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OF
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
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VERHANDLUNGEN
NATURWISSENSCHAFTLICHEN
VEREINS
HAMBURG
1899:
3. FOLGE 1.
INHALT:
. Vorwort,
. Jahresbericht und Mitteilungen aus den Vereins- und Gruppen-Sitzungen,
. Verzeichnis der in Austausch empfangenen Schriften.
. Mitgliederverzeichnis.
. Über die Flora der Hamburger Wasserkasten vor Betriebseröffnung der Filtrationsanlagen,
von Dr. R. TımMm.
6. Über afrikanische und südamerikanische Süsswasserbryozöen, von Prof. Dr. KRAEPELIN.
7. Die Aufgaben und die Organisation des botanischen Gartens zu Hamburg, von Dr. Fr.
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ÄHLBORN.
8. Die Schuppen der Säugetiere, von Dr. L. REH.
9. Ein verzweigter Bandwurm, von Dr. Fr. AHLBORN.
10, Die Umwandlung der Arten, ein Vorgang funktioneller Selbstgestaltung, von Dr. GEORG
PFEFFER,
ı1. Die inneren Fehler der Weismannschen Keimplasma-T'heorie, von Dr. GEORG PFEFFER.
HAMBURG 1894.
L. FRIEDERICHSEN & Co.
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Vorwort.
Infolge Vereinsbeschlusses werden von diesem Jahre an
wieder »Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in
Hamburg« herausgegeben, welche jährlich sofort nach der im
Januar stattfindenden Hauptversammlung erscheinen sollen. Der
Zweck dieser »Verhandlungen« ist einmal, den geschäftlichen
Teil der Vereinsthätigkeit den Vereinsmitgliedern und den mit
uns im Schriftenaustausch stehenden Gesellschaften schnell und
regelmäfsig zugehen lassen zu können, ferner aber den Ver-
einsmitgliedern die Möglichkeit zu geben, Vorträge aus den
Sitzungen, welche etwas wesentliches oder neues bieten, ausführ-
lich oder in kürzeren Berichten möglichst bald veröffentlichen zu
können. Da die »Neue Folge« der »Verhandlungen« seit dem
Jahrgang 1881 unterbrochen ist, so werden die nunmehr folgen-
den Hefte als »Dritte Folge« bezeichnet.
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Peizcechaltlicher Ten.
Jahresbericht für 1893.
ı. Mitglieder.
Die Zahl der Mitglieder des Vereins betrug am 1. Ja-
nuar 1893 in Summa 343, davon waren:
Wirkliche Mitglieder . . . . 276
Ehrenmitglieder . . . 44
Correspondierende Wntelieder 24
Summa 343
Von den 276 wirklichen Mitgliedern schieden im Laufe
des Jahres aus a) durch Tod 6, b) durch Verzug oder aus
anderen Gründen 19, im Ganzen 25. Neu aufgenommen wurden
25 Mitglieder.
Die Zahl der Ehrenmitglieder verminderte sich durch Tod
um 3 (Dr. Zmzin Pascha, Professor Carl Semper-Würzburg, Pro”
fessor /Teinr. Hertz-Bonn), die correspondierenden vermehrten
sich um eines.
Beim Jahresabschluss zählte der Verein daher:
WirkliehesNMitslieder , 7... 276
Ehrenmitoliedery 2 . 29 „E41
Correspondierende Mitglieder . 24
in Summa 341 Mitglieder.
2. Die Thätigkeit des Vereins.
An Sitzungen wurden im Ganzen 38 während des Bericht-
erstattungsjahres abgehalten, davon eine öffentlich und 4 gemein-
schaftlich mit der Gruppe Hamburg-Altona der deutschen An-
thropologischen Gesellschaft.
Besucht wurden diese Sitzungen durchschnittlich von 33,5 Mit-
gliedern. Die grösste Besucherzahl betrug 70, die kleinste 20.
An Gästen sind im Ganzen 74 in die Präsenzliste eingetragen.
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Die Zahl der Vorträge, Demonstrationen etc. betrug im
Ganzen 66. Davon waren aus dem Wissensgebiete der
Zoolegier 2.815
Ehysik 4.445: 18
Botanik: „ne dl
Chemie =. 16
Anthropologie. 5
Mineralogie. . 3
Technologie 3
Mathematik I
Biographie I
Summa 66
Aktıv waren an diesen Vorträgen 34 Mitglieder beteiligt.
Die Thätigkeit in den Gruppen gestalte sich folgender-
massen:!
a) In der physikalischen Gruppe wurden im Ganzen
3 Sitzungen abgehalten, in denen 6 verschiedene
Themata zu Besprechung kamen;
b) In der botanischen Gruppe wurden 5 Sitzungen ab-
gehalten, in denen 7 verschiedene Vorträge gehalten
wurden. Ausserdem veranstaltete die Gruppe eine
Excursion;
c) Die Zoologische Gruppe hatte im Ganzen 7 Sonder-
sitzungen, in denen 16 Themata behandelt sind.
Der Vorstand hat zur Vorbereitung und Erledigung ge-
<
schäftlicher Angelegenheiten 6 Sitzungen abgehalten.
Abhandlungen sind vom Verein in diesem Jahre nicht
herausgegeben, dagegen wurde die regelmässige Wiederheraus-
gabe von Verhandlungen am Ende jeden Vereins-Jahres zum
Beschluss erhoben.
Der Schriftenaustausch hat sich gegen das Vorjahr nicht
vermehrt.
Zu besonderen Zwecken wurden aus Vereinsmitteln bewilligt:
a) 100 Mk. für die Vorführung der Akka-Zwerginnen
durch Herrn Dr. Stuhlmann.
b) 150 Mk. als Beitrag zu einem in Göttingen zu er-
richtenden Gauss- Weder-Denkmal.
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3. Von bemerkenswerten Ereignissen im Vereinsleben
ist zunächt der Auflösung des Zweigvereins Hamburg-Altona der
deutschen Meteorologischen Gesellschaft Erwähnung zu thun,
wodurch das mit demselben abgeschlossene Abkommen über
gemeinschaftliche Sitzungen hinfällig wurde.
Ausflüge mit Damen während des Sommers wurden zwei
unternommen, deren einer die Waldungen der Hake bei Harburg,
deren anderer die neuen Filteranlagen der Hamburger Wasser-
werke zum Ziel hatte.
Das szojährige Bestehen des Naturhistorischen Museums
wurde am 17. Mai d. Jahres durch einen solennen Commers im
Kreise der Mitglieder gefeiert; ein ähnliches Fest war zu Ehren
des wiederum nach Afrika zurückkehrenden Dr. Siw/lmann am
S. November veranstaltet.
Das 56. Stiftungsfest des Vereins ıst am 26. November d. ].
in üblicher Weise mit Vortrag, Festessen und Tanz in den
Räumen des Victoria-Hötels gefeiert worden.
Vorgelesen in der Hauptversammlung den 31. Januar 1894.
Kraepelin,
d. Z. Vorsitzender des Vereins.
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1893.
Januar 4. Herr Dr. S/whklmann: Ethnographische Mitteilungen
über Ost-Afrika.
» 11. Herr Dir. Dr. Bolau: Über den Biber.
» 18. Herr Dr. Walter: Über Schillerfarben.
25. (Hauptversammluug): 1) Erledigung der statuten-
mässigen Geschäfte.
2) Herr Prof. Dr. Voller: Die Curven des hambur-
gischen Grundwassers seit Anfang Juni.
Februar Il. (Gemeinschaftliche Sitzung mit der Gruppe Hamburg
der deutschen Anthropologischen Gesellschaft.)
Herr Dr. Zagen: Narbenzeichen, Körperbemalen,
Tätowieren.
» 8. (Vortragsabend der physikalischen Gruppe.) 1) Be-
richt der Kassenrevisoren.
2) Herr Dr. Ärüss: Über die amtlichen Beglau-
bigungsvorschriften der Lichteinheit.
15. (Vortragsabend der botanischen Gruppe.) Herr
Dr. Timm: Über Alpenpflanzen.
22. ı) Herr A. Fenchel: Dr. Roese’s Modelle der Zahn-
entwickelung des Menschen.
2) Herr Dr. v. Brunn: Entwickelungsgeschichtliche
Präparate des naturhistorischen Museums.
März 1. ı) Herr Prof. 77. Ahlborn: Der Puluhsche Apparat zur
Bestimmung des mechanischen Wärmeaequivalents.
2) Herr Ä. Holten: Methoden der Untersuchung von
Mikroorganismen.
» 8. ı) Mitteilung betreffend gemeinsame Sitzung mit der
geographischen Gesellschaft und dem ärztlichen
Verein (Dr. Stuhlmann’s Zwerginnen).
2) Herr Dr. Gottsche: Über das Diluvium von Nord-
Amerika.
» 15. ı) Mitteilung über eine botanische Excursion nach
Harburg.
März 15.
April 9.
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2) Herr Dr. Pfeffer: Das Gleichgewicht des tierischen
Zusammenlebens nnd seine Störungen.
(Demonstrationsabend),. ı) Herr Dir. Dr. Dolau:
Zitterwels; Lustbau des Laubenvogels.
2itleır Brot Dr. > Koller und. ker Dr. Classen:
Skioptikon mit Zirkonlicht.
3) Herr Prof, Dr. Äraepelin: Präparate von Säuge-
tierembryonen und von Insekten.
Herr Sredbel: Die sozialen Zustände
(Azteken) zur Zeit der Eroberung.
(Vortragsabend der physikalischen Gruppe.) Herr Prof.
Kiessling: Die Entstehung stehender Luftwellen.
(Vortragsabend der botanischen Gruppe.) Herr Dr.
Schäffer: Das Laubblatt unserer heutigen Pflanzen
als Mittel zur Erkenntnis ihrer vorweltlichen Ab-
stammung.
der Mexicas
(Demonstrationsabend) ı) Herr Dir. Dr. Bo/au: Lu-
cernaria Leuckarti; Panter von Korea.
2) Herr S/redel: Proben moderner mexikanischer Hand-
fertigkeit.
3) Herr Dr. Rei: Asymmetrie von Säugetierschädeln.
4) Herr Dr. Petersen: Flüssige Kohlensäure in Topas.
5) Herr Dr. Arüss: Abbe’sches Refraktometer.
Herr Dr. Zangfurth: 1) Über die chemische und bak-
teriologische Prüfung der Pasteur'schen Filter.
2) Über den wachsenden Salzgchalt des Elbwassers
und seine Bedeutung für die Entwickelung von
Bakterien.
ı) Mitteilungen betreffend a) festliche Nachsitzung am
17. Mai in Anlass des zojährigen Bestehens des
naturhistorischen Museums.
b) Ausflug mit Damen zm 31. Mai nach Huaruch.
2) Herr Dr. F. Aklborn: Die Mechanik des Vogel-
fluges 1.
ı) Herr Prof. Dr. Araepelin: Geschichtlicher Rückblick
auf die Entwickelung des naturhistorischen Museums
zu Hamburg.
2) Herr Dr. Wohlwill: Die Physik des Aristoteles.
XIV.
November 29. ı) b) Apparat zur Veranschaulichung der von
einem fallenden Pendel geleisteten Arbeit.
2) Herr Dr. C/assen: Apparat zur Messung der
Stromstärke, empfindliches Elektrometer.
3) Herr Dr. Goffsche: Mammuthreste in Schles-
wig-Holstein.
4) Herr Dr. Ainneberg:: Batate (Dioscoraea).
Dezember 6. (Gemeinsame Sitzung mit der Gruppe Hamburg
der deutschen anthropol. Gesellschaft). Herr
Dannenberg (Gast): Einiges über die im deut-
schen Schutzgebiete wohnenden Bakoko,
> 13. (Vortragsabend der physikalischen Gruppe). Herr
Prof. Aress/ing: Die Bestimmung der Wellen-
länge des Lichtes und ihre physikalische Be-
deutung.
» 20. ı) Herr Dr. Krüss: Das Netzhautbild des In-
sektenauges.
2) Herr Prof. Dr. Araepelin: Die Verarbeitung
gefallener Tiere zu Guano in der Ham-
burger Abdeckerei.
1894.
Januar 10. (Öffentliche Sitzung in der Aula des Johanneums).
Herr Geheimrat Prof. Dr. Neumayer: Georg Adam
Forster als deutscher Naturforscher, Gedächtnis-
rede an seinem Todestage vor 100 Jahren.
» 17. (Vortragsabend der zoologischen Gruppe). Herr Dr.
F. Ahlborn: Die Mechanik des Vogelfluges II.
» 24. (Vortragsabend der botanischen Gruppe). Herr Dr.
Timm: Zur Geschichte der Einführung fremd-
ländischer Pflanzen.
» 831. Hauptversammlung. ı) Erledigung der satzungs-
mässigen Geschäfte.
2) Herr Dr. v. Brunn:
3) Herr Dr. Pfeffer: Anpassungs-Verhältnisse, er-
läutert an Schlangen.
Zusammen 42 Sitzungen (bis Dezember einschliesslich 38).
XV.
Physikalische Gruppe.
1893.
März 18. Herr Dr. Walter: Referat über die Arbeit von Snow:
Über das ultraviolette Spektrum der Alkalien.
Herr Dr. Classen: Über die Strahlenbrechung auf der
Sonne nach A. Schmidt.
Juni 17. Herr Professor Aressling: Über die Untersuchungen
von Rıcharz und Menzel, betreffend die Abnahme
der Schwere mit der Höhe und über die Dichtig-
keit der Frde
Herr Professor Voller: Über den kritischen Bericht von
Professor Dorn an die physikalische Reichsanstalt
über den wahrscheinlichen Wert des Ohm nach den
bisherigen Messungen.
September 9. 1) Herr Professor Voller: Zur Frage der Störung
des Fernsprechverkehrs durch den blanken
Mittelleiter elektrischer Beleuchtungsanlagen.
2) Erfahrungen an Accumulatoren.
November 18. Herr Dr. Walter: Über die Strahlung erhitzter Gase.
Herr Prof. Kiessling: Über die Arbeit von Raps:
Über die Schwingungen in Orgelpfeifen.
Zoologische Gruppe.
1893.
Januar 23. Herr Dr. Schwarze: Die Embryologie der Trematoden.
Februar 27. Herr Dr. /. Reh: Über den Hautpanzer der Säugetiere.
HerrDr R. Zimm: Copepodenfamilie der Monstrilliden.
April 24. Herr Dr. W. Fischer: Über den Hautmuskelschlauch
der Gephyreen.
Herr Dr. M. v. Brunn: Hervorragende Werke der
neueren entomologischen Litteratur.
Juni 26. Herr Dr. G. Pfeffer: Bericht über die diesjährige
Versammlung der Zoologischen Gesellschaft.
Herr Professor Ä. KAraepelin: Buthus afer — eine
Nomenclaturstudie.
September 25. Herr Dr. M.». Brunn: Über die systematischen
Merkmale der Orthopteren.
Herr Dr. R. Timm: Demonstration zweier
Copepoden.
xVl.
September 25. Herr Professor A. Kraepelin: Über afrikanische
und südamerikanische Süsswasser-Bryozoen.
October 30. Herr Dr. G. Pfeffer: Die Echinodermenfauna des
nördlichen Eismeeres.
Herr Dr. W, Frscher: Kiemen und. kiemenartige
Organe der Gephyreen.
Herr Dr. R. Zzmm: Einige Tierformen des Plankton.
November 20. Herr Dr. W. Michaelsen: Die ven ihm besuch-
ten südamerikanischen Museen.
Herr Dr. M.v. Brunn: Einige neue Objekte des
Naturhistorischen Museums.
1894.
Januar 29. Hauptversammlung.
Herr Dr. Z. Reh: Über die Schuppen der Säugetiere.
Herr Dr. @. Pfeffer: Über Artbildung durch funktio-
nelle Selbstgestaltung.
Botanische Gruppe.
1893.
Februar 25. Herr Z. H. Winter: Über die Diatomeen und die
Technik ihrer Präparation.
März 11. Herr W. Spzegelberg: Die Cilienfärbung der Bakterien.
April 15. Herr Dr. R. Zzimm: Bericht über die botanische
Exkursion der Gruppe.
Herr Dr. W. Schwarze: Demonstration morpholo-
gischer und biologischer Präparate.
October 21. Herr Dr. G. Mielke: Über die Biologie und
Anatomie der kletternden Bignoniaceen.
December 9. Herr Dr. C. Schäffer: Ergänzungen zu den Mit-
teilungen über die phylogenetische Bedeutung
der Blattformen.
Herr W. Spiegelberg: Über Bacterienzüchtung.
Verzeichnis
der eingegangenen Gesellschafts-Schriften.
Vom ı. November 1892 bis 24. März 1894.
(Wir bitten, dies Verzeichnis zugleich als Empfangs-Beleg ansehen zu wollen,
soweit nicht bereits eine Bescheinigung ausgestellt ist.)
ALBANnY. New-York State Museum. Annual Report 44. Bulletin.
Vol. I, 1—6; Vol. Il, 7—1o.
ALTENBURG. Mitteilungen aus dem Österlande. Bd. V. Verzeichnis
der Mitglieder 1882.
AMIENS. Societe Lineenne du Nord de la France. Bulletins Tom.
X, XI; Memoirs Tom. VII.
AMSTERDAM. Koninkliie Akademie van Wetenschapen. Verhande-
lingen. Deel I (1892), Deel II (1893). — Verslagen en Mede-
deelingen, Afd. Natuurkunde. (3) IX. Register zu Deel I—IX.
Versl, der Zittingen v. 25. Juni 1892 tot 28. April 1893.
BaAsEL. Naturforschende Gesellschaft. Bd. X. Heft ı.
BELFAST. Natural History and Philosophical Society. Report and
Proceedings 1891/92.
BERLIN. Königlich Preussisches Meteorologisches Institut. Ergeb-
nisse meteorologischer Beobachtungen. 1892 Heft Il. 1890
Heft III. Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen im Jahre
1891. Bericht über die Thätigkeit 1891. 1892.
Botanischer Verein der Provinz Brandenburg. Verhandlungen.
Jahrgang XXXIUI. XXXIV.
BERGEN. Museum. Aarsberetning 1891.
Bıstrıtz. Gewerbeschule. Jahresbericht XVII.
BoLoGnA. Accademia delle Scienze. (5) I. U.
Bonn. Naturwissenschaftlicher Verein der Preussischen Rheinlande
und Westfalen. Verhandlungen. 49. Jahrgang. z. Hälfte.
Boston. Society of Natural History. Proceedings Vol. XXV pts.
3, 4. Memoirs IV, Numb. ıo.
BREMEN. Naturwissenschaftlicher Verein. Abhandlungen. XII, 3.
Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1892. Meteorolog.
Station I. Ordnung Bremen. Ill. Jahrgang. Ergebnisse meteoro-
logischer Beobachtungen Il. Ill,
[5
XVII.
BRISBANE. Royal Society of Queensland. Proceedings, Vol. IX.
Brünn. Naturforscher-Verein. Verhandlungen. Vol. XXX. XXXI
Bericht der meteorologischen Kommission. X. XI.
BrÜsser. Societe entomologique de Belgique. Annales XXXIV.
XXXV. Memoıirs I.
Academie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-arts.
Memoires Tom. XLVII; XLIX; L; ı. part. — Memoires cou-
ronnes, Tom. LI; Tom. XLVI (in 3°). Annuaire 1892. 1893.
Bulletin (3) XXI, XXIII, XXIV.
Bupapzst. Königl. Ungarische Naturwissenschaftliche Gesellschaft.
Termeszetrajzi Rüzetek. 7892, 345'4.4Eüzet;-1393, arazr
4. Füzet.
CaEnN. Societe Lineenne de Normandie. Bulletins. (4) V, VL VL.
ı. fasc. Memoires XVII.
CaLcuTTA. Asiatic Society of Bengal. Journal. Vol. 1,XI pt. U,
No. 2,:3,°1392 1 EXIT pr ID No. T228
CAMBRIDGE (Engl.). University Morphological Laboratory. Studies.
Vok-+Vk 2:
CAMBRIDGE (Mass.),. Museum of Comparative Zoology. Annual
Report 1891/92. 1892/93. Bulletin. Vol. XIV, No. 3. Vol.
XVI, No.’i1, 122° Volk RXIL No. 4, 57.6; Volazaaane
No. I—4.. Vol. AXV, No, 2,34%
CasseL. Verein für Naturkunde, Bericht 1891/92.
CHERBOURG. Societe nationale des Sciences naturelles. Memoires
XXVI.
CIncInNATI. Museum Association; ı2. Annual Report 1892.
CHUR. Naturforschende Gesellschaft in Graubünden. Jahresbericht.
Neue Folge, XXXVI. Bd.
CoRrDOBA. Academia nacional de Ciencias. DBoletin. Tom. X,
Entr. 4a; Tom. XI, Entr. 4a.
DanzıG. Naturforschende Gesellschaft. Schriften. VIII, ı. Heft.
Festschrift zur Feier des ızojähr. Bestehens am 2. Jan. 1893.
Dorrpar. Naturforschende Gesellschaft. Sitzungsbericht X, 1.
DRESDEN. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Jahresbericht
1892/93.
Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis. Jahrgang 1892, Januar
bis Juni.
DusLin. Royal Society. Proceedings Vol. VII, pt. 3, 4. Trans-
actions Vol. IV, No. X—XI.
XIX.
Duertin. Royal Irish Academy. Transactions Vol. XXX, pt. ı--ıo,
Nachtrag zu Vol. XXX, pt. ı. Proceedings (3) II, No. 3; II,
No. ı.
DÜRKHEIM. Pollichia. Naturwissenschaftlicher Verein der Rhein-
pfalz. Festschrift zur zojährigen Stiftungsfeier 1892.
EDINBURGH. Royal Society. Proceedings XVIIL, XIX. Transactions
DERXVI, Bi. 2,73, XV, »pt. 1, 2:
FLORENZ. Biblioteca Nazionale Centrale. Pubblicazione Italiane.
Bolletino. No. 164— 196,
Soc. "Tose. SE Nak At» ProeHVerb. Vol:>VIL.
San FraAncısco. California Academy of Sciences. Occasional
Papers III.
FRANKFURT a. M. Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft.
Abhandlungen XVII, Heft ı, 2.
Ärztlicher Verein. Jahresbericht. XXXV, Tabellarische Über-
sicht Civilstand 1891.
FRANKFURT a. O. Societatum Litterae. VI, VI.
Naturw. Verein Helios. IX, ıı, ı2, X, XI, 1—0.
FREIBURG 1. B, Naturforschende Gesellschaft. Bericht VI, 1—4, VII.
St. GaLLen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Bericht 1890/91,
1891/92.
GENT. Botanisch Jaarboek. 1892, 1893.
GENnUA. Reale Accademia Medica. Boll. VII, 5, 6, VII, 1-3.
Grascow. Natural History Society. Proceedings and Transactions
I 52,:3.
GÖRLITZ. Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften. Neues
Lausitzisches Magazin. 68. Bd, 2. Heft.
GÖTTINGEN. Königl. Gesellschaft der Wissenschaften. Nachrichten.
1892, 1893.
Graz. Verein der Ärzte in Steiermark. Mitteilungen. Jahrgang 28, 29.
Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark.‘ 1891, 1892.
GREIFSWALD. Naturwissenschaftlicher Verein von Neu-Vorpommern
und Rügen. Mitteilungen XXIV, XXV.
Geographische Gesellschaft. Jahresbericht 5.
Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.
Archiv. Jahrgang 46.
HAARLEM. Musde Teyler, Archives (2) III, 6, part. IV, ı, part.
Harırax. Nova Scotia Academy. Proceedings and Transactions.
94 S.7-L%Dt., "772
XX,
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register der Publikationen 1892.
Verzeichnis der Mitglieder.
Abgeschlossen am 31. Dezember 1893.
Der Vorstand des Vereins bestand für das Jahr 1893 aus
folgenden Mitgliedern:
Erster Vorsitzender: Prof. KRAEPELIN.
Zweiter » Dr. -KrRüss:
Erster Schriftführer: Dr. TIımM.
Zweiter » Dr. PETERSEN.
Archivar: Dr. PFEFFER.
Schatzmeister: J. ARTHUR F. MEYER.
Ahlborn, F., Dr., Oberlehrer Hamburg 5. XI. 84.
Ahlborn, H., Prof., Oberlehrer » 23. 110278:
Ahrens, Caes., Dr. Chemiker » 10.9. 0B8
Albers, H. Edm. > 15.8290:
Amsinck, J., Dr. med., Arzt » IV er
Arens, Tierarzt > 29, AL
Bahnson, Dr., Prof., Oberlehrer » 38. NND
Bauch, E. M., Kaufmann » 30: Illeone:
Becker, C. S. M., Kaufmann > TS NXIPRBO:
Behn, J.-F., Dr., Anwalt > PVP
Berendt, Max, Ingenieur > 23. 1X oa
Berlien, E., Dr., Fabrikant Altona 28. XII. 64.
Berliner, Arn., Dr. Hamburg 2. V. 92
Berthold, Dr., A., Anwalt > 25: 0V4.84.
Bibliothek, königl. Berlin‘, ze Namıs2
Bigot, C., Dr., Fabrikbesitzer Hamburg 1. I. 89.
Bleske, Edgar >» 23.93,
Bock, August, Münzwardein » 122%. 78:
Bohnert, Dr., ord. Lehrer > 3,1402
Bolau, Heinr., Dr., Direktor des
Zoologischen Gartens » 25:.1V..08;
Bolte, Dr., Assistent a. d. Dtsch.
Seewarte Abt. IV. » DIRT:
XXV.
Borgert, H., Dr. phil. Hamburg 16. I.
Böger, R., Dr., Oberlehrer » DET:
Bönninghausen, v., V. >» 8. XI.
Bösenberg, Wm., Kaufmann Pforzheim ?X.
Braasch, Dr., Prof., Oberlehrer Hamburg 14. 1.
Brackenhoeft, Dr. E. Anwalt » IN:
Bremer, 1. C. Altona. 1.231 1,
Brick, Dr. C., Assistent am Bo-
tanıschen Museum Hamburg TI
Brunn, M. von, Dr., Assistent
am Naturhist. Museum » 2- RR
Büchel, Dr., Oberlehrer » De RU
u...@% SH
Buhbe, Charles » 25, DR:
Buchheister, J., Dr. med., Arzt >» T7.AXxIE
Burau, H., Kaufmann » DIR
Burmeister, H., Kaufmann » DAR DR
Busche, G. v. d., Kaufmann » 26. XI.
Cappel, C. W. F., Kaufmann > 29V
Christiansen, T., Schulvorsteher > AN;
Classen, Johs., Dr., Assistent am
Physikal. Staatslaboratorıum » 26. X,
Cohen, Gustav, Kaufmann » 20. XI:
Cohn, Martin, Dr. med., Arzt > 7a Ze
Conn, Oscar, Kaufmann » DIOR
Dahlström, F. A., Photograph » 250],
Dannenberg, A., Kaufmann > 20/218
Dehn, Max, Dr. med., Arzt » DD
Dellevie, Dr. med., Arzt » 6.1
Dencker, F., Chronometer-Fabrik » 29.01:
Deseniss, F. H., Fabrikant 3 ERS.
Detels, Dr. phil. » 6 IV
Deutschmann, R., Prof., Dr.
med., Arzt y 29, IE.
Dieckmann jr., H. W., Kaufmann > 29. XI.
Dilling, Dr, Schulinspektor » 17. X
Eckermann, G., Ingenieur >» To.rlE
Eichelbaum, Dr., Arzt » a
und 10. VI.
XXVl.
Eichler, Carl, Dr:, Prof., Oberlehrer Altona 23.1.
Elias, Emil, Zahnarzt Hamburg 26. II.
Engelbrecht, A., Dr., I. Assistent
am chem. Staats-Laboratorium » 18. XH,
Engelbrecht, J., Dr. jur., Rechtsanw. Altona 14. VI.
Engel-Reimers, Dr. med., Arzt Hamburg 24. 1.
Erich, ©. H., Ingenieur > 26. X:
Ernst, Otto Aug., Kaufmann > 19. XII.
Ernst, O. C., in Firma Ernst &
von Spreckelsen >» Tal,
Fenchel, Ad., Zahnarzt > Tara
Fischer, Franz, Kaufmann > VSEIXE
Fischer We, ‚Dri,werd. ‚Lehrer Bergedorf 17.1
Fitzler, J., Dr., Chemiker Hamburg 16. I.
Fixsen, J. H., Kaufmann » 28..Xl.
Eraenkel; Eugen, Dr. med. Arzt» DOSENL
Freese, H., Kaufmann » IE:
Friederichsen, L., Verlagsbuchh. » 27, Na:
FritzI R. » LE
Gerlach, Eug. » 29. IV.
Geske, B. L. J., Kommerzienrat Altona 7. XI.
Geyer, Aug., Chemiker Hamburg 27. 11.
Gilbert, H., Dr., Chemiker » 22...
Glinzer, E., Dr., Lehrer an der
Gewerbeschule » 24, I.
Gottsche, Carl, Dr., Custos des
Naturhist. Museums, Abtei-
lung für Mineralogie > 19.1,
Gross, G., Dr., Dir. d. Hansaschule Bergedorf ? XH.
Groscurth, Dr., Oberlehrer Hamburg 31. II.
Gruwe, J., Dr. med., Arzt » 29.81:
Günter, G. H., Kaufmann » 25. II:
Güfsefeld, ©., Dr., Chemiker >» 26:
Guttentag, S. B., Kaufmann >» 29. Il.
Haas, Th., Sprachlehrer » 28:1:
Haeffner, M. Wandsbeck 16. XII.
Hagen, Carl, Dr., Assistent am
Museum für Völkerkunde Hamburg 26. II.
Hansen, G. A. » 13,9
86.
g1.
xXVı.
Hasche, W. O., Kaufmann Hamburg 30. II.
Hausenfelder, Johs., Schul-Inspektor » TO, XL
Heinemann, Dr., Lehrer f. Mathe-
matik und Naturwissenschaft > 28.1:
Heinsen, C. ]J., Dr., Anwalt » vor
Helmers, Dr., Chemiker » AR NV
Hempel,G. Dr., Chemiker > 204118
Hinneberg, P., Dr., Apotheker Altona 14. X.
Hipp, Dr., Apotheker Hamburg 21. X.
Hoff, E., Oberlehrer Altona 235. VI.
Hoffmann, Alfr., Bureauchef der
»Hamburger Nachrichten« Hamburg 26. V.
Hoffmann, E., Kaufmann N 29:\1V.
Hoffmann, :G., Dr. med.,-Arzt >» 34. I&,
Hot ea. Chirurg > Il.
Homfeld, Gymnasiallehrer Altona 26. Il.
Hüllmann jun. Hamburg 16-l.
Jacobi, A. > 13.47
Jaffe, Dr. med., Arzt > 19, XI.
Jantzen, A., Kaufmann >» 26. X.
Karnatz, Gymnasiallehrer > 18:3 1V;
Kayser, Th. > Ich
Keferstein, Dr., Oberlehrer > SiL.0G
Kiefsling, Prof., Oberlehrer > vor
Knipping, Erwin » 23. I;
Koechler,»k., Dr.ord,. lehrer > 172%,
Koepcke, J. J., Kaufmann N sk
Koepcke, A., Dr., Oberlehrer > ZEMART.:
Koeppen, Prof., Dr., Meteorolog
der Seewarte >» 28..Xl1:
Kotelmann, Dr. med., Arzt > 29. IE:
Kraepelin, Karl, Prof. Dr., Director
des Naturh. Museums > 29,8
Kratzenstein, Ferd., Kaufmann > 241
Kreidel=W., Dr’, Zahnärzt » Tor, M:
Kruser,, C.,’ Dr, med. Arzt > DI
Krüfs, H., Dr., Optiker » 271.18
Krüfs, E. J., Optiker > 15. X.
Kühnau, Max, Tierarzt > 29.HlV;
90.
80.
87.
xxVM.
Küsel, Oberlehrer, Dr. Altona 5. XI. 90.
Kuthe, E. F., Kaufmann Hamburg 23. sr
Lange, Oberförster Friedrichsruh 1. I. 89.
Lange, Wich., Dr, Schul-
vorsteher Hamburg 30. III. 8ı.
Langfurth, Dr., Apotheker Altona 30. IV. 79.
Lehmann, ©., Dr., Oberlehrer » 18..!V 1192
Bessing,.G., ‚BDrömed:, Arzt Hamburg 4. II. 9ı.
Leweck, Th., Dr. med., Arzt » 12." IV #98.
Lion, Eugen, Kaufmann » 27: R1.\78:
Lipschütz, Gustav, Kaufmann > XZ,
Lipschütz, Louis, Kaufmann > 250 Hay
Lipschütz, Oscar, Dr., Chemiker » 15. XII. 86.
‚Louvier, Osc. >» 121’BV20 93.
Lüders, C. W., Vorsteher des
Museums für Völkerkunde >» 30. XII. 68.
Lüttgens, E, Stadtrat Wandsbek 1864.
Maafs, Ernst, Verlagsbuchh. Hamburg 20. IX. 82.
Martens, G. H., Kaufmann » 29: 111. 65.
Martienssen, H., Kaufmann >» 20. XIln93!
Mejer, C., Ziegeleibesitzer Wandsbek 24. IX. 73.
Mendelson, Leo Hamburg 4. III. 91.
Mennig, Dr. med., Arzt » A a:
Meyer, Ad. Aug., Kaufmann » 31. V.2/6%.
Meyer, Gustav, Dr. med., Arzt > 10: HS
Meyer, J. Arthur F., Kaufmann » 25. V. 64.
Meyer jr., J. H. O., Kaufmann > 24.1854
Michaelsen, W., Dr., Assistent am
Naturhist. Museum > 17.11.88
Michow, H., Dr. Schulvorsteher > LIST.
und 29. XI. 76 und 6. II. 89.
Mielck, W., Apotheker Hamburg 30. XII. 46.
Mielck, W. H., Dr., Apotheker » 262.19970.
Mielke, G., Dr., Oberlehrer Altona 30. VI. 80.
U..23..1X2:98;
Möller, D., Dr. med, Arzt 27.520
Möller, Dr., F. F. A. Hamburg 22. ll. 93.
Müller, W. » 8: XL
Naumann, Apotheker » 14. X. gr.
XXIX.
Neumayer, Geh. Admiralitäts-Rat,
Prof, Direktor der Seewarte Hamburg 27. VI. 77.
Nevermann, Fr., Lehrer > 19:3x114,88.
Niederstadt, Dr., Chemiker » MIT.
Nölting, Johs., Dr., ord. Lehrer » 4. XII. 89.
Oehlecker, F., Zahnarzt » 26% IM. 70,
Ohaus; E. Dr. med., Arzt Altona 1%,15 93.
Oldach, Hermann, Dr., Chemiker Hamburg 12. X. 87.
Otte, C., Apotheker » 20: SEA 735.
Paefsler, K. E. W., Dr. med., Arzt » REICH
Partz, C4.H. A., Hauptlehrer, » vor 1876.
Paulsen, ©., Dr. med., Arzt » 20,89.
Peters, W., Dr., Chemiker » ZSAL ON.
Petersen, Hartwig, Kaufmann » ERV. 472.
Petersen, Johs., Dr., Oberlehrer > 274.1,.:86.
Petzet, Apotheker » TAX HA 9T.
Pfeffer, G., Dr., Custos am Natur-
historischen Museum » BAAR 79.
Pfeil, Gust. » 12,.1V193:
Pflaumbaum, Gust., Dr. » 94111.:92%
Pieper, G. R., «Lehrer » 21.,%1.,38,
Plagemann, Albert, Dr. » 295; 11,:90!
Poeppinghausen, L. v. » 1.41.1899:
u.. 26, X1,94:
Prochownik, L., Dr. med., Arzt > 27, «Ml.E7Z:
Putzbach, F., Kaufmann > PAIN. 74:
Rahts, Georg, Ingenieur » 16.11.87:
Reh, L., Dr, Assistent am Natur-
historischen Museum » 10,2%1.:02:
Reiche, H. v., Dr., Apotheker » 77.4. %11.,79.
Reincke, J. J., Dr. med., Medicinalrat » ul 72.
Reinmüller, P., Dr., Direktor der
Realschule der Reform. Gem. » 5, 11],72%
Rimpau, J. H. Arnold, Kaufmann >» 11: 12188.
Rischbieth, P., Dr. Cuxhaven 13. III. 89.
Robinow, Carl, Kaufmann Hamburg 26. Il. 79.
Rodig, C., Mikroskopiker Wandsbek - ı. I. 89.
Roegind, Telegr.-Dir. Hamburg 21. XI. 83
Ruland, F., Dr., Lehr. a. d.Gew.-Schule » 30. IV.
XXX.
Rüter, Dr. med.,. Arzt » 15.112,82
Sack, G., Lehrer am Paulinum » TO; W393.
Sadebeck, Prof. Dr., Direktor
des Botanischen Museums > 28. VI. 82.
Sandow, E., Dr., Apotheker » vor 1876.
Sasse, C. » 16. V. 88.
Sänger, Dr. med,, Arzt Eppendorf 6. VI. 88.
Schäffer, Cäsar, Dr., Lehrer Hamburg 17. IX. 90.
Scheel, Aug., Kaufmann » It. XII. 89,
Schenkling, Siegm., Lehrer » 2071.72:
Schiffmann, Louis, General-Konsul » 29: IIE 182:
Schlotke, ©., Buchdrucker » 9... XIHrgr,
Schlüter, F.,, Kaufmann » vor 1876.
Schmidt, A., Privatier Wedel !!31.7 8283.
Sehmidt- A., Prof., Dr. Hamburg 1.°12’89,
Schmidt, J., Lehrer > 26..1:179.
Schneider, C., Zahnarzt >» 23. XT.'92
Scholvin, W. » ZNIRSZ,
Schönfeld, G., Kaufmann > 20.» X1.792.
Schrader, C., Dr., Reg.-Rat Berlin 18. XII. 78.
Scehroder,")J., Dr., Lehrer Hamburg 5. XI. 90.
Schröter, Dr., med. > ALNBG:
Schütt, R. G., Dr. phil. » 2ER NIE
Schubert; H., Dr., Prof., Oberlehrer » 28. V1.76.
Schultz, Wm., Kaufmann London ıo. I. 86.
