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BOTANICAL
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Vermischte
Schriften botanischen Inhalts
von
Hugo von Mohl,
Doctor der Philosophie, Medicin und Chirurgie, Ritter des Ordens der württemb. Krone, ordentl. Professor der Botanik
an der Universität zu Tübingen, auswärtigem Mitgliede des Instituts der Niederlande, Mitgliede der kais. Leop.
Carol. Academie der Naturforscher, Correspondenten des Instituts von Frankreich, der Academie der
Wissenschaften zu München u. s. w.
LIBRARY
NEW YORK
BOTANICAL-
GARDEN.
Tübingen,
bei Ludwig Friedrich Fues.
1845.
Seinem theuern Vater
Dr. Benjamin Ferdinand von Mohl,
Grosskreuz des Ordens der würtiemb. Krone, Ritter des Friedrichsordens, königlich württemberg. Staatsrathe,
Consistorial- Präsidenten a. D., Mitgliede der Kammer der Standesherren
Aus kindlicher Liebe und Dankbarkeit
gewidmet
Verfasser.
>
terer Untersuchungen bedeutendere Abweichungen nothwendig waren, die Rücksicht
auf die historische Stellung der ursprünglichen Arbeit von viel zu untergeordnetem Ge-
wichte erschien, als dass sie ihn von einer neuen Bearbeitung des Gegenstandes hätte ab-
halten können. In dieser Beziehung sind namentlich die Aufsätze über die Vermehrung
der Pflanzenzellen durch Theilung und über die Entwicklung der Spalt-
öffnungen anzuführen, welche in durchaus neuer Gestalt erscheinen, geringere Um-
änderungen erlitten die Aufsätze über die Symmetrie der Pflanzen, über denBau
des Cycadeenstamms, über die winterliche Färbung der Blätter. Dass
die Darstellung desBaues desFarn-und Palmenstammes in deutscher Uebersetzung
erscheinen, wird wohl von den meisten Lesern nur gebilligt werden; einen Wiederabdruck
der übrigen, sich nicht auf Stamm und Wurzel beziehenden Theile seiner Palmenanatomie
hielt der Verf. für überflüssig, gerne hätte er dagegen Abdrücke der auf den Bau des
Farn- und Palmenstammes sich beziehenden Tafeln beigegeben, allein schon das Format
derselben machte dieses unmöglich.
Aus der vorliegenden Sammlung sind die seit zwei Jahren in der botanischen Zeitung
erschienenen Aufsätze des Verfassers ausgeschlossen, theils aus Rücksicht auf den Verle-
ger dieses Journals, theils aus dem Grunde, weil einige dieser Aufsätze Gegenstände be-
handeln, zu deren genauerer Erforschung noch eine längere Reihe von Beobachtungen
gehört, wesshalb ein Wiederabdruck derselben im jetzigen Augenblicke als voreilig er-
scheinen würde. Sollte der Verfasser im Laufe der Zeit Gelegenheit und Musse zur Ab-
fassung einer weiteren Reihe von Abhandlungen finden, so wird er der vorliegenden Samm-
lung eine zweite folgen lassen.
Tübingen, im Juni 1845.
Der Verfasser.
Lose
I. Untersuchung der Frage: welche Autorität soll den Gattungsnamen der Pflanzen beigegeben
werden ? ö R < R
II. Ueber die Symmetrie der Pflanzen © o 0 0 © . o © -
III. Beobachtungen han die Umwandlung von Antheren in Carpelle ö ®
IV. Ueber die männlichen Blüthen der Coniferen A ° ö 6 ö o :
V. Ueber die fibrosen Zellen der Antheren 5 ®
. . . . . .
°
.
VI. Einige Bemerkungen über die Entwicklung und den Bau der Sporen der eryptogamischen
Gewächse . & 5 h 5 o
. . . O . . ° .
VII. Ueber die Entwicklung der Sporen von Anthoceros laevis
. . . .
.
VIII. Morphologische Betrachtungen über das Sporangium der mit Gefässen versehenen Cryp-
togamen . . .
IX. Ueber den Bau des Stammes der Baumfarne B R ö
X. Ueber den Bau des Stammes von Isoätes lacustris
XI. Ueber den Bau des Palmenstammes R
XII. Untersuchungen über den Mittelstock von Tamus Elephantipes
XIII. Ueber den Bau des Cycadeenstamms . ° e
XIV. Untersuchungen über die Entwicklung des Korkes und der Borke auf der Rinde der baum-
artigen Dicotylen ö
XV. Sind die Lenticellen als Wurzelknospen zu betrachten ?
XVI. Untersuchungen über die Lenticellen
XVII. Ueber die Spaltößnungen auf den Blättern der Proteaceen .
XVill. Ueber die Entwicklung der Spaltöffnungen .
XIX. Ueber die Cuticula der Gewächse ö © ö . 0 < o
XX. Ueber den Bau der grossen getüpfelten Gefässe von Ephedra
XXI. Einige Bemerkungen über den Bau der getüpfelten Gefässe
XXII. Ueber den Bau der Ringgefässe . .
XXIII. Anatomische Untersuchungen über die porösen Zellen von Spagnum .
XXIV. Ueber den Bau der vegetabilischen Zellmembran
.
XXV. Einige Beobachtungen über die blaue Färbung der vegetabilischen Zellmembran durch Jod
XXVI. Untersuchungen über die anatomischen Verhältnisse des Chlorophylis
Seite
no
stalteten Ausgabe der Genera plantarum geschehen ist, ebensowohl die Namen eines HıppocraTEs, TuEo-
PHRAST, Prinıus, Dioscormes etc., als die eines TournEFoRT, Linse und ihrer Nachfolger anzuführen, z. B.
Erythronium Dioscor., Hieracium Dioscor., Sesamım Theophr., Rumex Plinius.
Betrachten wir nur den Nutzen, welchen die Anführung der im angegebenen Sinne gewählten Autoritä-
ten für die jetzige Botanik haben kann, so könnte man etwa folgende zwei Punkte hervorheben:
1) Die auf den Namen sich beziehende Autorität ist in philologischer Hinsicht von Interesse, weil man
durch dieselbe bei griechischen und lateinischen Namen sogleich erfährt, ob der Name ein classischer
ist, in der Sprache der Griechen und Römer Bürgerrecht hatte, oder ob er erst in späteren Zeiten,
nachdem die classischen Sprachen aus dem Munde des Volkes verschwanden, aus griechischen oder
lateinischen Wörtern zusammengesetzt worden ist;
kann man anführen, dass es die Pietät gegen die Verdienste der früheren Botaniker erfordere, dass
wäre, da ein ganz neuer Weg betreten werden sollte. Dass die angeführten Schriftsteller blos nach dem
Namen ihre Autoritäten wählten, scheint daraus zu erhellen, dass sie die Namen von alten griechischen
und römischen Schriftstellern nicht blos bei solchen Gattungen als Autorität anführten, in welchen gegen-
wärtig die Pflanzen stehen, welche von jenen Schriftstellern mit dem Namen der jetzigen Gattung bezeich
net wurden, sondern dass sie auch bei vielen Gattungsnamen einen alten Schriftsteller als Autorität bei-
setzten, welcher unter seinem Namen eine Pflanze verstand, die in der jetzigen, mit diesem Namen bezeich-
neten Gattung nicht enthalten ist. Beispiele hiefür finden sich in Menge in den angegebenen Werken, unter
andern stehen in der württembergischen Flora folgende, denen ich unter den jetzigen Benennungen die
Pflanzen beifüge, welche wahrscheinlicherweise von den als Autorität beigesetzten Schriftstellern unter ihren
Namen verstanden wurden: Orobus Theophr. — Ervum Eryilia, Cytisus Diosc. — Medicago arborea,
Anthericum Theophr. — Asphodelus, Clematis Dioscor. — Vinca, Orobanche Diosc. — Cuscuta, Nar-
dus Salomo — Patrinia Jatamansi. In Uebereinstimmung mit der Wahl dieser Autoritäten stehen auch
einige kurze in den angeführten Werken enthaltene Aeusserungen; Srresser sagt nämlich in der Vorrede
zum zweiten Bande seiner Genera Plantarum: »itaque primum nominum auctoritates certaque temporum
momenta fixenda erant«; und ScHüsrer und von Martens in der Vorrede zur Flora von Württemberg:
»Eine weitere bedeutende Erleichterung für den Anfänger bezweckten wir dadurch, dass wir jedem Gat-
tungsnamen nach SprEssers Vorgange den ältesten Schriftsteller und eine Erklärung beifügten, um das
Alter des Namens anzudeuten, und dem Gedächtnisse durch Erinnerungen an bekannte Stellen der Clas-
siker, so wie dadurch, dass sich mannigfaltige Nebenbegriffe an den Hauptbegriff knüpfen, zu Hülfe zu
kommen.«
Durchaus im Widerspruch mit diesen Grundsätzen finden wir nun aber, dass sowohl Spruscer als
die Verfasser der württ. Flora bei andern Gattungen, ungeachtet der Name schon bei einem früheren
Autor vorkommt, dennoch einen spätern Schriftsteller citiren, z. B. bei Sprenser: Cytisus Dioscor.,
Thesium Lin. ungeachtet diese Namen bei Turopurasr vorkommen, in der württ. Flora: Daphne Lin.
Circaea Matt hiol., Anthyllis Dodon., ungeachtet diese Namen bei Droscoripes sich finden. Aus welchem
Grunde nun in diesen und andern Fällen eine spätere Autorität einer früheren vorgezogen wurde, bin ich
nicht im Stande, zu entziffern. Es ist freilich richtig, dass Drosconıpzs diese Namen ganz andern Ge-
wächsen beilegte, als wir, und dieses gab vielleicht Veranlassung dazu, dass statt seiner Autorität eine
spätere gewählt wurde; da aber in den übrigen Fällen hierauf keine Rücksicht genommen wurde, so hätte
es auch in diesen nicht geschehen sollen. Ob nun dieser Grund, oder andere Ursachen die Verfasser be-
wogen, von dem einmal betretenen Wege abzuweichen, lässt sich aus dem schon berührten Mangel einer
Erläuterung der von ihnen befolgten Grundsätze nicht entscheiden; consequent ist das Verfahren in jedem
Falle nicht.
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man den Namen desjenigen, welcher sich zuerst eines Pflanzennamens bediente, als Autorität beibehalte,
und demselben dadurch für immer die Anerkennung der späteren Botaniker sichere }).
Diese beiden Gründe scheinen auf den ersten Anblick etwas Wahres zu haben, sie sind jedoch nicht
unerheblichen Einwendungen ausgesetzt.
Man könnte nämlich die Frage aufwerfen, ob es denn, wenn keine weiteren Gründe für die Anführung
einer Autorität sprechen, überhaupt der Mühe werth sei, bei der jedesmahligen Angabe eines Pflanzennamen
eine Autorität anzuführen, indem dadurch eine Weitläufigkeit in die Nomenclatur gebracht werde, ohne dass
für die systematische Botanik irgend ein wesentlicher Nutzen daraus hervorgehe. Meiner Ansicht nach ist in
der That der angegebene philologische Nutzen, sowie der Umstand, dass an das Verdienst eines früheren
Botanikers durch den Namen erinnert werde, viel zu gering, um einen genügenden Grund zur Beifügung einer
Autorität geben zu können, um so mehr da dieser Nutzen auf eine weit passendere und vollständigere Weise
durch Uebersichten über die Pflanzennamen erreicht wird, wie sie in der Philosophia botanica von Linne£ ge-
geben sind, und wohl auch von Zeit zu Zeit in neuen Ausgaben dieses Werkes, oder in andern Schriften
werden gegeben und vervollständigt werden. Da nun auf diese Weise bereits in einem in Aller Hände be-
findlichen Werke dieser Punet vollständig und übersichtlich abgehandelt ist, so ist kein Grund vorhanden,
warum auch noch speciell bei jeder Anführung einesNamen in den systematischen Schriften die auf denselben
sich beziehende historische Autorität wiederholt werden soll.
So lange jedoch die Anführung der auf den Namen sich beziehenden Autoritäten blos ein wissenschaft-
licher, wenn auch überflüssiger Luxus wäre, so wäre es jedem zu überlassen, ob er in seinen Schriften von
demselben Gebrauch machen will, oder nicht, indem es jedem freisteht, so viel oder so wenig in seine
Schriften aufzunehmen, als ihm gut dünkt. Anders verhält sich dagegen die Sache, wenn eine nähere Be-
trachtung zeigen sollte, dass der Gebrauch dieser Autoritäten wirkliche Nachtheile für die Wissenschaft im
Gefolge hat; in diesem Fall tritt die Verpflichtung ein, ein solches Verfahren zu rügen. Dass aber in der
That bei Befolgung des von SprenseL eingeschlagenen Weges bedeutende Nachtheile eintreten müssen, wird
aus der folgenden Darstellung erhellen.
Einmahl soll in jede, hauptsächlich aber in eine auf positiven Thatsachen beruhende, durchaus exacte
Wissenschaft, wie die systematische Botanik ist, nichts aufgenommen werden, was nicht durchaus sicher und
consequent ist, und eine bestimmte Bedeutung für die Wissenschaft hat. Gegen diese Regel verfehlt sich
die Anführung der auf den Namen sich beziehenden Autoritäten aus mehreren Gründen.
Die systematische Botanik hat keinen andern Zweck als genaue Bestimmung der bekannten Pflanzen,
Bezeichnung der Familien, Gattungen und Arten mittelst Namen, welche keine Verwechslung zulassen, und
Zusammenstellung derselben in ein System. Nur wenn wir diesen Zweck beständig im Auge behalten, kön-
nen wir über den Werth der zur Erreichung dieses Zwecks anwendbaren Mittel ein genaues Urtheil fällen,
und eine Wahl zwischen zwei verwandten Mitteln treffen, von denen vielleicht das eine auf eine directe Weise
1) Vgl. Flora 1835. Tom. I. pag. 355.
1 x
a
den beabsichtigten Zweck erfüllt, während das andere ihn nur zum Theile erfüllt und zum Theile zu einer
andern Abtheilung der Wissenschaft eine Beziehung hat. Das letztere Mittel, wenn seine Anwendung mit
der Anwendung des erstern in Confliet treten sollte, muss alsdann in Beziehung auf die systematische Botanik
unbedingt verworfen werden, wenn es auch in anderer Beziehung von Werth ist.
In Beziehung auf die Pflanzennamen ist es nun durchaus nothwendig, dass dieselben nur einer ganz be-
stimmten Art. Gattung oder Familie beigelegt werden, so dass für immer derselbe Begriff mit demselben
Namen bezeichnet wird. So wie von irgend einem Botaniker für eine bestimmte Pflanze, oder für eine be-
stimmte Abtheilung des Pflanzenreiches ein gewisser Name aufgestellt wird, so tritt von nun an nur diese
eine bestimmte Bedeutung für den Namen ein. Gebraucht nun später ein anderer Botaniker diesen Namen,
so hat er zweierlei Rücksichten zu beachten.
1) Muss er den Namen grammaticalisch richtig gebrauchen, und hiebei kann er sich auf eine Autorität
berufen, welche in Hinsicht auf die philologische Richtigkeit des Namen competent ist, wenn auch
gleich der als Autorität angeführte Schriftsteller von der botanischen Bedeutung des Namen nichts
weiss; diese Autorität könnte man die philologische Autorität nennen;
2) muss er die botanische Bedeutung des Namen kennen, und hiebei hat er sich in zweifelhaften Fällen
auf den Schriftsteller, welcher diese Bedeutung feststellte, zu berufen (botanische Autorität).
Die erstere dieser Rücksichten ist offenbar für den Botaniker die untergeordnete, die zweite dagegen
darf unter keinerlei Umständen vernachlässigt werden.
In der.systematischen Botanik wurden von TOURNEFORT, Linse u. a., nachdem sie Gattungen nach rich-
tigen Grundsätzen gebildet hatten, theils die Namen, welche sie bei früheren Schriftstellern vorfanden, zur
Bezeichnung dieser Gattungen angewendet, ohne dass dabei die frühere Bedeutung dieser Namen strenge be-
rücksichtigt wurde ?), theils wurden, wenn sich kein passender Name vorfand, neue Namen gebildet. Ihre
Bedeutung für die jetzige Botanik erhielten daher alle diese Namen erst durch Tourn£rorrt, Linx&£ und ihre
Nachfolger; ihre frühere Bedeutung ist für die neuere Botanik vollkommen gleichgültig. Wenn nun ein
neuerer Botaniker eine Gattung anführt, so drückt er mit dem Namen derselben aus, dass er genau dieselbe
Gattung, wie sie von Ling oder einem andern aufgestellt wurde, meine, er gebraucht daher den Namen nur
in der Bedeutung, wie ihn der neuere Begründer der Gattung gebrauchte, und damit hierüber kein Zweifel
stattfinden könne, ist es hergebrachte Sitte, die Autorität des Urhebers der Gattung’ dem Namen beizufügen.
Dem neuern Botaniker ist also der Begriff der Gattung die Hauptsache, der Name das Mittel, um sich über
diesen Begriff mit Einem Worte zu verständigen, die Autorität das Mittel, um anzudeuten, dass er genau
denselben Begriff mit dem Worte bezeichnet wissen will, wie ihn der angeführte Schriftsteller feststellte.
Alle andern Bedeutungen, welche der angeführte Name etwa sonst noch hatte, oder hat, existiren in diesem
Augenblicke für ihn nicht, und es ist auch für seinen Zweck ziemlich gleichgültig, ob der Name sprachrichtig,
oder sprachwidrig gebildet ist, ob er z. B. Dielytra oder Diclytra heisst; es wäre im Gegentheile für ihn
4) Linse, crit. botan. $. 244.
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und die andern nur verwirrend, wenn der Name ausser dem Begriffe, welchen er bezeichnen soll, beim Leser
noch andere Nebenbegriffe hervorrufen würde.
Auf ähnliche Weise könnte ein Philologe verfahren; er könnte mit dem Worte bellum den Frieden be-
zeichnen !), wenn er entweder kein anderes Wort für diesen Begriff hätte, oder er die wahre Bedeutung des-
selben nicht kennen würde. Nimmt die Mitwelt und die Nachwelt das Wort in dieser Bedeutung an, so ist
die Sache gut und keine Verwirrung möglich. Würde nun aber, nachdem einmahl diese Bedeutung des
Wortes festgestellt wäre, ermittelt, dass das Wort eigentlich Krieg bedeute, und dass es in diesem Sinne
schon von Cicero und andern römischen Schriftstellern gebraucht worden sei, so würde dennoch keine Ver-
wirrung eintreten, so lange jeder, der das Wort hellum zur Bezeichnung des Friedens gebrauchen würde,
durch Hinzufügung des Namen jenes Philologen, der das Wort zuerst auf diese Weise anwendete, anzeigen
würde, dass er es in demselben Sinne anwende. Fügte man aber statt dieser Autorität die von CıcEro bei,
dann entstünde Begriffsverwirrung, jetzt wäre plötzlich eine historische und philologische Notiz beigefügt, die
an und für sich richtig wäre, und die classische Abstammung des Wortes bezeichnen würde, es müsste aber
nothwendig diese Autorität von Cicero von dem Begriffe des Friedens, der dem Worte einmahl untergescho.-
Ben wurde, ableiten, und Niemand würde wissen, was eigentlich mit dem Worte ausgedrückt werden soll.
Die Berufung auf Cicero wäre daher eine überflüssige, ganz am unrechten Orte angebrachte Gelehrsamkeit.
Ganz auf dieselbe Weise verfahren aber diejenigen Botaniker, welche statt der botanischen Autoritäten
philologische einführen wollen. Sie bedenken nicht, dass der systematische Botaniker einen Gattungsnamen
nur desshalb gebraucht, um einen bestimmten, der neueren Botanik eigenthümlichen Begriff auszudrücken,
und dass es ihm vollkommen gleichgültig sein kann, ob Cicero oder Prinıus dieses Wort gekannt, ob sie
diese oder jene Pflanze darunter verstanden haben. Es ist allerdings Gegenstand der Botanik, die Abstam-
mung der Pflanzennamen zu erforschen und auszumitteln, welche Pflanzen von den Alten unter ihren Namen
verstanden worden sind; es ist aber diese Ausmittlung der systematischen Botanik eben so fremd, als die Be-
nennungen der Pflanzen in neueren Sprachen, die medicinische oder technische Anwendung der Pflanzen
u. dgl. m. Vermengt man diese verschiedenen Theile derselben Wissenschaft, so kann nur Verwirrung dar-
aus hervorgehen; setzt man aber gar, wie es jene Schriftsteller thun, den Ausdruck für den einen Begriff
an die Stelle des Ausdruckes für einen andern Begriff, so macht man die Wissenschaft um ebensoviele be-
stimmte Begriffe ärmer, als man fremdartige Begriffe an die Stelle derselben hineinbringt. Dieses geschieht
nun durch den Gebrauch der auf den Namen sich beziehenden Autoritäten. Der systematische Botaniker
bezeichnet mit seinen Gattungsnamen einen bestimmten, erst im Verlaufe des letzten Jahrhunderts aufgestell-
ten Begriff z. B. mit dem Namen Quercus ein ideales Bild, welches die gemeinschaftlichen Charactere aller
bekannten Eichen umfasst. Was hat nun dieses Bild damit zu thun, dass CıcEro eine bestimmte Eichenart
kannte, und diese Quercus hiess?
Y
1) Dieses Beispiel mag sehr absurd scheinen, absurder als das Verfahren, gegen welches der Aufsatz ge-
schrieben ist, wird es wohl kaum sein.
N
Aus dem bisher Gesagten wird zur Genüge erhellen, dass die Anführung von Autoritäten, welche sich
auf den Namen der Gattungen beziehen, auf unklarer Vorstellung von dem, was für den Botaniker durch
Anführung einer Autorität bezweckt werden soll, beruht, dass sie für unsere jetzige systematische Botanik
durchaus bedeutungslos und daher unwissenschaftlich ist.
Der Versuch der Verfasser der württembergischen Flora, den Gebrauch der auf den Namen sich be-
ziehenden Autoritäten durch die Worte zu rechtfertigen: „Die Einwendung, dass die Alten nur Arten, nicht
Gattungen kannten, erkennen wir nicht an; sie kannten diese ganze Eintheilung nicht, und ihre Namen be-
zeichnen daher nach unsern jetzigen Begriffen bald eine Gattung, wie Rosa, Rubus, Trifolium, bald eine Art,
wie Ilex, Pyrus, Malus“ geht gar nicht auf das Wesen der Sache ein. Was die jetzigen Gattungsnamen sonst
bedeuteten, ist ganz gleichgültig; die Alten hatten unsere Gattungen nicht, desshalb können wir sie nicht als
Autoritäten für dieselben anführen.
Ein weiterer Grund gegen die Zulässigkeit der auf den Namen sich heziehenden Autoritäten ist ihre Un-
sicherheit. In der Nomenclatur der Pflanzen darf man kein Haar breit von der strengsten Consequenz und
Genauigkeit abweichen, wenn nicht Verwirrung entstehen soll; die Autoritäten der Familien- und Arten-Namen
können vollkommen genau angegeben werden, da die Urheber derselben sämmtlich der neueren Zeit ange-
hören, ebenso können Autoritäten, welche sich auf den Gattungscharacter beziehen, immer mit vollständiger
Sicherheit angegeben werden, anders verhält es sich dagegen mit den aus dem Alterthume oder dem Mittel-
alter sich herschreibenden Namen, wenn sich die Autorität auf den Schriftsteller, welcher sie zuerst in die
literarische Welt einführte, beziehen soll. Dieses ist mit Sicherheit nicht auszuführen, indem nur ein Theil
der botanischen Schriften des Alterthumes auf uns gekommen ist. Die Anführung eines T’heophrast, Pli-
nius, Dioscorides u. s. w. entbehrt daher aller Gewissheit, da wir die Schriften, aus denen sie schöpften,
zum Theile nicht kennen; wären zufälligerweise die Schriften von Plinius verloren gegangen und die eines
anderen naturhistorischen Autors auf uns gekommen, so würde mit demselben Rechte dessen Namen als
Autorität angeführt werden. Ein solches Verfahren, den nächsten besten alten Schriftsteller ohne allen wei-
teren Grund, als weil wir von den übrigen nichts wissen, bei den Gattungsnamen zu citiren, während bei den
Familien- und Species-Namen durchaus verschiedene Grundsätze befolgt werden, streitet gegen alle Conse-
quenz und bringt auf eine unnöthige und zwecklose Weise in die sonst durchaus geordnete, auf festen Prin-
cipien beruhende Lehre von der Nomenelatur, Unsicherheit und Verwirrung. Ist schon bei den griechischen
und lateinischen Namen die Unsicherheit gross, so wird sie vollends unentwirrbar, wenn wir die gleichen
Grundsätze auch auf die aus andern Sprachen stammenden Namen anwenden wollten. Ebensogut als SaLomo
die Ehre erhielt, als botanische Autorität zu figuriren, verdienen es auch die Schriftsteller, welche deutsch,
spanisch, russisch, arabisch, sanscrit u. s. w. geschrieben und einen in die Botanik übergegangenen Namen
gebraucht haben; es möchte aber schwer nachzuweisen sein, welche Schriftsteller als Autoritäten citirt wer-
den sollen bei Namen wie: Morchella, Bovista, Scorzonera, Cracca, Abutilon, Alcanna, Kali, Ceterach,
Alkekengi, Azedarach, Turpetum, Tatula ete. Jedenfalls würden solche Autoritäten immerwährenden
Schwankungen unterworfen sein, indem die Entdeckung eines älteren, unbekannten Schriftstellers, oder das
Day) Napa
Studium fremder, der Botanik nicht angehörender Schriften beständige Veranlassung zum Wechsel der Auto-
ritäten geben müsste. h
Man versuchte von Seiten der Pietät gegen die Verdienste der Vorfahren die Anführung des Schrift-
stellers, welcher zuerst einen Namen gebraucht, zu rechtfertigen. Die Anführung desselben scheint mir aber
im Gegentheile eher geeignet, wirkliche Verdienste eines Botanikers in den Schatten zu stellen und in Ver-
gessenheit zu bringen und die Anerkennung derselben einem andern zuzuwenden, welcher sich vielleicht ge-
ringere oder auch gar keine Verdienste um die systematische Botanik erworben hat. Von den alten Schrift-
stellern, einem Sauomo u. dgl. kann hier keine Rede sein, denn diese hatten beim Gebrauche ihrer Namen
überhaupt kein Verdienst, insoferne sie dieselben dem Munde des Volkes entnahmen; anders verhält es sich
bei den Botanikern unserer Zeit, welchen die Bildung guter Namen allerdings als Verdienst anzurechnen ist.
Dieses Verdienst ist aber jedenfalls ein untergeordnetes. Es kann ferner gar leicht von einem neueren Bo-
taniker einer von ihm aufgestellten, herzlich schlecht gebildeten Gattung ein guter Name beigelegt worden
sein; wenn nun ein späterer Botaniker diese Gattung mit Beibehaltung ihres früheren Namen auf eine zweck-
mässige Weise urmändert, oder diese Gattung ganz aufhebt und ihren Namen einer andern gut gebildeten
Gattung beilegt, so hat er sich um die systematische Botanik ein wahres Verdienst erworben, ist aber in Ge-
fahr, die Anerkennung davon zu verlieren, wenn man nicht seinen Namen, sondern den Namen des Begrün-
ders der fehlerhaften Gattung als Autorität beigiebt. In diesem Falle würde also durch die Beibehaltung der
ursprünglichen Autorität nicht die Pflicht der Dankbarkeit und Pietät erfüllt, sondern ein Act der Ungerech-
tigkeit ausgeübt.
Schon die im Bisherigen angeführten Gründe würden genügen, um nachzuweisen, dass die Anführung
von Autoritäten, die sich auf den Gattungsnamen beziehen, ein unnöthiges, beim jetzigen Zustande der Bo-
tanik unwissenschaftliches Verfahren ist. Noch unglücklicher erscheint aber das Unternehmen, diese Auto-
ritäten an die Stelle der auf den Character sich beziehenden zu setzen, wenn wir die wichtigen Zwecke be-
denken, welche durch die letzteren erreicht werden.
Wären die Gattungen von TournErOoRT, Lınne und den neueren Botanikern sogleich auf eine so genaue und
strenge Weise gebildet worden, dass später nie mehr eine Veränderung mit ihnen vorgenommen worden wäre,
und auch künftighin dieselben unverändert bleiben müssten, so wäre eine auf ihren Charakter sich beziehende
Autorität allerdings nicht nothwendig, indem sie in diesem Falle nichts, als eine historische, das Wesen der
Gattung selbst nicht betreffende Notiz wäre. Da nun aber aus allgemeinbekannten Gründen, welche näher
auseinanderzusetzen hier der Ort nicht ist, ein grosser Theil der Pilanzengattungen bereits vielfach geändert
wurde, und solche Aenderungen auch künftighin bevorstehen, so wird der Zusatz einer Autorität, die
sich auf den Gattungscharakter bezieht, unerlässlich, indem mit der Aenderung des Gattungscharakters
meistens nicht auch der Name der Gattung geändert wird, und man daher eines Mittels bedarf, um die ver-
schiedenen, mit demselben Namen bezeichneten Gattungen von einander unterscheiden zu können. Dazu
bietet der als Autorität beigesetzte Name ihres Begründers das einfachste und sicherste Mittel dar. Mag nun
eine frühere Gattung in mehrere Gattungen getheilt werden, von denen die eine den Namen der früheren
n.
Gattung beibehält, die andere einen neuen Namen erhält, z. B. Robinia I., Polypodium L., oder mögen
zwei frühere Gattungen in eine einzige zusammengezogen werden, wie Fagus L. aus Fagus Tournef. und
Castanea Tournef. besteht, oder mögen zwei oder mehrere verschiedene Gattungen mit demselben Namen
von verschiedenen Botanikern bezeichnet werden, wie z.B. zweierlei Gattungen Bonplandia, Sturmia, Bal-
bisia, dreierlei Persoonia, Ventenatia, Schrebera, viererlei Brotera etc. aufgestellt wurden, so muss in
allen Fällen jeder der veränderten, oder mit einem älteren Namen versehenen neuen Gattung der Name ihres
Begründers als Autorität mitgegeben werden; alsdann kann kein Zweifel beim Gebrauch eines Gattungsnamen
darüber entstehen, in welchem Sinne derjenige, welcher den Gattungsnamen anführt, denselben verstanden
wissen will. Ebenso muss, wenn aus einer im sonstigen unverändert bleibenden Gattung eine Anzahl von
abweichenden Arten ausgeschieden wird, durch den der Autorität angehängten Zusatz: ex parte oder dergl.
angezeigt werden, dass man zwar den Character, aber nicht den Umfang der Gattung, wie sie vom citirten
Schriftsteller aufgeführt wurde, anerkenne; ferner, wenn man den Umfang einer Gattung beibehält, den
Character derselben aber wegen Aufstellung verwandter Gattungen oder aus andern Gründen umändert, so
muss zwar die ursprüngliche Autorität beibehalten, allein angezeigt werden, dass der Character der Gattung
verbessert worden sei. In allen diesen Fällen wird erst durch die Autorität genau bestimmt, welche Gattung
unter dem Namen verstanden sei; die Autorität ersetzt gleichsam die Anführung des Gattungscharacters, nur
wenn sie beigesetzt ist, kann der Name seine Bestimmung, eine Definition zu ersetzen (nomina idem praestant,
ac integra definitio. Linn. erit. bot. p. 138), erfüllen.
Sehen wir endlich in den botanischen Schriften nach, wie es die Männer, deren Verfahren als Richt-
schnur dienen kann, mit der Anführung von Autoritäten gehalten haben, so erhellt auf den ersten Blick, dass
sie dieselben nur in Beziehung auf den Gattungscharaeter gebrauchten.
TOURNEFORT citirte nur bei den Arten, aber nicht bei dem Gattungsnamen eine Autorität; er konnte
auch keine auf den Character der Gattung sich beziehende Autorität anführen, da er der erste war, welcher
Gattungen im jetzigen Sinne des Worts aufstelltee Eben dadurch aber, dass er bei seinen Gattungen keine
Autorität citirte, zeigte er, dass er Autoritäten, welche sich blos auf den Namen heziehen, nicht anerkenne.
Anders verhielt es sich bereits bei Lmwe. Bei Ausarbeitung seiner Genera plantarum fand er bereits
von verschiedenen Schriftstellern gebildete Gattungen vor, welche er aber zum Theile nicht in ihrer ursprüng-
lichen Umgrenzung anerkannte. Somit trat für ihn das Bedürfniss einer Synonymie der Gattungen, und da-
mit der Citate von Autoren ein, eine Synonymie, von der man früher keinen Begriff hatte ?). . Aus seinen
Genera plantarum ersehen wir, dass Lixse die Autorität beständig auf den Gattungscharacter bezog; es
scheint, er habe dieses für eine so natürliche Sache gehalten, dass er (so viel mir wenigstens bekannt ist),
es nicht einmahl für nöthig hielt, hierüber bestimmte Regeln aufzustellen. Uebrigens citirte Line, wie auch
noch viele späteren Schriftsteller, z. B. JussıEu, Jos. GÄRTNER immer nur die Synonymie von ganzen Gattungen,
gleichsam als von untrennbaren Ganzen, nach Art der Speciessynonyme, woraus erhellt, dass er sich die
ganze Ausdehnung, deren die Synonymie der Gattungen fähig ist, noch nicht vollkommen klar gemacht habe.
1) Generum synonyma allegare vix more receptum fuit ab ullo, in posterum erit. Crit. bot. $. 548.
==E ge
Das Verdienst, in die Synonymie der Gattungen nicht nur ganze Gattungen, sondern auch einzelne Ab-
theilungen der Gattungen anderer Schriftsteller aufzunehmen, gebührt einer späteren Zeit; theilweise wurde
diese Methode bereits von HaLLer angewendet, ihre allgemeinere Aufnahme verdankt sie aber wohl am meisten
der Anwendung, welche Ros. Brown und DeEcanvorLE !) von ihr machten.
Es wäre in der That schwer zu erklären, wie es möglich gewesen ist, die Sitte Autoritäten, die sich
auf den Gattungscharacter beziehen, zu citiren (ein Gebrauch welcher mit möglichster Kürze und Deutlichkeit
alle wünschbare Genauigkeit verbindet,) zu verlassen, wenn es nicht gerade SprENGEL gewesen wäre, welcher
einen abweichenden Weg einzuschlagen versuchte, ein Gelehrter, in welchem sich die Kenntnisse eines in
den Sprachen des Alterthumes wie der neueren Zeit gründlich erfahrenen Philologen mit denen des Botani-
kers vereinigten, bei welchem es also denkbar ist, wie er über philologischen Rücksichten die botanischen
ausser Augen verlieren konnte, wenn es auch unerwartet war, dass ein Bearbeiter von Liwxe’s Philosophia
botanica vom wohlgebahnten Wege abweichen konnte.
Nachschrift.
Ueber die im voranstehenden Aufsatze vertheidigte Ansicht sind mir von verschiedenen Seiten her bei-
fällige Aeusserungen zugekommen, wie das auch kaum anders sein konnte, da die in demselben aufgestellten
Grundsätze nicht ein ganz neues, dem bisherigen Gebrauche entgegengesetztes, in Beziehung auf seine Aus-
führbarkeit zweifelhaftes Verfahren in die Wissenschaft einführen sollten, sondern der Zweck des Ganzen der
war, für ein von einzelnen Botanikern bereits practisch ausgeübtes Verfahren die Gründe bestimmter, als es
bisher geschehen war, zu entwickeln und vor weiterer Verfolgung des vonSpRENGEL eingeschlagenen Irrweges
zu warnen. Es fehlte dagegen auch nicht an Widerspruch gegen die im Vorhergehenden ausgesprochenen
Grundsätze, namentlich waren sie von Seiten Reıchexngac#’s ?) einem mit Humor geschriebenen, aber wie
mich wenigstens bedünken will, nicht durch schlagende Gründe unterstützten Angriffe ausgesetzt. Man er-
laube mir eine kurze Entgegnung auf diese Einwürle. REICHENBAcH giebt unbedingt zu, dass die Autoritäten,
welche auf die Zeit vor TournErorr und Lisse zurückgehen, völlig zu verwerfen seien, indem die früheren
Botaniker noch keinen wissenschaftlichen Begriff von Gattung hatten, er verwirft also mit mir die auf den
blossen Namen sich beziehende Autorität. Die Forderung dagegen, dass sich die Autorität auf den Che-
racter der Gattung beziehen soll und dass desshalb, wenn eine Gattung mit Beibehaltung ihres Namens ge-
ändert werde, auch die Autorität sich ändern müsse, verwirft ReıcuensacH ebenfalls und zwar aus zwei
Gründen; einmahl ist er der Ansicht, dass diese Forderung zur Unmöglichkeit führe, indem so oft eine Species
aus einer Gattung entfernt und zu einem eigenen Genus erhoben werde, auch der Gattungscharacter sich
ändere und damit ebenso oft eine Aenderung der Autorität nöthig werde, was practisch ganz unausführbar
sei, anderntheils stellt er den Satz auf, dass derjenige Botaniker z. B. Live, welcher einen Namen zuerst
4) vrgl Decannorze, theor. elem. edit. 2. $. 237.
2) Handbuch d. natürl. Pflanzensyst. 1857. p. 71—81. ‘
=D
(in seiner Weise) auf wissenschaftliche Weise auf ein Genus angewendet habe, autor generis sei und in dank-
barer Anerkennung des Verdienstes, diese Gattung begründet zu haben, auch für immer als Autor derselben
citirt werden müsse, so lange auch nur eine Species der Gattung verbleibe. Nur dieses Verfahren führe zur
wahren, exacten Wissenschaftlichkeit, denn wir hätten uns nicht an etwas von Menschen unbewusst Erfunde-
nes, nicht an eine subjective Anschauung in Büchern, sondern an ein Object, an eine von der Natur gegebene
Pflanze zu halten.
Was den ersten dieser Gründe anbetrifft, so ist allerdings zuzugeben, dass die durch Trennung der
Gattungen veranlassten Aenderungen der Autoritäten mannigfach lästig sind, allein wenn überwiegende Gründe
für diese Aenderungen sprechen, so müssen wir uns die Sache, als eine durch die Entwicklung der Wissen-
schaft nothwendig gebotene, eben gefallen lassen. Es ist aber in der That dieser Uebelstand lange nicht so
schlimm, als REıcHEngacH ihn darstellt und man wird auch künftighin, wie bisher, ohne die von ihm verlangten
Gattungscalculatoren auskommen können, denn eine Aenderung des Gatturgscharacters ist nicht immer die
nothwendige Folge davon, dass eine Pflanze, welche in eine Gattung gesetzt war, in welche sie nicht passte,
wieder aus dieser Gattung entfernt und einer andern beigezählt oder zu einer besondern Gattung erhoben
wird; es ist z. B. der Gattungscharacter von Hieracium ungeändert geblieben, ungeachtet manche Arten zu
Crepis gezogen, und Hieracium stipitatum zur Gattung Willemetia erhoben wurde; hat sich etwa der
Character von Rumex und von Rheum geändert, weil Oxyria zu diesen beiden Gattungen gestellt und wieder
aus ihnen entfernt wurde? Selbst dann, wenn solche Trennungen nicht ohne eine kleinere Aenderung oder
eine schärfere Bestimmung des Characters der ursprünglichen Gattung vorgenommen werden können, ist eine
Aenderung der Autorität noch in vielen Fällen unnöthig, indem ein kleiner Zusatz, z.B. ex emendatione N.N.
u. s. w. vollkommen hinreicht, um allen Anforderungen Genüge zu thun. Wenn dagegen die ursprüngliche
Gattung in Folge einer unvollkommenen Kenntniss von der Organisation der in ihr vereinigten Pflanzen auf
eine Weise gebildet wurde, welche später eine wesentliche Aenderung derselben nothwendig macht, wie dieses
z.B. bei den Asclepiadeen, den Orchideen eintrat, dann ist, wenn nicht unausbleibliche Verwirrung eintreten
soll, eine Aenderung der Autorität nöthig. Solche Aenderungen kommen aber auch nicht alle Tage vor, sie
sind meist Folge von monographischen Bearbeitungen einer Familie, welche häufig so viel Neues und fortan
zu Beachtendes zu Tage fördern, dass die Aenderung der Autorität einiger Gattungsnamen einen sehr kleinen
Bruchtheil des in der Wissenschaft in Folge einer solchen Arbeit sich Aendernden bildet.
Der zweite von REıcnensacH angeführte Grund ist nach meiner Ansicht ein vollkommen irriger. Die
Gattung bezieht sich nicht auf Eine Pflanze; sie darf zwar allerdings nicht etwas „unbewusst Erfundenes“
sein, aber sie ist nichts objectiv in der Natur Gegebenes, sondern ein idealer Begriff, in welchem die gemein-
schaftlichen Charactere mehrerer Pflanzen zusammengefasst werden. Dieser Begriff ist in mancher Beziehung
ein künstlicher und willkührlicher; je nach dem Stande der Wissenschaft verlangte man von den in eine Gat-
tung zusammengestellten Pflanzen eine geringere oder grössere Uebereinstimmung in ihrer Organisation.
Eine grosse Zahl der Gattungen, wie wir sie jetzt haben, ist nicht in Beziehung auf die Artenzahl, aber wohl
in Beziehung auf die Verschiedenheit der Organisation der zu ihnen gerechneten Pflanzen von weit engeren
I
Grenzen umschlossen, als die Linneischen Gattungen, welche denselben Namen tragen, sie sind also in Be-
ziehung auf ihren wissenschaftlichen Gehalt wesentlich andere Gattungen, denen ebenso gut ganz andere Namen
hätten gegeben werden können. Will man von einer auf diese Weise in neuerer Zeit enger begrenzten Gat-
tung irgend etwas, was ihre Organisation, ihre geographische Verbreitung und ähnliche Verhältnisse betrifft,
‚aussagen, so muss man doch das Mittel haben, dieselbe bezeichnen zu können. Der Name allein, z. B. Or-
chis, Asclepias reicht dazu nicht hin, denn wer kann beim Gebrauche eines solchen Namens wissen, ob der
Schriftsteller unter demselben die Pflanzengruppe, welche Line mit diesem Namen bezeichnete, oder die
weit enger begrenzte, wie sie Ro. Brown unter diesem Namen versteht, verstanden haben will? Ein sol-
cher ohne nähere Bezeichnung gebrauchter Name ist daher in vielen Fällen ungenau und kann leicht zu Irr-
thümern aller Art Veranlassung geben. Noch schlimmer wird aber die Sache, wenn man Rrıcuensaon’s Rath
befolgt und die Autorität des Urhebers beisetzt, denn nun müssen die Leser glauben, dass man diese be-
stimmte Autorität nicht blos als überflüssige historische Notiz beifügte, sondern dass sie etwas bedeuten soll,
dass der Schriftsteller, welcher den Autor citirt, damit andeuten will, dass er die Gattung auch in dem Sinne,
in welchem sie der Autor aufstellte, verstanden wissen will, während derselbe sie vielleicht in dem Sinne
Ro». Brown’s genommen hatte; in diesem Falle ist man aber mit einer solchen Citation eines Autors nicht
blos ungenau, sondern man sagt etwas positiv Falsches aus. Allen diesen Uebelständen entgeht man ganz
einfach, wenn man den Autor eitirt, welcher die Gattung in dem Sinne, in welchem man sie verstanden wis-
sen will, aufstelle. Wenn man bei einer Species einen Autor citirt, so drückt man mit dieser Autorität aus,
dass man genau dieselbe Art, wie sie jener Autor unter diesem Namen verstand, im Sinne habe, welcher Grund
liest nun vor, bei den Gattungsnamen die Autorität in einem ganz andern Sinne zu citiren, mit derselben
nicht anzudeuten, dass man die Gattung gerade so, wie sie der citirte Autor gebildet hat, verstehe, sondern
nach REıcHeEngacn’s Vorschrift daran zu erinnern, dass der citirte Autor überhaupt eine Gattung unter diesem
Namen gründete? Welcher Art die „wahre, exacte Wissenschaftlichkeit“ ist, zu welcher dieses Verfahren
führen müsste und ob ich zu starke Ausdrücke gewählt, wenn ich dasselbe bedeutungslos und unwissen-
schaftlich nannte, darüber wird wohl bei näherer Ueberlegung wenig Streit sein.
2*#
u.
Ueber die Symmetrie der Pflanzen.
(Umarbeitung einer im Jahre 1856 erschienenen Dissertation.)
Die Bildungsthätigkeit der organischen Körper äussert sich in bestimmten einander entgegengesetzten
Richtungen, wass sich in der äussern Gestaltung der organischen Körper ausspricht, indem an ihnen ein
Gegensatz der einander gegenüberliegenden Theile sichtbar ist. Der einfachste Fall ist der, in welchem die
Bildungsthätigkeit nur nach zwei entgegengesetzten Richtungen einen Gegensatz bildet, nach allen andern
Richtungen hin dagegen gleichförmig wirkt; hiedurch wird im organischen Körper ein Gegensatz von Oben
und Unten bewirkt (nämlich, wenn man sich denselben in senkrechter Richtung denkt, bei horizontaler Lage
muss man diesen Gegensatz mit Vorn und Hinten bezeichnen), es ist aber keine hintere und vordere Seite,
keine rechte und linke Hälfte zu unterscheiden; diese Bildungsweise kann man mit E. Meyer (Linnaea T. VII.
p- 419) die concentrische nennen. Wenn dagegen die Bildungsthätigkeit des organischen Körpers nicht
nur an den beiden Enden der Längenachse einen organischen Gegensatz hervorruft, sondern wenn sich auch
in einer mit der erstern sich rechtwinklig kreuzenden Richtung ein zweiter Gegensatz ausspricht,, so entsteht
eine vordere und hintere, von einander verschiedene Seite, und eben damit eine rechte und linke einander
genau entsprechende Hälfte, wesshalb diese Bildungen mit dem Ausdrucke der symmetrischen bezeichnet
werden !). Endlich kann auch noch die rechte und die linke Hälfte einen organischen Gegensatz bilden, wo-
durch jene Symmetrie wieder mehr oder weniger aufgehoben wird;, eine Bildung, welche Meyer die dia-
phorische nennt.
Dass alle diese drei Bildungen im Thierreiche vorkommen, ist bekannt. Weniger untersucht sind da-
gegen diese Verhältnisse im Pflanzenreiche, von dem man im Allgemeinen annimmt, dass in ihm durchaus
die concentrische Bildung herrschend sei, dass es an der Pflanze nur ein Oben und Unten, aber kein Vorn
und Hinten, kein Rechts und Links gebe, dass man dieselbe um ihre Achse drehen dürfe, wie man wolle,
1) Sehr häufig fassen die Botaniker z. B. Lısx die concentrischen und die symmetrischen Gebilde unter dem
Namen der symmetrischen zusammen, indem sie die Definition aufstellen, es seien symmetrische Körper
solche, welche durch einen Schnitt in zwei gleiche Hälften getheilt werden können. Es ist leicht einzu-
sehen, dass auf diese Weise zweierlei wesentlich verschiedene Bildungen nicht unterschieden werden ; bei
der symmetrischen (in dem von mir angenommenen Sinne) ist eine Theilung in zwei gleiche Hälften nur
durch einen einzigen Schnitt möglich, bei der concentrischen dagegen durch viele.
ee
ohne dass man verschiedene Seiten an ihr erkennen könne; nur in einigen wenigen isolirten Fällen und bei
einzelnen Organen erkannte man bei der Pflanze eine symmetrische Bildung als Ausnahme von der Regel an.
Diese Ansicht ist, wenn man, wie dieses gewöhnlich geschieht, den Stamm der höhern Gewächse im
Auge hat, im Allgemeinen richtig, allein eine nähere Betrachtung wird zeigen, dass dennoch eine Menge von
Formen und Eigenthümlichkeiten des Wachsthumes im Pflanzenreiche vorkommen, welche mit jener Annahme
einer concentrischen Bildung unverträglich sind und welche beweisen, dass wenn die concentrische Bildung
auch in denAchsen und Blüthen die vorherrschende ist, sie dennoch nicht allein in der Pflanze ausgesprochen
ist, sondern dass die meisten Organe der Pflanzen eine mehr oder weniger deutliche Hinneigung zur sym-
metrischen Bildung besitzen.
Der Grund, warum dieses beinahe allgemein übersehen wurde, liegt wohl darin, dass man, wenn vom
Baue und dem Wachsthum der Pflanze die Rede ist, beinahe immer nur die Pflanzen der höheren Ordnungen
ins Auge fasst, während eine richtige Ansicht über die Pflanzen, bei welchen Stengel und Blatt getrennt sind,
nur durch eine Vergleichung derselben mit der Bildung des Thallus der niedern Pflanzen erlangt werden kann.
Betrachten wir die Familie der Algen und Schwämme, so sehen wir, wie sich die Form derselben wenn sie
sich über die Gestalt der kuglichen Zelle erhebt, zunächst in die Gestalt des Fadens übergeht, indem entweder
die einzelne Zelle, welche die ganze Pflanze darstellt, sich verlängert, oder mehrere Zellen sich in linearer
Reihe übereinander stellen; hiemit ist ein oberes und unteresEnde gegeben. Wenn gleich in manchen Fällen,
z. B. bei den Oscillatorien, diese beiden Enden noch vollkommen gleich sind, somit noch kein Grund zur
Unterscheidung des oberen und unteren gegeben ist, so tritt doch in den meisten hierher gehörigen Fällen
dieser Unterschied deutlich hervor, indem die beiden Enden der Pflanze in Beziehung auf Form und physio-
logische Eigenthümlichkeiten eine bedeutende Verschiedenheit zeigen, das eine Ende die Bestimmung hat, die
Pflanze zu befestigen und ein geringes Wachsthum nach unten zeigt, während das andere Ende in entgegen-
gesetzter Richtung wächst und sich zu dem Theil der Pflanze, welcher der Ernährung und Fructification vor-
steht, entwickelt z. B. bei den meisten Conferven. Die Richtung dieser fadigen Gebilde hat in den meisten
Fällen (wenigstens was den vegetativen Theil der Pflanze betrifft) noch keine bestimmte Beziehung zur senk-
rechten Linie, indem sie sich meist nach der Lage und Form der Unterlage richtet, oder die Pflanzen im
Wasser flottiren. Eine rechte und linke Seite ist bei diesen einfachen Fäden noch nicht zu erkennen, es zeigt
sich jedoch an ihren einzelnen Zellen ein Umstand, welcher hier vielleicht anzuführen ist, indem er auf einen
Gegensatz zwischen den einander entgegenliegenden Seiten derselben hinzuweisen scheint. Es ist nämlich
eine häufige Erscheinung, dass die Zellen beim Vertrocknen platt werden und zwei scharfe Seitenkanten be-
kommen. Auf die Bildung der ganzen Pflanze hat dieses Verhältniss keinen Einfluss, indem die Zeilen im
frischen Zustande cylindrisch sind und in den aufeinanderfolgenden Schläuchen die Richtung der diese Seiten-
kanten verbindenden Fläche sich rechtwinklig kreuzt. Dieses Verhältniss scheint überhaupt ein für alle Pflan-
zenzellen allgemeines zu sein, indem auch bei den höheren Pflanzen in den Haaren, welche aus einfachen
Zellenreihen bestehen, dieselbe Veränderung der Form beim Vertrocknen eintritt. Es ist diese Anwesenheit
von zwei, einander entgegengesetzten, wenn auch nicht sichtbaren Längelinien in der Pflanzenzelle um so
ae
wichtiger, da auch in der Erscheinung des kreisenden Saftes in der Zelle zwei solcher Linien (welche bei
Chara in gewundener Richtung verlaufen und dadurch sichtbar werden, dass auf der innern Zellenfläche
längs dieser Linien keine grünen Körner liegen) sich zeigen, deren Einfluss auf die Bewegung des Saftes sich
darin ausspricht, dass die Fläche, welche diese Linien verbindet, die Grenze zwischen dem aufsteigenden und
absteigenden Saftstrome bildet, wovon Manche irriger Weise den Grund in der Anwesenheit einer wirklichen
Scheidewand suchten, welche nicht vorhanden ist.
Von der Form dieser einfachen, fadenförmigen Gewächse findet ein doppelter Uebergang zu den zu-
sammengesezteren Formen statt.
Auf der einen Seite kann, wenn die Pflanze aus einer einzigen Zelle gebildet ist, diese Zelle durch mehr
oder weniger regelmässige Verästelung dem Gewächse wenigstens in Beziehung auf den äussern Habitus die
Gestalt einer zusammengesetzteren Pflanze ertheilen. Hier treten uns die ersten Spuren einer symmetri-
schen Bildung entgegen, indem bei manchen hierher gehörigen Pflanzen die Verästelungen mit geringerer
oder grösserer Regelmässigkeit nach zwei Seiten hin liegen, wovon Bryopsis plumosa ein schönes Beispiel
darbietet. Auf der andern Seite tritt eine Mehrzahl von Fäden in mehr oder weniger genaue Verbindung,
um ein gemeinschaftliches Gewächs zu bilden. Man hat häufig und zwar mit Unrecht versucht, die höheren
Pflanzen aus solchen Verbindungen niederer, fadenförmiger Gewächse abzuleiten, bei der Betrachtung des
Thallus vieler Pilze und Algen möchte jedoch diese Vorstellung kaum abzuweisen sein. Der flockige Thallus
der meisten Pilze, der flockige Hypothallus einer Flechte ist wohl in den meisten Fällen aus einer zufälligen
Verbindung vieler, neben einander keimender und wachsender, faserförmiger Keimpflänzchen hervorgegangen
und man kann bei ihm nicht bestimmen, in wie weit man die einzelnen Fäden oder die ganze Masse derselben
als Individuen betrachten soll. Häufig treten sie erst bei weiterer Entwicklung zu engerer Verbindung zusam-
men, theils um wie bei den Pilzen eine gemeinschaftliche Fructification zu treiben, theils um wie bei den Flechten
zur Bildung der schon eine ziemlich verwickelte Organisation zeigenden Vegetationsorgane zusammen zu
wirken. Tritt eine reichliche Intercellularsubstanz zu den Fäden, welche dieselben zu einem zusammenhän-
genden, scharf umschriebenen Gebilde vereinigt, wie dieses in niederem Grade bei Rivularia, in höherem
bei Chaetophora, Hydrurus, Nostoc der Fall ist, so tritt mit der bestimmten Begrenzung, welche die
Gesammtmasse erhält, auch eine bestimmtere Individualität der ganzen zusammenhängenden Masse der Fäden
hervor. Wie bei den einfachen, fadenförmigen Gebilden die Individualität zwischen der einzelnen Zelle und
dem ganzen Faden schwankt, insoferne die einzelne Zelle in vielfacher Beziehung ein selbstständiges Leben
führt, sich selbst ernährt, unabhängig von den benachbarten fructificirt und doch das Ganze wieder einem
gemeinschaftlichen Bildungsgesetze gehorcht, das eine Ende sich als Wurzel festsetzt und das andere in ent-
gegengesetzter Richtung wächst, so gehorchen die untereinander verbundenen Fäden eines Nostoc u. s. w.
in ihrer Vegetation wieder einem das Ganze beherrschenden Gesetze und stellen einen Thallus von bestimmter
Form dar.
Wenn beim Confervenfaden die Richtung in die Länge vorherrscht, in Folge hievon bei den meisten
Formen nur ein Wachsthum von unten nach oben vorkommt und nur bei einem Theile derselben eine seit-
Ba
liche Ausbreitung unter der Form von Aesten sich zeigt, so finden wir beim Thallus im Allgemeinen eine
wesentlich andere Form, die der horizontalen Ausbreitung, vorherrschend.
Man kann wohl beim Thallus zwei Hauptformen unterscheiden, die flachausgebreitete, vom Centrum
nach allen Seiten hin in concentrischen Kreisen sich vergrössernde und die mehr oder weniger aufgerichtete,
nach oben wachsende und der Strauchform sich annähernde Gestalt. Beide können wir uns als aus einer
Vereinigung fadiger Gebilde hervorgegangen denken. Lassen wir nämlich die Fäden eines flockigen, auf
horizontaler Unterlage nach allen Seiten hin strahlenförmig sich ausbreitenden Thallus in engere Verbindung
treten, wie dieses in der That nach Mryver’s Beschreibung bei keimenden Flechten stattfindet, so entsteht der
concentrisch gebildete, crustenförmige Thallus. Lassen wir dagegen in paralleler Richtung liegende Con-
fervenfäden seitwärts zu einer Fläche verwachsen, so erhalten wir einen, mit Ausnahme seiner Basis vom
Boden losgelösten laubartigen Thallus, welcher ein Wachsthum nach oben und auf die Seiten und eine mehr
oder weniger regelmässige symmetrische Bildung zeigt. Diese beiden Grundformen des Thallus gehen auf
die mannigfachste Weise ineinander über. Nehmen wir eine Rivularia Pisum, so haben wir von einem
gemeinschaftlichen Centrum in Form der Radien einer Halbkugel nach allen Seiten hin ausstrahlende Confer-
venfäden, es bildet sich daher eine halbkugliche Masse, welcher jede, einen organischen Körper characteri-
sirende äussere Gestalt fehlt. Lassen wir die Fäden diese gleichförmige, strahlenförmige Richtung verlassen,
dieselbe parthienweise untereinander zusammentreten und nach den Seiten hin in Lappenform sich ausbrei-
ten, so haben wir die Form des Thallus von Chaetophora endiviaefolia ; lassen wir die Fäden in einen ge-
meinschaftlichen Bündel sich vereinigen und stärker in die Länge wachsen, so haben wir die Form von Hy-
drurus penicillatus; lassen wir die Fäden ihre parallele Richtung aufgeben, auf unregelmässige Weise sich
untereinander verwickeln und verfilzen, so haben wir die lappige Form eines Nostoc, einer strahlenförmig
vom Centrum nach aussen wachsenden Flechte z. B. von Lecidea Wahlenbergü, Parmelia chlorophana;
lassen wir den Thallus einer Flechte von seinem Centrum aus sich ungleichförmig, hauptsächlich nach einer
Seite hin sich vergrössern, wie bei Pelfidea venosa, so haben wir den Uebergang zur flächenförmig nach
oben und auf die Seite hin wachsenden Thallusform, wie sie bei den Flechten z. B. bei Cetraria, unter den
Algen z. B. bei Padina sich findet.
Wir finden bei den zuletzt genannten Formen des Thallus einen Gegensatz von oben und unten, analog
wie beim Confervenfaden, zugleich finden wir einen rechten und linken Rand, eine vordere und hintere Seite.
Der Gegensatz von oben und unten stellt sich beim horizontalen, concentrischen Thallus als Gegensatz von
Centrum und Peripherie dar und es tritt hier (schärfer als beim laubförmigen Thallus) ein Gegensatz der beiden
Seiten, die hier eine obere und untere Fläche darstellen, auf, welche Flächen, wenn wir uns den Thallus aus
strahlenförmig auseinander laufenden Fäden zusammengesetzt denken, den vordern und hintern Seiten der dem-
selben zu Grunde liegenden Fäden entsprechen. Bei den einfachen, fadenförmigen Gebilden, z. B. bei einer
Oscillatoria, sind alle Seiten gleich, bei den liegenden Fäden eines flockigen Thallus eines Pilzes ist wohl in
Beziehung auf die Lage, aber nicht in Beziehung auf die Organisation ein Unterschied zwischen oberer und
unterer Seite eingetreten und nur in einzelnen Fällen ist durch seitliche Verzweigung ein Unterschied zwischen
De Ze
rechter und linker Seite und oberer und unterer Fläche angedeutet. Mit derBildung eines zusammenhängen-
den Thallus tritt mehr oder weniger deutlich eine Organisationsverschiedenheit der oberen und unteren Fläche
auf, während das Wachsthum dem ursprünglichen Character der Verlängerung an der Spitze und zu beiden
Seiten gleich bleibt. Wie aber bei den Conferven nicht blos ein Wachsthum an der Spitze vorkommt, son-
dern auch das untere Ende sich häufig unter Wurzelform verlängert, so findet sich auch beim Thallus in
manchen Fällen eine Andeutung dieses Wachsthums nach unten.
Betrachten wir in dieser Beziehung den Thallus solcher Pflanzen, welche durchaus ihrer Unterlage an-
geheftet sind, wie bei den Crustenflechten, so finden wir keine wurzelähnliche Verlängerung vom Centrum
abwärts, sondern nur ein immer weiter fortschreitendes Wachsthum des Randes, allein eine solche wurzel-
ähnliche, vom Mittelpuncte abwärts gehende Verlängerung ist schon durch die mechanischen Verhältnisse
des ganzen Gebildes unmöglich gemacht.
Anders verhält es sich dagegen bei den mit einem nur im Centrum aufsitzenden, im Uebrigen von der
Unterlage abgelösten Thallus versehenen Pflanzen. Hier entspricht das Centrum des Thallus dem untern
Ende der ihn, der obigen Ansicht gemäss, zusammensetzenden Theile, es zeigt dasselbe das Streben abwärts
zu wachsen und stellt sich gewöhnlich unter der Form einer auf der Unterlage der Pflanze sich scheibenför-
mig ausbreitenden Verlängerung dar. Diese Scheibe entwickelt sich bei manchen Algen des Salzwassers,
deren Thallus von seinem Anheftungspuncte nicht concentrisch nach al en Seiten hin wächst, sondern eine
Fächerform besitzt, wie bei Laminaria esculenta, digitata zu besonderer Grösse, lauft am Rande in finger-
förmige Verlängerungen aus und hat eine Neigung nach unten zu wachsen und sich einem festen Körper an-
zuschliessen, während sich der Thallus vom Boden loszumachen und dem Lichte entgegenzuwachsen strebt.
Man hat diese Anheftungsscheibe eine Wurzel genannt, allein dagegen wurde Widerspruch erhoben. Beide
Parthien haben in ihrer Art Recht; in morphologischer Beziehung ist der Theil, welcher vom Anfangspuncte
der ganzen Pflanze abwärts, in entgegengesetzter Richtung von dem nach oben und demLichte zugewendeten
Ende wächst, und die Pflanze anheftet, eine Wurzel, will man sie hingegen nicht mit dem Namen radix be-
legen, aus ähnlichen Gründen, aus denen man den Thallus nicht caulis heisst, so ist dagegen auch nichts
einzuwenden, aber dennoch zu bemerken, dass diese Wurzel der Phanerogamenwurzel weit ähnlicher ist, als
der Thallus dem Stengel der beblätterten Pflanzen. Der Grund, den man wohl auch anlührt, es seien diese
Anheftungsorgane keine Wurzeln, weil sie nicht zur Ernährung der Pflanzen durch Aufsaugung dienen, ist
nicht gültig, insoferne die Function allein die organographische Deutung eines Theiles nicht bestimmt.
Diese schildförmige Wurzel kommt mehr solchen Gewächsen zu, deren Zellen durch reichiiche Inter-
cellularsubstanz zu einer beinahe homogenen Masse verbunden sind, wie bei den Algen des Salzwassers, bei
solchen Pflanzen hingegen, welche in der Luft leben, welche Chlorophyll enthalten und deren Substanz sich
mehr der Natur der höhern Pflanzen annähert, wie theilweise schon bei Flechten z. B. Peltidea, in höherem
Maasse bei den mit einem Thallus versehenen Lebermoosen der Fall ist, tritt die Wurzelbildung unter anderer
Form auf. Bei diesen Pflanzen lösen sich nämlich einzelne Zellenbündel auf der untern Fläche des Thallus
los und heften nach Art von Faserwürzelchen die Pflanze auf der Unterlage fest (Flechten), oder es verlän-
ehe
gern sich einzelne Zellen der untern Fläche des Thallus zu Wurzelhärchen (z. B. bei den Lebermoosen) auf
dieselbe Weise, wie es bei einzelnen Zellen der Wurzelrinde der meisten monocotyledonischen und dicotyle-
donischen Gewächse der Fall ist.
Der horizontal ausgebreitete Thallus scheint auf eine mehrfache Weise in strauchartige, dem Stamme
der höhern Pflanzen mehr oder weniger ähnliche Formen übergehen zu können. Einmahl geschieht dieses
dadurch, dass fruchtähnliche Hervorragungen ein bedeutendes Längewachsthum erhalten und dadurch in ein-
fache, hornförmige, oder in strauchförmige ästige Formen übergehen, mit welcher Entwicklung der eigentliche
Thallus mehr oder weniger verkümmert, z. B. bei Cladonia. Diese Umwandlung des Thallus in Strauchform
kommt bei unserer weitern Untersuchung nicht mehr in Betracht, insoferne sie nur den Schein einer strauch-
artigen Pflanze nachahmt, ohne eine bestimmte, bei höhern Pflanzen fortgesetzte Entwicklungsstufe dar-
zustellen. {
Eine zweite, ebenfalls nur den Schein einer wirklichen Verästelung und verschiedener, auf einander in-
serirter Achsen darstellende Umwandlung des Thallus in einen strauchförmigen Körper erfolgt dadurch, dass
die Einschnitte und Lappen, in welche der horizontal ausgebreitete Thallus vieler Cryptogamen getheilt ist,
sich verschmälern, stark in die Länge wachsen und eine mehr oder weniger rundliche Form annehmen. Die
dem Thallus natürliche Verästelung erfolgt in zwei seitlichen Linien, wie bei einfach oder mehrfach gefiederten
Blättern, und wir sehen auch, besonders bei den Salzwasseralgen, diese Verzweigung häufig auf das deutlichste
und zierlichste vor Augen liegen, z. B. bei den meisten Fucoideen und Florideen, erkennen sie aber eben
so deutlich auch noch bei den meisten Flechten mit laubartigem Thallus, bei Riccia, Marchantia etc. Eine
strauchähnliche Form erhält nun der Thallus, wenn er im Ganzen statt seiner horizontalen Lage eine mehr
senkrechte Richtung annimmt und wenn seine Lappen unregelmässig hin und her gebogen sind, z. B. bei
Cetraria aculeata, doch ist in diesen Fällen die Entstehung der Strauchform aus dem horizontalen, blatt-
ähnlich ausgebreiteten Thallus immer noch leicht an der abgeplatteten Form des Thallus zu erkennen. Schwie-
riger erkennbar wird diese Entstehung eines strauchartigen Thallus aus dem laubartigen, horizontal ausge-
breiteten, auf beiden Seiten verschieden organisirten Lager bei solchen strauchartigen Flechten, bei welchen
der Thallus ein stielrundes Stämmchen bildet und keine Unterscheidung zwischen oberer und unterer Seite
mehr zulässt, z. B. bei Usnea, Evernia u. s. w. Doch kann über die mit dem vorigen Falle ganz analoge
Entstehungsweise auch dieser Form kein Zweifel bleiben, wenn man die verschiedenen Formen der Gattungen
Ramalina, Evernia, Alectoria vergleicht, und wenn man den Uebergang des laubartigen Thallus von Par-
melia stygia in Cornicularia lanata verfolgt !). Vergleicht man einen solchen strauchartigen Flechten-
thallus mit dem laubartigen, so fallen vor allem zwei Puncte in die Augen, nämlich erstens, dass an demselben
kein Unterschied zwischen oberer und unterer Seite mehr sichtbar ist, sondern dass die Corticalsubstanz
gleichförmig den Stamm und die Aeste des kleinen Strauches rings umgiebt und dass sich im Gegensatze zu
dieser Rindenlage ein festerer oder lockerer centraler Strang gebildet hat, zweitens dass die Verzweigungen
1) Vgl. die schöne Abbildung dieses Ueberganges in Mrver’s Nebenstunden meiner Beschäftigungen im Gebiete
der Pflanzenkunde.
3
ee
nicht mehr, wie beim laubartigen Lager nur auf zwei seitlichen, der Länge nach verlaufenden Linien sitzen,
sondern ringsum nach allen Seiten abstehen. Es hat sich also vor unsern Augen ein blattartiges, eine obere
und untere Seite zeigendes Gewächs in ein strauchartiges, an welchem weder Rechts noch Links, weder Vorn
noch Hinten zu unterscheiden ist, umgewandelt. Noch dürfen wir aber nicht diesen strauchförmigen Thallus
mit dem Achsensysteme einer phanerogamen Pflanze vergleichen, insoferne immer noch die Aeste eines sol-
chen Thallus nichts anderes, als Abtheilungen eines und desselbenGanzen, und nicht wie bei den höheren
Pflanzen, aus Knospen entstandene, neue, auf der Mutterpflanze wurzelnde Individuen sind; indessen ist un-
streitig in diesen Formen eine Andeutung des in einer höheren Classe normalen Ueberganges der symme-
trischen Bildung in die concentrische gegeben.
Vollkommen erreicht wird eine concentrische Bildung bereits schon bei einigen Algen, besonders bei
Olivia, Batrachospermum moniliforme und bei den Charen,, ferner bei manchen Fadenpilzen, ohne dass
sich aber, wie es scheint, von diesen Pflanzen aus die Reihe zu der Bildung der Phanerogamen [ortsetzen liesse.
Diesen Uebergang finden wir dagegen auf das deutlichste bei der Gattung Jungermannia ausgesprochen )).
Während wir in der Abtheilung der Jungermanniae frondosae einen bald nervenlosen, bald mit einem Ner-
ven durchzogenen Thallus treffen, dessen äussere Form und Art des Wachsthumes die vollkommenste Achn-
lichkeit mit dem Thallus von Marchantia, Anthoceros etc. hat und sich an den der Lichenen anschliesst,
so sehen wir bei der bei weitem grössten Mehrzahl der zu dieser Gattung gehörenden Arten die auf beiden
Seiten des Stengels flügelartig vorstehende Blattsubstanz in Blättchen getheilt und den Mittelnerven zum be-
blätterten Stamm geworden.
Mit dem Auftreten der Blätter eröffnet sich nun nicht nur eine unendlich reiche Reihe von vegetabi-
lischen Formen, sondern es tritt uns auch in der Anordnung der Theile ein neues Gesetz, das der spiraligen
Stellung, entgegen. Wo in der Pflanze die spiralförmige Ordnung der seitlichen Organe scharf ausgeprägt und
ungestört auftreten soll, ist es unerlässliche Bedingung, dass die Achse wenn auch nicht gerade senkrecht
steht, doch nicht in horizontaler Richtung auf dem Boden aufliegt. Bei horizontaler Stellung findet sich
neben dem Gegensatze von oben und unten (Spitze und Basis) immer auch mehr oder weniger deutlich ein
Gegensatz einer gegen den Himmel und einer gegen die Erde gewendeten Fläche von abweichender Bildung.
Die von der Basis gegen die Spitze aufsteigende Spirale setzt, wenn sie regelmässig verlaufen soll, eine Gleich-
heit sämmtlicher Seiten des von ihr umwundenen Organes voraus, diese Gleichheit wird aber bei horizontaler
Stellung durch die in Folge derselben eintretende Organisationsverschiedenheit der gegen den Himmel und
der gegen die Erde gewendeten Seite mehr oder weniger aufgehoben; es treten an einem solchen Theile zwei
seitliche Linien, welche einander entsprechen und für die Organisation gleiche Bedeutung haben, ferner eine
obere und untere Linie, die einen Gegensatz unter einander und mit den seitlichen Linien bilden, auf und je
nachdem diese Linien schärfer ausgeprägt sind, wird das Streben der Organisation, nach der Richtung einer
Spirale thätig zu sein, gänzlich oder theilweise unterdrückt werden. Wir werden daher immer die Spirale in
1) Vgl. Decasvorze, Organ. yeget. T. I. p. 376. Nuxs v. Esensecex, Europ. Lebermoose T. I. p. 46 ete.
ze)
den senkrecht stehenden Theilen deutlicher hervortreten, in den horizontalen zurücktreten sehen, wir werden,
da die Schraubenlinie keine unterscheidbaren Seiten hat, in allen Theilen, in denen sie vorherrscht, die con-
centrische Bildung herrschend finden, in allen horizontalen Theilen dagegen werden wir mehr oder weniger
deutlich eine einander entsprechende linke und rechte Seite, eine ungleichmässige nach oben und unten ge-
wendete Fläche, daher in Form und Organisation mehr oder weniger deutlich eine symmetrische Bildung her-
vortreten sehen. Aufs schärfste spricht sich dieser Unterschied in der Familie der Lebermoose aus. Wäh-
rend der horizontale Thallus einer Riceia, Marchantia noch keine Andeutung einer spiraligen Structur,
sondern rein symmetrische Seitenhälften, eine verschiedene obere und untere Fläche besitzt, so tritt an dem
senkrecht wachsenden Thallus von Duriaea!) die spiralige Bildung vielleicht deutlicher, als bei irgend einer
andern Pflanze auf, indem die zu einer fortlaufenden Haut zusammengeflossene Blattsubstanz die Mittelrippe
in regelmässiger Schraubenlinie umgiebt. Die Blätter der beblätterten Lebermoose haben, wie dieses .NEEs
von EsengEck nachwies, einen doppelten Ursprung. Die grösseren, flügelförmig auf beiden Seiten vorsprin-
genden, der oberen Seite des Stammes näheren Blätter entsprechen der blattförmigen Ausbreitung des Thal-
lus, während die einfache oder doppelte Reihe kleinerer, auf der untern Seite des Stammes liegender Blätter
(die Amphigastrien) ihr Vorbild in blattähnlichen Schuppen besitzen, welche theils bei manchen Jungerrman-
nien mit laubähnlichem Thallus, theils bei andern mit einem Thallus versehenen Lebermoosen (z. B. Riccia
fimbriata, R. squamata, vgl. Marrıvs, icones pl. crypt. Brasil. Tab. xv.) auf der untern Fläche des Thallus
sich finden. Die Annäherung an die Thallusbildung spricht sich bei der Mehrzahl der beblätterten Junger-
mannien noch deutlich aus in der mehr oder weniger horizontalen Lage des Stammes, welcher nicht nur ein
oberes und unteres Ende (eine Spitze und eine Basis), sondern auch eine obere und eine untere Seite, ein
Rechts und Links zeigt. Die zu beiden Seiten des Stammes stehenden Blättchen sind mit ihrer Fläche mehr
oder weniger in die Längenrichtung des Stammes gestellt und schneiden dieselbe beinahe nie unter einem
rechten Winkel, sondern zeigen nur eine Annäherung an die dem Blatte der höheren Pflanze eigenthümliche
Stellung dadurch, dass ihre Basis meistens diagonal steht.
Lässt sich bei den mit zweizeiligen Blättern versehenen Jungermannien die Analogie ihres Stammes und
ihrer Blätter mit dem Thallus der Jungermanniae frondosae nicht verkennen, so bilden die mit einer oder
zwei Reihen Amphisastrien versehenen Arten (besonders solche Formen, bei welchen die Amphigastrien sich
in ihrer Form den Blättern nähern wie bei Jungermannia setiformis) auf der andern Seite den Uebergang
zu den höheren Pflanzen, bei welchen sich die Blätter aus ihrer Stellung in auffallenden Zeilen und aus ihrer
mit der Richtung des Stammes übereinstimmenden Lage meistens gänzlich losgerissen haben.
Die symmetrische Bildung einer entgegengesetzten linken und rechten Hälfte spricht sich bei den be-
blätterten Jungermannien nicht nur in der zweizeiligen Stellung ihrer grossen Blätter überhaupt aus, sondern
noch mehr in dem Umstande, dass diese Blätter meistentheils sowohl in Beziehung auf ihre Anheftung, als in
Beziehung auf ihre Form nicht aus zwei gleichen seitlichen Hälften bestehen, sondern dass der eine Rand
1) Vgl. Comptes rend. vom 22sten Mai 1843.
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derselben eine abweichende Form vom andern Rande besitzt, und dass bei den auf den entgegengesetzten
Seiten des Stengels sitzenden Blättern die ungleichnamigen Blatthälften eine übereinstimmende Gestaltung
haben. Es sind daher die Blätter der rechten und der linken Seite des Stengels auf ähnliche Weise, wie die
rechte und linke Hand des Menschen einander nicht gleich, sondern symmetrisch gebaut.
Den Uebergang von der Form der Jungermannienblätter zur Form der gewöhnlichen, mit dem Stengel
rechtwinklig gekreuzten Blätter finden wir in der Reihe der Laubmoose auf eine etwas abweichende Art aus-
gebildet. Wenn bei Schistostega das unfruchtbare Stämmchen noch die Form eines fiedriggetheilten Blat-
tes zeigt, und die einzelnen Blättchen nur einen obern und untern Rand und zwei Seitenflächen, aber keine
Andeutung einer obern und untern Fläche zeigen, so ist bei Fissidens bereits der untere Theil des oberen
Blattrandes, wie bei den Blättern von Iris, zu einer kleinen obern Blattfläche vertieft, und damit ebenfalls
ein Anfang zu der auf dem Stengel rechtwinklig aufsitzenden Stellung der Blätter gegeben. Wenn nun auch
bei der Mehrzahl der Moose die Stellung der Blätter in einer den Stamm umkreisenden Spirale, und die recht-
winklige Stellung derselben auf dem Stamme erreicht ist, so sind dennoch der Mangel eines Blattstieles, das
feste Verwachsensein der Blätter mit dem Stamme, der häufige Mangel eines Blattnerven lauter Momente,
welche diese Blätter als noch nicht zu völliger Selbstständigkeit gekommene Theile des zerfallenen Thallus
characterisiren.
Eine weitere im Aeussern der Thallusform sich annähernde, höchst ausgezeichnete symmetrische Bil-
dung sehen wir an den mit vierzeiligen Blättern versehenen Lycopodien, indem hier auf eine ganz ähnliche
Weise, wie bei den beblätterten, mit zwei Reihen von Amphigastrien versehenen Jungermannien zwei durch
ihre Grösse ausgezeichnete Blattzeilen sich flügelförmig ausbreiten und der seitliche Stand aller Verzweigungen
an die symmetrische Bildung des Thallus erinnert.
Wie wir bei Verfolgung der Thierreihe von der concentrisch gebildeten Hydra und dem Seesterne bis
zum symmetrisch gebildeten Wirbelthiere Formen antreffen, bei welchen die Organisation in der Mitte schwankt,
Kennzeichen von der einen, wie von der andern Bildungsweise anzutreffen sind, z.B. bei den Cephalopoden,
bei welchen der ringförmige Nervenkranz um den Schlund, die kreisförmige Stellung der Arme an die niedern
Thiertlassen erinnert, die Ausbildung des Gehirns, die zwei seitlich gestellten Augen etc. sie den höhern
Thierclassen annähern, auf ähnliche Weise stehen im Pflanzenreiche die beblätterten Jungermannien, die
Moose mit zweizeiligen Blättern, die fächerlörmig gestalteten Zycopodien in der Mitte zwischen den mit
einem Thallus versehenen Cryptogamen und den aufrecht wachsenden, nach allen Seiten hin gleichförmig mit
Blättern und Aesten besetzten Phanerogamen.
Wie nun bei der Mehrzahl der Laubmoose eine Erzeugung von Blättern in gleichförmigen Abständen
rings um den Stamm eintritt und die Blattfläche sich mit der Richtung des Stammes im rechten Winkel kreuzt,
so verliert sich auch immer mehr und mehr die Aehnlichkeit mit dem Thallus, welche der Stamm vieler
Jungermannien in einem noch so ausgezeichneten Grade in seiner Lage besitzt, indem derselbe bei einem
Theile der Jungermannien wie bei den meisten laubartigen und allen crustenförmigen Flechten sich aul seiner
Unterlage (mag dieselbe horizontal oder senkrecht stehen) ausbreitet, bei den übrigen wenigstens mehr oder
ED
weniger das Streben hat, sich horizontal auszubreiten, und es tritt nun das Bestreben ein in senkrechter Rich-
tung in die Höhe zu wachsen, in welcher Lage allein eine gleichförmige Ausbreitung der Blätter nach allen
Seiten möglich wird. Sehr häufig wird aber-bei den Laubmoosen (ebenso wie bei vielen Lycopodien, Rhizo-
spermen) diese senkrechte Richtung des Stammes und die allseitige Ausbreitung der Blätter und Zweige noch
nicht erreicht, sondern bei sehr vielen erinnert noch die zweizeilige Stellung der Aeste an die flächenförmige
Ausbreitung des Thallus, z. B. bei Hypnum crista castrensis, molluscum, Neckera pennata ete.
Nachdem endlich in den Farnen und Equisetaceen die concentrische Bildung des Stammes, sowie die
spiralige und quirlförmige Blattstellung vollkommen erreicht wurden, so fällt die Form des Stamms bei den
Phanerogamen mit wenigen Ausnahmen, wie Lemna, zwar nicht mehr auf die Form des Thallus zurück, wohl
aber finden sich in manchen Beziehungen noch Annäherungen an die Eigenthümlichkeiten seines Wachsthums,
als welche wir die symmetrische Ausbreitung in zwei Seitenhälften, die horizontale Lage und die Unterschei-
dung einer oberen und unteren Fläche kennen gelernt haben.
Beim Stamme der Phanerogamen tritt in Verbindung mit seiner aufrechten Stellung und mit regel-
mässiger, spiralförmiger oder, quirlförmiger Stellung der Blätter und der davon abhängigen Richtung seiner
Zweige nach allen Seiten hin die concentrische Bildung auf eine so auffallende Weise auf, dass er vorzugs-
weise Veranlassung gab, den Pflanzen eine nach allen Seiten hin gleichförmige Bildung zuzuschreiben; es ist
jedoch derselbe weit entfernt, unter allen Umständen dieses Verhältniss ungestört zu zeigen, und es sind
namentlich zwei Umstände, welche eine Abweichung in dieser Beziehung herbeiführen, die zweizeilige Blatt-
stellung und die horizontale Lage.
Durch zweizeilige Stellung der Blätter ist nicht nothwendigerweise in der Organisation des Stammes
selbst eine Abweichung von der concentrischen Bildung gegeben, wie man z. B. an den Gräsern sieht, deren
Stamm nach allen Seiten hin vollkommen gleichförmig ausgebildet ist; dagegen tritt doch leicht, besonders
wenn die Blätter nicht stengelumfassend sind, eine ungleichförmige Vertheilung der Gefässbündel im Innern
des Stammes und eine hiemit im Zusammenhange stehende Aenderung seiner äussern Form ein, insoferne die
zwei, mit Blättern besetzten Seiten stärker vorspringen, mit blattähnlichen Flügeln besetzt sind, z. B. bei
manchen Leguminosen. Sowohl in diesen Verhältnissen, als in der nothwendigerweise zweizeiligen Stellung
der Aeste spricht sich eine mehr oder weniger deutliche symmetrische Bildung aus. Diese wird in manchen
Fällen noch durch Eigenthümlichkeiten in der Blattbildung erhöht, z. B. wenn wie bei den Gräsern die Blatt-
spirale mit jedem Blatte ihre Richtung in die entgegengesetzte umändert, so dass die Blattinsertion auf ana-
loge Weise, wie bei den Jungermannien, in der Art symmetrisch wird, dass bei den Blättern der einen Zeile
der rechte, bei denen der andern Zeile der linke Rand eine Hebung zeigt, oder wenn die Blätter vertical sind
und auf der gegen die eine Seite des Stamms gewendeten Fläche eine andere anatomische Structur, als auf
der andern Seite zeigen, wie bei Phormium tenax.
Eine horizontale Lage des Stammes führt weniger in seiner innern Organisation, als in der Richtung
seiner Blätter eine Abweichung von der concentrischen Bildung herbei, insoferne die Blätter, sie mögen eine
Stellung haben, welche sie wollen, z. B. opponirt sein, wie bei Vinca, oder alterniren wie bei den Ausläufern
a
von Hieracien, von Lithospermum purpureo-coeruleum u. s. w., bei kriechender oder stark überhängen-
der Stellung der Achse die Neigung haben, sich durch Drehung in zwei seitliche Reihen zu stellen.
Bei einigen Pflanzen kommt endlich, ohne dass Blattstellung oder Richtung des Stamms dabei in Rech-
nung kommt, eine seitliche Abplattung des Stamms, welche auf einer nicht weiter zu erklärenden Eigenthüm-
lichkeit seiner Organisation beruht, vor, welche in niederem Grade, wie bei Opuntia in einem blosen
Breitgedrücktsein des sonst normal gebauten Stammes besteht, oder auch, wie bei der Stammspitze von
Ruscus bis zur Verwandlung in ein blattähnliches Gebilde gesteigert sein kann. Noch häufiger, als bei nor-
malen Stämmen, kommt das erstere Verhältniss als Missbildung (caulis fasciatus) vor.
Weit stärker als bei dem Stamme spricht sich diese Neigung zur symmetrischen Bildung bei den Ver-
zweigungen des Stammes aus, indem sich bei diesen (besonders bei den Aesten von Bäumen) sehr häufig
eine entschiedene Tendenz zur fächerlörmigen Ausbreitung in einer Ebene findet, wovon die Aeste vieler
Coniferen z. B. vieler Arten von Abies, Thuja, Cupressus, Taxus , Tazodium, Cunninghamia ete. die
auffallendsten Beispiele liefern; weniger ausgezeichnet, doch immer noch sehr deutlich ausgesprochen ist die-
ses fächerförmige Wachsthum bei vielen Laubhölzern z.B. bei den Ulmen, Buchen, bei der Haselnuss, beim
Tulpenbaum etc.
Man könnte beim ersten Anblicke eines Baumes versucht sein, diese Abweichung im Wachsthume der
Zweige vom Wachsthume des Stammes in der durch ihre seitliche Stellung am Stamme veranlassten gegen-
seitigen Deckung zu suchen, durch welche letztere.die Zweige einander gegenseitig in derRichtung von oben
nach unten das Licht rauben und die aufwärts und abwärts wachsenden Verästelungen verdämmen, dagegen
eine ungehinderte Entwicklung auf die Seiten gestatten. Dass hingegen in diesen und ähnlichen Umständen
der Grund dieses fächerförmigen Wachsthumes nicht liege, sondern dass es in der eigenthümlichen Natur des
Zweiges begründet sei, sieht man daran, dass solche fächerförmige Zweige, wenn sie zu Ablegern benützt und
aus ihnen neue Pflanzen gezogen werden, ungeachtet sie nun in einer senkrechten Lage sind und völlig frei
stehen, dennoch in der ihnen eigenthümlichen Fächerform fortzuwachsen fortfahren, wovon aus Ablegern ge-
zogene Araucarien sehr anschauliche Beispiele gewähren.
Dass nicht in mechanischen Verhältnissen der Grund dieser fächerförmigen Verzweigung zu suchen ist,
erhellt vorzugsweise auch aus dem Umstande, dass bei manchen Pflanzen die Organisation der Seitenzweige
von der des Stamms wesentlich abweicht und in manchen Beziehungen Annäherung an die Blattbildung zeigt.
Auf die auffallendste Weise ist dieses bei T’hujopsis der Fall, bei welcher an den fächerförmigen Zweigen
alle nach unten gewendeten Blattflächen (also bei der auf der obern Seite des Astes liegenden Blattzeile die
obere Blattseite, an den rechts und links stehenden Blattzeilen die eine Seitenhälfte des Blattes und bei der
untern Blattzeile die Unterseite des Blattes) die Organisation und die weisse Bestäubung der untern Blatt-
seite der Coniferen, die nach oben gewendeten Seiten die Organisation und glänzende Oberfläche der oberen
Blattseite zeigen, so dass in Beziehung auf diesen Punct der beblätterte Zweig vollkommen ein mehrfach ge-
fiedertes Blatt repräsentirt. Diese Blattähnlichkeit geht in andern Fällen, namentlich bei Phyllanthus und
a De
Phyllocladus durch flächenförmige Abplattung der Zweige, beschränktes Längenwachsthum derselben , zwei-
zeilige Stellung ihrer Blätter und Knospen so weit, dass manche Botaniker diese Zweige nicht blos in ihrem
Aeussern für blattähnlich, sondern für wirkliche Mittelbildungen zwischen Achse und Blatt betrachten !) und
andere keinen Anstand nehmen, die Blätter der Oycadeen für wirkliche Zweige zu erklären.
Als Annäherungen an diese Bildungen müssen wir solche Fälle betrachten, bei welchen an den Zweigen
die Blätter (die am Stamme in fortlaufender Spirale stehen) durch Umwendung der Blattspirale an jedem
. Knoten in zwei Zeilen zu stehen kommen, wie bei Corylus, so wie die Fälle, in welchen die Blätter, ohne
ihre Insertion zu ändern, wenigstens durch Seitwärtsdrehung sich in zwei Reihen stellen, wie bei Cunninghamia
sinensis, Abies pectinata und andern Coniferen.
Fassen wir ins Auge, dass wir bei dem Stamme der Jungermannien, Lycopodien die ausgezeichnetste
symmetrische Bildung bei solchen Arten finden, bei welchen der Stamm eine kriechende Lage besitzt, und
dass bei Arten mit aufrechten Stämmen die Bildung in die concentrische übergeht, so dürfen wir auch nicht
zweifeln, dass die symmetrische Bildung der Aeste bei den Phanerogamen mit der seitlichen Stellung der-
selben und mit ihrem eigenthümlichen Streben, nicht wie der Stamm senkrecht in die Höhe, sondern unter
einem bestimmten, gegen den Horizont geneigten Winkel zu wachsen, in Verbindung steht. Wie genau der
Zusammenhang dieses Wachsthumes in schiefer Richtung mit der Stellung der Blätter und der fächerförmigen
Verzweigung ist, sehen wir besonders in solchen Fällen, in welchen bei einer Tanne z. B. Pinus balsamea
nach Verlust des Gipfeltriebes ein Seitenast denselben ersetzt und nun alle Eigenthümlichkeiten des letztern
annimmt, eine Veränderung, welche bei einigen Pflanzen dieser Familie sehr leicht vor sich geht, z. B. bei
Pinus Cembra, bei welcher oft bei völliger Integrität der primären Achse die Spitze einzelner grosser Aeste
sich plötzlich aufwärts wendet und nun unter der Form eines Stamms in die Höhe wächst, während bei andern
Arten die Zweige, auch wenn eigene Pflanzen aus ihnen gezogen werden, mit der grössten Hartnäckiekeit ihr
eigenthümliches Wachsthum beibehalten. ;
Haben wir im Bisherigen mit der Stellung einer Achse in senkrechter Richtung die concentrische Bil-
dung vorschreiten, mit ihrer Neigung gegen den Horizont und ihrer seitlichen Stellung auf einer andern Achse
dieselbe zurücktreten und die symmetrische Bildung mehr oder weniger deutlich hervortreten sehen, so
finden wir beim Blatte seiner seitlichen Stellung gemäss die symmetrische Bildung ganz allgemein und zwar
gewöhnlich in der Art durchgeführt, dass jedes Blatt als isolirtes Organ auftritt und durch seine Mittellinie in
zwei symmetrische Hälften getheilt wird. Wie wir dagegen bei den Jungermannien gesehen haben, dass bei
sehr ausgebildeter symmetrischer Bildung des Stamms das Blatt zu derselben beiträgt, indem es unter Ver-
lust seiner eigenen Symmetrie seine Form auf die Weise abändert, dass die auf beiden Stammseiten liegenden
Blätter symmetrische Blattzeilen-bilden, so treffen wir auch noch bei den Blättern von Phanerogamen, wenn
gleich in minder ausgezeichnetem Grade, Beispiele von derselben Aufopferung der eigenen Symmetrie und
1) Vgl. besonders Zuccarınr, Beiträge zur Morphologie der Coniferen in Abhandl. d. Academie zu München.
B. III. Abth. I.
a
Unterordnung ihrer Form unter die Symmetrie der ganzen Pflanze. Dieses Verhältniss zeigt sich nur selten
bei den Blättern des Stamms, wie bei Begonia, in niederem Grade auch bei den Gräsern, dagegen häufiger
bei den Blättern der Seitenachsen, wie bei Morus, Corylus.
Wenn dieses Verhältniss auf eine engere Verbindung in der Organisation der Blätter und der Achse hin-
weist, so kommen auch wieder Fälle vor, in welchen das Blatt seine flächenförmige, symmetrische Ausbrei-
tung aufzugeben und sich zur concentrischen Bildung des Stengels zu erheben sucht, eine Form, die freilich
niemahls vollständig erreicht wird, zu welcher jedoch die kreisförmige Anlagerung der Gefässbündel in man-
chen Blattstielen, besonders in denen zusammengesetzter Blätter, die mit der Richtung des Blattstiels bei-
nahe rechtwinklige Kreuzung der Blättchen von Zupinus, Aesculus u. s. w., die Form der schildförmigen
Blätter, die Bildung der Stipellae von T’halöctrum einen Anfang bildet.
Spricht sich schon in der Organisation der Blätter von T’hujopsis, in der Symmetrie zweier aus un-
symmetrischen Blättern gebildeten Blattzeilen das Streben aller einer gemeinschaftlichen Achse angehörenden
Blätter, wenigstens in Beziehung auf die äusere Form ein gemeinschaftliches Organ darzustellen aus, so fin-
den wir ein solches Zusammenwirken vieler Blätter zur Bildung eines gemeinschaftlichen Ganzen noch in weit
höherem Grade bei der Blüthenbildung.
Untersuchen wir die Fructificationsorgane der Pflanzen, bei welchen eine Vereinigung vieler, beim ve-
getativen Theile des Gewächses zerstreuter und isolirter Theile zu einem organischen Ganzen vorkommt, in
wie weit sich bei ihnen eine Symmetrie von zwei seitlichen Hälften auffinden lasse, so fällt auf den ersten
Blick auf, dass die concentrische Bildung in den Blüthen und Fruchtorganen die höchste Entwicklung er-
reicht, insoferne nicht nur die einzelnen Wendel der bei den Vegetationsorganen fortschreitenden Blätter-
spirale von einander getrennt und zu geschlossenen Kreisen, in denen die einzelnen Blätter gleichförmig weit
von einander abstehen, (wenigstens scheinbar) verwandelt werden, sondern in so ferne auch die successive
Entwicklung der in einem Wendel auf einander folgenden Blätter aufgehoben ist und die Blätter eines jeden
Blattkreises mit einander gleichzeitig ihre Entwicklungsperioden durchlaufen. Hier ist also nicht nur jeder
Unterschied der Blätter in Beziehung auf ihre Stellung aufgehoben, indem alle Blätter eines Wendels neben-
einander und nicht mehr übereinander stehen, sondern es sind auch sämmtliche Blätter eines Kreises in Be-
ziehung auf ihre Organisation und ihre Entwicklung einander so ähnlich geworden, dass sich nur in einzelnen
Fällen kleine Zeitunterschiede in ihrer Reife beobachten lassen. Vergleichen wir die Stellungsverhältnisse
der Blüthenorgane mit den Stellungsverhältnissen der Blätter bei solchen Vegetationsorganen, welche eine
symmetrische Bildung zeigen, so sollte man vermuthen, dass die Verhältnisse des Blüthenbaus weit eher eine
concentrische als symmetrische Bildung begünstigen, insoferne beim Stamme bei quirlförmiger Blattstellung
kaum eine symmetrische Bildung vorkommt, ausser bei zweigliedrigen Quirlen (z. B. bei Thuja, Thujopsis)
und diese gerade bei den Blüthen verhältnissmässig selten sind. Dessenunerachtet finden wir bei den Blüthen
ausserordentlich häufig eine symmetrische Bildung.
Wir haben oben bei der Betrachtung des Pflanzenstammes gesehen, dass bei manchen Bäumen der
Stamm im vollkommensten Grade eine concentrische Bildung zeigt, während die Zweige eine symmetrische
ron
Bildung haben. Wir dürfen daher vermuthen, dass dieses in den vegetativen Theilen so vieler Pflanzen deut-
lich ausgesprochene Verhältniss zwischen den verschiedenen Achsen sich auch noch bei den bloss mit Fructi-
ficationsblättern besetzten Achsen auffinden lasse; und in der That scheint es, dass wir den Grund der Un-
regelmässigkeit vieler Blüthenformen in diesem Verhältnisse zu suchen haben.
Betrachten wir nämlich die Blüthen in Hinsicht auf ihre Regelmässigkeit und Unregelmässigkeit, so er-
hellt auf den ersten Blick, dass bei den sogenannten unregelmässigen Blüthen bei weitem die grösste Mehr-
zahl zwei symmetrische Hälften, eine linke und eine rechte, besitzt und dass es eine sehr seltene Ausnahme
ist, wenn eine Blüthe nicht durch einen senkrechten Schnitt in zwei gleiche Hälften getheilt werden kann, z.B.
die der Marantaceae. Das Gesetz der Symmetrie ist daher in der Blüthenbildung sehr allgemein aus-
gesprochen.
Nehmen wir nun Rücksicht auf die Stellung der regelmässigen und der unregelmässigen Blüthen, so gilt
als allgemeine Regel, dass die terminalen Blüthen regelmässig sind, dass dagegen die unregelmässigen Blüthen
den indeterminirten Inflorescenzen zugetheilt sind (wenn gleich nicht immer ein indeterminirter Blüthenstand
mit Unregelmässigkeit der Blüthe verbunden ist). Viele Beispiele hiefür anzuführen, wäre überflüssig; man
denke z. B. nur in Beziehung auf Pflanzen mit determinirten Blüthenständen an Paeonia, Ranunculus, Ni-
gella, Aquilegia, an die Papaveraceae, Caryophylleae, Lineae, O.calideae, Potentilleae, an viele Gen-
tianeae ete., dagegen als Beispiele indeterminirter Blüthenstände an Delphinium, Aconitum, an die Fu-
mariaceae, Polygaleae, Violarieae, Hippocastaneae, Papilionaceae, Umbelliferae, Synanthereae,
Labiatae, Scrophularineae, Lentibularieae ‚ Aristolochieae, Orchideae etc.
Wir finden also unsere obige Vermuthung, dass die symmetrische Bildung der Blüthen im Zusammen-
hange mit ihrer Stellung stehe, vollkommen bestätigt.
Bei den meisten bisher betrachteten. symmetrisch gebildeten Organen war nicht nur eine rechte und
eine linke Hälfte, sondern auch eine obere und eine untere Seite zu unterscheiden z. B. beim Thallus, bei
den beblätterten Jungermannien, beim Blatte.
In nicht weniger ausgezeichnetem Grade tritt uns dieser Unterschied zwischen Oben und Unten auch
bei den symmetrisch gebildeten Blüthen entgegen. Da bei den Blüthen, sie mögen regelmässig oder unre-
gelmässig sein, sich immer ein überwiegend starkes Streben zur concentrischen Bildung ausspricht, so finden
wir in ihnen den Unterschied zwischen Oben und Unten nicht so weit durchgeführt, dass die Blüthenorgane
aufhören, in Kreisen um die Achse gestellt zu sein und in zwei seitliche Flächen, wie bei Zweigen mit zwei-
zeiligen Blättern auseinanderzutreten, oder dass wie bei T’hujopsis je nach der Lage des Blattes auf den
verschiedenen Seiten der Achse sich die Organisation der obern und untern Blattseite ändert, sondern es
spricht sich jener Unterschied theils in abweichender Bildung der obern und der untern Blüthenhälfte aus,
theils nicht selten im Fehlschlagen von einzelnen Blüthenorganen, welches von oben nach unten, oder in
entgegengesetzter Richtung fortschreitet und auf beiden Seiten der Blüthe eine gleiche Anzahl von Organen
ergreift, also ganz unabhängig von der Spiralstellung der Blüthentheile auf sie einwirkt, theils endlich im
Hingekrümmtsein einzelner Blüthenorgane gegen die entgegengesetzten Enden der Mittellinie.
%
man,
Eine Verschiedenheit in der Bildung der obern und untern Blüthenhälfte ohne Fehlschlagen einzelner
Organe kommt bei einer Menge unregelmässiger Blüthen vor, z. B. bei den zweilippigen Kelchen der La-
biaten und Leguminosen, beim Kelche von Aconitum, Delphinium, bei den Blumenkronen der Legumi-
nosen, Tropäoleen, Balsamineen, Violarieen, Synanthereen, Dipsaceen, Valerianeen, Umbelliferen,
Labiaten, Scrophularinen u. s. w., bei welchen allen ohne Rücksicht auf die Stellung ihrer Blüthentheile in
eine Spirallinie das eine (oben oder unten in der Blüthe stehende) Blatt symmetrisch gebildet ist, und die vier
andern, zu je zwei und zwei, wie sie einander seitlich gegenüberstehen, in ihrer Bildung übereinstimmen,
dagegen von dem mittlern und dem andern Blättchenpaare mehr oder weniger abweichen. Aehnliche Ver-
hältnisse kommen bei solchen Blüthenhüllen vor, welche aus zwei Kreisen von Blättern bestehen, wie z. B.
bei den Fumariaceen, Orchideen etc.
Wenn einzelne Blüthenorgane (sepala, petala oder stamina) fehlschlagen, so spricht sich auch hierin die-
selbe Beziehung der einander gegenüberstehenden Organe aus, indem das Fehlschlagen entweder bei dem
in der Mittellinie einzeln stehenden Blatte anfängt und sich von hier aus auf die Seiten fortsetzt und die übri-
gen Blätter paarweise ergreift, wie bei den Labiaten und Scerophularinen, oder umgekehrt bei dem äus-
sersten Paare anfängt und gegen das unpaare Blatt weiterschreitet, wie z. B. bei dem Kelche der Balsami-
nen, der Blumenkrone von Amorpha, den Staubfäden der Orchideen.
Beim Stengel der beblätterten Jungermannien, bei den Zweigen von Abies, Ulmus etc. sahen wir die
Blätter in ihrer Stellung dadurch ein Oben und Unten des ganzen Gebildes anzeigen, dass sie alle die eine Seite
(und zwar die Jungermannien häufig die untere, die übrigen Pflanzen die obere) gegen den Himmel kehren, selbst
aber sich auf beide Seiten der Achse hindrehen; bei den Blüthen spricht sich die Beziehung der einzelnen Blätter
zur obern und untern Seite der Blüthe dadurch aus, dass sich ein Theil der Blätter gegen die obere, der andere
Theil gegen die untere Seite der Blüthe hindrängt, wodurch die Lippenform derselben, und die mannigfachen
derselben ähnlichen Formen entstehen, z. B. die zweilippigen Kelche und Blüthen, das Verborgensein der Staub-
fäden unter der Oberlippe der zweilippigen Blüthen, die Galea der Orchideenblüthe, das Abstehen der Fahne
und der übrigen Blumenblätter bei manchen Leguminosen, die Form der Blüthen von Lopezia, Viola,
Pelargonium, von vielen Umbelliferen, Synanthereen, von Iberis etc. Diese Neigung der Blüthentheile
in zwei entgegengesetzte, nach oben und unten stehende Parthien, welche aus zwei symmetrischen Hälften
gebildet sind, aus einander zu treten, geht bei den Fumariaceen so weit, dass die im Querdurchmesser
stehenden Staubfäden in zwei Hälften zerfallen, von denen die eine nach oben, die andere nach unten in der
Blüthe gewendet und daselbst mit dem nebenstehenden Staubfaden verwachsen ist; ich möchte auch dem-
selben Streben die abweichende Stellung der Narben in der Blüthe der Crueiferen zuschreiben und jede
Narbe als aus zwei seitlichen Hälften der rechts und links in der Blüthe stehenden und gespaltenen Narben
zusammengewachsen betrachten.
Die bisherigen Beispiele mögen genügen, um den grossen und weit verbreiteten Einfluss des Strebens
nach Symmetrie auf die Form sowohl der Vegetations-Organe als der Fructifications-Organe, den Kampf, in
welchem dieses Streben nach Symmetrie mit der durch die spiralförmige Stellung der Blätter erzeugten Nei-
a
gung zu regelmässig concentrischer Ausbildung der Pflanzen steht und den Zusammenhang dieser Erschei-
nungen mit der Richtung der Achsentheile nachzuweisen. Ich begnüge mich nur noch auf die Blüthenstände
hinzuweisen, bei welchen in vielen Fällen in der Form und Richtung der Bracteen, in der Vertheilung und
dem Fehlschlagen der Blüthen tragenden Achsen, z. B. bei der Umwandlung des von RoerEr Cyma genannten
Blüthenstandes in zwei einander entsprechende traubenförmige Blüthenstände, in der Antidromie der auf
zwei Seiten des Stamms stehenden Blüthenstände u. s. w. sich die symmetrische Bildung in ausgezeichnetem
Grade ausspricht.
4*
IM.
Beobachtungen
über die
Umwandlung von Antheren in Carpelle.
(Dissertation vom Jahr 1836.)
Ueber die Thatsache, dass die Staubgefässe aus der Metamorphose von Blättern hervorgegangen sind,
herrscht bei der Mehrzahl der jezt lebenden Botaniker kein Zweifel mehr, seitdem Gorrux diesen Satz aus-
gesprochen, Rogert BRowN, DECANDOLLE, Rörer u. A. sich für denselben erklärt haben, und es weichen
die genannten Gelehrten nur in der Erklärung, wie die Metamorphose des Blattes in die Anthere vor sich
gehe, von einander ab. Nur wenige Botaniker, wie Acarpu, ENDLICHER, sind der Ansicht, dass die Anthe-
ren nicht rein appendiculäre Organe seien, sondern dass das Achsensystem an ihrer Bildung Antheil nehme
und dass sie von einem mit einem Blattpaare besetzten Aste gebildet werden.
Um die hier in Frage stehenden Zweifel zu lösen, ist wohl, wie in vielen andern Fällen, die Beobach-
tung von Missbildungen geeigneter, als die Untersuchung von normal entwickelten Blüthen, indem in den
letzteren nur selten, wie z.B. zwischen den Blumenblättern und Staubfäden von Nymphaea, ein allmähliger
Uebergang von dem einen Organ in’s andere Statt findet, sondern meistens dieser Uebergang sprungweise
erfolgt und desshalb die Art und Weise des Uebergangs durch leicht trügliche Schlüsse und Analogien er-
mittelt und oft errathen werden muss, während in missgebildeten Blüthen häufig ein Rückschritt von der
Form des einen Organs zu der des ihm vorausgehenden Statt findet und so durch mannigfaltige Mittelfor-
men, welche bald mehr zu dem einen, bald mehr zu dem ändern Organe hinneigen, eine allmählige Verän-
derung der einen Form in die andere dargelegt wird, so dass bei Untersuchung solcher Fälle die Art des
Uebergangs nicht nur dem Untersuchenden subjectiv wahrscheinlich, sondern auch einem Andern demon-
strirbar wird. Desshalb lieferten denn auch die Missbildungen von den Zeiten Liwx#’s an die hauptsächlich
sten Data zur Ausbildung der Lehre von der Metamorphose, und man darf wohl behaupten, dass ohne Be-
obachtungen missgebildeter Blüthen der menschliche Scharfsinn kaum im Stande gewesen wäre, den rich-
tigen Weg zur Erklärung der Blüthenbildung zu finden; auch jetzt noch sind sie in vielen Fällen der Faden,
mittelst dessen allein wir im Stande sind, uns durch die morphologischen Labyrinthe durchzuwinden.
Die auf den folgenden Blättern gegebene Darstellung hat nicht den Zweck, die ganze Lehre von der
Entstehung und dem Baue der Staubfäden und der Carpelle zu entwickeln, indem dieser Gegenstand viel zu
umfangreich ist, als dass er sich in einer academischen Dissertation auch nur einigermassen erschöpfend be-
handeln liesse; es sollen nur einige Fälle von Antheren, welche zum Theil oder vollkommen in Carpellar-
SL, ro
blätter umgewandelt waren, beschrieben und einige aus diesen Bildungen gezogene Schlussfolgerungen,
welche den Bau der Staubgefässe betreffen, mitgetheilt werden.
Um die hauptsächlichsten Punkte, welche durch die Untersuchung dieser Missbildungen eine Erläute
rung erlangen können, beständig vor Augen zu behalten, mag es nicht unzweckmässig sein, der Beschreibung
derselben eine kurze Uebersicht über die hauptsächlichsten Ansichten, welche über den Bau der Antheren
geäussert wurden, vorauszuschicken.
GoETHE leitete aus den mannigfachen Uebergängen der Petala in Staubgefässe eine so innige Verwandt-
schaft dieser beiden Organe unter einander her, dass er glaubte, seine ganze Schrift über die Metamorphose
möchte für überflüssig zu halten sein, wenn die Verwandtschaft aller übrigen Theile so in die Augen fallend
wäre 1). Er ist der Ansicht, dass die Umwandlung des Petalum in das Staubwerkzeug durch eine Contrac-
tion und Verfeinerung geschehe, wie man bei Canna und bei gefüllten Blüthen (z. B. bei den Rosen, beim
Mohn) leicht sehen könne, in welchen Fällen ein Theil des Petalum zusammengezogen werde und eine
Schwiele (die Anthere) darstelle, während der übrige Theil des Blumenblattes zum Filamente sich contrahire.
Diese Veränderung leitet Goetuz von der Zusammenziehung der Spiralgefässe her, von welchen er glaubt,
dass sie die Geschlechtstheile der Pflanzen, wie alle übrigen Theile, hervorbringen. Die Spiralgefässe,
glaubt GoETuE, seien in den Staubgefässen nach Art von elastischen Federn verkürzt und können sich nicht
Zuehreiten und Anastomosen bilden, wesshalb die Form eines einfachen Fadens entstehe. Die Gefässe en-
digen sich zwischen den Häuten des Staubbeutels, aus ihnen dringe der höchst ausgebildete Samenstaub her-
vor, dessen Kügelchen ihrer Natur nach nichts Anderes als Gefässe seien, in welchen höchst feiner Saft auf-
bewahrt werde.
Man sieht leicht ein, dass diese anatomische Entwicklung der Entstehung der Staubgefässe und des Ur-
sprungs des Pollen mit den jetzigen Erfahrungen über den Bau und die Eigenschaften der Spiralgefässe und
die Bildungsweise der Pollenkörner nicht harmonirt, und dass der eigentliche Vorgang der Umwandlung des
Petalum in’s Staubgefäss durch das von GoETuE Gesagte nicht erläutert ist.
Eine nähere Erklärung von dieser Umwandlung zu geben, unternahm Roskrr Brown ?), indem er den
Bau des Carpells mit dem der Anthere verglich und zum Theil auf dieselbe übertrug. Ros. Brown nahm
nämlich an, dass sowohl bei den Antheren, als bei den Ovarien, die Erzeugung ihrer wesentlichen Theile,
d.h. des Pollen und der Ovula, auf dem Rande des modifieirten Blattes vor sich gehe, wesshalb die normale
Anthere eben so regelmässig zweifächerig sei, als bei dem Carpell die Oyula in zwei Reihen stehen. Jedes
Fach der Anthere ist der Länge nach durch eine fleischige Masse (ein Receptaculum), auf deren Oberfläche
oder in deren Zellen sich der Blüthenstaub bildet, getheilt. Dagegen unterscheiden sich beide Organe we-
sentlich dadurch von einander, dass bei der Anthere die Gefässe in geringerer Anzahl vorhanden sind und
1) Gorrae, Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. 1790. p. 51.
2) In der Abhandlung über Rafflesia, in Linn. soc. Transact. T. XII; Vermischte Schriften T. II. p. 605 etc.
Die auf die Verwandtschaft der Antheren und Ovarien sich beziehende Stelle ist vom Uebersetzer auf
eine so unverantwortliche Weise entstellt, dass durchaus das Original nachgesehen werden muss.
A:
der Pollen sich in einem von Gefässen entblössten Zellgewebe, und zwar immer im Innern des Organes,
bildet, während bei dem Ovarium die Gefässe nicht sowohl in geringerer Menge, als vielmehr in abweichen-
der Anlagerung vorhanden sind, indem die vorzüglichsten derselben die Blattränder einnehmen und die Ei-
chen auf Seitenverzweigungen der Gefässbündel auf der Oberfläche des Organes producirt werden. Diese
Randproduction von Eiern zeige sich, bemerkt R. Brown, besonders deutlich bei solchen Missbildungen, bei
welchen die Staubgefässe sich mehr oder weniger vollständig in Pistille verwandeln, z. B. bei Sempervivum
tectorum.
An diese Ansicht schliessen sich Rörer !) und E. Meyer ?) an. Rörer glaubt nämlich, die Antheren
entstehen auf die Weise aus dem Blatte, dass nur der Mittelnerve des letztern übrig bleibe, die Seitennerven
verschwinden und durch Wucherung des Parenchyms die Seitenhälften des Blattes aufschwellen und sich mit
Pollenkörnern (verändertem Parenchyme ?) füllen. Die Furchen, in welchen die Antheren aufspringen, hält
Rörer für die Blattränder und glaubt, dass die meistens einwärts gerichtete Lage derselben der Vernation
der Blätter entspreche. Röraa war auf diese Weise (wie er später selbst bekannt machte) zum zweitenmale
der Schöpfer einer schon drei Jahre früher von Cassını ?) aufgestellten, allein, wie es scheint, in
Deutschland unbekannt gebliebenen Theorie, denn auch Cassınt stellte den Pollen als eine Modification des
Blattparenchyms, die Näthe der Anthere als die Blattränder, die Scheidewand zwischen beiden Loculamenten
eines jeden Faches *) der Anthere als den Ueberrest eines nicht in Pollen verwandelten Theils des Blatt-
parenchyms dar.
Auf eine ähnliche Weise erklärt auch Bıscuorr die Entstehung der Antheren; wir finden jedoch seine
Darstellung in Beziehung auf einen wesentlichen Punkt abweichend, in so fern er die Nath der Anthere nicht
aus dem Blattrande entstehen lässt, sondern der Ansicht ist, dass auf jeder Seite des Mittelnerven beide
Loculamente des Antherenfaches auf der oberen Blattfläche innerhalb des Blattrandes sich ausbilden 5).
Der bisher betrachteten Ansicht gegenüber steht eine andere, welche die Vergleichung zwischen An-
theren und Carpellen (die R. Brown nur in Beziehung auf die Stelle des Blatts, an welcher die Production
von Eiern oder Pollen vor sich geht, annimmt) so weit ausdehnt, dass die Anthere selbst für ein dem Car-
pell vollkommen analoges Gebilde betrachtet und angenommen wird, dass die Anthere sich auf die Weise
aus dem Blatte bilde, dass sich dessen Ränder einwärts rollen, dem Mittelnerven anschliessen und so auf
beiden Seiten desselben ein zur Aufnahme des Pollens bestimmtes Fach bilden.
1) Enumerat. euphorb. p. 44.
2) De Houttuynia etc. p. 23.
3) Opuscules phytologiques T. II. p. 549.
4) Da wir im Deutschen keinen andern gebräuchlichen Ausdruck für theca antherae als den des Antheren-
faches, und zur Bezeichnung der zwei Abtheilungen, in welche jedes Fach bei einer normal gebildeten
Anthere zerfällt, gar keinen Ausdruck besitzen, so bemerke ich hier, dass in der folgenden Darstellung
beständig unter dem Ausdrucke der Antherenfächer die Seitenhälften einer Anthere, und unter dem
der vorderen und hinteren Loculamente die beiden Abtheilungen eines Antherenfaches verstan-
den werden.
5) Lehrbuch der Botanik Bd. I. p. 354.
Am Saale
Dass R. Brown, wie zuweilen (z. B. von Rörer und EnGELMANN) angeführt wird, diese Ansicht aus-
gesprochen, scheint mir nicht der Fall zu sein; wenigstens kenne ich keine Stelle seiner Schriften, die zu
Gunsten dieser Ansicht zu deuten wäre. Dagegen ist Decannorıe entschieden dieser Ansicht 1); wenn er
auch nicht so weit, wie Turpın, geht, welcher in der Scheidewand der Antherenloculamente ein der Placenta
der Eier durchaus analoges Gebilde zu finden glaubte und dieselbe desshalb mit dem Ausdrucke des Tropho-
pollen belegte, so hält doch auch DecAnnorre eine frühere Anheftung der Pollenkörner an die Wandung der
Anthere für währscheinlich und glaubt, die Analogie der Antheren mit den Ovarien sei so gross, dass zu-
weilen die Antheren auf der einen Hälfte statt des Pollen Eierchen enthalten. Von dieser Ansicht ist Dr-
CANDOLLE selbst in seiner Physiologie noch nicht zurückgekommen ?), ungeachtet zur Zeit der Ausarbeitung
dieses Werks die Untersuchungen von A. BRoNGNIARrT längst erschienen waren.
Die gleiche Ansicht über Entstehung der Antheren durch Einrollung der Blattränder wird von EngEL-
mann °) u. A. vertheidigt.
Eine dritte Ansicht über die Bildung der Anthere rührt von Scuuutz her, welcher glaubt, der Bau der-
selben sei leicht einzusehen; zwei zellige Klappen, durch vorspringende Winkel der Staubfädenränder gebil-
det, sollen sich durch eine Längsnath vereinigen, um die Höhle, worin der Pollen befindlich ist, zu bilden,
wesshalb jeder Staubfaden nur ein oder zwei Fächer haben könne 2).
Eine von der bisher betrachteten gänzlich verschiedene Grundansicht, welche in mancher Hinsicht an
die Linne’sche Lehre von der Prolepsis plantarum erinnert, leitete Acarpu bei seiner Erklärung der Staub-
fadenbildung. Ihm sind die Staubfäden nicht metamorphosirte Blätter, sondern freie Knospen, welche in
den Achseln der Kelch- und Blumenblätter stehen ®). Die Anthere ist ursprünglich vierfächerig, je zwei
Fächer bilden eine Theca. Wie das Ovarium mit der Endknospe eines Zweiges zu vergleichen ist, so ist das
Staubgefäss mit einer Seitenknospe zu vergleichen. Die ursprüngliche Identität der Staubfäden und Pistille,
glaubt Acarou, werde nicht blos durch die beiden gemeinschaftliche Knospennatur, sondern auch im Speciel-
len durch die Anwesenheit des cellulosen Körpers in den jugendlichen Antheren, durch den Uebergang der
Pollenkörner in Samen, den Uebergang von Staubfäden in Pistille und der Pistille in Staubfäden bewiesen.
Der zweifächerige Bau des Staubfadens ist nach ihm aus dem Baue des Pistills zu erklären; bei diesem ist
aber die Zweizahl der Carpelle normal, desshalb müssen auch die Staubfäden, als verkümmerte Seitenfrüchte,
zweifächerig sein. Auf eine augenscheinliche Weise, glaubt Asarpn, sei die Stufenfolge in der Metamor-
phose einer Blumenknospe zu einem Staubfaden in den Randblüthen einer Centaurea, dem Nectarium von
Helleborus und Trollius, welches letztere sichtlich in einen Staubfaden übergehe, gegeben; dagegen hält er
den Uebergang des Staubfadens in ein Blumenblatt nur für scheinbar und vergleicht ihn mit der Bildung
1) Organogr. veg. T. I. p. 465. 552.
2) Physiol. veg. T. II. p. 554.
3) De antholysi prodromus p. 60.
4) Die Natur der leb. Pflanze. T. II. p. 73.
5) Organogr. der Pflanzen. p. 531. 378. 430.
2 ee
der zungenlörmigen Blüthen der Syngenesisten, mit den blattförmigen Zweigen bei Ruscus, den neuholländi-
schen Mimosen u. s. w. In einer ein Jahr vor der Organographie erschienenen Schrift {) hatte Acarpn eine
in mancher Beziehung detaillirtere Auseinandersetzung seiner Ansicht über den Bau der Antheren gegeben.
Er betrachtet nämlich die beiden Antherenfächer als zwei Blätter; die Längsnath, in welcher sich die Anthere
öffnet, entspricht dem Mittelnerven des Blattes. Seine früher ausgesprochene Ansicht über den Pollen ?),
dass die Körner desselben den Eiern entsprechen, kleine zusammengerollte Blättchen seien, nahm AcarpH
in dieser Schrift zurück, und glaubte, sie entstehen, wie die Zellen der Blätter und wie die Körner eines
Uredo, aus kleinen, in einer klebrigen Flüssigkeit schwimmenden Körnern, die sich allmählig vergrössern;
er scheint aber dennoch wieder in der Organographie eine Verwandlung von Pollenkörnern in Oyula an-
zunehmen.
Einen gewichtigen Anhänger seiner Ansicht gewann Acarpn an EnpLicher. Auch dieser Gelehrte hält
den Staubfaden für ein Achsengebilde, welches auf einer gewissen Höhe zwei opponirte Blätter trage, die
sich mit dem Kelchblatte, in dessen Achsel der Staubfaden steht, kreuzen und mit ihren Mittelnerven an den
Träger und unter sich verwachsen, mit ihren Rändern zusammenrollen und an einander kleben, bis sie sich
bei voller Reife wieder an denselben öffnen und dem Blumenstaube den Ausgang gestatten, welcher in der
durch sie abgeschlossenen Höhle entstanden ist 3). Diese Blätter, welche die Anthere bilden, sind nach
aussen umgerollt und ihre Innenhaut, welche den Pollen aussondert, ist von der unteren Blattfläche gebildet.
Acarnı hatte angenommen, die Staubfäden seien Knospen, die bei isostemonen Pflanzen in der Achsel
der Kelchblätter, bei diplostemonen Pflanzen in der Achsel der Kelchblätter und Petala stehen. Consequenter
und wahrscheinlicher scheint es dagegen EnDLICHER zu sein, auch die Blumenblätter für Seitenachsen und
phyllodienähnliche Gebilde zu halten und anzunehmen, dass die Kelchblätter normal keine Knospen bergen
und dass im zweiten und dritten Kreise die Blätter ganz unterdrückt, dafür aber die Knospen zu Kronen-
blättern oder Staubfäden entwickelt seien.
Nachdem ich nun die hauptsächlichsten, über den Bau der Antheren geäusserten Ansichten in ihren
Grundzügen kurz dargestellt, gehe ich zur Betrachtung einiger Uebergänge zwischen Staubfäden und Car-
pellen über, um aus ihnen einige Folgerungen in Beziehung auf den normalen Bau der Antheren zu ziehen.
Die Uebergänge zwischen Antheren- und Carpellarbildung finden sich theils an Carpellen, welche eine
Annäherung zum Bau der Staubfäden zeigen, theils an Staubfäden, welche sich mehr oder weniger vollstän-
dig in Ovarien verwandelt haben, theils an Blumenblättern,, welche durch Production von Eiern und pollen-
haltenden Fächern Uebergänge in Carpelle und Antheren darstellen.
Der Uebergang von Carpellen in Staubgefässe kommt weit seltener vor, als die Umwandlung von Staub-
fäden in Carpelle; so giebt z. B. DecanvoLue *) an, er habe diese Missbildung nie gesehen; Andere, wie
1) Essai sur le developpement interieur des plantes. p. 89.
2) Essai de reduire la physiologie vegetale a des principes fondamentaux. p. 28.
3) Linnaea. T. VII. 1832. p. 21.
4) Organogr. veget. T. I. p. 546.
Baar aa
Scuuutz '), läugnen ihr Vorkommen ganz. Als Beispiele solcher Umwandlungen von Carpellen in Staub-
fäden führt Röper ?) an, dass er nicht selten bei Euphorbien die Stelle eines Ovariums durch eine beinahe
vollständig entwickelte Anthere ersetzt gesehen habe; eben dasselbe beobachtete er bei den Balsaminen ®)
und bei Gentiana campestris A); leider gab er keine ausführliche Beschreibung dieser Missbildungen. Eine
ähnliche Verwandlung fand Acarpn 5) bei Ayacinthus orientalis, beschreibt sie jedoch zu apokryphisch, als
dass man über die eigentliche Beschaffenheit dieser Carpelle sich eine genügende Vorstellung bilden könnte,
indem er angiebt, er hätte bei halbgefüllten Blüthen dieser Pflanze die Samenträger (placentae) in Staubge-
fässe verwandelt gesehen, wobei zuweilen die eine Hälfte der Frucht Samen, die andere Hälfte Staubgefässe
enthielt. Häufig sah, wie bei seiner reichen Erfahrung über Pflanzenmissbildungen nicht anders zu erwarten
war, Scuimper diese Missbildung 6). So fand er bei Salix babylonica die verschiedensten Uebergänge vom
Pistill in Staubfäden; bei Primula acaulis sah er auf der innern Wandung der Ovarien Antherenfächer.
EnGELManN ?) sah bei Campanula persicifolia und rapunculoides an einem Stylus einen antherenähnlichen
Körper, bei Cheiranthus Cheiri fand er die Hälfte eines Carpellarblattes in ein Antherenfach verwandelt.
Alle diese Beobachtungen sind an Pflanzen angestellt, bei welchen zwei oder eine grössere Anzahl von
Carpellarblättern zur Bildung des Ovariums sich vereinigen. Die Verwandlung des Carpellarblattes zur An-
there ist daher hier vielleicht weniger deutiich, als bei Ovarien, welche nur aus Einem Carpellarblatte gebil-
det sind, wenn es auch scheint, dass bei der Umwandlung zur Anthere das verwandelte Carpellarblatt be-
ständig eine Neigung zeigt, sich von den übrigen Blättern des Ovariums, welche die Carpellnatur beibehalten,
loszutrennen, wie dieses aus den Beobachtungen von Rörer an Genliana campestris, von SCHIMPER an
Salix babylonica und an Primula acaulis °) erhellt.
Ueber die Art und Weise wie diese Umwandlung vor sich geht, liessen mir Beobachtungen an missge-
bildeten Blüthen von Chamaerops humilis keinen Zweifel übrig, indem bei dem einfachen Baue der Ovarien
dieser Pflanze die Verhältnisse durchaus deutlich waren. Die Carpelle hatten sich nämlich auf die gewöhn-
liche Weise zu je drei in einer Blüthe entwickelt, sie besassen ihre normale Form und Grösse, jedes enthielt
ein gut ausgebildetes Ovulum und sie wichen von ganz normalen Ovarien nur dadurch ab, dass zu beiden
Seiten der Bauchnath ein gelber Wulst der Länge nach verlief, welcher beim Durchschnitte des Ovariums
sich als ein durch die gewöhnliche Scheidewand in zwei Loculamente getheiltes, mit Pollen gefülltes Antheren-
fach erwies. Es war also in diesem Falle vollkommen deutlich, dass die Antherenfächer und die Production
von Pollen in keiner Beziehung zur Hervorbringung von Eichen stehen, dass der Pollen nicht in einer durch
4) Natur der leb. Pflanze. T.I. p. 294.
2) Enum. euphorb. p. 53.
3) De flor. et affınit. balsamin. p. 17.
4) Linnaea. T. I. p. 457.
5) Organogr. p. 578.
6) Flora. 1829. T. II. p. 422.
7) De antholysi. p. 26.
8) Sresser, Flora Friburg. T. III. p. 1061.
Zr
Einrollung eines Blattes entstandenen Höhlung, sondern im Innern des Blattes selbst, und zwar in der Nähe
seiner Ränder, gebildet wurde; es ist ferner, da das Carpellarblatt mit seinen Rändern verwachsen war und
die Antherenfächer auf der äusseren Seite des Carpells sich befanden, deutlich,‘ dass sich dieselben auf der
Rückenfläche des Carpellarblattes gebildet hatten und dass die Sutur nicht dem Blattrande entsprechen konnte.
Von eben so grosser Wichtigkeit für die Lehre von dem Baue der Antheren sind diejenigen Fälle, in
welchen die Antheren durch Production von Eiern und durch allmählige Annäherung an die Form des Ova-
riums in Carpelle übergehen. Fälle dieser Art sind häufiger, als die der Umwandlung von Carpellen in An-
theren; es wurde z. B. dieser Uebergang von Ros. Brown !) bei Sempervivum tectorum, Tropaeolum
majus, Cheiranthus Cheiri, Cochlearia Armoracia, Papaver nudicaule, Salix oleifolia beobachtet,
von DecAndoLre ?) bei Magnolia fuscata und verschiedenen Arten von Salix, von Rıcnarn an Erica Te-
tralix, von Rörer an Papaver orientale, von MirseEL °) beim Pfirsich, von Scumerer bei Stachys ger-
manica °), von Lıxvrey °) an einer Amaryllis, an Sempervivum tectorum , Cheiranthus Cheiri.
Da die Beobachtungen, welche über diese Uebergänge gemacht wurden, nicht immer mit der nöthigen
Genauigkeit angestellt worden zu sein scheinen und diese unvollständigen Beobachtungen Veranlassung wur
den, dass einige Schriftsteller Folgerungen aus ihnen herleiteten, welche mit den Resultaten meiner Beobach-
tungen durchaus im Widerspruch stehen und eine Hauptstütze einer, wie es mir wenigstens scheint, falschen
Ansicht über den Antherenbau sind, so ist es vielleicht nicht ohne Interesse, wenn ich hier von den Mittel-
bildungen zwischen Antheren und Carpellen, wie ich sie bei ein paar Pflanzen fand, eine genaue Beschrei-
bung mittheile.
Die eine meiner Beobachtungen betrifft die bei Sempervivum tectorum vorkommenden Uebergänge
von Staubfäden in Ovarien. Schon von Scuumeu®) wurden dieselben beschrieben und abgebildet. Hauer ‘)
erwähnt derselben, ebenso Du Prrır Tuovars, Ros. Brown, Lispıey u. s. w. Diese Missbildung musste
auch nothwendigerweise häufig untersucht werden, indem nach Gaupm’s Angabe 8) nur die wildwachsende
Pflanze beide Kreise von Staubfäden im normalen Zustande besitzt, dagegen alle kultivirten oder auf Mauern
stehenden Exemplare wenigstens den innern Kreis in Carpelle verwandelt haben; eine Angabe, welche von
Koch °) bestätigt wird, wie denn auch ich noch kein Exemplar gefunden habe, an welchem alle Staubfäden
normal gebildet gewesen wären.
In den Blüthen von Sempervivum tectorum, in welchen diese Missbildung sich findet, ist die Anzahl
der Staubfäden durchaus normal d. h. die doppelte von der Zahl der Blumenblätter. Dieselben ‚stehen in
4) Vermischte Schr. T. II. p. 625.
2) Organogr. T.I. p. 545.
3) El&m. de bot. p. 239.
4) Flora. 1829. p. 424.
5) Introd. to botany. p. 518.
6) Icones plantar. et analys. part. p. 240. Tab. LIV.
7) Historia stirp. Helv. T. I. p. 409.
8) Flor. helvet. T. III. p. 289.
9) Deutschlands Flora. T. III. p. 585.
Wh
zwei Kreisen; die des äusseren Kreises sind den Blumenblättern, die des inneren Kreises den Kelchblättern
gegenüber gestellt, mit den letzteren alterniren die Ovarien.
Die Staubfäden des inneren Kreises fand ich beständig in Carpelle verwandelt, theils in vollkommen aus-
gebildete, welche in keiner Rücksicht von den wahren Ovarien abwichen und sich zu regelmässig gebildeten
Früchten entwickelten, theils in unvollkommen ausgebildete und nach dem Verblühen verwelkende Carpelle.
Die Staubfäden des äusseren Kreises waren zum Theil ebenfalls in unvollkommene Carpelle umgewandelt,
zum Theil zeigten sie die verschiedensten Uebergänge vom normalen Staubgefässe in diese Carpelle; nur in
seltenen Fällen waren sämmtliche Staubfäden einer Blüthe in Carpelle übergegangen.
Die normal entwickelten Staubfäden haben ein pfriemenförmiges, purpurrothes Filament, eine rundlich-
eiförmige, etwas heller rothe Anthere, deren beide Fächer auf der vorderen und hinteren Fläche so an ein-
ander grenzen, dass sie nur durch eine Furche getrennt sind und das Connectiv äusserlich nicht sichtbar ist;
die Nath ist auf beiden Seiten ebenfalls tief eingeschnitten, so dass die Anthere durch vier Längenfurchen in
vier gleiche Abtheilungen getheilt wird.
Bei der ersten Annäherung zur Carpellform (Tab. I. Fig. 15) wird die Rückenfurche der Anthere, ‘mit
Ausnahme ihres oberen Theiles, seichter, ihr Boden breitet sich in eine Fläche aus, so dass an ihre Stelle ein
deutliches Connectiv tritt. Dieses Connectiv geht an seinem untern Ende unmittelbar in die Rückenfläche
des Filamentes über; das Connectiv, so wie der obere, hintere Theil des Filaments, haben eine grüne Farbe
angenommen; das Filament ist etwas kürzer und dicker, als beim normalen Staubfaden. Die vordere Seite
Jer Anthere und des Filaments sind durchaus unverändert.
Bei weiter fortgeschrittener Umänderung (Fig. 16) ist das Connectiv und der obere, hintere, grüne Theil
des Filaments breiter geworden, es krümmt sich das ganze Staubgefäss bogenförmig einwärts, so dass seine
Rückenfläche dem Rücken eines Ovariums ähnlich wird; zugleich treten auf dem grün gefärbten Theile die-
selben drüsentragenden Härchen auf, wie sie auf den Ovarien der Pflanze bemerkt werden. Die hinteren
Loculamente der beiden Antherenfächer schmelzen an der Spitze der Anthere zusammen und bilden eine
stumpfe, schnabelförmige Verlängerung, welche einwärts gebogen ist und sich über die Spitze der vorderen
Loculamente einwärts biegt. Die Furche, welche auf jeder Seite das vordere von dem hinteren Loculamente
trennt (in welcher die Nath der Theca liegt), wird in demselben Verhältnisse tiefer, in welchem sich auf der
Rückenfläche das Connectiv in die Breite ausdehnt. Anfänglich erhält sich diese Furche gegen die Spitze der
Anthere hin noch vollkommen unverändert, an ihrem unteren Ende weicht dagegen das vordere und hintere
Antherenfach aus einander und es verlängert sich die auf diese Weise breiter und tiefer gewordene Furche
eine Strecke weit am Staubfaden hinab; sowohl die beiden Längenränder der Furche, als die Ränder ihres un-
teren, im Staubfaden liegenden Endes verlaufen nicht allmählig in die Oberfläche der Anthere und des Fila-
ments, sondern sind in einen vorspringenden Wall zugeschärft, welcher gegen die Furche steil abfällt, dage-
gen auf der äusseren Seite allmählig in die Anthere und den Staubfaden übergeht. Die Epidermis, welche diese
Furche und den innern Theil des sie begrenzenden Walles überzieht, ist glatter als die Epidermis des Staub-
fadens und Connectives und nie mit Härchen besetzt.
5 *
Me nen
Als dritte Uebergangsstufe (Fig. 17. 18. 19) können wir die Form betrachten, bei welcher sich das
Connectiv auf Kosten der hinteren Antherenloculamente so sehr ausbildete, dass es die volle Breite des Ova-
riumrückens erreichte, und die beiden hinteren Antherenloculamente nicht blos durch das Connectiv auf die
Seiten geschoben werden, sondern an ihrem unteren Ende zur Bildung des Connectivs und des die Furche
begrenzenden Walles verwendet wurden und nur noch gegen die Spitze der Anthere hin sich erhalten haben.
Die schnabelförmig verlängerte Spitze der Anthere zeigt immer noch durch ihre rothe Färbung die Abstam-
mung aus den hinteren Antherenloculamenten an. Die vorderen Loculamente sind noch immer völlig unver-
ändert, das Filament ist sehr verkürzt und umgekehrt conisch, indem es auf seiner hinteren Seite sich all-
mählig in das breite Connectiv verläuft; das ganze Filament ist grün. Es verdient bemerkt zu werden, dass
nicht immer auf beiden Seiten des Staubfadens die Umänderung in gleich hohem Grade fortschreitet; es kann
die eine Hälfte noch vollkommen normal sein, wenn die andere Seite bereits die beschriebene Veränderung
erlitten hat. Wenn die Antheren bis zu dem beschriebenen Grade verändert sind, so sind ihre Seitenfurchen
zum Theil noch leer, meistens jedoch ist der untere Theil derselben, so wie die innere Fläche des sie be-
grenzenden Walles, mit einer geringeren oder grösseren Menge von Eierchen besetzt. Diese Ovula haben
meist ihre volle Ausbildung nicht erreicht, sondern bilden cylindrische zu beiden Seiten über die Anthere
vorstehende Protuberanzen, an denen sich Nuc eus und Eihäute noch nicht unterscheiden lassen.
Als vierte Uebergangsstufe (Fig. 21. 22. 24) kommen Antheren vor, bei welchen die stumpfe, aus der
Spitze der hinteren Loculamente hervorgegangene Protuheranz pfriemenförmig verlängert ist, eine mehr ge-
rade Richtung besitzt, kaum noch eine schwache, röthliche Färbung zeigt und bereits ihre Bestimmung zum
Stylus nicht mehr verkennen lässt. Die vorderen Antherenloculamente haben sich nun auch von unten nach
oben zurückgezogen, und sind oft, bis auf eine unbedeutende Spur, welche sich nur noch durch rothe Fär-
bung zu erkennen giebt, verschwunden. Der flügelförmige, die Seitenfurche nach hinten begrenzende Wall,
welcher eine unmittelbare Fortsetzung der hinteren Fläche der Anthere bildet und grösstentheils aus der
Umwandlung der hinteren Loculamente hervorgieng, hat sich nun zu beiden Seiten gegen die vordere Fläche
des Staubfadens vorgebogen, so dass die hintere Seite der Anthere der Rückenfläche eines Ovariums
immer ähnlicher wird. Die Seiteniurchen sind noch mehr nach abwärts verlängert und vertieft und enthal-
ten viele Ovula. Auf der vorderen Seite der Anthere ist an die Stelle der verschwundenen vorderen Locula-
mente eine platte, hautförmige Ausbreitung des im Innern immer noch vollständig vorhandenen Connectivs
getreten, welche jedoch schmaler als die hintere Fläche der Anthere ist, so dass theils hiedurch, theils durch
die Biegung der hinteren Fläche nach vorwärts die beiden Seitenfurchen auf die Bauchfläche hervorgerückt
wurden. Das Filament ist sehr verkürzt und von dem oberen Theile, welcher aus der Umwandlung der
Anthere hervorgieng, nun auch auf der vorderen Seite nicht mehr durch eine Einschnürung getrennt. Das
Ganze stellt in diesem Zustande ein auf dem Rücken abgerundetes, vorn abgeplattetes Carpell dar, dessen
Höhlung jedoch nicht einfach ist, sondern der Länge nach durch das noch vorhandene Antherenconnectiv in
zwei Loculamente (Fig. 20 im Querschnitte) getheilt ist, welche sich in zwei parallelen Längespalten am
Rande der vorderen, platten Seite öffnen. Die Ovula sitzen theils im Innern der Furche, hauptsächlich aber
m Sa
an den dieselbe begrenzenden Rändern, sowohl an dem vorderen, als dem hinteren. Auf diese Stufe der
Umwandlung gelangen schon einzelne Antheren der äusseren Reihe, vorzüglich aber findet sie sich bei den An-
theren der innerenReihe, welche grösstentheils eine der beschriebenen sich annähernde Beschaffenheit haben.
Der letzte Schritt (Fig. 23. 25) endlich, die Umwandlung dieses durch seine zwei Fächer und die dop-
pelte Längenfurche noch an den Bau der Anthere erinnernden, allein hereits keine Spur von Antherenlocu-
lamenten mehr besitzenden Carpells in das gewöhnliche, einfächrige, mit einer Bauchnath versehene Ovarium
geschieht auf die Weise, dass die vordere, häutige Ausbreitung des Connectivs (oder vielmehr die häutigen
Flügel, welche aus der Umwandlung der vorderen Antherenloculamente hervorgegangen sind) sich von beiden
Seiten immer mehr zurückziehen, zuletzt mit dem Connectiv selbst verschwinden und so ein schiffförmiges,
auf der Bauchseite weit geöffnetes, an seinen Rändern mit Eiern besetztes Carpell zurücklassen, dessen Spitze
sich in einen conischen, an der vorderen Seite von einer schmalen Furche durchzogenen Stylus endigt. Es
bedarf jetzt nur noch der in vielen Fällen auch wirklich eintretenden Verwachsung beider Seitenränder zur
vollständigen Bildung eines normalen Ovariums.
Aehnliche Uebergänge der Antheren in Carpelle beobachtete ich an einigen Stöcken von Papaver
orientale, an welchen sämmtliche Blüthen diese Missbildung in mehr oder weniger hohem Grade zeigten.
Die Blüthen waren in Beziehung auf den Kelch, die Corolle, die äusseren Kreise von Staubfäden und das
Pistill normal; dagegen waren die inneren Staubfäden (etwa die Hälfte der sämmtlichen Stamina) mehr oder
weniger verändert, der Uebergang derselben in Carpellarblätter desto vollständiger, je näher dem Ovarium
ein Staubfaden stand.
Auf der ersten Stufe der Missbildung (Tab. I. Fig. 12) war das Filament und der obere Theil der An-
there noch vollkommen normal, die Abweichung vom gewöhnlichen Baue beschränkte sich auf den unteren
Theil der Seitenfurchen der Anthere; diese waren nämlich breiter geworden, indem sich die gefärbten Locu-
lamente der Anthere aul die Seiten und nach oben zurückzogen, wodurch die Nath in eine weisslichgrüne
Fläche ausgedehnt wurde. Auf dieser Fläche war eine geringere oder grössere Menge von Eiern zerstreut
und dadurch die Bestimmung derselben zur Placenta angedeutet. Während bei den umgewandelten Staub-
fäden von Sempervivum die Antherennath, je mehr sich die Antherenloculamente umwandelten, sich immer
mehr und mehr vertiefte und zu einer Furche aushöhlte, so entstand bei den Staubfäden vom Papaver im
Gegentheile an dieser Stelle eine Wucherung des Parenchyms, welche in Form eines vorspringenden Wulstes
zwischen dem vorderen und hinteren Loculamente herablief und sich auf den oberen Theil des Staubfadens
fortsetzte (Fig. 10. 11 im Querschnitte).
Je mehr sich die Antherenloculamente von unten nach oben verkleinerten, desto grösser wurde diese
wulstförmige Placenta, desto dichter war sie mit Eiern besetzt (Fig. 13), desto mehr war das Filament ver-
kürzt und durch die auf dasselbe fortlaufenden Verlängerungen der Placenta verdickt, desto mehr verschwand
die frühere Trennung zwischen Anthere und Filament. Die Eier waren theils höchst unvollkommen ent-
wickelte Wärzchen, grösstentheils aber waren sie den normal entwickelten Eiern der Ovarien vollkommen
gleich, aus Primine, Secundine und Nucleus zusammengesetzt.
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Die Antherenloculamente wurden, so weit sich zwischen ihnen von unten nach oben die Placenta ent-
wickelt hatte, schmäler und enger, ihre Höhlung war jedoch, so weit sich aussen eine rothe Färbung zeigte,
erhalten und mit gut ausgebildetem Pollen-gefüllt, die Scheidewand zwischen dem vorderen und hinteren
Loculamente war, so weit aussen auf ihr die Placenta verlief, sehr verdickt und gieng nach aussen unmittel-
bar in die Substanz der Placenta über. Bei denjenigen Antheren, welche sich dem Baue des Carpells mehr
annäherten, an welchen die Placenta sehr breit geworden und mit einer reichlichen Menge von Eiern bedeckt
war, verschwanden die Antherenloculamente, soweit sich die stark entwicke'te Placenta erstreckte, völlig.
Bei den Antheren von Sempervivum sahen wir zuerst die hinteren Loculamente verschwinden, während
sie zugleich durch starke Entwicklung des Connectivs auf der hinteren Antherenfläche aus einander traten,
erst weit später verschwanden die vorderen Loculamente. Etwas Aehnliches, jedoch nicht in gleich hohem
Grade ausgesprochen, kam bei Papaver vor. Indem nämlich die Placenta sich verdickte und die Antheren-
loculamente verdrängte, so zog sie sich zugleich gegen die vordere Antherenfläche hin, wodurch der Rücken-
der nach dem Verschwinden der Antherenloculamente grün gewordenen Anthere gewölbt wurde (Fig. 14).
Schon oben wurde bemerkt, dass die Entwicklung der Placenta von unten nach oben fortschritt. Bei
vielen Staubfäden erreichte sie nur die halbe Länge der Anthere, dann war die obere Antherenhälfte voll-
kommen normal. Bei anderen reichte sie dagegen bis zur Spitze der Anthere und stiess mit der Placenta
der entgegengesetzten Seite zusammen. In diesem Falle war nur ihre untere Hälfte oder ihre unteren zwei
Drittheile mit Eiern besetzt, der obere Theil stellte einen glatten, grünlichweissen Strang dar, welcher mit
dem der entgegengesetzten Seite an der Spitze der Anthere zusammenfliessend in eine kurze, stumpfe, mit
Papillen besetzte Spitze (Fig. 13a) auslief. Diese Spitze konnte leicht für die erste Andeutung eines Stigma
gehalten werden. Die Untersuchung solcher Antheren, welche sich dem normalen Carpelle mehr näherten,
zeigte dagegen, dass das Stigma sich auf eine andere Weise bildete, und dass jene papillose Endigung der
Placenten eher für die erste Andeutung des leitenden Zellgewebes zu halten sei.
Die Bildung des Stigma gieng aul folgende Weise vor sich. Es breitete sich der aus der Umwandlung
der hinteren Antherenloculamente hervorgegangene Rand des Carpellrückens auf beiden Seiten flügelförmig
aus und schlug sich am obern Ende des Carpells wieder rückwärts um sich selbst zurück, so dass dadurch
seine innere und vordere Seite zur äusseren und oberen wurde. Dieser umgeschlagene Rand (Fig. 14a) war
dicht mit Papillen besetzt und entsprach dem Stigma des ausgebildeten Carpells. Aus dieser Bildungsweise
des Stigma, welches nicht blos die Spitze des Carpells einnahm, sondern zu beiden Seiten eine Strecke weit
an seinem Rande herunterlief und daher aus zwei unter einem Winkel zusammenstossenden, wulstartigen
Linien bestand, erklärt sich die strahlenförmige Gestalt, welche das Stigma des normal entwickelten Ovariums
zeigt, so wie der Umstand, dass die Strahlen über den unvollständigen Scheidewänden und den Placenten
des Ovariums stehen und mit dem Rücken der Carpelle alterniren.
Da, wie oben schon bemerkt wurde, die beiden Placenten in demselben Maasse, in welchem die vor-
deren Antherenloculamente schwanden, sich von beiden Seiten auf der vorderen Antherenfläche einander
näherten, so bildeten sie bei solchen Carpellen, bei welchen die vorderen Antherenloculamente vollkommen
Dr
verschwunden waren, zwei parallel neben einander laufende, durch eine tiefe und schmale Furche getrennte
Wülste. Auf ähnliche Weise findet man auch bei dem normal entwickelten Ovarium von Papaver die Pla-
centen jedes Carpellarblattes einander sehr nahe stehend, und die innere, vordere Fläche des Carpellarblattes
sehr schmal. Je mehr die Placenten entwickelt, die Carpellarrücken auf Kosten der hinteren Loculamente
ausgebildet waren, desto mehr waren die Filamente verkürzt, breit geworden und desto mehr war ihre Ab-
grenzung von der Anthere verschwunden.
Die in der Nähe des Ovariums stehenden Staubfäden waren auf die beschriebene Weise vollkommen in
Carpelle übergegangen, welche auf der Bauchseite offen standen. Häufig geschah es nun, dass zwei bis vier
derselben, welche in einer Linie neben einander standen, mit den Rändern unter einander bis zur Spitze der
Narben verwachsen waren und auf diese Weise zwar nicht vollständige Ovarien bildeten, jedoch ziemlich ge-
treu kleineren oder grösseren Abtheilungen des normalen Oyariums entsprachen.
Vergleichen wir nun die Umwandlung der Antheren von Sempervivum mit der bei Papaver beobach-
teten, so werden wir dieselbe bei beiden Pflanzen auf eine sehr analoge Weise vor sich gehen sehen.
Bei beiden Pflanzen stand die Entwicklung von Eiern und Pollenkörnern, von Placenten und Antheren-
loculamenten zwar im Gegensatze zu einander, jedoch nicht so strenge, dass mit dem Anfange der Eiererzeu-
gung sogleich die Pollenproduction erloschen wäre, sondern es bestanden häufig bei noch nicht weit fortee-
schrittener Umbildung alle vier Loculamente neben den zwei mit Eiern besetzten Placenten. Die Placenten
entwickelten sich bei beiden Pflanzen in der Furche, welche die vorderen von den hinteren Antherenloculamen-
ten trennt. Bei beiden Pflanzen wurde der Rücken des Carpellarblattes durch eine Verbreiterung des hinteren
Theiles des Connectivs und durch eine Verschmelzung des Connectivs mit den hinteren Loculamenten gebil-
det; die innere Fläche des Carpells bildete sich dagegen bei Srempervivum auf eine etwas andere Weise, als
bei Papaver. Bei Papaver verkleinerten sich nämlich die vorderen Antherenloculamente immer mehr und
mehr, zogen sich gegen den Rücken des Carpells zurück, wodurch sich eine Furche zwischen den wulstartig
vorspringenden Placenten bildete, welche sich zur inneren Carpellarfläche umwandelte. Bei Sempervivum
entwickelten sich dagegen keine wulst[örmig vorstehenden Placenten durch Wucherung des sogenannten Re-
ceptaculum pollinis, sondern es sank dieses im Gegentheile zu einer Furche ein, über welche sich von der
hinteren Seite der Carpellarrücken herwölbte und welche von der Furche der entgegengesetzten Seite durch
das stehen gebliebene Connectiv getrennt wurde. Auf diese Weise war das Carpell durch eine falsche, vom
Rücken auslaufende Scheidewand in zwei Loculamente getheilt, auf ähnliche Weise wie das Carpell von Oxy-
tropis oder Linum. Diese als Ueberrest der vorderen Seite des Connectivs stehen gebliebene Scheidewand
verschwand erst bei denjenigen Carpellen, welche sich in jeder Beziehung dem Baue des normalen Ovariums
möglichst genähert hatten. Der Stylus bei Sempervivum, die Narbe bei Papaver bildeten sich endlich auf
eine sehr analoge Weise. In beiden Fällen waren sie nämlich durch einen von der hinteren Carpellarwandung
flügelförmig vorspringenden Rand gebildet, welcher die Placenta von hinten und aussen begrenzte, sich bei Sem-
pervivum über die Placenta hinaus an der Spitze des Carpells verlängerte und von beiden Seiten sich nach
vorn umschlug, bei Papaver dagegen sich rückwärts umrollte und eine sitzende, zweistrahlige Narbe bildete.
ei
Versuchen wir es nun, aus diesen Missbildungen Folgerungen für die Wahrscheinlichkeit der einen oder
der andern oben angeführten Ansichten über Antherenbildung abzuleiten, so kommt vor Allem die Unter-
suchung der Frage in Betracht: sollen wir mit Acarpn und EnpLicner den Staubladen als ein mit zwei op-
ponirten Blättern versehenes Achsengebilde betrachten, oder ihn mit GoeraE und den übrigen Botanikern für
ein metamorphosirtes Blatt erklären?
Eine vollständige Erledigung dieser Frage kann zwar aus Untersuchung dieser Missbildungen allein nicht
hervorgehen, sondern sie kann nur das Resultat einer umfassenden Betrachtung aller Verhältnisse der Staub-
fäden, ihrer Stellung zu den übrigen Blüthentheilen, ihrer Umwandlung in Petala u. s. w. sein, — eine Betrach-
tung, auf welche wir hier ihres Umfanges wegen verzichten müssen; es mag jedoch vielleicht gelingen, auch
nur aus der Betrachtung der speciellen, im Bisherigen beschriebenen Missbildung einige für die Lehre von
Entstehung der Staubfäden nicht ganz unwichtige Folgerungen abzuleiten.
AcaRDH und ENDLICHER halten beide den Staubfaden für einen Ast, welcher in einer gewissen Höhe
zwei opponirte Blätter trägt, welche sich mit den Kelch- und Blumenblättern kreuzen, mit ihrer Mittelrippe
an den Ast (das Filament) angewachsen sind, sich mit ihrer Lamina nach Acarou seitwärts und einwärts um-
gebogen haben, um die beiden Antherenloculamente zu bilden, nach EnpLicher dagegen sich nach aussen
zu demselben Zwecke umrollen und mit ihren Rändern an ihrer eigenen Mittelrippe anwachsen. Sehen wir
nun, in wie weit diese Ansicht verträglich ist mit dem oben beschriebenen Vorgange von der Umbildung der
Antheren in Carpelle. In Beziehung auf die letzteren müssen wir von der Ansicht ausgehen, dass jedes Car-
pell aus der Metamorphose eines einzigen Blattes hervorgegangen ist. Man mag über die Entstehung der
Placenten in der Frucht denken, wie man will, sie nach der gewöhnlichen Ansicht für Theile des Carpellar-
blattes selbst, oder mit Acarpu, ENDLICHER, Fenzu für ein Achsengebilde halten, so viel steht jedenfalls un-
veränderlich fest, jedes Carpell besteht aus einem Blatte, dessen Unterfläche den Carpellrücken bildet, dessen
Mittelnerve die Mittellinie des Carpells einnimmt, dessen Ränder bei geschlossenen Ovarien entweder mit
einander oder mit den Rändern anderer Carpellarblätter verwachsen sind. Diese Thatsache, an welcher sich
nichts ändern lässt, steht meiner Ansicht nach im directesten Widerspruche mit der Acarpn’schen Ansicht
von der Äntherenbildung.
Wir sahen ‚oben, dass die Anthere dadurch in ein Carpell übergeht, dass ihr Conneectiv sich ausbreitet
und zum Carpellrücken wird; da nun aber der Carpellrücken das Mittelstück eines Blattes ist, so muss auch
das Connectiv, welches sich in den Carpellarrücken umwandelt, dem Mittelstücke eines Blattes entsprechen.
Wir sehen ferner dieses Connectiv, wenn es sich an der Anthere ausbildet, eine so unmittelbare Fortsetzung
des Staubfadens bilden, dass wir nothwendigerweise Staubfaden und Connectiy für Theile eines und desselben
Organes halten müssen; es muss daher auch der Staubfaden ein Blatt, nicht ein Ast sein. Wir sehen ferner
in demselben Maasse, wie das Connectiy sich ausbildet, die hinteren Antherenloculamente verschwinden und
ihre Substanz zur Vergrösserung des Connectivs, zur Bildung des Stylus und der Narbe verwendet werden,
ohne dass weder äusserlich, noch durch eine microscopische Untersuchung des innern Baues auch nur die
leiseste Andeutung gegeben wäre, dass die Wandungen dieser Loculamente einem fremden, dem Connective
BR
nur angewachsenen Theile angehören: wir müssen daher nothwendigerweise auch die Antherenyalveln als
Theile desselben Blattes, welches das Connectiv und den Staubfaden bildet, betrachten. Wir sehen ferner
die Ovula theils am Staubfaden, theils an der Anthere auf einer Längenlinie hervorsprossen, welche zwischen
den hinteren und vorderen Antherenloculamenten liegt, also nach der Ansicht von Acarpn und EnDLIcHER
der unteren Seite des Mittelnerven der seitlichen Blätter entspricht, welche die Antherenvalveln bilden sollen.
Das wäre höchst sonderbar, wenn die Acarpın’sche Ansicht begründet wäre; denn unter allen Stellen, an
welchen wir bei unregelmässig gebildeten Blumenblättern und anderen blattartigen Organen Ovula hervor-
sprossen sehen, ist gewiss diese Stelle die am allerwenigsten dazu geeignete und es wurde auch meines
Wissens noch nie an der Unterfläche des Mittelnerven eines Blattes eine Production von Eiern beobachtet,
während sie am häufigsten an den Blatträndern (vgl. Fig. 26 —29, welche Darstellungen von unregelmässig
gebildeten Blumenblättern von Nigella damascena, auf welchen sich Eier entwickelt hatten, geben) hervor-
sprossen, also gerade an derjenigen Stelle, welche nach der gewöhnlichen Ansicht der Sutur der Antheren
entspricht oder ihr wenigstens sehr nahe liegt.
Betrachten wir ferner die oben beschriebenen Carpelle von O’hamaerops, welche neben der Bauchnath
Antherenloculamente enthielten, so wird die Adarnw’sche Ansicht von der Antherenbildung noch unbegreif-
licher. Dass diese Loculamente blose Aushöhlungen im Carpellarblatte waren, zeigte der Augenschein deut-
lich, wollte man auch hier die Einwendung machen, es sei mit jedem Rande des Carpellarblattes ein anderes
Blatt verwachsen gewesen, so wäre der Ursprung dieses Blattes durchaus nicht zu erklären.
Die Widersprüche zwischen dem, was uns die Natur bei den beschriebenen Uebergängen zwischen An-
theren und Carpellen zeigt, und zwischen den Ansichten von Acarpr über Antherenbildung sprechen zu
deutlich gegen die letzteren, als dass wir sie nicht auch von dieser Seite aus (denn auch von anderen Seiten
sind sie zum mindesten eben so gewichtigen Einwendungen ausgesetzt) für völlig widerlegt halten sollten.
Betrachten wir nun, in wie ferne die beschriebene Umbildung der Antheren in Carpelle für die D£EcAnDoLLE'-
sche oder Cassınr’sche Ansicht vom Antherenbaue spricht.
DEcAnDoLLE hält, wie schon oben bemerkt wurde, den Staubfaden für ein Blatt, dessen Ränder sich
gegen seine Mittelrippe umgeschlagen und auf diese Weise die Antherenfächer gebildet hätten, und er glaubt,
es verwandeln sich bei Umwandlung der Antheren in Carpelle die Pollenkörner in Eier. Es ist unnöthig, mit
vielen Worten auseinanderzusetzen, dass diese Vorstellung von Umwandlung der Pollenkörner durchaus un-
gegründet ist, indem die oben beschriebenen Missbildungen deutlich zeigen, dass die Ovula nicht nur nicht
aus den Pollenkörnern, sondern dass sie nicht einmal in den Antherenfächern entstehen; dass die letzteren
bei der Umwandlung der Anthere in ein Carpell sich nicht in die Höhlung des letztern öffnen, sondern dass
die Antherenloculamente obliteriren und die Carpellwandung aus der Substanz des Connectivs und der Wan-
dungen der Antherenloculamente (besonders der hinteren) gebildet wird, wobei sich dieselben nicht nach
Art eines umgerollten Blattes entfalten, sondern ganz einfach sich in die Breite ausdehnen. Der Augenschein
lehrt also in diesen Fällen, dass die Anthere nicht auf die von DEcAnDoLL& vermuthete Weise entstanden sein
6
umge
kann; auch wäre es nicht wohl begreiflich, wie durch ein einfaches Umrollen des Blattrandes bis zur Mittel-
rippe auf jeder Seite der Anthere zwei Loculamente sich bilden könnten.
Sehen wir dagegen, in wie weit der beschriebene Vorgang der Umwandlung der Antheren mit der von
Cassını und Rörrr aufgestellten Ansicht über Antherenbildung harmonirt, nämlich mit der Angabe, dass die
beiden Antherenfächer durch Anschwellung der Seitenhälften des in die Anthere verwandelten Blattes ent-
stehen, dass die Loculamente Aushöhlungen im Blattparenchyme seien, gefüllt mit veränderten Parenchym-
zellen (Pollenkörnern), dass die Suturen der Anthere den Blatträndern entsprechen, so müssen wir auf der
einen Seite zugeben, dass diese Ansicht zwar mit dem oben erzählten Vorgange der Umwandlung der Anthe-
ren in Carpelle in Uebereinstimmung ist, in so ferne es deutlich ist, dass die Wandungen der Loculamente
und das Connectiv integrirende Theile desselben Organes sind, dass das Connectiv dem Mittelstücke des ver-
änderten Blattes entspricht, während die Loculamente die nicht eingerollten, sondern der Breite und Länge
nach contrahirten, der Dicke nach aufgeschwollenen Seitenhälften desselben sind, dass ferner der Pollen in
Aushöhlungen, welche in der Substanz des Blattes selbst liegen, enthalten ist, dass sich die Placenten zwi-
schen den vorderen und hinteren Antherenloculamenten bilden, also an der dem Blattrande entsprechenden
Stelle, d. h. an derjenigen Stelle, un welcher wir vorzugsweise Eier hervorbrechen sehen, wenn bei abnorm
gebildeten Blüthen auf Blumenblättern u. s. w. sich Eier bilden; auf der andern Seite ist aber auch zu be-
merken, dass diese Ansicht nicht in jeder Beziehung den Verhältnissen, welche wir bei den Antheren beob-
achten, entspricht.
Der Umstand, dass die Pollenkörner nicht als veränderte, von einander isolirte Parenchymzellen zu be-
trachten sind, wie dieses Cassını und Rörer zu einer Zeit, als Av. Bronensarr seine Beobachtungen über
die Entstehung der Pollenkörner noch nicht angestellt hatte, angenommen hatten, kann nicht als ein gewich-
tiger Einwurf gegen jene Theorie gelten, indem man nur die Mutterzellen anstatt der Pollenkörner selbst für
veränderte Parenchymzellen erklären dürfte, um diese Theorie auch den heutigen Erfahrungen über die Ent-
stehung der Pollenkörner anzupassen.
Dagegen ist es mir mehr als zweifelhaft, ob die Ansicht, dass die Nath der Anthere dem Blattrande ent-
spreche, in allen Fällen richtig sei. Die Gründe, welche Rörsr hiefür anführt t), nämlich die rothe Färbung
der Blattränder und der Antherensutur bei manchen Euphorbien, die Wimpern der Blattränder und der An-
therensutur bei vielen Pflanzen, sind allerdings sehr bedeutende, für diese Ansicht sprechende Momente und
mögen auch für diese Fälle als gültige Beweise betrachtet werden; allein die Allgemeinheit dieses Verhält-
nisses wird, wie schon Bıscnorr (freilich wieder zu allgemein) bemerkte, durch die Uebergangsformen von
Blumenblättern in Staubfäden bei vielen Pflanzen, z. B. bei gefüllten Blüthen der Rosen, des Mohns, der
Nigella damascena, widerlest. Bei den Blumenblättern dieser Pflanzen erkennt man nämlich mit Bestimmt-
heit, dass die vorderen und die hinteren Antherenloculamente nicht einander gegenüber, die ersteren auf der
oberen, die letzteren auf der unteren Fläche der Blumenblätter entstehen, sondern dass sich beide auf der
4) Enumerat. euphorb. p. 44.
na
oberen Blatifläche bilden, das vordere Antherenloculament näher an der Mittellinie des Blumenblattes, das
hintere näher am Rande desselben; ferner, dass die beiden Loculamente eines Antherenfaches nicht immer
unmittelbar neben einander entstehen, sondern dass sie häufig durch ein ziemlich breites Stück des Blumen-
blattes von einander getrennt sind und dass dieses Mittelstück sich zur Scheidewand zwischen beiden Locula-
menten contrahirt. Dieses Verhältniss ist besonders deutlich bei halbgefüllten Blüthen von Nigella 'damas-
cena, bei welchen an der Stelle der äusseren Staubfadenkreise bläulich- oder grünlichweisse Blätter stehen,
welche einen langen, dem Filamente entsprechenden Nagel und eine fiedriggespaltene Lamina besitzen, durch
welche letztere sie an die vielfach getheilten Blätter des Involucrums dieser Pflanze erinnern. Wenn an
diesen Blättern eine halb ausgebildete Anthere vorkommt, so ist diese in der Regel so beschaffen, dass die
beiden vorderen Antherenloculamente parallel neben einander auf der Oberseite des Blattes neben seinem
Mittelnerven verlaufen, während die beiden hinteren Loculamente den beiden untersten Blattlappen entspre-
chen, an deren Rande und zum Theile auf deren oberer Seite sie in einer solchen Richtung liegen, dass sie
mittelst ihres unteren Endes mit dem vorderen Antherenloculamente zusammengrenzen, mit ihrem oberen
Ende dagegen weit von demselben abstehen. ;
Da die Antheren der meisten Pflanzen sich auf ihrer inneren Seite öffnen (antherae introrsae), so mag
auch dieselbe Entstehung, wie bei Nigella, denselben zukommen; die von RörEr angeführten Gründe machen
es jedoch in hohem Grade wahrscheinlich, dass es allerdings auch Pflanzen giebt, bei welchen die vorderen
Loculamente der oberen Blattfläche, die hinteren Loculamente der unteren Blattfläche entsprechen. Bei den
mit auswärts sich öffnenden Antheren versehenen Pflanzen entsprechen vielleicht beide Antherenloculamente
der unteren Blattfläche, wenigstens ist es meiner Ansicht nach durchaus keinem Zweifel unterworfen, dass
dieses bei den Oycadeen und Ooniferen der Fall ist.
Aus den Untersuchungen der oben beschriebenen Umwandlungen der Antheren in Carpelle lässt sich
kaum etwas Entscheidendes in Beziehung auf den in Rede stehenden Punct ableiten, indem die Erscheinungen
beinahe eben so gut nach der Ansicht von RörEr, als nach der von Bıscuorr gedeutet werden können.
Nimmt man nähmlich die Antherensutur für den Blattrand, so ist zuzugeben, dass dieser Ansicht der Umstand
entgegen zu sein scheint, dass die Placenten, je mehr sie sich ausbilden und je mehr die Antheren sich in
ein Carpell umwandeln, desto mehr auf die innere (obere) Fläche des Carpellarblattes zusammenrücken, und
dass in desto höherem Grade ein aus dem hinteren Antherenloculamente gebildeter Blattrand (welcher den
Stylus und die Narbe bildet) auf beiden Seiten über die Placenten hinauswächst und sie von hinten nach vorn
überwölbt. Dieses Verhältniss scheint dafür zu sprechen, dass diese hinteren Loculamente selbst, und nicht
die Placenten, aus dem Blattrande gebildet sind und bei der Umwandlung der Antheren in ein Carpell wieder
die ursprüngliche Form annehmen, dass daher der ursprüngliche Blattrand über das hintere Antherenlocula-
ment selbst verlaufe. Auf der andern Seite liesse sich aber auch dieses Vorstehen des aus dem hinteren
Antherenloculamente gebildeten Carpellarrandes über die Placenta, wenn man diese selbst für den ursprüng-
lichen Blattrand hält, aus einem stärkeren Wachsthume der ganzen unteren Blattseite und einer Wucherung
des hinteren Loculaments erklären, wodurch der an den Blattrand unmittelbar anstossende Theil der unteren
6*
De.
Blattfläche in Form eines Wulstes über den Blattrand sich erheben und diesen überwölben würde, eine An-
nahme, welche an und für sich durchaus nichts Unwahrscheinliches hat.
Da also, nach dem Gesagten, die Untersuchung der in Carpelle sich verwandelnden Antheren keinen
Aufschluss über die Lage des ursprünglichen Blattrandes giebt, so lässt sich dieser für die Antheren von
Papaver und Sempervivum blos aus der Untersuchung solcher Antheren ermitteln, welche in ein Blumen-
blatt übergehen. Ueber diese Umwandlung habe ich bei Sempervivum bis jetzt noch keine Gelegenheit ge-
funden, Beobachtungen anzustellen, wohl aber bieten halbgefüllte Blüthen verschiedener Arten von Papaver
vielfache Gelegenheit dar, dieses Verhältniss zu untersuchen. Man wird bei halb in Antheren umgewandelten
Blumenblättern dieser Pflanzen beständig finden, dass beide Antherenloculamente auf ähnliche Weise, wie es
oben von Nigella damascena beschrieben ist, auf der oberen Blattfläche entstehen und dass der Rand des
Blumenblattes, ohne eine Spur zu hinterlassen, in dem hinteren Antherenloculamente verschwindet.
Man könnte diese Annahme aus dem Grunde für unwahrscheinlich firden, weil, wenn diese Ansicht
richtig ist, die Placenten des Carpells nicht dem Blattrande, sondern einem Theile der oberen Blattfläche
entsprechen würden. Allein dieser Grund wäre meiner Ansicht nach von keinem grossen Gewichte, indem
der Satz, dass die Placenten den Carpellarrändern entsprechen, viel zu allgemein ausgesprochen wurde und
vielfache Ausnahmen erleidet; ich möchte im Gegentheil in diesem Umstande, dass die Placenten aus den
Antherensuturen hervorgehen, eine Bestätigung eines durch die Organisation vieler Carpelle erweisbaren
Satzes finden, nämlich dafür, dass nicht allein die Blattränder, sondern überhaupt die obere Blattfläche einer
Umwandlung in Placenten und einer Production von Eiern fähig sei; ein Satz, welcher mir eben so wohl
durch die Organisation vieler einsamigen Carpelle (z. B. der Palmen), als mancher vielsamigen Carpelle
(z. B. von Butomus, Nymphea, von manchen Arten von Mesembryanthemum, von Cupressus etc.) er-
wiesen zu sein scheint.
IV.
Ueber die
männlichen Blüthen der Coniferen.
(Dissertation vom Jahr 1837. Mit Zusätzen.)
With the exceplion of Orchideae, there is perhaps no natural order the structure of wich has been so long and
so universally misunderstood as Coniferae. This has arisen from the exceedingly anomalous nature of their orga-
nisation, and from the inyestigations of botanists not having been conducted with that attention to logical prae-
eision wich is now found to be absolutely indispensable.
Lisorey.
Ungeachtet ihres sehr einfachen Baues wurden die Blüthen der Coniferen dennoch der Gegenstand von
mannigfacheren Deutungen als die Blüthen von beinahe jeder andern Familie der Phanerogamen. In Bezie-
hung auf die weiblichen Blüthen dieser Pflanzen herrscht nun, seitdem Rogerr Brown mit seinem gewöhn-
lichen Scharfsinne ihre Organisation erläuterte; wohl kaum mehr eine bedeutende Meinungsverschiedenheit U),
Ueber die Organisation der männlichen Blüthen finden wir dagegen in den botanischen Schriften immer noch
die abweichendsten Ansichten ausgesprochen. Aus diesem Grunde ist es vielleicht Manchem nicht uner-
wünscht, wenn ich auf den folgenden Blättern die Beschreibung einer Missbildung, nämlich einiger herma-
phroditen Blüthenkätzchen von Pinus alba gebe, indem durch dieselbe wenigstens für einen Theil der Coni-
feren die in Beziehung auf die Organisation der männlichen Blüthen noch stattfindenden Zweifel, wie es mir
wenigstens scheint, definitiv gehoben werden.
4) Das hat sich freilich, seitdem das Obige niedergeschrieben wurde, zum. Theile geändert. Es wurde nicht
nur der Theil der R. Browx’schen Theorie, gegen welchen man am wenigsten einen Einwurf hätte erwar-
ten sollen, nämlich das Nacktliegen des Ovulums nicht allgemein und namentlich von Mrrser und Spacn
in ihrer vortrefflichen Arbeit über die Entwicklung des Embryos der Coniferen nieht anerkannt, sondern
es wurde auch die Ansicht, dass die Schuppen des weiblichen Kätzchens offene Carpellarklätter seien, in
Zweifel gezogen, indem nicht nur in neuern Zeiten von verschiedenen Seiten ber die Ansicht, dass die Pla-
centa ein Achsengebilde sei, überhaupt vertheidigt wird, sondern speciell von den Coniferen durch Scurer-
pen (Wiegmann’s Archiv. 1857. 5310) behauptet wurde, dass die eiertragende Schuppe eine dem Achsen-
systeme angehörige Placenta sei. Schreien giebt an, für diese Ansicht in einem Zapfen von Pinus alba,
welcher an der untern Hälfte männliche, an der obern Hälfte weibliche Blüthen trug, welcher also wohl
mit den Zapfen, die den Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes bilden, viele Achnlichkeit gehabt haben
mag, eine glänzende Bestätigung gefunden zu haben, ohne jedoch die Sache näher auszuführen, Als ein
Gegner dieser Scuuriven’schen Ansicht trat Dow äuf (Transaet. of the Linnean soc. XVII. 477. Annal.
d. scienc. nat. XII, 234).
ee
Um die Puncte, deren Untersuchung dabei zur Sprache kommen wird, deutlicher hervorzuheben, mag
es nicht unpassend sein, der Beschreibung dieser Missbildung eine kurze Uebersicht der Ansichten vorauszu-
schicken, welche über den Bau der männlichen Coniferenblüthen geäussert wurden.
Hiebei haben wir die Schriftsteller in zwei Abtheilungen zu bringen, je nachdem sie von der Ansicht
ausgiengen, dass die Organisation der Vegetationsorgane der Coniferen und Cycadeen mit der Organisation
der entsprechenden Organe der übrigen Pflanzenfamilien durchaus übereinstimmen, dass desshalb auch bei
der Erklärung des Blüthenbaues nach denselben Grundsätzen, welche aus dem Baue der andern Pflanzen ab-
geleitet wurden, die Blüthen dieser zwei Familien zu deuten seien, oder je nachdem sie der Ansicht sind, dass
die Coniferen und Cycadeen in Beziehung auf ihre Vegetationsorgane wesentliche Verschiedenheiten von den
übrigen Gewächsen zeigen, welche auch eine verschiedene Deutung der aus der Metamorphose dieser Organe
hervorgegangenen Blüthentheile nothwendig machen.
Zur ersten dieser Abtheilung können wir folgende Schriftsteller rechnen:
Lıss& scheint das ganze männliche Blüthenkätzchen von Pinus als eine einzige Blüthe betrachtet zu
haben, indem er die Knospenschuppen, von welchen das Kätzchen umhüllt ist, als den Kelch beschreibt, die
Staubfäden als untereinander verwachsen betrachtet und desshalb die Gattung in die Monoecia Monadelphia
stellt; für diese Ansicht spricht wenigstens der von Lins& aufgestellte Gattungscharacter von Pinus '):
Cal. Gemmae squamae hiantes, nec alius.
Cor. nulla.
Stam. Filamenta plurima, connata inferne in columnam erectam, apice divisam. Antherae erectae.
Bei Thuja, Cupressus, Juniperus betrachtete Linn& dagegen das Blüthenkätzchen nicht als eine ein-
zige Blüthe, sondern als ein wahres Amentum, und schrieb jeder einzelnen Blüthe einen aus einer Schuppe
bestehenden Kelch zu, an welchem die Antheren angewachsen seien. Bei Taxus und Ephedra wird wieder
das männliche Blüthenkätzchen als eine Blüthe und die Staubfäden als in einen Cylinder verwachsen beschrie-
ben, dabei wird bei Ta:cus die Blüthenhülle als fehlend und durch die Knospenschuppen ersetzt, bei Ephedra
dagegen ein zweispaltiges Perianthium beschrieben.
Etwas abweichend ist die Deutung, welche Jussıgu von der männlichen Coniferenblüthe gab; er betrach-
tete nämlich auch bei Pinus die Staubfäden als zusammengesetzt aus einer Schuppe und zweien, auf der
Schuppe aufgewachsenen einfächerigen Antheren ?), wie dieses Lmx& von T’huja etc. angenommen hatte; er
hielt daher das ganze Kätzchen nicht wie Liwn& für eine monadelphische Blüthe, sondern für ein Amentum.
Bei Ephedra und Ta:rus sah er dagegen eine monadelphische Blüthe.
Auf ähnliche Weise beschrieben GAERTNER, DECANDOLLE, MırBEL u. A. diese Blüthen, und erst Roserr
Brown ?) wies auf die Möglichkeit einer andern Deutung hin. Als er nämlich im Jahre 1825 seine Ansicht
über den Bau der weiblichen Blüthen der Cycadeen und Coniferen publicirte, so warl er auch einige verglei-
4) Liws£, genera plantarum. edit. sexta. Holmiae. 4764. pag. 499.
3) Jussıeu, genera plantarım. Par. 1789. pag. 414. E
3) Character und Beschreibung von Kingia. Verm. Schrift. T. IV. pag. 75 u. folg.
ee
chende Blicke auf die männlichen Blüthen dieser Gewächse; er sprach sich zwar nicht bestimmt über die
morphologische Beschaffenheit derselben aus und erklärte selbst, dass er den Theil seiner Untersuchungen,
welcher sich auf die Analogie der männlichen und weiblichen Blüthen bei den Cycadeen und Coniferen be-
ziehe, als den am wenigsten befriedigenden betrachte, jedenfalls aber wies er auf die Unhaltbarkeit der früher
gehegten Ansichten hin. Die auf diesen Gegenstand sich beziehenden Stellen sind folgende: „Wenn nun aber
die Eichen der Cycadeen und Coniferen wirklich auf der Oberfläche eines Fruchtknotens entspringen, so
könnte man vielleicht, wenn schon nicht mit Sicherheit, erwarten, dass auch ihre männlichen Blüthen von
denen aller phanerogamischen Pflanzen abweichen, und in dieser Abweichung einige Analogie mit dem Bau
der weiblichen Blüthe darbieten würden. Und wenigstens bei den Cycadeen, vorzüglich bei Zamia, ist die
Aehnlichkeit zwischen dem männlichen und weiblichenKolben so gross, dass wenn der weibliche einem Frucht-
knoten analog ist, jeder besondere männliche Kolben als eine einzelne Anthere betrachtet werden muss, die
auf ihrer Oberfläche entweder nackte Pollenkörner hervorbringt, oder in Massen abgetheilten Kelım deren
jede mit ihrer eigenen Haut versehen ist. Diese beiden Ansichten mögen jetzt vielleicht gleich paradox er-
scheinen; doch wurde die erstere von Lınn& gehest, der sich selbst darüber mit folgenden Worten ausdrückt:
pulvis floridus in cycade minime pro antheris agnoscendus est, sed pro nudo polline, quod unusquisque qui
unquam pollen antherarum in plantis examinavit, fatebitur. Dass diese von Lınx& so zuversichtlich ausge-
sprochene Meinung von keinem andern Botaniker angenommen wurde, scheint zum Theil darin seinen Grund
zu haben, dass er sie auf die eigentlichen Farnen mit fructifieirendem Laube ausdehnte. Indess auf die
Cycadeen beschränkt scheint sie mir nicht so ganz unwahrscheinlich, dass sie ungeprüft verworfen zu werden
verdiente. Wenigstens wird sie einigermassen unterstützt durch die verschiedentlich, namentlich bei den
americanischen Zamien, vorkommende Trennung der Körner in zwei gesonderte und zugleich beinahe am
Rande stehende Massen, die gleichsam die Lappen einer Anthere darstellen; so wie auch durch ihr Beisam-
menstehen in bestimmter Zahl, gewöhnlich zu vieren, gleich wie die Pollenkörner in den Antheren verschie-
dener anderer Pflanzenfamilien nicht selten zu vieren vereinigt sind. Die ungewöhnliche Grösse der ange-
nommenen Pollenkörner, so wie die Dicke und das regelmässige Aufspringen ihrer Membran, lassen sich
betrachten als offenbar abhängend von ihrer Entstehung und Fortbildung auf der Oberfläche einer von der
weiblichen Blüthe entfernten Anthere; und bei dieser Einrichtung lässt sich auch eine entsprechende Ausdeh-
nung der enthaltenen Theilchen oder der Fovilla erwarten. Ja, meiner Untersuchung zufolge, sind diese
Theilchen nicht nur an Grösse den Körnern vieler Antheren gleich, sondern sie sind auch elliptisch und an
einer Seite mit einer Längsfurche versehen, welche Form eine der gemeinsten ist bei den einfachen Pollen-
körnern phänogamischer Pflanzen. Ob demnach blos aus den angeführten Gründen auzunehmen sei, dass
diese Theilchen der Fovilla und die darin enthaltenen Organe den Pollenkörnern der gewöhnlichen Antheren
analog seien, mag Jeder für sich selbst entscheiden. Es verdient nur noch bemerkt zu werden, dass wenn
diese Ansicht aus genügenden Gründen anzunehmen wäre, zugleich eine einander entsprechende Entwicklung
der wesentlichen Theile der männlichen und weiblichen Organe sich ergeben hätte ........ “
„Die zweite hier erwähnte Ansicht, nach welcher angenommen wurde, dass die Anthere der Cycadeen
a
auf ihrer Oberfläche eine unbestimmte Zahl von Pollenmassen hervorbringe, deren jede in ihre besondere
Haut eingeschlossen sei, würde lediglich durch einige entfernte Analogien unterstützt werden: wie durch die-
jenigen Antheren, deren Fächer in eine bestimmte oder seltener unbestimmte Zahl von Zellen abgetheilt sind,
und vorzüglich durch den Bau der Staubfäden von Viscum album.“
„Ich darf erinnern, dass Herrn Rıcmarp’s Meinung, welcher diese Körner oder Massen als einfächerige
Antheren betrachtet, deren jede eine männliche Blüthe ausmacht, fast eben so grossen Schwierigkeiten unter-
worfen zu sein scheint.“
„Das Dasein eines offenen Fruchtknotens vorausgesetzt, ist die Analogie unter den männlichen und weib-
lichen Organen auf den ersten Blick einleuchtender bei den Coniferen, als bei den Cycadeen. Bei den Coni-
feren jedoch ist der Pollen gewiss nicht nackt, sondern in eine den Lappen einer gewöhnlichen Anthere ähn-
lichen, Membran eingeschlossen. Und bei denjenigen Gattungen, wo jede Schuppe des Kätzchens nur zwei
Lanpegeum Rande hervorbringt, wie bei Pinus, Podocarpus, Daerydium, Salisburia und Phyllocladus,
zleicht diese genau der gewöhnlichsten Antherenform anderer phänogamischer Pflanzen. Aber auf Schwie-
rigkeiten stossen wir bei denjenigen Gattungen, die eine grössere Zahl von Lappen auf jeder Schuppe haben,
wie Agathis und Araucaria, wo ihre Zahl beträchtlich und offenbar unbestimmt ist, und ganz besonders
noch bei Cunninghamia oder Belis, bei welcher die Lappen, obgleich nur drei an der Zahl, sowohl in die-
ser Hinsicht, wie auch in ihrer Anheftung und Richtung mit den Eichen übereinstimmen. Die Annahme,
dass in solchen Fällen alle Lappen derselben Schuppe Zellen einer und der nämlichen Anthere seien, wird
nur wenig unterstützt, sowohl durch den Ursprung und die Anordnung der Lappen selbst, als durch den Bau
anderer phänogamischer Pflanzen, indem die einzigen Fälle einer anscheinenden, wiewohl zweifelhaften Ana-
logie, deren ich mich jetzt erinnern kann, bei Aphyteia und vielleicht bei einigen Cucurbitaceen vorkommen.“
Die Deutung der männlichen Coniferenblüthe, welche Rıcnarn ‘) in seiner prachtvollen Monographie
der Coniferen gab, weicht in mancher Hinsicht von den Ansichten seiner Vorgänger ab. Es bestehen nach
seiner Angabe die männlichen Blüthen im wesentlichen aus einem oder mehreren Staubfäden ohne irgend
eine Blüthenhülle, welche bei der Mehrzahl der Gattungen von einer Schuppe von einer sehr veränderlichen
Form besleitet sind, mit welcher sie zuweilen enge verwachsen sind. Die Staubfäden sind sitzend. Bei eini-
gen Gattungen werden die Antheren von einem Stiele getragen, welchen man beim ersten Anblick für einen
Staubfaden halten könnte, welcher aber sehr deutlich der Schuppe angehört, welche ziemlich häufig jede
männliche Blüthe begleitet; auch sieht man diesen Stipes in allen Fällen fehlen, in welchen die Schuppe nicht
vorhanden ist, zum deutlichen Beweise, dass er von derselben abhängig ist, z. B. bei Podocarpus, Cycas
und Zamia. Als vorzüglichste Modificationen dieser Blüthen werden folgende angegeben. Bei Podocarpus
chilinus stehen die männlichen Blüthen in Kätzchen, deren Achse von sitzenden Staubfäden bedeckt ist. Jeder
dieser Staubfäden ist als eine männliche Blüthe zu betrachten. Sie besteht aus zwei einfächerigen Antheren,
welche enge mit einander an ihrer innern Seite verwachsen und ohne Spur einer Schuppe an der Achse des
_— [00000000
4) Memoires sur les coniferes et les cycadees. Par. 4826. pag. 94.
Kätzchens angewachsen sind. Bei Phyllocladus rhomboidalis und Salisburia Ginkgo ist die Vertheilung
der Blüthen die gleiche, allein jede Blüthe ist von einem kleinen cylindrischen Stipes getragen, welcher sich
in eine sehr kleine gezähnte Schuppe endigt; jede Anthere ist mit ihrem obern Theile an diesem Stipes an-
gewachsen, einfächerig und öffnet sich in einer Längenfurche. Die Stellung und die Structur der männ-
lichen Blüthen der Tannen, Föhren, Lerchen. und Cedern ist ungefähr dieselbe, nur sind ihre Antheren an
ihrer innern Seite mit einander verwachsen und ihrer ganzen Länge nach an den Stipes angewachsen. In
allen diesen Fällen trägt der Stipes und die Schuppe, in welche er sich endigt, nur eine einzige Blüthe.
Bei andern Arten ist dieser Träger mehreren Staubfäden gemeinschaftlich, dann gewinnt die terminale
Sehuppe ein bedeutenderes Wachsthum, wird scheibenförmig und die Staubfäden sind theils auf ihrer untern
Fläche, theils auf der Spitze des Stipes inserirt. So sind bei Thuya, Juniperus, Callitris, Cupressus
unterhalb jeder Schuppe gewöhnlich zwei Blüthen, von denen jede aus zwei einfächerigen und sitzenden
Antheren gebildet wird. Ta:xus besitzt deren fünf bis acht unter jeder Schuppe, deren Stiel in der Mitte
ihrer untern Fläche befestigt ist. Ephedra bildet eine wahre Ausnahme durch das Involucrum, welches die
Blüthen umhüllt. Bei Agathis und Araucaria entfernen sich die Blüthen etwas von der bisher beschrie-
benen Organisation, indem bei Agathis zehen bis fünfzehen Antheren auf der obern Seite der Schuppe in
zwei Reihen stehen, bei Araucaria zwölf bis zwanzig Antheren auf der untern Fläche der Schuppe eben-
falls in zwei Reihen befestigt sind.
Als Vertheidiger der zweiten, von Ros. Brown geäusserten Ansicht trat LinpLey I) auf, indem er als
Familiencharakter der männlichen Blüthe angiebt: sie ist monandrisch oder monadelphisch; jedes Blüthchen
besteht aus einem einfachen Staubfaden, oder aus wenigen, welche verwachsen und rings um eine gemein-
schaftliche Spindel zu einem abfallenden Kätzchen gesammelt sind; die Antheren sind zweifächerig oder viel-
fächerig, öffnen sich nach aussen und endigen sich häufig an der Spitze in einen Kamm, welcher ein nicht
umgewandelter Theil der Schuppe ist, aus welcher jeder Staubfaden sich bildete. Als nähere Erläuterung
dieser Beschreibung führt Livouev folgendes an: „In Hinsicht auf die männlichen Blüthen ist es offenbar,
dass bei der Lerche, der Ceder vom Libanon, der Sprucefichte und ähnlichen jede Anthere von einer
theilweise umgewandelten Schuppe gebildet wird, welche der verhärteten Carpellarschuppe der weiblichen
Blüthen analog ist; desshalb besteht jedes Kätzchen aus einer Anzahl monandrischer männlicher Blüthen,
welche um eine gemeinschaftliche Achse gesammelt sind. Einige Botaniker betrachten jedoch jedes männ-
liche Kätzchen als eine einfache monadelphische männliche Blüthe, was unmöglich ist. Bei Araucaria
nehmen die Antherenfächer nur eine Seite einer gewöhnlichen flachen Schuppe ein. Bei dieser und bei den
übrigen im Bau mit ihr übereinstimmenden Gattungen kann man annehmen, dass die Antheren aus einer
unbestimmten Anzahl von Fächern bestehen und in dieser Hinsicht von der gewöhnlichen Structur der
männlichen Organe der Pflanzen abweichen; bei denjenigen Coniferen, deren Antheren normal sind, haben
4) Introduct. to the natur. system of botany. sec. edit. p. 314.
A
wir zwei Fächer; bei Ephedra vier; bei Juniperus dieselbe Anzahl; bei Cunninghamia nur drei; bei
Agathis vierzehen; bei Araucaria von zwölf bis zwanzig.
In der neueren Zeit sprach sich Don (Ann. des sc. nat. T. XII) wie LınpLey dahin aus, dass die Coni-
ferenanthere nicht aus mehreren Antheren zusammengewachsen sei. Diese Ansicht gründete er auf die
Aehnlichkeit dieser Antheren mit den Bracteen der Coniferen, auf dem hiedurch vermittelten Uebergang der
Antheren in gewöhnliche Blätter, auf die Nervenvertheilung der Antheren, welche mit dem Verlaufe der
Nerven eines einfachen Blattes übereinstimme, endlich darauf, dass die Antheren von Pinus und Arthro-
taxis die Charactere einer einfachen Anthere zeigen.
Die gleiche Ansicht, dass die Coniferen einfache, zwei- oder mehrfächerige Antheren besitzen, haben
EnDLicHer (genera plant. 258), Kuxr# (fl. berolin. II. 220) und E. Meyer (Preussens Pflanzengattungen 71),
der letztere jedoch nur in Beziehung auf die zweifächerigen Antheren, indem er die mehrfächerigen Staub-
gefässe für monadelphisch erklärt.
Stellen ’wir diese über den Bau der männlichen Coniferenblüthe aufgestellten Ansichten zusammen, so
erhellt, dass die Organisation dieser Blüthen auf eine sechsfache Weise gedeutet wurde, dass der Hauptpunkt
ihrer Abweichung darin liegt, dass die einen jede Antheren tragende Schuppe für ein Staubgefäss erklären,
während die andern der Ansicht sind, dass die Antheren ein von der Schuppe verschiedenes Organ und auf
derselben blos angewachsen seien. Die Anhänger der letzteren Ansicht müssen natürlicherweise jede solche
Antheren tragende Schuppe für eine besondere Blüthe und somit das männliche Kätzchen für ein wahres
Amentum erklären, diejenigen, welche die Schuppe für einen Staubfaden halten, zerfallen wieder in zwei
Parthien, je nachdem sie alle Staubfäden eines Kätzchens als zu einer Blüthe gehörig betrachten oder einen
. jeden Staubfaden für eine monandrische Blüthe erklären. Hieraus gehen folgende Modificationen hervor:
1) Das männliche Blüthenkätzchen ist eine einzelne Blüthe mit monadelphischen Staubfäden; die Blüthe
ist entweder nackt oder in seltneren Fällen von einer Blüthenhülle umgeben.
Diese Ansicht äusserte Linx& von Pinus, Taxus, Ephedra, Jussızu von Taxzus und Ephedra.
2) Die mit Antheren besetzten Schuppen des Blüthenkäzchens entsprechen Antheren, welche eine
bestimmte oder unbestimmte Anzahl von nackten Pollenmassen tragen, die Fovillakörner dieses Pollens
besitzen einen ähnlichen Bau wie die Pollenkörner der übrigen Pflanzen.
Ro. Browx’s jedoch nur von den Cycadeen geäusserte erste Ansicht.
3) Die mit Antheren besetzten Schuppen des Blüthenkätzchens sind wahre Staubfäden, deren Antheren
zwei- bis vielfächerig sind.
Ros. Broww’s zweite Ansicht. Dabei ist nicht ausgesprochen, ob das ganze Kätzchen als eine einfache
Blüthe oder als ein wahres Kätzchen betrachtet wird; sollte das letztere gemeint sein, so fällt diese Ansicht
mit der zunächst aufzuführenden zusammen.
4) Das Kätzchen ist ein wahres Kätzchen, dessen Blüthen entweder monandrisch oder monadelphisch,
in jedem Falle aber nackt sind. Die Staubfäden sind zwei- bis vielfächerig.
u
@) Die Achse des Kätzchens ist mit monandrischen Blüthen besetzt nach Lixorev, Kuntu, Don bei
Pinus und den verwandten Gattungen.
5b) Die Achse des Kötzehens ist mit monadelphischen Staubfäden besetzt, nach Lisoıey bei Tazus
und Ephedra, nach E. Mever bei allen mit mehrfächerigen Antheren versehenen Gattungen.
5) Das Kätzchen ist ein wahres Kätzchen mit lateralen Blüthen, deren Staubfäden einfächerig sind und
zu zwei oder mehreren auf Schuppen, welche den Kelch vorstellen, stehen.
Nach Lims& bei Cupressus, Thuja, Juniperus.
6) Das Kätzchen ist ein wahres Kätzchen, die Blüthen ohne Blüthenhülle, meistens aber mit einer
Schuppe (Bractea?) versehen, auf welcher die einfächerigen Antheren sitzen.
Nach Jussıeu und Rıc#arp bei der Mehrzahl der Coniferen, z.B. bei Pinus, Abies, Cupressus, Juni-
perus, Araucaria etc. Nach Rıcuarp kann auch die Schuppe fehlen, in welchem Falle die Antheren un-
mittelbar auf der Spindel des Kätzchens aufsitzen; mit einer Schuppe kann entweder nur eine Blüthe (d. h.
zwei einfächerige Antheren) verwachsen sein, oder es können auch mehrere Blüthen mit einer Schuppe
verwachsen.
Von den bisher besprochenen Ansichten wesentlich verschiedene Meinungen wurden von solchen Bota-
nikern aufgestellt, welche der Ansicht sind, dass die Vegetationsorgane der Coniferen und Cycadeen von
denen der übrigen Pflanzen darin abweichen, dass ihre Blätter keine wahren Blätter und keine den Achsen-
sebilden gegenüber zu stellende Bildungen sind. In dieser Beziehung sind vorzugsweise MiıgurL und Zuc-
CARINI zu nennen.
MıoveL (monogr.-cycadearum p. 8) findet es sowohl bei den Coniferen als Cycadeen für wahrscheinlich,
dass die Blätter gespaltene Aeste (rami fissi) seien. Da es nun gar keinem Zweifel unterworfen sei, dass
bei den Cycadeen die antherentragende Schuppe einem solchen Blatte entspreche, so dürfe man dieselbe
auch nicht für ein metamorphosirtes Blatt erklären, um so mehr, da ihre Antheren nicht in ihrem Parenchyme,
sondern auf ihrer Oberfläche sich entwickeln. Denselben Schluss zieht Miguen zwar nicht speciell auch für
die Coniferen, da er aber in Beziehung auf ihre Blätter derselben Ansicht, wie bei den Cycadeenblättern ist,
so folgt daraus, dass er auch für ihre Antheren denselben Ursprung annimmt.
Sehr speciell untersuchte Zuccarısı (Beiträge zur Morphol. d. Coniferen. Abh. d. Acad. zu München IM.
794) die morphologischen Verhältnisse der männlichen Coniferenblüthe. Er geht von der Bildung des Blattes
dieser Pflanzen aus und erinnert daran, dass bei den Coniferen ein Schwanken der Blätter und Zweigbildung
vorkomme, insoferne nicht blos häufig Seitenachsen unterdrückt und durch einen Blätterbündel angedeutet
seien, sondern auch bei Thujopsis und T’uja die ganze nach unten gewendete Seite eines Zweiges die
Function der Unterseite des Blattes übernehme und insbesondere bei Phyllocladus die Blätter durch Zweig-
phyllodien ersetzt seien. Man müsse auch bei der männlichen Blüthe einen ähnlichen Mittelzustand zwischen
Blüthenachse und einem einzelnen Staubfadenblatte annehmen, es hätten diese Staubgefässe wohl die Form
eines Blattes, man müsse aber für dieselben die Bedeutung einer Achse in Anspruch nehmen. Zuccarixt
ist der Ansicht, man müsse bei der morphologischen Betrachtung dieser Anthere von der vollkommensten
Tee:
Form, wie sie bei Taxus vorkomme, ausgehen, bei welcher Anthere 7 — 8 Fächer in einem Kreise auf der .
Spitze eines Mittelsäulchens stehen. Er fährt nun fort: „wenn wir nun auch nicht wagen wollen, diese Bil-
dung als einen wahren Kreis von ursprünglich getrennten Staubgefässen zu deuten und ihm damit völlig
gleiche Geltung mit den männlichen Blüthen anderer Pflanzen anzusprechen (obgleich sogar die Jugendbildung
bei Taxus dafür zu sprechen scheint), so haben wir jedenfalls hier doch eine symmetrisch nach allen Seiten
abgeschlossene Entwicklung, welche immerhin als das vollständigste den Coniferen zustehende Analogon
einer abgeschlossenen männlichen Blüthe angesehen werden kann, oder wenn wir uns so ausdrücken dürfen,
den gelungensten Versuch, das Blatt zur selbstständigen Achse zu erheben.“ Den Uebergang von der Taxus-
blüthe zu der der übrigen Coniferen bildet die von Araucaria und Damara, bei welcher 6 — 8 und mehr
Antherenfächer, die sich alle nach innen öffnen, in zwei Reihen scheinbar auf der Basis einer gestielten
Schuppe stehen; es würde sich eine flach gedrückte Taxusblüthe, wenn ihre Scheibe am Scheitel nicht flach,
sondern in einen kegelförmigen Fortsatz verlängert wäre, genau ebenso verhrlten; bei der Blüthe von Arau-
caria sei der Kreis, in welchem bei Taxus die Antherenfächer stehen, zu einer sehr gedehnten Ellipse ver-
zogen, deren Seiten gewöhnlich als zwei gesonderte Reihen gelten. Bei allen übrigen Gattungen treten
nur grössere Störungen in der Art ein, dass sich Staubbeutelfächer nicht rings um das Säulchen, sondern
nun auf der einen Hälfte des Kreises entwickeln, die andere Hälfte dagegen mehr oder minder durch eine
halbkreisförmige Schuppe dargestellt werde; damit trete mehr und mehr die Aehnlichkeit mit einem gewöhn-
lichen Staubfaden hervor, allein diese verkümmerten Formen dürle man nicht als Typus annehmen. Wenn
diese Ansichten richtig seien, so stehen an der Achse des männlichen Kätzchens eben so viele gesonderte
Blüthen, als Staubgefässe; diese Blüthen wären aber nicht so stark ausgeprägte Individuen, als in andern
Familien, sondern hielten in Form und Wesen die Mitte zwischen selbstständigen Achsen und einzelnen zur
Anthere gesteigerten Blättern und entsprechen den schwankenden Bildungen der grünen Theile, wo Blatt
und Zweig ebenso in einander spielen. Dafür spreche auch der Umstand, dass das Kätzchen ästig werden
könne, wie bei Podocarpus Nageia. Bei den Cycadeen hätte man die einzelne Schuppe des männlichen
Zapfens nicht mit einer einseitig entwickelten Blüthe von Pinus zu vergleichen, sondern der Cycadeenzapfen
sei ein zusammengesetztes Kätzchen, dessen secundäre Achsen nur auf ihrer Rückseite Blüthen produciren,
welche in Beziehung auf ihre Organisation grosse Aehnlichkeit mit der Blüthe von Taxus haben.
Gehen wir nun nach dieser Uebersicht der über die Bildung der männlichen Coniferenblüthen geäus-
serten Ansichten zu der Beschreibung der schon oben berührten Missbildung über, und vergleichen wir
alsdann, in wie weit diese verschiedenen Ansichten in Uebereinstimmung oder im Widerspruche mit den
Resultaten dieser Untersuchung stehen.
[
Diese Missbildung fand ich an mehreren weiblichen Blüthenkätzchen von Pinus alba '), an deren
A) Ich fand etwa sechs Kätzchen, welche auf gleiche Weise missgebildet waren, an einem Baume dieser Art
im biesigen botanischen Garten im laufenden Jahre, an einem zweiten Baume konnte ich keine Missbildung
dieser Art auffinden. Die Missbildung wiederholte ‚sich am ersteren Baum in mehreren Jahren hinter
einander,
a N
unterer Hälfte die Blüthen mehr. oder weniger vollständige Uebergänge zu männlichen Blüthen bildeten, wäh-
rend die obere Hälfte mit vollkommen normalen weiblichen Blüthen besetzt war, welche auch bei denjenigen
Exemplaren, welche lonzere Zeit am Baume stehen blieben, sich regelmässig zur Frucht zu entwickeln
anfiengen.
Alle diejenigen Blüthen, welche einen Uebergang zu männlichen Blüthen bildeten, bestanden, wie die
normalen weiblichen Blüthen, aus zwei Organen, nämlich der Bractee und dem in ihrer Achsel stehenden
Carpellarblatte; jeder dieser Theile wich vom normalen Typus ab, die Bractee war nämlich mehr oder we-
niger vollständig in einen Staubfaden verwandelt und das Carpellarblatt war, je vollständiger diese Umwand-
lung der ihm zugehörigen Bractee vor sich gegangen war, desto kleiner und weniger entwickelt.
Die untersten Blüthen\ (Tab. I. Fig. 1) der in Rede stehenden Kätzchen wichen nicht bedeutend von
der Bildung der normalen weiblichen Blüthen ab, als in so fern sie weit kleiner waren und an ihrem Car-
pellarblatte die Ovula sich nicht entwickelt hatten. Die Form der Braetee (8) und des Carpellarblattes (c)
war dagegen ziemlich normal. nur waren beide beinahe vollkommen grün und zeigten nicht die schöne rothe
Farbe der entwickelten weiblichen Blüthen.
Bei den weiter oben an den Kätzchen stehenden Blüthen wurde das Carpellarblatt kleiner und haupt-
sächlich schmäler, seine Ränder schlugen sich etwas nach oben um, und das Ganze erhielt eine Zungen-
form (Fig. 2 — 6).
Bei der höchsten Entartung wurde das Carpellarblatt sehr klein, so dass es nur mit der Lupe deutlich
zu sehen war, und stellte eine unregelmässig zusammengefaltete Schuppe (Fig. 8c) dar. Zugleich war es,
je weiter es vom normalen Baue abwich, desto mehr grün und nur stellenweise hellroth gefleckt. Eier
fanden sich an keinem dieser veränderten Fruchtknoten.
In demselben Maasse, wie sich das Carpell verkleinerte, bildete sich die Bractee mehr aus, nicht
sowohl in Hinsicht auf ihre Grösse, als in Hinsicht auf ihre Zusammensetzung. Bei den untern Blüthen
zeigte sich auf der äussern (untern) Seite der Bractee über ihrer Basis eine rundliche Anschwellung von
gelblich grüner Farbe, welche in ihrem Innern eine, Pollenkörner enthaltende, einfache Höhlung besass
(Fig. 1— 5a). Der obere Theil der Bractee blieb dünnhäutig, schuppenförmig, und war gegen den un-
teren, senkrecht auf der Achse des Kätzchens stehenden Theil rechtwinklig umgebogen (Fig. 3—6b),
so dass er, wie das Carpellarblatt, senkrecht in die Höhe stand. Da zwischen dieses schuppenförmige
Ende und die Basis der Bractee die pollenhaltende Anschwellung eingeschoben war, so bildete dieses schup-
penförmige Ende eine ähnliche Crista auf der obern Seite der Anthere, wie bei der normalen Anthere
von Pinus, und war nicht, wie bei der normalen weiblichen Blüthe unmittelbar an die äussere Fläche des
Carpellarblattes angedrückt, sondern stand um die Dicke der einfachen Anthere von ihr ab. Auf der
obern Seite dieser Bracteen verlief von ihrem Insertionspunkt aus bis gegen ihre Spitze längs ihrer Mittel-
linie ein etwas erhabener Kiel (Fig. 4. 5), welcher dem Connective der normalen Anthere entsprach. An der
Basis war die ganze Bractee zwar etwas contrahirt, aber nicht so stark, dass man diesen Theil ein wirkliches
Filament nennen konnte.
RN
Br
Bei denjenigen Bracteen, welche sich in ihrer Bildung der normalen Anthere noch mehr näherten (und
diess war die Mehrzahl derselben), fanden sich auf der äusseren (unteren) Seite statt einer einfachen in der
Mittellinie liegenden, Pollen enthaltenden Anschwellung, zwei, den Seitenrändern der Bractee genäherte
Anschwellungen (Fig. 6. 7a) von länglicher, ovaler Form und gelber Farbe, welche der Länge nach eine
vertiefte Sutur besassen, und an ihrem hintern Ende zum Theile von der Bractee losgelöst waren (Fig. 9a),
auf ähnliche Weise, nur in weit geringerem Grade, wie die Antherenloculamente von Araucaria ete. von
hinten nach vorn von der Schuppe losgelöst sind. Von den normalen Staubfäden unterschieden sich diese
Formen blos durch verhältnissmässig geringe Grösse der Anthere, bedeutendere Grösse der Crista und gänz-
lichen Mangel eines Filamentes. Ein Theil dieser Antheren sprang, wie die Antheren der männlichen Kätz-
chen, der Länge nach in den Suturen auf, streute den Pollen aus und vertrocknete alsdann; ein anderer
Theil dagegen blieb geschlossen und erhielt sich noch mehrere Wochen lang nach dem vol endeten Blühen
des Baumes frisch und saftig, woraus offenbar erhellt, dass diese Blätter weniger die Beschaffenheit der
Staubgefässe angenommen hatten, als noch die der Bracteen besassen, welche bei den weiblichen Blüthen
von Pinus sich bis gegen die Zeit der Fruchtreife hin saftig erhalten.
Ausser der Entwicklung von Antherenloculamenten zeigten die meisten dieser metamorphosirten
Bracteen noch die merkwürdige Abweichung vom gewöhnlichen Baue, dass zu beiden Seiten ihrer Basis und
mehr gegen ihre obere als untere Seite hin zwei flügelförmige Anhänge standen, welche bald mehr eine
hautförmige Beschaffenheit hatten, bald mehr zapfenähnlich waren (Fig. 3—90). Diese letztere Form, sowie
die Richtung dieser Anhänge lassen beinahe vermuthen, dass dieselben unvollständig ausgebildete Ovula waren.
Wäre diese Annahme, was ich keineswegs behaupten will, begründet, so würde dasselbe Blatt zum weiblichen
und männlichen Fructificationsorgane, wenn gleich auf eine unvollkommene Weise, ausgebildet gewesen sein.
Gehen wir nun aber zu den Schlussfolgerungen über, zu welchen die beschriebene Missbildung meiner
Ansicht nach, berechtigt.
Wir dürfen wohl als unzweifelhafte Basis, von der wir ausgehen können, annehmen, dass die Bracteen,
in deren Achsel die Kätzchenschuppen stehen, als Blätter zu betrachten sind. Aus der beschriebenen Um-
wandlung dieser Bracteen in gestielte, nach oben in eine Schuppe sich endigende, zweifächerige Antheren,
welche zwar mit den Antheren der männlichen Kätzchen in Beziehung auf ihre Form nicht durchaus über-
einstimmen, welche aber dennoch denselben in allen wesentlichen Beziehungen so ähnlich waren, dass eine
Parallele zwischen denselben klar in’s Auge fällt, scheinen mir zwei Puncte festzustellen zu sein:
1) Jede zweifächerige Anthere von Pinus und den verwandten Gattungen ist aus der Metamorphose
eines einzigen Blattes hervorgegangen, wie dieses auch Roserr Brown, Linotey, Dow annehmen; es ist da-
her durchaus kein Grund vorhanden, mit Jussıeu, RıcHarD u. A. die Antherenfächer für einfächerige Antheren,
welche auf einem schuppenförmigen Organe (Kelch oder Bractee) aufgewachsen sind, zu erklären.
2) Die Antheren von Pinus entstehen aus Blättern, welche der Achse des männlichen Blüthenkätzchens
selbst angehören und sind nicht, wie dieses LmpLev annahm, als laterale, monandrische Blüthen zu be-
trachten, sie sind daher nicht den Carpellarblättern des weiblichen Kätzchens analog.
