de Bracquegnies. S. 59,
Tafel V, Fig. 17 u. 18. Mem. Cour. T. 34.
72
Meules de Bracquegnies sehr nahe. Es ist eine kleine
trapezförmige ungleichseitige Muschel. Der Hinterrand ist
schräg abgeschnitten. Eine rundliche Kante geht vom
Wirbel in die hintere, untere Ecke und begrenzt eine mit
Radialrippen gezierte Hinterseite, die durch einen Vorsprung
wiederum zweigetheilt ist. Auch die Vorderseite ist mit
Radialrippen geziert, während die Breitseite nur Anwachs¬
streifen zeigt. Der Vorderrand ist kleiner als bei der
Area exornata, bei welcher er dem Hinterrand gleich kommt.
Pectimculus spec.
Figur 17.
Leider nur als Steinkern erhalten. Eine kleine Partie
eines Abdrucks lässt schliessen, dass die Oberfläche glatt
war. Die Schale ist gerundet fünfseitig. Die Höhe be¬
trägt wie die Länge etwa 15 mm, die Dicke 3 (resp. 6)
mm. Der Rand ist glatt, nicht gekerbt, die Muskelein¬
drücke sind tief. Der stark gebogene Schlossrand zeigt
24 bis 26 radial gestellte nicht gebrochene Zähne.
Dieser Art steht nahe: P. lens Nilss., welcher jedoch
einen gekerbten Schalenrand und eine weniger stark ge¬
krümmte Zahnreihe hat.
Limopsis rhomboidalis Alth.
A 1 1 h , Beschreibung der Umgebung von Lemberg. S. 233,
Tafel XII, Fig. 17.
Favre, Mollusques fossils de la craie des environs de
Lemberg S. 121, Tafel XII, Fig. 11, 12.
Bei Irnich nur als Steinkern vorhanden. Die Schale
war ebenso lang wie hoch. Der Wirbel liegt vor der Mitte
des Schlossrandes, diesen in einen längeren hinteren und
kürzeren vorderen Theil gliedernd, von denen der erstere
etwa 10 und der letztere 6 Zähne führt. Ein Abdruck
der Ligamentgrube ist nicht erhalten. Der Wirbel ragt
über den Schlossrand hinaus. Der Vorderrand der Schale
stösst mit dem Schlossrand unter etwa einem rechten, der
Hinterrand unter einem stumpfen Winkel zusammen. Beide
73
sind schwach, der Stirnrand dagegen stark gebogen. Alth
erwähnt die Art aus dem Kreidemergel von Lemberg.
Von Irnich liegen zwei Steinkerne vor.
Die Lage des Wirbels und die etwas rhombische
Gestalt unterscheiden sie leicht von den übrigen Arten
dieser Gattung.
Anm. Die Abbildung bei Favre weicht hinsicht¬
lich des Winkels zwischen Vorderrand und Schlossrand
von der Alths ab. Favre zeichnet auch hier einen
stumpfen Winkel.
Limopsis triangularis spec. nov.
Fig. 18.
Diese Art ist durch ihre gleichseitig dreieckige Ge¬
stalt von allen übrigen Arten leicht zu unterscheiden. Der
Schlossrand ist stark nach vorn herübergezogen, hinter dem
Wirbel liegen vier, vor demselben 11 Zähne, von denen
die vordersten winkelig gebrochen sind. Zwischen ihnen
eine Lücke für die Ligamentgrabe. Die Schale war flach
und glatt. Die Länge der Seiten beträgt 12 bis 13 mm.
Der hintere Rand ist fast gerade, der vordere gering, der
Stirnrand stärker gebogen. Der Wirbel ist schwach nach
vorn geneigt und ragt nicht über den Schlossrand hinaus.
Auf dem Steinkern haben sich Fheile einer inneren Schalen¬
lage erhalten, welche Radialstructur zeigen. Der Stirnrand
ist glatt, nicht gezähnelt. Ein Steinkern mit Abdruck.
Leda siliqua Goldfuss.
Nacala siliqua Goldfuss, Petref. Germ. S. 157, Tafel 125,
Fig. 13.
,, siliqua Müller, Monographie der Petrefacten der
Aachener Kreideformation. II. S. 64.
,, siliqua Reuss, Die Versteinerungen der böhmischen
Kreideformation. II. S. 7, Tafel 34, Fig. 11.
Lecla siliqua Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide.
Palaeontographica XXXV. S. 203.
Nucula siliqua Griepenkerl, Die Versteinerungen der se-
nonen Kreide von Königslutter S. 57.
74
Die Art ist in vier Exemplaren und mehreren Bruch¬
stücken vorhanden. Die Länge der Schale beträgt 2,5 cm
und mehr, die Höhe 9 mm und mehr. Sie hat die Gestalt
einer Schote. Der Wirbel liegt weit vorn. Vor dem Wir¬
bel liegt eine Reihe von 8 — 10 winkelig gebrochenen Zäh¬
nen, hinter demselben 60 bis 70. Letztere sind jedoch
weniger scharf gebrochen und zwar um so weniger, je
näher sie dem Wirbel liegen. Die Zahnreihen stossen
unter stumpfem Winkel zusammen. Der vordere Theil
des Schlossrandes ist schwach convex, der lange hintere
schwach concav. Der Stirnrand ist ebenfalls gebogen.
Die Art wurde mit dem Original zu Goldfuss’ Abbildung
verglichen, welcher die Form von Kunraed beschreibt.
Reuss bestimmte eine Art von Luschitz, Priesen und
Posteiberg als N. siliqua , dieselbe ist kleiner und die Zahlen
der Zähne bieten ein ganz anderes Verhältniss dar, näm¬
lich 20: 28-30.
Dass N. siliqua Geinitz1) nicht hierher gehört, dürfte
der Vergleich der Abbildungen ergeben.
Goldfuss beschreibt die Art von Maestricht, Holz¬
apfel erwähnt mangelhaft erhaltene Exemplare von Aachen.
In der Sammlung der Bonner Universität befindet sich ein
Exemplar von Coesfeld aus der Zone der Lepiäospongia
rugosa und zwei aus dem Emscher. Bei diesen drei Exem¬
plaren ist jedoch der vordere Theil des Schlossrandes nicht
erhalten, so dass es fraglich ist, ob sie zu dieser oder der
folgenden Art gehören.
Leda siliquaeforniis spec. nov.
Fig. 19.
L. siliquaeforniis ist der L. siliqua ähnlich. Sie hat
eine Länge von 35 mm und eine Höhe von 12 mm. Der
Wirbel liegt 9 mm vom vorderen Rande entfernt. Der
Schlosswinkel ist stumpfer als bei L. siliqua. Der vordere
Schlossrand ist grade, der hintere concav und zwar eben-
1) Geinitz,
Charakteristik und Petrefakten der sächsischen
Kreide. S. 77, Tafel XX. Fig. 28 u. 29.
falls stärker gebogen, als bei der ebengenannten Art. Die
gebrocheilen Zähne sind schmaler, vor dem Wirbel befin¬
den sich ungefähr 20, hinter demselben 50 und mehr.
Der Stirnrand ist vorn stark gebogen, hinten dagegen fast
gerade, wodurch der hintere Theil der Muschel eine schna¬
belförmige Gestalt erhält. Die Oberfläche ist glatt.
Als nahestehende Art ist Nucula porrecta Reuss1) zu
erwähnen, dieselbe ist kleiner als unsere Art, ihr auf der
ganzen Länge gebogener Stirnrand giebt ausserdem der
Art eine wesentlich andere Gestalt.
Lecla protexta Gabb. oder Nuculana protexta bei Whit-
field2) ist weniger lang geschnäbelt, der hintere Theil ist
nur 1V2 mal so lang als der vordere, während er bei L.
siliqiiaeformis beinahe dreimal so lang ist. Dasselbe gilt
von Nuculana Gabbana Whitfield, nur scheint diese Art
durch stärker gerundeteten Stirnrand noch etwas weiter
abzuweichen.
Ein Steinkern mit Abdruck.
Lecla mulfideutata spec. uov.
Fig. 20.
Diese Art ist L. siliqua und siliquaeformis nahestehend.
Der Schlosswinkel ist sehr stumpf, fast gleich 2 R. Die
Zahl der sehr schmalen gebrochenen Zähnchen ist gross.
Der Schlossrand ist zu beiden Seiten des vorn liegenden
Wirbels gerade, nicht gebogen. Dieser Umstand trennt
die Art auf den ersten Blick von den eben erwähnten.
Der Stirnrand ist nur vorn etwas gebogen, hinten fast ge¬
rade und mit dem Schlossrand con vergärend.
Der Vorderrand ist etwa doppelt so gross wie der
Hinterrand. Die Länge beträgt 2,7 cm, die Höhe beim
Wirbel 7 — 8 mm. Die Oberfläche ist glatt, wie ein Stück¬
chen erhaltener Schale zeigt.
Sechs Exemplare.
1) Versteinerungen der böhmischen Kreideformation. II. S. 7,
Tafel XXXIV, Fig. 12, 13.
2) Brachiopoda and Lamellibranchiata of New Yersey. U. S.
geol. Survey. Monographs IX. 1885. S. 105, Tafel XI, Fig. 10.
76
Leda vulgaris spec. nov.
Fi g. 21.
Diese kleine zierliche Art ist in mehr als 10 Exem¬
plaren vertreten. Die Länge derselben ist etwa 9 mm und
die Höhe 4 mm. Sie ist stark geschnäbelt. Die zahlreichen
Zähnchen sind winkelig gebrochen. Hinter dem Wirbel ist
der Schlossrand concav, vor demselben convex, er geht
hier ohne Winkel in den stark gebogenen Vorderrand
über, der wiederum in gleicher Weise an den Stirnrand
anschliesst. Von einem Hinterrand ist kaum zu reden,
da Schlossrand und Stirnrand beinah im spitzen Winkel,
der nur etwas abgerundet erscheint, zusammenstossen. Die
Oberfläche ist concentrisch gerippt.
Sie gleicht in der äusseren Gestalt der Neaera acu-
tissima , welche früher von Müller1) als JSfucula beschrie¬
ben war.
Leda Försteri Müller.
Nuciäa Försteri Müller, Monographie der Aachener Kreide¬
formation. I. S. 16, Tafel I, Fig. 5 und Suppl.
S. 28.
Leda Försteri Boehm, Grünsand von x^achen. S. 98.
„ „ Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide
S. 202, Tafel XXI, Fig. 13-17
Leda Försteri Müller ist die am häufigsten vorkom¬
mende Bivalve der Irnicher Kreide. Die meisten Exem¬
plare haben eine Länge von 12 mm und eine Höhe von
7 mm. Die Schale ist lang oval. Der Stirnrand ist stark
gebogen. Der Schlossrand ist stumpfwinkelig gebrochen,
die vordere Hälfte ist gerade, die hintere schwach concav.
Die engstehenden zahlreichen Zähne sind winkelig gebrochen.
Die Oberfläche ist mit concentrischen Rippen bedeckt. Die
Art zeigt Verwandtschaft mit einem Theil der als Nucula
1) Müller, Petrefacten der Aachener Kreideformation. I.
S. 16 u. Suppl. S. 28.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreideformation.
Palaeontographica XXXV. S. 147, Tafel X, Fig. 11 — 15.
4
>chulteis d Sieburg gez.
Lith.Jnst.v. /}. Hinrjr ; Bonn
okvobity OF 'llWö!S
producta Nilss. beschriebenen Formen. — Holzapfel
macht Bedenken geltend gegen die Annahme von Brauns1),
dass Leda producta Nilss. und Leda Hagenoivi Müller2)
Synonyma seien. Zieht man die Beschreibungen und Ab¬
bildungen, welche Nilss on3), Hiesinge r4) und Pusch 5)
geben, in Betracht, so sind diese Bedenken gewiss gerecht¬
fertigt. Anders verhält es sich mit den Formen, welche
Favre6), Kn er7) und Alth8) als L. producta Nilsson be¬
schreiben. Diese Vorkommen nähern sich denen von
Aachen bedeutend. Ebenfalls thut dies die Schale, welche
Geinitz9) abgebildet hat. Brauns führt in seiner Lite¬
raturangabe Geinitz besonders an, während Hiesinger
und Pusch nicht erwähnt werden. Das Gleiche thut G.
Müller10). Es scheint daher, dass die Harzer Formen
mit den Galizischen wohl übereinstimmen.
Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen be¬
ruht im Wesentlichen auf der bedeutenderen Grösse des
Vor- und Hinterrandes bei den Abbildungen von Nilsson,
Hiesinger und Pusch. Von Leda Försteri Müller unter¬
scheiden sich die übrigen lediglich dadurch, dass bei ihnen
der Stirnrand hinten durch einen Bogen in den Schloss¬
rand übergeht, während hier die Bänder im Winkel auf
einander stossen. Hinsichtlich der Grösse der Winkel
herrscht bei dem Vorkommen in Irnich grosse Mannigfal¬
tigkeit. Während meistens der Winkel scharf und deut-
1) Die senonen Mergel des Salzberges von Quedlinburg. Zeit¬
schrift f. d. ges. Naturwissenschaft. 1875. S. 380.
2) Supplement zur Monogr. der Petref. d. Aachener Kreide¬
form. S. 28, Tafel 8. Fig. 16.
3) Petrif. Suec. S. 16, Tafel 10, Fig. 5.
4) Lethaea Suecana. S. 60, Tafel XVIII, Fig. 10.
5) Polens Palaeontologie. S. 62, Tafel 6, Fig. 10.
5) Mollusques foss. de la craie de Lemberg. S. 118, Tafel XII,
Fig. 9.
7) Alth, Haid. Abh. III. S. 232, Tafel XII, Fig. 14, 15.
8) Denkschriften d. Akad. III. S. 313, Tafel 16, Fig. 24.
9) Charakteristik. S. 77, Tafel 20, Fig. 26.
10) Obere Kreide am nördlichen Harzrand. Jahrb. d. Landes¬
anstalt. 1887. S. 423.
78
lieb ist, giebt es einige Exemplare, wo dies weniger der Fall
ist und diese besonders näbern sieb der Leda producta bei
Altb, Kner und Favre.
Nucula tenera Müller.
#
Müller, Monographie der Petrefacten der Aachener
Kreideformation. I. S. 17, Tafel II, Fig. 1 a u. b.
Boehin, Grünsand von Aachen. S. 98.
Holzapfel, Die Mollusken der Aachener Kreide. Pa-
laeontographica XXXV , S. 200 , Tafel XXI,
Fig. 9—12.
F r e c b , Die Versteinerungen der Unter-Senonen Thonlager
zwischen Suderode und Quedlinburg. Zeitschr.
d. D. geol. Ges. Bd. XXXIX, S. 161, Tafel 14,
Fig. 10-12.
Nucula tenera findet sich vielfach als Steinkern, nur
an 3 Exemplaren waren Bruchstücke der Schale erhalten,
welche die radialen Linien zeigen. An 3 anderen Exem¬
plaren sind Abdrücke der Zähnelung am Stirnrand erhalten.
Die Zahl der Schlosszähne variirt stark, wie schon aus
den verschiedenen Angaben von M ü 1 1 e r und B o e h m
hervorgeht. Der lange gebogene Theil des Schlossrandes
zeigte an einem gut erhaltenen mittelgrossen Exemplar
etwa 17 Zähne, der kleinere deren etwa 9.
Länge 11mm, Höhe 8 mm,
„ 12Va „ „ 10 „
Nucula tenera wird erwähnt aus dem Unter-Senon,
dem Hervien Aachens und Belgiens, ferner aus dem unter-
senonen ’ Thonlager von Suderode.
Nucula spec.
Die Bestimmung einer Species der Gattung Nucula
war nicht möglich, da ich bislang nur Steinkerne ohne
Abdrücke aufzufinden vermochte. Die Gestalt derselben
ist oval, die Muskeleindrücke scheinen ziemlich stark ge¬
wesen zu sein und der Stirnrand glatt. Die Steinkerne
sind 17 mm lang und 12 mm hoch.
Vergl. N. impressa Sow.1).
1) Sowerby, Min. Conch. Tafel 475, Fig. 3.
79
Cardium cf. tubuliferum Goldf.
f
Goldfuss, Petrefacta Germaniae. II. S. 221, Tafel 144,
Fig. 7.
ßoemer, Versteinerungen des norddeutschen Kreidege¬
birges S. 71.
Criocaräium tubuliferum Boehm, Grünsand von Aachen.
S. 118.
Von dieser Art liegt leider nur ein Steinkern vor,
der die Abdrücke des Schlosses mit Ausnahme eines Seiten¬
zahnes zeigt, so dass die generische Bestimmung gesichert
ist. Leider ist keine Spar des Abdrucks erhalten und
kann daher die Zugehörigkeit zu C. tubuliferum Goldf. nicht
mit Bestimmtheit festgestellt werden. Immerhin hat der
Steinkern Gestalt und Grösse mit derselben gemein.
Länge 4 cm, Höhe 5,2 cm. Der untere Band der
Schale war gekerbt.
Goldfuss und ßoemer beschrieben Cardium
tubuliferum aus dem Untersenon von Aachen und Qued¬
linburg, Drescher1 2) aus den gleichalterigen Ablage¬
rungen der Loewenberger Kreidemulde. Boehm macht
auf die Unterschiede zwischen den Formen dieser drei
Fundpunkte aufmerksam und trennt die des letzteren als
Criocaräium Dreschen von den übrigen.
Astarte simiiis Münster.
Astarte simiiis Goldfuss, Petref. Germ. II. S. 193, Tafel 134.
Fig. 22.
„ simiiis Kner, Versteinerungen des Kreidemergels
von Lemberg. Haid. Abh. S. 27.
„ caelata Müller, Monographie der Petrefacten der
Aachener Kreideformation. I. S. 22, Tafel II, Fig. 3.
,, simiiis Zittel, Gosaubivalven. S. 157, Tafel 8, Fig. 6.
,, „ Favre, Lemberg. S. 115, Tafel XIII, Fig. 7.
„ caelata Dewalque, Prodrome. S. 178.
1) Drescher, Ueber die Kreidebildungen in der Gegend von
Löwenberg. . Zeitschr. d. D. geol. G. Bd. X\, S 346.
80
Freia caelata Boehrn, Grünsand von Aachen. S. 112.
Astarte similis Frech, Versteinerungen der untersenonen
Thone von Suderode. Zeitschrift d. D. geol. Ges.
39, S. 162, Tafel 12, Fig. 15 u. 15 a.
,, similis Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide.
Palaeontogr. XXXV, S. 194, Tafel XIX, Fig. 11—15.
,, similis Griepenkerl, Versteinerungen der senonen
Kreide von Königslutter. S. 59.
Es liegt eine grosse Menge Steinkerne und Abdrücke
dieser kleinen weit verbreiteten Astarie aus der Kreide von
Irnich vor. Die Gestalt ist mehr oval als dreiseitig. Die
Lunula konnte wegen der Erhaltungsweise nicht beobachtet
werden, jedoch zeigt der innere Abdruck der Schalenränder
einen concaven Vorderrand, der am Wirbel mit dem geraden
nach hinten verlaufenden Rande unter rechtem Winkel zu-
sammenstösst und einen stark gebogenen glatten Stirn¬
rand. Die Abdrücke zeigen 8 concentrische Rippen oder
Falten, die zum Wirbel hin schwächer werden. Der Stein¬
kern zeigt ebenfalls solche Falten, aber nur die drei oder
vier jüngsten derselben. Ausser diesen Rippen habe ich,
allerdings nur auf einem Abdruck, feinere concentrische
Linien wahrgenommen.
Ausser den oben angeführten erwähnt Zittel noch
eine Anzahl Synonyma, weiche, die Identität angenommen,
die ausserordentliche Verbreitung dieser kleinen Muschel
erweisen. Sie erstreckt sich vom Turon bis in die jüngsten
Horizonte des Senon. G o 1 d f u s s beschreibt sie von
Haldem in Westphalen.
Siliqua concentristriata G. Müller.
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der Kreide am obe¬
ren Harzrande. Jahrbuch der kgl. preuss. geol.
Landesanstalt 1887. S. 431, Tafel 18, Fig. 5.
Länge etwa 3,5 cm, Höhe 1,15 cm. Die Gestalt der
Schale war verlängert vierseitig; nur der Vorderrand ist
stark gebogen, Schloss-, Stirn- und Hinterrand sind gerade,
die Winkel abgerundet. Die Schale ist flach, hinten klaffend.
Der Steinkern zeigt die Spuren von eoncentrischen Linien
81
oder Anwachsstreifen. Die Leiste ist etwa 1 mm breit
und geht wenig schräg nach hinten. Leider ist keiner
der Steinkerne ganz vollständig, aber die einzelnen Bruch¬
stücke ergänzen sich derart, dass eine Beschreibung mög¬
lich war.
Von S. truncatula unterscheidet sie sich, von der be- .
deutenderen Grösse abgesehen, durch den Mangel der
Kante und durch einen längeren noch schärfer gerundeten
Vordertheil. Müller beschreibt noch eine Siliqua si-
nuosa , welche sich von der hier besprochenen durch zwei
Depressionen auf dem etwas längeren Vordertheil der
Schale leicht unterscheidet. Derartige Depressionen zeigt
auch die allerdings zur Gattung Siliquaria Schum, gestellte
S. biplicata Conrad x). Da Conrad nur ein vollständiges
Exemplar besass, die generische Stellung aber durch das
Fehlen oder Vorhandensein einer leicht zerstörbaren Leiste
bedingt ist, so dürfte eine Zusammengehörigkeit dieser
beiden äusserlich äusserst ähnlichen Formen nicht aus¬
geschlossen sein.
Siliqua concentristriata wird von Müller aus dem
Unter-Senon des nördlichen Harzrandes beschrieben. Sie
findet sich ferner im Emscher Westphalens. Zwei Bruch¬
stücke der Gattung Siliqua im Bonner Museum aus der
obersenonen Zone der Becksia Soekelandi von Coesfeld-
Lette gehören ebenfalls wahrscheinlich hierher.
Siliqua spec.
Ein kleiner Steinkern, 13 mm lang und 5 mm hoch,
zeigt den Abdruck beider Schalen. Der Wirbel liegt weit
vorn. Die Gestalt ist verlängert vierseitig, nur vorn vom
Wirbel zum Stirnrand stark gerundet. Vom Wirbel geht
eine Kante in die hintere untere Ecke. Die Schale ist
hinten nur sehr wenig breiter als vorn.
Die Gestalt gleicht der S. truncatula Reuss1 2;, jedoch
liegt bei unserer Art die innere Leiste vor dem Wirbel
1) Description of new cretaceous Fossils. Journal of the acad.
of nat. Sc. Philadelphia 1858. S. 325.
2) Leguminaria truncatula Reuss, Versteinerungen der böhm-
Kreide. II. S. 17, Tafel 36, Fig. 13, 16, 17.
Verli. d. nat. Ver. Jabrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX.
6
82
und ist nur wenig nach hinten gerichtet, bei S. truncatula
liegt sie hinter demselben. Ausserdem erwähnt R e u s s
feine concentrische Linien, während der Steinkern von
Irnich grobe Anwachsstreifen zeigt.
S. truncatula wird von R e u s s aus dem unteren
Plänerkalk von Laun und aus dem Plänermergel von Prie¬
sen beschrieben. Griepenkerl1) erwähnt sie aus den
unteren Mucronatenschichten von Königslutter.
Trigonia spec. ind.
Das Bruchstück eines Abdrucks zeigt stark gebogene
hohe Rippen, die mit Knötchen geziert sind. Dieselben
stehen eng und sind nur wenig schmaler als die Zwischen¬
räume.
Die Seulptur stimmt demnach überein mit einem
ebenfalls unvollständigen Abdruck aus dem Kreidetuff von
Maestricht, welcher den Wirbel und den Abdruck der Schale
bis zu 1 cm Höhe zeigt. Auf diesem kleinen Theile be¬
finden sich 17 hohe concentrische Rippen, auf der Area
und dem Schildchen sind bei gleicher Länge etwa iy2 mal
so viel, sie sind hier dementsprechend kleiner und enger
gestellt. Auch hier ist über die Gestalt nur zu sagen, dass
sie wrenig gewölbt war. Ein anderer von mir bei Valken-
burg gefundener Abdruck zeigt ebenfalls nur die Seulptur
und lässt keine Schlüsse auf die Gestalt zu.
Der Abdruck von Maestricht ist etiquettirt Tr. limbata
d’Orb.2), diese turone Art hat jedoch viel weiter stehende
weniger stark gekörnelte Rippen auf dem Haupttheil der
Schale. In gleicher Weise unterscheiden sich Tr. alifor-
mis Park.3) und Tr. Vaalsensis 4), sowie die von Boehm
1) Griepenkerl, Die Versteinerungen der senonen Kreide
von Königslutter. S. 66.
2) d’Orbigny, Paleontologie frangaise. Terr. cret. Lamellibr.
S. 156, Tafel 298.
3) Parkinson, Organic remains, Vol. III, S. 176, Tafel 12,
Fig. 3. Lyc ett, A monograpb of british fossil Trigoniae (Palae-
ontogr. Society). S. 116, Tafel XXV, Fig. 3 — 6.
4) Boehm, Grünsand von Aachen. S. 99, Tafel 2, Fig. 1,
83
erwähnten Trigonien von Dülmen und Lette, auch sind bei
diesen die Rippen nicht so stark und concentrisch gebogen.
Näher stehen Tr. vectiana Lycett x) aus dem Neocom Eng¬
lands, bei welcher jedoch die Rippen der Area nicht ge-
körnelt sind, und Tr. spinosa1 2) aus dem Upper Greensand
der Insel Wight, welche auf der Area weniger Rippen trägt,
ferner Tr. Upwarensis 3) aus dem Lower Greensand, bei
der die Körnelung äusserst fein wird.
Liopistha aequivalvis GoUlf. spec.
Corbula aequivalvis Goldfuss, Petrefacta Germaniae. II.
S. 250, Tafel 151, Fig. 15.
Pholadomya caudata Roemer, Versteinerungen des nord¬
deutschen Kreidegebirges. S. 76, Tafel 10, Fig. 6.
Von dieser Art liegen vier Steinkerne und ein Abdruck
vor. Leider ist kein Exemplar vollständig, sodass eine
Angabe der Länge und Höhe nicht gegeben werden kann,
ungefähr werden sie 4 cm und 2— 3 cm betragen haben.
Der Schlossrand bildet beim Wirbel einen sehr stum¬
pfen Winkel. Der Wirbel ist gebläht, stark einwärts und
mit einer kleinen Neigung nach vorn gebogen. Unter dem
Wirbel befinden sich in einem Steinkerne die Eindrücke
eines kleinen und eines grossen Schlosszahnes. Die Ober¬
fläche ist mit etwa 24 radialen Rippen besetzt, vorn und
hinten bleibt ein Theil der Schale glatt. Auf dem hinteren
flügelartigen glatten Theile befindet sich eine radial ver¬
laufende schwache Aufblähung. Leider ist der vordere
Theil des Steinkerns niemals vollständig erhalten, so dass
die Lunula nicht ganz zu sehen ist. Vorn findet der Ueber-
gang vom glatten zum berippten Theile allmählich statt,
hinten tritt er plötzlich ein.
Zum Vergleich liegen mir vor die Originale von
Goldfuss, ferner die Exemplare, welche Boehm vor-
1) 1. c. S. 123, Tafel 24, Fig. 10 u. 11. Tafel 25, Fig. 7.
2) 1. c. S. 136, Tafel 23, Fig. 10. Tafel 24, Fig. 8, 9. Tafel 28,
Fig. 1, 2.
3) 1. c. S. 143, Tafel 28, Fig. 8, 9.
gelegen haben, eine Reihe westphälischer Stücke und einige
von Maestricht und Kieslingswalde sowie vom nördlichen
Harzrande.
Wenngleich der Abdruck von Irnich keine Spur jener
von Boehm zuerst erwähnten Knötchen oder Stacheln
zeigt, so konnte ich doch nach Zuziehung des Vergleichs¬
materials keine Theilung in Arten oder Varietäten vor¬
nehmen, Wohl aber ergab sich eine grosse Unbeständig¬
keit in der Zahl der Rippen (24 — 35), sowie in der Breite
derselben und in der der Zwischenräume. Desgleichen
zeigte sich, dass die ganze Gestalt allerdings in engen
Grenzen variabel ist. Das Verhältniss der Länge zur
Höhe ist nicht constant. Schon D e b e y macht in einer
Anmerkung zu seinem Entwurf der geognostiscli-geogene-
tischen Darstellung der Gegend von Aachen auf derartige
Abweichungen aufmerksam, welche die ihm von Maestricht
bekannten von den Aachener Stücken unterscheiden. Auch
die Lage des Wirbels zur Mitte des Schlossrandes ist
nicht stets die gleiche. Am meisten weichen die Formen
von Dülmen ab. Die Exemplare werden hier bedeutend
grösser (10 cm Länge). Die Rippen gehen vorn und hinten
allmählich in den glatten Theil über und die schwache
Aufblähung auf dem hinteren glatten Theile ist nicht vor¬
handen. Die Unterschiede sind jedoch nicht beständig
und vielleicht auf ein grösseres Lebensalter der mir vor¬
liegenden Exemplare zurückzuführen.
Von Kunraed sind mir zwei Stücke bekannt (das
eine ist vermutklich das Original zu der grösseren Abbil¬
dung bei G o 1 d f u s s), die bei ähnlichen Abweichungen
zwischen den Formen des Aachener Grünsands sowie denen
Maestrickts einerseits und denen Dülmens andererseits
stehen.
Ist man nun gezwungen, solch verschiedene Formen
zu einer Art zusammenzufassen, so dürfte man auch ge¬
neigt werden, die amerikanischen Formen L. protexta Gabb.
und L. inflata Whitfield1) hiermit einzubegreifen.
1) Whitfield, Brachiopoda and Lamellibranchiata of New
Yersey. S. 140 — 142. Monographs of the U. S. Geol. Survey. IX.
1885.
85
Verbreitung: Goldfu ss erwähnt die Art aus Aachen,
'Dülmen und Glatz. Aus der Aachener Kreide wird sie
specieller angeführt von Müller1) als Cardita Goldfussi,
von F. Roeme r 2) als Cardiwn caudatum A. Roemer, von
Holzapfel3) und B o e h m 4) als Liopistha aequivalvis
G. Sie kommt hier vor in dem Unter-Senon am Lusberg,
Königsthor und Preussberg, sowie im Grünsand von Vaels.
Aus dem Ober-Senonen Maestrichtien erwähnt sie Debey5)
ebenfalls als Cardita Goldfussi und in dem Verzeichniss
Bosquets bei Dewalque 6) wird sie als Poromya aequi¬
valvis d’Orb. für das Hervien, Senonien und Maestrichtien
aufgeführt. — Aus Belgien, dem Gebiet zwischen der
Maas und der preussischen Grenze erwähnt sie zuerst d e
R y c k h o 1 1 7)als Pholadomya aequivalvis , ohne genauere Fund¬
punkte anzugeben, später führt sie Horion8) wieder als
Cardita Goldfussi auf. — Aus Westphalen ist die Art bis¬
her von Dülmen bekannt in der Zone des Scaphites bino-
dosus 9). Bei Coesfeld fand Herr Professor Schlüter
ein kleineres Exemplar in der Zone der JBecksia Soekelandi.
Am Harz tritt die Art auf im Unter-Senon des Salzberges
bei Quedlinburg10), ferner bei Suderode11) und in der
1) Müller, Aachen. I. 1847. S. 20.
2) F. Roemer, Bronns Jahrbuch. 1847, S. 388.
3) Holzapfel, Zeitsehr. d. D. g. Ges. Bd. XXXIV. S. 471,
Tafel VII, Fig. 5. Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide.
Palaeontographica XXXV. 1889. S. 150, Tafel IX, Fig. 4 — 6.
4) Boehm, Grünsand von Aachen. 1885. S. 137.
5) Debey, Entwurf zu einer geogn.-geogenetischen Darstel¬
lung der Gegend von Aachen. 1847. S. 301. Amtlicher Bericht über
die 25. Versammlung D. Naturforscher.
6) Dewalqe, Prodrome. 1880. S. 416.
7) de Ryckholt, Melanges palcontologiques. Mem. cour.
XXIV. 1847. S. 162.
8) Horion, Bulletin de la Soc. geol. de Franc. II. Ser.
T. XVI. 1859. S. 655.
9) Schlüter, Spongitarienbänke 1872. S. 36.
10) Brauns, Senone Mergel des Salzberges. Zeitschr. f. d.
ges. Naturwissenschaft 1875. S. 360.
11) Frech, Versteinerungen der Unter - Senonen Thonlager
zwischen Suderode und Quedlinburg. Zeitschr. d. D. geol. Ges.
Bd. 89. 1887. S. 172.
86
Gegend von Harzburg1). Bei Königslutter findet sie sich
nach Griepenkerl 2) im Ober-Senon. Im sächsisch-böh¬
misch-schlesischen3) Kreidegebiete findet sie sich vielfach
in senonen Ablagerungen, aus dem ostbayerischen Grenzge¬
birge erwähnt sie G 11 m b e 1 4) ohne Beschreibung für die
Kagerhöhschichten. Ausserhalb Europas ist L. aequivalvis
noch aus der Trichonopoly Group Indiens 5 6) bekannt.
Corbula lineata Müller.
Müller, Monogr. der Petrefacten der Aachener Kreide¬
formation. I. S. 26, Tafel II, Fig. 6.
B o e h m , Grünsand von Aachen. S. 142.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide, S. 146,
Tafel X, Fig. 16—19.
Frech, Versteinerungen der Unter-Senoneri Thonlager
zwischen Suderode und Quedlinburg. Zeitschr. d.
D. geol. Ges. Bd. 39, S. 173.
Drei kleine 7 mm lange und 4—5 mm hohe Bivalven
glaube ich zu C. lineata stellen zu dürfen, da sie den Ab¬
bildungen Holzapfels vollständig entsprechen. Die con-
centrische Berippung, die starke Wölbung und der scharf
abgeschnittene Hinterrand sind deutlich zu sehen. Immer¬
hin ist, da das Schloss nicht sichtbar ist und die Exem¬
plare sehr klein sind, die Bestimmung eine nicht ganz
sichere. C. lineata ist bekannt aus dem Unter- Senon von
Aachen und von Quedlinburg.
1) G. Müller, Obere Kreide am nördlichen Harzrand. Jalirb.
d. kgl. preuss. geol. Landesanstalt. 1887. S. 435.
2) Griepen*kerl, Versteinerungen der senonen Kreide von
Königslutter. 1889. S. 67.
3) Reus s , Böhm. Kreideformation. II. 1846. S. 18. Drescher,
Löwenberg, Zeitschr. d. D. g. Ges. Bd. XV, 1863, S. 342. Geinitz,
Elbthalgebirge. II. 1872 — 75. S. 71, Tafel XIX, Fig. 6 u. 7.
4) Gümbel, Ostbayerisches Grenzgebirge. 1868. S. 754.
5) Fort) es, On fossil Invertebrata from South India. Trans¬
actions of geol. Soc. II. Ser. Vol. VII, S. 141, 1845 (Cardium lucerna
Forbes. S. 145, Tafel XVII Fig. 10).
6) Stoliczka, Cret. Fauna of Southern India 1871. S. 79»
Tafel II, Fig. 10, Tafel XVI. Fig. 19.
87
Tellina cf. strigata Goldf.
Go 1 d f u s s , Petrefacta Germaniae. II. S. 234, Tafel 147,
Fig. 10.
Holzapfel, Mollusken der Aachener Kreide. Palae-
ontographica. XXXV, S. 159, Tafel XI, Fig. 6—7'.
Ein Sculpturen- Steinkern einer Bivalve zeigt Aehn-
lichkeit mit T. strigata Goldf. Die Schale hat eine Höhe
von 14 mm und ist ungefähr 20 mm lang. Sie zeigt feine
concentrische Rippen und noch viel feinere radiale. Da
das Schloss nicht erhalten ist, ausserdem die Ränder mehr¬
fach abgebrochen sind und in Folge dessen nicht die Ge¬
stalt der Schale festgestellt werden konnte, so bleibt die
Bestimmung eine höchst unsichere. Immerhin hielt ich dies
Exemplar für erwähnenswertk, da Holzapfel T. strigata
als ein auf die Quadratenschichten beschränktes Fossil
betrachtet. Andere Steinkerne, an Grösse diesem gleich,
jedoch ohne Sculptur, sind in grösserer Anzahl vorhanden.
Diese sind vollständig oval, flach und haben 1 : 2 Schloss -
zähne. Seitenzähne sind fraglich. Einen Abdruck, der
die Sculptur zeigte, habe ich nicht finden können.
T. strigata wird von verschiedenen Fundpunkten des
Unter-Senon von Aachen erwähnt.
Gastrochaena spec.
Zur Gattung Gastrochaena stelle ich einen kleinen
Steinkern mit erhaltener Röhrenausfüllung. Leider ist der
vordere Theil nicht erhalten und daher die Genusbestimmung
immer noch ungewiss. Die Schale hatte eine Höhe von
5 mm, die Dicke ist wenig geringer. Der Durchschnitt
der wenig gebogenen Röhrenausfüllung ist nahezu kreis¬
rund mit 5 mm Durchmesser. Bei der Seltenheit der Thiere
dieser Gattung glaubte ich auch dieses mangelhafte Exem¬
plar erwähnen zu sollen.
Argiope microscopica v. Schloth. spec.
Bosquet, Brachiopodes fossiles de Limburg. S. 46, Taf. V,
Fig. 10—14.
Von dieser Art ist nur ein Exemplar bei Irnich ge-
88
funden ; dasselbe ist 2 mm lang* und 3 mm breit. Acht
Falten, von denen die beiden äusseren sehr schwach sind,
bedecken den Rücken. Die beiden mittleren lassen einen
etwas breiteren Raum zwischen sich, in welchen sich nahe
dem Rande eine kleine Rippe einschiebt. Area und die
zweite Klappe sind nicht erhalten. Der Umfang* der
Schale ist halbkreisförmig. Bosquet hat gewiss mit Recht
die Species sehr weit gefasst. Fünf mir zum Vergleich
vorliegende Exemplare von Maestricht zeigen bereits ver¬
schiedene Formen. Dieselben sind durchweg grösser als
das in Irnich gefundene Stück. Das eine zeigt alle Falten
in gleichem Abstand, ohne dass im Alter kleinere Falten
eingeschoben werden, das zweite zeigt den grösseren Ab¬
stand der Mittelfalten, das dritte schiebt in diesen eine
kleine Falte ein, während das vierte dieser Reihe auch
in den engeren Zwischenräumen diese jüngeren Falten
zeigt. Megathiris cuneiformis und M. depressa d'Orb.1),
welche wesentlich mit Rücksicht auf die Zahl der Rippen
getrennt sind, dürften demnach hierher gehören. Des¬
gleichen würde Orthis JBronni Hag.2) hierher m stellen
sein. Anders verhält es sich mit Orthis Buchi Hag., welche
d’Orbigny wie die übrigen als synonym auffasst. Es
liegt mir ein Exemplar dieser Art von Rügen vor. Das¬
selbe gewinnt durch den sehr schwach eingebogenen Wir¬
bel und durch die vierseitige Gestalt, genau wie sie
Hagenow beschreibt, ein so wesentlich anderes Aus¬
sehen, dass es schwer fällt, sie für ident mit den Maestrich-
ter Formen zu halten3). Allerdings weicht auch schon dies
eine Exemplar durch die Zahl von 6 Falten von der Be¬
schreibung Ha ge no ws, welcher deren vier angiebt, ab
1) d’Orbigny, Paleontologie frangaise terr. cret. Brachio-
podes. S. 147-149. Tafel 521.
2) N. Jahrbuch für Min. etc. 1842. S. 543, Tafel IX, Fig. 7.
Ro einer, Kreide, S. 41.
3) Wie geringrwerthig die Zahl und Gestalt der Kippen in
dieser Gattung für die Systematik ist, zeigen die tertiären Arten.
Vergl. Dreyer, Die tertiären Brachiopoden des Wiener Beckens.
S. 183, Tafel I, Fig. 1 — 14. Beiträge zur Palaeontologie Oest.-Ung.
Bd. VII, 1888.
89
und zeigt, dass auch diese Art Abänderungen aufweist.
Ausser den genannten führt Bosquet noch eine Reihe
Synonyma an, für die mir kein Vergleichsmaterial zu Ge¬
bote steht.
Ueber die Verbreitung der A. microscopica, die Syn¬
onyma eingeschlossen, äussert sich derselbe: Diese schöne
Art trifft man , obgleich nicht sehr häufig, an allen den
Orten in Niederländisch Limburg , wo die Maestrichter
Schichten bekannt sind. In Belgien findet sie sich bei
Wonck, bei Frere nahe Tongern, bei Jadrain und Ciply.
Nach d’Orbigny trifft man sie in Frankreich an bei
Chavot, bei Ablois (Marne), bei Fecamp (Seine inf.),
wie bei Meudon und Sens (Yonne). In England ist sie
gesammelt in der oberen Kreide von Gravesend und North
Fleet, ferner bei Charing (Kent) und Penzey (Wiltshire).
Nach H a g e n o w findet sie sich in Deutschland in der
weissen Kreide Rügens.
Terebratulina clirysalis Scliioth.
Schloenbach, Beiträge zur Palaeontologie der Jura- und
Kreideformation im nordwestl. Deutschland. II.
Kritische Studien über Kreidebrachiopoden. Pa-
laeontographica. XIII. 1866. S. 277.
Terebratulina striata Wahlenbg. Davidson, British cretace-
ous Brachiopoda. II. S. 35, Tafel 2, Fig. 18—28.
Von dieser weit verbreiteten und stark variirenden
Art hat sich bei Irnich ein Exemplar gefunden. Dasselbe
misst in der Breite 0,6 cm und in der Länge 1 cm. Auf
der Mitte befindet sich eine schwache Depression. Der
Stirnrand ist sehr stark gebogen, fast zugespitzt zu nennen.
Die Depression auf der Mitte ruft nur eine schwache Ab¬
setzung, keine Bucht, am Schalrande hervor.
Ueber die Synonyma dieser Art haben Davidson und
Schloenbach ausführlich berichtet. Nach letzterem ge¬
hört die Art in Norddeutschland sämmtlichen Schichten
der Kreide an von der Tourtia aufwärts. Davidson
erwähnt eine etwas abweichende Form bereits aus dem
Speeton Clay.
90
Ausser dem eben beschriebenen Exemplar ist noch
eine kleine flache Brachiopodenschale zu erwähnen von
5 mm Länge und 5 mm Breite, die nach Sculptur und
äusserem Umriss ebenfalls hierher gehörig scheint.
Rhynchonella plicatilis Sow. yar. oetoplicata Sow.
Davidson, British cretaceous Brachiopoda. S. 75, Taf. X.,
Fig. 1 — 7.
d’Orbigny, Paläontologie francaise, terr. cret. Brachio-
podes, S. 46, Tafel 499, Fig. 8-11.
Haustein, Die Brachiopoden der oberen Kreide von
Ciply. S. 37.
* Länge 1 cm, Breite 1,3 cm.
Nur die grosse Schale ist erhalten, jedoch auch nicht
vollständig. Dieselbe zeigt die mittlere Einsenkung und
radial verlaufende Falten, von welchen 8 in den mittleren
eingesenkten Theil fallen. Soweit die Schale vollständig
erhalten ist, sind auch diese Falten sichtbar, nahe dem
Wirbel fehlen die oberen Schalschichten und ist in Folge
dessen auch die Faltung nicht mehr deutlich. Dieser Um¬
stand führte bei der Bestimmung auch auf die nahestehende
B. limbata Schloth.1 2), syn. B. subplicata d?Orb. die sich
von B. oetoplicata dadurch unterscheidet, dass sie nur am
Bande Faltung zeigt, die nach dem Wirbel zu sehr schnell
verschwindet.
Bhynchonella plicatilis ist weit verbreitet im Turon
und Senon. Im Limburger Gebiet findet sie sich nur im
Ober-Senon. Schloenbach2) macht darauf aufmerk¬
sam, dass die Formen, welche zur Yar. oetoplicata gestellt
werden, sich vorwiegend in den Mucronatenschichten finden.
1) Davidson, 1. c. S. 79, Tafel 12, Fig. 1—5. d’Orbigny,
1. c. Tafel 499, Fig. 12—15.
2) Schloenbach, U eber die norddeutschen Galeritenschichten
und ihre Brachiopodenfauna. Sitzungsberichte der k. k. Acad. der
Wissenschaften. Bd. 57, 1. Abth. S. 218.
91
Defrancia Miclielini Hag.
1841 Ceriopora diadema Goldf., pars. Petref. Germ. I. S. 39,
Tafel XI, Fig. 12 e. f.
1851 Defrancia Miclielini Hagenow. Bryozoen von Mae-
stricht. S. 42, Tafel IV, Fig. 5.
Discotubigera Michelini d’Orbigny. Pal. franc. terr.
cret. Bryozoaires S. 758.
1881 Actinopora Michelini Hamm, Die Bryozoen des Mae-
strichter Obersenon. S. 27.
1887 Defrancia Michelini Marsson, Die Bryoz. der weissen
Schreibkr. der Insel Rügen. S. 39.
Die beiden von Irnich vorliegenden Exemplare er¬
reichen eine bedeutendere Grösse als die von Hagenow
beschriebenen und die, welche G o 1 d f u s s abgebildet.
Der Durchmesser des scheibenförmigen Körpers beträgt bis
zu 1 cm; das von Hagenow abgebildete Stück hat etwa
0,4 cm Durchmesser. Der spitze Fuss, vermittelst dessen
das Thier angewachsen, ist leider nicht blosgelegt. Von
der Mitte aus strahlen etwa 10 Rippen, zwischen welche
sich im Alter andere einschieben, so dass etwa 20 gezählt
werden können. Letzteres konnte von Hagenow nicht
beobachtet werden, da ihm vermuthlich nur junge Exem¬
plare Vorlagen. Er führt nur 8 bis »10 Rippen an. Mir
lagen die Originale von Goldfuss vor, welche auch
Hagenow zur Verfügung standen, und ich gewann aus
dem Vergleich die Ueberzeugung, dass diese Unterschiede
nur als Altersunterschiede zu betrachten sind. Die Rippen
sind gebildet aus (bis zu 5) Reihen von verwachsenen
röhrenförmigen Zellen, welche an den Seiten der Rippen
bisweilen blosgelegt sind. Die Zwischenräume, welche die
Rippen frei lassen, sind glatt, geschlossen, nicht porös, ein
Umstand, der diese Art von Defr. diadema Goldf. (1. c.
S. 39) trennt. Im Uebrigen trennt die verhältnissmässig
geringe Zahl von niedrigen Rippen diese Art leicht von
den Verwandten.
Defrancia Michelini ist bekannt von Maestricht und
Rügen.
92
Ceriopora tlieloidea Hag.
Hagenow, Bryozoen der Maestrichter Kreidebildungen.
S., 52, Tafel V, Fig. 5.
Reptomulticavea tlieloidea d’Orbigny, Pal. franc. Ter. cret.
Bryozoaires. S. 1034.
Ceriopora tlieloidea Hag. bei Hamm, Bryozoen des Mae¬
strichter Ober-Senon. S. 36.
cf. „ micropora Goldf. bei Marsson, die Bryozoen der
weissen Schreibkreide von Rügen. S. 44.
Ein Exemplar eines kurzen verzweigten Körpers von
etwa 5 mm Durchmesser mit 3 zitzenförmigen Enden,
glaube ich zu Ceriopora tlieloidea setzen zu dürfen. Der
Körper besteht aus regelmässig übereinander gelagerten
Zell- oder Röhrenschichten, deren unregelmässig polygo¬
nalen Mündungen dicht gedrängt die Oberfläche ohne Re¬
gelmässigkeit bedecken. Dem blossen Auge erscheint die
Oberfläche glatt. Der Querschnitt zeigt genau das Bild,
welches Hagenow von demselben gegeben hat. Grosse
Aehnlichkeit zeigt auch Ceriopora ( Inversaria Hag.) tubi-
poracea Goldf. x), jedoch sind hier die Röhren viel weiter
und die Zellmündungen sind mit unbewaffnetem Auge wahr¬
zunehmen. Die vergrösserte Abbildung der Oberfläche
dieser Art ist bei Goldfuss genauer als bei Hagenow.
Kommt vor in * den oberen und unteren Maestricht-
schichten Limburgs und auf ? Rügen.
Filicea Irnicliensis spec. nov.
Fig. 22.
Das walzenförmige dichotomirende Stämmchen ist
3 mm dick. Die sechseckigen Zellen erscheinen auf der
Oberfläche in Längsreihen angeordnet und bilden auch
weniger regelmässige schräge Reihen. Die Sechsecke sind
in der Regel gleichseitig, nur in der Nähe der Verzweigungen
werden sie in der Richtung der Stammachse verlängert. Im
ersteren Falle ist die Mündung kreisrund, im letzteren
eirund. Die Mündungen sind von hohen gemeinsamen
1) Petref. Germ. I. S. 35, Tafel X, Fig. 13.
93
Rändern umgeben, welche meistens — nicht immer —
durch eine flache Furche zweigetheilt sind. Mit grösster
Deutlichkeit tritt diese letztere Erscheinung auch in der
Nähe der Stammverzweigungen auf. — Auf den Querbrüchen
sieht man die Querschnitte der Zellröhren, im Innern eng,
nach Aussen sich allmählich erweiternd.
Die zunächst stehende Art ist Filicea velata Hag. J)
resp. regülaris d?Orb.1 2). Diese hat jedoch beständig läng¬
lich sechseckige Zellen und die Zellränder zeigen keine
Furche, auch scheint die Mündung kleiner zu sein, als bei
unserer Art.
Membranipora Koninckiana Hag. spec.
Cellepora ( Discopora ) Koninckiana Hagenow, Die Bryozoen
der Maestrichter Kreidebildungen. S. 95, Tafel XI,
Fig. 10 u. 11.
Membranipora Koninckiana Dewalque, Prodrome. S. 422.
„ „ Ubaghs, Description geol. et
paleont. du sol de Limbourg. S. 220.
Kleine Bruchstücke von flachen Ausbreitungen zeigen
längliche hochumrandete Zellen mit eingesenkter Zelldecke,
in deren oberem Theile eine mehr oder weniger kreisrunde
Oeffnung liegt. Stellenweise sind deutlich Furchen zwi¬
schen den Umrandungen wahrzunehmen. Zwischen den
unregelmässigen Zellreihen liegen langgestreckte Neben¬
zellen, deren Zellmündung, von tropfenförmigem Umriss,
in der Mitte der Zelldecke liegt. Bei einem der Exemplare
verwischen sich die Unterschiede zwischen den Haupt- und
Nebenzellen, welch letztere sonst charakteristisch für diese
Art sein sollen.
Vorkommen: Maestricht.
1) Hagenow, Monographie der Rügenschen Kreidever¬
steinerungen. N. Jahrb. 1839. S. 285, Tafel V, Fig. 6. Marsson,
die Bryozoen der weissen Schreibkreide von Rügen. S. 46.
2) d’Orbigny, Paleontologie fran^aise. Terr. cret. Bryozo-
aires. S. 1001, Tafel 786, Fig. 1 — 4.
94
Lepralia cf. Brongniarti Hag. spec.
Cellepora Brongniarti Hagenow, Bryozoen der Maestrich-
ter Kreidebildungen. S. 90, Tafel 10, Fig. 14.
Lepralia Brongniarti Bosquet, Dewalque, Prodrome,
S. 422.
„ Brongniarti bei Ubaghs, Description du sol de
Limbourg, S. 221.
Ein unregelmässiger flacher, vielleicht dichotomiren-
der Körper zeigt Verwandtschaft mit Cellepora Brongniarti
Hag. Die Zellen, welche in abwechselnden Längsreihen
stehen, sind länglich oval, aufgebläht. Am oberen Ende,
etwa V 4 der Zelle einnehmend, befindet sich die kreis¬
runde Oeffnung. Die Zellen werden getrennt durch eine
dünne, feste, bald fadenförmige, bald hautähnliche Masse.
Die Oberfläche der Zellen ist faltig, zeigt jedoch nicht die
regelmässige Sculptur der Cellepora Brongniarti.
Kommt in der Maestrichter Kreide vor.
Beptescharinella pusilla Hag. spec.
Cellepora pusilla Hagenow, Die Bryozoen der Maestrichter
Kreidebildungen. S. 88, Tafel X, Fig. 9.
Beptescharinella pusilla d’Orbigny, Paleontologie franQ. terr.
cret. Bryozoaires. S. 428.
Unregelmässige flache Körper von einer Zelllage. Die
ziemlich grossen, dem blossen Auge deutlich wahrnehm¬
baren Zellen sind aufgebläht, sackförmig, glatt und dach¬
ziegelartig übereinanderliegend. Einzelne Zellen sind völlig
eiförmig mit einer halbkreisförmigen Oeffnung am oberen
Ende, ganz wie sie von Hagenow abgebildet werden,
jedoch ohne die Nebenporen. Die meisten dagegen be¬
sitzen in der Höhe der Mündung eine Einschnürung und
darüber noch einen ebenfalls geblähten Theil. Ob jhier
ein Zustand der Sprossung vorliegt, oder ob der zuerst
beschriebene, mit Hagenows Beschreibung übereinstim¬
mende Zustand ein durch Zerstörung hervorgerufener ist,
wird sich nur durch Vergleichung grösserer Mengen dieser
Art feststellen lassen. Die Zellen sind nicht ganz regel-
95
massig in Reiben geordnet. Die sackförmig hervortreten¬
den Zellen unterscheiden die Art leicht von den meisten
übrigen, sowie auch der Umstand, dass dieselben glatt
sind. Letzteres besonders scheidet sie von den übrigen
aus Maestricht bekannten Arten.
Aehnlich, wenn nicht dasselbe, ist Reptocelleporaria
cretacea d’Orb. 1). Es sollen jedoch bei dieser Art oft 2
oder 3 Zelllagen den Körper der Kolonie verdicken, und
die Zellen sollen völlig unregelmässig stehen. Die Be¬
schreibung „Cellules ovales, tres-convexes, un peu obliques,
inegales, souvent simples, d’autre fois portant en avant une
vesicule ovarienne en calotte de la moitie de la cellule“
entspricht völlig unserem Exemplar. D ’ 0 r b i g n y ’ s Art
ist von Meudon, während R. pusilla von Maestricht be¬
kannt ist.
Eschara propinqua Hag.
Hagenow, Bryozoen der Maestrichter Kreidebildungen.
S. 81, Tafel 10, Fig. 1, 2.
Ein kleines Bruchstück einer Platte zeigt länglich
sechsseitige Zellen in nicht ganz regelmässigen Reihen.
Die Zelldecke erscheint zwischen hohen Randwülsten nie¬
dergedrückt. Die Ränder lassen theils Furchen zwischen
sich, theils zeigen sie nur eine schwache Linie oder gehen
ganz in einander über. Die Zellöffnung ist halbkreisför¬
mig. Bei einzelnen derselben ragt die Mitte des Unter¬
randes etwas in die Mündung hinein, so dass diese herz¬
förmige Gestalt erhält.
Vorkommen: Maestricht.
Eschara dichotoma Goldf.
Goldfuss, Petrefacta Germaniae. I. S. 25, Tafel VIII,
Fig. 15.
Roemer, Kreide. S. 16.
Hagenow, Bryozoen der Maestrichter Kreidebildungen.
S. 79, Tafel IX, Fig. 18 u. 19.
1) cUOrbigny, Pal. frang. terr. cret. Bryozoaires. S. 423,
Tafel 713, Fig. 17 u. 18.
4
96
M a r s s o n , Die Bryozoen der weissen Schreibkreide von
Rügen. S. 70.
Von Irnich liegt ein kleines verzweigtes Stämmchen
vor von ovalem Querschnitt. Obwohl Goldfuss, Roemer
und Hagenow diese Art platt gedrückt oder dünn nennen,
so halte ich doch das Irnicher Exemplar nach Vergleich
der Gol dfuss’ sehen Originale mit diesen für ident. Auf
der Oberfläche zeigen sich die sechsseitigen Zellen durch
Furchen getrennt. Etwas höher als die Mitte liegt die
verhältnissmässig grosse Oeflnung, welche mehr als halb¬
kreisförmig wird. Es scheint dies letztere ebenso wie das
Auftreten der Furchen ein bestimmer Alterszustand zu sein,
denn an dem Originale, welches noch die Furchen zeigt
(es thun das nicht alle) ist die Oeffnung ebenfalls grösser
als ein Halbkreis. Stets ist die Oeffnung unten abgestutzt,
Bisweilen erscheint sie gerundet vierseitig.
Ein anderes Exemplar von Irnich zeigt keine Furchen,
wohl aber die halbkreisförmig verengte Oeffnung.
Verbreitung : Maestricht und Rügen.
Eschara sexangularis Goldf.
Goldfuss, Petref. Germ. S. 24, Tafel VIII, Fig. 12a, b.
Hagenow, Bryozoen der Maestrichter Kreidebildungen.
S. 81, Tafel X, Fig. 3, 4. 5.
Dewalque, Prodrome. S. 421.
IJbaghs, Description geol. de Limbourg. S. 111.
Griepenkerl, Die Versteinerungen der senonen Kreide
von Königslutter. S. 31.
Der Körper ist unregelmässig flach ausgebreitet, aus
zwei Zellschichten bestehend. Die Zellen sind sechseckig
und auf der Oberfläche durch äusserst feine Furchen ge¬
trennt. Von hier steigt die Zelldecke sehr gering zur
Mitte hin an, wo eine ovale Einsenkung sich befindet, die
zur Hälfte von der Zell Öffnung eingenommen wird. Hage¬
now beschreibt verschiedene Alterszustände, unser Exem¬
plar würde zu dem zuletzt beschriebenen gehören. Seine
Abbildung (Fig. 5) stimmt jedoch nicht mit seinen Worten
überein, wahrscheinlich liegt ein Fehler in der Schattirung
97
vor. Die sechsseitige Umrandung der Zellen unterscheidet
die Art leicht von den übrigen dieser Gattung.
Verbreitung: Maestricht, Kunraed. Obere Mucronaten-
schichten von Königslutter.
Eschara stigmatopliora Goldf.
Gold fu ss, Petref. Germ. I. S. 24, Tafel VIII, Fig. il.
Hagenow, Bryozoen der Maestrichter Kreidebildungen.
S. 73, Tafel IX, Fig. 1.
Ubaghs, Description geol. de Limbourg. S. 111.
Diese Art ist sehr veränderlich. Die Originale zu
den Abbildungen bei Goldfuss selbst sind nicht überall
gleichmässig entwickelt; so ist das, welches in Fig. 11 b
abgebildet ist, genau der guten Beschreibung und Abbildung
Hagenow’ s entsprechend. Bei dem Originale zu Figur
11 a verschwindet die feine Ausarbeitung der Zellendecken,
dieselben werden gleichmässig glatt, etwas — jedoch nur
schwach — gewölbt, mit trennenden Furchen, welche je¬
doch auch verschwinden und mit noch halbkreisförmigen
Oeffnungen. Schliesslich wird auch diese eingeengt und
man findet eine glatte Oberfläche, in welcher mehr oder
weniger runde Zellmündungen in Reihen angeordnet sind.
Dieselben sehen aus, als wenn sie von Nadelstichen her-
riihrten, wie Goldfuss in seiner Beschreibung sich treffend
ausdrückt. Da die Uebergänge zum Theil an einem und
demselben Stücke sichtbar sind, so ist an der Zusammen¬
gehörigkeit dieser Formen nicht zu zweifeln. Die meisten
Exemplare, welche von Irnich vorliegen, entsprechen dem
letzteren Zustande. Auf ziemlich dicken, glatten, ebenen
Körpern liegen reihenweise die engen nadelstichartigen
Zellöffnungen, auf den weit ausgedehnten Zelldecken die
Spuren ' der trennenden Furche, sehr wenig verlängerte
Sechsecke bildend. Andere dagegen entsprechen den
Uebergängen zu den von Hageno w beschriebenen Formen.
Verbreitung: Obersenon von Maestricht und Kunraed
und bei Ciply in Belgien.
Verh. d. nat. Ver. Jalirg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX.
7
98
Semiescliara piriformis Goldf.
Eschara piriformis Goldfuss, Petref. Germ. I. S. 24, Tafel VIII,
Fig. 10.
„ ,, Roemer, Kreide. S. 16.
„ „ Hagenow, Bryozoen S. 75, Tafel IX, Fig. 6.
Tafel XI, Fig. 6.
Semieschara piriformis Marsson, Die Bryozoen der weissen
Schreib kreide von Rügen. S. 74.
Der Körper ist flach ausgebreitet. Die Oberfläche
erscheint dem blossen Auge aus Quadraten zusammenge¬
setzt, erst unter der Lupe ergeben sich die Bilder, die
Goldfuss und Hageno w uns überlieferten. Die hohen
Ränder zwischen den einzelnen Zellen, die im oberen
Theile liegende weite halbkreisähnliche Mündung , die
regelmässige Anordnung in abwechselnde Längsreihen,
geben der Art ihr nicht zu verkennendes Gepräge.
S. piriformis kommt im Obersenon Limburgs und im
Untersenon des Salzbergs bei Quedlinburg vor.
Porina filograna Goldf.
Eschara filograna Goldf., Petrefacta Germaniae. S. 25, Tafel
VIII, Fig. 17.
,, filograna Hageno w, Bryozoen der Maestrichter Kreide¬
bildungen. S. 65, Tafel VII, Fig. 12 u. 13.
„ filograna Ubaghs, Descr. geol. de Limbourg. S. 111.
Porina filograna Marsson, Die Bryozoen der weissen Schreib¬
kreide der Insel Rügen. S. 87.
Von dieser Art ist nur ein kleines Bruchstück vor¬
handen, das jedoch zur Bestimmung ausreicht.
Die kleinen runden Zellmündungen sind in Reihen
geordnet, welche nach den Rändern des Stämmchens hin
divergiren. Die Mündungen sind erhöht oder richtiger
von einem kleinen Wulst umgeben. Zwischen den Mün¬
dungen, dieselben umlagernd, befinden sich Poren, jedoch
sind dieselben nicht ganz so regelmässig gebildet und ge¬
ordnet, wie es die Zeichnung der Petrefacta Germaniae an-
giebt, insbesondere sind dieselben fast durchweg von ver-
99
schiedener Weite. Eine Betrachtung des Originals zeigt,
das hier der Zeichner stark schematisirt hat.
Von Goldfuss und von Hagenow wurden hier¬
her noch andere Formen gezogen von wesentlich ande¬
rem Aussehen, besonders hervorgerufen durch den Mangel
des Wulstes. Gemeinsam sind ihnen die Zwischenporen,
von denen Hagenow eine etwas complicirte Beschreibung
giebt, die für das Original von Goldfuss sowie für unser
Exemplar nicht zutrifft. Ausserdem fehlen ebenfalls beiden
die Furchen, welche die senkrecht übereinander liegenden
Mündungen verbinden sollen. Vermuthlieh ist Hagenow
durch eine Anzahl abgeriebener Exemplare zu dieser Be¬
schreibung veranlasst.
Biflustra Esperi Hag.
Eschara Esperi Hagenow, Bryozoen der Maestrichter Kreide¬
bildungen. S. 82, Tafel XII, Fig. 8.
Biflustra Esperi d’Orbigny, Bryozoaires, Pal. fran^. terr.
cret. S. 245.
Von Irnich liegt ein kleines flaches Stämmchen vor.
Am unteren Ende besteht dasselbe aus 24 abwechselnden
Reihen von Zellen, welche ziemlich grosse ovale Mündungen
zeigen. Nur an einer kleinen Stelle und äusserst schwach
zeigt unser Exemplar die Furchen auf der Oberfläche,
welche die einzelnen Zellen trennen.
Nach oben zu verbreitert sich das Stämmchen, ver-
muthlich als Uebergang zur Gabelung. Die ziemlich grossen
ovalen Mündungen charakterisiren Eschara Esperi Hag. —
Eschara lepida Hagenow (1. c. S. 78), ebenfalls mit ovalen
Mündungen, hat ein rundliches Stämmchen. Biflustra ovcdis
d’Orb. x) bildet ebene Platten, desgleichen B. emarginata
d’Orb. 1 2).
Ein zweites Exemplar von Irnich ist scheinbar etwas
angewittert und zeigt sehr deutlich die Furchen, welche
längliche Sechsecke bilden und die Zellen trennen.
Vorkommen: Maestricht.
1) Paleontologie frangaise. S. 279, Tafel <19(5, Fig. 11 — 13.
2) Paleontologie frangaise. S. 278, Tafel 69G, Fig. 5 — 7.
100
Pyrgopolon Mosae Montf.
1808 Montfort, Conchyliologie systematique. S. 395.
1819 Dentalium clava Lamarck, Histoire naturelle des ani-
maux saus vertebres. V. S. 346.
1810 Entalium rugosum Defrance, Dictonnaire des Sciences
naturelles. T. XIV, S. 518.
1820 Dentalites cinqulatus Schlotheiin, Petrefactenkunde.
S. 94.
1825 Dentalium clava Deshayes, Anatomie et Monographie
du genre Dentale. Mein, de la soc. d’ hist, nah
de Paris. II. S. 374, Tafel XVIII, Fig. 19.
1837 Dentalium Browni Hiesinger, Letkaea Suecana. S. 21,
Tafel IV, Fig. 9.
1837 Dentalium Mosae Bronn, Lethaea geogn. I. S. 706,
Tafel 32. Fig. 18.
1844 Dentalium Mosae Goldfuss, Petrefacta Germaniae. III.
S. 2, Tafel 166, Fig. 10.
1851 Dentalium Mosae Müller, Petrefacten der Aachener
Kreideformation. II. S. 6.
? 1852 Ditrupa clava Byckkolt, Melanges paleontologiques.
Mem. cour. T. XXIV, S. 122.
1866 Ditrupa Mosae Cornet et Briart , Descr. de la
Meule de Bracquegnies. Mem. cour. de l’acad.
T. XXXIV, 1870, S. 188.
1875 Gastrochaena Mosae Brauns, Die senonen Mergel des
Salzbergs bei Quedlinburg. Zeitsckr. für die ge-
samrnte Naturwissenschaft. S. 357.
Pyrgopolon Mosae ist in Irnich nicht selten. Das
Fossil zeigt zwei Erhaltungszustände. Einmal findet sich
nur der Steinkern im Hohldruck, ein andermal ist die
Schale erhalten. Während im ersteren Zustande die Be¬
stimmung immerhin fraglich war, ist sie im letzteren durch
directen Vergleich mit dem Maestrichter Vorkommen ausser
Zweifel gestellt.
An einem der Stücke sieht man deutlich zwei Schal¬
schichten lose übereinander liegen, in ihnen gleichfalls
lose den Steinkern, welcher in seinem oberen Ende hohl
101
ist. An allen Exemplaren ist zu sehen, dass die unver¬
sehrte Schale eine bedeutende Dicke erlangt hat. Die Schale
ist mehr oder weniger gerade, eine unregelmässige Röhre
bildend. Die innere Weite war bald grösser, bald geringer,
der äussere Umfang zeigt sich weniger veränderlich. Die
Oberfläche ist ohne Sculptur, nur mit Runzeln versehen.
Ueber die Stellung des Genus Pyrgopolon herrschen
verschiedene Ansichten.
Z i 1 1 e 1 in seinem Handbuch stellt es mit einem
Fragezeichen versehen zunächst zu den Dentaliden und
bemerkt, dass sie möglicherweise zu den Röhrenwürmern
gehören könnten. Letzterer Ansicht schliesst sich Holz¬
apfel1) an, welcher in den Mucronatenschichten von
Aachen einige hierher gehörige Röhren gefunden hat.
Maassgebend für ihn ist die von den übrigen Gastropoden
wesentlich verschiedene Erhaltungsweise, welche Aehnlich-
keit mit der der Serpula zeigt. Auch in Irnich ist dies
wenigstens theilweise der Fall, und ich folge daher dem
von Holzapfel gegebenen Beispiel.
Die Art wird erwähnt aus dem Poudingue et Tuffeau
de Ciply, aus dem Maestrichtien superieur des St. Peters¬
berges und aus dem Köpinge Sandstein von Schonen.
Ferner vom Salzberg bei Quedlinburg.
Serpula gordialis Schloth.
Schlotheim, Petrefactenkunde. S. 96.
Geinitz, Elbthalgebirge. I. S. 282.
Bei Geinitz findet sich ein ausführliches Literatur-
verzeichniss zu dieser Art, auf welches hier verwiesen
sein mag,
Von dieser weit verbreiteten Art liegen 3 Exemplare
vor. Dieselben bilden eine nicht ganz regelmässige scheiben¬
förmige Spirale. Der Durchmesser der Röhre ist 1 mm,
der Querschnitt ist kreisrund. Die Röhre liegt, so weit
ersichtlich, nicht anderen Schalresten auf, sondern scheint
1) Palaeontographica. XXXIV, S. 179.
(
102
frei gewesen zu sein, was bei der Scheibenforni immerhin
auffällig ist. In gleicher Weise verhält sich dieselbe Ser-
pula bei Maestricht, wie ich an einem von Goldfuss be¬
stimmten Stücke feststellen konnte.
Hebert1) beschreibt diese Art als S. lombricus
Defr. aus der Kreide von Meudon, ein Synonym, das von
G e i n i t z nicht aufgeführt ist.
S. gordialis wird schon aus der Juraformation genannt
und kommt in allen Etagen der Kreide vor.
Orbitoides Faujasi Defr. spec.
Lycophris Faujasi Defrance, Dictionnaire des Sciences na¬
turelles. XXIV, S. 271.
Nummulina ; Faujasi Bronn, Lethaea. I. S. 710.
Orbitoides Faujasi Reuss, Palaeontologische Beiträge (Fora¬
miniferen des Kreidetuffs von Maestricht). S. 309,
Tafel IV, Fig. 7-9. Tafel V, Fig. 1-5. Sitzungs¬
berichte der kais. Akademie der Wissenschaften.
Naturwissenschaftliche Klasse. 44. Band. I. Abth.
1861.
Diese Foraminifere liegt in zwei Erhaltungszuständen
vor. Zunächst stecken einzelne Exemplare, völlig gut er¬
halten, in dem gewöhnlichen weichen Mergel. Sie fallen
durch eine gelbliche Färbung leicht auf. An ihnen beob¬
achtet man in der Mitte der kreisförmigen Schale eine
kleine „zitzenförmige“ Erhöhung, sowie auf der ganzen
Schale vertheilt unregelmässige Höckerchen. Die Schalen
haben einen Durchmesser von 4 bis 6 mm, sie sind voll¬
ständig so, wie sie von Reuss, auf dessen ausführliche
Beschreibung hingewiesen sein mag, geschildert werden.
Ausserdem ergab ein Vergleich mit Exemplaren von Mae¬
stricht im Bonner Museum (von Goldfuss’ Hand Orbitu-
lites celleporacea Goldf., Lycophris lenticularis etiquettirt) die
völlige Identität.
1) Tableau des Fossiles de la craie de Meudon. S. 364. Mem.
de la soc. geol. de France. II. Ser. T. V.
103
Ausser o Exemplaren dieses Erhaltungszustandes fand
sich ein Gesteinsstück vor, welches fast vollkommen aus
Foraminiferen bestand. Es darf nicht unerwähnt bleiben,
dass das Gestein durch wesentlich grössere Festigkeit und
durch ein zerfressenes Aussehen von dem übrigen ab¬
weicht. Die Foraminiferen dieses Stückes, ebenfalls runde
Scheiben, erreichen einen Durchmesser bis zu 9 mm. Die
Dicke ist verschieden. Die äussere Schalschicht ist nicht
erhalten, man sieht nicht die Verdickung der Mitte und
nicht die übrigen Unebenheiten. Dagegen kann man ohne
Präpariren aufs schönste die Anordnung der Zellen in ge¬
bogenen Radialen nach rechts und links beobachten, wie
sie besser kein Dünnschliff zeigt.
Vorkommen: Maestricht.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 10.
Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 14.
Fig. 15a.
V «>•
Fig. 16.
Solarium glaberrimum spec. nov.
Liotia parva spec. nov. fiinfzehnfacli vergrössert.
Laxispira turritelliformis spec. nov.
Mesostoma cretacea spec. nov.
Chemnitzia spec.
öerithium Schwer feniensis spec. nov.
Dolium cretaceum spec nov. Steinkern.
Fusus Irnichensis spec. nov.
Fasciolaria pulchra spec. nov.
Volutilites irregularis spec. nov. a) natürliche Grösse,
b) vergrössert.
Pseudoliva cretacea spec. nov.
Pleurotoma Irnichensis spec. nov.
Cylichna Irnichensis spec. nov. zweimal vergrössert.
Anomia cretacea spec. nov.
Pecten Irnichensis spec. nov.
vergrössertes Schalenstück.
Area bisulcata spec. nov. Steinkern.
104
Fig. 17.
Fig. 18.
Fig. 19.
Fig. 20.
Fig. 21a.
b.
Fig. 22a.
b.
Pectunculus spec. Steinkern.
Limopsis triangularis spec. nov. Steinkern mit anhaften¬
den Schalenstücken.
Leda siliquaeformis spec. nov. Steinkern.
„ multidentata spec. nov. Steinkern.
„ vulgaris spec. nov. Steinkern natürliche Grösse.
Abdruck vergrössert.
Filicea Irnichensis spec. nov. natürliche Grösse,
vergrössert.
Register.
Actaeon doliolum Müller ... 48
Actaeonella faba Kner .... 50
Actaeon ina doliolum Müller . 48
Anomia cretacea Vgl . 53
Ewaldi Frech . 54
granulosa Roem . 54
incurvata Holzapfel .... 54
intercostata Zittel . 54
lamellosa Roemer . 54
pellucida Müller . 54
semiglobosa Geinitz .... 54
subtruncata d’Orb . 53
verrucifera Müller . 54
Aporrhais Beisseli Holzapfel 34
granul ata Müller . 36
Limburg ensis Binlch. ... 35
Area bicarinata Reuss .... 71
bisulcata Vgl . 67
carinata Sow . 69
Carteroni d’Orb . 68
Cornueliana d’Orb . 69
exornata Briart et Cornet 71
Galdrina d' Orb . 68
granulato-rcidiata Alth. . . 70
irregularis d’Orb . 70
ligeriensis d’Orb . 69
propinqua Reuss . 70
subhercynica Frech .... 71
rhombea Nilss . 69
Argiope microscopicav. Schloth. 87
Astarte caelata Müller .... 79
similis Münster . 79
Avellana Hageno wi Müller . 47
Baculites anceps d’Orb. ... 19
Knorrianus Desm. ..... 19
vertebralis Lande . 18
Belemnitella mucronataSchloth. 18
Biflustra emarginata d’Orb. . 99
Esperi Hag . 99
ovalis d’Orb . 99
Bulla cretacea Müller . 48
faba Euer . 49
Mülleri Bosquet . 48
Bullina cretacea Stol . 49
Camptonectes curvatus Boehm 56
Cardita Goldfussi Müller ... 85
Cardium caudatum Roem. . . 85
tubidiferum Goldf. . 79
Cellepora Brongniarti Hag. . 94
Koninckiana Hag . 93
pusilla Hag . 94
Ceriopora diadema Goldf. . . 91
micropora Goldf. . 92
theloidea Hag . 92
tubiporacea Goldf . 92
Cerithium Schwer feniensis Vgl. 34
Chama conica Nilss . 52
Chemnitzia Dewalqui Holzapf. 34
lactea Lamk . 34
spec. ind . 33
turritelliformis Müller . . 33
Corbula aequivalvis Goldf. . . 83
lineata Müller . 86
Criocardium Drescheri Boehm 79
tubuliferum Boehm .... 79
Cylichna Bosqueti Holzapfel 49
105
Cylichna cylindracea Gein. . . 49
gradata Holzapfel . 49
Irnichensis Vgl . 50
Müllen Bosquet . ... 48 50
Schwer feniensis Vgl . 49
Cypraea Deshayesi Binkh. . . 37
ficulina Stol . 38
Limburgensis Kaunhowen 38
Defrancia Michelini Hag.. . . Dl
Delphinula spinulosa Binkh. . 24
Dentalites cingulatus Schloth. 100
Dentalium Bouei Desh . 20
Browni Hies . 100
clava Lamk . '. . 100
decussatum Sow . 20
geminatum Goldf . 20
medium Reuss ...... 20
Mosae Montf. .... 100 23
nutans Kner . 19
pentangulatus White ... 23
sexcarinatum Goldf. ... 22
striatum Sow . 20
Discotubigera Michelini
Hamm . 91
Ditrupa clava Lamk. . 23 100
Mosae Montf . 100
J Dolium cretaceurn Vgl . 39
nodosum Sow . 39
Entalium rugosum Defr. . . 100
E schar a dichotoma Goldf. . . 95
Esperi Hag . 99
filograna Goldf . 98
lepida Hag . 99
piriformis Goldf. . 98
propinqua Hag . 95
sexangularis Goldf . 96
stigmatophora Goldf. ... 97
Eulima amphora d’Orb. ... 34
Exogyra auricularis Goldf. . 52
decussata Goldf. . 52
inflata Goldf . 53
Fasciolaria laevis Kaunhowen 42
Fasciolaria pülchra Vgl. . . 42
Filicea Irnichensis Vgl. ... 92
Filicea regularis d’Orb. . . . 93
velata Hag . 93
Freia caelata Boehm . 79
Fusus dubius Briart et Cornet 42
galicianus Alth . 45
glaberrimus Binkh. . . 39 42
gracilis Holzapfel . 41
Irnichensis Vgl . 40
Renauxianus d’Orb . 41
Gastrochaena Mosae Montf.
spec . 100
spec. ind . 87
'
!
Helicaulax granulata Sow. . . 36
Janira substriato - costata
d’Orb . 63
Latirus Reussianus Stol. ... 41
Laxispira cochleiformis Müll. 31
iumbricalis Gabb . 31
pinguis Holzapfel . 32
trochleata Boehm . 32
turritelliformis Vgl . 31
Beda Försteri Müller . 76
Hagenowi Müller . 77
multidentata Vgl . 75
producta Nilss . 77
protexta Gabb . 75
siliqua Goldf. . 73
siliquaeformis Vgl . 74
vulgaris Vgl . 76
Lepralia Brongniarti Hag. . . 94
Lima decussata Goldf . 55
semisulcata Nilss . 54
IÄmopsisrhomboidaiisAlth. . . 72
triangularis Vgl . 73
Liopistha aequivalvisGoldf . . . 83
inflata Whitfield . 84
protexta Gabb . 84
Liotia macrostoma Müller
spec . 28
parva Vgl . 27
Lispodesth.es Schlotheimi
Roem . 37 40
Lycophris lenticularis Godf. . 102
Megathiris cuneiformis d’Orb. 88
depressa d’Orb . 88
Membranipora Koninckiana
Hag . 93
Mesostoma Beisseli Holz¬
apfel . 33
Beyrichi Holzapfel .... 33
Mesostoma cretacea Vgl. ... 32
Mülleri Holzapfel . . 32 33
Mitra nana Müller . 46
Modiola capitata Zittel .... 66
concentrica Mimst . 65
Mytilus concentricus Münst. . 65
Fittoni Goldf . 67
reversus Sow . 66
Natica spec. ind . 32
Neaera acutissima Müller . . 76
Nucula acutissima Müller . . 76
impressa Sow . 78
porrecta Reuss . 75
siliqua Goldf . 73
spec. ind . 78
teuer a Müller . 78
Nuculana Gabbana Whitfield 75
protexta Gabb . 75
106
Nummulina Faujasi Defr. . 102
Orbitoiäes Faujasf Defr. . . 102
Orbitulites ceileporacea Goldf. 102
Orthis Bronni Hag . 88
Buclii Hag . 88
Ostrea acutirostris Nilss. . . . 51
biauriculata Lamk . 51
decussata Goldf. spec. ... 52
proboscidea d’Orb . 51
vesicularis Lamk . 51
vesiculosa Gueranger . . . 51
Pecten actinochis Goldf. . . 57 61
arcuatus Goldf . 55
asperulinus Stol . 61
cicatrisatus Goldf. ... 58 61
cretosus Defr . 62
curvatus Gein . 55
decemcostatus Goldf. ... 58
Dujardini Poem . 57 60
elongatus d’Orb . 63
Faujasi Goldf. . 59
Irnichensis Vgl . 62
muricatus Goldf. . 59
nitida Mantel] . 63
ptycbodes Goldf . 58
septemplicatusDujardin . . 60
striato-costatus Goldf. ... 63
ternatus Goldf . 57 61
undulatus Nilss . 63
virgatus Nilss . 55
Pectunculus lens Nilss . 72
spec . 72
Pboladomya aequivalvis Goldf. 85
caudata Boem . .83
Pleurotoma Irnichensis Vgl. . . 46
Scbaeferi Boehm . 47
subfusiformis Stol . 41
Pollia spec. ind . 42
Porina füograna Goldf. ... 98
Poromya aequivalvis d’Orb. . 85
Pseudoliva cretacea Vgl. ... 44
Pyrgopolon Mosa.e Montf. . 100
Baphitoma graeilis Boehm . . 41
Beptescharinella pusilla Hag. 94
Beptocelleporaria cretacea
d’Orb . 95
Beptomulticavea theloidea
d’Orb . 92
Bhynchonella limbata Schloth. 90
Pynchonella plicatilis Sow. . 90
subplicata d’Orb . 90
Bingicula Hagenowi Müller . 47
Bostellaria nttda Binkh. . 36 40
Boemeri Müller . 37
Scalaria macrostoma Müller . 28
pulchra Müller . . 32
Semieschara piriformis Goldf. 98
Scrpula gordialis Schloth. . 100
Siliqua concentristriataG.Müll. 80
spec. ind . 81
truncatula Beuss . 81
Siliquaria biplicata Conrad . . 81
Solarium glaberrimum Vgl. . . 24
Yylapaudiense Stol . 24
Spondylus aequalis Heb. ... 65
spec . 65
spinosus Sow . 65
Tellina strigata Goldf. . ... 87
Terebratulinachrysalis Schloth. 89
striata Wahlenbg . 89
Trigonia aliformis Park. ... 82
limbata d’Orb . 82
spec. ind . 82
spinosa Lycett . 83
Vaalsensis Boehm . 82
vectiana Lycett . 83
Trigonoarca Galdrina Stol. . . 68
Trochus Binkhorsti Bosqu. . . 26
lineatus Binkh . 25
Montis St. Petri Binkh. . . 27
sculpins Binkh . 26
Turbo cariniferus Binkh. . . 27
dathratus Binkh . 27
Turritella acutissima Müller . 29
Althausi Müller . 29
Carnallana Müller ..... 29
Falcoburgensis Binkh. . . 30
Humboldti Müller . 29
nodosa Boem . 29 31
Noeggerathiana Müller . . 29
socialis Müller ....... 28
spec. indet . 30
Vola substriato-costata d’Orb. 63
Voluta cincta Forbes . 45
deperdita Goldf . 45
Gasparini d’Orb . 45
Volutilites irregularis Vgl. . 44
nana Müller . 46
Verzeichntes der im Eisenstein des Lias 7 von
Rottorf am Kley hei Helmstedt bislang
gefnndenen Versteinerungen.
Von
Dr. A. Wollemann.
,Das Dorf Rottorf am Kley (Hannover) steht auf einer
langen Keupermulde, die südöstlich von Fallersleben und
Vorsfelde beginnt und sich von da in südöstlicher Richtung
über Helmstedt hinzieht. Einen grossen Theil, etwa die
Hälfte des Flächenraumes dieser Mulde, nimmt der untere
Liassandstein ein; auf diesem liegen in nicht grosser Aus¬
dehnung jüngere Bildungen und zwar der mittlere und
obere Lias, letzterer namentlich südlich von Volmarsdorf
an dem Dorfe Querenhorst vorbei bis westlich von Gras¬
leben sich hinziehend und ersterer östlich von Rottorf am
Kley“1). Dieser mittlere Lias ist hier hauptsächlich als
Eisenstein entwickelt, welcher früher bei Rottorf zum Zweck
der Verhüttung abgebaut wurde. Bei Gelegenheit dieses
Betriebes kamen zahlreiche Versteinerungen zu Tage, doch
richteten die Sammler ihr Augenmerk hauptsächlich nur
auf die grossen Ammoniten und Muscheln, während die
kleinen Gastropoden und Brackiopoden sehr wenig berück¬
sichtigt wurden. Infolge dessen sind die beiden vorhan¬
denen Verzeichnisse der im Rottorfer Eisenstein vorkom-
1) Schl önb ach, Eisenstein d. m. Lias, Zeitschr. d. d. geol. Ct.
Bd. 15, S. 497.
108
menden Versteinerungen sehr unvollständig; Brauns1)
giebt 50 Arten von dort an, während Schlönbach2)
kaum 40 Species von Rottorf kennt. Letzterer giebt z. B.
nur zwei Gastropodenarten an, während ich deren sieben ge¬
funden habe ; von den vier Rottorfer Lima- resp. Liniaea-
Arten ist ihm nur Limaea acuticosta bekannt, während ihm
selbst die dort häufige und besonders in die Augen fallende
Lima gigantea entgangen ist.
Es ist mir nun gelungen, im Rottorfer Eisenstein
durch sorgfältiges Sammeln, durch umfassende Ausgra¬
bungen und durch Benutzung des in den Sammlungen vor¬
handenen Materials 72 Arten nachzuweisen ; da unter die¬
sen mehrere neue Species und recht interessante Varietäten
der Brachiopoden enthalten sind, so habe ich mich ent¬
schlossen, mein Verzeichniss derOeffentlichkeit zu übergeben.
Den Herren Fachgenossen, welche meine Arbeit gütigst
durch Rath und That unterstützt haben, sage ich hiermit
meinen verbindlichsten Dank, besonders dem Herrn Pro¬
fessor Di*. Kloos in Braunschweig, dem Herrn Professor
Dr. v. Könen in Göttingen, dem Herrn Dr. Barth in Helm¬
stedt und dem Herrn Senator Dr. Römer in Hildesheim.
Die meisten im Rottorfer Eisenstein vorkommenden
Versteinerungen fand ich durch alle Theile der x\blagerung
verbreitet, nur einige Ammoniten scheinen auf ein bestimm¬
tes Niveau beschränkt zu sein. Z. B. habe ich Aegoceras
brevispina nur in den obersten Schichten gefunden, wo
Aegoceras Jamesoni sein Hauptlager hat; letztere Art wird
weiter nach unten immer seltener. Amaltheus Oppeli
kommt nach meinen Beobachtungen nur in dem unteren
Theile der Ablagerung vor, zusammen mit sehr grossen
Exemplaren der Gryphaea cymbium und JRhynchonella te-
traedra. Aegoceras Grumbrechti kommt besonders unten,
selten oben vor. Aegoceras caprarium fand ich dagegen
durch alle Schichten des Eisensteines von der Sohle des
Steinbruchs bis zur Oberfläche gleichmässig verbreitet,
dasselbe gilt von Fhylloceras Loscombi.
1) Der untere Jura. S. 104 ff.
2) A. a. o. S. 507 ff.
Folgende Arten sind mir bislang von Rottorf bekannt
geworden :
1. Belemnites acutus Miller.
1823. Miller, Geol. Trans. 2. Serie. Bd. II. T. 8. F. 9.
Ziemlich selten.
2. B. umbilicatus Blainville.
1827. Blainville, Belemnites T. 3. F. 11.
Häufig.
Das grösste meiner Exemplare ist 82 mm lang und
15 mm breit und dadurch ausgezeichnet, dass die Alveole
ziemlich vollständig erhalten ist; sie ist 31 mm tief, nimmt
also 37,8% der Länge des ganzen Stückes ein.
3. B. sagittarius n. sp.
Ziemlieh selten.
Die Gestalt dieses Belemniten ist schlank und regel¬
mässig. Nach der Spitze zu ist er keulenförmig ver¬
dickt und zeigt hier einen kreisrunden Querschnitt, wel¬
cher nach der Alveole zu mehr oval bis eckig ist. Die
Spitze ist durch grosse Schärfe ausgezeichnet; die Alveole
ist kurz und trichterförmig erweitert, sie hat eine sehr
dünne Wandung und ist in Folge dessen häufig etwas zu-
Isammengedrückt. Das grösste Exemplar ist 106 mm lang
und 11 mm breit, die Alveole ist nur 30 mm tief. Am
nächsten ist unsere Art mit B. Buchlandi Phillips1) ver¬
wandt, unterscheidet sich jedoch von ihm durch regel-
mässigere Gestalt und schärfere Spitze. Von B. paxülosus
unterscheidet sich B. sagittarius durch die regelmässig¬
keulenförmige Anschwellung nach der Spitze zu, durch
schlankere Gestalt und durch die kurze trichterförmige
Alveole, welche beim paxülosus sich viel allmählicher er-
weitert und verhältnissmässig* tiefer ist.
4. Belemnites clavatus Schloth.
1820. v. Schlotheim, Petrefaktenkunde S. 49.
Ziemlich häufig.
_
1) A monogr. of British Belemnitidae, London 1865. T. 8.
F. 19, S. 53.
110
5. Belemnites compressoides n. sp.
Selten.
Neben der vorigen Art kommt im Rottorfer Eisenstein
noch ein kleiner keulenförmiger Belemnit vor, welcher
wohl deshalb bislang unbeachtet geblieben ist, weil man
ihn mit dem clavatus zusammengeworfen hat. Von letzterem
unterscheidet er sich durch folgende Merkmale. Er ist
stark zusammengedrückt und zeigt in Folge dessen einen
langgezogenen elliptischen Querschnitt, während clavatus
in der Regel stielrund ist; ferner ist er durch eine sehr
stumpfe Spitze und unregelmässige Keulenform aus¬
gezeichnet; auch fehlen ihm die Seitenfurchen, welche
beim clavatus in der Regel vorhanden sind. Vom B. com-
pressus Stahl unterscheidet sich unsere Art durch grössere
Regelmässigkeit der Gestalt und durch geringere Grösse.
Leichter als mit den beiden erwähnten Species ist die in
Rede stehende neue Art mit der Jugendform des Belemnites
umbilicatus Blainville zu verwechseln ; beide stimmen in
der Grösse annähernd überein, beide sind zusammenge¬
drückt und haben eine stumpfe Spitze, doch ist der junge
umbilicatus schlanker, hat eine weniger stark ausgeprägte
Keulenform und zeigt selbstverständlich als Jugendform im
Querschnitt äusserst wenige Anwachsringe.
6. Belemnites paxillosus Schloth.
1820. v. Schlot heim, Petrefaktenkunde S. 46.
Sehr häufig.
7. Belemnites apicicurvatus Blainville.
Ziemlich selten.
Von dieser eigenthümlichen Art habe ich nur wenige
Exemplare gefunden. Man könnte glauben, es handle sich
hier um eine krankhafte Missbildung der vorigen Art; da
jedoch die mir von Rottorf vorliegenden Exemplare unter¬
einander vollständig übereinstimmen und den verschieden¬
sten Altersstufen angehören, ausserdem mit dem in anderen
Ländern gefundenen apicicurvatus gut übereinstimmen, so
ist diese Möglichkeit wohl ausgeschlossen. Ausser der
Krümmung zeichnet in der Regel auch grössere Länge den
111
apicicurvatus vor dem B. paxillosus aus ; die langen Be-
lemniten, welche Quenstedt B. pax. numismalis nennt,
scheinen theilweise hierher zu gehören, besonders wäre in
dieser Hinsicht Jura T. 17, F. 12 zu vergleichen.
8. Nautilus intermedius Sow.
1816. Sowerby, Min. conch. II. T. 125, S. 53.
Häufig, doch nur schlecht erhaltene Steinkerne.
9. Aegoceras *) armatum Sow. sp.
1815. Sowerb v, Min. conch. T. 95.
Z i e m 1 ic h h ä u f i g.
10. Aegoceras nodogigas Qu. sp.
Ammonites armatus nodogigas Qu. z. Th. ; Amm. d. schwäb.
Jura T. 25, F. 1, 3 u. 6, S. 201.
Ziemlich selten.
Von dieser grossen Ammonitenform habe ich nur ein
wenig gut erhaltenes Exemplar bei Rottorf gefunden, da¬
gegen enthält die Griepen kerl’ sehe Sammlung mehrere
einigermassen gut erhaltene Exemplare von dort, welche
von Herrn Griepenkerl als „species nova“ bezeich¬
net sind, nach meiner Ansicht jedoch zu der von Quen¬
stedt als armatus nodogigas beschriebenen Art ge¬
hören. Von den unter diesem Namen von Quenstedt
an dem oben angegebenen Orte abgebildeten Stücken ge¬
hören F. 2 u. 4 jedenfalls nicht hierher, sondern wahr¬
scheinlich zu Aeg. armatum ; da die in Rede stehende Am¬
id Die Gattung Aegoceras liabe ich hier im weiteren Umfange
beibehalten. Der besonders von H a u g (Polymorphidae N. J. 1887 II,)
ausgeführten Zerspaltung dieser Gattung in viele neue Gattungen
zu folgen, hielt ich — abgesehen von anderen Gründen — schon
deshalb nicht für rathsam, da ich, seiner sehr speciellen Eintheilung
entsprechend, für mehrere der von ihm nicht in den Kreis seiner
Untersuchungen gezogenen Rottorfer Ammoniten (z. B. für Aegoceras
Grunibrechti) neue Gattungen hätte aufstellen müssen; ein Vorgehen,
welches mich weit über den Rahmen dieses Verzeichnisses hinaus¬
geführt haben würde.
112
monitenform nach meiner Ansicht als selbständige Species
aufzufassen ist, so möchte ich für sie den Namen Aego-
ceras nodogigas vorschlagen.
Von Aegoceras armatum unterscheidet sich unsere Art
durch das Fehlen der breiten und hohen Stacheln resp.
der rauhen flachen Narben, welche sich bei jener Species
nach dem Abbrechen der Stacheln gewöhnlich finden. An
Stelle derselben besitzt nodogigas wenig hervorragende
runde Knoten, in welchen die nicht weit von der Naht be¬
ginnenden etwas geschwungenen Rippen in der Nähe des
Rückens plötzlich endigen, während bei Aeg. armatum die
Rippen resp. Zwischenrippen über den Rücken fortlaufen.
Solche Zwischenrippen fehlen dem nodogigas überhaupt,
der Rücken ist ziemlich glatt, schwach aber sehr regel¬
mässig gerundet. Loben sind an den mir vorliegenden
Stücken nirgends sichtbar, traten auch nicht hervor, nach¬
dem ich die Stücke mit verdünnter Salzsäure angeätzt
hatte. Ausser in Schwaben und Rottorf hat sich unsere
Art auch in Westfalen1) gefunden.
Interessant ist, dass sich auf den Steinkernen des
Rottorfer nodogigas häufig dieselben räthselhaften Gebilde
finden, wTelche Quenstedt2) auf den schwäbischen Stücken
dieser Art beobachtet und als Conellen bezeichnet hat. Bei
Rottorf kommen sie auch häufig auf den Steinkernen von
Aegoceras Grumbrechti vor, finden sich jedoch nicht auf
den übrigen Ammoniten3).
11. Aegoceras brevispina Sow. sp.
1827. Sowerby, Min. conch. VI, T. 556, F. 1.
Sehr h ä u f i g.
1) Yergl. Monke, Die Liasmulde von Herford in Westfalen.
Verb. d. nat. Ver. d. pr. Rheinl. 1888. S. 181.
2) Flözgebirge Württembergs. S. 178. Gastropoden T. 215,
F. 40, S. 757. Amm. d. schwäb. Jura T. 25, F. 3, S. 202; T. 29,
Fig. 3, S. 232.
3) Yergl. Crania liasina Emerson, Lias v. Markoldendorf.
T. 2, F. 3, S. 49 und Brauns, D. u. Jura S. 446.
%
113
12. Aegoceras Heberti Oppel.
1865. Oppel, Juraformation § 25,13; S. 158.
Selten.
13. Aegoceras Grumbrechti U. Schlönb. sp.
1863. U. Schlönbach, Eisenst. d. m. Lias, Zeitsckr. d.
d. geol. Ges. Bd. 15, T. 12, F. 1, S. 512.
1865. Ders., Beitr. z. Pal. d. nordw. Deutsckl. I. Jura-Am¬
moniten, Palaeontograpkica. Bd. 13, S. 152.
Ziemlich häufig.
14. Aegoceras Jamesoni Sow. sp.
1827. Sowerby, Min. conck. VI. T. 555, F. 1, S. 105.
Sehr häufig.
Abstand und Stärke der Hippen sind bedeutenden
Schwankungen unterworfen; an Stärke der Hippen über-
treften mehrere der mir vorliegenden Hottorfer Exemplare
noch den Jamesoni costosus Qu.1).
15. Aegoceras caprarium Qu. sp.
1828. Quenstedt, Jura T. 16, F. 1, S. 131.
Häufig.
16. Aegoceras interstriatum n. sp.
Syn. Amm. armatus (Sow.) Emerson z. Th., 1870, Lias v.
Markoldendorf T. 3, F. 4, S. 63.
Ziemlich häufig.
Dieser kleiner Ammonit ist schon von Emerson
beschrieben und abgebildet, doch von ihm meiner Ansicht
nach nicht richtig gedeutet. Schlönbach stellte ein in
der Grie p enkerLschen Sammlung befindliches Exemplar
unserer Art fragweise als Varietät zur vorigen Species.
Aeg. interstriatum ist leicht an folgenden Merkmalen
zu erkennen. Die wenig gebogenen Rippen laufen schräg
über die Seiten und bilden zu beiden Seiten des Rückens
eine Reihe kurzer Stacheln, welche anfänglich deutlich
1) Amm. d. schwäb. Jura. T. 31, F. 11, S. 254.
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX. 8
114
alterniren, nach der Mündung zu jedoch mehr in Oppo¬
sition stehen. Die Rippen laufen anfänglich undeutlich?
nach der Mündung zu deutlicher in fast gerader Rich¬
tung über den Rücken hinweg. Bei jüngeren Individuen
ist ein schwacher Kiel auf der Mitte des Rückens vorhan¬
den, welcher jedoch bei den älteren Exemplaren verschwin¬
det. Zwischen den Hauptrippen befindet sich eine grosse
Zahl von Nebenrippen, welche am Rückenrande ein kleines
Knötchen bilden und besonders deutlich auf dem Rücken
sichtbar sind. Höhe und Breite der Umgänge sind annä¬
hernd gleich, die erstere beträgt bei dem vorliegenden
Stücke 9,5 mm, letztere dagegen 8 mm.
17. Aegoceras hybridum d’Orb. sp.
1844. D’Orbigny, Pal. fr., Terr. Jur. I. T. 85, S. 285.
Ziemlich h ä u f i g.
Mehrere der mir vorliegenden Rottorfer Ammoniten
glaube ich zu dieser Art stellen zu müssen, trotzdem nach
der Arbeit von Haug, „Ueber die Polymorphidae“ das
Vorkommen dieser d’O rbigny’schen Species in Deutsch¬
land fraglich erscheinen könnte.
18. Aegoceras pettos Qu. sp.
1848. Quenstedt, Flözgebirge Württembergs. S. 178.
Sehr selten.
Diese Art habe ich nicht gefunden, doch giebt Brauns1)
sie von Rottorf an.
19. Amaltheus Oppeli U. Schlönb. sp.
1863. U. Schlönbach, Eisenst. d. m. Lias. Zeitschr.
d. d. geol. Ges. ßd. 15, T. 12, F. 2, S. 515.
Häufig.
Wollte man dem älteren Namen den Vorrang lassen,
so müsste man diese Art als oxynotus numismalis Qu. be¬
zeichnen, da sie bereits im Jahre 1858 von Quenstedt2)
unter diesem Namen beschrieben ist.
1) D. u. Jura. S. 221*
2) Jura, T. 11, Fig. 1, S. 119.
115
20. Phylloceras Los combi Sow. sp.
1817. Sowerby, Min. conch. II. T. 183, S. 185.
Ziemlich häufig*.
21. Trochus amor d’Orb.
1850. d’Orbigny, Pal. fr., Terr. jur. II. T. 306, F. 9 — 12,
S. 251.
Sehr sei teil.
Herr Dr. Barth in Helmstedt liberliess mir glitig'st
einen kleinen Trochus zur Bestimmung, welcher mit kei¬
ner der bislang aus dem norddeutschen Lias bekannt ge¬
wordenen Arten übereinstimmt, dagegen ohne Zweifel mit
Trochus amor d’Orb., einer im mittleren Lias Frankreichs
gefundenen Species, identisch ist.
Die ersten Umgänge des vorliegenden Exemplares
haben die Schale fast vollständig verloren und erscheinen
als glatter Steinkern, während auf den beiden letzten Um¬
gängen die Schale noch einigermaassen gut erhalten ist und
scharf hervortretende etwas gekrümmte Anwachslinien zeigt,
welche in schräger Richtung von Naht zu Naht verlaufen.
Die Umgänge sind schwach concav und werden durch
eine scharfe Kante begrenzt. Die Breite des Gehäuses
ist grösser als die Höhe, erstere beträgt bei dem Rottorfer
Stück 8 mm, letztere 7 mm, dasselbe erscheint daher de-
primirt kegelförmig. Der Nabel ist ziemlich eng.
22. Lewisiella conica d’Orb. sp.
1850. d’Orbigny, Pal. fr., Terr. jur. II. T. 321, F. 5 — 8,
S. 304 (Pitonellus).
1861. Stoliczka, Gasterop. u. Aceph. d. Hierlatzsch.,
Sitzungsber. d. k. Akad. d. W. in Wien, T. 3, F. 4,
S. 178 (Pitonellus).
1882. Zittel, Handb. d. Pal. 1,2, S. 193, F. 245,
Sehr selten.
Diese Schnecke ist sehr ausführlich von d’Orbigny
und Stoliczka beschrieben; sie ist ebenso wie die vorige
Art bislang nicht aus dem norddeutschen Lias bekaunt ge¬
worden, weshalb ich sehr erfreut war, als ich ein Exem-
116
plar mit gut erhaltener Schale in dem Rottorfer Eisenstein
fand. Ich habe dasselbe unter einer Arbeitslupe mit sehr
feinen Nadeln vollständig ans dem Gestein herauspräpa-
rirt, welche Arbeit mehrere Tage in Anspruch nahm, da
die Schale sich als überaus zerbrechlich erwies. Die Höhe
beträgt 8 mm, der Durchmesser 7 mm.
23. Teinostoma macrostoma Stol. sp.
1861. Stoliczka, Gasterop. u. Aceph. d. Hierlatzsch.,
Sitzungsber. d. k. Akad. d. W. in Wien. Bd. 43, T. 3,
F. 5, S. 178 (Roteila).
1882. Zittel, Handb. d. Pal. I. Abth., Bd. 2, S. 193 (Tei¬
nostoma).
Syn. Margarita sp. Oppel, 1853, D. m. Lias, Württemb.
naturw. Jahresh., T. 3. F. 11, S. 104..
Turbo euomphalus ß Quenstedt, 1858, Jura, T. 19, F. 38,
S. 157.
Sehr selten.
Das einzige Exemplar, welches mir bislang von Rot¬
torf bekannt geworden ist, befindet sich in der Sammlung
des Herrn Dr. Barth in Helmstedt. Brauns1) erwähnt
ein Stück aus den Davoeisckicbten der Buchhorst; sonst
ist diese Art nicht in der Umgegend von Braunschweig ge¬
funden.
Diese Schnecke soll nach Stoliczka2) bei erhalte¬
ner Schale keinen Nabel zeigen, dagegen sollen die Stein¬
kerne tief genabelt sein. Oppel3 4) giebt dagegen an, seine
mit unserer Art ohne Zweifel identische Margarita sp. sei
ungenabelt, während Q uenste dt von ihr sagt, sie besitze
einen deutlichen Nabel, weshalb er diese Gastropodenspe-
cies Turbo euomphalus nennt. Nach meinen Untersuchungen
sind auch die beschälten Exemplare deutlich genabelt, nur
ist der Nabel eng und von der Schale grösstentheils be¬
deckt. Je nachdem man nun ein vollständig mit der
1) A. a. 0. S. 172.
2) A. a. 0. 8. 179.
3) D. m. Lias. S. 104.
4) Jura S. 157.
117
Schale erhaltenes oder ein solches Exemplar vor sich hat,
dessen Schale in der Gegend des Nabels weniger oder
mehr fortgebrochen ist, erscheint der Nabel sehr eng oder
weiter; selbstverständlich zeigen die Steinkerne den wei¬
testen Nabel. Durch diese Verhältnisse sind jedenfalls die
verschiedenen Angaben über Vorhandensein oder Fehlen
des Nabels erklärt.
Trotz der Auseinandersetzungen Bornemann’s J)
habe ich mich nicht davon überzeugen können, dass Heli-
cites turbilinus Schloth. mit unserer Species identisch ist.
24. Pleurotomaria expansa Sow. sp.
1821. S o w e r b y , Min. conch. III, T. 273, F. 1—3, S. 129
(Helicina).
Ziemlich häufig, doch nur schlecht erhaltene Stein¬
kerne.
25. Pleurotomaria anglica Sow. sp.
1818. S o w e r b y , Min. conch. II. T. 142, S. 239 (Trochus).
Häufi g.
Der Durchmesser des grössten meiner Exemplare
beträgt 68 mm, die Höhe 70 mm.
26. Pleurotomaria Solarium Koch.
1848. Koch in Palaeontogr. Bd. 1, T. 25, F. 17-19, S. 174.
Ziemlich hä ufig.
Die meisten der mir vorliegenden Rottorfer Exem¬
plare unterscheiden sich von der Koch'schen Abbildung
durch grössere Höhe im Verhältniss zum Durchmesser,
stimmen sonst aber sehr gut mit ihr überein; ich trage
deshalb kein Bedenken, dieselben als zu Solarium Koch
gehörig anzusehen, zumal nach meinen Beobachtungen bei
dieser Species das Verhältniss von Höhe zur Breite nicht
unbeträchtlichen Schwankungen unterworfen ist. B ö 1 s c h e1 2)
führt eine Pleurotomaria aus dem gleichalterigen Eisenstein
1) Der Lias von Göttingen. S. 50.
2) Beiträge zur Paläontologie des nordwestl. Deutschland. S. 12.
118
von Oldershausen an, welche er nicht zu Solarium zu
stellen wagt, da sie im Verhältnis^ zum Durchmesser
höher sei als das von Koch abgebildete Stück, sie
würde also nach meiner Ansicht ebenfalls hierher gehören.
Unter den Rottorfer Exemplaren zeichnet sich eins durch
ganz aussergewöhnliehe Grösse aus, denn sein Durchmesser
beträgt 109 mm, die Höhe 56 mm.
27. Pleurotomaria multicincta Schübl. sp.
1832. v. Zieten, Verst. Württembergs. T. 34, F. 1, S. 45
(Trochus).
Selten.
Diese Art habe ich selbst nicht bei Rottorf gefunden,
doch übersandte mir Herr Professor Kloos gütigst zwei
noch unbestimmte grosse Pleurotomarien aus der von der
braunschweigischen Regierung angekauften und der herzog¬
lichen technischen Hochschule in Braunschweig überwiese¬
nen G rie p enk er Pschen Sammlung, welche nach meiner
Ansicht ohne Zweifel zu dieser Species gehören. Das
grösste dieser Stücke hat einen Durchmesser von 104 mm,
während seine Höhe 68 mm beträgt. Uebrigens führt auch
Brauns die in Rede stehende Species von Rottorf an1).
28. Pleuromya ovata Römer sp.
1839. Römer, Nachtr. z. Ool. Geb. T. 19, F. 27, S. 41
t
(Lutraria). Nicht Gresslya ovata Agassiz, Et. crit.
s. 1. moll. foss., Myes, T. 13, F. 4 — 6 u. T. 136,
F. 7-9, S. 208.
Ziemlich selten.
Nur schlecht erhaltene Steinkerne. Mein grösstes
Exemplar ist 46 mm hoch, 64 mm lang und 29 mm dick,
übertrifft also an Grösse das von Römer abgebildete
Stück.
29. Arcomya elongata Römer sp.
1836. Römer, Ool. Geb. T. 8, F. 1, S. 126 (Panopaea).
Selten.
1) D. u. Jura. S. 107.
119
30. Pholadomya ambigua Sow. sp.
1819. S o w e r b y , Min. conch. III. T. 227, S. 48 (Lutraria).
H äu fig.
Von dieser Art kommen bei Rottorf grosse, gut er -
haltene Exemplare vor; mein grösstes Stück ist 48 mm
hoch, 70 mm lang und 40 mm dick. Schlönbach1) unter¬
scheidet Pli. ambigua Sow. und Pli. Hausmanni Goldf.,
Brauns2) hält dagegen beide Arten für identisch, welche
Ansicht ich für die richtige halten.
31. Pholadomya decorata Ziet.
1832. v. Zieten, Verstein. Württenb. T. 66, F. 2 u. 3.
Ziemli c h h äufig.
32. Pholadomya obliquata Phillips.
1829. Phillips, Geol. of Yorksh. T. 13, F. 15.
Zieml ich selten.
33. Cypricardia cucullata Gf. sp.
1837. Goldfuss, Petref. Germ. T. 143, F. 11 (Cardium).
Selten.
Schlönbach giebt sie in seinem Verzeicliniss nicht von
Rottorf an, dagegen sagt Brauns, dass er dort ein 22 mm
langes, 17 mm hohes und 11 mm dickes Exemplar gefun¬
den habe; auch ein von mir gefundenes Stück ist 11 mm
dick, dagegen nur 14,5 mm lang und ebenso hoch.
34. Unicardium Janthe d’Orb.
1850. d’Orbigny, Prodrome. I. Et. 8, Nro. 179, S. 235.
Ziemlich selten.
Diese Art ist U. cardioides sehr ähnlich, unterscheidet
sich von derselben jedoch durch weniger gekrümmte Wir¬
bel, steiler abfallenden Schlossrand, weniger gleichmässige
Wölbung der Oberfläche und geringere Länge im Verbal t-
1) Zschr. d. d. geol. G. Bd. 15. S. 536.
2) D. u. Jura. S. 311.
120
niss zur Höhe. Ausserdem laufen bei ihr stumpfe Leisten
von den Wirbeln schräg nach unten, welche bei U. car-
dioides nicht zu bemerken sind.
35. Modiola scalprum Sow.
1821. Sowerby, Min. conch. T. 248, F. 2.
Sehr selten.
Diese in anderen Schichten des nordwestdeutschen
Lias häufig von mir gefundene Muschel soll nach Brauns
auch in dem Rottorfer Eisenstein Vorkommen; ich selbst
habe sie dort nie gefunden, auch kein von dort stammen¬
des Exemplar in den Sammlungen gesehen.
36. Pinna folium Yonng and Bird.
1822. Young and Bird, Geol. surv. of the Yorksh. coast.
T. 10. F. 6.
Selten.
37. Avicula inaequivalvis Sow.
1821. Sowerby, Min. conch. III. T. 244. F. 2 u. 3, S. 78.
Diese bekannte Muschel ist in dem Rottorfer Eisenstein
häufig.
38. Inoceramus ventricosus Sow. sp.
1823. Sowerby, Min. conch. V. T. 443, S. 64 (Crenatula).
Ziemlich* selten.
39. Limaea acuticosta Gf.
1836. Goldfuss, Petref. Germ. Taf. 107, F. 8.
Ziemlich häufig.
Diese Art ist häufig mit der folgenden verwechselt
worden. Sie unterscheidet sich von derselben, — abgesehen
von den selten wahrzunehmenden Schlosscharakteren —
durch schmälere, schärfere und stärker hervorragende
Rippen und breitere Zwischenräume zwischen denselben,
besonders aber durch geringere Zahl der Rippen. Wäh¬
rend bei den mir von Rottorf vorliegenden Exemplaren der
Limaea acuticosta die Zahl der Rippen zwischen 12 und 18
schwankt, besitzt Lima pectinoides deren 20 bis 26.
40. Lima pectinoides Sow. sp.
1815. Sowerby, Min. conch. II. T. 113 (im Text ange¬
geben T. 114), F. 4, S. 28 (Plagiostoma).
Häufig.
41. Lima succincta Schloth. sp.
1813. v. Schlot heim, Mineral. Taschenbuch. Bd. 3. Suppl.
T. 5 d, F. 4 (Chama).
Ziemlich selten.
Unterscheidet sich von der folgenden Art durch grös¬
sere Höhe im Vergleich zur Länge und stärkere Rippen ;
ferner ist ihre Schale, besonders in der Gegend des Schlosses,
dicker als bei gigantea. Das eine meiner Exemplare, dessen
Schlosstheil besonders gut erhalten ist, zeigt auf den hin¬
teren Ohren auffallend starke Wülste. Letztere sind zwar
auch bei dem von Sowerby1) abgebildeten englischen
Exemplare angedeutet, treten jedoch bei dem vorliegenden
Rottorfer Stücke stärker hervor. Auf dem unteren Theile
des Ohres befindet sich neben dem wulstartigen Rande nur
ein Wulst, welcher sich jedoch weiter nach oben theilt, so
dass am oberen Rande des Ohres vier Wülste hervortreten.
In dieser Hinsicht entspricht also das in Rede stehende
Exemplar — sonst eine echte Lima succincta — der Lima
decorata Gf.2).
42. Lima gigantea Sow. sp.
1814. Sowerby, Min. conch. I. T. 77, S. 176 (Plagio¬
stoma).
Häufig.
Auffallend ist, dass S c h 1 ö n b ach die letzten drei
Arten, von weichen zwei häufig bei Rottorf Vorkommen,
1) 1818. Sowerby, Min. conch. III. T. 214, F. 2, S. 25
(Lima antiquata = L, succincta).
2) Petref. Germ. T. 114, F. 11. Diese Art ist später von
Brauns (D. u. Jura S. 400) fragweise zu Hinnites tumidus Ziet.
sp. gestellt, welcher Ansicht ich mich jedoch durchaus nicht an-
schliessen kann.
122
übersehen bat; er führt nur Limaea acuticosta Gf.1) in seiner
Liste an, trotzdem diese gerade seltener ist. Nach seiner
Beschreibung, welche er von dieser Art giebt, scheint er
übrigens Limaea acuticosta und Lima pectinoides zusammen¬
geworfen zu haben.
43. Pecten textorius Schloth. sp.
1820. v. Schlotheim, Petrefaktenk. S. 229 (Pectinites).
H ä u f i g, meist Steinkerne.
44. Pecten priscus Schloth. sp.
1820. v. Schlotheim, Petrefaktenk. S. 222 (Pectinites).
Häufig, Schale meist gut erhalten.
45. Pecten subulatus Münster.
1834. Goldfuss, Petref. Germ. II, T. 98, F. 12, S. 73.
Ziemlich häufig.
Schlönbach2) trennt Pecten subulatus Münster und
Pecten Hehlii d’Orb., während Brauns3) beide Arten,
vereinigt, welche Ansicht nach meinen Untersuchungen die
richtigere ist.
46. Pecten lunaris Römer.
1839. Römer, Nachtr. z. Oolgeb. S. 26.
Ziemlich häufig.
Von dieser Art kommen bei Rottorf sehr grosse Exem¬
plare vor, welche hinsichtlich der Grösse dem mit unserer
Species identischen Pecten frontalis Dumortier nicht nach¬
stehen. Leider sind dieselben jedoch so schlecht erhalten,
dass es unmöglich ist, ein solches grosses Stück aus dem
Eisenstein herauszupräpariren, da die auf dem undeutlichen
Abdruck nur lose aufliegende Schale bei der leisesten Be¬
rührung in unzählige Scherben zerfällt. Etwas besser sind
dagegen die kleineren Exemplare erhalten ; es gelang mir, an
einem solchen das Byssusohr vollständig herauszupräpariren,
1) A. a. o. S. 540.
2) A. a. 0. S. 544.
3) A. a/ 0. S. 393.
123
welches 20 mm lang- ist. Zwischen dem Flügel des Ohres
und der Muschel selbst befindet sich eine tiefe, stark aus¬
geschnittene Grube; die Anwachsringe bilden auf dem
Flügel annähernd halbkreisförmige Linien, welche hier ihre
convexe Seite nach aussen kehren, während auf der Grube
die concave Seite nach aussen gewendet ist.
47. Plicatula spinosa Sow.
1819. Sowerby, Min. conch. III. T. 245, S. 79.
H ä u f i g.
Diese zierliche Muschel, von welcher bereits Schlön-
bach „einige Exemplare“ bei Rottorf gefunden hat, beob¬
achtete ich dort häufig; bald fand sie sich aufgewachsen,
bald frei und zweischalig.
48. Ostrea semiplicata Münster.
1834. Goldfuss, Petref. Germ. II. T. 72, F. 7, S. 4.
Selten.
Das einzige Exemplar dieser Art, welches ich bei
Rottorf gefunden habe, eine Unterschale, konnte ich voll¬
ständig herauspräpariren. Die Schlossgrube ist glatt, tief?
dreickig und auf beiden Seiten durch stark hervorragende
Leisten begrenzt. Der Manteleindruck ist deutlich und von
unregelmässigem Umriss. Die obere Seite der Schale trägt
sieben grobe schuppige Falten, welche etwa 2/3 der Muschel
einnehmen, während der Rest glatt ist; die Schlossgrube
läuft in eine der Falten aus.
49. Ostrea fragilissima n. sp.
Selten.
Neben der vorigen Austerart kommt bei Rottorf eine
gesellig lebende Ostrea vor, welche bislang, wahr¬
scheinlich ihrer Zerbrechlichkeit halber, übersehen ist.
Bruchstücke dieser Species sah ich wiederholt in dem Eisen¬
stein stecken, doch konnte ich dieselben nicht herausprä¬
pariren, da die Schale bedeutend weicher als der sie um-
schliessende Eisenstein ist. Nach längeren vergeblichen
Bemühungen gelang es mir endlich, eine aus drei Indivi-
124
duen bestellende Gruppe vollständig von dem anhaftenden
Eisenstein zu befreien ; sie besteht aus einer Oberschale,
welche mit zwei Unterschalen fest zusammengewachsen ist.
Letztere sind ziemlich tief und zeigen eine wenig regel¬
mässige Gestalt, von beiden ist ein Theil beim Präpariren
weggebrochen. Die Oberschale ist dagegen vollständig er¬
halten. Sie ist flach schüsselförmig, ihre Innenseite ist auf¬
fallend glatt, während die Aussenseite runzelig ist; in Folge
ihrer geringen Dicke ist sie deutlich durchscheinend. Der
Muskeleindruck ist fast kreisrund und liegt nahe am Rande ;
ziehen wir durch denselben eine gerade Linie, so wird
die Muschel hierdurch in einen unteren viereckigen und
einen oberen annähernd dreieckigen Theil zerschnitten. Die
Unterschale ist 59 mm lang und 42 mm breit.
50. Gryphaea cymbium Lmk.
1819. Lamarck, Hist. nat. des animaux sans vertebres.
Bd. 6, S. 198.
Sehr h ä u f i g.
In den oberen Schichten des Rottorfer Eisensteins
finden sich besonders kleinere Exemplare dieser Art, wäh¬
rend in den unteren Schichten neben denselben einzelne
auffallend grosse Individuen auftreten. Beide gehören je¬
doch unzweifelhaft zu einer Species, da zwischen der gros¬
sen und kleinen Form alle ; nur denkbaren Uebergänge Vor¬
kommen. Schlönback1) trennt Gryphaea obliqua Gf.
von Gr. gigas Schloth. und zwar soll sich jene von dieser
durch geringe Grösse und Schiefe der Anwachslinien unter¬
scheiden. Beide Merkmale haben nach meiner Ansicht
wenig Bedeutung, da die Schiefe der An wachsringe ebenso
wie die Grösse starken Schwankungen unterworfen ist.
Noch mehr schwankt bei unserer Art die äussere Form,
wie besonders die Go ldfuss’schen2) Abbildungen zeigen.
Ich halte daher Gr. cymbium und gigas für identisch.
Die Unterschale eines kleineren Exemplares habe ich
1) A. a. 0. S. 546.
2) Petref. Germ. II. T. 84 u. 85.
125
vollständig herauspräparirt. Sie zeigt den Schlosstheil und
Muskeleindruck in aussergewöhnlich gutem Erhaltungszu¬
stände. Der Schlosstheil besteht aus einer mittleren breiten
Grube, welche durch zwei breite Wülste von zwei schwa¬
chen seitlichen Vertiefungen getrennt ist. Ueber die Wülste
und über die Mittelgrube laufen fünf Querwülste, welche nach
unten zu an Stärke zunehmen. Der bohnenförmige Muskei-
eindruck liegt nahe am Rande und ist bedeutend tiefer als
der Muskeleindruck der Oberschale.
51. Waldheimia numismaiis Lmk. sp.
1819. L amarc k, Anim. s. vert. Bd. 6, Nr. 17, S. 249.
Sehr häufig.
Meistens findet sich die platte und runde typische
Form ; neben derselben habe ich die beiden folgenden
Varietäten beobachtet:
a) W. numismaiis pinguis.
Ist durch grössere Länge im Verhältniss zur Breite
und durch grössere Dicke ausgezeichnet. Die Stirn ist
weniger gerade abgeschnitten als bei der typischen Form
und nur undeutlich ausgebuchtet.
b) W. numismaiis longa.
Bei dieser Varietät ist die Stirn abgerundet; sie ist
ausserdem länger und in der Regel schmäler als die typi¬
sche Form und als die erste Varietät.
Hinsichtlich des Innenskeletts und der feinen Durch¬
bohrung der grösseren Schale stimmen die beiden hier be¬
schriebenen Varietäten mit der typischen Form überein
und schliessen sich hinsichtlich der Grössenverhältnisse
durch mancherlei Uebergangsformen an dieselben an.
Grösse:
a) Typische Form, b) var. pinguis. c) var. longa.
Mittelgrosses Exemplar. Grösstes Ex. Grösstes Ex.
Länge 23,5 mm 25 mm 28 mm
Breite 22 „
Dicke 8,5 „
22
126
52. Waldheimia Roemeri U. Schlönb.
1863. U. Schlönbach, Eisenstein d. m. Lias, Zschr.
d. d. geol. Gr. B. 15, S. 550.
1864. W a gen er, Verb. d. nat. Ver. d. pr. Bheinl.
Bd. 21, S. 18.
Syn. Terebratula hastata Römer nicht Sow.
1836. Römer, Ool. Geb. S. 48.
1853. Rolle, Versuche. Vergl. S. 25.
T. triquetra Römer nicht Sow.
Rome r und Rolle a. d. a. 0.
T. numismalis biplicata Qu.
1858. Quenstedt, Jura. T. 18, F. 4, S. 141.
Waldheimia cornuta Brauns z. Th.
1871. Brauns, D. u. Jura. S. 422.
Häufig.
Ist leicht von den ^übrigen Waldheimien des Lias zu
unterscheiden. Ihre Länge übertrifft die Breite stets be¬
trächtlich. Der Schnabel tritt stark hervor und ist nur
wenig übergebogen, wodurch die Area bedeutende Grösse
erlangt und das Deltidium deutlich sichtbar ist; die Area
ist stark concav und zeigt bei gut erhaltenen Exemplaren
deutlich die Anwachsstreifen. Die Durchbohrung schneidet
tief hyperbolisch in den Schnabel ein und ist bedeutend
grösser als das Loch der W. numismalis, kommt dagegen
nicht ganz der Durchbohrung von W. perforata Piette1)
an Grösse gleich.
An der Stirn befinden sich zwei Falten, welche be¬
sonders deutlich auf den Schalen der älteren Individuen
sichtbar sind, dagegen bei den jüngeren Exemplaren nur
schwach hervortreten, oft sogar nur angedeutet sind. Die
undurchbohrte Schale ist wenig gekrümmt, während die
durchbohrte Schale durch starke aber sehr regelmässige
Krümmung ausgezeichnet ist. Die jungen Individuen sind
im Stirntheile sehr dünn und besitzen einen fast messer-
1) 1856. P iette, Bull, de la soc. geol. de France. Bd. 13,
T. 10, F. 1, S. 206.
127
scharfen Stirnrand, dessen Schärfe mit zunehmendem Alter
allmählich verschwindet. Dem Innenskelett nach ist unsere
Art eine echte Waldheimia, doch kommen die Skelett¬
schenkel dem Stirnrande nicht ganz so nahe wie bei W.
numismalis .
Herr Senator Dr. Römer in Hildesheim war so
gütig, mir mehrere Originalstücke zu den von seinem Herrn
Bruder beschriebenen1) Jurabrachiopoden zu übersenden,
und konnte ich mich daher selbst davon überzeugen, dass
Terebratula hastata (Sow\) Römer und T. triquetra (Sow.)
Römer identisch sind. Die von der Hand F. A. R ö m ers
als T. hastata Sow. (von Ellingen) bezeichnete Waldheimia
zeigt an der Stirn zwei eigenthümliche Vertiefungen, welche
jedoch offenbar durch Verdrückung hervorgerufen sind und
deshalb selbstverständlich bei dem zweiten von Römer
als T. triquetra Sow. (von Calefeld) bestimmten Stücke
fehlen. Beide stimmen mit den Rottorfer Exemplaren gut
überein, wenn wir von der erwähnten Verdrückung ab¬
seh en. Da Sowerbv den Namen T. hastata für eine
Terebratel des Kohlenkalks, T. triquetra für eine Form
des Cornbrash gebraucht hat, so ist für unsere Art von
U. Schlönbach der Name Waldheimia Iioemeri vorge¬
schlagen, da der ältere Name „T. numismalis biplicata Qu.“
zu umständlich ist, Q. uenstedt überhaupt mit solchen
Doppelnamen Varietäten bezeichnet.
53. Waldheimia cornuta Sow. sp.
Var. subcornuta Qu. sp. u. rar. Waterhousi Davidson sp.
1825. Sowerby, Min. conch. T. 446, F. 4, S. 66 (Tere¬
bratula).
Syn.? Terebratula lampas Sow., 1812, Min. conch. T. 101, F. 3.
T. vicinalis (Schloth.) v. Buch, 1833, Ueber Terebrateln,
Abhandl. d. K. Akad. d. W. in Berlin, S. 105 z. Th.
T. digona Römer, 1836, Ool. Geb. S. 49.
T. Waterhousi Davidson. 1851, Monogr. Brit. foss. brach.
III. T. 5, F. 12, S. 31.
T. subcornuta Quenstedt, 1868, Brach iopoden T. 45, F. 127 —
135, S. 310.
i ) Ool. Geb. S. '61 ff.
128
Waldheimia indentata Deslongchamps z. Th., Pal. fr., Brach,
jur. T. 32, F. 11 u. 13, S. 133.
Häufig.
Die Schale zeigt eine feine Punktirung, welche jedoch
nur dann sichtbar wird, wenn es gelingt, die harte Eisen¬
steinkruste mit der Nadel abzusprengen, ohne dass zugleich
die oberste Schicht der Schale mit fortgerissen wird, was
bei den Rottorfer Versteinerungen nur selten möglich ist.
Die Schenkel des Innenskeletts reichen bei allen von mir
hierauf untersuchten Exemplaren fast bis zur Stirn hinab.
Die deutsche cornuta ist in der Regel kleiner als die
englische und hat eine weniger stark ausgebuchtete Stirn;
sie ist deshalb von der englischen durch Quenstedt1)
unter dem Namen subcornuta abgetrennt. Auch in England
sind kleinere Exemplare und solche mit schwächerer Stirn¬
bucht nicht selten 2) und linden sich dort zwischen beiden
Formen Uebergänge.
W. Waterhousi Davidson soll sich von cornuta Sow.
dadurch unterscheiden, dass die Mitte ihrer Stirnlinie von
der undurchbohrten zur durchbohrten Schale aufgebogen
ist, eine Eigenthümlichkeit, welche sich bei etwa zwanzig
der mir vorliegenden sechszig Rottorfer Exemplare findet,
die also demnach zu dieser von Davidson aufgestellten
Species gerechnet werden müssten. Letztere Art ist jedoch
nach meinen Untersuchungen nur als Varietät von W. cor¬
nuta anzusehen, da zwischen der geraden und der stark
nach der durchbohrten Schale zu aufgebogenen Stirnlinie
alle nur denkbaren Uebergänge vorhanden sind, und es
daher ganz dem subjektiven Ermessen jedes Fachmannes
überlassen bleibt, wo er die Grenze zwischen cornuta und
Waterhousi ziehen will.
Grösstes Exemplar:
Länge 21 mm
Breite 19 „
_ _ Dicke 12,5 „
1) Brachiopoden Seite 312.
2) Vergl. z. B. Davidson, Monogr. Brit. foss. brach. III.
T. III, F. 15 u. IG.
129
54. Waldheimia resupinata Sow. sp.
1818. Sowerby, Min. conck. T. 150, F. 3 u. 4.
/
Unter den Fundorten für diese Art führt Brauns1)
auch den Rottorfer Eisenstein an ; ich selbst habe sie unter
den von mir dort gesammelten 2000 Brackiopoden nicht
gesehen.
55. Terebratula punctata Sow.
1813. Sowerby, Min. conck. T. 15, F. 4, S. 46.
Syn. T. subovoides Römer, 1836, Ool. Geb. T. 2, F. 9. S. 50.
T. sublagenalis Römer, 1836, Ool. Geb. S. 49 (nicht Davidson),
T. numismalis ovalis u. ovulum Quenstedt, 1858, Jura, T. 18,
F. 1 u. 2, S. 143; 1868, Brach. T. 46, F. 33 ff., S. 325.
T. num. lagenalis Quenstedt, 1858, Jura, T. 18, F. 3.
T. sinemuriensis Oppel, 1861, Brach, d. Lias, Zsehr. d. d.
geol. G. ßd. 13, S. 529.
T. Edwardsi Davidson, Monogr. Brit. foss. brach. T. 6,
F. 11, 14 u. 15, S. 30.
T. subpunctata Davidson, Ebendort III. T. 6, F. 7—10,
S. 46.
Sehr h ä u f i g.
Diese Art und ihre Synonymik hat mich bereits wäh¬
rend meiner Studienzeit in Tübingen besonders interessirt,
in Folge dessen habe ich in den schwäbischen Liasablage¬
rungen sehr viele Terebrateln gesammelt und untersucht,
wobei mir zunächst auffiel, dass die meisten der von Quen¬
stedt als Varietäten der Waldheimia numismalis angesehe¬
nen Formen ( Terebratula numismalis ovulum n. ovalis , n.
lagenalis) kein Innenskelett mit tief herabgehenden Schen¬
keln zeigten, also jedenfalls nicht zu der Gattung Wald¬
heimia gehörten, sondern durch zahlreiche Uebergangs-
formen sich eng an die typische Terebratula punctata Sow.
anschliessen. Später habe ich in Norddeutschland grosse
Mengen von Liasterebrateln gesammelt und bin hierdurch
sowie durch die Besichtigung der Röme Eschen Original¬
stücke zu der Ansicht gelangt, dass die meisten der hier
1) Brauns, D. u. Jura. S. 427.
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX. 9
130
t
unterschiedenen mittelliasischen Arten mit T. punctata Sow.
identisch sind, habe mich also im Wesentlichen der von
B r a u n s und später auch von Da v i d s o n vertretenen
Meinung angeschlossen.