Schulz, J. F., Herm., Kaufmann, Hamburg 28. V. 84.
Schwarze, Wilhelm, Dr., ord. Lehrer » 25. IX. 89.
Schivencke, Hermann, Optiker » 27: X So:
Schwimmer, Max, Dr., Chemiker » 27.1 XI12392.
Selck, Apotheker >» 9... 1U O2:
Semper, J. ©., Fabrikant Altona 2102167.
Sennewald, Dr., Lehrer an der
Gewerbeschule Hamburg 31. V. 76.
Sick, W., Dr., Apotheker » 789.
Siemers, Edm. J. A., Kaufmann » 39.7. 82.
Sieveking, Dr. med., Arzt » 25. ie:
Simmonds, Dr. med.. Arzt > 30. V. 88.
Sohst, C. G., Privatier » 30. IV. 56.
Spiegelberg, W. Th., Apotheker » 30:01. '68,
XXI.
Steinhaus, O., stud. phil. Kiel 1744,93.
Stelling, C., Kaufmann Hamburg ? XII. 69.
Strebel, Hermann, Kaufmann » 25.188167.
Stuhlmann, Dr., F. Beamter in Dienst.
der Colonialverwaltung Ostafrika 24. IX. 84.
Thorn, E., Dr. Chemiker Hamburg 8. X. 84.
Thorn, H,' De. med.,"Arzt » SARLIBA.
Timm, Rud., Dr.. Oberlehrer > 2304.11 86.
Traun, H., Dr., Fabrikant >» vor 1876.
Troplowitz, Dr., Chemiker Altona "1331.002.
Trummer, Paul, Kaufmann Hamburg 13. IX. 93.
Tuch, Dr., Fabrikant » 4. VI. 90.
Ules,; 'GIF., Apotheker » 25.-V::.164.
Wlex/ Hl. Dr, Chemiker » To. eIklselr.
Ullner, L. G. C., Kaufmann » 21:8111:1:88.
Unna /P. G.,: Dr.. med., Arzt » 978g,
Mosel; Dr.) med:, Arzt » 191 289:
Voigt, A., Dr., Assist. a. Bot. Museum » 1.1.3890.
Voigtländer, F., Dr. Assistent am
chem. Staats-Laboratorium » 9. XI.rgr;
Volckmann, Caes. F., Kaufmann > 30: NV. 83.
Voller, A., Prof. Dr., Direktor des
Physikal. Staats Laboratoriums » 29: IX 72:
Vollers, Tierarzt » 16: ı1ll?7g2:
Vollers, Detlef, Staats- und Kreis-
tierarzt Altona 6. XII 93.
Völschau, J., Reepschläger Hamburg 28. XI. 77.
Wagner, Dr., Oberlehrer » 19. X11:.:83.
Wahnschaff, Th., Dr., Schulvorsteher » % Dez,
Walter, B., Dr., wissensch. Hülfs-
arbeiter am phys. Staats-Lab. » 17 2XIE486.
Walter, H. A. A., Hauptlehrer >» 17, IX21090.
Weber, Wm., J. C., Kaufmann » 27,33 V9053:
Weiss, Ernst, Braumeister der
Aktien-Brauerei St. Pauli » 8. II. 88.
Weiss, G4 Dr:i,xChemiker » DINIRUITR.
Westendarp, W., Fabrikant » 22. XII 80.
Wiebke, Anton, Kaufmann » 26. V. 80.
Wiebke, Paul M., Kaufmann » 26. W180.
XXXI.
Wimmel, Th., Dr., Apotheker Hamburg 30. XII.
Windmüller, P., Dr., Zahnarzt » 21. XIM
Winter, Ernst, Diamanteur » ein
Winter BP. H. > 16. II.
Witt£1Otto, Di.\uChemiker » TS: NV.
Woermann, Ad., Kaufmann » 37. IL.
Wohlwill, Emil, Dr, technischer
Leiter der Nordd. Affinerie » vor
Wolff, C. H., Medicinal-Ass. Blankenese 25. X.
Worlee, E. H., Kaufmann Hamburg 30. I.
Worlee, Ferdinand » Asclll;
Wulf, John, Kaufmann » I
Zebel, Gustav, Fabrikant » SB IV,
Ziehes, Emil » 18.IXI%E
Zimmermann, Carl » 28. Vi
Zimmermann, G. Th., Dr., Lehrer » ABC
Ehren-Mitelieder.
Asa-Gray, Prof. Cambridge U.-S 27. I.
Ascherson, P., Prof., Dr. Berlin X,
Beytich, E., Brof./\ Dr. Berlin I.
Bezold v., Prof., Dr. Berlin 18. XI.
Bunsen, Prof., Dr. Heidelberg 18. XI.
Claus; Carl, Prof.»Dre Wien IV.
Cohen, Emil, Prof., Dr. Greifswald 14.1.
Cohn, /Eerd:, Prof.;-Dr: Breslau 2
Kittie, Rud,, Prof, Dr: Strassburg 14.1.
Haeckel,- Prof:, “Dr. Jena 18. XI.
Hartig, Robt., Prof., Dr. München >E
Hegemann, Fr., Kapt. Hamburg XI.
Helmholtz: v., „Brof., Dr. Berlin 18. XI.
Koldewey, Adm.-Rath Hamburg XU.
Koch, "Rs Prof. Dr: Berlin 14.1.
Kühne, W., Prof., Dr. Heidelberg 14.1.
NXXXIM.,
Leukart, Prof., Dr. Leipzig
Vleyer, 41.. B.,. Dr. Dresden
Moebius, C., Prof., Dr. Berlin
Müller, Fritz, Dr. DBlumenau (Brasilien)
Nordenskiöld, E.H., Frh.v., Prof, Stockholm
Pettenkofer, v., Prof., Dr. München
Breyer. Broi.. Dr, Jena
Pringsheim, N., Prof., Dr. Berlin
Oumceke,.Prof., Dr. Heidelberg
Retzius, G., Prof., Dr. Stockholm
Reyelilhes.Erot,, Dr Strassburg
Sandberger v., Fridolin, Prof., Dr. Würzburg
Schnehagen, J., Kapt. Hamburg
Schwendner, S., Prof., Dr. Berlin
Solar P. I, Dr; RE RS London
Steenstrup, Japetus, Prof. Kopenhagen
Temple, Rudolph Budapest
Tollens, B,Eroöt,, Dr, Göttingen
Warburg, E., Prof, Dr. Freiburg i. B.
Weber, CG F..H,, Brivatier Hamburg
Wiepken, C. F., Direktor des
Grossh. Oldenb. Museums Oldenburg
Wittmack, Louis, Prof., Dr. Berlin
Wölber, Francis, Konsul Hamburg
Weissmann, Prof., Dr. Freiburg ı. B.
Zittel v., Carl Alfred, Prof., Dr. München
18. XI.
28.2,
29. IV.
Sl.
Hal,
? XI.
18. XI.
Bar,
IS x,
142 21:
Tara
30. X.
>
29. XI
30. XI.
vor
Tal.
N
29: XI.
? IV.
14. 1.
374.28;
18. XI.
30.
Korrespondierende Mitglieder.
Brunetti, Lodovico, Prof. Padua
Buchenau, Prof., Dr. Bremen
Cocco Luigi, Prof. Messina
Davis, Dr. Edina, Liberia
Dick, GR} Mauritius
Engelmann, Geo, Dr. St. Louis
Eschenhagen, Max, Dr. Wilhelmshaven
Fischer-Benzon, v., Prof. Dr., Lehrer Kiel
Grimsehl, E., Lehrer Cuxhaven
Hilgendorf, Prof., Dr. Berlin
Mügge;. !O., Prof..'Dr; Münster
Müller v., Ferd., Baron Melbourne
Philippi, R. A., Prof. Dr. San Jago de Chile
Raydt, Hermann, Prof. Ratzeburg
Richters, F., Prof. Dr. Frankfurt a. M.
Röder, v., V. Hoym, Anhalt
Ruscheweyh, Konsul Rosario
Schmeltz, J. D. E. Leyden
Sieveking, E., Dr. med. London
Spengel, ).. W., Prof., Dr. Giessen
Swanberg, L., Prof., Dr. Upsala
Thompson, Edward,
U.-S. Consul Merida Jucatan
Wibel, "P’# Prof Dr: Freiburg i. B.
Zacharias, Prof., Dr. (Strassburg) Hamburg
X.
28. IM.
25.Xl.
27.8:
vor
3101108
Er:
93:
85.
II. Wissenschaftlicher Teil.
Ueber die Flora der Hamburger Wasserkasten
vor Betriebs - Eröffnung der Filtrations - Anlagen.
Von Dr. R. Timm.
Bekanntlich wurden anlässlich der Cholera im Herbst 1892
die Wasserkästen unserer Leitung zum ersten Male einer gründ-
lichen Reinigung unterzogen. Für Jemanden, der Interesse an
mikroskopischen Organismen hat, lag es nahe, den bei jener
Reinigung zu Tage geförderten Bodensatz zu untersuchen,
Besondere Veranlassung bot dazu noch der Umstand, dass
hier eine bequeme Gelegenheit gegeben war, die Untersuchungen,
die Professor Äraepelin im IX. Band der Abhandlungen des
Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg (Heft I, 1886) über
die Fauna der Hamburger Wasserleitung veröffentlicht hat, nach
der botanischen Seite hin zu erweitern. Es war selbstverständlich
und ist auch von Kraepelin pg. 11 bemerkt worden, dass ausser
den dort aufgezählten Tieren Reste von vielen Algen und auch
lebende Pflanzen sich vorfinden würden; es schien insbesondere
wünschenswert, auf eine Fadenbakterie zu fahnden, die seit etwa
20 Jahren für die Wasserleitungen von Bedeutung geworden ist,
nämlich die Crenothrix polyspora. Hugo de Vries, der in amt-
lichem Auftrage die von der Crenothrix geplagte Rotterdamer
Wasserleitung untersucht und die Resultate seiner Untersuchung
1890 veröffentlicht hat (Die Pflanzen und Thiere in den dunklen
Räumen der Rotterdamer Wasserleitung), macht p. 34 auf die
grosse Uebereinstimmung zwischen der Leitungsfauna in Hamburg
und Rotterdam aufmerksam und spricht p. 36 die Vermutung
aus, auch in Hamburg werde Crenothrix nicht fehlen, wenn
sie auch von Kraepelin, dessen Arbeit aus rein zoologischem
Interesse unternommen worden war, nicht berücksichtigt werde.
Es hatte also ein gewisses Interesse, auf Crenothrix insbesondere
zu achten. Die damals so brennende Frage nach pathogenen
Bakterien soll hier selbstverständlich nicht berührt werden, weil
die darauf bezüglichen Untersuchungen den Bakteriologen von
Fach zukommen.
3*+
Während in der Kraepelin’schen Untersuchung die Lebens-
gemeinschaft, von der die Wände der Leitungsröhren bekleidet
waren, den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung bildete,
konnten die Wasserkasten natürlich nur das bieten, was frei im
Strome der Röhren trieb. In gewissem Sinne mussten sich also
die beiden Materalien zu einander verhalten wie Plankton und
Grundfauna im Meere. Während die Fauna der Röhrenwände
eine zwar geringe, aber erkennbare Mannigfaltiskeit darbot,
(Kraepelin p. 5, De Vries p. 34), war vorauszusehen, dass der
Bodensatz der Wasserkasten unter gleichen allgemeinen Bedin-
gungen recht gleichartig sein würde. Andererseits musste die
Zusammensetzung des »Leitungsplankton« von der Jahreszeit
abhängig, sein, die ja auf die an den Leitungswänden sitzenden
Organismen so gut wie ohne Einfluss ist. Es musste der Boden-
satz zweierlei Bestandtheile enthalten: Solche Organismen, welche
von den Röhrenwänden losgerissen, besonders aber solche, die
direkt aus der Elbe hereingetrieben waren. Zu den ersteren
würden die chlorophyllfreien, zu den letzteren die chlorophyllfüh-
renden Pflanzen gehören, wenn auch natürlich nicht ausgeschlossen
war, dass auch chlorophylifreie Pflanzen der Wasserleitung direkt
aus der Elbe stammen konnten.
Während für die sesshaften Organismen der Leitung die
Bedingungen äusserst günstig waren (Kraepelin p. 12), musste
für das »Plankton« derselben genau das Gegentheil gelten. Von
Pflanzen waren nur die chlorophylifreien überhaupt in der Leitung
existenzfähig, und auch von diesen erschienen die im Strom
willenlos treibenden in ihrer Existenz mindestens gefährdet. Ob
man die chlorophylliführenden Pflanzen überhaupt in lebendem
Zustande vorfinden würde, hing von ihrer Lebenszähigkeit ab.
Leider konnte die Probe auf die Gleichmässigkeit des
Wasserkastendetritus nur an wenigen Fällen gemacht werden.
Da der Kommabazillen wegen die Wasserkästen gereinigt wurden,
so benutzte ich mehrmals die Gelegenheit, mir eine Probe des bei
der ersten Reinigung bis halb handhohen dickflüssigen Schlickes
geben zu lassen.
Von vier Wasserkästen kamen Proben zur Untersuchung,
nämlich von: Maxstrasse 2, am 23. Septbr. 1892, am 6. Novbr.
1892 und am 20. April 1893, Anckelmannstrasse 79, am 29. Septbr.
1892, daselbst 73, am ı8. Oktbr. 1892 (I. Reinigung) und Ge-
— 3 —-
bäude der Realschule vor dem Lübeckerthore im October 1892
(3. Reinigung).
Ausserdem wurden Proben genommen aus einem ge-
rade geöffneten Notpfosten bei der Maxstrasse am 18. April
1893, sowie aus direkt mit der Strassenleitung verbundenen
Röhren der genannten Schule am 2. November 1890, sowie des
Hauses Ecke der Lübecker Strasse und kleinen Wallstrasse. Die
Proben aus diesen beiden Röhren wurden gewonnen, indem ich
das Wasser aus dem Hahn durch Flanell oder feinmaschige Gaze
laufen liess.
Während die Ausbeute aus den Wasserkasten als ausser-
ordentlich reich bezeichnet werden muss, war die Anzahl der
im direkten Wasserstrom, selbst der im Wasser des Notpfostens
beobachteten Organismen recht gering, ein Umstand, der nicht
merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass die Wasserkasten seit
Jahren den beständig niedersinkenden Detritus auf ihrem Boden
aufgespeichert hatten.
Es ist, wie ersichtlich, nur eine ganz geringe Anzahl von
Wasserkasten untersucht worden; die von denselben genommenen
Proben stimmten aber meist in soweit überein, dass es sich der
Mühe nicht veriohnte, die Zusammensetzung einer jeden bis in’s
Einzelne aufzuschreiben. Die durch das Wort »meist« angedeuteten
Abweichungen werden nachher ihre Erklärung finden. Ich
werde daher in einer Tabelle nur allgemein die gefundenen
Formen aufzählen und diejenigen besonders bezeichnen, welche
in einem Wasserkasten gefunden, im andern vermisst wurden.
Es sind das meist solche, die in wenigen Exemplaren gefunden
wurden. Dass solche Ausnahmen für die Frage nach der gleich-
mässigen Zusammensetzung ohne Bedeutung sind, wird jeder zu-
geben, der bedenkt, wie geringe Mengen untersucht werden
konnten. Da es sich um mikroskopische Wesen handelte, so
konnte zur Zeit nur ein sehr geringes Quantum des Schlickes
mit einem Tropfen Wasser verdünnt unter das Objektiv gebracht
werden, es ist wohl nicht zu wenig gerechnet, wenn ich annehme,
dass so etwa I ccm jeder Schlammprobe gründlich untersucht
wurde. Rechne ich nun die Schlickmenge eines Wasserkastens
von 4 bis } qm Bodenfläche zu 10— 15 Litern, so ist klar, dass
ein Wesen, dessen Vorhandensein in jeder ı ccm-Probe bei
mathematisch gleichmässiger Vertheilung die Wahrscheinlichkeit
= 4 m
I haben sollte, in 10 -15 Tausend Exemplaren da sein müsste.
Dann aber wäre noch äusserst fraglich, ob man das betreffende
Wesen fände, falls man nicht im Besitze eines Zählmikroskopes
ist. Cymatopleura solea, eine grosse Diatomee, die in den
Wasserkästen nicht häufig vorkam, hat nach Aürchner (Mikros-
kopische Pflanzenwelt des Süsswassers) eine Länge von 50— 300
qu. Ihr Breitendurchmesser ist davon etwa der siebente Theil.
Rechnet man nun die von einer grossen Cymatopleura bedeckte
Fläche zu 10000 qu, d.h. zu 0,01 qmm, so erfüllt diese Dia-
tomee unter einem quadratischen Deckglase von der Seite 12
mm nur 74155 der zu untersuchenden Fläche. Rechnet man
nun von solchen Tropfen, wie einer unters Deckglas kommt,
etwa 20 auf ein cc, was gewiss wenig ist, und zieht man in Be-
tracht, dass stets mit stärkerer Vergrösserung (Winkel VI und
VII) gesucht werden musste, so kann man sich ungefähr eine
Vorstellung davon machen, wie gering die Wahrscheinlichkeit
ist, selbst eine so grosse Diatomee zu finden. Eine vollbedruckte
Seite des „Hamburger Fremdenblattes« enthält 25—-35000 Buch-
staben. In einem cc ohne Zählmikroskop eine Cymatopleura zu
finden, würde also der Aufgabe entsprechen, auf Io Seiten
»Fremdenblatt« bei planlosem Hin- und Hersuchen einen Druck-
fehler zu finden, vorausgesetzt, dass nur ezrner auf diesen ı0
Seiten wäre. Man kann also nur dann mit ziemlicher Sicherheit
auf das Auffinden selbst dieser Gewaltigen unter den Mikro-
organismen rechnen, wenn sie zu Millionen in einem Wasserkasten
sich aufhalten. Die in einem Wasserkasten einigermassen häufigen
Arten waren nun in der That auch in den übrigen Kasten in
demselben Häufigkeitsgrade vorhanden und — in geringerer
Menge natürlich — auch in der von dem Notpfosten ent-
nommenen Probe.
Gewisse Unterschiede zwischen den Proben der Wasser-
kasten machten sich indessen doch bemerkbar, aber das waren
Unterschiede, die nicht von der Beschaffenheit des einströmenden
Materials, sondern von dem Zustande der Wasserkasten und von
der Jahreszeit abhängen. Der Wasserkasten Anckelmannstr. 73
war zum ersten Male in seinem Dasein gereinigt worden, hatte
sich jedenfalls längere Zeit vollgeschlickt als die übrigen zur
Untersuchung gekommenen Kasten, die Diatomeenschalen waren
häufiger angefressen. Der Wasserkasten Maxstrasse 2 wurde
am 20. April 1893 auf's neue gereinigt. Seine Proben boten
einen etwas veränderten Anblick dar. Frisches Leben schien in
ihm zu pulsieren; eine grössere Anzahl lebender grüner Algen
und Diatomeen wurde in ihm gefunden als früher. Eine Anzahl
bisher nicht konstatierter Arten wurde in ihm nachgewiesen, ein
Umstand, der wohl auch mit auf Rechnung der in diesem Falle
längeren Dauer der Untersuchung zu setzen ist.
Auf die Besprechung dieses Befundes komme ich nachher
zurück.
Zunächst gebe ich die Liste der gefundenen Organismen,
wobei ich nicht unterlassen möchte, anhangsweise auch die
wenigen konstatierten Tiere bezw. Tierreste mit anzuführen.
Bei der Bestimmung der Diatomeen ist mir die von Herrn
Möller in Wedel zusammengestellte Typenplatte der Süsswasser-
diatomeen aus der Umgegend von Hamburg von grossem Nutzen
gewesen.
Anordnung und Nomenclatur der Algen gebe ich nach dem
wohl von Vielen benutzten Buche: Die mikroskopische Pflanzen-
welt des Süsswassers, von Prof. Kirchner.
AN ooSe:
Blätter von Sphagnum, einmal
(Wasserkasten der Schule vor dem
Lübeckerthore).
Bernrloen.
l. Protococcoideae.
a) Protococcaceae:
Pediastrum Boryanum Men., nicht häufig.
» pertusum Kg., zieml. häufig.
> Ehrenbergi A. Br., nicht häufig.
b) Palmellaceae.
Scenedesmus obtusus Meyen, selten.
» acutus Meyen, häufig.
» caudatus Corda, häufig.
Nephrocytium Agardhianum Näg., einmal.
Polyedrium trigonum Näg,, selten.
Il. Conjugatae.
Desmidiaceae:
? Staurasrum gracile Ralfs leere, Häute, selten.
Mel A
Ill. Diatomaceae.
a) Naviculaceae:
Pinnularia major Sm.
> viridis Sm.
» mesolepta Sm.
» radiosa Kg.
Navicula cuspidata Kg., selten.
>» amphisbaena Bory, nicht häufig.
> amphirhynchus Ehr., häufig.
» slesvicensis Grun.
» spaerophora (Kg.) Sm.
Pleurosigma attennatum Sm.
b) Amphitropidae:
Amphitropis (Amphiprora) paludosa Rabenh.
c) Cymbelleae:
Amphora ovalis Kg., häufig.
Cymbella gastroides Kg., häufig.
» amphicephala Näg.
» Ehrenbergii Kg.
? Encyonema Auerswaldii Rabenh.
d) Cocconeidae:
Cocconeis communis, gemein
e) Gomphonemeae:;
Gomphonema gracile Ehrbg.
» constrictum Ehrbg.
» commune Rabh.
f) Achnantheae:
Achnanthidium lanceolatum Breb., einmal.
Rhoicosphenia curvata Grun., häufig.
g) Nitzschieae:
Hantzschia amphioxys Grun., häufig.
Nitzschia sigmoidea Sm., selten.
» linearis Sm., nicht selten.
> media Hantzsch.
» minuta Bleisch.
h) Amphipleureae:
Amphipleura pellucida Kg., selten.
i) Surirelleae:
Cymatopleura Solea Breb., zieml. selten.
2
Surirella splendida Kg., selten.
> ovata Kg., einmal.
» Brightwellii Sm., einmal.
k) Diatomeae:
Diatoma vulgare Bory,
Odontidium mutabile Sm.,
l) Meridioneae:
Meridion circulare Ag.,
m) Fragilarieae:
Synedra ulna Ehrbg,.,
Fragilaria virescens Ralfs,
Asterionella gracillima Heib.,
n) Tabellarieae:
Tabellaria fenestrata Kg.,
o) Epithemieae:
Epithemia turgida Kg,.,
» sorex Kg.,
Epithemia Zebra Kg.,
Eunotia lunaris Grun,
» pectinalis Dillw.,
Ceratoneis arcus Kg.,
»
p) Melosireae:
Melosira arenaria Moore,
» orichalcea Kg.
varians Ag.
Cyclotella operculata Kg.,
Kützingiana Thw.,
Ödontodiscus subtilis Grun.,
»
»
amphioxys Rabenh.,
sehr häufig.
nicht häufig.
einmal.
gemein.
häufig.
häufig.
selten.
häufig.
selten.
zieml. häufig.
selten.
nicht häufig.
selten.
selten.
häufig.
gemein.
häufig.
sehr häufig.
gemein.
nicht selten.
IV. Schizophyceae.
a) Nostocaceae:
Oscillaria spec.
b) Chroococcaceae:
Aphanocapsa spec.,
Merismopoedia elegans A. Br.,
selten.
zieml. häufig.
selten.
Coelosphaerium Kützingianum Näg., selten.
Von Schizomyceten ist
Crenothrix polyspora Cohn zu nennen.
u vera
Folgende Tiere und Tierreste mögen hier noch genannt
werden.
In dem Wasserkasten Maxstrasse 2 wurden bei der erneuten
Reinigung am 20. April 1893 allerlei lebende Protozoen bemerkt,
z. B. Amoeba verrucosa Ehrbe., Holophrya ovum Ehrbg,.,
Euglena oxyuris Schmarda, bei der ersten Reinigung schwammen
viele Statoblasten von Bryozöen auf der Oberfläche des Wassers.
Ferner fanden sich allgemein zwei verschiedene Spicula-
formen von Spongilla, die Bauchborsten von Naiden, sowie Reste,
insbesondere Spermatophoren-Schläuche von Temorella affınis
Poppe, in einzelnen Wasserkasten auch Gehäuse von Difflugien.
Die Probe aus dem Notpfosten bei der Maxstrasse enthielt
auch Stentor.
Ueber die Pflanzentabelle ist noch Folgendes zu bemerken.
Am 23. September wurde im Wasserkasten Maxstrasse 2
Nitzschia sigmoidea nicht gefunden. Diesem Wasserkasten und
ebenso dem Kasten Anckelmannstrasse fehlten am 29. September
anscheinend Ceratoneis arcus und amphioxys, Cymatopleura solea
und Amphipleura pellucida. Merismopoedia elegans, Coelosphae-
rıum Kützingianum und Nephrocytium Agardhianum wurden
nur am 6. November 1892 Maxstrasse 2 gefunden. Während
nun diese Befunde theils auf Rechnung der Seltenheit der Arten
zu setzen, teils dadurch begründet sind, dass das Auge im Laufe
der Untersuchung sich mehr für die Erkennung der einzelnen
Formen schärfte, ist es sicher kein Zufall, dass am 18. April 1893
im Wasserkasten Maxstrasse 2 viele Algen in erhöhter Häufig-
keit auftraten, sowie dass einige bisher nicht beobachtete ge-
funden wurden.
Solche waren:
Pinnularia mesolepta Sm., einzeln.
» radiosa Kg., nicht selten.
Navicula cuspidata Kg,., einzeln.
Pleurosigma attenuatum Sm., einzeln.
Amphitropis paludosa Rbh., einzeln.
Cymbella amphicephala Näg., ı Ex.
Gomphonema commune Rbh., nicht selten.
Nitzschia media Hantzsch, nicht selten.
» minuta Bleisch., nicht selten.
Surirella Brightwellii Sm., T'Ex.
Surirella ovata Kg., EX:
Epithemia sorex Kg., selten.
Eunotia lunaris Grun., selten.
Diese Abweichungen erklären sich zum Teil daraus, dass
man es hier mit einer Neureinigung zu thun hat. In diesem
Kasten war viel weniger von dem die anderen Kasten füllen-
den braunen Detritus, der natürlich den Prozentsatz der vor-
handenen Organismen für die Untersuchung beträchtlich herab-
setzte. Zwar hatte der Kasten bereits eine zweite Reinigung
am 6. November 1892 erlebt; leider liegen mir aber von der-
selben nur ungenügende Notizen vor. Immerhin ist bemerkens-
wert, dass am 6. November 1892 sich der Wasserkasten durch
die Anwesenheit der blaugrünen Algen Merismop. elegans,
Coelosph. Kützingianum und Nephrocyt. Agardhianum auszeich-
nete (siehe oben). Ferner ist aber die durchaus abweichende
Jahreszeit (18. April) in Betracht zu ziehen. Auch im Freien treten
im April und Mai eine Menge von Algen neu auf, es ist also kein
Wunder, wenn sie um diese Zeit in die Wasserkasten gelangen.
Allgemein verbreitet und häufig in allen Wasserkasten
waren von Grünalgen: Pediastrum pertusum, Scenedesmus acutus
und caudatus; von Diatomeen besonders: Navicula amphirhyn-
chus, Amphora ovalis, Cymbella gastroidess, Cocconeis com-
munis, Rhoicosphenia curvata, Hantzschia amphioxys, Diatoma
vulgare, Synedra ulna, Fragilaria virescens, Asterionella
gracillima, Epithemia turgida, Melosira orichalcea, Cyclo
tella operculata und Kützingiana.
Die Diatomeen, deren Name gesperrt gedruckt ist, waren
geradezu charakteristisch für das Aussehen des Wasserkasten-
schlickes, das mich bei den Proben vom 18. April 1893, abge-
sehen von den Grünalgen, lebhaft an den Kieselguhr von Oberohe
in der Lüneburger Heide erinnerte.
Achnanthidium lanceolatum wurde nicht im Wasserkasten-
schlick gefunden, sondern entwickelte sich erst nachträglich in
einer Flasche, die mit Leitungswasser gefüllt war. Ich glaube
nicht, daran zweifeln zu brauchen, dass es wirklich aus dem
Leitungswasser stammt.
Nur kurz braucht erwähnt zu werden, dass die direkt aus
der Leitung genommenen Proben natürlich viel weniger Material
ur Bo
enthielten als die Wasserkasten, in denen dasselbe geradezu auf-
gespeichert war.
Eine besondere Besprechung verdient Crenothrix polyspora.
Anfänglich war ich erstaunt, diese Fadenbakterie in den Wasser-
kasten nur spurenweise zu finden. Einzelne feine Fäden zeigten
sich zusammen mit Oscillarien;, ausserdem glaubte ich dickere
Fäden in dem rostbraunen Schlick zu erkennen, der in den noch
nicht gereinigten Wasserkasten alles einhüllte. Da ich mir sagte,
die Fäden müssten zunächst an den Wänden der Leitung sitzen,
so filtrirte ich Wasser aus solchen Röhren, die direkt mit der
Strassenleitung in Verbindung standen, durch Flanell oder Gaze.
Die auf diese Weise gewonnenen abgerissenen Stücke der Ge-
häuse von Bryozöen und von Cordylophora lacustris waren sehr
zierlich bedeckt mit den Abdrücken der häufigen Diatomeen und
besetzt mit Crenothrix in verschiedenen Entwickelungszuständen
(vergl. de Vries I. c. p. 6, nur bildeten die eben erwähnten Fäden
keine dicken Flocken). Ich sah sowohl zarthäutge Fäden als
auch solche, die von dicker Eisenoxydkruste eingehüllt waren.
Es war also sicher in der Leitung Crenothrix und zwar
wahrscheinlich in beträchtlicher Menge vorhanden, denn sie
war sowohl in den Proben aus den Leitungshähnen, sowie in
der Probe aus dem Notpfosten, die ja immer nur spärliche
Bruchstücke des die Wand der Strassenleitung auskleidenden
Leitungsmooses lieferten. Es war also merkwürdig, dass sie in
den Wasserkasten fast gänzlich fehlte. Dafür war in denselben
massenhaft brauner, eisenhaltiger Schlick. Ich war nicht in der
Lage, eine quantitative chemische Untersuchung dieses Schlickes
vornehmen zu können. Die qualitative Untersuchung ergab aber
das Vorhandensein von jedenfalls sehr viel Eisen, das gewiss nicht
direkt auf Rechnung der vorhandenen Organismen zu setzen war,
die in den noch nicht gereinigten Kasten erstens an Masse hinter
dem braunen Schlick bedeutend zurückblieben, die zweitens
hauptsächlich aus den Kieselschalen der Diatomeen bestanden.
Da nun aber die Crenothrix nicht zu finden war und da sie be-
kanntlich Eisenoxyd producirt, da ferner die nachweislich der
Crenothrix gehörigen Eisenoxydscheiden im Aussehen grosse
Uebereinstimmung mit dem braunen Detritus zeigten, so halte ich
es für wahrscheinlich, dass ein grosser Theil desselben von der
Crenothrix producirtes Eisenoxyd war.
ET Wr
De Vries spricht die Vermuthung aus (l. c. p. 49), dass
das Gedeihen der Crenothrix von der Geschwindigkeit des Wasser-
stromes abhängig sei, und er glaubt, dass eine zu geringe Wasser-
bewegung die Entwicklung dieser Fadenbakterie hindere. Ist
das Letztere richtig, so ist es verständlich, warum die einer
constanten Strömung entbehrenden Wasserkasten keine nennens-
werten Mengen von Crenothrix, dagegen den Detritus ihrer
Scheiden enthielten. Crenothrix ist übrigens in unserer Gegend
gewiss häufig. Im Realgymnasium sah ich Proben aus der Bille
mit dicken Flocken der Fadenbakterie.
Nicht nur das Vorhandensein gewisser Formen, sondern
auch das Fehlen anderer beansprucht Interesse. Wenn auch die
Aufzählung auf Vollständigkeit ganz gewiss keinen Anspruch
machen kann, erstens weil bei einer Reihe von Algen die Be-
stimmung nicht recht gelang, zweitens weil bei der Kleinheit
der untersuchten Proben und der Mangelhaftigkeit der Durch-
suchung eine grössere Anzahl dem Auge entgangen sein wird,
so macht sich doch das Fehlen gewisser Gruppen bemerkbar.
Es fehlen ganz die Ordnungen der Florideen (in unserer
Gegend vertreten durch Batrachospermum), Characeen, Confervoi-
deen, Siphophyceen; von den Conjugaten die Zygnemaceen; die
Desmidiaceen waren nur durch eine Art spärlich vertreten. Die
einzige in nennenswerter Zahl vorhandene Ordnung der Grün-
algen war die der Protococcaceen. Dabei sind die genannten
Ordnungen, insbesondere die der Conjugaten genügend oder
sogar reichlich in unserer Gegend, namentlich in unseren
Mooren vertreten. Diatomeen waren zwar in grosser Menge da,
unter ihnen auch eine ziemliche Anzahl solcher, die ich hier
noch nicht gesehen hatte — was freilich für unsere Diatomeen-
flora nicht viel besagen will — aber es fehlten offenbar mehrere
oder waren selten, die sonst bei uns nicht selten sind. Meridion
circulare überzieht zuweilen ganze Gräben mit einer braunen
Decke, ebenso sind Tabellaria fenestrata und flocculosa bei uns
häufig. Auch Epithemia gibba ist verbreitet; ich fand sie noch
am 30. April 1893 im Steinbecker Moor ziemlich häufig. In
der Wasserleitung dagegen waren Meridion und Tab. fenestrata
nur äusserst spärlich vertreten, während Tab. flocculosa und
Epithemia gibba ganz fehlten.
Diese Unterschiede gegen das Vorkommen in der freien
Natur sind abhängig von der Herkunft der Organismen und von
ihrer Empfindlichkeit gegen den Transport ins Dunkle. Mit
Ausnahme der Crenothrix, die in der Leitung sesshaft geworden
war und wohl gegenwärtig noch dort ein kümmerliches Dasein
fristet, stammen die aufgezählten Arten sämmtlich direkt aus
der Elbe. In Plankton, welches Dr. ZArrenbaum bei Finkenwärder
gefischt hatte, fanden sich (neben Temorella affınis) Scenedesmus
caudatus, Navicula-Arten, Rhoicosphenia curvata, Melosira ori-
chalcea und varians, Cyclotella Kützingiana, Odontodiscus subtilis
in ähnlichem gegenseitigen Häufigkeitsverhältnis wie ın den
Wasserkästen; daneben auch noch ein Closterium. Dass Grün-
algen sehr wenig zu sehen waren, erklärt sich daraus, dass das
Material schon lange gestanden hatte.
Dass in den Wasserkästen die Fadenalgen gänzlich fehlten,
ist leicht verständlich, da man nicht erwarten kann, dass abge-
rissene Stücke von organischen Ganzen sich lange in kenntlichem
Zustande erhalten. Die Jahreszeit wird wenig damit zu thun
haben; denn ich habe z. B. Bolbochaete minor Al.Br. und Oedo-
gonium undulatum Al.Br. aus dem Mönchteich (Trittau) 26/IX,
Spirogyra longata von Steinbeck 2/X 86 notirt.
Die Desmidiaceen und Schizophyceen, die ebenso wie die
Protococcoideen als ganze Individuen in die Röhren gelangen
können, sind dennoch in weit geringerer Zahl gesehen worden
als die Protococcoiden. Möglich, dass die Desmidiaceen in ganz
besonderem Grade gegen Lichtmangel empfindlich sind; zum
Teil wird aber wohl ihr Aufenthalt in den Mooren sie verhin-
dern, in grösserer Zahl in der Elbe vorzukommen. Die einzige
grössere Menge von Moorwasser kommt in der Nähe Hamburgs
durch die Alster in die Elbe, also dazu noch ein ziemliches
Stück unterhalb der Schöpfstelle der Wasserkunst. Es konnte
von den Moorbewohnern also zur Zeit nur ein sehr geringer
Bruchteil in die Leitung gelangen, die weniger dauerhaften
Formen mussten also so gut wie gänzlich verschwinden. Allge-
mein verbreitete, wenn auch weniger häufige Formen mussten
also gegenüber den lokal häufigen das Uebergewicht haben.
So wurden Sphagnumblätter nur einmal in dem Wasser-
kasten der Schule vor dem Lübeckertor gefunden, obgleich
Sphagnum in unseren Mooren gemein ist und obgleich die Zell-
netze seiner Blätter recht dauerhaft sind (wohlerhaltene Gerüste
>
solcher Blätter finden sich z.B. noch weit draussen in der Nordsee).
Lebenszähe und ziemlich in jedem Wasser verbreitete Formen wie
Scenedesmus und Pediastrum waren hingegen allgemein vorhanden.
Die Diatomeen aber mit ihren fast unzerstörbaren Gehäusen
wurden als Leichen geradezu aufgespeichert, so dass sie eine
Auswahl der Hamburger Diatomeenflora darstellten, freilich aus
dem vorhin angegebenen Grunde nicht in der procentischen Zu-
sammensetzung dieser Flora. Es ist klar, dass ein solches Leichen-
feld, zu dem der Boden eines ungereinigten Wasserkastens mit
der Zeit wurde, einen recht guten Nährboden für allerhand Fäul-
nisbewohner bilden musste. So waren in allen Proben Bacterien
und oft in recht grossen Mengen vorhanden. Der Schlick aus
dem zum ersten Mal gereinigten Wasserkasten Anckelmannstr. 73
hatte dort etwa einen halben Tag in offenem Blechgefäss, später
bei mir mehrere Tage in einem gut zugestöpselten Glase gestan-
den. Bei der Untersuchung zeigten sich massenhaft Bakterien
(vermutlich Bakterium termo) darin; sie hatten also einen guten
Nährboden gehabt. Aus dem eingangs erwähnten Grunde habe
ich mich um diese Lebewesen nicht weiter bekümmert.