A NM,
Wenn sich diese beiden Puncte, wie mir der Fall zu sein scheint, unzweifelhaft aus jener Missbildung
ableiten lassen, so dürfen wir wohl auch einen Schritt weiter gehen und dieselbe Entstehung aus Einem Blatte
auch für die mehrfächerigen Antheren von T’huja, Jumiperus, Cupressus, Cunninghamia in Anspruch
nehmen, anstatt dieselben aus einer Verwachsung mehrerer Staubfäden, die auf einem besondern Träger
stehen, abzuleiten. Eine solche Verwachsung mehrerer Staubfäden wäre blos dann möglich, wenn die
Schuppe, auf welcher die Antherenloculamente sitzen, nicht als ein der Achse des Kätzchens angehörendes
Staubgefässblatt zu betrachten wäre, sondern wenn sie entweder aus einem secundären Aste bestehen würde,
welcher mit Blättern, die in Staubgefässe verwandelt sind, besetzt wäre, oder wenn dieselbe aus der Ver-
einigung eines Blätterbüschels entstünde, welcher einem secundären Aste angehörte, der zwar nicht selbst
zur Entwicklung käme, dessen Blätter jedoch (analog den Blattbüscheln von Pinus, Larix u. a.) sich ent-
wickelt hätten. In diesen Fällen wäre es allerdings leicht erklärlich, wie bald eine kleinere, bald eine grös-
sere Anzahl von Blättern zu Antheren, die auf einer Schuppe zusammenstehen, verwendet sein könnte.
Eine solche Entstehung dieser Staubfäden würde auch mit ihrer Stellung verträglich sein, indem solche
Blätterbüschel genau die Stelle des fehlgeschlagenen Blattes, aus dessen Achsel sie entspringen, einnehmen
würden; allein die Ableitung dieser Antheren aus Blättern secundärer Achsen, wenn sie gleich auf den ersten
Anbliek die grössere Anzahl ihrer Loculamente auf eine einfache Weise zu erklären scheint, zeigt sich als
gänzlich unhaltbar, sobald man eine Vergleichung dieser vielfächerigen Antheren mit den zweifächerigen von
Pinus anstellt. Es muss nämlich bei Vergleichung der Form dieser mehrfächerigen Antheren mit den zwei-
fächerigen von Pinus Jeder zu der Ueberzeugung gelangen, dass die Schuppe, auf welcher die Thecae auf-
gewachsen sind, mit der Crista der Anthere von Pinus übereinstimmt und dass sie sich von derselben nur
durch eine im Verhältnisse zu den Antherenfächern bedeutendere Grösse unterscheidet. Da nun die oben
beschriebenen Missbildungen durchaus keinen Zweifel darüber lassen, dass bei Pinus die Anthere aus der
Metamorphose eines einzigen Blattes hervorgeht, und dass die Crista der Anthere aus der Spitze desselben
Blattes gebildet ist, dessen untere Seite gegen seine Basis hin zur Bildung der Antherenloculamente verwen-
det wurde, so sind wir nothwendigerweise zu der Annahme gezwungen, dass auch bei allen genannten, mit
mehrfächerigen Antheren versehenen Gattungen, die Anthere auf eine analoge Weise aus der Metamorphose
eines einzigen Blattes hervorgegangen ist.
Die einzige Abweichung vom gewöhnlichen Baue der Antheren liegt daher in der grösseren Anzahl der
Antherenloculamente, allein dieser Umstand scheint mir nicht als gültiger Grund gegen die angegebene Er-
klärung geltend gemacht werden zu können, da auch sonst mehrfächerige Antheren vorkommen. Wenn in
dieser Beziehung zwar zuzugeben ist, dass die Analogien von Viscum album, Aphyteja u. s. w. allerdings,
wie Ros. Brown angiebt, von sehr entfernt stehenden Pflanzen hergenommen und desshalb etwas unsicher
sind, so ist doch dabei vor allem zu bedenken, dass es sich hauptsächlich darum handelt, ob überhaupt
mehrfächerige Antheren vorkommen, was allerdings durch diese Beispiele bewiesen wird.
Ein weiterer Grund, welcher für die Ableitung dieser viellächerigen Antheren aus einem einzigen Blatte
spricht, liegt in der Bildung des männlichen Blüthenkätzchens von Juniperus, bei welchem die untersten
a ae
Schuppen sehr häufig nur zwei Antherenloculamente besitzen, daher den Antheren von Pinus durchaus
analog gebildet sind; von diesen zweifächerigen Antheren bilden dreifächerige, welche denen von Cunning-
hamia ähnlich sind, den Uebergang zu solchen, welche vier oder auch noch mehrere Fächer besitzen, ohne
dass ausser der Anzahl der Fächer irgend eine andere Veränderung an den Schuppen stattfände. Auf diese
Weise ist wenigstens in Beziehung auf die Anzahl der Antherenloculamente ein unmittelbarer Uebergang von
zweifächerigen Antheren zu den, durch ihre ungewöhnliche Anzahl von Loculamenten vom gewöhnlichen Typus
so sehr abweichenden Antheren von Araucaria gegeben, und es liegt in dieser Vermehrung der Loculamente
noch nicht der mindeste Grund, um die Entstehung der Anthere aus einem einzigen Blatte für unwahrschein-
lich zu halten, indem in der Bildungsweise der Antheren überhaupt durchaus kein Grund liegt, welcher eine
ins Unbestimmte gehende Vermehrung der Loculamente unmöglich machen würde, da nicht einzusehen ist,
warum nicht eben so gut an zwanzig verschiedenen Stellen im Innern eines Blattes sich Pollen bilden kann,
als an einer, oder zwei, oder vier Stellen. Dass dieses letztere nur das gevröhnliche Verhältniss, aber nicht
die durchgängig vorkommende Bildung der Antheren ist, sehen wir ja an Viscum und andern Pflanzen.
Es könnte dagegen in der bei Araucaria vorkommenden Stellung der Antherenloculamente und noch
mehr in der Lage ihrer Sutur ein Grund gefunden werden, um die Analogie dieser Antheren mit den zwei-
fächerigen von Pinus in Zweifel zu ziehen. Ich habe oben die Ansicht, welche sich Zuccarmı von der Ent-
stehung der zweireihigen Anordnung der Antherenloculamente von Araucaria bildete, angeführt, gestehe
aber, dass ich meinem verehrten Freunde in diesem Puncte nicht beistimmen kann. Man könnte allerdings
zu Gunsten dieser Ansicht geltend machen, dass diese Antherenfächer, wie dieses Zuccarını ganz richtig
bemerkte, eigentlich nicht in zwei Reihen, sondern in einem sehr flach gedrückten Kreise stehen, mit welcher
Stellung im Zusammenhange steht, dass sich nicht alle diese Fächer gleichmässig auf der gegen die innere
Fläche der Anthere gewendeten Seite öffnen, sondern dass die Suturen derselben gegen den Mittelpunct des
von ihnen umschlossenen Kreises gewendet sind, so dass also die äussere Reihe der Antherenfächer sich
nach Art einer anthera introrsa, die innere Reihe nach Art einer anthera extrorsa öffnet; allein gegen
die Erklärung Zuccarınr's spricht die gegenseitige Stellung des Staubfadens und der Antherenfächer. Wenn
nämlich seine Erklärung richtig wäre, so müssten sämmtliche Antherenfächer, wie bei Taxus oder beim
Sporangium von Equisetum, den Staubfaden in einem Kreise umgeben und mit ihrer Spalte gegen den Staub-
faden gewendet sein. Dieses ist aber nicht der Fall, sondern es steht das Filament ausserhalb des von den
Antherenfächern gebildeten Kreises und die eine Seite der Antherenfächer kehrt demselben ihre Rückenseite
zu: so verhält es sich wenigstens bei Araucaria brasiliensis und excelsa. Es unterscheiden sich also
diese Antheren von denen von Pinus, Juniperus u. s. w. nicht durch den Ort, an welchem die Antheren-
fächer stehen, indem sie sämmtlich auf,der Rückenfläche des Filamentes inserirt sind, sondern ausser ihrer
grösseren Anzahl hauptsächlich durch ihre relative Stellung, indem sie nicht in einer Querlinie neben einander,
oder nicht wie die Fächer der Antheren vieler Laurineen in zwei Querlinien über einander, sondern in einer
breitgezogenen, auf der Rückenseite der Anthere liegenden Ellipse liegen. Diese Anordnung der Antheren-
fächer ist allerdings eine so ungewöhnliche, dass ich bei Phanerogamen keine analoge Bildung anzuführen
a
weiss, allein sie scheint mir doch dem Bau dieses Organs nicht durchaus zu widersprechen und wenn es er-
laubt ist, nach Analogien bei den Sporangien der Gefässcryptogamen zu suchen, so möchte wohl die Bildung
der Sporangien mancher Farne und namentlich der Gattungen Angiopteris und Kaulfussia anzuführen sein.
Mit Zuocarını die Bildung der zweifächerigen Coniferenantheren aus der Anthere von Taxus abzu-
ıeiten, scheint mir desshalb bedenklich zu sein, weil wir bis jetzt keine bestimmten Thatsachen haben, nach
welchen wir mit Sicherheit entscheiden könnten, ob die Anthere von T’axwus aus einem Blatte oder aus einem
Quirle von Blättern hervorgeht. Unter diesen Umständen scheint es mir mehr als gewagt zu sein, wenn wir
aus dieser morphologisch noch nicht mit, Bestimmtheit zu deutenden Bildung die einfachere Form der An-
theren der übrigen Coniferen abzuleiten suchen und es scheint mir den Grundsätzen der Morphologie weit
angemessener zu sein, die nicht zu verkennende Analogie, welche zwischen der Anthere von Pinus und den
gewöhnlichen zweifächerigen Antheren vorhanden ist, ins Auge zu fassen und von dieser Basis aus die Er-
klärung der abweichenden Formen zu versuchen.
Dass die Nachweisung der Entstehung der Coniferenanthere aus einem einzigen Blatte für die Er-
klärung der vielfächerigen Antheren mancher Cycadeen vom höchsten Werthe ist, leuchtet von selbst
ein, indem man, sobald jener Satz für die Coniferen bewiesen ist, nicht nöthig hat, bei Erklärung der
Cycadeenblüthe Einrichtungen zu supponiren, welche in der ganzen Reihe der Phanerogamen keine Ana-
logie mehr finden. Wenn wir bei der Coniferenanthere die Anzahl der Loculamente bis auf zwanzig
steigen sehen, so ist gar kein Grund vorhanden, warum wir nicht auch bei den Cycadeen die grossen
mit sogenannten Antheren besetzten Schuppen für einfache Staubgefässblätter und die bei manchen Arten
in ungemein grosser Anzahl vorhandenen, sogenannten Antheren für Antherenloculamente erklären sollten.
Der Grund, welchen Miguer (1. c. p. 11) gegen die Blattnatur dieser antherentragenden Schuppen und
für ihre Betrachtung als Zweige anführt, besteht darin, dass die Antheren nicht im Parenchyme derselben,
sondern auf ihrer Oberfläche sich entwickeln. Dieses scheint mir keine Beweiskraft zuhhaben, denn wir haben
an den Antherenfächern und den Sporangien vieler Pflanzen z.B. von Osmunda den Beweis, dass die Pollen-
oder Sporen -führenden Abtheilungen eines Blattes sich zu capselähnlichen, bis auf einen dünnen Stiel von
dem Träger sich abschnürenden Organen ausbilden können; auch widerspricht sich Mioueu selbst, indem er
an einer andern Stelle (p. 11) angiebt, dass die Substanz des männlichen Spadix selbst zur Anthere an-
schwelle, so dass die Epidermis des Spadix die ‚Antherenwandung zu bilden scheine. In dem Verhältnisse
der Antherenloculamente zu ihrem Träger kann ich daher ebensowenig einen Beweis gegen die Blattnatur des
letzteren finden, als ich einen solchen in dem innern Baue des weiblichen Spadix von C'ycas gefunden habe.
Nachdem ich im Bisherigen die Natur der einzelnen Schuppen des männlichen Coniferenkätzchens be-
trachtet habe, so gehe ich nun zur Untersuchung der Frage über, ist dieses Kätzchen als eine Blüthe oder
als ein Blüthenstand zu betrachten?
Die Beantwortung dieser Frage würde gar keine Schwierigkeiten darbieten, wenn es erlaubt wäre, ent-
weder nach dem Vorgange von Lixpry und Zuccarını jede einzelne Anthere als eine, aus einem einzigen
Staubfaden bestehende, einer secundären Achse des Kätzchens angehörende Blüthe, oder nach dem Vorgange
8
Ne:
von Rıcuarn als eine aus mehreren Staubfäden verwachsene (monadelphische) Blüthe zu betrachten, denn in
beiden Fällen würden diese längs einer gemeinschaftlichen Spindel stehenden und mit derselben abfallenden
Blüthen ein wahres Amentum bilden; wie denn auch diese Bezeichnung allgemein üblich ist.
Ganz anders verhält sich aber die Sache, sobald die Ansicht, dass jede einzelne Anthere ein einfaches,
der Achse des sogenannten Kätzchens selbst angehörendes Staubgefässblatt sei, angenommen wird; eine An-
sicht, deren Richtigkeit durch die oben beschriebenen Missbildungen. bestätigt zu sein scheint. Nun kann
davon, dass die Blüthen in Kätzchen stehen, nicht mehr die Rede sein, denn zum Begriffe eines Kätzchens
gehört nothwendig, dass längs einer primären Achse eine Anzahl von Blüthen, welche secundären Achsen
ihren Ursprung verdanken, stehen; das sogenannte männliche Blüthenkätzchen der Coniferen hat daher nur
im äusseren Aussehen und darin, dass alle seine Staubfäden mit der Achse, auf der sie stehen, abfallen,
Aehnlichkeit mit einem wahren Amentum. Unter diesen Umständen sind wir darauf hingewiesen, dieses so-
genannte Kätzchen mit einer Blüthe zu vergleichen; hiebei stossen wir aber auf bedeutende Schwierigkeiten.
Dem gewöhnlichen Bau der Blüthe widerspricht es nämlich erstens, dass die Achse der Blüthe (die Spindel
des sogenannten Kätzchens) der Länge nach so wenig contrahirt ist, sondern eine lange, mit oft ziemlich ent-
fernt stehenden Staubfäden besetzte Spindel darstellt. So ungewöhnlich nun auch dieses Verhältniss ist, so
kann man doch für dasselbe wenigstens die Analogie anführen, dass bei manchen hermaphroditen Blüthen
die Carpelle auf eine ähnliche Weise längs einer verlängerten Achse stehen z. B. bei Magnolia, Myosurus.
Linx& suchte bei den Coniferen die Entstehung der Achse des männlichen Kätzchens daraus zu erklären,
dass er eine Verwachsung der Staubfäden untereinander annahm, wesshalb er auch diese Pflanzen in die
Ordnung der Monadelphia seiner 21ten und 22ten Classe stellte, worin ihm auch die Verfasser der späteren,
nach dem Sexualsystem geordneten Werke folgten. Diese Ansicht scheint mir nicht zu billigen zu sein. Zu
einer gemeinschaftlichen Säule sind freilich alle diese Staubfäden verwachsen, aber nicht unmittelbar und
oberhalb ihres Insertionspunctes, sondern nur mittelbar durch die Achse, auf der sie stehen und zwar nur in
so ferne, als man jeden Zweig als einen Bündel verwachsener Blattstiele betrachten kann. Um eine solche
mittelbare Verwachsung handelt es sich aber bekanntlich bei der Bestimmung des Begriffes von monadelphi-
schen Staubfäden nicht, sonst wäre jede Blüthe, welche mehr als einen Staubfaden enthält, monadelphisch.
Die Staubfäden der Coniferen stehen deutlich eben so isolirt von einander auf der Achse der Blüthe, wie ihre
Blätter auf dem Stamme, daher muss man, wenn man das sogenannte Kätzchen als eine Blüthe betrachtet,
dieselbe für polyandrisch erklären; nur Ephedra dürfte hierin eine Ausnahme machen, indem ihre Staub-
fäden in der That monadelphisch zu sein scheinen.
Ein zweiter Umstand, welcher aber mit dem ersten im genauesten Zusammenhange steht, scheint eben-
falls gegen die Vergleichung dieser sogenannten Kätzchen mit einer Blüthe zu sprechen, nämlich das suc-
cessive, von unten nach oben fortschreitende Oeffnen der Antheren. Da sich nämlich die Blüthen darin von
den mit Vegetationsblättern besetzten Achsen unterscheiden, dass ihre sämmtlichen, auf derselben Metamor-
phosenstufe stehenden Blätter, auch wenn sie (wie z. B. bei Papaver die Staubfäden) in sehr beträchtlicher
Anzahl vorhanden sind, wenn auch nicht ganz gleichzeitig sich entwickeln, doch nahezu zu derselben Zeit
MO —
ihre volle Ausbildung erreichen, wogegen die Inflorescenzen eine successive Entfaltung einer Blüthe nach der
andern zeigen, so nähert sich in dieser Beziehung das männliche Blüthenkätzchen der Coniferen einem wahren
Amentum, mit welchem es auch die Ordnung des Aufblühens von unten nach oben theilt. So auffallend
auch dieses Verhältniss ist, so kann es doch kaum als ein gültiger Beweis gegen die Ansicht, es sei das männ-
liche Coniferenkätzchen als eine Blüthe und nicht als ein Amentum zu betrachten, angeführt werden, indem
es nur eine Folge der mangelnden Contraction der Achse zu sein scheint und höchstens eine Annäherung
der Blüthenbildung an eine Inflorescenz anzeigt, auch kommt ja bei andern polyandrischen Blüthen ein ähn-
liches allmähliges Aufblühen der Staubgefässe vor z. B. bei Nigella.
So verschieden nämlich an und für sich Blüthe und Inflorescenz sind, so nähern sich doch in manchen
Beziehungen viele Inflorescenzen den Blüthen, worauf schon Rorrer aufmerksam gemacht hat. Ich erinnere
in dieser Beziehung nur an die blüthenähnliche Form der mit einem Strahle versehenen Blüthenköpfchen der
Synanthereen, an die Strahlenform des Corymbus einer Iberis, der Dolde vieler Umbelliferen, welche Inflores-
cenzen im Aeussern die regelmässige, vielblätterige Blüthe nachahmen, ferner an die kelchähnliche Gestalt
des Involucrum der Umbelliferen, Synanthereen, Dipsaceen u. s.w. Wie in diesen Fällen alle Blüthen einer
Inflorescenz zu einander in ein ähnliches Verhältniss treten, wie die Blätter einer einzelnen Blüthe und zu-
sammen ein geschlossenes Ganzes bilden, welches häufig durch Aufopferung der Regelmässigkeit der einzelnen
Blüthen eine regelmässige Form gewinnt, welches ferner häufig im Oeffnen und Schliessen das Wachen und
Schlafen einer einzelnen Blüthe nachahmt, welches seine verschiedenen Achsen auf eine ähnliche Weise ver-
kürzt, wie die Internodien der einzelnen Blüthenblätter in der einfachen Blüthe verkürzt sind, so können auch
auf der andern Seite die einzelnen, aus Blättern entsprungenen Organe einer Blüthe weniger streng zu einem
geschlossenen Ganzen vereinigt sein. Solche halb aufgelösten Blüthen können einentheils als Uebergang der
einfachen Blüthe zur Inflorescenz, anderntheils als Uebergang der einfachen Blüthe zum vegetativen Theile
der Pflanze betrachtet werden; für Beides liefern die Coniferenblüthen den Beweis.
Betrachten wir das weibliche Blüthenkätzchen von Juniperus, Thuja, Cupressus, so werden wir seine
Achse unmittelbar mit Carpellarblättern besetzt und dieselben nicht, wie bei Pinus, in den Achseln von
Bracteen stehen finden. Man kann nun entweder annehmen, dass diese Carpellarblätter von Juniperus die
metamorphosirten Blätter der Hauptachse abe Kätzchens sind, oder man kann annehmen, dass sie, wie bei
Pinus, secundären Achsen angehören und dass die ihnen zugehörigen Bracteen fehlgeschlagen sind, oder
dass die Bracteen, wie dieses Dow bei Arthrotaxis vermuthet, mit dem Carpellarblatte aufs innigste ver-
wachsen sind. Im ersteren Falle wäre das Kätzchen als eine einfache Blüthe, entsprechend den männlichen
Blüthen, im zweiten Falle dagegen als ein wirkliches Kätzchen zu betrachten. Wenn für diese zweite An-
sicht die Analogie mit Pinus und den verwandten Gattungen sprechen würde, so ist doch dagegen zu be-
merken, dass von einer fehlgeschlagenen oder mit dem Carpellarblatte verwachsenen Bractee auch nicht die
leiseste Spur zu finden ist und dass für die erstere Ansicht die, freilich @tferntere Analogie mit den Cyca-
deen angeführt werden kann, bei welchen die Carpellarblätter unmittelbar Aus einer Metamorphose der Blätter
der primären Achse des weiblichen Zapfens, oder bei Cycas aus der Metamorphose der Stammblätter hervor-
8*
de
gehen. Wenn diese Analogie auch von entfernter stehenden Pflanzen hergenommen ist, so scheint mir die
auf sie gegründete Ansicht dennoch wahrscheinlicher, als die andere zu sein, und zwar, abgesehen vom
Mangel der Bracteen, auch noch wegen des Baues der vegetativen Theile dieser Pflanzen. Bei Pinus und
den verwandten Gattungen findet nämlich schon am Stamme eine Neigung zum Fehlschlagen der Blätter und
zur Anticipation der in ihrer Achsel stehenden Knospen statt; bei Pinus geschieht dieses regelmässig, bei
Larix wenigstens zum Theile, bei Abies endlich geschieht es nicht mehr. Mit dieser Neigung zum Fehl-
schlagen der Blätter der primären Achse und zum Wiederersatze derselben durch Blätter der axillären Knospen
stimmt nun bei diesen Pflanzen die Bildung der weiblichen Blüthen ganz überein, indem bei denselben eben-
falls die Blätter der Hauptachse sich nicht in Blüthentheile verwandeln, sondern zu Schuppen (Bracteen) ver-
kümmern, in deren Achsel erst ein in ein Carpell umgewandeltes Blatt der secundären Achse steht. Bei
Thuja, Cupressus, Juniperus sehen wir dagegen die Stammblätter in gänzlich verschiedenen Verhältnissen.
Die junge, aus dem Samen aufgekeimte Pflanze von T’huja ist mit nadelförmigen Blättern bedeckt, weiter
nach oben contrahiren sich dieselben zu der bekannten schuppenförmigen Gestalt, verschwinden aber nicht,
wie bei Pinus, gänzlich, und werden nicht durch die Blätter der axillären Knospen ersetzt. Bei Juniperus
ist diese nadelförmige Gestalt der Blätter in der Regel auch der erwachsenen Pflanze eigen, bei Juniperus
Sabina (und andern Arten) tritt dagegen dieselbe Verkürzung der Blätter, wie bei Thuja, ein, häufig kehrt
aber auch an einzelnen Aesten der erwachsenen Pflanze die Nadelform der Blätter zurück. Auf diese Weise
sind die genannten Gattungen in Beziehung auf ihre Blattform gleichsam zwischen Pinus und Abies in die
Mitte gestellt, die ursprüngliche Form ihres Blattes ist die nadelförmige, diese erhält sich zum Theil, zum
Theil geht sie aber auch in die verkürzte Schuppenform über; diese Veränderung schreitet aber nicht bis zum
scariosen Verkümmern des Blattes und bis zur Entfaltung der Blätter der axillären Knospe, wie bei Pinus,
weiter. Diese schuppenförmigen Blätter haben eine unverkennbare Aehnlichkeit mit den Schuppen der Blü-
thenkätzchen und sie gehen bei den weiblichen Blüthen von Juniperus Sabina ganz allmählig in sie über,
so dass man sagen kann, es bilden schon die Stammblätter eine Mittelstufe zwischen den nadelförmigen Pri-
mordialblättern und den Carpellarblättern. Diese innige Verwandtschaft zwischen Stammblättern und Carpel-
larblättern tritt bei der weiblichen C'ycas noch weit auffallender hervor, denn hier ist bei denjenigen Arten,
bei welchen das Carpellarblatt noch Fiederblättchen trägt, die Eorm von beiden auffallend ähnlich, und es
behalten die Carpellarblätter (abgesehen davon, dass sie nicht mit ihren Rändern zu einem geschlossenen
Ovarium zusammenschliessen) auch noch in so ferne die Natur der Stammblätter bei, als sie sich nicht enge
aneinander schliessen und mit ihrer Production der Stamm das Vermögen, weiter zu wachsen und neue
Blätter zu erzeugen, nicht verliert, wesshalb der mit Fructificationsblättern besetzte Theil der Achse seiner
Natur nach zwischen Fructifications- und Vegetations-Achse schwankt.
Man kann unter diesen Umständen bei einer weiblichen C’ycas gar nicht von einer Blüthe sprechen,
denn es fehlen alle andern Charägtere einer solchen, als der, dass die Blätter einer gewissen Strecke des
Stammes Eier tragen, es fehlt die Absonderung des mit Blüthenblättern besetzten Theiles der Achse durch
einen Blüthenstiel und eine Blüthenhülle, es fehlt die Stellung der Fructificationsblätter in Wirteln, es fehlt
— N —_
die sonst im Centrum der Blüthe stattfindende Verkümmerung der Achse, denn es folgen auf die Fructifica-
tionsblätter wieden gewöhnliche Vegetationsblätter, so dass also der Zustand der durchgewachsenen Blüthe
hier normal ist.
Auf diese Weise bildet der mit weiblichen Blüthenblättern besetzte Theil der Achse bei Cycas eine
wahre Mittelbildung zwischen einem mit Vegetationsblättern besetzten Stamme und einer Blüthe; er nähert
sich der letzteren bei Cupressus, Juniperus, Thuja dadurch, dass mit der Bildung der weiblichen Blätter
die Achse verkümmert und oberhalb des Insertionspunctes der Carpellarblätter nicht neue Vegetationsblätter
treibt; diese Bildung geht endlich in der weiblichen Blüthe von Pinus, Lariz u. a. in eine wahre Inflores-
cenz, in ein Kätzchen über, welches wieder durch die bei Lariz häufig stattfindende Verlängerung der Kätz-
chenachse in eine Vegetationsachse zum gewöhnlichen beblätterten Zweige zurückkehrt.
Haben wir auf diese Weise in den Verhältnissen der weiblichen Blüthenblätter der Cycadeen und Coni-
feren alle Uebergangsstufen von dem mit Vegetationsblättern besetzten Stamme zu der Blüthe und von dieser
zur Inflorescenz gefunden, so ist dadurch unser obiger Ausspruch, dass die männliche Coniferenblüthe eben-
sowohl eine Annäherung der Blüthenbildung zur Inflorescenz als zum vegetativen Theile der Gewächse zeige,
gerechtfertigt; denn die männliche Blüthe der Ooniferen entspricht genau der mittlern Bildungsstufe der von
uns betrachteten weiblichen Blüthen, nämlich der Form, wie sie bei Juniperus, Cupressus ‚ Thuja vor-
kommt, insoferne es dieselbe Ordnung von Blättern ist, welche in der männlichen Blüthe in Staubgefässe, in
der weiblichen in Carpelle verwandelt sind. Die niedere Stufe der Ausbildung, auf welcher die männliche
Coniferenblüthe steht, erhellt aus dem gänzlichen Mangel einer Blüthenhülle und aus der schwachen Ver-
kürzung ihrer Achse. Die einzige Absonderung von der vegetativen Achse beruht auf einem kurzen Blüthen-
stiele. Nur bei Ephedr«a ist eine Blüthenhülle vorhanden; mit dieser schärfern Absonderung der Blüthen-
achse ist aber auch eine Contraction derselben, eine monadelphische Verwachsung der Staubfäden, überhaupt
eine grössere Annäherung an die gewöhnliche Blüthenbildung gegeben.
Vv.
Ueber
die fibrosen Zellen der Antheren.
(Auszug aus der Flora. 1850. II, 697 u. flg.)
Der Aufsatz, aus welchem die folgenden Zeilen einen Auszug enthalten, wurde durch die Schrift von
Purkinse: de cellulis antherarum fibrosis nec non de granorum pollinarium formis veranlasst. PurKINJE
hatte in dieser Schrift einen sehr grossen Reichthum von Beobachtungen über die Faserzellen der Antheren
niedergelegt, welche in Beziehung auf die Form dieser Zellen und den Verlauf der Fasern auf denselben
vollkommen richtig waren, dagegen war seine Erklärung der wahren Beschaffenheit dieser Fasern und ihrer
Wirkungsweise bei dem Aufspringen der Antheren die unglücklichste, welche man sich denken kann. Ich
suchte in jenem Aufsatze nachzuweisen, dass diese Fasern nichts anderes seien, als secundäre Zellmembranen
und dass dieselben beim Oeffnen der Antheren allerdings eine wichtige Rolle spielen, aber nicht dadurch,
dass sie, wie Purkınae glaubte, bei dem Oeffnen der Antheren activ thätig sind, sondern dadurch, dass sie
in Folge ihrer grösseren Masse und Derbheit der durch Vertrocknung eintretenden Zusammenziehung der
Antherenwandung einen Widerstand entgegenstellen. Die Auseinandersetzung der anatomischen Verhältnisse
dieser Fasern hatte in jener Zeit einigen Werth, indem damahls die von mir aufgestellte Lehre vom schichten-
weisen Anwachsen der Zellwandung sich noch keinen Anhang erworben hatte und somit weitere Aufzählung
von Beispielen nicht überflüssig war, um dieser Lehre Geltung zu verschaffen und die Nachweisung dieser ana-
tomischen Thatsache das geeignetste Mittel war, um die abentheuerlichen Meinungen, welche Purkınae über
die Beschaffenheit und Wirkungsweise dieser Fasern verbreitet hatte, zu widerlegen; jetzt hingegen verhält
sich die Sache wesentlich anders, indem nicht nur die Lehre vom schichtenweisen Wachsthume. der Zell-
wandung allgemein angenommen ist, sondern auch darüber, dass die Fasern der Antherenzellen aus secun-
dären Zellschichten gebildet seien, nachdem Meyen, ScHL£ipen u. a. diese Ansicht in ihre Schriften aufge-
nommen haben, kein Streit mehr ist. Ich hätte desshalb den ganzen Aufsatz in dieser Sammlung übergan-
gen, wenn nicht in den neueren Physiologien die Consequenzen, welche ich aus dem Bau der Anthere in
Hinsicht auf den Vorgang ihres Aufspringens zog. entweder nur mit Einschränkungen (von TREVIRANUS) an-
geführt oder auch in ihren wesentlichsten Grundlagen modificirt (von Me£yen) worden wären. Ich hielt dess-
halb eine kurze Anführung der wesentlicheren Punkte jenes Aufsatzes nicht für überflüssig.
Abk es, Me
Ueber drei Puncte giebt die Betrachtung dünner Querschnitte durch die Antheren bestimmten Aufschluss
1) darüber, dass die Fasern, mit welchen mit Ausnahme der Epidermiszellen die Zellen der Antherenklappen
(des Endotheciums von PurkınJE) besetzt sind, mit der Zellwandung selbst fest verwachsen sind; 2) dass
diese Fasern auf der inneren Seite der Zellwandung liegen und in die Höhlung der Zellen protuberiren;
3) dass die Fasern nicht hohl sind.
Die Formen, unter welchen diese Fasern vorkommen, lassen ‚sich in folgende Klassen zusammenstellen.
Den Uebergang von den faserlosen Zellen der Antheren von Solanum, Erica '!) zu den mit Fasern
besetzten bilden die Gräser. Bei einigen wie bei Zea Mays sind noch alle Zellen faserlos, bei den meisten
enthalten dagegen die den Rand der Klappen bildenden Zellen Fasern, bei anderen endlich, wie bei Stipa
capillata sind alle Zellen des Endotheciums mit Fasern versehen. Die Fasern liegen bei den Gräsern nur
an den Seitenwandungen der Zellen und sind in den aneinanderliegenden Zellen meist opponirt; die gegen
die Epidermis und die gegen die Antherenhöhlung gewendeten Seiten der Zellen sind völlig glatt. Dieses
Verhältniss, dass die Fasern nur an den Seitenwandungen der Zellen entwickelt sind, oder dass sie, wenn
sie auch auf der nach innen gewendeten Seite und in einzelnen Fällen auch auf der äusseren Seite vorkom-
men, doch auf den Seitenwandungen am stärksten entwickelt sind, ist ein sehr verbreitetes. Nur auf den
Seitenwandungen kommen sie z. B. vor auf den säulenförmigen Zellen von @laueäüum corniculatum, Mela-
leuca hypericifolia, Caltha palustris, Mirabilis Jalapa, Cupressus sempervirens, bei der letztern
Pflanze alterniren die Fasern in den aneinanderliegenden Zellen. Das gegen die Epidermis gerichtete Ende
dieser Fasern endigt sich meistens spitzig, das entgegengesetzte breit, wobei dasselbe entweder am Rande
zwischen den Seitenwandungen und der hintern Wandung erlischt oder noch etwas auf die hintere Seite umbiegt.
Nicht selten fliessen die auf die hintere Seite der Zelle übertretenden Fasern in eine gemeinschaftliche Masse
zusammen, welche einen grösseren oder kleineren Theil der nach innen gewendeten Zellwandung unter der
Form eines Sterns bedeckt z. B. bei vielen Malvaceen, bei vielen Papilionaceen, bei Armeria faseicu-
laris, Statice Limonium, Sambucus Ebulus, Hydrangea quercifolia, Linum usitatissimum. Viele
Aehnlichkeit mit dieser Form hat eine andere, die häufig auch durch Mittelstufen in sie übergeht z. B. bei
Cactus Tuna, Mirabilis Jalapa, bei welcher die Fasern von einer Seitenfläche heraufsteigen, quer über
die hintere Fläche der Zelle weggehen und an der entgegengesetzten Seitenwandung hinablaufen (klammer-
förmige Fasern), während die von den andern Seitenwandungen herkommenden Fasern sich an die äussersten
querlaufenden Fasern anschliessen, oder am Rande der Zelle endigen. Zuweilen ist der auf der hintern
Wandung der Zelle liegende Theil der Fasern nur schwach, unter der Form von schmalen Streifen ausgebil-
det z. B. bei Ruta graveolens, Papaver orientale. Diese klammerförmigen Fasern kommen besonders
bei lang gestreckten Zellen vor, deren Längendurchmesser parallel mit der Epidermis liegt z. B. bei Tra-
descantia virginica, Saponaria offieinalis, Sagittaria sagittifolia, bei welchen Zellen die klammer-
1) Die Zellen des Endotheciums haben im allgemeinen bei allen denjenigen Pflanzen, bei welchen die Anthe-
ren nicht der Länge nach aufspringen, keine Fasern; bei den mit Klappen sich öffnenden Antheren , wie
bei Berberis, sind nur die Klappen mit solchen besetzt.
N
förmigen Fasern in querer Richtung über die Zellen verlaufen. Wo die Zellen kürzer sind, verbindet
sich oft ein Theil der Fasern in der Mitte der hintern Wandung, wodurch ein Uebergang zur Sternform ge-
bildet wird.
Wenn die Fasern auch über die vordere Wandung sich fortsetzen und vollständige Ringe bilden, so er-
halten die Zellen das Aussehen von Gefässen z. B. bei Reseda Luteoia, Nymphaea lutea, Atropa Bella-
donna, Canna indica. Wenn die Fasern diesen Typus beibehalten und die Zellen in der auf die Antheren-
wandung senkrechten Richtung verlängert sind, so verlaufen die Fasern ebenfalls über die vordere und
hintere Fläche in querer Richtung und an den Seitenwandungen in senkrechter oder etwas schiefer Richtung
z. B. Antirrhinum majus , Ruta graveolens, Cucurbita Pepo, Nicotiana rustica, Rubus odoratus,
Lilium tigrinum, Chamaerops humilis. Bei diesen Zellen kommt es häufig vor, dass sich die Fasern
netzartig untereinander verbinden z. B. bei manchen Liliaceen, bei Ardisia colorata. Werden die Fasern
breit und die Verbindungen häufig, so bekommen die Zellen das Ansehen von getüpfelten Zellen, z. B. bei
Hemerocallis obcordata und besonders bei Lodoicea maldivica, bei welcher die Zellwandungen sehr dick-
wandig und mit einzelnen kleinen Poren besetzt sind. Diese letzteren Fälle liefern die überzeugendsten
Beweise, dass die Fasern nichts anderes, als secundäre Schichten der Zellmembran sind, wofür auch die
Entwicklungsgeschichte der Zellen des Endotheciums spricht, welche ganz mit der Entwicklung der übrigen
getüpfelten Zellen übereinstimmt. Dass die Zwischenräume zwischen den Fasern nicht durch eine Membran
ausgefüllt sind, wovon Purkınae viele Beispiele anführt, und welche Vorstellung MirseL (recherches sur le
marchantia) von allen fibrosen Zellen der Antheren hat, indem er glaubt, dass diese Fasern dadurch ent-
stehen, dass sich in der vorher zusammenhängenden Zellwandung Spalten bilden, läugne ich aufs bestimm-
teste, wenigstens ist mir nicht Ein Beispiel davon vorgekommen und es findet sich jedenfalls bei den von
Purkınse und MırseL angeführten Pflanzen nicht.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Zellen der Epidermis immer ohne Fasern (und dünnhäutig)
sind, dass auf den Endotheciumzellen die Fasern in der bei weitem grössern Mehrzahl der Pflanzen in der
Art vertheilt sind, dass sie auf der nach aussen gewendeten Seite fehlen, auf den Seitenflächen parallel mit
einander in einer auf die Epidermis senkrechten Richtung verlaufen, endlich über die innere Fläche quer
verlaufen, oder auf ihr netzförmig verbunden sind, oder in den Kern eines Sterns zusammenfliessen. Wenn
das Endothecium aus mehreren hinter einander liegenden Schichten von Zellen besteht, deren es z. B. bei
Agave americana S—12 sind, so ist es allgemeine Regel, dass die Zellen der äusseren Schichten bedeutend
grösser, als die inneren Zellen sind. Nun ist einleuchtend, dass wenn die Wandung einer Anthere eintrock-
net, die derben Fasern, mit welchen die Zellen besetzt sind, der Zusammenziehung der dünneren Theile der
Zellwandungen einen Widerstand entgegensetzen, dass die faserlosen Epidermiszellen und die äusseren faser-
losen Wandungen der Endotheciumzellen sich ungehindert zusammenziehen können, dass die Seitenwandungen
der Endotheeiumzellen, auf welchen die Fasern in senkrechter Richtung verlaufen, sich ungehindert in der
Richtung der Breite zusammenziehen können, indem durch eine solche Contraction die Fasern einander nur
genähert werden, welcher Bewegung sie keinen mechanischen Widerstand entgegensetzen können, dass aber
a
die Fasern einer in der Richtung der Länge erfolgenden Contraction einen gewissen Widerstand entgegen-
setzen, indem sie, wie alle derberen Membranen und faserförmigen Ablagerungen im Innern von Gefässen
und Zellen weniger durch Austrocknung sich zusammenziehen, als die dünnwandigen Zellhäute, dass endlich
die inneren Wandungen, wenn sie mit sternförmig vereinigten Fasern besetzt sind, der Contraction in jeder
Richtung einen Widerstand entgegensetzen. Eine nothwendige Folge hievon ist, dass eine austrocknende
Antherenwandung, während sie im Ganzen kleiner wird, sich zugleich wegen stärkerer Contraction ihrer
Epidermis und des äussern Theiles ihrer Endotheciumzellen nach aussen zu krümmt. Wenn eine solche
Antherenwandung mehrere Schichten von Endotheeiumzellen besitzt, so sind, wie schon angeführt, die
Zellen der äusseren Schichten grösser, als die der inneren; dieses Verhältniss muss ebenfalls die Folge haben,
_ dass sich die Wandung der Anthere nach aussen krümmt, es mag die Vertheilung der Fasern auf den einzelnen
Zellen diese Krümmung noch unterstützen oder es mögen die Fasern gleichförmig auf den Zellwandungen
vertheilt sein, somit auf die Krümmung der Antherenwandung keinen Einfluss ausüben. Nun weist auch die
Beobachtung der Antheren wirklich nach, dass sie nach der Oeffnung der Blüthe, wenn die freie Luft auf sie
einwirkt, eine Vertrocknung und in Folge davon eine bedeutende Verkleinerung erleiden. Die Pollenkörner
müssen dieser Contraction einen mechanischen Widerstand entgegensetzen, der endlich zur Folge hat, dass
die Antherenwandung an ihrer dünnsten Stelle (der Sutur) einreisst und nun in Folge des angegebenen Baues
sich nach aussen umrollt. Der Beweis, dass die Sache sich wirklich so verhält, liegt einfach darin, dass eine
ausgetrocknete Anthere, welche man in Wasser legt, wieder ihre ursprüngliche Grösse annimmt und sich
wieder schliesst.
Ich denke, diese Erklärung hätte gerade wegen ihrer Einfachheit genügen können. Trevıranus (Physiol.
II. 287) sagt dagegen, „es verdient noch eine Untersuchung, ob ausser diesem Auswärtskehren der Valveln
nicht in manchen Fällen eine Ausdehnung der Pollenmasse selber nach erfolgter Oeffnung den Austritt unter-
stütze. Bei den Malven nimmt-dieselbe, wenn die zurückgeschlagenen Valveln sie nicht mehr einschliessen,
offenbar weit mehr Raum ein, als zuvor. Bei Antheren, die sich mit einem Loche an der, oft weit vorge-
zogenen Spitze öffnen z. B. bei Solanum, Vaccinium, Erica, ist nicht wohl eine andere Art, wie der Pollen
die Anthere verlassen kann, denkbar. Bei Caladium seguinum sieht man ihn an der Spitze von jedem der
Bälge durch ein Loch als einen wurmförmigen Körper hervortreten, zu dessen Bildung die Körner noch unter
einander zusammenhängen müssen. Aehnliches scheint bei Calla aethiopica vorzukommen.“ Es werden
wenige Worte genügen, diese Einwendung zu entkräften. Eine Vergrösserung der Pollenmasse könnte nur
Folge der Anschwellung der einzelnen Pollenkörner sein. Die miskroskopische Beobachtung von Pollenkör-
nern, die man aus einer geschlossenen Anthere nimmt, zeigt hingegen, dass sie in den meisten Fällen an der
Luft schnell um ein bedeutendes durch Eintrocknung kleiner werden. Dass bei geöffneten Antheren die Pol-
lenmasse so gross ist, dass zu ihrer Bedeckung die Antherenyalveln nicht mehr hinreichen, ist richtig,
aber in Verkleinerung der Antherenwandungen und nicht in Vergrösserung der Pollenkörner begründet. Dass
bei den Aroideen die Pollenkörner auf die angegebene Weise austreten, ist einfache Folge der durch Ver-
trocknung eintretenden Verkleinerung der Anthere; bei den Ericeen verkleinert sich allerdings die Anthere
9
Non Be
nicht stark, allein der Pollen dieser Pflanzen ist nicht klebrig und durch Erschütterung sehr leicht zum Aus-
fallen zu bringen. Er tritt ebensowenig von selbst aus der Anthere, als die Samen aus einer an der Spitze
aufspringenden Capsel z. B. bei Cerastium von selbst ausfallen. Die Natur hat nicht überall organische Vor-
richtungen zur Ausführung eines bestimmten Vorganges getroffen, sondern häufig die Pflanze auf zufällige
Hülfe äusserer Einwirkungen angewiesen.
Wenn Meyen (Physiol. III. 136) meine Erklärung der Wirkung der Fasern dadurch zu entkräften sucht,
dass er sagt: „ich möchte jedoch die Wirkung der Spiralfasern in den innern Zellenschichten durch die
hygroskopische Eigenschaft erklären, welche den einzelnen Spiralfasern in weit grösserem Maasse zukommt,
als den Wänden der Parenchymzellen“, so ist das nur ein deutlicher Beweis, wie unklar Meyen über das Ver-
halten der Pflanzenfaser bei verschiedenen Feuchtigkeitszuständen war; diese Erklärung ist auf zwei durchaus
unrichtige Annahmen gegründet, einmal auf die Annahme, dass die secundären Schichten der Gefäss- und
Zellmembranen in Folge verschiedener Feuchtigkeitszustände stärkeren Formänderungen unterworfen seien,
als die primären Membranen, zweitens auf die Annahme, dass die vegetabilischen Membranen in der Feuch-
tigkeit sich zusammenziehen und in der Trockenheit ausdehnen, während das gerade Gegentheil dieser beiden
Annahmen wahr ist.
VI.
Einige Bemerkungen
über
die Entwicklung und den Bau der Sporen der cryptogamischen Gewächse.
(Aus der Flora. 1833. I.)
Die Untersuchungen, deren Resultate auf den folgenden Blättern mitgetheilt werden, enthalten zwar
nur wenige neue Thatsachen, indem die meisten hier erzählten Erscheinungen bereits von einem oder dem
andern Beobachter bei Untersuchung eryptogamischer Gewächse gesehen wurden; die Mittheilung derselben
dürfte aber doch vielleicht nicht ohne Interesse sein, da einentheils die Uebereinstimmung, welche die ver-
schiedenen Cryptogamen in der Entwicklung und im Baue der Sporen zeigen, andern Theils der Unterschied
der Entwicklung dieser Sporen von der Entwicklung des Eies der Phanerogamen, wie mir scheint, nicht immer
mit der gehörigen Schärfe aufgefasst wurden. Es kommen zwar die Botaniker immer mehr von dem irrigen
Bestreben zurück, zwischen den Fructificationstheilen der Acotyledonen und denen der Phanerogamen eine
durchgreifende Analogie aufzusuchen, immer aber scheinen noch viele der Ansicht zu sein, dass der Same
der kryptogamischen Gewächse ein seiner Art nach mit dem Samen der Phanerogamen übereinstimmendes
Organ sei und sich von demselben nur durch grössere Einfachheit unterscheide. Dieser Glaube an eine
Uebereinstimmung dieser beiden Samen veranlasste die vielfachen Versuche, die Sporen der kryptogamischen
Gewächse, an welchen sich keine weitern Theile mehr unterscheiden lassen, wenn nicht mit dem ganzen
Samenkorne der Phanerogamen, doch mit einem Theile desselben zu vergleichen, und so wurde die Spore
bald für einen Samen ohne Embryo, bald für einen nackten Embryo, bald für ein mit dem Perisperm über-
einstimmendes Gebilde, bald für einen Cotyledon ohne Plumula und Radicula erklärt.
Eine der hauptsächlichsten Ursachen der vielen irrigen Ansichten über den Bau der Sporen liegt in dem
Umstande, dass man versäumte, dieselben in den ersten Stadien ihrer Entwicklung zu untersuchen; die neue-
ren Beobachtungen über das Ei der Phanerogamen zeigten auf die überzeugendste Weise, dass eine genaue
Kenntniss desselben nur durch Untersuchung seiner frühesten Entwickelungsperioden zu erlangen ist; dasselbe
gilt auch im vollen Maase von den Sporen der Acotyledonen.
Einer genauen Untersuchung der Sporen setzt bei vielen Cryptogamen die sehr geringe Grösse der-
selben bedeutende Schwierigkeiten entgegen; da dieses Hinderniss bei den Sporen mancher Lebermoose und
insbesondere bei denen von Riccia glauca nicht statt findet, so werde ich, um einen sichern Anhaltspunkt
zu bekommen, mit der Beschreibung derselben die folgenden Untersuchungen beginnen.
9 *
me
Bei Riccia glauca (Tab. I. fig. 1) ist das kugelförmige, aus gestreckten, dünnwandigen, mit Chlorophyll-
körnern gefüllten Zellen gebildete, und in der Frons verborgene Sporangium (a) in den früheren Stadien mit
kugelförmigen, aus einer dünnen, wasserhe len Membran gebildeten Zellen angefüllt. Diese Zellen enthalten
eine weisse, bei durchscheinendem Lichte trübliche, körnige Flüssigkeit. Später sondert sich diese körnige
Masse in 4 Parthieen, von denen sich jede mit einer zarten Haut umkleidet. Diese vier in jeder Zelle enthal-
tenen Massen (fig. 11. 12) nehmen durch gegenseitigen Druck eine dreiseitige, stumpf pyramidale Form an,
während die vierte, an der Zellwandung anliegende Seite nach dieser eine convexe Biesung annimmt. Die
relative Lage dieser 4 Körner ist der Art, dass sie gleichsam die Ecken einer dreiseitigen Pyramide bilden,
wesshalb ich dieselbe im folgenden mit dem Ausdrucke der tetraedrischen Vereinigung bezeichnen werde.
Wenn die Körner allmählig die Grösse der reifen Sporen erlangt haben, so verschwinden die Zellen, in wel-
chen sie sich gebildet haben (Mutterzellen), vollkommen, so dass zwischen den reifen Samen keine Spur der-
selben mehr zu finden ist, und zugleich bildet sich über der gleichförmigen, zarten Haut der Sporen eine
äussere aus kleinen Zellen zusammengesetzte Membran, welche mit der vollkommenen Reife eine schwarz-
braune Farbe annimmt (Tab. II. fig. 9. 10). Zugleich verflüssigt sich mit der Reife der Inhalt der Sporen und
wird ölig.
Vollkommen auf dieselbe Weise entwickeln sich die Sporen von Anthoceros laevis; bei dieser Pflanze
habe ich auf eine noch überzeugendere Weise gesehen, dass in den grossen, runden Mutterzellen die erste
Spur der Sporen sich unter der Form von vier kleinen Anhäufungen von Körnchen zeigte, und dass erst
später, wenn die Masse dieser Körnchen sich vermehrte, sich eine zarte Haut um dieselben bildete. In den
Zwischenräumen zwischen den Mutterzellen liegt ein Netz von engen, gestreckten Zellen; diese bilden, wenn
sie nach dem Verschwinden der Mutterzellen in der reifen Frucht vertrocknen, die von Hepwıe mit dem
Namen der Elateren bezeichneten Körper.: In diesen entwickeln sich jedoch nicht, wie in den Elateren der
Jungermannien und Marchantien, spiralförmige Fäden.
Bei den meisten Arten von Jungermannia ist die Entwicklung der Sporen wegen ihrer geringen Grösse
schwierig zu verfolgen; bei denjenigen Arten hingegen, bei welchen sie eine bedeutendere Grösse besitzen,
zeigt es sich, dass sich auf dieselbe Weise, wie bei Riccia, je vier in runden Mutterzellen ausbilden, wie die-
ses fig. 40. 41. Tab. II. von Jungermannia multifida darstellt. Die Elateren erscheinen, so lange die Sporen
noch unausgebildet in den Mutterzellen liegen, unter der Form von spindelförmigen Zellen, in deren Innerem
einzelne Parthieen von sehr kleinen Amylumkörnern liegen (Tab. II. fig. 42); diese Körner verschwinden
gegen die Zeit der Reife und es tritt dann der bekannte Spiralfaden in den Zellen auf. Es erhellt aus dieser
Bildungsgeschichte der Sporen, wie falsch diejenigen beobachtet haben, welche zu finden glaubten, dass je ein
Same an einer Schleuder, wie an einer Nabelschnur festsitze.
Bei Jungermannia epiphylla weichen die jungen, noch zu 4 und % zusammenhängenden Sporen (Tab. II.
fig. 33. 3%) in soferne von der gewöhnlichen Bildung ab, als ihre Form länglich eiförmig ist, und die Sporen
nur vermittelst eines kleinen Theiles ihrer Oberfläche mit einander in Berührung sind. Die Körner, welche in den
unreifen Sporen enthalten sind, besitzen eine grüne Farbe, wie dieses auch bei andern Jungermannien der Fall ist.
N
Dass auch bei Marchantia, Grimaldia dichotoma, Corsinia marchantioides, Targionia, Blasia ete.
die Sporen sich auf dieselbe Weise entwickeln, erhellt aus ihrer pyramidalen Form (vergl. die Abbildungen
Corpa’s in dessen Monogr. rhizosperm. et hepatic. und in Srurm’s Flora 2te Abth. Heft 22 und 23).
Gehen wir nun von dieser Betrachtung der Sporen der Lebermoose zu den Farnen über, so finden wir
bei diesen eine völlig übereinstimmende Entwicklungsweise der Sporen. Die junge Farnkapsel ist wie das
Sporangium von Riccia dicht mit runden Mutterzellen erfüllt, von welchen jede 4 Sporen enthält. Zerdrückt
man eine solche Kapsel in Wasser, so schwellen häufig. die Mutterzellen, deren innerer Raum von den Sporen
völlig angefüllt wird (fig. 17d. Tab. Il.), stark auf, die Sporen treten auseinander und kommen einzeln zu
Gesicht (fig. 17c. Tab. II. Pteris longifolia). Später, wenn die Kapsel ihre volle Ausbildung erreicht,
werden die Mutterzellen resorbirt, und die Sporen liegen ohne Zusammenhalt frei in der Kapsel.
So lange die Sporen der Farnkräuter noch in den Mutterzellen eingeschlossen sind, lässt sich an den-
selben (wie wir dieses auch bei Riccia gesehen haben) nur eine einzige, zarte, gleichförmige Haut erkennen,
später hingegen bildet sich bei denselben ebenfalls eine äussere Haut. Diese besitzt hingegen nicht bei allen
denselben Bau, indem sie bei einigen aus deutlichen, dünnwandigen Zellen zusammengesetzt ist z. B. bei
Asplenium viride, Ruta muraria, septentrionale, Acrostichum Marantae (Tab. II. fig. 25), Ceterach
officinarum, während sie bei anderen mehr oder weniger einer gleichförmigen Membran gleicht. In diesem
letzteren Falle kann man mehrere Varietäten unterscheiden; bei einigen Farnen ist nämlich diese Haut auf
der convexen Seite der Spore mit deutlichen, unter der Form von kleinen Wärzchen vorspringenden Körnern
(unentwickelten Zellen?) besetzt z.B. bei Pferis crispa, Davallia canariensis, Cheilanthes odora, Poly-
podium vulgare, aureum (Tab. Il. fig. 13. 14), calcareum, rhaeticum, Osmunda regalis; bei andern sind
diese Körner in kleine Stacheln verlängert z.B. bei Asplenium Breynü, Polypodium Lonchitis, aculeatum,
fragile (Tab. II. fig. 15.16); bei anderen sind endlich die Körner sehr klein, und nur bei starken Vergrösse-
rungen sichtbar, wesshalb die Haut beinahe das Ansehen einer glatten, gleichförmigen Membran besitzt z.B.
bei Struthiopteris germanica, Doodia aspera, Polypodium Filix foemina, Pteris atropurpurea, longi-
folia (Tab. II. fig. 17a. b), serrulata, eretica, Acrostichum aleicorne.
Wenn man die reifen Sporen in einem Wassertropfen zwischen zwei plangeschliffenen Glasplatten unter
gelindem Drucke hin und her wälzt, so löst sich in den meisten Fällen die äussere Haut von der innern, zar-
ten, gleichförmigen, wasserhellen Membran ab; dieses gelang mir z.B. bei Asplenium septentrionale, Stru-
thiopteris germanica, Davallia canariensis, Acrostichum Marantae, Geterach officinarum, Pteris
serrulata, cretica, atropurpurea, Polypodium rhaeticum, Cheilanthes odora (Tab. I. fig. 24).
Zersprengt man alsdann durch einen stärkern Druck auch die innere Haut, so tritt der Inhalt der Spore
in das Wasser aus. Dieser zeigte sich mir immer unter derForm einer klaren, gelblichen, ölartigen Flüssigkeit.
Die angegebene Form einer dreikantigen, an der Basis abgerundeten Pyramide kommt zwar bei den
Sporen sehr vieler Farne vor z. B. bei Pteris longifolia (Tab. II. fig. 17a. b), crispa, serrulata, cretica,
alropurpurea, Cheilanthes odora (Tab. II. fig. 22—24), Acrostichum Marantae (Tab. II. fig. 25); bei
vielen-Arten zeigen dagegen die Sporen eine ovale, auf einer Seite mit zwei in einer Längenkante zusammen-
al), >
stossenden Flächen versehene Form z.B. bei Asplenium viride, Ruta muraria, Breynü, septentrionale,
Davallia canariensis, Ceterach offieinarum, Polypodium vulgare, aureum (Tab. Il. fig. 13. 14), cal-
careum, Filix foemina, rhaeticum, Lonchitis, aculeatum, fragile (Tab. II. fig. 15. 16), Acrostichum
alcicorne. Es rührt diese Form von einer etwas verschiedenen Anlagerung der Sporen in den Mutterzellen
her. Anstatt dass bei der tetra&drischen Vereinigung der vier Sporen die Achsen derselben gegen den Mit-
telpunkt der Mutterzelle gerichtet sind, liegen sie bei diesen Sporen in paralleler Richtung; es ist daher leicht
einzusehen, dass die angegebene Form der Sporen nothwendiger Weise durch ihren gegenseitigen Druck ent-
stehen muss.
Die drei Kanten, mit welchen bei den pyramidalen Sporen die Seitenflächen zusammenstossen, und die
Längenkante der eiförmigen Sporen sind wegen des engen Zusammenliegens der Sporen ziemlich scharf, und
sind auch noch nach Ablösung der äusseren Haut unter der Form zarter Leisten an der innern Membran
sichtbar (Tab. II. fig. 24).
Die Osmundaceen stimmen in Hinsicht auf ihre Sporen vollkommen mit den Polypodiaceen überein;
so hat z. B. Osmunda regalis, speciosa WVall., Mertensia gigantea, Gleichenia microphylla, Lygodium
polymorphum pyramidale Sporen, während sie bei Mertensia pubescens oval sind und eine Längenkante
besitzen. Die pyramidalen Sporen von Aneimia zeichnen sich dadurch aus, dass die äussere Haut derselben
nach Art der porösen Zellen mit dickeren Fasern besetzt ist, welche auf der convexen Seite der Spore in
paralleler Richtung mit den Kanten verlaufen, in welchen die Zuspitzungsflächen mit der convexen Seite zu-
sammenstossen (Tab. II. fig. 19—21 von Aneimia adiantifolia). Bei Aneimia anthriscifolia Schrad. sind
die Streifen sehr zahlreich und schmal, und finden sich auch auf den pyramidalen Flächen; bei Aneim. rotun-
difolia und diversifolia Schrad. sind sie ebenfalls nur auf der convexen Seite und mit Stacheln besetzt.
Bei Lycopodium stimmt die Entwicklung und der Bau der kleinen, in den nierenförmigen Kapseln ent-
haltenen Samen vollkommen mit den Sporen der bisher betrachteten Pflanzen überein. Untersucht man bei
Lycopodium Selago im Herbste die noch äusserst kleinen, mit dem blossen Auge noch nicht sichtbaren
Kapseln, welche erst in dem zweitnächsten Jahre zur Entwicklung kommen, jedoch bereits in den Blattachseln
der Endknospe zu finden sind, so trifft man sie mit einer schleimigen, körnigen Flüssigkeit erfüllt, in welcher
die Mutterzellen unter der Form von äusserst zarten Bläschen schwimmen. In den im nächsten Jahre zur
Reife kommenden Kapseln füllen die Mutterzellen die ganze Höhlung aus, und die Flüssigkeit, in welcher sie
schwamen, ist verschwunden; in den Mutterzellen derjenigen Kapseln, welche in den obersten Blattachseln
sitzen und noch am wenigsten entwickelt sind, ist der körnige Inhalt in einen Klumpen vereinigt (Tab. II.
fig. 32), in den weiter entwickelten ist er in 4 Massen getrennt (Tab. II. fig. 29—31), welche sich zu vier,
mit einer derben, glatten äusseren Haut versehenen Sporen entwickeln (Tab. II. fig. 28). Bei Lycopodium
annotinum ist der Theil der äussern Haut, welcher die convexe Seite der Sporen überzieht, feinzellig, wäh-
rend die dreieckigen Flächen von einer gleichförmigen Haut, welche die Fortsetzung von jener zelligen bildet‘),
4) Ich wollte an diesem Aufsatze, wie ich denselben im Jahre 1853 niedergeschrieben habe, nichts mehr
ändern, desshalb liess ich auch die Stellen, welche sich auf den zelligen Bau der äussern Sporenhaut be-
a
überkleidet sind. Bei Lycopodium clavatum, complanatum, alpinum (fig. 26. 27. Tab. II.) ist dagegen
die ganze äussere Haut zellig. Bei Lycopodium denticulatum (fig. 33.39) ist die äussere Haut, so weit sie
die vonvexe Seite überzieht, mit langen Stacheln bedeckt, auf den dreieckigen Flächen hingegen glatt.
Die Entwicklung der vier grösseren, in den höckerigen Kapseln gelegenen Samen habe ich bisher noch
nicht gehörig verfolgt, und bemerke blos, dass dieselben ebenfalls eine äussere derbe, und eine innere zarte
Haut und in Folge ihrer tetraödrischen Vereinigung eine pyramidale Form besitzen. i
Bei Marsilea quadrifolia und Pilularia globulifera entstehen die kleineren, als Pollenkörner beschrie-
benen Körner ebenfalls zu je vieren in runden, später verschwindenden Mutterzellen. Sie besitzen eine innere
zarte, und eine äussere derbe, halb undurchsichtige, stark punktirte gelbe Haut. Ihr Inhalt ist ölig - körnig.
In Wasser schwellen sie etwas an, die äussere Haut löst sich von der innern (Tab. II. fig. 355) und sondert
eine Atmosphäre von einem ungefärbten zähen Schleime (fig. 35 @) ab. Durch Druck lässt sich die äussere
Haut ablösen, und es erscheint die innere zarte, ungefärbte Haut, welche von dem früheren Drucke der an-
liegenden drei Körner drei zarte Leisten zeigt (fig. 36). Ob es gleich von diesen Körnern noch nicht ausge-
macht ist, ob dieselben Sporen sind, so glaubte ich doch dieselben hier nicht übergehen zu dürfen, da ihr
Bau eher hiefür, als für das Gegentheil zu sprechen scheint, und ihre Function als Pollenkörner mehr als
zweifelhaft ist, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil dieselben in der völlig reifen Frucht, wenn die
zweite Art von Sporen bereits zu voller Entwicklung gelangt ist, noch in ihren zelligen (für Antheren erklär-
ten) Säcken eingeschlossen sind, ihren vollen Inhalt besitzen, und keine von denjenigen Veränderungen erlit-
ten haben, welche beim Pollen der Phanerogamen nothwendigerweise mit seiner Funktion als befruchtendes
Organ verbunden sind.
Dasselbe Dunkel in Hinsicht auf ihre Funktion schwebt noch über den feinen Körnern von Isoetes la-
custris. Dieselben besitzen ebenfalls zwei Häute, von denen die äussere ablösbare zart und fein punktirt ist.
Die Form dieser Körner ist oval und sie besitzen eine Längenkante.
Die grösseren Körner von Isoetes sind ihrer sehr harten, äusseren Haut nach eher den grösseren Kör-
nern der Lycopodien, als den gewöhnlichen Sporen zu vergleichen. Sie besitzen von ihrer früheren Vereini-
gung eine pyramidale Zuspitzung; ihre innere Haut ist äusserst zart.
Dass beiderlei Körner sich zu vier und vier in Mutterzellen entwickeln, erhellt aus den Beobachtungen
WAHLENBERE'S (Flor. Lappon. p. 294—296. Tab. XXV]).
Die Sporen von Salvinia entsprechen mehr den grösseren Sporen von Marsilea und Pilularia und
zeigen in Hinsicht auf ihre Bildung keine Aehnlichkeit mit den bisher betrachteten.
Auch bei Equisetum findet eine solche Uebereinstimmung nur im entfernten Grade statt. Die jungen
ziehen, stehen. Spätere Untersuchungen, wie sie namentlich Mexen, Frırzscae, Miaser über den Bau der
äusseren Pollenhaut anstellten, zeigten bekanntlich, dass dieses zellige Aussehen nur scheinbar und nicht
in der wirklichen Anwesenheit von Zellen begründet ist. Ueber den eigentlichen Bau der äussern Sporen-
und Pollenhaut haben wir meiner Ansicht nach volle Aufklärung erst noch von künftigen Untersuchungen
mit bessern Mikroskopen, als unsere jetzigen sind, zu erwarten. Anm. vom Jahr 1844.
Ela
Kapseln (von Equisetum variegatum) sind mit einem sehr zarten, polyedrischen Zellgewebe erfüllt. Diese
Zellen hängen in grösseren oder kleineren Massen (Tab. II. fig. 2. 3) zusammen, ohne dass aber dieselben
von Mutterzellen umschlossen wären (wenn sie nicht vielleicht richtiger selbst als solche zu betrachten sind),
und sind mit einer körnigen Masse erfüllt. In älteren Kapseln sind diese Zellen grösser und von einander
getrennt, und der grüne körnige Inhalt bildet meistens eine in der Mitte der Zelle liegende Scheibe (Tab. I.
fig. 4. 5). In noch älteren Kapseln ist diese grüne Scheibe in ein eiförmiges Korn umgewandelt und dieses
ist von den zwei Elateren umwunden (Tab. II. fig. 6. 7). Die letzteren scheinen durch Spaltung der Zelle,
in welcher sich das Korn bildet, zu entstehen und umgeben im Anfange das Korn unter der Form einer
geschlossenen Hülle. Das Korn selbst besitzt zwei Häute, von denen die äussere ziemlich derb, die innere
ungemein zart ist. Eine stylusartige Verlängerung, wie sie Hzpwıs am Korne abbildet, sah ich nie.
Bei den Laubmoosen treffen wir die Entwicklung der Sporen völlig übereinstimmend mit der bei den
Farnen und Lehermoosen; man muss jedoch, um die Mutterzellen zu finden, die Kapsel in einer sehr frühen
Periode untersuchen. Untersucht man z. B. die Kapsel von Splachnum gracile in dem Zeitpunkte, wo die
Apophysis nur erst anzuschwellen anfängt (Tah. IN. fig. 2. 3), so findet man, dass in derselben die Spo-
ren bereits einzeln zwischen der Columella und der innern Kapselhaut liegen. Die äussere, aus 2—3 Zellen-
reihen und der Epidermis bestehende Kapselhaut (fig. 2a, fig. 3a), welche oben unmittelbar in das Operculum
(fig. 35) und Peristom (fig. 3c) übergeht, ist von der innern Haut und von der Columella unten durch einen
leeren Raum (fig. 2b, fig. 3d) völlig getrennt und hängt auch auf ihrem übrigen Verlaufe nur leicht an der
innern Kapselhaut an. In der Apophysis geht die äussere Kapselhaut in die äussere, aus rundlichen, mit
Chlorophylikörnern gefüllten Zellen gebildete Schichte (fig.2c, fig. 3e) über. Die Columella und die an ihrem
unteren Ende unmittelbar mit ihr zusammenhängende innere Kapselhaut bestehen aus zarten, kleine Chloro-
phylikörner enthaltenden Zellen, welche eine Fortsetzung des centralen Stranges der Seta (fig. 2d, fig. 3f)
sind; beide sind durch den Raum, in welchem die Sporen liegen (fig. 2e, fig.3g) von einander getrennt, und
es scheint dieser Raum mehr eine Aushöhlung in der Masse der Columella, als der Zwischenraum zwischen
zwei verschiedenen Organen zu sein.
Untersucht man die Kapsel in einer noch früheren Periode (Fig. 1. Tab. III.), so ist der später von den
Sporen eingenommene Raum mit einem äusserst zarten Zellgewebe (Tab. IM. fig. 1f) erfüllt, dessen Zellen
in horizontalen Reihen liegen und kleine körnige Massen, die Anlagen zu den künftigen Sporen, enthalten.
Es schien mir in einigen Zellen, als ob sich bei dieser Pflanze mehr als vier Sporen in einer Zelle entwickel-
ten, bei der sehr geringen Grösse dieser Sporen konnte ich mir jedoch keine bestimmte Ueberzeugung dar-
über verschaffen und halte es für sehr ungewiss, ob es wirklich der Fall ist oder nicht.
Dagegen konnte ich mich bei Neckera viticulosa (Tab. II. fig. 7) Polytrichum aloides, Ortho-
trichum crispum (Tab. II. fie. 8) und andern Moosen auf das bestimmteste davon überzeugen, dass sich
in jeder Mutterzelle regelmässig vier Sporen bilden ‚und dass dieselben in tetra@drischer Vereinigung liegen.
Da bei den meisten Moosen die Sporen nur eine sehr geringe Grösse besitzen, so ist es in den meisten Fällen
nicht leicht, über ihren Bau zur Gewissheit zu gelangen; bei einigen hingegen, und insbesondere bei Meesia
add —
uliginosa (Tab. II. fi. 5. 6) erlaubt ihre Grösse eine genaue Untersuchung, bei welcher sich zeigt, dass
dieselben eine sehr zarte, wasserhelle innere Membran (Fig. 5«@) und eine gefärbte durchscheinende, fein-
gekörnte; ablösbare, äussere Haut (Fig. 5. 6) besitzen, und dass ihr Inhalt ölig ist.
Es ist vielleicht nicht überflüssig, in Beziehung auf die oben geäusserte Ansicht, dass die Sporen sich
in einer Aushöhlung der Columella bilden, einige Bemerkungen über dieses Organ beizufügen. Ich bin weit
entfernt, die Ansicht von PaLisor BEauvoıs, dass sich die Moossamen in der Columella bilden und dass die
zwischen der Columella und der innern Kapselhaut liegenden Körner als Pollen zu betrachten seien, für
richtig zu halten, sondern überzeugt, dass die von PaLısor BeAuvoıs für Samen erklärten Körner nichts
anderes sind, als die in den Zellen der Columella enthaltenen Chlorophylikörner. Auf der andern Seite gibt
aber die gewöhnliche Beschreibung der Moos-Kapsel ebenfalls keine richtige Vorstellung; wenn man nämlich
sagt, es bestehe dieselbe aus der Columella und zwei, durch den die Samen enthaltenden Raum von ihr ge-
trennten Häuten, so setzt man die Columella als centralen Theil den peripherischen Kapselhäuten gegenüber.
Die anatomische Beschaffenheit dieser drei Organe scheint aber für eine Vereinigung der innern Kapselmem-
bran und der Columella zu sprechen. Es unterscheidet sich nämlich die äussere Haut (Tab. II. fie. 8a,
fig. 180. Tab. III, fig. 15, fig. 2a, fie. 3a, fie. %«a) in ihrem Baue immer bedeutend von der innern
(Tab. II. fig. 85, fig. 185. Tab. II. fig. le, fig. 2f, fig. 3h, fig. 45) und von der Columella durch die
Richtung und Form ihrer Zellen, welche meistentheils keine Chlorophylikörner enthalten, und durch ihre Ent-
stehung aus der äussern Schichte der Seta; dazu kommt ihre lose Verbindung mit der innern Haut, von
welcher sie, besonders in den frühern Stadien, häufig im untern Theile der Frucht durch einen leeren Raum
völlig getrennt ist. Die innere Haut und die Columella scheinen dagegen durch ihre genaue Verwachsung
an ihrer Basis und bei einigen, wie Splachnum gracile, auch ‚an ihrem obern Ende (Tab. II. fig. 1 — 3),
durch ihre gemeinschaftliche Entstehung aus dem Mittelstrange der Seta (Tab. III. fig. 1—3), durch den
gleichen Bau und Chlorophyllgehalt ihrer Zellen und durch ihre Verbindung zu einer zusammenhängenden,
von der äussern Membran nur lose umschlossenen Masse zu zeigen, dass sie beide zusammengehören und
Theile eines und desselben Organes sind. Diese Aehnlichkeit der innern Kapselmembran und der Columella
erhellt besonders deutlich aus der bei Polytrichum vorkommenden Bildung dieser Theile (vergl. Tab. II.
fig. 8. fig. 18. von Polytr. aloides). Hier ist nämlich sowohl die innere Kapselhaut (fig. 8b) als die Colu-
mella (fig. 8c) aus lang gestreckten Zellen, welche zu lose neben einander liegenden Reihen, wie zu Confer-
venfäden verbunden sind, gebildet, mit Ausnahme derjenigen Schichten, welche die mit den Sporen gefüllte
Höhle begränzen und aus gedrängt zusammengehäuften Zellen bestehen (fig. $d, e). Die innere Haut und
die Columella sind auf gleiche Weise in vier Falten gelegt (Tab. II. fig. 18), während die äussere Haut, we-
nigstens bei einer Abtheilung dieser Gattung, nicht an dieser Faltung Antheil nimmt und so auch auf diese
Weise ihre Unabhängigkeit von den beiden andern Gebilden beurkundet. Dass die innere Kapselmembran
bei den mit einem doppelten Peristome versehenen Moosen an ihrem obern Rande in das innere Peristom
übergeht und daher nicht mit dem obern, in der Höhlung des Operculum liegenden Theile der Columella
verwachsen ist, könnte allerdings als ein Beweis dafür angeführt werden, dass diese beiden Bildungen nicht
10
BL RRRR. mn
Theile desselben Organes sind; auf der andern Seite lässt sich aber vielleicht mit grösserem Rechte einwen-
den, dass eine solche Trennung nicht immer ein Beweis von einer ursprünglichen Duplieität ist, wie aus den
Suturen an der Theca der Antheren und an manchen Carpellen, ferner aus den Articulationen der Columella
bei Polytrichum selbst, durch welche dieselbe in die eigentliche Columella (Tab. II. fig. 8c) in das Epiphragma
(fig. Sf) und in den im Operculum bleibenden Theil (g) getrennt wird, erhellt. Es weist ferner die Bildung
von Dawsonia, bei welcher von der Columella ein Peristom ausgeht, auf eine Verwandtschaft zwischen
der Columella und der innern Kapselmembran hin.
Dass die Columella eine centrale Höhle besitzt, mag zwar bei einigen Moosen der Fall sein, in keinem
Falle erzeugen sich aber in derselben die Sporen.
Nachdem ich im Bisherigen die Entwicklung der Sporen bei solchen Cryptogamen betrachtet habe, bei
welchen (mit Ausnahme einiger Lebermoose) eine Scheidung von Stengel und Blattsubstanz stattfindet, und
welche mit einem deutlichen Sporangium, das eine grössere oder geringere Aehnlichkeit mit den Früchten
der Phanerogamen zeigt, versehen sind, so füge ich nun noch wenige Worte über die Sporenbildung der
Lichenen bei, um den Zusammenhang anzudeuten, in welchem die Sporenbildung der höheren acotyledoni-
schen Familien mit der der niedrigen Ordnungen (welche in einer zweiten Abhandlung betrachtet werden
sollen) steht.
Die Flechtenfrucht besteht aus einem Nucleus von langgestreckten, sehr engen, unter einander durch
eine gelatinose Masse verbundenen Zellen, welcher von einer mehr oder weniger deutlich von der übrigen
Substanz des Lagers unterschiedenen Zellenschichte umgeben und nach aussen mehr oder weniger geöffnet
ist. Zwischen diesen Faserzellen liegen grössere Zellenschläuche, in welchen die Sporen enthalten sind.
Dass diese Schläuche den in der bisherigen Darstellung mit dem Ausdrucke der Mutterzellen bezeichneten
Zellen in den Sporangien der höheren acotyledonischen Familien entsprechen, ist für sich klar. Es tritt nun
aber der Unterschied ein, dass bei den Apotheeien der Lichenen die in den höhern Familien stattfindende
Einheit der Frucht in so ferne aufgehoben ist, als die in denselben enthaltenen Mutterzellen und Sporen nicht
mehr alle eine gleichzeitige Entstehung und Reife zeigen, sondern unabhängig von einander ihre Entwicklungs-
stufen durchlaufen (Tab. II. fig. 14).
Die Mutterzellen, welche in den bisher betrachteten Familien in dem Zeitpunkte, in welchem die Sporen
einen gewissen Grad der Ausbildung erreicht haben, resorbirt werden, erhalten bei den Lichenen eine grös-
sere Selbstständigkeit, überleben die völlige Entwicklung der Sporen und ersetzen so gleichsam das fehlende
Sporangium. Sie erhalten dabei eine grössere Dicke ihrer Wandung (Tab. III. fig. 15«@), welche besonders
auffallend ist, wenn wir dieselben mit den engen, dünnwandigen Zellen, aus welchen die übrige Substanz der
Flechten besteht, vergleichen.
Die Entwicklung der Sporen in den Mutterzellen der Flechten geschieht auf eine ähnliche Weise, wie in
den höher stehenden Familien der Cryptogamen, indem die Mutterzellen anfangs mit einer trüblichen, körni-
gen Masse erfüllt sind (Tab. II. fig. 145), welche sich später in eine bestimmte Anzahl von zarthäutigen
Sporen umwandelt. Hier tritt nun aber die Verschiedenheit ein, dass die Zahl der in jeder Zelle entwickeiten
A
Sporen nicht mehr auf die Vierzahl beschränkt ist, sondern bedeutend anwächst. So viel mir jedoch bis jetzt
meine Beobachtungen zeigten, so spricht sich in der Zahl der in einer Mutterzelle sich entwickelnden Sporen
dennoch eine bestimmte Regel aus. Ich glaube nämlich gefunden zu haben, dass sich in den meisten Fällen
in jeder Mutterzelle 8 Sporen entwickeln (Tab. II. fig. 14c. ce. c). Diese Sporen (Eschweırer’s thecae) sind
in den meisten Fällen nicht einfache Zellen (wie dieses jedoch z.B. bei Usnea barbata Tab. II. fig. 11 vor-
kommt), sondern bestehen aus zwei (z.B. Borrera ciliaris Tab. II. fig. 12), oder aus vier (z.B. Peltigera
resupinata, rufescens (Tab IN. fig. 10), oder aus 12—16 (Arthonia tremellosa Eschw. Tab. Il. fig. 13)
in linienförmiger Vereinigung verwachsenen Zellen !). Es scheint sich also in der Bildung der Sporen bei
allen Cryptogamen (denn auch bei den Schwämmen und Algen werden wir ähnliche Zahlen antreffen) ein
durchgreifendes Zahlenverhältniss auszusprechen, indem die Zahlen der in einer Mutterzelle gebildeten Zellen
bei den Flechten der Reihe 8, 16, 32 (64?), 96, 128 angehören, also Multipla von vier sind.
In den meisten Fällen sind die Sporen der Lichenen zu klein, als dass man mit gehöriger Sicherheit
ihren Bau bestimmen könnte; wo dieselben hingegen eine bedeutendere Grösse erreichen, scheinen sie mir
aus einer innern, zarten, wasserhellen und einer äussern, in manchen Fällen feingekörnten Membran zu be-
stehen. Häufig enthalten sie in ihrem Innern einen Oeltropfen, welchen man auch nicht selten durch ihre
Haut durchscheinen sieht z. B. bei Borrera ciliaris (Tab. IN. fig. 12. fie. 14).
Werfen wir nun einen Bliek auf die im bisherigen erzählten Thatsachen zurück, und vergleichen wir
diese Erscheinungen mit dem, was uns die Untersuchung des Eies der Phanerogamen zeigt, so können wir
nicht lange im Zweifel darüber bleiben, ob die Spore der Acotyledonen ein dem Eie der Phanerogamen ver-
wandtes Gebilde ist oder nicht ?).
Betrachten wir zuerst die Art und Weise, in welcher der sich bildende Samen mit der Mutterpflanze in
Ver»indung steht, so werden wir in dieser Beziehung zwischen den Phanerogamen und den Cryptogamen
den auffallendsten Unterschied wahrnehmen.
Bekanntlich ist das Ei der Phanerogamen beständig ein Auswuchs auf dem Rande oder auf der obern
Fläche eines metamorphosirten Blattes und stellt gleichsam eine Knospe vor, an welcher eine Achse (funi-
culus umbilicalis) und peripherische, blattähnliche, und auch in manchen Fällen abnormer Entwicklung in
wirkliche Blätter übergehende Gebilde (Eihäute) zu unterscheiden sind. In der von dem innersten dieser
Organe umschlossenen Höhlung entwickelt sich nun nach vorausgegangener Befruchtung der Embryo unter
der Form einer zelligen, durch einen feinen Faden mit der Mutterpflanze in Verbindung stehenden Masse und
1) Es entsteht nun die Frage, sind die 8 Körper, von welchen jeder aus einer gewissen aber geringen An-
zahl von Zellen besteht (theca) Sporen zu nennen, oder verdient jede einzelne Zelle diesen Namen? Ich
für meinen Theil möchte eher die zweite dieser Fragen bejahen.
2) Bei den folgenden Betrachtungen ist auf die Sporen von Salvinia, so wie auf die grösseren Körner von
Lycopodium, Pilularia, Marsilea und Isoetes keine Rücksicht genommen, indem diese von den kleineren
Körnern derselben Pflanzen und den Sporen der übrigen Cryptogamen in vielen Beziehungen abweichen,
und desshalb nicht mit ihnen zusammengefasst werden können.
10 *
or le
es erscheint auf diese Weise das vegetabilische Ovulum und sein Embryo in der That mehr unter der Form
einer Sprosse, als unter der eines wirklichen Eies.
Fassen wir dagegen die Entwicklung der Sporen ins Auge, so zeigt sich schon darin ein wesentlicher
Unterschied von dem Eie der Phanerogamen, dass dieselben nicht auf dem Rande oder der Fläche eines
blattartigen Gebildes sitzen, sondern in grosser Masse zusammengehäuft, ohne an einem Nabelstrang be-
festigt zu sein, die Höhlung des Sporangiums erfüllen. Die wichtige Frage, ob das Sporangium derjenigen
Cryptogamen, bei welchen bereits eine Scheidung zwischen Stengel und Blatt eingetreten ist, wie das Carpell
der Phanerogamen durch die Metamorphose von Blättern gebildet ist, oder nicht, genügend zu beantworten,
übersteigt, wie ich offen eingestehe, meine Kräfte, kann aber auch hier unerledigt bleiben. Mag nun diesem
sein, wie ihm will, so ist so viel gewiss, dass die ganze Höhle des Sporangiums von einem gleichförmigen,
aus grossen Blasen gebildeten Zellgewebe erfüllt ist, dass diese Zellen nicht aus den Wandungen des Sporan-
giums hervorsprossen, sondern dass sie in der Flüssigkeit, mit welcher diese Höhle erfüllt ist, sich erzeugen,
und dass sich nun in diesen Zellen, ohne einen organischen Zusammenhang unter einander oder mit dem
mütterlichen Organismus zu haben, die Grundlagen der künftigen Gewächse entwickeln. Anfänglich zeigen
dieselben als formlose Zusammenhäufungen einer körnigen Materie noch keine organische Structur und er-
langen erst später, indem sie sich mit einer zarten Haut umkleiden, feste Begränzung und Individualität;
sie haben wegen dieses Mangels an organischem Zusammenhange mit der Mutterpflanze grössere Aehnlichkeit
mit dem thierischen Eie, als das Ovulum der Phanerogamen.
Gehen wir nun zu der Structur der Sporen über, so zeigt sich auch hier keine geringere Verschieden-
heit vom phanerogamischen Eie. Während bei diesem die umhüllenden Organe, welche zugleich in vielen
Fällen als Niederlage der Ernährungsstoffe für die künftige Pflanze dienen, zuerst gebildet werden, und der
Embryo als eine Sprosse von diesen erscheint, so werden im Gegentheile bei der Spore die umhüllenden
Häute später gebildet, als der enthaltene Theil, und dieser verliert während der Ausbildung der Häute alle
organische Structur und löst sich in eine ölartige Flüssigkeit auf, in welcher vom künftigen Pflänzchen auch
nicht die leiseste Andeutung zu sehen ist.
Fassen wir alles dieses zusammen, so muss es uns nothwendigerweise zu dem Schlusse führen, dass die
Sporen der Acotyledonen mit dem Samen einer phanerogamischen Pflanze nicht verglichen werden können,
sondern als ein ganz eigenthümliches Gebilde betrachtet werden müssen !). Es folgt aber auch, dass die-
selben auch nicht einem einzelnen Theile des phanerogamischen Samens entsprechen. Wenn TREVIRANUS
dieselben für ein blosses Perisperm ohne Cotyledon und Embryo, und Fıscnrr für eine cotyledonenähnliche
Masse ohne Perisperm, ohne Plumula und Radicula erklären, so widerspricht einer solchen Vergleichung
4) Wenn auch noch in der neuesten Zeit eine Parallele zwischen dem Samen der Phanerogamen und den
Sporen mancher Lebermoose zu ziehen von Corpa versucht wurde, indem derselbe bei Turgionia die
Mutterzelle als Eihaut, die Elatere als Nabelstrang beschrieb und bei Riceia ciliata ein Albumen und
einen von demselben umhüllten Embryo zu finden glaubte, so widersprechen diesem eben sowohl die ana-
tomischen Untersuchungen, als die Vorgänge bei der Keimung.
an u
noch insbesondere die formlose Beschaffenheit ihres Inhaltes. Dass aber die Spore auch nicht für einen
nackten Embryo zu halten ist, wie noch in der neuesten Zeit Acaron lehrte, beweist ausser ihrer Entwick-
lungsgeschichte besonders der Umstand, dass sie eine äussere Haut besitzt, welche bei der Keimung abge-
worfen wird.
Auf den ersten Blick könnte es scheinen, dass die Entwicklung der Sporen, wie ich sie hier dargestellt
habe, als Bestätigung für die in neueren Zeiten von Turpın und RaspaıL aufgestellte Theorie der Entwicklung
der vegetabilischen Materie dienen könnte; eine nähere Betrachtung wird aber im Gegentheile zeigen, dass
dieselbe einen bedeutenden Beweis für die völlige Unrichtigkeit dieser Ansichten zu liefern im Stande ist.
Turpın und Raspaız sind nämlich der’Ansicht, es gehe in den Pflanzen die Entwicklung neuer Theile auf die
Weise vor sich, dass auf der innern Seite der Zellwandung Körner auswachsen, welche sich in Zellen ver-
wandeln, denen dasselbe Vermehrungsvermögen zukomme; dieser Vorgang soll sich ins Unendliche wieder-
holen, und nur auf diese Weise die vegetabilische Substanz sich bilden und entwickeln können. Turpın 1)
gibt dabei für bestimmt an, dass diese aus der Zellwandung auswachsenden Körner (@lobuline) sich nie zu
einem grösseren Korne vereinigen, sondern dass, wenn eines derselben sich stärker vergrössere, dasselbe den
andern die Nahrung entziehe und dass es nun in seinem Innern neue Körner erzeuge. Nun kann man aber
bei Beobachtung der Sporen in ihren früheren Stadien sich auf das bestimmteste davon überzeugen, dass sie
aus einer in der Flüssigkeit der Zellen suspendirten, trüblichen, körnigen Masse entstehen, dass sich erst
später um diese coagulirte Masse eine Membran bildet, welche sich noch später mit einer zweiten Membran
umkleidet und dass zuletzt die im Innern der unreifen Spore enthaltenen Körner sich in eine homogene Flüs-
sigkeit verwandeln. Es zeigt sich also auf das deutlichste, dass der Vorgang bei der Entwicklung der Sporen
gerade der entgegengesetzte von dem ist, welchen diese französischen Phytotomen nicht beobachtet, sondern
erträumt haben.
Versuchen wir, ob sich nicht vielleicht die Sporen, da sie dem Gesagten zu Folge mit dem Eie der
Phanerogamen eine so geringe, oder vielmehr keine Verwandtschaft haben, mit einem andern Organe der-
selben vergleichen lassen, so muss es uns auffallen, dass dieselben sowohl in Hinsicht auf die Art ihrer Ent-
wicklung, als in Hinsicht auf ihren Bau eine sehr grosse Aehnlichkeit mit den Pollenkörnern besitzen. Dass
auch die letzteren sich im Innern von Zellen, welche mit der Reife des Pollens wieder verschwinden, ent-
wickeln, ist aus den Beobachtungen von Av. BronanIArtT und Ros. Brown allgemein bekannt; noch grösser
wird diese Aehnlichkeit in der Entwicklung dadurch, dass dasselbe Zahlengesetz, welches wir oben bei den
Sporen fanden, auch bei den Pollenkörnern vorkommt, indem bei der Mehrzahl der Phanerogamen sich vier
Pollenkörner, welche meistens in tetra&drischer Vereinigung liegen und nur in seltenern Fällen eine parallele
Lage besitzen, in einer Zelle entwickeln, und wenn es deren mehrere sind, was bei einigen Pflanzen vor-
kommt, in jeder Zelle 8 oder bei anderen 16 Pollenkörner entstehen. Ebenso sehr, wie in Hinsicht auf ihre
Entwicklung, stimmen ferner diese beiden Organe in Hinsicht ihrer Structur überein, indem wir, wie bei den
4) Observations sur quelques vegetaux microscopiques. Mem. du Museum. 1837.
2 78
Sporen, so auch bei den Pollenkörnern eine innere, zarle, gleichförmige Membran und eine äussere, der-
bere, bald zellige, bald gekörnte, glatte oder stachlige Haut finden.
Diese Aehnlichkeiten springen zu sehr in die Augen, als dass wir nicht zu einer nähern Vergleichung
dieser beiden Organe dadurch veranlasst werden sollten. Zeigen sie uns nun nichts weiter, als dass die Pol-
lenkörner der Phanerogamen und die Sporen der Cryptogamen auf eine analoge Weise sich entwickeln, oder
ist die Uebereinstimmung derselben so bedeutend, dass wir Sporen und Pollenkörner für ein und dasselbe
Organ zu halten und diesem in der einen Reihe des Gewächsreiches männliche, in der andern weibliche
Functionen zuschreiben müssen? So widersinnig das letztere auf den ersten Anblick scheint, so ist diese
Ansicht doch in der neueren Zeit von Turrıy und zum Theil auch von Acarpn geäussert worden. AGARDH
stellt jedoch nicht alle Sporen in Parallele mit den Pollenkörnern. Er ist der Meinung, dass zwei Fortpflan-
zungsweisen durch das ganze Pflanzenreich gehen, von denen die eine vermittelst nackter Embryonen, die
andere vermittelst Samen geschehe. Zu den erstern dieser Organe gehören ein Theil der Sporen der Crypto-
gamen und die Pollenkörner der Phanerogamen, zu den zweiten der andere Theil der Sporen und die Samen
der Phanerogamen (Biologie der Pllanzen p. 418). Die Sporen der Pilze erklärt Acarpn für Embryonen, die
in den Apothecien der Flechten enthaltenen Thecae für unvollkommene Samen, bei den Algen findet er Em-
bryonen, die Hrpwıe’schen Antheren der Laubmoose hält er für Samen, die Theca für einen Fruchtknoten,
der beim Reifen zur Anthere wird, deren Inhalt den Pollenkügelchen entspricht, welche Pollenkügelchen aber
keimen und desshalbEmbryonen sind. Bei den Lycopodineen sind die feinen Kügelchen der nierenförmigen
Kapseln in typischer Hinsicht Pollen, die der grössern Kapseln Samen, in functionärer Hinsicht sind die
erstern Embryonen, die letztern Samen; bei den Equiseteen sind die Sporen Embryonen, bei den Farnen sind
die sogenannten Kapseln Samen, und die sogenannten Samen Embryonen, die Kapseln von Lygodium, Ane-
mia etc. sind dagegen Staubgefässe ').
Früher wurden bekanntlich die Sporen der Cryptogamen ebenfalls von Vielen ihrem äussern Ansehen
nach für Pollenkörner gehalten, nachdem aber die Keimung derselben beobachtet wurde, so wurden dieselben
bei einer Pflanze nach der andern für Samen erklärt, indem es niemand in den Sinn kam, dass ein Organ,
aus weichem sich ein der Mutterpflanze ähnliches Gewächs entwickelte, seiner morphologischen Bedeutung nach
ein Pollenkorn sein könnte. Acarpn sieht hingegen in dem Keimungsvermögen der Sporen keinen Gegen-
beweis gegen ihre Pollennatur, indem er die Entwicklung von Confervenfäden aus den Sporen in Parallele
4) Ich überlasse es dem Leser, in diesen Ansichten Acarpw’s einen klaren Sinn und innere Harmonie zu su-
chen und eine Uebereinstimmung zwischen denselben und dem, was uns die Natur zeigt, aufzufinden ;
ich für meinen Theil gestehe offen, dass es mir scheint, die Ansicht, dass die Kapsel der Polypodiaceen
und der Osmundaceen in morphologischer Hinsicht gänzlich verschieden sei, dass die eine ein Same
mit mehreren Embryonen, die andere eine Anthere sei, dass sich die Farnkapsel und ihre Sporen auf
dieselbe Weise von der Mooskapsel unterscheide, dass die Sporen der Flechten und die der Pilze gänz-
lich verschiedene Organe seien u. s. w., entferne sich nicht wenig. von der Wahrheit, und es habe AGARDH
die oflen daliegende Analogie zwischen diesen Gebilden übersehen und obne hinreichende Gründe natur-
widrige Trennungen geschaffen.
setzt mit dem Umstande, dass die Pollenkörner Röhren austreiben, welche in die Narbe eindringen; ein Vor-
gang, welchen er für eine anfangende Keimung der Pollenkörner erklärt.
So scharfsinnig auch diese Vergleichung ist, und so vieles auch auf den ersten Anblick für die Richtig-
keit derselben zu sprechen scheint, so zweifle ich dennoch, ob sich dieselbe bei einer nüchternen Prüfung
probehaltig zeigen werde. Was nämlich die Entwicklung von Röhren aus den Pollenkörnern anbstrifft, so
scheinen mir die Erscheinungen, welche wir bei diesem Vorgange bemerken, nicht dafür zu sprechen, dass
wir denselben mit dem Processe der Keimung vergleichen dürfen. Bei der Keimung wird durch die günsti-
gen äusseren Einflüsse die schlummernde Lebenskraft des Keimes zu einer neuen Thätigkeit erregt, welche
sich durch chemische Umwandlung seiner Substanz, durch weitere organische Ausbildung derselben und
Entwicklung neuer Theile kund gibt. Ganz anders verhält es sich dagegen bei den Pollenkörnern. Diese
schwellen in jeder Flüssigkeit, in welche man dieselben bringt, mag diese Flüssigkeit ein von der Pflanze
ausgeschiedenes Fluidum, oder reines Wasser sein, oder ein dem Leben feindseliges Prineip, wie Säuren,
Alcohol oder dgl. enthalten, wie jede andere dünnhäutige Pflanzenzelle in Folge der Aufsaugung dieser Flüs-
sigkeit an, und nun erfolgt das Austreten der aus einer blinden Verlängerung der innern Haut gebildeten
Röhre mit einer der Schnelligkeit der Einsaugung proportionalen Geschwindigkeit und zwar in den meisten
Fällen an festbestimmten, durch den Bau der Pollenhäute bestimmten Stellen, und es erfolet dieses Austreten
häufig eben sowohl bei Pollen, welcher seit vielen Jahren völlig vertrocknet war, als bei frisch aus der An-
there genommenem. Es erfolgt dieser Vorgang schnell und ohne andere Veränderungen im Pollenkorne, als
solche, welche unmitteibare Folge der Vermischung seines Inhaltes mit der eingesaugten Flüssigkeit sind.
Es sprechen daher alle Erscheinungen dafür, dass diese Veränderungen des Pollenkornes nicht Folge eines
vitalen Processes, sondern Folge seines mechanischen Baues sind. Es ist zwar wahr, dass es einige Um-
stände gibt, welche dagegen zu sprechen scheinen, und in mir selbst ist, als ich mir bei meinen Untersuchun-
gen des Pollens die hier geäusserte Ansicht ausbildete, der Zweifel aufgestiegen, ob nicht die Veränderungen,
welche das Pollenkorn auf der Narbe erleidet, andere seien, als die, welche es in Wasser zeigt, besonders
desswegen, weil auch solche Pollenkörner, welche in Wasser keine Röhren entwickeln, es auf der Narbe
thun. Die Erklärung dieses Umstandes glaube ich aber in folgendem suchen zu müssen. Es tritt dieser Um-
stand nur bei denjenigen Pollenkörnern ein, bei welchen die äussere und innere Haut an allen Stellen eine
gleichförmige Structur hat, und die Stellen, wo sich die Röhren entwickeln, nicht vorgebildet sind, und es
tritt an jeder Stelle, mit welcher das Pollenkorn die Narbe berührt, mag es eine einzige oder mögen es deren
zwei sein, eine Röhre hervor; dieses ist nun wohl darin begründet, dass diese Berührungsstellen, weil die
Narbenfeuchtigkeit durch sie in das Korn eindringt, durch die dadurch veranlasste Erweichung eine grössere
Ausdehnungsfähiskeit erhalten, als der übrige Theil der Haut besitzt; dagegen erfährt die ganze Haut des
Kornes, wenn dasselbe in Wasser gebracht wird, diesen Einfluss, wird daher auch gleichförmig durch den
Druck des eingesaugten Wasser ausgedehnt, und treibt keine Röhre aus 1).
1) Diese Schlussfolgerungen haben freilich durch die späteren Entdeckungen der Veränderungen, welche die
Pollenkörner auf der Narbe, im Honigsafte der Blüthen u. s, w. erleiden, ihre Gültigkeit völlig verloren,
a
Betrachten wir dagegen den Vorgang der Keimung bei den Sporen, so zeigt sich dieser in jeder Rück-
sicht verschieden. Wasser allein veranlasst nie bei einer Spore durch schnelle Ausdehnung ihrer innern Haut
das Hervortreten eines solchen Schlauches, sondern durch den in Folge der längern Einwirkung der Feuch-
tigkeit und der übrigen günstigen äussern Umstände aufgeregten Lebensprocess erleidet ihr öliger Inhalt eine
organische Veränderung, es wächst dieselbe zu einer grüngefärbten Zelle aus, welche die Sporenhaut zer-
sprengt, in zwei Richtungen (dem Lichte entgegen als Grundlage des Stammgebildes und von demselben ab-
gewendet als Grundlage der Wurzel) auswächst, und durch neue Erzeugung von grüngefärbten Zellen an dem
dem Lichte zugekehrten Theile ein eigenthümliches Gebilde erzeugt, aus welchem sich später ein der Mutter-
pflanze ähnliches Gewächs entwickelt.
Ich übergehe eine nähere Betrachtung dieses Mittelgebildes, welches in den neueren Zeiten so häufig
für eine Conferve ausgegeben wurde, weil hiebei eine Menge intrikater Punkte zur Betrachtung kämen, welche
in keiner unmittelbaren Beziehung zu meinem gegenwärtigen Zwecke stehen, und beschränke mich auf einige
Folgerungen, welche aus dem Keimungsacte der Sporen hergeleitet werden können. Es wird sehr häufig be-
hauptet, dass die Sporen aus einer von keiner Haut umschlossenen Vereinigung von körnerähnlichen Zellen
bestehen, an welcher sich keine weitern Theile unterscheiden lassen, dass dieselben daher einem Albumen
ohne Embryo zu vergleichen seien, und dass bei der Keimung durch unmittelbare Vergrösserung dieser Zel-
lenmasse jenes Mittelgebilde erzeugt werde, aus dem die Pflanze erwachse. Dass diese Vorstellung nicht auf
die Spore vor der Keimung passe, erhellt aus den oben gegebenen Beschreibungen derselben, aber auch bei
der keimenden Spore zeigt es sich beständig, dass aus derselben nicht eine ganze Zellenmasse auf einmal
hervorbricht, sondern es entwickelt sich dieselbe zu einer einzigen Zelle, welche erst die übrigen, das Mittel-
gebilde zusammensetzenden Zellen erzeugt.
Nicht weniger unrichtig ist aber auch die entgegengesetzte Ansicht, dass die Spore ein nackter Embryo
sei; denn es zeigt, übereinstimmend mit der anatomischen Untersuchung der Spore, der Umstand, dass bei
ihrer Keimung eine Membran abgeworfen wird, auf das deutlichste, dass die Spore aus einem umhüllenden
Theile und aus der Grundlage der künftigen Pflanze zusammengesetzt ist.
Fassen wir nun die wesentlichsten Punkte dieser Untersuchungen zusammen, so ergeben sich als Haupt-
resultate derselben, dass die Sporen auf eine von dem Eie der Phanerogamen gänzlich verschiedene Weise,
nicht unter der Form von Sprossen, sondern in der Gestalt von Niederschlägen entstehen, welche sich in
eigenen, mit der Reife der Sporen wieder verschwindenden Zellen in bestimmter Anzahl bilden, sich im Ver-
laufe der Entwicklung mit zwei Häuten umkleiden und alsdann in eine ölartige Flüssigkeit umgewandelt wer-
den. Es zeigte sich ferner, dass die Sporen, ob sie gleich in Hinsicht auf ihre Entwicklung und ihren Bau
die grösste Aehnlichkeit mit den Pollenkörnern der Phanerogamen zeigen, dennoch durch ihre gänzlich ab-
weichende Lebensthätigkeit sich als ein von dem Pollen verschiedenes Organ beurkunden.
ich glaubte jedoch dieselben nicht späteren und fremden Erfahrungen gemäss ändern zu dürfen, indem
eine solche Aenderung im Widerspruche mit der historischen Entwicklung der Lehre von der Spore und
dem Pollenkorne stehen würde (Anm. vom Jahr 1844).
IST -—
Erklärung der Abbildungen.
Sämmtliche Abbildungen wurden mittelst des Sömmerrise’schen Spiegels gezeichnet. Die in Klammern
eingeschlossenen Zahlen bezeichnen die Stärke der Vergrösserungen.
Tab. I.
Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt durch die Frons und dasSporangium von Riccia glauca. — a. Wan-
dung des Sporangiums — b. Stylusartige Verlängerung desselben. — c. e. Unterste Schichte der Frons, aus
verlängerten Zellen, welche keine Chlorophylikörner enthalten, bestehend. — d.d. Wurzeln. — e.e. Par-
enchymatose, grüne Zellen der Frons. — f. Epidermis. — g. Junge Sporen, je zu 4 in Mutterzellen einge-
schlossen (70).
Fig. 2. 3. Zellgewebe, welches die jungen Kapseln von Equisetum variegatum Willd. erfüllt (200).
Fig. 4. 5. Dieselben in weiter entwickeltem Zustande. Die grüne körnige Masse hat sich zu einer in der
Mitte der Zelle liegenden Scheibe (a) vereinigt (200).
Fig. 6. 7. Von ihren Elateren umwundene Sporen von Equisetum variegatum (200).
Fig. 8. Längenschnitt durch den obern Theil der Kapsel von Polytrichum aloides. — a. Aeussere
Kapselmembran. — b. Innere Membran. — c. Lockeres Zellgewebe der Columella. — d. e. Festere Schich-
ten der äussern Kapselhaut und Columella, welche die Sporenhöhlen begränzen. — f. Epiphragma. —
g. Oberer Theil der Columella, mit dem Operculum verwachsen. — h. Peristom (48).
Fig. 9. 10. Reife Sporen von Riccia glauca (200).
Fig. 11. 12. In den Mutterzellen eingeschlossene Sporen von Riceia glauca (200).
Fig. 13. 14. Sporen von Polypodium aureum (200).
Fig. 15. 16. Sporen von Aspidium frayile (200).
Fig. 17. Sporen von Pteris longifolia. — a. b. Reife Sporen. — c. Eine in Wasser aufgeschwollene
Mutterzelle mit ihren vier Sporen. — d. Eine die vier Sporen eng umschliessende Mutterzelle (200).
Fig. 18. Querschnitt durch die Kapsel von Polytrichum aloides. — a. Epidermis. — b. Aeussere
Kapselhaut. — c. Innere Kapselhaut. — d. Aus locker verbundenen Zellen bestehender Theil derselben. —
e. Aeussere Schichte der Columella. — f. Mittlerer, aus locker verbundenen Zellen bestehender Theil der-
selben. — g. Sporen (48).
Fig. 19—21. Sporen von Aneimia asplenifolia. — Fig. 19. Ansicht der convexen Seite. — Fig. 20.
Seitenansicht. — Fig. 21. Ansicht der pyramidalen Seite (200).
Fig. 22—24. Sporen von Cheilanthes odora. — Fig. 22. Ansicht der pyramidalen Seite. — Fig. 23.
Seitenansicht. — Fig. 24. Spore, von welcher die äussere Haut (a) dem grössten Theile nach abgelöst ist (200).
Fig. 25. Spore von Acrostichum Marantae (200).
Fig. 26. 27. Sporen von Lycopodium alpinum. — Fig. 26. Seitenansicht. — Fig. 97. Ansicht der
convezen Seite (200).
11
ge
Fig. 28—32. Sporen von Lycopodium Selago. — Fig. 28. Reife Spore, von der pyramidalen Seite
aus gesehen. — Fig. 29. Junge, noch zu vier vereinigte Sporen, durch Druck ihres Inhaltes entleert. —
Fig. 30.31. Junge, zu vier vereinigte Sporen in ihren Mutterzellen. — Fig. 32. Mutterzelle, in welcher der
körnige Inhalt noch in einem Klumpen vereinigt ist (200).
Fig. 33. 34. Sporen von Jungermannia epiphylla. — Fig. 33. Junge, noch zu vier vereinigte Spo-
ren. — Fig. 34. Durch Druck entleerte Sporen (200).
Fig. 35 —37. Sporen (?) von Marsilea quadrifolia. — Fig. 35. In Wasser angeschwollene Spore. —
a. Schleimatmosphäre. — b. Aeussere Haut. — c. Durchscheinende innere Haut. — Fig. 36. Innere Haut
der Spore isolirt dargestellt. — Fig. 37. Vier Sporen in tetraödrischer Vereinigung (200).
Fig. 38. 39. Sporen von Lycopodium denticulatum. — Fig. 38. Seitenansicht. — Fig. 39. Ansicht
der pyramidalen Seite (200).
Fig. 40. 41. Sporen von Jungermannia multifida (200).
Fig. 42. Schleuder von Jungermannia multifida, in welcher Amylumkörner sich befinden, und der
Spiralfaden noch nicht zur Entwicklung kam (200).
Tab. IM.
Fig. 1. Längenschnitt durch einen Theil einer noch sehr jungen Kapsel von Splachnum gracile Dicks.
— a. Epidermis. — b. Aeussere Kapselwand. — c. Leerer Raum zwischen dem untern Theile der äussern
und innern Kapselwand. — d. Verbindungsstelle zwischen der Columella (g. g.) und der innern Kapselmem-
bran (e). — f. Zartes Zellgewebe, in welchem die Substanz, aus der sich später die Sporen bilden, unter der
Form von körnigen Massen liegt (200).
Fig. 2. Längenschnitt durch eine etwas ältere Kapsel von Splachnum gracile. — a. Aeussere Kapsel-
haut. — b. Freier Raum zwischen der äussern und innern Haut. — c. Aeussere, aus rundlichen Zellen ge-
bildete Schichte der noch nicht angeschwollenen Apophysis. — d. Mittlerer Strang der Apophysis, welche in
die innere Kapselmembran (f) und die Columella (g) übergeht. — e. Raum, in welchem die Sporen liegen (70).
Fig. 3. Längenschnitt durch eine etwas ältere Kapsel von Splachnum gracile. — a. Aeussere Kapsel-
membran. — b. Operculum. — c. Peristom. — d. Leerer Raum zwischen der äussern und innern Kapsel-
membran. — e. Aeussere Schichte der in ihrer Entwicklung begriffenen Apophysis. — f. Innerer Strang der-
selben. — g. Raum, in welchem die Sporen liegen. — h. Innere Kapselmembran. — i. Columella, deren
Zellen, so wie die der innern Kapselmembran Chlorophylikörner enthalten (70).
Fig. 4%. Querschnitt durch eine junge Kapsel von Neckera viticulosa. — a. Aeussere Kapselmem-
bran. — b. Innere Hapselmembran. — c. Raum, in welchem die in ihren Mutterzellen eingeschlossenen
Sporen liegen. — d. Columella (70).
Fig. 5. 6. Sporen von Meesia uliginosa. — Fig. 5. Die äussere Haut (b) ist von der innern (a) zum
Theile abgelöst (200).
Fig. 7. In den Mutterzellen eingeschlossene Sporen von Neckera viticulosa (200).
a
Fig. 8. Zu vier zusammenhängende Sporen von Orthotrichum crispum (200).
Fig. 9. Sporen von Sticta pulmonacea (200).
Fig. 10. Sporen von Peltigera resupinata (200).
Fig. 11. Sporen von Usnea barbata (200).
Fig. 12. Sporen von Borrera ciliaris (200).
Fig. 13. Sporen von Arthonia tremellosa Eschw. (200).
Fig. 14. Längenschnitt durch einen Theil des Apotheciums von Borrera ciliaris. — a. Junge Mutter-
zelle. — b. Etwas ältere mit körniger Masse erfüllte Mutterzelle. — c. e. Ausgewachsene Mutterzellen, deren
jede 8 Sporen enthält (200).
Fig. 15. Querschnitt durch einen Theil des Apotheeiums von Borrera ciliaris. — a. Mutterzellen. —
b. Faserzellen (200).
11 *
Vo.
Ueber
die Entwicklung der Sporen von Anthoceros laevis.
(Aus der Linnaea,. 1839.)
Wor mehreren Jahren machten beinahe zu gleicher Zeit Hr. v. Mırser und ich Beobachtungen über
die Entwicklung der Sporen bekannt. Ungeachtet die Resultate unserer beiderseitigen Untersuchungen in den
wichtigeren Punkten übereinstimmten, so wichen sie doch auch wieder in mancher Beziehung von einander
ab. Der Umstand, meine Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte eines so wichtigen Organes nicht
in völliger Uebereinstimmung mit denen eines so geübten Beobachters, wie des Hrn. v. MirseL, zu sehen,
bewog mich, über diesen Gegenstand neue Untersuchungen anzustellen. Ich wählte zu diesem Behufe den
Anthoceros laevis, welche Pflanze mir aus dem Grunde die geeignetste zur Verfolgung der Entwicklungs-
geschichte der Sporen schien, weil in ihren Mutterzellen eine weit geringere Menge von Körnern enthalten
ist, als bei allen übrigen von mir in dieser Hinsicht untersuchten Cryptogamen, welcher Umstand mich hoffen
liess, die Bildung der Sporenhäute eher, als bei andern Pflanzen an ihr verfolgen zu können. Zur Bekannt-
machung der Resultate dieser Untersuchungen sehe ich mich um so mehr veranlasst, als dieselben in mancher
Beziehung zur Bestätigung der von MırseL aufgestellten Ansicht dienen und so zur Ausgleichung der zwischen
unsern Arbeiten stattfindenden Differenzen beitragen.
Ehe ich zur Auseinandersetzung dieser Beobachtungen übergehe, mag es am Orte sein, kurz diejenigen
Punkte zu bezeichnen, in welchen meine früheren Untersuchungen mit denen des Hrn. v. MırseL überein-
stimmten, so wie diejenigen, bei welchen wir zu verschiedenen Resultaten gelangt waren.
In seiner Abhandlung über Marchantia erklärte Hr. v. MirsEL die Sporen von Marchantia und Targionia
für einfache Zellen und giebt an, dass sie zu drei bis vier innerhalb anderer Zellen entstehen. Die Art, wie
dieses geschieht, wird nicht näher beschrieben, dagegen wird eine ins genaueste Detail gehende Darstellung
des analogen Vorganges der Entstehung der Pollenkörner, besonders derer des Kürbis gegeben. Dieser Vor-
gang besteht nach der Beschreibung des Hrn. v. MırgeL im wesentlichen darin, dass die Membran der Zellen,
in welcher sich die Pollenkörner bilden, und welche dicht mit einer körnig-schleimigen Substanz erfüllt sind, saftig
wird und zu einer ziemlichen Dicke anschwillt, dass nun auf ihrer innern Seite vier Scheidewände entstehen,
welche gegen das Centrum der Zelle zusammenwachsen, den Inhalt derselben in vier Portionen theilen und
in der Mitte der Zelle sich verbinden, so dass die Höhlung der Zelle in vier völlig gesonderte Kammern abge-
en.
theilt wird. Nun bildet sich in jeder dieser Kammern um ihren körnigen Inhalt eine Membran, welche (beim
Kürbis) zuerst glatt und ungefärbt ist, später gelb wird und sich mit Wärzchen bedeckt. Die Untersuchung
der reifen Körner beweist, dass sich innerhalb dieser Membran noch eine innere dünne Haut gebildet hat,
welche an einzelnen Stellen an der äusseren Haut angewachsen ist. Die Zellen, in welchen die Poilenkörner
sich gebildet haben, vertrocknen und zerreissen, wodurch die Pollenkörner frei werden.
In einer späteren Abhandlung (Examen critique d’un passage du M&moire de M. Huco Mont etc. Annal.
d. sc. natur. 2de serie T. IV.) erklärt sich Hr. v. MırseL über die Art, wie die äussere und innere Pollenhaut
sich bilden, näher und giebt an, dass sie aus dem in den Mutterzellen der Pollenkörner enthaltenen Cambium
entstehen d. h. aus der schleimigen Masse, welche vor der Bildung der Pollenhaut die Pollenkörnchen ein-
hülle, den Raum zwischen diesen und der Wandung der Mutterzelle ausfülle, zuerst sich in die äussere und
später in die innere Pollenhaut umwandle.
In Beziehung auf’die von mir hervorgehobene Analogie zwischen der Bildungsweise der Sporen und
der Pollenkörner giebt Hr. v. MırseL an, dass in soferne ein constanter Unterschied in der Entwicklungsweise
dieser beiden Bildungen statt finde, als bei den Sporen die Mutterzelle, nachdem sich in ihr die vier Sporen
gebildet, selbst in vier Zellen zerfalle, welche beim weiteren Wachsthume der Sporen vertrocknen und zer-
reissen, während die vier Abtheilungen, in welche die Mutterzellen der Pollenkörner durch die Scheidewände
getheilt werden, sich nicht von einander trennen.
Die Untersuchungen, welche ich über die Entwicklung der Sporen bekannt machte (Flora 1833. Nro. VI
der vorliegenden Sammlung), stimmen darin mit denen des Hrn. v. Mırzeu überein, dass sich bei den höheren
Cryptogamen bis zu den Flechten abwärts (mit Ausnahme der Equisetaceen) je vier Sporen in einer Mutter-
zelle entwickeln, dass in der Mutterzelle vor der Entwicklung der Sporen ein körnig-flüssiger Inhalt ist, dass
sich dieser später in vier Parthien trennt, welche nun von einer eigenen Haut umkleidet werden; sie weichen
jedoch in Beziehung auf die Art und Weise, wie sich die Sporenhäute bilden, von den Angaben des pariser
Phytotomen ab. Ich glaubte nämlich durch Untersuchung hauptsächlich von Riccia glauca und Anthoceros
laevis zu der Annahme berechtigt zu sein, dass sich die körnige Masse, welche die Mutterzelle erfüllt, von
selbst in vier Parthien trenne und nicht durch Scheidewände, welche von der Wandung der Mutterzelle gegen
ihr Centrum zusammen wachsen, gleichsam zerschnitten werde, dass sich nun jede dieser Parthien zuerst mit
einer dünnen, gleichförmigen Haut umkleide, um welche sich später eine zweite, äussere Haut bilde, welche
letztere in vielen Fällen zellig sei, dass diese vier Sporen noch von der ganzen geschlossenen Mutterzelle um-
hüllt seien und dass die letztere resorbirt werde, ohne sich vorher zu theilen. Die Punkte, über welche Hrn.
v. Mirger’s und meine Ansichten differirten, beziehen sich also auf die Art, wie der körnig-flüssige Inhalt der
Mutterzellen in vier Parthien zerfällt, auf die Entstehungsweise der Sporenhäute und auf die Anwesenheit oder
Abwesenheit einer Theilung der Mutterzelle.
Die Untersuchungen, welche ich über die Entwicklung der Sporen von Anthoceros laevis anstellte, geben
nun zwar nicht über alle diese Punkte einen entscheidenden Aufschluss, doch liefern sie wohl einige Beiträge
zur genauern Kenntniss dieses Vorganges.
NG, u
Die Sporangien von Anthoceros zeigen die Eigenthümlichkeit, dass die Entwicklung ihrer Sporen nicht
der ganzen Länge der Frucht nach gleichzeitig erfolgt, sondern dass die der Spitze des Sporangiums näher
gelegenen Sporen den im untern Theile der Frucht befindlichen weit vorauseilen. Dieses bietet den Vor-
theil dar, dass man in demselben Sporangium die verschiedenen Stadien, welche der Entwicklungsgang durch-
läuft, beinahe sämmtlich nebeneinander findet.
Wie bei den übrigen Lebermoosen entwickeln sich bei Anthoceros die Sporen zu je vier in den Mutter-
zellen, und liegen in denselben beinahe ohne Ausnahme in derjenigen relativen Lage, welche ich mit dem
Ausdrucke der tetraödrischen Vereinigung bezeichnet habe.
Die jüngsten Mutterzellen, welche ich auffand, stellten wasserhelle, meist eiförmige, zum Theil kug-
liche Zellen dar, in welchen man an dem einen Ende oder nahe an einem Ende eine sehr feinkörnige,
schleimige, gelbgrün gefärbte Scheibe sieht, welche keine regelmässige und bestimmte Form besitzt und an
der Wandung der Zelle anliegt. Diese körnige Scheibe ist nicht scharf begrenzt, sondern ist am Rande farb-
los, sehr durchsichtig und verliert sich ohne feste Grenze in den übrigen vollkommen durchsichtigen Theil
der Zelle. In dieser Scheibe, oder vielmehr unter derselben, ist bei schärferer Betrachtung ein Nucleus er-
kennbar, welcher ein ungefärbtes, schleimiges Kügelehen mit einem runden Kerne darstellt (Tab. IV. fig. 1).
Bei Anwendung von Jod färbt sich sowohl die körnige Scheibe als der Nucleus braungelb und zugleich er-
streckt sich eine gelbliche Färbung auch auf den übrigen Theil der Zelle, welcher vorher vollkommen wasser-
klar war, wobei man sieht, dass die körnige Scheibe an ihren Rändern sich in eine schleimige Substanz ver-
liert, welche die ganze Mutterzelle auf ihrer innern Seite überzieht, durch den Einfluss des Jodes zu gerinnen
scheint und so eine Art von Haut darstellt, welche sich zuweilen streckenweise von der Mutterzelle ablöst,
deren Membran vollkommen ungefärbt bleibt.
Die Veränderungen, welche man im Laufe der weitern Entwicklung beobachtet, betreffen vorerst vorzugs-
weise die schleimige Scheibe. Diese dehnt sich nämlich allmählig an ihren Rändern aus, so dass sie bald die
eine Hälfte oder auch mehr als die Hälfte des Korns überzieht (fig. 2— 6), oder auch nur die Form eines
Querbandes annimmt (fig.7). Mit dieser Vergrösserung erleidet ihre Textur eine merkwürdige Umänderung.
Es vermehrt sich nämlich die grüne körnige Masse, deren Körnchen deutlicher hervortreten, und zugleich
fängt dieselbe an, sich mehr oder weniger deutlich in zwei nebeneinander liegende Abtheilungen zu trennen,
welche aber zu dieser Zeit selten vollkommen gesondert sind, sondern meistens mit ihren Rändern einander
berühren oder auch durch eine Brücke zusammenhängen (fig. 2. 3. 5. 6). An den Rändern ist auch noch
jetzt diese grüne Masse nicht scharf begrenzt, sondern sie geht wie früher in eine farblose, schleimige, sehr
feinkörnige Masse, deren nähere Verhältnisse wegen ihrer grossen Durchsichtigkeit schwer zu ermitteln sind,
über. Diese Substanz erscheint nicht unter der Form einer gleichförmigen, zusammenhängenden Haut, son-
dern bildet grössere oder kleinere kreisförmige oder auch eckige Maschen (fig. 2—9). Man kann sich beim
Anblick dieser Bildung kaum des Gedankens erwehren, dass man eine zellige Membran vor sich habe, deren
Wandungen aus einer weichen, schleimig-körnigen Masse bestehen, und deren Höhlungen einfache Lücken,
wie die Blasen eines Schaumes, in dieser Masse seien. Da man aber beim Drehen der Mutterzelle die ganze
2. az ME.
schleimige Masse nur einen dünnen Ueberzug an ihrer Wandung bilden sieht, und da, wenn es wirkliche
Zellen wären, nicht bloss der Umkreis dieser Ringe und Polygone, sondern auch die Flächen derselben aus
derselben körnigen Substanz bestehen müssten, dieselben aber vollkommen wasserhell erscheinen, so ist es
vielleicht wahrscheinlicher, dass diese schleimige Substanz nur einen Ueberzug über die innere Wandung der
Mutterzelle bildet, welcher an einzelnen Stellen sehr dünn oder ganz unterbrochen, an andern dicker ist und
dadurch das netzförmige, zelienähnliche Aussehen veranlasst. Auch mit Hülfe von Jod, welches diesen
Schleim gelb färbt, ist keine Zellenbildung in demselben mit Bestimmtheit nachzuweisen.
Der Nucleus nimmt an dieser Bildung keinen Antheil. Häufig ist er unter der grünen, körnigen Masse
so verborgen, dass man ihn nicht, oder nur mit Mühe sieht, in andern Fällen aber (fig. 3) liegt er neben
oder zwischen beiden Abtheilungen der grünen Masse und kommt alsdann leichter zu Gesicht, zugleich ist
aber alsdann auch zu beobachten, dass er unverändert geblieben und der ganzen im Bisherigen beschriebe-
nen schleimigen Bildung fremd ist. Die letztere scheint nur insoferne eine Beziehung zu ihm zu haben, als
sie immer an der Stelle, wo der Nucleus liegt, und zwar zwischen ihm und der Wandung der Mutterzelle,
ihren Concentrationspunkt besitzt.
Bei weiter fortschreitender Entwicklung vermehrt sich nicht nur die Menge der grünlichen körnigen
Masse, sondern die schon früher begonnene Trennung derselben in zwei nebeneinander liegende, jedoch an-
fangs noch verbundene Massen (fig. 9—12) wird später vollständig (fig. 13). Zu gleicher Zeit vermehrt
sich auch die ungefärbte, schleimige, feinkörnige Masse, in welcher die grüne Substanz eingebettet ist. An-
fänglich lag sowohl diese farblose, als auch die grüne körnige Substanz an der Wandung der Mutterzelle an,
nun fangen sie aber an, mehr und mehr ins Innere der Zelle hineinzutreten, wobei die grüne, mit grösseren
Körnern gemischte Substanz sich zu einer und später zu zwei kuglichen Massen zusammenballt, welche von
einer Atmosphäre von ungefärbter Substanz umgeben sind. Diese Atmosphäre läuft nach aussen in die be-
schriebenen, zellenähnlichen Maschen (fig. 8. 9. 12) aus, welche sich allmählig im ganzen Raume der Mut-
terzelle ausbreiten, und zu einer gewissen Zeit so sehr die Form von rundlichen (fig. 8.9) oder durch gegen-
seitigen Druck eckig gewordenen (fig 12) Blasen annehmen, dass wenigstens für diese Zeit die Umwandlung
eines Theiles der schleimigen Substanz in ein zelliges Gebilde nicht zu bezweifeln sein möchte. Dieses zel-
lenähnliche Aussehen der ungefärbten Substanz ist jedoch von kurzer Dauer; je mehr sich nämlich die grü-
nen körnigen Blasen mit dem Nucleus in das Innere der Mutterzelle zurückziehen, desto mehr häuft sich in
ihrer Umgebung ein Theil der ungefärbten Substanz in Gestalt einer formlosen Masse an, und es verwandeln
sich die kreisförmigen Maschen allmählig in fadenförmige Stränge, welche von dieser centralen Masse nach
allen Seiten hin strahlenförmig zu der Wandung der Mutterzelle hinlaufen und so dem nun im Zeliensaft
sethwimmenden Centralgebilde eine feste Lage verschaffen (fig. 10. 11. 13. 14. 15).
Um diese Zeit vergrössern sich die Körner in der grünen Substanz bedeutend und die Anwendung von
Jod zeigt, dass die grösseren Körner Amylum -Körner sind. Die schleimige Atmosphäre, so wie die Fäden,
welche von ihr zur Mutterzelle verlaufen, färben sich mit Jod, wie früher, gelbbraun. Nun geschieht es nicht
selten, dass bei längerem Aufenthalte der Mutterzellen im Wasser, oder auch sonst, die Körner dieser grü-
SE
nen Massen sich in einen kleineren Raum zusammenziehen (fig. 16), oder dass ihrer überhaupt weniger sind
(fig. 17); in diesen Fällen sieht man sehr deutlich, dass sich die schleimige Atmosphäre in der Umgebung
dieser Körnermassen condensirt hat, eine fest begrenzte Höhle einschliesst und auf diese Weise gleichsam
kugliche, mit grünen Körnern gefüllte Zellen bildet, deren Wandungen jedoch nach aussen nicht scharf be-
grenzt sind, sondern unmittelbar in den feinkörnigen Schleim übergehen.
Nun beginnt jede dieser kuglichen Körnermassen, welche ich mit dem Ausdrucke der Körnerzellen be-
zeichnen will, in zwei gesonderte Theile zu zerfallen, so dass es also derselben im Ganzen vier sind. An-
fänglich liegen diese vier Zellen nebeneinander (fig. 18. 19. 20), bald aber entfernen sie sich von einander,
nähern sich der Wandung der Mutterzelle und nehmen die relative Lage an, welche die vier Ecken eines re-
gelmässigen, gleichseitigen Tetra&ders besitzen (fig. 21. 22.). Die schleimige Masse, in welcher die Kör-
nerzellen vor ihrer Theilung eingebettet lagen, theilt sich ebenfalls, so dass jede derselben von einer beson-
deren dünnen schleimigen Atmosphäre umgeben ist. Die Hauptmasse des farblosen Schleimes verwandelt
sich dagegen in faserige Stränge, welche von einer Körnerzelle zur andern verlaufen. Im Centrum der Mut-
terzelle und der von den faserigen Strängen gebildeten Masse, vollkommen getrennt von den vier Körnerzel-
len liegt der Nucleus (fig. 21. 22.), welcher um diese Zeit immer an Grösse abzunehmen scheint.
Während der Innhalt der Mutterzellen diese Veränderungen erleidet, verändert sich auch die Wandung
derselben, insoferne diese ursprünglich aus einer dünnen, jedoch zähen Membran bestand und von der Zeit,
in welcher sich die grüne Körnermasse in zwei Abtheilungen trennt, allmählig immer dicker wird (fig. 15.
17. 18. 19. 21. 22.). Wenn die Körnerzellen an die Wandung der Mutterzellen hinausgetreten sind, ist es
sehr häufig, dass die letztere keine gleichförmige Dicke zeigt, sondern an einzelnen Stellen stärker anschwillt,
als an andern (fig. 21.). Auch ist in dieser Zeit die Mutterzelle nicht blos grösser geworden, sondern hat
ihre Form auch aus der eiförmigen, welche sie im jüngern Zustande häufig besitzt, beinahe immer in die
vollkommen kugelförmige umgewandelt; doch kommen in dieser Beziehung manche Ausnahmen vor.
Das angegebene Dickerwerden der Wandungen scheint theilweise auf einem wirklichen Wachsthume
derselben zu beruhen und ist ein normaler Vorgang, indem man um diese Zeit beständig diese Veränderung
eintreten sieht. Nicht selten ist aber die Verdickung der Wandung nur scheinbar und tritt unter den Augen
des Beobachters ein, wenn die Zellen längere Zeit hindurch im Wasser liegen. Die Zellwandung ist näm-
lich in dieser Periode sehr hygroscopisch und besteht aus einer gallertartigen, jedoch zähen und nicht leicht
zerreissbaren Substanz, welche durch Jod nicht gebräunt wird. Nun geschieht es nicht selten, dass bei
längerer Einwirkung des Wassers diese Zellwandungen nach innen gegen die Höhlung der Zelle hin bedeu-
tend aufquellen, und zwar oft so stark, dass die Höhlung der Zelle beinahe verschwindet und der ganze feste
Inhalt derselben im Centrum in eine formlose Masse zusammengepresst wird.
Bald, nachdem dieser Zustand der Mutterzellen eingetreten ist, erfolgt eine Theilung ihrer Höhle. Man
sieht nemlich auf der innern Seite der Zellwandung zwischen je zwei Körnermassen eine zarte Linie sich bil-
den, welche Linien je zu drei unter stumpfen Winkeln zusammenstossen (fig. 23.). Solcher Linien sind es,
wie aus der oben angegebenen Anzahl und relativen Lage der Körnerzellen erhellt, im Ganzen sechs, und
aan
sie vereinigen sich untereinander in vier Punkten, so dass durch dieselben die Oberfläche der Zelle in vier
dreieckige Felder getheilt wird. Diese Linien sind die ersten Andeutungen der später an ihrer Stelle erschei-
nenden Scheidewände. Die Art, wie diese sich Ausbilden‘ ist ungemein schwer zu beobachten und ich ge-
stehe, dass ich ungeachtet sehr zahlreicher Versuche, mir hierüber Gewissheit zu verschaffen, immer noch
im Zweifel geblieben bin. Die genannten zarten Linien scheinen schmale, auf der innern Seite der Zellwan-
dung hervorsprossende Leisten (Anfänge von Scheidewänden) zu sein, welche später gegen die Mitte der
Zelle zusammenwachsen und sich daselbst vereinigen. Hierfür spricht wenigstens, dass zu der Zeit, in wel-
eher diese Linien zuerst auftreten (fig. 23), die schleimigfaserigen Stränge, welche von einer Körnerzelle
zur andern verlaufen, noch in ihrer völligen Integrität bestehen, weshalb also im Innern noch keine Schei-
dewände vorhanden sein können, ferner der Umstand (welchen ich freilich nur einmal beobachtete, wobei
ich aber mich nicht getäuscht zu haben überzeugt bin), dass bei längerer Einwirkung von Wasser auf die
Mutterzellen diese Linien wieder rechnen können, was darauf hinzuweisen scheint, dass sie erst durch
. einen ganz schwachen Vorsprung der Substanz der Mutterzellen nach innen gebildet waren, welcher Vor-
sprung bei der hygroscopischen Anschwellung, welcher die Haut der Mutterzelle ausgesetzt ist, wieder aus-
geglichen worden zu sein scheint. |
Dieser Zustand, dass flache Linien auf der Wandung der Mutterzelle verlaufen und die Höhlung der-
selben noch einfach ist, scheint sehr schnell vorüber zu gehen, indem man in den meisten Fällen, in wel-
chen die Eintheilung der Zellwandung in Felder durch solche Linien sichtbar ist, auch schon die Scheide-
wände vollständig ausgebildet findet. Diese haben, wie sich aus ihrer relativen Lage von selbst versteht,
eine dreieckige Form, zwei gerade und nach aussen zu eine convexe Seite, dieselben sind sehr dünn und be-
stehen aus derselben halbgelatinosen, durch Jod nicht färbbaren Substanz, wie die Mutterzelle selbst.
Von dem Nucleus der Mutterzelle, welcher schon vor der Theilung nur schwer aufzufinden war, findet
sich nach geschehener Theilung keine Spur mehr, er scheint daher um diese Zeit vollständig resorbirt zu
werden.
Jede der vier durch die Scheidewände gebildeten Abtheilungen der Mutterzelle enthält eine der vier
Körnerzellen (fig. 24—26.). Das Aussehen dieser letztern ist anfänglich nicht verändert, indem sie noch
viele und grosse Amylumkörner enthalten (fig. 24. 25.) und durch Chlorophyll schwach grün gefärbt sind ;
bald nimmt aber in den meisten Fällen die Menge der Amylumkörner ab (fig. 26.), wobei man alsdann deut-
lich die nun vollständig ausgebildete, auch nach aussen begrenzte Wandung dieser Zellen erkennen kann. Be-
festigt sind sie auf dieselbe Weise, wie früher in der ungetheilten Mutterzelle, durch schleimige Fäden
(fig. 26). %
Kurze Zeit nach der Theilung der Mutterzelle beginnt die Bildung der Sporenhaut. Schon ehe diese
Theilung eingetreten ist, bemerkt man bei Anwendung von Jod, dass von der schleimig-faserigen Substanz,
welche die Körnerzellen an die Wandung der Mutterzellen anheftet, eine dünne schleimige Masse ausgeht,
welche sich über die innere Fläche der Mutterzelle hinzieht und diese als eine dünne Schichte überkleidet.
Diese Schleimschichte wird durch Jod gebräunt, sie ist aber so dünn, zeigt einen so schwachen Zusammen-
12
Ba
hang, dass sie offenbar nicht als eigene Membran, sondern nur als ein dünner schleimiger Ueberzug be-
trachtet werden kann. Nach geschehener Theilung der Mutterzelle zeigt sich in jeder Abtheilung derselben eine
ähnliche Schleimlage, diese verdickt sich nun schnell, grenzt sich, wenn sie durch Jod braungelb gefärbt
wird, durch eine scharfe Trennungslinie von der farblos bleibenden Mutterzelle ab, erhält einen festern Zu-
sammenhang und stellt eine förmliche Membran dar, welche später auch ohne Anwendung von Jod sichtbar
ist und von nun an als Sporenhaut erscheint (Fig. 24—26).
Die Form der Sporen ist die bei den höhern Öryptogamen gewöhnliche, d.h. sie besitzen gegen das Cen-
trum der Zelle eine dreiseitige pyramidale Zuspitzung, nach aussen eine convexe Fläche. Da aber, wie oben
bemerkt, gegen die Zeit der Theilung hin die innere Fläche der Mutterzelle häufig sehr unregelmässige Ver-
tiefungen zeigt (fig. 21), so ist es auch gewöhnlich, dass die jungen Sporen auf ihrer äussern, gekrümmten
Fläche wellenförmige Erhabenheit und Vertiefungen zeigen, welche sich erst im weitern Verlaufe der Ent-
wicklung ausgleichen.
Sobald sich die Sporenhaut entwickelt hat, lassen sich durch Druck (fig. 27) die Sporen von einander
entfernen, bei stärkerem Drucke reisst die Mutterzelle ein und die Sporen treten durch die Oefinung aus.
Dabei lässt sich in günstigen Fällen (denn oft sucht man vergeblich darnach) sehen, dass zwischen den Spo-
ren die Mutterzelle zarte Scheidewände besitzt.
Die Sporenhaut ist anfänglich ungefärbt und glatt, später wird sie auf der convexen, an die äussere
Wandung der Mutterzelle anstossenden Seite feinkörnig (fig. 28) und zugleich gelblich, noch später werden
auch die Flächen der pyramidalen Zuspitzung körnig (fig. 29) und die Kanten verdickt.
Dass die Sporenhaut doppelt ist, lässt sich bei Anthoceros durch Quetschung der Sporen zwischen
zwei Glasplatten nicht nachweisen, es ist jedoch wegen der Analogie dieser Sporen mit denen der höheren
Cryptogamen und der Laubmoose die Anwesenheit einer inneren Haut sehr wahrscheinlich.
Die weiteren Veränderungen bis zur Reife der Sporen betreffen theils die Mutterzelle, theils die
Sporen selbst.
Die Mutterzelle verliert, sobald sich die Sporenhaut deutlich ausgebildet hat, ihre frühere Hygroscopi-
cität; sie wird in demselben Verhältnisse, als sich die Sporen vergrössern und dickere Wandungen erhalten,
dünner und wird zuletzt, wenn sich dieselben der Zeit der Reife nähern, vollständig resorbirt.
In den Sporen selbst vermindert sich die Menge der Amylumkörner, endlich verschwinden sie vollkom-
men und es liegt die kleine Zelle, in welcher sie enthalten waren, und welche nun eine gelbliche Färbung
angenommen hat, entleert und in ein wenig Schleim gehüllt, an der Sporenwandung an (fig. 28). Diese Ver-
änderungen der Körnerzelle erfolgen bald früher, bald später, sind bald schon eingetreten, so lange die Spo-
renhaut noch hellgelb und sehr durchsichtig ist, bald ist noch eine bedeutende Körneranhäufung vorhanden,
wenn die Sporenhaut schon braungelb und wenig durchsichtig ist. Zuletzt scheint sich auch immer die
kleine Zelle selbst aufzulösen, denn in den reifen Sporen trifft man nur eine krümlige, schleimige,, mit Oel-
tropfen vermischte Flüssigkeit.
a
Es sei mir nun erlaubt, dieser Darstellung des Ergebnisses meiner Untersuchungen über Anthoceros
einige Bemerkungen beizufügen.
In Beziehung auf die Mutterzellen lieferten diese Beobachtungen eine vollständige Bestätigung der An-
gabe des Hrn. v. Mirgen, dass sich dieselben theilen;; meine frühere Angabe, dass bei den höheren Crypto-
gamen die vier Sporen sich nebeneinander in der einfachen Höhlung der Mutterzelle entwickeln, stellt sich
daher als entschieden unrichtig heraus. Dagegen glaube ich, dass die von mir über den Inhalt der Mutter-
zellen angestellten Beobachtungen die von Herrn v. Mırsru aufgestellten Ansichten wieder einigermassen
reformiren müssen. Nach der Darstellung dieses Gelehrten scheint nämlich die Bildung der Sporen haupt-
sächlich von der Mutterzelle abzuhängen; der Inhalt von dieser wird nämlich als eine gleichförmige, schlei-
mig-körnige Flüssigkeit beschrieben, welche durch die vorspringenden Scheidewände auf eine mechanische
Weise in vier Parthien getrennt werde. So bildet also diese Ansicht den direeten Gegensatz gegen die von
mir geäusserte Ansicht, nach welcher die Entwicklung von vier Sporen in einer Mutterzelle blos auf der or-
ganischen Veränderung ihres Inhaltes beruhen sollte, ohne dass die Zellwandung einen Einfluss hierauf
äussere.
Die Beobachtungen über Anthoceros scheinen zu beweisen, dass die Wahrheit in der Mitte liege. Die
obige Darstellung weist nämlich darauf hin, dass der innere Raum der Mutterzelle schon lange vor ihrer
Theilung der Schauplatz einer, in mannigfach sich verändernden Bildungen sich aussprechenden organischen
Thätigkeit ist. Wir finden in dieser Zelle ausser dem Nucleus, welcher mit der weitern Bildung der Sporen
nichts zu thun hat, ein schleimig-körniges Gebilde, welches vielfache Formen durchlaufend zu der Erzeugung
von vier mit Amylumkörnern gefüllten Zellen Veranlassung giebt und so, ehe eine Spur einer Theilung der
Mutterzelle vorhanden ist, schon die Vierzahl der Sporen, ihre relative Lage und eben dadurch ihre Form
bedingt. Nun ist es im höchsten Grade auffallend, wie von der Lage, welche die Körnerzellen in der Mutter-
zelle annehmen, die Stellung und die Anzahl der aus der Wandung der Mutterzelle hervorsprossenden
Scheidewände abhängt. Wie es oben von Anthoceros angegeben wurde (so wie ich dieses auch früher bei
einer grösseren Anzahl von Cryptogamen in Beziehung auf ihre Sporen nachwies), so ist die häufigste An-
lagerung der vier Körnerzellen die tetraödrische, und in diesem Falle wird man immer sechs Scheidewände
sich ausbilden sehen; nun kommt es aber als Ausnahme auch bei Anthoceros vor (wie dieses bei manchen
andern Cryptogamen die Regel ist), dass die vier Sporen in einer Ebene nebeneinander liegen, in welchem
Falle sich nur vier Scheidewände ausbilden. Diese Uebereinstimmung der Anzahl der Scheidewände in der
Mutterzelle mit der relativen Lage der Sporen hätte nichts auffallendes, wenn die Sporen blos das Resultat
einer mechanischen Theilung des Inhaltes der Mutterzelle durch die Scheidewände wären, oder wenn umge-
kehrt in dem freien Raume der Mutterzelle sich zuerst die Sporenhäute ausbilden und nun zwischen diesen
sich Häute bilden würden, welche sich an die Wandung der Mutterzellen anschliessen und so die Scheide-
wände derselben bilden würden. Räthselhaft wird aber die Sache, da die Scheidewände aus der Wandung
der Mutterzelle hervorsprossen und sich in ihrer Entstehung nach der Lage der Körnerzellen richten, welche
127
u ga.
in keinem organischen Zusammenhange mit der Mutterzelle stehen. Ob nun hier irgend ein mechanisches
Moment, welches mir bei der Untersuchung entging, in Rechnung kommt, oder ob diese Abhängigkeit der
Lage der Scheidewände von der Lage der Körnerzellen auf einem dynamischen Einflusse beruht, muss ich
unentschieden lassen, jedenfalls aber möchte ich aus dem angegebenen Verhältnisse den Schluss ableiten,
dass nicht die Entstehung der vier oder sechs Scheidewände Veranlassung zur Bildung von vier Sporen
giebt und die ganze Bildung der Sporen von der Membran der Mutterzelle ausgeht, sondern dass im Gegen-
theile die Scheidewände erst eine Folge der Entwicklung des Inhaltes der Mutterzelle sind.
Wenn ich früher angegeben hatte, dass sich zuerst die innere und erst später die äussere Sporenhaut
bilde und dass die letztere in vielen Fällen zellig sei, so erkenne ich dieses jetzt als einen Irrthum an, zu
welchem mich der Umstand, dass die Sporenhaut anfänglich gleichförmig, ungefärbt und glatt, kurz der in-
nern Sporenhaut in ihrem Aussehen ähnlich, ist und erst später ihre Beschaffenheit verändert, welchen Vor-
gang ich übersehen hatte, verleitet hat. Die Sporenhaut ist anfänglich, wie es scheint, ein geronnener, fest
gewordener Schleim, nach aussen zu glatt, später bilden sich auf ihrer äussern Fläche Wärzchen (wie bei
Anthoceros) oder auch ein Netz von vorspringenden, plattenförmigen Erhabenheiten, ohne dass man, wie
ich dieses früher that, berechtigt ist, dieses für die Bildung einer eigenen und besonders einer zelligen Haut
zu betrachten. Die Sporenhaut liegt so genau an der Mutterzelle an, dass allen ihren Vorsprüngen in der
weichen Substanz der Mutterzelle Vertiefungen entsprechen; ist die Sporenhaut mit Körnern oder Stacheln
besetzt, so entsprechen diesen einfache Gruben in der Membran der Mutterzelle, ist die erstere mit einem
Fasernetze bedeckt, so entsprechen den Vertiefungen desselben 5 — 6seitige zapfenförmige Verlängerungen
der Mutterzelle, welche in die bienenzellenähnlichen Vertiefungen der Sporenhaut hineinragen und der Haut
der Mutterzelle, wenn sie isolirt wird, ein ähnliches Aussehen geben, wie eine gepflasterte Strasse besitzt.
Dieses ist besonders deutlich bei Riccia glauca zu beobachten.
Dass die Sporenhaut das Produkt der Mutterzelle, gleichsam eine erhärtete Absonderung derselben ist,
scheint nach dem oben angegebenen nicht wahrscheinlich, sondern sie scheint durch Condensation der
schleimig-körnigen Substanz, welche oben beschrieben wurde, zu entstehen und die Mutterzelle scheint nur
die Form der Sporenhaut zu bestimmen. Dieses scheint mir nicht blos durch die oben beschriebene Ent-
wicklungsgeschichte der Sporen von Anthoceros bewiesen zu werden, sondern ich möchte hierfür auch die
Analogie der Sporen niederer Cryptogamen z.B. mancher Conferven wie Zygnema anführen, wo die Sporen-
haut sich um eine Körneranhäufung bildet, welche weit kleiner ist, als der Raum der Zelle, wo also die
Sporenhaut gar nicht an der Wandung der Zelle anliegt.
Was endlich das Zerfallen der Mutterzelle in vier gesonderte Zellen, deren jede eine Spore einschliesst,
betrifft, welcher Vorgang nach Hrn. v. Mirser’s Angabe das unterscheidende Merkmahl zwischen den Mutter-
zellen der Sporen und denen der Pollenkörner bildet, so glaube ich, dass dieser Vorgang nicht bei allen
Mutterzellen von Sporen vorkommt, sondern dass er bei nahe verwandten Pflanzen sich bald findet, bald
fehlt. Bei Anthoceros laevis konnte ich ihn nicht finden, bei Anthoceros punctatus (über welche Pflanze ich
DNB NNG In,
U
a
jedoch weniger zahlreiche Beobachtungen anstellte) glaube ich ihn beobachtet zu haben, ebenso findet er wohl
entschieden bei Jungermannia epiphylla statt, bei Riccia glauca beobachtete ich ihn wieder nicht; so dass es
mir scheint, als ob kein grosser Werth darauf zu legen sei, ob die vier Abtheilungen der Mutterzelle ver-
bunden bleiben, oder nicht, und dass man jedenfalls diesen Vorgang nicht als unterscheidendes Merkmahl
der Mutterzellen der Sporen und der Pollenkörner betrachten dürfe.
In Beziehung auf die Abbildungen habe ich zu bemerken, dass dieselben nach einer 380maligen Ver-
grösserung gezeichnet sind.
VIH.
Morphologische Betrachtungen
über
das Sporangium der mit Gefässen versehenen Cryptogamen.
(Dissertation vom Jahr 1837.)
Die meisten Schriftsteller, welche sich bisher mit Untersuchungen über die Morphologie der Gewächse
beschäftigten, beschränkten sich auf die Betrachtung der Phanerogamen und nur Wenige machten einen Ver-
such, den Bau der Fortpflanzungsorgane der mit Blättern versehenen Cryptogamen nach denselben Grund-
sätzen, welche sich bei den Phanerogamen erprobt hatten, aus einer Metamorphose des Blattes abzuleiten.
Dass bei den Phanerogamen sowohl die Staubgefässe als die Carpelle blos aus der Metamorphose von
Blättern hervorgegangen sind, wird von der überwiegenden Mehrzahl der Botaniker als eine unumstösslich
erwiesene Wahrheit betrachtet und nur wenige sind der Ansicht, dass auch die Achse, wenigstens in einzelnen
Fällen, einen Beitrag zur Bildung der Früchte liefere, und noch wenigere schreiben derselben einen Antheil
an der Bildung ‘der Staubfäden zu. Nachdem einmal dieses Grundgesetz, dass die Fructificationstheile der
Phanerogamen aus metamorphosirten Blättern bestehen, entdeckt war und sich durch eine grosse Menge der
speciellsten Untersuchungen durch die ganze Reihe sowohl der Dicotyledonen als Monocotyledonen als allge-
mein gültig erprobt hatte, so lag die Vermuthung nahe, es möchte wohl auch der Bildung des Sporangiums,
wenigstens bei den höheren, mit Blättern versehenen Familien der Cryptogamen, eine ähnliche Metamorphose
des Blattes, wie der Bildung des Carpelles der Phanerogamen zu Grunde liegen; es ist desshalb auch das
Unternehmen einiger Botaniker, diese Metamorphose im Speciellen nachzuweisen, weniger auffallend, als der
Umstand, dass erst in den neueren Zeiten, nachdem doch schon seit beinahe fünfzig Jahren durch GoETHE die
Lehre von der Metamorphose der Pflanzen sicher begründet war, der Versuch zu einer solchen Nachweisung
gemacht wurde.
Der Grund, warum bisher in dieser Beziehung noch so wenig geleistet wurde, mag ein doppelter sein;
einmal liegt er in den eigenthümlichen Schwierigkeiten des Gegenstandes selbst, indem man bei der Erfor-
schung der Bildungsweise des Sporangiums sich von dem grossen Hülfsmittel der unregelmässigen Metamor-
phose so gut als gänzlich verlassen sieht. Während bei den Phanerogamen Hunderte von vor- und rück-
schreitenden Metamorphosen der Fructificationstheile, von Uebergangsbildungen aller Blüthentheile in einander
und in Vegetationsblätter dem aufmerksamen Beobachter den Weg andeuten, auf welchem die regelmässige
MO
Metamorphose erfolgt, so sind bei den Cryptogamen die Sporangien mit einer wunderbaren Regelmässigkeit
und Gleichförmigkeit gebildet; es sind nur wenige Fälle bekannt, dass bei Farnen an der Stelle der Capsel-
häufchen sich Büschel von kleinen Blättern gebildet haben, aber noch nie scheint eine unregelmässige Ent
wicklung des Sporangiums eines Mooses, Lebermooses, eines Wurzelfarnen, einer Lycopodinee, ein Ueber-
gang desselben in Vegetationsblätter beobachtet worden zu sein.
Ein zweiter Grund von der späten Entwicklung dieser Lehre lag in der geringen Kenntniss, welche man
bis auf die neueren Zeiten vom normalen Baue des Sporangiums und besonders vom Baue und der Entwick-
lung der Sporen hatte. Diese Kenntniss musste nothwendigerweise dem Versuche, die Sporangien morpho-
logisch zu deuten, vorausgehen, sonst gerieth man verleitet durch falsche Analogien mit dem Eie und dem
Carpell der Phanerogamen auf Abwege. Nachdem nun durch die Untersuchungen der letzten Jahre unsere
Kenntnisse in dieser Beziehung etwas erweitert sind, so mag es erlaubt sein, Analogien zwischen dem Sporan-
gium und einzelnen Theilen der Phanerogamenblüthe aufzusuchen, um auf diese Weise das in Rede stehende
morphologische Räthsel zu lösen; dabei müssen wir uns freilich gestehen, dass dieses Verfahren nur mehr
oder weniger Wahrscheinlichkeit, aber keine Gewissheit gewähren kann, indem die letztere nur das Resultat
von Beobachtung unregelmässiger Metamorphosen des Sporangiums selbst sein kann.
Ehe der Verfasser zur Darstellung seiner Ansichten übergeht, hält er es für nothwendig, vorerst aus der
Lehre von der Metamorphose der phanerogamen Blüthe zwei Sätze vorauszuschicken, auf welche er sich bei
Betrachtung des Sporangiums berufen, und welche er hier, um nicht zu weitläufig zu werden, als bewiesen
voraussetzen muss, über welche er aber auch von der Mehrzahl der Botaniker keinen Widerspruch zu fürch-
ten hat, nämlich 1) den Satz, dass die Anthere der Phanerogamen nicht durch Einrollung eines Blattes ge-
bildet ist und dass die Pollenkörner nicht aus der Oberfläche des in die Anthere umgewandelten Blattes, wie
aus einer Placenta, hervorsprossen, sondern dass sie in Mutterzellen; welche im Innern des metamorphosirten
Blattes liegen und später wieder verschwinden, entstehen; 2) den Satz, dass das Carpell ebenfalls, wie die
Anthere, nur aus der Metamorphose eines Blattes hervorgeht. und dass das Achsensystem keinen Beitrag zu
demselben liefert, sondern dass die Eier immer aus der obern Fläche und meistens aus dem Rande des Car-
pellarblattes hervorsprossen 1).
Da die Sporangien der verschiedenen Familien in Hinsicht auf ihren Bau so sehr von einander abwei-
chen, so lässt sich die Betrachtung ihrer morphologischen Verhältnisse nicht zusammenfassen, sondern wir
müssen die einzelnen Familien abgesondert in dieser Hinsicht untersuchen.
4) Dieser Satz bedarf ohne Zweifel einer Einschränkung, allein ich bin ungeachtet der entgegenstehenden An-
sicht von Frxzt, Schteipen, ENDLIcHER weit entfernt, ihn für einen im allgemeinen für unrichtigen zu h>l-
ten, im Gegentheile möchte ich ihn für die Mehrzahl der Phanerogamen in Schutz nehmen und halte die
Ansicht, dass die Placenta bei allen Pflanzen ein Achsengebilde sei, für eine einseitige Uebertreibung und
eine durchaus unzulässige Verallgemeinerung eines Verhältnisses, welches allerdings für einzelne Pflanzen-
familien, namentlich für die mit einer placenta centralis libera versehenen, wahrscheinlich, jedoch lange
nicht mit so guten Gründen bewiesen ist, wie es die Production der Eier durch Carpellarblätter für andere
Familien ist.
wo
Equiseiaceen.
Der ährenförmige Fruchtstand eines Equisefum erinnert auf den ersten Anblick zu auffallend an ein
männliches Blüthenkätzchen der Coniferen, als dass es nicht schon längst versucht worden wäre, eine Pa-
rallele zwischen diesen beiden Gebilden zu ziehen. Dieses geschah jedoch nur in Beziehung auf die äussere
Form dieser Sporangien; nothwendig zur vollständigen Durchführung dieser Analogie scheint mir aber vor
allem auch die Nachweisung, dass der Inhalt von beiden Organen sich auf ähnliche Weise entwickelt. So
lange man mit Hepwıe an eine Analogie zwischen den spiralförmigen Elateren von Equisetum und den An-
theren der Phanerogamen, ferner zwischen den Sporen dieser Pflanze und einem phanerogamischen Ovarium
denkt, so lange muss man das gestielte Receptaculum, welches die Sporangien auf seiner untern Fläche-trägt,
als ein Achsengebilde und die Sporangien selbst, als ein Involucrum betrachten. Eine solche Erklärung wäre
jedoch vollkommen falsch, denn es wurde schon früher von mir gezeigt I), dass jene sogenannten Elateren,
weit entfernt, den Antheren ähnliche Gebilde oder auch nur hohle Organe zu sein, nichts als die Ueberreste
der Mutterzelle sind, in welcher sich die Spore entwickelte, und welche gegen die Zeit der Reifung hin in
zwei spiralföürmig gewundene Bänder, welche die Spore umhüllen, zerfällt 2). Wir können also theils wegen
der Entstehung dieser Sporen in Mutterzellen, theils wegen ihrer Zusammensetzung aus einer doppelten Haut,
die Spore dieser Pflanzen in Parallele setzen mit dem Pollenkorne einer phanerogamen Pflanze, welches noch
in seiner Mutterzelle enthalten ist, und wir können das Sporangium, in welchem diese Körner liegen, mit der
Theca einer Anthere vergleichen. Eine weitere Aehnlichkeit, auf welche ich aber keinen bedeutenden Werth
lege, liegt in der Structur dieses Sporangiums, welches in der Organisation seiner Zellen sich der Antheren-
valvel nähert, indem dieselben bekanntlich eine Spiralfaser enthalten und somit den Endotheciumzellen einer
Anthere analog gebildet sind.
Diese Analogie wurde auch sowohl von Liwpey als von Bıscuorr anerkannt. Nun fragt es sich aber,
ob jedes der an einem Receptaculum befestigten Sporagien von Equisetum einer ganzen Anthere, oder ob
jedes dieser Sporangien nur einer Antherentheca entspreche. Das letztere wurde von Lmp£v) angenommen
und jedes Sporangium mit der Theca einer Coniferenanthere verglichen; die erstere Ansicht wurde von
4) Einige Bemerkungen über die Entwicklung und den Bau der Sporen der eryptogam. Gewächse von Huso
Mont. Flora 1833. I. p. 45. (Siehe oben pag. 72.)
2) Gegen diese Erklärung wurde zwar von Bıscnorr (Lehrbuch der Botanik. I. p. 455 Anm.) eingewendet,
dass die Elateren wenigstens aus zwei übereinander liegenden Häuten entstehen müssten, weil sich diesel-
ben kreuzten. Es ist aber ohne besondere Schwierigkeit zu beobachten, und es ist sogar aus der pa-
rallelen Lage der Windungen jener Elateren, wenn sie in der Feuchtigkeit sicb um die Spore herumwinden,
nothwendig abzuleiten, dass die beiden Elateren an der Stelle, an welcher sie der Spore anhängen,
sich nicht kreuzen, sondern dass sie daselbst nebeneinander liegen. Eine vollständige Bestätigung erhielten
meine Beobachtungen hierüber durch Hexversow (Transact. of the Linn. societ. XVIII. pag. 567) und
ScHLEıden (Grundzüge II. 92).
5) Introduct, to the natur. syst. of botany p. 5414. »considering the analogy between the thecae of Equisetum
and the lobes of the anther of Coniferae.«
=, 192
BiscHorr !) vorgetragen. Auch dieser Gelehrte erkennt die vollkommene Analogie mit der Coniferenanthere
an, da er aber glaubt, die letztere lasse sich nur aus der Verwachsung mehrerer Staubgefässblätter ableiten,
so nimmt er auch bei Equisetum an, dass jeder der eckigen Fruchtböden aus der Verwachsung eines Blätter-
kreises erklärt werden müsse und glaubt, es sei die Achse des Fruchtstandes der Schafthalme statt der wirte-
lisen, zu gezähnten Scheiden verbundenen Stengelblätter mit in Wirteln stehenden Blätterbüscheln besetzt,
deren jeder durch die Verschmelzung seiner Blätter zum gestielten Schildchen umgewandelt erscheine.
Diese Ansicht von einer Zusammensetzung der Coniferenanthere aus mehreren verwachsenen Blättern
ist, obgleich sie von vielen Botanikern angenommen wird, in Beziehung auf die Mehrzahl der Coniferen gänz-
lich unstatthaft, wie dem Verfasser Beobachtungen von Missbildungen überzeugend dargethan haben, und sie
kann nur bei einer sehr kleinen Anzahl von Coniferen, deren Antheren von der in dieser Familie gewöhnlichen
Bildung sehr abweichen, wie bei Ephedra, vertheidigt werden; schon .dieser Umstand macht die von BıscHorr
gegebene Erklärung des Sporangiums von Equisetum sehr zweifelhaft, vollkommen widerlegt wird aber die-
selbe durch Beobachtungen, welche ich an fruchttragenden Schäften von Equisetum Telmateja zu
machen Gelegenheit hatte, welche Uebergänge von den verticillirten und zu Scheiden verwachsenen Schaft-
blättern zu Quirlen des Fruchtstandes zeigten und welche keinen Zweifel darüber liessen, dass das mit Spo-
rangien besetzte, sogenannte Receptaculum von Equisetum nicht aus der Verwachsung eines von einem
Aste abstammenden Blätterbüschels, sondern dass es aus einem Blatte des Schaftes selbst abstammt, dass
dasselbe gleichsam das zu ungewöhnlicher Grösse angewachsene Connectiv einer Anthere repräsentirt und
dass die auf seiner untern Seite stehenden Sporangien den einzelnen Loculamenten einer Anthere entsprechen ?).
Farne.
In der Familie der Farne tritt uns eine Ausbildung des Blattes wenigstens in Hinsicht auf seine äussere
Form entgegen, wie wir sie in der ganzen Reihe der Phanerogamen nur selten beobachten; zugleich treffen
wir das ungewöhnliche Verhältniss, dass dieses Blatt (wenigstens in den meisten Fällen) zugleich als Vegeta
tionsblatt functionirt und den Träger der Fructificationstheile bildet; nur bei der Minderzahl von Farnen sind
die mit Sporangien besetzten Blätter so sehr contrahirt, dass ihre blattförmige Ausbreitung ganz verloren
‘ geht und wie bei den Phanerogamen die vegetativen Functionen den unfruchtbaren Blättern allein übertragen
sind. Diese auffallenden Verhältnisse des Farnblattes, seine eigenthümliche Aestivation, die Aehnlichkeit,
welche dasselbe bei manchen Farnen z. B. bei Lygodium mit einem Stengel besitzt, der Umstand, dass es
nicht mit einzelnen Samen, sondern mit capselähnlichen Sporangien besetzt ist, scheinen schon längst den
Botanikern als hinreichende Gründe erschienen zu sein, diese Blätter von den Blättern der übrigen Pflanzen
4) Lehrb. der Botanik. I. pag. 441.
2) Ich verdanke es meinem verehrten Freunde Rörzr auf diese Bildung aufmerksam gemacht worden zu sein,
und hoffe, es werde derselbe eine genaue Beschreibung dieser Uebergangsbildungen dem botanischen Pub-
licum nicht vorenthalten. — Dieser Wunsch ist seit dem ersten Erscheinen des vorliegenden Aufsatzes in
Erfüllung gegangen, indem Rörzr (zur Flora Mecklenburgs. 140) eine specielle Beschreibung dieser Miss-
bildungen gab.
13
zu sondern, sie mit dem besondern Ausdrucke der frons, des Wedels und ihren Blattstiel mit dem Namen
des stipes zu bezeichnen, und schon für Lisx& ?) wurden diese Verhältnisse Veranlassung, in dem Farnwedel
die Verbindung eines Astes mit einem Blatte zu erblicken, eine Ansicht, welche in der neuesten Zeit wieder
einen Vertheidiger an Lısx”) gefunden hat. Linx# erklärte sich über die Gründe dieser Annahme nicht näher,
seine Zusammenstellung des Farnwedels mit dem Palmenblatte spricht dagegen nicht für seine Ansicht, inso-
ferne Niemand im Palmenblatte ein wahres Blatt verkennen wird. Link dagegen sucht diese Ansicht durch die
anatomischen Eigenthümlichkeiten des Farnwedels zu beweisen, nämlich durch das Hervorbrechen der Früchte
aus der innern Diplo& des Wedels, worin er den Beweis einer innigen Verbindung zwischen Blatt und frucht-
tragenden Stengel erblickt, ferner durch den Umstand, dass der Wedel aus dem Stamme ohne Spur von
Knospe und unterstützendem Blatte hervorbreche, woraus zu vermuthen sei, dass hier das Blatt mit der Knospe
vereinigt sei, endlich durch die eigenthümliche Form des Wedelstieles, auf dessen oberer Seite in der daselbst
befindlichen Rinne ein stielrunder Theil herablaufe, als wäre ein anderer Stiel hineinversenkt, womit dann
auch eine Stellung der Gefässbündel verbunden sei, welche von der Anordnung der Gefässbündel in dem Blatt-
stiele der Phanerogamen abweiche.
Diesen Gründen kann ich keine Beweiskraft zuerkennen, indem zwei der von Lin angegebenen Puncte
sich strenge genommen nicht ganz richtig verhalten dürften. Einmal liegt nämlich durchaus kein Beweis dafür
vor, dass die Sporangien der Farne aus dem Innern des Wedels, aus seiner Diplo& hervorbrechen, sondern
im Gegentheile ist bei denjenigen Farnen, welche ihre Früchte auf der Rückenseite des Wedels tragen, ana-
tomisch nachzuweisen, dass ihre Sporangien nur mit dem oberflächlichen Parenchyme des Wedels, aber weder
mit den tieferen Schichten des Zellgewebes, noch mit seinen Gefässbündeln in Verbindung stehen, wie dieses
auch aus den von Marrıus und Scuorr publieirten Abbildungen erhellt; was anderntheils die Angabe, als sei
in die Furche der obern Seite des Wedelstieles ein halbrunder Theil versenkt, betrifft, so konnte ich auch
diese nicht bestätigt finden. Im Allgemeinen zeigt der Wedelstiel der Farne, wie jeder andere Blattstiel auf
der untern Seite eine convexe Krümmung, auf der obern eine häufig sehr tiefe und schmale Furche; ausser-
dem verlauft bei vielen Arten auf jeder Seite eine Furche, so dass die beiden Ränder der Mittelfurche flügel-
artig vorspringen und von dem untern convexen Theile des Wedelstieles mehr oder weniger deutlich getrennt
sind. Die Verzweigungen des Wedelstieles und die blattförmige Ausbreitung entspringen theils von den obern
flügelförmigen Vorsprüngen, theils aus den seitlichen Furchen; in diesen Vorsprüngen liegen auch die grössten
Gefässbündel. Gegen die Spitze des Wedels zu nehmen allmählig die Seitenfurchen immer mehr ab und es
fliessen zuletzt alle Theile des Blattstieles in eine Masse zusammen. Diese verschiedenen Theile des Wedel-
stieles, welche meistens bei den Wedeln der grossen tropischen Arten z.B. bei Didymochlaena sinuosa sehr
deutlich ausgebildet sind, treten bei andern Arten sehr wenig hervor, so dass die obern Vorsprünge,, welche
zwischen den Seitenfurchen und der Mittelfurche liegen, sehr schwach sind oder auch ganz verschwinden und
4) Philosoph. botan. Stockh. 1751. p. 42.
2) Elem. philos. botan. sec. edit. 4857. Tom. I. pag. 480. »In filieibus epiphyllospermis folia cum scapo
fructigero connata sunt et frondem formant.«
Er
somit der Wedelstiel halb stielrund wird; in andern Fällen wird derselbe durch Abrundung der obern Fläche
vollkommen stielrund '). In Uebereinstimmung mit dieser äussern Form des Wedelstieles steht auch die An-
ordnung der Gefässbündel in demselben. Im Allgemeinen bilden nämlich die Gefässbündel auf der untern
Seite des Wedelstieles einen nach aussen convexen Bogen, dessen Endigungen in den-flügelförmigen Hervor-
ragungen der obern Seite liegen. An den Seiten des Wedelstieles hat dieser aus den Gefässbündeln gebildete
Halbmond, entsprechend den beiden Seitenfurchen, eine oft scharf einwärts gefaltete, oft aber auch nur schwach
sekrümmte Einbiesung nach innen, und bei den grösseren Arten sind häufig die beiden Enden des Halbmon-
des auf der obern Seite des Blattstieles durch eine Reihe von Gefässbündeln vereinigt?), so dass ein vollstän-
diser Ring von Gefässbündeln, welcher der äussern Oberfläche des Wedelstieles so ziemlich folgt, gebildet
wird Wenn nun diejenigen Gefässbündel, welche in dem einwärts gefalteten Theile des Halbmondes liegen,
grösser als die übrigen und besonders, wenn sie zu zusammmenhängenden Platten verschmolzen sind, so ent-
sieht auf dem Querschnitte die bekannte mit dem Doppeladler verglichene Figur. In allen diesen Verhält-
nissen kann ich (wenn zugleich auf den eigenthümlichen Bau der Gefässbündel der Farne Rücksicht genommen
wird) nur Modificationen der gewöhnlichen Form des Blattstieles erkennen, welche nicht stärker von dem bei
den Phanerogamen vorkommenden Typus abweichen, als die Gestalten, welche man in manchen andern Fami-
lien z.B. bei den Cycadeen und Palmen antrifft, und ich glaube nicht, dass aus der, allerdings bei manchen,
aber durchaus nieht bei allen Farnen stattfindenden bedeutenderen Grösse der in den flügelförmigen Vor-
sprüngen liegenden Gefässbündel mit Lw« ein Beweis dafür hergeleitet werden kann, dass auf diesen Blatt-
stiel ein Ast aufgewachsen sei Wäre dieses der Fall, so könnte nämlich die obere Furche des Wedelstieles
nicht vorhanden sein, sondern es müsste an ihrer Stelle ein convexer Strang, welcher einen besonderen Kreis
von Gefässbündeln enthielte, vorhanden sein; die Anwesenheit eines solchen eingeschobenen Theiles konnte
ieh hingegen nie bemerken °).
Haben wir also in der anatomischen Beschaffenheit des Blatistieles keinen Grund für die Annahme ge-
funden, dass der Wedel der Farne nicht blos ein Blatt repräsentire, sondern aus einem Blatte und einem in
seiner Achsel stehenden Aste zusammengewachsen sei, so bleibt, um uns über die Natur dieses Gebildes zu
vergewissern, am besten der Weg übrie, den Habitus der Farne und ihrer Wedel mit dem der verwandten
Pflanzen zu vergleichen. In dieser Beziehung liegt die Vergleichung mit den C'ycadeen (welche ja früher
wegen der grossen Aehnlichkeit ihrer Vegetationstheile zu den Farnen gezählt wurden) am nächsten und
wirklich sehen wir eine auffallende Aehnliehkeit zwischen den Baumfarnen und diesen Gewächsen nicht nur
im ganzen Habitus, sondern auch in manchen Fällen in der Form ihres Blattstieles ausgesprochen, bei welchem
4) Vgl. über die Formen des Wedelstieles: Die Abbildungen von Querschnitten in Brosesmrr’s histoire des
vegetaux fossiles. Tab. 37. — Görezer, in Verhandlungen der Leop. Carol. Academie der Naturforscher.
Tom. XVIE Suppl. 105 u. fg. — Paxst, tentamen pteridographiae pag. 32.
2) Vgl. Hveo Morr, de caudie. filieum arbor. structura in Marrıus, Icones seleet. plant. eryptogam. Brasil.
p- 49. Tab. XXIX und XXX.
3) Ueber diese vorgebliche Verwachsung des Farnblattes mit einem axillären Aste vergl. Rörrr zur Flora.
Meeklenburss pag. 58.
13 *
— 10 —
letzteren ähnliche Seitenfurchen, wie am Blattstiele der Farne, mehr oder weniger deutlich ausgeprägt sind.
Entfernter, aber immerhin noch anzuführen, ist die Analogie mit den Palmen. Wie nun aber wohl Niemand
zweifelt, dass die Frons einer Cycadee oder einer Palme ein wahres Blatt ist, so dürfen wir dieses bei dem
sehr ähnlichen Farnwedel ebenfalls nicht in Zweifel ziehen.
Der dritte, von Lisx geltend gemachte Umstand, dass in der Achsel des Farnwedels keine Knospe vor-
handen sei, scheint mir bei Entscheidung der in Rede stehenden Frage ohne Gewicht zu sein. Das con-
stante Vorkommen einer Knospe in der Blattachsel ist nämlich keine, allen Pflanzenfamilien gemeinschaftliche
Eigenschaft, sondern die Knospe fehlt bei den niedriger stehenden Familien entweder beinahe constant, wie
bei den Moosen, Lycopodineen, Cycadeen und selbst noch bei vielen Coniferen, oder sie kommt doch we-
nigstens nur in seltneren Fällen zur Entwicklung, wie bei den meisten Gräsern, Cyperaceen, Palmen, den
meisten Zwiebelgewächsen, Orchideen u. s. w.; wir sind desshalb nicht berechtigt, bei dem Vegetations-
blatte einer in der Reihe der Familien so niedrig stehenden Pflanze, wie eines Farn, aus dem Grunde, weil
in seiner Achsel keine Knospe steht, gegen seine Blattnatur misstrauisch zu werden.
Gehen wir nun nach dieser Untersuchung der Natur desjenigen-Organes, welches bei den Farnen die
Sporangien trägt, zu diesen selbst über, so müssen wir wegen der abweichenden Beschaffenheit derselben
bei den Unterabtheilungen dieser Familie die Hauptformen derselben in besondere Erwägung ziehen.
Bei den Ophioglosseen wird gewöhnlich als Character der Gattung Ophioglossum angegehen, dass sie
zweiklappige, zu einer zweizeiligen Aehre verwachsene Capseln hätte; es werden folglich diese Capseln als
eigenthümliche Organe und das contrahirte Blatt, welches dieselben trägt, als ein von ihnen abgesondertes
Organ betrachtet. Diese Ansicht scheint mir nicht naturgetreu zu sein, sondern ich glaube, es müsse die
ganze Aehre in Beziehung aufihre Organisation mit der Anthere einer phanerogamen Pflanze verglichen wer-
den. Die Spitze der Fruchtähre stellt nämlich mehr oder weniger deutlich (z. B. bei Ophioglossum lusita-
nicum sehr deutlich) eine Blattspitze dar; die einzelnen, als Capseln beschriebenen, mit Sporen gefüllten
Fächer besitzen durchaus keine eigenen Wandungen, sind nicht von der Blattsubstanz abgeschnürt, sondern
sind blose Aushöhlungen im Gewebe des in Folge der Sporenproduction schmal und dick gewordenen Blat-
tes, sie sind desshalb den Antherenloculamenten zu vergleichen und die Achse der Achre entspricht dem zum
Connectiv zusammengezogenen mittleren Theile eines Staubgefässhlattes. Dass diese Loculamente in einer
Längenreihe am Blattrande liegen und zwar auf jeder Seite nur in einfacher Reihe, und dass sie sich durch
eine Querspalte und nicht, wie die Mehrzahl der Antheren, in einer Längenspalte öffnen, kann nicht als
Einwurf gegen diese Ansicht geltend gemacht werden, indem auch bei den Antheren in Hinsicht auf die An-
zahl ihrer Fächer und die Art ihres Aufspringens zum mindesten eben so grosse Abweichungen vom gewöhn-
lichen Typus vorkommen; auch soll ja durch diese Vergleichung der Achre eines Ophioglossum mit einer
Anthere nicht ihre Antherennatur bewiesen, sondern nur die Analogie ihres Baues mit der Structur des
Staubbeutels dargethan werden. |
Bei Botrychium gewinnt das Sporangium mehr Selbstständigkeit. Es ist zwar aus der Stellung der
Capseln in zweizeiligen Aehren und aus den mannigfachen Uebergängen des Blattes in die capseltragende
— 11 —
Aehre immer noch zu ersehen, dass auch hier dasSporangium auf dieselbe Weise sich bildet, wie bei Ophio-
glossum, allein die Sporangien sind nicht mehr blose, im Parenchyme des Blattes ausgehöhlte Sporenbe-
hälter ohne eigene Wandungen, sondern sie sind vollkommen von einander getrennt und stellen so schein-
bar eigene Organe dar. Dieses scheint nun zwar einer Vergleichung einer solchen Aehre mit einer Anthere
sehr zu widersprechen; wenn man sich dagegen erinnert, wie auf der einen Seite sich auch bei manchen
Phanerogamen die Antherentheca von ihrem Connective bis auf einen kleinen Insertionspunkt abschnürt
und das Ansehen einer gestielten Capsel erhält z. B. bei Geonoma, und wie auf der andern Seite die Zahl
der Antherenloculamente sich auf demselben Staubgefässblatte ausserordentlich vermehren kann, so dass die
einzelne Theca einer ganzen Anthere und das Staubgefässblatt einem von vielen sitzenden Antheren bedeck-
ten Achsengebilde gleicht, wie bei Oycas, so wird man es nicht für gesucht erklären, wenn ich auch zwi-
schen der Fruchtähre von Botrychium und der Anthere einer phanerogamen Pflanze eine grosse Analogie finde.
Gehen wir zu den übrigen Farnen über, so werden wir bei diesen in doppelter Beziehung eine Abwei-
chung von den Ophioglosseen finden, einmal treffen wir nämlich die Sporangien mit Ausnahme der Hyme-
nophylleen nicht mehr am Rande des Wedels, sondern beständig auf seiner untern Fläche , anderntheiles
zeigt die Capsel nicht mehr die einfache, der Theca einer Anthere ähnliche Structur des Sporangiums von
Equisetum und der Ophioglosseen, sondern ist mit, einem mehr oder weniger vollständig ausgebildeten
Ringe und zum Theile mit einem Stiele versehen.
Die Schriftsteller, welche eine morphologische Deutung des Fruchtbaues der Farne gaben, scheinen
vorzugsweise das Sporangium der Polypodiaceen ins Auge gefasst zu haben, bei welchem der Ring von
dem Stiele des Sporangiums aus über seinen Scheitel verläuft und sich auf der entgegengesetzten Seite wie-
der dem Stiele nähert. Diesen Bau leiteten einige Botaniker z. B. Lınney !) und Bıscnorr?), davon ab,
dass die Farncapsel aus einem zusammengerollten Blatte bestehe, dessen Spitze, entsprechend dem in der
Knospe eingerollten Farnwedel, gegen seine Basis umgerollt sei und dessen Mittelnerve den Ring darstelle.
Linprey wurde in dieser Ansicht vorzüglich durch die Beobachtung von viviparen Farnen bestimmt, beson-
ders durch einen Fall, in welchem er die Capselhäufchen (sori) durch junge Pflänzchen in Form von Blätter-
büscheln ersetzt sah; der Bildung dieser Blättchen waren nach seiner Beschreibung Primordialblätter oder
Schuppen vorausgegangen, deren Zellgewebe nahezu denselben Bau wie das Gewebe der Capsel ‚hatte, und
in einem Falle hatte die Mittelrippe eines solchen Blättchens eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Ringe des
Sporangiums eines Polypodium.
Ohne der Richtigkeit dieser Beobachtungen zu nahe treten zu wollen, lässt es sich doch, wie ich glaube,
zeigen, dass dieselben für die angeführte Ansicht durchaus keinen strengen Beweis liefern. Dass auf den Blät-
tern Adventivknospen sich bilden, istbekannt, und gerade bei den Farnen ist dieses keine seltene Erscheinung.
Dass diese Adventivknospen im angeführten Falle an der Stelle der Capselhäufchen sich bildeten, ist aller-
1) Outlines to the first Principles of botany. $. 535. — Introd. to the nat, syst. of botan. p- 3135.
2) Lehrb. d. Bot. 1. p- 533.
— 10 —
dings auffallend, allein dennoch wohl noch keinBeweis dafür, dass dieBlättchen dieser Knospen auch wirklich
den Sporangien entsprachen, indem es wohl denkbar ist, dass die zur Production von Sporangien geneigten
Stellen in Fällen unregelmässiger Entwicklung vor den übrigen Stellen des Blattes auch zur Production von
solchen Gebilden. welche mit den Sporangien in keinem ursprünglichen Zusammenhange stehen, geneigt
sein können. Der einzige Umstand, welcher darauf hinzuweisen scheint, das diese Blättchen mit den Spo-
rangien in näherer Verbindung stehen, ist die Aehnlichkeit des Gewebes, der ihnen vorausgehenden Schup-
pen mit dem Gewebe der Capsel und die Aehnlichkeit eines ihrer Mittelnerven mit dem Ringe. Diese Aehn-
lichkeit des Gewebes scheint mir ein ganz unbedeutender Umstand zu sein; die Capselhaut besteht aus einer
einfachen Zellenschichte, diese Schuppen bestanden wahrscheinlich ebenfalls aus einer einfachen Zellenlage,
ebensogut bestehen aber alle Schuppen der Farnstämme und Blätter aus einfachen Zellschichten, und man
könnte sie ebensogut als Analoga der Capseln anführen; dann würde es aber sehr misslich um die Herlei-
tung dieser Capseln aus Blättern stehen, denn für Blätter wird doch wohl Niemand mit Acarpn die Schup-
pen der Farne erklären. Was nun die Aehnlichkeit des Mittelnervens einer dieser Schuppen mit einem
Capselringe betrifft, auf welche LinpLey einen grossen Werth zu legen scheint, so liesse sich über diese
natürlicherweise nur durch Autopsie entscheiden. Allein, dieselbe auch vollkommen zugegeben, so beweist
sie dennoch nichts für die Entstehung der Capsel aus einem solchen Blatte, sondern bleibt nur eine zufällige
Aehnlichkeit, denn der Bau der Sporangien aller nicht zu den Polypodiaceen gehörenden Farne spricht
durchaus gegen die Möglichkeit, dass der Ring einer Farncapsel aus dem Mittelnerven eines zusammenge-
rollten Blattes entstehen kann. Dass das Sporangium eines Farn aus der Abtheilung der Cyatheaceen durch-
aus dasselbe Organ ist, wie das Sporangium einer Polypodiacee, ist auf den ersten Anblick klar und be-
darf keiner besondern Nachweisung. Bei allen Capseln der Cyatheaceen ist nun aber der Ring nicht in
Verbindung mit dem Stiele der Capsel und läuft nicht über ihren Scheitel, sondern er umgiebt die Capsel
in schiefer Richtung in Form eines breiten Bandes, so dass das Sporangium, anstatt wie bei den Polypo-
diaceen in zwei Seitenhälften, in eme obere kleinere und eine untere grössere Hälfte, welche sich in den
Stiel verlängert, getheilt wird. Auf diese Weise bilden die Sporangien der Cyatheaceen den Uebergang von
den Sporangien der Polypodiaceen zu denen der @leicheniaceen, Schizaeaceen und Hymenophylleen,
bei welchen der Ring sich vollkommen quer stellt und die obere Abtheilung der Capselwandung, welche schon
bei den Cytheaceen kleiner als die untere ist, sehr klein wird oder völlig verschwindet, so dass der Ring
selbst zum gestreiften Scheitel der Capsel wird ).
In allen diesen Fällen nun, in welchen der Capselring in schiefer oder in horizontaler Richtung ver-
läuft, ist es auf den ersten Anblick deutlich, dass derselbe nicht aus der Mittrippe eines Blattes gebildet sein
4) Dieser allmählige Uebergang von dem Sporangium der Polypodiaceen zu dem der Schizaeaceen beweist
sehr deutlich, dass das letztere nicht, wie Acanoır (Biologie p. 410) glaubt, ein von dem ersteren gänz-
lich verschiedenes Organ ist. Acarnn’s Vergleichung der Polypodiaceencapsel mit dem Samen einer pha-
nerogamen Pflanze und die Vergleichung der Sporen mit Samen ist durch die Entwickelungsgeschichte
dieser Sporen hinreichend widerlegt.
— 1 —
kann, es müsste ja sonst das Blatt von seinem Insertionspuncte abgerissen und mit einem seiner Seitenrän-
der auf seiner Unterlage angewachsen sein. Da nun, wie schon bemerkt, das Sporangium der Cyatheaceen
den unmittelbaren Uebergang zu dem der Polypodiaceen bildet, so können wir auch für das letztere die von
Linouey gegebene Erklärung der Bildung nicht als richtig anerkennen.
Wie nahe verwandt das mit einem Ringe versehene Sporangium der Farne mit dem zweiklappigen Spo-
rangium der Ophioglosseen ist, erhellt aus der Bildung der Sporangien der Osmundaceen, welche sich
durch ihr zweiklappiges Aufspringen den letzteren, durch ihren unvollständigen Ring den ersteren anschlies-
sen. Wir müssen aus diesem unvollständigen Ringe den Schluss ziehen, dass der Ring des Farnsporangiums
überhaupt kein besonderer, von der übrigen Wandung verschiedener Theil ist, sondern dass er nur auf ei-
ner Modification des Baues der Capselwand, auf einer abweichenden Anlagerung und Ausbildung ihrer Zel-
len beruht.
Bei der unläugbaren Aehnlichkeit, welche das Sporangium von Osmunda mit dem von Botrychium
besitzt, und bei der auffallenden Aehnlichkeit, welche zwischen dem letzteren und einer Antherentheca statt-
findet, werden wir darauf hingewiesen, auch in dem Sporangium aller derjenigen Farne, welche ihre Früchte
auf der untern Blattseite entwickeln, eine analoge Bildung mit der Theca der Anthere zu erblicken. Ein zwei-
ter Grund, welcher für diese Analogie spricht, liegt in der Entwicklungsgeschichte der Sporen. Indem sich
nämlich die Sporen im Innern von Mutterzellen bilden, welche in den früheren Lebensperioden des Sporan-
giums seine Höhlung erfüllen und später wieder resorbirt werden !), so scheint mir dieses ein wichtiger Grund
zu sein, in dem Sporangium der Farne nicht eine durch Einrollung eines blattähnlichen Gebildes entstandene
Capsel, welche gleich dem phanerogamischen Carpelle auf ihrer innern Blattfläche saamenähnliche Körner
produeirt, sondern ein durch Anschwellung eines zelligen Organes und durch spätere Auflösung des zelligen
Inhaltes hohl gewordenes Gebilde zu erblicken.
Man könnte gegen diese Vergleichung eines Farnsporangiums mit einer Antherentheca einwenden, dass
sein Sitz auf der untern Blattfläche gegen diese Analogie spreche, allein gewiss mit Unrecht, indem wir auch
bei den Phanerogamen die Theca der Antheren durchaus nicht immer an den Seitenrändern des metamor-
phosirten Blattes, sondern sehr häufig aus der obern Blattfläche und in andern Fällen aus der untern Blatt-
fläche entspringen sehen). In dieser letzteren Beziehung ist insbesondere die Antherenbildung von Cycas
und Zamia zu beachten, bei welchen Pflanzen eine sehr grosse Menge von Antherenfächern gruppenweise
auf der Unterfläche der Staubgefässblätter vertheilt liegen, auf ähnliche Weise, wie die Sporangien auf der
Unterfläche der Farnwedel, so dass die Analogie nicht vollständiger sein könnte.
Ein Umstand könnte gegen diese Vergleichung angeführt werden, nämlich die sehr verschiedene Ent-
wicklungsweise der Antheren und der Farnsporangien. Bei den Staubgefässen ist es nämlich Regel, dass die
Anthere in ihrer Entwicklung dem Träger vorauseilt und bereits eine bedeutende Grösse erreicht hat, wenn
4) Vrgl. Hvco Mour, einige Bemerk. über die Entwickl. und den Bau der Sporen. Flora. 1835. I. p. 55 u.
flg. (Siehe oben pag. 69). - Marrıvs, Icones plantar. eryptog. p. 98.
2) Vergl. den Aufsatz Nr. III. über d. Umwandlung von Antheren in Carpelle.
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der Staubfaden noch sehr kurz und durchaus unentwickelt ist; bei den Farnen entwickelt sich dagegen zuerst
das Blatt und erst wenn dasselbe eine ziemliche Ausbildung gewonnen hat, sprossen auf demselben die Sporan-
gien hervor. Dieser Einwurf verliert aber wohl sein Gewicht, wenn wir das verschiedene Verhältniss der
Anthere und ihres Staubfadens, welcher die Blattnatur ganz verloren hat, mit dem Verhältnisse der Farn-
sporangien und ihres blattartigen Trägers vergleichen und mit den letzteren nicht die gewöhnliche Form der
zweifächerigen Anthere in Parallele setzen, sondern vielmehr solche Staubgefässe, bei welchen der Staub-
faden gross, blattähnlich und die Anthere klein und vielfächrig ist. Dahin gehören vor allem die Staubge-
fässe der Cycadeen, von deren Entwicklungsgeschichte mir zwar keine Beobachtungen bekannt sind, deren
ganzer Bau aber dafür spricht, dass bei ihnen die Entwicklung der Antheren der Entwicklung des Trägers
nicht in derselben Weise, wie es bei den gewöhnlichen Staubgefässen der Fall ist, vorauseilen kann; ferner
können auch diejenigen Gattungen der Coniferen angeführt werden, bei welchen, wie bei Juniperus, das
Staubgefässblatt eine im Verhältniss zur Anthere bedeutend grosse Schuppe bildet und die Antherenfächer
unter der Form von isolirten, der Grösse nach untergeordneten capselähnlichen Anhängen erscheinen.
Lycopodiaceae.
Die morphologische Deutung des Sporangiums der Lycopodiaceen bietet ungeachtet seiner einfachen
Struetur grössere Schwierigkeiten als dieFrüchte der vorhergehenden Familien dar. Bıscuorr 1) leitet dieseSpo-
rangien aus einer axillären Knospe ab, deren Blätter zu einer Fruchthülle geschlossen seien und welchen die
Epidermis der oberen Fläche fehle. Diese Ansicht bietet sich allerdings bei Betrachtung des Sporangiums
von Lycopodium und Psylotum zuerst dar und es ist auch zuzugeben, das in dem Baue dieser Sporangien
nichts dieser Ansicht widersprechendes liegt. Die Umstände, welche etwa zuerst gegen die Richtigkeit die-
ser Deutung Zweifel erregen könnten, nämlich, dass sich bei diesen Sporangien die Spalte nicht bis auf die
Basis herab erstreckt, und dass die Klappen im untern Drittheile des Sporangiums so genau verwachsen sind,
dass sich auch nicht die leiseste Andeutung einer Sutur findet, ferner die Lage der Spalte bei Lycopodium
inundatum und cernuum , bei welchen Arten sie auf der vordern Seite der Capsel in querer Richtung und
nicht wie bei den übrigen Arten in senkrechter Richtung über den Scheitel verlauft?), diese Umstände las-
sen sich auch bei der Annahme einer Zusammensetzung der Capsel aus zwei Blättern erklären.
Dagegen liessen sich wohl zwei andere bedeutendere Einwürfe gegen die angeführte Erklärung des
Fruchtbaues dieser Gewächse machen. Einmal scheint es, dass die Sporangien nicht wirklich in der Achsel
der Blätter stehen. Dieses erhellt schon, jedoch auf eine weniger deutliche Weise, aus einer sorgsamen
Untersuchung von Lycopodium , bei welcher man bemerken wird, dass die Basis des Sporangiums ebenso-
wohl mit dem Mittelnerven des Blattes, in dessen Achsel dasselbe sitzt, als mit dem Stengel in Verbindung
steht, so dass man über seinen wahren Insertionspunct zweifelhaft bleibt, vorzüglich aber ist dieses Verhält-
4) Lehrbuch der Botanik. I. p. 433.
2) Aauruss, das Wesen der Farrenkräuter. p. 19.
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niss bei Psilofum, besonders bei T'mesipteris (welche ich leider selbst zu untersuchen keine Gelegenheit
hatte) ausgesprochen), indem hier die Capsel in der Incisur des Blattes befestigt ist. Dieser Umstand ist
von einer um so grösseren Bedeutung, wenn man die unläugbare Verwandtschaft von Isoetes mit Lycopo-
dium ins Auge fasst. Wenn man auch diese Verwandtschaft nicht für so enge halten sollte, um nach dem
Vorgange von DEcanDoLLE u. A. Isoöfes in die Familie der Lycopodiaceen zu stellen, so lässt doch jeden-
falls das Vorkommen von zweierlei Sporen sowohl bei Isoötes als bei manchen Arten von Lycopodium auf
eine grosse Aehnlichkeit der Sporangien dieser Pflanzen schliessen. Da nun bei Iso&fes die beiderlei Spo-
rangien entschieden nicht in der Achsel des Blattes, sondern auf diesem selbst stehen, da ferner bei Psilo-
tum das Sporangium ebenfalls auf dem Blatte steht, so wird es wahrscheinlich, dass auch bei Lycopodium
der axilläre Stand der Sporangien nur scheinbar ist und dass dieselben eher ein Product des Blattes, als des
Stengels sind. Es könnte zwar die Stellung der Sporangien auf dem Blatte von Psilofum durch ein Anwach
sen des Fruchtstieles an das Blatt erklärt werden, gegen diese Erklärung spricht aber der Umstand, dass in
dieser Familie überhaupt der Fruchtstiel ausserordentlich kurz ist und bei Isoefes keine Spur desselben zu
finden ist?).
Ein zweiter Umstand, welcher ungeachtet aller äusseren Aehnlichkeit der Frucht der Lycopodiaceen mit
einer aus zwei bis drei verwachsenen Carpellen bestehenden, ein- bis dreifächerigen Capsel dennoch ge
gen die Herleitung derselben aus zwei bis drei Carpellarblättern zu sprechen scheint, liegt in der Entwick-
lung der in dieser Frucht enthaltenen Sporen, indem dieselben auf die gleiche Weise, wie bei den Farnen
und wie bei den Phanerogamen die Pollenkörner, in Mutterzellen, welche die Fruchthöhle erfüllen, vor sich
geht, also eher darauf hinweist, dass sie im Innern eines zelligen Organes, als dass sie auf der Oberfläche
eines blattartigen Theiles erfolgt. Dieser Umstand scheint Bıscnorr zu der Annahme veranlasst zu haben, es
fehle diesen Früchten die Epidermis der obern Seite der Carpellarblätter. Eine solche Annahme, als sei bei
den einzelnen Carpellarblättern die nach innen gekehrte Fläche, sei es ursprünglich oder erst im Verlaufe
der Entwicklung, verschwunden und die Höhlung des Carpells durch die Mutterzellen, welche aus dem nun
nackt daliegenden Mesophyllum abstammen, erfüllt, schliesst nun zwar keine Unmöglichkeit in sich, allein
1) Vrgl. Bernuaroı in Schraner’s Journal. 4804. p. 154. Tab. IL fig. 5. — Lasırrannıeee, Novae Hollan-
diae plantar, specimen. Tom I. p. 105. Tab. 252. — Roz. Brows, prodr. flor. Nov. Holl. edit. Nees
ab Esenbeck. p. 20.
2) Die Ansicht, dass bei den Zycopodiaceen die Frucht auf dem Blatte und nicht in der Blattachsel stehe,
wurde auch von An. Browentarr (hist. d. veget fossiles II. 31.), Schreinev (Grundzüge II. 81.), Spame
(monogr. d. 1. fam. d. Lycopod. 13.), Rorrrr (flor. meckl. I. 124) anerkannt. Taevırasus glaubt dage-
gen diese Stellung sei nur scheinbar (Linnaea 1843. 410.), indem bei Timesipteris das zweispaltige, das
Sporangium tragende Blatt aus einer Verwachsung von zwei Blättern hervorgehe und bei Zycopodium die
Insertion des Sporangiums auf dem Blatte höchst zweifelhaft sei. Ueber Tmesipteris kann ich nicht aus
Autopsie urtheilen, bei Zycopodium sehe ich dagegen keinen Grund, von meiner früheren Ansicht abzuwei-
chen, um so mehr, da bei manchen, von Broxesıarr, Hoorer und Grevirıe abgebildeten Arten die Stel-
lung der Frucht auf dem Blatte noch weit deutlicher ist, als bei den von mir untersuchten Arten, auf
welche ich jene Ansicht gründete.
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sie entbehrt doch zu sehr aller Analogie, als dass wir sie im vorliegenden Falle, in welchem schon die Stel-
lung der Frucht ihre Ableitung aus Blättern überhaupt zweifelhaft macht, ohne weitere Erfahrungen über
diesen Punct als gültig annehmen dürften.
Ich glaube, in einem so zweifelhaften Falle, wie die Bildung des Sporangiums von Lycopodium ist,
müssen wir uns eher nach Analogien umsehen, welche von verwandten Pflanzen hergenommen sind, als dass
wir eine Vergleichung mit den Organen entfernt stehender Pflanzen anstellen. Nun liegt aber, es mag Iso&-
tes zu den Lycopodiaceen gehören, oder nur eine mit ihnen nahe verwandte Familie bilden, jedenfalls eine
Vergleichung des Sporangiums der Bärlappe mit dem Sporangium von Isoetes weit näher, als eine Vergleichung
desselben mit dem Carpelle der Phanerogamen, und wir sind bei der Uebereinstimmung, welche die Sporen dieser
Pflanzen zeigen, und bei der ähnlichen Stellung der Sporangien eher darauf hingewiesen, auch in dem Sporan-
gium der Lycopodiaceen ein Product des Blattes, als ein nach Art des Ovariums der Phanerogamen aus
Carpellarblättern zusammengesetztes Gebilde zu erblicken, denn bei Iscetes spricht nicht nur die Stel-
lung des Sporangiums, sondern ebensowohl auch die Anwesenheit der zelligen Querfäden, welche die Höh-
lung des Sporangiums durchziehen, gegen eine Zusammensetzung der Frucht aus mehreren Blättern, indem
diese Fäden als die Ueberreste eines die ganze Höhlung des Sporangiums ausfüllenden Parenchymes, von
welchem nicht alle Zellen als Mutterzellen functionirt haben , zu betrachten sein mögen.
Ebenso mag das Sporangium von Lycopodium mit dem von Bofrychium in Beziehung auf die Form
und die Art des Aufspringens wohl verglichen werden. Diese Aehnlichkeit scheint mir weit grösser zu sein,
als die Aehnlichkeit, welche es mit einem phanerogamischen Carpelle besitzt, denn der Mangel von Ge-
fässbündeln im Sporangium von Lycopodium, während die Blätter einen mit Gefässen versehenen Mittelner-
ven enthalten, spricht eher dafür, dass dasselbe, wie bei Botrychium eine Production des Blattes, als dass
es aus Blättern zusammengewachsen ist.
Dass das Sporangium bei Psilofum zwei- und dreifächerig ist, scheint mir gegen die eben geäusserte
Ansicht nicht als Einwurf geltend gemacht werden zu können, denn es lässt sich diese Bildung eben so gut
aus der Verwachsung von zwei bis drei nach Art einer Antherentheca gebildeten Sporangien, als aus der
Verwachsung von Carpellen erklären, und dieses um so mehr, da wir unter den Farnen bei Danaea und
Marattia eine analoge Verwachsung der Sporangien finden.
Es bliebe uns nun, um diese Untersuchungen auf die ganze Reihe der mit Gefässen versehenen Crypto-
gamen auszudehnen, noch die Betrachtung der Sporangien der Salviniaceen und der Marsilaeaceen übrig;
ich muss aber gestehen, dass ich es, besonders wegen der räthselhaften Bildung von Azolla und wegen des
Mangels an genügenden Beobachtungen über die physiologischen Functionen der verschiedenen in den capsel-
ähnlichen Behältern dieser Pflanzen enthaltenen Organe, zur Zeit noch nicht wage, über die morphologische
Deutung ihrer Fructificationsorgane eine Meinung zu äussern.
Werfen wir einen vergleichenden Blick auf die Sporangien der im Bisherigen einzeln betrachteten Fa-
milien zurück, so erhellt, dass bei allen diesen Gewächsen auf eine gleichmässige Weise die Bildung des
Sporangiums eine unverkennbare Achnlichkeit mit der Theca einer Anthere zeigt.
— 17 —
Dieses Resultat, welches hier aus den morphologischen Verhältnissen des Sporangiums selbst abgelei-
tet ist, steht in genauer Uebereinstimmung mit den früher von mir bekannt gemachten Untersuchungen über
die Entwicklung und den Bau der Sporen, indem dieselben zeigten, dass die Sporen der höheren eryptoga-
mischen Familien in Beziehung auf ihre Entstehung in Mutterzellen, auf die Zahl der Körner, welche sich
in jeder dieser Zellen bilden, auf ihre relative Lage in den Zellen und ihre Zusammensetzung aus zwei Häu-
ten, von welchen die innere eine gleichförmige dünne Membran, die äussere eine zusammengesetzte, punc-
tirte, oft zellige Haut darstellt, mit den Pollenkörnern die grösste Aehnlichkeit besitzen, dagegen von den
Eiern der Phanerogamen in jeder Beziehung verschieden sind.)
4) Einen Wiederabdruck einiger weiterer allgemeiner Bemerkungen, welche das Verhältniss des Pollenkorns
zur Spore betrafen und den Schluss dieser Dissertation bildeten, halte ich nun für völlig überflüssig , in-
dem die theoretische Betrachtungsweise dieser Organe seit der Zeit der Abfassung dieses Aufsatzes in
Folge der Schleiden’schen Arbeiten über die Entwieklung des Embryo bei den Phanerogamen die wesent-
lichsten Veränderungen erfuhr, ein Abschluss in dieser Sache dagegen erst das Resultat weiterer Forschun-
gen sein kann.
14*
— 18 —
IX.
Ueber
den Bau des Stammes der Baumfarne.
(Im Auszuge übersetzt aus der im Jahr 1833 in Marrıvs, icones plantarum eryptogamicarum Brasiliae erschie-
nenen Abhandlung: de structu-a caudicis filicum arborearum.)
Wach der Angabe von Desroxtames (Mem. de l’institut I. 478) besteht der Stamm der Baumfarne aus
holzigen Fasern und in mannigfacher Richtung gedrehten Platten, welche gegen die Peripherie des Stammes
hin breiter und einander mehr genähert sind, als gegen seine Mitte hin. Wenn sich auch einige Verschie-
denheiten zwischen dem Baue dieser Pflanzen und dem der Monocotylen finden, so kommt doch beiden die-
selbe Anordnung der Fasern und dieselbe Art des Wachsthumes zu.
Nach Brısseau MirsEL (Elemens de botanique I. 122) hält die Organisation dieser Pflanzen die Mitte
zwischen der der Monocotylen und der der niedereren Ordnungen. Ihr Stamm ist nichts, als ein Bündel
von Blattstielen, denn seine Fasern divergiren von seiner Basis gegen die Blätter; wenn sie in Folge des spä-
teren Wachsthumes verschmelzen, so bilden sie bizarr gewundene Platten. Der Stamm besitzt ein centrales
Wachsthum.
Die gleiche Vorstellung, dass der Stamm der Baumfarne ein Bündel von Blattstielen sei, hat auch Lixk
(Linnaea. 1826. 41%4— 417), nach welchem man auf dem Querschnitte des Stamms unregelmässig vertheilte
braune und weisse Schichten sieht. Die mikroskopische Untersuchung beweise, dass das Holz nur aus den
weissen Schichten bestehe und dass dasselbe beinahe ganz aus Spiralgefässen gebildet sei, die braunen
Schichten bestehen aus Prosenchymzellen. Die weissen Holzschichten bilden nicht völlig geschlossene Ringe,
welche in jedem Blattstiele mit der concaven Seite nach aussen gerichtet seien. Die Mitte des Blattstieles
oder dieses Kreises sei nicht homogen, sondern mit Platten gefüllt, gleichsam marmorirt. Diese Holzschich-
ten seien theils parallel mit dem äussern Kreise, theils seien sie auch weit kleiner und erscheinen unter der
Form von unregelmässig vertheilten Fasern. ;
Auch DecAannoLLe (Organog. veget. I. 232) schreibt den Baumfarn den Bau der Monocotylen zu.
Man sehe auf dem Querschnitte des Stammes rundliche braune Flecken von ziemlich verschiedener Form,
welche durch sehr harte Faserbündel gebildet seien. Das Holz entwickle sich innerhalb des centralen faseri-
gen Cylinders und enthalte eine Menge falscher Tracheen. Die Verzweigungen des Stammes gehen von die-
sem Cylinder aus und scheinen nur die Folge des Auseinandertretens der Fasern zu sein.
— u
Das Gemeinschaftliche dieser Ansichten besteht also darin, dass das Holz der Baumfarne aus unregel-
mässigen, auf verschiedene Weise gewundenen, getrennten Faserbündeln bestehe und dass dieselben hiedurch
so wie durch die Art ihres Wachsthumes grosse Aehnlichkeit mit den Monocotylen besitzen.
Die folgenden Untersuchungen wurden an den Stämmen von 10 Baumfarnen angestellt, an Alsophila
nigra Mart., phalerata Mart., Schanschin Mart., vesfifa Mart., Cyathea Sternbergü Pohl, Delgadii
Pohl, Didymochlaena sinuosa Desv., Chnoophora exzcelsa Mart., an einem Stamme, welchen der berli-
ner Garten unter dem Namen Polypodium armatum mitgetheilt hatte und am Stamme einer unbestimm-
ten Art ).
Der Stamm der Baumfarne ist gerade, säulenförmig, gegen die Spitze etwas verdünnt, einfach, nur an
der Spitze mit Blättern besetzt, rund, aber wegen der Blattnarben und vorspringenden Blattkissen nicht voll- 5
kommen cylindrisch. Die gewöhnliche Vergleichung desselben mit dem Palmenstamme ist blos in Beziehung
auf seinen Habitus, auf die schlanke Form und die Stellung der Blätter an seiner Spitze richtig; die Insertion
seiner Blätter, welche niemals stengelumfassend sind, wie bei den Palmen, nähert ihn dagegen mehr dem
Stamme der Cycadeen, von welchem er sich jedoch wieder durch den Umstand, dass der untere Theil seiner
Blattstiele nicht unter der Form von Schuppen stehen bleibt, so wie durch seine schlankere Form unter-
scheidet.
Der Farnstamm ist von einer glatten, glänzenden Epidermis überzogen, welche jedoch häufig wegen
der grossen Menge von zarten, mit der Spitze nach oben gerichteten Schuppen, welche den ganzen Stamm
bedecken, nicht zu Gesichte kommt.
In Hinsicht auf die Blattstellung zerfallen die Farnstämme in zwei Gruppen, bei der ersten stehen die
Blätter in Spiralen, bei der zweiten in Quirlen ®). Bei Alsophila vestita stehen je vier, bei Chnoophora
ezcelsa und Didymochlaena sinuosa je acht Blätter in einem Quirle; die aufeinander folgenden Quirle
alterniren mit einander.
Die Blattnarben haben eine regelmässige elliptische oder nach oben pyramidenförmig sich zuspitzende
Form. Bei Cinoophora und Didymochlaena sind dieselben rhombenförmig und einander so genähert,
dass sie die ganze Oberfläche des Stammes bedecken. Sie ragen bald über die Oberfläche des Stammes
hervor, wie bei Alsophila phalerata, nigra, Cyathea Delgadii °), bald sind sie kaum über dieselbe erho-
4) Das Material war also in Beziehung auf die Menge der Stämme nicht ganz unbedeutend, desto schlimmer
sah es dagegen mit der Qualität desselben aus. Es waren blose aus der Mitte der Stämme ausgeschnit-
tene Abschnitte, einen ganzen Stamm, oder auch nur das untere und obere Ende hatte ich von keiner
dieser Arten. Seit der Zeit der Abfassung dieses Aufsatzes habe ich zwar manchen weiteren Farnstamm
gesehen, dieselben waren aber ebenso unvollständig.
2) Da zur Zeit, als ich meinen Aufsatz schrieb, die Arbeiten von ScurureR und Ar. Bravs noch nicht er-
schienen waren, so halte ich es für besser, statt meiner damaligen unvollkommenen Bestimmung der Spi-
ralstellung bei den Baumfarnen anzuführen, dass Ar. Braus bei Asophila nigra die Divergenz zu ®7
(Ordnung d. Schuppen an den Tannenzapfen p. 197), bei einem andern Baumfarnen (ohne Zweifel bei
Als. phalerata) zu ®/g (l. ec. p. 81) bestimmte.
3) In einem noch weit auffallenderen Grade, als bei den von mir untersuchten Stämmen findet sich dieses
Verhältnis bei dem von Av. Baoseszurr veget. fossil. T. 45. fig. 1 abgebildeten Stamme.
— 10 —
ben, wie bei Alsophila Scchanschin, vestita, bald bilden sie trichterförmige Vertiefungen, wie bei Didy-
mochlaena und Chnoophora. Der untere Theil der Blattnarbe ist von einer seichteren oder tieferen Län-
genfurche durchzogen. Die in den Blattstiel eintretenden Gefässbündel sind auf der Blattnarbe auf eine ei-
genthümliche, sehr characteristische Weise vertheilt. Sie bilden zwei Halbmonde, von welchen der eine mit
dem oberen, der andere mit dem unteren Rande der Blattnarbe parallel lauft. Auf jeder Seite der Blattnarbe
nähern sich die Enden dieser Halbmonde einander bis auf ein paar Linien, verbinden sich aber nicht unmit-
telbar, sondern vermittelst zweier geraden Reihen von Gefässbündeln, welche einwärts und abwärts gegen
die Mitte der Blattnarbe zu laufen und dort unter einem spitzigen Winkel zusammentreffen. In dem Raume,
welcher zwischen den zwei oberen dieser Linien und dem oberen Halbmonde liegt, findet sich ein kleiner,
isolirter Haufen von Gefässbündeln. Die Angabe von STERNBERG (essai d’un expose geogn. botan. d. 1. flore
d. monde primitif. cah. IV. 53), dass bei den Baumfarnen der Jetztwelt die Gefässbündel unregelmässig auf
der ganzen Fläche der Blattnarbe zerstreut seien, ist ganz ungenau.
Vom untern Rande einer jeden Blattnarbe lauft ein oft sehr stark hervorragendes Blattkissen gegen die
Achsel eines der unteren Blätter abwärts, wesshalb der Querschnitt der meisten dieser Stämme sehr stark
von einem Kreise abweicht. Bei C’inoophora und Didymochlaena sind diese Blattkissen unter dem oberen
Theile der nächst unteren Blattnarben verborgen, worin die eigenthümliche Trichterform dieser Blattnarben
begründet ist.
Im Blattkissen findet sich ein Organ von eigenthümlicher Structur, welches im übrigen Pflanzenreiche
kein Analogon zu haben scheint, wenn man dasselbe nicht nach Uxeer’s Ansicht mit den Lenticellen ver-
gleicht, und welches unter der Form von elliptischen oder rundlichen Gruben von 2—4‘ Länge, die mit
einem rostfarbenen Pulver gefüllt sind, erscheint. An den jungen Theilen des Stamms von Alsophila nigra
waren diese Gruben noch nicht vorhanden, sondern von einer dünnen, unregelmässig zerreissenden Mem-
bran, welche mit der Epidermis der benachbarten Theile in unmittelbarem Zusammenhange steht, bedeckt.
Der untere Theil des Stammes wird bei einigen Arten, z. B. bei Alsophila Schanschin, Sternbergü,
Polypodium armatum, bei einer von DEcAnnoLLe abgebildeten Art (Organogr. Tab. 24) von einem mehr
als zolldicken Filze von Luftwurzeln bedeckt. Einzelne Luftwurzeln brechen auch bei manchen andern Arten,
z. B. Alsophila phalerata, nigra, Cyathea Delgadii da und dort am Stamme hervor. Einzelne Arten,
z. B. Cyathea Delgadi tragen auch unregelmässig zerstreute, spitzige Dornen.
Sämmtliche von mir untersuchten Stämme zeigten einen sehr übereinstimmenden innern Bau.
Auf dem Querschnitte des Stamms kann man drei verschiedene Substanzen unterscheiden. Den Um-
kreis bildet eine 1—2°’ dicke, meist sehr harte, braune Schichte, welche man mit der Rinde der höhern
Pflanzen vergleichen kann.