T. subpunctata Davidson ist zuerst von Brauns1)
und später vom Autor2) selbst mit punctata Sow. vereinigt.
B r a u n s rechnet in seiner Schrift über den unteren Jura3)
T. sublagenalis Rom. zu T. subovöides Rom., äusserst jedoch
hier die Ansicht, dieselben seien von punctata Sow. ver¬
schieden, während er sich später4) für die Identität der
drei genannten Arten entscheidet.
Aus dem Rottorfer Eisenstein habe ich annähernd
tausend Terebrateln herauspräparirt und nach Abscheidung
der Waldheimien auch hier noch einmal versucht, die Arten
punctata Sow., subpunctata Davidson, subovöides Rom., sub¬
lagenalis Röm. u. s. w. zu unterscheiden und könnte man
vielleicht einzelne bestimmte aus der Menge herausgegriffene
Individuen zu der einen oder zu der anderen von diesen
Arten stellen; betrachtet man jedoch die gesammte Masse,
so wird man bald einsehen, dass es ganz unmöglich ist,
irgend eine Grenze zwischen diesen früher unterschiedenen
Arten zu ziehen. Jedes Exemplar sieht eben anders aus,
und müsste man deshalb fast so viele Species unterschei¬
den, wie man gerade Individuen vor sich hat.
Das mir vorliegende umfangreiche Material könnte
man in zwei Haupttypen theilen, nämlich in eine breite
flache und schmale dicke Form. Als Extrem des ersten
Typus kann das unter Ziffer I unten bei Besprechung der
Grössenverhältnisse angeführte Stück gelten, während der
#
zweite Typus am besten durch VI und VII repräsentirt
wird; zwischen diesen Haupttypen kommen alle nur denk¬
baren Uebergangsformen vor. Zu dem ersten Typus würde
z. B. das von Quenstedt Jura T. 18, F. 5 abgebildete
1) D. u. Jura. S. 427.
2) Brach. Naohtr. S. 130.
3) A. a. 0. S. 428.
4) D. obere Jura S. 393 und nach den Angaben Davidsons
(Nachtr. S. 129) in einem Briefe.
131
Exemplar gehören, ferner Davidson Monogr. Brit. foss.
brach. Naclitr. T. 16, F. 3 — 8 und T. subovöides Römer; zu
der zweiten Formenreihe wären z. B. zu rechnen: T. pun¬
ctata var. Radstockiensis Davidson a. a. 0. F. 14 — 18, nu-
mismalis lagenalis Qu. und sublagenalis Römer.
Acht Exemplare meiner Rottorfer punctata, welche mir
besonders beachtenswert erschienen, habe ich gemessen
und dieselben so in eine Reihe geordnet, dass die Breite
im Verhältnis zur Länge abnimmt; unter Ziffer lila sind
die Grössenverhältnisse eines der R ö m e r’schen Original¬
stücke zu dessen Species T. sublagenalis (von Calefeld) ge¬
geben, da es mit dem Rottorfer Exemplar Nro. III hin¬
sichtlich der Grössenverhältnisse genau übereinstimmt.
Die Grössen der acht ausgewählten Exemplare sind
folgende :
Nro.
I.
Nro.
II.
Nro.
III.
Länge
31,5
mm
100
31
mm
100
28 mm
100
Breite
28
V
89
23
ii
74
20 „
71
Dicke
16
n
51
15
ii
48
15,5 „
55
Nro. III a.
Nro.
IV.
Nro.
V.
Länge
29
mm
100
42
mm
100
37 mm
100
Breite
21,5
V
71
30
ii
71
26 „
70
Dicke
16
11
55
20
’i
47
21.5.,
58
Nro.
VI.
Nro.
VII.
Nro. 1
VIII.
Länge
28 '
mm
100
25
mm
100
18 mm
100
Breite
19
ii
68
15,
62
15,5 ,.
86
Dicke
61
71
15
ii
60
15 „
83
Nro. IV ist das grösste Exemplar, welches mir von
Rottorf bekannt geworden ist. Nro. VII ist zwar mit Nro.
VI durch Uebergangsformen verbunden, ist jedoch durch
besonders gerade Stirn ausgezeichnet, weshalb ich dasselbe
als Varietät Rottorf ensis von den übrigen Formen abge¬
trennt habe. Nro. VIII ist das Extrem einer sich an Nro.
VI anschliessenden Nebenreihe, welche durch Verkürzung
der Länge ausgezeichnet ist; diese Formen entsprechen
der T. numismalis ovulum Qu. — Die Punktirung der
Schale ist bei den Rottorfer Exemplaren selbstverständlich
132
nur da sichtbar, wo die Eisensteiokruste abgesprungen ist,
ohne die oberste Schicht der Schale mit fortzureisen.
56. Spirifer rostratus Schloth. sp.
1820. v. Schlotheim, Petref., S. 257 z. Th. (Terebra-
tulites).
Se hr hä u f i g.
Kommt nächst Rhynchonella riniosa und Terebratula
punctata am häufigsten von allen Brachiopoden bei Rottorf
vor. Diese Art ist besonders interessant durch die ausge¬
dehnte vielseitige Varietätenbildung. Durch Herausgreifen
einzelner Stücke könnte man aus ihr leicht eine Menge
Species machen; wenn man jedoch Hunderte von Indivi¬
duen sammelt, so findet man bald nach allen Seiten Ueber-
gangsformen und ist deshalb genöthigt, von solcher Speeies-
maeherei abzusehen. Trotz dieser Neigung zum Variiren
ist unsere Art leicht von den folgenden beiden Spiriferen
zu unterscheiden und zwar durch folgende Merkmale. Die
durchschnittliche Grösse ist bedeutender; wenn ein Sinus
vorhanden ist, so reicht derselbe nie bis in den Schnabel,
Wulst und Falten sind — wenn überhaupt vorhanden —
stets schwach und zeichnen sich durch grosse Unregel¬
mässigkeit aus.
Im Gegensatz zu der Terebratula punctata kann man
hier von einer typischen Form reden, welcher etwa 80%
aller Individuen angehören. Bei derselben sind Sinus und
Wulst nur schwach entwickelt; der Schnabel ist in der
Regel mässig übergebogen, so dass Area und Deltaioch
zum grössten Theile frei bleiben. Die Schale zeigt nicht
selten — besonders bei den grösseren Exemplaren — feine
streifenartige Faltung, welche gewöhnlich erst nach dem
Stirnrande zu auftritt oder hier wenigstens an' Stärke zu¬
nimmt. Der Stirnrand ist entsprechend dem schwachen
Sinus und Wulst nur wenig von der durchbohrten zur un-
durchbohrten Schale aufgebogen. Die grösste Breite befin¬
det sich etwa in der Mitte, die grösste Dicke in der Nähe
der Wirbel.
X
133
Grössenverhältnisse.
I.
II.
III.
Länge
32 mm
100
25 mm
100
23 mm
100
Breite
31 „
99,1
25 „
100
21 „
91,3
Dicke
22 „
68,75
17, 5„
70
15,5 „
68,4
IV.
V.
Länge
19,5 mm
100
13 mm
100
Breite
18,5 „
94,9
13,5 „
103,8
Dicke
14,5 „
74,4
7 „
53,8.
Wir sehen also, dass bei der typischen Form Länge
und Breite annähernd gleich sind und bei Nro. V, einem
ganz jungen Individuum, letztere die erstere übertrifft.
Varietäten.
a) Die Anwachsringe sind wie bei der typischen
Form e inige r maass en gleichmässig über die
Schale vertheilt.
1. Spirifer rostratus gibbosus.
Der Schnabel ist bis auf die undurchbohrte Schale
hiuabgebogen; auf einige sehr breite Anwachsringe folgt
immer eine Zone sehr schmaler Anwachsstreifen, wodurch
die Schalen eine bucklige Gestalt annehmen. Sinus und
Wulst sind kaum angedeutet. Länge im Verhältniss zur
Breite grösser als bei der typischen Form.
Grössenverhältnisse.
* Länge 25 mm 100
Breite 21 „ 84
■* Dicke 18,5 „ 74.
2. Sp. rostratus cuneiformis.
Der Schnabel ist wenig übergebogen und steht weit von
der undurchbohrten Schale ab, weshalb die Area auffallend
gross ist und das Deltaloch in seiner ganzen Ausdehnung
sichtbar bleibt. Sinus und Wulst sind ebenso schwach ent¬
wickelt wie bei der vorigen Varietät. Am Schloss sind
beide Schalen stark gewölbt, flachen sich jedoch sehr schnell
134
ab, so dass das Ganze den Eindruck eines stumpfen Keils
macht.
Grössenverhältnisse.
Länge 31 mm 100
Breite 27 „ 84,1
Dicke 22,5 „ 72,6.
3. Sp. rostratus minimus.
Ist vor allen anderen Varietäten durch geringe Grösse
ausgezeichnet. Von den jungen Individuen der anderen
Formen unterscheidet er sich durch die grosse Zahl von
Anwachsringen, durch grössere Dicke, stärkere Schale und
schärfer ausgeprägte Form.
Der Schnabel steht ziemlich weit von der undurch-
bohrten Schale ab und ist mässig übergebogen; Area und
Deltaloch bleiben in Folge dessen frei und sind im Ver-
hältniss zur Grösse der ganzen Schale stark entwickelt.
Der Sinus bildet ein flaches, von hervorragenden Kanten
begrenztes Feld, welches von der Stirn aus ziemlich weit
hinaufragt, jedoch nicht bis in den Schnabel geht. Unter
den Warzen der Schale zeichnen sich einzelne durch be¬
deutendere Grösse aus, ein Verhältniss, welches ich übri¬
gens auch bei der typischen Form, wenn auch weniger
ausgeprägt, bisweilen beobachtet habe. Allerdings ist bei
den meisten der mir vorliegenden Rottorfer Spiriferen die
Punktirung durch das Abkratzen der Eisensteinkruste zer¬
stört.
Grössen Verhältnisse.
I.
II.
III.
Länge
17 mm
100 14
,5 mm
100
13,5’
mm
100
Breite
15 „
88,2 14
5 1
96,6
12
88,9
Dicke
12 „
70,6 9
? 1
61,4
10
•>1
74,1
IV.
Länge
12 mm
100
Breite
11,5 „
95,8
Dicke
9 „
75.
Die Spiriferen, welche Quenstedt als verrucosus
laevis bezeichnet, gehören theilweise zu unserer Varietät
135
des Sp. rostratus; besonders genau gleicht dem Sp. r. mi-
nimus von R o 1 1 o r f das Jura T. 18, F. 9 abgebildete
Exemplar. Es ist nicht zu verkennen, dass dieser von mir
als Varietät des rostratus angesehene kleine Spirifer manche
Beziehungen zum Walcotti Sow. resp. verrucosus Buch zeigt,
doch schliesst er sich so eng an den rostratus an, dass es
ganz unmöglich ist, ihn von diesem zu trennen, während
er sich von verrucosus Buch durch das Fehlen der regel¬
mässigen Faltung und des tiefen, bis in den Schnabel gehen¬
den Sinus unterscheidet.
4. Sp. rostratus canalicidatus Qu.
Diese Varietät ist bereits von Qu enstedt beschrie¬
ben und abgebildet; sie ist, wie der Name andeutet, durch
einen tiefen Sinus ausgezeichnet, welcher sich jedoch von
der Stirn aus nur bis zur Mitte der durchbohrten Schale
erstreckt und hier plötzlich auf hört. Dem tiefen Sinus
entsprechend, ragt der Wulst stärker hervor, als bei allen
anderen Varietäten des Sp. rostratus. Der Schnabel ist
in der Regel mässig tibergebogen und sind deshalb Area
und Deltaloch in ihrer ganzen Ausdehnung sichtbar. Die
Schale ist stärker gefaltet als bei den übrigen Formen
des rostratus; die Falten sind jedoch im Gegensatz zu den
beiden folgenden Species ( Walcotti und Münsteri) sehr un¬
regelmässig und verlieren sich nach dem Schnabel zu; sie
treten besonders deutlich auf den Steinkernen hervor.
Grösse
nver
h ä 1 1 n i s s e.
I.
II.
Länge
27 mm
100
24 mm
100
Breite
29,5 „
109,3
24 „
100
Dicke
19 „
70,7
18,5 „
75,4.
Nro. I, ein Steinkern, ist etwas verdrückt und des¬
halb verflacht; Nro. II hat noch die Schale vollständig,
dieselbe hat eine auffallend blaue Farbe, welche Erschei¬
nung ich bei den übrigen Rottorfer Spiriferen nicht in dem
Maasse beobachtet habe.
136
b) Die ersten Anwachsringe sind sehr gross, die
späterense hr schmal, daher Anbau fungderselben
an der Stirn.
5. Sp. rostratus globosus.
Schnabel vollständig bis auf die undurch bohrte Schale
herabgebogen, deshalb Deltaloch vollständig verdeckt und
Area sehr klein. Gestalt kugelig: Sinus und Wulst, schwä¬
cher als bei der vorigen Varietät, stärker jedoch als bei
der typischen Form. Falten nach der Stirn zu deutlich
und verhältnissmässig regelmässig.
Grössen verhält ni sse.
Länge 26 mm 100
Breite 24 „ 92,3
Dicke 19 „ 73,1
Hier ist also die Dicke gross im Verhältniss zur Breite.
6. Sp. rostratus latus.
Nächst minimus die ausgezeichnetste Varietät. Der
Schnabel steht weit von der undurchbohrten Schale ab und
ist nur wenig übergebogen. Deltaloch gross, Area klein, Sinus
deutlich eutwickelt, Wulst fehlt. Faltung fein, bei den
jungen Individuen nur angedeutet. Die ersten beiden An¬
wachsringe bilden fast die ganze Schale, die späteren sind
dagegen äusserst schmal ; ein 22 mm langes jugendliches
Exemplar besitzt deren nur zwei, während ein Exemplar
der typischen Form von etwa gleicher Länge schon acht
Anwachsringe zeigt.
Grössenverhältnisse.
I.
Länge 32,5 mm
Breite 34 „
Dicke 22 ,.
II.
22 mm 100
25 „ 113,6
15 „ 68,2
Hier überwiegt also die Breite die Länge bedeu¬
tend. Nro. II. ist ein jugendliches Exemplar, Nro. I der
grösste Spirifer, welchen ich überhaupt bei Rottorf gefun¬
den habe.
137
7. Sp. rostratus foliatus Qu. 1).
Anwachsringe und Schnabel wie bei der vorigen
Varietät. Sinus und Wulst schwach entwickelt, Streifung
fehlt. Bedeutend kleiner als Sp. r. latus.
Grössen Verhältnisse.
Länge 20,5 mm 100
Breite 20 ,, 97,6
Dicke 13,5 ,, 65,9.
57. Spirifer Walcotti Sow.
var. verrucosus v. Buch sp.
1823. Sowerby, Min. conch. T. 377, F. 2.
1836. v. Buch, Ueber Delthyris od. Spirifer u. Orthis,
Abhandl. d. k. Akad. d. W. in Berlin, S. 52 u. Petrif.
remarqu. T. 7, F. 2.
Von dem Sp. Walcotti kommt bei Rottorf nur die
kleine, von v. B u c h als Delthyris verrucosa bezeichnete Va¬
rietät vor.
Schlönbach2) und B rauns 3) stellen den Sp.
verrucosus Buch zum rostratus, ebenso anfänglich David¬
son4), welcher ihn jedoch später5) als selbständige Spe-
cies ansieht. Bei Rottorf kommen nicht selten abgeriebene
Exemplare des verrucosus vor, welche v. Buch6) unter
dem Namen tumidus glohularis beschrieben zu haben scheint.
Er sagt nämlich von dieser Art:
„Von Rottorf am Kley bei Helmstädt. Die Breite
bleibt unter der Länge zurück. Die wenig erhöhten Falten
werden häufig abgerieben und die Muschel für Sp. rostra¬
tus gehalten. Der Sinus ist stark gestreift, aber nicht ge¬
faltet. “ — ,,E i n breiter und glatter Sinus senkt
1) Brach. T. 54, F. 100.
2) A. a. O. S. 447.
3) D. u. Jura. S. 432.
4) Monogr. Brit. foss. brach. III. T. 3, F. 1.
5) Nachtr. T. 11, F. 9 u. 10, S. 97.
6) Ueber Delthyris u. s. w., Abhandl. d. k. Akad. d. W. in
Berlin 1836, S. 54.
138
sich vom Schnabel aus, die Ränder der vorgescho¬
benen Zunge vereinigen sich unter einem spitzen Winkel/4
Von dem Sp. rostratus unterscheidet sich Sp. Wal-
cotti resp. verrucosus besonders durch geringere Grösse und
einen tiefen Sinus, welcher scharf begrenzt ist und bis in
den Schnabel fortsetzt ; diesem Sinus entspricht ein breiter,
deutlich hervortretender Wulst, der ebenfalls von der Stirn
bis zum Schloss zu verfolgen ist. Der Schnabel ist immer
stark übergebogen, so dass das Deltaloch theilweise ver¬
deckt ist ; selten jedoch berührt derselbe die undurchbohrte
Schale. x4uf den Seiten des Wulstes befinden sich immer
breite Falten, welche sich über die ganze Schale erstrecken
und viel regelmässiger verlaufen als die Falten des rostratus.
Grössenverhältnisse.
I.
Länge 18 mm 109
Breite 19,5 „ 108
Dicke 13 „ 72,2
II. (Ein sehr jung. Ex.)
12 mm 100
12,5 „ 104,2
7 „ 58,3.
Wir sehen also, dass die Breite hier die Länge etwas
übertrifft. Deshalb passt die Beschreibung, welche von
Buch von seinem Rottorfer tumidus globularis giebt,
nicht vollständig auf unsere Art und ist es deshalb wahr¬
scheinlich, dass er zu ihr die gefalteten Varietäten des
Sp. rostratus gerechnet hat.
58. Spirifer Münsteri Davidson.
1851. Davidson, Monogr. Brit. foss. brach. III. T. 3,
F. 4—6, S. 26.
Syn. Sp. octoplicatus Zieten (Verst. Württemb. T. 38, F. 6,
S. 51), nicht Sowerby.
Ziemlich häufig.
Der von Zieten unter dem Namen octoplicatus ab¬
gebildete Spirifer ist ohne Zweifel mit Münsteri , nicht je¬
doch mit octoplicatus Sow. x) identisch, welcher aus dem eng¬
lischen Bergkalke stammt; ich habe deshalb den jüngeren
Namen beibehalten.
1) Vergl. Quenstedt, Brach. S. 487.
139
Von Sp. Walcotti , mit dem unsere Art häufig ver-
wechselt ist, unterscheidet sie sich durch folgende Merk¬
male. Area und Deltaloch sind sehr gross, der Schnabel
steht weit von der undurchbohrten Schale ab und ist nur
selten etwas tibergebogen. Der Sinus ragt über den Stirn¬
rand stark zungenförmig hervor, der Wulst ist höher und
schärfer als bei Walcotti, dasselbe gilt von den Falten.
Die Breite der Schalen ist in der Regel bedeutend grösser
als die Länge, besonders bei der undurchbohrten Schale.
Grössenverhältnisse.
Länge 17 mm 100
Breite 19,5 „ 114,7
Dicke 10,5 „ 62,8.
Dieses Individuum ist von mittlerer Grösse; mein
grösstes Rottorfer Exemplar ist 22,5 mm lang, 29,5 mm
breit und 15 mm dick (100 : 131,1 : 66,7).
59. Rhynchonella variabilis Schloth. sp.
1813. v. Schlotheim, Beitr. z. Naturgeseh. d. Verst. ;
Leonhard, Mineral. Taschenbuch Bd. 7, T. 1,
F. 4 (Terebratula).
Syn. Rh. triplicata vieler Autoren, nicht Phillips.
Syn. Rh. cf. furcillata Emerson, 1870, Lias v. Markolden¬
dorf T. 2. F. 2, S. 48.
H ä u f i g.
Wollte man nur das Rottorfer Vorkommen dieser Art ins
Auge fassen, so wäre der Name „variabilis“ gänzlich unge¬
rechtfertigt; denn keine der übrigen dort vorkommendenBra-
ckiopodenarten ist hinsichtlich ihrer Form und Skulptur so
constant wie diese Species. Die Umrisse der Schalen
stellen ein fast gleichseitiges Dreieck dar, dessen Basis
durch die gerade abgeschnittene Stirn gebildet wird; letz¬
tere ist bei älteren Individuen so auffallend hoch, dass
Schlönbach hierdurch verleitet ist, derartige Exemplare
der variabilis als neue Art anzusehen, welcher er den Na¬
men Rh. crassifrons gegeben hat x). Der Wulst ist flach,
1) In der Gr iep enk erl ’ sehen Sammlung befindet sich eine
von Schlönbach’s Hand geschriebene Etikette, auf welcher
diese Ansicht geäussert ist.
140
der Sinus wenig eingesenkt; beide tragen scharf hervor¬
tretende Rippen, welche bis in die Wirbel verlaufen und
schon auf ganz jungen Exemplaren deutlich sichtbar sind.
Die Zahl der Rippen schwankt zwischen zwei und vier
auf dem Wirbel und dementsprechend zwischen eins und
drei auf dem Sinus.
Unter den mir vorliegenden 45 Rottorfer Exemplaren
haben:
4. ... 2 j
33 .... 3 > Rippen auf dem Wulst.
6. ... 4 \
Die Zahl drei ist also vorherrschend und ist deshalb
der jüngere Name triplicata sehr bezeichnend. Auch hin¬
sichtlich der Grösse ist unsere Art nur geringen Schwan¬
kungen unterworfen ; denn die kleinen Individuen tragen
alle den Charakter der Jugend an sich.
Grösstes Exemplar:
Länge 14,5 mm 100
Breite 14,5 ,, 100
Dicke 10,5 ,, 71.
60. Rhynchonella subserrata Römer sp.
1835. Römer, Ool. Geb. T. 2, F. 21, S. 42 (Terebratula).
Syn. Terebratula calcicosta Qu.
T. pulla Römer.
Ziemlich selten.
61. Rhynchonella tetraedra Sow. sp.
1815. Sowerby, Min. coneh. T. 83, F. 4, S. 191 (Tere¬
bratula).
Syn. Terebratula curviceps Quenstedt.
Häufig.
Brauns1) hält Rh. calcicosta für die Jugendform
von tetraedra und sagt : „Die grössere Schärfe der Rippen
am Wirbel bei jungen Exemplaren ist sehr wohl zu
1) D. u. Jura. S. 440.
erklären, indem die Schalen sich im Laufe der Zeit durch
Reibung abnutzten.“ Wäre dieses der Fall, so müssten
alle oder doch mindestens die meisten Brachiopodenarten
in der Gegend des Schlosses glatt sein, was jedoch durch¬
aus nicht Thatsache ist. Die wahre Jugendform unserer
Art scheint Brauns nicht bekannt gewesen zu sein ; bei
ihr verlaufen die Rippen ebenso wie bei den älteren Indi¬
viduen nur bis etwa zur Mitte der Schalen, von den er-
iwachsenen Exemplaren unterscheidet sie sich lediglich da¬
durch, dass Wulst und Sinus schwach entwickelt sind und
in Folge dessen die undurchbohrte Schale an der Stirn nur
wenig oder überhaupt nicht übergebogen ist. Mir liegt ein
ganz junges und ein etwas älteres Individuum vor; bei
letzterem ist die Ueberbiegung des Wulstes an der Stirn
schon deutlich sichtbar, während bei ersterem Sinus und
Wulst nur angedeutet sind. Die von Quenstedt, Jura
T. 22, F. 3, abgebildete Brachiopodenform, welche er als
junge Rh. quinqueplicata anzusehen geneigt ist, ist nach
meiner Ansicht ebenfalls eine junge tetraedra.
Die Zahl der Rippen auf dem Wulst schwankt bei
meinen Rottorfer Stücken zwischen zwei und fünf und zwar
haben :
Die Zahl vier herrscht also vor.
29 „ . . . 4 /
11 „ . . . 3 ?
1 „ ...2 )
6 Exempl. ... 5 \
. . 2
> Wulstrippen.
Grössenverhältnisse.
Grösstes Exemplar.
Kleinstes erwachs. Ex.
(Aus den oberen Schichten.)
Länge 27 mm 100
Breite 26 ,, 96,3
Dicke 25 „ 92,6
14 mm 100
12,5 „ 89,3
13 „ 92,9.
Jüngeres Ex. Sehr junges Ex.
Länge 17 mm 100 14 mm 100
Breite 19 „ 111,8 14,5 „ 103,6
Dicke 11 „ 64,7 6 „ 42,9.
62. Rhynchonella rimosa v. Buch sp.
1831. v. Buch, Petrif. remarqu. T. 7, F. 5 (Terebratula).
Sehr häufig.
Unter allen Rottorfer Brachiopoden ist diese Art die
häufigste und hinsichtlich ihrer Form die constanteste ; sie
neigt wenig zur Bildung von Varietäten. Selten findet
sich neben der normalen Form eine längliche Abart, welche
der Q u e n s t e d t ’ sehen rimosa oblongct (z. Th.)1) ent¬
spricht; unter mehreren hundert Exemplaren gehören dieser
Varietät nur fünf an. Quenstedt unterscheidet aus
dem schwäbischen Jura noch eine rimosa curviceps und
r. multiplicata , welche beiden Varietäten jedoch nach meiner
Ansicht ohne jede Bedeutung sind. Die erstere soll sich
von der typischen Form dadurch unterscheiden, dass bei
ihr der Wnlst ebenso wie bei Rh. curviceps stark überge¬
bogen ist, eine Eigenschaft, welche nach meinen Beobach¬
tungen Rh. rimosa mit zunehmendem Alter stets erwirbt.
Die Eigenthümlichkeit der r. multiplicata 2) soll dagegen
darin bestehen, dass ihre Rippen nach dem Wirbel zu
drei- bis viermal gespalten und die Schalen flacher sind.
Später 3) sagt Quenstedt jedoch : „T. rimosa multiplicata
ist gegen den Wirbel zwei- bis dreimal gespalten, sie
bleibt meist etwas kleiner4) als die Normalform“, nachdem
er kurz zuvor von der letzteren gesagt hat: „Den Stirnrand
bilden dicke Falten, welche nach der Wirbelgegend hin
zwei- oder dreifach sich spalten.“ Es ist also nicht
einzusehen, wie sich die r. multiplicata von der Normal¬
form unterscheiden soll. Nachdem Quenstedt in dem
angeführten Falle der Sculptur der Schalen grosse Bedeu¬
tung beilegt, stellt er auf der anderen Seite eine ganz
glatte, nur am Rande gefaltete Brachiopodenform zu Rh.
rimosa , welche wahrscheinlich mit meiner Rh. Kloosi iden¬
tisch ist.
1) Jura, T. 17, F. 23.
2) Jura, S. 141.
3) Brach. T. 37, F. 114, S. 57.
4) Das abgebildete Exemplar ist nach meiner Ansicht ein ganz
normales, aber jugendliches.
In der Jugend besitzt Rh. rimosa nur feine Rippen,
welche sich mit fortschreitendem Wachsthum am Stirnrande
früher oder später zu groben Falten vereinigen; diese Ver¬
einigung erfolgt zuerst auf den Seiten und dann auf dem
Wulst. Bei den erwachsenen Individuen schwankt die
Zahl der Wulstfalten zwischen zwei und sechs. Unter 100
Exemplaren hat nur eins 2 Falten,
18 besitzen 3
53 „ 4
26 ,, 5
2 „ 6
Falten
Grössenverhältnisse.
Grösstes normales Ex.
Länge 16 mm 100
Breite 15,5 ,, 96,9
Dicke 12,5 „ 78,1
Auffallend kurzes Ex.
13,5 mm 100
14 „ 103,7
15 „ 111,1.
63. Rhynchonella Kloosi n. sp.
Stjn. Terebratula rimosa (Buch) Qu. z. Th.
1858. Quenstedt, Jura, T. 17, F. 24, S. 140.
1868. Ders., Brach. T. 37, F. 116 u. 217, S. 57.
Häufig.
Der Umriss ist unregelmässig länglich bis fast drei¬
eckig. Der grösste Theil der Schalen ist glatt, erst nach
dem Stirn rande zu stellen sich scharf hervorragende Falten
ein, deren Zahl zwischen zwei und fünf schwankt. Unter
den mir vorliegenden 48 Rottorf er Exemplaren besitzen
sechs fünf Falten auf dem Wulst, 22 haben vier, 19 zeigen
drei Wulstfalten und ein einziges Individuum hat deren so¬
gar nur zwei. Die Schalen sind am Schloss stark gewölbt
und werden nach der Stirn zu so schnell flach, dass Sinus
und Wulst durch ihre Flachheit auffallen. Der Schnabel
ist stark übergebogen und fein durchbohrt; das Deltidium
ist fast ganz verdeckt.
Trotz ihrer Häufigkeit ist diese Art bislang übersehen
und zwar wahrscheinlich deshalb, weil man sie wie Quen¬
stedt mit Rh. rimosa verwechselt hat, deren Jugendform
144
ihr in der That bisweilen etwas ähnelt. Unsere Art unter¬
scheidet sich von rimosci in erster Linie durch das Fehlen
der feinen Rippung, ferner durch kleinere Gestalt, durch
geringere Dicke im Verhältniss zur Breite und Länge und
endlich durch den flachen Stirntheil, welcher selbst bei
ganz jungen Individuen der Rh. rimosa stärker gewölbt ist
als bei den ältesten Exemplaren der Rh. Kloosi.
Grössenverhältnisse.
1.
II.
III.
Länge
13,5 mm
100
13 mm
100
11,5 mm
100
Breite
13 „
96,3
12,5 „
96,2
10,5 ,,
91,3
Dicke
9 „
76,7
8,5 „
65,1
7,5
65,2
IV.
V.
Länge
9,5 mm
100
8 mm
100
Breite
9 „
94,7
7 „
87,5
Dicke
6 „
63,2
5 *
62,5.
64. Rhynchonella furcillata Theodori sp.
1833. v. Buch, Ueber Terebrateln, Abh. d. k. Akad. d.
W. in Berlin, S. 63 (Tere'bratula).
Häufig.
Dem Vorkommen in Schwaben entsprechend, finden
sich bei Rottorf zwei Varietäten, eine gestreifte und eine
glatte; die erstere ist bekanntlich von Quenstedt als
furcillata striata , die zweite als furcillata laevigata bezeich¬
net; zur ersteren gehören unter 50 Exemplaren 26, zur
zweiten 24, beide Varietäten sind also gleich häufig. Zwi¬
schen der f. laevigata und striata kommen alle möglichen
Uebergänge vor, und es ist in vielen Fällen schwer zu
entscheiden, welcher Varietät man ein Exemplar zurechnen
soll, da auf scheinbar ganz glatten Stücken mit Hülfe der
Lupe häufig eine Andeutung von Streifung zu sehen ist.
Die Zahl der Wulstfalten schwankt bei der Rottorfer striata
zwischen drei und vier (11 Exemplare haben vier, 15
nur drei Falten), die laevigata hat dagegen bisweilen nur
zwei Falten (3 ExempL haben vier, 17 drei und vier zwei
Falten). Eine fünffaltige furcillata habe ich im Gegensatz
145
zu Davidson und Quenstedt nicht beobachtet
Letzterer hebt hervor 1), bei laevigata seien die Randfalten
entschieden rundlicher als bei striata , während ich im
Gegentheil beobachtet habe, dass mehrere Exemplare der
laevigata die striata an Schärfe der Falten weit übertreffen.
Letztere Varietät wird in der Regel grösser als die erstere ;
meine grösste striata ist 17 mm lang, 20 mm breit und
12 mm dick, während die grösste laevigata nur 15 mm
lang, 18 mm breit und 11,5 mm dick ist.
65. Rhynchonella Dalmasi Dumortier.
f
1869. Dumortier, Et. pal. s. 1. dep. jur. du bassin du
Rhone. T. 42, F. 3—5, S. 331.
Syn.? Rh. cf. retusifrons (Opp.) U. Schlönbach, Eisenst. d.
m. Lias, Zschr. d. d. geol. G. Bd. 15, S. 553.
Sehr selten.
Die Form ist dreieckig und der Stirnrand gerade ab¬
geschnitten. Der Schnabel ist spitz, an den Seiten scharf
und wenig übergebogen; die Durchbohrung ist fein, die
Area vertieft. Der Sinus ist breit und ziemlich flach, der
Wulst tritt wenig hervor. Beide Schalen sind nur mässig
gewölbt, glatt und nur am Rande gefaltet; das abgebildete
Exemplar hat vier Falten auf dem Wulst, während ein
anderes grösseres, welches sich im Besitz des Herrn Dr.
Barth in Helmstedt befindet, fünf Falten zeigt.
Grössenverhältnisse:
I. II. (Eigen th. d. Dr. Barth).
Länge
9,5 mm
100
11,5 mm
100
Breite
10 „
95,7
ii „
105,2
Dicke
5,5 „
60,9
7 „
57,9,
66. Rhynchonella Buchi Römer sp.
1836. Römer, Ool. Geb. T. 2, F. 16, S. 45 (Terebratula).
Ziemlich häufig.
Die Rottorfer Exemplare stimmen im Allgemeinen
1) Brach. S. 62.
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX. 10
146
gut mit der R ö m e r’schen Abbildung überein. Die Scha¬
len sind glatt und tragen wenige nur an der Stirn hervor¬
tretende Falten, deren Zahl auf dem Wulst in der Regel
zwei beträgt, während sieh in dem Sinus nur eine Falte
befindet. Der Schnabel ist stark übergebogen, die Schale
deutlich concentrisch gestreift. Ich besitze ein jugendliches
und ein älteres Individuum, welche sich von den übrigen
mir vorliegenden Exemplaren der Rh. Buchi durch stär¬
kere Falten und eine kielartige, in den Schnabel aus¬
laufende Erhöhung auf der durchbohrten Schale auszeich¬
nen, welche bei den normalen Exemplaren nur angedeutet
ist. Trotz dieser Unterschiede glaube ich genannte Stücke
als Varietät bei der Rh. Buchi belassen zu müssen; man
könnte sie vielleicht als var. acutiplicata bezeichnen. Das
grösste der beiden Stücke ist 11 mm lang, 10 mm breit
und 6 mm dick (100:90,9:54,5).
(57. Aspidocaris? liasica U. Schlönb.
1867. U. Schlönb ach, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt
zu Wien. S. 593.
Sehr selte n.
68. Serpula quinquecristata Münster.
1862. Goldfuss, Petref. Germ. 2. Aufl. III. T. 67, F. 7,
S. 211.
Häufig.
Schlönbach’s Angabe 1), er habe in der Zone des
A. Iamesoni keine Serpula gefunden, veranlasst^ mich,
dieser Gattung bei meinen Ausgrabungen in Rottorf beson¬
dere Aufmerksamkeit zu schenken, und war ich nicht we¬
nig überrascht, als ich dort häufig die Molluskenschalen
ganz mit Serpuln bedeckt fand, welche nach meiner An¬
sicht sämmtlich zu Serpula quinquecristata Münster gehö¬
ren; zwar soll diese Art nach Goldfuss „antice disjuncta“
sein, während die Rottorfer Serpuln vollständig festge-
1) Eisenstein d. m. Lias, Zschr. d. d. geol. G. Bd. 15, S. 564.
147
*
wachsen sind, doch stimmen dieselben im Uebrigen voll¬
ständig mit der erwähnten Münster’ sehen Art überein.
Die Seitenlamellen gehen durch Abreibung leicht verlo¬
ren, und dann ist der Querschnitt mehr dreieckig; die
ganze Serpula wird in diesem Falle der S. Hierlatziensis
Stol.1 2) sehr ähnlich, welche nach Brauns2) ebenfalls
in dem norddeutschen mittleren Lias gefunden sein soll.
69. Pentacrinus basaltiformis Mill.
1821. Miller, Crinoiden, T. 2, F. 2-5, S. 62.
Ziemlich selten.
70. Pentacrinus subangularis Mill.
1821. Miller, Crinoiden. S. 59.
Selten.
71. Koralle gen. et sp. ind.
Im Besitz des Herrn Dr. Barth in Helmstedt be¬
findet sich ein nicht näher zu bestimmendes Korallenbruch¬
stück von Rottorf.
0
72. Spongie gen. et sp. ind.
In der in den Besitz der Herzoglichen technischen
Hochschule in Braunschweig übergegangenen Griepen-
k e r 1 ’ sehen Sammlung befindet sich ein eigenthümliches
Gebilde von Rottorf, welches von dem früheren Besitzer
als Spongie bezeichnet ist. Die Substanz dieses Stückes
ist hart, die Gestalt regelmässig bimförmig; durch die
Mitte desselben geht ein mit weicherer Masse angefüllter
Kanal. Von organischer Struktur ist nichts zu bemerken
lind dsshalb eine genauere Bestimmung unmöglich.
1) lieber die Gastropoden und Acephalen der Hierlatzsch.,
.Sitzungsb. d. k. Akad. d. W. in Wien. Bd. 43, T. 7, F. 6, S. 201.
2) D. u. Jura. S. 108.
Beiträge zur Kenntniss der Foraminiferen-Fanna
des Miocens.
Von
A. Hosius.
(Hierzu Taf. II, III.)
In einigen Abhandlungen und Vorträgen — abge¬
druckt in dieser Zeitschrift Jahrgang 1887 und 1889 —
habe ich die Verbreitung des Mitteloligocenes westlich von
den Kreidebildungen Westfalens und nördlich von der
Weserkette nachgewiesen.
Zur Bestimmung des Alters der hierhingehörigen
Schichten mussten neben der Gesteinsbeschaffenheit und den
Lagerungsverhältnissen vorzugsweise die im Allgemeinen
nicht seltenen Foraminiferen benutzt werden. Grössere Ver¬
steinerungen waren und sind auch noch jetzt sehr selten und
dabei meist nicht gut erhalten, so dass z. B. aus der Klasse
der Mollusken eigentlich nur die auf der Westseite der
Kreideformation namentlich bei Schermbeck ziemlich häu¬
tige Leäa Deshaysiana Duch. in einigen vollständigen
Exemplaren oder doch in sicher bestimmbaren Bruchstücken
vorgekommen ist. Die Untersuchung der mitteloligocenen
Foraminiferen gab mir nun Veranlassung, auch die Forami¬
niferen des Miocens, namentlich des Miocens von Dingden
einer erneuten Prüfung und einer Vergleichung mit denen
des Mitteloligocens und des Oberoligocens von Bünde, die
ich zumeist der freundlichen Unterstützung des Herrn Rektor
Lienenklaus zu Osnabrück verdanke, zu unterziehen.
149
Ich hatte die Foraminiferen von Dingden bereits in
den Jahren 1850 — 1860 gesammelt und meinen ganzen bis
dahin zusammengebrachten Vorrath, nebst einer Partie nicht
untersuchten Materials an Herrn Prof. Reuss in Wien ge¬
geben, welcher die Resultate seiner Untersuchung in der
Sitzung der K. Akademie der Wissenschaften zu Wien am
12. October 1860 vorlegte. Er beschrieb aus den miocenen
Schichten von Dingden 25 Arten. Später habe ich das
Sammeln der Foraminiferen des Miocens von Dingden wie¬
der aufgenommen und mit Unterbrechungen bis jetzt fort¬
gesetzt. Da in Folge dessen an sicher bestimmbaren ver¬
schiedenen Formen jetzt mindestens die doppelte Zahl vor¬
handen ist und unter denselben auch Arten aus solchen
Familien, die bis dahin aus dem Miocen von Dingden nicht
bekannt waren, so scheint es mir nicht passend, länger mit
der Veröffentlichung der gefundenen Resultate zu zögern.
Ich bemerke jedoch ausdrücklich, dass mit der hier aufge¬
führten Zahl der verschiedenen Formen die Foraminiferen-
Fauna des norddeutschen Miocens durchaus nicht abge¬
schlossen ist. Noch fast jede Untersuchung bis in die
neueste Zeit brachte mir neue Formen, wenn auch oft nur
in einem oder einigen Exemplaren oder Bruchstücken.
Dies wird auch in der Folge der Fall sein und kann eigent¬
lich nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, wie unbe¬
deutend die Masse des Materials ist, namentlich wenn man
die kleinsten Formen der Foraminiferen sucht, welches man
durcharbeitet. Wie aber schon jetzt, werden wahrschein¬
lich auch später die Funde an der Charakteristik der
Schichten, wie sie von Reuss aufgestellt ist, nicht viel
ändern. Fast alle von Reuss aufgezählten Arten fanden
sich; diejenigen, welche von ihm als häufig bezeichnet wer¬
den, sind auch jetzt häufig, während die von ihm als sel¬
ten aufgeführten Arten im Allgemeinen selten geblieben
sind; namentlich sind die neuen Formen durchschnittlich
selten, viele von ihnen nur in einem oder einigen wenigen
Exemplaren gefunden.
Alle Foraminiferen sind von Dingden und zwar von
dem Fundort, an welchem ich das Miocen zuerst in dor¬
tiger Gegend gefunden, von der Kuning-Mühle ; die übrigen
150
Fundpunkte des Miocens, zuerst diejenigen, welche bei
Dingden selbst, aber weiter östlich oder nördlich liegen,,
dann die übrigen auf der Westseite der Westfälischen
Kreideformation weiter nördlich liegenden Fundorte Barlo,
Meddho, Eibergen u. s. w. haben Foraminiferen geliefert,
aber verhältnissmässig weniger. Jede Art, die bei diesen
Fundorten angetroffen wurde, kommt auch bei Dingden
vor, aber nicht umgekehrt ; letzteres jedenfalls aber nur,
weil mir Material aus den Fundorten von Eibergen u. s. w.
nur in beschränktem Masse zu Gebote stand.
Aus den Miocenschichten von Alfhausen-Bersenbruck
auf der Nordseite der Weserkette habe ich keine Forami¬
niferen sammeln können. Der Abraum, welcher an den
Gruben lag, wenn ich diesen Fundort besuchte, enthielt
nur sehr wenig Foraminiferen und jetzt sind die Gruben,
wie mir mitgetheilt wurde, schon seit längerer Zeit ausser
Betrieb1).
Aus der Litteratur über Foraminiferen sind vorzugs¬
weise nur die Werke benutzt, die miocene resp. ober- und
mitteloligocene Schichten bestimmter Fundorte in Bezug
auf ihre Foraminiferen-Fauna behandeln, vor allen also:
d’Orbigny, Foraminiferes fossiles du bassin tertiaire
de Vienne
und die Nachträge dazu
Czizek, Beiträge zur Kenntniss der fossilen Forami¬
niferen des Wiener Beckens in „Haidingers Naturwissen¬
schaftlichen Abhandlungen“ Bd. II.
Reu ss, Neue Foraminiferen aus den Schichten des
Oesterreichisehen Tertiärbeckens in ,, Denkschriften der
K. Akademie der Wissenschaften in Wien“ Bd. I,
ferner
Neugeboren, Die Foraminiferen aus der Ordnung
der Stichostegier von Ober-Lapugy in Siebenbürgen in
„Denkschriften u. s. w.“ Bd. 12.
Dazu kommen die Abhandlungen von Reuss, Bor¬
ne mann u. a. über tertiäre Foraminiferen, soweit sie in
den Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie zu Wien
1) Erst kürzlich sollen dieselben wieder eröffnet sein.
151
und in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesell¬
schaft enthalten sind.
Da der Zweck dieser Untersuchung der Foraminiferen
von Dingden ein rein geognostischer war, nämlich zuerst
die in ihrer Gesteinsbeschaffenheit oft so sehr einander
ähnlichen miocenen und oligocenen Schichten des oben be-
zeichneten Landstrichs durch ihre organischen Reste zu
trennen, und dann diese miocenen Schichten mit gleichalte-
rigen von anderen Fundorten zu vergleichen, so ergab sich
diese Beschränkung von selbst.
Eine Zusammenstellung der bei den Vergleichen ge¬
fundenen Resultate wird sich am Schluss dieser Abhand¬
lung finden.
Unterordnung Rhizopoda perforata Carp.
Gruppe Lagenidae Carp.
Farn. Rhabdoina. M. Sch. mit den Gattungen Lagena
und Nodosarina , letztere mit den Untergattungen — soweit
sie bei Dingden bis jetzt gefunden sind — Nodosaria,
Glandülina, Dentalino, Vaginulina, Frondicularia , Margi-
nulina , Cristellaria.
1. Gattung Lagena.
1. Lagena sp.
Gehäuse fast regelmässig oval, im Querschnitt etwas
zusammengedrückt, glasig, glatt, glänzend. Poren sind
nicht zu entdecken. Das untere Ende ist zugerundet, ohne
Stachel. Das obere Ende etwas zugespitzt mit gestrahlter
Mündung. Der Durchmesser des Gehäuses von oben nach
unten 0,6 mm, von rechts nach links in der Mitte der
Schale 0,4 mm und senkrecht darauf 0,3 mm. Ein starker
weisser undurchsichtiger Rand zieht sich um das ganze
Gehäuse in der Richtung des grösseren Längsschnitts. Am
meisten ähnelt diese Form der Oolina compressa d’Orb.
(d’Orb. 1. c. Seite 24 Taf. 21 Fig. 1,2 — Lagena margi-
nata Walk, in Reuss, die Foraminiferen-Familie der La¬
gernden, Sitzungsberichte u. s. w. Bd. 46 S. 322 Taf. 2
Fig. 22, 23.) Doch ist die von Reuss abgebildete Art we¬
niger regelmässig oval, sondern im unteren Drittel am brei-
152
testen, und die Mündung, wie es scheint, ungestrahlt. Alle
anderen Arten, die verglichen werden konnten, haben eine
wulstige Mündung und auch eine andere Form des Gehäu¬
ses. Bis jetzt ist nur ein Exemplar von mir gefunden.
2. Lagena striata d’Orb. (Reuss, Sitzungsbe¬
richte Bd. 46 S. 327 Taf. 3, 4 Fig. 44—47).
Gehäuse fast regelmässig kugelig, oben in eine lange
Röhre ausgezogen. Das obere Ende dieser Röhre ist bei
unserem Exemplare abgebrochen, daher die Form der Mün¬
dung unbekannt. Der Durchmesser der Kugel beträgt
0,3 mm, die Länge des noch vorhandenen Stückes der
Röhre 0,2 mm. Die Oberfläche des Gehäuses ist mit feinen
i
zahlreichen Rippen geziert, welche von dem unteren Ende
bis zum Anfang der Röhre verlaufen und sich in der Mitte
durch Einsetzen vermehren. Der zwischen den Rippen
liegende Theil der Kugel ist glatt, nur die Röhre selbst
zum Theil mit Rauhigkeiten verziert.
Die feinen Rippen laufen nach unten nicht in Spitzen
aus, wodurch sich diese Form von Lag. Haidingeri Cziz.
(1. c. S. 138 Taf. 12 Fig. 1, 2, auch Reuss Sitzungsberichte
Bd. 46 S. 326 Taf. 3 Fig. 41) unterscheidet, mit welcher
sie im Uebrigen, was die Form der Schale und die Ver¬
zierungen betrifft, die grösste Aehnlichkeit hat.
Auch von dieser Lagena ist bis jetzt nur ein einziges
Exemplar gefunden.
2. Gattung Nodosarina.
Untergattung Glandulina.
Die Gattung Glandulina war in der Sendung, die
Reuss von mir erhielt, nicht vertreten, daher Reuss sie
eben so wenig wie die beiden vorigen Arten erwähnt. Im
Gegensatz zu diesen, die noch jetzt immer sehr selten sind,
ist diese Gattung später häufig von mir gefunden, so dass
im Ganzen bis zu 80 Exemplare vorliegen. Bei weitem
die grösste Mehrzahl derselben gehört zu
3. Glandulina laevig ata d’Orb. (d’Orb. 1. c. S. 29
Taf. 1 Fig. 4, 5) oder zu Gland. inflata Bornem. (Borne-
mann, Zeitschrift d. deutsch, geol. Gesellsch. Bd. 7 S. 320
Taf. 21 Fig. 6, 7).
Nach Bornemann ist inflata rund, kugelig* eiförmig
mit einem Winkel von 80°— 85° an der Spitze zugespitzt.
Die letzte Kammer ist 3/4 der ganzen Höhe und diese ver¬
hält sich zur Dicke wie 100 : 70 bis 100 : 65. — Gl. laevi¬
gata ist dagegen länglich eiförmig mit einem Winkel von
75° — 70° zugespitzt. Die Höhe der letzten Kammer ist 2/3
der Höhe des ganzen Gehäuses und diese verhält zur sich
Dicke, wie 100 : 60. Er fügt hinzu, dass Gl. inflata die Mitte
halte zwischen Gl. laevigata d’Orb. und Gl. rotunäata Reuss,
welche letztere am unteren Ende gerundet, nicht zuge¬
spitzt ist.
Reuss (Foraminiferen u. s. w. des deutschen Septa-
rienthons in den Denkschriften der K. Akademie zu Wien
Bd. 25 S. 20) zieht die beiden Arten zusammen und fügt
noch Gl. elliptica Reuss und auch Gl. elongata Bornem.
(1. c. Taf. 12 Fig. 4) hinzu. Letztere ist erheblich gestreck¬
ter als die vorigen, die ganze Höhe verhält sich zur Breite
wie 100 : 50. Die letzte Kammer ist nur 3/3 — 3/5 der gan¬
zen Höhe, wobei die Kammern immer deutlicher hervor¬
treten. Jedoch bleiben bei ihr die Nähte zwischen den
Kammern noch flach linienartig, wie bei laevigata und in¬
flata. In den der oben erwähnten Abhandlung von Reuss
beigegebenen Abbildungen Taf. 2 Fig. 29 — 31 vereinigt
Reuss mit Gl. laevigata, d’Orb. Formen, bei denen die
ganze Höhe sich zur Höhe der letzten Kammer verhält
wie 100 : 45 oder gar 100 : 40. Die Höhe zur grössten
Breite ebenfalls wie 100:45 und die Kammern etwas con¬
vex, die Nähte vertieft sind. Neugeboren endlich (1. c.
S. 67 Taf. 1 Fig. 3, 4) vereinigt mit Gl. laevigata d’Orb.
Formen, bei denen die letzte Kammer von der vorhergehen¬
den durch eine tiefe Furche getrennt und die Höhe der
ersteren nur noch die Hälfte der Höhe des ganzen Gehäu¬
ses ist, während das Verhältniss der Höhe des ganzen Ge¬
häuses zur Breite desselben auf 100 : 35 herabsinkt.
Der ganzen Reihe gemeinsam von Gl. rotunäata Reuss
bis zu der zuletzt beschriebenen Form bleibt nur noch
; die glasige glatte glänzende Oberfläche und die gestrahlte
Mündung; die Grösse variirt auch von 0,3 bis 0,9 mm.
Diese Resultate werden nun durchweg durch die Vor-
154
kommnisse von Dingden bestätigt. Wie bereits erwähnt,
gehören die meisten der bei Dingden vorkommenden Glan-
dulinen zu Gl. laevigata d’Orb., manche aber ebenso be¬
stimmt zu Gl. inflata. Aber auch die anderen Formen fin¬
den sich, wenn auch seltener. Einige, die von den abge¬
bildeten abweichen, aber durch Uebergänge mit den ange¬
führten Formen verbunden sind, sind
Taf. II Fig.. 1 sehr schlank 0,9 mm lang, von denen 0,5
auf die letzte Kammer kommen und 0,4 — 0,5 mm dick. Ausser
der letzten Kammer, die eine schwach gestrahlte Mündung
zeigt, unterscheidet man 4 Kammern, die Furchen zwischen
den Kammern sind schwach, aber deutlich.
Diese Form stimmt am besten mit Gl. laevigata Reuss
(Foraminiferen des deutschen Septarienthons Taf. 2 Fig. 31),
doch ist sie schlanker.
T a f. II F i g. 2. Fast cylindrisch, oben und unten ge¬
rundet, 0,8 mm lang, 0,4 mm breit mit einer Mündung, die
durch wenig zarte Rippen gestrahlt ist. Fast in der Mitte
der Länge eine Furche, welche die letzte Kammer von den
früheren trennt, die älteren Kammern, von denen man nur
noch 2, eine grosse 2te und eine sehr kleine Anfangs¬
kammer erblickt, sind nur durch eine sehr feine Linie von
einander getrennt.
Gl. laevigata bei Neugeboren 1. c. Taf. 1 Fig. 4 steht
nahe, doch ist die hiesige Form an beiden Enden gerundet,
nicht zugespitzt.
Ausser diesen wohl unzweifelhaft zu Gl. laevigata
d’Orb. oder doch zu den Nebenformen gehörend, die jetzt
dieser Art zugezählt werden, finden sich, wenn auch selten.
4. GJ andulina ovula d’Orb. (d’Orb. 1. c. S. 29
Taf. 1 Fig. 6, 7). Unsere Taf. II Fig. 3.
Gefunden sind 4 Exemplare, von denen das grösste
1,2 mm lang ist, während die anderen etwas kleiner sind;
d’Orbigny gibt die Länge zu 1mm an. Die von d’Or-
bigny gegebene Beschreibung und Zeichnung passt auch
ganz auf die hiesigen Formen, nur mögen die letzteren im
Allgemeinen etwas schlanker sein. Nach d’Orbigny un¬
terscheidet sie sich von Gl. laevigata durch die nicht glatte,
nicht glänzende Oberfläche, durch die komische Form,
durch breitere Kammern, die etwas convex sind und durch
die nicht gestreifte Mündung. Nach dem vorhin Ausge¬
führten bleibt als charakteristisch die matte Oberfläche und
die nicht gestrahlte Mündung.
5. Glandulina cf. neglecta Neugeboren (1. c.
S. 68 Taf. 1 Fig. 2). — Unsere Taf. II Fig. 4 und 4 a.
Es sind 3 Exemplare gefunden, 1 von 0,6 mm und
2 von 0,5mm Länge. Neugeboren gibt 1mm Länge
an. Dieser Unterschied in der Länge, sowie die stärkere
Entwickelung der Anfangskammern bei den hiesigen,
trennen die hier gefundenen Exemplare von denen, die
sich in Siebenbürgen gefunden haben. Im Uebrigen ist
vollständige Uebereinstimmung. Man findet an dem glat¬
ten, nicht glänzenden, sondern matten Gehäuse, deren Mün¬
dung wahrscheinlich gestrahlt war, nur zwei Kammern,
die durch eine tiefe Einsenkung getrennt sind. Die An¬
fangskammer ist gerundet, ohne Stachel. Diese Form
scheint sehr variabel zu sein; schon bei dem unter Fig. 4
abgezeichneten Exemplare findet sich eine kleine Einsen¬
kung an der Grenze der beiden Kammern und bringt eine
Unregelmässigkeit in der Entwickelung hervor. Indessen
könnte dies auch durch eine Verletzung herbeigeführt sein,
aber bei der unter 4 a gezeichneten Form bewirkt eine
ähnliche Ursache an der Grenze der beiden Kammern, dass
die Mündungskammer schief aufgesetzt erscheint, wie es
bei einer Dentalinci vorkommt.
Untergattung Noäosarict.
6. Nodosaria cannaeformis Reuss. (Sitzungsbe¬
richte u. s. w. Bd. 42, Reuss, Beiträge zur Kenntniss der
tertiären Foraminiferen; 2. Stück: Die Foraminiferenfauna
von Dingden in Westfalen S. 362 Taf. 1 Fig. 2.)
Die erste Foraminifere und zugleich die einzige No¬
dosaria, die Reuss aus dem Miocen von Dingden angibt.
Seiner Beschreibung ist Folgendes hinzuzufügen:
Bis jetzt sind in Dingden nur Bruchstücke gefunden,
allerdings ziemlich häufig — ich besitze mehr als 100
Stücke und würde noch mehr haben, wenn ich nicht diese
Art später beim Sammeln vernachlässigt hätte. Die läng-
156
>
steil Stücke sind 5 — 6 mm lang und haben bis zu 5 Rin¬
gen. Die Dicke der Stücke wechselt von 0,8 mm herunter
bis zu 0,2 mm und noch weniger. Ringe finden sich auch an
den dünnsten Stücken sowohl deutlich wie undeutlich. Die
Abstände der Ringe sind weder unter sich gleich, noch auch
regelmässig zu- oder abnehmend. Nie habe ich eine Anfangs¬
oder eine Endkammer oder auch nur Spuren einer Karnme-
rung gesehen. Zahlreiche der Länge nach gespaltene Röhr¬
chen zeigen an den Stellen, an welchen sich die äussere
Oberfläche zu Ringen verdickt, keine Spur von Scheide¬
wänden im Inneren, die ganze Röhre hat überall im Inne¬
ren glatte Wände. Das Gehäuse ist matt oder porzellan¬
artig, nicht glasig, wie schon Reuss angibt, mit kreis¬
förmigen Anwachslinien bedeckt.
Ob diese Bruchstücke wirklich zu Foraminiferen ge¬
hören, ist mir sehr zweifelhaft; auf keinen Fall gehören
sie zur Gattung Nodosaria , sowie diese Gattung jetzt be¬
grenzt wird.
7. Nodosaria longiscat a d’Orb. (1. c. S. 32 Taf. 1
Fig. 11, 12).
Es sind mehrere Bruchstücke gefunden, die gewöhn¬
lich nur eine, seltener 2 Kammern enthalten. Unter die¬
sen finden sich aber mehrere, die die letzte Kammer haben.
Die Anfangskammer ist dagegen noch nicht von mir ge¬
funden. In der Beschaffenheit des Gehäuses, der Grösse,
dem Verhältniss der Länge der Kammer zur Dicke stim¬
men die Exemplare von Dingden ganz mit denen aus dem
Wiener Becken überein, oder auch mit dem Nod. enilis Neu¬
geb., welche Reuss (Foraminiferen des deutschen Septa-
rienthons, Denkschriften u. s. w. Bd. 25 S. 14) mit Nod.
longiscata d’Orb. vereinigt.
8. No dos aria cf. semirug osa d’Orb. (1. c. S. 34
Taf. 1 Fig. 21—23). Unsere Taf. II Fig. 5. (Bei d’Orb igny
ist diese Art im Text als semirugosa , bei den Abbildungen
als rugosa bezeichnet.) Es sind nur 2 Bruchstücke gefun¬
den, von denen das grössere 2 Kammern, das andere 3
enthält. In der Beschaffenheit und so ziemlich auch in
der Form des Gehäuses stimmen diese Bruchstücke ganz
mit der oben citirten Art von d’Orb igny überein, auch
157
sind die Kammern bei den Exemplaren von Dingden ebenso
wie bei denen des Wiener Beckens mit sehr zarten Rippen
oder Furchen auf der unteren Hälfte geziert, während die
obere Hälfte glatt ist. (Hierdurch und auch in etwa durch
die Form der Kammern unterscheiden sie sich von Nod.
stipitata Reuss aus Siebenbürgen und aus dem Septarien-
thon von Kreuznach, die im Uebrigen, wie Reuss angibt,
sehr nahe steht.)
Während aber d’Orb igny für ein siebenkammeriges
Gehäuse nur eine Länge von 1mm angiebt, und dazu eine
einfache Mündung, hat das hiesige Exemplar mit 2 Kam¬
mern eine Länge von 1,2 mm, dazu eine zwar rührige aber
gestrahlte Mündung. Es wird daher in den hiesigen Exem¬
plaren wohl eine Varietät der semirugosa d’Orb. vorliegen.
9. No dosaria hispida d’Orb. (1. c. S. 35 Taf. 1
Fig. 24, 25).
Mit ziemlicher Sicherheit kann von den gefundenen
wenigen Bruchstücken hierhin nur ein einziges Exemplar,
welches nur eine Kammer, die jüngste, enthält, gerechnet
werden. Es ist mit dem Stiel 0,5 mm lang. Diese Länge
werden nach d’Orbigny auch die Wiener Exemplare ge¬
habt haben, da er die Grösse eines fünfkammerigen Gehäu¬
ses auf 1,5 mm angiebt. Auch in allen anderen Beziehun¬
gen, in der Form der letzten Kammer, ihrer Trennung von
den früheren, der Form und Vertheilung der Rauhigkeiten
die sie bedecken, herrscht zwischen dem hiesigen Bruch¬
stücke und den Exemplaren des Wiener Beckens vollstän¬
dige Uebereinstimmung.
10. Nodosaria aculeata d’Orb. (1. c. S. 35 Taf. 1
Fig. 26, 27).
Ich besitze von dieser Art 3 Exemplare, die in Ding¬
den gefunden sind. Das eine ist vollständig und stimmt
durchaus mit der von d’Orb igny gegebenen Beschreibung
und Abbildung. Es ist ebenfalls 4 kammerig, hat aber nur
eine Länge von 0,8 mm, ist also etwas kleiner als die Wie¬
ner Exemplare, welche 1 mm lang sind. Dem 2. Exemplar
fehlt die letzte Kammer, es hat noch eine Länge von
0,7 mm und 3 Kammern. Das 3. ist am Anfang und Ende
zerbrochen, hat aber jetzt noch 4 Kammern und ist noch
158
1,4 mm laug. Es unterscheidet sich daher von den beiden
anderen, und auch von den Wiener Exemplaren bedeutend
durch die Grösse. In allem anderen stimmt es vollständig
mit diesen überein. Nod. conspurcata Reuss — Zeitschrift
d. deutsch, geol. Gesellschaft Bd. 8 S. 59 Taf. 3 Fig. 2 —
aus dem Sept.-Thon von Hermsdorf, die, wie auch Reuss
selbst hervorhebt, der Noä. aculeata d’Orb. sehr verwandt
ist, hat nur eine Länge von 0,8 mm.
11. N odosaria bacillum Defr. (d’Orb. 1. c. S. 41
Taf. 1 Fig. 40—47. — Bütschli in Bronn’s Klassen und
Ordnungen u. s. w. Bd. 1 Taf. 8 Fig. 14 a— e. Unsere
Taf. II Fig. 6, 6 a, 6 b.
Unser grösstes Exemplar, an dem noch die jüngste Kam¬
mer fehlt, hat eine Länge von 12,5 mm (d’Orb. gibt 11mm
an), die Zahl der Kammern ist 14—15. Die von d’Orb. gege¬
bene Charakteristik passt durchaus. Die cylindrische Form,
die Zahl der Rippen, die nicht alle bis zur Mündung gehen,
der gewundene Stachel an der Anfangskammer, welche
die grösste ist, die Abschnürung der Kammern, deutlicher
nach der Mündung als nach dem Anfangsende, alles ist
den hiesigen mit den Wiener Exemplaren gemeinsam.
Wenn einige Bruchstücke mit wenigen aber sehr gerunde¬
ten Kammern, worunter die jüngste Kammer, hierhin ge¬
hören, so war die Mündung gestrahlt (Fig. 6 a). Nod.
affinis d’Orb. (1. c. S. 39 Taf. 1 Fig. 36—39) unterscheidet
sich von Nod. bacillum fast nur durch die Anfangskammer,
welche weniger dick als die folgende ist, wodurch das Ge¬
häuse regelmässig von Anfang bis zur Mündung an Dicke
zunimmt. Unsere Sammlung enthält Bruchstücke, von denen
einzelne zu Nod. affinis gehören. Uebrigens mögen die
beiden Arten kaum scharf von einander zu trennen sein.
Der Stachel ist bei Nod. bacillum stets gewunden und
häufig schief. Andere Stücke sind gekrümmt (Fig 6 b),
wie eine Dcntalina. Bei anderen ist die letzte Kammer,
die die Mündung trägt, sehr klein, kaum halb so dick als
die vorhergehende, wie es z. Th. schon bei Bütschli 1. c.
Taf. 8 Fig. 14 d angedeutet ist. Es scheint daher, dass
Nod. bacillum sehr variabel ist. Die noch mehr abweichen¬
den Formen sind bei Dentalina erwähnt.
159
Untergattung Dentalina.
Reuss fand in der ihm übersandten Probe des Mio-
cens vou Dingden nur 2 Arten : Dent . arcuata und Deut,
microptycha , beide sehr selten. Beide gehören zu den For¬
men, die noch jetzt in Dingden die häufigsten sind; neben
ihnen finden sich noch einige andere Arten im Allgemeinen
selten. Ich nehme zuerst diejenigen heraus, welche mit
mehr oder weniger grösserer Sicherheit auf eine bereits be¬
schriebene Art zurückgeführt werden können.
12. Dentalina inornata d’Orb. (1. c. S. 44 Taf. 1
Fig. 50, 51).
Nur ein einziges Exemplar habe ich gefunden, welches
mir leider abhanden gekommen ist. Nach meinen Notizen
waren 6 Kammern vorhanden, der Anfang fehlte. Die
Länge des Bruchstücks betrug noch 0,8 mm, während
d’Orbigny die Länge eines vollständigen Exemplars mit
10 Kammern auf 1,5 mm angibt. Nur in diesem Punkt,
in der Grösse, unterschied sich das hiesige Exemplar, von
denen aus dem Wiener Becken. In allem anderen stimmte
es vollständig mit diesen überein, doch erschien das Ge¬
häuse, aber nur bei sehr starker Vergrösserung, sehr
fein gestreift, was d’Orbigny von den Wiener Exempla¬
ren nicht angibt.
13. Dentalina consobrina d’Orb. (1. c. S. 46 Taf. 2
Fig. 1, 3).
Von dieser weit verbreiten Art gibt zuerst d’Or¬
bigny folgende Charakteristik. „Schale sehr verlängert,
wenig gebogen, glatt, aus Kammern gebildet, die verschie¬
den sind. Die Anfangskammer ist dick, sphärisch, mit
einem Stachel versehen. Die 2. ist viel kleiner, oval; die
folgenden verlängern sich immer mehr bis zur letzten,
welche sehr laug ist. Die Mündung ist einfach rund, die
Schalen sind mehr oder weniger dünn, die Länge etwa
1,5 mm/ Nachdem die Art ausser in Miocenschichten noch
an verschiedenen Fundorten, namentlich im Septarienthon,
gefunden war, fügt Reuss der gegebenen Charakteristik
folgende Bemerkung hinzu (Reuss, Die Foraminiferen
des deutschen Septarienthons in Denkschriften u. s. w. Bd. 25
160
S. 132 Taf. 2 Fig. 12, 13) : „Diese zuerst im Miocen gefun¬
denen Species ist in ihrem Habitus sehr veränderlich, be¬
sonders im Septarienthon. Das Gehäuse ist bald länger,
bald kürzer, bald dicker, bald schlanker, mehr oder weni¬
ger reich an Kammern, diese wechseln in ihrer Höhe und
im Verhältnis derselben zur Dicke beträchtlich. Ebenso
ist die Tiefe der Nähte veränderlich, wenn auch nie bedeu¬
tend; in der unteren Hälfte des Gehäuses sind sie oft nur
linear. Die Primordialkammer ist zwar meistens mit einem
kurzen Centralstachel versehen, doch fehlt es nicht an
Exemplaren, an welchen dieselbe zugerundet ist. Auch
ist sie nicht immer etwas grösser als die nächstfolgenden
Kammern, sondern kommt ihnen an Grösse nicht selten
gleich oder wird von ihnen darin sogar noch übertroffen.
Aber wenn die extremen Formen beträchtlich von einander
ab weichen, so werden sie doch durch zahlreiche Uebergangs-
formen mit einander verknüpft, so dass sie sich nicht wohl
von einander sondern lassen.“ Ausser Dent. consobrina
d’Orb. rechnet Reuss nunmehr die Dent. emaciata , Reuss,
Septarienthon Taf. 2 Fig. 12, 13 hierhin, und sehr wahr¬
scheinlich gehört nach ihm auch Dent. pauperata d’Orb.
1. c. S. 46 Taf. 1 Fig. 37, 38 zu Dent . consobrina.
Von der von d’Orbigny gegebenen Charakteristik
bleibt also fast nur, dass die Schale zart und glatt ist, die
Kammern wenigstens von der 2. an oval und bis zur Mün¬
dung an Grösse zunehmend sind. Alle übrigen Kennzei¬
chen sind mehr oder weniger schwankend. Namentlich auch
die Grösse; so gibt schon Bornemann (Zeitschrift der
deutsch, geol. Gesellschaft Bd. 7 S. 323 u. 324 Taf. 13
Fig. 1 — 4) für Dent. consobrina bei 6 resp. 4 Kammern
eine Länge von 2,8 mm und für Dent. emaciata bei 13
Kammern eine Länge von 4,1 mm an, ausserdem stark ver¬
tiefte Nähte.
Von solchen Dentalinen, die unter die eben angege¬
bene Charakteristik von Reuss fallen, sind im Miocen von
Dingden, abgesehen von Bruchstücken, die nicht mit Sicher¬
heit zu besimmen sind, etwa 10 mehr oder weniger gut
erhaltene Gehäuse gefunden. Alle sind sehr zart, glatt
und wenig gebogen. Die ziemlich vollständig erhaltenen
161
haben durchschnittlich 6—8—10 Kammern und eine Länge
von 1,8 — 2,4 mm. Bei allen ist die Anfangskammer dick,
rund und grösser als die folgende. Von dort bis zur Mün¬
dung nehmen die Kammern an Grösse zu und sind oval.
Die Furchen sind bald seicht, an älteren Theilen kaum
wahrzunehmen, bald vertieft, bisweilen sogar sehr vertieft.
Ein Centralstachel findet sich fast bei der Hälfte derer,
die überhaupt noch die Anfangskammer haben, die ande¬
ren, mehr als die Hälfte, haben keinen Stachel, sondern
eine gerundete Anfangskammer. Unter den abnormen Bil¬
dungen ist eine hervorzuheben, bei welcher die Anfangs¬
kammer länglich oval, ziemlich gross ist und mit dem übri¬
gen Theil des Gehäuses einen stumpfen Winkel bildet.
Ausser diesen Formen, die wohl sicher zu Dentalina
consobrina gehören, finden sich nun solche, die man im
Anfang geneigt ist, auch zu Bent. consobrina zu rechnen,
die aber bei starker Vergrösserung an dem unteren Theil
der Kammer feine zarte Bippchen zeigen und somit zu
den folgenden überleiten.
14. Dentalina antennula d’Orb. Bent. semico-
stata d’Orb. Bent. semiplicat a d’Orb. (d’Orbigny
1. c. S. 52 Taf. 2 Fig. 24—30).
d’O rb igny unterscheidet bei den Dentalinen, die feine
zarte Rippen nur auf der unteren Hälfte der Kammer haben,
die oben genannten 3 Arten, von denen semiplicata läng¬
liche, durch deutliche Furchen getrennte Kammern und un-
gestrahlte Mündung, semicostata kürzere dickere Kammern
und gestrahlte Mündung, antennula eine runde, starke, ge¬
stachelte Anfangskammer hat. Alle 3 sind aber zart, 1,5
bis 2 mm lang und selten. Ob nach dem, was so eben von
Bent. consobrina und auch schon früher an anderen Orten
ausgeführt ist, hier das Fehlen oder Vorhandensein des
Stachels, sowie die mehr oder weniger ovale Form der
Kammern von einer solchen durchschlagenden Bedeutung
ist, dass die 3 genannten Formen als selbstständige Arten
berechtigt sind, muss ich bezweifeln.
Dingden hat, ausser dem bei Bent. consobrina zum
Schluss angeführten Exemplare, mehrere zarte Dentalinen
geliefert, die deutlich auf der unteren Hälfte der Kammern
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX. 11
162
berippt sind. Die meisten sind leider Bruchstücke, an de¬
nen entweder die Mündungs- oder die Anfangskammer
fehlt. Diejenigen, welche die Anfangskammer haben, ge¬
hören entweder zu Dent. antennula , weil diese Kammer
rundlich und verdickt, grösser als die folgende Kammer
ist, oder sie gehören zu semicostata oder nehmen eine
Zwischensteliung ein. Ebenso können andere nach der
Form der Kammern zu semiplicata gerechnet werden. Es
sind in dem Miocen von Dingden alle 3 x4rten, aber auch
Uebergänge zwischen ihnen vorhanden, obgleich nur eine
beschränkte Zahl von Individuen vorliegt.
15. Dentalina cf. guttifera d’Orb. (1. c. S. 49
Taf. 2 Fig. 11-14).
Es sind von mir einige Bruchstücke von 2 resp. 3
Kammern und ein mehr vollständiges mit 4 Kammern ge¬
funden. Letzteres hat eine Länge von 1 ,3 mm, während
d’Orbigny für ein Exemplar mit 7 Kammern die Länge auf
1,5 mm angiebt. Allen fehlt die Anfangskammer, während
die Mündungskammer bei einigen vorhanden ist. Von der
durch d’Orbigny gegebenen Beschreibung und Zeichnung
unterscheiden sich einige der hiesigen Exemplare fast gar
nicht, bei einem sind einige Kammern etwas regelmässiger
oval. Im Uebrigen sind alle Gehäuse glasig glatt, glänzend,
sehr zerbrechlich. Die Verbindung der Kammern unter
sich, sowie das Grössenverhältniss der einzelnen Kammern
ist wie d’Orbigny es zeichnet. Alle übrigen glatten Ar¬
ten, die von d’Orbigny, Reuss, Czizek, Neugeboren
angegeben werden, haben eine stärkere Verbindung der
Kammern unter sich als diese.
In Grösse, Form und Verbindung der Kammern stimmt
mit diesen eine Dentalina überein, die ebenfalls nur in
Bruchstücken, die meist 2 Kammern haben, gefunden ist.
Sie unterscheidet sich von der vorhin beschriebenen gutti¬
fera dadurch, dass die Kammern nicht glatt sind, sondern
punktirt erscheinen, mit zahlreichen kleinen Rauhigkeiten
bedeckt. Diese Beschaffenheit der Oberfläche hat sie mit
Dent. punctata d’Orb. (1. c. S. 49 Taf. 2 Fig. 14, 15) ge¬
mein, sie unterscheidet sich jedoch auf das bestimmteste
durch die länglich ovale Form der letzten Kammer, sowie
163
■durch die tiefe und breite Verengerung zwischen die¬
ser und der vorletzten Kammer, welche sie mit Dent. gutti-
fera gemeinschaftlich hat. Da nur sehr unvollständig er¬
haltene Bruchstücke vorliegen, und diese auch noch von
einander abweichen, so verzichte ich darauf, jetzt schon eine
Beschreibung und Zeichnung derselben zu liefern und warte,
bis vollständigere Exemplare gefunden werden.
16. Dentalina arcuata Reuss. Dentalina mi¬
croptycha Reuss. Dentalina Koninki Reuss. (Reuss,
Sitzungsberichte u. s. w. Bd. 42 S. 364, 365 u. 356 Taf. 1
Fig. 3-5.)
Reuss beschreibt von Dingden 2 Arten von Dentalinen,
Dentalina arcuata und Dent. microptycha und eine Art
Dent. Koninki aus dem Cray von Antwerpen, alle 3 mit dem
Zusatz „sehr selten“. Von diesen stehen sich nach eigenen
Worten von Reuss Dent . microptycha und Dent. Koninki
sehr nahe. Alle 3 gehören zu den gestreiften oder sehr
zart berippten Arten; die Zahl der Streifen beläuft sich
auf über 30. Die Gehäuse sind 3,5 — 5mm lang und haben
im ausgewachsenen Zustande 'bis zu 11 Kammern. Der
Unterschied zwischen den 3 Arten besteht nach Reuss
darin, dass Dent. arcuata stark gebogen, die beiden ande¬
ren aber nur schwach gebogen, fast gerade sind. Dent.
arcuata und Dent. Koninki verjüngen sich nur mässig,
Dent. microptycha stärker. Bei den beiden ersten bleibt die
Anfangskammer stets stärker als die folgenden und endigt
mit einem deutlichen Stachel. Bei Dent. microptycha ist die
Anfangskammer klein, der Stachel undeutlich. Bei Dent.
arcuata sind alle Kammern breiter als hoch. Dies ist bei
den jüngeren Kammern der beiden anderen Arten nicht
der Fall. Dent. arcuata und Koninki haben eine gestrahlte
Mündung, Dent. microptycha eine runde. Bei arcuata wird
noch angegeben, dass das Gehäuse etwas seitlich compri-
mirt ist. Bei allen 3 Arten sind die älteren Kammern
nicht deutlich von einander getrennt, die Streifen verlau¬
fen zum Theil etwas schräg.
Dentalinen überhaupt, also auch gestreifte Dentalinen,
die zu diesen Arten gehören, sind im Vergleich mit ande¬
ren Foraminiferen selten in Dingden, diese jedoch von allen
164
Dentalinen die häufigsten, sodass es mir im Laufe der Zeit
gelang, etwa 100 Exemplare von diesen Arten, theils voll¬
ständig erhaltene Gehäuse, theils deutlich bestimmte Bruch¬
stücke zu sammeln. Ich bin bei der Prüfung dieser Reste
zu der Ueberzeugung gekommen, dass zwischen den 3 Ar¬
ten vollständige Uebergänge bestehen undReuss nur des¬
wegen 3 getrennte Arten aufstellen konnte, weil das ge¬
ringe Material, über welches er verfügte, so wenig Indivi¬
duen enthielt, dass die Uebergänge nicht hervortraten. Es
finden sich Formen, die genau einer der 3 Arten entspre¬
chen, neben denselben aber auch solche, die von der einen
das eine Merkmal, von der anderen ein anderes haben.
Nur eine runde ungestrahlte Mündung fand ich bei unver¬
letzten Exemplaren nie. Ausser diesen, die alle noch mehr
oder weniger regelmässig ausgebildet waren, finden sich
wohl 10 Procent, die durchaus unregelmässig, Missbildungen
sind. Bei einigen ist das Gehäuse doppelt gebogen, bei
anderen finden sich tiefe Furchen zwischen den Kammern;
häufig ist dies der Fall vor der letzten Kammer, so dass
diese kopfartig abgesetzt erscheint. Einige sind sehr ab¬
geplattet, bei anderen sind einzelne Kammern kleiner, als
sie ihrer Stellung nach sein sollten. Der Stachel ist bei
einigen sehr gross, während das Gehäuse klein ist. Allen
gemeinschaftlich bleibt noch die Verzierung mit Längs¬
rippen, doch werden diese auf den beiden letzten und na¬
mentlich auf der letzten Kammer oft undeutlich. Es zeigt
sich in Allem, dass diese Formen sehr variabel sind.
Indem nun einerseits schon in unserem Material von
einer der 3 Arten zur anderen Uebergänge genug vorhan¬
den sind, andererseits auch bei anderen Gattungen und
Arten die von Reuss angezogenen Unterschiede (wie
Krümmung, Stachel, Dicke der Anfangskammer) sich viel¬
fach als nicht brauchbar zur Unterscheidung der Arten er¬
wiesen haben, bleibt nur übrig, die 3 von Reuss unter¬
schiedenen Arten in eine einzige zusammenzuziehen. Die
Charakteristik dieser Art würde sein, „Gehäuse bis zu 11
Kammern bei einer Länge von 5 — 5,5 mm mit ungefähr 30
etwas schräg verlaufenden feinen Rippen verziert. Die
Rippen theilen sich oft auf der Oberfläche oder vermehren
165
sich durch Einschaltung; nur auf der letzten Kammer, sel¬
tener auf beiden letzten können die Streifen undeutlich
werden.“
17. Dentalina acuticosta Reuss. (Reuss, Denk¬
schriften u. s. w. Bd. 1 S. 368 Taf. 46 Fig. 11. — Ver¬
gleiche auch Bornemann, Zeitschrift der deutsch, geol.
Gesellschaft Bd. 7 S. 325 Taf. 13 Fig. 9.)
Es sind etwa ein Dutzend Stücke, theils weniger,
theils vollständig erhalten, die zu dieser Art gerech¬
net werden müssen. Alle sind schlank, wenig gebogen,
wenig nach dem älteren Ende hin an Stärke abneh¬
mend. Das vollständigste Exemplar hat 9 Kammern
und ist 4,4 mm lang. Die Kammern sind namentlich am
jungen Ende länger als breit, durchschnittlich wenig von
einander abgesetzt, so dass die älteren Kammern kaum
von einander getrennt erscheinen. Die Anfangskammer ist
etwas angeschwollen und mit einem oft starken Stachel
versehen. Die Rippen sind scharf und laufen über die
ganze Schale, auch über die Furchen weg. Bis hierhin
stimmt die Beschreibung von Reuss vollständig. Reuss
gibt aber nur 6 Rippen an, während die hiesigen Exem¬
plare 8—10 Rippen besitzen, ebenso haben nach Borne¬
mann die aus dem Septarienthon von Hermsdorf 8 — 9
Rippen. Uebrigens variirt diese Form nicht allein in der
Zahl der Rippen ; obgleich ich nur ein Dutzend Exemplare
gefunden habe, so sind doch schon einige darunter, bei
denen die Kammern und auch die Rippen unregelmässig
werden, letztere sogar zum Theii etwas schief verlaufen.
Stets aber bleiben die Rippen schmal, schwach, hoch, die
Zwischenräume zwischen ihnen stets breiter.
18. Dentalina cf. bifurcata d'Orb. (d’Orb. 1. c.
S. 56 Taf. 2 Fig. 38, 39. — Reuss, Denkschriften u. s. w.
Bd. 1 S. 366 Taf. 46 Fig. 10. — Bornemann, Zeitschr.
der deutsch, geol. Gesellsch. Bd. 7 S. 325 Taf. 13 Fig. 10,
11.) Unsere Taf. II Fig. 7.
d’Orbigny, Reuss und Bornemann haben in den
angeführten Werken diese Art beschrieben und abgebildet,
aber keiner von ihnen hatte ein vollständiges Exemplar,
so dass d'Orbigny nur die beiden jüngsten Kammern,
166
Reuss nur die 6 — 7 jüngsten Kammern, Bornemann da¬
gegen das ältere Ende mit 8 Kammern abbildet. Im Mio-
cen von Dingden ist ausser einigen Bruchstücken ein voll¬
ständiges Exemplar gefunden. Es ist 3,6mm lang, — Borne¬
mann gibt 2,5 mm für das von ihm abgebildete grössere
Bruchstück — , sehr zart, schwach gebogen, glasig und hat
16 Kammern. Die Anfangskammer ist kugelig, etwas
stärker als die folgende und ohne Stachel. Die 2. Kam¬
mer ist die kleinste. Von hier aus nehmen die Kammern
regelmässig an Stärke, namentlich an Länge zu, sie werden
abgestumpft oval, die Furchen werden deutlicher. Dies
dauert bis zur 14. Kammer, die 13. und namentlich die
14. Kammer sind die stärksten, stärker als die 15. und
diese noch stärker als die Mündungskammer. Letztere ist
kurz oval, fast kugelig, die undeutlich gestrahlte Mündung
liegt auf einem sehr kurzen Vorsprung. Ueber das ganze
Gehäuse, auch durch die Furchen, laufen Längsrippen, an¬
fangs wenige, mit deutlichen, breiten, glatten Zwischen¬
räumen, sie sind etwas schief. Später werden die Rippen
abgeflachter, breiter, spalten sich in 2, die sich vor einer
Furche oft wieder vereinigen. Auf den jüngeren Kammern
zählt man 12 — 16 Rippen.
Ausser diesen bis jetzt beschriebenen Dentalinen, die
sich mehr oder weniger, im Allgemeinen jedoch mit ziem¬
licher Sicherheit auf bereits bekannte und beschriebene
Arten zurückführen lassen, gibt es nun eine Menge Formen,
bei denen dies nicht der Fall ist, die nur eine entfernte
Aehnlichkeit oder auch gar keine mit schon beschriebenen
Arten haben. Alle diese Formen liegen bis jetzt nur in
einigen oder auch nur in einem oft nicht einmal vollstän¬
digen Exemplar vor. Die Erfahrung, dass alle Foramini¬
feren sehr variabel sind, und Formen, die scheinbar weit
auseinander stehen, oft durch zahlreiche Uebergänge mit
einander verbunden erscheinen, sobald man nur recht viel
Material zur Untersuchung hat, hat bekanntlich mehrere,
die sich mit der Systematik der Foraminiferen beschäftigen,
dahin geführt, überhaupt eine scharfe Trennung in Gattun¬
gen und Arten, und namentlich bei den Perforaten diese sonst
übliche Eintheilung zu verwerfen. (Vergl. auch Bütschli in
Bronn’s Klassen und Ordnungen u. s. w. 1. Band Protozoen
S. 174.) Will man auch dieser Ansicht nicht völlig beipflichten,
so überzeugt man sich doch leicht durch das Studium der
Schriften, die über Systematik fossiler Foraminiferen han¬
deln, dass mit fortschreitender Kenntniss der Foraminiferen
desselben Fundorts oder desselben Formationsgliedes immer
mehr sogenannte Gattungen und Arten eingezogen wurden,
resp. die dahin gehörigen Formen zu einer einzigen Gat¬
tung oder Art vereinigt wurden. Dazu kommt für mich
die Erfahrung, dass im Miocen von Dingden alle Formen zu
Unregelmässigkeiten hinneigen, wie es scheint, vorzugsweise
solche, die zu einer Gruppe gehören, welche zurückgeht.
Ist es nun überhaupt misslich, auf eine Form, die oft
nur in einem einzigen Exemplare vertreten ist, eine beson¬
dere Art zu gründen, so ist dies bei Foraminiferen durch¬
aus unzulässig, namentlich dann, wenn man nicht mit Sicher¬
heit entscheiden kann, ob die Verschiedenheiten, die man
findet, nur dem einzelnen Individuum, oder einer Gruppe
zukommen. Da jedoch, wenn man über die bis jetzt
gefundene Foraminiferenfauna des Miocens von Dingden
einen Ueberblick haben will, es durchaus nöthig ist, auch
diese Formen zu berücksichtigen, und da gerade die Kennt¬
niss dieser abweichenden Formen für die Erkennung des
Zusammenhanges der Glieder eines Formenkreises von
Wichtigkeit sein kann, so werde ich im Folgenden diese For¬
men beschreiben und abbilden, so wie, wenn es möglich
ist, ihre Verwandtschaft mit schon bekannten Formen an¬
geben; eine Benennung als Art füge ich dagegen nicht
hinzu, um nicht die Zahl der Synonymen zu vermehren.
Zuerst gebe ich unter
Nr. A, Dentalina sp. die Beschreibung eines Stückes,
welches wahrscheinlich zur Gruppe Dent. arcuata gehört
und deutlich zeigt, wie variabel alle Kennzeichen sind.
Das Exemplar, welches der Beschreibung zu Grunde
liegt, ist vollständig, hat 10 Kammern, worunter die An¬
fangs- und Mündungskammer. Es ist 2,8 mm lang, etwas
von den Seiten her comprimirt, fast gerade, nur ist der
untere Theil leicht nach der einen Seite, der obere ebenso
nach der anderen gebogen, fast wie eine Marginula , die An-
168
fangskammer ist etwas grösser als die folgende und endigt
in einem starken Stachel. Von der 2. an nehmen die
Kammern langsam an Grösse zu bis zur vorletzten, welche
bedeutend grösser ist als die letzte, die Mündungkammer.
Alle Kammern, auch die jüngsten, sind breiter als hoch,
die sie trennenden Furchen sind deutlich, namentlich im
jüngeren Theile. Die Oberfläche ist mit sehr feinen Längs¬
rippen bedeckt, die etwas schief verlaufen, sich durch Ein¬
schälten neuer Rippen vermehren, so dass mit dem Wach¬
sen der Kammern auch die Zahl der Rippen zunimmt, von
16—30. Die Rippen werden aber immer feiner, auf der
vorletzten Kammer sind sie nur noch bei starker Vergrösse-
rung sichtbar und auf den Mündungskammern scheinen sie
zu fehlen.
Zur Gruppe der bifurcata d’Orb. resp. acuticosta
Reuss gehören
Nr. B. JDentalina spec. — Unsere Taf. II Fig. 8.
Ein Bruchstück mit 6 vollständigen und einem Theil
der 7. Kammer. Es ist 2 mm lang, leicht gekrümmt, sehr
zart, glasig, glänzend. Die Mündung ist vorhanden, ge¬
strahlt, die Mündungskammer oval, bedeutend kleiner als
die folgende, fast nur die Hälfte der 2. Diese und noch
die 3. sind die stärksten, von dort an nehmen nach dem
älteren Ende die Kammern langsam an Grösse ab, doch
ist die Kammer, welche an unserem Bruchstück die letzte
(erhaltene) ist, grösser als die vorhergehenden. Alle aber
sind länglich oval, durch deutliche, oft recht breite tiefe
Furchen, die sich auch noch bei der letzten vorhandenen
Kammer finden, getrennt. Die Oberfläche ist mit schar¬
fen Längsrippen bedeckt, die sich auf allen Kammern
finden, zum Theil durch die Furchen fortsetzen, zum Theil
an ihnen endigen. Auf der älteren Kammer sind nur we¬
nige Rippen; indem sie sich aber durch Einschaltung und
Theilung vermehren, treten auf der jüngsten Kammer bis
zu 10 Rippen auf.
Nr. C. JDentalina sp. Unsere Taf. II Fig. 9.
Ein vollständiges Exemplar, 1,8 mm lang, sehr zart,
glasig, sehr wenig gekrümmt, fast gerade. 8 Kammern,
die Anfangskammer in eine sehr starke Spitze aus laufend,
169
■
die 2. Kammer kleiner. Von dort nehmen die Kammern
massig an Grösse zu. Die Mündungskammer ist die längste,
oval, die Mündung gestrahlt. Alle Furchen zwischen den
Kammern sind deutlich, aber sehr seicht und schmal. Nur
die letzte Furche ist dagegen ziemlich tief, so dass die
Mündungskammer fast kopfartig abgesetzt ist. 8 — 9 scharfe
Kippen gehen über das ganze Gehäuse, ohne sich durch
Theilung oder Einschalten zu vermehren.
Nr. D. Dentalina sp. — Unsere Taf. II Fig. 10 u. 10a.
Es sind mehrere Bruchstücke von mir gefunden. Dar¬
unter eins Fig. 10 von 3,8 mm Länge mit 7 Kammern,
worunter die Mündungskammer und ein zweites, 2,8 mm
lang mit 6 Kammern, darunter die Anfangskammer. Das
Gehäuse ist glasig, wenig gekrümmt, fast gerade, die An¬
fangskammer ist kugelig mit kurzem Stachel und grösser
als die zweite. Auch die folgenden Kammern bleiben noch
kugelig und gehen nur allmählich in die abgeplattete ovale
Form über. Die Mündungskammer, welche die grösste von
allen ist, ist oval mit gestrahlter Mündung, die Furchen
sind deutlich bis zu beiden Enden des Gehäuses, tief, aber
nicht breit. Ueber das ganze Gehäuse, auch über die Mün¬
dungskammer gehen scharfe Längsrippen, 9 — 12 und mehr;
sie sind an der Basis der Kammer am stärksten, auf der
Mitte verflachen sie sich und im oberen Theil der Kammer
fast ganz verlöscht, so dass dieser Theil der Kammer glatt
erscheinen kann. Dies ist jedoch nicht stets der Fall und
ebenso vermehren sich oft die Kippen auf einer Kammer
durch Einschalten. Von allen Arten, die in der Beschaffen¬
heit und Zahl der Rippen mit den vorliegenden Exempla¬
ren verglichen werden könnten, unterscheidet sie sich da¬
durch, dass alle Kammern, auch die ältesten, deutlich ge¬
trennt und mehr oder weniger kugelförmig sind.
Nr. E. Dentalin a sp. — Unsere Taf. II Fig. 11 u. 11a.
Auch von dieser Form sind mehrere Stücke gefunden,
darunter die beiden vollständigen Exemplare Fig. 11 und
11a. Sie haben 1,2 mm Länge, 5 Kammern, die etwas un-
I regelmässig sind. Die Anfangskammer ist nur unbedeutend
grösser als die folgende, gerundet mit Stachel. Von der
2. an wachsen die Kammern, die breiter als hoch sind,
170
stark. Die Trennung der Kammern deutlich, doch Furchen
zwischen der älteren Kammer kaum vorhanden. Nur
zwischen der vorletzten und der fast kugeligen Mündungs¬
kammer ist eine tiefe Furche. Die Mündung ist gestrahlt
und stark an den Rand gedrückt. Zahlreiche Rippen, bis
zu 20 und mehr, gehen über Kammern und Furchen, sie
verlaufen etwas schief, sind abgeplattet und vermehren sich
durch Einschalten. Das Gehäuse ist von den Seiten etwas
komprimirt, dieses, sowie die randständige Mündung und
die Berippung weisen darauf hin, dass dies Gehäuse zur
Gruppe der Dentalina divergens Reuss (Zur Fauna des
deutschen Oberoligocens, Sitzungsberichte u. s. w. Bd. 50
S. 22 Taf. 4 Fig. 10) zu rechnen ist, welche Art Reuss
selbst als nahe verwandt mit Dent. bifurcata d’Orb. be¬
zeichnet. Durch die vorhin bezeichneten Eigenschaften des
Gehäuses und der Mündung entsteht eine oberflächliche
Aehnlichkeit mit Marginula , aber von einem Gewinde*
selbst nur von einer Wendung der Spitze nach der der Mün¬
dung entgegengesetzten Seite ist nichts zu finden, wohl
aber krümmt sich bei dem 2. Exemplare Fig. 11a Mündung
und Anfangskammer nach derselben Seite. Ygl. S. 176.
Nr. F. Dentalina sp. — Unsere Taf. II Fig. 12.
Ein einziges, aber vollständiges Exemplar ist gefunden*
1,3 mm lang, glasig, glänzend, fast ganz gerade, so dass
nur die seitwärts gedrängte Mündung zeigt, dass es zu
Dentalina gehört. Es sind nur 3 Kammern vorhanden.
Die Anfangskammer ist kugelig mit einer Spitze und grösser
als die folgende. Diese und die Mündungskammer sind
mehr oval, die Furchen zwischen den Kammern sind breit,
deutlich aber seicht. Etwa 8 abgeflachte, nicht scharfe
Rippen laufen über die Schale von der Anfangskam¬
mer bis zur Mündung. Sie sind am deutlichsten auf
dem gewölbten Theil der Kammern, fehlen aber auch in
den Furchen nicht. Jedenfalls gehört auch dies Exemplar
zur Gruppe der Dentalina bifurcata d’Orb. Zu welcher Art
aber dasselbe gerechnet werden muss, ist bis jetzt noch
nicht zu bestimmen. Ein Jugendzustand von den früher
beschriebenen hierhin gezogenen Arten kann es wohl nicht
sein, dazu sind diese Arten viel zu klein, zu winzig.
171
Nr. G. D entalina sp. — Unsere Taf. II Fig. 13.
Von dieser Form fanden sich mehrere Bruchstücke,
das längste, welches 4 Kammern, darunter die Mündungs¬
kammer enthält mit der gestrahlten Mündung, ist 4 mm
lang. Das Gehäuse ist fast gerade; nur eine leichte Krüm¬
mung und die excentrische Lage der Mündung zeigen die
Gattung Bentalina an. Es ist fast überall 1 mm dick,
so dass von einer Abnahme der Stücke der Kammern
nach dem älteren Theil des Gehäuses hin an diesem Stück
noch nichts zu bemerken ist. Andere Bruchstücke, mehr
aus dem älteren Theil der Schale, sind wohl im Ganzen
etwas dünner, aber auf eine Länge von 3 Kammern kaum
merklich nach dem älteren Ende verjüngt. In dem ge¬
zeichneten Stück sind die Kammern mässig gewölbt, durch
deutliche Furchen getrennt, die gegen den älteren Theil
des Gehäuses flacher werden. Ungefähr 20 hohe, scharfe,
meist einfache Rippen, die theils in den Furchen endigen,
theils über dieselben hinweggehen, bedecken die ganze
Schale, auch die letzte Kammer. Es ist mir nicht gelun¬
gen, das Anfangsende aufzufinden. Nach der Beschaffen¬
heit der gefundenen Stücke muss diese Art in Bezug auf
die Grösse bei den Dentalinen wohl dieselbe Stelle einneh¬
men, wie Nodosarina bacillum bei den Nodosarien. Von
dieser, die eine oberflächliche Aehnlichkeit mit dem vor¬
liegenden Stück hat, unterscheidet es sich ganz bestimmt
durch die Lage und die Beschaffenheit der Mündung sowie
durch die hohen scharfen Rippen, dagegen stimmen
beide überein in der Beschaffenheit des Gehäuses, welches
nicht glänzend, sondern matt, nicht glasig, sondern mehr
steinartig ist.
Nr. H. B entalina sp. — Unsere Taf. II Fig. 14.
Ebenfalls ein Bruchstück einer grossen Art, indem
bei 2 mm Länge nur 3 Kammern vorhanden sind. Das Ge¬
häuse ist porzellan-, nicht glasartig. Die Kammern sind
oval, durch tiefe und breite Furchen getrennt. 12 — 16 sehr
scharfe Rippen laufen über das ganze Gehäuse, zum Theil
gehen sie durch die Furchen, zum Theil brechen sie vor
demselben ab. Aber einige Rippen verbreitern sich und
theilen sich in 2. Andere schalten sich auf grössere oder
172
geringere Erstreckung ein, kurzum, alle die Verschieden¬
heiten in der Vermehrung und dem Verlauf der Rippen,
welche bei der Charakterisirung der Arten angegeben wer¬
den, finden sich an diesem Stücke vereinigt. Ebenso wird
durch die Vermehrung der Verlauf einzelner Rippen etwas
schief. Von den übrigen Dentalinen und Nodosarien mit
starker Berippung ist diese Form zum Theil schon durch
die hohen scharfen Rippen, dann aber durch die Form der
Kammern getrennt.
Nr. J. D ent alina sp. — Unsere Taf. II Fig. 15.
Ich habe nur ein einziges aber vollständiges Exem¬
plar gefunden, welches von allen bekannten Formen abweicht.
Die Länge ist über 3 mm, die Dicke fast überall gleich
über 0,6 mm. Das Gehäuse ist glasartig, glänzend, fast
gerade, nur etwas gebogen, welche in Verbindung mit der
etwas excentrischen Lage der Mündung das Stück als eine
Dentalina bestimmt. Die Grenzen der Kammern sind nicht
zu erkennen; wenn jedoch Querringe, die an einzelnen
Punkten zwischen den Rippen sich finden, auf der Grenze
der Kammern stehen, so mögen etwa 6 Kammern im Gan¬
zen vorhanden sein. Die Anfangskammer ist kugelig, etwas
stärker als die folgenden und endigt in einem starken lan¬
gen Stachel. Dieser Stachel ist nicht gedreht, wie bei Noch
bacillum und anderen, die eine oberflächliche Aehnlichkeit
haben, sondern gerade und auf ihm setzen, allerdings sehr
zart, die Rippen in gerader Richtung fort. Die Oberfläche
ist nämlich mit 12 geraden starken Längsrippen geziert,
die nicht scharf, sondern abgerundet sind, breiter als die
Zwischenräume und, wie bereits erwähnt, hin und wieder
durch Querringe mit einander verbunden sind. Auf der
Mitte der letzten Kammer endigt der Ueberzug dieser
dicken Rippen, es scheint eine natürliche Endigung zu sein,
wenigstens kann man eine Abbruchstelle nicht mit Be¬
stimmtheit erkennen. Der dadurch freiliegende halbkugelige
obere Theil der letzten Kammer ist bis zur Mündung ebenfalls
mit 12 aber sehr feinen Rippen versehen. Diese feinen Rip¬
pen entsprechen einzeln nicht in ihrer Lage den starken Rip¬
pen des unteren Tlieils, bald stehen sie in der Verlänge¬
rung der unteren Rippe einzeln oder zu zweien, bald ent-
173
sprechen sie einem Zwischenräume; es scheint daher, dass
die beiden Systeme von Rippen von einander unabhängig
sind. Da die feinen Rippen auf 12 — 13 sind, so sind na¬
türlich die Zwischenräume viel breiter. Die Mündung ist
gestrahlt. Aehnliche Formen habe ich bis jetzt nicht ge¬
troffen, auch abgesehen von der eigenthümlichen Mündung,
die wohl nur individuell ist.
Von den Dentalinen, die nicht die vollständige Berip¬
pung, wie die bisher beschriebenen haben, auch nicht glatt
sind, habe ich ebenfalls einige Bruchstücke gefunden, darunter
Nr. K. D entalina sp. — Unsere Taf. II Fig. 16
und 16 a.
Von diesen ist das grösste Stück 2,5 mm lang und
enthält 8 Kammern, darunter die Anfangskammer, das klei¬
nere Stück ist 1,5 mm lang und enthält 272 Kammern,
darunter die Mündung. Beide sind von gleicher Beschaffen¬
heit, zart, dünn, glasig aber nicht glänzend, sondern matt;
fast gerade, das grössere sehr leicht gekrümmt, das klei¬
nere in der Mündungskammer ebenso. Die Anfangskam¬
mer ist kugelig, ohne Stachel, grösser als die beiden fol¬
genden. Die 4. Kammer ist wieder bedeutend stärker als
die 3 folgenden, während die 8. wiederum grösser ist als
die vorhergehenden. Alle Kammern sind mit Ausnahme
der Anfangskammer oval, durch deutliche tiefe und breite
Furchen getrennt. Die Oberfläche ist mit unregelmässigen
Rippen geziert, die oft nur bei sehr starker Vergrösserung
sichtbar werden, oft unterbrochen erscheinen. Sie laufen
häufig schief über das ganze Gehäuse, und sind vielleicht
in den Furchen im Allgemeinen am deutlichsten. In die¬
ser Verzierung mit seinen Rippen im Bau des Gehäuses,
der Kammern und Furchen stimmen beide Stücke so voll¬
ständig überein, dass sie nicht allein zu derselben Art,
sondern sogar zu demselben Individuum gehörten könnte,
doch hat das kleinere Stück, wie es scheint, zu einem
grösseren Individuum gehört. An diesem Stück ist die
Mündung gestrahlt und liegt an der Spitze eines län¬
geren Vorsprungs; von den 3 Kammern, die dies Stück
enthält, ist die Mündungskammer die kleinste, die 3. die
grösste.
174
Eine Art, womit diese Form zu vergleichen wäre, ist
mir nicht bekannt.
Untergattung Frondicularia.
Reuss führt aus dem Miocen von Dingden nur eine
einzige Art dieser Gattung an. Auch ich habe, nachdem
ich das Sammeln der Foraminiferen von Dingden wieder
aufgenommen habe, nur diese einzige Art, die Reuss
als sehr selten bezeichnet, gefunden.
19. Frondicularia Hosiusi Reuss, Sitzungsbe¬
richte u. s. w. Bd. 42 S. 365 Taf. 1 Fig. 8, 9.
Sie ist sehr selten; ich fand im Laufe der Jahre nur
6 Exemplare. Der Beschreibung von Reuss habe ich nichts
hinzuzufügen.
Untergattung V a g inul in a.
Bis jetzt sind von mir nur 2 Exemplare gefunden,
die zu dieser Gattung und wahrscheinlich auch zu dersel¬
ben Art
20. V a g in ul in a cf. b a denen sis d’Orb. (d’Orb.
1. c. S. 65 Taf. 3 Fig. 6 — 8) gehören. Unsere Taf. II Fig. 17,
Das Gehäuse des abgebildeten, am besten erhaltenen
Exemplars ist 2,5 mm lang, nur sehr leicht gekrümmt fast
gerade, von den Seiten stark zusammengrückt, keilfömig,
oben schief abgestutzt. Die gestrahlte Mündung liegt auf
einem kleinen Fortsatz, im höchsten spitzen Winkel der
letzten Kammer nach der concaven Seite der Krümmung.
Im Uebrigen ist das Gehäuse glasig, glänzend, glatt. Man
zählt 14 Kammern, die niedrig und breit sind, etwas ver¬
tieft, da meistens die Scheidewände etwas vorstehen. Die
Scheidewände der jüngsten Kammern stehen etwas schief
gegen die Achse, je weiter man aber in den älteren Theil
hinabgeht, desto mehr werden die Scheidewände recht¬
winklig gegen die Achse. Die Anfangskammer ist etwas
kugelig geschwollen, ohne Stachel oder Spitze.
Da nun Neugeboren schon Vaginulina baclenensis
aus dem Tertiär von Siebenbürgen mit gestrahlter Mündung
angibt, so bleibt als einziger Unterschied zwischen unserem
Exemplar und denen des Wiener Beckens nur der lange
175
Stachel, der sich bei den letzteren findet. Nun ist aber
bei Nodosaria , Dentalina in dem Vorhandensein oder Feh¬
len des Stachels kein so bedeutendes Moment gefunden,
dass man dadurch genöthigt würde, 2 sonst gleiche Exem¬
plare in verschiedene Arten zu bringen. Vorläufig wird
man dies auch für Vaginulina annehmen dürfen.
Das 2. Exemplar, dessen Mündungskammer zerstört
ist, unterscheidet sich von dem ersten nur dadurch, dass
es etwas stärker gekrümmt ist, Spuren eines Kiels sich
finden, und das Bruchstück eines Stachels etwa wie Neu¬
geboren bei Voginüla Bruckesthali (Neugeb. 1. c. S. 98
Taf. 5 Fig. 10) beschreibt und abbildet. Aber nur hier
besteht eine Aehnlichkeit zwischen dieser Art und der un¬
seligen; der Bau der Kammern und namentlich der ältesten,
ist bei unserem Exemplar gerade wie bei Vag. badenensis
d’Orb. und weicht durchaus ab von Vag. Bruckesthali.
Zur Gattung Vaginulina ist auch noch ein Bruchstück
zu rechnen, welches bei einer Länge von 1,5 mm nur 3 Kam¬
mern enthält, von denen diejenige, die unverletzt ist, eine
Breite von 0,6 mm besitzt ; das unverletzte Exemplar würde
hiernach eine Länge von mindestens 6 — 7 mm haben. Ab¬
gesehen von dieser bedeutenden Grösse und der nicht gla¬
sigen, mehr steinartigen Beschaffenheit des Gehäuses stimmt
es sonst ganz mit den beschriebenen Exemplaren, also mit
Vaginulina überein. **
Untergattung M a r g inujina und Gr ist eil ar ia
(Bobulina).
Bobulina ist schon sehr früh mit Cristellaria vereinigt
und später vielfach nicht einmal als Section beibehalten.
Dass Margulina und Cristellaria zu einer einzigen
Gattung vereinigt werden müssten, hat schon d’Orb igny
angedeutet (d’Orb. 1. c. S. 67). Reuss hat wiederholt dar¬
auf hingewiesen und in seinen späteren Schriften die Gat¬
tung Marginulina nur als Section der Gattung Cristellaria
beibehalten. Fast alle neueren Schriftsteller haben dies
angenommen, weil sie die Unmöglichkeit fühlten, eine
Grenze zwischen Marginulina und Cristallaria oder zwi¬
schen den Formen, die nur im älteren Theil des Gehäuses
176
den Anfang eines Gewindes zeigen, dann sich aber gerade
strecken, und zwischen denjenigen, die mehr oder weniger
ein vollständiges Gewinde haben, festzusetzen.
Aber auf der anderen Seite ist auch eine Trennung
zwischen den vorhergehenden Gattungen und diesen, na¬
mentlich zwischen Dentalina einerseits und Marginulina
andererseits, nicht so scharf als gewöhnlich angegeben wird.
Biltsclili nennt Marginulina geradezu eine Uebergangs-
form zwischen Dentalina und Cristellaria (Bütschli in
Bronn’ s Klassen u. s. w. Bd. 1 S. 198), Neugeboren
spricht sich aber folgendermassen aus (Denkschriften 1. c.
S. 99):
„Zu den eigentlichen Marginulinen kommen noch
Schalen, die auch nicht die geringsten Anfänge einer spi¬
ralen Aufrollung aufzuweisen hatten, jedoch in Folge der
stets randständigen Spitze ihrer letzten grossen und con¬
vexen Kammer nur unter die Marginulinen eingereiht
werden konnten.“
Zu diesen Formen gehören vermuthlieh die beiden
Arten Marginulina dubia Neugeb. und M. incerta Neugeb.
Doch ist mir leider die Zeitschrift „Verhandlungen und
Mittheilungen des Siebenbiirgischen Vereins für Naturwis¬
senschaften“, in welcher Neugeboren die Beschreibung
und Abbildung der angegebenen Arten veröffentlicht hat,
und auf welche er sich in den Denkschriften bezieht,
nicht zugänglich. Ich kann daher auch nicht beurtheilen,
ob die später zu erwähnenden Arten von Dingden, welche
ebenfalls noch kein Gewinde zeigen, mit diesen oder an¬
deren von Neugeboren aufgestellten Arten zusammen¬
fallen. Die früher erwähnte Form Dent. Nr. E. Taf. II
Fig. 11 und 11a fällt entschieden nicht mit den Formen,
die Neugeboren erwähnt, zusammen, schon wTegen der
starken Berippung. Sie könnte zu Marginulina gestellt
werden, weil die Mündungskammer sehr gross, convex ist
und die Mündung sehr randständig. Ich habe sie noch zu
Dentalina gezogen, weil sich im älteren Theil des Gehäuses
noch nicht die Spur einer Abweichung, wie wir sie bei Mar¬
ginulina haben, zeigt, und weil die seitliche Compression
des Gehäuses sehr unbedeutend ist. Sie steht aber sicher
177
auf der Grenze. Die beiden hier folgenden haben den Charak¬
ter von Marginulina schon mehr ausgesprochen, sie sind
in Dingden leider sehr selten, beide nur in je einem Exem¬
plar gefunden ; wahrscheinlich gehören sie zu einer der
oben erwähnten, von Neugeboren aufgestellten Arten ;
ich unterlasse daher sie zu benennen, und füge nur ihre
Beschreibung und Abbildung bei.
21. Cristellaria ( Marginulina ) sp. cf. Marginu¬
lina dubia Neugeb. (Denkschriften u. s. w. Bd. 12 S. 36)
oder Marg. incerta Neugeb. (ebendaselbst). Auch Neuge¬
boren, Foraminiferen von Lapugy in den Verhandlungen
und Mittheilungen des Siebenbtirgischen Vereins für Natur¬
wissenschaften Jahrgang 2 S. 120 u. 121 Taf. 4 Fig. 1
u. 2. Unsere Taf. II Fig. 18.
Das Gehäuse ist glatt, glasig, glänzend, gerade, fast
rundlich im Querschnitt, nur etwas von den Seiten her zu¬
sammengedrückt,' 1,2 mm lang mit 6 Kammern, wobei die
grosse Mündungskammer etwas zerbrochen, jedoch sieht man
deutlich, dass die Mündung am spitzen Winkel ganz rand¬
ständig liegt und gestrahlt ist. Die Scheidewände sind deut¬
lich, namentlich die, welche zwischen den jüngeren Kam¬
mern liegen ; sie bringen seichte Furchen auf dem Gehäuse
hervor und sind schief gegen die Axe gerichtet. Die älte¬
ren sind undeutlicher. Die Anfangskammer ist kaum höher
aber schmaler, als die folgenden und endigt mit einem kur¬
zen Stachel, der, wie vielleicht auch das Ende der Kam¬
mer, nicht genau central steht, sondern sich etwas nach
der Richtung wendet, die der Lage der Mündung entgegen¬
gesetzt ist. Dieses Verhalten, dann die randständige Mün¬
dung und der Bau des Gehäuses im Ganzen erinnert an
Marginula. Aber jede Andeutung eines Gewindes fehlt.
22. Cristellaria {Mar ginulina) sp. — (siehe die
vorhergehende Art.). Unsere Taf. II Fig. 19.
Die Beschaffenheit des Gehäuses ist wie bei der vori¬
gen. Es ist aber 1,8 mm lang und hat 9 Kammern, wobei
die Mündungskammer ebenfalls zerbrochen ist und zwar
so, dass man die Beschaffenheit der Mündung nicht mehr
erkennen kann, sie war aber randständig im spitzen Win¬
kel der grossen letzten Kammer gelegen. Die Scbeide-
Verh. <1. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bel. IX. J2
178
wände der Kammern, auch die des älteren Theils sind
schief gegen die Axe geneigt. Furchen finden sich auf
der Oberfläche kaum. Die Anfangskammer ist kugelig ohne
Stachel und biegt sich etwas stärker als bei der vorher¬
gehenden Art in einer Richtung, welcher derjenigen, in wel¬
cher die Mündung liegt, entgegengesetzt ist. Auch diese
Form ist wie die vorige, sehr selten.
Was nun die übrigen, zur Gattung Cristellaria im
weiteren Sinne zu rechnenden Formen betrifft, so hat Reuss
ausser einigen unbestimmbaren Bruchstücken und ausser
der später zu erwähnenden Robulina cultrata nur noch die
Cristellaria Akneriana Reuss und auch diese noch sehr sel¬
ten in der ihm übersandten Probe gefunden. Mit dieser
Cr ist. Akneriana Reuss vereinigt er Marg. Akneriana, va-
riabilis , intermedia , erecta , carinata , welche sämmtlich von
Neugeboren aus dem Tegel von Lapugy beschrieben
werden. Die Beschreibungen und Abbildungen dieser Ar¬
ten sind alle in der schon früher bezeichneten Zeitschrift,
welche mir nicht zugänglich war, enthalten. Ob Crist. va-
riabilis Reuss (Denkschriften u. s. w. Bd. 1 S. 369 Taf. 46
Fig. 15, 16, die Reuss aus dem Tegel von Baden bis Wien
beschreibt, auch hierhin gehört, was möglich ist, kann ich
nach den vorliegenden Beschreibungen nicht mit Sicherheit
behaupten.
Von den nachträglich bis jetzt bei Dingden gefunde¬
nen Cristellarien gehören nur einige zu der Gruppe Crist.
Akneriana , so dass auch noch jetzt diese Art zu den Sel¬
tenheiten gehört. Die gefundenen Exemplare weichen aber
alle von einander ab, oft so stark, dass man sie ohne die
Uebergangsformen zu verschiedenen Arten rechnen würde
und der Name der Art „ variabilis “ sehr gerechtfertigt er¬
scheint.
Man kann etwa folgende verschiedene Formen resp.
Alterszustände unterscheiden.
1. Das ältere Ende macht einen mehr oder weniger
vollständigen Umgang. Diese stehen der Crist. Akneriana
179
unzweifelhaft am nächsten und sollen daher unter diesem
Namen beschrieben werden.
23. Gr i stellar i a Ahnerian a Reuss. — Unsere
Taf. III Fig. 20.
Es sind nur einige Exemplare gefunden, von denen
das grösste, hier abgebildete 1,2 mm lang, glasig, glänzend,
glatt ist, und aus 6 Kammern besteht. Die 3 ältesten bil¬
den ein kurzes, etwas unregelmässiges Gewinde, während
die 3 letzten in fast gerader, nur leicht gekrümmten Rich¬
tung aufwärts streben. Alle Kammern sind von der Seite
etwas komprimirt und haben auf der Rückenseite einen
sehr schwachen Kiel oder Saum. Die Mündungskammer ist
die grösste, oval, die Mündung gestrahlt auf einer Ver¬
längerung gelegen, etwas nach der convexen Seite hin.
Die 2. Kammer ist der ersten an Grösse fast gleich, die
3. ist sehr niedrig breit. Alle Scheidewände sind deutlich,
die durch sie entstandenen Furchen im Allgemeinen, na¬
mentlich im älteren Theile nur schwach.
Abweichend sind nun folgende Formen.
1. Unsere Taf. III Fig. 20 a.
Die Länge beträgt nur 0,9 mm, ist also erheblich ge¬
ringer als bei der vorigen. Ebenso sind auch übrigen Di¬
mensionen kleiner. Es ist glasig, glatt aber nicht glänzend,
sondern matt, stärker von den Seiten zusammengedrückt
und ebenso mehr gekrümmt, als die erste Form. Kammern
sieht man 6. Die Mündungskammer ist gross, sie trägt
die gestrahlte excentrische Mündung in dem spitzen Win¬
kel der convexen Seite des Gehäuses. Durch eine deut¬
liche Furche ist sie von der 2. ebenfalls grossen Kammer
getrennt und diese ebenfalls deutlich von der dritten ge¬
schieden. Diese 3 bilden den geraden Theil des Gehäuses,
sie sind durch einen nicht sehr deutlichen Saum, der auf
der convexen Seite des Gehäuses liegt und auch auf das
Gewinde fortsetzt, mit einander verbunden. Im Gewinde
bemerkt man 3 Kammern, von denen die letzte sehr klein
ist und die 2. Kammer zwar nicht berührt, aber doch fast
mit ihr zusammenstösst.
2. Unsere Taf. III Fig. 20 b.
Das folgende Exemplar Fig. 20 b ist ebenfalls glatt,
180
glasig, glänzend und wie die anderen alle, von den Seiten
stark zusammengedrückt, hat eine Länge von 0,9 mm und
nur 5 Kammern. Die Mündungskammer ist bedeutend klei¬
ner als die folgende, wodurch diese Schale sich nicht
allein von den beiden vorhergehenden, sondern auch von
allen folgenden Formen mit Ausnahme von 20 e unter¬
scheidet. Die dritte Kammer ist wohl die grösste von
allen, und nimmt noch etwas an dem Gewinde theil, derart,
dass die vorletzte Kammer fast die Anfangskammer be¬
rührt. Undeutliche Unregelmässigkeiten der Oberfläche
deuten darauf hin, dass dies Individuum stark zu Abände¬
rungen geneigt war, und daher sind auch wohl die Ab¬
weichungen, welche sich bei diesem Exemplar finden, mehr
individueller Natur.
Entfernter stehen nun die folgenden, welche wahr¬
scheinlich frühere Jugendzustände waren.
Unsere Taf. III Fig. 20 c hat nur 4 Kammern, und
zwar ist der gerade Theil erheblich verkürzt. Es ist eben¬
falls glatt, glasig, glänzend, 0,8 mm lang, etwas gekrümmt,
von den Seiten her stark zusammengedrückt und ein Saum
auf dem Rücken vorhanden, aber schwach. Die Kammern
im geraden Theil des Gehäuses gross, die Furchen zwischen
ihnen deutlich, stärker als bei den Kammern im Gewinde.
Der gerade Theil besteht eigentlich nur aus der Mündungs¬
kammer, indem die 2. Kammer in der Krümmung so zu¬
sammengedrückt ist, dass die Mündungskammer fast die
Anfangskammer berührt.
Unsere Taf. III Fig. 20 d ist glatt, glasig, glänzend,
von den Seiten stark komprimirt und besteht aus 4 Kam¬
mern. Aber diese Kammern sind durchaus anders ange¬
ordnet, wie bei den vorigen. Der gerade Theil besteht
nur aus der Mündungskammer, welcher die gestrahlte Mün¬
dung fast mittelständig trägt und in einer horizontalen
Furche auf der 2. und 4. Kammer gerade aufgesetzt er¬
scheint, während die 3. das untere Ende bildet. Die Länge
ist 0,6 mm, das Exemplar ist unstreitig sehr eigentümlich
gebaut, aber eben die Summe aller Eigentümlichkeiten
lässt es nicht zu, dasselbe einer anderen Gattung oder Fa¬
milie zuzuweisen.
181
Unsere Taf. III Fig. 20 e, in Allem von derselben
Beschaffenheit, wie die vorhergehenden, ist 0,6 — 0,7 mm
lang und hat ebenfalls 4 Kammern, die gerade so liegen,
wie bei 20 d. Ebenso ist es von den Seiten stark zusam¬
mengedrückt, die Naht zwischen der Mündungskammer und
dem Gewinde ist tief, die anderen Nähte dagegen kaum
wahrzunehmen, linienartig. Es ist nur deswegen hier ge¬
zeichnet, weil die kleine Mündungskammmer an die unter
20 b gezeichnete Form erinnert.
Die ebenfalls hierhin gerechnete und unsere Taf. III
Fig. 20 f abgebildete Form stimmt mit dieser ziemlich
überein und ist nur deswegen noch hier abgebildet, weil
sie gerade in mehreren Exemplaren gefunden ist. Das
Gehäuse ist bei allen 0,5 — 0,6 mm lang, von den Seiten
stark zusammengedrückt, mit einem undeutlichen Saum ver¬
sehen, glatt, glasig, glänzend. Die Mündungskammer ist
gross, sie trägt die gestrahlte, stark vorgezogene Mündung
etwas unsymmetrisch nach vorn. Unter der Mündungs¬
kammer finden sich 2 gleich grosse Kammern, auf welche
die erstere scharf aufgesetzt ist. Bei einem Exemplar
scheint auch eine dritte, wie in dem Fig. 20 d gezeichne¬
ten Exemplar aufzutreten.
Taf. III Fig. 20 g endlich stimmt mit dieser vollstän¬
dig überein, nur ist die Spitze der Mündungskammer, . welche
die gestrahlte Mündung trägt, sehr excentrisch nach vorn
geneigt.
Es ist nochmals hervorzuheben, weil es in den Zeich¬
nungen nicht so deutlich hervortreten konnte, dass alle
Exemplare von Fig. 20 bis Fig. 20 g von den Seiten stark
zusammengepresst erscheinen, dass sich dadurch ein Rücken
mit einer Spur von Saum bildet, und dass der Median¬
schnitt, der längs dieses Rückens gelegt wird, das Gehäuse
in 2 symmetrische Hälften theilt. Letzteres wird freilich
bisweilen undeutlich, die Abweichungen sind aber nie so
bedeutend, dass man an Schraubenwindungen bei der An¬
ordnung der Kammern denken könnte.
In der Grösse, in der Beschaffenheit des Gehäuses,
182
kurzum in mehreren wichtigen Eigenschaften stehen nun
die folgenden Formen den soeben betrachteten nahe; sie
unterscheiden sich aber sehr wesentlich dadurch, dass die
älteren Kammern keinen vollständigen Umgang bilden. Es
ist mir nicht gelungen, einen Uebergang zwischen diesen
und den vorhergehenden oder irgend einer anderen Art
zu finden.
Die vollständigste Form ist auf Taf. 3 Fig. 21 abge¬
bildet; sie ist in mehreren Exemplaren, die aber alle unter
einander etwas verschieden sind, gefunden. Weil zwischen
diesen und den übrigen Formen, die zu dieser Gattung ge¬
hören, kein Uebergang nachweisbar ist, wird sie wohl als
eigene Art zu betrachten sein.
24. Cristellaria ( Mar ginulina ) Dingdenensis
Hos. Unsere Taf. III Fig. 21.
Die älteren Kammern bilden kein vollständiges Ge¬
winde, die Anfangskammer breit, niedrig, liegt etwas
schief unter der 2. (In einer systematischen Ordnung
würde sie vor Nr. 23 stehen.) Alle gefundenen Exemplare
sind glatt, glasig, glänzend, stark gekrümmt, aber weniger
von den Seiten zusammengedrückt als die vorhergehenden.
Das grösste hier abgebildete Exemplar hat eine Länge von
0,8 mm und, wie die übrigen, 4 Kammern; die Anfangskam¬
mer klein, durch eine undeutliche Furche von der folgen¬
den, die sehr gross ist, getreunt. Die folgende und die Mün¬
dungskammer sind auch noch gross, jedoch kleiner als
die 2. Kammer. Die Mündung ist gestrahlt und liegt rand¬
ständig nach dem convexen Theil des Gehäuses.
Bei einem anderen Exemplar ist die Anfangskammer
etwas .grösser, bei einem 3. ist die jüngste Kammer sehr
gross und die Mündung liegt auf einer kurzen Verlänge¬
rung, während bei einer 4. die jüngste Kammer klein ist,
etwa wie bei dem Fig. 20 b abgebildeten Exemplar. Die
folgenden haben nur 3 Kammern. Einige scheinen Jugend¬
zustände der Form 21 zu sein, andere dagegen nicht oder
doch sehr abweichend; sie sind in folgenden Fig. 22 — 22 c
abgebildet.
Nr. A. Fig. 22 von (beiden Seiten) ist ein sehr eigen¬
tümliches Gehäuse, und gerade dies wohl eine abnorme
183
Bildung. Die Länge beträgt 0,7 mm, von denen 0,3 mm auf
die Mündungskammer, sicher ebensoviel auf die mittlere
kommen, so dass nur 0,1mm für die Anfangskammer übrig
bleiben, und daher das Ganze den Eindruck macht, als ob
das Gehäuse 2 Kammern besässe und mit einem kurzen
stumpfen Stachel endige, (Fig. 22 rechts). Von der anderen
Seite gesehen, Fig. 22 links, ist auch die Anfangskammer
breit niedrig und bei starker Vergrösserung glaubt man
in ihr sogen. Scheidewände unterscheiden zu können. Wenn
auch, wie vorhin bemerkt, Spuren der Ungleichheit zwischen
rechts und links bei vielen Exemplaren auftreten, so ist
dies Exemplar doch von allen am meisten unsymmetrisch
nach den Seiten hin und daher auch keiner Dentalina zu-
zurechnen, wozu man bei einigen der folgenden versucht
sein könnte. Die Ungleichheit, die sich bei der Anfangs¬
kammer zeigt, je nachdem man sie von der rechten oder
linken Seite betrachtet, legt es nahe, an eine Pölymorphi-
nina zu denken. Der Zuordnung zu dieser Gruppe wider¬
spricht aber entschieden die Anordnung der jüngsten Kam¬
mern u. s. w.
Nr. B. Fig. 22a ist 0,6 mm lang, ziemlich dick, nicht
glasig glänzend, sondern steinartig matt. Die Anfangskam¬
mer ist sehr klein, etwas excentrisch, die Mündungskammer
gross, kugelig, über die Hälfte des ganzen Gehäuses ein¬
nehmend, mit einer gestrahlten Mündung, die etwas excen¬
trisch in einem der Lage der Anfangskammer entgegenge¬
setzten Sinne liegt.
Nr. C. Fig. 22 b ist ebenfalls 0,6 mm lang, glasig,
glatt, glänzend, von den Seiten her etwas abgeplattet. Von
den 3 Kammern ist die Anfangskammer niedrig, breit,
etwas excentrisch unter der 2., die die grösste ist, und
woran man einen Kiel oder Saum wahrnimmt. Die
Mündungskammer ist mit der 2. von gleicher Länge, läuft
aber nach oben spitzer zu und ist gebogen. Die Mündung
ist gestrahlt.
Nr. D. Fig. 22c. Die 4. Form ist von derselben Be¬
schaffenheit und Grösse wie die dritte. Die Furchen zwischen
den Kammern sind deutlich, aber seicht, so dass das Ge-
hause undeutlich eiförmig aussieht. Die Mündung ist ge¬
strahlt.
Berippte Cristellarien, die zur Sektion Marginulina ge¬
rechnet werden müssen, sind im Allgemeinen selten.
Es finden sich
25. Cristellaria (Mar ginulina) costata Hos. Un¬
sere Taf. III Fig. 23.
Es ist nur ein einziges Exemplar gefunden. Das Ge¬
häuse ist 1,1 mm lang, glasig, glänzend, schlank, fast ge¬
rade, nur die beiden ältesten Kammern sind gekrümmt.
Im Ganzen sind 6 Kammern vorhanden, die regelmässig
von der ältesten bis zur jüngsten an Stärke zunehmen,
und mit Ausschluss der letzten breiter sind als hoch. Die
Furchen zwischen den Kammern sind namentlich im jüng¬
sten Theil des Gehäuses sehr deutlich. Die Anfangskam¬
mer ist gerundet, ohne Stachel. Die Mündung liegt etwas
excentrisch und ist gestrahlt. Das ganze Gehäuse ist mit
hohen scharfen, nicht gekörnten Längsrippen bedeckt, die
über die ganze Oberfläche auch durch die Furchen gehen,
oft dichotomiren, aber auch wieder zusaramenlaufen. Am
kräftigsten sind sie am unteren Theil des Gehäuses, dort
zählt man etwa zehn. Auf der Mündungskammer sind un¬
gefähr 18, sie sind hier regelmässiger, aber schwächer.
26. Cristellaria (Mar g inulina) raricosta Hos.
Unsere Taf. III Fig. 24.
Ebenfalls sehr selten, 0,8 mm lang, glasig glänzend,
nur in den beiden ältesten Kammern gebogen, sonst fast
gerade. Es finden sich 5 Kammern, die Anfangskammer
gerundet, ohne Stachelspitze. Die 2. sehr klein, an der
Innenseite, wo die Krümmung liegt, fast verschwunden,
die 3 anderen, die den geraden Theil bilden, fast von
gleicher Grösse, gerundet. Die Furchen zwischen den Kam¬
mern deutlich. Die Mündung gestrahlt, auf einem kleinen
röhrenartigen Fortsatz excentrisch, von der Richtung der
Krümmung des älteren Theils abgewandt. Die Oberfläche
ist bedeckt mit wenigen entfernt stehenden Rippen, etwa
8 im Umkreis. Die obere Fläche der Rippen ist unregel¬
mässig gekerbt, die Rippen haben überhaupt die Neigung,
sich in einzelne Körner aufzulösen, und die Formen, bei
185
denen dies Streben vorherrscht, bilden den Uebergang zu
den folgenden.
Zu der Gruppe der Gristellaria ( Marginulina ) hirsuta
d’Orb., die eine gekörnte Oberfläche hat, gehören mehrere
Exemplare, die aber alle unter sich und von der eigent¬
lichen Marginulina hirsuta d’Orb. (1. c. S. 59 Taf. 3 Fig. 17,
18) in etwa abweiehen. Am meisten stimmt noch
27. Gristellaria ( Marginulina ) hirsuta d’Orb.
' Unsere Taf. III Fig. 25.
1,5 mm lang; da aber ein Stück fehlt und zwar wahr¬
scheinlich die letzte Kammer, so würde, wenn diese hinzu¬
gerechnet wird, ungefähr die von d’Orb igny gegebene
Grösse — 2 mm — erreicht werden. Das Gehäuse ist glasig,
zart, besteht aus 6 Kammern, die breiter als hoch sind,
im Allgemeinen vom Anfang bis zur Mündung an Grösse
zunehmen, doch ist bei diesem Exemplar die vorletzte Kam¬
mer etwas kleiner, als die drittletzte, die letzte wieder sehr
gross. Nur die Anfangskammer und die folgende zeigen
die Krümmung der Marginulinen, sie sind durch schiefe,
wenig deutliche Nähte getrennt. Alle übrigen bilden eine
gerade Linie und die Scheidewände zwischen den einzelnen
Kammern stehen senkrecht zur Axe. Dadurch unterschei¬
det sie sich sofort von den sonst sehr ähnlichen, aber viel
kleineren Marg. cristellarioides Czizek 1. c. S. 140 Taf. 12
Fig. 14 — 16, bei welchen unten mehr Scheidewände schief
zur Axe stehen.
Zwischen den Kammern sind deutliche Furchen, die
nach der Mündung hin tiefer als am unteren Ende sind.
Ob die letzte — fehlende — Kammer so sehr von den
übrigen abgesetzt war, als d’Orbigny bei Marg. hirsuta
angibt und zeichnet, bleibt unentschieden. Nach dem Saum,
der von der abgebrochenen Kammer auf der letzten vor¬
handenen zurückgeblieben ist, war dies nicht der Fall,
doch kann bei dem hiesigen Exemplar noch mehr als eine
Kammer fehlen. Aber die anderen, allerdings meist klei¬
neren Exemplare haben es auch nicht. Die Mündung ist
fast central, gestrahlt. Die ganze Oberfläche ist mit Erha¬
benheiten bedeckt, mit Körnern oder stumpfen Stacheln, die
theils unregelmässig vertheilt sind, theils zu undeutlichen.
186
etwas schief verlaufenden vertikalen Zügen zusammenge¬
setzt sind, bei manchen sogar undeutliche Rippen bilden.