In Kurzem wäre also Folgendes zu berichten:
Der Bodensatz der Wasserkasten war zusammengesetzt aus:
1) braunem Detritus, 2) verhältnismässig wenig Tieren und
tierischen Resten, 3) einer grossen Zahl lebender und einer
weit grösseren Anzahl toter Algen (insbesondere Diatomeen)
sowie aus Schizophyceen, von denen nur Crenothrix polyspora
berücksichtigt wurde. Von den Algen waren die Diatomeen
deswegen der Hauptteil, weil ihre Gehäuse nur sehr wenig vom
Wasser angegriffen und daher aufgespeichert werden. Auch sonst
war der Häufigkeitsgrad ein anderer als der in der freien Natur,
weil auch häufige Algen nicht immer Gelegenheit hatten, in die
Leitung hineinzukommen.
Von einzelligen Algen waren die Desmidiaceen fast gar
nicht vertreten, obgleich sie leicht zu bemerken und bei uns sehr
häufig sind. Fadenalgen waren gar nicht da. Crenothrix war
in den Kasten selten, in der Leitung schien sie häufig zu sein.
Wahrscheinlich geht sie in dem Kasten der mangelnden Strömung
wegen zu Grunde, wobei ihre Eisenoxydscheiden in braunen De-
tritus zerfallen. Den Fäulnisbacterien boten die verwesenden
Pflanzenleichen guten Nährvorrat.
ER I 4A 422
Das reizende Bild, welches die äusserst zierlichen und
mannigfaltigen Diatomeenschalen sowie die symmetrischen Pedi-
astren darbieten, ist nun verschwunden, bezw. auf die Filtrir-
bassins beschränkt. Aber wir sind froh, dass wir diese Flora
los werden, denn zu ihr gehörten auch die unheimlichen Gäste,
die uns das Leben schwer genug gemacht haben. Wie gewöhn-
lich, so müssen auch hier die Unschuldigen mit den Schuldigen
das gleiche Schicksal erdulden.
Prof. Dr. Kraepelin.
Ueber afrikanische und südamerikanische
Süsswasserbryozöen.
(Referat nach dem Vortrage in der Zoologischen Gruppe
am 25. September 1893).
Redner rekapituliert zunächst die bereits im II. Theil seiner
Monographie der deutschen Süsswasserbryozöen veröffentlichten
Entdeckungen Stuhlmann’s in Afrika, welche die 4 Arten Fre-
dericella sultana, Plumatella repens und princeps, wie die bis
dahin nur bei Bombay beobachtete Pectinatella Carteri umfassen.
Er berichtet sodann über die bisherigen Funde in Südamerika.
Der erste, welcher in diesem Lande Süsswasserbryozöen auffand,
war Fritz Müller, der im Jahre 1885 Exemplare von Plumatella
princeps aus Brasilien dem Redner übersandte. Neuerdings hat
dann Herr Dr. Michaelsen bei Punta Arenas in Patagonien Fre-
dericella sultana und Plumatella punctata Hanc. in prächtigen
Rasen gesammelt, während Herr Prof. von Zhering in der Nähe
von St. Paolo in Brasilien neben Plumatella princeps und Fre-
dericella sultana auch Plumatella polymorpha repens und eine
a
Lophopus-Art entdeckte, die nur mit Lophopus Lendenfeldi *)
Ridley von Australien identifiziert werden kann. Es sind somit
zur Zeit aus Afrika 4, aus Südamerika hingegen 5 Arten von
Süsswasserbryozöen bekannt. Den Beschluss der Mitteilung
bildete eine tabellarische Uebersicht der geographischen Verbrei-
tung der Gattungen und Arten der Süsswasserbryozöen in den
verschiedenen Erdteilen.
*) Nach Niederschrift dieses Referats erhalte ich von Herrn Dr. Meissner-
Berlin einen Sonderabdruck über einen Vortrag in der Gesellschaft Naturf, Freunde
in Berlin (1893 No. Io), in welchem er die von Ihering’schen Exemplare für
verschieden von Lophopus Lendenfeldi erklärt und als L. Iheringiı beschreibt.
Der Autor würde in diesen Irrtum schwerlich gefallen sein, wenn er nicht nur die
erbärmliche Zeichnung in Ridley’s Aufsatz, sondern auch die von demselben ge-
gebenen Maasse beachtet hätte. Ridley giebt seinen Statoblasten bei 0,7 mm Breite
eine Länge von 0,85—0,95 mm, d. h. seiner Zeichnung müssten jederseits in
der Breite etwa 3—5 mm hinzugefügt werden, wenn sie den Maassen entsprechen
sollte. Die »Sechseckigkeit« der Statoblasten, welche Meissner als weiteren Unter-
schied aufführt, habe ich nur hin und wieder bei in Kalilauge gekochten Exem-
plaren als Kunstprodukt angetroffen. Um einen Anhalt über die Beurteilung der
Notwendigkeit der Aufstellung einer »neuen Art« zu geben, mögen hier noch
einige Maasse folgen, die sich aus den von Ridley und Meissner aufgeführten
‘Zahlen, wie aus einigen wenigen, von mir angestellten Messungen ergeben:
Länge der Statoblasten nach Ridley: Hamburger Exempl.: Meissner:
0,85—0,95 mm 0,95—0,97 mm I mm
Breite >» » 0,703 0,78—0,86 » 0,8 >»
Länge: Breite = I: 0,74 bis 1:0,82 1:0,8 bis I: 0,86 2120,98:
Kraepelin.
Die Aufgaben und die
Organisation des botanischen Gartens in Hamburg.
Vortrag, gehalten in der Sitzung des Naturwissenschaftlichen Vereins
am 15. November 1893 von Dr. Fr. Ahlborn.
In der Reihe der wissenschaftlichen Institute Hamburg’s
nimmt der botanische Garten seit langer Zeit nicht die Stellung
ein, welche ihm nach der Wichtigkeit des von ihm vertretenen
Gegenstandes zweifellos gebührt. Es ist dies bekanntlich die Folge
der Verknüpfung einer Reihe unglücklicher Verhältnisse, welche es
denn auch bewirkt haben, dass der botanische Garten in dem
wissenschaftlichen Leben unserer Stadt so gut wie gar keine
Rolle spielt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei vorweg
bemerkt, dass die gegenwärtige gärtnerische Verwaltung des
botanischen Gartens selbstverständlich kein Vorwurf treffen kann;
sie hat als interimistische Einrichtung ja nur die Aufgabe, zu
erhalten, was vorhanden ist, und wenn dabei der botanische
Garten in manchen Punkten bemerkenswerte Fortschritte zu
verzeichnen hat, so wäre es Unrecht, dafür die Anerkennung zu
versagen.
Wenn nun aber die zuständigen Behörden in der Einsicht,
dass die Verhältnisse des botanischen Gartens ohne Schädigung
des allgemeinen Interesses ein längeres Provisorium nicht ertragen
können, eine definitive Regelung in's Auge gefasst haben, so
hat der Naturwissenschaftliche Verein das Recht und die Pflicht,
seine Ansicht über den gegenwärtigen Stand und die Zukunft
des botanischen Gartens auszusprechen und die Wünsche zu
formuliren, welche bei der unaufschiebbaren Reorganisation dieses
Instituts maassgebend sein sollten. Als Vorsitzender der bota-
nischen Gruppe des Vereins habe ich daher geglaubt, in dieser
wichtigen Angelegenheit das Wort ergreifen zu müssen und die
folgenden Ausführungen zur Diskussion zu stellen. Die nähere
Veranlassung hierzu ist allein die persönliche Erfahrung, dass in
weiten Kreisen, die ein natürliches Interesse an dem botanischen
Garten haben, über die Aufgaben und die Bedeutung desselben
für Hamburg nicht diejenige Klarheit besteht, welche für die
richtige Würdigung der Sache notwendig ist.
en
Die botanischen Gärten stammen aus einer Zeit, in welcher
Botanik und botanische Systematik nahezu identische Begriffe
waren. Unter der Leitung systematischer Botaniker waren sie
im Grunde genommen nichts anderes, als Herbarien lebender
Pflanzen, eine Bezeichnung, die ebenso berechtigt ist, als das
Wort »Wintergärten« für die Herbarien. Je vollständiger die
Sammlung, je zahlreicher die seltenen, aus fernen Ländern ein-
geführten Arten, je sorgfältiger die systematische Gliederung nach
Ordnungen und Familien der Eintheilung des Gartenlandes zu
Grunde gelegt war, desto höher war das Ansehen, dessen sich
die botanischen Gärten erfreuten. In dieser Form bildeten sie
für die damalige Forschungsrichtung ein wissenschaftliches Hülfs-
mittel ersten Ranges, sie gestatteten, die fremden Pflanzen lebend
zu beobachten und auf ihre Artmerkmale zu prüfen, ja, sie waren
geradezu das Abbild der damaligen botanischen Wissenschaft.
Aber mit den gewaltigen Fortschritten, die seither auf allen
Gebieten der Naturwissenschaften zu verzeichnen waren, eröff-
neten sich auch für die Botanik neue Hülfsmittel und neue Ge-
sichtskreise. Mit Hülfe des in seiner Leistungsfähigkeit so ausser-
ordentlich gesteigerten Mikroskops hat man nicht nur die ge-
naueste Kenntnis über den inneren Bau der Pflanzen gewonnen,
man ist auch bis in die feinsten Einzelheiten der Entwickelungs-
geschichte und bis zu den intimsten Vorgänge der Zellenver-
mehrung vorgedrungen, und im Bereiche der niederen Organismen
hat das Mikroskop der Forschung neue nun schon vielgepflegte
Arbeitsfelder erschlossen, welche der alten Systematik eine terra
incognita waren. Aber die Botanik ist nicht dabei stehen ge-
blieben, die morphologischen, anatomischen und entwickelungs-
geschichtlichen Thatsachen feztzustellen und zu registrieren, sie ist
auch auf der ganzen Front mit grossem Erfolg thätig gewesen,
indem sie nach den Ursachen aller der Erscheinungen geforscht
hat. So hat sie eine Reihe der wichtigsten chemischen und
physikalischen Vorgänge im Innern der Zelle ergründet; sie hat
es unternommen, die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen
Zellen des pflanzlichen Individuums zu ermitteln und die mecha-
nischen und physiologischen Aufgaben zu erkennen, welche ein
jedes Gewebe der Pflanze in ihrem Organismus zu erfüllen hat.
Die epochemachenden Werke Darwins haben nicht nur in die
Zoologie, sondern auch in die Botanik ein neues, ungemein
4*
ei Ih ne
treibendes Ferment gebracht. Die Frage nach der Abstammung,
der Verwandtschaft der Arten ist wieder in den Vordergrund ge-
treten. Man begnügt sich nicht mehr damit, die morphologischen
Merkmale der jetzt lebenden Pflanzen als Verwandtschafts-Doku-
mente anzunehmen, man zieht auch die fossilen Reste der pflanz-
lichen Organismen früherer Erdperioden in den Kreis der Be-
trachtungen und sucht so einen immer tieferen Einblick ın die
verwandtschaftlichen Beziehungen der Gewächse zu erlangen. Die
Gesamtheit der Existenzbedingungen für jede Art zu ermitteln,
zu erkennen, wie die Organisation der Pflanze diesen äusseren
Verhältnissen angepasst ist, und endlich Einsicht zu gewinnen
in die Rolle, welche jede Pflanze im Haushalt der Natur zu
spielen hat: das sind weitere, moderne Ziele der botanischen
Forschung. Diese vielseitigen Bestrebungen der heutigen Botanik
haben das Schwergewicht ihrer Thätigkeit längst hinausgerückt
aus dem Bereiche der altehrwürdigen sammelnden und beschrei-
benden Systematik, die so lange Jahre den Kern dieser Wissen-
schaft gebildet hat.
Unter diesen Verhältnissen haben auch die nach dem
systematischen Prinzip angelegten botanischen Gärten das alte
Ansehen nicht zu wahren vermocht. Mit dem weitaus grössten
Theile der neueren mikroskopischen Forschung stehen die bota-
nischen Gärten in gar keiner oder nur sehr untergeordneter Be-
ziehung, und so ist den naturgemäss auch ihr Werth für die
Wissenschaft mehr und mehr zurückgegangen. Die grosse Menge
des in den botanischen Gärten gepflegten Pflanzenheeres steht
heute nutzlos da, und die vielen Gewächse, die vielleicht den
Laien durch ihre Zahl imponieren, »sie grünen, blülıen und
verwelken«, um mit Schwendener zu sprechen, »ohne für die
Wissenschaft Früchte zu tragen«. Wenn daher von einer Seite
die Frage aufgeworfen wurde, ob denn dzese botanischen Gärten
der alten Schule für die heutige Botanik nicht ihre Existenz-
berechtigung verloren hätten, ob das zu ihrer Unterhaltung aufge-
wandte Kapital nicht in anderer Weise mit mehr Nutzen für die
Wissenschaft angewendet werden könne, so müsste die Antwort
eine bejahende sein.
Aber wie in so vielen Dingen auf die Zeit des tiefen, ja
aussichtslosen Niederganges zuweilen eine Epoche neuen Auf-
schwunges und neuen Glanzes folgt, so scheint nun auch für die
— 19 —
botanischen Gärten ein neuer Frühling vor der Thür zu stehen.
Eine neue aufstrebende Forschungsrichtung, die biologische, hat
sich zur Aufgabe gemacht, die durch den Darwinismus hervor-
gerufene Menge von Streitfragen nicht durch spekulative Be-
trachtungen, sondern durch das Experiment und durch die Be-
obachtung am lebenden Organismus einer Entscheidung entgegen
zu führen. Und für diese Bestrebungen ist der botanische Garten
ein ebenso unentbehrliches Hülfsmittel, wie er es einst für die alte
Systematik war. Mit diesen neuen Aufgaben steigert sich von
selbst der Wert und das Interesse an der Erhaltung der botani-
schen Gärten, und schon haben namhafte Universititsgelehrte einer
zeitgemässen Umgestaltung derselben für die Zwecke jener neuen
Forschungsrichtung das Wort geredet. — Nehmen wir hinzu,
dass in einer Reihe von botanischen Universitätsgärten neben
dem alten systematischen auch das geographische Eintheilungs-
prinzip zur Anwendung gebracht ist, und dass man auch sonst
bestrebt gewesen ist, die Einrichtung der Gärten nach Kräften
für die neueren wissenschaftlichen Richtungen nutzbar zu machen,
so ist damit der gegenwärtige Stand der rein wissenschaftlichen
botanischen Gärten in allgemeinen Zügen charakterisirt.
Demgegenüber steht nun unser Hamburgische botanische
Garten im Prinzip noch vollständig auf dem Standpunkte, der
im Anfange dieses Jahrhunderts der allein massgebende war.
Von Leistungen des Gartens für die Zwecke moderner wissen-
schaftlicher Forschung kann daher kaum die Rede sein.
Seine Hauptaufgabe hat seit einer Reihe von Jahren darin
bestanden, für die hiesigen öffentlichen und privaten Schulen,
welche sich darum bewarben, das für den Unterricht erforderliche
Pflanzenmaterial zu liefern. Gewiss ist dies eine wichtige und
dankenswerthe Leistung, ohne welche in vielen Schulen der
botanische Unterricht kaum bestehen könnte. Denn mit dem
rapiden Fortschreiten der Bebauung an der Peripherie des Stadt-
komplexes wird es immer schwieriger, ja fast unmöglich, die
nötigen wildwachsenden Pflanzen im Freien zu finden, wenn
man nicht sehr weite Wege darum machen will. Aber so hoch
wir auch diese Leistungen des botanischen Gartens anschlagen
wollten, so steht andererseits doch auch fest, dass allein für
diesen Zweck ein botanischer Garten im wahren Sinne eines
wissenschaftlichen Instituts gar nicht erforderlich ist. Ein städ-
tischer Schulgarten, der wirklich den Bedürfnissen der Schule
entsprechend angelegt und im Betrieb erhalten würde, wäre hier-
für unter allen Umständen geeigneter.
Abgesehen von diesen Pflanzenlieferungen für die Schulen
halten sich die sonstigen nützlichen Produktionen des botanischen
Gartens, die Ausstellung blühender Pflanzen, wie der Königin
der Nacht und der Victoria regia innerhalb ziemlich bescheidener
Grenzen, wenn auch nicht verkannt werden soll, dass gerade
diese Ausstellungen manchen Besucher heranziehen, dem der An-
blick einer schönen Blume Freude macht.
Der Hauptbestand des Gartens, die in Reih’ und Glied
nebeneinander stehenden hunderte von Pflanzenarten mit ihrem
lateinischen Namen, erweckt kein allgemeines Interesse. Nur
selten sieht man einen Spaziergänger in den schmalen Wegen
zwischen diesen wissenschaftlichen Beeten verkehren. Dem
grossen Publikum bieten diese grossen Flächen zu wenig geistigen
Gehalt. Der Laie interessirt sich für die Kräuter gewöhnlich
nur wenn sie blühen, wenn sie schön blühen, mit einer Reihe
von z. B. Sempervivumarten weiss er nichts anzufangen, er ver-
mag sie nicht oder nur undeutlich zu unterscheiden, auf seinen
Spaziergängen in Feld und Wald hat er sie ebensowenig ge-
sehen, wie die meisten der übrigen hier angepflanzten Gewächse,
-- so geht er vorüber — mit der Empfindung, dass ihm das
Verständnis für diese Dinge fehle. Von einer ermunternden
Anregung empfindet er nichts. — Ich zweifle nicht, dass es in
Hamburg Leute giebt, die aus jenen Beeten Anregung, Belehrung
und geistige Befriedigung schöpfen, aber ich glaube, ihre Zahl
ist geringer, als man anzunehmen wagt. — Man wird mir ein-
wenden, dass doch aber gerade diese Anpflanzungen das Material
für die ungezählten Tausende von Exemplaren liefern, welche
an die Schulen abgegeben werden. Das ist recht, aber ebenso
sicher ist, dass ausgewählte nicht seltene Arten der einheimi-
schen Flora für die Schulzwecke besser geeignet sind, als sehr
viele fremde Arten, welche jetzt an die Schulen abgegeben
werden, weil sie einmal seit alter Zeit im Garten vorhanden
sind. — Diese Missverhältnisse klären sich auf, wenn man be-
denkt, dass der botanische Garten seiner ganzen Anlage und
Entwickelung nach ja nicht Schulgarten ist, sondern dass er,
nach dem Vorbilde der alten Universitätsgärten eingerichtet,
en
lange Jahre ein wissenschaftliches Institut unseres akademischen
Gymnasiums war. Den Zwecken dieser Hochschule hat die vor-
handene Einrichtung des botanischen Gartens seiner Zeit durch-
aus entsprochen; den heutigen Anforderungen genügt sie nicht
mehr.
Dies Resultat führt uns auf die Frage nach der zukünftigen
Entwickelung des botanischen Gartens.
Die Umwandlung in einen einfachen Schulgarten, so er-
wünscht sie für die Schulen wäre, liegt nicht im allgemeinen
Interesse und ist als ein Rückschritt ausgeschlossen. Die wissen-
schaftliche Grundlage muss unserem botanischen Garten unter
allen Umständen erhalten bleiben. Die zukünftige Organisation
muss so beschaffen sein, dass sie die berechtigten Ansprüche
unserer Zeit befriedigen kann. Bevor wir also über die Re-
organisation ein Urtheil abgeben, müssen wir über die modernen
Aufgaben der botanischen Gärten und im Besonderen unseres
Hamburgischen in's Klare kommen.
Es wurde bereits angedeutet, dass eine neuere biologisch-
experimentelle Richtung botanischer Forschung den Garten als
ein nothwendiges Hülfsmittel bedarf. Diese Richtung geht von
dem Standpunkte aus, dass jedes Organ, ja das kleinste Härchen,
seine bestimmte Bedeutung für das Leben der Pflanze hat. Sie
wendet daher auch dem Umscheinbarsten ihre Aufmerksamkeit
zu und sucht durch andauernde Beobachtung der lebenden Pflanze
den Zweck derselben zu erkennen. Sie stellt Versuche an. Sie
ändert im Garten die natürlichen Existenzbedingungen der Pflanze
und forscht nach den Abänderungen, welche dadurch in der Orga-
nisation und Gestaltung der einzelnen Teile hervorgebracht werden.
Die durch Kreuzung veranlassten Abänderungen, die Erb-
lichkeit der so erworbenen Merkmale und der Grad ihrer Be-
ständigkeit *) — das alles soll der experimentellen Forschung
unterworfen, und so die wichtige Frage nach der Abgrenzung der
Varietäten, Arten und Gattungen auf eine objective Basis gestellt
werden. Diesen und anderen Plänen der Forschung, die im
Einzelnen selbstverständlich völlig der persönlichen Wahl der
vorhandenen wissenschaftlichen Arbeitskräfte überlassen bleiben
*) von Wettstein, die gegenwärtigen Aufgaben der botanischen Systematik.
Prag 1893.
[5]
D
müssen, wird auch unser Hamburgischer botanischer Garten Raum
geben müssen, wenn er seinen wissenschaftlichen Aufgaben gerecht
werden und eine würdige Stelle in der Reihe der deutschen bo-
tanischen Gärten einnehmen will.
Schon hier sei auf einen wichtigen Punkt hingewiesen.
Nach dem im Naturhistorischen Museum mit so glücklichem Er-
folge durchgeführten Prinzip der Trennung der wissenschaftlichen
Sammlung von der Schausammlung, sollten auch im botanischen
Garten alle den rein wissenschaftlichen Zwecken dienenden An-
lagen räumlich von den der Öffentlichkeit zugänglichen Teilen
abgeschlossen werden, da sie für das Publikum keinen greifbaren
Wert haben und nur die Übersicht erschweren würden.
Auf ein weiteres Arbeitsfeld für unsern botanischen Garten
hat bereits vor zwei Jahren Herr Prof. Sadedeck hingewiesen,
indem er in seinem Vortrage über die tropischen Nutzpflanzen
Ostafrikas*) ausführte, wie der Garten den praktischen Interessen
unserer jungen überseeischen Pflanzungen dienstbar gemacht
werden könne. An der Hand lebender Kulturen der tropischen
Plantagengewächse liessen sich hier nach dem Beispiele der
englischen Kew-Gardens auf experimentellem Wege mancherlei
wichtige Kulturbedingungen ermitteln, deren Kenntnis für den
Plantagenbetrieb von ebenso unmittelbarem Nutzen sein würde,
wie die Ergebnisse der landwirthschaftlichen Versuchsstationen
für den heimischen Ackerbau. Man könnte sich allerdings mit
Recht fragen, ob Hamburg der geeignete Ort hierfür sei und
ob es nicht Sache des Reiches sei, eine geeignete Organisation
zu schaffen, durch welche, — wie im botanischen Garten zu
Buitenzorg auf Java — die biologische Durchforschung der tro-
pischen Kulturgewächse naturgemäss auch an Ort und Stelle in
den Tropen vorgenommen werden könnte.
Wenn es somit dem botanischen Garten an productiven
wissenschaftlichen Aufgaben keineswegs gebricht, so ist damit
die Summe dessen, was er leisten soll, bei weitem nicht erschöpft.
Denn der botanische Garten soll nicht ein rein wissenschaftliches
Institut sein, wie die botanischen Gärten der Universitäten, er
soll — und ich meine hier in Hamburg in erster Linie — ein
öffentliches Bildungsmittel sein, wie es das Naturhistorische
*) Jahrbuch ©. Hamburg. Wissenschaftl. Anstalten. IX, 1891,
Museum, die Kunsthalle und das Museum für Kunst und Gewerbe
auch sind. Wir haben daher jetzt die Frage zu stellen, welche
Aufgaben der botanische Garten als öffentliche Bildungsanstalt
zu erfüllen hat.
Diese Aufgaben sind seither nirgends formuliert; sie ergeben
sich aber von selber, wenn man die in der Bevölkerung vor-
handenen vielseitigen Interessen an der Pflanzenwelt in's Auge
fasst. Es braucht nicht ausgeführt zu werden, dass die Existenz
der Menschheit zu allen Zeiten von den Erzeugnissen der Pflanzen-
welt abhängig gewesen ist und sein wird. Die gesamten Nah-
rungsmittel werden direkt oder indirekt vom Pflanzenreiche her-
vorgebracht. Die Steinkohlen sind das Erzeugnis der Vegetation
früherer Erdperioden. Für zahlreiche Berufsarten liefert das
Pflanzenreich die nothwendigsten Hülfsmittel und Rohmaterialien.
Kaffee, Reis, Taback, Wein, Farbholz, Bauholz, Gerbstoffe,
Kautschuk, Baumwolle und andere Faserstoffe, Ölnüsse und
Kopra, Droguen und Gewürze und tausend andere Dinge pflanz-
lichen Ursprungs überliefert der Kaufmann dem heimischen
Konsum, um sie gegen Erzeugnisse unserer Industrie auszu-
tauschen; das Papier, der getreue Träger und Bewahrer mensch-
licher Gedanken; die Leinwand, auf der der Künstler seine
Ideen verwirklicht — alles ist pflanzlicher Natur und bindet das
materielle Interesse der Menschen mit tausend Fäden an die
Pflanzenwelt.
Wenn nun der botanische Garten sich die Aufgabe stellen
würde, mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln über möglichst
alle diese Dinge Auskunft zu geben und diejenige Kenntnis zu
verbreiten, welche die praktische Erfahrung und die Wissenschaft
an die Hand giebt, so würde er damit einem offenkundigen Be-
dürfnis entsprechen, und jeder in dieser Richtung unternommene
Schritt würde für sich lohnend sein. Bei dem grossen Entgegen-
kommen, mit welchem unser Kaufmannstand ein derartiges, wirk-
lich gemeinnütziges Unternehmen unterstützen würde, könnte es
nicht schwer fallen, nach und nach das Material zu einer Samm-
lung pflanzlicher Handelsprodukte zusammenzubringen, wie sie
lehrreicher und vollständiger nicht gedacht werden könnte. Der
Fremde, der hierher kommt, um in dem Getriebe der ersten
Seehandelsstadt des Kontinents seine Kenntnisse zu erweitern,
er sieht wohl den Mastenwald in unsern Häfen und staunt über
die Grösse und Pracht der Schiffe, er sieht auch, wie tausend
Hände beschäftigt sind, die Waren zu verladen und zu löschen,
aber von den Waren selber, zumal den überseeischen, meist
pflanzlichen Produkten, die ihn besonders interessieren würden
und mit denen unser Handel doch in erster Linie zu thun hat,
sieht er gewöhnlich nicht mehr als die Emballage. Würde man
ihm nun sagen können, geh’ hin in die Sammlung des bota-
nischen Gartens, sagen wir in das Handelsmuseum, da findest
Du nicht nur alle diese Waren in charakteristischen Mustern
ausgestellt, sondern auch die lebenden Pflanzen, die diese Stoffe
hervorbringen und da bekommst Du ein Bild von der Bedeutung
dieser Waren im Weltverkehr, — er würde sicher diese Gelegenheit
zu sehen und zu lernen nicht ungenützt vorübergehen lassen. Und
wie nutzbringend würde eine solche Sammlung für den Kaufmann
sein, der sich schnell über eine ihm fernliegende Ware einen
Überblick verschaffen will. Wie liesse sich diese Sammlung für
die Weiterbildung unserer jüngeren Kaufleute fruktifizieren?!
Ist nun auch die Schöpfung einer so gedachten Sammlung
pflanzlicher Handelsprodukte nicht die nächstliegende unter den
vielen Aufgaben des botanischen Gartens, so wird sie doch ernst-
lich gefördert werden müssen, sobald die weiteren Reorganisa-
tionen durchgeführt sind. Denn man wird sich der Einsicht
nicht verschliessen können, dass das Fehlen einer die Interessen
unseres Handelsstandes nach dieser Richtung hin vertretenden
Institution einen wirklichen Mangel unserer öffentlichen Einrich-
tungen bedeutet. In Bremen hat man aus dem schönen Material,
welches in der Handelsabteilung der letzten Gewerbeausstellung
in Hamburg Verwendung gefunden hatte, eine sorgfältig durch-
gearbeitete Sammlung hergestellt, die sich in weiten Kreisen
eines besonderen Ansehens erfreut. Hamburg darf auch in diesem
Punkte nicht dauernd hinter Bremen zurückstehen.
Es sind nicht nur die Interessen des praktischen Lebens,
denen unser botanische Garten angepasst sein muss. In der
Pflanzenwelt findet das Schönheitsgefühl, der Sinn für Farben
und edle Formen, viele seiner mächtigsten Impulse. Ausser dem
Anblick des gestirnten Himmels giebt es nichts Erhabeneres, als
die wechselnden Bilder der Erdlandschaft. Für diese bilden die
geologischen Formationen der Oberfläche mit ihrem mannichfal-
tigen Wechsel der Abstände und Niveauunterschiede die feste
und starre Grundlage. Die Vegetation aber bedekt dieses starre
Skelett mit einer weichen, beweglichen und ausdrucksvollen
Schicht und enthält so eine Fülle physiognomischer Elemente,
welche, mit den Klimaten wechselnd, den Charakter der land-
schaftlichen Scenerie in den verschiedenen Gebieten der Erd-
oberfläche bedingen. So haben die Gewächse ein hervorragendes
künstlerisches und geographisches Interesse, welches durch ge-
eignete Einrichtungen des botanischen Gartens soweit wie mög-
lich gefördert zu werden verdient. Namentlich wird man diese
Gesichtspunkte ins Auge zu fassen haben, wenn es sich einmal
um Neubeschaffung der Gewächshäuser handelt, die in ihrer
jetzigen Form und Verfassung für diese weiteren Ziele allerdings
gänzlich unzulänglich sind.
Zu allen Zeiten hat das Auge der Menschen mit Wohlge-
fallen und Freude auf der Pracht der Blüten geruht. Zweige
und Blumen dienten und dienen noch heute zum Schmuck und
zur Zierde der menschlicher Wohnungen. Kein Fest ohne
Blumen, keine Weihnacht ohne Tannenbaum. Einst bekränzte
man die Opfer. und verbreitete pflanzliche Wohlgerüche in den
Tempeln. Viele Pflanzen haben symbolische Bedeutung, wie die
Eiche und der Lorbeer, die Rose und die Myrthe. Der bilden-
den Kunst hat das Pflanzenreich eine Fülle der herrlichsten kon-
struktiven und ornamentalen Motive geliefert, und noch immer
hält hier die Natur für Maler und Kunstfreunde eine unerschöpf-
liche Fundgrube offen. Und welchen Reichtum an dekorativen
Bestandteilen hat die Gartenkunst dem Pflanzenreiche entnommen
und weiter entwickelt? —
Wenn ich nun die Forderung aufstelle, dass der botanische
Garten durch Anlage einer besonderen Abteilung für Garten-
zierpflanzen und durch periodische Ausstellung geeigneter Formen-
gruppen an seinem Teile zielbewusst zur Hebung aller jener weit
verbreiteten Interessen beitragen soll, welche sich von dem
aesthetischen Werte der Pflanzen ableiten, so bin ich mir dabei
bewusst, dass es nicht an Stimmen fehlen wird, die hiergegen
Bedenken zu äussern haben. Gerade in streng wissenschaftlichen
und darum vor einer gewissen Einseitigkeit des Urteils nicht ge-
schützten Kreisen, welche mit unseren Hamburger Verhältnissen
weniger vertraut sind, wird man vielleicht die Befürchtung hegen,
dass ein Hineinziehen der künstlerischen und gärtnerischen Inter-
= lo
essen in den botanischen Garten, dem wissenschaftlichen Grund-
charakter desselben Abbruch thun könne. Man wird sich viel-
leicht bemüssigt sehen, die unterschiedlichen Begriffe von Garten-
kunst und Botanik zu entwickeln und die Grenzlinie zwischen
beiden möglichst scharf hervortreten zu lassen. Man wird auch
vielleicht auf das Beispiel der botanischen Universitätsgärten
hinweisen und sagen, dass die Gartenzierpflanzen und was damit
zusammenhängt, kein botanisches Interesse haben. Demgegen-
über liesse sich sagen, dass der hamburgische botanische Garten
keine Nachbildung eines Universitätsgartens sein darf, da dieser
sich auf ganz andere, beschränktere Voraussetzungen stützt und
in erster Linie für Botaniker vom Fach und nicht für die ge-
samte Bevölkerung bestimmt sind. Im Grunde genommen ist
aber auch gar nicht einzusehen, warum denn die Gartenzier-
pflanzen mit ihren herrlichen Formen und Farben und mit ihren
zahlreichen Varietäten, die unter dem Einflusse veränderter Exi-
stenzbedingungen entstanden sind, keinen botanischen Wert haben;
jetzt, wo auch das Unscheinbarste für den Botaniker Bedeutung
hat. Aber selbst wenn auch nur das rein aesthetische Interesse
vorläge, so wäre dies kein Grund für einen Ausschluss aus dem
botanischen Garten, der doch auch seither schon durch Ausstel-
lung kleiner Gruppen blühender Pflanzen nach dieser Richtung
hin wirksam gewesen ist. Meiner Überzeugung nach kann das
allgemeine Interesse an der Pflanzenwelt durch eine nach wissen-
schaftlichen und künstlerischen Gesichtspunkten geleitete Abteilung
des botanischen Gartens nur gewinnen. Ich zweifle nicht, dass
diese Abteilung der nachhaltigsten Unterstützung des Gartenbau-
vereins sichen wären, für dessen Bestrebungen sie eine ständige
Zentralstelle bilden könnte. Geradeso wie das Museum für Kunst
und Gewerbe jederzeit für hervorragende kunstgewerbliche Lei-
stungen seine Ränme und seine Hülfsmittel einsetzt und so zu
gleicher Zeit zur Hebung des Kunstsinnes wie zur Förderung
des Kunstgewerbes beiträgt, so sollte auch in Verbindung mit
dem botanischen Gartens eine Einrichtung geschaffen werden,
durch welche die hervorragenden Leistungen unserer hamburgi-
schen Gartenkunst in das rechte Licht gestellt würden.
»Wenn Hamburg«, wie Alfred Lichtwark sagt, »unter den
Städten der Blumen und Gärten in erster Reihe steht, wenn
nirgend in den Treibhäusern, in den Wintergärten der Wohl-
habenden und vor den Fenstern der kleinen Leute so viel
Blumen gezogen werden, wie bei uns«, dann, meine ich, sollte
dies auch dauernd an einer Stelle zum öffentlichen Ausdruck
kommen, und es wäre eine schöne Aufgabe für den Pflanzen-
garten, zur Erhaltung und Weiterentwicklung dieses Vorzuges
unserer Stadt nach Kräften mitzuwirken. —
Das Nützliche, Erhabene und Schöne, was die Natur in
den Erscheinungen der Pflanzenwelt darbietet, hat die Gedanken
der Menschen zweifellos früher gefesselt, als das rein wzssen-
schaftliche Interesse. Und wie dieses historisch später aufge-
treten ist, so ist es auch bei dem einzelnen Menschen nicht von
Anfang an vorhanden, sondern tritt erst später in die Erscheinung
oder gelangt bei fehlender Anregung gar nicht zur Entfaltung.
Mit Bestimmtheit kann man behaupten, dass die meisten Menschen
auch heute noch nur zwei Fragen an die Pflanzen richten, die
Frage nach dem Nutzen und Schaden und die Frage nach dem
mehr oder weniger angenehmen Eindruck auf die Sinnesorgane.
Was nicht nützlich oder giftig ist, was nicht schon bei ober-
flächlicher Betrachtung den Eindruck des Schönen macht, das
findet keine Beachtung, dafür hat man nur die wegwerfende
Bezeichnung »Unkraut«,. Man ahnt es nicht, dass selbst das
unscheinbarste Grasblättchen, das unser Fuss zertritt, des Merk-
würdigen und Wunderbaren mehr enthält, als der Verstand des
Menschen je zu fassen vermag; man weiss es nicht, welche Fälle
reiner Freude die hingebende Betrachtung der Organismen her-
vorruft, welche unerwarteten Antworten sie uns geben, wenn
wir nur in ihrer Sprache die richtigen Fragen an sie stellen,
»Das Buch der Natur«, sagt Göthe im Gefühl des hohen ethischen
Genusses, den ihm die Beschäftigung mit den Organismen be-
reitete, »ist das einzige, das auf jeder Seite grosse Wahrheiten
enthält«. Aber, fügen wir hinzu, es will gelesen sein, und seine
Sprache ist nicht die gewöhnliche Menschensprache. Vieles von
seinem Inhalt erfordert nichts als die Aufmerksamkeit, das Hin-
sehen, um verstanden und empfunden zu werden; vieles Rätsel-
hafte ist durch die Arbeit der Wissenschaft entziffert worden
und kann dem Laien durch den Kundigen übersetzt und zum
Verständnis gebracht werden, aber viele Seiten dieses Buches
sind noch zu erforschen und viele werden dem Menschen ewig
verschlossen bleiben.
DR en
Die Wissenschaft fragt nıcht nach dem Nutzen und Schaden,
sie betrachtet die Dinge wie sie sind. Und wenn sie dabei mit
Freuden gewahr wird, dass die Natur auch in den kleinsten
organischen Gebilden das höchste Maass der Schönheit erreicht,
so versinkt sie nicht in der blossen Betrachtung dieser Formen,
sondern sucht die Erscheinungen zu durchdringen und Verständnis
und Einsicht in ihre Entwicklung und ihr Wesen zu gewinnen.
Da sich diese weiteren wissenschaftlichen Bestrebungen nur an
die Formen und Gestalten der vorhandenen Organismen an-
knüpfen, so ist es erklärlich, dass nach dem Wiedererwachen
der Künste und Wissenschaften am Ende des Mittelalters die
Botanik zuerst mit einer Epoche der Formenforschung anhob
die ein erdrückendes Material an Beobachtungen zu Tage förderte,
und auch heute ihren vollen Abschluss noch nicht gefunden hat.
Es ist bekannt, dass durch Linnes System und die unter dem
Namen natürlicher Systeme erschienenen verbesserter Ausgaben
desselben, Ordnung und Übersicht in diese zusammenhangslose
Masse von Arbeit gebracht wurde. In jener Periode der Formen-
forschung mag es vorübergehend den Anschein gehabt haben,
als sei diese Art der Untersuchung .das Ziel der Botanik, heute
ist aber Jedermann sich bewusst, dass das Sammeln und Be-
schreiben neuer Pflanzen nur die Vorbereitung zu einer weiteren
wissenschaftlichen Verwerthung bedeutet. In erster Linie werden
dadurch die pflanzengeographischen Kenntnisse erweitert, welche
wiederum als Argumente bei der Beurteilung der wichtigen Frage
über die Abstammung und Verwandtschaft der Arten Verwendung
finden können.