Der ganze von der Rinde umschlossene Raum wird von einem, im getrockneten Stamme braunen Par-
enchyme ausgefüllt, welches meistens in Folge der Vertrocknung unregelmässig zerrissen ist.
In geringer Entfernung von der Rinde liegt ein einfacher Kreis von gelblichen Gefässbündeln, welche
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auf den ersten Anblick eine sehr unregelmässige Form zu haben scheinen und von welchen jeder von einer
harten, etwa 1 dicken, braunen Scheide umgeben ist.
Die Rinde besteht bei den meisten Arten aus zwei, allmählis in einander überzehenden Schichten, von
welchen die äussere aus polyedrischen, parenchymatosen, die innere aus verlängerten, prosenehymatosen
Zellen besteht. Die Wandungen beider, besonders der inneren Sehichte sind braun, diek, getüpfelt, deutlich
aus einer Anzahl übereinanderliegender Membranen zusammengesetzt und bei vielen Arten, besonders bei
Alsophila nigra von sehr bedeutender Härte.
An den Stellen, an welchen sich die oben beschriebenen, mit einem rostfarbenen Pulver gefüllten Gru-
ben finden, ist die Rinde vollkommen durchbrochen. Diese Oeffnuns ist von einem parenchymatosen Zell-
sewebe ausgefüllt, welches nach innen eine über die Rinde hervorragende und über den Rand der Oefinung
übergreifende Protuberanz bildet, nach aussen dagegen mehr und mehr durch Vergrösserung der Iniercellu-
largänge sich auflockert, so dass die äusseren Zellen sich nur mittelst weniger, nach Art von Fortsätzen her-
vorgezogener Puncte sich berühren und leicht auseinanderfallen. Marrıws sprach früher (Denkschriften der
botan. Gesellsch. in Regensburg. IL 125) die Vermuthung aus, dass diese Organe als die männlichen Organe
zu betrachten seien.
Die Holzbündel liegen nicht unmittelbar unter der beschriebenen Rinde, sondern sind durch eine dünne
(1— 2“ dieke) Schichte parenehymatosen Zellgewebes von derselben getrennt.
Die Gefässbündel scheinen, wenn man den Querschnitt des Stamms untersucht, eine sehr unregelmäs-
sige Form und Grösse zu besitzen, indem sie meistens unter der Form von schmäleren oder breiteren Halb-
monden oder auch doppelt gebogenen Platten, deren Enden nach aussen gekrümmt sind, erscheinen. Diese
Unregelmässigkeit ist jedoch nur scheinbar, denn wenn man an einem Stamme die Rinde und das Zellgewebe
bis auf die Gefässbündel wespräparirt, so erkennt man, dass unter der Rinde ein vollkommen geschlossener
1— 2“ dieker Holzeylinder liest, welcher an der Stelle, die dem oberen Theile eines Blattkissens und dem
unteren Theile einer Blattnarbe entspricht, eine schmale Längenspalte besitzt, deren Ränder nach auswärts
umgebogen sind und durch welche das zwischen dem Holze und der Rinde gelegene Zelleewebe mit dem
Marke in Verbindung steht. Da nun die Blätter einander sehr genähert stehen, so werden auf jedem Quer-
sehnitte durch den Stamm mehrere dieser Spalten durchschnitten, es scheint desshalb das Holz aus mehreren
getrennten Bündeln von der Form eines Halbmondes mit nach aussen gewendeten Enden zu bestehen. ‚An
den Stellen, an welchen ein soleher Querschnitt den Holzeylinder gerade über oder unter einer Längenspalte
trifft, glaubt man einen sehr breiten Gefässbündel zu treffen, während an solehen Stellen, an welchen der
Schnitt den Holzeylinder zwischen zwei einander nahe gelegenen Blättern trifft, der Holzbündel um das dop-
pelte oder dreifache schmäler erscheint. Diese Verhältnisse sind bei Stämmen mit zerstreuten Blättern leich-
ter zu erkennen, als bei den Arten mit enge gedrängten, quirlförmigen Blättern, wie bei Chnoophera ex-
celsa und Didymochlaena. Indem bei diesen eine jede Spalte ebenfalls dem unteren Theil der Blattnarbe
und dem oberen des Blattkissens entspricht, stosst dieselbe bei der unmittelbaren Aufeinanderfolge der Blatt-
quirle beinahe mit der über und unter ihr stehenden Spalte zusammen. Da nun in jedem Quirle acht Blätter
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stehen und die Blätter der aufeinanderfolgenden Quirle alterniren, so stehen die Blätter in 16 Längenzeilen,
es finden sich folglich auch im Holzcylinder 16 Längenspalten, von denen in- jedem Blattquirle 8 geöffnet
und die 8 alternirenden geschlossen sind. Die zwischen den Spalten liegenden Abtheilungen des Holzcylin-
ders sind mit den Rändern auswärts und in der Mitte in einen nach innen zu vorspringenden Winkel einge-
bogen, so dass sie auf dem Querschnitte die Form eines V haben. Geht der Querschnitt durch eine Stelle
des Stammes, an welcher 8 Spalten geschlossen sind, so sieht man je zwei dieser Gefässbündel unter der
Form eines W zusammenhängen, geht er unter oder über diesen Verbindungsstellen weg, so glaubt man 16
getrennte V förmige Gefässbündel zu sehen.
Die Gefässbündel, welche in die Blätter eintreten, entspringen aus den auswärts gebogenen Rändern,
welche die Spalten des Holzkörpers begränzen; sie sind im Verhältnisse zu dem Holzeylinder klein und lau-
fen eine Strecke weit zwischen ihm und der Rinde in die Höhe, ehe sie in ein Blatt austreten. Desshalb fin-
det man an dieser Stelle auf dem Querschnitte immer die Durchschnittspankte von einer Anzahl kleinerer
Gefässbündel, welche zu der scheinbaren Unregelmässigkeit der Vertheilung der Gefässbündel im Stamme
nicht wenig beitragen.
Die Gefässbündel besitzen eine gelbliche Farbe und grosse Weichheit. Ein jeder derselben ist zunächst
von einer dünnen Schichte von Zellgewebe, welches in seiner Beschaffenheit mit dem Zellgewebe des übrigen
Stamms übereinstimmt, umgeben und ausserhalb dieser Schichte von einer den Gefässbündel auf allen Seiten
einschliessenden, dunkelbraunen, sehr harten Scheide von prosenchymatosen Zellen. Die Gründe, welche
mich bewegen, diese harte Scheide nach dem Vorgange von Link nicht zu dem Holze der Pflanze zu rechnen,
werden weiter unten auseinandergesetzt werden.
Die Substanz der Gefässbündel ist vollkommen gleichförmig, ohne Spur von Jahrringen u. dgl. Sie be-
steht dem grössten Theile nach aus grossen, im Mittel 1/0’ im Durchmesser haltenden Gefässen, welche
durch gegenseitigen Druck die Form von 5—7eckigen Säulen angenommen haben. Zwischen diesen Gefäs-
sen liegen einzelne, unregelmässige Parthien von weit kleineren, parenchymatosen Zellen, welche besonders
gegen den innern und äussern Rand des Gefässbündels häufiger werden und nach aussen in eine den Gefäss-
bündel umschliessende Schichte übergehen. Die Gefässe sind durchaus Treppengänge; ihre Wandungen sind,
so weit sie an ein anderes Gefäss angrenzen, mit horizontalen streifenförmigen Tüpfeln von der Breite der
Wandung des anliegenden Gefässes besetzt, besitzen also die eigentliche Form eines Treppenganges, so weit
sie dagegen an Zellen angrenzen, sind sie mit kurzen Tüpfeln besetzt, welche sich in ihrer Breite-immer nach
der Grösse der angrenzenden Zelle richten und häufig nicht ganz regelmässig vertheilt sind; die Gefässwan-
dung erhält dadurch ein punctirtes Aussehen und es passt eher der Ausdruck des netzförmigen Gefässes als
des Treppenganges zu ihrer Bezeichnung '). Bei der bedeutenden Grösse dieser Gefässe kann man sich
4) Eine bedeutende Eigenthümlichkeit dieser Gefässe scheint darin zu liegen, dass sich die Gefässschläuche
niemals frei in einander zu öffnen, sondern nach Art von prosenchymatosen Zellen zugespitzte Enden zu
besitzen scheinen, wenigstens ist mir bei meinen vielfachen Untersuchungen derselben niemals der erste
Fall vorgekommen. Es würden diesem zu Folge diese Gefässe und ebenso die der Lycopodiumarten eine
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leicht von der Anwesenheit einer äusseren, die Fasern einschliessenden Haut, so wie von dem Umstande,
dass die Fasern nicht hohl sind, überzeugen.
Die oben beschriebene braune, harte Scheide, welche jeden Gefässbündel einhüllt, besteht aus dickwan-
digen, getüpfelten, prosenchymatosen Zellen. Jeder in das Blatt austretende Gefässbündel wird von einer
Fortsetzung dieser Scheide umkleidet.
Das allgemeine Zellgewebe des Stammes, welches den Raum zwischen der Rinde und dem Holzeylinder,
den Raum zwischen der Scheide des Holzeylinders und dem letzteren selbst und. den vom Holzcylinder um-
schlossenen centralen Theil des Stammes ausfüllt, besteht aus dünnwandigen, parenchymatosen Zellen, welche
den Markzellen der Dicotylen gleichen. Zwischen denselben zerstreut liegen einzelne, oder in Längenreihen
geordnete grössere eiförmige Zellen, welche einen rothbraunen harzartigen Stoff enthalten, der auch sonst in
einzelnen Parthien des Markzellgewebes vorkommt.
Ich habe oben die Stellung der Gefässbündel in der Blattnarbe angegeben. Alle im Umkreise derselben
und in den zwei von jeder Seite her gegen die Mitte zulaufenden convergirenden Reihen liegende Gefäss-
bündel stammen aus den Rändern der im Holzcylinder liegenden Spalten, die in der Mitte der Blattnarbe in
einem isolirten Haufen liegenden Gefässbündel dagegen haben einen gänzlich verschiedenen Ursprung. Es
finden sich nämlich im ganzen Marke ohne Ordnung zerstreut viele feine Bündel von Treppengängen, welche
aufwärts laufen und durch die Spalten des Holzkörpers in die Mitte der Blattnarbe auswärts treten. Auch
diese Gefässbündel besitzen eine Scheide von dickwandigen Prosenchymzellen, welche anfänglich isolirte,
dünne, im Marke verlaufende Bündel bilden und sich an die Gefässbündel vor ihrem Austritte durch die Spal-
ten anschliessen und um dieselben eine Scheide bilden. Den Ursprung dieser Gefässbündel zu verfolgen er-
laubte mir das von mir untersuchte Material nicht.
Die Luftwurzeln lassen sich mit ihrem oberen Ende bis zum Holzeylinder verfolgen, mit dessen Gefäs-
sen ihre Gefässe zusammentreffen und von dessen Scheide ihr Gefässbündel einen Ueberzug erhält.
Vergleichen wir die Organisation des Stammes der Baumfarne mit der anderer Pflanzen, so könnte
man wegen ihres geschlossenen Cylinders zunächst an eine Vergleichung mit denDicotylen denken. Dagegen
sprechen aber mehrere Umstände. Der Holzeylinder der Dicotylen besteht immer aus einer Verbindung von
netzartig anastomosirenden Gefässbündeln, während der der Baumfarne mit Ausnahme der beschriebenen
Spalten vollkommen geschlossen ist. Eine Vergleichung dieser Spalten mit den Markstrahlen erscheint nicht
passend, weil diese Spalten in einer unmittelbaren Beziehung zu den Blättern stehen, während bei den Dico-
tylen die meisten Markstrahlen an solchen Stellen liegen, an welchen keine Blätter sitzen. Es erhellt also
hieraus, dass der Holzcylinder der Baumfarne vollständiger geschlossen ist, als der der dieotylen Bäume !).
Mittelbildung zwischen Gefässen und Prosenchymzellen darstellen, auf analoge Weise wie die Elementar-
organe des Holzes der Coniferen und Cycadeen, jedoch mit weit grösserer Annäherung an die Bildung
der Gefässe, als es bei den Coniferen der Fall ist.
4) Ich wollte diese Stelle nicht umändern, da mehrere Phytotomen auf dieselbe Rücksicht genommen hatten,
von denen manche mir zum Vorwurfe machten, dass ich überhaupt an eine Vergleichung des Baues der
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— 14 —
Völlig unpassend erscheint dagegen eine solche Vergleichung, wenn wir den Bau des Holzes betrachten. Bei
den Dicotylen besteht jeder Gefässbündel aus einer Sammlung von Spiralgefüssen, Treppengängen und po-
rösen Gefässen, welche in eine Masse von langgestreckten Zellen eingesenkt sind. Diese Zellen haben nur
im innersten Theile des Gefässbündels die Form von Parenchymzellen, im ganzen übrigen Theile dagegen
die Form von diekwandigen Prosenchymzellen. Auf der äussern Seite findet sich endlich ein Bündel von
Baströhren. Der Gefässbündel der Baumfarne ist hievon gänzlich verschieden, seine Gefässe haben alle die
Form von Treppengängen, ‚sie bilden beinahe allein die ganze Masse des Holzes, die wenigen zwischen und
im Umkreise derselben liegenden Zellen sind dünnwandige Parenchymzellen und von Bast findet sich keine
Spur. Beinahe der bedeutendste Unterschied liegt aber darin, dass dem Gefässbündel der Baumfarne das
Vermögen, auf seiner äussern Seite neue Schichten zu bilden und in die Dicke zu wachsen, abgeht.
Vergleichen wir nach dem Vorgange der bisherigen Schriftsteller die Baumfarne mit den Monocotylen,
so liegt beinahe die ganze Aehnlichkeit im äussern Habitus. Schon die Anordnung und der Verlauf ihrer
Gefässbündel beweist hinlänglich die Verschiedenheit ihrer Organisation. Noch deutlicher spricht sich diese
in dem verschiedenen Baue ihrer Gefässbündel aus, denn der Gefässbündel der Monocotylen besteht aus ei-
nem Holzbündel von ähnlichem Baue, wie die Corona der Dicotylen, aus einem Bündel eigener Gefässe und
aus einem Bastbündel. Die Achnlichkeit zwischen den Baumfarnen und den Monocotylen ist daher eine
äusserst entfernte.
Es würde somit die Organisation der Baumfarne ganz isolirt stehen, wenn nicht die übrigen Farne
einen Uebergang zu der Organisation der übrigen Gefässeryptogamen und gewissermassen auch die Cyca-
deen einen Uebergang zu den Phanerogamen darbieten würden.
Der Cycadeenstamm ist nicht nur in seinem Aeussern dem Farnstamme ähnlich, sondern sein innerer
Bau zeigt darin eine Annäherung, dass sein Holz einen schmalen Cylinder, welcher ein weites Mark ein-
schliesst, bildet und dass dieses Holz blos aus Gefässen besteht. Dagegen besitzt dieses Holz eine dicke
Bastschichte und ist von vielen Markstrahlen durchsetzt und zeigt ein Wachsthum in die Dieke. Man könnte
als fernere Aehnlichkeit anführen, dass im Marke von Zamia integrifolia auf ähnliche Weise, wie im Farn-
Baumfarne mit den Dieotylen denken könne, von einem Holzeylinder bei den ersteren spreche u. dgl.
Ich glaube im Gegentheile, dass ich in Beziehung auf den Ferlauf der Gefässbündel die Analogie nicht
bestimmt genug hervorgehoben habe. Wir dürfen bei einer solchen Vergleichung den Stamm der Dico-
genug 5 5 5
tylen freilich nicht im ausgebildeten Zustande ins Auge fassen, sondern im jugendlichsten Alter, so ‚lange
seine Gefässbündel noch nicht weiter, als zur Entwicklung des das Mark unmittelbar begrenzenden Theiles
vorgeschritten sind. In dieser Periode bilden sie bei manchen Dieotylen, z. B. bei den Balsaminen, ein
über den Stamm verbreitetes höchst regelmässiges Netz mit grossen Maschen, die Verbindungspuncte der
Gefässbündel dieses Netzes liegen nur an der Basis der Blätter, aus diesen Verbindungspuncten lauft eine
bestimmte Anzahl von Gefässbündeln aus, von welchen sich ein Theil in das Blatt begiebt, der andere
ke}
Theil am Stamme weiter aufwärts fortsetzt, um in das Geflechte einzutreten, welches an der Basis höher
oben gelegener Blätter liegt. In diesem Ferlaufe der Gefüssbündel spricht sich die vollkommenste Aehn-
lichkeit mit dem Verhältnisse aus, welches wir in den Stämmen vieler Gefässeryptogamen, namentlich der
Equisetaceen und vieler kvautartiger Farne finden.
— 15 —
stamme, zerstreute kleine Gefässbündel vorkommen; dass jedoch diese Gefässbündel für die Lebensökonomie
dieser Gewächse nicht von bedeutender Wichtigkeit sind, scheint daraus zu erhellen, dass dieselben in dem
Stamme von Cycas revoluta völlig fehlen '). Da nun der Bau der Cycadeen mit dem der Coniferen grosse
Aehnlichkeit hat, so erscheint der Cycadeenstamm als Uebergangsbildung zwischen den Baumfarnen und den
Dicotylen.
Gehen wir zur Vergleichung des Stammes der Baumfarne mit dem der krautartigen Farne über, so fin-
den wir in Beziehung auf das wichtigste Verhältniss, den Verlauf und Bau der Gefässbündel, eine grosse
Aehnlichkeit, jedoch mit manchen, im Zusammenhange mit der äussern Form des Stammes stehenden Modi-
ficatißonen. In Beziehung auf seine Form schliesst sich der von KauLruss rosenförmig genannte Stamm von
Aspidium Filixc mas, Struthiopteris germanica unmittelbar an den haumförmigen Farnstamm an, er un-
terscheidet sich, abgesehen von seiner Grösse und krautartigen Weichheit, von dem letzteren hauptsächlich
durch die im Verhältniss zu der Dicke der Blattstiele geringe Masse seiner Achse. Von diesem rosenför-
migen Stamme lassen sich die verschiedensten Uebergänge durch Auseinanderrückung der Blätter zu den
kriechenden Stämmen vieler Polypodien, bis zu denen der Hymenophylleen und Gleicheniaceen finden.
Die Gefässbündel der Mehrzahl der krautartigen Farne liegen in einem einfachen Kreise, nur bei man-
chen dünnen, sehr in die Länge gezogenen Stämmen, z. B. bei denen von Hymenophyllum und Trichoma-
nes, Gleichenia sind die Gefässe alle in einen centralen Bündel vereinigt.
Die in einem Kreise stehenden Gefässbündel verlaufen ebensowenig, als bei den Baumfarnen isolirt,
sondern sind unter einander seitlich unter der Form eines Netzes verwachsen. Bei den Arten, bei welchen
die Blätter in weiten Abständen von einander stehen wie bei Polypodium aureum, lässt sich in der Verzwei-
zung dieses Netzes gar keine bestimmte Regelmässigkeit erkennen, bei den Arten mit gedrängt stehenden
Blättern dagegen z. B. bei Aspidium Filö:ır mas, Filixc femina, Struthiopteris germanica, findet in Bezie-
hung auf die Anzahl der Gefässbündel und ihren Verlauf die grösste Regelmässigkeit statt, indem von der
Basis eines jeden Blattes zwei Gefässbündel aufwärts zur Basis der zwei nächsten höher oben liegenden
Blätter, und zwei Gefässbündeln abwärts zur Basis der zwei nächsten tiefer stehenden Blätter verlaufen.
Hiedurch wird ein Netz von Gefässbündeln gebildet, welches ebensoviele Maschen besitzt, als Blätter vor-
handen sind.
Als das Verbindungsglied zwischen diesem aus netzförmig verbundenen Gefässbündeln bestehenden
Holzeylinder zu dem centralen Gefässbündel kann man die von Ros. Brown zuerst aufgefundene, seltene
Form eines vollkommen geschlossenen Holzcylinders betrachten, wie er bei Dipteris, Platyzoma und Anei-
mia vorkommt (R. Brown in Horsriero, plant. javanic. p. 2).
Untersucht man die Stelle, an welcher die Gefässbündel aus dem Stamme in das Blatt übertreten, so
findet man niemals, wie bei den Monocotylen und vielen Dieotylen einen ganzen Gefässbündel sich auswärts
4) Ganz dasselbe Verhältniss kommt auch im Stamme der Cacteen vor, in deren Marke solche kleine Ge-
fässbündel bald vorkommen (z.B. bei den Mamillarien), bald fehlen.
— 116 —
biegen, um ins Blatt einzutreten, sondern es laufen die Gefässbündel am Stamme weiter und schicken blos
kleine Aeste in die Blätter ab.
Auf dem Querschnitte zeigen die Gefässbündel eine runde oder eine in die Breite gezogene elliptische
Form. Das Vermögen, mit dem höheren Alter der Pflanze in die Dicke zu wachsen, fehlt ihnen ebenso, wie
den Gefässbündeln der Baumfarne. Der Bau derselben ist der gleiche, wie bei den Baumfarnen, nur sind die
Zellen, welche zwischen den Gefässen liegen und den äussern Theil des Bündels bilden, mehr in die Länge
gestreckt.
Der zellige Theil des krautartigen Farnstammes zeigt weit mehr Modificationen, als seine Gefässbündel,
ohne dass aber dadurch wichtige Unterschiede begründet würden. Bei manchen Arten, z.B. bei Polypodium
aureum, latipes, vulgare, Aspidium Filic mas besteht der ganze Stamm aus dünnwandigen Zellen und ist
desshalb krautartig weich und brüchig, während dagegen bei vielen andern Arten, besonders bei solchen mit
kriechenden Stämmen z. B. bei Gleichenia, Pteris einzelne Schichten in Folge einer Verdickung ihrer Zell-
membranen eine bedeutende Festigkeit erhalten. Die Zellen zeigen in Beziehung auf ihre Form im allge-
meinen ein Schwanken zwischen der Gestalt der Prosenchymzellen und Parenchymzellen, am gewöhnlichsten
sind die im Innern gelegenen Zellen Parenchymzellen, welche je weiter sie nach aussen liegen, desto mehr
in-die Form von Prosenchymzellen übergehen, doch kann auch das umgekehrte Verhältniss stattfinden wie
bei Polypodium aureum, in andern Fällen besitzen alle Zellen die Form von Parenchymzellen z. B. Poly-
podium latipes, oder alle die Form von Prosenchymzellen z. B. Polypodium incanum, oder es sind einzelne
fest begrenzte Schichten dickwandig, braun und aus harten Prosenchymzellen gebildet, während die übrigen
Zellen dünnwandige Parenchymzellen sind; diese harte Schichten haben in ihrer Lage entweder keine be-
stimmte Beziehung zu den Gefässbündeln, wie bei vielen Pteris, oder sie bilden um jeden Gefässbündel eine
Scheide, wie bei Polypodium vaceinifolium. Dieses letztere Verhältniss ist genau dasselbe, wie es bei den
Baumfarnen vorkommt. Da nun die krautartigen Farnstämme zeigen, dass diese harten Schichten sich an den
verschiedensten Stellen des Stamms ausbilden können und dass sie in keiner festen Beziehung zu den Gefäss-
bündeln stehen, so dürfen wir auch bei den Baumfarnen die feste, holzige Scheide, ungeachtet sie immer die
Gefässbündel begleitet, nicht als einen Theil des Holzes dieser Pflanzen, sondern müssen sie als eine Modifi-
cation des Zellgewebes des Stamms betrachten. Wir sind bei den Phanerogamen gewöhnt, feste, prosenchy-
matose Zellen nur in den Gefässbündeln zu treffen und lassen uns desshalb An zu gerne verleiten, jeden aus
verlängerten Zellen gebildeten Theil als Holz oder Bast zu betrachten. Es ist dieses um so unrichtiger, da
auch bei den Phanerogamen einzelne Schichten des allgemeinen Zellgewebes des Stammes dadurch, dass ihre
Zellen sich verlängern und dicke Wandungen erhalten, eine bedeutende Festigkeit erhalten und scheinbar als
ein eigenthümliches Organ auftreten können. Dieses findet z. B. bei Ruscus, Asparagus, Basella statt, wo
das unter der Rinde liegende Zellgewebe diese Umwandlung erleidet und von Lixk auf eine ganz irrige-Weise
für Bast erklärt wurde, während doch jeder Gefässbündel dieser Gewächse seinen eigenen Bastbündel besitzt.
Mit diesen prosenchymatosen Schichten ist die braune Haut, welche die Gefässbündel vieler krautartiger
Farne einschliesst, nicht zu verwechseln. Sie ist durchaus keine allgemeine Bildung; so fand ich sie z. B. bei
a —
Polypodium incanum, calcareum, aureum, Filix mas, fragile, Struthiopteris germanica, Asplenium
rigidum, trichomanoides, Neuronia.asplenioides nicht; während sie bei Polypodium vulgare, nitidum,
latipes, Niphobolus glaber u. a. vorkommt. In den meisten Fällen ist diese Haut nicht aus einer ganzen
Zellenschichte, sondern durch Verdickung der gegen den Gefässbündel gewendeten Wandung der den Gefäss-
bündel unmittelbar begrenzenden Zellschichte gebildet. Diese Wandung ist durch Ablagerung secundärer
Schichten sehr verdickt, zugleich ist die Substanz desselben von der der übrigen Zellwandung verschieden,
indem sie dunkelbraun und weit fester ist und der Einwirkung der Schwefelsäure hartnäckig widersteht.
In andern Fällen erleiden eine oder zwei Zellenreihen diese Umwandlung, wo dann die Haut natürlich dicker
ist. Uebrigens ist auf die Anwesenheit oder Abwesenheit derselben kein grosses Gewicht zu Tegen! denn sie
fehlt häufig im Stamme, während sie in den Blattstielen sich findet.
Einen ganz analogen Bau, wie bei den krautartigen Farnen, finden wir im Stamme von Marsilea und
Pilularia. Die Gefässe sind hier in einen centralen Bündel vereinigt, welcher ein kleines Mark einschliesst.
Der äussere Theil des Stamms ist parenchymatos und enthält bei Marsilea quadrifolia (aber nicht bei M.
erenata) und bei Pilularia grosse Luftcanäle. i
Eine sehr ähnliche Structur besitzt auch der Stamm der Lycopodien, indem ihre Gefässe ebenfalls in
einen centralen Bündel vereinigt sind, welcher im Wesentlichen denselben Bau, wie die Gefässbündel der Farne
besitzt. Die Anordnung der Gefässe in diesem Bündel, welche in eine Anzahl von unregelmässigen, durch
verlängerte, dünnwandige Zellen von einander geschiedenen Platten vertheilt sind, zeigt das Bestreben an
mehrere gesonderte Gefässbündel zu bilden, was auch bei Lycopodium denticulatum nach der Entdeckung
von Kaunruss so weit geschehen ist, dass in jeder Abtheilung des Stamms zwei Gefässbündel neben einander
verlaufen, welche bei jeder Theilung des Stamms wieder zusammenfliessen. Das Zellgewebe besteht bald, wie
bei Lycopodium annotinum aus dickwandigen Prosenchymzellen, bald wie bei Z. clavatum aus drei, all-
mählig, in einander übergehenden Schichten, von welchen die äusserste und innerste aus dickwandigen Prosen-
chymzellen, die mittlere aus weiten, dünnwandigen Zellen besteht. Bei Psilotum triquetrum sind die Ge-
fässe ebenfalls in einen Bündel vereinigt, welcher aber in seiner Mitte ein Mark einschliesst.
Kehren wir nach dieser Auseinandersetzung der anatomischen Verhältnisse der krautartigen Farne und
der verwandten Familien zur Vergleichung des Stammes der Baumfarne mit dem Stamme der krautartigen
Farne zurück, so treffen wir in Beziehung auf den Bau ihrer Gefässbündel eine vollständige Uebereinstimmung
und in Beziehung auf den Verlauf derselben eine vollständige Analogie. Während bei den Baumfarnen das
Holz einen vollständig geschlossenen Cylinder bildet, welcher an der Basis eines jeden Blattes eine Längen-
spalte besitzt, aus deren Rändern verhältnissmässig dünne Gefässbündel in die Blätter austreten, während die
Hauptmasse des Holzes, welches diese Aeste lieferte, sich nach oben zu am Stamme fortsetzt, sehen wir bei
den meisten krautartigen Farnen die Gefässbündel in einen analogen einfachen Cylinder geordnet, wir finden
zwar dieselben nicht so in die Breite ausgedehnt, dass sie eine zusammenhängende Holzschichte über den
Stamm bilden, wohl aber sehen wir eine Annäherung hiezu in der in die Breite gezogenen Form der einzelnen
Gefässbündel und in dem Umstande, dass aus dem Netze dieser Gefässbündel blos einzelne Aestchen an die
— 18 —
Blätter abgeschickt werden, während die Gefässbündel selbst ihren Weg am Stamme aufwärts fortsetzen. Von
diesem Verhältnisse bilden die seitenen Fälle, in welchen der Cylinder vollkommen geschlossen ist, und die
wieder häufiger vorkommende Form, bei welcher sämmtliche Gefässe in einen centralen Bündel vereinigt sind,
nur leichte Modificationen.
Vorzugsweise stimmt aber der Stamm der Baumfarne mit dem der krautartigen Farnen in der ganzen
Art seines Wachsthums überein, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, dass es auf eine blose Verlängerung
des Stammes an seiner Spitze eingeschränkt ist, und dass die Gefässbündel, welche die oberen Blätter ver-
sehen, nur eine Fortsetzung von denjenigen sind, welche die unteren Blätter versehen haben. Es werden bei
diesen Pflanzen die oberen Blätter nicht wie bei den Monocotylen von eigenen Gefässbündeln, die einen be-
sondern, von den Gefässbündeln der älteren Blätter isolirten Verlauf haben, versehen und ebensowenig zeigen
ihre Gefässbündel auf ihrer äussern Seite eine mit dem zunehmenden Alter eintretende Auflagerung von
neuen Schichten, wie dieses bei den Dicotyledonen stattfindet, sondern der einmal gebildete Theil derselben
erleidet keine weitern Veränderungen mehr und dient nur zur Zuleitung von Säften zu den oberen Theilen
des Stammes.
Es erhellt also, dass das Wachsthum der Gefässpflanzen nicht, wie man seit DEsronranme’s Arbeiten an-
nahm, ein gedoppeltes ist (Wachsthum der Monocotylen und der Dicotylen), sondern dass noch eine dritte
Wachsthumsweise, die der Acotyledonen vorkommt, welche ich mit dem Ausdrucke der Vegetatio terminalis
bezeichne, weil ihr characteristisches Merkmai darin besteht, dass nur die Spitze des Stamms fortwächst,
während der ganze untere Theil desselben auf demselben Grade der Ausbildung verharrt und nur zur Zulei-
tung von Säften dient.
Diese Vegetatio terminalis findet sich aber nicht nur bei den Farnen, sondern wir treffen sie auch bei
den Lycopodineen, Marsileaceen, Eyuisetaceen und bei den Moosen, kurz bei allen Cryptogamen, bei
welchen sich ein vom Blatte unterschiedener Stamm findet.
Nachschrift.
Die voranstehende Darstellung des Farnstamms gründet sich auf Untersuchungen, welche ich in den
Jahren 1828 und 1829 machte; seit dem Erscheinen meines Aufsatzes wurde derselbe Gegenstand noch von
einigen andern Botanikern bearbeitet, es mag daher eine kurze Betrachtung der Ergebnisse dieser Unter-
suchungen und der aus denselben hervorgegangenen Einwendungen gegen meine Darstellung nicht am un-
rechten Orte sein.
In die Zeit zwischen die Abfassung und den erst einige Jahre später vorgenommenen Druck meines Auf-
satzes fällt die Herausgabe des Heftes der vegetaux fossiles, in welchem Ap. Broxensarr den Bau der Farne
behandelt. Vom innern Baue ihres Stammes giebt er nur eine flüchtige Darstellung, dagegen macht er (p. 156)
auf ein höchst merkwürdiges Verhältniss aufmerksam, nämlich darauf, dass bei den Baumfarnen aus der Ver-
gleichung der Grösse, Form und Entfernung der Blattnarben am oberen und unteren Ende desselben Stam-
mes hervorgehe, dass ein jeder Theil des Stammes lange Zeit nach seiner ersten Entwicklung, folglich noch
— 119 —
in bereits verholztem Zustande, fortfahre in die Länge zu wachsen. Auf eine ähnliche Erscheinung an den
Zweigen mancher Coniferen (Juniperus, Thuja), welche noch im zweiten Jahre sich verlängern, machte
mich mein verehrter Freund Zuccarinı aufmerksam.
Im Jahre 1836 erschien Link’s, zwei Jahre vorher der berliner Academie vorgetragene Abhandlung über
den Bau des Farnstammes (Abh. d. Acad. d. Wissensch. zu Berlin. 1836. 375), in welcher nach der äussern
Form fünferlei Stämme unterschieden werden. Der Verfasser glaubt, wenn ich den wahren, stengelartigen
Stamm, wie er z. B. bei Polypodium aureum vorkomme, untersucht hätte, so hätte ich mich nicht gegen
die Vergleichung des Farnstammes mit dem Monocotylenstamme ausgesprochen. Ich glaube, mein Aufsatz
liefert den Beweis, dass ich nicht so ganz unbekannt als Lıxx glaubte mit diesen Stämmen war und ich glaube
auch, dass das was ich über den Verlauf und den Bau der Gefässbündel dieser Stämme anführte, mich hin-
reichend berechtigte, ihnen keine Aehnlichkeit mit dem Monocotylenstamme zuzuschreiben, und ebensowenig
ist mir aus Linx’s Abhandlung klar geworden, worin denn eigentlich diese Aehnlichkeit liegen soll. Den
Stamm der Baumfarne hält Link gar nicht für einen wahren Stamm, sondern glaubt, er entstehe durch Ver-
wachsung der Wedelstiele, welche hier eine grössere Strecke weit in inniger Verbindung bleiben als bei an-
dern Farnen z. B. bei Aspidium Filic mas, welchen Link einen knollenförmigen Stamm zuschreibt. Diese
Vorstellung, dass der Stamm aus einer Verwachsung von Blattstielen hervorgehe, wurde von andern Botani-
kern auch von andern Pflanzen geäussert. Mir ist nie klar geworden, wie sich die Vertheidiger dieser Ansicht
die Sache eigentlich vorstellen und wie sie überhaupt möglich ist. Man sollte denken, dass die Blätter einen
bestimmten Ursprung hätten, dass ein Stamm vorhanden sei, auf dem sie inserirt sind und wenn ein solcher
Stamm vorhanden ist, so sollte man ihn auffinden, ihn von den verwachsenen Blattstielen unterscheiden kön-
nen,'es müssten solche Pflanzen einen wahren Stamm und darüber einen scheinbaren, aus verwachsenen
-Blattstielen bestehenden haben. Eine Pflanze der Art hat aber noch Niemand gesehen. Wenn der Stamm,
welcher die Blätter trägt, aus einer Verwachsung von diesen hervorgehen soll, so müssten diese offenbar vor
ihm vorhanden sein, das hat auch noch Niemand gesehen und ist überhaupt nicht möglich. Man müsste also
annehmen, diese Pflanzen hätten gar keinen Stamm, und es wachse ein Blatt aus dem andern heraus. Was
soll aber damit gewonnen sein? Das Ganze ist eine Hypothese ohne alle Basis, welche auch nicht ein einziges
Factum erläutert, daher gänzlich überflüssig und den Resultaten, welche die Untersuchung einer Knospe lie-
fert, direct entgegen ist.
MEyen (Phys. I. 415 u. flg.) kommt, nachdem er eine Beschreibung des Farnstamms gegeben hat, auf
die Vegetatio terminalis zu sprechen, giebt dieselbe zwar zu, fährt aber dessenunerachtet folgendermassen
fort: „Ein solches Wachsthum kommt aber auch den Monocotyledonen und Dicotyledonen zu, denn das
Wachsthum der Knospe scheint mir mit jenem des Farnstammes übereinzustimmen; dort kommt in Folge der
weiteren Entwicklung eine grössere Anzahl von Holzbündeln zum Vorscheine, welche aber nur durch Theilung
der ursprünglichen entsteht, während beim Farnstamme eine blose Verästelung der Bündel zur Bildung der
Wedel erfolgt. Das Dasein oder das Fehlen der Axillarknospen bedingt oder verhindert das Wachsthum des
Stamms in die Breite. Die Terminalknospe begrenzt die Vegetatio terminalis eines Dicotyledonen Triebes
—- 120 —
und kommt sie in der nächsten Vegetationsperiode zur Entwicklung, so wächst sie ebenso, als die vorherge-
gangene Knospe, nur noch Wurzeln fassend im Umfange des älteren schon ausgewachsenen Triebes.“ So weit
war ich, als ich meinen Aufsatz über den Farnstamm schrieb, glücklicherweise in der Anatomie und Physio-
logie der Gewächse auch gekommen, dass ich wusste, dass unsere Bäume in die Länge wachsen. . Ich glaubte
aber auch zu wissen, dass ein aus einer ihrer Knospen sich entwickelnder Trieb nicht ein Jahr lang blos in die
Länge wachse und mit dem zweiten Jahre anfange, in die Dicke zu wachsen und dass die Entwicklung seiner
Camhiumschichte nicht auf die Entfaltung von Axillarknospen zu warten brauche. Ich fand dagegen bei den
Farnen unter keinen Umständen ein Wachsthum in die Dicke, ich fand dass ihre Gefässbündel nicht die Zu-
sammensetzung der Dicotylengefässbündel haben, dass sie für immer in ihrem ursprünglichen Zustande ver-
harren und desshalb stellte ich den Begriff des terminalen Wachsthumes für diese Gewächse auf und glaube
auch jetzt noch, dass derselbe weit entfernt ist durch jene Einwendungen von Meyen entkräftet zu sein.
Trevıranus kommt in seiner Physiologie an verschiedenen Stellen (1.-185. 558. II. 183) auf den Bau
und das Wachsthum des Farnstammes zu sprechen. Er stimmt mit Ausnahme einiger unwesentlicher Puncte
z. B. der Frage, ob der Ausdruck der Rinde zur Bezeichnung der äussern Zellschichte passend sei, ob die
harte zellige Scheide zum Holze zu rechnen sei, in den Hauptpuncten mit mir überein. In Beziehung auf
Einen wesentlichen Punct ist jedoch Trevıranus anderer Ansicht als ich, indem er sagt, dass in Ueberein-
stimmung mit den bekannten Gesetzen der Vegetation angenommen werden müsse, dass der Farnstamm keine
neuen Blätter bilden und sich verlängern könne, ohne dass zugleich neue Gefässe in dem alten Theile er-
zeugt werden (I. 561), eine Ansicht, welche er an einem andern Orte (II. 185) dahin näher erläutert, dass
sich die Gefässbündel seitwärts ausdehnen und dadurch jene halbmondförmigen Gestalten annehmen, wodurch
sie sich im Stamme der Baumfarne so sehr auszeichnen. Die Ansicht, dass die Gefässbündel keine späteren
Veränderungen erleiden, konnte ich leider nicht auf Untersuchung von Stämmen baumartiger Farne von ver-
schiedenem Alter oder von den jüngeren und älteren Theilen desselben Stammes gründen, indem mir das
Material hiezu vollkommen abgieng, insoferne ist jene Ansicht allerdings nicht zum sichersten begründet, sie
beruht aber dennoch, wie ich glaube, auf einer bestimmten Basis und ich kann nicht zugeben, dass dieselbe
durch Aufstellung eines allgemeinen Gesetzes für falsch erklärt werde, dessen Begründung auf Beobachtungen,
die an Pflanzen höherer Ordnungen angestellt sind, beruht. Würden die Gefässbündel der Farne ein
auf der Entwicklung neuer Elementarorgane beruhendes Wachsthum in die Dicke oder in die Breite haben,
so müssten die in der Entwicklung begriffenen Elementarorgane sich von den ältern auf analoge Weise, wie
die Cambiumschichte der Dicotylen vom Holze, unterscheiden, denn Treppengänge bilden sich nicht mit einem
Schlage. Nun sah ich aber weder in den Baumfarnen, noch in unsern krautartigen Farnen, noch bei den Lyco-
podien je eine Erscheinung, welche auf eine solche successive Entwicklung ihrer Gefässbündel hinwiess, ich
musste daher alle Elementarorgane eines Bündels für gleich alt halten.
SchuLtz (sur la circulation et sur les vaisseaux latieiferes pag. 99) beschäftigte sich ebenfalls mit der
Untersuchung des Stamms der Baumfarne, ich hielte es jedoch für Zeitverschwendung, mich lange bei seinen
Angaben aufzuhalten, und beschränke mich darauf anzuführen, dass Scnurrz der Meinung ist, die plattenför-
— 121 —
migen Gefässbündel bleiben für immer getrennt und stehen in keiner Verbindung mit einander, die Zellen,
welche den äussern Theil der Gefässbündel bilden, seien Milchsaftgefässe, die harte, prosenchymatose Scheide
und die prosenehymatose Rinde seien der Bast dieser Pflanzen.
Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksam, dass die Querschnitte, welche von Sadleria cyatheoi-
des Kaurr. durch Meyen (über die neuesten Fortschritte d. Anat. u. Phys. d. Gew. Tab. XI. A), von Angiop-
teris evecta und Danaea durch Broxensart (Archives du Museum. T. I. Tab. XXXIMN) publicirt wurden,
darauf hinweisen, dass es knollenförmig verdickte Farnstämme giebt, auf deren Querschnitte die Gefässbündel
eine zerstreute Lage zeigen. So lange jedoch der Verlauf dieser Gefässbündel nicht untersucht ist, lässt sich
darüber, ob der Bau dieser Stämme eine wirkliche oder nur scheinbare Ausnahme vom Baue der übrigen
a
Farne bildet, nichts angeben.
16
—- 12 —
X.
Ueber
den Bau des Stammes von I!soetes lacustris.
(Aus der Linnaea. 4840.)
Als ich im Herbste des Jahres 1839 im Feldsee auf dem Schwarzwalde die für unsere Gegenden so
seltene Isoötes lacustris sammelte, so benutzte ich diese Gelegenheit zu einer genaueren Untersuchung dieser
Pflanze, durch welche ich die Resultate vervollständigte, die ich vor einigen Jahren erhalten hatte, als ich
durch die Gefälligkeit des Hrn. Prof. Srenner in den Stand gesetzt wurde, eine Anzahl frischer, ebenfalls
vom Schwarzwalde stammender Exemplare untersuchen zu können.
Da mir die Untersuchung der Fructificationstheile nichts zeigte, was nicht schon längst bekannt ist, so
beschränke ich mich auf die Auseinandersetzung einiger Eigenthümlichkeiten des Stammes, welche mir von
allgemeinerem Interesse zu sein scheinen.
Der knollenförmige Stamm von Isoötes lacustris bietet in Beziehung auf sein oberes, mit Blättern be-
decktes Ende nichts Auffallendes dar. Es ist dieses Ende plattgedrückt und in der Mitte, wo die jüngsten
Blätter sitzen, ziemlich stark vertieft. Desto auffallender sind die Seitenflächen und das untere Ende des
Stammes gebildet. Es verläuft nämlich in queerer Richtung über die untere abgeplattete Stammfläche eine
flache, in ihrem tiefsten Theile scharfwinklige Furche, welche sich auf beiden Seiten des Stammes bis gegen
die Insertion der Blätter in die Höhe zieht, so dass durch diese zwei an der Basis des Stammes zusammen-
fliessenden Seitenfurchen der grössere Theil des Stammes gleichsam in zwei, durch eine halbkreisförmige
Commissur vereinigte, knollenförmige Massen getheilt wird 1). Diese beiden Abtheilungen des Stammes
4) Nach den übereinstimmenden Beschreibungen und Abbildungen, welche Derire (Mem. du Museum. T. XIV),
DEcANDoLLE (Organogr. I. 254. Tab. 56) und Av. Broncntarr (Hist. de veget. foss. T. II. Tab. 6) von
der im südlichen Frankreich wachsenden Isoötes setacea Bosc. geben, sind bei dieser Pflanze constant
drei Längenfurchen vorhanden. Da nun cben so constant der Stamm von Isoötes lacustris (wenigstens
von der schwarzwälder Pflanze) nur zwei solcher Furchen zeigt, so scheint dieser Umstand als ein speci-
fischer Character und Isoötes setacea als eine gute Art betrachtet werden zu müssen, wie denn auch
schon Dezire jene drei Furchen als characteristisch für Is. setacca angesehen und nur darin Unrecht hatte,
dass er der Isoetes lacustris eine radix plerumque irregularis zuschrieb.
— 13 —
haben eine ziemlich divergirende Richtung, so dass der Stamm im Queerschnitte keine kreisförmige, son-
dern eine elliptische Gestalt, oder meistens die Form eines in die Länge gezogenen Rechteckes zeigt (Tab. V.
fig. 5. fig. 6). Einer der grössten von mir untersuchten Stämme besass z. B. bei einer Höhe von 7 par.
Linien, in der Richtung der Furche einen Queerdurchmesser von 7°‘, in der entgegengesetzten Richtung
von 15°”.
Wegen der Anwesenheit dieser Furche zeigt der Längendurchschnitt des Stammes eine sehr verschie-
dene Form, je nachdem der Schnitt unter einem rechten Winkel gegen die Furche oder in derselben (in der
Commissur) geführt wird. Im ersteren Falle zeigt sich nämlich der Stamm, besonders wenn er noch jung
ist (wie in fig. 1), sehr stark von oben nach unten plattgedrückt, sehr breit und auf der oberen und unteren
Fläche in der Mitte vertieft (fig. 1—3. fig. 10), im zweiten Falle zeigt sich dagegen der Stamm weit schma-
ler, es findet sich nur an der Spitze eine Vertiefung, und das untere Ende ist abgerundet (fig. 4. fig. 9).
Die obere (soweit sie nicht mit vegetirenden Blättern bedeckt ist) und die äussere Fläche des Stammes
sind mit den verfaulten Rudimenten von Blättern, die in früheren Jahren zur Entwicklung gekommen waren,
bedeckt; die Furche zwischen denselben ist dicht mit wenig verästelten Wurzelzasern ausgefüllt. In Bezie-
hung auf die Reihenfolge, in welcher sich diese Zasern entwickeln, findet sich ein sehr merkwürdiger
Umstand. Es entwickeln sich nämlich nicht, wie es bei den verkürzten Stämmen anderer Gewächse z. B.
den Zwiebeln, der sogenannten radix praemorsa u. s. w., ferner wie es bei den Stämmen aller anderen
Cryptogamen und denen der Monocotylen allgemeine Regel ist, die Zasern in aufsteigender Ordnung, so dass
die am untersten Theile des Stammes sitzenden Zasern die ältesten sind, und immer höher oben neue ent-
stehen, sondern es brechen bei Isoetes die neuen Wurzelzasern längs der ganzen oben beschriebenen Furche
(welche sich, je älter die Pflanze wird, immer weiter öffnet) in ihrem tiefsten Theile hervor. Die jungen
Wurzeln stehen daher nicht, wie bei andern verkürzten Stämmen, in einem rings um den Stamm laufenden,
mit seiner Längenachse sich rechtwinklig kreuzenden Kreise, sondern in einem Halbmonde, dessen Convexität
nach unten gerichtet ist und über die Basis des Stammes wegläuft, und dessen Hörner an den Seiten des
Stammes bis gegen den Insertionspunct der vegetirenden Blätter hinauflaufen. Die älteren . Wurzelzasern
werden, wie sich neue entwickeln, nach aussen, gegen die Ränder der sich weiter öffnenden Spalte hinge-
drängt. DEcAnDoLLE unterscheidet a. a. ©. zwischen primitiven Wurzeln, welche am untern Theile des
Stammes sitzen, und zwischen Adventivwurzeln, welche aus den Seitenfurchen hervorkommen; eine Unter-
scheidung, zu welcher nicht der mindeste Grund vorhanden ist.
Eine fernere Eigenthümlichkeit des Stammes von Isoötes lacustris und, der Beschreibung von DELıLE
zu Folge, auch von Is. setacea, durch welche er sich vor den Stämmen aller anderen Cryptogamen auszeich-
net, besteht darin, dass seine äusseren Schichten absterben, und durch neue Schichten, die sich im Innern
entwickeln, ersetzt werden, wie dieses schon von WAHLENBERG bemerkt wurde (Flor. Lappon. 294: „caudex
radieis constituitur taleolo satis crasso, guam nux avellanae saepe majore, in centro vegetante et ad ambitum
morituro“). Die innere Masse des Stammes, soweit dieselbe nach oben mit vegetirenden Blättern und nach
unten mit frischen Wurzelzasern in Verbindung steht, ist blendend weiss und von den äusseren, mit den Ru-
10 =
— 124 —
dimenten abgestorbener Blätter und Wurzelzasern bedeckten Schichten, deren sich 1— 3 erkennen lassen,
durch eine scharfe Trennungslinie abgegrenzt (fig. 1—3. 5—10a.a). Die äusseren Schichten (fig. cit. b)
sind braun, die an die weisse Centralmasse anstossende braungelb, nur halb abgestorben, die äusseren dun-
kelbraun und vermodernd. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass jede dieser Schichten das Product einer
jährlichen Vegetationsperiode ist, und dass in jedem Frühjahre die Bildung einer neuen centralen Masse und
das Absterben der bisherigen innersten Schichte beginnt, ein Vorgang, welchen ich freilich, da mir diese
Pflanze nur im Herbste zur Untersuchung zu Gebote stand, nicht direct beobachten konnte.
Der Holzkörper der Pflanze ist im Verhältniss zur Grösse des Stammes äusserst klein. Wenn man einen
Längenschnitt durch die Mitte des Stammes auf die Weise führt, dass derselbe sich mit der oben beschrie-
benen Furche rechtwinklich kreuzt, so erscheint der Holzkörper unter der Form einer kleinen weissgelblichen
Masse, welche bei ganz jungen Stämmen rundlich (fig. 1c), bei älteren eiförmig (fig. 3 c. fig. 10) ist. Führt
man dagegen den Schnitt in der Richtung der Furche, so zeigt sich zwar der obere Theil des Holzkörpers
(fig. %e. fig. 9c) unter derselben Gestalt, wie im ersteren Falle, nach unten breitet er sich dagegen in einen
Halbmond, dessen Convexität nach unten gerichtet ist, und welcher etwa dreimal so breit, als der obere ei-
förmige Theil ist, aus. Auf dem Querschnitte zeigt sich der obere, eiförmige Theil des Holzkörpers kreis-
rund (fig. Sc. fig. 7c), der untere, halbmondförmige dagegen stark zusammengedrückt (fie. 6c. fig. 8c). Nach
allen Richtungen strahlen von dem Holzkörper eine Menge zarter, sich nicht verästelnder, und keine Ana-
stomosen unter einander eingehender Gefässbündel aus. Die vom obern eiförmigen Theile ausgehenden
(fig. 9d) laufen bogenförmig nach oben und aussen, je einer zu einem Blatte; die vom unteren, halbmond-
förmigen Theile auslaufenden (fig. 9e) gehen nach aussen und unten, je einer zu einer Wurzelzaser.
Nehmen wir das Mikroskop zu Hülfe, um den Bau der einzelnen Theile näher zu erforschen, so finden
wir, dass die ganze weisse Masse des Knollens aus einem parenchymatosen Zellgewebe besteht, dessen Zellen
dicht mit Amylumkörnern gefüllt, rundlich, in Linien zusammengereiht sind, welche dieselbe Richtung mit
den Gefässbündeln haben, und welche nicht sehr enge gedrängt liegen, so dass grosse Intercellulargänge
zwischen ihnen verlaufen. Die äussersten Zellen dieser weissen Masse, so weit dieselbe nach oben zu mit
Blättern und nach unten mit Wurzeln besetzt ist, liegen nicht in diesen divergirenden Reihen, sondern mehr
der Oberfläche der Knollen parallel, enthalten wenig oder kein Amylum, und bilden so eine eigene, jedoch
nicht scharf abgegrenzte Schichte, von welcher die Rinde der Wurzelzasern ausläuft (fig. If. fig. 10 f). Diese
Schichte füllt auch den Grund der Spalte, welche weit tiefer, als von aussen sichtbar ist, in den Knollen
eindringt, aus (fig. 7g. fig. 8g), und besteht hier aus stark in die Breite gezogenen Zellen.
Die bereits abgestorbenen, älteren Schichten haben denselben Bau, nur ist in ihren Zellen das Amylum
verschwunden, und es haben die Zellenhäute eine gelbe Färbung angenommen.
Der ‚kleine, centrale Holzkörper besitzt einen Bau, wie ich ihn noch bei keiner andern Pflanze gefunden
habe. Er besteht nämlich nicht aus gestreckten, in senkrechter Richtung verlaufenden Gefässen und Zellen,
sondern aus einer gleichförmigen Masse kleiner, kurzgliedriger, rundlicher, sehr locker verbundener, grosse
Intercellulargänge und Lücken zwischen sich lassender Schläuche, welche mit unregelmässigen Spiralfasern
— 125 —
und Ringfasern besetzt sind. Zwischen diesen Gefässen liegen nur wenige dünnhäutige Zellen, welche eben-
falls keine regelmässige Anordnung zeigen, zerstreut. Wenn diese Zellen etwas in die Länge gezogen sind,
so liegt ihr Längendurchmesser in querer Richtung; dieses ist besonders in dem unteren, halbmondförmi-
gen Theile des Holzkörpers, aus welchem die Gefässe der Wurzeln entspringen und in welchem verhältniss-
mässig mehr Zellen, als im oberen eiförmigen Theile enthalten sind, der Fall.
Die Gefässbündel, welche von dem Holzkörper ausstrahlen, bestehen aus zarten Ring - und Spiralgefäs-
sen und wenigen, zarthäutigen, langgestreckten Zellen; an der Verbindungsstelle mit dem Holzkörper werden
ihre Gefässe kurzgliedrig, es verdickt sich der Gefässbündel etwas und verschmilzt mit der centralen Masse.
Sowohl der Querschnitt, als der Längenschnitt des Holzkörpers zeigt, dass derselbe ganz gleichförmig
ist und keine Spur von Schichtung zeigt, die mit Bildung von Jahresringen verglichen werden könnte. Zwi-
schen dem Holzkörper und zwischen der weissen parenchymatosen Masse, welche mit Amylum gefüllt ist,
liegt eine schmale Schichte von Parenchymzellen (fig. 7— 10%), welche kein Amylum enthalten und welche
daher durchscheinender, als die andern Zellen sind. Diese Schichte bildet ohne Zweifel die Grundlage der
im nächsten Jahre zur Entwicklung kommenden amylumhaltigen Schichte, denn der Umstand, dass ihre Zellen
einen Nucleus enthalten, lässt schliessen, dass dieselben noch jung sind.
Vergleichen wir nun diesen Stamm mit dem Stamme der übrigen Gefässcryptogamen, so wird
1) erhellen, dass in Beziehung auf den Bau seines Holzes, ungeachtet seiner auf den ersten Anblick so
auffallenden Eigenthümlichkeiten, doch in den wesentlichen Puncten eine bedeutende Uebereinstimmung mit
dem Holze der andern Gefässeryptogamen stattfindet.
Ich habe in meiner Abhandlung über den Bau der Baumfarne gezeigt, dass es eine Eigenthümlichkeit
der Gefässeryptogamen ist, dass ihr Holz aus einer grossen Masse von Gefässen, mit Einmengung von we-
nigen, dünnhäutigen, parenchymatosen Zellen besteht, und dass demselben die prosenchymatosen, dickwan-
digen Zellen, welche bei den meisten Phanerogamen den grössten Theil des Holzes bilden, so wie der Bast
abgehen, dass die harten, prosenchymatosen Schichten, welche bei manchen Gefässeryptogamen, besonders
im Stamme der Baumfarne vorkommen und häufig, die Gefässbündel derselben scheidenförmig umgeben, nicht
zu dem Holze derselben zu rechnen sind, sondern einen Theil des allgemeinen Zellgewebes des Stammes
bilden, und dass bei allen das Holz von krautartiger Weichheit ist. Diesem allgemeinen Bildungsgesetze
entspricht nun auch der Bau des Holzes von Isoötes, nur mit der Abänderung, welche eine Folge der Ver-
kürzung des Stammes zum Knollen ist, insofern hiemit eine Verkürzung der cylindrischen Gefässschläuche
zu rosenkranzförmigen Gefässen, welche nun nicht mehr, wie in verlängerten Stämmen, parallel neben ein-
ander in senkrechten Reihen stehen, sondern ohne bestimmte sichtbare Ordnung zusammengehäuft und
zu einem Knoten verschlungen sind, gegeben ist.
2) In Betreff des Wachsthumes der Stämme der Gefässeryptogamen stellte ich in der angeführten Ab-
handlung den Begriff der Vegetatio terminalis auf, indem ich nachwiess, dass diese Stämme nur in die Länge,
aber nicht in die Dicke wachsen, dass ihr Holzkörper mit dem höheren Alter keine neuen Schichten bildet,
sondern nur an seinem oberen Ende sich verlängert; eine Art des Wachsthumes, welche Veranlassung gab,
— 116 —
dass Linpey diese Pflanzen Acrogenen, Ungrr und EnpLienrr Acrobrya nannten. Fassen wir den Holz-
körper von Isoötes ins Auge, so müssen wir auch diesem denselben Character desWachsthumes zuschreiben,
insoferne jede Spur von schichtenweiser Anlagerung neuer Theile im Umfange des schon bestehenden Holz-
körpers und ebenso die Erzeugung neuer Gefässe in seinem Innern fehlt, und sich mit der Erzeugung neuer
Blätter jährlich nur ein Knoten nach dem andern an der Spitze des älteren Holzes ansetzt und mit ihm ver-
schmilzt, durch welche Art des Wachsthumes auch die nach oben zunehmende Dicke des Holzkörpers erklärt
wird, indem bei der älteren Pflanze eine grössere Anzahl von Blättern zur Entwicklung kommt, und diese
nun auch wieder einen grösseren Durchmesser des oberen Theiles des Holzkörpers, aus dem sie ihre Ge-
fässe erhalten, zur Folge haben.
3) Was die parenchymatosen Theile des Stammes der Gefässeryptogamen betrifft, so zeigt sich bei
allen von mir untersuchten Arten, dass das Parenchym des Stammes eben so wenig, als der Holzkörper
mit dem Alter eine Veränderung erleidet. Hievon macht nun der Stamm von Isoetes eine auffallende Aus-
nahme, indem in jedem Jahre die ganze parenchymatose Masse von einer im Umfange des Holzkörpers sich
neu entwickelnden ersetzt, nach aussen gedrängt wird, abstirbt und zuletzt völlig verfault. Eine analoge
Erscheinung hievon finden wir erst bei Phanerogamen, sowohl bei einzelnen Monocotylen, z. B. den
Knollen von Tamus Elephantipes, als besonders bei den ausdauernden Dicotylen, wo die Rinde ent-
sprechende Veränderungen erleidet. Hiebei findet jedoch der Unterschied statt, dass bei Isoötes die Rinde
das sämmtliche Parenchym des Stammes in sich begreift, während bei den Phanerogamen ein grösserer oder
kleinerer Theil des Parenchymes zwischen den Gefässbündeln und im Centrum des Stammes liegt, sich mit
dem Holze derselben erhält, und an seiner äusseren Seite einen jährlichen Zuwachs erhält.
4) Was endlich die Wurzelzasern von Isoätes anbetrifft, so finden wir an diesen die bedeutendste Ei-
genthümlichkeit dieser merkwürdigen Pflanze, nicht sowohl wegen ihres Baues, obgleich die Höhlung dersel-
ben und die excentrische Lage ihres Gefässbündels auffallend genug sind, sondern vielmehr wegen der Reihen-
folge ihrer Entwicklung. Ich habe schon oben auseinandergesetzt, wie sich dieselbe von der Entwicklung
der Adventivwurzeln anderer verkürzter Stämme unterscheidet, es mag jedoch eine nähere Betrachtung die-
ses Punktes nicht überflüssig sein. Die Wurzeln entwickeln sich bekanntlich auf eine doppelte Weise. Ent-
weder verlängert sich die primäre Achse der Pflanze nach unten und bildet so eine Pfahlwurzel, an deren
Seitenflächen Wurzelzasern in absteigender Ordnung hervorbrechen, welche sich später zum Theile zu Wur-
zelästen ausbilden und wieder in absteigender Ordnung Zasern entwickeln. Oder es verlängert sich die
primäre Achse nicht nach unten (gleichgültig, ob dieses gar nicht geschieht, oder ob die Pfahlwurzel kurze
Zeit nach der Keimung des Saamenkornes wieder abstirbt), und das absteigende System der Pflanze wird
durch Wurzelzasern ersetzt, welche sich aus der aufsteigenden Achse in aufsteigender Ordnung entwickeln,
daher an solchen Stellen der Pflanze hervorbrechen. welche entweder noch Blätter tragen, oder doch früher
getragen haben. Die Gefüssbündel dieser Wurzelzasern kreuzen sich im Innern des Stammes mit den zu den
Blättern vorlaufenden Gefässbündeln.
— 17 —
Versuchen wir nun zu bestimmen, nach welchem dieser beiden Grundtypen sich bei Isoetes die Wur-
zeln entwickeln, so ist die Antwort nichts weniger als leicht. Die Entwicklungsgeschichte des keimenden
Pflänzchens könnte hier wohl Aufschluss gewähren, allein dieselbe ist nicht genau bekannt, denn die Beob-
achtungen von Deuıre sind nicht geeignet, uns den wahren Vorgang deutlich zu machen. Versuchen wir
daher aus dem Baue der erwachsenen Pflanze die Beschaffenheit ihres Wurzelsystems zu erforschen.
Ob bei lsoötes der halbmondförmige, untere Theil desHolzkörpers als eine absteigende Achse von unge-
wöhnlicher Form, oder als ein der Achse fremder Knoten, welcher aus der Vereinigung der Gefässbündel ge-
drängt stehender Adventivwurzeln entstanden ist, betrachtet werden muss, möchte sich durch die unmittel-
bare Untersuchung dieses Theiles schwerlich ausmitteln lassen, indem der Mangel einer nach abwärts gehen-
den Verlängerung desselben noch nicht dafür spricht, dass man ihn nicht als einen Caudex descendens be-
trachten dürfe. Ebenso, wie die aufsteigende Achse sehr verkürzt ist, und der innerste Theil der Blattknospe
keine unbedeutende Vertiefung an der Spitze des Stammes bildet, ebenso könnte ja ein ähnliches Verhältniss
auch am unteren Ende des Stammes stattfinden, und auf ähnliche Weise, wie sich am obern Stammende
aus der Vertiefung immer neue Blätter entwickeln, und die älteren Blätter nach aussen drängen, ohne dass
die primäre Achse sich bedeutend verlängert, könnte am unteren Stammende die absteigende Achse verkürzt
bleiben und an ihrem Ende immer fort in absteigender Ordnung Wurzelzasern entwickeln, welche die ältern
nach aussen drängen. Das einzige auffallende Verhältniss wäre bei dieser Annahme der Umstand, dass die
verkürzte absteigende Achse nicht einen centralen Vegetationspunkt, um welchen sich die jungen Wurzeln im
Kreise entwickeln, besitzt, sondern dass sie in die Breite gezogen ist, und eine linienförmige, halbmond-
förmig gebogene Gestalt besitzt. Diese ungewöhnliche Form liesse sich jedoch durch die Annahme erklären,
es sei das vegetirende untere Ende der Achse sehr stark breit gedrückt, so dass die Wurzelzasern, anstatt
in einem regelmässigen Kreise, in einer aufs Aeusserste zusammengedrückten Ellipse, d. h. in zwei neben
einander liegenden, den tiefsten Theil der Furche begrenzenden Parallellinien entspringen. Mit dieser An-
nahme würde die absteigende Ordnung, in welcher sich die Wurzelzasern entwickeln, übereinstimmen.
Gegen diese Annahme kann dagegen die Verwandtschaft dieser Pflanze mit den andern Gefässeryptoga-
men angeführt werden, indem diese sämmtlich eines caudex descendens entbehren und bei der Art ihrer
Keimung einen solchen auch nicht besitzen können, deren Wurzelzasern also nicht als Aeste einer Pfahlwur-
zel, sondern als Adventivwurzeln einer aufsteigenden Achse betrachtet werden müssen. Dieser Umstand könnte
es als höchst wahrscheinlich erscheinen lassen, dass auch die Zasern von Isoötes nicht aus einer verkürzten,
absteigenden Achse entspringen. Allein mit dieser Ansicht, welche allerdings bei der innigen Verwandtschaft
von Iso&tes mit den übrigen Gefässeryptogamen und insbesondere mit Lycopodium als die wahrscheinlichste
betrachtet werden muss, steht die offenbar absteigende Ordnung, in welcher sich die Zasern entwickeln, im
Widerspruche, und wir müssen, wenn wir diese Ansicht für die richtige erklären, bei Iso6tes eine sehr be-
deutende Ausnahme in Beziehung auf die Ordnung, in welcher sich Adventivwurzeln entwicklen, annehmen.
Es stehen sich auf diese Weise von beiden Seiten Gründe von nahezu gleichem Gewichte gegenüber,
und ich gestehe, dass ich es für jetzt kaum wage, mich für eine oder die andere dieser Ansichten mit Be-
stimmtheit auszusprechen. Es mag mir dagegen erlaubt sein, eine Vermuthung über das wahrscheinliche
Verhältniss zu äussern. Es muss bei der Keimungsweise der übrigen Cryptogamen, von welcher wohl gewiss
die Keimung von Isoötes nicht bedeutend abweicht, als durchaus unwahrscheinlich betrachtet werden, dass
diese Pflanze einen wirklichen Caudex descendens besitzt. Da nun aber dennoch die Entwicklungsweise der
Wurzelzasern in absteigender Ordnung erfolgt und da die centrale Holzmasse, aus welcher die Gefässe der
Zasern entspringen, sich ebenfalls nach abwärts vergrössert, so haben wir vielleicht an Isoötes ein Beispiel
von dem merkwürdigen, bei Tamus communis so deutlich ausgesprochenen Falle, dass der untere Theil der
aufsteigenden Achse sich in den Verhältnissen seines Wachsthumes ganz nach Art eines ursprünglichen Caudex
descendens verhält, ohne dass man ihn desshalb wirklich als solchen betrachten darf.
— 129 —
xl.
Ueber
- den Bau des Palmenstammes.
(Aus der in Marrıus, genera et species palmarum enthaltenen Abhandlung: de structura palmarum übersetzt.)
Einl ei tungg.
Eine genaue anatomische Untersuchung der Palmen ist aus dem Grunde für die Anatomie und
Physiologie der Gewächse von besonderer Wichtigkeit, weil in denselben der Character der Monocotylen
am reinsten ausgesprochen ist und dieselben somit vorzugsweise geeignet sind, uns über den Bau und
das Wachsthum dieser grossen Pflanzenklasse Aufschluss zu gewähren. Nachdem die früheren Phytotomen
der Untersuchung der Palmenstämme nur eine geringe Sorgfalt gewidmet hatten ı\, so erhielt dieselbe plötz-
lich eine grosse Wichtigkeit, als Dausenton bei der Untersuchung der Dattelpalme zu finden glaubte, dass
sich die in die jüngeren Blätter eintretenden Gefässbündel im Innern des Stammes, umgeben von den zu den
älteren Blättern verlaufenden Gefässbündeln, entwickeln. Diese in der Geschichte der Phytotomie Epoche
machende Vorstellung erschien erst in ihrer vollen Wichtigkeit, als DesronTAINnES 2) zeigte, dass nicht nur
bei der Dattelpalme, sondern bei sämmtlichen Monocotylen das Holz die Form von zerstreuten Gefässbün-
deln besitzt und dass die Gefässbündel, die zu den Blättern verlaufen, aus dem Centrum des Stammes hervorkom-
men. Diese Entdeckung musste die grösste Aufmerksamkeit erregen, die Lehre, dass die Gefässbündel der Mono-
cotylen im Centrum des Stammes entstehen, die älteren Gefässbündel nach aussen drängen, dass dieser Vorgang
so lange dauere, bis die älteren und erhärteten Gefässbündel im Umkreise des Stammes eine so feste und harte
Scheide bilden, um dem Andrange der jüngern widerstehen zu können, dass damit jedes weitere Wachsthum des
Stammes in die Dicke aufhören müsse und dass hierin die säulenförmige Gestalt des Stammes begründet sei, diese
Lehre schien auf eine so einfache und genügende Weise die Eigenthümlichkeiten des Wachsthums der Monocotylen
zu erklären, dass sie nicht nur in alle Lehrbücher überging, sondern auch von DECANDOLLE zur systematischen
A) vergl. Grew’s Untersuchung von Calamus. Anat. of plants. p. 104.
2) Mem. sur l’organisat. d. Monocotyl. (Mem. de l’institut national T. I. 478.). Nach einer kürzlich von
Miaser, publicirten Notiz (Comptes rendus des seanc. de l’acad. d. seiene. 12 juin 1843) gebührt die erste
Entdeckung Desroxtames, indem dieser schon in seiner Reisebeschreibung nach Algier in wenigen Wor-
ten die seinem Systeme zu Grunde liegende Idee äusserte,
17
— 130 —
Eintheilung der Gefässpflanzen in Endogenen und Exogenen benützt wurde. Die Beobachtungen von Du
Prrır- Tuovars') zeigten zwar, dass bei manchen Monocotylen der Stamm unbegrenzt in die Dicke wach-
sen könne; sie waren dagegen ebenso wenig, als die späteren Beobachtungen Mirser’s im Stande, den Glau-
ben an die Richtigkeit der Desrontame’schen Lehre wankend zu machen, sondern gaben nur Veranlassung
zu der Annahme, dass bei einigen Monocotylen neben der centralen Vegetation, noch ein zweites, peripheri-
sches Wachsthum vorkomme. Nur eine einzige, aber desto gewichtigere Stimme erklärte sich gegen die
Theorie des centralen Wachsthumes der Monocotylen. MoLpznwawer?) gab nämlich an, dass im Stamme von
Phönix dactylifera sich eine Scheidungslinie finde, auf deren äusserer Seite sich Bastbündel, auf deren in.
nerer sich ebenfalls Bastbündel entwickeln, welche letztere nach ihrer Entstehung Spiralgefässe neben sich
erzeugen und somit zu Holzbündeln werden, und dass von diesen Holzbündeln die inneren zu den älteren, die
äusseren zu den jüngeren Blättern verlaufen, dass also mit andern Worten die Dattelpalme ein peripheri-
sches Wachsthum besitze. Wie so viele andere treffliche Bemerkungen dieses genauen Beobachters, so
wurde auch dieser Satz von den übrigen Pflanzenanatomen so vollständig vernachlässigt, dass auch nicht
Einer es nur für der Mühe werth hielt, desselben Erwähnung zu thun.
Vom Palmenstamme.
Form des Palmenstamms.
Die Organisation des Palmenstamms zeigt gewisse, allen Arten gemeinschaftlich zukommende Charac-
tere; er ist einfach (mit Ausnahme von Hyphaene), beinahe cylindrisch, meistens aufrecht, von den Nar-
ben der stengelumfassenden Blätter geringelt, aber nicht mit wahren Knoten versehen; mit dünnen Zaser-
wurzeln im Boden befestigt; an der Spitze mit einem Büschel von Blättern versehen, in deren Achsel die
Spadices stehen. Sein innerer Bau ist im allgemeinen folgender: in einem gleichförmigen, weichen Paren-
chyme, welches die Grundlage des ganzen Stammes bildet, liegen ohne Ordnung zerstreute, dünne, schein-
bar mit der Achse des Stammes parallel laufende Gefässbündel; die dem Umkreis des Stammes näher liegen-
den sind meistens dicker, mehr von holzartiger Härte und einander mehr genähert als die im Innern des
Stammes liegenden, wesshalb auch der Stamm gegen seine Peripherie hin eine oft sehr beträchtliche Festig-
keit besitzt. Zwischen dieser holzartigen Masse und der dünnen Rinde liegt eine dünne Lage feiner, bast-
ähnlicher Fasern.
Nach den Abweichungen ihres Baues theilte ich zum Behufe der anatomischen Beschreibung die Palmen-
stämme in einige Unterabtheilungen, welche jedoch den systematischen, auf die Modificationen des Blüthen - und
Fruchtbaues gegründeten Unterabtheilungen der Familie nicht parallel gehen.
1) Der rohrartige (Geonomenähnliche) Palmenstamm, caudex arundinaceus ist dünn, schlank, aufrecht, mit
ziemlich genäherten Knoten, Internodien umgekehrt conisch, Epidermis glatt, glänzend, nieht verwitternd. Diese
1) Premier Essai sur la vegetation.
2) Beiträge zur Anatom. d. Pflanzen. 53.
— 131 —
Stämme sind von mittlerer Festigkeit, das Parenchym ist einfach und dicht, die in der Mitte des Stamms liegen-
den Fasern weicher, die im Umfange liegenden oft ziemlich hart, die bastartige Faserlage schwach. Diese
Stämme haben auf den ersten Blick viele Aehnlichkeit mit dem Stamm der Gräser, besonders von Bambusa,
wozu die gelbe Farbe, die sie beim Trocknen annehmen und die umgekehrt conische Form der Internodien,
welche dem Stamm ein gegliedertes Aussehen ertheilt, viel beiträgt; sie unterscheiden sich aber leicht von dem
Halme und den unterirdischen Stämmen der Gräser durch den Mangel einer centralen Höhle und dadurch, dass
die Gefässbündel in den Knoten kein netzartig verzweigtes Geflechte bilden. Dieser Stamm findet sich bei den
meisten Arten von Geonoma, vielen Arten von Bactris, bei Hyospathe, Chamaedorhea,; ähnliche Formen, doch
schon den Uebergang zu andern Stammformen bildend besitzen Desmoneus, Rhapis flabelliformis, Corypha frigida.
2) Der calamusartige Stamm (caudex calamosus) ist dem rohrartigen ähnlich, jedoch durch ungemeines Län-
gewachsthum verschieden. Die Internodien 2—6’ lang, dünn, scheinbar cylindrisch, doch ebenfalls umgekehrt
conisch; die Oberfläche glatt, glänzend, wie lackirt, steinhart. Ihre Substanz ist gegen die Peripherie hin nicht
härter als in der Mitte, die Gefässbündel sind beinahe durch den ganzen Stamm gleichförmig vertheilt; die Holz-
masse ist von mittlerer Härte, ungemein elastisch und zähe; die äussere Faserlage ist sehr dünn; die steinartig
harte Epidermis springt beim Biegen des Stammes unter der Form von Schüppchen ab. Diese Form kommt
nur bei Calumus vor, den Uebergang zum rohrartigen Stamm bildet Desmoneus.
5) Der cylindrische (Mauritia ähnliche) Stamm zeichnet sich durch schöne, regelmässige Gleichförmigkeit
und glatte Rundung aus. Die Internodien sind ziemlich lang, ceylindrisch, die Blattnarben schmal, nicht kno-
tenförmig aufgetrieben; Rinde dünn, der Verwitterung nicht sehr unterworfen, oft mit starken Stacheln besetzt.
Die innere Structur ist sehr ausgezeichnet; beinahe die ganze Masse besteht aus einem weichen, lockeren mark-
ähnlichen Parenchyme, in welchem Gefässbündel von krautartiger Weichheit liegen; feste: holzartige Gefässbün-
del finden sich nur an der Peripherie in einem schmalen Kreise, sie bilden aber vermöge ihrer oft bedeutenden
Dicke und bedeutenden Härte eine beinahe undurchdringliche Schichte. Die äussere Faserlage ist meist sehr dünn.
Diese Form findet sich bei Mauritia (armata, vinifera), Oenocarpus (minor ete ), Kunthia (montana), Astrocaryum
Cvulgare ete.).
4) Cocosartiger Stamm (caud. cocoides). Derselbe ist dick, von den einander genäherten, breiten Blattnarben
etwas unregelmässig knotig und häufig von den Gefässbündeln der abgefallenen Blätter und verwitterten Blatt-
scheiden zottig, oft sehr hoch. Die Gefässbündel sind beinahe durch die ganze Masse des Stammes gleichförmig
vertheilt, die der Peripherie näher stehenden baben eine nur um weniges gedrängtere Stellung, als die inneren,
und sind eher dünner als dicker denn die letzteren ; die bastähnliche Faserlage sehr dick; die Rinde dick, un-
regelmässig zerrissen und verwitternd. Die Holzbündel bald ziemlich weich, wie bei Corypha cerifera, bald aber
auch sehr hart, wie bei Cocos coronata. Wegen der gleichförmigen Vertheilung der Gefässbündel ist der Stamm
in der Mitte beinahe so hart, als aussen, wegen der grossen Menge von Gefässbündeln zeigt er eine bedeutende
Festigkeit. Diese Stammform findet sich bei Cocos, Leopoldinia, Syagrus, Elaeis, Corypha; Rhaprs flabelliformis,
Lepidocaryum gracile bilden den Uebergang zum rohrartigen Stamme.
5) Stammlose Palmen. Bei einigen ist das Längewachsthum so gering, dass die Pflanzen stammlos zu sein
scheinen. Es scheinen zwei Abarten vorzukommen. Bei der ersten ist der Stamm zwiebelähnlich verkürzt; es
ist dieses keine Eigenthümlichkeit besonderer Gattungen, sondern kommt bei einzelnen Arten der verschiedensten
Gattungen vor z. B. bei Geonoma acaulis, macrostachys, Astrocaryum acaule, campestre, Diplothemium maritimum,
campestre, littorale. Einzelne Arten kommen auch bald mit sehr verkürztem, bald mit ziemlich langem Stamine
vor z. B. Attulea compta. Die zweite Abart kommt bei 'Sabal vor; hier bildet der Stamm ein kurzes, kriechen-
des Rhizom von höchst auffallender Form, indem seine mit Blättern besetzte Spitze auf dem Boden aufliegt,
während das hintere Ende von den Wurzeln in die Höhe gehoben wird und über die Erde hervorragt.
Anm. Von dieser 5ten Stammform hatte ich keine Exemplare zur Untersuchung, das Folgende bezieht
sich daher nur auf die vier ersten der genannten Stammformen.
— 12 —
Verlauf der Gefässbündel im Stamme.
Ehe ich zur mikroskopisch-anatomischen Beschreibung des Stammes übergehe, wird es nöthig sein, den
Verlauf der Gefässbündel zu beschreiben. Es ist bekannt, dass dieselben nicht in concentrischen Kreisen
liegen, sondern ohne eine bestimmbare Ordnung im ganzen Stamme zerstreut liegen. Dieser Unterschied
der Palmen von den dicotylen Bäumen ist so auffallend, dass er schon im Alterthum als characteristische
Eigenthümlichkeit der Palmen betrachtet wurde '). Den Verlauf dieser Gefässbündel verfolgt man am besten
in solchen Stämmen, deren Parenchym durch Vermoderung seine Festigkeit verloren hat; bei diesen kann
man mit leichter Mühe die einzelnen Gefässbündel aus dem der Länge nach gespaltenen Stamme herausprä-
pariren. Sehr bequem zur Untersuchung sind auch Stämme mit einem weichen, markartigen Centrum. Ver-
folgt man bei einem solchen Stamme z. B. bei Kunthia montana einen Gefässbündel von der Insertions-
stelle des Blattes aus rückwärts, so findet man, dass er in einem nach oben convexen Bogen bis zum Cen-
trum des Stammes verlauft, alsdann in der Nähe des Centrums eine Strecke weit im Stamme abwärts lauft,
bald aber die mit der Achse des Stammes parallele Richtung wieder verlässt und allmählig, indem er zugleich
immer tiefer am Stamme sich herabzieht, sich der Oberfläche des Stammes wieder nähert, bis er unter der
Rinde anlangt und nun unter dieser am Stamme hinablauft.
Anm. Ich habe hier den Verlauf des Gefässbündels in der Richtung von oben nach unten beschrieben, weil
ich ihn in der Regel in dieser Richtung im Stamme verfolgte; hiemit soll aber nicht angedeutet sein,
dass die Gefässbündel der Palmen sich bei ihrer Entstehung in dieser Richtung ausbilden, und ich werde auch
im Folgenden, wie es mir für die Darstellung bequemer sein wird, bei der anatomischen Beschreibung der Ge-
fässbündel dieselben bald von oben nach unten, bald in der entgegengesetzen Richtung verfolgen.
Der Verlauf der Gefässbündel ist bei allen Palmen der gleiche und es finden sich nur insoferne Verschie-
denheiten, als bei verschiedenen Arten die Gefässbündel an den verschiedenen Stellen ihres Verlaufs ein
verschiedenes Aussehen zeigen.
Bei denjenigen Arten nämlich, welche wie Kunthia montana, Mauritia aculeata nur am Umkreis
des Stammes holzartig feste Gefässbündel, im Centrum dagegen eine krautartig weiche Substanz besitzen,
findet man, dass alle Gefässbündel von ihrer Eintrittstelle ins Blatt an rückwärts bis zum Centrum des Stamms
und von hier an abwärts bis zu der Stelle, wo sie sich der äussern, harten Holzschichte nähern, dünn und
krautartig weich sind, dass sie dagegen, wie sie in jene äussere Schichte auf ihrem Wege nach unten eintre-
ten allmählich dieker und holzartig fest werden. Wenn die Gefässbündel den äussern Theil dieser Schichte
erreicht haben und unter der Rinde ankommen, so nimmt ihre Dicke, aber nicht ihre Festigkeit und Härte
ab, es ist jedoch diese letztere Eigenschaft wegen ihres geringen Durchmessers weniger merklich. Sie laufen
auf diese Weise unter der Form von dünnen Fäden zwischen der festen, holzigen Schichte und der Rinde
bis zur Basis des Stamms herab oder schliessen sich nach einem kürzern oder längern Verlaufe an andere
4) Turorunast, bist plant. Lib. I. Cap. IX.
— 13 ° —
Gefässbündel an und verschmelzen mit denselben. Da sämmtliche Gefässbündel einen ähnlichen Verlauf ha-
ben und bei allen der in der Mitte des Stamms verlaufende Theil krautartig weich ist, so ist die markartige
Weichheit des Centrums des Stammes leicht erklärlich, ebenso ist deutlich, dass die Härte der äusseren
Schichte des Stammes die Folge davon ist, dass sämmtliche Gefässbündel während ihres Verlaufes durch die
äussere Schichte des Stammes dick und hart sind, ferner, dass die bastähnliche Faserschichte unter der
Rinde aus den untern Endigungen der Gefässbündel gebildet und nicht dem Baste der Dicotylen zu ver-
gleichen ist.
Die Gefässbündel der cocosartigen und calamusartigen Stämme unterscheiden sich dadurch, dass sie
auf ihrem Verlaufe vom Blatte zum Centrum und von diesem zu den äussern Stammschichten nicht jene
krautartige Weichheit zeigen, sondern ebenfalls dick und holzartig erscheinen, wenn gleich in geringerem
Grade als in den äussern Schichten. In Beziehung auf den untern Theil des Gefässbündels kommen beim
cocosartigen Stamme zwei Abänderungen vor, entweder geht er wie bei Kunthia in einen dünnen Faden
über, alsdann ist die äussere Faserlage des Stamms wie bei den übrigen Stammformen dünn, oder es theilt
sich der Gefässbündel bei seinem Austritte aus der harten Schichte in mehrere kleinere Bündel, welche sich
nach einer kurzen Strecke in viele feine Fasern auflösen, alsdann ist die Faserschichte dick z. B. bei Cocos
nucifera, coronata ete. =
Aus diesem Verlaufe der Gefässbündel folst der Satz: Die von Desfontaines aufyestellte Lehre,
dass die neuen Gefässbündel im Centrum des Stammes entstehen und dass die an der Peripherie des
Stammes liegenden, härteren ; dickeren Gefässbündel älter, als die weichen, das Centrum einneh-
menden seien und dass dessılb die Vegetation der Monocotylen von der der Dicotylen gänzlich
verschieden sei, ist durchaus unrichtig und verwerflich.
Anm, 4. Aus dem Umstande, dass die Gefässbündel vom Blatte aus in einem ziemlich stark gekrümmten
Bogen bis gegen die Mitte (des Stammes laufen, dass sie aber von hier aus auf ihrem Wege nach unten nur all-
mählig sich der Rinde nähern, erklärt es sich, wie die Phytotomen zu der Annahme, dass dieselben in der Mitte des
Stamms entstehen, verleitet werden konnten. Man bemerkt nämlich dieses Auswärtslaufen auf einem der Länge
nach gespaltenen Stamme nicht leicht, wenn man nicht die einzelnen Gefässbündel herauspräparirt. Ein Umstand
hätte jedoch schon längst auf die Unrichtigkeit der Drsroxrame’schen Lehre binweisen sollen. Wenn nämlich
die Gefässbündel der jüngeren Blätter im Stamme weiter nach innen als die Gefässbündel, welche zu den ältern
Blättern gehen, liegen würden, so könnten sich die ersteren mit den letzteren niemals kreuzen. Nun ist aber in
allen Palmen leicht zu sehen, dass die in ein Blatt austretenden Gefässbündel sich mit den Gefässbündeln , die
zu den höher oben stehenden Blättern verlaufen, kreuzen, was nur bei der oben beschriebenen Anordnung der
Fasern möglich ist. Diese Kreuzung ist desto aufiallender, je dicker der Stamm und je genäherter seine Blätter
sind, daher bei den Cocosarten um vieles deutlicher, als bei Kunthia; noch deutlicher ist sie bei Xanthorrhosa ha-
stilis (vgl. Decasporze, Organogr. Tab. 7. 8.), bei welcher auf dem Querschnitte des Stammes die in die Blätter
austretenden Gefässbündel das Aussehen von Markstrahlen besitzen. Ebenso ist die Kreuzung sehr deutlich bei
dem Stamme von Pandanus, Dracaena Draco, Alewris fragruns, dloö, Bambusa u. Ss. w.
Anm. 2. Aus dem geringen Durchmesser des untern faserförmigen Endes der Gefässbündel erklärt sich
leicht die geringe Dicke der Faserschichte des Stammes. Wo jeder Gefässbündel sich in einen einzigen Faden endigt
wie bei Bacıris, Geornoma, Lepidocaryum, Calumus, Kunthia, Oenocarpus, Hyospathe, Rhapis u. s. w. ist diese Schichte
— 11 0 —
sehr dünn, wenn dagegen ein Gefässbündel mehrere Fasern liefert, oder wenn wie bei Mauritia vinifera die Fa-
sern eine ziemliche Dicke beibehalten, so ist auch die Dicke der Faserschichte nicht ganz unbedeutend, so fand
ich sie bei Leopoldinia pulchra !/y — 2'', bei Syagrus cocordes A ''!, bei Cocos nucifera, Euterpe edulis, Mauritia
vinifera 6°" dick.
Zellgewebe des Palmenstamms.
Das Zellgewebe zerfällt nicht, wie bei den Dicotylen in deutlich geschiedene Rinde, Mark und Markstrah-
len, weil die Gefässbündel durch die ganze Dicke des Stamms zerstreut sind. Dessen unerachtet zeigt das
Zellgewebe in den verschiedenen Stammschichten verschiedene Formen, welche in manchen Beziehungen
mit den Formen der Rinden-, Mark- und Markstrahlenzellen verglichen werden können.
Die Form des Zellgewebes im Palmenstamme lässt sich im allgemeinen nur dahin bestimmen, dass
dasselbe parenchymatos ist und seine Zellen meistens in senkrechten Reihen übereinanderstehen, denn die
Form dieser Zellen ist sowohl bei den verschiedenen Arten, als in den verschiedenen Schichten desselben
Stammes sehr verschieden. Im allgemeinen sind die Zellen nur von mittlerer Grösse und wie es scheint bei
allen Arten in gewissen Vegetationsperioden dicht mit Amylum gefüllt.
In der Faserschichte ist das Zellgewebe immer aus kleinen, dünnwandigen, meistens in die Breite ge-
zogenen Zellen, zwischen welchen keine Intereellulargänge liegen, zusammengesetzt. In jungen Stämmen,
deren Rindenlage noch in voller Vegetation steht, findet man in den äussern Zellen Chlorophylikörner, in
den tiefer liegenden Amylumkörner, später verschwinden die körnigen Bildungen aus denselben. Nur da,
wo die Faserbündel weit auseinanderstehen, bilden die Zellen dieser Schichte ein ganz regelmässiges Ge-
webe:; in den meisten Fällen wird die Regelmässigkeit ihrer Anordnung durch gestört, dass die an die
Gefässbündel angrenzenden Zellen ihre breitere Seite, seltener ihre schmale Seite gegen den Gefässbündel
wenden, in welchem letztern Falle um jeden Bündel eine sternförmige Figur gebildet wird (Leopoldinia
pulchra).
In der Stammschichte, in welcher die dicken, harten Gefässbündel liegen, wird das Zellgewebe dadurch,
dass die Gefässbündel hier sehr enge gedrängt liegen und durch den gegenseitigen Druck sich häufig (beson-
ders beim cylindrischen Stamme) in eckige Figuren pressen, in dünne Lamellen zusammengedrückt, welche
je nach der Form der Gefässbündel zwar eine verschiedene Richtung haben, jedoch im Ganzen genommen
in der Richtung von aussen nach innen verlaufen, indem die Gefässbündel meistens eine von beiden Seiten
zusammengedrückte Form zeigen. Auch hier sind die Zellen in der Richtung der Seitenflächen der Gefäss-
bündel in die Breite gezogen und zwar desto mehr, je näher sie dem Gefässbündel liegen; sie haben daher
in den cylindrischen Stämmen, in welchen meist nur 1—3 Zellenreihen zwischen je zwei Gefässbündeln lie-
gen, eine sehr verlängerte Form, während dieses in den übrigen Stämmen nur bei zufälliger Näherung der
Gefässbündel stattfindet und die dodecaödrische Form der Zellen sich an allen den Stellen, an welchen die
Gefässbündel weiter auseinander liegen, wiederherstellt. In demselben Maasse, in welchem die Zellen eine
in die Breite gezogene Form annehmen, wird auch die Stellung derselben in senkrechten Reihen in eine An-
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ordnung in horizontalen Reihen umgewandelt, so dass das Zellgewebe die sogenannte mauerförmige Form
annimmt. Bei manchen Palmen z. B. Cocos botryophora stehen die äusseren Gefässbündel in radienför-
migen Reihen hintereinander, so dass breite Streifen von Zellgewebe unter der Form von Markstrahlen
1—3" tief in den Stamm eindringen. In diesen Streifen zeigen die Zellen eine der Oberfläche des Stamms
parallele Ausdehnung in die Breite.
Die Zellen dieser Schichte besitzen beinahe immer weit dickere und härtere Wandungen, als
die der Faserschichte und des Innern. Gewöhnlich ist zwar die Verdickung ihrer Wandungen, wenn gleich
immer merklich, nicht sehr auffallend, bei einzelnen Palmen dagegen z. B. Diplothemium caudescens, Co-
cos botryophora erreichen sie eine solche Dicke, wie man sie sonst nur an Holz- und Bastzellen zu sehen
gewöhnt ist. In Folge dieser Verdickung der Wandungen verwandeln sich die Tüpfel (die sich im allgemei-
nen auf allen Palmenzellen finden) in deutliche Canäle, welche in den aneinanderliegenden Zellen einander
gegenüberliegen. Durch diese beiden Verhältnisse, die Verdickung der Wandungen und durch das Punctirt-
sein nähern sich diese Zellen nicht weniger, als durch ihre Form den Markstrahlenzellen der dicotylen
Bäume, indem auch diese beständig diekwandig und punctirt sind.
Das Zellgewebe des centralen Theiles des Stamms zeigt ebenfalls mehrere Verschiedenheiten, welche
grossentheils mit der Stellung der Gefässbündel in Verbindung stehen. Darin stimmt es in allen Palmen
überein, dass die Zellen dünnwandig, in den meisten Fällen in senkrechte Reihen geordnet, dass die an ach
Gefässbündeln anliegenden Zellen meistens etwas in die Länge gestreckt sind und in der Richtung ihres Quer-
durchmessers von der Lage des Gefässbündels abhängen.
Im Innern der cocosartigen: Stämme stellt das Zellgewebe ein regelmässiges Parenchym dar, die Zellen
sind dünnwandig, fein punctirt und bilden nur in der Umgebung der Gefässbündel oder wo zwei Gefässbün-
del näher aneinanderliegen, Uebergänge zum mauerförmigen Zellgewebe, ohne jedoch dabei dickere Wandun-
gen anzunehmen; selbst bei Cocos botryophora und Diplothemium caudescens wird das Zellgewebe, je
näher es dem Centrum liegt, desto dünnwandiger.
In den meisten Palmenstämmen dagegen, in deren Mitte die Gefässbündel um vieles weitläufiger als im
Umfange stehen, zeigt das Zellgewebe des Centrums bedeutende Abweichungen von dem der äussern Schich-
ten, indem es auf eine gedoppelte Weise sehr locker wird.
Entweder wird nämlich das Zellgewebe in der Mitte des Stammes sehr grosszellig und bildet dadurch
eine sehr weiche, schwammige Masse z. B. bei Geonoma simplicifrons, Oenocarpus minor, Kunthia
montana. In diesen Fällen behalten nur die an die Gefässbündel angrenzenden, kleineren Zellen die Form
von regelmässigen Parenchymzellen, die übrigen, sehr vergrösserten Zellen laufen in strahlenförmiger Rich-
tung von den Gefässbündeln aus und bilden ebensoviele sternförmige Rosetten, als Gefässbündel vorhan-
den sind.
In andern Fällen erreichen die Zellen im centralen Theile des Stammes nicht so bedeutende Dimensio-
nen, sondern die Auflockerung des Gewebes wird dadurch vermittelt, dass sich die Intercellulargänge: zu
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regelmässigen Luftcanälen erweitern. Den Uebergang hiezu bildet Calamus, wo sich in der Mitte des Stam-
mes grosse Intercellulargänge zwischen den Zellen finden; die letzteren behalten jedoch noch zu sehr die
Form der regelmässigen Parenchymzellen bei und die Intercellulargänge sind noch zu klein, als dass man
das Zellgewebe mit vollem Rechte zum sogenannten zusammengesetzten rechnen könnte. Dieses ist jedoch
in hohem Grade der Fall bei Astrocaryum gynacanthıum, vulgare, Mauritia vinifera und besonders bei
Mauritia armata. Hier lassen die Zellen grosse, rundliche Canäle zwischen sich, welche ununterbrochen
durch lange Strecken des Stammes verlaufen, so dass man durch Stammstücke von mehr als 1’ Länge
Rauch blasen kann. An den Enden spitzen sich diese Canäle allmählig zu und sind völlig verschlossen, in-
dem die Scheidewände von sternförmigen Zellen, wie man sie bei vielen Wasserpflanzen, bei Musa u. s. w.
findet, bei den Palmen nicht vorkommen.
Anm. A. In den neuern Zeiten versuchten einige deutsche Phytotomen (Hryst, Meyer) das Zellgewebe
nach der Form der Zellen in eine grosse Menge von Unterabtheilungen zu zerfällen, es scheint mir dieses wegen
der grossen Menge von Uebergängen dieser Formen in einander naturwidrig zu sein. Die obige Beschreibung
des Zellgewebes der Palmenstämme kann als Beweis dienen, dass die Form der Zellen in keinem genauen Zu-
sammenhange mit ihrer Function steht und dass dieselbe ebensowohl von der Form, Organisation und Lage der
anliegenden Zellen und Gefässbündel, als von der eigenen Natur der Zellen abhängt, Es ist bei einer Verglei-
chung der verschiedenen Palmenstämme nicht zu verkennen, dass die bei verschiedenen Arten an den einander
entsprechenden Stellen liegenden Zellen, welche für die Oeconomie der Pflanzen die gleiche Bedeutung haben,
gänzlich verschiedene, vielfach wechselnde Formen zeigen, es erscheint daher gänzlich unpassend, der Form der
Zellen eine so grosse Bedeutung beizulegen. Die Palmen eignen sich zum Beweise dieses Satzes um so mehr,
da diese Pflanzen nicht nur eine der natürlichsten Familien bilden, sondern auch in Hinsicht auf ihre Vegetation
und ihre Produkte eine sehr grosse Aehnlichkeit zeigen. Dasselbe Verhältniss, Abweichung der Form der Zellen
bei nahe verwandten Pflanzen lässt sich auch bei andern, nicht weniger natürlichen Familien z. B. bei den Far-
nen, nachweisen.
Anm. 2. In den Zellen keines Palmenstamms fand ich Raphiden oder andere Crystalle.
Eine vom unterliegenden Parenchyme deutlich gesonderte und ein besonderes Wachsthum zeigende
Rinde, wie sie bei den dicotylen Holzgewächsen sich findet, fehlt bei den Palmen. Dagegen zeichnen sich
doch die äusseren Schichten des Zellgewebes aus und verdienen desshalb eine Beschreibung. In der Jugend
sind dieselben dünnwandig und von den Zellen der unterliegenden Faserschichte nicht zu unterscheiden, mit
dem höheren Alter verdicken sich dagegen ihre Wandungen, werden hart und braun. Bei manchen Arten
z. B. bei Calamus , bei vielen Arten von @eonoma bleibt diese Schichte sehr dünn, ihre Zellen bekommen
nicht so dicke Wandungen und scheinen sich auch das ganze Leben der Pflanze hindurch lebend zu erhalten.
Bei den Arten dagegen, deren Oberfläche einer Verwitterung unterworfen ist, wie bei Cocos, Elaeis, erhält
die Rinde eine beträchtliche Dicke und zieht allmählig einen Theil des Zellgewebes der Faserschichte in ihren
Kreis, dieselbe ist alsdann nicht im ganzen Umfange des Stammes gleich dick, sondern reicht an einzelnen
Stellen tief in die Faserschichte hinein, während sie an andern Stellen ziemlich dünn ist; in diesem Falle
schliessen auch die inneren Rindenschichten einen Theil der Faserbündel ein, was gewöhnlich nicht der
Fall ist.
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Die Epidermis erhält sich nur bei den rohrartigen und calamusartigen Stämmen bis ins Alter, bei den
übrigen geht sie durch Verwitterung mehr oder weniger zu Grunde. Sie besteht aus einer einfachen Lage
kleiner Zellen. In der Regel finden sich keine Spaltöffnungen in derselben, bei Rhapis flabelliformis sind
dagegen zerstreute Spaltöffnungen vorhanden. Bei Calamus besteht sie aus kleinen, in der Richtung von
aussen nach innen verlängerten Zellen und bildet eine steinharte, brüchige, glänzende Schichte.
Als Anhang der Rinde und als rein zellige Theile kommen auch noch die verschiedenen Arten der Pu-
bescenz in Betracht. Der jüngste Theil des Stamms ist, so lange er noch jung und von den Blattscheiden ver-
hüllt ist, häufig mit einem haarförmigen Ueberzuge bedeckt. Derselbe erscheint bald unter der Form von
wirklichen Haaren, welche meistens sehr dicht gedrängt und zu einem dichten Filze verklebt sind z. B. bei
Bactris tomentosa. In andern Fällen besteht der Ueberzug aus Schuppen, welche denen der Farne voll-
kommen gleichen z. B. bei Rhapis flabelliformis, Phoenix dactylifera. In andern Fällen sind die Zellen
zu kleineren oder grösseren Stacheln verbunden. An den Blatt- und Blüthenscheiden finden sich viele
Uebergangsformen von einfachen Haaren, steifen Borsten und starken, harten Stacheln. Solche Stacheln
stehen nun auch am Stamme vieler Palmen, wo sie,. so lange die Internodien noch von den Blattscheiden
umschlossen sind, dicht am Stamme angedrückt liegen, sich aber nach dem Abfallen des Blatts aufrichten
und bei ihrer Härte, Länge und stechenden Spitze für den Stamm eine furchtbare Schutzwehr bilden.
Diese Stacheln stellen bald nur zolllange, stumpfe Zapfen vor, wie bei Mauritia armata, dagegen
bilden sie lange, schmale, sehr harte und stechende Nadeln bei Acrocomia sclerocarpa, Astrocaryum
Murumurü, Ayri, gynacanthum etc. Sie sind blos zellige Gebilde, die Zellen der äussern Schichten sind
langgestreckt, sehr diekwandig und hart, die in der Mitte dünnwandig, parenchymatos; oft ist auch die Mitte hohl.
Bau des Gefässbündels.
Ehe ich die Modificationen beschreibe, welche der Bau des Gefässbündels an den verschiedenen Stel-
len seines Verlaufes erleidet, mag es nicht unpassend sein, seine Zusammensetzung an derjenigen Stelle,
an welcher er aus dem harten, peripherischen Holzcylinder auf seinem Wege gegen das Centrum des Stam-
mes hin in die weiche, mittlere Substanz des Stammes eintritt, anzugeben. Er besteht hier aus drei, scharf
von einander zu unterscheidenden Substanzen 1) aus dem Baste, 2) aus einem Bündel eigener Gefässe,
3) aus dem Holzkörper. Diese drei Bestandtheile sind beständig auf die Weise angelagert, dass der Bast
gegen die Peripherie, das Holz gegen das Centrum des Stammes hingerichtet ist und die eignen Gefässe zwi-
schen dem Baste und Holze liegen. Der nähere Bau dieser verschiedenen Theile ist in der Regel folgender.
Der Bast besteht aus dickwandigen, prosenchymatosen Zellen. Es bestätigt sich daher die Meinung
von Kıeser (Phytotomie. 209), dass die Bastzellen der Monocotylen horizontale Scheidewände hätten, durch-
aus nicht, wie auch schon MoLpenwawer (Beiträge. 48) bei den Gräsern einen prosenchymatosen Bast ge-
funden hatte. Die Bastzellen zeigen in ihrer gegenseitigen Lage durchaus keine bestimmte Ordnung; die
gegen das Innere des Gefässbündels zu liegenden haben den geringsten Durchmesser. Sie sind mit feinen
Tüpfelcanälen versehen.
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Die eigenen Gefässe bestehen aus einer Vereinigung lang gestreckter, mit horizontalen Scheidewän-
den versehener, dünnwandiger, engerer und weiterer Zellen. Die engeren liegen theils zwischen den Ecken
der weiteren, theils auch zwischen den Seitenwandungen der letztern.
Das Holz besteht aus ziemlich dünnwandigen, getüpfelten, in die Länge gestreckten Parenchymzellen,
zwischen welchen auf der gegen die Peripherie des Stammes gerichteten Seite gewöhnlich zwei grosse, netz-
förmige Gefässe und hinter diesen eine geringere oder grössere Anzahl von engeren Spiralgefässen und Ring-
gefässen liegen.
Den angegebenen Bau behält der Gefässbündel nicht seiner ganzen Länge nach unverändert bei, son-
dern er ändert bei allen Palmen seine Structur an den verschiedenen Stellen seines Verlaufes auf eine analoge
Weise. Um dieses nachzuweisen kann man einen doppelten Weg einschlagen, entweder den Querschnitt ei-
nes ganzen Stammes oder einen isolirten Gefässbündel an den verschiedenen Stellen seines Verlaufs unter-
suchen.
Bei Untersuchung des Querschnittes eines Palmenstamms kann man zwar den Bau eines jeden Gefäss-
bündels desselben nur an einer einzigen Stelle seines Verlaufes kennen lernen, da aber ein jeder dieser Ge-
fässbündel einen bestimmten Verlauf von der Peripherie zum Centrum und von diesem wieder auswärts zur
Peripherie hat, so ist klar, dass man auf jedem Querschnitte des Stamms an seiner Peripherie die faserför-
migen untern Endigungen der Gefässbündel, weiter nach innen zu den weiter nach oben zu gelegenen dicken
und harten Theil der Gefässbündel, gegen die Mitte des Stammes hin den weichen Theil der Gefässbündel
an der Stelle ihres mehr senkrechten Verlaufes unterhalb ihrer Umbiegungsstelle treffen muss; endlich
kann man den Theil der Gefässbündel, mit welchem sie vom Centrum gegen das Blatt verlaufen, an den ver-
schiedensten Stellen des Stammes zwischen den übrigen treffen. Die letzteren Gefässbündel werden in einer
mehr oder weniger schiefen, die übrigen nahezu in querer Richtung durchschnitten sein.
Die Untersuchung eines solchen Querschnittes unter dem Mikroskope zeigt, dass die äussersten faser-
förmigen Bündelchen blos aus dickwandigen Prosenchymzellen, welche den Bastzellen der übrigen Gefäss-
bündel entsprechen, bestehen. Weiter nach einwärts trifft man grössere Bündelchen, welche bereits die
vollständige Zusammensetzung des Gefässbündels zeigen; sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Bastkörper
verhältnissmässig sehr gross ist und der Holzkörper aus einem einzigen Gefässe, welches nur von wenigen
Zellen umgeben ist, besteht. Ebenso sind die eigenen Gefässe in sehr geringer Menge vorhanden. Weiter
nach innen, wo die Gefässbündel ihre bedeutendste Grösse erreicht haben, bestehen sie dem grössten Theile
nach aus dickwandigen, heller oder dunkler braun gefärbten Baströhren, der Holzkörper ist noch wenig ent-
wickelt, doch enthält er schon ein oder zwei Gefässe von ziemlicher Grösse, welche von wenigen, etwas
dickwandigen Zellen umgeben sind; die eigenen Gefässe sind ebenfalls noch wenig entwickelt und unterschei-
den sich leicht von den Holzzellen durch ihre dünneren Wandungen. Weiter einwärts, beim Uebergange in
den weichen Theil des Stamms nimmt die Grösse der Gefässbündel ab, sie zeigen eine rundlichere Form,
indem der Bastkörper bedeutend kleiner ist und die Form eines Halbmondes annimmt, in dessen Höhlung
die eigenen Gefässe aufgenommen sind, hinter welchen der stark entwickelte Holzkörper liegt. In diesem
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finden sich ein oder zwei grosse Gefässe und hinter denselben mehrere kleinere. Je weiter gegen das Cen-
trum zu der Gefässbündel liegt, desto mehr nimmt die Masse des Bastes, der zuletzt nur einen sehr schma
lenHalbmond darstellt, ab und die Grösse des Holzkörpers zu, in welchem die Menge der kleinern auf seiner
innern Seite liegenden Gefässe sich vermehrt. In ähnlichem Verhältnisse wie der Holzkörper vergrössert sich
der Bündel der eigenen Gefässe. Mit dieser Abnahme des Bastkörpers nimmt die Weichheit des ganzen Ge-
fässbündels zu, indem nur der Bast dickwandige Elementarorgane enthält.
Die gleichen Veränderungen im Bau des Gefässbündels findet man, wenn man einen solchen aus dem
Stamme herauspräparirt und an verschiedenen Stellen untersucht. Auf diese Weise lässt sich nicht nur
durch Vergleichung der Querschnitte eines und desselben Gefässbündels eine Uebersicht über die Verände-
rungen seiner Grösse und seines Baues erlangen, welche gar keinem Zweifel Raum geben kann, sondern es
lassen sich auch leichter, als auf dem Querschnitte des ganzen Stammes die Veränderungen erkennen,
welche der Gefässbündel auf seinem Wege vom Centrum des Stammes bis zur Basis des Blattes erleidet )).
Diese Veränderungen bestehen darin, dass je weiter sich der Gefässbündel dem Blatte nähert, desto
mehr der Bastkörper an Grösse ab- und der Holzkörper an Grösse zunimmt und dass hiemit eine grosse
Vermehrung seiner Gefässe verbunden ist, welche jedoch an Grösse bedeutend abnehmen. In der Nähe der
Austrittsstelle aus dem Stamme bereitet sich eine Theilung des Gefässbündels in mehrere (bis zu sechs) vor,
welche auf die Weise erfolgt, dass am äusseren Rande des Holzkörpers auf seiner hinteren und auf den seit-
lichen Flächen kleine Bündel von Bastzellen auftreten, hinter welchen eine Strecke weiter nach oben auch
die übrigen zu einem vollständigen Gefässbündel gehörigen Systeme (das Holz und die eigenen Gefässe) sich
bilden, so dass der ganze Gefässbündel aus einem Kreise von kleineren Gefässbündeln, welche alle mit ihrem
Holzkörper gegen ein gemeinschaftliches Centrum gerichtet sind, besteht und durch einfaches Auseinander-
weichen dieser Abtheilungen in ebenso viele, alle wesentlichen Theile des Gefässbündels enthaltende, Bündel
zerfällt.
Es folgt aus der beschriebenen Beschaffenheit des Gefässbündels auf eine unwiderlegliche Weise, dass
die allgemein verbreitete Ansicht, die im äusseren Theile des Stamms liegenden dickeren und festeren Gefäss-
‚bündel seien die älteren und verholzten und die in der Mitte liegenden, weichen seien die jüngeren, noch
nicht zu vollständiger Entwicklung gekommenen, durchaus falsch ist.
Modificationen des Baues der Gefässbündel bei verschiedenen Palmenstämmen ?).
Obgleich bei allen Palmen der Bau des Gefässbündels denselben Typus zeigt, so kommen doch bei
den verschiedenen Arten Modificationen des Baues vor.
Bei den rohrartigen Stämmen zeigt der Bast in der äusseren harten Schichte des Stamms eine sehr be-
4) Das auf diese zweite Untersuchungsmethode sich Beziehende ist keine Uebersetzung des Originaltextes, in-
dem sich der letztere an dieser Stelle speciell auf Abbildungen bezieht und desshalb ohne die letzteren
unverständlich wäre. 1
2) Im Auszuge mitgetheilt, indem das Detail sich auf die Abbildungen des Originals bezieht.
18 *
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deutende Entwicklung, gegen das Centrum zu nimmt er zwar an Grösse wieder ab, erhält sich aber doch
auf einer mittleren Grösse, und da zugleich die Gefässbündel nicht sehr vereinzelt stehen, so besitzt die
Mitte des Stamms noch eine ziemliche Festigkeit.
Bei dem cylindrischen Stamme zeigt unter allen Palmen der Bast in der äusseren Schichte die stärkste
Entwicklung zu einer in der Richtung von innen nach aussen oft langgestrekten Masse, in der Mitte des
Stamms erhält der Gefässbündel eine krautartige Weichheit, theils durch Verkleinerung des Bastbündels,
theils dadurch, dass die Wandungen seiner Zellen sich so sehr verdünnen, dass sie auf dem Querschnitte
Parenchymzellen gleichen.
Bei den cocosartigen Stämmen nimmt der Bast beim Uebergange des Gefässbündels aus der Faser-
schichte nach innen nur sehr langsam zu und erreicht keine bedeutende Grösse, auch stehen die Gefässbün-
del im äusseren Theile des Stammes weniger gedrängt, als bei den zwei vorausgehenden Stammformen. Theils
hieraus, theils aus der weniger starken Abnahme des Bastes in der Mitte des Stammes erklärt sich die gleich-
förmigere Härte der verschiedenen Schichten des letztern.
Einen sehr eigenthümlichen Bau zeigen die Gefässbündel von Calamus. Es ist auch hier der Bast in
der äusseren Stammschichte stärker entwickelt, dagegen zeigt der Holzkörper die Eigenthümlichkeit, dass
er seltene Ausnahmen abgerechnet, statt mehrerer grosser Gefässe nur ein einziges von ungewöhnlichen Di-
mensionen enthält, welches die Mitte des Gefässbündels einnimmt. Hinter diesem grossen Gefässe liegen
(mit Ausnahme der äussersten Gefässbündel) einige kleine Spiralgefässe. Die Zellen des Holzkörpers be-
sitzen dicke Wandungen und sind daher auf dem Querschnitte leicht mit den Bastzellen zu verwechseln.
Die eigenen Gefässe sind in zwei Gruppen vertheilt, welche mit den Spiralgefässen gleichsam die Spitzen
eines das grosse Gefäss einschliessenden Dreiecks bilden.
Vom Bau der einzelnen anatomischen Systeme des Gefässbündels.
Die Zellen desjenigen Theiles, welchen ich mit dem Ausdrucke des Bastes bezeichne, besitzen immer
diagonale Scheidewände. In der Jugend besitzen sie, wie alle übrigen dickwandigen Zellen, zarte ungefärbte
Membranen. Haben sie sich mit dem Alter verdickt, so liefern sie den deutlichen Beweis, dass die Membran
der Pflanzenzelle durch Ablagerung von Schichten in die Dicke wächst. Man sieht nämlich auf dem Quer-
schnitte der Wandungen der Bastzellen aller Palmen zarte, concentrische Linien und dass diese Linien die
Grenzen von verschiedenen, die Zellmembran zusammensetzenden Schichten bilden, erhellt daraus, dass zu-
weilen diese Schichten, wenn der Querschnitt mit einem nicht ganz scharfen Messer gemacht wird, sich von
einander ablösen und der abgeschnittene Theil der Zellmembran unter der Form concentrischer, getrennter
Ringe erscheint. Die Färbung dieser Zellen ist oft nicht ganz gleichförmig durch die ganze Dicke der
Membran, sondern einzelne der dieselbe zusammensetzenden Schichten sind häufig dunkler gefärbt, als die
andern.
Eine zweite bemerkenswerthe Eigenschaft dieser Zellen ist ihre Porosität. Man sieht sowohl auf Quer-
als Längenschnitten feine Streifen, welche von der Zellhöhlung gegen die Oberfläche der Zelle hinlaufen.
a,
Stärkere Vergrösserungen lassen darüber keinen Zweifel, dass diese Streifen nichts anderes als Canäle sind,
welche die Zellwandung durchbohren. Ihr Durchmesser übertrifft in der Regel ?/200o Linie nicht. Wie es
auch sonst bei den Poren des Zellgewebes der Fall ist, so stehen auch hier die Canäle der aneinanderliegen-
den Zellen einander gegenüber.
Der zweite Bestandtheil des Gefässbündels, welchen ich als Holz bezeichnete, besteht aus zwei orga-
nischen Systemen, aus Zellgewebe und Gefässen. Das Zellgewebe dieses Holzkörpers besteht aus parenchy-
matosen, nicht sehr dickwandigen, ungefärbten Zellen. Dieselben sind gewöhnlich etwas in die Länge gestreckt,
stehen meistens mit horizontalen Scheidewänden in verticalen Reihen über einander, liegen niemahls in Rei-
hen, welche vom hintersten Puncte des Holzkörpers aus fächerförmig divergiren, sondern bilden ein ohne
Ordnung liegendes Parenchym, dessen Zellen sich nur in der Nähe der Gefässe nach der Form und Lage
derselben in ihrer Stellung richten. Niemahls enthalten diese Zellen Amylumkörner. Ihre Wandungen sind
mit grösseren und kleineren Tüpfeln besetzt, wie die Zellen von Cycas.
Wie schon bemerkt, liest der Holzkörper beständig auf der innern Seite des Gefässbündels. Beim Ue-
bergange des gefässlosen Faserbündels in den Zustand des Gefässbündels ist es hingegen sehr häufig und
beinahe Regel, dass der Holzkörper nicht auf der innern Seite, sondern in der Mitte des Bastbündels liegt.
Auch bei den Gefässbündeln der äusseren, harten Schichte des Stamms zieht sich häufig ein schmaler Strei-
fen von Baströhren um die hintere Seite des Holzkörpers herum, so dass er auch hier völlig von Baströhren
umschlossen ist.
In andern Fällen verdickt sich die Membran der Holzzellen selbst, welche dadurch, wenigstens auf dem
Querschnitte, den Bastzellen ähnlich werden; sie unterscheiden sich jedoch von diesen meistens durch ihr
grösseresLumen und durch etwas dünnere Wandungen und auf dem Längenschnitte dadurch, dass sie gewöhn-
lich, wenigstens in der Nähe der Gefässe, horizontale Scheidewände besitzen. Es kommt diese Verdickung
theils zufällig in den äussern Bündeln vieler Palmenstämme z. B. bei Kunthia montana vor, in welchem
Falle sie sich alsdann in dem einen Gefässbündel findet, in dem andern fehlt, oder es ist eine allen Bündeln
regelmässig zukommende Bildung, was jedoch nur bei Calamus der Fall ist. Ungeachtet hier wegen der
starken Verdickung ihrer Wandungen eine besondere Aehnlichkeit mit den Bastzellen eintritt, lassen sie sich
doch von diesen durch etwas dünnere Wandungen, durch ein grösseresLumen, so wie dadurch, dass sie (mit
Ausnahme der hintersten) in einer mit der Wandung des grossen Gefässes parallelen Richtung in die Breite
gezogen sind, unterscheiden. Ihre Wandungen bestehen, wie bei den Baströhren aus mehreren Schichten
und besitzen Tüpfelcanäle, welche besonders auf dem Längenschnitte auffallen, indem bei ihrer geringen
Entfernung von einander die durchschnittene Zellwandung ein beinahe rosenkranzförmiges Aussehen besitzt,
wobei die Beschaffenheit dieser Canäle als Vertiefungen, welche die Zellwandung bis auf die äusserste
Schichte durchbohren, deutlich erkannt werden kann.
Die Gefässe der Palmen müssen wir in grosse und kleine eintheilen. Jede dieser Arten nimmt, wie
aus dem früher Gesagten erhellt, eine bestimmte Stelle im Gefässbündel ein. Die grossen Gefässe zeigen,
wenn man sie vom untern faserförmigen Ende des Gefässbündels bis zu seinem Austritte in das Blatt ver-
era
folgt, an keiner Stelle die Form des Spiralgefässes, sondern die Form des Treppenganges oder des netzför-
migen Gefässes. Diese Gefässe bestehen aus ziemlich kurzen, übereinanderstehenden Schläuchen. Diese
Zusammensetzung lässt sich bei den sehr weiten Gefässen von Calamus Draco, Mauritia vinifera u. s. w.
schon mit blosem Auge erkennen, die Länge eines solchen Schlauches beträgt bei den genannten Pflanzen
1—2‘%. Die Fläche, in welcher die Schläuche zusammenstossen, ist beinahe niemahls horizontal, sondern
meist stark gegen die Achse des Gefässes geneigt. Die Enden der Schläuche liegen in der Regel nicht in
der Richtung einer von der Peripherie des Stammes zu seinem Centrum gezogenen Linie hinter einander,
sondern seitlich neben einander. Es folgt der Länge nach nicht immer nur ein Schlauch auf den andern,
sondern häufig stehen zwei bis drei über einem einzelnen, so dass alsdann im Querschnitt 2—3 Gefässe ne-
ben einander erscheinen. Dieses kommt zuweilen schon tief unten im Gefässbündel vor, wo dann häufig
weiter oben diese Gefässe wieder in ein einziges zusammenfliessen. Diese Gefässe erreichen zum Theile
einen sehr bedeutenden Durchmesser. Im untern Verlaufe der Gefässbündel haben sie zwar kaum den Durch-
messer von 1/200°, allein die in der mittlern Strecke des Gefässbündels vorkommenden Gefässe gehören zu den
grössten, welche im Pflanzenreiche vorkommen; so zeigen die Gefässe von Bactris mitis einen Durchmes-
ser von !/so — t/us‘, die von Desmoncus mitis, Oenocarpus minor !/a; — *ır’’, von Astrocaryum
gynacanthum Yır — Yız“, Corypha cerifera und Mauritia armata \ıs — !/ıo‘, Mauritia vinifera
ls — Ye”, Calamus Draco !/n — !/5'".
Die Wandungen dieser Gefässe zeigen im allgemeinen die Form einer punctirten Röhre !). Es ändert
sich aber die Beschaffenheit derselben nach der Beschaffenheit der anliegenden Theile. Da dieser Umstand
den Phytotomen beinahe gänzlich entgieng, so mag eine genauere Erläuterung desselben hier am Orte sein.
Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dass beim Zellgewebe auf die Stellung der Tüpfel einer
Zelle die Stellung der Tüpfel in der anliegenden Zelle einen bestimmten Einfluss äussere und dass immer die
Tüpfel von zwei aneinanderliegenden Zellen einander gegenüberliegen. Dasselbe findet nun auch bei den
netzförmigen Gefässen statt. Es ist ein allgemeines Gesetz bei den netzförmigen Gefässen und Treppengän-
gen aller Pflanzen, dass die Tüpfel und Spalten ihrer Wandungen etwas kürzer sind, als die an das Gefäss
anstossenden Zellen oder Gefässe breit sind. Da nun die Gefässe in der Regel von langgestreckten Zellen
umgeben sind und die auf dem Gefässe senkrecht aufstehenden Seitenwandungen dieser Zellen am Gefässe
eine längere Strecke weit senkrecht hinablaufen, so rührt davon die bekannte Erscheinung her, dass die
Tüpfel oder Spalten der Gefässe in geraden Reihen übereinander liegen. Bei den Palmen bestehen die
Umgebungen der Gefässe in den meisten Fällen aus kurzen, dodecaödrischen Parenchymzellen; da sich nun
dem obigen Gesetze zufolge die Tüpfel nur an denjenigen Stellen des Gefässes ausbilden, an welchen die
4) Ich habe sie im lateinischen Originale durch vasa porosa s. punctata bezeichnet, weil mir der Ausdruck
der netzförmigen Gefässe auf die Art ihrer Punctirung nicht zu passen schien. Da ich aber später fand,
dass die Tüpfel der punctirten Gefässe der Dicotylen von den Tüpfeln der Gefässe der Palmen sich da-
durch unterscheiden, dass bei jenen zwischen je zwei Tüpfeln eine Höhlung liegt, welche hier fehlt, so
wähle ich nun den Ausdruck der netzförmigen Gefässe, um nicht einen neuen Ausdruck bilden zu müssen.
— 13 —
mit der Gefässwandung parallel laufenden Wandungen der benachbarten Zellen angewachsen sind, so zeigen
diese Gefässe eine scheinbar unregelmässige gruppenweise Vertheilung der Tüpfel und zwischen diesen Tüpfel-
gruppen freie Zwischenräume, welche den auf dem Gefässe senkrecht stehenden Seiten- und Querwandungen
der anliegenden Zellen entsprechen. In andern Fällen, in welchen langgestreckte Zellen dem Gefässe anliegen,
stehen die Tüpfel in senkrechten, regelmässigen Reihen. Wenn zwei Gefässe unmittelbar aneinander stossen,
so nehmen an der mit dem andern Gefässe verwachsenen Seitenwandung die Tüpfel die Form von Quer-
spalten an, welche ebenso lang sind, als diese Wandung breit ist, wodurch das Gefäss zum Treppengang
wird, während die übrigen, an Zellen anstossenden Seiten die Form der netzförmigen Röhre besitzen. Dieses
Verhältniss ist keine den Palmen zukommende Eigenthümlichkeit, sondern findet sich auf dieselbe Weise auch
bei den übrigen Pflanzen z. B. sehr deutlich bei den Baumfarnen.
Anm. Es ist übrigens zu bemerken, dass auch Fälle vorkommen, in welchen die Tüpfel nicht die ganze
Breite der Wandung des anliegenden Elementarorganes besitzen. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass die
Tüpfel um vieles kürzer sind und dass sie alsdann regelmässig in horizontalen Linien liegen und mit längeren
Spalten gemischt sind. Eine besondere Abweichung von der gewöhnlichen Regel, dass in zwei auseinanderlie-
genden Gefässen die Tüpfel einander in der Lage, Form und Grösse genau entsprechen, fand ich in einigen Fällen
bei Corypha cerifera, wo das eine Gefäss mit längeren Spalten besetzt war und das andere diesen Spalten ent-
sprechende Reihen von rundlichen oder elliptischen Tüpfeln besass.
Sowohl die Untersuchung der erwachsenen Gefässe, als die weiter unten zu erörternde Entwicklungsge-
schichte derselben beweist, dass die Tüpfel und Spalten keine wirklichen Oeffnungen sind, sondern auf ihrer
äussern Seite von einer zarten Membran verschlossen werden. Am deutlichsten lässt sich dieses erkennen,
wenn ein Längenschnitt durch die aneinanderliegenden Wandungen zweier Treppengänge geht, in welchem
Falle man deutlich erkennt, dass die Spalten wirkliche Vertiefungen in der Gefässwandung und keine Erhö-
hungen sind, wofür sie von BernHarnı (über Pflanzengefässe 35), Trevıranus (Beiträge 22), Meven (Phyto-
tomie 253) ausgegeben wurden, sondern dass die Zwischenräume zwischen den Spalten Erhöhungen, welche
in das Gefäss vorspringen, bilden. Ebenso lässt sich leicht erkennen, dass zwischen den Fasern eine Haut aus-
gespannt ist, welche die Fasern beider Gefässe unter der Form einer einfachen, dunkeln Linie trennt. Dass
diese Membran einen die Fasern einschliessenden Schlauch bildet, zeigt die Entwicklungsgeschichte dieser
Gefässe. Sowohl die Tüpfel, als die Spalten zeigen einen deutlichen Hof, welcher aber nicht, wie MırsEL an-
nimmt, durch einen erhabenen Wulst, sondern im Gegentheile dadurch verursacht wird, dass die Ränder der
Spalten durch eine schiefe Fläche abgestumpft sind.
Die Verbindungsstelle zweier Gefässschläuche ist in manchen Fällen z.B. bei Calamus dadurch bezeich-
net, dass jeder Schlauch sich in einen breiten Ring endigt; die beiden aneinanderliegenden ‚Ringe bilden ein
das Gefäss umgebendes Band, wie dieses MoLDEnuawer schon längst für andere Pflanzen nachgewiesen hat.
Wenn die Schläuche mittelst solcher Ringe aneinander stossen, so öffnen sie sich frei ineinander. In andern
Fällen dagegen, namentlich bei Desmoncus mitis, Oocus nucifera, Mauritia vinifera, armata, Kunthia
monlana, Astrocaryum gynacanthum, vulyare, Corypha frigida zeigen sich an den Verbindungsstellen
der Schläuche keine solche Ringe, dagegen finden sich in diesen Fällen Scheidewände. Es ist zwar die Exi-
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stenz von solchen von allen Phytotomen durchaus geläugnet worden; nachdem ich aber dieselben nicht nur
bei den Palmen, sondern auch bei vielen andern Monocotylen und selbst in manchen Fällen an den getüpfel-
ten Gefässen der Dicotyien hundertfach beobachtet habe, stehe ich nicht an, ihre Existenz auf das bestimm-
teste zu behaupten. Die Richtung dieser Scheidewände ist in der Regel so, dass man auf einem in der
Richtung des Radius des Stammes geführten Längenschnitte dieselbe von ihrer Fläche aus zu Gesichte be-
kommt. Diese Scheidewände weichen von den übrigen Membranen der Pflanzen durchaus ab, indem sie von
einem Netze von dieken Fasern, welche grosse Oeflnungen zwischen sich lassen, gebildet sind. Im Stamme
der Palmen, wo diese Scheidewände die Achse des Gefässes in einer schiefen Richtung schneiden und dess-
halb eine elliptische Form besitzen, haben diese Fasern meistens eine horizontale Richtung. An beiden abge-
rundeten Enden der Scheidewand erscheinen diese Oeffnungen unter der Form von kleinen Spalten oder
Puncten, in der Mitte unter der Form von breiten Spalten oder ovalen Oefinungen, zu beiden Seiten der
Scheidewand liegen ebenfalls kleinere rundliche oder eiförmige Oeffnungen. Jede dieser Oeffnungen ist von
einem schmalen Hofe eingefasst. In andern Fällen zeigen die Oeffnungen die Form von schmalen Querspal-
ten, wodurch die Scheidewand vollkommen das Aussehen eines Treppenganges erhält. Die Oeffnungen sind
in der Regel wirkliche Oeffnungen, nur selten ist eine dünne Haut über dieselben ausgespannt. Die Fasern
der Scheidewand sind doppelt und der Hof hat dieselbe Entstehung, wie bei den Treppengängen. Diese
Scheidewände finden sich bei den Palmen sehr häufig; bei vielen Arten jedoch, z. B. bei Cocos nueifera,
kommen sie nicht an jeder Verbindungsstelle zweier Gefässschläuche vor, sondern diese endigen zum Theile
in die beschriebenen Ringe. Um bei der Betrachtung der Palmenwurzel nicht auf diese Scheidewände wieder
zurückkommen zu müssen, will ich gleich hier anführen, dass sie in den grossen Gefässen derselben gewöhn-
lich senkrecht auf der Achse des Gefässes stehen, daher rundlich sind. Sie besitzen in diesem Falle nicht die
Form eines Treppenganges, sondern eines Netzes, welches von grossen, rundlichen und vielen kleinen punct-
förmigen Oeffnungen durchbrochen ist. Der Verlauf der netzartigen Fasern stimmt in den aneinanderliegen-
den Platten der Scheidewand nicht immer genau überein, wesshalb oft ein Theil der einen in die Oefinung
der andern Platte hervorragt.
In den zetüpfelten Gefässen der Dicotylen kommen bekanntlich oft blasenförmige Zellen vor, von wel-
chen KiEsER glaubt, dass sie aus derselben Haut, welche die Wandung des getüpfelten Gefässes bildet, be-
stehen, wesshalb er annimmt (Phytotomie 237), solche Blasen können bei den Monocotylen gar nicht vor-
kommen. Ich fand jedoch, wenn gleich selten, ähnliche blasenförmige Zellen, wie die der Dicotylen, auch in
den grossen Gefässen der Palmen z. B. bei Corypha cerifera'!).
Die Entwicklungsgeschichte dieser Gefässe, welche ich in der keimenden Dattelpalme, in der Stamm-
spitze von Rhapis flabelliformis und in der Wurzel vieler Palmenarten untersuchte und mit welcher die
4) Die Entstehung dieser Zellen habe ich bei den Palmen nicht verfolgt. Ohne Zweifel verhalten sie sich
wie bei den Dicotylen, bei welchen ich mich nach neueren Untersuchungen nicht zu täuschen glaube, wenn
ich annehme, dass sie durch eine Wucherung der anliegenden Zellen, welche durch einen Tüpfel eindringt
und die primäre Gefässhaut zerreisst oder aufsaugt, entstehen.
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Entwicklung der grossen Gefässe von Dioscorea, Tamus Elephantipes etc. völlig übereinstimmt, ist fol-
gende: Im jungen Triebe findet man an den Stellen, an welchen später die grossen Gefässe liegen, vollkom-
men geschlossene, grosse, cylindrische Schläuche, die aus einer wasserhellen, sehr zarten Membran bestehen.
In den etwas älteren Schläuchen sieht man auf ihrer innern Fläche ein Netz von sehr zarten, durchscheinen-
den Fasern, welche eine horizontale Richtung haben und an den Stellen, welche den Längenscheidewänden
der anliegenden Zellen entsprechen, durch senkrechte und schiefe Fasern verbunden sind. In der Regel sind
die horizontal laufenden Fasern so angeordnet, dass sie nicht über mehrere Seitenwandungen des Gefässes
ununterbrochen fortlaufen, sondern sich endigen, wenn sie eine Längenscheidewand einer anliegenden Zelle
erreichen und hier in eine auf und eine abwärts steigende schiefe Faser übergehen, so dass in der geraden
Fortsetzung der Faser auf der nächstgelegenen Seitenwandung des Gefässes eine Masche des Fasernetzes
liegt. Hieraus erhellt auf das deutlichste, dass diese Gefässe ursprünglich keine Spiralgefässe sind, deren Fa-
sern durch spätere Entwicklung von Querfasern netzartig verbunden werden. Dieses wird daraus noch deut-
licher, dass man in vielen Fällen bei der ersten Entstehung des Fasernetzes die Fasern nur erst an einzelnen
Stellen ausgebildet antrifft, während an andern Stellen die Gefässwandung noch ganz glatt erscheint. Je älter
das Gefäss wird, desto breiter und dicker werden seine Fasern und desto mehr verschmälern sich die Zwi-
schenräume zwischen denselben, bis sie zuletzt nur noch schmale Spalten darstellen. Auf ganz analoge Weise
bilden sich auch die Scheidewände aus; bei diesen geht aber meistens die ursprüngliche zarte Membran mit
der Zeit in den Maschen des Fasernetzes zu Grunde.
Dass diese Gefässe, wenn sie auch nicht aus der Metamorphose von Spiralgefäss&n hervorgehen, den-
noch zu einem und demselben Systeme mit diesen zu rechnen sind, erhellt daraus, dass bei manchen Mono-
cotylen an der Stelle, an welcher bei den Palmen netzförmige Gefässe liegen, sich Spiralgefässe finden und
bei den Gräsern, wie MoLDENHAWER nachwies, dieselbe Reihe von Schläuchen an bestimmten Stellen sich zu
Spiralgefässen, an andern zu porösen Gefässen entwickelt.
Die kleineren, hinter den netzförmigen Gefässen liegende Gefässe haben nie die Form von netzförmigen,
sondern immer die von Spiralgefässen oder Ringgefässen, mag der untersuchte Stamm so alt sein, als er will.
Die Anzahl der Ringgefässe ist in jedem Gefässbündel nur gering, meistens sind nur Spiralgefässe vorhanden.
Wenn sich Ringgefässe finden, so stehen diese immer am weitesten rückwärts im Bündel, während die den
grossen Gefässen näher liegenden immer Spiralgefässe sind. Die Windungen dieser Gefässe stehen immer
weit auseinander, besonders bei denjenigen, welche von den grossen Gefässen weiter entfernt sind. Von der
Anwesenheit einer äussern Membran, welche die Spiralfaser umgiebt, kann man sich leicht überzeugen.
Als den dritten Bestandtheil des Gefässbündels habe ich oben unter dem Namen der eigenen Gefässe
einen Bündel dünnwandiger Zellen, welcher zwischen Holz und Bast liegt, aufgeführt. Es unterscheidet sich
dieser Bündel von den umliegenden Zellen theils durch die zarten Wandungen seiner Elementarorgane, theils
dadurch, dass in demselben engere und weitere Zellen untereinander liegen. Dieser Theil bietet der anato-
mischen Untersuchung theils wegen seiner weichen Beschaffenheit, theils wegen seiner grösseren Durchsich-
tigkeit bedeutende Schwierigkeiten dar. Es erklärt dieser Umstand auch, warum diese eigenen Gefässe, ob sie
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gleich bei den meisten Monoeotylen und bei einem Theile der Dicotylen vorkommen, beinahe von allen Phy-
totomen übersehen wurden, indem MoLDENHAWER der einzige ist, welcher sie bei Zea Mays und Bambusa
genauer kannte, während Amıcr sie bei Calamus zwar sah, allein ihre Beschaffenheit nicht erkannte und KıEser,
der sie ebenfalls bei Calamus sah, sie für Spiralgefässe erklärte; BERNHARDı und Meyen, welcher letztere
diese eigenen Gefässe bei Scirpus lacustris und einigen andern Monocotylen fand, hielten sie für Prosen-
chymzellen und unterschieden sie weder vom Baste noch vom Holze. Auf einem Längenschnitte erkennt man,
dass die Zellen dieses Bündels langgestreckt sind und meistens mit horizontalen Scheidewänden übereinander-
stehen; zum Theile sind jedoch auch die Scheidewände schief und nicht selten endigen sich auch die Schläuche
in eine Spitze. Man kann enge und weite Zellen, welche häufig einen ziemlich stark verschiedenen Durch-
messer haben, unterscheiden. MoLpenhawer (Beiträge 126) hielt die weiteren Röhren für gewöhnliche Zellen
und die engen für eigene Gefässe, welche er mit den Milchsaftgefässen von Chelidonium, Asclepias u. s. w.
zu demselben Systeme rechnet. So viel meine Untersuchungen zeigten, se kann ich MoLDENHAWER in dieser
Unterscheidung der weiten und engen Röhren nicht beistimmen, indem ich häufig zu sehen glaubte, dass
beide einen opaken, etwas dicken Saft enthielten, in welchem eine grosse Menge feiner Körnchen schwamm;
ich muss daher beide zu einem Systeme rechnen. Den Saft, den sie enthalten, fand ich nie milchweiss, son-
dern nur mehr oder weniger trübe. Nie konnte ich in ihm eine Strömung bemerken, sondern nur eine Oseil-
lation der kleinen Körner, welche mir eine blose Molecülarbewegung zu sein schien. Die Scheidewände zwi-
schen den Schläuchen sind vollkommen geschlossen. Im Stamme sind die weiteren und die engeren Röhren
ohne Ordnung im ganzen Bündel untereinander gemischt, ein anderes Verhältniss werden wir in der Wurzel
treffen. Bei Calamus ist der Bündel dieser eigenen Gefässe nicht nur in zwei getrennte Parthien getheilt,
sondern es sind auch häufig die engeren Röhren von den weiteren getrennt, da die letzteren häufig einzeln an
der Grenze zwischen den Holz - und Bastzellen liegen. Mit dem Namen der eigenen Gefässe habe ich diese
Schläuche bezeichnet, weil die Beschaffenheit ihres Inhaltes sie dem unter dem Namen der Lebensgefässe
oder Milchsaftgefässe bekannten Systeme am nächsten bringt; dass sie von diesem Systeme verschieden sind,
dafür werde ich weiter unten die Beweise bringen. Ueber die Entwicklung derselben kann ich blos das an-
führen, dass sie bei den Palmen sowohl, als bei den andern Monocotylen der Bildung des Holzkörpers inso-
ferne vorauseilen, als sie, wenn man einen gefässlosen Faserbündel aufwärts bis dahin, wo er einen vollstän-
digen Gefässbündel darstellt, verfolgt, sich früher zeigen, als der Holzkörper selbst. Diese frühere Entwicklung
bezieht sich jedoch nur auf den Raum und nicht auf die Zeit. Ueber die Function dieses Systemes getraue
ich mir nicht, eine Meinung aufzustellen und begnüge mich für jetzt, die Existenz desselben anatomisch nach-
gewiesen zu haben.
Vergleichung des Palmenstammes mit dem Stamme anderer Monocotylen.
Den Palmen stehen in Hinsicht auf den Verlauf der Gefässbündel Dracaena, Aletris und Aloe, in Be-
ziehung auf die Organisation der Gefässbündel die Gräser am nächsten.
Wegen des Baues der Gefässbündel der Gräser verweise ich auf die vortrefflichen Untersuchungen MoLpEx-
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HAwer’s und erwähne hier nur, dass bei den Gräsern die Gefässbündel nicht nur von der Peripherie gegen
das Centrum des Stamms hin an Grösse zunehmen, sondern dass sich hiebei auch der Bau derselben auf ana-
loge Weise, wie bei den Palmen, ändert. Man findet unter der Oberfläche des Stamms gefässlose Faserbündel,
dann Faserbündel, welche einen Bündel eigener Gefässe enthalten, diesem schliessen sich Gefässbündel mit
netzförmigen Gefässen an, während bei den inneren sich auch kleine Gefässe finden. Die ausgebildeten Ge-
fässbündel z. B. von Arundo Donax enthalten zwei grosse Gefässe, umgeben von dünnwandigen Holzzellen,
hinter diesen grossen liegt eine Reihe von 2—3 kleinen Gefässen; die hinterste Parthie der Holzzellen besteht
aus einer Masse dickwandiger, punctirter Prosenchymzellen, wie dieses auch in den Blättern und andern Or-
ganen der Palmen häufig vorkommt. Zwischen dem Holze und Baste liegt ein Bündel eigener Gefässe, deren
grosse Zellen meist viereckig sind und zwischen ihren Ecken eine engere Zelle liegen haben.
Eine in mehreren Beziehungen abweichende Bildung der Gefässbündel kommt bei Dracaena und Aloe
vor, von welchen die erstere wegen des von Du Prrır-Tuovars näher untersuchten Wachsthumes in die Dicke
ein besonderes Interesse besitzt. Der Querschnitt lässt im Stamme dieser Pflanzen zwei deutlich verschiedene
Schichten erkennen, von denen die innere markartig weich ist und sich mit dem Alter der Pflanzen nicht ver-
grössert, während die äussere eine feste Masse bildet und mit dem höheren Alter der Pflanze mehr und mehr
in die Dieke wächst. Die anatomische Untersuchung zeigt, dass die innere weiche Substanz vollkommen den
Bau des Palmenstamms besitzt, indem ihre Gefässbündel auf dieselbe Weise von der Peripherie gegen das
Centrum und von diesem in das Blatt laufen. Die äussersten dieser Gefässbündel sind kleiner, arm an Ge-
fässen und stehen enger gedrängt, die inneren bestehen aus mehreren Reihen punctirter Baströhren, einem
Bündel eigener Gefässe und einem Holzkörper, welcher ordern der Palmen nur insoferne abweicht, als seine
grossen Gefässe nicht isolirt liegen, sondern mit den kleineren Gefässen in der Form eines Halbmondes ver-
einigt sind. Verfolgt man diese Gefässbündel abwärts, so sieht man sie in die äussere feste Stammschichte
eintreten; statt aber wie bei den Palmen unter der Form von feinen Fasern in einem lockeren Zellgewebe
am Stamme herabzulaufen, behalten sie, ungeachtet sie ebenfalls ihren Holzkörper verlieren, einen bedeuten-
den Durchmesser bei, indem die Prosenchymzellen, aus denen sie bestehen, sehr weit sind. In ihrer Mitte
enthalten sie einen kleinen Bündel eigener Gefässe. Unter dieser Form laufen sie am Stamme abwärts, wie
bei den Palmen, sind aber nicht isolirt, sondern verbinden sich wie die Holzbündel der Dicotylen seitwärts
unter einander zu einem Netze. Das Parenchym, in welches sie eingesenkt sind, besteht aus ziemlich dick-
wandigen, in der Richtung von innen nach aussen gestreckten, getüpfelten Zellen. Diese äussere feste Schichte
entspricht also der Faserschichte der Palmen. An der Spitze des Stammes findet sich von derselben noch
keine Spur, indem dieselbe aus den unteren Enden der Gefässbündel besteht; je tiefer unten man den Stamm
untersucht, desto dicker erscheint diese Schichte, wesshalb auch der Stamm conisch, nicht cylindrisch ist. Die
jüngeren Schichten der gefässlosen Faserbündel legen sich auf der äusseren Seite der älteren an, daher ver-
wandeln sich verletzte Stellen des Stammes, über welchen sich keine neuen Schichten anlegen, allmählig in
Vertiefungen. Wegen dieser fortdauernden Ablagerung neuer Schichten ist die von Du Prrır - Tuovars (pre-
mier Essai) aufgestellte und in alle botanischen Schriften übergegangene Behauptung, dass der Stamm von
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Dracaena, so lange er keine Aeste besitze, nicht in die Dicke wachse, unrichtig, wovon man sich leicht durch
Vergleichung jüngerer und älterer Exemplare überzeugen kann; so fand ich, dass der Stamm einer 2° hohen
Dracaena Draco nur etwa 1° dick ist, während 20—30° hohe Stämme bereits eine Dicke von 4—5‘' er-
reicht hatten, ungeachtet sie keine Aeste besassen.
Aloe besitzt völlig denselben Bau, wie Dracaena, nur ist die äussere, feste Schichte im Verhältnisse
zum weichen Centrum sehr dünn; sie war bei einem 2” dicken Stamme von Alo& glauca nur 2’ dick, wäh-
rend sie bei einem 2‘ dicken Stamme von Dracaena Draco bereits 6‘ dick war. Die Gefässbündel von
Aloe gleichen denen der Palmen schon weniger, denn es sind die Gefässe ohne Ordnung im Holzkörper zer-
streut, jedoch besitzen ebenfalls die vorderen die Form von netzförmigen Gefässen, die hinteren die von
Spiralgefässen.
Vergleichen wir den Stamm der übrigen Monocotylen mit dem der Palmen in Beziehung auf den Ver-
lauf und die Organisation der Gefässbündel, so werden wir (mit Ausnah.ne der am niedrigsten stehenden
Formen) bei allen, wenn auch keine so grosse Aehnlichkeit wie bei Dracaena, dennoch eine grosse Analogie
finden. Es ist nämlich allen Monocotylen gemein, dass an der Peripherie des Stamms gefässlose Bündelchen
liegen, während die weiter einwärts gelegenen einen Bündel eigener Gefässe enthalten, auf welche mit wenigen
und kleinen Gefässen versehene Gefässbündel folgen, während die ausgebildeten gegen die Mitte des Stammes
zu liegen.
In Beziehung auf ihren näheren Bau zeigen diese Gefässbündel zwar mehr oder weniger grosse Abwei-
chungen von denen der Palmen, es lässt sich aber dennoch nicht verkennen, dass sie alle nach einem und dem-
selben Typus gebaut sind. Im allgemeinen ist die Bastschichte weit nicht in dem Grade entwickelt, wie bei den
Palmen, indem bei vielen nur die äusseren kleinen Bündel eine Umgebung von diekwandigen Prosenchymzellen
zeigen, während die inneren Bündel nur wenige, dünnwandige, weite, auf dem Querschnitte kaum von den Paren-
chymzellen und eigenen Gefässen zu unterscheidende Bastzellen besitzen z. B. 4sparagus officinalis, Lilum bulbi-
ferum, Orchis militaris, Sagittaria sagüttifolia. Wenn die inneren Bündel auch noch diekwandige Bastzellen be-
sitzen, so sind diese doch in sehr geringer Menge vorhanden und bilden nur einen schmalen Halbmond. Zu-
weilen besitzen dieselben auch einen so grossen Durchmesser bei verhältnissmässig dünnen Wandungen, dass
häufig nur die Stellung dieser Zellen und ihre stärkere Entwicklung in den äussern Bündeln sie als das bei den
Palmen so sehr entwickelte Organ erkennen lassen z. B. Musa puradisiaca, Hemerocallis flava, Tulipa gesneriana,
Friiillaria imperialis, Ruscus Hypophyllum, Iris sibirica, Epidendron elongatum, Alo& Commelini, Scirpus lacustris.
Die eigenen Gefässe kommen in der ganzen Reihe der Monocotylen vor und liegen an derselben Stelle zwi-
schen dem Baste und dem Holze, wie bei den Palmen, sie besitzen auch denselben Bau und enthalten denselben
opaken Saft. In manchen Pflanzen sind sie in Hinsicht auf Zahl und Grösse weit mehr entwickelt, als bei den
Palmen z. B. bei Aparagus offieinalis, wo einzelne, gegen die innere Seite des Bündels gelegene eine ungemein
weite Höhlung zeigen. Bei Musa paradisiaca bilden die eigenen Gefässe mit ihrer schmalen Umhüllung von Bast-
zellen einen grossen, vor dem Holzbündel abgesondert liegenden und demselben an Grösse nicht viel nachstehen-
den Bündel. Auch bei Dioscorea villosa und Tamus entwickeln sich einige der nach innen zu liegenden Gefässe
zu einer ungewöhnlichen Grösse. Bei Sagittaria sagittifolia bilden die eigenen Gefässe etwa die Hälfte des ganzen
Gefässbündels, sie sind hier schwer von den umliegenden Zellen zu unterscheiden, da diese ebenfalls sehr dünne
Wandungen haben.
Der Holzkörper besteht, wie bei den Palmen, aus mehr oder minder langgestreckten Parenchymzellen ; seine
Gefässe können ebenfalls in grosse und kleine eingetheilt werden, es sind jedoch bei den meisten Monocotylen
die grossen von den kleinen Gefässen in ihrer Stellung nicht so abgesondert, sondern meistens liegen alle Ge-
fässe aneinander. Es tritt jedoch auch hier eine Achnlichkeit mit dem Gefässbündel der Palmen insoferne ein,
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als die grossen Gefässe vornen und zu beiden Seiten, die kleinen hinten und zwischen ‘den ersteren liegen, so
dass die Gesammtmasse der Gefässe einen mehr oder weniger regelmässigen, nach vorn geöffneten Halbmond
bildet z. B. bei Asparagus offieinalis, Convallaria Polygonatum, Lilium bulliferum. In allen diesen Fällen sind die
grossen, zu beiden Enden des Halbmondes gelegenen Gefässe netzförmige Röhren, während die kleineren, weiter
rückwärts liegenden die Form von Treppengängen und die kleinsten, hintersten die Form von Spiral- oder Ring-
gefässen haben. Eine Ausnahme von dieser Anordnung macht Ruscus Hypophyllum, bei welcheın die grössten
Gefässe nach innen und hinten liegen. Eine Folge dieser halbmondförmigen Stellung der Gefässe ist es, dass der
Bündel eigener Gefässe zwischen dieHörner des Halbmondes zurücktritt und somit vom Holze halb umschlossen
wird z. B. bei Asparagus, Convallaria Polygonatum, Lilium bulbiferum. Im höchsten Grade ist dieses bei Tumus
und Dioscoreu der Fall, wo die eigenen Gefässe so sehr zwischen den von den Gefässen gebildeten Halbmond
zurückgezogen sind, dass die grossen Gefässe vor dem Bündel der eigenen Gefässe wieder zusammentreten.
In der ungewöhnlichen Form dieser Gefässbündel mag eine Entschuldigung liegen, wenn ich etwas näher
auf den Bau derselben eingehe. Es liegen die Gefässbündel dieser Pflanzen in zwei Kreisen, die mit einander
alterniren, die des innern Kreises sind bedeutend grösser. Jeder dieser Gefässbündel besteht aus einer Vereini-
gung von drei Gefässbündeln. Der eine und grösste derselben nach innen gelegene besteht aus einem Halbmonde
von Gefässen, von denen die vordersten und grössten fein getüpfelte netzförmige Gefässe sind, während nur die
hintersten und kleinsten die Form von Spiralgefässen besitzen. Diesem Gefässbündel gehören die eigenen Gefässe
an. Vor demselben befinden sich zwei Gefässe von ziemlicher Grösse, welche in vielen Fällen durch eine An-
zahl kleinerer Gefässe ebenfalls zu einem Halbmonde verbunden sind, dessen Convexität nach aussen gerichtet
ist. Hinter diesen Gefässen liegt ein zweiter Bündel eigener Gefässe. Es ist also deutlich, dass jeder dieser
Gefässbündel aus einer Verschmelzung von zwei Gefässbündeln gebildet ist. Es erhellt nun aus der Bildung der
Gefässbündel des äusseren Kreises und der in den dünnsten Zweigen von Tumus Elephantipes gelegenen, dass der
äussere und kleinere dieser Gefässbündel ebenfalls aus zwei Gefässbündeln zusammengesetzt ist. In den Gefäss-
bündeln des äussern Kreises ist nämlich der von den Gefässen des nach innen gewendeten grösseren Bündels
gebildete Halbmond weiter geöffnet und der vordere Gefässbündel in zwei Bündel zerfallen, von welchen jeder
an seiner innern Seite einen Bündel eigener Gefässe besitzt. In den Zweigen von Tumus Elephantipes nähert
sich der Bau dem bei den Monocotylen gewöhnlichen noch mehr, indem der kleinere Gefässbündel entweder gänz-
lich fehlt, oder wenn er vorhanden ist, ebenfalls in zwei Theile getrennt ist, welche aber nicht wie im Stamme
gegen den grossen Gefässbündel convergiren, sondern ihre Bündel eigener Gefässe auf ihrer äusseren Seite lie-
gen haben.
Bei den bisher aufgezählten Formen fällt die Analogie des Gefässbündels mit dem der Palmen so sehr in
die Augen, dass es keiner weitern Nachweisung in dieser Beziehung bedarf. Etwas weiter entfernen sich diejeni-
gen Formen, bei welchen die verschiedenen Gefässe beinahe denselben Durchmesser zeigen z.B. bei Hemerocallis
flava, Tulipa gesneriana, Fritillaria imperiulis, Orchis militaris, Iris sibirica, AloE Commelini ; allein auch hier sind
die vordersten Gefässe beständig netzförmige, die hinteren Ring- und Spiralgefässe.
Es mag nicht überflüssig sein, einer Bildung zu erwähnen, welche leicht Veranlassung zu Irrungen geben
kann. In den Gefässbündeln mancher Wasserpflanzen findet sich ein Luftcanal, welcher keine eigene Wandungen
besitzt z. B. bei Aisma Plantago, Sagütaria sagittfolia, Seirpus lacustris, Cyperus Papyrus. Untersucht man diese
Gewächse blos mittelst eines Querschnittes, so kann man diesen Canal leicht für ein Gefäss halten, wie es auch
Bernnannı (über Pflanzengefässe. p. 16. bei Aisma) und Meryex (Phytot. Tab. VI. fig. 1. bei Scirpus) ergangen
ist. Durch diesen Canal wird die ganze Form des Gefässbündels verändert. Dieses ist bei Scirpus und Oyperus
weniger der Fall, wo der Gefässbündel im allgemeinen dem der Gräser sehr ähnlich ist; allein bei Sagzttaria,
wo viele Gefässe von ziemlich gleicher Grösse vorhanden sind, bequemen sich diese in ihrer Lage nach dem
Luftcanale und bilden. einen nach aussen zu convexen Halbmond, der von einem grossen Bündel eigener Gefässe
umschlossen wird. Bei Aisma Plantago ist es derselbe Fall, nur liegt ein Theil der Gefässe auch in der Holz-
masse unregelmässig zerstreut. Eigene Gefässe fand ich im Gefässbündel dieser Pflanze nicht, sondern die Bast-
röhren schliessen sich unmittelbar an das Holz an.
Wie schon oben bemerkt wurde, so zeigen die grossen Gefässe der Monocotylen in der Regel die Form
von netzförmigen Gefässen. Dass dieses jedoch nicht ohne alle Ausnahme gelte, zeigen die musterhaften Unter-
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suchungen Mororxnawen's über den Gefässbau der Gräser. Bei diesen sind jedoch die Gefässe noch dem gröss-
ten Theile ihres Verlaufes nach netzförmig; bei andern Gewächsen zeigen dieselben die Form von Spiral-
gefässen. So findet sich in dem Blattstiele von Musa paradisiaca in der Mitte des Holzbündels ein sehr grosses
Gefäss, an dessen Stelle man in den mittleren Gefässbündeln des Stammes drei bis vier Gefässe findet. In der
Regel zeigt nun diesses Gefäss die Form eines aus vielen parallelen Fasern gebildeten Spiralgefässes und nur
in seltenen Fällen z. B. in dem untersten Theile der Blattscheide und im Rhizome fand ich die Fasern dieses
Gefässes unter einander verwachsen und dieses häufig nur an einzelnen Stellen. Auf gleiche Weise finden sich
im Stamme von Typha angustifolia, Sparganium ramosum, im Blattstiele von Calla aethiopica in der Regel nur
Spiralgefässe.
Ueber das Zellgewebe des Monocotylenstammes will ich nur wenige Worte beifügen. Es besteht aus gros-
sen, meistens dünnwandigen, doch auch häufig mit vielen Tüpfeln versehenen Zellen, welche Intercellulargänge
zwischen sich lassen und alle Uebergänge von der poly@drischen Form in die cylindrische zeigen. Diese Zellen
nehmen gegen die Oberfläche des Stammes hin einen geringeren Durchmesser an, womit Verdickung ihrer Wan-
dungen verbunden ist. Diese Verdickung geht bei vielen Monocotylen z, B. bei Arundo Donax, Ruscus Hypopiyl-
lum, Äsparagus offieinalis, Convaliaria Polygonatum , Lilium bulbiferum, Iris sibirica, Dioscorea villosa, Tumus Ele-
phantipes, Spargunium ramosum, Triglochin palustre, Alisma Plantago an der Stelle, wo die äussersten Gefäss-
bündel liegen, so weit, dass dadurch ein fester Ring um den Stamm gebildet wird. Wegen ihrer verdickten
\Wandungen, ihres engen Durchmessers und in die Länge gestreckten Form haben diese Zellen Aehnlichkeit mit
Bastzellen, man würde sich jedoch sehr irren, wenn man diesen Ring mit dem Baste der Dicotylen vergleichen
wollte, denn 4) giebt es manche Pflanzen z. B. Fritillaria imperialis, Tulipa gesneriana, bei welchen diese Zellen
weit und weniger diekwandig sind und einen deutlichen Uebergang zu den Parenchymzellen bilden, 2) ist dieser
Ring auf seiner innern Seite nicht scharf begrenzt, sondern geht allmählig in das Parenchym des Stammes über,
5) ist das Verhältniss zu den Gefässbündeln und Blättern ein ganz anderes, als das der Bastbündel der Dico-
tylen zu denselben, 4) zeigen viele krautartige Dicotylen diesen Ring und neben demselben noch Bastbündel.
Aus diesen Gründen ist es nicht zu billigen, wenn Lısx (Grundlehren 145. Elem. phil. bot. 140) diesen Ring
für Bast erklärt, eine Ansicht, welche auch Kırser (Phytot 72) ausspricht. Dieser Ring ist auf seiner äusseren
Seite sehr scharf abgeschnitten und von einem regelmässigen Parenchyme, welches ‚die Rinde vorstellt, umgeben.
Ich habe mich schon oben dahin ausgesprochen, dass die in den Gefässbündeln liegenden eigenen Gefässe
nicht zu dem Systeme der Milchsaftgefässe, in welchen bei Chelidorium, Asclepias, Euphorbia, Musa, Ficus u, 5. w-
der sogenannte Lebenssaft enthalten ist, zu rechnen seien, Es erhellt dieses daraus, dass die Lebenssaftgefässe
nicht an der Stelle vorkommen, an welcher bei den Monocotylen jene eigenen Gefässe liegen, indem die ersteren
in den Zwischenräumen des Zellgewebes, vorzugsweise in der Nähe der Gefässbündel, im Marke und in der Rinde,
meistens vereinzelt liegen. Hauptsächlich wird es aber dadurch bewiesen, dass es manche Monocotylen giebt,
in welchen diese beiden Arten von Gefässen unabhängig von einander, jedes an der ihm zukommenden Stelle,
vorkommen und dass in diesen Falle beide Arten von Gefässen einen ganz verschiedenen Saft führen. So ist
z. B. aus Morvexuawen’s Untersuchungen (Beiträge 134) bekannt, dass bei Musa in der Nähe der Gefässbündel
im Parenchyme Milchsaftgefässe liegen, deren Saft, wie der von Sambucus, eine rothe Farbe annimmt, und welche
auch von Schurrz als Lebenssaftgefässe anerkannt werden (Natur d. leb. Pfl. I. 557). Diese Gefässe unterschei-
den sich nun von den im Gefässbündel liegenden eigenen Gefässen durch die verschiedene Lage und durch die
rothe Färbung ihres Inhaltes, welche Farbe der Saft der eigenen Gefässe niemahls annimmt. Nicht weniger
deutlich unterscheiden sich bei Sagzttaria die im Gefässbündel liegenden eigenen Gefässe von den im Parenchyme
des Blüthenstiels und Blattstiels zerstreuten Milchsaftgefässen, indem die letzteren einen milchigen, die ersteren
einen sehr hellen Saft führen. Ebenso sind bei Alisma Plantago die mit Milchsaft gefüllten Gefässe von den Ge-
fässbündeln gänzlich getrennt.
Vergleichung des Gefässbündels der Palmen mit dem der Dicotylen.
Um den Zusammenhang der Organisation der Palmen mit der der Dicotylen in ein helleres Licht zu
setzen und um die Gründe näher anzugeben, aus welchen ich die verschiedenen Theile des Gefässbündels
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der Palmen mit dem Ausdrucke des Bastes und des Holzes bezeichnete, wird eine Vergleichung des Gefäss-
bündels der Palmen mit dem der Dieotylen nöthig, indem bei dem letzteren über die richtige Deutung seiner
Theile kein Zweifel stattfinden kann.
Bei den krautartigen Dieotylen stehen die Gefässbündel in einem Kreise und sind durch mehr oder
minder breite Streifen von Parenchymzellen von einander getrennt; als Beispiel hievon mag der Gefässbün-
del von Laserpitium aquilegifoltum dienen. Wir finden in demselben eine grosse Menge unregelmässig
vertheilter Gefässe, von welchen die grösseren nach aussen, die kleineren nach innen zu liegen; die äusseren
Gefässe sind poröse Röhren und Treppengänge, die hinteren Spiralgefässe. Das Zellzgewebe, in welches die
Gefässe eingesenkt sind, besteht aus dünnwandigen langgestreckten Zellen und nur in den äussersten Theilen
des Holzkörpers finden sich enge, diekwandige Zellen. Der hinterste Theil des Gefässbündels enthält eben-
falls diekwandige Zellen. Vor dem Gefässbündel liest ein Bündel von Bastzellen, weleher zu beiden Seiten
durch einen Fortsatz mit dem Holzbündel zusammenhänst; zwischen dem Holz und dem Baste liegt ein Bün-
del eigener Gefässe. Es erhellt hieraus, dass diese Gefässbündel durchaus denselben Bau, wie der Mono-
eotylenzefässbündel besitzen und es findet sich nur der Unterschied, dass sich der Holzkörper auf seiner äus-
sern Seite durch Anlagerung neuer Schichten allmählig mehr und mehr vergrössert. Ebenso ist das Ver-
hältniss des Gefässbündels zum umgebenden Parenchyme völlig dasselbe, wie wir es oben bei den mit einem
äussern Binge dickwandiger Zellen versehenen Monocotylen fanden. Die grossen dünnwandigen Parenchym-
zellen des Stammes, welche zwischen den Gefässbündeln breite, den Markstrahlen der Bäume entsprechende
Eortsätze zur Binde schicken, werden allmählig zwischen den vorderen Theilen der Gefässbündel diekwandig
und nähern sich in ihrer Form ziemlich den Bastzellen.
Untersuchen wir den jungen Trieb von Aristolochia Sipho, so werden wir auch hier eine grosse Aehn-
lichkeit der Gefässbündel mit denen der Dieotylen finden, indem der Holzkörper aus einem dünnwandizen
Parenehyme, dessen Zellen in keiner bestimmten Ordnung liegen, besteht. Im hintern Theile des Gefäss-
bündels finden sieh kleine Spiralgefässe, nach vorn zu grosse, punctirte Gefässe. Erst vor diesen grossen
Gefässen fanzen nun, wenn sieh bei weiterem Wachsthume der Holzkörper vergrössert, die Holzzellen an
sieh in regelmässige Reihen zu ordnen. Vor dem Holze liegt ein grosser Bündel eigener Gefässe, welche
sich durch ihre dünnen Wandungen und durch den Mangel an Chlorophylikörnern leicht vom Parenchym des
Stammes unterscheiden lassen. Vom Gefässbündel der Monocotylen unterscheidet sich dieser Gefässbündel
dadurch, dass der Bast nieht unmittelbar mit den Gefässbündeln in Verbindung steht, sondern die Bastbündel
unfereinander zu einer wellenförmigen Linie verwachsen und durch einige Zellgeweblagen von den eigenen
Gefässen getrennt sind. Den gleichen Bau finden wir beim Gefässbündel von Menispermum canadense.
Vergleichen wir den Gefässbündel der Monocotylen mit dem der dieotylen Bäume, so werden wir auch
hier eine grosse Aehnlichkeit finden, indem in dem hintern Theile des Holzes die Zellen dünnwandie sind und
ohne Ordnung liegen. Die kleinsten Gefässe liegen am weitesten nach hinten und sind Spiralgefässe, weiter
nach vorn liegen grössere Treppenzänge und auf diese folgen die grossen punetirten Gefässe. Erst vor
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diesen entwickelt sich der härtere Theil des Holzes, welcher aus dickwandigen, in regelmässigen Reihen lie-
senden Zellen und punctirten Gefässen besteht.
Es erhellt aus dem Gesagten aufs deutlichste:
1) dass der Gefässbündel der Monocotylen dieselbe Zusammensetzung zeigt, wie sie der Gefässbündel
der Dicotylen in seiner frühesten Jugend besitzt. ’
[}
I
Dass der Theil des Palmengefässbündels, welchen ich, ungeachtet er keine holzartige Festigkeit be-
sitzt, mit dem Ausdrucke des Holzes bezeichnete, auf das genaueste mit dem innersten Theile des
Holzkörpers der Dicotylen, welchem Hırz den Namen der Corona beilegte, entsprechen.
3) Dass ebenfalls bei manchen Dicotylen zwischen dem Baste und Holze ein Bündel eigener Gefässe
liegt; ausser den genannten Pflanzen kann man einen solchen bei Spiraea Ulmaria, Aruncus, Fu-
maria officinalis, Echinops, Mimosa pudica finden.
E
—
Dass der bei den Monocotylen vor diesem Bündel eigener Gefässe liegende , aus Prosenchymzellen
bestehende Theil nicht zudemHolze zu rechnen, sondern als der Bast dieser Pflanzen zu betrachten ist.
Als Unterschiede dieser Bildungen müssen dagegen genannt werden:
1) Dass bei den Dicotylen die Bildung des Gefässbündels mit der Entwicklung der Corona nicht ge-
schlossen ist, wie bei den Monocotylen.
2) Dass man bei den wenigsten Dicotylen zwischen Bast und Holz einen Bündel eigener Gefässe findet.
3) Dass bei den meisten Dicotylen der Bastbündel von dem Holzbündel durch einige Zellenlagen getrennt
ist, dass er nicht an verschiedenen Stellen des Gefässbündels so verschiedene Entwicklungsgrade
zeigt und dass er niemahls eine so bedeutende Härte und Grösse erreicht, wie bei vielen Monocotylen.
Es ist oben darauf aufmerksam gemacht worden, dass bei manchen Monocotylen sich ausser den eigenen
Gefässen noch Milchsaftgefässe finden, ein gleiches findet bei manchen Dicotylen statt z. B. bei den Umbelliferen,
wo neben den im Holzbündel liegenden eigenen Gefässen noch im Marke und in der Rinde Milchsaft führende
Gefässe liegen, wie denn überhaupt die Milchsaftgefässe der Dicotylen z. B. bei Euphorbia, Aselepias, Morus,
Icer, Sambucus beinahe nie im Gefässbündel selbst, sondern nur in seiner Nähe in der Rinde und im Marke
liegen (vrgl. Berswarnı über Pflanzengefässe 55, Tarvıranus Beiträge 44, Moıpesuawer 126).
Vergleichung des Palmenstammes mit dem Stamme der Dicotylen.
So lange man an die Richtigkeit der Desroxtame’schen Theorie, dass die jüngeren Gefässbündel des.
Palmenstammes im Centrum entstehen, elaubt, kann man keine Parallele zwischen dem Stamme der Palmen
und der Dicotylen ziehen, da diese Stämme in jeder Beziehung blos Unterschiede, aber keine Aehnlichkeit
zeigen würden. Nun aber, da der Verlauf der Gefässbündel ein ganz anderer ist, als bisher angenommen
wurde, und da ihr Bau völlig mit dem Bau der Gefässbündel der Dicotylen übereinstimmt, scheint mir eine
Vergleichung zwischen den Stämmen dieser zwei grossen Pflanzenclassen auf eine sehr ungezwungene Weise
angestellt werden zu können.
Obgleich auf dem Querschnitt eines Palmenstammes die zu jedem einzelnen Blatte gehörenden Gefäss-
bündel nicht von den übrigen unterschieden werden können, da die Lage in concentrischen Kreisen (welche
8
wegen des gleichen Verlaufes, welchen alle zu demselben Blatte gehenden Gefässbündel zeigen, denselben
zukommen sollte) mannigfach gestört ist, so können wir uns doch die zu jedem Blatte gehenden Gefässbündel
in eine röhrenförmige Schichte vereinigt denken. Diese Röhre ist jedoch nicht eylindrisch, sondern bildet
einen langen Conus. So lange das Blatt, welches von diesen Gefässbündeln versehen wird, das oberste ist,
so lange bildet die aus seinen Gefässbündeln bestehende, conische Röhre die äussersteSchichte des Stammes.
Wenn sich aber ein neues höheres Blatt entwickelt, so bilden die zu diesem Blatte gehenden Gefässbündel
eine neue Schichte, welche sich auf der äussern Seite der letzten Schichte entwickelt. Da nun aber die
Spitzen dieser kegelförmigen Schichten nicht geschlossen sind, sondern da die Gefässbündel, aus denen sie
bestehen, von dem Centrum des Stammes wieder auswärts laufen, um in die Blätter zu gelangen, so entsteht
dadurch die oben beschriebene Kreuzung, welche zwischen den in ein Blatt austretenden und allen späteren
zu jüngeren Blättern verlaufenden Gefässbündeln stattfindet.
Vergleichen wir hiemit die Bildung des einjährigen Astes eines dicotylen Baumes, über welche wir Du
Prrir - Tuovars (Histoire d’un morceau de bois) treffliche Untersuchungen verdanken, so werden wir einen
sehr ähnlichen Verlauf der Gefässhündel treffen. Es treten nämlich die zu den untersten Blättern desselben
verlaufenden Gefässbündel, welche im untersten Theile des Astes die Corona gebildet haben und welche wir
durch A bezeichnen wollen, in einem Bogen in das Blatt auswärts und es liegen die Gefässbündel, welche die
nächsten höher gelegenen Blätter versehen (B), mit ihrem untern Theile auf der äussern Seite der Gefäss-
bündel A bis zu der Stelle, wo sich die letztern in das Blatt auswärts biegen und bilden alsdann den höher
oben gelegenen Theil der Corona, bis auch sie in das Blatt auswärts treten. Wir sehen also, dass der Ver-
lauf der Gefässbündel in dem Palmenstamme und in dem einjährigen Aste der Dicotylen völlig derselbe ist
und dass die Vorstellung einer verschiedenen Vegetationsweise derselben und eine hierauf begründete Ab-
theilung der Gewächse in Endogenen und Exogenen völlig naturwidrig ist.
Den Bau des einjährigen Astes der Dicotylen fand ich immer so, wie ich ihn bier beschrieben, ich kann
daher der Beschreibung, welche Scuweısser (Beobacht. auf naturhist. Reisen. 107) gab, nach welcher bei den
Dicotylen die oberen Blätter von den inneren, die unteren von den äusseren Gefässbündeln versehen werden,
nicht beistimmen.
_ Wir dürfen ungeachtet jener Aehnlichkeit nicht übersehen, dass in der Organisation und im Wachsthume
der Dieotylen und Monocotylen noch sehr bedeutende Verschiedenheiten stattfinden. Bei dem einjährigen
Dicotylenstamme sind die zu den höheren Blättern gehenden Gefässbündel mit ihrem untern Theile zwischen
den Bast und das Holz der älteren eingeschoben. Es verwächst hiebei das Holz der jüngeren mit dem der
älteren, während in vielen Fällen die Bastbündel derselben isolirt bleiben. Hiedurch wird das Holz am un-
tern Ende des Stammes dicker und der ganze Stamm erhält eine conische Form. . Bei den Palmen dagegen,
in deren Gefässbündel der Bast und das Holz in der innigsten Verbindung stehen, sind die unteren Theile
der jüngeren Gefässbündel niemahls zwischen das Holz und den Bast der älteren eingeschoben, sondern lie-
gen isolirt im Zellgewebe des Stammes, der Peripherie desselben näher, als die älteren Bündel. Desshalb
zeigt auch weder der Bast noch das Holz der älteren Bündel eine Anlagerung von neuen Theilen, sondern
sie verharren für immer auf der Entwicklungsstufe, die sie bei ihrer ersten Ausbildung erreicht haben.
0
»m
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Dass bei den Monocotylen die Gefässbündel sich nicht seitlich unter einander zu einem Netze verbinden, wie
bei den Dicotylen, dürfen wir nicht als einen durchgreifenden Unterschied betrachten, da sich auf der einen Seite
bei Dracaena, Aletris u. s. w. die Faserbündel der äusseren Schichte auf diese Weise unter einander verbinden
und auf der andern Seite bei einem Theile der krautartigen und selbst auch bei manchen holzartigen Dicotylen z.B.
bei Rosa, Rubus diese seitlichen Verbindungen der Gefässbündel fehlen.
Die Erscheinung, dass der Palmenstamm nur wenig in die Dicke wächst, welche auf den ersten Anblick
eine grosse Verschiedenheit seines Wachsthumes von dem der Dicotylen anzuzeigen scheint, erklärt sich
leicht aus der geringen Dicke des unteren Theiles seiner Gefässbündel. Dass derselbe gar nicht in die Dieke
wachse, ist nicht vollkommen richtig, indem derselbe allerdings ein schwaches Wachsthum in die Dicke zeigt;
diese Vergrösserung des Durchmessers findet bei manchen Palmen, z.B. bei Areca oleracea, Iriartea ven-
tricosa nicht sowohl am untersten Ende des Stammes, als vielmehr höher oben am Stamme statt, wodurch
dieser eine spindelförmige Gestalt erhält. Da der untere Theil der Gefässbündel nicht dicker, als ein Haar
ist, so wird begreiflich, wie Mansende derselben unter der Rinde des Stammes sich bilden können, ohne dass
der Durchmesser desselben um mehr als einen Zoll zuzunehmen braucht, was ein so geringes Wachsthum
ist, dass es ganz übersehen wird.
Dass die Faserbündel bei Dracaena sich stärker entwickeln und dass alsdann der Stamm wie bei den
Dicotylen in die Dicke wachse, habe ich schon oben berührt. Es erhellt aus dem Umstande, dass diese in
der äusseren Schichte liegenden Bündel von Dracaena nichts anderes, als die unteren Endigungen der Ge-
fässbündel des Stammes sind, auf das deutlichste, dass man das Wachsthum und die Entwicklung derselben
nicht als verschieden von dem Wachsthume der Spitze und des Centrums betrachten darf und dass die Vor-
stellung eines doppelten Wachsthumes, welche MırseL (Annal. du Museum XIN. 67) bei Dracaena, Yucca,
Aloe, Ruscus, Smilax, Dioscorea, Tamus zu finden glaubte, nicht weniger unrichtig ist, als die Vorstellung
der centralen Vegetation, welche man allgemein den Monocotylen zuschreibt.
Anm. 4. Ich habe schon oben berührt, dass bereits MoLpennawer sich gegen die Richtigkeit der Ansicht
von Desrontaıses ausgesprochen habe. Morpennawer unterschied auf dieselbe Weise, wie es oben geschehen
ist, an jedem Gefässbündel von Zea Mays und Bambusa, an welchen Pflanzen er hauptsächlich seine Untersuchun-
gen anstellte, Bast, eigene Gefässe und Holz, auch fand er, dass bei den Gräsern und Palmen die jüngeren
Blätter von den äusseren, die älteren von den inneren Gefässbündeln versehen werden (Beiträge p. 50).
Soweit stimmen also unsere Untersuchungen vollkommen überein; sie weichen dagegen in Hinsicht auf die
gefässlosen Faserbündel und auf die Entstehung des Holzes in manchen Puncten von einander ab, wovon ohne
Zweifel der Grund darin liegt, dass MorLpexuawer versäumte, denselben Gefässbündel an verschiedenen Stellen
seines Verlaufes zu untersuchen, wesshalb ihm die Veränderungen seiner Form und seines Baues unbekannt blie-
ben. Morpesuawer giebt nämlich an, dass sowohl bei den Gräsern als bei den Palmen sich unter der Rinde
gefässlose Faserbündel bilden, und glaubt, dass kurze Zeit nach ihrer Bildung sich auf der innern Seite derselben
eigene Gefässe und später der Holzkörper anlegen und dass auf diese Weise der gefässlose Faserbündel zum
Gefässbündel werde. Diesen Vorgang kann ich nicht bestätigen, indem der Uebergang des gefässlosen Faserbün-
dels in den Gefässbündel nur ein räumlicher ist, sich aber nicht auf die Entwicklung desselben bezieht; es bleibt
der untere Theil eines jeden Gefässbündels für immer im Zustande eines gefässlosen Bündels von Prosenchym-
zellen, während der obere Theil desselben auch in seiner früheren Jugend nicht unter der Form eines Bastbün-
dels erscheint, sondern schon zu einer Zeit, in welcher er noch von gallertartiger Weichheit ist, die Anlage zu
allen den Theilen, die er später enthält, in demselben erkennbar ist.
Morpexuawer giebt ferner an, dass bei den Palmen, ausserdem, dass jeder Gefässbündel seinen eigenen Bast
— 15 —
besitze, noch ein allgemeiner Bast vorhanden sei, welcher unter der Rinde liege (l.c. p.56); es finde sich näm-
lich bei Phoenix und andern Palmen zwischen der Holzlage und der Rinde eine Scheidungslinie, von welcher ein-
wärts sich diejenigen Faserbündel entwickeln, welche sich in Gefässbündel verwandeln, ausserhalb derselben
hingegen diejenigen, welche nur fibrose Zellen enthalten, welche letztere dem Baste der Bäume zu vergleichen
seien. Dieser Ansicht scheint allerdings eine richtig beobachtete Thatsache zu Grunde zu liegen. Ich habe schon
oben bemerkt, dass bei vielen Palmen, besonders bei den cocosartigen Stämmen die Rinde sich allmählig und
auf eine unregelmässige Weise dadurch verdickt, dass grössere oder kleinere Parthien des Zellgewebes, in welche
die fibrosen Bündel eingesenkt sind, dicke Wandungen bekommen und einen festen, wie es scheint, todten Ueber-
zug bilden. Bei dieser Veränderung des äussern Theiles der Faserlage können sich nun die neu sich bildenden
Fasern nicht auf der äussern Seite der älteren entwickeln, sie müssen daher im Innern der Faserlage entstehen
und es kann auf diese Weise die Sache Aehnlichkeit mit der Bastbildung der Dicotylen erhalten. Es kommt
aber ausserdem noch ein zweiter Umstand in Betracht, welcher noch leichter Veranlassung dazu geben könnte,
die Morpenwawer’sche Ansicht, dass die Palmen einen allgemeinen Bast besitzen, wahrscheinlich zu machen.
Bei denjenigen Arten nämlich, bei welchen die äussere Faserlage sehr dick ist, wie bei Cocos, findet man bei
Verfolgung ihrer gefässlosen Faserbündel, dass nicht alle in das Innere des Stammes eintreten und sich in Ge-
fässbündel verwandeln, sondern dass ein Theil derselben unmittelbar in den Blattstiel übergeht. Da aber diese
Faserbündel sich im Blattstiele ebenfalls in Gefässbündel verwandeln, so können sie nicht als Bastbündel, die
dem Baste der Dicotylen entsprechen, betrachtet werden.
Anm. 2. Es muss noch ein Umstand berührt werden, welcher bei manchen Palmen vorkommt und auf den
ersten Blick mit der oben auseinandergesezten Theorie ihres Wachsthums nicht zu harmoniren scheint. Man findet
nämlich bei mehreren Palmen, dass ihre gefässlosen Faserbündelchen nicht sämmtlich zwischen der Rinde und
den entwickelten Gefässbündeln liegen, sondern dass auch einzelne derselben zwischen den Gefässbündeln des
Stammes zerstreut gefunden werden z. B. bei Astrocaryum vulgare, Cocos bo!ryophora, coronata, Leopoldinia
pulchra, Diese Abweichung traf ich hauptsächlich nur bei den cocosartigen Stämmen, bei den übrigen nur in
seltenen Fällen. Es finden sich daher diese Fasern nur in solchen Stämmen, welche eine sehr reichlich mit Fa-
sern versehene Faserlage und sehr viele Gefässbündel besitzen. Es ist daher wahrscheinlich, dass bei der
grossen Masse enge gedrängter Bündel, welche diese Stämme erfüllen, leicht Umstände eintreten, welche die
neu sich bildenden Fasern hindern, sich an der normalen Stelle zu entwickeln und die Entstehung derselben an
ungewöhnlichen Orten veranlassen. Es scheinen auch diese zerstreut vorkommenden Fasern nicht in allen Exem-
plaren derselben Art vorzukommen, wenigstens waren sie in einem Stamme von Leopoldinia pulchra sehr häufig,
während sie in einem zweiten völlig fehlten, was offenbar beweist, dass zufällige Ursachen zu ihrer Entstehung
Veranlassung geben.
Anm. 3. Noch weit mehr als Morpenuawer verfiel Mırser bei seinen Untersuchungen über die Entwick-
lungsgeschichte der Gefässbündel der Monocotylen in Irrthum. Er giebt an (Annal. d. Museum. XII. 69), es
werde jeder Gefässbündel bei seiner Entstehung nur aus einem Bündel grosser Röhren (netzförmiger Gefässe)
gebildet, allmählig soll sich um diese ein Gewebe von feinen Röhren bilden, unter welchen das Zellgewebe des
Holzes, die Spiralgefässe, Ringgefässe, die eigenen Gefässe und der Bastbündel verstanden werden, welche Theile
nicht unterschieden werden. Die Membran dieser Röhren soll sich nun allmählig so verdicken, dass zuletzt ibre
Höhlung ausgefüllt werde.
Anm. 4. Eine von der meinigen ganz abweichende Deutung der verschiedenen Theile des Palmengefässbün-
dels giebt Anıcır in einer Beschreibung des Gefässbündels von Calamus (Annal. d. se. natur. II. 229 - 256). Anıcı
hält die Holzzellen für Baströhren, die Baströhren für eigene Gefässe, die eigenen Gefässe erkennt er zwar als
dünnwandige, nicht poröse Röhren, lässt es aber unbestimmt, zu welcher Art von Organen sie gehören. Noch
ınehr weicht die von Kızrser (Phytot. 121. Tab. II. fig. 29) von den Gefässbündeln von Calumus gegebene Be-
schreibung und Abbildung von der Wahrheit ab, indem die Bast- und Holzschichte gar nicht unterschieden und
die eigenen Gefässe für Spiralgefässe gehalten werden.
Anm. 5. Man wird mir gerne erlassen, die Ansichten von Lesrısoupoıs näher auseinander zu setzen; er
glaubt, der Palmenstamm sei mit der Rinde der Dicotylen zu vergleichen, es fehle ihm jede Analogie von Holz
und Mark (Prineipes de botanique 149 —158). Es beweist dieses hinreichend, wie fremd ihm die feinere Ana-
tomie der Pflanzen ist.
20*
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Von der Wurzel der Palmen.
Form der Wurzel.
Der erwachsene Palmenstamm ist niemahls mit einer Pfahlwurzel versehen, sondern sein unterer, wie
eine Zwiebel zugerundeter Theil ist mit einer Menge faserförmiger, ästiger Wurzeln besetzt. Diese Wurzeln
sind immer dünn, nicht sehr lang, auf eine unregelmässige Weise mit dünnen Seitenzweigen besetzt, cylin-
drisch, am Ende stumpf zugespitzt, in der Jugend weiss, später bräunlich. Ihre jungen Triebe sind mit
feinen Haaren bedeckt; zuweilen finden sich an der Wurzel kurze, stachelförmige Erhabenheiten, welche von
abortirenden Seitenzweigen herrühren. Die keimende Palme besitzt eine Pfahlwurzel, diese erreicht aber
keine bedeutende Grösse. Kurze Zeit nach der Keimung entwickeln sich aus der Basis des Stammes Seiten-
wurzeln, die Pfahlwurzel geht zu Grunde und nach einiger Zeit sterben auch die ersten Seitenwurzeln ab
und werden durch neue Wurzeln ersetzt, welche oberhalb der früheren in einem Kreise entspringen. Dieser
Vorgang wiederholt sich auf analoge Weise, wie bei den Zwiebelgewächsen. Obgleich die Wurzeln sehr nahe
an einander gedrängt entspringen, so ist doch bald der unter der Erde befindliche Theil des Stammes ganz
mit Wurzeln besetzt und die neuen entspringen nun, wie bei Pandanus über der Erde; auf diese Weise ge-
schieht es oft, dass der Stamm frei über der Erde, blos von den Wurzeln getragen, dasteht z. B. bei Iri-
artea exzorhiza.
Die Bildung und erste Entwicklung der Wurzeln geschieht im Innern des Stammes zwischen der Faser-
lage und den entwickelten Gefässbündeln desselben. An dieser Stelle bildet sich ein Kern von Zellgewebe
(eine wahre Knospe), welcher sich zur Wurzel gestaltet und die Rinde durchbricht. Solche Knospen zu
künftigen Wurzeln kann man in bedeutender Menge auf der Strecke von einigen Zollen oberhalb des jüngsten
Wurzelkreises finden, wenn man die Rinde und die Faserlage bis auf die Gefässbündel hinwegschneidet.
Anatomische Untersuchung der Wurzel.
Die Palmenwurzel besteht aus zwei deutlich gesonderten Schichten, aus einer äusseren, lockeren und
schwammigen Rindensubstanz und einem zähen holzartigen Centralbündel.
Die Rindensubstanz ist von einer pergamentartigen Haut überzogen; unter dieser liegt eine weisse,
schwammige Masse, in welcher bei einigen Arten bastartige Fasern liegen, welche bei anderen vollkommen
fehlen. Gegen die Wurzelspitze hin und in den jungen Seitenwurzeln ist diese Rindenlage saftig und com-
pact; in den älteren Theilen der Wurzel ist sie oft halb trocken und.lockerer. Der Centralbündel ist aus
einer compacten, holzartigen Substanz gebildet, welche sich nicht, wie das Holz des Stamms, in einzelne ge-
trennte Bündel theilen lässt. Der Centralbündel der Seitenwurzeln ist mit dem der Hauptwurzeln unmittelbar
verbunden.
Verfolgt man eine Wurzel rückwärts in den Stamm, so findet man, dass bei ihrem Eintritt in die Rin-
denschichte des letzteren die Wurzelrinde bedeutend an Dicke abnimmt und nach einer kurzen Strecke ver-
schwindet, indem sie mit dem Zellgewebe des Stamms verschmilzt. Der Centralbündel dagegen durchdringt
— 17 —
die Faserlage des Stamms und breitet sich auf der äusseren Schichte der Holzbündel desselben in Form einer
Scheibe aus. Schon auf seinem Wege durch die Faserlage fängt er an, in mehrere durch dünne Zellgeweb-
lagen getrennte Bündel zu zerfallen; wie er auf der Holzschichte des Stamms ankommt, so theilt er sich in
eine grosse Menge feiner, fadenförmiger Bündel, welche sternförmig nach allen Seiten auseinanderlaufen und
sich zwischen den Gefässbündeln des Stamms durchschlängelnd in das Innere desselben eintreten. Man kann
sie nicht tiefer, als etwa !/a Zoll weit zwischen den Holzbündeln verfolgen, weil dieselben sich immer feiner
vertheilen und sich an die Gefässbündel des Stammes anschliessen und daselbst endigen.
Ausser diesem Zusammenhange mit dem Innern des Stammes hängt die Wurzel auch noch mittelst ihres
Rindenkörpers mit der Faserlage des Stammes zusammen. Es dringt nämlich in den Rindenkörper einer
jeden Wurzel ein Theil der gefässlosen Faserbündel des Stammes ein; bei einigen Wurzeln, wie bei denen
von Cocos, Phoenix laufen diese Faserbündelehen in der Wurzel noch eine längere Strecke weit fort und
verlieren sich dann allmählig, bei anderen, wie bei Diplothemium maritimum, Sabal Adansonit verlieren
sie sich gleich im Anfange der Wurzel. :
Auch bei Dracaena Draco beobachtete ich, dass die äussere, fibrose, feste Schichte des aldi War-
zeln eindrang, eine Strecke weit in diesen sich fortsetzte und um ihren Centralkörper eine Scheide bildete, welche
auf der gegen die Oberfläche der Erde gewendeten Seite der Wurzel weit stärker und länger war, als auf der
unteren. Diese Faserlage verdünnte sich allmählig und verlor sich nach der Strecke von einigen Zollen völlig. Es
erhellt hieraus, dass die Meinung von Du Perır - Trovars, es seien die Wurzeln aus den von den Blättern und
Knospen abwärts laufenden Fasern gebildet, durchaus unrichtig ist.
Die Wurzeln der verschiedenen Palmen besitzen eine sehr ähnliche Organisation. Die von Diplothe-
mium maritimum mag als Beispiel dienen. Auf dem Querschnitte sieht man, dass im Centralbündel alle
Gefässe gegen die Peripherie hin liegen und die Mitte desselben nur aus Zellen gebildet ist. Die Gefässe
sind beständig auf die Weise angelagert, dass die grössten dem Centrum, die kleinsten der Peripherie näher
liegen; es findet also das entgegengesetzte Verhältniss von dem, welches wir im Stamme gefunden haben,
statt. Die Gefässe liegen nicht wie in den Gefässbündeln des Stammes unregelmässig zerstreut und verein-
zelt, sondern in Reihen, welche vom Centrum gegen die Peripherie hin gerichtet sind und häufig sind diese
Reihen nach aussen zu in zwei divergirende Schenkel gespalten. Die grössten dieser Gefässe zeigen die
Form von netzförmigen Gefässen und bestehen aus ziemlich kurzen Schläuchen, welche an ihren Enden netz-
förmig durchbrochene Scheidewände besitzen. Auch die kleinen, nach aussen liegenden Gefässe zeigen die
Form von porösen Röhren und Treppengängen. In Hinsicht auf die Zeit ihrer Entwicklung stimmen die
letzteren mit den Spiralgefässen der Gefässbündel des Stammes überein, indem sie schon zu einer Zeit voll-
ständig ausgebildet sind, in welcher die grossen Gefässe noch als dünnwandige,, faserlose Schläuche erschei-
nen und die Zellen der Wurzel noch äusserst zarte Membranen besitzen. Die Gefässe sind von etwas dick-
wandigen, lang gestreckten, mit horizontalen Scheidewänden versehenen Zellen umgeben. Es zeigen jedoch
nur die den Gefässen zunächst gelegenen Zellen diese horizontalen Scheidewände und es gehen dieselben in
den Zwischenräumen zwischen den Gefässen und in dem von den Gefässen umschlossenen mittleren Raume
in prosenchymatose Zellen über, welche sich im Centrum des Gefässbündels wieder in langgestreckte Par-
— 158 —
enchymzellen umwandeln und ein Analogon von Mark bilden. Der ganze Centralkörper wird an seiner Peri-
pherie von einigen Lagen parenchymatoser, dünnwandiger Zellen umgeben, auf welche eine Reihe von
engen, gestreckten, dickwandigen Zellen folgt.
Zwischen je zwei Gruppen von Gefässen liegt ein Bündel eigener Gefässe; dieser richtet sich in seiner
Grösse nach der Länge der zu seinen Seiten liegenden Gefässreihen, indem zwischen den kurzen Reihen nur
ein kleiner rundlicher Bündel liegt, während sich die zwischen den langen Reihen liegenden tief gegen das
Centrum der Wurzel hinein erstrecken. Die Anordnung der eigenen Gefässe ist immer der Art, dass die
nach innen zu liegenden sehr weit, die äusseren sehr enge sind; die engeren und weiteren sind nicht, wie
im Stamme, untereinandergemengt. Die Membranen dieser Gefässe sind immer dünn, nicht selten fein punctirt,
was auch zuweilen bei denen des Stamms von T’amus Elephantipes vorkommt. Es bestehen sowohl die
weiten als engen aus geschlossenen, verlängerten, mit horizontalen oder diasonalen Scheidewänden versehe-
nen Schläuchen; sie enthalten wie im Stamme einen opaken, körnigen Saft.
Die Rindensubstanz besteht dem grössten Theile nach aus regelmässigen, dünnwandigen, mit Inter-
cellulargängen versehenen Parenchymzellen. Die in der Nähe des Gefässbündels liegenden Zellen haben
keine Intercellulargänge zwischen sich und sind etwas in die Breite gezogen. Gegen die Oberfläche der
Rinde zu verschwinden die Intercellulargänge ebenfalls, die Zellen werden länger, die äusseren werden zugleich
dickwandiger und enger und bilden die oben beschriebene lederartigeHaut. Die Epidermis besteht aus nicht
in die Länge gezogenen, warzenförmig hervorstehenden Zellen. In der jüngern Wurzel ist die Rinde com-
pact; bald treten aber mit der grösseren Ausdehnung der Rinde in die Dicke und Abnahme ihrer Säfte an
einzelnen grösseren oder kleineren, unregelmässig vertheilten Stellen die Zellen auseinander und bilden so
unregelmässig vertheilte, mit Luft gefüllte Lücken. Die den Centralkörper zunächst umgebenden Zellen ent-
halten auf ihrer innern Seite querlaufende, faserförmige Verdiekungen, wie viele Antherenzellen. Einzelne
ohne Ordnung in der Rinde zerstreute Zellen enthalten Raphiden.
Die Seitenwurzeln entspringen auf ähnliche Weise aus den grösseren Wurzeln, wie diese aus dem
Stamme. Es bildet sich nämlich zwischen Rinde und Centralkörper der Hauptwurzel ein Kern von Zellge-
webe und in diesem entwickeln sich rosenkranzförmige Gefässe. Bei weiterer Vergrösserung durchbricht
später dieser Kern die Rinde der Wurzel und erscheint als ein Zweig der letztern. Die rosenkranzförmigen
Gefässe dringen in den Centralkörper der Wurzel ein, verlaufen in den verschiedensten Richtungen in dem
zwischen den Gefässen liegenden Zellgewebe und legen sich zuletzt an die Seiten der grossen Gefässe an.
In der Seitenwurzel selbst verlängern sich die Gefässschläuche immer mehr und mehr und bilden mit einem
Theile des Zellgewebes, welchen sie einschliessen und mit den langgestreckten Zellen, von welchen sie umgeben
sind, den Centralkörper des Wurzelastes. Die äusserste Schichte dieser langgestreckten Zellen fliesst mit
den dickwandigen, den Centralkörper der Hauptwurzel umgebenden Zellen zusammen, während die mittle-
ren, markartigen Zellen der Seitenwurzel mit dem unter jenen langgestreckten Zellen liegenden Parenchyme
vereinigt sind. Die Rinde der Seitenwurzel ist zwar durch ihre Epidermis und durch ihre äussere Lage lang-
gestreckter Zellen auf dem grössten Theile ihres Verlaufes durch die Rinde der Hauptwurzel von dieser ge-
.
) ie
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irennt, mit den inneren Schichten der Rinde der Hauptwurzel fliessen aber sowohl die langgestreckten als die
parenchymatosen Zellen der Rinde der Seitenwurzel zusammen.
Auf eine ganz analoge Weise erfolgt die Vereinigung der Wurzel mit dem Stamme, indem sich auch
hier bei der Auflösung des Centralkörpers in einzelne Fasern seine Gefässe in eine grosse Anzahl feiner,
rosenkranzförmiser Gefässe vertheilen. Die in den Stamm eindringenden Fasern sind zwar ihrem grössten
Theile nach aus diesen rosenkranzförmigen Gefässen gebildet, sie zeigen aber dennoch eine ziemlich ähnliche
Orzanisation, wie die Gefässbündel des Stamms, indem diese Gefässe von Zellgewebe umgeben sind, auf
ihrer äussern Seite sich ein kleiner Bastbündel anlest und ihre eigenen Gefässe sich zwischen diesem Bast-
bündel und dem Holze finden.
Den beschriebenen Bau fand ich bei den Wurzeln einer ziemlichen Anzahl von Palmen vollkommen gleich,
wie sich dieses auch nicht anders erwarten lässt, da die angegebene Bildung beinahe ebenso allgemein den Wur-
zeln der Wonoeotylen zukommt, als die oben beschriebene Bildung der Gefässbündel ihren Stämmen
Obne Ausnahme ist jedoeh diese Bildung nicht. Schon oben berührte ich, dass in dem obern Theile mancher
Falmenwurzeln z. B. von Phoenir, Cocos in der Rinde Faserbündel zerstreut sind, von welchen bei andern sich
keine Spur findet. Bedeutendere Abweiehungen zeigt dagegen die ziemlich dieke Wurzel von lriartea exorkiza.
Auf dem Querschnitie derselben erscheint dem blossen Auge ein von einer braunen Linie gebildeter Stern mit
stumpfen, meist zweispaltigen Strahlen. Unter dem Mikroskope sieht man, dass dieser Stern von gedrängten
Gefässbündeln gebildet wird. Ausser diesen kommen noch einzelne im Wittelpunete des Sterns zerstreut liegende
Gefässbündel vor, ein Centralstrang dagegen, wie in den andern Palmenwurzeln fehlt. Die Gefässbündel haben
eimen von den Gefässbündeln des Stamms völlig abweichenden Bau, indem die relative Lage ihrer organischen
Systeme eine ganz andere ist. Der Bastbündel ist nämlich gegen das Centrum der Wurzel gewendet und um-
giebt bei einigen in der Mitte der Wurzel liegenden Gefässbündeln den Holzkörper ringsum. Die Baströhren sind
in den äussern Bündeln diekwandiger und in grösserer Menge vorhanden, als bei den in der Mitte gelegenen.
Der Holzkörper besitzt ein, in selteneren Fällen 2—35 grosse Gefässe, die in den äusseren Bündeln as — tm,
in den innern !/ı- — #1, im Durchmesser haben. Sie bestehen aus ziemlich langen Schläuchen, sind theils mit
horizontalen Scheidewänden versehen, theils entbehren sie derselben, ihre Wandungen sind mit kleinen, in Länge-
reihen stehenden Tüpfeln bedeckt; wo zwei Gefässe aneinander liegen, haben sie die Form von Treppengängen.
Sie sind nur von 1—2 Reihen von Parenchymzellen umgeben. Dieser Holzkörper steht an seiner äusseren Seite
mit dem Parenchyme der Wurzel in Berührung. Die Bündel eigener Gefässe, deren jeder Gefässbündel eine
bis zwei Gruppen enthält, bestehen wie im Stamme aus untereinander gemensten engen und weiten Röhren. Es
lesen dieselben nicht zwischen dem Holze und Baste, sondern in den meisten Fällen auf der äussern Seite der
Bastlage halb in dieselbe eingesenkt; bei den innern Gefässbündeln sind die eigenen Gefässe zuweilen auch völlig
von den Baströhren umgehen Die äusseren Gefässbündel fliessen oft zu zweien zusammen, wo alsdann der zu-
sammengesetzte Bündel vier Gruppen eigener Gefässe oder häufig auch nur drei (wegen Zusammenfliessens von
zweien) besitzt.
Das Parenchym der Wurzel besteht aus dünnwandigen, etwas verlängerten, punetirten Parenchymzellen,
welche an vielen Stellen unregelmässige Lücken zwischen sich lassen. Um den von den Gefässbündeln gebildeten
Stern, einige Zellenreihen von ihm getrennt, verlauft eine dunklere Linie, welche durch etwas diekwandigere Zellen
gebildet wird. Durch die ganze Wurzel zerstreut, in besonderer Menge in ihren äussern Schichten angehäuft,
hezen gefässlose Faserbündel, von denen die äusseren oft zusammenfliessen und aus diekwandigen Prosenchym-
zellen bestehen; in den weiter einwärtsgelegenen finden sieh in ihrer Mitte ein bis zwei dünnwandige Zellen,
welche wahrscheinlich zum Systeme der eigenen Gefässe gehören. Ueber den Zusammenhang dieser Faserbündel
mit dem Stamme kann ieh niehts angeben, da ich den letztern zu untersuchen keine Gelegenheit hatte. Diese
Wurzeln von Iriartea sind mit kurzen Dornen besetzt, welche von abertirenden Seitenzweigen herrühren und
ihren Ursprung auf den Gefässbündeln der Hauptwurzeln nehmen.
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So verschieden auch diese Wurzel von denen der andern Palmen zu sein scheint, so ist doch deutlich, dass
ihre Organisation in vielen Beziehungen mit den letzteren übereinstimmt, indem die meisten Unterschiede, durch
welche sich die Gefässbündel der Wurzel von denen des Stamms unterscheiden, der Wurzel von Jriartea eben-
so gut, als den Wurzeln der übrigen Palmen zukommen. Der umgekehrten Lage, welche die Gefässbündel der
Wurzel von Iriartea zeigen, entspricht nämlich in den übrigen Palmenwurzeln der Umstand, dass die hinter
den Gefässen derselben liegenden Zellen ebenfalls die Form von Prosenchymzellen besitzen. Bei beiden Abarten
der Wurzel liegen ferner die grossen Gefässe nach innen, die kleinen nach aussen, bei beiden bilden die eigenen
Gefässe besondere, nicht zwischen Holz und Bast eingeschlossene Bündel.
Anhang.
Es wird wohl nicht unpassend sein, der voranstehenden Beschreibung des Palmenstammes eine kurze
Darstellung der Arbeiten, welche seit jener Zeit über diesen Gegenstand erschienen sind, folgen zu lassen !).
Vor allem ist die scharfsinnige Schrift Mexeenınr's (ricerche sulla struttura de] caule nelle piante mono-
cotiledoni. Padova. 1836) zu nennen, in welcher der Bau des Monocotylenstammes in seinen verschiedenen
Formen verfolgt und mit grosser Klarheit beschrieben wird. So weit sich diese Darstellung auf die baum-
förmigen Monocotylen bezieht, möchten wohl folgende Puncte im Gegensatze gegen meine Beschreibung des
Palmenstammes hervorzuheben sein. Menzeumnı, welcher in seiner Beschreibung des Verlaufes der Gefäss-
bündel dieselben, wie ich, von oben nach unten verfolgt, widmet den Veränderungen, welche ihre Lage
während der Entwicklung der Terminalknospe zum Stamme erfährt, eine besondere Aufmerksamkeit und legt
in dieser Beziehung einen vorzüglichen Werth auf den Umstand, dass, so lange die Blätter noch in der
Knospe eingeschlossen sind, von ihren Gefässbündeln nur der Theil vorhanden ist, welcher beim erwachsenen
Gefässbündel von der Mitte des Stammes nach unten und aussen verlauft und dass der obere Theil derselben
erst mit der Entwicklung der Knospe zum Stamme und mit dem Heraustreten der Blätter aus dem Centrum
der Knospe auf die Seitenfläche des Stammes zur Entwicklung kommt. Von diesem Heraustreten des Blattes
aus dem Centrum der Knospe wird die Biegung der Gefässbündel im Centrum des Stammes und der nach
auswärts gerichtete Verlauf des obern Theiles des Gefässbündels abgeleitet. Vorzugsweise beschäftigte sich
Mexesunsı mit Betrachtung des Umstandes, dass die Gefässbündel nicht blos diese Biegung nach aussen, son-
dern zugleich auch eine seitliche Biegung zeigen, so dass ihr unteres Ende nicht in senkrechter Richtung
unter das obere Ende zu liegen kommt, sondern links oder rechts von demselben abweicht. Ich hatte diesen
Umstand bei den von mir untersuchten Palmenstämmen wohl auch bemerkt, aber kein Gewicht auf denselben
gelegt, indem ich den schiefen Verlauf der Fasern für eine zufällige Abweichung gehalten hatte. MEnzeumı
4) Ich beabsichtige biebei keine Aufzählung aller, seit dem Erscheinen meiner Palmenanatomie über diesen
Gegenstand erschienenen Bemerkungen, sondern nur die Betrachtung soleber Arbeiten, welche einen Ein-
fluss auf die Entwicklung der Lehre vom Baue des Monocotylen- und namentlich des Palmenstammes
hatten, sei es, dass sie neue, vorher überschene Thatsachen anführen, sei es, dass sie die theoretische
Seite dieser Lehre weiter ausbildeten, ich werde daher namentlich Gaunicnauv’s Arbeiten nicht besprechen,
indem die Untersuchungen, auf welche seine Theorie sich stützt, zu sehr den Stempel der Oberflächlichkeit
an sich tragen, als dass ich glauben könnte, es sei aus denselben ein Gewinn für die Lehre vom Baue
der Gewächse zu erwarten.
— 161 —
zeigte dagegen, dass dieses Verhältniss bei allen Monocotylen vorkommt; zur Auseinandersetzung desselben
wählte er keine Palmen, sondern vorzugsweise die Stämme von Dracaena, Alefris und Yucca, bei welchen
jedoch, wenn seine Theorie richtig wäre, der schiefe Verlauf der Fasern wesentlich von dem bei den Palmen
stattfindenden abweichen müsste. Um ie Uebersicht über die von Meneeuını aufgestellte Ansicht zu geben,
wird eine Betrachtung seiner Untersuchungen von Dracaena und den verwandten Formen nothwendig.
Meneenmı giebt von Dracaena Draco an, dass keine Faser ihres Stammes senkrecht verlaufe, sondern dass
dieselben mit ihrem obern Theile in der Richtung der Radien gegen das Centrum des Stammes einwärts
treten, in der Nähe des Centrums sich nach unten und zugleich nach rechts oder nach links umwenden und
nun in schiefer Richtung abwärts und auswärts verlaufen, so dass ihr unteres Ende rechts oder links vom
oberen Ende unter der Oberfläche des Stammes liege. Es zeigen vielleicht nicht zwei Gefässbündel desselben
Blattes den gleichen Verlauf, indem einzelne bis in die Nähe des Centrums vom Stamme eindringen, ehe sie
sich abwärts wenden, andere schon in geringerer Entfernung von der Rinde diese Biegung annehmen,
einige rechts, andere links von der senkrechten Linie abweichen.
Als Ursache dieses schiefen Verlaufes der Fasern werden die Veränderungen, welche das Blatt während
seiner Entwicklung erleide, betrachtet. Da diese Betrachtungsweise MEneeunr’s ganz eigenthümlich ist und
den wesentlichsten Theil seiner Lehre vom Bau des Monocotylenstammes bildet, so müssen wir dieselbe
etwas näher ins Auge fassen. Menzcumı nimmt an, dass bei sämmtlichen Monocotylen das Blatt unter der
Form eines geschlossenen, umgekehrten Trichters entstehe, welcher später durch den Druck der in seinem
Innern nachwachsenden jüngeren Blätter auf der einen Seite der Länge nach ganz oder nur in seinem obern
Theile eingerissen werde. Im letzteren Falle bilde der untere Theil die Blattscheide und das Blatt bleibe
stengelumfassend; im ersteren Falle bleibe bei der weiteren Entwicklung des Blattes das Verhältniss seiner
Basis zum Stengelumfange nicht nothwendigerweise das gleiche, sondern es wachse gewöhnlich der Stengel
verhältnissmässig stärker in die Dicke, als die Blattbasis in die Breite, es nehme daher das Blatt, je älter der
Stamm werde, einen desto kleineren Bogen des Stammumkreises ein, während in andern Fällen auch das um-
gekehrte Verhältniss stattfinden könne, das Blatt stärker als der Stamm in die Breite wachse und die beiden
Blattränder übereinander greifen. Als Beispiele solcher Pflanzen, bei welchen das ursprünglich stengelum-
fassende Blatt beim erwachsenen Stamme nur noch einen Theil desselben umfasse, werden besonders Aletris
fragrans und Dracaena Draco hervorgehoben, bei ersterer umgebe das erwachsene Blatt °/6 des Stengels,
bei letzterer seien an der Spitze des jährigen Triebes die Blätter noch stengelumfassend, wogegen am älteren
Stamme die Blattnarben nur noch 1/3 des Stammes umgeben. Diese verhältnissmässig starke Ausdehnung
des Stamms in die Dicke sei bei Dracaena mit einer Verkürzung der bereits ausgebildeten Internodien ver-
bunden, wie aus einer Vergleichung der. Länge der Internodien einjähriger Triebe mit denen des alten Stam-
mes hervorgehe und wie schon eine oberflächliche Betrachtung des Wachsthumes von Dracaena zeige, in-
dem dem raschen Wachsthume des jährigen Triebes durchaus nicht eine verhältnissmässige Verlängerung der
ganzen Pflanze entspreche (p. 22). Eine nothwendige Folge dieser Veränderung des relativen Verhältnisses
der Breite des Blattes zu der Dicke des Stammes sei nun eine Veränderung der ursprünglichen Lage der
21
— 12 —
Gefässbündel im Innern des Stammies. So lange das junge Blatt stengelumfassend sei und in der Mitte der
Knospe liege, laufen die (dem untern Theile der erwachsenen Gefässbündel entsprechenden) Gefässbündel
von der ganzen Peripherie des Stammes in der Richtung der Radien gegen die Basis des Blattes zu. Wäh-
rend sich die Knospe entfalte, unter dem Blatte das zu ihm gehörige Internodium sich ausbilde und das Blatt
vom Centrum der Knospe zur Peripherie des Stammes hinaustrete, bilde sich der obere Theil der Gefäss-
bündel, welcher in Folge dieser Bewegung des Blattes nach aussen eine Biegung vom Centrum des Stammes
nach aussen zu annehme und in der Richtung des Radius verlaufe. Da nun aber während derAusbildung des
Blattes seine Breite im Verhältniss zum Stammumfange abnehme, so müsse der obere Theil der Gefässbündel
dem Blatte folgen, es werden desshalb diejenigen Gefässbündel, welche in die Seitenhälften des Blattes ein-
treten, anstatt wie beim stengelumfassenden Blatte in der Richtung von Radien gegen alle Seiten des Stam-
mes hingerichtet zu sein, nur gegen den Bogen des Stammumfanges, auf welchem das Blatt inserirt sei,
sich hinwenden und da der untere Theil der Gefässbündel seine Lage mehr oder weniger unverändert bei-
behalte, so entstehe hieraus das angegebene Verhältniss einer doppelten Biegung der Gefässbündel nach
unten und auf die Seite. Je grösser die Differenz des Stammumfanges und der Breite der Blattbasis sei, je
kürzer die Internodien seien, desto stärker müssen diese Abweichungen hervortreten, daher stärker bei Dra-
caena als bei Yucca, bei dieser stärker als bei Aletris.