Das letztere beobachtet man gerade an einigen kleinen
Exemplaren.
Etwas entfernter steht Taf. III Fig. 25a, welcher Form
die Mehrzahl aller gefundenen Exemplare angehört. In
der Regel finden sich 4 Kammern, die zusammen 0,6 mm
lang sind. Die Anfangskammer ist meist gerundet, grösser
als die folgende, doch finden sich auch Formen, bei denen
die Anfangskammer die kleinste ist. Das Gehäuse ist nicht
gerade, sondern etwas gebogen, daher stehen auch die
Scheidewände nicht senkrecht zur Axe. Die gestrahlte
Mündung liegt excentrisch am Rande des convexen Theils
der Krümmung, die Verzierung durch Körner ist bei die¬
sen wie bei den vorgehenden. Bei anderen sind die Kam¬
mern, die bei einem Exemplar bis zu 8 vorhanden sind,
mehr oder weniger gleich stark, die Scheidewände bis zur
letzten hin fast undeutlich, das Gehäuse ziemlich gebogen.
Allen bis jetzt beschriebenen Formen ist die starke
Körnelung der Oberfläche, die im Allgemeinen unregel¬
mässige Vertheilung der Körner und Stacheln gemeinschaft¬
lich. Die folgenden sind dagegen sehr schwach gekörnt.
Taf. III Fig. 25b hat eine Länge von 1mm. Es sind
6 Kammern vorhanden, von denen nur die gerundete An¬
fangskammer und die 2. Kammer gebogen sind, die an¬
deren dagegen gerade. Die Scheidewände sind überall
deutlich, namentlich aber an dem jüngeren Ende verursachen
sie tiefe Furchen, so dass die Kammern gerundet erschei¬
nen, die Mündung ist wenig excentrisch, und liegt auf
einem kleinen Fortsatz. Das Exemplar stimmt im Ganzen
mit dem in Fig. 25 gezeichneten; nur ist die Körnelung
sehr schwach.
Fig. 25 c stimmt im Allgemeinen mit Fig. 25 a, nur
ist auch hier die Körnelung fast undeutlich. Auch bei
diesen Exemplaren geht die Körnelung gern in eine un¬
deutliche Berippung über.
Zwischen diesen 4 Formen 25 — 25 c irgend eine be¬
stimmte Grenze zu ziehen, so dass man verschiedene be¬
stimmte Arten unterscheiden könnte, ist bis jetzt unmöglich.
187
Es entsteht sogar die Frage, ob es später möglich sein
wird, die berippten von den gekörnten scharf zu trennen.
Taf. III Fig. 25 d ist ein Bruchstück von 0,6 mm Länge,
welches nur 3 Kammern enthält und sich durch bedeutende
Entwickelung namentlich der untersten Kammer ausge¬
zeichnet. Es ist stark gekrümmt, im Uebrigen hat es in
der Körnelung Aehnliehkeit mit 25. Es finden sich auch
unter den Formen, die zu dieser Gruppe (25) gehören, ein¬
zelne Exemplare, welche ein Ueberwiegen der unteren
Kammer, wie es bei dieser Form 25 d so bedeutend her¬
vortritt, schon andeuteu.
An diese Marginulinen möchte ich eine Form anschlies-
sen, die ebenfalls gerade gestreckt erscheint, die aber, was
die Ausbildung der Mündungskammer betrifft, zu den eigent¬
lichen Cristellarien gerechnet werden muss. In wie weit
ein Gewinde vorhanden ist, und dies Cristellarienartig aus¬
gebildet ist, lässt sich an der unverletzten Schale nicht er¬
kennen. Auf den ersten Blick macht das Exemplar — es
ist nur eins gefunden — den Eindruck eines Rhabdogeniums
Reuss, (Reuss die Foraminiferen der westfälischen Kreide¬
formation, Sitzungsberichte u. s. w. Bd. 11 S. 54 Taf. 6 Fig. 7,
Taf. 7 Fig 7 u. Fig. 6. Auch Reuss, Foraminiferen des
deutsch. Septarienthons in Denkschriften Bd. 25 S. 22 Taf. 2
Fig. 32). Doch ist die jüngste Kammer, namentlich die
vordere Septalfläche derselben, so sehr wie bei Cristellaria
ausgebildet, dass ich es vorziehe, sie hierhin zu stellen.
Es ist, wie erwähnt, nur ein Exemplar bis jetzt gefunden.
Daher war es vorläufig unthunlich, dasselbe zu zerstören,
um das Innere zu sehen. Die Form ist
28. Cristellaria minuta Hos. • Unsere Taf. III
Fig. 26.
Das Gehäuse ist 0,6 — 0,7 mm lang, glasig glänzend.
Man unterscheidet nur 2 Kammern, die Mündungskammer,
die grössere und im Querschnitt dreieckige. Die vordere
Septalfläche ist an der Basis etwas eingebogen, nach der
Spitze hin aufgetrieben, die Spitze ist gestrahlt, und un¬
mittelbar unter derselben erblickt man auf der vorderen
Fläche ein rundes, leider etwas verletztes Loch, das unge-
strahlt ist. Diese vordere Fläche ist durch 2 starke Kiele
188
seitlich eingefasst und ein dritter starker Kiel geht von
der Spitze über den Rücken herunter. Durch diese 3 Kiele
wird die Mündungskammer dreieckig, der Querschnitt ist
aber ein gleichschenkeliges Dreieck, indem die vordere
Septalfläche kleiner ist, als die beiden Seitenflächen. Letz¬
tere sind noch mit einigen gebogenen Längsrippen verziert.
Scheidewände erblickt man nicht. Ein deutliche Furche
trennt diesen Theil des Gehäuses von dem folgenden, wel¬
cher den Eindruck macht einer einzigen runden Anfangs-
kammer, die mit geraden Längsrippen besetzt ist und un¬
ten einige Stacheln trägt. Die Rippen, ungefähr 12, sind
zahlreicher als die auf der Mündungskammer, ein Theil
von ihnen geht in die Rippen der letzteren über, ein an¬
derer endigt in den Furchen.
Cristellarien, die vollständig involut sind, sind nicht
häufig. Die meisten von ihnen, die ein ganz involutes
Gewinde haben, gehören zur Unterabtheilung Robulina .
Folgende Art mag noch hierhin gehören:
29. Cristellaria cf. pauper cula Reuss. (Reuss,
die Foraminiferen d. deutsch. Septarienthons. Denkschriften
u. s. w. Bd. 25 S. 25 Taf. 3 Fig. 6, 7.) — Unsere Taf. III
Fig. 27.
Es sind nur 2 Exemplare bis jetzt gefunden, die
glasig, aber nicht glänzend, sondern matt, rauh, von grauer
Farbe sind. Das erste vollständigere Exemplar hat einen
Durchmesser von 3 mm und besteht aus 5 etwas unregel¬
mässig ausgebildeten Kammern, die durch seichte Nähte von
einander getrennt sind. Der ältere Theil des Gehäuses
wird durch diese Kammern vollständig eingehüllt. Ein
Nabel findet sich nicht. Die jüngste Kammer hat eine
gestrahlte, fast runde Mündung an der Spitze. Von hier
auf der Septalfläche der Mündungskammer zieht sich eine
vertiefte Linie, kein eigentlicher Spalt abwärts. Die Sep¬
talfläche ist so schmal, dass sie fast nur durch diese ver¬
tiefte Linie gebildet wird. Ein Kiel ist angedeutet; dieser ist
aber entschieden stärker entwickelt bei dem 2. Exemplar,
welches ebenfalls 3—4 mm Durchmesser hat, an dem aber die
Mündung verletzt ist. d’Orbigny gibt aber keine Art aus
dem Miocen an, an dem die Septalfläche so schmal wird,
189
während die Kammern gewölbt erscheinen. Die Art, welche
diese Eigenschaften hat, ist Cr. pauper cula Reuss (s. oben),
die auch im Uebrigen mit diesen Exemplaren stimmt. Nur
nennt Reuss die Art klein, ohne jedoch Masse anzugeben.
30. Cristellaria cf. cassis d’Orb. (1. c. S. 91
Taf. 4 Fig. 4—7.)
Es sind 6 Exemplare gefunden, die glatt, glasig, aber
nicht gerade glänzend sind. Das grösste hat einen Durch¬
messer von 5 mm. Die übrigen haben 4, 3,5 bis herunter
zu 2,5 mm. Die Beschreibung und Zeichnung von d’Or-
bigny passt durchaus, nur ist bei einigen der kleineren
Exemplaren das Gehäuse sehr involut, so dass die Spalte
der Mündung in der vorderen Fläche der letzten Kammer
fast den Rücken des Gewindes berührt.
31. Cristellaria (Robulina) cultrata d’Orb. (1. c.
S. 96 Taf. 4 Fig. 10—13).
Die einzige Cristellaria (ausser den bereits erwähnten
Marginula Äkneriana) welche Reuss in der Probe, die
ich ihm früher mittheilte, gefunden hat und zwar noch
sehr selten. Schon damals (1860) äusserte er sich dahin,
dass diese Art nicht von Robulina similis d’Orb. (1. c. S. 98
Taf. 4 Fig. 14, 15) zu trennen sei. Im Jahre 1866 in den
„Foraminiferen d. deutsch. Septarienthons (Denkschriften
u. s. w. Bd. 25 S. 29) spricht er sich über Cr ist. calcar
var. cultrata folgendermassen aus:
„Die Breite des peripherischen Flügelsaums ist sehr
wandelbar, bald ist er breit, bald nur schmal (var. angu-
stimargo), bald fehlt er auch ganz (var. exalata). Ebenso
wechselt die Grösse der Nabelscheibe bis zum Verschwin¬
den derselben. Die Nahtrippchen ragen manchmal nur
sehr wenig hervor und sind sehr fein, im anderen Falle
sind sie breiter und höher, aber ununterbrochen, während sie
dagegen wieder nicht selten ganz oder theilweise in Körnern
zerschnitten erscheinen. Bei dieser Mannigfaltigkeit der
Formen, die sämmtlich durch Mittelglieder mit einander
Zusammenhängen, ist es unstatthaft, einzelne derselben her¬
auszuheben und mit besonderen Speciesnamen zu belegen.
Es muss daher auch Robulina similis d’Orb. mit Cristellaria
calcar var. cultrata zusammengefasst werden. Eine andere
190
Gruppe innerhalb der Species Cristell. cultrata Linn6 bil¬
den die Formen mit in Spitzen oder Dornen zerschnittenem
Randsaum. Ich bezeichne sie als Cristell. calcar var. calcar.
d’Orb., weil d’Orbigny den Linne’schen Namen auf diese
Form beschränkt. . . . d’Orbigny unterscheidet Bob. calcar
und echinata von denen die letztere gestreifte und gekörnte
Kammern besitzt, ein Kennzeichen, das wegen seiner Ver¬
änderlichkeit nicht maassgebend sein kann. Mit var. calcar
dürften noch einige andere Formen, die bisher mit beson¬
deren Speciesnamen belegt wurden, zu vereinigen sein.“
(Reuss führt als solche später Bob. limbosa Reuss aus
dem Mitteloligocen an.) So wurden also schon durch Reuss
selbst damals eine Reihe von Arten, die theils von ihm,
theils von d’Orb ig ny aufgestellt waren, wie der mit Cr ist.
cultrata oder calcar vereinigt (Cr. similis, calcar , acutimargo ,
exalata , limbosa , echinata u. s. w.).
Ich habe, nachdem ich meine Sammlungen an Reuss
abgegeben hatte und von Neuem zu sammeln angefangen,
einige 100 Exemplare dieser Art gesammelt und kann die
Beobachtungen von Reuss nur bestätigen. Sämmtliche
Varietäten, die Reuss in seinen Citaten angibt, finden
sich nebst Uebergängen in meiner Sammlung. Auch die
Gruppe var. calcar findet sich in erheblicher Menge, wenn
auch nicht so häufig, als die erste var. cultrata. Zu den
Beobachtungen, welche Reuss über die Mannigfaltigkeit
der Formen angibt, darf man noch hinzufügen, dass auch
in der Zahl der Kammern und dem Verlauf der Scheide¬
wände, der bald fast gerade, meistens etwas bogenförmig,
oft aber auch sehr stark bogenförmig gekrümmt ist die¬
selbe Mannigfaltigkeit herrscht, wie in anderen Stücken,
während Uebergänge eine scharfe Trennung unmöglich
machen. Allen gemeinsam und daher wohl für diese Form
als charakteristisch zu betrachten, bleibt folgendes:
Gehäuse glasig, sehr involut, die Mündung verhält-
nissmässig klein, spaltförmig unter der gestrahlten Spitze.
Der Schnitt, welchen man durch die Windungsaxe und die¬
jenige Linie legt, die von der Spitze durch den Mittelpunkt
der Windungsaxe bis nach unten gezogen wird, ist unge¬
fähr ein Rhombus, dessen kleinste Diagonale die Windungs-
1
191
axe, dessen grosse Diagonale die eben genannte Linie ist.
Das Verhältnis der beiden Diagonalen schwankt zwischen
1 : 2 und 1 : 2,6, ist im Mittel 1 : 2,3. Dadurch fallen alle
Formen, die durch Uebergänge mit einander verbunden
sind, zu dieser einzigen Art zusammen. Unsicher bleiben
nur einige Formen, die durch Uebergänge bis jetzt nicht
deutlich mit den genannten verbunden sind. Sie stimmen
zwar im Allgemeinen mit Cr ist. cultrata überein, haben aber
einen anderen Umriss, namentlich einen fünfeckigen oder
eine langspaltförmige Mündung, oder auch einen anderen
Querschnitt oder die Scheidewände sind kaum zu bemerken.
Sie sind bis jetzt nur in sehr wenigen, zum Theil verletz¬
ten Exemplaren gefunden.
Indem ich diese und einige andere zu sehr verletzte
Formen übergehe, gebe ich nun im Folgenden die Beschrei¬
bung und Abbilduug einiger Cristellarien, die zwar auch
selten sind und meist etwas verletzt, von denen man je¬
doch behaupten kann, dass sie nicht zu den Arten gehören,
die in den mir zugänglichen Werken beschrieben und ab¬
gebildet sind, wenngleich sie zu manchen Arten nahe Be¬
ziehungen haben. Aus diesem Grunde und weil überhaupt
vollständige Exemplare selten sind, unterlasse ich es, sie
zu benennen, und verweise in dieser Beziehung auf das
früher Gesagte.
32. Cristellaria sp. Unsere Taf. III Fig28u. 28a.
In einer Seitenfläche beträgt der grösste Durchmesser
von der Spitze nach unten 3,5 mm, der kleinste senkrecht
darauf 2,3 mm. Das Gehäuse bildet aber kein regelmässi¬
ges Oval, sondern eine Seite, die vorzugsweise die vordere
Septalfläche der jüngsten Kammer ist, ist geradlinig. Zu¬
gleich ist das Gehäuse von beiden Seiten so eomprimirt,
dass die beiden Seitenflächen, die fast überall einander
parallel sind, kaum einen Abstand von 0,1 — 0,2 mm von
einander haben. Im Uebrigen ist das Gehäuse glasig,
glatt, nicht eigentlich glänzend, man zählt 11 Kammern,
die Scheidewände sind deutlich, stark gebogen. Ein eigent¬
licher Nabel ist nicht vorhanden, wohl aber ein kräftiger
Kiel. In vielen Beziehungen, in der Zahl und Grösse der
Kammern, die etwas gewölbt sind, in dem Vorhandensein
192
und der Grösse des Kiels erinnert das hiesige Exemplar
an Gr ist. reniformis d’Orb. (1. c. S. 88 Taf. 3, Fig. 39, 40).
Aber abgesehen davon, dass bei dem hiesigen Exemplar
die Anfangskammer doch etwas kugelig vorsteht, dass der
Umriss desselben breiter gerundet ist und daher auch der
Verlauf der Scheidewände ein anderer, unterscheiden sich
die beiden wesentlich durch die Form des Gehäuses. Das
hiesige Exemplar hat deutlich mehr als einen vollen Um¬
gang, so dass die Anfangskammer nicht wie bei Cr. reni¬
formis am Rande, sondern im Gewinde liegt. Die Mündung
ist leider verletzt, so dass man nicht unterscheiden kann,
ob eine Robulina, oder, wofür die allgemeine Form spricht,
eine Gristellaria vorliegt. Einige nahe stehende, aber be¬
deutend kleinere Exemplare gehören bestimmt zu der
Gruppe Robulina. Das kleinste, aber am besten erhaltene
Stück ist Fig 28 a von der Seite und von vorn gezeichnet.
Es hat die Durchmesser 2 und 1,6 mm auf der Seiten¬
fläche.
33. Gristell aria sp. Unsere Taf. III Fig. 29.
Bis jetzt hat sich nur ein einziges Bruchstück, wel¬
ches dazu noch in dem erhaltenen älteren Theil sehr un¬
regelmässig ausgebildet ist, gefunden. Das vorhandene
Stück hat eine Länge von 1,3 mm, es ist glasig glänzend,
sehr von der Seite zusammengedrückt, so dass dadurch die
älteste Kammer kugelig vorsteht. Bei dem vorliegenden
Exemplar ist dieselbe nach einer Seite gedrückt, so dass
das Gehäuse unsymmetrisch wird, indem der ältere Theil
des Gehäuses über den Rand nach der einen Seite heraus¬
tritt, nach der anderen nicht. Der Kiel ist dabei unter¬
brochen. Abgesehen von diesem älteren unregelmässigen
Theil, in dem kaum Scheidewände wahrzunehmen sind,
zählt man in dem übrigen Theil des Gehäuses 6 Kammern,
die etwas convex und durch vertiefte Nähte getrennt sind.
Der Rücken hat einen deutlich abgesetzten Kiel. Dieses
Bruchstück wird aber nur deswegen hier erwähnt und ab¬
gebildet, weil es das einzige Stück ist, welches mit Rippen
verziert ist, die dem Kiel parallel laufen. Die Rippen sind
sehr fein, zahlreich, auf dem jüngeren Theil hat man jeder-
seits 10 Rippen, die bald über das ganze Gehäuse hinweg-
193
gehen, bald an den Furchen absetzen. d’Orbigny er¬
wähnt eine Art Bob. ariminensis 1. c. S. 90 Taf. 4 Fig. 8, 9
und Czizek eine 2. aus dem Miocen von Wien, Bob. strio-
lata 1. c. S. 142 Taf. 12 Fig. 28, 29. Beide können hier
nicht in Betracht kommen, weil sie eine andere Form des
Gehäuses besitzen. Sie haben einen mehr gerundeten Um¬
riss und sind durchaus nicht so comprimirt. Erstere hat
übrigens viel weniger und dafür desto stärkere Rippen,
auch die Rippen der letzteren sind noch stärker, als die
an dem hiesigen Exemplar. Ebenso unterscheiden sich
Cr. lanceoluta d’Orb. 1. c. S. 89 Taf. 3 Fig. 41, 42 und
Crist. semiluna d’Orb. 1. c. Taf. 3 Fig. 43t 44, die auch
wenigstens zum Theil ähnliche Rippen haben und eben so
seitlich comprimirt sind, doch hinlänglich durch die Form
des Gehäuses, die Form und Zahl der Kammern, sowie
die Grösse — bei beiden ist der Durchmesser über 3 mm
— als dass sie zur Vergleichung in Betracht kommen könn¬
ten. Ausserdem ist auch der Verlauf der Rippen ein an¬
derer, nicht ganz dem Rücken parallel. Jedenfalls zeigt
dies Bruchstück, dass auch Crisffellarien, die mit Rippen
versehen sind, welche dem Kiel parallel laufen, dem hiesi¬
gen Miocen nicht fremd sind.
34. Gristellaria cf. reniformis? d’Orb.
Ein einziges Bruchstück, dessen grösster Durchmesser
1 mm oder wenn man es sich ergänzt denkt, höchstens
1,5 mm beträgt, während d’Orbigny für Cr. reniformis
einen Durchmesser von 3mm angibt (d’Orb. 1. c. S. 88 Taf. 3
Fig. 39, 40). Abgesehen von diesem Grössenunterschied
lässt es sich in manchen Stücken wohl mit Cr. reniformis
vergleichen. Das Gehäuse ist glasig glänzend, oblong,
von den Seiten zusammengedrückt, aber nicht derartig, dass
die Anfangskammer, wenn man das Exemplar gegen die
Septalfläche der letzten Kammer betrachtet, kugelig Vor¬
stände. Es besitzt 11 nicht gewölbte Kammern, deren
Nähte auch nicht vertieft sind. Auch der Kiel ist eben¬
falls nicht breit, aber deutlich und scharf. Der einzige,
jedoch bedeutende Unterschied, der zwischen diesen Exem¬
plaren und der Cr. reniformis d’Orb. vorhanden ist, liegt
darin, dass das hiesige Stück sehr feine Rippen hat, die
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX. 13
194
zwar nicht ganz concentrisch resp. dem Rücken parallel
sind, die aber doch im Allgemeinen in dieser Richtung
gebogen erscheinen. Bei dem einzigen hiesigen Exemplar
sind auf der einen Seite 5—6 solcher Rippchen vorhanden.
Deutlich sind sie nur auf den jungen Kammern. Wären
die Rippen nicht vorhanden, so würde man das Exem¬
plar unbedingt zu Cr ist. reniformis d’Orb. rechnen.
35. Cristellaria cf. reniformis d’Orb.
Die hierhin gerechneten, ebenfalls nur in wenigen
Exemplaren vorhandenen Formen haben diese feinen Rip¬
pen nicht, sie stimmen in allen Stücken mit Cr ist. renifor¬
mis d’Orb. überein; aber ihr grösster Durchmesser ist bei
vollständiger Erhaltung und 7 Kammern nur 1 mm. Dazu
liegt die deutliche langspaltförmige Mündung auf der vor¬
deren Septalfläche unter der gestrahlten Spitze, so dass
diese Form zur Gruppe Robulina gerechnet werden muss,
während d’Orb igny Cr. reniformis noch zur Gruppe Cri¬
stellaria rechnet.
36. Cristellaria sp. Unsere Taf. III Fig. 30.
Ein sehr defektes Stück von 1,7 mm grösster Länge, von
der Spitze abwärts. Es wird nur deswegen hier erwähnt und
abgebildet, weil es auf keine der beschriebenen und abge¬
bildeten Arten bezogen werden kann. Es ist glasig, glän¬
zend. Erhalten ist die vordere Fläche der jüngsten Kam¬
mer, welche die dreieckige Mündung unter der Spitze trägt.
Nach der Form dieser Fläche ist das Gehäuse mässig von
den Seiten comprimirt. Ein Kiel ist vorhanden, deutlich
und scharf, aber nicht bedeutend entwickelt. Der untere
Theil des Gehäuses, sowie auch der vordere, ist mehr
oder weniger zerstört, so dass die inneren Windungen blos
liegen, nach diesen ist das Gehäuse ziemlich involut gewe¬
sen. Auf den Seitenflächen sind 5—6 gerundete mächtige
Höcker, die wohl im Allgemeinen den Kammern entspre¬
chen mögen. Scheidewände sind nicht nachzuweisen, aber
vielleicht bezeichnen undeutliche Rippen, die zwischen den
Höckern liegen und bis in den Kiel fortsetzen, solche Scheide¬
wände.
d’Orb igny in den Foraminiferen des Wiener Beckens
führt einige Formen an, die mit Höckern namentlich im
195
Centrum besetzt sind (z. B. Crist. cassis d’Orb. S. 91
Taf. 4 Fig. 4 — 7 und andere). Bei allen ist aber das Ge¬
häuse weniger von der. Seite comprimirt, die Höcker sind
weniger, kleiner und nur im Mittelpunkt, der Kiel dagegen
in der Regel stärker entwickelt, während dies bei dem
hiesigen Exemplar sieb umgekehrt verhält.
37. Cristellaria sp. Unsere Taf. III Fig. 31.
Auch von dieser Form habe ich nur einige, darunter
aber vollständig erhaltene Exemplare gefunden, von denen
das grösste einen Durchmesser von 0,8 mm, das kleinste von
0,5 mm hat. Bei allen ist das Gehäuse glatt, glasig, kaum
glänzend, von den Seiten mässig comprimirt, aber stark
involut. Ein deutlicher, aber nicht sehr breiter Kiel ist
vorhanden, dagegen keine Nabelscheibe. Kammern zählt
man an den grösseren Exemplaren 6, an den kleineren 5,
sie bilden einen vollen Umgang und sind durch vertiefte
Nähte von einander getrennt. Namentlich ist die jüngste
Kammer durch eine recht tiefe Naht von dem folgenden
Gewinde geschieden und trägt auf einem schnauzenartigen
Vorspruug eine gestrahlte Spitze und unter derselben die
spaltförmige Mündung. Aus dem Miocen ist mir keine Art
bekannt, die mit dieser verglichen werden könnte. Wenn
nicht der Querschnitt des Gehäuses ein durchaus verschie¬
dener wäre, könnte man sie an die Gruppe Cr. pauper cula
Reuss (unsere Taf. III Fig. 27) anschliessen.
38. Cristellaria sp. Unsere Taf. III Fig. 32.
Gehäuse glasig glänzend, glatt bis auf die jüngste
Kammer, welche sehr fein von oben nach unten gerippt ist
Von der Seite her ist es sehr zusammengedrückt, so dass
in der Ansicht von vorn oder von oben die Anfangskam¬
mer etwas als Kugel auf beiden Seiten vorsteht. Von der
gestrahlten Spitze bis nach unten beträgt der Durchmesser
1,1 mm. Von den Seiten gesehen, ist die Spitze fast mittel¬
ständig, die Form ein etwas unregelmässiges Oval, nur die
Spitze etwas vorgezogen. Unter der Spitze auf der vorde¬
ren Septalfläche liegt die spaltförmige Mündung. Die jüngste
Kammer, welche fast die Hälfte des ganzen Gehäuses aus¬
macht, ist durch eine sehr tiefe Furche, die schief von oben
hinten nach unten vorn verläuft, von dem übrigen Theil
. 196
des Gehäuses getrennt. Die Furche ist beiderseits durch
starke Rippen eingefasst, wie sie auch an der Septalfläche
stehen. Auch an der 2. Kammer sieht man noch Spuren
einer solchen Furche und Einfassung. Der übrige Theil
des Gewindes ist ohne Furche, doch ist eine Kammerung
deutlich zu erblicken. Die Scheidewände laufen von der
kleinen Nabelscheibe aus in einem nach oben convexen
Bogen. Ein schmaler Kiel umgibt das ganze Gehäuse mit
Ausschluss der Septalfläche der jüngsten Kammern.
Mir ist keine Art bekannt, bei welcher eine so tiefe
Trennung der letzten Kammer vom Gewinde vorkommt.
Eine sehr entfernte Aehnlichkeit möchte Cr ist. depauperata
Reuss (Foraminiferen des deutschen Septarienthons S. 30
Taf. 4 Fig. 2, 4 — 6) haben, die nach Reuss sehr variabel
ist. Die abgebildeten Formen haben aber alle starke, rip¬
penartig vorstehende Scheidewände, die beim hiesigen
Exemplar fehlen, während die tiefe Furche am Ende der
jüngsten Kammer und die feine Berippung derselben bei
jener nicht erwähnt werden.
Bruchstücke von Cristellarien, bisweilen entschieden
abweichend von den beschriebenen, sind zahlreich vor¬
handen, lassen jedoch keine nähere Bestimmung zu, da sie
unvollständig erhalten sind.
(Schluss des 1. Theiles.)
Erklärung der Abbildungen.
Tafel II.
Fig. 1. Glandulina laevigcita d;Orb.
Fig. 2. „ „
Fig. 3. ovula d’Orb.
Fig. 4, 4 a. Gland. neglecta Neugeboren. 4 a von der Seite.
Fig. 5. Nodosaria cf. semirugosa d’Orb.
Fig. 6, 6 a, 6 b. Nodos, bacillum Pefr.
Fig. 7. Dentalina cf. bifurccita d’Orb.
Fig. 8. Dentalina sp. Nr. B.
Yerh. d. N. V. Jahrg.XXXXIX.
TaF.II
1.
\
\
W.Karsch del
A .Henry , Bonn.
Vtrh. d. N.V.Jahrg. XXXXIX.
Taf. ///.
20 b.
10 c.
10 ÖL
X
20 e.
28 a.
AHenryßonn.
ßf
\UL\»ß U3»MN
197
Fig.
Fi g.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
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Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
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Fig.
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Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
9. Dentalina sp. Nr. C.
10 u. 10 a. Dent. sp. Nr. D.
11 u. 11a. „ „ „ E.
12. Dent. sp. Nr. F.
19 ft
14. „ „ „ H.
15. „ „ „ I.
16 u. 16 a. Dent. sp. Nr. K.
17. Vaginulina cf. Badenensis d’Orb.
18. Cristellaria ( Mctrginulina ) sp. Neugeboren.
19. M .. .. 11
Tafel III.
20. Cristellaria Äkneriana Reuss.
20a— 20g. Cristellaria sp.
20. Mündung nach rechts.
„ links.
„ rechts.
n n
„ links.
rechts.
„ links.
21. Cristellaria Dingdensis Hos.
22. Crist. sp. Nr. A von rechts und links.
22 a— 22 c. Crist. sp.
22 von beiden Seiten.
22a. Mündung nach rechts.
22 b. „ „ links.
20 a.
20 b.
20 c.
20 d.
20 e.
20 f.
20 g.
5)
r>
??
n
n
22 c. j, „ »»
23. Cristellaria costata Hos.
24. „ raricosta Hos.
25. „ hirsata d’Orb.
25 a — 25 d. Crist cf. hirsuta d’Orb.
26. Crist. minuta Hos. von der Seite und von vorn.
27. „ cf. paupercula Reuss, von der Seite u. von vorn.
28 u. 28 a. Crist. sp. 28 a von der Seite und vorn.
£i%,‘ 5} } 1 )5 J>
30.
31.
32.
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35 5>
33
3’
Die Lamellibranchiaten des Miocäns von Dingden.
I. Theil: Asiphonida und Siphonida Integripalliata.
Von
Dr. Friedrich Lehmann,
Realgymnasiallehrer.
Siegen, 1892.
(Hierzu Taf. IV.)
Die nachstehende Arbeit liefert eine systematische
Beschreibung der zu Dingden bei Bocholt aufgefundenen
Lamellibranchiaten und bildet somit einen Beitrag zur pa-
läontologischen Kenntniss der Miocänablagerungen des
nordwestlichen Westfalens.
Die Dingden’schen Asiphonida und Siphonida Integri-
palliata habe ich, durch Herrn Geh. Regierungsrath Prof.
Dr. Hosius freundlichst dazu angeregt, bereits 1885 in
meiner Inaugural- Dissertation*) beschrieben. Um aber den
Inhalt dieser Dissertation weiteren Kreisen zugänglich zu
machen, gelangt dieselbe, wenn auch wesentlich gekürzt,
als I. Theil hier nochmals zum Abdruck, nachdem ich sie
einer sorgfältigen Revision unterzogen habe. Leider war
ich durch Amtsobliegenheiten und in Folge einer längeren
Erkrankung gezwungen, die Veröffentlichung der Beschrei¬
bung der Dingden’schen Siphonida Sinupalliata , welche
den II. Theil der vorliegenden Arbeit bildet, bis jetzt hin¬
auszuschieben.
*) F. Lehmann, Die Lamellibranchiaten des Miocäns von
Dingden. I. Theil : Asiphonida und Siphonida Integripalliata. Mit
2 Tafeln. Münster, 1885.
199
Das Material für die nachstehenden Untersuchungen
habe ich ausschliesslich dem paläontologischen Museum der
Königlichen Akademie zu Münster entnommen, da sich un¬
ter den von mir selbst in Dingden gesammelten Stücken
weitere Arten nicht vorfanden. Genanntes Material ist von
Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Etosius, der es mir bereit¬
willigst zur Verfügung stellte, durch langjährige Bemühun¬
gen zusammengebracht worden.
Zur Vergleichung konnte ich die im genannten paläon¬
tologischen Museum befindlichen Sammlungen von Lamelli-
branchiaten aus den Miocänablagerungen Belgiens und des
Wiener Beckens benutzen.
An litterarischen Hülfsmitteln standen mir ausser der
\
Zeitschrift „Palaeontographica“, der „Zeitschrift der deut¬
schen geologischen Gesellschaft“ und den „Verhandlungen
des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande
und Westfalens“ folgende Werke zu Gebote:
Becks. Ueber tertiäre Ablagerungen in den niederländischen
Provinzen Gelderland und Ober-Yssel. (Neues Jahrbuch für
Mineralogie, Geognosie, Geologie und Petrefaktenkunde, her¬
ausgegeben von Leonhard und Bronn. Jahrgang 1843
p. 257—263 incl.)
*Brocchi, G. Conchiologia fossile Subapennina con osservazioni
geologiche sugli Apennini e sul suolo adjacente. (Con
sedici tavole in rame.) Tomo secondo. Milano, 1814.
*Deshayes, G. P. 1. Description des coquilles fossiles des en-
virons de Paris. Tome premier. Conchiferes. Paris, 1824.
2. Description des coquilles fossiles des envrions de Paris. Atlas.
Paris, 1837.
3. Description des animaux sans vertebres decouverts dans le
bassin de Paris. — Tome premier. Texte. Mollusques ace-
phales dimyaires. Accompagne d’un atlas de 89 planches.
Paris, 1860. — Tome deuxieme. Texte. Mollusques ace-
phales monomyaires. p. 1 — 136 incl. Paris 1864.
Goldfuss, A. Petrefacta Germaniae, iconibus et descriptioni-
bus illustrata. Abbildungen und .Beschreibungen der Petre-
facten Deutschlands und der angrenzenden Länder. Zweiter
Theil. Düsseldorf 1834-1840.
*) Die mit einem * versehenen Werke waren mir leider nur
für kurze Zeit zugänglich.
200
Hoeriies, M. Die fossilen Mollusken des Tertiär-Beckens von
Wien. II. Bd. (Abhandlungen der Kaiserl.-Königl. geolog.
Reichsanstalt. IV. Bd. Mit 85 lithograph. Tafeln. Wien 1870.)
Ny st, P. H. Description des coquilles et des polypiers fossiles
des terrains tertiaires de la Belgique. Bruxelles, 1843.
Philippi, R. A. Beiträge zur Kenntniss der Tertiärversteinerun-
gen des nordwestlichen Deutschlands. Mit Abbildungen.
Kassel, 1843.
*Sandberger, C. L. Fridol. Die Konchylien des Mainzer Ter¬
tiärbeckens. Mit 35 Tafeln Abbildungen. Wiesbaden 1863.
Weinkauff, H. C. Die Konchylien des Mittelmeeres, ihre geo¬
graphische und geologische Verbreitung. Bd I Mollusca ace¬
phala. Cassel, 1867.
Zittel, K. A. Handbuch der Paläontologie. I. Bd. 2. Abtheilg.
1. Lieferg. (In der Gesammtfolge I. Bd. 5. Lieferung.) Mit
200 Original-Holzschnitten. München u. Leipzig, 1881.
Die holländische Litteratur war mir leider nicht zu¬
gänglich, und ich vermag daher nicht zu beurtlieilen, ob
sich in derselben eine Bearbeitung der Lamellibranchiaten
der mit den Miocänablagerungen von Dingden zusammen¬
hängenden Miocänschichten von Winterswyk und Eibergen
vorfindet.
Zum Schlüsse dieser einleitenden Bemerkungen ist
es mir Bedürfniss, meinem verehrten Lehrer, Herrn Ge¬
heimrath Prof. Dr. Hosius für die Anregung zu dieser
Arbeit, sowie für die freundliche Unterstützung, die der¬
selbe mir bei meinen Untersuchungen hat zu Theil werden
lassen, meinen verbindlichsten Dank abzustatten.
I. Ordnung: Asiphonida.
A. Monomyaria.
Familie: Ostreidae, Lam. — Gattung: Ostrea, Lin. (s.str.).
1. Art: Ostrea spec.
Es liegt mir von dieser Art nur eine Deckelklappe
vor, welche zudem noch an den Rändern theilweise be-
201
schädigt und an der Aussenfläche schon stark abgerieben
ist. Ihre Länge beträgt ungefähr 17 mm und ihre Höhe
20 mm.
Die in meiner Inaugural-Dissertation von dieser de¬
fekten Klappe gegebene genauere Beschreibung habe ich
hier unterdrückt, weil durch dieselbe eine sichere Bestim¬
mung der Art doch nicht ermöglicht wird.
2. Art: Ostrea spec.
Auch von dieser Art ist in Dingden nur eine Klappe
gefunden worden und zwar eine Unterklappe. Dieselbe
ist ungefähr 9 cm lang und 10 cm hoch, sehr dickwandig^
stark gewölbt, kahnförmig; ihr Wirbel biegt sich, nur we¬
nig nach vorn gewendet, hakenfömig gegen die Deckel¬
klappe um. Leider ist sie sowohl aussen als auch innen
schon so stark abgeblättert, dass eine Bestimmung der Art
nicht möglich ist. Ihrem ganzen Habitus nach gehört sie
zu den gryphaeaten Austern, und zwar besitzt sie einige
Aehnlichkeit mit 0. cochlear , Poli (cf. Hoernes, „Die foss.
Moll, des Tert.-Beckens von Wien,“ Bd. II p. 435 seqq.,
Tab. LVIII, Fig. 1—3).
Familie: Pectinidae, Lam. — Gattung: Pecten , Klein.
1. Art: Pecten Gerardi, Nyst.
(„Recherches sur les coq. foss. de la prov. d’Anvers“, 1835, p. 19
n°. 75, tab. III, fig. 75, et „Descript. des coq. et des polyp. foss.
etc.“ 1843, p. 300 seq. n°. 250, tab. XVIII, fig. 11, a, b.)
Dem Umstande, dass die Schale dieser Art sehr dünn¬
wandig und daher äusserst zerbrechlich ist, ist es zuzuschrei¬
ben, dass mir von diesem Pecten , welcher bei Dingden der
häufigste zu sein scheint, nicht eine einzige vollständig er¬
haltene Klappe vorliegt, sondern nur eine Anzahl mehr
oder weniger grosser Bruchstücke, die sich glücklicherweise
aber recht gut ergänzen. — In der Grösse bleiben die ge¬
nannten Dingden'schen Vorkommnisse hinter den bei Nyst
(cf. „Descript. des coq. et des polyp. foss. etc.“, 1. c.) be¬
schriebenen und abgebildeten Exemplaren aus Antwerpen
202
durchschnittlich zurück, doch lassen erstere ihres defekten
Zustandes wegen eine genauere Grössenangabe nicht zu.
Ausser Dingden und Antwerpen, woselbst die in Rede
stehende Art ziemlich häufig vorkommt, sind mir weitere
Fundorte für dieselbe nicht bekannt geworden.
2. Art: Pecten Lamali, var., Nyst.
(„Descript. des coq. et des polyp. foss. etc.‘‘ p. 305 seq. n°. 254,
tab. XXII, fig. 5, b, d.)
Ausser einigen Bruchstücken liegen mir aus Ding¬
den von dieser Art eine rechte und eine linke Klappe vor,
welche beide ziemlich gut erhalten sind; erstere ist 13mm
lang, 14 mm hoch und nicht ganz 3 mm dick, letztere etwas
über 13 mm lang, 14 mm hoch und knapp 2 mm dick.
Die Schale ist dünnwandig, fast kreisrund, nahezu
gleichseitig, etwas ungleichklappig, indem die rechte Klappe
schwach gewölbt, die linke aber fast flach und nur am
Wirbel etwas aufgetrieben ist. Die Wirbel laufen in eine
feine Spitze aus, die ein wenig über den Schlossrand her¬
vortritt. Die Ohren sind verhältnissmässig klein, ungleich ;
in der rechten Klappe ist das vordere Ohr mit einem ziem¬
lich tiefen Byssusausschnitt versehen, dessen unterer Rand
mit kleinen Zähnchen besetzt ist. Die Aussenfläche ist bei
der rechten Klappe mit 9, bei der linken mit 13 sehr stark
hervortretenden, bald mehr, bald minder breiten, konvexen
Radialrippen bedeckt, welche in deutliche Radiallinien ab-
getheilt sind; nach oben hin nehmen diese Rippen rasch
an Breite und Höhe ab und verschwinden schon bald ober¬
halb der Mitte der Klappen fast ganz, so dass der Wirbel
glatt oder doch nur mit feinen Radiallinien geziert er¬
scheint; bei der rechten Klappe sind sie unten am Ventral¬
rande durch eine tiefe, bis zu 2 mm lange Furche in zwei
fast gleiche Theile gespalten. Die Zwischenräume zwischen
den Rippen sind durchschnittlich schmaler als diese; sie
sind mit besonders unten deutlichen Radialstreifen bedeckt,
die an den Durchkreuzungspunkten mit den zahlreichen,
unregelmässig konzentrischen Zuwachstreifen mehr oder
weniger knotig erscheinen; bei der rechten Klappe bemerkt
man in einzelnen dieser Zwischenräume vom Ventralrande
203
aus wenig tief einwärts verlaufende Mittelrippchen. Die
Ohren erscheinen mit radialen und mit darauf senkrecht
verlaufenden, schwächeren Rippen besetzt, die zusammen
ein Gitter mit mehr oder weniger deutlich knotigen Durch¬
kreuzungspunkten bilden. — Die Innenfläche beider Klap¬
pen besitzt einen seidenartigen Glanz, und es treten auf
derselben die Rippen und Furchen der Aussenfläche deut¬
lich bezw. als Furchen und Rippen auf. Die Ligament¬
grube ist klein, dreieckig, und von ihr geht nach beiden
Seiten hin über die innere Fläche der Ohren je eine mehr
oder weniger deutliche, dem Schlossrande parallele Furche
aus. Der Muskeleindruck ist ziemlich gross, unregelmässig
oval, schräg nach unten und vorn gerichtet, braungelb
gefärbt.
Die vorstehend beschriebenen Stücke stimmen mit
den bei Nyst a. a. 0. vorhandenen Abbildungen der Va¬
rietät von P. Lamali überein. Nyst vermuthet, dass man
diese nach ihm bei Antwerpen selten vorkommende Art
später wohl mit dem sehr variablen P. tigerinus , Müller
(cf. Nyst, 1. c. p. 303 seqq. n°. 253, tab. XXIII, lig. 4 — 10)
vereinigen werde; doch lässt er beide Arten noch getrennt,
da ihm die Uebergangsformen zwischen denselben fehlen.
Das geringe Material, welches sich bisher bei Dingden vor¬
gefunden hat, ermöglicht in dieser Beziehung auch keine
Entscheidung.
3. Art: Pecten Hosiusi, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 1.)
Von dieser weitaus grössten der bis jetzt bei Dingden
angetroffenen Vecten- Arten findet sich in der hiesigen Samm¬
lung leider nur eine einzige Klappe vor, die aber ziemlich
gut erhalten ist. — Dieselbe misst ungefähr 95 mm in der
Länge, 82 mm in der Höhe und 14 mm in der Dicke.
Sie ist ziemlich dickwandig, breit- rundlich, schwach
gewölbt, etwas ungleichseitig, indem, von aussen betrach¬
tet, die linke obere Ecke etwas weiter ausgezogen ist, als
die rechte. Der Wirbel läuft in ein ziemlich stumpfes
Ende aus; seine beiden Randlinien laufen nur wenig schräg
abwärts und bilden so mit einander einen sehr stumpfen,
etwa 140° betragenden Winkel. Die Ohren sind verhält-
204
massig sehr klein, wenig ungleich, und zwar ist, von aussen
gesehen, das rechte Ohr etwas grösser, als das linke, wes¬
halb ich glaube, dass wir es mit einer rechten Klappe zu
thun haben. Die Aussenfläche trägt 13 breite, konvexe
Radialrippen, die nach beiden Seiten hin flacher werden
und sich schliesslich in Radialstreifen auflösen. Jede Rippe
setzt sich, wenigstens in ihrem breiteren, unteren Theile,
meist aus 6 — 8 scharfkantigen Rippchen zusammen, von
denen die mittleren die breitesten sind, und von denen
jede mit einer Reihe höckerartig emporstehender Schuppen
dicht besetzt ist. Die Zwischenräume zwischen den Rippen
sind etwa halb so breit wie diese; eine Mittelleiste, die
sich jedoch schon bald oberhalb der Mitte der Klappe ver¬
liert, und die auch mit dichtgedrängten, höckerartig empor¬
stehenden Schuppen besetzt ist, theilt jeden der Zwischen¬
räume in zwei Hälften, welche je flach rinnenartig aus¬
gehöhlt und durch unregelmässige Zuwachsringe quergestreift
erscheinen; bisweilen bemerkt man auch noch in der Mitte
dieser Furchenhälften eine vom Ventralrande sich wenig
tief einwärts erstreckende, feine, höckerige Leiste. Die
Ohren sind mit 3 oder 4 ungleich starken, mehr oder we¬
niger höckerigen Radialrippchen und mit zahlreichen, un¬
regelmässigen Querstreifen bedeckt. — Die Innenfläche der
Klappe besitzt einen matten Fettglanz. Hier und da haften
noch an ihr kleinere, unregelmässig begrenzte Partieen
einer braun gefärbten organischen Substanz. Die Aussen-
rippen treten nach innen als breite, sehr flach ausgehöhlte
Furchen, die Aussenfurchen als noch etwas breitere, nie¬
drige, in der Mitte der Länge nach rinnenartig eingedrückte
Rippen auf. Die ziemlich tiefe, ungleichseitig-dreieckige
Ligamentgrube erscheint undeutlich quergestreift; von ihr
geht nach vorn und nach hinten über die innere Fläche
der Ohren je eine mehr oder weniger undeutliche, kurze,
dem Schlossrande parallele Furche aus.
Ich habe mir erlaubt, diese bisher unbeschriebene Art
nach meinem verehrten Lehrer Herrn Geheimrath Prof. Dr.
Hosius zu benennen.
205
4. Art: Pecten Guestfalicus, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 2.)
Ausser drei stark beschädigten Klappen liegen von die¬
ser Art aus Dingden eine linke und zwei rechte Klappen vor,
welche ziemlich gut erhalten sind. Die linke Klappe misst
23 mm in der Länge, 24 mm in der Höhe und 6 mm in der
Dicke; von den beiden rechten Klappen stimmt die kleinere
der Grösse nach mit der linken Klappe überein, während
die grössere 34 mm lang, 35 mm hoch und 8 mm dick ist.
Die genannten Klappen sind dickwandig, fast kreis¬
rund, nahezu gleichseitig, mehr oder weniger schwach ge-
wölbt. Die Ohren sind verhältnissmässig klein; das vordere
hat bei den rechten Klappen unten einen nur seichten Bys-
susausschnitt. Die Aussenfläche der Klappen trägt 22 bis
25 Radialrippen, welche auf dem oberen Theil des spitz
auslaufenden Wirbels fast streifenartig schmal und niedrig
erscheinen, nach unten hin aber ziemlich stark an Breite
und Höhe zunehmen. Jede dieser Rippen besteht aus drei
Theilen, nämlich einer breiten, konvexen Mittelrippe, die
mit bald mehr, bald minder ausgesprochen spatelförmigen
Schüppchen bedeckt erscheint, und zwei sich beiderseits
eng an dieselbe anschliessenden, viel schmaleren und nie¬
drigeren, knotig gegliederten Seitenrippen. Die Zwischen¬
räume zwischen den Rippen sind durchschnittlich ungefähr
ebenso breit, wie diese; sie sind rinnenartig ausgehöhlt
und erscheinen an gut erhaltenen Partieen mit sehr feinen
und dichten, /\ -förmigen oder einfachen, schräg verlaufen¬
den Streifen geziert, was besonders an den seitlichen Thei¬
len der Klappen deutlich zu sehen ist. Die Ohren sind
ebenfalls, aber weniger deutlich, radial gerippt, und die
Furchen zwischen ihren Rippen erscheinen sehr fein schräg
gestreift. Ausserdem bemerkt man noch auf der Grenz¬
linie zwischen dem Wirbel und dem vorderen Ohre eine
Reihe bald mehr, bald minder deutlicher Kerben. — Die
Ligamentgrube ist ziemlich tief, gleichschenklig -drei¬
eckig, und von ihr geht nach beiden Seiten hin über die
innere Fläche der Ohren je eine seichte, dem Schlossrande
parallele Furche aus. Der Innenrand ist ringsum bis bei¬
derseits zu den Ecken, woselbst die Verschmälerung der
206
Klappen nach oben hin beginnt, tief krenulirt; doch setzen
sich diese Randkerben, deren Zahl mit derjenigen der äusse¬
ren Rippen korrespondirt, nicht in das Innere der Klappe
als Furchen fort; dieses ist vielmehr glatt, seidenartig glän¬
zend und lässt die den Aussenrippen nach innen hin ent¬
sprechenden Furchen schwach durchscheinen. Der Muskel-
eindruck ist gross, breit-oval und noch mit einer Schicht
einer braunschwarzen organischen Masse bedeckt.
Bemerkung: In der Struktur der Aussenfläche sowohl wie
der Innenfläche stimmt die vorstehende Art am besten mit Lima
spathidata Lam. (cf. Deshayes: „Descript. des coq. foss. des en-
virons de Paris,“ tom. 1. p. 295 seq. n°. 1, tab. XLIII, fig. 1, 2, 3
— et „Descript. des anim. sans vert. etc.“, tom. II, p. 63 seq. n°. 1)
überein, sie unterscheidet sich aber von derselben durch ihren gut
ausgesprochenen Pecfm-Charakter. Eine ähnliche Pecten- Art ist mir
nicht bekannt.
5. Art: Pecten aculeatus, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 3.)
Von dieser, meines Wissens bisher unbeschriebenen
Art liegt mir aus Dingden leider nur die vordere Hälfte
einer rechten Klappe vor; an diesem Stücke sind jedoch
die wesentlichen Charaktere deutlich sichtbar, so dass man
sich die ganze Klappe leicht rekonstruiren kann. — Dieser
Pecten scheint in Dingden nur sehr selten vorzukommen,
wenigstens habe ich mich bei meiner Anwesenheit an den
dortigen Fundstellen vergeblich nach weiteren Exemplaren
umgesehen. — Die Höhe unseres Stückes beträgt annähernd
41 mm, die Dicke 8Y2 nun, die Länge 20 mm, so dass ich
die Länge der ganzen Klappe als ungefähr gleich 40 mm
schätze.
Die rechte Klappe, und von dieser ist im Folgenden
selbstverständlich nur die Rede, ist dickwandig, rund,
schwach gewölbt. Der Wirbel läuft in ein ziemlich stum¬
pfes, kaum merklich über den Schlossrand hervortrendes
Ende aus, und seine Randlinien bilden miteinander einen
Winkel, der etwa 90° oder doch nur wenig mehr beträgt.
Das vordere Ohr steht flügelartig vor und ist mit einem
tiefen Byssusausschnitt versehen, dessen unterer Rand
einige (etwa 5, wenn man von 2 ganz undeutlichen absieht)
quer-leisten förmige Zähne trägt. Die Aussenfläche ist bei
l
207
dem mir vorliegenden Bruchstücke mit 10 Radialrippen
bedeckt, so dass sich die Anzahl der Rippen bei der voll¬
ständigen Klappe wahrscheinlich auf 20 oder wenig mehr
belaufen haben wird. Jede Rippe besteht der Länge nach
deutlich aus 3 Theilen, nämlich aus einer ziemlich hohen
und breiten, konvexen Mittelrippe, die mit einer Reihe
zahlreicher, fast senkrechter oder doch nur wenig schräg
nach unten gerichteter, kräftiger, ziemlich langer, spitzer,
oben ihrer ganzen Länge nach durch einen mehr oder min¬
der breiten Spalt klaffender Schuppenstacheln besetzt sind,
und aus zwei viel niedrigeren und schmaleren, sich beider¬
seits eng an die Mittelrippe anschliessenden Seitenrippen,
die je eine Reihe noch zahlreicherer, schräger nach unten
gerichteter, spitzerer, jedoch weniger kräftiger, oben ihrer
ganzen Länge nach durch einen meist schmalen Spalt offe¬
ner Schuppenstacheln tragen; — nach oben hin nehmen
die genannten Stacheln an Grösse stark ab, so dass sie auf
dem Wirbel nur wie kleine Höcker erscheinen; — biswei¬
len reiht sich noch an das vordere, seltener zudem noch
an das hintere Seitenrippchen eine vom Ventralrande aus
sich wenig tief nach innen erstreckende, stachelige Linie
an. Die rinnenartig ausgehöhlten Zwischenräume zwischen
den genannten Radialrippen sind fast ebenso breit wie
diese ; auf dem vorderen Theile der Klappe erscheinen sie
unter der Lupe mit sehr feinen und dicht gedrängten,
schräg von oben und hinten nach unten und vorn laufen¬
den Streifen geziert; im übrigen sind sie glatt oder doch
nur hin und wieder, besonders in der Nähe des Ventral¬
randes, von Zuwachsringen durchzogen; von einer Mittel¬
leiste lässt sich in ihnen nicht die geringste Spur wahrnehmen.
Das vordere Ohr trägt auf seiner Aussenfläche 4 ungleich
starke, stachelig- höckerige Radialrippen und ist an seinem
oberen Rande mit unregelmässigen, zahnartigen Fortsätzen
versehen. — Die Innenfläche der Klappe besitzt einen
schwachen Glanz, und es erscheinen auf ihr die Aussen-
rippen als flach-rinnenartige Furchen, die Aussenfurchen
als breite, aber flache, an ihrem unteren Ende in der Mitte
/ eingedrückte Rippen. Die Ligamentgrube ist ziemlich gross
und tief, gleichschenklig-dreieckig, und von ihr geht seit-
208
lieh über die innere Fläche des vorderen Ohres eine an¬
fangs breite, spitz zulaufende, in der Mitte etwas einge¬
drückte Rippe aus.
Bemerkung: Im hiesigen paläontologischen M useum finden
sich von diesem Pecten 2 rechte und 2 linke ziemlich gut erhaltene
Klappen mit der Etikette „Pecten sp., Antwerpen“ vor, von denen
aber, soweit mir bekannt geworden ist, eine Beschreibung noch nicht
veröffentlicht ist, weshalb ich das Dingden’sche Stück oben ein¬
gehend beschrieben habe. Der Vollständigkeit halber will ich zur
obigen Beschreibung noch hinzufügen, dass sich die linke Klappe
von der rechten wesentlich nur durch das Fehlen des Byssusaus-
schnittes am vorderen Ohr unterscheidet. Von den erwähnten 4
Klappen aus Antwerpen misst die grösste 45 mm in der Länge, etwas
über 44 mm in der Höhe und 10 mm in der Dicke, die kleinste 40mm
in der Länge, nicht ganz 41mm in der Höhe und nicht ganz 9mm
in der Dicke. Die Aussenlläche dieser Klappen trägt 22 — 24 Bippen,
welche im Allgemeinen dieselbe Beschaffenheit zeigen, wie diejenigen
unseres Dingden’schen Stückes ; bei der grössten Klappe setzen sich die¬
selben jedoch nicht wie dort aus 3, sondern aus 5 Längstheilen zu¬
sammen, indem die dort neben den Seitenrippchen hin und wieder
auftretenden stacheligen Linien hier zu deutlichen, stacheltragenden
Nebenrippchen ausgebildet sind. Im Uebrigen stimmen die Exem¬
plare aus Antwerpen mit unserem Stücke aus Dingden völlig über¬
ein. — Von Pecten spinulosus, Münster (cf. Goldfuss: „Petrefacta
Germaniae“, II. Theil, p. 61 seq. n°. 70, tab. XCV, fig. 3, a, b. —
und Hoernes: „Die foss. Mollusken des Tert.-Beckens von Wien“,
Bd. II, p. 421 seq. n°. 19, tab. LXV1, fig. 3), dem unser Pecten im
äusseren Habitus nicht unähnlich ist, unterscheidet sich dieser zu¬
nächst wesentlich durch das Vorhandensein eines tiefen Byssusaus-
schnittes; sodann laufen bei ihm die Randlinien des Wirbels viel
steiler abwärts, so dass sie miteinander einen Winkel von etwa 90°
bilden, während bei jenem der entsprechende Winkel etwa 130 bis
140° beträgt; endlich findet sich auch bei unserer Art im unteren
Theile der Aussenfurchen niemals die geringste Spur einer stachel-
tragenden Mittelleiste vor, wie sie bei jener Art vorkommt.
B. Heteromyaria.
Familie: Pinnidae, Gray. — Gattung: Pinna , Lin.
Von den zu dieser Gattung gehörigen Arten liegt mir
kein einziges vollständiges Exemplar vor, sondern nur mehr
oder weniger gut erhaltene Bruchstücke, welche sich leider
auch nicht gegenseitig ergänzen. Es scheinen diese Bruch-
209
stücke zwei verschiedenen Arten anzugehören, die sich
jedoch nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Es ist hier¬
mit doch wenigstens das Vorkommen von Pinna- Arten im
Miocän von Dingden erwiesen.
C. Homomyaria.
Familie: Arcidae, Lam. — Unterfamilie: Arcinae, H. &
A. Adams. — Gattung: Area , Lin.
1. Art: Area diluvii, Lam.
(,,Hist. nat. des anim. sans vert.“, vol. VI, p. 45.)
Syn.: Cf. Ny st: „Descript. des coq. et des polyp. foss. etc.“, p. 255,
und Hoernes: „Die foss. Moll, des Tert.-Beckens von Wien“,
Bd. II, p. 333 seq.
A. diluvii Lam., kommt bei Dingden ziemlich häufig
vor. Es stehen mir von dort ausser zahlreichen Bruch¬
stücken mehrere rechte und linke Klappen zur Verfügung,
die freilich zum grössten Theil schon ziemlich stark dem
Verwitterungsprocesse anheimgefallen sind, während nur
einige gut erhalten sind und die Oberflächenstruktur deut¬
lich zu erkennen geben. Die grösste derselben (eine linke
Klappe) besitzt eine Länge von 37 mm, eine Höhe von
27 mm und eine Dicke von fast 15 mm, eine der kleinsten
(ebenfalls eine linke Klappe) eine Länge von 14 mm, eine
Höhe von lD/g mm und eine Dicke von 5 mm.
Für die Unterscheidung dieser Art von verwandten
ist die Beschaffenheit der Area von Wichtigkeit. Dieselbe
ist mit deutlichen Furchen bedeckt, welche parallel in ein¬
ander geschachelte Rauten bilden; auf jeder der beiden Hälf¬
ten derselben befinden sich nämlich 2 Systeme von je 3
bis 5 unter sich parallelen Furchen, die gegen einander
nach aussen hin unter einem stumpfen Winkel (von etwa
140—150°) geneigt sind und mit den Furchensystemen der
anderen Hälfte die erwähnten Rauten bilden; — die beiden
vorderen Furchensysteme der Area lassen nach vorne und
aussen hin noch je einen ziemlich breiten, länglichen Raum
frei, auf dem sich noch einige (etwa 8) seichte, kaum
sichtbare Längsfurchen vorfinden, während Hoernes (1. c.
p. 333 seqq.) den genannten Raum bei seinen Exemplaren
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX, 5. Folge. Bd. IX. J4
210
dieser Art als ganz glatt beschreibt. — Leider ist nur bei
zweien der mir vorliegenden Klappen die angegebene Ober¬
flächenstruktur der Area vollkommen gut erhalten, so dass
ich nicht konstatiren kann, ob dieselbe durchweg konstant
bleibt, was We inkauf f („Conchyl. des Mittelmeeres“,
Bd. I, p. 198 seq.) Hoernes gegenüber bestreitet. — Durch
den Verwitterungsprozess wird die Area nach und nach
immer mehr abgerieben, sie vertieft sich, und es treten dann
die darunter befindlichen Schlosszähne nach oben hervor,
so dass die ganze Area alsdann regelmässig quergestreift
erscheint.
A. diluvii , Lam ., welche noch jetzt, wenn auch nicht
häufig, an den Küsten des mittelländischen Meeres, des
atlantischen Oceans (um Madeira) und des rothen Meeres
angetroffen wird, ist fossil eine der weitest verbreiteten
und stellenweise gemeinen Arten. Ausser in Dingden
kommt sie vor bei Winterswyk in Gelderland (cf. Becks,
Neues Jahrb. für Min. etc. von Leonhard und Bronn,
1843, p. 257 seqq.), bei Antwerpen (cf. Nyst, 1. c. p. 255
seq., n°. 208), bei Kassel, Weinheim (cf. Goldfuss, 1. c.
p. 143, n°. 10), zu Westeregeln bei Magdeburg (cf. Phi-
lippi, Palaeontographica, I. Bd., p. 51, n°. 41), ferner ziem¬
lich häufig im Wiener Becken, in Krain, Steiermark, Böh¬
men, Ungarn, Serbien, Siebenbürgen, Russisch-Polen, in
der Schweiz, bei St. Gallen, an vielen Orten Frankreichs
und Italiens, in Spanien bei Barcelona und Malaga, in Al¬
gerien, auf Morea, Sizilien, Korfu und Cephalonien (cf.
Hoernes, 1. c.).
2. Art: Area didyma, Brocchi.
(,,Conchiolog. foss. Subapenn.“, tom II, p. 479 seq., tab. XI, fig. 2.)
Ausser einigen stark beschädigten Stücken liegen mir
von der genannten Art aus Dingden mehrere rechte und
linke Klappen vor, welche sämmtlich ziemlich gut erhalten
sind; die grösste derselben ist 7 mm lang, 5 mm hoch und
2 mm dick, eine der kleinsten ll/2nmi lang 1mm hoch
und nicht ganz V2 mm dick.
Die Klappen dieser kleineren Area- Art sind, besonders
im ausgewachsenen Zustande, der äusseren Form nach
211
denen der vorhergehenden Art ziemlich ähnlich, jedoch
erscheinen sie vorne etwas mehr verschmälert und flacher
und sind, was für sie besonders charakteristisch ist, durch
eine vom Wirbel in radialer Richtung nach dem Ventral¬
rande hin verlaufende, furchenartige Einsenkung in zwei
ungleiche Theile zerlegt, von denen der vordere der kleinere
ist. Diese Einsenkung tritt besonders bei jungen Exem¬
plaren, bei denen sie auch an ihrem Ende dem Ventral¬
rande eine mehr oder weniger deutliche Ausbuchtung ver¬
leiht, stark hervor, während sie bei älteren Exemplaren
nur auf den Wirbeln scharf ausgeprägt erscheint. Die
Wirbel sind einander mehr genähert als bei der vorigen
Art, so dass die Area sehr schmal ist. Nur bei der gröss¬
ten Klappe habe ich auf der Area (d. i. also auf der einen
Hälfte der vollständigen Area) 2 seichte Längsfurchen
wahrgenommen, während sich bei den kleineren Klappen
keinerlei Furchen auf der Area erkennen Hessen. Die
Aussenfläche der Klappen ist mit 28- — 30 Radialrippen,
deren Zwischenräume fast ebenso breit sind, und mit zahl¬
reichen, feinen, concentrischen Streifen bedeckt, und es
unterscheidet sich die äussere Zeichnung der Schale von
derjenigen bei A. diluvii , Lam ., nur dadurch, dass die con¬
centrischen Streifen den Radialrippen ein mehr knotiges
Aussehen verleihen.
Ausser bei Dingden kommt A. didyma, Brocchi, in
Deutschland noch häufig vor bei Bünde, bei Kassel (cf.
Goldfuss, 1. c. p. 144, n°. 12 und Philippi, „Beitr. z.
Kenntn. der Tert.-Verst. des nordw. Deutschi.“, p. 12, n°.
37) und zu Freden und Diekholz bei Hildesheim (cf. Phil.,
1. c. p. 47, n°. 33), ferner in Italien bei Bologna, Asti und
Piacenza (cf. Brocchi, 1. c., und Goldf., 1. c.) und end¬
lich in Frankreich bei Dax (cf. Goldf., 1. c.). Bei Ant¬
werpen und im Wiener Becken scheint sie bisher nicht
angetroffen zu sein.
3. Art: Area pectunculoides, Scacchi.
(„Notizie“ p. 25, tab. 1, fig. 12.)
Syn.: Area pectunculoides , Scacchi , et
„ raridentata, Loren („Index Mollusc. Scand.‘£ p. 188), cf.
Weinkauff, „Conchyl. des Mittelmeeres“, I, p. 201 seq.
212
Cucullaea pusitta , Ny st, „Recherch. sur les coq. foss. de la
prov. d’Anvers“, p. 14, n°. 55, tab. 3, fig. 55.
Area pusilla , Nyst , „Descript. des coq. et des polyp. foss. etc.“,
p. 261 seq., n°. 215, tab. XX, fig. 6a — c.
Von der vorstehenden Art enthält die hiesige Samm¬
lung Dingden’scher Lamellibranchiaten an 50 rechte und
50 linke Klappen, die trotz ihrer Dünnwandigkeit zum
Theil recht gut erhalten sind, und von denen die grösste
eine Länge von 3 mm, eine Höhe von etwas mehr als 2 mm
und eine Dicke von etwas über 1 mm, die kleinste dagegen
nur eine Länge von l1/^ mm, eine Höhe von etwas mehr
als 1 mm und eine Dicke von nicht ganz 1/2 mm besitzt.
Diese kleinste Dingden’sche Arca-kxi stimmt mit der
von Nyst a. a. 0. gegebenen Beschreibung seiner Area
pusilla , die nach Wood (cf. Wein kau ff, 1. c.) mit Area
pectunculoid.es , Scacchi , identisch ist, gut überein; jedoch
stellen die bei Nyst (1. c. tab. XX, fig. 6a — c) vorhan¬
denen Abbildungen im Gegensatz zu dem Texte, wo das
Verhältniss der Länge zur Höhe als gleich 4 : 3 ange¬
geben wird, die Klappen wohl irrthümlich zu wenig
hoch dar. Letzterer Umstand hat mich bestimmt, die Ab¬
bildung einer Klappe aus Dingden beizufügen. (Taf. IV,
Fig. 4.)
A. pectunculoides, Sacchi , welche noch lebend im Mit¬
telmeer bei Gibraltar, Neapel und den Aegeischen Inseln,
sowie im atlantischen Ocean an den Küsten von Norwegen,
Schottland und Irland angetroffen wird, kommt fossil ausser
bei Dingden, wo sie nicht selten zu sein scheint, vor bei
Antwerpen, im Crag Englands, sowie in Kalabrien und auf
Sizilien (cf. Nyst, 1. c., und Wein kau ff, 1. c.).
Unterfamilie: Pectunculinae, H. & A. Adams. —
Gattung: Limopsis , Sassi.
1. Art: Limopsis aurita, Brocchi.
(„Conchiolog. foss. Subapenn.“, tom. II, p. 485 seq. tab. XI. fig. 9;
sub Area.)
Vorstehende Art ist in Dingden, wie auch schou Ferd.
Roemer (Zeitschrift d. deutsch, geolog. Gesellsch., Bd. V,
I f.
l;.'/ 213
1853, p. 494, Bd. VI, 1854, p. 111 und Verliandl. d. na-
turhistor. Ver. d. preuss. Rheinl. u. Westf., XI. Jalirg., 1854,
p. 43) angibt, und wovon ich mich an Ort und Stelle selbst
zu überzeugen Gelegenheit hatte, unstreitig die bei wei¬
tem häufigste Versteinerung. Die hiesige Sammlung ent¬
hält von derselben ausser 80 noch geschlossenen Schalen
mehr als ungefähr 1000 rechte und ebensoviele linke
Klappen, welche in Folge ihrer Dickwandigkeil durch¬
schnittlich gut erhalten sind, wenn auch ein Theil dersel¬
ben schon ziemlich stark abgerieben ist. Was die Grösse
dieser Stücke anbetrifft, so finden sich, den verschiedensten
I Altersstufen entsprechend, die zahlreichsten Uebergänge
vor zwischen den kleinsten, die etwa 1 mm lang, 1 mm
hoch und V3 mm dick sind, und den grössten, von denen
ich eines als 13 mm lang, I3V2 mm hoch und 4 mm dick
bestimmte.
Die Schale ist in ihrer Gestalt ziemlich variabel, und
zwar nimmt sie im allgemeinen mit zunehmendem Alter
an Unregelmässigkeit zu; während nämlich die Jugendformen
mehr oder weniger gleichseitig ausgebildet, fast kreisrund
sind, sind dagegen die völlig ausgewachsenen Formen stets
stark ungleichseitig, schief-eiförmig. Die Aussenfläche der
Schale, welche bei noch nicht abgeriebenen Exemplaren
glänzt, ist mit mehr oder weniger unregelmässigen kon¬
zentrischen Streifen, deren Zwischenräume meist ziemlich
gross, jedoch ungleich sind, und ausserdem mit sehr zahlrei¬
chen, feinen, oft kaum sichtbaren, auf dem hinteren Theile der
Schale meist deutlicher hervortretenden Radialstreifen be¬
deckt ; an den Durchkreuzungspunkten der konzentrischen
Streifen mit den radialen erscheinen erstere stets deutlich ge-
stichelt; bei sehr gut erhaltenen Exemplaren sieht man hin
und wieder die Aussenfläche noch mit ziemlich breiten Quer¬
zonen geziert, welche abwechselnd hell und dunkel (weiss¬
lick-gelb und grau-braun) gefärbt erscheinen. Die Zahn¬
reihe in jeder Klappe bildet einen durch die Bandarea
oben etwas eingedrückten Bogen, dessen hinterer Theil etwas
tiefer nach unten gezogen ist, als der vordere; beide Theile
enthalten meist 6—8 kammartig nebeneinander gestellte
Zähne, von denen die mittleren die grössten sind, während
214
die seitwärts befindlichen von der Mitte weg allmählich an
Grösse abnehmen; bisweilen sind die Zähne in ihrer Mitte
knieförmig gebogen. Der Innenrand der Klappen (vom
Schlossrande abgesehen) fällt nach aussen hin etwas ab
und ist stets ganz, wodurch sich Limopsis aurita , JBrocchi ,
wesentlich von den beiden folgenden Limopsis- Arten unter¬
scheidet.
Nach den bis jetzt vorliegenden Angaben ist der Ver¬
breitungsbezirk der L. aurita, JBrocchi , kein grosser. Ausser
in Dingden kommt diese Art noch vor bei Winterswyk
und Eibergen in Gelderland (cf. Goldf. 1. c. p. 163, n°.
13; — Becks, 1. c. p. 257 seqq.; — Ferd. Roemer,
Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. Bd. V, p. 494 Bd. VI,
p. 110 und Verhandl. d. naturhist. Ver. d. preuss. Rheinl.
u. Westf. XI. Jahrg. p. 41 seq.), bei Berssenbrück im Haase-
Thal, nördlich von Osnabrück (cf. Ferd. Roemer, Zeit¬
schrift d. deutsch, geol. Gesellsch. Bd. V, p. 494), an wel¬
chen drei Fundorten sie wie bei Dingden die häufigste Ver¬
steinerung ist, ferner zu Freden und Diekholz bei Hildes¬
heim, zu Luithorst bei Stadtoldendorf (cf. Phil., Beitr. z.
Kenntniss der Tert.-Verst. des nordw. Deutschi. p. 47 seq.,
n°. 36 und p. 72, n°. 17) und endlich noch bei Piacenza
und Siena in Italien (cf. Brocchi, 1. c.).
Bemerkung. Die Dingden’schen Vorkommnisse dieser Art
stimmen mit den bei Brocchi und Goldfuss gegebenen Abbil¬
dungen völlig überein. — Wahrscheinlich ist Trigonocaäia sublaevigata ,
Nyst et West. (cf. Ny st, „Descript. des coq. et des polyp. foss. etc.“,
p. 244 seq., n°. 198), wie Nyst selbst vermuthet, mit Limopsis
aurita, Brocchi, identisch; wenigstens trifft die bei Nyst vorhandene
Beschreibung zu, wenn auch an der Abbildung (1. c. tab. XXVI,
fig. 2 a, b) wenig zu sehen ist.
■%
2. Art: Limopsis anomala, Eichwald.
(,, Naturhistorische Skizze von Lithauen, Volhynien etc.‘‘ 1830, p. 211.)
Syn.: Cf. Hoernes, 1. c. p. 312 seqq., tab. XXXIX, fig. 2, 3.
Die in Rede stehende Art ist in Dingden nicht so
häufig wie L. aurita , Brocchi , ist aber doch immerhin eine
der häufigsten der daselbst vorkommenden Lamellibran-
chiaten. Mir liegen von dort ausser 10 noch geschlossenen
215
Schalen an 200 rechte und 150 linke Klappen dieser Art
vor, die sich durchgängig gut erhalten haben. Die grösste
derselben misst kaum 9 mm in der Länge, 9 mm in der
Höhe und 3 mm in der Dicke, eine der kleinsten iy2 mm
in der Länge, l3/4mm in der Höhe und nicht ganz y2mm
in der Dicke; zwischen diesen Grenzdimensionen sind dann
noch die zahlreichsten Zwischenstufen vertreten.
Das Gehäuse ist verhältnissmässig etwas mehr ge¬
wölbt als bei der vorigen Art und weniger stark ungleich¬
seitig, indem der Ventralrand von vorn nach hinten weni¬
ger schräg abwärts gerichtet ist; überdies treten hier die
Oehrchen beiderseits meist deutlicher hervor, so dass die
Schale oben breiter erscheint und ein mehr trapezoidales
Aussehen gewinnt. Die Wirbel sind verhältnissmässig
etwas stärker angeschwollen und noch mehr einander ge¬
nähert als bei der vorhergehenden Art. Die wie dort glatte
und in der Mitte durch eine ziemlich grosse, gleichseitig¬
dreieckige Bandgrube unterbrochene Bandarea ist hier noch
etwas niedriger, langgestreckt dreieckig. Die Oberflächen¬
struktur ist von derjenigen bei L. aurita , JBrocchi, sehr
verschieden, so dass man Exemplare der beiden Arten
schon dadurch leicht und sicher unterscheiden kann. Die
wie dort glänzende Oberfläche ist hier nämlich mit ziem¬
lich breiten, aber flachen, dicht gedrängten, regelmässig
konzentrisch angeordneten Rippen und mit sehr zahlreichen,
viel feineren, linienartigen Radialrippen bedeckt; letztere
sind bald kaum sichtbar, bald treten sie, besonders auf
dem hinteren Theile der Schale, deutlicher hervor und bil¬
den mit ersteren, welche dann mehr oder weniger körnelig
gekerbt erscheinen, ein zierliches Gitter; bei sehr gut er¬
haltenen Exemplaren nimmt man auch hier auf der Ober¬
fläche ab und zu ziemlich breite, abwechselnd hell und
dunkel gefärbte Querzonen wahr. Das Schloss wird hier
aus einer meist geringeren Anzahl von Zähnen gebildet;
die beiden Theile der Zahnreihe bestehen nämlich je nur
aus 4 — 6 (vorwiegend 5) Zähnen, die bald gerade, bald
unregelmässig knieförmig gebogen sind. Der Innenrand
(vom Schlossrande abgesehen) ist ringsum stets deutlich
gekerbt, und zwar treten die Kerben in der hinteren un-
216
teren Ecke meist besonders stark auf ; bisweilen bleibt
diese Kerbung allerdings stellenweise aus, so vornehmlich
an den oberen Partien des Vorder- und des Hinterrandes
und in der Mitte des Ventralrandes.
Diese Beschaffenheit des Innenrandes gibt neben der
Oberflächenstruktur das wichtigste Merkmal ab zur Unter¬
scheidung dieser Art von der vorigen, bei welcher der In¬
nenrand, wie oben bemerkt, stets glatt bleibt.
Die vorstehend beschriebenen Dingden’schen Vor¬
kommnisse stimmen am besten mit den bei Hoernes
a. a. 0. beschriebenen und abgebildeten Wiener Exempla¬
ren der L. anomala, Eichw., tiberein. — L. granulata, Lam .,
unterscheidet sich von ihnen durch eine mehr gleichseitige,
fast kreisförmige Gestalt und eine stark gekörnelte Ober¬
fläche. — L. retifera, Semper , mit welcher nach v. Koenen
(cf. Palaeontograph. Bd. XVI, p. 237 seq., n°. 141) auch
L. iniquidens , Sandb ., identisch ist, weicht von ihnen durch
eine noch schiefere Gestalt, etwas stärkere Wölbung und
eine deutliche Oberflächenkörnelung ab. — Uebrigens ist
eine ziemlich grosse Aehnlichkeit zwischen den genann¬
ten Formen nicht zu verkennen.
L. anomala , Eichw., kommt nach Goldfuss (1. c.,
p. 162, n°. 10: „ Pectunculus pygmaeus , Phil.u ) bei Kassel vor,
nach Hoernes (1. c,) bei Rekken und Antwerpen in Bel¬
gien, ziemlich häufig im Wiener Becken, namentlich im
Tegel von Baden, zu Szobb bei Gran in Ungarn, bei La-
pugy und Bujtur in Siebenbürgen, bei Zukowce in Volhy-
nien, bei Sutton und Suffolk in England, ferner an ver¬
schiedenen Orten Frankreichs und Italiens, sowie auch auf
Sizilien und Rhodus.
2. Art: Limopsis lamellata, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 5.)
Von dieser kleinen Art liegen mir aus Dingden ausser
6 noch geschlossenen Schalen ungefähr 130 rechte und 150
linke Klappen vor; die grösste derselben ist etwas über
4 mm lang, ebenso hoch und etwas über 1mm dick, eine
der kleinsten ist ungelähr 1 mm lang, 1 mm hoch und knapp
Va mm dick.
217
Die Schale ist fast kreisrund, ziemlich stark gewölbt
und daher, von vorn oder hinten gesehen, fast herzförmig,
selbst im ausgewachsenen Zustande nur wenig ungleich¬
seitig, indem die hintere untere Ecke nur schwach ausge¬
zogen ist ; die Oehrchen stehen beiderseits sehr wenig vor,
so dass eine Hinneigung der Schale zur trapezoidalen Form,
wie bei der vorigen Art, nie stattfindet. Die einander sehr
genäherten Wirbel sind ziemlich stark angeschwollen und
laufen spitz aus. Die Bandarea ist auch hier glatt, lang,
niedrig-dreieckig und in der Mitte von einer verhältniss-
mässig ziemlich grossen, gleichseitig-dreieckigen Bandgrube
unterbrochen. Die Oberfläche der Klappen trägt wenige,
ziemlich weit von einander abstehende, starke, lamellen¬
artig vorstehende, konzentrische Rippen, welche von zahl¬
reichen feineren Radialrippen durchschnitten werden, so
dass ein deutliches Gitter mit ziemlich grossen, länglich
rechteckigen, in den Ecken mehr oder weniger knotigen
Feldern entsteht; — in den Zwischenräumen zwischen den
genannten konzentrischen Rippen finden sich bisweilen
noch 1 oder 2 feinere konzentrische Rippchen vor. Die
Zahnreihe bildet einen oben in der Mitte durch die Band¬
area eingedrückten, schwachen Bogen, und ihre beiden
Theile bestehen je aus 4 — 6 kräftigen Zähnen, die bald
gerade, bald unregelmässig knieförmig gebogen sind; die
Zähne des vorderen Theiles stehen mehr oder weniger
senkrecht gegen den Schlossrand, die des hinteren Theiles
sind gegen ihn mehr schräg gerichtet (nach oben und aussen
hin) oder sogar ihm fast parallel. Der Innenrand (vom
Schlossrande abgesehen) ist stets gekerbt und zwar meist
vollständig und ziemlich tief.
Bemerkung: Eine Vergleichung der Exemplare dieser Art
mit den entsprechend grossen Jugendformen der beiden vorhergehen¬
den Arten ergiebt wesentliche Unterschiede; von L. aurita, Brocchi ,
ist diese Art schon durch die Kerbung des Innenrandes, von L. ano-
mcila , Eichio., durch ihre charakteristische Oberflächenstruktur leicht
zu unterscheiden.
Familie: Nuculidae, Gray. -- Gattung: Nucida , Lam.
Art: Nucula Haesendoncki, Nyst et West.
(Nyst et West., „Nouv. recherch. sur le coq. foss. d’Anvers“, p. 14,
n°. 31, tab. 11, fig. 18; — Nyst, „Descript. des coq. et des polyp.
foss. etc.u, p. 236 seq., n°. 192, tab. XVIII, fig. 5 a, b.)
Ausser zahlreichen Bruchstücken weist die hiesige
Sammlung Dingden’scher Lamellibranchiaten von der
vorstehenden Art einige rechte und linke Klappen auf,
die ziemlich gut erhalten sind; die grösste derselben be¬
sitzt eine Länge von 19 mm, eine Höhe von 16 mm und
eine Dicke von 8 mm, die kleinste eine Länge von 12 mm,
eine Höhe von fast 9 mm und eine Dicke von 4 mm.
Es ist dies eine sehr charakteristische und daher
leicht erkennbare A/m^a-Species. Die Dingden’schen Vor¬
kommnisse derselben stimmen mit den von Nyst a. a. 0.
beschriebenen Antwerpener Exemplaren im Wesentlichen
völlig überein. (Vgl. die in meiner Inaugural-Dissertation
gegebene genauere Beschreibung jener.) Bei jenen ist
jedoch der hintere Theil des Schlossrandes nicht, wie an
der bei Nyst a. a. 0. abgebildeten Klappe, in der Mitte
nach innen ausgebogen, sondern fast gerade, und ausser¬
dem bemerkt man bei jenen hin und wieder an dem (aller¬
dings meist glatten) Innenrande der Klappen (vom Schloss¬
rande abgesehen) eine erhabene, gekörnelte Randlinie,
welche Nyst an seinen Stücken nicht wahrgenommen hat.
N. Haesendoncki , Nyst et West., ist, soviel mir bekannt
geworden, bis jetzt nur bei Antwerpen fcf. Nyst, 1. c.) und
Dingden angetroffen worden.
Gattung: Leda , Schumacher.
1. Art: Leda fragilis, Chemnitz.
(„Neues systemat. Conchyl.-Cabinet“, vol. VII, p. 199, tab. 55,
fig. 546. — 1784.)
Syn.: Cf. Hoernes, 1. c. p. 307 seq., n°. 5 et
Weinkauf f, 1. c. p. 207 sqq., n°. 1 (sub „ L . commutata ,
Philippi (i).
Von dieser in ihrer äusseren Gestalt ziemlich variablen
Art liegen mir aus Dingden ausser zahlreichen Bruch-
219
stücken etwa 20 noch geschlossene Schalen, sowie gegen
100 rechte und ungefähr ebenso viele linke Klappen vor,
welche durchschnittlich gut erhalten sind. Die grössten
unter diesen Klappen sind 11mm lang, ö bis 61/2 mm hoch
und 272 mm dick, die kleinsten etwas über 1 bis D/2 mm
lang, 1mm hoch und ungefähr 1/3 mm dick; zwischen die¬
sen Grenzdimensionen sind dann noch, den verschiedenen
Altersstadien entsprechend, die mannigfachsten Zwischen¬
stufen vertreten.
Auf der Hinterseite der ziemlich dickwandigen Klap¬
pen dieser im Uebrigen von Hoernes a. a. 0. und auch
von mir in meiner Inaugural-Dissertation genau beschriebe¬
nen Art verläuft vom Wirbel aus in radialer Richtung nach
hinten hin, dem Randkiele der Area benachbart, eine bald
mehr, bald minder deutlich ausgeprägte, furchenartige Ein¬
senkung, die bei ihrer Mündung in den Rand diesem eine
kleine, buchtige Ausschweifung verleiht, wodurch die
schnabelartige Spitze deutlich vom übrigen Rande abge¬
setzt erscheint, eine Eigenschaft, welche auch an den Ab¬
bildungen bei Goldfuss (1. c. tab. CXXV, fig. 22 a— c)
und Hoernes (1. c. tab. XXXVIII, fig. 8 a — e), mit denen
unsere Stücke überhaupt im allgemeinen gut Ubereinstim¬
men, deutlich wahrzunehmen ist. Während bei den nach¬
folgenden Leda- Arten die Aussenflächen der Klappen glatt
ist, ist hier die ganze Aussenfläche, von der Lunula und
der Area abgesehen, mit mehr oder weniger regelmässig
konzentrisch angeordneten, leistenartigen Rippchen bedeckt,
welche auf der Hinterseite in der erwähnten radialen Ein¬
senkung nach oben hin seicht ausgeschweift erscheinen
und mit ihren Enden über den Randkiel der Area hinüber¬
greifen, so dass dieser, wie gesagt, gekerbt erscheint; die
Anzahl dieser Rippen ist eine variable: bei jungen Exem¬
plaren beträgt sie etwa 10 — 15, so dass dann die Zwischen¬
räume zwischen den Rippen 2 bis 3 mal so breit sind wie
diese selbst; bei den ausgewachsenen Exemplaren steigt
sie bis auf etwa 30, so dass dann die Zwischenräume so
breit sind wie die Rippen selbst.
Diese Art, welche noch lebend im Mittelmeer an den
Küsten von Spanien, Frankreich, Italien, Tunis, Algerien etc.,
220
sowie im atlantischen Ozean beim Kap Trafalgar ange¬
troffen wird, kommt fossil ausser in Dingden vor bei Bünde,
Kassel und Weinheim (cf. Goldf. 1. c. p. 158, n°. 36; sub
vNucula minuta , Brocchi “), zu Osterweddingen bei Magde¬
burg (cf. Phil., Palaeontograph., Bd. I, p. 53, n°. 54; sub
„ Nucula commutata, Philippi “), in Belgien, ferner ziemlich
häutig im Wiener Becken, dann bei Rudelsdorf in Böhmen,
zu Szobb bei Gran in Ungarn, zu Wieliczka und Lemberg
in Galizien, Zalisce in Yolhynien, Korod, Lapugy und Buj-
tur in Siebenbürgen, in Polen, in der Schweiz, an zahl¬
reichen Orten Italiens und Frankreichs, sowie endlich auf
Sizilien (bei Palermo), Rhodus, Cephalonien und Korfu
(cf. Hoernes 1. c., Weinkauff 1. c. und Fuchs, Zeit¬
schrift d. deutsch, geol. Ges., Bd. XXIX, p. 661, 673).
2. Art: Leda tenuis, Phil.
(„Eimmcratio mo]luscorum Siciliae“, vol. I, p. 65 n°. 6, tab. 5,
fi g. 9. 1836.)
Syn.: Cf. Weinkauff, 1. c. p. 210 seqq., n°. 3.
Von der vorstehenden Art enthält die hiesige Samm¬
lung Dingden’seher Lamellibranchiaten ausser etwa 50 noch
geschlossenen Schalen, die vorwiegend von jungen Thieren
herstammen, über 100 rechte und ebensovlele linke Klap¬
pen. Die grössten unter diesen Klappen erreichen eine
Länge von 4y2 mm, eine Höhe von ungefähr 3 mm und
eine Dicke von 1 bis iy2mm, die kleinsten sind wenig
über 1mm lang, annähernd 3/4 mm hoch und V4mm dick,
und zwischen diesen Grenzdimensionen sind die zahlreich¬
sten Zwischenstufen vertreten.
Die Schale ist dünnwandig, quer-verlängert, ziemlich
breit-eiförmig, verhältnissmässig stark gewölbt, mit über
die Mitte des Schlossrandes hinaus nach vorn gerückten,
sich fast berührenden, etwas aufgetriebenen und daher
deutlich hervortretenden, ziemlich stumpf auslaufenden
Wirbeln versehen, ungleichseitig. Bei den einzelnen Klap¬
pen ist der vordere, kürzere Theil des Schlossrandes
schwach nach aussen, der hintere, längere Theil schwach
nach innen gebogen; der Vorderrand ist gleichmässig nach
221
aussen hin abgerundet; der Ventralrand ist einheitlich
konvex gekrümmt; der Hinterrand, welcher nicht vom Ven¬
tralrande durch eine Einbuchtung getrennt ist, sondern
kontinuirlich in denselben übergeht, bildet mit dem hin¬
deren Theile des Schlossrandes einen mehr oder weniger
stumpfen Schnabel. Von einer Lunula oder Area ist keine
Spur bemerkbar. Die Aussenfläche der Klappen erscheint
meist völlig glatt und glänzend; nicht selten bemerkt man
aber auch auf ihr einen oder doch nur wenige, oft verhält-
nissmässig sehr tiefe, konzentrische Zuwachsringe. Das
Schloss besteht in jeder Klappe aus zwei gegeneinander
unter einem Winkel von etwa 120° geneigten Reihen von
je 10 — 15 dicht nebeneinander stehenden, sehr spitzen
Zähnen. Die die beiden Zahnreihen von einander tren¬
nende, unter dem Wirbel befindliche Bandgrube ist sehr
klein und daher nur undeutlich sichtbar, dreiseitig, löffel¬
artig. Die Innenfläche der Klappen erscheint glatt und bei
gut erhaltenen Exemplaren noch mit lebhaftem Fettglanz
behaftet. Die Muskeleindrücke sind annähernd gleich gross,
oval, und zwar ist der hintere etwas breiter oval als der
vordere. Die Mantellinie ist wenig deutlich sichtbar; die
Mantelbucht ist nicht tief, jedoch ziemlich breit, mehr oder
weniger zungenförmig. Der Innenrand (vom Schlossrande
abgesehen) fällt nach aussen hin etwas ab, ist ganz und glatt.
L. tenuis , Phil., wird noch lebend im Mittelmeere bei
Neapel und im atlantischen Ozean an den Küsten von
Grönland, Schottland, Norwegen und Schweden angetroffen;
— fossil kommt sie ausser bei Dingden bei Antwerpen,
im Crag von England, sowie bei Palermo auf Sizilien vor
(cf. Ny st, „Descript. des coq. et des polyp. foss. etc.“,
p. 224 seq., n°. 181, sub „ Nucula Philippinia“ und We in¬
kauf f, 1. c.).
Bemerkung: Unsere Dingden’schen Stücke stimmen mit
den bei Ny st (1. c., tab. XVII, fig. 5 a — c) abgebildeten Antwerpe-
ner Stücken im allgemeinen gut überein, nur sind sie meist hinten
ein wenig spitzer als diese.
B. Art: Leda curvirostris, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 6.)
Die in Rede stehende Art scheint die seltenste der
bis jetzt bei Dingden aufgefundenen Leda- Arten zu sein.
222
Es liegen mir nämlich von dort ausser 3 noch geschlossenen
Schalen, von denen die grösste 3 mm lang, etwas über
2 mm hoch und nicht ganz 2 mm dick, die kleinste etwas
über 2V2 mm lang, etwa l2/3 mm hoch und knapp lV2mm
dick ist, nur 2 rechte und 3 linke Klappen vor, von «
denen die grösste 4 mm in der Länge, 21/2mm in der Höhe
und etwas über 1 mm in der Dicke misst, und deren übrige
in ihren Dimensionen nur wrenig hinter der angeführten
grössten Klappe Zurückbleiben. Der Erhaltungszustand
dieser Stücke ist durchscheittlich ein guter, wenn auch bei
dieser oder jener Klappe die Aussenfläche stellenweise
schon etwas abgerieben ist.
Die Schale ist ziemlich dünnwandig, quer-verlängert,
eiförmig, verhältnissmässig stark gewölbt, mit über die
Mitte des Schlossrandes hinaus nach vorn gerückten, sich
fast berührenden, etwas aufgetriebenen und daher deutlich
hervortretenden, mehr oder weniger stumpf auslaufenden
Wirbeln versehen, deutlich ungleichseitig ausgebildet. Bei
den einzelnen Klappen ist der vordere Theil des Schloss¬
randes schwach konvex gebogen; der etwas längere hintere
Theil bildet dagegen eine bald mehr, bald minder deutlich
wellenförmige Linie, die, vom Wirbel an gerechnet, zuerst
konkav und dann konvex gekrümmt ist; — der Vorderrand
ist gleichmässig konvex gerundet; — der Ventralrand ist
bei dieser Art verhältnissmässig ziemlich stark konvex ge¬
bogen ; — der Hinterrand ist von dem Ventralrande durch
eine seichte Einbuchtung abgesetzt und bildet mit dem
hintersten, konvexen Theil des Schlossrandes eine ausge¬
prägt hakig-schnabelartige Spitze. Von einer Lunula ist
keine Spur zu bemerken; dagegen findet sich eine ziem¬
lich breite und lange, lanzettliche, vom Schalenrande aus
nach beiden Seiten hin abschüssige Area vor, die beider¬
seits je von einem deutlichen, vom Wirbel bis zur Schna¬
belspitze sich erstreckenden Kiele umrandet ist. Auf der
Hinterseite der Klappen verläuft vom Wirbel aus in radia¬
ler Richtung nach hinten hin, dem Randkiele der Area be¬
nachbart, eine seichte, breit-furchenartige Einsenkung, die
beim Uebergang in den Rand diesem die erwähnte Ein¬
buchtung zwischen Ventral- und Hinterrand verleiht, wo-
223
durch die schnabelartige Spitze vom übrigen Rande ziem¬
lich deutlich abgesetzt erscheint. Die in gutem Erhaltungs¬
zustände glänzende Ausscnfläche ist mit wenigen (bis zu 6)
ungleich weit von einander abstehenden, konzentrischen
Furchen, von denen besonders die unteren deutlich ausge¬
zogen sind, bedeckt; diese Furchen erscheinen auf der Hin¬
terseite in der genannten Einsenkung kaum merklich nach
oben hin ausgeschweift und setzen sich, wenn auch weniger
deutlich, über die Area fort, wobei sie jedoch auf dem Rand¬
kiele derselben unter einem Winkel von ungefähr 90° nach
oben hin gebrochen sind; — im Uebrigen zeigt sich die
Aussenfläche völlig glatt. Der Schlossrand trägt in jeder
Klappe zwei gegeneinander unter einem Winkel von etwa
130° geneigte Reihen von je 10 oder 11 dicht nebeneinan¬
der gestellten, spitzen Zähnen. Die unter dem Wirbel
zwischen den beiden Zahnreihen gelegene Bandgrube ist
sehr klein und seicht und daher mit blossem Auge kaum
sichtbar. Die Innenfläche ist bei den meisten Klappen
matt abgerieben; bei einer Klappe jedoch zeigt sie noch
einen lebhaften Perlmutterglanz. Die Muskeleindrücke sind
wenig deutlich ausgeprägt; sie sind oval, und zwar ist der
vordere etwas grösser als der hintere. Die Mantellinie ist
meist kaum wahrzunehmen; die Bucht ist wenig tief, zun¬
genförmig, etwas schräg nach oben und vorn gerichtet.
Der Innenrand (vom Schlossrande abgesehen) fällt nach
aussen hin etwas schräg ab, ist ganz und glatt,
Bemerkung: In der mir zugänglichen Litteratur findet sich
keine Leda- Art, welche mit der vorstehend beschriebenen iiberein-
stimmt, und ich glaube diese daher als eine neue Art ansprechen
zu sollen.
4. Art: Leda subrostrata, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 7.)
Diese, soviel ich weiss, bisher noch nicht beschrie¬
bene Lecla-kxt scheint in Dingden nicht gerade häufig vor¬
zukommen. In der hiesigen Sammlung finden sich von
dort ausser einigen Bruchstücken und einer noch geschlos¬
senen Schale nur 8 rechte und 10 linke Klappen vor, die
zum Theil vollständig erhalten, zum Theil aber auch mehr
oder weniger stark beschädigt sind. Die grösste dieser
224
Klappen misst ungefähr 25 mm in der Länge, etwas über
13mm in der Höhe und 4mm in der Dicke, eine der klein¬
sten nur 3 V2 mm in der Länge, knapp 2 mm in der Höhe
und annähernd 2/s mm in der Dicke.
Das Gehäuse ist bei jüngeren Formen dünnwandig,
bei älteren aber ungleich kräftiger und daher weniger leicht
zerbrechlich, quer-verlängert, eiförmig-elliptisch, schwach
gewölbt, mit über die Mitte des Schlossrandes hinaus nach
vorn gerückten, an der Spitze etwas nach rückwärts und
einwärts gebogenen, sich fast berührenden Wirbeln ver¬
sehen, ungleichseitig. Der vordere Theil des Schlossrandes
ist bei den einzelnen Klappen schwach konvex, der längere
hintere Theil schwach konkav gebogen; der Vorderrand
ist gleichmässig konvex gerundet; der Ventralrand ist
schwach konvex gekrümmt und steigt nach hinten zu merk¬
lich aufwärts ; der Hinterrand verläuft von unten nach oben
hin schräg aufwärts, so dass die hintere untere Ecke sehr
stumpf, die hintere obere Ecke dagegen schnabelartig ausge¬
zogen erscheint, welche letztere Eigenschaft bei den älteren
Exemplaren stets deutlich, bei den jüngeren aber weniger
deutlich hervortritt. Auf der Hinterseite der Klappen bemerkt
man bisweilen eine vom Wirbel nach dem Hinterrande hin
verlaufende, sehr schwache, kielartige Erhebung. Lunula
und Area sind schmal-lanzettförmig, längsgestreift. Die
ganze übrige Aussenfläche erscheint glänzend und glatt
oder doch nur mit unregelmässigen, konzentrischen Zuwachs¬
streifen bedeckt. Das Schloss setzt sich in jeder Klappe
aus zwei gegeneinander unter sehr stumpfem Winkel (von
ca. 150°) geneigten Reihen von je 17 — 27 eng nebeneinan¬
der gestellten, spitzen Zähnen zusammen. Die beiden Zahn¬
reihen werden unter dem Wirbel durch eine ziemlich grosse,
tiefe, dreiseitige, löffelartige Bandgrube von einander ge¬
trennt. Die Innenfläche der Klappen ist glatt, mit Fett¬
oder Perlmutterglanz behaftet, hin und wieder mit unregel¬
mässig begrenzten, graubraunen Flecken versehen. Die Mus-
keleindrücke sind deutlich sichtbar, verhältnissmässig klein,
der vordere ist unregelmässig halbmondförmig, und zwar
mit der flachen Seite nach innen gewendet; der hintere
ist kleiner als der vordere, eiförmig, schräg gestellt und
225
zwar aacli der Mitte der Klappe hin gerichtet. Die Man¬
tellinie ist wenig deutlich ausgeprägt ; die Bucht ist ziem¬
lich tief und breit, mehr oder weniger rechteckig geformt.
Bemerkung: Vorstehende Art besitzt, besonders im Jugend¬
stadium, Aehnlichkeit mit Nucula depressa , Nyst, (cf. Ny st, „De-
script. des coq. et des polyp. foss. etc.“ p. 220 seq., n°. 177, tab. XV,
fig. 7a, b) und Leda pellucida. Phil., (cf. Hoernes, 1. c. p. 303 seq.
n°. 2., tab. XXXVIII, fig. 5 a — e). Von Nucula depressa, Nyst, über
deren Mantelbucht leider weder aus der Beschreibung, noch aus
den Abbildungen bei Nyst etwas zu ersehen ist, unterscheidet
sich unsere Art jedoch durch ihre, besonders bei ausgewachsenen
Exemplaren, viel bedeutendere Ungleichseitigkeit der überdies dick¬
wandigeren Klappen, indem der Wirbel nicht wie dort mittelständig,
sondern um die Mitte des Schlossrandes hinaus nach vorn vorge¬
rückt ist, und indem die hintere obere Ecke deutlicher schnabel¬
artig hervortritt. Von Leda pellucida , Phil., mit der unsere Art
in der äusseren Gestalt schon besser übereinstimmt, ist sie durch
dickwandigere Klappen, sowie durch die Beschaffenheit der Mantel¬
bucht verschieden, indem dieselbe hier, wie oben erwähnt, rechteckig,
dort, wie aus den Abbildungen bei Hoernes ersichtlich jst, zungen¬
förmig ist.
II. Ordnung: Siphonida.
A. Integripalliata.
Familie: Astartidae, Gray. — Gattung: Carclita , Brug.
Art: Cardita chamaeformis, Sow.
(„Min. conch.“ t. V, p. 145, pl. 490, fig. 1; — sub Venericardia.
— 1825.)
Syn.: Venericardia chamaeformis , Nyst , „Recherch. sur les coq. foss.
de la prov. d’Anvers“, p. 12, n°. 45.
V. chamaeformis, Morris , „Cat. of British Shells“ p. 103.
V. chamaeformis , Potiez et Michaud, „Cat. des Moll, de Douai“
t. II, p. 162, no. 3 (excl. syn. Nyst, „Recherch.
sur les coq. foss. de Kleyn-Spauwen, etc.“).
Cardita chamaeformis , Goldf., 1. c. p. 189, n°. 15, tab. CXXXIV,
fig. 4 a, b.
Vei’h. d, nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX.
15
226
C. chamaeformis , Nyst, „Descript. des coq. et des polyp. foss.
etc“, p. 211 seq., n°. 170, tab. XVI, fig. 7a,b,d*.
C. chamaeformis, Sow., ist bei Dingden eine der häu¬
figsten Arten. Es befinden sich in der hiesigen Sammlung
daher von dort nicht weniger als ungefähr 120 rechte und
ebenso viele linke Klappen, welche durchgängig gut er¬
halten sind. Die Grösse dieser Stücke ist eine sehr ver¬
schiedene: die grösste Klappe misst 9 mm in der Länge,
ebenfalls 9 mm in der Höbe und 3 mm in der Dicke, eine
der kleinsten Klappen l1/2 mm in der Länge, annähernd
ebenfalls fi/2 mm in der Höhe und V2 mm in der Dicke;
zwischen den vorstehenden Dimensionen finden sich nun,
den verschiedenen Altersstufen entsprechend, die mannig¬
faltigsten Uebergänge vor.
Nach den mir bekannt gewordenen Mittheilungen über
die in Rede stehende Art ist der Verbreitungsbezirk der¬
selben kein grosser. Ausser in Dingden, wo sie schon
Ferd. Roemer („Die Kreidebildungen Westfalens“, s. Ver¬
handlungen d. naturhistor. Vereins f. d. preuss. Rheinl. u.
Westf. XI. Jahrg. 1854, p. 43 oder Zeitschr. d. deutsch,
geol. Gesellsch. VI. Bd., 1854, p. 111) mit Sicherheit an¬
gibt, kommt G. chamaeformis , Sow., vor bei Winterswyk
(cf. Goldf., 1. e., Becks, 1. c. p. 257 seqq., und Ferd.
Roemer, 1. c. p. 43, resp. 112) und Eibergen (cf. Ferd.
Roemer, 1. c. p. 41, resp. 110) in Gelderland, bei Bünde
(cf. Goldf., 1. c.), sowie nach Nyst, 1. c., bei Antwerpen
und im Crag der Grafschaft Suffolk in England.
Gattung: Astarte, Sow.,
1. Art: Astarte concentrica. (s. a.)
Syn.: A. propinqua, Münster (cf. Goldf. 1. c. p. 194, n°. 21, tab.
CXXXY, fig. 3a-c). '
A. qracilis, Münster, (cf. Goldf., 1. c. p. 194 seq., n°. 22, tab.
CXXXV, fig. 4 a— c).
A. concentrica, Goldf., 1. c. p. 195, n°. 24, tab. CXXXV, fig. 7 a, b.
* Die Figur 7b auf Tafel XVI bei Nyst, 1. c., stellt im Ge¬
gensätze zur Fig. 7d die Zwischenräume zwischen den auf der
Aussenfläche der Klappen befindlichen Radialrippen im Vergleich zur
Breite der Rippen selbst zu schmal dar.
227
Wie das vorstehende Synonymenverzeichniss zeigt,
habe ich die drei bei Goldfuss a. a. 0. unterschiedenen
Arten A. propinqua , Münster , A. gracilis , Münster , und H.
concentrica , Goldf., zu einer einzigen Art mit dem nunmehr
umfangreicheren Namen „H. concentrica “ vereinigt, indem
das mir aus Dingden vorliegende reichhaltige Material nicht
nur Formen enthält, welche mit den genannten Arten über¬
einstimmen, sondern auch Uebergangsformen zwischen den¬
selben. Anfangs suchte ich auch unser Material in die er¬
wähnten drei Arten zu sondern, bemühte mich jedoch ver¬
geblich, die Grenzen zwischen denselben zu fixiren, da die
sämmtlichen Stücke eine kontinuirliche Reihe bilden, deren
Endglieder allerdings ziemlich differiren. Wie in der nach¬
folgenden Beschreibung der Dingden’schen Vorkommnisse
des weiteren dargelegt werden wird, bilden die zu A. „gra-
cilis“ gehörigen Formen die Mittelglieder dieser Reihe, in¬
dem ihre Charaktere die Unterschiede zwischen den Charak¬
teren der zu A. „ propinqua “ einerseits und zu A. „concen¬
trica“ andererseits gehörigen Formen ausgleichen. Auch
schon aus den bez. Diagnosen bei Goldfuss lässt sich
ersehen, dass A. „ gracilis “ eine Zwischenform zwischen
A. „propinquau und A. „ concentrica “ ist; A. propinqua “
besitzt nämlich nach Goldfuss „stumpfe" Wirbel, eine
„schmal-lanzettförmige“ Lunula und „sehr zahlreiche“ Rip¬
pen, — A. „ gracilis “ „spitzige“ Wirbel, eine ,, breit- lan¬
zettförmige“ Lunula und „zahlreiche“ Rippen, — endlich
A. „ concentrica “, wie die Abbildungen erkennen lassen,
noch spitzere Wirbel, eine „elliptische“ Lunula und „nicht
sehr zahlreiche“ Rippen.
Unser Material umfasst ausser einer noch geschlosse¬
nen, zu A. „ concentrica “ gehörigen Schale, welche 7 mm
lang, Ob^mm hoch und 4 mm dick ist, über 200 rechte und
ebenso viele linke Klappen, die durchgängig recht gut erhal¬
ten sind. Von den zu A. ,, propinqua “ gehörigen Klappen misst
eine der grössten 8V2 mm in der Länge, 7V2 mm in der
Höhe und nicht ganz 2 mm in der Dicke, eine der klein¬
sten 2 mm in der Länge, 12/b mm in der Höhe und unge¬
fähr 1/2 mm in der Dicke ; unter den zu A. „ concentrica u
gehörigen Klappen besitzt eine der grössten eine Länge
228
von 12 mm, eine Höbe von fast 11 mm und eine Dicke von
3 mm, eine der kleinsten eine Länge von 1 mm, eine Höhe
von fast 1mm und eine Dicke von ungefähr ^mm. Ausser
den angegebenen Grenzdimensionen sind die zahlreichsten
Zwischenstufen vertreten.
Bei der nachstehenden näheren Beschreibung unserer
Stücke wollen wir zum Zwecke einer bestimmten Bezeich¬
nung die zu A. „ propinqua “ gehörigen Formen als die An- -
fangsglieder, die zu A. ,, concentrica “ gehörigen Formen als
die Endglieder der oben näher angegebenen Reihe be¬
zeichnen.
Die Schale ist dickwandig und zwar bei den End¬
gliedern unserer Reihe in noch höherem Maasse als bei den
Anfangsgliedern, gerundet-dreieckig, bald flach, bald ziem¬
lich stark konvex, ungleichseitig. Die Wölbung der Klap¬
pen nimmt vom Anfänge der Reihe, welcher flach konvexe
Formen umfasst, nach dem Ende hin allmählich ziemlich
beträchtlich zu, wie dies ja auch aus den obigen Dicken¬
angaben zum Theil ersichtlich ist. Der Vorderrand ist bei
den Anfangsgliedern der Reihe fast geradlinig oder doch
nur seicht nach innen ausgeschweift und der Hinterrand
nur wenig nach aussen gebogen, so dass die etwas nach
vorn und innen eingerollten, wenig aufgetriebenen Wirbel
stumpf auslaufen; bei den Endgliedern ist der Vorderrand
dagegen ziemlich stark nach innen ausgeschweift und der
Hinterrand etwas mehr nach aussen gebogen, so dass der
überdies höher aufgetriebene Wirbel bedeutend spitziger,
die vordere Ecke weiter als die hintere ausgezogen und
in Folge dessen die ganze Klappe in höherem Masse un¬
gleichseitig erscheint; — der Ventralrand bildet eine bald
mehr, bald minder starke Krümmung. Die Lunula ist bei
den Anfangsgliedern der Reihe wenig deutlich umgrenzt,
flach-konkav, schmal-lanzettlich, glatt oder undeutlich längs¬
gestreift; allmählich vertieft und verbreitert sie sich dann
mehr und mehr, bis sie bei den Endgliedern tief-konkav
und scharf umgrenzt erscheint und eine fast elliptische
Förm annimmt. Die Area ist länger, schmaler und flacher
als die Lunula, jedoch ist sie stets deutlich abgesetzt. Im
229
übrigen ist die Aussenfläche der Klappen stets ganz mit
konzentrischen Rippen bedeckt, deren Zahl und Stärke
beträchtlich variirt, jedoch so, dass sich die diesbezüglichen
Unterschiede in unserer Reihe allmählich ausgleichen. Bei
den Anfangsgliedern der Reihe stehen die Rippen dicht ge¬
drängt, durch ebenso breite Zwischenräume von einander
getrennt, und sind wenig hoch ; ihre Anzahl geht bis zu
35 und wohl noch höher, jedoch ist eine genaue Zählung
nicht möglich, da die Wirbel meist etwas abgerieben und
so die Rippen auf ihnen undeutlich sind; allmählich neh¬
men bei den Formen unserer Reihe die Rippen an Zahl
ab, an Stärke aber zu; bei den Endgliedern geht ihre Zahl
herab bis gegen 12, und ihre Zwischenräume sind durch¬
schnittlich breiter als sie selbst. Die einzelnen Rippen
sind stets konvex, oft rinnenartig, nach oben etwas hin¬
übergebeugt, glatt oder seltener undeutlich konzentrisch
gestreift; ihre Zwischenräume sind auch glatt oder mehr
oder weniger deutlich konzentrisch gestreift. Das Schloss
besteht in der rechten Klappe aus einem kräftigen, drei¬
seitigen Zahn, neben welchem sich beiderseits ein drei¬
eckiges Grübchen befindet; in diese Grübchen greifen die
beiden weniger kräftigen, schmaleren Zähne der linken
Klappe ein, welche nach unten hin divergiren und so eine
dreickige Grube zur Aufnahme des Zahnes der rechten
Klappe einschliessen. Zudem bemerkt man am Vorderrande
der rechten und am Hinterrande der linken Klappe eine
vom Schloss abwärts verlaufende, längliche Rinne, welche
vom Aussenrande und einer diesem parallelen Leiste ge¬
bildet wird. Die Innenfläche der Klappen ist glatt. Die
Muskeleindrücke und die Mantellinie sind deutlich ausge¬
prägt, bei den dickschaligeren Stücken sogar oft ziemlich
tief eingesenkt. Der vordere Muskeleindruck ist nieren¬
förmig, der hintere oval bis rundlich. Der Innenrand er¬
scheint bald glatt, bald zierlich krenulirt; bei den Jugend¬
formen ist er meistens glatt.
Ausser in Dingden, von wo schon Ferd. Roemer
(„Die Kreidebildungen Westfalens“, 1. c. p. 43, resp. 111)
A. concentrica , Goldf., anführt, kommt unsere Art vor zu
Giffel bei Meddeho unweit Winters wyk in Holland (A. con-
230
centrica , Goldf., — cf. Goldf., 1. c., Becks, 1. c. p. 262
und Ferd. Roemer, 1. c. p. 42, resp. 110), ferner bei
Bünde (A propinqua , Münster , und A gracilis , Münster , —
cf. Goldf., 1. c.), zu Freden und Diekholz bei Hildesheim
(A propinqua , Münster , und A gracilis , Münster , — cf.
Phil., „Beitr. z. Kenntn. d. Tert.-Verst. d. nordw. Deutschi.“,
p. 46, n°. 16 u. 17), in der Gegend von Magdeburg (A cow-
centrica , Goldf., und A gracilis , Münster , cf. Phil., Pa-
laeontograph. Bd. I, p. 47, n°. 22 u. 23), bei Friedrichsfeld
und sehr häufig bei Göttentrup im Fürstenthum Lippe-
Detmold (A concentrica , Goldf., cf. Speyer, Palaeonto-
graph. Bd. XVI. p. 41, n°. 20, tab. V, fig. 6 a, b, 7 a— c.).
2. Art: Astarte angulata, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 8.)
Von dieser sehr kleinen Art liegen mir aus Dingden
etwa 20 rechte und 25 linke Klappen vor. Die kleinste
derselben ist D^nim lang, wenig über 1 mm hoch und fast
1/3 mm dick ; eine der grössten ist etwas über 3 mm lang,
3 mm hoch und ungfähr 3/4 mm dick. Wie auch aus die¬
sen Massangaben ersichtlich ist, sind Länge und Höhe nur
wenig von einander verschieden; ja hin und wieder trifft
man unter unseren Klappen sogar eine, bei welcher die
Höhe die Länge etwas übertrifft.
Die Schale ist dickwandig, dreiseitig, in den Ecken
gerundet, mehr oder weniger schwach gewölbt, ungleich¬
seitig, indem die etwas aufgetriebenen, spitz auslaufenden
Wirbel wenig nach vorn gebogen sind. Der Vorderrand ist
bei beiden Klappen etwas nach innen ausgeschweift, so dass
die vordere Ecke etwas weiter ausgezogen erscheint als die
hintere; der Hinterrand ist geradlinig oder nur $.ehr wenig
nach aussen gebogen; der Ventralrand bildet einen sehr
flachen, gleichförmigen Bogen. Die Aussenfläche der Klap¬
pen ist bald in ihrer ganzen Ausdehnung glatt und nur
mit sehr feinen Zuwachsstreifen versehen, bald am Wirbel
mit deutlichen, konzentrischen Furchen bedeckt, die nach
beiden Seiten hin allmählich an Tiefe abnehmen; nur sel¬
ten erscheint die ganze Aussenfläche gefurcht, wobei sich
dann aber die Furchen nach dem Ventralrande hin nach
und nach verflachen. Die Lunula ist wenig deutlich um-
23 t
grenzt, lanzettlich, glatt oder undeutlich längsgestreift. Das
Schloss weist in seinem Bau keinen Unterschied von dem¬
jenigen der vorigen Art auf. Auch hier zeigt sich, wie bei
der vorigen Art, am Vorderrande der rechten und am Hin¬
terrande der linken Klappe eine vom Schlosse aus abwärts
sich erstreckende, längliche, rinnenartige Vertiefung, welche
vom Aussenrande und einer ihm parallel laufenden dünnen
Leiste gebildet wird. Die Innenfläche der Klappen erscheint
glatt. Die Muskeleindrücke und die Mantellinie sind deut¬
lich ausgeprägt; der vordere Muskeleindruck ist nierenför¬
mig, der hintere oval. Der Innenrand ist fast stets deutlich
krenulirt; nur in ganz vereinzelten Fällen scheint er glatt
zu bleiben.
Bemerkung: Die vorstehend beschriebene Art hat grosse
Aehnlichkeit mit A. Nystiana , Kiclcx i. c., (cf. Ny st, „Descript. des
coq. et des polyp. foss. etc.“, p. 156 seq., n°. 110, tab. VI, fig. 15a
— c), welche bei Jette und Laeken, in der Umgegend von Brüssel,
vorkommt, und auch mit A. triangularis , Montague, (cf. Hoernes,
1. c. p. 282 seq., n°. 1, tab. XXXVII, fig. la — f), welche noch lebend
an den Küsten von Schottland, im britischen Kanal, an der Küste
von Süd Spanien, im mittelländischen Meere und an den Kanarischen
Inseln angetroffen wird und fossil bei Steinabrunn im Wiener Becken,
in Siebenbürgen, bei Saucats in Frankreich und im Crag von Eng¬
land vorkommt. Es dürften sich die genannten drei Arten viel¬
leicht vereinigen lassen ; doch kann ich darüber ein bestimmtes Ur-
theil nicht fällen, da mir von den beiden letzteren Arten keine
Exemplare zur Vergleichung zu Gebote stehen.
Von A. Nystiana , Kiclcx i. c.. unterscheidet sich unsere Ding-
den’sche Art, abgesehen von ihrer viel geringeren Grösse, durch die
Beschaffenheit der Lunula, welche hier lanzettlich, dort eiförmig
ist, und ferner durch ihre ausgeprägter dreieckige Form, indem Ven¬
tral- und Hinterrand weniger auswärts gebogen sind, wodurch die
unteren Ecken deutlicher hervortreten. Bei A. triangularis , Mon¬
tague , die ebenfalls, wenn auch nicht in so hohem Masse, unsere
Art an Grösse übertrifft, ist der Hinterrand noch mehr gerundet
als bei A. Nystiana , Kiclcx i. c., während die Krümmung des Ven¬
tralrandes bei jener nicht so stark ist wie bei dieser; über die Be¬
schaffenheit der Lunula bei jener Art macht Hoernes a. a. 0. lei¬
der gar keine Angaben.
232
Familie: Lucinidae, Desh. — Gattung: Lucina , Brug.
1. Art: Lucina borealis, Lin.
(„Syst, nat.“, edit. XII, p. 1134, n°. 143.)
Sy n. : Cf. Hoernes, 1. c. p. 229 seq., tab. XXXIII, fig. 4a— c.
Von dieser Art liegt mir aus Dingden nur eine einzige,
linke Klappe vor, die zudem noch an den Rändern etwas
defekt ist. Dieselbe hat eine Länge von 34 mm, eine Höhe
von 29 mm und eine Dicke von 8 mm. Sie ist etwas mehr
quer- verlängert als die bei Nyst („Descript. des coq. et
des polyp. foss. etc.“, tab. VI, fig. 6a, b und 7a, b) und
Hoernes (1. c.) abgebildeten Klappen; im Uebrigen unter¬
scheidet sie sich aber in den wesentlichen Merkmalen nicht
von denselben. Mit den im paläontologischen Museum
der Kgl. Akademie zu Münster aus Antwerpen vorliegen¬
den Stücken stimmt sie dagegen vollständig überein.
L. borealis , Lin., gehört zu den verbreitetsten Arten.
Lebend wird sie häufig an den Küsten des atlantischen
Oceans, seltener des Mittelmeeres angetroffen. Fossil fin¬
det sie sich ausser in Dingden im Crag von Belgien und
England (cf. Nyst, 1. c. p. 127 seq., n°. 86 et p. 128 seq.,
n°. 87), ferner im Wiener Becken, in Bayern, Steiermark,
Ungarn, Galizien, Volhynien, Siebenbürgen, in der Schweiz,
in den subapenninen Schichten Italiens und Frankreichs,
auf Rhodus, Sizilien, bei Christiania etc. (cf. Hoernes, 1. c.).
2. Art: Lucina cf. Dujardini, Desh.
(„Traite elementaire de conchybologie“, p. 783, n°. 3.)
Syn.: cf. Hoernes, 1. c. p. 235 seq, tab. XXXIII, fig. 7a— c.
Es liegen mir aus Dingden von dieser zierlichen Art
ausser einigen Bruchstücken und einer noch geschlossenen
Schale 25 rechte und 20 linke Klappen vor, deren Grösse?
den verschiedenen Altersstufen entsprechend, eine ziemlich
variable ist; die grösste derselben misst etwa 7 mm in der
Länge, 6V2 mm in der Höhe und lV2mm in der Dicke,
eine der kleinsten nur 2 mm in der Länge, gleichfalls 2 mm
in der Höhe * und ungefähr V2 mm in der Dicke.
233
Die Schale ist linsenförmig, fast rund, ziemlich flach,
etwas ungleichseitig. Der vordere Theil des Schlossrandes
ist nach innen ausgebogen, der hintere, etwas längere Theil
dagegen ist fast gerade oder nur wenig nach aussen ge¬
bogen; der Vorderrand und der Ventralrand sind einheit¬
lich gerundet, der Hinterrand dagegen ist ziemlich gerade.
Die wenig hervortretenden, sich fast berührenden Wirbel
sind annähernd mittelständig, nur um ein Geringes nach
vorn gebogen. Die Lunula ist klein, lanzettförmig. Vom
Wirbel aus erstreckt sich auf jeder Klappe zum Hinter¬
rande hin eine mehr oder weniger deutliche, den hinteren
Theil der Schale zuschärfende Einsenkung, und es wird
so ein ziemlich langes, lanzettliches Feld abgetrennt, wie
es auch an den Abbildungen von L. Dujardini , Desh ., bei
Hoernes (1. c.) wahrzunchmen ist. Bei jungen Exemplaren
ist die Aussenfläche fast ganz glatt; bei älteren ist sie da¬
gegen mit feinen konzentrischen Zuwachsstreifen bedeckt,
an denen sich stellenweise noch eine bräunliche Färbung
erhalten hat, und die auf dem erwähnten lanzettlichen
Felde, sowie an den Rändern der Lunula eine etwas rauhe,
lamellenartige Beschaffenheit annehmen. Die innere Band¬
grube unterhalb des Wirbels ist nicht gerade tief und we¬
nig lang. Das Schloss besteht in der linken Klappe aus
einem Schlosszahne, in der rechten aus zwei nach unten
hin etwas divergirenden Schlosszähnen, von denen der hin¬
tere der kräftigere ist ; hierzu kommt noch in jeder Klappe
vor und hinter dem Schlosszahne, bezw. den Schlosszähnen
je ein verhältnissmässig ziemlich kräftiger Seitenzahn. Der
vordere Muskeleindruck ist etwa 3- bis 4mal so lang als
breit, überall ziemlich gleich breit, an den Enden gerundet,
etwas gebogen und schräg nach innen und unten gerichtet;
der breitere, aber kürzere hintere Muskeleindruck ist von
bimförmiger Gestalt. Der Manteleindruck ist undeutlich
und zeigt in seinem Verlaufe keine Unterbrechung.
Die in Rede stehenden Dingden’schen Vorkommnisse
stimmen, wie eine genaue Vergleichung mit allen in der
mir zu Gebote stehenden Litteratur beschriebenen Lucina -
Arten ergab, am besten mit den bei Hoernes a. a. 0.
abgebildeten Exemplaren von L. Dujardini, Desh., überein,
234
nur sind sie durchgängig kleiner, und die innere Bandgrube
ist nicht so tief und lang ausgebildet, welch letzterer Um¬
stand aber auch Folge eines vorgeschritteneren Verwitte¬
rungprozesses sein kann.
L. Dujardini , Desh., ist nach Ho er ne s (1. c.) bis jetzt
ausser an verschiedenen Orten des Wiener Beckens bei
Ottnang in Oberösterreich, Alt-Oleksinetz in Volhynien, bei
Manthelan, St. Maur und Pont-le-Voy in der Touraine,
ferner bei Perpignan, Saucats, Leognan und Merignac auf¬
gefunden worden.
Familie: Cardiidae, Lam. — Gattung: Cardium, Lin.
1. Art: Cardium papillosum, Poli.
(„Testacea utriusque Siciliae“, 1791, vol. I, tab. 16, fig. 2 — 4.)
Syn. : Cf. Hoernes, 1. c. p. 191 seqq.
Diese in fast allen ihren Eigenschaften sehr variable
Art kommt in Dingden häufig vor. Es liegen mir von dort
über 300 rechte und ungefähr ebenso viele linke Klappen
vor, von denen die grösste 6 mm lang, fasst 6 mm hoch und
2V2 mm dick, eine der kleinsten 1 mm lang, annähernd
1 mm hoch und nicht ganz 1/2 mm dick ist.
Das Gehäuse ist, von vorn oder hinten gesehen, herz¬
förmig, ziemlich stark gewölbt, mit fast mittelständigen,
etwas vo Tragenden, eng aneinander stossenden Wirbeln ver¬
sehen. Die einzelnen Klappen sind fast kreisrund, stets
etwas ungleichseitig, vorn abgerundet, hinten durch eine
Hinneigung zur Bildung eines Kieles mehr oder weniger
winklig. Die Aussenflächc der Klappen ist mit 24 flachen
oder kaum merklich gewölbten Radialrippen bedeckt, welche
durch schmalere, zierlich quergefurchte Interstitien getrennt
sind. Diese Rippen sind bald mit einer grösseren, bald
mit einer geringeren Anzahl sogenannter Papillen unregel¬
mässig besetzt; doch deuten die mit der Lupe hin und
wieder noch erkennbaren Ansatzstellen darauf hin, dass
ursprünglich die Schalen gleichmässig mit solchen leicht
zerstörbaren Ansatzkörperchen der Rippen bedeckt waren.
Die Gestalt der Papillen ist eine sehr variable: bald sind
235
sie nadelknopfartig, bald stumpf — oder spitzkegelig und
bisweilen auf der Hinterseite der Klappen in der Nähe
des Wirbels sogar stackeiartig, bald lamellenartig, mond¬
sichelförmig bis halbmondförmig, so dass also ein Ueber-
gang* zu C. roseum , Lam., („Hist. nat. des anim. sans vert.“
1819, vol. VI, p. 14), den Weinkau ff (1. c. p. 139 seqq.
spec. 7) leugnet, wohl vorhanden sein dürfte. Der Schloss¬
rand ist schmal und trägt in jeder Klappe 2 stumpf-kegelige,
zapfenartig vorspringende Schlosszähne und zu beiden Sei¬
ten je einen schrägen, länglichen, schmalen Seitenzahn, von
denen der hintere weiter vom Schlosse absteht als der vor¬
dere. Der ganze übrige Innenrand ist mehr oder weniger
tief wellenförmig gefaltet. Die Muskeleindrücke sind scharf
ausgeprägt; der vordere ist oval, der um ein Geringes
grössere hintere mehr rundlich. Der weniger deutliche
Manteleindruck ist ganz.
Ausser in Dingden kommt diese weitverbreitete Art,
welche noch jetzt lebend an den Küsten des Mittelmeeres
und des atlantischen Oceans angetroffen wird, fossil vor in
Deutschland bei Kassel (cf. Goldf., 1. c. p. 223, n°. 45) und
Alfeld (cf. Phil., „Beitr. zur Kenntn. der Tert.-Verst. des
nordw. Deutschi .“ p. 11 seq., n°. 31), in Belgien bei Kleyn-
Spauwen (cf. Ny st, „Descript. des coq. et des polyp. foss.
etc.“, p. 194, n°. 154), im Crag von England (?) (Wood, —
cf. Wein kau ff, 1. c. p. 138 seq.), sodann ziemlich ver¬
breitet, aber an den einzelnen Fundorten nicht sehr häufig,
im Wiener Becken, ferner in Böhmen, Galizien, Ungarn,
Siebenbürgen, Polen, an verschiedenen Orten Italiens, Frank¬
reichs und Siziliens, sowie endlich auf Ischia, Rhodus, Cy-
pern und Madeira (cf. Brocchi, 1. c. p. 507, n°. 11 und
p. 666, Hoernes, 1. c. und Weinkauff, 1. c.).
Bemerkung: Deshayes (cf. „Anim, sans vert.u, tom. I,
p. 561) hält die von Goldfuss, Ny st und Philipp! unter dem
Namen „ Cardium papillosum , RoliL', angeführten Species für nicht
identisch mit dem eigentlichen Cardium papillosum , Poli’s, sondern
rechnet sie nach dem Vorgänge Hebert’ s (cf. Bull, de la Soc. geol.
de France, 1849, 2e ser., t. VI, p. 405, n°. 16) zu dessen C. Raulini.
Wenn ich über den ersten Punkt auch selbst kein Urtheil fällen
kann, da mir die Originalarbeit Poli’s („Testacea utriusque Siciliae“,
1791, vol. I) nicht zu Händen gekommen ist, — obwohl ja Gold-
236
fuss, Nyst, Philippi, Hoernes und Weinkauff sich sämmtlich
zu Unguusten der Behauptung Deshayes’ aussprechen, — so muss
ich im letzteren Punkte D e s h ay es unbedingt widersprechen, indem
schon eine Vergleichung der Abbildungen bei Deshayes (1. c., pl. 56,
fig. 21—24) mit denen bei Goldfuss (1. c., tab. CXXXXV, fig. 7a
— c), Nyst (1. c. tab. XI, fig. 6a, b, d) und PI o er n es (1. c., tab.
XXX, fig. 8 a— e) zeigt, dass G. Baulini, Hebert , von den unter sich
identischen Arten der drei letzten Forscher verschieden ist. Bei
ersteren Abbildungen unterscheidet man nämlich deutlich 29 Radial¬
rippen, bei letzteren durchgängig nur 24, und es sind die Papillen
bei Deshayes’ Figur „23“ im Vergleiche zur Breite der Rippen
viel schmaler als bei den entsprechenden Figuren der übrigen For-
scher; schliesslich sind noch bei den Abbildungen Deshayes’ die
Rippen mit den Interstitiell gleichmässig quergestreift, während
Goldfuss, Nyst und Hoernes die Rippen, von den Papillen ab¬
gesehen, als glatt und nur die Interstitien als regelmässig gefurcht
darstellen.
2. Art: Cardium subturgidum, d’Orb.
(Cf. v. Koenen, Palaeontograpli. Bd. XVI, p. 244, sub n°. 151.)
Syn.: C. turgidum , Nyst, „Descript. des coq. et des polyp. foss.
etc.“, p. 190 seq., n°. 150, tab. XIV, fig. 6 a — c
(excl. syn.).
Die nachstehend näher beschriebene Art scheint in
Dingden nicht häufig vorzukommen. Die in Münster be¬
findliche Sammlung Dingden’scher Versteinerungen enthält,
von einigen Bruchstücken abgesehen, nur 4 vollkommen
erhaltene rechte und 5 mehr oder weniger defekte linke
Klappen dieser Art, von denen die grösste 17 mm lang,
16 mm hoch, und 6 bis 672 mm dick, die kleinste 4 mm
lang, fast 4 mm hoch und iy2 mm dick ist.
Die Schale ist, von vorn oder hinten gesehen, herz¬
förmig, ziemlich stark gewölbt, mit in der Mitte liegenden,
vorstehenden, sich fast berührenden Wirbeln versehen. Die
einzelnen Klappen sind nicht ganz kreisförmig, sondern
etwas quer- oval, wenig ungleichseitig, vorn abgerundet,
hinten durch einen meist nur schwach ausgeprägten Kiel
etwas winklig, unten gleichmässig gerundet. Die Aussen-
fläche ist glänzend, bisweilen von grau-bräunlicher oder
seltener von weisslich-blauer Färbung, mit sehr eng ste¬
henden, sehr feinen Radialfurchen bedeckt, welche auf der
237
durch den schwachen Kiel abgetrennten Hinterseite un¬
gleich tiefer werden, so dass daselbst flach konvexe Ripp¬
chen entstehen; überdies bemerkt man ab und zu in un¬
regelmässigen Entfernungen von einander befindliche, kon¬
zentrische Zuwachsstreifen. Die oberste Schalenschicht
blättert sich leicht ab, und die dadurch blossgelegte zweite
Schicht zeigt die erwähnten Radialfurchen viel deutlicher
als erstere. Der Schlossrand ist schwach gebogen und
trägt in der linken Klappe 2 konische Schlosszähne, von
denen der vorn und mehr unten befindliche viel länger und
spitzer ist als der hinten und mehr oben befindliche, sowie
ferner einen verhältnissmässig grossen, platten, oben scharf¬
kantigen und spitz auslaufenden vorderen und einen vom
Schlosse etwas weiter entfernten, kleinen, kaum hervor¬
tretenden hinteren Seitenzahn, — in der rechten Klappe
auch 2 konische Schlosszähne, von denen der hinten und
mehr unten befindliche grössere stumpfer ist als der grössere
Schlosszahn in der linken Klappe, und ausserdem einen
vorderen und einen hinteren Seitenzahn, welche jedoch
ziemlich obliterirt sind. Die kleineren Schlosszähne sind
stets nur schwach ausgebildet und daher auch von Nyst
übersehen worden, indem er a. a. 0. sagt, dass das Schloss
bei seinem „C. turgidum “ demjenigen des G. semigranula-
tum, Sow.f (cf. Nyst, 1. c. p. 189 seq., n°. 149) ähnlich sei,
bei welchem er nur einen Schlosszahn in jeder Klappe
beobachtet hat. Der ganze übrige Innenrand (vom Schloss¬
rande abgesehen) fällt nach aussen hin etwas schräg ab
und läuft in zierliche Zähnchen aus, deren Anzahl mit der¬
jenigen der Radialfurchen auf der Aussenfläche korrespon-
dirt. Die Muskeleindrücke sind deutlich, ungefähr von
gleicher Grösse ; der vordere ist bimförmig oder oval, der
hintere rundlich. Die ununterbrochene Mantellinie ist nur
schwach ausgeprägt.