So lange die botanischen Gärten ausschliesslich der Formen-
forschung dienstbar waren, war das systematische Einteilungs-
prinzip das naturgemässe. Heute, wo die Botanik weiteren Zielen
zustrebt und der Kreis derer, welche ein faktisches Interesse an
einer solchen Pflanzensammlung haben, ein so kleiner geworden
ist, kann auch die Einteilung nach Klassen und Familien nicht mehr
als die allein maassgebende anerkannt werden, sofern auf andere
Weise der Nutzen des botanischen Gartens dem Zeutigen Stande
der Botanik entsprechend gesteigert werden kann. Und dies ist
möglich. Ich bin nun weit davon entfernt, zu verlangen, dass die
systematische Abteilung ganz beseitigt wird, aber ich halte aller
dings eine völlige Umgestaltung und Einschränkung für notwendig.
— 30 —
Der Schulunterricht, wie der akademische, beginnt mit
der Übermittelung einer gewissen systematischen Grundlage, er
erstrebt eine gewisse Formenkenntnis, deren Gegenstände der
einheimischen Flora entnommen werden. Wir unternehmen bo-
tanische Ausflüge und besprechen die gefundenen Pflanzen in der
oder den nächsten Unterrichtsstunden. So erreichen wir es, dass
der Schüler, wenn er später allein im Freien ist, sich dort
heimisch fühlt; er sieht um sich keine hässlichen »Unkräuter«,
sondern liebe, alte Bekannte, die er versteht und die immer
wieder seine geistige Teilnahme erwecken. — Nun schickt uns
der botanische Garten für den Schulunterricht eine Menge von
Pflanzen, die in der einheimischen Flora nicht vorkommen und
die der Schüler also auch nicht im Freien wiederfinden kann.
So ist es selbstverständlich, dass eine solche Pflanze den bilden-
den Wert nicht hat, wie ein einheimisches Gewächs. Es liegt
also das dringende Bedürfnis vor, dass der botanische Garten für
den niederen wie höheren Unterricht ein wirklich gutes und
brauchbares Material aus der einheimischen Flora produziere.
Man wähle also von unseren Pflanzen diejenigen aus, welche sich
für den Unterricht eignen und bilde daraus den Stamm der
systematischen Sammlung. Alle fremden Gewächse, die kein
besonderes unterrichtliches Interesse haben, sind hier zu entfernen.
Man wird dadurch Platz gewinnen für nützliche Einrichtungen,
und namentlich erreichen, dass diese systematische Sammlung
auch für den Gartenbesucher geniessbar wird. Da findet er
Pflanzen, die er schon einmal gesehen hat, die ihm aber noch
nicht mit Namen und ihren Familienverhältnissen bekannt waren;
andere sind ihm vorher nie aufgefallen, nun sieht er sie und nun
wird er sie vielleicht auch im Freien wieder erkennen. Natür-
lich müssten überall die schönen deutschen Namen benutzt und
wieder zu Ehren gebracht werden, deren Verschwinden ja ein
Verschulden der bisherigen botanischen Gärten ist. Auf die
strikte Aufrechterhaltung der systematischen Schablone, die ja
schon an der Verschiedenartigkeit der Standorte scheitert, käme
es nicht an. Deshalb wäre es auch sehr statthaft, die ernhermischen
Kulturgewächse hier auszuschalten und aus didaktischen Gründen
in einer besonderen Abteilung zusammenzustellen. Diese Ge-
wächse sind auch im Felde von der Mehrzahl der wildwachsen-
den getrennt, sie lenken durch ihre praktische Bedeutung die
Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich und sollten unter allen
Umständen von Jedermann gekannt sein. Da dies aber in der
Grosstadt durchaus nicht der Fall ist und auch durch den Schul-
unterricht nur schwer zu erreichen ist, so muss der botanische
Garten helfen und sie durch Herausheben aus der grossen Menge
dem Besucher näher rücken.
In ähnlicher Weise müsste auch eine separate Sammlung
der Arznerpflansen vorhanden sein, da für diese wieder besondere
Interessentenkreise da sind, denen aus praktischen Gründen eine
Trennnng dieser Gewächse von den übrigen erwünscht ist.
Als ein weiteres Einteilungsprinzip wäre bei der Reorgani-
sation des botanischen Gartens das geographische zur Anwendung
zu bringen, das ja auch anderwärts schon längst mit bestem Er-
folge benutzt worden ist.
Es wäre ein Ideal, wenn der botanische Garten jedesmal ein
ganzes Stück Natur aus den verschiedenen pflanzengeographischen
Provinzen und Vegetationsgebieten darstellen könnte, sodass man
mit dem Einblick in die Flora zugleich eine Vorstellung von der
landschaftlichen Physiognomie bekäme. Aber abgesehen von den
Raumverhältnissen ist es sehr schwierig, namentlich die klimatischen
Bedingungen für das Gedeihen der Pflanzen entfernter Länder
ganz zu erfüllen, und so wird man sich mit einer durch die
vorhandenen Mittel herstellbaren Annähernng begnügen müssen.
So denke ich mir ein Alpinum, eine Zusammenstellung von Step-
pengewächsen, von Pflanzen der Mittelmeerflora, des Kaplandes,
der Tropen und anderer (Gebiete durchführbar. Durch sinn-
gemässe Auswahl und Anordnung von Individuen und Gruppen
charakteristischer Gewächse muss es möglich sein, derartige Kom-
binationen zu gleicher Zeit für botanische, geographische und
künstlerische Interessen nutzbringend zu gestalten.
Wie durch die geographische Gruppierung u. a. der Ein-
fluss des Klimas auf die Vegetation zum Ausdruck kommt, so
lässt sich die Abhängigkeit der Pflanzen von dem Boden, auf
dem sie stehen, durch eine Anordnung derselben nach ihren
Standorten vor Augen führen. Das Terrain des botanischen
Gartens ist nach dem Hinzukommen der früheren Wall-Anlagen
für die Einrichtung solcher Abteilungen ganz besonders geeignet.
Hatte ıman seither für die Wasser- und Sumpfpflanzen aus Mangel
an einem freien Gewässer oben vor den Gewächshäusern ein
— 31 —
kleines brunnenartiges Becken, in welchem nur eine mehr als
ärmliche Auswahl von Arten Platz fand, so wäre es jetzt an
der Zeit, dass in dem hierzu wie geschaffenen Wasser des Stadt-
grabens eine die charakteristischen Gewächse unserer Gewässer
umfassende Wasser- und Sumpfflora geschaffen würde. Im gleichen
Sinne würde es sich auch empfehlen, für die Strand- und Salz-
pflanzen, die Kalkpflanzen, die Sandgewächse und die Steinpflanzen
besondere kleine Abteilungen einzuriehten, von denen jede für
sich selber sprechen würde,
Ganz besonders zeitgemäss und instruktiv würde sich end-
lich eine biologische Abteilung im botanischen Garten einrichten
lassen, welcher die ungemein lohnende Aufgabe zufiele, die Be-
deutung der einzelnen Organe für das Leben der Pflanze darzu-
stellen. Es sei gestattet, nur einige der in dieser Abteilung zu
behandelnden Gegenstände aufzuführen. Da liesse sich zeigen,
wie die Gestalt, Haltung und Stellung der Laubblätter geeignet
ist, das Regen- und Tauwasser nach den Saugwurzeln hinzuleiten.
Die Schutzmittel der Pflanzen gegen Austrocknen; die Pflanzen,
welche zu einer Wasseraufnahme durch oberirdische Organe,
Luftwurzeln, Blatt- und Haargebilde geeignet sind; die dem
Lichtbedürfnis in so vollkommener Weise entsprechende mosaik-
artige Anordnung der Blätter dichtbelaubter Pflanzen; Beispiele
für den Heliotropismus, helioskopische Gewächse, Kompasspflanzen ;
die nach dem Lichte kletternden, windenden und rankenden Ge-
wächse; Repräsentanten für die Hauptformen der ungeschlecht-
lichen Vermehrung; Muster der sogenannten künstlichen Ver-
edelung durch Pfropfen, Copulieren, Oculieren etc ; Beispiele von
Schmarotzerpflanzen, ferner die sogenannten fleischfressenden
Pflanzen mit den verschiedenen Formen von Tierfallen,; die
äusseren Abwehrmittel der Pflanzen gegen Tierfrass, die An-
lockungsmittel für Bestäubungsinsekten und vieles andere mehr.
Diese Aufzählung genügt, um erkennen zu lassen, dass eine
solche biologische Abteilung bei richtiger Auswahl und Anord-
nung bald zu den anregendsten und besuchtesten des ganzen
Gartens gehören würde.
Auf die richtige Auswahl der für den bestimmten Zweck
besonders geeigneten Arten und deren Gruppierung ist in allen
Abteilungen ein grosses Gewicht zu legen, denn es ist ohne
Zweifel möglich, allein durch diese Hülfsmittel viele allgemein
B)
wissenswerte Eigenschaften und Beziehungen der Pflanzen auch dem
Laien bemerkbar zu machen, von denen er in dem alten botanischen
Garten so gut wie nichts zu sehen bekommt. Aber das erklärende
Wort wird überall in geeignetem Umfange hinzukommen müssen,
wenn der Erfolg ein sicherer und vollständiger sein soll. Die
»Etikettenfrage« ist hierbei von wesentlieher, sachlicher Bedeutung.
Man scheue sich nicht, auf die Gleichförmigkeit der Eti-
ketten zu verzichten, die nur innerhalb gewisser Grenzen be-
rechtigt ist. Man passe die Schilder der Form und Grösse des
Gegenstandes an, vermeide alles Schablonenhafte, weil es lang-
weilt und ermüdet; kurz man suche Individuelles, Charakteristi-
sches zu schaffen, so wie es dem Gegenstande entspricht. So-
weit die Dinge nicht für sich selber sprechen, wird das Schild
eine ähnliche Rolle spielen müssen, wie die Blumenkronblätter
in der Blüte, es wird die Besucher auf das Sehenswerte auf-
merksam zn machen haben. Innerhalb der systematischen und
gärtnerischen Abteilungen mögen die bJossen Namen genügen.
Für die Gruppen der biologischen Abteilung sind jedoch auf
besonderen Tafeln kurze Erklärungen zu geben, durch welche
sich jeder Besucher schnell über die Hauptpunkte des Darge-
gestellten orientieren kann. Wo immer sich die Gelegenheit
bietet, ist auf vorübergehende interessante Erscheinungen durch
besondere Hinweise aufmerksam zu machen, da man nicht
erwarten kann, dass der Besucher zufällig gerade diese Phänomene
bemerkt. Selbstverständlich kann die Schildaufschrift das ge-
spröchene Wort nicht ersetzen, wenn sie auch auf den Kern der
Sache hinweist. Daher wäre es nötig, dass zu gegebenen Zeiten
Vorträge über die einzelnen Abteilungen und im Anschluss an
kleine Sonderausstellungen gehalten würden, und dass über den
jeweiligen Stand des Gartens kurze, zusammenfassende Berichte
regelmässig in den Zeitungen erschienen.
Man wird darüber entscheiden müssen, ob der Garten ein
Schulgarten werden soll, oder ob er den streng botanisehen
Charakter bewahren soll, den er von Anfang an gehabt hat,
oder endlich, ob er unter wissenschaftlicher Leitung den zahl-
reich hervortretenden praktischen, künstlerischen und wissenschaft-
lichen Bedürfnissen unserer Zeit Rechnung tragen, und sich zu
dem vielseitigen Institut eines Aamburgischen Pflanzengartens
allmählich emporarbeiten soll.
Mit dieser Entscheidung erledigt sich gleichzeitig die Frage,
ob der Garten an der bisherigen Stelle zu erhalten, oder in die
freiere Luft der weiteren Umgebung Hamburgs verlegt werden
soll. Für den Schulgarten und den rein botanischen Garten ist
die Verlegung geboten, da der Kohlenstaub und die von dem-
selben absorbierten schwefelhaltigen Verbrennungsgase schädigend
auf den Pflanzenwuchs einwirken, und ausserdem finanzielle Gründe
dafür sprechen. Für den Pflanzengarten dagegen ist kein Ort
besser geeignet, als der jetzige botanische Garten, weil er in
zentraler Lage leicht zugänglich ist und so allein einen grösst-
möglichen Nutzeffekt verbürgt.
Der Naturwissenschaftliche Verein, wie jeder einzelne Bürger,
der den Blick auf das Allgemeine gerichtet hat, kann nur den
Wunsch haben, dass jene Entscheidung zu Gunsten eines allge-
meinen Pflanzengartens ausfallen möge, und dass unser botanische
Garten in dieser neuen Form allen berechtigten Interessen an der
Pflanzenwelt in Zukunft eine thatkräftige Stütze sein möge.
b*
Die Schuppen der Säugetiere.
DEAL. Reh,
(Vortrag, gehalten‘in der Zoologischen Gruppe am 29. Januar 1894.)
Da dieses Thema gerade in neuester Zeit besonderes Inter-
esse erregt und so eine grössere Anzahl Bearbeiter gefunden
hat, so sei es mir an dieser Stelle gestattet, kurz die Resultate
meiner diesbezüglichen Untersuchungen zu veröffentlichen, da ja
die Gefahr nahe liegt, dass sie durch Zögerung nutzlos werden
könnten.
Um die Bedeutung dieser Gebilde zu ergründen, suchte ich
festzustellen, wo (systematisch und toyographisch) sie vorkommen.
Die Körperstellen sind ziemlich beschränkt. Weitaus am meisten
bekleiden sie den Schwanz, sehr häufig die Gliedmassen und
zwar hauptsächlich in ihren Endteilen, Hand und Fuss. Von
besonderem Interesse ist nun, dass gerade an der letzteren Stelle
sich auch bei den Vögeln Schuppen erhalten haben. Dies zwingt
uns schon fast unwiderleglich zu der Annahme, dass beide Ge-
bilde denselben Ursprung haben, also ererdf sind von gemein-
samen Vorfahren, nicht erworben durch Anpassung. Von ande-
ren Körperstellen ist nur noch sicher der Rücken einiger Zahn-
Wale. Erwähnt fand ich ferner noch die Schnauze einiger
Känguruh’s und die G/ans penis einiger Nager. Den grössten
Theil des Körpers von Schuppen bedeckt haben die Schuppen-
thiere. Wahrscheinlich ist, dass bei ihren Vorfahren der ganze
Körper beschuppt war. Diese vollständige Bekleidung finden
wir heute noch bei den Gürtelthieren. Entgegen der gebräuch-
lichen Annahme, dass nur »die dem Lichte zugekehrten Seiten«
bepanzert seien, konnte ich leicht feststellen, dass es der ganze
Körper ist, jedoch die dem Lichte abgekehrten Seiten mit allen
Zeichen der Rückbildung. Dies lehrt, dass wir die Gürtelthiere
abzuleiten haben von gänzlich gepanzerten, mindestens gänzlich
beschuppten Vorfahren. — Das systematische Vorkommen von
Schuppen ergiebt sich, wie folgt:
a. Halb-Affen: ı Gatt., I Art
(Tarsius fuscomanus von Celebes)
b. Insekten-Fresser: 20 Gatt,, 50 Arten
c. Nager: 100» 250—300 »
d. Zahnarme (lebende): I0_ » 30 »
e. Zahn-Wale: EURE, 4 »
f. Beutel-Tiere: DEN 100 »
Hieraus können wir folgern: Schuppen finden sich nur bei
den 5 niedersten Ordnungen der Säuger, abgesehen von den
Monotremen und dem einen Falle von Tarsius fuscomanus.
Da wir aber die Ordnung der Halbaffen unzweifelhaft auch sehr
tief, direkt an die Insektenfresser anschliessend, stellen müssen,
und die Fauna von Celebes auch eine sehr alte ist, so schliesst
sich dieser Fall den übrigen an. — Diese Thatsache, dass Schuppen
nur bei den niedrigsten Säugern vorkommen, und zwar in so
ungeheuerer Verbreitung, zwingt uns zu der Annahme, dass sie
etwas von den Vorfahren der Säuger ererbtes vorstellen. Ich
glaube, wir können sogar behaupten, dass die Ursäuger selbst ein
Schuppenkleid besassen. Der abweichende Befund bei den Mono-
tremen macht, in Anbetracht der phylogenetischen Wichtigkeit
der Haut-Bildungen und in Anbetracht der sonstigen Eigentüm-
lichkeiten dieser Unterklasse, die Annahme ziemlich wahrschein-
lich, dass dse Monotremen entweder anderen Ursprunges sind als
die eigentlichen Säuger, oder mindestens sich vor deren endgül-
tiger Ausbildung von den gemeinsamen Vorfahren abzweigten.
Diese letzteren sind wohl unter den ausgestorbenen Amphibien
(Stegocephalen etc.) zu suchen.
Die Schuppen der lebenden Säuger sind keine Neu-Erwerbun-
gen durch Anpassung, Denn einmal zeigen sie alle Erscheinungen
der Rückbildung, dann auch ist in den meisten Fällen eine An-
passung ausgeschlossen. Ich erwähne hier nur kurz, dass z. B.
eine solche bei Klettertieren, wo man sie oft annimmt, höchst
unzweckmässig wäre. Ein behaarter oder schwieliger Schwanz
ist zum Greifen vielmehr geeignet als ein mit glatten, harten,
elastischen Schuppen bedeckter. Auch bei Wasserthieren ist
eine Anpassung nicht anzunehmen, da z. B. gerade der Biber
die Schuppen schon zu Haut-Falten rückgebildet zeigt. Zuletzt
finden wir sie sehr häufig bei sehr dicht behaarten Schwänzen
(Tamandua, etwa 15 Sciurus-Arten), und besonders schön bei
rudimentären (Igel, Maulwurf etc.). Andererseits ist natürlich
festzuhalten, dass in einzelnen Fällen die Schuppen-Bekleidung
lokal weitere Ausbildung durch Anpassung erfahren hat. So bei
Gürtel- und Schuppenthieren, bei Anomalurus etc.
Entgegen der überall behaupteten Stellung der Haare
zwischen den Schuppen, vermochte ich leicht zu ersehen, dass
die Haare im der Schuppen-Papille wurzeln. Das grösste Haar,
das »Mittel-Haar« de Meyeres, tritt aus der Mitte oder der Spitze
der Schuppe hervor, die kleineren, die »Beihaare«, aus den
Seiten. Da dasselbe auch am Vogel-Fusse mit den Federn der
Fall ist, so müssen wir für Haare und Federn denselben Ür-
sprung annehmen und zwar aus der Schußpen- Papılle ihrer
gemeinsamen Vorfahren. Dies legt den Gedanken nahe, dass
Haare und Federn aus Schuppen entstanden seien. Als Ver-
mutung möchte ich aussprechen, dass vielleicht die Wege waren:
einerseits: Schuppen — Empryonal-Daunen — Federn, anderer-
seits: Schuppen — Stacheln — Borsten — Haare.
Zu dem Befunde Römers, dass sich Haare am Panzer der
Gürteltiere embryonal anlegen und später durch dessen Ausbil-
dung zerstört werden, möchte ich bemerken, dass meiner Ansicht
nach das Schuppenkleid bei deren Vorfahren das primäre war,
dass auf (oder in?) diesem sich sekundär Haare entwickelten und
später durch die tertiäre Bildung des Knochenpanzers wieder zum
Teil verdrängt wurden. Letzterer bildete sich quartär am Rücken
zu Gürtel etc. um, an der dem Lichte abgekehrten Seite zurück.
Ein verzweigter Bandwurm (Taenia saginata).
Dr. Fr. Ahlborn.
Von Herrn Dr. Plate erhielt ich für die naturhistorische
Sammlung des Realgymnasiums des Johanneums zu Hamburg
ein Exemplar von Taenia saginata.*) Der Kopf war abgetrennt
und lag in einem besonderen Gläschen. Die gelegentliche Unter-
suchung ergab, dass das Tier zu einem grossen, fast unentwirr-
baren Knoten verschlungen war. In der Mitte des Knotens
waren die Proglottiden stark zusammengeschnürt. Bei den Ver-
suchen den Knoten zu lösen, zerriss ‘die Kette an mehreren
Stellen, doch blieb ein Stück von mehr als 2 m Länge im Zu-
sammenhang. Unter den abgelösten Teilen befanden sich reife
Glieder und einzelne Abschnitte aus der vorderen Region des
Tieres mit unentwickelten Geschlechtsorganen. An einem dieser
Abschnitte bemerkte ich bald ein zartes, fadenförmiges Stück,
das ich auf den ersten Blick für das auf den Skolex folgende
vordere Ende des Bandwurmes hielt. Zu meinem Erstaunen war
jedoch der feine Faden fest und innig mit dem unteren seitlichen
Rande einer der jungen Proglottiden des Abschnittes verbunden,
und zeigte eine charakteristische, viel weitläufigere Gliederung,
als es sonst an dem Halsteile eines Bandwurmes zu beobachten
ist. Die nachfolgende Abbildung giebt die Verhältnisse in vier-
facher Vergrösserung wieder. Offenbar handelt es sich hier um
die sehr merkwürdige Bildung einer Seitenkette des Bandwurms.
Das abgerissene Stück der Stammkette, welches die Seiten-
kette trägt, ist 40 mm lang und besteht aus 14 Gliedern, von
denen die letzten ıo abgebildet sind. Die Breite dieser Glieder
beträgt 2,5 mm, die Länge ist bei den vorderen 2 mm, bei den
letzten 3,5 mm. Der Seitenzweig ist sechsgliederig und 20 mm
lang, sodass jedes der Glieder etwas über 3 mm Länge misst.
Es besteht somit kein wesentlicher Unterschied zwischen der
Länge der Glieder in der Seitenkette und in dem benachbarten
*) Das Stück ist dem MVaturhistorischen Museum zu Hamburg übergeben
worden,
2
”
3
Fig. 1. Ein Stück von Taenia
saginala mit den beiden Seitenketten a
und b, die vermutlich bei d abgerissen
sind. c ein der Länge nach geteiltes |
Zwillingsglied. (4 mal vergrössert.)
| selben T. saginata,
' förmige Glied a.‘
|
|
Fig. 2. Einige reife Glieder der-
darunter das keil-
Teile der Stammkette. Um so grösser ist der Unterschied in
der Breite. Die Seitenkette ist nur etwa 0,5 mm breit, wird
also darin von der Stammkette um das Vierfache übertroffen.
Nach dem, was über das Auftreten anderer Missbildungen
bei Taenia saginata bekannt geworden, nimmt es nicht Wunder,
dass an demselben Stück der Stammkette noch eine zwezze Sezten-
kette zu beobachten ist. Diese nimmt, wie die Abbildung zeigt,
vier Glieder weiter hinauf an derselben Seite der Stammkette
und gleichfalls am hinteren Seitenrande einer Proglottis ihren
Ursprung, ist aber noch feiner und zierlicher gebaut, als die
erste Seitenkette. Sie erscheint als ein kleines, 1,5 mm langes
Fädchen, an welchem mit einer guten Lupe eine deutliche
Quereinschnürung zu erkennen ist. Dieselbe liegt etwas über
der Mitte, sodass sie ein wenig kürzeres Endglied von einem
an der Basis etwas aufgetriebenen Grundgliede trennt. Das
Endglied läuft hier spitz aus; während bei der ersten Seitenkette
das Endglied abgestumpft erscheint. Es ist also nicht ausge-
schlossen, dass die erste Seitenkette noch länger gewesen ist.
Leuckart erwähnt in seinen »Parasiten des Menschen«*) zwei
Fälle, welche den vorliegenden ähnlich sind. Der erste bezieht
sich auf eine von Moniez*”*) beschriebene Taenia marginata,
»die sich an zwei Stellen gabelte, zweimal also in zwei neben-
einander hinziehende Ketten auslief, die freilich beide Male so
ungleich entwickelt waren, dass die überzähligen Ketten wie
kurze Seitenzweige der Hauptkette ansassen.«e Der zweite Fall
betrifft eine von Herrn Dr. med. Paul in Frankfurt a. M. be-
obachtete Kette geschlechtsreifer Proglottiden, »deren eine neben
der gewöhnlichen Reihe noch einen aus zwei langen und schmalen
Gliedern gebildeten Seitenzweig trug.
Zur Erklärung dieser eigentümlichen Bildung knüpft Zeuckart
(pP. 503) bei der ersten Besprechung der T. marginata Monieg's
an die Thatsache an, dass die Eidechsen' nach Verlust ihres
Schwanzes nicht selten einen Doppelschwanz ' erzeugen, man
dürfe wohl vermuten, dass die Verdoppelung in solchen Fällen
gleichfalls die Folge einer Verletzung sei, bei der die Kette bis
auf den proliferierenden Halsteil verloren gegangen wäre. »Viel-
*) IE Auflage. SBdr 1. Po. 573.
*#) Oservations teratologiques chez les Tenias. Pg. 201.
leicht sogar, dass das letzte Ende dabei — der Länge nach
einriss oder in anderer Weise unregelmässig verletzt wurdes. —
Diese Anologie — welcher die Vorstellung zu Grunde liegt, dass
die Seitenketten an ihrem oberen wie vorderen Ende mit der
Stammkette zusammenhängen —- hat offenbar für die Erklärung
der Thatsache etwas Verlockendes, aber dennoch will mir
scheinen, dass sie trügt. Denn in jenen Fällen der Regeneration
bilden sich unter dem Schorf der vernarbenden Wunde gleichsam
zwei Vegetationskegel aus, von denen durch ein Spitzenwachs-
tum — ähnlich wie bei den höheren Pflanzen oder wie bei dem
hervorsprossenden Geweih der Hirsche — die zu ergänzenden
Teile in der Weise neugebildet werden, dass immer die jüngsten
Gebilde in der Nähe des freien Endes liegen, und dass dieses
freie Ende selbst durch das Bildungsgewebe (Prolifikationszentrum)
eingenommen wird. Bei den Bandwürmern dagegen haben wir
ein interkalares Wachstum, wie es ähnlich bei Laminaria und
anderen Algen stattfindet: die ältesten Teile stehen an der Spitze
des Stammes oder der Zweige, und das Bildungsgewebe liegt
an der Basis, am Skolex. Das Spitzenwachstum des gabeligen
Eidechsenschwanzes oder der Rehkrone führt die einmal getrenn-
ten Neubildungspunkte immer weiter auseinander, ohne die
Möglichkeit einer Wiedervereinigung. Hier dagegen liegt ein
konvergentes Wachstum vor, welches notwendig zur baldigen
Verschmelzung der durch äusserlichen, mechanischen Eingriff
getrennten Wachstumspunkte führt. Ist also beim gänzlichen
Verlust einer älteren Proglottidenkette der hintere Skolexrand
eingerissen, oder unregelmässig verletzt, so bedarf es wohl meist
nur der Abgliederung eines oder einiger weniger neuer Prog-
lottiden, um die Verletzung aus dem Bereich des sprossenden,
gliederbildenden Skolex abzuschieben und damit die mutmassliche
Ursache der Entstehung von Seitenketten zu beseitigen. Solche
schizogenen Nebenglieder könnten sich auch immer nur am hin-
teren Ende des Bandwurmes vorfinden, und die Abstossung der
ersten reifen Proglottiden würde sie mit entfernen.
Demgegenüber sehen wir im vorliegenden Falle die Seiten-
ketten auf ungleicher Höhe sehr weit nach vorn, jedenfalls
mehrere hundert Gliederlängen vom hinteren Ende entfernt, in
den Stamm einmünden. Um dies zu erklären, müsste man
schon eine sehr beträchtliche, aus äusseren oder inneren Gründen
fortschreitende Spaltung des Skolex annehmen, zu der man
sich schwerlich verstehen wird; und überdies würde diese An-
nahme die unwahrscheinliche Folgerung ergeben, dass die Seiten-
ketten ursprünglich dieselbe Länge gehabt hätten, wie das Ende
der Hauptkette bis zum Gabelpunkte. Hierfür bietet weder der
vorliegende, noch der frühere Fall einen Anhalt.
Sind aber die Seitenketten von Anfang an nicht so lang,
so vielgliederig gewesen, wie die Hauptkette, so gelangen wir
zu der Vorstellung, dass die Zweige jüngeren Alters sind, als
der Stamm, d. h. dass sie, unabhängig von einander, erst dann
angefangen haben, vom Skolex auszusprossen, als die Hauptkette
bereits eine ansehnliche Länge erreicht hatte. Von entscheiden-
der Bedeutung für die Beurteilung der Frage nach der Ent-
stehung dieser Seitenketten ist die Beobachtung, dass an der
grösseren derselben die Glieder an dem der Anheftungsstelle zu-
gekehrten Ende breiter sind, als an den anderen (Fig. ı). Da
nun bei den Gliedern der Stammkette immer der Arntere Rand
der einzelnen Proglottis der breitere ist, so folgt, dass auch an
den Seitenketten das breitere Ende der Glieder das Zintere ist,
und dass demnach die Seitenketten auch nicht mit ihrem vor-
deren, sondern mit dem hinteren, unteren Ende mit der Stamm-
kette in Verbindung stehen. Das freie Ende der Seitenkette
enthält also die jüngeren Glieder und muss an einem Punkte
mit der Stammkette in Verbindung gewesen sein, welcher näher
nach dem Skolex zu liegt. Dies stimmt mit der Thatsache
überein, dass die Seitenketten beide mit ihren freien Enden nach
vorn zeigen. Ich habe daraufhin alle oberhalb der Ansatzpunkte
der Seitenketten liegenden Glieder der Stammkette untersucht
und in der That feststellen können, dass ohne Zweifel wenigstens
die grössere, sechsgliederige Seitenkette mit dem siebenten
Gliede der Hauptkette, vom Ansatzgliede nach vorn gezählt,
verbunden gewesen ist. Dieses Glied besitzt einen ungewöhnlich
stark seitwärts vorspringenden Hinterrand (d Fig. 1) auf der Seite
der Nebenketten. Halte ich mit einer feinen Pinzette das abge-
rissene Ende der Seitenkette an diesen Vorsprung, so liegt sie
bequem neben der Hauptkette, und jedem Gliede der letzteren
entspricht ein annähernd gleich langes Glied der Nebenkette.
Auch die kleine verkümmerte Seitenkette scheint einst mit dem
bezeichneten Vorsprunge d in Verbindung gestanden zu haben,
da sie nur aus zwei Gliedern besteht. Dass diese Glieder jetzt
so sehr gegen die Glieder der Hauptkette verschwinden, scheint
auf ein frühzeitiges Abreissen von dem siebenten Gliede hinzu-
weisen, was dann zur Folge hatte, dass die winzigen Seitenglieder
im Längenwachstum mit den besser situierten Stammgliedern
nicht gleichen Schritt halten konnten und verkümmerten. Dem-
nach hätten ursprünglich neben den in Fig. ı mit 5 und 6 be-
zeichneten Stammgliedern noch je zwei den Seitenketten angehö-
rige Glieder gestanden, und die Strobila des Bandwurmes wäre
hier also vorübergehend in drei nebeneinanderliegende Ketten
gespalten.
Dass dies möglich ist, bestätigt das Glied 3 in Fig. ı.
Hier zeigt das Objekt den interessanten Fall, dass statt eines
Gliedes zwei der Länge nach völlig von einander gespaltene
Glieder auftreten. Nehmen wir zu diesen beiden Gliedern das
entsprechende der grösseren Seitenkette hinzu, so haben wir
auch hier das Bild der dreiteiligen Spaltung der Strobila.
Dieselbe Ursache, welche das Zwillingsglied 3 (Fig. I) er-
zeugte, indem sie während des Sprossungsvorganges dieses Gliedes
am Skolex einwirkte, dieselbe Ursache veranlasste während der
Abgliederung der Glieder 5 und 6 die Entstehung der kleineren
abortiven Seitenkette, und dieser Ursache ist auch die Abspal-
tung der grösseren Seitenkette zuzuschreiben. Die Wirkung
war hier nur von entsprechend längerer Dauer. Auf die Mög-
lichkeit einer solchen Spaltung des Prolifikationspunktes hat schon
Leuckart (]. c.) hingewiesen bei der Besprechung eines monströsen
Gliederwurmes, der am Ende zwei nebeneinanderstehende reife
Proglottiden besass. Eine solche Form würde ja auch der in
Rede stehende Bandwurm erreicht haben, wenn nach dem Aus-
reifen der Glieder endlich das mit 2 bezeichnete Glied der Fig. ı
abgefallen wäre.
Für die Ansicht Moniez’s, welcher die kezlförmigen Glieder
— Fig. 2 zeigt ein solches von dem unteren Ende des vorliegen-
Tieres — als die ersten Anfänge der Seitenketten betrachten
möchte, bleibt unter den mitgetheilten Verhältnissen kein Raum.
Über das Wesen der Ursache, welche im Bereich des
Skolex die Spaltungen herbeiführt, lassen sich natürlich nur
spekulative Betrachtungen anstellen. Als allgemein anerkannte
Thatsache darf hingestellt werden, dass Taenia saginata weit
häufiger Misbildungen aufzuweisen hat, als andere Bandwürmer,
z. B. T. solium. Wenn es dann richtig ist, dass T. saginata
äusserlichen Verletzungen und sonstigen Einflüssen in demselben
Grade ausgesetzt ist, wie die genannte andere Art, welche die-
selben Orte bewohnt, so ergiebt sich mindestens, dass die T.
saginata leichter auf derartige äussere Einwirkungen reagiert, als
T. solium. Dies würde dann die weitere Folgerung ergeben, dass
die ausgesprochene Neigung zu mehr oder weniger extravaganter
Gliederbildung in der Natur des Saginatenskolex ihren Grund
haben müsse. Man könnte vielleicht die T. saginata als eine
jener schwankenden Tierarten bezeichnen, bei denen das Varia-
tionsvermögen sich in der Bildung sogenannter Abnormitäten
bethätigt.
Die Umwandlung der Arten,
ein Vorgang funktioneller Selbstgestaltung.
Von Dr. Georg Pfeffer.
Nach Vorträgen, gehalten im Naturwissenschaftlichen Verein am 15. März 1893,
29. und 31. Januar 1894.
Eine jede selbst oberflächliche Beschauung des Ganzen der
lebendigen Natur zeigt, dass diese sich in einem Zustande des
Gleichgewichtes befindet, Und das muss so sein; jeder Zustand,
wenn er bestehen bleiben soll, muss sich eben im Gleichgewicht
befinden, sonst geht er zu Grunde. Dies ist aber durchaus kein
teleologischer Gesichtspunkt; es ist nicht eine ausser und über
der Natur stehende Macht, welche dies Gleichgewicht herstellt
und hütet, sondern die lebendige Natur thut dies von selber,
durch und aus sich selbst.
Die folgende Betrachtung, welche dies Verhältnis darzu-
legen bestimmt ist, soll nicht ein geschlossenes System der Lehre
vom Gleichgewicht der Natur geben, sondern nur einige der
wichtigsten Beziehungen herausgreifen, die aber genügen werden,
die Gesetzmäfsigkeit und Gewähr des Bestehens für das Gleich-
gewicht der lebendigen Natur darzuthun.
Alles tierische Leben ist von dem Bestehen der Pflanzen-
welt abhängig und diese baut sich aus dem vorhandenen Mafse
ihrer anorganischen Hülfsquellen auf; die Fleischfresser nähren
sich von den Pflanzenfressern unter den Tieren. Somit ist jede
Kategorie von Wesen angewiesen auf eine andere und darum
von ihr abhängig. Nun frisst aber nicht jedes fleischfressende
Tier jedes pflanzenfressende, noch weniger jedes pflanzenfressende
jede Pflanze; auch ist nicht jedes Wesen gerade da, wo seine
Nahrung sich am reichlichsten findet; kurz, die soeben angedeu-
teten grossen Verhältnisse allgemeiner Abhängigkeit werden in
ungemessener Veränderungsfähigkeit im einzelnen ausgestaltet,
sodass sich dadurch ein grofses System verketteter und verknüpf-
ter Wechsel-Beziehungen ergiebt. Jedes Leben baut sich auf
— 4 —
den Verhältnissen, die sein Bestehen ermöglichen; fallen diese
aus, so fällt die Existenz aus, die sich darauf gründet; fällt das
Fressen fort, so ist dem Fresser die Möglichkeit des Lebens ent-
zogen, giebt es kein Angebot, so giebt es keine Nachfrage;
ändert sich irgend ein Verhältnis, so ändern sich alle, die damit
in Verbindung stehen. Die gegenseitige Angewiesenheit Aller auf
Alle und die Abhängigkeit Aller von Allen gewährleistet den
Bestand, gerade so, wie in der menschlichen Gesellschaft. Wie
in dieser, so giebt es in der Natur kleinere oder grössere zu
einander in irgend einem besonderen und bestimmten Verhältnis
stehende Lebensgemeinschaften, in deren jeder sich die Wechsel-
beziehungen des Naturganzen wiederholen. Die natürliche Zu-
sammengehörigkeit der einzelnen Lebensgemeinschaften ergiebt
sich im allgemeinen aus der geographischen Grundlage im wei-
testen Sinne; deshalb sind die Grenzen manchmal sehr bestimmte,
manchmal aber auch kaum merkbar.
Der Platz, der von irgend einer auf Grund irgend eines
Verhältnisses zusammengehörigen Lebensgemeinschaft eingenom-
men wird, hat ein ganz bestimmtes Mafs von Hülfsquellen, kann
also demnach nur eine ganz bestimmte Masse von lebendigen
Wesen ernähren und beherbergen. Bleibt während eines gewissen
Zeitraumes die Zusammensetzung einer Lebensgemeinschaft aus
Tier- und Pflanzenarten die gleiche, so bleibt auch die Anzahl
der Stücke jeder dieser Arten die gleiche. Da es sicher ist, dass
der prozentualische Satz eines jeden Jahrganges für jede Art ein
ganz bestimmter ist, so ist die Zahl der alljährlich unter die
Reihen der Geschlechtsreifen einrückenden Stücke jeder Art eine
ganz bestimmte und von Jahr zu Jahr gleichbleibende; also auch
die Zahl der gesamten Jahrgänge der zeugungsfähigen Stücke
bleibt sich von Generation zu Generation gleich; es kommt so-
mit im allgemeinen auf je ein sterbendes zeugungsfähiges Stück
einer Art je ein in die Reihen des Zeugungsfähigen nachwach-
sendes. Der Vermehrungs-Koeffizient der Arten ist also im all-
gemeinen — I, angenommen, dass die Lebensverhältnisse der
betreffenden Arten sich im allgemeinen gleich bleiben. Hieraus
folgt als letzter Schluss, dass von den gesamten Nachkommen
jedes erwachsenen Stückes einer Art im Durchschnitt nur ein
einziges die Aussicht hat, zu einem erwachsenen, geschlechts-
reifen Tiere heranzuwachsen.