Ehe ich in der Auseinandersetzung der Theorie MEn£snmr's weiter gehe, wird es nicht unpassend sein,
die Thatsachen, auf welchen dieselbe beruht, zu prüfen. Ich lasse hiebei die Frage, ob die Blätter unter der
Form geschlossener Trichter entstehen oder nicht, unberücksichtigt, indem sie von keinem wesentlichen Ein-
flusse auf die Theorie ist. Wesentlich für dieselbe ist nur die Frage, ob die Breite der Blattbasis im Ver-
hältnisse zum Umfange des Stammes mit dem Alter des letzteren mehr und mehr abnimmt oder nicht. Dass
eine solche Veränderung die durch Mexecnmı von ihr abgeleitete Aenderung im Laufe der Gefässbündel
herbeiführen müsste, ist keinem Zweifel unterworfen, wenigstens wenn man voraussetzt, dass zu der Zeit, in
welcher diese Veränderung vor sich geht, die zu den jüngeren Blättern verlaufenden Gefässbündel, welche
sich mit den Gefässbündeln des in Bewegung begriffenen Blattes kreuzen, der Bewegung der letztern kein
Hinderniss in den Weg legen. Ich glaube, dass dieses allerdings der Fall sein müsste und dass schon dieser
Umstand allein die Theorie des paduaner Phytotomen als unhaltbar erscheinen lässt; wesn man aber auch
hievon ganz absieht, so sind noch andere, bestimmtere Gründe vorhanden, welche zeigen, dass jenes un-
gleichförmige Wachsthum des Blattes und des Stammumfangs in der Art, wie es von Menxeenını dargestellt
wird, nicht vorkommt. Nach seiner Angabe würde dieser Vorgang bei Dracaena Draco am deutlichsten
zu beobachten sein, indem die Blätter oder ihre Narben in demselben Verhältnisse, wie sie tiefer am Stamme
stehen, einen desto kleineren Theil des Stamms umfassen, so dass die Blattnarben nur ein Drittheil des un-
teren Theiles des Stammes umgeben, während die Blätter an der Spitze des jährigen Triebes stengelumfas-
send sind. Diesen Angaben kann ich nur zum kleinsten Theile beistimmen. Eine Aenderung der relativen
Lage und Grösse der Blattnarben fand sich bei den Stämmen, welche ich in Beziehung auf Mexecmmr's An-
gaben untersuchte und von welchen der grösste bei einer Höhe von etwa 27 Fuss an seinem untern Theile
— 198 —
einen Umfang von 37 Centimeter besass, entschieden nieht, sondern es zeigten die Narben der eben abge-
fallenen Blätter dasselbe Verhältniss zum Stammumfange, wie die Narben am untern Theile des Stamms,
d. h. sie umgaben ungefähr ?/3 bis ?/5s des Stamms. Messungen, welche ich an verschiedenen Blattnarben
anstellte, zeigten, dass in Beziehung auf das Verhältniss der Breite der Blattnarbe zum Stammumfange kleine
Schwankungen vorkommen, welche mit dem Alter des Stamms in keiner Verbindung stehen. Entblätterung
der Terminalknospe zeigt, dass das gleiche Verhältniss der Blattbasis zum Stammumfange nicht nur bei den
Blättern zu finden ist, welche auf dem conischen, in der Blattknospe verborgenen Theile des Stammes sitzen,
sondern dass es auch den auf der obern, horizontal abgeplatteten Fläche der Knospenachse stehenden Blät-
tern, mit Ausnahme der innersten derselben, zukommt. Wie wir uns dagegen bei Fortsetzung der Entblät-
terung den jüngsten Blättchen nähern, so ändert sich dieses Verhältniss, indem nun allerdings die Ränder
der Blattbasis sich einander nähern. Bei einer von mir untersuchten Knospe waren bei dem innersten Blätt-
chen, an welchem die Lamina deutlich ausgebildet war, die Blattränder bis auf 1/6 des Kreisumfanges einan-
der genähert; das nächste Blättchen stellte einen vollkommen stengelumfassenden, etwa 1 Millimeter im
Durchmesser haltenden Conus dar, an dessen Basis eine schmale und kurze Längenspalte zu sehen war, es
hatte somit vollkommen die Form des Cotyledon eines monocotylen Embryo; bei den folgenden Blättchen
war die von den Blatträndern gebildete Spalte wieder weiter geöffnet. Diese Beobachtung bestätigt die An-
nahme von Meneeusı, dass bei Dracaena Draco das stengelumfassende Blatt sich in ein nicht stengelum-
fassendes verwandle, zwar vollkommen, allein darin findet sich doch ein wesentlicher Unterschied, dass M£-
NEGHINI diese Umwandlung erst nach der Ausbildung des Blattes beginnen und noch nach dem Abfallen des
Blattes in der Blattnarbe weiter fortschreiten lässt, während meiner Untersuchung zu Folge das Blatt nur so
lange stengelumfassend ist, als der Theil der Knospenachse, auf welchem es inserirt ist, noch durchaus rudi-
mentär ist und die Dicke von einem Millimeter noch nicht, oder kaum überschritten hat, dass am nächst
älteren Blättchen die Ränder schon um '/s des Stammumfanges auseinanderstehen und das bleibende Ver-
hältniss zwischen Blattbasis und Stammumfang’bereits bei den nur ein paar Internodien weiter nach aussen
stehenden Blättchen vorhanden ist. Dieser Unterschied in dem Resultate unserer Untersuchungen ist
insoferne ein höchst wichtiger, als weiter unten gezeigt werden wird, dass eine solche Aenderung zwischen
der Breite der Blattbasis und dem Umfange des bereits entwickelten Stammes ausserordentlich grosse Aen-
derungen, wie wir dieselben niemahls eintreten sehen, in dem innern Baue des Stamms und in seinem Dicke-
wachsthume zur Folge haben müsste, während solche Aenderungen, wenn sie in einem Stammstücke von ein
Millimeter Dicke beginnen, und in einem Stammstücke von wenigen Millimetern Durchmesser bereits wieder
erlöschen, in einem Theile vor sich gehen, welcher noch aus weichem, in voller Vermehrung besriffenen
Zellgewebe besteht, ein ausserordentlich starkes Wachsthum in allen seinen Theilen zeigt, in welchem also
einer stärker vorschreitenden Entwicklung des einen Theiles und einer geringeren Entwicklung eines andern
Theiles bei der Weichheit und beständigen Metamorphose seiner Substanz keine mechanischen Hindernisse
im Wege stehen. Dass diese Formänderungen Einfluss auf die seitliche Abweichung der Gefässbündel des
Stamms äussern werden, ist wohl nicht zu läugnen, dagegen kann ich nicht glauben, dass sie der einzige,
210
— 164 —
oder auch nur der hauptsächliche Grund des schiefen Verlaufes derselben ist, insoferne ein solcher auch den
Gefässbündeln von Aletris fragrans zukommt, ungeachtet hier keine Spur einer Aenderung zwi-
schen der Breite der Blattbasis und dem Umfange des Stammes zu finden ist. Nach Mexeeumr's Angabe
sollen zwar auch hier die Blattränder so weit auseinandertreten, ‘dass die Blattnarbe nur noch °/s des Stam-
mes umfasst; diese Angabe kann ich aber nicht im mindesten bestätigen. Die Blattränder greifen an der
Basis des Blattes etwas übereinander ; dieses Verhältniss ist, wenn das Blatt abgefallen ist, an seiner Narbe
nicht mehr sichtbar, sondern diese erscheint einfach stengelumfassend. Diese Beschaffenheit zeigt jedoch
die Blattnarbe nicht blos an jungen Stämmen, an welchen die Blätter erst kürzlich abgefallen sind, sondern
auch noch an älteren Stämmen und namentlich sind bei einem im Tübinger Garten befindlichen Stamme von
38 Centimeter Umfang, ungeachtet seine Rinde in Folge ihrer starken Ausdehnung in die Breite viele Län-
genrisse zeigt, die Blattnarben vollkommen deutlich erkennbar und noch durchaus stengelumfassend. Die
Beobachtung der Stammoberfläche bestätigt also die Angaben Mengeumr's üher die Veränderungen des Blat-
tes bei Aletris und die späteren Veränderungen bei Drracaena entschieden nicht und wir könnten hiemit
die Sache als abgemacht betrachten, wenn nicht vielleicht die Einwendung, dass bei andern, als den von mir
beobachteten, Exemplaren die Sache sich denn doch so verhalten könnte, wie mein verehrter Freund an-
giebt, es für zweckmässig erachten liesse, eine nähere Betrachtung der Veränderungen anzustellen, welche
ein Stamm erleiden müsste, dessen Umfang sich auf die angegebene Weise, nachdem seine Blätter bereits
vollkommen ausgebildet oder schon abgefallen sind, stärker als die Blattbasis erweitern würde, indem diese
Betrachtung zeigen wird, dass dieser Vorgang bei Stämmen mit verkürzten Internodien unmöglicherweise
eintreten kann. Es liegt ein 31 Zoll langes Stück eines Stammes von Aletris fragrans vor mir, am obern
Ende besitzt dasselbe einen Durchmesser von 10°”, 5, am untern von 13°, die äussere harte fibrose
Schichte ist oben 1, unten 2, 5 dick, es finden sich 57 Blattnarben an demselben, ein Internodium ist
daher im Mittel 6‘, 5 lang. Die Blattnarben sind stengelumfassend und in der Art schief gestellt, dass von
einer jeden derselben der der Mittellinie des Blattes entsprechende Theil tiefer, als der entgegengesetzte,
den Blatträndern entsprechende Theil steht, so dass jedesmahl der Ansatzpunct der Blattränder dem Ansatz-
puncte des mittleren Theiles des nächsthöheren Blattes bis auf etwa 3 genähert ist. Denken wir uns nun,
das unterste Internodium dehne sich (auch ohne Vergrösserung der Blattnarbe) so sehr in die Breite aus,
dass die aneinanderstossenden Ränder der Blattnarbe um !/; der Breite der Blattnarbe auseinandertreten
würden, so würde sich zwischen die auseinandertretenden Blattränder ein Stammstück von nahezu 8° Breite
einschieben müssen und man müsste während der Zeit der Ausbildung dieses Stammtheiles im Innern des
Stammes neu sich bildendes Gewebe finden, die feste bereits 2’, 5 dicke fibrose Schichte müsste sich um
den fünften Theil ihres Umfanges erweitern, die innere weiche Substanz müsste, um diese erweiterte Schichte
ausfüllen zu können, in gleichem Verhältnisse nachwachsen. Von allem diesem wird man bei Untersuchung
eines Stammes von Aletris keine Spur finden; anstatt dass sich nach dieser Theorie ein ganzes Kreissegment
zwischen die alten Theile einschieben und die innere, weiche Substanz erweitern müsste, findet man die letz-
tere, wenn sie einmahl gebildet ist, für immer unverändert, ebenso findet man in der ganzen Substanz der
— 165 —
festen holzigen Schichte niemahls eine Neubildung,'sendern man findet, dass sich rings um dieselbe auf ihrer
äussern Seite gleichförmig neue Fasern und Zellen in einer wahren Cambiumschichte bilden. Dieser statio-
näre Zustand der innern Theile des Stammes ist wiederum für sich allein vollkommen hinreichend, um die
ganze Meneeuint'sche Theorie zu widerlegen. Sehen wir aber auch von dieser Thatsache ab, lassen wir das
unterste Internodium, dessen Blattnarbe am vorliegenden Stamme einen Umfang von 39 besitzt, die an-
gegebene Veränderung erleiden, so erhält dasselbe durch Zusatz von 1/s der Grösse der Blattbasis einen
Umfang von #7‘, an dieser Ausdehnung müsste das nächstobere Internodium Theil nehmen, indem wir
durchaus finden, dass der Stamm von Aletris nahezu cylindrisch ist. Nun steht aber über den Rändern des
untersten Blattes, von dem wir ausgehen, nur etwa um 3‘ höher, der Theil des nächsthöheren Blattes, wel-
cher von der Mittellinie desselben nur ein paar Linien seitwärts liegt. Die Ausdehnung des untern Inter-
nodiums müsste sich bei dieser geringen Entfernung des unteren und oberen Blattes auf den Theil des letzte-
ren, welcher senkrecht über dem nachwachsenden Theil des untern Internodiums steht, fortsetzen, denn die
Fasern, welche den zwischen die Biattränder des untern Internodiums eingeschobenen Theil des Stengels
bilden würden, müssten sich wie alle andern Fasern dieser Pflanze in ziemlich gerader Richtung am Stamme
nach oben fortsetzen, es müsste daher die Narbe des zweiten Blattes in die Breite ausgedehnt werden.
Diese zweite Blattnarbe hat am vorliegenden Stamme ebenfalls eine Breite von 39‘, wir müssten ihr aber
etwa 8° in Folge der Ausdehnung des untern Internodiums zusetzen, wir erhalten also für ihre Breite
47". Nun lassen wir nach Meneeumr’s Angabe in dem Internodium dieses zweiten Blattes ebenfalls zwi-
schen den Blatträndern ein Stück, welches "/s der Blattbreite gleich ist, nachwachsen, der Umfang des Inter-
nodiums vermehrt sich hiedurch um mindestens 9‘, wir erhalten also für seinen Umkreis 56‘. Dieses
Internodium würde also den Umfang des untern Internodiums um 9‘ übertreffen. Da wir dieses in der
Natur nicht so finden und da wir annehmen müssen, dass die Fasern, welche zwischen den Blatträndern des
zweiten Internodiums nachwachsen, sich auf das untere Internodium fortsetzen, so müssen wir annehmen,
dass das untere Internodium an der Ausdehnung des obern Theil nimmt und in Folge desselben ebenfalls
56“ im Umfange erhält. Nun gilt aber für das dritte Blatt wieder genau, was für das zweite gilt, d. h. sein
mittlerer Theil muss sich, weil unterhalb desselben im Internodium des zweiten Blattes ein Stammstück,
welches dem sechsten Theil von 56 ‘ gleich ist, nachgewachsen ist, um etwa 9’’ in die Breite ausdehnen.
Die Breite des zweiten Blattes betrug 47 ‘, das dritte wird also 56 breit sein. Nun lassen wir die Blatträn-
der um !/s der Blattbreite auseinanderrücken, wir erhalten dadurch für den Umfang des Internodiums 67”.
Natürlicherweise nehmen an dieser Vergrösserung die unteren Internodien wiederum Antheil, wir haben so-
mit den Stammumfang durch diese Veränderungen von nur 3 Internodien von 39 auf 67‘ gesteigert und
dennoch sind wir weit unter der Grösse zurückgeblieben, welche der Stamm erhalten müsste, indem diese
Ausdehnung der untern Internodien wieder eine Ausdehnung ihrer Blattnarben in die Breite zur Folge hätte,
womit wieder eine Steigerung der Ausdehnung des zwischen den Blatträndern liegenden Theiles des Stam-
mes (indem dieser Theil ?/s der Blattnarbe gleich sein soll) nöthig würde und in Folge hievon die oberen
Blätter wieder in die Breite ausgedehnt würden, welche Ausdehnung wieder auf das untere Internodium zu-
— 16 —
rückwirken würde u. s. w. Es ist leicht einzusehen, dass dieses unmöglicherweise der Vorgang sein kann,
welchen die Natur bei dem Wachsthum dieser Stämme in die Dicke befolgt, indem derselbe zu einem im-
mensen Dickewachsthum führen würde, wenn auch nur die Bedingung, dass die Blattränder nach bereits voll-
endeter Bildung des Blattes um 1/s der Blattbreite auseinanderrücken sollen, eingehalten würde und dass bei
Dracaena, wo die Entfernung der Blattränder der doppelten Breite des Blattes gleich werden soll, die Stei-
gerung des Durchmessers des Stammes in einem noch weit exorbitanteren Verhältnisse stattfinden müsste.
Da also auf der einen Seite diese Folgerungen, welche aus dem von Mexecursı behaupteten Vorgange noth-
wendig abgeleitet werden müssen, zur Unmöglichkeit führen und da auf der andern Seite sowohl die unmit-
telbare Beobachtung der Blattnarben als die anatomische Untersuchung des Stamms gegen diese ganze Vor-
stellung eines ungleichförmigen Wachsthums der Blattnarbe und des Stammumfanges auf das bestimmteste
sprechen, so kann auch die Abweichung der Fasern von der senkrechten Linie nicht in dem von Mexzeumı
angenommenen mechanischen Vorgange begründet sein.
Diese Ableitung der schiefen Richtung der Fasern könnte, wenn sie auch bei Dracaena, Aletris u.s.w.
Folge eines ungleichförmigen Wachsthumes der Blattnarbe und des Stammumfanges wäre, dennoch auf den
Palmenstamm keine Anwendung finden, indem dieser immer stengelumfassende Blätter und Blattnarben be-
sitzt. Dieser Umstand entgieng Mexecnisı nicht, er glaubte jedoch eine zweite mechanische Ursache auf-
gefunden zu haben, welche bei den mit stengelumfassenden Blättern versehenen Stämmen ebenfalls eine
Schiefstellung der Fasern herbeiführe und welche in einer seitlichen Ortsbewegung der Blätter bestehe. Er
geht von dem Satze aus, dass die Blätter der baumförmigen Monocotylen z. B. von Yucca in einer Schrau-
benlinie liegen, welche Linie in der abgeplatteten Knospe dieser Pflanzen in eine wahre Spirale übergehe.
Die Schraubenlinie bezeichne ein constantes Verhältniss, dieses finde bei der Spirale nicht statt, denn diese
gehe mit der weitern Entwicklung der in ihr stehenden Blätter und mit der Verwandlung der Knospe in den
Stamm allmählig in die auf den Seiten des Stamms verlaufende Schraubenlinie über, sie bleibe dabei die
gleiche Linie, indem sie an ihrem innern Ende immer wieder so viel gewinne, als sie am äussern Ende durch
den Uebergang in die Schraubenlinie verliere. Ein jedes Blatt entstehe im Centrum der Knospe und frete,
wenn ein neues Blatt im Centrum entstehe, an die Stelle des ihm vorausgehenden Blattes, bis es endlich auf
die äussere Fläche des Stammes zu liegen kommg Bei dieser Bewegung folge jedes Blatt dem Laufe der
Spirale, wobei das gegenseitige Verhältniss der Blätter das gleiche bleibe und alle Blätter den Weg gleich-
förmig zurücklegen. Ein jedes Blatt zeige daher ausser der Bewegung von innen nach aussen und von un-
ten nach oben auch eine horizontale Bewegung in der Richtung der Spirale; von der ersten dieser,
Bewegungen hänge die Abweichung der Gefässbündel von der verticalen Linie ab, die zweite veranlasse
eine Abweichung derselben in horizontaler Richtung, indem der obere vom Centrum des Stammes zum
Blatte verlaufende Theil der Gefässbündel der Seitwärtsbewegung des Blattes folge. Da die Windungen der
Spirale in der Mitte enger seien und die Bewegungen der Blätter desto langsamer werden, je weiter diesel-
ben nach aussen gelangen, so finde die grösste Ablenkung der Gefässbündel im Centrum des Stammes statt
(l. c. p. 16).
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Gegen die Vorstellung ,. dass bei Entwicklung der Terminalknospe zum Stamme die Blattspirale in eine
Schraubenlinie übergehe und dass ein jedes Blatt diese Spirale ihrer Länge nach durchlaufe, ist nichts einzu-
wenden; dieses Durchlaufen der Spirale ist aber nur eine scheinbare Bewegung und durchaus nicht mit einer
wirklichen Seitwärtsbewegung verbunden. Wenn die Menesumr'sche Vorstellung richtig wäre, so ist klar,
dass das äusserste, auf der Spirale stehende Blatt nicht auf derselben mit einer seitwärts gehenden Bewegung
gegen die Stammoberfläche vorschreiten könnte, ohne dass die Divergenz zwischen ihm und dem obersten
auf der Schraubenlinie stehenden Blatte sich vermindern würde, bis das Blatt auf der Seitenfläche des Stamms
angekommen wäre und sich hier für immer fixirt hätte. Ebenso ist klar, wenn die übrigen Blätter diesem
ersten in gleichmässigen Abständen folgen würden, dass wegen der nach innen zu engeren Windungen der
Spirale die Divergenzen zwischen den aufeinanderfolgenden Blättern, je weiter sie nach innen liegen, immer
grösser würden und erst beim Uebergange dieser Blätter auf die Schraubenlinie in die für die Species nor-
male Grösse übergehen würden. Ebenso ist aber auf der andern Seite deutlich, dass die Blätter ohne alle
Aenderung ihrer Divergenzen scheinbar eine Spirale durchlaufen, wenn ein jedes derselben auf dem Radius,
auf welchem es bei seiner ersten Entstehung steht, gegen die Peripherie hinaustritt; indem nämlich bei der
Entfaltung der Knospenachse der äusserste Theil derselben sich nach auswärts und aufwärts ausdehnt,
um in die Stammoberfläche überzugehen, so tritt das auf diesem Theile der Achse verlaufende äussere Ende
der Spirale als Fortsetzung der Schraubenlinie auf die äussere Fläche des Stammes über und das nächst-
stehende Blatt tritt um ebensoviel dem Ende der Spirallinie näher, nicht weil es auf dieser selbst eine seit-
wärts gehende Bewegung macht, sondern weil die Spirallinie in der Richtung gegen das Blatt hin sich ver-
kürzt und ihr Uebergangspunct in die Schraubenlinie dem Puncte näher rückt, an welchem der Radius, auf
dem das Blatt steht, die Peripherie des Stammes trifft. Welcher dieser beiden Vorgänge stattfindet, ob das
Blatt wirklich auf der Spirale seitlich fortschreitet, oder ob die Bewegung blos eine scheinbare ist, lässt sich
aus der Untersuchung, ob die Divergenz der Blätter sich ändert oder nicht, entscheiden. Nun glaube ich,
wird man bei der Untersuchung der Stellung der Blätter finden, dass sie in der Terminalknospe dieselben
Divergenzen wie am Stamme zeigen, und dass die Blattstellung aus der Schraubenlinie mit gleichmässigen
Divergenzen in die Spirale übergeht und in dieser weiter schreitet, während nach der Vorstellung von Me-
NEGHINI die Divergenzen in der Spirale an Grösse zunehmen müssten. Es wird natürlicherweise der Weg
von einem Blatte zu dem folgenden in der Spirale, wenn wir seine absolute Grösse ins Auge fassen, desto
kürzer werden, je mehr man sich dem innern Ende derselben nähert, allein die Winkelabstände der Blätter
werden die gleichen sein. Wenn das der Fall ist und ich glaube, alle bisherigen Untersuchungen sprechen
dafür, dass es sich so verhält, so ist deutlich, dass die Bewegung eines jeden Blattes in der Richtung des
Radius erfolgt und eine blose Folge der Verlängerung und Verdickung der Achse ist, dass die Bewegung
eines jeden Blattes in der Richtung einer Spirallinie nur scheinbar und die Folge davon ist, dass die Spiral-
linie keine bestimmte Lage auf der obern Fläche der Knospe besitzt, sondern dass ihr Anfangspunct bestän-
dig in der Richtung, in welcher die Blattspirale verlauft, in dem Kreise, welcher durch die Verbindung der
cylindrischen Stammoberfläche mit der abgeplatteten Knospenfläche gebildet wird, weiter schreitet. Wenn
— 168 —
sich dieses so verhält, so müssen die Blätter die äussern Windungen der Spirale schneller, als die innern
Windungen zu durchlaufen scheinen, indem gleiche Divergenzwinkel in den äussern Windungen grösseren
Stücken der Spiralwindungen entsprechen, während nach der Mrxesnisr’schen Theorie das Gegentheil statt-
finden, die Bewegungen der Blätter in den äusseren Windungen der Spirale sich in Beziehung auf die Win-
kelabstände vermindern, dagegen in Beziehung auf die durchlaufenen Räume gleich bleiben, somit scheinbar
langsamer werden müssten. Da ich, ungeachtet ich die Terminalknospen einiger grösserer monocotyler Ge-
wächse in Beziehung auf diesen Punct untersucht und keine merklichen Abweichungen in Beziehung auf die
Divergenz ihrer Blätter gefunden hatte, mir dennoch lange kein so gültiges Urtheil in Beziehung auf diesen
Gegenstand zutrauen konnte, als meinem verehrten Freunde, Professor ALEXANDER BrAUS, so erkundigte ich mich
bei diesem, ob ihm Fälle von einer solchen Abweichung der Divergenz in der Terminalknospe, wie sie die
Theorie Mexesunsr’s verlangt, schon vorgekommen seien und erhielt zur Antwort, dass er zwar der Ansicht
sei, es sei dieser Punct sehr schwer durch directe Beobachtung mit Sicherheit auszumitteln, er müsse aber
seinen Untersuchungen zufolge die Divergenz in der Terminalknospe für die gleiche, wie am Stamme halten.
Bei dieser gewichtigen Bestätigung meiner Ansicht scheint mir die ganze Lehre von einer wirklichen spiral- _
förmigen Bewegung der Blätter und die Ableitung der schiefen Richtung der Fasern aus ihr verworfen wer-
den zu müssen. Es spricht auch noch ein weiterer Grund gegen die von MExesumı behauptete Seitwärts-
bewegung der Blätter. Wäre die schiefe Richtung der Fasern in einer solchen Bewegung begründet, so ist
deutlich, dass sämmtliche Fasern in derselben Richtung (rechts oder links) verlaufen müssten, indem diese
Wanderung der Blätter dieselbe Folge, wie eine Torsion des Stammes haben müsste. Es müsste also, wenn
man einen Palmenstamm der Länge nach spaltet, die Spaltungsfläche derselben Spirale, in welcher die Fa-
sern im Stamme verlaufen, folgen, es würden ferner bei einer solchen Spaltung keine Fasern zerrissen wer-
den, indem sie sämmtlich auf ihrem Wege vom Centrum des Stammes nach unten homodrom gewunden
wären. Ich untersuchte diese Verhältnisse bei den brasilianischen Palmenstämmen, welche in neueren Zeiten
in etwa 7’ langen Stücken zu technischem Gebrauche im Handel vorkommen. Die Spaltungsflächen dieser
Stämme verlaufen niemahls in schiefer Richtung, sondern immer parallel mit der Achse und man findet beim
Spalten derselben einen beträchtlichen Widerstand, indem durch das Spalten nicht blos parallel mit einander
verlaufende Fasern getrennt werden, sondern eine sehr grosse Zahl der Fasern des Stammes abgerissen
werden muss, indem ein Theil der Fasern in der Richtung von rechts nach links, der andere in der entgegen-
gesetzten Richtung schief durch den Stamm verlauft. Es findet somit bei den Palmen in Beziehung auf diese
schiefe Richtung der Faser ganz dasselbe Verhältniss statt, wie wir es bei Dracaena, Yucca und noch
deutlicher bei Xanfhorrhoea finden, bei welcher die rechts und die links verlaufenden Fasern in abwech-
selnden, den Stamm rings umgebenden Schichten liegen, welche auf dem Querschnitte einige Aehnlichkeit
mit den Jahrringen eines dicotylen Stammes zeigen.
Aus dem Vorangehenden geht wohl zur Genüge hervor, dass die von Mex&camı gegebene Erklärung
des schiefen Verlaufes des Gefässbündels weder bei Dracaena, noch bei den Stämmen, deren Blätter sten-
— 169 —
gelumfassend sind, die richtige sein kann; wir haben ihre Ursache wohl nicht in mechanischen Gründen, son-
dern in der organischen Thätigkeit der Pflanze zu suchen.
In Beziehung auf die Gefässbündel der Wurzel beobachtete Mexzenmı, dass sie bei einer jungen Cha-
maerops unmittelbar in die Gefässbündel der Blätter übergiengen, dass dagegen bei den an einem alten
Stamme weiter nach oben hervorbrechenden Wurzeln das Verhältniss ein anderes war, indem die Mehrzahl
ihrer Gefässbündel sich in der äussern holzigen Schichte des Stammes verlor und nur einzelne sich aufwärts
oder abwärts bogen, um unter der Rinde weiter zu laufen. Bei den Wurzeln vieler anderer baumförmiger
Monocotylen sah er beständig, wenn die Wurzeln noch jung waren, die Gefässbündel derselben sich stern-
förmig über der Holzschichte des Stammes ausbreiten, bei älteren Wurzeln waren sie dagegen tiefer in
den Stamm eingedrungen, wo sie sich alsdann verästelten und verloren. Menxzeumtı leitete diese Verschie-
denheiten von den verschiedenen Verhältnissen des Saftlaufes ab; die Pfahlwurzel und die untersten Wurzeln
des Stammes bilden sich zu gleicher Zeit und mit Hülfe derselben Strömungen von Nahrungssaft wie die Ge-
fässbündel des Stammes, diese gehen daher unmittelbar in die Fasern der ersteren über; bilden sich dagegen
Wurzeln an den älteren Theilen des Stamms, so bewirkt der Saftstrom eine strahlenförmige Ausbreitung ihrer
Gefässbündel auf der Oberfläche der Holzmasse des Stamms.
Einzelne Beiträge zur Kenntniss des Monocotylenstamms lieferte Unger, indem er bei seinen Unter-
suchungen über denDicotylenstamm (über den Bau und das Wachsthum des Dicotyledonenstammes. 1840.p. 35)
vergleichende Blicke auf den Bau der Monocotylen warf und namentlich die Stämme der Aloineen (Dracaena,
Aletris, Yucca, Agave) einer genaueren Untersuchung unterwarf. In Beziehung auf den Verlauf und die
anatomische Beschaffenheit der Gefässbündel stimmt Unger im allgemeinen der von mir gegebenen Beschrei-
bung bei, wesshalb in dieser Beziehung nichts anzuführen ist. Dagegen stellte er in Folge seiner Untersuchung
der Entwicklungsgeschichte der Gefässbündel über die Bedeutung der eigenen Gefässe derselben eine be-
stimmte Ansicht auf, während ich die Bedeutung derselben hatte dahin gestellt sein lassen. Er verfolgte die
Entwicklung der Gefässbündel vorzugsweise bei den Aloineen und giebt an, dass ihre Grundlage gleichförmig
zellig sei, dass die übrigen Systeme (der Holz- uıid Bastkörper) erst später auf der innern und äussern Seite
hinzutreten und dass man den mittleren Theil derselben, weil er nicht blos der zuerst entstehende Elemen-
tartheil sei, sondern auch weil er bei allen Metamorphosenstufen des Gefässbündels unter der gleichen Form
von verlängerten, den Milchsaftgefässen ähnlichen Zellen sich erhalte, als den wesentlichsten Theil desselben
zu betrachten habe.
In Hinsicht auf die Verwachsung der Gefässbündel untereinander unterscheidet Usser die eigentliche
Verwachsung (coalitus), welche in einem wirklichen Zusammenfliessen zu Einem Gefässbündel besteht, von
der blosen Zusammenfügung (symphysis), bei welcher die Gefässbündel blos durch ein straffes Parenchym
aneinandergeheftet sind. Eigentliche Verwachsungen kommen nach Unger bei den Aloineen (mit Ausnahme
von Yucca gloriosa und Agave americana) nicht vor, während sie in andern Familien, namentlich bei den
Scitamineen und Bromeliaceen häufig sind.
Von dem Gefässbündelsysteme der Knospen und Wurzeln der Gräser wird angegeben, dass dasselbe
22
— 170 —
diesen Organen eigenthümlich sei und nicht von dem Stamme in dieselben übertrete; dieses sei besonders
bei den Wurzeln deutlich, allein auch bei den Gefässbündeln der Knospe finde eine blose Anastomose mit den
Gefässbündeln des Stammes statt und nur einzelne derselben mengen sich denen des Stammes bei.
In Beziehung auf die Zeit, in welcher die zu einem Blatte verlaufenden Gefässbündel entstehen, fand
UngER, dass die dünnen bei den Palmen und Gräsern vorkommenden Fasern, welche nicht in die innern
Stammschichten eintreten, (wenigstens bestimmt bei den Gräsern) von späterer Entstehung sind als die stär-
keren Gefässbündel, welche aus den innern Schichten des Stamms in die Blätter verlaufen.
Eine in Hinsicht auf die gegenseitige Verwachsung der Gefässbündel von seinen Vorgängern sehr ab-
weichende Ansicht äusserte Lestızoupoıs in seiner sehr beachtenswerthen Schrift über den Bau des Pflan-
zenstamms (Etudes sur l’anatomie et la physiologie des vegetaux. 1840), in welcher er von seinen früheren
Ansichten über den Bau des Monocotylenstammes völlig zurückgekommen ist.
Die von Lestısouvors untersuchten Palmenstämme stammen von Arten ab, deren systematische Namen
ihm unbekannt sind, es sind hauptsächlich zwei im Handel vorkommende Stämme, von welchen der eine
schwarze, der andere rothe Fasern besitzt. Die dünnen Fasern der äusseren Schichte lässt LesTIBouDo13
theils aus der zelligen Rinde, theils unter der Form von Verästelungen aus den grösseren Fasern entstehen
und giebt an, dass sie in Folge mannigfacher Verästelungen und seitlicher Verbindungen ein zusammenhän-
gendes Netz bilden. Ebenso findet er auch am obern, in das Blatt eintretenden Ende der Fasern nicht nur
häufig eine Vertheilung derselben in mehrere, gesondert ins Blatt eintretende Aeste, sondern auch, wenn sie
ungetheilt in das Blatt eintreten, dicke Verästelungen, welche mit andern Fasern verschmelzen. Er nimmt
ferner an, dass sich nicht alle Fasern an der Peripherie des Stammes bilden, sondern dass von den centralen
und von den in der harten, holzigen Schichte verlaufenden Gefässbündeln ähnliche dünne Fasern, wie die
unter der Rinde liegenden, auslaufen und zieht hieraus den Schluss, es sei deutlich, dass alle Fasern die
Bestimmung hätten, neue Fasern zu erzeugen. Die einzelnen Fasern laufen zwar nicht ununterbrochen durch
den ganzen Stamm, allein die Fasern der verschiedenen Theile des Stammes stehen dadurch in Verbindung,
dass sie aus einander entspringen und ehe sie ins Blatt austreten, Verzweigungen liefern, welche die Bestim-
mung hätten, in dem oberen Theile des Stammes die weiter unten in die Blätter ausgetretenen Fasern zu
ersetzen. Hieraus erhelle, dass bei den Monocotylen das Leben nicht in den äussern Schichten allein seinen
Sitz habe; wenn man bei einer Yucca oder Aloö fruticosa den Stamm bis auf die harte Schichte ringsum
einschneide, so leben die Pflanzen viele Jahre lang ungestört fort, die einzige Erscheinung, welche auf
die Verwundung eintrete, sei die Bildung eines Wulstes am oberen Wundrande, aus welchem häufig zahl-
reiche Wurzeln hervorbrechen.
Ehe ich dem Verf. in seiner Darstellung weiter folge, habe ich anzuführen, dass ich zwar weit entfernt
bin, die Richtigkeit seiner Beobachtungen in Zweifel zu ziehen, dass ich aber doch nicht umhin kann, die
Allgemeinheit und Häufigkeit dieser Verästelungen bei den Gefässbündeln der Palmen in Abrede zu stellen.
Ich habe oben angeführt, dass ich in einzelnen Stämmen aus der Abtheilung der cocosartigen z.B. bei Lepido-
caryum gracile im Innern des Stammes zwischen den ausgebildeten Gefässbündeln viele dünne, gefässlose
— 11 —
Fasern gefunden habe; den Ursprung dieser Fasern konnte ich in den Stämmen, die ich sah, nicht verfolgen,
kann daher auch nicht angeben, ob sie wie in Lestigounoıs Stämmen durch Verästelungen der Gefässbündel
gebildet waren; jedenfalls ist aber das Vorkommen dieser Fasern ein ganz ungewöhnliches und als eine Ano-
malie im Palmenstamme zu betrachten, auch fand ich: dieselben in den bei uns im Handel vorkommenden
Palmenstämmen, welche ohne Zweifel derselben Art angehören, wie die, welche Lestısounoıs Palmen mit
schwarzer Faser nennt, durchaus nicht. Dass nicht alle Gefässbündel sich nach unten zu in eine unter der
Rinde liegende dünne Faser endigen, sondern dass es vorkommt, dass eine Faser an ihrem untern Ende mit
einer andern Faser verschmilzt d. h. dass sie bei Verfolgung der Fasern von unten nach oben als eine
Verästelung einer andern Faser erscheint, habe ich ebenfalls angeführt; dieses Verhältniss findet sich aber
bei sehr wenigen Fasern. Ueber die Art und Weise, wie sich die Mehrzahl der unter der Rinde liegen-
den unteren, dünnen Faserenden verhält, ob sie sich im Zellgewebe verlieren oder mit andern Fasern ver-
schmelzen, weiss ich nichts anzugeben, indem die Festigkeit des Zellgewebes an dieser Stelle eine genaue
Ausmittlung dieses Punctes für mich unmöglich machte. Eine Anastomose dieser Faserenden zu einem zu-
sammenhängendenNetze (wie bei Yucca, Xanthorrhoea) findet, wie ich glaube, entschieden nicht statt; nur
wenn eine solche vorhanden wäre, würde eine allgemeine Verbindung der Fasern untereinander, wie sie LEs-
TıBoupoıs für die Palmen in Anspruch nimmt, stattfinden. Eine Verbindung und Verzweigung der oberen
Theile der Fasern, wie sie Lestisounoıs beschreibt, kenne ich bei den Palmen nicht, ich glaube daher, dass
ihre Annahme von Seiten Lestıgounoıs mehr aus der Analogie des Palmenstamms mit dem Stamm von Yucca
und Aloö abgeleitet, als auf wirkliche, ausgedehnte Untersuchungen des ersteren gegründet ist. Diese Ver-
ästelung der Fasern fand nämlich Lestısoupoıs in hohem Grade bei Yucca, Aloe fruficosa und vorzugs-
weise bei Pandanus. Wenn er aus diesen Beobachtungen die Folgerung ableitet, dass sich die Fasern der
Monocotylen auf eine andere Weise, als die der Dicotylen bilden, indem sie aus Verästelungen der ältern
Gefässbündel entstehen, während bei den Dicotylen die neuen Fasern sich zwischen der Rinde und den Enden
der in die Blätter ausgetretenen älteren Fasern ablagern, so wird diese Schlussfolgerung durch die anato-
mische Beschaffenheit des Dicotylen-Stammes nicht gerechtfertigt, indem bei derselben völlig aus den Augen
gelassen ist, dass bei sehr vielen Dicotylen das untere Ende eines jeden Gefässbündels mit andern Gefässbün-
deln zum mindesten in ebenso genauer organischer Verbindung steht, als bei den Monocotylen, so dass die
jugendlichen Gefässbündel in Beziehung auf ihre Anlagerung und Verbindung viele Aehnlichkeit mit den Ge-
fässbündeln des Farnstammes besitzen.
Eine besondere Aufmerksamkeit widmete Lesrtıwounoıs den Wurzeln der Monocotylen; er zog aus
ihrer Untersuchung zwei Schlüsse: 1) die Gefässbündel derselben sind nicht durch eine allmählige Verlänge-
rung der Gefässbündel des Stamms gebildet, 2) ihr Wachsthum ist ein inneres, indem ihre Gefässbündel sich
von aussen nach innen ausbilden und im Innern der Wurzel neue Gefässbündel entstehen.
SCcHLEIDEn machte (Wiıeemann’s Archiv 1839. 220. Grundzüge der wiss. Bot. I. 220) darauf aufmerk-
sam, dass bei den Monocotylen die Gefässbündel sich auf ähnliche Weise, wie bei den Dicotylen entwickeln,
indem der nach innen gewendete Theil derselben zuerst entstehe und betrachtete als den einzigen durch-
22 *
— 12 —
greifenden Unterschied zwischen Mono- und Dicotylen den Umstand, dass bei den letzteren die Bildung neuer
Elementarorgane in der Cambiumschichte der Gefässbündel unbegrenzt fortdaure (wesshalb er diese Gefäss-
bündel ungeschlossen nannte), während bei den ersteren diese Bildung nach einer gewissen Zeit erlösche
(geschlossene Gefässbündel) und nun die Elementarorgane der Cambiumschichte die eigenthümliche Form
annehmen, in welcher ich sie unter dem Namen der eigenen Gefässe beschrieben habe. Was diese Unter-
scheidung anbelangt, so ist nicht die Kenntniss der Thatsache, auf der sie beruht, sondern die Erklärung
derselben neu, insoferne ScuLEIDEN, was auch vollkommen richtig ist, die fortdauernde Ablagerung neuer
Holzschichten im Gefässbündel der Dicotylen für ein dem Gefässbündel selbst zukommendes Wachsthum er-
klärte, während ich dieselbe von der Einschiebung der unteren Enden jüngerer, zu höher oben stehenden
Blättern verlaufender Gefässbündel zwischen den Bast und das Holz der älteren Gefässbündel abgeleitet hatte,
eine Theorie, gegen welche auch Unger (über den Bau und das Wachsthum des Dicotylenstammes) mit trif-
tigen Gründen aufgetreten ist. Vielleicht ist übrigens die Bemerkung nicht überflüssig, dass dieser Unter-
schied sich nur auf einen Theil des Gefässbündels der Dicotylen bezieht, indem der in das Blatt eintretende
und durch dasselbe verlaufende Theil ebenfalls ein begrenztes Wachsthum in die Dicke besitzt.
Ich wende mich nun zu der vortrefflichen Arbeit v. Mırser’s über den Bau der Dattelpalme (comptes
rendus de Tacademie des seiences. 12. Juin 1843). Es war der Verf. 1839 nach Algier gegangen, um eine
erwachsene frische Dattelpalme untersuchen zu können und trug als das Resultat einer vierjährigen, beson-
ders auf Untersuchung der Terminalknospe dieser Palme gerichteten Arbeit der pariser Academie eine Theorie
des Baues und Wachsthumes der Monocotylen vor, welche mit meinen Angaben in mehreren Puncten im
Widerspruche steht.
In Beziehung auf den Zusammenhang der Wurzeln mit dem Stamme stimmt MirseL im allgemeinen
meinen Angaben bei, nimmt jedoch einen innigeren Zusammenhang der Gefässbündel der Wurzel mit denen
des Stammes an, als ich bei meinen Untersuchungen fand. Nach seiner Angabe dringen nämlich die aus der
Mitte und aus den derselben nahe gelegenen Theilen der Wurzel kommenden Fasern in das Innere des Stammes
zwischen die Gefässbündel des letzteren ein und verlieren sich zwischen denselben, ohne dass man ihre Endigung
genau bestimmen könne, während die vom äussern Umfange der von der Wurzel im Stamme gebildeten Aus-
breitung abstammenden Fasern sich in den oberflächlichen Stammschichten sowohl aufwärts als abwärts ver-
breiten. Von den letzteren glaubt Mırger, dass sie wahrscheinlich zu den Schösslingen, welche bei der
Dattelpalme und bei Chamaerops an der Basis des Stamms in Menge hervorbrechen, einen Beitrag liefern,
von den ersteren, dass sie mit den Blättern in Verbindung stehen mögen. Wenn nun Mirseu fortfährt, es
werden dadurch meine Angaben über das Verhältniss der Gefässbündel der Wurzel zu denen des Stammes
zwar nicht widerlegt, aber auf ihr richtiges Maass zurückgeführt, so bin ich zwar weit entfernt, die Richtig-
keit der von Mırser an der Dattelpalme angestellten Beobachtungen anzugreifen, muss mich aber gegen die
Auslegung, welche man dieser Mırser’schen Aeusserung beinahe beilegen muss, dass nämlich meine Beob-
achtungen und die aus denselben zu ziehenden Schlussfolgerungen eine wesentliche Modification erhalten
hätten und dass ein directer Uebergang eines Theiles der Wurzelgefässbündel in Stammgefässbündel all-
— 193 —
gemein vorkomme, verwahren. Der wesentliche Punct, welchen ich durch meine Beobachtungen über die
Monocotylenwurzel begründete, ist die Thatsache, dass die Wurzel eine selbstständige Bildung ist, welche
ihr eigenes System von Gefässbündeln besitzt, die sich nicht nur nach aussen gegen die Wurzelspitze hin
verlängern, sondern auch an ihrem hinteren, imStamme liegenden Ende in die Länge wachsen, in den Stamm
aus der zelligen Masse, welche die Grundlage der Wurzelknospe bildet, eindringen, ein Geflechte mit den
Gefässbündeln des Stamms bilden und sich an dieselben anschliessen. Diese Selbstständigkeit ist bei Unter-
suchung der Wurzelknospe keinem Zweifel unterworfen, indem die Gefässbündel derselben ursprünglich von
denen des Stammes völlig getrennt sind, sie ist aber auch später daran kenntlich, dass wenigstens der grösste
Theil derselben nicht unmittelbar sich in Gefässbündel des Stamms fortsetzt, sondern unter Aenderung ihres
Baues ein Geflechte bildet, in welchem sie an die Gefässbündel des Stamms sich seitwärts anlegen, ohne
wirklich in sie überzugehen. In demselben Verhältnisse, wie die Gefässbündel der Wurzel zu denen des
Stammes stehen, stehen auch die der Wurzeläste zu denen der Wurzel. Hier lässt es sich bei der geringeren
Anzahl der Gefässbündel des Wurzelastes und der Wurzel und bei dem sehr verschiedenen Durchmesser der
Gefässe dieser beiden Organe mit der grössten Bestimmtheit beobachten, dass ein unmittelbarer Uebergang
der beiderseitigen Gefässbündel ineinander nicht stattfindet. Weit schwieriger ist diese Untersuchung an der
Verbindungsstelle der Wurzeln mit dem Stamme, allein bei ein Paar Palmen, namentlich bei einem Cocos-
stamme, dessen Zellgewebe durch Fäulniss zerstört war, habe ich an der Eintrittsstelle mehrerer Wurzeln
das Geflechte, welches ihre Gefässbündel mit den Gefässbündeln des Stammes bildeten, untersucht und alle
Gefässbündel, welche durch dasselbe liefen, einzeln verfolgt, ohne einen Uebergang eines Wurzelgefässbündels
in einen Stammgefässbündel zu finden, ich glaube daher solche Uebergänge wenigstens für diese Fälle mit Sicher-
heit läugnen zu dürfen. Damit will ich nun nicht in Abrede stellen, dass in andern Fällen ein Theil der aus
der Wurzel in den Stamm eintretenden Gefässbündel sich unter die Gefässbündel des letztern mengt und mit
ihnen weiterlauft, wie ich selbst angegeben habe, dass dieses mit den Faserbündeln der Fall ist, welche bei
einigen Palmen mit ihrem untern Ende in der Wurzelrinde liegen und wie MEneenumı es bei einzelnen Fasern
des Holzkörpers der Wurzeln von Chamaerops fand, ich glaube aber läugnen zu dürfen, dass dieses Ver-
hältniss immer und nothwendigerweise stattfindet und dass aus demselben eine Folgerung gegen die Selbst-
ständigkeit des Gefässbündelsystems der Monocotylenwurzel abzuleiten ist.
In Hinsicht auf den Bau des Stammes richtete MirseL seine Untersuchungen hauptsächlich auf Aus-
mittlung der Frage, ob die Gefässbündel von den Blättern aus im Stamme abwärts wachsen, oder ob sie sich
in umgekehrter Ordnung entwickeln. Er ist in Zweifel darüber, ob ich in meiner Beschreibung des Palmen-
stamms dadurch, dass ich den Verlauf der Fasern abwärts vom Blatte aus beschrieben habe, blos die mecha-
nischen Verhältnisse ihrer Anlagerung habe bezeichnen, oder ob ich die Richtung, in welcher sie sich aus-
bilden, habe andeuten wollen. Ich glaube kaum, dass ich mich deutlicher darüber hätte ausdrücken können,
_ dass ich blos das erstere Verhältniss im Sinne hatte; ich wollte über die zweite Frage keine bestimmte Mei-
nung äussern, weil ich dieselbe aus Mangel an genügendem Materiale nicht mit Sicherheit lösen konnte.
Zuerst untersucht Mırser. die Frage, ob die Gefässbündel von den Blättern bis zur Basis des Stammes
— la —
herablaufen und stützt sich bei Beantwortung derselben auf folgende Betrachtungen. Seine Dattelpalme war
18,60 Meter hoch, die mit Wurzeln besetzte Basis hatte 34 Centimeter im Durchmesser, über dem mit Wurzeln
besetzten Theile war die Oberfläche des Stammes verwittert und sein Durchmesser betrug hier 25 Centi-
meter; der höher oben gelegene Theil war mit Blattnarben bedeckt und nahezu cylindrisch. MirseL schliesst
nun, wenn die Fasern in den Blättern entstehen und sämmtlich bis zur Basis des Stamms herabreichen wür-
den oder wenn umgekehrt alle Fasern an der Basis des Stamms entstanden und zu den Blättern in die Höhe
gestiegen wären, so müsste nothwendigerweise der Stamm wegen der Anhäufung der Fasern an seinem untern
Ende eine conische Form besitzen. Ebenso spreche sowohl gegen die eine als die andere dieser Ansichten
ein Umstand, der mir ohne Zweifel bekannt gewesen sei, nämlich die spindelförmige Anschwellung mancher
Palmenstämme in ihrer Mitte, die ich nach meiner Theorie nicht erklären könne, die aber gar nichts auffal-
lendes darbiete, da er gefunden habe, dass die Fasern in jeder Höhe am Stamme entspringen. Der sicherste
Beweis gegen die Ansicht, dass die Fasern von dem Blatte bis zur Basis des Stammes verlaufen, werde je-
doch durch folgende bestimmte Messungen geliefert. An dem von ihm untersuchten Dattelstamme standen
auf der Länge eines Meters 337 Blattnarben, der ganze Stamm hatte also ungefähr 6268 Blätter getrieben.
An der Basis eines Blattstieles fand MırseL 500 Fasern von der Dicke eines Millimeters und 400 Fasern von
!/o Millim. Dicke, welche er 44 grösseren Fasern gleich schätzte, für die Blattscheide rechnete er 100, im
Ganzen also für ein Blatt 644 und für alle Blätter des Stamms zusammen 4036592 Fasern. Ausserdem
müsse man aber noch die Fasern in Anschlag bringen, welche zu den Spathen und Blüthenstielen verlaufen,
ferner die ungemeine Menge von haardünnen Fasern, welche in der harten und festen Cruste der ältesten
Theile des Stamms einen beträchtlichen Raum einnehmen. Wenn man diese letzteren Fasern auch nicht
einmahl rechne, so liefern schon die zu den Blättern verlaufenden Fasern einen hinreichenden Beweis gegen
meine Theorie, denn wenn diese letzteren Fasern bis zur Blattbasis herablaufen würden, so würde der
durch dieselben gebildete Conus an seiner Basis einen Durchmesser von 2,01 Meter und einen Umfang von
6,33 Meter besitzen, während jener Stamm oberhalb seines Wurzelstocks in Wirklichkeit nur 25 Centi-
meter Durchmesser besessen habe.
Ehe ich die Untersuchungen MirgEr’s weiter verfolge, will ich nur einige Worte über das eben Angeführte
beifügen. Ich habe bei der Darstellung des Baus des Palmenstamms auf zwei Umstände aufmerksam gemacht,
auf den Verlauf derFasern und auf die Aenderung ihres Baues und ihrer Grösse an den verschiedenen Stellen ihres
Verlaufes. Auf das letztere Verhältniss nahm Mirser, als er die voranstehende Rechnung zur Bekämpfung meiner
Ansicht anstellte, gar keine Rücksicht und doch musste er, wenn dieselbe ein irgend brauchbares Resultat liefern
sollte, dieses nothwendigerweise thun. MiırsEr sagt, die in der Mitte angeschwollenen Palmenstämme sprechen
durchaus gegen meine Theorie. Das Factum, dass solche Stämme vorkommen, war mir wohl bekannt, es konnte
mich aber an und für sich nicht bewegen, eine andere Theorie aufzustellen. Dass mit Entwicklung des Stamms
und mit Zunahme der Kraft seiner Vegetation die höher oben stehenden Blätter grösser als die unteren sind
und von ihnen eine grössere Menge von Fasern in den Stamm verlaufen, als von den untern, dass desshalb
der Stamm an der Basis dieser Blätter einen grösseren Durchmesser erhalten muss, als an der Basis der un-
— 15 —
tern Blätter, das alles ist höchst einfach. Diese grössere Dicke müsste sich auf den untern Theil des Stamms
fortsetzen und dieser dadurch eine conische Gestalt erhalten, wenn die Gefässbündel mit Aerseiben Dicke bis
zur Stammbasis herablaufen würden, keineswegs aber, wenn dieselben an der Stelle, an welcher sie unter
der Oberfläche des Stamms erscheinen, so dünn werden, dass sie ungeachtet ihrer Anhäufung noch kein
Aequivalent für die grössere Masse, welche ihr oberes Ende in den höher gelegenen Theilen des Stamms
besitzt, bilden würden. Wie bedeutend diese Verdünnung ist, dafür können die Tafeln meiner Palmenanatomie
einen Beweis liefern; es sind dieselben mittelst des Sönmerring’schen Spiegels gezeichnet, das Grössenver-
hältniss der verschiedenen Theile derselben Figur ist daher richtig und es wird aus einer Vergleichung der
Gefässbündel und der dünnen unter der Rinde liegenden Fasern hervorgehen, dass der Querschnitt der letz-
tern häufig um das hundertfache kleiner, als der Querschnitt der ersteren ist. Bei dieser bedeutenden Ver-
dünnung der Gefässbündel an ihrem untern Ende, bei der weitläufigen Stellung des oberen Theiles derselben
im Innern des Stamms und bei der gedrängten Stellung ihres untern fadenförmigen Theiles: würde, wenn
auch die Fasern am Stamme herablaufen würden, der untere Theil des Stammes eine verhältnissmässig ge-
ringe Verdickung erleiden und eine spindelförmige Verdickung des Stamms in seiner Mitte wäre immer noch
nicht unmöglich. MiRrseL rechnet dagegen, dass sämmtliche Gefässbündel mit der Dicke, welche sie beim
Austritte aus dem Blatte in den Stamm haben, auch an seiner Basis ankommen würden und kommt zu dem
Resultate, dass bei seinem Stamme die Masse dieser Fasern einen Cylinder bilden würde, dessen Querschnitt
eine nahezu 64mahl grössere Fläche darbieten würde, als der Querschnitt des Stamms wirklich betrug. Um
zu irgend einer brauchbaren Rechnung zu gelangen, müssten wir die Dicke des untern Endes der Fasern
ausmitteln; es liegt der scheibenförmige Abschnitt eines erwachsenen Stammes von Phoenix von 3% Centi-
meter Durchmesser vor mir, in welchem die unter derRinde liegenden Fasern im Mittel einen Durchmesser
von 0,127 Millimeter, also nahezu 1/g Millimeter besitzen. Es würde also der Querschnitt von ungefähr 64 dieser
Fasern dem Querschnitte des mittlern und obern Theiles eines Gefässbündels, wenn wir mit MırseL bei dem
letzteren den Durchmesser zu 1 Millimeter annehmen, gleichkommen. Wenn nun sämmtliche Gefässbündel unter
der Form solcher dünner Fasern das untere Stammende erreichen würden, so müsste, wenn wir die Zahl der
Gefässbündel des Mırseu’schen Stamms zu Grunde legen, das von ihm erhaltene Resultat um das 64 fache
verkleinert werden d.h. es würde die Masse dieser Fasern einen Cylinder von der Dicke des von MıRBEL un-
tersuchten Palmenstammes liefern. Ich bin weit entfernt, auf diese Rechnung irgend einen Werth zu legen,
ihre Unrichtigkeit liegt klar zu Tage, indem nach ihr der Stamm aus einer compacten Fasermasse bestehen
würde, sie soll nur zeigen, dass eine Rechnung, wenn sie nicht auf einer weit sicherern Basis als die MırBEL-
sche beruht, nicht geeignet ist, zu einem irgend brauchbaren Resultate zu führen.
Ich gebe übrigens unbedingt zu, dass meine Angabe, es laufen die Gefässbündel unter der Form von
Fasern bis zur Basis des Stamms herab, für die Palmen unrichtig war; ich wurde zu der Annahme derselben
durch Untersuchung zu junger Exemplare (indem ich nur von solchen ganze Stämme zu untersuchen hatte
und von erwachsenen Palmenstämmen mir nur kurze Stücke zu Gebote standen), so wie durch eine zu weit
getriebene Analogie mit dem Stamme von Dracaena, Yucca u. s. w. verleitet. Der Grund, warum ich nun
— 16 —
die Ansicht, dass die Fasern bis zur Basis des erwachsenen Stammes herablaufen, für falsch halte, ist ein ana-
tomischer. Es ist klar, dass man auf dem Querschnitte durch einen alten Palmenstamm die eben in ihrer
Bildung begriffenen Fasern unter der Rinde finden müsste, wie dieses MoLDEnHAwer bei Phoenix, von welcher
er jedoch wohl keinen grossen Stamm zur Untersuchung hatte, gefunden zu haben angiebt; dieses habe ich
nun bei Untersuchung von Abschnitten alter Stämme nicht gesehen, sondern alle unter der Rinde liegenden
Fasern waren aus dickwandigen Zellen zusammengesetzt, waren folglich alt. Ein Nachwachsen von Fasern
findet also unter der Rinde erwachsener Stämme nicht mehr statt. Ganz anders verhält es sich in dieser Be-
ziehung mit den Stämmen von Aletris, Dracaena u. s. w.; hier findet sich eine vollkommen mit der Cam-
biumschichte der Dicotylen vergleichbare Schichte unterha!b der Rinde, in welcher parenchymatose Zellen
und Faserbündel nachwachsen, durch welche Neubildungen die immerwährende Verdickung dieser Stämme
veranlasst wird. Es ist somit bewiesen, dass bei den Palmen die Fasern höher oben am Stamme endigen und
dass bei denselben ein ähnliches Verhältniss stattfinden muss, wie bei manchen Dieotylen, bei welchen jeder
Gefässbündel sich nur durch eine bestimmte Anzahl von Internodien nach abwärts verfolgen lässt.
Gehen wir nun zu dem hauptsächlichsten Theile der Mirser’schen Abhandlung, zu der Betrachtung der
Terminalknospe über, so giebt MırgEL an, er hätte gefunden, dass im Centrum der abgeplatteten, concav ver-
tieften, aus einem weichen, in der Entstehung begriffenen Zellgewebe bestehenden Stammspitze (welcher er
den Namen des Phyllophors beilegt) sich im Zellgewebe zwei übereinanderliegende Spalten finden, durch
welche dasselbe in aufeinanderliegende Schichten getheilt werde. Von diesen Schichten stellt nach seiner An-
gabe eine jede ein in der Entstehung begriffenes Blatt dar; es soll sich die oberste derselben in eine Blase
erheben und diese im grössten Theile ihres Umfanges cirkelförmig einreissen. Der Isthmus bilde sich zum
Blattstiel aus, der obere Theil der Blase richte sich auf, nehme eine Löffelform an und verwandle sich in das
Blatt, aus der Wunde, welche das abreissende Blatt auf dem Phyllophor zurücklasse, scheine die Blattscheide
hervorzuwachsen. Das Blatt nehme eine Kapuzenform an, sei an seinem Rande mit einem unregelmässigen
Wulste bekleidet; die beiden Seitenhälften der Kapuze seien aus beiden Blattreihen gebildet und der Wulst,
welcher die Blättchen an der Spitze vereinige, werde später resorbirt.
Die Beschreibung dieses Vorganges stimmt mit dem, was ich in Beziehung auf die erste Periode der
Bildung des Palmenblattes beobachtete, nicht im mindesten überein. Ich untersuchte mit Rücksicht auf diese
Angaben MırgeL’s die Terminalknospe von Phoenix und Cocos fleruosa, fand aber ebenso, wie bei andern
Monocotylen z. B. Agave, Yucca von dem von MirseL beschriebenen Vorgange der Entstehung des Blattes
unter der Form einer rings einreissenden Blase keine Spur, sondern sah die Blätter unter der Form stumpfer
Wärzchen aus der Achse hervorsprossen. Dieses Wärzchen ist im Anfange im Verhältnis zu dem Theile der
Achse, auf welchem es steht, schmal, indem der zuerst entstehende Theil desselben der künftigen Blattspitze
entspricht; je mehr sich dasselbe ausbildet, desto mehr hebt sich die Basis aus der Stammoberfläche hervor,
so dass bei den Palmen schon sehr frühe die Andeutung zur Blattscheide sichtbar wird. Ich kann mir nicht
erklären, wie MırBEL zu der Ansicht kam, das Blatt entstehe unter der Form einer Blase und es liegen meh-
rere solcher Blasen übereinander, es müsste denn sein, diese Ansicht wäre dadurch veranlasst worden, dass
— 17 —
Mırpru einen Längenschnitt nicht genau durch die Achse der Knospe führte und somit die im innern Theile
der Knospe nicht eylindrischen, sondern mit ihrem untern Theile beinahe flach ausgebreiteten Blattscheiden
der jungen Blättchen mit dem Schnitte traf und für die Rudimente der ganzen Blätter hielt. Einen weiteren
Grund gegen die Annahme, dass die Blättchen aus geschlossenen Blasen entstehen, leite ich aus der
Beobachtung einer Missbildung ab, welche ich bei einem Aste von Phoenix, dessen Achse bis zu etwa 3‘
Länge herangewachsen war, traf. An demselben hatten etwa sechs Blätter keine stengelumfassende Blattschei-
den, sondern der untere scheidenartige Theil’sämmtlicher Blätter bildete eine zusammenhängende, in einer
Spirallinie den Stengel umkreisende Lamelle, aus welcher von Strecke zu Strecke nach oben zu ein normal
gebautes Blatt austrat. Die oberen Blätter hatten vollkommen geschlossene Blattscheiden. Aehnliche Ver-
schmelzungen von mehreren Blättern zu einer fortlaufenden Blattspirale wurden bekanntlich bei Pflanzen mit
quirlförmigen Blättern z. B. bei Casuarina wiederholt beobachtet, ob sie sonst auch schon bei stengelum-
fassenden Blättern vorkamen, ist mir nicht bekannt, jedenfalls scheint mir aber der vorhin beschriebene Fall
mit der Vorstellung der Entstehung der Blätter unter der Form geschlossener Blasen nicht verträglich zu sein.
Die Entwicklung des zuerst einfachen Blattes zum gefiederten Blatte ist bei den Palmen höchst eigen-
thümlich. Da Mırseu diesen Vorgang mehr andeutet, als beschreibt, so wird eine nähere Auseinander-
setzung desselben, wenn sie auch mit dem Gegenstande dieses Aufsatzes nicht gerade in naher Verbin-
dung steht, doch vielleicht manchem Leser nicht unangenehm sein. Schon DrcAnvorE hat in seiner
Organographie (I. 30%) darauf aufmerksam gemacht, dass die Theilung des Palmenblattes in Fieder-
blättehen oder in Lappen eines fächerförmigen Blattes auf eine ganz: eigenthümliche Weise, nämlich
durch Zerreissung, vor sich gehe. Diesen Vorgang dachte sich DscAnnoLLE auf eine viel zu rohe Weise;
er hatte seine Beobachtungen offenbar an schon ziemlich entwickelten Blättern angestellt, ich hatte daher
alles Recht, diese Vorstellung einer mechanischen Zerreissung in meiner Palmenanatomie zu verwerfen,
gieng jedoch in der Untersuchung des jungen Blattes ebenfalls nicht weit genug auf seine frühesten
Entwicklungsstufen zurück, um eine genügende Darstellung des Vorganges geben zu können. Ich hatte
zwar ganz richtig gefunden, dass die Trennung der Fiederblättehen schon lange vor der Entfaltung des Blat-
tes vollendet ist und dass die Fiederblättchen nicht durch das Blattgewebe in der Knospe zusammengehalten
werden, sondern durch ein lockeres Parenchym, welches mit dem Blattrande in einem sehr schmalen Streifen
verwachsen ist, mit der Pubescenz des Blattes im Zusammenhange steht, mit derselben vertrocknet und
abfällt, worauf die Blättchen sich frei von einander ablösen können; wenn ich dagegen dieses Gewebe für
eine eigenthümliche Form der Pubescenz erklärte, so hatte ich, wie das Folgende zeigen wird, Unrecht. Ich
verfolgte die Entwicklungsgeschichte des Blattes bei Phoeniz (Tab. VI. fig. 9— 13) und Cocos flexuosa
(fig. 1—8). Bei beiden bestehen die jüngsten Blättchen (fig. 1. 12. 13), bis sie die Länge von etwa 5 Millime-
tern erreichen, aus einem zusammenhängenden Gewebe, welches in der Mitte, als Anlage zum künftigen Blatt-
stiele dicker ist und zu beiden Seiten in einen verhältnissmässig dünnen Rand auslauft. ‚Später bildet sich
zwischen der verdickten Mittelrippe und dem Blattrande eine flache Furche (fig. 2), auf deren Grunde man bei
noch weiterer Entwicklung nahe aneinander liegende, etwas vertiefte Querstreifen (fig. 3. 4), jedoch noch mit völ-
23
= s —-
ligem Zusammenhange des Blattgewebes trifft. Später findet man diese Querstreifen in schmale Spalten
(ig. 5—11) verwandelt, welche bei Cocos flexuosa die ganze Dicke des Blattes durchdringen, so dass sie auf der
untern’ und obern Blattfläche gesehen werden (fig. 75). Die weitere Entwicklung zeigt, dass sich der zwischen
je zwei Spalten liegende Theil zu einem Fiederblättchen ausbildet und auf einem Querschnitte (fig. 7 c) oder
noch besser auf einem Längenschnitt erkennt man, dass diese Fiederblättchen zusammengefaltet sind und
dass die Mittelrippe, in welcher die Faltung geschieht, bei Cocos in der obern Blattfläche liegt, so dass also
auf der untern Blattseite doppelt so viele Spalten, als auf der obern sichtbar sind (fig. 7c). Der Blattrand,
in welchem die Spitzen sämmtlicher Fiederblättehen zusammenfliessen, bildet eine zusammenhängende Zell-
masse, die sich nach aussen in eine scharfe Kante (den Rand des früher ungetheilten Blattes) endigt (fig. 8*).
Diese Zellmasse vertrocknet später bei der vorschreitenden Entwicklung des Blattes und wird unter der Form
von braunen Fäden abgeworfen, worauf nun die Blättchen frei von einander werden. Bei Phoenix (fig.9 -13)
verhält sich die Sache etwas anders, indem die Mittelrippe der Blättchen gegen die untere Blattseite gewendet
ist und die Zellmasse, welche die Fiederblättchen verbindet, nicht blos mit den Spitzen derselben verwachsen
ist, sondern über die ganze obere Blattfläche als zusammenhängende ziemlich dicke Membran fortläuft und
mit den nach oben gewendeten Rändern der Fiederblättchen verwachsen ist, wesshalb die Spalten zwischen
den letzteren nur auf der untern Blattfläche sichtbar sind. Das Blatt entsteht also als eine zusammenhängende
Masse und die Fiederblättchen verdanken ihre Entstehung einer wirklichen Theilung des Blattes, die Theilung
dringt aber nicht vom Blattrande gegen den Mittelnerven ein, sondern betrifft blos die Blattfläche, ergreift
den Rand nicht und bei Phoenix auch nicht die obere Schichte desBlattgewebes. Diese ungetheilt bleibende
Zellmasse unterscheidet sich von einer wahren Pubescenz, mit welcher sie manche Aehnlichkeit hat, durch
ihre Entstehung, indem sie nicht eine Wucherung der Oberfläche des Organes ist, sondern einen wirklichen
Theil des Gewebes des Blattes bildet, so wie durch den Umstand, dass bei einem Theile der Palmen z. B. bei
Phoenix (aber nicht bei Cocos) in derselben Gefässbündel verlaufen.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zur Mırser’schen Darstellung der Knospe zurück. Es wird von
demselben angegeben, es laufe durch das Gewebe der Knospe eine unzählige Menge von durchsichtigen, sehr
zarten Fasern, welche vom ganzen innern Umkreise des Stamms gegen die centrale Parthie des Phyllophors
zusammenlaufen, wo sie mit ihrem obern Ende sich der Basis der jungen Blättchen nähern, um früher oder
später mit denselben in directe Verbindung zu treten. Einigemale habe er diese Fasern in dem Momente
überrascht, in welchem sie gegen die schwachen Andeutungen der Blätter hingelaufen seien. Diejenigen
Physiologen, welche die Fasern von den Blättern auslaufen lassen, hätten wohl nie Gelegenheit gehabt, die
Terminalknospe einer kräftigen Dattelpalme zu sehen, sie hätten ihm sonst wohl nichts zu {hun übrig ge-
lassen. Ein einziger Blick reiche hin, um sich davon zu überzeugen, dass das obere Ende dieser Fasern im
Vergleiche mit ihrem unteren sehr jung sei, dass sie folglich von unten nach oben wachsen. Würden sie
von den Blättern entspringen, so wären sie an ihrer Ursprungsstelle alt und lange Zeit erhärtet, ehe sie die
Basis des Stammes erreichen würden.
Diese Sätze enthalten den Kern der Mirver’schen Lehre vom Bau der Monocotylen. Leider ist die Be-
— 19 —
merkung,, dass die früheren Bearbeiter der Palmenanatomie keine Terminalknospe eines kräftigen Stammes
zu untersuchen hatten, was mich anbetrifft, nur zu gegründet und wenn ich es wage, ungeachtet mir nicht
die Hülfsmittel des pariser Academikers zu Gebote standen, seine Untersuchungen einer Critik zu unterwer-
fen, so kenne ich zwar wohl die Schwierigkeit meines Unternehmens, hoffe abgr doch, dass die Gründe, die
ich anzuführen habe , nicht ohne Gewicht sein werden. Dass der erste Anblick einer durchschnittenen Pal-
menknospe nicht einem Jeden die Ueberzeugung, dass die Fasern von unten nach oben wachsen, aufdrängt,
dafür liefert GARpner einen überzeugenden Beweis, indem er sagt, dass auch der grösste Skeptiker nur
einen Längenschnitt durch einen mit seinen Blättern versehenen Palmenstamm zu sehen brauche, um sich
zu überzeugen, dass seine Holzsubstanz von den Blättern gebildet werde (Annals of nat. history. VI. 61).
Mir standen leider keine grösseren Knospen zu Gebote, als die Terminalknospen von einem etwa 2 dicken
Stamme von Cocos flexuosa und von jungen Stämmen von Phoenix. Ich habe nach einer mit Rücksicht
auf die Mırser’schen Angaben angestellten Untersuchung dieser Knospen gegen die Richtigkeit der anatomi-
schen Angabe Mırser’s, dass bei Phoeni.x die zu den jungen Blättern der Knospe verlaufenden Gefässbün-
del unterhalb des Phyllophors härter und ausgebildeter sind als in demselben, in welchem sie einen gallert-
artig weichen Zustand zeigen, nichts einzuwenden. Folgt aber aus dieser Thatsache der von MirsEL
abgeleitete Schluss, dass die unteren Theile der Gefässbündel älter als die oberen sind, mit Nothwendigkeit?
Auf den ersten Blick ohne Zweifel, denn es ist eine allgemeine Thatsache, dass jugendliche Holzbündel weich,
alte hart sind. Eine ganz andere Frage ist es dagegen, steht dieHärte derselben einfach mit ihrem Alter, oder
steht sie nicht zugleich und noch in einem höheren Grade mit der Entwicklungsstufe des Theils, in welchem
die Gefässbündel liegen, im Zusammenhange? MırseL nimmt das erste an, ich glaube, es lässt sich das
zweite beweisen. Erinnern wir uns daran, dass bei scharfgliedrigen Pflanzen mit verlängerten Internodien
z. B. bei Gräsern, Nelken, bei Ephedra ein noch nicht vollständig erwachsenes Internodium oben, so weit es
der Luft ausgesetzt ist, bereits vollständig erhärtet, unten so weit es von der Scheide des untern Blattes oder
Blattquirls umhüllt ist, noch von krautartiger Weichheit ist, so haben wir hier einen Fall, welcher mit dem
Grundsatze, auf den sich Minze stützt, im grellsten Widerspruche steht. MiRBEL sagt, weil bei den Palmen
die Gefässbündel oben weicher als unten sind, so ist ihr unterer Theil älter, sie sind folglich von unten nach
oben gewachsen; mit demselben Rechte müsste er, wenn er ein Internodium von Zea Mays spaltet, das
Gegentheil annehmen. Entblättern wir ferner eine Terminalknospe von Phoeniz, so werden wir bei den
halbentwickelten Blättern derselben, welche eine Länge von etwa 1—3’ erreicht haben, den aus der Knospe
hervorstehenden Theil des Blattstiels bereits grün und fest verholzt, dagegen die Basis des Blattstiels und
die Blattscheide ungefärbt und sehr weich finden; die Gefässbündel des obern Theils treffen wir durchaus
verholzt, die des untern Theils noch halb gallertartig, durchscheinend, kurz wir finden hier zwischen dem
obern und untern Ende der Gefässbündel (nur in umgekehrter Ordnung) dieselben Verschiedenheiten, wie
bei den Gefässbündeln des Stammes. Sollen wir hieraus den Schluss ableiten, dass die Gefässbündel im
Blatte von oben nach unten wachsen, dass der obere 'Theil derselben um vieles älter als der untere ist?
Das wird Niemand behaupten wollen, denn beim Palmenblatte muss man daraus, dass schon sehr kleine
23 *
— 180° —
Blättehen mit einer Scheide versehen sind, den Schluss ziehen, dass das Wachsthum des Blattes auf einer
Ausdehnung des ganzen jugendlichen Blattes und nicht auf einem späteren Nachwachsen seines untern Theiles
beruht. Aus diesen Umständen geht mit Gewissheit hervor, dass die grössten Unterschiede in der Festigkeit
und Ausbildung in den verschiedenen Theilen desselben Gefässbündels neben einander vorkommen und darin
begründet sein können, dass der Uebergang von der rudimentären Anlage zum verholzten Zustande in den
verschiedenen Theilen desselben mit verschiedener Schnelligkeit erfolgt und dem ungleichförmigen Wachs-
thume des Organs, in welchem der Gefässbündel liegt, parallel geht. Da nun im allgemeinen der obere
Theil des Blattes zuerst und beim langsam wachsenden Palmenblatte eine sehr geraume Zeit vor dem untern
Theile seine volle Ausbildung erreicht, so geschieht dasselbe auch in den Gefässbündeln seines Blattstiels
und es kann die Richtung, in welcher die Verholzung derselben vorschreitet, durchaus nicht als ein Zeichen
für die Richtung, in welcher die Rudimente derselben bei ihrer ersten Bildung auftraten, betrachtet werden.
Ein Gefässbündel, welcher von der Spitze des Blattstiels eines solchen halb ausgebildeten Blattes durch den
Blattstiel und die Knospe bis zur Aussenfläche eines weiter unten gelegenen Theiles des Stammes verlauft,
kann nach dem Gesagten an beiden Enden, die in bereits ausgebildeten und erhärteten Organen liegen, seine
volle Ausbildung und Festigkeit zeigen, dagegen in seinem mittleren Theile während seines Verlaufes durch
den untern Theil des Blattstiels und durch den obern weichen Theil des in der Knospe verborgenen Theils
des Stammes (des Phyllophors) gallertartig weich und in Beziehung auf die anatomische Ausbildung seiner
einzelnen Elementarorgane noch in jugendiichem Zustande sein. In demselben Verhältnisse, wie diese wei-
chen Theile sich weiter entwickeln, der Theil des Phyllophors, durch welchen der Gefässbündel verlauft, zu
einem Theil des Stammes wird, der Blattstiel und die Blattscheide ihre volle Grösse erreichen und erhärten,
wird auch der weiche Theil des Gefässbündels an Grösse und innerer Ausbildung zunehmen, endlich sein
Wachsthum beendigen und erhärten. Dieses und nichts weiter lehrt uns der Anblick einer durchschnittenen
Knospe und wenn MiırsEL in der Zunahme der Härte, welche die Gefässbündel in der Richtung von oben
nach unten zeigen, einen Beweis für die Richtung, in welcher sie entstehen, findet, so ist die Gültigkeit dieser
Schlussfolgerung durchaus in Abrede zu ziehen.
Die Frage, in welcher Richtung die Gefässbündel bei ihrer ersten Entstehung sich ausbilden, kann nur
durch unmittelbare Beobachtung ihres Entstehungsprocesses, daher nur durch mikroskopische Untersuchung
entschieden werden. Mırseu vernachlässigte die sich hierauf beziehenden Untersuchungen nicht und giebt
an, er hätte einigemahl die Gefässbündel in dem Momente, in welchem sie sich gegen die schwachen Andeu-
tungen der Blätter hinbegeben haben, überrascht. Auch ich kam bei der Untersuchung der Terminalknospen
verschiedener Monoeotylen, namentlich von Iris, Acorus Calamus, von den Zwiebeln von Nareissus poe-
Zicus zu dem Resultate, dass die ersten, unter der Form von durchsichtigen Streifen eines zarten Zellgewe-
bes erscheinenden Andeutungen der Gefässbündel unterhalb der jüngsten Blätter im Achsentheile der Knospe
zu finden sind, ehe sie in den Blättern auftreten und dass später die Entstehung der Gefässe in diesen rudi-
mentären Gefässbündeln in derselben Richtung erfolgt. Diese Resultate wurden durch die Untersuchungen
von SCHLEIDEN (Grundz. II. 189), Meneeumı (intorno alla struttura del tronco delle Monocotiledoni in: Mis-
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cellanee di Chimica, Fisica e Storia naturale. 1843) und Nauvın (Annal. d. sc. natur. 1844. I. 162) voll-
kommen bestätigt und es wird nach diesen übereinstimmenden Erfahrungen keinem Zweifel unterworfen
sein, dass das obere Ende der Gefässbündel von unten nach oben wächst und dass wir den Ursprung dersel-
ben im Stamme und nicht im Blatte zu suchen haben. Eine ganz andere Frage ist es dagegen, ob dem
ganzen Gefässbündel dieser Entwicklungsprocess zukommt, oder ob nicht sein unteres, im Stamme abwärts
laufendes Ende in entgegengesetzter Richtung wächst. MirsEL nimmt das erstere an und versichert, dass
bei den Palmen derselbe Gefässbündel an seinem unteren, aus der innern Peripherie des Stammes entsprin-
genden Ende bereits die Eigenschaften des ausgebildeten Holzes und in seinem mittleren Theile den halb
erhärteten Zustand des Splintes zeige, während er an seiner Spitze aus einem in der Entstehung begriffenen
Gewebe bestehe. Hat MırsEL dieses je wirklich beobachtet? Hieran erlaube ich mir zu zweifeln. Meinen
Erfahrungen zufolge begiebt sich der Gefässbündel einer Palme, dessen unteres Ende bereits holzartige Fe-
stigkeit zeigt, nicht zu einem Blattrudimente, sondern zu einem bereits in seiner Entwicklung vorgeschritte-
nen Blatte, er kann daher, wenn auch die im obern Theile des Stammes liegende Strecke desselben aus den
weiter oben auseinandergesetzten Gründen noch sehr weich ist, über die Art und Weise seines ersten Auf-
tretens keinen Aufschluss mehr gewähren. Diesen können wir auf eine entscheidende Weise nur dann erhal-
ten, wenn es gelingt, solche Gefässbündel, deren oberes Ende noch kein Blatt erreicht hat, nach unten zu
verfolgen und ihre weitere stufenweise Entwicklung zu beobachten. Dieses in einem Palmenstamme zu thun
war mir wegen der grossen Menge und wegen des verwickelten Verlaufes seiner Gefässbündel unmöglich
und meine Bemühungen, dieses Verhältniss durch bestimmte Beobachtungen zu ermitteln, schlugen gänzlich
fehl. Wenn ich es dessenunerachtet wage, auf Besprechung dieser Frage einzugehen und eine Entschei-
dung derselben aus entfernter liegenden Erscheinungen abzuleiten, so weiss ich zwar wohl, dass dieses Ver-
fahren keine Gewissheit, sondern höchstens einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit gewähren kann,
hoffe aber doch, dass eine solche Betrachtungsweise nicht ganz ohne Nutzen sein wird. Zuerst ist wohl zu
untersuchen, ob ein in der Entwicklung befindlicher Gefässbündel immer nur nach einer Richtung hin wächst,
oder ob nicht Fälle vorkommen ‚ in welchen sich beide Enden desselben nach entgegengesetzten Richtungen
hin verlängern. Meiner Ansicht nach kommt der letztere Fall unzweifelhaft vor, namentlich am Insertions-
puncte einer Wurzel auf einem Monocotylenstamme und eines Wurzelastes auf einer Monocotylenwurzel.
In diesen beiden Fällen und besonders deutlich im letzteren sieht man in dem zelligen Knoten, mit welchem
die Bildung der Wurzel beginnt, Gefässbündel entstehen, deren gegen die Wurzelspitze gerichtetes Ende mit
dem weiteren Wachsthume der Wurzel in die Länge wächst, während das andere Ende in entgegengesetzter
Riehtung in den Stamm oder die primäre Wurzel eindringt. Auf analoge Weise besitzt auch, wie wiederum
bei den Monocotylen deutlicher, als bei den Dicotylen zu beobachten ist, die zu einem beblätterten Aste sich
entwickelnde Knospe ihr eigenes, von den Gefässbündeln des Stammes unabhängiges Gefässbündelsystem,
dessen untere Endigungen auf den Stamm übertreten und sich über einen grösseren oder geringeren Theil
seiner Holzmasse ausbreiten. Diese Gefässbündel sind nun nichts anders, als die untern Endigungen der
Gefässbündel dieses Astes und es liegt beim Anblicke dieser auf den Stamm übertretenden Fasern die Ver-
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muthung, dass sie sich in der Richtung von oben nach unten entwickelt haben, am nächsten. Gegen diese
sich zunächst aufdringende Erklärung kann man allerdings einwenden, dass in der Thatsache des Uebertretens
jener Gefässbündel auf den Stamm der Beweis dafür, dass dieselben sich in der Richtung von oben nach un-
ten ausbildeten, noch nicht liege, sondern dass ebenso gut durch die Anwesenheit des Astes, durch die An-
ziehung, die er auf die Säftemasse des Stammes ausübe, Veranlassung zur Bildung jener Gefässbündel im
Stamme selbst gegeben werden könne und dass dieselben vom Stamme zu dem Aste in die Höhe wachsen
können. Nun scheint aber in der Richtung, welche die unter der Rinde der Monocotylenstämme liegenden
Fasern bei Verwundungen des Stammes annehmen, ein Beweis dafür zu liegen, dass ihre Bildung wirklich in
der Richtung von oben nach unten erfolgt. Es liegt der Stamm einer alten Yucca vor mir, an welchem
während des Lebens der Pflanze viele Aeste an der Oberfläche des Stammes abgesägt worden waren und
welcher auch sonst Verletzungen, die bis auf die Faserschichte eindrangen, erlitten hatte. An diesen ver-
wundeten Stellen hatten sich, wie an einem Dieotylenstamme, Ueberwallungen gebildet, in welchen die Fa-
sern, welche von oben her gegen die verwundete Stelle zulaufen, bis an den obern Wundrand gelangen, als-
dann zu beiden Seiten ausweichen, längs der Seitenränder herablaufen und eine Strecke unterhalb der
verwundeten Stelle unter einem sehr spitzen Winkel von beiden Seiten sich einander wieder nähern. Auf
diese Weise wurde am obern Rande und an den Seiten der Wunde eine Ueberwallung gebildet, während die-
selbe am untern Rande fehlt. Würden die Fasern, wie dieses MırgeL annimmt, von unten heraufwachsen,
so müssten sie den untern Wundrand erreichen, an demselben seitwärts ausweichen und oberhalb der Wunde
sich allmählig einander nähern, die Ueberwallung müsste daher an der untern und nicht an der obern Seite
der Wunde entstehen. Hiebei ist zu bemerken, dass diese Ueberwallungen nicht, wie bei den Dicotylen,
durch ein Dickewachsthum älterer, bei der Verwundung bereits vorhandener Gefässbündel vermittelt, son-
dern von neu sich entwickelnden Gefässbündeln gebildet werden, welche von denen der unterliegenden völ-
lig getrennt sind, wie überhaupt auch bei normalem Wachsthume des Stammes die übereinanderliegenden
Faserschichten desselben nicht mit den Jahresringen der Dicotylen zu vergleichen, sondern als ganz isolirte
Bildungen zu betrachten sind, was sich besonders in der Richtung der Spirallinie, in welcher die Fasern ver-
laufen, ausspricht, indem diese Spirale auf analoge Weise, wie bei Xanthorrhoea in den aufeinanderfolgen-
den Schichten von rechts nach links abwechselt. Die Analogie zwischen dem Baue des Stammes einer Yucca
und einer Palme ist so gross, dass wir wohl von den Erscheinungen, welche wir an dem ersteren beobach-
en, einen Schluss auf die Vorgänge im zweiten zu machen berechtigt sind. Der Unterschied zwischen bei-
den Stämmen liegt hauptsächlich darin, dass bei Yucca die untern Endigungen der Gefässbündel unter der
Form eines engen Fasernetzes bis zur Basis des Stammes herablaufen und dass in Folge der fortdauernden
Ablagerungen von neuen Faserschichten der Stamm ein ununterbrochenes Wachsthum in die Dicke zeigt,
während bei den Palmen die unteren faserförmigen Endigungen der Gefässbündel in der Regel einfach blei-
ben und nicht bis zur Basis des Stammes abwärts laufen. Als eine Annäherung an die Bildung dieses Faser-
netzes ist bei den Palmen wohl der von mir bei Cocos beobachtete Fall, die Auflösung der Gefässbündel in
eine Anzahl von dünnen Fasern (pag.133) zu betrachten. Diese zwischen dem Stamme von Yucca und dem
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Palmenstamme stattfindenden Verschiedenheiten sind ohne Zweifel nicht von der Bedeutung, dass sie eine
wesentliche Verschiedenheit in der Art der Entwicklung der Gefässbündel vermuthen lassen. Da nun bei
einem jeden Monocotylenstamme in Folge der Entwicklung eines Astes Gefässbündel auftreten, welche ohne
die Bildung jenes Astes nicht entstanden wären, da diese Gefässbündel eine desto grössere Masse bilden und
sich von der Basis des Astes auf eine desto grössere Strecke am Stamme verbreiten, je älter der Ast wird,
‘da bei Yucca in der Nähe von Stammwunden der Verlauf der Gefässbündel solche mechanische Verhältnisse
zeigt, wie sie in Folge eines Herabwachsens der Gefässbündel am Stamme eintreten müssen, so ist es wohl
gerechtfertigt, wenn ich die Angabe Mırser’s, dass die Gefässbündel der Palmen von unten nach oben wach-
sen, für eine mit den Erscheinungen des Wachsthumes der Monocotylen im Widerspruch stehende Meinung
erkläre und es im Gegentheile für wahrscheinlich erachte, dass der untere Theil dieser Gefässbündel sich in
der Richtung von oben nach unten entwickle.
Zu demselben Resultate gelangte Mexeenisı durch eine von der meinigen gänzlich verschiedene Reihe
von Schlussfolgerungen. Er hatte schon in seiner ersten Schrift über den Bau der Monocotylen (ricerche
sulla struttura del caule nelle piante monocotiledoni. 1836. p. 77) angegeben, dass die Bildung von Gefäss-
bündeln durch bestimmte Strömungen von Nahrungssäften hervorgerufen werde, ohne jedoch diese Ansicht
näher auszuführen. In einem neueren Aufsatze (intorno alla struttura del tronco delle Monocotiledoni)
stellt er über den Zusammenhang zwischen den Saftströmungen und der Entstehung der Gefässbündel und
über die Abhängigkeit der Richtung, in welcher sich die Fasern entwickeln, vom Säftelauf folgende Theorie
auf. Das in der Entwicklung begriffene, im Centrum der Knospe befindliche Blatt bildet den Brennpunct
von Saftströmungen, welche von der Peripherie der Knospe nach dem Blatte convergiren und zur Entste-
hung von Gefässbündeln Veranlassung geben. Der auf diese Weise entstandene Theil der Gefässbündel bil-
det, wenn das Blatt im Laufe seiner weitern Ausbildung an die Peripherie des Stammes hinausgetreten ist,
den untern Theil seiner Gefässbündel, indem der obere Theil derselben erst nach jenem ersten Theile all-
mählig und in dem Verhältnisse, wie das Blatt sich entwickelt und seine spätere Stelle einnimmt, nachwächst.
Während der Ausbildung des Blattes erlangen die gegen dasselbe hinlaufenden Saftströmungen und mit
ihnen die Organisation der Gefässbündel in der Cambiumschichte des Stammes eine immer grössere. Aus-
dehnung in der Richtung von oben nach unten. Wenn das Blatt aus der Knospe hervorgetreten und grün
geworden ist, so fliessen die demselben im Ueberflusse zuströmenden Säfte in assimilirtem Zustande neben
den aufsteigenden Säften zurück und geben zur Bildung von Bastzellen Veranlassung. Der aufsteigende Saft,
welcher desto weniger ausgearbeitet ist, je näher er sich der Wurzel, die ihn aufsaugt, befindet, muss auf die
Metamorphose der Zellen, durch welche er fliesst, in desto stärkerem Grade einwirken, je näher er dem
Puncte, von dem er vorzugsweise angezogen wird, kommt; es muss daher die Bildung der Gefässe, welche
von ihm abhängt, im Blatte beginnen und von hier aus zur Wurzel absteigen. Der absteigende Saft dagegen,
welcher in der Ernährung der Zellen verzehrt wird, muss desto mehr von. seiner Wirksamkeit verlieren, je
weiter er sich von den Blättern entfernt. Die Bildung der Gefässe beruht auf dem aufsteigenden, die Bil-
dung der Bastzellen auf dem absteigenden Safte ; die erstere herrscht daher in dem oberen Theile der Ge-
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fässbündel, die andere in ihrem unteren Theile vor und man muss aus doppeltem Grunde die Gefässbündel
in Hinsicht auf ihre organische Bildung als absteigend von dem im Centrum der Knospe befindlichen, im
Anfange seiner Bildung begriffenen Blatte betrachten.
Kehren wir zur Darstellung Mırser's zurück, so ist die Art und Weise, wie sich bei Phoenix die Ge-
fässbündel nach unten endigen, von demselben nicht näher angegeben. Auch mir ist es, wie schon oben
bemerkt, nicht geglückt, dieses Verhältniss mit Bestimmtheit auszumitteln. Man findet allerdings, wie ich in
meiner Beschreibung des Palmenstammes angab, dass ein Theil der Gefässbündel nach unten mit andern
Gefässbündeln verschmilzt, oder, wie sich die Phytotomen, welche ihnen einen aufsteigenden Verlauf zu-
schreiben, ausdrücken, Aeste von andern, in tiefer unten gelegene Blätter eintretenden Gefässbün-
deln bildet, dieses Verhältniss lässt sich aber nur für den geringsten Theil derselben und namentlich nicht
für die haarförmigen Fasern, in welche sich die Gefässbündel in den äussern Stammschichten endigen, nach-
weisen. Es ist desshalb wahrscheinlich, dass sich die Mehrzahl der Gefässhündel im Zellgewebe unter der
Rinde blind endigt. Es könnte diese Annahme für die Erklärung, wie der Saft in die Höhe steigt, eine
Schwierigkeit darzubieten scheinen, allein wir treffen bei den Gefässbündeln der Corona vieler Dicotylen
z. B. bei Laurus nobilis, Quercus, Rosa genau dasselbe Verhältniss, indem die zu einem Blatte verlaufen»
den Gefässbündel ohne irgend eine Verbindung mit denen eines andern Blattes einzugehen am Stamme her-
ablaufen und sich allmählig unter der Form von dünnen Fasern, welche nicht weiter nach unten zu verfolgt
werden können, zuspitzen. Bei diesen Pflanzen muss der aufsteigende Saft, wenn er durch einen Gefässbün-
del geflossen ist, um zu einem zweiten zu gelangen, seitwärts in das Zellgewebe austreten und von diesem
in den benachbarten Gefässbündel überfliessen. Dieses Verhältniss findet jedoch, wie schon mehrmahls be-
merkt wurde, nicht bei allen baumförmigen Monocotylen statt, indem bei Dracaena, Yucca, Xanthorrhoea
die untern Endigungen der Gefässbündel untereinander seitwärts verwachsen und auf diese Weise ein zu-
sammenhängendes Fasernetz über den ganzen Stamm bilden.
MirsEL unterscheidet im Stamme der Dattelpalme verschiedene Arten von Gefässbündeln: 1) die,
welche sich im Innern des Stammes finden und die hauptsächlichste Masse seines Holzes bilden, 2) haarför-
mige Fasern, welche in der peripherischen Region des Stammes und der Blattstiele in grosser Menge liegen,
im Innern des Stammes nicht vorkommen und eine 36mahl geringere Dicke als die ersteren haben. Diese
dünneren Fasern enthalten keine Gefässe, sondern bestehen blos aus verlängerten, dickwandigen Zellen.
Ich habe in meiner Beschreibung des Palmenstammes ebenfalls auf diese Verschiedenheiten aufmerksam ge-
macht und angeführt, dass die zweite Classe von Fasern die untern Endigungen von Bündeln sind, welche
ohne vorher ins Innere des Stamms einzutreten, in die äussern Schichten der Blätter verlaufen und sich hier
grossentheils in wahre Gefässbündel verwandeln. Unser machte zuerst darauf aufmerksam, dass diese Fa-
sern von späterer Entstehung, als die im Innern des Stammes liegenden Gefässbündel sind, vorzugsweise
machte aber Mexecnmsı auf den Umstand aufmerksam, dass überhaupt die verschiedenen Gefässbündel des-
selben Blattes nicht auf gleiche Tiefe in den Stamm eindringen und dass diese Verschiedenheit auf dem Um-
stande beruhe, dass das Blatt während seiner Entwicklung vom Centrum der Achse auf ihre Peripherie
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hinaustrete und jeder Gefässbündel mit seiner inneren Krümmung nur den Punct erreiche, an welchem sich
gerade das Blatt in dem Momente befunden habe, in welchem die Organisation des Gefässbündels begann
(intorno alla struttura del tronco delle Monocotiledoni. 12.).
Unter den Gefässbündeln hebt Mırsen einen Theil unter dem Ausdrucke der Vorläufer (precurseurs)
besonders hervor. Diesen Namen legt er ihnen bei, weil sie die ersten seien, die sich mit den Blättern ver-
binden. Ihre Zahl ist nach ihm die gleiche wie die der Blätter in jedem Schritte der Blattspirale (de
chaque pas d’helice) und sie erscheinen in Entfernungen, welche durch die Länge der Internodien gemessen
werden. Sie liegen im Centrum des Stammes in einem Bündel; ein jeder derselben tritt einzeln aus diesem
centralen Bündel hervor und begiebt sich schief aufwärts in ein Blatt. Auf diesem Wege schliessen sich an
ilın zahlreiche andere Gefässbündel an. An der Stelle, an welcher der Vorläufer die senkrechte Richtung
verlässt, um sich zu einem Blatte zu begeben, schickt er gewöhnlich einen, seltener zwei bis drei Aeste ab,
welche senkrecht in die Höhe steigen und wahrscheinlich zu höher oben gelegenen Blättern verlaufen. Es
ist dieses das einzige Beispiel von Verästelung einer Faser, welches MırsrL in der Dattelpalme vorkam.
Das bisher Gesagte, fährt Mırser fort, stehe in keinem Widerspruche mit meinen Angaben, wohl aber
der Umstand, dass das wotere Ende der Vorläufer nicht in gerader Richtung am Stamme herablaufe, sondern
sich auf die dem Blatte entgegengesetzte Seite des Stammes begebe, woraus hervorgehe, dass die Vorläufer,
welche sich zu einem jeden Umlaufe der Blattspirale begeben, sich im centralen Bündel kreuzen und zwei in
einander geöffnete Kegel, einen aufrechten und einen umgekehrten , bilden. Darüber, ob die Richtung, in
welcher diese Fasern von der geraden Linie abweichen, für alle die gleiche ist oder nicht, spricht sich Mrg-
BEL nicht aus, so wie er auch davon, dass Menzeumı diesem Verhältnisse eine ganz besondere Aufmerksam-
keit widmete und von der durch denselben gegebenen Erklärung keine Erwähnung thut. Es giebt mir somit
Mırger bei seiner laconischen Behandlung dieses Punctes, welchen er als die hauptsächlichste Differenz un-
serer Arbeiten bezeichnet, keine Gelegenheit, seine Ansichten über denselben näher kennen zu lernen und
zu besprechen, wie ich denn auch gestehen muss, dass mir aus seinem Aufsatze nicht klar geworden ist, wie
und warum er die von ihm Vorläufer genannten Fasern von den übrigen entwickelten Gefässbündeln unter-
scheidet und dass ich dieselben nicht kenne.
Erklärung der Abbildungen auf Tah. VI.
Fig. 1—8. Junge Blätter der Terminalknospe von Cocos flexuosa, an welchen die allmählige Entstehung der
Fiederblättchen ‚sichtbar ist. Die mit a bezeichneter Figuren stellen die Blättchen in natürlicher Grösse, die mit
5 bezeichneten stellen dieselben vergrössert dar. Anfänglich (fig. 1. 2.) findet sich am Rande der Blättchen eine
seichte Furche, später (fig. 5. 4.) finden sich im Grunde der Furche zarte Querstreifen, diese verwandeln sich
(fig. 5—8.) in Spalten, welche die Substanz des Blattes durchdringen und dieselbe in Fiederblättchen theilen,
wie auf dem Querschnitte (fig. 7. c.) zu sehen ist. Der Rand der Fiederblättehen ist durch eine zellige Masse
fig. 8. *), die dem ursprünglichen Blattrande entspricht und später vertrocknet, verbunden.
Fig. 9—12. Junge Blätter der Knospe von Phoenix dactylifera, bei welchen die Fiederblättchen ebenfalls
durch Spalten, welche das einfache Blatt theilen, entstehen. ;
— 16 —
XI.
Untersuchungen
über
den Mittelstock von Tamus Elephantipes L.
(Dissertation vom Jahr 1856.)
Bei vielen, besonders monocotylen Gewächsen sehen wir den unteren Theil ihres Stammes in Bezie-
hung auf äussere Form, inneren Bau und Lebensdauer gänzlich verschieden von dem oberen Theile dessel-
ben. Dieser untere Theil ist nämlich mehr oder weniger knollenartig verdickt, er zeigt meistens ein schwa-
ches Wachsthum in die Länge, besitzt häufig eine mehr oder weniger geneigte oder eine vollkommen
horizontale Richtung , ist häufig unter der Oberfläche des Bodens verborgen, seine Blätter sind selten voll-
kommen ausgebildet, sondern erscheinen meistens unter der Form von Schuppen, in seinem reichlichen Zell-
gewebe ist eine grosse Menge von nährenden Substanzen, Amylum, Schleim u. dgl. niedergelegt.
Dieser untere Theil des Stammes, welcher im Allgemeinen mit dem Ausdrucke des Caudex intermedius,
und nach den Verschiedenheiten seiner Form, nach der grössern oder geringern Ausbildung seiner Blätter
u. s. w. mit den Ausdrücken des Bulbus, Tuber, Bulbo-tuber, Rhizoma etc. bezeichnet wird und welcher frü-
her, als die Organographie der Gewächse noch in ihrer Kindheit lag, beinahe durchgängig zu der Wurzel
gerechnet wurde, besitzt meistentheils eine vieljährige Dauer und treibt alljährlich einen oder mehrere ober-
irdische, theils nur mit Blüthen besetzte und alsdann Scapus genannte, theils mit Blättern und Blüthen be- ,
setzte einjährige Stengel. Der Umstand, dass diese Stengel, auch wenn sie neben den Blüthen mit Vegeta-
tionsblättern besetzt sind, nach einmahligem Fruchttragen absterben, nähert dieselben der Inflorescenz (d. h.
dem blos mit Fructificationsblättern besetzten Theile des Stammes) und es liegt darin, dass der Stamm der
mit einem Rhizome versehenen Gewächse unter einer gedoppelten Form auftritt, durchaus kein Widerspruch
gegen die Annahme, dass jene Rhizome als Stamm zu betrachten seien. Es folgt nämlich hieraus noch nicht,
dass diese Pflanzen zweierlei ganz verschiedene Stämme besitzen, sondern blos, dass die verschiedenen
Theile eines und desselben Stammes eine verschiedene Lebensverrichtung besitzen, etwa auf ähnliche Weise,
wie sich die mit Blüthen besetzten Achsen von den mit Vegetationsblättern besetzten Theilen des Stammes
unterscheiden, ohne desshalb aufzuhören, Theile desselben Stammes zu sein.
Bei den meisten dieser knollenartig verdickten Stämme ist ihre Stammnatur leicht an dem Umstande zu
erkennen, dass sie mit wirklichen ausgebildeten Blättern, oder doch mit mehr oder weniger blattähnlichen
— 197 —
Schuppen besetzt sind, welche bei der Ausbildung der Stammspitze zu einem oberirdischen, mit Blättern
und Blüthen besetzten Stamme einen allmähligen Uebergang in wahre Blätter zeigen, z. B. bei den meisten
Zwiebeln, oder aus deren Achseln die Knospen hervorbrechen, welche theils zur Vergrösserung, theils zur
Erneuerung des knollenartigen Stammes selbst dienen, wenn sein Längewachsthum durch Entwicklung seiner
Spitze zu einem blüthentragenden oberirdischen Stamme für immer abgeschnitten ist, z. B. bei einer Iris,
oder wenn der knollenartig verdickte Stamm selbst durch die Fruchtentwicklung erschöpft zu Grunde geht,
wie dieses bei den meisten Zwiebeln der Fall ist. Die Stelle, an welcher diese Knospen hervorbrechen , ist
sehr verschieden, bald liegen dieselben gegen die Spitze des Rhizomes zu, und in diesem Falle bildet der
aus diesen Knospen entstehende Ast eine deutliche Verzweigung oder auch scheinbar eine unmittelbare Fort-
setzung des Stammes in seiner Längenrichtung, indem in diesen Fällen der unterhalb des Ansatzpunctes der
Knospe liegende Theil des Stammes sich noch kürzere oder längere Zeit lebend erhalten kann; oder es bre-
chen die Knospen in der Achsel der unteren Schuppen des Stammes hervor, was zur Folge hat, dass der
alte, knollenartig verdiekte Stamm abstirbt, und seine Stelle durch die neugebildeten Knospen ersetzt wird,
wie dieses meistens bei den Zwiebeln der Fall ist.
Ausser dieser Production von regelmässigen, in der Achsel von Blättern oder Schuppen sitzenden
Knospen kommt diesen verdickten Stämmen in hohem Grade die Fähigkeit Adventivknospen zu erzeugen zu.
Obgleich diese Fähigkeit eine Eigenschaft eines jeden mit einer hinreichenden Menge saftigen Zellgewebes
versehenen Pflanzentheiles ist, so findet sie sich doch bei jenen knollenartigen Stämmen in besonders hohem
Grade, weil dieselben nicht nur ein reichliches, parenchymatoses, saftiges Zellgewebe besitzen, sondern
hauptsächlich, weil in denselben eine grosse Menge von Nahrungsstoffen niedergelegt ist, welche das zur Bil-
dung der Adventivknospen nöthige Material liefern, und auf deren Kosten der knollenförmige Stamm lange
Zeit leben kann, bis die neugebildete Knospe Blätter getrieben hat und zur Ernährung selbstthätig mitwirken
kann. Die Leichtigkeit, mit welcher solche knollenförmige Stämme Adventivknospen entwickeln, bietet ein
gutes Mittel dar, um manche solcher Pflanzen, welche geringe Neigung zur Verästelung haben, künstlich zu
vermehren, z. B. Cyclamen, indem man nur nöthig hat, den knollenförmigen Stamm durch senkrecht von
seiner Spitze gegen seine Basis geführte, tief eindringende Einschnitte in einzelne Abtheilungen (welche man
anfänglich noch an der Basis des Stammes in Verbindung lässt) zu trennen, um jede dieser Abtheilungen zur
Entwicklung einer Adventivknospe zu nöthigen.
Unter diesen knollenartigen Stämmen erregt nicht leicht einer die Aufmerksamkeit in so hohem Grade,
als der von Tamus Elephantipes L., welcher nicht blos durch seine Grösse, durch seine sonderbare Form,
sondern hauptsächlich durch die Art und Weise, auf welche sich seine jährigen, Blätter und Blüthen tragen-
den Stengel entwickeln, beinahe von allen ähnlichen Bildungen auf das auffallendste abweicht.
Der Umstand, dass in den botanischen Gärten von Stuttgart und Tübingen diese Pflanze vor einigen
Jahren in grösserer Menge aus Samen erzogen worden war, verschaffte mir die Gelegenheit, einige Unter-
suchungen über dieselbe anstellen zu können, deren Resultat der Mittheilung nicht unwerth zu sein scheint.
Leider hatte ich keine Gelegenheit, die ersten Entwicklungsstufen des keimenden Pflänzchens beobach-
24 *
— 18 —
ten zu können, indem die jüngsten Exemplare, welche mir zur Untersuchung zu Gebote standen, bereits
dreijährig waren und die Samen, welche ich, um die Keimung beobachten zu können, aussäete, sich nicht
mehr entwickelten. So viel ist jedoch den Aussagen der Gärtner nach gewiss (und nach der Keimung von
Tamus communis zu schliessen auch wahrscheinlich), dass die keimende Pflanze im ersten Jahre noch kei--
nen mit Blättern besetzten Stengel treibt, sondern ihre ganze Vegetationskraft auf Ausbildung eines knolligen
Stämmchens verwendet, welches im ersten Jahre weisslich und völlig glatt ist, und etwa die Grösse einer
Haselnuss erreicht. Ob nun dieser knollenartig verdickte Stamm aus dem untersten Internodium, oder ob
er, wie es bei Tamus communis nach den Untersuchungen von Durrockzr !) der Fall zu sein scheint, aus
dem zweiten Internodium des Keimpflänzchens sich entwickelt, bin ich aus dem angegebenen Grunde nicht
im Stande anzugeben ; in jedem Falle entwickelt er sich durch Anschwellung eines einzigen Internodium, in-
dem man an demselben durchaus keine Spuren von Blättern, Schuppen oder dgl. bemerkt.
Bei der dreijährigen Pflanze hat der knollenartige Stamm etwa die Grösse einer Wallnuss erreicht, be-
sitzt hald eine mehr längliche, bald eine mehr abgeplattete Form, seine Basis ist flach. Das ursprüngliche
Würzelchen, welches den Mittelpunct dieser untern Fläche einnahm, ist wie dieses bei den Monocotylen Re-
gel ist, abgestorben und durch einen Kranz von Faserwürzelchen ersetzt, welche auf dem Rande zwischen
der untern Fläche und den Seitenflächen des Knollens stehen. Die Rindensubstanz des Knollens ist saftig,
hellbraun und glatt; bei solchen Knollen, welche ein ungewöhnlich starkes Wachsthum zeigten, fieng sie an,
unregelmässig auf ihrer Oberfläche einzureissen. Aus der Spitze des Knollen war ein kleines, mit wenigen
Blättern besetztes Stengelchen hervorgewachsen.
Zur genaueren Untersuchung wählte ich einige, etwa acht Jahre alte Stämme, welche einen Durchmes-
ser von ungefähr drei Zoll besassen, deren Rinde bereits die bekannten unregelmässig eckigen Hervorragun-
gen sehr ausgebildet besass und deren beblätterter Stamm ungefähr eine Elle lang war. Bei diesen zeigte
die untere Fläche eine flache schüsselförmige: Vertiefung und gieng mit einem abgerundeten Rande in die
Seitenflächen über. Auf der Grundfläche selbst sassen keine Wurzeln, wohl aber sah man noch in (jedoch
nicht regelmässig) concentrischen Kreisen die Spuren von früher auf derselben vorhandenen Wurzeln.
Dagegen sass auf dem Rande der ‘Grundfläche eine ziemliche Menge. von unregelmässig und ziemlich
stark verästelten Faserwurzeln. Auf der Spitze des Knollens befand sich der vegetirende Stengel, und neben
diesem die Ueberreste der Stengel der 3—4 letzten Jahre.
Theilt man einen solchen knollenförmigen Stamm durch einen senkrechten Schnitt in seiner Mitte, so
sieht man, dass die hauptsächlichste Masse desselben parenchymatos, ungefähr von der Consistenz einer
Kartoffel und weissgelblich gefärbt ist. Die Hervorragungen, welche die ganze convexe Fläche des Knollen
bedecken, bestehen aus einer trockenen, braunen, korkähnlichen Masse und sind durch eine scharfe Grenz-
linie vom inneren belebten Theile des Stammes geschieden, ganz auf ähnliche Weise, wie der Kork einer
Korkeiche auf dem belebten Theile der Rinde aufsitzt. Die Spalten, welche die Korkmasse in die zapfenför-
1) Nouyelles annales du Museum. Tom. IV. p. 469 etc.
— 189 —
migen Hervorragungen trennen, dringen bis zum belebten Theile der Rinde ein. Die Korkmasse ist auf der
oberen Fläche des Knollens am dicksten, verdünnt sich allmählig gegen den unteren Rand desselben hin und
überzieht die Grundfläche nur in Form einer, etwa ?/a Linie dicken braunen Haut. Unterhalb der Korkmasse
liegt auf dem ganzen convexen Theile und auf der Grundfläche des Stammes eine etwa eine Linie dicke
Rinde, welche von der inneren Substanz durch eine zarte, etwas dunklere Linie, welche der Earahiumschiehte
der Dicotylen entspricht, geschieden wird und nach aussen zu, besonders an denjenigen Stellen, an welchen
die Risse der Korksubstanz bis auf den belebten Theil eindringen, grünlich ist. An dem Rande, welcher die
Grundfläche mit den convexen Seiten des Stammes verbindet, wird die Trennungslinie zwischen Rinde und
dem innern Parenchyme weniger deutlich und verschwindet auf der Grundfläche völlig, auf welcher zwar
ebenfalls noch die Rinde von dem Parenchyme des Centralkörpers verschieden ist, sich aber mehr durch
verschiedene Färbung unterscheidet, als durch eine scharfe Trennungslinie von ihm geschieden ist.
Die Rinde ist durchaus parenchymatos und es liegen in ihr keine Bastbündel oder Gefässbündel. In
der mittleren, parenchymatosen Substanz dagegen erkennt man, aber nur mit einiger Mühe, Gefässbündel,
welche jedoch nicht unter der Form von festeren Fasern, sondern nur als weissere Streifen erscheinen und
desshalb schwer zu verfolgen sind. Etwas deutlicher erscheinen dieselben, wenn man den Stamm eine Zeit-
lang in Wasser macerirt, oder wenn man ihn eintrocknen lässt, Anilom sich alsdann das Parenchym stärker,
als die Gefässbündel zusammenzieht. Diese Gefässbündel bilden concentrische Schichten (gleichsam Jahres-
ringe), welche untereinander durch viele Verbindungszweige zusammenhängen, oben in der Mitte des Stam-
mes unterhalb der Stelle, an welcher die Knospen stehen, zusammenlaufen und daselbst ein unregelmässiges,
auf das mannigfachste verflochtenes, beim Durchschneiden eine ziemlich holzige Consistenz zeigendes Netz
bilden, welches mit den Gefässbündeln des beblätterten Theiles des Stammes in Verbindung steht.
An der Spitze des Stammes stehen der beblätterte Stengel des gegenwärtigen Jahres, die unteren Theile
der Stengel .der letzten 3 oder 4 Jahre und die Knospen, aus denen sich in den nächsten Jahren die Stengel
entwickeln sollen, dicht gedrängt zusammen. Unterhalb dieser Stelle macht der oben bemerkte dunklere
Streifen, welcher die Grenze zwischen der Rinde und dem Mittelkörper andeutet, eine Einbiegung nach
innen, unter welcher die Färbung des parenchymatosen Mittelkörpers einen etwas dunkleren gelblichen Ton
als an den übrigen Stellen zeigt, welcher seinen Grund in der Anhäufung von vielen Gefässbündeln an dieser
Stelle hat. Die abgestorbenen Stengel der früheren Jahre nehmen, wie sie die Rinde erreichen, einen be-
deutend kleineren Durchmesser an und reichen mit diesem conischen Ende bis gegen die dunkle Trennungs-
"linie der Rinde von dem Centralkörper hin und fliessen hier mit dem letzteren zusammen. An ihrer
Austrittsstelle aus der Rinde sind sie von einigen dicken, spitz zulaufenden Schuppen umgeben. Wenn man
im Winter (November oder December) die Untersuchung anstellt, also zu einer Zeit, in welcher der beblät-
terte Theil des Stammes seinem Absterben nahe oder bereits abgestorben ist, so findet man neben den ab-
gestorbenen und dem noch vegetirenden Stengel eine noch ziemlich unentwiekelte Knospe, welche innerhalb
zweier ringförmiger Schuppen das Rudiment des im nächsten Jahre zur Entwicklung kommenden Stengels
enthält und welche auf der Trennungslinie der Rinde vom Centralkörper aufsitzt. Noch tiefer, aber eben-
— 1% —
falls auf dieser Linie aufsitzend, findet sich, kaum erkennbar die Knospe, die erst im zweiten Jahre zur Ent-
wicklung kommen soll.
Die mikroskopische Untersuchung des knolligen Stammes zeigt, dass seine Hauptmasse aus einem dünn-
wandigen, parenchymatosen Zellgewebe besteht, dessen Zellen in der Mitte der Grundfläche und im Centrum
des Stammes regelmässig poly@drisch und nicht in bestimmte Reihen gestellt sind, kurz eine wirkliche
Marksubstanz darstellen. Von diesem Centralpunkte laufen die übrigen Zellen in strahlenförmig divergiren-
den Reihen auswärts und aufwärts gegen die Oberfläche des Stammes hin. In den einzelnen Reihen stehen
die Zellen mit geraden Scheidewänden übereinander; sie haben meistens eine sehr regelmässige Form, sind
zum Theil etwas in die Länge gestreckt. Auf diese Weise verlaufen die Zellenreihen bis zur Rinde, ihre äus-
sersten Lagen sind sehr zarthäutig, mehr breit als lang, und enthalten keine Amylum-Körner, welche in den
übrigen Zellen häufig sind, kurz ihr ganzes Aussehen zeigt, dass sie jünger und erst in ihrer Ausbildung be-
griffen sind. Indem diese Zellen durchscheinender als die übrigen sind, erszheint die aus ihnen gebildete
Schichte auf dem Durchschnitte des Stammes dunkler, als die übrige mit Amylum erfüllte Substanz. Auf
der Grundfläche des Stammes fehlt dieser scharfe Unterschied zwischen der mittlern Substanz und der Rinde,
und es verlaufen sich beide allmählig in einander.
Die Zellen der Rinde sind ebenfalls in der Richtung von innen nach aussen etwas in die Länge ge-
zogen, sie besitzen jedoch nicht die vollkommene regelmässige Form, wie die Zellen des Mittelkörpers und
enthalten kein Amylum.
Die braune Korklage, welche die Rinde bedeckt, stimmt in ihrem Baue mit dem Korke der dicotyledo-
nen Bäume z. B. der Korkeiche vollkommen überein. Auf der Grundfläche des Stammes besteht die Kork-
lage nur aus wenigen Schichten tafelförmiger Zellen, welche in senkrecht auf die Oberfläche des Stammes,
gestellten Reihen liegen. Die äussersten Schichten sind braun und abgestorben, die innerste an die Rinde
anstossende Schichte ist saftig, ungefärbt oder gelblich, besonders gegen ihren äussern Rand zu. Einzelne
Parthien der Korklage, welche die Grundfläche des Stammes überzieht, bestehen, wie dieses auch bei dem
Korke vieler dicotyler Bäume der Fall ist, aus dickwandigen, punctirten, harten Zellen. Die dicke Kork-
lage, welche den conyexen Theil des Stammes überzieht, ist auf dieselbe Weise, wie der Kork der Korkeiche,
des Massholders etc. durch unregelmässige, dunklere Schichten in übereinanderliegende Blätter abgetheilt;
sie besteht, wie der Kork der Korkeiche, aus dünnwandigen Zellen, welche in senkrecht auf die Oberfläche
der Rinde gestellten Reihen liegen, und welche in den dunkleren Schichten tafelförmig plattgedrückt, in den
helleren Schichten in der Richtung von innen nach aussen verlängert sind. Eine Unterscheidung zwischen
der Rinde und dem Korke scheint blos in so ferne gemacht werden zu können, als die Rinde belebt, der
Kork trocken und abgestorben ist; beide stimmen in allen übrigen Verhältnissen überein, und der Kork be-
steht nicht aus einer eigenthümlichen, auf der äussern Oberfläche der Rinde sich schichtenweise
ablagernden Substanz, sondern aus den abgestorbenen Rindenschichten selbst, wodurch er sich von dem
ihm sonst sehr ähnlichen Korke des Massholders, der Korkeiche u. s. w. unterscheidet. Diesem Umstande
— 11 —
ist es auch zuzuschreiben, dass sich in dem Korke unserer Pflanze mit Raphiden gefüllte Zellen finden, wie
in der Rinde und im Centralkörper, während sonst im Korke keine Raphiden vorkommen.
Die Gefässbündel enthalten nur wenige und sehr enge Gefässe (der Durchmesser wechselt von !/zo bis,
4/ao0 Linie), welche die Form von kurzgliedrigen punctirten Röhren besitzen, und häufig die Form von rosen-
kranzförmigen Gefässen annehmen. Der zellige Bestandtheil der Gefässbündel besteht aus engen, sehr dünn-
wandigen, mit horizontalen Scheidewänden versehenen Zellen, so dass der ganze Stamm durchaus der feste-
ren Holzsubstanz ermangelt. ;
An der Stelle, an welcher die Knospen sitzen, ist die Rinde nicht so scharf von dem Mittelkörper ge-
trennt, wie an dem übrigen Umfange des Stammes, sondern es findet sich hier eine Masse dünnwandiger,
nicht mit Amylum gefüllter Zellen, welche einen allmähligen Uebergang sowohl in die Amylum enthaltenden
Zellen des Mittelkörpers, als in die inneren Schichten der umgebenden Rinde bilden. Das Zellgewebe der
Schuppen, welche die einzelnen beblätterten Stengel an ihrer Basis umgeben, hängt zunächst mit den inneren
Rindenschichten zusammen.
Die Gefässbündel der beblätterten Stengel und der Knospen bilden keine unmittelbare Fortsetzung der
im knollenförmigen Stammtheile enthaltenen Gefässbündel, sondern sie verzweigen sich an der Basis der
Knospen und treten dann in das unterhalb der Knospen gelegene Gefässbündelnetz des Stammes ein. Auch
weichen die Gefässbündel des beblätterten Stengels in ihrer Organisation von den Gefässbündeln des knol-
lenförmigen Stammes ab, indem in ihnen die Gefässe nicht nur einen weit grösseren Durchmesser (bis zu
4/7 Linie), sondern auch die bei den Monocotylen gewöhnliche halbmondförmige Stellung besitzen (vgl.
oben pag. 149), während in den Gefässbündeln des Anallenformipen Stammes diese regelmässige Bildung und
der Unterschied zwischen grossen und kleinen Gefässen nicht angetroffen wird.
Die Wurzeln entspringen, wie schon oben bemerkt wurde, auf dem Rande der Grundfläche und werden,
wenn sie absterben, durch neue Wurzeln ersetzt, welche weiter nach aussen am Rande der nun vergrösser-
ten Grundfläche hervorbrechen. Es tritt daher hier vollkommen dieselbe Erscheinung ein, wie bei den übri-
gen Monocotylenstämmen z. B. den Zwiebeln, den Stämmen der Palmen, Gräser ete., dass nämlich die Wur-
zeln in concentrischen Kreisen stehen, von denen der äusserste (oder bei verlängerten Stämmen der oberste)
der jüngste ist. Bei den Stämmen der meisten Monocotylen steht zwar das Hervorbrechen von Wurzeln im
genauesten Zusammenhange mit der mehr oder weniger genäherten Stellung der Knoten, indem die Wurzeln
in der Regel nur an den Knoten, aber nicht an den Internodien hervorbrechen. Das Beispiel von T’amus
Elephantipes kann dagegen beweisen, dass die Entstehung von Adventivwurzeln bei den Monocotylen nicht
nothwendigerweise an die Existenz und die Lage der Knoten gebunden ist; ein Umstand, welcher jedoch
auch bei der Untersuchung von Palmen, von Pandanus odoratissimus deutlich erkannt wird. Die Wurzeln
des Tamus Elephantipes sind ziemlich lang, und weichen von den Wurzeln der meisten Monocotylen durch
eine auffallend starke Verästelung und durch eine conische Form ab, so dass sie weit mehr Aehnlichkeit mit
den Faserwurzeln einer krautartigen dicotylen Pflanze besitzen. In ihrem innern Baue stimmen sie dagegen
vollkommen mit den Wurzeln der Palmen und der übrigen Monocotylen überein (vgl. oben pag. 156).
—- 12 —
Ebenso ist die Art, wie die Wurzeln in Verbindung mit dem Stamme treten, dieselbe wie bei den übrigen
Monocotylen, d. h. ihr Holzkörper durchdringt die Rinde des Stammes, und theilt sich in pinselförmig aus-
einandertretende Zweige, welche sich an die Gefässbündel des Stammes anlegen. !
Es erhellt aus der oben gegebenen Beschreibung des knollenförmigen Stammes von Tamus Elephan-
tipes, dass derselbe in mehrfacher Beziehung von den Rhizomen der übrigen Monocotylen abweicht. Die
gewöhnlichsten Formen der Rhizome zerfallen in zwei Classen, von denen die eine aus sehr verkürzten
Stengeln, welche eine grosse Anzahl von Knoten besitzen, bestehen z. B. die Zwiebeln, viele Knollen, die
Stämme vieler Farne, Palmen, der Sceitamineen, Musaceen etc.; die zweite Classe besteht aus unterirdischen,
kriechenden Stengeln mit mehr oder weniger verlängerten Internodien, dahin gehören z. B. die Rhizome
vieler Gräser, Cyperaceen, Junceen etc. Beiderlei Arten von Rhizomen gehen vielfach in einander über.
Von diesen beiden Classen von Rhizomen ist der knollige Stamm von Tamus’Elephantipes durchaus ver-
schieden, insoferne derselbe blos aus der Entwicklung eines einzigen Internodiums hervorgieng, nicht die
Fähigkeit besitzt sich an seiner Spitze zu verlängern, und nicht, wie so viele andere Rhizome ein allmähliges
Absterben von hinten nach vorn zeigt, sondern durchaus auf dieselbe Weise, wie ein Internodium einer di-
votylen Pflanze ein peripherisches Wachsthum seines Centralkörpers (welcher dem Holzkörper der Dicotylen
entspricht) durch Ansatz von neuen Schichten auf der äussern Fläche seines Holzkörpers und durch An-
setzung neuer Schichten auf der innern Seite seiner Rinde (welche sich von der dicotylen Rinde durch ihren
Mangel an Bast unterscheidet) zeigt, welches Wachsthum nicht blos eine Vergrösserung des Stammdurch-
messers, sondern zugleich auch, wegen der abgerundeten Form des Stammes, eine Vergrösserung seiner
Höhe zur Folge hat.
Eine weitere Folge der Eigenthümlichkeit, dass der in Rede stehende Stamm nur von einem einzigen
Internodium gebildet wird, ist die durchaus von dem gewöhnlichen Vorgange abweichende Art, auf welche
sich jährlich seine beblätterten Stengel entwickeln. Bei der gewöhnlichen Bildung des Caudex intermedius
entsteht der Blätter und Blüthen tragende Stengel einfach auf die Weise, dass die Endknospe oder auch in
manchen Fällen eine Seitenknospe des Rhizoms zum oberirdischen Stengel auswächst und dass, wenn dieser
Stengel in Folge des Fruchttragens bis zum Rhizome abwärts abstirbt und abgeworfen wird, im nächsten
Jahre ein oder mehrere Seitenverzweigungen des vorjährigen Rhizoms an seiner Stelle einen Blüthenstengel
treiben. Dieses kann nun bei Tamus Elephantipes aus dem Grunde nicht stattfinden, weil sein knollen-
artiger Stamm als einfaches Internodium keine Blätter und ebendamit auch keine Knospen besitzt, nachdem
einmal der erste Stengel, welchen er aus seiner Endknospe getrieben, abgestorben ist. Man könnte nun
vermuthen, die Sache verhalte sich auf die Weise, dass der vorjährige Stengel nicht ganz bis auf seine In-
sertionsstelle auf dem knollenartigen Stamme absterbe, dass er an seiner Basis mit schuppenförmigen Blät-
tern besetzt sei und dass die zur Erneuerung des beblätterten Stengels dienenden Knospen in der Achsel
dieser Schuppen sitzen. Diese Vermuthung könnte um so gegründeter erscheinen, da man, wie oben ange-
führt, die Basis dieser Stengel wirklich mit einigen Schuppen umgeben findet; eine genauere Untersuchung
zeigt aber, dass die Sache sich anders verhält. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob diese Schuppen wirklich
— 19 —
verkümmerte Blätter sind, denn dieselben stehen, wie man auf einem Längenschnitte des ganzen Stammes
sieht, nicht sowohl mit der Basis des beblätterten Stengels, als vielmehr mit der umgebenden Rinde im Zu-
sammenhange, sie enthalten ferner, soweit wenigstens meine Untersuchungen reichen, keine Spiralgefässe,
sie bestehen aus einem ganz ähnlichen Zellgewebe, wie die umgebendeRinde, und enthalten wie diese Raphiden-
bündel, so dass sie weit eher der Rinde als dem Stengel anzugehören scheinen. Ein weiterer, wichtiger
Umstand, welcher gegen jene Annahme spricht, ist der, dass die Knospen, welche sich in den nächsten Jah=-
ren zu Stengeln entwickeln sollen, nicht zwischen diesen Schuppen und dem bereits erwachsenen Stengel
(also in der Achsel dieser Schuppen) liegen, sondern unterhalb dieser Schuppen, in einer Aushöhlung ihrer
Substanz verborgen liegen, und mittelst ihrer Basis in keiner nähern Verbindung mit den schon vorhandenen
Stengeln stehen, sondern auf jenem Gefässnetze, welches unter der ganzen Masse der lebenden und abge-
storbenen Stengel liest, aufsitzen und selbst wieder aus einer centralen Knospe und einigen dieselbe umhül-
lenden Schuppen bestehen.
Es bleibt unter diesen Umständen nichts übrig, als diese Knospen für Advenfivknospen zu erklären,
welche sich jedes Jahr zwischen dem Holzkörper und der Rinde des knollenartigen Stammes neu bilden, eine
unyollkommene Hülle von zelligen mit der Rinde im Zusammenhange stehenden Schuppen besitzen und ihre
Gefässbündel unabhängig von denen des vorjährigen Stengels mit der Holzmasse des knollenartigen Stammes
in Verbindung setzen. Dass sich diese Knospen vorzugsweise in der unmittelbaren Nähe der Stengel der
vorausgehenden Jahre bilden, hat seinen Grund ohne Zweifel darin, dass an dieser Stelle, als der Spitze des
knollenartigen Stammes, der Concentrationspunct seiner Holzmasse und ein mannigfach verschlungenes Ge-
fässnetz liest, welches den Zusammenfluss von Säften an dieser Stelle und ebendadurch die Entwicklung von
Knospen begünstigen muss.
Für diese Ansicht, dass die Knospen keine regelmässigen, sondern Adventivknospen sind, spricht auch
noch der Umstand, dass bei alten und grossen Stämmen die Knospenbildung durchaus nicht auf den angege-
benen Punct eingeschränkt ist, sondern dass man nicht selten zu gleicher Zeit an mehreren entfernt stehen-
den Orten Knospen hervorbrechen sieht, deren Entstehung nicht etwa, wie bei Knospen, die aus dem glatten
Stamme von dicotylen Bäumen hervorbrechen, aus der Entwicklung von latent gebliebenen normalen Kno-
spen erklärt werden kann, da solche Knospen am knollenförmigen Stamme von Tamus Elephantipes gar
nicht vorkommen können, weil er nur aus Einem Internodium besteht.
So unwahrscheinlich vielleicht Manchem diese Ansicht, dass der Stamm von Tamus Elephantipes
keine Axillarknospen besitze, sondern alljährlich und regelmässig Adventivknospen treibe, vorkommen mag,
indem ein solches Verhältniss ohne Beispiel im ganzen Pfllanzenreiche da zu stehen scheint, so gewinnt sie
doch dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass bei Tamus communis die Entwicklung der beblätterten Stengel
auf eine ganz analoge Weise vor sich geht. Dass das Rhizom von Tamus communis von allen andern
Stämmen sich dadurch unterscheidet, dass es abwärts wächst und sich nach Art einer Wurzel mannigfach
verästelt, ist aus den Untersuchungen von Durrocner bekannt, und dass dieses, so wunderbar es auch ist,
sich in der That so verhält, kann ich bezeugen. Aus diesem Rhizome, welches ebenfalls aus der Entwicklung
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— 1941 —
nur eines einzigen Internodiums hervorgieng, brechen an verschiedenen Stellen Bündel von Knospen hervor,
welche in Hinsicht auf ihre Entwicklung eine vollständige Uebereinstimmung mit den Knospen von Tamus
Elephantipes zeigen. Unter diesen Knospen, welche offenbar secundärer Entstehung sind, liegt ein ähn-
liches Netz von Gefässbündeln, wie unter den Knospen von Tamus Elephantipes. Dieses Netz kann sich
ebenfalls nur in Folge der Entwicklung der Knospen gebildet haben, auf ähnliche Weise, wie sich bei allen
Monocotylen an den Stellen, aus welchen Wurzeln hervorbrechen, in dem schon längst ausgebildeten Paren-
chyme des Stammes neues Zellgewebe und neue Gefässbündel entwickeln, welche zu den Wurzeln verlaufen.
Aus diesen Beispielen erhellt auf eine höchst anschauliche Weise, dass die Pflanze in vielen Fällen an den
Stellen Gefässe bildet, wo sie dieselben nöthig hat, und nicht, wie so viele Botaniker annehmen, Organe da
bildet, wo Gefässe liegen.
Wegen der nahen Verwandtschaft des Rhizomes von T’amus communis mit dem von T. Elephantipes
mag noch angeführt werden, dass es im Wesentlichen einen ähnlichen Bau besitzt, insoferne es aus einem
parenchymatosen, dicht mit Amylum erfüllten Centralkörper, in welchem wenige Gefässbündel verlaufen,
und einer parenchymatosen Rinde besteht, welche nach aussen von einer dünnen Schichte von braunen, ver-
trockneten, korkähnlichen Zellen umgeben ist, wie die Rinde, welche den Stamm von Tamus Elephantipes
auf seiner Grundfläche überzieht. Der Verlauf der Gefässbündel ist natürlicherweise bei dem verschiedenen
Wachsthume nicht derselbe. Während dieselben bei Tamus Elephantipes in Schichten verlaufen, welche
mit der gekrümmten Oberfläche des Stammes concentrisch liegen und an der Spitze des Stammes convergi-
ren, so laufen sie in dem wurzelartig verlängerten Rhizome von Tamus communis in ziemlich gerader Rich-
tung abwärts, bis sie sich in den abgerundeten Spitzen seiner Aeste verlieren. Die Wurzeln, welche bei
Tamus Elephantipes in immer weiteren, conventrischen Kreisen hervorsprössen, wesshalb die Entwicklung
der Wurzeln, wenn wir diesen Stamm mit einem cylindrisch verlängerten vergleichen, von unten nach oben
fortschreitet, sprossen am Rhizome von Tamus communis in entgegengesetzter, von oben nach unten fort-
schreitender Richtung ohne bestimmte Ordnung hervor. Ihre anatomische Structur ist die gewöhnliche der
Monoeotylenwurzeln, und sie zeigen nur die Eigenthümlichkeit, dass die parenchymatosen Zellen ihrer Rin-
denschichte mit so vielen Tüpfeln versehen sind, dass sie beinahe das Aussehen von netzförmigen Gefässen
zeigen.
— 15 —
X.
Ueber
den Bau des Cycadeen-Stammes.
(Aus den Abhandlungen der k. b. Academie zu München. I. 1852. Umgearbeitet.)
Die erste genaue anatomische Beschreibung des Cycadeenstammes verdanken wir An. BRoNGNIART
(Annal. d. seienc. natur. XVI. 380). Es war his auf ihn die Meinung herrschend gewesen, dass die Cycadeen
die Structur der Monocotylen besitzen, indem ausgezeichnete Schriftsteller, von denen ich nur Rıcnaro !)
und Decandorte ?) nennen will, mit Bestimmtheit aussprachen, dass der Gycadeenstamm in Hinsicht auf. sei-
nen Bau auf das Genaueste mit dem Stamme der Monocotylen, und insbesondere mit dem Palmenstamme
übereinstimme.
BRoNGNIART untersuchte einen erwachsenen Stamm von Cycas revoluta und giebt an, es unterscheide
sich derselbe dadurch vom Stamme der Monocotylen, dass-seine Fasern nicht zerstreut, sondern in zwei
concentrische Ringe gesammelt seien. Die Mitte dieser Ringe sei von einem Amylum enthaltenden Zellge-
webe erfüllt, eben so seien dieselben von einer Lage desselben Zellgewebes umgeben, durch welches Faser-
stränge zu den Blattstielen gehen; die zwei Holzringe seien durch einen Kreis von Zellgewebe geschieden
und durch Markstrahlen in einzelne Bündel getheilt. Es habe also dieser Stamm den Bau eines einjährigen
Dicotylenstammes, von welchem er sich nur durch Mangel an Bast unterscheide.
Die nähere Untersuchung zeige, dass diese Pflanzen in ihrem Baue die höchste Analogie mit den Coni-
feren besitzen. Das Holz der übrigen Dicotylen bestehe aus drei Systemen: 1) aus Holzzellen, 2) aus den
unter dem Namen der porösen Gefässe, Ringgefässe, Treppengänge bekannten Röhren und 3) aus den nicht
mit den vorhergehenden zu demselben Systeme zu rechnenden Tracheen. Bei den Coniferen seien die
Markstrahlen sehr schmal, und das Holz bestehe nur aus Einer Art von Gewebe, nämlich aus verlängerten
4) Memoires sur les Coniferes etc. p. 177: »Le stipe (des Cycadees) a la forme et l’organisation de celui
des Palmiers, c’est ä dire, quw'il se compose de fibres, r&unies en faisceaux et Eparses au milieu du tissu
cellulaire. Le mode de formation et de developpement de cette tige est absolument le meme, que dans
les Palmiers, ainsi que Rheede l’a fort bien observ& pour le Cycas. La tige est en quelque sorte formee
d’anneaux ou disquess uperposes, qui doivent leur origine aux bases des feuilles qui persistent, s’entre-
greffent et finissent par former une sorte de plateau, qui s’ajoute chaque annee et se confond avec celui
de l’annee precedente. Vgl. ferner noch 1. c. p. 484.
2) Organographie. Tom. I. p. 218. Tom. II. p. 100.
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regelmässigen Zellen, welehe von Poren, die mit einem breiten Wulste umgeben sind, durchlöchert seien.
Spiralgefässe, so wie poröse Gefässe und Treppengänge fehlen gänzlich. Was man dafür gehalten habe,
seien nur wenig modificirte Holzzellen, auf denen.die transversalen Linien, welche man auf allen diesen Zel-
len sehe, deutlicher erscheinen.
Bei Cycas bestehen nach ihm die beiden Holzringe, so wie die zu den Blättern gehenden Gefässbündel
nur aus Einem, gleichförmigen Gewebe und zeigen nirgends die leiseste Verschiedenheit. Es sind dieselben
nämlich aus verlängerten, an den Enden zugespitzten Zellen zusammengesetzt, die beinahe ganz von ovalen,
oder beinahe linienförmigen, transversal stehenden Poren bedeckt sind, welche von einem oft sehr wenig
ausgezeichneten Wulste umgeben werden, der oft ziemlich breit und von dem benachbarten nur durch eine
schmale Furche getrennt ist. Die Poren sind grösser. als die bei den Coniferen, und wirkliche Oeffnungen.
Man trifft durchaus keine den punctirten Gefässen, den falschen Tracheen, oder den Tracheen analogen Gefässe.
In dem Medullar- und Cortical-Parenchyme finden sich Canäle, welche einen dicken, gummösen Schleim
enthalten, aber keine eigenen Häute besitzen, sondern regelmässige cylindrische Intercellulargänge sind.
An diese anatomische Darstellungen knüpft nun Broxexsarr folgende Betrachtungen:
Die vollkommene Gleichheit beider Holzringe beweise, dass dieselben die Theile Eines Ganzen seien,
und dass der äussere nicht dem Baste zu vergleichen sei, um so mehr, da bei den Dicotylen die Blätter so-
wohl vom Holze als vom Baste Gefässe erhalten, bei den Cycadeen hingegen die Blattgefässe nur von der
äusseren Zone zu kommen scheinen.
Dagegen seien diese beiden Zonen auch nicht den Jahresringen zu vergleichen, weil sich in diesem Falle
eine grössere Anzahl derselben finden müsste. Fernere Beobachtungen müssen die Fragen, ob diese Ringe
ursprünglich und unabhängig vom Alter vorhanden, oder ob dieselben die Folge des Wachsthumes seien,
und ob sich in diesem Falle bei jeder Blüthenzeit einer bilde, entscheiden.
Man sehe also, wie sehr sich die Cycadeen von den Monocotylen entfernen; man könne ihren Stamm
mit dem einjährigen Triebe einer Tanne vergleichen, indem sie beinahe dieselben organischen Bestandtheile
besitzen, und nur durch die relative Entwicklung einzelner Theile sich von einander unterscheiden, indem
das Mark und die Rindensubstanz bei den Cycadeen stark, bei den Coniferen schwach, dagegen das Holz bei
den erstern stark, bei den letztern schwach entwickelt seien.
Die Hauptverschiedenheit bestehe in dem Mangel des Bastes bei den Cycadeen, was eine der Hauptur-
sachen der Verschiedenheit zwischen diesen zwei Familien sein könne; es scheine nämlich bewiesen zu sein,
dass der Saft durch das Holz in die Blätter aufsteige, daselbst durch die Respiration in Nahrungssaft
verwandelt werde und durch den Bast in die unteren Theile der Pflanze sich verbreite. Wenn nun dieser
Saft zur Bildung neuer Holzschichten diene, so begreife man, dass mit dem Mangel an Bast auch Mangel an
Bildung neuer Holzschichten gegeben sei.
Eine fernere wichtige Bemerkung ergebe sich aus der Vergleichung des Wachsthumes der Cycadeen
und Coniferen, nämlich die, dass das Anwachsen der letzteren in die Dicke mit der Entwicklung vieler Kno-
spen verbunden sei, dass beides aber miteinander bei C'ycas fehle.
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Dasselbe Verhältniss, welches hier bei Dicotylen vorkomme, finde sich auch bei den Monocotylen, in-
dem Mangel an Knospen und Mangel des Wachsthumes in die Dicke z. B. bei Palmen vorkomme, während
beides bei Dracaena sich finde.
So sehr es nun auch im Allgemeinen befriedigt, dass Brox@xIarr die Analogie, welche die Cycadeen in
ihrem Baue mit den Coniferen haben, nachwies, so zeigt doch eine genauere Untersuchung dieser Pflanzen,
dass beinahe alle speciellen Angaben BronenIarr's, z. B. dass diese Pflanzen aller Gefässe entbehren, dass
sie zwei concentrische Holzringe besitzen, von denen der innere in gar keiner Verbindung mit den Blättern
stehe (von dem man also gar nicht einsieht, zu welchem Zwecke er vorhanden sein soll), dass kein Bast vor-
handen sei u. dergl. mehr, durchaus mit dem, was uns die Natur wirklich zeigt, in directem Widerspruche
stehen. Ich glaube daher, bei der Wichtigkeit des vorliegenden Gegenstandes, keine überflüssige Arbeit zu
unternehmen, wenn ich hier die Resultate meiner Untersuchungen mittheile, zu welchen mir das Absterben
eines etwa 5 Fuss hohen Stammes von Zannia latifolia , welcher seit einigen Jahren im Garten von Nym-
phenburg gewesen war, Gelegenheit gegeben hatte, womit ich noch die Untersuchung eines Abschnittes von
einem grossen Stamme von Cycas revohıta und eines frischen, nicht völlig faustgrossen Wurzelknollens
derselben Pflanze verband.
Der Querschnitt der Zamia liess erkennen, dass das Mark den grössten Theil des Stammes einnahm,
indem es eine etwa drei Zoll im Durchmesser haltende, dichte Masse bildete. Dasselbe war von einem
!/a Zoll dicken Holzeylinder umgeben, welchen die '/3 Zoll dicke, mit zwei Zoll langen Schuppen dicht be-
setzte Rinde umgab.
Der Holzring war nur einfach vorhanden, allein schon mit blossem Auge war deutlich zu erkennen,
dass er aus zwei unmittelbar aneinanderliegenden Schichten von ungefähr gleicher Dicke bestand, von denen
sich bei der anatomischen Untersuchung die innere als der Holzkörper, die äussere als der Bast der Pflanze
auswies.
Der Holzkörper bildet einen vollkommen geschlossenen Ring; es ist derselbe zwar von einer sehr gros-
sen Anzahl von Markstrahlen durchsetzt, allein diese bilden, wie es bei der Mehrzahl der Dicotylen der Fall
ist, nur niedere Spalten, indem ober- und unterhalb derselben die Fasern des Holzes wieder zusammentreten,
wesshalb das Holz auf einem mit der Rinde parallel geführten Schnitte ein netzartiges Aussehen hat.
Das Holz besteht seinem bei weitem grössten Theile nach nur aus einer einzigen Art von Röh-
ren, die, wie es auch Broxcntarr angiebt, sehr lang sind, und die Form von Prosenchymzellen besitzen.
Was den näheren Bau derselben betrifft, so stimmen dieselben mit den sogenannten porösen Zellen
der Zapfenbäume auf das Genaueste überein, indem die gegen Mark und Rinde gekehrten Flächen glatt, die
gegen die Seiten gewendeten hingezen getüpfelt sind. Diese Tüpfel sind in viel grösserer Menge als bei den
Tannen vorhanden, stehen aber nur selten so regelmässig wie bei den Tannen in einer Linie übereinander,
sondern liegen theils in 2—3 Linien neben einander, theils zeigen sie eine ziemlich unregelmässige Ver-
theilung. Es besitzen dieselben nicht die regelmässige runde Form, wie bei den Coniferen, sondern stellen
eine kürzere oder längere quer oder etwas schief stehende Spalte dar. Dass diese Spalte eine wirkliche
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Oeffnung ist, wie BRonGNIART angiebt, glaube ich mit Bestimmtheit läugnen zu können, indem man, wenn ein
Schnitt durch eine solche Spalte durchgeht, noch eine zarte Haut über dieselbe ausgespannt sieht. Dass der
Bau dieser Tüpfel ganz derselbe sei, wie bei Pinus, lässt sich auf einem zarten, mit einem scharfen Messer
rein abzeschnittenen Querschnitte leicht sehen, indem man die Wandungen der zwei aneinanderliegenden
Röhren an denjenigen Stellen, an welchen auf dem Längenschnitte der die Spalte umgebende Hof sichtbar
ist, auseinandertreten sieht, so dass ein leerer Raum zwischen ihnen bleibt. In der Mitte dieser Stelle nun
zeigen (auf dem Querschnitte des Holzes) zwei senkrecht auf der Fläche der Gefässwand stehende Linien die
Ränder der Spalte an. Dass diese durch eine zarte Membran verschlossen ist, kann man eben so wenig, als
bei Pinus, auf dem Querschnitte bemerken, wohl aber lässt es sich ziemlich leicht auf einem zarten Ab-
schnitte bemerken, den man durch einen schief auf die Achse des Gefässes geführten Schnitt erhielt.
Auch an denjenigen Stellen, mit welchen diese Röhren an den Markstrahlen anliegen, finden sich diese
Tüpfel, nur sind sie hier meistens schmäler, aber ebenfalls mit einem Hofe umgeben, was bekanntlich bei
den Tannen an den entsprechenden Stellen nicht der Fall ist.
Diese Röhren, so wie überhaupt der ganze Holzring, haben bei Zamia und bei Cycas ganz dieselbe
Struetur !).
Dass dieselben mit den porösen Zellen der Tannen zu einem und demselben Systeme zu rechnen sind,
daran lässt sich, dem Angegebenen zu Folge, keinen Augenblick zweifeln; nun aber entsteht die nicht so
leicht zu beantwortende Frage: zu welchem Systeme, zum Gefässsysteme, oder zum Zellensysteme sind sie
zu rechnen ?
Bis jetzt zählte die Mehrzahl der Phytotomen die porösen Zellen zum Zellsysteme, wozu sie sich um so
mehr berechtigt glaubten, als endlich die lange vergeblich gesuchten Spiralgefässe gefunden wurden. Auch
BRoNGNIART ist dieser Ansicht, er geht aber einen Schritt weiter und erklärt, dass diejenigen Gebilde, welche
man bei den Tannen für Spiralgefässe gehalten, nichts anderes seien, als dieselben Röhren, auf welchen nur
die transversalen Linien, weiche man auf allen diesen Zellen sehe, deutlicher erscheinen; denn Spiralgefässe,
so wie falsche Tracheen und poröse Röhren fehlen nach seiner Behauptung gänzlich. Ich glaube, die im
Folgenden erzählten Thatsachen werden deutlich zeigen, dass nicht nur die angeführte Ansicht BroxsxIarr's
über die Beschaffenheit der bei den Tannen bisher für Spiralgefässe gehaltenen Theile unrichtig ist, sondern
dass gerade das Gegentheil stattfindet.
In dem jungen Stamme von Cycas revoluta fand ich nämlich, dass das Holz zwar grösstentheils aus
getüpfelten Röhren von dem oben beschriebenen Aussehen besteht, dass aber die dem Marke zunächst gele-
genen Röhren ein ganz anderes Verhältniss darbieten, indem die innersten wahre, aus mehreren parallelen
Fasern bestehende abrollbare Spiralgefässe sind, denen weiter nach aussen Treppengänge von gewöhnlicher
1) Nach den neueren Untersuchungen von Bsosesuanr (Archives du museum. ]. 424) weichen dagegen die
Elementarorgane des Holzes von Zumia integrifolia von denen der africanischen Zamien (Encephalartos)
darin ab, dass dieselben nicht blos auf den gegen die Markstrahlen gewendeten Seiten, sondern ringsum
getüpfelt sind und mehr die Form von netzförmigen Gefässen als von punctirten Röhren besitzen.
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Bildung folgen, an welche nun die beschriebenen porösen Röhren anstossen; es zeigte sich ferner bei Unter-
suchung dieses Stammes , dass diese drei verschiedenen Formen nicht in strenger Sonderung nebeneinander
liegen, sondern dass eine Form in die andere übergeht, indem theils einzelne Röhren Mittelbildungen zwi-
schen Treppengängen und getüpfelten Röhren sind, theils andere an verschiedenen Stellen diese verschiede-
nen Formen zeigen.
In dem Stamme der erwachsenen Zamia fand ich zwar keine abrollbaren Spivalgefässe mehr, wohl
aber fand ich zunächst dem Marke wahre Treppengänge, und von diesen durch Kürzerwerden der Spalten
und Entwicklung des Hofes deutliche Uebergänge in die getüpfelten Röhren. h
Dadurch, so wie hauptsächlich auch durch einige andere Umstände, welche des passenderen Zusam-
menhanges wegen, besser erst weiter unten angeführt werden, wäre nun ausser allen Zweifel gesetzt, dass
das Holz der Oycadeen einzig und allein aus Spiralgefässen und deren Modificationen, ohne alle
Beimischung von Holzzellen besteht.
Nachdem dieses festgesetzt ist, wird es nun auch möglich sein, eine richtige Deutung von dem Baue
des Tannenholzes, über welches schon so viele verschiedene Ansichten geäussert wurden, zu geben.
Schon aus der völligen Uebereinstimmung, welche die getüpfelten Röhren des Tannen- und des Cyca-
deenholzes zeigen, liesse sich mit der grössten Wahrscheinlichkeit schliessen, dass auch die sogenannten po-
rösen Zellen der Coniferen nichts anderes als modifieirte Spiralgefässe sind‘, allein völlige Gewissheit hierüber
kann uns erst die Beobachtung eines Uebergangs dieser Zellen in Spiralgefässe gewähren; solche Ueber-
gangsformen lassen sich, wie ich glaube, in der That nachweisen.
Dass im Tannenholze in der Nähe des Markes Spiralgefässe vorkommen, ist eine in Deutschland schon
längst ausser allen Zweifel gesetzte Thatsache; schwieriger ist es zwar, in Pinus abrollbare Spiralgefässe zu
finden, dagegen findet man ohne Mühe ganz constant Treppengänge in der Nähe des Markes. Mit weit ge-
ringeren Schwierigkeiten lässt sich die Sache bei Ginkgo biloba, deren Holz bekanntlich ganz dieselbe Struc-
tur wie das Tannenholz hat, untersuchen, weil sich hier in dem innersten Theile des Holzes die Spiralgefässe
in besonderer Menge und von ziemlicher Grösse finden, so dass es Jedem leicht werden wird, sich bei Unter-
suchung dieser Pflanze von der Grundlosigkeit der Broxensarr'schen Ansicht zu überzeugen. Es findet sich
bei dieser Pflanze ein allmähliger Uebergang von Spiralgefässen in Treppengänge ; von diesen finden wir
einen unmittelbaren Uebergang in die gewöhnlichen getüpfelten Gefässe durch Röhren, welche scheinbare
Poren besitzen, welche durch ihren Hof und durch ihre Form (indem sie nämlich quere Spalten bilden)
deutlich zeigen, dass sie das verbindende Mittelglied zwischen diesen auf den ersten Anblick so verschiede-
nen Formen bilden.
Auch beim Tannenholze finden wir völlige Uebergänge von dem Spiralgefässsystem zu den porösen
Röhren. Weiter nach Aussen, als die ausgebildeten Treppengänge, liegen nämlich Röhren, welche dieselben
querlaufenden Fasern, wie die Treppengänge und ausser diesen noch die Tüpfel der sogenannten porösen
Zellen besitzen (von dieser Bildung giebt Broxensarr's 3te Figur auf der 22ten Tafel eine freilich etwas
rohe Abbildung). Weiter nach Aussen liegen die gewöhnlichen getüpfelten Zellen. Auf diese Art wird man
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z. B. in der Rothtanne, in der Föhre u. s. w. mit einem guten Mieroscope die Sache ohne sonderliche
Mühe finden.
Manche werden mir vielleicht gegen die Ansicht, dass das Holz der Cycadeen und Coniferen nur aus
Spiralgefässen und ihren Modificationen bestehe, einwenden, dass es die Function der Spiralgefässe sei, Luft
zu führen und dass desshalb nicht die ganze Holzmasse dieser Gewächse einzig und allein aus Spiralgefässen
bestehen könne. Dieser Einwurf wäre hingegen von keinem Gewichte, da die Function der Spiralgefässe
noch lange nicht ausser allen Zweifel gesetzt ist; im Gegentheile scheint mir gerade diese anatomische That-
sache ein Hauptbeweis für die Lehre, dass dieselben Saft und nicht Luft führen, zu sein.
Doch kehren wir wieder nach dieser Abschweifung zum Cycadeenstamme zurück.
Die Holzfasern der Cycadeen steigen senkrecht in die Höhe, jedoch nicht in völlig gerader Richtung,
sondern wegen der vielen Markstrahlen, in geschlängelten Linien. Wie die Faserbündel an solchen Stellen,
an welchen ein Gefässbündel aus dem Holzcylinder austritt, um in ein Blatt überzugehen, gegen einen Mark-
strahl hinlaufen , so biegen sich die zu beiden Seiten desselben liegenden seitwärts rechts und links in einen
Bogen und treffen oberhalb des Markstrahls wieder zusammen, um in gerader Richtung weiter aufwärts zu
gehen. Der mittlere Gefässbündel hingegen tritt in einem Bogen auswärts zwischen den beiden andern
durch, umgeben von Zellgewebe, welches auf diese Art als Markstrahl eine Verbindung zwischen Mark und
Rinde bildet. Wie dieser Bündel (welcher in dem älteren Theile des Stammes, wenn der Holzring eine ge-
wisse Dicke erreicht hat, aus dem innersten Theile des Holzringes hervortritt) in die Bast- und Rinden-
schichte eintritt, so nimmt er eine rundliche Form an, und zugleich gehen alle seine Gefässe aus der
Form der getipfelten Zellen in die der Treppengänge über ; ein neuer, unumstösslicher Beweis, dass
diese beiden Bildungen zu einem und demselben Systeme gehören ').
Ganz auf dieselbe Weise, wie der Holzring des Zamiastammes verhielt sich der Holzring der jungen
Oycas revoluta. Broxensart hingegen fand in dem von ihm untersuchten Cycasstamme zwei concen-
trische getrennte Holzringe, von denen seinen Zeichnungen nach der innere der bedeutend grössere war;
von dem letztern giebt er an, dass er keine Fasern in die Blätter schicke. Auch ich fand in dem erwachse-
nen Uycasstamme, den ich untersuchte, ebenfalls ausser diesem inneren, noch einen weit kleineren äusseren
Holzring, von welchem ich später sprechen werde. Das Verhältniss des inneren aber zu den Blättern ist ein
ganz anderes, als BronsnIArt zu finden glaubte; es zeigt nämlich dieser innere Holzring vollkommen die-
selbe Organisation, wie der Holzring der Zamia, er besitzt dieselben Markstrahlen, denselben Verlauf der
1) So gewiss auch dureh die obigen Beobachtungen die grosse Verwandtschaft der Elementarorgane des
Coniferen- und Cycadeen-Holzes mit den Gefässen nachgewiesen ist, so gieng ich doch bei Abfassung die-
ses Aufsatzes darin zu weit, dass ich sie geradezu zu den Gefässen stellte und nicht ins Auge fasste, dass
sie durch das Geschlossensein der einzelnen Schläuche sich mehr an die Prosenchymzellen als an die Ge-
fässe anschliessen. Sie bilden auf diese Weise eine Mittelbildung zwischen beiden, gehen aber allerdings
leicht in wahre Gefässe über. Sie entsprechen in dieser Beziehung ganz den Gefässen des Stammes der
Gefässeryptogamen, bei welchen jedoch die Annaherung an die vollkommene Gefässstructur noch stärker
ausgesprochen ist,
ea
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Fasern .und zeigt völlig dasselbe Abschicken von Gefässbündeln in die Blätter, so dass auch nicht der min-
deste Unterschied zwischen beiden aufzufinden ist. Es ist derselbe weit entfernt, wie man nach BRox@NtarT's
Darstellung glauben sollte, ein gleichsam ausser Verbindung mit den übrigen Organen der Pflanze stehender
Theil zu sein, sondern er ist aus der Entwicklung des in der Jugend einzigen Holzringes entstanden.
Es folgt, wie schon oben angegeben wurde, auf den Holzring ein Ring von Bast von ungefähr gleicher
Dicke mit dem erstern. Es wird dieser Bast, wie das Holz, durch die Markstrahlen in netzförmige Bündel getheilt.
In der Jugend zeigten sich bei Cycas die Baströhren als sehr dünnwandige Zellen, in der erwachsenen Pflanze hat-
ten dieselben etwas dickere Wandungen bekommen. Bei Zumia war etwa die Hälfte der Baströhren in ihrem
dünnwandigen Zustand verblieben, während die andere Hälfte ziemlich dickwandig geworden war. Diese
Baströhren sind, wie ein parallel mit der Rinde geführter Längenschnitt bei Zamia zeigt, kurz und stehen '
mit horizontalen Scheidewänden übereinander. Es scheint nun zwar dieses Verhältniss dem zu wider-
sprechen, was die Phytotomen von der Bildung der Baströhren angeben, dass nämlich dieselben aus sehr
langen, an den Enden zugespitzten Zellen bestehen. So richtig dieses auch im Allgemeinen ist, so
glaube ich doch, dass man desshalb, weil diese Zellen nicht die Form der gewöhnlichen Bastzellen haben,
noch nicht berechtigt ist, diesen Theil für etwas anderes, als für Bast zu erklären; sondern es liefert die hier
betrachtete Bildung nur einen auffallenden Beweis davon, dass die strenge Unterscheidung zwischen Paren-
chym- und Prosenchymzellen, wie sie in neueren Zeiten geschieht, nicht in der Natur begründet ist )).
Jeder Gefässbündel, welcher durch den Bastring zu den Blättern durchdringt, wird auf seiner äussern
Seite von dem ihm entsprechenden Theile des Bastringes begleitet.
Es wird nun, um die spätere Darstellung zu erleichtern, am passendsten sein, ehe ich die Beschrei-
bung des weitern Verlaufes der zu den Blättern gehenden Gefässbündel gebe, zur Darstellung der Mark- und
Rindensubstanz überzugehen. Diese beiden Organe bestehen aus grossen dünnwandigen Parenchymzellen,
auf deren Wandungen, wie auf den Markzellen beinahe aller Pflanzen, nur kleine Tüpfel anzutreffen sind.
Die grossen verdünnten Stellen, welche sich auf den Wänden der im Blattstiele und in den Blättern befind-
lichen Zellen finden ?), fanden sich in den von mir untersuchten Stämmen nicht auf den Markzellen, doch
müssen sie zuweilen auf den Markzellen der erwachsenen Pflanzen vorkommen, da MoLDexnawEr den Man-
gel derselben als eine den Markzellen der jungen Wurzelknollen zukommende Eigenheit anführt. Rinden-
und Markzellen sind dicht mit Amylumkörnern erfüllt, wesshalb es nöthig ist, dieselben, wenn man sie ge-
nauer untersuchen will, in Wasser zu kochen.
4) Scuurrz (sur 1. circulat. et sur les vaiss. laticiferes p. 94) erklärt den Bast der Cycadeen für eine Schichte
von Lebenssaftgefässen. Dafür finde ich bei wiederholter Untersuchung durchaus keinen Grund. Man
kann zweifelhafi darüber sein, ob man sämmtliche verlängerte Zellen der Bastschichte, oder ob man nur
diejenigen, deren Wandungen durch Ablagerung von seeundären Schichten dicke Wandungen erhalten,
Baströhren nennen soll, soviel scheint mir aber ausser allem Zweifel zu sein, dass beiderlei Formen ge-
schlossene Zellen sind.
2) Vrgl. meine Schrift über die Poren des Pflunzenzellgewebes Tab. 1. fig. 1. 2.
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Zwischen diesen Zellen, besonders in der Nähe des Holzes, finden sich im Marke und in der Rinde
viele grosse, verzweigte, keine eigenen Wände besitzende, untereinander netzartig verbundene Canäle, die
ein ungefärbtes Gummi enthalten, welches grössere Aehnlichkeit mit Traganthgummi, als mit arabischem
Gummi zu haben scheint, indem es im Wasser stark aufschwillt und nur schwierig aufzulösen ist. Broxg-
sıarr hat diese Gummicanäle für grosse Intercellulargänge erklärt; dagegen lässt sich nun zwar in soferne
nichts einwenden, als dieselben keine eigenen Wände besitzen; es widerspricht hingegen doch dem gewöhn-
lichen Begriffe von Intercellulargängen, wenn man grosse, regelmässige, einen ausgeschiedenen Saft enthal-
tende !) Canäle mit diesem Namen belegen wollte, um so mehr, da dieselben nicht unmittelbar zwischen den
Parenchymzellen liegen, sondern von einer einfachen Reihe sehr dünnwandiger, verlängerter Zellen, welche
- als das Aussonderungsorgan des Gummi zu betrachten sind, umgeben werden und somit in Beziehung auf
ihren Bau vollkommen mit den Harzgängen der Tannen übereinstimmen.
In der Rindensubstanz verlaufen die zu den Blattstielen gehenden Gefässbündel auswärts und auf-
wärts, verzweigen sich und nehmen mit andern Gefässbündeln anastomosirend, an der Basis der auf der
Rinde sitzenden schuppenförmigen Grundflächen der Blattstiele häufig eine völlig horizontale Lage an; auf
diese Art wird in der Rinde ein sehr vielfach verschlungenes Netz von Gefässbündeln gebildet, aus welchem
in die, als Reste der abgefallenen Blattstiele stehen bleibenden Schuppen einzelne Gefässbündel eintreten,
welche sich hier in viele Zweige spalten, ehe sie in den eigentlichen, abfallenden Blattstiel verlaufen.
Diese in der Rinde befindlichen Gefässbündel bestehen, wie schon oben bemerkt wurde, einzig und
allein (die Bastschichte natürlich ausgenommen) aus T'reppengdngen von ganz gewöhnlicher Bildung, ohne
alle Beimischung von porösen Zellen, in welche sie aber unmittelbar übergehen.
Im Blattstiele selbst sind die Gefässbündel in der Form eines gegen die obere Seite des Blattstieles
hin geöffneten Hufeisens gestellt. Jeder einzelne Gefässbündel besteht aus einem Bündel von Gefässen und
einem etwas von ihm getrennten Bündel von Baströhren. Die Gefässe des Blattstiels weichen von denen
des Holzes und von den in den Gefässbündeln der Rindensubstanz befindlichen theils durch ihre Stellung,
theils durch ihre Form ab, indem sie 1) nicht in regelmässigen Linien nebeneinander gestellt, sondern ohne
Ordnung zusammengehäuft sind, 2) indem die im Gefässbündel nach innen stehenden einen grösseren Durch-
messer zeigen, als die Gefässe des Stammes; so hatten die Gefässe des Holzes in dem alten Stamm von
Cycas revoluta einen Durchmesser von t/ıoo — '/r5 pariser Linie, während die grösseren Gefässe im Blatt-
stiele einen Durchmesser von !/50‘, zum Theil einen noch grösseren, zeigten. Eine weitere Abweichung
zeigen ferner die Gefässe des Blattstieles darin, dass sich die grösseren derselben durch die Form und Ver-
theilung der Tüpfel mehr den punctirten Röhren der Monocotylen als den porösen Röhren des Oycadeen-
holzes nähern, während die kleineren vollkommen die Form von Treppengängen und abrollbaren Spiralge-
fässen annehmen.
Auf allen Seiten, besonders aber auf der äusseren, sind die Gefässbündel des Blattstieles von einer
4) Die Intercellulargänge sind als das Zuft führende System der Pflanze zu betrachten.
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Schichte verlängerter Zellen umgeben, womit die erste Annäherung an Holzzellenbildung in diesen Pflanzen
gegeben wird.
Auf der äusseren Seite des Gefässbündels liegt endlich ein Bündel von dünnwandigen Baströhren, in
welchem sich bei Zamia integrifolia auf seiner innern Seite 2—3 getüpfelte Gefässe von geringem Durch-
messer finden; eine Bildung, zu welcher ich bis jetzt kein Gegenstück kenne.
Die im bisherigen beschriebenen Gefässbündel sind im jungen Stamme die einzigen, welche sich in
der Rinde zeigen. Dagegen fand sich sowohl in dem alten Stamme von C'ycas, als von Zamia noch ausser-
dem in der Rinde eine zweite Ordnung von Gefässbündeln, welche mit den ersteren durchaus in keiner Ver-
bindung stehen, und welche auf den ersten Anblick in dem Cycasstamme, wo sie sich in grösserer Ausbil-
dung finden, einen zweiten, äusseren Holzring zu bilden scheinen. Broxexmarr nahm auch einen solchen
zweiten Holzring in der That an, und glaubte gefunden zu haben, dass nur dieser die Gefässbündel in die
Blätter ausschicke. Untersucht man hingegen die Sache näher, so findet man, dass dieser zweite Holzring
aus einzelnen Gefässbündeln gebildet ist, welche aus dem innern Holzringe entspringen, in einer nach aus-
wärts und abwärts gehenden Richtung verlaufen und so allerdings bei Cycas wegen ihrer grösseren Anzahl
einen zweiten, äusseren Holzring, der jedoch weit schmäler als der innere ist, bilden. Bei Zamia hingegen
sind diese Gefässbündel nur klein und in so geringer Anzahl vorhanden, dass man sie auf dem Querschnitte
des Stammes nicht von den zu den Blättern gehenden Gefässbündeln unterscheiden kann, sondern nur durch
Verfolgung ihres Verlaufes auszumitteln im Stande ist, zu welcher dieser beiden Ordnungen sie gehören.
Es bestehen dieselben, wie die zu den Blättern gehenden, aus einem von Markstrahlen durchsetzten Holz-
körper und aus Bast. Dass von ihnen, wie Broxexsarr angiebt, die Blätter mit Gefässen versehen werden,
ist durchaus unrichtig, indem sie im Gegentheile nie einen Zweig zu denselben schicken. Welche Bedeutung
dieses zweite Gefässbündelsystem habe, darüber werde ich passender erst weiter unten das Nähere anführen.
Auch im Marke von Zamia (aber nicht in dem von C'ycas), fand ich eine Anzahl kleiner, netzförmig
unter einander verbundener Gefässbündel, deren jeder einen aus Treppengängen oder porösen Röhren be-
stehenden Holzkörper besitzt. Dieselben treten einzeln durch die Markstrahlen in die Rinde üver, verhalten
sich also auf dieselbe Weise, wie die dünnen Gefässbündel, welche im Marke mancher Cacteen vorkommen.
Es sei mir Kan erlaubt, dieser anatomischen Beschreibung des Stammes der C'ycadeen einige Bemer-
kungen über die Aehnlichkeit und Verschiedenheit, welche diese Pflanzen in Hinsicht auf den Bau und die
Vegetationsweise ihres Stammes mit einigen andern Familien zeigen, anzuhängen.
So lange man über den Bau des Cycadeenstammes keine genaueren Untersuchungen hatte, war es
wohl natürlich, dass man bei der grossen Aehnlichkeit, welche derselbe in seinem äusseren Habitus mit dem
Stamme der Monocotylen und insbesondere mit dem der Palmen zeigt, annahm, dass die Cycadeen
mit den Palmen in Hinsicht auf ihre Vegetationsweise völlig übereinstimmen. Die scheinbare Wahrheit die-
ser Annahme zu bestätigen, dazu trug eine schon von Drsronrannes beschriebene und in den neuesten Zei-
ten von DEcannozıe wieder bekannt gemachte Beobachtung an einem in Paris befindlichen Exemplare von
Cycas nicht wenig bei, welches an derjenigen Steile seines Stammes, die sich während der Ueberfahrt nach
26 *
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Europa und bis zur völligen Wiedererstarkung der kränkelnden Pflanze entwickelt hatte, eine auffallende
Einschnürung zeigt, eine Erscheinung, aus welcher jedoch Schlussfolgerungen gezogen wurden, welche nicht
nothwendigerweise aus ihr abgeleitet werden müssen. Der Schluss, dass diese bleibende Einschnürung den
Beweis von einem centralen Wachsthume liefere, ist insoferne nicht gerechtfertigt, als eine Ausgleichung
derselben durch Ablagerung von neuen Schichten auf der äussern Fläche des Holzes blos bei solchen Pflan-
zen erwartet werden könnte, bei welchen ein bedeutendes Wachsthum in die Dicke und eine Ablagerung von
vielen Holzschichten stattfindet, wogegen bei einer Ablagerung von wenigen und dünnen Schichten für immer
die Spuren derselben sichtbar bleiben müssen.
Eine nähere Betrachtung des Baues der Cycadeen wird diese Vergleichung derselben mit den Palmen
als ganz unnatürlich erscheinen lassen.
Schon beim ersten Blicke fällt bei der Vergleichung eines Palmenstammes mit einem Cycadeen-
stamme in die Augen, dass dieselben in Hinsicht auf die Vertheilung der Holzmasse gänzlich verschieden
sind; während in dem letzteren Stamme, wie oben gezeigt wurde, das Holz einen einfachen, von vielen
Markstrahlen durchsetzten, eine grosse Markmasse einschliessenden Cylinder bildet, besteht das Holz des er-
steren aus einer grossen Menge dünner, im ganzen Stamme ohne bestimmte Ordnung zerstreuter Faserbündel.
Eine andere eben so wichtige Verschiedenheit zwischen dem Stamme der Monocotylen und der
Cycadeen beruht darauf, dass bei den ersteren jeder Holzbündel, wenn wir ihn vom Blatte abwärts gegen
die Basis des Stammes verfolgen, in einem Bogen bis zum Centrum des Stammes einwärts, und von hier an
allmählig wieder bis unter die Oberfläche des Stammes auswärts läuft, und dass derselbe während dieses
Verlaufes seinen Bau auf eine höchst auffallende Weise ändert (wovon die nähere Auseinandersetzung meine
Anatomie der Palmen enthält), während im C'ycadeenstamme die Gefässbündel wie in einem Dicotylen-
stamme in einem einfachen Kreise liegen.
"Eine Vergleichung des Baues der einzelnen Gefässbündel zeigt ferner den auffallenden Unterschied,
dass bei den Cycadeen eine weit schärfere Sonderung zwischen Holz und Bast, als bei den Palmen statt-
findet, und dass der Cycadeengefässbündel durch Ablagerung von neuen Holz- und Bastschichten nach Art
der Gefässbündel einer dicotylen Pflanze in die Dicke wächst.
Die Erwähnung dieser Umstände wird genügend sein, um nachzuweisen, dass die Organisation und
Vegetationsweise der Cycadeen und Palmen nur eine sehr entfernte Aehnlichkeit mit einander haben 1).
Vergleichen wir nun nach dem Vorgange von Broxentarr den Bau der Oycadeen mit dem der Dico-
tylen, so ist die Analogie eine unendlich grössere. Es scheint zwar, wenn wir hiebei unsere Bäume ins
Auge fassen, einer solchen Vergleichung schon der Habitus dieser Pflanzen, die monocotylenartige Wur-
4) Diese Ansicht, dass die Cycadeen nicht den Bau der Monocotylen besitzen, ist nun wohl allgemein ange-
nommen. Link allein vertheidigt dieselbe, indem er die Achnlichkeit des Cycadeenstammes mit dem Dico-
tylenstamme nur für scheinbar erklärt und in der Anordnung der Gefassbündel der Cycadeen ganz das
den Monocotylen zukommende Verhältniss findet (philos. bot. edit. 2. I. 307. Ausgew. anat. bot. Abbil-
dungen Heft II. p. 2).
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zelbildung, der Mangel an Bildung von Jahresringen und endlich der ganze Bau des Holzes, indem dieses,
wie oben gezeigt, nur aus Gefässen besteht, zu widersprechen, und es beschränkt sich die Aehnlichkeit bei-
nahe allein auf den Umstand, dass das Holz der Oycadeen ebenfalls wie bei den Dicotylen einen voll-
ständigen Cylinder, welcher von Markstrahlen durchzogen und welcher eines Wachsthums in die Dicke fähig
ist, bildet.
So auffallend diese Verschiedenheiten auf den ersten Anblick sind, so zeigt doch eine nähere Betrach-
tung derselben, dass ihnen keine so grosse Bedeutung beigelegt werden darf, um eine Vergleichung des Cy-
cadeenstammes mit dem Stamme der Dicotylen als eine fehlerhafte erscheinen zu lassen. Der Habitus ist
allerdings monocotylenähnlich, allein da verkürzte, wegen reichlichen Zellgewebes und geringer Entwicklung
der Holzbündel beinahe knollenähnliche Stämme auch sonst bei den Dicotylen vorkommen, z. B. bei den
Cacteen und Euphorbien, so ist dieser Punct offenbar von sehr untergeordnetem Gewichte. Ebenso ist der
Mangel an Jahresringen im Holzcylinder zwar eine Ausnahme von der Regel, aber ebenfalls als keine dem
Wachsthume der Dicotylen widersprechende Eigenthümlichkeit zu betrachten, indem wir dieselbe auch sonst,
namentlich bei langsam und gleichmässig wachsenden Stämmen antreffen, wofür wieder die Cacteen Beispiele
darbieten.
Auf diese Abweichungen vom gewöhnlichen Baue der Dicotylen ist, weil sie auch bei andern entschie-
den dicotylen Pflanzen vorkommen, ein weit geringerer Werth zu legen, als auf die Aehnlichkeit, welche in
der Zusammensetzung, im Wachsthume und in der gegenseitigen Anordnung der Gefässbündel liest, indem
dieselben in Beziehung auf diese Verhältnisse durchaus den bei den Dicotylen gewöhnlichen Character a
sich tragen. Es bliebe somit als die einzige wesentliche Abweichung vom gewöhnlichen Baue der Dicotylen
nur der Umstand übrig, dass das Holz der Cycadeen aus Elementarorganen besteht, welche wenn nicht ge-
radezu als Gefässe, doch als eine den Gefässen sich sehr annähernde Uebergangsbildung von den Zellen zu
den Gefässen zu betrachten sind.
Die grosse Aehnlichkeit dieser Elementarorgane mit denen der Coniferen weist, wie dieses auch Bronc-
NIART einsah, auf eine Vergleichung des Stammes der C’ycadeen mit dem der Coniferen hin, eine Vergleichung,
die um so natürlicher ist, als diese zwei Familien durch die Organisation ihrer Fructificationstheile in so
äusserst nahe Verbindung gebracht werden. So gross nun in Hinsicht auf die anatomische Beschaffenheit
ihrer Elementarorgane die Aehnlichkeit zwischen den Stämmen dieser Familien ist, so findet dennoch in Be-
ziehung auf die ganze Vegetationsweise derselben eine bedeutende Verschiedenheit statt, indem bei den Cy-
cadeen der Stamm absatzweise, jährlich einen bis zwei Blätterwirtel entwickelnd, säulenförmig, nach Art der
Palmen, in die Höhe wächst, beinahe keine Neigung zur Astbildung hat, und nach Art der Monocotylen
eines Caudex descendens ermangelt. Weitere Unterschiede finden sich in dem Zurücktreten der Holzmasse
der O'ycadeen gegen die Masse des Markes, im Mangel an Jahresringen, in der Verästelung und vielfachen
Anastomose der in die Blätter austretenden Gefässbündel. Dass hingegen der Mangel des Bastes, welchen
Bronexsarr als Hauptunterschied aufstellt, nicht in der Natur existirt, sondern nur das Resultat einer flüch-
tigen Untersuchung ist, wurde oben hinreichend nachgewiesen.
— 206 —
Wenn somit eine durchgängige Aehnlichkeit zwischen Cycadeen und Coniferen in Beziehung auf den
Bau ihrer Elementarorgane, dagegen eine bedeutende Differenz in Beziehung auf den Habitus und die rela-
tive Entwicklung der verschiedenen Theile des Stamms (Rinde, Holz und Mark) stattfindet, so tritt das um-
gekehrte Verhältniss ein, wenn wir den Cycadeenstamm mit dem Stamme der Baumfarne vergleichen. Die
im Aeussern dieser Pflanzen sich aussprechende Aehnlichkeit ist so bedeutend, dass Jussıeu die Cycadeen
selbst in die Familie der Farne stellte; auch in Beziehung auf die anatomischen Verhältnisse scheint auf den
ersten Blick keine geringe Aehnlichkeit stattzufinden, wenn wir die Masse des Markes, die geringe Dicke des
Holzringes, den Mangel an Jahresringen, die Zusammensetzung des Holzes aus Gefässen ins Auge fassen.
Diese Aehnlichkeit bezieht sich jedoch, wenn sie auch nicht gering ist, doch nur auf verhältnissmässig unter-
geordnete Puncte und wenn auch der Satz, dass die Cycadeen eine Mittelbildung zwischen den Farnen und
Coniferen bilden, sich in mancher Beziehung vertheidigen lässt, so ist doch nicht zu vergessen, dass diese
Vergleichung mit den Farnen sich nur auf äussere Aehnlichkeit und nicht auf analoge Organisation gründet.
Ich glaubte früher und habe auch in der ersten Ausgabe dieses Aufsatzes einen grossen Werth auf diesen
Umstand gelegt, dass die Cycadeen sich in Beziehung auf die Art ihres Wachsthumes genau an die Baum-
farne anschliessen und dass ihnen eine vegetatio terminalis zukomme, eine Ansicht, in welcher mir ExpDLichzR
folgte, indem er die Cycadeen in die Abtheilung der Acrobrya stellte. Ich glaube nun aber, dass-ich mich
in dieser Beziehung getäuscht habe, indem ich nicht ins Auge fasste‘, dass die Gefässbündel der Cycadeer
nach Art der Gefässbündel der übrigen Dicotylen, wenn gleich nur in verhältnissmässig geringem Grade, in
die Dicke wachsen, und bei Vernachlässigung dieses Punctes zu einseitig die Form des Stammes und des
Holzkörpers beachtete und so zu dem Schlusse kam, dass das Wachsthum dieser Pflanzen mit dem der Ge-
fässcryptogamen übereinstimme. Spätere Beobachtungen an einem Stamme von Zamia (horrida?), welchen
ich der Länge nach spalten und bei welchem ich die Gipfelknospe untersuchen konnte, überzeugten mich,
dass der Holzkörper in seinem Wachsthume die für die Dicotylen geltenden Gesetze befolgt, d. h. dass seine
Gefässbündel durch Ablagerung von neuen Holz- und Bastschichten in der Richtung von innen nach aussen
in die Dicke wachsen. Bei Zuamia scheint sich das Wachsthum des Holzes hierauf beinahe ganz zu be-
schränken, wenigstens war bei allen Zamiastämmen, welche ich bis jetzt untersuchte und von welchen durch
Andere Abbildungen publicirt wurden, nur ein einziger ausgebildeter Holzring vorhanden. Bei CUycas
scheint dagegen mit dem Alter ein anderes Verhältniss einzutreten. Wie aus dem oben Mitgetheilten erhellt,
treten nämlich an verschiedenen Stellen des Stammes einzelne Gefässbündel aus ihrer Verbindung mit dem
Holzringe und laufen in der Rinde abwärts, in welcher sie sich seitwärts aneinanderlegen und einen zweiten
äusseren Holzring bilden, von welchem sich bei Zamia nur höchst unbedeutende Spuren finden. Es hören
somit mit dem höheren Alter des Stammes die neu sich bildenden Schichten auf, sich zwischen dem Holze
und dem Baste der älteren Schichten abzulagern und treten, wenigstens mit ihrem unteren Theile unter der
Form von selbständigen Gefässbündeln auf. In Beziehung auf ihre Bedeutung sind sie ohne Zweifel (wenn
wir von der Zeit, die sie zu ihrer Entwicklung brauchen, absehen) mit den Jahrringen der übrigen Dicotylen
in Parallele zu stellen, in Beziehung auf die Stelle, an welcher sie sich bilden, weichen sie jedoch von diesen
— 207 —
wesentlich darin ab, dass sie sich ausserhalb der Bastschichten des älteren Holzringes ausbilden. Dafür, dass
sich die Bildung dieses äusseren Holzringes in älteren Stämmen mehrmahls wiederholen kann, lieferte schon
längst die 21te Tafel des dritten Bandes vom Hortus malabaricus, auf welcher ein Stamm mit 7 Holzringen
dargestellt ist, eine Andeutung; mit Unrecht wurde die Richtigkeit dieser Abbildung von Broxsxıart und
von mir in Folge der weniger weit fortgeschriltenen Bildung der von uns untersuchten Stämme in Zweifel
gezogen. TrEvıranus (Phys. I. 118) und DE VrıEse (het instituut. 1842. 225) hatten Gelegenheit, sich da-
von zu überzeugen, dass oft noch eine grössere Anzahl von Holzringen zur Ausbildung gelange, auch ich
besitze ein Stück von einem Stamme, in welchem 8 breite Holzringe zur Entwicklung kamen.
Die Aehnlichkeit, welche die Cycadeen mit den Baumfarnen haben, beschränkt sich übrigens nicht blos auf
die Form ihres Stammes, sondern es lässt sich auch in Beziehung auf die fruchttragenden Blätter, wenigstens
bei Oycas, eine Analogie auffinden. Es fehlte mir leider die Gelegenheit, die Spadices von mehreren Arten
von Cycas der anatomischen Untersuchung unterwerfen zu können, indem mir nur ein in Weingeist von
Hrn. v. Karwınsky aus Brasilien nach München gebrachter Spadix von einer mir nicht bekannten Art zu
Gebote stand. Da jedoch die Untersuchung desselben zeigte, dass sein Bau in einem überraschenden Con-
traste sowohl mit dem Baue des Cycadeenstammes als mit dem Baue des Spadi.c der Monocotylen
steht, da ferner bei der grossen Aehnlichkeit der äusseren Form, welche die Spadices der verschiedenen
Arten von Cycas zeigen, nicht daran zu zweifeln ist, dass auch der Spadix der übrigen Arten nach dem-
selben Typus gebaut ist, so wird es vielleicht nicht ohne Interesse sein, wenn ich hier die Resultate meiner
an jenem Spadix gemachten Untersuchungen mittheile.
Die Sipadices dieser Art besitzen die Länge von etwa 7 pariser Zollen; der untere Theil derselben ist
in der Länge von etwa 3 Zollen etwas plattgedrückt, und zugleich auf seiner obern und untern Fläche in
eine Art von erösta erhoben, es stellt daher sein Querschnitt ein unregelmässiges Viereck dar. Auf den
seitlichen Rändern sitzen, ohne von einer Schuppe oder dergleichen gestützt zu sein, etwa fünf Früchte in
alternirender Ordnung, von welchen die 3—4 oberen abortiren. Der obere Theil des Spadi.c ist bandför-
mig plattgedrückt und auf beiden Rändern mit einer ziemlichen Anzahl (etwa 15—18) von Pinnen, welche
1—1!/2 Zoll lang, 1 Linie breit und auf dem Querschnitte oval sind, besetzt, so dass dieser obere Theil die
grösste Achnlichkeit mit einem gefiederten Blatte besitzt.
Dieser Aehnlichkeit, welche der Spadix in seinem Aeusseren mit einem blattartigen Organe besitzt,
entspricht nun auch vollkommen sein innerer Bau. Die Gefässbündel desselben sind nämlich weder, wie im
Stamme der Cycadeen,, zu einem geschlossenen Holzeylinder verbunden, noch sind dieselben wie bei den
Palmen und den übrigen Monocotylen im ganzen Spadi.s zerstreut und auf die Weise angeordnet,
dass ihr Bastkörper gegen die Peripherie.und der die Spiralgefässe enthaltende Theil des Gefässbündels ge-
gen das Centrum des Spadi:x hin gerichtet ist, sondern es liegen dieselben in einer ziemlich geraden, oder
nach oben zu etwas concaven Reihe, welche von einem Seitenrande des S'padix bis zum andern gezogen
ist; zugleich sind alle Gefässbündel auf die Weise angelagert, dass ihr Bastkörper gegen die untere (äussere)
Fläche des Spadix hinsieht.
— 208 —
In Hinsicht auf ihre Zusammensetzung stimmen diese Gefässbündel völlig mit denen des Cycadeen-
stammes überein, indem sie aus einem Holzkörper und Bastkörper bestehen, von welchen der erstere ohne
alle Beimischung von Holzzellen nur aus abrollbaren Spiralgefässen, Treppengängen und solchen punctirten
Gefässen, wie sie bei den Monocotylen sich finden, besteht.
Diese Gefässbündel verlaufen nun durch den Spadix in paralleler Richtung mit einander, und theilen
sich auf diesem Wege in mehrere Aeste, welche aber nicht mit den andern anastomosirend ein Netz bilden,
sondern ebenfalls in gerader Richtung weiter laufen.
Sowohl von den Früchten, als von den am obern Theile des Spadi.c sitzenden Pinnen, erhält jede
Einen dieser Gefässbündel und zwar auf die Weise, dass an der Basis jeder Frucht und jeder Pinne der dem
Rande des Sipadi.r zunächst gelegene Gefässbündel sich in einem Bogen seitwärts biegt und in diesen Theil
eintritt. In den Pinnen verlauft dieser Gefässbündel, ohne sich weiter zu verästeln, bis an ihre Spitze, auf
dieselbe Weise, wie der Nerve in den Fiederblättchen von Cycas, welche ebenfalls nur einen einzigen, die
Mittelrippe bildenden, sich nicht verästelnden Nerven enthalten.
Der in eine Frucht eintretende Gefässbündel theilt sich dagegen in der Basis derselben in mehrere
Zweige, von denen die grössten, ohne sich weiter zu verzweigen, ausserhalb des Putamens in gerader Rich-
tung bis zur Spitze der Frucht fortlaufen, während die übrigen das Putamen an seiner Basis durchbohren
und sich in der, auf der innern Seite desselben liegenden, Zellenschichte ausbreiten; das Putamen selbst er-
hält keinen Gefässbündel. Die Gefässe der in der Frucht befindlichen Gefässbündel nehmen beinahe alle die
Form von porösen Gefässen an.
Das Zellgewebe des Spadix besteht aus dünnwandigen, parenchymatosen, etwas verlängerten Zellen,
welche in ihrer Bildung nichts ausgezeichnetes besitzen.
Vergleichen wir nun diese anatomischen Verhältnisse des weiblichen Spadix von Cycas mit denen
des Stammes und der unter der Form von Wurzelknollen erscheinenden Aeste desselben, so erhellt auf
den ersten Blick, dass bei der so gänzlich verschiedenen Stellung der Gefässbündel in diesen zwei Gebilden
an keine Uebereinstimmung derselben zu denken sei; dagegen werden wir unwillkührlich durch die Anlage-
rung und den Verlauf der Gefässbündel, durch die gegen die untere Fläche hin stehende Richtung ihrer
Bastlage an eine Vergleichung dieses Spadix mit dem Baue der Blätter erinnert.
Da es nämlich bei der Bildung der Blätter und der aus ihrer Metamorphose hervorgehenden Organe
ein allgemeines Gesetz ist, dass die in ihnen liegenden Gefässbündel beständig auf die Weise angelagert sind,
dass sie in einer geraden Linie liegen und dass die Bastlage derselben gegen die untere Seite hingerichtet ist
(was nur in so weit eine Ausnahme erleidet, dass bei vielen rundlichen, zu höherer und der Bildung des
Stammes sich annähernder Ausbildung gelangenden Blattstielen die beiden Enden dieser Linie sich gegen die
obere Seite hin krümmen, wodurch die gerade Linie in einen Halbmond, oder beim Aneinanderschliessen
beider Enden in einen völlig geschlossenen Kreis ] verwandelt wird), so ist deutlich, dass der weibliche
4) In diesen Fällen geht bisweilen die Annäherung an den Bau des Stammes so weit, dass der Blattstiel
mancher gefiederten Blätter an seiner Spitze weiter vegetirt, seine Fiederblättchen abwirft, und nun in
einen wahren Ast verwandelt ist, z. B. bei Guarea.
— 209 —
S'padix von Cycas in seinem Baue vollkommen mit dem Baue eines blattartigen Organes übereinstimmt;
ja es ist sogar die dem Blatte zukommende Anordnung der Gefässbündel in dem sogenannten Spadix von
Cycas noch reiner ausgesprochen, als selbst in dem Blattstiele dieser Pflanze, indem im letzteren die Ge-
fässbündel nicht in einer geraden, sondern in einer hufeisenförmig gebogenen Linie liegen.
Ich brauche nicht weitläufig auseinanderzusetzen, wie sehr an eine solche Vergleichung des Spadix
von Cycas mit dem Blatte auch die äussere Form des erstern erinnert, indem ja der obere Theil desselben
vollkommen die Form eines gefiederten Blattes besitzt, und zwar bei-der von mir untersuchten Art noch in
weit höherem Grade, als es bei Cycas revoluta und circinalis der Fall ist, indem bei diesen Arten sich am
. obern Ende des Spadix nur schwache Serraturen finden 4), während bei jener die Pinnen eine Länge von
1—1'/a pariser Zoll beibehalten haben.
Ich glaube, diese anatomischen Verhältnisse des sogenannten Spadix von Cycas liefern keine zu
verachtende Bestätigung für die Richtigkeit der von Roserr Brown mit so grossem Scharfsinne aus der Bil-
dung des Ovulum abgeleiteten, und wenn auch nicht mit voller Bestimmtheit für wahr ausgesprochenen,
doch für höchst wahrscheinlich erklärten Ansicht, dass der Spadi.c von Cycas nicht für einen Ast, sondern
für ein modifieirtes Blatt zu betrachten ist, welches auf seinen Rändern nackte Ovula trägt ?) und sich vom
Pericarpe der übrigen Pflanzen dadurch unterscheidet, dass es sich nicht zu einem Carpell zusammengerollt
hat und kein Stigma besitzt; eine Ansicht, welche, wie es mir scheint, durch die Art und Weise, wie bei
Cycas diese sogenannten Spadices sich entwickeln, die vollkommenste Bestätigung erhält. Es erhellt näm-
lich aus den Beobachtungen von Rueepe °), dass der weibliche Stamm von C'ycas in so ferne von den übri-
gen Gewächsen in Hinsicht auf sein Wachsthum abweicht, als seine Blüthe, ob sie gleich aus den Blättern
der Endknospe gebildet ist, dennoch nicht das Längenwachsthum des Stammes beschränkt. So lange näm-
lich der Stamm der weiblichen Cycas noch keine Blüthen entwickelt, so erscheint alle Jahre ein- oder ne
mal an seiner Spitze eine Knospe, deren äussere Blätter die Form von kleinen Schuppen besitzen, während
die inneren sich zu wahren gehiederten Blättern ausbilden. Wenn nun der weibliche Stamm seine Blüthen
entwickelt, so erscheint eine ähnliche Knospe an der Spitze des Stammes; die äusseren Blätter derselben
besitzen ebenfalls, wie bei der Blattknospe, die Form von Schuppen, an der Stelle der inneren Blätter er-
scheinen hingegen die sogenannten Spadices. Hiemit ist aber das Wachsthum des Stammes nicht beendigt,
sondern es findet sich, umschlossen von den in Spadices verwandelten Organen, eine neue Blattknospe,
welche sich auch, nachdem sich die Spadices nach Art der Blätter nach Aussen gebogen haben, wie die
4) Vergl. Rıcnaro 1. c. Tab. 24. 25. — Rureor, hort. malab. Tom. III. Tab. 46— 20. — Runen. herb.
amboin. T. I. Tab. 22—24.
2) Character and Description of Kingia etc. p. 29: »Were I do adopt the former supposition, or that best
agreeing with the hypothesis. in question, I should certainly apply it, in the first place, to Cycas, in wich
the female spadix bears so striking a resemblance to a partially altered frond or leaf, producing margi-
nal ovula in one part, and in another being divided into segments, in some cases nearly resembling those
of the ordinary frond.« _
3) Hort. malab. Tab. II. p. 9—14.
27
— 210 —
früheren Blattknospen entwickelt; auf diese Weise wechseln nun fortwährend Blüthen- und Blattknospen mit
einander ab !). In dieser abwechselnden Entwicklung von gewöhnlichen und von fructifieirenden Blät-
tern liegt offenbar keine geringe Aehnlichkeit zwischen den Cycadeen und Farnen, indem auch bei vielen der
letzteren z. B. bei Blechnum boreale eine regelmässige Abwechslung in der Entwicklung von einer Anzahl
unfruchtbarer Blätter mit einer Anzahl fruchtbarer stattfindet.
Nehmen wir alle diese Erscheinungen zusammen, die Aehnlichkeit der Blätter und Spadices in ihrer
äusseren Form, die Uebereinstimmung ihres innern Baues, die Aehnlichkeit in der Stellung und die abwech-
selnde Entwicklung dieser beiden Organe, endlich die von Roserr Brown nachgewiesene Uebereinstimmung
der weiblichen Blüthe der Oycadeen mit dem Ovulum der übrigen Phanerogamen, so lässt sich gar nicht
verkennen, dass der Spadis der Cycadeen für ein modificirtes Blatt und nicht für einen Ast zu halten ist.
Da Rosert Brown’s morphologische Deutung der weiblichen Blüthen der Oycadeen und Coniferen
noch weit entfernt ist, allgemein als richtig anerkannt zu werden, so sei es mir erlaubt, hier noch eine Be-
merkung über den Bau der Fruchthülle von Cycas beizufügen, indem die grosse Aehnlichkeit, welche die
äusseren Theile dieser Frucht mit einer Drupa besitzen, Manchem vielleicht von nicht unbedeutendem Ge-
wichte für die Ansicht, als sei diese Umhüllung ein wirkliches Pericarp, sein könnte, wie denn auch Acn. Rı-
cHArRD ?) in der Existenz des Putamen einen Gegenbeweis gegen Rogerr Brown’s Ansicht zu finden glaubte.
Das Vorhandensein eines Pufamen scheint mir aber durchaus nicht als Beweis dafür gelten zu können, dass
der in Rede stehende Theil nicht eine wahre Saamenhaut, sondern ein Pericarp ist. Um dieses näher nach-
zuweisen, bin ich genöthigt, einige Worte über die anatomischen Verhältnisse des Putamen vorauszuschicken.
Es scheint, dass in der Carpologie der Begriff eines Putamen noch sehr schwankend ist, indem Gärr-
xer dasselbe für die verhärtete und verdickte innere Haut des Pericarpes, CLaupe Rıcnarn dagegen für das
Holz desselben hielt. Beides lässt sich meiner Ansicht nach nicht vertheidigen, besonders ist der von
Cr. Rıcıwarv aufgestellte Begriff durchaus unrichtig, indem das Putamen (wenn man nicht einige ganz abwei-
chende, und daher nicht mit den übrigen zu vereinigende Fälle, wie Hyphaene, hierher zählen will) nicht
durch helzartige Gefässbündel, sondern immer durch eine eigenthümliche Veränderung in dem parenchyma-
tosen Gewebe der Früchte hervorgebracht wird, an welcher die Gefässbündel, selbst wenn sie im Putamen
liegen (was in vielen Fällen gar nicht der Fall ist) durchaus keinen Antheil nehmen. Diese Veränderung der
parenchymatosen Zellen besteht (so weit sie anatomisch nachweisbar ist und nicht in chemischer Mischungs-
veränderung besteht) darin, dass ihre Wandungen durch Auflagerung neuer Schichten eine bedeutende Dicke
und Härte erhalten; ausser dieser Verdickung der Wandungen zeichnen sich diese Zellen noch durch die
sehr grosse Menge von engen, porenähnlichen Canälen, von welchen ihre Wandungen durchzogen sind, aus.
Es verhalten sich diese Zellen also zu dem weicheren Parenchyme der Früchte wie die steinigen Con-
4) Vergl. die Abbildungen von fruetificirenden Cycadeen im Hort. malab. Tom. III. Tab. 16—20.
2) 1. c. p. 206: »A l’&poque de la maturite complete cette partie devient souvent osseuse et tes Epaisse,
comme dans le Pinus Pinca, les Cycadzes ete. Oi trouverons nous des graines ou le tegument exterieur offre
cette organisation ?«
— 2ll —
eretionen einer Birne zum weichen Fleische derselben. Es ist nun leicht begreiflich, dass eine solche Ver-
änderung eines Theiles des Zellgewebes ebensowohl in einer Samenhaut, als im Pericarpe vor sich gehen
kann, in welchem Falle dann ein wirkliches Putamen dem Samen und nicht dem Pericarpe zugehört. Wenn
dieses Verhältniss auch sehr selten ist, so kommt es dennoch in der Natur vor und wir finden ein solches
Putamen sehr deutlich ausgebildet bei äcu Samen vieler (wenn nicht aller) Arten von Magnolia ; hier be-
steht nämlich die testa seminis aus zwei Lagen, von welchen die äussere ein weiches, beerenartiges Paren-
chym bildet, während die innere Schichte durch Verdickung der Zellwandungen in ein wahres Putamen ver-
wandelt ist, das in Rücksicht auf seine Structur mit dem Putamen von Juglans , Prunus, mit dem der
Palmen u. s.w. völlig übereinstimmt. Durchaus dieselbe Bildung finden wir nun auch in der Umhüllung des
Samens von C'ycas, indem die äussere und innere Schichte derselben aus einem dünnwandigen, weichen
Parenchyme besteht, während die mittlere, aller Gefässbündel entbehrende Schichte aus denselben dieckwan-
digen, porösen Zellen, wie das Putamen der übrigen Früchte, zusammengesetzt ist.
27 *
- 22 —
XIV.
Untersuchungen
über
die Entwicklung des Korkes und der Borke auf der Rinde der
baumartigen Dicotylen.
(Dissertation vom Jahr 1836.)
Zu den noch sehr unvollkommen gekannten Theilen der Pflanze gehört der äussere, rissige Theil der
Rinde der dicotylen Bäume und Sträucher, den man im allgemeinen mit den Ausdrücken des Korkes
und der Borke bezeichnen kann. In ‚den meisten Werken über Pflanzenanatomie geschieht dieses Theiles
entweder gar nicht, oder nur auf eine sehr oberflächliche Weise Erwähnung, und ebenso ist in den meisten
pflanzenphysiologischen Werken bei der Lehre von der Entwicklung und dem Wachsthume der verschiedenen
Organe auf den genannten Theil sehr wenig Rücksicht genommen worden.
Da die Borke in der genauesten Verbindung mit den übrigen Theilen der Rinde steht und die Ansich-
ien über dieselbe sich nach der Vorstellung, welche die verschiedenen Schriftsteller von dem Baue der Rinde
überhaupt hatten, richten, so mag eine Zusammenstellung der wichtigeren über die Rinde angestellten Unter-
suchungen die Einleitung zu den folgenden über die Entwicklung des Korkes und der Borke angestellten Be-
obachtungen bilden. i
Marpicni !) unterschied an den jungen Aesten von Salix, Populus u. a. Bäumen eine Cuticula, und
unter dieser einige concentrische Schichten von Zellen, welche die netzförmigen Bastschichten bedecken.
Die Veränderungen, welche die Rinde mit dem vorschreitenden Alter der Bäume erleidet, leitet Mar-
Pıcmı von einem Absterben und Vertrocknen der äussersten Rindenschichten ab; diese abgestorbenen
Schichten dienen zum Schutze des Bastes, welcher letztere sich in Holz verwandelt. Die Pflanzen mit
einjährigem, oder wenigstens nicht lange lebendem Stamme, deren Holz sich nicht zu einem Cylinder ausbil-
det, besitzen nach seiner Angabe keine Rinde, sondern nur eine Cuticula und kleine Faserbündel.
Grew ?) unterscheidet an der Rinde zwei Theile, die Oberhaut (skin) und den Rindenkörper oder das
4) Anatome plantarum. Lond. 1686. p. 2 et 6.
2) Anatomy of plants. Lond. 1682. p. 19.
a
Parenchyma (cortical body or parenchyma). Die Oberhaut stammt von der Cuticula der Cotyledonen und
der Plumula, der Rindenkörper von dem Parenchyma der Plumula ab.
Die Oberhaut (skin) besteht gewöhnlich aus kleinen Bläschen I); bei vorschreitendem Wachsthume
vertrocknen aber häufig diese Biäschen und fallen ab. Ausserdem sind aber diesen Bläschen häufig auch
Holefiseri oder Gefässe beigemischt, welche der Länge nach verlaufen. Ob es Luftgefässe oder Saftgefässe
seien, hierüber ist GREw ungewiss.
Der hauptsächlichste Theil der Rinde (the main Body of the Barque) besteht ebenfalls aus zwei Thei-
len, aus Parenchyma und aus Gefässen. In der Wurzel sind die Zellen in diametrale Reihen geordnet, im
Stamme findet dieses nicht oder nur in der innern Hälfte der Rinde statt. Die Gefässe sind im innern Theile
der Rinde angehäuft und immer Saftgefässe und unter einander netzartig verbunden. Diese Gefässe fallen
später mit den äusseren Theilen der Rinde, welche in verschiedener Richtung aufspringt, ab.
Dunameu ?) unterscheidet nach dem Vorgange von Marrıcnı drei Schichten an der Rinde, die Epider-
mis, die zellige Hülle und die Rindenschichten.
Die Epidermis bildet nach seiner Angabe einen allgemeinen, dünnen und trockenen Ueberzug über die
Bäume. Wenn der Baum im Safte steht, so lässt sich die Epidermis leichter abnehmen, als zu andern Zei-
ten. Sie findet sich auf allen Theilen der Bäume, zeigt aber an verschiedenen Stellen einen verschiedenen
Bau. Auf den jungen Zweigen mancher Bäume scheint sie eine einfache Membran zu sein, allein an den
Aesten mehrerer Arten konnte DuuAnez unter ihr noch eine oder zwei Schichten, welche saftig waren, un-
terscheiden. Darüber, ob die Epidermis, wie Grew und Marrıcuı annahmen, aus Zellen bestehe, war Dv-
HAMEL in manchen Fällen zweifelhaft, und war eher geneigt, sie für eine einfache Membran zu betrachten.
Hauptsächlich, glaubt Dumme, sei das starke Ausdehnungsvermögen der Epidermis, welches man bei
dem bedeutenden Wachsthume der Früchte und Baumstämme erkennen kann, mit der Annahme, als bestehe
dieselbe aus vertrockneten Zellen, nicht wohl verträglich. Dieses Wachsthum ist jedoch nach Dunauer’s
Beobachtungen beschränkt, es zerreisst daher die Epidermis an grössern Stämmen in Lappen. Dagegen be-
sitzt sie ein bedeutendes Reproductionsvermögen.
Unter dem Ausdrucke der zelligen Hülle (enveloppe cellulaire) versteht Dumanen die grüne, saftige
Schichte, die in ihrer Structur mit dem Marke übereinstimmt und aus Zellgewebe besteht. Sie besitzt, wie
die Epidermis, ein Reproductionsvermögen und dient auch zur Wiedererzeugung der letztern (a la r¶-
tion de l’eEpiderme).
Die Rindenschichten (couches corticales), welche den zwischen der zelligen Hülle und dem Holze lie-
genden Theil der Rinde in sich begreifen, bestehen aus netzartig verbundenen Iymphatischen Gefässen (Bast-
röhren) und einem Zellgewebe, welches die Maschen des Gefässnetzes ausfüllt, von dem Holze durch alle
Schichten der Rinde bis zur Epidermis sich erstreckt, ausserhalb der Rindenschichten sich ausbreitet und
die zellige Hülle bildet. Ausserdem liegen in den Rindenschichten noch eigene Gefässe.
4) 1. c. p. 107.
2) Physique des arbres. 1758. I. p. 6.
—_ 24 —
Die Beschreibung, welche Hırı !) von der Rinde giebt, steht der von Dumanen gegebenen weit nach ;
er unterscheidet an der Rinde drei Schichten 1) the rind, 2) the bark, 3) the blea.
Der äussere Theil der Rinde (the rind) entspricht der Epidermis von DunameL; er besteht aus meh-
reren über einander liegenden Schichten von Zellen ®). Der innere Theil der Rinde (ihe bark) hat einen
ähnlichen Bau, wie der äussere Theil, und verwandelt sich in denselben, wenn die äussern Schichten abfallen.
Unter dem Ausdrucke: blea, scheint Hırı die innersten neugebildeten Bastschichten zu verstehen. Dieser
Theil besteht nach seiner Ansicht aus langen Röhren mit vielen Oeffnungen und dicken Wandungen, welche
durch eine gleichförmige, weisse, flockige, formlose Masse vereinigt sind.
In den späteren Schriften über Pflanzenphysiologie findet sich mehr oder weniger eine Wiederholung
der von Dvsanen gegebenen Beschreibung, z. B. bei Sexeerer ®). Es bildet sich jedoch allmählig eine
schärfere Unterscheidung der Oberhaut der Baumstämme von der Epidermis der grünen Theile aus. SExeE-
BIER nimmt zwar noch, wieDvnaser, an, dass die Oberhaut dieser Theile das gleiche Organ sei, erkennt jedoch
den Unterschied zwischen beiden an, dass die Epidermis des Baumstammes ein Reproductionsvermögen be-
sitze, welches der Epidermis der grünen Theile fehle; da er aber fand, dass sich die Epidermis der grünen
Zweige ebenfalls nicht ersetze, so vermuthet er, dass diese Bigenschaft wohl von einem gewissen Grade ihrer
Entwicklung, den sie noch nicht erreicht habe, abhängig sei.
Der Untersuchung der Reproduction der Epidermis widmet Senesien eine besondere Sorgfalt. Er
findet die Vorstellung von Grew und Marrıcnı, dass die Epidermis aus vertrockneten Zellen der zelligen
Hülle bestehe, unverträglich mit der Erscheinung, dass sie sich ohne Zerreissung ausdehnt. Er beobachtete,
dass die Epidermis sich ohne Exfoliation reproducirte, wenn die Wunde nicht tief war, dagegen mit Exfolia-
tion, wenn die Wunde in die Rinde eindrang. Sie ersetzte sich sogar mit der Rinde wieder, wenn diese weg-
genommen wurde; sie ersetzte sich allein, wenn sie allein wesgenommen wurde. Sie ist jedoch nach seiner
Ansicht nicht als ein durch den Contact der Luft modifieirtes Rindenparenchym zu betrachten, weil der Con-
tact der Luft ihrer Wiedererzeugung hinderlich sei.
Da die Epidermis der alten Bäume aus einer Lage von todten und vertrockneten Lappen besteht, de-
ren Spalten den Fasern und Gefässen der Rinde folgen, so nahm SENEBIER an, dass das Ausdehnungsvermö-
gen der Epidermis beschränkt sei, dass sie bei starkem Wachsthume einreisse, dass die durch die Ausdeh-
nung desorganisirte Epidermis sich durch eine andere ersetze, welche die Zwischenräume der zerstörten
ausfülle. Diese Umstände machten es ihm wahrscheinlich, dass ein eigenthümliches Netz (von Gefässen ?)
für die Bildung der Epidermis auf der Rinde liege ?).
4) The construction of timber. Sec. edit. Lond. 1774.
2) Ich unterlasse es, von der anatomischen Darstellung, welche Hırı giebt, einen ausführlicheren Auszug zu
geben, indem bekanntlich seine Darstellung des Zellgewebes und der eigenen Gefässe so verschieden von
den Ergebnissen der neueren Untersuchungen ist, dass sie kaum noch einiges historische Interesse hat,
3) Physiologie vegetale. I. p. 147.
4) L. c. p. 157.
Linx !) unterscheidet diese von Sexezıer als verschieden beschriebene Schichten der Epidermis und
der Rindenhülle nicht, sondern beschränkt sich auf die Angabe, dass dieRinde zu äusserst aus grünem Paren-
chyme bestehe, welches im Alter, wahrscheinlich durch Einwirkung der Luft bräunlich werde, auch an der
Oberfläche immer mehr und mehr einschrumpfe , rissig werde und abfalle. Wenn die Zeilen sehr leer und
mit wenig grüner oder brauner Materie gefüllt seien, so bilden sie die Korkrinde.