Ausser bei Dingden (cf. v. Koenen, 1. c.) und Ant-
werpeu (cf. Nyst, 1. c., und v. Koenen, 1. c.) ist die vor¬
stehende Art, soviel mir bekannt geworden ist, anderswo
bisher nicht aufgefunden worden.
Bemerkungen: Unsere Dingden’schen Vorkommnisse stim¬
men mit den bei v. Koenen (1. c., tab. XXIX, fig. la— d, 2a— d)
2.38
vorhandenen Abbildungen des C. comatulum , Bronn , in der äusse¬
ren Struktur gut überein, nur sind sie mehr rundlich, nicht drei¬
eckig gestaltet; ich glaube, sie daher zu dem nach v. Koenen (l.c.)
bei Antwerpen und Dingden vorkommenden ,,C. subturgidum d’Orb.
( C . turgidum , Nyst)u rechnen zu sollen, von dem mir leider die
Originalbeschreibung d’Orbigny’s nicht zu Gebote steht.
Die bei Ny st a. a. 0. beschriebenen und abgebildeten Exem¬
plare des bei Antwerpen vorkommenden ,,C. turgidum “ scheinen sich
im allgemeinen von unseren Dingden’schen Stücken nicht wesentlich
zu unterscheiden; nur treten die Wirbel bei jenen nicht so stark
hervor wie bei diesen.
In der Schalenstruktur haben unsere Stücke auch viel Aehn-
lichkeit mit C. fragile (cf. Hoernes, 1. c. p. 178 secp, n°. 5, tab.
XXX, fig. Ga — c); jedoch sind die Klappen bei dieser Art nicht quer-
oval, sondern sogar höher als lang.
3. Art: Cardium Dingdense, nov. spec. (Taf. IV, Fig. 9.)
Von dieser meines Wissens bisher noch nicht be¬
schriebenen Cardium- Art liegen mir aus Dingden nur eine
ziemlich gut erhaltene rechte Klappe, welche fast 8 mm
lang, 772 mm hoch und 272 mm dick ist, und zwei an den
Seitenrändern stark beschädigte linke Klappen vor, von
denen die grössere ungefähr 11mm lang, 10 mm hoch und
4 mm dick ist, während die kleinere in ihren Dimensionen
mit der genannten rechten Klappe annähernd übereinstimmt.
Die Schale ist dünnwandig und daher leicht zerbrech¬
lich, — von vorn oder hinten gesehen — herzförmig, ziem¬
lich stark gewölbt, mit fast mittelständigen oder doch nur
wenig über die Mitte des Schlossrandes hinaus nach vorn
gerückten, vorstehenden, jedoch nicht ganz so stark wie
bei der vorigen Art aufgetriebenen, sich fast berührenden
Wirbeln versehen. Die beiden Klappen sind rundlich, etwas
quer-oval, vorn gerundet, hinten durch einen schwach aus¬
geprägten Kiel etwas winklig; der Ventralrand bildet nicht
einen nach beiden Seiten hin gleichförmigen Bogen, son¬
dern läuft nach vorn hin merklich aufwärts, so dass die
Schale deutlicher ungleichseitig erscheint als bei der vo¬
rigen Art. Die Aussenfläche ist bei den mir vorliegenden
Klappen durchweg recht gut erhalten; sie erscheint glän¬
zend, mit etwa 40 sehr flachen, glatten, am Ventralrande
239
rundlich ausgezackten, graubräunlichen Radialrippchen ge¬
ziert, welche auf der durch den schwachen Kiel abgetrenn¬
ten Hinterseite etwas konvexer werden und so deutlicher
hervortreten ; die sehr seichten und meist nur in der Nähe
des Ventralrandes furchenartigen Zwischenräume zwischen
den genannten Rippchen sind durchgängig schmaler als
diese und erscheinen heller gefärbt, so dass man stets mit
freiem Auge die Rippen und ihre Zwischenräume deutlich
von einander unterscheiden kann; — die Wirbel sind stets
glatter als der übrige Theil der Aussenfläche, indem sich
die Radialrippchen nicht bis zu den Wirbelspitzen hinauf
erstrecken; auch erscheinen sie heller gefärbt, weisslich mit
einem Stiche ins Röthliche; — hin und wieder bemerkt
man auf der Aussenfläche auch wenige, schwach aus¬
geprägte, in unregelmässigen Entfernungen von einander
befindliche, konzentrische Zuwachsstreifen. Der Schloss¬
rand ist schwach gebogen und trägt in jeder Klappe zwei
Schloss- und zwei Seitenzähne, welche in ihrer Gestalt, ver-
hältnissmässigen Grösse und gegenseitigen Stellung mit den¬
jenigen der vorigen Art übereinstimmen. Der ganze übrige
Innenrand ist deutlich gekerbt, und es setzen sich von die¬
sen Kerben aus, deren Anzahl mit derjenigen der Zwischen¬
räume zwischen den Radialrippen der Aussenfläche korre-
spondirt, sehr feine, linienartige, oft kaum sichtbare Fur¬
chen in radialer Richtung weit in das Innere der Klappen
fort. Die Muskeleindrücke und die Mantellinie erscheinen
weniger deutlich als bei der vorhergehenden Art; der vor¬
dere Muskeleindruck ist mehr oder weniger bimförmig, der
hintere breit-oval; die Mantellinie ist ganz.
Bemerkungen: Die in Rede stehende Art ist der vorher¬
gehenden in der äusseren Gestalt der Klappen ziemlich ähnlich, un¬
terscheidet sich jedoch von derselben durch die Struktur der Aussen¬
fläche sowohl wie der Innenfläche der Klappen.
Eine unverkennbar grosse Aehnlichkeit besitzen unsere Ding-
den’schen Stücke mit den bei Brocchi (1. c. p. 505 seq., tab. XIII,
fig. 4) vorhandenen Abbildungen seines C. fragile , bei welchem die
Aussenfläche der Klappen auch mit nur 35 sehr flachen Radialripp¬
chen bedeckt und der Innenrand mit ebenso vielen Kerben versehen
ist, die sich auch hier als sehr feine Furchen tief in das Innere der
Klappen fortsetzen. Es erscheint mir daher auch fraglich, ob Ho er-
240
nes die im Wiener Becken vorkommende, a. a. ü. (p. 178 seq., n°. 5,
tab. XXX, fig. 6a— c) beschriebene und abgebildete Cardium- Art
mit Recht zu C. fragile , Brocchi, rechnet, da die Aussenfläche bei
jener Art ungefähr mit doppelt so vielen Radialfurchen bedeckt ist
wie bei dieser und die Innenfläche bei jener durchaus keine Furchen
zu besitzen scheint.
Familie: Cyprinidae, Lam. — Gattung: Isocar dia, Lam.
Art: Isocardia cor, Lin.
(,, Museum S. R. M. Ludovicae Ulricae Reginae Suecorum“, p. 516,
n°. 88; ,,Systema naturae“, edit. XII, p. 1137, n°. 154.)
Syn.: I. cor , Lin., cf. Hoernes, 1. c. p. 164 seqq., tab. XX, fig. 2.
I. cor , Lam., cf. Nyst, „Descript. des coq. et des polyp. foss.
etc.“, p. 196 seqq., n°. 156, tab. XVI, fig. 1.
I. lunulata, Nyst , 1. c. p. 198, n°. 157, tab. XV, fig. 2.
I. crassa , Nyst et West., cf. Nyst, 1. c. p. 198 seq., n°. 158,
tab. XV, fig. 3.
Vorstehende Art, die schon von Ferd. Römer (cf.
„Die Kreidebildimgen Westfalens“, 1. c. p. 43 resp. 111)
als in Dingden vorkommend angegeben wird, ist an diesem
Fundort eine der häufigeren Arten. Es liegen mir von dort
ausser zahlreichen Bruchstücken 12 rechte und 15 linke
Klappen vor, die im Allgemeinen recht gut erhalten sind;
die grösste derselben hat eine Länge von 65 mm, eine
Höhe von 59 mm und eine Dicke von 33 mm, die Mei ste
eine Länge von 41 mm, eine Höhe von 38 mm und f1’
Dicke von 22 mm.
Die Schalen sind bauchig-herzförmig, mit entfernt
stehenden, dicken, spitz zulaufenden, nach vorn und aussen
spiralig eingerollten Wirbeln versehen. Die Aussenfläche
der Klappen ist mit feinen und mit in grösseren Entfer¬
nungen von einander befindlichen, tieferen konzentrischen
Furchen bedeckt, und zwar erscheinen die Zwischenräume
zwischen letzteren Furchen mehr oder weniger konvex, wie
es auch, wenn auch in etwas stärkerem Masse, an der von
Nyst gegebenen Abbildung seiner I. crassa deutlich zu
erkennen ist. Der hinter Theil der Klappen ist oft durch
einen oder durch zwei mehr oder weniger deutliche, zu
241
den konzentrischen Furchen senkrecht verlaufende Kiele
abgesetzt (cf. I. crassa , Nyst et West.). Meist ist keine
Lunula vorhanden: bei 5 Klappen fand sich jedoch eine
spiralig begrenzte Lunula vor, und es dürften daher diese
Stücke wohl zu I. lunulata, Nyst , gehören, von welcher
Art ja ihr Begründer selbst schon vermuthete, dass sie eine
Varietät von 1. cor , Lam., sein würde.
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass unsere
Dingden’schen Stücke die drei Nyst’schen Arten I. cor,
Lam., I. lunulata , Nyst , und I. crassa, Nyst et West., welche
ja auch schon Hoernes in seinem Synonymenverzeichnisse
von 1. cor, Lin., zusammen aufzählt, umfassen, indem die
Charaktere der genannten drei Arten hier mehr oder weni¬
ger vereinigt auftreten.
Was die fossile Verbreitung dieser Art anbetrifft, die
übrigens auch noch jetzt lebend an den Küsten von Europa,
hauptsächlich im Mittelmeere, vorkommt, so werden ausser
Dingden als Fundorte angegeben: Winterswyk in Gelder¬
land von Goldfuss (1. c. p. 211 seq., n°. 20*) und Becks
1. c. p. 257 seqq.), Eibergen in Gelderland von F e r d.
ßoemer („Die Kreidebildungen Westfalens“, 1. c. p. 41,
resp. 110), Wilhelmshöhe bei Kassel und Diekholz bei Hil¬
desheim von Philipp! („Beitr. z. Kenntn. der Tert.-Verst.
dös nordwestl. Deutschi.“, p. 12, n°. 35 und p. 47, n°. 32),
ferner bei Nyst (1. c.) Antwerpen, England, Frankreich,
^Galien, Sizilien, Morea und endlich ausserdem noch bei
wdoernes (1. c.) das Wiener Becken, Reinbeck, Sylt, die
Schweiz, Polen, Podolien, Galizien, Algerien, Rhodus, Ce-
phalonien und Korfu.
*) Die übrigen von Goldfuss angegebenen Vorkommnisse
(Grafenberg bei Düsseldorf und Bünde) zieht v. Koenen (cf. Pa-
laeontograph. Bd. XVI, p. 225) zu I. subtransversa, cVOrb.
*
Verh. d. nat. Ver. Jahrg. XXXXIX. 5. Folge. Bd. IX.
16
Alphabetisches Verzeichniss der beschriebenen Arten.
Area didyma, Brocchi (S. 210).
„ diluvii, Lam. (S. 209).
„ pectunculoides, Scacchi (S. 211, Taf. IY, Fig. 4).
Astarte angulata, nov. spec. (S. 230, Taf. IV, Fig. 8).
„ concentrica (s. a.) (S. 226).
Cardita chamaeformis, Sow. (S. 225).
Cardium Dingdense, nov. spec. (S. 238, Taf. IY, Fig. 9).
,, papillosum, Poli (S. 234).
„ subturgidum, d’Orb. (S. 236).
Isocardia cor, Lin. (S. 240).
Leda curvirostris, nov. spec. (8. 221, Taf. IV, Fig. 6).
„ fragilis, Chemnitz (S. 218).
„ subrostrata, nov. spec. (S. 223, Taf. IV, Fig. 7).
„ tenuis, Phil. (S. 220).
Limopsis anomala, Eichw. (S. 214).
„ aurita, Brocchi (S. 212).
,, lamellata, nov. spec. (S. 216, Taf. IV, Fig. 5).
Lucina borealis, Lin. (S. 232).
,, cf. Dujardini, Desh. (S. 232).
Nucula Haesendoncki, Nyst et West. (S. 218).
Ostrea spec. (S. 200).
Pecten aculeatus, nov. spec. (S. 206, Taf. IV, Fig. 3).
„ Gerardi, Nyst (S. 201).
„ Guestfalicus, nov. spec. (S. 205, Taf. IV, Fig. 2).
„ Hosiusi, nov. spec. (S. 203, Taf. IV, Fig. 1).
„ Lamali, var., Nyst (S. 202).
Pinna spec. indet. (S. 208).
Verzeichniss der Abkürzungen.
Brug. = Bruguiere.
Desh. = Deshayes.
Eichw. = Eichwald.
Goldf. = Goldfuss.
Lam. = Lamarck.
Lin. = Linne.
d’Orb. = d’Orbigny.
Phil. = Philippi,
Ren. == Renier.
Sow. — Sowerby.
West. = Westendorp.
s. a. = sensu ampliore. s. str. = sensu strictiore.
i. c. = in collectione.
Erklärung der Figuren auf Taf. IV.
i
Fi g. 1. Pecten Hosiusi, nov. spec.
a. Aussen-, b. Innenfläche in natürlicher Grösse.
Fig. 2. Pecten Guestfalicus, nov. spec.
a. Aussen-, b. Innenfläche einer rechten Klappe, in natür¬
licher Grösse, c. ein Stück der Aussenfläche, vergrössert.
Fig. 3. Pecten aculeatus, nov. spec ., rechte Klappe.
a. Aussen-, b. Innenfläche, etwas vergrössert; ein Stück der
Aussenfläche, vergrössert.
Fig. 4. Area pectunculoides, Scacchi.
a. Aussen-, b. Innenfläche einer linken Klappe, vergrössert.
Fig. 5. Limopsis lamellata , nov. spec.
a. Aussen-, b. Innenfläche einer linken Klappe, vergrössert.
Fig. 6. Leda curvirostris , nov. spec.
a. Aussen-, b. Innenfläche einer rechten Klappe, vergrössert.
Fig. 7. Leda subrostrata , nov. spec.
a. Aussen-, b. Innenfläche einer linken Klappe, in natür¬
licher Grösse.
Fig. 8. Astarte angulata, nov. spec
a. Aussen-, b. Innenfläche einer rechten Klappe, vergrössert.
Fig. 9. Gardium Dingdense, nov. spec.
a. Aussen-, b. Innenfläche einer linken Klappe, vergrössert.
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Korrespondenzblatt
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* Verzeichnis der Mitglieder
des naturhistorischen Vereins der preussischen
Rheinlande, Westfalens und des Reg.-Bez.
Osnabrück.. 0f ,LUg0js LMy
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B
H
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4,
5
Dr.
Am 1. Januar 1892. NQV 1 3
Beamte des Vereins.
Dr. H. Schaaffhausen, Geh. Medizinalrath u. Prof., Präsident.
N. Fabricius, Geheimer Bergrath, Vice-Präsident.
Dr. Ph. Bertkau, Professor, Sekretär.
C. Henry, Rendant.
Sektions-Direktoren.
Zoologie: Prof. Dr. Landois in Münster.
Botanik: Prof. Dr. Kör nicke in Bonn.
Prof, und Geh. Medizinalrath Dr. Kar sch in
Münster.
Mineralogie: Gustav Seligmann in Coblenz.
Bezirks- V orsteher.
A. Rheinprovinz.
Cöln: Prof. Dr. Thome, Rektor der höheren Bürgerschule
in Cöln.
Coblenz: Gustav Seligmann in Coblenz.
Düsseldorf: Landgerichtsrath a. D. von Hägens in Düssel¬
dorf.
Aachen: Geh. Rath Wüllner in Aachen.
Trier: Landesgeologe H. Grebe in Trier.
B. Westfalen.
Arnsberg; Dr. v. d. Marek in Hamm.
Münster: Geh. Rath. Prof. Dr. Hosius in Münster.
Minden: Direktor Fr. Sartorius in Bielefeld.
C. Regierungsbezirk Osnabrück.
W. Bö Ische in Osnabrück.
Für
Für
Für
Für
Für
Für
Für
Für
1
2
t
Ehren-Mitglieder.
Döll, Geh. Hofratli in Carlsruhe.
Hinterhuber, R., Apotheker in Mondsee.
Kilian, Prof, in Mannheim.
Kölliker, Prof, in Würzburg,
de Köninck, Dr., Prof, in Lüttich.
Ordentliche Mitglieder.
A. Regierungsbezirk Cöln.
Königl. Ober-Bergamt in Bonn.
Aldenhoven, Ed., Rentner in Bonn (Kaiserstr. 25).
von Auer, Oberst-Lieutenant z. D. in Bonn.
Baumeister, F., Apotheker in Cöln (Albertusstrasse).
Bertkau, Philipp, Dr., Professor in Bonn.
Betten dorff, Anton, Dr., Chemiker in Bonn.
Bibliothek des Königl. Kadettenhauses in Bensberg.
B inner, Kaufmann in Cöln.
Binz, C., Geh. Med.-Rath, Dr. med., Professor in Bonn.
Bleib treu, Karl, Dr., in Siegburg.
Böcking, Ed., Hüttenbesitzer in Mülheim a. Rhein.
Br an dis, D., Dr., in Bonn (Kaiserstrasse 21).
Brassert, H., Dr., wirklich. Geh. Ober-Bergrath u. Berghaupt¬
mann in Bonn.
Brockhoff, Geh. Bergrath und Universitätsrichter in Bonn.
Bruhns, Willy, Dr. phil., Assistent am mineralogischen Institut
in Bonn (Beethovenstrasse 3).
Buff, Bergrath in Deutz.
Burkart, Dr., Sanitätsrath, prakt. Arzt in Bonn (Coblenzerstr. 4).
Busz, Carl, Dr. phil. in Bonn.
Buyx, Amtsgerichtsrath in Hennef a. d. Sieg.
Coerper, Direktor in Cöln.
Cohen, Fr., Buchhändler in Bonn.
Crohn, Herrn., Kgl. Hypothekenbewahrer in Bonn (Baum-
schuler-Allee 12).
Da hm, G., Dr., Apotheker in Bonn.
Dieckerhoff, Emil, Rentner in Bonn (Poppelsdorfer-Allee 61).
Diester weg, Dr., Ober-Bergrath in Cöln (Rubensstr. 19).
Doetsch, H. J., Ober-Bürgermeister a. D. in Bonn.
D outrelep ont, Dr., Arzt, Geh. Med.-Rath u. Professor in Bonn.
Drei sch, Dr., Dozent a. d. landwirthschaftl. Akademie, in Bonn
(Meckenheimerstrasse).
3
Dünkelberg, Geh. Regierungsrath und Direktor der land¬
wirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf.
Eltzbacher, Moritz, Rentner in Bonn (Coblenzerstr. 44).
Ewertz, Heinrich, Lehrer in Cöln, Ferkulnm 38.
Ewich, Dr., Herz, säclis. Hofrath, Arzt in Cöln.
Fabricins, Nie., Geheimer Bergrath in Bonn.
Finkelnburg, Dr., Geh. Regierungsrath u. Prof, in Godesberg.
Follenius, Geheimer Bergrath in Bonn.
Fr oh wein, E., Grubendirektor in Bensberg.
v. Fürstenberg-Stammheim, Gisb., Graf auf Stammheim.
Georgi, W., Universitäts-Buchdruckereibesitzer in Bonn.
Görin g, M. H., in Honnef a. Rh.
Goldschmidt, Joseph, Banquier in Bonn.
Goldschmidt, Robert, Banquier in Bonn.
Gray, Samuel, Ingenieur in Cöln, Bayenstr. 81.
Gregor, Georg, Civil-Ingenieur in Bonn,
von Griesheim, Adolf, Rentner in Bonn.
Grüneberg’, H., Dr., in Cöln (Holzmarkt 45 a).
Günther, F. L., Referendar in Cöln (Rheinaustr. 12).
Gurlt, Ad., Dr., in Bonn.
Haass, Landgerichtsrath in Bonn (Quantiusstrasse).
Hasslacher, Ober-Bergrath in Bonn.
Hatzfeld, Carl, Königl. Ober-Bergamts-Markscheider in Bonn.
Hei de mann, J. N., General-Direktor in Cöln.
Henry, Carl, Buchhändler in Bonn.
Herder, August, Fabrikbesitzer in Euskirchen.
Herder, Ernst, Kaufmann in Euskirchen.
Hermanns, Aug’., Fabrikant in Mehlem.
H er sing, Dr.med., prakt. Arzt in Geistingen bei Hennef a. d.Sieg.
Hertz, Dr., Sanitätsrath und Arzt in Bonn.
Hertz, Heinr., Dr., Professor in Bonn.
Heusler, Geheimer Bergrath in Bonn,
von Holtzbrinck, Landrath in Bonn.
Huyssen, Dr., Wirkl. Geheimer Rath, Exc., in Bonn (Baum¬
schul er- Allee 1).
Jung, Julius, Obersteiger auf Grube Bliesenbacli bei Ehres¬
hoven, Kr. Wipperfürth. '
Kekule, A., Dr., Geh. Reg.-Rath u. Professor in Poppelsdorf.
Kinne, Leopold, Bergrath in Siegburg.
Kley, Civil-Ingenieur in Bonn.
Kocks, Jos., Dr., Privatdozent in Bonn (Kronprinzenstr. 4).
K öllik er, Alf., Dr. pliil., Chemiker in Bonn (Königsstr. 3).
König, Alex., Dr., Privatdozent d. Zoologie in Bonn(Coblenzerstr.)
König, A., Dr., prakt. Arzt in Cöln.
4
König, Fr., Direktor in Kalk.
Körfer, Franz, Bergassessor in Bonn.
Körnicke, Dr., Professor an der landwirthschaftl. Akademie
in Poppelsdorf.
Köttgen, Hermann, Fabrikbesitzer in Berg. -Gladbach (Firma
H. Köttgen & Co.).
Krantz, F., Dr., in Bonn (Coblenzerstr. 121).
Kr au ss, Willi., General-Direktor in Bensberg.
Kr eu s er, Carl, Bergwerksbesitzer in Bonn.
Kreutz, Adolf, Kommerzien-Rath und Bergwerks- und Hütten¬
besitzer in Königswinter.
Kyll, Theodor, Dr., Chemiker in Cöln.
Laar, C., Dr. phil., Chemiker in Bonn (Kaiserstr. 23).
Laspcyres, H., Dr., Professor in Bonn.
von la Valette St. George, Baron, Dr. phil. und med., Geh.
Rath und Professor in Bonn.
Lehmann, Renntner in Bonn.
Leie hten stern, Dr., Professor, Oberarzt in Cöln.
Leisen, W., Apotheker in Cöln.
Leut, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Cöln.
Loewenthal, Ad. M., Rentner in Cöln (Lungengasse 53).
Ludwig, Hubert, Dr., Professor in Bonn.
Lückerath, Jos., Kaufmann in Euskirchen.
Liirges, Hubert, Kaufmann in Bonn (Meckenheimerstr. 54).
Marcus, G., Buchhändler in Bonn.
Martin, Alfr., Dr. phil., Bergreferendar in Bonn (Coblenzer-
strasse 84).
Marquart, Ludwig, Rentner in Bonn.
Marx, A., Ingenieur in Bonn.
M eurer, Otto, Kaufmann in Cöln.
von Mevissen, Dr. jur., Geh. Kommerzienrath in Bonn.
Meyer, Jürgen Bona, Dr., Geh. Regierungsrath, Professor in
Bonn.
Mineralogisches Institut der Universität Bonn (Poppels-
dorfer Museum).
Monke, Heinr., Dr., Palaeontologe in Bonn.
Müller, Albert, Rechtsanwalt in Cöln (Richmondstr. 3).
Müller, Franz, Techniker in Bonn (Meckenheimerstr.).
Munk, Oberst z. D. in Bonn.
Nausester, Direktor in Bensberg.
0 verzier, Ludwig, Dr. phil., Meteorologe in Nippes bei Cöln,
Mühlenstr. 7.
Paltzow, F. W., Apotheker in Bonn.
P o erting, C., Bergwerks-Direktor in Immekeppel bei Bensberg.
5
Pohlig*, Hans, Dr. phil., Professor in Bonn.
P r i e g e r , Oscar, Dr., in Bonn.
v. Pro ff-I mich, Dr. med., Landgerichtsrath a. D. in Bonn.
Ra uff, Hermann, Dr. phil., Privatdozent in Bonn, Colmantstr. 21.
vom Rath, Emil, Kommerzienrath in Cöln.
Rennen, Königl. Eisenbahn-Direktions-Präsident in Cöln.
Richarz, Franz, Dr., Privatdozent, in Endenich (Kirchstr. 9).
v. Rigal- Grünland, Franz Max, Freiherr, in Bonn.
Rohnstadt, Heinr., stud. chem., in Bornheim bei Roisdorf.
Rolffs, Ernst, Kommerzienrath und Fabrikbesitzer in Bonn.
Röttgen, Carl, Gerichtsassessor in Bonn (verl. Kaiserstrasse).
Ruinier, A., Rentner in Bonn.
Saalmann, Gustav, Apotheker in Poppelsdorf (Venusberger¬
weg 2).
von San dt, M., Dr. jur., Landrath in Bonn.
Schaaffhausen, H., Dr., Geh. Med. -Rath u. Professor in Bonn.
Sarter, Franz, Bergreferendar in Bonn (Theaterstr. IA.).
Schenck, Heinr., Dr. phil., Privatdozent in Bonn (Nassestr. 4).
Schimper, Willi., Dr. phil., Professor in Bonn (Poppelsdorfer
Allee 94).
Schlicht, Oskar, Bergreferendar in Bonn (Kaiserstr. 50).
Schlüter, CL, Dr., Professor in Bonn.
Schmale, Philipp, Bergreferendar in Bonn (Kasernenstr. 18).
Schmidt, Dr., Chemiker der Zinkhütte Berzelius in Bergisch-
Gladbach.
Schmithals, Rentner in Bonn.
Schröder, Richard, Dr., Regierungsrath in Cöln.
Seligmann, Moritz, in Cöln (Casinostr. 12).
Soehren, H., Gasdirektor in Bonn (Endenicher Allee).
Sohle, Ulrich, stud. chem. in Bonn (Martinstr. 14).
Sorg, Direktor in Bensberg.
Spies, F. A., Rentner in Bonn.
Sprengel, Forstmeister in Bonn.
Stein, Siegfried, Rentner in Bonn.
Stölting, F., Königl. Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector in
Cöln (Altenbergerstr. 9).
Strasburg er, Ed., Dr., Geh. Reg.-Rath u. Professor in Poppels¬
dorf.
Strauss, Emil, Buchhändler in Bonn.
Stiirtz, Bernhard, Inhaber des Mineralien-Komptoirs in Bonn.
(Riesstrasse).
T erb erg er, Fr., Rektor a. D. in Godesberg.
Thome, Otto Wilhelm, Dr., Professor und Rektor der höheren
Bürgerschule in Cöln (Spiesergasse 15).
6
Tilmann, Jos., Ingenieur in Hennef a. d. Sieg.
Verhoeff, Karl, Stud. rer. nat. in Poppelsdorf (Reuterstr. 16).
Vogelsang, Karl, Dr., Bergreferendar in Bonn (Königstr. 26).
Vog'elsang’, Max, Kaufmann in Cöln (Hohenstaufenring 22).
Voigt, Walter, Dr. phil., Assistent am zool. Institut in Poppels¬
dorf (Jagdweg).
Weber, Robert, Dr., Chemiker in Bonn.
Weiland, H., Professor u. Oberlehrer an der Ober-Realschule
in Cöln.
Welcher, Grubendirektor in Honnef.
Wirtgen, Ferd., Apotheker in Bonn.
Wolfers, Jos., Landwirth in Bonn.
Wolff, Julius Theodor, Dr., Astronom in Bonn.
Wrede, J. J., Apotheker in Cöln.
Zartmann, Dr., Sanitätsrath, Arzt in Bonn,
v. Zastrow, königl. Bergrath in Bonn (Mozartstr. 42).
Zuntz, Joseph, Kaufmann in Bonn (Poppelsdorfer Allee).
B. Regierungsbezirk CoMenz.
Audreae, H. C., Dr. phil., Chemiker u. Fabrikbesitzer in Burg¬
brohl.
Bartels, Pfarrer in Alterkülz bei Castellaun.
B eigar d, Dr. med., Arzt in Wetzlar.
Belli ng er, Bergrath, Bergwerksdirektor in Braunfels.
Bender, R., Dr., Apotheker in Coblenz.
Böcking, Carl, Lederfabrikant in Kirn a. d. Nahe.
BÖcking, K. Ed., Hüttenbesitzer in Gräfenbacher Fliitte bei
Kreuznach.
Coblenz, Stadt.
Daub, M., Rentmeister in Coblenz.
Diefenthaler, Cv Ingenieur in Hermannshütte bei Neuwied.
Dittmar, Adolph, Dr., in Hamm a. d. Sieg.
Dittmar, Carl, Dr. phil., in Thalhausen bei Neuwied.
Doetsch, Hermann, Buchdruckereibesitzer in Coblenz.
Fischbach, Ferd., Kaufmann in Herdorf.
F oll mann, Otto, Dr., Gymnasiallehrer in Coblenz (Fruchtm. 7).
Forschpiepe, Dr., Chemiker in Wetzlar.
Geisenhevner, Gymnasiallehrer in Kreuznach.
Giesel er, C. A., Apotheker in Kirchen (Kr. Altenkirchen).
Handtmann, Ober-Postdirektor a. D. und Geh. Postrath in
Coblenz.
7
Her pell, Gustav, Rentner in St. Goar.
Höstermann, Dr. mecL, Arzt in Andernach.
Jung*, Ernst, Bergwerksbesitzer in Kirchen.
Jung, Friedr. Wilh., Hüttenverwalter in Heinrichshütte bei Au
a. d. Sieg.
Klein, Eduard, Direktor auf Heinrichshütte bei Au a. d. Sieg.
Knödgen, Hugo, Kaufmann in Coblenz.
Landau, Heim*., Kommerzienrath in Coblenz.
Lang*, Wilhelm, Verwalter in Hamm a. d. Sieg*.
Liebe ring, Bergrath in Coblenz.
Ludovici, Herrn., Fabrikbesitzer in Aubach bei Neuwied.
Lüne n b o r g* , Kreisschulinspektor in Remagen.
Mahrun, Bergwerksdirektor in Kirchen a. d. Sieg*.
Mehlis, E., Apotheker in Linz a. Rh.
Melsheimer, J. L., Kaufmann und Eisfabrikbesitzer in Bullay
a. d. Mosel.
Melsheimer, M., Oberförster in Linz.
Meydam, Georg, Berg*rath in Heddesdorf bei Neuwied.
Miln er, Ernst, Dr., Professor in Kreuznach.
Most, Dr., Direktor der Ober-Realscliule und des Realgymna¬
siums in Coblenz.
Neuwied, Stadt.
Oswald, Willy, Bergassessor in Coblenz (Mainzerstr. 53).
Remy, Alb., in Rasselstein bei Neuwied.
Reuleaux, H., in Remagen.
Reusch, Ferdinand, auf Gut Rheinfels bei St. Goar.
Rhodius, Gustav, in Burgbrohl.
Riemann, A. W., Bergrath in Wetzlar.
Schaefer, Phil., Grubenrepräsentant in Braunfels.
Schmidt, Albr., Bergrath in Betzdorf.
Schmidt, Julius, Dr., in Horchheim bei Coblenz.
Schwerd, Ober-Post-Direktor in Coblenz.
Seibert, W., Optiker in Wetzlar.
Selig man n, Gust., Kaufmann in Coblenz (Schlossrondell 18).
Siebei, Walter, Bergwerksbesitzer in Kirchen.
S p a e t e r , Kommerzienrath in Coblenz.
Stein, Th., Hüttenbesitzer in Kirchen.
Stracke, Friedr. Willi., Postverwalter in Niederscheiden.
Thiiner, Anton, Lehrer in Bendorf a. Rh.
Verein für Naturkunde, Garten- und Obstbau in Neuwied.
Wan des leben, Fr., Apotheker in Sobernheim.
Wan de sie ben, Friedr., in Stromberger-Neuhlitte bei Binger¬
brück.
Wegeler, Julius, Kommerzienrath in Coblenz.
8
Wurmbach, Fr., Betriebsdirektor der Werlauer Gewerkschaft
in St. Goar.
Wynne, Wyndham, H., Bergwerksbesitzer in N. Fischbach
bei Kirchen a. d. Sieg.
C. Regierungsbezirk Düsseldorf.
Königliche Regierung in Düsseldorf.
Achepohl, Ludwig, Obereinfahrer in Essen (Ottilienstr. 4).
Adolph, G. E., Dr., Professor und Oberlehrer in Elberfeld (Auer¬
strasse 69).
Bandhauer, Otto, Direktor der Westdeutschen Versicherungs-
Aktien-Bank in Essen.
Becker, August, Justitiar in Essen.
Beckers, G., Seminarlehrer in Rheydt.
Berns, Emil, Dr. med., in Mülheim a. d. Ruhr,
von Bernuth, Bergmeister in Werden.
Bertkau, F., Dr., Apotheker in Crefeld.
Bibliothek der Stadt Barmen (Prinzenstr. 1).
B i e r w i r t li , Gustav, Kaufmann in Essen.
Brandhoff, Geh. Regierungsrath in Elberfeld.
Breitenbach, Wilh., Dr. phil., in Odenkirchen.
Buch kr einer, Leonh., Dr., in Düsseldorf.
Biittgenbach, Franz, Bergwerksdirektor in Düsseldorf (Capell¬
strasse 46).
v. Carnap, P., in Elberfeld.
Chrzcsinski, Pastor in Cleve.
Closset, Dr., Sanitätsrath in Langenberg.
Colsmann, Andreas, Fabrikbesitzer in Langenberg.
Colsmann, Otto, in Barmen.
Curtius, Fr., in Duisburg.
Dahl, Wern., Rentner in Düsseldorf.
Deicke, H., Dr., Professor in Mülheim a. Ruhr.
Dilthey, Markscheider in Mülheim a. d. Ruhr (Eppinghofer
Str. E. 9).
Eisenlohr, Heinr., Kaufmann in Barmen.
Fach, Ernst, Dr., Ingenieur in Oberhausen.
Farwick, Bernhard, Realgymnasiallehrer in Viersen.
Fischer, Wilh., Bergreferendar in Lennep (Hardtstrasse).
Fr oh wein, Ernst, Grubenverwalter in Langenberg.
Funke, Carl, Gewerke in Essen a. d. Ruhr (Akazien-Allee).
Goldenberg, Friedr., Fabrikdirektor in Dahleraue bei Lennep.
Grevel, Ortwin, Apothekenbesitzer in Essen.
9
Grevel, Wilh., Apotheker in Düsseldorf (Rosenstr. 63).
Grill o, Wilh., Fabrikbesitzer in Oberhausen.
Guntermann, J. H., Mechaniker in Düsseldorf.
Hackenberg’, Hugo, Gymnasiallehrer in Barmen, Wupper¬
mannstrasse 4.
von Hägens, Landgerichtsrath a. D. in Düsseldorf.
Haniel, August, Ingenieur in Mülheim a. d. Ruhr.
Haniel, H., Geh. Kommerzienrath und Bergwerksbesitzer in
Ruhrort.
Haniel, John. Dr., Landrath in Moers.
Hausmann, Ernst, Bergrath in Essen.
H einzelmann, Herrn., Kaufmann in Mülheim a. d. Ruhr,
von der Heyden, E., Dr., Real-Oberlehrer u. Prof, in Essen.
Ho hen da hl, Gerhard, Grubendirektor der Zeche ver. Wiesche
bei Mülheim a. d. Ruhr.
Hohendahl, Grubendirektor der Zeche Neuessen in Altenessen.
Hu eck, Herrn, Kaufmann in Düsseldorf (Gartenstr. 46).
Huyssen, Louis, in Essen.
Kannen giess er, Louis, Repräsentant der Zeche Sellerbeck,
in Mülheim a. d. Ruhr.
Kauert, A., Apotheker und Stadtverordneter in Elberfeld.
Koch, Otto, Grubendirektor in Kupferdreh.
Krabler, E., Bergassessor in Altenessen (Direktor des Cölner
Bergwerks-V ereins).
Krupp, Friedr. Alfr., Geh. Kommerzienrath und Fabrikbesitzer
in Hügel bei Essen.
Langenbe r g Stadt.
Limburg, Telegraphen-Inspektor in Oberhausen.
Lim per, Dr. med., in Gelsenkirchen.
Löbbecke, Rentner in Düsseldorf.
Luyken, E., Rentner in Düsseldorf.
Mei gen, Dr., Professor in Wesel.
Meyer, Andr., Dr. phil., Reallehrer in Essen.
Müller, Friedr., Kaufmann in Hückeswagen.
Mülheim a. d. Ruhr, Stadt.
von Müntz, Landrichter in Düsseldorf.
Muthmann, Wilh., Fabrikant und Kaufmann in Elberfeld.
Naturwissenschaftlicher Verein in Düsseldorf (Vors.: Dr.
Karl Jansen).
Naturwissenschaftlicher Verein in Elberfeld (Dr. Simons).
Niesen, Wilh., Bergwerksbesitzer in Essen.
Nonne, Alfred, Ingenieur in Essen.
Olearius, Alfred, Agent in Elberfeld.
Pi eistick er, Theod., Dr. med., in Altenessen.
10
Real-Gy mnasium in Barmen (Adr. Pfundheller, Direktor),
v. Renesse, H., Apotheker in Homberg’ a. Rh.
Rhode, Maschinen-Inspektor in Crefeld.
Rittinghaus, Pet., Dr. phil., am Real-Gymnasium zu Lennep.
Rive, Generaldirektor in Wolfsbank bei Berge-Borbeck, Haus
Einsiedel bei Benrath.
Roffhack, W., Dr., Apotheker in Crefeld.
de Rossi, Gustav, Postverwalter in Neviges.
Rötzel, Otto, Grubendirektor in Broich b. Mülheim a. d. Ruhr.
S c h a r p e n b e r g, W., Fabrikbesitzer in Nierendorf b. Langenberg.
Schennen, Heinr., Bergassessor in Essen.
Schmidt- GauIie, J. Alb. (Firma Jacob Biinger Sohn), in Unter-
Barmen (Alleestrasse 75).
Schmidt, Friedr. (Firma Jacob Biinger Sohn), in Unter-Barmen
(Alleestrasse 75).
Schmidt, Johannes, Kaufmann in Barmen (Alleestrasse 66).
Schräder, H., Bergrath in Mülheim a. d. Ruhr,
von Schwarze, Paul, Kaiserl. Deutscher Konsul a. D., Berg¬
werks-Direktor in Selbeck bei Saarn a. d. Ruhr.
Selbach, Ober-Bergrath in Duisburg.
Simons, Louis, Kaufmann in Elberfeld.
Simons, Michael, Bergwerksbesitzer in Düsseldorf (Königs¬
allee 38).
Simons, Walther, Kaufmann in Elberfeld.
Stein, Walther, Kaufmann in Langenberg.
Stinnes, Math., Konsul, in Mülheim a. d. Ruhr (Schleuse 31).
Stöcker, Ed., Schloss Broich bei Mülheim a. d. Ruhr.
Volkmann, Dr. med., in Düsseldorf (Hohenzollernstrasse).
Waldschmidt, Dr., Ober-Lehrer an der Realschule in Elber¬
feld (Lagerstrasse 29).
Wal dth au sen, Heinrich, Kaufmann in Essen.
Wal dth au sen, Rudolph, Kaufmann in Essen.
Wegen er, Ober-Bürgermeister in Barmen.
Weismülier, B. G., Hüttendirektor in Düsseldorf.
Wulff, Jos., Grubendirektor a. Zeche Königin Elisabeth b. Essen.
Zer wes, Joseph, Hüttendirektor in Mülheim a. d. Ruhr.
D. Regierungsbezirk Aachen.
Aachen, Stadt.
Baur, Heinr., Bergrath in Aachen (Sandkaulsteinweg 13).
Bansa, Generaldirektor in Stolberg.
B eis sei, Ignaz, Dr. med., prakt. Arzt in Aachen.
Bibliothek der technischen Hochschule in Aachen.
Br an dis, Di\, Geh. Sanitätsrath in Aachen.
Breuer, Ferd., Ober-Bergrath a. D. u. Spezial direkten* in Aachen.
Büttgenbach, Conrad, Ingenieur in Herzogenrath,
von Co eis v. d. Brügghen, Landrath in Burtscheid.
Cohnen, C., Grubendirektor in Bardenberg bei Aachen.
Dreck er, J., Dr., Lehrer an der Realschule in Aachen.
Grube, H., Stadtgarten direktor in Aachen (Lousbergstr. 57).
Hahn, Willi., Dr., in Alsdorf bei Aachen,
von Halfern, Fr., in Burtscheid.
Has ende ver, Robert, Generaldirektor in Aachen.
Heimbach, Laur., Apotheker in Escliweiler.
Heuser, Alfred, Kaufmann in Aachen (Pontstr. 147).
Holzapfel, E., Dr., Prof. a. d. techn. Hochschule in Aachen.
Honigmann, Fritz, Bergingenieur in Burtscheid.
Honigmann, L., Bergrath in Aachen (Marienplatz 22).
Hupertz, Friedr. Willi., Bergmeister a. D., Generaldirektor in
Mechernich.
Kaether, Ferd., Bei greferendar in Aachen (Wallstrasse 8).
Kessel kaul, Rob., Kommerzienrath in Aachen.
Lücke, P., Bergrath in Aachen.
Mayer, Georg, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Aachen.
Monheim, V., Apotheker in Aachen.
Othberg, Eduard, Bergrath, Direktor des Eschweiler Berg¬
werksvereins in Pumpe bei Eschweiler.
Pauls, Emil, Apotheker in Cornelimünster bei Aachen.
Renk er, Gustav, Papierfabrikant in Düren.
Scher vier, Dr., Arzt in Aachen.
Schütz, A., Apotheker in St. Vith.
Schulz, Wilhelm, Professor a. d. techn. Hochschule in Aachen
(Ludwigsallee 51).
Schüller, Dr., Gymnasiallehrer in Aachen.
Startz, August, Kaufmann in Aachen.
Suermondt, Emil, in Aachen.
Thoma, Jos., Dr. med. und Kreiswundarzt in Eupen.
Thv wissen, Hermann, in Aachen (Büchel 14).
Venator, Emil, Ingenieur in Aachen.
Voss, Geh. Bergrath in Düren.
Wüllner, Dr., Professor und Geh. Reg.-Rath in Aachen.
E. Regierungsbezirk Trier.
Abels, Aug., Bergrath in Trier (Simeonsstiftstr. 16).
Koni gl. Bergwerksdirektion in Saarbrücken.
Bauer, Heinr., Oberförster in Bernkastel.
12
Bäum ler, Franz, Bergassessor in Camphausen bei Sulzbacli.
Beck, Wilh., Apotheker in Saarbrücken.
Besse lieh, Nie., Literat in Trier,
v. Beulwitz, Carl, Eisenhüttenbesitzer in Trier.
Böcking, Rudolph, auf Halberger-Hütte bei Brebach.
Braubach, Bergassessor in Dudweiler bei Saarbrücken.
Dronke, Ad., Dr., Direktor der Realschule in Trier.
D umreich er, Alfr., Baurath und Maschineninspektor in Saar¬
brücken.
Eber hart, Kreissekretär a. D. in Trier.
Fassbender, A., Grubendirektor in Neunkirchen.
Gr a eff, Georg, Bergrath, Bergwerksdirektor auf Grube Heinitz
bei Saarbrücken (Kr. Ottweiler).
Grebe, Heinr., Königl. Landesgeologe in Trier.
Haldy, Emil, Kommerzienrath in Saarbrücken.
Heintzmann, Julius, Bergassessor zu Dudweiler bei Saar¬
brücken.
Hund hausen, Roh., Notar in Bernkastel.
Kar eher, Landgerichts-Präsident a. D. in Saarbrücken.
Kliver, Ober-Bergamts-Markscheider in Saarbrücken.
Koch, Friedr. Willi., Oberförster a. D. in Trier.
Koster, A., Apotheker in Bittburg.
Kr eu s er, Emil, Bergwerksdirektor in Louisenthal bei Saar¬
brücken.
Kroeffges, Carl, Lehrer in Prüm.
Leybold, Carl, Bergrath und Bergwerksdirektor in Sulzbach.
Lieb recht, Franz, Bergassessor in Saarbrücken.
Lohmann, Hugo, Bergassessor in Neunkirchen (Kr. Ottweiler).
Ludwig', Peter, Steinbruchbesitzer in Kyllburg.
Mencke, Bergrath und Bergwerksdirektor in Ensdorf.
Neu fang, Baurath in St. Johann a. d. Saar,
de Nys, Ober-Bürgermeister in Trier.
Polenski, Bergassessor und Berginspektor in Neunkirchen
(Kr. Ottweiler).
Remy, Richard, Bergassessor und Berginspektor auf Grube
Heinitz (Kr. Ottweiler).
Rexroth, F., Ingenieur in Saarbrücken.
Riegel, C. L., Dr., Apotheker in St. Wendel.
Roechling, Carl, Kommerzienrath, Kaufmann in Saarbrücken.
Roechling, Fritz, Kaufmann in Saarbrücken.
Sassenfeld, J., Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Trier.
Schömann, Peter, Apotheker in Völklingen a. d. Saar.
Schondorff, Dr. phil., auf Heinitz bei Neunkirchen.
Schröder, Direktor in Jünkerath bei Stadt-Ivyll.
Seyffarth, F. H., Geh. Regierungsrath in Trier.
Steeg’, Dr., Oberlehrer an der Real- u. Gewerbeschule in Trier,
von Stumm, Carl, Freiherr, Geh. Kommerzienratli und Eisen¬
hüttenbesitzer in Neunkirchen.
Thanisch, Hugo, Dr., Weingutsbesitzer in Cues-Bernkastel.
Verein für Naturkunde in Trier.
Wirt gen, Herrn., Dr. med. und Arzt in Louisenthal bei Saar¬
brücken.
Wirz, Carl, Dr., Direktor der landwirtschaftlichen Winter¬
schule in Wittlich bei Trier.
Zimmer, Heinr., Blumenhandlung in Trier (Fleischstr. 30).
F. Regierungsbezirk Minden.
Stadt M i n d e n.
Königliche Regierung in Minden.
Bansi, FI., Kaufmann in Bielefeld.
Frey tag, Ober-Bergrath in Oeynhausen.
J o h o w, Depart.-Thierazt in Minden.
Mertens, Dr., Direktor des Vereins f. Geschichte und Alter¬
thumskunde Westfalens in Paderborn.
Möller, Carl, Drv in Kupferhammer b. Brackwede.
Muer m a n n, H., Kaufmann in Minden.
von Oeynhausen, Fr., Reg.-Assessor a. D. in Grevenburg
bei Vörden.
von Oheimb, Cabinets-Minister a. D. und Landrath in Holz¬
hausen bei Hausberge.
Rheinen, Dr., Kreisphysikus in Herford.
Sartorius, Fr., Direktor der Ravensberger Spinnerei in
Bielefeld.
Sauerwald, Dr. med., in Oeynhausen.
Schl e u t k e r, F. A., Provinzialständ. Bauinspektor in Paderborn.
Schnelle, Caesar, Civil-Ingenieur in Oeynhausen.
Spanken, Carl, Banquier in Paderborn.
Steinmeister, Aug., Fabrikant in Bünde.
Tiemann, Emil, Bürgermeister a. D. in Bielefeld.
Vüllers, Bergwerksdirektor a. D. in Paderborn.
G-. Regierungsbezirk Arnsberg.
Königliche Regierung in Arnsberg,
d ’ A b 1 a i n g von Giesenburg, Baron, in Siegen.
Adria ni, Grubendirektor in Werne bei Bochum.
A 1 b e r t s, Berggeschworener a. D. u. Grubendirektor in Hörde.
14
v. Ammon, S., Oberbergrath in Dortmund.
Bacharach, Moritz, Kaufmann in Ilainm.
B a n n i n g, Fabrikbesitzer in Hamm (Firma Keller & Banning).
von der Becke, Bergrath a. D. in Dortmund.
Becker, Willi., Hüttendirektor a. Germania-Hütte b. Greven¬
brück.
Bergenthal, C. W., Gewerke in Soest.
Berg* ent hal, Willi., Geh. Kommerzienrath in Warstein.
Berger, Carl jun., in Witten.
Bergschule in Siegen.
Böcking, E., Gewerke in Unterwilden bei Siegen.
Bö cki ng, Friedrich, Gewerke in Eisern (Kreis Siegen).
Boner, Reg. -Baumeister in Hamm.
Bon n e m a n n, F. W., Markscheider in Gelsenkirchen.
Borberg, Dr. med., prakt. Arzt in Hamm.
Borberg', Herrn., Dr. med., in Herdecke a. d. Ruhr.
Bor cliers, Bergrath in Siegen.
Born, J. H., Lehrer in Witten.
Castr ingius, Rechtsanwalt in Hamm.
CI eff, Willi., Bergassessor in Dortmund, Junggesellenstr. 18.
Cobet, E., Apotheker in Hamm.
Crevecoeur, E., Apotheker in Siegen.
Daub, J., Markscheider in Siegen.
D e n n i n g h off, Fr., Apotheker in Schwelm,
v. Devivere, F., Freiherr, Königl. Oberförster in Glindfeld
bei Medebach.
Diecks, Königl. Rentmeister in Warstein.
Disselhof, L., Ingenieur und technischer Dirigent des städti¬
schen Wasserwerks in Hagen.
Dohm, Dr., Geh. Ober-Justizrath und Präsident in Hamm.
Dresler, Ad., Kommerzienrath, Gruben- und Hüttenbesitzer
in Creuzthal bei Siegen.
Dr evermann, FI. W., Fabrikbesitzer in Ennepperstrasse.
Droege, Adolf, Bergreferendar in Arnsberg.
Ebbinghaus, E., in Asseln bei Dortmund.
Ei ler t, Friedr., Berghauptmann in Dortmund.
Erbsälzer - Kolleg in Werl.
E r d m a n n , Bergrath in Witten.
Ernst, Albert, Direktor der Grube Hubert bei Callenhardt
(via Lippstadt).
Felthauss, C., Apotheker in Altena.
Fuhrmann, Friedr. Wilh., Markscheider in Hörde.
Fuhrmann, Otto, Kaufmann in Hamm.
Funcke, C., Apotheker in Plagen.
15
G a 1 1 h o f f, Jul., Apotheker in Iserlohn.
de G a 1 1 o i s, Hubert, Bergassessor und Bergmeister in Atten¬
dorn.
Ger lach, Bergrath in Siegen.
Gläser, Jac., Bergwerksbesitzer in Weidenau bei Siegen.
Griebs ch, E., Buchhändler in Hamm.
Grosse-Leeg’e, Gerichtsassessor in Warstein.
Haas, Bergassessor und Bergmeister in Müsen.
Haber, C., Bergwerksdirektor in Ramsbeck.
Hartmann, Apotheker in Bochum.
Henze, A., Gymnasial-Oberlehrer in Arnsberg.
v. d. Heyden-ßynsch, Otto, Landrath in Dortmund.
Hilgenstock, Daniel, Obersteiger in Hörde.
Hilt, Herrn., Real-Gymnasial-Oberlehrer in Dortmund.
Hintze, W., Ober-Rentmeister in Cappenberg.
Hob reck er, Hermann, in Westig' bei Iserlohn.
Hobrec k e r, Otto, Fabrikant in Hamm.
Hofmann, Albert, Chemiker in Schalke (Victoriastrasse).
Holdinghausen, W., Ingenieur in Siegen,
y. Holtzbrinck, L., in Haus Rhade bei Brügge a. d. Volme.
Homann, Bernhard, Markscheider in Dortmund.
Hundhausen, Joh., Dr., Fabrikbesitzer in Hamm.
Hültenschmidt, A., Apotheker in Dortmund.
Hüser, Joseph, Bergmeister a. D. in Brilon.
Hüttenhein, Carl, Lederfabrikant in Hilchenbach.
Hütten h ein, Wilh., Kaufmann in Grevenbrück.
Jüttner, Ferd., Oberbergamts-Markscheider in Dortmund.
Kamp, H., Generaldirektor in Hamm.
Kersting, Franz, Reallehrer in Lippstadt.
Klein, Ernst, Maschinen-Ingenieur in Dahlbruch bei Siegen.
Klein, Heinrich, Industrieller in Siegen.
Kl oster mann, H., Dr., Sanitätsrath in Bochum.
Knops, P. H., Grubendirektor in Siegen.
Krämer, Adolf, Lederfabrikant in Freudenberg (Kreis Siegen).
Kreutz, Wilh., Bergassessor in Bochum.
Krieger, C., wissenscliaftl. Hilfslehrer in Dortmund (Hohe-
strasse 23).
Landmann, Hugo, Möbelfabrikant in Hamm.
Larenz, Ober-Bergrath in Dortmund.
Le mm er, Dr., Kreisphysikus in Schwelm.
Lent, Forstassessor in Arnsberg.
Lenz, Wilhelm, Markscheider in Bochum.
Lex, Justizrath in Hamm.
Loerbroks, Justizrath in Soest.
16
Lolimann, Carl, Bergwerksbesitzer in Bommern bei Witten.
L o li m aiin, Friedr., Fabrikant in Witten.
Lüden sc hei d, Landgemeinde. (Amtmann 0 p d e r b e ck Repräs.)
v o n d e r M arck, Dr., in Hamm.
Marx, Aug., Dr., in Siegen.
Marx, Fr., Markscheider in Siegen.
M a s s e n e z, Jos., Direktor des Hörder Berg- u. Hüttenvereins
in Hörde.
Meinhardt, Otto, Fabrikant in Siegen.
Melchior, Jnstizrath in Dortmund.
Mittel hach, Eberhard, Markscheider in Bochum.
Moecke, Alex., Ober-Bergrath in Dortmund.
Neustein, Willi., Gutsbesitzer auf Haus Ickern b. Mengede.
Noje, Heinr., Markscheider in Herbede bei Witten.
N ölten, H., Grubendirektor in Dortmund.
Osterkamp, Otto, Bergassessor und Hülfsarbeiter bei dem
Gewerbeinspektor in Bochum.
Overbeck, Jul., Kaufmann in Dortmund.
Petersmann, A. H., Rektor in Dortmund.
Pöppinghaus, Felix, Bergrath in Arnsberg.
Quincke, Herrn., Amtsrichter in Iserlohn.
Real g y m nasium, Städtisches , in Dortmund (Dr. Ernst
Meyer, Direktor).
Redicker, C. sen., Fabrikbesitzer in Hamm.
Reidt, Dr., Professor am Gymnasium in Hamm.
Richard, M., Bergassessor in Bochum (Alleestrasse 52).
Richter, Louis, in Grevenbrück a. d. Lenne.
Röder, 0., Grubendirektor in Dortmund.
Rose, Dr., in Menden.
Rump, Willi., Apotheker in Witten.
Schäfer, Jos., Bergassessor in Witten a. d. Ruhr.
Schein mann, Emil, Apotheker in Hagen.
Sehen ck, Mart., Dr., in Siegen.
Schmale, Philipp, Bergreferendar in Arnsberg.
Schmidt, Ernst Willi., Geh. Bergrath in Müsen.
Schmieding, Oberbürgermeister in Dortmund.
Schmitthenner, A., technischer Direktor der Rolandshütte
bei Weidenau a. d. Sieg.
Schmitz, C., Apotheker in Letmathe.
Schmöle, Gust. sen., Fabrikant in Hönnenwerth bei Menden.
Schmöl e, Rudolph, Fabrikant in Menden.
Schneider, H. D. F., Kommerzienrath in Neunkirchen.
Schoene m a n n, P., Gymnasiallehrer in Soest.
Schultz, Dr., Bergrath in Bochum.
17
Schultz-B riesen, Bruno, Generaldirektor der Zeche Dalil-
busch bei Gelsenkirchen.
Schultz, Rechtsanwalt in Hamm.
Schweling, Fr., Apotheker in Bochum.
Selve, Gustav, Kaufmann in Altena.
Seminar, Königliches, in Soest.
Staby, Heinrich, Gymnasiallehrer in Hamm.
Stadt Schwelm.
Stadt Siegen (Vertreter Bürgermeister D e 1 i u s).
St a eh ler, Heinr., Berg- und Hüttentechniker in Müsen.
S tarck, August, Direktor d. Zeche Graf Bismarck in Schalke.
Steinbrinck, Carl, Gymnasialoberlehrer in Lippstadt.
Steinseifer, Heinrich, Gewerke in Eiserfeld bei Siegen.
Stommel, August, Bergverwalter in Siegen.
Stratmann g'en. Berghaus, C., Kaufmann in Witten.
Tiemann, L., Ingenieur auf der Eisenhütte Westfalia b. Lünen
a. d. Lippe.
Tilmann, E., Bergassessor a. D. in Dortmund.
Tilmann, Gustav, Rentner in Arnsberg*,
v. Velsen, Willi., Bergrath in Dortmund.
Verein, Naturwissenschaftlicher, in Dortmund (Vors.: Eisen¬
bahnsekretär M e i n h e i t).
Vertschewall, Johann, Markscheider in Dortmund,
v. Viebahn, Baumeister a. D. in Soest,
v. Vincke, Freiherr, Landrath in Hamm.
Vog'el, Rudolph, Dr., in Siegen.
Wellers haus, Albert, Kaufmann in Milspe (Kreis Hagen).
Weiter, Steph., Apotheker in Iserlohn.
Werneke, H., Markscheider in Dortmund.
Wey 1 a n d, G., Kommerzienrath, Bergwerksdirektor in Siegen.
Wi eth aus, O., Direktor des westfälischen Death-Industrie-
Vereins in Hamm.
W indthorst, E., Justizrath in Hamm.
Wiskott, Willi., Kaufmann in Dortmund.
Witte, verw. Frau Kommerzienräthin, auf Heithof bei Hamm.
Zix, Heinr., Ober-Bergrath in Dortmund.
H. Regierungsbezirk Münster.
Engelhardt, Geh. Bergrath in Ibbenbüren,
von Fo erster, Architekt in Münster.
Freusberg, Jos., Oekonomie-Kommissions-Rath in Münster.
Hackebram, F. jun., Apotheker in Dülmen.
2
18
H i 1 1 o r f , W. H., Dr., Professor in Münster.
Ho sius, Dr., Geh. Reg.-Rath, Professor in Münster.
Josten, Dr. med. und Sanitätsrath in Münster.
Kar sch, Dr., Geh. Medizinalrath und Professor in Münster.
Kettel er, Ed., Dr., Professor in Münster.
Kost, Heinr., Bergrath in Recklinghausen.
Landois, Dr., Professor in Münster.
Lohmann, Dr. med. und prakt. Arzt in Ivoesfeld.
Miigg'e, 0., Dr., Professor in Münster.
Münch, Dr., Direktor der Real- u. Gewerbeschule in Münster.
Salm-Salm, Fürst zu, in Anholt.
Schulz, Alexander, Bergmeister a. D. in Münster (Brockhof¬
strasse 2 a).
T o s s e, Ed., Apotheker in Buer.
Wiesmann, Ludw., Dr. med., in Dülmen.
I. Regierungsbezirk Osnabrück.
B ö 1 s che, W., Dr. phil., in Osnabrück.
Droop, Dr. med., in Osnabrück (Kamp),
du Mesnil, Dr., Apotheker in Osnabrück (Markt).
D ü 1 1 i n g’ , Christian, Berg’assessor in Osnabrück (Hotel Dütting).
Free, Lehrer in Osnabrück (Rolandsmauer 14).
Holste, Bergwerksdirektor auf Georg Marienhütte bei Osna¬
brück.
Kaiser, Kaufmännischer Direktor der Zeche Piesberg in
Osnabrück.
Lienenklaus, Rektor in Osnabrück (Katharinenstr. 37).
Lindemann, Direktor der Handelsschule in Osnabrück
(Schwedenstrasse).
von Renesse, Bergrath in Osnabrück.
Stockfleth, Friedr., Bergassessor in Osnabrück (Buersche
Strasse 11b).
Thörner, Dr. phil., in Osnabrück (Moltkestrasse).
Zander, Gymnasiallehrer in Osnabrück (Schillerstrasse).
K. In den übrigen Provinzen Preussens.
K ö n i g 1. Ober-Bergamt in Breslau.
K ö n i g 1. Ober - Berg amt in Halle a. d. Saale.
Achenbach, Adolph, Berghauptmann in Clausthal.
Adlung', M., Apotheker in Tann v. d. Rhön.
19
Al tum, Dr., Professor in Neustadt-Eberswalde.
Ascher so n, Paul, Dr., Professor in Berlin (Körnerstr. 8).
Baedeker, Walter, Hüttendirektor in Adolfshütte bei Dillen-
burg\
Bahr dt, H. A., Dr., Rektor der höheren Bürgerschule in Mün¬
den (Hannover).
Bartling, E., Techniker in Wiesbaden.
Bauer, Max, Dr. phil., Professor in Marburg.
Beel, L., Bergrath und Bergwerksdirektor in Weilburg a. d.
Lahn (Reg.-Bez. Wiesbaden).
Bergakademie und Bergschule in Clausthal a. Harz.
Beushausen, Dr., Hülfsg'eologe an d. geologischen Landes¬
anstalt in Berlin, N. (Invalidenstr. 44).
Beyer, E., Candid. phil. in Hanau (Fahrgasse 4).
Bevrich, Dr., Professor u. Geh. -Rath in Berlin (Französische
Strasse 29).
Bolten dahl, Heinr., Kaufmann in Wiesbaden.
v. d. Borne, M., Kammerherr, Rittergutsbesitzer in Berneuchen
bei Ringenwalde (Neumark).
Brand, Friedr., Bergassessor a. D. in Limburg a. d. Lahn.
Brauns, D., Dr., Professor in Halle a. d. Saale.
Brauns, Reinhard, Dr., Privatdozent d. Mineralogie in Marburg.
Brüning, R., Ober-Bergrath in Wiesbaden.
Dar on, Alb., Bergassessor a. D. auf Rittergut Ellenbach bei
Bettenhausen-Cassel (Prov. Hessen-Nassau).
Castendyck, W., Bergwerksdirektor und Hauptmann a. D.
in Harz bürg*.
Dam es, Willy, Dr., Professor in Berlin (W. Keithstr. 1811).
Du der stadt, Carl, Rentner in Wiesbaden (Parkstr. 20).
Duszynski, Richard, Bergassessor in Clausthal.
Ellenberger, Herrn., Kaufmann in Wiesbaden (Capellenstr. 55).
Fasbender, Dr., Professor in Thorn.
Fischer, Theobald, Dr., Professor in Marburg.
Forstakademie in Münden, Prov. Hannover.
Frank, Fritz, Bergwerksbesitzer zu Nievernerhütte b. Bad Ems.
Freudenb erg, Max, Bergwerksdirektor in Ems.
Freund, Ober-Berghauptmann und Ministerial- Direktor in
Berlin W. (Nürnbergerstr. 6).
Fromme, Paul, Landrath in Dillenburg.
Fuchs, Ottomar, Bergreferendar in Wiesbaden (Philippsburg¬
strasse 29).
Fuhrmann, Paul, Dr., Bergrath und Bergwerksdirektor in
Dillenburg.
Gail, Willi., Reichsbankvorsteher in Dillenburg.
20
Garcke, Aug., Dr., Professor und Custos am Königl. Herbarium
in Berlin (Gneisenaustrasse 20). »
Goeb el, Bergreferendar in Halle a. S.
v. Goldbeck, Geh. Regierungsrath in Berlin (Carlsbad 20).
G r e e f f , Dr. med., Professor in Marburg.
Grün, Karl, • Bergwerksbesitzer in Scheider Eisenwerk bei
Dillenburg.
Haas, Fritz, Kommerzienrath in Dillenburg.
Haas, Hippolyt, Dr., Professor der Palaeontologie u. Geologie’
in Kiel.
Haas, Otto, Gewerke zu Neuhoffnungshütte bei Sinn.
Ha er che, Rudolf, in Oberpeilau bei Gnadenfrei i. Schl.
v. H anstein, Reinhold, Dr. phil., in Berlin W. (Blücherstr. 5).
Hauche corne, Dr. phil., Geh. Ober-Bergrath und Direktor
der königl. Bergakademie in Berlin.
Heb erle, Carl, Generaldirektor in Oberlalmstein. '
Heb erle, Carl jr., Bergwerksdirektor in Friedrichssegen a. d.
Lahn.
Heister hagen, F., Ingenieur u. Bauunternehmer in Ernst¬
hausen, Post Muchhausen (Reg.-Bez. Cassel).
Henniges, L ., Dr., in Berlin (SW. Lindenstr. 66 H).
v. Heyden, Lucas, Dr. phil., Major z. D. in Bockenheim bei
Frankfurt a. M.
Hilgenfeld, Max, Bergassessor in Berlin W. 35 (Lützow-
strasse 40).
Hillebrand, B., Bergrath in Carlshof bei Tarnowitz (Ober¬
schlesien).
Hintze, Carl, Dr. phil., Professor in Breslau (Moltkestr. 7).
Höchst, Joh., Bergrath in Weilburg.
Hoederath, J., Betriebsführer in Dierdorf, Regbez. Breslau.
Hoffman n, Philipp, Bergrath in Kattowitz in Oberschlesien.
Jung', Eberhard, Hüttendirektor auf Burger Eisenwerk bei
Herborn.
Kays er, Emanuel, Dr., Professor in Marburg.
Koch, Heinr., Ober-Bergrath in Ivottbus.
v. Koenen, A., Professor in Göttingen.
Kosmann, B., Dr., Bergmeister a. D. in Berlin W. (Lützower
Ufer 200 ni).
Kr ab ler, Dr. med., Professor in Greifswald.
Landfried, George, Fabrikbesitzer in Dillenburg'.
Lehmann, Joh., Dr., Professor in Kiel.
Leppla, Aug., Dr., Geologe in Berlin (N. Invalidenstr. 44).
Lossen, K. A., Dr., Professor in Berlin W. (Bülowstr. 3).
Meineke, C., Chemiker in Oberlahnstein.
21
M i s c h k e , Carl, Bergingenieur in Weilburg.
Mörsbach, Adolf, Bergassessor, komm. Salineninspektor, Bad
Eimen bei Schoenebeck (Prov. Sachsen).
Mosler, Chr., Geh. Ober-Regierungsrath und Vortragender
Rath im Ministerium in Berlin (W. Lützowstr. 50).
Müller, Gottfried, Dr., Geologe an der geolog. Landesanstalt,
in Friedenau bei Berlin.
Nasse, R., Geh. Bergrath in Berlin.
Neumann, Paul, Bergreferendar in Halle a. S.
N o e g g e r a t h, Albert, Ober-Bergrath in Clausthal.
Noetzel, Willi., Fabrikbesitzer (aus Moskau) in Wiesbaden
(Hainer Weg 1).
Oswald, Willy, Bergassessor in Halle a. d. S. (Lafontaine¬
strasse 14).
Palaeontologisches Institut der Universität Göttin-
g’en (v. Koenen, Direktor).
Pfaehler, G., Geh. Bergrath in Wiesbaden.
Pieler, Bergwerksdirektor in Ruda (Oberschlesien).
Preyer, Dr., Professor in Berlin (W. Nollendorfplatz 6).
Ra uff, Herrn., Banquier in Berlin. W. 56 (Behrendtstr. 35).
Reiss, W., Dr. phil. in Berlin (W. Kurfürstenstr. 981).
v. R i c h t li o f e n, F., Freiherr, Professor in Berlin (Kurfürsten¬
strasse 117).
Riem an n, Carl, Dr. pliil., in Görlitz.
von Rohr, Geh. Bergrath in Halle a. S.
v. Rönne, Geh. Ober-Bergrath in Berlin (W. Kurfürstenstr. 46).
Rübsaamen, Ew. H., in Berlin (N. Triftstr. 3).
Salchow, Alb. Pet., Bergreferendar in Berlin (NW. Philipp¬
strasse 15a, Portal II).
Schenck, Ad., Dr., Privatdozent in Halle a. d. Saale (Breite¬
strasse 23).
Schmeidler, Ernst, Apotheker in Berlin.
Schmeisser, Carl, Bergrath in Magdeburg.
Schmitz, Friedr., Dr., Professor in Greifswald.
Schneider, Professor an der Königl. Bergakademie in Berlin
(N. Liesenstr. 20).
Schönaich - Ca r olath, Prinz von, Berghauptmann a. D.,
in Potsdam.
Schreiber, Richard, Königl. Salzwerksdirektor in Stassfurt.
Schuchar dt, Theod., Dr., Direktor der chemischen Fabrik
in Görlitz.
Schulte, Ludw., Dr. phil., in Berlin (NW. Paulstr. 22).
Schulz, Eug., Dr., Bergassessor und Berginspektor in Claus¬
thal am Harz.
99
Serlo, Dr., Ober-Berghauptmann a. D. in Berlin (Charlotten¬
burg I. Str. 15, Nr. 3).
v. Spiessen, Aug., Freiherr, Oberförster in Winkel im Rheingau.-
Spranck, Hermann, Dr., Reallehrer in Homburg v. d. Höhe
(Hessen-Homburg).
Stein, R., Dr., Ober-Bergrath in Halle a. d. Saale.
Stippler, Joseph, Bergwerksbesitzer in Limburg a. d. Lahn..
Tenne, C. A., Dr., in Berlin (W. 35, Steglitzerstr. 18).
Ulrich, Bergrath in Dietz (Nassau).
Yigener, Anton, Apotheker in Biberich a. Rh. (Hofapotheke)..
Vogel, Heinr., Bergrath und Bergwerksdirektor in Zabrze
(Oberschlesien).
Weiter, Jul., Apotheker in Aurich.
Westheide, Willi., in Dillenburg.
Wie ster, Rud., General-Direktor in Breslau (Kaiser Wilhelm¬
strasse 89).
Winkler, Geh. Kriegsrath a. D. in Berlin W. (Schillstr. 16).
Wissmann, R., Königl. Oberförster in Hameln.
Z i n t g r a f f , August, in Dillenburg.
Zwick, Herrn., Dr., Städtischer Schulinspektor in Berlin (Scharn¬
horststrasse 7).
L. Ausserhalb Preussens.
Andrä, Hans, in Sydney, George Street (Firma Rohde &
Andrae).
Baur, C., Dr., Bergrath und Bergwerksdirektor in Stuttgart
(Canzleistr. 24 i).
Beckenkamp, J., Dr., in Mülhausen i. E. (Gartenbaustr. 1).
Blanckenhorn, Max, Dr. phil ., in Erlangen (Gartenstr. 22).
Blees, Bergmeister a. D. in Queuleu bei Metz.
Bilharz, 0., Ober-Bergrath in Freiberg (Königr. Sachsen).
Bö cking, G. A., Hüttenbesitzer in Abentheuerhütte in Birkenfeld.
Böhm, Joh., Dr. phil., in München (Nordenstr. 7ni).
Bücking, H., Dr. phil., Prof, in Strassburg i. E. (Brautplatz. 1).
van Calker, Friedr., Dr., Professor in Groningen.
Deimel, Friedr., Dr., Augenarzt in Strassburg.
D e w a 1 q u e, G., Professor in Lüttich.
Dröscher, Friedr., Ingenieur in Annawerk, Oeslau b. Coburg,
von D Ücker, F. F., Bergrath a. D. in Bückeburg.
Eck, H., Dr., Direktor des Polytechnikum in Stuttgart (Neckar¬
strasse 75).
23
Fes ca, Max, Dr., Professor in Tokio, Yamatogashiki, No. 9
und 10 (Japan).
Fischer, Ernst, Dr., Professor an der Universität Strassburg.
Flick, Dr. med., in Birkenfeld.
Frantzen, Ingenieur in Meiningen.
Ganser, Apotheker in Püttlingen (Lothringen).
Geognostisch-Paläontologisches Institut der Uni¬
versität Strassburg i. E. (Professor Benecke).
v. Gümbel, C. W., Dr., Königl. Ober-Bergdirektor und Mit¬
glied der Akademie in München.
Hahn, Alexander, in Idar.
Hornhardt, Fritz, Oberförster in Biesterfeld bei Rischenau
(Lippe-Detmold).
Hubbard, Lucius L., Dr. phil., in Houghton Mich., U. S. A.
(Geol. Survey of the state of Michigan).
Klo ss, J. H., Dr., Professor am Polytechnikum in Braunschweig.
Lasard, Ad., Dr. phil., Direktor der vereinigten Telegraph en-
Gesellschaft, in Harzburg' (Villa Daheim).
Lepsius, Georg Richard, Dr., Professor in Darmstadt.
Lindemann, A.F., Forstmeister in Sidholme, Sidmouth, Devon.
M aass, Bernhard, Bergwerksdirektor in Wien IV (Karlsgasse 2).
Martens, Aug., Oberförster in Schieder (Lippe-Detmold).
Martens, Ed., Professor der Botanik in Löwen (Belgien).
Maurer, Friedrich, Rentner in Darmstadt (Alicestr. 19).
Michaelis, Professor in Rostock.
Miller, Konrad, Dr., Prof, am Realgymnasium in Stuttgart.
Nies, Aug., Dr., Reallehrer in Mainz.
Nobel, Alfred, Fabrikbesitzer und Ingenieur in Hamburg.
Recht, Heinr., Dr. phil., Gymnasiallehrer in Weissenburg i. Eisass.
R o h l* b a c h, C. E. M., Dr., Gymnasiallehrer in Gotha (Schöne
Allee 13).
Rose, F., Dr., Professor in Strassburg (Feggasse 3).
Schmidt, Emil, Dr. med., Professor in Leipzig' (Windmühlen¬
strasse 28).
Schräder, Carl, Apotheker in Mondelingen, Post Hanger¬
dingen in Lothringen.
Schräder, W., Bergrath in Braunschweig'.
Seelheim, F., Dr., in Utrecht.
von Solms-Laubach, Herrn., Graf, Professor in Strassburg'.
Stern, Hermann, Fabrikant in Oberstem,
v. Strombeck, Herzog!. Geh. Kammerrath in Braunschweig.
Teall, J. J. Harris, London, 28 Jerrnyn Street.
Tecklenburg, Theod., Bergrath in Darmstadt.
24
Ubaghs, Casimir, in Maestricht (Naturalien-Comptoir rue de
table No. IG).
K. Üniversitäts-Bibliothek in Tübingen.
Verbeek, R. D. M., Mijningenieur, Chef der geologischen Un¬
tersuchung' in Buitenzorg (Batavia).
Wagener, R., Oberförster in Langenholzhausen (Fürstenthum
Lippe).
Wandesleben, Bergrath in Metz.
Walker, John, Fred., Palaeontologe, Sidney College, Cam¬
bridge, England.
Wasmann, Erich, S. J., in Prag' II, Gerstenweg 2.
Weerth, 0., Dr., Gymnasiallehrer in Detmold.
van Wer wecke, Leopold, Dr., Geologe in Strassburg i. E.
Wildenhayn, W., Ingenieur in Giessen.
Wilms, F., Dr., in Leidenburg, Transvaal (Südafrika).
Wollemann, A., Dr. phil., in Braunschweig (Körnerstr. 15).
Wülfing, E. A., Dr. phil., in Tübingen (Uhlandstr. 22).
Zartmann, Ferd., Dr. med., in Carlsruhe.
Zirkel, Ferd., Dr., Geh. Bergrath und Professor in Leipzig.
Mitglieder deren jetziger Aufenthalt unbekannt ist.
Förster, Theodor, Chemiker, früher in Stassfurt.
F r e i b u r g’, Job., Dr. phil. (aus Allendorf bei Arnsberg), früher
in Bonn.
Hartung, Gust., früher Stabsarzt im Inf. Rgt. Nr. 69 in Trier.
Hesse, P., früher in Hannover.
Klaas, Fr. Willi., Chemiker, früher in Othfresen bei Salzgitter.
Klinke n b erg, Aug., Hüttendirektor, früher in Landsberg
bei Ratingen.
Meyer, Georg, Dr., Geologe, früher in Bonn.
Petri, L. H., Wiesenbaumeister, früher in Colmar.
Poll, Roh., Dr. med., früher in Thure bei Nakel (Preussen).
Rinteln, Ivatasterkontroleur, früher in Lübbecke,
v. Rykom, J. H., Bergwerksbesitzer, früher in Burgsteinfurt.
Tüll, Direktor, früher in Aachen.
Welkner, C., Hüttendirektor, früher in Witmarschen b. Lingen.
W ienecke, Baumeister, früher in Cöln.
25
Am 1. Januar 1892 betrug :
Die Zahl der Ehrenmitglieder . 5
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder:
im Regierungsbezirk Köln . 157
„ „ Coblenz . 61
„ „ Düsseldorf . 99
„ ,, Aachen . 40
„ „ Trier . 49
„ „ Minden . 19
„ „ Arnsberg . 157
„ „ Münster . 18
„ „ Osnabrück . 13
In den übrigen Provinzen Preussens . 117
Ausserhalb Preussens . 64
Unbekannten Aufenthaltsorts . 14
813
Seit dem 1. Januar 1892 sind dem Yerein beigetreten:
Barth, Dr., Lehrer an der landwirthsch. Schule in Helmstedt.
Böhr, E., Lehrer an der Bürgerschule in Osnabrück.
Jüngst, 0., Bergreferendar in Coblenz, Friedrichstr. 5a.
Lehmann, F., Dr., Realgymnasiallehrer in Siegen, Eintracht¬
strasse 121/1.
26
Bericht über die XL IX. Generalversammlung des Vereins
in Düsseldorf am 6., 7. und 8. Juni 1892.
Die 49. Generalversammlung des Vereins fand in Düssel¬
dorf am 6., 7. und 8. Juni Statt. Bereits am Abend des 6.
versammelten sich die eingetroffenen Gäste und die in Düssel¬
dorf ansässigen Mitglieder in den Räumen der Gesellschaft „Ver¬
ein“, wo sie von dem Vorsitzenden des Düsseldorfer Naturwis¬
senschaftlichen Vereins und des Ortsausschusses, Dr. K. Jan¬
sen, im Namen beider Körperschaften aufs herzlichste begriisst
wurden; der Düsseldorfer Naturwissenschaftliche Verein hatte
das 2. Heft seiner „Mittheilungen“ der Versammlung als Fest¬
gabe dargebracht.
Die Hauptsitzungen fanden in den Vormittagsstunden in
der Tonhalle Statt. Der Präsident des Vereins, Geh. Rath
Schaaffhausen, eröffnete die Sitzung des ersten Tages
gegen 9 1/4 Uhr und erth eilte zunächst das Wort dem Ober¬
bürgermeister von Düsseldorf, Lin de mann, der den Verein
in den Mauern der Stadt mit warmen Worten willkommen hiess.
Hierauf verlas der Vicepräsident, Geh. Bergrath Fabricius
den Bericht über die Lage und Thätigkeit des Vereins im
Jahre 1891.
„Am 1. Januar 1891 betrug' die Zahl der Mitglieder 888.
Von diesen verlor der Verein durch den Tod 27, nämlich: Das
Ehrenmitglied Dr. v. Bene den, Professor in Löwen; die or¬
dentlichen Mitglieder Königl. Baurath Aug. D ieckho ff,
Rentner W. Endemann, Professor Frey tag und Fabrik¬
besitzer G. Keller in Bonn; Kaufmann H. J. Essingh in
Köln; Fabrikbesitzer L. Berger in Horchheim a. Rh.; Dr.
med. Franz Bis pink in Mülheim a. d. Ruhr; Pianoforte-
und Orgelfabrikant Richard Ibach in Barmen; Apotheker
F. Kobbe in Crefeld; Dr. Gust. Natorp in Essen; Inge¬
nieur Louis Piedboeuf und Privatier F. W. Schoeler
in Düsseldorf; Fabrikbesitzer Dr. M. Hermann in Oeynhausen ;
Kaufmann A. W a 1 d e c k e r in Bielefeld ; W i 1 h e 1 m A 1 1 e n 1 o h sen.
in Hagen; Bergrath Barth auf Zeche Pluto bei Wanne;
Geh. Justizrath Hein tz mann in Hamm; Rittergutsbesitzer
Löb in Caldenhoff bei Hamm; Dr. Muck in Bochum; Haupt¬
mann H. Kamp in Osnabrück; Dr. J. Ewald, Mitglied der
Akademie der Wissenschaften in Berlin; Dr. Grönland in
Dahme bei Potsdam; Geh. Rath. Prof. Ferd. Römer in Breslau;
Bergrath Dr. J. Roemer in Wiesbaden; Partikulier Georg
27
Hartung' in Heidelberg*; Wirkl. Geh. Rath Cardinal-Erzbischof
Ludw. Haynald, Exz., in Kalocsa; freiwillig* traten aus oder
wurden gelöscht 64, so dass der Verein einen Gesammtverlust
von 91 Mitgliedern zu beklagen hat, wogegen er nur 16 neue
gewann; die Zahl der Mitglieder am 31. Dezember 1891 betrug*
demnach 813.
Die vom Verein im verflossenen Jahre veröffentlichten
Schriften bilden den 48. Jahrgang der Verhandlungen, deren
2. Heft aus Gründen, denen gegenüber die Redaktion macht¬
los war, erst Ende April d. J. ausgegeben werden konnte.
Dieser Band enthält auf reichlich 22 Bogen grössere wissen¬
schaftliche Mittheilungen der Herren K. Busz, W. Brüh ns,
0. F ollmann, CI. Schlüter, L. Schulte, J. Sei w ert,
C. Verhoeff. Das Korrespondenzblatt umfasst 4 Bogen und
enthält neben dem Mitgliederverzeichniss und dem Nachweis
über die Vermehrung der Bibliothek und Sammlung des Mu¬
seums den Bericht über die 48. Generalversammlung in Pader¬
born; endlich erhalten die Mitglieder unseres Vereins auch
noch die Sitzungsberichte der Niederrheinischen Gesellschaft
für Natur- und Heilkunde, die in dem Jahrgang 1891 10 Bogen
mit Mittheilungen und Entdeckungen aus dem Gesammtgebiet
der Naturwissenschaften und Heilkunde enthalten. Der Ge-
sammtumfang der den Vereinsmitgliedern zugestellten Druck¬
schriften erreicht demnach reichlich 36 Bogen Text, die durch 3
Tafeln, eine Farbendruckkarte und 15 Holzschnitte illustrirt sind.
Die Bibliothek hat vornehmlich durch den Austausch der
Vereinsschriften mit anderen Vereinen, Gesellschaften und
Akademien Avie alljährlich einen bedeutenden Zuwachs erfahren,
der, ebenso wie der der Sammlungen, im einzelnen zu Schluss
des Korrespondentblattes 2 aufgeführt ist. Herr F. Wirt gen
hat auch in diesem Jahre mit der Ordnung und Aufstellung*
des Herbars fortgefahren. — Im Inneren des Vereinsgebäudes
wurden einige grössere Reparaturen an den Decken nöthig, die
die Rechnung dieses Jahres erheblich beeinflusst haben.
Die vom Rendanten C. Henry aufgestellte und hier vor¬
liegende Rechnung ergiebt einen Kassenbestand aus d. J. 1890
von . 101,72 M.
Einnahme d. J. 1891 einschliesslich eines aus dem
Guthaben des Vereins beim Banquier Gold-
s c h pi i d t & Co. entnommenen Zuschusses von
1650 M . 6593,50 „
zusammen 6695,22 M.
Die Ausgaben betrugen . 6372,65 „
bleibt somit ein Kassenbestand von . 322,57 M.
28
An Werthpapieren waren am Schlüsse d. J. 1891 sowohl
heim Verein wie hei der v. Dechen-Stiftung“ dieselben Bestände,
wie 1890 vorhanden, nämlich
Köln - Mindener - Prioritäts - Obligationen über 1100
Thlr. oder . 3300, — M.
3V2 % Preussische konsol. Staatsanleihe von 1889
über 900 M . 900, — „
4 °/0 Ungar. Goldrente über 1000 fl. oder .... 2000, — „
3 °/0 Ital. Eisenb. -Obligat. : 145 Stück im Nennbe¬
träge von 58000 M., zum Kostenpreis von . . 35058,85 „
4% Russ. konsol. Eisenb.-Goldanleihe II. Ser. über
3500 Eres, oder . 2800, — „
37a % Hypothekenbriefe der Preuss. Bodenkredit-
Aktienbank über . 4000, — „
48058,85 M.
Der Kapitalfonds der v. Dechen -Stiftung' bestand
aus 10000 fl. 41/5% Oesterreich-Silberrente . . 20000, — M.
7500 fl. 5% Ungar. Papierrente . 15000, — „
700 fl. 4 °/0 Ungar. Goldrente . 1400, — „
37-2 % Hypothekenbriefe der Preuss. Bodenkredit-
Aktienbank . . 3500, — „
39900,— M.
Beim Banquier Goldschmidt & Co. hatte der Verein
am 31. December 1891 ein Guthaben von 1906,80 M. und die
v. Dechen -Stiftung' ein solches von 1530,90 M. Die General-
Versammlung fand am 18. — 20. Mai zu Paderborn statt. Auf
derselben wurden die satzungsmässig ausscheidenden Vorstands¬
mitglieder, Vice-Präsident Fab ricius, Sekretär Bertk au, und
Rendant C. Henry; ferner der Abtheilungsvorsteher für Zoologie
Landois und der Bezirksvorsteher für Düsseldorf, v. Hagens;
wiedergewählt. An Stelle des 1890 verstorbenen Bezirksvor¬
stehers für Minden, Superintendent Beck haus, wurde Direktor
Sartorius in Bielefeld gewählt. Als Ort der 49. General-
Versammlung' wurde Düsseldorf endgültig bestimmt, und für
die 50. General-Versammlung Bielefeld in Aussicht genommen.“
Zur Prüfung der vom Rendanten vorgeleg’ten Rechnung'
wurden Herr Baumeister a. D. v. Viebahn und Dr. Bö Ische
gewählt; wir theilen gleich hier mit, dass die Revisoren die
Rechnung- für richtig befanden und hierauf dem Rendanten
die Entlastung- ausgesprochen wurde. Der satzungsmässig'
ausscheidende Präsident Geh. Rath S c h a a f f h ause 11 wurde
29
auf Vorschlag des Vice-Präsidenten durch freudigen Zuruf auf
die weitere Dauer von 3 Jahren wiedergewählt; ebenso wurden
die Bezirksvorsteher für Aachen, Geh. Rath W ii 1 1 n e r in
Aachen, und für Arnsberg, Dr. v. d. Marek in Hamm, so wie
der Sektionsvorsteher für Botanik, Prof. Kör nicke in Bonn,
wiedergewählt.
Hierauf begannen die wissenschaftlichen Vorträge.
Herr Landgerichtsrath a. D. v. Hägens aus Düsseldorf
machte Mittheilungen über das Neanderthal, wohin der natur¬
historische Verein für Rheinland und Westfalen bei der Pfingst-
versammlung im Jahre 1855 einen Ausflug veranstaltet hatte.
Es war damals unbestritten der schönste Punkt in der Umgebung
von Düsseldorf, während jetzt von den früheren Naturschön¬
heiten in Folge der Fortschritte von Kultur und Industrie nur
noch Trümmer übrig geblieben sind. Das Gestein des Neander-
thals besteht aus höhlenbildendem Kalkstein, welcher sich von
hier an dem Nordrande des Devon östlich über Elberfeld bis
weit in Westfalen hinein erstreckt, woselbst sich die gross-
artigen Höhlen, namentlich die Dechenhöhle befinden.
Im Neanderthal waren weniger die Höhlen sehenswerth,
als die schroff abfallenden Kalkfelsen, durch welche der Düssel¬
bach in der Vorzeit ein tiefes schmales Bett gegraben hatte.
Einzelne besonders hervorragende Punkte wurden mit den
Namen Predigtstuhl, Rabenstein, Neanderstuhl bezeichnet. Auf
jeder Diisselseite befanden sich 3 Höhlen, von Osten anfangend
lag' der Engelskammer gegenüber die Teufelshöhle, in der
Mitte der Neanderhöhle gegenüber die Feldliofer Kirche und
westlich auf der linken Seite der Pferdestall, auf der rechten
die Löwenhöhle.
Die erstgenannten 5 Höhlen lagen in beträchtlicher Höhe
über dem Bette der Düssei, nur die Löwenhöhle lag wenig'
höher als das Düsseiufer. Dies könnte in Zusammenhang da¬
mit stehen, dass unterhalb der Löwenhöhle ein kleiner Seiten¬
bach in die Düssei sich ergoss, welcher neben der Löwenhöhle
einen schönen Wasserfall bildete.
Ausser der Naturschönheit im Grossen bot auch die Thier-
und Pflanzenwelt mancherlei Seltenheiten; namentlich von Pflan¬
zen Scolopendrium officinarum (Hirschzunge), Lunaria rediviva
(Mondviole), Platanthera bifolia, Cephalaria appendiculata, Phy-
teuma spicatum, Cardamine impatiens und arnara, Chrysosple-
nium , Cynanchum vincetoxicum , Anemone ranunculoides ,
Gag'ea lutea etc. An Käfern fanden sich, namentlich an
den bemoosten Steinen des Nebenbachs, seltene Wasserkäfer:
30
Ochthebius exsculptus (häufig), Ochthebius rufomarginatus und
metallescens einzeln, Hvdraena flavipes, gracilis und Sieboldi,
Elmis cupreus, aeneus, Volkmari; von Staphylinen Mvllaena
glauca, Lesteva punctata und pubescens, Dianous; ausserdem
Telephorus Erichsoni, Hellodes hannoverana, Homalisus, Haltica
mercurialis. Auch in der Mollusken-Fauna von Clessin wird
das Neanderthal als Fundort erwähnt.
Bevor die Eisenbahn von Düsseldorf nach Elberfeld ge¬
baut worden, war das Neanderthal für die Bewohner von
Düsseldorf ziemlich unbekannt geblieben, weil es so schwer
zugänglich war. Damals musste man von Düsseldorf mit Wa¬
gen fahren 3 Stunden weit über die Elberfelder Chaussee bis
zum Stübbenhaus kurz vor Mettmann; von da führte ein Feld¬
weg in südlicher Richtung bis zum Haus Karstein, wo die
Eigenthümerin Frau Degreck wohnt, und von dort über Busch
und Berg' bis zur Neanderhöhle. Erst die Eisenbahn nach Elber¬
feld hat für die Bewohner Düsseldorfs das Neanderthal erschlossen.
Ende der 30 er Jahre wurde die Bahn bis zur Station Erkrath
eröffnet, etwas später bis Hochdahl. Von Erkrath war der
Weg noch ziemlich weit und ohne Führer kaum zu finden.
Von Hochdahl dag’egen führt ein Fahrweg in 20 Minuten bis
zur Mühle an der Düssei, von dort ein Fussweg* aufwärts auf
die Höhe oberhalb der Neanderhöhle. Seitdem ist das Nean¬
derthal vielfach von Düsseldorf besucht worden; auch in
grossem Landparthien mit Damen. Anfangs beschränkte man
sich auf die sehenswerthen Punkte der rechten Düsseiseite
(Engelskammer, Rabenstein, Neanderhöhle, Löwenhöhle mit
Wasserfall); denn die Düssei war damals noch ein wilder Bach,
der zwischen Felsblöcken dahinfloss und befand sich dort keine
Brücke. Später unternahm man den Düsseiübergang, indem
man von einem Steinblock zum andern stieg; auf der linken
Düsseiseite angekommen stieg* man einen steilen Abhang
hinauf bis auf ein kleines Plateau; hinter demselben erhoben
sich senkrechte Kalksteinfelsen, worin sich 2 kleine Nischen
befanden. An dieser Stelle, der sogenannten Feldhofer Kirche,
ist 1856 der Neanderthalschädel gefunden worden. Die Stelle
war nicht, wie wohl behauptet worden, unersteigbar, sie ist
vielmehr nicht nur vom Referenten wiederholt, sondern auch
von zahlreichen noch in Düsseldorf wohnenden Herren und
sogar von Damen erstiegen worden. Es hat also auch der
Neanderthalmensch sehr wohl von unten an diese Stelle gelan¬
gen können. Dagegen ist die Stelle allerdings später uner¬
steigbar geworden in Folge des Abbruchs des Kalksteines.
Es waren nämlich schon bald nach Vollendung' der Eisen-
31
bahn nach Elberfeld in Hochdahl Hochöfen errichtet, und zum
Betriebe derselben hatte man den Kalkstein des Neanderthals
sehr geeignet gefunden. Man hat desshalb ein kleines Schienen¬
geleise gelegt von der Station Hochdahl bis zu einem hochge¬
legenen Punkte an der linken Düsseiseite, dort einen Schacht
gegraben und durch eine Maschine den unten gebrochenen
Kalkstein in die Höhe gefördert.
Bei der grossen Ausdehnung und der Mächtigkeit des
Kalksteines fiel der Abbruch viele Jahre hindurch wenig' in
die Augen und als 1856 die Feldhofer Kirche in Angriff ge¬
nommen, war die Naturschönheit des Ganzen noch wenig beein¬
trächtigt, namentlich die rechte Düsseiseite noch unberührt ge¬
blieben. Zwanzig Jahre später aber war eine bedeutende
Veränderung eingetreten; längs dem ganzen linken Ufer waren
die Felsabhänge abgebrochen, die Höhlen verschwunden; die
Düssei selbst floss durch ein geebnetes Bett, mit verschiedenen
Brücken überbaut; auf beiden Ufern waren breite Wege auf-
geschüttet und mit Schienengeleise zum Transport versehn.
Auch auf das rechte Ufer hatte sich der Abbruch ausgedehnt,
die Engelskammer und der Predigtstuhl waren verschwunden.
Die Neanderhöhle und Löwenhöhle waren als solche noch vor¬
handen, aber von Aussen schon behauen, kaum noch zugäng¬
lich und der malerischen Umgebung- entkleidet. Die seltenen
Pflanzen existiren dort nicht mehr. In den letzten Jahren ist
der Abbruch noch gründlicher betrieben worden, man hat die
obere Lehmdecke beseitigt und von oben nach unten gearbeitet.
Ein Besuch des Neanderthals ist jetzt nicht mehr lohnend,
ausserdem gefährlich, weil häufig die Steine gesprengt werden.
Wenn hierdurch die Naturschönheit und Naturwissen¬
schaft einen grossen Verlust erlitten haben, so hat ein anderer
Theil der Naturwissenschaft, die Paläontologie, eine Ausbeute
gemacht. Ausser dem schon 1856 gefundenen Neanderthal-
schädel und einzelnen früheren Funden sind in der jüngsten
Zeit zahlreiche fossile Knochen gefunden worden, worüber der
nachfolgende Vortrag das Nähere enthalten wird.
Herr Konstantin Könen aus Düsseldorf verglich das
eigenartige, reich durch Höhlen, Mulden und Trichter ausge¬
zeichnete mitteldevonische Kalksteingebirge des Neanderthales
mit den durchaus ähnlichen Erscheinungen des Zirknitzer Sees.
Weil die Vertiefungen im Kalksteingebirge zum Theil mit oli-
gocänen Braunkohlenablagerungen gefüllt seien, müssten sie
vielleicht sogar alle bereits in der Tertiärzeit vorhanden und
sowohl den Wasserniederschlägen als lebenden Wesen zu-
32
gänglich gewesen sein. Redner wies nun nach, dass man, wie
anderwärts im Rheinthale, so auch hier die tertiären Gerolle
von den diluvialen und alluvialen Geschieben unterscheiden
könne; die Lehmlager der Höhlen des Neanderthales, weil sie
nur jene tertiären Gerolle aufzuweisen und von den divulialen
Geschieben und Lösslagen oben abgeschlossen seien, seien des¬
halb nicht mit Sicherheit der Divulialzeit, sondern eher dem
Tertiär angehörig, mit ihnen der von denselben eingeschlos¬
sene homo neanderthalensis. Oben auf der Höhe des Neander¬
thales, die obern Oeffnungen der Spalten bedeckend, sind zahl¬
reiche Knochen des Elephas primigenius, Rhinoceros tichor-
rhinos, Ursus spelaeus, Cervus, Equus caballus fossilis und
einige Feuersteinspäne gefunden, die augenscheinlich die Hand
des Menschen verrathen. Eingeschlossen und bedeckt von ent-
laugtem Löss, der auf alte Rheinuferstrassen wechselnd mit
Divulialgeschieben von den Höhen bis zu dem heutigen Rhein¬
spiegel und den historischen Rheinalluvionen hinabsteige, liege
hier eine Station der echten diluvialen Weidefauna vor. In
Uebereinstimmung mit der französischen Urgeschichtsforschung
setzt Könen nach diesem Befund den Neanderthaler Menschen
in die zwischen dem obern Pliocän und dem Quartär liegende
Uebergangszeit, während die Neanderthaler Weidefauna, Station
der Diluvialzeit der Zweitältesten Periode Mortilletscher Perioden-
eintheilung, der von Moustier entspreche. Die drittälteste Pe¬
riode, die von Salutre, sei bis jetzt im Rheinthale nicht nach¬
gewiesen, dagegen entspreche der jüngsten Phase französischer
Diluvialeintheilung die paläolithische Niederlassung von Mar¬
tinsberg in Andernach, die hier im Rheinthale allerdings geo¬
logisch dem Zeitalter der Rheinalluvionen angehöre, wenn
auch ihre Fauna noch einer kältern Vorzeit Rechnung trage.
Letztere Niederlassung liege ungefähr 9572 Euss über dein
Nullpunkt des Andernacher Pegels, während die diluviale Nean¬
derthaler Station etwa 340 Fuss hoch über dem Nullpunkte
des Düsseldorfer Pegels bestanden habe und vom Rheine über¬
schwemmt worden sei. Von Bedeutung sei deshalb die Er¬
forschung der Funde auf den alten Rheinuferstrassen, welche
zwischen der Neanderthaler und der Andernacher Station liegen.
Prof. Schaaffhausen aus Bonn hielt folgenden V ortrag'
über die Urzeugung, die wieder eine brennende Frage der Gegen¬
wart sei, in der wir so zahlreiche niedere Organismen als Träger
von Krankheiten kennen gelernt hätten. Die Aerzte begnügen
sich, diese Bacillen, Bacterien und Coccen im thierischen Kör¬
per nachzuweisen, der Natprforscher aber muss fragen, wie sie
33
entstanden sind. In früheren Zeiten war es nnbez weif eit, dass
lebendige Wesen von selbst entstehen könnten, das galt von
allem Ungeziefer, von Flöhen, Ratten und Mäusen, von den
Maden auf faulem Fleische und zuletzt noch von den Einge-
weidethieren. Die fortschreitende Kenntniss der Entwicklung’
der Organismen hat die Annahme eines selbständigen Ur¬
sprungs in allen diesen Fällen beseitigt und man stellte bald
den Satz auf: omne vivum ex ovo. Nur für die niedersten und
kleinsten Organismen blieb die Frage offen, ob man nicht von
der gleichartigen oder geschlechtlichen Zeugung*, generatio ho¬
mogenen oder c}Tclica eine ungleichartige oder freiwillige, g*e-
neratio heterogenen, aequivoca, spontanen, originaria oder primi-
tiva unterscheiden müsse. In neuern Zeiten hat man aber diese
geläugnet auf Grund von Versuchen, die das Entstehen niederer
Organismen in Aufgüssen organischer Substanzen aus in der
Luft vorhandenen Keimen bewiesen haben sollten. Diese Keime
hat aber mit Sicherheit Niemand nachgewiesen. Die Versuche
von Schwann, Helmholtz, Cohn und namentlich Pasteur
sollten das Vorhandensein von in der Luft schwebenden Kei¬
men bestätigt haben, weil bei Vernichtung dieser angeblichen
Keime durch hohe Temperatur, Aetzkali, Schwefelsäure in den
Aufgüssen organischer Substanzen keine Infusorien entstanden.
Aber die Frage ist, ob in der freien Natur Urzeugung vor¬
kommt, nicht in unsern Retorten und Gläsern, nachdem wir
Luft und Wasser künstlich verändert haben. Den Beobach-
» tungen von Pasteur stehen die von Po ucli et, Jo ly, Müsset,
Mantegazza, Child und die mehligen gegenüber. Die ge-
setzmässige Folge der in Infusionen erscheinenden Organismen
spricht schon gegen die in der Luft zufällig vorhandenen Keime.
Den grossem Infusionsthieren gehen immer Monaden voraus,
die sich in Keimlagern entwickeln. Getrocknet leben diese
nicht wieder auf. Auch müssten in flachen Schalen, in welche
mehr Keime herabfallen werden, mehr Organismen entstehen
als in Gelassen mit engem Halse, was nicht der Fall ist,
wie Pouch et zeigte. Wenn aus der Luft die Keime herab¬
fallen, warum entstehen dann nicht zu gleicher Zeit die ver¬
schiedensten Organismen nebeneinander, warum zeigen die
Infusionen eine ganz bestimmte Folge der organischen Bil¬
dungen, die immer mit Monaden beginnen? Wenn in manchen
Versuchen Pasteur’s angenommen wird, dass Erhitzen des
Wassers bis 100° R. die Keime tödte, so widerspricht das den
Beobachtungen, dass pflanzliche und thierische Keime niederer
Organismen eine viel höhere Temperatur vertragen. Pasteur
sah durch Säen von Staub der Luft im Wasser Organismen
3
34
entstehen, nicht weil die Luft Keime enthielt, sondern weil der
Detritus organischer Substanzen ihr freiwilliges Entstehen be¬
günstigte. Pasteur sah im Keller und auf hohen Bergen in
seinen Gelassen keine Organismen entstehen, Pouch et, Jo ly
und Müsset wiederholten seine Versuche in den Pyrenäen
mit entgegengesetztem Erfolge. Gilbert W. Child, Essays on
physiol. subjects, London 1869, p. 129 glaubt, dass Pasteur
die kleinsten Anfänge organischen Lebens übersehen habe,
weil er nur 350 mal vergrösserte, er selbst aber 750 mal. Child
erhielt in Infusionen von Fleisch und Milch mit erhitzter Luft
dennoch Organismen, wenn Sauerstoff zugelassen wurde, auch
dann, wenn die Substanzen vorher gekocht waren. Mit Dr.
Beale machte er 1864 folgende Versuche. Heu- und andere
vegetabilische Infusionen wurden 12 Minuten gekocht und er¬
hitzte Luft zugelassen, die Gläser wurden zugeschmolzen. In
3 Gläsern von 7 und später in 8 von 13 waren Bacterien ent¬
standen. In den 7 war kein Heu infundirt. Pasteur selbst
hat später Zweifel an der Beweiskraft einiger seiner Versuche
geäussert, vgl. Compt. rend. 23. Mai 1864, und der Berichter¬
statter über das von der Pariser Akademie gekrönte Werk
Pasteurs sagt, dass nur die Zukunft über die Frage der
Urzeugung* entscheiden könne. Pouch et, Jolv und Müsset
zogen ihre Arbeiten bei der Preisbewerbung zurück, als sie
hörten, dass die Commission sich schon für Pasteur entschie¬
den habe. Pouch et sagt, Pasteur thut den Substanzen in
rohester Weise Gewalt an und unterwirft sic den unnatürlich-,
steil Bedingungen, so dass er die natürlichen Verhältnisse auf¬
hebt, unter denen Leben entstehen kann. Pouch et wieder¬
holte den Versuch von Schnitze, langes Kochen der Sub¬
stanz und Einführung von Luft, die durch Schwefelsäure strich,
er fand immer Organismen. Ich selbst habe meine Beobach¬
tungen schon 1859 veröffentlicht in den Verh. des nat. Ver. 1859,
Correspbl. S. 50, ferner in den Sitzb. d. niederrh. Ges., Verh. d.
nat. V. 1861, S. 3 und 106, dann in den Compt. rend. de l’acad.
d. Sc. Paris, 12. Mai 1862 und im Cosmos, Kevue encycl. Paris
1863, p. 314. Ich habe g*ezeigt, dass den Infusorien immer Mona¬
den vorausgehen, deren Ursprung in Körnchenhaufen beobachtet
wird, die in einer schleimigen Substanz entstehen, welche wie eine
Pilzmasse wächst und aus der beweglich werdende Monaden aus¬
schwärmen. P ou ch et s Darstellung halte ich nicht für richtig*.
Er nimmt eine von Bacterien und Vibrionen gebildete Mem¬
brana proligera an, in der sich dann höhere Infusionskeime
entwickeln. Er meint, gewisse niedere Organismen lebten ohne
Oxvgen, das sie sogar tödte. Die Bildung* von Bacterien im
Häutchen sahen auch Jo ly, Müsset und Mantegazza; vgl.
Compt. rend. 21. Mai 1860.
Das Entstehen von Organismen in Infusionen setzt or¬
ganische Substanz voraus, die freilich vorher bei der Zer¬
setzung in einfache Verbindungen zerfällt. Ich habe desshalb
in meinen Mittheilungen stets hervorgehoben, dass wir als
wahre Urzeugung nur die betrachten können, die sich ohne
Anwesenheit organischer Substanzen vollzieht und also die
lebende Welt mit der leblosen verbindet. Wenn wir Wasser,
Luft und mineralische Stoffe unter Einwirkung von Licht und
Wärme zusammenbringen, so entsteht der Protococcus viridis,
•zuerst in farblosen Körnchen, die ein Protoplasma zusammen¬
hält. Die Pflanze ist der Anfang des organischen Lebens. Da
aber die ersten durch Urzeugung* entstandenen Zellgenerationen
zu Grunde gehen, so verhält sich die Flüssigkeit bald wie eine
Infusion und die Zersetzungsstoffe begünstigen nun die weitere
Entwicklung der Organismen, so dass man von einer Selbst¬
düngung derselben sprechen kann. In den Aufgüssen organi-
nischer Substanzen sehen wir die Entwicklung thierischen Le¬
bens, weil dieses das Vorhandensein organischer Verbindungen
voraussetzt, während im Beginne der Schöpfung wie heute der
Protococcus viridis ohne diese entstehen konnte.
Die Ansichten über die Urzeugung wurden immer stark
beeinflusst von neuen Entdeckungen in der Naturforschung.
Als Ehrenberg in den Jahren 1830 — 35 sein grosses Infu¬
sorienwerk herausgegeben und behauptet hatte, diese kleinsten
Lebewesen seien ebenso vollkommen gebaut wie die sogenann¬
ten höheren Organismen, was sich indessen nicht bestätigt hat,
war dies für die Annahme einer Urzeugung derselben in ho¬
hem Maasse ungünstig. Sein Biograph J. Hanstein sagt:
Ehrenberg betonte gerade auch deshalb die Zusammenge-
setztheit des Körperbaus der Infusorien so stark, um die Ab¬
surdität der Ansicht in’s Licht zu stellen, dass Wesen von sol¬
cher Art so ohne Weiteres hier und dort in die Existenz springen
könnten. Ihm galt gegen die beliebige Herleitung des Orga¬
nischen aus dem Anorganischen der Ausspruch: „Nur das
Leben giebt Leben.“ Als man später nachwies, dass es Pflan¬
zen und Thiere gebe, wie der Protococcus oder das niederste
Wimperthierehen, die nur aus einer Zelle bestehen, konnte man
wieder die Frage aufwerfen, ob die organische Welt nicht mit
diesen einfachen Wesen begonnen habe. In Bezug auf die
Bildungsg'eschichfe der Erde fand durch die Arbeiten von
Ch. Lyell und von Hoff die Ueberzeugung* allgemeine An¬
nahme, dass die Kräfte der Natur seit dem Anfänge der
36
Schöpfung' dieselben geblieben seien. Während Cu vier sei¬
nem Werke über die Vorwelt den Titel: über die Revolutionen
der Erdoberfläche gegeben hatte, fand man, dass die Verän¬
derungen derselben mit den heute noch wirkenden Kräften sich
erklären lassen, wenn man dem Geologen nur Zeit für ihre-
Wirkungen zugesteht. Wenn sich diese Betrachtung für die
anorganische Welt bewährt hat, warum soll sie nicht auch für
die organische gelten? Welche zwingenden Gründe sprächen
dagegen? Diese Vorstellung ist eine viel vernünftigere als jene,
dass die Natur gealtert sei. Die Annahme von einer fortbe¬
stehenden Urzeugung der niedersten Pflanzen und Thiere ist
aber auch die nothwendige Folgerung' des grossen Entwick¬
lungsgesetzes der organischen Welt, das von Darwin nicht
erst begründet, aber mit neuen Beweisen unterstützt wurde
und nur mit schwachen Kräften noch bekämpft wird. Auf der
Naturforscherversammlung' in Giessen 1864 sagte ich: Die Lehre
von der Urzeugung und die von der Umwandlung der Arten
stehen im nächsten Zusammenhang, der nicht Allen klar ist..
Wer die Umwandlung der Arten annimmt, sollte doch auch
geneigt sein, die Urzeugung anzunehmen, weil beide auf dem
Glauben an die Unveränderlichkeit der Naturgesetze beruhen.
Wenn die Gesetze, welche heute wirken, ausreichen, das Ent¬
stehen der verschiedenen Pflanzen und Thiere durch Ueber-
gang einer Art in die andere zu erklären, so müssen sie auch
im Stande sein, das organische Leben heute noch so beginnen
zu lassen, wie es einmal hat beginnen müssen. Es ist nur
nötliig, für die einfachsten Wesen einen solchen Anfang anzu¬
nehmen, weil, die Umwandlung der Arten vorausgesetzt, die
hohem aus diesen entstanden sind.
Von welchen Schwierigkeiten sich der Naturforscher frü¬
her bei dieser Frage umgeben sah, zeigt die Betrachtung von
Leuckart. Man glaubte allgemein mit Lin ne, dass Pflanzen
und Thiere, wie wir sie sehen, aus der Hand des Schöpfers
hervorgegangen seien, das nannte Linne die Species: Genus
omne est naturale, in primordia tale creatum. Phil, botan.
§ 159 und 162. Leuckart sagte, Handwörterb. d. Physiol. IV
1853: Selbst die Eingeweidewürmer geben für das Dasein der
Urzeugung so wenig Anhaltspunkte, dass es nur noch die ein¬
fachsten Organismen sind, bei denen dieselbe in Frage kommen
kann. Er will es nicht in Zweifel ziehen, dass die lebendige
Welt einst aus rein mechanischen Naturwirkungen hervorge¬
gangen ist, aber das beweise nicht, dass die Bedingungen die¬
ser Schöpfung jetzt noch wirksam sind. Er fragt: Entstanden
nicht damals auch die höchsten Organismen auf demselben
37
Wege? Entstanden sie nicht von allen am spätesten, also zu
•einer Zeit, die zunächst an die gegenwärtigen Verhältnisse des
Naturlaufs 'anknüpft? Ist es nicht auffallend, dass trotzdem
gerade für diese Geschöpfe die Bedingungen einer Urzeugung’
hinweggefallen sind? Wie einfach ist jetzt die Lösung aller dieser
Fragen. Die Urzeugung ist der Schlussstein in dem Entwick¬
lungsgesetze der leibenden Natur. Merkwürdiger Weise ver¬
warf auch Darwin die Urzeugung, weil er sie für widerlegt
hielt, vgl. Archiv f. Anthrop. 1882. S. 255. Er nahm mehrere
Urformen von Tliieren und Pflanzen an, denen der Schöpfer
das Leben eingehaucht habe, Entstehung der Arten, 1860,
S. 135 u. 488. Er tadelt Lamarck, dass dieser die Urzeu¬
gung zu seiner Erklärung der Fortentwicklung nöthig ge¬
habt habe. Darwin’s Naturanschauung hat dadurch eine
empfindliche Lücke. Man musste ihm einwerfen, warum denn
die niedern Organismen noch überall in zahlloser Menge vor¬
handen seien. Sie müssten ja längst im Kampfe ums Dasein
.sich in höhere Lebensformen verwandelt haben, wenn sie nicht
immer wieder neu entstünden. Auch Flourens und Huxlev
glaubten, dass Pasteur die Frage entschieden habe, er habe
die Keime in der Luft nachgewiesen, die durch glühende Röh¬
ren geleitete Luft tödte sie, ein Pfropf von Watte schon halte
sie zurück ! H u x 1 e y hält es nicht für ausgemacht, dass
Lebenserscheinungen niemals künstlich sollten hervorgerufen
werden können, er behauptet nur, ein solcher Versuch sei bisher
nicht geglückt. Doch meint auch er, um die erste Schöpfung zu
•erklären, in der Vorzeit sollen physische und chemische Ver-
bindung’en vorhanden gewesen sein, die jetzt fehlen. Auch
Virchow will das Ausbleiben der Urzeug’ung in der jetzigen
Natur damit erklären, dass die Elemente damals sich in statu
nascente mit einander verbunden hätten. Aber gehen nicht in
jedem Augenblicke vor unsern Augen chemische Zersetzun¬
gen und Verbindungen vor sich, wobei Kohlenstoff mit Sauer¬
stoff oder Wasserstoff und Stickstoff mit Wasserstoff sich ver¬
binden ?
Haeckel lässt die ersten und einfachsten Organismen in
einer Bildungsflüssigkeit entstehen und will einen Unterschied
des Anorganischen und Organischen gar nicht anerkennen, alle
Materie sei beseelt und das Leben nur eine Steigerung der
.anorganischen Bewegung. Auch C. von Nägeli vertheidigt
die Urzeugung und sagt: auch jetzt muss Urzeugung überall
da stattfinden, wo die Verhältnisse die nämlichen sind, wie in
der Urzeit. Die dagegen vorgebrachten Versuche und Beobach¬
tungen beweisen nichts, weil sie nur für bestimmte Annahmen
38
gültig sind, für welche die Theorie selbst schon das frei¬
willige Entstehen als unmöglich behaupten muss.
Was Harvey’s Stellung zur Urzeugung angeht, so muss
ein allgemein verbreiteter Irrthum berichtigt werden. Ha es er
sagt schon in seiner Geschichte der Medizin, Jena 1845, S. 526
Harvey gelangt zu dem berühmten Satze, der alles Lebende
aus befruchteten, praefonnirten Keimen entstehen lässt, omne
vivum ex ovo, obschon es im Verlaufe seines Buches nicht an
Widersprüchen mit diesem Satze fehlt. Harvey beendigte
seine Schrift schon 1633, sie erschien erst 1651 in London. In
seinen Exercitationes de generatione animalium, Amstelod. 1662,
p. 270 ist die Exercitatio LXII überschrieben: Ovum esse pri-
mordium commune omnibus animalibus. Dann führt er den
Aristoteles an, der gesagt habe: Thieren und Pflanzen ist
das gemeinschaftlich, dass sie theils aus Samen, theils von
selbst entstehen. Später sagt er: Diesen Allen, ob sie von
selbst oder aus andern oder in andern entstehen, ob aus Thei-
len derselben oder aus ihren faulenden Ausscheidungen ist das
gemeinschaftlich, dass sie aus irgend einem dazu geeigneten
Princip und von einer in diesem Princip wirksamen Kraft ent¬
stehen. Verschieden ist der Anfang alles Lebendigen, ob es
von selbst und durch Zufall entsteht oder aus einem vorher
schon Bestehenden wie eine Frucht hervorgeht. Er tadelt den Ari¬
stoteles, der das Ei vom Wurme unterscheidet, indem von
jenem nur ein Theil sich zum Thier entwickele, dieser aber
ganz sich in das Thier verwandele. Harvey sagt: Beides sind
nicht lebende Theile, sie haben nur die Fähigkeit zu leben,
beides sind Eier. Nirgends bestreitet er die Ansicht des Ari¬
stoteles, dass Pflanzen und Thiere auch von selbst entstehen.
Er war also ein Anhänger der Urzeugung und nicht ein Geg¬
ner derselben. Es ist unbegreiflich, wie man stets das Gegen-
theil behauptet hat ! Er war aber auch gar nicht in dem Falle,
einUrtheil über dieselbe aus Beobachtungen sich zu verschaffen.
Sein Verdienst ist, die Entwicklung des Hühnchens im Ei und
die der Hirsche erforscht zu haben.
Wir haben die Lebenskraft beseitigt zur Erklärung der
organischen Vorgänge, weil sie keine Kraft ist im Sinne der
physikalischen Kräfte, deren Wirkungen wir nach Grösse und
Abstand der Massen oder nach Geschwindigkeit der Bewegung
berechnen und die wir ineinander umwandeln können, aber es
gab immer noch einen Vorgang in der Natur, der ohne sie nicht
erklärbar war, das Avar die Zeugung', die immer Avieder auf ein
Organisches zurückzuweisen schien, während alle andern phy¬
siologischen Thätigkeiten von bekannten physikalischen und
39
chemischen Gesetzen abgeleitet werden können. Mit der An¬
nahme der Urzeugung aber ist der letzte Rest ihrer vermeint¬
lichen Wirksamkeit beseitigt und der U ebergang der leblosen
Welt in die lebende gewonnen und zugleich die Ueberzeugung,
dass die Natur seit Anfang der Schöpfung dieselbe geblieben
ist. Das ist das Gegentheil von dem, was Rudolph Wagner
behauptete, wenn er sagte, weil es jetzt keine Urzeugung gibt,
ebendeshalb hat es niemals eine gegeben und die Naturkräfte
haben das Leben niemals erzeugen können. Wenn wir sehen,
dass die Stoffe der Aussenwelt im Stande sind, das Leben der
Organismen zu unterhalten, warum sollte dieses nicht auch
unter gewissen Bedingungen aus jenen entstehen können?
Nicht in der Speculation dürfen wir die Beweise für die
Urzeugung' suchen, sondern in dem, was uns die verbesserten
Mikroskope erkennen lassen, durch die wir erfahren haben, dass
Monaden und Vibrionen, Bacterien und Coccen aus kleineren und
einfacheren Bildungen von V2000 P* L- Grösse und noch gerin¬
geren Anfängen ihren Ursprung nehmen. Wir dürfen aber
nicht glauben, dass die Grenze unserer Vergrösserung auch
den ersten Anfang der organischen Bildung erreicht habe. Ge¬
wiss hat man oft die uns schon bekannten Keime übersehen, wenn
man in Infusionen keine bewegten Monaden hat finden können.
Die Keime konnten entstanden sein, aber ihre Fortentwicklung
war gehemmt, weil dazu die Lebensbedingungen fehlten. Dies
war der Fall, als bei der Naturforscher-Versammlung in Giessen
1864 Prof. H offmann ein hermetisch verschlossenes Glaskölb¬
chen vorgelegt hatte, worin gekochte Erbsen seit 1859 enthal¬
ten waren. Er bat um Untersuchung des Inhaltes. Es wurde
eine Commission gewählt, bestehend aus den Proff. Henle,
Ger lach, Dr. Schmidt und mir. Die Commission fand keine
lebenden Organismen, aber die Leichen verschiedener Vibrionen
von unbestimmbarem Alter, vgl. Amtl. Ber. S. 188 und Tage¬
blatt Nr. 5, S. 75.
Wie Leibnitz dem Newton vorgeworfen hat, dass er
durch Annahme der Schwerkraft das Walten Gottes iu der Natur
überflüssig gemacht und die natürliche Religion umgestürzt habe
und wie man la Place getadelt hat, dass er bei seiner Er¬
klärung des Weltgebäudes einen Gott nicht nöthig gehabt, so
sind auch religiöse Bedenken bei der Behauptung der Ur¬
zeugung laut geworden, als wenn ihre Vertheidiger die schaf¬
fende Kraft Gottes in Abrede stellten. Sie haben aber auch nicht
gefehlt bei Verwerfung derselben. So wurde Re di, welcher
zeigte, dass die Maden nicht von selbst entstehen, als Ketzer
beschuldigt, weil im Buche der Richter C. 14. 8 Simson die Ent-
40
Stellung* eines Bienenschwarmes in dem Aase eines Löwen be¬
haupte.
Die Urzeugung’, welche noch Darwin verwarf, ist
der nothwendige Schlussstein des Entwicklung’sgesetzes , wei¬
ches uns die Natur als von unveränderlichen Gesetzen be¬
herrscht erkennen lässt. Die Schöpfung erscheint viel vollkom¬
mener, wenn wir annehmen, dass der Schöpfer beim Beginn
derselben alle Keime der Entwicklung in die Natur gelegt hat,
als wenn wir glauben, dass derselbe erst nach Erschaffung' der
Welt durch besondere Schöpfung'sacte die Pflanzen und Thiere
geschaffen habe.
Nicht die Urzeugung ist eine Hypothese, sondern die
Annahme von in der Luft schwebenden Keimen, wodurch sie
widerlegt werden soll, ist eine solche, die unhaltbar geworden
ist, weil die scheinbar dafür sprechenden Versuche eine andere
Erklärung zulassen. Wir müssen so lange glauben, dass die
Keimlager der Monaden und Pilze von selbst entstehen, bis
ein anderer Ursprung derselben nachgewiesen ist.
Der Vortragende legte Zeichnungen der Monadenbildung
im Häutchen der Infusionen und im faulenden Blute vor.
Oberlehrer Dr. Jansen aus Düsseldorf behandelte einen
der Akustik entnommenen Gegenstand: „Warum wird bei
einem mehrstimmigen Satze die Melodie in der Regel der Ober¬
stimme zugewiesen ?“ Der Redner begnügte sich mit einer
knappen Darstellung des Untersuchungsganges, da eine aus¬
führliche Entwickelung* sich in einer den Teilnehmern an der
General-Versammlung vom Düsseldorfer Naturwissenschaftlichen
Verein als Festgabe dargebotenen Druckschrift findet. Insbe¬
sondere wurde gezeigt, dass tiefere Töne bei gleichartiger und
gleich starker Erzeugungsursache zwar nicht eine weniger
starke, wohl aber wegen der Beschaffenheit der Obertöne eine
weniger scharf umgrenzte mechanische Wirkung auf unser
Ohr ausüben, dass ferner unser Gehör-Organ für höhere Töne
wenigstens innerhalb des von der Musik gebrauchten Tonum¬
fanges eine grössere Empfänglichkeit besitzt als für tiefere.
Geheimer Bergrath Heusler aus Bonn trug über die
Bohrungen auf kohlensaure Quellen bei Burgbrohl
Nachfolgendes vor.
Seitdem es vor einer Reihe von Jahren der Technik ge¬
lungen ist, die auf natürlichem Wege dem Boden entströmende
oder die künstlich aus kohlensauren Salzen oder auch aus
Feuergasen hergestellte Kohlensäure in Gasform so zu compri-
41
miren, dass deren Verflüssigung' d. h. die Ueberführung in die
liquide Form unter hohem Drucke erfolgt und der Absatz
der flüssigen Kohlensäure zu chemischeu Zwecken, zur Bier¬
pression und zur Eisfabrikation immer grössere Dimensionen
annimmt, genügen die von Alters her bekannten natürlichen
Kohlensäuregas-Exhalationen in unserem rheinischen Devonge¬
birge innerhalb des Gebietes des Laaelier Sees und der vul¬
kanischen Eifel, welche früher ausschliesslich benutzt wurden,
nicht mehr und man hat daher die Bohrungen zur Hülfe ge¬
nommen, um dem eigentlichen Heerde der Kohlensäure-Ent¬
wickelung' im Erdinnern näher zu kommen.
Diese Bohrungen sind zum Theil, so namentlich in Burg’-
brohl, Gerolstein, Obermendig’, Hönningen und Oberlahnstein
von Erfolg begleitet gewesen und in Tiefen von 50 bis über
200 m haben sich grössere Ansammlungen vorgefunden, als
man nach den Exhalationen in den bekannten alten Mofetten
i
und Kohlensäure-Quellen im Laacher See- und Kyllgebiete der
Eifel hätte voraussetzen können.
Im letzten Jahre haben die kohlensauren Quellen im
Brohlthale bei Burgbrohl, welche schon seit einer langen Reihe
von Jahren, zuerst in der Form der gasförmig aus einer Mo-
fette entströmenden Kohlensäure zur Bleiweissfabrikation be¬
nutzt worden sind, durch besonders hervortretende Phänomene
das allgemeine Interesse in Anspruch genommen.
Als im Jahre 1883 die Firma R. dazu überging, im Orte
Burgbrohl ein Bohrloch niederzustossen, um für eine Kohlen¬
säure- Verflüssigungsanstalt und für die Verwendung in ihrer
Bleiweissfabrik eine grössere Menge von Kohlensäure zu ge¬
winnen, als ihr aus der bisher benutzten Mofette zu Gebote
stand, war die Auswahl des Bohrlochspunktes in der Nähe des
Brohlbaches durch weit verbreitete Kohlensäure-Exhalationen
im Bachbette und in dem eng'geschlossenen Ivesselthale veran¬
lasst und das Bohrresultat war deshalb bei 52 m Tiefe schon
ein so günstiges, dass ein Ueberfluss von an Wasser gebun¬
dener gasförmiger Kohlensäure vorhanden war, welche in einem
mächtigen bis 10 m Höhe erreichenden Sprudel aus dem 14 cm
weiten Bohrloche hervortrat. Nach den damals von mir er¬
folgten und in der Herbstversammlung des Naturhistorischen
Vereins 1885 mitgetheilten Feststellungen betrug nach einer
Verengung des Bohrloches auf 4 cm der permanente Wasser-
ausfluss 430 1 = 0,43 cbm per Minute und die Ausströmung von
trockener Kohlensäure 1500 1 = 1,5 cbm per Minute, entsprechend
einem Volumen von 2160 cbm Kohlensäuregas in 24 Stunden
bei 619 cbm Wasser. Auch nach einer im März 1885 vorge-
42
nommenen Feststellung’ waren diese Zahlen noch massgebend
und die Ergiebigkeit der erbohrten Quelle hat in derselben
Weise angehalten, bis im Jahre 1891 Neubohrungen in der un¬
mittelbaren Nähe des Bohrloches vorgenommen wurden.
Mit welcher Gleichmässigkeit im Verlaufe von 8 Jahren
die Kohlensäure-Entwickelung’ aus dem Bohrloche stattgefunden
hat, geht daraus hervor, dass auch niemals während dieses-
Zeitraumes ein Mangel an Kohlensäuregas in der Verflüssigungs-
anstalt der Firma R. verspürt worden ist und dass, abgesehen
von der Verwendung für- die Bleiweissfabrikation, das vom
Januar bis September 1891 gewonnene Quantum an verflüs¬
sigter Kohlensäure 168 000 kg, während des Zeitraumes von
1884 bis 1891 aber im Ganzen ca. 634000 kg betrug, wobei
ich erwähne, dass aus 500 1 oder 0,5 cbm gasförmiger Kohlen¬
säure 1 1 flüssiger Kohlensäure im Gewicht von 1 kg herge-
stellt wird.
Schon nach dem Kohlensäure-Ausbruch aus dem im
Jahre 1883 niedergestossenen Bohrloche stellte sich heraus,
dass der Wasserstau d in den Brunnen und Quellen in Burg¬
brohl zurückging, dass aber namentlich die trockene Kohlen¬
säure in die Keller der Wohngebäude eindrang und den Zutritt
zu denselben erschwerte. Diesem Uebelstande wurde durch
die Verengung’ des Bohrlochs auf 4 cm alsbald vorgebeugt;
die Ausströmung der nicht verwendeten Kohlensäure wurde
zurückgehalten und hierdurch offenbar die Nachhaltigkeit der
Quelle gesichert. Grade diese Nachhaltigkeit und die auf
die Verwendung der natürlichen Kohlensäure begründete In¬
dustrie veranlasste im verflossenen Jahre (1891) konkurrirende
Unternehmer zu einer Bohrung auf Kohlensäure auf einem
benachbarten Grundstücke in nur 38 m Entfernung von dem
R.’schen Bohrloche. Der Erfolg dieser Bohrung war ein be¬
deutender, indem schon nach zweimonatlicher Bohrthätigkeit
bei einer Tiefe von 60 m des 21 cm weiten Bohrloches im Au¬
gust v. J. ein mächtiger Sprudel bis zu einer Höhe von ca. 9 — 14 m
emporgeschleudert wurde, welcher ein beträchtlich höheres
Wasser- und Kohlensäurequantum als die im Jahre 1883 er-
bohrte Quelle der Firma R. enthielt. Nach einer Schätzung
belief sich das aus dem Bolirloche abfliessende Wasser auf
1,25 — 1,5 cbm per Minute, was unter Zugrundelegung desselben
Verhältnisses an freier Kohlensäure in demselben wie bei dein
ersten R.’schen Bohrloche im Jahre 1883 bei einem Wasser¬
quantum von mindestens 2000 cbm in 24 Stunden ca. 6000 cbm
Kohlensäure ergab.
Die unmittelbaren Folgen dieses Bohrlochs-Ausbruchs,
43
welcher sich Monate hindurch in derselben Stärke erhielt,
äusserten sich zunächst:
1. durch eine bedeutende Verminderung von Kohlen¬
säure im Bohrloch aus dem Jahre 1883 und eine Verminderung1
des Wassers, welches überhaupt nicht mehr zum Ausfluss kam.
Das Wasser und die Kohlensäure waren zum grössten Theile
abgebohrt;
2. durch ein Versiechen einer zweiten Kohlensäurequelle
in der Strassburgerschen Kohlensäure-Fabrik und verschiedener
Brunnen, so auch des Gemeindebrunnens in Burgbrohl;
3. durch Ivohlensäure-Exhalationen, welche aus den ent¬
wässerten Schichten des Devons hervortraten, so dass die
trockene Kohlensäure in die Keller und Parterreräume der
Gebäude in Burgbrohl eindrang und sog'ar einen Todesfall
durch Ersticken eines Mannes in einem Keller herbeiführte.
Ausserdem wurden die im Herbste eingekellerten Knollenge¬
wächse, wie Rüben und Kartoffeln, durch die Einwirkungen
der Kohlensäure ungeniessbar.
Diese gemeinschädlichen Einwirkungen gaben die Veran¬
lassungen dazu, die weiteren Bohrarbeiten im öffentlichen Inter¬
resse unter polizeiliche Controle zu stellen.