Ein zweiter Beweis für das Gleichbleiben der Bevölkerungs-
ziffer der Arten, welche irgend eine Lebensgemeinschaft zu-
sammensetzen, liegt in dem thatsächlichen Verhältnis des inneren
Gleichgewichtes jeder Lebensgemeinschaft. Denn dies zeigt, dass
die Vermehrungs-Kraft jeder Art thatsächlich von der aller
andern im Schach gehalten wird. Daraus ergiebt sich aber,
dass keine Art sich im allgemeinen auf Kosten der andern
vergrössern kann. Der Beweis aus der Erfahrung ist natürlich
in den meisten Fällen nicht anzutreten, weil die Beobachtung
selten möglich ist; wo diese aber einsetzen kann, folgt dasselbe
Ergebnis wie bei unserer allgemeinen Herleitung; so z. B. bei
den Singvögeln unserer Gärten und Haine, deren jedes Paar
einen nach Örtlichkeit und Gröfse ganz bestimmten Bezirk be-
ansprucht und verteidigt, denselben also auch nur einem einzigen
Paare derselben Art nach seinem Tode überlassen kann.
Die Gleichgewichts-Verhältnisse der lebendigen Natur sind
keine völlig ruhenden, noch bleiben sie sich stets gleich, sondern
sie schwanken in kleinen Grenzen hin und her. Alle Tiere und
Pflanzen wachsen und vermehren sich, und verändern dabei ihre
Bedürfnisse; sie pflanzen sich fort, deshalb haben sie plötzlich
für sich und ihre Nachkommen mehr Lebens-Ansprüche zu be-
friedigen als vorher; der Tod rafft in jedem Augenblicke lebende
Wesen dahin und schafft für andere Platz. Ebenso verändern
die Kräfte der unbelebten Natur fortwährend ihr Auftreten;
Wind und Wetter, Trocknis und Feuchtigkeit, Licht, Luft, Wärme,
Strömung, Brandung, oder was wir sonst betrachten mögen, all
das sind Verhältnisse, von denen das Auftreten pflanzlichen und
tierischen Leben dermafsen abhängig ist, dass ein Mehr oder
Weniger, ein Schwächer- oder Stärker-werden von irgend einer
dieser Grundbedingungen sich sofort auf die lebendige Natur
weiter äussern muss. Wo aber in der Natur eine Lücke, eine
Stelle geringeren Druckes vorhanden ist, wo ein Platz frei wird,
da sind auf grund der übermäfsigen Keimfruchtbarkeit aller
Pflanzen und Tiere sofort Anwärter in Unmasse vorhanden, um
drängend und kämpfend den frei gewordenen Platz zu erobern,
die Lücke auszufüllen und das Gleichgewicht wieder herzustellen.
Die Verkettung der Beziehungen zwischen den einzelnen Fakto-
ren des Gleichgewichtes ist eine so ununterbrochene, dass jede
Störung sich, theoretisch betrachtet, stets über die Gesamtheit
der betreffenden Lebensgemeinschaft verbreiten muss. Diese
theoretische Forderung tritt nicht ganz ein, da die Beziehungen
der einzelnen Wesen zum Teil lockerer Art sind, die Störung
also nicht gut fortpflanzen, andererseits auch die grosse Anzahl
der Widerstände die Störungs-Bewegung ailmählich versiegen
lässt. Das ist aber sicher, dass durch jede Störung an irgend
einer Stelle eine grosse Anzahl von Störungen in den damit in
Beziehung stehenden Verhältnissen erzeugt wird, welche alle
sofort an der Wiederherstellung des Gleichgewichtes arbeiten ;
sodass die Herstellung des Gleichgewichtes, welches an irgend
einer Stelle mit irgend einer Kraft gestört ist, von allen damit
in Beziehung stehenden Stellen und mit einer die Kraft der
Störung um ein vielfaches überlegenen Gewalt wiederhergestellt
wird. Hierin liegt eine der Sicherheit gleichkommende Wahr-
scheinlichkeit für das Eintreten und die Wirkung der Wieder-
herstellung jedes gestörten Gleichgewichtes, so dass wir nicht
anstehen dürfen, dies Verhältnis als die Selbst-Steuerung der
lebendigen Natur zu einem Gesetze zu erheben.
Die Natur steuert sich ebenso, wie unsere regelmäfsig
gehenden Maschinen, z. B. Dampfmaschinen, Uhren, elektrische
Gangwerke, die allzusammen Vorkehrungen zur Selbst-Steuerung
haben, indem jede Bewegung nach einer Richtung die Ursache
zur Umkehrung in die entgegengesetzte Bewegung in sich trägt.
Bei Fällen, in denen wir die Einzelheiten verfolgen können, er-
innert die Sicherheit der Selbst-Steuerung geradezu an jene Vor-
richtungen, welche zu dieser Namengebung geführt haben. Wenn
eine Raupen-Art einmal auf grund irgendwelcher Verhältnisse
sich in ungeheurem Mafse vermehrt, so ist dadurch allen auf
die betreffende Raupe angewiesenen Arten von Wesen in ganz
demselben Mafse die Lebensmöglichkeit vermehrt; Schlupfwespen,
parasitische Fliegen, raupenfressende Käfer, raupenzerstörende
Pilze treten also in ungezählter Menge auf und beginnen ein
thatkräftiges Vernichtungswerk gegen die Raupen; in demselben
Mafse aber, wie die Zahl der Raupen hierdurch abnimmt, ver-
ringert sich auch die Zahl der Raupenfeinde, die ja in ihrem
Auftreten von der Zahl der Raupen abhängig sind; so stellt sich
nach einer mehr oder weniger langen Zeit der frühere Zustand
des Geichgewichts zwischen der betreffenden Raupen-Art und
ihren Vertilgern wieder her.
Durch den Vorgang der Selbst-Steuerung der lebendigen
Natur braucht durchaus nicht immer der alte vor der Störung
vorhandene Zustand wiederhergestellt zu werden; innerhalb kleiner
Zeiträume und bei Einwirkung geringerer Störungen wird diese
Wiederherstellung des früheren Gleichgewichtes freilich die Regel
sein; kleinere Abweichungen in dieser Hinsicht können sich je-
doch während längerer Zeiten ganz sicher zu ‚erheblichen Aus-
schlägen summieren; und dies ergiebt die Veränderungen in der
Fauna und Flora, wie sie uns heutzutage bei Verschiebungen in
der Bewirtschaftung und im Anbau, als geologische Ergebnisse
aber in den grossen Faunen- und Floren-Verschiebungen der
Vorwelt überall entgegen treten.
Verlassen wir nunmehr unsern bisherigen Standpunkt mit
dem Ausblick auf das grosse, niemals in Ruhe befindliche, aber
durch die gemeinsamen Anstrengungen Aller stets wieder zurecht
gezogene Netz der die ganze Lebensgemeinschaft verknüpfenden
Beziehungen und versetzen wir uns in den Standpunkt der ein-
zelnen Wesen, welche, eingeschränkt in all die Wechselbeziehungen
des allseitig geschlossenen Maschennetzes, von jeder Verschiebung
betroffen werden und sich jeder dadurch ausgelösten Veränderung
anbequemen müssen.
Jedes lebende Wesen ist, aktiv oder passiv, fortwährend
an diesen Verschiebungen der Gleichgewichts-Verhaältnisse be-
teiligt; es ist selber thätig dabei und wird von der Gewalt der
Umstände fortwährend geschoben. Durch die Anstrengungen
zur Deckung aller Bedürfnisse, der Nahrung, des Platzes, des
Schutzes, des Lichtes, der Wärme, durch das eigene Wachstum,
durch das allmähliche Heranwachsen der Nachkommenschaft und
die Sorge dafür greift jedes Wesen zu jeder Zeit und an jedem
Platze in die Rechts- und Besitzverhältnisse anderer Wesen ein;
diese Eingriffe werden aber nicht ruhig gelitten, und so ist an-
sestrengtes Ringen oder Kampf vorhanden, das sorgende Mühen
um das tägliche Brot, um alles, was zur Leibes-Nahrung und
Notdurft gehört. Das ist jener viel besprochene, vielfach mis-
verstandene „Kampf ums Dasein“, der freilich besser den Namen
der Anstrengung um die Güter des täglichen Lebens tragen
sollte. In den Kampf ums Dasein mit anderen Wesen, in den
Macht- und Bedürfnis-Bannkreis Anderer treibt aber nicht nur
die eigene Not, sondern das Drängen aller übrigen Wesen, welche
in irgend welchen Beziehungen der Lebensgemeinschaft mit ein-
ander stehen. Schliesslich hat jedes Wesen Ansprüche an die
leblose Natur zu stellen; es ist auf ihr günstiges Auftreten an-
gewiesen, ebenso ihrer Macht und Ungunst in jedem Augenblicke
preisgegeben. So spiegeln sich in den Verhältnissen jedes ein-
zelnen Mitgliedes der Lebensgemeinschaft die grofsen und Wechsel-
beziehungen der Gesamtheit. Wir sehen also, dass die fort-
währenden Anstrengungen aller Wesen um das tägliche Brot,
der Kampf ums Dasein — wenn wir diesen nun einmal ge-
bräuchlichen Ausdruck in dem von uns oben gekennzeichneten
Sinne anwenden — das grosse Regulierungsmittel der Wechsel-
beziehungen im Haushalte der lebendigen Natur darstellt; jede
Anstrengung im Kampfe ums Dasein ist ein Beitrag zur Störung
des Gleichgewichtes, ebenso aber auch zur Selbst-Steuerung der
Natur, wenn wir auf unsern vorherigen Gedankengang zurück-
greifen, somit also zugleich ein Beitrag zur Wiederherstellung des
Gleichgewichts.
Die Bethätigungen des Kampfes ums Dasein sind also die
Komponenten des allgemeinen Gleichgewichtes im Naturhaushalt;
der Erfolg des Kampfes bringt die thatsächlichen Verhältnisse
jeder bestehenden Lebensgemeinschaft hervor; diese allgemeinen
Verhältnisse aber bilden die grofse, im allgemeinen stetige und
ruhende Gesetzlichkeit, in welcher all die unendlich vielen und
kleinen Störungen Platz haben. Die grosse Kraft der Gesamt-
heit rückt aber all die kleinen Störungen wieder zurecht; darum
bestimmt sie die Ansprüche der Gesamtheit an die Einzelnen
und damit, soweit dies von der lebendigen Natur abhängt, die
Lebensverhältnisse und die Form des Kampfes ums Dasein für
die einzelnen Arten.
Es ist nicht möglich, an dieser Stelle ein vollständiges,
wissenschaftliches System des Kampfes ums Dasein zu ent-
wickeln; wir können uns aber mit der Klarlegung eines einzigen
Grundgedankens sofort eine völlig zureichende Anschauung aller
hierher gehörigen Verhältnisse verschaffen, wenn wir einsehen,
dass das ununterbrochene Netz der Wechsel-Beziehungen des
natürlichen Zusammenlebens völlig dem des menschlichen Zu-
sammenlebens entspricht. Das ist kein Gleichnis, sondern eine
wirkliche Gleichheit; nur muss man sich dessen bewusst sein,
dass wir es hier mit sozialen, also physiologischen, nicht dagegen
6*
— 50 —
mit systematischen, morphologischen Faktoren zu thun haben;
das heisst: den verschiedenen tierischen Arten einer natürlichen
Lebensgemeinschaft entsprechen die verschiedenen Stände der
menschlichen Lebensgenossenschaft. Dann ersehen wir sofort,
dass jede Art von Wesen in der Natur ganz bestiminte Plätze
einnimmt, und zwar bestimmt nach Funktion und nach Zahl.
Denn jedeArt hat, ebenso wie jeder Stand oder Beruf in der
menschlichen Gesellschaft, eine ganz bestimmte und sich in jedem
Fall aus der Gesamtheit aller Beziehungen ergebende Menge von
Pflichten zu erfüllen; jede Art hat ihren besonderen Beruf, oder
wenn wir uns physiologisch ausdrücken, ihre besondere Funktion
innerhalb des Rahmens der Gesamtheit.
Die Gesamtheit aber bestimmt die Funktion jeder Art, denn
sie ist in ihrer Wirkung um ein vielfaches stärker als diese; sie
rückt jede nicht in den Organismus der gesamten Lebensgemein-
schaft hineinpassende Störung mit unwiderstehlicher Gewalt wie-
der zurecht. Und wenn es uns scheint, als ob die Funktion
einer Art innerhalb der Gesamtheit vielmehr durch ihre eigenen
körperlichen und geistigen Eigenschaften festgesetzt und geordnet
wird, so müssen wir bedenken, dass wir damit nur einen Augen-
blick aus der Entwickelung der Lebengemeinschaft herausgreifen,
gewissermassen nur einen einzigen Querschnitt betrachten; und
dass dann natürlich die Eigenschaften jedes Wesens so sein
müssen, dass es in seinen Platz hinein passt, den gestellten An-
forderungen genügt. Jedes Wesen bethätigt während seines
individuellen Lebens also seine persönlichen Eigenschaften, die
den Anforderungen entsprechen, welche die Lebensgemeinschaft
seit langen Zeiten an die Vorfahren des Wesens, kurz gesprochen,
an die Art, stets gestellt hat und stellen muss. Betrachten wir
dagegen anstatt des aus der Entwickelung sich ergebenden
wirklichen Grundes die gegenwärtigen in einem Wechsel-
verhältnis ruhenden Beziehungen und sehen jedes Wesen sich
seine eigenen Beziehungen schaffen, so müssen wir uns dessen
bewusst bleiben, dass dies ein Scheingrund ist, indem er nur
die Wirklichkeit umschreibt; denn nur solche Wesen können
überhaupt leben bleiben, deren Eigenschaften so geartet sind,
dass sie den an sie von der Gesamtheit gestellten Ansprüchen
genügen, bezw. dass sie ihre eigenen Ansprüche innerhalb der
Gesamtheit geltend zu machen vermögen.
—— SI —-
In der menschlichen Gesellschaft ist das ganz ebenso, und
wir brauchen uns weder für das eine noch für das andere in
Beweisen zu erschöpfen; unsere vorherige Betrachtung der Gleich-
gewichts-Verhältnisse in der Natur giebt uns die Sicherheit des
Schlusses: die Verhältnisse der Gesamtheit bestimmen die Ver-
hältnisse der einzelnen sie zusammen setzenden sozialen, d. h.
physiologischen Kategorien, also der Arten in der Natur, nach
Wesen und Zahl. Wenn aber der Kampf ums Dasein das Mittel
ist, mit dem jedes Individuum seine eigenen Ansprüche mit denen
der Gesamtheit fortwährend in ein bequemes Verhältnis zu brin-
gen sucht — so bequem, dass es darin zu leben vermag — so
ist es klar, dass die Form des Kampfes ums Dasein für die
einzelnen Mitglieder irgend einer Art dieselbe ist; ebenso, dass
wenn die Zusammensetzung der betreffenden Lebensgemein-
schaften Generationen hindurch dieselbe bleibt, die Form des
Kampfes ums Dasein während dieser Zeit gleichfalls dieselbe
bleiben muss.
Wir wären auf Grund dieser theoretischen Betrachtungen
bereits im Stande, der Frage näher zu treten, welchen Grund und
welche Wirkung eine Veränderung des Kampfes ums Dasein
haben müsste; wir benötigen dazu aber vorerst einer weiteren
Ausführung der Lehre vom Kampf ums Dasein. Wir haben
ihn bisher nur in seiner milderen Form betrachtet, als die Be-
mühungen um die Güter des Lebens, indem wir die Zusammen-
setzung der Lebensgemeinschaften als bestehend annahmen;
wir müssen diese aber auch in ihrer Entwickelung betrachten;
denn jedes Bestehen ist erst aus seiner Geschichte, seiner Ent-
wickelung wirklich zu verstehen, und diese Betrachtung führt
uns sofort auf die schärfere, unerbittliche Form des Kampfes
ums Dasein.
Wir sahen vorhin, dass jedes Wesen auf grund der fort-
währenden Geltendmachung und Vermehrung seiner zum Dasein
notwendigen Ansprüche stets und immerdar andere Wesen beein-
trächtigen muss; eine gewisse Einschränkung seiner persönlichen
Ansprüche kann wohl jedes Wesen ertragen; geht diese aber
über ein bestimmtes für den einzelnen Fall im allgemeinen wohl
feststehendes Mafs hinaus, so wird das angegriffene Wesen unter-
drückt, geht unter, Ebenso wird jedes beeinträchtigte Wesen
suchen, alle ihm von anderer Seite zu teil werdenden Ein-
== e) —
)-
schränkungen nicht auf sich sitzen zu lassen, sondern es wird
selbstverstverständlich bemüht sein, dieselben auf andere, vor
allem schwächere Wesen weiter abzuwälzen. Dies geht aber
nicht bis ins unendliche weiter, weil Raum und Nahrung einer
zusammen gehörigen Lebensgesellschaft beschränkt ist; also
müssen eigentlich alle Beeinträchtigungen zu Unterdrückungen
führen; jede Beeinträchtigung eines Wesens muss, wenn sie immer
weiter fortgepflanzt und auf schwächere abgewälzt wird, schliess-
lich zum Tode lebender Wesen führen.
Wenn es nun feststeht, dass der Kampf ums Dasein das
grosse Regulierungsmittel, das Organ der Selbststeuerung der
lebendigen Natur ist; wenn es andererseits feststeht, dass aller
Kampf ums Dasein schliesslich mit der Unterdrückung, dem Tode
lebender Wesen endigen muss, so ist es klar, dass keine Be-
trachtung uns mehr Einsicht in das innere Wesen, in den Me-
chanismus der Lebensgemeinschaft bezw. der lebendigen Natur
überhaupt zu verschaffen vermag, als die Betrachtung: Wer bleibt
im Kampfe ums Dasein leben, und wer geht unter; welches
sind die Verhältnisse, die den Sieg oder den Tod bestimmen?
Jedes Wesen ist Angriffen der verschiedensten Stärke
ausgesetzt; es hat mit anderen zu kämpfen, die ihm an Kraft
doppelt, zehnfach und millionenfach überlegen sind; und je
stärker der Angreifer ist, desto mehr verschwindet dagegen die
Kraft des Angeriffenen, viel mehr aber noch der Wert der indi-
viduellen Tüchtigkeit; der Angegriffene geht eben sicher unter.
Wenn ein Walfisch auf einmal tausende von Krebsen und Ptero-
poden verschlingt, so ist die persönliche Verschiedenheit der-
selben eine Gröfse, die der Mächtigkeit des Angriffs gegenüber
verschwindet, gleich o ist. Noch viel gewaltiger natürlich sind
die Machtmittel der unbelebten Natur, wie sie sich als Strö-
mung, Brandung, Hitze, Kälte, Trocknis und in hunderterlei
Form äussern. Stets wird bei schwachem Auftreten dieser
Kräfte die persönliche Tüchtigkeit besonderer Individuen einen
Vorteil gewähren; treten sie aber in verhängnisvollem Mafse auf,
so ist die organische Kraft dagegen machtlos.
Betrachten wir nunmehr das Auftreten des Kampfes ums
Dasein während des Lebensganges jedes einzelnen Wesens,
Wir wissen bereits, dass die Mitgliederzahl der einzelnen Arten
in der Natur sich von Generation zu Generation im allgemeinen
=— 53 ——
gleichbleiben muss, dass aber von den gesamten Nachkommen
eines Wesens im Durchschnitt nur ein einziges die Aussicht hat,
zu einem erwachsenen, geschlechtsreifen Stück heran zu wachsen;
die Beschränktheit des Raumes und der Lebensquellen spricht
hier ein unerbittliches Machtwort. Es ist also — nicht im all-
gemeinen, sondern im Hinblick auf das Heranwachsen zu einem
geschlechtsreifen Wesen — gleichgiltig, ob ein Tier oder eine
Pflanze innerhalb seines Lebens eine Million oder zwei Keime
hervorbringt; denn von allen hat nur ein einziges Stück die Aus-
sicht, zu einem erwachsenen Wesen heran zu reifen.
Wenn wir die Sache elementar betrachten, so bilden die
Mitgliederzahlen der einzelnen Stadien von der Nachkommen-
schaft irgend eines Wesens absteigende geometrische Reihen,
welche mit irgend einer Zahl beginnen, auf dem Stadium des
Eintritts in die Geschlechtsreife aber sämtlich bei der Zahl ı an-
langen; der Quotient dieser Reihen ist stets die vernichtende
Wirkung des Kampfes ums Dasein. Dieser Quotient ist aber
keine konstante Gröfse;, denn der Kampf ums Dasein tritt bei
jeder Art von Wesen und bei jedem Stadium der Entwickelung
eines Wesens in verschiedener Stärke auf; bei den jungen Wesen
ist er am schwersten und nimmt allmählich an Schwere ab, bis
er bei den in der Vollkraft des Lebens stehenden Erwachsenen
die geringste Gröfse hat; also bilden die Quotienten, welche die
vernichtende Wirkung des Kampfes ums Dasein darstellen, eben-
falls eine absteigende Reihe. Nun haben wir aber in Wirklich-
keit keine einzelnen Glieder einer Reihe, sondern kontinuierliche
Verhältnisse; es stellt also die Kurve, welche die Anzahl der
Nachkommen eines Wesens während ihres Heranwachsens ver-
anschaulicht, eine transzendente Kurve dar.
Diese Betrachtung ist nicht blofser Schematismus, sondern
für denjenigen, der in strenger Form zu denken gewohnt ist,
folgt aus derartigen Erörterungen eine sehr viel innigere An-
schauung der zu beurteilenden Verhältnisse; ausserdem giebt jede
mathematische Fafsung die Möglichkeit, weitere Eigenschaften,
die sonst nicht zu Tage treten würden, zu entwickeln. Freilich
müssen wir uns an dieser Stelle alles Eingehens auf diese
Dinge entschlagen.
Die abgelegten Eier und die frisch ausgeschlüpften, hilf-
losen und unpraktischen Jungen sind zunächst allen Angriffen
ı nn
RB
preisgegeben; sie werden durch lauter überlegene und schnell
wirkende Angriffe in Bälde an Zahl auf einen kleinen Bruchteil
ihrer anfänglichen zahlenmäfsigen Stärke herabgedrückt. Diesen
Angriffen gegenüber ist natürlich alle persönliche Verschieden-
heit gleichgiltig. Es widerstritte der Vernunft, anzunehmen, dass
von den 6 Millionen ausgeschlüpfter junger Austern die eine
einzige, die zum Heranwachsen kommt, die beste oder auch
nur eine von den zehn oder zwanzig oder hundert besten sein
könnte; es ist eben eine Durchschnitts-Auster, wohlgemerkt aber:
eine Durchschnitts-Auster von allen denen, die tadellos fürs
Leben ausgerüstet sind; denn andere können überhaupt nicht
leben bleiben.
Wir müssen also festhalten: Der Kampf ums Dasein sucht
unter der übergrossen Masse der jungen Tiere nicht die besten
aus; er sucht überhaupt nicht aus, sondern er vernichtet
zunächst eine ungeheuer grosse Zahl und lässt eine geringe, aber
ungefähr bestimmte Anzahl Individuen vom Durchschnitt der
tadellosen Stücke als Nachwuchs über.
Für die späteren Stadien der jungen Tiere bleibt der
Kampf ums Dasein nicht ganz derselbe; er ändert sich fort-
während mit dem Wachstum des Tieres selbst und der durch
die Jahreszeit gegebenen Veränderung seiner Umgebung und
Nahrungsquellen. Es tritt also an die jungen Tiere gewisser-
massen fortwährend eine neue Prüfung heran, und diejenigen,
welche die eine bestanden haben, stehen stets vor einer neuen.
Ganz sicher merzt der Kampf ums Dasein von jedem Stadium
diejenigen Stücke aus, welche jeder dieser ihnen aufgezwungenen
Veränderungen nicht zu folgen vermögen. Ob es viele solcher
nicht ganz passenden Stücke giebt, muss natürlich für jeden Fall
erst festgestellt werden. Die Beobachtung zeigt im allgemeinen
nicht viel davon; doch muss für unsere theoretische Betrachtung
der Fall Berücksichtigung finden, wenn er auch das Ergebnis
nicht verändert. Denn von jedem bestimmten Alters-Stadium
jeder Art muss ein ganz bestimmter Prozentsatz sterben; dass
aber unter diesem Prozentsatz sich diejenigen befinden werden,
welche etwa, wie wir annahmen, etwas schlechter für die Lebens-
Verhältnisse gerade dieses Stadiums ausgerüstet sein sollten, ist
sicher. Ebenso sicher ist aber, dass der Kampf ums Dasein
von jedem Stadium eine Menge guter, selbst tadelloser Stücke
fordern muss; denn es muss der bestimmte Prozentsatz sterben,
und an diesem Ergebnis arbeiten Gewalten, denen die Kraft
keines Wesens gewachsen ist,
Haben wir vorhin, wenigstens als Annahme, die Klasse von
Stücken betrachtet, welche dem während ihres Wachstums stetig
etwas wechselnden Kampfe ums Dasein nicht gewachsen sind,
so erfordert es die Gerechtigkeit, auch diejenigen in Rücksicht
zu ziehen, welche etwa besser als der Durchschnitt den an sie
gestellten Anforderungen gerecht zu werden vermögen, indem
sie geistig oder körperlich begabter sind, als der Durchschnitt.
Dass es unter den höheren Tieren solche Stücke giebt, unter-
liegt gar keinem Zweifel; ob dies bei niederen Wesen ebenso
ist, und ob derartige, sicherlich in ganz geringen Grenzen schwan-
kende Ausschläge der Begabung im Kampf ums Dasein einen
merkbaren Faktor abgeben, muss jedoch erst erwiesen werden.
Aber selbst diese Annahme stört das Ergebnis nicht, zu welchem
uns nunmehr unsere Betrachtung führt. Von jedem Stadium
irgend eine Tier-Art muss ein bestimmter Prozentsatz untergehen;
unter diesen Untergehenden befinden sich ganz sicher alle nicht
ganz vollwertigen Stücke, so dass von Stadium zu Stadium der
Durchschnitt der überlebenden Stücke verbessert wird. Giebt es
nun wirklich Stücke, deren Begabung ihnen einen merkbaren
Vorteil im Kampf ums Dasein gewährt, so wird der Durch-
schnitt der überlebenden Stücke dadurch weiter (bezw. schneller)
verbessert; ebenso wie er dadurch verbessert wird, dass die
mäfsigen Stücke zu Grunde gehen; durch beides wird er nach
der besseren Seite hin verschoben. Somit ist es für unsere Be-
trachtung nicht Ausschlag gebend, ob und wieviel Stücke auf
die Welt kommen, die besser oder schlechter sind als der
Durchschnitt; das End-Ergebnis bleibt das gleiche.
Wir sind uns darüber klar geworden, dass auf grund aller
individuellen Entwickelung, des Wechsels der Jahreszeiten und der
dadurch gegebenen Veränderung der Lebensweise die Lebens-
bedingungen und der daraus sich entwickelnde Kampf ums Da-
sein gleichfalls Veränderungen erfährt. Diese Veränderungen
sind jedoch rhythmische, zyklische, insofern sie alle Jahre bezw.
innerhalb des Lebens jedes Stückes einer betreffenden Art
regelmäfsig wiederkehren. Als Ganzes aber sind sie von
Generation zu Generation unveränderlich, soweit die Verhältnisse
der unbelebten Natur und die Zusammensetzung der in Frage
kommenden Lebensgemeinschaften sich nicht wesentlich anders
gestalten.
Jedenfalls ist folgender Schluss sicher: Wenn es der aus
der Gesamtheit der Lebensbeziehungen erwachsende Kampf ums
Dasein ist, der den Durchschnitt der Überlebenden bildet, wenn
also die Gesamtheit aller lebenden Stücke einer Art — mathe-
matisch gesprochen — eine Funktion des betreffenden Kampfes
ums Dasein (und daher der betreffenden Lebensbedingungen)
ist, so bildet die von Generation zu Generation gleich bleibende
Form des Kampfes ums Dasein von Generation zu Generation
auch denselben Durchschnitt der Überlebenden; jede Art bleibt
also von Generation zu Generation gleich, wenn die Lebens-
bedingungen gleich bleiben. Noch eines ist zu bemerken: sie
erfährt keine nach aussen schlagende Veränderung, wohl aber
eine allmähliche Veränderung in sich selber. Wir sehen, dass
sich bei jeder Art von Stadium zu Stadium der Entwicklung der
Durchschnitt der Überlebenden verbessert; da im allgemeinen die
Jungen die Eigenschaften der Eltern erben, so endigt diese Ver-
besserung nicht mit dem Tode des einzelnen Wesens, sondern
setzt sich in seine Nachkommen fort; es wird also der Durchschnitt
der Überlebenden immer besser, und damit zugleich einheitlicher.
Daraus folgt aber sofort ein zweiter Schluss. Ist der
Durchschnitt, der Habitus einer Art, das Ergebnis des ihr be-
scherten Kampfes ums Dasein, somit also eine Funktion der ihr
zukommenden Lebensbedingungen, so muss eine Veränderung
der Lebensbedingungen einen etwas veränderten Kampf ums
Dasein zu wege bringen, und dieser muss aus der Masse des
vorhandenen Materiales einer Art einen andern Durchschnitt aus-
suchen, die Art muss sich verändern, angenommen natür-
lich, dass die Veränderungen der Lebensbedingungen und des
Kampfes ums Dasein eine physiologische Wirkung auszuüben
im Stande sind. Dass aber in der That Veränderungen der
ausseren Lebensverhältnisse verändernd auf lebende Wesen ein-
wirken, ist erwiesen; es ist sogar die einzig bewiesene Möglich-
keit der gesetzmässigen, auf jedes Stück der Art gleichmäfsig
wirkenden Veränderung von Wesen in der freien Natur.
Diese Theorie der Artbildung unterscheidet sich auf den
ersten Anblick sehr scharf von der Darwin’schen Erklärung;
während nach unserem Gedankengange der Kampf ums Dasein
einige ganz gewöhnliche, durchschnittliche Stücke übrig lässt, und
die Arten sich als ganzes umbilden, wählt der Kampf ums Da-
sein nach Darwin’s Anschauung besondere, passendste Stücke
aus, welche allmählich und ganz langsam die Art rach sich um-
bilden, indem ihre Nachkommen die übrigen Artgenossen ver-
drängen.
Die Wichtigkeit des Gegenstandes erheischt es wohl, dass
wir hier, sei es auch nur in Kürze, die unterscheidenden und
widerstreitenden Punkte gegen einander halten.
Wir sahen, dass ausserordentlich viel mehr Wesen geboren
werden, als leben bleiben können; es muss also die Über-
zahl derselben zugrunde gehen; und wenn man sieht, dass dies
in der That mit nie ausbleibender Regelmäfsigkeit stattfindet,
so haben wir hier ein Gesetz der lebendigen Natur. Gesetze
aber werden nur gehalten, wenn eine gewaltige Macht hinter
dem Gesetze steht, welche die Ausführung desselben überwacht.
Diese Macht ist die zu jeder Zeit und an jedem Platze auftretende
Selbststeuerung der Natur, deren Kraft der irgend eines Einzel-
nen um ein vielfaches überlegen ist. Die auf diese Weise in
Erscheinung tretende Form des Kampfes ums Dasein, bez.
Kampfes gegen das Dasein, rottet also einfach aus, bis nur
noch soviel vorhanden sind, wie gerade von jeder Altersstufe
vorhanden sein dürfen, um leben zu können. Wenn aber die
ausrottende Kraft der Kraft des einzelnen Individuums um vieles
überlegen ist, so ist davon gar keine Rede, dass die persönliche
Schattierung dieser Kraft hierbei etwas auszumachen vermag;
ein Überleben des oder der Besten giebt es also nicht, soweit
es sich darum handelt, die in der Natur für jede Alterstufe vor-
handenen Plätze zu besetzen; und für jede Altersstufe ist eben
nur eine bestimmte Anzahl von Plätzen vorhanden. Das sind
alles Sachen, die sich von selbst verstehen, wenn wir von der
Gesetzmäfsigkeit der Natur nicht bloss reden, sondern ver-
suchen, uns davon auch eine Vorstellung zu bilden. In wie
ungeheuerer Masse und mit wie grosser Schnelligkeit dies Werk
der Ausrottung von statten .geht, lehrt die Betrachtung fast jedes
Einzelfalles, wenn man die grofse Zahl der hervorgebrachten
Keime und die kurze Lebensdauer der meisten Wesen sich ver-
gegenwärtigt.
— 58 7 —
Für die späteren Altersstufen werden die Formen des
grossen Kampfes immer milder, insofern das Misverhältnis zwi-
schen der Zahl der Anwärter und der vorhandenen Plätze sich
immer mehr ausgleicht; die gewaltige Selbststeuerung der Natur
wird immer weniger gezwungen, ihre ganze Machtfülle zu ent-
falten; dagegen bildet sich immer mehr ein Verhältnis des Gleich-
gewichts aus zwischen der Kraft des einzelnen Stückes und der
verteidigenden oder angreifenden Kraft der mit ihm in Beziehung
tretenden Wesen; immer mehr hat also eine individuelle Begabung
die Möglichkeit, sich zu äussern und von zwei Wettbewerbern
dem begabteren den Sieg zu sichern. Diese letzt betrachteten
Verhältnisse scheinen also das Überleben des Passenderen in
Folge zu haben, somit dem Darwin’schen Prinzip wenigstens
hierfür Geltung zu verschaffen.
Das ist aber nur scheinbar. Wenn sich für die späteren
Altersstufen die Zahl der Plätze in der Natur und der dieselben
umwerbenden Anwärter immer mehr ausgleicht, dann bleibt für
die erwachsenen Stücke kaum noch ein Grund zum Kampfe
der erwachsenen Stücke unter sich.
Man werfe nicht ein, dass es sich in diesem Falle am
wenigsten um einen richtigen Kampf handelt, sondern um eine
gegenseitige Benachteiligung, die garnicht unmittelbar, sondern
auf weiten Umwegen wirkt, ferner, dass es sich ebensogut um
den Wettstreit im Verteidigen wie im Angreifen handelt. Wenn
ein Wesen einen Platz in der Natur einnimmt, der es ernährt,
(und das thun alle Erwachsenen, sonst wären sie nicht als Er-
wachsene da), so hat es keinen Grund, seine Altersgenossen in
irgendwie besonderem Mafse zu benachteiligen. Umgekehrt liegt
die Sache aber ebenso; denn die Altersgenossen haben ja eben-
sogut ihr Auskommen. Die Angriffe der Raubtiere treffen aber
die erwachsenen Stücke in verschwindendem Mafse gegenüber
den Jungen. Wir sehen also, dass mit dem zunehmenden Alter
die individuelle Begabung immer mehr Gelegenheit erhält, sich
zu äussern, dass aber der Grund, durch die individuelle Begabung
einen Vorteil vor den Altersgenossen derselben Art zu erreichen,
mit zunehmenden Alter immer geringer wird.
Wir haben bisher angenommen, dass es in der That unter
den Erwachsenen aller Tierarten Verschiedenheiten der Begabung
für den Kampf ums Dasein giebt. Wir geben uns damit aber
einem ganz gewiss nicht berechtigten Anologie-Schluss hin, indem
wir von unseren Beobachtungen an höheren Tieren ausgehen.
Jedenfalls giebt die Betrachtung der niederen Tiere keine Stütze
ab für den Satz, dass die verschiedene Begabung der erwach-
senen Stücke ausschlaggebend ist für das Überleben des Begab-
teren im Kampfe ums Dasein.
Eine weitere Quelle von Anschauungsfehlern leitet sich
leicht aus der Form des Superlativ her, wenn man vom Über-
leben der »Besten« und »Passendsten« spricht. Zunächst kann
man dadurch zu der Meinung verleitet werden, dass es sich hier
um die »beziehentlich besten oder passendsten« han-
delt, sodass auch unter lauter mittelmässigen und schlechten
Stücken noch »beziehentlich bestee vom Kampf ums Dasein
zum Überleben übrig gelassen werden könnten. Dies ist aber
eine falsche Vorstellung. Nur vollkommene Stücke bleiben
überhaupt überleben; alle mittelmäfsigen und schlechten Stücke
fallen dem Tode anheim. Somit steht die ganze Untersuchung
vor der Verpflichtung des Beweises, dass immer, zu allen Orten
und allen Zeiten, genug vollkommene Stücke vorhanden sind;
fände dies nicht ganz gesetzmäfsig statt, so stände die lebendige
Welt jeden Tag vor der Gefahr des plötzlichen gänzlichen Aus-
sterbens. Diese Grundbedingung, welche fast unmittelbar eine
teleologische Begründung zu fordern scheint, hat von WILHELM
ROUX durch seine Lehre vom Kampf der Teile im Organismus
eine mechanische Erklärung gefunden, wie wir im Laufe unserer
Untersuchung des näheren erkennen werden.
Nehmen wir also an, die »Besten« oder »Passendsten«
welche die Art nach Darwin fortführen sollen, sind nicht nur
die vergleichsweise besten, sondern die besten von lauter guten
Stücken, und versuchen wir nunmehr, uns den Naturvorgang
des Überlebens dieser »Besten« anschaulich zu machen. Aus
jedem Schach-Wettkampf geht immer Einer als der Beste hervor,
indem Jeder mit Jedem kämpft. Wenn es sich aber bei den
Artgenossen in der Natur um einen Kampf um Leben und Tod
handelt, so ist nicht nur Einer der Sieger, sondern zugleich
von allen Stücken seiner Art der einzig Überlebende. Da
es Niemanden giebt, der dies Ergebnis als der Wirklichkeit ent-
sprechend annehmen wird, so sehen wir sofort, dass nicht jedes
Artmitglied mit jedem anderen um den Sieg streiten kann, son-
u I
dern dass Raum und Zeit hier eine ganz bestimmte Schranke
ziehen. Dann ist es aber auch sicher, dass der Ausdruck »die
Besten« falsch ist, und wir nur von »Guten« reden können; und
somit ist kein Unterschied mehr zu finden zwischen diesem End-
ergebnis des Kampfes ums Dasein und demjenigen, welches wir
vorhin entwickelten.