Ruporrnt ?) setzte den Unterschied zwischen der Epidermis des Stammes der holzartigen Gewächse
von der Epidermis der grünen Theile fest, dass der ersten die Spaltöffnungen fehlen.
Trevıranvs 3) nimmt in der Rinde der Dicotylen drei Schichten an. Die äussere besteht aus
Parenchyma, die äusserste Wand der äussersten Zellen dieser Schichte bildet die Oberhaut. Die mittlere
-Rindenlage ist der Bast. Die innerste stosst an den Splint, und geht von der Mitte des Frühlings bis zur
Sonnenwende in denselben über.
Du Prrır Tuovars ?) nimmt an, dass sich alle Jahre eine Schichte des grünen, unter der Epidermis
liegenden Parenchymes in die Epidermis umwandle. Durch die Ausdehnung der Rinde werden die alten
Epidermisschichten in ein zartes, auf der Oberfläche ausgespanntes Netz verwandelt, welches sich daselbst
lange Zeit erhält.
C. Sprengeu 5) unterscheidet zwar durchaus die Epidermis des Stammes von der Oberhaut der grünen
Theile, ist jedoch in seinen Ansichten über ihre Entstehung schwankend. Die Epidermis ist nach seiner An-
gabe der äusserste, graue oder weissliche, oft ganz trockene und scheinbar unorganische Ueberzug, der den
Stamm rings umgiebt. Er ist von der organisirten, mit Spaltöffnungen versehenen Epidermis der grünen
Theile wohl zu unterscheiden; diese geht zum Theil in die erstere über, zum Theil wird die Oberhaut aus
der unter ihr liegenden grünen Rinde durch Einwirkung des Sauerstoffes der Atmosphäre erzeugt, indem
derselbe Verdichtung und Unwegsamkeit der obersten Rindenlagen bewirkt und die letzteren dadurch aus
dem Kreise der organischen Theile ausstösst.
In der Oberhaut der Eichen, Ulmen, von Viburnum Lantana, Passiflora suberosa u. s. w. er-
zeugt sich als eigene Substanz der Kork, über dessen Entwicklung übrigens nichts Näheres angegeben wird.
Mirgeu 6) rechnet die Epidermis des Baumstammes mit der der grünen Theile zusammen. Sie löst
sich im Alter plattenförmig (Platanus) oder lappenförmig (Birke) ab, oder verwandelt sich in Staub. An
den jungen Theilen der Holzpflanzen erneuert sie sich leicht. Der Kork ist eine wahre Epidermis, welche
durch eine Vereinigung vieler zelliger Schichten gebildet wird.
Pourını ?) unterscheidet die wahre Epidermis von der unregelmässigen, rissigen Oberhaut der bejahr-
4) Grundlehren der Anatomie und Phys. p. 158.
2) Anatomie der Pflanzen. p. 70.
3) Vom inwend. Bau d. Gew. p. 1357.
4) Essais sur la vegetation. 1809. Cinquieme essai.
5) Von dem Bau und der Natur der Gewächse. p- 411.
6) Elemens de physiologie vegetale etc. I. p. 56.
7) Saggio di osservazioni s. vegetazione degli alberi. p. 11,
— 216 —
ten Bäume, welche durch Vertrocknung der äussern Schichten des Rindenparenchymes entsteht und stück-
weise z. B. bei Platanus abgeworfen wird, worauf sich ein neues Parenchym in den unterliegenden Theilen
erzeugt.
Nach einer spätern Aeusserung von Link !) zeigt die Rinde sowohl in ihrem äusseren parenchymato-
sen Stratum, als in ihrem mittleren, aus Parenchym und Bast gemischten, als auch in ihrem innersten, wel-
ches hauptsächlich fibros ist, ein Wachsthum. Diese Schichten sind nicht von einander strenge geschieden.
Der äusserste Theil der Rinde wird entweder abgeworfen (Platanus), oder zerreisst auf verschiedene
Weise. Zuweilen wird er saftlos, wie bei Quercus Suber.
DecAnnoLre ?) unterscheidet von der gewöhnlichen Oberhaut (Cuticula) die Oberhaut der alten
Stämme unter dem Namen der Epidermis. Die letztere lässt er aus den äusseren Zellen des Rindenparen-
chymes entstehen, welche durch Berührung mit der Luft vertrocknen und ein häuliges Aussehen bekommen.
Sie ist einfach, wenn nur eine Lage von Zellen vertrocknet, mehrfach, wie bei der Birke, wenn allmählig
mehrere Zellschichten vertrocknen. Die Epidermis besitzt niemals, wie die Cuticula, Spaltöffnungen oder
Haare. Das Aufspringen der Rinde leitet DevannoLız von einem Absterben und von zu starker Ausdehnung
der zelligen Hülle her. Der Kork beweist nach seiner Ansicht, dass sie auch in diesem Zustande noch einige
Zeit fortbestehen kann, ohne abzufallen. Wenn bei der Platane diese abgestorbene Hülle abfällt, so ent-
wickelt sich aus der auf diese Weise entblössten Rindenlage eine neue Hülle, welche ebenfalls später abge-
worfen wird °).
Weit genauer, als alle vorhergehenden Schriftsteller beschreibt Hunpesuacen ?) die Rinde. Er unter-
scheidet in der Rinde drei Schichten, den Bast, die Borke und die Oberhaut. Diese drei Theile finden sich
nur im jüngeren, noch mit einer glatten Rinde versehenen Holzstämmchen mit Saft erfüllt, später ist der
Bast allein noch saftführend. Mit dem Ausdrucke der Borke bezeichnet HunpgsuAcen die zellige Hülle, mit
dem des Bastes nicht die Bastbündel allein, sondern den innern Theil der Rinde überhaupt.
Die Abweichungen im Rindenbäue der Holzarten bringt HunpesnaGen in folgende Abtheilungen:
1) Holzarten, die nach dem Aufreissen nur Bast besitzen und den ältesten Theil der Rinde: durch Ab-
blättern verlieren oder auch nicht, z. B. Clematis Vitalba, Vitis, Platanus, Lonicera, Philadel-
phus, Pyrus Malus ete.
2) Holzarten, die nie oder nur ausnahmsweise aufreissen, also stets nur die Bastlagen vermehren und
dadurch den Rindenkörper verdicken, ohne die ältesten Theile zu verlieren, z.B. die Buche, Hainbuche.
3) Holzarten, die erst spät aufreissen und so lange, bis dieses geschieht, den Rindenkörper jährlich
durch eine neue Lage von Bast und von Oberhaut verstärken, also letztere lange Jahre beibehalten;
Betula, Cerasus.
4) Elementa philosophiae botan. p. 159.
2) Organographie vegetale I. p. 74.
3) L. ec. I. p. 196.
4) Anatomie, Chemismus und Physiologie der Pflanzen. 4829. p. 32.
— 27 —
4) Holzarten, die, so lange sie glattrindig sind, nur den Bast vermehren, nach ihrem frühern oder spä-
tern Aufreissen aber nicht blos den letztern, sondern auch die Borkensubstanz jährlich durch neue
Lagen verstärken, während die äussersten oder ältesten Borkenschichten abtrocknen und sich ahblät-
tern, z. B. die Eichen, Ulmen, Linden, Eschen, Tannen.
Bei den letzteren vermehrt sich die Borke, so lange die Oberhaut nicht aufgerissen ist, beinahe nicht,
dann aber legt sich jährlich eine starke Borkenlage auf der äussern Grenze des Bastes an und es trocknet
die Borke aus.
Auch die Oberhaut setzt jährlich auf ihrer innern Seite eine neue Lage an; zuweilen, wie bei der
Birke, bilden sich auch in Einem Jahre mehrere Oberhautschichten. Wie dagegen die Oberhaut aufreisst
und die Borke zu wachsen anfängt, so legen sich keine neuen Oberhautschichten mehr an !).
Den Kork der Korkeiche vergleicht Huxpesnagen mit der Borke und vermuthet, er möge von einem
grünen, sehr saftigen Rindenmarke unmittelbar über dem Baste ausgehen ?).
TREvIRAnUS °) erkennt ein späteres schichtenweises Wachsthum der äussern Rinde (worunter er die
enveloppe cellulaire der französischen Botaniker versteht) nicht an, wenigstens nicht bei solchen Bäumen,
bei welchen die äusserste Rinde nicht jährlich abgeworfen wird, er beruft sich dabei auf MırgeL, nach wel-
chem die Borkenschichten der Eiche aus den äussersten Bastschichten gebildet sind ?).
Werfen wir einen Blick auf die angeführten Beschreibungen der Rinde zurück, so erhellt, dass zwar
von den Meisten auf gleiche Weise an derselben die Oberhaut, die zellige Hülle und die Bastschichten unter-
schieden werden, dass dagegen über den Bau und die Verwandlung dieser Theile in einander die Meinungen
sehr abweichend waren.
Die Epidermis des Stammes wurde von den älteren Botanikern (Grew, DunameL, SENEBIER) für das-
selbe Organ, wie die Epidermis der grünen Theile gehalten und die Abweichungen, die man in Hinsicht auf
Bau, Reproduction etc. beobachtete, theils als ursprüngliche Eigenthümlichkeiten der Rindenepidermis, theils
als Folge einer höheren Entwicklungsstufe (SENEBIER) derselben betrachtet.
Nachdem der Bau der Epidermis, hauptsächlich durch Ruvorrur’'s Bemühungen, genauer bekannt ge-
worden war, so wurde die entgegengesetzte Meinung herrschend und eine Verschiedenheit der Oberhaut des
bejahrten Stammes von der Epidermis der grünen Theile von Srrener, PoLLını, DECANDOLLE u. A. anerkannt.
Ueber diese Oberhaut des Stammes bildete sich dagegen keine feste und allgemein anerkannte Ansicht;
die Einen hielten sie, wie dieses früher schon von Hırr geschehen war, für die vertrockneten äussern Rin-
denschichten z. B. Du Prrır Tuovars, Link, Poruını, DEcAnDoLLE, während Andere, wie schon früher Dv-
HAMEL und SENEBIER, in neuern Zeiten hauptsächlich HunpesuAsen eine ursprüngliche Verschiedenheit der
Oberhaut des Stammes von der zelligen Hülle erkannten, indem sie ein von der letztern unabhängiges Wachs-
4) L. c. pag. 287.
2) L. c. pag. 291.
3) Physiologie der Gewächse. Tom. ]. p- 215.
4) Developpement du liber et du bois. Tab. II. fig. 11. a. pag. 23.
28
— 218 —
thum und eine Wiedererzeugung derselben beobachteten. Darüber, dass die dicke, rissige Borke {welche
jedoch von den Meisten von der Oberhaut nicht unterschieden wurde) durch Vertrocknung der äussern Rin-
denschichten entstehe, waren bis auf die neuesten Arbeiten von MırgeL und Trevıranus beinahe Alle einig,
allein auch hiermit stand wieder im Widerspruche, dass SprengrL und Mırsen beim Korke, Porrısı und Dr-
tANDOLLE bei der Platane eine spätere Entwicklung von Zellgewebe auf der äussern Fläche der Rinde
annahmen.
Diese Widersprüche wurden zum Theile durch Huxpessagen gelöst, indem dieser zeiete, dass die
Rinde durchaus nicht, wie die früheren Botaniker angenommen zu haben scheinen, bei den verschiedenen
Bäumen sich auf eine ähnliche Weise im Alter verändere, dass die Oberhaut des Stammes und die Borke
zwei gänzlich verschiedene Systeme seien, dass die Verdickung der Epidermis und die Erzeugung von Borke
nicht auf einer Vertrocknung, sondern auf einer spätern Entwicklung von Zellen bestehe und dass die Bil-
dung dieser beiden Theile in einem Gegensatze zu einander stehe, dass dagegen bei anderen Holzpflanzen
die alte Rinde wirklich absterbe und abgewörfen werde. Da jedoch HunpesuAcen, wie es scheint, das Mikro-
skop nicht zu Hülfe nahm, so mussten seine Untersuchungen mangelhaft bleiben und manche wichtige Er-
scheinungen von ihm falsch aufgefasst werden.
Die zahlreichen, in den Beobachtungen der angeführten Botaniker enthaltenen Widersprüche lassen
.sich alle durch eine vergleichende Untersuchung der Rinde verschiedener Holzpflanzen auflösen, indem die
meisten der angeführten Ansichten auf richtigen Beobachtungen beruhen und nur desshalb fehlerhaft sind,
weil sie zu sehr verallgemeinert wurden, indem fälschlicherweise das an der einen Pflanze Beobachtete un-
bedingt auf die übrigen baumartigen Gewächse übergetragen wurde, weil ferner aus dem Grunde dieser ver-
mutheten Uebereinstimmung bei verschiedenen Pflanzen ohne gehörige Untersuchung sehr verschiedene
Theile, welche in ihrem Aussehen Aehnlichkeit hatten, für identisch gehalten wurden, wesshalb es denn auch
nicht selten ist, dass einem Baume z. B. der Platane zugeschrieben wird, was nicht auf sie, wohl aber z. B.
auf die Korkeiche passt.
Es wird die Darstellung der Resultate, die ich aus meinen Beobachtungen herleite, wohl am deutlich-
sten werden, wenn ich mit der Beschreibung der am meisten zusammengesetzten Rinden beginne, indem bei
diesen manche Theile, die bei andern Rinden nur in schwachen Spuren vorkommen, vollkommen deutlich
ausgebildet und in ihrer Entwicklung am sichersten zu verfolgen sind.
Diesen Vortheil bietet unter den von mir untersuchten Pflanzen die Korkeiche (Quereus Suber) am
meisten dar. ;
Auf dem Querschnitte des einjährigen Astes unterscheidet man in der Rinde dieses Baumes vier
Schichten.
Die äusserste Schichte wird von der Epidermis gebildet; diese besteht aus einer einfachen Lage klei-
ner, ziemlich dickwandiger Zellen und ist mit sternförmigen Haaren besetzt. Sowohl hier, als bei allen an-
dern Holzpflanzen findet man auf den frischen Trieben eine mit der Oberhaut der Blätter vollkommen über-
einstimmende Epidermis, welche meistens, wie über denNerven der Blätter, aus etwas in die Länge gestreckten
— 219 —
Zellen besteht und wie bekannt nur in seltenen Fällen Spaltöffnungen besitzt. Nur diese Oberhaut der
jüngsten Triebe werde ich mit dem Ausdrucke der Epidermis bezeichnen, aber nie die Oberhaut der ältern
Zweige und Stämme, indem diese, wie sich zeigen wird, mit der eigentlichen Epidermis nichts gemein hat.
Unter der Epidermis erkennt man an den jungen Zweigen der Korkeiche eine zweite Schichte, welche
aus 3—5 Lagen dünnwandiger, ungefärbter, körnerloser, in diametralen Reihen liegender und in dieser
Richtung etwas zusammengedrückter Zellen besteht. Diese Schichte bezeichne ich aus den weiter unten an-
zugebenden Gründen mit dem Ausdrucke der Korkschichte, stratum suberosum s. phloeum |).
Als dritte Schichte erscheint das grüne parenchymatose Gewebe der Rinde, die zellige Hülle, integu-
mentum s. stratum parenchymatosum (enveloppe cellulaire der Franzosen). Diese hat in der Kork-
eiche das Ausgezeichnete, dass zwischen den mit Chlorophylikörnern gefüllten Zellen einzelne kleine Par-
thieen von dünnwandigen, etwas grösseren Parenchymzellen liegen, welche keine Körner enthalten und un-
gefärbt sind.
Als vierte Schichte endlich, welche sich jedoch erst bei mehrjährigen Aesten als deutliche Schichte
darstellt, ist der innerste, die Bastbündel enthaltende Theil der Rinde (die Bastschichte oder Faser-
schichte, stratum fibrosum s. stratum libri) zu betrachten.
In dem 2—3jährigen Aste findet man die angegebenen Schichten noch ziemlich in demselben Zu-
stande, wie im ersten Jahre. Die Epidermis und die Korkschichte sind unverändert, das Parenchym der zel-
ligen Hülle dagegen vergrössert, es finden sich insbesondere die angeführten körnerlosen Zellen in grös-
serer Anzahl, ihre Wandungen haben sich zum Theile verdickt und sind mit feinen, porenähnlichen Tüpfeln
versehen.
Im 3ten
5ten Jahre 2) bekommt die Epidermis, welche der Ausdöhnung der Rinde nicht mehr fol-
gen kann, Einrisse und nun geht in der unter ihr liegenden Korkschichte eine bedeutende Veränderung vor.
Sie zeigt nämlich von nun an ein bedeutendes Wachsthum durch Bildung von neuen Schichten auf ihrer in-
nern, an die zellige Hülle angrenzenden Seite. Die neugebildeten Schichten bestehen ebenfalls, wie die Kork-
schichte des ersten Jahres, aus körnerlosen, dünnwandigen Parenchymzellen, welche in diametralen Reihen
stehen; diese Zellen sind aber in der Richtung von innen nach aussen etwas verlängert, wie Markstrahlen-
zellen und vertrocknen bald nach ihrer Entwicklung. Die äussersten Schichten, welche sich nicht so sehr in
die Breite ausdehnen können, als es das Wachsthum der innern verlangt, reissen unregelmässig ein und ge-
ben dem Stamme eine rauhe Oberfläche. Auf dem Querschnitte der Korksubstanz eines älteren Stammes
erkennt man, dass die Erzeugung neuer Zellen nicht gleichmässig vor sich geht, sondern absatzweise erfolgt
4) 6 YAoros, die Rinde, der Kork.
2) Ich stellte meine Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des Korkes an Pflanzen an, die in dem
Gewächshause gezogen wurden. Ohne Zweifel erfolgen im Vaterlande der Korkeiche bei kräftigerer Ve-
getation der Pflanze schon im ersten oder zweiten Jahre die Veränderungen der Rinde, die ich erst im
5ten— 5ten Jahre eintreten sah, wenigstens besitzt ein vor mir liegendes Stämmchen, welches nur 4 Jahr-
ringe hat, bereits eine 4’ dicke Korklage.
ko
[077
— 220 —
und dass an der Grenze zweier Schichten die Zellen kürzer werden und daher dunklere, etwas festere Kreise
bilden, auf ähnliche Weise wie die Jahrringe im Holze. Diese Schichten zeigen jedoch keine grosse Regel-
mässigkeit, sie sind an einzelnen Stellen weit dicker, als an andern, keilen sich an einzelnen Stellen aus
u. dgl. m. Die ganze Masse dieser zelligen Bildung ist elastisch, hellbraun, kurz stellt die unter dem Namen
des Korkes bekannte Substanz dar.
Die zellige Hülle nimmt an der Bildung des Korkes durchaus keinen Antheil; sie zeigt jedoch ebenfalls
ein Wachsthum in die Dicke, jedoch ein sehr geringes und gleichförmiges, so dass in derselben keine con-
centrische Schichten bemerkbar sind. Die Gruppen von körnerlosen, weissen Zellen vermehren sich mit der
Zeit in derselben, die Wandungen dieser Zellen werden dick, feinpunctirt und sehr fest, so ec diese Zellen-
gruppen unter der Form von weissen, sehr harten, unter dem Messer knirschenden Körnern sich darstellen,
welche der zelligen Hülle eine grosse Härte und ihrem Durchschnitte ein geflecktes Ansehen geben. Aehn-
liche Körner finden sich zuweilen auch im Korke.
Die vierte, innerste Schichte bildet sich allmählig durch Entwicklung neuer Bastbündel ebenfalls deut-
licher aus; ihre Parenchymzellen stimmen mit denen der zelligen Hülle überein und gehen unmittelbar in
dieselbe über.
Bei einem vierjährigen Stämmchen betrug die Dicke der Korklage 4’, die der zelligen Hülle %/s5,
die der Bastschichte ?/ı0‘”.
Unter den bei uns einheimischen Bäumen stimmt mit der Korkeiche in Beziehung auf die Entwicklung
einer Korksubstanz wohl Acer eampestre am meisten überein. Es unterscheidet sich die Rinde des Mass-
holders von der Rinde der Korkeiche beinahe nur dadurch, dass meistens schon im ersten Jahre, besonders
an rasch wachsenden Zweigen, die Epidermis aufspringt und sich eine dicke Schichte von Kork entwickelt.
Unter der kleinzelligen Epidermis liegt, ehe dieselbe aufspringt, eine Schichte von 6—8 Reihen dünn-
wandiger, ungefärbter, etwas in die Breite gezogener Zellen, die in diametralen Linien stehen. Wie die Epi-
dermis im Laufe des ersten oder zweiten Sommers Längenrisse bekommt, so wächst sogleich diese Kork-
schichte in die Dicke, zuerst an den Seiten und unter den Rissen, später auch an andern Stellen. Die Zellen
der entwickelten Korksubstanz sind wie bei der Korkeiche in der Richtung von innen nach aussen verlängert
und stehen zugleich auch (was bei Quercus Suber nicht stattfindet) in senkrechten Reihen über einander.
Wie bei Quercus Suber, so finden sich auch hier in der Korksubstanz Querbänder, die von kürzeren Zellen
gebildet sind, und zwar gewöhnlich in jeder in einem Jahre erfolgenden Anlagerung zwei derselben.
Der Kork von Acer campestre zeigt ein weit stärkeres Wachsthum als die zellige Hülle der Rinde
und die Bastschichte, so dass die Korklage bei 2—3jährigen Aesten bereits 1—2 Linien dick ist, während
die beiden inneren Schichten zusammen nur etwa "/5 Linie betragen. Mit dem späteren Alter des Baumes
tritt dagegen eine grössere Gleichförmigkeit ein, indem der sehr weiche und zerreibliche Kork leicht zerstört
wird und daher nie eine beträchtliche Dicke erreicht; bei einem 23jährigen Stamme waren z. B. sowohl die
Korkschichte als die beiden innern Schichten zusammen eine Linie dick.
Die zellige Hülle von Acer campestre unterscheidet sich in ihrer Vegetation von der der Korkeiche
durch ihr äusserst schwaches Wachsthum ; sie wächst nämlich kaum in die Dicke, sondern vergrössert sich
nur so viel, dass sie bei der Ausdehnung, welche sie in Folge der Vergrösserung des Holzes erleidet, ihre
frühere Dicke beibehält. Die innerste (Bast) Schichte zeigt das gewöhnliche Wachsthum.
Dieselben Rindenschichten, wie bei Quercus Suber, aber von sehr abweichender relativer Dicke, fin-
det man bei den Banksien. Bei manchen derselben, z. B. bei Banksia serrata schwillt die Rinde am un-
tern Theile des Stammes bedeutend an, so dass dieser eine knollenartige Verdickung zu besitzen scheint.
Bei einem von mir untersuchten Stamme dieser Pflanze betrug der Halbmesser des Holzes 3‘, die Dicke
der Rinde 8‘. Die Rinde bestand an dieser Stelle aus drei Schichten, indem die äusserste, die Epidermis,
bereits zu Grunde gegangen war. Die innerste Schichte, welche die Bastbündel enthielt, stellte sich als eine
sehr schmale Linie dar; die äusserste war /s—!/3’ diek, gelblich und weich. zeigte sich bei der anatomi-
schen Untersuchung als ein, aus ziemlich regelmässigen, in diametralen Linien stehenden Zellen bestehen-
der Kork.
Der ganze übrige Theil der Rinde (die mittlere Schichte) stimmte in seinem Baue vollkommen mit der
zelligen Hülle der Korkeiche überein, indem er aus dünnwandigen parenchymatosen Zellen bestand, zwi-
schen welche eine sehr grosse Menge von weisslichen harten Körnern, die aus diekwandigen, punktirten Zel-
len bestanden, eingelagert war.
Auf ähnliche Weise, jedoch in weniger auffallendem Grade verdickt sich die zellige Hülle bei Hakea
oleifolia. Bei einem Stamme, dessen Holz einen Halbmesser von 7’ zeigte, war die Rinde auf 2° ver-
dickt. Die Dicke der Bastschichte betrug nur ”/ıo — */ıo‘, die des Korks etwa ?/ıo’, das übrige bestand
aus der verdickten zelligen Hülle, welche vollkommen denselben Bau, wie die der Korkeiche hatte.
Es erhellt aus dem Gesagten, dass auch bei denjenigen Pflanzen, deren Rinden einen sehr überein-
stimmenden Bau besitzen, die Verdickung derselben auf dem vorherrschenden Wachsthume sehr verschiede-
ner Schichten beruhen kann; so beruht sie bei der Korkeiche auf dem Wachsthume des Korkes und einem
geringen Wachsthume der zelligen Hülle, bei Acer campestre in den ersten Jahren auf dem vorherrschen-
den Wachsthume des Korkes, in den späteren auf dem Wachsthume der Bastschichte, bei Banksia serrata
und Hakea oleifolia auf dem vorwaltenden Wachsthume der zelligen Hülle.
Bei den angeführten Pflanzen bleiben das ganze Leben hindurch sämmtliche Schichten der Rinde
strenge geschieden und es erhalten sich alle mit Ausnahme der Epidermis, welche nach ihrem Aufspringen
verwittert und sich eben so wenig, als die Epidermis des Blattes wieder erzeugt, wogegen der Kork, wenn
seine äussern Lagen verwittern oder wesgenommen werden, wieder ersetzt wird, weil seine Production auf
der äussern Seite der zelligen Hülle immerwährend fortdauert.
In der Substanz des Korkes von Quercus Suber und Acer campestre können, wie oben angeführt
wurde, zweierlei Schichten, die jedoch nicht scharf getrennt sind, unterschieden werden, nämlich die aus dia-
metral verlängerten, oder ziemlich regelmässigen parenchymatosen Zellen bestehende Hauptmasse desselben,
und die dunkleren, diese Masse in Schichten trennenden Streifen, welche von ähnlichen, aber in der Richtung
von innen nach aussen sehr verkürzten, also tafelförmigen Zellen bestehen.
Es zeigt sich bei dem allmähligen Uebergange dieser zweierlei Substanzen in einander, dass sie nur
als eine leichte Modification derselben Bildung und nicht als eigene, streng zu sondernde Rindenschichten zu
betrachten sind. Weit strenger gesondert treffen wir dagegen diese beiden Schichten des Korkes in der
Rinde mancher anderer Holzgewächse, z. B. bei @ymnocladus canadensis.
Auf den älteren Stämmen dieser Pflanze ist die Rinde rauh und unregelmässig in Lappen zerrissen.
Die anatomische Untersuchung zeigt, dass die beiden innern Rindenschichten schmal sind und an der Bil-
dung dieser zerrissenen Oberfläche keinen Theil haben, sondern dass die letztere aus unregelmässigen. dün-
nen Lagen einer röthlichbraunen parenchymatosen Korksubstanz besteht, welche durch dunkelbraune,
schmale Schichten von einander geschieden sind. Diese braunen Schichten bestehen aus tafelförmigen, etwas
dickwandigen Zellen und sind von der helleren Korksubstanz sehr scharf unterschieden. Diese braunen
Schichten bilden keine regelmässige concentrische Kreise in der Korksubstanz, sondern verschmelzen an ein-
zelnen Stellen unter einander, so dass die hellere Korksubstanz durch dieselben in viele schuppenförmige
Blätter getheilt wird. Wenn durch die Ausdehnung des Stammes der Kork ausgedehnt wird und einreisst,
so lösen sich in den angegebenen braunen Zellschichten die Schuppen der Korksubstanz zuerst an ihren
Rändern und später auch in ihrer Mitte ab, so dass der Stamm von einer Menge unregelmässiger, an den
Rändern aufgeworfener Schuppen bedeckt ist. In Hinsicht auf ihre Consistenz weicht die Korksubstanz von
Gymnocladus sehr vom Korke von Quercus Suber ab, indem sie hart und brüchig ist.
Noch schärfer als bei @ymnocladus unterscheiden sich diese beiden aus polyedrischen parenchyma-
tosen und aus tafelförmigen Zellen gebildeten Schichten bei Betula alba.
Der einjährige Birkenzweig ist mit einer Epidermis von gewöhnlicher Bildung, welche feine Haare
trägt, bedeckt. Zwischen der Epidermis und der zelligen Hülle liegen einige Schichten von tafelförmigen
Zellen. Im 2ten—3ten Jahre vertrocknet die Epidermis, fällt unter der Form von weissen Schülfern ab
und nun bildet jene Lage von tafelförmigen Zellen, deren Inhalt sich braun färbt, und welche durch Ansatz
von neuen Zellen auf ihrer innern Seite sich verstärkt, die glatte Oberhaut der Zweige; damit ist die
Grundlage der bekannten weissen, aus zähen Blättern bestehenden Birkenrinde gegeben. Indem diese bisher
mit dem Ausdrucke der Oberhaut bezeichnete und mit der Epidermis häufig verwechselte Rindenschichte
der Bäume dem gesagten zufolge von der Epidermis strenge zu sondern ist, so werde ich sie mit dem Aus-
drucke von Periderma, oder auch der Rindenhaut zum Unterschiede von der Epidermis, der Oberhaut
bezeichnen. Die Bezeichnungsweise von DECAXDoLLE, welcher die Epidermis mit dem Ausdrucke der Oufi-
cula und das Periderma mit dem der Epidermis belegt, kann gar zu leicht zu Verwechslungen Veranlas-
sung geben.
Untersucht man einen ältern, z. B. 20jährigen Stamm von Betula alba, an dem die äussern Rinden-
schichten noch nicht, oder nur an einzelnen Stellen aufgerissen sind, so findet man, dass seine Rinde aus
zwei auffallend verschiedenen Schichten besteht, von denen an einem vor mir liegenden Stamme von 3 Zoll
Durchmesser jede 1!/4° dick ist.
Die äussere Schichte besteht aus einer grossen Anzahl (beim angeführten Stamme aus mehr als 50)
— 23 —
bräunlicher, zäher Blätter, die auf beiden Seiten einen weissen Ueberzug besitzen, und sich leicht von einan-
der ablösen lassen. Die anatomische Untersuchung zeigt, dass jedes dieser Blätter aus einigen Lagen von
tafelförmigen Zellen, welche ziemlich dicke Wandungen und einen bräunlichen Inhalt haben, in diametralen
Reihen liegen, besteht, dass es daher genau dem Periderma des 2-— jährigen Astes und den oben beschrie-
benen braunen Schichten der Korksubstanz von @ymnocladus entspricht.
Die weissen, zwischen den Peridermablättern liegenden Schichten bestehen aus dünnwandigen, unge-
färbten, in diametralen Reihen liegenden Zellen, welche weniger stark als die Zellen des Pexiderma zusam-
mengedrückt sind, leicht zerreissen und dann als staubartiger Ueberzug der braunen Schichten erscheinen.
Diese weissen Schichten entsprechen daher der Hauptmasse des Korkes von Quercus Suber und Acer
campestre, und unterscheiden sich nur durch ihre geringe Dicke und sehr geringe Festigkeit von dem Korke.
Wie schon oben angegeben wurde, so verdickt sich in den ersten Jahren nur das Periderma durch
unmittelbare Anlagerung neuer aus tafelförmigen Zellen gebildeter Schichten auf seiner innern Seite. Erst
ungefähr im Sten — 10ten Jahre entwickelt sich abwechselnd mit einem Blatte der Periderma auch eine
weisse, aus grösseren, weicheren Zellen bestehende Schichte.
Vergleichen wir die Rinde von Beiula mit der Rinde der Korkeiche, so ist deutlich, dass bei der er-
steren eine dem Korke ganz entsprechende Bildung vorhanden ist, welche sich von dem letzteren nur durch
das verschiedene Verhältniss, in welchem sich die zweierlei Substanzen (das Periderma und der parenchyma-
tose Theil des Horkes) entwickeln und durch die strengere Sonderung derselben unterscheidet. Es tritt mit
dieser veränderten Structur auch in Hinsicht auf die Lebensdauer der Korksubstanz ein bedeutender Unter-
schied ein; während der Hork von Quercus Suber und Acer campestre bald nach seiner Entwicklung ab-
stirbt und sich daher nicht stark in die Breite ausdehnt, ohne Einrisse zu bekommen, so erhält sich dagegen
die weisse Rinde der Birken viele Jahre lang frisch, folgt der Ausdehnung des Stammes und blättert sich auf
der Oberfläche nur allmählig und sehr langsam ab. Wir müssen diese Abweichung in dem Vorherrschen
und in der grössern Ausbildung der peridermatischen Schichten bei der Birke suchen und werden auch
weiter unten sehen, dass überall, wo sich diese stark entwickeln, die Rinde sich lange Zeit hindurch
glatt erhält.
Die innere Rindenschichte von Betula entsteht aus der Verdickung der zelligen Hülle und besonders
der Bastschichte; sie enthält wie die Rinde von Quercus Suber eine grosse Anzahl sandartiger Körner, die
aus dickwandigen Parenchymzellen bestehen.
Dieselben Rindenschichten, wie an den glattrindigen jüngern Stämmen, finden sich auch noch an den
erwachsenen, mit dicker, aufgerissener Rinde versehenen Birkenstämmen. Die zellige Hülle und Bastschichte
wächst allmählig zur Dicke von 3—4 Linien an, bleibt im übrigen hingegen unverändert; dagegen ist die
früher regelmässig blättrige Korkschichte bedeutend verändert. Es hat sich nämlich nun zwischen den
bräunlichen Blättern des Periderma eine grosse Masse eines festen, kleinzelligen Parenchymes von einer
rothbraunen Farbe gebildet. Es liegt diese aus einer Wucherung der weissen Korksubstanz hervorgegan-
gene parenchymatose Masse nicht regelmässig zwischen je zwei Blättern des Periderma, sondern es ent-
— 2141 —
wickelt sich diese Substanz ganz unregelmässig, so dass an der einen Stelle eine starke Ablagerung derselben
ist, während an andern Stellen viele weisse Schichten ganz unverändert bleiben. Es erfolgt daher keine
gleichförmige Verdiekung der ganzen Korksubstanz, sondern eine knotenförmige Vergrösserung derselben,
wodurch die vorher vollkommen regelmässig concentrischen Blätter des Periderma vielfach verbogen und
zerrissen werden. Dieses neugebildete Parenchym, welches ungeachtet seiner abweichenden Farbe und
Härte mit keinem andern Theile, als mit dem HKorke verglichen werden kann, enthält wie die zellige Hülle
viele weisse, aus diekwandigen Zellen gebildete Hörner, wie dieses zuweilen auch im Korke von Quercus
Suber vorkommt.
Es findet bei Entwicklung dieser Korksubstanz eine grosse Analogie mit der von Querceus Suber und
Acer campestre statt. So lange bei den letzteren Bäumen die Epidermis geschlossen ist, besteht der Kork
aus wenigen, von aussen nach innen etwas zusammengedrückten, ungefärbten Zellenschichten, und erst nach
dem Einreissen der Epidermis entwickelt sich diese dünne Lage zu grösseren Massen. Auf ähnliche Weise
bleiben bei Befula, so lange die Lagen des Periderma geschlossen sind, die zwischenliegenden Rorkschich-
ten dünn, sobald dieselben dagegen zerreissen, wuchert die Korksubstanz ungemein. Es mag freilich in vie-
len Fällen die Zerreissung des Periderma Folge und nicht Ursache der Entwicklung der parenchymatosen
Schichten sein, in vielen Fällen findet aber der letztere Fall entschieden statt.
Wenn, wie wir oben gesehen haben, bei Quercus Suber, Acer campestre von den zweierlei Substan-
zen, welche bei @ymnocladus, Betula den Kork bilden, sich beinahe nur die aus regelmässigen parenchy-
matosen Zellen gebildete entwickelt, dagegen sich von der zweiten, aus tafelförmigen, etwas dickwandigen
Zellen bestehenden Substanz (dem Periderma) nur schwache Spuren zeigen, so giebt es auf der andern Seite
auch baumartige Gewächse, bei welchen sich das Periderma allein entwickelt, oder sich von der parenchy-
matosen Korksubstanz wenigstens nur schwache Spuren zeigen, dieses sind die Bäume mit glatten Rinden.
Eines der auffallendsten Beispiele dieser Rindenbildung bietet Fagus sylvatica dar, bei weicher sich
bekanntlich die Rinde auch bei Stämmen von sehr bedeutender Dicke beinahe völlig glatt erhält. Die Unter
suchung der Rinde einer alten Buche zeigt, dass dieselbe sich hauptsächlich durch Entwicklung der Bast-
schichte verdickt hat, dass die zellige Hülle nur einen geringen Zuwachs erhielt und dass die äusserste Rin-
denschichte, welche sehr dünn ist, ein blosses Periderma ist, indem sie aus vielen Lagen tafelförmiger Zellen
gebildet ist, welche unter einander enge verbunden und nicht wie bei den Birken durch zwischengelagerte
dünnwandige Korkzellen in Blätter getheilt sind; nur an einzelnen Stellen trifft man ausnahmsweise zwischen
den tafelförmigen Zellen kleine Massen einer röthlichen parenchymatosen Korksubstanz. Das ganze Peri-
derma ist so dünn, dass es bei einer 4!/2 dicken Rinde eine Dieke von nur 2/1 — io‘ besitzt.
Einen im wesentlichen ganz mit der Rinde von Fagus übereinstimmenden Bau finden wir bei der
Rinde von Cifrus Aurantium, welche sich durch ihre besondere Dünne auszeichnet, bei Cornus alba,
sanguinea, Hedera Helix, Ilex Aquifolium.
Die durch ihre schuppenförmige Abblätterung bekannte Rinde von Platanus occidentalis besitzt den
Bau der Buchenrinde, sie erhäkt sich jedoch nur bis zum Sten—10ten Jahre in dieser Form. Um diese Zeit
— 2
bildet sich an einzelnen Stellen der Rinde in der Bastschichte derselben eine Platte von tafelförmigen Zellen,
welche mit denen des Periderma vollkommen übereinstimmen; dieses neue Periderma ist mit dem älteren,
an der Oberfläche der Rinde gelegenen nicht vollkommen parallel, sondern es legen sich die Ränder des
neuen x in der Rinde gebildeten Peridermablattes an das ältere Periderma an und trennen auf diese Weise
einen Theil der Rinde von der übrigen unter der Form einer Schuppe ab. Dieses isolirte Rindenstück ver-
trocknet nun, löst sich von dem unter ihm liegenden Periderma los und fällt unter der Form der bekannten
Schuppen ab. Dieser Vorgang wiederholt sich nun fortwährend, und es erhält dadurch, dass sich immer ein
neues Periderma bildet, der Stamm eine ziemlich glatte Oberfläche.
Bei vielen Holzgewächsen besitzt das Periderma einen besonderen Glanz und grosse Glätte, ist nicht
brüchig, wie das der Buche und Platane, sondern zäh, wie das der Birke, und löst sich in dünnen Blättern
ab, die sich am leichtesten in der horizontalen’ Richtung des Stammes abziehen lassen, z. B. bei der Hasel-
nuss, Prunus Cerasus, spinosa, Mahaleb, domestica. Bei diesen Bäumen tritt mit der Zeit eine ähnliche
Veränderung der Rinde ein, wie bei Platanus. Es erhält sich nämlich das Periderma eine Reihe von Jahren
hindurch durch Anlagerung neuer Schichten auf seiner innern Seite und langsame Abblätterung auf seiner
äussern Seite glatt, und erreicht zugleich ziemliche Dicke, z. B. bei Prunus domestica. Zuletzt aber reisst
es auf ähnliche Weise, wie bei den Birken ein und der Stamm erhält nun eine rauhe schuppige Oberfläche.
Diese Schuppen sind dagegen nicht, wie bei der Birke Folge von einer ausserhalb der zelligen Hülle statt-
findenden Entwicklung von parenchymatoser Horksubstanz, sondern sie werden wie bei Platanus aus der
zelligen Hülle und der Bastschichte der Rinde selbst gebildet. Sie entstehen aber nicht, wie dieses allgemein
von den Pflanzenphysiologen angenommen wird, durch blosse Austrocknung und Zerreissung der Rinde,
sondern es werden die als Schuppen sich darstellenden Bastschichten, noch ehe sie sich von einander ablösen,
durch dünne Lagen von Periderma getrennt, welche sich in der 3ten und Aten Rindenschichte entwickeln
und die Ablösung einzelner Stücke derselben vorbereiten. Die Schuppen bilden sich daher hier auf dieselbe
Weise, wie bei Platanus, und der Unterschied liegt blos darin, dass sich bei der Plafane jede Schuppe, wie
sie sich bildet, ablöst und ehe dieses geschehen ist, keine neue sich unter ihr erzeugt; während dagegen bei
Prunus sich eine ganze Reihe solcher Schuppen hinter einander bildet, welche sich allmählig zuerst an den
Rändern loslösen, aber noch längere Zeit am Stamme hängen bleiben, so dass derselbe von vielen Lagen
unregelmässiger, ganz oder halb abgestorbener Schuppen bedeckt ist.
Auf dieselbe Weise wie bei Prunus bilden sich auch bei Pyrus, Crataegus Oxyacantha, bei Quer-
cus Robur, Tilia europaea etc. die Rindenschuppen.
Die auf die angegebene Weise gebildeten Rindenschuppen haben nur in ihrem Aeusseren Aehnlichkeit
mit den Schuppen der eigentlichen, auf der äussern Seite der zelligen Hülle entstehenden Schuppen aus
Korksubstanz ; anatomisch unterscheiden sie sich von denselben wesentlich dadurch, dass sie Bastbündel ein-
geschlossen enthalten, ich bezeichne daher den äusseren, schuppigen Theil dieser Rinde, zum Unterschiede
vom Korke, mit dem Ausdrucke der Borke, rhytidoma }).
4) Von övris, Runzel.
29
_— 226 —
Das Parenchym der Rinde scheint in den Borkenschuppen von Prunus, Tilia, Quercus Robur ziem-
lich unverändert zu bleiben, wenigstens zeigt die anatomische Untersuchung keine erheblichen Verschieden-
heiten in Hinsicht auf relative Stellung und Grösse der Zellen: dieselben sind nur brauner, zum Theil dick-
wandiger und fester, wie z. B. bei der Eiche, und in den äusseren Schuppen vollkommen abgestorben.
Bei anderen Holzgewächsen, bei welchen sich die Borkenschuppen auf dieselbe Weise, wie bei Pru-
aus bilden, erleidet dagegen das Zellgewebe derselben eine Metamorphose und ein weiteres Wachsthum, wo-
durch die Schuppen den aus Korksubstanz gebildeten noch ähnlicher werden.
In geringerem Grade, doch schon merklich findet dieses bei der Rinde von Saliz babylonica statt,
hauptsächlich findet es sich aber bei der Rinde mancher Zapfenbäume, unter den bei uns einheimischen
hauptsächlich bei Larix europaea, Pinus sylvestris, montana, Cembra, Abies e:rcelsa.
In der Rinde von Lariz europaea und ebenso mehr oder weniger deutlich bei den übrigen genann-
ten Coniferen bilden sich nämlich in ihren äussern Lagen dünne Schichten von röthlich gefärbten, paren-
chymatosen, dünnwandigen Zellen, durch welche einzelne Schichten der äussern Rinde von der unterliegen-
den Rinde unter der Form von unregelmässigen Schuppen getrennt werden. Diese röthlichen Zellenschichten
zeigen zwar in so ferne eine abweichende Bildung vom gewöhnlichen Periderma, als ihre Zellen nicht die
tafelfürmige Gestalt und verdickten Wandungen des Periderma von Prunus etc. besitzen, sondern dünnwan-
dig und leicht zerreissbar sind, da jedoch diese Zellenschichten sich an denselben Stellen, wie das Periderma
von Prunus, Tilia etc. entwickeln, so ist kein Grund vorhanden, sie nicht zu demselben zu rechnen. Die
auf diese Weise isolirten Borkenschuppen verwandeln sich nun in eine brüchige, korkähnliche Substanz
"durch Vermehrung und Vergrösserung ihrer parenchymatosen Zellen, welche dabei eine ziemlich unregel-
mässige Stellung erhalten, so dass von den Fortsetzungen der Markstrahlen nur noch undeutliche Spuren
übrig bleiben. Die Baströhren und Harzgänge, welche in diesen Schuppen liegen, werden durch diese Wu-
cherung des Zellgewebes weiter von einander entfernt und bekommen eine unregelmässige, gewundene
Form. Die äusserste und die innerste Zellenlage jeder Schuppe besteht aus kleineren, etwas dickwandigen
Zellen, sie stellen somit besondere, festere Schichten, die sich schon mit blossem Auge unterscheiden
lassen, dar.
Auf ähnliche Weise, jedoch weniger deutlich bilden sich auch bei dicken Stämmen von Taxus bac-
cafa dünne Borkenschuppen.
Bei Juniperus communis bilden sich zwischen den Bastschichten der Rinde dieselben Lagen von
röthlichen Parenchymzellen, wie bei Larix ; diese neugebildeten Zellenschichten folgen aber dem Umfange des
Stammes und theilen die Rinde in regelmässige concentrische Blätter und nicht in einzelne, isolirte Schup-
pen. Das Rindenparenchym selbst verändert sich dabei wenig oder nicht, bekommt daher nicht das borken-
ähnliche Aussehen der Lerchenrinde, sondern stellt sich unter der Form von bastähnlichen Blättern dar,
welche durch die Ausdehnung des Stammes netzförmig zerrissen werden.
Ganz auf dieselbe Weise, wie beim Wachholder, bilden sich dünne Lagen von leicht zerreissenden,
dünnwandigen Parenchymzellen zwischen den Bastlagen von Metrosideros lophanthus und Melaleuca
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styphelioides, wesshalb bei diesen Pflanzen der innere, noch lebendige Theil der Rinde von vielen, dünnen,
netzförmigen Blättern, welche Bastfasern enthalten, umgeben ist.
Aus der bisherigen Darstellung erhellt, dass die Entstehung von Schuppen auf der Oberfläche der
Rinde der angeführten Dicotylen durchaus nicht auf blosser Vertrocknung der äusseren Rindenlayen
und auf mechanischer Zerreissung derselben beruht, sondern auf einer spätern Entwicklung eigener
Zellenschichten, welche entweder selbst jene Schuppen bilden, oder einzelne Rindenstücke von der
innern Rinde absondern und als Schuppen erscheinen lassen.
Diese spätere Erzeugung von Zellgewebe zeigt daher zwei Hauptmodificationen. Entweder entwickelt
sich nämlich das neue Zellgewebe ausserhalb der zelligen Hülle und es bildet sich Kork, oder es entwickelt
sich das Zellgewebe im Innern der zelligen Hülle und der Bastschichten, und es bildet sich eine Borke.
Bei den Bäumen, die zur ersten Abtheilung gehören, erhalten sich die zwei innern Rindenschichten
(zellige Hülle und Bastschichte) das ganze Leben der Pflanze hindurch in ihrer Integrität, vergrössern sich
immerwährend, nehmen aber an der Bildung der Schuppen keinen Antheil. Bei diesen Gewächsen ent-
wickeln sich die Schuppen aus einer schmalen Lage von parenchymatosen Zellen, welche am einjährigen Aste
zwischen Epidermis und zelliger Hülle liegt. In Beziehung auf die Korksubstanz, welche sich aus dieser Zel-
lenlage entwickelt, ,-zeigen sich folgende Modificationen:
a) der Kork besteht beinahe allein aus polyedrischen, in der Richtung der Radien des Stammes verlän-
gerten Zellen und ist nur auf eine unvollkommene Weise durch einzelne Lagen verkürzter Zellen in
Schichten getheilt, z. B. Quercus Suber, Acer campestre.
b) Die Schichten der verkürzten tafelförmigen Zellen und der parenchymatose Theil sind gleichmässig
entwickelt und bilden abwechselnde Lagen: @ymnocladus canadensis.
c) Die aus tafelförmigen Zellen gebildeten Schichten sind vorzugsweise entwickelt und bilden die
Hauptmasse des Korkes, die Rinde ist daher glatt: erst bei höherem Alter entwickeln sich die zwi-
schen den tafelförmigen Zellschichten liegenden parenchymatosen Zellen zu grössern Massen: Be-
tula alba.
d) Die tafelförmigen Zellen entwickeln sich allein und bilden einen dichten, glatten Ueberzug über die
zellige Hülle (ein Periderma) z. B. Fagus sylvatica.
Bei denjenigen Holzgewächsen, welche die zweite Abtheilung bilden, entwickelt sich zwischen Epider-
mis und zelliger Hülle ein Periderma und es stimmt ihre Rinde eine Reihe von Jahren hindurch mit derjeni-
gen von nro. d. der ersten Abtheilung überein. Später hört das Wachsthum dieses Periderma’s auf und es
bildet sich im Innern der Rinde ein neues Periderma, welches die äussere Rindenschichte von der unterlie-
genden Rinde abtrennt, worauf die äussere Schichte vertrocknet und abfällt.
In dieser Abtheilung finden sich folgende Hauptmodificationen:
a) Das neugebildete Periderma entwickelt sich nicht gleichförmig am ganzen Umfang der Rinde, son-
dern nur stellenweise und es fällt der äussere Theil der Rinde, ohne dass er sich wesentlich verän-
dert, in Form von dünnen Schuppen ab: Platanus.
29 *
—_— 238 —
b) Es bilden sich, noch ehe die zuerst gebildeten Borkenschuppen abgefallen sind, neue Lagen von
Periderma in den tieferen Theilen der Rinde. Die Borke des Baumes besteht daher aus vielen über
einander liegenden Schuppen: Quercus Robur, Tilia.
c) In den wie bei nro. b. gebildeten Schuppen findet eine Wucherung des Parenchymes statt, wodurch
dieselben ein mehr oder weniger korkartiges Aussehen erhalten, z. B. Larix europaea, Pinus syl-
vestris.
d) Das Periderma bildet regelmässige, den ganzen Stamm umgebende Schichten, durch welche die
Rinde in bastähnliche Blätter getheilt wird: Juniperus communis, Metosideros lophanthus.
An die zuletzt genannten Pflanzen schliesst sich endlich die kleine Zahl derjenigen Holzpflanzen an,
bei welchen in jedem Jahre, wie sich eine neue Bastschichte entwickelt, die Bastschichte des letzten Jahres
abstirbt, vertrocknet und früher oder später abfällt, so dass also der lebende Theil der Rinde immer nur das
Erzeugniss eines Jahres begreift. Dieser Vorgang findet sich bei der MWeinrebe, bei Lonicera Capri-
folium etc.
un 229 —
XV.
Sind die Lenticellen als Wurzelknospenr zu betrachten ?
(Aus der Flora. 1852. 1.)
&iewiss hat jeder Botaniker die Abhandlung, worin Decanporrk seine Beobachtungen und Versuche
über die Lenticellen und ihr Vermögen, unter günstigen Umständen Wurzeln zu treiben, mittheilte I), mit
dem höchsten Interesse gelesen.
Da diese Abhandlung wohl den meisten meiner Leser bekannt sein wird, so will ich hier, ohne näher
auf ihren Inhalt einzugehen, nur einige der Hauptpuncte von DEcANDoLLE's Untersuchungen berühren.
Nach Drcannorze’s Angabe kommen sowohl die Luftwurzeln von Ficus ete., als die an abgeschnitte-
nen:und in Wasser gestellten Zweigen von Salöc ete. sich entwickelnden Wurzeln beständig aus den Lenti-
cellen hervor. Es sind die Lenticellen desshalb als Wurzelknospen zu betrachten. Bei dieser Entwicklung
der Lentlicelle zur Wurzel wird dieselbe erhaben und zerreisst meist in vier Lappen; unter der Haut dersel-
ben liegt eine weisse Masse von rundlichen oder oblongen Zellen, welche ein amylumähnliches Aussehen
haben. Die Wurzeln kommen unter dieser Masse hervor, stossen dieselbe ab, oder drücken sie auf die Seite.
Wenn die Lenticellen eines Zweiges ausgeschnitten wurden, so bilden sich neue und aus diesen (welche Ad-
ventivknospen zu vergleichen sind) entwickeln sich die Wurzeln.
Es werden wohl wenige Naturforscher sein, welche nicht, nachdem sie Decannore’s Abhandlung ge-
lesen, an die Richtigkeit seiner Ansicht geglaubt haben; seine Darstellung ist so klar und nüchtern, seine
Versuche sind so passend gewählt und scheinen mit solcher Genauigkeit ausgeführt, das Ergebniss der ver-
schiedenen Versuche stimmt so genau überein, dass die Schlüsse, welche DrcAnDoLLE aus seinen Beobach-
tungen zog, nothwendigerweise als richtig anerkannt werden zu müssen scheinen. Es darf uns daher nicht
wundern, wenn andere Gelehrte die von DEcAnDoLLE ausgesprochene Ansicht als bewiesene Thatsache in
ihre Schriften aufgenommen haben. Ungeachtet es nun scheinen musste, dass DECANDoLLE vollkommen
richtig beobachtet habe, so waren mir dennoch schon längst Zweifel aufgestiegen, ob denn auch in der That
die Lenticellen als Wurzelknospen zu betrachten seien, da mir diese Ansicht weder mit vielen Erscheinungen,
4) Annales des science. natur. 4826. Tom. VII. p. 5. Prem. mem. sur les Lenticelles des arbres et le de-
veloppement des racines qui en sortent. Dscasporıe citirt in seiner Organographie noch eine zweite
Abhandlung über denselben Gegenstand, welche im Jahrgange 4827 desselben Journales sich befinden soll,
ich fand dieselbe aber weder in diesem, noch in einem der folgenden Jahrgänge.
— 230 —
die wir bei der Wurzelbildung beobachten, noch mit dem Ergebnisse meiner anatomischen Untersuchungen
der Lenticellen vereinbar schien. Um über die Sache in das Klare zu kommen, wiederholte ich in vergange-
nem Frühjahre die Versuche Drcanvorır’s und ich glaube in diesen Beobachtungen die überzeugendsten
Beweise davon gefunden zu haben, dass den Lenticellen die Function, Wurzeln zu entwickeln, nicht zu-
komme und nicht zukommen könne.
Ich stellte in der Mitte des Februar eine Anzahl 1—2jähriger Zweige von Salix viminalis‘) in Was-
ser und setzte die Gläser in ein beständig geheiztes Zimmer. Nach 12—1%4 Tagen waren an ihren Lenti-
cellen völlig dieselben Veränderungen vor sich gegangen, welche Decanporıe beschrieb; es waren dieselben
nämlich etwas angeschwollen, ihre braune Haut war zerrissen und durch die Spalten sah eine Masse locker
zusammenhängender, weisser Zellen hervor. Mit der Zeit vergrösserte sich diese Masse von weissen Zellen
immer mehr, drang, in unregelmässige Lappen getheilt, über die Oberfläche hervor und schlug die aus der
zerrissenen braunen Haut der Lenticelle gebildeten Lappen rückwärts um.
So weit stimmen also DrcannoLe's und meine Beobachtungen völlig überein; was jedoch die Haupt-
sache, nämlich die Entwicklung von Würzelchen in diesen Lenticellen betrifft, so erhielt ich in Beziehung auf
diesen Punct ein völlig verschiedenes Resultat. Aus keiner von den (auf die angegebene Weise veränderten)
Lenticellen brach nämlich ein Würzelchen hervor, wohl aber fanden sich unregelmässig über die ganze
Fläche des in das Wasser eingetauchten Theiles und zum Theil auch an dem oberhalb der Wasserfläche be-
findlichen Theile der Weidenzweige kleine, etwas nach der Längenrichtung der Zweige gestreckte Höcker-
chen; auf denselben war, so lange sie noch klein waren, die Epidermis unverletzt; über den grösseren der-
selben zeigte sich hingegen eine der Länge nach verlaufende, kurze und schmale Spalte, durch welche man
das grüne, unter der Epidermis liegende Parenchym sah. In der Mitte dieser Spalte sah man durch dieses
Parenchym die Spitze eines Würzelchens vordringen, welches sich nun rasch entwickelte.
Um die Zeit des 14ten Tages konnte man diese kleinen Höckerchen in allen Entwicklungsstufen tref-
fen; einige ragten kaum erst über die Oberlläche des Stammes hervor, andere waren schon weiter entwickelt
und zeigten auf ihrer Spitze die Längenspalte; aus anderen endlich war das Würzelchen bereits mehr oder
minder hervorgetreten. Die Rinde liess sich leicht glatt vom Holze ablösen. Hiebei zeigte sich nun, dass
dieselbe jedem Höckerchen entsprechend eine kleine Oeflnung, von der Grösse eines Nadelstiches, hatte,
welche Oeffnung mit einer gallertartigen durchscheinenden Masse (dem jungen, von seinem Insertionspunete
auf dem Holze abgerissenen Würzelchen) ausgefüllt war. In vielen dieser Höckerchen lagen 2—3 solcher
Wärzelchen in einer Längenreihe übereinander. Unter den Lenticellen war dagegen die Rinde so vollständig
und unverändert, als an jeder andern, nicht mit Würzelchen besetzten Stelle. Auf dem Holze zeigte sich
unter jedem, ein Würzelchen enthaltenden Höckerchen eine kleine, der Länge nach verlaufende Erhabenheit,
welche durch eine etwas weissere Farbe sich von dem übrigen Holze unterschied. Auf dem höchsten Puncte
dieser Erhabenheit sass das Würzelchen fest. Nie zeigte sich unter einer Lenticelle eine solche Erhabenheit
auf dem Holze.
4) Ich wählte diese Art, da die Lenticellen bei dieser Species besonders stark entwickelt sind’
— 231 —
Die mikroskopische Untersuchung zeigte einen nicht weniger bedeutenden Unterschied zwischen den
Lenticellen und den, die Würzelchen einschliessenden Höckerchen. Unter den Lenticellen hatte sowohl der
innere, die Bastbündel enthaltende Theil der Rinde, als auch die innerste Schichte der äussern (parenchyma-
tosen) Rindenlage völlig dieselbe Structur, wie an den übrigen Stellen und nur die äusserste Schichte des
grünen, parenchymatosen Theiles der Rinde zeigte darin einen Unterschied, dass das grüne Parenchym der
Rinde eine kleine Vertiefung zeigte, in welcher die Lenticelle lag. An dieser Stelle hatten die äussersten Zel-
lenlagen des Rindenparenchymes eine auf die Wandungen dieser Vertiefung senkrechte Lage, während sie an
den übrigen Stellen in paralleler Richtung mit der Epidermis in die Breite gezogen sind. Die Lenticelle selbst
besteht aus einer Anhäufung von weissen rundlichen oder verlängerten Zellen, welche ebenfalls in senkrecht
auf die Rinde gestellte Linien geordnet sind. Der obere Theil dieser Zellenmasse ist vertrocknet und bildet
die braune Haut der Lenticelle.
Untersuchte ich hingegen diejenigen Stellen, wo ein kleines Höckerchen lag, welches von der Wurzel
noch nicht durchbrochen war, so fand ich beständig, dass sich bereits auf der Oberfläche des Holzes die be-
schriebene Erhabenheit gebildet hatte. Diese rührte nur zum Theile von einer neuen Production auf der
Oberfläche des Holzkörpers her, denn es hatten sich an dieser Stelle alle Schichten des Holzkörpers nach
aussen gebogen, so dass die kreisförmige, die Jahresringe trennende Linie an dieser Stelle ebenfalls einen
Vorsprung nach aussen zeigte. Dass alle Schichten des Holzes Theil an dieser Erhabenheit hatten, zeigte sich
dadurch deutlich, dass immer an dieser Stelle eine kleine Erhabenheit zum Vorschein kam, wenn ich eine
Schichte des Holzkörpers nach der andern der Länge nach abzog, nachdem ich dieselben vorher durch einen
oberhalb des Höckerchens angebrachten, mit der Rinde parallel geführten Schnitt eine Strecke weit losge-
trennt hatte.
Das Würzelchen lag unter der Form eines stumpf conischen durchscheinenden Körpers in dem innern
Theile der Rinde; es hatte die Bastbündel auf die Seite gedrängt und die äussersten Rindenschichten zu dem
Höckerchen erhoben; diese äusseren Rindenschichten zeigten auch nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit
dem Baue einer Lenticelle, sondern stimmten mit dem äussern Theile der übrigen Rinde völlig überein.
Das Würzelchen selbst bestand aus sehr dünnwandigen Zellen; in seiner Mitte lag ein Strang von sehr
engen und etwas lang gestreckten Zellen; ebenso waren die Zellen, welche die stumpf conische Spitze bilde-
ten, sehr enge. Zwischen diesen beiden Substanzen lag eine Masse von grösseren Zellen, welche mit den
Zellen des inneren Theiles der Rinde zusammenhiengen, sich aber von ihnen durch ihre zarten Wandungen
und durch ihre Durchsichtigkeit unterschieden. Die stumpfe Spitze des Würzelchens war mit der Rinde nicht
in organischer Verbindung. Gefässe fanden sich noch keine in den Würzelchen, so lange diese noch kleine,
in der Rinde eingeschlossene Höckerchen bildeten.
Wenn die Würzelchen etwas grösser waren, so zerriss die Rinde oberhalb derselben, wodurch die grü-
nen Parenchymzellen der Rinde und die Spitze des Würzelchens blos gelegt wurden. Von den Lenticellen
liessen sich diese Oeffnungen auf den ersten Blick dadurch unterscheiden, dass 1) die Ränder des Risses
nicht braun, sondern grün gefärbt waren, 2) dass der Riss immer eine schmale Längenspalte bildete, 3) dass
z
_- 22 —
das unterliegende grüne Parenchym nicht in eine weisse Zellenmasse ausgewachsen war, sondern völlig den-
selben Bau wie der übrige parenchymatose Theil der Rinde zeigte.
Beinahe noch deutlicher war dieser Unterschied zwischen den Lenticellen und den Stellen, an welchen
sich die Würzelchen entwickelt hatten, in der Mitte und am Ende des Monats März ausgesprochen. Es hatten
in dieser Zeit die Würzelchen eine Länge von 2—4 Zollen erreicht und Seitenästchen getrieben. Die Len-
ticellen hatten sich ebenfalls vergrössert, indem die weisse Zellenmasse stark luxurirt hatte und einen mehr
oder minder grossen, oft eine Linie im Durchmesser haltenden Wulst bildete. Würzelchen kamen nicht aus
denselben hervor; löste ich die Rinde ab, so war das Holz unter den Lenticellen ebenso vollkommen eben
und glatt, als früher. Nur in 2—3 Fällen sah ich aus einer Lenticelle ein Würzelchen hervorkommen; dieses
wird aber wohl Niemand als einen Beweis betrachten, dass dieselben Wurzelknospen seien; es wäre vielmehr
merkwürdiger gewesen, wenn unter den Hunderten von Würzelchen, welche meine Weidenzweige getrieben
hatten, gar keines an einer solchen Stelle entstanden wäre, über welcher eine Lenticelle lag.
Es zeigte sich nun aber eine Erscheinung, welche es einigermassen erklärlich macht, wie DECANDoLLE
sich in Beziehung auf die Stelle, durch welche die Würzelchen hervorbrechen, so sehr täuschen konnte. Es
fingen nämlich jetzt die grünen unter der Epidermis liegenden Parenchymzelien, welche dadurch, dass die
Würzelchen bei ihrem Hervortreten die Epidermis eine kleine Strecke weit zerrissen hatten, blos gelegt
waren, an, auf eine ähnliche, jedoch weit schwächere Weise zu luxuriren und in eine spongiose, weissliche
Masse auszuwachsen, wie die weissen Zellen der Lenticellen. Dieses geschah aber nicht nur an den Stellen,
durch welche Würzelchen hervorgetreten waren, sondern an allen, wo die Epidermis zerrissen war; so hatten
z. B. manche der jungen Zweige, welche sich in dieser Zeit entwickelt hatten, durch das Anschwellen ihrer
Basis ebenfalls in der zunächst gelegenen Epidermis des Zweiges kleine Einrisse verursacht, in welchen gleich-
falls das grüne Parenchym luxurirte.
Das Gesagte wird, wie ich hoffe, hinreichen, um zu beweisen, dass die Lenticellen mit der Entwicklung
von Wurzeln nichts zu thun haben. Die Antwort auf die Frage, was sie denn seien, muss ich auf eine andere
Gelegenheit verschieben, da ich, um ihre Organisation zu erklären, nöthig habe, einige andere anatomische
Verhältnisse der Rinde zu beschreiben, welche bisher noch nicht gehörig untersucht wurden und deren Aus-
einandersetzung mich hier zu weit führen würde. Es werden dieselben den Gegenstand einer kleinen Abhand-
lung bilden, welche ich, sobald mir die Umstände die dazu nöthige Zeit gewähren werden, dem Publicum vor-
zulegen im Sinne habe.
— 23 —
XVL
Untersuchungen
über
die Lenticellen.
(Dissertation vom Jahr 1836.)
Mit dem Ausdrucke der Lenticellen, linsenförmigen Drüsen, Linsen, Rindenhöckerchen (lenti-
cellae, glandulae lenticulares) bezeichnet man kleine, durch abweichende Färbung oder durch warzenför -
mige Erhöhung ausgezeichnete Stellen, welche auf der Rinde der meisten dicotylen Sträucher und Bäume
unregelmässig zerstreut liegen.
Die Lenticellen sind bereits am einjährigen Aste, so lange seine Rinde noch grün und mit unverletzter
Epidermis überzogen ist, sichtbar. Sie erscheinen zuerst als rundliche oder meistens als längliche Flecken von
einer von der übrigen Rinde etwas abweichenden Färbung. Später, theils gegen das Ende des ersten, theils
erst in den folgenden Jahren, reisst die Oberhaut über der Lenticelle der Länge nach auf, und es verwandel&
sich nun dieselbe in eine mehr oder weniger vorstehende Warze, welche häufig durch eine mittlere Furche
in zwei lippenförmige Wülste getheilt ist. Die Oberfläche dieser Warze ist meistens braun gefärbt, ihre Sub-
slanz ist bis auf eine gewisse Tiefe trocken, brüchig, korkartis. Mit dem weitern Wachsthume des Zweiges
in die Dicke werden die Lenticellen in die Breite ausgedehnt und stellen nun querliegende Streifen dar, wäh-
rend sie im ersten Jahre rundlich oder in paralleler Richtung mit der Achse des Zweiges in die Länge ge-
streckt waren. An alten Stämmen endlich, wenn sich auf der Rinde Kork oder Borke bildet, nimmt entweder
das Aufreissen der Rinde in den Lenticellen seinen Anfang und sie werden auf der nun ‘rissigen Rinde un-
kenntlich, z. B. bei der Sölderpappel, dem Apfelbaume, der Birke, oder es fallen, wenn die äussern Theile
der Rinde unter der Form von glatten Schuppen abgeworfen werden, die Lenticellen mit diesen Schuppen
ab, und es ist von ihnen ferner keine Spur mehr aufzufinden, z. B. bei der Platane.
Wenn die Rinde eines Baumes in solcher Richtung der Quere oder Länge nach durchschnitten wird,
dass eine Lenticelle in ihrer Mitte getheilt wird, so erkennt man schon mit blossem Auge oder mit Hülfe der
Loupe, dass die Lenticelle im äussersten Theile der Rinde liegt und dass sie mit dem Baste und dem Holze
der Pflanze durchaus in keiner Verbindung steht. Noch deutlicher erhellt dieses aus der mikroskopischen
Untersuchung derselben.
30
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Das allgemeine Ergebniss der letzteren ist, dass die Lenticelle zwischen der Epidermis des Zweiges
und dem grünen Rindenparenchyme liegt, aus grünlichen oder ungefärbten (zuweilen auch abweichend ge-
färbten, z. B. bei Berberis gelben, bei Sambucus nigra röthlichen) Zellen besteht, welche in senkrecht auf
die Achse des Zweiges gerichteten Reihen liegen, meistens kleiner als die Zellen des grünen Rindenparen-
chyms sind, nach innen mit dem grünen Rindenparenchym zusammenfliessen, nach aussen, wo sie durch Zer-
reissung der Epidermis dem Einfluss der Luft ausgesetzt werden, vertrocknen und eine bräunliche, korkähn-
liche Masse bilden.
Dieser Bau ist im wesentlichen bei den Lenticellen der verschiedenen Bäume derselbe; es zeigen sich
jedoch einige Modificationen desselben, indem gerade der äussere Theil der Rinde vielfachen Abänderungen
des Baues unterworfen ist, an welchen die in ihm eingelagerten Lenticellen einigen Antheil nehmen.
Die einfachste Form der Lenticellen trifft man bei solchen Pflanzen, bei welchen sich an den jüngern
Stämmen zwischen der Epidermis und dem Rindenparenchyme keine Mittelbildung (Kork oder Periderma)
findet z. B. bei Cornmus alba. Bei dieser Pflanze kann man, wie beinahe bei allen unsern Sträuchern und
Bäumen an dem Rindenparenchyme zwei Schichten unterscheiden, die jedoch nicht scharf von einander ge-
trennt sind, sondern in einander allmählig übergehen. In der äussern Schichte sind die Zellen mit etwas dicke-
ren Wandungen versehen und sind durch Intercellularsubstanz enge unter einander verbunden !), in der inne-
ren Schichte ist der Zusammenhang der Zellen unter einander weit lockerer, und es liegen grosse Intercellu-
largänge und unregelmässige Lücken zwischen denselben. Ich werde diese Schichten im Folgenden mit dem
Ausdrucke des öinnern und des äussern Rindenparenchymes bezeichnen.
An derjenigen Stelle, an welcher eine Lenticelle liegt, fehlt das äussere Rindenparenchym und diese
Lücke ist vom Gewebe der Lenticelle ausgefüllt. Dieses wird von einer Fortsetzung des innern Rindenparen-
chymes gebildet, besteht aus einer grossen Menge senkrecht auf die Achse des Astes gestellter Reihen von
kleinen Parenchymzellen, die nach innen allmählig in die Zellen des innern Rindenparenchymes übergehen,
nach aussen auf eine ähnliche Weise in eine schwammartige, bald vertrocknende Masse auswuchern, wie es
bei der unter der Epidermis liegenden Korkschichte vieler Pflanzen z. B. Acer campestre, Quercus Su-
ber ete. der Fall ist.
Derselbe Bau, allein in manchen Fällen etwas schwieriger zu erkennen, findet sich bei den Lenticellen
solcher Holzgewächse, bei welchen zwischen dem grünen Rindenparenchyme und der Epidermis entweder
eine weiche parenchymatose Korklage oder ein aus dickwandigen tafelförmigen Zellen gebildetes. Periderma
liegt. In diesen Fällen liegt die Lenticelle, wie bei Cormus, in einer Aushöhlung des äussern Rindenparen-
chyms und ist ebenfalls von reihenförmig geordneten kleinen, ungefärbten oder hellgrünen parenchymatosen
Zellen gebildet, die vom innern Rindenparenchyme ausgehen. Nach aussen grenzt aber ihre Oberfläche nicht
unmittelbar an die Epidermis, sondern es fliesst ihre äussere Schichte an den Seiten mit der Korkschichte der
1) Dass bei Cornus alba das äussere Rindenparenchym eine rothe Farbe hat, ist ein ganz gleichgültiger Um-
© stand, welcher nicht als Unterscheidungs - Kennzeichen benützt werden kann,
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Rinde (z. B. bei Sambucus nigra, Berberis vulgaris, Erythrina Corallodendron), oder mit dem Peri-
derma zusammen (z. B. bei Aesculus Pavia, Corylus Avellana, Prunus Padus, spinosa, Populus dila-
tata, alba, Gleditschia triacantha, Crataegus Oxyacantha, Pyrus Malus, Betula alba).
Bei diesen Pflanzen geht nun ebenfalls, wie bei Cornus, das Zellgewebe der Lenticelle nach aussen
in eine korkartige Wucherung über, welche auf ihrer Oberfläche vertrocknet und so die bekannte warzenför-
mige Erhöhung der Lenticelle bildet, zugleich aber nimmt auch die Korksubstanz oder das Periderma der
Rinde an dieser Bildung Antheil. Es erleidet nämlich an den Seiten der Lenticelle die Korksubstanz der
Rinde eine Auflockerung und wächst in eine kleine Wucherung aus, welche mit der Korksubstanz der Lenti-
celle zusammenfliesst, so dass eine scharfe Grenze zwischen beiden meistens nicht angegeben werden kann
und die warzenförmige Erhöhung der Lenticelle an den Rändern von Zellen der Korksubstanz, in der Mitte
von der Korkmasse der Lenticelle gebildet wird. Auf ähnliche Weise trägt auch das Periderma zur Bildung
der warzenförmigen Erhabenheit der Lenticelle bei. Es treten nämlich an den Rändern der Lenticelle die
Blätter des Periderma aus einander und es erzeugt sich zwischen denselben eine parenchymatose Korkmasse,
welche mit dem Iuxurirenden Zellgewebe der Lenticelle sich verbindet. Dieser Auflockerung und Wucherung
des Periderma sind die beiden wulstartigen Lippen, welche bei den Lenticellen vieler Pflanzen z. B. Prunus
virginica, spinosa so ausgezeichnet sind, zuzuschreiben.
Dem Gesagten zu Folge haben wir an den Lenticellen zwei Schiehten zu unterscheiden , eine innere,
lebendige, welche aus grünen oder ungefärbten Parenchymzellen besteht, die in senkrechte Reihen geordnet
sind, nach aussen immerwährend neue Zellen erzeugen, welche später absterben und die äussere, korkähn-
liche, vertrocknete Schichte bilden.
In diesen Verhältnissen giebt sich eine grosse Aehnlichkeit der Lenticellen mit der gewöhnlichen
Korkbildung zu erkennen, indem die auf die Achse des Zweigs senkrechte Stellung der Zellenreihen, ihr
Mangel oder doch ihre Armuth an Chlorophylikörnern, die fortdauernde Production von neuen Zellenschich-
ten auf der Grenze zwischen den äussern vertrockneten und den innern lebenden Zellen lauter Umstände
sind, welche beiden Bildungen in gleichem Maasse zukommen. Die Verschiedenheit zwischen beiden liegt
nur darin, dass der wahre Kork zwischen der Epidermis und dem äussern Rindenparenchyme, der Kork der
Lenticelle dagegen auf der äussern Seite einer durch das äussere Rindenparenchym hervortretenden Verlän-
gerung des innern Rindenparenchymes gebildet wird. Eine fernere Bestätigung dieser Verwandtschaft der
Lentieellen mit dem Korke liegt in dem Umstande, dass bei den mit einer wahren Korkbildung oder mit ei-
nem Periderma versehenen Pflanzen der äussere Theil der Lenticelle mit dem Korke der umgebenden Rinde
zusammenfliesst und beide gemeinschaftlich die warzenförmige Erhöhung der Lenticelle bilden. Eine wei-
tere Analogie zwischen dem Korke und der Wucherung des Zellgewebes auf der äussern Seite der Lenticelle
ergiebt sich aus den nähern Umständen ihrer Entwicklung. Das unter der Epidermis liegende Zellgewebe,
welches die Bestimmung hat, zum Korke auszuwachsen, verharrt in der Form einer dünnen Schichte, so
lange die Epidermis noch geschlossen ist; wenn die letztere dagegen einreisst, so tritt sogleich unter diesem
Risse und zu seinen Seiten eine Wucherung dieses Zellgewebes und Ausbildung desselben zu einer dicken
30 *
— 2356 —
Korklage ein. Auf ähnliche Weise verhält es sich nun auch bei den Lenticellen. So lange die Epidermis
über denselben noch geschlossen ist, sind dieselben klein, in das äussere Rindenparenchym eingesenkt, und
es besitzen die Zellenreihen, aus denen sie bestehen, eine von der Oberfläche der Rinde gegen das Holz hin
strahlig aus einander laufende Richtung; wie dagegen die Epidermis einreisst, so drängt sich die Lenticelle
hervor, ihre Zellenreihen nehmen dadurch eine parallele Lage an und ihr äusserer Theil wächst nun in die
bald vertrocknende, korkähnliche Wucherung aus. Wird ein mit ausgebildeten Lenticellen versehener Zweig,
‘z. B. ein Weidenzweig in Wasser gestellt, dadurch das Austrocknen der neuerzeugten Zellen verhindert und
ihr Wachsthum erleichtert, so vermehrt sich die korkähnliche Masse bedeutend über ihre gewöhnliche
Grösse und es wächst die Oberfläche der Lenticelle in eine weisse, schwammartige Masse aus. Dasselbe
geschieht auch häufig an den übrigen Stellen der Rinde bei dem unter der Epidermis liegenden Zellgewebe,
wenn dieses durch einen Riss der Epidermis blosgelegt und der Einwirkung des Wassers ausgesetzt ist.
Alle diese Umstände sprechen dafür, dass die Bildung der Lenticellen mit der Erzeugung des Korkes
in Parallele zu stellen ist, dass die Lenticelle eine partielle Korkbildung ist, welche nicht, wie der ächte
Kork, von der Oberfläche des äussern Rindenparenchymes ausgeht, sondern einer Wucherung des innern
Rindenparenchymes ihr Dasein verdankt.
Die Erzeugung neuer Zellen auf der äussern Fläche der Lenticellen und das Vertrocknen derselben
dauert eine Reihe von Jahren fort, bis je nach der Beschaffenheit der Rinde die äussern Rindenschichten
früher oder später solche Veränderungen erleiden, welche ein Absterben derselben zur Folge haben und da-
mit auch das weitere Wachsthum der Lenticelle aufheben.
Bei solchen Bäumen, bei denen das Periderma sich eine Reihe von Jahren immer mehr und mehr
durch Anlagerung neuer Blätter auf seiner innern Seite verdickt und sich dabei glatt erhält, und bei wel-
chen, wie oben angeführt, das Periderma und der innere grüne Theil der Lenticelle gemeinschaftlich die ver-
trocknende Korksubstanz der Lenticelle bilden, bei diesen Pflanzen verliert allmählig das Zellgewebe, welches
sich auf der Oberfläche der Lenticelle bildet, die parenchymatose Beschaffenheit der Korkzellen und nimmt
mehr und mehr die Beschaffenheit des Periderma an, bis es mit den jüngeren, inneren Schichten des Rin-
denperiderma zusammenfliesst und mit ihnen eine gleichfürmige, zusammenhängende Lage darstellt. Auf
diese Weise wird der innere, lebende, parenchymatose Theil der Lenticelle von ihrem äusseren, korkähn-:
lichen, vertrocknenden Theile durch das Periderma geschieden; das weitere Wachsthum der Lenticelle ist
damit aufgehoben und man findet dieselbe später nur noch als den todten Ueberrest einer früheren Bildung
auf dem nun gleichförmig die Rinde bekleidenden Periderma aufsitzen, z. B. bei Ie.r Aquifolium, Corylus
Avellana. Am deutlichsten ist diese Veränderung der Lenticellen unter den einheimischen Bäumen bei
Belula alba zu beobachten. Wenn sich bei diesem Baume die Schichten des Periderma allmählig in gros-
ser Menge ausgebildet haben und die bekannte, sich abblätternde, weisse Rindenschichte bilden, so sind
zwar noch die Lenticellen unter der Form von bräunlichen Querstreifen sichtbar, die anatomische Untersu-
chung derselben zeigt jedoch, dass die braunen Querstreifen nicht mehr die wahren Lenticellen sind, son-
dern dass die Blätter des Periderma sich ohne Unterbrechung über die Stellen, an welchen früher die Lenti-
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cellen sassen, fortsetzen und an diesen Stellen nur eine etwas abweichende Beschaffenheit besitzen. Die
braune Färbung und die wulstförmige Anschwellung dieser Stellen ist nämlich darin begründet, dass an den-
selben zwischen den Blättern des Periderma die dünnen Lagen von Korkzellen eine kleine Wucherung und
eine bräunliche Färbung besitzen, also bereits einen Uebergang zu der später auf der Oberfläche der ganzen
Rinde eintretenden Korkbildung zeigen. Diese Korkbildung schreitet auch wenige Jahre später, wenn das
Periderma in Folge der weiteren Ausdehnung der Rinde Längenrisse bekommt, von diesen lenticellenähn-
lichen Stellen zur übrigen Rinde fort, indem meistens das Einreissen des Periderma an den Lenticellen be-
ginnt und sogleich eine stärkere Wucherung der Korkzellen zur Folge hat.
Auf diese Weise sehen wir also bei denjenigen Bäumen, bei welchen sich ein Periderma und eine
Korklage bildet, die Lenticellen dadurch zu Grunde gehen, dass sich über dem innern lebenden Theile der
Lenticellen das Periderma und der Kork einschieht und so den äusseren warzenförmigen Theil der Lenticelle
von seiner ihn erzeugenden Basis lostrennt und als abgestorbenes Residuum einer frühern Bildung nach
aussen abstösst; anders verhält es sich dagegen bei denjenigen Bäumen, bei welchen sich eine Borke bildet.
Bei diesen Bäumen entstehen nämlich, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, die neu sich bildenden
Schichten des Periderma nicht mehr zwischen der Oberfläche des grünen Rindenparenchymes und den älte-
ren Schichten des Periderma, sondern sie entwickeln sich im Innern des parenchymatosen Theiles der Rinde
und in der Bastschichte derselben. Durch diese im Innern der Rinde gebildeten peridermatischen Schichten
werden nun die äusseren Rindenschichten von dem innern lebenden Theile der Rinde abgesondert, vertrock-
nen und fallen früher oder später unter der Form von Schuppen ab. Bei diesen Bäumen liegen daher die
später gebildeten Schichten des Periderma nicht zwischen dem grünen, inneren Theile der Lenticellen und
ihrer äussern, vertrocknenden Korklage, sondern unterhalb des grünen Rindenparenchymes, von welchem
die ganze Lenticelle herstammt; es werden daher mit den Borkenschuppen zugleich auch die Lenticellen
von den tieferen Rindenschichten abgesondert und abgeworfen, z. B. bei Platanus occidentalis, Salix
alba, babylonica, Pyrus Malus, Orataegus Oxyacantha ete.
In Beziehung auf diese mit einer Borke versehenen Bäume kommen zwei Modificationen vor. Entweder
ist die Bildung des Periderma, das Aufreissen und die Abblätterung der Rinde ganz unabhängig von den
Lenticellen, indem sich das Periderma in grossen Platten im Innern der Rinde weit tiefer, als die Lenticellen
liegen, entwickelt und daher grosse Portionen der äussern Rinde, auf welchen viele Lenticellen sitzen und
welche unter der Form von grossen Schuppen abfallen, zum Absterben bringt, z. B. bei Platanus. Oder
es nimmt die Bildung eines Periderma im Innern der Rinde nicht sogleich im ganzen Umfange des Stammes
ihren Anfang, sondern ist ursprünglich auf kleine Stellen eingeschränkt und beginnt in der nächsten Umge-
bung derjenigen Stellen, an welchen zuerst die Rinde einreisst. Diese Stellen sind nun bei vielen Bäumen
die Lenticellen, z. B. bei Crataegus, Pyrus, Salix, Populus. Bei diesen Bäumen reisst, wenn der Stamm
einen gewissen Umfang erreicht, die Rinde gewöhnlich zuerst in den Lenticellen der Länge nach ein, und
man findet nun unter den Lenticellen und in ihrer nächsten Umgebung kleine Schichten von Periderma,
welche den Theil der Rinde, in welchem die Lenticelle liegt, in Borke verwandeln; erst später schreitet von
—_— 23 —
diesen Stellen aus die Borkenbildung zu dem übrigen Theile der Rinde weiter. Dieser Vorgang ist bei Po-
pulus alba besonders deutlich.
Im Widerspruche mit der oben ausgesprochenen Ansicht, dass die Lenticellen eine partielle Korkbildung
seien, steht die Ansicht von DEcannoLre '), nach welcher die Lenticellen als Wurzelknospen zu betrachten
sind. DecanvoLrE gründete diese Ansicht auf Versuche mit Weidenzweigen, welche er in Wasser setzte und
Adventivwurzeln treiben liess. Er glaubte hiebei zu finden, dass die Wurzeln immer aus den Lenticellen
hervorkommen und dass, wenn die Lenticellen bis auf das Holz ausgeschnitten würden, sich Adventivlenti-
cellen bilden, aus welchen alsdann die Wurzeln hervorbrechen. Diese Ansicht steht aber, wie ich schon an
einem andern Orte 2) auseinandersetzte, nicht nur mit dem Ergebnisse der anatomischen Untersuchung, son-
dern auch mit den Erscheinungen, die man bei der Entwicklung von Adventivwurzeln beobachtet, im
Widerspruche.
Was den ersteren Punkt betrifft, so ist nämlich aus der oben gegebenen Beschreibung der Lenticellen
deutlich, dass dieselben nur in den äussersten Schichten der Rinde ihren Sitz haben, dagegen zu den innern
Rindenschichten, in welchen die Bastbündel liegen, und zu dem Holzkörper durchaus keine Beziehung haben.
Nun ist aber hinreichend bekannt, dass, wo irgend bei dicotylen Gewächsen am Stamme oder an den
Zweigen sich Adventivwurzeln bilden, dieselben immer unter der Form eines Knötchens entstehen, welches
aus einem sehr zarten, durchsichtigen Zellgewebe besteht und auf der Grenze zwischen dem Holze und dem
Baste entsteht. Während dieses Knötchen zu einer conischen Verlängerung auswächst, erzeugt sich in ihm
ein Kreis von Gefässbündeln, durch welche sein Zellgewebe in Rinde und Mark geschieden wird. Die neu-
gebildeten Gefässe legen sich an der Basis des Knötchens an die Gefässbündel des Holzeylinders, auf welchem
das Knötchen aufsitzt, an, wodurch ein organischer Zusammenhang zwischen dem Holze der neuen Wurzel
und dem Holze des Stammes gebildet wird. Die Rinde des neugebildeten Wurzelknötchens ist an der Basis
desselben mit der innern Rindenschichte des Stammes verwachsen, an der Spitze dagegen ist das Knötchen
mit der Rinde des Stammes nicht in organischem Zusammenhange. Wenn sich nun allmählig das Knötchen
zum Würzelchen verlängert, so drängt es das Zellgewebe der Rinde vor sich her und erhebt die Rinde in
einen kleinen Hügel, welcher endlich an seiner Spitze einreisst und das Würzelchen hervortreten lässt, wor-
auf die äussern durchbrochenen Rindenschichten gleichsam eine Coleorhiza um das VWVürzelchen bilden.
Was den zweiten Punct, das Hervorbrechen der Adventivwurzeln an bestimmten Stellen betrifft, so
ist zwar zur Erzeugung von Adventivwurzeln nicht jede Stelle des Stammes gleich gut geeignet, es hängt
aber ihre Bildung nicht von einer besondern Beschaffenheit der äussern Rindenschichten ab, sondern sie
steht im Zusammenhange mit der Beschaffenheit des Holzkörpers. Man wird nämlich bei aufmerksamer Un-
tersuchung der Adventivwurzeln finden, dass sie sich vorzugsweise an solchen Stellen entwickeln, an welchen
ein Markstrahl in die Rinde übertritt; besonders deutlich ist dieses an manchen krautartigen Gewächsen,
4) Annal. d. science. natur. T. VII. p. 5.
3) Flora. 1852. I. p. 65 Giehe oben pag. 229).
— 239 —
z. B. Impatiens Noli tangere zu beobachten. Hierin scheint mir auch ein Grund von der Erscheinung zu
liegen, dass bei vielen Gewächsen die Adventivwurzeln sich weit leichter an den Knoten, als an den Interno-
dien bilden; theilweise mag dieses allerdings in einer an den Knoten stattfindenden Hemmung des absteigen-
den Saftes begründet sein, grossentheils mag aber auch der Umstand Schuld sein, dass durch das Uebertre-
ten der Gefässbündel in die Blätter an den Knoten Lücken im Holzkörper entstehen, die mit Zellgewebe
ausgefüllt sind und grosse Markstrahlen darstellen.
In vollkommener Uebereinstimmung mit dem Umstande, dass die Lenticellen in den äussern Rinden-
schichten liegen, die Adventivwurzeln dagegen zwischen Rinde und Holz entstehen, und die Stelle, an
„welcher dieselben sich bilden, von dem Baue des Holzes abhängt, ist das Ergebniss der von mir am ange-
führten Orte beschriebenen Beobachtungen an VVeidenzweigen (welche sich bei kürzlich wiederholten Beob-
achtungen an Weiden - und Pappel-Zweigen vollkommen bestätigten), aus denen hervoreieng, dass die Ad-
ventivwurzeln nicht aus den Lenticellen, sondern an allen Theilen der Zweige hervorbrachen und dass nur
eine und die andere Wurzel zufälligerweise an einer Stelle, über welcher eine Lenticelle lag, hervorkam,
dass folglich die Lenticellen an der VVurzelbildung durchaus keinen Antheil nahmen )).
Eine weitere Bestätigung dafür, dass die Lenticellen mit der Erzeugung von Adventivwurzeln nichts
zu thun haben, liegt in dem Umstande, dass die Lenticellen, wenn sie auch bei den meisten Bäumen und
Sträuchern vorkommen, dennoch weit entfernt sind, eine allgemein verbreitete Bildung zu sein, insoferne sie
nicht nur vielen Bäumen, z. B. so weit meine Beobachtungen reichen, allen Coniferen, sondern auch allen
fleischigen Stengeln, den Kräutern, den Stämmen der Monocotylen und Cryptogamen fehlen und dennoch
unter diesen Gewächsen eine grosse Menge vorkommen, welche von selbst regelmässig viele Luftwurzeln
treiben. In dieser Beziehung mag es genügen, nur an einige der auffallendsten Beispiele zu erinnern, z. B.
an Cactus, Sempervivum, an die Stämme der Baumfarne, an welchen gewiss Niemand eine Spur von Lenti-
cellen auffinden wird.
Eine ähnliche Erzeugung von Adventivwurzeln, wie am Stamme, kommt zuweilen an den Blättern, so
lange sie noch an der Pflanze befestigt sind, von selbst vor und kann künstlich bei den meisten, besonders
fleischigen Blättern hervorgebracht werden, wenn sie vom Stamme getrennt und unter Umstände, welche
der WVurzelbildung günstig sind, versetzt werden, und dennoch fehlen den Blättern die Lenticellen durchaus.
Wir sehen also auf der einen Seite, dass, wo Lenticellen vorhanden sind, dieselben an der Bildung
von Adventivwurzeln keinen Antheil nehmen, auf der andern Seite, dass Adventivwurzeln sehr häufig an sol-
chen Pflanzen und Pflanzentheilen entstehen, welchen jede Spur von Lenticellen fehlt, wir sind daher dop
pelt berechtigt, den Lenticellen die Eigenschaft, dass sie Wurzelknospen seien, durchaus abzusprechen.
Wenn die Adventivwurzeln aus Knospen entspringen und diese Knospen unter der Gestalt der Lenti-
cellen erscheinen würden, so wäre zu erwarten, dass man solche Knospen vorzugsweise an den Wurzeln
A) Nach der Angabe von Tazvınanus (Phys. d. Gew. I. 565) ist auch Du Prrir-Tuovars zu demselben Re-
sultate gelangt; leider kann ich die Abhandlung, in welcher er dieses ausspricht, nicht nachschen. -
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selbst finden würde, denn die Wurzelzasern entspringen aus den Wurzelzweigen auf dieselbe Weise, auf
welche aus dem Stamme die Adventivwurzeln entspringen. Allein vergeblich wird man sich an den jüngern
Wurzeln (sowohl an den Luftwurzeln als an den Verzweigungen des absteigenden Stammes), aus welchen die
Seitenwurzeln hervorbrechen, Lenticellen suchen. Aus dem Umstande, dass die Wurzelzasern, wie die Ad-
ventivwurzeln des Stammes, an den Verbindungsstellen der Markstrahlen mit der Rinde entspringen, erklärt
sich auch, warum dieselben so häufig in Längenreihen (besonders in 4 Reihen) stehen: umsonst sieht man
sich dagegen in den äussern Rindenschichten nach einer Ursache dieser bestimmten Stellung der Wurzel-
zasern um.
Nachdem im Bisherigen die Unhaltbarkeit der von DrcanpoLır aufgestellten Ansicht gezeigt wurde,
so gehe ich su der Betrachtung der von Ersst Meyer über die Lenticellen geäusserten Ansichten über.
E. Meyer stellt nämlich eine Parallele zwischen den verschiedenen Arten der Knospen (Augen) und der
Lenticellen (Linsen) auf; wie er drei Arten von Knospen, Hauptaugen, Beiaugen und zerstreute Augen
annimmt, so theilt er auch die Lenticellen in Hauptlinsen, Beilinsen und zerstreute Linsen !). Ueber die
zerstreuten Linsen, welche mit den Adventivknospen von Du Pzrır-Tuovars in Parallele gestellt werden,
führt Meyer keine näheren Beobachtungen an, „denn diese“, sagt er, „wird man mir wohl gelten lassen.“
Dagegen werden von denBeilinsen (welche mit den von RoEPER gemmae accessoriae genannten Knospen in
Parallele gestellt werden) und von den Hauptlinsen (welche mit den in den Blattachseln sitzenden Knospen
verglichen werden) Beispiele sowohl aus der Reihe der Monocotylen als der Dicotylen angeführt, und zwar
werden als solche diejenigen Wurzelzasern erklärt, welche an den Knoten der Stämme hervorbrechen. In
diesen Fällen bildet sich an jedem Knoten entweder nur eine einzige VWVurzel, wie z.B. bei Vanilla aroma-
tica seitwärts neben dem Auge, bei Bulbine fruticosa dem Auge gegenüber, welche VVurzeln alsdann aus
Hauptlinsen hervorkommen; oder es bildet sich ein ganzer Kranz (in andern Fällen auch nur ein Halbkreis)
von Linsen am Knoten, von welchen die eine zu einer grösseren WVurzel auswächst, gewöhnlich dem Blatte
gegenüber steht und die Hauptlinse ist, während die anderen zu kleineren WVurzeln auswachsen, oder auch
unentwickelt bleiben, und Beilinsen sind, z. B. bei Calla pertusa, Juncus lampocarpus, bei vielen Grä-
sern, Oyperaceen, Junceen, Aroideen. Die Beilinsen dieser Monocotylen verhalten sich also zur Haupt-
linse, wie die Beiaugen zum Hauptauge, nur mit dem Unterschiede, dass sie nie unter- oder überständig
sind, sondern immer seitwärts von der Hauptlinse stehen.
Bei den Dicotylen kommen nach Mever’s Angabe ähnliche Verhältnisse vor; so finden sich nicht sel-
ten bei Umbelliferen und Ranunculaceen eine Hauptlinse dem Auge gegenüber und die Beilinsen neben-
ständig zum Halb- oder Vollkreise geordnet. Bei manchen scharfgliedrigen Dicotylen steht zur Seite jeden
Auges, also an der Stelle von nebenständigen Beiaugen, je eine Linse, z.B. bei vielen Orassulaceen, und es
scheinen die Hauptlinsen zu fehlen. Bei Cofyledon orbicularis zieht sich ein Kreis von Linsen um die
Blattbasis herum.
4) Linnaea. T. VII. p. 447.
— 21 —
Es erkennt also E. Meyer nicht nur die Decannoue'sche Ansicht, dass die Lenticellen VWVurzelkno-
spen seien, vollkommen an, sondern er giebt ihr noch in so ferne eine weit grössere Ausdehnung, als er
auch bei Monocotylen und bei krautartigen Gewächsen Lenticellen annimmt, und ausser den bisher allein
mit dem Ausdrucke der Lenticellen bezeichneten Bildungen (seinen zerstreuten Linsen) auch regelmässig an
bestimmten Stellen angelagerte Linsen findet.
Bei Beurtheilung dieser Angaben befinden wir uns in einem ganz anderen Falle, als bei Beurtheilung
der DecannoLre'schen Ansicht. Der letzteren liegt ein Beobachtungsfehler zu Grunde. DecAanvorze glaubte
die Adventivwurzeln aus den Lenticellen hervorkommen zu sehen, weil er die Lenticellen nicht von denjeni-
gen Stellen unterschied, an welchen die Rinde durch das Hervorbrechen der VVürzelchen aufgerissen wurde
und das Parenchym in Folge der Einwirkung des Wassers in eine luxurirende, schwammartige Masse aus-
wuchs. Die Beobachtungen Mryer’s sind dagegen vollkommen richtig, insoferne die Adventivwurzeln an
den von ihm bezeichneten Stellen regelmässig hervorwachsen, und dieselben vor ihrem Hervorbrechen durch
kleine Tuberceln angezeigt sind. Ich kann aber dennoch nicht umhin, auch seine Ansicht als unhaltbar zu
bezeichnen, indem ich die Zusammenstellung dieser Tuberceln mit den Lenticellen für naturwidrig erklä-
ren muss. ®
Die Lenticelle der dicotylen Holzgewächse ist, wie oben gezeigt wurde, eine in der äussern Rinden-
lage sitzende, vom grünen Rindenparenchyme ausgehende Bildung, während die Ursprungsstelle der Adven-
tivwurzeln weit tiefer, zwischen Rinde und Holz, gelegen ist. Zeigt es sich nun, dass in den von Meyer an-
geführten Beispielen die Tuberceln, aus welchen die VWVurzeln hervorbrechen, den Bau der Lenticellen nicht
besitzen und dass die Wurzeln, wie bei den Dicotylen, in der Tiefe des Stammes sich bilden, ohne dass auf
der Oberfläche der Rinde eine Andeutung davon zu sehen ist, so sind wir auch nicht berechtigt, jene Tuber-
celn für Lenticellen zu erklären. Beides aber lässt sich, wie ich glaube, deutlich nachweisen. Untersucht
man nämlich bei solchen Monocotylen, welche mit Luftwurzeln versehen sind, und welche eine deutlich aus-
gebildete Rinde besitzen, z. B. Vanilla planifolia, die Stellen, an welchen die Wurzeln zur Entwicklung
kommen, während der ersten Stadien der Ausbildung der Wurzeln, so sieht man die letzteren auf eine ganz
analoge VWVeise entstehen, wie die Adventivwurzeln der Dicotylen. Es bildet sich nämlich unterhalb der
Rinde, wo die äussersten Gefässbündel liegen, ein Kern von einem zarten, durchsichtigen Zellgewebe, in
welchem später Gefässbündel entstehen, die sich nach innen in den Stamm verlängern und sich an die Ge-
fässbündel desselben anlegen, während die Spitze des Kernes, ohne eine organische Vereinigung mit der
Rinde einzugehen, nach aussen wächst, die Rinde in einen Hügel erhebt und zuletzt durchbricht. Diejenige
Stelle der Rinde, welche von der anschwellenden WVurzel in einen Hügel erhoben wird, zeigt in Hinsicht auf
ihre Structur auch nicht die leiseste Verschiedenheit von der umliegenden Rinde, und eben so wenig ist,
ehe sich das WVurzelknötchen auf der innern Seite der Rinde entwickelt, auf der Oberfläche der letzteren
durch irgend einen Umstand die Stelle angedeutet, an welcher später die Wurzel entsteht. Es erhellt also
hieraus, dass die Luftwurzeln der Monocotylen eben so wenig, als die der Dicotylen aus Lenticellen entste-
hen und dass jene Tuberceln, aus welchen die VVurzeln hervorbrechen, mit den Lenticellen nichts gemein
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haben, sondern den ebenfalls auf rein mechanische Weise entstehenden Erhabenheiten der Rinde entspre-
chen, aus welchen bei den dicotylen Bäumen die Adventivwurzeln heryvorkommen.
Auch an den Wurzeln der Monocotylen trifft man an den Stellen, an welchen sich die Seitenwürzel-
chen entwickeln, nichts einer Lenticelle ähnliches an, sondern es entstehen die Wurzelzweige ebenfalls aus
Xnötchen, die zwischen der Wurzelrinde und dem centralen Strange von Gefässbündeln sich entwickeln (vgl.
oben pag. 158.)
Was die von E. MEyer angeführten Dicotylen betrifft, bei welchen eine regelmässige Linsenstellung
vorkommen soll, so verhält es sich bei denselben auf die gleiche Weise, wie bei den Monocotylen, indem
die WVurzeln zwar an bestimmten Stellen, aber ebenfalls nicht aus Lenticellen hervorkommen. Ich glaube
in dieser Beziehung nur einen Umstand, auf welchen MEvEr ein grosses Gewicht zu legen scheint, berühren
zu müssen, nämlich die Angabe, dass bei manchen Crassulaceen, z. B. Crassula tetragona, die VVurzeln
an derselben Stelle stehen, an welcher eigentlich Beiaugen stehen sollten, woraus (wenn ich anders den Ver-
fasser richtig verstanden habe) auf eine Analogie zwischen Linsen und Augen geschlossen wurde. Die Sache
verhält sich allerdings bei Crassula tetragona, cordata u. a. häufig so, aber nicht immer; häufig sieht
man die WVurzeln theils über der fehlschlagenden Knospe, theils unter dem B atte, theils zwischen beiden
Blättern hervorkommen, woraus erhellt, dass wenn auch häufig diese VVurzeln an einer bestimmten Stelle
des Knotens ers-heinen, dennoch keine grosse Regelmässigkeit dabei stattfindet, sondern dass der ganze
Umkreis des Knotens gleich geeignet zu ihrer Hervorbringung ist, dass folglich diese VVurzeln kein Ersatz
für die Beiaugen sind, welche immer eine bestimmte Lage in Beziehung auf die Hauptknospe besitzen.
Endlich haben wir noch einige andere über die Natur der Lenticellen geäusserte Meinungen zu be-
trachten, welche theils durch die Darstellung von DecanvoLLe das Ansehen, in dem sie standen, verloren,
itheils erst in den neueren Zeiten aufgestellt und noch keinen allgemeinen Anklang gefunden haben.
Die älteste Meinung, welche:bis zu der Publication von Drcanvorre’s Abhandlung beinahe allgemein
angenommen wurde, war von GUETTARD aufgestellt und bezeichnete die Lenticellen als Drüsen (glandes
lenticulaires). Zu dieser Meinung gab wohl nur ihr äusseres Ansehen Veranlassung, denn eine wirkliche Ab-
sonderung einer Flüssigkeit durch diese Organe hat wohl Niemand beobachtet, obgleich einige Physiologen,
z. B. VaucHEr !). von eigenthümlichen Säften, die sie enthalten, sprechen, und Mirge ?) sie als Lücken, die
mit öligen oder harzigen Säften gefüllt seien, und welche er mit den Harzgängen vergleicht, beschreibt.
Dass sie diese letztere Beschaffenheit nie besitzen, davon glaube ich mich durch meine Untersuchungen voll-
kommen überzeugt zu haben, und auch Trevıranus 3) giebt an, er hätte niemahls eine Höhle zur Absonde
rung eines Secretums in ihnen wahrgenommen. WVenn wir auch den Begriff einer Drüse bei den Pflanzen
nicht blos auf diejenigen Theile einschränken wollten, welche eine von ihnen bereitete, eigenthümliche Flüs
sigkeit nach aussen entleeren, sondern wenn wir auch einzelne Zellen und Zellenparthieen, welche im Innern
4) SESEBIER, physiol. veget. T. I. p. 439.
2) Elemens de phys. veget. T. I. p. 173.
3) Physiol. d. Gewächse. T. I. p. 364.
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der Pflanze liegen und eine von dem allgemein verbreiteten Zellensafte abweichende Flüssigkeit enthalten,
“mit diesem Ausdrucke bezeichnen wollten, so wäre dennoch der Begriff der Drüse auf die Lenticellen nicht
auszudehnen, insoferne dieselben solche eigenthümliche Säfte nicht enthalten und gleich nach ihrer Ent-
stehung wieder vertrocknen.
Eine andere Ansicht rührt von Du Prrıt-Tnuovars her, welcher die Lenticellen mit dem Ausdrucke
der Rindenporen (pores corticaux) bezeichnet und glaubt, sie seien bestimmt eine Verbindung zwischen
der äusseren Luft und der amylumähnlichen Schichte der Rinde ') zu unterhalten, welche zur Umwandlung
der letzteren in grünes Parenchym nöthig zu sein scheine ?). Diese Ansicht scheint mir aus mehreren
Gründen verwerflich zu sein, denn einentheils beruht die Meinung, dass sich das grüne Rindenparenchym
aus dem unterliegenden ungefärbten, oder vielmehr hellergefärbten Parenchyme entwickle, auf blosser Ver-
muthung, zu deren Gunsten auch nicht eine einzige Thatsache spricht, anderntheils, wenn dieses auch der
Fall wäre, so wäre die Mitwirkung der Lenticellen wohl nicht dazu nöthig, indem dieselben vielen Bäumen
und Sträuchern, z. B. den Coniferen, Pomeranzen, Rosen, Evonymus europaeus ete. fehlen, und endlich
erhellt aus der oben gegebenen anatomischen Darstellung, dass die Lenticellen durchaus nicht blosse Poren
der Rinde sind.
Acarou °) endlich, welcher DecAnvorur’s Angabe, dass die Adventivwurzeln aus den Lenticellen her-
vorbrechen, für richtig erklärt, findet den Grund davon nicht, wie DzcAnnoLLz, darin, dass sie VWVurzel-
knospen seien, sondern er hält die Lenticellen für Oeffnungen in der Rinde, für eine Art von Luftlacunen,
und vergleicht sie mit den Lücken, die auch im Innern der Rinde, z. B. bei Sambucus nigra vorkommen.
Er ist der Ansicht, dass die WVurzeln nur desshalb durch die Lenticellen hervorbrechen, weil die Feuchtig-
keit durch diese Oeffnungen eindringe und die Bildung eines VWVurzelzweiges veranlasse. Da, wie oben ge-
zeigt, die VVurzelentwicklung durch die Lenticellen auf unrichtigen Beobachtungen beruht, so ist es auch
nicht nöthig, die von Acarpn gegebene Erklärung derselben näher in Betracht zu ziehen.
NWachschrift.
Ungefähr zur gleichen Zeit, in welehe die Ausarbeitung der voranstehenden Dissertation fällt, schrieb
auch Unger einen Aufsatz über die Lenticellen (Flora. 1836. II. 577), in welchem er eine von mir überse-
hene anatomische Thatsache anführt, nämlich die, dass sich die Lenticellen nur an solchen Stellen der
Zweige entwickeln, an welchen sich in der Epidermis Spaltöffnungen finden. Die Deutung, welche mein ver-
1) Hierunter versteht Du Prrir-Tuovars die innere, ausserhalb des Bastes liegende, bellgefärbte Schichte des
Rindenparenchyms, welche er auf eine nicht sehr naturgetreue Weise als einen vom grünen Parenchyme
verschiedenen Theil betrachtet und als eine trockene, weisse, aus kleinen, nicht zusammenhängenden Kör-
nern bestehende Schichte beschreibt (Essais s. 1. veget. p. 20).
2) Essais sur la vegetation. p. 222.
3) Organographie. p. 128.
31*
— 214 —
ehrter Freund von den Lenticellen gab, wich von der meinigen wesentlich ab, insoferne er als Analoga der-
selben die Keimkörner der Jungermannienblätter, die Soredia der Flechten und die mit pulverförmigen Zel-
len gefüllten Gruben in der Rinde der Baumfarne betrachtete. Er hielt sie somit auf der einen Seite für
oblitterirte Athmungsorgane, auf der andern Seite für nicht zur Ausbildung gekommene Fortpflanzungsor-
gane. Da hingegen in den von Unger und ExpLicuer herausgegebenen Grundzügen (p. 99) die Lenticellen
für eine partielle Korkbildung erklärt sind, so scheint Unger der hier ausgesprochenen Ansicht beigetreten
zu sein.
— 29 —
XVil.
Ueber
die Spaltöffnungen auf den Blättern der Proteaceen.
(Aus den Abhandlungen der Leop. Carol. Academie der Naturforscher. XVI. II. 18353.)
Die Wichtigkeit, welche Roserr Brown in taxonomischer Hinsicht den Spaltöffnungen der Protea-
ceen beilegt, indem er (in dem Supplemente zur Flora von Neuholland) diese mikroskopischen, mit dem
Geschäfte der Fructifikation in keiner Beziehung stehenden Organe für tauglich erklärt, einen bei der Be-
grenzung der Gattungen und Ausmittlung ihrer Verwandtschaften zu benützenden Character abzugeben,
besonders aber der Umstand, dass die von Roskrr Brown gegebene Beschreibung ihres Baues mit den,
kurze Zeit vorher von MEven über den Bau der Spaltöffnungen geäusserten Ansichten, übereinzustimmen,
den Resultaten hingegen, welche ich bei Untersuchung der Spaltöffnungen anderer Gewächse erhalten hatte,
und den Folgerungen, welche ich für die Lehre vom Athmen der Pflanzen aus denselben ziehen zu können
glaubte, völlig zu widersprechen schien, veranlasste mich, die Spaltöffnungen der Proteaceen einer genauern
Untersuchung zu unterwerfen.
Roserr Brown tritt nämlich der Meinung derjenigen Phytotomen bei, welche diese Organe für Drü-
sen halten, und erklärt den mittlern Raum derselben nicht für eine Oeffnung, sondern für eine Membran; er
spricht sich jedoch nicht mit seiner gewöhnlichen, seine übrigen Arbeiten so bezeichnenden Schärfe und Be-
stimmtheit über ihren Bau aus, sondern stellt seine Ausdrücke so auf Schrauben, dass seine Ansichten über
einige wesentliche Puncte ziemlich zweifelhaft bleiben *). Insbesondere ist dieses der Fall bei RoBERT
4) Folgendes ist die, in der Vorrede der angeführten Schrift gegebene Beschreibung der Spaltöffnungen der
Proteaceen : Organa »quae a plerisque auctoribus Port aut Stomata nuncupata, a nonnullis, et melius, ut mir
videtur,, Glandulue appellata sunt. Hue Glandulae cutuneue enim, quantum determinare potui, saepius re-
vera imperforatae sunt, discum exhibentes membrana modo pellucentiore, modo opaca , rarissime colorata , for-
matum,
Glandula unaquaeque areolam Epidermidis unicam, forma plerumgue plus minus mutatam, saepius contrac-
tam aliquando auctam, omnino, vel partim occupat.
Glandularum figura saepius ovalis, nunc subrotunda raro transversim dilatata , rarissime angulata est.
Limbus vel e duobus segmentis distinctis, subparalleli leviter arcuatis compositus, vel saepius unnularis continuus,
segmentts quasi utrinque confluentibus: discus nunc suhovalis, nume linearis, rarissime angulatus, haud raro
duplex, exteriore saepius ovali, interiore rimam perangustam aemulants, modo opaco modo pellucentt, et quando-
que forsan perforato«.
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Brown’s Beschreibung der Lage dieser Drüsen, indem er sich nämlich nicht darüber ausspricht, ob an der
Stelle, wo eine Drüse liegt, die Epidermis unterbrochen ist, oder nicht, und ob im letztern Falle die Drüse
auf, oder (wie es M&£yen angiebt) unter der Epidermis liegt. Es scheint jedoch aus der Stelle: glandula
unaquaeque areolam Epidermidis unicam .... omnino vel partim occupat, zu erhellen, Roserr
Brown halte die Epidermis für vollständig geschlossen, indem der Ausdruck: areola Epidermidis nichts
anderes bezeichnen kann, als eine Epidermiszelle, und das von Ros. Brown angegebene Verhältniss, dass in
manchen Fällen die Drüse nur theilweise diesen Raum einnehme, nur möglich ist, wenn die Drüse nicht an
der Stelle einer Epidermiszelle, sondern unter oder über einer solchen liegt; und doch scheint Rog. Brows
auf der andern Seite von diesem Geschlossensein nicht völlig überzeugt zu sein, wie die Stelle: disco quan-
doque perforato beweist.
Die von mir über die Spaltöffnungen der Proteaceen angestellten Untersuchungen ergaben im allge-
meinen, dass dieselben bei diesen Pflanzen eine wirkliche, wenn auch in den meisten Fällen sehr schmale
Oeffnung besitzen, dass die, um diese Oeffnung angelagerten, mit feinen Körnern erfüllten Zellen, wie bei
den übrigen Gewächsen , die äussere Begrenzung einer im Parenchyme des Blattes befindlichen und mit den
Intercellulargängen des Mesophyllums in Verbindung stehende Höhle bilden, dass die Spaltöffnungen der
verschiedenen Gattungen der Proteaceen nicht sowohl im Baue dieser wesentlichen Theile, als vielmehr in
der verschiedenen Bildung der die Spaltöffnung umgebenden Epidermiszellen von einander abweichen, dass
ferner, beinahe nur mit Ausnahme der in Vertiefungen gruppenweise zusammenliegenden Spaltöflnungen
von Dryandra, Banksia u. s. w., die Längenrichtung aller Spaltöffnungen, wie bei den Blättern der Mono-
cotylen, parallel mit der Längenrichtung des Blattes ist, oder wenigstens nur einen kleinen Winkel mit
ihr bildet.
Die am meisten von der gewöhnlichen Form der Spaltöffnungen abweichende Bildung findet sich bei
Hakea. Die Epidermiszellen der zu dieser Gattung gehörigen Pflanzen sind nämlich sehr tief (Tab. VI.
Fig. 2. a. Hakea nitida), und die Spaltöffnungen liegen, mit den sie umgebenden Zellen, an der Grenze
zwischen den Zellen des Mesophyllum und der Epidermis (Tab. VI. Fig. 2. 5. 7). Es wird dadurch über
jeder Spaltöffnung eine ziemlich geräumige Höhle gebildet, welche noch dadurch vergrössert wird, dass der
Rand der die Höhle einschliessenden Epidermiszellen mehr oder weniger verlängert ist, wodurch ein coni-
scher, an der Spitze durchbrochener, über die Fläche des Blattes hervorragender Hügel gebildet wird (Tab.
VII. Fig. 2.b. Fig. 5.b. Fig. 7.b.). Untersucht man diese Bildung nur oberflächlich, so kann man leicht
verleitet werden, diese obere Oeffnung (Tab. VII. Fig. 1.a. Hakea nitida. Fig. 3.a. Hakea florida) für
die Spaltöffnung selbst zu halten ; immer aber wird man sich von dem richtigen Verhältnisse und von dem
Vorhandensein der in der Tiefe gelegenen Spaltöffnung überzeugen können, wenn man entweder zarte Quer-
schnitte der Epidermis (Hakea florida Tab. VI. Fig. 5. Hakea nitida Tab. VII. Fig. 2), oder die vom
Mesophyllum abgeschnittene Epidermis von ihrer untern Seite (Tab. VII. Fig. 4. Hakea nitida, Tab. VI.
Fig. 6. Hakea florida) untersucht.
Die Spaltöffnung selbst ist auf jeder Seite von zwei länglichen Zellen begrenzt, von denen die innere
schmaler und niedriger (Tab. VII. Fig. 2. c. Fig. 4. c. Fig. 5. c.) ist als die äussere, welche auf dem Quer-
schnitte häufig eine beinahe halbmondförmige Figur zeigt (Tab. VIl. Fig. 2.d. Fig. 5.d. Fig. 7.d.). Der
bequemern Bezeichnung wegen werde ich diese mit körniger Masse gefüllten, die Spaltöffnung unmittelbar
umgebenden Zellen mit dem Ausdrucke der innern und äussern Porenzellen bezeichnen. Es schliessen sich
dieselben entweder unmittelbar an die Epidermiszellen an (Tab. VIE. Fig. 7. Hakea pachyphylla), und
schliessen so die zwischen den Epidermiszellen liegende Höhlung von der im Blatte befindlichen ab, oder es
geschieht dieses durch Vermittlung von zwei anderen, grösseren, im Umkreise der Porenzellen liegenden,
parenchymatosen Zellen (Tab. VII. Fig. 5.e. Fig. 6.b. Hakea florida).
Von dem beschriebenen Baue macht Hakea saligna insofern eine Ausnahme, als die im Umkreiso
der Spaltöffnung liegenden Epidermiszellen nicht in einen Hügel erhoben sind (Tab. VII. Fig. 3.«.), wess-
halb auch die Spaltöffnungen bei der senkrechten Ansicht des Blattes sogleich zu Gesichte kommen (Tab.
VIII. Fig. 5).
Einen etwas verschiedenen Bau des, aus den Epidermiszellen gebildeten, die Spaltöffnungen umgeben-
den Walles trifft man bei Protfea. Der conische, über die Spaltöffnung hergewölbte Hügel besteht nämlich
bei Hakea aus einer Verlängerung der die Höhlung begrenzenden Epidermiszellen, und es erstreckt sich
die Höhlung der Zelle selbst mehr oder weniger in diese Verlängerung hinein; bei Protea hingegen wird
dieser Wall nur von einer Verlängerung der obern Epidermiswandung gebildet, ohne dass die Höhlung der
Zellen sich in dieselbe fortsetzt (Tab. VI. Fig. 10.6. Protea melaleuca, Fig. 14.b. Protea mellifera).
Daher kommt es auch, dass man bei der senkrechten Ansicht der Epidermis bei Hakea die Zusammen-
setzung des Hügels aus Zellen erkennt (Tab. VII. Fig. 3), während derselbe bei Protea als ein gleichför-
miger ovaler, oder runder in der Mitte durchbohrter Ring erscheint (Tab. VII. Fig. 8. 9. Protea mellifera).
Dieser Wall ist in der Mitte gegen die Oeffinung hin eingedrückt und springt über die Oberfläche des Blattes
weniger stark hervor, als bei Hakea (Tab. VII. Fig. 14.b. Protea mellifera, Fig. 10.b. Profea melaleuca),
zuweilen liegt auch, z. B. bei Protea mellifera, dieser Wall mit seinen Umgebungen in einer leichten Ver-
tiefung der Blattoberfläche (Tab. VI. Fig. 14). Die Spaltöffnung selbst liegt bei Protea nicht mehr an der
untern Grenze der Epidermiszellen, wie bei Hakea, sondern ist gegen die äussere F.äche derselben hinaus-
gerückt (Tab. VII. Fig. 10. Protea melaleuca, Fig. 14. Protea mellifera). Diesen Bau fand ich bei Pro-
tea mellifera, lepidocarpon, coccinea, incompta, melaleuca; bei den drei zuerst genannten Arten ist die
äussere Wandung jeder Epidermiszelle in der Mitte in einen kleinen Hügel erhoben (Tab. VI. Fig. 8. Fig. 14.
Protea mellifer.a).
Es erhellt auf den ersten Blick, dass diese und ähnliche Bildungen bei flüchtiger Untersuchung leicht
zu irrigen Ansichten Veranlassung geben können und auch gegeben haben, nämlich zu einer Verwechslung
der Oeffnung des Walles mit der Spaltöffnung selbst und zu dem Glauben, dass die Spaltöffnung in der Mitte
eines runden Discus und nicht zwischen Zellen liege.
Bei den übrigen von mir untersuchten Proteaceen war der Bau der Spaltöffnung einfacher, als bei
den bisher betrachteten Formen, aber wegen der geringen Grösse dieser Organe in manchen Fällen schwie-
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rig zu untersuchen. Es stimmen dieselben alle darin mit einander überein, dass die Epidermiszellen abge-
plattet sind (z. B. Mimetes capitulata Tab. VII. Fig. 1. 2, Leucadendron decorum Tab. VIII. Fig. 10.
11. 12), und dass die Spaltöffnung an die Oberfläche der Epidermis heraufgerückt ist. Die Spalte ist auf
jeder Seite nur von einer einzigen schmalen, langen Porenzelle begrenzt (Mimetes capitulata Tab. VI.
Fig. 2.b. Leucadendron decorum Tab. VII. Fig. 11.b. Fig. 12. b.). Diese Zellen sind, so lange sie durch
die Spalte von einander getrennt sind, in der Richtung von oben nach unten schmal, an beiden Enden hin-
gegen verlängern sie sich in einen blinden, gegen das Innere des Blattes hin gerichteten Anhang, wie man
an solchen Querschnitten der Epidermis sehen kann, welche parallel mit der Längenrichtung der Poren ge-
führt sind und gerade durch die Spalte derselben gehen (Tab. VII. Fig. 6.d. Persoonia myrtilloides,
Fig. 11.5. Leucadendron decorum).
Auch diese Spaltöffnungen sind mit einem Walle umgeben, dieser ist aber nur schmal und niedrig, so
dass bei der senkrechten Ansicht der Epidermis wegen der geringen Enffernung der Wallöffnung von der
Spaltöffnung der Wall und die darunter gelegene Spaltöffnung mit ihren Zellen zugleich gesehen werden
(Tab. VII. Fig. 1. Mimetes capitulata, Fig. 8. Persoonia myrtilloides, Fig. 10. Leucadendron de-
corum.)
Es ist in diesen Fällen nöthig, um den Wall genauer betrachten zu können, die oberste Schichte der
Epidermis durch einen sehr seicht geführten Schnitt auf die Weise abzuschneiden, dass die Porenzellen
noch auf dem Blatte sitzen bleiben, und nur die äussere Wandung der Epidermiszellen und der Wall selbst
abgelöst wird (Leucadendron decorum, Tab. VII. Fig. 10. f.).
Dieser Wall wird, wie der Querschnitt der Epidermis zeigt, von einem Vorsprung dar äussern Wan-
dung der Porenzellen selbst, und nicht von den Epidermiszellen gebildet (Tab. VII. Fig. 2.c. Mimetes ca-
pitulata,, Fig. 6.c. Persoonia myrtilloides, Fig. 12.c. Leucadendron decorum).
Diesen Bau der Spaltöffnungen fand ich bei Mimetes capitulata, hirta, Leucadendron decorum,
adscendens, salignum, argenteum, Levisanus, Persoonia myrtilloides Sieb., lanceolata, revoluta Sieb.
Seerruria foeniculacea, Petrophila sessilis, pedunculata, Lomatia longifolia, silaifolia.
Bei Grevillea oleoides Sieb. (Tab. VII. Fig. 4. Fig. 7), aconitifolia, phylicoides, myrtacea, seri-
cea, laurifolia, buifolia, ist dieser zu einem Walle erhobene Vorsprung äusserst niedrig und erscheint
bei der senkrechten Ansicht unter der Form einer Linie, welche jede Porenzelle in zwei parallel laufende zu
theilen scheint. Dasselbe ist der Fall bei den kleinen, unter dichter Wolle verborgenen Spaltöffnungen von
Lambertia formosa, Dryandra temüfolia, longifolia, Banksia marcescens, paludosa, aemula, mar-
ginata, oblongifolia, australis, Cunninghami.
So auffallend auch nach dem Vorhergehenden der Bau der Spaltöffnungen bei den Proteaceen ist, so
hätte man doch Unrecht, wenn man denselben für eine Eigenthümlichkeit dieser Familie halten würde, indem
wir alle Abänderungen, welche wir im Baue der Spaltöffnungen bei den Proteaceen treffen, auch bei Ge-
wächsen, welche sehr entfernt stehenden Familien angehören, finden.
Völlig denselben Bau, wie ich ihn von Hakea beschrieben habe, treffen wir bei den Spaltöffnungen,
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welche auf der unfern Blattfläche von Cycas revoluta liegen, indem hier (Tab. VII. Fig. 12) die Epidermis-
zellen ebenfalls in einen conischen, an der Spitze geöffneten Hügel erhoben sind, und die mit doppelten Po-
renzellen versehene Spaltöffnung im Grunde der im Hügel befindlichen Höhle liegt )).
a Bei Marchantia findet sich in der Mitte eines jeden auf der Oberfläche der Frons sichtbaren Poly-
gones ein ähnlicher, eine grosse Höhle überwölbender, an seiner Spitze geöffneter Hügel, welcher hingegen
keine besondere Spaltöffnung enthält, sondern bei welchem die obere Oeffnung dieselbe ersetzt (Tab. VII.
Fig. 14. 15. Marchantia conica).
Auch die Bildung des Walles, wie wir sie bei Profea kennen gelernt haben, wo nämlich derselbe
durch einen niederen Vorsprung der in geringer Menge die Spaltöffnung umgebenden Epidermiszellen gebil-
det wird, treffen wir bei Sanseviera zeylanica (Tab. VIU. Fig. 17) und Agave lurida (Tab. VII. Fig. 13),
bei welcher letztern Pflanze ebenfalls, wie bei Protea mellifera, die Spaltöffnung mit den vier, sie umge-
benden, den Wall bildenden Epidermiszellen in einer seichten Vertiefung liegt, und jede Epidermiszelle un
ihrer Mitte in eine Warze erhoben ist.
Den Uebergang von dieser Wallbildung zu der einfachsten Form der Spaltöffnungen, wo die Poren-
zellen in derselben Fläche mit den Epidermiszellen liegen (z. B. Scolopendrium officinarum Tab. VIH.
Fig. 22, Helleborus foetidus Tab. VII. Fig. 20. 21), bilden die Blätter von Iris florentina, indem bei die-
sen die Porenzellen ebenfalls noch zum Theile unter den Epidermiszellen verborgen liegen, die letztern aber
einen abgerundeten Rand besitzen, und nicht in eine vorstehende Kante verlängert sind (Tab. VII. Fig. 16.19).
Von dem Falle endlich, dass, wie bei der Mehrzahl der Proteaceen, die Porenzellen selbst in einen
kleinen Wall erhoben sind, zeigen die Blätter von Crinum africanım (Tab. VI. Fig. 13. 18) ein’ sehr
ausgezeichnetes Beispiel.
Es folgt aus diesen Beobachtungen, dass die in den neueren Zeiten vielfach geäusserte Ansicht, es
seien die Spaltöffnungen als Drüsen zu betrachten, und die Continuität der Blattoberfläche sei an den Stel-
len, wo sie liegen, nicht unterbrochen, unrichtig ist und dass die von SprenGeL, MoLDENHAWER, TREVIRA-
xus u. A. vertheidigte Ansicht, dass sie wirkliche, zwischen den Epidermiszellen liegende Oeffnungen sind,
vollständig gerechtfertigt wird. Der Zweck dieser Oeffnungen wird aus dem Verhältnisse derselben zu den
Intercellulargängen klar. Die unter den Spaltöffnungen im Mesophyllum liegenden Höhlen sind nämlich we-
der von den Intercellulargängen abgeschlossen, noch führen diese eine tropfbare Flüssigkeit, wie diese bei-
den Puncte von den Phytotomen behauptet werden, sondern die Intercellulargänge aller ausgebildeten Theile
der Pflanzen führen Luft, und stehen durch die Höhlen in den Blättern und durch die Spaltöffnungen mit
der Atmosphäre in directer Verbindung. Wir finden also bei den Pflanzen in Hinsicht auf die Art und Weise,
wie die atmosphärische Luft mit den innern Theilen in Berührung gebracht wird, im Allgemeinen eine grosse
4) Ich habe schon früher in meiner Schrift über die Poren des Pflanzenzellengewebes (p.15. Tab. I. Fig. 4)
auf diese Bildung der Epidermis bei Cycas aufinerksam gemacht, dagegen den Fehler dabei begangen,
dass ich die Oefinung in der Spitze des Hügels als die Spaltöffnung beschrieb, indem ich diese selbst über-
sehen hatte.
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50 —
Uebereinstimmung mit den Insekten, indem die Interzellulargänge, wie bei diesen die Tracheen, ein durch
den ganzen Pflanzenkörper sich verzweigendes Netz von Kanälen bilden, und so eine Wechselwirkung der
Luft mit dem in den einzelnen Zellen eingeschlossenen Safte möglich machen. Dass ein durch die ganze
Pflanze verzweigtes Athmungs-System bei dem Mangel eines Circulations Systemes für die Pflanze nothwen-,
dig sei, fühlten die Pflanzerphysiologen schon längst, und gaben sich daher viele Mühe, einen Zusammen-
hang zwischen den Spiralgefässen und den Spaltöffnungen aufzufinden; wie wenig jedoch dieses gelungen,
ist bekannt. Schwierig bleibt es immer, auf eine genügende Weise zu erslären, wie die Luft in dem engen
Netze der Intercellulargänge circeuliren kann, da der Pflanze das Vermögen, sich zu bewegen, fehlt, wodurch
das Insekt die Luft in seine Tracheen einzieht und wieder aus denselben ausstösst.
Erklärung der Abbildungen.
Sämmtliche Abbildungen sind mittelst des Sömmerring’schen Spiegels nach einer 200maligen Vergrösserung
gezeichnet, mit Ausnahme von Fig. 14 und 15 der VIilten Tafel, welehe um die Hälfte schwächer vergrössert sind.
Tab. VH.
Fig. 4. Epidermis von Hakea nitida. a. Oefinung, welche in die oberhalb der Spaltöffnung liegende Höhle
führt. 2. Niederer, aus den Epidermiszellen gebildeter, diese Oeffnung umgebender Wall.
Fig. 2. Querschnitt durch einen Theil des Blattes von Aukea nitida. a. Epidermiszellen. d. Wall, welcher
die Oeffnung umgiebt, welche zu der oberhalb der Spaltöffnung liegenden Höhle /e) führt. c. Innere Porenzelle.
d. Aeussere Porenzelle. /. Grüne Zellen des Mesophyllum. g. Dickwandige, ungefärbte Zellen des Mesophyllum
h. Unter der Spaltöffnung liegende Höhle. :, Theil eines Gefässbündels. }
Fig. 5. Epidermis von Hakea florida. a. WVallöftnung. 2. Aus den Epidermiszellen gebildeter Wall.
Fig. 4. Ansicht einer Spaltöffnung von Hakea nitida von der innern Seite. a. Quer durchschnittene grüne
Zellen des Mesophyllum (Fig. 2./.). d. Ungefärbte, dickwandige Zellen des Mesophyllum (Fig. 2. g.). c. Innere
Porenzelle. d. Aeussere Porenzelle.
Fig. 5. Querschnitt der Epidermis von Hakea floridı. a. Epidermiszellen. 2. Durchschnittener Wall. c. In-
nere Porenzellen. d. Acussere Porenzelle. e. Parenchymatose Zellen, welche die Porenzellen mit den Epider-
miszellen verbinden. f. Zellen des Mesophyllum,
Fig. 6. Epidermis von Hukea floridı, von der innern Seite aus gesehen. a. Epidermiszellen. 2. Parenchy-
matose, zwischen die Epidermiszellen und die Porenzellen eingeschobene Zellen. c. Innere Porenzellen. d. Aeus-
sere Porenzellen.
Fig. 7. Querschnitt durch einen Theil des Blattes von Hukea puchyphyllu Sieb. «. Epidermiszellen. 5. Durch-
schnittener Wall. c. Innere Porenzelle. d. Aeussere Porenzelle. e. Unter der Spaltöffnung liegende Hölle.
f. Zellen des Mesophyllum.
Fig. $. Epidermis von Protea mellifera, von oben beleuchtet. a. Wall. 2. Epidermiszellen, deren äussere
Wandung in der Mitte in einen Hügel erhoben ist.
Fig. 9. Epidermis von Protea mellifera, von unten beleuchtet. Durch die Oeffnung des Walles (a) sich-
man die Spaltöffnung. Der Hügel der Epidermiszellen (6) ist bei dieser Beleuchtung nicht sichtbar.
Fig. 10. Querschnitt der Epidermis von Protea melaleuca. a. Epidermiszellen. 2. Wall. c. Innere Porent
zellen. d. Aeussere Porenzellen.
Fig. 11. Epidermis von Prote« melaleuca, von der innern Seite gesehen. a. Innere Porenzellen. 3. Aeussere
Porenzellen.
Fig. 12. Querschnitt durch die Epidermis von Cycas revoluta, von der untern Seite des Blattes. a. Wall.
d. Aeussere Porenzellen. c. Innere Porenzellen.
Fig. 15. Querschnitt durch die Epidermis von 4gave lurida. «a. Epidermiszellen. 3. Wall. ce. Porenzellen.
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Pr ER, Fig. 14. Querschnitt durch einen Theil des Blattes von Protea mellifera. a. Epidermiszellen, deren äussere
“ endune in. :inen Hügel erhoben: ist. b. Wall. c. Aeussere Porenzelle. d. Innere Porenzelle. e. Unter der
m Bäliegende, Hölle. fa Zellen des Mesophyllum.
E. er , Tab. VII.
u. 2 . RR
u Fig. 1. Epidermis von _Mimetes capitulata. a. Wall. d. Spaltöffnung. c. Porenzelle.
a Fig. 2. Querschnitt der Epidermis von Mimetes capitulata. a. Epidermiszellen. 6. Porenzellen, welche in
i einen niedern Wall (c) erhoben sind.
v Fig. 5. Querschnitt der Epidermis ı von Hukea saligna. «a. Epidermiszellen. 2. Innere Porenzellen. c. Aeus-
sere endilen d. Zellen des Mesophyllum. e. Unter der Spaltöffnung liegende Höble.
“ Fig. 4. Epidermis von Grevillea oleoides Sieb. a. Porenzellen, welche in einen sehr niedern Wall erhoben sind.
Fig. 5. Epidermis von /ukea saligna. a. Epidermiszellen. 5. Aeussere Porenzellen. c. Innere Porenzellen.
Fig. 6. Querschnitt der Epidermis von Persoonia myrtiloides. Der Schnitt ist der Länge nach durch die
Spaltöffnung geführt. a. Epidermiszellen mit sehr enger Höhlung (a) und selır dicker äusserer Wandung (d)-
d. Porenzelle, deren äussere Wandung in einen Wall (c) erhoben ist.
Fig. 7. Querschnitt durch die Epidermis von Grerille« oleoides. a. Querschnitt der in einen niedern Wall
erhobenen Porenzellen.
Fig. 8. Epidermis von Persoonia myrülloides. a. Wall. 5 Porenzelle.
Fig. 9. Querschnitt durch einen Theil des Blattes von Persoonia myruülloides. a. Epidermiszellen mit sehr
dicker äusserer Wandung (d). d. In querer Richtung durchschnittene Porenzelle, welche in einen Wall (e) er-
hoben ist. e. Unter der Spaltöffnung liegende Höhle. f. Zellen des Mesophyllum.
Fig. 10. Epidermis von Zeucadendron decorum. a. Porenzellen, welche in einen Wall erhoben sind. f. Wall,
unter welchem die Porenzellen weggeschnitten sind.
Fig. 44. Querschnitt durch die Epidermis von Zeucadendron decorum. Der Schnitt ist der Länge nach durch
die Spaltöffnung geführt. a. Epidermiszellen. 5. Porenzelle, welche in einen niedern Wall (ec) erhoben ist.
Fig. 42. Querschnitt durch die Epidermis von Zeucadendron decorum, in senkrechter Richtung auf die Spalt-
öffnung geführt. a. Epidermiszellen, d. Porenzellen. c. Wall der Porenzelle.
Fig. 15. Epidermis von Crinum africanum. a. Epidermiszellen, deren äussere Wandung mit erhabenen Fa-
sern besetzt ist. d. Wall der Porenzellen. c. Porenzelle.
Fig. 14. Epidermis von Marchantia conica. a. Epidermiszellen. d. An der Spitze durchbrochener, von der
Epidermis gebildeter Hügel.
Fig. 15. Querschnitt durch die Frons von Marchantia conica. a. Epidermis. 2. Hügel derselben, welcher
an der Spitze geöffnet ist und eine geräumige Höhle umschliesst. c. Flaschenförmige, den Boden dieser Höhle
bildende Zellen. d. Grüne, parenchymatose Zellen der Frons. e. Ungefärbte, untere Zellenlagen der Frons.
Fig. 16. Querschnitt durch die Epidermis des Blattes von Iris florentina. a. Epidermiszellen. 5. Grüne par-
enchymatose Zellen. c. Porenzellen, halb bedeckt von den anliegenden Epidermiszellen (d).
Fig. 47. Querschnitt durch die Epidermis des Blattes von Sunseviera zeylanica. a. Epidermiszellen. 2. An
die Porenzellen (c) anstossende, vergrösserte, in einen niedern Wall (d) erhobene Epidermiszellen.
Fig. 18. Querschnitt durch einen Theil des Blattes von Orizum africanum. a. Epidermiszellen. 5. Aeussere,
mit faserähnlichen Erhabenheiten besetzte Wandung derselben. c. Porenzellen, welche in einen Wall (d) erhoben
sind. e. Unter der Spaltöffnung liegende Höble. ‚f. Zellen des Mesophyllum. ;
Fig. 19. Epidermis von Iris florentina. a. Epidermiszellen. 5. Grüne parenchymatose Zellen des Meso-
phyllum. c. Von den Epidermiszellen halb bedeckte Porenzellen.
Fig. 20. Querschnitt durch die Epidermis der untern Blattfläche von Helleborus foetidus. a. Epidermiszellen.
c. Porenzellen. d. An die Porenzellen anstossende, und von denselben zum Theil bedeckte Epidermiszellen.
Fig. 21. Epidermis der untern Blattfläche von Helleborus foeidus. a. Epidermiszellen. db. Porenzellen, welche
zum Theile über den anliegenden Epidermiszellen liegen. c. Spaltöffnung.
Fig. 32. Epidermis von der untern Fläche des \Vedels von Scolopendrium. oflicinarum. a. Epidermiszellen,
welche Chlorophylikörner enthalten. 2. Porenzellen.
32*
XVIM.
Ueber
die Entwicklung der Spaltöffnungen.
(Aus der Linnaea. 1858.)
So viel mir bekannt ist, hat über die Art und Weise, wie sich die Spaltöffnungen entwickeln, bis jetzt
MırgeL allein Beobachtungen bekannt gemacht, und zwar über die Entwicklung der Spaltöffnungen von
Marchantia polymorpha. Er giebt an, dass sich bei dieser Pflanze die Spaltöffnungen auf eine doppelte
Weise entwickeln. Einmal bemerke man an der Stelle, wo sich eine Spaltöffnung bilde, eine kleine Grube in
der Epidermis, deren Boden von einer Epidermiszelle eingenommen sei, und welche von vier andern Zellen
umgeben werde. Diese mittlere Zelle verschwinde nun (se detruit), und dadurch werde die Oeffinung der
Spaltöffnung erzeugt. Dieses sei der. gewöhnliche Vorgang auf den blattartigen Ausbreitungen von Mar-
chantia. Auf den Blüthenstielen finde dagegen gewöhnlich ein anderer Vorgang statt. Hier werde nämlich
der Boden der Grube von drei bis fünf Zellen von keilförmiger Gestalt, welche in der Mitte zusammenstos-
sen, gebildet, und diese Zellen treten später auseinander, so dass sie eine sternförmige Oeffnung zwischen
sich lassen. Die Zellen ziehen sich immer mehr nach aussen zurück, verwandeln sich in den Ring der
Spaltöffnung (anneau obturateur), während die im Umkreise gelegenen Epidermiszellen den Rand (Wall) der
Spaltöffnung bilden.
Es ist deutlich, dass in dieser Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Spaltöffnungen eine Lücke
ist, indem sie nicht erklärt, wie dieselbe Form der Spaltöffnung aus diesen beiden Entwicklungsarten hervor-
gehen kann. Man sieht nämlich nicht ein, wie sich bei der ersten der angegebenen Arten der Entwicklung
die Porenzellen (Mırser’s anneau obturateur) ausbilden. Wenn sich die Spaltöffnung durch das Verschwin-
den einer Epidermiszelle bildet, und die umliegenden Epidermiszellen den Wall bilden, so besteht die Spalt-
öffnung nur aus einer einfachen Oeffnung; dieses findet man aber bekanntlich in der Natur nicht, sondern
innerhalb der Wallöffnung liegen zwei oder mehrere Zellen (Porenzellen), welche die Spaltöffnung selbst ein-
schliessen. Die Entstehung von diesen Porenzellen ist nun zwar wohl bei der zweiten von MırseL beobach-
teten Entwicklungsweise deutlich, aber nicht bei der ersten.
Ich versuchte mir hierüber durch Untersuchung von Marchantia polymorpha Aufklärung zu ver-
schaffen, kam aber damit nicht ins Reine, indem bei dieser Pflanze die Untersuchung der frühesten Zustände
— 2593 —
we
# rR der Epidermis, ihre bedeutenden Schwierigkeiten hat, insofern sich die Epidermis nur mit Hülfe des Messers
rg. abschneiden , aber nicht rein vom ner sehden Parenchyme abziehen lässt; da auf diese Weise immer ei-
k & ige unter liegende Parenchymzellen mit der Epidermis abgetrennt werden, so hindern diese die feinen Ver-
2
£ q N
I d
:
£ Y änderungen, die in den entstehenden Spaltöffnungen vorgehen, mit gehöriger Bestimmtheit zu erkennen.
vr
Mr, % ® Desshalb beschränke ich mich, von diesen Untersuchungen nur das anzuführen, dass ich auf dem Laube die
I 8 " Spaltöffnungen auf die zweite, von MırBEL Deschrehene Weise entstehen sah, dagegen die Entstehung der-
selben durch Verschwinden einer Zelle nicht beobachten konnte.
ı ® Me Dagegen glaube ich die Entwicklung der Spaltöffnungen ziemlich vollständig auf den Blättern von
Hyacinthus orientalis verfolgt zu haben. Ich wählte diese Blätter, weil nicht nur die Spaltöffnungen der-
® selben eine ziemliche Grösse besitzen, sondern besonders desshalb, weil diese Blätter bei ihrem Wachsthume
von oben nach unten die Bequemlichkeit gewähren, dass man an demselben Blatte alle Entwicklungsstufen
der Spaltöffnungen verfolgen kann, insofern dieselben an dem älteren, oberen Theile des Blattes schon voll-
ständig ausgebildet sind, während sie an dem unteren, erst kürzlich gebildeten, noch in der Zwiebel einge-
schlossenen und ungefärbten Theile nach nicht vorhanden sind.
An diesem unteren Theile der Blätter finden sich zwischen den Epidermiszellen kleinere viereckige
Zellen, deren Querdurchmesser etwas grösser als der Längendurchmesser ist. Diese Zellen sind wie die
Epidermiszellen ungefärbt, bald ohne festen Inhalt, bald enthalten sie eine feinkörnige Masse.
Weiter nach oben, gegen die Spitze des Blattes hin, trifft man in diesen Zellen den körnigen Inhalt zu
einer kuglichen Masse zusammengeballt, welche jedoch häufig nicht scharf begrenzt ist. Zugleich bildet sich
in der Mitte der Zelle, in der Längenrichtung des Blattes eine Scheidewand. Diese ist anfänglich nur sehr
leicht angedeutet, bald aber sind die Linien, welche sie begrenzen, dann so deutlich sichtbar, als die Linien,
welche die Seitenwandungen der Zellen bezeichnen.
Nun beginnt diese Scheidewand doppelt zu werden; ihre beiden Blätter treten in der Mitte ausein-
ander, wodurch die erste Andeutung der Spaltöffnung selbst gegeben, und die ursprünglich einfache Zelle in
die beiden Porenzellen gespalten ist.
Im weitern Verlaufe vergrössern sich die Porenzellen und mit denselben, und zwar in stärkerem Verhält-
nisse, die Spalte zwischen ihnen; die körnigschleimige Masse ist immer noch an der innern Wandung der
Porenzellen, welche aus der später entstandenen Scheidewand sich entwickelt hat, angehäuft und steht durch
fadenförmige Fortsätze mit den übrigen Wandungen der Zelle in Verbindung ).
Bei der vollkommen entwickelten Spaltöffnung ist endlich der Inhalt der Porenzellen gleichförmig
durch ihre Höhlung vertheilt, und es haben sich Chlorophylikörner in ihnen gebildet.
Die beschriebene Entwicklungsgeschichte verläuft bei jeder Spaltöffnung ganz regelmässig, aber nicht
1) Solche Fäden, durch welche eine in der Zellenhöhle liegende schleimige Masse mit den Zellwandungen
in Verbindung gesetzt wird, kommen nicht blos hier, sondern überhaupt nicht ganz selten vor, z. B. in
den Haaren junger Kürbisstengel, in den Gliedern der Zygnemen.
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immer trifft man an derselben Blattstelle sämmtliche Spaltöffnungen genau auf derselben Entwicklungsstufe,
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sondern häufig eilen die einen den nebenliegenden etwas voraus.
Ob die hier gegebene Beschreibung der Entwicklung der Spaltöffnungen auf alle Fälle passt, oder ob
bei anderen Pflanzen sich wesentliche Abänderungen im Verlaufe der Entwicklung finden , hierüber habe ich
noch keine Beobachtungen angestellt; wohl aber mag es nicht unwahrscheinlich sein, dass die erste von
MirseL angegebene Entwicklungsweise gar nicht für sich int auftritt, sondern dass sie die erste Stufe der
zweiten ist, dass nicht ein Verschwinden der mittleren Zelle vorkommt, sondern dass sich dieselbe bei Mar-
chantia in vier, wie bei Hyacinthus in zwei, Porenzellen theilt.
Nachtrase.
Gegen die im Voranstehenden gegebene Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Spaltöffnungen
ist Dr. Näceuı (Linnaea. 1842. 237) aufgetreten. Nach seiner Angabe besteht die Epidermis in der Jugend
aus viereckigen Zellen von gleicher Grösse, von denen jede einen Cytoblasten enthält. Während sich später
der eine Theil dieser Zellen (die künftigen Epidermiszellen) in die Länge ausdehnt, bleibt ein anderer Theil
(die künftigen Hautdrüsenzellen) kleiner und wächst nur in die Breite. Vom Kerne dieser Zellen gehen mei-
stens Saftströmungen aus, welche unter der Form von Fäden oder Ringen erscheinen. Später findet man
an der Stelle des früher einfachen Cytoblasten zwei nebeneinander liegende Kerne, von welchen es dem Ver-
fasser gewiss zu sein scheint, dass sie nicht aus dem ursprünglichen Kerne, etwa durch Selbsttheilung her-
vorgegangen seien, indem er immer einige Zellen gefunden habe, die einen viel blasseren und schwachkör-
nig erscheinenden Kern enthielten, und andere, welche gar keinen Kern hatten; von jenen Zellen glaubt er
nun, dass sie den ursprünglichen, gerade in Resorption begriffenen Cytoblasten enthalten, von diesen, dass
der Cytoblast in ihnen völlig verschwunden ist und die zwei neuen noch nicht aufgetreten sind. Nachdem
die zwei Kerne gebildet sind, tritt bald eine Scheidewand auf, welche die ursprüngliche Zelle theilt; diese
Scheidewand ist nichts anderes, als die aneinanderstossenden Membranen zweier neuer, individueller Zellen.
Es war Dr. Näcerı zwar nicht möglich, diese Zellen in ihrer Entwicklung selbstständig zu sehen, es gelang ihm aber
zuweilen, dieselben durch Endosmose von Wasser in einem sehr frühen Zustande von der Mutterzelle zu
isoliren und als besondere Zellen darzustellen. Einigemahle bemerkte er auch oben und unten an der Mut-
terzelle ein kleines, nach innen hervorragendes Wärzchen, von welchem er annimmt, dass es wahrscheinlich
als Leiste ringsum verlaufe und einem Intereellulargange zwischen der Mutterzelle und den zwei Tochterzel-
len (den Hautdrüsenzellen) entspreche. Nun vergrössern sich die zwei Hautdrüsenzellen, ihre Cytoblasten
werden resorbirt, mitten zwischen den Zellen wird eine Luftblase ausgeschieden, welche grösser wird und
die Spaltöffnung erzeugt. Später verwandelt sich der schleimige Inhalt der Hautdrüsenzellen in Amylum
und Chlorophyll und es werden die Mutterzelien resorbirt.
In Folge dieser abweichenden Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Spallöffnungen versäumte
ich es nieht, meine Untersuchungen über diesen Gegenstand wieder aufzunehmen und denselben an den
u
Un
—_— 259 —
Blättern verschiedener Monocotyler,, hauptsächlich an denen von Hyacinthus orientalis und Nereissus
Jongquilla, so weit es mir meine optischen Hülfsmiltel gestatteten, zu verfolgen. Das Resultat dieser neue-
ren Untersuchungen kann mich keineswegs bewegen, meine frühere Darstellung als irrig zurückzunehmen.
Ich kann zwar selbst meine Untersuchungen über dieses Organ nicht für geschlossen erklären, indem die
Beschaffenheit meines (Prössı’schen) Mikroskopes mir nicht gestaltete, die Untersuchung des wichtigsten
hiebei in Frage kommenden Punktes, nämlich der Bildung der Scheidewand so weit zu verfolgen, dass ich
selbst durch dieselben befriedigt wäre, dagegen liefern, wie ich glaube, dennoch diese Untersuchungen einen
hinreichenden Beweis, dass bei der Bildung der Spaltöffnungen der von Nägezı angegebene Vorgang nicht
stattfindet.
Die folgende Beschreibung und die Abbildungen (Tab. IV. Fig. 30—36) beziehen sich auf die Spalt-
Öffnungen der Blätter von Narcissus Jonquilla, bei welchen im Wesentlichen ganz dieselben Erscheinun-
gen, wie bei Hyacinfhus, zu beobachten sind.
Was zuerst den von Nägzrı angegebenen Punkt betrifft, dass ursprünglich alle Zellen der Epidermis
gleich gross seien, dass alsdann ein Theil derselben sich in die Länge ausdehne, während die anderen, aus
denen später die Spaltöffnungen hervorgehen und welche ich Spaltöffnungszellen nennen will, kleiner bleiben
und blos in die Breite wachsen, so kann ich diesen Vorgang nicht ganz bestätigen. Anfänglich und zwar
noch zu einer Zeit, in welcher die Epidermiszellen bereits weit länger, als die Spaltöffnungszellen in einem
weit späteren Stadium sind, trifft man von den letzteren an der abgezogenen Epidermis noch keine Spur an.
Dieselben treten erst später in der Schichte der Epidermiszellen auf und zwar nur scheinbar unter der Form
von sehr schmalen, stark in die Breite gezogenen, viereckigen Zellen. Eine nähere Untersuchung lässt er-
kennen, dass man in denselben nicht gewöhnliche, im Wachsthum zurückgebliebene Epidermiszellen vor
sich hat, dass ihre Eorm nicht viereckig ist, sondern dass sie rundlich sind, dass sie nicht in derselben
Fläche mit den Epidermiszellen liegen, sondern dass die letzteren mit ihren Rändern über dieselben über-
greifen und eine viereckige Lücke (Tab. IV. Fig. 30. a) frei lassen, in welcher ein verhältnissmässig ziemlich
kleiner Theil der Spaltöffnungszelle, welche allen ihren Verhältnissen nach weit eher dem unterliegenden
Parenchyme, als der Epidermis angehört, frei liegt ). Rings um diese Lücke sind die Epidermiszeilen mit
der Spaltöffnungszelle fest verwachsen ?). Die Spaltöflnungszellen (Fig. 30. b. b) sind kugellörmig oder
4) Ich habe dieses Uebergreifen der Epidermiszellen über die Spaltöffnungszellen absichtlich in den übrigen
Figuren nicht angedeutet, indem dadurch die Darstellung des Inhaltes der Zellen undeutlich geworden
wäre, auch erkennt man dieses Verhältniss, wenn der Focus des Mikroskops auf den Inhalt der Spalt-
Öffnungszelle eingestellt ist, nicht oder nur undeutlich; um es deutlich zu sehen, muss man auf die äus-
sere Wand der Epidermis einstellen.
2) Es geschieht häufig beim Abziehen der Epidermis von sehr jungen Theilen der Blätter, dass man
nicht die ganze Epidermis, sondern nur die äussere \Vandung der Epidermiszellen unter der Form einer
sehr zarten, zusammenbängenden Membran abzieht, in welchem Falle von der Spaltöffnungszelle nur der
in der Lücke frei liegende Theil mit abgezogen wird, der ganze übrige Theil dagegen auf dem Parenchyme
des Blattes zurückbleibt. Dieser Umstand muss bei Untersuchung dieser Theile wohl beachtet werden,
weil man sich sonst nicht blos über die Form der Spaltöffnungszelle täuscht, sondern hauptsächlich dess-
— 2356 —
quer elliptisch. In jeder liegt ein grosser Nucleus, in welchem nur mit Mühe und nicht immer ein deut-
liches Kernkörperchen unterschieden werden kann. Der übrige Raum der Zelle enthält eine schleimig kör-
nige Substanz, welche besonders an den Wandungen der Zelle angehäuft ist und zum Theile in der Form
von Strahlen mit der schleimigen Umhüllung des Nucleus in Verbindung steht. Lässt man Substanzen,
welche eine Zusammenziehung des stickstoffhaltigen Inhaltes der Zelle veranlassen (wie Säuren, Alcohol,
eine concentrirte Zuckerauflösung) auf die Zelle einwirken, so löst sich der Primordialschlauch !) von der
Zellwandung ab; seine Zusammenziehung ist jedoch nicht so stark, als in den Epidermiszellen.
Bei weiter vorgeschrittener Entwicklung enthält die Spaltöffnungszelle anstatt des früher einfachen
Nucleus zwei nebeneinander liegende Kerne (Fig. 30.c), zwischen welchen sehr bald eine zarte, oft kaum
sichtbare Scheidewand auftritt (Fig. 31). Hier findet nun zwischen meiner und Nägeur's Erklärung des Entwick-
lungsganges die hauptsächliche Differenz statt. Vor allem ist die Frage zu lösen, was ist dieScheidewand, gehört
sie der Spaltöffnungszelle an, oder besteht sie aus den aneinander liegenden Wandungen zweier neu gebil-
deter Tochterzellen? Die Entscheidung dieser Frage ist sehr schwierig. Der Uebergang der einfachen
Zelle in die Doppelzelle scheint ungemein rasch zu erfolgen, indem nur sehr selten Formen, welche als
Uebergangsbildungen betrachtet werden können, aufzufinden sind. Näckrı giebt selbst an, dass er die Ent-
wicklung der Tochterzellen nicht habe beobachten können, er schliesst auf ihre Existenz aus Erscheinungen,
welche er nach vollendeter Bildung der Scheidewand an der Doppelzelle bemerkte. Wenn er in dieser Be-
ziehung angiebt, es erhelle die Zusammensetzung der Scheidewand aus den aneinander liegenden Wandun-
gen zweier Tochterzellen daraus, dass sich die letzteren durch Endosmose von VWVasser von der Mutterzelle
lostrennen lassen und wenn er diesen Vorgang durch Abbildungen (l. c. Tab. IX. Fig. 23. 24) erläutert, so
glaube ich mich in Folge meiner Untersuchungen berechtigt, durchaus zu läugnen, dass sich je die Spaltöff-
nungszelle durch Endosmose von der Scheidewand und zwei in ihr liegenden, diese Scheidewand bildenden
Tochterzellen ablöst und dass je die Spaltöffnungszellen das Aussehen, wie sie in den angeführten Figuren
dargestellt werden, zeigen, wenigstens hat mir lange und angestrengte Beobachtung, wobei ich die abge-
trennte Epidermis nicht blos mit WVasser, sondern auch mit Alcohol, mit Jodtinctur, mit schwachen und
halb, weil an diesen verletzten Zellen die. weiteren Veränderungen, die in den Zellen vorgehen, nicht be-
obachtet werden können. Ohne Zweifel hat sich Niserr durch solche verletzte Zellen zu der Annahme
verleiten lassen, dass viele Spaltöffnungszellen nicht zu voller Ausbildung gelangen und auf früheren Ent-
wicklungsstufen stehen bleiben, was ich bei keiner der von mir untersuchten monocotylen Pflanzen bestä-
tigt fand.
4) Mit dem Ausdrucke des Primordiulschlauches bezeichne ich eine mit Jod sich gelb färbende, folglich aus
stickstoffhaltender Substanz bestehende oder von derselben durchdrungene Haut, welche die Höhlung ju-
gendlicher Zellen auskleidet, den gesammten Zellinhalt mit dem Nucleus einschliesst und in den meisten
Fällen später wieder resorbirt wird. Diese Haut für eine blos künstlich bervorgebrachte Gerinnung eines
schleimigen Ueberzuges der Zelle zu halten, wofür auf den ersten Blick eine grössere Wahrscheinlichkeit
vorhanden zu sein scheint, hindert mich der Umstand, dass bei manchen Algen, namentlich bei Zygnema
diese Haut auch obne Anwendung künstlicher Mittel sichtbar ist (vgl. meinen Aufsatz über den Bau der
vegetab. Zelle in d. botan. Zeitung. 1844. 275 u. flg.).
— 297 —
starken Säuren, concentrirten Salzauflösungen u. s. w. behandelte, niemahls auch nur eine Spur von den
durch Näeeuı angegebenen Vorgängen gezeigt. Während es nicht gelingt, durch Endosmose die Spaltöf-
nungszellen auszudehnen und von zwei in ihnen enthaltenen Tochterzellen zu trennen, so ist es dagegen
sehr leicht, in der Höhlung der Spaltöffnungszelle durch Weingeist, Säuren u. s. w. zwei zellenähnliche Kör-
per zur Zusammenziehung zu bringen. Ist dieses geschehen, so zeigt die Anwendung von Jod, dass diese
vermeintlichen Tochterzellen sich gelb färben (Fig. 35. «.), dass sie daher gar keine Zellen, sondern Primor-
dialschläuche sind, zugleich sieht man, was die Hauptsache ist, dass die Scheidewand über dieselben am
obern und untern Ende hinausragt und unabhängig von ihnen mit der Wandung der Spaltöffnungszelle in
Verbindung steht. Hiemit ist freilich noch nicht bewiesen, dass die Scheidewand der Spaltöffnungszelle an-
gehört und dass sie nicht das Resultat der Verwachsung zweier, bei dieser Behandlungsweise nicht sichtbar
werdender Tochterzellen untereinander und mit der Spaltöffnungszelle ist und dass sich nicht die Primor-
dialschläuche in diesen Tochterzellen zusammengezogen haben; allein es spricht gegen die Annahme von
Tochterzellen die bestimmte ihätsachen dass es unmöglich ist, die Entstehung derselben zu beobachten.
Dass dieselben auf den Cytoblasten entstehen und sich ausdehnen, bis sie den Raum der Mutterzelle ausfül-
len, ist unmöglich, denn dieser Vorgang wäre nothwendigerweise mit Verdrängung des schleimig -körnigen
Inhaltes der Zelle und mit Bildung eines sich allmählig verkleinernden Intercellularganges rings um die
Tochterzellen verbunden. Von solchen Vorgängen, welche bei einiger Aufmerksamkeit nicht übersehen wer-
den könnten, sieht man hingegen keine Spur. Es bliebe also, um die Entstehung der Tochterzellen zu er-
klären, nur die Annahme übrig, dass dieselben gleich bei ihrer Entstehung die Mutterzelle ausfüllen und dass
sich die Membran derselben unmittelbar auf der innern Wandung der Mutterzelle, um den Inhalt derselben
niederschlagen würde. Zu dieser Annahme wären wir berechtigt, wenn es möglich wäre, die Tochterzellen
von der Mutterzelle zu isoliren, und somit ihre Existenz zu constatiren; dieses gelang mir aber, wie gesagt,
nicht und nach Näceur's Beschreibungen und Zeichnungen bin ich überzeugt, dass es ihm ebensowenig ge-
lungen ist. Da es nun aber eine billige Forderung ist, dass wir Zellen, an deren Existenz wir glauben sol-
len, mit dem Mikroskope auch sehen können und da wir weder für die eine noch für die andere Entstehungs-
weise dieser Zellen Bestätigung durch die Beobachtung finden können, so müssen wir, bis solches geschehen
ist, die Existenz dieser Zellen lJäugnen und annehmen, dass sich die Scheidewand auf eine andere Weise bil-
det. Gewissheit über die Art, wie dieses geschieht, kann nur die Beobachtung verschiedener Entwicklungs-
stufen der Scheidewand geben, aber gerade dieser Punkt ist wegen der Anwesenheit einer reichlichen Menge
von schleimig - körniger Masse in diesen Zellen, wenigstens mit Mikroskopen, welche nicht weit besser, als
unsere gegenwärtigen sind, ungemein schwierig auszumitteln. Wäre es möglich, durch die Anwendung von
Mineralsäuren den Inhalt der Zellen zu starker Contraction zu bringen, so wäre die Untersuchung sehr er-
leichtert. Leider gewinnt man aber durch diese Behandlung nicht viel, indem zwar allerdings diese Con-
traction erfolgt, aber zugleich die Zellwandung durch die Säuren zu stark aufgelockert wird, als dass mar
über ihre Beschaffenheit noch sichere Beobachtungen machen könnte. Bei Anwendung von Alcohol bleibt
zwar die Zellwandung unverändert, allein der Zelleninhalt contrahirt sich zu wenig
s, um die Veränderungen,
33
—_— 2358 —
welche an der Zellwandung vorgehen, mit völliger Bestimmtheit erkennen zu lassen. Unter diesen Umstän-
den bleibt eine Unsicherheit in der Beobachtung und ich wage es desshalb nicht, den Vorgang, wie ich ihn
aufgefasst habe, als einen über allen Zweifel erhabenen darzustellen, indem ich die Möglichkeit einer Täu-
schung von meiner Seite unbedingt zugebe. Soviel halte ich jedoch für sicher, dass die Umwandlung des
Inhaltes der Spaltöffnungszelle damit beginnt, dass der Nucleus durch Theilung in zwei nebeneinander lie-
gende Kerne zerfällt. Näceuı hält das für unwahrscheinlich und glaubt, es sei gewiss, dass der Nucleus re-
sorbirt werde und dass sich später zwei neue Kerne bilden. Von Erscheinungen, welche auf diese Auflösung
und die Bildung zweier neuer Kerne hinweisen, konnte ich bei Beobachtung von lauter unverletzten Spa't-
öffnungszellen (denn die auf die oben bemerkte Weise beim Abziehen der Epidermis verletzten, auf welche
ich wiederholt aufmerksam machen will, indem mir die wahre Beschaffenheit derselben längere Zeit hindurch
entgieng, eignen sich natürlicherweise zu weiteren Beobachtungen nicht) keine Andeutung finden. Nach der
Theilung des Nucleus beginnt die Bildung der Scheidewand mit dem Erscheinen einer rings um die Zelle
laufenden, in die Höhlung derselben vorspringenden Leiste. Auch Näcerı sah diese Leiste, hielt sie aber für
einen Intercellulargang, welcher zwischen den Tochterzellen und der Spaltöffnungszelle verlaufe. Dieser
Deutung widerspricht aber seine eigene Abbildung (l. c. fig. 25. c.), indem ein Intercellulargang so, wie er
hier abgebildet ist, gar nicht existiren kann; es lässt nämlich NÄezuı denselben in ziemlicher Entfernung von
den Zellen, durch deren Wandungen zwei seiner Seiten gebildet werden sollen, verlaufen, welcher Umstand
jede andere Erklärung eher zulässt, als die, es sei das fragliche Gehilde ein Intercellulargang. Gegen die
Ansicht, dass diese Leiste ein Intercellulargang ist, sprechen zwei Umstände. Einmal ist es unmöglich, eine
Höhlung in derselben zu beobachten , anderntheils scheint es, man könne in einzelnen Zellen, in welchen
diese Leiste bereits ausgebildet ist, durch Einwirkung von Alcohol und Jod den schleimigen Zellinhalt als
zusammenhängende Masse, welche jener Leiste entsprechend an beiden Enden einen seichten Ausschnitt hat,
zur Contraction bringen. Wenn dieses der Fall ist, und ich glaube, dass ich mich hiebei nicht getäuscht
habe, so ist es entschieden, dass jene Leiste nicht von der Membran zweier Tochterzellen gebildet ist, son-
dern dass sie von der Wandung der Spaltöffnungszelle selbst ausgeht, dass sie der erste Anfang einer noch
unvollständigen Scheidewand ist. Ob nun, ehe sich die Scheidewand vollständig ausbildet, der Primitiv-
schlauch sich theilt, oder ob diese Theilung mit der Bildung der Scheidewand gleichzeitig ist, war mir nicht
möglich auszumitteln. Die vollendete Scheidewand bildet eine unmittelbare Fortsetzung der früher ringför-
migen Leiste und schliesst sich scharfwinklig und, wie gesagt, ohne die geringste Andeutung eines Intercellu-
larganges an die Wandung der Spaltöffnungszelle an (fig. 35).
Nach der Bildung der Scheidewand vergrössert sich die Doppelzelle rasch, die beiden Kerne liegen an
der Scheidewand (fig. 32) an, der schleimig-körnige Inhalt füllt jetzt nur einen kleinen Theil der Zellhöhlung
aus und ist hauptsächlich an der Peripherie der Zelle zu finden. Nun beginnt die Bildung der Spaltöffnung.
Dass derselben die Ausscheidung eines Gasbläschens in der Scheidewand vorausgehe, dass also die Spaltung
der Scheidewand in zwei getrennte Blätter vom Centrum derselben gegen ihren äussern und innern Seiten-
rand hin fortschreite, wie NÄcELı angiebt, muss ich aufs bestimmteste in Abrede stellen. Die Spaltöffnung
— 259 —
entsteht dadurch, dass sowohl auf der oberen als unteren Seite der Spaltöffnungszelle sich über der Mitte
der Scheidewand eine seichte und kurze Furche bildet, welche, indem sie tiefer und länger wird, von aussen
nach innen in die Scheidewand eindringt, dieselbe in zwei Blätter spaltet und sich in eine trichterförmige,
von beiden Seiten zusammengedrückte Höhlung verwandelt, welche später mit der der entgegengesetzten
Seite in einer anfänglich kurzen (fig. 33), später zu einer Längenspalte ausgedehnten (fig. 34. 33. b.) Oefl-
nung zusammenmündet. Von einer Auflösung der Mutterzelle, welche die Näseur'sche Theorie verlangf,
konnte ich keine Spur bemerken, auch giebt Nägeuı nicht an, an welchen Erscheinungen dieselbe erkennbar
sein soll. Bei der ausgebildeten Spaltöffnung (fig. 36) sind die Kerne der Porenzellen aufgelöst und von
Chlorophyll grün gefärbte Amylumkörner, welche unregelmässig in den Zellen zerstreut liegen, gebildet
worden.
Es gereicht mir zu nicht geringer Befriedigung, dass mein verehrter Freund Unger bei seinen Unter-
suchungen über das Zerfallen der ursprünglich einfachen Spaltöffnungszelle in die zwei Porenzellen zu ganz
ähnlichen Resultaten, wie ich, gekommen ist (bot. Zeit. II. 522).
33%
— 260 —
XIX.
Ueber
die Cuticula der Gewächse.
(Aus der Linnaea. 1842. Hiezu Tab. IX und X.)
Zu den in Hinsicht auf Bau und Entwicklung noch höchst zweifelhaften Bildungen der Gewächse ge-
hört die sogenannte Cuticula. Nachdem in Folge der Untersuchungen der letzten Jahrzehende die Ansicht,
dass die Epidermis der Gewächse eine Zellenschichte und nicht eine einfache Membran sei, allgemein als
richtig erkannt worden war, so zeigte unerwarteter Weise An. Broxenıarr (Ann. d. sc. nat. sec. serie. I. 65),
dass sich von der Oberfläche der Epidermis durch Maceration ein dünnes, homogenes oder körniges Häut-
chen ablösen lasse, welches von den Wandungen der Epidermiszellen verschieden sei, über die Grenzen der-
selben ohne Unterbrechung fortlaufe, die ganze Pflanze mit Ausnahme der Wurzelschwämmchen und der
meisten Narben überziehe, und über den Spaltöffnungen durchbrochen sei. Diese Haut wird in den neueren
Schriften unter dem Namen der Cuticula aufgeführt !).
Trevıranus (Physiol. I. 448) bestätigte die Anwesenheit dieser äussern Haut, hielt sie jedoch nicht
für eine eigenthümliche Membran, sondern glaubte, dass sie einer immerwährenden Ablagerung einer gerinn
baren Materie von innen oder von aussen zugeschrieben werden müsse.
Zu einer andern Erklärung über ihre Entstehung muss ich leider mich selbst als Urheber bekennen,
nämlich zu der Ableitung der Cuticula aus einer die Epidermiszellen auf ihrer äussern Seite überziehenden
Schichte von Intercellularsubstanz. Ich erkenne diese Ansicht, ungeachtet der Stütze, welche sie durch VA-
LENTIN (Repertor. für Anat. u. Physiol. I. 100) erhalten hat, nun als durchaus irrig.
Lisk (phil. bot. edit. 2. I. 85) folgt der Ansicht von Brox6nsart, und spricht mit Bestimmtheit aus,
dass man die Cuticula weder als die verwachsenen äussern Zellwandungen, noch als eine Ablagerung gerinn-
4) Lisx (Element. philos. bot. edit. 2. I. 85) führt die Entdeckung der Cuticula auf Lupwıe zurück. Hieran
ist richtig, dass Lupwıc durch Maceration eine Membran von der Oberfläche der Pflanze ablöste, in wel-
cher er keine Fasern wahrnehmen konnte. Allein hierauf beschränkt sich auch seine ganze Kenntniss von
der Sache. Er kannte die eigentliche Epidermis nicht, indem er (instit. regni veget. edit. 2. {. 345) an-
giebt, dass die Rinde aus Cuticula und Parenchym bestehe; seine Ansicht ist also im Grunde dieselbe,
wie die vieler früheren Phytotomen, dass die Oberhaut der Pflanzen eine einfache Membran sei. Die Un-
terscheidung der Cuticula und der Epidermis wurde erst von An. Broxeszanr begründet.
— 261 —
barer Materie ansehen dürfe, wobei er sich auf die scharfe Grenze zwischen der Cuticula und den unterlie-
genden Zellen, so wie auf die abweichende Färbung, welche sie bei einigen Pflanzen zeigt, stützt.
Zu einem gänzlich verschiedenen Resultate gelangte MEyen (Wiegm. Archiv. 1837. I. 221. Physiol.
I. 176) bei seinen Untersuchungen, indem er in der Cuticula nur die verdickte äussere Wandung der Epi-
dermiszellen sah.
Dieser Erklärung widerspricht nun Scuueien, indem er mit Trevıranus die Cuticula für eine von
den Epidermiszellen secernirte Masse erklärt (Grundzüge d. wiss. Botanik. I. 288). Er giebt an, es zeige
sich zuerst eine gelatinose Substanz in den Fugen zwischen den einzelnen Zellen, welche erhärte und so ein
Fasernetz bilde; später bedecken sich die ganzen Zellen mit einer solchen Schichte, welche sich mit jenem
Netze verbinde und ebenfalls schnell erhärte; nun sondern die Epidermiszellen auf ihrer Oberfläche einen
weniger festen und dichten Stoff ab, der jene erste Schichte mit dem Fasernetze in die Höhe hebe und all-
mählig zu einer bedeutenden Dicke anwachse. x
Diese Verschiedenheit der Ansichten veranlasste mich, eine Reihe von Beobachtungen über diesen
Gegenstand anzustellen, deren Resultat ich im Folgenden darzustellen versuche.
Wenn man den Querschnitt einer Epidermis mit Jod behandelt, so bleiben in den meisten Fällen die
Wandungen der Epidermiszellen ungefärbt, und nur in einzelnen Fällen, z. B. beim Blatte von Cycas revo-
luta (Fig. 29), Hakea pachyphylla (Fig. 19), Elymus arenarius (Fig. 1) nehmen sie eine mehr oder we-
niger tiefe gelbe Färbung an; immer wird dagegen eine auf der Oberfläche der Epidermis liegende dünnere
oder diekere Schichte durch Jod tief gelb oder braun gefärbt. Bringt man die mit Jod behandelte Epidermis
in Schwefelsäure, so lösen sich die farblos gebliebenen Zellhäute auf, wobei sie in vielen Fällen eine eeHahe
Indigofarbe annehmen; die gelbgefärbte äussere Schichte (die Cuticula) dagegen bleibt unaufgelöst. Hierbei
verhält sie sich nicht bei allen Pflanzen genau auf dieselbe Weise; in den meisten Fällen zeigt die Schwefel-
säure gar keine Einwirkung, in andern ändert sich die Farbe der Cuticula in ein dunkleres Braun um, wel-
ches oft nach einiger Zeit verschwindet, in andern Fällen lockert sich die Cuticula etwas auf, ohne sich wirk-
lich aufzulösen, wobei sich gewöhnlich viele Luftbläschen in der Substanz derselben entwickeln, ohne Zweifel
in Folge der Zersetzung eingelagerter kohlensaurer Salze.
Bei Untersuchung zarter Querschnitte von weichen Organen, welche nicht mit einer lederartigen Epi-
dermis überzogen sind, z. B. von häutigen Blättern, krautartigen Stengeln, von Blumenblättern, Filamenten,
Ovarien, findet man gewöhnlich die äussere, mit Jod sich gelb färbende Schichte sehr dünn. Die Häute der
Epidermiszellen sind entweder alle von ungefähr gleicher Dicke, z. B. Elymus arenarius (Fig. 1), Vanilla
planifolia (Fig. 4), Helleborus foetidus (Fig. 6. 7), oder es ist die äussere Wandung der Epidermiszellen
bedeutend dicker, als die seitlichen und inneren Wandungen, z. B. bei den Blättern von Iris fimbriata
(Fig. 9), Dianthus plumarius (Fig. 8), bei den Filamenten von T'ulipa Gesneriana (Fig. 10).
Die Cuticula stellt sich in allen Fällen als eine zusammenhängende Membran dar, an welcher an den
Grenzen zwischen zwei unterliegenden Epidermiszellen kein Merkmal aufzufinden ist, dass sie aus einzelnen
Stücken, welche den äusseren Zellwandungen entsprechen, zusammengesetzt ist. Die äussere Fläche der
Cuticula ist entweder vollkommen glatt, oder mit geraden (Rume:r Patientia Fig. 3) oder unregelmässig
verzweigten (Helleborus foetidus Fig. 5) erhabenen Linien versehen, welche häufig ohne Unterbrechung
sich über die Grenzlinien der Zellen fortsetzen, oder sie ist mit kleineren oder grösseren Körnern besetzt,
wie dieses besonders bei vielen Haaren sich findet, z. B. bei denen von Campanula Medium, von vielen
Boragineen u. s. w. Diese Körner zeigen auf den Haaren häufig eine spiralige Anordnung, und gehen nicht
selten in dem unteren Theile des Haares durch Streckung in schief verlaufende Längenstreifen über, woraus
deutlich erhellt, dass die erhabenen Linien und die isolirten Körner Bildungen gleicher Art sind, und sich
nur durch ihre Form von einander unterscheiden. Auf dem Querschnitte (Fig. 6. Blatt von Helleborus
foelidus, Fig. 8. Blatt von Dianthus plumarüus) erkennt man, dass diese erhabenen Streifen mit einer
Faltung der ganzen Haut in Verbindung stehen.
Die Epidermiswandungen sind in vielen Fällen getüpfelt, gewöhnlich (z. B. Vanilla planifolia Fig. 4)
nur auf den Seiten - und innern Wandungen, seltener auch auf der äusseren Wandung, z. B. bei Cycas re-
voluta (Fig. 29) und bei Elymus arenarius Fig. 1 '). Bei denjenigen Zellen, bei welchen die äussere
Wandung dichter als die Seitenwandungen ist, scheint die Ablagerung von secundären Schichten, in welcher
diese Verdickung der äusseren Wandung begründet ist, nicht in allen Fällen auf dieselbe Weise zu erfolgen.
Bei manchen Pflanzen, z. B. bei Dianfhus (Fig. 8), setzen sich nämlich die seeundären Schichten der Sei-
tenwandungen deutlich in diejenigen secundären Schichten fort, welche in der äussern Zellwandung unmittel-
bar unter der primären Membran liegen, und es finden sich an der äussern WVandung unter den eben be-
merkten Schichten noch weiter nach innen gelegene Ablagerungen, welche sich nicht auf die Seitenwandungen
fortsetzen, oder deren auf die Seitenwandungen übertretende Fortsetzungen so dünn sind, dass sie nicht
nachgewiesen werden können. Bei andern Pflanzen dagegen, z. B. bei Tulipa (Fig. 10), gehen die secundä-
ren Schichten der Seitenwandungen in die innersten Schichten der äussern VWVandung über, und es findet
sich ausserha:b derselben noch eine Anzahl von Schichten, welche bloss auf der äussern VVandung, und
nicht auf den Seitenwandungen abgelagert sind. Diese letztere Bildung könnte leicht glauben lassen, dass
die Epidermiszelle nur aus den innersten, die Zellhöhlung rings umkleidenden Schichten bestehe, und dass
alle auf der äussern Fläche derselben abgelagerten Schichten nicht der Zellwandung selbst angehören, son-
dern auf der äussern Fläche der Epidermis secernirte Schichten seien. Die Betrachtung der weiter unten
angeführten Formen, z. B. der Epidermis von Hakea pachyphylla, wird dagegen das Irrige einer solchen
Erklärung nachweisen, und zeigen, dass alle die Schichten secundäre Ablagerungen in der Zellhöhlung sind.
Ein von dem bisher betrachteten scheinbar wesentlich verschiedener Bau findet sich bei der Epidermis
vieler dicker, fleischiger oder lederartiger Blätter. Hier findet man die äussere WVandung der Epidermiszel-
len im Verhältnisse zu den übrigen VVandungen derselben auffallend dick, und es färbt sich bei der Behand-
lung mit Jod nicht nur eine dünne, auf die Epidermis aufzelagerte Haut gelb, sondern es nimmt beinahe die
4) In Folge des bei den Gräsern gewöhnlichen zackigen Ineinandergreifens der Epidermiszellen (Fig. 2) an
den Grenzen der äussern und der Seitenwandungen kommt bei Elymus eine eigenthümliche Kreuzung der
im Winkel dieser Wandungen liegenden Tüpfelkanäle mit denen der anliegenden Zelle vor (Fig. 1.«).
— 263 —
ganze Masse der äussern Epidermiswandung diese Färbung an, auch widersteht diese ganze dicke Schichte
der Einwirkung der Schwefelsäure. Der wesentliche Unterschied der Cuticula dieser Blätter von der Cuticula
der dünnen Blätter besteht jedoch nicht in ihrer Masse, sondern in dem Umstande, dass sie, anstatt eine
homogene Schichte zu bilden, eine Zusammensetzung aus verschiedenen Theilen zeigt. Man sieht nämlich
auf einem dünnen und reinen Querschnitte, z. B. bei Aloe obliqua (Rig. 12), die Seitenwandungen der Epi-
dermiszellen durch die Cuticula sich fortsetzen, und in eine, die Epidermis auf ihrer äussern Seite be-
deckende Membran übergehen. Es kann somit keinem Zweifel unterworfen sein, dass hier die Cuticula, weit
entfernt, eine auf der äussern Fläche der Epidermis aufgelagerte, gleichförmige Membran zu sein, aus den
vereinigten äussern Wandungen der Epidermiszellen und einem Theile der in den Zellenhöhlungen abgela-
gerten, secundären Membranen besteht, und dass die chemischen Eigenschaften der Cuticula einer Metamor-
phose der Zellenmembran zuzuschreiben sind, welche nur in den nach aussen gelegenen Theilen der Epider-
miszelien eintritt.
Bei diesem Baue kommen nun mancherlei kleinere Abweichungen vor; bald zeigt die Substanz der
ganzen äusseren Zellwandung und der Seitenwandungen, so weit sie zwischen den seeundären Schichten lie-
gen, die Charaktere der Cuticula, z. B. bei Hoya carnosa (Fig. 14); bald liegt auf der innern Seite der Cu-
ticularschichten, so weit sie die äussere Wandung und einen Theil der Seitenwandungen der Epidermiszeilen
bilden, eine Schichte ungefärbten Membranenstoffes auf, z. B. Aloe obliqua (Fig. 12); bald überzieht diese
innere ungefärbte Schichte alle Seiten der Epidermiszellen, und scheint auf den ersten Anblick die ganzen
Zellwandungen zu bilden, z. B. Arbutus Unedo (Fig. 11), Cactus triangularis (Fig. 13), Viscum album
(Fig. 16); bald sind die primären Seitenwandungen der Zellen so weit in Cuticularmasse verwandelt, als sie
von gelben secundären Schichten überzogen sind, wie bei Alo& obliqua (Fig. 12), bald erstreckt sich diese
Umwandlung in den primären Seitenwandungen tiefer einwärts, als in den secundären Schichten, und es
springen desshalb die ersteren zwischen den ungefärbten, secundären Seitenwandungen unter der Form von
Lamellen vor, wie bei Arbutus Unedo (Fig. 11).
Wenn die geibe Masse, welche den äussern Theil der Zellenhöhle ausfüllt, gleichförmig erscheint, wie
in den eben angeführten Fällen, so überzeugt man sich nicht leicht davon, dass man es hier mit secundären
Zellmembranen zu thun hat, man kann im Gegentheile, besonders bei solchen Formen, bei welchen die un-
gefärbten innersten Schichten geschlossene Blasen bilden, wie bei Viscum (Fig.16), auf den Gedanken kom-
men, dass diese ungefärbten Häute die ganzen Epidermiszellen darstellen, und dass die gelbe oder braune
äussere Masse eine von den Zellen nach aussen abgesetzte Ablagerung sei, kurz durch diese Bildungen die
von TREVIRANUS und ScuLEIDEN aufgestellte Ansicht bewiesen glauben. Es liegt nämlich in diesen Fällen
blos in der Anwesenheit der primären Zellwandung auf der äussern Fläche der Cuticula, so wie in dem Um-
stande, dass die primären Membranen der Seitenwandungen bis zu dieser äussern Haut durch die Cuticula
durchlaufen, ein Anzeichen dafür, dass die gelben Schichten innerhalb und nicht ausserhalb der Epidermis-
zellen abgelagert sind. Da sich aber diese Bildung auch auf eine andere Weise, freilich, wie es mir scheint,
nur auf eine gezwungene Art, erklären liesse, so müssen wir uns nach Beispielen umsehen, welche weniger
— 264 —
zweideutig sind. Diese liefern folgende Beobachtungen. Bei der Epidermis des Stammes von Kleinia nerü-
folia fehlt, wie beiHoya carnosa, die innere ungefärbte Schichte, welche so leicht für die ganze Epidermis-
zelle gehalten wird, und es zeigt sich die äussere, verdickte, von Jod braungefärbte Membran sehr deutlich
aus vielen über einander liegenden Schichten zusammengesetzt, welche auf der äussern Wandung der Zelle
in der Zellenhöhlung abgelagert sind, und durch we!che die Fortsetzung der Seitenwandungen der Epidermis
als zusammenhängende Membran bis zur äussern Fläche sich hinzieht (Fig. 15.). Dieselbe Erscheinung tritt
bei der Epidermis des Blattes von Hakea pachyphylla ein (bei welchem jene innere Schichte zwar vorhanden
ist, sich aber mit Jod, wie die eigentliche Cuticula, gelb gefärbt, und sich durch ihre Tüpfel als secundäre
Membran ausweist, Fig. 19.), wenn die Epidermis mit Schwefelsäure behandelt wird (Fig. 20.), indem sich
nun ebenfalls eine deutliche Schichtung: in der, in der Zellenhöhle abgelagerten Masse zu erkennen giebt.
Bei der Epidermis von Hakea gibbosa (Fig. 18.) ist nicht nur ohne Behandlung mit Schwefelsäure die Schich-
tung im grössten Theile dieser ausfüllenden Masse deutlich, sondern es findet sich auch in derselben eine
grosse Anzahl von strahlenförmig aus einander tretenden, engen Tüpfelkanälen, welche keinen Zweifel über
die wahre Beschaffenheit derselben lassen. In manchen Fällen, wie bei Ta.cus baccata (Fig. 17.), weist auch
die verschiedene Färbung, welche die inneren und die äusseren Theile der Cuticula auf die Einwirkung von
Jod annehmen, auf eine ähnliche Schichtung hin.
Wenn sich in diesen Fällen mit höchster Evidenz nachweisen lässt, dass die Cuticula von den äus-
seren, verdickten VVandungen der Epidermiszellen gebildet wird, so ist dieses bei schr vielen andern, mit
einer dieken Cuticula versehenen Gewächsen nicht mit derselben Leichtigkeit zu erkennen, weil die ver-
schiedenen Theile, welche zu der Cuticula beitragen, mehr oder weniger vollständig zu einer homogenen
Masse verschmolzen sind.
Wir müssen hier mehrere Modificationen unterscheiden.
A. Beimanchen Pflanzen, z.B. Sanseriera zeylanica (Fig. 21.), Nerium Oleander (Fig. 22.), Agave
lurida (Fig. 23.) ist die primäre Zellwandung als besondere Schichte zu erkennen, ebenso sind an der vor-
deren VVandung und an der äusseren Hälfte der Seitenwandungen der Epidermiszellen mehrere Lagen von
secundären Zellmembranen zu unterscheiden, von welchen die innerste durch Jod nicht gefärbt wird, während
die weiter nach aussen gelegene Schichte bräunlich wird. Zwischen diesen Schichten und der primären
Wandung findet sich eine mehr oder weniger dicke, heller gefärbte, homogene Schichte. Vergleicht man
diese Bildungen mit der Epidermis von Ta:cus baccata (Fig. 17.), so kann es keinem Zweifel unterliegen,
dass diese mittlere homogene Schichte aus den äussersten secundären Membranen der Epidermiszellen be-
steht, welche eine so innige Verbindung unter einander eingegangen haben, dass die Grenzen zwischen den
verschiedenen Zellen nicht mehr sichtbar sind.
B. Sind im vorhergehenden Falle bei sichtbarer Schichtung der Zellwandung die Zellen seitlich unter
einander bis zum Verschwinden jeder Spur der ursprünglichen Trennung verschmolzen, so findet umgekehrt
in andern Fällen bei deutlicher Erhaltung der Grenzlinien zwischen den verschiedenen Zellen eine vollkom-
mene Verschmelzung der verschiedenen gelbgefärbten Schichten derselben Zelle statt, z.B. Phormium tenax
(Fig. 31.), Aloe margaritifera (Fig. 25. 26.).
C©. Endlich kommt es vor, dass diese innige Verschmelzung sowohl der Schichten jeder einzelnen
Zelle, als der verschiedenen Zellen unter einander sich zusammenfinden, so dass die Cuticula eine ganz
gleichförmige Masse bildet. Diese innige Verschmelzung findet sich bald nur in den äussern Schichten der
Cuticula, während in den tiefer gelegenen noch eine Unterscheidung der einzelnen Zellen und Membranen
möglich ist, z. B. bei Ephedra distachya (Fig. 28.), Dex Aqyuifolium (Fig. 24.), bald findet sie sich durch-
aus in der ganzen Cuticula, wie bei Phormium tenax (Fig. 27.*), Lomatophyllum borbonieum (Fig. 30.),
Ruscus aculeatus (Fig. 32.), Cycas revoluta (Fig. 29.).
Mit dieser letzten Form sind wir bei einer Modification der Cuticula angekommen, welche im wesent-
lichen mit des Cutieula der weichen, krautartigen Theile, von welcher wir ausgegangen sind, übereinstimmt.
In beiden Fällen stellt sich die Cuticula als eine homogene Membran dar, welche die Epidermiszellen auf
ihrer äussern Seite überzieht, mit dem einzigen Unterschiede, dass sie bei den dicken, lederartigen Blättern
einer Oycas eine dicke, bei den dünnen Blättern eines Dianthus eine dünne Lage bildet, und dass bei den
dicken Blättern die Cuticula meistens zwischen den Epidermiszellen zugeschärfte Verlängerungen einwärts
schickt. Wenn nun die angeführten Beobachtungen nachweisen, dass die Cuticula der lederartigen Blätter
keine eigenthümliche Membran ist, sondern aus der Vereinigung der primären Zellmembran und einer grös-
seren oder geringeren Menge von secundären Schichten der Epidermiszellen besteht, so sind wir gezwungen,
dieselbe Entwicklung auch für die dünne Cuticula der krautartigen Blätter anzunehmen.
Bei allen bisher betrachteten Formen der Cuticula lag dieselbe auf der äussern Seite der Epidermis-
zellen, oder war vielmehr durch Verdickung ihrer äussern Wandungen gebildet. Eine Ausnahme hievon
macht die Cuticula der Blätter von Billbergia zebrina‘(Fig. 33.) und Bromelia Ananas, indem hier die äus-
sere Wandung der Epidermiszellen nur eine mässige, die innere Wandung dagegen eine starke Verdickung
zeigt, und zugleich die unterliegende Zellschichte auf ihrer äussern Seite verdickte VVandungen besitzt, so
dass die hiedurch gebildete Cuticula zwischen zwei Reihen von Zellhöhlungen liegt.
Die Verbindung der Cuticula mit den übrigen Membranen der Epidermiszellen ist bei den Blättern
und beim Stamme eine sehr innige; ganz anders verhält es sich mit der Cuticulader Narbenpapillen mancher
Gewächse, indem sie einen grösseren Umfang als die von ihr eingeschlossene, aus secundären Membranen ge-
bildete Zelle besitzt, wie z. B, sehr schön bei Convallaria multiflora, Papaver orientale und Glaucium
luteum zu sehen ist. Nach der Angabe von Hawrıs (neue Theorie der Befrucht. der Pfl. S. 23.) bekleidet
in diesen Fällen die Cuticula nicht das ganze Haar, sondern tritt da, wo ein Haar an seiner Basis sich an
benachbarte Haare anschliesst, ohne Unterbrechung auf diese über, bildet daher für alle einen gemeinschaft-
8 8
4) Ich habe zwei Abbildungen der Epidermis von Phormium tenax gegehen (Fig. 27. und 51.); beide sind
nach Praeparaten von demselben Blatte, aber von den verschiedenen Seiten desselben, gefertigt. Obgleich
das Blatt dieser Pflanze keine obere und untere Seite besitzt, sondern beide Blattfllächen der Unterfläche
entsprechen, so ist doch die Epidermis beider Blattseiten nicht gleich, Dasselbe kommt auch bei den
Blättern mancher Irisarten vor.
— 266 —
lichen Ueberzug. Dieses kann ich nicht bestätigen, indem ich bei den eben genannten Pflanzen, und na-
mentlich bei Paparer orientale (Fig. 34.) die Epidermispapillen von einander trennte, und nun mit Bestimmt-
heit die Membran unter der Form einer geschlossenen Zelle das ganze Haar umgeben sah. Der Zwischen-
raum zwischen der äussern dünnen Membran (a.), welche sich mit Jod gelb färbt, und der innern dicken,
von Jod meist nicht färbbaren, secundären Membran (5.) ist mit Flüssigkeit erfüllt, durch welche sich die
Pollenschläuche, nachdem sie die äussere Membran durchbrochen haben, hinabziehen.
Ungeachtet die im Bisherigen angeführten Thatsachen den Schluss, dass die Cuticula von den äusseren
Schichten der Epidermiszellen gebildet wird, vollkommen rechtfertigen, so erschien mir doch längere Zeit
hindurch diese Ableitung als sehr zweifelhaft, weil die erhabenen Linien, welche sich bei sehr vielen Pflanzen
auf der Cuticula finden, häufig ohne alle Unterbrechung von einer Zelle auf die andere übergehen (vel. die
Cuticula des Stengels von Rumex Patientia Fig. 3. und des Blattes von Helleborus foetidus Fig. 5.) Es
schien mir dieses aus dem Baue der einzelnen Epidermiszellen nicht abzuleitende Verhältniss eher darauf
hinzudeuten, dass die Cuticula als eine besondere Membran zu betrachten sei. Diesem widersprach aber
nun zu sehr das Ergebniss der oben angeführten Beobachtungen, als dass ich diese Ansicht hätte für richtig
erkennen können; auch scheint in der That das Fortlaufen der erhabenen Linien über die Zellengrenzen bei
genauerer Betrachtung nicht im Widerspruche mit der oben gegebenen Darstellung von der Entstehung der
Cuticula zu sein. |
Die Untersuchung der Epidermis in verschiedenen Altersperioden zeigt, dass die Epidermiszellen ju-
gendlicher Organe völlig glatt sind, und dass erst nach Ablagerung von secundären Zellschichten in den-
selben, und nach Umwandlung ihrer Oberfläche in eine charakteristische Cuticula jene Rrhabenheiten in
Form von fortlaufenden Linien oder von isolirten Körnern sichtbar sind. Die Entstehung derselben ist also
die Folge eines erst bei vorgeschrittener Entwicklung in den äussern Schichten der Epidermis eintretenden
partiellen Wachsthumes. Dieses Wachsthum und die Erhebung der äussern Fläche in Papillen und Streifen
scheint in engem Zusammenhange mit der chemischen Metamorphose, welche die Zellmembran bei ihrer
Umwandlung zur Cuticula erleidet, zu stehen, wenigstens spricht hiefür der Umstand, dass bei manchen
Alo@arten, z. B. Aloe margaritifera, die innere Seite der Cuticula in ähnliche Warzen, wie sonst die äussere
Fläche, erhoben ist (Fig. 26. a.), während die innerste, durch Jod nicht färbbare Schichte vollkommen eben
ist. Da nun mit dem Alter die Cuticula an Dicke zunimmt, und da diese Zunahme nur durch Umwandlung
der in Schwefelsäure auflöslichen Schichten in Cuticularmasse vor sich gehen kann, so scheint diese Um-
wandlung nicht blos in einer chemischen Metamorphose der Zellmembran zu bestehen, sondern auch mit
einer Structurveränderung verbunden zu sein. Die in die Cuticula umgewandelten ‘Membranen treten in
Folge dieser Metamorphose gleichsam als ein besonderes, von den Epidermiszellen durch Substanz und
Structur verschiedenes Organ auf. Der von jeder einzelnen Epidermiszelle abstammende Theil der Cuticula
tritt mit den nebenliegenden, von andern Zellen abstammenden Theilen in so innige Verbindung, dass nicht
blos in vielen Fällen für das Auge die Grenzlinien verschwinden, sondern dass auch das Wachsthum, wel-
chem jene erhabenen Streifen ihre Entstehung verdanken, ein gemeinschaftliches wird. Es treten auf diese
— 200 —
Weise die von verschiedenen Zellen abstammenden Cutieularschichten zu einem gemeinschaftlichen, zusammen-
gesetzten Organe zusammen, etwa auf ähnliche Weise, wie die Seitenwandungen einer langen Reihe von
Gefässschläuchen, nach dem Verschwinden ihrer Scheidewände ein zusammengesetztes Organ, das Gefäss,
bilden. Dieser Umstand rechtfertigt es vollkommen, wenn wir die Cuticula unter besonderem Namen als
eine eigene Haut von der Epidermis unterscheiden, wenn gleich, wie ich hoffe, die obigen Beobachtungen
beweisen sollten, dass sie aus den äusseren Wandungen der Epidermiszellen selbst gebildet ist.
Erklärung der Abbildungen auf Tab. IX. und X.
Die unter jeder Figur stehende Zahl zeigt die Stärke der Vergrösserung an.
Fig. 4 und 2. Epidermis des Blattes von Elymus arenarius.
Fig. 5. Epidermis des Stamms von Aumex Patientia.
Fig. 4. Epidermis des Blattes von Vanilla planifolia.
5--7. Epidermis des Blattes von Helleborus foetidus. :
8. Epidermis des Blattes von Diunthus plumarius.
Fig. 9. Epidermis des Blattes von Iris fimbriata.
Fig. 10. Epidermis des Filamentes von Tulipa Gesneriana.
en]
I5
11. Epidermis des Blattes von 4röutus Unedo.
=
&
12. Epidermis des Blattes von 406 obliqua.
15. Epidermis des Stammes von Cactus trimgularis.
‚
. 14. Epidermis des Blattes von Hoya carnosa.
44H
3 09
03"
. 15. Epidermis des Stammes von Kleinia nerüfolia.
16. Epidermis des Blattes von Yiscum album.
17. Epidermis des Blattes von Tuxus baccata.
93 03 09
18. Epidermis des Blattes von Haheu gibbosa.
as
19. Epidermis des Blattes von Hakeu pachyphyla.
ig. 20. Dieselbe mit Schwefelsäure behandelt.
fe:
Je] E
31. Epidermis des Blattes von Sanseviera zeylanica.
ea
3
22. Epidermis des Blattes von Nerium Olcander.
=
ds‘ ds os us du du da’
25. Epidermis des Blattes von 4gave lurida.
les)
24. Epidermis des Blattes von Hex Aquifolium.
ee
25. und 26. Epidermis des Blattes von Ao& margaritifera.
ei
37. Epidermis des Blattes von Phormium tenax.
Ie>
28. Epidermis eines jungen Zweiges von Ephedra distachya.
|
39. Epidermis des Blattes vor Cycas revoluta.
=!
. 50. Epidermis des Blattes von Lomatophyllum borbonicum.
Fig, 51. Epidermis des Blattes von Phormium tenax.
5
Fig. 52. Epidermis des Blattes von Ruscus aculeatus.
Fig. 55. Epidermis des Blattes von Zillbergia zebrina.
Fig. 54. Narbenhaare von Pupaver oriertale.
[90
ES
*
—_— 268 —
XX.
Ueber den Bau der grossen getüpfelten Röhren von Ephedra.
(Aus der Linnaea 1851).
Es ist einem Jeden, der sich mit der Anatomie der Gewächse beschaftigt, bekannt, dass sich die Co-
niferen und Cycadeen von den übrigen Gewächsen durch den Bau ihres Holzkörpers auf eine nicht weniger
auffallende Weise, als durch die Organisation ihrer Fructificationstheile unterscheiden, und dass die Stimmen
noch darüber getheilt sind, ob das Holz dieser Pflanzen nur aus Gefässen, oder nur aus Zellen, oder ob es
aus beiden zugleich bestehe.
Um über den Bau des Holzes der Cycadeen und Coniferen endlich einmal ins Reine zu kommen, ist
es vor allem nöthig, die verschiedenen Abweichungen des Baues, welche die organischen Systeme bei den
verschiedenen Arten dieser Familien zeigen, genau zu untersuchen, indem sich hoffen lässt, dass manche,
von den porösen Zellen unserer Tannen abweichende Bildung anderer Coniferen, den Uebergang zu be-
kannten Bildungen darstellt, und uns so über die wahre Beschaffenheit jener Formation Aufklärung verschaflt.
Als eine der auffallendsten von diesen, nur einzelnen Coniferen zukommenden Bildungen, müssen die
weiten, getüpfelten Röhren von Ephedra, welche in Verbindung mit den engen (den porösen Röhren der
Tannen ähnlichen) Röhren das Holz dieser Pflanzen bilden, betrachtet werden; vielleicht gelingt es mir, im
Folgenden, zwischen dieser bisher isolirt stehenden, und anderen, allgemein bekannten Bildungen eine Ana-
logie nachzuweisen.
Wir verdanken bekanntlich Kırser die Entdeckung dieser Röhren; es beschreibt sie derselbe (Phytot.
p. 147.) als gefässartige Röhren, welche mit runden Oeffnungen besetzt seien, welche letztere sich deut-
licher an den gegen die Markstrahlen zu gekehrten Seiten zeigen.
Eine weitere Untersuchung des Holzes von Ephedra (distachya) machte Meven (Phytotomie p. 130.
131.) bekannt. Er giebt an, die Zellen dieser Pflanze seien wie die sogenannten porösen Zellen von Pinus
mit Wärzchen bedeckt, welche sehr klein und (mit Ausnahme derer an einzelnen Zellen) nur mit Einem
Kreise versehen seien. Die Jahresringe fehlen nach seiner Angabe. Einige Zellen sollen sich nun an dieser
oder jener Stelle des Holzes zu dem 2—-3fachen ihres Volumens vergrössern, und dann mit doppelten
Reihen von Wärzchen besetzt sein. Diese Wärzchen seien bedeutend grösser, als bei den übrigen Coniferen-
N
Gattungen, dennoch aber nur mit Einem Kreise bezeichnet.
— 269 —
Das Resultat meiner Untersuchungen stimmt mit dem von den angeführten Schriftstellern Angegebe-
nen nur sehr wenig überein.
Was die engeren, sogenannten Prosenchymzellen des Holzes von Ephedra (monostachya) betrifft, so
fand ich durchaus immer die Tüpfel derselben nicht von Einem, sondern, wie bei Pinus etc. von zwei Krei-
sen gebildet. Die Tüpfel verdanken auf dieselbe Weise, wie ich es in meiner Schrift über die Poren des
Pflanzenzellgewebes von Pinus beschrieb, ihre Entstehung einem Auseinandertreten der Wandungen der
aneinanderliegenden Gefässe (äusserer Kreis), und einer Verdünnung dieser Wandungen selbst (innerer Kreis).
Tab. XI. Fig. 12. stellt einen Querschnitt dieser Röhren dar, auf welchem man an den durchschnit-
tenen Tüpfeln die innere Höhle, und die in das Innere der Zellen sich mündenden Canäle sehen kann.
In so ferne zeigen jedoch diese Röhren einen abweichenden Bau von denen von Pinus, Thuya, Junt-
perus, Cycas, Zamia, als sie auch auf den gegen Mark und Rinde gekehrten Seiten mit Tüpfeln besetzt
sind, wie an vielen Stellen der angeführten Figur zu sehen ist.
Die Behauptung Mezven’s, dass das Holz von Ephedra gleichförmig sei, und keine Jahrringe zeige, finde
ich nicht bestätigt. Es zeigen allerdings die den äussern Theil der Jahrringe bildenden Röhren in so ferne
keine so auffallenden Verschiedenheiten von den übrigen (wie bei Pinus), als dieselben, gleich den übrigen
mit Tüpfeln besetzt sind; allein sie unterscheiden sich dennoch dadurch sehr auffallend, dass sie in der Rich-
tung von der Rinde gegen das Mark zu zusammengedrückt sind (Fig. 12. a. a.), und zugleich divkere Wan-
dungen zeigen, als die den innern Theil des Jahrringes bildenden Zellen (Fig. 12. b. b.).
Noch auffallender werden die Jahrringe dadurch, dass in dem innersten Theile eines jeden derselben
(mit Ausnahme des innersten) die weiten porösen Zellen (Fig. 12. c.) liegen. Dass diese im ganzen Holze
unregelmässig zerstreut sind, wie MEyENn angiebt, konnte ich nie bemerken.
Was nun den nähern Bau dieser weiten Röhren anbetrifft, so fand ich, dass dieselben aus ziemlich
kurzen, mit schiefen Scheidewänden übereinanderstehenden Schläuchen bestehen, und dass die Wandungen
derselben, weit entfernt, mit den von Kızssr und Meyen beschriebenen einfachen Kreisen besetzt zu sein,
auf allen Seiten, jedoch nicht sehr dicht mit doppelten Kreisen, gerade wie-die engeren Röhren des Holzes
besetzt sind (Fig. 11.a.a.), und dass diese Tüpfel in Längenreihen, entsprechend dem Verlaufe der anliegen-
den engeren Röhren liegen.
Die einfachen Kreise fand ich dagegen auf den in diagonaler Richtung verlaufenden Scheidewänden.
Wenn das Gefäss enge, und daher die Scheidewand schmal ist, so findet sich nur eine einzige Reihe dieser
Kreise, in der Regel findet man jedoch 2 Reihen solcher Kreise nebeneinander (Fig. 11. b.); in selteneren
Fällen, wenn die Scheidewand breiter ist, und eine mehr der runden Form sich nähernde Ellipse bildet,
kommen auch 3 Reihen solcher Kreise vor.
Da die Scheidewand in der Regel gegen die Achse des Gefässes in einem ziemlich spitzen Winkel ge-
neigt ist (Fig. 11.), so bildet sie in den meisten Fällen eine sehr in die Länge gezogene Ellipse, und kann
auf Längenschnitten leicht für einen Theil der Wandung des Gefässes selbst gehalten werden, wie es auch
von den genannten Phytotomen geschehen ist.
. — 270 —
Was nun die nähere Beschaffenheit dieser Kreise anbetrifft, so hat Kırser vollkommen Recht, wenn
er sie für Oeffnungen erklärt. Dieses kann man leicht an solchen Präparaten beobachten, bei welchen ein
durch die Scheidewand gehender Schnitt einige dieser Kreise durchschneidet (Fig. 11.); in diesen Fällen
lässt sich leicht sehen, dass keine Membran über diese Kreise hinweggespannt ist.
Die Lage dieser Scheidewände ist in der Regel so, dass ihre Fläche in der Richtung der Markstrahlen
liegt, desshalb kann man auf einem mit den Markstrahlen parallel geführten Längenschnitte (Fig. 11.) leich-
ter dazu verleitet werden, die Scheidewand für die Wandung des Gefässes selbst zu halten, als auf einem
mit der Rinde parallel geführten Längenschnitte, durch welchen die Scheidewand der Länge nach getheilt wird.
Nach dieser Auseinandersetzung des Baues dieser Röhren will ich nun versuchen, die Verwandtschaft
derselben mit andern bekannten Bildungen nachzuweisen. Betrachten wir einen Querschnitt des Holzes von
Ephedra, so weist uns die Grösse und die Stellung dieser Canäle (welche immer in dem innersten Theile
des Jahrringes liegen) auf eine Vergleichung derselben mit den porösen Cefässen der Dicotylen hin. Die
völlige Uebereinstimmung in Hinsicht auf diese Puncte fällt so sehr in die Augen, dass ich mich jeder wei
teren Auseinandersetzung derselben enthalten darf.
Es kommt nun aber vor Allem in Betracht, ob nicht einer solchen Vergleichung der anatomische Bau
dieser Röhren widersprechen würde; hievon lässt sich, wie ich glaube, leicht das Gegentheil erweisen.
Es ist zwar wahr, dass auf den ersten Blick die Aehnlichkeit nicht besonders gross zu sein scheint, allein
wenn wir bei der Vergleichung die mit doppelten Kreisen besetzten Wandungen, und die mit einfachen
Kreisen (Oeffnungen) besetzten Scheidewände abgesondert ins Auge fassen, so wird es nicht schwer werden,
eine solche Aehnlichkeit nachzuweisen, dass wir an der Identität dieser Gebilde zu zweifeln nicht mehr be
rechtigt sind.
Was die Wandungen dieser Canäle anbetrifft, so wird wohl jeder die Aehnlichkeit derselben mit den
Wandungen eines porösen Gefässes zugeben; der einzige Unterschied besteht in der grösseren Seltenheit
der Tüpfel bei Ephedra; dieser Unterschied ist aber offenbar nicht von Bedeutung, da wir bei den porösen
Gefässen in Hinsicht auf Menge, Form und Vertheilung der Tüpfel sehr bedeutende Verschiedenheiten an-
treffen.
Eben so wenig kann als Gegenbeweis der Umstand angeführt werden, dass diese Röhren aus überein-
anderstehenden Schläuchen bestehen, da es durch MoLvexuawer’s Untersuchungen schon längst ausser
Zweifel gesetzt wurde, dass eine solche Zusammensetzung allen porösen Gefässen zukommt.
Es blieben also nur noch die porösen Scheidewände übrig, die man als einen dieser Ansicht wider-
sprechenden Umstand betrachten könnte. Es möchte auch dieser Einwurf manchem Phytotomen als ein sehr
gewichliger erscheinen, dennoch aber möchte ich gerade die Existenz und die Form dieser Scheidewände als
den Hauptbeweis dafür anführen, dass diese Röhren wirkliche poröse Gefässe sind. Ich fand nämlich, dass
bei sehr vielen Monocotylen, und auch bei einigen Dicotylen, z. B. bei der Birke, die Schläuche, aus wel-
chen die porösen Gefässe zusammengesetzt sind, nicht, wie es von den Phytotomen als allgemeine Regel
angegeben wird, sich frei in einander öffnen, sondern dass dieselben Scheidewände besitzen, dass diese
— 271 —
Scheidewände nicht wie bei den Zellen die Schläuche völlig abschliessen, sondern dass sie von grösseren
und kleineren Oeffnungen durchbrochen sind, wodurch dieselben bald ein poröses, bald ein netzförmiges,
bald ein treppengangartiges Aussehen erhalten, dass ferner diese Scheidewände in den meisten Fällen nicht
senkrecht auf die Achse des Gefässes gestellt sind, sondern dass sie dieselbe in einem mehr oder minder
spitzen Winkel schneiden.
Die Bildung dieser Scheidewände ist so ausgezeichnet, und ist, so weit wenigstens meine Unter-
suchungen reichen, durchaus nur auf die grossen porösen Gefässe und deren Abänderung in rosenkranz-
förmige Gefässe beschränkt, dass ich nicht anstehe, dieselbe als eine für diese Gefässe characteristische
Bildung zu betrachten, und desshalb auch jene weiten Röhren von Ephedra zu den porösen Röhren zu
zählen.