Die polizeilichen Massnahmen stützten sich auf die bei
der ersten Bohrung im Jahre 1883 gemachte Erfahrung, dass mit
einer Verengung des Bohrloches Wasser und Kohlensäure in
den Spalten des Gebirges zurückgehalten wurden und die
auch damals in vermindertem Maasse hervorgetretenen gemein¬
schädlichen Einwirkungen beseitigt, mindestens wesentlich ab¬
geschwächt wurden. Es wurde daher zunächst eine Veren¬
gung des neuen Bohrloches der Unternehmer B. von 21 cm
auf 6 cm Durchmesser und gleichzeitig die Einstellung des von
den Gebrüder R. inzwischen in einer Entfernung von 30 m
von diesem Bohrloch neu angesetzten Bohrloches polizeilich an¬
geordnet.
Diese auf Grund einer Lokalbesichtigung am 9. Oktober
v. J. getroffene Anordnung hatte einen ziemlich unmittelbaren
Erfolg*, indem nach einer am 28. Oktober v. J. wiederholten
Besichtigung* bereits konstatirt werden konnte, dass das Wasser
aus dem neuen Bohrloche (B.) um 2/3 des früheren Quantums
abg'enommen hatte, während das Wasser in dein neuen Bohr¬
loche (R.) um 61cm gestiegen war; auch war die früher in
die Bleiweissfabrik eingedrungene Kohlensäure, welche den
Betrieb verhindert hatte, nur noch wenig* bemerklich. Die An¬
sicht, dass durch eine Verengung des Bohrloches der Auftrieb
der Kohlensäure mit dem Wasser gehemmt und dass es
44
hierdurch möglich wurde, das Wasser wieder in die Gebirgs-
spalten zurückzuführen, den unmittelbaren Austritt der Kohlen¬
säure in Gasform vermöge der Absorption durch das Wasser
zu verhindern und damit die schädlichen Einwirkungen zu be¬
seitigen, war somit bestätigt, und da ausserdem noch eine
weiteren Bohrung auf Kohlensäure unterhalb Burgbrohl be¬
gonnen war, so wurde nunmehr das Weiterbohren in sämmt-
lichen Bohrlöchern bis auf Weiteres wieder gestattet und Vor¬
behalten, bei dem Ausbruch neuer Quellen die Anordnung'
zur Verengung zu treffen.
Nach erfolgtem Weiterbohren fand eine weitere amtliche
Untersuchung am 16. December v. J. statt, wobei festgestellt
wurde, dass das R.’sche Bohrloch eine Tiefe von 112 m, das
Bohrloch von B. eine solche von 140 — 142 m erreicht hatte.
In dem ersteren Bohrloch stand das Wasser 27 m unter der
Bohrlochsölfnung und die trockene Kohlensäure hatte sich
um das 2 — 3 fache gegen früher vermehrt, während in dem
letzteren Bohrloch der ursprüngliche Sprudel mit derselben
Wasser- und Kohlensäuremenge noch empordrang'.
Da die gemeinschädlichen Einwirkungen inzwischen fort¬
gedauert hatten, so wurde nunmehr die Verengung' des Bohr¬
loches B. auf 6 cm mit dem Verbot des Weiterbohrens wieder
angeordnet, die Weiterbohrung im Bohrloche R. aber mit der
Maassgabe gestattet, dass bei dem Ausbruch einer Quelle die
Verengung' unmittelbar vorzunehmen war.
Die Einengung' des erwähnten Bohrloches wurde am
2. März v. J. bewirkt. Nach derselben stieg das Wasser im
benachbarten Bohrloch R. bis 33,5 m unter der Ausflussöffnung;
mit dessen Weiterbetrieb trat aber nun am 6. Mai d. J. Morgens
7 Uhr das Ereigniss ein, dass die Quelle im Bohrloch B. voll¬
ständig versiechte und es hatte einige Wochen hindurch den
Anschein, als wenn die kohlensauren Quellen in Burgbrohl ver¬
schwunden seien.
Nach der Versiechung wurden folgende Beobachtungen
gemacht. Die Kohlensäure im Bohrloch R. wies bei einer
Messung am G. Mai Morgens einen Druck von 27 cm, Mittags
einen solchen von 3 cm und Nachts einen solchen von 0 cm
Wassersäule nach.
Am 7. Mai d. J. war jede Kohlensäureausströmung im
Bohrloch R. verschwunden und der Wasserstand stieg von 39 in
am 5. Mai bis 19 m am 28 Mai d. J. unter der Ausflussöffnung
des Bohrloches.
An demselben Tage, also nach einem 3 wöchentlichen
Stillstand der Kohlensäure-Entwickelung aus den Gebirgsspalten,
45
erfolgte ein mächtiger sprudelartiger Wasser- und Kohlensäure-
Ausbruch aus dem 214 m tiefen R.’schen Bohrloch, welcher
zwar die Wasser- und Kohlensäuremenge des Bohrloches
B. bis jetzt nicht erreicht, diejenige des Bohrloches R. eaus
dem Jahre 1883 aber übertrifft. Vor der Fassung erhob sich
der Sprudel in einer Höhe bis zu 15 m bei einer Bohrlochs¬
weite von noch 15 cm.
Eine Messung ergab 1,2 cbm Wasser pro Minute, ent¬
sprechend 1728 cbm in 24 Stunden und unter der Annahme
desselben Kohlensäureverhältnisses wie bei den abgebohrten
Quellen, ca. 5000 cbm Ivohlensäuse in trockener Form in 24
Stunden = 2500 kg flüssiger Kohlensäure. Das Tiefste des
Bohrloches steht in einem thonigen blauen Schiefer.
Nach diesem Ausbruch trat im alten abgebohrten Bohr¬
loch R. und in den Kellern zunächst keine Kohlensäure mehr
auf; die B.’sche Bohrlochsquelle blieb versiecht.
Die Ursachen der Abbohrung dieser Quelle liegen wohl
zunächst in der Differenz der Bohrlochstiefen, welche 10 m be¬
trägt, um welche das R.’sche Bohrloch tiefer als das B.’sche
liegt; weiter aber in dem Umstand, dass das letztere Bohrloch
nicht verwahrt war, dass daher durch einen fast 8 monatlichen
permanenten Ausfluss in den ursprünglichen Bohrlochs-Dimen¬
sionen Nachfall des umgebenden Gebirgs eintrat, durch die zu
spät und nicht freiwillig erfolgte Verengung' aber eine gewisse
Erschöpfung* des Kohlensäure-Vorraths angenommen werden
muss. Zwei Umstände sprechen für diese Erschöpfung: einma
der erwähnte verminderte und schliesslich auf 0 reduzirte Druck
im alten Bohrloch am 6. Mai und das Steigen des Wassers im
neuen Bohrloch R. um 20 m innerhalb 10 Tagen. Nachdem mit
dem letzteren die Spaltenbildung für die Kohlensäure-Entwicke¬
lung in einer 10 m tiefem Lage als im Bohrloch B. erreicht
war, musste das Wasser in demselben sinken, dagegen wie
dies auch nachgewiesen ist, im Bohrloch R. steigen, der sprudel¬
artige Ausbruch konnte aber erst erfolgen, nachdem der Druck
der Kohlensäure so stark geworden war, dass der einer Wasser¬
säule von 20 Atmosphären entsprechende Druck überwunden
werden konnte. Am 28. Mai war der Gleichgewichtszustand
zwischen Kohlensäure und Wasserdruck überwunden und der
Ausbruch erfolgte.
Es hat den Anschein, als wenn es sich in der engen
Umgebung der beiden Bohrlöcher immer um denselben Ivohlen-
säure-Heerd und ein annähernd gleiches Wasserquantum, letzte¬
res bedingt durch das kesselartig ausgebildete Brohlthal und
das steile Einfallen der Schichten des Devons handelt, dass
4 6
daher hei weiterem Abbohren des weniger tiefen Bohrloches
das doppelte Kohlensäure- und Wasserquantum wohl nicht er¬
reicht werden kann; dagegen werden die weiter entfernt lie¬
genden Bohrlöcher, welche nicht unmittelbar mit der Spalten¬
bildung der Bohrlöcher R. undB. in Berührung kommen werden,
in grösserer Tiefe auf Kohlensäure, wenn auch nicht in dem
Maasse wie in Burgbrohl, rechnen können. Nach der Wieder-
anbohrung der Kohlensäure, und der langjährigen gleichblei¬
benden Entwickelung' in dem alten R.’schen Bohrloch kann
Burgbrohl und Umgebung als eines der reichsten Kohlensäure-
Gebiete in unserem rheinischen Devongebirge angesehen wer¬
den und wenn die Devonschichten hervorgehoben werden, so
muss auch bei den Bohrungen bei Burgbrohl betont werden,
dass die Kohlensäure nur aus diesen Schichten und nicht aus
dem auch in der Nähe vorhandenen Basalt hervortritt, dass die
vulkanische Thätigkeit daher nicht unmittelbar mit der Kohlen¬
säure-Entwickelung und nur insofern mit derselben im Zusam¬
menhang steht, als der gangartig hervortretende Basalt die
Devonschichten vielfach zerrissen und dadurch das Empordrin¬
gen der Kohlensäure aus grösseren Tiefen erleichtert hat.
Eine ähnliche Quelle wie die zu Burgbrohl ist neuerdings im
März d. J. am Victoriabrunnen zu Oberlahnstein erbohrt wor¬
den. Bei einer Tiefe von 200 in ist auch hier die Quelle mit
reichem Kohlensäuregehalt und einem Wasserquantum, welches
etwa dem in Burgbrohl erbohrten gleichkommt, sprudelartig
hervorgetreten. Die Wärme dieses Wassers beträgt 20° C.;
die des Wassers von Burgbrohl 17° C. Ueber den sonstigen
Gehait des Wassers in Oberlahnstein liegen Analysen noch
nicht vor.
Von Interesse dürfte es sein, die an anderen Orten er¬
bohrten Kohlensäuremengen mit denen von Burgbrohl in Ver¬
gleich zu ziehen.
Nach Bischof (chem. und physik. Geologie 1863) und
von Dechen (Beschreibung zur geölog. Karte der Rheinpro¬
vinz und Westfalen 1873) betragen die Kohlensäure-Quantitäten,
welche den nachfolgenden Quellen entströmen, in t = 1000 kg*
j ä h r 1 i c h :
Nauheim . 50 t
Pyrmont . 41,7 t
Meinberg . 67,7 t
Oevnhausen .... 146 t.
Das Bohrloch B. lieferte nach 8 monatlichem Ausfluss
= 109 t jährlich, die jetzt im neuen Bohrloch R. auf 91,25 t
zurückgegangen sind. Erwägt man die geringere Tiefe von
47
Burgbrohl gegen Oeynhausen, wo erst mit einer Tiefe von
1500' die Kohlensäure erbohrt wurde, so wird sich kaum be¬
zweifeln lassen, dass mit tieferen Bohrungen bei Burgbrohl
noch reichlichere Mengen von Kohlensäure erzielt werden.
In meinem Vortrage in der niederrhein. Gesellschaft vom
8. Juli 1888, wo ich die Gerolsteiner Bohrungen auf Kohlen¬
säure erörtert habe, habe ich bereits auseinandergesetzt, dass
die neuesten Erscheinungen und Resultate bei Erbohrungen
von Kohlensäure und deren reicheres Vorhandensein in grösseren
Tiefen die Ansicht bestärken müssen, dass die Kohlensäure
sich im Erdinnern in verflüssigter Form befinde und dass es
nur der Anbohrung an ihrem Heerde bedürfe, um bei der
Oeffnung der Spalten dieselbe in Gasform hervortreten zu
lassen, dass daher die Theorie der Entstehung der Kohlensäure
durch eine unmittelbare Zersetzung aus kohlensauren Salzen
zur Erklärung einer permanenten und massenhaften Ausströ¬
mung nicht mehr genüge. Diese Ansicht, verbunden mit der
Feststellung, dass die rheinischen Devonschichten nur wenig
kohlensaure Salze, namentlich Kalk enthalten, wird durch die
in Burgbrohl gesammelten Erfahrungen bestätigt, denn so ra¬
pide und anhaltende Kohlensäure-Entwickelungen können Hin¬
durch grosse Ansammlungen von comprimirter Kohlensäure im
Erdinnern erklärt werden.
Die Ansicht, dass die Kohlensäure aus den Urgesteinen,
namentlich aus Granit und ähnlichen plutonischen Felsarten
stamme, was durch die im Granit, Gneis, Labradorit und in
einer Reihe von Mineralien, wie Quarz, Bergkrystall, Amethyst,
Topas, Beryll etc. an manchen Stellen gefundenen sichtbaren
Tropfeinschlüsse und mikroskopischen Poreneinschlüsse von
flüssiger Kohlensäure zu begründen versucht wird, ist nach
dem jetzigen Stande der Kenntniss der Erbohrung von Kohlen¬
säure auch innerhalb des Rheinischen Devons nicht unbedingt
zu verwerfen, nachdem an einer Stelle desselben zwischen Aachen
und Montjoie durch den verstorbenen v. Lasaulx der Gra¬
nit innerhalb des Devons zu Tage tretend constatirt worden
ist, die Auflagerung der Devonschichten auf dem Granit daher
vorausgesetzt werden kann und die von Bischof angenom¬
mene Mächtigkeit der Devonschichten bis zu 30000' nicht
überall als richtig angenommen werden kann.
Aber auch nach dieser Theorie müsste der Kohlenstoff
zur Bildung der Kohlensäure im Urgestein vorhanden gewesen
sein; da dies aber mit der plutonischen Theorie schwer zu
vereinbaren ist, so kann wohl nur auf die in der Atmosphäre
vorhandene Kohlensäure zurückgegriffen werden, welche als
48
Ursprung für die verdichtete Kohlensäure im Gestein anzuneh¬
men sein würde. Ich möchte in dieser Beziehung nur an füh¬
ren, dass Li e big den in der jetzigen Atmosphäre vorhandenen
Kohlenstoff nach der darin befindlichen Kohlensäure auf 2800
Billionen Pfund, entsprechend einer Lage Kohlenstoff von 0,9(32
Linien Dicke um die ganze Erde gelegt und von einem Mehr¬
gewicht gegen das Gewicht von allen Pflanzen, welche die
Stein- und Braunkohlenlager der ganzen Erde zusammensetzen,
berechnet. Gewiss lässt sich der Kohlenstoffgehalt der jetzigen
mit der Atmosphäre zur Zeit der Urgesteine nicht vergleichen
und der Ursprung der Kohlensäure nach dieser Theorie bleibt
daher ebenso dunkel wie die Entstehung des in den Urgesteinen
gefundenen verdichteten reinsten Kohlenstoffes, des Diamanten.
Geheimer Bergrath Fabricius aus Bonn legte der Ver¬
sammlung den vor Kurzem vollendeten Probedruck von der
Sektion Wal deck -Cassel der Geologischen Karte der Rhein-
provinz, der Provinz Westfalen und der benachbarten Landes-
theile im Massstabe von 1/80ooo vor, durch welche das grosse,
von dem verstorbenen Wirklichen Geheimenrathe Dr. v o n
Dechen bearbeitete wichtige Kartenwerk nunmehr zum Ab¬
schluss gelangt ist. Diese 36. Sektion umfasst den östlichen
Theil des Fürstenthums Waldeck und den nördlichen Theil des
Preussischen Regierungsbezirks Cassel und ist im Vergleich
mit den übrigen Kartensektionen gegen Süden um einen 7 cm
breiten Streifen erweitert worden, um das in geologischer Be¬
ziehung wichtige Gebiet des Kellerwaldes mit zur Darstellung¬
bringen zu können.
Die Bearbeitung der topographischen Grundlage dieser
Sektion fand in den Jahren 1884 und 1885 auf Grund der be¬
sten Kartenwerke bei dem Königlichen Oberbergamte zu Bonn
statt, nach deren Vollendung Herr von Dechen mit Zustim¬
mung' des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten, welcher
für die Herausgabe einen beträchtlichen Staatszuschuss be¬
willigt hatte, die geologische Bearbeitung übernahm. Als im
Jahre 1887 der Stich der Karte seitens des lithographischen
Institutes zu Berlin beendet war, vermochte Herr von Dechen
in Folge einer schweren Erkrankung die geologische Bear¬
beitung nicht mehr auszuführen; sie wurde nunmehr von dem
Herrn Minister der Direktion der Königlichen Geologischen
Landesanstalt zu Berlin übertragen und in den folgenden Jah¬
ren von den Herren Landesgeologen Beyschlag, D e n c le¬
rn a n n, Kayser und Lep pla ausgeführt.
In geologischer Beziehung ergänzt diese Sektion im An-
49
Schluss an die benachbarte nördliche, bezw. westliche Sektion
Warburg (Nr. 14) und Berleburg (Nr. 18) die Uebersicht der
am östlichen Abfall des Bheinischen Schiefergebirges verbreite¬
ten Formationen des Zechsteins, der Trias und der in Verbindung
mit Basaltgesteinen verbreiteten Tertiärablagerungen; aus der
Bedeckung der jüngeren Formationen treten im südlichen
Tlieile die in der Lagerung vielfach gestörten Gesteine der
Devongruppe und des Kulm hervor, und bietet die Karte hier¬
durch besonderes Interesse.
Bezüglich der Bearbeitung- und Heraus g a b e
der Geologischen Karte der Rheinprovinz,
der Provinz Westfalen und der benachbar¬
ten Landestheile ist hier noch hervorzuheben, dass mit
dieser Arbeit im Jahre 1850 begonnen wurde, nachdem auf
den Antrag des damaligen Berghauptmannes Dr. von Dechen
zu Bonn der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten, von der II e v d t, hierfür einen sehr bedeutenden
Staatszuschuss bewilligt hatte. Der Stich der Karte erfolgte
unter Zug-rundelegung der Generalstabskarte im Maassstab von
Vsoooo seitens des lithographischen Institutes zu Berlin, die geo¬
logische Bearbeitung durch Herrn von D e c h e n unter Mit¬
wirkung vieler Bergbeamten und Geologen. Es erschienen
zuerst die Sektionen Dortmund und Wesel, welche von Herrn
von Deche n im Jahre 1855 vorgelegt wurden, als zu Pfing¬
sten die Generalversammlung unseres Naturhistorischen Ver¬
eins zum ersten Mal hier in Düsseldorf tagte. Nach dem ur¬
sprünglichen Plane sollte das Kartenwerk aus folgenden 34
Sektionen bestehen :
1.
Ochtrup.
13. Soest.
25.
Coblenz.
2.
Tecklenburg'.
14. Warburg.
26.
Wetzlar.
3.
Lübbecke.
15. Crefeld.
27.
Neuerburg.
4.
Minden.
16. Düsseldorf.
28.
Berncastel.
5.
Cleve.
17. Lüdenscheid.
29.
Simmern.
6.
Coesfeld.
18. Berleburg.
30.
Saarburg.
7.
Münster.
19. Aachen.
31.
Trier.
8.
Bielefeld.
20. Köln.
32.
Kreuznach.
9.
Höxter.
21. Siegen.
33.
Perl.
10.
Geldern.
22. Laasphe.
34.
Saarlouis.
11.
Wesel.
23. Malmedv.
«y
12.
Dortmund.
24. Mayen.
Im Jahre 1865
kam das Werk durch
Herausgabe der
Sektion Kreuznach zum Abschluss.
Im Jahre 1882 erschien dann als Ergänzung die von
Herrn von Dechen geologisch bearbeitete Sektion Wi e s-
4
50
baden (Nr. 35), für welche die topographische Grundlage bei
dem Königlichen Oberbergamte zu Bonn hergestellt worden
war, und wobei Herr von Dechen die von dem verstorbe¬
nen Landesgeologen Dr. Koch zu Wiesbaden bearbeiteten
Blätter der 25000 th eiligen Specialkarte von Preussen und den
Thüringischen Staaten benutzen konnte.
Als letzte Ergänzung dient nunmehr die vorher be¬
sprochene Sektion Waldeck - Cassel (Nr. 36).
Von den vorerwähnten Sektionen sind in zweiter Auflage
bereits die folgenden herausgegeben worden: Warburg, Cre-
feld, Lüdenscheid, Berleburg, Aachen, Köln, Siegen und Coblenz.
Ferner erschien zu dem grossen Kartenwerke im Jahre
1866 die von Herrn von Dechen bearbeitete Ausgabe der
geologischen Uebersichtskarte im Maassstabe von
Vsooooo» welcher im Jahre 1883 eine zweite Ausgabe folgte.
Für das Verständniss der Karte sind von besonderer
Wichtigkeit die von Herrn von Dechen verfassten E r-
läuterunge n, von welchen der im Jahre 1870 erschienene
I. Band die orog’raphische und hydrographische Uebersicht
jener Landestheile, und der im Jahre 1884 herausgegebene
II. Band die geologische und paläontologische Uebersicht ent¬
halten. Ausserdem wurde noch im Jahre 1872 als Heft II, Theill
die geologische und mineralogische Litteratur jener Landes¬
theile veröffentlicht.
Professor S ch a a f f h ausen legte einige vorgeschichtliche,
in der Nähe von Dorsten gefundene Steingeräthe vor, die ihm
vom Vorstande des dortig'en Vereins für Orts- und Heimaths-
kunde zug'esandt wurden. Es ist eine Lanzenspitze aus Feuer¬
stein, 21.8 cm lang und 4 cm in der Mitte breit, sie ist 50 Mi¬
nuten von Dorsten in der Marler Heide an einem Hügel aus¬
gegraben worden. Eine nahezu gleiche besitzt das Vereins¬
museum in Bonn, sie ist neben einer germanischen Aschen¬
urne auf der Wahner Heide gefunden. Von 2 undur chbohrten
Feuersteinbeilen ist das eine 1.60 cm lang, an der Schneide 73
mm breit, das andere 78 mm lang und 46 breit. Das erste ist
in Feldhausen auf dem Acker gefunden, das kleinere bei Um¬
grabung eines neuen Hügels an der Römerstrasse in der Marler
Heide. Dabei fand sich ein viereckiger schwarzer Schleifstein
aus Kieselschiefer, Lydit, er ist 89 mm lang und 39 breit. Zwei
kleine Pfeilspitzen , die eine aus Chalcedon , die andere aus
Feuerstein, sind fast dreieckig' mit breiten Flügeln, sie wurden
auf dem Acker bei Haus Hag'enbecke am nördlichen Lippeufer
gefunden Endlich befinden sich dabei noch 5 sogenannte Augen-
51
•steine aus römischen Gräbern auf dem Monterberge bei Calcar.
Es sind 3 schwarze und 2 weisse , sie bestehen aus Glasfluss.
Diese runden knopfförmigen, im Mittel 15 mm grossen Latrun-
culi , die bei uns am Rhein nicht selten sind , können auch
Spielsteine sein und sind auf Monumenten abgebildet, sie glei¬
chen unsern Steinen im Dambrettspiel. Auch dienten sie zum
Rechnen auf dem Abasus , das Pariser Museum besitzt einen
solchen. Sie waren endlich auch Stimmsteine. Ovid sagt uns,
Metamorph. XV 41, dass man bei Gericht mit weissen und
schwarzen Steinen abgestimmt habe, jene sprachen frei, diese
erklärten den Angeklagten für schuldig-. Unser Ballotiren mit
weissen und schwarzen Kugeln ist also ein alter römischer
Gebrauch.
Hierauf wurde die Sitzung dieses Tages geschlossen, und
die Theilnehmer versammelten sich, z. Th. mit ihren Damen,
zu dem gemeinsamen Mittagessen, das unter Trinksprüchen
und dem Absingen von ernsten und launigen Liedern einen
heiteren Verlauf nahm. Die spätem Nachmittagstunden waren
der Besichtigung- verschiedener Kunstsammlungen gewidmet,
und der Abend versammelte wieder eine grosse Zahl bei dem
Konzert in der Tonhalle.
Die Sitzung des folgenden Tages, 8. Juni, wurde bald
nach 9 Uhr eröffnet.
Privatdocent Dr. Rauff aus Bonn legte einige 30 Tafeln
vor, die zum ersten Bande einer allgemeinen Monographie der
fossilen Spongien gehören, und sprach über den Fossilisa-
tionsprocess derjenigen verkieselten Spon¬
gien, deren Hauptmasse jetzt aus Chalcedon
gebildet wird, während das Skelet darin aus
Kalkspath besteht, obschon das lebende Thier
ein rein kieseliges Gerüst besass. Der Chalce¬
don, der alle Lücken und Maschenräume zwischen dem Skelet¬
werke erfüllt und die ursprüngliche äussere Form des Schwam¬
mes gewöhnlich treu widergiebt, ist vielfach von einer solchen
Reinheit und Klarheit, dass man leicht glauben könnte, er
müsse bei seiner Infiltration jene Räume noth wendigerweise
leer gefunden haben. Dafür scheinen auch noch eine Reihe
andrer Gründe zu sprechen, wovon ich hier nur den Umstand
anführen will, dass die innere Structur des Chalcedons sich
sehr häufig von der Anordnung der Skeletbälkchen, die die
Maschenräume und' grossem Lücken umrahmen, insofern ab¬
hängig erweist, als seine Kryptokry Ställchen von dieser Um-
52
rahmung' aus in strahliger Anordnung nach der Mitte der Lu¬
mina gerichtet sind. Die Skeletbälkchen sind die Axen, um
die sich die feinen Chalcedonschichten in schaligem Aufbau
anlagern; sie wirken als Krystallisationscentren, wie die Fäden,
die man in auskrystallisiren.de Lösungen hängt. Wie gesagt
liessen sich auch noch eine Reihe andrer Erscheinungen,,
worauf ich in dieser vorläu f i g e n Besprechung des Gegenstan¬
des nicht eingehen will, dafür geltend machen, dass das Lücken¬
system zwischen dem Skeletwerke vor der Verkieselung wohl
leer gewesen sein müsse. Indessen ist das durchaus nicht der
Fall. Vielmehr waren die Maschenräume und Kanäle zwischen
dem Skelete stets vorher mit dem Schlamme des Meeresbodens,
auf dem die Thiere gelebt haben, gewöhnlich einem kalkigen
oder kalkig thonigen Sedimente, vollständig' erfüllt. Es hat
also durch die Fossilisation eine Umkehrung der Verhältnisse
stattgefunden. Das ursprünglich kieselige Gerüst der Spongien
ist in Kalkspath, das kalkige Sediment in reinen Kiesel umg'e-
wandelt worden.
Die Vorgänge, wodurch diese Pseudomorphosen bewirkt
wurden, sind in Kürze folgende :
Nach dem Tode des Thieres und der Verwesung der
Weichtheile wurde das kieselige Skelet allmählich in dem
schlammigen Boden des Meeres begraben, wobei der flüssige
Schlamm in alle Kanäle und auch in die ganz feinen Lücken
zwischen dem Gerüstwerke eindrang“ und dessen Bälkchen und
Glieder gleichmässig dicht umhüllte.
Nach und nach verhärtete das Sediment zu Gestein.
Das Gestein wurde von Lösungen durchzogen, die das-
ursprüngliche Kieselskelet vollständig auslaugten, das kalkige
Sediment aber ganz unberührt stehen liessen. So entstand an
Stelle des Kieselskelets ein zusammenhängendes System feiner
Röhrchen, die die formalen Verhältnisse des Skelets mit allen
Verzierungen und Feinheiten auf’s schärfste bewahrten.
Später wurden diese Hohlskelete wieder mit Kalkspath
ausgefüllt, und nur, wenn erst nach diesem Acte eine Durch¬
tränkung des Gesteins mit kieseligen Lösungen erfolgte, kam
es unter bestimmten Bedingungen zur Bildung jener verkiesel-
ten Spongien, die in einer Grundmasse von klarem Chalcedon
das nun aus wasserhellem Kalkspathe bestehende Skelet, oft
in wunderbarer Schönheit der Erhaltung, einschliessen.
Diese Bedingungen wurden ganz besonders durch die
Hohlskelete geschaffen, oder doch beträchtlich vermehrt.
Wenn wir durch eine verkalkte Kieselspongie in einem
gewissen Stadium innerer Erhaltung, oder Umwandlung, einen
53
Schnitt legen, z. B. durch eine solche aus dem Malm Schwabens,
in der ein dichtes kalkig-mergeliges Sediment noch alle Lücken
und Maschenräume erfüllt, während das ursprünglich kiese-
lige Skelet in klaren Kalkspath umgewandelt worden ist,
so bemerken wir auf den Schnittflächen gewöhnlich, dass der
Mergel, der die stärkern Wasserkanäle ausfüllt, im allgemeinen
eine hellere Farbe besitzt, als das Sediment in den Maschen¬
räumen. Dieser Unterschied kann natürlich kein ursprüng¬
licher sein; es kann der Schlamm am Meeresboden nicht aus
zwei Theilen bestanden haben, wovon der eine Theil nur in
die stärkern Wasserkanäle, der andre — und wie wir sogleich
sehen werden, ist es sogar der gröber krystallinisch ausgebildete
Theil — in die feinen und feinsten Lücken zwischen dem Gerüst¬
werke gedrungen wäre. Vielmehr ist diese Scheidung des Se¬
dimentes in zwei Antheile secundär. Untersuchen wir, worauf
der Unterschied beruht, so finden wir, dass der auf den Schnitt¬
flächen bei auffallendem Lichte dunkler erscheinende Theil eine
höhere krvstallinische Ausbildung erfahren hat; in Dünnschliffen,
also in durchgehendem Lichte erweist er sich nämlich als der
hellere, reinere, in Summa aus gröberen Kalkspathkry Ställchen
bestehende und an undurchsichtigen Tliontheilchen ärmere
Antheil. Diese Aufhellung des kalkig-mergeligen Sedimentes
ist um so stärker, je weiter der secundäre Krystallisations-
process vorgeschritten, je höher der krystallinisch e Zustand ge¬
worden ist. r
Der Uebergang erfolgt in derselben Weise, wie sie Lo-
retz1) für den Dolomit kennen gelehrt hat. Das Gestein
zerfällt bei der Aufhellung in zwei Theile, wovon der eine
mehr mikrokrystallinisch, der andre mehr makrokrystalliniscli
ist; beide zusammen guppiren sich zu oolithisclien Structuren
(„versteckt oolithisch“, „oolithoidisch“, „deutlich oolithisch“), die
schliesslich zur vollständigen Umwandlung in reinen Kalkspath
(körnigen Kalk) führen können.
Die Theorie jedoch, die Loretz zur Erklärung dieser
Structuren aufgestellt hat, kann auf die in Rede stehenden ver¬
kalkten Schwämme und Schwammkalke jedenfalls nicht ange¬
wandt werden, wie ich an andrer Stelle zeigen werde. Ich
glaube aber weiter nach eingehenden Untersuchungen an Kal¬
ken und Dolomiten, dass sie überhaupt unhaltbar ist.
In den verkalkten Schwämmen hat das Sediment seine
höhere krystallinische Ausbildung und mehr oder weniger oo-
1) Untersuchungen über Kalk und Dolomit. Zeitschr.
d. Deut. Geol. Ges. Bd. 30. 1878. S. 387; Bd. 31. 1879. S. 763.
54
lithoidische Natur erst nach seiner Verhärtung' erlang't (durch¬
innere Umlagerung') und zwar in Folge C02-haltiger Gewässerr
die das Gestein durchzogen. Der Krystallisationsprocess schrei¬
tet noch immer fort, oder kann doch noch fortschreiten und die
endliche Umwandlung dichten Kalksteins in körnigen Kalk, resp.
in grössere oder kleinere Partien körnigen Kalkes herbeiführen.
Ganz besonders auffallend habe ich den Gegensatz zwi¬
schen dem in Dünnschliffen aufgehellten und nicht aufgehellten
Sedimente an Stücken gefunden, die ich auf den Feldern von
Hossingen in Schwaben (Weiss. Jura j') aufgelesen habe und
die wahre Spongienbreccien darstellen, bei denen Bruchstücke
verschiedenartiger verkalkter Kieselspongien durch einen dich¬
ten, mergeligen Kalk miteinander verkittet werden. Auf
Schnittflächen dieser Stücke heben sich die Spongientriimmer
zum grössten Theile sogleich durch dunklere (in Dünnschliffen
hellere) Farbe von dem lichtem (dunklern) Gesteine ab, das die
skeletlosen Lücken zwischen den Trümmerstücken erfüllt; d. h.
der Kalk ist in den Schwammfragmenten krystallinischer, lässt
deshalb mehr Licht in das Gestein eindringen und erscheint da¬
durch dunkler, während das dichtere Gestein in den skeletlosen
Lücken mehr Licht reflectirt.
Die ausgehöhlten Skelete waren es, die diese eigentüm¬
liche Abgrenzung der beiden Theile des Sedimentes, des bei
auffallendem Lichte hellen in den skeletfreien, des dunkeln in
den skelethaltigen Partien der Spongie, oder der erwähnten
Breccien verursacht haben. Sie haben in erster Linie die ver¬
mittelnde Rolle bei der Gesteinsumwandlung gespielt, indem
ihre engmaschigen Rohrnetze nicht nur bevorzugte Leitungs¬
bahnen für die circulirenden Meteorwässer, sondern auch kleine
Speicherräume dafür bildeten. Die skelethaltigen Partien wer¬
den schon an und für sich eine grössere Aufnahmefähigkeit
für Flüssigkeiten besitzen, als die skeletfreien; denn schon
durch jenes Rohrnetz vermögen sie mehr Wasser zu fassen,
als die andern. Aber auch der sedimentäre Ausguss zwischen
dem Skeletwerke wird sich leicht capillar vollsaugen, weil er
gewissermassen in zahlreiche sehr kleine, und wegen ihrer
Kleinheit leicht durchtränkbare Gesteinskörperchen (nämlich
die Maschenraumausfüllungen), die alle von speisenden Zuleitun¬
gen eng umrahmt werden, zerlegt worden ist. Deshalb, und weil
das Spiel capillarer Bewegungen in den skelethaltigen Partien
lebhafter sein wird, als in den andern, wird die Gesteinsum¬
wandlung in erstem schneller geschehen, als in letztem. Auch
dann wird das noch der Fall sein, wenn die Hohlskelete be¬
reits wieder mit Kalkspath ausgefüllt worden sind, oder auch..
00
I
wenn vielleicht in dem Maasse, als die ursprüngliche Kiesel¬
säure des Skelets gelöst wurde, Kalkspath sogleich dafür zum
Absatz gelangte. Diese Kalkspatherfüllung der Gerüstbälkclien
hebt, wie sich nachweisen lässt, die leichtere Wassercirculation
gegenüber dem dichten Sedimente nicht auf, da der klare ein-
filtrirte Kalkspath von zahlreichen, relativ groben Rissen an
Spaltungsflächen und Korngrenzen durchzogen wird.
Je weiter die Umwandlung des Sedimentes zwischen den
Skeletbälkchen fortschreitet, also je späthiger und grobkörniger
der Kalkstein wird, um so gröber werden aber auch diejenigen
Spaltrisse, die die Maschenerfüllung’ durchziehen und die Kalk¬
körnchen des Sedimentes trennen. Diese Auflockerung ist nun
für den Process der Verkieselung von grosser Bedeutung. Sie
ebnet den eindringenden Kiesellösungen die Wege und ver¬
anlasst zunächst überall dort die Verkieselung, wo das Ge¬
stein durch den secundären Krvstallisationsprocess eine Auf¬
hellung erfahren hat, d. h. in erster Linie in den aufgehellten
Maschenräumen zwischen den Skeletbälkchen. Die Kiesel¬
lösungen machen dagegen an der noch dichten, undurchsich¬
tigen Erfüllung der Wasserkanäle Halt, so lange ihnen die be¬
quemeren Wege zugänglich sind. Dies lässt sich an verkalkten
Spongien, wie auch an Korallen und andern Kalkversteine¬
rungen, die im allerersten Stadium der Verkieselung sind,
durch Aetzungen nachweisen.
Aber die structurelle Beschaffenheit des in der Umwand¬
lung begriffenen Sedimentes kann nur einer von mehreren
Factoren sein, denen gemäss die Verkieselung Platz greift und
fortschreitet. Denn wäre es der einzige Factor, so müssten
die verkalkten Skeletbälkchen in erster Linie von der Ver¬
kieselung mit ergriffen werden, da sie mit relativ grosskrystal-
linischem Kalkspathe erfüllt worden sind, der von groben
Spaltrissen durchsetzt wird. Wunderbarerweise aber bleiben
diese Kalkspathtrabekeln von der Pseudomorphose durch Kiesel
im allgemeinen ebenso unberührt, wie im Gegensätze zu ihnen
die dichte Erfüllung in den Wasserkanälen, sofern nur der
structurelle Unterschied zwischen dem aufgehellten Sedimente
in den Maschenräumen und dem Kalkspathe in den Tra¬
bekeln noch gross genug ist. Hat das Sediment aber einen
bestimmten Grad von Späthigkeit erreicht, ist es also der Tra¬
bekelerfüllung ähnlicher geworden, so verkieseln nun ohne
Unterschied Sediment und Skelet. Das Skelet muss dabei, so¬
bald sich in dem Sediment-verdrängenden Kiesel die Reinigung,
die wir sogleich noch kennen lernen werden, vollzogen hat,
verschwinden, obwohl es ja eigentlich nicht zerstört, sondern
56
aus der gleichen Substanz, woraus es ursprünglich bestand,
nun wieder hergestellt worden ist. Die so verwandelten Spon-
gien können in ihren äussern Formen vortrefflich erhalten
worden sein; ihr Inneres aber wird von einer klaren Chalce-
donmasse erfüllt, worin keine Spiculte mehr aufzufinden sind,
oder nur undeutliche und formveränderte Feste davon.
Wenn die Verkieselung einen gewissen Grad erreicht
hat, so erscheint das Sediment in den Maschenräumen zwar
ganz von Kiesel erfüllt, aber man kann seine ursprünglich kal¬
kige Natur noch klar darin erkennen. Der Kiesel ist dann
nämlich durchschwärmt von zahllosen Kalkspathkryställchen
und Körnchen, von dunkeln Thonpartikelchen und Mineral-
theilchen, die ihm eine schmutzig trübe Beschaffenheit geben.
Je weiter aber die Pseudomorphose fortschreitet, um so mehr
verschwinden die Körnchen durchsichtigen Kalkes und der un¬
durchsichtigen Stoffe, und der anfänglich trübe Kiesel g'eht all¬
mählich in reinen, hellen, klaren Chalcedon über, worin das
aus wasserhellem Kalkspathe bestehende Skelet in vortreffli¬
cher Erhaltung sich abhebt.
Fragt man nach Ursachen, die dieses verschiedene Verhalten
des einfiltrirten Kiesels gegenüber dem Sedimente einerseits und
den Kalkspathtrabekeln andrerseits erklären würden, so kann
man solche, wie ich glaube, nur in der abweichenden chemi¬
schen Zusammensetzung der beiden kalkigen Gebilde, des ver¬
kalkten Skelets und der Maschenausfüllung dazwischen, finden.
Alles scheint mir nach meinen Untersuchungen darauf hinzu¬
deuten, dass es die Thonerdesilicate des Sedimentes sind, und
wohl auch die in allen Kalksteinen vorhandenen überaus winzigen
Quarzkrvställchen, die den einfiltrirten Kiesel begierig an sich
reissen. Auf die Thonerdepartikelchen, womit wir überhaupt
die dunkeln Mineralkörnchen des Sedimentes bezeichnen wollen,
wirkt die Kieselsäure zweifellos zersetzend, da man jene Körn¬
chen bei der erwähnten spätem Läuterung des Chalcedons
immer mehr und mehr verschwinden sieht. Bei dieser Zer¬
setzung, wobei eine relativ leicht lösliche Thonerdeverbindung
in Lösung gehen und weggeführt worden wird, dürfte Kiesel¬
säure auf den Thontheilchen abgeschieden werden. Hierdurch
werden diese, wie die schon vorher vorhandenen Quarzkryställ-
chen zu zahllosen Ansatzpunkten für den auskrystallisirenden
Chalcedon werden, zu bevorzugten Haftpunkten dafür, von
denen aus, bekannten Attractionswirkungen bei der Krystall-
bildung g'emäss, die Fortwachsung des Kiesels erfolgt. Jeden¬
falls sieht man vielfach in einem noch frühen Stadium der
Verkieselung die Thonpartikelchen als Krystallisationscentren
des Chalcedons. Wo aber Thonerdesilicate und Quarzkörnchen
fehlen, wie in der Kalkspatherfüllung der Skeletbälkchen, da
dringt die Verkieselung nicht vor. (Ausnahmen immer abge¬
rechnet, die besonders begründet werden können.)
Zugleich muss aber neben jenen chemisch-petrographi-
schen Eigenschaften ein gewisser Grad von Permeabilität des
Gesteines vorhanden sein, damit die kieseligen Lösungen das
Sediment leicht durchtränken und verdrängen können. Diese
Permeabilität aber wird durch die Wirkung der ausgehöhlten
Skelete ganz besonders gefördert. Wo sie nicht ausreicht, wie
in den dichten Gesteinsausfüllungen der stärkern Wasserkanäle,
da werden auch der Verkieselung grössere Schwierigkeiten
entgegengestellt.
Während der allmählichen Verdrängung der Kalkkörn¬
chen und der Zersetzung der Thontheilchen durch immer neu
zugeführte Kiesellösungen muss auch in dem schon abgesetzten
Chalcedon noch eine beständige Bewegung und Umlagerung
stattfinden, die es bewirkt, dass endlich, ivie oben erwähnt, die
Kryptokryställchen des gereinigten klaren Chalcedons in den
Maschenräumen sich den umrahmenden Trabekeln gemäss an¬
ordnen, auf deren Grenzflächen etwa senkrecht stehen und
concentrische Zonen um einander bilden. Die letzten un¬
gelösten und feinsten Staubtheilchen werden bei dieser Um¬
lagerung des Kiesels gewöhnlich in die Mitte des ausgefüllten
Maschenraumes geschoben, so dass ein centrales Feld darin
etwas stärker gefärbt ist.
Zahlreiche Konsequenzen ergeben sich aus den vorstehen¬
den Beobachtungen und Darlegungen, die eine Reihe bisher
räthselhafter Erscheinungen an verkalkten und verkieselten
Spongien in einfachster Weise zu erklären vermögen. Auch
für das Verständniss der Feuersteinbildungen ist unsere Theorie
der Verkieselung von Bedeutung. Aber keineswegs will ich
der öfter gemachten Annahme das Wort reden, dass Feuer¬
steinbildung mit Ablagerungen von Spongien, oder überhaupt
von kieseligen Organismenresten immer unmittelbar mit einander
verknüpft wäre, und beide sich gegenseitig* bedingen. Das ist
nicht der Fall.
Derselbe Redner legte später noch Dachschiefer aus dem
Kulm Thüringens und Mährens vor, auf deren Schieferflächen
eigenthümliche, mäandrisch gewundene und verschlungene Fi¬
guren sichtbar sind, die unter dem Namen Vexillum, Däda-
lus, Dictyodora, Paläochorda, Crossopodia, Nemer-
tites u. s. w. verschiedenartige Deutungen als Organismen-
58
reste1) erfahren haben, die aber, wie Redner an mikroskopischen
Präparaten und Zeichnungen nachwies, lediglich innern Stau¬
chungen ihre Entstehung verdanken. Die Kurven und Schlingeen
axvf den Schieferflächen sind nur die Durchschnitte einer Art
von gewundenen Ablösungsflächen, die das Gestein quer gegen
die Schieferung' durchsetzen. Sie bezeichnen eine schmale
Grenzzone, worin zwei gegeneinander gepresste Partieen des.
Gesteines unter einem gleichzeitig auflastenden hohen Drucke
sich innerlich und besonders wirksam mechanisch umformten.
Eine durch Tafeln erläuterte Arbeit über diesen Gegen¬
stand wird im Neuen Jahrbuche für Mineralogie, Geo-
gie und Paläontologie erscheinen.
Herr Rektor E. Lienenklaus aus Osnabrück machte eine
kurze Mittheilung über die Ostracoden des nordwest¬
deutschen Tertiärs. „Die Ostracoden oder Muschelkrebse
bilden bekanntlich eine Ordnung der Crustaceen. Sie fallen
bei oberflächlicher Betrachtung auf durch ihre geringe Grösse
und ihr zweiklappiges Gehäuse. Ihre Grösse , wenigstens die
der lebenden und der jüngeren fossilen , schwankt etwa zwi¬
schen 1ji und 2 mm. Die Schale hat äussere Aehnlichkeit mit
der der Pelecypoden; sie besteht aus zwei seitlichen Klappen,
welche auf dem Rücken des Thieres durch eine Art Schloss und
ein Ligament zusammengehalten werden.
Fossile Ostracoden kommen nun in fast allen Versteine¬
rungen führenden Schichten vor, stellenweise sogar in grosser
Zahl; sie sind jedoch noch verhältnissmässig .wenig bekannt.
Was ihr Vorkommen speciell im Tertiär angeht, so hat bis jetzt
das Wiener Becken die grösste Zahl von Arten geliefert; aus
demselben kennen wir durch Reuss 90 Species, aus dem Ter¬
tiär von Frankreich und Belgien durch Bosquet 83, aus dem¬
jenigen Englands durch R. Jones 50 Species. Aus unserm
nord westdeutschen Tertiär kannte man bislang* kaum 40 Arten.
Die wichtigste hierher gehörige Arbeit ist diejenige von Speyer
über die Ostracoden der Kasseler Tertiärbildungen vom Jahre
1863. Speyer beschreibt darin 35 Species von Kassel, von
welchen jedoch einige einzuziehen sind.
Ich habe nun seit einig'er Zeit meine Aufmerksamkeit den
1) Noch ganz neuerdings durch E. Zimmer mann:
Dictyodora Liebeana (Weiss) und ihre Beziehungen
zu Vexillum (Rouault), Palaeochorda marina (Geinitz)
und Crossopodia Henri ci (Geinitz). Sonderabzug aus
dem 32. — 35. Jahresbericht der Gesellschaft von Freunden der
Naturwissenschaften in Gera. 1892.
59
Ostracoden nnsers Tertiärs zugewandt und hoffe, die Resultate
meiner Beobachtungen in nächster Zeit veröffentlichen zu kön¬
nen. Nach denselben weist unser nordwestdeutsches Tertiär
etwa 80 Ostracoden-Species auf. Allein das Ober-Oligocän des
Dobergs bei Bünde lieferte mir an 50 Arten, das Unter-Oligocän
etwa 25, das Miocän etwa 18 Species , das Mittel-Oligocän nur
einige wenige Arten.
Bei der Untersuchung des Schliessmuskeleindrucks auf
der Mitte der Klappe ist mir ein Unterschied aufgefallen , der
für die oft schwierige Bestimmung der Gattungen wie auch der
Arten von Bedeutung sein dürfte. Ich will Sie hier mit den
Einzelheiten verschonen und nur soviel erwähnen, dass die An¬
ordnung und Gestalt der durchscheinenden Flecken in diesem
Muskeleindrucke bei den einzelnen Gattungen und theilweise
auch bei den Arten eine verschiedene ist. Besonders inter¬
essant ist dieselbe bei der Gattung’ Cytherella. Hier hat der
ganze Eindruck ein federartiges Ansehen , indem eine durch¬
scheinende Längslinie sich von oben nach unten hindurchzieht,
von welcher dann ebensolche Querlinien nach beiden Seiten
hin abzweigen und so das ganze Feld der Schliessmuskelnarbe
in zwei Reihen von länglichen Feldern tlieilt , deren Zahl bei
den einzelnen Arten verschieden ist. Näheres hierüber hoffe
ich an einem andern Orte mitzutlieilen.“
Professor Bertkau aus Bonn berichtete über den Bau
der Giftdrüse einheimischer Spinnen. In der ganzen
Ordnung der Spinnen, soweit bis jetzt bekannt, ist die Giftdrüse
übereinstimmender gebaut, als es z. B. bei demselben Organ
in der Familie der Ameisen der Fall ist. Gewöhnlich stellt die
Drüse einen länglichen, zum Theil im Ceplialothorax, zum Theil
im Basalglied der Oberkiefer gelegenen Sack dar, dessen Aus¬
führungsgang an der convexen Seite vor der Spitze des Klauen¬
gliedes der Oberkiefer in einen feinen Spalt ausmündet.
Bei einer unserer grossem Arten, Atypus, ist die Drüse winzig
klein und liegt ganz an der Spitze des Basalgliedes, dicht an
dem Klauengliede; bei Scytodes anderseits liegt die ungewöhnlich
grosse Drüse ganz im Ceplialothorax, und nur der Ausführungs¬
gang tritt in den sehr kleinen Oberkiefer ein; hier besitzt sie
2 Lappen, während sie bei Filistata viellappig ist. Die Epithel¬
zellen sind gewöhnlich sehr schmal und hoch und ordnen sich bei
Atypus so an, dass eine zusammengesetzte Drüse entsteht ; bei
Scytodes sind die Epithelzellen sehr flach, breit und niedrig.
Die Muskeln, welche die Drüse umgeben, sind bei Scytodes in
geringer Zahl und unregelmässiger Anordnung vorhanden;
60
bei den meisten unserer Arten aber bilden die Muskelfasern
ein in regelmässigen Windungen die Drüse umgebendes Ge¬
flecht. Das Secret der Giftdrüse ist eine Einweisssubstanz und
bei den meisten unserer einheimischen Arten von schwacher
Wirkung, so auch bei der südeuropäischen Tarantel; am
schmerzhaftesten von einheimischen Arten ist der Biss von
Chiracanthium nutrix, die am Rochusberge bei Bingen vor¬
kommt; L. Koch fand auch den Biss der im Wasser lebenden
Argyroneta aquatica sehr schmerzhaft.
Realgymnasiallehrer F arwick aus Viersen machte einige
Bemerkungen über dieThierwelt des Vier sener Gebietes
und Umgegend (Kreis Gladbach). Wir heben daraus hervor
das häufige Vorkommen von der Fischotter, Lutra vulgaris, im
Niersbruche. Hierbei wurde die Zähmung von jung einge¬
fangenen Fischottern durch den Wirth und eifrigen Thierbeob¬
achter Hax in Clörath erwähnt. Derselbe führte dieselben im
Freien umher. Mus rattus, die Hausratte, ist in der Stadt Vier¬
sen selbst gar nicht selten. Sie bewohnt die Bodenräume, be¬
sonders der Stallungen. Der Hamster, Cricetus frumentarius,
hält sich im Nachbarkreise Erkelenz auf. Sturnus vulgaris,
der Staar, überwintert im Niersbruche. Phasianus colchicus,
der gemeine Fasan, hat sich zur Freude der Nimrode im Bruch¬
bezirke vollständig eingebürgert, södass ein reichlicher Ab¬
schuss bereits gestattet ist. Die südwesteuropäische Helix ad-
spersa, eine nahe Verwandte der Weinbergsschnecke, ist in den
Gärten hinter dem Realprogymnasium vertreten. Sphodrus
leucophtalmus, eine seltene Laufkäferart, hält sich in Kellern
im nördlichen Stadttheile auf. Cladius difformis, eine Pflanzen¬
wespe, die gewöhnlich auf der'Rose vorkommt, trat verheerend
auf Erdbeerpflanzen auf. Der Nonnenspinner, Liparis monacha,
zeigte sich im vorigen Jahre in Menge auf den Kiefernbeständen
des hohen Busches. Chrysops caecutiens, die Goldaugenbremse,
bewohnt zahlreich das Bruchgebiet und belästigt den Spazier¬
gänger durch ihren sehr empfindlichen Stich. Die Cicade,
Cercopis sanguinolenta, ist eine häufige Erscheinung im Ge¬
biete. — Im Anschlüsse hieran legte der Vortragende die beiden
von ihm verfassten Tafelwerke in Chromodruck „Wucher- und
Schmarotzerpflanzen, deren Vertilgung behördlich angeordnet
ist“ — „Nützliche Vogelarten nebst ihren Eiern, deren Schutz
angeordnet ist“, beide im Commissionsverlag von Wolfrum in
Düsseldorf, der Versammlung vor.
Den Schluss bildete ein V ortrag des Direktors F r a u b e r g e r,
der die Anwendung von Formen der Pflanzen- und der Thier-
61
weit auf das Kunstgewebe in den verschiedenen Zeiten, bei
den verschiedenen Völkern und in jeglichem Zweige des Kunst¬
gewerbes zunächst im allgemeinen erörterte und dann an einer
Anzahl von seltenen Proben der überaus reichen Textilsamm-
lung des Central-Gewerbevereins zur Anschauung brachte.
Er legte den ältesten Stoff aus den Pyramiden von Gizeh. ge-
woben etwa 3000 Jahre vor Christi Geburt, ein Gewebe von
der Mumie der Königin Makeri aus der 21. Dynastie, welche
etwa um 1100 vor Christi Geburt herrschte, vor, an dem ein
Skarabäus broschirt war, sowie verschiedene prächtige Ge¬
wandtheile und eine tunica inconsutilis aus den reichen Gräber¬
funden von Achmim. Fast alle enthielten prächtige Darstellungen
einheimischer Pflanzen und Thiere. Ebenso gaben die mittel¬
alterlichen Stoffe aus Almeria, Palermo und Lucca Belege ab
für die Vorliebe, Pflanzen- und Thierformen zu benutzen.
Auch reiche Brocate aus der Renaissancezeit und Prunkgewebe
aus der Barock- und Rococozeit verdanken ihre Muster den
Formen, welche die Natur in unversiechbarer Fülle darbietet.
Der Redner empfahl sonst in seinen Vorträgen den Handwer¬
kern, von dem reichen Vorbilderschatz der Natur für die
Verzierung der gewerblichen Erzeugnisse den ausgiebigsten
Gebrauch zu machen; diesmal empfahl er den Naturforschern,
an den kunstgewerblichen Erzeugnissen zu prüfen, in welch
ausgiebiger Weise die Vergangenheit sich der Naturformen
zum Schmücken kunstgewerblicher Gegenstände bedient hat.
Hiermit war die Tagesordnung dieser Sitzung erschöpft,
und der Vorsitzende schloss den wissenschaftlichen Theil der
49. Generalversammlung mit dem Ausdrucke der Hoffnung'
auf ein zahlreiches Erscheinen bei der 50. Versammlung im
nächsten Jahre in Bielefeld.
Der Nachmittag wurde wieder zur Besichtigung ver¬
schiedener Sehenswürdigkeiten verwandt, unter denen nament¬
lich die neuen Hafenanlagen, die Elektricitätswerke der Stadt
und die Conchylien- und Käfersammlung der Herren Löb-
becke und Landgerichtspräsident Witte eine besondere An¬
ziehungskraft ausübten.
62
Berichtigung.
Die Angabe auf S. 28 des Korrespondenzblattes, dass an
Werthpapieren am Schlüsse d. J. 1891 dieselben Bestände wie
1890 vorhanden waren, ist dahin zu berichtigen, dass die
Köln - Mindener - Prioritäts - Obligationen über 1100 Thlr. oder
3300 M. (Zeile 4. v. o.) gegen 3300 M. 3V2 % Preuss. konsolid.
Staatsanleihe von 1890 umgetauscht sind.
Korrespondenzblatt
j\£ a.
Verzeichniss der Schriften, welche der Verein
während des Jahres 1892 erhielt.
a. Im Tausch:
Von der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes in Alten¬
burg: Mittheilungen (N. F.) V.
Von der Königlich preussischen Akademie der Wissenschaften
in Berlin: Sitzungsberichte. 1891. XLI — LIII; 1892. I — XL.
Von der Deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin: Zeit¬
schrift. XLII1. Heft 3. 4; XL1V. Heft 1. 2.
Von dem Preussischen Gartenbau verein in Berlin (Verein zur
Beförderung- des Gartenbaues in den König]. Preussischen
Staaten): Verhandlungen. 1892. Gartenflora. 41. Jahrg.
Von dem Entomologischen Verein in Berlin: Berliner Entomo-
logische Zeitschrift. 1891. 2. Heft; 1892. Heft 1, 2, 3.
Von der Deutschen Entomologischen Gesellschaft in Berlin:
Deutsche Entomologische Zeitschrift. 1891. Heft 2; 1892
Heft 1. 2.
Von der Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin:
Sitzungsberichte. Jahrg. 1891.
Von dem Meteorologischen Institut in Berlin: Abhandlungen.
Bd. I. Nr. 4. 5. Ergebnisse der meteorologischen Beobach¬
tungen i. J. 1891. Heft 2. 3; 1892. Heft 1.
Von dem Verein f. Naturwissenschaft in Braunschweig: Kloos:
Ueber die geologischen Verhältnisse des Untergrundes der
t
Städte Braunschweig und Wolfenbüttel mit besonderer Rück¬
sicht auf die Wasserversorgung.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein in Bremen : Abhand-
. lungen. Bd. XII. Heft 2.
Von der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in
Breslau: Neunundsechszigster Jahresbericht. J. Partscli:
Litteratur der Landes- und Volkskunde der Provinz Schle¬
sien, Heft 1 (Ergänzungsheft zum 69. Jahresbericht).
Von dem Verein für schlesische Insectenkunde in Breslau:
Zeitschrift. N. F. 17. Heft.
Von dem Naturforschenden Verein in Brünn: Verhandlungen,
XXIX. Bd. IX. Bericht der meteorologischen Commission.
/ 5
Von der Mährisch-schlesischen Gesellschaft für Ackerbau, Natur-
und Landeskunde in Brünn : Mittheilungen. 71. Jahrg. 1891.
Von der Königlich-ungarischen geologischen Anstalt in Buda¬
pest: Mittheilungen aus d. Jahrbuche. IX. Bd. 6. Heft; X. Bd.
Heft 1. 2. Földtani Közlöny. XXL Kötet, Füzet4 — 12; XXII.
Kötet, Füzet 1 — 4. Dritter Nachtrag zum Katalog der Biblio¬
thek. Jahrbuch für 1890.
Von der Redaction der Termeszetrajzi Füzetek in Budapest:
Termeszetrajzi Füzetek. XIV, Nr. 3. 4; XV, Nr. 1. 2. 3.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig: Schriften.
N. F. VIII. Bd. 1. Heft. Festschrift zur Feier des 150jälir.
Bestehens der Naturförsehenden Gesellschaft in Danzig am
2. Januar 1892 (2. Heft des VIII. Bandes).
Von dem Verein für Erdkunde in Darmstadt: Notizblatt (IV.
Folge), 12. Heft.
Von der Isis, Naturwissenschaftliche Gesellschaft in Dresden:
Sitzungsberichte u. Abhandlung-en. 1891. Juli— Dezember.
Von der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden
Jahresbericht, Sitzungsperiode 1891 — 1892.
Von der Pollichia, Naturwissenschaftlicher Verein der Rhein¬
pfalz: Festschrift zur 50jährigen Stiftungsfeier.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Emden: 76. Jahres¬
bericht.
Von der Physikalisch - medizinischen Societät in Erlangen:
t/ o
Sitzungsberichte. 24. Heft.
Von der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft in
Frankfurt a. M.: Abhandlungen. Bd. XVII. Bericht 1892. Ka¬
talog der Batrachier-Sammlung im Museum.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein in Frankfurt a. d. Ö.:
Helios: 9. Jahrg., Nr. 7 — 12; 10. Jahrg., Nr. 1 — 8. Societatum
litterae, 5. Jahrg., Nr. 9 — 12; 6. Jahrg., Nr. 1 — 10.
Von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in
Görlitz: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 67, Heft 2; Bd. 68,
Heft 1. 2.
Von dem Zoologischen Institut in Graz: Arbeiten. V. Nr. 1.
Von dem Verein der Aerzte in Steiermark in Graz: Mitthei¬
lungen. XXVII. Vereinsjahr 1891.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein von Neu-Vorpommern
und Rügen in Greifswalde : Mittheilungen. 23. Jahrg.
Von dem Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklen¬
burg- in Güstrow i. Meckl. : Archiv. 45. Jahr.
Von der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturfor¬
scher in Halle: Leopoldina, 1892, Nr. 1 — 22.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thü-
ringen in Halle : Zeitschrift. 64. Bd. Heft 4. 5. 6 ; 65. Bd. Heft
1. 2. 3.
Von dem Verein für Erdkunde in Halle: Mittheilungen. 1892.
Von der Naturhistorischen Gesellschaft in Hannover: 40. u. 41.
Jahresbericht.
Von dem Naturhistorisch-medizinischen Verein in Heidelberg:
Verhandlungen (N. F.), Bd. IV, Heft 5.
Von dem Siebenbürgischen Verein für Naturwissenschaften in
Hermannstadt: Verhandlungen u. Mittheilungen. XLI. Jahrg.
Von der Medizinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft in
Jena: Jenaische Zeitschrift, 26. Bd., Heft 3 u. 4; 27. Bd., Heft
1 u. 2.
Von dem Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg* in Innsbruck:
Zeitschrift des Ferdinandeums (3. F.), 36. Heft.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein für Schleswig-Holstein
in Kiel: Schriften. Bd. IX, Heft 2.
Von der K. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königs¬
berg: Schriften. 32. Jahrg. (1891).
Von dem Botanischen Verein in Landshut: Zwölfter Bericht.
Ton der Bibliothek der Universität in Leipzig: 37 Dissertationen,
nämlich: E. P. Knothe: Bestimmung aller Untergruppen der
projektiven Gruppe des linearen Komplexes. — J. Hartmann:
Die Vergrösserung des Erdschattens bei Mondfinsternissen. —
F. V. Droelshauvers-Dery : Grundlage einer neuen Methode
der Schallstärkemessung. — F. Hausdorff: Zur Theorie der
astronomischen Strahlenbrechung. — M. Strahl- Schroeder :
Ueber Wasser- und Luftkapazität einiger Bodenarten. — A.
Puricelli: Ueber den wirthschaftlichen Erfolg der Düngung
auf Böden von verschiedener natürlicher Fruchtbarkeit. —
E. Massute: Das Dörr-Gemüse in seiner volkswirtschaftlichen
Bedeutung*. — W. Thiel: Ueber Derivate der Campholen-
säure. — K. Peters: Ueber die Einwirkung* von Dinatrium-
alonsäureester auf 2 x 5 — Dibromnormahexan. — E. Sattler:
Ueber die Condensation von Chloral mit Autophenon. — P.
Offenhauer: Ueber Halogensubstitutionsprodukte des norma¬
len Butans, des a- und ß-Butylans. — Th. Kircheisen: Ueber
die Condensation von Acuton und Chloral. — R. P. F. Matz:
Ueber die Einwirkung* von Schwefelsäure auf Benzilsäüre. —
R. Revher: Ueber die Bromirung* des Kampfersäureanhydrids
und der Kamphersäure und über die Oxydation der Kamphan-
säure. — M. Schmidt: Ueber die Einwirkung schwefeliger
Säure auf Isonitrosoverbindungen. — P. Kraus: lieber die
Synthese und Konstitution der Brenzterebinsäure. — A. Win¬
ter: Zur Kenntniss des isocvansauren Allvläthers. — W,
Bersch: Ueber die Umsetzung von Oxvden und Hvdroxvden
schwerer Metalle mit Halogenverbindung der Alkalien. —
F. Rothenbach: Ueber die Doppelsalze der Vanadin- und
Wolframsäure. — M. Keuscher: Versuche des Aufbaues vier-
basischer organischer Säuren der Fettreihe aus einigen mo-
nohalogenirten zweibasischen vermittelst molekularen Silbers.
— L. Hartung: Zur Kenntniss des Hexamethylenamins. —
C. Lauenstein: Untersuchungen über die innere Reibung
wässeriger Natronsalzlösungen organischer Säuren. — K. Barth :
Beiträge zur Kenntniss der komplexen Salze der schwefligen
Säure. — R. Bach: Thermochemie des Hydrazins nebst einer
Bemerkung über die Molekularrefraktion einiger Stickstoffver¬
bindungen. — E. Looft: Ueber die rohen Holzgeistöle und
das Ketomethylpentenylen. — D. Nissen: Ueber ß-Orthochlor-
benzaldoxim. — P. Waiden : Ueber die Affinitätsgrössen einiger
organischen Säuren und ihre Beziehungen zur Konstitution
derselben. — J. E. Trevor: Ueber die Mischung kleiner Disso¬
ziationsgrade. — H. Pfeiffer: Ueber Lösungen von begrenzter
Mischbarkeit. — F. Lafar: Bakteriologische Studien über
Butter. — E. Korn: Ueber Fortbildung der Arten durch Natur¬
triebe und Domestikation. — C. Stich: Athmung der Pflanzen
bei verminderter Sauerstoffspannung und bei Verletzungen. —
Th. Lange: Beiträge zur Kenntniss der Entwicklung der Ge-
fässe und Tracheiden. — C. Kohl: Das Auge von Petromyzon
Planeri und von Myxine glutinosa. — L. Böttger: Geschicht¬
liche Darstellung unserer Kenntnisse und Meinungen von den.
Korallenbauten. — N. Creutzberg: Untersuchungen über den
Bau und Entwickelung von Distomum oxycaudatum Vulp. —
G. H. Lehnert: Beobachtungen an Landplanarien.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Leipzig: Sitzungs¬
berichte. 17. u. 18. Jahrg.
Von dem Verein für Erdkunde in Leipzig: Mittheilungen. 1891.
Vom Ungarischen Karpathen-Verein in Leutschau: Jahrbuch..
XIX. Jahrg.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein in Magdeburg: Jahres¬
bericht und Abhandlungen. 1891.
Von der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Natur¬
wissenschaften in Marburg: Schriften. Bd. 12. 4. Abhandl.
Sitzungsberichte. 1891.
Von der Königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften
in München: Sitzungsberichte der mathem. -physik. Klasse.
1891 Heft- 3; 8192 Heft 1. 2.
Von der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in Mün¬
chen: Sitzungsberichte) VII. 2. u. 3. Heft; VIII. 1. Heft.
Ton dem Verein für Naturkunde in Offenbach : 20. — 02. Bericht.
Von dem Naturhistorischen Verein Lotos in Präg: Lotos (N. F.)
XII. Band.
Von der K. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag:
Abhandlungen (N. F.) Bd. IV. Jahresber. für 1891. Sitzungs¬
berichte, Mathem.-Naturvv. Klasse, 1891.
Von dem Verein für Natur- und Heilkunde in Pressburg: Ver¬
handlungen (N. F.) 7. Heft.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein in Regensburg*: Be-
o o
richte des Naturwissenschaftlichen Vereins. III. Heft für die
Jahre 1890—1891.
Von dem Entomologischen Verein in Stettin: Entomologische
Zeitung. 51. Jahrg. 1890. 52. Jahrg*. Nr. 1— 12. 53. Jahrg.
' Nr. 1 — 3; 4 — 6.
Von dem Verein für Erdkunde in Stettin: Jahresbericht 1889
bis 1891.
Von dem Verein für vaterländische Naturkunde in Württem¬
berg in Stuttgart: Jahreshefte, 48. Jahrg*. s
Von der Societa Adriatica di scienze naturali in Triest: Bolle-
tino, XXII, Parte 1. 2.
Von dem Naturwissenschaftlichen Verein des Harzes in Werni¬
gerode: Schriften. VI. Bd., VII. Bd.
Von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien:
Sitzungsberichte der mathem.-nat. Klasse. Abth. I, Bd. C, 1. —
7. H.; II a, Bd. C, 1.-7. H.; Ilb, Bd. C, 1.— 7. H.; III, Bd. C,
L— 7. H.
Ton der Kaiserlichen geologischen Reichsanstalt in Wien: Ver¬
handlungen, 1891, Nr. 15 — 18; 1892, Nr. 1 — 10. Jahrbuch, 1891,
Heft 2. 3; 1892, Heft 1.
Ton dem K. K. Naturhistorischen Hofmuseum in Wien. 1. Burg¬
ring: Annalen. Bd. VII, Nr. 12.
Von der K. K. geographischen Gesellschaft in Wien: Mitthei¬
lungen. 1891.
Von dem Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt¬
nisse in Wien: Schriften. 31. Bd.
Von der K. K. Zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien:
Verhandlungen. 1891. 3. u. 4. Quartal; 1892. 1. u. 2. Quartal.
Von dem Verein für Naturkunde in Nassau in Wiesbaden:
Jahrbücher des Nassauisclien Vereins für Naturkunde, Jahrg.
45.
Von der Physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Würzburg:
Verhandlungen (N. F.), XXV. Bd. Sitzungsberichte. Jahrg.
1891.
Von dem Verein für Naturkunde in Zwickau: Jahresber. 1891.
68
Von (1er Königl. Geologischen Landesanstalt und Bergakademie-
in Berlin: Mittheilungen, N. F., Heft 5—8. 11. 13. Abhand¬
lungen zur geol. Specialkarte, Bd. IX, Heft 3, nebst Atlas»
X, Heft 3. 4. Jahrbuch für 1889. 1890. Geologische Special¬
karte, Lief. 41 (8 Blätter), 44 (9 Bl.), 49 (4 BL), 50 (6 Bl.), 51
(4 Bl.), 54 (5 BL), 55 (6 BL), 56 (4 BL) nebst Erläuterungen.
Von der Naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg: Abhand¬
lungen. IX. Bd.
Von der Akademie der Wissenschaften in Krakau: Anzeiger»
1892. Nr. 1—10.
Von dem Musealverein für Krain in Laibach: Mittheilungen»
5. Jahrg. 1. u. 2. Abtheil. Izvestja muzejskega drustva za
Kranjsko. Drugi letnik.
Von der Geographischen Gesellschaft und Naturhistorischen
Museum in Lübeck: Mittheilungen (2. Beilie) Heft 3. Jahres¬
bericht des Naturhist. Museums in Lübeck f. d. J. 1891.
Von dem Wiener Entomologischen Verein in Wien: II. Jahres¬
bericht.
Von dem Verein der Naturfreunde in Reichenberg: Mitthei¬
lungen. 23. Jahrg.
Von der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft in Aarau r
Mittheilungen. VI. Heft.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Basel: Verhandlungen
der Naturforschenden Gesellschaft, Bd. IX, Heft 2.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Bern: Mittheilungen
a, d. J. 1891, Nr. 1265—1278.
Von der Schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Natur¬
wissenschaften in Bern: Neue Denkschriften, Bd. XXXII,.,
Abth. II. Verhandlungen, 74. Jahresversammlung.
Von der Naturforschenden Gesellschaft Graubündtens in Chur r
Jahresbericht (N. F.). XXXV. Jahrg.
Von derThurgauischen Naturforschenden Gesellschaft in Frauen¬
feld: Mittheilungen. 10. Heft.
Von der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft in
St. Gallen: Bericht über die Thätigkeit der Gesellschaft w. d»
J. 1889/90.
Von der Societe de physique et d’histoire naturelle in Genever
Memoires. Vol. supplem. Centenaire de la fondation de la.
Societe.
Von der Societe Vaudoise des Sciences naturelles in Lausanner
Bulletin (3. Ser.), Vol. XXVII, Nr. 105—108.
Von der Societe Murithienne in Sion (Valais): Bulletin des-
travaux de la Soc. Murithienne. Fase. XIX et XX.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich: Vierteljahrs-
Schrift, 3h. Jahrg\, Heft 2 — 4; 37. Jahrg., Heft 1. 2. Neuj ahrs¬
blatt auf das Jahr 1892. Generalregister der Publikationen
der Naturf. Gesellsch. in Zürich.
Von der Schweizerischen Botanischen Gesellschaft in Zürich:
Berichte. Heft 2.
Von der Academie royale des Sciences in Amsterdam: Verhan-
delingen. 29. Deel. Verslagen en mededeelingen, Afd. Letter¬
kunde (3. R.) 8. Deel; Afd. Natuurkunde (2. R.) 8. Deel. —
Jaarboek voor 1891. Veianius.
t
Von der Ecole polytechnique in Delft: Annales. Tome VII, Liv.
2. et 3. 4.
Von der Nederlandsehe Dierkundige Vereeniging in ’SGraven-
hage: Tijdschrift (2. S.), III, Aflev. 3. 4. Wet van de Nederl.
Dierk. Vereenig., vastgesteld 13. December 1891. Catalogus
der Bibliotheek (3. uitgave), eerste vervolg.
Von der Nederlandsehe Entofnologische Vereeniging in ’S Gra-
venhage: Tijdschrift, XXXIV, Aflev. 3. 4; XXXV, Aflev. 1. 2.
(Auf Reclamation: Tijdschrift, XXXIII, Aflev. 1. 2.)
Von dem Musee Teyler in Harlem: Archives (Ser. II), VoL III,
Part. 7.
Von der Nederlandsehe Maatschappij ter bevordering van nij-
verheid in Harlem: Tijdschrift, 1892, Nr. 1.2. Koloniaal Mu¬
seum, Bulletin, Nr. 3. Weekblad Nr. 1 — 13, 14 — 26 Ofhcieele
Mededeelingen, 1892, Stuk 1 — 4. Museum en school voor
Kunstnijverheid. Verslag 2de halfjaar 1891.
Von der Societe Hollandaise des Sciences in Harlem: Archives
Neerlandaises, T. XXV, Livr. 1 — 3. J. Th. Oudemans: Die
accessorischen Geschlechtsdrüsen der Säugethiere. Oeuvres
completes de Chr. Huygens. IV. Correspondance, 1662—1663.
Von der Nederlandsehe botanische Vereeniging in Leiden: Ne-
derlandsch Kruidkundig archief (2. S.), 6. Deel, 1. Stuk.
Von L’Institut royal grand-ducal du Luxembourg in Luxem¬
bourg: Publications, T. XXI. Observations meteorologiques
1884-1888. Vol. V.
Von der Direktion von „La Cellule“, recueil de cytologie et
d’histologie generale in Louvain: La Cellule, T. VII, Fase. 2;
T. VIII, Fase. 1.
Von der Academie royale de medeeine de Belgique in Bruxelles:
Bulletin (4. S.), T. V, Nr. 11 ; T. VI, Nr. 1—10. Memoires cou-
ronnes et autres memoires; coli, in 8°. T. X, Fase. 5; T. XI,
de Liege:
Fase. 1—5.
Von L’Association des Ingenieurs sortis de l’Ecole
Annuaire (5. S.), T. IV, Nr. 4; T. V, Nr. 1 — 4. Bulletin (N. S),
T. XVI, Nr. 1—5.
70
Von der Societe geologique de Belgique in Liege: Annales,
T. XVIII, Livr. 2; T. XIX, Livr. 1—3.
Von der Societe royale des Sciences in Liege: Memoires (2. Ser.)
T. XVII.
Von der Kruidkundig Genootschap Dodonaea in Gent: Bota¬
nisch Jaarboek. 4. Jaargang'.
Von der Societe Linneenne de Bordeaux in Bordeaux: Actes
T. XLIII.
Von der Societe nationale des Sciences naturelles in Cherbourg:
Memoires. T. XXVII.
Von der Societe d’histoire naturelle in Colmar: Mittheilungen
(N. F.) I. Bd. (1889-1890).
Von der Societe Linneenne in Lyon: Annales. 1888. 1889. 1890.
Saint-Lager : La priorite des noms de plant es; la guerue
des nymphes suivie de la nouvelle incarnation de Buda.
Von der Academie des Sciences et lettres in Montpellier: Me¬
moires (Sciences) T. XI, Nr. 2; (Medecine) T. VI, Nr. 2.
Von der Societe des Sciences naturelles in Nancv: Bulletin.
24e Annee.
Von der Societe botanique de France in Paris: Bulletin. T.
XXXVI. Actes du con g res. Paris 1889, 3e et dernier tasc.
XXXVIII. Compt. Rend. d. Seances 6. Revue bibliograph. D.
Titel und Inhalt. Session extraord. a Collioure. 1. 2. Partie.
XXXIX Compt. Rend. d. Seances 1. 2. 3. 4. Revue bibliogT.
A. B.
Von der Societe geologique de France in Paris: Bulletin. (3. S.)
T. XIX. Nr. 10. 11. 12. 13; XX. Nr. 1. 2. 3.
Von der Societe zoologique de France in Paris: Bulletin. XVI.
Nr. 9. 10; XVII. Nr. 1. 2. 3. 4. 5. (I. 7. 8. Memoires. T. IV.
Partie 5 et derniere; T. V, Part. 1. 2. 3. 4.
Von der Accademia Gioenia di seienze naturali in Catania :
Bullettino mensile, Fase. XXIII. XXIV. XXV— XXVIII. XXIX.
Atti. (Ser. IV.) Vol. III. IV.
Von der Societa entomologica Italiana in Firenze: Bullettino.-
XXIII. Trim. Ie II, Ille IV; XXIV. Trim. 1. 2.
Von dem Museo Civico di storia naturale in Genova: Annali
(2. S.), Vol. X, XI.
Von dem R. Istituto Lombardo di seienze e lettere in Milano :
Memorie Vol. XVI, fase. III; Vol. XVII, fase. V. Rendiconti
(Ser. II), Vol. XXIV.
Von der Societa dei Naturalisti in Modena: Atti (S. 3), Vol. X,
Fase. 2; Vol. XI, Fase. 1. 2.
Von der Accademia delle seienze lisiche et matematiche in Na¬
poli: Rendiconto (S. 2), V, Fase. 1 — 12. VI, Fase. 1 — 6.
71
Von der Zoologischen Station in Napoli: Mittheilungen. Bd. X.
Heft 2. 3.
Von der Societa Toscana die scienze naturali in Pisa : Processi
Verbali, Vol. VIII. Adunanza 15. nov. 1891; 17. gennaio, 13.
marzo, 15. maggio, 3. luglio 1892. Memorie. Vol. VI, fase. 3o.
Von der Reale accademia dei Lincei in Roma : Rendiconti
(S. 4.) Vol. VIT. 2. Semestre. Fase. 11. 12. (S. 5.) Vol. I. 1. Se-
mestre. Fase. 1 — 12; 2. Semestre. Fase. 1 — 10. Rendiconto
dell adunanza solenne del 5 giugno 1892 onorata della pre-
senta di S. M. il Re.
Von dem Reale comitato geologieo d’Italia in Roma: Bollettino.
1891. Nr. 4; 1892. Nr. 1. 2.
Von der Societa geologica Italiana in Roma: Bollettino. Vol. X.
Fase. 1—4; Vol. XI. Fase. 1.
Von dem R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti in Ve-
- nezia: Atti, Ser. 7 a, Tomo I, disp. 10; Tomo II, disp. 1 — 10;
Tomo III, disp. 1—3.
Von der Accademia medico-chirurgica in Perugia: Atti e Ren¬
diconti. Vol. III. Fase. 2. 3. 4. Vol. IV. Fase. 1. 2.
Von der Sociedade Broteriana in Coi'mbra: Boletim. IX. Fase.
Von der Sociedade de geographia in Lisboa: Boletim. (10. Ser.)
Nr. 1 — 12. 11. Ser. Nr. 1. 2.
Von der Naturforschenden Gesellschaft in Dorpat: Schriften. VI.
Sitzungsberichte, 9. Bd., 3. Heft.
Von der Universitätsbibliothek in Dorpat: Personal der Kaiser¬
lichen Universität, 1892, Sem. I. Verzeichniss der Vorlesun¬
gen, 1891, Sem. II; 1892, Sem. I. J. v. Kennel: Die Ab¬
leitung* der Vertebratenaugen von den Augen der Anneliden.
68 Dissertationen, nämlich: Abdul - Achundow : Commentar
zum sog. Liber fundamentorum pharmacologiae des Abur
Mansur Muwaffak-Ben-Ali-el Hirowi. — W. v. Schulz: Ein
Beitrag zur Kenntniss der Sarsaparille. — W. Bülow: Bei¬
träge zur Kenntniss der Wirkungen der Radix Ononidis. —
E.Kahn: Systematische Anordnung u. krit. Besprechung einiger
Gruppen neuer Arzneimittel der letzten 15 Jahre. — 0. Hiller-
Bombien: Beiträge zur Kenntniss der Geoffroyrinden. — E.
Birsmann: Studien über die Alkaloide der Corvdalis nobilis
Pers. — W. Adolphi: Ein Beitrag zur Kenntniss der Chebu-
linsäure. — N. Kromer: Studien über Convolvulaceenglycoside.
R. Greve: Die falschen Chinarinden der Sammlung des Dor-
\ pater pharmaceutischen Instituts. — G. Johannson: Beiträge
zur Pharmacognosie einiger bis jetzt wenig bekannter Rinden.
— A. A. v. Henrici: Weitere Studien über die Volksheil¬
mittel verschiedener in Russland lebender Völkerschaften. —
72
A. Schmuli: Ueber das Schicksal des Eisens im thierischen
Organismus. — H. Schulz: Ueber Gold und Platin. — Z. N.
Zotos: Ein Beitrag* zur Kenntniss des Cerberins. — J. Glass:
Ueber den Einfluss einiger Natronsalze auf Sekretion und
Alkaliengehalt der Galle. — E. Orlowski : Ein experimenteller
Beitrag zur Kenntniss der Einwirkung des Atropins auf die
Respiration. — A. Jordan: Ueber die Wirkungsweise zweier
Derivate des Guanidins. — M. Frischmuth: Untersuchungen
über das Gummi des Ammoniak-, Galbanum- und Myrrhen¬
harzes. — A. Grünfeld: Beiträge zur Kenntniss der Mutter¬
kornwirkung. — M. Goldfarb: Wirkung des Jodcvans. —
Orzepowski: Untersuchungen über die Beschaffenheit der
Luft im Auditorium des Anatomicums zu Dorpat. — D. Ta-
taroff: Die Dorpater Wasser bakterien. — S. Schulmann: Bac-
teriologische Untersuchungen des Dorpater Universitätsleituns-
wassers. — J. Chasanon : Der Keimgehalt des Dorpater
Universitätsleitungswassers i. d. M. Jan., Febr., März 1892. —
W. Graumann: Untersuchung von Bodenluft in Dorpat Oct.
1890 — Juni 1891. — H. Walter: Ueber den Schwefel- und Phos¬
phorgehalt der Milzzellen des Rindes in seinen verschiedenen
Entwickelungsstadien. — W. Krüpffer: Ueber die Ursache
des Geburtseintritts auf Grundlage vergleichend-anatomischer
Untersuchungen. — W. Lunin: Zur Diagnostik pathologischer
Trans- und Exsudate mit Hülfe der Bestimmung des spec.
Gewichts. — W. Kalenkiewicz : Das Oedem der Milzpulpe. —
A. Blumenthal : Experimentelle Untersuchungen über den
Lungenwechsel bei den verschiedenen Formen des Pneumo¬
thorax. — A. Smiechowski: Ueber das erste Auftreten des
Hämoglobins bei Hühnerembryonen. — G. Engelmann: Ueber
das Verhalten des Endothels der Blutgefässe bei der Aus¬
wanderung der Leukozyten. — Gr. Tereschtschenko : Haben
vasomotorische Lähmungen Aenderungen der Durchlässigkeit
der Gefässwand und Störungen der histologischen Struktur
des Blutgefässendothels zur Folge? — H. Freiberg: Experi¬
mentelle Untersuchungen über die Regeneration der Blut¬
körperchen im Knochenmark. — L. Winteler: Experimentelle
Beiträge zur Frage des Kreislaufes der Galle. — C. Tomberg:
Zur Kritik des Fleischl’schcn Hämometers. — H. Hirschfeldt:
Ein Beitrag zur Frage der Peptonurie. — A. Ost: Beiträge
zur Bestimmung der Capacität des Magens. — J. Dsirne:
Ein Beitrag zur Lehre vom Tode durch Ertrinken. — A. v.
Erdberg: Zur Prophylaxe der Blennorrhoea neonatorum am
Kreisbett. — N. Ehrlich: Ueber die osteoplastische Amputation
des Oberschenkels nach Gritti ... — T. Schulmann: Unter-
73
suchungen über die Struktur des elastischen Gewebes der
gesunden und kranken Arterienwand. — C. Klecko : Experi¬
mentelle Untersuchungen über die Zellbrücken in der Darm¬
muskulatur der Raubthiere. — C. Beier: Untersuchungen
über das Vorkommen von Gallensäuren und Hippursäure
in den Nebennieren. — A. Stoftregen: Ueber das Vorkommen
von Pepton im Harn. Sputum und Eiter. — R. Anselm: Ueber
die Eisenausscheidung durch die Galle. — J. Ansin : Das Eisen
in der Leiche. — H. Grabe: Untersuchungen des Blutfarb¬
stoffs und sein Absorptionsvermögen für violette und ultra¬
violette Strahlen. — A. Westberg: Beiträge zur Kenntniss
der Schwefelkohlenstoffvergiftung. — J. Dombrowski: Exp,
Unters, ü. d. Einfi. ein. Abführmittel auf Sekretion und Zu¬
sammensetzung der Galle, sowie über deren Wirkung bei
Gallenabwesenheit im Darme. — P. Kollmann: Ueber den
Ursprung der farbstoffgebenden Substanzen des Blutes. —
W. Lenz: Ueber den Calciumgehalt der Leberzellen des Rindes
in seinen verschiedenen Entwickelungsstadien. — E. v. Rennen-
kampff: Ueber die in Folge intravaskulärer Injektion von
Cytoglobin eintretenden Blutveränderungen. — S. Kröger:
Ein Beitrag zur Physiologie des Blutes. — R. Holz: Ueber
die Unterschiede in der Zusammensetzung des Blutes männh
u. weibl. Katzen, Hunde und Rinder. — R. Lande : Analysen
der Amnion- und Allantoisflüssigkeiten beim Rinde. — A. Eber¬
hardt: Ueber d. sog. körnigen Zerfall und Querzerfall der
elastischen Fasern und Platten in ihrer Beziehung zu den
Erkrankungen des Arteriensystems. — H. Baron Kriidner:
Ein Beitrag zur pathologischen Anatomie der Amyloidtumoren.
— H. Büttner : Polizeiärztliche Untersuchungen über das
Vorkommen von Gonococcen im weiblichen Genitalserum. —
St. Ratomvski: Die Harncvlinder im ei weissfreien Urin. —
0. Spehlmann: Ein Beitrag zur Kenntniss der lingua geogra¬
phica. — E. Mey: Ueber profuse Magenblutungen und Hy¬
drops anasarka als initiale Symptome des Magencarcinoms. —
R. v. Gernet : Das plexiforme Fibrom der Nerven und der
Haut. — L. Daraskiewicz : Ueber Hebephrenie, insbesondere
deren schwere Form. — A. Tochtermann: Ueber die Circu-
lationsstörungen im epileptischen Anfall. — H. Gotard: Ueber
die Auslösung von Reflexen durch Summation electrischer
Hautreize. — A. Behr: Die Frage der „Katatonie“ oder des
Irreseins mit Spannung. — G. Ratner: Zur Metamorphose
des Darmes bei der Froschlarve.
Von der Finnländischen medizinischen Gesellschaft in Helsing-
fors: Handlingar. Bd. XXXIV. Nr. 1—12.
74
Von der Societas scientiarum Fennica in Helsingfors: Acta.
T. XVIII. Öfversigt af Finska Vetenskaps-Societetens För-
handlinger. XXXIII.
Von der Societe des Naturalistes in Kiew: Sapiskij Kiewskago
obschestwa estestwoispijtatelej. T. X. Wip. 3. 4; Tom. XI. Wip.
1. 2. Petr. Petrowitsch Alekseff.
Von der Kaiserlichen naturforschenden Gesellschaft in Moskau:
Bulletin, 1891, Nr. 2.3. 4; 1892, Nr. 1. 2.
Von der Academie Imperiale des seiendes in St. Petersburg:
Melanges mathematiques et astronomiques tires du bullet, de
l’Acad. Imper. d. Sei., Tome VII, Livr. 1. Mel. biologiques
tires . . ., Tome XIII, Livr. 1.
Von dem Comite geologique in St. Petersburg: Memoires. Vol.
XI, Nr. 2; XIII, Nr. 1. Bulletin. IX, Nr. 9. 10; X, Nr. 1—9;
XI, Nr. 1 — 4. Supplem. au T. X.
Von dem Kaiserlichen Botanischen Garten in St. Petersburg:
Acta Horti Petropolitani, T. XI, Fase. II; Tom. XII, Fase. I.
Von dem Naturforscher -Verein in Riga: Korrespondenzblatt.
XXXV.
Vom Bergen’s Museum in Bergen: Bergen’s Museums Aarsbe-
retning for 1890.
Von dem Nyt Magazin for Naturvidenskaberne in Christiania :
32. Bd. Heft 4; 33. Bd. Hefte 1. 2. 3. 4.
Von der Königl. Universität in Lund: Acta Universitatis Lun-
densis. T. XXVII.
Von der Entomologiska Föreningen in Stockholm: Entomologisk
Tidskrift, Arg. 12, Hafte 1 — 4; Arg. 13, Hafte 1 — 4.
Von der Königl. Norwegischen Wissenschafts-Gesellschaft in
Throndjem: Skrifter. 1888—90.
Von dem Tromsoe-Museum in Tromsoe: Aarshefter XIV (1891).
Von der Geologiska Föreningen in Stockholm: Förhandlingar.
Bd. 13, Haft 7; Bd. 14, Haft 1—6.
Von der Botaniske Forening in Kopenhagen: Botanisk Tids-
skrift, 18. Bd., 1. Meddelelser, Bd. 2, Nr. 9. 10.
Von dem Stavanger Museum: Aarsberetning for 1891.
Von der Botanical Society in Edinburgh: Transactions and
Proceedings. Vol. XIX, S. 191-233.
Von der Royal physical society of Edinburgh in Edinburgh:
Proceedings. Vol. XI, Part. I.
Von der Royal society of Edinburgh in Edinburgh : Proceedings.
Vol. XVIII.
Von der Natural history Society in Glasgow : Transactions. (N.
S.) Vol. III, Part, II. '
Von der Linnean Societv in London: Transactions. 2. Ser. Bo-
mm
75
tany, Vpl. III, Part 4 — 7. Journal, Botany, Vol. XXVI, Nr. 176;
XXVIII, Nr. 194—196; XXIX, Nr. 197—201. Zoology, VoL
XXIII, Nr. 148; XXIV, Nr. 149-151. Proceedings from No¬
vember 1888 to June 1890. List of Linnean Societv 1891—92.
t/
Von der Nature. A weekly illustrated journal of Science in
London: Nature. Yol. 45, Nr. 1158 — 1174; Index zu Vol. 45.
Vol. 46, Nr. 1175—1200; Index zu Vol. 46. Vol. 47, Nr. 1201—
1209.
Von der Royal microscopial Societv in London: Journal. 1892.
Part 1 — 6. Charter and Bye-Laws.
Von der Zoological Societv in London: Transactions. Vol. XIII.
Part. 4. Proceedings. 1891. Part. 4; 1892. Part. 1— 3. Index.
Proc. 1881—90.
Von der Litterary and philosophical Society in Manchester;
Memoirs and Proceedings. (4. S.) Vol. 5. Nr. 1. 2.
Von der Liverpool Biological Society (University College, Liver-
pool) in Liverpool: Proceedings and Transactions. Vol. VI.
Von dem United States National Museum in Washington: Bul¬
letin Nr. 41. 42.
Von der Rochester Academv of Science in Rochester, N. Y. :
Proceedings. Vol. I. Broch. 2.
Von dem Missouri Botanical Garden in St. Louis, Mo.: Third
annual report. W. Trelease: The species of Rumex oc-
curing north of Mexico.
Von der Wisconsin Academv of Sciences, Arts and L etter s in
Madison, Wisc.: Transactions. Vol. VIII.
Von der Minnesota Academy of Natural Sciences in Minnea-
polis, Minnesota: Bulletin. Vol. III. Nr. 2.
Von der American Academy of arts and Science« in Cambridge,
Mass.: Proceedings. (N. S.) Vol. XVIII.
Von dem Museum of comparative zoology in Cambridge, Mass.:
Bulletin. Vol. XXII, Nr. 1 — 4; XXIII, Nr. 1—3. Memoirs. VoL
XIV. Nr. 2; XVII. Nr. 2. Annual report of the curator for
1890—91.
Von der Elisha Mitchell scientific societv in Chapel-Hill, N. Carol.:
Journal. Vol. VIII, Part. III.
Von dem American Journal of Sciences in New Haven, Conn.:
American Journal of Science. Vol. XLII1, Nr. 253 — 258. Vol.
XLIV, Nr. 259—264.
Von der Academv of Sciences in New York: Annals. Vol. VI,
Nr. 106. Transactions. Vol. X, Nr. 7 — 8; XI, Nr. 1 — 5.
Von der Geological and natural history survey of Canada in
Ottawa: Annual report (N. S.) Vol. IV. 1888 — 1889. Maps to
accompany animal report (N. S.) Yol. IV. Catalogue of Ca¬
nadian Plants. Part VI. — Musci.
YTon der American philosophical society in Philadelphia: Pro-
eeedings, Vol. XXIX. Nr. 136—138. List of surviving mem-
bers . . ., corrected to Januar 9, 1892.
Von der Academy of natural Sciences in Philadelphia: Pro¬
ceedings, 1891, Part. III; 1892, Part. I.
Von dein Board of commissioners second geological survev of
Pennsylvania in Philadelphia: Atlas Southern Anthracite field.
IVB; V. VI.
Von der American association for the advancement of Science
in Salem, Mass.: Proceedings, 40th meeting, 1891, Washington.
Von der California Academy of Sciences in San Francisco: Pro¬
ceedings (2. S.), Vol. III, Part. I.
Von der Academy of Sciences in St. Louis, Mo.: Transactions,
Vol. V. Nr. 3. 4; VI, Nr. 1.
Von dem Canadian Institute in Toronto: Transactions. Vol. II,
Part. 2. Annual archaeological report, Session 1891. An ap-
peal to the Canadian Institute on the rectification of Parlia-
ment.
A7on der U. S. geological survev in Washington, D. C.: Tenth
annual report, 1888 — 89, Part. I. II. Bulletins Nr. 62. 65. 67 —
81. 82. Mineral resources of the United States, 1889 a. 1890.
Von der Smithsonian Institution in Washington, D. C.: Annual
report. U. S. National Museum 1889. Smithsonian report 1890.
Smithsonian contributions to knowledge. Vol. XXVIII. J. C.
Pilling: Bibliography of the Algonguian languages. J. O.
D o r s e y : Omaha and Ponka Letters. C. Thomas: Catalogue
of prehistoric works east of the Rocky Mountains.
Von Zoological Gardens (William A. Conklin) in New York:
The journal of comparative medicine and veterinary archives.
Vol. XIII. Nr. 1—3.
Von dem Nova Scotian Institute of Natural Science in Halifax,
Nov. Scot.: Proceedings and Transactions (2. S.) Vol. I. Part. I.
Von der Sociedad cientifica Argentina in Buenos Aires: Anales,
Tom. XXXII, Entr. 6; XXXIII, Entr. 1-6; XXXIV, Entr. 1.
(Anales, Tom. XXXI, Entrego 5 auf Reclamation.) G. Ave
Lallemant: El Paramillo de Uspallata.
Von der Sociedad Mexicana de historia natural in Mexico: La
Naturaleza (Ser. III), T. II, Nr. 1. 2.
Von dem Deutschen wissenschaftlichen Verein in Santiago, Chili:
Verhandlungen, II. Bd., 3. u. 4. Heft.
Von der Revista Argentina de Historia Natural in Buenos Aires:
Revista, T. I, Entr. 1 — 6.
77
Von dem College of Medieine. Imperial University, in Tokyo:
Mittheilungen der medizinischen Facultät, Bd. I, Nr. 5.
Von der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde
Ostasiens in Tokyo : Mittheilung'en, 47.— 50. Bd. Supplement¬
heft II u. III zu Band V.
Von dem Australian Museum of New-South-Wales in Sydney:
Report of Trustees for 1890. 1891. Catalogue Nr. 15. Shells.
Part. II. Records of the Australian Museum, Vol. I, Nr. 1.
8. 10. 11; Vol. II, Nr. 1—3.
Von dem Mining’ Departemezt of New-South-Wales in Sydney:
Memoirs. Palaeontologv, Nr. 5. 8. Records of the g'eolog'.
survev of New-South-Wales, Vol. II, Part. TV; Vol. III, Part. I.
Annual report for 1891.
Von der Royal Society of New-South-Wales in Sydney: Journal
and proceedings. Vol. XXV.
Von The Linnean Societv of New-South-Wales in Sydney: Pro-
ceedings (2. Ser.), Vol. VI, Parts 1 — 4.
Von dem New Zealand Institute in Wellington, New Zeal.: Trans¬
actions and Proceeding’s. Arol. XXIV.
Von der Australasian Association for the advancement of Science
in Sydney: Report of the third meeting’.
b. An Geschenken erhielt die Bibliothek:
Von den Herren:
J. W. P o w e 1 1 : U. S. g’eog’r. a. g'eol. survey of the rocky
mountains. Contributions to Northamerican ethnology, Vol. VI.
House o f C o m m o n s, Canada : Documentes relatifs ä l’uni-
fication de l’heure et a la legalisation du nouveau mode de
mesurer le temps.
Editorial Committee of the N o r w e g' i a n North
Atlantic expediton: Zoologi, XXL Crinoida; Echi-
nida, ved D. C. Danielssen.
Natur wissenschaftlichenVer ein in Düsseldorf:
Mittheilung’en, II. Heft.
L. Geisenheyner: Berichte der deutschen botanischen Ge¬
sellschaft a. d. J. 1889.
E. Holub: Illustrirter Führer durch die Südafrikanische Aus¬
stellung' des Dr. E. H o 1 u b.
A. Ernst: Das Gold- und Silbererz-Vorkommen von Tambang-
Salida auf Sumatras Westküste. Geognostische und Berg'-
78
bauliche Skizzen über die Kaukasus-Länder. — Eine berg¬
männische Exkursion durch den Ural.
Portland ‘Society of Natural H i s t o r y : F e r n a 1 d,.
Plauts of Maine.
N. H. W i n c h e 1 1 : The geological and natural history survey
of Minnesota, 19th report for 1890.
E. W a s m a n n : Die zusammengesetzten Nester und gemisch¬
ten Kolonien der Ameisen.
A. L e p p 1 a : Ueber das Grundgebirge der pfälzischen Nord¬
vogesen (Hartgebirge).
— Was ist Ober-Eothliegendes *?
Bridgeport Scientific S o c i e t y : List of Birds found
in the vicinity of Bridgeport, Conn. Prepared by C.K. Averill, jr.
c. Durch A n k auf:
Carus: Zoolog. Anzeiger. 1892.
Dr. A. Petermann’s Mittheilungen, 38. Bd., Heft I — XII. Er¬
gänzungsheft Nr. 103 — 105.
Proces verbaux des Seances. Ve Congres geologique interna¬
tional. Washington, 1891. — Liste generale des Membres.
Engler & P r a n 1 1 : Die natürlichen Pflanzenfamilien. Lief.
71—78.
Abhandlungen der schweizerischen palaeontolog. Gesellschaft.
Vol. XVIII.
Geschenke für die Naturhistorischen
Sammlungen.
o
H. Loens: 12 Stück von Planorbis socius var. Drostei.
Bergrath Froh w e i n in Dillenburg : 2 Stücke von Baum¬
stämmen aus dem Braunkohlenthon der Grube Oranien bei
Marienberg im Westerwald.
Bergwerksrepräsentant S i m o n in Cassel : Mehrere Stücke von
Braunkohle von der Grube Stollberg III, z. Th. mit Kontakt¬
erscheinungen mit Basalt.
Bergverwalter Freu n d, Grube Hirschberg : Desgl. von Grube
Hirschberg bei Grossalmerode.
Bergwerksdirektor Schloesser, Habichtswald Desgl. von
Grube Königszug bei Nanzenbach.
Sitzungsberichte
der
niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und
Heilkunde in Bonn.
Bericht über den Zustand und die Thätigkeit der
Gesellschaft; während des Jahres 1891.
^Naturwissenschaftliche Sektion.
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder am 1. Januar 1891
betrug 76. Davon traten 2, nämlich die Herren v. Mühlberg'
und Dr. Schweitzer, durch Wegzug von Bonn in die Reihe
der auswärtigen Mitglieder; durch den Tod verlor die Sektion
Herrn Geh. Reg.-Rath Dr. Schönfeld.
Der Abgang an ordentlichen Mitgliedern betrug also 3.
Neu aufgenommen wurden 3 Mitglieder, nämlich die
Herren :
Prof. Dr. Hertz am 11. Mai.
Dr. Strub eil „ 8. Juni.
Prof. Dr. Küstner „ 9. November.
Am 31. Dezember 1891 betrug demnach die Gesammtzahl
der ordentlichen Mitglieder 76.
Die Gesellschaft hielt ihre 3 allgemeinen Sitzungen am
5. Januar, 4. Mai und 2. November, ln denselben wurden 6
Vorträge gehalten, bezw. Mittheilungen gemacht und zwar von
den Herren Br an dis 2, Bert kau, Gieseler, Noll, P ohlig je 1.
In der allgemeinen Sitzung am 4. Mai wurde in Abände¬
rung des § 24 der Statuten einstimmig beschlossen, dass die
Vortragenden in Zukunft 25 Sonder- Abdrücke ihrer Mitthei-
hingen unentgeltlich erhalten sollen.
Die naturwissenschaftliche Sektion versammelte sich zu
8 Sitzungen, am 12. Januar, 16. Februar, 2. März, 11. Mai,
Sitzungsiber, der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 1 A.
2
Jahresbericht.
8. Juni, 6/Juli, 9. November, 7. Dezember; an diesen Sitzungen
nahmen durchschnittlich 15 Mitglieder theil.
Es wurden von 18 Herren im Ganzen 30 Vorträge ge¬
halten, nämlich von den Herren Br an dis und ß auf f je 4,
Pohlig 3, Busz, Heusler, Rein, Voigt je 2, Bertkau,
König, Laspevres, Ludwig, Noll, Ohn efalsch-Richter
(als Gast), Richarz, Schaaffhausen, Sprengel, Stein,
Strasburg er je 1.
In der Sitzung am 7. Dezember fand die Wahl des Vor¬
standes für 1892 statt. Es wurden wiedergewählt Ludwig als
Vorsitzender, Bertkau als Kassen- und Schriftführer.
Medizinische Sektion.
Zum Jahresbericht haben wir anzugeben, dass Ende 1890
Mitglieder waren . . 79
Zugang* die Herren:
Jores, Joh. Wolff, Fleck, Eickenbusch,
Conrads, Gudden, Bieroth, Hessling*,
Mummenhof, Strauss, Boenneken ... 11
Summa . 90
Abgegangen sind die Herren:
Gestorben: Prof. Weber-Liel.
Verzogen: Dr. Bieroth nach Deutz, Dr. Peretti
nach Merzig als Direktor der Provinzial-Irren-
anstalt . 3
Bestand Ende 1891 . 87
Die Sektion hat 8 Sitzungen gehalten; in der Dezember¬
sitzung* ist der Vorstand für 1892 gewählt worden: Professor
Schultze als Vorsitzender, Dr. Leo als Secretär, Dr. Zart¬
mann als Rendant.
Sitzung* vom 11. Januar 1892.
3
A. Allgemeine und Sitzungen der natur¬
wissenschaftlichen Sektion.
Sitzung der naturwissenschaftlichen Sektion
am 11. «Januar 1892.
Vorsitzender : Prof. Ludwi g*.
Anwesend 16 Mitglieder, 1 Gast.
Der Vorsitzende erstattete den Bericht über den Zustand
der Sektion im Jahre 1891 und legte die Rechnung des ver¬
gangenen Jahres vor; s. oben.
Dr. A. König hielt folgenden Vortrag:
Die Krieclitliierfaima Tunesiens.
„Um Ihnen, hochverehrte Anwesende, einen Einblick in
die im Lande Tunis vorkommenden Kriechthiere zu gewähren,
gestatten Sie mir zunächst, ein flüchtiges Bild über den Cha¬
rakter des Landes und dessen Bodenverhältnisse zu entwerfen.
Da ich das hochinteressante Gebiet bereits dreimal im Norden
wie im Süden bereist und in erster Linie auf seine Ornis aus¬
geforscht habe, konnte mir die Einprägung der Bodengestal¬
tung um so weniger entgehen, als gerade sie auch bei den
dort vorkommenden, selteneren Vogelformen eine wesentliche,
unabweisliche Existenzbedingung erfüllt. In meiner ersten „Avi¬
fauna von Tunis“, die ich im Jahre 1888 in „Cab. Journal für
Ornith.“ veröffentlichte, gab ich im „Allgemeinen Theil“ als
Einleitung eine Uebersicht über die dortigen Bodenverhältnisse,
welche auch für die heutige Betrachtung passen und daher im
Auszug wiedergegeben werden dürfte.
Die beiden Schwesterländer Algerien und Tunis — sag'e
ich dort — nehmeil für die Naturforschung eine wichtige und
hervorragende Stellung ein. Beide hängen nach ihrer Lag’e
und natürlichen Beschaffenheit eng mit einander zusammen,
oder gehen kaum merklich in einander über, ohne den wesent¬
lichen Charakter in Fauna und Flora zu wechseln, oder gar
einzubüssen. Dennoch bildet, genauer betrachtet, jedes Land
für sich ein mehr oder weniger abgeschlossenes Ganzes, indem
der westliche Theil durchweg“ ur- und fruchtbarer erscheint, als
der östliche; grössere Berge und Höhenziige durch das Atlas¬
gebirge im Süden, sowie umfangreichere Waldbestände auf¬
weist und demnach auch in faunistischer Hinsicht ein in etwa
anderes Gepräge bewahrt, als der zum grösseren Theil aus
Hoehlandsteppe und Sahara bestehende östliche Ländercomplex.
Algier wurde bereits im Jahre 1830 von den Franzosen annec-
4
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
tirt, während die Regentschaft Tunis erst im Anfänge der 80er
Jahre von den Franzosen occupirt wurde. In gleichem Ver¬
hältnisse machte in beiden Ländern die Wissenschaft ihre Fort¬
schritte. Der Culfcur erschlossen wandten sich Männer von Fach
und Beruf jenem ersten, noch unbekannten Theile Nord- Afrikas
zu, um Land und Leute kennen zu lernen, europäische Sitten
zu verpflanzen und ihre Versuche zum Nutzen der gesammten
Menschheit anzustellen. Letztere bezogen sich einestheils auf
die Erforschung des Landes und seiner Producte und bestan¬
den anderenteils in der Urbarmachung des Landes, in der
Schonung und Pflege der Wälder und Nutzgewächse. Der
milde Himmel und die ausserordentliche Fruchtbarkeit des Bo¬
dens krönten die Bemühungen der europäischen Colonisten
über alles Erwarten, spornten zu neuen Versuchen verlockend
an und gewährten bereits im Voraus eine gewisse Sicherheit
auf Lohn und Gelingen. Gar bald wurde so Algerien eine
weitberühmte Pflanzstätte der gesuchten Frucht- und Gemüse-
waaren. Gartenpflege und Ackerbau gingen Hand in Hand
und brachten jenen Streifen Erde zu blühendem Wachsthum
und Gedeihen. Auf die grossen Waldbestände aber richtete
der Franzose mit um so grösserem Stolze seine Blicke, als sie
— Urwäldern gleich — noch nicht der zerstörenden Sucht der
Araber anheimgefallen waren.
Anders verhält es sich mit Tunis. Wo sich einst am
üppigen Meeresgestade jenes stolze Carthago erhob, mögen die
Nachbarstrecken eine heutigen Tages durchaus verschiedene
Physiognomie gezeigt haben. Weit und breit standen auch
hier Urwälder von Kork- und Steineichen, in welchen Löwen
und Panther ihr Wesen trieben, und der jungfräuliche Boden
harrte noch des Pfluges und der Bearbeitung. Als aber mit der
höchsten Blüthe und dem rasch darauf folgenden Siechthum
Carthagos Holz zu Schiffs- und anderen Bauzwecken von Nah
und Fern herbeigeschleppt wurde: da lichtete die Axt selbst
jene Wälder und verdrängte gleichzeitig ihre typischen Be¬
wohner. Mit dem Verfall endlich der blühenden Handelsstadt,
die das Opfer eines unsagbaren Fanatismus und Vandalismus
gewesen sein muss, entschwindet das einst so blühende Gesicht
des Landes. Nur eins scheint dem armen, zurückgebliebenen
und wieder werdenden Menschengeschlechte hinterlassen wor¬
den zu sein, Eins, welches sich als überall deutlich zu Tage
tretendes Vermächtniss von Kind auf Kindeskind vererbte, und
noch heutigen Tages so fortbesteht: der Zug der Zerstörungs-
wuth ,und Vernichtungssucht. Zeugen davon sind unzählige
Ruinen einst blühender Paläste und Gärten, Zeugen jene Ein¬
öden, deren Boden vor Zeiten üppige Wälder trug’, Zeuge jenes
5
Sitzung vom 11. Januar 1892.
Riesenbauwerk der Wasserleitung’, von welcher vor Alters die
Existenz von ganz Nord-Tunis abhängig war, Zeuge die Stätte,
welche die umfangreiche und blühende Stadt Carthago getra¬
gen, Zeugen endlich die Menschen selbst mit ihrer gebrochenen
Willenskraft, ihrer geringen Intelligenz und ihrer Alles sinnlos
vernichtenden und verderbenden Sucht: ein trauriges Volk,
.aus vielen Elementen hervorgebracht und zusammengesetzt,
das der unerbittlich ihr Recht fordernden Zeit keinen Wider¬
stand mehr entgegenzusetzen vermag. — So hat sich Tunis im
Laufe und Wechsel der Jahre zu einem anders aussehenden
Lande gestaltet. Der nördliche, fruchtbare Theil, welcher in
der Ebene liegt, ist grösstentheils zu Feld und Ackerland um¬
gewandelt. Binnenseen spenden zur Winterszeit grössere Was¬
sermassen, welche wieder ihrerseits durch Verdunstung und
TJeberschwemmung dem trockenen Boden zu Gute kommen.
In unglaublicher Ueppigkeit schiesst der Weizen in die Aehren
und vergilt dem Menschen doppelt und dreifach seine Mühe
und seinen Fleiss. Weite Olivenbestände ziehen sich bis an
den Fuss der Berge und bedecken selbst geringere Höhenzüge.
Sorgsam werden sie gepflegt, und obschon die Oelcultur in
letzter Zeit ausserordentlich gelitten hat und durch die wenig
rationelle Handhabung gesunken ist — so dass der Anbau kaum
der Mühe lohnt — , so ist doch wenigstens, da Tunis immer für
das Oelland „par excellence“ galt, jeder Baum vor der Ver¬
nichtung von Seiten der Regierung geschützt. Nur daher
mögen die Bäume ein so hohes Alter erreicht haben, wie die
knorrigen, oft wunderbar gestalteten Stämme bezeugen. Und
nicht genug, dass der Boden die weitschichtigen Reihen der
Oelbäume trägt, er muss den wandernden Beduinenstämmen
ausserdem noch seine Abgaben zollen: auch unter den Oliven
wird gesät, gepflanzt und geerndtet ! An Stelle des ausgedehn¬
ten Waldes ist die Hochlandsteppe getreten, welche öde und
leer ihre charakteristischen Pflanzen- und Thierformen erzeugt
und ernährt, gewiss zu der einst daselbst geherrscht habenden
Fauna und Flora ein dürftiger und armseliger Charakter. Aus¬
läufer des Atlas winken dem Reisenden ihnen nachzugehen und
verrathen eine im Ganzen noch wenig veränderte Thier- und
Pflanzenwelt, während die Höhenzüge und niederen Hügel¬
ketten ein wunderbarer, aus Cistenrosen, Rosmarin und Thymian
bestehender Niederwald deckt, in welchem meist zwerghafte
Thierformen leben. Im Osten und Süden aber wird das Land
zur Wüste und hält unbekümmert um Wechsel und Zahn der
Zeit sein Gepräge unverbrüchlich fest.
Nach der Betrachtung des Bodens zerfällt auch die Fauna,
speciell die der Kriechthiere, in vier mehr oder minder scharf
6
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
gesonderte Theile, nämlich in den der fruchtbaren Ebene, die
in den Atlasländern unter dem Namen Teil bekannt ist und
deren Charakterbaum die Olive (Olea Europaea, L.J ist; der
Hochlandsteppe, die mit Pistacien (Pistacia lentis cus) und dem
Judendorn, dem Sarib der Araber (Zizyphus lotus, LamJ be¬
standen ist; der Gebirgs- und der Höhenzugsfauna, deren
Charakterpflanzen Crataegus, Quercus ilex, Thuja, Juniperus und
wilde Olive sein mögen, und endlich der eigentlichen Wüste.,
der Sahara, deren spärliche Vegetation das Haifagras ( Lygeum
spartum , L.J zur Lieblingspflanze erhebt.
Ein Blick auf die geographische Lage verständigt uns,,
dass Tunis zwischen dem 37.° und 32.° n. Breite und dem 8.°
und 11.° ö. L. v. Greenw. liegt, mithin der subtropischen Zone
oder der Mittelmeerregion des grossen, paläarktischen Faunen¬
gebietes angehört. In ihr ergiebt sich die Hochlandsteppe als
vorwiegend. Umfangreiche Pistacienbüsche mit ihrem dunkel¬
grünen Laub, unterbrochen vom sparrigen Judendorn, auch
weite Strecken mit Rosmarin, Thymian und der baumartigen
Erica zieren sie im allgemeinen, mit vereinzelten vielästigen und
dichtkronigen Johannisbrodbäumen (Karuben). An den Donars
einer Beduinenfamilie wächst in seltener Ueppigkeit der Feigen-
cactus (Oyuntia ficus inclica) und an und in den zerrissenen
Schluchten der Oleander, auf fiebererzeugendes Wasser weisend-
Hier lebt das Klippenhuhn mit der Gebirgswachtel und dem
Laufhühnchen, während Bienenschwärmer und Mandelkrähen
die abschüssigen Bachufer beleben und dort, in Colonien nisten-
Grössere Berge werden — abgesehen von einigen isolirt ge¬
legenen Bergkegeln — als Ausläufer des Atlas betrachtet und
weisen daher auch eine nach dem Innern des Landes zu¬
nehmende Höhe auf. Alle berg- und hügelartigen Erhebungen
aber sind zumeist von Grund auf mit Rosmarin, Thvmian und
Cistenrosen bedeckt. Auf dem dürren, harten, rothfarbigen
Boden, der, durch Thalschluchten zerrissen und zerklüftet, ein
ganz eigenartiges Gepräge erhält , wachsen die genannten
Pflanzen in unabsehbaren Strecken, hier und da sich erweiternd,
gewöhnlich aber so nahe an einander gerückt, dass sie kaum
Raum für andere lassen. Nur der überall Platz greifende
Sarib der Araber überwuchert noch jene, eine Genista und der
niedere Cistenstrauch wachsen in brüderlicher Eintracht mit
ihnen. Grossblumige Orchideen und eine wunderhübsche,
safranfarbige Tulpe zieren im Frühjahr den Boden. Das sind
die Lieblingsplätze der Landschildkröte (Testudo ibera , PallJ.
Schwerfällig und ungelenk sieht man sie plötzlich aus einem
Strauche hervorkriechen und nach den warmen Sonnenstrahlen
auslugen. Merkt sie die Nähe eines Feindes, so vertraut sie
Sitzung vom 11. Januar 1892.
7
auf ihren, der Bodenfärbung ähnelnden Rückenpanzer, zieht
die Extremitäten ein und liegt regungslos einige Minuten zum
Stein verwandelt wie leblos auf dem Grunde. Ist die Gefahr
verzogen, so eilt sie, so schnell sie kann, ihrem Strauch ver¬
stecke wieder zu. Ich habe eine ganze Menge dieser Thiere
in der Jagdtasche heimgebracht und sie lange Zeit auf der
Terrasse unseres Hauses in der Gefangenschaft gepflegt, wo
ich sie mit Salat, Schnecken u. dgl. ernährte. Diese Schild¬
kröten scheinen omnivor zu sein und lassen sich mit Leich¬
tigkeit in der Gefangenschaft erhalten. Ueber Steingeröll
und Pflanzengewirr huschen niedliche Eidechsen: die Tropido-
saura algira , auct., welche im Sonnenschein eine im Alcohol
leider verschwindende Färbung mit prachtvollem Farbeneffect
der Flanken und des spitzauslaufenden Schwanzes zeigt, und
die im Ganzen noch seltenere, zierliche Ophiops occidentalis,
Blgr. Neben diesen windet sich die bald braun gefärbte, bald
schön längsgestreifte, auch wohl lebhaft gefleckte, kleine Ere-
mias güttulata , Licht. (= Podarces pardalis) über den Boden
und macht den beiden vorhergehenden in der Zierlichkeit und
schnellen Bewegung starke Concurrenz. Von Schlangen be¬
gegnen wir dort am häufigsten einer graugrünen Varietät der
Coelopeltis monspessulana, Herrn., die unter der varietas: Neu-
moyeri von Fitzinger bekannt gemacht worden ist, oft riesen¬
grossen Exemplaren, die zusammengerollt auf dem warmen
Boden liegen und aufgeschreckt mit unglaublicher Geschwin¬
digkeit dahinschiessen , um in wenigen Sekunden in ihren
Schlupflöchern vor den Blicken des Menschen zu verschwinden.
Das ist die „Hanäsch“ der Eingeborenen, ohne Grund von
ihnen als giftiges Gewürm gefürchtet und gemieden. Um Ihnen,
hochverehrte Anwesenden, diese Aussage durch ein Beispiel
zu illustriren, gestatten Sie mir, Ihnen einen Vorfall zu er¬
zählen, den ich unter vielen ähnlichen selbst erlebt habe. Es
war auf meiner letzten Wüstenreise, im vergangenen Früh¬
jahr 1891. Zwei wenig Vertrauen erweckende, neu gedungene
Führer ritten an der Spitze meiner Karawane auf ihren präch¬
tigen Berberstuten. Ich war durch das Sammeln und Ausheben
von Laniusnestern ein wenig' zurückgeblieben und eilte nun
die vor mir herziehende Karawane wieder zu erreichen. Plötz¬
lich sehe ich, wie die Pferde meiner Führer hoch auf bäumen
und höre gleichzeitig einen Schrei des Entsetzens. Ich ahnte
gleich, dass eine grössere Schlange den Weg' der Karawane
vorweg gekreuzt haben müsste. Richtig höre ich denn auch
schon aus einiger Entfernung den Ausruf der Araber: „Arfi,
ischa fissa, hanäsch kebir, makasch e mliech“ — übersetzt:
„Herr komm schnell, hier ist eine grosse Schlange, die gar
8
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
böse ist.“ Gleichzeitig’ theilte mir aber auch meine Frau, die
mich stets auf meinen Reisen begleitet, mit, dass sie diese
Schlange ebenfalls gesehen habe und darnach schiene es ihr
eine zu sein, welche ich öfters schon gefangen und mit heim¬
gebracht habe. Als sie mir nun vollends auf meine Frage die
graugrüne Färbung der Schlange bestätigte, wusste ich mit
ziemlicher Gewissheit, um welche es sich handelte. Sofort hiess
ich eine Erdhacke von dem Kameel herabholen und liess nun
behutsam dem Loche nachgraben, wo die Schlange eingeschlüpft
war. Der lockere Boden erleichterte die Arbeit und bald hob
sich der Grund von den wulstartigen Leibesbewegnngen der
Schlange. Nun musste ich selbst angreifen, da die Kinder der
Wüste ängstlich das Weite suchten. Durch einen glücklichen
Zufall hatte ich das Hinterende des Schlangenkörpers erfassen
können, zog nun das grosse Thier zappelnd heraus und warf
es mit forschem Armschwunge rücklings auf den Boden, von
dem ich die geahnte Coelopeltis monspessidana, var. : Neumayeri
— allerdings ein riesengrosses Exemplar — todt aufnehmen konnte.
Da standen nun die Araber mit weitaufgerissenen Augen und
Mündern da, mich für einen halben Heiligen haltend und unter¬
zogen sich fortan unweigerlich und mit grossem Respect meinen
Anordnungen und Befehlen. Solcher Beispiele ad oculos be¬
diente ich mich später mit grossem Erfolge öfters — sie sind,
wenn sie mit einer gewissen Würde und Ceremonie ausgeführt
werden, für den in jenen Gebieten Reisenden von ganz unend¬
lichem Werthe. — Dies ungefähr sind die Hauptrepräsentanten
der Reptilien auf der H o c h 1 a n c\s t e p p e und da Gewässer da¬
selbst zu den grössten Seltenheiten gehören, fehlen Lurche
fast vollständig — jedoch verdient hervorgehoben zu werden,
dass man nicht selten zur Frühjahrszeit grossen Wanderungen
der Bufo viridis , Laur. beg'egnet. Sie setzen sich aus meist
einjährigen Individuen zusammen, welche beim grellsten Sonnen¬
schein auf dem trockenen Boden umherhüpfen und zwar in so
starken Ansammlungen, dass oft die ganze Gegend von ihnen
geradezu wimmelt.
Ein ganz anderes Bild entrollt sich unseren Blicken,
wenn wir die Berggegenden aufsuchen. Alle grösseren Berge
daselbst sind, wie bereits gesagt, als Ausläufer des grossen
Atlasstockes zu betrachten, führen aber in der Regel ihre be¬
sonderen arabischen Namen. Meist repräsentiren sie eine Höhe
von 9 — 1500 Metern ü. d. M. und stellen sich bald als colossale
Klumpen und massige Conglomerate, bald als schön und edel
g’efonnte Felsengrate dar. Ob sie nun aber zu diesen oder
jenen gehören: eins ist beiden gemeinschaftlich. Schauerlich
Sitzung vom 11. Januar 1892.
9
wild klüften sich Spalten und Schlünde, in deren Tiefe das
Wasser von den Steinen tropft, oder sich zum langsam ab-
fliessenclen Wasser vereinigt , das selbst in den lieissesten
Monaten nie ganz versiecht und sich in den tiefen Erdrissen
zu krystallklaren Tümpeln sammelt und erhält. Hohe Ried-
grässer umgeben das Wasser, Tamarisken lassen ihre Blüthen-
kätzchen auf den Spiegel fallen und der Duft der Oleander-
blüthen schwängert die Luft. Den Felsenspalten entwachsen
kühn grosse und starke Stein- und Korkeichen oder bizarr
geformte Johannisbrodbäume. Thuja und Juniperus erheben sicli
mit der stachelbewmhrten wilden Olive theils zu Büschen, theils
zu Bäumen und überall sieht man die Zwergpalme (Chamaerops
Tiumilis), deren untere Stengel von den Eingeborenen gegessen
werden und auch dem Europäer vortrefflich munden. Unzu¬
gängliche Felsenkämme fallen in nackten, schroffen Wänden
steil ab, die blei- und erzhaltig in der Morgen- und Abend¬
beleuchtung oft gluthroth strahlen. Sie sind die Wohnstätten
der Aas- und grossen Gänsegeier, in deren Colonie sogar der
seltenste aller, der sagenumwebte Lämmergeier horstet; auch
der Jagdfalken, der Thurm- und Röthelfalken und vieler anderen
scheuen und klugen Vögel noch. Hier begegnen wir nicht
gar zu selten der Blaumerle, welche von den Felsengraten
ihre melodische Strophe singt, hier dem Einfarbstaar, welcher
nach Sonnenuntergang in grossen Schwärmen herbeigeflogen
kommt, um in den unzähligen Felsenlöchern zu übernachten,
während auf den grünen Matten, die sich in der Regel um die
Basis der Berge ziehen, MoussjerscheWiesenschmätzer ihr Wesen
treiben; im dichten Gewirr der Pistacien aber und des Cra¬
taegus, Juniperus und der Thuja der Tschagra umherhüpft
oder sich mit seinem weithinschallenden Flötengesange im
klaren Aether wiegt. Auch an grösseren Säugethieren ist
kein Mangel: Fuchs und Schakal machen den Geiern ihre
Nahrung streitig’, während die Zibethkatze lüstern nach Raub
ihre weiten Streifzüge unternimmt und das harmlose Stachel¬
schwein nach Wurzeln und Knollen schmackhafter Kräuter
g'räbt. Kurz: Fauna und Flora nehmen zu dieser umgebenden
wilden Natur ein ebenso grossartiges und charakteristisches
Gepräge an. Hier erreicht die bereits erwähnte, prächtige
Tropiclosaura älgira , auct. eine stattliche Grösse. Behend läuft
sie im Sonnenschein auf dem Boden und überspringt klaffende
Spalten mit wunderbarer Geschicklichkeit. Vergebens würde
die Mühe sein, sie dann mit der Hand fangen zu wollen, aber
wenn die Sonne verzieht, wenn es neblig und kalt wird, dann
erstarrt das Blut in den Adern und ihre federnde Elasticität
30
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
ist dahin. Nun ist sie leichter zu haschen und der Forscher
freut sich auch solcher Tage, die ihm den Fang der Eidechse
ermöglichen. Nicht selten auch sieht man, zumal im nördlichen
Tunis, die grasgrüne, riesige Perleidechse (Lacerta ocellata
Daud. var. : pater , LatasteJ, die an der Fuge eines Felsenloches
wie angeklebt dasitzt oder aus dem dunkelen Gesträuch sma¬
ragdgrün hervorleuchtet. Der Gecko ( Tarentola mauritanica.
Li.) glotzt uns mit seinen absonderlichen Augen starr an, ent¬
flieht aber sofort in eine Ritze, wenn wir die Hand nach ihm
ausstrecken, um sobald nicht wieder zum Vorschein zu kommen.
In den warmfeuchten Muldenthälern überraschen wir das Cha¬
mäleon ( Chamaeleo vulgaris, L.) in seiner abenteuerlichen Ge¬
stalt und wunderbaren Anpassung zu dem Baum oder Gestein,
auf welchem es gerade sitzt, während Schlangen aus den Gat¬
tungen, Zamenis, Coelopeltis, Coronella und Tropidonotus uns
häufig entgegentreten. In den Wasserlachen tummeln sich
prächtige Wasserfrösche, welche der varietas ridibunda, Pall.,
Latastei, Cam. angehören, in wunderbaren Farbenniiancen,
bald intensiv grün mit schwarzen Flecken, bald wie mit bläu¬
lichem Duft überzogen.
Die Ebene, welche in den Atlasländern gemeiniglich
unter dem Namen „Teil“ gefasst wird , erfüllt gleichfalls in
hohem Grade die Existenzbedingungen für eine ansehnlich
reiche Kriechthierfauna. Diese weiten Flächen dehnen sich zu¬
meist in der Nähe des Meeres aus und sinken gar nicht selten
unter den Meeresspiegel herab, dort Seen und Wasseransamm¬
lungen bildend, die wir unter dem Namen „Chotts“ kennen.
Bei diesen ist das Wasser stets salzhaltig oder brackig, ein
Beweis des inneren Zusammenhangs mit dem Meere selbst.
Als durchaus verschieden von ihnen müssen wir die Süss¬
wasserlachen bezeichnen, die der Eingeborene im Gegensatz
zu den Chotts „garra“ nennt. Sie sind in weit geringerer An¬
zahl vorhanden als die sogenannten Chotts, die das ganze
Land durchziehen und sich durchaus nicht an die unmittel¬
bare Nähe des Meeres binden; so z. B. der grosse Chott el
Djerid im Süden von Tunis, der Chott el Fedjej und viele
andere. Lachen und Gewässer mit süssem Wasser sind stets von
Lurchen belebt. Wir begegnen da der Rana esculenta , L. var..
Latastei, Cam. ebensowohl Avie dem südlichen Discoglossus
pictus, Otth., sowie der grossen prächtigen Bafo mauritanicusy
Schl., eine Kröte, welche Nordwestafrika eigenthümlich zu sein
scheint. Auch findet man in diesen Wasseransammlungen —
Aviewohl selten — einen Molch und das ist dann der Molge
Hagenmiilleri, Lat., von dem ich nicht mit Bestimmtheit aus-
Sitzung vom 11. Januar 1892. 11
sagen kann, ob er nicht auch in salzhaltigem Wasser lebt, da
ich ihn selbst zu fangen bis jetzt noch nicht das Glück hatte.
Plumpsend fällt vor unseren Augen die Wasserschildkröte
( Clemmys leprosa, Schweigg.) vom grasigen Ufer in ihr nasses
Element und vergräbt sich augenblicklich in den muttigen
Schlamm. In Kanälen und Tümpeln schwimmt mit enormer
Fertigkeit die Tropidonotus viperinus , Latr. oder sonnt sich
auf den mit Binsen und Gräsern bewachsenen Kufen und
Rändern, während in feuchten Gräben und Niederungen die
niedliche, unserer Blindschleiche nahestehende Seps tridactylci ,
Daud. sich hindurchwindet. Doch kommt sie erst in den warmen
Tagen zum Vorschein, belebt aber dann in geradezu unglaub¬
licher Anzahl den Boden. Sie scheint sich keineswegs an das
süsse Wasser zu binden, da ich sie fast in noch grösserer
Menge an brackigem und salzhaltigem vorgefunden habe. In
den ersten wärmeren Apriltagen überrascht uns plötzlich eine
Eidechse, welche wie ein Pfeil auf dem Boden dahinschiesst
und dem ersten besten Schlupfwinkel zuflüchtet. Geht man
ihr aber nach und wendet behutsam den Stein um, unter welchen
man sie schlüpfen sah, so kann man sie ohne Mühe greifen und
hervorziehen. Es ist der prächtige Acanthodactylus vulgaris ,
seu lineomaculatus, D. und Bibr. Auf den fruchtbaren Gefilden,
in Gärten, auf Feldern und in Olivenhainen lebt die bunt¬
gefärbte Zornnatter (Zamenis hippocrepis, L .), während die
monströsen Stümpfe und Strünke der Oelbäume von Geckos
belebt sind. Letztere sind dort ebenso schwarz von Hautfarbe
wie es die Stämme sind , auf denen sie leben , während die
Geckos, welche im Gebirge, auf Steinen, in Ruinen und altem
Gemäuer angetroffen werden, eine fahlgraue Färbung zeigen
und sich genau der Umgebung accommodiren. ln den hohlen
Wurzelstöcken der Oliven halten Perleidechsen ihren Winter¬
schlaf und kommen gegen Ende März aus ihren Verstecken
hervor. Ueberrascht und erstaunt bleibt der Wanderer plötz¬
lich stehen und sieht mit Bewundern das smaragdgrüne Reptil
mit gehobenem Kopfe vor sich liegen oder erschreckt schnur-
grade weglaufend das Weite suchen. Hand in Hand mit der
Kriechthierfauna geht das Vogelleben. Auf den Weizenfeldern
begegnet man grossen Schaaren von Feld- und Kalanderlerchen,
den mit ihrem eintönigen Gezwitscher ermüdenden Grauammern
und jagt dort Zwergtrappe und Wachtel. An dem Rande der
Gewässer treiben sich Triel, Regenpfeifer, Kiebitze und aller¬
lei schnepfenartige Vögel umher und verleihen durch ihr Flöten,
Knarren, Pfeifen, Surren und Schwirren diesen Gegenden ein
gar belebtes und anmuthiges Bild. Im Wasser der grösseren
12
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Seen aber stehen langbeinige Beiher oder in langer Feuer¬
linie Flamingos; zahlreiche Enten, Möwen, Seeschwalben und
Kormorane liegen auf den sie schaukelnden Wellen, oder ziehen
laut kreischend über sie dahin. Grosse und umfangreiche
Olivenhaine erstrecken sich in unabsehbarer Linie, in welchen
wir den für Tunis charakteristischen Maurenfinken antreffen.