Mit diesem Vorschlag zur Güte werden aber die streng-
gläubigen Selektions-Theoretiker kaum einverstanden sein: für sie
liegt ja die wesentliche Wirkung des Kampfes ums Dasein nicht
darin, dass er die »Guten« aussucht, sondern dass er Stücke
mit einem ganz bestimmten Merkmale auswählt, welche
durch Naturauslese weiter gezüchtet werden; denn dadurch
kommen ja die neuen Varietäten, Rassen, Arten zur Entstehung.
Hiermit sind -wir an der schwächsten und bedenklichsten
Stelle der Darwin’schen Anschauung vom Kampf ums Dasein
angelangt.
Wir haben gesehen — und an diesem Ergebnis ist nicht
zu rütteln — dass der Kampf ums Dasein nicht die Guten,
sondern die Schlechten aussucht, und zwar nicht zum Leben,
sondern zum Sterben. Nun kann man leicht auf den Gedanken
kommen, diese Unterscheidung sei völlig belanglos, denn wenn
die Schlechten zum Sterben ausgesucht werden, so bleiben die
Guten überleben. Dies ist richtig; nur bleiben die Guten nicht
aufgrund positiver Merkmale übrig, denn es bleiben ja nicht alle
Besitzer dieser Merkmale überleben, sondern sie bleiben über-
leben, weil sie nicht ausgerottet sind; höchstens kann man sagen:
weil sie nicht zu den Schlechten gehörten; dass ist aber kein
Grund, sondern eine Umschreibung der Wirklichkeit;
es ist also auch unmöglich, dass der Kampf Stücke mit einem
ganz bestimmten Merkmale aussucht und dies verlangt die Dar-
win’sche Züchtungs-Theorie. Das Überleben von Guten ist ein
auf kausaler Grundlage erwachsenes Verhältnis; die »Auswahl
der Guten« ist zum mindesten ein teleologischer Ausdruck;
die Auswahl der Guten aufgrund eines bestimmten Merk-
males ist aber eine durch und durch teleologische Anschauung,
hervorgerufen durch eine falsche Parallelisierung der positiv (näm-
lich zum Leben) aussuchenden zweckentsprechenden Thätigkeit
des Züchters und der negativ (nämlich zum Sterben) aussuchenden
mechanischen Thätigkeit des Kampfes ums Dasein.
2967 Ben
Darwin glaubte, durch die Gleichstellung der auswählenden
Thätigkeit des Züchters mit der auswählenden Thätigkeit des
Kampfes ums Dasein das teleologische, zweckthätige Moment
der künstlichen Züchtung in einem kausal, mechanisch wirkenden
Parallel-Verhältnis der Natur gefunden zu haben. Darin hatte
er Recht, solange er die Ausschliessung der schlechten Stücke
von der Fortpflanzung als die mafsgebende Thätigkeit beider
Vorgänge betrachtete; denn sicher entspricht die Ausrottung einer
großsen Anzahl von Stücken (darunter alle schlechten und maäfsi-
gen) durch den Kampf ums Dasein der von Seiten des Züchters
ausgeübten Ausschliessung aller schlechten und mäfsigen Stücke
von der Nachzucht; beide Male pflanzen nur die vorzüglichen
Stücke die Art oder Rasse fort. Mit dem Augenblick aber, wo
man glaubte, ganz einfach und kurzweg die Thätigkeit des
Züchters im allgemeinen mit der Thätigkeit des Kampfes ums
Dasein in Parallele stellen zu können und von dieser falschen
Verallgemeinerung aus rückwärts, deduktiv, die vom Züchter
aufgrund ganz bestimmter Merkmale geübte auswählende
Thätigkeit mit einer aufgrund ganz bestimmter Merkmale mecha-
nisch geübten auswählenden Thätigkeit der Natur gleichstellen
zu können, war man wieder mitten im Lager der Teleologie,
gleichgültig, ob man's merkte und wollte, oder nicht; es war
eben, kurz ausgedrückt, ein Gedankenfehler, wenn man vermeinte,
an Stelle der Auslese des Züchters eine mechanisch wirkende Aus-
lese der Natur setzen zu können. Nur in einem einzigen Falle
hat diese Anschauung Berechtigung, aber nicht wegen der Rich-
tigkeit des Gedankens, sondern aufgrund des gleichen Ergebnisses.
Wenn nämlich ein einziges bestimmtes Merkmal für eine Art
von Wesen so wichtig und so ausschlaggebend ist, dass davon
Leben und Sterben im Kampf ums Dasein abhängt, so ergiebt
das Ausmerzen der mit diesem bestimmten Merkmal nicht
versehenen Tiere das gleiche Resultat, wie eine etwaige Aus-
lese der Besitzer dieses bestimmten Merkmales. Je mehr sich
aber die thatsächlichen Verhältnisse von denen dieses Falles
entfernen, insofern nicht ein einziges, sondern eine Mehrzahl von
Merkmalen sich als ausschlaggebend erweisen, um so weniger kann
sich die Darwin’sche Erklärung mit den wirklichenGründen decken.
Denn das müssen wir festhalten: Gezüchtet werden kann
zur Zeit immer nur ein einziges Merkmal; wenn sich mit diesen
Fern
zugleich noch andere Merkmale von selber weiter züchten, so
stehen sie mit dem eigentlich gezüchteten Merkmale im Ver-
hältnis der Korrelation. ‘Und das ist ja der erklärende Wert
der Naturzüchtnng, dass man sich — vorausgesetzt, ihre An-
nahme ist berechtigt — jedes bestimmte Merkmal irgend eines
Wesens als durch Naturauslese ausgewählt und durch Natur-
züchtung zu grösserer Vollkommenheit herangezüchtet und auf
viele Nachkommen übertragen vorstellt.
Nun könnte es ja möglich sein, dass uns der Augenschein
im allgemeinen täuscht, wenn wir annehmen, dass es die Ge-
samtheit aller guten Eigenschaften ist, welche ein Wesen in
den Stand setzt, seinen Platz in der Natur zu behaupten. Neh-
men wir also an, es sei in der That im Allgemeinen ein einziges
Merkmal Ausschlag gebend, die Darwin’sche Anschauung bestände
also im allgemeinen zu Recht, und litte nur an einem schiefen
Ausdruck, so haben wir damit die Grundlage und Nötigung,
dem Gedankengange Darwin’s weiter zu folgen.
Nehmen wir also an, dass unter den Stücken einer Art,
welche den bisher bescherten Kampf ums Dasein bereits glück-
lich überstanden haben, sich eines befindet, welches durch irgend
eine Eigenschaft ganz besonders gut für den Kampf ums Dasein
ausgerüstet ist. Solche Stücke bilden nach Darwin’s Auffassung
den Ausgang zu Varietäten, Rassen, Arten und so fort, indem
sie »mit den unveränderten Individuen (der Art) in Wettbewerb
treten und dieselben besiegen«.
Hier führt Darwin also ein neues Prinzip ein, nämlich dass
besonders bevorzugte Stücke nicht nur überleben bleiben (das
ist ja die Grundlage seiner Lehre), sondern dass sie ihre Art-
genossen durch ihre Überlegenheit derartig beeinträchtigen, dass
diese allmählich ausgemerzt werden. Man könnte sich leicht
versucht fühlen, dies als eine selbstverständliche Folge des Dar-
win’schen Grundsatzes vom Überleben des Passendsten zu halten;
das ist aber nicht richtig. Die Folge dieses Satzes wäre viel-
mehr, dass die einzelnen Wesen je nach ihrer Begabung ihren
Platz in der Natur leichter oder schwerer als die andern
erobern und leichter oder schwerer behaupten können (dass also
die Begabtesten ihren Platz am leichtesten erobern und behaup-
ten), nicht aber, dass sie ausser ihrem eigenen Platze noch einen
oder mehrere andere einnehmen. Wenn man Jemanden aus
seinem Platze endgültig verdrängen will, so muss man die Kraft
und Fähigkeit haben, zwei Plätze zu behaupten und zu vertei-
digen. Jedes Wesen in der Natur hat aber seine ganze Kraft
nötig, um seinen einen, eigenen Platz zu erobern und zu behaup-
ten; wäre es anders, so gäbe es ja gar keinen Kampf
ums Dasein gegen irgend welche andere Wesen!
Somit stehen wir immer noch vor der Frage: Wie stellt
sich Darwin uud seine Nachfolger den Naturvorgang vor, ver-
möge dessen aus einem einzigen Stücke, nämlich dem Stamm-
vater, eine allmählich immer zahlreicher werdende Rasse bezw.
Art hervorgeht? Darwin selber hat sich über die Einzelheiten
dieses Naturvorganges nirgends ausführlich ausgesprochen; des-
halb ist er auch in dieser Hinsicht von den verschiedenen Schrift-
stellern ganz verschieden verstanden worden. Ganz allgemein
und mit seinen eigenen Worten gesprochen nimmt er an, dass
die Mitglieder der entstehenden Art mit den unveränderten
Stücken »in Wettbewerb treten und dieselben besiegen«. Der
Grund zu dieser Anschauung lag für Darwin in der Beobachtung,
dass eine Art von der anderen in der Natur thatsächlich ver-
drängt wird, indem die neue Art die Plätze der andern Art,
räumlich wie sozial betrachtet, einnimmt. Ebenso, meinte Darwin,
besiegte die bevorzugte Rasse die Gesamtheit der unveränderten
Stücke ihrer Art.
Wenn ein wandernder Volksstamm einen anderen von seinen
Plätzen verdrängt, so setzt sich auf jeden Platz, welcher einen
der früheren Bewohner ernährt hatte, ein Eroberer. Es wird
jeder Platz nach wie vor von einem Menschen eingenommen.
Wenn eine Art Unkraut eine Art von Gartenpflanzen verdrängt,
so setzt sich an die Plätze, die eigentlich der Gartenpflanze zu-
kommen, das stärkere Unkraut. Ob nun gerade auf je eine der
Gartenpflanzen später je eine Pflanze von dem Unkraut zu rech-
nen ist, das ist ganz gleichgültig; wenn die letztere anderthalb,
oder drei oder zehn mal so, viel Ansprüche hat, wie die Garten-
pflanze, so ersetzt sie eben nicht ein Stück derselben, sondern
anderthalb, drei oder zehn. Das ist ein anschaulicher und leicht
zu verstehender Naturvorgang.
Betrachten wir nunmehr die damit von Darwin verglichenen
Verhältnisse. Eine bestimmte Altersstufe einer Art hat ihre
ganz bestimmte, ihr zukommende Anzahl von Plätzen in der
7
ne
Natur inne. Unter den Stücken dieser Stufe befindet sich ein
ganz besonders bevorzugtes, welches, gezwungen, mit seinen
Altersgenossen in Wettbewerb zu treten, einen derselben beein-
trächtigt, - aushungert, kurz, aus den Reihen der lebenden ver-
schwinden lässt. Jetzt ist freilich ein Platz im Naturhaushalt
frei geworden, aber er wird nicht etwa von dem Sieger einge-
nommen, sondern die Lebensansprüche seiner wachsenden Alters.
genossen werden von Tag zu Tag grösser, und alle treten des-
halb mit Ansprüchen an ein Stückchen des freigewordenen
Platzes heran, ganz abgesehen von den vielen nicht zu der be-
trachteten Art gehörigen Mitbewerbern. Es fällt also auf den
Sieger nur ein Teilchen des eroberten Platzes, eben gerade so
viel, als er aufgrund seiner stärker werdenden Ansprüche braucht
und infolge dessen behaupten kann und muss. So geht es weiter
für alle folgenden Wachstums-Stadien. Schliesslich ist die von
uns betrachtete Altersklasse erwachsen; die Vermehrung der
persönlichen Ansprüche aufgrund des Wachstums hat aufgehört
und wird ersetzt durch die Ansprüche der Nachkommenschaft.
Man könnte leichtlich denken, hier wären wir nun an dem
entscheidenden Wendepunkte der Verhältnisse angelangt, indem
ja weiter nichts nötig wäre, als dass von den Nachkommen des
bevorzugten Stückes aufgrund ihrer ererbten Überlegenheit mehr
Junge zur Aufzucht kämen, als von den übrigen Artgenossen.
Das ist aber unmöglich. Wir haben vorhin zur Genüge gesehen,
dass den auf die Jungen einwirkenden Mächten der Aussenwelt
gegenüber eine persönliche Verschiedenheit gleich Null ist, dass
also von der Brut eines bevorzugten Stückes in der Regel nicht
mehr aufkommen können, als von den übrigen Artgenossen.
Wir sehen also, dass es selbst bevorzugte Stücke im allgemeinen
nicht über den Vermehrungs-Koefhizienten I zu bringen vermögen.
Nehmen wir aber nichts destoweniger an, wir haben’ uns
in unseren Schlüssen fehl leiten lassen; nehmen wir also an,
wir erkennen den wirklichen Natur-Vorgang nicht, so muss, wenn
eine beginnende Rasse mehr Junge zur Aufzucht bringt, als ihre
Artgenossen, d.h. also in jedem Alters-Stadium verhältnismäfsig
mehr Plätze in der Natur einnimmt, als diese, ihr Vermehrungs-
Koeffhizient (aus welchem Grunde, ist uns gleichgültig) gröfser
sein, als der ihrer Artgenossen, d. h. gröfser als ı.
Zu derselben Forderung gelangt man auch, wenn man sich
die andere Möglichkeit der Vermehrung einer Rasse vorstellt,
nämlich, dass die entstehende Rasse die alte Art durch Kreuzung
allmählich mit sich veramalgamiert, sie allmählich in sich auf-
saugt. Denn wenn von den Sprösslingen der einzelnen Kreu-
zungen nicht mehr am Leben bleiben, als von den Sprösslingen
der unveränderten Stücke der Art, so würde die entstehende
Rasse sich nicht vermehren, sondern ihre anfängliche Mitglieder-
zahl beibehalten.
Kurzum, die neue Rasse bezw. Art muss, wenn sie zur
herrschenden werden soll, einen grösseren Vermehrungs-Koefh-
zienten haben, als die unveränderte Art; ebenso, wie die künst-
liche Züchtung nur möglich ist, indem der Mensch den bevor-
zugten Zucht-Tieren einen grösseren Vermehrungs-Koeffizienten
giebt. Dies thut er in letzterem Falle dadurch, dass er sie zur
Nachzucht auswählt, dagegen die mäfsigen Stücke von der Fort-
pflanzung ausschliesst. Wir sahen bereits vorhin, dass der aus-
wählenden Thätigkeit des Züchters die Vorgänge in der Natur
nicht entsprechen; dass aber die nicht bevorzugten Stücke in
der Natur an der Begattung und dem entsprechend an der Fort-
pflanzung verhindert werden könnten, ist eine bodenlose Annahme.
Lassen wir aber die sachliche Begründung, zu der an
dieser Stelle weder die Zeit noch der Platz ist, auf sich beruhen,
und beschäftigen wir uns mit den logischen Folgerungen des
Vorganges, dass eine bevorzugte Rasse sich auf Kosten ihrer
Stammart vermehrt; dann hat sie, bezw. schon der Stammvater,
einen grösseren Vermehrungs-Koeffizienten, als die Stammart;
und da der Vermehrungs-Koeffizient jeder Art und damit jedes
erwachsenen Stückes im allgemeinen — I zu setzen ist, so muss
der Koeffizient der bevorzugten Rasse grösser sein als 1.
Nehmen wir also beispielsweise den einfachsten Fall, dass
ein einjähriges Tier mit einjähriger Generationsperiode — also
etwa wie viele unserer Schmetterlinge -— den Vermehrungs-
Koeffizienten 2 besitzt, so wird, wenn wir die Generation des
Stammvaters als die o. betrachten, die ı. Generation 2 edel-
blütige Stücke aufweisen, die 2. Generation 4, d. h. 2°, die n.
Generation 2” Stücke der neu sich bildenden Rasse. Nehmen
wir die Stückzahl einer Art als eine Million an, so würde die
Umbildung dieser Art durch eine neu entstehende Rasse in etwa
20 Jahren erfolgt sein, insofern 2° ungefähr gleich einer Million
7*F
ee Aa
ist; nehmen wir die Stückzahl einer Art als eine Billion an, eine
Zahl, die von den allermeisten Arten ganz gewiss nicht erreicht
wird, so würde die Umbildung dieser Art durch eine bevorzugte
Rasse mit dem Vermehrungs-Koeffizienten 2 in 40 Jahren zu
Stande gebracht. Es würde also unter dieser Voraussetzung
die Umbildung von Arten in ganz wenig Jahren, unter unsern
Augen vor sich gehen; wir müssten die Arten sich von Jahr zu
Jahr verändern sehen. Das ist ganz gewiss nicht der Fall; also
haben wir mit der Zahl 2 den Vermehrungs-Koeffizienten zu grofs
angenommen; er muss zwischen I und 2 liegen, wenn er zu
diskutierbaren Ergebnissen führen soll.
Beschreiten wir den umgekehrten Weg, indem wir sagen:
Seit den 100 oder 150 Jahren, dass wir wissenschaftliche Samm-
lungen haben, sind die Arten sich im allgemeinen gleich ge-
blieben; es gehört also für die Umbildung der meisten Arten
ganz gewiss ein Zeitraum von Ioo bis 150 Jahren. Berechnen
wir, welcher Vermehrungs-Koeffizient dazu gehört, eine Art von
einer Million Stück in IO0O bezw. 150 Jahren umzubilden, so er-
halten wir etwa die Zahl ı'/ı bezw. ı!/ıo. Nun ist aber nach
der Meinung der meisten Naturforscher ein Zeitraum von IOO
bis 150 Jahren durchaus nicht im Stande, die meisten Arten,
vielleicht kaum eine Art, umzugestalten. Nehmen wir also bei-
spielsweise einen Zeitraum von 500 oder 1000 Jahren zur
Umbildung einer Art als nötig an, so berechnen wir den
Vermehrungs-Koeffizienten einer sich innerhalb dieser Zeiten
umbildenden Art von ı Million Stück auf etwa 1!/36 bezw. 1'/ro.
Das heisst: Die bevorzugten Stücke erzeugen in der Regel nur
einen einzigen Nachkommen; nur durchschnittlich alle 10 Jahre
gelangen bei einer sich innerhalb 150 Jahre umbildenden Art
einmal 2 Stücke zur Reife, und nur durchschnittlich alle 70 Jahre
kommt es vor, dass bei einer sich im Zeitraum von 1000 Jahren
umbildenden Art einmal 2 Stücke zu geschlechtsreifen Tieren
sich entwickeln (jedesmal die Art zu einer Million Stück ange-
nommen). Ein solches Ergebnis ist an und für sich ja ganz be-
friedigend; nur nicht, wenn wir davon ausgehen, dass der Stamm- _
vater bezw. die Stücke der entstehenden Rasse den übrigen
Artgenossen im Kampfe ums Dasein überlegen sind. Was be-
deutet aber eine Ueberlegenheit im Kampfe ums Dasein, die-
sich garnicht in der Gegenwart sondern nach vielen Generationen
erst äussern kann! Eine Ueberlegenheit im Vermehrungs-Kocffi-
zienten, die sich in der Gegenwart äussern kann, muss aber
mindestens durch die Zahl 2 ausgedrückt werden, da es sich im
vorliegenden Falle nur um ganze Zahlen handeln kann. Die Un.
zulässigkeit der Annahme des Koeffizienten 2 haben wir jedoch
genügend klar gestellt.
Das Ergebnis der Betrachtung ist also: Wenn die natür-
liche Züchtung überhaupt besteht, so muss das bevorzugte Indi-
viduum bezw. die daraus entstehende Rasse ihre Stamm-Art in
ganz wenig Jahren umwandeln; thut sie das nicht, so besteht die
natürliche Züchtung überhaupt nicht, und der angenommene
Stammvater nebst seinem Stamme ist eben nicht bevorzugt
im Kampf ums Dasein, soweites sich um die Vermeh-
rung seines Stammes handelt.
Die Ausdehnung unserer Betrachtung auf mehrjährige Tiere
erschwert die Sache durchaus nicht; wir haben in unserer Rech-
nung dann nur anstatt der einen Generations-Periode des ein-
jährigen Tieres die Gesamtheit der Generations-Perioden des
mehrjährigen einzusetzen.
Dass bei einer wirklich stattfindenden Vergröfserung des
Vermehrungs-Koeffizienten die Vermehrung der Art ganz schnell,
unter unsern Augen, d. h. also gerade so, wie es die Ueber-
legung der Verhältnisse erfordert, vor sich geht, dafür gibt es in
der Natur genug Beispiele, vor allem in der epidemischen Ver-
mehrung gewisser Tierarten, die freilich durch Selbst-Steuerung
der Natur in kurzem wieder beseitigt wird; ferner in der künst-
lichen Zuchtung, bei der vom Menschen den bevorzugten Stücken
ein grösserer Vermehrungs-Faktor gegeben wird, indem erstens
einmal diesen eine grössere Möglichkeit der Begattung gewährt
wird, zweitens aber, indem die Nachkommen durch den Schutz
des Menschen und den Ausfall der meisten Formen des Kampfes
ums Dasein überleben bleiben.
Es ist vielleicht nicht überflüssig, an dieser Stelle einige
Vorwürfe vorweg zu nehmen, die unserer Betrachtung über den
Vermehrungs-Koeffizienten gemacht werden könnten. Man
könnte nämlich einwerfen, dass ein solcher Vermehrungs-Koeffi-
zient nur einen Durchschnittswert darstellt, dass aber die wirk-
" lichen Werte in den einzelnen Fällen erheblich kleiner oder
grösser sein konnten, sodass z. B. bei einem Vermehrungs-
BE N Ye
Koeffizienten von ı die mäfsigen Stücke einen Koeffizienten von
annähernd O0, die besten Stücke einen Koeffizienten von an-
nähernd 2 haben könnten. So richtig dieser Einwand ist, wenn
wir einzelne Fälle herausgreifen, so hinfällig ist er für uns, die
wir die Summe aller Fälle betrachten, nämlich den Koeffi-
zienten der ganzen Art; gerade hierfür ist aber der Durchschnitts-
wert, und nur dieser, anwendbar.
Ferner kann man mit Recht sagen, dass bei dem vorhin
von uns gebrachten Schema des Wachstums einer Art die ersten
Glieder der geometrischen Reihe ganz gewiss nicht der Natur
entsprechen; ebenso, dass ja nicht ein einziger, sondern eine
ganze Anzahl, vielleicht schon recht viele Stammväter zur gleichen
Zeit einer neuen Art den Ursprung geben können.
Ein solcher Vorwurf ist durchaus berechtigt, wenn man
die kleinen Anfangswerte eben auf die Natur anwenden wollte;
sie müssen aber aufgestellt werden, damit der Quotient der Reihe,
das Gesetz der Zunahme, ersichtlich wird. Wirkliche Bedeutung
aber haben nur die späteren Glieder der Reihe und zwar auch
nicht als absolute, sondern als allgemeine Werte, vornehmlich
als eine Darstellung des schnellen Wachstums geometrischer
Reihen, ‚deren Ergebnis (wie Darwin sagt) stets in Erstaunen
versetzt“. Darum ist es auch gleichgiltig, ob die Betrachtung
von einem einzigen oder mehreren Stammvätern ausgeht. So
ist das ı0. Glied einer geometrischen Reihe mit dem Index 2
gleich 1024; d. h. wenn wir anstatt eines Stammvaters tau-
send annehmen, so wird die Reihe nur um zehn Glieder ver-
mehrt, die oben beispielsweise angeführten Resultate also zehn
Jahre später hervorgebracht. Das sind aber Zahlen, welche den
Sinn der von uns angestellten Betrachtungen garnicht berühren-
Wir haben damit den Teil unserer Untersuchung erledigt,
welchen wir einzuschalten genötigt waren, um darzuthun, dass
die thatsächliche und logische Begründung der Lehre von der
Naturzüchtung den zu stellenden Anforderungen nicht entspricht,
dass wir also in unserer Darlegung von den Verhältnissen der
Veränderung von Arten im Naturzustande die Selektions-Theorie
nicht nur deshalb vernachlässigten, weil wir sie nicht nötig
hatten. Wir kehren nunmehr wieder zu dem eigentlichen Gegen-
stande unserer Untersuchung zurück.
Wir haben vorhin gesehen, dass bei dem allgemeinen
Kampfe ums Dasein, wenn überhaupt Stücke aus ihm lebend
hervorgehen, ganz gewiss nicht die schlechtesten überleben blei-
ben — denn die werden sofort ausgemerzt —, sondern einige
Stücke vom Durchschnitt, und zwar nicht vom schlichten Durch-
schnitt der zur Welt gekommenen, sondern von einem höheren,
insofern die während des persönlichen Lebens sich folgenden
Formen des Kampfes ums Dasein den allgemeinen Durchschnitt
fortwährend weiter nach der besseren Seite hin rücken, ferner
weil in den letzten Stadien des Kampfes, wenigstens bei höheren
Tieren, ein immer mehr individualisierter Kampf stattfindet bezw.
stattfinden kann, der von zwei Wettbewerbern immer dem besser
begabten den Sieg sichert, bezw. sichern kann.
Dass man die äusseren Lebensbedingungen einer Art als
ein klassifizierendes, und daher Durchschnitt-bildendes Prinzip
ansehen kann, unterliegt keinem Zweifel. Nur ist der dadurch
gewonnene Durchschnitt nicht so klar und eindeutig, wie wenn
man nur einen einzigen Gesichtspunkt anwendet. Es ist also
klar, dass der somit gewonnene Durchschnitt ein kleines Schwan-
ken selbst der wesentlichen Charaktere gestattet; dass die un-
wesentlichen schwanken können, so lange sie nicht zur Lebens-
führung notwendige Einrichtungen durch ihr Schwanken ein-
schränken, ist selbstverständlich. Das thatsächliche Variieren der
Arten entfpricht somit völlig unseren Betrachtungen. Eine zu
grofse und ziellose Variation ist aber nicht möglich; denn es
werden nur die Merkmale, welche dem bestimmten überleben
gebliebenen Durchschnitt angehören, vererbt, d. h. eine be-
schränkte Zahl von Merkmalen. —
Wenn wir sehen, dass junge, eben ausgeschlüpfte Tiere
sich zum grofsen Teil schon recht geschickt benehmen, so ist
diese Geschicklichkeit durch zwei Momente bewirkt: erstens
durch die Vererbung, welche mit den körperlichen Verhältnissen
zugleich die Anlagen und Fähigkeiten der Eltern mit auf die
Jungen überträgt; zweitens aber — und das ist der viel wesent-
lichere Punkt — dadurch, dass nur funktionell vorzügliche, d.h.
praktisch zu gebrauchende Organe auf die Welt gebracht werden.
Die Erkenntnis dieses Verhältnisses verdanken wir der
grundlegenden Arbeit von WILHELM ROUX über den Kampf der
Teile im Organısmus, Wir werden nachher Gelegenheit haben,
— 70 —
etwas näher auf diese Lehre einzugehen; an dieser Stelle be-
nötigen wir nur des Endergebnisses und das ist, dass alles, was
der Organismus nach der Erledigung seiner Entwickelung an
Teilen hervorgebracht hat, das vollkommenste ist, was er über-
haupt hervorbringen konnte, und zwar „vollkommen“ nicht in
irgend einem teleologischen oder anthropomorphischen Sinne,
sondern vollkommen für den Organismus selber, d. h. den er-
wachsenden Anforderungen im Dienste des Ganzen entsprechend,
also praktisch verwertbar; das Tier ist in seinem eigenen Körper
so zu sagen zu Hause; was es hat, kann es auch benutzen.
Sowie das junge Tier ins Leben tritt, muss es sein körper-
liches Handwerkszeug anwenden. Eine gewisse Geschicklichkeit
bringt es auf grurfd seiner durch den Kampf der Teile hervor-
gegangenen körperlichen Verhältnisse mit auf die Welt. Alles
übrige muss es lernen. Es lernt aber an der Aussenwelt, an
der Gesamtheit aller der Lebensbedingungen, in welche es ge-
setzt ist; die Übung in diesen Verhältnissen führt, wie wir über-
all sehen, in kurzem zu der Geschicklichkeit, die wir an allen
Tieren in der Natur bewundern.
Dass alle Handhabungen und Geschicklichkeiten, welche
bereits von den Eltern ausgeübt wurden, leichter von den Jungen
erlernt werden, ist anzunehmen; immerhin müssen auch sie ge-
lernt und geübt werden. Fast ebenso gut aber werden sich die
jungen Tiere in Verhältnissen üben, welche etwas verschieden
sind von denjenigen, in denen die Eltern lebten. Da, soweit
wir in der Natur beobachten können, die Veränderungen der
Lebensbedingungen meist recht langsam erfolgen; so hat ein
solcher Vorgang für unser Verständnis keine Schwierigkeiten.
Nun können sich im Verlauf längerer Zeiten die äusseren
Lebensverhältnisse, wenn auch langsam, so doch im Ganzen
recht beträchtlich verändern; und so sind die jungen Tiere jeder
Generation gezwungen, während dieser Zeit sich fortwährend an
die sich verändernden Lebensbedingungen zu gewöhnen, so dass
mit der Zeit sich schliesslich ein wahrnehmbarer oder sogar be-
trächtlicher Unterschied zwischen den Geschicklichkeiten und
Eigenschaften der früheren und späteren Generation bilden kann.
Es handelt sich nunmehr um die Frage, ob mit der Ver-
änderung der Eigenschaften und Geschicklichkeiten der jungen
Tiere zugleich auch Veränderungen der körperlichen Merkmale
Hand in Hand gehen bezw. gehen müssen. Es unterliegt das
gar keinen Zweifel. Die Frage liegt ja nicht so, dass die Übung
die betreffende körperliche Grundlage erst bilden soll, sondern
umgekehrt: von allen jungen Tieren gehen unbedingt diejenigen
zu Grunde, deren körperliche Verhältnisse nicht zu einer prak-
tischen Handhabung der erforderlichen Eigenschaften für das je-
weilige Leben führen; der Kampf ums Dasein merzt die man-
gelnde Geschicklichkeit und damit die mangelhafte körperliche
Grundlage und deren Besitzer aus. Also führt die Veränderung
der äusseren Lebensbedingungen zu einer immer weiter fort-
schreitenden Ausbildung körperlicher Verhältnisse, welche eine
geschicktere Bewegung des betreffenden Tieres unter den neuen
Bedingungen ermöglichen. Wir haben also, wie hier nebenbei
bemerkt sein mag, die Annahme erworbener Charaktere für
die Grundlage der Theorie nicht nötig; anders gestaltet sich
freilich die Sache für den weiteren Ausbau.
Der gewöhnliche Gang der Dinge kann auf diese Weise
wohl nur geringwertige Änderungen zeitigen; doch giebt es zwei
Momente, durch deren Mithülfe die ziemlich schnelle Ausbildung
selbst beträchtlichlicher Umformungen nahe gelegt wird; das ist
die korrelative Abänderung und der Funktionswechsel. Da die
Wichtigkeit derselben für alle Transmatations-Theorien die gleiche
st, so brauchen wir darauf an dieser Stelle nicht weiter einzu-
gehen; ihre Begründung werden wir jedoch später noch betrachten.
Fassen wir nunmehr unsere Ergebnisse noch einmal zu-
sammen, so lauten sie: Der Kampf ums Dasein merzt alle schlech-
ten Stücke aus und lässt einige dem Durchschnitt der tadellosen
Stücke angehörenden Individuen der Art überlebenden; Ver-
änderungen der äusseren Lebensbedingungen verändern die Arten,
indem sie den Durchschnitt der überlebenden Stücke verändern,
der Masse der Art also ein anderes Gesamt-Gepräge aufdrücken
und sie Verwandten gegenüber als eine andere Rasse, Varietät
oder Art erscheinen lassen. Der übrige Teil der Darwin’schen
Lehre, nämlich die allmähliche Züchtung der neuen Rassen und
Arten, erscheint somit unnötig; der ureigentliche Darwin’sche
Grundsatz vom Überleben des Passenden genügt für das Ver-
ständnis der in Frage kommenden Form-Veränderungen.
Die in diesen kurzen Sätzen gekennzeichnete Theorie
scheint vor der Theorie einer natürlichen Züchtung einige Vor-
NE mr
teile voraus zu haben. Sie bestimmt keine Zeit für die Ver-
änderung einer Art, während die natürliche Züchtung, wenn sie
wirklich in der Natur vorhanden ist, eine Art sehr schnell ver-
ändern müsste, so schnell, dass der Vorgang unserer Beobach-
tung nicht entgehen könnte. Dies stimmt aber nicht zu den
thatsächlichen Verhältnissen; wir bemerken weder heut zu Tage,
noch in jenen berühmten tertiären Süsswasser-Ablagerungen eine
im Verhältnis geometrischer Progression zunehmende Stückzahl
entstehender Arten; eine solche fordert aber jede Theorie, welche
unter verständlichen Verhältnissen aus einem oder wenigen Stücken
viele züchtet. Ferner zwingt diese letztere Hypothese zur Auf-
stellung einer Hülfs-Hypothese vom schnellen Aussterben jener
vielen Zwischenstufen, deren Vorhandensein die Theorie an sich
ja fordern muss. Die Begründung dieser Hülfs-Hypothese ist
aber nicht so stark, dass man es bedauern müsste, wenn sie
hinfällig würde, weil man ohne dieselbe auskommt, insofern man
sie nicht nötig hat.
Wir kommen nunmehr zu dem zweiten Hauptteil unserer
Betrachtung, nämlich zu dem Versuche, die von uns gewonne-
nen allgemeinen Anschauungen in den Rahmen der allgemeinsten
Verhältnisse der Lebewelt einzufügen.
Unsere bisherige Betrachtung des Kampfes ums Dasein
und seiner Wirkungen hat uns jedenfalls eines gelehrt, dass die
mechanischen Machtmittel der äusseren Lebensbedingungen nur
im Stande sind, das Schlechte aus dem Vorhandenen auszu-
scheiden und so das Übrigbleibende zu der unter den obwalten-
den Umständen höchsten Höhe der Vollkommenheit zu bringen.
Ein Aussuchen irgend welcher mit bestimmten Merkmalen ver-
sehener Stücke ist eine durch die freilich beliebte, aber unstatt-
hafte Personifizierung des Kampfes ums Dasein und der natür-
lichen Zuchtwahl herein geratene teleologische Vorstellung.
Gleichfalls auf der Stufe eines fehlerhaften Denkverfahrens steht
die Ansicht, dass der Kampf ums Dasein bezw. die natürliche
Zuchtwahl im Stande sei, irgend etwas zu bilden; der Kampf
ums Dasein muss alle Bildungen bereits vorfinden; und nicht
nur dies; er muss eigentlich lauter gute, brauchbare Bil-
dungen vorfinden. Denn das unterliegt keinem Zweifel, dass
alle den Kampf ums Dasein überstehenden Wesen gute Eigen-
schaften besitzen. Wenn wir aber andrerseits annehmen müssen,
= 19 =
dass diese Wesen nicht wegen ihrer besonders guten Merkmale
ausgesucht sind, sondern dass sie dem allgemeinen Durch-
schnitt der Stücke ihrer Art entsprechen, so steht unsere Unter-
suchung vor der Verpflichtung, nachzuweisen, warum die Teile
der auf die Welt kommenden Wesen, die Bildungen also, welche
dem Kampfe ums Dasein anheim gegeben werden, von Hause
aus im Durchschnitt gut, brauchbar sind. Wäre nämlich nicht
mindestens die Hälfte sämtlicher Ausprägungen eines Merkmales
gut und brauchbar, so wäre es sicher, dass bei der ungeheuren
Ausrottung junger Tiere und der sichern Ausmerzung aller nicht
vortrefflichen Stücke die betreffende Art in kurzer Zeit zu grunde
gehen müsste, weil im Durchschnitt kein Stück den Kampf ums
Dasein übersteht. Wir haben also allen Grund, bei der natur-
gemäfs erscheinenden Annahme stehen zu bleiben, dass die Merk-
male der zur Welt kommenden Wesen meistens gut und brauch-
bar sind. Hier scheinen wir plötzlich vor einer nur durch teleo-
logische Wirksamkeit erklärbaren Forderung an die Natur zu
stehen. Wenn wir uns jedoch erinnern, dass das Gute und
Brauchbare, wo es sich in der freien Natur zeigt, erst nach
schweren Kämpfen sich als das grade für den bestimmten
Fall Gute und Brauchbare erwiesen hat dass also hier
die scheinbar unabweisbare Forderung teleologischer Beihilfe sich
durch die mechanische Wirkung des Naturganzen befriedigen
lässt, kurz, wenn wir sehen, dass in der freien Natur das minder-
wertige von dem Guten durch Kampf geschieden wird, so dass
nur von letzterem etwas übrig bleiben kann: so ist es ein frei-
lich nicht zwingender, aber doch ungemein nahe liegender Schluss,
anzunehmen, dass die guten Eigenschaften des eben in die Welt
tretenden Tieres gleichfalls durch Kampf von den minderwertigeu
geschieden sind, so dass nur die guten endgiltig in Erscheinung
treten, dass also dem Kampf der Wesen in der freien Natur
ein Kampf der Teile im Organismus vorausgeht.
Das Verdienst, diesen Gedanken gehabt und durchgeführt
zu haben, gebührt WILHELM RoUx, der in seinem „Kampf der
Teile im Organismus“ nicht nur, wie der Verfasser sich ausdrückt,
einen „Beitrag zur Vervollständigung‘“, sondern den Unterbau der
„mechanischen Zweckmäfsigkeitslehre‘‘ geliefert hat.
Die folgenden Auslassungen sollen einen kurzen Überblick
dieser Lehre geben, schliessen sich aber nicht ganz genau an
om 74 —
das Original an, weil ROUX zur Zeit der Abfassung seiner
Schrift auf dem Darwinistischen Standpunkt der Natur-Auslese
steht, wir aber die Absicht haben, seine Lehre mit der unsrigen
zu verbinden, ein Vorhaben, welches den Sinn und Wert beider
Lehren nicht beeinträchtigen wird, wenn anders sie auf dem
Boden thatsächlicher Berechtigung stehen. Somit tritt die fol-
gende Betrachtung (p. 33—39) mit einiger Selbständigkeit auf.