— BD —
XXI.
Einige Bemerkungen
über
den Bau der getüpfelten Gefässe.
(Aus der Linnaea 1842.)
So viele Untersuchungen auch über den Bau der getüpfelten Gefässe publieirt wurden, so zeigen doch
die neueren Schriften über Pflanzenanatomie, dass sich über diesen Gegenstand noch keine allgemein ange-
nommene Meinung gebildet hat. Es mag daher nicht überflüssig sein, wenn ich auf den folgenden Blättern
einige, den Bau dieser Gefässe betreffende Punkte, auf welche meine Aufmerksamkeit bei Abfassung einer,
diese Gefässe behandelnden, Dissertation im verflossenen Jahre gelenkt wurde, einer genaueren Untersu-
chung unterwerfe.
Um die Differenzen zwischen meiner Ansicht über den Bau der getüpfelten Gefässe von den Ansichten
der übrigen Phytotomen leichter übersehen zu lassen, will ich auf wenigen Zeilen die von den neueren Phy-
totomen über diesen Gegenstand geäusserten Meinungen neben einander stellen.
Obgleich schon manche frühere Beobachter, besonders LEEUWENHOER, HırL, van Marum, Hepwig,
die getüpfelten Gefässe kannten, so wurden sie doch erst von MırsEL auf eine bestimmte Weise von den
Spiralgefässen und Treppengängen unterschieden. Ihre Tüpfel erklärte Mırseu für Erhöhungen, welche auf
der äusseren Seite der Gefässe hervorragen und von einer wahren Oeffnung durchbohrt seien. Die Gliede-
zung dieser Gefässe kannte er nicht; eine Verwandlung der verschiedenen Gefässformen in einander zog er
durchaus in Abrede. Indem MırseL den Hof von den Tüpfeln unterschied, und die zwischen den Tüpfeln
ausgespannte gleichförmige Membran erkannte, so hatte er, obgleich seine Beobachtungen in manchen
Punkten nicht richtig waren, dennoch eine Basis gelegt, auf welcher die übrigen Phytotomen hätten fort-
bauen sollen, und welche nur wenig zu modifieiren gewesen wäre, um dem wahren Sachverhältnisse zu ent-
sprechen. Dieses geschah aber nicht, sondern einige deutsche Phytotomen stellten nun eine Reihe von
Meinungen auf, welche eben so viele Rückschritte in der Kenntniss dieser Gefässe waren.
Zuerst legte SrrenceL (Anleit. zur Kentniss der Gewächse. 1802. I. 103.) den Grund zu mancher-
lei späteren irrthümlichen Meinungen, indem er die getüpfelten Gefässe, welche er übrigens mit den Treppen-
— 273 —
gängen verwechselte, aus Spiralgefässen, durch Verwachsung der Spiralfasern, entstehen liess. Die Gliede-
rung der Gefässe kannte SprEnGEL, und leitete sie von einer, an einzelnen Stellen stattfindenden lebhaften
Zusammenziehung der Gefässe ab.
Eine andere Ansicht, welche ebenfalls noch in den neueren Zeiten manchen Anklang gefunden hat,
rührt von Bernuarpı her (Ueber Pflanzengefässe p. 35.). Er hatte das Verdienst, die äussere Membran
der Spiralgefässe zu entdecken, und führte die Bildung der Treppengänge und getüpfelten Gefässe ebenfalls
auf die Spiralgefässe zurück, jedoch auf eine andere Weise als SprenczL. Er nahm nämlich an, dass die
Tüpfel die isolirten Stücke einer zerfallenen Spiralfaser seien.
Ein bedeutendes Verdienst um die nähere Kenntniss des Baues der Gefässe erwarb sich Trevıranus
(Vom inwend. Bau der Gewächse p- 55.), indem er zuerst ihre Zusammensetzung aus Schläuchen erkannte.
Die Gefässschläuche hielt er für umgewandelte Holzzellen (Beiträge zur Pflanzenphysiologie p.-17.), und ver-
muthete, dass an der Stelle der Querbänder Scheidewände liegen, welche später verschwinden. Ueber den
Bau der Tüpfel ist er ungewiss. Er ist der erste, der beobachtete, dass beim Sassafrasholze diejenigen Theile
der Gefässe, welche an Markstrahlen anstossen, mit Tüpfeln von abweichender Form besetzt sind. Die Tüpfel
hielt er im Allgemeinen für Erhöhungen, die letztere Form derselben für Oeffnungen.
Movenuawer (Beiträge zur Anatomie der Pflanzen p. 264.) leitete auf ähnliche Weise wie Spreneer
die porösen Gefässe aus Spiralgefässen und Ringgefässen ab, zwischen deren Fasern sich Querfasern bilden
sollten. Die Fasern liegen nach seiner Meinung auf der äussern Seite der primären Schlauchwandung-
Neu und von einigen späteren Phytotomen mit Unrecht in Zweifel gezogen war die Angabe, dass bei den
Gefässen der Linde diejenigen Seiten, welche an ein anderes Gefäss anstossen, den Bau eines porösen Ge -
fässes, die an Zellen angrenzenden Seiten dagegen den Bau eines Spiralgefässes zeigen.
Weit richtiger, als alle seine Vorgänger erklärte G. R. Tazvıranus (vermischte Schriften I. 149.) den
Bau der Tüpfel, indem er sie für Erhebungen der Wandung der Gefässe hielt, welche auf der einen Seite
hohl seien und in der Mitte eine Vertiefung mit einem erhabenen Rande besitzen.
Meyex (Phytotomie 227.) folgte Bernuarnpı in der Annahme, dass die Tüpfel Stücke einer zerfal-
lenen Spiralfaser seien, nur machte er die Sache noch schlimmer, indem er die Faser für die primäre, und
die Schlauchhaut für die secundäre Bildung hielt.
Lixk (Anal. d. sc. natur. XXIII. 152.) leitete ebenfalls die Tüpfel der Gefässe vom Zerfallen einer
Spiralfaser ab. Die Spiralfaser selbst erklärte er für hohl. Poröse Gefässe giebt es nach seiner Ansicht
eigentlich gar nicht, die Tüpfel derselben sind Spiralfaserstücke, welche kürzer, als bei den Treppengängen
sind; in anderen Fällen sind sie Anschwellungen der hohlen Spiralfaser.
In einigen 1831 erschienenen Abhandlungen (Ueber den Bau der porösen Gefässe, in den Abhandl.
der Acad. zu München I. 445; Ueber den Bau der grossen getüpfelten Röhren von Ephedra, in der Lin-
naea 1831 [s. oben p. 268.]; De palmarum structura $. 26 — 29. [s. oben p. 142 u. f£.]) suchte ich
nachzuweisen, dass der Bau der Treppengänge und getüpfelten Röhren im Wesentlichen dem Bau der ge-
tüpfelten Zellen analog sei. Ich leitete die Gefässe von dünnhäutigen, geschlossenen Zellen ab, auf derem
35
— 27 A —
inneren Seite sich später Membranen und Fasern ablagern, und deren Querwände entweder völlig resorbirt,
oder in netzförmiger oder treppenförmiger Form durchlöchert werden. In Beziehung auf die getüpfelten
Gefässe machte ich geltend, dass ihr Bau sich nach der Beschaffenheit der anliegenden Elementarorgane
richte, dass die Tüpfel dünnere Stellen der Gefässwandung seien und der Hof von einer ausserhalb der Ge-
fässwandung liegenden Höhlung herrühre.
In der neueren Zeit unterschied Link (Element. phil. botan. edit. sec. I. 177. 181.) zweierlei Formen
von Gefässen, unter dem Namen der porösen und der getüpfelten Gefässe, nach Unterschieden, welche mir
nicht klar sind. Die porösen Gefässe leitet er von Spiralgefässen ab, deren hohle Faser an einzelnen Stellen
zusammenfalle und alsdann verschwinde, so dass die einzelnen Faserstücke ihre Verbindung unter einander
verlieren. Die getüpfelten Gefässe sind mit Tüpfeln besetzt, welche Ueberbleibsel von Spiralfasern, die aber
nicht sichtbar werden, sind.
Die beiden neuesten Arbeiten über die getüpfelten Gefässe von MEven- (Neues System der Physiologie
1. 117.) und ScnLeipen (Flora 1839. I. 327.) stimmen mit einander nahe überein. Beide leiten die Tüpfel
von Spalten ab, welche die Fasern der secundären Schlauchschichten an einzelnen Stellen, an welchen sie
nicht unter einander verwachsen, offen lassen. Beide folgen meiner Ansicht von der Beschaffenheit des
Hofes. ScHnueipen lässt diese den Hof bildende Höhlung mit Luft gefüllt sein, und giebt an, die über der-
selben vorlaufende Spalte werde später durch Ablagerung weiteren Bildungsstoffes abgerundet. Eine Ab-
hängigkeit der Bildung der Gefässwandungen von der Beschaffenheit der anliegenden Elementarorgane wird
von MEyen durchaus geläugnet. 5
Wende ich mich nun, nach dieser Auseinandersetzung der wichtigeren Resultate der früheren Bear-
beitungen der Anatomie der getüpfelten Gefässe, zur Darstellung meiner neueren Untersuchungen, so be-
irifft der erste Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte, den Umstand, dass bei den getüpfelten
Gefässen der meisten Pflanzen die einzelnen Gefässschläuche nicht ringsum einen gleichförmigen Bau be-
sitzen, sondern dass ihre Wandungen, je nachdem sie mit verschiedenartigen Elementarorganen in Berührung
stehen, nicht unbedeutende Modificationen in ihrer Structur zeigen. -Dass eine solche Beziehung zwischen
den getüpfelten Röhren und den anliegenden Elementarorganen stattfinde, darauf konnten schon die zwei an-
geführten, von Trevıranus und MoLvenuawer beobachteten isolirten Fälle hinweisen ; später habe ich aus-
einanderzusetzen gesucht, dass diese Erscheinung eine allgemeinere Verbreitung zeige. Ich habe nämlich
gezeigt, dass der von MoLvEnnAawer bei der Linde beobachtete Bau auch bei anderen Pflanzen, z. B. beim
Feldahorne, sich finde, und dass die Markstrahlen bei vielen Pflanzen einen bedeutenden Einfluss auf den
Bau der Wandungen der getüpfelten Röhren ausüben, indem an den Stellen der Gefässe, welche mit den
Markstrablen in Berührung stehen, die Tüpfel eine unregelmässige Form haben, von keinem Hofe umgeben
sind, immer nur an solchen Stellen liegen, an welchen eine benachbarte Zelle platt aufgewachsen ist, aber
nie an solchen, auf welchen die Seitenwandung einer benachbarten Zelle senkrecht steht, dass ferner die
Tüpfel zweier unmittelbar an einander liegender Gefässe in ihrer Lage einander genau entsprechen. Diese
Umstände, so wie die häufig und leicht zu beobachtende Erscheinung, dass die Tüpfel der an einander an-
— 275 —
grenzenden Zellen in Beziehung auf Lage und Form einander entsprechen, beweisen unzweifelhaft, dass die
Organisation der secundären Schichten der vegetabilischen Elementarorgane in engem Zusammenhange mit
der Organisation der secundären Schichten der angrenzenden Elementarorgane steht.
Die Wahrheit dieses Satzes wurde vielfach bestritten, und es war insbesondere Mzyex (Physiol. I. 157.),
welcher es läugnete, dass sich aus dem Baue der getüpfelten Röhren ein Beweis für denselben ableiten lasse,
indem er glaubte, die von mir beobachteten Erscheinungen seien analog mit dem Umstande, dass bei den
meisten Coniferen nur die seitwärts stehenden Wandungen ihrer Röhren mit Tüpfeln besetzt seien, aber
nicht die gegen Rinde und Mark gewendeten. Es war dieses eine wunderliche Einwendung, denn gerade
die getüpfelten Röhren der Coniferen zeigen mit höchster Evidenz den Einfluss, welchen die Berührung
verschiedenarliger Organe auf die Organisation eines dritten ausübt, insoferne bei diesen Röhren nur dieje-
nigen Stellen der Seitenwandungen, welche an andere Röhren anstossen, mit grossen, von Höfen umgebe-
nen Tüpfeln besetzt sind, während sich auf den an Markstrahlen anstossenden Stellen bei den meisten Arten
von Pinus, Juniperus u. s. w. viele kleine, der Höfe entbehrende Tüpfel finden, welche ganz mit denjeni-
gen Tüpfeln übereinstimmen, welche den Markstrahlenzellen selbst zukommen.. Es zeigt sich also an diesen
Röhren nicht blos die Abhängigkeit ihrer Bildung von den anliegenden Organen, sondern insbesondere auch
der Umstand, dass die den getüpfelten Röhren eigenthümliche Organisation sich nur an solchen Stellen aus-
bildet, an welchen jener fremdartige, von Zellen ausgehende Einfluss nicht auf sie einwirkt.
Man wird schwerlich gegen den obigen Satz den Umstand geltend machen wollen, dass jener Einfluss
der anliegenden Zellen nicht bei den getüpfelten Röhren aller Pflanzen nachgewiesen werden kann, indem
bei einem Theile der Pflanzen die getüpfelten Röhren gleichgeformte Tüpfel an allen Stellen zeigen, mögen
dieselben mit Zellen oder @efässen in Berührung stehen. Es beweist dieses offenbar nur so viel, dass der
Einfluss, welchen benachbarte Zellen auf die Bildung der Gefässe ausüben, nicht unter allen Umständen so
bedeutend ist, dass er die Ausbildung der den porösen Röhren eigenthümlichen Form von Tüpfeln hindert,
sondern dass bei einem Theile der Pflanzen die den Gefässen eigenthümliche Organisationskraft überwiegend
kräftig ist, so dass, unerachtet des Einflusses der anliegenden Zellen, dennoch die eigenthümliche Structur
der punktirten Röhre zu mehr oder weniger vollständiger Ausbildung gelangt. Keineswegs aber kann aus
solchen Ausnahmsfällen der Satz abgeleitet werden, dass jener Einfluss überhaupt nicht existiret).
4) Betrachten wir die Abhängigkeit der Organisation der secundären Schichten des einen Elementarorganes
von der Organisation der anliegenden Elementarorgane ganz im Allgemeinen, so zeigt sich, dass in dieser
Beziehung vielerlei Grade vorkommen, und dass hiebei besonders der Umstand von grossem Gewichte
ist, ob die secundären Schichten eines Organes eine mehr oder weniger deutliche spiralige Structur zeigen
oder nicht. Wenn nämlich in einem Elementarorgane, sei es Zelle oder Gefässschlauch, die secundären
Schichten eine sehr deutlich ausgesprochene und regelmässige Spiralbildung zeigen, so ist von einem Ein-
flusse der benachbarten Organe auf die Bildung dieser spiraligen secundären Schichten keine Spur zu
finden. Wir sehen daher rechts- und links-, eng- und weitgewundene, mit einer oder mit mehreren Fasern
versehene Spiralgefässe neben einander liegen, und ebenso verhalten sich die Spiralzellen, wenn ihre Fa-
sern deutlich ausgebildet sind. In beiden Fällen zeigt sich die Unabhängigkeit der benachbarten Flemen-
35 *
— 2176 —
Die nähere Begründung des Gesagten liegt in den im Folgenden beschriebenen Thatsachen.
Wenn wir den Bau der getüpfelten Gefässe mit Rücksicht auf ihre Umgebung untersuchen, so zeigt
sich, dass dieselben nur bei verhältnissmässig wenigen Dicotylen einen gleichartigen, von ihren Umge-
bungen unabhängigen Bau besitzen. Hiebei können natürlicherweise nur soiche Gefässe in Betracht kom-
men, von welchen man sich auch wirklich durch genaue Untersuchung überzeugte, dass sie mit verschieden-
artigen Elementarorganen in Berührung stehen, und es müssen alle Gefässe ausgeschlossen werden, welche
nur von prosenchymatosen, oder nur von parenchymatosenZellen umgeben sind, indem diese immer auf allen
Seiten übereinstimmend gebildete Wandungen besitzen. Sehen wir von solchen vereinzelt laufenden Gefässen
ab, wie sie z. B. bei Rhamnus capensis, Viburnum Opulus in der Regel vorkommen, so finden wir eine
Reihe von Modificationen des Gefässbaues, in welchen sich der Einfluss der anliegenden Organe meistens
mit grosser Bestimmtheit ausspricht.
A. Am vollständigsten entwickelt sich der eigenthümliche Bau der getüpfelten Gefässe bei solchen
Gewächsen, bei welchen die Gefässwandungen keine Abweichungen zeigen, sie mögen mit andern Gefässen
oder mit Zellen in Berührung stehen, bei welchen sie daher gleichmässig mit Tüpfeln, die von einem Hofe
umgeben werden, besetzt sind, z. B. bei Elaeagnus acuminata, Clematis Vitalba, Broussonetia
papyrifera.
B. An diese Gefässe schliesst sich eine zweite Gefässform an, bei welcher diejenigen Seiten der
Gefässe, welche mit prosenchymatosen Zellen in Berührung stehen, zwar ebenfalls mit den gleichen, mit
Höfen versehenen Tüpfeln versehen sind, wie die an ein anderes Gefäss anstossenden Wandungen, bei wel-
cher aber der Einfluss, den die benachbarten Zellen ausüben, sich darin ausspricht, dass die Tüpfel der an
tarorgane nicht nur in dem nicht übereinstimmenden Verlauf ihrer Fasern, sondern besonders in dem
Umstande, dass die Zwischenräume zwischen den Fasern ununterbrochen über die Kanten des eigenen
Elementarorganes und über die Stellen, wo die Wandungen benachbarter Organe senkrecht auf der äus-
seren Fläche der ersteren stehen, hinweglaufen. Wird dagegen die Spiralbildung undeutlicher, nehmen
die secundären Schichten nicht mehr die Form von isolirten Fasern an, sondern zeigen sie nur noch eine
spiralige Streifung, dann tritt schon eher eine Abhängigkeit des einen Elementarorganes vom benachbarten
ein. Wenn unter solchen Umständen Tüpfel auftreten, so entsprechen sie sich zwar in ihrer Lage, allein
nicht genau in ihrer Form, indem sie in beiden an einander liegenden Elementarorganen in der Richtung
der Spirale in die Länge gezogen sein können, und sich daher, wenn die Spirale in beiden Elementaror-
ganen gleichläufig ist, kreuzen. Je undeutlicher die spiralige Bildung der secundären Membran wird, und
je mehr sie in die netzförmige übergeht, desto mehr tritt die Abhängigkeit der secundären Schichten des
einen Organes von denen des anderen hervor. Nun entsprechen sich die Tüpfel beider Organe nicht nur
in der Lage, sondern auch in der Form und der Richtung ihrer Längenachse, wie z. B. bei den Treppen-
gängen, sie kreuzen sich daher nicht mehr mit denen des gegenüberliegenden Organes, sie laufen nicht
mehr über die Kanten des eigenen Organes hinaus, sondern sind in der Nähe desselben abgeschlossen,
ebenso richten sie sich in ihrer Länge nach der Grösse der Seitenflächen des anliegenden Organes. Hier-
auf berulit die Verschiedenheit, welche wir zwischen den Seitenflächen der Treppengänge finden, je nach-
dem sie an andere Gefässe oder an Zellen anstossen u. s. w.
— 27 —
die Zellen angrenzenden Wandungen weitläufiger gestellt sind. Solche Gefässe finden sich bei Bixa Orel-
lana, Acacia lophantha, Sophora juponica.
C. Bei stärker ausgesprochener Abhängigkeit der Gefässe von den Zellen bleiben zwar die an an-
dere Gefässe anstossenden Wandungen ganz dicht mit Tüpfeln bedeckt, allein die an prosenchymatose Zellen
anstossenden Wandungen sind mit sehr entfernt stehenden Tüpfeln besetzt, oder auch, wenigstens auf grös-
seren Strecken, ganz frei von denselben. Die an Markstrahlen angrenzenden Stellen besitzen endlich Tüpfel
ohne Hof. Solche Gefässe finden sich bei Sambucus nigra, Beiula alba, Aralia spinosa, Corylus
Avellana, Populus alba, Alnus incana, Plafamıs occidentalis, Pyrus Malus, @ymnocladus canadensis.
D. Bei noch stärker hervortretendem Einflusse der anliegenden Zellen, welche alsdann ee-
wöhnlich mehr die Form von parenchymatosen, als von prosenchymatosen Zellen besitzen, zeigen endlich
nur noch die an andere Gefässe anstossenden Wandungen Tüpfel, welche von einem Hofe umgeben sind,
alle an Zellen anstossende Wandungen dagegen häufige und grosse Tüpfel ohne allen Hof, daher ganz von
der Form der Tüpfel der parenchymatosen Zellen, z. B. Cassyta ylabella, filiformis, Bombaz pentan-
drum (Tab. XH. fig. 12. 13.), Hernandia ovigera.
E. Eine blose Modification dieser Bildung, welche jedoch ein sehr eigenthümliches Ansehen besitzt,
ist die Form, bei welcher die an ein anderes Gefäss anstossenden Wandungen die Form von Treppengängen
besitzen (fig. 18. von Chilianthus arboreus), indem die Tüpfel zu Spalten, welche die ganze Breite der
Gefässwandungen einnehmen, ausgedehnt sind, während die an Zellen anstossenden Wandungen mit grossen
Tüpfeln ohne Hof (fig. 17.) besetzt sind. Diese Form ist sehr schön bei Chilianthus arboreus und ©y-
nanchum oblusifolium entwickelt. Weniger auffallend zeigen die an Gefässe anstossenden Wandungen bei
Vitis vinifera jene Querspalten.
Unter die im Vorhergehenden aufgezählten Formen kann die Mehrzahl der getüpfelten Gefässe einge-
ordnet werden. Nun kommt aber ausserdem noch eine Reihe von Gefässformen vor, welche darin überein-
stimmen, dass die zwischen den Tüpfelreihen liegenden Zwischenräume nicht glatt sind, sondern dass auf
der innern Wandung der Gefässe Spiralfasern verlaufen.
Diese Gefässe verhalten sich daher zu den gewöhnlichen getüpfelten Gefässen, wie die punktirten
Röhren von Taxus zu denen der übrigen Coniferen. Bei diesen Gefässen kommen nun nicht nur in Hin-
sicht der Vertheilung der Tüpfel ähnliche Verschiedenheiten vor, wie bei den bereits betrachteten Gefäss-
formen, sondern es finden sich noch weitere Verschiedenheiten, je nachdem nur ein Theil, oder je nachdem
alle Gefässe solche Fasern besitzen, ferner je nachdem alle Gefässe, oder nur ein Theil Tüpfel zeigen. Bei
einem Theile dieser Pflanzen kann man nämlich, jedoch auf eine nicht ganz scharfe Weise, grössere und
kleinere Gefässe von nicht immer übereinstimmendem Bau unterscheiden; ihre Gefässe liegen nämlich grup-
penweise, besonders im inneren Theile der Jahrringe zusammen, und neben diesen aus grösseren Gefässen
bestehenden Gruppen liegen Gefässe von weit geringerem Durchmesser, deren Schläuche sich mehr der
Form der prosenchymatosen Zellen nähern, und welche ich im Folgenden mit dem Ausdrucke der kleinen
Gefässe bezeichnen werde.
es
Diese Gefässe kann man unter folgende Abtheilungen bringen:
F. Sämmtliche Gefässe sind mit Tüpfeln, die einen Hof besitzen, bedeckt; die grösseren besitzen
glatte Wandungen, bei den kleineren laufen zwischen den Tüpfeln Spiralfasern durch. Morus alba, Ulmus
campestris, Clematis Vitalba.
G. Sämmtliche Gefässe sind enge getüpfelt; zwischen den Tüpfelreihen verlaufen schmale Fasern.
Hakea oleifolia.
H. Die grösseren Gefässe sind mit Tüpfeln besetzt, den kleineren fehlen die Tüpfel. Die Wandungen
von beiderlei Gefässen sind auf der inneren Fläche mit Spiralfasern besetzt. Daphne Mezereum (Fig. 20.
21.), Passerina filiformis, Bupleurum arborescens, Genista canariensis.
I. Die Gefässwandungen, welche an andere Gefässe anstossen, sind getüpfelt, die an Zellen anstos-
senden Wandungen mit sehr entfernt stehenden Tüpfeln besetzt, oder ganz frei von denselben, sämmtliche
Gefässwandungen mit Fasern besetzt. Samara pentandra, Tilia parvifolia (Pig. 16.), Aesculus Hip-
pocastanuım, Acer Pseudo-platanus, Cornus alba, Ilex Aquifolium, Crataegus o.cyacantha, Prunus
Padus, P. virginiana.
Werfen wir einen Blick auf das bisher Gesagte zurück, so erhellt aus den angeführten Thatsachen,
dass die von den Phytotomen behauptete Gleichförmigkeit des Baues der getüpfelten Gefässe nur in verhält-
nissmässig seltenen Fällen vorhanden ist, ferner dass der einzige Punet, in welchem die getüpfelten Gefässe
übereinstimmen (und selbst hier müssen wir von den unter H. aufgeführten Meineren Gefässen absehen),
und wodurch sie sich von den übrigen Gefässformen unterscheiden, die Anwesenheit von Tüpfeln ist, welche
von einem Hofe umgeben sind, und welche wenigstens auf denjenigen Wandungen, die mit andern Gefässen
in Berührung stehen, liegen.
Es entsteht unter diesen Umständen die Frage: soll man ale oben angeführten Gefässformen den ge-
tüpfelten Gefässen zuzählen, oder soll man nur diejenigen Gefässe, welche auf allen Seiten von Höfen um-
zebene Tüpfel zeigen, getüpfelte Gefässe nennen, und die übrigen zu den gemischten Gefässen rechnen,
oder soll man auf diese Verschiedenheiten neue, mit besonderen Namen zu bezeichnende Abtheilungen der
Pflanzengefässe gründen ?
Meiner Ansicht nach sollte nur das Erste geschehen. Einmal zeigen alle diese Gefässe in dem Bau
ihrer mit Höfen versehenen Tüpfel einen gemeinschaftlichen Character, der sie leicht und sicher von den
andern Gefässen unterscheiden lässt, und anderntheils trifft, wenn man alle diese Gefässe zusammennimmt,
die Anwesenheit derselben so ziemlich mit der dicotylen Beschaffenheit des Embryo zusammen.
Wollten wir dagegen alle diejenigen Gefässe, deren verschiedene Wandungen einen abweichenden Bau
zeigen, zu den gemischten Gefässen zählen, so würde dadurch der ohnediess nicht scharf bestimmte Begriff
dieser Gefässgattung noch mehr verwirrt. Gewöhnlich versteht man unter der Benennung der gemischten
Gefässe solche Gefässe, deren verschiedene, in einer Längenreihe über einander liegende Schläuche einen
verschiedenen Bau zeigen, z. B. aus der Form des Treppenganges in die des Ringgefässes und Spiralgefässes
übergehen. Insofern in dieser Abwechslung der Gefässformen bei vielen Pflanzen, besonders bei den Mono-
— 279 -
cotylen, eine bestimmte Regel stattfindet, lässt sich die Aufstellung der gemischten Gefässe, als einer
bestimmten Abtheilung, billigen. Wenn wir aber auch diejenigen Gefässe, bei welchen die verschiedenen
Seiten desselben Gefässschlauches eine abweichende Bildung zeigen, zu den gemischten Gefässen rechnen
wollen, so stellen wir dadurch zweierlei Verhältnisse zusammen, welche gar nichts Gemeinschattliches haben,
insoferne in dem vorhin berührten Falle sich der Bau der Gefässe nach dem Laufe des Gefässbündels, im
letzteren Falle nach dem Baue der umliegenden Elementarorgane ändert.
Das Auskunftsmittel, für jede der kleineren Modificationen der getüpfelten Gefässe einen eigenen Na-
men zu bilden, wäre nach meiner Ueberzeugung das allerschlimmste. Leider haben einige neuere Phyto-
tomen in Beziehung auf das Zellgewebe diesen Weg betreten; ein Weg, der uns, wenn wir diesen Vorgängen
folgen wollten, nothwendigerweise in der Pflanzenanatomie bald in ein ebenso klägliches Terminologielaby-
rinth führen würde, wie das ist, in dem die systematische Botanik umherirrt.
Den Unterschied der getüpfelten Gefässe von den Treppengängen setzten die meisten Phytotomen in
die Anwesenheit von vielen und kleinen Tüpfeln. Grösse und Menge sind aber viel zu relative Begriffe, als
dass auf dieselben eine scharfe Eintheilung gegründet werden könnte, wir müssen uns daher nach besseren
Kennzeichen umsehen. Kırser glaubte, ausser den Tüpfeln seien die Querbänder für die getüpfelten Gefässe
characteristisch, dass dem aber nicht so ist, sondern dass diese Bänder nur die Grenzen der auf einander
folgenden Schläuche bezeichnen und auch bei anderen Gefässformen vorkommen, ist aus NloLDENHAWER'S
u. a. Untersuchungen hinreichend bekannt.
Da also diese Kennzeichen nichts taugen, so müssen wir das characteristische Merkmal der getüpfel-
ten Gefässe in dem Bau der Tüpfel selbst suchen, und namentlich in dem Umstande, dass entweder alle
Tüpfel derselben, oder wenigstens diejenigen, welche auf den an ein anderes Gefäss anstossenden Wandun-
gen liegen, von einem Hofe umgeben sind.
Ich würde es nach dem, was ich in meinen früheren Arbeiten über den Bau der mitHöfen versehenen
Tüpfel angeführt habe, für überflüssig halten, noch einmal auf diesen Punct zurückzukommen, wenn es mir
nicht schiene, es hätte die Auseinandersetzung der Modificationen, welche wir bei den Tüpfeln verschiedener
Pflanzen finden, einiges Interesse.
Um die wahre Beschaffenheit dieser Tüpfel kennen zu lernen, eignet sich unter allen Pflanzen, die ich
untersucht habe, Cassyta glabella am besten, indem die bedeutende Grösse ihrer Tüpfel (Fig. 1.) die Un-
tersuchung sehr erleichtert. Bei dieser Pflanze kann man sich auf zarten Quer- oder Längenschnitten (Fig. 2.)
mit der grössten Deutlichkeit davon überzeugen, dass der Hof dieser Tüpfel von einer Höhlung (a.), welche
zwischen den aneinander liegenden Gefässwandungen liegt, herrührt, und dass der Tüpfel (b.) selbst ein von
dem Innern des Gefässes gegen diese Höhlung zuführender und an seinem äusseren Ende von einer zarten
Haut verschlossener Canal ist. Etwas schwieriger ist es, diesen Bau bei andern Pflanzen zu erkennen, doch
ist es bei solchen, deren Tüpfel nicht gar zu klein sind, z. B. bei Laurus nobilis (Fig. 9.), L. Sassafras,
Aleurites triloba, Acacia lophanta mit Hülfe eines guten Mikroskops gar wohl möglich.
Betrachtet man die getüpfelten Gefässwandungen in senkrechter Richtung auf ihre Fläche, so findet
— 2890 —
man beinahe bei allen Pflanzen, dass sowohl der Tüpfelkanal, als der Hof in querer Richtung in die Länge
gezogen sind. Bei dem Hofe rührt es davon her, dass die kleine Höhlung, auf welche der Tüpfelkanal zu-
führt, einen elliptischen Umfang besitzt. Der Tüpfelkanal bildet dagegen keine elliptische Röhre von gleich-
förmiger Weite, sondern hat eine etwas verwickeltere Form. Derselbe ist nämlich in der Richtung der
Längenachse des Gefässes zusammengedrückt, zugleich aber erweitert sich sein innerer Theil in der Richtung
des Querdurchmessers des Gefässes. Die innere Mündung des Tüpfelkanals stellt daher eine kürzere oder
längere Querspalte, die äussere, von der primären Schlauchhaut verschlossene Mündung eine dem Kreise
sich mehr oder weniger annähernde Ellipse dar. Betrachtet man das Gefäss von seiner inneren Fläche aus,
und sieht man senkrecht in einen Tüpfelkanal hinein, so sieht man die seitwärts gelegenen, nach unten zu
sich einander nähernden Wandungen desselben, unter der Form von zwei rinnenförmig vertieften, nach unten
zu gegen einander geneigten Flächen (Fig. 4. Cassyfa glabella); die nach oben und unten zu den Canal
begrenzenden Wandungen kommen dagegen, da sie senkrecht stehen, nicht zu Gesichte. Aus dieser Form
des Tüpfelkanals ist erklärlich, warum derselbe unter einer verschiedenen Form erscheint, je nachdem man
die durchschnittene Gefässwandung auf einem Querschnitte oder auf einem Längenschnitte des Stammes be-
trachtet; im ersteren Falle (Fig. 9. Laurus nobilis) zeigt nämlich der Tüpfelkanal eine conische, gegen das
Innere des Gefässes sich erweiternde, im zweiten Falle (Fig. 2. Cassyta glabella) eine cylindrische Gestalt.
Ebenso zeigt der Querschnitt durch einen Tüpfelkanal eine sehr verschiedene Form, je nachdem er den
Tüpfelkanal in der Nähe seiner äusseren oder inneren Mündung durchsetzt; im ersteren Falle besitzt er eine
breit elliptische Form, im zweiten Falle nähert er sich der Form einer linienförmigen Spalte. Man sieht die-
ses deutlich, wenn ein Längenschnitt in schiefer Richtung durch eine Gefässwandung geht.
Die Erweiterung, welche der Tüpfelkanal nach Inüen zu zeigt, ist bei einem Theile der Dicotylen
nicht sehr bedeutend, so dass die innere Mündung kürzer, als der Hof des Tüpfels ist, z. B. bei Cassyta
glebella (Fig. 1. 4.), Bombax pentandrum (Fig. 12.), Bira Orellana, Acacia lophantha, Sophora
japonica, Salixz alba, Aralia spinosa; bei anderen Pflanzen dagegen stellt die innere Mündung eine
Spalte dar, welche länger als der Hof ist, z. B. bei Laurus Sassafras (Fig. 5.), Aleurites triloba (Fig. 6.
8.), Clematis Vitalba (Fig. 15.), Cornus alba, Morus alba, Gymnocladus canadensis, Elaeagnus
acuminata (Fig. 10. 11.). In diesen Fällen geschieht es sehr häufig, und an manchen Gefässen mit einer
gewissen Regelmässigkeit, dass die Spalten der neben einander liegenden Tüpfel zusammenfliessen, so dass
die innere Seite des Gefässes mit queren oder schief aufsteigenden Furchen durchzogen ist, in welchen je
2—6 und oft mehr Tüpfelkanäle sich öffnen.
Vollkommen denselben Bau, wie bei den elliptischen Tüpfeln, finden wir bei den Querspalten, welche
bei Chilianthus arboreus die an ein anderes Gefäss anstossenden Gefässwandungen bedecken (Fig.18.), und
diesen das Ansehen eines Treppenganges geben. Jede dieser Spalten ist von einem Hofe umgeben, welcher
davon herrührt, dass unter der Spalte eine linienförmige Höhlung verläuft, welche um vieles weiter als die
Spalte selbst ist, wie man dieses auf Längenschnitten, welche solche an einander liegende Gefässwandungen
in senkrechter Richtung theilten (Fig. 19.), sehr deutlich beobachten kann. Es unterscheiden sich diese, auf
— 231 —
den ersten Blick den gewöhnlichen Treppengängen so ähnlichen Gefässwandungen durch die Anwesenheit
dieser Höhlung wesentlich von den Treppengängen, denn bei letzteren ist keine Spur dieser Höhlungen zu
finden, wovon man sich bei den Baumfarnen und grossen Monocotylen überzeugen kann.
Ausser diesen, mit einem Hofe versehenen und die getüpfelten Gefässe von den andern Gefässen
unterscheidenden Tüpfeln findet sich, wie wir oben gesehen haben, bei einer grossen Anzahl von Pflanzen
noch eine zweite Modification von Tüpfeln, welche von keinem Hofe umgeben sind. Es finden sich diese
Tüpfel am häufigsten an denjenigen Stellen, welche an Markstrahlen angrenzen; es finden sich jedoch auch
Gefässe, bei welchen alle nicht mit einem anderen Gefässe in Berührung stehenden Wandungen diese Form
der Tüpfel zeigen, z. B. Cassyta, Bombax pentandrum (Fig. 13.), Hernandia ovigera, Chilianthus
arboreus (Fig. 17.). Diese Tüpfel haben meistens eine weit beträchtlichere Grösse, als die mit einem Hofe
umgebenen Tüpfel, und meist eine quer ovale Form. Bei genauerer Betrachtung sieht man dieselben von
einer doppelten Linie eingefasst, so dass man in manchen Fällen (besonders bei Aleurites triloba Fig. 7.)
geneigt sein könnte, denselben ebenfalls einen schmalen Hof zuzuschreiben. Eine genauere Untersuchung,
besonders des Querschnittes dieser Gefässwandungen, zeigt dagegen, dass zwischen diesen Tüpfeln und den
benachbarten Organen keine Höhlung liegt, sondern dass diese Tüpfel durch eine einfache Lücke der secun-
dären Schlauchschichten gebildet werden und daher vollkommen den Tüpfeln der parenchymatosen Zellen,
der netzförmigen Gefässe und der Treppengänge entsprechen. Die doppelte Einfassungslinie dieser Tüpfel
ist darin begründet, dass dieselben sich meistens gegen die Höhlung der Gefässe etwas erweitern, und dass
man desshalb, wenn man das Gefäss in senkrechter Richtung betrachtet, sowohl die innere Einmündung des
Tüpfelkanals in die Gefässhöhle, als die äussere, von der primären Gefässhaut verschlossene Endigung des
Tüpfelkanals, zu Gesichte bekommt. Wenn, was nicht ganz selten geschieht, der Tüpfelkanal die Gefäss-
wandung in einer etwas schiefen Richtung durchbohrt, so sieht man, wenn man in senkrechter Richtung auf
die Gefässwandung herabsieht, diese beiden Linien an der einen Seite des Tüpfels in einander fliessen, oder
auch sich kreuzen. (Fig. 22. a. Cactus brasiliensis.)
Es ist offenbar, dass die. getüpfelten Gefässe durch diese letztere Art von Tüpfeln den Uebergang zu
den Treppengängen und netzförmigen Gefässen, wie sie bei den Gefässeryptogamen und Monocotylen
vorkommen, bilden, denn es stimmen die mit diesen Tüpfeln besetzten Wandungen vollkommen mit denje-
nigen Wandungen der Treppengänge, welche an parenchymatose Zellen angrenzen, überein. Die Verwandt»
‚schaft dieser beiden Gefässformen spricht sich auch noch in dem Umstande aus, dass bei einzelnen Dicoty-
len, z. B. Cackus brasiliensis (Fig. 22.), die getüpfelten Gefässe überhaupt durch netzförmige Gefässe
ersetzt sind.
Ueber die Querwandungen der getüpfelten Gefässe beschränke ich mich auf wenige Bemerkungen, in-
dem ich schon früher nachgewiesen, dass die Scheidewände der Gefässschläuche nicht immer, wie dieses
allerdings die Regel ist, bei weiter fortschreitender Ausbildung der Gefässe resorbirt werden, sondern nichf
selten stehen bleiben, alsdann aber immer von wahren Oeffnungen durchbrochen werden. Bei den getüpfel-
ten Gefässen finden sich diese Scheidewände vorzugsweise unter zwei Formen. Entweder bleibt nämlich die
35
ursprüngliche Scheidewand einem grossen Theile nach stehen, und es bildet sich in ihrer Mitte eine runde
Oefinung, deren Durchmesser etwa die Hälfte oder ein Dritttheil des Durchmessers der Scheidewand be-
trägt, z. B. bei Cassyta glabella (Fig. 3.), Ficus martinicensis, Cactus brasiliensis (Fig. 22.); oder es
sind die Scheidewände durch viele, nahe über einander stehende Querspalten durchbrochen, so dass sie der
Wandung eines Treppengefässes gleichen.
Diese letztere Form traf ich nur hei schief stehenden Scheidewänden an; sie findet sich z. B. bei
Betula alba, Fagus sylvatica, Corylus Avellana, Alnus incana, Platanus oceidentalis, Viburmım
Opulus, Hex Aquifolium; während die erstere Form häufiger bei horizontalen Scheidewänden vorkommt.
Die Scheidewände derselben Pflanze zeigen übrigens nicht immer denselben Bau, sondern einzelne derselben
können die Form eines Treppenganges besitzen, während andere vollkommen resorbirt werden. Die schief
stehenden Scheidewände haben in der Regel eine solche Richtung, dass ihre Fläche auf einem mit den
Markstrahlen parallelen Längenschnitte zu Gesichte kommt.
Ueber die Entwicklungsgeschichte der getüpfelten Gefässe will ich nur wenige Worte beifügen. Sie
erscheinen in ihren früheren Entwickelungsperioden, wie die anderen Gefässe, als Reihen von grossen,
zellenähnlichen, vollkommen geschlossenen Schläuchen, deren Häute dünn und völlig gleichförmig sind, und
deren jeder einen Zellenkern enthält. Später sieht man auf den Seitenwandungen, besonders auf den an an-
deren Gefässen anliegenden, scheinbar ein zartes Fasernetz verlaufen. Die weitere Verfolgung der Entwick-
lung zeigt, dass dieses Netz nicht, wie man auf den ersten Anblick zu glauben geneigt sein möchte, von
secundären, auf der inneren Gefässwandung aufgelagerten Fasern herrührt, sondern dass die Maschen des
Netzes den späteren Höfen der Tüpfel entsprechen, somit die Höhlungen, welche zwischen den Gefässen
liegen, bezeichnen und dass die scheinbaren Fasern, welche die Maschen umschliessen, durch die Stellen
der Gefässwandung, welche mit dem Nachbarorgane in Verbindung bleiben, gebildet werden. Dass zu dieser
Zeit, so wie überhaupt während der ganzen Entwickelungsperiode, die Gefässschläuche mit Saft und nicht
mit Luft gefüllt sind, versteht sich von selbst; ebenso enthalten die zwischen den Gefässen liegenden Höh-
lungen zu dieser Zeit Saft und nicht Luft, wie dieses letztere ScuLeipen angab. Kurze Zeit nach dem Auf-
ireten jener Höhlungen zeigt sich über jeder derselben die erste Andeutung des Tüpfels in der Gestalt eines
helleren Kreises, und nun geht durch weitere Verdickung der Wandungen die Ausbildung der Gefässe rasch
ihrem Ende entgegen, wobei sich zugleich die Querwände auflösen. Eine Entstehung der secundären Schich-
ien aus Spiralfasern, welche unter einander verwachsen, habe ich bei diesen Gefässen eben so wenig, als
bei den secundären Membranen der Zellen beobachten können.
Dass sich die verschiedenen secundären Schichten desselben Gefässschlauches in ihrer Form nicht ge-
nau entsprechen, erhellt aus dem schon oben über die Form des Tüpfelkanals Angeführten, woraus deutlich
hervorgeht, dass die Lücken der secundären Schichten desto grösser und besonders desto mehr in Spalten-
form in die Länge gezogen sind, je weiter nach Innen dieselben liegen. Bei einigen Pflanzen, z.B. Bombax
pentandrum (Fig. 12. 14.) spricht sich dieses Verhältniss nur in einer schwachen conischen Erweiterung
des Tüpfelkanals nach Innen zu aus. Bereits weit bemerklicher ist dasselbe bei den Formen, wie ich sie von
_ 283 —
Cassyta glabella (Fig. 1. 4.) dargestellt habe. Einen bedeutend höheren Grad erreicht die Verschiedenheit
zwischen den äusseren und inneren secundären Schichten bei Laurus Sassafras (Fig. 5.), Aleurites tri-
loba (Fig. 6. 8.), Elaeaynus acuminata (Fig. 10. 11.), Clematis Vitalba (Fig. 15.). Hier stellen die
Lücken der äusseren secundären Schichten einen Tüpfel dar, welcher kürzer als der Hof (Fig. 15. a.) ist, in
den inneren Schichten dagegen (Fig. 15. b.) sind die Lücken zu so langen Spalten ausgedehnt, dass diesel-
ben nicht blos länger sind, als der unten liegende Hof breit ist, sondern häufig auch in einander fliessen
und die Canäle mehrere Tüpfel aufnehmen. Diese inneren Schichten stellen daher Häute dar, welche durch
lange und schmale Spalten auf eine unvollständige Weise in breite Fasern getheilt sind. Zu bemerken ist
hiebei, dass die Richtung der Spalten der inneren Schichten nicht immer vollkommen mit der Richtung der
längeren Querachse des Tüpfelkanals übereinstimmt, sondern sich etwas mit derselben kreuzt. Es wird dieses
jedoch weniger auffallend sein, wenn wir uns erinnern, dass bei Taxus die Fasern, welche die innerste
Schichte der Gefässe bilden, zuweilen in entgegengesetzter Richtung von der Spirallinie, in welcher die
Längenachse der Tüpfel liegt, verlaufen und dass die Bastzellen der Apocyneen aus Schichten zusammen-
gesetzt sind, deren spiralige Streifung ebenfalls eine verschiedene Windung zeigt.
Den höchsten Grad der Abweichung zwischen den äusseren und inneren Gefässschichten treffen wir
bei Tilia (Fig. 16.), Daphne (Fig. 20.) und den andern, oben unter F—I aufgeführten Pflanzen, bei wel-
chen eine vollständige Trennung der inneren Gefässmembranen in Spiralfasern stattfindet, eine Bildung,
welche offenbar nur eine weitere Entwicklung der bisher betrachteten Formen darstellt.
Erklärung der Abbildungen.
Die unter de® Figuren stenenden Zahlen bezeichnen die Stärke der Vergrösserung.
Ia/bXUlE
Fig. 4. Cassyta glabella. Die an ein anderes Gefäss angrenzende Seitenwandung einer getüpfelten Röhre.
Fig. 2. Cussyta glabella. Längenschnitt durch die an einander angrenzenden Wandungen zweier getüpfelten
Gefässe. a. Höhlung zwischen zwei Tüpfeln. 2. Tüpfelkanal.
Fig. 5. Cassyta glabelle. Die von einer rundlichen Oeffnung durchbrochene Querscheidewand eines ge-
tüpfelten Gefässes.
Fig. 4. Cassyta glabella. Stärker vergrösserter Tüpfel.
Fig. 5. Laurus Sassafras. Stück eines getüpfelten Gefässes. Die Tüpfelkanäle sind auf der inneren Seite
in Form von längeren Spalten erweitert.
Fig. 6. Aleurites triloba. Wandung eines getüpfelten Gefässes, welche an einem anderen Gefässe anliegt.
Fig. 7. Aleurites triloba. Wandung eines getüpfelten Gefässes, welche an Zellen angrenzt. Die Tüpfel-
kanäle sind nach Innen zu stark erweitert, so dass die Tüpfel von einem Hofe umgeben zu sein scheinen.
Fig. 8. Aleurites triloba. Ein Tüpfel von Fig. 6. stärker vergrössert.
Fig. 9. Laurus nobilis. Querschnitt durch die an einander anliegenden Wandungen von zwei getüpfelter
Gefässen. Trichterförmige Erweiterung des Tüpfelkanals nach Innen zu.
Fig. 10. Elueagnus acuminata. Stück eines getüpfelten Gefässes. Spaltenförmige Form des Tüpfelkanals.
Fig. 11. Stärker vergrösserter Tüpfel von Fig. 10.
Fig. 12. Bombdax pentandrum. Wandung eines getüpfelten Gefässes, welche an ein zweites Gefäss angrenzt.
Fig. 15. Bombax persandrum. Wandung eines gelüpfelten Gefässes, welche an Zellen angrenzt. Die
Tüpfelkanäle sind nach Innen zu erweitert,
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_ 234 —
Fig. 14. Stärker vergrösserter Tüpfel von Fig. 12.
Fig. 15. Clematis Vitalba. Getüpfeltes Gefäss. a. Unverletzter Theil desselben. Bei 5. ist durch einen,
die Gefässwandung schief durchdringenden Längenschnitt die äussere Schichte der Gefässwandung entfernt, wo-
durch die spaltenähnliche Gestalt der inneren Mündung der Tüpfelkanäle deutlicher wird.
Fig. 16. Tilia parvifola. Wandung einer getüpfelten Röhre, welche an ein zweites Gefäss angrenzt.
Fig. 17. Chilianthus arboreus. Wandung einer getüpfelten Röhre, welche an Zellen angrenzt.
Fig. 18. Chilianthus arboreus. Wandung einer getüpfelten Röhre, welche an einem anderen Gefässe an-
liegt. Die Tüpfel sind so sehr in die Breite gezogen, dass das Gefäss Aehnlichkeit mit einem Treppengange erhält.
Fig. 19. Chilianthus arboreus. Längenschnitt durch die an einander anstossenden Wandungen zweier Gefässe.
Fig. 20. Daphne Mezereum. Grosse getüpfelte Röhre.
Fig. 21. Daphne Mezereum. Kleine getüpfelte Röhre, welche blos mit Fasern, aber nicht mit Tüpfeln
besetzt ist. :
Fig. 22. Netzförmiges Gefäss von Cactus brasiliensis. Bei a. haben die Tüpfelkanäle eine schiefe Rich-
2ung, wesshalb sich die Linien, welche die innere und äussere Mündung derselben bezeichnen, kreuzen.
zo 2
XXI.
Ueber
den Bau der Ringgefässe.
(Aus der Flora. 1839. II.)
En Nro. 21 und 22 des laufenden Jahrganges der Flora theilte Dr. Scuueipen Bemerkungen über die
Spiralbildungen in der Pflanzenzelle mit, welche mein Interesse um so mehr in Anspruch nahmen, als auch
ich in der neueren Zeit über denselben Gegenstand meine Ansichten veröffentlicht hatte (Ueber den Bau der
vegetabilischen Zellmembran) und als aus Dr. ScuLeipen’s Aufsatze erhellt, dass der Verfasser bei seinen
Untersuchungen über den Bau der vegetabilischen Zellmembran im Wesentlichen zu denselben Resultaten
wie ich gelangte. Es weichen jedoch die Ansichten Dr. ScuLeipen’s von den meinigen hauptsächlich in zwei
Punkten ab, einmal in Beziehung auf die Reihenfolge, in welcher sich bei den Holzzellen von Taxus und
bei den verwandten Bildungen die secundären Membranen und Fasern entwickeln, anderntheils in Beziehung
auf die Bildung der Ringgefässe.
Da ich den ersteren Punkt noch nicht als einen völlig erledigten betrachte und über denselben noch
weitere Untersuchungen anzustellen habe, für welche ich jedoch, da die Jahreszeit schon zu weit vorge-
schritten ist, das nächste Frühjahr abwarten muss, so übergehe ich hier diesen Gegenstand; dagegen halte
ich es nicht für überflüssig, die Gründe anzugeben, welche mich bewegen, auch noch jetzt, nachdem Dr.
SCHLEIDEN eine neue Theorie über die Entwicklung der Ringgefässe aufgestellt, bei meinen früheren Angaben
über ihre Entstehung zu beharren.
Ich hatte mich schon früher gegen die durchaus grundlose, allein bis zur neuesten Zeit vielfach ver-
breitete Hypothese, dass die Ringgefässe aus Spiralgefässen durch Zerreissung der Spiralfaser in einzelne
Stücke, welche alsdann zu Ringen verwachsen sollen, ausgesprochen (Ueber die porösen Zellen von Sphag-
zum) und die Bildung von Ringfasern als eine blosse Modification von der Bildung von Spiralfasern erklärt
(Ueber den Bau der vegetab. Zellmembran), welche darauf beruhe, dass die Steigung der Spiralfaser, wie sie
auf der einen Seite bis zur senkrechten Richtung zunehmen könne, auf der andern Seite so sehr abnehme,
dass die Richtung derselben sich mit der Längenachse des Gefässes senkrecht kreuze, wodurch natürlicher-
weise in sich selbst zurücklaufende Ringe, anstatt schraubenförmig gewundener Fasern erzeugt werden müs-
sen. Dr. Scuteien ist dagegen der Ansicht, dass in den seeundären Membranen der vegetabilischen
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Schläuche ohne Ausnahme eine in spiraliger Richtung verlaufende Faserung nachgewiesen werden könne,
und dass den Ringgefässen constant abrollbare Spiralgefässe zu Grunde liegen, von deren Faser je zwei
Windungen mit einander zu geschlossenen Ringen verwachsen, welche später durch Resorption der zwi-
schenliegenden spiralförmigen Faserstücke isolirt werden. Diesen Vorgang soll man bei Untersuchung der
früheren Entwicklungsperioden der Ringgefässe stufenweise verfolgen können.
Die Entscheidung der Frage, welche von diesen beiden Ansichten die richtige sei, wird wohl Manchem
einfacher und leichter erscheinen, als sie in der That ist. Man könnte glauben, ein gutes Mikroskop, einige
Geschicklichkeit im Präpariren und hinreichende Geduld werden die Schwierigkeiten, welche die geringe
Grösse, die Zartheit und Weichheit der noch in ihren ersten Entwicklungsstadien befindlichen Gefässe der
Untersuchung entgegensetzen, leicht überwinden lassen. Das verhält sich allerdings so, allein damit ist die
Sache noch nicht im Reinen, denn die hauptsächlichste Schwierigkeit, welche man bei Untersuchungen über
die Entwicklungsgeschichte eines vegetabilischen Organes zu überwinden hot, ist im vorliegenden, wie in vie-
len andern Fällen hauptsächlich darin begründet, dass das Organ, dessen Entwicklungsweise ermittelt werden
soll, nicht in jedem einzelnen Falle vollkommen denselben Bau besitzt, sondern dass in den einzelnen Fällen,
die man untersucht, grössere oder kleinere individuelle Abweichungen vom Normaltypus vorkommen, welche
häufig die Entscheidung darüber, ob man eine bestimmte, normale Entwicklungsstufe oder eine zufällige
bleibende Abnormität vor sich hat, höchst schwierig machen. Unter soichen Umständen wird der Beobach-
ter, welcher die Entwicklung eines Organes niemals unmittelbar vor sich gehen sieht, sondern ihren Gang
aus einer geringern oder grössern Menge isolirter Entwicklungsstufen errathen muss, nur zu leicht verleitet,
einen zufälligen, unbedeutenden Umstand für ein wesentliches Moment zu halten und auf solche abwei-
chende, vielleicht ganz richtig beobachtete Fälle eine falsche Theorie zu bauen. Vor solchen Missgriffen
kann nur eine bedeutende Vervielfältigung der Beobachtungen schützen.
Ehe ich zur Betrachtung der Ringgefässe selbst übergehe, erlaube ich mir einige Bemerkungen über
die Faser der Spiralgefässe vorauszuschicken.
Dass die Faser der Spiralgefässe kein eigenthümliches, für sich bestehendes Gebilde ist, sondern als
die in spiralförmiger Richtung in ein oder in mehrere parallel laufende Bänder getheilte secundäre Membran
des Gefässschlauches betrachtet werden muss, darüber kann für den, welcher die Entwicklungsgeschichte der
Spiralgefässe und der Spiralzellen untersuchte und die durchgreifende Analogie dieser beiden Bildungen un-
ter einander und mit den getüpfelten Zellen erkannt hat, kein Zweifel stattfinden. Ich verweise daher in Be-
ziehung auf den näheren Bau dieser sogenannten Faser auf meine Abhandlung über den Bau der Zellmenm-
bran, indem alles, was von dem Baue der Membran der Spiralzelle gilt, auch auf die Wandung des
Spiralgefässes Anwendung findet. Dagegen ist es in Beziehung auf das über die Ringgefässe Anzuführende
nicht überflüssig, einige besondere, die Spiralfaser betreffende Punkte näher ins Auge zu fassen.
ich habe in der angeführten Abhandlung die Gründe auseinandergesetzt, welche dafür sprechen, dass
den secundären Zellmembranen eine faserige Structur zukomme, welche sich durch Streifung und durch
grössere Zerreissbarkeit in spiraliger Richtung, durch Vertiefungen und Furchen, welche in derselben Rich-
_— 2397 —
tung verlaufen, und in höherem Grade durch Spalten, welche die ganze Dicke der Zellmembran durchdrin-
gen, ausspreche. Alle diese Verhältnisse, welche wir so häufig an denjenigen Stellen der Zellmembran,
welche zwischen den Tüpfeln der Zellen liegen, finden, treffen wir auch bei den Fasern der ahrollbaren Spi-
ralgefässe, nur sind sie hier weit seltener erkennbar, theils weil sie bei der gewöhnlich sehr geringen Breite
der Spiralfaser schwieriger zu beobachten sind, theils weil häufig die Spiralfaser auch unter den stärksten
Vergrösserungen sich dem Auge als homogen darstellt. Wenn dagegen die Spiralfaser eine bedeutende
Breite besitzt, so dass.dieselbe mehr einem platten Bande, als einem halbrunden oder viereckigten Faden
gleicht, so wird dieselbe allerdings in vielen Fällen kein homogenes Aussehen besitzen, sondern es zeigen
sich auf derselben seichtere oder tiefere Furchen, welche der Länge nach in einer Reihe oder auch nehen-
einander auf der Faser verlaufen, und im letzteren Falle derselben ein netzartiges Aussehen ertheilen (Tab.
XT. fig. 2 und 5 aus Commelina tuberosa). In andern Fällen durchdringen diese Furchen die ganze Dicke
der Faser, so dass diese stellenweise in zwei oder mehrere nebeneinander laufende Fasern zerfällt. Diese
Fasern verlaufen nun parallel unter einander, oder die abgetrennte Faser vereinigt sich wieder nach einer
kürzeren oder längeren Strecke mit der andern, oder es verlässt der eine, durch die Theilung entstandene
Ast der Faser den andern, in der bisherigen Richtung weiter fortlaufenden Theil, steigt in einer steileren
spiraligen Richtung auf, bis er die nächst höhere Windung der Faser erreicht und mit dieser verschmilzt.
So haben wir also bloss durch compacte Vereinigung aller Bestandtheile der Faser, oder durch schwächeres
oder stärkeres Auseinandertreten derselben zu einzelnen Strängen, durch Abweichungen im Verlaufe der
letzteren von der Richtung der Hauptfaser und durch netzartige Verschmelzung dieser isolirten Stränge un-
ter einander im Kleinen beinahe alle die verschiedenen Modificationen der Bildung, welche wir an den secun-
dären Schlauchschichten finden.
Was die Richtung, in welcher die Spiralfaser gewunden ist, anbetrifft, so hat diese zwar zum Baue
des Gefässes keine bestimmte Beziehung, es mögen aber doch einige Bemerkungen hierüber nicht überflüssig
sein, da über diesen Gegenstand manches Unrichtige und zum Theil auf mangelhafter Kenntniss der Eigen-
schaften der Schraubenlinie Beruhende geschrieben wurde. Ich habe schon an einem andern Orte angege-
ben, dass die Spiralgefässe in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle rechts gewunden sind, d.h. dass die
Windung der Faser, wenn sich der Beobachter in die Achse des Cylinders denkt, um welchen die Schrauben-
linie aufsteigt, vor dem Beobachter von seiner linken Seite nach rechts aufwärts geht, wie z. B. das in fig. 5
abgebildete Gefäss '). Wie die meisten andern Phytotomen, gibt Dr. Scuueiven an, dass die Spiralfaser bald
rechts, bald links gewunden sei, und glaubt wenigstens als vorläufige Regel angeben zu können, dass gleich-
zeitig sich entwickelnde spiralige Bildungen, welche in der Richtung des Radius unmittelbar an einander lie-
gen, homodrom, die in der Richtung der Parallelen der Peripherie aneinanderliegenden dagegen heterodrom
seien, wobei er sich auf die constante Kreuzung der Porenspalten bei benachbarten Parenchym - und Holz-
4) Ein rechts gewundenes Spiralgefäss ist daher in der gleichen Richtung gewunden, in welcher eine Schraube
gewunden ist, welche der Mechaniker links gewunden nennt.
—_ 28 —
zellen, wenn man sie auf parallel mit den Markstrahlen geführten Schnitten betrachte, beruft. Ich muss ge-
stehen, dass mir diese Regel nicht einleuchten will, und dass mir nicht deutlich ist, wie Dr. ScHLEIDEN die
Kreuzung der Porenspalten als einen Beweis für ungleichförmige Windung der Fasern anführen kann, indem
sie gerade das Gegentheil beweist. Eine Kreuzung der Porenspalten sieht man, wenn zwei mit Poren ver-
sehene Gefässe oder Zellen übereinander liegen und die aneinander liegenden Wandungen in entgegengesetz-
ter Richtung gewunden sind; dieses letztere ist aber natürlicherweise nur dann möglich, wenn die Windung
in beiden Gefässen homodrom ist. Dass man die Porenspalten auf einem mit den Markstrahlen parallelen
Schnitte gewöhnlich gekreuzt sieht, ist vollkommen richtig, es beweist dieses, dass die verschiedenen Schich-
ten von Zellen, welche man auf einem solchen Schnitte unter einander liegen sieht, eleichläufig gewunden
sind; da nun zu gleicher Zeit auch die Zellen einer jeden solchen Schichte unter einander gleichläufig sind,
so folgt klar daraus, dass im Allgemeinen alle Zellen einer Pflanze homodrom sind. So wird man es auch
in der That bei der Untersuchung verschiedener Schnitte derselben Pflanze finden.
Linksgewundene Spiralgefässe kommen allerdings vor: ich muss aber auch noch jetzt, ob ich sie
gleich in neueren Zeiten häuäger als früher aufgefunden habe, darauf bestehen, dass sie weit seltener als
rechtsgewundene und nur als Ausnahme von der Regel zu betrachten sind, indem man bei den meisten
Pflanzen vielleicht hundert Spiralgefässe rechtsgewunden sieht, bis man ein einziges linksgewundenes trifft.
Es verhält sich dieses allerdings bei verschiedenen Pflanzen verschieden, und ich kann noch nicht angeben,
ob es gewissen Arten oder nur gewissen Individuen eigenthümlich ist, dass bei ihnen häufiger linksgewun-
dene Spiralgefässe vorkommen, allein in der Regel sind sie, wie gesagt, rechtsgewunden. Dass die Win-
dung nach rechts oder links bei den Spiralgefässen von der Bildung der umliegenden Theile ganz unabhängig
ist, dafür spricht der Umstand, dass nicht nur in einzelnen Fällen die Fasern in zwei über einander stehen -
den Schläuchen desselben Gefässes in entgegengesetzter Richtung gewunden sind, sondern dass ich ein paar-
mal selbst in demselben Gefässschlauche (beim Kürbis) die durch Ringe von einander geschiedenen Abthei-
lungen der Spiralfaser in entgegengesetzter Richtung gewunden sah, (val. fig. 3.).
Betrachten wir die Faser der ausgebildeten Ringgefässe !), so finden wir den Bau derselben dem der
Spiralfaser ganz analog, insoferne die Ringe bald aus einer scheinbar homogenen Substanz bestehen, bald
aber auch Andeutungen einer bestimmten Structur zeigen. Bei breiten Fasern, wie bei Commelina tube-
rosa, ist es nicht selten der Fall, dass die Fasern eine Menge linienförmiger seichterer Furchen oder durch-
dringender Spalten besitzen, welche ein Netz mit sehr schmalen und langgezogenen Maschen bilden (fig. 1. u.
7.). Noch häufiger ist es, dass sich solche Spalten nur in der Mittellinie der Faser in einer unterbrochenen
Reihe finden, oder dass dieselben ineinander fliessen und so den Ring in zwei übereinander liegende Ringe
4) Ich wählte zu den Beobachtungen über die Ringgefässe vorzugsweise die Commelina tuberosa, weilich diese
Species in Menge besass, so dass ich eine beliebige Menge von Exemplaren zur Untersuchung verwenden
konnte, was bei den übrigen im hiesigen Garten cultivirten Arten dieser Gattung nicht in diesem Grade
der Fall war.
— 289 —
theilen (fig. %. aa. Commelina tuberosa). Wenn diese Theilung der Ringe in zwei unmittelbar übereinan-
derliegende Ringe vorkommt, so findet sie sich zwar nicht selten sehr regelmässig an jedem Ringe eines
Gefässes, häufig findet dieses aber auch nicht statt, sondern es wechseln getheilte und ungetheilte Ringe
auf unregelmässige Weise mit einander ab, und die letzteren sind bald.eben so breit, bald halb so breit als
die getheilten, bald besitzen sie eine im Verhältnisse zu den letzteren sehr geringe Breite (fie. 1. Comme-
lina tuberosa.)
Die Richtung in welcher diese Theilungslinie verlauft, ist den Seitenrändern des Ringes parallel, wie
schon aus dem Umstande erhellt, dass der Ring durch diese Spalte in zwei übereinanderliegende Ringe, die
einander bald unmittelbar berühren, bald in einer kleinen Entfernung von einander stehen, gespalten wird.
Nach Dr. Scuuzipen’s Angabe soll diese Theilungslinie davon herrühren, dass je zwei Windungen der Spi-
ralfaser mit einander mehr oder weniger vollständig verwachsen sind. Es ist leicht einzusehen, dass in die-
sem Falle die Theilungslinie spiralförmig von dem einen Rande des Ringes bis zum anderen verlaufen müsste
und dass sie nicht mit den Rändern desselben parallel sein könnte. Da nun aber das letztere constant
stattfindet, so muss diese Erklärung von dem Ursprunge und der Bedeutung der Theilungslinie verworfen
werden.
Die Ringe sind bei dem entwickelten Ringgefässe entweder völlig isolirt von einander, oder es stehen
zwei oder mehrere Ringe unter einander in Verbindung und zwar auf verschiedene Weise. Nicht selten ist
es, dass die Theilungslinie eines Ringes denselben nicht längs seiner ganzen Peripherie theilt, sondern dass
beide übereinanderliegende Ringe an einer kürzeren oder längeren Strecke verwachsen sind. In diesem
Falle ist es nicht selten, dass die getrennten Theile mehr oder weniger von einander klaffen, und schief auf
der Achse des Geflässes stehen, (fig. 6. aus Commelina tuberosa. Dieselbe Form kommt sehr häufig bei
Canna indica vor).
In andern Fällen, und dieses ist das gewöhnlichste Verhältniss, stehen die Ringe in erösserer oder
geringerer Entfernung von einander, und es verlauft zwischen ihnen eine regelmässige Spiralfaser, welche
je nach den Entfernungen der Ringe einen oder mehrere, oft viele Umläufe beschreibt. Hier kommen
nun mehrere Modificationen vor. Ein sehr gewöhnlicher Fall ist es, dass von einem Ringe eine Spiralfaser
auslauft, welche die gleiche Breite, wie die Ringfaser besitzt, und deren Windungen ungefähr eben so weit,
als an dem mit Ringen besetzten Theile des Gefässes die Ringe, von einander abstehen (fig. 3. vom Kürbis).
Mit ihrem andern Ende schliesst sich die Faser ebenfalls an einen geschlossenen Ring an, auf welchen nun
isolirte, oder wieder durch Spiralfasern verbundene Ringe folgen.
Sehr häufig ist es auch, dass die zwischen zwei Ringen verlaufende Spiralfaser sich nicht an die Ringe
anschliesst, sondern dass ihre Enden sich zuspitzen und in einiger Entfernung von dem Ringe endigen. Die-
ses ist z. B. im Stengel des Kürbis ungefähr ebenso häufig als der vorhergehende Fall (fig. 2. a Commelina
tuberosa, fig. 3. b. beim Kürbis).
Nicht selten ist es auch, dass von zwei einander diametral entgegengesetzten Punkten eines Ringes
zwei Fasern auslaufen, welche in paralleler Richtung weiter laufen.
— 290 —
Seltener als die Fälle, in welchen die verbindende Spiralfaser dieselbe Breite wie die Ringe besitzt,
kommen Verbindungen zweier Ringe durch zarte Fasern vor, welche meistens nur eine einzige oder wenig-
stens wenige Windungen beschreiben (fig. 1. 8. u. 9. aus Commelina tuberosa). Dieses Verhältniss findet
sich vorzugsweise häufig bei solchen Gefässen deutlich ausgesprochen, deren Ringe nicht homogen sind,
sondern bei welchen die Ringfaser durch mehrfache Spalten in netzförmig zusammenhangende Stränge ge-
theilt ist, wie bei dem in fig 1. abgebildeten Gefässe. Die Breite der Verbindungsfasern der verschiedenen
Ringe steht in keinem bestimmten Verhältnisse zur Breite der Ringfasern, sondern sie beträgt bald ungefähr
die Hälfte (fig. 8.), bald einen weit unbedeutenderen Bruchtheil der letzteren (fig. 1... Der Punkt, welcher
die hauptsächlichste Berücksichtigung dabei verdient, ist die Verbindungsstelle der Spiralfaser mit der Ring-
faser. VVenn man diese unter einer hinreichenden Vergrösserung betrachtet, so wird man finden, dass sich
zwar allerdings zuweilen (fig. 8 u. 9.) von der Ringfaser ein Theil ablöst und in spiraliger Richtung aufwärts
steigt, dass hingegen in den meisten Fällen an der Verbindungsstelle beider Fasern die Rinsfaser nicht
schwächer wird, sondern dass sich die Spiralfaser gleichsam nur an den Seitenrand der ringsum gleich dicken
Ringfaser anheftet (vgl. fig. 1. 3 u. 10.). Es kommen sogar Fälle vor, in welchen dieses nicht einmal in
der Richtung der Spirale erfolgt, sondern wo sich die Spiralfaser in zwei divergirende Schenkel endigt (fig.
10. a. Commelina tuberosa), welche nach rechts und links auseinander treten und mit der Ringfaser zu-
sammenlfliesen.
Betrachten wir die angegebenen Verhältnisse der Ringfasern und der dieselben verbindenden Spiralfasern,
so müssen dieselben gegen die Richtigkeit der Scaueipen’schen Theorie von der Entstehung der Ringgefässe
starke Zweifel erregen. Die in vielen Ringen stattindende Theilung ist nämlich, wie schon bemerkt, nichts
weniger als ein Beweis von der Zusammensetzung der Ringe aus zwei verwachsenen Windungen einer Spi-
ralfaser, sondern die mit den Rändern der Ringe parallele Richtung der Theilung spricht entschieden gegen
diese Erklärung und weist darauf hin, dass wir in diesen mehr oder weniger getheilten Ringen eine Ueber-
gangsbildung vom einfachen Ringe zu zwei in grösseren Entfernungen von einanderliegenden Ringen vor uns
haben. Eine ganz analoge Bildung kommt auch bei der Spiralfaser vor. Es finden sich nämlich Spiralgefässe,
deren Faser in der Mitte von einer schmalen Spalte durchzogen ist (fig. 4. b von Commelina tuberosa),
bei welcher Faser also das Zerfallen der einfachen Spiralfaser ın zwei in einiger Entfernung von einander
parallel neben einander verlaufende Fasern erst angedeutet ist.
Gegen eine Ableitung der Ringe aus verwachsenen WVindungen eines Spiralgefässes spricht ferner
das Verhältniss der Ringe zu den spiralförmigen Verbindungsfasern. Einmal spricht dagegen, dass bei sehr
regelmässiger Ausbildung der Gefässe die Ringe und Fasern meistens die gleiche Breite besitzen (fig. 3. u. #.),
was nicht der Fall sein könnte, wenn die Ringe aus einer doppelten WVindung der Faser bestünden.
Ferner spricht dagegen der Umstand, dass wenn schmale Spiralfasern die Ringe verbinden, die Breite dieser
Fasern in keinem bestimmten Verhältnisse zur Breite der Ringe und der an ihren sichtbaren Abtheilungen
steht (fig. 1.). Ferner spricht dagegen der Umstand, dass die Fasern bald mit den Ringen verwachsen, bald
von ihnen getrennt sind, ferner dass die Spiralfasern, wenn sie mit den Ringen zusammenhängen, in man-
gi 291 N
chen Fällen der ganzen Form der Verbindungsstelle nach nicht als ein Theil der den Ring bildenden
Fasermasse, welcher sich vom Ringe abtrennt und in’spiraliger Richtung weiter lauft, betrachtet werden
können.
Diese Betrachtung der Faser der entwickelten Ringgefässe glaubte ich voranschicken zu müssen, weil
die Beobachtungen, welche an entwickelten Gefässen angestellt sind, nothwendigerweise schärfer und sicherer
sind, als die an jugendlichen Gefässen angestellten, nicht sowohl wegen der bedeutenderen Grösse der er-
wachsenen Gefässe, sondern weil bei der bedeutenderen Dicke ihrer Fasern, bei der grösseren Entfernung
derselben von einander, bei dem Mangel des schleimigen Inhaltes, welcher die Gefässe während ihrer Jugend
ausfüllt, sich die erwachsenen Gefässe mit weit schärfer gezeichneten Umrissen darstellen und die Beschaf-
fenheit ihrer Fasern leichter zu beobachten ist. Es kann nun zwar allerdings vom Bau eines entwickelten Or-
ganes kein Schluss auf die Art, wie es sich entwickelt, gemacht werden, allein eine genauere Untersuchung
der Structur des erwachsenen Organs ist insoferne auch bei der Bearbeitung seiner Entwicklungsgeschichte
vom grössten Werthe, als dieselbe immerhin mit ein Mittel ist, die Wahrheit einer über die Entwicklungs-
geschichte aufgestellten Theorie zu prüfen, da diese nicht im Widerspruche mit den Ergebnissen der Unter-
suchung des erwachsenen Organes stehen darf.
Im vorliegenden Falle findet nun dem Angeführten zu Folge ein solcher Widerspruch zwischen dem
Baue der entwickelten Ringgefässe und der Scurrıpen’schen Theorie statt. Sehen wir nun, was die Unter-
suchung der jugendlichen Gefässe über die Entwicklungsweise derselben lehrt.
Ich wählte zuerst die Stämme von verschiedenen Pflanzen, besonders von Commelina tuberosa
zur Untersuchung, da Dr. Scuueipen angiebt, er hätte die Umwandlung der Spiralgefässe in Ringgefässe
in den jüngsten Internodien unterirdischer un oberirddischer Stämme gesehen. Das Resultat war für die
Schueipen’sche Theorie nicht günstig. Zur Untersuchung der frühesten Entwicklungsperioden passen die
im innern Winkel der Gefässbündel liegenden Ringgefässe nicht, sie durchlaufen ihre Entwicklung zu schnell,
und haben einen zu geringen Durchmesser, die Windungen ihrer Fasern liegen im Anfange zu enge anein-
ander, als dass Beobachtungen, welche an ihnen angestellt sind, für sicher gehalten werden dürfen. Dage-
gen bieten die weiter nach aussen zu liegenden grösseren Gefässe diese Schwierigkeiten in weit geringerem
Grade dar, doch tritt auch bei ihnen der ungünstige Umstand ein, dass ihre Ringe im Laufe der Entwick-
lung wegen des geringen Längenwachsthumes der Gefässschläuche einander ziemlich genähert bleiben, was
in manchen Fällen die Unterscheidung des ringförmigen und des spiralförmigen Verlaufes der Fasern er-
schwert und jedenfalls die Entscheidung darüber, ob zwischen je zwei Ringen eine zarte, später sich auf-
lösende Spiralfaser verlauft oder nicht, in manchen Fällen ziemlich misslich macht.
Ich glaube jedoch mit Sicherheit beobachtet zu haben, dass von Anfang an, sobald ich auf der
innern Fläche des Gefässschlauches die Fasern unter der Form von zarten, durchsichtigen, schmäleren
oder breiteren Bändern unterscheiden konnte, dieselben nicht durchaus spiralförmig verliefen, sondern
wie bei den erwachsenen Gefässen theils vollständige, isolirte Ringe von verschiedener Breite, theils
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Pre
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» . . B 112 . . .
Ringe, zwischen welchen Spiralfasern verliefen, bildeten, so dass mit Ausnahme der geringen Dicke
der Fasern und der geringen Entfernung der Ringe von einander kein wesentlicher Unterschied von den
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ausgebildeten Gefässen zu finden war.
Da mich jedoch diese Untersuchungen der Gefässe des Stammes nicht vollständig befriedigten,
und da mir aus meinen früheren Untersuchungen der Wurzein von Palmen und andern Monocotylen
bekannt war, dass sich in diesem Organe die Entwicklungsgeschichte der Gefässe mit weit grösserer
Sicherheit als im Stamme beobachten lässt, so unterwarf ich die Wurzeln von Commelina tuberosa@
einer sorgsamen Untersuchung, deren Resultat ich auch für entscheidend halte. Die Untersuchung der
Wurzel bietet den grossen Vortheil vor der Untersuchung des Stammes dar, dass sich auf den grös-
seren, dem Centrum näher gelegenen Gefässen die Fasern erst in einer ziemlich späten Periode ent-
wickeln, in welcher das Längenwachsthum bereits beendigt ist. Es haben desshalb die Gefässschläuche
in der Zeit, in welcher ihre Fasern zur Entwicklung kommen, nicht nur bereits eine sehr beträcht-
liche Grösse erreicht, sondern es liegen auch ihre Fasern von Anfang an in grösseren Entfernungen
von einander und es lässt sich ihre allmählige Ausbildung Schritt für Schritt verfolgen, wenn man die
Wurzel von einem bis zum andern Ende untersucht. Erleichtert wird überdiess die Beobachtung da-
durch, dass die Gefässe in einem sehr durchsichtigen Zellgewebe eingelagert sind. Bei diesen Unter-
suchungen erkannte ich mit vollkommenster Deutlichkeit und ganz übereinstimmend mit den Beobach-
tungen, welche ich an Palmenwurzeln schon vor Jahren angestellt hatte, dass schon in den ersten Pe-
rioden, in welchen die Fasern auftreten, wenn sie noch so zart, schmal und durchsichtig sind, dass sie
oft nur bei Beschränkung des Lichtes sichtbar werden, dieselben bereits alle die verschiedenen Form-
verschiedenheiten zeigen, welche man an den erwachsenen Gefässen beobachtet. Man findet hier die-
selbe Abwechslung von Ring- und Spiralfasern, netzförmig verzweigten Fasern, wie später, davon aber,
dass in allen Gefässschläuchen zuerst eine Spiralfaser auftrete, dass je zwei Windungen von dieser mit.
einander verwachsen, dass alsdann die verbindenden Stücke der Spiraifaser aufgelöst werden, fand ich
auch nicht eine Spur, und ich halte es für unmöglich, dass mir dieser Uebergangszustand zwischen
Spiralgefäss und Ringgefäss, wenn er vorhanden wäre, hätte entgehen können, da ich in vielen Wurzeln
die Gefässe von dem Zeitpunkte, in welchem ihre Schläuche geschlossene, dünnwandige Zellen, in welchen
ein Nucleus liegt, darstellen, bis zur vollendeten Ausbildung verfolgte.
Es stimmt somit die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte der Ringgefässe mit der Unter-
suchung der erwachsenen Gefässe überein. Beide zeigen gleichmässig, dass Ringgefässe, Spiralgefässe
und netzlörmige Gefässe drei verschiedene, aufs nächste mit einander verwandte und vielfach in ein-
ander übergehende Formen sind, dass sie aber nicht als zeitliche Metamorphosenstufen desselben Ge-
fässschlauches betrachtet werden dürfen. Eine spiralige Structur ist allerdings in den secundären
Schichten der Gefässe die gewöhnliche und normale, allein sie ist nicht die einzige. Die ringlörmige
kommt als primäre Bildung vor und bildet gleichsam die Mittelstufe zwischen der links und der rechts
—_ 293 —
gewundenen Spirale. Ausserdem kommt die netzförmige Structur ebenfalls primär vor, bald mit mehr
Hinneigung zur rein spiralförmigen, bald zur ringförmigen Form.
Es stehen somit meine Untersuchungen über die Ringgefässe denen Dr. Scureiwen’s direkt ent-
gegen. Dessen ungeachtet bin ich weit entfernt, zu behaupten, es habe Dr. SchuEıwEn unrichtig be-
obachtet; im Gegentheile auch in dieser Arbeit zeigt er sich, wie immer, als ein tüchtiger, das Mikro-
skop mit Gewandtheit gebrauchender Forscher, allein ich glaube, dass die Deutung des von ihm Ge-
sehenen nicht richtig ist, und dass er zufällige, bleibende Formabänderungen für regelmässige, vorüberge-
hende und nothwendige Metamorphosenstufen gehalten hat.
— 294 —
XXI.
Anatomische Untersuchungen
über
die porösen Zellen von Sphagnum.
(Dissertation vom Jahr 1837.)
Zu den interessantesten Formen des Pflanzen-Zellgewebes, welche wegen ihrer vom gewöhnlichen
Baue der Pflanzenzellen abweichenden Bildung und wegen der einander widersprechenden Beschreibungen,
die von verschiedenen Phytotomen gegeben wurden, einer wiederholten und genauen Untersuchung bedürfen,
gehören die Zellen, welche die Blätter und die äusserste Schichte des Stengels der Sumpfmoose, Sphag-
num, bilden.
Die erste Nachricht über den besondern Bau der Blätter von Sphagnıum gab Hepwıc!). Indem er
nämlich die Frage, ob die Moosblätter ein ähnliches Gefässnetz, wie die Blätter der Phanerogamen, be-
sitzen, untersucht und dieselbe nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden wagt, weil die geringe Grösse der
Moosblätter ihn gehindert hatte, diesen Umstand durch Beobachtungen gehörig aufzuklären, so setzt er bei:
„Sphagni palustris folia equidem ejusmodi quid commonstrare videntur. Areolae horum retium, omnium
fere sunt maximae, carentes omnino parenchymate. Apparent intra istas tenuissima vascula transversa;
quae inter attenta consideratione reperies duplicata excurrere, ut inde augurari liceret; primarios ductus
duplicatos existere.“
Eine genaue Untersuchung dieser Blätter stellte erst MoLpEnuawEr an; derselbe spricht an mehre-
ren Stellen seines in Beziehung ‚auf Genauigkeit der Beobachtungen immer noch unübertroffenen Werkes
von denselben und lieferte auch von ihren Zellen die besten Abbildungen, welche wir von ihnen bis auf den
heutigen Tag besitzen.
Die Eigenthümlichkeiten dieser Zellen bestehen nach der Angabe von MoLDENHAWER in zwei Umstän-
den; einmal in der Anwesenheit von spiralförmig gewundenen Fasern in denselben, und zweitens im Vor-
kommen von grossen, runden Oeffnungen in ihren Wandungen.
4) Fundamentum histor. natur, muscor, frondos. T. I. p. 25.
— 295 —
Die spiralförmig gewundenen Fasern dieser Zellen vergleicht MoLpenuawer !) mit dem von ihm mit
dem Ausdrucke des Zellgewebes bezeichneten Fasersysteme, welches nach seiner Annahme zwischen den
Pflanzentheilen liegt und dieselben verbindet; ein System, dessen Existenz von den späteren Phytotomen
geläugnet wurde, zu dessen Annahme aber, wie Varknrın ganz richtig bemerkt, MoLpenuawer wohl durch
Beobachtung der von mir unter dem Ausdrucke der Intercellularsubstanz beschriebenen homogenen, zwi-
schen den Zellen liegenden Masse bewogen worden sein mag. Die Fasern dieses Zellgewebes vergleicht
MoLDEnHawEer mit den Fasern der Insectentracheen und giebt an, dass sie in den Zellen der Blätter von
Siphagnum obtusifolium theils spiralförmig gewunden, theils aber auch in gerader Form angetroflen wer-
den. In den Blättern von Sphagnum liegen nach seiner Angabe zwischen diesen Faserzellen andere, netz-
förmig verbundene, grüne Zellen, welchen diese Fasern fehlen. Diese Faserzellen vergleicht MoLDENHAWwER
später?) mit den Spiralgefässen der Pflanzen und giebt dabei eine Beschreibung der in ihrer VVandung be-
findlichen Oeffnungen mit folgenden Worten; „Jene schlauchförmigen Röhrchen, welche in einer äusserst
vereinfachten Form aus den Spiralgefässen des Stengels entstehen, haben runde Oeffnungen. ‘Wenn man
jene Theile in vieler Feuchtigkeit betrachtet, so stellen sich jene Oeffnungen so schwach dar, dass man sie
nur mittelst eines vorzüglichen Instrumentes erkennen kann, indem die Haut der Röhre nun eine so grosse
Durchsichtigkeit erhält, dass man sie nicht von der wenig helleren Oeffnung unterscheidet, welche von dem
durch die untere VVand der Röhre durchfailenden Lichte erleuchtet wird, und auch darum etwas dunkler
erscheint, weil die Röhre mit VWVasser erfüllt ist. Wenn man aber die Feuchtigkeit etwas vermindert, so
wird die Membran weit dunkler und die Oeffnungen werden ungleich heller, bis sie endlich in den trockenen
Röhrchen so unverkennbar sind, dass man sie selbst mit einem sehr mittelmässigen Instrumente nicht ver-
fehlen kann, und nun deutlich durch dieselben in die Höhlung des Röhrchens bis auf seine hintere Wand
sieht, welche man immer bestimmter wahrnimmt, je näher man sie dem Focus bringt. VVenn man diese
Oeflnungen genauer betrachtet, so sieht man bald, dass sie theils einzeln, theils mehr oder weniger genau
einander gegenüber liegen, so dass die austretende Feuchtigkeit des einen Grundtheils in den andern über-
gehen kann, doch so, dass sie zugleich der unmittelbaren Einwirkung der Luft und des Lichts ausgesetzt
wird. Stellt man den Stengel des Mooses mit den unteren, hängenden Zweigen in eine gefärbte Flüssigkeit,
so wird dieselbe durch ihre zahlreichen Oefinungen eingesogen, dringt aus ihnen in die Spiralgefässe des
Stengels, aus diesen in die Blätter der oberen Zweige, und tritt daselbst durch jene Oeffnungen so lebhaft
aus, dass ein feines Löschpapier, mit dem man die Blätter leise berührt, davon gefärbt wird. Wir sehen
also hier die mannigfaltigen Verrichtungen der Oberhaut, der Spaltöffnungen und anderer Organe durch
einen einzigen Grundtheil ersetzt, welcher die nährende Flüssigkeit ein aaue und dieselbe, indem sie aus
einem Röhrchen in das andere übergeht und jene grünen Schläuche befeuchtet, zugleich den Einflüssen der
Atmosphäre aussetzt. Es bedarf hier keiner Erzeugung neuer Schichten, indem die jüngeren Stengel sich
4) Beiträge zur Anatomie der Pflanzen. 1812. p. 117.
2) Le p2N.
—_— 296 —
niederlegen und ihre unteren Blätter die Stelle der VVurzein vertreten, wenn nur das Ganze den angemes-
senen, feuchten Standort geniesst. Einzelne zwischen jene Röhrchen geordnete Schläuche sind das einzige
Organ, welches aus dem Gehalte des ersteren Grundtheils die eigenthümlichen Säfte bereitet.“
Diese Angaben MoLDEXHAwER’s wurden von SprEnGEL !) bestätigt; die von ihm gegebene Abbildung
steht den von Morpexuawer gelieferten Abbildungen weit nach, giebt die zwischen den Faserzellen liegen-
den grünen Zellen gar nicht an (sie ist höchst wahrscheinlich nach einem getrockneten und wieder aufge-
weichten Exemplare gezeichnet) und steilt die Spiralfäden nicht gut dar. SpRENGEL will einen ähnlichen Bau
auch bei Leskea complanata zefunden haben, und vermuthet, dass das Zellgewebe der meisten Laub- und
Aftermoose auf ähnliche Art gebildet sei.
Eine von der Ansicht MoLpexuawer’s sehr abweichende Meinung äusserte Lix£”) über die in Rede
stehenden Zellen, indem er dieselben für zusammengesetzte Zellen erklärte, und glaubte, die scheinbaren
Spiralfasern werden durch die Ränder der kleineren Zellen gebildet.
Eine weitere Bestätigung erhielten dagezen Morpexuswer’s Beobachtungen durch mich, als ich bei
meinen Untersuchungen über die sogenannten Poren der Pflanzenzellen den Blättern von Sphagnum eine
besondere Aufmerksamkeit zu widmen hatte; ich äusserte mich über diesen Punkt in folgenden Worten: 3)
„Ich beschränke mich darauf, einen näheren Beweis für die Existenz der von MoLDExHawer entdeckten Oeff-
nungen zu geben, da durch die grössere Helliskeit dieser Stellen und durch den Umstand, dass man durch
sie klar und deutlich die hintere Wandung der Zelle sehen kann, die Natur derselben, als solcher, noch
nicht strenge bewiesen wird, indem ja noch immer eine zarte Nembran dieselben verschliessen könnte.
Auf das Bestimmteste kann man sich davon überzeugen, dass keine solche Membran vorhanden ist, und dass
die helleren Kreise wirkliche Oefinungen sind, wenn man mit einem scharfen Messer viele Einschnitte in den
Rand dieser Blätter macht, wodurch häufig solche Kreise mitten durchgeschnitten werden. Wäre nun eine
verschliessende Membran vorhanden, so müsste man bei der Grösse dieser Kreise leicht die Ränder dieser
Haut sehen, wovon aber auch die genauste Untersuchung nichts zeigt. Dieselbe Bildung, wie bei Sphagnum
obfusifolium, traf ich bei Sphagnum acutifolium, cuspidatum, squarrosum, subsecundum an.“
Das Vorkommen dieser Oeffnungen wurde von Meyex in Abrede gestellt, welcher den Bau der Sphag-
numblätter bei seinen Untersuchungen über den Inhalt der Pflanzenzellen berücksichtigte?), und einige Ab-
bildungen, welche aber nicht zu den gelungensten gehören, von denselben giebt. Er sagt: die Zellen dieser
Blätter seien zweifacher Art: „1) grössere, von bedeutendem Umfange, die in ihrem Innern eine spiral-
formig gewundene Faser enthalten; 2) kleinere, die stets zwischen zwei grösseren, mit Spiralfasern gefüllten
Zellen liegen und letztere zusammenhalten. Die kleinen, schmalen Zellen enthalten Saftbläschen, die grös-
seren hingegen, mit den Spiralfasern, Wasser oder Luft. in jungen Exemplaren von Sphagnum submersum
1) Anleitung zur Kenntniss der Gewächse. 2te Aufl. Bd. I. p. 25. Tab. IV. Fig. 20.
2) Elem, phil. botan. 4824. p. 105.
3) Ueber die Poren des Pflanzenzellgewebes. 1828. p. 31.
4) Phytotomie. p. 160. Tab. XI.
Nees v. Esenb. ist der Bau der Spiralfaser in den Zellen sehr leicht zu erkennen; wird die Pflanze älter. so
verwandelt sich die Spiralfaser in eine Rinsfaser, sanz so, wie es bei höheren Gewächsen der Fall ist. Diese
Metamorphose ist in den Arten, wo die Zellen lang und schmal sind, äusserst deutlich zu bemerken, schwierig
aber im entgegengesetzten Falle. Hier nämlich, wo die Zellen kurz, aber sehr breit und unregelmässie
eylindrisch sind, wie bei Sphagnum obfusifolium und palusfre, findet der Fall statt, dass die aus der
metamorphosirten Spiralfaser neu entstandenen Rinze hin und wieder in der Zelle umfallen, d.h. sich aus
ihrer Richtung begeben und, wohl in enizezenzesetzter Laze, sich diekt auf die Zellenmembran lagern. Der
Beobachter erhält hiedurch einen genau beerenzten Kreis, den Einize für ein Loch angesehen haben. Zu-
weilen findet man auch in den äussersten Zellen des Moosstengels diese feinen Spiralfasern, wie es Fig. TE
Tab. XI. abgebildet ist. Das Exemplar, wonach diese Abbildurs gemacht wurde, wuchs sanz unter Wasser;
man findet diesen Bau auch zuweilen an alten Steneeln, die nicht mehr im Wasser wachsen; andere hin-
gezen, die dicht daneben wachsen, zeigen keine Spur davon. Die Verhältnisse, unter denen diese Ersehei-
nunz stattfindet, sind noch nicht aufgefunden.“
Meyen hatte die Fasern in den Zellen von Sphagnum mit verschiedenen andern Bildunsen zusam-
ımengzestellt, auf deren Zellwandungen ebenfalls Fasern sichtbar sind, und hatte diese Fasern zum Inhalte
der Zellen gerechnet, und in einem Capitel seiner Phytotomie, welches vorkommende Faserbildung im
Zellensafte überschrieben ist, zusammengefasst. Gegen diese Ansiehf sprach ich mich in foleender Stelle
aus‘): „Ueberhaupt muss ich hier bemerken, dass die ganze Vorstellung von Meyex, als sei jene Faser-
bildung im Zellensafte und gehöre zum Inhalte der Pflanzenzellen, nicht in der Natur begründet ist,
indem alle in den Zellen vorkommende Fasern mit den Zellwandungen verwachsen und integrirende Bestand-
theile derselben sind. Dass das Gegentheil stattünde, dafür fuhrt Meves auch nicht Einen beweisenden Um-
stand an, wenn man nicht als solchen eine Hypothese ansehen wollte, welche Meyex ersann, um das Yor-
kommen der bekannten kreisförmizen Ringe auf den Zellenwandungen von Sphagnum zu erklären, von wel-
chen er glaubt, sie entstehen durch das Umfallen eines Faserringes innerhalb der Zellen. Dieses hat aber
Mey gewiss nie gesehen, bei Sphagnum eben so wenig, als je in einer andern Pflanze. Nie fällt ein Ring
eines Ringgefässes von selbst um, sondern nur wenn man beim Anatomiren mit einem stumpfen Messer das
Gefäss mehr zerreisst, als zerschneidet, und selbst unter solchen Umständen sah ich es bei Sphagnum nicht.
Gänzlich widerlegt wird aber die Meyex sche Ansicht über diese rinsförmigen Stellen bei Sphagnum durch
den Bl dass dieser Ring ein Pore umziebt, denn diese könnte doch nicht Folge des Umfallens eines
solchen Ringes sein.
Weitere Untersuchungen über die anatomische Structur dieser Zellen wurden von FuErsaonr”) mit-
getheilt; dieselben beruhen zwar zrossentheils auf Angaben, welche ich Fvzaskonr zuschickte, können aber
doch als eine weitere Bestätigung der Mornexuswer'schen Angaben über die Oefinunsen dieser Zellen an-
4) Ueber den Bau des Cycadeenstammes; von Hrso Morr. Abhandlungen der königl. bayerischen Academie
zu München. 1852. p. 415.
2) Versuch einer Lebens- und Formgeschichte der Gattung Spkegnum. Flora, 41833. 1. p- 10. fig.
33
— 2938 —
gesehen werden, insoferne FUERNRoHR eigene Untersuchungen über diesen Punkt anstellte; einer näheren Dar-
stellung der im angeführten Aufsatze enthaltenen Angaben können wir uns entheben, indem sie mehr eine
Bestätigung früherer Untersuchungen, als neue, vorher unbekannte Resultate enthalten; nur das möchte zu
bemerken sein, dass die spiralförmigen Fasern mit den übrigen, auf den Wandungen von Pflanzenzellen vor-
kommenden Faserbildungen zusammengestellt und dieselben nicht für einen, von der Zellwandung verschie-
denen, sondern mit ihm zusammenhängenden Theil erklärt werden.
Einer weitläuigeren Betrachtung unterwarf Mrven diese Zellen in seiner neuesten Schrift über Pflan-
zenanatomie !).
Da ich in meinen Untersuchungen auf diese Darstellung genaue Rücksicht nehmen muss, so will ich
die ganze Stelle, weiche üher den Bau von Sphagnum handelt, unverkürzt einrücken; sie bietet zugleich
auch ein Muster von der humanen Art und Weise dar, mit welcher der Verfasser die Arbeiten der übrigen
Phyiotomen beurtheilt. Es heisst daselbst:
„Schon seit des jüngern MoLpEnuawer's Zeiten ist es bekannt, dass die Gattung Sphagnum einen
ganz eigenthümlichen, von dem der übrigen Moose durchaus abweichenden Bau zeigt; doch so viel auch
bisher über diesen Gegenstand geschrieben ist, so scheint es mir, dass die Erklärung dieses in der That sehr
räthselhaften Baues bisher noch immer verkannt ist. MoLpennawer, der Entdecker dieses Gegenstandes bei
Sphagnum obtusifolium, erklärte den Bau der Blätter jener Pflanze durchaus falsch, und ihm sind die an-
dern Phytotomen meistens gefolet. Wenn nun gleich die Erklärung über die spiralföürmigen Fasern in den
Zellen der Sphagnum-Blätter noch Vieles zu wünschen übrig liess, so hatte MEven doch wenigstens die
Löcher der Zellen dieser Pflanzen gänzlich abdisputirt, bis Mont dieselben wieder, fast ganz nach MoLDEn-
HAweR’S alter und falscher Ansicht, gesehen zu haben vorgab. Bei aller Hochachtung, welche ich selbst für
MoLDENuAWER jun. hege, indem in seinem hinterlassenen Werke über Anatomie der Pflanzen eine Menge
von sehr guten Beobachtungen vorhanden ist, so kann man doch nicht verhehlen, dass dieser Gelehrte die
allersonderbarsten und unrichtigsten Ansichten über verschiedene Gegenstände der Pflanzen - Anatomie ver-
breitet hat. Einen Beweis hiezu giebt auch die Erklärung der Structur in den Blättern des Sphagnum ob-
tusifolium.“
„Die Blätter der Sphagmum- Arten bestehen aus einer einfachen Schichte von flächenförmig an ein-
ander gereihten Zellen. Die frühere Ansicht, welche auch Meyzx vortrug, dass nämlich zwei verschiedene
Arten von Zellen das Blatt zusammensetzen, von denen die einen Spiralfasern und die andern, die ganz
schmalen nämlich, Chlorophyll-Kügelchen enthalten, ist durchaus unrichtig. Diese letztern Zellen wurden
durch eine optische Täuschung hervorgerufen; sie sind aber nichts weiter, als die seitlichen Scheidewände,
womit sich die Zellen an einander verbinden, und durch die Dicke dieser Zellenmembran, so wie durch das
Durchscheinen des untern Randes der Zellenwand, wurde diese Täuschung erzeugt. Hiezu kam noch, dass
man die Chlorophyll-Körner, welche den innern Flächen der seitlichen Scheidewände zuweilen anliegen, für
4) Mexex, über die neuesten Fortschritte der Anatomie und Physiologie der Gewächse, Haarlem, 1856.
p- 124. fig.
— 299 —
Zellensaft Bläschen dieser schmalen Zeilen ansah, welche zwischen den Zellen mit Spiraliasern liegen sollten.
In Fig. 19. Tab. VIII. sieht man dergleichen breite Scheidewände zwischen den einzelnen Zellen; sie zeigen
drei Linien, von denen die mittlere die Vereinigungs-Linie der beiden Zellenmembrane und die beiden seit-
lichen die seitlichen Begränzungen der Membrane sind. In Fig. 20., dicht daneben, sind die Zellen nicht
so dick, und hier erscheinen die vereinigten Zellenwände wie gewöhnlich. Hiemit glaube ich nun gezeigt zu
haben, dass dergleichen schmale Zellen, welche zwischen den grössern befindlich sein sollen, nicht vorhan-
den sind, sondern dass die Blätter der Sphagmım-Arten aus ganz gewöhnlichen Zellen gebildet werden,
welche erst später auf der obern und untern Fläche etwas auflaufen, aber durchaus keine Spur von Löchern
zeigen, eben so wenig wie dieses in andern Zellen vorhanden ist.“
„Ehe wir zu der Erklärung der feinen Streifen in den Sphagnum-Zellen übergehen, müssen wir noch
die Meinungen über den Bau dieser Theile näher betrachten. Mont erklärt nämlich gegen Meven, dass diese
Streifen durchaus keine Fasern wären, wie es Muven angiebt, sondern dass sie durch ungleichen Wachsthum
der Zellenwände in die Dicke hervorgerufen wurden. Es ist freilich wahr, und dieses giebt auch Meyen an,
dass diese Fasern mit der innern Wand der Zellen verwachsen sind, was jedoch die Natur der Faser nicht
verändert, wenn sie gleich nicht mehr frei für sich darzustellen ist. Indessen Meyex’s Ansicht halten wir
dennoch für richtig, da wir diese Streifen des Sphagnum -Stengels mit Hülfe eines einfachen Mikroskops,
als selbstständige Fasern aus ihrer Verbindung haben trennen können. Schon MEven fand, dass die grossen
Zellen, welche im Sphagnum - Stengel den äussern Zellenring bilden, sehr häufig auf ihrer innern Wand
Spiralfasern enthalten... .“
„Ich sage nochmals, dass ich diese Fasern unter einem einfachen Mikroskope zergliedert, auch be
deutende Streken von ihrer Zellenwand abgelöst habe, und demnach gehörigen Grund habe, diese spiral-
förmig gewundenen Streifen für wirkliche , der Zellenwand angewachsene Fasern zu halten, also dieselben
nicht blos für zufällige Verdickungen der Membran anzusehen. In den Zellen der Blätter ist mir dieses
Trennen der Fasern von den Zellenwänden nicht gelungen, hier giebt aber die Analogie den Beweis, dass
sich die Sache daselbst eben so verhalte. Die Blätter sind nämlich Fortsetzungen jener äussern Zellenschicht
des Stengels, welche 3, A bis 5 Zellen seitlich zu jedem Blatte abgiebt; mit dem Bündel langgestreckter und
braun gefärbter Zellen, welche in der Mitte des Stengels die Stelle des Holzbündels vertritt, stehen die
Blätter in keiner weitern Verbindung.“
„Wenn wir nun gleich gezeigt haben, dass obige Fasern und Streifen in den Zellen der Sphagmum-
Blätter mit den Spiralfasern in den Stengel-Zellen eben derselben Pflanze identisch sein müssen, so bleibt
doch vieles sehr Räthselhafte dabei zu betrachten übrig. Erstlich sind nicht alle Zellen eines Blattes mit
diesen Fasern versehen, sondern ihr Auftreten scheint von der Mitte aus zu beginnen. In Fie. 18. Tab. VIH.
ist die Basis eines Blattes aus Sphagnum palustre dargestellt; die Zellen sind daselbst langgestreckt, und
ohne alle Fasernbildung ; in Fig. 19. ebendaselbst ist ein Stück desselben Blattes. welches mehr über die
Mitte des Blattes gelegen war. Der eine Theil dieser Zellen zeigt die Faserbildung, der andere ist dagegen
ganz frei davon, und so waren es alle Zellen von der ganzen Spitze des Blattes. In der Zelle c, Fig. 19.
38 *
— 30 —
begann so eben diese Faserbildung, und es zeigt sich daselbst nur eine, queer über die Zelle laufende Fa-
ser, welche einen Ring bildet, ähnlich den Ringen der Spiralfasern in den ringförmigen Spiralröhren. An
mehreren Stellen der übrigen Zellen dieser Figur sieht man ganz deutlich, dass alle diese Streifen nur Ringe
bilden, und die spiralförmig sich windende Faser gänzlich daselbst fehlt. Unsere Meinung ist, dass sich hier
die Fasern sogleich zu Ringen bilden, ohne die niedern Metamorphosen -Stufen durchzugehen, man möge
demnach diese Fasern in den Zellen der Sphagnım - Blätter nicht Spiralfasern, sondern besser Ringfasern
nennen. Gleich bei jungen Blättern, wie in Fig. 19. kommt es vor, dass sich eine solche Ringfaser in einem
Seitenwinkel der Zelle bildet, wie z. B. bei e, e, e; dieselbe ist offenbar nichts anders als die übrigen queer-
liegenden Ringe, nur hat sich diese hier seitlich auf die Wand gelegt, während die andere queer durch die
Zelle rund um dieselbe fortläuft, und also auf ihrer seitlichen Ansicht nichts als einen einfachen Streifen
zeigen kann.“
„Diese mit der Blattfläche parallel gestellten Ringe, welche mit zunehmendem Alter der Pflanze
auch an Zahl zunehmen, wie in Fig. 20. zu sehen ist, sind sehr verschieden gedeutet worden, und
noch neuerlichst hat sie Herr Mont und Herr Fusrnrour, auf Monr’s Mittheilungen, sogar für Ringe
gehalten, welche die grossen Poren umgeben, wofür nämlich diese Herren die kreisrunden Räume inner-
halb dieser Ringe ansehen.“
„Mit diesen Poren, welche so bestimmt nicht vorhanden sind, wollte Herr Mont gegen Meyrx be-
weisen, dass jene Ringe, welche der Blattfläche parallel gestellt sind, keine Ringfasern wären! Die Zellen
sollen vielmehr an den Seiten mit einer Reihe von Oeffnungen besetzt sein, welche innerhalb der runden an
den Seiten der Zellen liegenden Kreise zum Vorschein kommen, und bald von gleicher Grösse bald etwas
kleiner als diese Kreise erscheinen, indem die Membran der Zellen sich noch eine Strecke weit über den,
aus einem Faserringe gebildeten Kreis ausdehnen soll. Indessen ist es wohl nicht schwer einzusehen, dass
diese besprochenen Ringe durchaus keine Löcher sind, sondern nur durch die Ringfasern erzeugt werden,
welche auf der Zellenwand festgewachsen sind. Man sche die vollständigen Zellen aus der Basis desselben
Sphagnum-Blattes in Fig. 18. Tab. VIII. und man wird keine Spur darin finden, welche auf ein solches
Loch schliesen liesse, oder man sehe überhaupt alle Zellen in den Sphagnum-Blättern, welche keine Fasern
enthalten, und man wird sich überzeugen, dass die Zelienmembran, welche diese Zellenwände bildet, durch-
aus nicht mit Oeffnungen versehen ist. Wenn nun diese Zellen, so lange sie keine Fasern enthalten, ohne
alle Oeffnungen sind, so wäre es noch möglich, dass diese Oeffnungen erst später, nämlich nach der Er-
zeugung der Fasern entständen; aber auch dafür sind keine Gründe vorhanden. Herr Monr scheint nur
solche Bildungen in den Sphagnum - Blättern gesehen zu haben, wie sie in Fig. 20. dargestellt sind; bei
andern Formen, und sie sind fast in jedem Blatte verschieden, hätte er sehr bald das Irrthümliche seiner,
selbst von aller Analogie abweichenden, Ansicht eingesehen. Man denke sich die Blätter der Sphagnum-
Arten, welche bekanntlich aus einer einfachen, flächenförmig aneinander gereihten Zellenschicht bestehen ;
und diese Zellen sollen durchlöchert sein, so dass sie dem Eindrange jeder Feuchtigkeit und der Luft offen
stehen! Wo soll denn in diesem Falle das Organ der bildenden Thätigkeit seinen Sitz haben? Die Zellen-
— 301 —
membranen sollen ja durchlöchert sein; aber der einfachen Membran ist die Wirkung allein doch nicht zu-
zuschreiben! So kommen wir wieder zu unserem Gegenstande zurück und glauben gezeigt zu haben, dass
sich die Zellen der Sphagnum - Blätter ganz ebenso, wie die der andern Pilanzen verhalten, nämlich dass
sie durchaus ohne alle Oeffnungen sind; daher steht es schlimm mit jenen Hypothesen, welche auf das Vor-
handensein jener angeblichen Löcher gebaut sind.“
„Je älter die Sphagnum -Pflanze wird, je grösser wird die Anzahl der Streifen auf ihren innern Zel-
lenwänden, und um so grösser auch die Zahl der kleinen Kreise, welche wir vorhin für Ringfasern erklärt
haben. Man betrachte die Zeichnung in Fig. 20. genauer, und man wird sehen, dass sich daselbst fast zwi-
schen jeden zwei Queerstreifen, dicht an den seitlichen Scheidewänden der Zellen, diese Ringfasern zeigen,
mehr oder weniger gross, je nachdem der Raum dazwischen übrig ist; diese Zeichnung zeigt aber auch,
dass diese Ringe nicht immer vorhanden sind, und dass sie, wie z. B. in der mittelsten Zelle, sogar zu zwei
neben einander liegen. Ausserdem’ sind die Ringgefässe in dieser Zeichnung; durch feine Streifen verbunden,
welche im Allgemeinen nur queer über den Raum von dem einen Ringe zum andern laufen, zuweilen aber
auch, wie bei c und bei d, über zwei und noch mehrere Ringe hinweglaufen. Gerade diese sonderbare
Struktur hat Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass alle die Fasern in den Zeilen der Sphagnum-
Blätter Spiralfasern wären, was aber nach dem vorhergehen nicht der Fall ist. Diese unregelmässige Faser-
bildung auf der innern Zellenwand ist allerdings höchst eigenthümlich, und hat grosse Aehnlichkeit mit der-
jenigen der Antheren-Zellen.“
Fassen wir nun nach dieser Darstellung der verschiedenen, über den Bau der Sphagnum-Blätter ge-
äusserten Ansichten, die hauptsächlichsten Punkte zusammen, so erhellt, dass darüber alle Phytotomen
einig sind, dass diese Blätter aus einer einzigen Zellenschichte bestehen; diese Zellen sind nach den Beob-
achtungen MoLDENHAWER’s von zweierlei Art, nämlich theils grosse, auf der innern Seite mit Fasern ver-
sehene, körnerlose Schläuche, welche an den Seiten mit Oeffnungen versehen sind, theils schmälere, zwi-
schen jenen liegende, durch Chlorophyll grün gefärbte Zellen; nach der Ansicht von Mzyzx dagegen beruht
die Annahme dieser zweiten Art von Zellen auf einer Täuschung, es sind nur die grösseren Zellen vorhan-
den, an deren Seitenwandungen das Chlorophyll liegt, und diese Zellen enthalten bald Fasern, bald sind sie
frei davon, ihre Wandungen sind aber nie von Oeffnungen durchbohrt. Die Fasern sind nach demselben
Schriftsteller der Zeilwandung selbst fremdartige, nur an sie angewachsene Bildungen, und können in ein-
zelnen Fällen abgelöst werden; nach meiner Angabe sind sie dagegen als Verdickungen der Zellenwandun-
gen selbst zu betrachten; nach der Ansicht von Link rührt endlich dieses faserähnliche Aussehen davon her,
dass diese Zellen keine einfachen Schläuche, sondern aus mehreren Zellen zusammengesetzt sind.
Was nun den ersten Punkt, die Zusammensetzung des Blattes aus einer oder aus zweierlei Arten von
Zellen, betrifft, so bedarf es keiner besondern Geschicklichkeit in phytotomischen Untersuchungen, um sich
von der gänzlichen Unrichtigkeit der Meven’schen Angabe, dass das Blatt blos aus einerlei Zellen bestehe
und dass der Schein von schmalen, zwischen den breiteren liegenden Zellen durch eine optische Täuschung
hervorgerufen werde, zu überzeugen. Wenn man nämlich den Querschnitt eines Blattes von Sphagnum
— 3020 — :
eymbifolium betrachtet, so sieht man sehr deutlich, dass die grösseren, wasserhellen, auf ihren Wandungen
mit Fasern besetzten Zellen mittelst abgeplatteter Seitenwandungen an einander liegen, dass dagegen diese
Vereinigung nicht in der ganzen Breite dieser Seitenwandungen stattfindet, sondern dass diese an einer Stelle
gegen das Innere der grossen Zellen ausgebogen sind, daher zwischen sich einen eylindrischen Raum frei-
lassen, und dass in diesem Raume die von MoLvexnawenr beschriebenen, schmalen, Chlorophyll enthalten-
den Zellen liegen. Die Abbildung, welche MorLvexuawer von diesen Zellen giebt, ist in so ferne nicht ganz
genau, als er dieselben so zeichnete, dass sie nur mittelst ihrer Seitenflächen mit den grossen Schläuchen,
zwischen denen sie liegen, in Berührung stehen, mit ihrer oberen und unteren Fläche dagegen an der obern
und unteren Blattseite frei liegen, während sie von diesen Zellen rings umgeben sind und weder an der
obern noch untern Blattfläche an der Oberfläche des Blattes frei liegen; wenigstens verhielt es sich so bei
allen Blättern von Sphagnum eymbifolium, von welchen ich Querschnitte untersuchte. In den übrigen,
über den Bau dieser Blätter publieirten Abbildungen, welche grösstentheis von Mevex !) herrühren, sind
diese Zellen theils gar nicht, theils noch weit fehlerhafter, als in der MoLvexuawer’schen Abbildung dar-
gestellt.
Bei den schmalblättrigen Formen von Sphagmum, z.B, bei Sphagnum aculifolium, cuspidatum ist
das Verhältniss der schmalen, Chlorophyll enthaltenden, Zellen zu den grösseren, mit Fasern versehenen,
etwas verschieden. Die ersteren sind nämlich verhältnissmässig weit grösser, besitzen bei manchen Blättern
die halbe Breite von den letzteren und sind von ihnen nicht mehr auf ihrer oberen und unteren Seite be-
deckt, sondern liegen mit diesen Seiten mehr oder weniger auf beiden Blattflächen frei. Sie behalten da-
gegen noch im Querschnitte eine rundliche Form, wesshalb die Faserzellen (da die Seitenflächen von diesen
concav sind) immer noch von beiden Seiten her die grünen Zellen eine grössere oder kleinere Strecke weit
bedecken und diese nicht ihrer ganzen Breite nach, wenn man das Blatt von der Fläche aus betrachtet, zu
Gesichte kommen. Eine ähnliche, stärkere Entwicklung zeigen diese Zellen auch in den am Hauptstengel
selbst stehenden Blättern breitblättriger Formen, bei Sphagnum eymbifolium, squarrosum und bei den
grossen Blättern, welche an den fruchttragenden Aesten stehen. Da an diesen beiden Arten von Blättern
die grösseren, wasserhellen Zellen keine Fasern und sehr häufig die schmalen Zellen kein Chlorophyll ent-
halten, so ist oft, wegen der bedeutenden Grösse der letzteren, die Unterscheidung beider Zellenarten etwas
schwierig. -
Der zweite Punkt, welcher von Morpennawer entdeckt, von mir bestätigt wurde, und nun von
MeEyrn heftig angegriffen wird, betrifft die Existenz von Oeffnungen in den mit Fasern versehenen Zellen
der Blätter und der äusseren Zellenschichten des Stengels von Sphagnum. Die Gründe, welche MEvex gegen
4) Es scheint wenigstens, dass die von Meyers in seiner neuesten Schrift gegebenen Abbildungen Blattzellen
von Sphagnum cymbifolium darstellen; Mexzx nennt die Pflanze Sphagnum palustre, überlässt es also dem
geneigten Leser, zu errathen, welche Pflanze eigentlich gemeint sei, indem Lıss« unter diesem Namen alle
wahren Sphagna, die ihm bekannt waren, zusammenfasste, und dieser Name bei den neueren Bryologen
nicht mehr vorkommt.
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die Existenz dieser Oeflnungen anführt, sind theils theoretische, iheils empirische. Einmal nämlich, wird
angeführt, enthalten nicht alle Zellen spiralförmige und ringförmige Fasern, und wo diese fehlen, ist auch
keine Spur einer Oeffnung zu finden. Nun wäre es zwar möglich, dass diese Oeifnungen sich später, nach-
dem sich in den Zellen Fasern erzeugt hatten, bilden würden; aber auch dafür sind keine Gründe vorhanden.
Im Gegentheile wäre bei diesen Blättern, die bekanntlich aus einer einfachen Zellenschichte bestehen, wenn
diese Zellen durchlöchert wären, nicht einzusehen, wo das Organ der bildenden Thätigkeit seinen Sitz ha-
ben sollte, indem man doch der einfachen Zellenmembran diese Funktion nicht zuschreiben könne.
Wir wollen zuerst, ehe wir die Resultate unserer Untersuchungen auseinandersetzen, den Werth dieser
von Mryzn gegen das Vorhandensein von Oeffnungen angeführten Gründe prüfen, und wir überlassen als-
dann, wenn wir dem Leser unsere Gegengründe vorgelegt und derselbe unsere Beobachtungen wiederholt
hat, ruhig demselben das Urtheil darüber, ob MoLpenuawer und wir, oder ob Meven bei diesen Unter-
suchungen mit grösserer Genauigkeit und Umsicht zu Werke gegangen, und ob der letztere durch seine Un-
tersuchungen der Sphagmım-Blätter berechtigt wurde, über die Darstellung von MoLDexuawer ein ungün-
stiges Urtheil zu fällen, und in ihr den Beweis zu finden, dass dieser Meister im Beobachten „die allerson-
derbarsten und unrichtigsten Ansichten“ verbreitet habe.
Was den von MEveEn so stark hervorgehobenen Punkt anbetrifft, dass die Blätter von Sphagnum be-
kanntlich aus einer einfachen, flächenförmig an einander gereihten Zellenschichte bestehen und dass daher
diese Zellen nicht durchlöchert sein können, so beruht dieses „bekanntlich“ nur auf seinen eigenen Unter-
suchungen, die übrigen Phytotomen kennen in diesen Blättern noch ein zweites System; es fällt daher der
ganze Gegenbeweis von Meven in sich selbst zusammen und es steht schlimm mit den Hypothesen, welche
auf den angeblichen Mangel dieses zweiten Zellsystemes gebaut sind.
Was den andern vonMsven gegen das Vorhandensein dieser Oefinungen angeführten Grund anbetrifft,
nämlich den Mangel der Oeffnungen in solchen Zellen, welche im Innern keine Fasern enthalten, so ist zwar
zuzugeben, dass dieses Factum im Allgemeinen richtig ist, allein gegen die Beweiskraft desselben ist ein
doppelter Einwurf zu machen; erstens beweist nämlich, wie dieses Meven selbst fühlte, der Umstand, dass
faserlose Zellen keine Oeffnungen besitzen, nichts gegen die Angabe, dass die Wandungen der Fasern ent-
haltenden Zellen durchlöchert seien, und blos von solchen wurde es bisher behauptet, zweitens ist Mkven’s
Angabe nicht einmal durchgängig richtig, denn man findet sehr häufig in der äussersten Zellenschichte jun-
ger, noch vegetirender Aeste und auch, wiewohl seltener, in den jüngsten Blättern von Sphagnum cymbi-
folium Zellen, welche keine Spur von spiralförmig gewundenen, oder auf der Achse der Zellen senkrecht
gestellten ringförmigen Fasern besitzen, und welche dennoch sehr grosse, von einem Faserringe umgebene
Oeffnungen zeigen. ;
Was den dritten Punkt, die Möglichkeit, dass diese Oeffnungen erst später, nämlich nach der Erzeu-
gung der Fasern entstünden, anbetrifft, so beonügt sich Meyen, diesen mit den Worten abzufertigen: aber
auch dafür sind keine Gründe vorhanden. Gründe dafür, warum gerade bei diesen Zellen und sonst be
keiner Pflanze nach der Bildung der Fasern die Zellwandung Oeffnungen bekommt, wird auch Niemand von
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ihm verlangen, wohl aber hätte man verlangen können, dass er genauer untersucht hätte, ob solche Oeff-
nungen vorhanden sind oder nicht, ehe er sich ein ungünstiges Urtheil über diejenigen Phytotomen, welche
diese Oeffnungen gefunden hatten, erlaubte. Wenn Mrven glaubt, ich hätte bald das Irrthümliche seiner,
selbst von aller Analogie abweichenden Ansicht eingesehen, wenn mir die verschiedenen Formen der bei
Siphagmım vorkommenden Zellen bekannt gewesen wären, so hat einentheils dieser Vorwurf der Unkenntniss
etwas Ergötzliches, da er von einem Manne herrührt, welcher die Pflanze, an der er seine Beobachtungen
machte, nicht einmal richtig botanisch benennt, und welcher einige Zeilen vorher angiebt, dass diese für
Oeffnungen angesehenen Stellen nur in solchen Zellen, welche Fasern enthalten, vorkommen, welcher also
eben damit beweist, dass gerade ihn der Vorwurf trifft, die Zellenformen von Sphagnum nicht vollständig
zu kennen; was dagegen anderntheils den Mangel eines jeden analogen Vorganges anbetriflt, so hätte sich
Mrven aus meiner Palmenanatomie und aus meiner Abhandlung über die porösen Gefässe der Dicotylen
darüber unterrichten können, dass allerdings ein völlig analoger Vorgang, nämlich Entstehung von Oeff-
nungen in früher gleichförmigen Membranen nach der Bildung von Fasern auf denselben, wenn auch nicht
in gewöhnlichen Zellen, doch bei den Schläuchen, welche sich in Gefässe verwandeln, vorkommt.
Alle solche theoretische Spekulationen über die Möglichkeit dieses Processes und über analoge Vor-
gänge bei andern Pflanzen führen hingegen zu nichts, es handelt sich vor Allem um die Untersuchung, kom-
men in den Wandungen der Zellen von Sphagnum Oefinungen vor oder nicht? Diese Frage beantworte ich
unbedingt mit Ja; die Beweise liegen in Folgendem:
Wenn man ein Blatt von den Aesten (aber nicht vom Hauptstamme) von Sphagnum cymbifolium
oder Sphagnum squarrosum, welches von Wasser durchdrungen ist, unter das Mikroskop bringt, so wird
man diejenigen Zellen, welche Spiralfasern oder Ringfasern enthalten, mit einer grösseren oder kleineren
Menge von kreisförmigen, aus einer Faser gebildeten Ringen besetzt finden, welche meistens längs den Sei-
tenrändern der Zellen auf den Wandungen derselben liegen und deren Durchmesser bei grossen Blättern bis
auf !/ıoo — "/ro par. Linie steigt. Da die Wandungen dieser Zellen im benetzten Zustande glasartig durch-
sichtig und völlig ungefärbt sind, so wird man bei der Vergleichung derselben mit den bezeichneten Kreisen
keinen so grossen Unterschied in der Beleuchtung, Farbe, Durchsichtigkeit u. dgl. finden, dass man mit
Sicherheit darüber entscheiden könnte, ob sich über diese Ringe eine Membron wegziehe oder nicht. Wenn
dagegen das Blatt vollkommen trocken ist, so wird man bei einer klaren, wenigstens 200maligen Vergrösse-
zung die Zellenmembran selbst an einer schwachen Trübung, an kleinen Runzeln, Erhabenheiten u. drgl.
erkennen können, dagegen wird man in jenen Kreisen nichts dergleichen sehen , sie überhaupt etwas heller
finden. Schon dieses weisst auf die Wahrscheinlichkeit hin, dass innerhalb jener Kreise die Zellmembran
durchlöchert ist; vollkommene Ueberzeugung über diesen Punkt wird man sich dagegen erst durch folgende
zwei Verfahrungsarten erwerben. Man macht Einrisse, Schnitte u. dgl. in das Blatt mit Hülfe von Nadeln,
oder der Spitze scharfschneidender Messer; in diesem Falle wird man schon am benetzten, weit leichter
aber am getrockneten Blatte ohne Mühe sehen, dass an allen denjenigen Stellen, an welchen ein solcher
Einriss durch einen Ring geht, derselbe sich an dem Ringe endigt und auf der entgegengesetzten Seite des
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Kreises fortsetzt, ohne eine über den Ring ausgespannte Membran zu durchsetzen, kurz, dass dieser Ring
eine wahre Qeffnung umgiebt. Man könnte die Einwendung machen, dass durch dieses Verfahren die Mem-
bran, welche im Ringe ausgespannt sei, von demselben losgerissen, und auf diese Weise eine künstliche
Oeffnung erzeugt werde; so leicht nun auch der Anblick eines solchen Präparates diese Vermuthung wider-
legt, indem von einer losgerissenen Membran oder von Stücken derselben nichts zu sehen ist, so hielt ich
es dennoch für zweckmässig, ein Mittel anzuwenden, welches die Oeffnungen deutlich sichtbar macht, ohne
das Blatt mechanisch zu verletzen. Dieses besteht in der Färbung der Zellmembran durch Jod. Wie jede
andere Zelle, so nimmt nämlich auch die von Sphagnum durch längere Einwirkung von Jod eine tief braun-
gelbe Färbung an, hiebei bleiben aber jene Kreise vollkommen ungefärbt; es ist daher auch durch dieses
Mittel der völlige Mangel einer Membran an dieser Stelle erwiesen.
Diese Oeffnungen finden sich, wie gesagt, regelmässig in den mit Fasern versehenen Astblättern von
Sphagnum cymbifolium und squarrosum, etwas schwieriger sind sie wegen geringerer Grösse und zum
. Theil auch wegen der geringeren Menge, in der sie vorkommen, in den Blättern von Sphaynum tenellum,
contortum, compactum, subsecundum, acutifolium zu sehen. Bei schmalen Blättern, bei welchen diese
Zellen schmal und in die Länge gestreckt sind, wie bei Sphagnum acutifolium und besonders bei Sphag-
num cuspidatum fehlen auch häufig diese Oeffnungen in einzelnen oder in allen Zellen des Blattes, wenn
auch die Fasern in demselben ausgebildet sind.
An den Blättern des Hauptstengels fand ich noch bei keiner Art diese Oeffnungen, da jedoch in Be-
ziehung auf das Vorhandensein der Fasern und Oefinungen überhaupt viele Abweichungen vorkommen, so
könnte es wohl der Fall sein, dass sie sich auch zuweilen an diesen Blättern finden.
An den grossen, schuppenförmigen Blättern, welche an den Aesten stehen, die eine Frucht tragen,
finden sich solche poröse Zellen meist nur gegen die Spitze und an den Rändern (Sphagnum cymbifolium
und squarrosum) oder sie fehlen auch ganz (Sphagnum acutifolium).
In den Zellen der Calyptra finden sich weder Fasern noch Oefinungen.
In den Zellen, welche die äusserste Schichte des Stammes und der Aeste bilden, fanden sich bald
Oeffnungen, bald nicht; häufig findet sich in jeder Zelle nur eine einzige Oeffnung, überhaupt sind ihrer
weniger, als in den Zellen des Blattes, dagegen sind sie häufig weit grösser. In den Zellen, welche Spiral-
fasern enthalten, finden sie sich in der Regel, in den glattwandigen Zellen fehlen sie theils, theils sind sie
aber auch, wie schon oben bemerkt, vorhanden.
. Was die Frage betrifft, ob diese Oeffnungen schon ursprünglich, während der ersten Entwicklungsstufen
dieser Zellen vorhanden sind, oder ob sie erst später in der vollkommen geschlossenen Zellwandung entstehen, so
ist dieser Punkt durch Beobachtung jugendlicher Blätter sehr schwer auszumitteln, denn in der Regel findet
man, wenn man die Spitze eines Astes unter dem Mikroskope entblättert, auch die innersten, kleinsten
Blättchen, welche man noch abzulösen im Stande ist, bereits mit Oeffnungen versehen. Dennoch glaube ich eine
solche spätere Entstehung dieser Oeffnungen annehmen zu müssen, indem ich einigemal bei solchen jungen
Blättern über denRing eine zarte Membran ausgespannt, und diese in einem Falle in der Mitte eingerissen fand.
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Was nun endlich die weitere Eigenthümlichkeit, durch welche sich diese Zellen auszeichnen, nämlich
die spiralförmigen oder ringförmigen Fasern betrifft, welche im Innern derselben liegen, so ist über diesen
Gegenstand wenig zu bemerken, nachdem diese Erscheinung nicht mehr wie zur Zeit der Entdeckung dieser
Fasern, eine beinahe ohne Beispiel dastehende Erscheinung ist, sondern mit einer grossen Menge ähnlicher
Bildungen, welche sich bei den verschiedensten Pflanzen finden, in eine Classe zu setzen ist.
Diese Fasern bilden entweder regelmässige spiralförmige Windungen, besonders in den etwas in die
Länge gestreckten, cylindrischen Zellen, welche die Oberfläche der Stämme und der Aeste bilden, in wel-
chen oft viele Fasern in parallelen Windungen steil neben einander aufsteigen ; oder sie bilden regelmässige
Ringe, wie in einem Ringgefässe, und zwar hauptsächlich in den langgestreckten Blattzellen schmalblättriger
Arten; oder sie bilden endlich auf eine ziemlich unregelmässige Weise bald spiralige Züge, bald Ringe, bald
netzartige Verzweigungen, wie dieses besonders in den etwas unregelmässigen, breiteren Blattzellen der mit
breiten Blättern versehenen Arten vorkommt. In allen Fällen, in welchen sich eine Oeffnung in der Zell-
wandung findet, ist diese von einem Faserringe umgeben, welcher theils von den übrigen Fasern vollkommen
isolirt ist, theils mit ihnen in Verbindung steht. Die Fasern selbst sind sehr fein, farblos und brüchig wie die
Zellwandung, und unterscheiden sich durch diese letztere Eigenschaft auf eine auffallende Weise von den
zähen Fasern der Spiralgefässe und sonstigen Zellen mit faserigen Wandungen.
In der Form und dem Vorkommen dieser Fasern beobachten wir keine ganz bestimmte Regel. Mei-
stens sind sie in den Zellen der Blätter, welche an den Aesten sitzen, vorhanden, sie fehlen dagegen nicht
selten in einzelnen grösseren oder kleineren Zellenparthieen, besonders solcher Blätter, welche an den ver-
dickten Aesten stehen, welche die sogenannten Antheren tragen; sie fehlen ferner in den Zellen derjenigen
Blätter, welche an den capseltragenden Aesten stehen, entweder völlig oder doch in der Mitte und an der
Basis der Blätter; sie fehlen, so weit meine (über diesen Punkt jedoch nicht sehr zahlreichen) Beobachtungen
reichen, constant an den am Hauptstamme der Pflanze stehenden Blättern , und sie fehlen endlich häufig in
der äussern grosszelligen Schichte der Stämme und der Aeste.
Die Fasern sind bald ausserordentlich zart, so dass sie nur bei beschränkter Beleuchtung des Objectes
deutlich gesehen werden, bald sind sie ziemlich derb und fallen auf den ersten Blick ins Auge; es mag je-
doch ihr Durchmesser wohl nie "/ıooo par. Lin. erreichen.
Dass solche faserähnliche Bildungen nicht im Innern der Zellen frei liegen, sondern einen Bestandtheil
der Zellwandung bilden und dem schichtenweisen Wachsthume derselben ihren Ursprung verdanken, habe
ich an verschiedenen Orten durch Nachweisung von Uebergangsbildung der sogenannten faserigen Zellen in
getüpfelte Zellen zur Genüge gezeigt, daher glaube ich diesen Punkt als einen völlig erledigten übergehen
zu dürfen und mich blos auf Nachweisung des Umstandes, dass die Fasern der Sphagnum-Zellen eine ana-
loge Bildung mit den Fasern der übrigen netzförmigen Zellen seien, beschränken zu müssen. Hiefür spre-
chen zwei Umstände; einmal sieht man nämlich in diesen Zellen sehr häufig, dass sich einzelne Fasern ganz
allmählig verflachen und in die Zellwandung verlieren, auf ähnliche Weise, wie dieses bei den Fasern in den
Endothecium-Zellen der Antheren häufig vorkommt, wodurch meiner Ansicht nach deutlich vor Augen gelegt
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ist, dass dieselben als partielle Verdickungen der Zellwandung zu betrachten sind; zweitens stimmen diese
Fasern in Hinsicht auf ihre Entwicklung mit den Fasern der übrigen Zellen überein, d. n die Wandung der
Jugendlichen Zellen ist vollkommen glatt und gleichförmig, später sieht man auf derselben sehr leicht ange-
deutete Streifen, welche in den ältern Zellen allmählig dicker werden und sich zu faserähnlichen Erhaben-
heiten ausbilden. Nie sieht man dagegen im Innern einer solchen Zelle eine mit ihrer Wandung nicht durch-
aus verwachsene Faser, und nie lässt sich eine solche Faser bei Sphagnıum, so weit mir meine vie'fachen
Untersuchungen dieser Zellen zeigten, von der Wandung ablösen, sondern es sind diese Fasern, wie ich
schon oben bemerkte, sehr brüchig, und sie reissen mit der Zellwandung immer quer durch, höchstens
setzen sie bei einer Trennung der Zeliwandung dem Risse einen kleinen Widerstand entgegen, so dass dieser
eine kleine Strecke längs der Faser hinläuft, ehe er diese selbst durchdringt; von einer Ablösung der Faser
auch nur auf der kleinsten Strecke sah ich dagegen nie die geringste Spur. Diese Umstände sprechen um so
mehr dagegen, dass diese Fasern der Zellwandung fremd und ihr nur angewachsen sind, als sich dieselben
bei ihrer Entwicklung nicht an allen Stellen der Zellen gleichförmig. ausbilden, sondern man im Gegentheile
Zellen findet, bei welchen auf der einen ihrer Seiten, z. B. auf der gegen die obere Blattfläche gewendeten,
die Fasern bereits vollkommen ausgebildet sind, während ihre auf die entgegengesetzte Seite der Zellen hin-
überreichende Fortsetzung sich erst unter der Form von kaum sichtbaren Streifen darstellt. Wer überhaupt
die stufenweise Entwicklung von Fasern auf den Wandungen von Zellen und Gefässen aufmerksam verfolgte,
der wird bemerkt haben, dass eine solche ungleichförmige Ausbildung derselben an verschiedenen Stellen
desselben Schlauches keine seltene Erscheinung ist, dass die schwächer ausgebildeten Stellen die in ihrer
Entwicklung vorausgeeilten bald einholen, bald aber auch, wie dieses in den Antherenzellen häufig statt-
findet, auf dieser schwachen Stufe der Ausbildung stehen bleiben. Dieses alles lässt sich sehr gut begreifen,
wenn man diese Fasern für partielle Verdickungen der Zellwandung selbst betrachtet, es möchte aber mit
der Ansicht, es seien schen selbstständige Bildungen, schwer verträglich sein.
Meyen, welcher diese Faserbildungen sämmtlich zum Inhalte der Zellen rechnet, giebt an, er hätte in
den Zellen der äussern Schichten des Stengels von Sphagnum diese Fasern auf bedeutende Strecken von
ihren Zellwandungen abgelöst und habe daher gehörigen Grund, diese spiralförmig gewundenen Streifen für
wirkliche, der Zellwandung angewachsene Fasern zu halten, also dieselben nicht blos für zufällige Verdic-
kungen der Membran anzusehen‘). Wie es sich nun mit dieser Ablösung auf bedeutende Strecken verhalte,
will ich ganz dahin gestellt sein lassen und bemerke nur, dass, wenn es auch der Fall gewesen und dabei
keine Täuschung stattgefunden haben sollte, dennoch dieser Umstand weit entfernt, ein gehöriger Grund für
die Selbständigkeit der Faser zu sein, im Gegentheile für die Entstehung und Bedeutung dieser Fasern gar
nichts beweisen würde. Dass die secundären, auf die Zellwandung sich absetzenden membranosen und durch-
4) Wie aus der oben wörtlich abgedruckten Stelle erhellt, so spricht Meyen von einer Zergliederung dieser
Fasern unter dem Mikroskop; ich will auf diese Angabe gar kein Gewicht legen, wohl aber mag. sie
als ein Beweis dafür dienen, wie wenig Mryrn’s Angaben wörtlich genau zu nehmen sind, denn dass eine
Zergliederung dieser Fasern eine reine Unmöglichkeit ist, darüber wird jeder, welcher dieselben sah, mit
mir übereinstimmen,
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[
löcherten Schichten sich häufig ablösen lassen, dass der Bau aller durch Ablagerung von Verholzungsschich-
ten verdickter Zellwandungen ein blättriger ist, wurde von mir längst gezeigt, desshalb sind.aber die später
abgelaserten Häute und Fasern noch keine selbstständige, der Zellwandung fremde und mit ihr „mehr oder
weniger“ verwachsene Bildungen. Dass selbstständige Fasern, die nicht von Anfang an mit den Membranen
verwachsen sind, in den Pflanzen vorkommen, hat Meyex überhaupt noch nachzuweisen, und dieses scheint
ihm um so schwerer zu werden, je weiter sich seine Untersuchungen ausdehnen; früher waren diese Fasern
im Zellensafte und die Faserringe fielen um, in seiner neuesten Schrift sind sie mehr oder weniger an den
Zellwandungen befestiet und man muss sie mit dem Messer ablösen und so ist Hoffnung vorhanden, dass
sie vielleicht in einer spätern Schrift einen Theil der Zellwandung selbst bilden.
Somit hoffe ich, meine Aufgabe gelöst zu haben, welche einentheils darin bestand, die für die Lehre
des Baues der Pflanzenzellen höchst wichtige Organisation der Blätter von Sphagnum zu erläutern, andern-
theils den Zweck hatte, das Andenken des bescheidenen und genauen MoLDENHAWER, der von den Arbeiten
seiner Vorgänger immer mit Ruhe und Anstand sprach, und der zum Danke für seine mühevollen Untersu-
chungen von seinen Nachfolgern beinahe nur herben Tadel geerndet hatte, gegen harte und unbillige Angriffe
zu vertheidigen.
Anhang.
Während des Druckes der vorliegenden Dissertation erhielt der Verfasser die zweite Auflage von
Meyen’s Phytotomiet\. Wie dieses Werk überhaupt in Beziehung auf einen grossen Theil der in ihm ausge-
sprochenen Ansichten sehr zu seinem Vortheile einen Gegensatz gegen die nur wenige Monate vorher er-
schienene Haarlemer Preisschrift desselben Verfassers bildet, so finden wir auch in Beziehung auf den Gegen-
stand dieses Aufsatzes die Darstellung des Verfassers wenigstens in einem Punkte geändert. Es erkennt
nämlich MEyENx in dieser Schrift?) die Zusammensetzung der Blätter von Sphagnum aus zweierlei Zellen
wieder an und liefert auch Abbildungen von diesen zweierlei Zellenarten, welche die früher von ihm publi-
cirten weit übertreffen.
In Beziehung auf den Bau der grösseren, die Spiralfasern enthaltenden Zellen ist seine Ansicht im
Ganzen dieselbe geblieben, ich habe daher nicht nöthig, auf diese neuere Darstellung einzugehen und be-
schränke mich auf die Betrachtung einiger weniger Punkte.
Ich habe oben (p. 305) angeführt, dass die Färbung der Sphagnumzellen durch Jod ein Mittel an die
Hand gebe, um sich von der Existenz von Oeffnungen in ihren Wandungen zu überzeugen; merkwürdiger-
weise giebt nun MEyEx an, man könne sich durch Anwendung dieses Mittels, oder durch Beleuchtung mit
gefärbtem Lichte davon überzeugen, dass über diese Kreise eine Membran ausgespannt sei. In wie ferne
die Anwendung von gefärbtem Lichte zur Entscheidung dieser Frage irgend etwas soll beitragen können,
sehe ich nicht ein, indem durch dieses Licht ebensowohl die in Rede stehenden Kreise, als die Zellwandung
selbst gefärbt werden müssen; was dagegen die Färbung der Zellwandung durch Jod anbetriflt, so habe ich,
4) Neues System der Pilanzenphysiologie von Mess. P. I. Berlin 4837.
2) l. c. p. 56. u. fig,
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veranlasst durch den Widerspruch in meiner und in Meyex’s Angabe, die Sache aufs Neue untersucht und
muss auf meiner frühern Angabe beharren.
Ein zweiter Punkt, gegen welchen ich mich durchaus erklären muss, betrifft die Angabe, dass mit
dem höheren Alter der Pflanze die Spiralfasern der Sphagnumzellen sich in Ringfasern verwandeln, doch
fügt der Verfasser hinzu, scheine es ihm, dass auch sehr häufig in den Zellen sogleich ringförmige Fasern
auftreten. Dieser Vorgang, dass schraubenförmig gewundene Fasern in ringförmige Stücke zerfallen, dass
die Enden dieser Stücke zusammenwachsen können, wurde bekanntlich schon längst von verschiedenen Sei-
ten her von den Spiralgefässen behauptet, und wird auch wieder von MEyEn in dieser neuen Schrift ver-
theidigt und zugleich auch auf die Faser der Sphagnumzelle übergetragen. Eine solche Ansicht war in
frühern Zeiten, so lange man den Bau der Spiralgefässe unvollkommen kannte, so lange man sich die Fasern
derselben als frei in einem ceylindrischen Raume liegend dachte, so lange man die Entwicklungsgeschichte
der Gefässe nicht untersucht hatte, zu verzeihen, wenn sie gleich immer als eine höchst gewagte und un-
wahrscheinliche Behauptung erscheinen musste; nachdem man aber weiss, dass die Fasern der Gefässe von
ihrer ersten Entstehung an an dem Schlauch, in welchem sie liegen, angewachsen sind, nachdem schon
von MOoLDENHAWER gründlich nachgewiesen wurde, dass bei den Gräsern dieselbe Reihe von Gefässschläu-
chen an der einen Stelle des Internodium beständig die Form von Spiralgefässen, an einer andern die Form
von Ringgefässen zeigt, und dass dieses in jeder Altersperiode der Pflanzen der Fall ist; da es ferner noch
nie Jemand geglückt ist, eine in Stücke zerfallene Spiralfaser zu sehen, oder an den Ringen der Ringgefässe
eine Spur einer frühern Trennung zu bemerken, so sollte doch von einer solchen Hypothese keine Rede
mehr sein. Welche Kraft sollte auch das Zerfallen der Spiralfaser in lauter gleich grosse Stücke bewirken,
wie sollte ferner eine Verwachsung ihrer Enden auch nur mechanisch möglich sein? Schon bei einem Spi-
ralgefässe, welches nur eine einzige schraubenförmig gewundene Faser enthält, wäre dieser Process ein
höchst wunderbarer. Es müssten sich die Faserstücke aus ihrer Verbindung mit der umgebenden Membran
loslösen, ihre frühere schiefe Richtung verlassen und eine horizontale Lage annehmen, um eine Verwach-
sung ihrer Enden auch nur mechanisch möglich machen zu können. Zugleich müsste sich die umgebende
membranose Röhre gerade in demselben Verhältnisse erweitern, in welchem die früher schief stehenden
Faserstücke in ihrer nunmehrigen horizontalen Lage eines grösseren Raumes bedürfen, welche Erweiterung
wieder eine organische Umänderung der ganzen Umgebung des Gefässes nach sich ziehen müsste ; lauter
Veränderungen, von denen doch nieht angenommen werden kann, dass sie schnell vor sich gehen könnten.
Und bei allen diesen Metamorphosen, wenn sie in der Wirklichkeit und nicht blos in unsern Büchern statt-
finden würden, sollte es noch Niemand gelungen sein, die Natur auch nur Einmal zu belauschen? Sprechen
schon alle diese Umstände gegen die Umwandlung des einfachen Schraubenganges in ein Ringgefäss,
so wird eine solche Metamorphose bei denjenigen Schraubengängen, welche mehrere parallel gewundene
Spiralfasern besitzen, zur reinen Unmöglichkeit, denn welche wunderbaren Wanderungen müssten hier
die, wie mit einer Scheere zerschnittenen, Faserstücke machen, damit ihre beiden Enden auf einander
treffen und verwachsen könnten. Kurz, man mag die Sache betrachten, wie man will, so ist die in Rede
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stehende Ansicht, um es gelinde auszudrücken, eine durch keine Thatsache unterstützte, durchaus wilikühr-
liche Hypothese.
Zusatz.
(aus der Flora. 4858. D).
Seitdem die obige Dissertation im Drucke erschienen ist, gelang es mir, eine den porösen Zellen von
Sphagnum analoge Bildung noch bei zwei andern Laubmoosen aufzufinden. Die eigenthümliche graugrüne
Farbe, das schnelle Vertrocknen, die rauschende Beschaffenheit der Blätter von Dieranım glaucum liess
mich nämlich vermuthen, es werde wohl denselben eine ähnliche Structur zukommen, wie den Blättern von
Sphagnum; ebenso schien mir dasselbe von den Blättern von Ocfoblepharum albidum wahrscheinlich,
da dieselben, so viel sich an den getrockneten Exemplaren bemerken lässt, eine sehr ähnliche Beschaffen-
heit mit denen von Dicranum glaucum besitzen.
Ich hatte zwar schon früher zu wiederholtenmalen diese Moose untersucht, ohne einen solchen aus-
gezeichneten Bau zu finden, eine neuere, sorgsamere Zergliederung ihrer Blätter zeigte hingegen, dass meine
Vermuthung allerdings gegründet war.
Schneidet man in querer Richtung so dünne Schichten aus den Blättern von Dieranum glaucum aus,
dass dieselben nur eine einzige Lage von Zellen enthalten (Tab. VI. fig. 18.), so erkennt man, dass das Blatt
nicht, wie es sonst bei der Mehrzahl der Moosblätter der Fall ist, aus einer einzigen Zellenschichte besteht,
sondern dass mehrere Lagen von Zellen übereinanderliegen. In der Regel sind es derselben drei bis vier,
gegen die Spitze des Blattes zu nur zwei, und nur der äusserste Rand wird von einer einzigen Zellenlage
gebildet. Diese Zellen besitzen ungefärbte dünne Wandungen, schliessen so enge aneinander, dass keine
Spur von Intercellulargängen zwischen ihnen bleibt, sie enthalten in ihrer Höhlung weder Chlorophylikörner,
noch sonstige feste Gebilde. Schon insoferne haben sie also eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit mit
den grösseren Zellen der Sphagnumblätter; diese Aehnlichkeit erscheint jedoch noch weit grösser, wenn wir
den Bau ihrer Wandungen und ihr Verhältniss zu den mit Chlorphyll gefüllten Zellen ins Auge fassen.
Betrachten wir nämlich auf einem solchen Querschnitte die horizontalen Scheidewände dieser Zellen
(fig. 18. b. c.), so werden wir auf jeder derselben einen, zuweilen auch zwei oder drei unregelmässige Kreise
finden, welche ganz auf dieselbe Weise, wie bei Sphagnum aus einer ringförmigen Verdickung der Zell-
wandung gebildet sind. Innerhalb dieser Kreise ist nun in den erwachsenen Blättern beinahe ohne Aus-
nahme die Wandung der zwei aneinander liegenden Zellen durchbrochen. Ueber das wirkliche Vorhanden-
sein dieser Oeffnungen kann ebensowenig als bei Sphagnum irgend ein Zweifel obwalten, denn wenn ein
Schnitt oder ein Riss durch einen solchen Kreis geht, so sieht man auf das Ueberzeugendste, dass derselbe
eine Oeffnung umgiebt. Ebenso liefert dafür, wie bei Sphagnum, die Färbung der Zellwandung durch Jod
einen sehr sichern Beweis. Um sich hievon volle Ueberzeugung zu verschaffen, bedarf es nicht einmal der
Anwendung bedeutender Vergrösserungen, wie aus der beigegebenen Zeichnung erhellt, welche nach einer
240maligen Vergrösserung entworfen ist.
In einzelnen Zellen findet man auf den Scheidewänden jene Kreise zarter und schwächer angedeutet
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g. 1. c.) und innerhajh derselben keine Oefinung, sondern die Zellmembran ununterbrochen über dieselbe
fortgesetzt, ganz auf dieselbe Weise, wie man dieses auch in seltenen Fällen bei Sphagnum findet.
Diejenigen Wandungen der Zellen, welche die Oberfläche der Blätter bilden, zeigen die beschriebenen
Kreise und Oeffnungen nicht, sondern sind nach Art der übrigen dünnwandigen Zellen ununterbrochen und
glatt. Dagegen zeigen diejenigen Seitenwandungen der Zellen, welche eine auf die Blattflächen senkrechte
Lage besitzen, ohne Ausnahme ähnliche Tüpfel und zwar in grösserer Anzahl als die horizontal liegenden
Scheidewände. Die Tüpfel haben hier beinahe ohne Ausnahme eine ovale Form mit querliegendem grös-
serem Durchmesser wie fig. 15. zeigt, welche einen senkrecht auf beide Blattflächen geführten Längen-
schnitt darstellt. Auch auf diesen Seitenwandungen findet sich in der Regel innerhalb des den Tüpfel umge-
benden Kreises eine Oeffnung.
Auf den parallel mit den Blattflächen verlaufenden Seitenwandungen der Zellen (fig. 14.) kommen eben-
falls ähnliche Oeffnungen (d.) vor, jedoch findet man häufiger diese Kreise von einer Membran verschlos-
sen (c.), als dieses auf den auf die Blattfläche senkrecht gestellten Wandungen der Fall ist.
Zwischen der obern und untern Schichte dieser körnerlosen, porösen Zellen, oder wenn mehr als
zwei Schichten vorhanden sind, etwas näher der oberen, als der unteren Blattfläche (fig. 18.), liegt zwischen
den Längenkanten dieser Zellen eine Reihe enger, mit Chlorophyll gefüllter, gelbgrüner Zellen. Im Quer-
durchschnitte (fig. 18. a.) sind diese Zellen beinahe ohne Ausnahme viereckig, weil in der Regel vier Seiten-
kanten von körnerlosen Zellen an diesen Stellen zusammentreffen. Entfernt man durch einen parallel mie
der Blattfläche geführten Schnitt die körnerlosen Zellen der untern Blattseite, so sieht man (fig. 14.), dass
diese engen, mit Chlorophyli gefüllten Zellen (a.) in die Länge gezogene, mittelst horizontaler Scheide-
wände übereinander liegende Schläuche bilden, welche der Länge der Blätter nach in ziemlich regelmässigen
Linien liegen, und von Strecke zu Strecke durch kurze Querfortsätze mit den benachbarten Zellenreihen
anastomosiren, so dass auf diese Weise ein unregelmässiges Netz mit länglichen Maschen gebildet wird.
Die Blätter von Octoblepharum albidum gleichen in Hinsicht auf ihren innern Bau denen von Dicra-
mım glaucum auf das Ueberraschendste, mit der einzigen Ausnahme, dass sie verhältnissmässig weit dicker
und schwammiger sind und keinen verdünnten Rand besitzen, sondern im Querschnitte beinahe eiförmig
sind. Sie bestehen ebenfalls mit Ausnahme der mittleren Schichte aus farblosen, durchaus körnerlosen
Zellen, welche auf jeder Seite des Blattes in vier bis fünf Schichten liegen und von den entsprechenden
Zellen von Dieranım glaucum einzig und allein durch geringere Grösse abweichen, in Hinsicht auf Tüpfel
und Oeffnungen hingegen vollkommen mit ihnen übereinstimmen, wesshalb ich mich einer nähern Beschrei-
bung derselben überheben kann.
In der mittleren Schichte dieses Blattes liegen zwischen den körnerlosen Zellen auf ähnliche Weise wie
bei Dieranum glaucum mit Chlorophyll gefüllte Zellen, deren nähere Gestalt ich jedoch nicht mit der Be-
stimmtheit wie bei Dicranum glaucum anzugeben vermag, da diese grünen Zellen (wie auch bei Sphag-
num und Dicranum glaucum), die Eigenschaft haben im WVasser schwer aufzuweichen, wesshalb frische
Exemplare untersucht werden müssen, wenn man sich keiner Täuschung über die Form und Beschaffenheit
dieser Zellen aussetzen will.
2 a
Das Gesagte wird hinreichen, um die Analogie deutlich zu machen, welche im Bau der Blätter von
‚Sphagnum und derer von Dicranum ylaucum und Octoblepharum albidum stattfindet, denn wir finden
hier wie bei Sphagnum, das Blatt aus zweierlei Zellen zusammengesetzt, aus grossen, farblosen, körner-
leeren und aus engen, Chlorophyll enthaltenden, welche zwischen jenen grösseren netzartig vertheilt sind
und im Innern des Blattes liegen. Wie wir ferner bei den grossen Blattzellen von Sphagnum inner-
halb der kreisförmigen Ringe wahre Oeffnungen in der Zellenwand finden, so findet dieses auch hier statt;
nur tritt der Unterschied ein, dass Diceranum glaucum und Octoblepharum albidum nur in solchen Zell-
wandungen, welche an andere Zellen angrenzen, Oeflnungen haben, während bei Sphagnum dieselben
auch an den die Oberfläche des Blattes und Stengels bildenden Wandungen vorkommen. Ein fer-
nerer Unterschied dieser Zellen von den grossen Zellen der Sphagnumblätter besteht in dem Mangel der Spi-
ralfasern und Ringfasern, welche hier auf der innern Wandung der Zellen vorkommen; dieser Unterschied ist
jedoch der am wenigsten wesentliche, indem diese Fasern auch in vielen Zellen von Sphagnum fehlen.
In Beziehung auf die relative Lage der Chlorophyll enthaltenden, engeren Zellen und der farblosen
grösseren Zellen im Blatte von Sphaynum habe ich schon in obiger Dissertation angegeben, dass hierin
manche Abweichungen vorkommen, indem bei den breitblätterigen Arten in der Regel die engeren Zellen
so zwischen den grösseren liegen, dass sie die Oberfläche des Blattes nicht erreichen, während sie bei den
schmalblätterigen Formen, sowohl an der obern als an der untern Blattfläche frei liegen. Das Gesagte wird
durch die beigefügten Abbildungen eines Querschnittes durch das Blatt von Sphagnum cymbifolium (fig. 16.)
und Sphagnum acutifolium (fig. 17.) deutlich werden, in welchen «a. die Chlorophyll enthaltenden und b.
die porösen Zellen bezeichnet; hiebei ist jedoch zu bemerken, dass die Abbildungen nach Querschnitten
irockener und in Wasser eingeweichter Blätter gemacht sind, wesshalb der Querschnitt der engeren Blatt-
zellen vielleicht eine andere Form darstellt, als in frischen Blättern, welche mir, als ich dieses niederschrieb,
nicht zu Gebote standen, da Sphagnumarten nur in grösserer Entfernung von Tübingen wachsen.
Verweilen wir nun einen Augenblick bei den Folgerungen, welche für die allgemeine Phytotomie aus
dem Bau der beschriebenen Zellen gezogen werden können, so scheinen mir diese in mehrfacher Hinsicht
nicht unwichtig zu sein.
Es wird durch diese Beispiele unumstösslich bewiesen, dass es Pflanzenzellen giebt, deren Wan-
dungen von wahren Oeffnungen durchlöchert sind. Diese Oeffnungen sind nun, wie ich glaube, nicht von
Anfang an vorhanden, sondern entstehen erst im Laufe der Entwicklung dieser Zellen. Von Sphagnum habe
ich es schon in der obigen Dissertation angeführt, dass ich bei sehr jungen Blättern in einzelnen Fällen die
Oeffnung durch eine Membran verschlossen gefunden habe. Weit leichter und weit häufiger findet man die-
ses bei Dicranum glaucum (fig. 14. 15. 18.), indem hier nicht selten auf einzelnen Zellwandungen theils
neben einer wahren Oeffnung, theils auch ohne eine solche, ein oder mehrere Tüpfel vorkommen, über welche
sich die Membran ununterbrochen fortzieht.
Sehen wir uns nach analogen Bildungen um, so werden wir, wie schon oben angedeutet wurde, auf
eine Vergleichung dieser durchbrochenen Zellwandungen mit den Scheidewänden zwischen den Gefässschläu-
— 3B —
chen hingewiesen. Ich habe an verschiedenen Orten gezeigt, dass es sowohl bei Monocotylen
als Dicotylen nicht selten vorkomme, dass bei den Treppengängen und bei den punktirten Gefässen die
Scheidewände der einzelnen Gefässsch'äuche, welche bei ihrer ersten Entwicklung vollkommen geschlossen
und gleichförmig sind, in der spätern Zeit, nachdem sich auf ihnen secundäre Membranen in der Form von
durchlöcherten Häuten, Fasernetzen u. s. w. abgelagert haben, so weit sie nicht von diesen secundären
Schichten bedeckt sind, resorbirt werden, wodurch eine offene Communication zwischen den übereinander
stehenden Gefässschläuchen hergestelltwird. Wir sehen also hier theilweise Zerstörung der primären Schlauch-
wandung im Zusammenhange mit der Ablagerung einer mehr oder weniger stark durchlöcherten secundären
Membran innerhalb der Oeffnungen der letztern. Ganz denselben Vorgang; sehen wir nun bei den Zellen der
angeführten Laubmoose.
Der Umstand, dass dieser Vorgang in parenchymatosen Zellen eintritt, ist insoferne für die allgemeine
Pflanzenanatomie von grosser Bedeutung, als er das letzte Unterscheidungsmerkmal, welches man in ana-
tomischer Hinsicht zwischen dem Bau der Zelle und des einzelnen Gefässchlauches aufstellen konnte, un-
brauchbar macht. Dass der Bau der Wandungen der Gefässschläuche nicht mehr als charakteristisches Merk-
mal der Spiralgefässe und ihrer Modificationen dienen kann, war mir schon längst deutlich, nachdem sich
von Tag zu Tag die Entdeckung von getüpfelten und mit Ring- oder mit Spiralfasern versehenen Zellen
häufte; allein ich glaubte immer noch in dem gänzlichen oder partiellen Verschwinden der Scheidewände
der Gefässschläuche, wodurch ganze Reihen derselben zu Röhren verbunden werden, einen anatomischen
Unterschied zwischen ihnen und den Zellen aufgefunden zu haben. Nun aber, nachdem sich ähnliche Durch-
löcherungen auch bei Zellen finden, bin ich ausser Stande, einen durchgreifenden anatomischen Unterschied
zwischen Zellen und den Schläuchen, aus welchen die Spiralgefässe und ihre Modificationen bestehen, anzu-
geben, womit jedoch keineswegs gesagt sein soll, dass es passend ist, nach dem Vorgange von MEYEn, die
Gefässe der Pflanzen mit den Zellen zu vereinigen, denn wir dürfen, wenn wir die Elementarorgane der Pflan-
zen auf eine naturgemässe Weise in Systeme theilen wollen, ihre physiologischen Verhältnisse nicht aus den
Augen verlieren.
Zum Schlusse füge ich noch bei, dass die porösen Zellen der genannten Laubmoose nicht die
einzigen mir bisher aufgestossenen, wirklich porösen Zellen sind, sondern dass ich auch bei einigen Phanero-
gamen poröse Zellen aufgefunden habe, worüber ich das Nähere an einem andern Orte mittheilen werde.
40
— 3lt —
XXIV.
Ueber den Bau
der
vegetabilischen AN
(Dissertation vom Jahr 1857.)
Wor wenigen Jahren schien es noch eine durch die sichersten Beobachtungen bewiesene Thatsache
zu sein, dass die Membran der vegetabilischen Zellen aus einer durchaus homogenen Substanz bestehe,
gleichsam aus einem geronnenen Schleime, an welcher man eben so wenig, als an einer Glasscheibe irgend
eine Structur nachweisen könne); es hatten sich zwar von Grew bis auf Harrıc manche Phytotomen für
eine Zusammensetzung der Zellmembran aus Gefässen, Fasern, Bläschen, Körnern u. dgl. ausgesprochen,
ihre Angaben konnten jedoch durch die Beobachtung nicht bestätigt werden, und erlangten nie irgend einen
allgemeineren Beifall.
So sicher nun auch diese Homogeneität der Zellmembran bewiesen zu sein schien, so wiesen dennoch
die Beobachtungen der letzten Jahre darauf hin, dass allerdings in dieser Membran eine bestimmte Structur
mittelst der Anwendung guter Mikroskope nachzuweisen sei. Ueber die Deutung des Gesehenen stimmten
jedoch die Beobachter nicht ganz überein, so dass bis jetzt blos die Thatsache, dass die Zellmembran nicht
vollkommen homogen ist, feststeht, ihre wahre Structur aber immer noch ein durch weitere Beobachtungen
zu lösendes Räthsel ist.
Auf die Erscheinungen, welche auf eine bestimmte Struktur der Zellmembran hinweisen, machte ich
vor einiger Zeit zuerst aufmerksam?). Brısseau-MirseL hatte nämlich zum Beweise, dass die einzelnen
Molecüle der Zellmembran sich isoliren und zu eigenen Zellen ausbilden können, angeführt, man finde bei
einigen Pflanzen die Zellmembran mit Wärzchen besetzt, welche der Zellmembran das Aussehen einer Hai-
fischhaut geben, z. B. bei den Lebenssaftgefässen (eigentlich Baströhren) von Nerium Oleander und den
Holzzellen von Ginkgo biloba.
1) Vrgl. Tarvırasus, Physiologie der Gewächse. I. p. 55. — Mryen, über die neuesten Fortschritte der
Anatomie und Physiologie der Gewächse. Haarlem. 1856. p. 10.
2) Huco Mour, Erläuterung und Vertheidigung meiner Ansicht von der Structur der Pflanzensubstanz,
1856. p- 23.
— 35 —
Diese Angaben fand ich nicht bestätigt, sondern wies nach, dass die von Mırsru angeführten Zellen,
wie es bei dickwandigen Zellen gewöhnlich ist, aus übereinanderliegenden Lamellen bestehen, und dass diese
einzelnen Lamellen (Zellenhäute) eine eigenthümliche, fein netzförmige Structur besitzen. Weit deutlicher,
als bei Nerium, fand ich diese Structur bei den Bastzellen von Vinca minor ausgebildet, indem mit Aus-
nahme der äussersten Lamelle, welche dieselbe Structur wie bei Nerium hatte, die tiefer gelegenen Lamellen
spiralförmig gewundene, steil aufsteigende Fasern zeigten, welche in den verschiedenen Lamellen sich kreuz-
ten und so die Oberfläche der Zelle in rhombenförmige Felder zu theilen schienen.
Die Frage, ob diese Bildung darauf hinweise, dass die Pflanzenmembran aus Fasern zusammengesetzt
sei, verneinte ich und gab an, es scheine dieselbe vielmehr auf geringe Unterschiede in der Dicke und
Dichtigkeit der Membran, auf eine abweichende Anlagerung der Molecüle an verschiedenen Stellen hin-
zuweisen.
Eine ähnliche netzförige Bildung der Zellmembran wurde noch ferner in den Bastzellen mancher an-
dern Asclepiadeen und Apocyneen, in den sogenannten porösen Zellen von Ginkgo biloba und Abies ex-
celsa, in den Baströhren von Cocos botryophora, in den Markzellen von Sambucus nigra aufgefunden
und hinzugefügt, man möge dieses netzartige Aussehen der einzelnen Schichten einer Pflanzenzelle nicht
mit der Bildung der Tüpfel verwechseln, insoferne mit dem ersteren vollkommene Continuität der Zellmem-
bran verbunden sei, während die Bildung der Tüpfel auf Unterbrechung der inneren Schichten der Zellmem-
branen beruhe und neben jener netzförmigen Structur vorkommen könne. '
Die zwischen MıkseL und mir geführte Controverse über den Bau der vegetahilischen Membran gab
Varentin t) Veranlassung, seine Ansichten über den in Rede stehenden Punkt zu veröffentlichen. Er gieng
hiebei von dem Baue der Baströhren von Nerium odorum aus, an welchen er einen ähnlichen Bau entdeckt
hatte, wie ich an denen von Vinca minor, d.h. parallele, dunkle Streifen auf der äusseren Fläche, und
einen faserigen, spiraligen Bau der auf der innern Fläche abgelagerten, secundären Schichten. Seine Be-
schreibung weicht jedoch insoferne von der Beschreibung ab, welche ich von Vinca gab, als ich die
Richtung der spiraligen Streifen in den verschiedenen Schichten verschieden fand, wesshalb jede Seite der
Bastzellen in rhombenförmige Felder getheilt war, während VaLeEnrın angiebt, dass sowohl bei Nerium als
bei Vinca die spiralförmigen Windungen nur nach einer Richtung verlaufen und desshalb die Eintheilung
in rhombenförmige Felder von dem Durchscheinen der spiralförmigen Windungen der hintern Zellwand durch
die vordere Wand herrühre.
Aehnliche spiralförmige Windungen fand VaLentıw auf den Bastzellen von Ginkgo biloba, Dra-
caena ferrea, Cecropia peltata, Agave american«a etc. Ueberhaupt kann man nach seiner An-
gabe fast in jeder continuirlichen Verholzungsformation mehr oder weniger deutliche Spuren dieser spiral-
förmigen Linien wahrnehmen.
4) Ueber den Bau der vegetabilischen Membran, insbesondere der secundären Verholzungsschichten (Varex-
rın’s Repertorium für Anatomie und Physiologie. I. 88.).
40 *
u RED.
Sehr schwierig sind dagegen nach VAarentmw’s Angabe diese Verhältnisse in den partiell verholzten
Theilen d. h. den Treppengängen und den porösen Zellen und Gefässen wahrzunehmen; doch ist dieses in
den Holzgefässen der Sarsaparillwurzel möglich, ferner in den porösen Zellen von Agave americana, in
den punktirten Rühren von Arisfolochia Sipho, in den porösen Markzellen von Sambucus nigra, Fagus
sylvatica etc. Dieses Verhältniss, dass auf continuirlich verholzten Gebilden die Streifen leicht, auf ge-
tüpfelten Gebilden dagegen schwer zu beobachten sind, ist nach Vauenrin besonders deutlich bei den Ge-
fässen der Cycadeen und Coniferen. Diese Gefässe sind ursprünglich Spiralgefässe, welche durch fortschrei-
tende Verholzung bald in poröse Gefässe übergehen. In diesem mittlern Stadium bilden die Lücken der Ver-
holzungsmembranen schief stehende Spalten; zugleich sind mehr oder weniger deutlich die ursprünglichen
Spiralfasern zu sehen. Die zwischen ihnen liegenden Streifen der secundären Verholzungsmembran sind so
deutlich mit spiraligen Linien besetzt, dass diese zuerst ins Auge fallen. Noch deutlicher sind die spiral-
förmigen Linien an den nicht mit Tüpfeln versehenen Seiten der Gefässe. Aehnliche Bildungen findet man
an den jungen Holzgefässen anderer Gewächse, z. B. von Glediftschia triacanthos, Jasminum fruticans.
Die transversalen Streifen an der Oberfläche der Baströhren von Nerium entsprechen den queren
Streifen, welche man in allen continuirlich stark verholzten Pflanzentheilen, z. B. auf der Oberhaut von
Agare, Aloe, Cacalia triflt.
Bei Betrachtung dieser sämmtlichen Bildungen, fährt Varexriın fort, finde man, dass sie sämmtlich
Verholzungsbildungen seien; nie könne man diese Linien auf der einfachen Zellmembran. sehen, und es zeige
auch die Entwicklungsgeschichte dieser Bildungen, dass die spiraligen Streifen Folge des Verholzungspro-
cesses seien. In der frühesten Jugend zeigen sich nämlich die Baströhren von Nerium als gleichförmige
dünnhäutige Zeilen. Später zeigen sich auf der innern Seite abgelagerte Verholzungsschichten und auf der
innern Fläche eine körnige Substanz, deren Rörnchen anfangs keine bestimmte Anordnung erkennen lassen,
später dagegen bald quere Linien, bald spiralige Anordnung zeigen, bald spiralig verlaufende fadenförmige
Gebilde darstellen. Zugleich erscheinen auf der äussern Seite die (ransversalen Streifen. Auf dieselbe Weise
verfolgte VaLenrın die Entwicklung der Baströhren von Vinca, Gleditschia ete. Die querlaufenden Strei-
fen und Körnchen, welche den spiraligen Zügen vorausgehen, hält VaLexrın für dieselben Linien, welche
sich später unter Spiralform zeigen, und welche wegen geringer Länge der Zellen nur eine geringe Eleva-
tion besitzen und später bei eintrelendem Längenwachsthume steiler aufsteigen.
Eine besondere Aufmerksamkeit widmete Meyex ') diesen Bildungen; seine Untersuchungen führten
ihn zu Ansichten, welche von denen seiner Vorgänger durchaus abweichen. Er geht nicht von der Betrach-
tung verholzter Zellen aus, sondern solcher Zellen, von deren Wandungen er annimmt, dass sie noch aus
der ursprünglichen Membran bestehen. Besondern Werth legt er auf die Zellen einer von ihm auf der Insel
Lucon entdeckten Stelis, bei welcher alle Parenchymzellen feine, spiralförmig gewundene Streifen zeigen,
welche durch 10 bis 12 nebeneinanderliegende viereckige Fasern gebildet werden, welche in Form eines
4) Meyen, Neues System der Pflänzenphysiologie. I. p. 45
a Malz
breiten Bandes den cylindrischen Raum der Zellenhöhle umwinden und nach seiner Beschreibung durch
keinerlei Membran verbunden oder umgeben sind. An den Enden der Zellen sind die Fasern zu einer
structurlosen Membran unter einander verwachsen.
Die Zellen, welche die weisse Hülle der Luftwurzeln dieser Pflanze bilden, zeigen ebenfalls die spira-
ligen Streifen, doch sind diese so fest verwachsen, dass sie sich nicht mehr auseinander ziehen lassen. Da
es nun nicht mehr zu bezweifeln sei, dass diese Streifen nichts anders als die Fasern der übrigen Zellen be-
deuten, so sei es auch ganz natürlich anzunehmen, dass bei allen übrigen Zellen, auf deren Wandungen
ähnliche spiralige Streifen vorkommen, auf gleiche Weise die Wandungen aus verwachsenen Fasern gebildet
seien. Dahin gehören die Zellen, welche die pergamentartige Rinde der Luftwurzeln von Pothos, Epi-
dendrum , Vanilla und vielen parasitischen Orchideen bilden. Bei diesen Zellen hält sich Meyen für über-
zeugt, dass die spiraligen Linien durch die Vereinigungslinien der nebeneinander liegenden Windungen der
Fasern, woraus die Zellenwände bestehen, gebildet sind.
VVie sich bei Stelös die Fasern, aus denen die Zellwandung besteht, in Form eines Bandes abrollen
lassen, so kommen auch Fälle vor, in welchen man die Zellenmembran in Form eines Bandes abrollen kann,
dessen Zusammensetzung aus Fasern jedoch nicht sichtbar ist. Dahin gehören die Haare auf den Luft-
wurzeln von Renanthera coccine« und anderen parasitischen Orchideen, die Haare der Melocacten und
Mammilarien.
Endlich nimmt Meyen an, dass auch die Häute der bekannten Faserzellen der Samen von Collomia@
und Casuarina aus verwachsenen Spiralfasern bestehen. Diese Fälle lassen, nach der Ansicht Meven’s
eine Zusammensetzung der Zellmembran aus Spiralfasern wohl kaum bezweifeln; ebenfalls, jedoch weniger
schlagend, können die Beobachtungen für dieselbe Ansicht angeführt werden, welche früher von ihm unter
der Rubrik: Faserbildung im Innern der Zellen aufgeführt wurden, d.h. solche Zellen, bei wel-
chen auf der innern Fläche der Zellmembran Fasern verlaufen. In diesen Fällen ist es häufig deutlich, dass
diese Fasern secundärer Entstehung sind und auf der innern Seite einer gleichförmigen Zellmembran eine
aufgelagerte Schichte bilden, in andern Fällen ist es weniger gewiss, ob sie nicht Theil an der Bildung der
Zellmembran selbst nehmen.
Solche Spiralfaserzellen (fibrose Zellen) zeigen die Lebermoose in den Elateren, die Blätter von
Sphagnım, die Sporangien von Eguisetum, endlich viele höhere Pflanzen, besonders die tropischen Or-
chideen, das Endothecium der Antheren, die grünen Rindenzellen des Hollunders und des Aelleborus foe-
tidus. Endlich, glaubt Mevex, deuten auch noch die spiralen Streifen auf den Zellwandungen der geglie-
derten Härchen von Tradescantia, so wie die kleinen Körner und Streifen auf der innern Seite der
Brennhaare von Urtica und Jatropha auf eine Zusammensetzung der Zellwandungen aus Spiralfa-
sern hin.
Dieselbe Zusammensetzung der Zellwandung aus feinen, spiralförmig sich windenden Fasern, welche
der parenchymatosen Zelle zukomme, findet MEyen auch bei der jugendlichen prosenchymatosen Zelle (po-
röse Zelle der meisten Autoren) der Coniferen, indem sich diese Fasern ganz wie bei Spiralgefässen ausein-
— 318 —
ander ziehen lassen. Die spiraligen Streifen, welche man auf den Wänden der alten Prosenchymzellen fin-
det, sind die Ueberbleibsel dieser verwachsenen Spiralfasern. .In den äussern Schichten dieser Zellen sind
die Fasern durchaus zu einer gleichförmigen Haut verwachsen, in den innern. jüngern Schichten dagegen
verlaufen sie zum Theil sehr weitläufig !). |
Endlich betrachtet Meyex die spiralförmigen Streifen der Faserzellen (Baströhren) von Finca, Ne-
rium u. s. w.?) Die von VALExTIv erzählte Bildungsgeschichte derselben konnte er nicht durch eigene Be-
obachtungen bestätigen. Er ist der Ansicht, dass auch bei diesen Zellen die einzelnen Schichten aus einer
Vereinigung von Fasern gebildet sind, und dass die feinen schattigen Linien, welche auf diesen Schichten
sichtbar sind, die Vereinigungsstellen der Fasern bezeichnen. Aber nicht blos diese inneren Schichten be-
stehen aus verwachsenen Fasern, sondern auch die äusserste, nur ist die Richtung der Fasern eine ver-
schiedene, insofern sie in der äussern Schichte quer verlaufen. Die Kügelchen, von welchen VALEnxTıx in
diesen Zellen beobachtete, dass sie sich spiralförmig aneinander ordnen und die Grundlage der neuen Zellen-
schichten bilden, hält Mevex für Kügelchen, die van Zellsafte schwimmen und wie die Kügelchen des Milch-
saftes eine Molecülarbewegung zeigen.
Gehen wir nach dieser historischen Uebersicht der bisher über diesen schwierigen Punkt angestellten
Forschungen zur nähern Untersuchung des Gegenstandes selbst über, so müssen wir zuerst diejenigen Zellen
ins Auge fassen, deren Wandung noch keine bedeutende Dicke erlangt hat, von welchen desshalb angenom-
men wurde, dass sie noch aus der primären Zellwandung ohne secundäre, aufgelagerte Schichten bestehen,
bei welchen daher die eigenthümliche Structur, welche man in ihren Wandungen entdeckte, der primären
Schlauchwandung selbst zugeschrieben wurde.
Meven gründete auf die Untersuchung solcher dünnwandiger Zellen den haüptsächlichsten Beweis für
seine Ansicht, dass die Zellwandung aus Spiralfasern zusammengesetzt sei; insbesondere ist es die von ihm
auf Lucon entdeckte Stelis gracilis, deren sehr merkwürdiger Zellenbau ihm die schlagendsten Gründe .
für diese Structur der Zellwandung zu geben schien. Er theilte zu verschiedenen Malen Abbildungen von
den Zellen dieser Pflanze mit, welche ein getreues Bild von denselben geben (über die neuesten Fortschritte
der Anatomie und Physiologie der Gewächse, Haarlem. 1836. Tab. IX. A. fig. 4 —6.; Pflanzenphysiologie,
Tab. IV. fig. 5. 7.). Ich verdanke der gefälligen Mittheilung des angeführten Phytotomen ein Stückchen
dieser Pflanze, eine Mittheilung, die für meinen gegenwärtigen Zweck um so wichtiger war, da unter allen
von Mryen angeführten Beispielen der Zellenbau dieser Pflanze am meisten von dem gewöhnlichen Verhält-
nisse abzuweichen schien. Das Resultat meiner Untersuchung der genannten Orchidee stimmt mit den An-
gaben Meyen’s nicht überein. Die Wandungen dieser Zellen zeigten sich nämlich nicht, wie MEvex®) an-
giebt, aus gesonderten Fasern zusammengesetzt, ohne irgend eine Spur einer umschliessenden Substanz
4) L. c. p. 80.
2) L. c. p. 109. u.f.
3) Neues Syst. der Pflanzenphysiologie p. 46.
— 319 —
oder verbindenden Membran, sondern es zeigte sich mit vollkommenster Deutlichkeit zwischen den Fasern
eine Membran ausgespannt, welche zwar sehr zart ist, allein schon bei den im Wasser liegenden, noch deut-
"licher hingegen bei trockenen Zellen sichtbar ist. Der Bau dieser Zellen stimmt daher im Wesentlichen mit
dem Bau der Spiralzellen, welche die äussere Haut der Wurzeln so vieler tropischer Orchideen bilden, voll-
kommen überein; eine Uebereinstimmung, welche schon durch den Umstand wahrscheinlich wird, dass auch
bei manchen andern tropischen Orchideen einzelne, wenn auch nicht alle Parenchymzellen der Blätter eine
ähnliche Faserbildung und eine umschliessende Membran zeigen.
Dass die Enden der Zellen von Stelös eine gleichförmige Membran zeigen, ist ein Umstand, welcher
keinen Einwurf gegen die Vergleichung dieser Zellen mit gewöhnlichen Spiralfaserzellen begründen kann,
indem es überhaupt häufig ist, dass bei Zellen und Gefässen die Fasern an einzelnen Stellen zu
gleichförmigen Membranen zusammenfliessen. Wir können dem Gesagten zu Folge in der Stelis graci-
lis Meien keine Ausnahme vom gewöhnlichen Bau der Spiralzellen und keinen Beweis von der Zusammen-
setzung der einfachen Zellmembran aus Fasern finden, sondern müssen annehmen, dass die zarte, zwischen
den Fasern ausgespannte Membran die primäre Zellwandung ist, und dass die Fasern eine secundäre, auf der
innern Fläche der Zellwandung abgelagerte Bildung sind.
Einen weiteren Beweis für seine Ansicht findet Me£ven in der Structur der Haare der Cacteen, beson-
ders der Mammilarien und Melocacten, indem sich die Zellwandungen derselben in Form eines spiraligen
Bandes auseinander ziehen lassen. Auch hier kann ich nicht derselben Ansicht sein. Aus der Untersuchung
der Haare einer ziemlichen Anzahl von Cacteen ergab sich nämlich, dass die Zellen, aus denen sie zu-
sammengesetzt sind, mit einem feinen Fasernetze besetzt sind. Diese Fasern sind bald ziemlich derb und
sehr deutlich z. B. bei Opuntia fragilis, bald sehr zart und nur am trockenen Haare deutlich zu erkennen,
2. B. bei Echinocacfus multiplex, Mammillaria discolor. Häufig sind die Fasern an den langgestreckten,
oberen Zellen des Haares deutlich, dagegen weniger deutlich an den kürzeren, untersten Zellen, ebenso sind
sie bei den Haaren der jungen, noch in der Entwicklung begriffenen Triebe entweder noch sehr schwach
ausgebildet oder auch gar nicht zu sehen, dagegen bei den Haaren älterer Triebe deutlich ausgebildet. Sie
verlaufen zum Theil in der Richtung einer Spirale, meistens sind sie dagegen netzartig unter einander ver-
wachsen, jedoch immer so, dass die spiralige Windung vorherrscht und die Maschen des Netzes in schiefer
Richtung aufwärts gezogen sind. Ich kann also auch hier wieder nichts anderes, als eine ganz gewöhnliche
Spiralzellenbildung finden; dafür spricht das Aussehen der erwachsenen Zelle und die Entwicklungsgeschichte
derselben. Für die faserige Structur der primären Schlauchwandung lässt sich daher aus dem Baue dieser
Zellen keine Folgerung ableiten. Im Gegentheile wäre die Zellmembran aus Fasern zusammengewachsen,
so müsste dieses Em der jungen Zelle am deutlichsten sich zeigen, diese ist aber gerade entweder glattwandig
oder nur mit sehr undeutlichen Fasern besetzt, ganz analog der Tüpfelbildung aller Zellen.
Mi iten unzweifelhaften Beweis für die Zusammensetzung der Zellenhäute aus Spiralfasern betrach-
tet Meven den Bau der Faserzellen in der Samenhaut von Casuarina und Collomia, indem er annimmt,
dass die Wandungen dieser Zellen, wenn die Samen in Wasser gebracht werden, sich in die bekannten Spi-
— 320 —
ralfasern auflösen. Dieses findet nun bei den Samen von Collomia entschieden nicht statt, denn man wird
hier immer die Spiralfaser von einem dünnhäutigen Schlauche umgeben finden, wodurch unzweifelhaft be-
wiesen wird, dass diese Zellen gewöhnliche, nur durch ausserordentlich starke Hygroskopieität ausgezeich-
nete Spiralzellen sind.
Bei den Spiralzellen von Casuarina gelang es mir zwar nicht, eine solche äussere Haut zu sehen,
dennoch aber zweifle ich nicht, dass auch sie im wesentlichen mit den bisher betrachteten Zellen überein-
stimmen. Wenn man diese Zellen trocken oder mit Alcohol (in welchem sie sich nicht aufrollen) befeuchtet
betrachtet, so findet man die Windungen ihrer Spiralfaser unmittelbar aneinander liegen, so dass nur eine
schmale , dunkle Trennungslinie zwischen ihnen sichtbar ist; bringt man nun Wasser hinzu, so rollen sich
die Spiralfasern schnell auf, wobei man ailerdings von einer die Windungen verbindenden Membran nichts
gewahr wird, allein dasselbe tritt bei der Abrollung aller sehr zarter, mit enggewundener Faser versehener
Spiralgefässe auch ein, ohne dass desshalb an der Anwesenheit einer umschliesenden Haut zu zweifeln ist.
Wenn man bedenkt, dass diese Fasern einander unmittelbar berühren, oder wenigstens einander so sehr
genähert sind, dass der Zwischenraum zwischen ihnen ?/2000 Linie nicht übersteigen kann, so ist leicht ein-
zusehen, dass die umschliessende Membran nicht zu sehen ist, wenn dieselbe bei der Aufroliung der Faser
zerreisst und nicht, wie bei Collomia ausgedehnt wird. Da in allen analogen Fällen eine umschliessende
Membran vorhanden ist, so sind wir ohne Zweifel dazu berechtigt, sie auch hier zu vermuthen, indem die.
besondere Bildung dieser Zellen, unter der Voraussetzung, dass diese Membran sehr dünn und zerreisslich
ist, es sehr erklärlich macht, dass sie nicht gesehen wird. Untersuchung der Entwicklungsgeschichte dieser
Zellen würde die Sache leicht aufklären, dazu fehlte mir aber die Gelegenheit.
Fassen wir das Resultat dieser Beobachtungen zusammen, so erhellt, dass (mit Ausnahme des zweifel-
haften Falles von Casuarina) diejenigen parenchymatosen Zellen, welche Meven als Beweis dafür anführte,
dass die Zellenhäute aus einer Vereinigung von spiralförmigen Fasern bestehen, diesen Beweis nicht liefern,
indem die Fasern durch eine dünne Membran verbunden sind, dass daher diese Zellen denselben Bau, wie
die gewöhnlichen Faserzellen, z. B. der Antheren, der Luftwurzeln der Orchideen etc. besitzen, und sich
von diesen nur durch den Umstand unterscheiden, dass ihre Fasern in sehr engen Windungen liegen, wess-
halb die verbindende Membran übersehen werden kann.
Da solche mit sehr zarten und einander sehr genäherten Fasern versehene Zellen nicht zu den häu-
figen Bildungen gehören, so mag es nicht überflüssig sein, noch einige weitere Pflanzen zu nennen, bei wel-
chen sie sehr ausgebildet vorkommen. Dahin gehört vor allen Illecebrum verticillatum, dessen schwam-
mige, weisse Sepala aus einem parenchymatosen Zellgewebe gebildet sind, welches vollkommen denselben
Bau hat, wie die äussere weisse Haut der Wurzeln parasitischer Orchideen; ferner die Samenhaut von Vis-
cum album, deren Zellen ebenfalls mit sehr enge aneinander liegenden Fasern besetzt sind, endlich das
lockere, schwammige Zellgewebe, welches bei den Samen von Cucurbita Pepo zwischen der tes veissen
Testa und der innern grünen Samenhaut liegt, dessen Zellen mit einem äusserst zierlichen, feinen Fasernetze
besetzt sind und vollkommen das gleiche Aussehen wie die VYandung eines netzförmigen Gefässes besitzen.
— 321 —
Betrachten wir nun die näheren Verhältnisse der Faserzellen, so haben wir der Richtung ihrer Win-
dung, dem Bau ihrer Häute, der Anwesenheit von Tüpfeln unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die Richtung, in welcher die Spirale gewunden ist, ist in den meisten Fällen sehr schwierig zu be-
stimmen, nicht desshalb, weil man bei einem Präparate nicht mehr anzugeben weiss, welches Ende gegen
die Wurzel und welches gegen die Spitze des Stammes gerichtet war, oder weil das Mikroskop ein umge-
kehrtes Bild giebt (denn diese Umstände, welche MEyEn an verschiedenen Stellen seiner Werke als die Ur-
sachen der schwierigen Bestimmung der Windung der Spiralgefässe aufführt, kommen gar nicht in Betracht),
sondern weil bei einem parenchymatosen Gewebe, dessen Wandungen sehr dünn sind, sehr schwierig aus-
zumitteln ist, welche Lage der zwei übereinander liegenden und sich kreuzenden Faserschichten der oberen,
und welche der untern Zelle angehört. Diese Schwierigkeiten fallen hinweg, wenn sich die Zellen von ein-
ander isoliren lassen, oder wenn sie, wie bei Haaren, einzeln übereinander stehen. In diesen Fällen er-
kennt man, dass die Fasern bald rechts bald links gewunden sind. Rechts gewunden, d.h. also in demsel-
ben Sinne wie die Faser der Spiralgefässe‘), sind die Fasern bei Casuarina und Collomia, links gewunden
bei den Haaren der Cacteen; es ist jedoch in der Richtung der Windung selbst bei derselben Pflanze keine
festbestimmte Regel, es kommt sogar bei den Cactushaaren vor, dass einzelne zwischen links gewundenen
liegende Zellen rechts gewunden sind.
Die spiralförmige Windung kann nun in doppelter Beziehung Abänderungen zeigen. Einmal kann die
Steigung der Spirale abnehmen, bis die Faser senkrecht auf der Längenachse des Gefässes steht, was die
Bildung von Ringfasern, anstatt Spiralfasern zur Folge hat; anderntheils kann die Steigung zunehmen, bis
sie mit der Achse parallel wird, und die Fasern an den Seitenwandungen senkrecht verlaufen.
Ausserdem kommen noch eine Menge Unregelmässigkeiten im Verlaufe der Fasern vor, indem sie
von der Spirallinie abweichen, stellenweise auseinandertreten, so dass der eine Theil steiler, der andere
weniger steil aufwärts lauft, bis sie nach einer gewissen Strecke wieder zusammentreffen u. dgl. m.
Eine weitere Abweichung besteht in der Verzweigung und netzförmigen Verbindung der verschiedenen
Fasern, wobei, je nach dem Grade der Verästelung, die spiralige Richtung bald noch deutlich bleibt, bald
ganz in den Hintergrund tritt.
Ein höchst merkwürdiges Verhältniss in Beziehung auf die Richtung der Fasern zeigen die Zellen,
aus welchen die äussere Rindenschichte der Luftwurzeln von Epidendrum elongatum besteht. Dieselben
sind, wie bei andern parasitischen Orchideen mit ziemlich zarten Fasern besetzt; diese Fasern verlaufen da-
gegen nicht mit der grossen Regelmässigkeit, wie bei den andern Orchideen in Spirallinien und in gleicher
Entfernung von einander, sondern sie verlaufen in einem Theile der Zellen in sehr steil ansteigenden Spira-
4) Anm. Es soll hiemit nicht behauptet werden, dass die Spiralgefässe ohne Ausnahme in dieser Richtung
gewunden sind, sondern nur, dass diese Richtung in der unendlich grossen Mehrzahl der Fälle vor-
kommt, wenigstens erinnere ich mich keiner andern Pflanze, als Pinus sylvestris, bei welcher ich links
gewundene Spiralgefässe sah.
—_— 32 —
len und sind einander alsdann sehr genähert. Diese Fasern sind nun nicht an allen Stellen parallel unter
einander, sondern sie weichen an einzelnen Stellen auseinander, so dass sie elliptische Räume der Zellwan-
dung frei lassen, wodurch eine Art von Netz mit unregelmässigen und zerstreuten Maschen entsteht, welche
Maschen theils durch einzelne Fasern, meistens jedoch durch ganze Faserbündel von einander geschie-
den sind.
Da nun die Fasern in den aneinander liegenden Seitenwandungen zweier benachbarter Zellen einander
kreuzen, so können diese Maschen der Fasernetze, wenn sie einander auch in der Lage im Allgemeinen ent-
sprechen, dennoch einander nicht genau decken, sondern fallen nur in ihrer Mitte über einander, wäh-
rend ihre beiden schief aufwärts und abwärts gerichteten Enden von den Fasern der benachbarten Zelle be-
deckt sind.
Ueber diese faserfreien Stellen ist bald die äussere Haut der Zelle fortgesetzt, so dass sie Tüpfel von ge-
wöhnlicher Bildung darstellen, bald ist auch an diesen Stellen die äussere Haut der Zelle wirklich durchlöchert,
so dass ein freier Uebergang von der einen Zelle in die andere stattfindet. An anderen Stellen haben die
Fasern eine mehr quere Richtung und lassen grosse ovale Räume zwischen sich frei, welche ebenfalls wahre
Oeffnungen darstellen.
Der Bau dieser Zellen erinnert in einiger Beziehung an die Zellen von Sphagnum; wie hier haben
wir bei dem genannten Epidendrum durchlöcherte Zellmembranen, welche mit Fasern besetzt sind, und
der Unterschied zwischen beiden beruht hauptsächlich darauf, dass die Poren bei Sphagnum von einem
eigenen, geschlossenen Faserringe umgeben sind, welcher nicht nothwendigerweise mit den Spiralfasern
in Verbindung steht, während bei Epidendrum die Poren in den Zwischenräumen zwischen den Spi-
ralfasern liegen.
Schon dieser Umstand muss uns auf eine Vergleichung dieser Poren mit den gewöhnlichen Tüpfeln
der Zellen hinweisen, noch mehr aber werden wir hierauf hingeleitet durch den Umstand, dass diese ellipti-
schen Oeffnungen sich mit einander kreuzen, indem wir an den Tüpfeln vieler Gewächse eine ähnliche Kreu-
zung beobachten.
Im Allgemeinen entsprechen zwar bekanntlich die Tüpfel in den an einander anliegenden Wandungen
zweier Zellen einander in Hinsicht auf Lage und Form vollkommen, und man wird von dieser Regel bei pa-
renchymatosen Zellen, bei welchen keine der drei Hauptdimensionen bedeutend über die andern überwiegt,
nicht leicht bedeutendere Ausnahmen finden. Anders verhält es sich dagegen bei einer grossen Menge von
prosenchymatosen, in die Länge gezogenen Zellen. ‘Hier wird man nämlich bei genauerer Betrachtung der
Tüpfel finden, dass dieselben keinen kreisförmigen Umfang besitzen, sondern die Form von schiefstehenden
kurzen Spalten zeigen, welche alle in der Richtung einer die Zelle umgebenden Spirale stehen. Ob nun
gleich die Tüpfel zweier mit einander verwachsener Zellwandungen einander entsprechen, so können sie
doch der angegebenen schiefen Stellung wegen (indem in allen Zellen die Spirale, in welcher die Tüpfel ste-
hen, die gleiche Richtung hat) einander nicht vollkommen decken, sondern kreuzen sich mit einander und
liegen nur mit ihrem mittlern Theile übereinander. Sehr deutlich lässt sich diese Bildung an den prosen-
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chymatosen Zellen der Holzbündel im äusseren festen Theile des Stammes von Aloe arborescens und
an den Holzzellen von Caekus hexcagonus erkennen, indem die Tüpfel bei diesen Gewächsen eine ziemliche
Grösse besitzen.
Schwieriger ist die Nachweisung dieses Baues bei den Holzzellen von Bäumen, doch wird man ihn
mittelst einer 300 — 400maligen Vergrösserung leicht bei Betula alba, Aesculus Hippocastanum, Acer
campestre, Sophora japonica, Liriodendron tulipifera, Evonymus europaeus, besonders aber bei den
stark punktirten Holzzellen der Asclepiadeen und Apocyneen, z. B. bei Hoya carnosa, Periploca graeca,
Nerium Oleander finden. In allen diesen Fällen wird man erkennen, dass die Tüpfel nicht kreisrund, son-
dern länglich sind, an beiden Enden in eine kürzere oder längere Spalte auslaufen und schief stehen. Die
Kreuzung der zwei übereinander liegenden Tüpfel, welche zwei aneinander liegenden Zellwandungen ange-
hören, wird man desto leichter erkennen, je dünnwandiger diese Zellen sind. Von keinem Einflusse ist es
hiebei auf die Form der Tüpfel, ob dieselben von einem rundlichen Hofe umgeben sind, wie bei Evonymus
europaeus, oder ob ein solcher Hof fehlt, wie bei Aesculus. Wo ein solcher Hof vorhanden ist, stimmen
diese Tüpfel in ihrem Baue vollkommen mit den Tüpfeln der Coniferen überein, denn auch bei diesen, z. B.
bei Ginkgo biloba , ist es nicht selten, dass die Tüpfel elliptisch sind und sich kreuzen.
Diese schiefe, unter einem bestimmten Winkel gegen die Längenachse der Zelle geneigte Rich-
tung der Tüpfel weisst uns darauf hin, dass auch bei den glattwandigen Zellen die Tüpfel nicht, wie
es auf den ersten Anblick scheint, ganz regellos vertheilt sind, sondern dass in "diesen Zellenhäuten eben
so, wie in der Spiralzelle und dem Spiralgefässe, die organisirende Kraft in der Richtung einer Spiral-
linie thätig ist.
Um diesen Umstand näher zu erforschen, mag es das passendste sein, zu untersuchen, ob zwischen
der Richtung der Tüpfel und den auf den Wandungen mancher Zellen vorkommenden Spiralfasern ein be-
stimmtes Verhältniss stattfinde. Bei den oben beschriebenen Zellen von Epidendrum elongatum findet
dieses entschieden statt, denn hier nehmen die Tüpfel und Poren die Zwischenräume zwischen den auf eine
gewisse Strecke aus einander weichenden Faserbündeln ein, liegen daher mit ihrer Längenachse immer in
der Richtung der Fasern und werden unmittelbar von denselben begrenzt. Dieses könnte nun zu der Ver-
muthung führen, dass auch bei den übrigen mit elliptischen Tüpfeln versehenen Zellen der Bildung von
Tüpfeln ein solches Auseinanderweichen von Spiralfasern zu Grunde liese, und dass die Tüpfel nichts ande-
res seien als Lücken zwischen den Spiralfasern. In der That, hat auch Mwvex in Beziehung auf die Tüpfel
der Coniferen und Cycadeen eine solche Ansicht geäussert. Nachdem er nämlich als Thatsache anführte !),
dass die Membran der Röhren , welche das Holz dieser Pflanzen bilden (Mevex’s Prosenchymzellen), aus
lauter feinen, spiralförmig sich windenden Fasern zusammengewachsen sei, so erklärt er die Entstehung und
Richtung ihrer elliptischen Tüpfel durch die Annahme, es treten die Windungen der Faser aus einander und
es entstehe aus der sich dazwischen bildenden Haut der Füpfel )).
1) Physiologie p- 79.
2) L. c. p. 87. p. 90.
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Diese Angaben müssten, wenn sie sich bestätigten, unsere bisherigen Ansichten vom Baue der Zellen-
häute vollkommen reformiren, daher müssen wir sie etwas näher ins Auge fassen.
Was zuerst die Angabe betrifft, dass die Zellwandungen der Coniferen in ihrer ersten Jugend aus spi-
ralförmig neben einander laufenden Fasern bestehen, welche sich „ganz nach Belieben auseinander ziehen
lassen,“ so muss ich derselben auf das entschiedenste widersprechen. Ich habe vielfach die jungen, in der
Entwicklung begriffenen Holzschichten der Coniferen untersucht und die Entwicklung ihrer Tüpfel verfolgt,
eine Zusammensetzung der Zellmembran aus lose verbundenen Fasern aber niemals gesehen, sondern ohne
Ausnahme die Wandungen der jüngsten Zellen vollkommen gleichförmig ohne irgend eine Spur von Streifung
gefunden, und eben so wenig konnten dieselben durch Zerreissung in Fasern aufgelöst werden. Was den
zweiten Punkt, nämlich die Entwicklungsgeschichte der Tüpfel des Tannenholzes anbetrifft, so kann ich auch
hierin der Meinung MEyen’s nicht beitreten. Nach seiner Angabe treten bei den jungen Zellen von Pinus
die Spiralfasern, welche die Wandung bilden, aus einander und es entwickelt sich nun aus der sich dazwi-
schen bildenden Haut der Tüpfel mit seinem Hofe. Dagegen ist mancherlei einzuwenden. Spiralfasern wird
man in dem gerade in der Entwicklung begriffenen Triebe einer Pinus nur in den unmittelbar an das Mark
anstossenden Röhren, welche die sogenannte Corona bilden, finden, niemals aber wird man, wie schon be-
merkt, in den später getüpfelten Röhren während ihrer Jugend Spiralfasern sehen. Die Röhren, in welchen
Spiralfasern vorkommen, sind nun verschiedener Art. Zunächst am Marke liegen engere Röhren, ‚welche
mit den gewöhnlichen abrollbaren Spiralgefässen vollkommen übereinstimmen. Auf der äusseren Seite von
diesen liegen weitere Röhren, deren Wandungen mit spiralig ansteigenden, netzförmig verzweigten Fasern
besetzt sind, welche sich in einem breiten Bande aufrollen lassen. Die Wandungen dieser Röhren bestehen
aber nicht aus diesen netzförmig verzweigten Fasern allein, sondern die Maschen des Netzes sind mit einer
dünnen Membran überzogen, wir sind also vollkommen dazu berechtigt, diese Röhren zu den netzförmigen
Gefässen zu zählen. Neben diesen Röhren, weiter nach aussen, folgt nun die Form von Röhren, welche
MEyeEn für eine Uebergangsstufe von dem Zustande, in welchem die Wandung der Röhren aus spiralförmig
gewundenen Fasern bestehe, zu der gewöhnlichen getüpfelten Röhre hält und welche er Tab. IV. fig. 13.
seiner Pflanzenphysiologie abbildete. Diese Röhren sind dagegen weit entfernt, eine solche Entwicklungs-
stufe der gewöhnlichen getüpfelten Röhren der Coniferen darzustellen, sondern sie sind eine bleibende Form
und können an dieser Stelle auch im Holze des erwachsenen Baumes noch aufgefunden werden; sie werden
freilich im jungen Triebe, in welchem sich die getüpfelten Röhren, welche den grössten Theil des Holzringes
bilden, noch nicht oder nur zum kleineren Theile gebildet haben, leichter aufgefunden, weil der Holzring zu
dieser Zeit blos aus ihnen und den schon beschriebenen spiral- und netzförmigen Gefässen besteht, allein sie
sind im alten Holze noch unverändert, und niemals wird man diejenigen Röhren, welche den äussern Theil
des ersten Jahrringes, und die späteren Jahrringe ganz bilden, in irgend einer Periode unter dieser Form
anfreflen. Untersuchen wir diese Röhren näher, so werden wir in ihnen eine Mittelbildung zwischen den
netzförmigen Gefässen und den getüpfelten Röhren erkennen. Mit den ersteren haben sie die Fasern ge-
mein, welche auf der innern Seite ihrer VVandung verlaufen, mit den letzteren theilen sie die Anwesenheit
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von Tüpfeln. Wenn Meven angiebt, dass die Fasern dieser Röhren auseinandertreten, und dass in den el-
liptischen Räumen zwischen denselben die Tüpfel mit ihrem Hofe entstehen, so ist dieses allerdings bis auf
einen gewissen Grad richtig. Die Tüpfel liegen (wie dieses auch nicht anders zu erwarten ist) an den Stellen,
an welchen die Fasern divergiren und einen elliptischen Raum einschliessen, d. h. der Canal des Tüpfels liegt
zwischen den Windungen der Faser, aber keineswegs immer auch der Hof des Tüpfels, sondern über diesen
laufen die Fasern häufig genug Binwer Wir haben also eine getüpfelte Membran, deren Tüpfel von einem
Hofe umgeben sind, weil die aneinander stossenden Röhren im Umkreise des Tüpfels eine Strecke weit aus-
einander treten, auf deren innerer Seite ferner Fasern liegen, welche dem Tüpfelcanale ausweichen. Dass
aber diese Fasern ursprünglich parallel mit einander verliefen und nicht verwachsen waren, dass sie später
zu einer Membran zusammenfliessen, an einzelnen Stellen auseinander treten, dass alsdann in diesen Lücken
eine neue Membran mit einem von einem Hofe umgebenen Tüpfel entstehe und dass endlich alles zusammen
in eine gleichförmige Membran verschmelze, von diesem allen konnte ich keine Spur sehen und muss diese
Annahme als eine unbegründete Hypothese verwerfen. Wohl aber ist zu bemerken, dass es nicht klar ist,
wie Meyen in dieser Entwicklungsgeschichte, wenn sie wirklich den angegebenen Verlauf hätte, den Beweis
finden kann, dass die Zellwandung aus verwachsenen Fasern bestehe, indem sie eher den Beweis dafür lie-
fern würde, dass die Fasern nicht die ganze Zellwandung bilden können. Wenn sich nämlich in den Zwi-
schenräumen zwischen den Fasern eine Haut mit Hof und Tüpfel bildet, so gehört diese doch auch zur Zell-
wandung, wo sind denn aber die Fasern, aus welchen dieser Theil der Membran besteht, und sind etwa die
Tüpfel auf den Röhren der Coniferen so selten und ihre Höfe so klein, dass die letzteren nicht einen sehr
beträchtlichen Theil der ganzen Membran bilden ?
Weiter nach aussen, als die beschriebenen Röhren, liegen im Tannenholze die gewöhnlichen getüpfel-
ten Röhren (Meyex’s Prosenchymzellen).
So haben wir also im Holze der Coniferen und ebenso im Holze der Cycadeen drei Formen von Röh-
ren, nämlich 1) Spiralgefässe und netzförmige Gefässe, 2) Röhren mit Netzfasern und Tüpfeln, 3) Röhren
mit Tüpfeln. Dass diese drei Formen drei verschiedene Formabänderungen desselben anatomischen Sy-
stemes sind, habe ich schon längst bei den Cycadeen durch den Umstand erwiesen, dass dieselben gleich-
mässig beim Uebertritte der Holzbündel in den Blattstiel sich in Treppengänge verwandeln, dass
sie aber nicht, wie Meyen angiebt, drei Entwicklungsstufen desselben Elementarorganes sind, davon
kann man sich ohne Schwierigkeit durch Untersuchung von Tannenästen verschiedenen Alters über-
zeugen.
Ehe wir nun die Frage, in welchem Verhältnisse bei diesen Röhren die Tüpfel und die Fasern zu
einander stehen, zu beantworten suchen, mag es nicht unpassend sein, vorerst eine Betrachtung der Röh-
ren von Taxus baccata anzustellen, bei welchen bekanntlich die Anwesenheit von Spiralfasern, welche
zwischen den Tüpfeln durchlaufen, constant ist.
Dass die Spiralfasern bei Taxus mit der Bildung der Tüpfel in keinem ursächlichen Zusammenhange
(welchen Meyex in seinen verschiedenen Schriften nachzuweisen suchte) stehen, dafür scheint mir schon die
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gegenseitige Lage von beiden zu sprechen. Wir finden nämlich bei Untersuchung der Röhren des Taxus-
holzes, dass zwar immer der Tüpfelkanal zwischen zwei Windungen der Spiralfaser liegt, dass aber die Ent-
fernung der Spiralfasern von dem Canale sehr wechselt, indem die Faser bald mitten zwischen zwei Tüpfeln
und ihren Höfen durchlauft, bald aber über den Hof und häufig unmittelbar am Rande des Canales hinlauft,
dass sie nicht eine Biegung macht, um dem Tüpfel auszuweichen, sondern ohne Rücksicht auf Anwesenheit
oder Abwesenheit eines Tüpfels ihren Weg fortsetzt.
Schon diese Verhältnisse lassen uns vermuthen, dass die Spiralfaser eine von den Tüpfeln ganz unab-
hängige Bildung ist, und dass wir an den Röhren des Taxusholzes ein Gebilde vor uns haben, welches nicht
wie die getüpfelten Zellen und Spiralgefässe aus zweierlei über einander liegenden Häuten, sondern aus drei
Schichten, welche nach einem abweichenden Typus gebaut sind, besteht. Während nämlich bei der ge-
tüpfelten Zelle, bei der Spiralzelle und bei dem Spiralgefässe ein äusserer, wenigstens anfänglich immer voll-
kommen geschlossener Schlauch vorhanden ist, und auf der innern Seite desselben sich eine secundäre Mem-
bran ablagert, welche entweder von grösseren oder kleineren Poren durchlüchert oder welche in Spiral- und
Ringfasern getheilt ist, so haben wir hier bei T’a:wus (und eben so bei den oben besprochenen Uebergangs-
bildungen zwischen den Spiralgefässen und getüpfelten Röhren bei Pinus) eine Combination von dreierlei
Schichten, nämlich 1) der primären, geschlossenen Schlauchwandung, 2) einer grösseren oder kleineren An-
zahl von secundären durchlöcherten Membranen, 3) der Spiralfaser.
Für diese Unabhängigkeit der porösen, secundären Schichten von der tertiären Spiralfaser scheint in
noch höherem Grade die Richtung der Tüpfel zu sprechen. Man wird nämlich nicht in allen Fällen bei Ta-
zus die Tüpfel kreisrund finden, sondern häufig sind dieselben elliptisch, besonders diejenigen Tüpfel,
welche in den engeren, den äusseren Theil der Jahrsinge bildenden Röhren liegen und diejenigen, welche
sich an den Stellen der weiteren Röhren befinden, welche an Markstrahlenzellen angrenzen. Vergleicht man
nun die Richtung der Längenachse dieser elliptischen Tüpfel mit der Richtung der Spiralfaser, so findet man
in dem Holze von verschiedenen Bäumen ein abweichendes Verhältnis. Bei dem einen Holze wird man
nämlich in allen Röhren die Richtung der Schraubenlinie, in welcher die Tüpfel liegen, sich mit der Spiral-
faser kreuzen sehen; während nämlich die erstere links gewunden ist, ist die Faser nach Art der Faser der
Spiralgefässe rechts gewunden. Bei dem Holz anderer Bäume wird man dagegen sowohl die Spirale, in wel-
cher die Tüpfel liegen, al$ die Spiralfaser gleichmässig links gewunden finden. Diese Abweichung in der
Richtung der Spiralfaser, welche keinen Einfluss auf die Richtung der Tüpfel äussert, beweist meiner
Meinung nach unwiderleglich, dass die Membran, in welcher die Tüpfel liegen, und die Spiralfaser zwei
gänzlich von einander verschiedene, in ihrer Entstehung und Ausbildung “von einander unabhängige Bil-
dungen sind.
Dieselbe Kreuzung der Längenachse der Tüpfel mit der Windung der auf der innern Seite der Zelle
verlaufenden Spiralfaser finden wir auch bei solchen Holzzellen der Dicotylen, welche neben den gewöhnlich
auf diesen Zellen vorkommenden Tüpfeln auch noch Spiralfasern enthalten. Dieses ist der Fall bei den Holz-
zellen von Viburnum Lantana, Lonicera Xylosteum und Evonymus europaeus, welche die grösste
\ a a
Aehnlichkeit mit den Röhren des Taxusholzes besitzen, jedoch wegen ihrer weit geringeren Grösse und wegen
der grossen Zartheit ihrer Faser nicht leicht zu untersuchen sind.