Die monströsen Stümpfe und Strünke der Olive aber dienen
mit ihren zahlreichen Höhlungen der ebenfalls hier heimischen,
munteren Ultramarinmeise zu Niststätten , auch dem Wüsten¬
kauze und anderen Höhlenbrütern. Fremde Gesellen halten
zur Zugzeit Bast im willkommenen Gezweig des schattigen
Oelbaumes, während zur Frühjahrszeit ein wunderbarer Chor
von Orpheussängern und Heckennachtigallen daraus erschallt.
So ergiebt sich also die fruchtbare, wasserreiche Ebene auch
nach der Fauna als die reichhaltigste und umfassendste. Wie
so ganz anders wird das Bild auf sandigem, wasserarmen
Boden! Im Uebergang begriffen, verleiht uns diese Gegend
zwar besonderen Beiz an der vorwiegenden Anzahl Beptilien.
Hier treffen wir die Walzenechse (Gongylus ocellatus, aut.J,
welche sich vor unseren Augen in a auffallender Geschwindigkeit
vergräbt, hier die schöne Zornnatter (Zamenis hippocrepis, L.J
und die Eidechsennatter (Coelopeltis monspessulana , Herm.J,
welche der im Geäst der Oliven herumkletternden Perl¬
eidechse nachstellt. Käfer aus der Gattung Cicindela, Copris
und Onitis schwirren surrend an einem vorüber und der
eifrige Ateuchus sacer lässt sich beim Bollen der Pillen in
seinem Fortpflanzungsgeschäft nicht stören. Die Ornis ist
noch reichhaltig: Triel und Brachvögel stellen den chitin-
bepanzerten Insekten nach und zwischen den Feigenpflanzungen
treiben Zwergohreulen, Nachtschatten, Bothkopfwürger, Hauben¬
lerchen und Sänger eigentlichen Sinnes ihr Wesen, während
sich in hoher Luftregion einige Paare Brachschwalben neckend
und mit einander spielend tummeln. Aber schon verräth die
häufige]- auftretende Dattelpalme (Phoenix dcictylifera) den
Wüsten Charakter und mehr und mehr entschwindet die bunte
Pracht der Flora, bleibt ein Vogel nach dem anderen zurück.
Zwar in den Oasen herrscht Leben und Treiben immer noch,
aber es ist ein anderes Bild. Die hochgewachsenen Palmen
breiten in unbeschreiblicher Pracht die Fülle ihrer wuchtigen
Wedel über den Wanderer und verleihen dem Ganzen einen
majestätischen und würdevollen Ernst. Nur der Wiedehopf,
der Tebib der Muselmänner und die Palmentaube verbergen
sich in der Krone oder sitzen auf einem, im leichten Wind-
stoss knarrenden Wedel. Das aber sind Charaktervögel und
Sitzung vom 11. Januar 1892.
13
stören die erhabene Würde einer Oase nicht. Nur eine Gestalt
bleibt Räthsel im ernststimmenden Palmenhain: der Sperling.
Nicht unser zwar, doch auch nicht so sehr verschieden, als
dass man ihn an seinem ewigen Gescheite nicht wiedererkennen
werde. Den Gesetzen der Harmonie hohnsprechend, hat er
sich gerade die Krone der Dattelpalme zum Wohnort erwählt
und baut dort seine umfangreichen, nicht kunstlosen Nester.
Beim Eintritt in die Wüste, in die Z'aliara der Araber,
verlassen uns selbst diese Vögel und es überkommt uns das
Gefühl unsäglicher Verlassenheit. Gluthhitze und Todtenstille
umfängt uns. Dazu der dürre Boden, nur hier und da von
einem Halfabüschel durchsetzt mit seinem monotonen Gepräge:
ein Meer von Sand, welches vom Winde wogenartig hin- und
hergetrieben wird und den Wanderer zu vergraben droht.
Und dennoch mangelt nicht jedes Leben ! Langbeinige Pimelien
stelzen vor uns graziös einher, verschiedene Arten Ateuchus
durchwühlen den Mist der Kameele und Saumthiere Heu¬
schrecken und Fliegen umsummen uns. Nach ihnen machen
zierliche Eidechsen Jagd, die zumeist der Gattung Acantlio-
dactylus angehören. Der Wüstensteinschmätzer tanzt mit un¬
beschreiblichem Anstande um sein Weibchen , isabellfarbige
Wüstenläufer kommen querein geflogen und entlaufen wie
vom Winde getrieben unserem Gesichtskreise in kürzester
Zeit. Schaaren von Wüstenlerchen fliegen vor unseren Füssen
auf und enthalten manche gar seltene und auffallende Arten.
Alle aber sind Kinder der Wüste mit unscheinbarem Feder¬
kleide, welchem der Sand seinen Abdruck verlieh.
Am reichsten und eigenartigsten aber ist die Kriechthier¬
fauna in der Sahara vertreten. Drei Arten aus der Gattung“
Acanthodactylus treffen wir daselbst alle Augenblicke an, den
Ac. pardalis, Licht., boskianus, Daud. und scutellatus, Aud.
Letzterer ist hauptsächlich Bewohner der eigentlichen Sand-
districte, während der schön gefleckte pardalis und der lang¬
gestreckte boskianus die steinigten Gegenden bevorzugen. Die¬
selben Orte werden von dem eigenartigen Uromastix acanthi-
nurus, Bell, bewohnt, der sich am liebsten in die Felsenklüfte
der Sahara zurückzieht — jene mit eigentümlichem Dorn¬
schwanz bewehrte Echse, der „Thsab“ der Eingeborenen. Da
auch lebt die prächtige, längsgestreifte Schlange Psammophis
sibilans, var. punctatus, D. und Bibr., welche mit dem ziesel¬
artigen, niedlichen Säuger Ctenodactylus Massoni, dem Gundi
der Araber, den Aufenthaltsort theilt, da die Brillenschlange,
deren tödtlicher Biss wohl kaum geheilt werden könnte , die
von Jedermann gefürchtete Naja liaie, L. In den eigentlichen
14
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Sandgegenden aber sitzt auf einem Halfabüschel oder einer
Artemisiastau.de mit weitgeöffnetem Rachen die buntgescheckte
Agama inermis, Reuss oder läuft pfeilschnell über den Boden;
in den losen Sand gräbt sich vor unseren Augen der Apotheker
— Skink ( Scincus officinalis, L.J, der im Alterthum im Geruch
wunderbarer Heilkraft gegen Liebesschwächen stand; Ross
und Reiter aber bedroht der starke Waran (Varanus griseus,
Daud.J, einem Landkrokodile vergleichbar, welcher mit scharfen
acrodonten Zähnen bewaffnet, nicht selten aus Uebermuth den
Saumthieren an die Nüstern springt und diese in den höchsten
Schrecken versetzt. Es ist der „Orei“ der Eingeborenen, dem
Dornschwanze an Grösse nicht nachstehend, vielmehr diese
überschreitend. Beide werden öfters von sudanesischen Neg'ern
gefangen und verwerthet; der Dornschwanz, indem er von
ihnen gegessen wird, der Waran zumeist umseiner festen Haut
willen, aus welcher man Taschen, Portemonnaies u. dgl. fertigt.
Charakteristisch für die Wüste ist auch die giftige Hornviper
(Cerastes vipera, Lty die in warmen Nächten den Sandboden
belebt und tagsüber nur zufällig unter einem Strauche liegend
überrascht wird, wo sie der Verdauung obliegt.
Da die Zeit für eine eingehendere Schilderung kaum
ausreichen dürfte, habe ich mich auf diese nur ganz flüchtige
Skizze beschränken zu müssen geglaubt — immerhin wollte
ich dieselbe vor der Besprechung und Demonstration meiner
mitgebrachten Kriechthiere nicht ganz umgehen, um Sie, ver¬
ehrte Anwesende, mit dem Verbreitungsbezirke jener Thiere,
der geographischen Lage sowie dem Landcharakter und der
Bodengestaltung Tunesiens einigermassen bekannt zu machen.“
Redner legt alsdann das vor Kurzem in den „Transactions
of the Zoological Society of London“ erschienene Prachtwerk
von Bo ul eng er über die Kriechthiere der Barbarei vor, be¬
titelt „Catalogue of the Reptiles and Batrachians of Barbary
(Marokko, Algeria, Tunisia), based chiefly upon the Notes and
Collections made in 1880 — 1884 by M. Fernand Lata st e“
und weist auf das hervorragende Verdienst Boulengers hin,
die hochinteressante Kriechthierfauna jenes Landes nahezu er¬
schöpfend und vollendet bearbeitet zu haben. Die dem äusserst
gewissenhaft bearbeiteten Texte beigegebenen , glänzenden
Tafeln werden besonders hervorgehoben und der Ansicht der
geehrten Anwesenden anempfohlen.
Alsdann bespricht Redner mit Vorzeigung der Objecte
(Spirituspräparate) die von ihm in Tunis gesammelten Kriech¬
thiere und knüpft daran die von ihm in der Freiheit gemachten
biologischen Untersuchungen und Beobachtungen. Das Material
Sitzung' vom 11. Januar 1892.
15
ergab 2 Schildkröten-, 18 Eidechsen-, 11 Schlangen- und 5Lurchen-
formen, zusammen 36 Arten für Tunesien. Für die ganze
Barbarei sind bis jetzt von Boulenger 3 Schildkröten-, 45
Formen von Eidechsen, 20 Schlangenarten und 10 Batrachier
nachgewiesen worden, im Ganzen 78 Species.
Liste
der von mir bis jetzt in Tunis gesammelten und beobachteten
Kriechthiere.
Die mit * versehenen Arten sind eigenhändig von mir gefangen
worden.
A. Reptilien (Reptilia).
Ordnung: Schildkröten (Chelonia).
*1. Testudo Ibera, Pallas 1831.
Uebcrall häufig, vorwiegend auf Hochlandsteppen. Supra-
caudale bei jungen Individuen wie bei graeca , L. g'etheilt. Das
charakteristische Unterscheidungsmerkmal beider Arten scheint
nur im Fehlen und Vorhandensein des Schenkelsporns zu be¬
stehen.
*2. Clemmys leprosa, Schweigg. 1814.
Leider liegen nur Jugendformen von meist olivgrüner
Färbung vor. In Flüssen und stagnirenden Gewässern häufig’,
auch in Cisternen, wo die Stücke eine enorme Grösse erreichen.
Diese 2 Schildkröten sind in ganz Tunesien häufig — eine
3. Art wurde in Tunis nicht beobachtet. Boulenger stellt
die Emys orbicularis , L. 1766 in seiner Arbeit auf, welche von
Lataste bestätigt wurde als von Dr. Hagenmüller beiBona.
gesammelt. Sie sei jedoch selten und die früheren Angaben
über Vorkommen dieser Art „in allen Flüssen Algiers “ ist nach
Boulenger auf eine Verwechslung mit der gewöhnlichen
Clemmys leprosa zurückzuführen.
Ordnung: Eidechsen (Sauria).
*3. Hemidactvlus turcicus, Linn. 1766.
Hemidactylus verruculatus , Gervais, Guichenot.
Hemidactylus cyanodactylus, Strauch.
Die Art wird von Boulanger als „not very common“
für Algier angegeben. Auch scheint sie in Tunis nicht so
16
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
häufig zu sein als in einigen südlichen Ländern Europas, z. B-
Italien. Ich habe sie nur einmal beim Umdrehen eines Steines
in Bordj-Ibum überrascht, ausserdem noch 1 Stück durch den
in Tunis ansässigen Sammler Francesco Miceli erhalten. Beide
Exemplare waren junge Individuen.
*4. Tarentola mauritanica, L. 1766.
Platydactylus fascicularis, Rozet, Gervais.
Platydactylus muralis, Guichenot.
Platydactylus facetanus, Strauch.
In ganz Tunis gemein. Die auf den Oliven lebenden
Exemplare zeichnen sich durch intensiv schwarze Rückenfär¬
bung sowie durch ihre stattliche Grösse aus. Die am Mauer¬
werk lebenden Individuen sind durchweg heller und schwächer.
Nur in den kalten Wintertagen sieht man sie nicht; sobald aber
die erste Frühjahrssonne scheint, kommen sie aus ihren Schlupf¬
winkeln hervor und lassen die Wärme belebend auf sich ein¬
wirken. Zu überraschen sind die Geckos sehr schwer und dies
wird nur in den wenigsten Fällen gelingen. Wenn man ihnen
dagegen den Rückweg absperrt und die Hand hohl auf den
Ast, Stamm oder Stein legt, wo sie sich gerade befinden, so
laufen sie in der Regel von selbst in die Höhlung hinein, wor¬
auf man die Hand nur zu schliessen braucht. Die Reflexbewe¬
gungen der in Alkohol geworfenen Geckos halten unter Um¬
ständen halbe Stunden lang an. -
L a t a s t e beschreibt eine Varietas deserti in litteris,
welche sich durch beträchtliche Grösse, spitzer zulaufenden Kopf,
feinere Granulation zwischen den Tuberkeln und der Kehle
und sehr blasse, fast schmutzig weisse Färbung mit sehr un¬
bestimmten fahl braunen Flecken auszeichnen soll. Mir ist
diese Varietät in der tunesischen Sahara nicht xiufgestossen.
*5. Agama inermis, Reuss. 1834.
Diese hervorragend hübsche Art ist mir im nördlichen
Tunis in der Freiheit niemals begegnet und scheint in der
nächsten Umgebung von der Hauptstadt Tunis gänzlich zu
fehlen. Das erste Exemplar sammelte ich am 12. März 1891 in
der Sebkhaniederung von Sidi Bou Ali, auf der Wegstrecke
zwischen Sousse und Dar el Bev. Ich fand es todt getreten
am Boden liegen. Nach Dr. Boettg’er ist es ein und Aveicht
vom Typus durch eine einzige, statt zwei, Präanalporenreihe
ab. Am 14. März griff ich ein lebendes Exemplar in der Sebkha¬
niederung' von Monastir. Es war augenscheinlich ein wenig
erstarrt, sass mit gehobenem Kopfe am Rande einer Wasser-
Sitzung vom 11. Januar 1892.
17
lache und liess sich von mir widerstandslos greifen. Schliess¬
lich sammelte ich auf meiner letzten Wüstenreise 4 Stück dieser
Echse. Sie sassen zumeist in einem Halfabüschel oder Ar¬
temisiastaude, wo sie ein uns begleitender Dachshund aufstö¬
berte und, ohne sie zu beschädigen, fing.
*6. Uroma st ix acanthinurus, Bell, 1825. „Thsab“ der
Eingeborenen.
Ur. spinipes, Günther.
Ur. temporalis, Valenciennes. Dornschwanz.
Diese stattliche Eidechse sammelte ich nur in einem ein¬
zigen Exemplar. Es war unweit der Oase Ouderef am vielver-
heissenden Djebel el Meda, wo ich auf den dortigen Hoch¬
plateaus Jagd nach einer höchst seltenen Lerchenart, der Rliam-
phocoris Clot-Bey machte, als plötzlich mein Reisegefährte
stehen blieb und mich zu sich heranwinkte. Ich eilte hin und
sah, behaglich im Sonnenschein ausgestreckt, eine Riesenechse,
die ich aus der Ferne nicht unterzubringen wusste. Vorsichtig
rückwärtsschreitend, um eine gewisse Distanz zum Schuss zu
gewinnen, backte ich das Gewehr an und legte mit feinem
Vogeldunst den mir sehr begehrenswerthen Uromastix auf die
Seite. Die Art soll übrigens in Algier und Tunis keineswegs
zu den Seltenheiten gehören und ist bis jetzt nach Boulenger
weder westlich von Algier, noch östlich von Tunis aufgefunden
worden. Die anderen Orts angetr offenen Exemplare sind viel¬
mehr mit dem Uromastix spinipes, Daud. verwechselt worden.
Soviel mir bekannt, wird das Fleisch des „Thsab“ von den
Wüstenvölkern gegessen.
7. Varanus grise us, Daudin 1802.
Var. arenarius, Gervais, Guichenot. — Var. scincus, Strauch.
Erdwaran „Orel“ der Eingeborenen.
Mir liegen 3 Stück aus Tripolis vom 25. März 1887 vor.
In Tunis habe ich den Waran nicht zu Gesicht bekommen, ob¬
schon er dort in den südlichen Saharadistricten, nach den mir
gemachten Mittheilungen, häufig Vorkommen soll.
*8. Lacerta ocellata, Daudin. Perleidechse.
Varietas: pater, Lataste 1880. Salsumia der Eingeborenen.
L. viriclissima, Rozet. — L. occellata, Schlegel, Strauch.
L. viridis, Gervais.
Während wir die typische Lacerta occellata , Daud. in
Süd-Frankreich, Ligurien und auf der Pyrennäischen Halbinsel
zu suchen haben, wird in Nordwestafrika die Perleidechse zu
Sitzungsh. der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 2A.
18
Niederrheinisclie Gesellschaft in Bonn.
einer Rasse oder guten Subspecies, deren Bekanntmachung wir
dem energischen französischen Forscher Lat aste zu verdan¬
ken haben. Die Form scheint auf Algier und Tunis beschränkt
zu sein, in Marokko, so namentlich in Tanger kommt wieder
eine andere Varietät vor, von Bouleng’er unter dem Namen
tangitana 1887 bekannt gemacht.
Die Unterschiede beider Unterarten werden von Bo u-
1 e n g e r genau angegeben und besprochen, weshalb ich auf
dieselben verweise. Erwähnen will ich nur, dass die Färbung*
ungemein variirt, denn man findet ebensowohl Stücke von in¬
tensiv smaragdgrüner Färbung*, ganz einheitlich wie schwarz
gefleckt, als auch in fast bläulicher Nuance ungefleckt u. s. w.
Diese Eidechse ist in der näheren Umgebung von Tunis
von Mitte März an sehr häufig* an den Wurzelstöcken der Oel-
bäume, am Mauerwerk und auf Gebirg’en anzutreffen; scheint
aber südlich von Tunis fast ganz zu fehlen, in Monastir sah
ich sie nicht ein einziges Mal. Sie ist bissig und sehr gewandt,
frisst vorzugsweise Landschnecken (Helix), klettert oft in Oli¬
venzweigen herum und sonnt sich auf den Gipfeln der Bäume.
In allen Stadien und Altersstufen gesammelt.
*9. Psammodromus algirus, L. 1766.
Algira barbaricci, Gervais. — Tropidosaura algira, ant.
Diese prächtige, in der von mir gegebenen Einleitung*
öfters vorerwähnte Eidechse bewohnt Gebirge und Höhenzüge
in Marokko, Algier und Tunis nördlich der Sahara. Sie kommt
übrigens auch in Spanien und Süd-Frankreich vor, bevorzugt
trockenen Boden mit Steingeröll und ist ausserordentlich flink
und gewandt. Erwachsene Exemplare sind sehr schwer zu
fangen.
*10. Acanthodactylus baskianus, Daudin 1802.
Varietas: asper, Audouin.
Dieser Acanthodactylus ist ein echtes Kind der Wüste.
Er theilt mit den typischen Wüstenformen seinen Verbreitung's-
bezirk. Dort, wo der dunkelfarbige Würger ( Lanius algerien-
sis, Lesson) dem hellen Lanius dealbatus , Defil. weicht, wo wir
nach den äusserst gewandten und flinken Laufkäfern der Acan-
thia sexmaculata Jagd machen und sie zu fangen suchen : dort
erst sehen wir den Acanthodactylus baskianus. Nur in der
eigentlichen Wüste ist er anzutreffen; auf der Hochlandsteppe
bin ich ihm nirgends begegnet. Häufig* ist er in Gabes und
Umgegend, wo ich einige Exemplare erbeutete, die in Sonder¬
heit am Djebel el Meda und dem Djebel .Chalifa Ben Machmud
Sitzung- vom 11. Januar 1892.
19
von mir gegriffen wurden. Bei vorsichtiger Annäherung des
Menschen drücken sie sich platt auf den Boden und wenden
den Blick unverwandt nach jenem. Sie wählen ausgesproche¬
nen Sandboden, welcher mit Steinen untermischt sein darf und
passen sich diesen Bodenverhältnissen in geradezu überraschen¬
der Weise an.
Auf der Dorsalseite ziehen sich vom Occiput zwei dunkle
Seitenstreifen herab, welche sich unterhalb der Schwanzwurzel
vereinigen. Desgleichen ist ein Mittelrückenstreifen vorhanden,
der sich ursprünglich aus zwei Linien zusammenzusetzen scheint.
Er reicht bis zur Schwanzwurzel ; die Bauchseite und die Schen¬
kel sind lebhaft punktirt; auf ersterer setzen sich die Punkte
in zwei Seitenlinien zusammen.
*11. Acantliodactylus scutellatus, Audouin 1829.
Die von mir gefangenen Stücke liegen aus Tripolis vor,
doch wird die Art auch für Tunis angegeben. Die röthliche
Färbung des Sandes, wie ich sie in der Regentschaft Tunis bis
jetzt noch nicht angetroffen habe, ist getreu auf dieser Eidechse
wiedergegeben. Diese Art scheint die häufigste in Tripolis zu
sein und lebt in der nächsten Umgebung der Stadt, wo bereits
Wüstencharakter herrscht. Sie ist nicht schwer zu fangen,
versteht es aber meisterhaft sich durch das dichte Gewirr der
Retama retam , L. zu winden, oder durch plattes Niederdrücken
uuf dem Sande sich den Augen des Menschen — sowie aller
übrigen Feinde — zu entziehen.
*12. Acantliodactylus pardalis, Licht. 1823.
Acantliodactylus Savigyi, Gervais, Guichenot, Strauch,
Lataste.
Zootoca deserti, Günther.
Acantliodactylus Bedriagae, Lataste.
Diese Eidechse ist eine Zwischenform von Acantliodactylus
, scutellatus und Ac. vulgaris. Sie ist in Algier und Tunis durch
zwei schwer zu unterscheidende Varietäten vertreten, welche
von Lataste benamset wurden, nämlich derVarietas: Bedria¬
gae, der grösseren, stärkeren Form, welche sich an den Ac.
vulgaris anlehnt, und der Varietas: deserti ( Scaptira macu-
lata, Gray; Zootoca deserti, Günth.), der kleineren Form von
der Sahara, welche sich mehr der vorhergehenden — Ac. scutel¬
latus anlehnt. Nach Herrn Dr. Boettgers gütiger Bestim¬
mung gehören meine in der Sahara gesammelten Stücke der
Varietas: Bedriagae, Lataste an. Während ich dieser Art in
der nächsten Umgebung von Tunis niemals begegnete, wird
20
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
sie in Kobelts „Reiseerinnerungen aus Algerien und Tunis“"
im Anhang* von Dr. Boettger aufgeführt als in Tunis durch
Francesco Miceli in 4 Exemplaren erlangt. Ich sammelte
sie erst in der Oase von Gabes, wo sie neben Eremias guttu-
lata, Licht, die häufigste Eidechse war. In Tripolis war sie be¬
reits seltener. Sie bevorzugt sandigen Boden, auf welchem sie
mit grosser Geschwindigkeit einherläuft. Im Magen und Darm
fand ich vorwiegend Käferüberreste von Pimelien.
*13. Acantho dactylus vulgaris, Dum. et Bibr. 1889.
Äcanthodactylus lineornaculatus , Dum. et Bibr.
Diese Art habe ich (nach Dr. Boettger) im Jahre 1888-
für Tunis als neu nachgewiesen, was um so auffallender ist,
als sie keineswegs zu den seltenen Erscheinungen daselbst ge¬
hört; freilich ist sie mir nur in der nächsten Umgebung* von
Tunis selbst in der Freiheit aufgestossen. Boulenger sagt
von ihr, dass sie Süd-Frankreich, die spanische Halbinsel, Ma¬
rokko, Algerien nördlich der Sahara und wahrscheinlich (pro-
bably) Nord-Tunis bewohnt. Sie ist am Rande des Bahira-Sees,
auf dem thonhaltigen Boden bei Auina wie in Rades häufig,
doch nicht vor April anzutreffen. Sie bevorzugt die Gegenden
am Wasser. Ueberrascht, läuft sie wie der Wind über die
Fläche und verkriecht sich nur oberflächlich unter einem pas¬
senden Strauch oder Stein und kann dann ohne besondere
Mühe hervorgezogen werden. Auf diese Weise fing ich alle
Exemplare, die mir zu Gesicht kamen. Bei jungen Individuen
ist die Flecken- und Linienzeichnung, besonders an den Schen¬
keln, vortheilhaft abgehoben. Adulte Exemplare zeichnen sich
durch mattblaue Flecken an der Seitenreihe aus.
*14. Eremias guttu lata, Licht. 1823.
Podarces pardalis, Gervais, Guichenot, Strauch.
Podcirces Simoni , Boettger.
Eine ausserordentlich variable Form, nach dem Süden
hin zunehmend. Auf mittleren Höhenzügen, nicht häufig in der
nächsten Umgebung von Tunis ; um Monastir häufiger werdend,
auch auf Inseln, z. B. auf Curiat, von wo sehr lebhaft gefärbte
Exemplare vorliegen. Noch südlicher, z. B. bei Gabes, gemein.
Liebt sandigen Boden, ohne besondere Charakterpflanzen zu
bevorzugen. Weniger gewandt in ihren Bewegungen, wie die
vorhergehenden Arten. Im Darm Flügeldecken von Pimelien,
Larven und Spinnen.
Sitzung* vom 11. Januar 1892.
21
*15. Ophiops occidentalis, Bouleng*er 1887.
Ophiops eie g ans, Lataste, Boettg*er.
Auf mittleren Höhenzügen und an der Gebirgsbasis zwi¬
schen Rasmarin und Thymian, im nördlichen Tunis selten, doch
schon bei Sousse und Monastir häufiger werdend. Sie tritt
zumeist mit der Tropidosaura algira auf, weil sie genau die¬
selben Oertlichkeiten auf den Hochplateaus bewohnt wie diese.
Auf grösseren Bergen scheint sie jedoch der Tropidosaura
gänzlich zu weichen.
16. Eumeces Schneideri, Daudin 1802.
Von dieser hervorragend schönen Eidechse brachte ich
zwei Stück von Gabes mit, die ich vom Sammler Francesco
Miceli erstand. Ein Exemplar machte ich auf Wunsch des
Hrn. Dr. Boettger dem Sen ckenbergischen Museum zu Frank¬
furt a. M. zum Geschenk. Mir selbst ist die Art lebend in der
Freiheit nicht entgegengetreten. Für Algier (Orovinz Oran)
wird eine andere Species Eumeces algeriensis, Peters 1864 an¬
gegeben, die auf einer der Tafeln von Boul enger pracht¬
voll zur Abbildung* gelangte ; mir ebenfalls nicht begegnet,
scheint überhaupt in Tunis gar nicht vorzukommen.
17. Seine us officinalis, Laurenti 1768.
Auch diese schöne Eidechse ist mir lebend in Tunis
nicht begegnet. Das einzige Exemplar, welches mir Zeugniss
vom Vorkommen in der tunesischen Sahara ablegt, war ein
todtes, welches ich unweit des Bir Meheddeub auf der Erde
liegend, von unzähligen Schwarzkäfern durchsetzt vorfand. In
den sandigen Gegenden von Tripolis fand Miceli diese Eidechse
gemein. Er brachte mehrere sehr verschieden gezeichnete von
dort mit, die er mir abtrat. Sie wird von den Wüstenarabern
gegessen.
*18. Chalcides ocellatus, Forskal.
Varietas: tiligugu, Gmelin 1788.
Gongylus ocellatus , aut.
Boulenger macht uns ausser der typischen Form,
welche auch in Tunis, aber nur im südlichen Theile, so in
Gabes Vorkommen soll, mit drei Varietäten, ausserdem mit noch
fünf anderen Species der Gattung Chalcides bekannt. Eine
dieser Varietäten ist die tiligugu, der meine sämmtlichen Stücke
angehören, die ich in Tunis sammelte. Sie bewohnt Sardinien,
Sicilien und Süd-Italien, Algerien und Tunis und die dazwischen
liegenden Inseln, auch Tripolis, Egypten, Nordwest - Arabien
22
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
und Abessynien. In Algier und Tunis ist sie nördlich der
Sahara gemein. Häufig am Rande des Balnra - Sees, aber
auch auf Feldern in Cactushecken und auf sandigem Boden.
Bei Annäherung der Menschen verkriechen sie sich unter
dürres Laub oder in ihre selbstgegrabenen Erdlöcher. In san¬
digem Boden vermögen sie sich mit ausserordentlicher Schnellig¬
keit fortzubewegen eventuell einzugraben. Im Allgemeinen
scheinen sie aber die Nähe des Wassers nicht entbehren zu.
können. In verschiedenen Altersstufen gesammelt.
*19. C ha lei des tridactvlus, Laurenti 1768.
Seps chalcides, Bp. Guichenot, Strauch.
In Tunis gemein, aber nicht vor April sichtbar. In
feuchten Gräben oder Niederungen, wo das Gras oder der
Juncus üppiger wächst, in überaus grosser Anzahl, so am
Rande des Bahira, zumal an den Tümpeln der Stadt, in Auina
und in Rades mit Sicherheit anzutreffen. Die Stummelfüsschen
helfen wesentlich bei der Fortbewegung , wie ich mich beim
Fang oftmals persönlich überzeugen konnte. Ein am 12. März
1891 in Tunis erlegtes £ Exemplar einer Rohrweihe (Circus
aeruginosus, Linn.J hatte mehrere Stücke der Clialcides tri -
dactylus im Magen gehabt.
20. Cham aele on vulgaris, Daudin.
Ch. africanus , Schlegel.
Ch. cinereus, Strauch.
Ich selbst war nicht so glücklich, ein Cliamaeleon aufzu¬
finden, doch wurde mir am Fusse des Djebel R’Sass ein eben
gegriffenes am 6. März 1887 überreicht, welches ich einige Zeit
lebend erhielt. Ich besitze aus Tunis zwei ausgewachsene und
aus Tripolis zwei junge Exemplare. Nach mündlichen lieber-
lieferungen und persönlichen Mittheilungen dürfte das Chamae-
leon in Tunis keine zu seltene Erscheinung sein. Die Art be¬
wohnt Nord -Afrika, das südliche Spanien, Klein -Asien und
Svrien.
Ordnung : Schlangen. Opliidia.
21. Lytorhynchus diadema, Dum. und Bibr. 1854.
Diese Schlange gehört zu den Seltenheiten in europäi¬
schen Museen. Sie ist zuerst beschrieben worden nach einem
Stück, welches von der westlichen Sahara Algiers stammt. Nach
Dr. Böttg'er geht sie einerseits bis Algerien, andererseits bis
Syrien und Persien. Das mir vorliegende Exemplar stammt
von Gabes, wo es vom Sammler Alessi erbeutet wurde.
Sitzung- vom 11. Januar 1892.
23
*22. Zamenis algirus, Jan. 1863.
Zamenis florulentus , Gervais.
Das einzige Exemplar, welches mir vorliegt, fing ich
eigenhändig in der Nähe des alten Thystrus, dem heutigen
arabischen Flecken El Djem. Während 14 von Lataste unter¬
suchte Stücke dieser Art 25 Schuppenreihen besitzen, fällt mein
Exemplar durch nur 23 Schuppenreihen auf. Die Art scheint
auf Tunis und Algier beschränkt zu sein.
*23. Zamenis hippocrepis, L. 1766. Zornnatter.
Periops hippocrepis , Wagl.
Diese schöne Schlange gehört in Tunis zu den häufigsten
ihrer Ordnung. Sie ist ausserordentlich beisslustig und höchst
gewandt. Gleich einem abgeschossenen Pfeil gleitet sie auf
dem Boden dahin und verschwindet in wenigen Augenblicken
in ihren Schlupflöchern. Sie bevorzugt trockene Oertlichk eiten
und ist daher in den Olivenpflanzungen nicht selten anzutreffen.
Ich habe eigenhändig- junge und ausgewachsene Exemplare
vielerorts gefangen.
*24. Tr opidono tu s viperinus, Lataste 1802.
Nur an feuchten Stellen, dort aber in Gräben, an Wasser¬
lachen, Pfützen, überhaupt an stagnirendem Gewässer g-emein.
Ich traf sie an den nahen Pfützen der Stadt Tunis, entweder
zusammengerollt an deren Rändern, oder schwimmend im Ge¬
wässer selbst. Erst wenn die Tage wärmer werden und die
Sonne belebend wirkt, wird man ihr in der Freiheit begegnen.
Sehr häufig findet man an ihren Lieblingsstellen die abge¬
worfenen Häute. Durchschnittlich Avird sie nicht eben sein-
gross und erreicht bei Weitem nicht die Länge der Zornnatter,
wird auch dementsprechend seltener von Gauklern zu Schau¬
stellungen benutzt.
*25. Coronella cucullata, Geoffr.
Sammelte ich nur in einem einzelnen Exemplar (juv.) in
Auina unter Steinen am 6. April 1886. Nach Bo ul eng- er lebt
diese Schlange auf der Iberischen Halbinsel, auf den Balearen
und Nord- Afrika, dort bis in die Sahara vor dringend.
*26. Psammophis sibilans, L. 1766.
Varietas: punctata, D. und Bibr.
Am Djebel el Meda fing ich diese hervorragend schöne
Schlange in einem Exemplar am 5. Mai 1891. Ausserdem er¬
hielt ich ein jüngeres Stück vom Sammler Francesco Miceli,
24
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
welcher dasselbe in Gabes erbeutet hatte. Die Art bewohnt
Nord- Afrika, Syrien, Klein- Asien und Süd-Russland. F. Lataste
fand sie in den südlichen Districten von Algier und Tunis
häufig’ vor.
*27. Coelopeltis lacertina, Wagi. 1824.
C. monspessulana, Herrn., Eidechsennatter.
Diese gefleckte Form ist zwar in der näheren Umgebung’
der Stadt Tunis seltener als nächstfolgende Varietät, wird aber
von herumziehenden Gauklern vielfach gezeig’t und in Er¬
mangelung' von Giftschlangen zu den bekannten Schaustellungen
benutzt. Weiter nach dem Süden zu wird die Art ausser¬
ordentlich häufig.
*28. Coelopeltis monspessulana, Herrn.
Varietas: Neumayeri, Fitz.
Eine der häufigsten Schlangen in Tunis. Bevorzugt die
Hochlandsteppe, aber auch feuchte Niederungen und kommt
schon im Februar an sonnigen Tagen aus ihren Schlupfwinkeln
hervor. Sie ist wenig scheu, aber im Vertrauen auf ihre
Stärke gewandt und ausserordentlich bissig. Am 12. April 1887
überraschte ich eine dieser Schlangen, welche soeben eine voll¬
kommen ausgewachsene Perieidechse herabgewürgt hatte und
der Verdauung oblag'. Greift man sie an, so faucht sie unauf¬
hörlich und richtet die Sprünge nach dem Gesichte des Menschen.
Die Zähne sind sehr scharf, und der Biss verursacht nicht ge¬
ringe Wunden.
29. Coelopeltis producta, Gervais 1857.
Bis vor Kurzem nur aus Algerien bekannt. Francesco
Miceli sammelte das vorliegende Stück in Gabes. Es ist eine
seltene Schlange und ziert die wenigsten Sammlungen Europas.
30. Naja haie, L. 1766.
Aspis ; Afrikanische Brillenschlange.
Die afrikanische Brillenschlange wird südlich des Atlas
in g'anz Afrika gefunden. Ich kaufte von Gauklern, welche
diese sehr gefährlichen Giftschlang-en nach Beraubung ihrer
Giftzähne zu Schaustellung’en benutzen , drei Stück. Nach
glaubwürdiger Aussage seien diese in der Nähe der heilig’en
Stadt Kairouan gefangen worden. In der näheren Umgebung
von Tunis müssen sie wohl gleich anderen Gifts chlang’en zu
den seltensten Erscheinungen gehören. Ich selbst bin dieser
Art niemals in der Freiheit begegnet.
Sitzung’ vom 11. Januar 1892. 25
M - ; ■ . ’ ■
*31. Vipera cerastes, L.
Horn viper; Lefa der Eingeborenen.
Diese ebenfalls sehr gefährliche Giftschlange sammelte
ich eigenhändig in zwei Exemplaren in der südlich tunesischen
Sahara.
B. Lurche. Amphibia.
Ordnung: Frosclilurche. Ecaudata.
*32. Kana esculenta, L.
Varietas: ridibunda , Pall. Latastei, Cam. Wasserfrosch.
An den Süsswasser pfützen und in den Cisternen häufig.
Nunmehr besitze ich ausser Jugendformen auch adulte Exem¬
plare, welche ich in der Nähe des Djebel Batteria einfing. Die
Art ist über ganz Tunis weitschichtig verbreitet.
*33. Bufo viridis, Laurenti 1768.
Bufo variabilis, Pallas, Gervais.
Allerorts sehr häufig. Ihre angenehmen Laute vernimmt
man von März ab. In allen Altersstufen gesammelt.
Herr Dr. 0. Boettger hat mich gebeten und ermäch¬
tigt, die im Anhänge von Ko beit’ s Reiseerinnerungen aus
Algerien und Tunis auf pag. 474 aufgeführten Stücke von
Bufo mauritanicus, Schl, aus Tunis (Miceli) als nicht zu dieser,
sondern zu Bufo viridis , Laur. gehörigen Art zu berichtigen.
*34. Bufo mauritanicus, Schl. 1841.
Bufo ; pantherinus , Guichenot, Strauch.
Bufo arabicus, Gervais.
Diese sehr schöne Kröte scheint der Barbarei eigentüm¬
lich zu sein. Sie ist bis jetzt in einigen Theilen Marokkos,
häufiger in Algier und Tunis gefunden worden. Ich fand ein
Pärchen in der Begattung am Oued Ksar el Kollal vor Zaghuan
am 25. März 1886, wo ich viele Exemplare sah und nachträg¬
lich sehr bedauerte nicht noch mehrere mitgenommen zu haben.
Im folgenden Jahr fand ich nur ein grosses schönes Stück am
30. April in Rades. In der nächsten Umgebung von Tunis
scheint sie selten zu sein, auch in Monastir kam mir kein Exem¬
plar dieser Art zu Gesicht.
*35. Disco glossus pictus, Otth. 1836.
Dieser kleine Frosch unterscheidet sich leicht vom genus
JEtana und Hyla dadurch, dass er kein deutliches Trommelfell
26
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
und keine starke Schwimmhaut an den Hinterfüssen besitzt.
Er ist in Tunis in Wasserlachen sehr häufig anzutreffen.
Ordnung : Scliwanzlurche. Caudata.
*36. Molge Hagenmuelleri, Lataste 1881.
Zwei Exemplare dieser Art wurden vom Sammler Miceli
bei Hamam el Lif unter einem Steine lebend vorgefunden.
Eins derselben ging in meinen Besitz über. Die Art ist völlig'
neu für Tunis und war bis jetzt von Bona, Biskra und Bougie
(also Algerien) bekannt.
Die sichere Bestimmung der Arten verdanke ich der
freundlichen Mühewaltung des Herrn Prof. Dr. Oscar Boett-
ger in Frankfurt a. Main.
Prof. Schaaffhausen berichtet über vorgeschichtliche
Funde in Mähren, die ihm zur Untersuchung zugesandt wor¬
den sind. Herr H. W ankel in Olmütz fand in der oberen
Schicht der Slouper Höhle den Schädel eines Höhlenbären mit
einer Verletzung auf dem Scheitel, die augenscheinlich durch
eine Steinwaffe hervorgebracht war. Ein in der Nähe dessel¬
ben gefundenes Werkzeug aus Jaspis passt ziemlich genau in
die vorhandene Knochenwunde, die an einem Rande Kallus¬
bildung zeigt. Der Stein muss erst nach dem Tode des Thier es
in Folge der Zerstörung der Weichtheile aus dem Knochen
herausgefallen sein. Wahrscheinlich war er ursprünglich tiefer
in den Knochen eingedrungen, und der Grund der Wunde
wurde durch den Heilungsprozess gehoben. Dass gerade die¬
ser Stein die Verletzung hervorgebracht hat, dafür spricht auch
der Umstand, dass Wankel andere Steingeräthe in dieser kno¬
chenführenden Schicht nicht angetroffen hat. Aehnliche Beob¬
achtungen sind von Hart, Nilsson, Murchison, von Loscy,
Verne au und Steenstrup mitgetheilt. Sie sind der sicherste
Beweis, dass der Mensch Zeitgenosse der betreffenden Thiere
war. Es ist leicht begreiflich, sagt Steenstrup, dass solche
Fälle in der ältesten Zeit am leichtesten Vorkommen konnten,
Aveil die schwachen Waffen der Menschen das Thier oft nur
verwundeten, aber nicht tödteten. Die erste Steinwaffe hat der
Mensch im Thierkampfe gewiss mit der Hand geführt, ehe er
Pfeil und Bogen oder die Lanze hatte. Doch ist der gefun¬
dene Jaspis zu klein, als dass er, wie Quatrefages meinte,
mit der Hand geführt worden ist, er sieht auch nicht so aus,
als sei von ihm ein Stück abgebrochen. Sein dem Herrn
Wankel gegebenes Gutachten über diesen Fund, von dem er
Abbildungen vorlegt, lautet Avie folgt:
27
Sitzung' vom 11. Januar 1892.
Das mir zugesandte Stück eines Höhlenbärenschädels
zeigt etAva in cler Mitte der Scheitelnaht eine 25 mm lange und
18 mm breite Lücke, in Avelcher ein Steingeräthe, Pfeil- oder
Lanzenspitze, festgeleimt war. Es Avar nothwendig', dieses zu
entfernen, um darüber urtheilen zu können, AATie tief die Lücke
und wie der Grund des Loches beschaffen war, auch darüber,
ob das Arorhandene Jaspisstück die SteinAvaffe ist, welche in
das KnocliengeAvebe eingedrungen und darin stecken geblieben
Avar. Unzweifelhaft hat in der Lücke, während das Thier noch
lebte, ein fremder Körper gesteckt, der die Kallusbildung an
der rechten Seite derselben veranlasst hat, denn hier erhebt
sich der Rand der Grube als eine ATorspringende 5 mm breite
Knochenwucherung', Avährend auf der linken Seite und vor und
hinter dem Steingeräthe eine solche nicht ATorhanden ist. Es
ist Avohl denkbar, dass das Steingeräthe von dem lebenden
Kn och enge aa7 ehe und den es bedeckenden Weichtheilen festge¬
halten wurde und erst später aus dem Loche herausgefallen
ist. Die Jaspisspitze kann einem Pfeile oder einem Wurfspiesse
angehört haben und muss mit grosser GeAvalt in die Pfeilnaht
eingedrungen sein. Dass der eingeleimte Jaspis wirklich die
Waffe Avar, welche die Verletzung hervorgebracht hat, kann
nicht mit Sicherheit behauptet werden, kann aber für wahr¬
scheinlich gelten, weil die Steiirwaffe in die Form der Lücke
passt und dies Steingeräthe das einzige war, welches bei den
Knochen gefunden worden ist. In diesem Falle müsste aber
der Stein auch in nächster Nähe des Schädels gelegen haben,
Avorüber leider nichts mitgetheilt ist. Dass die Lücke nach der
Auffindung des Schädels künstlich dem Steine angepasst Avor-
den wäre, davon findet sich keine Spur. Nach Entfernung des
eingeleimten Steingeräthes zeigte dieses eine stumpfe drei¬
eckige Spitze, an der nichts abgebrochen ist. Es ist 29 mm
lang', 17 mm breit und in der Mitte 10 mm dick. Der Grund
der Lücke liegt ziemlich eben und ist 8 mm tief. Die Waffe
ist, nach der Form der KnochenAvunde zu schliessen, von der
linken Seite des Thieres in schiefer Richtung nach rechts einge¬
drungen. Quaterfages las in der Sitzung der Pariser Aka¬
demie vom 9. März 1891 einen Bericht von Wankel, dieser
betrachtete den Jaspis nicht als eine Lanzenspitze, sondern als
eine Waffe, die mit der Hand geführt Avurde. Wenn er sagt,
dass der Schlag' von rechts nach links geführt Avorden sei, so
ist dies vom Jäger zu verstehen. Pr uni er es soll ähnliche
Beobachtungen gemacht haben. Er glaubt, dass die BeAvohner
der Grotte von Baumes chaudes in den CeArennen corps ä corps
mit dem Höhlenbären gekämpft hätten. Dass die Steinwaffe
28
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
am Slouper Schädel von links nach rechts eingedrung*en ist,
spricht für einen solchen Kampf Brust gegen Brust, doch wäre
es auffallend, wenn dec Mensch die kleine Waffe geg*en den
festesten Theil des Schädels absichtlich geführt hätte. Ein
Lanzenwurf oder Pfeilschuss ist desshalb wahrscheinlicher.
Das von Wankel gegebene Bild des Schädels.
Es ist bisher schon eine ganze Reihe ähnlicher Beobach¬
tungen gemacht worden.
Hart beschrieb eine Rippe des irischen Riesenhirsches
mit ovalem Loche, in das eine steinerne Pfeilspitze passen
würde und bildete sie ab. Das Loch zeigt nach innen einen
hervorragenden Rand durch Kallusbildung. Die Verwundung*
tödtete also das Thier nicht, die Waffe muss längere Zeit in
der Wunde gesteckt haben, J. Hart, the fossil deer of Ireland,
Dublin 1830. R. Owe n sagt von dieser Rippe, der Rand des
Sitzung vom 11. Januar 1892.
29
Loches sei aussen eingedrückt, innen vorstehend. Er meint,
eine Pfeilspitze mit 1 Zoll Basis, müsse die Eingeweide verletzt
und Entzündung veranlasst haben. Die Spitze des Geweihes
eines andern Hirsches könne die Wunde nicht gemacht haben,
eine solche Wunde konnte heilen. R. Owen, a hist, of brit.
foss. mamm. London 1846. p. 463. Nilsson bildet den Wirbel
eines Bos primigenius ab, in dem eine Steinwaffe steckt und
einen von einer solchen durchbohrten Menschenschädel, Das
Steinalter des skand. Nordens, Hamburg 1868. Er sah bei
Steenstrup mehrere Hirschschädel, in denen Pfeile stecken ge¬
blieben waren und bei Herrn Struck einen Menschenschädel,
bei dem ein Steinpfeil in der Augenhöhle stak; a. a. 0. S. 125.
Murchison sagt, dass ein Bos primigenius im 2. Rückenwirbel
eine Wunde hat, in die die Pfeilspitze eines Wurfspeers genau
passte. Die Wunde drang bis zum 3. Wirbel, der Bruch war
aber geheilt; Owen, a. a. 0. Introduct. p. XXXIII. In der Lis-
kovaer Höhle in Ungarn wurde ein menschlicher Unterkiefer
gefunden, in dem die Spitze einer Feuersteinwaffe steckte. Er
ist abgebildet in L. von L 6 c z y, Die Liskovaer Höhle, Buda¬
pest 1878, S. 46. Die Feuersteinspitze sitzt fest im Knochen,
um dieselbe findet sich Knochenvernarbung und der Verschluss
einer Fissur. In der Sammlung’ der Anthropologischen Gesell¬
schaft zu Paris wird eine menschliche Tibia bewahrt, in der
eine Steinwaffe steckt. Sie stammt aus der Grotte von Gemenoz,
bouches du Rhone, und ist von Verne au, L’enfance de Fhu-
manite I Paris 1890, p. 205 abgebildet. Nach Hamy gehört
dieser Fund der neolithischen Zeit an, die Pfeilspitze ist abge¬
brochen und steckt im obern Theil der Tibia. Bei Solutre
Avurde ein Wirbel des Pferdes gefunden, der von einer Pfeil¬
spitze aus Feuerstein durchbohrt war; Cartailhac, La France
prehistor. Paris 1889, p. 93, Andere Fälle sind genau von Steen¬
strup beschrieben und abgebildet. Er fand 8 Silexsplitter im
Unterkiefer eines grossen Hirsches. Er zeigte, dass die Stein¬
waffe durch die Heftigkeit des Stosses im Knochen zersplitterte
und in verschiedenen Richtungen eindrang: Sur les kjökken-
moddings del’ äge de la pierre. Compt. rendu du Congres de
1869. Copenhague 1872, Taf. VII. Daselbst ist auch eine durch¬
bohrte Rippe vom Hirsche abgebildet. Auch fand er ein Stirn¬
bein des Sumpfschweins, in dem mehrere Steinsplitter fest-
sassen, Bidrag til Landets forhistor. Fauna, Kjobenhavn 1880,
Taf. IV.
Prof. M a k o w s k i sandte dem Redner am 23. Dezember 1891
einen am 2. Dez. 1891 4 1/2 m tief im Löss zu Brünn mit Mam-
muth-, Rhinoceros- und Rennthierknochen gefundenen mensch-
30
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
liehen Schädel, sowie die Zeichnung* eines dabei gefundenen
geschnitzten Idols aus Mammuthzahn.
Der hier in 1fn Grösse abgcbildete Schädel und die Zeich¬
nung* des Idols wurden vorgelegt. Der Schädel, von dem nur
Bruchstücke der Kiefer vorhanden sind und dem die Basis
fehlt, ist 204 mm lang* und 139 mm breit. In Folge der Zusam¬
mensetzung desselben aus mehreren Th eilen, zwischen denen
die Lücken mit Gvps ausgefüllt sind, ist die Stelle hinter und
über der linken Schläfenschuppe, an der man die grösste Breite
findet, stärker vortretend als an der rechten Seite, so dass man
für die ursprüngliche Breite nur 134 mm annehmen darf, so
dass der Schädel-Index nur 65. 68 beträgt. Er ist also im höch¬
sten Maasse dolichocephal. Vielleicht ist die Schmalheit des
Schädels auch durch posthume Verdrückung in der Erde, die
bei einem Schädel ohne Basis leicht eintreten kann, etwas ver¬
mehrt worden. Die Unregelmässigkeit des Hinterhauptes rührt
aber nicht von dieser Ursache, sondern von der Restauration
des Schädels her, bei der das Os mastoideum nicht genau an
die ihm zukommende Stelle gebracht worden ist. Der rechte
Zitzenfortsatz steht 12 mm tiefer als der linke und 10 mm wei¬
ter zurück als dieser, seine Spitze ist von der noch erhaltenen
Mitte des hinteren Randes des Hinterhauptloches 58 mm ent¬
fernt, auf der linken Seite ist dieser Abstand nur 48 mm. Die
gerade Richtung der Längsachse des Schädels von der Glabella
zur Mitte des hintern Randes des Hinterhauptloches, die durch
eine aufsteigende Knochenleiste bezeichnet ist, ist nicht ver-
Sitzung' vom 11. Januar 1892.
31
ändert. Die bis zur Mitte des obern Orbitalrandes stark vor-
spring'enden Augenbraunbogen sind in der Glabella verschmol¬
zen. Die Stirnhöcker stehen etwa 56 mm auseinander. Das
Vortreten der Glabella ist nicht durch g'rosse Stirnhöhlen be¬
dingt, dieselbe besteht vielmehr aus spongiösem Knochengewebe,
unter derselben sieht man das obere Ende der Nasenhöhlen. Auf
der Glabella und 20 mm aufwärts zeigt sich eine Spur der Stirn¬
naht. Die Nasenwurzel ist 30 mm breit, die grossen Foramina
supraorbitalia liegen nahe dem Orbitalrande. Roher ist die
Bildung des Hinterhauptes; ein starker Torus occipitalis ist in
der Mitte zu einer 10 mm über die Fläche der Hinterhaupt¬
schuppe vortretenden 36 mm langen Knochenleiste entwickelt,
die dann jederseits schwächer werdend bis zur Basis des Zitzen¬
fortsatzes läuft. Auch der hintere Rand der Schläfenschuppe
ist verdickt. Die Länge des Stirnbeines ist 130, die der Schei¬
telbeine 141, die des Hinterhauptbeins 110 mm. Die Hinter¬
hauptschuppe misst bis auf den Torus 63, dieser ist vom hin¬
tern Rande des Hinterhauptloches 47 mm entfernt. Die Gegend
des Pterion fehlt beiderseits. Wenn man die fehlenden Schä-
deltheile durch eingeklebte Papierstreifen ersetzt, so lässt sich
die Schädelkapazität annähernd auf 1350 ccm bestimmen. Der
Abstand von einer Wangenbein-Stirnbeinnaht zur andern ist
103 mm; der der Glabella vom hintern Rande des Foramen
magnum 165, der des Bregma von derselben Stelle 156, die
hintere senkrechte Höhe, vom hintern Rande des Foramen
magnum gemessen, ist 132 mm. Der Schädel ist männlich und
alt, alle Nähte sind geschlossen mit Ausnahme der Schläfen¬
schuppennaht und der Mastoidea, auch ist das vorderste Stück
der Sagittalis und ein Stückchen, der Stirnnaht über der Nasen¬
wurzel noch offen, doch ist es kein Greisenschädel, denn nach
einer Hälfte des Unterkiefers mit 7, einem Stückchen des rech¬
ten Oberkiefers mit 5 Zähnen und 7 einzeln gefundenen Zähnen,
waren alle Zähne noch vorhanden, auch ist der letzte Mahlzahn
nur um 2 mm abgeschliffen. Die übrigen Zähne sind stark ab¬
geschliffen, beim 1 Mahlzahn ist die ganze Krone verschwun¬
den. Die Schädelknoclien sind mässig dick, die Dicke des
Scheitelbeins am vordem untern Winkel beträgt an einer Bruch¬
fläche 6 mm, die diploetische Substanz ist vorherrschend ent¬
wickelt, die äussere und innere Lamelle sehr dünn. Die Nasen¬
beine scheinen am obern Ansatz 13 mm breit gewesen zu sein.
Nur auf der linken Seite ist eine schwache Spur der Linea
temporalis erkennbar, die Scheitelhöcker treten nicht deutlich
vor. Hinter der Kranznaht findet sich eine quere Einschnü¬
rung des ganzen Schädels. Die Gegend der Kranznaht selbst
32
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
ist etwas erhoben. In der Mitte der Scheitelbeine zeigt sich
die Spur einer kahnfbrmigen Erhebung des Scheitels. Foramina
parietalia sind nicht vorhanden. Die Schädelnähte haben kurze
Zacken, in der linken Mastoidea sitzen mehrere Schaltknochen.
In der Mittellinie des Scheitels findet sich 35 mm hinter der
Kranznaht eine stumpfkegelförmige Exostose, äber welche die
Pfeilnaht als eine Rinne fortgeht. Auf der vorspringenden
Hinterhauptschuppe sieht man eine von oben nach abwärts
verlaufende Rinne, die ihres geschlängelten Verlaufes wegen
für eine Gefässrinne zu halten ist. Die Exostose kann die
Folge eines Schlages auf den Schädel sein. Carus bildet,
Atlas der Cranioscopie, Heft II, Leipzig 1845 auf Taf. VII einen
ähnlichen Tuber an derselben Stelle eines weiblichen Schädels
ab. An vielen Stellen sind die Schädelknochen an der äussern
und innern Seite mit kleinen schwarzen Dendriten bedeckt,
doch zeigen sie nicht die unter der Lupe erscheinende feine
moosartige Zeichnung, die für die Mammuthknochen und Zähne
der westfälischen Höhlen so charakteristisch ist.
Vom Unterkiefer ist nur die linke Hälfte vorhanden, sie
zeigt ein stark vorspringendes Kinn, was dem palaeolithischen
Menschen nicht zukommt. Die senkrechte Höhe des aufstei¬
genden Astes bis zur Spitze des Kronenfortsatzes beträgt 65 mm.
Der Weisheitszahn hat zwei nach hinten gekrümmte, auf einer
Seite verwachsene Wurzeln, seine Krone ist ebenso lang als
die der zwei andern Mahlzähne, seine Alveole ist 13 mm lang*,
die des zweiten Mahlzahns nur 9 mm lang, beide sind 9 mm
breit. Die Alveolen der vordem Zähne sind auffallend schmal.
Die Schneidezähne sind 16 mm lang, die ersten obern Prä¬
molaren haben zwei Wurzeln, beim zweiten obern ist die
Wurzel an der Spitze getheilt. Der Zahnbogen des Unterkie¬
fers war mehr elliptisch als parabolisch. Die Spina mentalis
interna ist stark entwickelt, der untere Rand des Kiefers ist
nur in seinem vordersten Theile breit und zeigt hier starke
Gruben für den M. biventer. Aus der Form des Unterkiefers
kann man schliessen, dass des Schädel nicht prognath war.
Die Abschleifung' des Weisheitszahnes hat nicht mehr als 2 mm,
die des ersten Mahlzahnes aber 6 — 7 mm betragen.
Ausser dem Schädel wurden noch das rechte Wangenbein,
der linke Jochbogen und drei Bruchstücke von Knochen ge¬
funden, die nicht genau bestimmt werden konnten, das eine
kann vom vordem Theil der linken menschlichen Ulna stam¬
men, ist aber dicker, welche Verschiedenheit Tes tut vom qua¬
ternären Menschen hervorhebt, das zweite kann ein Stück der
Clavicula sein und das dritte ein Stück Rippe, deren rundliche
Sitzung vom 11. Januar 1892.
33
Form auffällt, die aber von mir auch beim Neanderthaler be¬
obachtet wurde. Zwei später gefundene Bruchstücke zweier
Femora sind durch ihre ungewöhnliche Stärke und Krümmung
sowie sehr entwickelte Linea aspera ausgezeichnet. Dieser
Schädel von Brünn ist dem 1885 im Löss des Rothen Berges
von Brünn gefundenen *) sehr ähnlich, wiewohl dieser nie¬
driger ist und weniger starke Augenbraunhöcker hat; er ist
192 mm lang' und 139 breit. Beide sind nicht prognath, haben
die Einsenkung über dem Brauenwulst, schmale Stirn, früh¬
geschlossene Schädelnähte, zweiwurzelige Prämolaren. Wäh¬
rend der Fundort des letztem damals zweifelhaft war, theilte
Makowsky später, Mittli. der Wiener Anthrop. G. N. F. IX 1889
mit, dass derselbe 6 m tief im Löss gefunden sei. Wenn ich
von diesem sagte, dass er den rohesten Schädeln nicht zuge¬
zählt werden könne, so gilt dies auch von dem jetzt gefun¬
denen. Eine Eigentliiimlichkeit, die der Schädel und die Bruch¬
stücke des Skelettes bei der Auffindung zeigten, war die, dass
sie mit Röthel oder Eisenoxyd roth gefärbt waren, und zwar
in einer Weise, dass man diese Färbung nicht für eine zufällig'
in der Erde entstandene, sondern für eine absichtliche halten
musste. Diese Beobachtung ist nicht neu. Das prähistorische
Museum in Rom beAvahrt einen mit Zinnober gemalten vorge¬
schichtlichen Schädel aus dem Thale Anagnina. Er ist \ron
roher Gesichtsbildung, mit einer bronzenen Lanzenspitze und
mit zwei Feuersteinpfeilspitzen gefunden, die auch rothgefärbt
sind, er ist 191 mm lang', 145 breit und ebenso hoch, auch hier
hat der erste obere Prämolar zwei Wurzeln. Die Hinterhaupt¬
lochsebene liegt fast horizontal. Wesselo wski fand 1890 in der
Krim 7 Skelette in Flachgräbern der Broncezeit, die dick mit
rothern Ocker bestrichen waren. Rhein. Jahrb. LXXXX S. 208.
Riviere beobachtete, Cartailhac, La France prehist. Paris 1889
p. 101 u. 102, an den Skeletten von Mentone aus quaternärer
Zeit rothe Färbung durch Eisenoxyd. Aehnliche Funde roth
angestrichener Skelette hat man in den Gouvernements atoii
Kiew, Cherson und Jekaterinoslaw in Gräbern der Steinzeit
gemacht, die in KieAv lagen in Grabhügeln mit hockender Be¬
stattung. Vgl. Berliner Z. f. Ethnol. Verh. 1891 S. 418. Wenn
Cheinowsky glaubt, die Haare der Todten seien roth gefärbt
gewesen und im Grabe habe diese Farbe später die Knochen
gefärbt, so spricht dagegen, dass Schädel und Skeletknochen
oft gleichmässig gefärbt erscheinen und nicht nur an ihrer
1) Vgl. Bericht der Anthropologen-Vers. in Stettin, 1886,
S. 147.
Sitzungsber. der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1S92. '3A.
34
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
obern Seite. Gewiss können aber durch Anwesenheit von Eisen¬
oxyd im Boden begrabene Knochen auch zufällig rothgefärbt
werden, worauf auch Cartailhac aufmerksam gemacht hat.
Die chemische Untersuchung einiger Bruchstücke des Schädels
ergab, dass nach Behandlung mit verdünnter Salzsäure ein
geformter Knorpel zurückblieb, ein anderer Theil der Knorpel¬
substanz aber als Leim in der Flüssigkeit gelöst war. Der
trockne Knorpel betrug 11,2% vom Gewichte des Knochen.
Ein Stück Femur vom Rothen Berge hatte einen Knorpelgehalt
von 10,5 %. Nur im Allgemeinen entspricht der Knorpelgehalt
dem Alter der Knochen. Scheurer-Kestner fand im mo¬
dernen menschlichen Knochen 34,7 organische Materie, in Kno¬
chen aus Merowingengräbern 25%, in fossilen Hirschknochen
10,8%, in Mammuthknochen 14,8 und 7,2%.
Bei dem Schädel lag eine aus Mammuthzahn geschnitzte
menschliche Figur von 20 cm Grösse, die für ein Idol zu hal¬
ten ist, welches als Anhängsel getragen wurde, denn sie ist in
der Längsachse durchbohrt. Diese Durchbohrung muss für
eine künstliche gehalten werden, weil nur am obern Stück des
Mammuthzahnes, das in der Alveole steckt, sich eine Höhlung'
befindet, die bei einem nicht ganz ausgewachsenen Mammuth
der Bonner Sammlung 30 cm tief ist und sich nach unten wie
ein Hohlkegel zuspitzt; der übrige Theil des Stosszahnes ist in
der Mitte dicht und hat keine Spur einer Höhlung. Die Figur
ist nackt, wie die auf dem Rennthierknochen von la Madelaine,
an ihr sind als vorspringende Knöpfe die Brustwarzen, der
Nabel und das Membrum virile mit der Glans penis zu sehen.
Der Kopf derselben lässt im Profil merkwürdiger Weise die¬
selbe rohe Stirnbildung mit der Einsenkung über der Glabella
erkennen, wie sie der Schädel besitzt, welcher Umstand be¬
weist, dass es sich um eine typische Bildung des Menschen der
damaligen Zeit handelt. Auch die breite Nasenwurzel ist dar¬
gestellt. Der untere Theil des Gesichtes ist übermässig gross.
Der allgemeinen Kopfform hat der Künstler wohl keine Beach¬
tung geschenkt. Sie ist in hohem Maasse brachycephal. Auf
dem Scheitel sind 3 Kreise sichtbar, es sind die getrennten
Lamellen des Zahnbeins. Auch ein abgebrochener und wohl
modellirter Arm der Figur ist erhalten. Mit den sehr rohen,
plastischen Darstellungen der Menschengestalt, wie sie in Frank¬
reich und Belgien aus quaternärer Zeit gefunden worden sind,
hat das Idol von Brünn keine Aehnlichk eit. R. Forrer hat in
grosser Vollständigkeit die primitiven menschlichen Statuetten
der Stein- und Broncezeit Europas in der Antiqua, 1887 S. 75,
1888 S. 2, 20 und 48, 1889 S. 51, 1890 S. 62 zusammengestellt
Sitzung vom 11. Januar 1892. 35
und abgebildet. Die ältesten Bilder des Menschen sind nackt,
und die Schaamtheile sind meist besonders hervorgehoben. So
ist es auch bei den phönizischen Bronzestatuetten von Ellora
in Portugal, wir dürfen glauben, dass sie aus einer Zeit stam¬
men, wo er unbekleidet war. Bei denen der nordischen
Bronzezeit sind sie, wie F orrer bemerkt, aber schon bedeckt.
Die thönernen Idole von Troja und Tiryns, aus Siebenbürgen,
vom Mondsee und aus dem Laibacher Moor sind viel unvoll¬
kommener gestaltet, sie verrathen aber ihr jüngeres Alter wie
die von Troja und Laibach durch die Bekleidung und deren
Ornamente. Nur die von R. Klebs, der Bernsteinschmuck der
Steinzeit u. s. w. Königsb. 1882, beschriebenen Bernstein- Amulette
von Schwarzort auf der kurischen Nehrung können damit vergli¬
chen werden, wenn sie auch in der künstlerischen Darstellung
gegen die Figur von Brünn zurück bleiben. Die Idole von
Schwarzort sind mit Steinwerkzeugen dargestellt. Klebs
glaubt, dass die Steinzeit des Ostbalticum an den Beginn des
ersten Jahrhunderts v. Chr., wenn nicht noch früher zu setzen
ist. Noch eine Uebereinstimmung zeigt sich in den Funden
won Schwarzort und dem von Brünn. Dort fanden sich zahl¬
reiche durchbohrte Scheiben von Bernstein, darunter eine, bei
Klebs Taf. VII 7, am Rande gekerbt, bei dem Schädel von
Brünn lagen in derselben Schicht 14 kleine Scheiben, nach
Makowsky 5 aus Mammuthzahn, 6 aus Rhinoceroszahn oder
-knochen, 3 aus Stein; sie sind 62 bis 32 mm im Durchmesser
gross, 2 sind am Rande gekerbt, 2 haben in der Mitte ein
Grübchen, nur eine ist durchbohrt. Man kann sie vielleicht
für religiöse Symbole halten, für Bilder der Sonnenscheibe und
in Beziehung bringen zu der im Alterthum so verbreiteten Ver¬
ehrung’ dieses Gestirnes.
Der Schädel von Brünn war noch umgeben von zahl¬
reichen kleinen Schalen des Dentalium badense, deren an 600
gesammelt wurden, es waren Stücke von 14 bis 20 mm Länge,
die wohl einen Hals- oder Kopfschmuck des Todten bildeten,
wie es bei dem Troglodyten von Mentone beobachtet wurde.
Welcher Zeit soll man nun den Schädel und das dabei
gefundene Idol zuschreiben? Die Beantwortung’ dieser Frage
bietet besondere Schwierigkeiten wegen der mehrfachen Bezie¬
hungen, die der Fund zu andern Funden hat. Die Schädelbil¬
dung gehört nicht der ältesten Zeit des Menschen an, dieser
Umstand beweist aber nichts gegen die Annahme, dass der
Mensch, dem er angehört hat, ein Zeitgenosse des Mammuth
war. Es ist verbürgt, dass Schädel und Idol, die unzweifelhaft
zusammen gehören, in nächster Nähe bei den Resten des Mam-
36
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
muth, Rhinozeros und des Rennthiers lagen. Herr Makowsky
versichert, dass der Zustand des Idols in Bezug auf den blättri¬
gen Zerfall des Elfenbeins sich gerade so verhalte, wie der des
nicht bearbeiteten Mammutfizahnes; wenn er sagt, dass der
Kopf des Idols sich fettig angefühlt habe, so stimmt das mit
der schon früher bekannt gemachten Beobachtung*, dass bear¬
beitete Gegenstände von Elfenbein in Folge der langjährigen
Berührung mit menschlichen Körpertheilen Fett aufgenommen
haben, das in der Regel zu ihrer bessern Erhaltung beiträgt.
Aus der Lagerung kann man mit Wahrscheinlichkeit schliessen,
dass Schädel und Idol der Zeit jener ausgestorbenen Thiere
angehören, über allen Zweifel sicher ist aber die Gleichzeitig¬
keit des Menschen und Mammuth nur dann, wenn mit mensch¬
lichen Geräthen oder Resten die* des Markes wegen aufge-
schlagenen Knochen junger Thiere gefunden werden, Avie sie
von Za Avis za und Wankel beobachtet Avorden sind. Für die
Annahme, dass der Fund von Brünn der Rennthierzeit ange¬
höre, kann man geltend machen, dass nur die Zeichnungen
und SchnitzAverke der Dordogne sich in Bezug auf die Höhe
der Kunstentwicklung mit dem Idol von Brünn vergleichen
lassen, Aviewohl die zum Vergleiche geeigneten Stücke dort nur
das Thier und nicht den Menschen darstellen. Wenn auch die
Lartet’sche Platte gefälscht sein sollte, so bleiben doch Bild¬
werke des Mammuth übrig, die dafür sprechen, dass auch die
Rennthierjäger in Frankreich noch das Mammuth gesehen ha¬
ben. Die meisten Kunstarbeiten der Dordogne sind aus Renn¬
thierhorn gefertigt; es fragt sich, ob der Mensch mit Feuer-
steingeräthen aus frischem Mammuthzahn ein Bildwerk Avie das
Idol hat schnitzen können. Der in der Erde begrabene Mam¬
muthzahn Avird mürber g'ewesen sein. Nicht unmöglich scheint
es, ohne metallenes Geräthe ein 20 cm langes Stück frischen
Elfenbeins zu durchbohren. Denn P. R e i c h a r d !) sagt vom
Zahne des afrikanischen Elephanten: Der Zahn ist seiner gan¬
zen Länge nach vom sogenannten Kern durchwachsen, die¬
ser ist die bis zur Spitze reichende Pulpa, welche vom Höh¬
lungsende nach der Spitze zu beim normalen Zahn fadendünn
beginnt und immer feiner als sclrwarze Linie verläuft, zuletzt
entweder ganz in der Struktur verschwindet, oder bis zur
Spitze als feine schwarze Linie sichtbar ist. Bei kranken Zäh¬
nen kann es Vorkommen, dass der Kern als kleinfingerdicke
Höhlung bis zur Spitze läuft. Ob das Zahnbein des Mammuth
1) Das afrikanische Elfenbein, Deutsche geographische
Blätter XII 2. Bremen 1889, S. 147.
Sitzung* vom 15. Februar 1892.
37
hart oder weich war, können wir nicht mehr erforschen. Rei-
chard sag't darüber: Das Elfenbein ist hart oder weich nach
dem Wohnort und der Nahrung“ des Elephanten. In trocknen
lichten Waldregionen und den Savannen mit niederm Gras¬
wuchs und Krüppelhölzern bleibt es weich, die Elephanten mit
hartem Elfenbein bewohnen ausschliesslich die Regionen der
feuchten Urwälder und Savannen mit hohem Graswuchs, jene
leben mehr im Osten, diese mehr im Westen Afrikas. Die run¬
den Kreise auf dem Kopfe des Idols sind die getrennten Lamellen
des Zahnbeins, welche beweisen, dass dasselbe aus der Mitte
des Zahnes geschnitten ist. Soll man aber nicht lieber an den
ersten Gebrauch der Metalle in neolithischer Zeit denken? In
diese Zeit fallen einige der mit rother Farbe bemalten Skelette
in Italien und in der Krim. Dieser Zeit können auch die Bern-
steinfunde von Schwarzort angehören, wobei freilich zu be¬
rücksichtigen ist, dass die Cultur an den Küsten der Ostsee
und die in Mähren gewiss nicht eine gleichzeitige war, sondern
um ein Jahrtausend von einander getrennt gewesen sein kann.
Sitzung der naturwissenschaftlichen Sektion
vom 15. Februar 1892.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 13 Mitglieder.
Dr. A. Philip pson wird als Mitglied aufgenommen.
Privatdocent Dr. Noll brachte die eigenartigen Bewe¬
gungen einer geotropisch sich aufrichtenden Keimpflanze in
einem sogenannten Schnellseher (Stroboskop, Zoetrop) zur An¬
schauung. Diese Bewegungen vollziehen sich in Wirklichkeit
im Verlauf von vielen Stunden so langsam, dass der Eindruck
der Bewegung selbst ganz verloren geht. Die Pflanze scheint,
wie der kurze Zeiger einer Uhr, auch bei genauerem Zusehen
völlig stillzustehen und nur durch die vergleichende Betrach¬
tung“ nach längeren Zeiträumen kann man sich von den that-
sächlich stattfindenden Form- und Lageveränderungen über¬
zeugen. Diese letzteren treten bei einer normal aufrecht wach¬
senden Pflanze, die nach erfolgter Niederbeugung auf den Bo¬
den bekanntlich aus eigenen Kräften mit dem Gipfeltheil sich
wieder aufrichtet, in merkwürdiger Weise auf. Die Aufwärts¬
krümmung beginnt für gewöhnlich dicht hinter der Gipfel¬
knospe und schreitet von da basalwärts fort. Dadurch wird
nach und nach eine immer längere Strecke des Stengels er-
38
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
hoben und sogar nach rückwärts, oft sehr bedeutend, über¬
gekrümmt. Die Ueberkrümmung* über die Lothlinie hinaus,
einerseits Folge der in den basalen Theil fortschreitenden Krüm¬
mung, andererseits auch das Resultat von Nachwirkungen, wird
dann durch entgegengesetzte Krümmungen oben wieder aus¬
geglichen und dies Spiel dauert so lange, bis der noch wach¬
sende obere Theil des Stengels vollkommen senkrecht gestreckt
ist. Eine scharfe Krümmung bleibt nur da zurück, wo die noch
langsam wachsenden basalen Stengeitheile an fertig ausgewach¬
sene, nicht mehr bewegungsfähige, angrenzten. Die Erklärung
dieser Bewegungsformen, die man wie ihre genaue Feststellung
sammt der Erkenntniss, dass hier typische Reizerscheinungen
vorliegen, Julius Sachs verdankt, wurde mit Hülfe der von
Sachs gezeichneten Tafeln1) gegeben.
Zur Aufnahme der Beobachtungs-Serie braucht man hier
natürlich keinen Momentapparat wie bei laufenden oder flie¬
genden Thieren; es genügt, etwa von halber zu halber Stunde,
oder von Stunde zu Stunde, je nach dem Verlauf der Bewe¬
gung, eine Aufnahme zu machen, für die ein genauer Schatten¬
riss zur Noth schon g’enügt. Die so im Laufe mehrerer Stun¬
den gewonnene Bilderreihe durchläuft im Apparat das Gesichts¬
feld in etwa einer Sekunde und dementsprechend ist natürlich
die Geschwindigkeit der Bewegung vervielfältigt, ihr Eindruck
ausserordentlich lebendig. Die sich folgenden Phasen der Be¬
wegung', ihr Charakter als Reizerscheinung und das dabei zu
erreichende Ziel gelangen so zu unmittelbarstem, gleichsam
beredtem Ausdruck.
Der Schnellseher in seiner gewöhnlich gebräuchlichen
Ausstattung' zeigte sich für diese Anwendung zuerst sehr wenig
geeignet. Er hat bei Thierbildern ja nur den flüchtigen Ge-
sammteindruck sehr rascher, periodischer Bewegungen wie¬
derzugeben, welche uns in ihren Einzelstadien überhaupt gar
nicht zu Bewusstsein kommen, wie das der so fremdartige Ein¬
druck von Momentbildern laufender Thiere ja auffallend be¬
weist. Gerade auf diese Einzelstadien kommt es aber bei der
Wiedergabe einfacher pflanzlicher Bewegungen an; sie müssen
in ihrer charakteristischen Form und Folge klar zum Ausdruck
gelangen.
Um dies zu erreichen, war es vor allem nöthig, an dem,
wie Vortragender darlegte, optisch sehr unvollkommenen Ap¬
parate einige Verbesserungen anzubringen. Die Wirkung des
1) Beigeg'eben den Arbeiten des botan. Instituts in Würz¬
burg, III. Bd. Heft 4, 1888.
Sitzung’ vom 15. Februar 1892.
39
Apparates auf unser Auge beruht wesentlich auf einem phy¬
siologischen Momente, auf der Nachwirkung, welche ein em¬
pfangener Lichteindruck über die Dauer seiner physikalischen
Einwirkung hinaus in unseren Sehnerven zurücklässt. Bei
genügend rascher Umdrehung des Apparates kommt nun ein
nächstfolgendes Bild bereits zu frischer Wirkung, während der
Eindruck des vorhergehenden noch nicht erloschen ist. Damit
setzt dann ein rein psychologisches Moment ein, welches die
beiden Eindrücke in unserer Vorstellung so verbindet, dass
der Schein einer, beide Eindrücke vermittelnden Bewegung
entsteht.
Je ungestörter demnach die einzelnen Bilder zu aus¬
schliesslicher Einwirkung in unser Auge gelangen, um so voll¬
kommener ist die optische Einrichtung des Apparates. Je
geringer ausserdem die Abweichung zwischen den auf einan¬
der folgenden Stadien, desto leichter und vollkommener voll¬
zieht sich die psychologische Vermittlung, die Täuschung
einer zusammenhängenden Bewegung’. Besonders bei der stro¬
boskopischen Darstellung von Pflanzenbewegungen, deren Ein¬
druck uns nicht so geläufig ist, wie z. B. der Anblick eines
galoppirenden Pferdes und bei denen es, wie erwähnt, auch
auf bewusstes Erfassen der Zwischenstellungen ankommt, muss
diesem psychologischen Momente durch die Aufnahme einer
grossen Zahl von Zwischenstadien Rechnung* getragen werden.
Was die rein optische Seite des Apparates betrifft, so ist
dieselbe hauptsächlich in zwei Punkten verbesserungsfähig und
verbesserungsbedürftig. Zwischen je zwei Schaulöchern der
Trommel erstreckt sich die Trommelwand in einer Ausdehnung,
die das 10 — 20 fache der Lochbreite beträgt. Der von der
Trommelwand ausgehende Lichteindruck auf unser Auge hat
deshalb eine 10— 20 mal längere Dauer als der Lichteindruck,
welcher durch ein Schauloch kommt. Ist die Trommelwand
hell, bunt oder gar weiss, wie bei den im Handel eben erschei¬
nenden Schnellsehern mit Anschütz’schen Serien, dann wird
durch das Licht der äusseren Trommelwand der Bildeindruck
auf der Netzhaut jedesmal gestört, die Nachwirkung desselben
verwischt. Die theoretische Forderung, dass zwischen den Bild-
Eindrücken kein anderer die Netzhaut aflicire, dass die letztere
in der Zwischenzeit ruhe, beziehungsweise die Nachwirkung un¬
gestört zur Geltung kommen lasse, wird praktisch am besten
erfüllt durch Dunkelheit während der Pausen, wodurch auch
andererseits die Reizempfänglichkeit für das nachfolgende Bild
gesteigert wird. Die Trommelwand ist daher, wenigstens zwi¬
schen den Schaulöchern, tief mattschwarz zu halten, was durch
40
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
einen Anstrich von Elfenheinschwarz leicht erreicht werden
kann.
Eine zweite sehr wesentliche Störung wird dadurch be¬
dingt, dass für alle Beobachter, deren Pupillen nicht gerade so
weit von einander entfernt sind, wie etwa die Mittellinien der
Schaulöcher der Trommel1) und deren verlängerte Aug’enaxen
(Blicklinien v. Helmholtz’) daher nicht bequem auf einen ge¬
meinsamen Punkt der Innenwand gerichtet werden können,
das Bild eines Bewegungsstadiums in beiden Augen nicht gleich¬
zeitig’ und nicht auf den sogenannten identischen Netzhaut-
steilen erscheint. Da wir nun gewohnt sind, die Dinge mit
beiden Augen zugleich zu betrachten und so zu fixiren, dass
die Bildchen, auf identische Netzhautorte fallend, von uns zu
einem einzigen Bilde kombinirt werden, so bringt die zeitliche
und örtliche Differenz der auf beide Augen gesondert einwir¬
kenden Bilder einen eigenthümlich verwirrenden Eindruck her¬
vor. Die Bilderreihe erscheint, wie das so manchem Betrachter
eines Stroboskops schon aufgefallen sein wird, in der Bewe¬
gung unstet und zitternd, da in unserer Vorstellung sich in
der That zwei diskordante Eindrucksfolgen vermengen. Ent¬
fernt man sich mit dem Gesichte von der Trommelwand, so
wird diese verwirrende Störung auffallend verringert, wie das
bei eingehender Erwägung der hier in Betracht kommenden
Verhältnisse, die mit der verkleinerten Parallaxe der Blick¬
linien Zusammenhängen, erklärlich ist. Die besagte Störung
lässt sich aber auch ganz und gar vermeiden dadurch, dass
das jedem Schauloch gegenüber liegende Bild mit Hülfe zweier
vertikaler Spiegelpaare den beiden Augen gleichzeitig und mit
entsprechender Strahlendivergenz zureflektirt wird. Es zeigte
sich, dass damit der Eindruck der Bewegung des nun blos in
der Einzahl erscheinenden Objekts ganz ungemein an Klarheit
gewann, dass nun aber das Bild, welches nur momentan beim
Passiren der Kante der vorderen spiegelnden Prismenflächen
in die Augen gelangt, bei gewöhnlicher Lampen- und Gas¬
beleuchtung zu lichtschwach wurde und eben dadurch wieder
viel an seiner Wirkung einbüsste. Aus diesem Grunde wurde
auf die vollständige Correktion der genannten Störung mittels
der Spiegeleinrichtung ganz verzichtet und mit der schon recht
wesentlichen Verbesserung vorlieb genommen, welche die blose
Entfernung der Augen von der Trommelwand mit sich bringt.
Um nun die Augen in derjenigen Entfernung zu halten, die
1) Der Abstand der Pupillen von einander ist aber indi¬
viduell sehr verschieden.
Sitzung* vom 15. Februar 1892.
41
sieh empirisch als die vortheilhafteste erwiesen hatte *), und
um ausserdem alles fremde störende Licht von den Alicen ah-
zuhalten, wurde in der Höhe der geschwärzten Schauloch-Zone
ein Tubus vor dem Apparat angebracht. Dieser Tubus, mit
breitgezogenem rechteckigem Querschnitt, innen geschwärzt,
schloss sich einerseits mit thunlich geringstem Zwischenraum
an die Rundung der Trommelwand an und erweiterte sich
(etwa im Verhältnis der verlängerten Trommelradien) nach
.aussen so, dass er bequem beide Augen umschliessen konnte.
Er war wie die Trommel aus Pappdeckel g*efertigt und mittels
rechtwinklich umgebogener dünner Messingröhre direkt an
dem Fussgestell des Apparates befestigt. — Mit Hülfe dieser
einfachen Verbesserungen erschien dann die Bilderreihe recht
klar in den Umrissen und wohlthuend stetig* und einheitlich in
der Bewegung.
Im Sommer gedenkt der Vortragende noch Bilderserien
von anderen Pflanzenbewegungen, wie z. B. das Greifen und
Aufrollen von Ranken, die periodischen Bewegungen von Blatt¬
organen (nyktitropische u. a.) aufzunehmen, um dieselben in
ihrem charakteristischen Verlauf in, den Vorlesungen einmal
vollständig* und in kurzer Zeit vorführen zu können.
Prof. Pohlig legt die fertigen Tafeln für den 2. Bd. seiner
D i 1 u v i a 1 m o n o g r a p h i e n vor (Schädel und Nachträge zur Be¬
zahnung der Elephanten), der nächsten Monat erscheint, — ferner
Photographien von fossilen Quallen und neuen Fischen aus dem
thüringischen Rothliegenden (. Amblypterus cf. eupteryg i us -rn e g a-
_ pterus P., Lepidopterus crassus P.) in natürlicher Grösse, angefer¬
tigt von den Herren Stud. H. Gerlings, Heyn und Dr. Schulte.
Derselbe theilt seine Studien mit über das metamorphische Car¬
bo ncong* lomerat von Valorsine bei Chamounix, unter Vor¬
legung* von Belegstücken und mit Bezugnahme auf die von
Pohlig* zuerst in ihrer Bedeutung als solche erkannten und
ausführlich beschriebenen sächsischen archaischen Conglomerat-
gneisse. (Dieser Vortrag* ist zu finden in der Zeitschr. d. deutsch.
g*eol. Ges. 1891, 4. Heft; ebenda 1891, 3. Heft, Protokoll, ein
solcher von Pohlig* über seine neuern rheinischen Vulcan-
studien.) Um vielfach gestellte Anfragen etwas zu befriedigen
und Missverständnissen zu begegnen, macht der Vortragende
ferner ausführlichere Angaben bekannt, zunächst nur über
1) Zu weite Entfernung* lässt bei der bekannten Anord¬
nung von Bildern und Schaulöchern auch Theile der ersteren
verschwinden.
42
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
einen der bezeichnendsten Theile, des Darmstädter Oberschen¬
kelknochens von Dryopithecus aus Eppelsheimer Tertiär,
unter Beigabe der ersten richtigen Ab¬
bildung von jenem (vergl. a. diese Ber.,
3. Nov. 1890, S. 107); ein Weiteres muss
für später Vorbehalten werden. Dieser
alte Fund ist dadurch wichtig, dass er,
obwohl aus altpliocänem Tertiär stam¬
mend, doch menschenähnlicher ist als
alle jetzt lebenden anthropoiden Affen
in dieser Hinsicht. Skelette der letztem
sind in Bonn sehr gut vertreten ; an ihnen
ist das Femur des Gorilla mit fast
ebenso wohl entwickelter linea aspera
versehen wie bei dem Menschen, auch ist
der Körper entschieden nach vorn ge¬
bogen; man muss daher annehmen, dass
die Gewohnheit des aufrechten Ganges bei
dem Gorilla fast ebenso allgemein gewor¬
den ist, wie bei dem Menschen. Aber in
der Form des ganzen Femur ist dieser Affe
gar sehr weit vom Menschen entfernt, be¬
sonders auch in der Bildung des wichtigen Oberendes : die ge¬
drungene plumpe Gestalt spiegelt die raubthierartige Erschei¬
nung des ganzen Individuums wider. Aehnlich ist das Femur des
Orang, aber sowohl in der Bildung des Oberendes als in den ge-
Oberes Femurende des
Darmstädter Dryopithecus von
Eppelsheim, in 1/2 der nat. Gr.
(ci, a: flache Linien;
b: rauhe Linie; c: hintere
Längskante des Körpers.)
ringen Anfängen zu einer linea aspera noch weniger anthropoid.
In der allgemeinen Gestaltung steht das Femur des Schimpanse
unter den lebenden Anthropoiden dem menschlichen unbedingt
am nächsten, und insbesondere hinsichtlich der Form des Ober¬
endes ebenso nahe wie der Darmstädter Dryopithecus, in eini¬
gen Punkten mehr, in andern weniger: aber diesem lebenden
Affen fehlt jede Spur zur Anbahnung’ einer linea aspera, wo¬
durch seine Stellung auf das Niveau des Gorilla herabgedrückt
wird und unter das des Dryopithecus. Denn dieser „Tertiär¬
schimpanse“ verbindet mit der menschenähnlichen allgemeinen
Form unzweifelhafte Anzeichen, dass auch der aufrechte Gang’
bei ihm bereits häufiger geübt wurde, wie die in der Figur
mit a und b markirten Linien andeuten; der Femurkörper wird
besonders noch durch die (mit C bezeichnete) hintere Längs¬
kante menschenähnlich. Zu ganz ähnlichen Schlüssen führt die
Betrachtung des bekanntlich früher in Frankreich aufgefun-
denen Oberarmknochens vom Dryopithecus. Man wird also
nicht versäumen dürfen, künftighin diese altpliocäne Form bei
Sitzung vom 15. Februar 1892.
43
Aufzählung* der Anthropoiden an erster Stelle unter denselben
anzuführen, an zweiter den Schimpanse und Gorilla und an
dritter den Orang*. — Der kleine Gibbon, mit dem Owen das
Dryopithecus-Femur vergleicht, bietet an dem Bonner Exem¬
plar wohl kaum irgendwelchen andern Anhaltspunkt zur Ver¬
gleichung dar, als die schlanke Form des Knochenkörpers,
die an sich allein hier nicht ausreicht. Die Thatsache, dass in
so weit zurückliegenden geologischen Perioden schon so hoch-
entwickeilte Affen vorhanden waren, ist schon höchst bedeu¬
tungsvoll: sie wird es noch mehr durch die grosse Zunahme
von neuern Funden fossiler Menschenreste des niedrig¬
sten Gepräges aus Ablagerungen weniger weit zurückliegen¬
der geologischer Perioden. Der berühmte Neanderthalschädel
steht in seiner Art schon lange nicht mehr allein — und wird
eigentlich erst jetzt dadurch wichtig: 2 weitere ihm sehr ähn¬
liche Menschenschädel sind nunmehr zu Spy in Belgien ge¬
funden, ein 4. bei Stetten, ein 5. zu Cromagnon, zahlreiche
Kiefer und sonstige Skelettheile an andern Punkten, grossen-
theils mit Mammuthresten zusammen aus oberdiluvialen Schich¬
ten — , alle diese Belegstücke beweisen gleichmässig eine dilu¬
viale Menschenrasse, die weit tiefer stand als die niedrigste
heutige und sogar an Stirnhöhe von der letztern fast ent¬
fernter war, als von dem heute lebenden Schimpansen.
Prof. Ludwig setzte auf Grund seiner Beobachtungen
auseinander, dass man bis jetzt von dem Bau der rädchenför¬
migen Kalkkörper der Holo thurien -Gattung Chiridota nur
eine sehr unzulängliche und fehlerhafte Kenntniss gehabt hat.
Insbesondere haben alle bisherigen Beschreibung'en und Ab¬
bildungen dieser zierlichen Skelettgebilde den wichtigen Um¬
stand übersehen, dass die Nabe der Rädchen nicht solide,
sondern hohl ist und sich durch Ueberwölbung einer sternför¬
migen Basis entwickelt. Die Decke des Gewölbes wird bei den
einen Arten durch einen centralen Pfeiler gestützt, der bei an¬
dern Arten fehlt. Auch herrscht insofern Verschiedenheit unter
den einzelnen Arten, als die Decke des Gewölbes der Nabe
bald ganz geschlossen ist, bald von einer oder mehreren klei¬
nen Oeffnung'en durchbrochen wird. Die Rädchen der Gattung
Trochodota stimmten mit Chiridota überein, während bei Mv-
riotrochus, Acanthotrochus und vielleicht auch Trochoderma
die Nabe thatsächlich, wie bisher angenommen, solide ist und
sich dadurch dem Bau des gleichfalls mit solider Nabe ausge¬
statteten Rädchens der Auricularia nähert.
44
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Sitzung der naturwissenschaftlichen Sektion
vom 7. März 1893.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 17 Mitglieder, 1 Gast.
Geheimer Bergrath Heusler besprach den geologisch
interessanten Durchbruch des Basalts durch die Coblenzschichten
des Unterdevons am Scheidskopf (Scheidsberg) unweit Bemagen
und erläuterte denselben unter Vorlegung' einer von der Basalt-
Actiengesellschaft zu Linz bereitwilligst veranlassten photo¬
graphischen Aufnahme, welche die Contactflächen zwischen
Schiefer und Basalt sowie die im rechten Winkel zu den Er¬
kaltungsflächen gelagerten Basaltsäulen an dem etwa 150 m
mächtigen Basaltgange deutlich hervortreten lassen. Dieser
sowie ein zweiter in der Nähe gelegener Basaltdurchgang durch
die Schieferschichten des Unterdevons am Dungkopfe bei Unkel¬
bach können als die jetzigen deutlichsten vulkanischen Durch¬
bruchserscheinungen im rheinischen Basaltgebiete angesehen
werden, während die in verschiedenen Eisenerzbergwerken auf
der rechten Rheinseite vorkommenden und die Eisenerzgänge
durchsetzenden Basaltgänge weniger zugänglich sind und auch
nicht so deutlich und greifbar in die Erscheinung treten. Der
Vortragende zeigte ausserdem eine Reihe sehr gelungener
photographischer Aufnahmen von den von der Basalt-Actien-
gesellschaft betriebenen Säulenbaseltbrüchen in der Umgebung
von Linz und von dem Bruche am Steinbergskopfe bei Lützin¬
gen auf der linken Rheinseite vor, welche die Structur und
Stellung der Basaltsäulen in den umfangreich aufgeschlossenen
Brüchen sehr deutlich veranschaulichen. Derselbe legte so¬
dann vor und besprach das Werk Second Annual Report of
the Geological Survey of Texas 1890, von dem Staatsgeologen
E. T. Tumble in Austin (Texas) und hob die nach zveijährig'er
Einrichtung der geologischen Landesuntersuchung von Texas
bereits ausgearbeitete Uebersicht der Ablagerungen der nutz¬
baren Mineralien hervor, welche das mit der wissenschaftlichen
Untersuchung verbundene praktische Interesse der Amerikaner
bekundet. Bemerkenswerth sind nach dieser Uebersicht be¬
sonders die durch das ganze Land verbreiteten Braunkohlen-
Ablagerungen, die, dem Oligocän angehörend, ganz ähnliche
Lagerungsverhältnisse wie unsere norddeutschen und rhei¬
nischen Braunkohlenvorkommen zeigen, ferner die der alten
Steinkohlenformation angehörigen Steinkohlenbecken mit ver-
Sitzung' vom 7. März 1892.
45
schiedenen bauwürdigen Flötzen, welche indess noch einer
weiteren Aufschliessung bedürfen, namentlich aber die Eisen¬
erzvorkommen, die, theils gangartig im altern Gebirge vor¬
handen, theils über ein Gebiet von etwa 1 000 engl. Quadrat¬
meilen ausgedehnt, in einer Mächtigkeit von 1—3 Fuss flötzartig
über dem Tertiär abgelagert sind und nach der Ansicht der
Staatsgeologen Texas für die Zukunft in die Reihe der Staaten
bringen werden, welche die höchsten Eisenproductionen be¬
sitzen.
Professor Pohlig erläutert mitgebrachte Versteine¬
rungen aus dem Devon Australiens, die er durch Vermittelung
der Firma Krantz in Bonn erhalten hat. Die dunkeln Kalke
von Yass in Neusüdwales haben in ihren organischen Resten
bemerkenswertherweise die grösste Aehnlichkeit mit
E i f e 1 e r Mitteldevon: insbesondere ist es hier die merk¬
würdige, sonst in ihrer Verbreitung so ganz beschränkte Pan¬
toffelkoralle (Calceola sanclalina), welche wichtig, und zu Yass
in einer von der unsrigen kaum zu unterscheidenden Abart
vertreten ist. Dazu kommen: eine zweite (in entgegengesetztem
Sinne gebogene) Species von Calceola, ferner Favosites poly-
morpha, Syringopora und mehrere Cyathophyllen; von Brachio-
poden: Atrypa cf. reticularis, Pentamerus cf. galeatus, Merista
cf.plebejci , Chonetes cf. sarcinulata, Rkynchonella und Spirifer ,
sowie Alveolites cf. suborbicularis. Die letztem sind auch in
den Grauwacken und dunkeln Alaunmergeln von Gipsland
und Melbourne in Victoria enthalten, zusammen mit Fenestel-
len, Stenopora und Pachypora, sowie zu Gipsland mit einem
sehr (bis 10 cm) grossen String ocephalus cf. Burtini, der die
grösste Aehnlichkeit mit einem von Pohlig in nordpersischem
Devon aufgefundenen hat; in letzterm kommt er zusammen
vor mit Tentaculiten, mehrern Spiriferen, Productus, Fene-
stella, Stockkorallen und Becherkorallen, unter welchen eben¬
falls eine Verwandte unserer Pantoffelkoralle ist, zwischen den
Goniophyllen und normalen Becherkorallen stehend: die fast deci-
meterlange, vierkantige, gebogene Tetragonia goniophylla Pohl.
Auch in Südaustralien und Tasmanien kommen entsprechende
Schichten vor. Die in Victoria und Neusüdwales auftretenden ähn¬
lichen Kalke mit Orthoceras cf. ammulatum, 0. cf. reguläre, Conu-
laria, Pleurophorus, Dalmanites sind wohl älter, die Spiriferen-
sandsteine von Nowra dagegen entschieden jünger als jene
Complexe mit Calceola und Stringocephalus, obwohl die zahl¬
reichen, mit Productus, Terebratula, Unicardium, Pachydomus
zusammenliegenden Spiriferen- Arten meist devonisches Gepräge
46
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
haben ; doch enthalten die gleichen Handstücke schon Pflanzen¬
reste, welche auch den überlagernden Kohlenfeldern vonWallera-
wang u. s. w. eigenthümlich sind. Letztere führen Glossopteris,
Täniopteris, Odontopteris, Sphenopteris, Pecopteris, Hoplotheca,
Danäopsis, Schizoneura, Cordaites und Calamites. Die Basis des
Ganzen bilden die eigenthümlichen Graptolithenschichten von
Sandhurst in Victoria u. s. w., mit Ceratiocaris, Monograptus,
Didymograptus, Diplograptus, Phyllograptus, POldhamia, Phy-
codes. — Von Almaden in Spanien leg't Dr. Pohlig vor:
grosse dunkle Zinnoberrhomboeder, die verzerrt sind, zum Theil
würfelähnlich, mit gekrümmten Flächen, von welchen die eine
horizontal, die zwei andern verticalg’estreiftsind; ferner herrliche,
zinnoberrothe Baryttafeln, die bis 10 cm Durchmesser haben,
auch strahlig aggregirte; endlich bunt angelaufene Zin-
noberkrystalle, mit Amalgam beschlagenen Quarz und Büschel
von Gipskryställchen. Von Rügen liegen eigenthümliche
rothe Einschlüsse in Feuerstein, Gerollen schwedischen Dalar¬
quarzites ähnlich, vor, deren Anwesenheit in diesen Tiefseege¬
bilden noch schwerer erklärlich ist als die bekannten Findlinge
des Flysches in diesem. Schliesslich berichtet Pohlig über
seinen kürzlichen Besuch in den ungarischen undSchweizer
Museen, über welche in dessen Monographieen Näheres zu
finden ist. Doch sei hier hervorgehoben, dass das Pester Na¬
tionalmuseum ein ganz unversehrtes Aepyornis-Ei erworben
hat; dass sich in Genf die besten Köpfe und ein ausgestopftes
Exemplar der grössten Wildscliatrasse, Ovis Polii, befinden; und
dass das Züricher Museum neuerdings die Wolfsche Sammlung
von Pampas-Ausgrabungen angekauft hat, welche ein Skelett
von Macrauchenia pcitagonica, wohl das einzige europäische,
und zahlreiche andere hervorragende Schätze enthält. Von
neuern Litteraturerscheinungen bespricht der Vortragende:
Andreae-Osann, Geologie des Blattes Heidelberg ; A. S ehr a uf,
Metacinnabarit von Idria; Jourdan-Marshall, Sinnesorgane
der niedern Thiere; A. Gau dry, Mastodonten; E. D. Cope,
Canadian paleontologv; Niki t in, bibliotheque geologique de
la Russie.
Prof. Dr. G i e s e 1 e r machte einige Mittheilungen über
die physicalischen Institute in Edinburg, Glasgow und Oxford.
47
Allgemeine Sitzung vom 2. Mai 1892.
Allgemeine Sitzung vom 2. Mai 1893.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 7 Mitglieder.
Prof. Binz berichtet über Versuche, die er zur Prüfung
der etwaigen Giftigkeit des Aluminiums durch einen
seiner Schüler hat anstellen lassen. Dieses durch mancherlei
Eigenschaften ausgezeichnete Metall, 1827 zuerst von Wöhler
in Göttingen dargestellt, kam bis vor Kurzem nur wenig* in Ver¬
wendung, weil seine Gewinnung zu kostspielig* war. Gegen¬
wärtig, wo infolge der Benutzung des elektrischen Stromes das
Metall mit Leichtigkeit aus den ungeheuren Massen unserer
Thonerde abgeschieden werden kann und wo sein Preis für das
Kilo nur noch 10 M. beträgt, wird es voraussichtlich bald seinen
Weg* in den täglichen Gebrauch finden. Schon jetzt hat man
vorgeschlagen, die Feldflaschen daraus zu verfertigen. Eine
vorschriftsmässige Halbliterflasche aus Glas wiegt mit Zubehör
gegen 800 g, eine solche aus Aluminium von 3/4 Liter Fassung*
nur gegen 300 g. Küchengeräthe der verschiedensten Art kön¬
nen mit Vortheil für den Gebrauch aus dem Aluminium verfertigt
werden. Reines Aussehen, Zierlichkeit und Haltbarkeit werden
sie auszeichnen. Die Zahnärzte benutzen das Metall bereits
zu Füllungen und zu Gebissen. Bei diesen und ähnlichen Ver¬
wendungen tauchte wiederholt die Frage auf, ob das Alumi¬
nium, das ein unserem Körper vollständig* fremdes Element
ist, nicht giftig sei. Bisher ist nichts Genaues darüber bekannt.
Ein vielgenanntes Salz desselben, der Alaun, wird in kleinen
Gaben als Heilmittel benutzt, und erweist sich in g'rossen als
ein den Magen und Darm stark schädigendes Erzeugniss, al¬
lein bei ihm ist der Einfluss der darin enthaltenen Schwefel¬
säure, die ihm einen stark sauren Charakter verleiht, jedenfalls
eine Hauptursache jener bis zur Aetz Wirkung sich steigernden
Schädigung. Wo wir das Aluminium an weniger starke Säuren
gebunden sehen, ist vielleicht die Giftwirkung* des Alauns gar
nicht oder bedeutend geringer vorhanden, so dass der Metallan-
theil solcher Salze als unschädlich erscheinen dürfte. Um das
zu prüfen, bekam ein junger Hund von 4620 g Gewicht inner¬
halb 3 Wochen 100 g basisches essigsaures Aluminium unter
das Futter gemischt; am Ende dieser Zeit war das Thier so
munter wie zu Anfang und hatte 530 g an Gewicht zugenom¬
men. Nicht das Geringste einer nachtheiligen Wirkung war
zutage getreten. Das geprüfte Salz war unlöslich in Wasser
und möglicherweise beruht darauf seine Unthätigkeit im Thier-
48
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
körper. Es wurde desshalb ein zweiter junger Hund von 4800 g*
mit einem löslichen essigsauren Aluminium, dem in dem deut¬
schen Arzneibuch für chirurgische Zwecke vorräthig gehal¬
tenen, gefüttert. Er bekam davon täglich Anfangs 25 und bald
35 ccm mit gleichen Theilen Wasser verdünnt. Das entspricht
einer jedesmaligen Aufnahme von 0,6 bis 0,9 des Metalloxydes
oder etwas mehr als einem Drittel davon des Metalls. Ausser
zweimaligem Erbrechen zu Anfang, das vielleicht auf das Un¬
gewohnte des Geschmackes oder auf die Art der Beibringung'
durch die Schlundsonde zu beziehen ist, bot das Thier während
5 Wochen keinerlei Erscheinungen des Krankseins dar, nahm
vielmehr um 1420 g an Gewicht in dieser Zeit zu. Pflanzen¬
fresser ertragen das lösliche essigsaure Aluminium nicht gut.
Ihre Verdauung wurde erheblich gestört und sie magerten
rasch ab. Vergleichende Prüfungen ergaben jedoch, dass hieran
die vorhandene Essigsäure jedenfalls zum grossen Theil schuld
war, da nach Beibringen entsprechender kleiner Mengen ver¬
dünnter Säure allein ganz dieselben krankhaften Erscheinungen
auftraten. Auch ein gesunder Mensch unterzog sich in vor¬
sichtiger Weise der Aufnahme des löslichen essig'sauren Alu¬
miniums, nachdem die wochenlange Prüfung am Hunde nichts
von Giftigkeit ergeben hatte. Längere Zeit hindurch wurden
20 Tropfen davon täglich aufgenommen ; irgend eine Wirkung'
trat nicht zutage. Es bleibt nun dennoch die Möglichkeit be¬
stehen, dass eine längere Zeit fortgesetzte Aufnahme des Me¬
talls oder seiner löslichen Verbindungen unserm Körper feind¬
lich werden könnte. Der Vortragende wird später über das
Ergebniss der fortgesetzten Versuche berichten.
Prof. P o h 1 i g legt eine vollständige Reihe von Zinnober-
erzen aus Alma den in Spanien vor. Der dortige Bergmann
unterscheidet drei Hauptabstufungen, von denen die geringste
mineralogisch am wichtigsten ist, weil auf den Klüften des
schwarzen (verwittert hellgrauen) Gesteines in den Krystall-
überzügen die schönsten Zinnober-Individuen sind. Die zweite
Qualität, „Metal brillante“ der Spanier, ist die bei uns in den
Sammlungen verbreitete rothe; sie hat viele Abstufungen, ent¬
hält hier und da auf den Klüften Schuppenglanz von Eisen¬
farbe und in bessern Partieen grosse Einsprenglinge, auch
Drusen, von Krystallzinnober. Es ist eine mehr oder minder
reiche Durchdringung des schwarzen Quarzitgesteins mit Zin¬
nobermasse; die feinste Abstufung ist wachsartig, blutrotli, mit
Nesterchen von Eisenspath und Kies, anscheinend rein krystal-
linisch aus rothem rhomboedrischem Zinnober bestehend, dessen
Allgemeine Sitzung* vom 2. Mai 1892.
49
specifisches Gewicht offenbar bedeutend geringer ist, als dasje¬
nige des eisenfarben blättrigen. Die erste Qualität, „Finabrio“
(Zinnober) der Spanier, kommt nirgends in der Welt so rein
vor wie in Almaden. Sie tritt meist als „S'tahlerz“ auf, von
stalilgrauer (sehr zarter) Farbe, dicht, mit muscheligem Bruch,
und ist immer von hohem, dem des Quecksilbers sehr nahe¬
kommenden Gewicht — am meisten in einer krystallinischen
Varietät, die dem Eisenglimmerschiefer gleich sieht. In diesem
kommt auf Klüften chemisch reines Zinnober als prachtvoll
feuerrother Anflug vor. Eine merkwürdige Abart ist die roth-
braune thonig-schiefrig*e, entstanden nach Art des Ober¬
harzer Gangthonschiefers, durch Zerreibung und Wiederver¬
festigung als comprimirte Ausfüllung* von Klüften, die meist
längs den Schichtflächen verlaufen ; sie enthält wiederum Adern
krvstallischen Zinnobers und ist sehr rein. Sämmtliche Erze
enthalten mehr oder weniger Schwefelkies in Nestern und
Nieren, welche die Grösse einer Faust theilweise haben, auch
fein vertheilt. Zu den früher von mir in diesen Berichten
(Dezember 1890, März 1892, Geolog. Zeitschrift 1891, 821) be¬
schriebenen neuen Mineralvorkommen von Almaden ist berich¬
tigend zu ergänzen, dass auch Gips (secundär gebildet) nicht
selten auftritt, wie zu Idria, desgleichen sehr häufig weisser
Magnesit oder Dolomitspath, während die Angabe von Aragonit
und Chabasit sich nicht bestätigt hat. Die Lager von Alma¬
den sind noch ungeheuer reich, doch geht der Abbau wegen
der Aenderung der amerikanischen Verhüttungsmethoden noch
mehr zurück; Almaden ist nicht einmal Bahnstation. Prof.
Pohlig* berichtet sodann über das neue Museum für Natur¬
kunde zu Brüssel. Diese uns verhältnissmässig so nahe lie¬
gende Sehenswürdigkeit allerersten Ranges leidet nur an einem
Fehler, den auch das neue Berliner Museum hat: es ist viel
zu weit vom Centrum der Stadt entfernt, um seinen Haupt¬
beruf, eine Segnung* für däs ganze Volk zu sein, hinreichend
erfüllen zu können; man hätte dies nicht zulassen sollen, an
den Boulevards wäre noch Platz genug gewesen. Da sind
aus Belgien die berühmten Höhlenfunde, die Iguanodon, die
beiden Mammute, die Mosasaurier und Riesenschildkröten sowie
Krokodile, ferner die auch in der modernen Abtheilung gross¬
artige Cetaceen-Sammlung. Dem Vortragenden waren besonders
wichtig neuere Erfunde seines Elephas trogontherii (darunter ein
prachtvoll typischer und vollständiger letzter Molar) zusammen mit
Resten von Hippopotamus und Bhinoceros Merckicinum von Ant¬
werpen, während E. antiquus aus Belgien noch nicht sicher be¬
kannt ist, so wenig* wie E. meridionalis. Der „Crag“ von Ant-
Sitzungsb. der niederrliein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 4A.
50
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
werpen lässt sich wohl bisher weder mit dem englischen Forstbett
noch mit dem Mosbacher Sand bestimmt parallelisiren. Hervor¬
hebenswerth sind noch die beiden belgischen Erfunde von
Ovibos moschatus des Museums, welche jetzt würdige Aufstel¬
lung' g'efunden haben. Auch neue, g'rossentheils vollständige
Mammutschädel aus Belgien sind aufgestellt.
Sitzung- der naturwissenschaftlichen Sektion
vom 9. Mai 1893.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 14 Mitglieder, 2 Gäste.
Siegfried Stein berichtet über seine Beobachtung einer
elektrischen Erscheinung in einem Eisenbahnzuge.
Vor einigen Jahren fuhr er mit dem Courirzuge von Berlin
über Spandau, Rathenow nach Stendal und von da über Han¬
nover weiter nach Köln-Bonn. Es war an einem klaren hellen
Tage, er fuhr die erste Strecke allein in einem Abtheil 2. Klasse,
dessen Wände und Sitze mit Wollenstoff ausgekleidet waren.
In Berlin hatte er sich zu sonstigen Versuchen eine neue
grosse (lange) Magnetnadel gekauft, die mit einem Achathütchen
auf einer guten Spitze in einem Gehäuse ruhte, aber sehr leicht
beweglich war.
Mit Büchern und anderen Gegenständen war dieselbe aus¬
gepackt auf die Waggonbank von ihm hingestellt worden. Dem
Sonnenstände nach zeigte die Nadel in Berlin nach Norden.
Die genannte erste Strecke der Eisenbahnlinie Berlin-Köln hat
bekanntlich bis Stendal nahezu ostwestliche Richtung. Die
Magnetnadel zeigte beim Stillestehen des Zuges auf Station
Spandau die normale Nordrichtung, ungefähr rechtwinkelig'
gegen die Richtung der ostwestlicli sich hinziehenden Eisen¬
bahn-Schienengeleise.
Als der Bahnzug sich in Bewegung gesetzt hatte nach
Rathenow zu und die Zuggeschwindigkeit anfing eine bedeu¬
tende zu werden — man sprach derzeit davon, dass auf ge¬
nannter sehr geraden Strecke diese Courirzüge 70 bis 80 Kilo¬
meter in der Stunde mitunter zurücklegen — , da fing diese
Magnetnadel (Compass) an, unruhig zu werden und aus Nor¬
den nach Westen abzulenken.
Bei vollster Schnelligkeit des Zug-es stand die Nadel fast
unbeweglich in der Fahrtrichtung parallel den Schienengeleisen,
statt mit Nord nach Norden nun nach Westen zeigend.
Sitzung' vom 9. Mai 1892.
51
Wurde ein Messer von Stahl an die nach Norden liegende
Seite der Nadel hingehalten, so lenkte dieselbe nach dieser
Seite etwas ab, stellte sich aber sofort wieder nach Westen,
wenn das Stahlmesser entfernt wurde. Dieses Experiment
wurde mehrmals wiederholt immer mit demselben Erfolg. Ob
das Messer remanenten Magnetismus besass, wurde versäumt
festzustellen.
Als der Bahnzug in die Nähe von Rathenow kam und
die Geschwindigkeit desselben vermindert wurde, fing die Na¬
del des Compasses an zu oscilliren und lenkte erst allmählich
und dann wieder ganz nach Norden ab, als der Zug in der
.Station Rathenow Stillstand.
Bei der Weiterfahrt von da bis zur Station Stendal zeig¬
ten sich Anfangs ganz ähnliche Erscheinungen, bezüglich Ab¬
lenkung* der Magnetnadel von Norden nach Westen. Als sich
jedoch der Zug auf dieser Strecke der Elbe näherte, fing die
Nadel an zu oscilliren und hörte trotz schneller Fahrt des Zu¬
ges deren Ablenkung auf, als das rechtsseitige Ufergelände
der Elbe in Sicht kam.
Der Vortragende hat seitdem noch oft diese und andere
Strecken von Eisenbahnen im Inlande und Auslande befahren
in verschiedenen Richtungen der Windrose. Dabei hat er
Magnetnadel bezw. Compass in dem Wagg'on-Abtheil aufge¬
stellt, um dieselbe Erscheinung* wiederkehren zu sehen. Bis
jetzt ist sein Bemühen ohne Erfolg gewesen.
Daher wendet er sich mit dieser Mittheilung* an andere
Forscher und Beobachter mit der Anfrage : ob von ihnen ähn¬
liche oder gleiche Erscheinungen bemerkt worden sind, unter
Angabe der näheren Verhältnisse und einwirkenden Umstände.
Dem Vortragenden wurde derzeit von einer Seite plau¬
sibel zu machen gesucht: durch diefReibung der Räder auf
den Schienen würde ein magnetisches Feld erzeugt, welches
zwischen den Schienengeleisen seine Begrenzung horizontal
fände, aber in den Obertheil des Waggons hinauf gereicht
hätte, um so die Magnetnadel in der auffallenden Weise zu
beeinflussen.
Aber zwischen Unter- und Ober-Gestell eines Waggons
liegt die mit Oel gefüllte Schmierbüchse der Achsenlager, wo¬
durch das Obergestell vom Untergestell und jsomit gegen die
Erde in gewissem Grade isolirt sein kann. Zwischen Räder
und Schienen durch Reibung möglicherweise erzeugte Elektri¬
zität würde ja auch direkt zur Erde abgeleitet.
Ein anderer Gedankengang dürfte vielleicht eher zur
Aufklärung* der Erscheinung führen, veranlasst durch die von
52
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
meinem verehrten Freunde Prof. Dr. W. Spring in Lüttich
aufgestellte Gewitter- und Hagel-Bildungs-Theorie.
Will man Elektrizität erzeugen auf der Oberfläche eines
Harzkuchen- oder Hartgummi-Elektrophors, oder auf einer Glas-
scheiben-Elektrisirmaschine, so reibt man dieselben mit Luft,
welche zwischen den Haarbüscheln des benutzten Fuchsschwan¬
zes, oder zwischen dem Reibzeug und der Glasscheibe, oder
zwischen den Fäden des angewandten Seidenzeuges eing'e-
schlossen ist. Die Luft des Raumes, in dem die Apparate sich
befinden, muss möglichst trocken sein. Wird in dem Raume
die Luft feucht, so ist es mit der Erzeugung der Elektrizität
vorbei.
Das einfachste Experiment dieser Art zeigte der Vortra¬
gende vor einigen Jahren mittelst zwei Postkarten, welche aus
harzgeleimtem Papier bestanden und die, durch vorheriges Er¬
wärmen getrocknet, auf einer isolirenden Unterlage mit der
trockenen Hand überstrichen wurden. Die beiden Postkarten
zogen sich gegenseitig an, wenn sie langsam von einander ge¬
trennt wurden und konnte man dabei das knisternde Geräusch
schwacher elektrischer Entladungen vernehmen; geschah dies
im Dunkeln, so beobachtete man das Autblitzen kleiner Funken.
Bald darauf wurden von Papierfabrikanten und von Kat¬
tundruckern die Beobachtungen ähnlicher elektrischen Entla¬
dungen, mitunter von grosser Stärke, an den Papier- bezw.
Druckmaschinen veröffentlicht.
Wenn ein Eisenbahnzug mit grosser Geschwindigkeit da¬
hin fährt, so reibt sich die mit hartem Kopallack oder mit
einem ähnlichen Anstrich überzogene Oberfläche der Personen¬
wagen an der durchfahrenen Luft. Ist letztere trocken, so
wird die Waggon-Oberfläche wohl auch trocken sein. Die Ur¬
sachen, durch Vorhandensein der erforderlichen Bedingungen,
zur Erzeugung von Elektrizität, wäre gegeben. Aehnlich wer¬
den ja nach der Spring’schen Theorie die harten, trockenen
Hagelkörner mit Elektrizität beladen, durch die Reibung mit
der trockenen Luft des rasch dahin sausenden Gewittersturmes.
Wird die Oberfläche des Wag'gon-Obergestelles von allen
Seiten mit Elektrizität beladen und ist diese gehindert nach
der Erde abzuströmen, in dem Maasse, wie solche auf der
raschen Fahrt des Zuges beständig erzeugt wird, weil ja das
Obergestell von dem leitenden Untergestell isolirt sein kann
durch die mit Oel gefüllten Schmierbüchsen der Achsenlag'er :
so muss diese angesammelte Elektrizität auf die vorstehend
erwähnte, in dem Waggon-Abtheil aufgestellt gewesene Magnet¬
nadel haben einwirken und dieselbe ablenken können.
Sitzung* vom 9. Mai 1892.
53
Sobald der Zug* stille stand, fand eine allmähliche Ent¬
ladung* der angesammelten Elektrizität statt; deren Einfluss
verschwand mit ihr bezüglich der Magnetnadel, diese konnte
wieder dem natürlichen Gesetz und Einfluss des Erdmagnetis¬
mus folgen und richtete sich nach Norden.
In dem westlich durchfahrenen Gebiet ist die Luft wohl
feuchter gewesen wie in dem östlichen an jenem Tage. Daher
dürfte es erklärlich sein, dass die Elektrizitäts-Erscheinung*en
in der Nähe der Elbe abnahmen und dann weiter westlich ganz
aufhörten.
Es wäre nun von einigem Interesse, sofern von seiten
Anderer ähnliche Beobachtungen gemacht wurden, diese auch
zu veröffentlichen. Besonderen Werth hätte die Feststellung*
der Intensität der elektrischen Ladung* der Wag'gon-Oberfläche
und die Feststellung: ob von dem Eisenbahnzugpersonal oder
von den Eisenbahnpostbeamten, die als Telegraphenbeamte
mit elektrischen Erscheinungen bekannt sind, ähnliche Beobach¬
tungen in ihrem Eisenbahnpostwaggon oder irgend eine elek¬
trische Entladung und deren Stärke von einem Personen¬
waggon aus einem in dem Zuge mit eingestellt gewesenen
gewöhnlichen Güterwagen beobachtet worden wäre, da letztere
keinen Firniss- bezw. Lacküberzug erhalten, also leitend sein
könnten.
Es hat diese Beobachtung einigen Werth, wenn dem¬
nächst in Eisenbahnzügen elektrische Signalleitungen oder
elektrische Beleuchtungsanlangen sollten eingerichtet werden.
Um Störungen zu vermeiden, würden Ableitungen durch
Schleifkontakte nach den Achsen bezw. den Bädern geboten
erscheinen.
Prof. Pohlig legt den seither erschienenen II. Band seiner
Diluvialmonographieen vor, enthaltend den Schädelbau
der diluvialen und modernen Elefantenformen (Leipzig* bei
Engelmann 1891); mit dem I. Band zusammen bildet dieser II.
ein abgeschlossenes Ganzes von 472 Quartseiten mit vielen
Tabellen, mit 159 Textfiguren oder Gruppen solcher und 17
Tafeln (7 Doppeltafeln) in Quart. Es ist im Geg’ensatz zu den
bisher erschienenen Monographieen ein fast völlig erschöpfendes,
die Erfunde aller Museen der Welt umfassendes Ge-
sammtwerk, da der, auch bereits 1886 zum Druck eingereich¬
ten, II. Hälfte, 1891 ein Nachtragsabschnitt hinzugefügt wurde,
der in dieser Hinsicht die Früchte der spätem Reisen des Ver¬
fassers in Mexico, den Vereinigten Staaten, Spanien, Frank¬
reich und England, Nordrussland, Ungarn, der Schweiz u. s. w.
54
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
enthält. Man findet hier zum ersten Male die grossartigen.
Schädel- oder Zahnfunde aus Mexico, Italien, Belgien und
Deutschland, mit den genauesten Abbildungen, veröffentlicht,
ebenso die merkwürdigen, neuen Erfunde v. Bung’es und v.
To 11s aus Nordsibirien, zahlreiche desgleichen aus England und
selbst einzelne aus Westasien; sehr vieles wesentlich Neue, auch
über die lebenden Elefantenarten, ist abgebildet und beschrie¬
ben, sodass man in dem Werk einen Ueberblick erhält über
diese ganze so höchst bemerkenswerthe, jetzt leider auf den
Aussterbezustand gesetzte Gattung von Säugethierriesen. Her¬
vorzuheben sind noch die ganz neuen Gesichtspunkte, zu denen
die Abhandlung an der Hand neu aufgedeckter Thatsachen
über die Eintheilung des Pliocän und Plistocän oder Diluvium
g'elangt ist, und über die ge ologisclie Par allelisirung
der einzelnen Unterabtheilungen dieser Systeme über den ge¬
nauer untersuchten Theil der Erdoberfläche hin, sowie diejeni¬
gen über geologisch zeitliche Naturrassen. Der in diesem Jahre
(in denPalaeontographicis) erscheinende III. Band seiner Diluvial-
monographieen ist der noch allgemeiner interessanten Gattung der
Hirsche gewidmet, wobei namentlich auch von dem ausgestor¬
benen Riesenhirsch die erste umfassendere, und höchst merk¬
würdige, neue Ergebnisse bringende Bearbeitung geliefert ist.
Prof. Pohlig legt ferner vor: aus dem Basalt des Oel-
berges (Siebengebirge) einen blauen Saphirkrystall, bunt
an gelaufen und frei aus dem Gestein herausgefallen (der
erste solche unter Hunderten!) — , mit Kies durchwachsene
wurden früher von ihm beschrieben; ein anderer Saphir von
da, hexagonales Prisma von 1 cm Dicke, ist mit schwarzer,
weiss verwitternder Schmelzrinde überzogen. Der grösste Sa¬
phir von da (und wohl überhaupt) hat fast 1 Zoll Durchmesser
und gehört dem Bonner Naturhistorischen Verein. — Aus
rheinischem (Mosel-) Devon liegen vor: Haliserites, mit
Wurmröhrchen (Serjmla omphaloides) bedeckt; 2 neue Fucoiden-
formen, die eine Knotenreihen, die andere pfeilförmige Ab¬
drücke darstellend; eine neue grosse Lingula aus Unterdevon,
fast so breit wie lang, von einer silurischen Art kaum zu
unterscheiden; ebenfalls unterdevonisch ist die grösste bekannte
Discina, von fast 5 cm Durchmesser, der silurischen Orbicu-
loidea circe Bill, aus Amerika sonst fast ganz gleich: sie mag
D. Kayseri Pohl J) heissen. — Neu dürfte ferner das vorgelegte
1) Die Art ist mittlerweile von Kays er als D. siegenensis
beschrieben worden.
Sitzung vom 9. Mai 1892.
55
Vorkommen von Ceratites sp. in trierischem Kalk sein, der in
Bonn für Ziegeleibetrieb viel angefahren wird; linksrheinisch
waren Ceratiten bisher von deutschem Gebiet überhaupt nur
aus der Pfalz und Elsass-Lothringen vereinzelt bekannt. Der¬
selbe legt Eurypterus von Oesel (Livland) vor, mit einer für
so alte (sibirische) Organismenreste höchst bemerkenswerthen
Erhaltungsweise des Chitins — wie Seidenpapier ablösbar im
Gestein eingeschlossen. Im Tertiär von Rott hat man das
häufig von Insektenresten; Pflanzenblätter sind daselbst oft,
mit aller Epidermis völlig erhalten, lose zwischen den Schiefer¬
schichten herauszunehmen. — Ferner wird auf den seltenen
Erhaltungszustand mit der ursprünglichen Färbung der Schale
aufmerksam gemacht, welcher der grossen Natica millepunctata
von St. Cassian (Trias Tirols) eigen ist. — Die zuletzt genannten
sind Eigenthum der Firma Krantz in Bonn. Schliesslich wird
noch ein grosser Magnetkieswürfel aus Oelbergbasalt vorgelegt,
der zunächst von einer violetten, jaspisartigen Lage umhüllt ist.
Angeblich aus Eggenburg nördlich von Wien, wo bisher
Eocaen nicht nachg'ewiesen war, erhielt Redner durch Lehrer
Brosch von Linz die typisch eocaene Velates Schmiedeliana,
mit Nummulites und Natica.
Professor Rein legte vor und besprach das im vorigen
J ahr unter dem Titel „ A f r i c a, eine allgemeine Landes¬
kunde“, vom Bibliographischen Institut in Leipzig* herausge¬
gebene Werk des Prof. Dr. W. Sievers in Giessen. Ein sol¬
ches Buch war für viele, die sich für Africa interessiren, schon
lange ein Bedürfniss; doch bot seine Abfassung Schwierig¬
keiten mancher Art. Der Verfasser konnte und musste nicht
bloss die Specialarbeiten über einzelne Theile und Wissens¬
gebiete des Erdtheils benutzen, sondern hatte auch die sehr
umfangreiche, aber meist leichte Waare der neuern Reiselite¬
ratur über Africa in Betracht zu ziehen, abzuwägen und das
Verwendbare auszuwählen. Das ist aber bei den grossen.
Lücken, Widersprüchen und Zweifeln, denen man dabei be¬
gegnet, nicht bloss eine sehr zeitraubende, sondern oft auch
eine recht undankbare Arbeit, deren Ergebniss unmöglich alle
Erwartungen befriedigen kann. Immerhin bezeichnet das Werk
einen grossen Fortschritt in unserer ernstem Literatur über
den in vieler Beziehung noch dunkeln Erdtheil und kann als
Handbuch und werthvolles Orientirungsmittel allen denen warm
empfohlen werden, die sich etwas eingehender mit dem Gegen¬
stände befassen wollen. Dass die berühmte Verlagsbuchhand¬
lung* dem Buch eine würdige Ausstattung* gegeben hat, nicht
56
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
bloss im Druck und Papier, sondern vor allem auch durch
zahlreiche Textfiguren, Tafeln nnd Karten, darf als eine wei¬
tere Empfehlung besonders hervorgehoben werden. Hierauf
berichtet der Vortragende über seine erfolgreichen Anbau¬
versuche mit dem japanischen Lack bäum (Uhus vernici\
fera D. C.) im Garten des Senckenbergischen Instituts zu
Frankfurt a. M. Er legte das Stammstück eines 15jährigen
Baumes vor, an welchem man nicht bloss ein gesundes, kräf¬
tiges Wachsthum und die Eigen thümlichkeiten des Holzes er¬
kennen konnte, sondern auch den Ort der Lackbildung und
die Art der Gewinnung des kostbaren Materials. Infolge ver¬
schiedener Anfragen schloss Prof. Rein Mittheilungen über
den eigenartigen Charakter dieses Lackes und der darauf ge¬
gründeten alten Industrie in China und Japan an.
Sitzung der naturwissenschaftlichen Sektion
vom 13. Juni 1893.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 13 Mitglieder, ein Gast.
Dr. Kaufmann wird als ordentliches Mitglied der Ge¬
sellschaft aufgenommen.
Professor Rein berichtete unter Vorlage von mehrern
Uebersichtskarten und Plänen über die Vorbereitungen, welche
die spanische Regierung im Verein mit der Provinz und Stadt
Huelva sowie verschiedenen wissenschaftlichen und sonstigen
Genossenschaften zur Feier der Entdeckung Amerikas getroffen
hat. Das Programm für diese Feierlichkeiten liegt jetzt vor.
Sie werden sich um das Mündungsgebiet des Odiel und
Rio Tinto, um die Orte Huelva, Palos und La Rabida
concentriren und am Nachmittag des 2. August ihren Anfang
nehmen. Am 3. August sind ja 400 Jahre seit dem Freitag
Morgen verflossen, an welchem 90 Mann in den drei Karavel-
len Santa Maria, La Pinta und La Nina unter Führung des
Columbus und der drei Brüder Pinzon vom Rio Tinto bei Pa¬
los ausfuhren, um ihre abenteuerliche Fahrt nach dem Westen
zu beginnen, auf der sie am 12. October 1492 Amerika ent¬
deckten. Die Hauptfeste werden aber erst in der Zeit vom
7. bis 12. October stattfinden. Dann wird der Amerikanisten-
congress in der Rabida, dem ehemaligen Franciscanerkloster
am linken Ufer des Odiel, tagen und die Königin von Spanien
Sitzung vom 13. Juni 1892.
57
mit ihrem Hofe erscheinen, um das Denkmal zu enthüllen, das
man hier aus weissem Marmor der Provinz zum Andenken an
Oolumbus und seine Gefährten errichtet hat.
Privatdocent Dr. Noll legte eine im April dieses Jahres
auf Rheinfels gefundene Zwitterblüthe der Larix europaea D. C.
vor. Sie fand sich als einzige auf einem prachtvoll blühenden
alten Baume. Das grüne Nadelbüschel, welches die normalen
weiblichen Zäpfchen an der Basis umgibt, war bei dieser Blüthe
völlig in normale Staubblätter mit Pollen umgewandelt. Als
besonders bemerkenswert]! wurde noch hervorgehoben der
durch eigenartige Zwischenbildungen vermittelte Uebergang der
männlichen in die normalen weiblichen Blattorgane an diesem
Zäpfchen und ausserdem dessen Stellung im Raume. Während
nämlich die weiblichen Blüthen der Lärche an allen denjenigen
Ursprungsstellen ring's am Mutterast, an denen sie nicht schon
von selbst zenithwärts gerichtet sind, durch scharfe Biegungen
genau senkrecht aufwärts gerichtet werden, werden umge¬
kehrt die männlichen Blüthen unter allen Umständen genau
senkrecht abwärts gekehrt. Von diesem Gesichtspunkt aus
bot auch die Stellung dieser Zwitterblüthe ein Interesse. Sie
war, wie die rein weiblichen Blüthen, aufwärts gestellt, der
physiologische Grundcharakter des ganzen Gebildes vorwiegend
also weiblich. Ein kurzer historischer Hinweis auf bisher be¬
schriebene Zwitterblüthen bei Coniferen, zumal auf die von
Or am er in seinen „Bildung'sabweichungen“ beschriebenen
der Larix americana Mchx. (microcarpa Poir) schloss die De¬
monstration.
Privatdocent Dr. Rau ff legte vor: Führer durch die
Baumaterial-Sammlung des k. k. Naturhistorischen
Hofmuseums von Felix Karrer. Wien 1892. Dieses Buch
ist der erste Specialkatalog, den das berühmte Wiener Museum
seinen Besuchern darbietet, und dem weitere solche Führer,
deren Reihe es in würdiger Weise beginnt, durch die ver¬
schiedenen mineralogischen Abtheilungen nachfolgen sollen.
Die Sammlung selbst, die im wesentlichen ebenfalls das Werk
des Verfassers ist, dürfte wohl den allerersten Rang unter
ihresgleichen einnehmen, und man muss den Eifer und das
Geschick rühmem, womit Karrer in einer verhältnissmässig
kurzen Zeit, wie Dr. A. Brezina im Vorwort ausführt, die
ausserordentliche Sammlung von mehr als 7000 Nummern mit
Hülfe von Freunden und Gönnern des Museums zusammen¬
gebracht und aufgestellt hat. Er hat sich damit nicht nur bei
58
Niedcrrheinische Gesellschaft in Bonn.
den Fachleuten, bei Geologen und Architekten, auch nicht nur bei
allen Bau-Interessenten, sondern ebenso bei dem Kunstliebhaber
sowie einem weitern Publikum ein grosses Verdienst erworben,,
das durch den anregend abgefassten und hübsch ausgestatte¬
ten Katalog nicht wenig erhöht wird. Dieser beschränkt sich
nicht auf eine trockene Herzählung’ und Erklärung der Num¬
mern, sondern ist zu einem kleinen Lehrbuche geworden,,
worin jeder Belehrung*, auch der Fachmann viele interessante
Bemerkungen findet. Ein glücklicher Gedanke war es, eine
Reihe der bedeutendsten und schönsten monumentalen Bau¬
werke in guten Phototypien dem Katalog beizufügen. Sie
werden hier gewiss dazu beitragen, Kunstinteressen mit Fra¬
gen nach der Art des Baumaterials und des weitern nach geo¬
logischen Verhältnissen unmittelbar zu verknüpfen. "Wer sich
dann geologisch unterrichten will, findet in dem Führer selbst
den ersten Leitfaden dazu, da die Einleitung eine kurze
Charakterisirung der für Bauzwecke wichtigsten Gesteine sowie
eine Uebersicht der einzelnen Abschnitte unserer Erdgeschichte
enthält. Die Einleitung* schliesst mit einer Zusammenstellung*
der wichtigsten einschlägigen Litteratur. Doch sind auch spä¬
ter Litteraturangaben in den Text eingeflochten worden.