Wenn wir versuchen, uns eine Vorstellung von dem Wesen
der Lebensthätigkeit zu machen, so dürfte diese darin zu suchen
sein, dass sie fortwährend Substanz verbraucht und zugleich
wieder aufbaut. Hierzu kommt aber noch eine zeitliche Be-
stimmung. Würde der Lebensprozess nur immer das verbrauchte
wieder aufbauen, so würde die Gesamtmasse der lebendigen
Substanz sich nicht über das Mafs vermehren können, welches
sie bei ihrer ersten Entstehung hatte; der gewaltsame Tod, dem
ja die lebendige Substanz überall ausgesetzt ist, würde aber die
Gesamtmasse derselben immer weiter verringern, so dass es jetzt
schon lange kein Leben auf Erden mehr geben könnte. Daraus
aber, dass das Bestehen des Lebens ein ununterbrochenes ge-
blieben ist, sehen wir, dass nicht nur der einfache Ersatz, son-
dern ein Über-Ersatz, eine Über-Kompensation der verbrauchten
Substanz zu den wesentlichen Eigenschaften der Lebensthätigkeit
gehört. Dadurch wird das Gleichgewicht irgend welcher indi-
vidualisierten organischen Substanz, sagen wir einer Cytode, nicht
im mindesten gestört, sondern gestärkt; ebenso wie man durch
eine richtig angebrachte substantielle Belastung das Gleich-
gewicht jedes in labilem Gleichgewicht stehenden Körpers steti-
ger machen kann; die Störung des Gleichgewichtes wird dadurch
immer schwieriger. So besteht also die Lebensthätigkeit in
einem Vorgange der Selbstgestaltung mit der Gewähr einer un-
begrenzten Dauer; es wird die durch die Lebensthätigkeit zer-
störte organische Substanz durch die Lebensthätigkeit fort-
während wieder über-ersetzt. (Das Gegengewicht gegen diese
unbegrenzte Über-Kompensation ist der persönliche Tod.)
Nun giebt es gewiss ganz wenige, vielleicht kaum einen
noch so niedrigen Organismus, bei dem die Lebensthätigkeit auf
diesem so gekennzeichneten Typus beschränkt ist. Jedes noch
so niedrige Wesen zeigt körperliche Differenzierungen, d. h. Aus-
gestaltungen, die einer gewissen besonderen Lebensverrichtung
dienen; und bei den einzelnen Elementar-Organismen, welche die
Tiere und Pflanzen zusammen setzen, den Zellen, sind diese Aus-
gestaltungen, die wir hier in Bezug auf den ganzen Organismus
als Erscheinungsformen der Arbeitsteilung anzusehen ge-
wohnt sind, die Regel geworden. Haut-, Drüsen-, Muskel-, Ner-
ven-, Atmungs- und Blutzellen, Knorpel- und Knochenzellen
haben, abgesehen von ihrer allgemeinen Lebensthätigkeit noch
eine besondere, indem sie ein bestimmtes Amt im Dienste des
Ganzen, physiologisch ausgedrückt, eine Funktion, verrichten.
Diese Funktion ist an gewisse, ganz bestimmte körperliche Aus-
prägungen der betreffenden Elementarteile des Organismus ge-
bunden, deren Entstehung wir vorläufig einmal bei Seite lassen;
wir nehmen sie als vorhanden an. Durch die besondere Lebens-
thätigkeit der Drüsen-, Muskel-, Nervenzellen u. s. w. wird na-
türlich fortwährend Drüsen-, Muskel-, Nervensubstanz verbraucht,
wir wissen auch, dass sie fortwährend wieder hergestellt wird,
aber nicht durch den Lebensvorgang im allgemeinen, sondern
durch den besonderen der betreffenden Zelle. Und wenn es
der Grundsatz ist, dass die durch die Lebensthätigkeit verbrauchte
organische Substanz durch die Lebensthätigkeit nun auch wieder
aufgebaut wird, so scheint hieraus fast als logische Folgerung
hervor zu gehen, dass die durch eine besondere, funktionelle
Lebensthätigkeit verbrauchte besondere Substanz auch wiederum
durch dieselbe, besondere funktionelle Lebensthätigkeit wieder
aufgebaut wird. Wir haben also ausser der allgemeinen Selbst-
gestaltung der lebendigen Substanz noch eine besondere, funktio-
nelle Selbstgestaltung. Selbstverständlich ermangelt auch diese
nicht jener wertvollen oben berührten Eigenschaft, den Ver-
brauch reichlich zu decken, zu überkompensieren. Es wird also,
um gleich ein Beispiel zu bringen, durch die Muskelthätigkeit
fortwährend Muskelsubstanz gebildet und zwar mit Über-Kom-
pensation. Mag nun die Über-Kompensation einen noch so
kleinen Quotienten darstellen, der bei gewöhnlicher Muskelthätig-
keit vielleicht kaum zur Wahrnehmung kommt, so multipliziert
doch anhaltende und kräftige Muskelthätigkeit diesen Quotienten
fortwährend, so dass er eine beinerkbare Grösse annehmen muss;
d. h. vermehrter und anhaltender funktioneller Gebrauch ver-
grössert den Muskel an Substanz, daher an Kraft. Dass ver-
minderter Gebrauch das Gegenteil hervorbringt, nämlich den
ze De
Verbrauch nicht deckt, ergiebt sich sofort aus der eben ge-
brachten Betrachtung. —
Da die Über-Kompensation, d. h. das Wachstum, zum
Wesen des Organischen gehört, so ist das Wachstum der or-
ganischen Substanz im allgemeinen und das der Elementar-Or-
ganismen im besonderen ein nicht begrenztes; das Wachstum
jedes einzelnen aus diesen Elementar-Organismen gebauten
Wesens ist aber ein begrenztes; jedenfalls kann der ganze Or-
ganismus niemals so schnell wachsen, wie es sich aus dem un-
gehinderten Wachstum der Zellen als Gesamtwachstum ergeben
müsste, denn die Cohaesion der einzelnen Teile gehört zu den
wesentlichsten Funktionen des Organismus und diese hindert das
unbegrenzte Wachstum der einzelnen Teile, vor allem aber re-
gelt das allgemeine grosse innere und äussere Gleichgewicht,
welches wir sofort betrachten werden, jede übermäfsige Ent-
faltung der einzelnen Teile.
Demnach haben die einzelnen Teile bei ihrer Bildung wohl
die Fähigkeit und das Bestreben unbegrenzten Wachstums und
unbegrenzter Vermehrung, sie sind aber durch die Beschränkt-
heit von Raum und Nahrung innerhalb des Organismus an dieser
Entfaltung gehindert. Es ist dies also dasselbe Verhältnis, wie
es in der freien Natur obwaltet, wo mehr Tiere und Pflanzen
zur Welt kommen, als auf grund des Platzes und der Nahrung
leben bleiben können. Hier entsteht dadurch der Kampf ums
Dasein, dort der Kampf der Teile im Organismus; sind aber
die Verhältnisse des Kampfes dieselben, so müssen auch im all-
gemeinen die Ergebnisse dieser Kämpfe die gleichen sein. Im
Kampfe ums Dasein blieben nur vortreffliche, den an sie ge-
stellten Anforderungen im Naturhaushalte durchaus entsprechende
Stücke übrig; die den Ansprüchen nicht gewachsenen gingen
bedingungslos unter. Im Kampfe der Teile ist das ganz ebenso.
Wir sehen, dass das Wachstum irgend einer funktionell diffe-
renzierten Zelle — und das sind sie ja alle — von der Be-
thätigung ihrer funktionellen Fähigkeit abhängt; also nur solche
Teile bleiben leben und entwickeln sich weiter, welche auf grund
ihrer Fähigkeit oder einer günstigen Lage sich an der Bethätıi-
gung der betr. Funktion gut beteiligen können; diese wachsen
und vermehren sich; die andern, welche auf grund ihrer ge-
ringeren Fähigkeiten oder ungünstigen Lage zu schwächerer
u. ER ==
oder zur Unthätigkeit verurteilt sind, bilden sich zurück, ver-
schwinden.
Im Kampf ums Dasein entsteht durch den Streit aller
gegen alle, aber auch durch die gegenseitige Abhängigkeit und
die Angewiesenheit aller auf alle jenes harmonische Gleichgewicht
der natürlichen Verhältnisse. Ebenso bildet sich durch den
Kampf der Teile auf grund derselben Grundbedingungen dieselbe
Harmonie, dasselbe Gleichgewichts-Verhältnis aller Teile im
Ganzen heraus.
So kämpfen also im Organismus die einzelnen Lebens-
einheiten innerhalb der Zellen gegen einander, innerhalb des
Gewebes die einzelnen Zellen; die Gewebe innerhalb der Organe
und diese samt allen vorhergehenden Kategorien in dem Ganzen
des Organismus; kurz gesprochen: es kämpfen bei der Bildung
jedes Organismus sämtliche Teile, und das Endergebnis ist, dass
das, was der Organismus nach Erledigung seiner Entwickelung,
also seines Hauptwachstums, an Teilen hervorbringt, etwas gutes
ist, das beste, was er aus dem Vorhandenen überhaupt hervor-
bringen konnte; denn der Kampf der Teile liess ja nur das
funktionell vorzügliche, d. h. praktisch brauchbare, überleben.
Scheinbar findet sich ein bedeutender Unterschied zwischen
den Verhältnissen des Kampfes innerhalb und ausserhalb des
Organismus, insofern in letzterem Falle von den sehr viel vor-
handenen Stücken nur ganz wenig übrig bleiben, im letzteren
Falle dagegen so ziemlich alle. Dies berührt jedoch die Haupt-
sache nicht, dass in beiden Fälle alle minderwertigen Stücke
ausgemerzt werden; denn offenbar hat die Dahin-Opferung vieler
guter Stücke im Kampfe ums Dasein keinen Einfluss auf die
Güte der Überlebenden. Die Gründe dieser Verschiedenheit und
noch vielerlei andere, aber ebenfalls für den Enderfolg nicht
massgebende Verschiedenheiten des Kampfes der Teile und
des Kampfes ums Dasein werden in der ausführlichen Bearbei-
tung ausreichende Darstellung finden.
Es ist vielleicht nicht überflüssig, an dieser Stelle uns noch
einmal die Methode unserer Untersuchung zu vergegenwärtigen.
Wir hatten die praktische Begabung der Wesen in der Natur,
die auf eine zweckthätige Schöpfungskraft bezogen werden zu
müssen schien, nach Darwin’s Vorgange teils als das Ergebnis
des mechanischen Naturgeschehens erkannt, teils weiter zurück-
geschoben, insofern wir die praktische Begabung der Organismen
auf die praktische Ausbildung und Vorzüglichkeit ihrer einzelnen
Teile zurück führten. Nun könnte man leicht geneigt sein, noch
einen Schritt weiter zu gehen, insofern man die Vorzüglichkeit
der organischen Substanz (die ja die Voraussetzung zur Vorzüg-
lichkeit der einzelnen Teile im Organismus bildet) gleichfalls aus
irgend einem Kampf oder einem sonstigen Grunde herleiten
wollte. Das ist aber gänzlich ungerechtfertigt. Die organische
Substanz ist an sich ebenso vorzüglich, wie Sauerstoff, Gold oder
Kochsalz. Die meisten Naturforscher, welche über diesen Gegen-
stand geschrieben haben, sind freilich der Meinung, dass es viele,
unzählige chemische Verschiedenheiten der lebendigen organi-
schen Ursubstanz giebt. Wir werden aber bei einer nächsten
Gelegenheit sehen, dass kaum etwas für, Alles aber gegen
eine solche Annahme spricht; dass sie ausserdem eine teleolo-
gische anstatt einer mechanischen Grundlage hat.
Da aus dem Kampfe aller Teile sich ein durchaus geschlos-
senes Abhängigkeits-System aller Teile von allen ergiebt, so muss
jede Veränderung eines Teiles — gleichgültig, woher sie rührt,
— sich auf alle andern äussern und muss, wenn sie stark genug
ist, auch alle andern mehr oder minder verändern; es ist dies
das bekannte Gesetz der Korrelation oder der Wechselbeziehungen
organischer Veränderungen. Es kann aber an keinem Teile eines
Organismus eine Veränderung zur Ausbildung kommen, die nicht
innerhalb des harmonischen Gleichgewichtes des ganzen Organis-
mus steht, die sich nicht dem Ganzen des Organismus bequem
ein- und unterordnet, die nicht im Dienste des Ganzen bequem
gebraucht werden kann, d. h. praktisch zu benutzen ist. Das
gilt von den ursprünglichen und gilt natürlich auch von allen
korrelativen Abänderungen; auch diese gestalten sich daher von
selber praktisch.
Also alle das Gleichgewicht störenden Wachstumsvorgänge
und Veränderungen rufen eine „Selbst-Regulation‘‘ (ROUX) aller da-
mit zusammenhängenden und deshalb zugleich mit gestörten
Verhältnisse hervor, welche aus sich und unmittelbar das prak-
tische gestaltet.
Wir sehen nunmehr: Alles, was der Organismus an Teilen
hervorbringt, ist aus den besten Bestandteilen aufgebaut, die
dem Organismus dazu zur Verfügung stehen; ferner stehen alle
Teile aufgrund der Harmonie des Ganzen und der Selbstregula-
tion in einem bequemen Verhältnis unter einander und zum
Ganzen, sodass der Organismus alle seine Teile bequem und
praktisch zu benutzen vermag. Der Kampf der Teile führt also
zur Selbstgestaltung des Praktischen, im Einzelnen wie im Ganzen.
Ganz sicher wird der junge Organismus seine Teile am
besten, leichtesten und bequemsten zu den Verrichtungen be-
nutzen, zu denen sie schon seine Eltern benutzten; denn die
Vererbung überliefert ja körperliche Eigenschaften nebst den
daran gebundenen Anlagen von den Eltern an die Kinder.
Jedenfalls liegt aber auch kein Hindernis vor, einen Teil aus
irgend einem Grunde — meistens wird das wohl bittrer Zwang
sein — anders zu gebrauchen, als es die Vorfahren thaten.
Wenn man ein Werkzeug bequem und praktisch zu handhaben
versteht, so kann man damit vielerlei machen, wozu das Werk-
zeug früher nicht gebraucht wurde. So ergiebt sich die wissen-
schaftliche Begründung des Funktionswechsels; und durch
das vorhin festgestellte Gesetz der Korrelation und Selbstregula-
tion werden die durch diese Störung verursachten Veränderungen
sofort auch als solche unmittelbar praktisch gestaltet. —
Wir haben soeben in unsere Betrachtung den Begriff der
Vererbung gebracht und damit einen der ungemütlichsten Punkte
der zeitgemäfsen Biologie berührt. Die ganze Biologie, soweit
sie überhaupt Lust hat, zu der Frage Stellung zu nehmen, hat
sich in zwei Heerlager getheilt; die Einen lehren die Vererbbar-
keit erworbener Eigenschaften, die Andern behaupten das Gegen-
teil. Nun ist es klar, dass wir uns in unserer Betrachtung von
der Selbstgestaltung des Praktischen durch den Kampf der Teile
mit fast lauter erworbenen Eigenschaften zu befassen hatten.
Sind diese nicht vererbbar, so hatte unsere ganze Betrachtung
nur einen sehr bescheidenen Wert; denn Bildungen, die mit
ihrem Besitzer stets untergehen, die nichts bleibendes darstellen,
sind für alle Vorstellungen über den inneren Zusammenhang der
Lebewelt vollständig belanglos.
So schlimm ist die Sache jedoch nicht; das lehrt zunächst
die Generalbetrachtnng des Gegenstandes. Wenn alle erworbenen
Eigenschaften, d.h. alle durch die Aussenwelt bewirkten, unver-
erbbar wären, so müssten die alle vererbbaren Eigenschaften
hervorbringenden Momente einzig und allein in den organischen
8
—_. (80,
Individuen selber liegen und immer gelegen haben. Dann er-
öffnen sich aber sofort zwei Schlüsse: Dann müsste entweder
die ganze organische Welt heute noch auf dem Standpunkt des
ersten Tages ihrer Erschaffung stehen — das thut sie aber nicht,
sondern sie hat sich seitdem recht kräftig verändert — oder es
müssen alle die Tendenzen, welche zur Umbildung der organi-
schen Welt von ihrem ersten Tage an bis auf heute geführt
haben, in der ersten, ursprünglichen organischen Ursubstanz ge-
legen haben. Das ist ein Teleologismus, der, sogar unter dem
Titel eines Mechanismus, freilich gelehrt worden ist; unsere vor-
herige Betrachtung über die Einwirkung der äusseren Bedingungen
auf die lebenden Wesen ergiebt jedoch die Haltlosigkeit einer
solchen Annahme.
Von all dem ist also keine Rede; daher haben sich in der
That die durch Einwirkung der Aussenwelt zuwege gebrachten
Merkmale vererbt. Es kann sich somit bei dieser Frage nur
darum handeln, dass gewisse Kategorien erworbener Eigen-
schaften vielleicht nicht vererbbar sind, oder dass eine gewisse
Zeit der Einwirkung gleicher äusserer Bedingungen von nöten ist,
um die Anpassung so zu festigen, dass sie vererbbar ist. Ge-
hören nun unsere funktionellen Selbstgestaltungen zu den Kate-
gorien dieser möglicherweise vererbbaren Merkmale? Die Frage
ist nicht zu beantworten; die Beantwortung ist aber auch be-
langlos, die ganze Fragestellung hat gar keine Berechtigung.
Darwin schied noch zwischen erworbenen Eigenschaften und
solchen, die durch embryologische Variation entstanden sind.
Die letzteren nahm er und sämtliche Nachfolger als sicher ver-
erbbar an, die andern aber nicht mit derselben Sicherheit. Nun
ist es aber längst festgestellt, dass beim Embryo sich eine grosse
Zahl von Selbstgestaltungen, d. h. von erworbenen Merkmalen,
bilden. Wir müssen daher aus der »embryologischen Variation«
eine »Keim-Variation« machen; wir haben also kein Recht mehr,
angeborene Merkmale als erblich zu betrachten, sondern die
in den Keimanlagen gegeben. Die hat aber noch Niemand
gesehen und wird auch sobald Niemand sehen; alle hierin ruhen-
den Anschauungen sind bloss hypothetische Annahmen, die als
solche natürlich nur Wert für Erklärungen, aber keine Beweis-
kraft haben. Von dieser Seite aus ist also die Berechtigung der
ganzen Frage hinfällig.
ee
Ferner aber: Ein schier unendlicher Haufe von Versuchen
an Pflanzen und Tieren hat dargethan, dass die erworbenen
Merkmale nicht vererbbar sind; das heisst: Brachte man Pflan-
zen oder Tiere in veränderte Lebensbedingungen, so änderten sie
oder ihre Nachkommen ab und bildeten neue Merkmale; die
Abkömmlinge dieser Pflanzen und Tiere zeigten im allgemeinen
die Merkmale ihrer Eltern, wenn sie denselben Bedingungen aus-
gesetzt blieben wie\diese. Wurden solche Wesen aber in ihre
Heimat zurückgebracht, so schlugen sie bezw. ihre Nachkommen
wieder in die Stammform zurück. So wenigstens lautet die all-
gemeine Ausdrucksweise. Vorsichtig ist sie aber nicht. Wenn
die äusseren Verhältnisse die Merkmale hervorrufen, so ist es
nicht wunderbar, dass die Nachkommen der an den Platz ihrer
Voreltern zurückgebrachten Pflanzen wieder die Merkmale der-
selben aufweisen; denn sie wachsen ja unter denselben Bedingun-
gen, welche die besonderen Merkmale der Voreltern hervorriefen.
Nun weiss man freilich, dass gewisse Pflanzen nur bei Spross-
Fortpflanzung die Eigenschaften des Individuums beibehalten,
wie unsere edlen Rosen, Äpfel und Birnen, bei Aussaat aber
stets in die wilde Form zurückschlagen, mögen sie auf irgend
einem beliebigen Boden ausgesäet sein. Daraus ersieht man, dass
die Festigung der Merkmale eine sehr verschiedene ist. Wo-
durch diese Verschiedenheit hervorgebracht ist, lässt sich nicht
von vornherein sagen. Eins ist aber sicher. Die Klassenmerk-
male schwanken weniger als die der Ordnungen, und diese weni-
ger als die der Familien, dann der Gattungen, der Arten und
schliesslich der Individuen. Das heisst: die (phylogenetisch ausge-
drückt) ältesten Merkmale schwanken am wenigsten, die jüngsten
am meisten. Es liegt somit nahe, der Zeit die wesentlichste
Einwirkung auf die Festigung der vererbbaren Merkmale zuzu-
schreiben. Dann ist es aber klar, dass unsere Experimente
keinen Ausschlag geben können, weil wir über das wesentliche
Moment, nämlich die Zeit, nur in ganz beschränktem Mafse
verfügen. —
Wir haben bei der Darstellung des Kampfes der Teile
eigentlich nur kurzweg von den Teilen des Organismus im Gan-
zen und Allgemeinen geredet, wir hätten die Teile auch nach
dem Werte ihrer Individualität abhandeln können; wir hätten
von der Selbstgestaltung der organischen Substanz im allgemeinen,
g*+
ee
der Zelle, der Gewebe, der Organe, der Person reden können,
etwa so, wie es Roux in seinem Buche vom Kampfe der Teile
im Organismus thut. Es würde das gewiss unserm Thema sehr
zu gute kommen; doch fehlt die Zeit zu einer solchen Ausein-
andersetzung. Es würde das auch vor allen Dingen Ihnen die
Thatsache von der Steigerung der Individualitäten recht klar vor
Augen rücken. Wir wissen alle, besonders durch Haeckel’s
Darlegungen in seiner Generellen Morphologie, dass sich die
Individualitäten durch Differenzierung zu Individualitäten höherer
Ordnung steigern, von der Zelle zum Organ, zur Person und so
fort. Es ist dies ein ausserordentlich anziehender, noch lange
nicht genug gewürdigter Gegenstand der Untersuchung. Der Ge-
sichtspunkt, von dem aus wir an dieser Stelle auf dies Verhältnis
einzugehen haben, ist, dass der Kampf der verschiedenen Indivi-
dualitäten niederer Ordnung von statten geht innerhalb der
Person, deren Teile diese niederen Individualitäten ausmachen.
Es fragt sich nun, welches sind die höheren Steigerungen der
Individualität über die Person hinaus? Früher meinte man, das
wären die systematischen Kategorien, nämlich Art, Gattung,
Familie, Ordnung, Klasse und so fort; diejenigen, welche sich mit
dem eigentümlichen System Okens befasst haben, kennen ja die
merkwürdigen und höchst befremdlichen Ergebnisse, welche diese
Anschauung gezeitigt hat. Der Fehler lag darin, dass man das
Individuum systematisch-naturgeschichtlich fasste, während es ein
physiologischer Begriff ist; die höhere Steigerung des Indivi-
duums (bew. der Art als der Summe aller gleichartigen Indivi-
duen) ist aber die Lebensgemeinschaft, mögen wir sie eng oder
weit fassen; geradeso wie die höhere Steigerung der menschlichen
Individualität — bei welcher die Art und die Gattung nach
unseren sozialen Begriffen zusammenfällt — nicht die Primaten
sind, sondern die Familie, die Gemeinde der Staat, kurz phy-
siologische, nämlich soziale Individualitäten, die je nach den zu
betrachtenden Verhältnissen enger oder weiter aufzufassen sind.
Auch über die einzelnen Kategorien dieser Steigerung der Indi-
vidualitäten können wir uns nicht des längeren auslassen; sondern
wie wir vorhin alle Individualitäts-Steigerungen innerhalb des
Organismus der Person zusammenfassten, so fassen wir auch
die Steigerungen ausserhalb des Organimus der Person,
also alle über den Wert der Person hinausgehenden Individuali-
täten, als eines zusammen. Wir stellen also gegenüber die Ver-
hältnisse des Haushalts in jedem einzelnen Organismus und die
Verhältnisse des Naturhaushaltes ausserhalb des einzelnen
Organismus.
Man hat diesen Verhältnissen nicht umsonst den Ehrentitel
eines Haushaltes zugelegt, insofern die ausserordentlich praktische,
harmonische, das beste Gleichgewicht aufweisende Ausgestaltung
des Organismus ebenso wie des Naturganzen in allen seinen
lebensgemeinschaftlichen, sozialen Äusserungen diesen Vergleich
nahe legten. Es ist aber nicht nur ein Vergleich, es ist gleiches.
Und die Darlegung dieses Verhältnisses ist nicht schwierig.
Betrachten wir zunächst die anatomischen Verhältnisse
des Organismus und des Naturhaushaltes, nämlich die durch Zer-
gliederung in niedere Einheiten sich ergebenden Befunde, so
liegen die Gleichheiten beider Kategorien sofort klar auf der
Hand. Wie die einzelnen gleichen Zellen sich zu einem Gewebe
vereinigen, so vereinigen sich in der Natur die einzelnen gleichen
Individuen zu einer Art, Die einzelnen Zellen bezw. Gewebe
bilden, indem sie in den verschiedenen Ausbildungen und Misch-
ungsverhältnissen auftreten, die höhere Individualität des Organs
und die verschiedenen Organe die Person, in noch höherer Indi-
vidualisierung den Stock, So bauen in der freien Natur die
einzelnen Arten in ihren verschiedenen Ausbildungen und Misch-
ungsverhältnissen die Lebensgemeinschaften auf, und diese treten
in Mehrzahl wieder zu Lebensgemeinschaften höherer Ordnung
zusammen, die wir als floristisch-faunistischen Bezirk, Provinz u. s. w.
bezeichnen.
Viel wichtiger als dies ist die Physiologie des Natur-
haushalts, von der wir hier an dieser Stelle nur den die Form-
bildung behandelnden Teil, und auch den nur oberflächlich, mit
den betreffenden Verhältnissen innerhalb des Organismus ver-
gleichen wollen.
Das Gesetz der Über-Kompensation, welches zu Wachstum
und Vermehrung führt, bringt die bestehenden Individualitäten
immer in Kampf, da die nächst höhere Individualität nicht mit
derselben Schnelligkeit wachsen kann, wie die nächst tiefere,
sodass der Kampf um Platz und Nahrung unvermeidlich ist.
Wir haben somit einen Kampf der Teile im Organismus und
den bekannten Kampf ums Dasein ausserhalb des Organismus
in der freien Natur. Das Ergebnis dieses Kampfes ist die Aus-
merzung alles Schlechten und das Übrigbleiben von lauter Guten.
Gut aber ist alles das, was den zu erfüllenden Ansprüchen
in vollkommener Weise entspricht; und das Schiedsgericht über
gut und nicht-gut wird ausgeübt von der höheren Individualität.
denn diese bestimmt die Pflichten der sie zusammensetzenden
niederen Individualitäten; sie ist das Ganze, in dessen Dienste
die Pflichten, die Funktionen der niederen Individualitäten aus-
geübt werden; ihr harmonischer Gleichgewichtszustand und ihre
den sie zusammensetzenden Einheiten um ein vielfaches über-
legene Kraft giebt die Gewähr der gesetzmässigen Selbststeuerung,
welche alle sich nicht in ihren Organismus einreihenden und
unterordnenden Bewegungs- und Bildungsverhältnisse sicher und
stetig wieder zurecht rückt.
So ist es im Organismus und in der freien Natur.
Nur gute, ihrer Funktion, d. h. also ihren Pflichten im Dienste
der höheren Individualität bezw. Individualitäten entsprechenden
Elementar-Teile des Organismus gelangen überhaupt zur Aus-
bildung, treten überhaupt in ihren regelrechten Dienst ein; alles
mäfsige verschwindet bezw. kommt überhaupt nicht zur Aus-
bildung.
Auch in der freien Natur hat jedes Stück, noch mehr aber
die Gesamtheit der gleichen Stücke, die Art, einen ganz be-
stimmten Platz im Haushalt des Ganzen auszufüllen und damit
einen Dienst, eine Funktion innerhalb des Organismus des Natur-
haushaltes im allgemeinen oder der betreffenden Lebensgemein-
schaft im besonderen auszuüben. Es ist sehr schwer, im all-
gemeinen, wie im einzelnen die Funktion der einzelnen Arten
weiter zu erörtern. Man nehme blofs das uns so nahe liegende
und geläufige Beispiel irgend eines Menschen und versuche, dessen
Funktion oder richtiger Gesamtheit von Funktionen innerhalb der
menschlichen Gesellschaft sich zu vergegenwärtigen! So viel
und so vielerlei Beziehungen er zu seinen Mitmenschen hat, so
zahlreich und verschiedenartig sind seine Pflichten diesen gegen-
über, und alle zusammen umfafsen sie die Gesamt-Funktion,
welche der betreffende Mensch im Dienste der Gesamtheit aus-
zuüben hat.
Wenn wir daher auch in den meisten Fällen nicht im
Stande sind, die Funktion einer Tier-Art kurz in Worten zu be-
-— 8 .—
schreiben, so hindert das garnicht, dass diese Funktion nach
Mafs und Weise eine ziemlich bestimmte ist; die Abhängigkeit
aller von allen, die Angewiesenheit aller auf alle ergiebt im Hin-
blick auf das übergeordnete Ganze eben eine an sich und in
jedem Falle ganz bestimmte Funktion. Die überlegene und
stetige in dem Gleichgewicht der Lebensgemeinschaft und des
Naturganzen liegende Macht ordnet die gegenseitigen inneren
Verhältnisse durch Selbststeuerung; sie zermalmt alles, was
schlecht oder zuviel vorhanden ist und lässt nur solche Stücke
fortleben, die sich tadellos dem Gesamtbetriebe einzuordnen ver-
mögen, die ihrer Funktion genügen.
Wir sehen also innerhalb des Organismus wie im Haus-
halte der Natur dasselbe harmonische Gleichgewicht, hervor-
gebracht durch die gleiche Wirkung der Komponenten, dasselbe
alle Verhältnisse verbindende Netz, dieselbe funktionelle Ver-
knüpfung zwischen den einzelnen Teilen unter sich und dem
Ganzen, dasselbe grosse und mächtig wirkende Regulierungsmittel
aller Verhältnisse, welches das Mäfsige vernichtet und nur gutes
leben lässt.
Unsere vorherige Betrachtung lehrte uns, dass es ausser-
ordentlich leicht ist, zu begreifen, wie ein Teil des Organismus
seine Funktion um ein weniges verändern kann bezw. muss;
die verschiedenen Stadien der Entwickelung, ebenso aber das
Schwanken der äusseren Bedingungen fordert vom Organismus
stets die Fähigkeit, kleine Funktions-Veränderungen zu ertragen.
Alle Funktions-Änderungen verändern aber die körperliche Grund-
lage derselben etwas, den Teil des Organismus, an den die
Funktion gebunden ist, mag das im einzelnen leicht oder schwer
zu erkennen sein. Denn man muss sich stets dessen bewusst
sein, das die Funktion es ist, welche die aufgebrauchte Substanz
immer wieder von neuem bildet; die körperliche Grundlage steht
-also in einem unmittelbaren Verhältnis der Abhängigkeit von der
physiologischen Funktion.
Ganz dasselbe haben wir als einen umfassenden Vorgang
im Haushalte der Natur kennen gelernt. Die Verhältnisse, in
denen eine Tier-Art lebt, bestimmen die Funktion der betreffen-
den Tier-Art, indem sie die besondere Form des Kampfes ums
Dasein bestimmen. Dieser aber bestimmt den Durchschnitt der
Überlebenden. Andern sich die Lebensbedingungen einer Art,
EI.
so ändert sich die Form des Kampfes ums Dasein und damit
natürlich die Funktion der Art; der Durchschnitt der Überleben-
den wird ein etwas anderer. Die Veränderung der Arten
im Naturzustande geschieht also durch einen Funk-
tions-Wechsel der betreffenden Art.
Jede Veränderung an irgend einer Stelle eines im Gleich-
gewicht befindlichen Systems verbreitet sich über das ganze
System, vorausgesetzt, dass die Verbindungen der einzelnen zu-
sammensetzenden Teile nicht zu locker und die Leitungs-Wider-
stände nicht zu gross sind, Dies Gesetz der Korrelation drückt sich
innerhalb des Organismus stärker aus als in der Lebensgemein-
schaft, weil die Verknüpfung der einzelnen Teile innerhalb des
Organismus eine viel straffere ist. Die Selbststeuerung rückt, im
Organismus ebenso wie im Naturhaushalte, alle aus dem Gleich-
gewicht geratenen Verhältnisse sofort wieder zurecht, entweder
in das alte Gleichgewicht oder in ein neues. In letzterem Falle
werden also gewisse Veränderungen bleibend und müssen sich
mit der Allgemeinheit ins Gleichgewicht setzen; dazu sind neue
Veränderungen nötig, welche die Gesamtheit den sie zusammen-
setzenden Teilen aufzwingt; es ist dies das von Roux festge-
stellte Gesetz der Selbstregulierung. Alle Bildungen der Selbst-
regulierung innerhalb des Organismus treten aber sofort in
brauchbarer, guter Form auf. Im Haushalte der Natur ist das
selbstverständlich ebenso. Überall, wo eine Veränderung statt-
findet, tritt eine Druck-Differenz auf und alle Stellen geringeren
Druckes werden sofort ausgefüllt; die Masse guter Stücke ist
stets etwas grösser als bequem leben können, so dass es an
Material nie mangeln kann; die dabei nötigen Funktions-Ver-
änderungen bieten der Anschauung keine Schwierigkeiten.
Wir haben jetzt nötig, noch mit ganz wenigen Worten auf
die Lehre der Selbstgestaltung zurück zu kommen. Es klingt
ja fast platt, wenn wir es hervorheben, dass alles, was wir bei
der Formbildung des Lebendigen wahrnehmen, auf Selbstgestaltung
beruht; niemals entsteht eine Zelle aus etwas anderem als aus
einer Zelle, niemals ein Wesen anders als aus einem Stück der
gleichen Art. Viel wesentlicher ist es aber, wenn wir erkennen,
dass der Vorgang der funktionellen Selbstgestaltung nicht
auf die Bildungs-Verhältnisse innerhalb des Organismus be-
schränkt ist, dass die Selbstgestaltung der Arten in der Natur,
die Fortführung der Art von Generation zu Generation, und
ebenso ihre Veränderung, von der Funktion der betreffenden Art
im Naturhaushalt abhängig ist, also einen Vorgang der funk-
tionellen Selbstgestaltung vorstellt.
Mit dieser Feststellung sind wir an das Ende unserer eigent-
lichen Untersuchung gelangt, und es erübrigt uns nur noch, die
Gleichheit der Bildungs-Verhältnisse bei dem Funktionswechsel
der Teile im Organismus und der Arten im Naturzustande aus-
einander zu setzen. Denn unsere Kenntnis für das erstere ist
nicht gering, und wird durch die ganze Entwickelungsgefchichte,
die Lehre von der Regeneration und die gesamte Pathologie
verstärkt. So mühsam aber eine solche Darlegung im Einzelnen
sein würde, so einfach ist das Endergebnis; nämlich dass eine
Funktions-Änderung die Gewebe, soweit sie an der Funktion An-
teil haben, als Ganzes umwandelt, gerade so, wie wir es in der
Natur bei der Funktions-Anderung der Arten anzunehmen ge-
zwungen sind. Einen Vorgang hingegen, bei welchem nach dem
Schema des Darwin’schen Naturzüchtungs-Vorganges ein Elemen-
tarteil allmählich seine gleichartigen Zell-Genossen verdrängt und
an deren Stelle seine eigenen Nachkommen setzt, giebt es im
regelrechten Entwicklungsgange des Organismus nicht. Darum
haben wir allen Grund, einen solchen Vorgang als nirgends be-
stehend anzusehen, weder innerhalb des Organismus noch in der
freien Natur.
Es ergäbe vielleicht einen anziehenden Schluss unserer Be-
trachtung, wenn wir in kurzen Worten die Ziele und Ausblicke
eröffnen würden, welche die auf unseren Darlegungen sich auf-
bauende Lehre von der funktionellen Steigerung der Individuali-
täten als wissenschaftliche Methode zu bieten im Stande ist, eben-
so wenn wir uns in die einheitliche, harmonische und befrie-
digende Natur-Anschauung vertieften, welche die Gesamtheit
unserer Betrachtungen über den funktionellen Zusammenhang der
Tebewelt unmittelbar ergiebt. Im allgemeinen liegen aber diese
Folgerungen offen zu Tage, und für die Einzel-Darstellung wird
die ausführliche Bearbeitung unseres Gegenstandes die natur-
gemässe Stätte bilden.
Die inneren Fehler der
Weismannschen Keimplasma-Theorie.
Von Dr. Georg Pfeffer.
Vortrag, gehalten am 25. März 1892.
Vorbemerkung.
Es ist im allgemeinen nicht Sitte, einen Vortrag, den man
vor zwei Jahren gehalten hat, drucken zu lassen, nachdem der
Gegenstand durch ein neueres Werk (WEISMANN, das Keimplasma,
Jena 1392) überholt ist. Der Grund für mich liegt darin, dass
eine kurze Wiedergabe meines Vortrages in allen Hamburger
Zeitungen gestanden hat; bei der weiten Verbreitung derselben
ist es sicher, dass Fachgenossen diesen Auszug gelesen haben;
mir liegt deshalb die Verpflichtung ob, die Beweise für die kurzen
Andeutungen zu bringen, gleichgültig, ob sie überholt sind oder
nicht. Ich habe mich deshalb wörtlich an mein altes Manuskript
angeschlossen, mit einigen kleinen stylistischen Änderungen.
Herr Dr. CAESAR SCHÄFFER hatte die grosse Güte, die alte
Niederschrift mit der jetzigen zu vergleichen.