Dass die verschiedenen Schichten derselben Zelle oder desselben Gefässes eine in entgegengesetzter
Richtung gewundene Spirale zeigen, mag denjenigen ganz unwahrscheinlich vorkommen, welche an eine
durchgreifende Analogie dieser Bildungen mit den gewöhnlichen abrollbaren Spiralgefässen denken, indem
es längst nachgewiesen ist, dass bei den letzteren, wenn sich mehrere Spiralfasern in demselben Gefässe
finden, sämmtliche Spiralfasern in paralleler Richtung verlaufen. Einem solchen, von der Analogie mit den
Spiralgefässen hergenommenen Einwurfe könnte ich jedoch gar keine Beweiskraft zuschreiben, indem wir
es hier mit einem Organe zu thun haben, welches nicht aus zwei, sondern aus drei Schichten von verschie-
dener Ordnung besteht. Dass die einzelnen Membranen derselben Zelle in verschiedener Richtung gewunden
sein können, davon haben wir an den eigenthümlich gebauten Baströhren der Apocyneen, auf welche wir
weiter unten noch einmal zurückkommen werden, ein sehr auffallendes und unläugbares Beispiel. Ich habe
bei Beschreibung derselben aus Vinca minor!) bereits angeführt, dass die spiralförmigen Linien, welche
die Wandungen dieser Zellen auszeichnen, theils rechts, theils links gewunden sind, und dass es wahrschein-
licher sei, dass diese verschiedenen Windungen in den verschiedenen Schichten der Zellmembran abwech»
seln, als dass in derselben Schichte sowohl links- als rechtsgewundene Fasern vorkommen. Diese Darstel-
lung könnte nach den von VaLenrtın?) und Meyen®) seit dem Erscheinen jener Schrift publieirten Beschrei-
bungen und Abbildungen dieser Zellen als unrichtig erscheinen, indem die beiden genannten Phytotomen
die Windung aller Schichten als gleichförmig und die Kreuzung als eine Folge des Durchscheinens der einen
Zellwandung durch die andere darstellen. Wiederholte Untersuchungen dieser Zellen zeigten aber auf das
deutlichste, dass allerdings jene Verschiedenheit in der Windung der einzelnen Schichten vorkommt, wenn
gleich der entgegengesetzte Fall der häufigere ist.
Als Resultat dieser Untersuchungen können wir feststellen, dass die Tüpfel und Fasern in einem dop-
pelten Verhältnisse zu einander stehen können. Einmal nämlich sind die Tüpfel von den Fasern abhängig
und stellen die Zwischenräume zwischen denselben, die Maschen des von den Fasern gebildeten Netzes vor,
in welchem Falle also die Tüpfel in derselben Schichte der Zellwandung, wie die Fasern selbst, liegen;
dieses ist der Fall bei den getüpfelten Zellen und diesen entsprechend bei den netzförmigen Gefässen und
den Spiralgefässen, denn bei den letzteren sind die Zwischenräume zwischen den Fasern mit den Tüpfeln
der Zellen zu vergleichen. Oder es ist eine getüpfelte Membran dieser Art vorhanden, und auf der innern
Seite von dieser liegt eine weitere unvollständige Membran, welche die Form von Spiral-, Ring- oder Netz-
fasern besitzt; in diesem Falle laufen allerdings die Fasern dieser innern Membran zwischen den Tüpfeln
durch und nicht über dieselbe hinweg, denn es ist ein allgemeines Gesetz bei den Elementarorganen der
I SRGERBBERNE. NN NN.
4) Erläuterung und Vertheidigung p. 23.
2) Repertorium der Anatomie und Physiologie I. 90.
3) Physiologie p. 113.
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Pflanzen, dass es keine isolirte, freiliegende, sondern nur auf Membranen abgelagerte und auf dieselben an-
gewachsene Fasern giebt. Ungeachtet dieses bestimmten Lagerungs-Verhältnisses der Fasern zu den Tüpfeln
sind dennoch die Tüpfel in ihrer Bildung von den Fasern gänzlich unabhängig und nur auf die Stelle, wo
sich ein Tüpfel ausbildet oder nicht ausbildet, kann die Anwesenheit einer solchen Faser Einfluss haben,
oder umgekehrt, es kann die Anwesenheit eines Tüpfels die Stelle, wo sich später eine Faser bildet, bestim-
men, auf ähnliche Weise, wie auch die Anwesenheit eines Tüpfels auf die Bildung der Tüpfel in der angren-
zenden Zelle von Einfluss ist. Diese zweite Art von Tüpfel- und Faserbildung findet sich bei den Coniferen
und Cycadeen, bei manchen Holzzellen von Dicotylen und bei den porösen Gefässen mancher Dicotylen.
Bei dieser zweiten Art von Tüpfeln, bei welchen auf der innern Seite der porösen Membran (der se-
cundären Schlauchschichten) eine Spiralfaser oder ein Fasernetz (tertiäre Schlauchschichte) liegt, ist es nicht
nothwendig, dass diese tertiäre Schichte die jüngste unter allen drei Schichten ist, sondern sie kann der Zeit
der Entstehung nach die zweite sein und es kann sich, nachdem sich dieselbe schon ausgebildet hat, zwi-
schen ihr und der primären Schlauchwandung eine secundäre poröse Membran ausbilden.
Fassen wir nun ins Auge, was denn die Fasern sind, welche die secundären und tertiären Schichten
der Zellen bilden, so zeigt eine Vergleichung der verschiedenen Zellenformen, dass dieser Ausdruck der
Faser im höchsten Grade unbestimmt ist und keinen eigenthümlichen organischen Elementartheil bezeichnet,
indem sich zwischen der zartesten, nur durch gute Vergrösserungen sichtbaren Faser und zwischen ganzen
Zellenhäuten keine Grenze auffinden lässt. Jede dickwandige Zelle besteht bekanntlich aus über einander
liegenden Membranen, von denen die äusserste die älteste ist und mit seltenen Ausnahmen einen geschlos-
senen Schlauch darstellt. Die inneren Membranen sind ebenfalls vollkommen geschlossene Schläuche, oder
sie sind durchlöchert. Sind nun diese Oeffnungen sehr klein und liegen sie in grösseren Entfernungen von
einander, so besitzt die secundäre Membran, ungeachtet ihrer siebförmigen Durchlöcherung dennoch ein
hautartiges Aussehen, sind die Oeffnungen dagegen gross und liegen sie nahe an einander, so werden die
zwischen ihnen liegenden Theile der secundären Membran zu schmalen Strängen, man übersieht, dass sie
zusammen eine Membran bilden und nennt sie Fasern. Diese Identität zwischen Fasern und Häuten wird um
so leichter misskannt, je zarter diese Fasern sind und je geringer ihre Verbindung unter einander ist, je mehr
sie aus der Form des Netzes in die Form der Spiralfaser oder Ringfaser übergehen. Indem man früher
diesen Zusammenhang zwischen Faser und Membran ganz übersah, von der Anwesenheit einer primären
Schlauchhaut häufig keine Ahnung hatte, die Fasern sogar zuweilen für hohle Röhren hielt, so entstanden
eine Menge falscher Ansichten über den Bau der Spiralgefässe, der getüpfelten Zellen u. dgl. Faser und
Membran unterscheiden sich also nur durch ihre Grösse und durch die Form, unter der sie auftreten.
Nun entsteht aber die Frage, hat die Faser und die Membran noch eine bestimmbare innere Structur
oder sind sie homogen (amorph), gleichsam ein erhärteter, glasartiger Schleim? In diesem Sinne wurde
früher die Frage von mir aufzefasst und zu Gunsten einer innern Structur beantwortet, ohne dass es mir
jedoch gelang, eine Zusammensetzung der Zellmembran aus einzelnen, trennbaren Elementartheilen von
bestimmter Form aufzufinden. MEyEx gieng einen Schritt weiter, er glaubte die Elementartheile, aus wel-
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chen die Zellmembran besteht, in isolirter Form, und zwar in der Form von Fasern aufgefunden zu haben,
welche Fasern wir, um sie von den in schmale Streifen zerspaltenen Zellhäuten unterscheiden zu können,
Primitivfasern nennen wollen. Dass sich aber Meyen hiebei auf einem Irrwege befunden, dass er gerade in
den Fällen, welche er für die überzeugendsten hielt, keine einfache Zellmembran vor sich gehabt, sondern
dass er die in Form von Spiralfasern ausgebildete secundäre Zellhautschichte für die Primitivfasern einer
einfachen Zellwandung gehalten habe, glaube ich oben zur Genüge nachgewiesen zu haben.
Wir müssen unter diesen Umständen die Frage wieder von Neuem aufnehmen. Nicht unzweckmässig
mag es aber sein, vorerst einige Betrachtungen darüber anzustellen, um was es sich eigentlich bei dieser
Untersuchung handelt und wie weit wir wohl bei derselben kommen zu können hoffen dürfen. Dass wir die
organischen Molecüle, aus welchen die Zellmembran besteht, und die Art ihrer Verbindung nicht sehen
können, das kann keinem Zweifel unterliegen; das einzige, was wir daher aufzufinden hoffen dürfen, mag
wohl darin bestehen, dass wir ermitteln, ob diese Molecüle gleichförmig nach allen Richtungen hin unter
einander zu grösseren Massen (Häuten oder Fasern) vereinigt sind und diese desshalb einer bestimmten in-
neren Structur Seen, oder ob die Molecüle im Innern der Häute nach bestimmten Gesetzen zusammen-
geordnet sind, welches Verhältniss eine bestimmte innere Structur zur Folge haben würde.
Was nun die innere Structur eines scheinbar homogenen Körpers anbetrifft, so scheint es mir, dass
wir vor allem zwei Hauptfälle unterscheiden müssen.
Einmal kann ein solcher Körper aus entfernten Bestandtheilen von bestimmter Form und Grösse, die
einander ähnlich und nach bestimmter Ordnung zusammengelagert sind und welche auch mechanisch von
einander getrennt werden können, bestehen. In einem solchen Falle hat man die nähere Beschaffenheit der
entferntern Elementartheile, die Art ihrer Verbindung u. dgl. zu untersuchen.
Oder der Körper lässt sich nicht mehr in Theile von bestimmter Grösse und Form auflösen, sondern
er zeigt eine Theilbarkeit in bestimmter Richtung oder in verschiedenen, einander kreuzenden Richtungen,
welche an jeder Stelle desselben vorgenommen werden kann, wesshalb der Körper zwar in unendlich viele
Theile getrennt werden kann, welche aber nur zufälligerweise.in Folge der Trennung als besondere Theile
auftreten, deren Form wohl durch die besondere Richtung der Theilbarkeit des Körpers bestimmt ist, deren
Grösse aber von der Stelle, an welcher die Theilung vorgenommen wird, abhängt und daher zufällig ist.
Eine solche Structur, welche sich nur durch eine Theilbarkeit in bestimmter Richtung zu erkennen
giebt, führt uns auf die Annahme, dass die Molecüle eines solchen Körpers eine bestimmte Lage zu einander
besitzen und einander nach bestimmten Richtungen stärker als nach den übrigen Richtungen anziehen, dass
sie sich daher parallel mit der Richtung der stärkeren Anziehung leichter von einander trennen lassen.
Die Ordnung, in welcher in einem solchen Körper die Molecüle an einander gereiht sind, scheint eine
doppelte sein zu können. Einmal nämlich kann man sich dieselben in flächenartiger Ausbreitung an einander
gelegt denken, so dass sie Lamellen bilden, welche zwar alle von einander trennbar sind, welche aber nicht
einzeln dargestellt werden können, weil unsere Hülfsmittel zu einer so feinen Theilung nicht hinreichen. Eine
solche Structur müssen wir den Crystallen zuschreiben, indem der Blätterdurchgang auf eine lagenweise An-
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ordnung der Molecüle hinweist. Da nun wenigstens drei einander kreuzende Blätterdurchgänge in einem
Crystalle vorkommen, so müssen wir annehmen, dass auch in den einzelnen Lamellen die Molecüle wieder
nach bestimmten Richtungen zusammengeordnet und durch stärkere Cohäsion an einander gebunden sind,
dass ferner in den verschiedenen Lamellen die Molecülreihen einander entsprechen.
Auf der andern Seite kann man sich aber auch denken, dass die Molecüle eines Körpers nicht in flä-
chenförmiger, sondern nur in linearer Richtung sich an einander reihen und in den übrigen Richtungen durch
eine schwächere, nicht in bestimmten Directionen wirkende Anziehung verbunden sind. In einem solchen
Körper würde eine Spaltung vorzugsweise leicht in der Richtung der linearen Attraction erfolgen, es würde
leicht eine Faserung eintreten, es wäre dagegen eine Darstellung von Fasern, welche eine bestimmte Grösse
und Form haben, nicht möglich, insoferne die wahre Primitivfaser aus einer nicht darstellbaren einfachen
Reihe von Molecülen bestehen würde, von welchen bei wirklicher Trennung des Körpers bald eine grössere,
bald eine kleinere Menge zu dickeren oder zarteren, keine bestimmte Form besitzenden Strängen verbun-
den bliebe.
Wenn daher bei einem organischen Körper eine faserige Textur erkannt Sm, so scheint vor allem zu
untersuchen zu sein, ob derselbe als eine Zusammensetzung aus Fasern, welche noch eine bestimmte Grösse
und Form (Organisation) besitzen, zu betrachten ist, oder ob seine faserige Textur nur Folge einer linearen
Anordnung seiner Molecüle ist.
Eine solche, auf bestimmte Anlagerung der Molecüle in spiraliger und netzförmiger Richtung beru-
hende faserige Textur hatte ich!) in den Zellhäuten mancher Pflanzen, besonders in den Baströhren der
Asclepiadeen und Apocyneen zu erkennen geglaubt, indem ich die Anwesenheit von bestimmten Fasern
wegen der Unmöglichkeit, solche isolirt darzustellen, nicht annehmen zu dürfen glaubte. Meyven, welcher
diese beiden Structurverhältnisse nicht zu unterscheiden scheint, giebt einentheils dieser Erklärungsweise
seine Zustimmung ?), anderntheils aber glaubt er auch bei diesen Zellmembranen eine Zusammensetzung aus
wirklichen, mit einander verwachsenen Fasern annehmen zu müssen. Die Gründe, auf welche er sich hiebei
stützt, beruhen hingegen nur auf der Analogie dieser Zellen mit den oben betrachteten Spiralzellen, indem
er selbst angiebt, dass eine Trennung der Fasern nicht gelinge ; ich kann ihnen desshalb auch keine Beweis-
kraft zuerkennen, indem ich über den Bau der Spiralzellen eine ganz abweichende Ansicht hege.
Eine Beschreibung der Bastzellen der Apocyneen zu geben, wäre überflüssig, indem ihre Form und
die Beschaffenheit ihrer Häute schon früher von mir, von VALENTIN und MEvEn vollständig gegeben ist; da-
her beschränke ich mich nur auf einen Umstand aufmerksam zu machen, welcher bisher noch nicht beschrie-
ben wurde, nämlich auf die Art und Weise, wie die in ihrer Jugend cylindrischen Zellen im höheren Alter
in eine Reihe paternosterähnlich an einander gereihter Zellenhöhlungen abgetheilt werden. Es bilden diese
Zellen, wie VALEnsın und Meyen angegeben haben, lange Röhren, welche an einzelnen Stellen bauchig an-
1) Erläuterung und Vertheidigung p. 22.
2) Physiologie p. 112.
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geschwollen sind; die engeren Verbindungsstellen werden durch die secundären Zellmembranen, welche sich
anfänglich der ganzen Länge der Zellen nach gleichförmig ablagern, allmälig ausgefüllt, und nun fährt in je-
der von den übrigen abgeschlossenen Abtheilung der Zellenhöhlung die Bildung von secundären Häuten ab-
gesondert fort, welche Häute nun vollkommen geschlossene Schläuche bilden, so dass sie also im Innern der
langgestreckten Zelle eine grössere oder kleinere Anzahl isolirter Zellen darstellen; ein Vorgang, welcher
sich an die von mir früher beschriebene Theilung der Zellen der Cryptogamen anschliesst, jedoch nicht
identisch mit derselben ist.
Die Beschreibung, welche VALentın von der Entwicklung der secundären Membranen dieser Zellen
gab, zu deren Bildung nach seiner Angabe spiralförmig an einander gereihte Kügelchen zusammenfliessen
sollen, konnte ich eben so wenig als Meyen durch eigene Beobachtung bestätigen. Einen feinkörnigen Inhalt
sah auch ich allerdings häufig in diesen Zellen, hesonders in noch jungen Trieben, z. B. bei Vinca minor,
Ceropegia dichotoma, allein eine Anordnung dieser Körnchen in Spirallinien, ein Verschmelzen derselben
zu Zellenhäuten konnte ich nie beobachten; überhaupt scheint mir diese ganze Vorstellung einer Bildung
von Zellhäuten aus einer körnigen Substanz nicht naturgetreu zu sein, wenigstens konnte ich in keinem von
den Fällen, in welchen ich Zellenhäute in ihren ersten Entwicklungsperioden sah, eine Zusammensetzung
derselben aus organischen Elementartheilen, welche bereits eine bestimmte Form angenommen hatten, er-
kennen, sondern immer sah ich die jugendliche Zellmembran aus einer glasartig durchsichtigen, körner- und
formlosen Substanz gebildet.
"Was mich nun hindert, der Ansicht von Meyen, dass diese Zellmembranen aus Fasern zusammenge-
setzt seien, zu folgen, ist einentheils der Umstand, dass ich diese Zellen in allen ihren Entwicklungsgraden
verfolgte und durch Maceration in völlig isolirter Gestalt, besonders aus Ceropegia dichotoma , darstellte,
ohne dass es je gelang, eine Haut derselben unter der Form von isolirten, spiralförmig gewundenen Fasern
zu treffen; anderntheils, dass mir diese Vorstellung nicht wohl vereinbar mit der netzförmigen Structur,
welche in den äussern Schichten dieser Zellen so häufig gefunden wird, zu sein scheint. Eine netzförmige
Structur einer Membran ist allerdings auch dann möglich, wenn dieselbe aus Fasern zusammengesetzt ist,
indem die Fasern, anstatt parallel zu verlaufen, an einzelnen Stellen aus einander weichen und so im ‚ganzen
einen geschlängelten Verlauf haben können. Wenn nun aber eine Membran aus Fasern besteht, wie dieses
Meven von den Zellhäuten annimmt, und wenn diese Fasern einen netzförmigen Verlauf haben, so müssen
in den Maschen dieses Netzes entweder Löcher sein, oder es muss ein zweiter Bestandtheil vorhanden sein,
welcher diese Oeffnungen ausfüllt, oder es müssen verschiedene, einander kreuzende Faserlagen vorhanden
sein, von denen die eine Lage die Oeffnungen der andern überdeckt, etwa wie dieses bei den verschiedenen
Lagen von Muskelfasern bei dem Magen und der Urinblase eines Säugethieres stattfindet. Von diesem allen
findet man nun bei den Baströhren der Apocyneen nichts. Man kann weder die Fasern isoliren, noch in den
Maschen des Netzes, welches man in denselben sieht, Oeffnungen finden, noch einen von den Fasern ver-
schiedenen Bestandtheil entdecken, noch (wenigstens in ‘den meisten Fällen) einander kreuzende Faserschich-
ten auffinden, sondern es sind diese 'Zellenhäute continuirliche Membranen, welche nicht ganz glatt und
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—- 32 —
gleichförmig sind, sondern auf welchen man eine Zeichnung von netzförmigen, nicht ganz scharf begrenzten
Linien gewahr wird. Diese Zeichnung kann nun wohl in einer partiellen Verdickung einzelner Theile der
Membran, in einer auf besonderer Anlagerung der Molecüle beruhenden Streifung ihren Grund haben,
wenigstens gleichen diese Linien in ihrem Aussehen durchaus solchen Linien, welche bei netzförmigen oder
getüpfelten Zellen über die Membran hinlaufen, wenn eine Faser einer aufgelagerten Membran sich allmälig
verflacht und in die glatte Membran übergeht.
Meyen betrachtet die feinen dunkeln Spirallinien auf den Wandungen dieser Baströhren als die Grenz-
linien der Fasern, als die Stellen, an welchen diese unter einander verwachsen seien, und es kommt aller-
dings ein Umstand vor, welcher für diese Ansicht sprechen könnte. Wenn nämlich diese Zellen zerrissen
werden, besonders wenn sie trocken und dadurch spröde geworden sind, so zeigen die Ränder der zerrisse-
nen Membranen ein faseriges Aussehen, welches man von einer Trennung der verwachsenen Fasern ableiten
könnte. Dazu wäre man wohl auch unstreitig berechtigt, wenn man ausser der Anwesenheit der Streifen
irgend einen andern gültigen Grund für eine Zusammensetzung der Zellmembran aus Fasern hätte. Da aber
dieser fehlt, da man überhaupt (ich wiederhole dieses als eine sehr bestimmt beobachtete Thatsache) die
jugendlichen Zellhäute immer gleichförmig findet, da diese Streifung erst im Alter mit der vollen Ausbildung
der Membran deutlich wird, so ist sie offenbar nicht als eine Folge einer Zusammensetzung aus Fasern,
sondern als eine Folge des besondern Wachsthumes der Membran zu betrachten. Die Membranen der er-
wachsenen Zellen besitzen in den meisten Fällen keine vollkommen ebene Oberfläche, sondern sie sind (ab-
gesehen von den gröbern Fasern, welche aus aufgelagerten, durchbrochenen Häuten bestehen) von stärkern
oder schwächern Erhabenheiten durchzogen und an andern Stellen dünner, ohne dass dadurch ihre Conti-
nuität unterbrochen wird. Man wird dieses bei jedem grosszelligen, mit nicht sehr dünnwandigen Membra-
nen versehenen Zellgewebe beobachten können, besonders wenn es trocken betrachtet wird, z. B, beim
Hollundermarke. Man wird bei genauerer Betrachtung auf den Wandungen der Zellen (abgesehen von den
Tüpfeln) Streifen und Vertiefungen gewahr werden, welche bald netzartig, bald spiralig verlaufen, meistens
aber werden diese Verdickungen nicht scharf begrenzt sein, sondern mit ihren Rändern allmälig in die um-
gebende Membran verlaufen, so dass keine scharfe Grenzlinie, sondern meistens nur grössere oder geringere
Helligkeit dieselben zu erkennen giebt.
Eine solche Streifung steht, ob sie gleich mit der Tüpfelbildung nicht einerlei ist, dennoch im näch-
sten Zusammenhange mit derselben, und ist im Grunde nur ein minderer Grad derselben. Wo nämlich solche
streifenförmige Verdickungen sich stärker ausbilden, da tritt in den Zwischenräumen zwischen ihnen die
Membranenbildung zurück, hört endlich auf und es entsteht eine wirkliche Oeflnung, so dass statt einer nur
stellenweise verdickten Membran eine poröse sich ausbildet. Diese beiden Modificationen des Baues können
in derselben Zelle an verschiedenen Theilen ihrer Wandung vorkommen, was alsdann zu solchen Zellen Ver-
anlassung giebt, bei welchen an der einen Stelle ein deutlich ausgebildetes Fasernetz liegt, dessen Fasern
sich an ihrem Ende allmälig verflachend und breiter werdend in eine homogene Membran sich verlieren.
So findet man es z. B. bei manchen Zellen von Sphagnum, bei vielen Antherenzellen, dahin gehören ferner
—_— 333 —
die seichten Vertiefungen, welche sich so häufig gegen die Tüpfel, gleichsam in Form einer Furche hinziehen.
Im höchsten Grade deutlich ist dieser Uebergang von Streifung zur Porenbildung in den äussern Rinden-
zellen von manchen parasitischen Orchideen, insoferne hier, wie bei Stelis gracilis bald an verschiedenen
Stellen derselben Zelle diese verschiedenen Modificationen neben einander in derselben Zelle vorkommen,
bald aber auch in andern Fällen neben den gewöhnlichen Spiralzellen, bei welchen die secundären Schichten
durchaus aus getrennten Fasern bestehen, andere Zellen liegen, welche nur eine zarte Streifung zeigen,
während wiederum andere: Zellen eine ganz gleichförmige Membran besitzen.
Da wir nun bei keiner Zelle die Membran ursprünglich faserig und später homogen finden, sondern
da umgekehrt die Streifung und das Vorkommen von Fasern Folge der weiteren Entwicklung der Zellen ist,
da sich alle Uebergänge von der scheinbar homogenen, glatten Zellwandung durch solche Zellen, deren
Wandungen ein Continuum bilden, aber mit streifenweisen, nicht scharf begrenzten Verdickungen besetzt
sind, zu solchen Zellen finden, bei welchen diese Verdickungen sich zu isolirten Strängen ausbilden, zwischen
welchen eine verbindende Membran fehlt, so glaube ich vollkommen zu der Annahme berechtigt zu sein, es
befolge der Bildungsprocess der einfachen (besonders der secundären) Zellmembran die Regel, dass die or-
ganische Substanz sich nicht vollkommen gleichförmig, sondern an einzelnen Stellen in grösserer, an andern
in geringerer Menge ablagert, dass, wenn diese Ungleichförmigkeit einen höheren Grad erreicht, sich zwi-
schen den Stellen, an welchen eine stärkere Ablagerung stattfindet, gar keine organische Substanz absetz£
und dass diese stärkeren Ablagerungen entweder (besonders bei langgestreekten Zellen) in der Richtung
einer Spirale, oder (besonders bei kürzeren Zellen) in der Richtung der Fäden eines Netzes vor sich gehe.
Das Stück der Zellmembran, welches sich zwischen zwei Lücken (Tüpfeln) ausbildet, daher die Form
eines schmäleren oder breiteren Bandes besitzt, kann dem Gesagten zu Folge entweder glatt und eben sein,
wie bei den gewöhnlichen getüpfelten Zellen, oder es kann jene schwächeren, noch durch dünnere Substanz
verbundenen Verdickungen zeigen, wodurch alsdann eine getüpfelte und zugleich gestreifte Zelle entsteht,
wie dieses z. B. in dem äussern Theile der Jahrringe von Pinus häufig ist, oder es fehlen die Tüpfel ganz
und es bilden sich nur die schwächeren Verdickungen bei vollkommener Continuität der Zellwandungen aus,
wie bei den Zellen mit spiraliger oder netzförmiger Zeichnung. Dieser letzteren Art sind nun die
Baströhren der Asclepiadeen; ihre Häute sind nicht durchlöchert, wohl aber.in. spiralförmiger Richtung ge-
streift, die Zwischenräume zwischen den Streifen sind schmal, stellen dunkle Linien dar, sie reissen bei
mechanischer Gewalt leichter, als die Streifen selbst ein, daher das faserige Aussehen der zerrissenen
Ränder.
Die im Allgemeinen spiralförmige oder netzförmige Form der Fasern und Streifen beweist, dass die
bildende Kraft bei der Produktion der Zellen in der Richtung einer Spirale thätig ist; einen weiteren Beweis
liefert hiefür der schon oben berührte Umstand, dass auch bei Zellen, welche glatte und scheinbar homo-
gene Wandungen besitzen, wenn sie zerrissen werden, der Riss vorzugsweise leicht in der Richtung einer
Spirale erfolgt. Hier kann man diese Richtung nicht, wie bei faserigen und gestreiften Zellen daraus ab-
leiten, dass die dickeren Stellen der zerreissenden Gewalt einen grösseren Widerstand entgegensetzen und
un: 57.
desshalb die dünneren Stellen vorzugsweise einreissen müssen, sondern hier sind wir genöthigt, eine be-
stimmte innere Structur anzunehmen, welche eben so wenig, als der Blätterdurchgang eines Crystalls an
und für sich sichtbar ist, sondern nur in der leichteren Theilbarkeit nach einer Richtung sich ausspricht. Da
nun, wie ich oben zeigte, Membranen und sogenannte Fasern nicht wesentlich, sondern nur in ihrer äus-
sern Form verschieden sind, so sind wir zur Beantwortung der Frage, von der wir ausgiengen, angelangt,
nämlich der Frage, ob die Membran faserig sei, oder ob nur eine bestimmte, auf eine innere Structur und
besondere Anlagerung der Molecüle hinweisende Theilbarkeit vorhanden sei, und möchten diese Frage im
letzteren Sinne eben so wohl für die sogenannte Faser als die Membran bejahen.
— 35 —
XXV.
Einige Beobachtungen
über
die blaue Färbung der vegetabilischen Zellmembran durch Jod.
(Aus der Flora. 1840.)
In den letzten Dalhuer wurden von Mkven, besonders aber von ScutEiven Beobachtungen bekannt
gemacht, welche nachweisen, dass in einzelnen Fällen die Zellmembranen auf die Einwirkung von Jod nicht,
wie dieses in der Regel der Fall ist, eine gelbe, sondern nach Art der Amylumkörner eine blaue Farbe an-
nehmen, und dass durch Behandlung der Zellen mit kaustischem Kali oder Schwefelsäure der Zellmembran
aller Pflanzen diese Eigenschaft ertheilt werden kann.
Meven bemerkte in seinem Jahresberichte für das Jahr 1837 (p. 67.) bei der Anzeige der Arbeit von
Paven über Flechtenstärke, dass diese Substanz nicht etwa unter der Form von Kügelchen in den Flechten
vorhanden sei, sondern die Membranen und den Inhalt der Elementarorgane derselben bilde. Auf gleiche
Weise spricht er sich in seiner Physiologie (B. II. p. 285) und im Jahresberichte für das Jahr 1838 (p. 23.)
aus, bemerkt jedoch, dass verschiedene Exemplare derselben Flechte auf Jod verschieden reagiren können,
insoferne das eine blau, das andere braun gefärbt werden könne.
Ausgedehnter, aber eine andere Richtung verfolgend, sind die Beobachtungen von ScuLeiden. Er
beobachtete (Wıremann’s Archiv. 1838. I. 59.), dass durch Kochen in Aetzkalilauge und spätere Neutrali-
sirung des Kali durch Schwefelsäure die secundären Schichten der vegetabilischen Elementarorgane mehr
oder weniger in einen aufgequollenen, gelatinosen Zustand übergehen und sich nun auf Einwirkung von Jod
entweder gelb oder in verschiedenen Nuancen blau färben. Er glaubte hieraus schliessen zu müssen, dass
die Zellmembranen aus dreierlei Schichten bestehen, a) aus der primären Zellmembran, welche durch jene
Reagentien nicht affieirt werde, 5) aus den primären Ablagerungen, welche durch Kochen mit kaustischem
Kali in Stärkmehl verändert werden, c) aus den secundären Ablagerungen, welche durch die Einwirkung des
Kali in einen eigenthümlichen Stoff, der sich mit Jod orange färbe, umgewandelt werden.
Diese Ansichten änderte ScuLeiven zum Theile in Folge seiner späteren Versuche wieder ab (Poggen-
.dorf’s Annalen. 1838. I. 391.). Er unterscheidet nämlich nun nur noch zwei Membranen, die primäre und
die Ablagerungen, indem er fand, dass die letzteren sämmtlich, wenn die Zellen mit Aetzkalilauge bis zum
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Eintrocknen von dieser gekocht werden, von Jod blau gefärbt werden, eine Eigenschaft, welche sie durch
längeres Kochen in Wasser wieder verlieren, wodurch auch die aufgequollenen Zellwandungen dünner wer-
den. Dass durch diese Behandlung der Zellen die secundären Schichten in Stärke umgewandelt werden, hält
SCHLEIDEN zwar nicht für völlig erwiesen, es scheint ihm dieses jedoch dadurch zum höchsten Grade der
Wahrscheinlichkeit erhoben, dass nach Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure auf ein Pflanzengewebe bei
Zusatz von Jod eine kleine Menge von Jodstärke erhalten werde. Hiebei, glaubt er, werde auch die primäre
Zellwandung in Stärke verwandelt. Auf diese Weise glaubt Scuueien nachgewiesen zu haben, dass die Um-
wandlung der Holzfaser in Gummi und Zucker durch Schwefelsäure eine secundäre sei, insoferne die Holz-
faser immer vorher in Stärke verwandelt werde.
Endlich giebt ScnLeiwen an, dass der Embryo von Schotia latifolia sich mit Ausnahme der Ober-
haut, wenn er durchschnitten werde, völlig in Wasser auflöse, welche Auflösung von Jod blau gefärbt werde;
folglich, glaubt derselbe, hätte man hier eine Pflanze, deren ganzes Zellgewebe schon im natürlichen Zu-
stande aus Stärke bestehe.
Diese Untersuchungen veranlassten mich, ebenfalls einige Beobachtungen über diesen Gegenstand an-
zustellen, dabei verfolgte ich aber nicht sowohl den von ScHLEıvEn eingeschlagenen Weg, die Holzfaser
durch chemische Mittel umzuwandeln, sondern gab mir Mühe, Pflanzen aufzufinden, deren unveränderte
Zellmembran Gegenstand ähnlicher Beobachtungen werden könnte.
Samen von Schotia latifolia besitze ich nicht, daher konnte ich ScnLeiven’s Beobachtungen über die
Zellen ihrer Cotyledonen nicht wiederholen, dagegen zeigte mir der Embryo von Schotia speciosa ähnliche
Erscheinungen, wie die von ScHLEIDEN von der erstgenannten Pflanze beschriebenen. Die Cotyledonen be-
stehen nämlich aus sehr dickwandigen, getüpfelten Zellen, welche in Wasser bedeutend anschwellen und
eine gelatinose Consistenz bekommen. Sowohl durch eine mehrere Tage fortgesetzte Maceration in kaltem
Wasser, als durch Kochen konnte ich sie nicht zu einer wahren Auflösung bringen, dagegen wurden sie
durch kaustische Kaliauflösung oder durch Schwefelsäure schnell in eine zähe Flüssigkeit verwandelt. Setzt
man zu dem Wasser, in welchem ein dünner Abschnitt eines Cotyledon liegt, einen Tropfen einer concen-
trirten Jodtinetur, so nehmen die Zellen schnell eine schöne Indigofarbe an; zugleich bemerkt man, dass in
der Umgebung des Präparates ein vorher unsichtbarer Schleim sich befindet, welcher ebenfalls durch das
Jod schön blau gefärbt wird, und zugleich coagulirt, so dass er schleimige Häute bildet, welche unter dem
Mikroskope ungefähr wie sehr zarte Ulven aussehen. Der körnige Inhalt der Zellen färbt sich gelb. Die ge-
latinose Substanz, in welche die Zellen auf die Einwirkung von Kali oder Schwefelsäure sich verwandeln,
Järbt sich mit Jod ebenfalls schön blau.
Eine ähnliche Reaction, wie die Zellen von Schotia, zeigen auch die Zellen der Cotyledonen von
Tropaeolum majus, hybridum und minus auf Jod, jedoch tritt hier die blaue Farbe nicht sogleich auf die
Einwirkung des Jods hervor, sondern die Zellmembranen färben sich zuerst gelblich und es tritt erst nach
einiger Zeit die blaue Farbe auf, welche sich anfänglich mit der gelben Farbe zu Grün mischt, allmählig aber
in ein beinahe vollkommen reines Blau übergeht. Die primären Zellmembranen bleiben gelb gefärbt, dess-
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halb ist auch in der Durchschnittsfläche zweier aneinander liegenden Zellen die Gränze von beiden durch
einen gelben Strich bezeichnet).
Hält man einen dünnen Abschnitt eines solchen Cotyledons nur ein paar Secunden lang in eine starke
Lauge von kaustischem Kali, wascht ihn in Wasser aus. und lässt nun Jod einwirken, so färben sich seine
Zellen schön indigoblau, wobei nun auch die primäre Zellwandung eine blaue, wenn gleich hellere Farbe
annimmt.
Die Zellen der Cotyledonen von Scchotia und von Tropaeolum besitzen im trockenen Zustande eine
hornartige Beschaffenheit und schwellen in Wasser stark auf; eine ähnliche Beschaffenheit besitzen bekannt-
lich auch die Zellen der Flechten. Theils dieser Umstand, theils die von MEvEn gemachten Erfahrungen be-
stimmten mich, eine grössere Anzahl von Pflanzen aus dieser Familie mit Jod zu untersuchen; das Resultat
entsprach meinen Erwartungen nicht besonders, insofern ich nur bei wenigen Arten die Zellmembran eine
blaue Farbe annehmen sah. Die schönste blaue Farbe zeigte der Thallus von Cefraria islandica, weniger
schön der von €. aculeata, ©. odontella, nur das innere flockige Gewebe, aber nicht die äussere feste
Schichte färbte sich blau bei Rocella tinctoria und Evernia vulpina, endlich nur Spuren einer blauen
Färbung waren bei Evernia ochroleuca zu erhalten. Das Zellgewebe aller übrigen, von mir untersuchten
Arten färbte sich dagegen mit Jod gelb oder braun.
Anders verhielt es sich dagegen mit der Lamina proligera der gymnocarpen und mit dem Nucleus
der angiocarpen Flechten, indem Jod schnell sowohl in der Membran der Mutterzellen (asci), als in der die-
selben verbindenden Intercellularsubstanz das schönste Indigoblau hervorrief. Da alle Arten, die ich in
dieser Hinsicht untersuchte, hierin übereinstimmten, und somit diese Eigenschaft der Lamina proligera
sehr allgemein zuzukommen scheint, so hielt ich es nicht für nöthig, meine Untersuchungen über eine grös-
sere Anzahl von Species auszudehnen, doch mag es nicht überflüssig sein, die Arten zu nennen, an denen
ich diese Erscheinung beobachtete, es sind: Usnea florida, Ramalina fraxinea, Parmelia ciliaris,
pulverulenta, tiliacea, sawatilis, olivacea, fahlumensis, stygia, conspersa, parietina, speciosa,
Peltigera resupinata, canina, rufescens, Lecidea candida, vesicularis, Endocarpon miniatum, Per-
lusaria communis, Collema melaenum.
Da in Beziehung auf ihre physische Beschaffenheit mit der Zellmembran der Flechten die der Algen
eine grosse Aehnlichkeit zeigt, so untersuchte ich hei einer ziemlich grossen Anzahl von Arten die Reaction
ihres Zellgewebes auf Jod, jedoch mit einem noch geringeren Erfolge als bei dem Thallus der Flechten, in-
soferne bei den meisten, z. B. bei allen Fucoideen das Jod die Zellen und die Intercellularsubstanz entweder
gelb und braun oder auch gar nicht färbte. Eine Ausnahme hievon fand ich nur bei drei Arten, nämlich bei
Sphaerococcus ciliatus, Ulva Linza und U Lactuca, bei welchen das Jod eine deutliche und zum Theil
4) Es versteht sich wohl von selbst, dass diese Beobachtungen unter dem Mikroskope angestellt werden
müssen. Dasselbe gilt von allen im Folgenden angeführten Untersuchungen. Eine starke Vergrösserung
hat man dabei nicht nöthig, desto mehr ist aber erforderlich, dass das Mikroskop lichtstark ist. Ich wen-
deie meistens eine 90fache Vergrösserung an.
43
— 333 —
sehr schöne Indigofarbe erzeugte. BeiSphaerococcus eiliatus färbte sich auch das Wasser in der Umgebung
des Präparates blau.
Da eine ähnliche hornartige Beschaffenheit, wie sie bei den Zellen der Algen und Flechten vorkommt,
auch bei den Zellen des Albumens vieler Pflanzen gefunden wird, so wendete ich auf dieses Organ meine
Aufmerksamkeit und betrog mich auch in meiner Erwartung, hier ähnliche Erscheinungen zu finden, nicht.
Ich hatte schon früher zu wiederholtenmalen das hornartige Albumen mancher Monocotylen, besonders
von Palmen, mit Jod behandelt, ohne eine blaue Färbung in ihm hervorzubringen; der Grund hievon lag
aber, wie ich nun erkannte, zum Theil darin, dass ich früher das Jod in zu schwachem Grade hatte einwirken
lassen, indem ich die Methode befolgt hatte, das Jod in gepulvertem Zustande dem Wasser, in welchem ein
Abschnitt des Albumens lag, zuzusetzen. Diesesmal wendete ich das Jod auf die Weise an, dass ich den
Abschnitt des Albumens in einem Tropfen Wasser aufquellen liess, und nun ein Glasplättchen, auf welchem
ich einen Tropfen einer sehr concentrirten Jodtinctur sich hatte ausbreiten lassen, auf den Wassertropfen
legte. Bei der Vermischung beider Flüssigkeiten’ schlug sich ein Theil des Jods sogleich unter der Form
von sehr feinen Crystallen nieder und die Einwirkung auf die Zellmembran erfolgte rasch und kräftig.
Weniger passend erwies sich die Methode, zuerst das Präparat mit einer concentrirten Jodtinctur zu tränken
und alsdann mit Wasser zu benetzen.
Da das hornartige Albumen bei den Monocotylen sehr verbreitet ist, so untersuchte ich zuerst
Samen aus dieser Abtheilung des Pflanzenreichs. Die Resultate, die ich dabei erhielt, waren in man-
cher Hinsicht unerwartet, es mag daher nicht überflüssig sein, bei der Beschreibung derselben in ein etwas
genaues Detail einzugehen.
Die Zellen des hornartigen Albumens besitzen in der Regel sehr dicke, mit ziemlich grossen Tüpfeln
versehene Wandungen, welche meistens vollkommen ungefärbt sind und im Wasser ziemlich stark an-
schwellen. Wenn ein dünner Abschnitt eines solchen Albumens in Wasser aufgeweicht und auf die beschrie-
bene Weise der Einwirkung des Jods ausgesetzt wird, so beginnt die Zellmembran nach wenigen Augen-
blicken sich zu färben. Es ist jedoch nicht leicht, von den Farbenveränderungen, welche hiebei eintreten,
eine deutliche Beschreibung zu geben, indem nicht nur bei verschiedenen Pflanzen die Farbennuancen be-
deutende Verschiedenheiten zeigen, sondern indem auch in den meisten Fällen das Jod nicht gleich anfangs
dieselbe Farbe hervorruft, die es bei längerer Einwirkung erzeugt. Ausserdem zeigt sich ziemlich allgemein
die merkwürdige Erscheinung, dass ein solches Präparat, wenn man die Flüssigkeit, in der es liegt, ein-
trocknen lässt, eine Farbe annimmt, welche gänzlich verschieden ist von der Farbe, welche es in der mit
Wasser gemischten Jodtinctur angenommen hatte, und dass bei seinem Aufweichen in reinem Wasser wieder
eine neue Farbe hervortritt. Rechnet man noch hinzu, dass die Farbennuancen wieder etwas abändern, je
nachdem man dem Wasser mehr oder weniger Jodtinetur zumischte, so wird man einsehen, dass es beinahe
unmöglich ist, eine genaue Beschreibung dieser Vorgänge zu geben, wenn man nicht in ein ermüdendes
Detail eingehen will.
Im Allgemeinen gilt die Regel, dass das Jod in den Zellmembranen des hornartigen Albumens
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zuerst eine gelbe Farbe hervorruft, welche sich bei kräftiger Einwirkung häufig ins Braune steigert. Ausser-
dem ruft aber das Jod bei längerer Einwirkung in den meisten Fällen auch eine blaue Farbe hervor. Diese
zeigt jedoch nie die schöne Indigofarbe, wie z. B. in den Früchten der Flechten, sondern ist immer röthlich
und kommt in allen Abstufungen, vom weinrothen bis zum veilchenblau vor, so dass sie alle Nuancen,
welche die Joddämpfe bei verschiedener Dichtigkeit zeigen, durchlauft.
Es beruhen nun. die hauptsächlichsten Verschiedenheiten der Färbung, welche ein solches Albumen
annimmt, darauf, ob sich blos eine dieser Farben, d. h. blos gelb, oder blos blau, entwickelt, oder ob sich
beide entwickeln, und in welchem Verhältnisse in diesem Falle beide zu einander stehen. Geht der Ent-
wicklung der blauen Farbe eine starke Entwicklung einer gelbbraunen Farbe voraus und entwickelt sich die
klaue Farbe schwach, so mischen sich beide zu einem schmutzigen Braunviolett, wobei in verschiedenen Ab-
stufungen bald das Braun, bald das Violett vorherrscht, und wobei es nicht ganz selten ist, dass die Zellen,
welche der Peripherie des Albumens näher liegen, ziemlich rein violett gefärbt sind, während die gegen das
Centrum zu gelegenen mehr braun sind. Ueberwiegt bei längerer Einwirkung des Jods die blaue Färbung
über die gelbbraune, so verschwindet diese allmählig und es tritt an ihrer Stelle eine violette Farbe auf,
welche desto reiner und schöner ist, je schneller die gelbe Farbe verschwindet und die blaue erscheint.
Endlich kann auch die gelbe Farbe so zurücktreten, dass gleich von Anfang an die violette Farbe auftritt.
Im Allgemeinen gilt nun die Regel, dass die gelbe Farbe desto stärker hervortritt und die blaue Farbe desto
weniger zur Ausbildung kommt oder auch ganz ausbleibt, je härter und spröder das Albumen ist, z. B. bei
dem Albumen vieler Palmen, dass dagegen die blaue Farbe desto mehr sich entwickelt, je mehr das Albu-
men eine weiche, knorpelartige Consistenz zeigt; das letztere geht jedoch nur bis auf einen gewissen Grad,
denn wenn die Zellen des Albumens dünnwandig sind und sich der Beschaffenheit der Zellen eines gewöhn-
lichen fleischigen und ölhaltigen Albumens annähern, so tritt ebenfalls keine blaue Färbung ein.
Lässt man die mit Wasser gemischte Jodtinctur, in welcher die Zellen liegen, von selbst verdunsten,
so verliert sich die blaue Färbung immer, und es nimmt die Zellmembran eine mehr oder weniger tiefe
braune Farbe an. Hiebei zeigt sich, dass die Farbe der trockenen Zellmembran desto heller und mehr gelb
ist, je weniger sie vorher von der Jodtinctur blau gefärbt war, und dass sie desto brauner wird, je mehr
sich die blaue Farbe entwickelt hatte, so dass die Farbe der trockenen Membran bis in das dunkelste Roth-
braun steigt, wenn vorher die Zelle rein und lebhaft violett gefärbt war.
Lässt man die getrockneten Zellen wieder in reinem Wasser aufquellen, so tritt die blaue Farbe wie-
der aufs neue hervor, und zwar immer intensiver und reiner, als sie vor dem Trocknen gewesen war, wäh-
rend die gelbbraune Färbung meistens ganz verschwindet, oder wenigstens nur dann noch deutlich ist, wenn
die Zellen vor dem Trocknen nur einen schwach violetten Anflug hatten. Desshalb ist ohne Ausnahme die
aufgeweichte Zellmembran mehr violett als vor dem Eintrocknen und in vielen Fällen rein violett oder tief
veilchenblau, wenn sie vor dem Eintrocknen ein schmutziges, bräunliches Violett gezeigt hatte.
Nach dieser allgemeinen Auseinandersetzung der Farbenänderungen, welche man an diesen Zellmem-
branen bemerkt, will ich es versuchen, die letzteren nach den Modificationen ihrer Färbung in bestimmte
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Classen abzutheilen; wobei jedoch immer im Auge behalten werden muss, dass diese Classen nicht scharf
getrennt sind, sondern mannigfache Uebergänge zeigen. Man kann jedoch etwa folgende vier Hauptmodifi-
cationen annehmen.
A. Albumenzellen, welche von verdünnter Jodtinctur gelb gefärbt werden, beim Trocknen gelbbraun
werden und bei der Wiederbenetzung die frühere gelbe Farbe annehmen, kurz, welche sich ganz auf dieselbe
Weise, wie die gewöhnliche Holzfaser verhalten. Dieses findet, so weit ich es untersuchte, bei dem Albu-
men aller Palmen statt, z. B. Rhapis acaulis, Manicaria saceifera u. s. w.
B. Albumenzellen auf die Einwirkung von Jod zuerst eine gelbe, später eine braune Farbe mit vio-
letter Beimischung zeigend; eingetrocknet heller oder dunkler gelbbraun; wieder aufgeweicht violett mit
bräunlicher Beimischung. Iris pratensis, atomaria, Allium globosum, odorum, sibiricum, Asphodelus
luteus, Anthericum ramosum, Czackia Liliastrum, Eucomis punctata.
C. Albumenzellen auf die Einwirkung von Jod zuerst gelb, dann braun, zuletzt schmutzig violett;
trocken rothbraun, benetzt dunkel violett, zum Theil ins tief Veilchenblaue übergehend. Iris aurea, Aspa-
ragus dauricus, marilimus, Scilla peruviana, Hyacinthus romanus, amethystinus, Lilium bulbi-
ferum, Tigridia Pavonia, Convallaria racemosa, Yucca gloriosa.
D. Albumenzellen durch Jod schnell lebhaft violett gefärbt; trocken dunkel rothbraun, wieder aufge-
weicht schön violett oder tief veilchenblau. Ixia hyalina, squalida, Gladiolus tristis, Ruscus race-
mosus, Veltheimia viridifolia.
Wenn die Tüpfel der Albumenzellen eine bedeutendere Grösse besitzen, wie bei Ruscus racemosus,
so ist es nach der violetten Färbung durch Jod in hohem Grade auffallend, wie hell die Tüpfel im Verhältniss
zu der Zellmembran gefärbt sind, so dass sie wirklichen Oeffnungen täuschend ähnlich sehen. Dessen uner-
achtet scheint es mir nicht, dass die primäre Zellmembran, welche die Tüpfelkanäle verschliesst, wirklich
ungefärbt ist, sondern dass sie nur wegen ihrer geringen Dicke sehr schwach gefärbt erscheint. Einentheils
scheint es nämlich doch, auch wenn man in senkrechter Richtung auf diese Membran herabsieht, dass sie
eine sehr leichte Färbung besitzt, anderntheils erscheint die primäre Membran, wenn man die durchschnitte-
nen Seitenwandungen betrachtet, wo also die primäre, die Tüpfel verschliessende Membran senkrecht steht
und man durch dieselbe ihrer Breite nach durchsieht, lebhaft gefärbt, endlich sieht man auf dem Querschnitte
der Zellwandungen an der Grenze zwischen zwei Zellen keinen ungefärbten Streifen verlaufen. Es mag je-
doch immerhin der Fall sein, dass die primäre Zellmembran eine weniger intensive Farbe annimmt, als die
secundären Schichten.
Von dicotylen, mit einem hornartigen Albumen versehenen Samen untersuchte ich nur wenige, da die
Erscheinungen im Ganzen genommen dieselben wie bei den monocotylen Samen waren. Es unter-
schied sich jedoch bei denjenigen, bei welchen Jod eine blaue Färbung hervorbrachte, die Farbe insoferne,
als die Zellen im Anfange eine mehr rein gelbe als bräunliche Färbung annahmen und später eine reiner
blaue Farbe entwickelten, wesshalb sie auch im Uebergangszustande von einer dieser Farben zur andern
eine ausgesprochen grüne Farbe zeigten. Beim Eintrocknen erhielt sich die blaue Farbe, die Zellmem-
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branen wurden schwarzblau und sehr wenig durchsichtig, bei der Wiederbenetzung zum Theile schön indigo-
blau. Auf diese Weise verhielt sich das Albumen von C'yclamen coum, neapolitanım, Primula inflata,
Androsace septentrionalis, Ardisia crenulata.
Das hornartige Albumen einiger andern Dicotylen, z. B. vom Galium spurium, verrucosum, Coffea
arabica, Strychnos nux vomica färbte sich mit Jod gelb.
Kaustisches Kali wirkt auf diejenigen Albumenzellen, welche sich mit Jod blau färben, ausserordent-
lich heftig ein. Taucht man z. B. einen dünnen Abschnitt der Albumens von Cyclamen neapolitanum oder
Ardisia crenulata nur 2—3 Secunden lang in eine starke Kalilauge, wascht ihn sogleich wieder in reinem
Wasser aus und bringst ihn in einen mit Jodtinctur gemischten Wassertropfen, so sieht man die Zellen in
verschiedenem Grade aufgelockert. Diejenigen, auf welche das Kali am schwächsten einwirkte, haben be-
deutend dickere Wandungen bekommen, wobei man deutlich sieht, dass die äusseren Schichten einer jeden
Zelle sich zuerst zu einer gallertartigen Masse auflockern; die am Rande des Abschnittes gelegenen Zellen
sind völlig in eine im Wasser auflösliche Gallerte umgeändert. Sowohl diese aufgelöste Substanz, als die auf-
gelockerten Zellmembranen selbst färbt Jod schön blau.
Bei dem harten, spröden Albumen der Palmen, welches durch Jod gelb gefärbt wird, ist ein blosses
Eintauchen in Kalilauge nicht hinreichend, um dasselbe zur Auflockerung und zur Fähigkeit, sich mit Jod
blau zu färben, zu bringen, sondern es ist hiezu ein starkes, bis zur anfangenden Eintrocknung der Kalilauge
fortgesetztes Kochen nothwendig, gerade wie bei den Zellen der Hölzer.
Auf ähnliche Weise wie die weicheren Albumenzellen, wirkt ein nur wenige Secunden lang dauerndes
Eintauchen in kaustische Kalilösung auch auf manche andere Zellen von gallertartiger Beschaffenheit, die sich
mit Jod gelb färben, auflockernd und ertheilt ihnen die Eigenschaft, sich mit Jod blau zu färben, z. B. auf
die Zellen der Cotyledonen von Zupinus pilosus, welche durchaus die Structur der Zellen von Schoti@
besitzen, sich aber im unveränderten Zustande nicht blau färben, ferner auf die gallertartigen Zellen, welche
unter der Epidermis vieler Stämme, z. B. bei Rheum, Spinacia, bei den Labiaten u. s. w. in Form von
bastähnlichen Strängen verlaufen und deren gallertartige Beschaffenheit ich früher der Anwesenheit einer
reichlichen Intercellularsubstanz zugeschrieben hatte.
Fassen wir die Resultate der bisherigen Untersuchungen zusammen, so erhellt, dass bei einer grossen
Anzahl von Pflanzen Zellen vorkommen, deren Membranen im trockenen Zustande eine hornartige oder
knorpelartige Consistenz besitzen, bei Befeuchtung mit Wasser weit stärker, als die Membranen des gewöhn-
lichen Zellgewebes anschwellen, dabei eine mehr.oder weniger gelatinose Weichheit annehmen und, wenn
sie nun mit Jod in Berührung kommen, sich entweder sogleich violett oder blau färben, oder zuerst gelb und
später erst violett oder blau werden.
Hiebei entsteht nun die Frage, ist diese blaue Färbung durch Jod eine charakteristische Eigenschaft
der Substanz jener gelatinosen Zellen, weist sie mit Sicherheit darauf hin, dass sich diese Substanz wesenf-
lich von der Holzfaser der übrigen Pflanzenzellen, die sich mit Jod gelb färben, unterscheidet und beweist
sie in diesem Falle, dass die Substanz dieser Zellen mit dem Amylum identisch ist?
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Die Beantwortung dieser Fragen gehört zwar grossentheils in das Gebiet des Chemikers und nicht des
Botanikers, ich mase mir daher auch nicht an, dieselben in jeder Hinsicht genügend zu lösen, es mag mir
jedoch erlaubt sein, von meinem Standpunkte aus einen Versuch ihrer Beantwortung zu machen.
Schon die im Bisherigen angeführten Thatsachen machen es höchst zweifelhaft, dass die blaue Fär-
bung, welche die angeführten Zellen mit Jod annehmen, als eine charakteristische Eigenschaft derselben und
als ein Beweis, dass ihre Substanz von der gewöhnlichen Zellmembran wesentlich verschieden sei, betrachtet
werden dürfe, insoferne sichnämlich die Färbung, welche diese Zellen durch die Einwirkung von Jod erleiden,
nach vielen, offenbar höchst geringfügigen Umständen ändert. Einmal nämlich kommt es vor, dass die Zellen
der einen Pflanze mit Jod eine schöne blaue Farbe annehmen, während die einer verwandten Pflanze keine
Spur derselben zeigen, sondern sich gelb färben, so fand ich z. B. nur bei Cefraria islandica, aculeata
und odontella, bei Evernia vulpina und ochroleuca eine blaue Farbe, bei den andern Arten dieser Gat-
tungen nicht, so trat die blaue Farbe unter vielen Arten von Sphaerococcus, die ich untersuchte, nur bei
S. ciliatus, unter verschiedenen Ulven nur bei U. Linza und Lactuca ein. Ferner geschieht es häufig,
dass nicht alle Zellen desselben Organes sich mit Jod gleichförmig färben, so zeigte sich z. B. beim Thallus
von S'phaerococeus ciliatus, Cetraria odontella, Evernia vulpina, Roccella tinctoria, die äussere
feste Schichte nicht blau, sondern gelbbraun, so ist es bei dem hornartigen Albumen der Monocotylen nicht
selten, dass die äusseren Zellen eine schöner blaue Farbe annehmen, als die tiefer gelegenen. In diesen
Fällen wird es aber wohl Niemand für wahrscheinlich halten, dass die Zellen der verschiedenen Schichten
desselben Organes, oder die Zellen verschiedener, mit einander aufs nächste verwandten Arten aus verschie-
denen chemischen Substanzen gebildet sind.
Vergleichen wir ferner diejenigen Zellen, welche sich mit Jod blau färben, und diejenigen, welche
mit Jod eine gelbe Farbe annehmen, so zeigt sich im Allgemeinen, dass die letzteren im Wasser weniger
stark aufschwellen und härter bleiben, meistens auch schon im trockenen Zustande härter und spröder als die
ersteren sind Wenn dieser Unterschied auch nicht in allen Fällen so scharf ausgesprochen ist, dass man
aus der hesenlian Beschaffenheit der Zellmembran in jedem einzelnen Falle einen Schluss auf die Färbung,
die sie mit Jod annimmt, machen kann, so ist es doch in vielen Fällen sehr deutlich. Dieser Umstand kann
es uns wahrscheinlich machen, dass die Farbe, welche das Jod in der Zellmembran hervorruft, von dem
Aggregationszustande der Substanz der letzteren abhängig ist, dass der Zustand einer stärkeren Aggregation
eine gelbe Färbung hervorruft, dass dagegen die blaue Färbung desto mehr hervortritt, je mehr die Zell-
membran sich in einem aufgelockerten Zustande befindet und je mehr sie in Wasser dem Zustande einer
Auflösung, die in einzelnen Fällen wirklich eintritt, sich nähert. Dieselbe Verschiedenheit zwischen gelber
und blauer Färbung tritt, wie wir gesehen haben, in vielen Fällen in jedem einzelnen Versuche ein. Die
erste Portion von Jod, welche sich mit der Membran vereinigt, färbt dieselbe gelb, bei längerer Einwirkung
und damit verbundener stärkerer Aufnahme von Jod durch die Zellmembran tritt dagegen die blaue Färbung
ein. Wir dürfen hieraus den Schluss ableiten, dass die festeren Zellen weniger geneigt sind, sich mit Jod zu
verbinden und eine geringere Menge desselben aufnehmen, als die weicheren Zellen und dass hiernach die
Farbe sich richtet.
— 33 —
Da nun die Veränderung, welche die Zellmembranen durch kaustisches Kali erleiden, mit einer be-
deutenden Auflockerung verbunden ist, so ist es recht wohl möglich, dass diese Membranen in Folge dieser
Veränderung geneigter werden, eine grössere Menge von Jod aufzunehmen und sich desshalb blau färben,
dass aber diese blaue Farbe nicht als ein Beweis von einer Umwandlung der Holzfaser in Amylum betrachtet
werden dürfe.
Was nich nun wirklich bestimmt, die gelbe Farbe von der Aufnahme einer geringeren Menge von
Jod und die blaue Farbe von der Aufnahme einer grösseren Menge desselben abzuleiten, ist hauptsächlich
der Umstand, welchen ich erst, nachdem das Vorhergehende längst niedergeschrieben war, entdeckte, dass
man auch solche Zellen, welche sich in wässeriger Jodtinctur gelb färben, durch Jod schön blau färben kann,
ohne sie vorher chemisch zu verändern, wenn man nur das Jod kräftig genug auf sie einwirken lässt. Ich
erreichte diesen Zweck zuerst auf die Weise, dass ich einen dünnen Abschnitt eines Pflanzengewebes in
einem verschlossenen Gefässe längere Zeit hindurch (etwa 14 Tage lang), bei gewöhnlicher Temperatur den
Dämpfen von Jod, welches in das Gefäss mit eingeschlossen war, aussetzte. Es färbt sich die Pflanzen-
membran unter diesen Umständen zuerst gelb, dann braun, endlich braunroth, beinahe schwarz, in einigen
Fällen, z. B. wenn Baumwolle dem Joddampfe ausgesetzt wird, nimmt die Farbe deutlich einen violetten Ton
an. Bei Benetzung mit Wasser treten nun Faarbenveränderungen ein, welche die grösste Aehnlichkeit mit
den oben von’ den gelatinosen Zellen beschriebenen haben. Entweder tritt nämlich sogleich eine schöne
Indigofarbe ein, z. B. bei den Fasern von Papier, welches auf diese Weise behandelt wurde), oder es be-
hält die Zellmembran bei der Benetzung ihre braune Farbe bei, zeigt aber nach der Austrocknung eine vio-
lette Färbung, die sich bei einer Benetzung in Blau verwandelt, wie ich dieses bei Hollundermark fand.
Dass nun diese blaue Färbung nicht einer chemischen Umwandlung zuzuschreiben ist, welche die Zellmem-
bran in Folge der langen Einwirkung der Joddämpfe erlitten hat, sondern dass sie einzig und allein der
reichlichen Aufnahme von Jod zuzuschreiben ist, wird dadurch bewiesen, dass solche von Jod durchdrungene
Zellmembranen, wenn man sie einige Tage lang der Luft aussetzt, ihr Jod wieder verflüchtigen lassen, da-
durch wieder weiss werden und nun wieder wie früher bei Benetzung mit wässeriger Jodtinetur eine gelbe
Farbe annehmen, ohne die mindeste blaue Farbe zu entwickeln.
Später fand ich, dass sich die Zellmembran in kürzerer Zeit, als durch Anwendung von Joddämpfen,
durch Jod£inctur blau färben lässt, auch ist diese Methode der ersteren weit vorzuziehen, nicht bloss, weil
sie weit schneller zum Ziele führt, sondern weil die erstere sich in vielen Fällen als unwirksam erweist, in
welchen die Einwirkung der Jodtinctur eine schöne Indigofarbe erzeugt.
Um diese Wirkung der Jodtinctur hervorzubringen, ist nichts weiter nöthig, als dass man dem Wasser,
in welchem ein dünner Abschnitt einer Pflanze liegt, eine reichliche Menge einer mit Jod gesättigten Jod-
tinetur zumischt, ein Glasplättchen darüber legt und die Flüssigkeit allmählig in der gewöhnlichen Zimmer-
4) Es ist wohl nicht nöthig zu bemerken, dass ich mich vor dem Versuche davon überzeugt hatte, dass das
Papier nicht mit Amylum geleimt war.
Na —
temperatur verdunsten lässt, wohl auch dieses Verfahren zum zweitenmale wiederholt. Es treten nun ganz
analoge Farbenveränderungen ein, wie diejenigen, welche man schon auf eine schwache Einwirkung des
Jods an den Zellen des hornartigen Albumens der Monocotylen bemerkt.
Zuerst nehmen nämlich die Zellmembranen eine gelbe Farbe an, welche in ein mehr oder weniger
tiefes Braun übergeht. Diese letztere Farbe erhält sich bei allen Zellen, welche nur schwer eine blaue Farbe
annehmen, bis zum Trockenwerden des Präparates; bei andern tritt dagegen auch schon vorher eine mehr
oder weniger deutliche violette Färbung hervor, welche aber in vielen Fällen sehr schwach und wegen der
rothbraunen Farbe der Jodtinctur nur durch ein in diesen Untersuchungen geübtes Auge zu erkennen ist.
Diese Entwicklung der violetten Farbe kommt meistens nur bei Bastzellen, aber nicht leicht bei Parenchym-
zellen, und so viel ich bis jetzt sah, nie bei Holzzellen oder Gefässen vor, folglich nur bei solchen Zell-
membranen, welche sich durch Weichheit, Biegsamkeit und Zähigkeit auszeichnen.
Lässt man die auf die angegebene Weise mit Jod behandelten Bastfasern trocknen, so wird ihre Farbe
rothbraun; benetzt man sie nun mit Wasser, so geht ihre Farbe in ein mehr oder ‚weniger reines Violett
oder Blau über. Vollkommen rein ist dagegen diese violette oder blaue Farbe selten und jedenfalls nur dann,
wenn man eine reichliche Menge von Jodtincetur angewendet hatte; war dieses nicht der Fall, so zeigen die
Zellen nach dem Aufweichen eine gelbe Farbe. Es verhalten sich jedoch hierin die verschiedenen Zellen
desselben Bastbündels nicht immer gleich, insofern die eine gelb ist, während eine andere violett, eine
andere blau sein kann. Dass unter diesen Umständen Uebergangsfarben und schmutzige Farbentöne häufig
sind, versteht sich von selbst.
Auf die Entwicklung einer mehr oder weniger reinen blauen Farbe scheint jedoch nicht blos die
weichere oder festere Textur der Zellmembran von Einfluss zu sein, sondern es scheinen auch rein mecha-
nische Verhältnisse in manchen Fällen einzuwirken. Ich beobachtete nämlich, dass bei Hanffasern,, welche
ich auf die angegebene Weise behandelte, hauptsächlich die mit der Scheere abgeschnittenen und dadurch
etwas gequetschten Enden violett und blau gefärbt waren, während die unverletzten Mittelstücke eine gelbe
oder gelbbraune Farbe hatten. Ich zerdrückte nun befeuchtete Hanffasern zwischen Glasplatten und behan-
delte sie auf die angegebene Weise mit Jod, worauf sich zeigte, dass in der Regel die zerquetschten sich
violett oder blau, die nicht zerquetschten gelbbraun färbten. Offenbar begünstigte das Zermalmen der Fa-
sern das Eindringen des Jods in das Gewebe der Zellmembran.
Auf die angegebene Weise verhielt sich der Bast von Limum usitatissimum und perenne, Cannabis,
Hoya carnosa, Acacia lophanta, Urtica dioica, Morus Morettiana und Daphne Mezereum ; der
letztere war jedoch sehr schwer zur Entwicklung einer blauen Farbe zu bringen, und beim Baste der Linde
gelang mir dieses gar nicht. Auf gleiche Weise, wie der Bast, verhält sich die Baumwolle.
In weit vollkommenerem Grade als der Bast, lässt sich die Membran der dünnwandigen Parenchym-
zellen blau färben, indem sich hier die Farbe meistens bis zum schönsten Indigoblau steigern lässt. Es
scheint diese Eigenschaft sämmtlichen dünnwandigen Parenchymzellen zuzukommen, wenigstens zeigte sich
diese Erscheinung ganz übereinstimmend bei folgenden Pflanzen, die ich in dieser Hinsicht prüfte, ohne
— 345 —
dass ich einen bestimmten Grund hatte, grade sie und nicht andere Pflanzen zu wählen, nämlich bei
dem Rindenparenchyme von T'ilia parvifolia, Daphne Mezereum, Hibiscus palustris, Hoya car-
nosa, Scambucus nigra, und bei dem Marke von Begonia semperflorens, Kleinia nerüfolia, Corydalis
Tutea, Oxalis crassicaulis, bei dem Parenchym des Scapus von Narcissus incomparabilis, Lilium
Martogon, Tulipa Gesneriana, Fritillaria imperialis, des Blüthenstieles von Nymphaea alba, des
Blattes oder Blattstieles von Sanseviera zeylanica, Calla aethiopica, Strelitzia Reginae, Camellia ja-
ponica, Sempervivum barbatum, Mesembryanthemum spectabile, Eryngium alpinum, Onoclea sen-
sibilis, bei der Epidermis des Blattes von Sempervivum barbatum, Oxalis crassicaulis. Das Parenchym
dieser Pflanzen färbte sich mit Jodtinetur braun, wurde beim Austrocknen mehr oder weniger dunkelbraun,
zuweilen mit einem schwachen Stich ins Violette (dem blossen Auge erschien es vollkommen schwarz), beim
Wiederbenetzen mit Wasser zum Theil hellblau, meistens aber sehr schön indigoblau. Lässt man diese blau-
gefärbten Membranen wieder trocken werden, so ändert sich ihre Farbe in violett um, welches sich bei neuer
Benetzung sogleich wieder in reines Blau verwandelt; kurz, sie verhalten sich in dieser Beziehung ganz wie
durch Jod gefärbte Amylumkörner. Auffallend ist es, dass die weissen Blumenblätter von einigen Pflanzen,
die ich mit Jod behandelte, sich weit schwieriger blau färben liessen, als die Parenchymzellen der Vegeta-
tationsorgane; sie wurden nämlich auf die erste Behandlung mit Jod braun und nahmen, nachdem sie ge-
trocknet waren, und mit Wasser benezt wurden, eine gelbe Farbe an, und sie mussten zweimal mit Jod
behandelt werden, ehe sie eine mehr oder weniger tiefe Indigofarbe annahmen. So verhielt es sich wenig-
stens mit den Blumenblättern von Sazifraga granulata, Crataegus Oxyacantha, Entelea arborescens,
Nymphaea alba. )
Schwieriger als die Parenchymzellen der Rinde, der Blätter und vegetirenden Stämme sind die bereits
abgestorbenen Markzellen, z. B. von Sambucus nigra, Aralia spinosa blau zu färben, indem häufig bei
ihnen die gelbe Farbe nicht vollkommen verschwindet und daher die blaue Farbe einen schmutzig grünen
Ton besitzt; es steigert sich jedoch bei gehöriger Einwirkung des Jods die Farbe ebenfalls in reines Blau.
Noch schwieriger ist die blaue Farbe bei altem Holze hervorzurufen, indem in den meisten Fällen nur
bei wiederholter Einwirkung von Jod eine bläuliche Färbung entsteht, welche sich mit der gelben Farbe zu
grün mischt, z. B. beim Tannenholze, beim Holze von Sambucus, Aralia spinosa, bei den Fasern von
Phormium tenazx. In den jüngeren saftigen Pflanzentheilen färben sich dagegen die Holzzellen und Gefässe
schön blau. 2
Dass in allen diesen Fällen keine chemische Umwandlung mit der Zellmembran vorgegangen ist, dass
etwa nicht durch die Einwirkung des Jods auf die Zellmembran Amylum entstanden und dieses blau gefärbt
wurde, erhellt daraus, dass solchen blauen Zellmembranen theils schon durch längere Aussetzung an die
Luft, besonders aber durch Einwirkung von Alcohol das Jod, welches sie aufgenommen haben, entzogen
werden kann. Sie werden hiedurch in ihren früheren Zustand zurückgeführt, und färben sich nun mit einer
geringen Menge von Jod nur gelb, aber nicht blau.
Aus sämmtlichen, im Bisherigen erzählten Beobachtungen lassen sich folgende Sätze ableiten:
44
— 3416 —
1) Das Jod ertheilt der vegetabilischen Zellmembran je nach der Menge, in welcher es von derselben
aufgenommen wird, sehr verschiedene Farben; eine geringe Menge von Jod erzeugt eine gelbe oder braune,
eine grössere Menge eine violette, und eine noch bedeutendere Menge eine blaue Farbe.
Die gelbe oder braune Farbe kann das Jod der trockenen Zellmembran ertheilen, wenn es in Alcohol
aufgelöst, oder in Form von Dampf mit ihr in Berührung kommt, die violette oder blaue Farbe tritt dagegen
nur dann ein, wenn die Zellmembran von Wasser durchdrungen ist. Die blaue Farbe verwandelt sich beim
Austrocknen der Membran in die violette oder rothbraune, kehrt jedoch bei einer Benetzung zurück, analoge
Farbenänderungen treten bekanntlich auch bei der Jodstärke ein, je nachdem dieselbe trocken oder von
Wasser benetzt ist.
2) Die Farbe, welche die Zellmembran mit Jod annimmt, hängt nicht blos von der Menge von Jod,
welche man auf die Membran einwirken lässt, sondern auch von der Beschaffenheit der Membran selbst ab.
Die weicheren und zäheren, in Wasser stärker anschwellenden Membranen färben sich, auch wenn nur eine
geringe Menge von Jod auf sie einwirkt, entweder sogleich violett oder blau, oder es geht die gelbe Farbe,
welche sie anfangs annehmen, noch vor dem Austrocknen der Flüssigkeit, oder wenigstens nach dem Aus-
trocknen und bei neuer Benetzung in violett oder blau über. Die härteren, spröderen und in Wasser weniger
aufquellenden Membranen färben sich dagegen mit Jod gelb oder braun, und zeigen nach dem Austrocknen
und Wiederaufweichnen nur dann eine blaue Farbe, wenn eine grosse Menge von Jod auf sie einge-
wirkt hatte.
3) Diese Entwicklung einer blauen Farbe kommt der Zellmembran an und für sich zu, und beruht
blos auf der Aufnahme einer gehörig grossen Menge von Jod.
Ob nun die Färbung der Zellmembran durch Jod einer blosen Zwischenlagerung der Molecüle
des Jods zwischen die Partikeln der Zellmembran zuzuschreiben sei, oder ob das Jod und die Holzfaser
bestimmte chemische Verbindungen eingehen, ob deren vielleicht zwei, eine gelbe und eine blaue exi-
stiren, dieses sind Fragen, deren Beantwortung dem Chemiker und nicht dem Botaniker zusteht.
Anmerk, Die Erwartung, dass durch die Untersuchungen der Chemiker die oben aufgeworfenen Fragen
eine Lösung finden werden, ist theilweise und früber, als ich hoffen konnte, durch die Entdeckungen Payen’s
(mem, s. 1, developpements d. vegetaux) in Erfüllung gegangen. Wenn auch gleich von einer definitiven Lö-
sung vieler sich hier aufdrängender Fragen noch lange nicht die Rede ist, so scheinen doch zwei der wichtig-
sten Punkte ausgemittelt zu sein. Der eine betrifft die Thatsache, dass nur stickstofthaltige vegetabilische Ver-
bindungen von Jod gelb gefärbt werden '), Aus diesem Umstande wird es erklärlich, wie eine Pflanzenmembran
(namentlich die Membran älterer Zellen und Gefässe) auf die Einwirkung von Jod zuerst eine gelbe und später,
wenn die Färbung des Membranenstoffes hinzutritt, eine durch grün in blau übergehende Farbe zeigen kann,
während andere (namentlich jüngere) Membranen beim Mangel an stickstoffhaltigen Bestandtheilen sogleich schön
blau werden und endlich die an stickstoffhaltigen Verbindungen sehr reichen Gebilde, wie die Cuticula, blos eine
tief braune Färbung annehmen.
1) Murver giebt vom Inulin an, dass dasselbe von Jod gelb gefärbt werde, ich finde dieses nicht bestätigt, Wenn man zu
einer durch Kochen bereiteten wässerigen Auflösung von Inulin etwas Jodtinctur zusetzt, so scheidet sich das Inulin beim
Erkalten der gelben Flüssigkeit mit vollkommen weisser larbe aus.
—_— 3417 —
Der zweite Punkt betrifft die wichtige Entdeckung Pavzw’s, nach welcher die grossen Verschiedenheiten,
die wir an den Zellmembranen verschiedener Pflanzen und verschiedener Altersperioden desselben Organes fin-
den, grösstentheils nicht auf Verschiedenheiten des Membranenstoffs, sondern auf Einlagerung von andern orga-
nischen Substanzen beruhen, welche eine von der reinen Zellmembran abweichende chemische Zusammensetzung
besitzen. Nach diesen Untersuchungen ist es möglich, durch Behandlung der Membranen mittelst Säuren, Alca-
lien, Aleobol u. s. w. diese Einlagerungen, welche Pıyew mit dem nicht ganz passenden Ausdrucke der incru-
stirenden Substanzen bezeichnet, zu entfernen, worauf die gereinigte Zellmembran mit denselben Charakteren er-
scheint, welche der jugendlichen, noch nicht incrustirten Membran zukommen. Als eine charakteristische Eigen-
schaft dieser reinen Zellmembran, der Cellulose, betrachtet Pıven die blaue Farbe, welche dieselbe, wenn sie
vorher mit Jod getrankt wurde, auf die Einwirkung von Schwefelsäure zeigt. Aus der Elementaranalyse zog
Pıyen den Schluss, dass die Cellulose aller Pflanzen vollkommen gleiche Zusammensetzung besitzt und mit
Amylum, Inulin und Dextrin isomer ist. Die Verschiedenheiten der Zellmembranen leitete Pıyev noch ausser
den Incrustationen von verschiedenen Aggregationszuständen der Cellulose selbst ab, so nimmt er an, es seien
die Verschiedenheiten des Holzes der Eiche von dem der Acacie darin begründet, dass im ersteren die Cellulose
schwächer aggregirt und von einer grösseren Menge incrustirender Substanzen durchdrungen sei, als im letzteren.
Nur in Beziehung auf die Zellmembran einiger Flechten, namentlich von Cetraria islandica scheint Paıxzn eine
wesentliche Modification des Membranenstoffs anzunehmen, indem dieselbe durch die blaue Färbung, die er
von Jod annehme, durch sein Verhalten zu kochendem Wasser die völlige Uebereinstimmung mit Amylum zeige.
Unstreitig gehört diese Entdeckung Payrn’s von der übereinstimmenden Zusammensetzung der Membra-
nen aller Zellen zu den schönsten Bereicherungen, welche die Kenntniss von den chemischen Verhältnissen der
Pflanze in den neueren Zeiten gewonnen hat. Mit dieser Thatsache ist hingegen die Frage noch nicht erledigt,
ob der Membranenstoff aller Zellen so äbnlich ist, dass wir in ihm eine und dieselbe chemische Grundlage, die
Cellulose zu erkennen haben, und ob die Modificationen, welche die Zellen in Hinsicht auf physische und che-
mische Eigenschaften ihrer Membran zeigen, als das Resultat kleiner Abänderungen dieser Verbindung in Be-
ziehung auf Aggregationszustand. anzusehen sind, oder ob diese Modificationen so bedeutend sind, dass es
passend erscheint, sie als verschiedene chemische Verbindungen anzusprechen. Diese letztere Ansicht wurde von
Scureiven (Flora. 1842. II. 237.) geltend gemacht. Er geht hiebei von der Meinung aus, dass die neutralen
vegetabilischen \ erbindungen in einer sehr grossen Reihe von Modificationen, die zwischen dem Zucker und der
Holzfaser in der Mitte liegen, vorkommen, dass die Chemie bei der Unterscheidung von Zucker, Gummi, Inulin,
"Stärkmehl u. s. w. nur zufälligerweise einzelne dieser Modificationen herausgegriffen habe, dass aber eine Menge
von Zellmembranen existiren, welche ganz andere Eigenschaften besitzen, als die von den Chemikern unterschie-
denen Stoffe. Schureımen hebt in dieser Beziehung namentlich hervor, dass viele jugendliche Zellen, die Zellen
der Fucoideen u. s. w. aus einem im Wasser stark aufquellenden, in kochendem Wasser sich auflösenden, mit
Jod sich nicht färbenden Stoffe, den er Gallerte nennt, bestehen, dass die Zellen des Albumens und der Cotyle-
donen mancher Leguminosen, z. B. von Schotia, aus einem zwischen Amylum und Holzfaser in der Mitte stehen-
den Stofle, den er Amyloid nennt, gebildet seien, dass sich die Substanz mancher Flechten vom Stärkmehl
nicht unterscheide. Diese Thatsachen sind unstreitig richtig, ob sie aber zu den von ScuLeipen aus denselben
abgeleiteten Folgerungen berechtigen, muss ich, wenigstens für jetzt, bezweifeln. Wir haben allen Grund, anzu-
nelımen, dass wir bei anatomischen Untersuchungen den Stoff, welcher die Membran der vegetabilischen Elemen-
tarorgane bildet, niemals in reinem Zustande vor uns haben, es sind immer unorganische Substanzen in die Mem-
branen aufgenommen, denn nach dem Verbrennen hinterlassen dieselben ein sogenanntes Skelett. Diese eingela-
gerten Substanzen sind nicht blos bei verschiedenen Pflanzen verschieden, sondern sie wechseln auch in demsel-
ben Organe mit seinem Alter, indem in der Jugend mehr alcalische, im Alter mehr Erdsalze und Metalloxyde
in denselben vorkommen. Dass solche erdige Einlagerungen in einzelnen Fällen, in welchen sie in grösserer
Menge vorkommen, die Charaktere der Membranen wesentlich modificiren, denselben z.B. grosse Härte, Brüchig-
keit, Resistenz gegen die Einwirkung des Wassers ertheilen, wissen wir bestimmt, wir kennen aber den Umfang
des von solchen Einlagerungen auf die Beschaffenheit der Membranen ausgeübten Einflusses noch nicht entfernt,
wir können daher auch noch nicht beurtheilen, ob demselben nicht ein grosser Theil der Verschiedenheiten, die
wir an den Zellmembranen beobachten, zuzuschreiben ist. Dass Einlagerungen von organischen Substanzen,
1*
= Be
welche der Zellmembran wieder entzogen werden können, beim grössten Theile, vielleicht bei allen älteren Ele-
mentarorganen vorkommen, dass diese Substanzen ebenfalls die Beschaffenheit der Membranen aufs wesentlichste
ändern, geht aus Payen’s und Murver’s Untersuchungen hervor. Wie gross der Einfluss auf die Verschieden-
heiten der Zellmembranen ist, davon sind wir ebenfalls nur höchst unvollkommen unterrichtet. Wir schen aberan den
Veränderungen, welche einzelne Membranen mit dem höheren Alter erreichen, z. B. an dem Umstande, dass die
‘ primäre Membran vieler Holzzellen,, die braunen Zellen in der Umgebuug der Gefässbündel der Farne für die
Schwefelsäure beinahe unangreifbar werden, dass dieser Einfluss ein höchst bedeutender sein kann, es wäre also
recht wohl möglich, dass ein grosser Theil der physikalischen und chemiseben Verschiedenbeiten der Zellmem-
branen auf diesem Einflusse beruht. Wir wissen dieses zwar nicht, so lange wir es aber nicht wissen, dürfen
wir auch nicht den Grund dieser Verschiedenheiten ohne weiteres in verschiedener chemischer Natur der Grund-
lage jener Membranen suchen. Wir wissen ferner von den verschiedenen Aggregationszuständen des vegetabili-
schen Membranenstoffs nichts, möglicherweise sind dieselben, wie beim verwandten Amylum ausserordentlich ver-
schieden. Wenn wir sehen, dass Amylum in Berührung mit Chlorcaleium in Wasser zu einer gallertartigen Masse
anschwillt, wie leicht kann der Membranenstof? durch Einlagerung von verschiedenen Salzen u. s. w. grosse
Veränderungen erleiden. Das alles sind freilich nur Möglichkeiten, die für jetzt, nachdem Payrns Untersuchun-
gen in der Erforschung dieser Verhältnisse kaum erst die Bahn gebrochen haben, weder erwiesen, noch wider-
legt werden können, Die Ausmittlung des wahren Sachverhältnisses können wir nur von den Chemikern er-
halten, ich halte es daher allerdings für gerathener, dass die Botaniker warten, bis die Chemiker diese Untersu-
chungen anstellen, als dass sie in der Ueberzeugung, dass die Chemiker mit diesen Stoffen doch nichts ordent-
liches anzufangen wissen, mit SchrEipen in das Gebiet der letzteren übergreifen und auf ihre unvollkommenen
Untersuchungen hin, neue chemische Verbindungen aufstellen, die in Gefahr sind, auf die erste Untersuchung ei-
nes Chemikers hin wieder ausgestrichen zu werden.
— 3419 —
XXVl.
Untersuchungen
über die
anatomischen Verhältnisse des Chlorophylls.
(Dissertation vom Jahr 1837.)
Mass die grüne Farbe der Pflanzen von kleinen, grünen Körnern herrührt, welche in dem ungefärbten
Zellsafte schwimmen und mit dem Ausdrucke Chlorophyll bezeichnet werden, hierüber stimmen die Aussagen
aller Phytotomen überein. Ob jedoch das Chlorophyll immer die Form von Körnern besitze, oder ob es
auch in Gestalt einer formlosen Gallerte vorkomme, ob die Körner dicht seien, oder ob sie hohle Blasen
bilden, ob auch die übrigen Pflanzenfarben von demselben, nur etwas modificirten Stoffe abzuleiten seien
oder auf der Anwesenheit besonderer Farbstoffe beruhen, über diese Punkte stimmen die Ansichten der
Pflanzenphysiologen nicht überein. Eine genaue Untersuchung der anatomischen Verhältnisse des Chloro-
phylis, welches in Beziehung auf die Processe der Respiration und der Ernährung eine so wichtige Rolle im
Pflanzenleben spielt, ist daher Bedürfniss; hauptsächlich wurde ich aber zu neuer Untersuchung desselben
durch den Umstand bewogen, dass ich schon seit mehreren Jahren, in Folge einiger über diesen Punkt an-
gestellter Beobachtungen, die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass die Bildung der Chlorophylikörner in einem
genauen Zusammenhange mit den Amylumkörnern stehe.
Ehe ich die Beobachtungen, welche für diesen Umstand sprechen, genauer angebe, will ich vorerst
eine Uebersicht über die wichtigeren Resultate, welche bisher aus den Untersuchungen des Chlorophylis ge-
zogen wurden, geben, in der Hoffnung, es werde dieselbe die Darstellung meiner Untersuchungen in man-
chen Punkten erleichtern und abkürzen.
Die früheren Pflanzenphysiologen hatten dem Chlorophyll nur eine geringe Aufmerksamkeit gewidmet
und verglichen dasselbe mit dem Amylum, von welchem sie es unter dem Ausdrucke der Faeculae virides
unterschieden.
Selbst noch SpreneeL!) und Trevıranus?) scheinen in ihren früheren Schriften die Chlorophylikörner
1) Anleitung zur Kenntniss der Gewächse. 1802. Tom. I. p. 99. u. a. O.
2) Vom inwendigen Bau der Gewächse. 41806. p. 6.
—_— 50 —
von den Stärkmehlkörnern blos durch ihre Farbe unterschieden zu haben, nennen dieselben Bläschen oder
Körnchen, und glauben, es entwickeln sich aus ihnen die neuen Zellen.
WAHLENBERG !) äusserst über die anatomischen Verhältnisse des Chlorophylis eine abweichende Mei-
nung, indem er angiebt, es sei dasselbe in der lebenden Pflanze in Form einer grünen, klebrigen Flüssigkeit
(glutinosum viride) enthalten, und gerinne erst zu Kügelchen, wenn es aus der Pflanze ausgezogen sei, bei
der einen Pflanzenart früher, bei der andern später.
Link?) unterscheidet das Chlorophyll durchaus von dem Amylum, und lehrt es hauptsächlich von
chemischer Seite kennen; er nennt dasselbe harzigen Farbestoff. Es liegt dasselbe nach seiner Angabe
in den Zellen bald als eine schmierige, körnige Masse, bald in der Form von Bläschen oder auch als ein
dichter Ueberzug der Zellwandung.
MoLDENHAWER ?) bezeichnet die Chlorophylikörner mit dem Ausdrucke der Saftkügelchen, und leitet
sie von einer Gerinnung des grünen Zellsaftes ab; er scheint ihnen folglich keine besondere Organisation
zuzuschreiben.
Kırser ?) folgt in seiner Darstellung des ChlorophylIs den Angaben von Link, so weit es sich von sei-
nen chemischen Eigenschaften handelt; in anatomischer Hinsicht beschreibt er dasselbe, als aus Körnern be-
stehend, welche kleiner und regelmässiger, als die Amylumkörner seien. In seinem späteren Werke’) be-
schreibt er das Chlorophyll als eine aus kleinen, unregelmässigen Rlümpchen bestehende Masse.
G. R. Trevıranus®) betrachtet die Chlorophylikörner nicht als homogene, blos aus dem grünen Farb-
stoffe bestehende Körner, sondern als Eiweisskügelchen, denen die grüne Materie beigemischt sei.
Nachdem in den folgenden Jahren die chemischen Verhältnisse dieses Stoffes durch PELLETIER und
Caventou näher erforscht waren, verwendeten auch die Phytotomen mehr Sorgfalt auf die Untersuchung
seiner anatomischen Verhältnisse.
Dvrrocuer”) glaubte aus dem chemischen Verhalten der Chiorophylikörner schliessen zu dürfen, dass
sie den Nervenkügelchen der Thiere entsprechen und die Nervensubstanz der Pflanzen bilden.
Turpın®) und Rasraın?) stellten die schon früher von SrRENGEL geäusserte Ansicht, dass die Chloro-
pbylikörner und Stärkmehlkörner Bläschen seien und dass durch ihre Vergrösserung neue Zellen gebildet
werden, wieder aufs neue auf, und glaubten, diese Bläschen sprossen aus der Wandung der älteren Zellen
hervor und seien durch eine Art von Nabelstrang an ihnen befestigt. Turrım legt diesen Bläschen den Na-
4) De sedibus materiarum immediat, in plantis. 4806. p. 69.
2) Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. 1807. p. 56.
3) Beiträge zur Anatomie der Pflanzen. 1812. p- 109. 165. u. a. O.
4) Memoires sur l’organisation des plantes. 1812. p. 32.
5) Grundzüge der Phytotomie. 1815..p. 50.
6) Biologie. 1814. Tom. IV. p. 95.
7) Recherches sur la structure intime des animaux et des vegetaux, 4821.
8) Organographie vegetale, (In den Memoires du Museum. T. XIV. 1827).
9) System der organischen Chemie. 1854. p. 189.
—_— 351 —
men der Globuline bei. Die grüne Färbung ist nach der Ansicht dieser Gelehrten nicht den Wandungen
dieser Bläschen eigen, sondern beruht auf dem Inhalt derselben.
Die Arbeit von MAcAıre-Prixcer '), so wenig sie auch in historischer Beziehung in der Lehre vom
Chlorophyll zu übergehen ist, wegen der Masse von Irrthümern, zu welchen sie Veranlassung gab, braucht
hier keiner weitern Erwähnung, indem sie auf die anatomischen Verhältnisse des Chlorophylis nicht ein-
geht, und von den Chemikern schon bewiesen ist, dass die in ihr enthaltenen chemischen Angaben
unrichtig sind.
Meyen?) nimmt ebenfalls, wie Turrın, an. dass die Chlorophylikörner aus Bläschen mit einer unge-
färbten Haut und einem gefärbten Inhalte bestehen; seine Ansicht unterscheidet sich nur darin von der
Turpın’schen, dass er diese Bläschen nicht für angewachsen, sondern im Zellsafte schwimmend oder nur in
geringem Grade an den Zellwandungen befestigt erklärt. Ausser der im Innern des Bläschens enthaltenen
grünen Materie fand Mrven in der Vallisneria spiralis die Bläschen noch von einer schleimigen, grünen At-
mosphäre umgeben, welche er für eine Reserve-Nahrung der Bläschen hält 3).
Auf ähnliche Weise erklären auch Acarpn?) und Mırseu°) die Chlorophylikörner für Bläschen.
Rörer ©) giebt dagegen an, dass die grüne Farbe der Pflanzen nicht immer durch Kügelchen hervor-
gebracht werde, sondern dass häufig ein durchsichtiger, homogener Saft die Zellen färbe.
Trevıranus ?) erklärt es für eine leicht anzustellende Beobachtung, dass in den grünen Zellen die
Chlorophylikörner in einer ebenfalls grün, jedoch weniger intensiv gefärbten Gallerte liegen. So lange eine
Zelle unverletzt sei, sehe man den grünen Saft in Form einer durchscheinenden Gallerte der innern Ober-
fläche der Zelle anliegen und nach der Zerreissung der Haut langsam hervortreten. Durch Einwirkung der
Luft, einer Säure oder eines Salzes verliere er seine Flüssigkeit und ziehe sich in einen kleinern Raum zu-
sammen. Die Kügelchen scheinen nur ein veränderter Zustand des Saftes zu sein, keineswegs aber könne
das Mikroskop genügende Auskunft darüber ertheilen, ob diese Kügelchen hohle Bläschen seien.
Die interessante Arbeit von MArouarr®), so sehr sie auch in der Lehre von den chemischen Verhält-
nissen des Chlorophylis Epoche macht, lässt uns in Beziehung auf seine anatomischen Verhältnisse ganz im
Stich, indem der Verfasser blos anführt, es bestehe das Chlorophyll nach dem Zeugnisse aller Phytotomen
aus Kügelchen.
Nach der Angabe von Lmk°) verhält sich das Chlorophyll durchaus nicht immer auf gleiche Weise,
4) Memoires de la societe de physique et d’histoire naturelle de Geneve. T. IV. 1828. p. 43.
2) Phytotomie. 1850. p. 148. (Die über den Inhalt der Pflanzenzellen in diesem Werke enthaltenen An-
gaben wurden schon im Jahre 4828 von dem Verfasser in der Schrift: über den Inhalt der Pflanzen-
zellen, bekannt gemacht.)
3) Nova act. acad. C. L, C. naturae curiosor. Tom. XIII. Vol. II. p. 836.
4) Organographie. 1851. p. 89.
5) Recherches sur le Marchantia, 1833. p. 8.
6) Uebersetzung von Decannorze’s Physiologie. Tom. I. 1833. p. 354.
7) Physiologie der Gewächse. 1835. Bd. I. p. 42. 44. 544. u. a. O.
8) Die Farben der Blüthen. 1855. p. 41.
9) Elementa philosophiae botan, sec. edit. 1837. p. 143. 145.
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denn es ist bald in Bläschen eingeschlossen, bald umgiebt es auch die Bläschen, zum Theile fehlen auch
die Bläschen, oder sie sind nicht selten zusammengesetzt. Es scheint nicht, dass die Bläschen den grünen
Stoff bereiten, sondern vielmehr, dass die Bläschen im grünen Stoffe gebildet werden.
Werfen wir einen Blick auf diese Aussagen der Phytotomen über die anatomischen Verhältnisse des
Chlorophylis zurück, so erhellt leider, dass in dieser Beziehung, ungeachtet aller Untersuchungen der tüch-
tigsten Männer, beinahe so gut als Nichts festgestellt ist, indem fast jeder Schriftsteller die Ansichten seiner
Vorgänger verwarf, ohne im Stande zu sein, eine haltbarere an die Stelle derselben zu setzen. Der Verfasser
dieser Zeilen kann unter diesen Umständen, welche auf besonders grosse, bei diesen Untersuchungen
stattfindende Schwierigkeiten hinweisen, auch nicht erwarten, dass seine Beobachtungen eine vollständige
Lösung der hier in Frage nen Punkte gewähren werden; doch hofft derselbe, sie werden wenigstens
in einer Beziehung die Kenntniss der anatomischen Verhältnisse des Chlorophylis um einen Schritt wei-
ter bringen.
Was zuerst die Frage betrifft, ob das Chlorophyll in der lebenden Pflanze, wie WAHLENBERG glaubte,
in Form einer formlosen Gallerte, oder ob es in Form von Kügelchen sich findet, so muss ich der Angabe
von RöreEr und Trevıranus vollkommen darin beistimmen, dass es nicht immer die Form von Kügelchen
besitzt; dagegen ist mir keine Pflanze bekannt, von der man mit MoLDENHAWER und TREVIRANUS sagen
könnte, dass ihr Zellsaft grün gefärbt sei, sondern es ist immer, so weit wenigstens meine Erfahrungen rei-
chen, der Zellsaft durchsichtig, ungefärbt oder auch roth, und in ihm schwimmt die zähe, grüne Gallerte
des Chlorophylis entweder als eine Masse von bestimmter Form, oder auch als ungeformte, krümlige Masse,
häufig einen Ueberzug auf der innern Zellwandung bildend.
Im ganzen genommen trifft man ein nicht körniges Chlorophyll wohl weit seltener, als manche Schrift-
steller anzunehmen scheinen, denn bei weniger genauer Untersuchung scheint oft der Zellsaft eine grüne
Farbe zu besitzen, während er in der That vollkommen wasserklar ist und der grüne Farbenton blos darin
begründet ist, dass sich in den tieferen Schichten des unter dem Mikroskope liegenden Präparates, welche
ausserhalb des Focus der Objectivlinse liegen, Chlorophylikörner finden, deren Farbe durchscheint, ohne.
dass sie selbst gesehen werden. Beinahe möchte ich glauben, dass sich Lınk durch diesen Umstand in
manchen Fällen täuschen liess, z. B. bei dem Blatte von Tradescantia discolor (Icones anatomico-hota-
nicae. Fasc. I. Tab. VIII. Fig. 4.), bei welchem er die oberste Zellgewebschichte, so wie die zwischen den
grünen Parenchymzellen und den rothgefärbten Zellen der Unterfläche liegende Schichte von grossen, kör-
nerleeren Zellen grün zeichnen liess, und eben so in den grünen Zellen des Mesophyllums formloses Chlo-
rophyll angab, ungeachtet in allen diesen Theilen, wenigstens in den von mir untersuchten Blättern, keine
Spur desselben vorkommt.
Formloses Chlorophyll trifft man vorzugsweise häufig und deutlich ausgebildet bei den Conferven,
z. B. als ein grünes Querband in jeder Zelle bei Conferva zonata, Draparnaldia plumosa, in der Form
von spiralförmig gewundenen Bändern bei Spirogyra Link, in Form einer ebenen oder gewundenen Platte
bei Mougeotia genuflexa. Bei den Phanerogamen trifft man gewöhnlich das formlose Chlorophyll zugleich
—_— 39 —
mit Chlorophylikörnern in denselben Zellen, indem es einen Anhang dieser Körner bildet oder grössere Mas-
sen einer formlosen Gallerte darstellt, in welcher die Chlorophylikörner eingesenkt sind; häufig ist auch
seine Menge so gering, dass es nur die Form eines grünlichen, nicht scharf begrenzten Wölkchens, welches
die Körner umsgiebt, oder von gallertartigen Fäden, welche die Körner verbinden, annimmt. Diese verschie-
denen Formen desselben trifft man z. B. in den Parenchymzellen der Blätter vieler Feitpflanzen, wie Sredum,
Sempervivum, Crassula, in dem Blattparenchyme von Pinus Strobus ete.; ferner sehr häufig in den Po-
renzellen der Epidermis.
Weit häufiger, als in formloser Gestalt erscheint das Chlorophyll in der Form von Körnern. In Be-
ziehung auf die Lage dieser Körner kommen mehrere Modificationen vor.
In der Mehrzahl der Fälle hängen dieselben an der Zellwandung an. Diese Verwachsung, wenn dieses
Anhängen überhaupt so zu nennen ist, ist eine äusserst lose, und es lassen sich die Körner leicht von der
Zellwandung loslösen, theils durch mechanische Gewalt, theils durch Säuren, welche den Zellsaft zum Ge-
tinnen bringen, wobei sich die Körner ablösen und mit dem gerinnenden Theile des Saftes zu einer krüm-
ligen Masse von geringerem Umfange, als die Zelle selbst, zusammenballen. Auf diese Weise hängen
die Chlorophyllikörner vieler Conferven an der Zellwandung an, z. B. bei den Ectospermen, bei Conferva
glomerata etc., ferner bei den Charen, bei den Moosblättern, und bei den höheren Pflanzen im Allgemei-
nen bei den Zellen des Mesophyllums. Die Angabe von Turrın und Rasraıt, dass die Chlorophylikörner
durch eine Nabelschnur mit der Zellwandung verwachsen sind, wird sich jedem aufmerksamen Beobachter
schon nach wenigen Untersuchungen als eine reine Fabel darstellen.
Nicht selten schwimmen auch alle oder wenigstens ein Theil der Chlorophylikörner im Zellensafte ein-
zeln umher. Dieses ist z. B. bei den inneren Zellschichten der Blätter von Vallisneria spiralis, Stratio-
tes aloides der Fall, bei welchen Pflanzen bekanntlich aus der Bewegung dieser Körner die Rotationsbewe-
gung des Zellsaftes selbst erkannt wird.
Endlich kommt es auch nicht selten vor, besonders in den Porenzellen der Epidermis, in den Rinden-
zellen (z. B. von Vanilla planifolia), in den Zellen, welche die mittlere Schichte des Blattes von Orontium
jJaponicum bilden, dass die Chlorophylikörner in der Mitte der Zelle zu einem Haufen zusammengeballt liegen.
In diesem Falle liegen dieselben zuweilen um den sogenannten Nucleus der Zelle herum, z. B. bei Orontium;;
in andern Fällen fehlt ein solcher Nucleus, oder wenn er auch vorhanden ist, so hat doch häufig die Lage der
Chlorophylikörner keine Beziehung zu seiner Lage, z. B. in den Porenzellen der Epidermis.
Was den Bau dieser Chlorophylikörner betrifft, so müssen wir vorerst zwischen Körnern, welche im
Chlorophyll liegen, und zwischen den Chlorophylikörnern selbst unterscheiden, obgleich es nach den weiter
unten zu beschreibenden Thatsachen wahrscheinlich ist, dass dieselben in einer naheren Verbindung mit ein-
ander stehen, als es wohl auf den ersten Anblick scheinen möchte.
Unter Körnern, welche im Chlorophyll liegen, verstehe ich solche Kügelchen, welche ohne eine sichtbare
eigene Hülle in formlosem Chlorophylilregelmässig oder unregelmässig eingebettet sind. Diese finden sich, wie das
formlose Chlorophyll selbst, besonders deutlich ausgebildet in der Familie der Conferven, vorzüglich bei Spiro-
45
—_— 3A —
yyra, indem bekanntlich in den spiralförmig gewundenen, grünen Platten eine grössere oder kleinere
Menge von weissen Körnern liegt, welche bald unregelmässig in diesen Platten zerstreut liegen, bald, be-
sonders die grösseren, in der Mittellinie derselben eine Längenreihe bilden und oft dem grünen Faden ein
paternosterähnliches Aussehen ertheilen. Ueber diese Körner hat Mryen!) gar interessante Beobachtungen
mitgetheilt. Diese Körner sind nämlich nach seiner Angabe Bläschen, die man am besten Sporae nennen
könnte, welche nicht nur den Bau der Prıestuey’schen grünen Materie haben, sondern sich auch in ihrem
Lebenslaufe ganz ähnlich derselben verhalten und Keime zur Entwicklung ihnen ähnlicher Gebilde sind, die
als Pflanze wachsen, oder zum Thiere auswachsen, indem sie sich nach allen Seiten ausdehnen, zuerst ihre
Farbe und ihren zarten Inhalt assimiliren und dann in sich eine zusammengesetztere Organisation entwickeln.
Leider gehören diese Meven’schen Sporen zu den vielen Gegenständen der Naturgeschichte, die sich zwar
in unsern Büchern, aber nicht zwischen Himmel und Erde finden, denn ein Körnchen Jod, welches in ihre
Nähe gebracht wird, entzaubert diese räthselhaften Wesen und lässt sie an der blauen Farbe, die sie an-
nehmen, als Amylumkörner erkennen.
Weit schwieriger zu untersuchen sind die Chlorophylikörner selbst. Wennman den in Weingeist, infet-
ten und ätherischen Ölen auflöslichen, grünen, harzähnlichen Stoff, von welchem die grüne Farbe der Pflan-
zen herrührt, mit dem Ausdrucke des Chlorophylls bezeichnet, so kann man diese Körner nicht mit WAHLEN-
BERG, TREVIRANUS u. A. blos für geronnenes Chlorophyll erklären, denn sie werden durch Maceration eines
grünen Pflanzentheiles in Weingeist, oder durch Behandlung desselben mit kochendem Weingeiste nicht auf-
gelöst, sondern sie bleiben ungefärht zurück, und es ist ihnen nur der grüne, harzige Stoff (das eigentliche
Chlorophyll) entzogen. Dieses hatten der ältere Trevıranus, Turrın, RaspaıL, Meyen, Mirser u. A. rich-
tig beobachtet, und es handelt sich nun um die Kenntniss des zurückbleibenden Kügelchens. Ein Klümp-
chen Eiweiss, wie TrevırAnus glaubte, ist es wohl nicht, denn durch Alkohol und Säuren sollte es in diesem
Falle trüb und weiss werden, was es nicht thut; auch färben sich diese Kügelchen bei Zusatz von Zucker
und Schwefelsäure nicht purpurroth?). Die anderen vorhin genannten Phytotomen erklären das zurückblei-
bende Kügelchen für ein Bläschen, für eine kleine Zelle und Meven°) giebt an, nach Behandlung dessel-
ben mit Jodlösung, wodurch es braun gefärbt werde, erkenne man deutlich, dass das Innere des-
selben hohl sei.
Ich hatte häufig dieses Mittel angewendet, um mich von der Richtigkeit dieser Angabe zu überzeugen,
es gelang mir aber nie, eine Höhlung in diesem sogenannten Bläschen zu entdecken, und so blieb ich über
die Beschaffenheit desselben im Ungewissen. Endlich eröffnete sich mir vor einigen Jahren, als ich Unter-
4) Linnaea. Tom. II. p. 425. seq.
2) Anm. Ich lasse es dahin gestellt sein, ob diese von Rasraız angegebene Reaction des Eiweisses überhaupt rich-
tig ist oder nicht. Der Umstand, dass die Kügelchen von Jod gelbbraun gefärbt werden, ist nach den
neueren Angaben französischer Chemiker ein Beweis, dass sie eine stickstoffhaltige Materie enthalten.
3) Phytotomie, p. 149.
— 359 —
suchungen über Chara flexilis anstellte, ein neuer, unerwarteter Gesichtspunkt. Ich wendete nämlich das
schon so oft gebrauchte Jod auch bei dieser Pflanze an!) und sah, dass in jedem Chlorophylikorne ein bis
vier scharf begrenzte Körner lagen, welche sich schön blau färbten, folglich Amylumkörner waren. Die
grüne Hülle nahm allmählig eine braune Farbe an; dabei zeigte sie aber nicht die Form eines Bläschens, wel-
ches aus einer festen Haut gebildet ist, denn diese hätte sich am Rande durch eine doppelte Linie erkennen
lassen müssen, sondern diese grüne Hülle schien eher eine gallertartige Masse zu sein, welche keine Höhlung
enthält, sondern in welche die Amylumkörner eingesenkt sind, ungefähr wie bei den Blutkörnchen der Kern
in einer gallertartigen Hülle liegt.
Es entstand nun die Frage, ob dieser Bau überhaupt den Chlorophylikörnern zukomme, oder ob er
eine der vielen Eigenthümlichkeiten von Chara sei. Einige Zeit lang waren meine Bemühungen, dieses Ver-
hältniss aufzuklären, vergeblich, indem ich zufälliger Weise zuerst solche Chlorophylikörner untersuchte,
welche der genauen Beobachtung grosse Schwierigkeiten entgegensetzen; doch gelang es bald, analoge Er-
scheinungen auch an den Chlorophylikörnern anderer Pflanzen aufzufinden.
Bei der Gattung Chara scheint der angegebene Bau der Chlorophylikörner allgemein zu sein. Da die
hiesige Gegend an Charen sehr arm ist und, wie es scheint, keine Arten mit einfach röhrigem Stengel (Ni-
tella) besitzt, so musste ich getrocknete Exemplare zur Untersuchung verwenden, bei welchen das Resultat
in manchen Fällen, weil die Exemplare zu stark gepresst waren, ein zweifelhaftes war; bei Chara syncarpa
Desv., barbata Meyen und gracilis liess sich jedoch mit grösster Bestimmtheit derselbe Bau der Chlo-
rophylikörner, wie bei Chara flexilis, erkennen.
Bei solchen Conferven, deren Röhren auf ihrer innern Seite mit Chlorophylikörnern überzogen sind,
sowohl bei Arten des süssen Wassers, wie Oonferva glomerata, fraeta, aegagropila, als bei denen des
Meerwassers, wie ©. rupestris, zeigte sich auf die Einwirkung von Jod in jedem Chlorophylikorne eben-
falls ein sich bläuendes Amylumkorn, in manchen Fällen auch mehrere.
Schwieriger war in vielen Fällen bei den mit Blättern versehenen Pflanzen die Anwesenheit von Amy-
lumkörnern in den Chlorophylikörnern aufzufinden. Am nächsten an die grossen, scharf begrenzten und
verhältnissmässig grosse Amylumkörner einschliessenden Chlorophylikörner der Charen schlossen sich die in
den inneren Zellschichten des Blattes von Vallisneria spiralis schwimmenden Chlorophylikörner an, denn
auch sie enthielten ein oder auch zwei, schon vor der Färbung durch Jod erkennbare Amylumkörner, welche
4) Anmerk. Gewöhnlich wird bei mikroskopischen Untersuchungen Jodtinetur angewendet; diese hat
aber den doppelten Nachtheil, dass sie einentheils wegen ihrer tiefgelben Farbe dem ganzen Objecte eine
unnatürliche Färbung ertheilt, anderntheils dass sie die Amylumkörner häufig zu schnell dunkelblau und
selbst schwarz färbt. Zweckmässiger ist es, in das Wasser, in welchem das Object liegt, ein paar Rörn-
chen Jod zu legen; nicht nur bleibt in diesem Falle das Wasser hell und ungefärbt, sondern es erfolgt
die Einwirkung auf die Amylumkörner weit langsamer, so dass man ihre Veränderungen mit aller Ge-
nauigkeit verfolgen kann. — Um Zeit zu ersparen, finde ich es in neueren Zeiten doch besser, in solchen
Fällen, in welchen ich nur eine schwache Reaction des Jods zu erhalten wünsche, eine Jodtinctur an-
zuwenden, welche mittelst eines durch Wasser äusserst verdünnten Weingeistes bereitet ist.
AS *
— 3556. —
durch Jod sehr schön blau gefärbt wurden. In der äussersten Zellschichte, in welcher die Chlorophylikör-
ner in sehr grosser Menge an den Zellwandungen angeheftet liegen, sind dagegen die Amylumkörner sehr
klein, auch unter 400facher Vergrösserung oft blos punktförmig, sie lassen sich daher nur sehr schwer und
in vielen Körnern auch nicht erkennen, besonders da die grüne Chlorophylihülle bei ihrer im Verhältnisse
zur Grösse der Amylumkörner sehr bedeutenden Masse sich durch das Jod tief braun färbt.
Mit beinahe noch grösserer Deutlichkeit liess sich in den Chlorophylikörnern des Blattes von
Tradescantia discolor, besonders in denjenigen, welche in den mittlersten Schichten des Blattes lie-
gen, ein Korn von Amylum nachweisen, indem dasselbe hier in einzelnen Chlorophylikörnern von ganz be-
sonderer Grösse ist.
Im Verlaufe weiterer Untersuchungen über diesen Gegenstand zeigte sich, dass die Chlorophyll-
körner verschiedener Pflanzen und auch verschiedener Theile derselben Pflanzen gewisse Abweichungen in
ihrem Baue zeigen.
Ein Theil der Chlorophylikörner besitzt nämlich in jedem Korne nur einen aus einem Amylumkorn ge-
bildeten Kern. Diese Chlorophylikörner lassen im Allgemeinen ihren Bau am leichtesten erkennen, indem
meistens die Masse der Hülle zur Masse des Amylumkornes nicht bedeutend ist, und daher die durch Jod
erzeugte blaue Farbe des letzteren am leichtesten durch die Hülle durchscheint. Wenn entweder die Hülle
dünn, oder wenn sie nicht tief grün gefärbt ist (denn in Hinsicht auf die Intensität der grünen Farbe finden
sich viele Unterschiede), so erscheint die blaue Farbe ungetrübt, wie bei freiliegenden Stärkmehlkörnern ;
wenn dagegen die Hülle dick ist, und durch Jod tief braungelb gefärbt wird, so erscheint auch das Amylum-
korn unter einer mehr oder weniger abweichenden, meistens unter einer dem Violetten sich annähernden
Farbe. Vorläufige Entziehung der grünen Farbe durch Weingeist leistet in diesen Fällen keinen Nutzen,
indem die durch das Jod erzeugte braune Farbe mehr dem ungefärbten Theile der Hülle, als dem Antheil
an grünem Chlorophyll angehört, auf ähnliche Weise, wie sich auch die Holzfaser durch Jod gelb und
braun färbt.
Solche, nur mit einem Amylumkorne versehene Chlorophylikörner, welche sich deutlich durch Jod blau
färben, kommen in den Porenzellen der Epidermis aller Pflanzen, welche ich bisher in dieser Be-
ziehung untersuchte, vor, ferner in den Epidermiszellen von Aspidium exaltatum, in der Epidermis
des Blattes von Calla aethiopica, in dem Blattparenchyme von Abies pectinata, Pinus alba, Ca-
mellia japonica, in der äussersten, unter der Epidermis liegenden Zellenschichte des Mesophyllums
von Iris fimbriata, in der mittlersten und äussersten Schichte des Mesophyllums von Orontium
japonicum.
Eine zweite, an die-eben beschriebene Form sich unmittelbar anschliessende Abänderung von Chloro-
phylikörnern, welche mit den vorhergehenden den scharf begrenzten Umriss gemein hat, unterscheidet sich
von ihr blos dadurch, dass jedes Chlorophylikorn mehrere (in den meisten Fällen zwei bis vier) Amylum-
körner enthält. In Beziehung auf die Färbung durch Jod stimmen sie mit der vorhergehenden Abtheilung
vollkommen überein, nur geschieht es häufiger, dass durch die braune Färbung der Hülle die blaue Farbe
— 357 —
der Amylumkörner einen violetten Ton annimmt. Die Hülle dieser Körner erscheint theils ganzrandig, theils,
wenn dieselbe dem Umfange der einzelnen Amylumkörner sich anschliesst, erenulirt, und dieses ist wohl die
Form, welche Lixx mit dem Ausdrucke der zusammengesetzten Chlorophylikörner bezeichnete, wenn er nicht
vielmehr unter diesem Ausdrucke die Zusammenhäufungen von Körnern, deren jedes seine eigene Chloro-
phylihülle besitzt, wie sie z. B. häufig in den Ectospermen vorkommen, verstanden hat.
Solche mit mehreren Amylumkörnern versehene Chlorophylikörner finden sich in dem Mesophyllum
von Aspidium exaltatum, Sempervivum tectorum, in den Markzellen von Stapelia maculosa, in dem
Blattstiele von Pothos lanceolata, in der mittlern Schichte des Mesophyllums derselben Pflanze, auch ge-
hört ein Theil der Chlorophylikörner des Blattes von Tradescantia discolor und Abies pectinata hierher,
ferner die oben weitläufger beschriebenen Körner der Charen.
An diese Form der Chlorophylikörner, bei welchen sich bei ihrer Grösse und deutlichen blauen Fär-
bung durch Jod die Natur der in ihnen liegenden Kerne nicht verkennen lässt, schliessen sich solche Chloro-
phylikörner an, deren Kerne sehr klein, dagegen meistens in grösserer Anzahl vorhanden sind, deren blaue
Färbung durch Jod zwar noch erkennbar ist, aber doch wegen der Kleinheit der Kerne und der verhältniss-
mässigen Dieke der durch Jod sich bräunenden Hülle nicht immer leicht zu sehen ist. Es finden sich
solche Chlorophylikörner theils zwischen denen der vorausgehenden Abtheilung, durch mannigfache
Mittelstufen in sie übergehend z. B. im Blattstiele von Pothos lanceolata, theils in besonderen Zell-
schichten der Blätter z. B. bei Pothos lanceolata in der äussersten, aus senkrechten Zellen gebilde-
ten Schichte der obern Fläche des Blattes, in den äussern Zellenschichten beider Blattseiten von
Orontium japonicum, und zwar hier gemischt mit Chlorophylikörnern, welche einen grossen Kern
von Amylum enthalten, theils gehören alle Chlorophylikörner des Blattes zu dieser Form, wie bei Se-
dum anglicum. ü
Endlich als letzte Form der Chlorophylikörner betrachte ich diejenigen, welche in der Regel
ziemlich gross, aber weniger scharf begrenzt, als die bisher beschriebenen sind, in welchen man unter
starken Vergrösserungen eine Menge feiner Körnchen, die sich nur als beinahe unmessbar kleine
Punkte darstellen, sieht. Behandelt man diese Körner mit Jod, so färben sie sich tief braungelb, es
werden die feinen Körner, die in ihnen liegen, zwar dunkler und erscheinen schärfer begrenzt, allein
man kann an ihnen keine blaue Farbe erkennen. Dessen BneeRtheer ist es mir nicht zweifelhaft, dass
auch hier die kleinen, in den Chlorophylikörnern enthaltenen Kerne Amylumkörner sind, und dass
nur wegen ihrer geringen Grösse und wegen der Dicke der Hülle ihre blaue Farbe nicht erkennbar
ist, denn die Uebergänge von den grossen, durch Jod: schön indigoblau sich färbenden Körnern zu
diesen punktförmigen Körperchen ist so allmählig, dass sich durchaus keine Grenze zwischen ihnen
auffnden lässt. Es scheint hauptsächlich diese Form von Chlorophylikörnern gewesen zu sein, welche
bisher von den Phytotomen untersucht wurde, sonst hätte die Reaction der Kerne auf Jod nicht unbe-
merkt bleiben können. Es ist diese Form von Chlorophylikörnern beinahe die gewöhnlichste, es mag
aber nicht überflüssig sein, einige Pflanzen zu nennen, in welchen dieselben mit Bestimmtheit aufge-
—_— 353 —
{unden werden können, dahin gehören z. B. die Blätter von Sanseviera zeylanica, die Rindenzellen
von Stapelia maculosa, die äusseren Schichten der Rinde von Cactus hexagonus, das Mesophyllum
von Dracaena Draco, ferrea, Calla aethiopica, Pancratium ilyricum, die mittlere Blattschichte
von Iris fimbriata, ein Theil der in den äussern Blattschichten liegenden Körner bei Orontium
Japonicum.
Im Bisherigen habe ich nur die relative Grösse der in den Chlorophylikörnern enthaltenen Amylum-
körner betrachtet; was nun ihre absolute Grösse betrifft, so lässt sich über diese wenig sagen, indem
dieselbe ausserordentlich varirt. Die grössten Amylumkörner fand ich in den Chlorophylikörnern von
Tradescantia discolor und Vallisneria spiralis, ihr Durchmesser betrug hier im Allgemeinen ?/soo
bis 1/soo par. Linie, und stieg bei einzelnen auf !/30oo Linie. Von dieser, als der höchsten von mir
beobachteten Grösse nahm der Durchmesser bis zur unmessbar geringen Grösse ab, so dass ich die
kleinsten auf nicht mehr als "/500o Linie schätze. Eine blaue Farbe liess sich unter günstigen Umstän-
den bei Körnern von !/ıooo bis !/2o0oo Linie noch vollkommen deutlich erkennen. In dieser Beziehung
hängt natürlicherweise alles von der Güte des Mikroskopes ab; meine Beobachtungen sind mit einem
Prössr’schen gemacht.
Ich habe oben zwischen Körnern im formlosen Chlorophyll und zwischen Chlorophylikörnern
unterschieden ; die ersteren wiesen sich als Amylumkörner aus, die letzteren als zusammengesetzt aus
einem oder mehreren Kernen von Amylum und aus einer Hülle, welche aus Chlorophyll und einem
ungefärbten, in Wasser und Alkohol unauflöslichen, durch Jod sich bräunenden Stoffe besteht. Das
Zormlose Chlorophyll besteht aus denselben Bestandtheilen, wie die Hülle der Chlorophylikörner, denn
es bleibt nach der Entfärbung desselben durch Alkohol eine ungefärbte, durch Jod sich bräunende
Masse zurück; wir sind also vollkommen berechtigt, zwischen diesen beiden Substanzen eine Parallele
zu ziehen und anzunehmen, dass sich die Chlorophylikörner nur dadurch von dem formlosen Chloro-
phyli unterscheiden, dass sich bei ihnen um die Amylumkörner, gleichsam als um einen Nucleus, die
Chlorophylimasse sammelt und in einzelne Parthien zerfällt, welche ein körnerartiges Aussehen anneh-
men. Umgekehrt aber können auch wieder die getrennten Chlorophylikörner oder mehrere getrennte
Massen formlosen Chlorophylls in nähere Verbindung treten und verschmelzen, wie wir in den Ectospermen
und Zygnemen sehen.
Diese Aehnlichkeit der Chlorophylikörner und des formlosen Chlorophylis ist auf eine recht anschau-
liche Weise in den Blättern von Bryum cuspidatum Schreb. zu sehen, in welchen die Amylumkörner und
die Chlorophylimasse in den sechseckigen Zellen, welche die Lamina des Blattes bilden, zu isolirten, an den
Zellwandungen ansitzenden Körnern verbunden sind, während in den langgestreckten Zellen des Blattrandes
dieselben eine zusammenhängende, formlose, krümlige Masse bilden.
Da wir in den ausgebildeten Chlorophylikörnern immer einen oder mehrere Amylumkerne und
eine gallertartige Hülle finden, so entsteht die Frage, welcher dieser Theile der ursprüngliche ist,
ob sich die Amylumkörner zuerst bilden und die Hülle sich erst später um dieselben anlegt, oder
— 359 —
ob umgekehrt, wie Li vermuthet, das Chlorophyll sich zuerst bildet und erst später die Körner in
ihm entstehen.
Diese Frage auf eine genügende Weise zu beantworten setzen mich meine bisherigen Beobachtungen
noch nicht in den Stand, sie scheinen jedoch mit ziemlicher Sicherheit darauf hinzuweisen, dass bald das
Amylum, bald das Chlorophyll der früher gebildete Theil ist, und ohne Zweifel hängt die frühere Entwick-
lung des einen oder des andern in vielen Fällen von äusseren Umständen, nämlich davon, ob der in der Ent-
wicklung begriffene Theil dem Lichte ausgesetzt ist oder nicht, ab.
Dass das Chlorophyll der zuerst gebildete Theil ist, scheint bei den Conferven, besonders den
Zygnemen keinem Zweifel unterworfen zu sein, indem bei diesen mit dem Alter der Pflanze die
Grösse der Amylumkörner immer zunimmt, und in jungen Fäden häufig schon eine sehr bedeutende
Ablagerung von Chlorophyll gefunden wird, während die Amylumkörner noch äusserst klein sind; auch
ist aus der bestimmten Form der aus formloser Chlorophylimasse gebildeten spiralförmigen Bänder
und aus dem Umstande, dass die kleinen Amylumkörner im Anfange häufig durchaus unregelmässig
in diesen Bändern vertheilt sind, darauf zu schliessen, dass hier die Chlorophylimasse unabhängig von
den Amylumkörnern als selbstständiges Gebilde auftritt. Hiebei dürfen wir nicht vergessen, dass die
Entwicklung dieser Pflanzen im Lichte vor sich geht. Bei den Phanerogamen dagegen, bei welchen
die Entwicklung der meisten Theile unter Ausschluss des Lichtes erfolgt, scheint eher der entgegenge-
setzte Fall einzutreten. Dass in den Cotyledonen nur Amylum enthalten ist, dagegen in den meisten
Fällen keine Spur von Chlorophyll vorkommt, ehe dieselben bei der Keimung die Samenhülle verlassen
und dem Einflusse des Lichtes ausgesetzt werden, ist bekannt; man könnte jedoch gegen die Anfüh-
rung dieses Umstandes zur Unterstützung des aufgestellten Satzes den Einwurf mit Recht machen,
dass die Amylumkörner der Cotyledonen bei der Keimung zur Ernährung des Pflänzehens verwendet wer-
den und die Amylumkerne der Chlorophylikörner der zu Blättern herangewachsenen Cotyledonen wohl
secundären Ursprunges sein können und nicht ein Ueberrest von den im Cotyledon enthaltenen Amy-
lumkörnern seien. Ein sicherer Weg zur Entscheidung dieser Frage ist vielleicht die Untersuchung
der Knospen. Hier tritt nur der schlimme Umstand ein, dass die Blätter auch der noch vollkommen
geschlossenen Knospe bereits Chlorophyll enthalten, und dass es ausserordentlich schwer zu entschei-
den ist, ob in dem jugendlichen Blatte die Amylumkerne verhältnissmässig gegen die Chloropbyllhülle
grösser oder kleiner, als im erwachsenen Blatte sind. So weit jedoch meine Erfahrungen reichen,
so ist allerdings das erstere der Fall, denn wenn man die Chlorophylikörner von den innersten Blätt-
chen der jungen Triebe von Sempervivum, Sedum und von Farnen mit den Chlorophylikörnern der
erwachsenen Blätter vergleicht, so ist es auffallend, wie die Körner der ganz kleinen Blättehen sich
- durch Jod oft so schön blau färben, als ob gar keine Chlorophylihülle vorhanden wäre (wenn sie gleich
vor der Färbung grün sind), während die Körner der erwachsenen Blätter wegen der ausgebildeteren
Hülle eine trübe Färbung annehmen. Aus diesem Grunde ist es mir weit wahrscheinlicher, dass in
den Blättern die Amylumkörner sich zuerst bilden, und erst später ihre Chlorophylihülle erhalten.
— 360 —
Eben dafür spricht auch der Umstand, dass bei nicht gestielten, also von der Spitze gegen die Basis zu
wachsenden, fleischigen Blättern die in den Zellen enthaltenen Körner, je weiter die Zelle gegen die Mitte
und die Basis des Blattes zu liegen, desto mehr sich von der Beschaffenheit der Chlorophylikörner entfer-
nen und die der reinen Amylumkörner annehmen, d. h. eine desto dünnere und lichter gefärbte grüne
Hülle besitzen oder derselben auch ganz entbehren. Aus diesem Umstande erhellt nämlich, dass alle Zellen
die Fähigkeit haben, Amylumkörner zu bilden, dass aber zur Bildung der Chlorophylls der Einfluss des Lich-
tes und ein gewisses Alter der Zellen gehören; man muss daher diese Hülle als ein nur unter gewissen Um-
ständen zu den Amylumkörnern Hinzukommendes betrachten, und kann sie nicht für die ursprüngliche und
die Amylumkörner für die secundäre Bildung erklären.
Wie wir also sehen, dass der Nucleus von Amylum und die Chlorophylihülle sich nicht nothwendig
zur gleichen Zeit ausbilden, so haben sie auch nicht immer die gleiche Dauer. So lange das Blatt grün und
lebenskräftig ist, so lange scheint sich auch der Amylumkern in den Chlorophylikörnern zu erhalten, wie ich
dieselben z. B. in zweijährigen Blättern von Pinus alba, in ungefähr fünfjährigen von Zamia horrida fand,
wenn sich dagegen das Blatt dem Absterben nähert. so scheint mit der Umwandlung des grünen Chlorophylls
in gelbes, und mit der gelblichen Färbung, welche die Zellenhäute selbst annehmen, meistens auch das Amy-
lum aufgelöst zu werden, wenigstens konnte ich in den meisten Fällen in abgestorbenen Blättern durch Jod
keine Spur desselben mehr auffinden.
Fragt man nach dem physiologischen Zwecke, welchen die Natur durch diesen Absatz von Amy-
lum in den Blättern erreicht, so möchte wohl darauf zu antworten sein, dass es eine Reservenahrung ist,
dazu bestimmt, um bei den nur einmal blühenden Gewächsen zur Entwicklung der Frucht verwendet zu
werden, und um bei den ausdauernden, im Winter ihre Blätter verlierenden Gewächsen im Herbste in den
Stamm übergeführt und daselbst als Material niedergelegt zu werden, auf dessen Kosten sich im nächsten
Frühjahre die Knospen entwickeln sollen. Bedenkt man, wie gross die Masse der Blätter eines Baumes ist,
und wie zahlreich in ihnen die Chlorophylikörner sind, so erhellt, dass die Menge von Amylum, welche in
ihnen enthalten ist, sehr beträchtlich sein muss und dass die Unterschiede zwischen den Monocotylen und
den Dicotylen in Beziehung auf diesen, in der Ernährung der Pflanzen eine so wichtige Rolle spielenden
Stoff nicht so bedeutend sind, als man früher annehmen musste, so lange man nicht wusste, dass bei den
Dicotylen sich Amylum im Winter in dem Holze und im Sommer in den Blättern findet, und daher glaubte,
dass das Amylum vorzugsweise von Monocotylen und von den Dicotylen nur in den Knollen in Menge be-
reitet werde.
Anmerk. Eine von der oben geäusserten Ansicht gänzlich verschiedene Theorie über die Bedeutung der
im Chlorophyll vorkommenden Amylumkörner wurde von Murver (Versuch einer physiologischen Chemie.
Braunsch. 4844. pag. 294 u. f.) aufgestellt. Da die oben erzählten Thatsachen eine der hauptsächlichsten Grund-
lagen dieser Theorie sind und da es mir scheint, dass Muroer dieselben nicht in dem Sinne aufgefasst habe,
in welchem ich sie darstellen wollte, so mag es mir erlaubt sein, einige Worte über diesen Punkt beizufügen.
Mvrver geht von der Ansicht aus, der Alkohol löse die äussere grüne Schichte der Chlorophylikörner, welche
aus farblosem \Wachse und reinem Blattgrün bestehe, auf, und er leitet hieraus den Schluss ab, dass diese Hülle
aus einer Metamorphose des den Kern der Chlorophylikügelchen bildenden Amylumkornes bervorgehe, dass
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je nachdem diese Umwandlung vollständig oder unvollständig sei, das Amylumkorn ganz verschwunden oder in
verminderter Grösse als Kern der Chlorophylikörner vorhanden sei, dass das formlose Chlorophyll aus der Um-
wandlung einer ganzen Gruppe von Amylumkörnern hervorgehe.
Wenn nun Murper fortfährt, dass sich nach meinen Angaben bald eine Schichte Chlorophyll aus dem
Amylum des Kernes, bald Amylumkörner aus den Chlorophylikörnern, je nach den äusseren Umständen, bil-
den, dass es hingegen schwierig sei, eine Entwicklung von Amylum aus Chlorophyll, wie ich sie bei den Confer-
ven annehme, mit der Natur dieser beiden Körper in Uebereinstimmung zu bringen, indem eine Veränderung
des Chlorophylls in eine fette Substanz oder ein Harz sich leicht denken lasse, aber eine Umwandlung in Amylum
unwahrscheinlich sei, so muss ich bemerken, dass ich diese Theorie der Umwandlung dieser Stoffe in einander
nicht aufgestellt habe, dass mich also eben so wenig die Aussetzung trifft, welche gegen einen Theil derselben
erhoben ist, als ich den andern Theil als meine Entdeckung in Anspruch nehmen kann.
Nach meinen Untersuchungen bestehen die Chloropbylikörner aus drei Substanzen, von denen die eine,
grün gefärbte (nach Murner’s Untersuchungen aus Wachs und Blattgrün zusammengesetzte) in Alkohol und Ae-
ther auflöslich ist, während die beiden andern in diesen Flüssigkeiten unauflöslich sind; von diesen ist die eine,
mit Jod sich gelbfärbende (eine Proteinverbindung ?) immer vorhanden und bestimmt die Form der Chlorophyll-
massen, die andere (Amylum) ist in wechselnden Verhältnissen vorhanden und kann auch ganz fehlen, namentlich
in jugendlichen, unter Einfluss des Lichtes sich entwickelnden Theilen. Die Ausmittlung der Frage, in wie weit
wir berechtigt sind, mit MwLoer anzunehmen, dass das Wachs des Chlorophylis seiner Zusammensetzung nach als
das Product einer mit Sauerstoffausscheidung verbundenen Metamorphose von Amylum zu betrachten sei und
dass die Sauerstoffausscheidung im Lichte grün werdender Organe und die Function des Amylums in den Blät-
tern hiedurch ihre Erklärung finde, gehört in das Gebiet des Chemikers und ich masse mir nicht an, mit einem
Manne wie Muwroer hierüber eine Discussion zu eröffnen ; es sei mir jedoch erlaubt, an eine bestimmte ana-
tomische Thatsache zu erinnern, welche mit der Annahme, dass das Chlorophyll oder ein wesentlicher "Theil
desselben aus Amylum entsteht, nicht übereinstimmt, nämlich daran, dass in den vegetirenden Spitzen der Con-
ferven z. B. Conferva glomerata, welcke reich an Chlorophyll sind, kein Amylum durch Anwendung von Jod
sichtbar zu machen ist.
46
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AXVI.
Ueber die
Vermehrung der Prlanzenzellen durch Theilung.
(Umarbeitung einer Dissertation vom Jahre 1855.
Bis zum Zeitpunkte des Erscheinens der unter obigem Titel ausgegebenen Dissertation ist wohl von
keinem Phytotomen eine genaue Darstellung von der Entstehung einer Zelle (wenn wir von den Sporen ab-
sehen) gegeben worden. Ausser den früheren, grösstentheils auf rein aus der Luft gegriffenen Vermuthun-
gen beruhenden Angaben über die Entstehung der Zellen aus ChlorophylI—Amylum—Milchsaftkörnchen, aus
einem homogenen Cambium u. s. w., existirten nur die Beobachtungen Mırser’s über Zellenbildung von
Marchantia; allein auch diese waren ungeachtet des Aufsehens, welches sie erregt hatten, nicht geeignet,
einen bestimmten Aufschluss über die Entwicklungsweise der Zellen zu gewähren, denn es musste schon
damals bei einer genaueren Prüfung von Mınser’s Angaben klar werden, dass von den drei Modificationen,
unter denen sich nach seiner Ansicht Zellen entwickeln sollen, die Angabe von zweien derselben, nämlich
von der Zellenentwicklung auf der Oberfläche alter Zellen (dveloppement super-utriculaire) und zwischen
den alten Zellen ‚(developpement inter-utriculaire), auf keiner genauen Verfolgung der Entwicklungsgeschichte
der neuen Zellen beruhte, und dass MırseL wirklich nur eine Bildung von Zellen in Zellen (developpement
intra-ufriculaire) gesehen, aber in Beziehung auf die Art und Weise, wie sich die Zellen bildeten, nicht ge-
nauer verfolgt hatte. Ich suchte in jener Dissertation durch bestimmte Beobachtungen nachzuweisen, dass
der Gedanke, es müssen die entstehenden Zellen sehr klein sein, von dem die früheren Beobachter als von
einem sich von selbst verstehenden ausgiengen, nicht immer in der Natur begründet ist, sondern dass Fälle
von Vermehrung von Zellen durch Theilung bereits ausgebildeter Zellen vorkommen und dass diese Zellen-
vermehrung namentlich bei einer Reihe von Algen zu finden sei.
Meine Beobachtungen bezogen sich vorzugsweise auf Canferva glomerata. Ich bemerkte bei dieser
Pflanze, dass an der Spitze ihres Stammes und ihrer Aeste niemals kleine, unausgebildete Zellen zu finden
sind, sondern dass immer das äusserste Glied ungefähr von der Länge der übrigen, nur etwas dünner ist.
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Dieser Umstand machte es mir zweifelhaft, dass diese Pflanze durch Ansatz neuer Glieder an der Spitze der
Fäden in die Länge wachse und veranlasste mich zu einer Untersuchung, aus welcher folgendes Resultat
hervorgieng. Die Verästelungen des Stammes entspringen immer an dem oberen Ende der Zellen des letz-
teren und sind an ihrer Basis von diesen Zellen durch eine Scheidewand getrennt. Dieser Zustand findet
sich jedoch in der ersten Entwicklungsperiode eines Astes noch nicht, sondern der Asterscheint in der ersten
Jugend als eine blose, durch eine seitliche Anschwellung gebildete Protuberanz einer Zelle des Stammes
(vel. Tab. XII. fig. 1. a. fig. 2. a); diese Protuberanz verlängert sich allmählig zu einem cylindrischen Fort-
satze (fig. 1. db. fig. 2. 5), dessen Höhlung immer noch vollkommen mit der Höhlung der Stammzelle zu-
sammenhängt. Erst nachdem dieser Fortsatz ungefähr die Länge von einer erwachsenen Stammzelle er-
reicht hat, bildet sich an seiner Verbindungsstelle mit der Stammzelle eine ringförmige, ins Innere vorsprin-
gende Verengerung, welche den grünen Zelleninhalt an dieser Stelle zusammenschnürt, also eine ringförmige,
in der Mitte durchbrochene Scheidewand darstellt. Diese Oeffnung der Scheidewand verengt sich mehr und
mehr bis zum völligen Verschlusse (fig. 1. c), womit aus der vorher ästigen Zelle zwei völlig von einander
abgeschlossene Zellen geworden sind. Der auf diese Weise von der Mutterzelle abgeschlossene Ast ver-
längert sich immer mehr bis er eine cylindrische Zelle darstellt, welche etwa die doppelte Länge von einer
Zelle des Stammes besitzt. Diese Zelle theilt sich nun auf eine ganz analoge Weise durch eine senkrecht
auf die Achse des Astes gestellte Scheidewand in zwei übereinander stehende Zellen. Von diesen verlängert
sich nun die Endzelle und theilt sich später ebenfalls auf die beschriebene Art u. s. w. Auf gleiche Weise
verhält sich die Endzelle des Stammes. Vollkommen übereinstimmend mit Conferva glomerata schien mir
die Entwicklung der Zellen bei allen Arten der von Acarpn mit dem Ausdrucke der glomeratae, rupestres
und pellucidae bezeichneten Abtheilungen der Gattung Conferva zu sein, in so ferne der sehr ähnliche Bau
dieser Gewächse zu diesem Schlusse berechtigt; mit Sicherheit glaubte ich es wenigstens von Conferva
fracta, cristata, rupestris, aegagropila, prolifera, Hutchinsiae behaupten zu dürfen. Ebenso schie-
nen mir auch die Verästelungen von Callithamnmion Rothiü, repens, roseum, Ectocarpus littoralis,
chalybaeus, Draparnaldia plumosa, tenuis, Chaetophora elegans, pisiformis sich auf dieselbe Weise
zu bilden. Eine analoge Vermehrung der Zellen durch Bildung von Querwänden glaubte ich auch bei Scy-
tonema Myochrous, Oscillatoria princeps, bei Rivularia zu finden; manche Erscheinungen schienen
mir auch darauf hinzudeuten, dass bei Zygnema das Wachsthum auf Zellentheilung beruhe, es war mir je-
doch bei Abfassung der Dissertation noch nicht gelungen, den Vermehrungsprozess der Zellen dieser zuletzt
genannten Pflanze auf dieselbe Art schrittweise zu verfolgen, wie bei Conferva glomerata.
Die Lehre über die Vermehrung der Zellen durch Theilung, welche ich mit diesen Beobachtungen zu
begründen suchte, erlitt sehr verschiedene Beurtheilungen. Auf der einen Seite wurde dieselbe von MEyE®
und Uxcer nicht blos gebilligt, sondern auch auf die Phanerogamen ausgedehnt und die Theilung der Zellen
für die am allgemeinsten vorkommende Vermehrungsweise derselben erklärt. Ebenso wurde von Kürzıwe
{phycol. general. 60) die Theilung der Zellen in Beziehung auf die Algen für einen allgemeinen Vorgang er-
klärt und eine grosse Anzahl von Beispielen aus verschiedenen Abtheilungen dieser Familie für denselben
46 *
Ai
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angeführt. Nach seiner Angabe beginnt die Theilung nicht in der eigentlichen Zellmembran (Kürzma’s Ge-
linzelle), sondern mit einer Sonderung der von ihm als Amylidzelle bezeichneten inneren Membran mit
ihrem polygonimischen Inhalte, welche Sonderung sich anfangs nur durch einen sehr feinen lichten Streifen
kund giebt, endlich aber deutlicher wird, indem sich (bei den Conferven) zuletzt eine Gelinscheidewand an
dieser Stelle entwickelt. Ueber den näheren Hergang bei der Bildung sowohl der Amylid- als der Gelin-
scheidewand wird nichts angegeben.
Während die Angaben der genannten Phytotomen eine Bestätigung und Erweiterung meiner Beobach-
tungen enthalten, so wurden gegen dieselben von andern Seiten her Ausstellungen erhoben, und namentlich
trat Näceuı (Zeitschr. für wissenschaftl. Botanik I. 88.) entschieden gegen die von mir gegebene Darstellung
einer allmähligen Bildung der Scheidewände bei Conferva glomerata auf, worin ihm ScutEiıpen (Grundzüge
der wissenschaftl. Botanik. 2te Ausg. I. 306.) beistimmte, indem er glaubte, NÄczuı hätte das Irrthümliche
in meinen Angaben aufgeklärt. Nach NÄgeur’s Angabe entstehen die Scheidewände bei Conferva glomerata
nicht durch eine allmählig von aussen nach innen hineinwachsende Scheidewand, sondern es schnürt sich zu-
erst die Zelle in Form einer ringförmigen Furche ein, und dann deutet plötzlich eine feine Linie, welche auf
die Einfaltungsfurche aufgesetzt ist, die eben entstandene Scheidewand an, welche sich zu gleicher Zeit quer
durch den ganzen Zellenraum bildet. Als besondere Gründe gegen das Hineinwachsen einer Scheidewand
führt NÄezuı hauptsächlich folgende Umstände an; es fehlen alle Beobachtungen über dieses Hineinwachsen,
es gebe keine stehenbleibende Zustände einer halb entwickelten Scheidewand, es sei in der Mitte der Quer-
wandung zwischen den Zellen weder ein Porus, noch sonst ein sichtbarer Punkt als Ueberrest der sich ver-
engenden Oeffnung übrig geblieben, es seien die Fälle, in welchen ich eine Zusammenschnürung des grünen
Inhaltes der Zellen durch die halbgebildete Scheidewand zu sehen glaubte, von mir falsch gedeutet worden,
indem in diesen Fällen die Scheidewand vollständig sei und der grüne Inhalt der beiden durch dieselbe ge-
schiedenen Zellen nur mit der Mitte der Scheidewand in Verbindung stehe, die Art und Weise, wie sich die
Scheidewand bilde, lasse sich nicht unmittelbar beobachten, sondern blos aus der Analogie mit andern deut-
licher zu beobachtenden Vorgängen, namentlich mit der Entstehung der Pollenzellen, entscheiden. In Be-
ziehung auf diesen Vorgang der Scheidewandbildung hebt Näczrı hauptsächlich hervor, dass die innere
Fläche der Zellwandung von Conferva glomerata von einer Schleimschichte ausgekleidet sei, welche nach
aussen zu glatt, nach innen zu mit Chlorophylikörnern besetzt sei, und welche sich mit Jod gelb färbe. Diese
Schleimschichte (Kürzıne’s Amylidzelle), welche durchaus nicht als eine Membran zu betrachten sei, müsse
als das Absonderungsorgan von Zellmembranen betrachtet werden; so lange die Schleimschichte an der
Zellmembran anliege, bilden die von ihr abgesonderten Membranen Verholzungsschichten, löse sich die
Schleimschichte in Folge von Verletzungen u. s. w. von der Zellwandung ab, so bilden die neuen Membra-
nen an dieser Stelle eine neue Zellmembran, welche in die Verholzungsschichten des unverletzten Theiles
der Zelle übergehen. Diese Schleimschichte liege nun auch der Bildung der Querwände zu Grunde. An der
Stelle, wo sich eine Querwand bilde, trenne sich nämlich der Zelleninhalt in zwei Parthien, aus den beiden
Hälften des Zelleninhaltes werde Schleim ausgeschieden, welcher zuerst in der Form einer dünnen Querwand
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erscheine, aber nothwendigerweise schon von Anfang an aus zwei Lamellen bestehen müsse, weil der Ur-
sprung der Schleimschichte ein doppelter sei. Indem nun diese neugebildeten, sich quer durch den Zellen-
raum erstreckenden Schleimschichten, wie der übrige die Zellwandung auskleidende Theil derselben, Mem-
ann absondern, so werde hiedurch nicht blos eine, die frühere Zelle in ihrer Mitte theilende Scheidewand,
sondern es werden zwei neue Zellen gebildet, welche den Inhalt der früheren Zelle, die nun zur Mutterzelle
geworden sei, einschliessen.
Ich selbst hatte seit dem Erscheinen der angeführten Dissertation die Zellentheilung von Conferva
glomerata zu wiederholtenmalen zum Gegenstande meiner Beobachtungen gemacht, und hatte diesen Ge-
genstand namentlich in Folge meiner Arbeiten über den Primordialschlauch und die mit diesem Gebilde im
Zusammenhange stehende Theilung der Zellen der Phanerogamen (bot. Zeitung. II. 273) wieder aufgenom-
men, indem mir die genannte Pflanze unter den Süsswasseralgen am geeignetsten zur Verfolgung des in Rede
stehenden Vorganges zu sein schien, und ich mir von der genaueren Untersuchung einer einzigen Art einen
grösseren Gewinn, als von zerstreuten, an vielen Arten angestellten Untersuchungen versprach. Das Re-
sultat dieser Beobachtungen ist folgendes. Er
Bei Conferva glomerata‘) sind die linienförmig aneinander gereihten Zellen, aus welchen der Stamm
und die Aeste bestehen, von einer zusammenhängenden, röhrenförmigen Hülle eingeschlossen, welche sich
an den Spitzen des Stammes und der Aeste in demselben Verhältnisse, wie diese in die Länge wachsen, ver-
grössert und die etwas verengten Gliederungen (fig. 2. d. d) der Fäden brückenförmig überspringt, so dass
sich an diesen Stellen ein ringförmiger, mit Flüssigkeit gefüllter Intercellulargang findet. Diese Hülle stellt
ihrer ganzen Structur nach eine colossale, verästelte Zelle dar. Ihre Wandung zeigt bei Einwirkung von Säu-
ren eine Auflockerung und lässt in diesem Zustande eine Zusammensetzung aus vielen hereimenderliegenden
dünnen Blättern (Fig. 5. b. fig. 1%. c) erkennen. Jod färbt dieselbe gelblich; bei Einwirkung von Säuren
auf die von Jod durchdrungene Zellwandung tritt die unter diesen Umständen sonst gewöhnlich entstehende
blaue Färbung nicht ein. Auf der Oberfläche besitzt diese Hülle einen dünnen Ueberzug von einer glatten,
schlüpferigen Substanz, welche auf die Einwirkung von Säuren eine häufig unregelmässige und weit bedeu-
tendere Auflockerung, als die Zellmembran selbst erleidet (fig. 5. a. fig. 8. a. fig. 9. a, fig. 14. d).-
Die Wandungen der von der Hülle eingeschlossenen Zellen zeigen auf die Einwirkung von Säuren
ebenfalls eine blätterige Structur. Die Ablagerung von neuen Verdickungsschichten dauert, wenn vielleicht
auch nicht ununterbrochen das ganze Leben der Pflanze hindurch, doch jedenfalls eine geraume Zeit lang
fort, wesshalb die an der Basis der Pflanze befindlichen älteren Zellen mit weit dickeren Wandungen (fig. 13. a),
als die an der Spitze gelegenen jüngeren Zellen versehen sind.
Die innere Fläche dieser Zellen ist ziemlich dicht mit Chlorophyll überzogen, dessen Körner nicht
ganz ordnungslos zerstreut, sondern in einer Art von unregelmässigem Netze vertheilt sind (fig. 2. 3. 4.).
4) Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu bemerken, dass meine Untersuchungen nur an der Süsswasserform
angestellt sind,
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Die Einwirkung von Säuren, Alkohol, Jodtinctur, namentlich aber die weiter unten zu beschreibenden Vorgänge
bei der Theilung der Zellen lassen erkennen, dass das Chlorophyll nicht unmittelbar an der inneren Zellenfläche
anliegt, sondern dass die Zellwandung zunächst von einer dünnen, feinkörnigen Membran von etwas gelblicher
Farbe, welche sich mit Jod dunkelgelb färbt, ausgekleidet ist (fig. 8. c. fig. 9. c.) Diese Membran ist das von
Kürzıne mit dem Namen der Amylidzelle, von mir mit dem Ausdrucke des Primordialschlauches bezeichnete
Organ; dass dasselbe eine wahre Membran von einem ziemlich festen Zusammenhalte und nicht blos eine
formlose Schleimschichte ist, davon kann man sich hauptsächlich bei den mit der Vermehrung der Zellen
verbundenen Vorgängen überzeugen. An der Spitze der endständigen Zellen (fig. 2. b) liegt diese Mem-
bran häufig nicht vollkommen an der Zellwandung an, was dagegen bei den älteren Zellen durchaus der Fall
ist. In der frischen Pflanze liegt das Chlorophyll genau an dem Primordialschlauche an, allein in vielen
Fällen, namentlich auf die Einwirkung von Säuren und Alkohol und ebenso beim Vermehrungsprocess der
Zellen zieht sich das Chlorophyll in dem Primordialschlauche unter der Form einer zusammenhängenden,
grünen Masse zusammen (fig. 8. d. fig. 9. d.), wobei es häufig den Anschein hat, als wäre es von einer ei-
genen Membran umschlossen; es gelang mir jedoch nicht, Umstände aufzufinden, welche für die wirkliche
Existenz einer solchen beweisend gewesen wären. Es beweist diese Erscheinung jedenfalls, dass die Chlo-
rophylikörner nicht in die Substanz des Primordialschlauches eingebettet sind. Bei der scharfen Begrenzung,
welche in solchen Fällen der Primordialschlauch zeigt, kann ich die Angabe von Näceni (l. c. 96.), dass die
Schleimschichte nur nach aussen eine glatte und scharfe Begrenzung habe, nach innen dagegen mehr oder
weniger unregelmässig sei, Vorsprünge und Vertiefungen bilde und sich häufig allmählig in den flüssigen In-
halt verliere, nicht für richtig halten.
Ueber das Wachsthum der Pflanze, welches auf Verlängerung der terminalen Zelle und Bildung einer
Querwandung in ihrer Mitte beruht, so wie über das Hervorsprossen der Aeste aus dem oberen Ende der
Zellen des Stammes habe ich schon oben das Nöthige angeführt und will hier nur bemerken, dass in Bezie-
hung auf die Bildung der Aeste zuweilen kleinere Abweichungen vorkommen, so ist es z. B. nicht ganz sel-
ten, dass sich die Querwandung nicht an der Grenze zwischen dem Aste und der Zelle des Hauptstammes,
sondern unterhalb der Insertion des Astes quer durch die Stammzelle bildet, oder dass in andern Fällen in
der Endzelle des Stammes die Bildung der Querwandung retardirt ist, so dass sie die drei- und mehrfache
Zellenlänge erreicht und noch ehe sich Querwände in derselben bilden, aufihren Seiten die Aeste (fig. 11. a. b)
hervorzusprossen beginnen. x
Untersucht man die Bildung der Querwände in ihren verschiedenen Entwicklungsstufen, so findet man,
dass dieselbe mit einer schwachen Zurückziehung der Chlorophylimasse (fig. 3. @) beginnt, so dass auf den
ersten Blick die Zelle an dieser Stelle von einer ringförmigen Furche eingeschnürt zu sein scheint. Eine ge-
nauere Beobachtung zeigt dagegen, dass an dieser Einschnürung die äussere Hülle und die Zellwandung kei-
nen Antheil nehmen. Diese Zurückziehung der Chlorophylimasse gegen das Centrum der Zelle nimmt mehr
und mehr zu (fig. 2. c. fig. 15. @) und nun sieht man deutlich, dass der Primordialschlauch sich an dieser
Stelle nicht von der Zellwandung losgelöst hat, sondern dass von demselben in der Mitte der scheinbaren
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Furche eine ringförmige Scheidewand gegen das Innere der Zelle hin, einwärts vorspringt, und dass die
Chlorophylimasse durch diese Scheidewand gleichsam zusammengeschnürt wird. Diese Scheidewand sieht
man, wenn sie einmal eine gewisse Ausbildung erreicht hat, an der Wandung der Zelle in Form einer zar-
ten kreisförmigen Linie verlaufen. Schon an der vollkommen frischen Zelle kann man aus der Richtung der
Chlorophylikörner und aus dem in der Einschnürung stattfindenden deutlichen Zusammenhange der in beiden
halbgetrennten Abtheilungen liegenden Chlorophylimassen ersehen, dass diese Scheidewand nicht vollständig
ist, sich nicht durch die ganze Zelle in querer Richtung erstreckt, sondern eine blos ringförmige Gestalt hat.
Genauere Kenntniss über ihre Beschaffenheit kann man sich nur durch die Anwendung von Substanzen,
welche verändernd auf den Zelleninhalt einwirken, verschaffen. Hier tritt aber wegen der grossen, (um
mich so auszudrücken) Empfindlichkeit des Zelleninhaltes eine bedeutende Schwierigkeit ein. Die Einwirkung
von Säuren veranlasst nämlich, wenn sie auch in bedeutender Verdünnung angewendet werden, gewöhnlich
eine starke Contraction des Inhaltes von den Seiten her, wodurch derselbe gegen die zartwandige Spitze
der Zelle hingedrängt und durch einen Riss derselben zu theilweisem Ausfliessen gebracht wird, was mit
einer mehr oder weniger starken Verbiegung und Verunstaltung der Scheidewand verbunden ist. Am besten
entgeht man Ben Uebelstande, wenn man zuerst Alkohol auf die Pflanze einwirken lässt, bis sich ihre
Zellen in Folge der eintretenden Exosmose contrahiren, alsdann die Pflanze wieder in Wasser aufquellen
lässt und nun eine schwache Säure, z. B. Essigsäure anwendet. In Folge dieses Verfahrens contrahirt sich
die Chlorophylimasse (fig. 8. d. fig. 9. d) im Primordialschlauche (fig. 8. c. fig. 9. c) und es ist nun
mit der grössten Deutlichkeit zu sehen, dass ihre beiden Hälften an dem verengten Isthmus noch in voll-
ständigem Zusammenhange mit einander stehen. Ferner erkennt man am Primordialschlauche, welcher sich
ebenfalls contrahirt, dass derselbe an der Stelle, an welcher die ringförmige Scheidewand lag, eine Einfal-
tung nach innen zeigt, dass folglich die Scheidewand aus einer Duplicatur desselben gebildet ist, deren beide
Blätter in Folge der Einwirkung der Säure auseinander weichen. Es ist nicht selten, wie dieses fig. 9. dar-
stellt, dass die eine Hälfte dieser Duplicatur in Folge der durch die Einwirkung des Alkohols und der Säure
im Zelleninhalte hervorgerufenen Bewegungen in Trichterform umgestülpt wird, allein auch in diesem Falle
kann über das wahre Verhältniss der Einfaltung und über den Zusammenhang des Primordialschlauches in
der Einfaltung kein Zweifel stattfinden.
In einzelnen Fällen sieht man auch an der frischen Pflanze die beiden Blätter der Scheidewand, we-
nigstens an ihrem äusseren Umfange, von einander abstehen; ohne Zweifel ist dieses ein Uebergang zu den
später eintretenden Erscheinungen.
"An den bisher beschriebenen Vorgängen nimmt die Zellwandung, wie bemerkt, keinen Antheil; sie
verlauft über die Furche geradlinigt (vgl. fig. 8. 9. 15.) und die vom Primordialschlauche gebildete ringför-
mige Scheidewand legt sich rechtwinkligt und, mit Ausnahme des zuletzt angeführten Falles, ohne jede Spur
eines Intercellularganges an die Zellwandung an. Nun ändert sich aber dieses Verhältniss. Man findet näm-
lich an andern Gliedern, welche man in der Entwicklung für weiter vorgeschritten erklären muss, an welchen
jedoch ebenfalls die Chlorophylimasse beider Zellenhälften in der Einschnürung noch zusammenhängt, die
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unvollständige Scheidewand in ihrem äusseren Umfange vollkommen der vollendeten Scheidewand ähnlich,
indem sich an dieser Stelle ein Intercellulargang findet und die Seitenwandungen der in der Abschnürung
begriffenen Zellenhälften unmittelbar in die Scheidewand übergehen (fig. 7. a). Auch in diesen Fällen zeigt
die Anwendung einer Säure mit der grössten Bestimmtheit, dass die Scheidewand noch unvollständig ist
(fig. 4. a). Der Zelleninhalt verhält sich wie in den vorher betrachteten Fällen, allein es kommt nun hinzu,
dass die Zellwandung eine in die Einfaltung des Primordialschlauches hineinragende Fortsetzung bildet,
welche sich bei Einwirkung von Säure ausdehnt und als eine mehr oder weniger tiefe, zusammenhängende,
ringförmig einwärts springende Falte zu erkennen giebt, deren Blätter vor der Einwirkung der Säure nur
am äussersten Rande auseinanderklafften und in Verbindung mit der äusseren Hülle den Intercellulargang
umschlossen.
Endlich treffen wir Fälle, in welchen die Abschnürung allem Anscheine nach erst seit kurzer Zeit voll-
ständig geworden ist. Nach Einwirkung einer Säure zeigen sich die ®rimordialschläuche beider Ab-
theilungen (fig. 5. d. d) vollkommen geschlossen und ebenso die Zellwandungen (fig. 5. c.c), die sich nun von
einander im Gelenke ablösen, mit geschlossenen blinden Endigungen. An der Stelle, wo die Querwandung
der beiden Zellen sich an die cylindrische, äussere Hülle anschliesst, schliesst sie sich mit einer abgerunde-
ten Kante (fig. 10. c) an dieselbe an, wobei es deutlich ist, dass sich die Querwandung nicht mit ihrem
Rande an die äussere Zelle anlegt, sondern in die innerste Schichte derselben, welche den ganzen Primor-
dialschlauch umhüllt, übergeht. Es ist dieses zwar in den meisten Fällen nur daran sichtbar, dass die äus-
sere Wandung, so weit sie den Intercellulargang nach aussen zu begrenzt (fig. 10. c), dünner ist, als längs
der beiden aus der Theilung hervorgegangenen Zellen (fig. 10. b. b), in einzelnen Fällen kommt es aber auch vor,
dass sich die Fortsetzung der Scheidewand von der äusseren Wandung des Fadens entweder nur stellenweise
(fig. 5. f. fig. 10. d) oder auch vollständig ablöst, wo dann kein Zweifel ist, dass die Scheidewand einen
Theil einer vollständigen Zellmembran bildet.
Versuchen wir eine Deutung dieser Beobachtungen und vergleichen wir dieselben mit den früheren
Angaben, so ist zunächst meine Darstellung vom Jahre 1835 ins Auge zu fassen. Ich hatte damals den
Vorgang der allmähligen Abschnürung unzweifelhaft gesehen, und kann in meinen späteren Beobachtungen
nur eine Bestätigung dieses Vorganges erblicken, dagegen übersah ich früher den Primordialschlauch, von
dessen Existenz und von dessen Bedeutung für die Zellbildung ich in der damaligen Zeit so wenig, als irgend
ein Anderer, eine Ahnung hatte. Ich glaubte desshalb es gehe die Bildung der Scheidewand unmittelbar
von der Zellwandung aus. Meine Beobachtungen waren daher zwar nicht vollständig, aber sie waren nicht
falsch.
Nach den oben erzählten Beobachtungen muss ich den Vorgang der Zellentheilung bei Conferva glo-
merata nun auf folgende Weise deuten. Das Ende des Fadens besteht aus der allgemeinen Hülle und aus
der mit ihr verwachsenen Membran der terminalen Zelle. An der Stelle, wo die Theilung eintritt, bleiben
diese beiden Membranen völlig unverändert, sie bilden später die äussere Begrenzung des an dieser Stelle
sich bildenden Intercellularganges und alle bei der Entstehung der Scheidewand bemerkten Vorgänge gehen
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im Innern der Zelle vor sich. Es bestehen dieselben zunächst in der ringförmigen Einfaltung des Primor-
dialschlauches, welche nach innen zu vorschreitend den Zellenraum und Zelleninhalt ailmählig in zwei Theile
abschnürt. Ehe diese Abschnürung vollendet ist, beginnt auf der ganzen Oberfläche des Primordialschlau-
ches die Bildung einer neuen Zellenmembran, welche an der Abschnürungsstelle die Falte des Primordial-
schlauches auskleidet und zur Bildung eines Intercellularganges und einer vorläufg noch unvollständigen
Querwand Veranlassung giebt. Was ausserhalb dieses Intercellularganges liegt (äussere Hülle und Membran
der ungetheilten Zelle) ist von nun an äussere Hülle im Verhältnisse zu den sich neu bildenden Membranen
der sich theilenden Zelle. Nach völliger Abschnürung des Primordialschlauches bilden die neuen Membranen
vollständig geschlossene Schläuche, welche als Wandungen der neuen Zellen auftreten. Der Zeitpunkt, in
welchem nach begonnener Einschnürung des Primordialschlauches die Bildung der Zellmembran beginnt,
lässt sich nicht mit Bestimmtheit ausmitteln, indem die Ablagerung eine gewisse Dicke erreicht haben muss,
ehe sie sichtbar wird. Bei normalem Vorgange des Theilungsprocesses scheint die Zellmembran vor der
völligen Abschnürung des Primordialschlauches nur eine geringe Dicke zu erreichen, denn man findet häufig
die Membran der schon vollkommen- getrennten Zellen noch dünnwandig (fig. 5. c. c). In einzelnen Fällen
kommt dagegen bereits vor vollendeter Abschnürung eine ziemlich starke Ablagerung neuer Membranen
vor, und es bildet die in der Einschnürung liegende Fortsetzung der Zellmembran eine dicke Haut
(fig. 6. a. fig. 12. db. Mit Säure behandelt fig. 14. b). Ob in diesen Fällen der Entwicklungsgang
ein vollkommen normaler ist, hieran möchte ich beinahe zweifeln; es scheinen diese Fälle einer Stö-
rung des Abschnürungsprocesses des Primordialschlauches bei fortdauernder Membranenbildung ihre
Entstehung zu verdanken zu haben, auch muss ich bemerken, dass ich diese Formen der Gelenkbildung
nur selten bei frisch aus fliessendem Wasser eingesammelten Exemplaren fand, sondern vorzugsweise
bei solchen, welche ich einige Tage lang zu Hause in zwar frischem, aber stekendem Wasser aufbe-
wahrt hatte, bei welchen vielleicht in Folge der veränderten äussern Umstände der Vegetationsprocess
eine Störung erlitten hatte.
Gehen wir zur Betrachtung von Niczuı’s Angaben über, so erkannte dieser allerdings den Pri-
mordialschlauch, bildete sich aber, wie ich glaube, eine unrichtige Vorstellung von demselben, indem
er ihm die Eigenschaften einer Membran vollständig absprach. Es erscheint aber derselbe unter der
Form einer zusammenhängenden Membran nicht blos bei andern Pflanzen, namentlich bei Zygnema,
sondern ebenfalls bei Confercva glomerata, indem er bei der Bildung der Scheidewand nicht, wie
Nice angiebt, als die äusserste Grenze einer Schleimschichte, an deren innerer Seite die Chloro-
phylikörner angeheftet sind, sondern in ganz isolirter Form unter Gestalt einer Membran auftritt,
welche selbstständig und ohne dass der übrige feste Zelleninhalt an ihrer innern Seite anliegt, eine
sich mehr und mehr verengende Einfaltung bildet und die Chlorophyllmasse zusammenschnürt, als
wäre ein Faden um dieselbe herumgelegt. Hauptsächlich ist aber gegen Näeruı’s Darstellung einzu-
wenden, dass er die allmählige Ausbildung der Scheidewand von aussen nach innen läugnet und glaubt,
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es trete zu gleicher Zeit quer durch den ganzen Zellenraum eine Trennung der Chlorophylimasse ein, es bilde
sich an der Trennungsstelle zugleich und plötzlich eine doppelte Schleimschichte, zwischen deren Blättern
die Scheidewand abgesondert werde. Ich glaube nach den oben gegebenen Nachweisungen über die allmäh-
lige Ausbildung der Scheidewand nicht nöthig zu haben, auf eine specielle Widerlegung dieser Darstellung
einzugehen. Einen nicht aufzulösenden Widerspruch zwischen NÄgeır’s Angaben und dem Ergebnisse meiner
Untersuchungen finde ich ferner darin, dass NÄeeuı zu finden glaubte, die Gelenkbildung beginne mit einer
ringförmigen Einfaltung der Membran der sich theilenden Zelle, auf welche Einfaltung später die dünne
Scheidewand aufgesetzt sei. Wenn dem so wäre, so müssten die beiden aus der Theilung hervor-
gehenden Zellen von einer gemeinschaftlichen Membran, welche an der Grenze der Zellen eine Einfal-
tung zeigen würde, und zwischen welcher und der allgemeinen Hülle der Intercellulargang verlaufen
müsste, umschlossen sein. Von einer solchen Membran ist aber nach geschehener Theilung keine Spur
zu finden (vel. die in fig. 4. 5 und fig. 10. c dargestellten Gelenke, an welchen sich auf Einwirkung
von Säure die Zellen von einander trennten) und ebenso wenig beginnt, wie aus dem oben ange-
führten erhellt, die Theilung mit einer Einfaltung der Zellmembran. Richtig aufgefasst ist dagegen von
Nicerı das Verhältniss des Primordialschlauches zur Bildung der Zellwandung und namentlich die
Auseinandersetzung, dass so lange die Zelle noch nicht getheilt ist, die sich neu bildenden Membranen
Verdickungsschichten der allgemeinen Hülle bilden, dagegen nach der Theilung als die besonderen
Membranen der beiden neu entstandenen Zellen auftreten. Ueber diesen Punkt mag jedoch eine weitere
Bemerkung nicht überflüssig sein. Wenn meine obigen Beobachtungen richtig sind, so muss bei der
allmähligen Ausbildung der Scheidewand zwischen dem Zustande, in welchem die neugebildeten Membranen
der noch völlig ungetheilten Zelle sich an die allgemeine Hülle als Verdickungsschichten von dieser anlegen,
und zwischen dem Zustande, in welchem sie als geschlossene Zellmembranen der getheilten Zelle auftreten,
ein Mittelzustand liegen, während dessen sich die neugebildeten Membranen in der Einfaltung des Primor-
dialschlauches (fig. 4. a. 6. 12. 14.) ablagern, also schon den Anfang zu der Bildung der Membran beider
Tochterzellen bilden, allein bei der noch nicht vollständig geschehenen Theilung diesen beiden Zellen ge-
meinschaftlich sind. Wie nun dieser Theil der Membran sich nach vollendeter Bildung der Scheidewand
verhält, war mir durch direete Beobachtung auszumitteln nicht möglich. Gegen die Annahme, dass diese
Membranen stationär bleiben und dass die später abgelagerten Membranen in demselben Verhältnisse, wie
die Abschnürung des Primordialschlauches weiter fortschreitet, weiter gegen das Centrum der Scheidewand
einwärts reichen, bis eine vollständige Abschliessung erfolgt, spricht der Umstand, dass nach vollendeter
Bildung der Scheidewand auf Einwirkung von Säuren sich beide Zellen (fig. #. b. fig. 10. e) leicht und ohne
Zerreissung einer ihre Enden verbindenden Membran von einander trennen'). Dieser Vorgang wäre offen-
4) Anmerk. Da sich immer bei der Behandlung von erst kürzlich gebildeten Gelenken die Zellen ganz
rein von einander ablösen, so kann offenbar der in fig. 15. d. dargestellte Zustand, den ein altes Gelenk
auf Einwirkung von Säure zeigte, nicht als ein Beweis für das Vorhandensein einer solchen beiden Zellen
gemeinschaftlichen Membran gehalten werden, sondern die zwischen den Zellen im erweiterten Intercellu-
2. su —
bar nicht möglich, wenn die äusseren Schichten der Zellmembran am innern Winkel des Intercellularganges
von einer Zelle auf die andere übergehen würden. Es erscheint daher als das Wahrscheinlichste, dass die
Einfaltung der Zellmembran, welche in der Duplicatur des Primordialschlauches liegt, mit der Zusammen-
ziehung von dieser ebenfalls gegen das Centrum der Zelle unter Verengerung der centralen Oeffnung bis zur
völligen Abschliessung der letztern weiter fortschreitet, worauf auch eine Vergleichung der in fig. 4. a.
fig. 6. und fig. 12. dargestellten Fälle hinweisst.
larraume unregelmässig verlaufenden Fasern oder Membranen sind wohl nichts anders, als Theile der
Zellmembran, welche wegen starker Verwachsung beider Zellen untereinander beim Aufquellen und bei
der theilweisen Lostrennung der Zellen von einander aus ihrer natürlichen Verbindung gezogen wurden.
47*
— 12 —
XXVIN.
Ueber
die
Reizbarkeit der Blätter von Robinia.
(Aus der Flora. 4832. II.)
Nicht leicht fesselt irgend eine Erscheinung des vegetabilischen Lebens die Aufmerksamkeit in so ho-
hem Grade, als die Eigenschaft mancher Pflanzentheile, in Folge eines äusseren Reizes sichtbare Bewe-
gungen vorzunehmen, indem man sich bei Betrachtung dieser Erscheinung kaum enthalten kann, an eine
Analogie mit den thierischen Bewegungen zu denken, und in diesem Gefühle für die Eindrücke der Aussen-
welt die Andeutungen eines höhern Lebens zu finden, als man sonst den Pflanzen zuzuschreiben sich für
berechtigt hält.
Ich brauche nicht daran zu erinnern, auf wie vielfache Weise die Physiologen das Wesen dieser Er-
scheinung zu erklären versuchten und wie fruchtlos ihre Bemühungen gewesen waren; und wenn es nun
auch scheint, als sei durch die Entdeckungen von Durrocuer der geheimnissvolle Schleier ein wenig gelüftet
und uns vergönnt, einen Schritt weiter in der Erkennung der Art und Weise, wie diese Bewegungen vor
sich gehen, und in der Bestimmung des anatomischen Systemes, welches sich bei ihnen thätig zeigt, vorzu-
dringen, so ist dennoch nicht zu läugnen, dass unsere Kenntniss von den Irritabilitätsäusserungen des Pflan-
zenreiches noch höchst mangelhaft ist, und dass die Pflanzenphysiologie in Beziehung auf diesen Punkt noch
weit gegen die thierische Physiologie zurücksteht, welche schon längst nicht nur das bei den Bewegungen
der Thiere thätige System, sondern auch die Art und Weise, wie diese Bewegungen vor sich gehen, und die
näheren Umstände, welche die Aeusserungen der thierischen Irritabilität bedingen oder verhindern, klar er-
kannt hat.
Ein Hauptgrund dieser Mangelhaftigkeit in unserer Kenntniss der vegetabilischen Irritabilitätserschei-
nungen mag in der Seltenheit derselben liegen. Wir kennen nur einzelne, isolirt an den verschiedensten
Organen sich zeigende Erscheinungen dieser Art; es wurden dieselben mehr als sonderbare , nur einzelnen
Theilen ausnahmsweise zukommende Eigenthümlichkeiten betrachtet und führten desshalb nicht zu der An-
— 973 —
nahme, dass die Reizbarkeit eine, einem gewissen Systeme constant inwohnende Kraft sei, wie dieses die
thierische Physiologie von der Muskelfaser nachgewiesen hat. Ein anderer Umstand, welcher die nähere
Einsicht in das Wesen dieser Erscheinung ebenso bedeutend hinderte, liegt in der zu weit getriebenen Ana-
logie, die man zwischen der Irritabilität des vegetabilischen und der des thierischen Organismus zu finden
glaubte, indem man sich der Ansicht nicht erwehren konnte, dass bei den irritabeln Bewegungen der Ge-
wächse ebenfalls Fasern thätig seien und dass dieselben durch Contraction wirken.
“ Nachdem die von Trevıranus u. A. bestätigten Versuche Durrocher’s an Mimosa bewiesen haben,
dass die vegetabilische Reizbarkeit auf Expansion des parenchymatosen Zellgewebes beruhe (ein Resultat,
welches ich bei meinen Versuchen an den Ranken vollkommen bestätigt fand), so lässt sich, wenn wir
manche andere, weniger auffallende Erscheinungen hinzurechnen, mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen,
dass der Mangel an Reizbarkeit, den wir bei der bei weitem grössten Mehrzahl der Gewächse beobachten,
nur scheinbar ist, dass das parenchymatose Zellgewebe im allgemeinen mit Reizbarkeit begabt, dass dieselbe
hingegen in Folge von übermächtiger Entwicklung und Starrheit, oder ungünstiger Anlagerung der Holzbün-
del in ihrer Aeusserung gehemmt und unterdrückt ist.
Es ist nicht daran zu zweifeln, dass eine genauere Beobachtung uns eine grosse Menge von Beispie-
len, wo die angegebenen Hindernisse schwächer sind, und die Erscheinungen der Irritabilität sich mehr oder
weniger deutlich entwickeln und in mannigfachen Modificationen sich zeigen können, nachweisen wird; es
wird uns vielleicht alsdann, wenn eine grössere Anzahl von Thatsachen vorliegt, und wir dieselben verglei-
chend prüfen können, gelingen, tiefer, als es bisher gelang, in das Wesen dieser Erscheinung ein-
zudringen.
Es wird vielleicht in dieser Hinsicht die Mittheilung einiger Beobachtungen über die Irritabilität der
Blätter von Robinia, auf welche ich vor einigen Jahren von Herrn Prof. AUTENRIETH in Tübingen aufmerk-
sam gemacht wurde, nicht ohne Interesse sein; zugleich können dieselben als Beweis dienen, wie leicht
solche Bewegungen selbst an Gewächsen, welche wir täglich vor Augen haben, völlig übersehen werden,
wenn sie minder rasch und lebhaft vor sich gehen.
Die Blätter von Robinia Pseudo-Acacia, viscosa und hispida (nicht aber die von mir untersuchten
Arten von Caragana) zeigen insoferne eine sehr deutlich ausgesprochene Reizbarkeit, als die Fiederblätt-
chen der am Tageslichte ausgebreiteten Blätter, wenn der Zweig, an welchem die Blätter sitzen, einigemal
rasch geschüttelt wird, sich rückwärts biegen und mit den untern Flächen sich paarweise aneinander legen,
also dieselbe Lage annehmen, wie während des Schlafes.
Es unterscheidet sich diese Reizbarkeit der Robinienblätter von der von Mimosa pudica dadurch,
dass sich diese Bewegung nur auf die Fiederblättchen und nicht auf das ganze Blatt erstreckt, dass sie mit
grosser Langsamkeit vor sich geht und nicht auf alle Reize, welche bei Mimosa wirksam sind, eintritt; Iau-
ter Umstände, welche bei Robinia einen niedern Grad von Erregbarkeit beurkunden.
Unter den verschiedenen Reizen, welche die Blätter von Mimosa zum Zusammenlegen bestimmen,
wirkt mechanische Erschütterung am kräftigsten, und diese ist, so viel ich bis jetzt fand, auch das einzige
— 34 —
Mittel, um die Blätter von Robinia zu den beschriebenen Bewegungen zu reizen, wenigstens waren die Ver-
suche, denselben Erfolg durch Brennen mit Zunder oder mittelst eines Brennglases, oder durch Verwun-
dung, oder durch Galyanismus zu erlangen, vergeblich. Die Erschütterung muss ferner rasch und stoss-
weise geschehen, denn eine sanftere, hin und her schwingende Bewegung eines Astes bleibt ohne Wirkung,
dagegen wird die Wirkung auch nicht durch längeres Schütteln beschleunigt.
Die Bewegung der Blättchen ist, wie schon angeführt, weit langsamer als bei Mimosa pudica oder
bei Dionaea, sie geschieht so allmählig, dass man dieselbe nicht unmittelbar mit dem Auge verfolgen, son-
dern nur aus der veränderten Stellung der Blättchen nach Verfluss einiger Zeit bemerken kann, indem immer
einige Minuten verfliessen, bis die Blättchen ihre grösste Senkung erreicht haben. Nicht immer senken sich
dieselben so weit abwärts, dass sie sich mit der untern Fläche an die gegenüberstehenden Blättchen anlegen,
sondern häufig durchlaufen sie nur einen Theil dieses Wegs.
Nachdem die Blättchen einige Zeit in der tiefsten Stellung verweilt haben, erheben sie sich wieder,
aber ebenfalls sehr langsam, bis sie wieder flach ausgebreitet liegen; eine neue Erschütterung bringt alsdann
dieselbe Wirkung wieder hervor.
Bei den Blättern von Mimosa pudica überwiegen die Bewegungen, welche sie in Folge ihrer Reiz-
barkeit vornehmen, diejenigen, welche Folge des Wachens und Schlafens sind, indem einentheils sich die
Blätter auch beim hellsten Sonnenscheine auf einen angebrachten Reiz zusammenfalten und derBlattstiel sich
senkt, anderntheils der Blattstiel, wenn er während des Schlafes der Pflanze aufrecht steht !), sich auf Be-
rührung rasch abwärts biegt, bei den Blättern von Robinia hingegen wird die Reizbarkeit von den Einflüs-
sen, welche ein starkes Aufwärtsbiegen der Fiederblättchen bedingen (Sonnenschein und stärkere Wärme)
überwältigt, daher gelingt der Versuch die Blättchen durch Schütteln zum Schliessen zu bringen nicht, wenn
die Blätter unmittelbar von der Sonne beschienen werden.
Das wulstförmige Blattstielchen, mittelst dessen die Fiederblättchen am gemeinschaftlichen Blattstiele
befestigt sind, hat denselben Bau, wie der Wulst, welcher sich an der Basis der Blattstiele von Mimosa
findet, indem die, im Blattstiele selbst getrennten und der Peripherie genäherten, Gefässbündel in einen dünnen
centralen Strang vereinigt und von einer grossen Masse parenchymatosen Zellgewebes umgeben sind.
1) Der Blattsiel von Mimosa pudica ist nänlich während des tiefen Schlafes der Pflanze nicht, wie gewöhn-
lich angegeben wird, gesenkt, sondern er nimmt diese Stellung nur Abends beim Uebergange in den
Schlaf an, gegen Mitternacht hingegen zeigt der Blattstiel, während die Blättchen geschlossen sind, die ent-
gegengesetzte Lage und ist steil in die Höhe gerichtet.
ya
XXIX.
Untersuchungen
über die
winterliche Färbung der Blätter.
(Dissertation vom Jahr 4837; mit Zusätzen.)
Zu den auffallendsten Erscheinungen des Pflanzenlebens gehören die Farbenveränderungen, welche
die Blätter in ihren verschiedenen Lebensperioden erleiden. Die Umwandlung ihrer grünen Farbe in Gelb
und Roth beim herannahenden Herbste und vor dem Abfallen der Blätter, die rothe Färbung, welche manche
in der ersten Periode ihrer Entwicklung besitzen, der Mangel einer ausgesprochenen Farbe, wenn sie unter
dem Ausschlusse des Lichtes aufwachsen, alle diese Umstände fallen so sehr in die Augen, dass sie nicht
nur dem Botaniker, sondern Jedem, wenn er auch den Erscheinungen der ihn umgebenden Natur keine be-
sondere Aufmerksamkeit widmet, bekannt sind; für den Botaniker erhielten sie dagegen ein mehrfaches
wissenschaftliches Interesse, weil sich bald zeigte, dass die verschiedenen Farbenveränderungen der Blätter
immer auch von Umänderungen ihres Lebensprocesses begleitet sind, weil ferner die verschiedenen nicht
grünen Farben der Blätter sich in den Farben der Blüthen und Früchte wiederholen und sich auch hierin ein
neuer Vergleichungspunkt zwischen den Blättern der Vegetationstheile und den Fructificationstheilen
darstellt.
Die folgenden Zeilen haben nicht den Zweck, die Veränderungen zu betrachten, welche die Farbe
der nur einen Sommer über lebenden und im Herbste abfallenden Blätter erleidet, welcher Gegenstand schon
längst in allen Werken über Pflanzenphysiologie weitläufig erörtert wurde, sondern sie sollen auf einen Um-
stand aufmerksam machen, welcher bisher der Aufmerksamkeit der Pflanzenphysiologen entgangen zu sein
scheint, nämlich auf eine periodische, in jedem Winter bei ausdauernden Blättern sich erneuernde Farben-
veränderung, welche ihrem äussern Aussehen nach zwar mit der herbstlichen Färbung der abfallenden Blätter
Aehnlichkeit hat, aber nicht, wie bei diesen, ein Zeichen ihres herannahenden Todes ist.
Betrachtet man nämlich im Winter und Frühjahre, sobald der Schnee weggeschmolzen ist, die im
Freien stehenden Gewächse, so wird man finden, dass bei einer weit grössern Anzahl derselben, als man ge-
—_— 376 —
wöhnlich wohl glaubt, die Blätter nicht abgestorben sind, sondern bei zurückkehrender Wärme wieder zu
frischem Leben erwachen; zugleich aber wird man finden, dass bei den meisten dieser ausdauernden Blätter
die grüne Farbe, welche sie während des Sommers besitzen, mehr oder weniger verändert ist und allmäh-
lig wieder in den Frühlingsmonaten zur sommerlichen Färbung zurückkehrt.
Bei einigen immergrünen Gewächsen nimmt die Farbe der Blätter während‘ des Winters einen auf-
fallend schmutzig gelben Ton an, so dass man die Blätter leicht für halb abgestorben halten könnte, wenn
dieselben nicht im Frühjahr wieder vollkommen grün werden würden. Es findet dieses in auffallendem Grade
bei den Coniferen statt, bei den verschiedenen Arten von Pinus, Abies, bei Taxus, Thuja, Juniperus,
besonders Juniperus Sabina. Es scheint, dass auf diese Farbenumänderung der mehr oder weniger gün-
stige Standort und Boden Einfluss hat, und dass dieselbe stärker hervortritt, wenn diese Gewächse in dem
für sie weniger günstigen Kalkboden, als wenn sie in einem mit Quarzsand gemischten Boden stehen, we-
nigstens schien mir diese gelbe Färbung weit stärker in der Gegend von München hervorzutreten, als auf der
Keuperformation von Württemberg und auf der Molasse der Schweiz; stärker, wenn die Bäume einzeln und
dem Winde ausgesetzt, als wenn sie im geschlossenen Walde stehen.
Untersucht man diese missfarbigen Blätter der Coniferen anatomisch, so wird man in ihnen keine an-
dere Abweichung von dem Baue, den sie im Sommer besitzen, finden, als dass ihr Chlorophyll mehr gelb-
lich und weniger sattgrün gefärbt ist, wie man leicht erkennen kann, wenn man einen dünnen Längenschnitt
eines solchen Blattes, welches seine grüne Farbe erhalten hat (denn es können an demselben Baume einzelne
Zweige sich vollkommen grün erhalten haben), mit dem eines entfärbten Blattes unter das Mikroskop legt.
Weit gewöhnlicher, als in diese gelbe Farbe, findet man das Grün der Blätter in Braun oder Roth
verwandelt, oder es ist wenigstens ein röthlicher Farbenton über das Grün verbreitet. So verschieden auch
das Aussehen der Blätter verschiedener Pflanzen oder auch der Blätter desselben Exemplars ist, so zeigen
doch die Untersuchungen, dass allen diesen verschiedenen Farbenabänderungen dieselbe Ursache zum Grunde
liegt, nämlich die Bildung eines purpurrothen Pigmentes, welches neben der grünen Farbe sich im Blatte
findet, und je nach der grössern oder geringern Menge, in der es vorhanden ist, oder nach seiner verhält-
nissmässigen Lage zu den grünen Theilen das Blatt mehr oder weniger mit seiner Farbe tingirt, oder
durch eine Mischung mit dem ursprünglichen Grün des Blattes demselben einen braunen Farbenton
ertheilt.
Bekanntlich zeigen die Blätter mancher Pflanzen auf eine ähnliche Weise das ganze Leben hindurch
eine rolhe oder eine braune Farbe; so besitzen z. B. die Blätter vieler Arten von Cyclamen, Sazifraga,
von Tradescantia discolor etc. auf der untern Seite eine rothe Farbe, die Blätter der Fagus sylvatica
£ purpurea, der Dracaena ferrea, Atriplez hortensis rubra, Beta vulgaris rubra ete. auf beiden
Seiten eine braunrothe Farbe, welche davon herrührt, dass bei den mit einer lebhafter roth gefärbten
Unterfläche versehenen Blättern die rothe Farbe vorzugsweise in der Epidermis sich findet und ziem-
lich gesättigt ist und desshalb das unterliegende grüne Parenchym ziemlich vollständig deckt, während bei
den braunroth gefärbten Blättern die Farbe theils durch das Durchscheinen der grünen Farbe durch die
— 31 -
rothe, theils durch Mischung grüner und rother Zellen, theils durch Anwesenheit von grünen Chlorophyli-
körnern in rothgefärbten Zellen hervorgebracht wird. Auf ähnliche Weise ist aus MarouArr’s Untersuchun-
gen bekannt, dass die braune Farbe der Blumenblätter von Calycanthus, der Spatha von Arum divarica-
tum, des Perianthiums von Veratrum nigrum und Aristolochia glauca etc. ebenfalls von einer oder meh-
reren Schichten rother oder violetter Zellen herrührt, welche über grünen Zellen liegen.
Dass die rothe Farbe einzelner Zellen von einer rothen Färbung des Zellensaftes abhänge, war den
Phytotomen schon längst bekannt, z. B. von Tradescantia discolor, Calla aethiopica, Impatiens Bal-
samina, Acorus Calamus ete.!). Es wurden aber diese rothen Zellen mehr als eine Eigenthümlichkeit
einzelner Pflanzen betrachtet, als dass sie zu einer Vergleichung derselben mit den im Herbste sich färben-
den Blättern und zu einer anatomischen Untersuchung der dabei vorgehenden Veränderungen geführt hätten.
Die Physiologen gaben sich grossentheils mehr damit ab, über die Farben der Pflanzen zu speculiren, sie
mit den Regenbogenfarben zu vergleichen, als dass sie gesucht hätten, die materiellen Farbestoffe selbst
kennen zu lernen. Wie im prismatischen Farbenspectrum das Grün in der Mitte liegt, auf der einen Seite
von Gelb und Roth, auf der andern Seite von Blau und Violett begrenzt ist, so glaubte man, sei auch das
Grün der Pflanzen der Indifferenzpunkt zwischen einer gelbrothen und blauen Farbenreihe, und suchte die
Entstehung dieser Farben aus der grünen Farbe durch Oxydation und Desoxydation des grünen Farbstoffs
abzuleiten, indem man sich auf unsichere chemische Experimente und falsche Vorstellungen von Oxydation
und Desoxydation, von Wirkung der Säuren und Alkalien stützte?). Ihren Culminationspunkt erreichten
diese Ansichten in den Arbeiten von Scuüster®) und MacAıke-Princer2), deren Resultate ein um so grös-
seres Zutrauen zu verdienen schienen, da sie nicht nur durch die Ergebnisse chemischer Untersuchungen
unterstützt, sondern auch mit den Beobachtungen über den Farbenwechsel der Blüthen in ziemlicher Ueber-
einstimmnng zu sein schienen. Es giengen daher auch ihre Ansichten in die neueren physiologischen Schrif-
ten, z. B. in die von Acarpu°), DECANDOLLE®) u. s. w., ziemlich unverändert über.
ScuüßLER sowohl, als MacAıre-Prıncep, suchten auf experimentellem Wege die chemischen Eigen -
schaften der Farbstoffe der Pflanzen auszumitteln; beide begiengen aber den Fehler, dass sie ihre chemi-
schen Untersuchungen nicht mit anatomischen Untersuchungen der Organe, in welchen die Farbstoffe nie-
dergelegt waren, verbanden, daher auch nicht wussten, ob nur ein oder ob mehrere Farbstoffe in dem Theile
lagen, welchen sie untersuchten, ob ihre Reagentien nur auf einen oder auf mehrere Farbstoffe einwirkten,
1) Vgl. Kırser, Grundzüge der Phytotomie p. 49.
2) Vgl. Spreneer, vom Bau und der Natur der Gewächse. p. 502 — 510.
3) Untersuchungen über die Farben der Blüthen; Inaugural-Dissertation unter dem Präsidium von Scuüzzzr.
Tübingen 1825. >
4) Memoire sur la coloration automnale des feuilles. (Memoires de la societe de physique et d’histoire na-
turelle de Geneve. T. IV. p. 43.) e
5) Biologie. p. 262. u. f.
6) Physiologie veget. T. II. p. 888.
48
— 3783 —
ob ihre Auflösungsmittel, wenn mehrere Farbstoffe vorhanden waren, nur einen oder ob sie mehrere auf:
"lösten u.s. w. Ein zweiter Fehler lag in der chemischen Theorie, welche sie bei Erklärung der Erschei-
nungen anwandten, nämlich in der Ansicht, dass die Veränderungen, welche die Säuren in den Farbstoffen
hervorbrachten, auf Oxydation der letzteren beruhen, und dass die Umänderungen, welche Alkalien hervor-
brachten, eine Desoxydation anzeigen. ScuüsLer untersuchte die Reaction, welche Säuren und Alkalien in
den weingeistigen Tinceturen von Blumenblättern hervorbrachten, und fand, dass die Tinceturen blauer und
rother Blüthen durch Säuren geröthet, durch Alkalien grün gefärbt werden, wogegen die Tincturen gelber
Blüthen durch Säuren wenig verändert, dagegen durch Alkalien braunroth oder braun gefärbt werden. In-
dem er nun annahm, es bilden sich alle Pflanzenfarben aus dem Chlorophyll durch Oxydation oder Desoxy-
dation desselben, so theilte er die Farben in eine oxydirte und desoxydirte Reihe, von welchen die erste
die gelben und einen Theil der rothen Farben enthält und daher von DecanvoLze die xantische Farben-
reihe genannt wurde, während die letztere die blauen und einen andern Theil der rothen Farben enthält und
von DECANnDoLLE mit dem Namen der cyanischen Farbenreihe bezeichnet wurde.
Keine geringe Stütze schienen diese Ansichten durch die Untersuchungen von MAcAıRE-PrıncEP zu
erhalten, denn nach seinen Angaben wird das Chlorophyll durch Behandlung mit Säuren und dadurch erfol-
gende Oxydation zuerst gelb, dann roth gefärbt, und dieses oxydirte Chlorophyll sollte sich wieder durch
Alkalien in grünes Chlorophyll zurückführen lassen. Die rothe Farbe aller Pflanzentheile leitete daher
dieser Chemiker von oxydirtem Chlorophylle, und die blaue Farbe von einer Mischung von solchem
rothen Chlorophyll mit einem vegetabilischen Alkali her. Da auf diese Weise alle Pflanzenfarben von
blosen Modificationen des grünen Farbstoffes herzurühren schienen, so hielt DecanpoLLe den Aus-
druck Chlorophyll zur Bezeichnung desselben für unpassend und führte den Ausdruck Chromule ein.
Gegen die Richtigkeit dieser Angaben von Macaıre-Princep erhob sich dagegen schnell Widerspruch.
Leor. GmeLın !) wies nach, dass das Chlorophyll der Blätter durch Säuren nicht roth gefärbt wird und dass
das durch Mineralsäuren oder bei der herbstlichen Entfärbung gelb gewordene Chlorophyll sich durch Al-
kalien nicht wieder grün färben lässt, dass die im Herbste roth gewordenen Blätter nicht ein rothes Harz,
sondern gelb gewordenes Chlorophyll und einen blauen, durch Säuren gerötheten Extractivstoff ent-
halten.
Auch die anatomischen Untersuchungen der folgenden Zeit wollten sich mit diesen von DECANDOLLE
adoptirten Ansichten MAcAıre-Princer’s nicht recht in Uebereinstimmung bringen lassen, denn sie zeigten
sowohl in den Blumenblättern, als in den rothgefärbten Stengeln und Blättern in der Regel nur einen ge-
färbten, im Wasser löslichen Zellsaft, aber nur selten Kügelchen ?), ein Umstand, der es sehr zweifelhaft
machte, ob es (mit Ausnahme der im Herbste in absterbenden Blättern sich entfärbenden Chlorophylikör-
1) Handbuch der theoret. Chemie. äte Ausg. T. II. p. 633.
3) Meven, Phytotomie, p. 141. 448. Rorrzr, in der Uebersetzung von Decannoıır's Physiologie. T. II. p.
712. Anm, 2,
— 319 —
ner) überhaupt gelb und roth gewordene Chlorophyllkörner gebe, und RoerEr') zeigte, dass zuweilen grüne
Chlorophylikörner in dem gefärbten Zellensafte vorkommen.
Diese Umstände mussten zwar Zweifel an der Richtigkeit der Lehre von den vegetabilischen Farben,
wie sie von SCHÜBLER, MACAIRE-PrıncEP und DECANDOLLE aufgestellt war, erregen, sie waren aber nicht
hinreichend, dieselbe Als den botanischen Schriften zu verdrängen, da sie keine positiven 'Thatsachen an die
Stelle der früher angegebenen zu stellen hatten, und so traten die Grundzüge jener Lehre auch wieder in
dem neuesten Werke über Pflanzenphysiologie von Trevıranus hervor. Die bereits seit längerer Zeit vor-
auszusehende Reform wurde zwar von Pırrer?) versucht; da aber derselbe das Räthsel auf naturphilosophi-
schem Wege zu lösen suchte und es nicht für der Mühe werth hielt, das Materielle der Pflanzenfarben zu
untersuchen, so ist seine Schrift von keiner Bedeutung. Dagegen wurde diese Reform von Cramor Mar-
ouarr?) in einer kleinen, aber in dieser Lehre Epoche machenden Schrift eingeleitet. Auch Marovarır nimmt
an, dass die gelben, rothen und blauen Farbstoffe aus einer Umwandlung des Chlorophylis entstehen, er
läugnet dagegen durchaus die Existenz einer oxydirten gelbrothen und desoxydirten blaurothen Farbenreihe,
indem das Materielle derselben nicht vorhanden sei; dagegen nimmt er an, dass das Chlorophyll durch Ent-
ziehung von Wasser einen blauen, und durch Aufnahme von Wasser einen gelben Farbstoff liefere. Dieser
blaue Farbstoff, das Anthokyan, ist ein im Wasser, aber nicht in absolutem Weingeiste auflöslicher
Extractivstoff von blauer Farbe, welcher durch Säuren roth und durch Alkalien grün gefärbt wird; in
ihm ist die Farbe aller blauen, violetten, rothen, braunen und vieler pomeranzenfarbenen Blüthen begründet,
und ebenso kommt er in allen rothen, violetten oder blauen Blättern und zuweilen in den nicht perenniren-
den Wurzeln vor.
Der Farbstoff der gelben Blüthen dagegen, das Anthoxantin, ist ein harziger Extractivstoff, zum
Theil in Wasser, zum Theil nur in absolutem Alkohol oder Aether löslich, welcher durch Schwefelsäure in-
digblau gefärbt wird.
Diese beiden Farbstoffe können in demselben Blumenblatte vorkommen, sie sind aber alsdann in ver-
schiedenen Zellen enthalten, und zwar das Anthoxanthin in den tiefer gelegenen Zellen, das Anthokyan in
den oberflächlichen, so dass dadurch eine grosse Mannigfaltigkeit von Färkungen der Blumenblätter hervor-
gebracht wird, je nachdem die Farbe der unteren Schichte durch die obere durchscheint, oder von ihr ge-
deckt wird, je nachdem das Anthokyan blau oder durch eine Säure geröthet ist u. dgl. m. |
Diese Entdeckungen von MargvArr erklären auf eine sehr genügende Weise die Umstände, welche
MAcAIRE-PRINCEr zu seinen irrigen Schlussfolgerungen verleitet hatten, nämlich die Zurückführung der im
Herbste roth gewordenen Blätter zur grünen Farbe durch Alkalien, und die Röthung mancher Blätter durch
Säuren. Die Blätter färben sich nämlich im Herbste nicht dadurch roth, dass ihr Chlorophyll sich in einen
4) In der Uebersetzung von Decanvorr’s Physiologie. Tom. I. p. 687. Anm,
2) Das wechselnde Farbenyerhältniss in den verschiedenen Lebensperioden des Blattes.
3) Die Farben der Blüthen. 1855.
A8*
— 350 —
rothen, harzartigen Farbstoff verwandelt, sondern durch Bildung von Anthokyan!) neben dem eine gelbliche
Färbung annehmenden Chlorophylle, und dieses durch eine Säure geröthete Anthokyan wird durch Alkalien
grün gefärbt; es gleicht jedoch diese durch die Alkalien erzeugte grüne Farbe nicht dem sommerlichen Grün
der Blätter, sondern sie hat einen spangrünen Ton.
Ob jedoch die Röthung von grün gefärbten Blättern durch Säuren der Anwesenheit von Anthokyan in
allen Fällen zuzuschreiben ist, scheint mir zweifelhaft zu sein, denn eine längere Einwirkung von sehr ver-
dünnter Schwefelsäure bringt bei manchen Blättern, z. B. bei denen von Robertsonia crenata Haw., in
dem untern, weiss gefärbten Theile der Blätter von Sempervivum tectorum eine röthliche Färbung her-
vor, welche kaum der Anwesenheit von Anthokyan zuzuschreiben sein möchte, da der Zellsaft vorher voll-
kommen ungefärbt erscheint und die Röthung nur bei längerer Einwirkung der Schwefelsäure hervortritt.
Auch diese Röthung beruht nicht auf einer Veränderung der Farbe der Chlorophylikörner, sondern auf Fär-
bung des Zellsaftes.
Ob Margvarr's Annahme, dass das Anthokyan sich aus Chlorophyll durch Entwässerung desselben
bilde, durch hinlängliche Gründe unterstützt sei, möchte ich bezweifeln, wenigstens kann ich dem Um-
stande, auf welchen er sich stützt, keinerlei Beweiskraft zuschreiben. Marguarr beobachtete nämlich,
dass das Chlorophyll durch concentrirte Schwefelsäure mit der intensivsten blaugrünen Farbe aufgelöst wird,
und dass diese Flüssigkeit, mit Weingeist übergossen, dunkel indigblau wird. Man kann diesen Versuch unter
dem Mikroskope machen, wenn man einen zarten Durchschnitt eines Blattes in einen Wassertropfen bringt
und diesem eine verhältnissmässige Menge concentrirter Schwefelsäure zusetzt. Man wird alsdann in dem-
selben Verhältnisse, wie sich die Schwefelsäure im Wasser verbreitet, in einer Zelle nach der andern die
Chlorophylikörner zu einer grumosen, blaugrünen Masse zusammenfliessen und einen Theil derselben sich
mit dieser Farbe vollkommen auflösen sehen. Wenn in diesem Falle die blaue Farbe die künstliche Bildung
von Anthokyan aus Chlorophyll anzeigen soll, so ist nicht einzusehen, warum dasselbe, ungeachtet der Ge-
genwart von freier Schwefelsäure, mit blauer und nicht mit rother Farbe erscheint. Soll aber die blaue
Farbe nicht auf wirkliche Bildung von Anthokyan schliessen lassen, so ist überhaupt nicht einzusehen, wie
aus diesem Versuche irgend ein Schluss auf die Zusammensetzung und Bildung des Anthokyans gemacht
werden kann.
Ein zweiter Umstand würde vielleicht eher als ein Beweis für die MarguArr'sche Ansicht angeführt
werden können, wie denn der Urheber selbst grossen Werth auf ihn zu legen scheint, nämlich die Thatsache,
dass die Zellen, welche in späteren Lebensperioden Anthokyan enthalten, in früheren Chlorophyll enthalten
und dass dieses verschwindet, wenn sich Anthokyan bildet. Maroguvarr scheint dieses als eine über allen
Zweifel erhabene Sache angenommen zu haben, indem er anführt, es seien in ihrer Jugend alle Blumenblät-
ter grün, diese grüne Farbe gehe bei den gelben Blüthen unmittelbar in die gelbe, bei den blauen und rothen
1) Es ist hiebei gleichgültig, ob dieser Farbstoff ein durch Säure gerötheter blauer, oder wie Bzszerıus an-
giebt, ein an und für sich rother (Erythrophyll) ist.
— 33 —
vorher in die weisse über. Allein hat sich MArguarr auch durch anatomische Untersuchung überzeugt, ob
gerade die Zellenschichten, welche später Anthokyan enthalten, in der Knospe Chlorophyll enthalten? Ich
bin weit entfernt, aus der Unterlassung dieser Untersuchung einen Vorwurf abzuleiten, denn dieselbe mag
bei den noch schuppenförmigen, in der Knospe verborgenen Blumenblättern oft ihre grossen Schwierigkeiten
haben, allein ich kann nicht umhin, anzuführen, dass die Erscheinungen, welche man an den rothgefärbten
Blättern beobachtet, nicht für ein solches Alterniren des Chlorophylis und Anthokyans sprechen. In der Mehr-
zahl der Fälle kommt nämlich bei den Vegetationsblättern das Anthokyan in den Zellen der Epidermis vor,
also in einem Organe, in welchem nur sehr selten und eigentlich ausnahmsweise Chlorophylikörner gefunden
werden. Wenn ferner der Zellsaft einer grösseren oder geringeren Anzahl von Zellen des Mesophyllums
sich durch Bildung von gesäuertem Anthokyan roth färbt, so finden sich in der Regel in diesen Zellen eben
sowohl Chlorophylikörner, als in den sie umgebenden, einen ungefärbten Zellsaft enthaltenden Zellen, nur
erfordert es zuweilen einige Aufmerksamkeit, um in den rothgefärbten Zellen die Chlorophylikörner zu se-
hen, weil ihr Saft weniger durchsichtig ist und die grüne Farbe der Chlorophylikörner durch den rothen
Zellsaft mehr oder weniger verhüllt wird. Auf diese Weise fand ich z. B. die mit rothem Safte gefüllten Zel-
len des Mesophyllums beschaffen bei Hedera Helix, Seedum album, Sempervivum tectorum, Bupleu-
rum falcatum, Thymus Serpyllum, Bromus mollis, Hieracium Pilosella, Dianthus chinensis.. Dieses
alles ist freilich noch kein Beweis gegen die Richtigkeit der Marguarr’schen Ansicht von Entstehung des
Anthokyans, sondern soll blos zeigen, dass die zur Unterstützung derselben beigebrachten Beweisgründe zur
sichern Begründung derselben noch nicht hinreichen, besonders wenn man ins Auge fasst, dass auch bei den
Blüthen sehr häufig sich eine rothe oder blaue Farbe entwickelt, nachdem schon längst jede Spur einer grü-
nen Färbung verschwunden ist; ich erinnere nur an die rothen Flecken, welche sich auf den Blumenblättern
von Hippocastanım vulgare nach dem Aufblühen entwickeln, an die blaue Färbung, welche die anfänglich
gelben Blüthen von Myosotis versicolor annehmen. Diese Fälle beweisen wenigstens sehr deutlich, dass
das Anthokyan sich nicht unmittelbar aus dem Chlorophyll bildet, wenn sie nicht überhaupt die völlige Un-
richtigkeit der ganzen Lehre nachweisen.
Dieses Nebeneinanderbestehen des rothen Zellsaftes und grüner Chlorophylikörner in derselben Zelle
ist besonders deutlich erkennbar bei solchen Blättern, welche im Sommer vollkommen grün sind, im Winter
mehr oder weniger roth werden und im folgenden Sommer wieder ihre grüne Farbe annehmen, wie dieses
bei den vorhin angeführten Pflanzen zum Theile der Fall ist. Man trifft nämlich bei denselben, wenn die
rothe Farbe ihren Sitz in den Zellen des Mesophyllums hat, in diesen Zellen eben sowohl Chlorophylikörner,
als in den nebenliegenden Zellen, deren Saft ungefärbt ist und welche desshalb eine grüne Farbe zeigen. Ob
die Menge der in den rothen Zellen liegenden Chlorophylikörner eben so bedeutend ist, wie in den grünen
Zellen, lässt sich nicht wohl entscheiden, da die Anwesenheit des rothen Pigmentes dieser Vergleichung grosse
Schwierigkeiten in den Weg legt; ich kann desshalb auch nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass in diesen
Zellen die Menge des Chlorophylis nicht vermindert ist; kaum aber möchte die anatomische Untersuchung im
Stande sein, den Beweis zu liefern, dass das rothe Pigment sich auf Kosten des Chlorophylis gebildet hat.
= —_— 32 —
Nicht selten trifft man in den Zellen des Mesophyllums nur einen Theil des Zellsaftes roth gefärbt,
z. B. in der einen Hälfte einer in die Länge gestreckten Zelle, oder in der Mitte der Zelle, ohne dass dabei
in dem gefärbten Theile der Zelle eine Auflösung der Chlorophylikörner bemerklich ist. Diese theilweise
Färbung des Zellsaftes einer Zelle scheint darauf hinzuweisen, dass sich das rothe Pigment nicht immer im
Zustande einer vollkommenen Auflösung im Zellsafte befindet, sonst wäre wohl eine ‚solche theilweise Ver-
breitung in dem kleinen Raume der Zelle kaum möglich, sondern sie weisst darauf hin, dass das rothe Pig-
ment häufig in einem halb geronnenen, gallertartigen Zustande vorkommt; auch findet sich zuweilen sowohl
das rothe, als das blaue Pigment in Form von Kügelchen, bei welchen ich jedoch wegen ihrer geringen
Grösse nicht entscheiden konnte, ob sie blos aus geronnenem Farbstoffe bestehen, oder ob sie einen fremd-
artigen Kern enthalten, um welchen sich der Farbstoff sammelte.
Ich habe schon oben darauf hingedeutet, dass die Bildung eines rothen Farbstoffes in solchen
Blättern, welche den Winter über bei uns im Freien ausdauern, eine sehr häufige Erscheinung sei;
man wird in der That beinahe durchgängig finden, dass die im Winter sich frisch erhaltenden Blätter, wenn
sie sich auch nicht vollkommen roth färben, doch wenigstens mehr oder weniger starke Spuren einer solchen
Färbung zeigen.
Ehe ich diesen Gegenstand weiter verfolge ,' mag es nicht unpassend sein, einige Bemerkungen über
unsere immergrünen Gewächse vorauszuschicken. Man wird bei näherer Betrachtung derselben finden, dass
sie in Beziehung auf die Erhaltung ihrer Blätter während des Winters in mehrere, jedoch nicht ganz scharf
getrennte Gruppen zerfallen.
Bei einem Theile der bei uns wild wachsenden oder häufiger cultivirten Pflanzen erhalten sich sämmt-
liche oder wenigstens die meisten im Sommer entwickelten Blätter nicht nur den. Winter über, sondern auch
den folgenden oder auch mehrere Sommer hindurch; dahin gehören die meisten Coniferen, Hedera Helix,
Iberis sempertirens, Sempervivum, die meisten Arten von Sedum, Empetrum nigrum, Azalea pro-
eumbens, Arbutus Uva ursi, Rhododendrum ferrugineum, Ledum palustre, Ilex Aquifolium.
Eine zweite Classe von Blättern, welche sich im Winter grün erhalten, gehört zweijährigen oder auch
ausdauernden Pflanzen an, welche aus sogenannten Wurzelblättern gebildete Blattrosetten besitzen, die sich
im Laufe des vorausgehenden Sommers und Herbstes bei den aus Samen aufgewachsenen Pflanzen, oder
aus Knospen, welche aus dem Mittelstock ausschlagen, entwickeln. Diese Blattrosetten erhalten sich den
Winter über frisch und grün, sterben aber im Frühjahr, wenn die Frühlingsfröste und die grössere Sonnen-
wärme auf sie einwirken, theilweise ab. Die Blätter dieser Rosetten sind nämlich nicht alle gleich gross und
gleich weit entwickelt, sondern die äusseren haben bereits im vorausgegangenen Herbste ihre volle Ausbil-
dung erreicht, die innersten sind noch vollkommen unentwickelt, so dass die ganze Rosette eine in ihrer
Entwicklung durch die Winterkälte unterbrochene Blattknospe darstellt. Von diesen Blättern stirbt nun von
aussen herein ein grösserer oder kleinerer Theil ab, die äussersten, vollkommen ausgewachsenen gehen in
der Regel gänzlich zu Grunde, die mittleren oft nur theilweise, die inneren wachsen dagegen weiter und
es erhebt sich, wenn die Pflanze einen Stengel treibt, derselbe aus der Mitte der Kuospe. Diese Pflanzen
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sind daher ebenfalls immergrün, wie die der vorausgehenden Abtheilung, die Lebensdauer der Mehrzahl
ihrer Blätter beträgt dagegen nicht, wie bei den Coniferen u. s. w., mehr als ein Jahr, so dass Blätter von
mehreren, auf einander folgenden Sommern zu gleicher Zeit sich an der Pflanze im grünen Zustande finden,
sondern die Lebensdauer der Mehrzahl der vorjährigen Blätter dauert nur bis zur Entwicklung der diessjäh-
rigen. Zu dieser Classe von Blättern gehören die Wurzelblätter der meisten zweijährigen Pflanzen und die
untersten Stammblätter vieler ausdauernden Pflanzen mit jährlich absterbendem Stengel und perennirendem
Wurzelstocke, z. B. Plantayo major, lanceolata ete., Dipsacus fullonum, ferox, laciniatus, Echium
vulyare, Verbascum Lychnitis, Thapsus, nigrum ete., Hieracium Pilosella, bifurcum, fallax ete.,
Stcorzonera hispanica, viele Umbelliferae (z. B. manche Arten von Bupleurum, Chaerophyllum), fer-
ner manche Arten von Lychmis (z. B. L. viscosa, paniculata), manche Rosaceae z. B. Fragaria vesca,
viele Arten von Potentilla, Geum rivale, virginianum, Spiraea Filipendula, Poterium Sanguisorba,
manche Cruciferae z. B. Isafis tinctoria, Erysimum hieracifolium, crepidifolium eic.