Die Haupteintheilung des Kataloges ist nach Ländern
und geographischen Bezirken erfolgt. Obenan steht natürlich
die österreichisch-ungarische Monarchie, dann kommen Deutsch¬
land, Italien und antikes Rom, Frankreich, Belgien, England,,
Norwegen, Russland, Schweiz, Spanien und Portugal, Griechen¬
land, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Asien, Afrika.
Innerhalb eines jeden Landes sind dann die Baumateria¬
lien nach ihrer Verwendungsart geordnet, z. B. in: Weg*- und
Strassensch otter, Trottoir- und Pflastersteine, Rohmaterial für
Ziegel, Sand für Mörtel, Rohmaterial für Weisskalk, Rohmate¬
rial für Cemente, Werksteine, Decorationssteine, Dachschiefer,
Kunststeine für Trottoir- und Strassenpfiaster, für Flurbelag,
Kunstzieg’el, Isolirmaterialien, feuerfeste Materialien und ihre.
Producte, Decorationsmaterialien, Nebenmaterialien.
Aufzählung und Begriffserklärung’ der einzelnen Bau¬
materialien, ist mit grosser Sorgfalt geschehen. Dem Ver¬
zeichniss jeder Länder- und Verwendungsgruppe sind ausser¬
dem kurze Erläuterungen vorausgeschickt, die die Beziehung'en
zwischen dem geologischen Bau eines Gebietes oder seiner
geologischen Geschichte und den betreffenden Baumaterialien,
die aus diesen Gebieten stammen, auseinandersetzen. In jeder
Hinsicht ist der Katalog vortrefflich durchgearbeitet und wird
sich gewiss, namentlich auch unter Architekten viele Freunde
59"
Sitzung vom 13. Juni 1892.
erwerben. Aber er wird auch dazu beitragen, geologische-
Kenntnisse in Laienkreisen zu verbreiten und Sinn dafür zu
erwecken. Endlich wird er hoffentlich auch an andern Orten
die Anregung zu ähnlichen Sammlungen oder zu ausgedehntem
Lokalsammlungen geben, die überall für Baukunst und Bau¬
handwerk von gleicher Wichtigkeit sind, und denen zweifellos
auch weitere Kreise, die mit dem Wissenschaftlichen gern das
Nützliche und praktisch Verwerthbare vereinigt sehen, Ver-
ständniss und Interesse entgegenbringen werden.
Derselbe Redner sprach ferner über die Organisation
und systematische Stellung der Recep taculiti den
nach eigenen Untersuchungen, die soeben in den Abhandlungen
der königlich bairischen Akademie der Wissenschaften in
München veröffentlicht worden sind. II. Klasse, 17. Bd., 3. Abth.
S. 644 — 722, mit 7 Tafeln. Die wichtigsten Ergebnisse dieser
Arbeit lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen:
1. Die Receptaculitiden (Beceptaculites, Leptopoterion ,
Ischadites, Polygonosphaerites ) sind freie, kuglige bis bim¬
förmige, ringsum geschlossene Körper mit centralem Hohlraume,
deren kalkige, einzeilige Wand aus gleichgestalteten Einzel¬
elementen zusammengesetzt wird, die quincunxial angeordnet
sind und spirale Reihen bilden. Die schüsselförmigen Exemplare
sind nur Untertheile oder Bruchstücke davon.
2. Jedes Einzelelement (Merom) besteht aus 6 Gliedern:
einem äussern Täfelchen (Lamnul) , dessen Grundform der
Rhombus ist, vier darunter liegenden und sich kreuzenden
Tangentialarmen, und einem Radialarm (Säulchen oder Colu-
mell), der, auf dem Täfelchen, resp. den vier Tangentialarmeu
etwa senkrecht stehend, nach innen ragt.
3. Die Oberfläche lässt einen obern und untern Pol unter¬
scheiden. Der untere Pol oder Nucleus, der den Wachsthums¬
anfang bezeichnet, beginnt mit einem Kranze von 8 (oder 4)
Täfelchen, der obere Pol oder Apex wird durch eine wechselnde,
aber stets sehr grosse Zahl von Täfelchen geschlossen. Die
Einschiebung neuer Täfelchenreihen erfolg't durch besonders¬
gestaltete Plättchen (Interposita).
4. Die vier Tangentialarme verlaufen unter den Diago¬
nalen der Täfelchen. Zwei von ihnen liegen immer in einer
Meridionalebene; der nach dem untern Pol hinweisende Arm
(distaler Arm) ist zugleich schräg nach aussen gerichtet, und
von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit der Innenfläche des-
Täfelchens verwachsen, der nach dem obern Pole zeigende
(proximale) Arm dagegen verläuft schräg nach innen und ist
von dem Täfelchen stets ganz getrennt. Die beiden andern.
60
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Tagentialarme (Lateralarme) liegen in einer zweiten Radial¬
ebene, die nicht ganz senkrecht die erste durchschneidet. Viel¬
mehr durchkreuzt sie diese in der Regel so, dass, wenn man
das Täfelchen von aussen betrachtet, der zwischen dem dista¬
len und dem rechten lateralen Arme liegende Neigungswinkel
dieser Ebenen stumpf ist. Es kann aber auch der umgekehrte
Fall Vorkommen, dass dieser Winkel spitz ist. Es giebt also
zwei Ausbildungsformen dieses „Winkelgesetzes“ der Lateral¬
arme, die aber an demselben Individuum niemals zusammen
erscheinen.
5. Dem Winkelgesetze entsprechend erfolgt die Zusammen¬
fügung der Einzelelemente in eigenthümlicher Weise:
Bezeichnet : II
. III IV
I
die alternirende Stellung von 4 Meromen, von denen I dem
untern, II dem obern Pole zugewandt ist, so verbinden sich
die 4 nach dem Mittelpunkte der Figur gerichteten Tangential¬
arme dieser 4 Mer o me in der Weise, dass das Ende des rech¬
ten Lateralarmes von III und dasjenige des linken von IV
sich zwischen den distalen Arm von II, der am meisten nach
nussen, gewöhnlich dicht unter dem Täfelchen liegt, und den
proximalen von I, der am meisten nach innen gerückt ist,
zwischenschieben. Aber während sich die Enden des distalen
und proximalen Armes in einer Meridionalebene übereinan¬
der befinden, liegen diejenigen der Lateralarme in einer Tan¬
gentialebene nebeneinander und zwar ist in der Regel der
rechtslaterale Arm von III — die Täfelchen stets von aussen
betrachtet — über dem linkslateralen von IV gelegen (dextrac-
clive Lagerung). In einigen Fällen ist aber auch das umge¬
kehrte Verhalten beobachtet, wobei der rechtslaterale Arm von
III unter dem linkslateralen von IV liegt (sinistracclive Lage¬
rung). Beide Lagerungsweisen treten nur getrennt auf; ent¬
weder herrscht an einem Individuum ausschliesslich die eine,
oder die andere.
6. Der Radialarm ist der Länge nach von einem Kanäle
durchzogen. Die Tangentialarme umschliessen spindelförmige
Körper, die bisher für die Ausfüllungen von Kanälen ange¬
sehen wurden, die aber wahrscheinlich schon ursprünglich so¬
lide Axen waren. Jedoch war ihre Natur und Bedeutung noch
nicht sicher festzustellen. Sie bestehen aus hellem Kalkspathe,
der zuweilen (bei der besten Erhaltung?) eine längsstreifige
Structur zeigt. Die Linien convergiren dann in den centralen
Spitzen der Spindeln.
Sitzung vom 13. Juni 1892.
61
7. Diese Spindeln erweisen sich bei der Verwitterung^
gewöhnlich am schwersten zerstörbar und bleiben häufig' iso-
lirt zurück, während die sie umschliessenden Armhüllen ganz
aufgelöst und verschwunden sein können.
8. Das sehr wechselnde Aussehen der Oberflächen der
theilweise oder vollständig' entkalkten Stücke wird nicht durch
eine verschiedene Zusammenfügung' oder wechselnde Ausbil¬
dung der Arme hervorgebracht, sondern lediglich durch den
verschiedenen Grad der Verwitterung oder Abreibung, wobei der
distale Arm, welcher der Oberfläche zunächst liegt, zuerst, der
proximale zuletzt zerstört wird.
9. Die Radialarme (Säulchen) schwellen an ihrem centra¬
len Ende konisch an bis zur gegenseitigen Berührung und
faltenbildenden Stauchung' ihrer Ränder. Diese Verdickungen
der Radiale (Säulchen), die zusammen eine geschlossene Wand¬
fläche um den innern Hohlraum bilden, tragen weder auf
ihrer centralen Endfläche ein besondres Plättchen, wie die
Köpfchen, noch sind sie von irgend welchen Querkanälen
durchzogen.
10. Die innere Wandfläche ist undurchbohrt. Die zuerst
von Billings beobachteten Porenkanäle darin sind secundärer
Entstehung.
11. Die Gattung Leptopoterion hat wie Receptaculites eine
relativ dünne Wand mit kurzen Radialen bei sehr weitem
innerm Hohlraume. Die Lamnule sind winzig klein und dabei
ohne Grössenunterschiede, an den Polen wie auf den Seiten-
theilen des Körpers etwa g'leich gross. Dementsprechend
die Dimensionen der andern Meromglieder.
12. Die Gattung' Ischadites unterscheidet sich von Recep -
taculites durch die schlankere Form aller Arme, besonders die
grössere Länge der Radiale, wodurch die Wand viel dicker,
der innere Hohlraum viel enger wird. Bau der Merome und
Art ihrer Zusammenfügung sind dieselben, wie bei Receptacu-
lites. Die Radiale von Ischadites enden innen nicht spitz, son¬
dern wie bei Receptaculites mit konischen Verdickungen, die
sich wie dort zu einer dichten, innern Wandfläche aneinander
leg'en. Eine Oeffnung am obern Pole ist in einig'en Fällen
nachweislich nicht vorhanden gewesen, und es ist deshalb mög¬
lich, dass sie überhaupt fehlte.
13. Die Gattung Acanthochonia ist identisch mit Ischadi¬
tes. Ischadites reicht bis ins Oberdevon (Carbon?).
14. Bei der Gattung Rolygonosphaerites fehlt von den
6 Gliedern des Meroms das Radiale. Die Tangentialarme fol¬
gen in Bau und Zusammenfügung demselben Gesetze, wie es
62
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
hei den vorigen Gattungen gilt. Bei einem Specimen trugen
die Täfelchen auf ihrer Aussenseite je einen senkrechten Dorn.
Die auf der Mitte der Täfelchen sonst gewöhnlich vorhandenen
Knöpfe sind vielleicht die Rudimente solcher ursprünglich län-
gern Anhänge, die leicht abgebrochen wurden.
15. Die Beceptaculiticlen sind nicht kieselige, sondern
kalkige Organismen gewesen, und die gut erhaltenen Exemplare
haben ihr ursprüngliches Material und dessen Structur bewahrt.
Die verkieselten Stücke sind pseudomorph.
16. Die Receptaculitiden können deshalb nicht zu den
hexactinelliden Spongien gehören. Aber auch zu den Forami¬
niferen und Dactyloporiden oder verticillaten Siphoneen zeigen
sie keine Beziehungen. Ihre systematische Stellung bleibt noch
ganz zweifelhaft.
Dr. Strub eil legt Skizzen und conservirte Exemplare
von zwei Süsswasser sch necken vor, die derselbe während
einer Reise im malaiischen Archipel auf der Molukken-Insel
Amboina sammelte. Beide Gastropoden sind neu: sie zeichnen
sich durch den Mangel einer Schale und den Besitz eines eigen¬
artigen Anhanges aus, der sich auf der Mitte des Rückens er¬
hebt und nach hinten ziehend das Körperende überrag't. Bei
der einen Form, Acoclilidium amboinense, ist dieser Anhang
von blattartig’er Gestalt und moosgrün gefärbt, bei der anderen,
Acoclilidium paradoxum, hat er das Aussehen eines langen,
rotbraun gefärbten Schlauches. Schnecken ohne Schale wurden
bisher im süssen Wasser nicht beobachtet. Vortragender be¬
spricht die Möglichkeit einer Einwanderung dieser Gastropoden
aus dem Meer und erinnert dabei an die in den letzten Jahr¬
zehnten zahlreich gemachten Funde von marinen Thieren im
Süsswasser.
Sitzung der naturwissenschaftlichen Sektion
vom 11. Jnli 1892.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 14 Mitglieder.
Dr. Erle nm ey er wird als Mitglied der Gesellschaft auf¬
genommen.
Professor Ludwig legte der Gesellschaft einige neuere
Werke über lebende und fossile Echinodermen vor und be¬
richtete über deren Inhalt. Zunächst besprach er Jäckels Schrift
Sitzung vom 11. Juli 1892.
63
über Holopocriniden (aus der Zeitschrift der Deutschen Geolo¬
gischen Gesellschaft 1891), in welcher die Beziehungen der
fossilen Eugeniacriniden zu der recenten Gattung Holopus klar¬
gelegt und von neuen Gesichtspunkten beleuchtet werden,
dann die mit nicht weniger als 32 Tafeln ausgestattete Publi¬
kation von Alexander Agassiz, welche als erste Frucht der
vorigjährigen amerikanischen Tiefsee-Expedition eine neue
Crinoideenform, Calamocrinus diomedae, schildert. (Memoirs
Mus. Comp. Zool. Harvard College, Vol. XVII Nr. 2. Cambridge,
Mass. 1892.) Dieselbe ist eng verwandt mit den mesozoischen
Apiocriniden und lehrt durch ihren Bau, dass sich eine scharte
Abgrenzung der Paläocrinoideen von den Neocrinoden nicht
festhalten lässt. Ferner wurde die D. C. Danielssensche Be¬
arbeitung der Crinoideen und Echinoideen der norwegischen
nordatlantischen Expedition (Christiania 1892) vorgelegt, sowie
eine umfangreiche Abhandlung Hjalmar Theels über die Ent¬
wickelungsgeschichte des Echinocyamus pusillus (Nova Acta
Reg. Soc. Scient. Upsala 1892) und endlich eine neue Schrift
von Sven Loven, betitelt : Echinologica, in welcher besonders
•einzelne Entwickelungsstadien von Cidariden und der Kau-
Apparat der irregulären gnathostomen See-Igel eingehend be¬
handelt werden. (Stockholm 1892, Vetensk. Akad. Handling'ar,
Bihang', Bd. 18.)
Dr. A. Philipps on spricht über die Küstenformen
der Insel Rügen. — Die Ostsee-Insel Rügen ist besonders
für Beobachtungen über Küstenbildung’ geeignet, da sie an
einem gezeitenlosen Meere liegt. Die Gezeiten kompliziren
aber die Wirkung der küstenbildenden Faktoren ungemein da¬
durch, dass sie beständig das Niveau, in welchem diese Fak¬
toren arbeiten, auf- und abwärts verschieben, ferner durch die
heftigen lokalen Strömungen, die sie in Buchten, Flussmün¬
dungen, Watten etc. hervorrufen. Wenn man daher die grossen,
überall an den Küsten sich abspielenden Vorgänge in ihrer Ein¬
fachheit klar erkennen will, thut man gut, zunächst an ein
Meer sich zu begeben, das, wie das Mittelmeer und die Ostsee,
der merkbaren Ebbe und Flut entbehrt. Ferner ist Rüg’en be¬
sonders für Küstenstudien geeignet, weil es die beiden Haupt-
Küstentypen, die der Abrasion (Zerstörung) unterliegende
Steilküste und die durch Anschwemmung gebildete Flach¬
küste in wiederholtem Wechsel neben einander aufweist, wäh¬
rend diese Typen sonst meist regional aufzutreten pflegen.
Ich besuchte daher die Rügensche Küste, um meine am Mittel¬
meer gewonnenen Anschauungen durch Kenntniss dieses be-
64
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
sonders günstigen Theiles der Ostseeküste zu ergänzen. Die
folgenden Mittheilungen bieten nichts wesentlich Neues, sind
aber geeignet, die Vorgänge der Küstenbildung zu illustriren
und daher wohl nicht ganz ohne Interesse.
Der Boden der Insel Rügen wird fast ausschliesslich von
glazialem Diluvium, namentlich Geschiebelehm, also der
Grundmoräne der grossen nordischen Vereisung, gebildet. Die
darunter liegende weisse Sch reib kreide tritt nur an den
Steilufern zweier Vorsprünge der nordöstlichen Küste, der
Halbinsel W i 1 1 o w und Jasmund, hervor. Alle anderen
Steilküsten schneiden nur das Diluvium an, unter welchem die
Kreide nicht mehr zum Vorschein kommt. Der westliche Theil
der Insel ist flach und niedrig*, der östliche dagegen ein un¬
regelmässiges anmuthiges Hügelland, das sich bis zu 150 m
über dem Meere erhebt. Während der ebene Theil eine fast
ununterbrochene Getreideflur darstellt, ist das östliche Hügel¬
land von den herrlichsten Buchenwäldern geschmückt. — In
dieses unebene Hügelgebiet greift das Meer in Form flacher,
aber ungemein verzweigter Buchten und Binnenmeere (Bodden)
ein, welche das Land förmlich zerlappen und seiner Küstenlinie
einen überaus verwickelten Verlauf geben. Die Erosion der
Wellen allein ist nicht im Stande, solche komplizirten und dabei
seichten Buchten zu schaffen. Nichts anders kann dieselben
veranlasst haben, als eine positive Niveauverschiebung (d. h.
Senkung des Landes). Das auf dem festen Lande durch tekto¬
nische Vorgänge, durch die unregelmässige Anhäufung* des
Gletscherschuttes und durch die Erosion des fliessenden Wassers
geschaffene wechselvolle Relief wurde durch diese Senkung*
bis zu einer gewissen Höhe vom Meere überfluthet; daher der
launenhafte Verlauf der Uferlinien der Bodden und Buchten,
welche den Isohypsen der ehern alig'en Landoberfläche folgen.
Dieses Eindringen des Meeres hat von der Hauptinsel Rügen
eine grosse Zahl kleiner Inseln abgesondert, welche einen ganzen
Inselkranz bilden würden, wenn sie nicht nachträglich durch
flache, schmale Sandnehrungen wieder unter sich und mit der
Hauptinsel verbunden worden wären, wodurch sie in Halb¬
inseln umgewandelt sind. Man zählt eine ganz beträchtliche
Anzahl solcher kleiner und grosser, meist ziemlich hoher „Insel¬
kerne“ aus Kreide und Diluvium, die sich auf den ersten Blick
von den flachen rezenten Sandzung-en abheben. Die bedeu¬
tendsten dieser Inselkerne sind die schon genannten Wittow
mit dem Cap Arcona, der Nordspitze der Insel, und Jasmund
mit den bis 140 m hohen malerischen Klippen von Stubben-
kamer. Dem Wechsel der Steilküsten der Inselkerne mit den
Sitzung* vom 11. Juli 1892.
65
flachen, sie verbindenden Schwemmlandsstreifen verdankt Rügen
die Mannigfaltigkeit seiner Gestade.
Die hohen Ufer der Inselkerne unterliegen der fortwäh¬
renden Zerstörung* seitens der brandenden Wellen. Sie stürzen
daher in steilen, meist fast senkrechten Klippenwänden zum
Meere ab. Man schätzt das jährliche Zurückweichen der Küste
beiArcona auf 15 — 30 cm1), sodass man den dortig*en prächtigen
Leuchtthurm durch ein am Fuss der Klippenwand gezogenes
Banket aus Granitquadern hat schützen müssen. Von den be¬
waldeten Klippen der Stubbenkamer brechen oft mächtige
Schollen des Gesteins mit den darauf stehenden Bäumen hinab ;
noch lange sieht man die Baumstümpfe aus dem Wasser ragen.
Die Produkte der Zerstörung lagern sich zunächst am Fuss
der Klippenwand ab, dort den nie fehlenden Strand bildend,
der zur Zeit hohen Seeganges ganz von den Wellen über¬
spült wird. Die Zusammensetzung* dieses Strandes ist eine nach
dem Gestein des Ufers gänzlich verschiedene.
Das Residuum der Zerstörung* der Kreideufer ist der
Feuerstein. Die lockere Kreide wird vom Meerwasser binnen
Kurzem als leichte Trübung hinweggeschwemmt; dagegen
bleiben die zahlreich in ihr eingelagerten, rundlichen, harten
Feuersteinknollen an der Küste liegen. Sie werden hier von
den Wellen beständig* auf- und abwärts gerollt und erhalten
dadurch eine fast völlig runde und glatte Form, in der sie der
weiteren Zerstörung* nur langsam anheimfallen. Selbst bei ge¬
ringem Wellenschlag* vernimmt man beständig* das eigentüm¬
lich klirrende Geräusch dieser hin- und herrollenden Feuer¬
steinstücke. So bildet sich am Fuss der hohen Kreideklippen
von Arcona und Stubbenkamer ein fortlaufender, mehrere Meter
breiter Strand, der fast ausschliesslich aus solchen runden
polirten Feuersteinen besteht. Selten findet sich einmal ein
Block eines andern, namentlich krystallinischen Gesteins, welcher
aus dem die Kreide überdeckenden Geschiebelehm stammt.
Es giebt nichts ermüdenderes, als eine längere Wanderung
über diesen Strand von glatten leicht beweglichen Feuerstein-
geröllen. Die Böschung des Strandes ist eine bedeutend steilere,
als bei dem Sandstrand; daher ist auch seine Breite meist gering*.
Der Grund dafür ist, dass ja bekanntlich, je gröber das Hauf¬
werk ist, es in desto steilerem Winkel der abspülenden Thätig-
keit des Rückflusses, welcher nach jedem Andringen einer
Welle erfolgt, widerstehen kann. Das ist wohl auch die Ursache,
1) P. Lehmann, Pommerns Küste von der Dievenow
bis zum Darss. Dresden 1878. S. 31.
Sitzungsäer, der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 5A.
66
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
weshalb dem Feuersteinstrand fast jede Beimischung von dem
sonst fast überall vorhandenen Seesand fehlt; die Böschung
des Feuersteinstrandes ist so steil, dass der Sand nicht darauf
haften kann, sondern von dem Rückfluss der Wellen erfasst
und seewärts fortgespült wird.
Ganz anders ist das Strandbild an denjenigen Steilküsten,
an denen nur Geschiebelehm ansteht. Wie dort die Kreide,
so wird hier der Lehm als Trübung entführt. Dagegen häufen
sich am Ufer als Residuen die zahlreichen nordischen Geschiebe
von allen Arten, Grössen und Formen an, welche in dem Lehm
zerstreut gelegen haben und nun durch die Unterspülung'
seitens der Wellen in deren Bereich gekommen sind. Der
Strand besteht daher an den Diluvialküsten, z. B. an der Granitz
östlich vom Seebad Binz, oder bei Lohme, aus einem Hauf¬
werk von grossen und kleinen Blöcken, von denen einige sehr
beträchtliche Dimensionen besitzen. Solche mächtige Find¬
linge aus dem Diluvium sind an den Rügenschen Steilküsten
recht häufig; selbst vor Kreideufern (z. B. bei Sassnitz), da
über der Kreide fast überall auch das Diluvium ansteht. Gegen
das Hin- und Herschieben seitens der Wellen durch ihre Grösse
geschützt, unterliegen sie nur sehr langsam der Verkleinerung
durch Abspülung und Verwitterung. Sie können Jahrtausende
fast unverändert dem brandenden Gischte trotzen, der sie
überspült. Während also die kleineren Geschiebe fortdauernd
verkleinert und fortgeschoben werden, bleiben die grossen
Blöcke liegen oder wandern nur langsam von der Stelle. So
kommt es, dass sie sich an der Küste anreichern und unter
den Strandanhäufungen eine weit bedeutendere Rolle spielen,
als ihnen nach ihrer Häufigkeit im Diluvium zukäme.
Gegenüber der Einförmigkeit des Feuersteinstrandes ist
also der Strand einer Diluvialküste ein sehr mannigfaltig zu¬
sammengesetzter, nicht allein wegen der verschiedenen Grösse,
sondern auch wegen der Verschiedenartigkeit der Geschiebe.
Hier finden sich krystallinische Schiefergesteine, Granite, Am-
phibolite, paläozoische Schiefer und Kalke, alte Eruptivgesteine
aller Art etc. etc., dazu naturgemäss auch einzelne Feuerstein-
gerölle, welche als Geschiebe in der Grundmoräne der Ver¬
eisung gelegen haben. Die grob-krystallinen Gesteine, nament¬
lich wie gesagt, die nicht allzu grossen Stücke, unterliegen der
Zerstörung ziemlich rasch. Die einzelnen Krystallkörner fallen
aus dem Gesteinsgefüge heraus, und aus ihrer Zerreibung ent¬
steht zunächst ein grober Grand, der sich allmählich in Sand ver¬
wandelt. Von dem überall verbreiteten, überwiegend aus Quarz
bestehenden, feinen weissen Seesand unterscheidet sich dieses
Sitzung vom 11. Juli 1892.
67
Zerstörungsprodukt der krystallinischen Gesteine leicht durch
seine bunte Farbe, welche von den verschiedenfarbigen Feld-
spathen, Quarzen, Hornblenden, Glimmerblättchen u. s. w. her-
riihrt. Der Seesand, der von weit her transportirt ist, stellt
eben nur das letzte Produkt der langen Aufbereitung' dar,
welche die Strandmaterialien erfahren, wobei schliesslich nur
der harte Quarz in grösseren Mengen übrig bleibt. Hier an
Ort und Stelle überwiegt der bunte Sand, der sich zwischen
den groben Gerollen aufhäuft, stellenweise mehr oder weniger
stark mit Seesand gemischt. An vorspringenden Landspitzen,
wo die Wellen stark angreifen und das feinere Material schnell
entfernen, überwieg'en die groben Blöcke, in geschützteren
Buchten dagegen die kleineren Geschiebe und der Sand.
Wo der Strand aus einer Mischung von Materialien ver¬
schiedener Grössen besteht, wie an der erwähnten diluvialen
Steilküste der Granitz, östlich von Binz, kann man die Auf¬
bereitung und Sonderung der Gerolle nach der Grösse be¬
obachten, welche die Wellen bei ihrem Andringen und Rück-
fluthen bewirken. Ich konnte hier einige Strandprofile sammeln,
welche Ihnen vorliegen, die alle erkennen lassen, dass die
grössten, noch von dem augenblicklichen Wellengang verschieb¬
baren Gerolle an die obere Grenze des Spielraumes der hin-
und zurückfluthenden Wogen geschoben werden; dort bilden
sie einen fortlaufenden Streifen, der sich nach dem Meere zu
ziemlich steil abböscht. Unter diesem Streifen von grobem Ge¬
röll folgt eine breite Zone von feinerem Gerolle oder von Sand,
mit geringerem Böschungswinkel; dieselbe nimmt den ganzen
Raum ein, der von den Wellen abwechselnd bedeckt und ent-
blösst wird. Darunter wird dann nur beim Rückgang einer Welle
sichtbar ein anderer Streifen groben Gerölles, der die untere
Grenze des Wellen-Spielraumes bezeichnet. In der mittleren Zone
(des feineren Materials, sei es nun Sand, sei es Kies, je nach der
Art der an der Küstenstelle vorhandenen Zerstörungsprodukte)
werden die einzelnen Theilchen beständig von den Wellen auf-
und abwärts gewälzt und zerrieben, während die beiden Streifen
gröberen Materials sich verhältnissmässig in Ruhe befinden,
d. h. nur von besonders starken Wellen gelegentlich ange¬
griffen werden. Diese Anordnung der Gerolle x) erklärt sich
etwa so: die mittlere Zone wird von der sich brechenden und
überstürzenden Welle am stärksten getroffen; selbst die gröbsten
Gerolle, welche überhaupt die betreffende Welle bis hierher
1) Vgl. v. Richthofen,
Berlin 1886. S. 343.
Führer für Forschungsreisende.
«ER3ITY ÖF ILLioüiS W 3*.
NOV 1 3 1922
68
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
treiben kann, werden an dieser Stelle der Brandung’ von ihr fort¬
bewegt. Auch die groben Gerolle werden daher von diesem
Streifen nach oben weggeschlendert und aus ihnen entsteht der
obere Geröllstreifen. Hat die Welle sich gebrochen, so erfolgt
der Rückfluss; derselbe vermag von dem oberen Streifen, wo
er noch geringe Kraft besitzt, nur das feine Material wieder
hinabzuführen, während das grobe oben bleibt. Nach abwärts
über die Böschung rinnend, gewinnt der Rückfluss an Kraft
und reisst immer mehr Material mit sich. Er vermag daher
von dem mittleren und unteren Theil des Strandes auch ein¬
zelne grössere Gerolle, die vielleicht doch dort liegen geblieben
oder durch eine vorhergehende Welle von dem oberen Streifen
herabgerissen sind, mit hinabzuführen. Er lässt schliesslich
das ganze Material fallen, wo er auf die nächste herankommende
Welle stösst. Hier an dieser Linie, wo sich der Rückfluss mit
der späteren Welle zu treffen pflegt, bildet sich der untere
Geröllstreifen, theils aus den von oben herabgespülten, theils
aus den schwersten von der neuen Welle herbeigebrachten
Gerollen, welche nicht bis auf die mittlere Zone geschleudert
werden können. Sie bleiben hier so lange liegen, bis eine
stärkere Welle kommt, sie mit nach oben treibt und sie ent¬
weder durch ihren Rückfluss wieder zurückführt, oder sie über
den Bereich des Rückflusses hinaus auf den oberen Geröll¬
streifen schleudert.
Bei mässigem Seegang an breitem Strande sieht man
in höherem Niveau oberhalb des oberen Geröllstreifens noch
einen oder mehrere parallele Streifen grober Gerolle sich hin¬
ziehen, die gewöhnlich, je weiter landeinwärts, aus desto grö¬
beren Geschieben bestehen. Diese oberen Geschiebestreifen
sind bei höherem Wellengang, namentlich bei Sturmfluthen ent¬
standen. Der oberste Streifen liegt unmittelbar am Fuss der
Klippenwand oder der Düne und bezeichnet das höchste Niveau,
das noch zuweilen von den Wellen erreicht wird. Dass dies
t
ziemlich selten geschieht, zeigt sich darin, dass dieser Streifen
gewöhnlich von einigen dünn gestellten Strandgräsern oder
kleinen Büschen bewachsen ist.
Neben dieser Auf- und Abwärtsbewegung der Geschiebe
normal zum Ufer, ihrer Zerkleinerung und Sonderung nach
der Grösse findet aber auch ein seitlicher Transport entlang’
der Küste, ein Wandern der Geschiebe in horizontaler Richtung,
statt. Diese Wanderung des Strandmaterials ist für die Ge¬
staltung der Küsten von der allergrössten Wichtigkeit; denn
dadurch werden einerseits die Zertrümmerungsprodukte der
Steilküste, die sich sonst dort anhäufen und bald die weitere
Sitzung* vom 11. Juli 1892.
69
Abrasion verhindern würden, fortgeschafft und neuer Platz
zum Angreifen der Wogen gemacht, andrerseits werden mit
diesem seitwärts wandernden Detritus die Schwemmlandsküsten
aufgebaut. So sind auch die Nehrungen Rügens auf diese
Weise durch wandernden Küstenschutt entstanden. Die Sedi¬
mente der kleinen Bäche der Insel können dabei nicht in Be¬
tracht kommen; auch münden westlich von Rügen — und von
dort kommt, wie wir sehen werden, das Sediment — keine
irgend schuttreichen Flüsse. Das ganze angeschwemmte Mate¬
rial der Nehrungen ist also Zerstörungsdetritus der Küsten.
Nun lässt sich in Rügen in klarer Weise erkennen, in welcher
Richtung die Küstensedimente wandern.
An der Steilküste von Arcona auf Wittow steht Kreide
an; es werden daher hier Feuersteingerölle in Masse dem Meere
übergeben. In einiger Entfernung südlich von Arcona ver¬
schwindet die Kreide unter dem Geschiebelehm ; aber der Feuer¬
steinstrand hält an der ganzen steilen Ostküste von Wittow
an, mit grossen Blöcken des Diluvium untermischt. Bei Julius¬
ruh hängt sich an den Wittower Inselkern die Nehrung „die
Schabe“ an, welche in anmuthigem Bogen nach SO. bis zum
Inselkern von Jasmund hinüberzieht. Sofort beginnt ein brei¬
ter Sandstrand, die Feuersteine werden seltener und kleiner und
ziehen sich einerseits auf das Sturmfluthniveau, wo sie am Fuss
der Dünen eine Reihe von vereinzelten Steinen auf dem Sande
bilden, andrerseits in den Geröllstreifen an der unteren Grenze
des Wellenspiels zurück. Am Ostende der Nehrung, bei Glowe,
beginnt steiles Diluvialufer ; aber die kristallinischen Geschiebe
desselben wandern nicht nach Westen auf die Nehrung. Wir
sehen also, dass die Feuersteine von Arcona nach SO. wan¬
dern; dass sie aber nur in geringer Zahl und nur bei hohem
Seegang noch die Nehrung erreichen. Diese wird dagegen
aus dem feinen weissen Seesand gebildet, der an dem steilen
Feuersteinstrand von Arcona, wie wir sahen, nicht haften konnte.
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass dieser Seesand auch in
der durch die Gerolle angezeigten Richtung von NW. hierher
kommt. Im Innern der Nehrung unter den Dünen versteckt,
findet sich nach Hagen1) ein fortlaufender Streifen von Feuer¬
steinen etwa 8 Fuss über dem mittleren Stand der See. Früher
haben also die Feuersteingerölle von Arcona die ganze Neh¬
rung entlang wandern können; über den Grund dieser Ver¬
minderung des Transports vermag ich nichts anzugeben.
1) Handbuch der Wasserbaukunst III, 1. Berlin 1878.
S. 248.
70
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Bei Glowe kommen wir an die Diluvialküste der Halb¬
insel Jasmund. Nach Osten fortschreitend, finden wir bei
Lohme die Kreide unter dem Diluvium, hier nur bis zu ge¬
ringer Höhe reichend. Der Strand besteht daher hier aus
grossen Blöcken nordischer Geschiebe, mit kleineren Gerollen
dazwischen, aber nur sehr wenigen Feuersteinen. Bald aber
beginnen die hohen Kreideklippen von Stubbenkamer und damit
wieder der Feuersteinstrand, der also wiederum die westliche
Grenze der Kreide nicht überschreitet. Hingegen zieht er sich an
der ganzen O s tküste von Jasmund entlang. An deren südliches
Ende bei Mukrau fügt sich die Nehrung* der „Schmalen Heide“
an, die zur Granitz mit SSO. -Richtung hinüberzieht. Die erste
Strecke dieser Nehrung von N. her besteht in ihrer ganzen
Breite durchaus aus Feuersteinen, die nur von Jasmund her¬
gekommen sein können, da im 0. der Nehrung nirgends mehr
die Kreide ansteht. Nur sehr vereinzelt finden sich krystalli-
nische Gerolle, die dem Diluvium von Jasmund entstammen
werden. Es ist also zunächst ein grosser Damm von Feuer¬
steinen, der sich zwischen dem Prorer Wiek und dem kleinen
Jasmunder Bodden nach S. erstreckt. Seine Oberfläche ist flach
wellig, von niedrigem Kiefernwald bedeckt und infolge des
Fehlens des Sandes natürlich ohne Dünen. Nach Süden zu er¬
scheint aber unter den Feuersteingeröllen, die hier nur eine
dünne Decke zu bilden beginnen, der Seesand; die Feuerstein-
gerölle werden immer sparsamer, der Sand bildet immer aus¬
schliesslicher den Strand. Damit fängt dann auch die Dünen¬
bildung’ an, zuerst niedrig, dann immer bedeutender. In etwa
ein Drittel der Länge der Nehrung’, von Mukrau aus, bilden
die Feuersteine nur noch einen Streifen im Sturmfluthniveau
und verschwinden dann ganz. Im ganzen südlichen Theil be¬
steht der Strand nur aus feinem weissen Seesand, das Innere
der Nehrung aus Dünen. Bei Binz schliesst sich der breite
Sandstrand an das Steilufer der Granitz an, und mit einem
Schlage ändert sich das Strandbild. An der Stelle, wo der
Geschiebelehm an den Strand tritt, beginnen auch die glazia¬
len Strandgerölle, erst noch mit dem Sand vermischt, dann
aber zu einem echten Blockstrand sich anhäufend. Feuer-
steingerölle finden sich nur so spärlich, dass sie durch die im
Diluvium enthaltenen Feuersteine hinreichend erklärt werden. —
Auch hier sehen wir also die Strandgerölle von Jasmund nach
SO., dagegen kein krystallinisches Gerolle von der Granitz nach
W. auf die Nehrung* wandern!
Wir erkennen also, dass die Strandgerölle auf Rügen von
ihren Ursprungsorten nicht regellos nach beiden Seiten ver-
Sitzung vom 11. Juli 1892.
71
schwemmt werden, sondern, dass sie in einer ganz bestimm¬
ten Richtung der Küste entlang wandern, und zwar an dieser
von NW. nach SO. verlaufenden Küste nur in der Richtung’
von NW. nach SO., nicht von SO. nach NW.
Dasselbe Gesetz zeigt sich an der ganzen Südküste der
Ostsee; überall ein Wandern des Strandmateriales in der Rich¬
tung von Jütland gegen Russland, also von West nach Ost.
Die ganze Küste ist von einem Strande von W. nach 0. wan¬
dernden Materiales begleitet;' bald schmiegt sich dieser Strand
an das Land an und gleicht die ursprünglichen Unregelmässig¬
keiten der Küstenlinie aus, indem er die kleineren Buchten
anfüllt, theils baut er sich vor grösseren Buchten frei in das
Meer hinaus vor und bildet so Nehrungen, die alle von W.
nach 0. gewachsen sind, weshalb die Eingänge der Haffs sich
immer an den Ostenden der Nehrungen befinden.
Die Ursache dieses west- östlichen Küstentransportes ist
nicht in einer konstanten Meeresströmung zu suchen, da es
eine solche an der südlichen Ostseeküste nicht giebt !). Er
ist das Werk der vorherrschenden WestAvinde1 2) und der
durch diese Windrichtung hervorg'erufenen vorherrschenden
Avestöstlichen Wellenrichtung. Die Wellen sind es fast aus¬
schliesslich, welche das Strandmaterial an den Küsten entlang
führen. Jede Welle, Avelche nicht g’erade in einem rechten
Winkel das Ufer trifft — und das wird nur selten der Fall
sein — verschiebt die von ihr am Ufer auf- und abwärts ge¬
rollten Geschiebe oder Sandkörner auch um ein kleines Stück
in horizontaler Richtung’ am Ufer entlang, und zwar im Sinne
ihres eigenen Fortschreitens. Wo nun eine bestimmte Wind-
und Wellenrichtung die anderen beträchtlich übertrifft, Avird
das Strandmaterial in dieser Amrherrschenden Richtung ver¬
schoben. Dies ist also auch an der südlichen Ostseeküste und
besonders in Rügen der Fall. Die Kurvenform der Nehrungen
bezeugt ebenfalls diese ihre Entstehung, da diese Form unter
der Thätigkeit der Wellen \Tor Buchten sich bilden muss, Aväh-
rend Meeresströmungen nur gradlinige Schwemmlandsküsten
erzeugen können. — Nun ist aber die NO. -Küste von Rügen von
NW. nach SO, nicht westöstlich gerichtet, und also gegen die
Westwinde geschützt. Wie können trotzdem die Westwinde
hier einen NW.-SO.-Transport verursachen? Die Erklärung* ist
die, dass die Wellen in einer immerhin untergeordneten Ein-
1) Ackermann, die Ostsee. 2. Ausg. Berlin 1891. S. 142.
2) Ueber das Vorherrschen der WestAvinde an der deut¬
schen Ostsee, vgl. Ackjermann 1. c. S. 170 ff.
72
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
buchtung, wie sie die SO. gerichtete Küste Vorpommerns
gegenüber der allgemeinen W.-O. -Erstreckung der südlichen
Ostsee darstellt, sich nicht selbständig herausbilden, sondern
als abgelenkte Wellen der grossen Wellenbewegung des offenen
Meeres erscheinen. Die Westwinde rufen die vorherrschend
westliche Wellenrichtung' in der offenen Ostsee hervor; diese
westöstlichen Wellen dringen um die Nordspitze Rügens herum
in die Pommersche Bucht ein und müssen hier an der Ostküste
Rügens naturgemäss als Wellen mit der Fortpflanzungsrichtung
NW.-SO. erscheinen.
Dr. Brau dis legte der Gesellschaft den dritten Band
von Professor Sargent’s grossem Werk: The Silva of North
America vor. Von den 36 hier abgebildeten Arten gehören 6
zu den Anacardiaceen und 30 zu den Leguminosen.
Die amerikanische Form von JRhus Cotinus ( Cotinus
Coggygria Scopoli) wird von Sar geilt als eine eigne Art, Coti¬
nus americanus, beschrieben. Ob wir den Perrückenbaum der
alten und der neuen Welt als eine oder als zwei Arten auf¬
fassen, ist ziemlich gleichgültig. Wir haben es hier mit einer
der seltenen eng- und scharf-begrenzten Baumsippen zu thun,
welche noch in der Jetztzeit ein ungemein weites Areal auf
der nördlichen Halbkugel einnehmen und deren Ueberreste
mit Sicherheit aus dem Tertiär bekannt sind. Im südlichen
Europa hat er seine Westgrenze an der Rhone, seine Nord¬
grenze an der Isere bei 45 °, während er sich im östlichen
Europa bis zum 48 0 N. B. erstreckt. Durch Kleinasien, Arme¬
nien und den Caucasus geht sein Verbreitungsbezirk, vielleicht
mit einer kleinen Unterbrechung in Persien, bis in den Hima-
laya, wo er am Sarda-Flusse seine Ostgrenze findet. Nun folgt
eine Lücke in dem sehr feuchten Klima des östlichen Himalava
von 80° bis 110° 0. L. In China aber tritt er wieder auf und
hier findet er sich zwischen dem 30 0 und 50 0 N. B. Wie so
manche Bäume des nordischen Florenreiches in der alten Welt,
findet sich Uhus Cotinus nur im atlantischen, nicht im pacifi-
schen Nordamerika, und zwar ist sein Verbreitungsbezirk in
der neuen Welt ein sehr beschränkter. Sargent berichtet,
dass er zerstreut, und zwar nicht häufig, nur in den nörd¬
lichen Gebirgen vom Alabama, im östlichen Tennessee, im in¬
dischen Territorium westlich von Arkansas und im westlichen
Texas vorkömmt.
Unter den in diesem Bande behandelten Leguminosen
sind einige Gattungen, welche ein besonderes pflanzengeogra-
phisches Interesse bieten.
Sitzung' vom 11. Juli 1892.
73
Gleditschia und GymnoclacLus sind so nahe verwandt,
dass es sich wohl der Mühe lohnen würde, zu untersuchen, ob
sie nicht vereinigt werden müssten. Gymnocladus hat eine
Art im atlantischen Nordamerika und eine zweite in China.
Gleditschia hat ihre g’rösste Entwicklung* mit 6 Arten in China
und Japan. Ausser diesen ist in der alten Welt G. caspica in
den Bergen südlich vom Caspischen Meer und G. africana in
Angola. In der neuen Welt gehören 2 Arten dem atlantischen
Nordamerika an, G. aquatica ( monosperma oder inermis ) und
die bekannte G. triacanthos. Gymnocladus ist mit Sicherheit, und
Gleditschia wahrscheinlich, in den Ueberresten der Tertiär¬
formation nachzuweisen. Cercis, ebenfalls sicher aus dem
Tertiär bekannt, hat einen ähnlichen aber doch verschiedenen
Verbreitungsbezirk. Cercis Siliquastrum, der bekannte Judas¬
baum, wächst im südlichen Europa und westlichen Asien.
C. Griffithii findet sich in Afghanistan und 2 Arten sind aus
Japan und China bekannt. Von den 3 nordamerikanischen
Arten wächst C. texensis in Texas und ein Strauch, C. occi-
dentalis, in Californien. Die dritte Art, Cercis canadensis, ist
in den atlantischen Staaten einheimisch und sie steht dem
Judasbaum der alten Welt so nahe, dass man sie füglich als
eine Art betrachten könnte.
Artenreicher ist die Gattung Prosopis. Von den 25 bis
jetzt bekannten Arten gehören die meisten der neuen Welt an,
sie wachsen in Mexico und in Südamerika. Prosopis juliflora ,
der Mesquitbaum, und P. pubescens , die Schraubenbohne, sind
liier ausführlich behandelt. Einheimisch sind diese zwei Bäume
in der mittleren Region von Nordamerika, in den trocknen Gebie¬
ten von Arizona, Neu Mexico und den angrenzenden Staaten, der
Mesquitbaum auch im* westlichen Südamerika bis Chili und Ar¬
gentinien. In einigen trocknen Gebieten der alten Welt wird
die Gattung* durch 3 Arten repräsentirt, Prosopis oblong a {afri¬
cana Taubert in Engler Nat. Pflanzenfamilien III. 3. S. 119) von
Kordofan bis Senegambien, P. Stephaniana im westlichen Asien
und in Egypten und P. spicigera in den trocknen Gegenden
von Vorderindien, im Nordwesten sowohl wie im Deccan, ferner
in Afghanistan pnd Persien. Die letztgenannte Art hat manche
Analogien mit dem Mesquitbaum. Beide Arten senden ihre
Hauptwurzel tief in den Boden, bisweilen 60 Fuss tief, bis sie
die Grundwasserschicht erreichen. In den holzarmen Gegenden,
in denen sie zu Hause sind, liefern sie Brennholz und die
Schoten sind als Viehfutter höchst nützlich.
Aus der artenreichen Gattung Acacia (450 Species, von
denen 300 in Australien) behandelt Sarg ent, ausser zwei in den
74
Nieclerrheinische Gesellschaft in Bonn.
trocknen Gegenden der mittleren Region einheimischen, die
wohlbekannte Acaica Farnesiana , welche in den tropischen und
subtropischen Gegenden der alten und neuen Welt schon so
lange cultivirt wird, dass die ursprüngliche Heimath nicht mehr
sicher festgestellt werden kann. Sarg ent neigt zu der Ansicht,
dass sie in Amerika und Australien und vielleicht auch im süd¬
lichen Africa zu Hause sei.
Privatdocent Dr. Ra uff sprach über Kalkalgen und
Receptaculiten :
In unserer vorigen Sitzung- knüpfte sich an meinen Vor¬
trag über die Receptaculiten eine Discussion an über
deren Natur und systematische Stellung. Herr College Dr. Noll
machte mich dabei auf die neueste Arbeit des Grafen zu Solms-
Laubach über recente Kalkalgen1) aufmerksam, in der, wie
er meinte, vielleicht ähnliche Structuren, wie sie die Recepta¬
culiten besitzen, zur Darstellung gebracht worden wären. Er
hatte die Güte, mir die Arbeit am nächsten Tage zu übersen¬
den, und ich muss gestehen, beim ersten Anblick einiger Ab-
bildungen darin überrascht gewesen zu sein über die scheinbar
frappante Aehnlichkeit zwischen diesen und gewissen Recepta-
culitiden. Ein genaueres Studium der Solms-Laubachschen
Mittheilungen belehrte mich indessen schnell, dass ein Vergleich
auch der darin behandelten Algen mit den Receptaculiten
vorläufig undurchführbar ist, ebenso undurchführbar, wie ich
das hinsichtlich der mir früher bekannten verticillaten Sipho-
neen in meiner Abhandlung 2) bereits dargelegt habe.
Indessen, wenn man nach Analogien sucht, so scheinen
mir zwischen einigen der von Solms-Laubach neuer¬
lichst behandelten Formen, nämlich den Angehörigen der Gat¬
tung Bornetella und den Receptaculiten deren mehr und stär¬
kere zu bestehen, als sie früher von andern Autoren geltend
gemacht werden konnten, wie von G ü m b e 1, Steinmann,
Deecke, welche Kalkalgen und Receptaculiten in Beziehung-
zu bringen versucht haben3).
Wenn ich dabei berücksichtige, dass die Bornetellen ge¬
ll Ueber die Alg-engenera Cymopolia , Neomeris
und Bornetella. Annal. du Jardin Botanique de Buitenzorg.
Bd. 11, S. 61 — 97 mit 3 Taf., Leiden 1892.
2) Untersuchungen über die Organisation und systema¬
tische Stellung der Receptaculitiden. Abhandl. k. bair. Akad.
d. Wiss. II. CI. 17. Bd. 3. Abth. S. 645-722, mit 7 Taf. Mün¬
chen 1892.
3) Ibid. Vergl. S. 713—717.
Sitzung vom 11. Juli 1892.
75
genüber den übrigen verticillirten Siphoneen ganz neue Züge
aufvveisen und hierdurch wahrscheinlich Zeugniss davon ab-
legen, dass eine weit grössere Mannigfaltigkeit, als bisher be¬
kannt, im Bau dieser Pflanzen, in der Ausbildung, Einrich¬
tung und Anordnung ihrer Organe vorhanden ist, oder im
Laufe ihrer phylogenetischen Entwicklung vorhanden war, so
muss ich bekennen, wieder stutzig geworden zu sein und mir
von neuem die Frage vorgelegt zu haben, ob nicht dennoch
bei den verticillaten Siphoneen, oder Vorläufern, oder altern
Verwandten davon die nächsten Berührungspunkte mit den
Receptaculiten zu suchen sein und einmal gefunden werden
sollten.
Ich möchte deshalb nicht verfehlen, die Bornetellen und
ihre Eigentümlichkeiten hier kurz zu besprechen, um daran
eine Ergänzung der vergleichenden Betrachtungen in meiner
Abhandlung anzuknüpfen. Aber auch sonst und abgesehen
von dem Ergebnisse unserer Vergleichung dürften diese Kalk¬
algen als wenigstens teilweise erhaltungsfähige Körper, deren
Reste fossil gefunden werden können, das Interesse des Pa¬
läontologen erwecken und dürften schon aus diesem allgemeinen
Grunde einen Bericht über sie meinerseits rechtfertigen.
In der nachstehenden Beschreibung folge ich neben der
Darstellung von Solms-Laubach einer wichtigen Arbeit
von C. Cramer *), auf die sich auch Solms stützt, und die
mir bei Herausgabe meiner Abhandlung ebenfalls noch unbe¬
kannt geblieben war.
In der Gattung Bornetella Munier Chalmas kennt man
jetzt vier Arten, nämlich:
1. B. nitida Mun. Chalm.
2. B. oligospora Solms.
3. B. capitata J. G. Agardh.
4. B. sphaerica Zanardini.
Bornetella nitida Mun. Chalm. und Bornetella oligospora
Solms sind so nahe verwandt, dass man sterile, der Sporangien
entbehrende Exemplare nicht oder kaum von einander unter¬
scheiden kann. Sie bilden mehr oder weniger gebogene Keulen
mit zierlich facettirter Oberfläche (Fig. 2). Die Keulen erreichen
relativ sehr grosse Dimensionen (Fig. 1). Nach Agardh soll
Bornetella nitida sogar bis 2 Zoll hoch werden. Mitten durch
die Keule geht eine grosse Stammzelle (Langtrieb) (Fig. 2, Sz),
1) Ueber die verticillirten Siphoneen, besonders Neomeris
und Bornetella. Denkschr. d. schweizer, naturforsch. Ges. Bd.
32 II, Zürich 1890.
76
Niederrheinisclie Gesellschaft in Bonn.
die am Grunde ein Rhizoidenbüschel (Rh), oberwärts eine lange
Reihe von Astwirteln trägt. Diese Wirtel bauen mit ihren Ver¬
zweigungen die Keule auf. Die Astnarben auf der Stammzelle
sind in annähernd horizontalen Kreisen geordnet, können aber
zugleich steil aufsteigende Spirallinien bilden. (Vergl. Cr am er,
a. a. 0. Taf. 3, Fig. 18 und die Erklärung dazu auf S. 44.)
Die von der Stammzelle ausstrahlenden primären Wirtel¬
äste oder Kurztriebe (w, Fig.
Wirteläste oder Kurztriebe (k,
hervor.
Fig. 1. Bornetella nitida Mun. Chalm.
In natürlicher Grösse. Der dunkle
Fleck am obern Ende ist das punctum
vegetationis, das in Fig. 4 vergrössert
abgebildet worden ist. — Von den
Freundschaftsinseln. — Copie nach
Gramer.
Fig.'3. Das distale Ende eines pri¬
mären Wirtelastes (w) mit den vier
kreuzförmig daran sitzenden Secun-
därästen oder prismatischen Rinden¬
zellen (k) und den Verdickungsringen
(r) in diesen.
2 u. 3) bringen nur secundäre
Fig. 2 u. 3), aber keine tertiären
k
Fig. 2. Habitusbild von Bornetella
oligospora Solms. Etwa 3 mal ver¬
grössert und ein wenig schematisirt.
Sunda-Inseln. — Copie nach Solms-
Laubach. Die Basis der Stammzelle
mit den]Rhizoiden (vonB. nitida) nach
Cramer angefügt.
Die secundären Kurztriebe entspringen am Ende der
schwach keulenförmigen primären (Fig. 2 u. 3), und zwar mei¬
stens zu vier in kreuzförmiger Stellung. Wenig“
über ihrer Einfügungsstelle erweitern sie sich schon stark und
treten daher rasch mit einander in seitliche Berührung (Fig. 3).
Dabei nehmen sie, indem sie sich aneinanderdrängen, prisma-
Sitzung vom 11. Juli 1892.
77
tische Gestalt an und bilden eine lückenlose Rinde, mit von
aussen gesehen polyedrischen Facetten (Fig. 2 u. 3).
Die Facetten, die also von der nach aussen abschliessen¬
den Zellmembran der secundären Kurztriebe gebildet werden,
tragen ursprünglich je ein mehrmal dichotom verzweigtes Haar.
Da jedoch diese Haare (Haarzellen) ziemlich frühzeitig abfallen,
so erkennt man später nur noch deren Narben (n, Fig. 3), wel¬
che papillen- oder kegelförmige Vorragungen, oder auch flache
Vertiefungen bilden können.
In ihrem Innern besitzt jede secundäre Kurztriebzelle
oder Rindenzelle (k) eine ringförmige Verdickung, die ich in
Fig. 3 wie durchsichtig körperlich darzustellen versucht habe.
Ihr Querschnitt ist planconvex; die ebene Seite wird von der
prismatischen Zellwandfläche gebildet, die convexe springt als
ein gerundeter Wulst in das Zelllumen vor. Da alle diese Ver¬
dickungsringe in den benachbarten Rindenzellen constant in
gleichem Niveau liegen und genau correspondiren, so bilden
sie auf unserm Längsschnitte (Fig. 2, oben) ein fortlaufendes
Band unter der Oberfläche, und jedesmal auf der Grenze zwi¬
schen zwei Zellen erscheint der Durchschnitt durch das Band
biconvex mit einer mittlern Theilungslinie, weil ja die plan¬
convexen Wülste der sich berührenden Zellen mit ihren ebe¬
nen Aussenflächen aneinanderstossen.
Das Band, d. h. die es zusammensetzenden Verdickungs¬
ringe in den einzelnen Rindenzellen sind der Hauptsitz der
Verkalkung. Grosse Mengen Kalk sind darin enthalten; nach
Cr am er neben Calciumcarbonat auch Calcium oxalat. Hier¬
durch erhält das Gittergerüst .der aneinandergedrängten Ringe
eine grosse Festigkeit, um als kräftiges Versteifungsmittel für
den weiten Schlauch, den das g'anze Pflänzchen darstellt, zu
dienen.
In den übrigen Gliedern der Pflanze sind die Kalkein¬
lagerungen nur gering, oder sie fehlen ganz. Cr am er führt
sie noch an als schwach vorhanden in den Facetten membranen
der Rindenzellen, als etwas stärker entwickelt an der Basis der
Stammzelle.
Eine g'anz besondre Eigenthtimlichkeit bieten durch den
Ort ihrer Anheftung die Sporangien dar. Während diese ja
gewöhnlich bei den verticillaten Siphoneen am distalen Ende
der primären Wirteläste zwischen den secundären Kurztrieben
sitzen *), entspringen sie bei Bornetella aus den primären Kurz-
1) Vergl. Zittel-Schimper, Hdb. d. Palaeophytologie,
Fig. 29, 30 auf S. 31, 33.
78
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
trieben stets lateral (Fig. 5 ; Fig\ 2, sp.; Fig. 6, 7). Sie finden eben
zwischen den eng zusammenschliessenden Rindenzellen keinen
Platz. Einen Kalkpanzer um die Sporangien, wie er ebenfalls
sonst gewöhnlich entwickelt ist, bringen die Bornetellen nicht
hervor.
So lange die Pflanze im Wachsthum begriffen ist, ist die
Facettenrinde am obern Pole noch nicht wie in Fig. 2 mit
gleichmässiger Wölbung geschlossen. Vielmehr befindet sich
an der Spitze eine Lücke in dem Facettenmantel (der dunkle
Fleck in Fig. 1), ein Grübchen, das von den jüngsten und noch
wachsenden Wirteln gebildet und umgeben wird. Fig. 4 ist ein
Längsschnitt durch diesen eingesenkten Vegetationspunkt. Die
Abbildung lehrt, dass die
secundären Kurztriebe
der jiing'sten und jungen
Wirteläste, die in den drei
bis vier obersten Kreisen
den relativ enorm grossen
Scheitel der Stammzelle
umgürten, eine stumpf¬
keulenartige Form haben,
und dass von ihnen im¬
mer nur die zu demsel¬
ben Wirtelaste gehörigen
Fig. 4. Längsschnitt durch den noch wach¬
senden Scheitel von Bornetella nitida .
Copie nach Cramer.
4 Keulchen sich anein¬
anderlegen, dass dageg’en
die zu den benachbarten
Aesten gehörigen Gruppen secundärer Kurztriebe sich noch nicht
oder doch nur soeben berühren. Nach einiger Zeit nehmen die
secundären Kurztriebe urnenförmige Gestalt an, wie auf den län-
gern, äussern Wirtelästen der Fig. 4. In diesem Stadium stossen
sie seitlich bereits aneinander, entbehren aber noch gänzlich
selbst der leisesten Andeutung der verkalkenden Verdickungs¬
ringe, die erst noch später angelegt werden. Jeder secundäre
Kurztrieb dieser jugendlichen Wirtel wird von einem Haare
gekrönt, das im jüngsten Wirtel noch einzellig und unverzweigt
ist, sich in den folgenden Wirteln aber wiederholt spaltet.
Diese Haare convergiren radienartig über dem Scheitel der
Stammzelle und schliessen sich darüber zu mehreren überein¬
anderliegenden uhrglasförmigen Gewölben dicht zusammen.
Die einzelnen Gewölbe entsprechen den einzelnen Wirtelring'en
und werden je durch eine schleimige Membran von einander
geschieden. Diese schleimigen trennenden Hüllen oder Kappen
mitstehen vor der Bildung jedes neuen Astwirtels, indem die
Sitzung vom 11. Juli 1892.
79
äusserste Membranschicht am Scheitel der Stammzelle sich bla¬
senförmig abliebt. Unter dieser Kappe wächst dann der jüngste
Astwirtel empor. Die feste zähschleimige Beschaffenheit der
Kappen hält die Haarbüschel in der ursprünglichen Lage fest,
aus der sie erst dann sich aufrichten können, wenn die Kappen
bei weiterer andauernder Yergrösserung zerfliessen und ver¬
schwinden. So lange die Vertiefung an der Spitze des Pflänz¬
chens vorhanden ist, ist es in andauerndem Wachsthum be¬
griffen. Sobald das Wachsthum dann aufhört, verdickt die Schei-
telfiäche der Stammzelle ihre Membran und erhält die Form einer
flachen, schwach kegelförmig' erhobenen Calotte. Die Secundär-
glieder der letztgebildeten Wirtel wachsen über dem im In¬
nern zurückbleibenden Scheitel der Stammzelle zusammen und
vervollständigen damit die äussere Facettenrinde. Jetzt ist die
Ausbildung der Pflanze vollendet, die apicale Grube ist ver¬
schwunden, die sie bekleidenden Haare sind sämmtlicli ab¬
gefallen.
Bornetella nitida und oligospora unterscheiden sich nur
dadurch von einander, dass bei ersterer jeder primäre Wirtel¬
strahl nur ein seitliches Sporangium hervorbringt (Fig. 5), wäh¬
rend bei der zweiten deren eine grössere Zahl an jedem Aste
entwickelt wird (Fig. 2, sp.).
Fig. 5. Zwei primäre Wirteläste von
Bornetella nitida mit den kugligen
Sporangien und den Basaltheilen der
die Rinde liefernden Kurztriebe. Da¬
neben auf den keulig verdickten En¬
den der primären Kurztriebe auch
die Narben völlig abgerissener Rin¬
denzellen. Die elliptischen Riuge
zwischen den untern Enden der pri¬
mären Wirteläste bezeichnen die Ver¬
dickung der Stammzellmembran. —
Copie nach Cramer.
Fig. 6. Habitusbild von Bornetella
capitata Agardh. Sz = Stammzelle,
Rh = Rhizoiden, w = primäre Kurz¬
triebe oder Wirteläste, k = secundäre
Kurztriebe oder prismatische Rinden¬
zellen. — Von den Freundschafts¬
inseln. — Copie nach Cramer.
Dagegen ist Bornetella capitata Agardh wesentlich von
den beiden vorigen verschieden. Sie ist zwar auch von Keu¬
lenform (Fig. 6), indessen deutlich in Stiel und Köpfchen ge-
80
i
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
schieden. Der Stiel verjüngt sich nach unten etwas, um an der
Basis ein Büschel Rhizoiden (Rh) hervorzubringen, das Köpfchen,
etwa in halber Höhe der Stammzelle (Sz) beginnend, ist ellipsoi'-
disch bis verkehrt eiförmig. Die Höhe des Pflänzchens beträgt
ca. 1 cm. Die secundären Kurztriebe oder prismatischen Rinden¬
zellen, die die facettirte Oberfläche erzeugen, sitzen nicht nur
zu 4, sondern auch zu 5 bis 6, vielleicht manchmal zu noch
mehr an den keulig etwas verdickten Enden der primären
Aeste. Die Rindenfacetten nehmen gegen den Scheitel der
Pflanze hin an Grösse bald ununterbrochen zu, wie in Fig. 6,
bald umgekehrt ab (vgl. Cramer a. a. 0. Taf. 4, Fig. 13). Sie
sind verhältnissmässig sehr gross, da die Zahl der Astwirtel
weit zurückbleibt hinter der der vorigen Arten. Bornetella
capitata zeichnet sich ferner dadurch aus, und das ist das
wesentlichste, dass verdickte Ringleisten im Innern der Rinden¬
zellen durchaus, und Kalkeinlagerungen sowohl im Stiel und
überhaupt in der Stammzelle, wie in deren Auszweigungen fast
vollständig fehlen. Die Sporangien entstehen zu vielen an den
Seiten der primären Wirteläste.
Bornetella sphäerica Zan. sp. (Fig. 7) hat im Gegensätze
zu den mehr oder weniger verlängerten Gestalten der vorigen
Arten einen niedergedrückt kugli-
gen Thallus und ist nach Zanar-
dini ungestielt, sitzend. Doch macht
Solms-Laubach bezüglich ihrer
Stiellosigkeit Bedenken geltend. Die
Stammzelle stellt einen kurzen kegel-
oder bienenkorbförmigen Körper
dar, an dem etwa 14 dicht überein¬
ander stehende Zweig’wirtel entsprin-
Fig. 7. Etwas schematisches
Habitusbild des an der Seite
geöffneten Pflänzchens von Bor¬
netella spliaerica Zan. Einige
Male vergrössert. — Von Neu-
Guinea. — Copie nach Solms-
Laubach.
gen. Deren basale Glieder sind zu
sehr langen cvlindrischen Fäden ent-
wickelt, welche nach der Peripherie
hinstrahlen, und welche die aus den
Gliedern zweiter Ordnung gebildete
Facettenrinde stützen. Der prismatischen Rindenzellen sind
hier viele, nämlich 8 bis 9 vorhanden. Natürlich können nun
diese polygonalen Rindenprismen, wenn sie verwachsen, sich
nicht mehr so regelmässig lagern, wie bei Bornetella nitida
und oligospora , sie bilden eine unregelmässige Gruppe, deren
centrale Glieder ganz kurz gestielt sind, während die peri¬
pheren mittelst lang'er Stielröhren an dem Primärstrahl an-
sitzen. Diese Stielröhren sind schmal, cvlindrisch, nicht wie
bei Bornetella nitida und oligospora allmählich, sondern ganz
Sitzung der naturw. Sektion vom 11. Juli 1892.
81
plötzlich und unvermittelt zur Bildung der Rindenzellen erwei¬
tert. In letztem fehlt jede Spur der Verdickungsringe, ihre
derbe Aussen Wandplatte braust kaum mit Säure, enthält aber
vereinzelte Kryställchen oder Massen von Kalkoxalat.
Die Sporangien sitzen zu mehreren, aber bei weitem nicht
so zahlreich als bei Bornetella capitata , sondern nur hier und
da ganz zerstreut an den Seiten der primären Wirteläste.
Soviel hier über den allgemeinen Bau der Bornetellen.
Stellen wir nun daneben die Receptaculitiden, so springt eine
allgemeine Aehnlichkeit in der äussern Form, im Habitus, in
der groben Anatomie, namentlich zwischen Bornetella nitida
oder oligospora und Ischadites Murchisoni1), unleugbar in die
Augen. Hier wie dort die gestreckte und zugleich etwas ge¬
bogene Keulen- oder Birnenform des Körpers — ebenso ähneln
sich Bornetella splicierica und Ischadites Königi durch mehr
kuglige Gestalt — hier wie dort ein enges Axenrohr, von dem
lange, dünne, hohle Strahlen, die an ihrem distalen Ende vier
secundäre Glieder in Kreuzstellung tragen, nach der faeettirten
Aussenfläche gehen. Eine besondere Segmentirung oder Ab¬
schnürung’, wie sie den meisten verticillaten Siplioneen eignet,
ist bei den Bornetellen nicht vorhanden. Ebenso zeigen letz¬
tere, dass jene Siphoneen nicht, wie ich sagte, immer nur faden¬
förmig in die Länge wachsen, sondern dass es daneben auch
solche giebt, die in der That wie die Receptaculitiden sich auch
stark in die Dicke ausdehnen können. Hinsichtlich der allge¬
meinen Gestalt besteht also nicht die entschiedene Differenz,
die ich in meiner Abhandlung (S. 71G) gegen die Annahme
einer Verwandtschaft zwischen Siphoneen und Receptaculitiden
m i t geltend gemacht habe.
Aber auch hinsiclislich der Grösse ist das nicht der Fall.
Nach Agardh erreicht, wie schon hervorgehoben worden ist,
Bornetella nitida eine Höhe bis zu 2 Zoll. Grösser sind auch
manche Receptaculitiden nicht. Zudem liegen über die Borne-
tellen, die in den Sammlungen und Herbarien zu den Selten¬
heiten gehören, nur relativ wenige Beobachtungen vor. Es
ist also der Gedanke nicht mehr abzuweisen, dass sie vielleicht
noch grösser werden, und dass es überhaupt verticillirte Sipho¬
neen geben könne, die nicht nur in der Höhe, sondern auch
im Durchmesser viel erheblichere Dimensionen als die bisher
bekannten aufwei sen.
1) Vergl. in meiner Abhandl. Taf. 7, Fig. 1, 2; Textfigur 11
auf S. 55, etc.
Sitzungsb. der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892. GA.
82
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Vergleichen wir weiter: Die primären Wirtelstrahlen der
Bornetellen, besonders aber einiger Neomeris- Arten könnten
sehr wohl den Radialen der Receptaculitiden entsprechen. Sind
die Formen dieser primären Radialglieder vielleicht auch nicht
bedeutungsvoll, so sprechen sie jedenfalls nicht dagegen. Ganz
ähnlich gestaltet sind z. B. die Wirteläste von Neomeris Keller i
Cham.1) und die von Ischadites Murchisoni2): schlank, in der
mittlern Strecke zusammengezogen, an beiden Enden leicht
keulig verdickt. Plumpere Wirteläste kommen aber ebenfalls
vor 3). Den Abschnürungen, die wir mehrfach am proximalen
Ende der Wirteläste wahrnehmen4), begegnen wir auch bei
Receptaculitiden über den Füsschen. Ebenso haben wir hier wie
dort, je nach den Krümmungs Verhältnissen der Oberfläche, ne¬
ben geraden auch mehr oder weniger stark gebogene Radiale 5).
Was die Verkalkung der Primäräste betrifft, so sind
zwar diejenigen bei den Bornetellen ganz unverkalkt, aber
Sitz und Grad der Verkalkung sind bei den verticillirten Sipho-
neen überhaupt sehr schwankend. In meiner Abhandlung habe
ich fast nur das andre Extrem in Rücksicht gezogen, bei dem
die Zellmembranen der Wirteläste so stark verkalken, dass der
gesammte freie Raum zwischen ihnen, d. h. zugleich zwischen
der Oberfläche und der Stannnzelle von einer compacten Kalk¬
masse ausgefüllt wird. Mit einigen wenigen Ausnahmen, die
ich in meiner Abhandlung S. 715 aufgeführt habe, sind meines
Wissens alle bekannten fossilen Formen so beschaffen. Aber
bei den lebenden kommen zwischen beiden Extremen alle
Uebergänge vor, nicht nur innerhalb der ganzen Gruppe, son¬
dern auch während der Entwicklung der einzelnen Individuen.
Bei der recenten Cymopolia barbata Lamouroux 6), dem Typus
für die fossilen sogen. Dactyloporiden, incrustiren sich die Wir¬
teläste bis zur vollständigen Verschmelzung der Krusten und
Bildung einer aus dichter Kalkmasse bestehenden Röhrenwand,
die nur von feinen Kanälen (Zellräume der Wirteläste) durch¬
bohrt wird. Bei Neomeris dumetosa Lamouroux sind die pri¬
mären Wirteläste zwar noch ziemlich stark verkalkt, aber der
Raum zwischen ihnen ist nicht mehr vollständig ausgefüllt,
1) Neue Denkschr. Schweiz. Ges. Naturwiss. 1888, Bd. 30 II,
Taf. 2, Fig. 1.
2) M. Abh. Taf. 6, Fig. 5, G.
3) Gramer a. a. O. 1888. Bd. 30 II. Taf. 4, Fig. 13.
4) Gramer a. a. 0. 1888, Bd. 30 II, Taf. 1, Fig. 5; Taf. 2,
Fig. 3, 10, etc.
5) Vergl. m. Abh. Taf. 6, Fig. 4; Taf. 7, Fig. 2.
G) Gramer a. a, O. 1888. Bd. 30 II. S. 16 ff.
Sitzung der natnrw. Sektion vom 11. Juli 1892.
sondern sie sind nur zu kragenartigen Ringen verbunden1).
Auch bei Neomeris Ketleri Cramer können die primären AeSt.e
ein und desselben Wirtels unter Umständen so beträchtlich
verkalken, dass sie ebenfalls kragenartig untereinander zu-
sammenwaclisen 2) ; im allgemeinen jedoch sind sie hier kaum
oder doch nur in den ältesten Partien etwas stärker incrustirt
und bleiben unter sich frei. Bei den Bornetellen endlich sind sie
also garnicht verkalkt, oder weisen doch nur höchst minimale
Kalkeinlagerungen in ihrer Zellhaut auf. Bei allen Siphoneen
aber, bei Cymopolici barbata und den sehr kräftig verkalkenden
nicht minder als bei den schwach verkalkenden und letztge¬
nannten sind die jungen Pfianzentheile (Wirtel) in einem mehr
oder weniger ausgedehnten Bezirke um den Wachsthumsscheitel
herum überhaupt immer frei von Verkalkung, die erst in den
ältern, also tiefer sitzenden Gliedern eintritt und nach der
Basis hin im allgemeinen immer stärker wird. Erst wenn die
Pflanzen ausgewachsen sind, kann auch die Verkalkung des
Scheitels erfolgen. (Vergl. S. 78.)
Dürften wir diese Erfahrungen und Thatsachen bei un-
sern Bemühungen, die Natur der Receptaculitiden festzustellen,
verwerthen, so würden wohl manche Erscheinungen bei diesen
eine einfache Erklärung finden. Es würde sich, wie ich das
schon (Abh. S. 716) angedeutet habe, die oft unförmliche Ge¬
stalt und die wechselnde Dicke der Säulchen und auch andrer
Glieder 3) innerhalb ein und desselben Receptaculiten erklären,
die auffälligen und ganz unvermittelten Gegensätze zwischen
dicken und dünnen Säulchen, wie wir sie als Ausnahme in
dem beschriebenen Göttinger Exemplare von Beceptacnlites cras-
siparies (Abh. S. 665 ff., Taf. 3, Fig. 1 — 4) kennen gelernt haben;
denn es wäre nichts ungewöhnliches und bemerkenswert!) es,
dass einmal eine Zellhaut zu stärkerer Kalkabsclieidung gereizt
würde, eine andre damit im Rückstände bliebe. Es würde
sich vielleicht erklären, warum wir bisher nur wenige Iseha-
diten gefunden haben, wo die Füsschen erhalten waren. Denn
es wäre möglich, dass bei Ischadites diese Füsschen, also die
proximalen Enden der Radiale im allgemeinen nicht verkalkten,
dass in gewissen Fällen jedoch, die wohl kaum einen specifischen
Unterschied bezeichnen würden, die Verkalkung, die ja auch
bei den Siphoneen in den peripherischen Theilen sich gewöhn-
1) Cramer, Neue Denksehr. Schweiz. Ges. Naturwiss.
Bd. 30 II. S. 12, Taf, 2, Fig. 13; S. 42, Erklärung zu Fig. 42.
2) Ibid. 1890. Bd. 32 II. S. 10.
m. Abh. Taf. 5, Fig. 5.
3) Vergl.
84
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
lieh am stärksten und frühesten geltend macht, in den Radialen.
von Lschadites bis an die Stammzelle fortgeschritten wäre. Es
würde sich ferner, worauf ich ebenfalls schon hingewiesen habe,
vielleicht als eine primäre Erscheinung- erklären, was ich secun-
däre Incrustation der Füsschen genannt habe. Freilich müsste
man in diesem Falle eine stärkere Verkalkung gerade an den
proximalen Enden der Radiale voraussetzen; das erschiene un¬
gewöhnlicher, aber nicht unmöglich. Freilich bliebe dabei auch
wieder die Bedeutung der in m. Abh. Taf. G, Fig. 10, 10a von
der axialen Gesteinspindel abgehenden Gesteinpfeilerchen, die
nach ihrer Lage den von Billings und Hinde bei Recepta-
culites occidentalis angenommenen Poren in der innern Wand¬
fläche entsprechen, dunkel, da diese Gesteinpfeilerchen ja,
wie aus ihrer Stellung erhellt, nicht etwa die Zelllumina der
primären Wirteläste darstellen können. Es wäre jedoch mög¬
lich, dass die ihnen entsprechenden ursprünglichen Hohlräume
nur eine gänzlich passive Rolle spielten und einfach dadurch
entstanden sind, dass die cvlin drisch en Radiale sich gleich-
mässig und regelmässig, also cvlin drisch bleibend, verdickten,,
wobei natürlich der zwischen ihnen befindliche, ursprünglich
zusammenhängende Leerraum, sobald sie zusammenstiessen
und verschmolzen, als Rest nur eine Anzahl rühriger, getrennter
Räume (kantige Gesteinpfeilerchen) hinterlassen konnte.
Wenn ich hier also eine Ursprünglichkeit streckenweiser
Verschmelzung von Meromen, wie in den bezeichneten Figuren
nicht unbedingt verneine, so muss ich andrerseits von neuem
betonen, dass Kalkansätze, Verschmelzungen und Fortwach¬
sungen ganz unzweifelhaft secundärer Natur, sowie Auflösung'
von Meromen und Meromgliedern in der umhüllenden Sphäre
secundären krystallinischen Kalkes die ursprünglichen Verhält¬
nisse vielfach verändert und verdunkelt haben und den bei
vielen Receptaculitiden, so z. B. bei allen untersuchten böh¬
mischen Ischaditen (sog. Acanthochonien) im Innern jetzt herr¬
schenden Zustand erst nachträglich geschaffen haben. (Vergl.
m. Abh. Taf. 4, Fig. 8 — 12; Taf. 5, Fig'. 1, 2, 9, 10; Taf. 7, Fig.
9, 10; S. 56 ff.)
Der Umstand, dass die Füsschen der Radiale bei den
Receptaculitiden, wenn auch hart aneinandergedrängt, so doch
im allgemeinen durch eine Trennungslinie gegeneinander ab¬
gegrenzt werden 1), und ursprünglich wohl, wie die ganzen Me-
rome überhaupt, nicht eigentlich miteinander verwachsen waren,
fände seine Erklärung darin, dass die Radiale oder Säuleheil
1) M. Abh. Taf. 1, Fig. 3, 9; Taf. 2, Fig. 4, G, etc.
Sitzung- der naturw. Sektion vom 11. Juli 1892.
8”)
nicht bloss einfache Ausstülpungen der centralen Stammzelle
darstellen, sondern, wie das sowohl bei Bornetelia als bei an¬
dern Siphoneen hinsichtlich der primären Wirteläste der Fall
ist1), selbständige Zellen waren, deren Membranen stark ver¬
kalkten, während die Stammzelle un verkalkt2) blieb und daher
bei der Verwesung verloren ging.
Es würde sich des weitern leicht erklären, warum bei der
grossen Mehrzahl der Ischaditen die obere Körperhälfte, selten
ist es die untere, vermisst wird, warum bei manchen am obern
Pole eine wechselnd grosse Oeffnung vorhanden ist, bei einigen
besterhaltenen endlich, wie ich nachgewiesen habe, diese Oeff¬
nung und damit die ganze Oberfläche ringsum vollständig
geschlossen wird. Im letzten Falle hätten wir es mit ausge¬
wachsenen und auch in den jüngsten Wirteln am Scheitel be¬
reits fest verkalkten Pflanzen zu thun (vergl. Bornetella Text¬
figur 2); in den andern Fällen war die Scheitelpartie noch
nicht, oder doch nicht genügend verkalkt, um erhaltungsfähig
zu sein. Und wie ich schon früher auseinandergesetzt habe
(Abh. S. 694), konnte eine solche Lücke, oder eine .solche
schwache Stelle am Scheitel, nach dem Absterben leicht er¬
weitert werden und zu dem so häufigen Fehlen der obern Par¬
tien Veranlassung' geben. Ja.es stände mit dem Wesen der in
Rede stehenden Kalkalgen gewiss nicht im Widerspruche an¬
zunehmen, dass die obere Körperhälfte überhaupt dauernd der
Verkalkung entbehren konnte. Und dann Hesse sich weiter an¬
nehmen, die eigentlichen Receptaculiten, von denen noch nie¬
mals eine solche Körperhälfte gefunden worden ist, repräsen-
tirten derartige Formen3), deren unverkalkte oder nicht zu¬
sammenhängend verkalkte, jüngere, obere, zarte Glieder sich
1) Gramer, Neue
Denkschr. Schweiz. Ges. Naturwiss.
1888, Bd. 60 II, Taf. 1, Fig. 4—6; Taf. 2, Fig. 8; Taf. 4, Fig. 13,
14: etc. S. 17 etc., S. 34.
2) Doch kann auch die Stammzellmembran, die sich gern
kräftig verdickt (vergl. die in Anm. 1
angegebenen Figuren
weniger stark verkalken, z. B. bei
und S. 6, etc.), mehr oder
Neomeris Kellert Gramer. Neue Denkschr. etc. Bd. 32 II, 1890,
'S. 10 oben. - Stammzellverkalkungen mit und wahrscheinlich
auch ohne gleichzeitige Verkalkung der Wirteläste liegen auch
bei einer Anzahl fossiler Formen vor. Dass die Füsschen
von Receptaculites etwa der verkalkten verdickten Stamm¬
zellmembran entsprechen, lässt sich nicht annehmen, weil sie
von einander getrennt erscheinen, dagegen mit den Säulchen
untheilbare Glieder bilden.
3) Bei Neomeris Kelleri scheint der Scheitel dauernd
kalkfrei zu
oben, etc.
bleiben, C r a m e r a. a. 0. 1888, Bd.
30
II, S. 4
86
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
durch andre Hiilfsmittel: Bildung von Haarschöpfen, schlei¬
migen Kappen oder dergleichen dauernd zu schützen •wussten1).
Man könnte hier einwenden, dass wir hei unserer Un-
kenntniss über die Natur der Receptaculiten garnicht darüber
unterrichtet sind, was bei ihnen oberer, was unterer Pol in
Wahrheit ist, und dass die sich deckenden Bestimmungen der
verschiedenen Autoren darüber rein conventioneil sind. Wollte
man die Sache umkehren und den obern zum untern Pole-
machen, so würde man die bei Ischadites häufiger beobachtete
Lücke an jenem Pole als die Oeffnung betrachten können,
durch die bei den Bornetellen die Stammzelle zur Bildung des
Stieles durch die Rinde tritt. In der That könnte ja der feste,,
lückenlose Zusammenschluss der Meronne am Nucleus die vor¬
handenen Bedenken gegen die Kalkalgennatur der Receptaculi -
tiden vermehren. Wie waren diese befestigt, wo sind bei ihnen
die wurzelartigen Haftorgane der andern verticillirten Siplio-
neen ? Bornetella sphaerica soll allerdings ebenfalls sitzend
sein und jeglichen Stieles ermangeln, aber ich habe schon er¬
wähnt, dass Solms-Laubach die Richtigkeit dieser Angabe be¬
zweifelt. — Jedoch auch mit solcher Vertauschung der Pole kämen
wir nicht weiter. Denn hin und wieder ist ja auch der Apex
bei Ischadites vollständig geschlossen, sind es also beide Pole,,
des weitern widerspräche es ebenso ganz allgemein gültigen
Wachsthnmsregeln, die zartem, schwachem, lockerer zusammen¬
gefügten und daher leichter verschiebbaren Merome im Ober-
theil von Ischadites als die altern hinzustellen, wie es beson¬
dere, aus dem oben skizzirten Scheitelwachsthum der Siphoneen
abgeleiteten Gründen widerstritte, den in allen Fällen starrge¬
fügten Nucleus der Receptaeulitiden für den obern Pol zu
halten: Ein unüberwindliches Hinderniss für die Vereinigung-
beider Organismengruppen dürfte die geschlossene Basis der
Receptaeulitiden aber auch nicht bilden.
Die Anordnung der alternirenden Täfelchen auf der
untern Aussenfläehe der Receptaculiten lässt sich natürlich
auch auf Wirtelstellung zurückführen, wobei nach oben hin
die Zahl der Wirteläste (Täfelchen) in den einzelnen Wirteln
beständig wüchse bis zu einem Maximum, das dann in der
obern Körperhälfte bis zum Apex hin eingehalten wird (m. Abh.
S. 694). Die Fig. 1 auf Taf. 6 meiner Abhandlung würde bei
1) Beides, Haare
wie Verkalkung
als Schutz- und verstärkende Stützmittel
sind als Schutz-, bezw..
a. a. 0. 1888. Bd. 30 II. S.
9;
1890, Bd.
aufzufassen.
2 TI, S. 34.
Cr am er
Sitzung der naturw. Sektion vom 11. Juli 1<S92.
87
dieser Auffassung' die Oberflächenglieder von 35 vollständigen
Wirteln enthalten. Im ältesten den Nucleus bildenden
Wirtel
1. 1
sind
8 r
Täfelchen
in
??
2
V
8
??
??
3
V
8 + 1 =
9
??
V
4
V
9
**
»
5
??
9 + 2 —
11
«
6
??
11 + 2 =
13
V
•y
7
5?
13
V
8
13+2 =
15
9
??
15 + 1 =
16
v
V
10
??
16 + 1 =
17
??
w
»
11
??
17
??
T)
??
12
y
17 + 1 =
18
V
5?
V
13
??
18
V
V
y)
14
V
18 + 3 =
21
V
??
15
21 + 2 —
23
5?
zusammen 216 Täfelchen.
Endlich, wir würden es verstehen, was bisher ganz un¬
verständlich war, dass die Radiale, die bei Receptaculites ge¬
wiss nicht den Eindruck bedeutungsloser oder geringwerthiger
Organe machen, bei Polygonosphaerites gänzlich fehlen, oder
doch nur in ganz unscheinbaren distalen Rudimenten vor¬
handen sind (vergl. m. Abh. S. 708). Wir hätten hierin die
Parallele zu Bornetella nitida und oligospora zu erkennen :
verkalkte Rinde, unverkalkte Primäräste und Stammzelle.
Ich habe in meiner Abhandlung S. 714 gefragt, wo die
Sporangien bei den Receptaculitiden wären, wenn man diese
als Kalkalgen auffassen wollte. Diese Frage scheint mir jetzt
an ihrer frühem Bedeutung zu verlieren, nachdem wir uns
mit der Lage der stets unverkalkten Sporangien bei den Bor¬
netellen bekannt gemacht haben. Sie könnten auch bei den
Receptaculitiden, nur von zarten Membranen umhüllt, seitlich
an den Radialen gesessen haben, vielleicht bevor diese ihre
bedeutende und volle Wandstärke erreichten. Und wenn ihre
Stielehen nur äusserst dünn waren, und wenn vielleicht nur
eins oder wenige an jedem Radiale hafteten, so wäre es bei
dem nie ganz günstigen Erhaltungszustände des Kalkmateriales
der Receptaculiten nicht eben zu verwundern, dass man die
Narben ihrer Stielchen oder überhaupt Spuren von ihnen noch
niemals beobachtet hat.
Es giebt Siphoneen, nämlich die Acetabularieen, bei denen
in primären, also unmittelbar an der Stammzelle sitzenden
88
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Kurztrieben oder Wirtelästen Fortpfianzungsproducte (Ganie-
taugien1) erzeugt werden; doch fehlen hier diesen fertilen
Aestclien die secundären Kurztriebe 1). Man würde daher des
erläuternden Beispiels entbehren, wenn man etwa sagen wollte,
dass bei den Receptaculitiden möglicherweise die Radiale selbst
fertile Aestclien gewesen wären. Denn wenn man die Ver¬
gleichung zwischen Receptaculitiden und verticillirten Siphoneen
zulässt, so wird man die Tangentialarme der ersten nur für
secundäre Kurztriebe halten können. Da diese aber einen für
fertile Aestclien von Siphoneen bezeichnenden Charakter nicht
an sich tragen, so mussten wir uns nach besondern Sporangien
umsehen, wie sie die den Acetabularieen gegenüberstehenden
recenten Dasyclcideen besitzen, hei denen primäre Kurztriebe
niemals zu Sporangien werden2). Zu diesen Dasycladeen ge¬
hören auch die Bornetellen, während die Acetabularieen doch
auch wegen ihres ganz abweichenden Habitus zur Verglei¬
chung nicht heranzuziehen wären.
Die 4 ein Kreuz bildenden Tangentialarme als secundäre
sterile Kurztriebe aufzufassen, würde jetzt der überraschende
Umstand erleichtern, dass auch bei Bornetella nitida und oli-
gospora das Ende jedes Primärstrahles 4 solcher Kurztrieb e
in Kreuzstellung trägt3).
Allein nun häufen sich, nachdem die Vergleichung bis
hierher ziemlich glatt fortschreiten konnte, die Schwierigkeiten
der weitern Parallelisirung.
Ich habe, ohne allerdings zu einem völlig gesicherten
Ergebnisse zu kommen, die Gründe dargelegt (m. Abh. S. 671,
672, 710, 711), warum die Spindeln der Tangentialarme nicht
wohl Hohlräume gewesen sein können. Ich habe seitdem keine
Beobachtung gemacht, die mir diese Gründe, der ältern Auf¬
fassung gegenüber, weniger beachtenswerth erscheinen Hessen.
Immerhin würde ich hierin nicht den springenden Punkt sehen.
Es wäre die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die spindel¬
förmigen Hohlräume ursprünglich durch äusserst feine Oeff-
nungen mit dem Kanal des Säulchens in Verbindung gestan-
1) Gramer. Neue Denkschr. Schweiz. Ges. Naturwiss. Bd.
30 II 1888, S. 28, 34, 34.
2) Cr am er, ibid. Bd. 30 II S. 36.
3) Die Zahl 4 wird zwar nicht streng eingehalten; es
entspringen manchmal auch (3 oder) 5 secundäre Kurztriebe
an der Spitze des primären Wirtelgliedes (siehe unsre Text¬
figur 5, links), vorwiegend aber sind doch 4 entwickelt. Cra-
mer, idib. 1890 Bd. 32 II S. 23.
Sitzung der naturw. Sektion vom 11. Juli 1892.
89
den haben 1), dass diese feinen Oeffnun gen leicht und bald durch
Kalk verklebt wurden, sie daher Sediment nicht ein dringen
Hessen, und dass anstatt dessen auf feinsten Spaltrissen in den
brüchig' gewordenen Kalkwänden der Tangentialarme reiner
Kalkspath einfiltrirte. Es wäre selbst die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, dass nach der äussern später auch eine innere
Incrustirung' der spindelförmigen Räume schon bei Lebzeiten
des Receptaculiten eingetreten ist 2), wie derartige vollständige
Ausfüllungen von Hohlräumen ja auch bei andern kalkab-
sondernden Organismen Vorkommen, sofern oder sobald die
betreffenden Theile nur noch zur Stütze und grossem Ver¬
festigung des Skelets zu dienen haben.
Das also könnte man wohl gelten lassen, dass die Tan¬
gentialarme stark verkalkte Einzelzellen oder Zellenanhängsel
(der Primäräste oder Radiale) sind. Dagegen stehen wir ihrem
merkwürdigen Lagerungsgesetze rathlos gegenüber. Daneben
gestellt sind Lagerungsweise der verkalkten Verdickungsringe
bei Bornetella, ihre einfache Aneinanderdrängung zu waben¬
ähnlichen Gittern und alle übrigen Skeletbildungen bei den
Siphoneen zum Zwecke der Versteifung doch sehr primitiv und
nicht damit zu vergleichen, so dass es auch fernerhin noch an
jeglichem Anknüpfungspunkte für jene wunderbare Arm Ver¬
flechtung zu fehlen scheint.
Auch sind die Secundärglieder der Bornetellen ebenfalls,
wie die aller andern Siphoneen mit ihren Enden, im Gegen¬
sätze zu den Spitzen der Tangentialarme, nach aussen gerichtet
(m. Abh. S. 715). Diese Enden sind verbreitert, abgeflacht und
bilden die polygonalen Facetten der Oberfläche, sind also den
Täfelchen der Receptaculitiden nicht aequivalent zu setzen.
Denn diese Täfelchen haben wir ja als selbständige, von den
Tangentialarmen unabhängige Glieder der Merome kennen
gelernt.
Was könnten sie noch sein?
1) Anstatt einer eigentlichen Oeffnung könnte hier auch
eine unverkalkte (oder schwach verkalkte !) Membran ausge¬
spannt gewesen sein, die trennende Haut zwischen primären
und secundären Wirtelzellen. Aber auch wo bei den behandel¬
ten Siphoneen Primär- und Secundäräste nur aus einer Zelle
bestehen, sind sie gern durch starke Stricturen geschieden.
Vergl. Cr am er a. a. 0. 1888, Bd. 30 II. S. 5, Taf. 2, Fig. 11, etc.
2) Vielleicht sind die letzten Ueberbleibsel ursprünglicher
Hohlräume die sehr feinen axialen Röhrchen in den distalen
Spindeln von Fig. 5, Taf. 2 meiner Abhandlung, die ich noch
nicht erwähnt habe. Vielleicht haben sie auch ihre besondre
Bedeutung.
90
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Vielleicht wäre noch eine Erwägung berechtigt, die wir
aus dem Umstande herleiten, dass bisweilen alle 4 Tangential-
arme vom Täfelchen und ihrem Träger vollständig getrennt
liegen (in. Abh. S. 698, Textfiguren 10, 11), die Erwägung, ob
nicht etwa die Radiale oder Säulchen über die Secundärglieder
(Tangentialarme) hinaus bis zur Oberfläche gewachsen sind,
liier eine starke Ausbreitung erfahren haben bis zur gegen¬
seitigen Berührung und rhombischen oder hexagonalen Ge¬
staltung’ ihrer Endflächen, und dass die Täfelcen solche ver¬
kalkten Endflächen, d. h. die verkalkten, endständig die Pri¬
märäste nach aussen abschliessenden Zellmembranen sind.
Wohl hätten wir hierbei zu berücksichtigen, dass die
abschliessenden Facettenmembranen der Oberfläche bei den
verticillirten Siphoneen gewöhnlich — und zwar zum Zwecke
einer kräftigem Belichtung und leichtern Assimilation !) —
nicht oder nur sehr schwach verkalkt sind, dass daher auch
bei allen bekannten fossilen Formen die Wirtelglieder zweiter
Ordnung nach aussen geöffnete Röhrchen bilden, weil die un-
verkalkten Membranen zerstört wurden.
Immerhin aber ist ja auch hinter einer Kalkhülle die
Assimilation chlorophyllhaltiger Pfianzentheile möglich, wie ja
besonders die Lithothamnien zeigen.
Könnte man die Täfelchen als verkalkte Oberflächen¬
membranen auffassen, so gewännen vielleicht auch die kleinen
Knöpfchen im Centrum der Täfelchen, sowie die stachelartigen
Anhänge bei Polygonosphaerites ihre Bedeutung (m. Abh. S. 657,
706, 707, Taf. 1, Fig. 10 links; Taf. 5, Fig. 5; Taf. 7, Fig. 9, 10).
Es könnten die verkalkten Narben oder verkalkten Basaltheile
abgefallener Haare sein.
Indessen vergessen wir nicht, dass das vorläufig’ nur Ver-
muthungen sind, worin wir uns bewegen. Und wie eingangs
gesagt, jeder Versuch scheitert noch, namentlich an den zuletzt
blossgelegten Klippen, die Zutheilung der Receptaculitiden zu
den Siphoneen unablehnbar zu begründen. Auf der andern
Seite werden wir aber gestehen müssen, dass durch eine An¬
zahl neuer Vergleichungsmomente eine Perspective eröffnet
worden ist, der einmal nachzugehen nicht völlig aussichtslos
erscheinen konnte, der weiter nachzugehen vielleicht nicht
fruchtlos sein wird.
1) Cramer a. a. 0. 1888, Bd. 30 II, S. 9.
Allgemeine Sitzung vom 7. November 1892.
91
Allgemeine Sitzung vom 7. Xovember 18ibi.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 13 Mitglieder, 1 Gast.
Prof. Pohlig legt vor und bespricht: H. Pohlig, ..die
Cerviden des thüringischen Diluvialtravertins, mit
Beiträgen über andere diluviale und über recente Hirschfor¬
men“. Stuttgart (Schweizerbart) 1892, als II. Theil der „Mono¬
graphie der Elephas ontiquus führenden Travertine Thüringens,,
ihrer Fauna und Flora“ desselben Verfassers, deren I. Theil
(„Monographie des Elephas antiquusu ) an dieser Stelle in zwei
Abtheilungen (1. „Dentition“ und 2. „Kranologie“) im Dezember
1888 und 9. Mai 1892 gezeigt wurden. Der vorliegende Band
in Quart enthält auf 4 Tafeln die Geweihreste u. s. w. aus den
Travertinen, und in 29 Textfiguren sonst diluviale und recente.
Aus dem Travertin ist, für deutsches Diluvium neu, Cervus
(euryceros) Belgrandi, ganz neu C. ( elaphus ) diluvii Pohl.; fer¬
ner sind C. taranclus, C. capreolus und C. (euryceros) Germa-
niae abgebildet. Aus andern Plistocänschichten sind als ganz
neu 1. C. (euryceros) Germanicie Pohl., 2. C. (eu.) Italiae Pohl.,
3. C. (dama) Gastaldii Pohl., eine riesenhafte Damhirschform
Italiens, dargestellt; für Deutschland neu ist C. (alces) latifrontis
Dawk. — Das wesentlichste allgemeinere Ergebniss ist der
Nachweis mehrerer diluvialer Naturrasse n, besonders der
Riesenhirsche. Auch von heutigen Hirschen ündet man in dem
Werk vieles Merkwürdige, noch nicht Dargestellte abgebildet,
so von dem amerikanischen und europäischen Elchthier, von
dem Wapiti und Edelhirsch, von Reh und Virginiahirsch; das
Buch wird sonach für den Weidmann ebenfalls manches An¬
ziehende bieten können.
Prof. Pohlig berichtet hierauf über seine bei paläonto-
logischen Arbeiten auf Sicilien während des vergangenen Sep¬
tembers ausgeführte Untersuchung des neuesten Aetna-
Ausbruches, eine Reihe von grossen Momentphotographieen
und daselbst gesammelten vulcanischen Erzeugnissen erläu¬
ternd. Bei den neu entstandenen Eruptionskegeln, die in gera¬
der Linie und etwa in halber Höhe des Berges nach dem Meere
hin (S.-O.) liegen, hatten damals der mittelste und die beiden
äussersten weisse, die andern schwarze Rauchsäulen; die Lava,
die, wie dort meist, oberflächlich „gespratztes“ oder fein granu-
lirtes Aussehen hat, floss nur noch unbedeutend. Auch Proben
von nicht poröser oder schlackiger, von steinartig compacter
92
Niederrlieinische Gesellschaft in Bonn.
Lava liegen vor, theils feinkörnig* grau, pechsteinartig schwarz
oder grosskrystallinisch; ferner kommen Einzelkrystalle von
Augit, Sanidin und Glimmer, concentrisch-schalige Bomben und
Lavathränen vor, letztere sind aber nie so wolilausgebildet wie
bei rheinischen Vulcanen. Fladenlava, so schwarzglänzend,
wie am Vesuv, fand sich dort nicht. Fast alle Laven werden
durch Verwitterung heller, röthlich u. s. w. an der Oberfläche,
die neuern Ströme (wie der von 1852 im Valdelbove) heben sich
meist durch dunkle Farbe scharf ab. Obwohl auch dem Aetna
Kalkmassen dicht benachbart sind, fanden sich dort solche nicht
als vulcanischer Auswurf oder Einschluss wie am Vesuv, son¬
dern nur ein grauer Sandstein, zum Theil gefrittet, geborsten,
säulig abgesondert. Dagegen sind für den Aetna die Massen
mannigfaltiger Exlialationserzeugnisse, vulcanischer Sublima¬
tionen viel mehr charakteristisch, welche die Aschen und Steine
(auch von 1892) in der Nähe der Eruptionen, Solfataren und
Fumarolen auf weite Entfernung durchdringen, gletscherartig
verkitten und den Schuttkegeln grüne und gelbe Farbe geben;
oft werden grosse Stücke solcher Breccie in der Tiefe losge¬
rissen und herausgeschleudert, man sieht Blöcke von mehr als
1 m Durchmesser davon umherliegen. Ungeheure Massen von
Eisenvitriol, Chlorid, Salmiak, Schwefel sind dort unbenutzt;
manches Sublimationsmineral zerfliesst an der Luft durch be¬
gieriges Aufsaugen ihres Wasserdampfgehalts.
Prof. Binz spricht im Anschluss an seine Mittheilungen
vom 2. Mai d. J. (Köln. Ztg. 18. Mai, Nr. 408) über Versuche,
die er betreffs der e t w a n i g e n Giftigkeit des Al u m i n i u m s
hat anstellen lassen. Der junge Hund, welcher damals ohne
den geringsten Nachtheil bereits drei Wochen mit einer täg¬
lichen starken Gabe eines löslichen Aluminiumsalzes gefüttert
worden war. bekam diese weiter bis zu einer Dauer von vollen
4 Monaten. Während dieser langen Zeit änderte sich sein Wohl¬
befinden in keiner Weise, und sein Körpergewicht stieg von
den anfänglichen 4800 Gramm auf 6970. Diese Aufnahme von
täglich etwas mehr als einem drittel Gramm Aluminium in der
Form des gelösten Acetates, ohne dass sich ein Schaden zeigte,
konnte entweder darauf beruhen, dass das Aluminium den
edleren Geweben des Organismus nicht feindlich ist, oder dass
es von dem Darme nicht aufgenommen wird, sondern mit den
Fäces abgeht. Dieses letztere muss wohl der Fall sein, denn
das wiederholte chemische Aufsuchen des Aluminiums in dem
Harn des Thieres erwies dessen Abwesenheit ; hier müsste sich
wenigstens ein Theil von ihm gefunden haben, wenn eine neu-
Allgemeine Sitzung vom 7. November 1892.
9.3
nenswerthe Menge in die Säfte übergegangen wäre. Auch die
Versuche am Menschen hatten denselben Erfolg. Einen vollen
Monat lang wurden täglich 20 Tropfen des officinellen essig-
sauren Aluminiums, das bekanntlich für chirurgische Zwecke
in den Apotheken vorräthig gehalten wird, von einem jungen
Mediciner aufgenommen, ohne den geringsten Nachtheil. Seit
jener ersten Mittheilung über diesen Gegenstand am 2. Mai
sind einige andere Veröffentlichungen erschienen, die uns die
hiesigen Ergebnisse bestätigen, eine aus dem Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamte und eine aus dein militärärztlichen Friedrich-
Wilhelms-Institute in Berlin. Zugleich zeigte sich, dass bereits
1889 in Dorpat unter der Leitung des Prof. Robert eine ex¬
perimentelle Doctordissertation erschienen war, die die etwa-
nige Giftigkeit des Aluminiums untersuchte. Ihr Hanptergeb-
niss ist, dass die löslichen Aluminiumsalze, wenn sie in Folge
der Art ihres Beibringens wirklich ins Blut gelangen, giftig'
werden, wie das auch bei anderen Metallsalzen der Fall ist.
Das hat aber nichts zu thun mit dem gewöhnlichen Gang der
Dinge, und somit können Geräthe aus Aluminium für den ge¬
wöhnlichen Gebrauch des Lebens als unschädlich und unge¬
fährlich erklärt werden. Die Einzelheiten hierüber wird die
in diesem Halbjahr erscheinende Doctordissertation des Herrn
Christoph Schmitz bringen.
Weiter spricht der Vortragende über die mechanische
Gift Wirkung eines andern modernen Fabrikerzeugnisses. Es
ist der äusserst feine Staub der Thomasschlacke. Diese
Schlacke wird bekanntlich bei der Entphosphorung des Eisens
gewonnen. Sie war anfangs ein Ballast für die Hütten, bis
man darauf kam, sie wegen ihres grossen Gehaltes an Phos¬
phorsäure tür die Landwirtschaft nützlich zu machen. Um
aber als Düngemittel verwertbar zu sein, muss das harte
Material höchst fein gepulvert werden, und da nun ergab sich
in den betreffenden Mühlen, dass die Arbeiter infolge der Ein¬
atmung des Staubes von Blutungen und Entzündungen der
Lunge befallen wurden. Das wird schon allein durch die Be¬
schaffenheit des Staubes erklärlich, der sich unter einer starken
Lupe als aus glasartig scharfen und spitzen Splitterchen be¬
stehend erweist, die in den -Flüssigkeiten des menschlichen
Körpers zum grössten Tlieil unlöslich sind. In Deutschland
list man seit einigen Jahren gemäss dem Vorgehen der Gebr.
Stumm in Neunkirchen mechanische Vorrichtungen getroffen,
die die Verstaubung in den Mahlräumen verhindern, in Frank¬
reich scheint man so weit noch nicht zu sein, denn wie aus
der hierher gerichteten Aufforderung zu einem Gutachten her-
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
14
vorgeht, hat dort ein Gericht den Anspruch auf Schadenersatz
den erkrankte Arbeiter erhoben, verworfen, und zwar auf das
Gutachten eines Pariser Mediciners hin. Das Richtige der
deutschen Aulfassung' über die hohe Schädlichkeit jenes Staubes
für die menschlichen Lungen wurde in der Sitzung durch an¬
wesende Techniker (Herrn Geh. Rath Heusler und den frü¬
heren Hüttendirektor S. S t e i n) bestätigt.
Sieg fr i e d Stein berichtet : W ändert man am Rhein-
stroine entlang von Bonn bis Bingen, oder besser noch durch¬
fährt man auf dem Dampfboote diese Flussstrecke bei klarem
Wetter, so wird unwillkürlich an vielen Stellen der Blick ge¬
fesselt von den felsigen Ufern und den dieselben bildenden
Gesteinschichten. Bald zeigen sich die Schichten steil aufge¬
richtet, bald mehr flach gelagert, bald glatt und dann wieder
gefaltet und geknickt, als ob die starren Gesteine in ihren ein¬
zelnen Lagen aus massigen Pappendeckeln bestanden hätten,
welche in einer starken hydraulischen Presse unordentlich auf¬
gestapelt und darauf zusammengedrückt worden wären.
Dann taucht wohl die Frage auf: Wie ist diese riesige
Gebirgsspalte des Rheinthaies entstanden, quer durch die
Schichtungen gerissen, zwischen Eifelgebirge und Westerwald,
zwischen Hunsrück und Taunus, welche alle vier in grossen
Zügen dasselbe Streichen von südwest nach nordost zeigen?
Welche riesigen Kräfte mögen in Thätigkeit gewesen sein, um
diese gewaltige Arbeitsleistung zu verrichten und vielleicht
gleichzeitig oben geschildertes Verschieben und Zerbrechen
der einzelnen Schichten zu bewirken?
Wenn man mit einer stärksten wirkenden hvdraulischen
Presse gearbeitet hat, wie der Vortragende es gethan, um Form¬
veränderungen starrer Körper z. B. Gesteine, Metalle u. s. w
zu studiren und findet man alsdann, dass harte Stahlformen
bei etwa 20000 bis 24000 Atmosphärendruck auf die Endflächen
der Stempel übertragen, erst anfangen zu deformiren: dann
kann man sich in etwa einen Begriff machen, welche Unsumme
von Gesammtkraft in Wirksamkeit getreten sein muss, um
solche ungeheuren Umgestaltungen am Rheinstrom entlang und
in den links- und rechtsseitigen Gebirgen nach deren Entstehung
und Ablagerung herbeizuführen.
Aber bei Versuchen im chemischen oder physikalischen
Laboratorium arbeitet man naturgemäss doch immer nur mit
kleinen Kräften und mit geringen Mengen. Die Wirkungen
treten nicht für Jeden so augenfällig in Erscheinung, wie in
der grossen Natur, z. B. bei Erdbeben.
Allgemeine Sitzung vom 7. November 1892.
95
Die Erhebungen der vulkanischen Bergkegel von Trachyt.
von Basalt, von Lava, über das Niveau der diese umgebenden
theils mit gehobenen Schichten der devonischen und strecken-
wegs tertiären Formationen in den genannten Gegenden, ge¬
ben schon einen anschaulichen Begriff von den Wirkungen
der unterirdisch thätig gewesenen Gewalten, als die nun er¬
loschenen Vulkane in der Eifel z. B. Laach er See und am Rheine
z. B. Rodderberg bei Mehlem, noch mit feurigen Zeichen das
Zeugniss ablegten von den gewaltigen Drucken der im Innern
der Erdrinde auftretenden Dämpfe und Gase.
Ein Jeder auch Nichttechniker kann sich eine Vorstellung
von der Wirkung machen, wenn er von den Verheerungen der
ruchlos ausgeführten Dynamitanschläge liest, sofern davon die
Rede wäre, dass tausend Tonnen Dynamit zu gleicher Zeit zur
Explosion gebrächt würden. Es Hessen sich vielleicht auf eng¬
begrenztem Raume ähnliche Wirkungen wie bei einem Erd¬
beben herbeiführen.
Befänden sich dagegen in einem Raume, z. B. in einer
Kalkhöhle, einige tausend Tonnen flüssiger Kohlensäure unter
einem Wasserdruck von 2000 Atmosphären, also in einer Tiefe
von nur 20000 Metern, — man findet ja in Gesteinen flüssige
Kohlensäure eingeschlossen, — und würden diese dann plötz¬
lich nur auf 2200° C., auf die Verbrennungs-Temperatur von
Kohlenoxydgas mit Sauerstoff, erhitzt, dann dürfte schon etwas
weiter hinaus fühlbar ein Erdbeben zu bemerken sein. Die
verlierende Wirkung einer mit nur zehn Kilo flüssiger Kohlen¬
säure gefüllten Eisenflasche, welche durch irgend eine Ursache
über den kritischen Punkt erwärmt war, deren Boden plötzlich
aus der Rohrwand herausriss, wodurch die eingeschlossene
Kohlensäure momentan entlastet wurde, zeigte ähnliche Er¬
scheinungen wie bei einer Dampfkessel-Explosion.
Wie viel Kohlensäure in den genannten Gegenden in
der Endrinde vorhanden ist und noch eirkulirt, zeigen die Un¬
zahl der dort auftretenden kohlensäurehaltigen Mineralquellen,
welche in gewissem Sinne als Sicherheits-Ventile können be¬
trachtet werden.
Würden gleiche Mengen Chlorstickstoff unter den gleichen
Bedingungen zur Explosion gelangen, wie vorhin bei der
Kohlensäure bemerkt worden ist, so würde schon ein Kreis
von vielen Meilen Durchmesser der Erdoberfläche über dem
Explosionsheerd gewaltig erschüttert und umgestaltet werden.
Dass die Möglichkeit der Entstehung solcher Verbindungen
in dem Erdinnern vorhanden ist, geht aus dem Auftreten von
Salzsäure und von Salmiak, also von dein Vorhandensein von
90
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Chlor und von Ammoniak, den Elementen des Chlorstickstoffs,
bei vulkanischen Eruptionen hervor. Doch mögen diese Hypo¬
thesen zunächst hier nicht weiter erörtert werden. Das traurige
Bild der aus dichtem hellem Marmor erbauten Kathedrale zu
Belem, gleich unterhalb Lissabon am Tajo, zeigt in davon
stehen gebliebenen Besten die Verwüstung, welche das welt¬
bekannte Erdbeben von Lissabon angerichtet hat und würde
eines überwältigenden Eindrucks nicht verfehlen, wenn man
den Dom vor seiner Zerstörung gesehen hätte.
Die Macht der bei Erdbeben thätigen Gewalten zeigte
der Vortragende den anwesenden Herren in der Sitzung durch
Vorlage eines Buches, welches ihm durch Herrn Geschäfts¬
führer Emil Schrödter vom Verein deutscher Eisenhüttenleute
freundlichst überlassen worden war. Es handelt über das Erd¬
beben in Japan 1891 und hat den Titel:
The great earthquake of Japan 1891 by John Milne and
W. K. Burton, with 30 plates by K. Ogawa. Second edition,
publislied in Yokohama by Laue Crawford & Co. printed in
Tokyo.
Das Buch hat grossquerfolio Format, ist typographisch
aufs vorzüglichste ausgeführt, auf feinem japanischem Papier
gedruckt. Die Abbildungen sind Lichtdrucke nach grossen
scharf entwickelten Photographien ; sie gewähren im Zusammen¬
hang mit der Beschreibung unterrichtende Anschauung der
Wirkungen dieses in weiter Ausdehnung aufgetretenen Erd¬
bebens.
Man sieht auf einem Bilde, wie eine Eisenbahn quer gegen
deren Richtung hin und her geschoben wurde, so dass das
Geleise in zwei Schlangenlinien erscheint, wobei die Bahn¬
damm-Böschungen klaffende Spalten im Erdboden bald rechts,
bald links zeigen*
Auf zwei anderen Bildern zeigt sich die lange vortreff¬
lich construirte Eisenbahn-Gitterbrücke, in fünf weiten Jochen
über den Nagara gawa gespannt gewesen. An einigen Pfei¬
lern sind die starken dicken Tragsäulen, aus Gusseisen mit
Beton gefüllt, quer durch in mehrere Stücke zerbrochen,
gleich wie ein Kind seinen Schreibgriffel in viele Stücke zu
zerbrechen im Stande ist. Die Brückenjoche sind dann in das
Flussbett gestürzt. Ueber einem beim Bruch aufrecht stehen
gebliebenen Pfeilerstücke hängen die verlaschten Schienen des
Brückengeleises, aus den Verschraubungen auf den Schwellen
heraus gerissen, wie die Stangen einer Drahtseilbahn in der
Luft schwebend. Der früher zu der Brücke führende Eisen¬
bahndamm ist verschwunden, versunken. Die darüber führenden
Allgemeine Sitzung vom 7. November 1892.
97
Schienen mit darunter liegenden Schwellen hangen wie eine
Kette frei schwebend im leeren Raume. Die felsigen Fluss¬
ufer sind tief eingeklüftet, zerrissen, in schwere Felsblöcke
zertheilt, welche streifenweise nochmals wieder gehoben er¬
scheinen. (Ein ähnliches Trümmerfeld ist in den Rüder sdorfer
Kalkbergen bei Berlin zu sehen, wenn dort im Winter eine
ganze Felswand unterminirt wird und die stehen gebliebenen
Pfeiler, jeder mit einem starken Schuss besetzt, gleichzeitig ge¬
sprengt werden, wobei dann die ganze Felswand um die Höhe
der Pfeiler niederstürzt und die Gesteinschichten zerbrechen
und zerklüften, unter donnerndem Getöse.)
Die Bilder von einer Baumwoll-Spinnerei, aus festem
Mauerwerk erbaut, zeigen eine grausige Zerstörung an Ge¬
bäuden, an darin aufgestellt gewesenen Maschinen und einem
zersplitterten Schornstein, während ein anderes Bild ein aus
Bambusstäben aufgeführtes grösseres Gebäude zeigt, welches
den Erd Schwankungen hat nachgeben können und anscheinend
wenig beschädigt aufrecht stehen geblieben ist.
Wieder andere Bilder zeigen Eisenbahnbrücken mit ge¬
mauerten Steinpfeilern, die nach rechts und links sich neigten,
dabei von senkrechten Rissen von oben bis unten und von
horizontalen Verschiebungen in den Mauerfugen durchzogen sind.
Ein Bild bringet einen Blick in das reich angebaute Neo¬
thal mit sorgfältig angelegten Plantagen und schönen Baum¬
pflanzungen. Mitten durch diese hindurch von dem Vorder¬
gründe zu dem Hintergründe des Bildes zeigend, führte früher
ein breiter grader ebener Fahrweg. In der vorderen Hälfte
des Bildes zeigt sich jetzt eine, den Fahrweg quer abschneidende,
durch die ganze Landschaft von rechts nach links ziehende
Vertiefung, während der hintere Theil des Thaies stehen ge¬
blieben ist oder gar gehoben wurde. Der Beschreibung nach
erstreckt sich diese senkrechte Verschiebung der Erdoberfläche
bei einem Höhen-Unterschiede der beiden getrennten Ober¬
flächen von 20 bis 25 Fuss, auf eine Länge von mehr wie
vierzig Meilen! Genau die Länge der Bahn von Bonn bis
Bingen.
Man kann die bei solchen Erdbewegungen wirksamen
Kräfte nicht schätzen, da nicht zu ermitteln ist, wo deren Sitz
und Ausgangspunkt im Erdinnern sich befindet; das Gewicht
der bewegten Massen ist nicht zu berechnen.
Der Vortragende knüpft an diese Bilder die Erklärung
der ihm in seiner früheren Thätigkeit beim Grubenbetrieb in
Nassau besonders, dann auch in den Kohlenzechen an der Ruhr,
oft begegneten Erscheinungen : von Verwerfungen und von
Sitzungsber. (1er niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892, 7 A,
98
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Rutschungen in den Gesteinschichten, in den Erzlagern und
in den Steinkohlentiötzen, sowie von Zertrümmerungen der¬
selben. Diese Erscheinungen sind nun kein Räthsel mehr für
ihn, sowenig wie die Bilder der Faltungen, Knickungen und
Verschiebungen in den Gesteinschichten an den Gebirgsufern
von Bonn bis Bingen.
Sitzung' <lor naturwissenschaftlichen Sektion
vom 14. November 1892.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 28 Mitglieder, 1 Gast.
Als Mitglieder werden aufgenommen die Herren Gymnasial¬
lehrer Dr. Kiel, Oberberghauptmann a. D. Exzellenz Dr.
Huyssen, Berghauptmann Eilert, Dr. Overzier, Oberberg¬
rath H a s s 1 a c h e r.
Der Antrag des Redakteurs der Neuen Bonner Zeitung,
Dr. Over zier, kurze Berichte über die Sitzungen auch in der
Neuen Bonner Zeitung erscheinen zu lassen, wird auf Vorschlag
des Herrn Landgerichtspräsidenten Scho r n abgelehnt.
Die Sektion beschliesst vorläufig, das 75jährige Bestehen
der Gesellschaft durch eine Festsitzung im Monate Juli 1893
mit erweiterten Sitzungsberichten und etwa einem Festessen
zu feiern und ermächtigt den Vorsitzenden, wegen dieser
Frage sich mit der medizinischen Sektion ins Einvernehmen
zu setzen.
Ueber die Frage der Neubeschaffung' von Diplomen ver¬
schiebt die Sektion einen Beschluss, bis sie Kenntniss von den
Kosten des Neudruckes der alten Diplome und der von der
medizinischen Sektion in Vorschlag gebrachten neuen Form
erhalten hat.
Der Vorsitzende legt noch die vom Ausschuss für Er¬
richtung des Rob. May er -Denkmals ergangene Einladung
zur Enthüllungsfeier vor.
Prof. R e i n legte den ersten Band seiner illustrirten
„Geographischen und naturwissenschaftlichen Abhandlungen“
vor, der zur vierhundertjährigen Feier der Entdeckung Ame¬
rikas erschienen ist und ausser einer Geschichte von Columbus’
Leben und Entdeckungsreisen auch eine Anzahl Artikel über
die Natur und hervorragendsten Erzeugnisse Spaniens enthält.
Sitzung der naturw. Sektion vom 14. November 1892. 99
Zu diesen Studien gehört auch eine Abhandlung über Kork
und Korkeiche. Der Vortragende hatte von seiner diesjährigen
spanischen Reise Zweige der letztem mitgebracht und erläuterte
beim Vorzeigen derselben die drei Arten ihrer Fruchtbildung.
Hierauf wandte sich derselbe zu einer kurzen Besprechung der
spanischen Mittelmeerküste zwischen Cabo de Gata und Gibraltar,
und insbesondere der Strecke von Motril bis Malaga, die unter
allen Gebieten Europas die mildesten Winter aufweist, ein sub¬
tropisches Klima, in welchem mit Hülfe künstlicher Bewässerung
während des trockenen Sommers auf dem fruchtbaren Alluvial¬
boden der kleinen Ebenen von Motril, Salobrena, Almunecar,
Nerja, Torox, Velez-Mälaga und Malaga von tropischen Obst¬
sorten die Banane ( Musa sapientium) und die Chirimoya ( Anona
cherimolia) gedeihen, von Feldfrüchten aber vornehmlich das
Zuckerrohr und die Batate gezogen werden. Drei klimatische
Vorzüge des Winters ermöglichen dies, nämlich eine starke
Besonnung-, entsprechend der südlichen Lage, die Fernhaltung
der kalten nördlichen Winde durch vorgelagerte Gebirgsketten
und ein ansehnliches Mass der durch Regen freiwerdenden
Wärme. Dieser letzte Vortheil geht dem andalusisehen Tieflande
sowie der spanischen Ostküste infolge der viel geringem Nieder -
schlagmengen zum Tlieil ab. Die fast immer schnee- und eis¬
freien Winter kommen auch mehrern grossen Ziergärten zugute,
unter denen eine halbe Stunde von Malaga die beiden benach¬
barten San Jose und La Concepcion besonders hervorragen.
Keine derartige Anlage im weiten Mittelmeergebiete dürfte
diese hinsichtlich der Mannigfaltigkeit und Ueppigkeit sowie
der geschmackvollen Gruppirung ihrer Pflanzenformen über¬
treffen. Hier findet man Gewächse aus allen subtropischen
Ländern der Erde, vergesellschaftet mit vielen aus den heissen,
darunter nicht wenige, welche an Grösse und Schönheit der
Entwicklung in Europa wohl einzig dastehen. Der Vortragende
erwähnte als solche u. a. eine Schotia latifolia aus Natal, von
der er reife Hülsen mit interessanten Samenmänteln vorlegt, und
die bekannte Tanne der Norfolk-Insel (. Araucaria excelsä). Er
zeigte den Zapfen eines Baumes dieser Art vor, der in La Con¬
cepcion eine Höhe von 30—35 m erreicht hat und einen Stamm¬
umfang von 2,74 in, der dabei noch nichts von seiner symme¬
trischen Gestalt und seinem schönen Grün eingebüsst hat. Mit
einer Uebersicht über die geographische Verbreitung der sieben
Araucaria-Arten schloss Redner seine Mittheilungen.
Prof. Bertkau legte der Gesellschaft vor das Werk von
E. Wasmann, S. J. : Die zusammengesetzten Nester
100
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
und gemischten Kolonieen der Ameisen; Münster i. W.
1891. — Der Verfasser hat seit mehr als 10 Jahren seine ein¬
gehenden Studien den Ameisen zugewandt und in einer Reihe
von Aufsätzen und Abhandlungen die Ergebnisse seiner Be¬
obachtungen über das gegenseitige Verhältnis« niederlegt, in
dem die Ameisen zu den zahlreichen bei ihnen leben¬
den Arthropoden, namentlich Käfern, stehen. In
dem vorliegenden Werke werden die g e s e 1 1 i g e n Bezie¬
hungen der Ameisen untereinander behandelt,
wie sie sich in den zusammengesetzten Nestern und den
gemischten Kolonieen zeigen. Ein zusammengesetztes Nest
ist ein von verschiedenen Ameisenhaushaltungen bewohntes
Nest; zusammengesetzte Kolonieen sind Ameisenhaushaltungen,
die aus Angehörigen verschiedener Ameisenarten bestehen. In
Deutschland kommen zwei gesetzinässig zusammengesetzte
Ameisennester vor. S olenopsis fugax legt seine Nester
unter oder in der unmittelbarsten Nachbarschaft von den Nestern
grösserer Arten: Formica rufa, s an guinea, pratensis ; Polyergus
rufescens ; Myrmica scabrinodis, lobicornis an. Von hier aus
brechen sie in den von jenen bewohnten Theil des Nestes ein
und richten unter den Puppen und den jungen, noch weichen
Ameisen grosse Verheerungen an. Ihre grosse Zahl, ihre Kühn¬
heit und ihr wirksames Gift macht sie dabei zu einem furcht¬
baren Feinde des ihnen an Grösse und Körperkraft vielmal
überlegenen Gegners, der ihnen in ihren engen Gängen zudem
nicht nachfolgen kann. Während so Solenopsis fugax zu den
genannten grösseren Arten im Verhältniss eines Räubers und
Einbrechers steht (D i e b s a m e i s e), herrscht zwischen den
zweierlei Insassen eines zweiten gemischten Nestes ein fried¬
licheres Verhältniss: zwischen Formicoxenus nitidulus und
Formica rufa und pratensis, in deren Nestern erster er wohnt.
Der Formicoxenus ist noch dadurch interessant, dass die Männ¬
chen ungeflügelt sind. Sie bilden kleine Kolonieen, die ihre Ne¬
ster innerhalb der Wände und Säulen, welche die Gänge in dem
Formica-Nest trennen, anlegen. Ihren Wirthen fügen sie keinerlei
Schaden zu, und werden von diesen geduldet, bezw. unbeachtet
gelassen; die grössere Wärme in dem Formica-Nest ist wahr¬
scheinlich das einzige, was Formicoxenus in denselben sucht.
Sie ist ein regelmässiger, aber kein echter Gast von For¬
mica, indem sie von letzterer Art nicht, wie die echten Gäste
unter den Käfern, gepflegt wird.
Weit mannigfaltiger als in den zusammengesetzten Nestern
sind die Verhältnisse in den gemischten Kolonieen. Diese
bestehen aus Herren und (Sklaven, besser) Hülfsameisen. In
Sitzung der naturw. Sektion vorn 14. November 1892. 101
den meisten und den am besten bekannten gemischten Kolo-
nieen sind von den Herren alle 3 Kasten (Männchen, Weibchen
und Arbeiter), von den Hülfsameisen nur die Arbeiter ver¬
treten. Herren und Hülfsarbeiter gehören meist als nahe syste¬
matische Verwandte zusammen, und es herrscht zwischen ihnen
hinsichtlich der Körpergrösse kein so grosser Unterschied wie
zwischen den Bewohnern zusammeng*esetzter Nester. Mit Rück¬
sicht auf das Abhängigkeitsverhältniss, in dem die Herren zu
ihren Hülfsameisen stehen, lassen sich 3 Gruppen unterscheiden:
1. Die Herren sind unabhängig von ihren Hülfsameisen ;
die Arbeiterform der Herren hat eine gezähnte Kaulade.
2. Die Herren sind wesentlich abhängig von den
Hülfsameisen ; die Arbeiterform der ersteren haben sichelförmige
Mandibeln.
3. Die Herren sind ganz und gar abhängig von ihren
Gehülfen; sie haben selbst keine Arbeiterform.
In die erste Kategorie gehört Formica sanguinea , welche
als Gehülfen die Arbeiter von F. fusca und rufibar bis benutzt,
die als Puppen geraubt werden. Es kann F. sanguinea auch
ohne die fremden Arbeiter bestehen und auch neue Kolonieen
gründen. Aber F. fusca und rufibarbis sind geschicktere Bau¬
meister und sorgsamere Pfleger der jungen Brut, und eine ge¬
mischte Kolonie gedeiht daher besser.
In die zweite Kategorie gehört zunächst Polyergus ru¬
fescens , der ebenfalls Formica fusca und rufibarbis als Hülfs¬
ameisen hält; die letzteren machen 7/8 1111 d mehr der Bevöl¬
kerung* aus. Sie lassen sich gewöhnlich von ihren Sklaven
füttern. Ihre Mundtheile sind rückgebildet,' freilich nicht so,
dass sie nicht selbst Nahrung* zu sich nehmen könnten.
Aber
auf längere Zeit kann ein Pol. rufescens auch sein individuelles
Leben ohne fremde Hülfe nicht fristen, und zur Anlage der
Bauten und gar zur Erziehung der Brut sind die Hülfsameisen
unentbehrlich. Eine neue Kolonie von Pol. rufescens kommt
wahrscheinlich durch ein Bündniss eines befruchteten Polyergus-
Weibchens mit mehreren Arbeiterinnen von F. fusca bezw.
rufibarbis zu Stande.
Hierher gehört ferner Str ongylo g nathus testaceus,
bei dem Tetramorium caespitum Dienste leistet. Der Herr
trägt zwar auch ein kriegerisches Gebahren zur Schau, Avie
F. sanguinea und Polyergus rufescens , aber er ist nicht kräftig*
und muss selbst bei den Raubzügen die Hauptarbeit seinen
Sklaven überlassen. Zur Noth kann sich das einzelne Individuum
von Str. testaceus am Leben erhalten ohne fremde Hülfe; zur
Erziehung der Brut ist aber Tetr. caespitum unbedingt erforder-
102
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
lieh. Die Zahl der letzteren ist 10 bis 40 Mal so gross als die
der Herren. Da Was mann einmal ein befruchtetes Weibchen
der letzteren Art neben den Arbeitern in einem Strongylognathus-
Nest fand, so vermuthet er, dass eine Kolonie der letzteren
durch ein Bündniss zweier befruchteter Weibchen beider Arten
entsteht.
Eine in Schweden vorkommende Sklavenhaltende Art
weicht insofern von den bisherigen ab, als sie selbst nur in
der Arbeiterform bekannt ist, während von ihrer Sklavin alle
3 Kasten in der gemischten Kolonie vertreten sind. Der Tomo-
gnathus sublaevis hält als Hülfsameisen Leptothorax acer-
vorum. Was mann vermuthet aber, dass die Männchen von
Tomognathus wie die von Formicoxenus ungeflügelt und da¬
her bis jetzt übersehen sind, während unter den Arbeitern sich
auch Eier legende Weibchen befinden; auf diese Weise würde
die sonst schwer zu lösende Frage, wie Tomognathus sich fort¬
pflanze, die befriedigendste Antwort finden.
In die dritte Kategorie gehört An erg a tes atratulus,
der selbst keine Arbeiterform hat und von Tetramorium cae-
spitimi bedient wird. Eine solche Kolonie enthält ausser den
beiden Geschlechtern von Anergates atratulus und deren Larven
und Puppen nur noch Arbeiter, keine Larven und Puppen
von Tetr. caespitum . Die Gründung einer neuen Kolonie geht
hier wahrscheinlich so vor sich, dass ein befruchtetes Anergates-
Weibchen entweder in eine Tetramorium- Kolonie, die ihre
Königin verloren hat, eindringt, oder sich mit Arbeiterinnen,
die sich von der übrigen Kolonie getrennt haben, verbündet.
An die in vorstehenden Zeilen in groben Umrissen ge¬
zeichnete Mittheilung der Thatsachen sind- dann 2 interessante
Kapitel, Betrachtungen zur Psychologie und zur Entwickelungs¬
geschichte der Ameisengesellschaften enthaltend, geknüpft, die
sich ebenso durch ihre vorsichtigen Schlussfolgerungen, wie
die Schilderung der Thatsachen durch ihre genauen und sorg¬
fältigen Beobachtungen auszeichnen.
Ferner lieferte derselbe noch einen Nachtrag zu seiner
Mittheilung über die Giftspinne Chiracanthium nutrix
(Sitzgsber. 1891, S. 89 ff*.). Derselbe hatte 2 Weibchen mit
ihren Eiersäckchen bezw. Jungen, die einzigen Exemplare, welche
er in diesem Sommer auf dem Rochusberge erbeutet hatte, an
Prof. Robert geschickt. Derselbe schrieb: „Ich habe die
ganze Gesellschaft derselben Prüfung unterzogen, welche ich
bei den russischen Spinnen und bei der Kreuzspinne so oft an¬
gewandt habe. Das Ergebniss derselben war, dass Ihre Spinnen
völlig ungiftig- es Körper ei weiss besitzen“. Dieses Er-
Sitzung' der iiatiirw. Sektion vom 14. November 1892. 103
gebniss ist sehr überraschend, und man könnte zur Erklärung
des Gegensatzes zwischen den Folgen des Bisses und der
chemischen Untersuchung einmal annehmen, dass das Gift zu
verschiedenen Zeiten verschiedene Wirkung besitze. Wahr¬
scheinlicher aber ist mir, dass das nach der Kobert’schen Me¬
thode dargestellte Gift nicht das Gift der Giftdrüse ist und
dass dieses noch unbekannt ist; Kobert spricht ja auch vor¬
sichtiger Weise von dem giftigen oder ungiftigen Körper-
eiweiss.