Aus den Beobachtungen über die Kernteilungs-V erhältnisse
der Eizelle, wie ich sie Ihnen im bisherigen Teile‘ meines Vor-
trages auseinander gesetzt habe, gestaltete sich sofort und sehr
einfach eine Theorie der Vererbung, die von OSKAR HERTWIG
etwa folgendermafsen geformt wurde: Durch die Vereinigung des
väterlichen und mütterlichen Kernes zum Furchungskerne des Eies
werden die sämtlichen Vererbungstendenzen des Vaters und der
Mutter zu einer Art Mittel vereinigt; durch alle folgenden Tei-
lungen der Eizelle und ihres Furchungskernes werden auf alle
Furchungszellen und alle sich aus diesen weiter entwickelnden
Zellen des sich bildenden Embryos die Stücke des ursprünglichen
väterlichen und miütterlichen Kernes und damit der väterlichen
und mütterlichen Vererbungs-Substanz übertragen.
Durch diese Hertwig’sche Theorie waren ja freilich die Vor-
gänge der Vererbung an sich nicht erklärt, aber es wurde doch
dargelegt, dass die Substanz, die thatsächlich die Eigenschaften
der Eltern auf die Kinder überträgt, nämlich das Keimplasma der
Ei- und Samenzelle, durch den Vorgang der Zellteilung in alle
Zellen des wachsenden Organismus getragen wird, um hier ihre
überkommenen Fähigkeiten zu entfalten,
WEISMANN führte nun (1885) diesen Gedanken theoretisch
weiter aus. Er stellte sich vor, dass das Keimplasma eine ausser-
ordentlich verwickelte Molekular-Struktur besitzt, weil ja sämtliche
Vererbungstendenzen des künftigen Organismus in ihm vorhanden
sind. Bei den folgenden zum Aufbau des Embryos führenden
Zellteilungen vereinfache sich nunmehr die Verwickeltheit der
Struktur des Keimplasmas, insofern ja jede zu bildende Zelle oder
Zellgeneration nur die ihnen und ihren späteren Teilungsprodukten
zukommenden Tendenzen zu erhalten brauche; bildlich könne man
sich das so vorstellen, als wenn bei jeder Zellbildung die gerade
für sie im Keimplasma vorhandenen Anlagen abgespalten würden,
sodass sie in den späteren Zellen nicht mehr vorhanden sein
können. Dies sei jedoch nur ein Bild, und Weismann verwahrt
sich dagegen, dass dies als seine wirkliche Auffassung angenommen
werde.
Nach dieser Theorie würden nun freilich die Keimzellen des
kindlichen Organismus, ebenso wie alle anderen Zellen desselben,
kein Keimplasma mehr enthalten, welches zur Hervorbringung des
ganzen Organismus führen könnte; denn es sind der Bildung der
kindlichen Keimzellen meist schon viele Zellgenerationen vorauf-
gegangen. Deshalb nimmt Weismann an, dass von vorn herein
etwas Keimplasma unverändert bleibt und so durch alle Zelltei-
lungen bis zu den Keimzellen des kindlichen Organismus geleitet
wird. In der Ausstossung der Richtungskörperchen sieht Weis-
mann die Ausstossung des nunmehr nicht mehr nötigen ovigenen
Plasmas.
Diese Theorie ist einfach und ansprechend, und die Schrift
von 1885 gehört in Form und Inhalt zu den anziehendsten der
ganzen neueren Zoologie.
Im Jahre 1837 führte Weismann seine Lehre vom Keim-
plasma weiter aus, Die neu hinzugekommenen Beobachtungen
hatten gezeigt, dass bei der Befruchtung der väterliche und mütter-
liche Kern nicht verschmelzen, sondern dass die Chromosomen
unverändert bleiben, dass sie sich bei jeder folgenden Teilung
längs-teilen, und dass auf diese Weise, wenn auch fast unendlich
kleine, so doch stets gesonderte väterliche und mütterliche Stücke
Keimplasmas in alle Teile des kindlichen Organismus gerieten.
Somit glaubte Weismann, sein Keimplasma nicht mehr allgemein
als »Substanz« ansehen zu dürfen, sondern es sich aus kleinen
körperlichen Einheiten, » Ahnenplasmen«, bestehend, vorstellen zu
müssen.
Die in erster Linie Weismann zu verdankende Kenntnis,
dass das befruchtete oder befruchtungsfähige Ei zweimal einen
Richtungskörper abschnürt, das parthenogenetische dagegen nur
einen, liess ihn seine alte Auffassung von dem Sinne der Richtungs-
körper dahin abändern, dass nur mit dem ersten Körper ovigenes
Kernplasma ausgestossen wird, mit dem andern aber die Hälfte
des nunmehr noch in dem Ei enthaltenen Keimplasmas. (In der
Schrift von 1891 kommt das ovigene Plasma garnicht mehr vor,
sondern durch beide Richtungskörper wird die Anzahl der im
Kern der Eizelle vorhandenen Chromosomen je auf die Hälfte
reduziert, im ganzen also gevierteilt.. Die Notwendigkeit dieses
Vorganges ergab sich für Weismann aus folgender Betrachtung
Bei jeder Befruchtung wird durch die Samenzelle ein gewisses
Quantum Vererbungs-Substanz zu der bereits im Ei vorhandenen
ebenso grossen Menge von Vererbungs-Substanz hinzugefügt.
Wenn die Kernsubstanz nun nicht auf das doppelte wachsen soll,
so muss die Hälfte entfernt werden.
Eine andere Betrachtung fordert das gleiche: Bei jeder
Befruchtung wird die Zahl der Ahnenplasmen verdoppelt, sodass
nach n Generation 2" Ahnenplasma sich im Keimplasmen vorfin-
den müssten; da n, nämlich die Anzahl der Generationen, eine
ungeheuer grosse ist, so ist 2" eine fast unfassbare Zahl; so viel
Ahnenplasmen können unbedingt in keinem Keimplasma Platz
haben.
»Es wird also durch die Ausstossung der Richtungskörper
eine Reduktion des Keimplasmas erzielt, nicht bloss an Masse,
sondern vor allem an Komplikation der Zusammensetzung. Es
wird dadurch die übermäfsige Anhäufung verschiedenartiger Ver-
erbungs-Tendenzen oder Keimplasma-Arten verhindert, welche
sonst notwendigerweise durch die Befruchtung eintreten müsste, «
In seiner Schrift von 1891 stellt Weismann seine Vererbungs-
Theorie etwa in folgender Fassung dar:
Der Akt der Befruchtung ist eine Kern-Kopulation, d. h. eine
Aneinanderlagerung der die väterliche und mütterliche Vererbungs-
Substanz enthaltenen Kern-Elemente. Es findet keine Ver-
schmelzung der Kern-Klemente statt.
Das Keimplasma ist nicht eine gleichartige Substanz, sondern
besteht aus Ahnenplasmen (Iden) deren jedes als solches unteil-
bar ist und die gesamten Vererbungstendenzen der Art in sich
hält, sodass jedes allein für sich zur Hervorbringung eines Indi-
viduums der Art genügt.
Da durch jede Befruchtung die Anzahl der Ahnenplasmen
jeder befruchteten Eizelle sich verdoppelt, in der nächstfolgenden
vervierfacht, dann verachtfacht u. s. w., so sind nach n Generation
2" Keimplasmen in jeder befruchteten Eizelle. Nimmt man das
Ahnenplasma noch so klein an, so unterliegt es doch keinem
Zweifel, dass die Menge in dem Ei sehliesslich keinen Platz mehr
haben kann; um nun Platz zu schaffen, stösst das Ei zwei Rich-
tungskörperchen aus und reduziert dadurch die im Ei zuerst vor-
handene doppelte Zahl der Keimplasmen auf die halbe Zahl.
Da auch bei der Bildung der Samenzellen ähnliche Teilungen
vorkommen, wodurch die Zahl der in der fertigen Samenzelle be-
findlichen Ahnenplasmen auf die Hälfte der Normalziffer gebracht
wird, so ergänzen sich bei der Befruchtung beide Hälften zu einem
Ganzen, d.h. die Anzahl der Ahnenplasmen in den Eiern bleibt
sich von Generation zu Generation gleich.
Bei den Teilungen, welche zur Bildung der reifen Geschlechts-
zellen führen, finden keine Aequations-, sondern Reduktions-Tei-
lungen statt, so dass dadurch die Keimplasmen in der allerver-
schiedensten Weise auseinander gemischt werden können. Durch
die Befruchtung tritt nun wieder eine ausserordentlich vielgestaltige
Kombination der Ahnenplasmen auf, sodass dadurch eine ganz
ungeheure individuell-verschieden gestaltete Kombinationsfähigkeit
der Elemente der befruchteten Eizelle gewährleistet wird. Die
bei den Ur-Eiern und Ur-Samenzellen stattfindende ursprüngliche
Erhöhung der Idanten auf das doppelte und die darauf stattfindende
doppelte Halbierung steigert diese Mischungs-Kombination ganz
ausserordentlich.
Die Herstellung dieser grossen Vielgestaltigkeit ist überhaupt
der Zweck der Befruchtung; diese ist nur und eigens dazu in
das Reich der Lebewelt eingeführt, um der natürlichen Zuchtwahl
- 92 —
die möglichst grosse Verschiedenartigkeit zur Verfügung zu stellen,
welche sie braucht, um immer neue Gestalten hervorgehen zu lassen.
Die frühere Meinung dass durch die Befruchtung der weibliche
Keim neu belebt, wieder verjüngt werden soll, ist ein gedanken-
loser Mystizismus. —
Versuchen wir zunächst, uns eine Vorstellung davon zu
machen, wie Weismann sich die Bildung der somatischen
Zellen denkt, so sehen wir, dass er in seiner Anschauung dar-
über eine Schwenkung gemacht hat. Zwar spricht er sich in
seiner Schrift von 1891 nicht klar darüber aus, doch aus allen
hierher gehörigen Stellen ergiebt sich folgendes: Ist der Träger
sämtlicher Anlagen ein Ahnenplasma, d.h. ein körperliches, un-
teilbares, bestimmtes Gebilde, so entsprechen auch den einzelnen
Anlagen bestimmte körperliche Teile dieses Gebilde. Weismann
sagt geradezu: »Eine Hälfte (des Ahnenplasmas) enthält nicht
mehr alle Anlagen zum Individuum«. Das heisst also: Weis-
mann deutet jetzt in der That die bei den Zellteilungen zu be-
obachtenden Verhältnisse nicht mehr als einen »sehr rohen und
groben Ausdruck ihrer Massen« (1885 p. 33), sondern als Vor-
gänge, welche die feinste Struktur des Keimplasmas widerspie-
geln. Es ist das eine Auffassung, gegen die er sich früher ver-
wahrt hat.
Nach Weismanns früherer Auffassung vereinfachte sich,
parallel mit der zur Bildung der somatischen Zellen führenden
Teilung, die Struktur des Idioplasmas, bis in die einzelne soma-
tische Zelle nur einfachstes, d. h. nur zur Bildung dieser Zelle
befähigtes Idioplasma gelangte. Diese Vorstellung ist, nachdem
jetzt jeder körperlichen Anlage ein bestimmter körperlicher Teil
des Keimplasmas entspricht, nicht mehr möglich. Wie nun aber
gemäss dieser neuen Ansicht Weismanns die somatischen Zellen
mit ihren Anlagen versehen werden, darüber macht Weismann auch
nicht die leiseste Andeutung. Ich selber bin bei aller Mühe nicht
dazu gelangt, mir eine Vorstellung davon machen zu können.
Eines sieht man sicher, dass Weismann sich die Ide in den
Idanten (warum ist hier nicht auseinander zu setzen) quer ange-
ordnet vorstellt. Wie ordnen sich nun die einzelnen Ide bei dem
Stadium der Kernteilung, wo die Chromatinschleifen längs ge-
spalten werden, derartig, dass von jedem immer die richtigen
Stücke abgeschnitten werden? Oder welche Rolle spielt ein
altes Gastraea-Id, welches in einem der Idanten liegt und nun
bis in die letzten Zellfolgen, sagen wir des Gehirns, getragen
wird; was wird denn bei all den vielen Zellteilungen, welche es
durchgemacht hat, aus ihm abgespalten, als was kommt denn
sein letzter körperlicher Teil endlich in den Gehirnzellen an?
Es scheint unmöglich, sich hierüber eine Vorstellung zu
machen; eines möchte ich aber doch erwähnen. Nach Weis-
manns Vorstellung haben wir innerhalb der Ide eine linienförmige
Anordnung der körperlichen Substrate der einzelnen Anlagen
Abgesehen davon, dass diese Anschauung geradeswegs zu den
Vorstellungen der alten Evolutionisten führt, scheint damit all
das in Frage gestellt, was sich die Zoologie mühsam in der
Lehre von den Homologieen erworben hat, insofern wir unsere
Anschauungen über Verwandtschaft und natürliche Zugehörigkeit
gerade auf die festen Lagerungs-Verhältnisse der Organe, auf
den Bauplan der Organismen, gründen. Bei einer linienartigen
Projektion eines solchen Organismus würde aber zusammenge-
höriges überall zerstreut liegen, und das verschiedenste neben
einander gelagert werden.
Betrachten wir als zweiten Hauptpunkt unseres Themas
die Bildung der Keimzellen. Nehmen wir an. unsere Einwürfe
gegen die Bildung der somatischen Zellen (und die Keimzelle
ist ja auch eine somatische Zelle) seien entkräftet; es mögen
sich Keimzellen gebildet haben; dann ist (mit Weismann zu
reden) von dem elterlichen Keimplasma in die Keimzellen der-
jenige Massenteil (oder nach der früheren Ausdrucksweise ein
Stück von der Komplikation der Molekular-Struktur des Idio-
plasmas) hinein gelangt, dass es die Ausbildung der betreffenden
Zelle zu einer Keimzelle leiten kann; etwas weiteres kann das
Idioplasma der Keimzelle nicht mehr.
Nun wissen wir aus Weismanns Schrift vom Jahre 1885,
dass er sich vorstellte, ausser dem Idioplasma, welches die Aus-
bildung der betreffenden Zelle zur Keimzelle leitete, sei noch
ein Teil unveränderten Keimplasmas vom Ei her mit in die neue
Keimzelle übergeführt, sodass dadurch das Keimplasma der
jungen Keimzelle in direkter Kontinuität ein Teil des Keimplas-
mas der alten Eizelle wäre, begabt mit allen Eigenschaften
derselben.
Ein Teil des Keimplasmas ist aber nach Weismanns neuer
Anschauung von der körperlichen Individualität der Ahnenplas-
men nicht mehr Träger sämtlicher Vererbungs-Tendenzen der
alten Keimzelle Nichts destoweniger müssen wir doch von der
jungen Keimzelle verlangen, dass sie wieder sämtliche Vererbungs-
Fähigkeiten der alten Keimzelle aufweist. Weismann sagt weder
in der Schrift von 1887 noch in der von 1891 hierüber auch nur
eine Silbe, trotzdem der innere Widerspruch doch klar zu Tage
liegt; denn nach Weismanns neuer Theorie hat das in die junge
Keimzelle gelangende Idioplasma alle Vererbungs-Fähigkeiten
abgelegt, nach Weismanns und jedes anderen Menschen Mei-
nung soll die junge Keimzelle aber wiederum alle enthalten.
Ein Ausweg scheint noch vorhanden zu sein, man müsste
nämlich annehmen, dass in der alten Eizelle alle Ahnenplasmen
in doppelter Anzahl vertreten seien, und dass bei der Bildung
der somatischen Zellen nur der eine Satz verbraucht würde,
während der andere unverändert und in der vollen Anzahl seiner
Ide in die junge Keimzelle übergeht. Auf die Menge der sich
hieraus ergebenden zoologischen Unmöglichkeiten kann ich hier
nicht eingehen; nur eines sei hervorgehoben. Fände dies statt,
so müsste die eine zur Keimzelle gelangende Hälfte des Ahnen-
plasmen-Materiales unsichtbar sein, durch Farbstoffe für uns nicht
wahrnehmbar zu machen. Nun baut ja aber Weismann seine
ganze Theorie auf die bei der Kernteilung sichtbaren Ver-
hältnisse, und andererseits ist ja doch das Chromatin, die Ver-
erbungs-Substanz der fertigen Eizelle, sehr schön sichtbar. Hier
sind also unlösbare Widersprüche.
Nehmen wir jedoch an, diese Widersprüche seien gehoben,
nehmen wir an, die Zelle, aus der sich der Eierstock oder der
Hoden, d. h. also die Gesamtheit der Keimzellen eines Tieres
entwickeln soll, enthält — auf welchem Wege ist gleichgültig —
die gesamten Ahnenplasmen der befruchteten Eizelle, aus welcher
der betrachtete Organismus seinen Ursprung nahm. Diese zur
Entwickelung der Keimdrüse bestimmte Zelle teilt sich nun
ausserordentich häufig, indem sie die Ei- oder Samenzellen des
betreffenden Tieres herverbringen soll; das können sehr viel sein,
beim See-Aal sind es etwa 10 Millionen Eier, also gewiss TOO
bis 1000 Millionen Samenzellen; das heisst also, das Plasma einer
solchen Ur-Keimzelle kann sich in fast unendlich viele Teile teilen.
Bei dieser Gelegenheit wird sich Jeder befremdlich an den
Teil der Weismann’schen Theorie erinnern, welcher von der Un-
teilbarkeit des einzelnen Ahnenplasmas, als solches betrachtet,
handelt. Weismann weist es zurück, dass er an mechanische
Teilungen denkt. Was heisst hier mechanisch? Im Organismus
giebt es nur eine einzige Art der zur Bildung von Keimzellen
führenden Teilung der Kern-Substanz. Ist diese mechanisch?
Jedenfalls kann sich das Ahnenplasma nach diesem Modus teilen,
ohne dass die Teile die Fähigkeit des Ganzen einbüssen. Welche
Art von Teilung kann es nun nicht vertragen?
Nehmen wir an, wir verstehen nicht, was Weismann unter
der Unteilbarkeit seiner Ahnenplasmen sich vorstellt, und nehmen
wir an, die gewöhnliche Art von Teilbarkeit gehöre mit zu den
Eigenschaften der Ahnenplasmen. So muss sich also das Keim-
plasma, welches all den Eiern und Samenzellen eines Orga-
nismus den Ursprung giebt, viele tausend, ja millionen von Malen
verkleinern. Die einzelnen Eier und Samenfäden haben aber
ihre färbbare und ganz sicher auch die unfärbbare Kern-Substanz
in voller Ausbildung; das heisst also, in dem Mafse, wie sich
das Keimplasma teilte, wuchs es zu gleicher Zeit wieder. Woher
kommt nun dies Wachstums-Material? Ist es Kern-Substanz, die
von anderwo aus dem Körper hierher gekommen ist? Das wäre
nach Weismanns Anschauungen völlig unmöglich, denn diese
Kern-Substanz wäre ja Trägerin von Vererbungstendenzen des
Soma, und diese dürfen nun und nimmermehr in das Keimplasma
geraten; sonst wäre ja damit die Vererbung erworbener Eigen-
schaften des Soma in der Theorie bewiesen.
So ist das Wachstums-Material also ganz gewöhnliches
Nähr-Plasma. Ist dies Nährplasma nun vom Keimplasma nicht
assimiliert, sondern diesem nur an- oder umgelagert, so beträgt
dem entsprechend die Masse des in jeder einzelnen Zelle des
Ovariums vorhandenen Keimplasmas thassächlich nur den viel-
tausendsten Teil des Keimplasmas jener Urkeimzelle, die sich
zum ganzen Ovarium entwickelt hat. Oder aber, der unsäglich
kleine Teil Keimplasma der jungen Eizellen hat das ungeheuer
grosse Nährplasma assimiliert, so ist in der That ein minı-
maler Teil Keimplasma, also auch ein minimaler Teil des ein-
zelnen Ahnenplasmas, im Stande, zum ganzen wieder heran zu
wachsen,
ee
Was heisst nach allem diesen nun noch: Das einzelne
Ahnenplasma ist als solches unteilbar? —
Wir kommen nunmehr zur Betrachtung der Reduktions-
Vorgänge, welche an den Keimzellen vor sich gehen, von denen
die Weismann’sche Theorie behauptet, sie wären eingerichtet, um
eine möglichst vielfältige Mischung der Ahnenplasmen dem Natur-
vorgange der Selektion zur Verfügung zu stellen, und zweitens,
sie seien vorhanden, um der übermässigen Anhäufung von Ahnen-
plasmen vorzubeugen.
Betrachten wir zunächst den letzten Punkt. Weismann
schliesst folgendermassen:
Da durch jede Befruchtung die Anzahl der Ahnenplasmen
jeder befruchteten Eizelle sich verdoppelt, in der nächstfolgenden
vervierfacht, dann verachtfacht u. s. w., so sind nach n Generation
2° Keimplasmen in jeder befruchteten Eizelle. Nimmt man das
Ahnenplasma noch so klein an, so unterliegt es doch keinem
Zweifel, dass die Menge in dem Ei schliesslich keinen Platz mehr
haben kann; um nun Platz zu schaffen, stösst das Ei zwei Rich-
tungskörperchen aus und reduziert dadurch die im Ei zuerst vor-
handene doppelte Zahl der Keimplasmen auf die halbe Zahl.
Da auch bei der Bildung der Samenzellen ähnliche Teilungen
vorkommen, wodurch die Zahl der in der fertigen Samenzelle be-
findlichen Ahnenplasmen auf die Hälfte der Normalziffer gebracht
wird, so ergänzen sich bei der Befruchtung beide Häflten zu einem
Ganzen, d.h. die Anzahl der Ahnenplasmen in den Eiern bleibt
sich von Generation zu Generation gleich.
Diese Berechnung erscheint auf den ersten Blick äusserst
einleuchtend, bleibt es aber nicht bei näherer Betrachtung. Um
zunächst den Befürchtungen hinsichtlich des zu grossen Anwach-
sens der Masse des Keimplasmas zu begegnen, so brauchen wir
uns nur zu erinnern, dass ein Massenwachstum von Zellen und
Zellteilen im Organismus, vor allem in wachsenden Körperteilen,
fortwährend vorkommt; ein Wachsen des Keimplasmas ganz im
besonderen sahen wir bereits vorhin (p. 94) bei der Betrachtung,
wie aus dem Keimplasma einer Ur-Keimzelle die ungeheure Masse
des Keimplasmas des ganzen vollen Ovariums oder Hodens heran-
wächst. Die Zellen teilen sich eben, wenn sie sich, physiologisch
gesprochen, zu teilen haben; das gehört zu den Grund-Eigen-
schaften der Zelle,
Andererseits haben wir vorhin, bei der Betrachtung der
Entstehung von Ei- und Samenzellen, das Gegenteil gesehen,
nämlich, dass eine bestimmte Masse Keimplasma sich ungeheuer,
fast unendlich, teilen, also verkleinern kann, ohne eine Spur seiner
Eigenschaften zu verlieren; und dass es später um dasselbe Mafs
wieder wachsen kann. Selbstverständlich stellt also jeder Prozent-
satz dieser Verkleinerung oder Vergrösserung ein regelrechtes
Keimplasma vor, denn jeder derselben tritt ja bei einem be-
stimmten Stadium der Teilung und ebenso nachher beim Wachstum
in der That auf. Darum brauchte also das Keimplasmen-Material
bei der Bildung der Ei- und Samen-Keimplasmen nur auf die Hälfte
derjenigen Masse heranzuwachsen, welche das Ei nach der Be-
fruchtung zu fassen vermag; dann bliebe ja Platz genug für die
andere bei der Befruchtung von seiten der Samenzelle hinzu kom-
mende Hälfte der Masse.
Doch lassen wir den Gesichtspunkt der Anhäufung der
Masse; es scheint, als ob Weismann weniger Gewicht legt auf
die übermäfsige Anhäufung der Masse, als auf ein übermäfsiges
Anwachsen der Zahl der Ahnenplasmen.
Betrachten wir zu diesem Zwecke das Beispiel, welches
WALDEYER bei Gelegenheit einer Darstellellung der Weismann-
schen Theorie giebt, nämlich die Anzahl der Ahnenplasmen,
welche sich für die heutigen Menschen ergeben würde, wenn
man das in der Bibel angenommene Alter des Menschenge-
schlechts, nämlich etwa 5000 Jahre, zu grunde legt; dann stellten
die Menschen, welche von Anfang des Menschengeschlechts bis
heute gelebt haben, etwa 150 Generationen vor; in jedem Keim-
plasma er jetzt lebenden Menschen müssten sich demnach 2150
Ahnenplasmen vorfinden; das ist eine 46stellige Zahl, die mit 28
beginnt, also eine Zahl, die über alle menschliche Vorstellung
hinausgeht. Und darin hat Weismann Recht: Eine solche Zahl
von Ahnenplasmen, sei das einzelne auch noch so klein, hat in
keinem Keimplasma Platz,
Zur Erläuterung des Sachverhaltes gestatte ich mir, Ihnen
eine Rechenaufgabe vorzuführen, die den umgekehrten Weg geht,
wie das soeben angeführte Beispiel.
Ich und X, nämlich zwei Menschen der 150. Generation,
haben 22 Ahnen der 149. Generation, nämlich unsere Väter
und unsere Mütter; von diesen hatte wieder jeder 2 Alınen der
148. Generation, u. s. w. Das heisst also: Unsere Ahnen in der
149. Generation waren 22, in der 148. Generation 23, in der
147. Generation 2*, in der ı. Generation also 215,
Das heisst: Während ich in der zuerst gebrachten Rechnung
davon ausging, dass ich und X. in der ı. Generation 2 Ahnen,
nämlich Adam und Eva, besafsen, komme ich bei tadellos nach
demselben Schema weitergeführter Rechnung zu dem Resultat,
dass die Zahl unserer Ahnen zu Adams Zeiten eine 46stellige
Zahl betrug!
Der geradezu diabolische Fehler liegt gar nicht besonders
versteckt. Erstens sieht Weismann alle Ahnenplasmen als ver-
schieden an, als nicht verwandt; während die Blutsverwandtschaft
aller Wesen, vor allem der Artgenossen, die Grundlage unserer
heutigen Natur-Anschauung ist. Zweitens ist es ein schwerer
Irrtum, zu glauben, dass, wenn man, von wirklichen Verhält-
nissen ausgehend, Rechen-Exempel mit diesen anstellt, jedes sich
daraus ergebende Resultat nun auch reale Existenz haben muss.
Man kann eben nur wirklich vorhandene Einheiten, d. h. die Zahl
der wirklich vorhandenen oder möglichen Ahnenplasmen in die
Rechnung einführen, nicht aber eine unbegrenzte Zahl.
Nun könnte Jemand vielleicht sagen, die von uns gebrachte
Rechnung wäre darin falsch, dass sie nur die Anzahl der Ahnen
und Ahnenplasmen feststellt, nicht aber das Verhältnis, in welchem
diese in einem Keimplasma vorhanden sind; es könnten jedoch
z. B. in einem Keimplasma, welches etwa aus 4 Elementen (a,
b, c, d) besteht, unendlich viele Kombinationen dadurch entstehen,
dass jedes dieser Elemente mit einem beliebig grossen Faktor
auftrete, z. B. na--pb-+tce+ vd; dadurch würde dann in oben
angeführtem Beispiele die Zahl der verschiedenartigen
menschlichen Ahnenplasmen auf 1500 Millionen (nämlich die
Zahl der jetzt lebenden Menschen) ermäfsigt werden können,
indem eben der Faktor eine beliebige zwischen ı und vielen
Millionen liegende Grösse annehme; Weismann hätte dann nur
den Fehler gemacht, dass er jedes mit einem verschiedenen
Faktor auftretende Ahnenplasma als ein anderes Ahnenplasma
angesehen hat; und dieser Fehler sei auch nur scheinbar, denn
es könne doch nicht gleichgültig sein, in welchem prozentualischen
Verhältnis sich die Ahnenplasmen in einem Keimplasma vor-
fänden.
_— 99 Pr
Dagegen ist aber zu sagen, dass dies nach Weismann’s
Anschauung in der That gleichgültig ist; denn nach Weismann
hat jedes Ahnenplasma die Fähigkeit, den ganzen Organis.
mus zu bilden; mehr als der ganze kann aber nicht gebildet
werden; es ist also gleichgültig, wieviel gleiche Ahnenplasmen
in einem Keimplasma vorhanden sind.
Es ist selbstverständich, dass nicht mehr verschiedene
Ahnenplasmen bei irgend einer Art von Wesen vorkommen kön-
nen, als diese Art Mitglieder hatte zu der Zeit, wo wir anfangen,
nach Weismanns Methode einen solchen Stammbaum der Art
aufzustellen, wie wir es vorhin gethan haben. Da nun erwiesener-
mafsen die Regel ist, dass. die Individuen-Anzahl einer Art sich
im allgemeinen von Generation zu Generation gleich bleibt, so
bleibt sich auch die Zahl der Ahnenplasmen in den einzelnen
Generationen gleich; sie vermehrt sich also nicht, sondern sie
beträgt höchstens die Zahl der in jeder Generation der betreffen-
den Art vorhandenen Individuen. Diese Zahl hat aber nur theore-
tischen Wert. Es ist gar keine Rede davon, dass sich alle In-
dividuen einer Art mit einander geschlechtlich vermischen. Man
muss daher sagen, die Zahl der Ahnenplasmen eines Tieres ist
so gross, wie die Anzahl der Individuen, deren geschlechtliche
Vermischung in seinem Stammbaum aufzuführen ist. Da dies
nun niemand feststellen kann, so kann man im allgemeinen sagen,
die Anzahl der Spezies-Ahnenplasmen ist bei jedem Tiere im
allgemeinen so gross, wie die Anzahl der Individuen, mit denen
es sich geschlechtlich vermischen kann. Nehme ich also eine
Fuchs-Art an, die auf einer Insel und nur da vorkommt, so ist
die Zahl der Fuchs-Ahnenplasmen jedes Individuums höchstens
so gross, wie die Bevölkerungsziffer dieser Fuchs-Art auf der
betreffenden Insel. In anderen Fällen, wo die Verbreitung der
zu betrachtenden Art eine weitere ist, scheinen mehr Individuen
zur Verfügung zu stehen. Ich will diese Fälle hier nicht auf die
wirklichen Verhältnisse untersuchen, sondern nur feststellen, dass
DARWIN, WALLACE, und gerade Weismann ausgeführt haben, dass
die natürliche Zuchtwahl die einzelnen Rassen isoliert. Also kön-
nen wir, wenn wir uns in dieser Frage auf den alten Weismann-
schen Standpunkt stellen, nur eine geringe Anzahl von Ahnen-
plasmen annehmen.
Des ferneren könnte Jemand den Einwand erheben, dass
— ed ——
wir bei unserer Rechnung fortwährend einen Fehler machten,
insofern wir die Anzahl der Ahnenplasmen irgend eines Indivi-
duums immer nur nach der Individuen-Anzahl einer einzigen
Generation berechnen, während wir doch diejenigen aller Gene-
rationen addieren müssten.
Nach Weismann’s früherer Meinung wäre das auch so; in
seiner Arbeit vom Jahre 1885 spricht er in der That aus, dass
bei der Befruchtung ausser dem elterlichen Kleimplasma auch
das sämtlicher übrigen Ahnen in das neu erzeugte Individuum
übergehen. In den beiden folgenden Arbeiten von 1887 und
1891 ist davon aber keine Rede. Nehmen Sie die Beispiele,
welche er selber in seinen verschiedenen Schriften giebt, so er-
sehen Sie, das er das Hinzukommen eines persönlichen
Ahnenplasmas ausschliesst, vielmehr die Zahl seiner Ahnenplas-
men gleich ist derjenigen der Gründer der Art, d.h. der ersten
Generation der Art. Da nun aber Weismann ein ganz strenger
Vertreter der Selektionslehre ist, so muss er annehmen, dass die
Zahl der Gründer der Art eine ganz geringe war, oder folge-
recht gedacht, dass es nur einen einzigen Gründer der Art ge-
geben hat; dass es demnach in jeder Art nur ganz wenige oder
richtiger ein einziges Art-Ahnenplasma geben kann.
Dieser Gesichtspunkt eröffnet nun freilich eine höchst eigen-
tümliche Aussicht. Wenn nach Weismann’s Ansicht kein Indi-
viduum ein Ahnenplasma entwickelt, so haben natürlich seine
Eltern auch keins entwickelt, ebensowenig seine Grosseltern und
so fort; dass heisst also: Keins von seinen Vorfahren hat
Ahnenplasma entwickelt! Es ist also nie Weismann-
sches Ahnenplasma entwickelt; es giebt das Weis-
mann'ssche Ahnenplasma garnicht; es ist die wesent-
lichste Eigenschaft des Weismann’schen Ahnenplasmas
die, dass seine Existenz unmöglich ist.
Wollte man Weismann seine Theorie retten, so müsste er
in der That das Hinzukommen eines persönlichen Keimplasmas
annehmen. Woher sollte das aber kommen? Es könnte doch
nur aus dem Idioplasma des Soma stammen; dann müsste es
aber körperliche Eigenschaften des Soma vererben, und
das ist wieder gegen einen andern Teil der Weismann’schen
Anschauungen, nämlich gegen die Unmöglichkeit der Ver-
erbung erworbener Eigenschaften.
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Es ist also auch dieser Ausweg unmöglich, und wir bleiben
bei dem Ergebnis stehen, dass die Durchdenkung der Weis-
mann’schen Lehre von der Vererbung durch körperliche Ahnen-
plasmen zu einem Beweise der Nicht-Existenz derselben führt.
Wir haben jetzt noch über den letzten Punkt von Weis-
mann’s leitenden Anschauungen der Vererbungs-Verhältnisse zu
sprechen, nämlich, dass die geschlechtliche Vermischung eigens
und allein und nur zu dem Zwecke in die organische Welt ein-
geführt sei, um der Selektion das nötige Material an individuellen
Variationen zur Verfügung zu stellen.
Ich will diesen Satz hier nicht als eine wissenschaftliche
These besprechen; dazu müsste ich zu weit ausholen, denn ich
habe recht vieles gegen ihn einzuwenden. Ich will mich, wie
bei den bisher abgehandelten Punkten, auf die Hervorhebung
eines inneren Widerspruches beschränken und zwar auf den
Widerspruch zwischen diesem Satze und der ganzen Anschauung
unserer zeitgemässen Wissenschaft.
Diejenigen von Ihnen, welche den Jargon der biologischen
Ausdrucksweise nicht kennen, die aber wissen, dass unsere ganze
zeitgemässe Wissenschaft von den belebten Wesen in der grossen
Grundanschauung des kausalen Zusammenhanges aller Lebens-
äusserungen ruht, werden nicht wenig befremdlich berührt sein,
einen Lehrsatz der Wissenschaft von einem hervorragenden Ver-
treter derselben in einer durchaus teleologischen Fassung ausge-
sprochen zu hören. Leider ist das Sitte, aber eine recht schlechte.
Sie wird dadurch entschuldigt, dass man ja jeden teleologisch
gefassten Satz durch eine einfache Umformung in einen kausalen
überführen kann. Richtig ist dieser umgeformte Satz aber nur
dann, wenn der gedachte Zweck zur Wirklichkeit, wenn die Er-
füllung des Zweckes Thatsache geworden ist. Darum kann man
die thatsächlichen Verhältnisse der lebendigen Natur in beiderlei
Satzformen ausdrücken. Ich kann sagen: Das rote Ordensband
hat seinen flechtenfarbigen Oberflügel, damit es auf der Baum-
borke nicht gesehen wird; das ist die teleologische Ausdrucks-
weise); ich kann aber auch sagen: weil das rote Ordensband
flechtenfarbige Oberflügel besitzt, wird es auf der Baumborke
nicht gesehen; ın beiden Fällen giebt die Färbung der Flügel
den Grund dafür ab, dass der Schmetterling existiert, noch nicht
ausgerottet ist. Nun ist es eine heutzutage ziemlich allgemein
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angenommene Anschauung, dass die kausale Thätigkeit der Natur-
auslese völlig so wirkt, wie ein zweckmässig handelnder Schöpfer
an derselben Stelle wirken würde. Daher kann man alle Dar-
winistischen Erklärungen thatsächlicher Verhältnisse auch tele-
ologisch ausdrücken, wenngleich dies nimmermehr zu rechtfertigen
ist; denn seine wirkliche Meinung kann man nur in der einen
dieser beiden Satzformen ausdrücken.
Das Schema für solche Sätze würde lauten:
I) (Causal.) Weil das Wesen A durch die Eigenschaft B den
Vorteil C vor seinen übrigen Artgenossen voraus hatte, wurde
es durch Natur-Auslese zur herrschenden Form gemacht.
II) (Teleologisch.) Das Wesen A hat die Eigenschaft B, damit
es den Vorteil C geniesst.
Fassen wir den oben betrachteten Weismann’schen Satz in
dies Schema, so lautet er:
II) (Teleologisch.) Der Sexualismus (A) hat die Eigenschaft (B),
möglichst grosse Variation zu erzeugen, damit er (C) dieselbe
der Selektion zur Verfügung stellen kann.
T) (Causal.) Weil der Sexualismus (A) durch seine Eigenschaft
(B) möglichst grosse Variation zu erzeugen, vor den übri-
gen Formen der Fortpflanzung den Vorteil (C) voraus hatte,
diese der Natur-Auslese zur Verfügung zu stellen, so wurde
er durch Natur-Auslese zur herrschenden Form gemacht.
Etwas fasslicher gestaltet, lautet dieser Satz dann:
Weil den mit Sexualität begabten Wesen ihre Eigenschaft, mög-
lichst variable Nachkommenschaft zu erzeugen, im Kampf um’s Da-
sein Vorteil brachte, wurde diese Form von Wesen die herrschende.
Damit sind wir zu dem sonderbaren Gedanken gelangt, dass
in dem gegenwärtigen Kampf um’s Dasein die Eigenschaften
der zukünftigen Nachkommenschaft Vorteil bringen sollen!
Diese Misgeburt von Gedanken ergiebt sich aus der falschen
Anschauung, dass man alle kausalen Verhältnisse final ausdrücken
kann, während dies nur zulässig ist, wenn die Erfüllung des Zweckes
Thatsache geworden ist. Der Zweck, den Weismann angiebt,
ist aber nicht nur keine Thatsache, sondern ist umgekehrt grade
die Behauptung, die er zu beweisen sucht.
Damit ist die logische Unhaltbarkeit der Weismann’schen
Ansicht von dem Sinne des Sexualismus erwiesen; auf die thatsäch-
liche Unhaltbarkeit werde ich in einem späteren Vortrage eingehen.
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