Sitzung der natnrwissen seit aftlic heil Sektion
vom 5. Dezember 1892.
Vorsitzender: Prof. Ludwig.
Anwesend 18 Mitglieder.
Dr. S c h w a r z wird als ordentliches Mitglied aufge¬
nommen.
Die Sektion beschliesst, die Diplome in der früheren Form
neu drucken zu lassen. (Die medizinische Sektion hat in ihrer
Dezembersitzung einen entsprechenden Beschluss gefasst.)
Es fand ferner die Vorstands wähl für 1893 statt; dieselbe
ergab die Wiederwahl des bisherigen Vorstandes: Prof. Lud¬
wig als Direktor, Bert kau als Sekretär und Rendant.
Prof. Rein erläutert an einem Kartenentwurf den Unter¬
lauf des Guadalquivir und seine Umgebungen. Er hebt her¬
vor, dass das schwache Gefälle und die starke Flutbewe¬
gung an der Küste sich auf der ganzen 80 km langen Strecke
von Sanlucar bis Sevilla bemerkbar machen und der Haupt-,
Stadt Andalusiens die Vortheile des Seeverkehrs gewähren, so
dass Dampfschiffe von 2500 Tonnen bis zu ihr gelangen. Auf
das mächtige Eindringen der Meeresflut sind auch die weit
ausgedehnten Salzsümpfe oder Marismas zurückzuführen, die
sich landein- und nordostwärts der Küstenanschwellungen durch
Dünensand über weite Strecken des Grenzgebietes der Pro¬
vinzen Cadiz, Huelva und Sevilla erstrecken und auch die bei¬
den Flussinseln Mayor und Menor umfassen. Die umfangreiche
Seesalzg’ewinnung an beiden Ufern des Stromes unterhalb die¬
ser Inseln ist, gleich der bei San Fernando und am Odiel bei
Huelva, ebenfalls auf das Eindringen des Salzwassers zur Zeit
der Flut gegründet. Der Vortragende erläutert das dabei
übliche Verfahren und wendet sich dann zur Besprechung des
104
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
grossen Jagdreviers, des Goto de Ofmna, im Südosten der Pro¬
vinz Huelva, welches sich den Marismen am unteren Guadal¬
quivir anschliesst. Hier kann der Liebhaber ausser vielen Ge¬
genständen der niederen Jagd nicht blos Rot- und Schwarzwild,
sondern auch verwilderte Kameele und Esel erlegen.
Dr. Voigt legte Karten über die Verbreitung von Pla-
naria alpina und P. gonocephala im Siebengebirge und
am Feldberg und Altkönig im Taunus vor. P. alpina ist häu¬
figer als Anfangs angenommen wurde, denn sie findet sich an
den angegebenen Orten in allen Quellbächen, ist aber stellen¬
weise auf die kurze Strecke von 10—20 Schritt von der Quelle
abwärts beschränkt, während sie sich in anderen Bächen viele
hundert Schritt hinab vorfindet. Weiterhin trifft man dann
allenthalben sogleich auf P. gonocephala , welche oben, im Ge¬
biet der P. alpina, fehlt, nach unten aber auch in den grösseren
Bächen in ansehnlicher Menge bis dahin vorhanden ist, wo das
klare Bergwasser durch die Abflüsse menschlicher Ansiedelun¬
gen schlammig und für Planarien unbewohnbar gemacht wird.
Ein Blick auf die vorgelegten Karten lässt ohne weiteres er¬
kennen, dass wir es hier nicht wie bei anderen Turbellarien-
arten mit einer regellosen, sporadischen, durch häufige Ver¬
schleppung zu erklärenden Verbreitung zu tliun haben, sondern
dass ohne Zweifel ein allmähliches Aufwärtswandern der P.
gonocephala stattgefunden hat, wodurch die schwächere, früher
über das ganze Gebiet verbreitete P. alpina in die obersten
Th eile der Quellbäche zurück gedrängt und so auf gegenwärtig
völlig von einander getrennte Fundstellen lokalisirt wurde.
Dass es nicht die Wassertemperatur ist, welche die obere Grenze
der Verbreitung von P. gonocephala bestimmt, haben mehrfache
in verschiedenen Monaten vorgenommene Temperaturmessun¬
gen ergeben. Hierüber und über die Frage, wie weit Kennels
Ansicht, dass P. alpina ein Relikt aus der Glacialzeit sei, durch
die vorliegenden Untersuchungen gestützt wird, soll später an
andererStelle berichtet werden, da der Vortragende die Karten
nach Abschluss einiger weiteren faunistischen Untersuchungen
zu veröffentlichen gedenkt.
Gelegentlich einer Exkursion nach dem Ostabhang des
Hunsrücks wurde festgestellt, dass die in den Quellbächen ober¬
halb Steeg (westlich von Bacharach) vorkommende Po lycelis
cornuta durch Planaria gonocephala in gleicher Weise auf
das Anfangsgebiet dieser Bäche lokalisirt worden ist.
Prof. Pohlig legt vor: 1) H. Pohlig, „altpermische
Sitzung1 der naturw. Sektion vom 5. Dezember 1892. 105
Fische, Saurierfährten und Medusen der Gegend von
Friedrichroda i. Thür.“, mit Lichtdrucktafel, in Folio (Festschrift
Leipzig', Engelmann, 1892), desgl. einige Originale zu den Abbil¬
dungen in dieser Schrift. Es finden sich darin beschrieben und
abgebildet: die Ganoidfische Lepidopterus crassus Pohl, und
Amblypterus (eupterygius) Traquairi Pohl.; die Fussstapfen
„eotetrapoder“ Vierfüssler Ichniotherium Cottae Pohl, und Pro-
tritonichnites lacertoides Gei.; die Scheibenqualle Medusites
atavus Pohl. Zu Lepidopterus zählt der Verfasser auch die,
von Agassiz zu Palaeonisus genommene, neuerdings mit
Amblypterus vereinigte Gruppe des L. Duvernoyi Ag*. — 2) Es
liegt ferner vor: ein Kelt oder Steinbeil, neolithisch, aus
Thüringen, m i t an gefangen er Durclibo h r u n g in
Form eines eingegrabenen Kreises, was an einem vollständigen
solchen Steingeräth äusserst selten ist. In der grössten Samm¬
lung derartiger Gegenstände, zu Stockholm, sind nur 2 oder 3
ähnliche Stücke, an welchen die Durchbohrung weiter fortge¬
schritten ist. — 3) Neu ist der Nachweis von Pinus silvestris in
Zapfenabdrücken aus dem thüringischen Tra¬
vertin des oberen M i 1 1 e 1 p 1 i s t o c a e n s, mit Elephas
antiquus, von Weimar; diese Ergänzung’ der ausführlichen von
Pohlig an dieser Stelle 1885 gegebenen Nachweise von Pflan¬
zen und Thieren aus jenen Süsswasserkalken war zu erwar¬
ten, da die den letzteren nahe äquivalenten „Schieferkohlen“
der Alpen, von Uznach bei Zürich etc., grossentheils aus Resten
von Kiefer gebildet sind. — 4) Ausserdem werden die neuesten
grossen Phot o'g r a p h i e e n V. S e 1 1 a ’s in Biella (Piemont)
vorgezeigt, von Dolomiten und G 1 e t s c h e r g e g e n d e n
der Alpen. Von diesen zum Theil geologisch sehr bemerkens-
werthen Aufnahmen sind unzweifelhaft in Technik und Auswahl
einige das Bedeutendste, was bisher auf dem Gebiete der Land¬
schaftsphotographie überhaupt in Europa geleistet worden ist. —
5) Eine Doctor-Dissertation von Halle, 1891, betitelt: „Der
Jura am 0 s t u f e r des Urmiahse.es“ konnte desslialb
nicht eher vorgelegt werden, weil Pohlig erst jetzt (durch
einen Antiquariatskatalog) von der Schrift erfahren konnte.
In derselben ist gar nicht erwähnt, dass • das ihr im Wesent¬
lichen zu Grunde liegende Material von Pohlig gesammelt
wurde, — was der Verfasser vielleicht nicht wusste, sicher
aber sein jugendlicher Berather, ein früherer Zuhörer Pohlig’s.
Letzterer sammelte die betreffenden Gegenstände auf seiner
persischen Reise 1884, fast unter eigener Lebensgefahr, und
überwies sje dem Museum in Halle, berichtete auch über einen
Theil derselben in diese n Berichten 1884 und 1885, was in
106
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
jener Dissertation auch nicht berücksichtigt ist. Dieselbe
lässt daher den wichtigsten, allein für Jura völlig Ausschlag
gebenden Punkt, den Nachweis von Aptychus lameUosus aus
Nordpersien durch Pohlig, jganz weg und stellt für des letz¬
teren Benennungen Perisphinctes persicus und Schlönbachia
Fritschi , die 1. c. wohlcharakterisirt sind, andere, sonach z u -
nächst dort zu streichende Namen P. curvicosta und Harpoceras
Atropatenes auf. Die grosse Uebereinstimmung von Schlön¬
bachia Fritschi Pohl, mit Harpoceras radians hatte Pohlig
schon hervorgehoben; indess liegen die Schichten mit diesem
Ammoniten bei Maragha offenbar über oberem Jura, unter
normalen Verhältnissen, können also nicht wohl Lias sein!
Auch ist die Uebereinstimmung des A. mit manchen „Cristaten“
der europäischen und indischen Kreide {A. propinquus Stol.,
und Palaeontologia indica 3, 1 pl. XXX, Fig. 5 etc.) etwa gleich
gross, wie mit Harpoceras. — Pohlig war der erst e, w e 1-
c h e r das Vorkommen von Jura und v o n A m m o-
n i t e n aus demselben, — sowohl f ür No r d p e r-
s i e n , wie für Mexico — in diesen Berichten 1885
n a c hgewiesen und entdeckt hat; erst durch sein e münd¬
lichen oder schriftlichen Mittheilungen angeleitet sind dann
Andere in seine Fussstapfen getreten und haben weiteres Ma¬
terial gesammelt. Die vorliegende Dissertation ist mit guten
Lichtdrucktafeln* ausgestattet und sonst im Ganzen sorgfältig
gearbeitet, was man von dem vorher erschienenen W i e n e r
Elaborat über denselben Gegenstand leider nicht sagen kann.
B. Sitzungen der medicinischen Sektion
Sitzung vom 18. Januar 1892.
Vorsitzender: Prof. Schultze.
Anwesend: 28 Mitglieder.
Dr. Rosenzweig in Bonn wird als ordentliches Mitglied
aufgenommen.
1. Dr. B o h 1 a n d stellt einen Fall von Empyem vor, welcher
mit der Bülau’schen Methode behandelt wurde.
M. H. ! Ich wollte mir erlauben, Ihnen hier einen Mann
vorzustellen, der an einem linksseitigen Empyem litt, das wir nach
der Bülau’schen Methode der Heberdrainage behandelt haben.
Die Anamnese ergibt folgendes: Der Mann stammt aus
ganz gesunder Familie, in der Fälle von Tuberculose bisher
nicht vorgekommen sind. Patient hat vor 19 Jahre angeblich
Typhus exanth. durchgemacht, war sonst stets gesund und ist
im Jahre 1873 zum Militär eingetreten. Kurz nach seiner
Dienstzeit, also 1876/77, erkrankte er an Husten und hustete
dabei grössere Mengen Blut aus ; nach 3 Monaten waren alle
Erscheinungen geschwunden.
Im Winter 1888/89 erkrankte Patient abermals an Husten
und abermals trat so heftige Haemoptoe ein, so dass Blut ihm
aus Mund und Nase hervorquoll. Im Mai 1890 stellte sich mit
hohem Fieber eine Rippenfellentzündung ein.
Patient blieb krank und fast stets bettlägerig-, dabei
wurde, wie Patient deutlich verfolgen konnte, die linke Seite
stets dicker. Weihnachten 1890 constatirte der behandelnde
College durch Probepunction, dass es sich um eine eitrige
Pleuritis handelte, die wohl damals schon längere Zeit, vielleicht
seit Mai (also 7 Monate) bestanden hat. Erst im Juli 1891 kam
der Patient, der bis dahin stets arbeitsunfähig gewesen, in die
Klinik, wo wir folgenden Status aufnehmen konnten.
Der Patient zeigte besonders bei Bewegungen eine hoch¬
gradige Dyspnoe (42 Athemzüge in der Ruhe in der Minute).
Auf der linken Seite überall absolute Dämpfung mit sehr
stark abgeschwächtem Athmen. Links oben war Bronchial-
athmen zu hören. Herz derart nach links verdrängt, dass die
Pulsationen noch in der vorderen rechten Axillarlinie zu fühlen
Sitzungsber. der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 1B.
2
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
waren. Herzdämpfung begann R. am Oberrand der 4. Rippe
und reichte eben bis zur vorderen Axillarlinie; links oben ging
die Dämpfung über das Sternum 2 cm nach Rechts hinaus. Le¬
ber natürlich nach unten verlagert. Kein Pneumothorax vor¬
handen. Es bestand kein Fieber; ausser geringen Oedemen
an den Beinen keine weitere Complication nachzuweisen.
Wir machten nun am 5. Juli die Heberdrainage, der
Druck in der Pleurahöhle war so gross, dass der Eiter auf
P/2 Meter hin an die Wand spritzte; es wurden 12 Liter Eiter
in den nächsten 2 Tagen entleert. Erst nach 12 Tagen kehrte
mit fühlbarem Ruck unter heftigen Schmerzen und Athemnoth
das Herz in seine alte Lage zurück. Es mussten allmählich
immer dickere Drains eingelegt werden (bis zu kleinfinger¬
dicke), da g'rosse Membrane sich loslösten; allmählich wurde
die Eiterhöhle immer kleiner, die Lunge folgte immer mehr
dem Zuge der Heberdrainage; jetzt ist nur noch eine ganz
kleine Fistel vorhanden, aus der alle paar Tage einige ccm
Serum entleert werden. Man hört L. 0. Bronchialathmen,
in der Spitze, die ebenso wie der Kehlkopf phtisisch erkrankt
ist. Patient hat in der Klinik 20 Pfund zugenommen, hat
keinen Husten mehr, nur wollen die Ulcerationen der Stimm¬
bänder noch nicht recht heilen.
Ich wollte Ihnen den Fall desshalb vorstellen 1) weil die
tuberculösen Empyeme doch selten so völlig heilen, 2) weil
hier, obgleich das Empyem sicher 7 Monate, wahrschein¬
lich aber noch länger, event. 13 Monate bestanden hat, die
Lunge sich wieder völlig ausgedehnt, ein Ereigniss, das bei
dem Verfahren der Rippenresection nach so langem Bestehen
des Empyems selten ist.
2. Prof. Leo stellt einen Fall von Cystenbildung im Ab¬
domen vor.
3. Prof. Schultz e stellt einen 20jährigen jungen Mann
vor, welcher schon seit 5 Monaten an eigenartigen Krampf¬
zuständen der rechten Hand leidet. Es werden dauernd sehr
ausgiebige Pronationen und Supinationen dieser
H and vollführt und zwar in streng rhythmischer Weise,
so dass etwa 4 Zuckungen auf die Sekunde kommen. Vor
dem Entstehen dieser Krämpfe bestand ein schnellschlägi-
ger Tremor der Hand, wie er jetzt auch auf der linken
Seite wahrzunehmen ist. Ausser diesen klonischen Zuckun¬
gen besteht noch ein Tremor des rechten Quadriceps, der
ebenso wie der rechte Arm ausserdem deutlich pare-
Sitzung vom 18. Januar 1892.
3
tisch ist. Auch von diesen wenig ausgiebigen Zuckungen im
Quadriceps kommen etwa 4 auf die Minute.
Ausserdem lässt sich bei der Untersuchung des Kranken
eine Schwäche beider Abducentes nachweisen und zwar des
linken mehr als des rechten.
Die Sehnenreflexe sind an beiden Beinen gesteigert, so
dass beiderseits Fussklonus und rechts deutlicher Patellarklonus
besteht. Anderweitige Anomalien des Nervensystemes und
sonstiger Organe lassen sich zur Zeit nicht nachweisen; be¬
sonders ist auch der Augenhintergrund normal.
Da zeitweise starke Kopfschmerzen bestehen, und
ferner sich die ganze Erkrankung langsam und fortschreitend
entwickelt hat, wird unter Ausschluss anderer Lokalisationen
eine Affection in der Nähe der Pyramidenbahnen, theilweise
in denselben und zwar in der Höhe der Abducensfasern, also
im Pons angenommen. Ein Tumor und zwar ein Gliom wird
als die wahrscheinlichste Erkrankung an dieser Stelle angesehen.
4. Dr. Hackenbruch: M. H.! In Abwesenheit von Herrn
Geheimrath Trendelenburg und auf seinen Auftrag' hin
habe ich die Ehre, Ihnen zwei in diesem Winter in der hiesigen
Chirurg. Klinik operirte Patienten vorzustellen und zwar zu¬
erst eine Frau, an welcher Herr Geheimrath Trendelenburg'
die ßadicaloperation einer fauStgrossen Cruralhernie nach sei¬
ner von ihm schon in diesem Winter hier kurz berichteten
Methode ausgeführt hat, sodann einen jungen Fabrikarbeiter,
welcher wegen Ileus laparotomiert worden ist.
Was den ersten Fall anbetrifft, so handelt es sich um
eine 54jährige Ehefrau, welche seit lang’en Jahren eine links¬
seitige Femoralhernie hatte; im letzten Jahre hatte sie angeb¬
lich, weil der Druck der Pelotte ihr Schmerzen verursachte,
kein Bruchband mehr getragen, wodurch die Hernie allmäh¬
lich die Grösse einer geballten Faust erreichte. In Rücken¬
lage war der Bruch leicht reponibel, wonach die Bruchpforte
für einen Finger bequem durchgängig wurde, sodass man die
Pulsation der arteria iliac. extern, fühlen konnte. Da Patientin
dringend die Beseitigung ihres Bruchleidens wünschte, so
führte Herr Geheimrath Trendelenburg die Radicalope-
ration nach seiner Methode, welche ich Ihnen noch einmal
kurz beschreiben will, am 2. November vorigen Jahres aus.
In leichter Beckenhochlagerung' wurde die Bruchgeschwulst
durch einen vom Mons Yeneris bis zur Mitte der Inguinal¬
falte geführten horizontalen Schnitt freigelegt, der untere Theil
des Bruchsackes resecirt, der Rest deseiben g’elöst und ähn-
4
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
lieh der Methode Max Ewen vernäht hinter die Bruchpforte
geschoben, wo er als kleines Polster mit einer Catgutnaht be¬
festigt wurde. Dann wurde von der Symphyse beginnend
eine etwa 3 cm lange, gut 1 cm breite Knochenleiste vom obe¬
ren Rande des horizontalen Schambeinastes losgemeisselt, jedocli
so, dass sie durch eine Brücke von Knochen und Periost in
der Gegend des Tubercul. pubis mit dem Os pubis in Verbin¬
dung blieb ; diese Knochenleiste wurde dann mit dem Eleva-
torium in die Höhe gebogen, schräg in die Bruchpforte hinein¬
gestellt und durch Catgutnähte befestigt. Drainage und Naht
der Hautwunde; glatter Heilverlauf. — Jetzt 11 Wochen nach
der Operation sieht man an Stelle der früheren Incision eine
rötliche horizontale Narbe; unterhalb des Poupartschen Bandes
ist ein kleiner harter Körper — die eingeheilte Knochenleiste —
durchzufühlen. Bei Hustenstössen ist der Anprall der Intestina
bedeutend weniger zu fühlen als auf der nicht operirten ge¬
sunden Seite. Patientin hat keine Beschwerden, trägt kein
Bruchband.
Der zweite Kranke, ein lSjähriger mit Lupus an der
linken Wange behafteter Fabrikarbeiter, verspürte am Morgen
des 3. Dezembers vorigen Jahres beim Frühstück plötzlich hef¬
tige Schmerzen im Leibe, wozu sich bald Erbrechen, Mattigkeit
und Angstgefühl gesellten; am nächsten Tage trat sehr übel¬
riechendes Erbrechen ein. Am 4. Tage nach der Erkrankung
wurde Patient in die medizin. Klinik aufgenommen, wo
ihm grosse Dosen Opium verabfolgt wurden, was ein Aufhören
des deutlichen Kotherbrechens zur Folge hatte. Die Occlusions-
ursache liess sich nicht mit Bestimmtheit ermitteln. Am nächst¬
folgenden Tage wurde Patient zur Chirurg. Klinik verlegt.
Der Kranke sah bei seiner Aufnahme blass und verfallen aus;
der Puls betrug 88 pro Minute und war noch leidlich kräftig*,
das Abdomen, überall gleichmässig stark aufgetrieben, war nicht
besonders druckempfindlich und liess nirgends eine abnorme
Resistenz durchfühlen; seit 5 Tagen kein Abgang von Flatus-
Bei der sofort vorgenommenen Operation in leichter Becken¬
hochlagerung wird das Abdomen in der Linea alba eröffnet,
worauf sich ein grosses Packet geblähter, blauroth verfärbter
Dünndarmschlingen vorwölbt. Beim Zufühlen in der Tiefe fand
sich dies Darmpacket bouquetartig abgeschnürt durch einen
derben, kleinfingerdicken Strang, welcher, wie es sich nach Ent¬
faltung* des Darmschlingenpacketes bei näherer Besichtigung
ergab, von einem Meckel’schen Divertikel und einem von dessen
blindem Ende ausgehenden festen Narbenstrang' gebildet wurde,,
der seinerseits mit dem Mesenterium einer anderen Darm-
Sitzung vom 18. Januar 1892.
5
■schlinge fest verwachsen war. Bei der Durchtrennung dieses
Stranges bricht die Wandung eines an der einschnürenden
Stelle früher gelegenen Darmstückes ein, worauf sich etwas
flüssiger Koth in die Bauchhöhle ergiesst. Schnell wird die
Perforationsöffnung zugehalten, die betreffende Schlinge ausser¬
halb der Bauchhöhle gebracht, der Koth mit Schwämmen nach
Möglichkeit abgewischt. Die Perforationsstelle, welche in einer
queren, deutlich brandigen Schnürfurche lag, wurde dann
durch 2 Reihen Lembert’scher Nähte so geschlossen, dass nach
der Naht die brandige Schnürfurche ins Darmlumen fiel, wäh¬
rend die Nahtlinie senkrecht zur Längsachse des Darmes lag,
sodass eine Verengerung des Darmlumens nicht zu befürchten
war. Nach Reposition des nochmals abgewischten Darmes, die
durch eine etwas steilere Beckenhochlagerung sehr erleichtert
wurde, wurde die Bauchwunde durch tiefgreifende Nähte ge¬
schlossen. In der Nacht war Patient sehr unruhig, Avarf sich
im Bett hin und her, weshalb er grössere Dosen Morphium er¬
hielt, sowie an Händen und Füssen g*efesselt wurde. Am ande¬
ren Morgen hatte sich Patient beruhigt und benahm sich ver¬
ständig; die Temp. betrug 38,1°; Puls kräftig, 84 pro Minute;
das Abdomen war nicht druckempfindlich; kein Erbrechen;
am Abend Abgang von Flatus. Der weitere Verlauf gestaltete sich
sehr günstig, sodass Patient nach 5 Wochen mit einer Bauch¬
bandage geheilt entlassen werden konnte. Jetzt sieht man in
der Linea alba eine bläulichrothe Längsnarbe. Pat. hat, wie
sie sehen, sich sehr gut erholt und äussert keine Beschwerden.
Herr Geheimrath Trendelenburg möchte die eben ge¬
schilderte, von ihm selbst zum ersten Male in dieser Weise aus¬
geführte Art der Beseitigung kleiner gangränöser Darmpar-
tieen für alle diejenigen Fälle empfehlen, avo es sich besonders
um schnelle Ausführung der Operation handelt, welche bei
einer Resection des Darmes viel längere Zeit in Anspruch
nimmt. Denn die ganze Operation von Beginn des Hautschnit¬
tes bis zum Schluss der Wunde durch die Naht dauerte etAva
zwanzig Minuten.
Ferner scheint es uns für den spätem günstigen Aus¬
gang der Operation von besonderer Wichtigkeit zu sein, dass
von einem Spülen der Bauchhöhle mit Antisepticis Abstand ge¬
nommen Avurde, indem die mit Koth in Berührung gekommenen
Dannpartieen nur mit einem Schwamme abgeAAÜscht AArurden,
ein Verfahren, Avelches nach den Untersuchungen von Reichel
(D. Zeitschr. für Chir. Bd. XXX) ebenso wirksam und dabei
weniger gefährlich ist, wie das Spülen mit Antisepticis.
6
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
5. Professor Binz zeigt ein neues spectroskopisches Hä-
matometer, welches leicht gestattet, zwei Blutproben in ihren
verschiedenen Spectren, z. B. Oxyhämoglobin und Kohlenoxyd¬
hämoglobin, direct unter einander zu vergleichen. Ebenso
zeigt er einen solchen Apparat, der einen Kochs’schen Total¬
reflexionsstab zur Grundlage hat, und die spectroskopische
Betrachtung des Blutes im Ohr eines lebenden Kaninchens er¬
möglicht.
Sitzung vom 22. Februar 1892.
Vorsitzender: Prof. Schultz e.
Anwesend: 29 Mitglieder.
1. Geheimrath Trendelenburg: M. H.! Vor 2 Jahren
habe ich Gelegenheit gehabt Ihnen eine neue Methode der
Blasenscheidenflsteloperation
zu demonstriren, die für solche Fälle in Betracht kommt, wo das
alte Verfahren unmöglich ist, weil die Portio nicht herunterzu¬
ziehen und die Fistel nicht so frei zu legen ist, dass man mit Sicher¬
heit operiren kann. Wenn ich kurz resümire, ist die Methode
diese: Man macht einen Querschnitt über der Symphyse, schnei¬
det die Recti ab und legt den prävesikalen Raum frei. Pat..
liegt in Beckenhochlagerung. Die Blase wird der Quere nach
geöffnet, der Wundrand hevorgezogen und provisorisch an den
Rand der Hautwunde angenäht. Wir eröffnen also die Blase
von der Bauchseite und sehen von hier aus nun in die Blase,
die Fistel liegt frei zu Tage, sie wird angefrischt und vernäht.
Bei der ersten Patientin, über die ich damals berichtet habe,
hatte ich mit Seide genäht. Es hatten sich in Folge davon
später Inkrustationen in der Blase gebildet, die operativ ent¬
fernt werden mussten. Im zweiten Fall benutzte ich Catgut
und die Inkrustationen blieben aus. Ein Uebelstand ist, dass-
nach ausgiebiger Ablösung der Musculi recti, die sich nun zu¬
rückziehen, leicht eine Hernie entsteht. Die Patientin ist dann
später genöthigt, ein Bruchband mit grosser Pelotte zu tragen,
um den Bauchbruch zurückzuhalten.
Vor einigen Wochen kam ein dritter Fall zur Operation.
Die Patientin, welche Sie hier vor Sich sehen, ist 32 Jahre alt.
Vor 5 Jahren hat sie eine schwere Entbindung durchgemacht.
Die Geburt soll 8 Tage lang gedauert haben. Das Kind wurde
schliesslich mit der Zange geholt, seit dieser Zeit bestand eine
Blasenscheidenfistel. Die innere Untersuchung ergab, dass die
Portio fixirt war und absolut nicht herunterzuziehen war. Das-
Sitzung vom 22. Februar 1892.
7
ist aber das erste Erforderniss, um bei hochgelegenen Fisteln
von der Scheide aus heran kommen zu können. Die Fistel
sass hoch und war klein. Das rechtsseitige Vaginalgewölbe
war stark in die Höhe gezogen, man kam hier mit dem Fin¬
ger in einen Trichter, und wenn man den Finger möglichst
in die Höhe drängte, fühlte man oben eine kleine Oeffnung*,
etwa so gross wie eine Linse, grösser nicht, und die hier ein¬
geführte Sonde begegnete dem durch die Urethra eingeführten
Katheter. Von der Scheide aus die Fistel zu verschliessen
musste ich für ganz unmöglich halten.
Ich beschloss nun bei der Ausführung des hohen Stein¬
schnitts die von v. Bramann beschriebene Modifikation anzu¬
wenden, welche die Entstehung eines Bauchbruches verhindern
soll. Dieselbe besteht darin, dass man nicht die Recti quer
ablöst, sondern von der Symphyse eine quere Knochenleiste
am oberen Rande derselben abmeisselt, mit den Recti in die
Höhe schiebt, und sie zum Schluss mit Draht wieder da anheftet,
wo sie gesessen hat. Ich will gleich bemerken, dass dieses Ver¬
fahren, welches theoretisch einleuchtend ist, sich praktisch nicht
recht bewährt hat. Das Verfahren würde gewiss sehr brauchbar
sein, wenn die Wunde aseptisch heilte, aber es handelt sich um
eine g'rosse Wundhöhle mit ausgedehnten Spalteräumen, und,
da die Benetzung mit Urin nicht zu vermeiden ist, bleibt sie
nicht aseptisch. Eiterung ist nicht zu vermeiden, und so kommt
es zu Nekrose des Knochenstückes. Auch in dem vorliegenden
Falle trat Nekrose ein, wie ich es vorher befürchtet hatte.
Nach einigen Wochen musste der Draht und das Knochenstück
als Sequester extrahirt werden. Das B r am ann’sche Verfahren
würpe sich wohl besser eignen für Fälle von Steinschnitt, bei
denen man mit einem kleinen Loche auskommt und wo durch
sorgfältiges Schliessen der Blase die Wunde trocken gehalten
werden kann. Für die meisten Fälle von Blasenscheidenfistel¬
operation (mit Hülfe des Steinschnitts) verspricht es aus den
angegebenen Gründen keinen Erfolg*.
Uebrigens ist ein Bauchbruch gegenüber den Beschwer¬
den einer sonst unheilbaren Blasenscheidelfistel kein so sehr
grosser Uebelstand. Auf jeden Fall würde es nicht gerecht¬
fertigt sein, deswegen die Methode des Fistelverschlusses von
der Blase aus zu verwerfen.
Auch im Uebrigen erwies sich die Operation als recht
schwierig. Die Frau war sehr korpulent, man musste sich
durch eine dicke Fettschicht durcharbeiten und war bei dem
Hineinsehen in die Blase durch die grosse Tiefe der Wunde
sehr genirt. Der Hautschnitt war etwa 15 cm lang*, wir spal-
8
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
teten alle Weichtheile, von der Symphyse meisselten wir den
oberen Rand in der Breite eines kleinen Fingers ab und schoben
ihn mit den Recti in die Höhe. Der prävesikale Raum lag frei,
wir öffneten die Blase, zogen den Rand der Blasenwunde in
die Wunde vor und vereinigten ihn provisorisch mit der Haut¬
wunde. Die Fistel fand sich ganz oben in einem Winkel der
Blase versteckt. Selbst durch die sehr breite Oeffnung in der
Blasenwand war es ausserordentlich schwierig an die Fistel
gehörig heranzukommen. Ich musste die Blasenwunde nach
der Seite zu verlängern, sodass die Blase schliesslich bis über
die Hälfte ihres Umfanges der Quere nach gespalten war.
Einige Mühe verursachte auch die Stillung der Blutung aus
dem Rande der Blasenwunde.
Es wurden nun die Mündungen der Ureteren aufgesucht,
und es zeigte sich, dass die Fistel oberhalb der rechten Ureter-
mündung lag und dass man von ihrem Rande mit der Sonde
in den Ureter gelangte. Die Fistel war also eine Blasen-Ureter-
Scheidenfistel. Um dem Ureter eine neue Ausmündung' in
die Blase zu schaffen, wurde öein in dem Fistelrande und der
umg'ebenden Narbe liegendes Ende herauspräparirt, sodass
es wie ein kleiner Rüssel in die Blase hineinhing. Dann wurde
die Fistel möglichst breit trichterförmig' angefrischt und mit
Catgut vernäht. In' den Ureter wurde ein feines Fischbein-
bougie eingelegt, dessen Ende zur Harnröhre herausgeleitet
wurde.
Die Operation dauerte im Ganzen 5 Stunden, die Nar¬
kose wurde theils mit Aether theils mit Chloroform unterhalten.
Nachdem ich fertig war, wurde die Blasenwunde mit Catgut
möglichst sorgfältig vernäht. Durch eine besonders angelegte
kleine Wunde wurde ein Drainrohr eingelegt und an dieses
ein längerer Gummischlauch angebracht. So lief der Urin ab.
Die abgemeisselte Symphyse wurde mit Draht angenäht. Die
Wunde wurde mit einem Bausch Watte ausgestopft und drai-
nirt. Die Patientin wurde auf die Seite gelagert, sie lag ge¬
duldig auf dem Wasserkissen, und klagte wenig', und zu un¬
serer Freude, fast wider Erwarten, haben wir es erreicht,
dass die Fistel und die Blasenwunde geheilt sind. Die Kranke
kann 4 Stunden lang den Urin halten und ihn in normaler
Weise durch die Urethra entleeren. Aus der Wunde wurden
vor 4 Wochen die nekrotischen Stücke der Symphyse extrahirt.
Die Funktion der Blase hat sich trotz der ausgedehnten Spal¬
tung der Blasenwand g'anz wieder hergestellt. Die Frau kann
den Urin 4 Stunden halten und ihn in normaler Weise in sehr
kräftigen Strahl entleeren.
Sitzung vom 22. Februar 1892.
9
Dr. Kocks: Die Ablösung der Harnblase vom Abdomen
aus, um von oben her an die Blasenscheidenfisteln heranzu¬
kommen, ist in einer der letzten Nummern vorigen Jahrganges
der deutschen medicinischen Wochenschrift durch Bardenheuer
beschrieben worden. Sie werden Sie gelesen haben. Die Operation
wurde von Barden heuer so ausgeführt, dass man von der Sym¬
physe aus eingeht, die Blase vom Uterus ablöst, um von oben
her an die Stelle der Fistel heranzukommen. Die Idee ist neu
soviel mir bekannt, doch halte ich dieselbe für gut, wenn auch
der Umweg zur Fistel vom Abdomen aus zu gelangen, mir
durchaus unbegründet scheint. Ich werde zu Ihnen heute über
•eine Operation sprechen, die ich zu einem anderen Zwecke
ausgeführt habe und bei welcher ich auf die Blasenablösung'
verfallen bin. Jedoch ist die Ablösung der Vesica urinaria
vom Uterus bekanntlich eine von der Scheide aus leicht aus¬
führbare Operation, die bereits längst einen Theil der Total¬
exstirpation des Uterus bildet. Ich möchte daher hier nur be¬
merken, dass es wohl gelingen würde, die Art und Weise, von
oben her sich an die Blasenscheidenfisteln heranzuarbeiten,
welche B ardenh euer übte, zu umgehen, weil von der Scheide
aus die Blase ablösbar ist. Es wird, wie ich glaube, die Blasen¬
eröffnung' unseres verehrten Mitgliedes Herrn Prof. Trend elen-
burg eine stets werthvolle Bereicherung unserer Operations¬
technik bleiben, jedoch bei der Blasenablösung' von der Scheide
aus seltener nöthig werden. Die Blasenablösung führte ich
so weit durch, dass das dünne Peritoneum allein erhalten blieb.
Die Blase wird so auf eine grosse Strecke ganz locker und
kann heruntergezogen, von innenher mit einem Katheter heraus-
g’estülpt, kurz sehr traitabel gemacht werden.
Die Bar denheu e r’sche Methode von oben her abzu-
lösen wird, wie mir scheint, nur sehr ausnahmsweise nöthig' sein
für jeden, der die von mir geübte Methode ein Mal versucht
hat. (Ich füge hier nachträglich hinzu, dass Herr College
Witzei inzwischen auf meine Veranlassung eine Blasenuterus¬
scheidenfistel nach meiner Methode operirte und sich von ihrem
praktischen Werthe überzeugen konnte. Die Operation, bei
welcher ich dem Herrn Collegen assistirt habe, war sehr durch
die Blasenablösung erleichtert. Die Blase wurde nur bis jen¬
seits der Fistel abgelöst und dann genäht. Heilung vollkommen.)
Geheimrath Eulenburg: Ich möchte fragen, wie lange
das Bougie liegen geblieben ist?
Geheimrath Trendelenbur g': 13 — 14 Tage. Ich führte
das Bougie in den Ureter hinein und mit dem anderen Ende
durch die Urethra hinaus, befestigte es in der Blase mit einem
Catgutfaden, damit es nicht hier herausrutschte. Nachher wurde
es dann von der Urethra aus herausgezogen.
(Demonstration an der Tafel.)
2. Dr. Ko cks:
Operative Behandlung der Lageveränderungen des Uterus.
Wie Ihnen bekannt, ist in letzter Zeit operativ vorge¬
gangen worden gegen diejenigen Fälle von Retro Versionen
10
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
und Retroflexionen, die sich durch Hebel oder andere Pessare
nicht beseitigen Hessen. Auch wurden adhärente, retrover-
tirte und retroflectirte Uteri zuerst gelöst und alsdann in Ante-
versionsstellung in der einen oder anderen Art fixirt. Bei
allen bis dahin empfohlenen Methoden wurden jedoch meines
Erachtens keine normalen Verhältnisse geschaffen, sondern pa¬
thologische Adhäsionen und ebenfalls pathologische Lig’ament-
verkürzungen sind ihr Resultat. Die lig. rot. müssen den
Uterus nach hinten treten lassen, soweit die Blase es erfordert
und das wird durch die Operation, ihrer Verkürzung zeitweilig*
verhindert, und sobald die gedehnten Bänder es wieder ge¬
statten, stellt sich die Retr oversion wieder her. Dasselbe gilt
von der Verkürzung der Sacrouterina. Sie müssen die Portio
nach vorne treten lassen bei Füllung des Darmes und bei
Füllung der Blase. Gestatten sie das wieder einige Zeit nach
ihrer Verkürzung, so bleibt der Uterus in Retro Versionsstellung.
Alle andere Methoden haben dieselben Fehler. Nach meinem
Dafürhalten ist also eine radikale Heilung der Retroflexio nicht
so zu erreichen, dass man den Fundus uteri nach vorne oder
die Portio nach hinten fixirt, sondern dadurch, dass man
den Beckenboden, in welchem der Uterus drin sitzt
und der den Uterus hält, zum Angriffspunkt wählt.
Ich habe in meiner Arbeit über die Lagerung und die Me¬
chanik des Uterus im Becken nachg’ewiesen, dass der Theil
des Beckenbodens, der die Basis der lig. lata darstellt, starke
Strängte sind, welche von der seitlichen Beckenwand nach der
Portio hinziehen und rechts sowie links als feste Bänder (von
mir Angelbänder, Ligamenta cardinalia genannt) den Uterus
tragen und zusammen die Axe bilden, um welche der Uterus
sich dreht. Diese Bänder sind es, die den ganzen Beckenboden
ebenfalls halten, und gleichzeitig Angelpunkte für die Mechanik
des Uterus liefern.
Zum ersten Male habe ich auf diese anatomisch-physiolo¬
gische Betrachtung hin vor 6 Wochen bei einer Kranken, die
an einem kompleten Uterusprolaps mit Retroflexio litt, einen
operativen Eingriff versucht, der bezweckt, die ers chlafften^
gedehnten Ligamenta cardinalia beiderseits zu ver¬
kürzen. Der Erfolg ist so, dass ich mir erlauben darf, Ihnen
die Operation zu beschreiben.
(Zeichnung an der Tafel.)
Es handelte sich um einen kompleten Prolaps des Uterus,
so dass ich durch die Urethra einen Katheter bis weit in den
Prolaps hinein führen konnte. '
Das Verfahren ist nun folgendes:
Sitzung* vom 22. Februar 1892.
11
Die Blase wird wie bei der Totalexstirpation von
der Scheide aus nach oben bis an das Peritoneum ab¬
gelöst. Die Ablösung* wird seitlich über die Lig. lata rechts
und links ausgedehnt. Die abgelöste Blase wird nach oben
zurückgeschoben und jetzt werden Nähte durch die Ligamenta
lata von aussen nach innen gelegt und beide Ligamente v o r
dem Uterus vernäht.
(Demonstration der Nähte durch Zeichnungen.)
Wenn die Nähte zugezogen werden, so wird der seitliche
Theil der Ligamenta lata (Ligamenta cardinalia) bis in die Mitte
des Uterus hingerathen; der Einstichpunkt wird in die Mitte
gebracht.
Beim Schnüren dieser Fäden entsteht eine Naht, die auf
der Mitte des Uterus liegt, und hier kommen die Knoten in
grader Linie zu liegen. Die Lig. lata sind also vor dem
Uterus vereinigt und um das Doppelte der durch die
Nähte gefassten Th eile verkürzt. Mit der Blase wird so
verfahren, dass sie an dem obersten Rand, wo sie abgelöst ist,
angenäht wird. Hier werden so 15 — 20 Fäden gelegt und zu¬
sammengeschnürt, sodass eine lineare Naht von beiden Liga¬
menten den Uterus vorne in sagittaler Richtung deckt und dar¬
über die Blasennaht quer verläuft, so dass beide Nähte zu¬
sammen ein T bilden. Die Blase ist zurückgedrängt und nach
oben gelagert. Die Ligamente sind also in sich zusammen-
gequickt und daher wesentlich verkürzt.
Die Operation war gut gelungen, per primarn intentionem
waren die Nähte verwachsen. Der Uterus lag oben in der
Scheide, die Portio sah nach hinten, der Erfolg war also ein
vollkommener. Der Uterus war mit dem Fundus am Kreuz¬
bein adhärent durch frühere peritonische Entzündungen. Trotz¬
dem war das Bild ein solches, dass in Bezug auf die Lage im
Becken ein kompleter Erfolg durch die Operation erzielt wor¬
den wäre, wenn diese Adhärensen nicht vorher bestanden
hätten. Die Portio sah trotzdem nach hinten, der Uterus war
also in der neuen Lagerung über die hintere Fläche nach
hinten gekrümmt.
Bei Gelegenheit dieser Operation sah ich, dass man, ohne
grossen Eingriff, die Blase bis an’s Peritoneum ablösen soll,
um auch bei Blasenscheidenfisteln, Blasenscheiden¬
gebärmutterfisteln und Uterusblasenfisteln zu nähen.
Da, wo man schwer an die Fisteln herankommt, ist so vorzu¬
gehen, selbst bei gewöhnlichen Blasenscheidenfisteln *).
*) Auf Veranlassung und unter Assistenz des Vortragen-
12
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Dr. Krukenberg* würde in diesem Falle, wo der Ute¬
rusfundus unterhalb des Promontoriums fixirt war, die Ventro-
fixation vorgezogen haben und bezweifelt, dass das Resul¬
tat der vorgenommenen vaginalen Operation ein dauerndes
sein wird.
Dr. Kocks: Es handelt sich nicht um Retroversion, son¬
dern um einen kompleten Prolaps mit Fixation des Fundus am
Promontorium. Das Uterus cavum war 15 cm lang. Es war
also einer derjenigen Fälle, in denen durch starke Pression
der Bauchmuskulatur das ganze Organ in die Länge gezogen
ist, also um dasjenige, was man als Hypertrophie der portio
media bezeichnet hat. Es sind das Fälle, die bei mobilem Uterus
dauernd nicht Vorkommen werden. Wenn der Uterus nicht ad-
härent gewesen wäre, wäre er als Ganzes nach unten getreten.
Dadurch aber, dass er nur theilweise nach unten getreten war,
hatte er diese enorme Länge erreicht. Ich möchte meine Ope¬
ration derjenigen vorziehen, die das Peritoneum eröffnen. Das
Annähen eines Uterus an die vordere Bauchwand ist keine
Operation, die technisch zu rechtfertigen wäre. Alle diese Ope¬
rationen liefern pathologische Produkte. Bei allen bisher ge¬
übten Methoden wird keine normale Beweglichkeit gewähr¬
leistet. Ich weiss nicht, ob es nicht physiologisch besser ist,
wenn der Uterus hinten am Kreuzbein, statt an der Bauch¬
wand festsitzt. Wenn man in diesem Falle den Uterus hinten
ablösen wollte, würde man der Frau keinen Dienst erweisen.
Der Umstand, dass der Uterus oben adhärent ist, verhinderte
den Descensus, und da der Beckenboden jetzt durch die Ope¬
ration eine bessere Grundlage bildet, so ist der Frau damit am
meisten gedient. Sie hat 5 Kinder und keine weiteren Wün¬
sche bezüglich der Conception, sie hat gerne auf Nachkommen
verzichtet. Die gegenwärtigen Beschwerden der Frau sind
gleich Null. Sie ist vollkommen wohl. Der Uterus ist reponirt,
er sitzt in der Scheide. Der komplete Prolaps und die Ulcera
der Portio sind ihr genommen. Im übrigen kann man die
Adhärenz bestehen lassen, zumal in ihr eine glückliche Bedin¬
gung für die Erhaltung der Lage gegeben ist. Die künstliche
Annähung an das Promontorium wäre sogar der Scultrafixatio
-als Operationsmethode überlegen.
3. Dr. Krukenkerg
über Dülirssen’s tiefe Cervix- und Sclieidendainmeinschnitte.
(Der Vortrag ist im Archiv für Gynäkologie erschienen.)
den wurde inzwischen, wie bereits erwähnt, von Herrn Prof.
Witzei eine Blasenscheidengebärmutterfistel unter Ablösung* der
Blase von der Scheide aus mit bestem, sofortigem Erfolge ope-
rirt. Die sectio alta dürfte demnach nur ausnahmsweise nöthig
werden.
Sitzung vom 22. Februar 1892.
13
4. Professor Nussbaum:
Geschleclitsentwicklung bei Polypen.
Die Polypen des Siisswassers sind Zwitter und zwar ent¬
stehen die Hoden als kleine Exkrescenzen unterhalb der Ten¬
takel, die Eierstöcke etwas tiefer. Schon früher hatte ich
beobachtet, dass gelegentlich Weibchen, gelegentlich Männchen
auftreten. Man konnte daran denken, künstlich diese Variation
zu züchten. Aus keiner der früheren Beobachtungen kennen
wir genau die Bedingungen, welche das Geschlecht bestimmen-
Der Zufall hat auch mir die Resultate, von denen ich reden
möchte, gegeben. Ich fand im Juli vorigen Jahres, nachdem ich
dieselbe Kolonie der Polypen seit 1886 verfolgt habe, — natür¬
lich mit Unterbrechung durch meine Reise nach Amerika — T
dass nur Weibchen in einem grossen Aquarium auftraten.
Von diesen Weibchen — es waren etwa 100 Thiere — iso-
lirte ich 8, und diese Isolirten haben im nächsten Monat Ho¬
den gebildet. Wenn das Haupt-Aquarium a und das Neben-
Aquarium b heisse, so sind zuvor in a Hermaphroditen gewesen.
Im Juli vorigen Jahres waren nur Weibchen darin. Acht
dieser Weibchen habe ich in das Aquarium b gesetzt, und
diese sind nachher Männchen geworden. In a sind keine Männ¬
chen aufgetreten. In diesem Februar haben die Weibchen, die
im Aquarium a aufgetreten sind, wiederum Eier producirt, und
die im Aquarium b haben, nachdem sie im August vorigen.
Jahres Hoden erzeugt hatten, wiederum Hoden erzeugt.
Durch äussere Bedingungen können also aus Zwittern
weibliche Thiere entstehen und aus Weibchen wieder männ¬
liche Thiere. Ich kann Ihnen nicht berichten, unter welchen
Bedingungen das geschieht. Die Aquarien sind verschieden
gewesen, inwiefern, das wird sich noch ergeben, wenn das
Glück günstig' ist.
Was heute zu schliessen ist, ist das: Man kann durch
äussere Bedingungen das Geschlecht ändern und man kann
das Geschlecht bestimmen auch nach der Befruchtung. Denn
die Thiere waren vorher Hermaphroditen und sind nachher
Weibchen und Männchen geworden. Es waren also Bedingun¬
gen vorhanden, die auf die erwachsenen Thiere eingewirkt
und die sie zu Weibchen und Männchen gemacht haben. Es
zeigt sich ferner, dass der Hermaphroditismus bei niederen
Thieren nicht ohne Weiteres aufgehoben werden kann. Man
kann ihn wohl eine Zeit lang zurückdräng'en ; finden sich aber
wieder günstige Bedingungen, so wird das Thier wieder her-
maphroditisch. Die Beobachtungen mehren sich, dass auch bei
Wirbelthieren Hermaphroditismus auftritt, wie ja bekannt ist,.
14
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
dass die Ausführungsgänge hermaphroditisch angelegt sind.
Wie aber aus dem Genital-Höckerchen beim weiblichen Ge-
schlechte Vulva und Adnexa sich entwickeln und beim männlichen
Hodensack und Penis, so entstehen aus der Keimdrüsenanlage
der höheren Tliiere das eine Mal Hoden, das andere Mal Eierstöcke-
Meine Ansichten über die Entstehung des Hermaphrodi¬
tismus aus dem Jahre 1880 weichen insofern von denen ab,
die heute noch zahlreiche Anhänger finden, dass ich den Her¬
maphroditismus zwar als etwas Gegebenes annahm, aber für
seine Entstehung' zurückgriff auf diejenigen Geschöpfe, welche
nicht geschlechtlich, sondern indifferent sind. Es sind dies die
Protozoen. Die Einzelligen können weder Hoden noch Eier¬
stöcke bilden, und trotzdem kopuliren sie.
Die Geschlechtsstoffe sind histologische Differenzirungen
gleichwerthiger Zellen, die abgeändert sind, um die Befruch¬
tung zu erleichtern. Die Befruchtung ist die Kopulation zweier
homologen Zellen und deshalb im Princip dasselbe, wie die
Konjugation der Einzelligen. Alles Anschauungen, die ich,
früher ziemlich isolirt, seit dem Jahre 1880 vertreten und ver¬
fochten habe und denen man jetzt allmählich mehr und mehr
Beachtung schenkt.
5. Dr. Pietz er:
Ueber ein von ihm angewandtes Verfahren von prophylac-
tisclier Dehnung der Scheide bei Erstgebärenden.
Dass die gewöhnlich geübten Verfahren zum Schutze des
Dammes nicht ausreichen, gehe daraus hervor, dass man zur
Verhütung drohender Dammrisse durch Einschnitte in den
Damm, subcutane Durchschneidung des m. constrictor cunni,
späterhin durch seitliche Incisionen in die Scheide die Scham¬
spalte für den Durchtritt der Frucht zu erweitern bestrebt sei.
Bei den seitlichen Incisionen, welche neuerdings nach Dührs-
sen allerdings möglichst nur einseitig angewandt werden
sollen, verlegt man jedoch die Verletzung der Scheide an
Stellen, welche für eine restitutio ad integrum geringere Chan¬
cen biete, als ein Kiss in die Gebilde des Dammes. Abgesehen
von der möglichen Schwierigkeit einer exacten Naht der seit¬
lichen Incisionswunden, komme manchmal nach den Incisionen
durch Narbenzug eine Erweiterung' des unteren Theiles des
Scheideneinganges zu Stande, deren Folge ein allmählich sich
ausbildender Vorfall der Scheidenwände sein könne. Vortr.
hat daher einige Male den Scheideneingang auf folgende
Weise gedehnt.
Er dehnt die Scheide und den Damm dadurch, dass er
Sitzung* vom 22. Februar 1892.
15
zwei Finger, mit ihrer Volarfläche der Schleimhaut zu gekehrt,
unterhalb des Harnröhrenwulstes an die seitliche Scheidenwand
anlegt und streicht nun, indem ein gleichmässig’er Druck aus¬
geübt wird, über die hintere Scheidenwand und den introitus
vaginae bis zum Ansatz des Harnröhrenwulstes an die andere
Scheidewand. Man führe diese Dehnung solange fort, bis eine
beträchtliche Erweiterung und Dehnungsfähigkeit zu consta-
tiren sei. Die Finger führe man mindestens zwei Centimeter
weit in die Scheide ein aus dem Grunde, weil das eigentliche
Hemmniss des Scheideneinganges, der m. constrictor cunni,
etwa l1^ cm nach rückwärts vom Rande des Frenulum gelegen
ist. Aus diesem Grunde müsse die Dehnung schon ferner dann
vorgenommen werden, wenn der Kopf des Kindes den constrictor
cunni noch nicht erreicht habe, denn führe man neben diesem
schon durch den Kopf gespannten Ring noch zwei Finger ein,
so könne der Riss, den man vermeiden wolle, erst recht her¬
vorgerufen werden. Um eine Abschilferung des Epithels durch
die Reibung* der Finger möglichst zu verhüten, empfehle es
sich, die Scheide mit einer Ve — V2 % Lysollösung*, welche wegen
der seifigen Beschaffenheit die Gewebe g’latt erhalte, auszu¬
spülen.
Um den Werth des Verfahrens zu prüfen, bedürfe es selbst¬
verständlich einer grösseren Beobachtungsreihe.
6. Dr. Hackenbruch:
Ueber die sog. rheumatische Muskelschwiele.
Die primären interstitiellen Muskelentzündungen und be¬
sonders ihre Endprodukte, die rheumatischen Schwielenbildungen
im Sinne Frorieps, machen betreffs der Diagnose zuweilen
Schwierigkeiten. So schwankte bei einem der hiesigen Chirurg.
Klinik im Sept. 1891 zugewiesenen Kranken, dessen Oberschen¬
kelleiden Herr Geheimrath T 1* e n d e 1 e n b u r g als rheumathische
Muskelschwiele diagnosticirte — was durch eine Probeincision
mit Excision eines Gewebsstückes zur späteren mikroskopischen
Untersuchung* vollauf bestätigt wurde — die auswärts gestellte
Diagnose zwischen Nekrose und malignem Tumor. Der be¬
treffende Kranke, ein 19jähriger Fabrikarbeiter, erkrankte im
März 1891 mit Kopfschmerzen und Schwindelg*efühl, wozu sich
bald unter reissenden Schmerzen im linken Oberschenkel eine
druckempfindliche Anschwellung* des letzteren gesellte; nach
Bettruhe und Behandlung mit immobilisirenden Verbänden
besserte sich der Zustand des Patienten in den nächsten Mo¬
naten soweit, dass er auf zwei Krücken gestützt das Bett ver¬
lassen konnte. Bald darauf, etwa ein halbes Jahr nach Beginn
16
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
der Erkrankung, wurde der Patient der hiesigen Chirurg. Klinik
zur Operation überwiesen. Bei der Aufnahme fand sich eine
brettharte beträchtliche Schwellung fast der ganzen unteren
Hälfte des linken Oberschenkels, über der die Haut leicht öde-
matös und nicht in Falten abzuheben war und welche gegen
den Knochen selbst fest verwachsen erschien. Die Contouren
der Muskeln Hessen sich in der holzharten Schwellung nicht
durchfühlen und schienen untereinander wie verbacken; die
befallenen Muskeln waren unerregbar für den faradischen und.
galvanischen Strom; die Sensibilität der Haut im Bereich der
Schwellung war deutlich herabgesetzt. Das linke Knie wurde
in leichter Beugecontractur steif gehalten. Im übrigen war
Patient völlig gesund. — Bei einer Probeincision fand sich die
Haut ödematös durchtränkt, ihr folgte eine bräunlich aussehende,
etwa 3 cm dicke, anscheinend normale Muskelschicht, unter wel¬
cher das Messer eine gelbliche, speckige, derbe Gewebsmasse
zu Tage legte, die nach dem Periost zu ins Weissliche über¬
ging' und eine genaue Grenze zwischen ihr und Periost nicht
erkennen liess. Femur und Marksubstanz verhielten sich nor¬
mal. — Die mikroskopische Untersuchung der excidirten Ge-
websstücke stellte mit Sicherheit das Vorhandensein einer inter¬
stitiellen Myositis fest, indem zellige Infiltration und Wucherung,
sowie Neubildung von gefässhaltigem Bindegewebe die Muskel¬
fasern fast durchweg zur Atrophie gebracht hatten, indem die
Querstreifung der Muskelfasern undeutlich und meist völlig
verschwunden, ihre Längsstreifung wohl meist besser markirt,
in der Tiefe jedoch auch nicht mehr zu erkennen war. Die
Scheide der Muskelfasern war vielfach einer Kernwucherung
anheimgefallen; häufig fanden sich leere Sarcolemmschläuche
vor. Sehr oft viel ferner ein unregelmässiges Aussehen der
Muskelfasern auf, welche wie eingeschnürt an einzelnen Stellen,
geknickt und auch abgebrochen sich zeigten. Die dem Femur
dicht aufliegende vom Periost nicht zu trennende Schicht, er¬
wies sich als Granulationsgewebe im Stadium der narbigen
Retraction.
Eine regelmässige Massage und elektrische Behandlung^
brachte dem Kranken in einigen Wochen eine bedeutende
Besserung der Bewegungsfähigkeit mit Abnahme der reissen¬
den Schmerzen und der Schwellung, während zu gleicher Zeit
Pat. an Gewicht zunahm und er ein gesundes Aussehen ge¬
wann. Bei seiner Entlassung aus der Klinik im Januar 1892
konnte er mit Stock ohne Beschwerden gehen; die Streckung
im linken Kniegelenk war nahezu ganz, die Beugung bis zu
einem von 130 0 möglich. Die Schwellung hatte beträchtlich
Sitzung vom 22. Februar 1892.
17
abgenommen; die Muskeln reagirten ziemlich kräftig auf den
faradischen Strom.
Auf Grund der in der Litteratur bekannt gegebenen und
in der Rostocker und der hiesigen Klinik beobachteten Fälle
lassen sich für die Diagnose der Myositis interstitialis und deren
Endprodukt, die sogenannte rheumatische Muskelschwiele fol¬
gende Punkte verwerthen : 1. die Anamnese, welche zumeist
ein mehr subacutes Auftreten mit reissenden Schmerzen in den
befallenen Muskeln ergiebt; 2. die alsbald sich zeigende An¬
schwellung; 3. die früh eintretende Contracturstellung und
schwere Functionsstörung der benachbarten Gelenke. Nach
Verschwinden der entzündlichen Erscheinungen ist neben der
dauernden Contracturstellung- der Gelenke von Wichtigkeit:
1. die holzartige Härte der ergriffenen druckempfindlichen
Muskeln, die untereinander wie verbacken und am unterliegen¬
den Knochen adhärent erscheinen; 2. die starke Beeinträchti¬
gung resp. das Aufgehobensein der elektrischen Erregbarkeit
der Muskeln; 3. das Erloschensein der Sehnenreflexe; 4. die
ödematöse Beschaffenheit der nicht in Falten abzuhebenden
Haut; 5. dem malignen Tumor gegenüber der relativ gute Er¬
nährungszustand des Patienten; 6. als letztes Hiilfsmittel die
Probeincision mit Excision von erkranktem Gewebe zur mi¬
kroskopischen Untersuchung.
Sollte bei dem Endprodukt der primären interstitiellen
Myositis der Verdacht auf Lues, die als Myositis syphilitica
ähnliche Erscheinungen machen kann, sich regen, so wird wohl
am ehesten eine antiluetische Therapie den Zweifel lösen.
Sitzung vom 14. März 1892.
Vorsitzender : Prof. S c h u 1 1 z e.
Anwesend: 28 Mitglieder.
1. Geheimrath Doutrelepont: Ueber Tuberculose (1er
Haut (wird anderweitig veröffentlicht.)
2. Prof. Ungar: Ueber Phosphorbeliaudlung bei Ra¬
chitis.
Sitzung vom 16. Mai 1890.
Vorsitzender : Prof. Schultz e.
Anwesend: 29 Mitglieder und 3 Gäste.
1. Prof. Binz sprach in Beantwortung einer von Prof.
Trendelenburg* an ihn gerichteten Anfrage
Sitzungsber. der niederrhein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 2B.
18
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
über die Veränderungen des Chloroforms am Licht
und dessen Aufbewahrung in farbigen Flaschen. Das Deutsche
Arzneibuch bestimmt, das Chloroform sei „vor Licht geschützt
aufzubewahren“. Dem entspräche also, dass die farblosen
Flaschen nicht zulässig sind und dass von den farbigen nur
die brauchbar erscheinen, die den nicht chemisch wirkenden
Strahlen das Spectrums entsprechen, also die rothen, gelben
und demgemäss auch die braunen. Ein gutes officinelles Chloro¬
form wurde nun in drei Literflaschen mit Glasstöpsel zur
Hälfte dieser eingefüllt. Die eine Flasche war farblos, die
andere hellbraun, die dritte blau. Die Flaschen wurden in
die Nähe eines Fensters gesetzt, durch welches sie täglich etwa
zwei Stunden lang unmittelbares Sonnenlicht bekamen. Die
Zersetzung, die man dadurch erwarten konnte, musste nach
dieser Formel verlaufen : CHC13 + O === COCl2 -f- HCl. Und ferner
durch Hinzutritt von Feuchtigkeit beim Oeffnen der Flasche:
COCl2 -j- H20 = C02 + 2HC1. Also unter vorübergehender Bil¬
dung von Clorkohlenoxyd (Phosgengas) musste Salzsäure das
Endergebniss der Zersetzung sein.
Nach Ablauf von zwei Monaten wurde das Chloroform
etwas mit Wasser ausgeschüttelt und in üblicher Weise auf
die Anwesenheit von Salzsäure untersucht. Keine Spur davon
war in einer der drei Flaschen nachzuweisen. Ebenso nach Ab¬
lauf des 4. und des 6. Monats.
Das Chloroform wurde nun mit etwas Wasser vermischt
und wieder dem Sonnen- und dem zerstreuten Tageslichte an
demselben Ort wie bisher ausgesetzt. Nach 2 Monaten ent¬
hielt allein die farblose Flasche eine Spur Salzsäure, jedoch
so wenig, dass an einen qantitativen Nachweis nicht zu denken
war. Nach Ablauf des 4. Monats das gleiche Ergebniss, nur
anscheinend noch weniger Salzsäure als vorher.
Falls nicht das häufige Schütteln beim Gebrauch durch
den Chirurgen einen Unterschied macht, dürfte aus dieser
Untersuchung hervorgehen, dass es gleichgültig ist, worin das
officinelle Chloroform aufbewahrt wird. Da nun nach allge¬
meiner Angabe das chemisch reine Chloroform am Licht sich
schnell zersetzt, so ist klar, dass die lange Haltbarkeit des
officinellen nur auf der Anwesenheit des Alkohols beruhen
kann, der darin durch die Bestimmung des specifischen Ge¬
wichtes geradezu vorgeschrieben ist. Chemisch reines Chloro¬
form hat nämlich bei 15 Grad das Gewicht 1,523, das officinelle
1,485 bis 1,489, und das entspricht einem Procentgehalt von
ungefähr 1,0 an Alkohol.
Um an einem anderen Präparate die Wirkung der ver-
Sitzung vom 16. Mai 1892.
19
■schiedenen Farben zu prüfen, wählte ich das am Licht leicht
zersetzliche Jodmethyl, CH3J. Es war chemisch rein und
ganz farblos. In einer Flasche von farblosem Glas war es
am 2. Tage deutlich violett und wurde das mehr mit jedem
folgenden Tage. In einer violetten Flasche war es ebenso wie
dort am 2. Tage erst am 4., in einer blauen am 9., in einer
gelben und roten Flasche dagegen war es noch am 30. Tage
ganz ungefärbt. Die Wärmestrahlen des Lichtes hatten dem¬
nach keine Wirkung, dagegen wirkten die chemischen Strahlen
fast ebenso rasch wie das zerstreute Tageslicht allein. Wie
das Jodmethyl verhielt sich auch das Bromäthyl, das be¬
kanntlich am Licht sehr bald braun wird. Nur geschah die
Zersetzung in dem hellen, violetten und blauen Glas nicht so
rasch wie bei jenem. Es folgt aus diesem Versuchsergebniss,
dass man sich beim Aufbewahren der lialogenirten Kohlen¬
wasserstoffe nur der gelben oder am besten braunen Flaschen
bedienen soll. Auch für das alkoholirte Chloroform dürfte
das der grösseren Sicherheit halber passen.
Nicht immer bewirkt das Licht die Abspaltung des Ha¬
logens. Es gibt auch Fälle, worin es das Gegentheil thut; das
ist beispielsweise beim Eisenjodür des amtlichen Arzneibuches
der Fall. Weil das Eisenjodür sehr zersetzlich ist, hält man es
vorräthig in Gestalt des Jodeisensirups (Sirupus Ferri jodati).
Frisch bereitet ist er farblos, wird aber bald grünlich, schwärz¬
lich und zuletzt braun. Das geschieht durch Hinzutreten des
Sauerstoffs der Luft. Entstehen von Eisenoxydhydrat und
Entweichen des Jods sind die Folge (2FeJ2 -f- 30 -f 3H20 = Fe2
(OH)6 -j- 4J). Nimmt man frisch bereiteten Jodeisensirup, füllt
zwei farblose Flaschen damit halb voll, setzt die eine ins Dunkle,
die andere bei ganz gleicher Wärme ins helle Tageslicht, oder
noch besser ins Sonnenlicht, so gewahrt man, wie jene die
Färbung bis zum kräftigen Braun bald durchmacht, während
diese farblos bleibt wie am ersten Tag’. Der Vorgang ist hier
so aufzufassen, dass das Licht die Oxydation verhindert, also
auch die Abspaltung des Jods, der dem Sauerstoff Platz zu
machen hätte. Aus der Planzenphysiologie wissen wir, dass
Licht bereits fertige Oxydationsprodukte, die Kohlensäure und
das Wasser, kräftig zu reduciren vermag, was im Wesen das¬
selbe ist wie die Verhinderung der Oxydation. Praktisch ist
das Verhalten des Jodeisens insofern von Bedeutung, als es
lehrt, dass man den in der Kinderpraxis vielgebräuchlichen
Jodeisensirup nur am hellen Tageslicht aufbew-ahren soll, nicht,
wie das meistens noch geschieht, im Dunklen.
20
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
2. Geheimrath Doutrelep ont:
Ein Fall yon Ueberimpfung yon Lupus.
(Veröffentlicht in der Deutsch, med. Wochenschrift durch
M. Wolters.)
3. Dr. Graes er:
a) Ueber Chloroform gegen Taenien.
Die Idee, das Chloroform zu diesem Zweck anzuwenden,
rührt von den Franzosen her. In der med. Universitäts-Poli¬
klinik wurde das Mittel in folgender Form angewandt:
Chlorof. 4,0
01. Croton. gtt. I
Glycerin. 30,0.
In 37 Fällen war der Erfolg ein vollkommener. In einem
Falle gelang es nicht die Taenie zu beseitigen, auch nicht der
spätem Verabreichung von Cort. Granat, oder Ext. Filic. mar.
Das Mittel wurde auf einmal genommen. Die übrigen Yer-
haltungsmassregeln blieben die gleichen wie bei den sonstigen
Taenien-Kuren. Abgesehen von der prompten Wirkung liegt
(‘in Hauptvortheil dieser Kur in dem Fehlen der, allen anderen
Taenien - Mitteln eigenen, lästigen Nebenerscheinungen. Es
zeigte sich weder das, durch den unangenehmen Geschmack
der Granatwurzel bedingte, Erbrechen, noch die bei Ext. Filic.
beobachteten Vergiftungserscheinungen. In den meisten Fällen
ergab die Untersuchung Taenia solium. Der eine Fall, in dem
die Kur misslang und nur kleine Stücke zu Tage befördert
wurden, betraf eine Taenia saginata.
b) Studien und Erfahrungen über die Anwendung yon Syzygium
Jambtilanum gegen Diabetes.
Der Vortragende lernte die Pflanze auf Java kennen, wo
Samen und Kinde als Tbeeaufguss schon lange mit Erfolg,
gegen die Zuckerkrankheit verwandt werden. Ein Baum von
60— 80 Fuss Höhe, zur Familie der Myrtaceen gehörend, ist die
Eugenia- Jambulana (indisch Janum od. Djamblang) in ganz
Ost-Indien heimisch. Der frische Saft der Blätter wirkt ad-
stringirend und wird hauptsächlich in Britisch-Indien gegen
Dysenterie angewandt. Im Laboratorium des Herrn Geheim¬
rath Binz machte der Vortragende eine lange Reihe von ex¬
perimentellen Untersuchungen über die Wirksamkeit der Droge
an Hunden, welche durch Phloridzin diabetisch gemacht worden
waren. Dazu wurde theils Extract von Früchten und Kinde,,
theils einfach pulverisirte Samen verwandt. Es ergab sich
eine Verminderung der Zuckerausscheidung von durchschnitt¬
lich 84%. Unangenehme Nebenerscheinungen traten kaum
Sitzung vom 16. Mai 1892.
21
auf. Neuestens g’elang* es Kobert auch die durch oxalsaure
Salze erzeugte Glykosurie durch Eingehen von Ext. Syzygii
Jambul. schnell zum Verschwinden zu bringen. Bei verschie¬
denen Fällen von Diabetes mellitus, bei welchen der Vortra¬
gende das Jambul. in Dosen bis zu 30 gr. pro die beim Menschen
angewandt, waren die Resultate nicht ganz gleichmässig. In
jedem Falle aber wurden die Krankheitssymptome bedeutend
vermindert. Die Harnmenge verringerte sich regelmässig’; in
einem Falle in 14 Tagen von 10 L. pro die auf 4 L.; Heiss¬
hunger, Durst, Kopfweh hörten auf und die Kranken nahmen
an Gewicht zu. Die ungleichmässige Wirkung beruht wohl,
abgesehen von den verschiedenen Formen des Diabetes selber,
hauptsächlich auf der verschiedenen Werthigkeit der Droge. Die
von der in Britisch-Indien vorkommenden Jambulart gewonnenen
Samen sind geringer wirksam als die javan. Jambulsamen, Alte,
ausgetrocknete, vollkommen unwirksame Jambul -Bestandtheile
werden oft zu Extraet verwandt und aus den Resultaten ihrer
Anwendung falsche Schlüsse gezogen. Das wirksame Prinzip
darzustellen ist trotz mannigfacher Versuche bis jetzt nicht
gelungen. Ueber weitere Fälle wird der Vortragende nächstens
in einer ausführlichen Arbeit berichten.
In der Discussion theilte Prof. F i n k 1 e r verschiedene
Diabetes-Fälle mit, welche von ihm mit Syzyg\ Jambul. be¬
handelt worden sind und bei welchen er ebenfalls gute Er¬
folge erzielte.
4. Prof. Schultz e:
Ueber das Zusammenyorkommeii von Tabes dorsalis und
Insulficienz der Aortenklappen.
Seit der Veröffentlichung von Berger und Rosenbach
im Jahre 1879 hat sich über das Kapitel des gleichzeitigen
Vorkommens der in der Ueberschrift genannten Erkrankungen
schon eine kleine Literatur angesammelt. Noch immer ist aber
die Frage nicht entschieden, ob und in welcher Weise beide
Affectionen miteinander Zusammenhängen. Nimmt man kein
zufälliges Zusammentreffen an, was bei der grossen Anzahl
der betreffenden Beobachtungen kaum mehr zu umgehen ist,
so lässt sich zunächst nicht erklären, wie eine Aorteninsufficienz
zu einer Tabes und umgekehrt eine Tabes zu einer Schluss¬
unfähigkeit der Aortenklappen führen könne. Es bleibt also
nur noch die Annahme übrig, dass beide Erkrankungen durch
die gleiche Ursache herbeigeführt sein könnten, und zwar
in erster Linie durch eine ausgebreitete Erkrankung der
Arterien, besonders der Aorta einerseits und dann der
spinalen Gelasse der Hinterstränge des Rückenmarkes andrer-
22
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
seits. Da sich aber der Auffassung*, dass bei der Tabes
primäre Gefässerkrankungen eine Rolle spielen, nach der Mei¬
nung des Vortragenden unüberwindliche Schwierigkeiten ent¬
gegenstellen, und da man bei allgemeiner Atheromatose der
Arterien doch nur äusserst selten eine Tabes vorfindet und
dieselbe besonders auch bei Granularniere mit ausgebreiteten
Gefässerkrankungen kaum beobachtet ist, so ist gewiss nicht
der naheliegende Gedanke abzuweisen, dass eventuell die
Lues die gemeinschaftliche Ursache abgeben könnte, welche
einerseits die Gefässe zu alteriren, andrerseits auch die Nerven-
substanz selbst zu schädigen im Stande ist.
Der Vortragende berichtet dann über zwei Fälle von
Tabes dorsalis, welche er unter einer an sich geringen An¬
zahl von Tabesfällen in der hiesigen medicinischen Klinik
überhaupt mit Aorteninsufficienz vergesellschaftet fand. Bei
dem einen handelte es sich wie gewöhnlich bei derartigen Be¬
obachtungen um einen älter n Mann, und zwar von 58 Jahren,,
bei welchem sich vorgeschrittene Tabes dorsalis und deutliche
Insufficienz resp. Stenose der Aortaklappen bei der klinischen
Untersuchung vorfand. Dieser Kranke gab an, zeitweise an
Gelenkschmerzen gelitten zu haben, ohne dass aber das Krank¬
heitsbild eines akuten Gelenkrheumatismus bestanden hätte;
ferner hatte er vor einer Reihe von Jahren Geschwüre am
Penis und in der Aftergegend gehabt.
Der zweite Kranke befand sich im Alter von 34 Jahren,
hatte sicherlich niemals Gelenkrheumatismus gehabt und war
vor 10 Jahren in der Sieg m u n d ’ sehen Klinik in Wien
wegen eines harten Ulcus am Penis mit einer Schmierkur be¬
handelt worden. Er hatte vollständig mangelnde P u p i Har¬
re fl e x e, links f e h 1 e n d e n P a t e 1 1 a r r e f* 1 e x, Analgesie der Haut
der Unterextremitäten, Paraesthesien an dem linken Arm, un¬
deutlich ausgeprägte lancinirende Schmerzen und differente
Pupillen.
Bei einem dritten Falle von Aorteninsufficienz bei einem
44jährigen Manne konnte die Diagnose auf beginnende Tabes
nicht mit Bestimmtheit gestellt werden, da die Pupillen zwar
different waren, aber noch gut reagirten, da ferner die Patellar-
reflexe schwach, aber doch zu erzielen waren, und die beste¬
henden lancinirenden Schmerzen auch mit einer vorhandenen
gichtischen Erkrankung in Verbindung gebracht werden konnten.
Schliesslich wendet sich der Redner noch gegen die neuer¬
dings wieder von Leyden gemachten Einwendungen, welche
dieser Autor gegen den ursächlichen Zusammenhang von Lues
und Tabes vorgebracht hat.
23
Sitzung vom 16. Mai 1892.
Zunächst ist die Statistik, welche Leyden in »der Medizin
so angreift, in dieser Wissenschaft an sich gerade so viel
werth und zu Schlüssen berechtigend wie in anderen; anders
als auf diesem Wege haben wir z. B. niemals therapeutische
Resultate gewonnen. Es kommt selbstverständlich allein auf
die grundlegenden Tliatsachen der Statistik an; und diese sind
besonders nach den Feststellungen von Erb durchaus sichere.
Der Vortragende kann sich Erb in dieser Richtung nach
seinen eigenen Erfahrungen nur anschliessen.
Dann beweist der Ein wand Leyden ’s, dass die anti-
syphilitischen Mittel gegen die Tabes nichts oder nicht viel
ausrichteten, sehr wenig, weil man sich vorstellen muss, dass
die Degeneration der Nervenfasern bei Tabes durch ein be¬
sonderes Gift zu Stande kommen, das seinerseits von den Krank¬
heitserregern der Syphilis geliefert werde. Wenn Leyden
dagegen anführt, die Lues mache keine Infectionserscheinungen,
von einer Autointoxication sei bei der Syphilis nichts zu be¬
merken, sie wirke nur an Ort und Stelle, so ist dem entgegen
zu halten, dass die Syphilis in dem Stadium der beginnenden
Effiorescenzen oft genug stärkeres Fieber, allgemeine Störungen
und Milztumor bewirke. An Analogien fehlt es auch nicht;
es ist schon oft genug auf die Diphtherie in dieser Beziehung*
verwiesen worden.
Das Schwierige liegt nach der Auffassung des Vortragenden
darin, dass sowohl bei der Diphtherie als bei der Ergotintabes,
welch 6 doch sicher durch ein Gilt, und nicht direkt durch
Pilze erzeugt wird, gewöhnlich nicht ein derartiges Fortschrei¬
ten der Erkrankung wahrgenommen werden kann, wie bei der
Tabes. Liessen sich etwa Lvmphdrüsentumoren regelmässig
nachweisen, in welchen man ein Depot von Syphiliserregern
und deren Giften vermuthen könnte, so wäre die Neigung zum
Fortschreiten der Krankheit leicht beg*reiflich. Indessen sind
bekanntlich auch bei der gummösen Syphilis keineswegs immer
Drüsenanschwellungen nachweisbar, und dann wäre auch daran
zu denken, dass gerade so gut wie bei den Immunisirungen
Stoffe sich bilden, welche keine direkt sichtbaren Veränderungen
machen und dennoch Jahre lang weiter schützend und heilend
wirken, auch umgekehrt bei infectiösen Erkrankungen Ver¬
änderungen des Serums oder gewisser Zellen entstehen könnten,
welche immerfort weiter im umgekehrten Sinne, also schädigend
ein zu w irk en v er m ö ch t en .
Schliesslich wurde noch auf die Schwierig'keit hingewiesen,
die neuerkannten Symptome bei Tabes auf andere Ursachen
als auf Lues, und zwar besonders auf Erkältungen und Ueber-
anstrengungen jeder Art zurückzuführen.
24
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Sitzung vom 20. Juni 189 2.
Vorsitzender: Prof. Schultz e.
Anwesend 34 Mitglieder.
1. Dr. H. Dreesmann: Ueber Knoclieiiplombiruiig.
Um die Heilung' von Knochendefekten, entstanden durch
Entfernen erkrankter oder abgestorbener Knochenmassen, zu
beschleunigen, sind in letzter Zeit verschiedene Vorschläge ge¬
macht worden. Schede empfahl zu diesem Zweck die Höhle
durch ein besonderes Verfahren mit Blut anzufüllen, welches
sich dann organisiren und in Knochenmasse umsetzen sollte.
1889 wurde von Senn vorgeschlagen, diese Defekte mit Stück¬
chen decalcinirten Knochens anzufüllen und erreichte er selbst
auf diese Weise, da durch sorgfältige Desinücirung und völlige
Vereinigung der Wundränder eine längere Eiterung verhindert
wurde, in 4 Wochen bis 3 Monaten völlige Heilung je nach der
Grösse der vorhandenen Knochenhöhle.
Indessen beansprucht die Heilung auch so noch eine
ziemlich lange Zeit, und wird sich das Verfahren auch in vielen
Fällen nicht in der angegebenen Weise anwenden lassen, so
z. B. dann nicht, wenn das Periost in grösserer Ausdehnung
miterkrankt ist und entfernt werden muss. In letzter Zeit ist
im hiesigen St. Johannes-Hospital eine andere Methode zur An¬
wendung gekommen, welche diese Nachtheile vermeidet, sich
weit einfacher gestaltet und auch noch sonstige Vortheile ge¬
währt. Bereits vor längerer Zeit hat Herr Geheimrath Profes¬
sor Tr en delen bürg die Frage angeregt, ob es nicht möglich
sei, solche Knochenhöhlen mit einem andern festen Material,
etwa Blei, auszufüllen und auf diese Weise Ersatz für das ver¬
loren gegangene Gewebe zu schaffen. Die Ausführung dieses
Vorschlages unterblieb aber, da sich ihr mannigfache Schwie¬
rigkeiten boten, und auch das Eintreten einer Bleiintoxikation
befürchtet werden musste. Ich habe nun Versuche gemacht, zu
diesem Zwecke Gyps anzuwenden, der sich doch sehr zur Aus¬
füllung von Knochenhöhlen eignen musste, und bin ich heute
in der Lage zwei Patienten vorzustellen, bei denen in der Art
verfahren worden ist.
I. Föhr, Ivath., 4 Jahre alt, hereditär belastet. Seit De¬
zember 1891 an Caries tibiae sin. leidend. Mitte Januar 1892
Incision daselbst und seitdem Fistel. Jetzt zwischen oberem
und mittlerem Drittel wenig sezernirende Fistel, welche auf ca-
riösen Knochen führt. 23. April wurde unter Blutleere die Fistel
excidirt, der Knochenherd dann durch Abhebelung des Periosts
Sitzung vom 20. Juni 1892.
25
nach beiden Seiten hin völlig frei gelegt und vermittels des
scharfen Löffels und des Hohlmeisseis gründlich entfernt. Die
dadurch entstandene etwa haselnussgrosse Knochenhöhle wurde
mit Sublimat 1:1000 ausgespült, mit Jodoformgaze getrocknet
und, nachdem die Wandung mit Jodoform etwas bestäubt wor¬
den war, mit dünnem Gypsbrei völlig angefüllt. Der Gypsbrei
wurde bereitet durch Anrührung gewöhnlichen Gvpspulvers
mit einer 5% Carbolsäurelösung. Die Hautwunde wurde dann
durch fünf Nähte über dem Knochen resp. dem inzwischen fest¬
gewordenen Gvps völlig geschlossen. Nach Anlegen eines Kom-
pressivverbandes wurde die Konstriktion gelöst und die Extre¬
mität während der ersten 8 Tage suspendirt.
Der weitere Verlauf war fieberfrei und schmerzlos. Am
3. Mai erfolgte der erste Verbandwechsel und zeigte sich an
einer Nahtstelle geringe Eiterung. Die Nähte wurden entfernt.
Nach Verlauf von weiteren 3 Wochen war die Fistel, welche
an dem Stichkanal entstanden war und während dieser Zeit
äusserst wenig Sekret geliefert hatte, geschlossen, und konnte
Patientin am 2. Juni geheilt entlassen werden.
Bemerkenswerth ist, dass die lineäre Narbe ganz glatt ist,
keine Einziehung und keine Adhärenzen an dem darunter lie¬
genden Knochen zeigt, sondern frei darüber verschieblich ist.
Oedem und Druckempfindlichkeit ist nicht vorhanden. Patientin
kann ohne Schmerzen gehen.
II. Schneiders, Paul, 12 Jahre alt, hereditär belastet, litt
seit Anfang 1830 an Caries ulnae sin. und wurde dieserhalb
bereits mehrfach und längere Zeit hier behandelt. Seit Februar
1892 bestanden wieder zwei Fisteln im oberen Drittel der Ulna
an der Aussenseite. 3. Mai Excision der Fisteln und der er¬
krankten Weichtheile in deren Umgebung. Es finden sich zwei
cariöse Plerde, der erste etwa haselnussgross, zwei Finger breit
unterhalb der Gelenkspalte, der zweite kirschkerngross im Ole-
eranon. Beide Herde wurden genau ebenso behandelt wie im
vorigen Falle; nur musste bei dem zweiten Herde vorsichtiger
mit der Auskratzung vorgegangen werden wegen der Nähe des
Gelenkes. Da ein grösserer Defekt der Haut vorhanden, war,
wurde auf Vorschlag von Herrn Geheimrath Trendelenburg
die Wunde und also auch die beiden Knochendefekte durch
einen Hautlappen gedeckt und der seitliche Hautdefekt trans¬
plan tirt. Verband, Suspension und Verlauf wie bei Fall I. Am
25. Mai musste die Gypsmasse, welche in das Olecranon einge¬
pflanzt worden war, wieder entfernt werden, nachdem sich ei¬
nige Tagen vorher daselbst ein kleiner Abscess gebildet hatte
und der Gyps ganz locker im Knochen sass. Es ist wahrschein-
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
26
lieh, dass daselbst noch erkrankter Knochen in Folge mangel¬
hafter Auskratzung zurückgeblieben war. Zur Zeit ist bis auf
die Fistel über dem Olecranon, welche auf entblössten Knochen
führt, völlige Heilung erreicht. Auch hier finden sich an der
einen Stelle, wo der Gvps eingeheilt ist, keine Spuren einer
früheren Erkrankung, so keine Einziehung, keine Adhärenz
am Knochen, keine Druckempfindlichkeit etc.
In einem dritten Falle von Caries am Mittelfuss bei einem
13jährigen Mädchen wurde am 2. Mai 1892 ein gleiches Ver¬
fahren angewandt; doch waren die Verhältnisse hier ungünstig',
da die kleinen Gelenke miterkrankt waren. Infolgedessen trat
bis jetzt noch keine völlige Heilung ein, sondern es bestehen
noch zwei Fisteln entsprechend den zwei Stellen, wo der er¬
krankte Knochen durch Gvps ersetzt worden ist1).
Wie bei der Knochentuberkulose wird sich dies Verfahren
in analoger Weise auch eignen bei Behandlung von Knochen¬
defekten nach Extraktion von Sequestern, bei Knochenab-
scessen, Osteomyelitis, Knochentumoren u. dgl. In einzelnen
Fällen wird wohl eine einfache Ausspülung der Knochenwunde
nicht zur Desinfizirung der Höhle genügen und möchte ich
dann folgendes Verfahren empfehlen: Die Knochenhöhle wird
völlig mit Oel, etwa ol. oliv., angefüllt, dies Oel dann durch
Eintauchen des glühend gemachten Paquelins zum Sieden ge¬
bracht und kurze Zeit im Sieden gehalten. Hierdurch werden
mit völliger Sicherheit alle Nischen und Winkel der Knochen¬
höhle desinüzirt, was auf andere Weise kaum zu erreichen ist.
Die Vortheile, welche uns dieses Verfahren, das man pas¬
send mit dem Plombiren der Zähne vergleichen und dement¬
sprechend als „Knochenplombirung“ bezeichnen kann, bietet,
sind augenscheinlich. Zunächst wird die Heilungsdauer der hier
in Betracht kommenden Knochenerkrankungen in ganz we¬
sentlicher Weise abgekürzt, da ja die Möglichkeit, eine prima
intentio zu erreichen, vorhanden ist und dann in längstens 14
Tagen Heilung' erzielt werden kann.
Dann ergeben sich bei dieser Behandlungsweise weit schö¬
nere Narben. Dieselben sind glatt, nicht dem Knochen adhä-
rent, sondern frei verschieblich. Der Knochen und mit ihm die
Haut zeigen keine Einsenkung, ein Vorzug, der zumal bei Er-
krankungsprozessen der Gesichtsknochen, also des Jochbogens
und des Unterkiefers von Bedeutung sein wird, da die bei der
früheren Behandlung erzielten, oft tief eingezogenen Narben
sehr entstellend wirken können.
1) Seit Mitte Juli ist eine Fistel geschlossen und also auch
hier eine Einheilung des Gvpses erfolgt.
Sitzung vom 20. Juni 1892.
27
Ausserdem glaube ich, dass noch ein dritter Vortheil, der
nicht zu unterschätzen wäre , aus diesem Verfahren der Kno-
chenplombirung resultirt. Bei der bisherigen Behandlung der
Knochencaries und der Necrose nach Osteomyelitis trat doch
fast stets eine mehr oder weniger länger dauernde Eiterung ein,
und ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass
hierdurch leicht Recidive der betreffenden Erkrankung bewirkt
werden. Dieser Möglichkeit wird durch die sorgfältige Des¬
infektion nach Entfernen des erkrankten Gewebes, durch die
eventuell nachfolgende Kauterisation mit siedendem Oel und
durch die rasch erzielte Heilung' mehr oder weniger vorgebeugt.
Die Hauptschwierigkeit, welche sich dieser Methode ent¬
gegenstellt, besteht darin, alles Erkrankte mit Sicherheit zu
entfernen und dann das Operationsterrain gründlich zu des-
infiziren. Um diese Schwierigkeit zu beseitigen, ist es noth-
wendig, den Herd der Erkrankung völlig frei zu legen und
dem Auge zugänglich zu machen ; nur dann wird man den ge¬
stellten Anforderungen genügen können. Zuweilen hat mir
hierbei auch die Anwendung des Konkavspiegels gute Dienste
geleistet. Nicht zu leugnen ist ja, dass es in einzelnen Fällen
unmöglich sein wird, mit einem Male ein aseptisches Operations¬
terrain herzustellen, so wenn ausgedehnte Eiterungen und Un¬
terminirungen der Haut mit zahlreichen Fisteln und Narben
vorhanden sind. Hier wird man zunächst von der Plombirung
des Knochens absehen müssen und diese erst nach Heilung der
Erkrankung der Weichtheile in Anwendung bringen. Ferner
wird auch dann von der Knochenplombirung Abstand genom¬
men werden müssen, wenn nach Osteomyelitis das nekrotische
Knochengewebe noch nicht deutlich demarkirt ist und ebenso,
wenn vorhandene Knochentuberkulose in direktem Zusammen¬
hang mit Gelenktuberkulose steht. In diesen Fällen wird die
eine Forderung, die Entfernung' alles Erkrankten in der näch¬
sten Umgebung des zu plombirenden Knochendefektes, gar
nicht oder nur höchst unsicher erfüllt werden können.
Eine weitere Kontraindikation wird auch dann vorliegen,
wenn die Knochenhöhle sehr ausgedehnt ist, und die noch vorhan¬
dene gesunde Knochensubstanz voraussichtlich zu schwach sein
wird, dem Knochen die nöthige Festigkeit zu verleihen. Es ist
nämlich wahrscheinlich, dass durch die Plombirung des Knochens-
der Knochenneubildung' entgegengewirkt wird, indem vielleicht
wegen Mangels der länger dauernden Eiterung und Entzün¬
dung der Substanzverlust an Knochen nicht, wie bei den an¬
deren Behandlungsmethoden, im Laufe der Zeit ersetzt werden
kann.
28
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
Wenn nun auch die Anwendung der Knochenplombirung
durch die eben angeführten Kontraindikationen einige Ein¬
schränkung erleidet, so kommen doch noch häufig genug Fälle
vor, bei denen sich das Verfahren sehr gut anwenden lässt und
dann auch mit Rücksicht auf die hervorgehobenen Vortheile
erprobt zu werden verdient.
2. Prof. Schultz e: Vorstellung eines Mannes mit eigen-
tliiimlicher Hautlipomatose.
Der Vortragende stellt einen 48jährigen Maler Carl Dr.
aus Braunschweig vor, welcher schon anderwärts des öfteren
demonstrirt worden ist, und dessen Krankengeschichte bereits
im Jahre 1889 von Dr. W. Müller im. Archiv für klinische Chi¬
rurgie (Bd. 39, S. 652) ausführlich beschrieben wurde.
Bei der Untersuchung des Kranken fällt zunächst eine
gewaltige Wucherung des Fettgewebes der Haut unter dem
Kinn und zu beiden Seiten des Unterkiefers auf. Ausserdem
zeigen sich starke halbkugelige Fettwülste hinter beiden Ohren,
ferner eine grosse regelmässig halbkugelig geformte Fettmasse
über dem untern Theil der Halswirbelsäule und über den obern
Dorsalwirbeln. Ebenso findet sich über dem Manubrium sterni
eine wallnussgrosse umschriebene, bei Druck leicht schmerzende
Fettgeschwulst, während die Schilddrüsengegend frei ist. Am
erheblichsten markirt sich eine diffuse Lipomatose der Haut an
beiden Oberarmen in dem ganzen Umfange derselben, während
an den Unterarmen nur in der Gegend beider Supinatores
longi und vielleicht über dem Handrücken mehr Fett angehäuft ist.
An der Vorderfläche des Rumpfes zeigen sich die Mam-
niargegenden, aber nur theilweise und nicht vollständig sym¬
metrisch als der Sitz von stark vermehrtem Fettgewebe inner¬
halb der Haut, ferner an den Seitentheilen in der Gegend der
Serrati ant. maj. und ganz umschrieben in der Region der
Recti abdominis, während seitlich davon die Haut normal
erscheint. In der Rückengegend verschiedene wammenartige,
mehr quergestellte Fettwülste, welche durch tiefe Furchen von
einander getrennt sind. Auch die Regio sacrolumbalis ist in
der Gegend der Sacrolumbal m uskeln stärker durch Fett
aufgetrieben. Die Haut über den Glutaei ist normal; dagegen
findet sich wieder in der Gegend beider Tensor es fasciae
latae, sowie an der vorderen Oberschenkelregion in der Ge¬
gend der Adductoren stärkere Fettwucherung des Unter¬
hautgewebes. Schliesslich zeigen sich noch in den Kniekehlen
und in der Serotalhaut vornehmlich an ihren untern und nach
dem Damme zu gelegenen Parthien stärkere Fcttanhäufungen.
29
Sitzung vom 20. Juni 1892.
Die Muskeln selbst erscheinen überall frei; sie sind an
den Vorderarmen und Unterschenkeln, an welchen man sie deut¬
licher durchfühlen kann, dünner; die Kraft der Oberarmmuskeln
ist entschieden schwächer als normal; die Hebung' der Arme
bis zur Senkrechten, ebenso das Anlegen der Hände gegen
den Hinterkopf gelingt — gegenüber dem früher von Müller
geschilderten Befunde — jetzt ganz gut.
Soweit man den Zustand der betreffenden inneren Organe
feststellen kann, lässt sich eine erheblichere Fettwucherung im
Innern des Körpers nicht nachweisen. Die Augen ragen nicht
stärker hervor, die Herzdämpfung’ ist eher verkleinert, die
Leber nicht als vergrössert nachweisbar.
Die Herzaction ist frequenter wie normal, gelegentlich
sogar unregelmässig; Oedeme fehlen. Die Haut über den
Fettwülsten an den Oberarmen wird rasch und leicht kühl.
Der Harn ist eiweiss- und zuckerfrei.
Von Seiten des Nervensystem es keine besonderen
Symptome ausser der grösseren Muskelschwäche und ausser
einem seit einer Reihe von Jahren bestehenden Mangel der
Erection. Die Patellarreflexe sind lebhaft, aber normal; kein
Fussldonus; Armreflexe sehr schwach.
Eine mässige Herabsetzung des Sehvermögens wird nach
einer von Herrn Dr. Krüger vorgenommenen Untersuchung'
durch centrale Maculae und einen feinen Beschlag auf der vor¬
dem Linsenkapsel hervorgebracht (Rest einer Iritis). ImAugen-
hintergrunde und an der Augenmuskulatur nichts Abnormes.
Das Interesse, welches der Kranke erweckt, beruht in
der seltenen Vertheilung des wuchernden Fettgewebes der
Haut auf die einzelnen Bezirke derselben; es handelt sich zum
Theil um cirkumscripte Lipome, zum Theil um diffuse Lipoma-
tose, ähnlich wie bei der Adipositas universalis. Besonders
auffallend erscheint erstens die Svmmetrie der Affection,
welche allerdings nicht absolut, immerhin aber annähernd genau
ist, die man trotzdem schwerlich auf eine Erkrankung nervöser
Centren zurückführen kann — nach bekannten sonst üblichen
Schlussfolgerungen. Zweitens die vielfach nachweisbare,
wenn auch keineswegs ausschliessliche Beschränkung der Fett¬
wucherung der Haut a u f d e n A u s b r e i t u n g s b e z i r k viele r
Muskeln. Wie das zu erklären ist, muss vollständig dahin¬
gestellt bleiben.
3. Dr. Jo res demoustrirt vier kleine Geschwülste vom
Halse, die als cystöse accessorische Strumen aufzufassen sind.
Die Geschwülste entstammen einem 28jährigen Manne, der sie
so
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
seit vier Jahren bemerkt hat. Dieselben sind 3—4 cm lang-, theils
walzenförmig, theils eiförmig und hatten ihren Sitz an der lin¬
ken Seite des Halses in der Höhe des Schildknorpels, zwei am
inneren Rande des sternocleidomastoideus, zwei am äusseren.
Ein Zusammenhang mit der nicht vergrösserten Schilddrüse
war nicht vorhanden. Die Oberfläche der Geschwülste ist etwas
höckerig, zeigt kleine Cysten mit wasserklarem Inhalt und pa¬
pillären Vegetationen. Im Uebrigen sind die Geschwülste auf
dem Querschnitt von festerem, fein trabekulärem Gefüge. Mi¬
kroskopisch bestehen sie aus zahlreichen dicht nebeneinander-
liegenden, mit Cvlinder- Epithel ausgekleideten Räumen. Zwi¬
schen denselben bleiben nur dünne Balken hyalin degenerirten
Bindegewebes übrig*, das sehr stark vascularisirt ist. In das
Innere der Räume erstrecken sich zahlreiche papilläre Vege¬
tationen mit Cylinderepithel überkleidet und mit demselben
Stroma versehen wie die Balken. Je grösser und verzweigter
die Papillen, um so grösser und komplicirter die cystösen Räume.
In dem Stroma der Balken und Papillen liegen vereinzelt und
zu Gruppen vereinigt Drüsenräume, die durch Epithel und col-
loiden Inhalt als Schilddrüsengewebe charakterisirt sind.
Glandulae accessoriae laterales kommen namentlich in
einiger Entfernung von der Schilddrüse seltener vor. Ihr mul¬
tiples Auftreten, das auch Gi o v anni d’Ajutolo1) beobachtete,
ist auch in diesem Falle von Interesse.
Histologisch reihen sich diese Strumen an die als papil¬
läre Cvsto-Adenome der Schilddrüse beschriebenen Formen an.
4- Prof. Köster: Demonstration eines grossen Aorten¬
aneurysma.
5. Prof. Pelman gibt eine Uebersicht über die Entwick¬
lung der Psychiatrie seit Griesinger. Das bekannte Lehrbuch
Griesinger’s bezeichnete damals einen bedeutenden Fort¬
schritt der Psychiatrie und es behielt seine führende Stellung
noch auf lange Jahre hinaus bei, so wenig auch von Anfang
an der eigentlich psychiatrische Theil des Werkes befriedigen
konnte. Dass die Anschauungen Griesinger’s und insbeson¬
dere seine Eintheilung nicht mehr haltbar waren, darüber war
man sich längst einig, allein es erschien längere Zeit hindurch
kaum möglich, etwas anderes an die Stelle zu setzen, das auf
allgemeine Zustimmung zu rechnen hatte.
1) cf. Centralblatt für allg. Pathologie u. pathol. Anatomie.
Bd. II, Nr. 9.
31
Sitzung' vom 20. Juni 1892.
Erst als nach Schüle’s Vorgang v. Kr afft- Ebing mit
seinem grossen Lehrbuche cler Psychiatrie hervorgetreten war,
gelang es der klinischen Methode festeren Fuss zu fassen, und
die früher mehr schematische Darstellung' zu Gruppen von
Krankheitsbildern umzugestalten, die der Wirklichkeit mehr
entsprachen, als es bei jenen der Fall gewesen war. Immerhin
aber sind wir auch jetzt noch weit davon entfernt, schon über¬
all zu klinischen Einheiten vorgedrungen und in eine klare
Scheidung zwischen der allgemeinen und speziellen Pathologie
eingetreten zu sein.
Einen wesentlichen Schritt in der Richtung nach dieser
Klärung hin bedeutet die Lehre von der erblichen Entartung,
wie sie besonders vonMagnan vertreten wird. Magnan ver¬
steht unter der erblichen Disposition nicht etwa ein unfassbares,
in der Luft schwebendes Etwas, sondern eine bestimmte patho¬
logische Veränderung, die dem klinischen Nachweise zugänglich
ist. Der erblich Entartete bringt einen krankhaften Geistes¬
zustand mit auf die Welt, der während seines ganzen Lebens
bestehen bleibt. Man unterscheidet darin zwischen einem dau¬
ernden Geisteszustände und den vorübergehenden Zufällen, und
zerlegt die dauernden Geisteszustände wieder in drei grosse
Grippen :
die Idioten,
die Schwachsinnigen und
die Instab ein.
Die ersteren beiden sind bekannt, die letztere zeichnet
sich aus durch das Fehlen des psychischen Gleichgewichtes, wo¬
durch es nie zur Ausbildung eines Charakters kommt. Des¬
gleichen wird durch den angeborenen Mangel eine ethische
Entwicklung zur Unmöglichkeit, diese Individuen bleiben Idio¬
ten, wenn auch nicht an Intelligenz, so doch an Moral. Lom-
b ros o’s geborene Verbrecher dürften sammt und sonders hierhin
zu zählen sein. Zu diesen verschiedenen andauernden Geistes¬
zuständen können sich die vorübergehenden Zufälle gesellen
und je nachdem verschiedene Krankheitsbilder darstellen.
Alle diese vorübergehenden Zufälle tragen den Charakter
des Zwangsmässigen und eines mehr oder weniger deutlich her¬
vortretenden Krankheitsbewusstseins, das sie von der eigent¬
lichen Wahnidee unterscheidet.
Das Zwangsmässige, die Obsession der Franzosen, kann
so in den Vordergrund treten, dass es das ganze Krankheits¬
bild beherrscht und wir sehen, wie so die alten und vielge¬
schmähten Monomanien wieder zur Geltung kommen, nur ist
uns ein anderes Verständniss für sie aufgegangen. Unter an-
32
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
deren ist dies bei der Dipsomanie der Fall, die lediglich als ein
derartiger vorübergehender Zufall auf dem Boden der erblichen
Entartung aufzufassen, und von der eigentlichen Trunksucht¬
scharf zu trennen ist. Der Dipsomane bleibt auch in der Zwi¬
schenzeit ein Entarteter, und er leidet an einer Krankheit, deren
klinischer Nachweis jederzeit durch die persönliche Untersuchung"
geliefert werden kann. Hiervon sind die moralisch Entarteten
insofern unterschieden, als sie in ihrer Verkehrtheit weder
Zwang noch Einsicht zeigen. Sie bilden so ein Uebergangs-
stadium zu dem eigentlichen Irrsinn und den degenerativen
Psvchosen, wie sie sich ebenfalls unter dem Einflüsse der erb-
liehen Entartung entwickeln.
In der Diskussion wurde besonders auf die Bedeutung
hingewiesen, die diese Anschauungsweise auf die Strafrechts¬
pflege ausüben müsse, und wie es immer schwieriger werde,
diese Zwischenstufen als schlechthin zurechnungsfähig oder
nicht zu bezeichnen. Demgegenüber wies Pelman darauf hin,
wie dieser Begriff üherhaupt nicht mehr zu halten sei, und in
seiner früheren Bedeutung aufgegeben werden müsse. Nicht
auf die Zurechnungsfähigkeit komme es an, sondern auf das
Verschulden, und dahin, in die Schuldfrage, werde das Straf¬
recht der Zukunft die bisherige Zurechnungsfähigkeit verlegen
müssen, wie man in Italien bereits angefangen habe.
Sitzung vom 18. Juli 1892.
V orsitzender : Prof. S c h u 1 1 z e.
Anwesend: 36 Mitglieder.
Herr Dr. Boedeker wird als ordentliches Mitglied aufge¬
nommen.
Vor der Tagesordnung: Prof. Schultze: Unsere Ge¬
sellschaft hat seit ihrer letzten Sitzung' einen überaus schweren
Verlust erlitten. Ihr langjähriger Sekretär, der Geh. Sanitäts¬
rath und Kreisphysikus Dr. Leo, welcher 31 Jahre lang seines
Amtes waltete, ist uns durch den Tod entrissen worden.
Er hing in treuer Liebe an dem Vereine und hat sich
während seiner selten lang'en Amtsdauer keine Mühe für den¬
selben verdi iefsen lassen. Zu Zeiten, als die Gesellschaft weni¬
ger in Biiithe stand, als das glücklicherweise in den letzten
Jahren der Fall ist, war er es, welcher die Fahne der Gesell¬
schaft hochhielt und in jeder Weise für das Gedeihen derselben
Sorge trug. Als dann in den letzten Jahren die Krankheit
kam und seine Kräfte mehr und mehr lähmte, da hat er auch
dann noch die ihm so liebgewordene Thätigkeit nicht missen
33
Sitzung vom 18. Juli 1892.
mögen; leider konnte er aber keiner Sitzung in diesem Jahre
mehr beiwohnen.
Den Aeltesten unter uns war er ein treuer und lieber
Freund; uns Allen aber ein hochgeehrter und liebenswürdiger
College. Ich glaube aus Aller Herzen zu sprechen, wenn ich
sage, dass wir das Andenken an ihn treu bewahren werden,
und ich bitte Sie, sich zu Ehrung des Verblichenen von Ihren
Sitzen zu erheben.
Zum Schriftführer wird für den Rest des Jahres ge¬
wählt Prof. Dr. Leo.
1) Dr. Knickenberg stellte einen Fall von ausserge-
wölinlicli ausgedehnter Erkrankung an Favus (Mädchen von 10
Jahren) vor, der in der Universitätsklinik für Hautkrankheiten
und Syphilis zur Beobachtung kam. — Befallen war die Haut
des behaarten Kopfes, dann besonders die obere Partie des
Rückens bis etwa zur Höhe der X. Rippe herab, wo die er¬
krankten Stellen die normale Haut überwiegen. Ferner war
ebenso dicht mit Scutulis und Favusborken bedeckt die Aussen-
seite beider Oberarme. Weniger dicht standen die Scutula auf
der unteren Partie des Rückens, auf der Bauchseite des Rum¬
pfes und der Beugeseite der unteren Extremitäten; in grösserer
Anzahl wieder fanden sich Scutula auf den Nates und der
Streckseite der Ober- und Unterschenkel bis auf das Dorsum
der Füsse herab. — Theils waren typische kreisrunde Scutula
vorhanden, einige besonders auffallend durch ihre Grösse, mit
einem Durchmesser von ca. 3 cm, d. h. über Markstückgross;
theils fanden sich Stellen von Handtellergrösse mit convex aus¬
gebuchtetem Rande und mit dicken gelben Krusten und Bor¬
ken bedeckt, offenbar aus aneinanderstossenden Scutulis
hervorgegangen, die dann auf der Oberfläche zerfallen waren.
2) Dr. B oenneck cn: Ueber Trigeminusneuralgieen (wird
an anderer Stelle ausführlich veröffentlicht).
3) Prof. Ungar berichtet über die unter seiner Leitung
geschriebene Dissertation von Otto Egeln „Ist Secale cor-
nutum ein Abortivuni Dieselbe gelangt zu dem Schlüsse,
dass das Secale cornutum in der Tliat ein Abortivmittel ist.
Ist die Wirkung desselben auf die schwangere Gebärmutter
auch eine so unsichere, dass die heutige Geburtshilfe sich
desselben nicht mehr zum Zwecke der Austreibung des Kindes
bedient und seine Verabreichung wegen der damit verknüpften
Gefahren für das Kind vor Eintritt der Nachgeburtsperiode so-
Sitzungsher. der niederrliein. Gesellschaft in Bonn. 1892. 3B.
34
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
gar verpönt, so muss dasselbe doch vom gerichtsärztlichen
Standpunkt aus als ein zur Herbeiführung des Abortes taug¬
liches Mittel bezeichnet werden. Für den Gerichtsarzt handelt
es sich um die Frage, ob das Mittel geeignet ist, einen Abort
herbeizuführen d. h. ob es einen Abort herbeiführen kann.
»
Mag das Mutterkorn nun auch in noch so vielen Fällen den
erwünschten Erfolg nicht haben, mag trotz der Aufnahme des¬
selben selbst in grossen Dosen die Gravidität bisweilen, ja
selbst häufiger nicht unterbrochen werden, so kann dasselbe
doch, und selbst in nicht übermässig grosser Gabe, vermöge
seiner specifischen Wirkung auf den schwangeren Uterus die
Ausstossung der Leibesfurcht herbeiführen.
4) Prof. Ungar berichtet sodann noch über gemeinsam
mit Alexander Buechner angestellte Untersuchungen über
„die Grösse des Luftwechsels in den ersten Lebenstagen“.
In einer Arbeit: Zur Kenntniss des Athmungsmechanis-
mus der Neugeborenen“ berichtet Eck er lein auch auf Grund
von Untersuchungen, die er mittels eines besonders zu diesem
Zweck construirten Spirometer angestellt hatte, über die Grösse
des Luftwechsels der Neugeborenen. Mit dem von ihm be¬
nutzten Spirometer konnte Eckerlein nur eine Minute lang'
ununterbrochen die Grösse des Luftwechsels bestimmen und
musste dann immer wieder behufs Lufterneuerung eine Unter¬
brechung' eintreten lassen. Es schien wünschenswerth, die
Grösse des Luftwechsels ununterbrochen während eines längeren
Zeitraums messen zu können. Dies war natürlich nur dann
möglich, wenn die Bestimmung der Grösse des Luftwechsels .
unter Bedingungen stattfinden konnte, welche eine fortwäh¬
rende Erneuerung der den Lungen zugeführten Luft gestattete.
Zu diesem Zwecke schien die von G e p p e r t und Zuntz
bei ihrer Arbeit „über die Regulation der Athmung“ angewandte
Messungsmethode mittels der Gasuhr geeignet. Eine besondere
Schwierigkeit bestand darin, eine luftdichte Verbindung zwischen
den Luftwegen des Kindes und dem Apparate herzustellen.
Dies wurde durch Benutzung einer aus dickem, weichem Gummi
hergestellten Maske erreicht, welche mittels Guttaperchapapier-
Streifen, die mit Chloroform befeuchtet wurden, mit der Ge¬
sichtshaut fest verklebt wurde. Aus den an fünf Neugeborenen
angestellten Untersuchungen, welche bei einem der Kinder
schon 20 Minuten nach der Geburt begonnen wurden und bei
zwei Kindern bis zum 8. Tage ausgedehnt wurden, liessen sich
folgende Schlüsse ziehen: Zunächst ergaben sie eine Bestäti¬
gung' der Angabe Eck er lei ns, dass der Luftwechsel am ersten
Sitzung' vom 18. Juli 1892.
35
Lebenstage bedeutend geringer ist, als am zweiten Tag-e. Be¬
merkenswerth ist sodann, dass sich in allen Versuchen am
dritten Tage für die Grösse des Luftwechsels bei ruhiger
Athmung wieder niedrigere Zahlen ergaben, als am zweiten
Tage. In den beiden Versuchen, in welchen die Prüfung der
Grösse des Luftwechsels bis zum 8. Tage incl. ausgedehnt
wurde, übertraf die Athmungsgrösse des 8. Tages noch die
des 2. Tages beträchtlich, in einem dieser Versuche war sie
dabei fast doppelt so gross, als wie 3 Stunden nach der Geburt,
in den anderen 21Ji mal so gross, als wie 20 Minuten nach der
Geburt. Die Geringfügigkeit des Luftwechsels am ersten Tage
hängt nun, wie Ungar des Näheren ausführt, nicht etwa, wie
Dohr n meint, damit zusammen, dass die Lungen der Neuge¬
borenen in der Regel erst bei länger dauernder Athmung eine
vollständige Entfaltung ihrer Alveolen erführen. Durch diesen
Ausspruch stelle sich D o h r n in Gegensatz zu der Lehre der
gerichtlichen Medicin, für welche die hier berührte Frage von
grösster Bedeutung' sei. Der geringere Luftwechsel beruhe auf
einer geringeren Ausdehnung' der bereits entfalteten Alveolen,
dieselben würden eben nicht bei jeder Inspiration gleich stark
ausgedehnt und gleichviel mit Luft gefüllt. Die Anfangs ober¬
flächlichen Athemzüge würden allmählich, wenn sich die Anfor¬
derung an den Gaswechsel steigere und damit das Bedürf-
niss zu tieferen Athembewegungen sich geltend mache, tiefer.
Auch dürfte die vor der Geburt nicht funktionirende Athmungs-
muskulatur kaum gleich nach der Geburt zu einer solchen
Arbeitsleistung fähig sein, wie sie erforderlich ist, anhaltend
tiefere Athembewegungen auszuführen.
5) Dr. Peters: Ueber Behandlung cliron. Conjunctival-
erkrankungen. Vortragender berichtet über Versuche, die er
anstellte, um zu erfahren, ob die Entfernung der schleimigen
degenerirten Epithelschicht bei verschiedenen chronischen Con-
junctivalerkrankungen eine therapeutische Wirkung haben
könne und kommt zu dem Resultate, dass bei Conjunctivitis
granulosä mit und ohne Hornhautaffectionen auf diese Weise
ein eclatanter Umschwung in dem torpiden Charakter des
Leidens zu erzielen ist. Die Schleimhaut bildet sich ohne eine
Spur von Narbenbildung zur Norm zurück, ohne' dass die
„Trachomfollikel“ direct Gegenstand der Behandlung waren
und die Hornhautprocesse neigen sehr bald zur Heilung.
Ebenso erwies sich das Verfahren als wirksam bei einigen
Fällen von Frühjahrscatarrh, indem zwar nicht die patholo¬
gischen Veränderungen, wohl aber die Beschwerden beseitigt
36
N i e der rh einis che Gesellschaft in Bonn.
wurden und bei dem sog. Catarrhus siccus, der den üblichen
medicamentösen Behandlungsmethoden hartnäckigen Wider¬
stand zu leisten pflegt.
Gleichzeitig sind die so gewonnenen Erfahrungen im .
Stande, eine Erklärung für die Erfolge der im Jahre 1890 von
den Gebr. Iv e i m i n g angegebenen Behandlungsmethode des
Trachoms zu geben, welche in täglichen Abreibungen der
Schleimhaut vermittelst eines in Sublimat getränkten Watte¬
bausches besteht. Verfasser beweist, dass der therapeutisch
wirksame Factor auch hierbei nur in der mechanischen Ent¬
fernung der erkrankten Epithelschicht zu suchen ist.
Sitzung vom 21. November 1892.
Vorsitzender: Prof. Schultze.
Anwesend: 33 Mitglieder.
1. Dr. Peters berichtet über die mikroskopische Unter¬
suchung eines Falles von doppelseitigem Schichtstaar.
Es wurden die besonders von Schirmer beschriebenen
Veränderungen des Kerns, Tropfen- und Lückenbildung, auch
hier angetroffen, jedoch nicht in bestimmter Anordnung an
der Kernperipherie, sondern diffus durch den Kern zerstreut.
Am Aequator ist der stark geschrumpfte Kern mit der Corti-
calis durch ein gezerrtes und dadurch getrübtes Band in Ver¬
bindung geblieben, während an der Vorder- und Hinterfläche
des Kernes ein mit klarer Flüssigkeit erfüllter Spaltraum ent¬
standen ist, welcher die normale Corticalis scharf von der
Kernsubstanz trennt. Verf. leitet die hier gefundenen Ver¬
änderungen ebenso wie die bei Schichtstaaren vorkommenden
Complicationen, wie Cortical-, vordere und hintere Polarstaare
von der Kernschrumpfung ab und nimmt im Gegensatz zu den
verschiedenen zur Erklärung der Entstehung des Schiehtstaares
aufgestellten Theorieen an, dass es sich beim Schicht- und
Kernstaar nicht um eine Erkrankung der ganzen zur Zeit
vorhandenen Linsensubstanz handelt, an welche sich dann
später normale Corticalis anlagert, sondern um eine Ernährungs¬
störung der centralen Theile. Erkrankt die ganze Linse unter
dem Einfluss dieser Ernährungsstörung, so entsteht das Bild
des angeborenen und kurz nach der Geburt entstandenen
Totalstaars.
Bezüglich der Details muss auf die in v. Graefe’s Ar¬
chiv für Ophthalmologie erscheinende ausführliche Arbeit ver¬
wiesen werden.
37
Sitzung“ vom 21. November 1892.
2. Professor Binz berichtet über Versuche, die Dr. E.
Vollmer im Pharmakologischen Institut zu Bonn betreffs
der Wirkung des Morphins und Atropins auf die Athmung an¬
gestellt hat. Die ausführliche Beschreibung dieser Versuche
steht in dem 30. Band des Archivs für experimentelle Patho¬
logie und Pharmakologie S. 385—410. Zwei Kaninchen und
elf Hunde dienten als Versuchsthiere ; die beiden ersten nur,
um den Erfolg der gleichzeitigen Einspritzung von Morphin
und Atropin im Allgemeinen vorzuführen, die elf Hunde, um
längere Zeit hindurch die Einzelheiten zu ersehen. Als Instru¬
ment zum Messen der Athemgrösse wurde eine feine Experi-
mentir-Gasuhr, in welche hinein die Thiere athmeten, benutzt.
Alle fünf Minuten wurden die gewonnenen Zahlen addirt, um
so grössere vergleichbare Durchschnittszahlen zu erhalten.
Die Thiere wurden zuerst durch das Morphin vollständig be¬
täubt, ihre Athmungsgrösse in diesem Zustande gemessen, ihnen
dann das Atropin subcutan eingespritzt und nun wieder die
etwaige Veränderung der Athmung* aufgenommen. Das Resultat
war ein gleichmässiges in allen elf Versuchen: Stets folgte der
Einspritzung in kurzer Zeit ein merkbares Ansteigen der durch
das Morphin stark herabgedrückten Athmungsgrösse, das nur
auf das Atropin bezogen werden konnte. Hier die Uebersicht
nach der Nummer des Versuchs und den Prozenten des An¬
steigens:
Versuch: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Procent: 100 19 20 20 44 133 50 35 30 27
11 12 13
45 u. 51 41 u. 34 36 u. 587
Im Versuche 6 musste während der Steigerung* abge¬
brochen werden, weil die Gasuhr für so grosse Mengen nicht
eingerichtet war; das Resultat wäre sonst noch besser geworden.
Die Hunde blieben während des ganzen Versuches ruhig;
keine Spur von Zuckungen oder Krämpfen trat auf. Das
entsprach den vorsichtig gewählten Gaben des Atropins. Diese
bewegten sich zwischen 0,003 und 0,016 auf das Thier. Nur
in den beiden letzten Versuchen wurde auf 0,025 und 0,055 ge¬
stiegen, um zu sehen, ob solche höhere Gaben einen wesentlich
stärkeren Erfolg hätten. Das war nicht der Fall, wobei frei¬
lich nicht vergessen werden darf, dass bei Hunden die indivi¬
duelle Empfänglichkeit gegen Gifte eine höchst verschiedene
ist, selbst bei vollständiger Gleichstellung des Giftes auf das
Körpergewicht.
Schon v. ßezold hatte im Jahre 1867 beobachtet, dass
Atropin an Kaninchen und Hunden die Zahl der Athemzüge
38
Nicderrheinische Gesellschaft in Bonn.
erhöht, dass aber gleichzeitig* zu Anfang eine geringe und
rasch wieder verschwindende Abnahme eintritt. Er erklärte
dies so: von der Vene aus gelange das Atropin durch das
rechte Herz an die Lungenäste des Vagus und setze ihre Reiz¬
barkeit herab; bald darnach gelange es an das Athmungscen-
trum im Gehirn und erhöhe dessen Reizbarkeit stark genug,
um jene Herabsetzung mehr als auszugleichen (übercompen-
siren). War diese Deutung richtig, so musste das Atropin in
eine Carotis eingespritzt die Steigerung der Athmungsfrequenz
machen ohne die anfängliche Senkung. Das geschah wirklich
so und Dr. Vollmer bestätigte es in seinen Versuchen 12 und
13 auch für die Athmungsg r ö s s e.
Aus seinen 11 Versuchen, die alle miteinander überein¬
stimmten, zog Dr. Vollmer folgende Schlüsse:
I. Das Atropin ist im Stande bei Hunden die unter dem
Einfluss des Morphins stehende Athmungsgrösse bald und
deutlich zu steigern. II. Die Steigerung geschieht am raschesten,
wenn das Atropin nicht erst den Weg durch das rechte Herz in
die Lunge nimmt, sondern direkt das Gehirn trifft. III. Die
bekannte Schlussfolgerung aus den Versuchen von Binz und
H e u b a c h (Arch. f. exper. Path. u. Pharmakol. 1877, VIII, 31),
dass sich ein gegenseitiger Antagonismus zwischen Morphin
und Atropin in wichtigen Funktionen des Thieres feststcllen
lasse, ist auch für die Athmungsgrösse vollkommen richtig.
Dr. E. Vollmer hat der ausführlichen Schilderung seiner
Versuche eine kurze Kritik der Gegenversuche angefügt, die
U nverri c h t und 0 rlowski in Dorpat gegen Ende des
vorigen Jahres veröffentlicht haben. Die Dorpater Versuche,
welche die Resultate von Binz und Heubach verneinen und
dem Atropin nur eine die Athmungsgrösse herab setzende
Wirkung zusprechen, unterscheiden sich von den jetzigen und
früheren Bonner Versuchen wesentlich dadurch, dass sie alle
10 von heftigsten Krämpfen reden, die bei den zuerst morphini-
sirten und dann atropinisirten Hunden auftraten. Diese Krämpfe
werden „epileptiform, sehr heftig und allgemein, andauernd
und allgemein, fortwährend“ und ähnlich genannt, haben bis
zu 3/4 Minuten Dauer und — während des Tobens dieser Krämpfe
wurde die Athmungsgrösse ruhig weiter gemessen und als
massgebend notirt. Nach Vollmer sind derartige Messungen
absolut unbrauchbar, weil durch die heftige Mitleidenschaft
der Athemmuskeln die Athmungsgrösse nach beiden Seiten hin
beeinflusst werden kann, durch krampfhafte Bewegungen und
durch krampfhaften Stillstand des Zwerchfells und durch die
nothwendig eintretende Erschöpfung, die die Mehrzahl der
Sitzung vom 21. November 1892. 39
Versuchshunde von Unverricht und Orlowski zu Tode
brachte. Es wird dies alles und der Gegensatz gegen die
Versuche von Binz und Heu b ach verständlich, wenn man
die Gaben berechnet und vergleicht, welche in den Bonner
und in den Dorpater Versuchen innerhalb weniger Stunden
benutzt worden sind. Folgende Zusammenstellung zeigt das.
Es haben gegeben auf das Kilo Hund:
Morphin Atropin
Binz-Heubach . 0,0446 0,00067
Unverriecht-Orlowski. . 0,0076 0,14335
Hieraus ergibt sich weiter, dass die Dorpater Forscher
auf das Kilo Thier 214 Mal mehr Atropin gegeben haben, als
die Bonner. Dieser colossale Unterschied wächst in ganz
unkontrollirbarem Maasse dadurch, dass in Dorpat das Atropin
stets direct ins Blut gespritzt wurde, in Bonn stets, mit Aus¬
nahme von Versuch 12 und 13, nur unter die Haut. Man kann
ein solches Verfahren mit folgendem vergleichen: Ein dünner
Stock und die damit ansgeführten Schläge sind ganz geeignet,
ein müdes und erschlafftes Thier zu bessern Bewegungen an¬
zutreiben. Verstärkt man dieses Erregungsmittel auf mehr als
das 214 fache seines Gewichts, so wird eine Keule daraus, und
schlägt man damit auf das Thier los, so bricht man ihm die
Rippen und das Rückgrat; statt sich besser zu bewegen, sinkt
es zusammen und verendet in Krämpfen, geradeso wie die
Dorpater durch ungeheure Gaben Atropin vergifteten Hunde
es gethan haben.
Das sind die Versuche, von denen Herr Unverricht
gesagt hat (Cbl. f. klin. Med. 1892, S. 52), sie seien „so verhäng-
nissvoll für die B i n z ’sclien Anschauungen geworden“. Der
Verfasser kommt zu dem Schluss:
„Die Versuche Orlowski ’s sind keine Wiederholung,
Prüfung und Widerlegung der Versuche H e u b a c h ’s, son¬
dern sie zeigen nichts weiter, als dass man Hunde durch starke
Gaben Atropin zu heftigen Krämpfen und zu Tode bringen
kann. Das aber ist eine altbekannte Thatsache, welche, so¬
weit ich die Literatur kenne, noch von Niemand bezweifelt
wurde.“ Die früheren Versuche und Einwände, die II. Len¬
ti a-rtz in Leipzig gegen die Behauptung der erregenden
Wirkungen des Atropins gemacht hat und worauf U n v e r -
r i c h t und sein Schüler sich berufen, sind ebenfalls durch
das Experiment und die Erfahrung widerlegt worden (vgl.
Deutsche med. Wochenschrift 1887, Nr. 2 und Arch. f. klin.
Med. 1887, Bd. 41, S. 174). Man kann nur im Zweifel darüber
40
Niederrheinische Gesellschaft in Bonn.
sein, welche von den beiden gegnerischen Arbeiten die ver¬
fehlteste ist.
3. Prof. Schnitze: a) lieber einen Fall von Sarconi
des linken Yorhofs. — b) Grosser Tumor der linken Pleura¬
höhle mit Dermoidcyste.
Beide Vorträge werden in Dissertationen veröffentlicht.
Sitzung vom 12. Dezember 1892.
Vorsitzender: Prof. Schultz e.
Anwesend: 25 Mitglieder.
Dr. Weber wird als ordentliches Mitglied aufgenommen.
1. Prof. Nussbaum: Vergleichende Studien über die
Orbita des Menschen und der Tliiere.
2. Prof. N u s s b a u m : Ueber Geschlechtsentwicklung
bei Polypen.
Anknüpfend an die erste Mittheilung über diesen Gegen¬
stand in der Sitzung vom 27. Februar d. J. kann ich heute
über das Folgende berichten.
In dem Hauptaquarium a sind seit der zuletzt beschrie¬
benen Periode bis gegen Mitte September 1892 in fünf geson¬
derten Perioden Weibchen aufgetreten. Es wurde kein ein¬
ziges Thier mit Hoden während dieser Zeit gefunden.
Aus demselben Hauptaquarium wurden Anfangs Juli 1892
6 Weibchen, deren Eier unbefruchtet abgefällen waren, in ein
neues, drittes Aquarium, das wir c nennen wollen, hineingesetzt.
Diese Polypen haben bis zum November dieses Jahres, also in
vier Monaten in fünf getrennten Perioden nur Eier producirt.
Männliche Exemplare oder Zwitter sind nicht aufgetreten.
Das Aquarium b, in dem bis zur Abfassung meines er¬
sten Berichtes nur Männchen aufgetreten waren, hat sich seit
jener Zeit folgendermassen verhalten.
Am 7. März 1892 fand sich ein Männchen und ein Weib¬
chen. In einer langgedehnten Periode vom 18. April bis 25. Mai
1892 traten nur Männchen auf. Im Juni, Juli und August, also
in drei getrennten Perioden 4 ^ und 2 9, 3 cf 2 2^
und 1 $ .
Von den Polypen dieses Aquarium sind seit dem August
bis heute keine Generationsorgane gebildet worden. Im No-
41
Sitzung- vom 12. Dezember 1892.
vember dieses Jahres brachte ich aus diesem Aquarium b vier
Polypen in ein neues Aquarium d. Hier haben sie gegen Ende
November alle vier Eier gebildet.
Von diesen vier Thieren wurde eins, dessen Eier eben
abgefallen waren, in das Aquarium b, woher es genommen war,
zurückgebracht. Darüber wird dann später zu berichten sein.
Nach meinen bisherigen Ermittelungen scheint weder die
Grösse der Aquarien, noch das Licht, sondern blos das Futter
auf die Entstehung des Geschlechts der von mir beobachteten
Polypen von Einfluss zu sein. Bei reichlichem Futter, wobei
nicht allein das absolute Maass des Futters, sondern auch die
Zahl der Polypen eine Rolle spielte, entstanden nur Weibchen.
Damit würden auch die Angaben der Autoren im Einklang
stehen, dass man im Freien während des Herbstes vorzugs¬
weise Männchen gefunden habe. Ich selbst habe früher in
meinen Aquarien dasselbe beobachtet, als die Polypen meiner
Zucht noch Zwitter waren. Offenbar wird gegen den Winter
das Futter für die Polypen, die bis dahin durch Knospung sich
reichlich vermehrt haben, seltener.
Ich bemerke noch, dass durch die vorhergehenden Da¬
ten über das Auftreten der Geschlechtsorgane sich auch die
Angaben der Autoren über die Brunstzeiten der Polypen des
süssen Wassers alle als richtig erweisen. Das Auftreten der
Geschlechtsorgane ist eben an keine bestimmte Jahreszeit ge¬
bunden.
3. Prof. U n gar: Ueber Carhol Vergiftung vom Darm aus.
4. Prof. Ivoester: Demonstration eines Lungentumors.
Universitäts-Buchdruckcrei von Carl Georgi in Bonn.
NOV 1 3
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V erhandlungen
des
naturhistorischen Vereins
der
preussisclien Rheinlande, Westfalens und des
Reg.-Bezirks Osnabrück?--
Herausgegeben
vön
Dr. Pli. Bertkau,
Sekretär cles Vereins.
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5?* .
Xeunundvierzigster J ahrgang.
Fünfte Folge: 9. Jahrgang.
Verhandlungen Bogen 1 — 16*. Korrespondenzblatt Bogen 1 — 4.
Sitzungsberichte der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur-
und Heilkunde Bogen 1 — 2.
Mit 4 Tafeln und 2 Holzschnitten.
Erste Hälfte.
Bonn.
In Kommission bei Friedrich Cohen.
1892.
Für die in dieser Vereinsschrift veröffentlichten Mittei¬
lungen sind die betreffenden Autoren allein verantwortlich.
Inhalt der ersten Hälfte
Verhandlungen. Seite
Fr. Vogel: Das Ober-Senon von Irnich am Nordrand der
Eifel (Taf. I) . • . 1
A. Wollemann: Verzeichniss der im Eisenstein des Lias y
von Rottorf am Kley bei Helmstedt bislang gefundenen
Versteinerungen . 107
A. Hosius: Beiträge zur Kenntniss der Foraminiferen-Fauna
des Miocäns (Taf. II, III) . 148
F. Lehmann: Die Lamellibranchiaten des Miocäns von
Dingden. 1. Theil (Taf. IV) . 198
Korrespondenzblatt.
Mitgliederverzeichniss des Naturhistorischen Vereins .... 1
Bericht über die 49. Generalversammlung des Naturhistorischen
Vereins . 26
Bericht über die Lage und Thätig*keit des Vereins im J. 1891 26
v. Hägens: Das Neanderthal in naturgeschichtlicher Hinsicht 29
K. Könen: Über das relative Alter der Ablagerungen im
Neanderthal . 31
Scha aff hausen: Über die Urzeugung . 32
Jansen: Warum wird bei einem mehrstimmigen Satze die
Melodie der Oberstimme zugewiesen? . 40
Heus ler: Über die kohlensauren Quellen bei Burg'brohl . . 40
Fabricius : Geologische Karte der Rheinprovinz, Westfalens etc.
im Massstabe 1/89000 . 48
S chaaffh ausen: Prähistorische und römische Funde ... 50
Rau ff: Fossilisationsprozess gewisser verkieselter Spongien . 51
— Über fälschlich für Fossilien (Vexillum, Dädalus, Dictyo-
dora u. s. w.) gehaltene, auf innere Gesteinsstauchungen
zurückzuführende Gesteinsbildungen . 57
E. Lienenklaus: Ostracoden des nordwestdeutschen Tertiärs 58
Bertkau: Bau der Giftdrüse einheimischer Spinnen ... 59
Farwick: Thierwelt des Viersener Gebiets . 60
Frauberger: Verwerthung von Thier- und Pflanzenformen
im Kunstgewerbe . 60
Sitzungsberichte der niederrh. Gesellschaft.
Bericht über den Zustand der Gesellschaft im Jahre 1891 . . 1
A. König: Die Kriechthierfauna Tunesiens . 3
Schaaffhausen: Vorgeschichtliche Funde in Mähren ... 26
Die Mitglieder werden gebeten, etwaige Aenderungen
ihrer Adresse zur Kenntniss des Yereinssekretärs zu bringen,
weil nur auf diese Weise diA regelmässige Zusendung der
Vereinsschriften gesichert ist.
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