An diese Pflanzen schliessen sich als dritte Abtheilung theils einjährige Pflanzen, welche noch im
Herbste gekeimt haben, aber erst im nächsten Frühjahre zur Blüthe kommen, theils ausdauernde Pflanzen,
welche im Herbste neue Aeste zu entwickeln angefangen haben, an. Wie bei den Pflanzen der vorausge-
henden Abtheilung, wird das Wachsthum ihres Stammes durch die Winterkälte unterbrochen und beginnt
wieder bei der zurückkehrenden Wärme des Frühjahres, sie unterscheiden sich im Grunde nur dadurch von
den in der zweiten Abtheilung angeführten Pflanzen, dass die im Herbste entwickelten Blätter keine auf dem
Boden ausgebreitete Rosette bilden, sondern dass bereits ein längerer oder kürzerer Stengel getrieben ist,
welcher mit Blättern von jeder Stufe der Ausbildung besetzt ist. Im kommenden Frühjahre sterben meistens
die untersten Blätter, welche schon im Herbste ihre volle Grösse erreicht haben, ab, die kleineren, welche
ihr volles Wachsthum noch nicht erreicht haben, fahren dagegen fort, sich weiter zu entwickeln. Zu dieser
Abtheilung gehören ein grosser Theil der Gräser, z. B. Bromus mollis, manche Euphorbien, z. B. E. La-
thyris, Peplus, manche Arten von Veronica, z.B. V. agrestis, arvensis, Chamaedrys, Anftirrhinum
majus, Cerinthe minor, Senecio vulgaris, Sonchus oleraceus, Achillea Millefolium, Anthemis tinc-
toria, Geranium robertianum, Hypericum perforatum, dubium, Thlaspi Bursa pastoris, Medicago
sativa, Papaver Rhoeas, Chelidonium majus etc.
Die Blätter der Pflanzen, welche diese letzte Abtheilung bilden, leben wohl nur in seltenen Fällen ein
ganzes Jahr lang, und diese Pflanzen gehören nur in so ferne zu den immergrünen Gewächsen, als der Ve-
getationscyclus derselben oder auch nur einzelner Aeste derselben im Spätsommer und Herbste beginnt, und
im nächsten Sommer endigt; während die Blätter derselben Pflanze, wenn sie sich im Frühjahre entwickeln,
in der Regel auch noch in demselben Sommer wieder absterben.
Ich glaubte, auf diese Verhältnisse aufmerksam machen zu müssen, weil die Blätter dieser verschie-
denen Abtheilungen von Pflanzen, wenn sie gleich alle im Winter frisch und grünend sind, sich dennoch in
sehr verschiedenen Verhältnissen in Beziehung auf ihr Lebensalter befinden. Die Blätter solcher Pflanzen,
deren Zweige sich in eine geschlossene Knospe endigen und bei welchen die Blätter eines Jahrestriebes
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sich schnell nach einander in der ersten Hälfte des Sommers entwickeln, z. B. die Blätter von Pinus, Abies,
Rhododendrum etc., haben alle bis zum Herbste ihr volles Wachsthum erreicht; wenn dieselben mehrere
Jahre hindurch leben, so sind daher die Veränderungen, welche sie im Winter. erleiden, unabhängig von den
Veränderungen, welche wir das Blatt in seinen ersten Entwicklungsstufen durchlaufen sehen, und eben so
unabhängig von den Veränderungen, welche das Blatt in der seinem Absterben vorangehenden Periode
erleidet. r
Bei denjenigen Pflanzen dagegen, welche in dem einen Sommer eine Rosette von Wurzelblättern und
im zweiten einen Stengel oder Blüthenschaft entwickeln, ist wenigstens ein Theil der die Rosette bildenden
Blätter im Winter dem Absterben nahe; die Veränderungen, welche man an solchen Blättern beobachtet,
können daher eben sowohl Folge des Alters und Zeichen des herannahenden Todes, als Folge des Einflusses
des Winters sein. Dasselbe findet statt bei den untersten Blättern solcher immergrünen Pflanzen, bei wel-
chen die Entwicklung von Blättern nicht periodenweise, sondern ununterbrochen erfolgt, wie bei Semper-
vivum, und eben so bei den untersten Blättern von einjährigen Pflanzen oder einjährigen Trieben ausdauern-
der Pflanzen, wie z. B. Veronica agrestis, Achillea Millefolium, welche sich im Herbst entwickelt haben
und sich bis zum nächsten Sommer erhalten.
Der umgekehrte Fall tritt dagegen bei den innersten und jüngsten Blättern dieser Pflanzen ein, deren
erste Entwicklungsperioden durch die Winterkälte.unterbrochen werden, und bei welchen desshalb die Ver-
änderungen, welche Folge des Winters sind, zusammentreffen mit den Veränderungen, welche bei normalem
Verlaufe der Vegetation die Entwicklung der Blätter begleiten.
Nun ist es aber eine allgemein bekannte Thatsache, dass die Blätter sehr vieler Gewächse in den er-
sten Tagen und zum Theile Wochen ihrer Entwicklung darin den im Herbst absterbenden Blättern gleichen,
dass sie eine ähnliche, rothe oder bläuliche Färbung zeigen; es entsteht daher vor allem die Frage, ob die
zothe Färbung der Blätter im Winter eine von der herbstlichen Färbung der absterbenden Blätter und von
der rothen Färbung der sich entwickelnden Blätter unabhängige Erscheinung, oder ob sie nicht vielmehr bald
der einen, bald der andern dieser Ursachen zuzuschreiben sei?
Ueber die Beantwortung dieser Frage kann kein Zweifel stattfinden bei solchen Pflanzen, deren Blät-
ter den Sommer über vollkommen grün sind, sich den Winter über mehr oder weniger tief roth färben und
im nächsten Sommer wieder grün werden, in so ferne hei diesen Blättern die Röthung in einer Periode statt-
findet, welche zwischen der ersten Entwicklung und zwischen dem Absterben der Blätter in der Mitte liegt,
und von diesen beiden Zeitabschnitten durch eine Periode, in welcher das Blatt vollkommen ‘grün ist, ge-
trennt wird. Dieses findet z. B. statt bei vielen Arten von Sedum, besonders bei Sedum album, bei wel-
chem die Blätter im Winter und Frühjahre tief braunroth gefärbt sind, in weniger auffallendem Grade bei
Sedum aere, sexangulare, anglicum, hybridum, lividum, Anacampseros, ferner bei Sempervivum
tectorum, bei welchem die rothe Färbung während des Winters sich von der Blattspitze aus beinahe über
das ganze Blatt verbreitet, bei Hedera Helix, hei welcher das Blatt eine braune Färbung annimmt.
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Eben so sind wir aber auch bei denjenigen Pflanzen, welche ich oben in die zweite und dritte Abthei-
lung der wintergrünen Gewächse stellte, genöthigt, die rothe Färbung, welche ihre Blätter im Winter zeigen,
dem Einflusse der Winterkälte zuzuschreiben, da bei ihnen, wenn jüngere, halb entwickelte Blätter neben
vollkommen ausgewachsenen, die im nächsten Frühjahre oder Sommer absterben, zugleich vorhanden sind,
alle diese Blätter gleichförmig im Winter eine röthliche oder bräunliche Färbung annehmen. Da nämlich
hier die Blätter des verschiedensten Entwicklungsgrades derselben Veränderung der Farbe unterworfen sind
und da wir diese Farbe nur während des Winters beobachten, aber nie bei Trieben, welche sich während
der günstigen Jahreszeit entwickeln, so können wir diese Färbung auch nur dem Einflusse des Winters zu-
schreiben. Dabei kommt es nun freilich auch häufig vor, dass sich diese winterliche Färbung verbindet mit
der Färbung, welche dem Absterben des Blattes vorausgeht, und mit derjenigen, welche den ersten Entwick-
lungsperioden des Blattes eigen ist; allein es lässt sich meistens bei genauerer Betrachtung der Einfluss dieser
verschiedenen Ursachen unterscheiden.
Diejenigen Blätter, welche sich blos durch den Einfluss des Winters roth färben, besitzen nämlich
immer ein saftiges, festes Blattparenchym, welches entweder durchaus eben so schön grün gefärbt ist,
wie während des Sommers, in welchem Falle alsdann die rothe Farbe nur in der Epidermis ihren Sitz hat,
oder welches wenigstens, wenn auch rothes Pigment in einem Theile des Mesophyllums sich entwickelt, in
denjenigen Schichten, in welchen dieses Pigment sich nicht entwickelte, seine grüne Farbe vollkommen un-
verändert erhält. Bei solchen Blättern dagegen, welche dem Absterben nahe sind, und bei welchen man
desshalb eine Verbindung der winterlichen Färbung mit der Färbung des absterbenden Blattes vermuthen
kann, ist das Blattparenchym meistens weit schlaffer, weniger tief grün gefärbt und saftloser. Das ganze
Blatt ist häufig, wenn man es gegen das Licht hält, durchscheinender, seine rothe Farbe ist heller, nähert
sich dem Ziegelrothen oder Zinnoberrothen, während das noch frische, lebenskräftige Blatt, weil sich bei
ihm das dunklere Grün der rothen Farbe beimischt, eine mehr braunrothe Färbung zeigt.
Diese Unterschiede sind sehr auffallend, wenn man die äusseren, dem Absterben sich nähernden Blätter
mit den jüngeren vergleicht, z. B. bei Fragaria vesca, Hieracium Pilosella, Bupleurum falcatum, Isatis
tinctoria ; sie treten aber erst im Frühjahre beim Wiederbeginnen der Vegetation lebhaft hervor, während des
Winters selbst sind sie dagegen kaum bemerklich. Es gehört nämlich, wie ich schon oben anführte, zu den Ei-
genthümlichkeiten vieler bei uns einheimischer Gewächse, dass ihre älteren Blätter sich den ganzen Winter
über frisch und saftig erhalten, wie die jüngeren Blätter, welche im Frühjahre wieder zu neuem Leben er-
wachen, und dass sie erst im Frühjahre bei der Einwirkung der grösseren Wärme und der Morgenfröste ab-
sterben. Man kann dieses bei allen oben in der zweiten und dritten Abtheilung aufgeführten Pflanzen be-
obachten; es kommt aber auch bei einigen Holzgewächsen vor, deren Blätter im Winter zwar mehr oder
weniger braunroth gefärbt, aber noch saftig sind und erst am Ende desselben oder im Frühjahre wirklich ab-
sterben, z. B. Ligustrum vulgare, Crataegus Pyracantha, Erica vulgaris.
Da wir nun also bei denselben Pflanzen Blätter finden, welche sich im Winter roth färben und im Früh-
Jahre absterben, während andere Blätter sich auf gleiche Weise roth färben, aber im Frühjahre nicht ab-
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sterben, sondern wieder grün werden und weiter wachsen, da wir ferner bei einigen Holzgewächsen, z. B.
Crataegus Pyracantha, Ligustrum, die Blätter sich auf gleiche Weise roth färben sehen, wie bei den
Bäumen, die sich im Herbste_entblättern, ohne dass aber dieselben sogleich absterben, sondern im Gegentheile
die Blätter noch den ganzen Winter über frisch und saftig bleiben und erst im Frühjahre vertrocknen und
abfallen, da ferner die Blätter einer grossen Anzahl oder vielmehr der Mehrzahl der Pflanzen absterben,
ohne vorher roth zu werden, so sind wir, wie ich glaube, vollkommen berechtigt, jeden Zusammenhang
zwischen der Erzeugung einer rothen Farbe und zwischen dem Absterben der Blätter zu läugnen und anzu-
nehmen, dass die Erzeugung der rothen Farbe der Blätter im Herbste und Winter Folge der in dieser Jah-
reszeit eintretenden Veränderung der physiologischen Functionen des Blattes ist, dass aber das Absterben
der Blätter nur zufälliger Weise bei einem Theile der Pflanzen mit dieser Periode zusammentrifft, während
es bei andern erst Monate lang nachher eintritt, wenn die Zeit herannaht, in welcher eine neue Vegetations-
periode beginnt und die Vegetationskraft der Pflanze die alten Blätter verlässt und auf die Production von
neuen Blättern verwendet wird, während wieder bei andern Pflanzen bei wiederkehrendem Frühjahre die
Blätter ihre früheren Functionen übernehmen und damit die rothe Färbung wieder verschwindet. Wir sind
um so mehr dazu veranlasst, den Zusammenhang zwischen dem Absterben der Blätter und zwischen der Er-
zeugung einer rothen Farbe zu läugnen, da auch andere Umstände die Erzeugung einer rothen Farbe ver-
anlassen, z. B. die Beeinträchtigung der normalen Functionen und Entwicklungsweise der Blätter durch In-
sectenstiche oder die Entstehung von Entophyten, von welchen Umständen man nicht sagen kann, dass sie
das Blatt dem Absterben entgegenführen, indem sie häufig seine Vegetationskraft zwar anomal machen, aber
steigern und zu Wucherungen seines Parenchymes Veranlassung geben. Hiezu kommt noch ferner, dass die
geographische Lage des Standortes bei vielen Pflanzen von bedeutendem Einflusse auf die Erzeugung eines
rothen Pigmentes ist, und Veranlassung wird, dass dasselbe auch im Sommer, während der kräftigsten Ve-
getation, hervortritt. Diese Eigenschaft scheint nämlich das Clima der hohen Gebirge und anderntheils der
Sumpfboden zu besitzen, wenigstens ist es in den Alpen im höchsten Grade auffallend, wie so viele Pflanzen
‚aus der Familie der Laubmoose und Lebermoose, z. B. die Arten von Sphaynum, viele Arten von Bryum,
Grimmia, Jungermannia, eine hellrothe oder braunrothe Färbung zeigen, während dieselben Arten im
ebenen Lande eine grüne Färbung besitzen. Weniger auflallend ist dieser Einfluss des Alpenclimas bei den
Phanerogamen, er lässt sich aber dennoch bei manchen Gewächsen der Schneeregion, z. B. bei den Blättern
von Sazifraga biflora, oppositifolia, bei Ajuga pyramidalis 8 alpestris Gaud., bei der dunklen
Färbung vieler Gräser, bei der braunvioletten Farbe der Bracteen von Carex atrata, nigra, foe-
tida ete., nicht verkennen, und ebenso zeigt im hohen Gebirge im Herbste die ganze Vegetation ein
so lebhaftes Roth, wie man es im ebenen Lande nie und in hügeligen Gegenden kaum auf ausgedehn-
ten Torfmooren sieht.
Die äusseren Einflüsse, denen die Pflanzen auf den Alpen ausgesetzt sind und welche die Bildung des
rothen Pigmentes in ihren Blättern begünstigen, können vielleicht in Parallele gesetzt werden mit denen,
welche im ebenen Lande im Herbste die Erzeugung desselben veranlassen, und es mag vorzugsweise die Ab-
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wechslung von warmen Tagen mit kalten Nächten nicht ausser Rechnung zu lassen sein. Uebrigens ist aufden
Alpen auch die Einwirkung eines sehr kräftigen Lichtes ins Auge zu fassen. Wir sehen nämlich bei den Pflan-,
zen, welche bei unsim Herbste und Winter rothe Blätter bekommen, dass die rothe Farbe häufig an den dem
Lichte ausgesetzten Blättern sich aufs intensivste entwickelt, während diejenigen Blätter oder auch Theile von
Blättern, welche durch Bedeckung vor dem Einflusse des Lichtes geschützt sind, vollkommen grün bleiben.
Wenn es nach dem Gesasten als gewiss anzunehmen ist, dass die Erzeugung eines rothen Pigmentes
in den Blättern während des Herbstes und Winters nicht mit der um diese Zeit vorgerückten Lebensperiode
und mit dem herannahenden Absterben der Blätter in Verbindung zu bringen, sondern von einer durch cli-
matische Einwirkungen veranlassten Aenderung der physiologischen Function abzuleiten ist, so verhält es
sich dagegen mit der rothen Färbung, welche die Blätter nach dem Ausschlagen zeigen, umgekehrt, denn
diese zeigt sich vollkommen unabhängig von den Abwechslungen der Temperatur, erfolgt eben so wohl bei
Pflanzen, welche im gleichförmig geheizten Gewächshause stehen, .als im Freien.
Diese Färbung kann zwar mit der winterlichen Färbung nicht verwechselt werden, indem die letztere
sämmtliche Blätter der Pllanze, unabhängig von ihrem Alter, ergreift; sie kann jedoch zufälligerweise mit ihr
zusammentreffen, wenn die Vegetation junger Triebe vom Eintritt des Winters unterbrochen wird.
Es wurde schon von mehreren Pflanzenphysiologen darauf aufmerksam gemacht, dass die herbstliche
Färbung der Blätter im Zusammenhange mit der Färbung der Früchte stehe, z. B. beim Weinstocke, bei
Rhus u. s. w., d. h., dass Pflanzen mit rothen oder blauen Früchten auch an den Blättern im Herbste eine
rothe Färbung zeigen, wogegen die Blätter solcher Pflanzen, deren Früchte kein rothes Pigment enthalten,
sich im Herbste nicht roth färben. Dieser Zusammenhang zwischen der Farbe der Frucht und der Blätter
ist in vielen Fällen unläugbar, er ist aber, wie aus dem unten folgenden Verzeichnisse von Pflanzen, deren
Blätter sich im Winter roth färben, erhellt, weit entfernt, eine allgemeine Regel zu sein, in so ferne die
rothe Färbung der Blätter bei einer Menge von Pflanzen vorkommt, bei welchen sich in den Früchten kein
rothes Pigment entwickelt.
Diese Uebereinstimmung der Blatt- und F'ruchtfarbe ist jedoch in so ferne von Interesse, als sie an-
zeigt, dass die Vegelationsblätter, wenn sie im Herbste und Winter aufhören, den für die Zwecke der Er-
nährung und des Wachsthumes dienenden Functionen der Respiration und Aushauchung vorzustehen, in
Beziehung auf ihr chemisches Verhalten und ihre Farbe eine Annäherung zu den Fructificationsblättern zei-
gen; eine Umwandlung, welche freilich nur höchst unvollständig erreicht wird, und bei günstigen äusseren
Verhältnissen, welche das unterbrochene Wachsthum aufs neue erregen, wieder aufgehoben wird.
Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, wäre die Erzeugung des rothen Pigmentes in den Blättern
und die Veränderungen, welche sie überhaupt dabei erleiden, ein Vorgang, welcher mit dem Reifungspro-
cesse der saftigen Fruchthüllen zu vergleichen wäre. Eine in allen Punkten durchgeführte Parallele zwischen
diesen beiden Processen lässt sich bei dem gegenwärtigen Stande der Pflanzenphysiologie noch kaum zie-
hen, doch dürften folgende Bemerkungen vielleicht den Beweis liefern, dass die Veränderungen, welche die
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Vegetationsblätter durchlaufen, Aehnlichkeit mit denjenigen Veränderungen zeigen, welche bei den Carpel-
larblättern, die ja ohnediess den Vegetationsblättern ziemlich nahe stehen, beobachtet werden.
Nachdem nämlich beide Arten von Blättern, sowohl die Carpellarblätter, als Vegetationsblätter, auf
gleiche Weise während ihrer Entwicklung bis zur Vollendung ihres Wachsthumes grün gewesen sind, den
aufsteigenden Saft angezogen, bei Tag Sauerstoff und bei Nacht Kohlensäure ausgehaucht, Wasser ausge-
dünstet und wahrscheinlich beide auf gleiche Weise den aufsteigenden, rohen Saft in Nahrungssaft verwan-
delt haben, und nachdem kürzere oder längere Zeit hindurch dieser Zustand stationär geblieben ist, so kann
derselbe bei beiden eine doppelte Veränderung erleiden. Entweder stirbt nämlich das Vegetationsblatt
(z. B. bei den meisten krautartigen Gewächsen) und das Carpellarblatt (bei den häutigen Pericarpien) ab,
und vertrocknet, ohne vorher andere Veränderungen zu erieiden, als Verwandlung seines Chlorophylis in
Blattgelb oder Aufsaugung des Chlorophylis; oder es erleiden beide Arten von Blättern eine von ihrem bis-
herigen Wachsthume unabhängige Umwandlung ihrer Säfte, welche mit Bildung eines (bei den Blättern im-
mer, bei den Früchten wenigstens meistens rothen oder blauen) Pigmentes verbunden ist.
Dass bei den Früchten dieser Process unabhängig von der Ernährung ist, erhellt daraus, dass sie
auch von der Pflanze im unreifen Zustande getrennt noch ihre Reife erlangen; bei den Blättern erhellt
dasselbe aus dem Umstande, dass die Pigmentbildung im Herbste und Winter eintritt, also zu einer Jahres-
zeit, in welcher die Aufsaugung von rohem Safte, die Verarbeitung desselben im Blatte, die wässerige Aus-
dünstung des letzteren, die Aushauchung von Sauerstoff hei Tage entweder völlig aufgehört haben oder
doch auf ein Minimum reducirt sind. Ob auch ausser der Pigmentbildung im winterlich gefärbten Blatte eine
ähnliche Umwandlung der ganzen Säftemasse eintritt, wie in der reifenden Frucht, lässt sich wegen des Man-
gels von vergleichenden Analysen der Blätter in dieser und in früheren Lebensperioden nicht entscheiden.
Bei dieser Vergleichung des Zustandes der Blätter im Winter und der reifenden Frucht dürfen wir
jedoch nicht vergessen, dass derselbe bei den Früchten die letzte Lebensperiode derselben bezeichnet, zwar
noch kein Zeichen des Absterbens selbst ist, dennoch aber nie mehr in den früheren Zustand zurückkehrt;
bei den Blättern bezeichnet derselbe zwar ebenfalls sehr häufig die letzte Lebensperiode, eben so häufig ist
aber auch der Zustand der Pigmentbildung nur vorübergehend und es kehrt der Zustand des grünen Blattes
zurück, namentlich in den Fällen, wenn die Vegetation eines noch nicht erwachsenen Blattes von der Win-
terkälte unterbrochen wird.
Die äusseren Umstände, welche die Reifung der Früchte begünstigen und die Pigmentbildung der
Blätter bedingen, sind sehr verschieden. Bei den Blättern ist es die Kälte, welche ihren Vegetationspro-
cess, die Aufsaugung und Verarbeitung von rohem Nahrungsstoffe und die Respiration unterbricht und welche
Veranlassung giebt, dass sich, wenn zugleich Licht auf die Blätter einwirkt, rothes Pigment in ihnen bildet.
Bei den Pericarpien dagegen, deren Entwicklung ein zusammengesetzterer Process ist, indem sie nicht
blos von der individuellen Anlage der Carpellarblätter abhängig ist, sondern zugleich auch unter dem
Einflusse der Entwicklung und Reifung der Samen steht, ist es die Wärme, welche die vollkommene Ent-
wicklung der Pericarpien und der Samen begünstigt und somit den Eintritt der letzten Lebensperiode der-
selben beschleunigt.
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Sowohl bei Blättern, als Früchten kann die Pigmentbildung vor der Zeit herbeigeführt werden, wenn
durch äussere Veranlassungen ihre normale Entwicklung und ihr Ernährungsprocess gestört werden, z. B.
durch Insectenstiche, durch Lostrennen von der Pflanze u. del. In solchen Fällen wird der Zufluss von
Saft und die Verarbeitung desselben in den grünen Organen vor der Zeit abgeschnitten oder gestört und es
tritt damit Pigmentbildung ein, wie beim normalen Aufhören dieser Functionen. Dieser Umstand, so wie
die Färbung der im Hersbte abfallenden Blätter, scheint auf den ersten Anblick die gewöhnliche Annahme,
dass die Pigmentbildung ein Zeichen des Absterbens sei, zu begünstigen; er beweist aber blos, dass die Pig-
mentbildung die Begleiterin verschiedenartiger Störungen des normalen Vegetationsprocesses der Blätter und
ihrer Verarbeitung von rohem Safte ist, dagegen muss man es für zufällig halten, dass sie in diesen Fällen
in einem dem Absterben nahen Organe eintritt, indem sie, wie ich schon oben anführte, häufig genug in
Blättern auftritt, welche noch lange Zeit leben und wieder grün werden.
Mit der Pigmentbildung in grünen Blättern, welche durch äussere Veranlassungen an der Verarbeitung x
des rohen Saftes gehindert werden, steht die Färbung der parasitischen Gewächse in Uebereinstimmung. Da
nämlich die wahren Parasiten grösstentheils von dem schon verarbeiteten Nahrungssafte der Pflanzen, auf
denen sie schmarotzen, leben, so beänden sie sich in so ferne in einem ähnlichen Zustande, wie die durch
die Winterkälte ausser Thätigkeit gesetzten Blätter, als sie ebenfalls keinen oder wenig rohen, aufsteigenden
Saft anziehen und verarbeiten; eben damit fehlt aber auch der Mehrzahl derselben die grüne Färbung und
es tritt eine ziemlich lebhafte Pigmentbildung ein.
Auch ist es vielleicht erlaubt, mit denselben Umständen die rothe Färbung, welche die Blätter sehr
vieler Pflanzen kurz nach dem Ausschlagen der Knospen oder nach dem Aufgehen aus dem Samen zeigen,
in Verbindung zu bringen, denn wir dürfen wohl eine Parallele zwischen einer ausschlagenden Blattknospe
und einer parasitischen Pflanze ziehen, in so ferne die Entwicklung der Blattknospen wohl nicht unmittel-
bar durch den aufsteigenden, rohen Saft, sondern auf Kosten der im Wurzelstocke und Stamme niedergeleg-
ten Nahrungsstoffe, welche vom aufsteigenden Safte aufgelöst werden, geschieht. Die Knospe schmarotzt
desshalb in der ersten Zeit ihrer Entwicklung auf der Mutterpflanze auf ähnliche Weise, wie ein para-
sitisches Gewächs, und während dieser Zeit finden wir ihre Blätter häufig roth gefärbt; wenn dagegen
ihre Blätter eine gewisse Ausbildung erreicht haben und zur Ernährung der Pflanze durch Verarbeitung des
aufsteigenden Saftes mitwirken, so verschwindet auch die rothe Farbe derselben und es tritt die grüne Fär-
bung rein hervor.
Fassen wir die verschiedenen Umstände zusammen, unter welchen sich in den verschiedenen Pflanzen-
organen eine rothe oder blaue Färbung entwickelt, so scheinen mir vorzugsweise zwei Punkte ins Auge ge-
fasst werden zu müssen. Einmal zeigt sich im Allgemeinen diese Erscheinung unter solchen Umständen,
unter welchen die Zersetzung der Kohlensäure, die Bildung von organischer Substanz aus dem rohen Nah-
rungssafte entweder noch nicht begonnen hat, wenigstens noch nicht kräftig vor sich geht, wie in der sich
entfaltenden Blattknospe und im jungen Keimpflänzchen, oder wieder temporär unterdrückt ist, wie in den
immergrünen Blättern während des Winters, oder erloschen ist, wie in den absterbenden Blättern im Herbste
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and in den reifenden Früchten, oder dem Pflanzenorgane und der Pflanze überhaupt nicht zukommt, wie
bei denBlumenkronen und Parasiten. Diese Färbung kommt also im Allgemeinen solchen Organen zu, welche
nicht selbst Nahrungssaft aus unorganischen Substanzen bereiten, sondern sich auf Kosten organischen Stof-
fes, der von anderen Organen bereitet ist, ernähren, oder in welchen die Ernährung ganz aufgehört hat
und die weiteren Veränderungen, welche in den Organen vorgehen, in einer blosen Umwandlung der schon
in ihnen enthaltenen Säfte bestehen; es verschwindet dagegen diese Färbung wieder, wenn die Bereitung von
organischem Nahrungsstoff wieder im Organe beginnt, wie dieses bei den immergrünen Blättern im Früh-
jahre geschieht, oder wenn sie erst erwacht, wie in den jungen Blättern. Ein zweiter wesentlicher Um-
stand ist die Einwirkung eines gewissen Grades von Licht. Bei einigen Pflanzen reicht hiezu schon
ein sehr geringer Lichtgrad hin, bei andern ist dagegen unmittelbare und kräftige Einwirkung des
Sonnenlichtes nöthig und wir sehen die rothe Färbung schon durch eine leichte, halb durchscheinende
Bedeckung z. B. durch ein aufliegendes Blatt verhindert werden. Das Licht ist jedoch nicht blos
äussere Bedingung zur Entstehung der rothen Farbe, sondern seine lebhafte Einwirkung giebt in man-
chen Fällen zur Erzeugung dieser Farbe selbst in kräftig wachsenden Vegetationsorganen Veranlassung,
in welchem Falle also seine Intensität das entgegengesetzte Streben dieser Organe, blos eine grüne
Farbe zu entwickeln, überwiegt. Dieses sehen wir in den Alpen an einer Masse von Pflanzen, können
aber auch dieselbe Erscheinung häufig beobachten, wenn Pflanzen, welche im Gewächshause gehalten
vollkommen grün sind, im heissen Sommer im Freien einem starken Sonnenlichte ausgesetzt werden,
besonders Pflanzen mit fleischigem Stamme, z. B. Cactus grandiflorus, welcher unter solchen Um-
ständen auf der beleuchteten Seite oft vollkommen violett wird, ferner Pflanzen mit fleischigen Blät-
tern, z. B. viele Arten von Aloe. Die Wärme scheint kaum einen directen Einfluss auf diese Er-
scheinung zu äussern, in so ferne die rothe Färbung im einen Falle im Sommer bei der heftigsten
Einwirkung des Sonnenlichtes, im andern Falle nur im Winter eintritt. In so ferne jedoch in einzel-
nen Organen, je nach ihrer Natur durch höhere Wärme, wie bei den Früchten, oder durch Mangel
an Wärme, wie bei den Blättern die inneren Bedingungen (die Unterdrückung der Verarbeitung der
rohen Nahrungssäfte) herbeigeführt werden, so hat die Temperatur auf diese Erscheinung einen auf-
fallenden, mittelbaren Einfluss, wodurch die auf den ersten Anblick so verwirrende Erscheinung erklärt
wird, dass bei dem einen Organe eine bedeutende Erhöhung, bei dem andern eine bedeutende Ernie-
drigung der Temperatur die gleichen Folgen herbeiführt.
Ich bin zwar weit entfernt, zu glauben, durch diese Bemerkungen das Räthsel, welches sich in den
besprochenen Erscheinungen ausspricht, gelöst zu haben, vielleicht tragen sie aber dazu bei, andere zu ähn-
lichen Beobachtungen zu veranlassen.
Untersucht man die im Winter roth gewordenen Blätter, so wird man, wie schon oben angeführt
wurde, das Chlorophyll wenig oder nicht verändert, dagegen neben demselben in den Zellen rothes
Pigment in grösserer oder geringerer Menge finden.
Das rothe Pigment findet sich niemals in allen Zellen des Blattes, sondern meistens nur in den äusser-
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sten Schichten sowohl der oberen, als unteren Blattfläche, während die mittleren Schichten meistens voll-
kommen grün sind; selten färben sich alle Zellen derselben Schichte roth, sondern meistens ist in einem
Theile der Zellen der Saft vollkommen ungefärbt.
In den meisten Fällen ist in den Zellen der Epidermis rother Saft enthalten, und zwar bald
nur in einzelnen, bald etwa in der Hälfte derselben, bald beinahe in allen. Es wurde vielfach,
z. B. von Trevıranus, behauptet, dass die Epidermiszellen keinen Saft, sondern Luft enthalten; ich
fand diese Angabe noch bei keiner einzigen Pflanze bestätigt, und ich glaube, dass die Untersuchung
der rothgefärbten Blätter einen noch überzeugenderen Beweis für das Saltführen der Epidermiszellen
geben kann, als die Untersuchung grüner Blätter, bei welchen Täuschung leichter möglich, jedoch auch
sehr leicht zu vermeiden ist.
Bei Untersuchung der im Winter roth gefärbten Blätter wird man häufig nur die Epidermis roth
und das ganze Mesophyllum grün gefärbt finden, z. B. bei Euphorbia Peplus, Lamium purpureum,
Glechoma hederacea, Veronica agrestis, Poterium Sanguisorba, Spiraea Filipendula, Sonchus
oleraceus, Anthemis tinctoria, Silene paniculata, viscosa, Erysimum crepidifolium, canescens,
angustifolium, Sedum hybridum.
Diese Einschränkung der rothen Färbung auf die Epidermis kommt besonders bei solchen
Pflanzen vor, deren Blätter im Herbste noch nicht vollkommen erwachsen waren, in ihrer Vegetation
unterbrochen wurden und im Frühjahre wieder weiter wachsen; die Färbung ist jedoch stark genug,
um den Blättern in vielen Fällen eine tief braunrothe oder auch eine hellrothe Farbe zu ertheilen.
Noch häufiger, als blos in der Epidermis, findet sich rother Zellsaft zugleich in dieser und in den
äussersten Schichten der Zellen des Mesophyllums, und zwar in den letzteren zugleich mit ChlorophylI-
körnern. Es findet dieses theils bei solchen Blättern statt, welche im Frühjahre wieder grün werden
und weiter wachsen, z. B. bei den Blättern von Sempervivum tectorum und Sedum album (bei -wel-
chen zwei Pflanzen die rothen Zellen durch das ganze Mesophyllum zerstreut liegen), bei den jünge-
ren Blättern von Geranium robertiamum, Fragaria vesca, Potentilla reptans, Hieracium bifurcum,
Bauhini, fallax , Pilosella, Geum rivale, theils findet es bei ausgewachsenen Blättern statt, welche
den Winter über zwar noch frisch und saftig bleiben, allein im Frühjahre absterben, z. B. bei Thymus
Serpyllum, Ligustrum vulgare, Crataegus Pyracantha, bei den älteren Blättern von Saxifraga cras-
sifolia, Fragaria vesca, Hieracium Pilosella, Geum rivale, Potentilla reptans, opaca etc.
Bei diesen älteren Blättern ist in einer grösseren Menge von Zellen des Mesophyllums rother Saft ent-
halten, als bei den jüngeren, im Frühjahre wieder grünenden, und es ergreift die Pigmentbildung, wenn sich
die Blätter dem Absterben nähern, beinahe alle Mesophyllumzellen.
Seltener ist es, dass sich das rothe Pigment nicht in den Epidermiszellen, sondern nur in den äusse-
ren Schichten des Mesophyllums entwickelt; auch hier findet es sich in Blättern, welche im Frühjahre ihre
Vegetation wieder beginnen, mehr auf die äusseren Zellen eingeschränkt, z. B. bei Chelidonium ma-
jus, Hedera Heliv, Bromus mollis, Erysimum Alliaria, Iberis sempervirens, bei den jüngeren
—_ 392 —
Blättern von Dipsacus fullonum etc., wogegen bei Blättern, die im Frühjahre absterben, die Pigment-
bildung beinahe alle Zellen des Mesophyllums (wenigstens an einzelnen Stellen des Blattes) ergreift, z. B. bei
Isatis tinctoria.
Zum Schlusse mag ein Verzeichniss von solchen, in der hiesigen Gegend grösstentheils wild wachsen-
den Pflanzen folgen, bei welchen ich in diesem Frühjahre (Februar und März) eine mehr oder weniger ent-
wickelte rothe Färbung der Blätter beobachtete. Wenn dieses Verzeichniss auch nicht reichhaltig ist, so
kann es doch zeigen, wie weit diese Eigenschaft der Blätter in der Reihe der bei uns repräsentirten Pflanzen-
familien verbreitet ist.
Gramineae. Bromus mollis. Cynodon Dactylon.
Liliaceae. Lilium candidum.
Plantagineae. Plantago major, media, lanceolata.
Dipsaceae. Dipsacus ferox, laciniatus, fullonum. Scabiosa Columbaria.
Synanthereae. Sonchus oleraceus. Hieracium Pilosella, bif:ırcum, Bauhini, fallax. Scor-
zonera hispanica. Senecio vulgaris. Anthemis tinctoria. Achillea Millefolium.
Ericeae. Erica vulgaris.
Scrophularinae. Veronica agrestis, Chamaedrys. Antirrhinum majus, Cymbalaria. Ver-
bascum Lychnitis, nigrum.
Labiatae. Thymus Serpyllum. Lamium maculatum, purpureum. Teucrium Chamaedrys.
Rubiaceae. Galium sylvaticum.
Oleineae. Ligustrum vulgare.
Umbelliferae. Bupleurum falcatum.
Araliaceae. Hedera Heli«.
Ranunculaceae. Helleborus foetidus.
Papaveraceae. Papaver Rhoeas. Chelidonium majus.
Cruciferae. Thlaspi Bursa pastoris. Isatis tinctoria. Erysimum crepidifolium, hieracifo-
lium, canescens. Iberis sempervirens. Turritis hirsuta.
Cistineae. Helianthemum vulgare.
Hypericineae. Hypericum perforatum.
Caryophylleae. Dianthus chinensis. Saponaria officinalis. Cerastium arvense. Silene
viscosa, paniculata.
Crassulaceae. Sempervivum teclorum. Sedum album, acre, anglicum, hybridum, lividum,
Anacampseros.
Geranmiaceae. Geranium robertianum.
Euphorbiaceae. Euphorbia Lathyris, Peplus.
Pomaceae. Crataegus Pyrucantha.
Dryadeae. Potentilla reptans, opaca, hirta, viscosa.
Scanguisorbeae. Poterium Sanguisorba, hybridum.
Spiraeaceae. Spiraea Filipendula.
Leyuminosae. Medicago saliva. Genista sagittalis.
— 393 —
"XXX,
Ueber
den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Alpenpflanzen.
(Dissertation vom Jahre 1838.)
Die früher in den Schriften über Pflanzenphysiologie so häufig verhandelte Frage, ob die Pflanzen
von Wasser und Kohlensäure allein leben und das Vermögen besitzen, die unorganischen Bestandtheile,
welche sie enthalten, aus den genannten Nahrungsmitteln zu bereiten, oder ob sie sämmtliche Elementar-
stoffe, welche man in ihrer Asche findet, aus dem Boden und zum Theile aus der Luft aufnehmen, diese
Frage kann in der jetzigen Zeit als eine gänzlich veraltete und keiner Discussion mehr würdige betrachtet
werden, seitdem durch die Arbeiten von Tu. Saussure u. a. das letztere als entschiedene Thatsache be-
wiesen wurde. Als eine nothwendige Folgerung aus diesem Umstande scheint hervorzugehen, dass wir die
Alkalien, Erden, Metalle, Salze u. s. w., welche aus dem Boden in die Pflanzen übergehen, eben so wohl
als Nahrungsmittel derselben zu betrachten haben, als die organischen Stoffe, das Wasser und die Gasarten,
welche die Pflanzen zur Bildung ihrer organischen Bestandtheile verwenden.
Obgleich dieses im Allgemeinen feststeht, so entsteht nun doch die Frage, ob wirklich alle diejenigen
Stoffe, welche bei der Analyse der Pilanzenasche gefunden werden, für das Leben der Pflanze nothwendig
waren und als Nahrungsmittel derselben zu betrachten sind, oder ob die Pflanze nicht eben so gut einzelne
derselben hätten entbehren können, ob nicht ein Stoff als Aequivalent für einen andern dienen kann, ob
die Pflanzen nicht häufig einzelne unorganische Stoffe aufnehmen, weil sie sich zufälligerweise im Boden
finden, welche aber ganz gleichgültig für dieselben sind und durchaus nicht als Nahrungsstoffe betrach-
tet werden müssen.
Diese Fragen in jeder Beziehung genügend zu beantworten, möchte beim gegenwärtigen Zustande der
Wissenschaft kaum schon möglich sein, denn es lassen sich zu Gunsten einer jeden dieser Ansichten be-
stimmte Thatsachen anführen.
30
—_— 3A —
Dass gewisse unorganische Bestandtheile des Bodens zum Leben bestimmter Pflanzen nothwendig
seien, dafür lässt sich mit Recht anführen, dass bei verschiedenen Pflanzen, welche neben einander
in demselben Boden stehen, das Verhältniss der von ihnen aufgenommenen Substanzen ein verschie-
denes ist, dass z. B. eine Fumaria immer sehr reich an Kali, ein Equisetum rehr reich an Kieselerde ist.
Als ein weiterer Grund lässt sich dafür angeben, dass die eine Pflanze im Salzboden, die andere im kiesel-
erdereichen, eine dritte im Kalkboden vorzugsweise kräftig gedeiht und dass das Wachsthum solcher Pflan-
zen in einem Boden, welcher diese Bestandtheile nicht enthält, durch Zumischung der fehlenden Stoffe
zur Erde befördert wird. Je grössere Genauigkeit auf die Analysen der Bodenarten und der auf ihnen ge-
wachsenen Pflanzen verwendet wurde, desto mehr stellte sich diese Ansicht als wahrscheinlich heraus, und
so war es auch sehr natürlich, dass als einer der vorzüglichsten Vertheidiger derselben CARL SpRENGEL auf-
trat, welcher in Beziehung auf die chemische Untersuchung dieser Verhältnisse mehr, als alle übrigen Che-
miker zusammen, leistete; auch ist es begreiflich, dass C. SprexseL?) im Gegensatze gegen die verbreitete
Ansicht, es seien nur die organischen Bestandtheile des Bodens als Nahrungsmittel der Pflanzen zu betrach-
ten, so weit gieng, dass er gerade die unorganischen Stoffe und den Stickstoff die Hauptrolle bei der Er-
nährung spielen lässt, dagegen die verbrennlichen oder leicht Gasgestalt annehmenden Bestandtheile des Bo-
dens nur für ernährungsvermittelnd hält?).
In Folge der Ansicht, dass die unorganischen Bestandtheile des Bodens Nahrungsmittel für die Pflan-
zen seien, muss man den Pflanzen das Vermögen zuschreiben, die im Boden enthaltenen Stoffe nicht gleich»
mässig oder im Verhältnisse ihrer Auflöslichkeit in Wasser, sondern mit einer zweckmässigen Auswahl aufzu-
nehmen; denn, so bald man dieses nicht annimmt, so ist die Verschiedenheit der Bestandtheile der in dem-
selben Boden stehenden Pflanzen sehr schwierig und zum Theil gar nicht zu erklären, und es lässt sich auch
aus den Ergebnissen der Pflanzenanalysen nicht rückwärts ein Schluss auf das Bedürfniss der Pflanzen, be-
stimmte Stoffe aufzunehmen, ableiten.
Gegen-dieses Vermögen der Pflanzen, die ihnen nothwendigen Stoffe mit Auswahl aufzunehmen und
die für sie unpassenden nicht aufzusaugen, lassen sich dagegen sehr gegründete Einwendungen erheben.
Einmal ist es eine bestimmte Thatsache, dass die Pflanzen alles, was in Wasser aufgelöst ist, aufsaugen, mag
es ihnen nützlich oder mag es im höchsten Grade giftig für dieselben sein. Dagegen lässt sich nun nicht
erwiedern, dass dieses nur ausnahmsweise geschehe und ein Kränkeln oder den Tod der Pflanze zur Folge
habe, denn es ist ja bekannt, dass die Pflanzen wahrhaft giftige Substanzen in geringer Menge ohne allen
Schaden aufnehmen können; zeigen ja doch verschiedene Analysen bei manchen Pflanzen, z. B. beim Klee,
bei Getreidearten unter gewissen Umständen einen nicht unbeträchtlichen Kupfergehalt. Wollte man aus
solchen Analysen schliessen, dass das Kupfer ein Nahrungsmittel für diese Pflanzen sei, und besonders, dass
4) Enpmanss, Journal für Chemie. 1829. I. 344.
3) Es ist wohl nicht unnöthig zu bemerken, dass dieser Aufsatz vor dem Erscheinen von Lizsie’s Schrift
gedruckt wurde.
— 395 —
es ein nothwendiger Bestandtheil derselben sei, so würde man sich sehr irren, denn in andern Fällen ent-
halten dieselben Pflanzenarten keine Spur von Kupfer. Schon dieser Umstand zeigt, dass die Pflanzen we-
nigstens keine absolute Wahlanziehung auf die unorganischen Substanzen äussern und eben so wenig für sie
unpassende Substanzen zurückstossen, sondern dass sie aufnehmen, was immer im Wasser aufgelöst ist; aus
diesem Grunde ist es aber äusserst schwierig, aus dem Ergebnisse einer Pflanzenanalyse zu folgern, welche
Bestandtheile des Bodens nothwendige Nahrungsmittel für die Pflanzen sind, und welche nicht. Es ist fer-
ner eine bestimmte Thatsache, dass Pflanzen derselben Art, wenn sie auf Bodenarten von einer sehr un-
ähnlichen Mischung stehen, in welchen zwar dieselben chemischen Elemente, jedoch in verschiedener rela-
tiver Menge vorkommen, eine sehr abweichende Zusammensetzung der Asche zeigen, dass z. B. Pflanzen,
welche auf Granitboden wachsen, sehr viele Kieselerde, Pflanzen, die auf Kalkboden stehen, sehr viele
Kalkerde aufnehmen. Dieser Umstand muss ebenfalls nicht nur unsern Glauben an die Aufnahme bestimm-
ter Stoffe in bestimmter Menge sehr schwächen und zeigen, dass diese Wählanziehung den Pflanzen jeden-
falls nur in einem beschränkten Grade zukommt, sondern er macht es zugleich äusserst schwierig, auch
nur mit einiger Annäherung zu bestimmen, welches die für die verschiedenen Pflanzen zuträglichste relative
Menge der einzelnen Bestandtheile des Bodens ist, in so fern die Abweichungen in der Zusammensetzung
der Asche ungemein gross sind, wie ein Blick auf die Analysen von Tu. Saussurk zeigt, ohne dass man sa-
gen kann, dass den von Saussure untersuchten Pflanzen, z. B. der Fichte, dem Wachholder der Kalkboden
mehr als der Kieselboden, oder umgekehrt zusage.
Da dem Gesagten zufolge feststeht, dass die Pflanzen’ die verschiedenen Stoffe in sehr abweichenden
Verhältnissen, je nach der Beschaffenheit des Bodens, aufnehmen und da sie, wenigstens in vielen Fällen,
gleich gut dabei gedeihen, so bleibt uns zur Erklärung dieses guten Gedeihens nur ein doppelter Weg übrig,
entweder haben wir anzunehmen, dass die Pflanzen diejenigen Stoffe, welche sie in einem grösseren Ver-
hältnisse, als sie nöthig haben, oder als ihnen angemessen ist, aufgenommen haben, gleichsam als todte
Substanzen in ihren weniger belebten Theilen niederlegen (denn Secretionen, das Abfallen der Blät-
ter u. s. w. reichen nicht zur Entfernung dieser Substanzen hin), oder wir haben anzunehmen, dass verschie-
dene unorganische Stoffe für das Leben der Pflanzen als Aequivalente für einander dienen können, dass z. B.
in dem einen Falle die Kieselerde und die Thonerde dieselbe Bedeutung für die Ernährung der Pflanzen
habe, wie in einem andern Falle die Kalkerde.
Dieser letztere Umstand würde der Pflanze eine grosse Unabhängigkeit von der chemischen Mischung
des Bodens gewähren und ihr auf den verschiedensten Gebirgsformationen im gleichen Grade ihr Leben si-
chern ; würde dagegen die Pflanze eine bestimmte Menge von gewissen unorganischen Bestandtheilen nöthig
haben, und die übrigen, im Ueberflusse oder gegen ihre Natur aufgenommenen durch Ablagerung im Innern
oder durch Ausscheidung nach Aussen zu entfernen genöthigt sein, so würden wohl diese Mittel nur hinrei-
chen, dieses Uebermaas zu beseitigen, so lange die Menge eines aufgenommenen Stoffes nicht eine gewisse
Grenze übersteigt und es würde die Pflanze zu Grunde gehen, wenn sie eine grössere Menge eines solchen
Stoffes aufzunehmen genöthigt wäre, wenn auch die übrigen Bedingungen zu einem kräftigen Gedeihen alle
30 *
— 396 —
vorhanden wären, ebenso müsste eine Pflanze zu Grunde gehen, wenn auch nur ein einziger derjenigen un-
organischen Stoffe, welche zur chemischen Constitution derselben gehören, im Boden fehlen würde.
Sehen wir uns unter den bis jetzt bekannten Thatsachen um, ob wir zur Beantwortung dieser Fragen
bestimmte Data haben, so scheint es, dass keine für alle Fälle passende Antwort gegeben werden kann, denn
für beide Ansichten lassen sich beweisende Umstände auffiinden. Für die Ansicht, dass der eine Stoff als
Aequivalent für den andern dienen könne, kann ohne Zweifel der Umstand geltend gemacht werden, dass
Strandpflanzen auch auf einem an Kochsalz armen Boden gedeihen, alsdann aber Kali anstatt Natrum ent-
halten, ferner der Umstand, dass zwischen Kalk- und Do!omitgegenden kein wesentlicher Unterschied in der
Vegetation gefunden wird, ferner das gleich freudige Gedeihen einer grossen Menge von Pflanzen in Kiesel-
und Kalkboden, endlich das auffallende von SAUssURE gefundene Verhältniss, dass bei Pflanzen derselben
Art, welche auf verschiedenen Gebirgsarten wachsen, wohl die Zusammensetzung der Asche, aber nicht ihre
absolute Menge grosse Verschiedenheiten zeigt.
Für die zweite Ansicht, dass die Pflanzen auf der einen Seite eine gewisse Menge eines bestimmten
unorganischen Nahrungsstoffes bedürfen, auf der andern Seite ein Uebermaas desselben Stoffes nicht ertra-
gen, können die vielfachen Beispiele von zunehmender Fruchtbarkeit eines Feldes auf Zumischung des feh-
ienden kohlensauren Kalkes, des Gypses u. s. w. angeführt werden, so wie das schlechte Gedeihen, oder das
Absterben von Pflanzen, welche von einem kieselerdehaltigen Boden auf Kalkboden übergepflanzt werden,
der Schaden eines reichlichen Eisengehaltes des Bodens etc.
In dieser letztern Beziehung grenzen die Begriffe des Nahrungsstoffes und des Giftes so unmittelbar
an einander, dass eine scharfe Grenze zwischen ihnen nicht gezogen werden kann, indem derselbe Stoff,
z. B. Kochsalz, Eisenoxyd, Kalkerde, welcher Bestandtheil aller oder beinahe aller Gewächse ist, und daher
im Allgemeinen durchaus nicht als schädlich betrachtet werden kann, wenn er in grösserer Menge den Pilan-
zen zugeführt wird, sich für einzelne derselben als schädlich erweist, während andere noch vollkommen gut
dabei gedeihen; nicht mit Unrecht nennt daher CArL SprexgeL diese Stoffe relative Gifte.
Bei diesen einander theilweise widersprechenden Erfahrungen muss man annehmen, dass die einzelnen
Pflanzenarten sich zu den unorganischen Bestandtheilen des Bodens auf eine sehr verschiedene Weise ver-
halten, dass die einen das Vermögen besitzen, sehr verschiedene unorganische Stoffe gleichmässig als Nah-
rungsmittel verwenden zu können, während andere auf bestimmte Stoffe angewiesen sind und einentheils
nicht gedeihen, wenn sie dieselben nicht im Boden finden, anderntheils aber auch zu Grunde gehen,
wenn gewisse Nahrungsmittel oder andere, für sie nicht passende Stoffe in grösserer Menge im Boden
enthalten sind.
Dass dieses letztere in Beziehung auf die auflöslicheren Salze bei den meisten Gewächsen stattfindet,
ist bekannt; ihnen nähern sich hierin die Eisen- und Mangansalze, wie insbesondere für die letzteren die in-
teressanten Untersuchungen Sprexser's über Chrysanthemum segefum beweisen, welchen zufolge diese
Pflanze schon bei einem Mangangehalte des Bodens von 1 pCt. durchaus nicht mehr gedeiht. Zweifelhafter
möchte es dagegen sein, ob das gleiche Verhältniss auch in Beziehung auf die Erdarten eintritt und ob diese
— 397 —
bei ihrer geringen Auflöslichkeit in reinem und kohlensaurem Wasser je einer Pflanze in solcher Menge zuge-
führt werden, dass das Wachsthum derselben beeinträchtigt wird. In dieser Beziehung möchte wohl die
Kieselerde der indifferenteste Bestandtheil des Bodens sein, indem sie die geringste Auflöslichkeit besitzt und
auch in chemischer Beziehung eine weniger wichtige Rolle im Pflanzenleben zu spielen scheint; nach der
Kieselerde möchte wohl die Thonerde in Betracht kommen, alsdann die Bittererde und besonders die Kalk-
erde, insoferne die letzteren wegen ihrer alkalischen Eigenschaften und wegen der grösseren Löslichkeit ih-
rer kohlensauren und humussauren Salze sich schon den kräftiger wirkenden Alkalien nähern.
In wie weit nun das Gedeihen der Pflanzen von der Anwesenheit oder Abwesenheit bestimmter Stoffe
im Boden und von ihrer relativen Menge abhängt, hierüber können wir wohl am sichersten von den Erfah-
rungen, welche der Landwirth und der Pflanzengeograph sammelt, Aufschluss erwarten. Der Landwirth
hat dabei den entschiedenen Vortheil, dass er eine weit geringere Anzahl von Pflanzen zu beobachten hat,
somit durch Analysen der Pflanzen und der Bodenarten leichter reine Resultate zu erhalten im Stande ist,
nicht blos auf die allgemein in Menge verbreiteten Bestandtheile des Erdbodens Rücksicht nehmen, sondern
auch die in geringeren Quantitäten und nur seltener vorkommenden Stoffe beachten kann, wodurch es ihm
möglich wird, bis in das genaueste Detail die Einwirkung aller Bestandtheile des Bodens auf die Ernährung
der Pflanzen auszumitteln. Zugleich kann er das bessere oder schlechtere Gedeihen der Pflanzen durch
Maass und Gewicht sehr scharf bestimmen, was allein eine genaue Vergleichung seiner verschiedenen Erfah-
rungen möglich macht.
Diese Genauigkeit kann der Pflanzengeograph nicht erreichen, er hat es mit einer solchen Masse von
Gewächsen zu thun, dass an eine chemische Untersuchung derselben und zwar nicht nur von einem (denn
das würde nichts nützen), sondern von vielen Standorten und an eine vergleichende Untersuchung der Bo-
denarten, auf denen sie gewachsen sind, nicht zu denken ist; er kann sich daher nur an die allgemeinen
Verhältnisse der verschiedenen Gebirgsformationen halten, was keine grosse Genauigkeit zulässt. Der Pflan-
zengeograph hat ferner kein Mittel, um die Zuträglichkeit oder den Nachtheil bestimmter Bodenarten zu
ermitteln, als den gänzlichen Mangel einer Pflanzenart auf einem bestimmten Boden und die sehr unsichere
Schätzung ihres bessern oder geringern Wachsthumes, ihrer relativen Häufigkeit, welche Verhältnisse eben-
sowohl in einer Menge anderer Ursachen, als in der Bodenmischung begründet sein können. Dagegen hat
der Pflanzengeograph den Vortheil, sehr ausgedehnte Beobachtungen, welche sich über die entlegensten Ge-
genden vom verschiedensten Clima erstrecken, benützen zu können, er ist daher weniger der Gefahr ausge-
setzt, durch lokale Eigenthümlichkeiten, den Einfluss des Ciimas u. dergl. getäuscht zu werden; er hat fer-
ner den grossen Vortheil, dass die Pflanzen, mit welchen er sich beschäftigt, grösstentheils wild wachsen,
also von der Natur selbst an die ihnen passendsten Stellen gesetzt sind und somit einen weit sichereren Schluss
auf die Zuträglichkeit des Bodens gestatten, als die landwirthschaftlichen Gewächse, deren ganzes Dasein
ein erzwungenes ist, die ohne Kunsthülfe beinahe alle in wenigen Jahren aus unsern Gegenden verschwunden
wären, welche grossentheils in naturhistorischer Hinsicht als wahre, durch widernatürliche Einflüsse entstan-
dene Monstra zu betrachten sind und daher den Beobachter der Gefahr aussetzen, manche Einflüsse für zu-
— 38 —
träglich zu erachten, während sie nur geeignet sind, Missgestalten hervorzurufen, welche kaum weniger ab-
scheulich sind, als die Kröpfe und der Cretinismus, welche Walliser Luft und Wasser. zur Folge haben.
Vergleichen wir, was in Beziehung auf .die in Rede stehenden Punkte der Landwirth und der
Pflanzengeograph leisten kann, so ist ohne Zweifel der erstere allein im Stande, genaue Resultate zu
erhalten; dessen unerachtet kann die Pflanzengeographie werthvolle Beiträge zur Lösung der hier sich dar-
bietenden Fragen liefern.
Sehen wir in den pflanzengeographischen Schriften nach, welche Resultate die Vergleichung der Ve-
getation einzelner Gegenden mit dem unterliegenden Boden lieferte, so werden wir nicht ohne Erstaunen.
den grössten Mangel an Uebereinstimmung finden. Während nämlich ein Theil der Pflanzengeographen, wie
WAHLENBERG !), DEcAnDoLLE?), Scuouw°) durchaus läugnen, dass die chemische Mischung der ver-
schiedenen Gebirgsarten irgend einen erheblichen Einfluss auf das Vorkommen der Pflanzen äussere, so
sieht ein anderer Theil, z. B. Hopper, ZAuLsrUcKNER‘®), Uncer°), die beiden Saurer®), Oswaup Heer’),
gerade in diesem Verhältnisse den hauptsächlichsten Grund von der Verschiedenheit der Vegetation in ver-
schiedenen, einander in Hinsicht auf die übrigen Verhältnisse ähnlichen Gegenden.
Dieser Mangel an Uebereinstimmung scheint auf den ersten Anblick unerklärlich, denn wenn man die
grosse Verschiedenheit betrachtet, welche zwischen der Vegetation sehr abweichender Gebirgsarten, z. B. des
Kalkgebirges und des Granites stattfindet, so scheint es sehr leicht zu sein, durch Vergleichung der Vegeta-
tion verschiedener Gegenden von abweichender geognostischer Beschaffenheit den Einfluss der chemischen
Mischung des Bodens auf die Vegetation zu ermitteln; allein eine nähere Beschäftigung mit dem Gegenstande
zeigt bald, dass die Schwierigkeiten, mit denen man dabei zu kämpfen hat, beinahe unüberwindlich sind.
Da in den Naturwissenschaften eine kleinere Reihe mit Genauigkeit durchgeführter Untersuchungen in
der Regel zu weit sichereren Resultaten führt, als eine grosse Reihe von Beobachtungen, welche nur halb
genau sind, so könnte man glauben, es sei im vorliegenden Falle das Sicherste, die Vegetation eines be-
schränkteren Gebietes mit möglichster Sorgfalt zu untersuchen, indem sich erwarten lasse, dass die Resul-
tate, welche man in der einen Gegend erhält, sich überall als constante Regel erweisen werden. Man hat
bei der Untersuchung einer beschränkten Gegend den Vortheil, sich mit eigenen Augen von dem Vorkommen
einer jeden Species auf dieser oder jener Bodenart, von ihrem bessern oder schlechtern Gedeihen, von ihrer
4) Flora Carpatorum. p. LX.
2) Dictionnaire d. scienc. natur. T. XVII. Art. Geographie botanique. — Physiologie vegetale. T. III.
p. 1237.
3) Grundzüge einer allgemeinen Pflanzengeographie p. 455.
4) Darstellung d. pflanzengeographischen Verhältnisse d. Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens; im er-
sten Bande der Beiträge zur Landeskunde Ocsterreichs unter der Ens.
5) Ueber den Einfluss des Bodens auf die Vertbeilung der Gewächse.
6) Flora. 1831. £
7) Die Vegetationsverhä'tnisse des südöstlichen Theiles des Cantons Glarus; in Frösnr’s und Hrar’s Mitthei-
lungen aus dem Gebiete der theoretischen Erdkunde T, 1.
— 399 —
relativen Häufigkeit u. s. w. zu unterrichten und kann zugleich Beobachtungen über die physischen Verhält -
nisse der Standörter, über die meteorologischen Eigenthümlichkeiten der Gegend anstellen. Dieses ist auch
der Weg, welchen die österreichischen Botaniker eingeschlagen haben, und auf welchem besonders Unser
Treffliches geleistet hat. Gehen wir jedoch die Pflanzenverzeichnisse einzelner Gegenden durch, so wird uns
bald klar werden, dass dieser Weg nicht zum sicheren Ziele führen kann, denn wir werden finden, dass der
eine Beobachter als Standort einer Pflanze den Kalk angiebt, während ein anderer in einer entfernten Gegend
dieselbe Art nur auf Urgebirge findet. Wenn solche widersprechende Beobachtungen blos einzelne Pflanzen
betreffen würden, so wären diese natürlicherweise blos als Ausnahmen zu betrachten, durch welche die all-
gemeine Regel nicht umgestossen würde, da sich aber diese Ausnahmen, je weiter wir die Vergleichung aus-
dehnen, immer mehr und mehr häufen, so müssen wir zu: dem Schlusse kommen, dass die Untersuchung
einer speciellen Gegend zwar einen sehr werthvollen Beitrag zur Kenntniss der Abhängigkeit der einzelnen
Pflanzenarten von den Gebirgsarten liefert, dass aber aus derselben niemals mit Sicherheit zu bestimmen
ist, ob eine Pflanze vorzugsweise oder allein auf einer bestimmten Gebirgsart wächst und ob die Vegetation
der verschiedenen Gebirgsarten überhaupt wesentlich von einander abweiche, dass es daher unumgänglich
nothwendig ist, die Floren entfernter Gegenden mit einander zu vergleichen, wenn irgend sichere Resultate
erhalten werden sollen.
Versuchen wir nun, eine solche Vergleichung wirklich durchzuführen, so sind die Schwierigkeiten bei
der Ausführung sehr gross, indem die meisten Localfloren für diesen Zweck ganz unbrauchbar sind, da sie
nur selten mit Rücksicht auf Pflanzengeographie und fast nie mit Rücksicht auf die Bodenart, auf welcher
die Pflanzen stehen, ausgearbeitet sind; man geräth daher bei unvorsichtiger Benützung der Pflanzenver-
zeichnisse solcher Gegenden, welche man nicht selbst besucht hat, in Gefahr, wegen Unvollständigkeit der
Angaben Unrichtiges aufzunehmen und so an der Genauigkeit der Beobachtungen wieder mehr zu verlieren,
als man am Umfange derselben gewann.
Diese Unzuverlässigkeit findet in minderem Grade bei Untersuchung der Gebirgsfloren statt, einmal,
weil wir über manche Theile der Alpen, der Carpathen und Scandinaviens Floren und Pflanzenverzeichnisse
besitzen, welche mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Bodens ausgearbeitet sind, anderntheils weil wir
manche Pflanzenverzeichnisse einzelner Berge, Alpen u. dgl. benützen können, ungeachtet die Verfasser
keine Rücksicht auf die Gebirgsart nahmen, weil die geognostische Beschaffenheit der von ihnen besuchten
Gegenden von anderer Seite her bekannt ist. Schon diese Umstände bestimmten mich im Folgenden nur auf
die Flora der Alpen, des Jura, der Carpathen und Scandinaviens Rücksicht zu nehmen, und alle im mitt-
lern Europa ausschliesslich im ebenen Lande oder auf niederen Bergen wachsende Pflanzen auszuschliessen,
ausserdem aber bewogen mich zu diesem Verfahren noch folgende Gründe.
Einmal hat man in unsern Gegenden beinahe nur im Gebirge den Vortheil, eine durch die Bearbeitung
des Bodens noch nicht veränderte Vegetation zu treffen, anderntheils tritt in der Regel in Gebirgsgegenden
die Einwirkung der chemischen Mischung des Bodens auf die Vegetation weit ungetrübter hervor, als im
flachen Lande. Nicht nur wechseln im Allgemeinen im Hügellande die verschiedenen Gebirgsarten auf kür-
— 410 —
zeren Strecken mit einander, bestehen grossentheils aus weniger scharf characterisirten Sandsteinbildungen
der Flötzperiode, aus Dilluvial- und Alluvialbildungen, in welchen die Bruchstücke der verschiedensten Ge-
birgsarten unter einander gemengt sind, sondern es sind auch die anstehenden Gesteine grossentheils mit
einer dicken Schichte von Dammerde bedeckt, welche zum Theile aus der Entfernung herbeigeschwemmt,
durch lange Cultur, Düngung u. dgl. in ihrer ursprünglichen Mischung so sehr verändert ist, dass sich aus
der Beschaffenheit der unterliegenden Gebirgsart gar kein Schluss auf die Zusammensetzung der Erde, in
welcher die Pflanze steht, machen lässt. Im Gebirge dagegen, besonders in den hohen Alpen, steht theil-
weise der Fels zu Tage und es wachsen nicht wenige Pflanzen im Gerölle der nur seit kurzer Zeit vom an-
stehenden Felsen losgetrennten und nur wenig verwitterten Gesteine, es ist ferner, wo auch eine Erdschichte
den Felsen deckt, dieselbe dünner, sie wird von Zeit zu Zeit vom Wasser wieder weggeführt, sie ist nicht
von ferne her angeschwemmt, sondern ein Verwitterungsboden, so dass man eher, als im ebenen Lande,
aus der Beschaffenheit der unterliegenden Gesteine auf die Mischung der Erde einen Schluss wagen darf.
. Aus diesen Gründen halte ich die Verzeichnisse der Vegetation von Alpengegenden für meinen Zweck
für weit sicherer, als Pflanzenverzeichnisse aus ebenen Gegenden, selbst wenn die letzteren mit der genaue-
sten Rücksicht auf die geognostische Beschaffenheit der Unterlage entworfen wurden, wie die von LacumanN
über die Flor von Braunschweig, vom Grafen von MAnpELstLon über die Flor der schwäbischen Alp ausgear-
beiteten. Auch kann es keinem Botaniker entgehen, wenn er diese Verzeichnisse durchliest, dass in den-
selben sich grossentheils nur locale Eigenthümlichkeiten abspiegeln, indem er beinahe alle aufgeführten Pflan-
zen in andern Gegenden unter sehr abweichenden Verhältnissen gefunden haben wird.
Bei einer mit Rücksicht auf die Bodenbeschaffenheit angestellten Betrachtung der Alpenflor wird es
bald deutlich, dass es in pflanzengeographischer Hinsicht zu gar keinem Resultate führen würde, wenn man
dabei jede einzelne in den Alpen vorkommende Gebirgsart unterscheiden wollte. Nicht nur fehlt es bisher
an dem zu einer solchen Arbeit nothwendigen Material, sondern eine jede Alpenreise zeigt auch, dass eine
solche genaue Unterscheidung der verschiedenen Gesteine für den Pflanzengeographen durchaus ohne Werth
wäre, indem die Vegetation nicht in gleichem Grade, wie die Gesteine, wechselt. Dieses gilt insbesondere
vom sogenannten Urgebirge. Man durchwandere einen Gebirgsstock, in welchem die verschiedensten Ab-
änderungen der Urgebirge, verschiedene Modificationen von Granit, Gneus, Glimmerschiefer, Serpentin u. s. w.
im mannigfachsten Wechsel vorkommen, so wird man im Allgemeinen die Vegetation auf diesen verschiede-
nen Unterlagen so übereinstimmend finden, dass wir wohl den Einfluss aller dieser Gesteine auf die Vege-
tation als gleichförmig betrachten dürfen. Man vergleiche ferner die Vegetation der schweizer Granitgebirge,
mit der auf den tyroler Glimmerschieferalpen befindlichen, mit der auf dem glarner oder kitzbühler Thon-
schiefer, mit der Vegetation des scandinavischen Gneuses, so wird auch hier wieder die Uebereinstimmung
der über diese verschiedenen Gegenden vorhandenen Pflanzenverzeichnisse überraschend sein. Wir können
daher allen diesen Gesteinen in pflanzengeographischer Hinsicht denselben Werth zuschreiben und ihre Ve-
getation unter dem Ausdrucke der Urgebirgsflora zusammenfassen.
Eine ebenso grosse Uebereinstimmung werden wir ferner zwischen der Vegetation der verschiedenen
—- 11 —
Kalkgebirge finden, zu welcher Formation auch ihr Kalkstein gehört; auch der Umstand, ob das Geslein rei-
ner Kalk oder Dolomit ist, scheint von keiner Bedeutung zu sein, wenigstens findet man in demselben Ge-
birgszuge, in welchem Kalk und Dolomit wechseln, wenn beide Gesteine in Hinsicht auf ihre physischen Ei-
genschaften Aehnlichkeit haben, keinen Unterschied in der Vegetation; desshalb möchte ich auch, weil
einige in botanischer Hinsicht berühmte Stellen, wie die Seysseralpe, Dolomit besitzen, den Pflanzenreich-
thum derselben nicht in dem Bittererdegehalt ihres Gesteines begründet glauben.
Diese Verhältnisse sind so auffallend, dass alle Pflanzengeographen von einer Kalk- und Urgebirgs-
flora sprechen, auch wenn sie den Grund der Verschiedenheit nicht in der chemischen Mischung des Bodens
suchen.
Untersuchen wir nun, in wie ferne diese Verschiedenheit der Vegetation sich nach der Verschiedenheit
der Bodenbeschaffenheit richtet, ob dieselbe so constant ist, dass die chemische Mischung des Bodens als
das hauptsächlichste Moment erscheint, oder ob nicht Verhältnisse dabei vorkommen, welche es wahrschein-
lich machen, dass andere Umstände zu dieser Verschiedenheit der Vegetation beitragen, oder als die haupt-
sächlichsten Ursachen derselben zu betrachten sind.
Diejenigen Botaniker, welche wie ZAHLBRUCKNER, UNGER den Grund des Vorkommens gewisser Pflan-
zen in bestimmten Gegenden in der geognostischen Beschaffenheit der letzteren suchen, berufen sich hiebei
hauptsächlich auf das Gesammtbild der Vegetation verschiedener Bodenarten. Sie läugnen zwar nicht, dass
manche Pflanzen, welche gewöhnlich auf Kalkboden stehen, auch auf Urgebirge gefunden werden und um-
gekehrt, sie erklären aber diese Fälle für eine Ausnahme von der Regel, indem es allgemeine Erfahrung
sei, dass die Mehrzahl der Pflanzenarten auf eine gewisse Bodenart beschränkt sei und dass nur eine ver-
hältnissmässig geringe Anzahl von Gewächsen auf jedem Boden gleich gut gedeihe. Solche auf einem ihrer
Natur fremdartigen Boden stehende Pflanzen sollen nie dasselbe freudige Gedeihen wie auf ihrem natürlichen
Standorte zeigen, in geringer Individuenzahl vorkommen und nie die Hauptmasse der Vegetation bilden,
sondern nur als vereinzelte Exemplare sich im Kampfe gegen die dem Boden eigenthümlichen Pflanzen er-
halten. UnGER, welcher diese Verhältnisse mit der meisten Umsicht untersuchte, unterscheidet die verschie-
denen Modificationen der Abhängigkeit der Pflanzen von der Bodenbeschaffenheit durch die Ausdrücke b.o-
denstet, bodenhold und bodenvag.
Die Gegenparthie, als deren hauptsächlichste Führer WAuLENBERG (wenigstens in seiner Flora carpa-
torum, weniger in seiner späteren Flora suecia) und Decannorre betrachtet werden können, läugnen zwar
das Vorherrschen gewisser Pflanzenarten auf einem bestimmten Boden nicht, sie glauben aber, dass keine
Pflanze auf eine bestimmte Gebirgsart eingeschränkt sei, und dass die Vorliebe einzelner Pflanzen für eine
bestimmte Bodenbeschaffenheit nicht von der chemischen Mischung, sondern von den physischen Eigenschaf-
ten des Bodens abhänge.
Betrachten wir nun die einzelnen Punkte, welche bei Untersuchung dieser Verhältnisse zur Sprache
kommen.
Die Bestimmung der Bodenstetigkeit einer Pflanze unterliegt häufig weit grösseren Schwierigkeiten,
51
—:. 402 —
als es auf den ersten Anblick scheinen könnte, indem, wie ich schon oben berührte, Beobachtungen, welche
sich auf eine beschränkte Gegend beziehen, in dieser Beziehung nichts entscheiden können. WAHLENBER«!)
zeigte an einer Reihe höchst auffallender Beispiele, wie in dieser Hinsicht dieselben Pflanzenarten in der
Schweiz, in den Carpathen und in Scandinavien ein durchaus entgegengesetztes Verhalten zeigen; ebenso
giebt DrcanvoLLe?) als Resultat seiner siebenjährigen Reisen in Frankreich an, er hätte beinahe alle Pflanzen
auf beinahe allen Bodenarten gefunden. Wir können aus diesem Grunde nur dann ein sicheres Urtheil über
die Bodenstetigkeit einer Pflanze fällen, wenn dieselbe überall constant nur auf derselben Gebirgsart wächst.
Wie grosse Vorsicht in dieser Beziehung nothwendig ist, erhellt auf das überzeugendste aus den bisher ge-
lieferten Uebersichten der Vegetation einzelner Alpengegenden, indem die meisten derselben eine grosse
Menge von Pflanzen als einer bestimmten Gebirgsart ausschliessend eigen aufführen, welche in andern Ver-
zeichnissen als einem ganz entgegengesetzten Boden eigenthümlich aufgeführt sind; so zählt z. B. das Ver-
zeichniss von ZAHLBRUCKNER zu viele Pflanzen als Kalkpflanzen, die Verzeichnisse von Horre, OswALp HEER
zu viele als dem Urgebirge oder Thonschiefer eigenthümlich auf, und so sah auch ich mich genöthigt, in dem
weiter unten folgenden Verzeichnisse manche Pflanzen, welche Unger als bodenstet bezeichnet, unter die
bodenvyagen zu versetzen.
Diese Nothwendigkeit, eine Vergleichung des Vorkommens derselben Pflanze in entfernt liegenden Ge-
genden zum Behufe der Bestimmung ihrer Abhängigkeit vom Boden anzustellen, macht es räthlich, bei Un-
tersuchung dieser Verhältnisse keinen grossen Werth auf alle seltenen, nur in beschränkten Gegenden wach-
senden Pflanzen zu legen. Wer ist im Stande, einen Grund dafür anzugeben, warum Braya alpina nur
am Grossglockner, Wulfenia carinthiaca blos auf der Kühwegeralpe, Alsine sedoides nur im Algau,
Swertia carinthiaca in der ganzen Schweiz nur im Saaserthale, Trientalis europaea auf dem Gotthard,
Phyteuma humile blos in der Umgebung des Monte Rosa, Achillea alpina blos am Gotthard, Achillea
ambigua blos am Rhonegletscher, Potentilla ambigua nur bei Zermatt, Draba incana nur am Ganterisch,
Festuca decolorans blos am Staubbache, Pedicularis atrorubens nur auf dem grossen Bernhard wächst?
Legen wir bei solchen Pflanzen ein Gewicht darauf, dass sie auf Kalk oder auf Urgebirge wachsen, so geben
wir einen Grund ihres Vorkommens an, für welchen wir gar keinen Beweis haben, denn ähnliche, aus ganz
gleichen Gesteinen gebildete Stellen, wie die, an welchen sie wachsen, finden sich in der langen Alpenkette
zu Tausenden, ohne dass sich die Pflanzen auf ihnen finden; ebendesshalb ist es aber sehr gewagt, sich da-
hin auszusprechen, dass an den isolirten Stellen, an welchen solche Pflanzen wachsen, die Ursache ihres
Vorkommens in der Bodenbeschaffenheit liege und dass diese Pflanzen bodenstet seien.
Uxcer stellt gewissermasen den entgegengesetzten Grundsatz auf), indem er angiebt, dass hauptsäch-
lich die seltenen, wenig verbreiteten Gewächse die Abhängigkeit der Vegetation vom Boden zu beweisen ge-
eignet seien. Hier kommt es ganz auf den Begriff an, den man mit Seltenheit einer Pflanze verbindet. Wenn
4) Flora carpatorum p. LX. etc.
2) Dict, des science. natur. T. XVII p. 377.
3) p- 165.
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eine Pflanze einen grossen, vielleicht sehr unterbrochenen Verbreitungsbezirk hat und dennoch im Ganzen
selten ist, so kann sie allerdings ein sehr gutes Beispiel für die Abhängigkeit ihres Vorkommens von der Bo-
denbeschaffenheit liefern ; allein nicht selten gehören solche Pflanzen zu den bodenvagen und erfordern um
so grössere Vorsicht, als sie in dem einen Gebirge constant auf einem bestimmten Boden wachsen können,
während sie in einem entlegenen Gebirge einen andernBoden bewohnen. Beispiele hiefür bieten die meisten
von WAHLENBERG angeführten Kalkpflanzen der Carpathen, welche in Scandinavien und in der Schweiz häu-
fig auf Urgebirge wachsen; ähnlich verhält es sich mit vielen lappländischen Pflanzen, welche auch in unsern
Alpen vorkommen, hier auf Kalk, in Lappland auf Urgebirge stehen u. s. w.
Als weitere Regel wird angegeben, man soll den Einfluss der chemischen Mischung des Bodens auf
die Pflanze aus ihrem kräftigen Gedeihen, aus der relativen Menge der Exemplare beurtheilen. Dieser
Grundsatz ist nun zwar im allgemeinen unstreilig vollkommen richtig, allein man schreibt dabei gewiss der
chemischen Mischung des Bodens zu, was in den meisten Fällen in vielen andern Umständen mit begründet
ist. Dass eine Pflanze kräftig gedeiht, dass sie in vielen Exemplaren vorhanden ist, dazu gehört ein Zu-
sammenwirken von vielen günstigen äussern Umständen, günstige Bodenbeschaffenheit in physischer wie in
chemischer Hinsicht, passendes Clima, gehöriger Grad von Feuchtigkeit, Licht u. s. w. Wir dürfen daher
durchaus-nicht, mit Vernachlässigung dieser andern Verhältnisse, die chemische Mischung des Bodens ein-
seitig hervorheben, denn die Beispiele sind häufig genug, welche zeigen, dass dieses Moment auch ein un-
tergeordnetes sein kann.
Dass eine Kalkpflanze-häufig auf Urgebirge wachse und umgekehrt, das geben alle Vertheidiger des
chemischen Einflusses des Bodens zu, sie finden den Grund dieses abweichenden Verhältnisses hauptsäch-
lich darin, dass an den Grenzen zwischen Kalk und Urgebirge sich leicht eine bodenstete Pflanze durch Sa-
men auf die ihr unpassende Gebirgsart verbreiten könne; dann aber soll sie kümmerlich wachsen und nur
in einzelnen Exemplaren vorkommen. Ist dieses letztere gegründet? Ich will nicht auf eine Menge von
Beispielen hinweisen, dass Urgebirepflanzen auf Kalk (oder umgekehrt) sehr kräftig vegetiren, z. B. auf
Rhododendrum ferrugineum, Erica vulgaris auf Kalkboden, sondern ich berufe mich hiebei auf Unser
selbst, welcher erzählt), er hätte in der Gegend von Graetz auf einem Gneusgebirge, welches auf ähnliche
Weise wie Kalk verwitterte, eine Kalkvegetation gefunden, nämlich Fagus sylvatica, Arabis arenosa,
Cynanchum Vincetoxicum, Cyclamen europaeum, Daphne Mezereum, Erica herbacea. Der Gneus
war allerdings nicht frei von Kalk, und in der Nähe einesKalkgebirges; einige eingelagerte Kalklager machen
aber den Gneus noch nicht zum Kalkgebirge. Sonst, wenn auf Urgebirge Kalkpflanzen wachsen, verändert
sich nicht die ganze Vegetation desselben, sondern es tritt eine und die andere Kalkpflanze auf und im Gan-
zen bleibt die Urgebirgvegetation ungestört; hier ist es umgekehrt. Sonst aber, wenn Kalk den Urgebirg-
felsen beigemischt ist, ändert sich nicht die physische Beschaffenheit der letztern in diesem Grade, denn hier
zeigen sie, nach Unger’s Angabe, eine „bröckliche“ Verwitterung nach Art von Kalkfelsen. Da nun eben-
4) Flora 1857. Nr. 40.
51*
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damit eine vollständige Kalkvegetation auftritt, so liefert uns diese Beobachtung ein sehr deutliches Beispiel
von dem mächtigen Einflusse der mechanischen Verhältnisse des Bodens und sie beweist, dass dieser Ein-
fluss hier über den Einfluss der chemischen Mischung vorherrscht, und dass überhaupt, wo die übrigen
Umstände sehr günstig sind, eine Pflanze auch auf einer Unterlage, welche ihr nicht besonders zusagt, kräf-
tig gedeihen kann.
Die Annahme, dass von Kalkgebirgen die Samen auf Urgebirge übergeführt werden und umgekehrt,
kann allerdings das ungewöhnliche Vorkommen mancher Pflanzen erklären, sie erklärt aber nichts in Bezie-
hung auf die Ernährung der Pflanzen. Wenn der Same einer Kalkpflanze auf Urgebirg übergetragen wird,
so muss sogleich die aus ihr aufwachsende Pflanze zu Grunde gehen, wenn wir sie für eine kalkstete Pflanze
erklären sollen. Hält sie sich dagegen in gedeihlichem Wachsthume, pflanzt sie sich fort, so ist es ein
Zeichen, dass sie im Urgebirgsboden die ihr zuträgliche Nahrung findet; warum soll sie nun in einem sol-
chen Falle nicht auch auf diesem Gebirge einheimisch sein können, wenn sie auch sonst in der Regel auf
Kalk wächst? Betrachten wir die Fälle, in welchen Kalkpflanzen auf Urgebirge wachsen, oder umgekehrt,
so ist es nicht wahrscheinlich, dass sie immer Flüchtlinge auf fremdem Gebiete sind. Wenn in ganz Lapp-
land, dessen Boden beinahe reines Urgebirge ist, viele Pflanzen wachsen, welche in den Alpen und den Car-
pathen auf Kalk wachsen, müssen wir nicht annehmen, dass sie dort auf Urgebirge ebenso gut zu Hause
sind, als hier auf Kalk? Müssen wir das gleiche nicht auch in der Mehrzahl der Fälle in den Alpen selbst
annehmen? Dass die Samen durch Winde, Wasser u. s. w. auf entlegene Stellen gebracht werden, geschieht
freilich häufig genug, und die Pflanzen, welche sich auf Schutthalden, Felsen u. s. w. ansiedeln, beweisen ‘
eine solche Verbreitung hinreichend, allein solche Fälle sind doch wohl nur Ausnahmen von der Regel und
im Allgemeinen hält sich jede Pflanze auf einem ziemlich beschränkten Gebiete. An die grossen Wanderun-
gen der Pflanzen von einem Gebirgsstocke über ganze Gebirgszüge glaubt wohl jetzt Niemand mehr, allein
auch Wanderungen über kleinere Strecken müssen in unsern Gebirgen weit seltener sein, als gewöhnlich
angenommen wird, wie wäre es sonst erklärlich, dass so viele Alpenpflanzen auf so kleine Stellen einge-
schränkt sind? Wenn schon auf demselben Gebirgsstocke die Alpenpflanzen sich an einzelnen Stellen hal-
ten, um wie viel seltener muss es sein, dass sie über Berg und Thal auf entlegene Alpen geführt werden
und sich daselbst ansiedeln, wie wenig sind wir desshalb berechtigt, jedes ungewöhnliche Vorkommen von
einer künstlichen Uebertragung der Samen aus der Entfernung her zu erklären.
Die Beobachtung, dass dieselbe Pflanzenart in verschiedenen Gebirgen nicht die gleiche Gebirgsart
zur Unterlage hat, beweist, dass ausser der Bodenbeschaffenheit noch andere Umstände auf die Verbreitung
der Pflanzen einwirken. Unter diesen Einflüssen möchte bei der Betrachtung der Alpenvegetation ein vor-
züglich hoher Werth auf die absolute Höhe, nicht sowohl des Standortes der Pflanzen, als vielmehr der
Berge, auf denen sie wachsen, zu legen sein; ein Verhältniss, auf welches die Pflanzengeographen weit we-
niger Aufmerksamkeit verwendeten, als es verdient, indem es beinahe nur von WAHLENBERG hervorgehoben
wurde. Dieser Einfluss wird deutlich, wenn man die Regionen der einzelnen Arten in der Centralkette der
Gebirge und in den Seitenketten vergleicht, wobei man findet, dass in der Centralkette die Vegetationsgren-
— 405 —
zen der einzelnen Pflanzen bald bedeutend herabgedrückt, bald erhoben sind. So steigt z. B. in den nörd-
lichen Alpenzügen der Getreidebau wohl an keinem Orte viel höher, als auf 3000 Fuss, er bleibt daher un-
gefähr 2000 Fuss unter der obern Grenze der Nadelhölzer zurück; in der penninischen Alpenkette wettei-
fert„dagegen das Getreide mit den Nadelhölzern (und zwar nicht blos mit Pinus sylvestris und Abies ex-
celsa, welche schon längst zurückgeblieben sind, sondern mit Pinus Larixz und Cembra) in der Höhe und
steigt auf 3 — 6000 Fuss, und zwar nicht blos auf der italienischen, sondern auch auf der schweizer
Seite, z. B. bei Zermatt. Die Birke sehen wir auf dem Granite der Grimsel noch in einer Höhe von etwa
6080 Fuss, in den höheren penninischen Alpen verkrüppelt sie schon unterhalb Zermatt in einer Höhe,
welche 4000 Fuss nur um weniges übersteigt, zum niedern Gestrüppe, während Berberis und die Vogel-
beere weit tiefer ins Gebirge vordringen. Pinus Cembra steht in dem nördlichen Alpenzuge, z. B. im bay-
rischen Gebirge, immer hoch in den Alpen und bildet den oberen Saum der Wälder, in den penninischen
Alpen liegen Getreidefelder zwischen den Arvenwäldern und Filago Leontopodium, welches in den Seiten-
ketten der Alpen gewiss Niemand als Getreideunkraut sah, wächst in Menge auf den Ackerreinen. Aehnliche
Verhältnisse giebt WAnLengere von den Carpathen an); so fand er in den Centralcarpathen die obere Bu-
chengrenze um 1000 Fuss tiefer, als in dem äusseren Theile des Gebirges, während bei Corylus und Cra-
taegus die obere Vegetationsgrenze keine Depression erlitten hatte. Noch weit auffallender war die Depres-
sion der obern Vegetationsgrenze im Innern des Gebirges bei Pinus sylvestris, ein Verhältniss, welches
auch in den Alpen in hohem Grade bei diesem Baume vorkommt. So fand ferner WAHLENBER«E manche Al-
penpflanzen nur in den äussern Bergen der Carpathen, z. B. Gentiana acaulis, verna, Dryas octopetala,
Arenaria laricifolia, während sie im centralen Gebirge fehlten. Bei andern verhielt es sich umgekehrt.
Wir dürfen uns, da solche Verschiedenheiten bei den allgemeiner verbreiteten Gewächsen vorkommen,
wenn wir die Seitenketten der Alpen mit der Centralkette vergleichen, nicht darüber verwundern, wenn den
ersteren eine Menge von Alpenpflanzen fehlen, welche in dem mittleren Gebirgszuge nicht zu den seltenen
gehören und daselbst zum Theile auf ziemlich mässigen Höhen wachsen. Da nun aber die Seitenketten im
Allgemeinen aus Kalk, die centrale Kette beinahe durchgängig aus Urgebirge besteht, so ist ein auf die
chemische Mischung des Bodens gegründeter Fehlschluss sehr leicht zu begehen, und wenn ich mich nicht
sehr irre, so hat sich Zantsruckner durch diesen Umstand täuschen lassen, wenn er angiebt, es sei ein all-
gemeines Gesetz, dass in den Kalkalpen die untere und obere Vegetationsgrenze aller Alpenpflanzen bedeu-
tend höher (um 1000 Fuss und mehr) liege, als in den Urgebirgalpen, dass die ersteren den Schnee früher
verlieren, überhaupt wärmer seien. Diese Angaben sind wohl nicht auf Beobachtungen an solchen Stellen
des Alpengebirgs gegründet, wo Kalk- und Urgebirgalpen sich zu gleicher Höhe erheben, beide in grossen
Massen vorhanden sind, gleichmässig mit ihren Gipfeln die Schneegrenze übersteigen und beide gleich aus-
gedehnte Gletschermassen besitzen, sondern sie scheinen sich auf soiche Gegenden zu beziehen, wo die
Urgebirgalpen Theile eines höheren Gebirgsstockes sind, die Kalkalpen dagegen Nebenketten bilden und nur
4) Flora Carpatorum, p. LXXIV.
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einzelne, isolirte Spitzen zu grösseren Höhen erheben. Unter solchen Verhältnissen liegt allerdings die
Schneegrenze auf den Kalkalpen weit höher und die Berge sind wärmer, als wenn sie mitten im Gebirge
liegen; jedenfalls sind aber solche Verschiedenheiten Folge der Lage und Form der Kalkalpen. Dessen un-
erachtet wurden alle Verschiedenheiten, welche man in der Vegetation dieser beiderlei Arten von Bergen
beobachtet, nur als eine Folge der chemischen Mischung des Bodens und der Einwirkung des Kalks und des
Urgebirges auf das Leben betrachtet. Dass ein Gebirge, dessen Gletscher bis auf 4000 Fuss herabgehen,
eine andere Vegetation zeigen muss, als isolirte Bergspitzen, welche mit 8000 und 9000 Fuss noch
keinen ewigen Schnee tragen, darüber darf man sich nicht verwundern, ebenso ist aber auch deutlich, dass
man in solchen Fällen nicht alle Verschiedenheiten der Vegetation der chemischen Mischung der Felsarten
zuschreiben darf.
Um diesen Einfluss, welchen die Höhe der Gebirge auf das Vorkommen der Pflanzen äussert, zu eli-
miniren, und den Einfluss des Bodens in seiner Reinheit zu erkennen, ist es nöthig, einentheils sehr ent-
fernt liegende Gebirge, anderntheils die Flor der centralen Urgebirgalpen mıt der Flor gleich hoher, im mitt-
lern Alpenzuge liegender Kalkalpen zu vergleichen. Wie sehr sich die Flor solcher Kalkalpen der Urgebirg-
flor nähert, dafür liefert die Bergkette auf der Nordseite des Rhonethales von der Gemmi an westwärts bis
zum Dent de Morcles ein auflallendes Beispiel.
Was nun endlich die Hauptschwierigkeit bei Untersuchung der in Rede stehenden Verhältnisse macht,
ist der Umstand, dass die verschiedenen Gebirgsarten in den meisten Fällen nicht aus Verbindungen weniger
Elementarstoffe bestehen, sondern dass beinahe jede Gebirgsart die verschiedenen Elemente, welche in der
Asche der Gewächse gefunden werden, sämmtlich enthält, und dass nur die relative Menge dieser Stoffe in
den verschiedenen Gebirgsarten sehr verschieden ist. Dieser Umstand kommt, wie dieses Unger mit Recht
anführt, besonders beim Urgebirge sehr in Betracht, indem dieses wohl beinahe durchgängig wenigstens ge-
ringe Mengen von Kalk- und auch Talkerde enthält. Nicht nur sind an sehr vielen Stellen bedeutende Mas-
sen von Kalk im Urgebirge eingelagert, sondern häufig genug sind die Gesteine des Urgebirgs von einem ge-
ringen Gehalte von Kalk durchdrungen, sei es nun, dass ihnen derselbe mechanisch beigemengt ist, oder
dass er als Bestandtheil der Hornblende, des Feldspathes, mancher Glimmerarten in ihnen auftritt. Um nur
einige Beispiele aus unseren Urgebirgalpen, welche in botanischer Hinsicht berühmt sind, und in welchen
das genannte Verhältniss stattfindet, aufzuführen, so enthält das Gebirge des Gotthards an verschiedenen
Stellen, z. B. im Urserenthale compacten Kalkstein und an unzähligen Stellen Kalkspath (Saussure), das Ge-
stein des Griespasses ist ebenfalls nicht frei von Kalk, der Granit des Mont Brevent enthält nach Tu. Saus-
sure 1,74 pCt. Kalk, ebenso finden sich in ganz Lappland und im nördlichen Schweden, welche Länder
doch beinahe aus reinem Urgebirge bestehen, an einer Menge einzelner Stellen grössere oder geringere
Kalkmassen eingelagert.
Auf der andern Seite kommen im Kalkgebirge ähnliche Annäherungen zu Quarzgesteinen vor; schon
die im Urgebirge eingelagerten Kalk- und Dolomitmassen sind nicht immer frei von Quarz, hauptsächlich
aber sind es die neueren Kalkformationen, welche an vielen Stellen in Rieselerdegestein übergehen. Wenn
— 407 —
auch noch die Mergelschiefer wegen vorherrschenden Kalkgehaltes dem Kalksteine nahe stehen, so finden
sich doch häufig alle Uebergänge vom schieferigen Kalke zum Thonschiefer, und oft genug geht der Kalk
durch Aufnahme von Quarzkörnern in dichten, oft sogar kalkarmen Sandstein über.
Unter diesen Umständen haben diejenigen, welche der chemischen Mischung des Bodens den haupt-
sächlichsten Einfluss auf die Verbreitung der Gewächse zuschreiben, gewonnenes Spiel, sie können das Vor-
kommen von Kalkpflanzen auf Urgebirge durch den geringen Kalkgehalt des letztern erklären, und zwar mit
einer um so grösseren Wahrscheinlichkeit, da durch die Untersuchungen von CarL SprEngEL bekannt ist,
wie gering der Kalkgehalt des Bodens zu sein braucht, um selbst solche Pflanzen, welche in der Regel nur
auf Kalkboden gedeihen, zu ernähren; wächst ja nach den Untersuchungen dieses Chemikerst) sogar die
Esparsette auf einem Boden, welcher nur '/; pCt. Kalk enthält, ganz gut. Ebenso erklärt sich wieder das
Vorkommen von Urgebirgpflanzen auf Kalkgebirgen aus dem Kieselerdegehalte vieler Kalksteine, aus ihrem
Uebergange in Thonschiefer und Sandstein.
Diese Erklärung des Vorkommens von Urgebirgpflanzen auf Kalkgebirgen und umgekehrt ist ohne
Zweifel vollkommen richtig; nun entsteht aber die Frage, warum bei der grossen Verbreitung des Kalkes im
Urgebirge und bei der häufigen Anwesenheit von Kieselerde und Thon im Kalkgebirge die Verschiedenheit
der Vegetation beider Gebirge so bedeutend ist; wenn ein so geringer Kalkgehalt zur Ernährung der
Pflanzen hinreicht, so sollte man vermuthen, dass nicht blos da und dort zwischen Urgebirgpflanzen eine
Kalkpflanze auftauchen, sondern dass deren eine grosse Menge auf den Urgebirgen wachsen würde. Diese
Seltenheit der Kalkpflanzen auf dem Urgebirge könnte nun darin ihren Grund haben, dass der Kalk
nicht gleichförmig im Urgebirge verbreitet ist; ferner kann man anführen, dass wahre Kalkpflanzen nicht
hinreichend vielen Malk im Urgebirge finden, dass desshalb wohl ka'kholde, aber nicht kalkstete Pflanzen in
ihm gedeihen können, wie umgekehrt im Kalkgebirge auch alle diejenigen Pflanzen zu Grunde gehen müssen,
welche keine bedeutende Menge von Kalk ertragen können.
Diese Gründe sind wohl in vielen Fällen die richtigen, sie reichen aber nicht zur Erklärung aller Um-
stände hin. Diese Gründe können nämlich nur das vereinzelte Vorkommen kalkholder Pflanzen auf Urgebirge
und urgebirgholder Pflanzen auf Kalk erklären, sie können :aber keinen genügenden Aufschluss über die
merkwürdige, schon oben berührte Erscheinung geben, dass in der einen Gegend dieselbe Species sich als
kalkstet zeigt, welche sich in einer andern Gegend als urgebirgstet erweist. Solche Beispiele, wenn sie auch
nur als sehr seltene Anomalien vorkommen würden, wären dennoch von höchster Wichtigkeit, indem sie
nicht nur nachweisen würden, dass manche Pflanze, welche im Allgemeinen für bodenstet gehalten wird,
wider Erwarten die Fähigkeit zeigt, bei einer sehr verschiedenartigen unorganischen Nahrung gut gedeihen
zu können, sondern hauptsächlich desshalb, weil sie darauf hinweisen, dass dieselbe Pflanzenart, je nachdem
die äusseren Umstände verschieden sind, eine verschiedenartige Nahrung bedarf, oder wenigstens vorzieht
4) Bodenkunde, p. 261.
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denn hier handelt es sich nicht darum, dass eine Pflanze, ungeachtet sie nicht den Boden, in welchem sie
zewöhnlich wächst, findet, dennoch gut gedeiht, sondern darum, dass sie diesen Boden verschmäht und ei-
nen von anderer Beschaffenheit verlangt.
Dieser Umstand weisst meiner Ansicht nach darauf hin, dass solche Pflanzen, welche in verschiedenen
Gegenden in verschiedenen Bodenarten wachsen, zwar sehr bestimmte Ansprüche an den Boden machen,
dass jedoch nicht sowohl die chemische Mischung des Bodens, als seine übrigen Verhältnisse auf diese Pflan-
zen vom hauptsächlichsten Einflusse sind. Dadurch werden wir auf Betrachtung der physischen Beschaffen-
heit des Bodens hingewiesen.
Im Allgemeinen ist das Kalkgebirge trockener, weil es zerklüftet ist, die Wasser leicht in die Tiefe
versinken lässt. Es ist desshalb ärmer an Moosen und Flechten, welche durch die Feuchtigkeit der Urge-
birge hervorgerufen auch wieder kräftig zur Erhaltung derselben mitwirken und dadurch auch auf die Vege
tation der Phanerogamen keinen unbedeutenden Einfluss ausüben.
Was die Fähigkeit zu verwittern anbetrifft, so ist es schwer, hierüber etwas allgemein Gültiges aufzu-
stellen, indem sowohl im Kalk- als im Urgebirge Gesteine vorkommen, welche der Verwilterung äusserst
hartnäckig widerstehen, wie manche Abänderungen der festen Kalksteine und manche Arten von Granit,
während auf der andern Seite sowohl die dünngeschichteten, mergzeligen Kalksteine als manche Abänderun-
gen von Urgebirgfelsen, besonders die von schieferiger Textur, leicht der Verwitterung unterliegen. Doch
lässt sich wohl im Allgemeinen sagen, dass die Felsen des Kalkgebirges leichter verwittern und mehr von
der Kälte zersprengt werden, dass ihre Bruchstücke häufiger durch Lawinen, durch Wasser u. s. w. losgerissen
werden, so dass dadurch häufiger als im Urgebirge ausgedehnte, kahle Felswände entstehen. Die Kalkfelsen
zerfallen dabei gewöhnlich in grössere Bruchstücke, so dass hochgelegene, in der Nähe der Schneegrenze
befindliche Thäler ein aus Felstrümmern bestehendes Steinfeld beinahe ohne alle zwischenliegende Erde dar-
stellen, oder auch aus zerklüfteten, wie zerhackt aussehenden, vom Regen glatt gewaschenen Felsen beste-
hen, welche Thäler in verschiedenen Gegenden der deutschen und schweizer Alpen mit den Ausdrücken:
Kar, Karrenfeld, Schratten bezeichnet werden. Die Gesteine des Urgebirges zerfallen dagegen in
Folge der Verwitterung meistens in einen gröbern oder feinern Sand, so dass an hochgelegenen Stellen, an
welchen sich keine Schichte von Dammerde ansammelt, und welche ebenfalls häufig mit regellos übereinan-
dergestürzten Felsentrümmern bedeckt sind, zwischen den grösseren Bruchstücken ein bald trockener, bald
vom Wasser durchdrungener Grus liegt, welcher vielen Gewächsen, z. B. Arfemisien, Ranunculus glacia
lis, rutaefolius, manchen Draba, der Aretia pennina, Lloydia serotina, einigen Hutchinsia u. s. w.
einen günstigen Standpunkt darbietet. Wegen dieses mechanischen Unterschiedes der halb zerfallenen Kalk-
und Urgebirgsfelsen sind wohl im Allgemeinen in der Nähe der Schneegrenze die Kalkgebirge vegetations
ärmer, als die Urgebirge.
Se wichtig schon diese mechanische Veränderung derFelsartenist, welche siein Folge der anfangenden Ver-
witterung erleiden, so werden doch die Folgen der Verwitterung noch weit bedeutender, wenn wir die Umänder-
ungen ins Auge fassen, welche bei länger dauernder Einwirkung der Atmosphärilien in den Gesteinen eintreten.
— 4109 —
Im Kalkgebirge werden wir meistens an denjenigen Stellen, an welchen der Boden keine grosse
Neigung gegen den Horizont hat, wo daher die durch Verwitterung sich bildende Erde nicht schnell
wieder vom Regen weggeführt wird, sondern der längern Einwirkung des langsam abfliessenden Wassers
ausgesetzt ist, den Boden von einer mehr oder weniger thonartigen Erdschichte bedeckt finden. In
manchen Fällen, besonders im niedern Kalkgebirge, dessen Oberfläche sich häufig der horizontalen Lage
nähert, sind diese Thonschichten wohl grösstentheils angeschwemmt, im steilen Alpengebirge sind sie
dagegen wahrscheinlicherweise (wie Fucus nachwies) durch Einwirkung des Wassers auf den Kalkstein
entstanden. Indem nämlich das Wasser mittelst seines Gehaltes an Kohlensäure aus den oberflächlichen
Steinschichten die kohlensaure Kalk- und Bittererde auflöst, lässt es die Kieselerde und den Thon, die
im Kalkstein eingeschlossen waren, oder zwischen seinen Schichten lagen, zurück, und es bildet sich
auf diese Weise ein verhältnissmässig kalkarmer, zäher Thonboden, welcher nun das Wasser zurückhält
und häufig zur Versumpfung und Torfbildung Veranlassung giebt. Selbst auf die freistehenden Kalk-
steine übt das Wasser diese auflösende Wirkung aus und entzieht ihnen auf eine gewisse Tiefe den Kalk,
so dass Fucns erzählt, er hätte bei Tegernsee die Steine, die er anfänglich für Kalksteine gehalten, am
Stahle Feuer geben sehen und in kieselartige, kalkleere Masse verwandelt gefunden. Wie schnell endlich
manche dünnschieferige, mit dem Kalkgebirge in Verbindung stehende Mergel in einen bindigen Thonboden
zerfallen, ist bekannt.
Vergleichen wir damit die Veränderungen, welche das Urgebirge bei seiner Verwitterung erfährt, so
werden wir zwar eine Aehnlichkeit mit der Verwitterung der Kalksteine darin finden, dass auch die meisten
Urgebirgsfelsen, wegen ihres Feldspathes, geeignet sind, einen Thonboden zu liefern. Diese Umwandlung
geschieht aber nicht nur langsam, so dass beinahe überall im Gebirge der Dammerde eine grosse Menge
von nur mechanisch verkleinerten, aber nicht verwitterten Bruchstücken der Felsen beigemengt ist, sondern
es ist auch der verwitterte Boden wegen einer grossen Menge von Quarzkörnern, Glimmerblättchen u. dgl.,
die ihm beigemengt sind, weit nicht in dem Grade bindig und wasserhaltig, wie der aus der Zersetzung von
Kalksteinen hervorgegangene. Wenn daher aus der Zersetzung von Urgebirgesteinen an manchen Stellen
bedeutende Thonlager entstanden sind, so ist doch im allgemeinen der Urgebirgboden ein thoniger Sand-
boden mit allen Uebergängen zum leichtesten Sandboden.
Wenn schon diese halb mechanischen, halb chemischen Veränderungen der Gesteine den Bodenarten
des Kalk- und Urgebirges eine sehr abweichende Beschaffenheit ertheilen, so wird diese noch weit grösser,
wenn wir die Abänderungen des Humus, wie er auf diesen beiden Gebirgen sich bildet, vergleichen.
Es ist gewiss jedem Botaniker, welcher die Kalkalpen besuchte, die eigenthümliche Beschaffenheit des
humosen Bodens aufgefallen, welcher sich zwischen den Trümmern der Kalksteine findet. Diese Erde ist sehr
dunkel gefärbt, oft völlig schwarz, bildet mit Wasser einen schlüpfrigen, zähen Teig, welcher mit der Torferde
Aehnlichkeit hat, und bildet beim Vertrocknen eine ziemlich feste Masse. Dem Urgebirge, besonders wo es
etwas feucht und mit Vaccinien, Rhododendren, Azalea u. dgl. bewachsen ist, ist zwar eine in mancher Hin-
sicht ähnliche Erde nicht fremd, sie zeigt dagegen weniger jene torfähnliche Beschaffenheit, ist weniger
52
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wasserhaltig, lockerer, mit Sand gemischt, zerfällt beim Trocknen pulverförmig , kurz sie nähert sich der
Heideerde des ebenen Landes.
In Beziehung auf die Bildung des Torfbodens stehen sich wohl beide Gebirge ganz gleich, indem in
beiden Gebirgen die Thonschichtenhinreichende Gelegenheit zur Wasseransammlung und Vegetation von Torf-
pflanzen Veranlassung geben, im hohen Gebirge die reichlichen Wasserniederschläge auch an steil abhängigen
Stellen die Vegetation von Sphagnum begünstigen, und dadurch die Torlbildung einleiten, welche noch über-
diess durch das häufige Gefrieren des Bodens sehr unterstützt wird.
Betrachten wir nun diese physischen Verhältnisse der Erdarten und des Steingerölles der Kalk - und
Urgebirgalpen, so werden wir schon in ihnen einen hinreichenden Grund zu einer mannigfach verschiedenen
Vegetation finden. In Beziehung auf die Bildung des Torfbodens stimmen sie überein, es zeigt sich aber
auch, dass die Torfpflanzen auf beiden gleich gut gedeihen. Eine weitere Uebereinstimmung zeigen sie in
Beziehung auf den Thonboden. Indem dieser mehr die niedrigeren, flacheren Abhänge und Vertiefungen
überzieht, so bildet er grossentheils die Grundlage von Wiesen; in Beziehung auf die Vegetation von diesen
zeigt sich ebenfalls keine geringe Aehnlichkeit zwischen beiden Gebirgen. Gross wird dagegen die Verschie-
denheit, wenn wir die. höheren Alpen ins Auge fassen, welche mit einer kärglichen Schichte von Dammerde
bedeckt sind, oder derselben auch ganz entbehren, so dass theilweise der nackte Fels zu Tage steht, oder
Grus von zerfallenen Steinen den Boden bildet. Hier treten die grössten Verschiedenheiten in der Vegetation
auf; allein hier sind auch die physischen Abweichungen des Bodens am grössten. Das zerfallene, mit Sand
gemischte, von Wasser durchfeuchtete Gerölle der Urgebirge zeigt in seinen äusseren Verhältnissen gar keine
Achnlichkeit mit den zerklüfteten, mit wenigen Thontheilen und schwarzem, schlüpfrigem Humus gemischten
Kalksteinen, der glatte Kalkfels differirt möglichst stark vom rauhen, sandigen, häufig blätterig zerspaltenen
Urgebirgsfelsen, der trockene, felsige, heisse Kalkabhang vom feuchten, mit Moosen und Flechten bedeck-
ten Abhange des Urgebirgs.
Wie sehr solche physische Verschiedenheiten der Bodenarten das Gedeihen der einzelnen Pflanzen
hindern oder befördern, ist bekannt. In den meisten Fällen hängt ja das Vorkommen der Pflanzen an be-
stimmten Stellen von ausserordentlich geringen Modificationen des Bodens ab. Geringere oder grössere Be-
schattung, geringe Unterschiede in der Feuchtigkeit, Anwesenheit oder Abwesenheit von Steinen zwischen
der Dammerde, grössere oder geringere Bindigkeit des Bodens und eine Menge anderer kleiner Verschieden-
heiten bewirken eine Menge specieller, für besondere Pflanzen passender Localitäten, welche nicht genau
beschrieben werden können, sondern deren Eigenthümlichkeiten nur durch öfteres Sehen erkannt werden
können. Die Vertheidiger der chemischen Einwirkung des Bodens läugnen zwar diese Abhängigkeit der Ve-
getation von der physischen Beschaffenheit des Bodens nicht, halten die letztere dagegegen für ein unterge-
ordnetes Moment. Dass sie dieses nicht ist, sondern dass sie eine der vorzüglichsten Bedingungen zum Ge-
deihen der Pflanzen ist, möchte theils aus den weiter unten angeführten Erfahrungen der Land- und Forst-
wirthschaft, theils aus Beobachtungen an wildwachsenden Pflanzen erhellen.
In dieser letzteren Beziehung ist wohl die Untersuchung der Gebirgsgegenden weniger geeignet, diesen
— 1 —
Einfluss nachzuweisen, als die Untersuchung der Floren ebener Gegenden, in welchen die relative Höhe der
einzelnen Standörter keinen wesentlichen Einfluss äussert und der Boden in chemischer Hinsicht sehr gemischt
ist. Unter den Floren solcher Gegenden kann vielleicht kein passenderes Beispiel gewählt werden, als die
Flora unserer württembergischen Keupergegenden, insofern die unendliche Abwechslung von Mergel, Gyps,
dünnen Schichten von Dolomit, feinkörnigen, thonigen, glimmerhaltigen Sandsteinen, grobkörnigen Sand-
steinen mit kalkig -thonigem Bindungsmittel und eingesprengten Feldspathkörnern u. s. w. bei der leichten
Verwitterbarkeit der meisten dieser Schichten einen so gemischten Boden liefert, dass an keiner Stelle des-'
selben, (wenn man etwa die obersten an grobkörnigem Quarzsande reichen Schichten ausnimmt) irgend ein
für die Vegetation als nothwendig erachteter unorganischer Bestandtheil fehlt, indem neben der Kieselerde
und dem Thone, die Kalk- und Bittererde doch wenigstens zu einigen Procenten an allen Stellen gefunden
werden, und alle Quellwasser eine reichliche Menge von Gyps und kohlensaurem Kalk aufgelöst enthalten.
Ganz übereinstimmend mit dieser Bodenbeschaffenheit ist auch die Vegetation, indem sie durchaus ein Ge-
misch von Kalk- und Urgebirgpflanzen darbietet. Es wachsen nämlich, ungeachtet grössere Kalklager die-
ser Formation abgehen, in dem meistens stark thonigen Boden eine grosse Menge der deutschen Orchideen
und darunter kalkliebende, wie Cypripedium Calceolus, ferner Iris sambucina, Melica ciliata, uniflora,
Carex montana, ornithopoda, tomentosa, clandestina etc., Anthericum ramosum, Tulipa sylvestris,
Paris quadrifolia, Corydalis bulbosa, Hippocrepis comosa, Coronilla coronata, Hypericum mon-
tanum, hirsutum, Gentiana verna, Physalis Alkekengi, Viola mirabilis, Digitalis ambigua, T’hesium
montanum, pratense, viele Umbelliferae, z. B. Peucedanum Silaus, officinale, Athamantha Cer-
varia, Laserpitium latifolium, pruthenicum, welche Pflanzen beinahe ohne Ausnahme zugleich auch
auf dem Jurakalke der schwäbischen Alp vorkommen. Neben diesen Kalkpflanzen finden sich nün wieder
andere, welche der schwäbischen Alp fehlen, dagegen auf dem aus Granit und buntem Sandsteine bestehen-
den Schwarzwalde vorkommen, dessen Boden sehr wenig Kalk enthält, und dessen Wasser häufig durchaus
kalkfrei sind, z. R. Scirpus setaceus, Agrostis canina, Aira flexuosa, Triodia decumbens, Galium
rotundifolium, Jasione montana, Juncus filiformis, squarrosus, supinus, Rumex conglomeratus,
maritimus, Erica vulgaris, Vaccinium Myrtillus, Vitis idaea, Ohrysosplenium oppositifolium, Stel-
laria uliginosa, Potentilla argentea, Hypericum humifusum, pulchrum, Digitalis purpurea, Spar-
tium scoparium, Genista pilosa.
Vergleicht man nun die speciellen Standörter dieser Pflanzen, so wird man freilich diejenigen, welche
der Keuper mit dem Schwarzwalde gemein hat, meistens auf den an grobkörnigem Sande reicheren Stellen,
die Pflanzen, welche auch auf der Alp wachsen, mehr auf dem Mergel und auf zähem Thonboden treffen
und man könnte hierin den Beweis finden, dass die ersteren die genannten Stellen wegen ihres grösseren
Gehaltes an Kieselerde vorziehen. Daran müssen wir aber billig zweifeln, indem einentheils der Boden eine
viel zu gemischte Beschaffenheit besitzt, als dass nicht jede Pflanze ihre Bestandtheile in demselben finden
könnte, indem anderntheils die Sonderung der Alp- und Schwarzwaldflora sich nur auf wenige Pflanzen er-
streckt und gewöhnlich beiderlei Pflanzen untereinander wachsen. Nicht selten wird man nämlich neben
52 *
— 12 —
dem Buchenwalde, welcher Orchideen ernährt, Erica vulgaris in Menge treffen, im Föhrenwalde Orchi-
deen, Pulsatilla vulgaris, Anemone sylvestris, Spartium scoparium friedlich zusammenwachsen sehen,
so dass alle Verhältnisse darauf hinweisen, dass sich die Pflanzen um das mehr oder weniger Kieselerde oder
Kalkerde im Boden nicht bekümmern, sondern sich in ihrem Vorkommen nur nach der grössern Leichtigkeit
oder Bindigkeit, Trockenheit oder Feuchtigkeit, kurz nach den physischen Verhältnissen des Bodens richten.
Diese Abhängigkeit von den physischen Eigenschaften des Bodens zeigt sich in einem noch weit hö-
heren Grade bei vielen Culturgewächsen, welche zwar als bodenvag zu betrachten sind, aber dennoch sehr
bestimmte Eigenschaften des Bodens zu ihrem Gedeihen verlangen.
Am auffallendsten ist dieses wohl bei unsern Waldbäumen. Manche Culturen zeigen allerdings ein
schlechtes Gedeihen wegen ungünstiger Beschaffenheit des Bodens, allein sehr selten mag daran die chemi-
sche Mischung des Bodens Schuld sein, sondern in den allermeisten Fällen lassen sich die Gründe in einer
fehlerhaften Bewirthschaftung des Waldes gar leicht aufinden. Man liest so häufig, die Buche verlange einen
Kalkboden, die Nadelhölzer gedeihen nur auf Sandboden oder geben wenigstens auf Kalkboden kein gesundes,
dauerhaftes Holz. Wurden denn aber auch die übrigen Verhältnisse, unter denen man solches beobachtete,
Humusreichthum, Trockenheit oder Nässe, Tief- oder Flachgründigkeit des Bodens u. dgl., in Rechnung
gezogen? Wenn den Nadelhölzern der Kalk feindlich ist, wie kommt es denn, dass in den Alpen und im
Jura Hunderte von Quadratmeilen mit Nadelwäldern bedekt sind, deren Holz tadellos ist; wenn die Buche
Kalk verlangt, wie kommt es, dass auf dem Schwarzwalde, in den Carpathen, auf dem Granite der Alpen
die schönsten Buchen stehen ?
Nicht minder können uns manche Erfahrungen der Landwirthschaft den Beweis liefern, dass in vielen
Fällen die physischen Verhältnisse der Bodenarten ein weit wichtigeres Moment sind, als ihre chemische
Mischung. Dass unsere landwirthschaftlichen Gewächse nicht unter allen Umständen zu ihrem günstigen Ge-
deihen desselben Bodens bedürfen, dass daher die Bezeichnungen der Bodenarten nach den auf ihnen mit
besonderm Vortheile cultivirten Gewächsen, z. B. die Ausdrücke Roggenboden, Weizenboden, wie sie ehe-
mals üblich waren, durchaus ungeeignet sind, eine bestimmte Bodenbeschaffenheit zu bezeichnen, hierüber
kann gegenwärtig kein Zweifel mehr stattfinden, seitdem man weiss, dass die gleiche landwirthschaftliche
Pflanze in verschiedenen Gegenden einen Boden von sehr abweichender Beschaffenheit verlangt. So sagt
z. B. BuRGER*): „in warmen und trocknen Ländern wird der Thonboden für fruchtbar geachtet, den man
in kalten und nassen für unfruchtbar hält, wo der mürbe, mehr sandige, und sich leichter erwärmende Lehm
den ersten Rang einnimmt. In England ist der Roggen eine Seltenheit, und man bauet fast in allen Aeckern
Weizen, weil der mehrere Regen, oder die grössere Feuchtigkeit der Luft, der stärkere Thau, die mindere
Hitze, den Boden entweder mit mehr Feuchtigkeit versorgt, oder sein Austrocknen nicht so sehr befördert,
oder die Pflanzen selbst öfter und mehr befeuchtet, wie in Deutschland, wo man in leichteren Aeckern, in
denen der Engländer noch Weizen säet, nur Roggen bauen kann. In Klagenfurt wird der Mais in einem
*) Lehrbuch der Landwirthschaft. 1850. I. 73.
— 413 —
sehr losen Sandboden mit gutem Erfolge cultivirt, der in Friaul für diese Pflanzen schon viel zu trocken
ist, und worin man nur mehr Moorhirse säet. Die Benennung des Bodens nach seiner Verwendungsfähig-
keit, als Roggen- Gersten- und Weizenboden kann daher nur einen localen Werth haben; denn jene Er-
denmischung, die in England noch immer ein Weizenboden genannt wird, ist bei uns oft schon nur mehr
ein Gerstenboden, und in Friaul ein Roggenboden.“
Wenn schon solche im Grossen angestellte Beobachtungen erweisen, dass auf das Gedeihen der Cul-
turgewächse die physischen Eigenschaften des Bodens häufig von grösserem Einflusse sind, als seine Mischung,
so weisen auf der andern Seiteauch die ins genaueste Detail gehenden chemischen Arbeiten von CARL SPRENGEL
nach, dass die chemischen Bestandtheile des Bodens den grössten Abänderungen unterworfen sein können,
ohne dass desshalb der Boden ungeeignet wird, dieselbe Pflanze kräftig zu ernähren, und dass Bruchtheile
eines Procentes von Kalkerde und Thonerde vollkommen zum Gedeihen auch solcher Culturpflanzen hin-
reichen, welche grosse Ansprüche an den Boden machen, wie z. B. des Weizens.. Da nun diese geringen
Mengen der verbreiteten Erdarten nur in sehr ungünstigen Fällen demBoden abgehen, so erklärt esssich auch,
warum in den verschiedensten Bodenarten, wenn sie die für das Clima passende physische Beschaffenheit
besitzen, ein ergiebiger Ackerbau getrieben werden kann; zugleich aber möchte ich in Beziehung auf unsern
gegenwärtigen pflanzengeographischen Zweck den Schluss daraus ableiten, dass die Vertheidiger der Ansicht,
dass die Verbreitung der Pflanzen sich nach der chemischen Beschaffenheit des Bodens richtet, aller Stütze
von Seiten der landwirthschaftlichen Erfahrungen entbehren, indem diese gerade bis zur Evidenz nachweisen,
wie solche, ohne genaue Analysen unmerkliche Spuren von Kalkerde, Talkerde, Thonerde u. s. w. zur Un-
terhaltung aller Gewächse, mit denen sich die Landwirthschaft beschäftigt, hinreichen.
Auch die Erfahrungen der Gartencultur finden wir als einen sehr entscheidenden Beweis für die Ein-
wirkung der chemischen Bestandtheile des Bodens angeführt, dennoch müssen, wie ich glaube, auch hier
dieselben Einschränkungen eintreten. - Ich will nicht davon sprechen, dass der erste Blick auf einen botani-
schen Garten einige tausend Pflanzen in freudigem Gedeihen neben einander in demselben Boden zeigt, un-
geachtet sie aus den verschiedensten Gegenden abstammen und gewiss in wildem Zustande auf gänzlich un-
ähnlichen Bodenarten gestanden sind, denn dieses Beispiel könnte doch nur beweisen, dass eine so gemischte
Dammerde, wie sie die Gärten enthalten, jeder Pflanze die ihr nothwendigen Nahrungsmittel liefern kann,
und dass, wenn diese Bestandtheile überhaupt vorhanden sind, die relative Menge derselben nicht sehr in
Betracht kommt, insoferne die Mehrzahl der Pflanzen ebenso gut im Berliner Sande als im Münchner Kalk-
boden wächst. Wohl aber verdienen solche Pflanzen, welche in der gewöhnlichen Gartenerde nicht gedeihen,
und eine besondere Erdmischung verlangen, nähere Betrachtung. Hier kommen hauptsächlich viele capenser,
neuholländer und besonders Pflanzen aus der Familie der Ericeen in Betracht, welche eine Erde verlangen,
deren Herbeischaffung in vielen Gärten grosse Mühe und Kosten verursacht. Was ist nun dieses für eine
Erde, enthält sie chemische Bestandtheile, welche mangewöhnlich nicht in dem Boden findet? Keineswegs;
sondern diese Pflanzen sind entweder genügsamer, und verlangen nichts als eine humose Erde, welche vielen
Quarzsand enthält, dadurch leicht wird, den feinen Wurzeln freie Ausbreitung gestattet, der Luft den Zutritt
— 44 —
in die Tiefe gestattet, mit Wasser nicht zu einem zähen Breie wird, der beim Trocknen in eine harte Masse
sich verwandelt, das alles leistet aber der Quarzsand durch seine physischen Eigenschaften; oder die Pflan-
zen verlangen nicht nur eine lockere Erde, sondern Heideerde, die Eigenthümlichkeiten von dieser liegen
aber nicht in ihren unorganischen Bestandtheilen, sondern in der eigenen Beschaffenheit ihres Humus. Die-
sen Pflanzen ist allerdings der Kalkboden nicht zuträglich, und es ist nicht zu läugnen, dass manche der-
selben durch Aufnahme einer gewissen Menge von Kalk sehrleiden, allein so ausserordentlich schädlich kann
ihnen der Kalk dennoch nicht sein, indem sie in Gegenden, welche nur stark kalkhaltige, harte Wasser be-
sitzen, wohl gezogen werden können, wenn sie nur den ihnen zuträglichen Humus im Boden finden. Auf
ähnliche Weise, wie bei der Heideerde, verhält es sich mit der Torferde, indem auch hier mehr die Be-
schaffenheit des Humus, als der unorganischen Bestandtheile des Bodens in Rechnung kommt, wenigstens
wird man auf einem Torfmoore, welches auf Kalk aufliegt, dieselben Pflanzen (selbst Erica vulgaris) finden,
wie auf einem, dessen Unterlage Urgebirge ist.
Als Resultat dieser Betrachtungen können wir annehmen, dass bei den Jandwirthschaftlichen Gewäch-
sen, obgleich zu ihrem Gedeihen die Anwesenheit bestimmter unorganischer Substanzen im Boden nöthig
ist, dennoch das Bedürfniss, bestimmte unorganische Substanzen aufzunehmen, sehr mässig ist, indem schon
eine sehr geringe Zumischung der hiebei am meisten in Betracht kommenden Stoffe zum Boden zu ihrer Er-
nährung hinreicht, dass ferner (wenn wir vom Humusgehalt des Bodens absehen) ihr Gedeihen in weit höhe-
rem Grade von der physischen Beschaffenheit des Bodens abhängt, als von der relativen Menge der denselben
zusammensetzenden Erdarten, dass häufig dieselbe Pflanze in verschiedenen Climaten einen Boden von ab-
weichender Beschaffenheit verlangt *).
Diese grosse Genügsamkeit der Pflanzen, ihr Vermögen, einen unorganischen Bestandtheil des Bodens,
wenn er auch in geringer Quantität vorhanden ist, dennoch in verhältnissmässig grosser Menge durch die
Wurzeln aufzunehmen, macht es erklärlich, wie die Mehrzahl der Gewächse ebensowohl im Urgebirge als
im Kalkgebirge ihre Nahrung findet **). Zugleich möchte aber hier noch in Betracht kommen, dass es höchst
. wahrscheinlich ist, dass manche unorganische Bestandtheile des Bodens nicht sowohl als unmittelbare Nah-
rungsmittel zu betrachten sind, als vielmehr dadurch die Vegetation begünstigen, dass sie die Aufnahme or-
sanischer Nahrung vermitteln. In. dieser Beziehung haben wir unsere Aufmerksamkeit vorzüglich auf die
alvalischen Bestandtheile des Bodens, auf den Kalk, die Bittererde, das Kali und Natrum zu richten.
In wie weit die Kalkerde als Nahrungsmittel nothwendig ist, und in wie weit sie durch Bildung eines
humussauren Salzes als nahrungsvermittelnd wirkt, dieses zu bestimmen fehlt es uns noch an sicheren An-
*) Dieses letzere sehen wir auch an wildwachsenden Pflanzen; so wachsen z. B. viele Alpenpflanzen z. B.
Primula Auricula, Bartsia alpina, in den Ebenen von Oberbayern auf Torfmooren, während sie in den hohen
Alpen, wo sie durch die reichlichen Wasserniederschläge Feuchtigkeit genug erhalten, auftrockenem Boden,
zum Theil auf Felsen wachsen.
**) In dieser Hinsicht sind die dickblätterigen Saxifraga sehr interessant. So zeigt z. B. S. .disoon auf den
Granitwänden des Höllenthales im Schwarzwalde Kalkschüppchen am Rande ihrer Blätter.
— 415 —
haltungspunkten, wohl aber giebt es einzelne Umstände, welche es wahrscheinlich machen, dass sie grossen-
theils auf die letztere Weise wirke. Hiefür scheint der verhältnissmässig grössere Nutzen zu sprechen,
welchen das Kalken auf thonigen, als auf sandigen Feldern leistet. Käme der Kalk blos als directes Nah-
rungsmittel in Betracht, so sollte seine Wirkung in beiden Fällen ähnlich sein; da aber der Sandboden den
Humus leicht an die Pflanzen abgiebt, der Thonboden ihn dagegen zurückhält, und gerade auf dem letzteren
der Kalk sehr günstig auf die Vegetation einwirkt, so scheint dieses darauf hinzuweisen, dass er weit
weniger als directes Nahrungsmittel, als vielmehr durch Zuführung von Humus zur Pflanze wirkt. Ein
zweiter Beweis hiefür liest in dem Umstande, dass in solchen Fällen, in welchen Kalk mit Nutzen
auf den Acker gebracht wird, z. B. bei Heideboden, Torfboden, derselbe oder vielmehr ein noch grös-
serer Vortheil durch Anwendung von Asche erreicht wird. Dieser Umstand scheint von einem um so
grösseren Gewichte zu sein, da es wiederum die Leguminosen (Wicken, Klee, Lotus) sind, deren Wachs-
thum durch die Asche besonders begünstigt wird, während gerade diese Pflanzen als ganz besondere Lieb-
haber des Kalkes bekannt sind.
Wenn es aus diesen Umständen wahrscheinlich wird, dass das Kali in vielen Fällen als Aequivalent für
den Kalk dient, so wird hieraus erklärlich, wie in den kalkärmsten Urgebirggegenden die gleichen Pflanzen, die wir
auch auf Kalkboden finden, sehr kräftig vegetiren können, indem gerade die Gesteine des Urgebirges den Man-
geloder die Armuth an Kalk durch einen reichlichen Gehalt an Kaliund Natrum ersetzen können und die Wasser
solcher Gegenden, welche oft durch ihren Mangel an Kalk sich dem destillirten Wasser nähern, diese Alka-
lien enthalten. Auch mag in vielen Fällen in Urgebirggegenden die Thonerde als Aequivalent für die Kalk-
erde auftreten.
In wie ferne nun der Kalk bald als directes Nahrungsmittel, bald als nahrungsvermittelnder Stoff zu
betrachten ist, dafür liesse sich vielleicht, wenn wir die wildwachsenden Pflanzen ins Auge fassen, aus der
Vergleichung der Vegetation der Kalk- und der Urgebirggegenden ein Anhaltungspunkt finden; wenigstens ist
es, so lange nicht genaue Analysen der verschiedenen Bodenarten, auf welchen die einzelnen Pflanzen gedeihen
und nicht gedeihen, vorliegen, das wahrscheinlichste, dass solche Pflanzen, welche einzig und allein auf Kalk-
boden wachsen, des Kalkes unmittelbar als Nahrungsmittel bedürfen, dass auf solche Pflanzen, welche nie
auf Kalkboden wachsen, eine grössere Menge von Kalk giftig einwirkt und dass bei bodenvagen Pflanzen der
Kalk entweder ein ziemlich indifferentes Nahrungsmittel ist, oder dass er durch andere Stoffe ersetzt wer-
den kann.
Von den Schwierigkeiten, das Verhältniss der Pflanzen zu ihrer Unterlage zu bestimmen, habe
ich schon oben gesprochen, ich kann desshalb auch nicht hoffen, dass das folgende Verzeichniss
von Alpenpflanzen in Beziehung auf die Angabe des Bodens, auf dem sie vorkommen, von Fehlern frei ist;
ich gebe dasselbe nur als einen Versuch, als eine Grundlage, an welche sich künftige Beobachtungen an-
reihen mögen. Ich habe, um dasselbe zu entwerfen, die Verzeichnisse von Alpenpflanzen zusammenge-
stellt, welche mit Rücksicht auf die Bodenbeschaffenheit von A. Sauter (Flora 1831 p. 225), Dr. SaUTER
(Flora 1831 p. 146), Horre (Flora 1831. p. 146), Sreı (Flora 1834 p. 587)) ZAuULBRUCKNER, OSWALD
— 46 —
HEER, Unger entworfen wurden. Hiemit wurden die Angaben von ZuccArinı, (über die Vegetationsver-
hältnisse der bayrischen Alpen), WAHLEnsERG (Flora carpat., Flora suecica, de vegetat. Helvet.) zusam-
mengestellt, ferner wurden die von HALLeR und Gaupin in ihren Schweizerfloren angeführten Standörter
benützt, so weit sie sich auf Gegenden beziehen, welche in geognostischer Hinsicht von SAussurE und
Stuper genau beschrieben, oder von mir besucht waren. Weitere Beiträge lieferten die Arbeiten von Wur-
FEN (in Jacgum’s Miscellaneen und Collectaneen), ferner die vielen Aufsätze in der Flora über die Vegeta-
tion einzelner Alpengegenden (so reichlich auch das Material gewesen wäre, welches diese letztern Verzeich-
nisse hätten liefern können, so konnten sie doch nur zum kleinern Theile benützt werden, indem sie bei-
nahe immer ohne Angabe der geognostischen Beschaffenheit der besuchten Alpen abgefasst sind), endlich
die von mir auf meinen Alpenreisen gemachten Beobachtungen.
Gerne hätte ich gewünscht, in dieser Uebersicht bei jeder Pflanze nicht nur das Endresultat der Un-
tersuchungen anführen, sondern auch die einzelnen Angaben, auf welche dasselbe sich stützt, aufzählen
zu können, damit derLeser sich von der grösseren oder geringeren Sicherheit, mit welcher bei der einzelnen
Pflanze das Verhältniss zu ihrer Unterlage bestimmt wurde, hätte unterrichten können, dieses war aber bei
der ungemein grossen Anzahl der einzelnen Angaben, welche aufzuführen gewesen wären, unausführbar,
indem es einen für den Umfang dieser Arbeit viel zu bedeutenden Raum erfordert hätte. Es musste daher
dieser Uebersicht die Einrichtung gegeben werden, dass die Tabelle in fünf Rubriken getheilt wurde, von
denen die erste, mit U überschriebene, zur Bezeichnung der blos auf Urgebirge wachsenden Pflanzen dient,
während die zweite (K) die kalksteten, die dritte (Uh) die urgebirgholden, die vierte (Kh) die kalkholden,
und die fünfte (Bv) die bodenyagen Gewächse bezeichnet. Jedem Pflanzennamen gegenüber wurde in der
Rubrik, in welche die Pflanze nach meiner Ansicht gehört, ein Strich gesetzt, und wo ich zweifelhaft war,
dieses durch ein ? ausgedrückt.
Den systematischen Werth der aufgezählten Arten lasse ich ganz auf sich beruhen, ich folgte in der
Annahme derselben Koc#’s Synopsis.
BBHE E e.[x[S]s E
an ealeh | Koeleria hirsuta Re ae
Avenaualpina . .ı...... —_
Phleum alpnum . . . ,„, — versicolorä ee. —_
commutatum = sempervirens . . . . —
Micheli . . . . _ alpestrise nu 00.0 =
Agrostis rupestris SER: — distichophylla . 3 =
alpinaga u gen — subspicata . . . ....|—|?
Calamagrostis tenela . . . |? PR oaWlaxa Me: =
Stipa pennata . — minor =
capillata re —_ alpina =
Lasiagrostis Calamagrosti — caesia ==
Sesleria sphaerocephala . . . — sudetica Bil =
u distichafen .. .0 2.00. —_ hybrida . .. 2. 20.20. —
tenellaugarunsı 1.0 u. _ cenisia —
coerulea . — Festuca Halleri ==
Festuca ovina £) alpina
y) violacea
heterophylla
P) nigrescens
varia
pumila
pilosa
laxa .
spectabilis
spadicea .
Scheuchzeri
decolorans .
Nardus stricta .
Cyperaceae.
Seirpus caespitosus
alpinus
Eriophorum alpinum .
Scheuchzeri .
Elyna spicata
Kobresia caricina .
Carex dioica
capitata
rupestris
leucoglochin
microglochin
baldensis
curvula .
juneifola 02
foetida ,
chordorhiza
teretiuscula
stellulata
grypus .
lagopina
heleonastes
mucronata .
bicolor .
nigra
aterrima
atrata
irrigua .
pilulifera
membranacea .
ericetorum
humilis
alba
capillaris
ustulata . . ,
fuliginosa
Carex frigida
sempervirens
firma
ferruginea .
brachystachis .
Oederi .
Juncaceae.
Juncus Jacquini
arcticus
filiformis
castaneus .
stygius
triglumis
trifidus
Hostü .
Luzula flavescens
Forsteri
maxima
glabrata
spadicea
albida .
nivea
lutea
campestris
var. alpina .
spicata
Colchicaceae.
Colchicum alpinum
Veratrum nigrum .
album
Lobelianum
Tofieldia calyculata
borealis
Liliaceae.
Lilium bulbiferum
carniolicum
Martagon
Lloydia serotina
Anthericum Liliago
ramosum
Czakia Liliastrum .
Gagea Liottardi
Allium Victorialis .
fallax 5
Schoenoprasum
£) alpinum
53
Asparageae.
Streptopus amplexilolius
Convallaria verticillata
Irideae.
Crocus vernus’ . - -
Orchideae.
Orchis elobosa . . -
Spitzelüi
sambucina
Gymnadenia odoratissima
albida
Habenaria viridis . .
Nigritella angustifolia
suaveolens ö
Chamaeorchis alpina .
Herminium Monorchis
Epipogium Gmelini .
Listera cordata . - -
Goodyera repens. . -
Corallorrhiza innata .
Malaxis monophyllos
Juncagineae.
Scheuchzeria palustris
Coniferae.
Taxus baccata .
Juniperus nana
Sabina .
Pinus Pumilio . B
Gembrag 2.
Abies pectinata
excelsa .
Tarixae.ı..
Betulaceae.
Betula alba
nana
Alnus viridis
Incanasre tl.
Salicineae.
Salix pentandra .
Seringeana
BEINE 0, (6.00
‚
Uh.
Kh
Br.
Salix phylicaefolia
srandifolia . .
glabra
myrtilloides .
arbuscula
lapponum
glauca
caesia
Jacquini .
myrsinites
reticulata
retusa .
herbacea . -
Cupultiferae.
Fagus sylvatica
Empetreae.
Empetrum nigrum
Eleagneae.
Hippopha@ rhamnoides
Santalaceae.
Thesium alpinum
rostratum . .
Thymeleae.
Daphne Mezereum
alpina
striatau u >
Polygoneae.
Rumex alpinus
Scutatuseee
arilolius
Oxyria digyna.
Polygonum viviparum
alpinum on...
Bistorta
Plantagineae.
Plantago montana . . .»
alpina
Plumbagineae.
Statice plantaginea
alpina .
|
Globularicae.
Globularia nudicaulis
cordifolia .
Primulaceae.
Trientalis europaea
Androsace helvetica
imbricata .
alpina..
pubescens
villosa
chamaejasme
obtusifolia
lactea
carnea
Aretia Vitaliana
Primula farinosa
longiflora
Auricula. .
villosa .
carniolica
spectabilis . .
glutinosa
Floerkeana
Cortusa Matthioh .
Soldanella montana . ,
alpina . .
pusilla .
minima
Cyclamen europaeum
Lentibularieae.
Pinguicula alpina .
grandiflora .
Labiatae.
Salvia glutinosa
Thymus alpinus
Horminum pyrenaicum
Nepeta Nepetella
Dracocephalum Ruyschiana .
Stachys alpina
Betonica hirsuta
Alopecurus .
Scutellaria alpina .
Ajuga pyramidalis
Teucrium montanum .
Rhinanthaceae.
TKozziagalpmaıı 2a:
Melampyrum sylvaticum . =.
Pedicularis Jaequini . . .
rostrata
asplenitolia
tuberosa .
Barrelieri ,
incarnata
atrorubens
foliosa
recutita
versicolor . .
acaulis
verticillata
Bartsia alpna.. . . ..
Euphrasia officinalis
el NIDDA
salisburgensis
Antirrhineae.
Digitalis grandiflora . . . .
lutea .
Linaria alpina
italica .
Erinus alpinus
Veronica chamaedrys
officinalis . .
aphylla
bellidioides .
fruticulosa
saxatilis .
alpina
Paederota Bonarota
Aerlae ne:
Wulfenia carinthiaca .
Boragineae.
Asperugo procumbens
Echinospermum deflexum
Cerinthe alpina . . .
'Myosotis alpestris . . .
Eritrichium nanum
Polemoniaceae.
Polemonium coeruleum .
53*
®
Gentianeae.
Swertia perennis . 5
Lomatogonium nahen
Gentiana lutea
hybrida .
purpurea
pannonica
punctata
asclepiadea .
Froelichii
frigida
acaulis
excisa
bavarica BR
brachyphylla . ,
verna a:
angulosa
imbricata
pumila
prostrata
utriculosa
nivalis
campestris .
obtusifolia
glacialis .
nana.
Pyrolaceae.
Pyrola uniflora
secunda „
minor .
Ericineae.
Arctostaphylos alpina
uva ursi .
Andromeda polifolia .
Calluna vulgaris
IErIicatcarneau
Azalea procumbens
Rhododendron ferrugineum
hirsutum
Chamaecistus
Vaccinieae.
Vaceinium Myrtillus .
uliginosum
Vitis Idaea
Gnaphalium norvegicum
U. Ks le &
Campanulaceae.
Phyteuma pauciflortum . . —
P) oe aeiohumi ll
hemisphaericum . egoEg
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Petasites albus —
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Bellidiastrum Michelii —
Erigeron Villarsii .
alpinus .
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Solidago Virga aurea
Buphthalmum salicifolium
supinum .
Leontopodium .
dioicum .
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Artemisia pedemontana .
elaciaise m ne nr ZZ
Mutellina
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u. |K. S E E
Artemisia spiecata . 2... | — || Saussurea pygmaea . . .
Danayasi el Serratula nudicaulis . . . .
Achilleakalpnae na | Rhaponticum . . .
Clavenne . . . . A a Centaurea phrygia . . . .
valesica . 2... nenvosa Sn...
macrophylla. . . . —_ montana . . ...
moschata . . . . — Lapsana foelida . . . . .
atrata) un S. — || Leontodon Taraxaci . 6
nanay pyrenaicus . . .
tanacetifolia . . . —_ hastlis Wr 7.
Anthemis alpina . . 2... incanusıı. nn.
styrlacalı onen: ? erispus
ChrysanthemumLeucanthemum. Tragopogon crocifolius .
ß) atratum . . — || Scorzonera grandiflora
montanum . . -— || Hypochaeris maculata
coronopifolium — uniflora
ceralophylloides = || Willemetia apargioides
alpinum . . — || Taraxacum officinale
Doronicum scorpioides . . . — Chondrilla prenanthoides
caucasicum . . . — Sonchus alpinus
austriacum . . . — Crepis aurea . ö
Aronieum Clusüi . . ». .. alpestris ©
«) longifolium . . ? Jacquini
B)vulgare „. . . = suceisaefolia .
y)glaile . . . pygmaea =
scorpioides . . . — blattarioides . —
Arnica montana . 2 2... —= grandiflora —_
Senecio abrotanifolius Da: — || Soyeria montana . =
cordatus . . . . = hyoseridifolia —
Iyratifolius . ? || Hieracium Pilosella _
carniolicus . . —_ «) farinaceum
incanus . . ö &) hoppeanum —
uniflorus . . & furcatum . _
Doronicum . 0.0 == angustifolium —
Cirsium eriophorum . . . == piloselloides 0 =
pannonicum . . 5 ? aurantiacum _
carniolicum SR 2 sabinum ?
pauciflorum & staticaefolium ET
Erisithales Dee: — saxatile —
heterophyllum . = bupleuroides . _
tivulazeise ee. % _ glabratum _
acale . Se: - villosum a,
spinosissimum . . . — dentatum . En
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Dipsaceae. Heravleum sibiricum ©
Cephalaria alpina
Knautia longifolia
Scabiosa lucida . .
Valerianeae.
Valeriana tripteris
montana .
supina .
saliunca .
saxatilis
elongata . .
celtica .
Stellatae.
Asperula taurina .
Galium tenerum
rotundifolium
sylvestre
baldense .
Caprifoliaceae.
Lonicera nigra
coerulea
alpigena
Linnaea borealis .
Umpbelliferae.
Astrantia minor
carniolica
major
Ernygium alpinum
Falcaria latifolia
Aegopodium Podagraria
Carum Carvi
Pimpinella Saxifraga
Bupleurum ranunculoides
graminilolium
stellatum
Libanotis montana
Athamanta cretensis .
Matthioli .
asperum .
alpinum
austriacum
Laserpitium latifolium
alpinum .
Siler..
peucedanoides .
hirsutum .
Chaerophyllum aureum .
elegans
Villarsii .
hirsutum
Myrrhis odorata
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.
Pleurospermum austriacum
Saxifrageae.
Saxifraga Cotyledon .
Aizoon .
elatior
erustata
mutalta .
burseriana .
squarrosa
caesia
patens
oppositifolia
biflora
Kochii
aspera
tenella .
aizoides
Hirculus
stellaris
Clusii
euneifolia
pedemontana .
muscoides .
exarata .
stenopetala
sedoides
Hohenwarthiü
planifolia
Seguieri
{25}
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Saxifraga androsacea
controversa
petraea .
cernua .
rotundifolia .
hieracifolia .
Grossularieae.
Ribes alpinum..
petraeum
Crassulaceae.
Rhodiola rosea
Sedum Telephium
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Anacampseros
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villosum
AEREN 0) 0 80.0
annuum
dasyphyllum
repens REIS EIMDE,
Sempervivum tectorum .
Wultenii
Funkii .
montanum
Braunii
arachnoideum
hirtum .
Paronychieae.
Herniaria alpina
Tamariscineae.
Myricaria germanica . .
Onagrarieae.
Epilobium angustifolium .
Dodonaei . . .
Fleischeri .
trigonum . .
origanifolium .
alpinum
Circaea alpina .
»Pomaceae.
Cotoneaster vulgaris .
tomentosa
Amelanchier vulgaris
Sorbus aucuparia .
Aria
Chamaemespilus
Sanguisorbeae.
Alchemilla vulgaris
pubescens
fissa
alpina .
pentaphylla
Rosaceae.
. Dryas octopetala .
Geum reptans .
montanum .
Rubus saxatilis
Potentilla rupestris
multifida
aurea . ,
salisburgensis
ambigua
grandiflora
nivea .
frigida .
caulescens
Clusiana
nitida ,
Sibbaldia procumbens
Rosa alpina
rubrifolia
glandulosa
pomifera
Papilionaceae.
Cytisus alpinus
Ononis rotundifolia
Anthyllis Vulneraria .
montana
Trifolium pratense
y nivale
alpestre
noricum
saxatile
alpinum
pallescens .
eespitosum
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Doryenium suffruticosum = | Hypericum Richeri —
Colutea arborescens . _ Coris . ?
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lapponica . = | montanum Schl. . —
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Astragalus leontinus . — Alsineae.
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Coronilla Emerus — St ER
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Hippocrepis comosa . . . —ı | le er
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Rhamnus saxatilis . _ polygonoides _
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Staphylea pinnata . . . ei Stellaria cerastoides . _
Cerastium latifolium . —
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pyrenaicum . 3 Gypsophila repens —_
argenteum al. | Dianthus barbatus ?
| atrorubens . =
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| glacialis . ;
Acer Pseudoplatanus — | alpinus . =
opulifolium Bat = | sylvestris —-S
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Hypericum perforatum . . — | vallesia
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Silene saxifraga . . . . .
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acaulis
Lychnis alpina I
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Polygaleae.
Polygala Chamaebuxus
amara
Droseraceae. .
Drosera rotundifolia .
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intermedia
Parnassia palustris
Violarieae.
Viola pinnata .
palustris
bitlora .
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calcaratat a a
cenisia .
alpina
Cistineae.
Helianthemum oelandicum .
vulgare
Cruciferae.
Matthiola varia . . .
Nasturtium pyrenaicum .
Arabis alpina .
saxatilis ,
ciliata
stricta .
serpyllifolia
vochinensis
arenosa
Halleri
pumila
bellidifolia
eogerulea 2... >
Cardamine alpina
resedifolia
Cardamine trifolia
Dentaria enneaphylla
digitata .
pinnata .
bulbifera
Husueninia tanacetifolia
Braya alpina
pinnatifida
Erysimum pallens
lanceolatum .
Alyssum alpestre
Wulfenianum
Lunaria rediviva
Petrocallis pyrenaica
Draba aizoides
Zahlbruckneri .
Sauteri
tomentosa .
stellata
frigida .
* Johannis
Iapponica .
laevigata
fladnizensis
ciliata
incana .
confusa
Kernera saxatilis .
Thlaspi alpestre
montanum
alpinum
rotundifolium
cepeaefolium
Biscutella laevigata
Hutchinsia alpina
brevicaulis
Aethionema saxatile .
Papaveraceae.
Papaver alpinum .
Ranunculaceae.
Atragene alpina
Thalictrum aquilegifolium
alpinum
foetidum
Anemone Hepatica
Halleri
vernalis
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Anemone nareissiflora . . . | | — || Ranunculus Villarsü . | -| |
alpınaua u 2 2.22% In ° nemorosus . E—
baldensis . . ..- — | Trollius europaeus
trilohayı ee — Eranthis hyemalis —
Ranunculus rutaefolius . . . |— Helleborus niger . =
anemonoides . . — Aquilegia Sternbergü —
glacialis . . -. - — atrata . —
Seswerl, — alpina . 2
alpestrs . . - >= pyrenaica . —|
CrematUsy en. re RE | Delphinium elatum —
aconitifolius . - — | Aconitum Anthora. . _
parnassifolius — | Napellus _
pyrenaeus = | Stoerkeanum . —_
Thora = \ variegatum | =
hybridus = | | paniculatam | =
montanus | — | Lyeoctonum | _
Eine Vergleichung der voranstehenden Tabelle mit der von Unserer gelieferten Uebersicht der Flor
von Kitzbühel wird bedeutende Verschiedenheiten zu erkennen geben sowohl in Beziehung auf das relative
Verhältniss der bodensteten Pflanzen zu den bodenvagen, als auch in Beziehung auf das Verhältniss der ein-
zelnen Pflanzenarten zu ihrer Unterlage.
Bei Unser betragen die bodenbestimmenden Pflanzen (bodenstete und bodenholde zusammen) ziem-
lich genau !/; der Phanerogamen, in meinem Verzeichnisse stehen die bodenbestimmenden und bodenvagen
einander nahezu gleich (380 bodenbestimmende, 372 bodenvage). Dieses überwiegende Verhältniss der
bodenbestimmenden Pflanzen zu den bodenyagen in meinem Verzeichnisse beweisst auffallend, wie sehr im
Gebirge der Einfluss des Bodens stärker hervortritt, als im ebenen Lande, indem in dieses Verzeichniss nur
Gebirgspflanzen, oder solche Gewächse, welche aus niedrigen Gegenden in die Alpen aufsteigen, aufgenom-
men wurden, wogegen in der Flora von Kitzbühel noch viele campestre und montane Pflanzen stehen.
Da jedoch eine scharfe Trennung der bodenholden von den bodenvagen Pflanzen nicht vorgenommen
werden kann, so ist es vielleicht richtiger, die bodenholden mit den bodenvagen Pflanzen zu vereinigen, und
ihr Verhältniss zu den bodensteten anzugeben. Mein Verzeichniss enthält 752 Pflanzen (wobei die mit
zweifelhaftem Standorte nicht mitgezählt sind) und unter diesen 252 bodenstete Gewächse; diese bilden
also !/3 der ganzen Vegetation. In der Flora von Kitzbühel bilden die bodensteten Pflanzen nicht ganz 1/5
der Phanerogamen, ein Verhältniss, welches wieder seine Erklärung darin findet, dass diese Flora auch
Pflanzen des ebenen Landes enthält.
Vergleichen wir das Verhältniss der Pflanzen des Urgebirges zu denen des Kalkgebirges, so werden
Mein Ver-
zeichniss enthält 106 urgebirgstete und 146 kalkstete Pflanzen, die ersteren bilden daher nahezu I/7, die
sich zwischen Uxger’s und meinem Verzeichnisse noch bedeutendere Abweichungen ergeben.
—- MM —
letzteren !/, der ganzen Vegetation. Bei Unger bilden dagegen die schiefersteten Pflanzen (32 Species)
nur 1/as, die kalksteten (114 Species) !/s der Phanerogamen ?).
Nehmen wir darauf Rücksicht, dass sich im Ganzen in Unger’s Verzeichniss der Einfluss des Bodens
nur halb so stark ausspricht,, als in dem meinigen, so erhellt, dass Unger eine verhältnissmässig grössere
Anzahl von Pflanzen für kalkstet, und eine um die Hälfte kleinere Anzahl für urgebirgstet erklärt, als ich.
Dieses abweichende Verhältniss ist in mehreren Umständen begründet. Einmal betrachtet Unger manche
Pflanze als kalkstet, welche ich unter die kalkholden und selbst unter die bodenvagen versetzte, anderntheils
finden sich in seinem Verzeichnisse manche Kalkpflanzen, z. B. Orchideen, welche ich nicht aufgenommen
habe, weil ich sie nicht zu den Alpenpflanzen rechnete. Diese beiden Verhältnisse mussten in Unszr’s Ver-
zeichnisse die Anzahl der Kalkpflanzen vermehren.
Was die geringe Anzahl von Urgebirgspflanzen bei Unger betrifft, so rührt diese ohne Zweifel davon
her, dass der Flora von Kitzbühel viele den hohen Alpen angehörige Gewächse fehlen; dass aber gerade
diese Pflanzen vorzugsweise den Urgebirgspflanzen beigezählt werden müssen, erhellt aus dem früher über
das Verhältniss der Flor der Centralalpen zu der Vegetation der Seitenketten Gesagten. Dieses Verhältniss
wird noch auffallender durch den Umstand, dass ich einen ziemlichen Theil der von Unger als schieferstet
aufgeführten Pflanzen unter die bodenvagen versetzte, wodurch die wirklich urgebirgsteten in der Flora von
Kitzbühel noch um ein merkliches redueirt werden.
Das auffallende Ueberwiegen der Kalkpflanzen gegen die Urgebirspflanzen bei Unger zeigt sich auch
bei Vergleichung der kalkholden und urgebirgholden Gewächse. Unger führt nämlich 45 Pflanzen (!/o der
Phanerogamen) als kalkhold, dagegen nur 9 Pflanzen (!/ıoo) als schieferhold auf, so dass fünf kalkholde
Pflanzen auf eine schieferholde kommen. Mein Verzeichniss enthält 42 urgebirgholde, und 86, also nur
doppelt so viel kalkholde Pflanzen.
Stellen wir auf der einen Seite die urgebirgsteten und urgebirgholden, auf der andern Seite die kalk-
steten und kalkholden Pflanzen zusammen, so zeigt sich ein ähnliches Verhältnis. Die urgebirgsteten und
urgebirgholden Pflanzen zusammen betragen bei mir 148 Arten (!/s der Vegetation), die kalksteten und
kalkholden zusammen 232 Arten (nicht ganz "/3); bei Unser betragen die ersteren nur 9% Arten (4/aa),
während die letzteren 159 Arten (nicht ganz 1/6) betragen.
Aus diesen beiden Zählungen geht zwar gleichmässig hervor, dass der Kalkboden auf den Reichthum
der Flora einen günstigen Einfluss äussert, insofern sowohl die kalksteten als kalkholden Pflanzen eine
grössere Anzahl bilden, als die urgebirgsteten und urgebirgholden; das Verhältniss zwischen beiden zeigt
aber in meinem und Uncer’s Verzeichnisse so bedeutende Verschiedenheiten, dass wir das starke Ueber-
1) Diese Zahlen der kalksteten und schiefersteten Pflanzen bei Usser, welche auf den Angaben der am Ende
seines Werkes befindlichen Uebersicht der Flora von Kitzbühel beruhen, differiren ein wenig von den An-
gaben, wie sie aus den pag. 172 und 181 seines Werkes enthaltenen Verzeichnissen sich ergeben, indem
hier 142 kalkstete und 31 schieferstete Pflanzen aufgezählt sind; die Unterschiede sind aber, wie man
sieht, so unbedeutend, dass sie nieht in Betracht kommen.
54 *
— 28 —
wiegen der Kalkpflanzen in der Flora von Kitzbühel als eine Ausnahme von der allgemeinen Regel betrach-
ten müssen. Wäre das von Unger gefundene Verhältniss der Urgebirgpflanzen zu den Kalkpflanzen das
allgemein richtige, so würde eine ungemeine Armuth der Urgebirgfloren im Gegensatze gegen die Kalkfloren
daraus hervorgehen, und die von WAHLENBERG angeführte Ansicht der oesterreichischen Botaniker: „putant
divitias florae austriacae derivandas esse a solo calcareo alpium earum“ wäre vollkommen gegründet. Dass
aber dieses Verhältniss wohl vielleicht local eintreten kann, aber nicht allgemein ist, und dass die Urgebirg-
alpen gegen die Kalkalpen nicht immer bedeutend in Hinsicht auf den Reichthum der Flor zurückstehen,
dafür liefern manche Alpengegenden, z. B. die penninischen Alpen, die Umgebungen des Grossglockners
die glänzendsten Beweise.
In meinem Verzeichnisse ist das Verhältniss der bodensteten Pflanzen zur ganzen Flor (*/z) auffallend
gross und vielleicht grösser, als es wirklich der Fall ist. Zwei Ursachen mögen dazu beigetragen haben,
dass ich dieses Resultat erhielt, von denen die eine in der Beschaffenheit der Alpenflor selbst, die andere in
der Unvollständigkeit meiner Hülfsmittel begründet ist.
Die erste Ursache liegt darin, dass mein Verzeichniss eine ziemliche Menge von Pflanzen enthält,
welche nur an einer oder an wenigen isolirten Stellen in den Alpen aufgefunden wurden, welche desshalb
unter die bodensteten Pflanzen gesetzt werden mussten, ohne dass sich, wie dieses schon oben bemerkt
wurde, aus diesem isolirten Vorkommen ein sicherer Schluss auf ihre Bodenstetigkeit ziehen lässt.
Der zweite Grund, warum ich manche Pflanze unter die bodensteten verweisen musste, welche viel-
leicht zu den bodenvagen gehört, liegt im Mangel einer hinreichenden Anzahl specieller Angaben; wenigstens
ist nicht zu zweifeln, dass für manche Pflanzen Standörter auf verschiedenen Gebirgsarten aufzufinden ge-
wesen wären, wenn die Floren der westlichen und südlichen Alpenländer, z. B. die Flora pedemontana von
Auruıoxı, die Flore du Dauphine von Vırnars Rücksicht auf die Bodenbeschaffenheit genommen hätten.
— 29 —
XXXI.
Einige Bemerkungen
über
die Grössenbestimmung mikroskopischer Objecte.
(Aus der Linnaea 1842. Mit Zusätzen.) *
Je häufiger in der neueren Zeit der Naturhistoriker das Mikroskop bei seinen Untersuchungen anwen-
det, und je weiter die Genauigkeit bei den mikroskopischen Beobachtungen getrieben wird, desto mehr tritt
auch das Bedürfniss ein, die Grösse der untersuchten Gegenstände zu bestimmen. Zu diesem Behufe haben
uns die Physiker und Mechaniker mit einer Anzahl von Messapparaten versehen, von welchen auch ein ziem-
lich ausgedehnter Gebrauch gemacht wird: Die publicirten Messungen tragen jedoch zum Theil den Stem-
pel ihrer Unrichtigkeit nur zu deutlich an der Stirne, indem eine nicht zu erreichende Genauigkeit, welche
sie für sich in Anspruch nehmen, auffallend genug die Unzuverlässigkeit der Angaben zu erkennen
giebt. Einer der stärksten Fälle der Art, welche mir noch vorgekommen, ist die vor nicht langer Zeit von
einem mit Recht eines europäischen Rufes geniessenden Gelehrten publicirte Angabe, er hätte bei Unter
suchungen, welche mit Hülfe eines Plössl’schen Mikroskopes von 600facher Vergrösserung angestellt wur-
- den, sich eines Mikrometers bedient, bei welchem die Seite eines Quadrates 0,00003 Millimeter betragen
habe*). Wenn einem gläubigen Publikum solche Angaben geboten werden, so mag esnicht überflüssig sein,
*) Betrachten wir diese Angabe etwas näher. Obiger Decimalbruch in einen gewöhnlichen Bruch verwan-
delt beträgt 1/5553; Millimeter. Da es eine absolute Unmöglichkeit ist, einen Glasmikrometer so fein zu
theilen, so erhellt von selbst, dass in jenem Falle ein in das Ocular eingelegter Mikrometer gemeint ge-
wesen sein muss, allein dass auch in diesem Falle die Angabe jener Grösse eine Unmöglichkeit einschliesst,
erhellt aus Folgendem. Mein Plössl'sches Mikroskop giebt mit den Objectiven 4, 5 und 6, und mit dem
Oculare 5 eine Linearvergrösserung von 680. Legt man einen Plössl’schen Mikrometer, auf welchem
die Linie in 60 Theile getheilt ist, in das Ocular ein, und gebraucht man als Objeet den zweiten Plössl-
schen Mikrometer, welcher in 30 Theile getheilt ist, so wird das Bild von einem Quadrate des letztern
im Oculare ziemlich genau von den Strichen des ersteren Mikrometers in 60 Theile getheilt. Nun bestimmte
ich die Länge der Seiten eines solchen Quadrats mit einer für diesen Zweck hinreichenden Genauigkeit zu
45/399 Millimeter; der Zwischenraum zwischen zwei Strichen des im Oculare liegenden Mikrometers ent-
spricht also 45/1000 oder 1/soo Millimeter. Dieses ist ungefähr 1/,n von der Grösse, welche bei der oben
angeführten Messung erhalten worden sein soll; folglich müsste bei derselben im Oculare ein Mikrometer
gelegen sein, auf welchem die Linie in 2400 Theile getheilt gewesen wäre. Die Verfertigung eines so fein getheilten
Mikrometers ist nun zwar keine Unmöglichkeit, denn Frausworer hat Theilungen von ähnlicher Feinheit
wirklich ausgeführt, allein eine vollkommene Unmöglichkeit wäre es, die Theilstriche zu sehen, wenn ein
—-— 230 —
die Weise, wie mikroskopische Messungen angestellt werden, und die Genauigkeit, welche mit unsern gegen-
wärtigen Hülfsmitteln zu erreichen ist, zu besprechen.
Die bei mikroskopischen Untersuchungen gebräuchlichen Mikrometer beruhen auf sehr verschiedenen
Prineipien.
Die schärfste Messung würde man ohne Zweifel durch solche Vorrichtungen erhalten, durch welche
das durch das Mikroskop gesehene Bild des Objectes auf analoge Weise, wie bei dem Heliometer, in zwei
verschiebbare Bilder getrennt werden könnte, und durch welche man die Verschiebung vom völligen Ueber-
einanderfallen beider Bilder bis zur Berührung ihrer Ränder messen würde. Eine solche Vorrichtung besitzt
der Doruoxnp’sche Wollenmesser; bei Mikroskopen, welche zu wissenschaftlichen Untersuchungen bestimmt
sind, habe ich sie noch nie getroffen, und meinen Versuchen zu Folge, welche ich mit einem Dollond’schen,
an meinem Mikroskop befestigten Apparate anstellte, sind sie leider nur zur Messung weniger Objecte taug-
lich, nämlich nur zur Messung isolirter Gegenstände. Die getrennten Bilder von einzelnen Körpern sieht
man hinreichend scharf auf dem gleichförmig beleuchteten Gesichtsfelde des Mikroskops, um mit aller nur
wünschbaren Genauigkeit ihre Ränder in Berührung bringen zu können. Um den Durchmesser von isolirten
Fasern, Körnchen u. dgl. in voller Schärfe zumessen, wären Vorrichtungen dieser Art wohlallen andern vorzu-
ziehen. Wo man dagegen den Durchmesser einzelner Theile eines zusammenhängenden Ganzen bestimmen
will, z. B. den Durchmesser von Gefässen auf dem Längenschnitte eines Stammes, so sind diese Apparate
völlig unbrauchbar, indem durch das Uebereinanderschieben der verschiedenen Theile des ausgedehnten Bil-
des jedes deutliche Sehen unmöglich wird.
solcher Mikrometer in das Ocular eingelegt würde. Ich wenigstens sehe bei einem in 600tel Millim. ge-
theilten Mikrometer die ganze getheilte Fläche als einen zusammenhängenden Streifen, ohne dass irgend
ein einzelner Strich in demselben sichtbar wäre, und beim Einlegen eines in 500tel Linien getheilten Mi-
krometers sehe ich zwar noch die einzelnen feinen Striche, aber ohne alle Möglichkeit, mittelst derselben
messen zu können.
Vor kurzem sprach sich auch Prof. Harrıns gegen die von mir angeführte Messung aus (Tijdschr.
voor Natuurlijke Geschiedenis. T. X.), wobei ersich folgender Beweisführung bedient. Bei einer 600maligen
Vergrösserung würden Rörperchen von Y/suouo Millim. Durchmesser als Körper von '/;, Millim. Durchmesser
erscheinen, es hätte aber wohl Niemand ein so scharfes Gesicht, dass er in $” Entfernung mit blossem
Auge Rörperchen von diesem Durchmesser erkennen könnte, es seien selbst Körper von !/ıs Millim. Durch-
messer nur unter günstigen Umständen in diesem Abstande zu unterscheiden. Würde man mit dem Mi-
5
kroskope eben so scharf als mit blossem Auge sehen, so könnten höchstens Körper von !/gooo bis "/ıoooo
Millimeter noch gesehen werden, da aber auch’beim besten achromatischen Mikroskope das Bild nicht so
scharf, wie beim Sehen mit blossem Auge sei, so glaube er, dass ein Mikroskop, mit welchem Körper
von %syoo Millim. Durehmesser noch wahrgenommen werden können, vortrefllich genannt werden müsse.
In keinem Falle sei es möglich, mit den Mikroskopen von Proxssz, Cnrvarırr, Amıcr einen Körper von
4/soopo Millim. Durchmesser zu sehen. Dieser Beweisführung Harrına’s muss man unbedingt zustimmen,
wenn gleich, wie ich wenigstens glaube, die Grenze des Sehens für das blosse Auge etwas weiter hinaus-
zurücken sein möchte; wenigstens sehe ich nach Messungen, die ich zur Ermittlung dieses Verhältnisses
anstellte, schwarze auf weissem Grunde befindliche Punkte von t/ı; Millim. Durchmesser noch sehr gut
mit blossem Auge, Punkte von 4/» Millim. Durchmesser noch deutlich, jedoch nur mit einiger Anstrengung,
wogegen ich Punkte von '/s; Millim. Durchmesser nicht mehr zu sehen vermag.
—- 31 —
Eine zweite, sehr häufig angewendete Methode der Messung beruht auf der Anwendung des Glasmi-
krometers, welcher im Grunde nichts anderes, als ein sehr fein getheilter Maassstab von Glas ist.
Ueber die Sicherheit, welche die Anwendung dieses Werkzeuges gewährt, sind die Ansichten sehr ver-
schieden, so hat z. B. SchLeien (Grundzüge der wissensch. Botanik I. 132.) mancherlei Einwendungen ge-
gen dasselbe gemacht, nach welchen, wenn sie gegründet wären, dieses Instrument für ziemlich unbrauch-
bar erklärt werden müsste, während VoeEu (Anleit. zum Gebrauch des Mikroskops) die Messungen mittelst
desselben für eben so sicher, als die mittelst des Schraubenmikrometers hält. Hier liegt die Wahrheit in
der Mitte. h
ScuLeipen wendet gegen den Glasmikrometer ein, dass die mit dem Diamanten gezogenen Striche
nicht gleichförmig, sondern ausgesprungen seien, wesshalb die Abtheilungen von ungleicher Breite werden.
Das Aussplittern der Linien findet allerdings häufig statt, besonders wenn der Diamant den Strich mehr ein-
schneidet, als ausschabt, es fehlt aber bei gut ausgefallenen Mikrometern gänzlich, oder ist auf so wenige
Stellen beschränkt, dass es in der That als ein kaum zu beachtender Fehler erscheint. Weit wichtiger ist
die Einwendung, dass auf die Glasmikrometer, da sie mit einer Schraubentheilmaschine verfertigt werden,
alle Unvollkommenheiten der Schraube übergetragen seien, dass man daher bei ihrem Gebrauche nicht blos
die Fehler erhalte, welche man in Folge der unvollkommenen Form ihrer Striche begehe, sondern noch dazu
die Fehler der Theilungsmaschine. Hieran ist allerdings etwas Wahres, aber. so schlimm, wie ScHLEIDEN die
Sache darstellt, ist sie nicht entfernt. Die Glasmikrometer sind allerdings mittelst einer Mikrometerschraube
getheilt, und es ist unbedingt zuzugeben, dass diese Schraube nicht vollkommen gleichförmig sein wird, al-
lein diese Fehler sind höchst unbedeutend, denn die Theilungsmaschine eines guten mechanischen Institutes
gehört zu den Werkzeugen, auf deren Verfertigung die grösste Sorgfalt verwendet wird, und wenn man eine
solche, mit Solidität gearbeitete Maschine mit einem Schraubenmikrometer, wie er an den Mikroskopen sich
befindet, in Parallele stellt, so thut man ihr in der That Unrecht. Hiezu kommt noch, dass die Ge-
nauigkeit, mit welcher man mittelst einer Theilungsmaschine theilt, und die Genauigkeit, mit welcher
man mittelst des Schraubenmikrometers misst, auch bei beiden Vorrichtungen die gleiche mechanische Vol-
lendung vorausgesetzt, nicht mit einander zu vergleichen sind, indem es unendlich leichter ist, beim Ein-
stellen der Theilungsmaschine der Schraube mittelst ihres getheilten Kreises die richtige Stellung zu geben,
als bei der Messung mit demSchraubenmikrometer den Spinnenfaden genau mit dem einen, und dann mit dem
‚andern Rande des Bildes in Berührung zu bringen. Wir können uns unter diesen Umständen darüber, dass
es möglich ist, die Glasmikrometer mit einer für die meisten mit denselben anzustellenden Messungen hin-
reichenden Genauigkeit zu verfertigen, vollkommen beruhigen, auch hat die Erfahrung diese Möglichkeit längst
nachgewiesen, so war z. B. FRAUNHOFER sicher, dass bei den von ihm getheilten Mikrometern die Zwischen-
räume zwischen je 2 Linien nicht um "/ıoo ihrer eigenen Grösse verschieden waren. Ich fand auch bei
wiederholten Messungen von FrAauxuorer’schen und Proesst’schen Mikrometern mittelst des Schrauben-
mikrometers, dass dieselben mit vollkommen ausreichender Genauigkeit verfertigt waren; gleiches Lob kann
ich einigen, von mir untersuchten OssrnHÄuser’schen nicht ertheilen.
—- 232 —
Bei der Prüfung eines Glasmikrometers ist es jedoch nicht hinreichend, sich davon zu überzeugen,
dass die Linien in gleichen Entfernungen von einander stehen, sondern man muss auch untersuchen, ob die
Linien um die vom Mechaniker angegebene Weite von einander abstehen. In dieser Beziehung erlauben
sich die Verfertiger gerne kleine Abweichungen, wenn ihre Theilmaschine auf eine bequemere Weise die
Theilung nach einer der verlangten nahe stehenden Grösse zugiebt.
Den Besitz brauchbarer Glasmikrometer vorausgesetzt, so giebt es bei Messung mittelst derselben
mehrere wesentlich verschiedene Methoden.
Gegen die einfachste derselben, nämlich das Auflegen des zu messenden Gegenstandes auf den Glas-
mikrometer selbst, sprechen sich die Schriftsteller über das-Mikroskop so ziemlich übereinstimmend un-
günstig aus, und zwar aus dem Grunde, weil man bei Gegenständen von einiger Dicke den Mikrometer und
das Object nicht zu gleicher Zeit scharf sehen könne. Ungeachtet dieses bei grösseren Körpern und Anwen-
dung starker Objective richtig ist, so scheint mir diese Methode doch gar nicht so sehr zu verachten zu sein
und in einzelnen Fällen sogar zu den besten zu gehören, nämlich dann, wenn es sich um die Messung sehr
kleiner Körper handelt, besonders wenn dieselben in einer Flüssigkeit schwimmen und eine Molecularbe-
wegung zeigen. Wenn in einem solchen Falle die Körper kleiner, als die Abtheilungen des am feinsten ge-
theilten Mikrometers sind, so findet freilich keine eigentliche Messung, sondern eine ungefähre Schätzung
des Durchmessers des Körperchen im Verhältniss zur Breite einer Abtheilung des Mikrometers statt, und in-
sofern ist das Resultat ein keineswegs genaues, denn solche Schätzungen sind, wenn es sich um sehr geringe
Grössen, z. B. um Bruchtheile eines in 500tel Millimeter getheilten Mikrometers handelt, sehr unsicher,
allein es lässt sich doch mit ziemlicher Bestimmtheit finden, dass solche Körper nicht über Yıooo u. s. w.
eines Millimeters gross sind, und es lässt sich dieses häufig mit grösserer Sicherheit, als bei Benutzung eines
in das Ocular eingelesten Mikrometers thun, indem die Schärfe des mikroskopischen Bildes bei dieser Mes-
sungsmethode nicht beeinträchtigt wird.
Gehen wir zu dieser zweiten Benutzungsweise des Glasmikrometers über, so beruht sie darauf, dass in
das Ocular ein Glasmikrometer eingelegt wird, bei welchem man vorher den Werth seiner Eintheilung dadurch
bestimmte, dass man einen zweiten Glasmikrometer von bekannter Eintheilung durch das Mikroskop betrach-
tete, und abzählte, wie viele Striche des ersteren Mikrometers zwischen zwei oder mehrere des letzteren
fallen. Wenn man nun, während der Mikrometer im Oculare liegt, ein Object durch das Mikroskop betrach-
tet, so sieht man den durch den Mikrometer gebildeten Maassstab über dem mikroskopischen Bilde, und kann
somit leicht die Grösse des Objectes bestimmen. Diese Methode scheint auf den ersten Anblick eine weit
grössere Genauigkeit zuzulassen, als man bei der wirklichen Messung mit derselben erreicht. Man erhält
nämlich bei der Anwendung von nicht sehr fein getheilten Mikrometern bereits sehr weit gehende Theilungen,
wie das oben in der Anmerkung angeführte Beispiel zeigt, in welchem eine Abtheilung eines in 60tel Linien
getheilten Mikrometers '/soo Millimeter entsprach. Da man nun gar wohl noch feiner getheilte Mikrometer
anwenden kann, so könnte man vermuthen, dass die Messung mittelst dieser Methode eine noch. viel weiter
gehende Genauigkeit zulasse, allein bei der Ausführung von Messungen findet man allerlei Schwierigkeiten.
— 13 —
Der eine, besonders bei der Messung kleiner Objecte sehr störende Uebelstand ist der, dass durch die
Striche des Ocularmikrometers die Schärfe und Deutlichkeit des mikroskopischen Bildes in hohem Grade ge-
trübt wird, und dieses natürlicherweise desto mehr, je feiner der Mikrometer getheilt ist. Aus diesem Grunde
sind auch die gitterartig getheilten Mikrometer den leiterförmigen nachzusetzen. Diese Undeutlichkeit des
Bildes macht es schwierig zu beurtheilen, ob der Rand des Bildes genau mit einem Mikrometerstriche in
Berührung ist oder nicht, welche Unsicherheit noch dadurch vermehrt wird, dass die Diamantstriche auf den
ins Ocular einzulegenden Mikrometern, um deutlich gesehen werden zu können, ziemlich stark sein müssen,
und desshalb mit einer, ein genaues Einstellen störenden Breite gesehen werden.
Ein zweiter Uebelstand, welcher leicht bei nicht sehr durchsichtigen Objecten eintritt, ist der, dass
man die Striche des Mikrometers nur mit Mühe, oder auch gar nicht mehr über dem Bilde des Objectes sieht.
Man kann diesem am besten durch Anwendung stärkerer Oculare abhelfen, indem man durch diese die Mi-
krometerstriche deutlicher sieht, aber freilich mit Vermehrung der Undeutlichkeit des Bildes vom Objecte.
Ein dritter übler Umstand ist der, dass man beinahe immer genöthigt ist, Bruchtheile einer Abthei-
lung des Mikrometers zu schätzen, da es ein seltener Zufall ist, wenn das Bild eine oder mehrere ganze Ab-
theilungen des Mikrometers einnimmt. Eine solche Schätzung ist weit unsicherer, als man vermuthen sollte,
und man begeht dabei weit grössere Fehler, als man anfänglich für möglich hält. Ich schätzte z. B., um
durch eine genaue Messung die Schätzung controliren zu können, die Breite, welche die Striche eines 750
Millimeter angebenden Mikrometers im Verhältnisse zu den Zwischenräumen zu haben schienen, und mass
alsdann dieses Verhältniss mit dem Schraubenmikrometer; hiebei erstaunte ich nun nicht wenig, als ich !/7
erhielt, während ich sie .zu !/„—!/4 geschätzt hatte, und dennoch hatte ich diese Schätzung unter verhält-
nissmässig günstigen Umständen vorgenommen, insoferne der Mikrometer, indem er blos durch die Ocular-
linse gesehen wird, weit schärfer gesehen wird, als das Bild des Objectes, bei welchem eine fehlerhafte
Schätzung noch weit leichter eintritt. =
Ungeachtet aller dieser Uebelstände lassen sich durch diese Messungsmethode sehr brauchbare Resul-
tate erhalten, wenn man nicht eine sehr weit gehende Genauigkeit verlangt, und die zu messenden Gegen-
stände nicht eine zu geringe Grösse besitzen. Wendet man z. B. bei Messungen von Gegenständen, welche
mehrere 100tel Linien im Durchmesser haben, wie von Pollenkörnern, grösseren Pflanzenzellen u. s. w., einen
Mikrometer an, dessen Abtheilungen !/ıootel Linie entsprechen, so kann man mit hinreichender Sicherheit
noch !/soo‘’’ schätzen; wendet man bei kleineren Gegenständen feiner getheilte Mikrometer an, so kann man
bis auf */ı000‘, selbst auf 1/2000 ““ direct messen, und zur Noth, aber doch nur bei sehr günstigen Objecten
und mit grosser Unsicherheit, etwa noch die Hälfte dieser Grösse schätzen.
Der Umstand, dass die Striche des im Ocular liegenden Mikrometers nur undeutlich oder gar nicht ge-
sehen werden können, wenn das Object dunkel ist, gab wohl Veranlassung zur Erfindung des sogenannten
Oculaire a vis de rappel (Spizenmikrometer), d. h. zur Anbringung von zwei Nadeln in der Blendung des
Oculars, welche einander diametral gegenüber stehen, und durch Schrauben bis zur Berührung ihrer Spitzen
einander genähert werden können. Um den Durchmesser eines Gegenstandes zu messen, schraubt man die
59
BE. 1
Spitzen so weit ins Ocular vor, dass sie die entgegengesetzten Seiten des Bildes berühren, lest nun statt des
Objectes einen Glasmikrometer unter das Mikroskop, und zählt die zwischen den Spitzen liegenden Abthei-
lungen desselben. Diese Methode gewährt den entschiedenen Vortheil vor der Anwendung einesin das Ocular
eingelegten Mikrometers, dass das Bild des Objectes vollkommen klar bleibt, und dass man die dunkeln Na-
deln sehr scharf auch über einem minder durchsichtigen Objecte sieht, daher einen einzelnen Theil desselben
leichter, als mit dem Glasmikrometer messen kann, auf der andern Seite macht es aber grosse Schwierig-
keiten, die Nadelspitzen genau auf den Rand des Objectes einzustellen, wenn dieselben nicht sehr spitzig zu-
geschliffen sind, indem wegen einer an der Nadel stattfindenden Beugung des Lichtes der Rand des Bildes
vor derselben zurückweicht. Dieser Umstand, und ebenso die beim Ablesen des Mikrometers eintretende
Unsicherheit veranlasst eine Unsicherheit von ungefähr ?/ıo0o bis Y/59o Millimeter, man kann daher diese Mes-
sungsmethode kaum mehr anwenden, wenn das Object kleiner, als Y/299 bis "/300 Millimeter ist, wesshalb diese
Methode bei Messung kleiner Körper unbedingt die schlechteste ist; dagegen ist sie bei Gegenständen von
grösserem Durchmesser bequem und hinreichend sicher.
Eine weitere Methode der Messung mittelst des Glasmikrometers beruht darauf, dass mit Hülfe des
Sömmeramse’schen Spiegels oder einer analogen Vorrichtung von dem durch das Mikroskop betrachteten Ge-
genstande eine Zeichnung entworfen, und alsdann nach derselben Vergrösserung das Bild eines Glasmikro-
meters auf die Zeichnung übertragen wird. Dass auf diese Weise mit grosser Leichtigkeit ebensowohl die
Vergrösserung des Mikroskops, als die Grösse des Objectes bestimmt wird, ist klar. Was jedoch die Ge-
nauigkeit der Messung betrifft, so ist dieser Methode zwar auf der einen Seite der Vortheil vor der Anwen-
dung des im Oculare liegenden Mikrometers und des Spitzenoculares zuzuschreiben, dass man, wenn der
Durchmesser des Objectes keine ganze Abtheilung des Mikrometers beträgt, den Bruchtheil auf der Zeich-
nung mittelst des Cirkels messen kann und nicht genöthigt ist, ihn blos zu schätzen, auf der andern Seite
leidet sie aber ander Unbequemlichkeit, dass das durch den Sömmerrise’schen Spiegel gesehene Bild, weil das-
selbe auf einem halb beleuchteten Papiere aufzefangen wird, nicht mit derselben Deutlichkeit, wie bei directer
Betrachtung durch das Mikroskop gesehen wird. Dieser Umstand ist, besonders bei Anwendung starker Ver-
grösserungen, einem: genauen Nachzeichnen des Bildes hinderlich. Nimmt man noch hinzu, dass man beim
Zeichnen selbst kleine Fehler begeht, se muss man den Werth dieser Methode niedriger anschlagen, als man
wohl anfänglich zu ihun zeneigi ist, auch zeigt sich bei Anwendung derselben, dass die Fehler, welche man
begeht, bis auf !/;oo9 ““ steigen können; grössere Fehler lassen sich dagegen leicht vermeiden. Im Ganzen
genommen mag diese Methode in Hinsicht auf Genauigkeit mit der Anwendung im Oculare liegender Mikro-
meter übereinstimmen.
Eine weit grössere Genauigkeit lässt die Methode zu, wenn man das im Sömmerrise’schen Spiegel
sich zeigende Bild nicht auf Papier auffängt und nachzeichnet, sondern auf einen beliebigen Maassstab mit
Eleinea Abtheilungen (wozu man ganz gut eine Thermometerscale benutzen kann) auffallen lässt, nach-
dem man vorher den Werth der Abtheilungen des Maassstabes dadurch bestimmte, dass man das Bild
eines Glasmikrometers auf demselben aufäng. Man sieht die Striche des Maassstabes sehr scharf in dem mi-
— 35 —
kroskopischen Bilde, es lässt daher diese Methode eine sehr genaue Messung zu. Wenn ich z. B. die PLössr-
schen Objective 4—6 anwende, so entsprechen % Abtheilungen des von mir gebrauchten Maassstabes too
Millimeter, die Striche geben daher unmittelbar !/aoo Millimeter an. Da sich nun mit hinreichender Sicher-
heit 1/a, 1/3, "/a, */s einer Abtheilung des Maassstabes schätzen, oder mit dem Cirkel messen lässt, so geht
diese Messung mit hinreichender Sicherheit bis auf "/gooo Millimeter. Durch Anwendung stärkerer Oculare,
als ich bei meinem Spiegelapparate benutze, liesse sich ohne Zweifel die Genauigkeit der Messung bei güns-
tigen Objecten noch um ein Beträchtliches steigern *).
Auf demselben Principe, das vergrösserte Bild auf einer Fläche aufzufangen, und mittelst eines Maass-
stabes zu messen, beruht das Verfahren von Harrıng (Bullet. d. seiene. phys. en Neerlande. 1839. 361.),
welcher das durch ein Sonnenmikroskop erzeugte Bild auf einer matten Glastafel auffängt, und seine Dimen-
sionen mit dem Cirkel abmisst. Harrıng versichert (Tijdschrift voor natuurl. Gesch. 1840. 169.), dass er
zum mindesten auf !/5ooo Millimeter sicher sei.
Gehen wir zum Schraubenmikrometer über, welcher in Deutschland die übrigen Mikrometer beinahe
zu verdrängen anfängt, so wird diesem wohl so ziemlich allgemein der Vorzug der grösseren Genauigkeit
zuerkannt, dagegen wurden auch gegen ihn manche Einwendungen erhoben. Einige von diesen betreffen je-
doch nicht das Wesentliche der Sache, z. B. der Vorwurf, dass derselbe ein kostspieliges, schwer zu hand-
habendes und leicht zu verderbendes Instrument sei; diese Verhältnisse können nicht in Betracht kommen,
wenn die Leistungen des Schraubenmikrometers durch keinen andern Mikrometer zu erreichen sind, und das
Bedürfniss einer grösseren Genauigkeit, als die übrigen Mikrometer zulassen, vorhanden ist.
Von weit grösserem Gewichte ist dagegen die Einwendung, dass bei der Unmöglichkeit, eine vollkom-
men richtige Schraube zu schneiden, die Messungen mittelst des Schraubenmikrometers ebenfalls nicht
vollkommen richtig seien. Das sind sie allerdings nicht, so wenig als irgend eine Messung in der Welt, allein
der Grund der Fehler, welche man bei der Messung mittelst. des Schraubenmikrometers begeht, liegt gröss-
tentheils in ganz andern Umständen, als in der Unvollkommenheit der Mikrometerschraube. Bei einem gut
gearbeiteten Schraubenmikrometer zeigen die Messungen desselben Objectes mit verschiedenen Theilen der
Schraube keine grösseren Abweichungen von einander, als wiederholte Messungen mit demselben Theile der
Schraube, es ist ferner der wahrscheinliche Fehler der Messung, man mag einen grösseren oder kleineren
Körper mittelst dieses Instrumentes messen, wenigstens für denselben Beobachter, ungefähr von gleicher
*) Prof. Harrıye macht in Beziehung auf diese Messungsmethode, bei welcher er die Grösse des Bildes mit-
telst eines Cirkels mass, die sehr richtige Bemerkung, dass diese Methode ein desto genaueres Resultat
gebe, je kleiner das zu messende Object und je stärker die angewendete Vergrösserung sei. Er fand z. B.
bei wiederholten bei einer 550maligen Vergrösserung angestellten Messungen einer 0,1 Millim. langen Strecke
eines Glasmikrometers, dass die stärkste Abweichung zwischen den Messungen etwas kleiner als %/ı500 Mil-
limeter war; hatte das Object einen Durchmesser von nur 0,01 Millim., so sank die Abweichung auf
1/3000 Millim. Mit der Grösse des Objectes und der dadurch nöthig werdenden Anwendung schwacher
Vergrösserungen nehme dagegen der Febler zu, so dass er bei einem Objecte von 4 Millimeter Durch-
messer und bei 100maliger Vergrösserung auf 1/s00 Millimeter steige.
99 *
— 236 —
Grösse, zum deutlichen Beweise, dass die Fehler, welche man begeht, nicht sowohl in Ungleichförmigkeit
der Schraube, sondern vielmehr in der Unmöglichkeit eines vollständig scharfen Einstellens begründet sind *).
Die Messung mittelst des gewöhnlichen (Fraunnorer’schen) Schraubenmikrometers geschieht bekannt-
lich auf die Weise, dass mittelst der Mikrometerschraube das Object unter dem feststehenden Körper des
Mikroskopes um seine eigene Breite verschoben wird, durch welche Bewegung das Bild des Objectes in ent-
gegengesetzter Richtung durch das Ocular geführt wird, und dass man den Anfang und das Ende dieser Ver-
schiebung durch die Berührung eines im Ocular ausgespannten Spinnenfadens, oder besser eines zarten, auf
Glas gezogenen Diamantstriches-mit dem einen, und später mit dem andern Rande des Bildes bestimmt, wor-
auf die zur Verschiebung nothwendig gewesene Drehung der Schraube am Index des Instrumentes und der
getheilten Trommel der Schraube abgelesen wird. Die Genauigkeit der Messung richtet sich daher nach der
Genauigkeit, mit welcher die Einstellung des Spinnenfadens auf die Ränder des Bildes bewerkstelligt wird.
Es vereinigen sich nun mehrere Umstände, um die Ausführung dieser Operation in voller Schärfe unmöglich
zu machen.
Erstens tritt am Rande des Bildes, wenn man denselben mit dem Faden in Berührung bringen will,
eine Beugung des Lichtes und in Folge derselben eine Abplattung des Randes ein, welche ein vollkommen
scharfes Aneinanderlegen des Bildes und des Fadens unmöglich macht. Diesem Uebelstande könnte man zwar
dadurch begegnen, dass man im Oculare zwei parallele, in kleiner Entfernung von einander gezogene Dia-
mantstriche anbringen, und auf die Mitte ihres Zwischenraumes einstellen würde, allein auch dadurch wäre
in den meisten Fällen ein scharfes Einstellen noch nicht gesichert. Die Anwendung von Diamantstrichen
führt nämlich überhaupt den Uebelstand mit sich, dass dieselben, wenn das Bild eines nicht sehr durchsichtigen
Objectes unter ihnen durchgeführt wird, nur sehr schwierig zu sehen sind, und häufig, wenigstens momentan, ganz
unsichtbar werden. Ich fand es daher zweckmässiger (wenn nicht kleine Kügelchen gemessen werden sollen,
welche allerdings besser mittelst eines Fadens gemessen werden), in das Ocular einen Ring einzulegen, in
welchem sich in der Richtung eines Radius eine fein zugeschliffene Nadel befindet, deren Spitze bis in den
Mittelpunkt des Ringes reicht, und auf die Spitze der Nadel einzustellen. Es erleichtert dieses das Einstellen
bedeutend, indem die Nadel auch über einem dunkeln Objecte sehr scharf gesehen wird, und es weit leichter
ist, die Nadelspitze mit dem Rande des Bildes in Berührung zu bringen, als dieses bei Anwendung eines Fa-
dens der Fall ist.
Eine zweite Ursache der fehlerhaften Einstellung liegt darin, dass man mit aller Vorsicht doch häufig
nicht vermeiden kann, die Schraube etwas weiter vorzuschrauben, als man beabsichtigte, oder zu frühe mit
der Drehung derselben aufzuhören. Hat man über den Berührungspunkt der Bilder vorgeschraubt, so lässt
sich der Fehler durch Zurückschrauben nicht wieder verbessern, indem der immer vorhandene todte Gang
der Schraube das Resultat der Messung nothwendig falsch machen würde. Diese in der Unsicherheit der
*) Diese Bemerkung findet natürlicherweise nur ihre Anwendung auf Instrumente, wie sie aus den Fraun-
worer’schen, Prössz’schen und ähnlichen mechanischen Instituten hervorgehen; es sind mir allerdings schon
ganz schlechte Instrumente dieser Art unter die Augen gekommen.
— 137 —
Hand begründete Ungenauigkeit des Einstellens liesse sich zwar leicht entfernen, wenn am Mikrometer auf
analoge Weise, wie an den Kreisen der astronomischen Instrumente, eine Vorriehtung angebracht würde,
um den letzten Theil der Drehung mittelst einer Schraube vorzunehmen. Es ist aber wohl nicht der Mühe
werth, das Instrument auf diese Weise complicirter und in seiner Anwendung zeitraubender zu machen,
indem es offenbar kürzer ist, wenn man beim Einstellen einen bedeutenden Fehler beging, die Beobachtung
zu verwerfen und eine neue zu machen.
Ein weiterer Umstand, durch welchen kleine Fehler verursacht werden können, liegt darin, dass die
gewöhnlichen, säulenförmigen Mikroskopstative keinen so soliden’ Bau besitzen, dass nicht durch einen
auch nur schwachen Seitendruck, welchen man bei der Drehung der Mikrometerschraube unwillkührlich aus-
üben kann, in Folge der Elastieität des Statives und des ganzen Messapparates der letztere um eine, wenn
auch geringe Grösse gegen den Mikroskopkörper verschoben werden kann. In dieser, wie in manchen an-
dern Beziehungen wäre es zweckmässig, dem Stative den soliden Bau zu geben, wie ihn das Stativ der gros-
sen OBERHÄUSER’schen Mikroskope besitzt.
Bei diesen mannigfachen Ursachen von Fehlern ist es sehr erklärlich, dass die verschiedenen Mes-
sungen desselben Körpers nicht unbeträchtliche Abweichungen zeigen. Ich habe, um die Fehler kennen zu
lernen, welche ich mit meinem Mikrometer begehe, eine Reihe von Messungen angestellt, bei welchen ich,
um unwandelbare Objecte zu haben, meistens Glasmikrometer als Object verwendete. Das Resultat war
insoferne kein sehr befriedigendes, als im Allgemeinen bei wiederholten Messungen desselben Objectes, wenn
gleich immer ein Theil derselben vollkommen das gleiche Resultat gab, dennoch immer ein anderer Theil Abwei-
chungen von 1, 2, 3, und in einzelnen Fällen selbst von 5 — 6 Tausendtheilen eines Schraubenumganges
zeigte. Die grösseren Abweichungen rührten-freilich von sichtbar falschem Einstellen her, kamen aber doch
immer wieder von Zeit zu Zeit vor; die kleineren waren nicht zu vermeiden. Da bei meinem Mikrometer
der Schraubenumgang etwas weniger als ?/s Linie beträgt, so entsprachen die grösseren Abweichungen bei-
nahe !/ı000° *).
Da die Fehler der einzelnen Messungen leicht durch Vervielfältigung der Beobachtungen und Ableitung
des Mittels aus denselben auf weit unbedeutendere redueirtwerden können, so schien es mir der Mühe werth
zu sein, durch Vergleichung der Messungen verschiedener Objecte und Berechnung des wahrscheinlichen
Fehlers des aus denselben abgeleiteten Mittels zu untersuchen, wie gross die Genauigkeit ist, welche durch
eine mässige Anzahl von Beobachtungen zu erreichen ist, indem auf der einen Seite der Naturhistoriker wün-
schen muss, bis auf einen gewissen Grad bei seinen Messungen sicher zu sein, auf der andern Seite dagegen
es für ihn in den meisten Fällen Verschwendung von Zeit und Mühe wäre, durch eine sehr grosse Zahl von
Messungen den höchst möglichen Grad von Genauigkeit zu erreichen.
*) Eine weit grössere Genauigkeit erreichte Harvıns bei seinen Probemessungen mittelst eines Dorrosp’schen
Schraubenmikrometers. Bei zwanzig mittelst desselben vorgenommenen Messungen eines Glasmikrome-
ters betrug die grösste Abweichung nicht einmal 1/so3u Millim,, was eine eben so vortreffliche mechanische
Ausführung des Messinstrumentes, als geschickten Gebrauch desselben beweist.
— 138 —
Aus diesen Beobachtungen ging hervor, dass der wahrscheinliche Fehler des mittleren Resultates aus
je 10 Messungen eine ziemlich constante, von der absoluten Grösse des Gegenstandes unabhängige Grösse
war. Die gemessenen Gegenstände hatten einen Durchmesser von U; bis zu "3460; der wahrscheinliche Feh-
ler *) des Mittels von je zehen Messungen betrug "/35100‘“ bis zu "/71530“, im Mittel Usa‘. Es ist ein-
leuchtend, dass der wahrscheinliche Fehler, wenn es sich von der Beurtheilung der Genauigkeit einer Mes-
sung handelt, nicht nur in Beziehung auf seine absolute Grösse betrachtet werden muss, sondern dass derselbe,
wenn er wie im vorliegenden Falle bei den verschiedenen Messungen eine ziemlich constante Grösse zeigt,
je nach den Dimensionen des gemessenen Körpers eine sehr verschiedene Bedeutung erhält, indem derselbe
einem immer grösseren Bruchtheile des Durchmessers des Körpers gleichkommt, je kleiner dieser ist. Es
wird dieses aus den folgenden Messungen, welche nach der Grösse der Objecte geordnet sind und bei wel-
chen der wahrscheinliche Fehler in Bruchtheilen des Durchmessers der Objecte angegeben ist, am deutlich-
sten erhellen.
a) Durchmesser des Objectes — '/5’ (Glasmikrometer). Wahrsch. Fehler = 11700.
5) "io Millimeter (Glasmikrometer). Wahrsch.. Fehler — !/ı7o0-
c) "/2o Millimeter (Glasmikrometer). Wahrsch. Fehler — ?/7es-
a) t/s0‘ (Glasmikrometer). Wahrsch. Fehler — !/ıora.
e) *lırs (in Glas geätzte Linie). Wahrsch. Fehler — ?/aıs.
MD "/sss’“ (Diamantstrich auf Glas). Wahrsch. Fehler = */oo.
9) Yıros”“ (Faser in der Wurzelrinde einer Orchidee). Wahrsch. Fehler — /as.
A) Vz460‘ (ähnliche Faser). Wahrsch. Fehler — !o.
Fragt man, ob Messungen, bei welchen der wahrscheinliche Fehler die angegebene Grösse besitzt,
eine für naturhistorische Zwecke ausreichende Genauigkeit besitzen, so lässt sich in dieser Beziehung kaum
eine allgemein gültige Antwort geben. Für alle Körper von grösseren Dimensionen, bei welchen also der
wahrscheinliche Fehler der Messung nur einem verhältnissmässig kleinen Theile ihres Durchmessers gleich-
kommt, lässt sich jene Frage unbedingt bejahen. Die Gegenstände der mikroskopischen Untersuchung sind
beinahe ausschliesslich organische Gebilde, deren Dimensionen so bedeutenden Schwankungen unterworfen
sind, dass im Verhältnisse zu diesen der wahrscheinliche Fehler der Messung verschwindend klein ist; man
kann daher nicht nur die Grösse des einzelnen Exemplares, sondern auch die Grenzen, innerhalb welcher
”) Den hier mitgetheilten Berechnungen des wahrscheinlichen Fehlers liegt eine andere Reihe von Probemes-
sungen zu Grunde, als die im ersten Abdrucke dieses Aufsatzes benützte, da mir spätere Messungen ge-
zeigt hatten, dass ich eine grössere Genauigkeit, als bei meinen früheren Probemessungen erreichen könne.
Unter den 80 einzelnen Messungen, denen die acht im Texte angeführten Gegenstände unterworfen wur-
den, wichen 67 um weniger als !/ı»o eines Umganges der Mikrometerschraube (d. h. bei meinem Mikro-
meter um weniger als 1/s»5’') von dem aus je 10 Messungen gezogenen Mittel ab, 15 zeigten dagegen
eine über diese Grösse steigende Abweichung, bei keiner dagegen erreichte dieselbe ?/ıoo» eines Schrau-
benumganges.
— 439 —
die Grösse verschiedener Exemplare schwankt, hinreichend genau bestimmen. Es wird z. B. Jeder unbe-
dingt zugeben, dass es, wenn der Durchmesser einer Zelle zu '/5‘ gefunden wird, vollkommen gleichgültig
ist, ob derselbe wirklich genau diese Grösse besitzt, oder ob er um !/ıızoo grösser oder kleiner ist, ebenso
ist es nicht von der mindesten Bedeutung, ob die Grösse eines Pollenkorns, eines Pflanzengefässes von !/so‘‘
Durchmesser auf !/ıo79 richtig gefunden wird oder nicht. In solchen Fällen ist überhaupt schon die Genau-
igkeit, mit welcher mittelst des Schraubenmikrometers gemessen wird, ein unnöthiger Luxus und jedenfalls
kann man sich bei solchen grösseren Gegenständen die Mühe, mehrfache Messungen zu machen und aus
ihnen das Mittel zu ziehen, ersparen. Das leztere wird nun freilich bei Gegenständen, deren Durchmesser
auf Hundertel und Tausendtel einer Linie sinkt, nicht mehr der Fall sein, dagegen mag auch für diese Fälle
eine Genauigkeit, wie sie die obigen Probemessungen zeigen, wenigstens in der Mehrzahl der Fälle voll-
kommen ausreichend sein, wenigstens wüsste ich keinen Fall anzuführen, in welchem sie als ungenügend
erschiene. Es ist jedoch wohl denkbar, dass Untersuchungen zu machen wären, bei welchen eine Messung,
die mit einem wahrscheinlichen Fehler von !/go behaftet wäre, durchaus ungenügend wäre, in diesem Falle
müssten wir uns nach genaueren Messungsmethoden umsehen und ohne Zweifel würden Vorrichtungen, durch
welche das mikroskopische Bild in zwei über einander verschiebbare Bilder getrennt werden könnte,
so wie Verbesserungen des Schraubenmikrometers die geeigneten Mittel hiezu gewähren *).
Die hauptsächlichste Schwierigkeit, eine grössere Genauigkeit bei den Messungen mittelst des Schrau-
benmikrometers zu erreichen, liegt übrigens nicht, wie man vermuthen könnte, in der mechanischen Un-
vollkommenheit dieses Instrumentes. Mikrometerschrauben können genau genug verfertigt werden, um zu
weit genaueren Messungen, als man bis jetzt mittelst des Schraubenmikrometers ausführt, vollkommen
tauglich zu sein; man müsste, um den Mikrometer zu solchen tauglich zu machen, auf der Trommel seiner
Schraube eine grössere Anzahl von Theilstrichen anbringen und sich nicht auf einen einzigen Nonius be-
schränken, sondern wie bei den Kreisen der astronomischen Instrumente zwei einander gegenüberstehende
Nonien anbringen, um die Fehler zu vermeiden, die aus einer fehlerhaften Centrirung der Trommel hervor-
gehen. Das Hinderniss, welches es wenigstens für jetzt unmöglich macht auf Hunderttausendtel einer
*) Auf eine, dem im Vorhergehenden ausgesprochenen Grundsatze, dass in demselben Verhältnisse, in wel-
chem der Durchmesser des Körpers abnimmt, die Genauigkeit der Messung zunehmen muss, wenn man
in wissenschaftlicher Beziehung gleich verlässige Resultate erhalten will, ganz entgegengesetzte Weise spricht
sich J. Voczr (Anleit. zum Gebrauche d. Mikrosk. p. 88.) aus, indem er sagt, es können bei Gegenstän-
den, welche unter 1/0, gross seien, kleine Verschiedenheiten der Messung unbedenklich vernachlässigt
werden, z. B. eine Messung, welche in Theilen des Wiener oder des englischen Zolles gemacht sei, ohne
Schaden als in Theilen des pariser Zolles ausgedrückt angenommen werden, während dieses bei grösseren
Gegenständen nicht angehe, z. B. es nicht gleichgültig sei, ob man den Durchmesser eines Körpers zu
3/7 oder 1/a'” angebe. Ich sehe den Grund hievon nicht ein. Der englische Zoll ist nahezu um t/ı5 klei-
ner, als der Pariser; °/, ist von 1/a um 1/ı, verschieden, man macht also, wenn man Theile des englischen
Zolls für gleichbedeutend mit den entsprechenden Theilen des pariser Zolls annimmt, nahezu denselben
Fehler, wie den von Vocer gerügten, und es ist nicht einzusehen, warum man wissentlich bei kleinen
Körpern einen Fehler begehen soll, den man bei grösseren für unzulässig hält.
— 210 —
Linie genau zu messen, liegt in der Unvollkommenheit unserer gegenwärtigen Mikroskope. Ohne auf die
nicht leicht zu entscheidende Frage, welches die Grenze des mikroskopischen Sehens sei, einzugehen, glaube
ich den Beweis dafür, dass die Grenze der Genauigkeit, welche bei Messungen mittelst des Schraubenmikro-
meters erhalten wird, hauptsächlich in der Unvollkommenheit des optischen und nicht des mechanischen
Theiles des Messapparates begründet ist, in Folgendem liefern zu können.
Da bei der gewöhnlichen Anwendung des Schraubenmikrometers alle Fehler, die bei der Messung sei
es in Folge fehlerhafter Einstellung, sei es in Folge der mechanischen Unvollkommenheit des Instrumentes
begangen werden, in ihrer vollen Grösse im Resultate der Messung erscheinen, so kam ich auf den Gedanken
durch den Schraubenmikrometer nicht unmittelbar den Durchmesser des Objectes, sondern den Durchmesser
seines in der Blendung des Oculares liegenden Bildes zu messen, um in demselben Verhältnisse, in welchem
dieses Bild grösser als das Object ist, jene bei der Messung begangenen Fehler zu verkleinern. Ich liess
mir zu diesem Zwecke ein sehr festes Stativ verfertigen, an welchem der Mikrometer oberhalb der Mikros-
kopröhre auf eine sehr solide Weise befestigt und durch denselben das Ocular über dem durch die Objec-
tivlinsen entworfenen Bilde verschoben werden konnte. Bei dieser Lage des Mikrometers entsprach eine
Windung seiner Schraube ungefähr !/300°” (000314). Da eine Windung dieser Schraube 0‘,1607 be-
trägt, so hätte sich bei Messungen mittelst des angegebenen Apparates eine nahezu 51mahl grössere Ge-
nauigkeit erreichen lassen, als bei der gewöhnlichen Anwendung desselben Mikrometers, vorausgesetzt, dass
das Mikroskop hinreichend vergrössert hätte, um noch Einstellungen des Mikrometers, die bis auf t/ıooo einer
Schraubenwindung übereinstimmen würden, zu gestatten. Die mittelst dieses Apparates ausgeführten Mes-
sungen waren dagegen weit entfernt, eine solche, "/300000‘”” erreichende Uebereinstimmung der einzelnen
Messungen und den Grad von Genauigkeit zu zeigen, welcher in Folge der Construction des Instrumentes
möglich gewesen wäre. Der wahrscheinliche Fehler des Mittels von je 10 Messungen schwankte zwischen
*/a0500°‘ und 1/sısoo‘‘‘ und betrug im Mittel ?/go243‘, er verhielt sich also, wenn wir die mittleren Resultate
vergleichen, zum wahrscheinlichen Fehler, den ich bei der gewöhnlichen Anwendungsweise desselben Mi-
krometers erhielt, wie 2 zu 3. Einige Probemessungen gaben folgendes Resultat:
a) t/ıo Millimeter (Glasmikrometer). Wahrsch. Fehler — t/ı7eo-
b) */20 Millimeter (Glasmikrometer). Wahrsch. Fehler — "/ırao.
c) t/50’ (Glasmikrometer). Wahrsch. Fehler — !/ı630-
d) ‘az (in Glas geätzte Linie), Wahr. Fehler — "/2.
e) !/ss5‘” (Diamantstrich auf Glas). W. F. — !/a.
PD "ıası“‘” (Diamantstrich auf Glas). W. F. — !/s.
Wenn dieses Resultat den Erwartungen, die ich von dieser Messungsmethode hegen konnte, nicht
entfernt entsprach, so konnte der Grund hievon nicht in mechanischen Unyollkommenheiten des Apparates
liegen, denn das Stativ besass eine solche Festigkeit, dass ich gegen Biegungen desselben, welche einen
irgend bemerkbaren Fehler hätten veranlassen können, gesichert war, es kann also der Grund davon, dass
die Messungen nicht um vieles genauer, als bei der gewöhnlichen Anwendungsart des Schraubenmikrometers
_- 4 —
ausfielen, nur darin liegen, dass die Grenze der Genauigkeit, die der leztere als Messapparat zulässt, sich
der Grenze des mikroskopischen Sehens bereits bedeutend nähert, wesshalb eine einseitige Steigerung der
Genauigkeit des Messapparates ohne gleichzeitige Steigerung der Leistungen des Mikroskopes ohne erhebli-
chen Nutzen bleiben muss. Für jetzt sehe ich daher keinen Vortheil dabei, den hier beschriebenen Mikro-
meter an die Stelle des gewöhnlichen Schraubenmikrometers zu setzen, im Gegentheile er steh@denm letzteren
in Hinsicht auf Bequemlichkeit und den zur Messung nöthigen Zeitaufwand nach, indem zur Messung auch
nur mässig grosser Körper schon viele Umdrehungen der Schraube nöthig sind; besitzen wir dagegen ein-
mahl bessere Mikroskope, dann zweifle ich nicht, dass dieser Apparat für die Messung sehr kleiner Körper
treffliche Dienste leisten wird.
Eine analoge, jedoch mehr mit dem astronomischen Schraubenmikrometer übereinstimmende Ein-
richtung wird im Mikroskopical Journal 1841 p. 12. beschrieben.
Um mittelst des Schraubenmikrometers eine Grössenbestimmung vornehmen zu können, ist natürlicher-
weise die Kenntniss von der Grösse einesSchraubenumganges nothwendig; ohne eine genaue Kenntniss dieser
Grösse wären zwar wohl die mittelst desselben Instrumentes vorgenommenen Messungen unter einander ver-
gleichbar, aber nicht in einem bekannten Maasse auszudrücken. Directe Messung der Schraube mittelst des
Cirkels liefert kein hinreichend genaues Resultat, ebenso fand ich die Anweisung von LıtTRow (GEHLER’S
phys. Wört. VI. 2184.), die Mikrometerschraube als mikroskopisches Object zu benutzen, und mittelst eines
andern Mikrometers zu messen, gänzlich unpractisch, indem der Rand der Schraubenwindungen nicht so
scharf ist, um eine ganz genaue Messung zuzulassen. -Am besten wird offenbar die Grösse eines Schrauben-
umganges dadurch gefunden, dass man einen Körper von bestimmter Grösse wiederholt mittelst des Schrau-
benmikrometers misst. Hierbei einen Glasmikrometer als Object zu verwenden, ist wohl das bequemste,
wenn man darüber sicher ist, dass der Glasmikrometer ganz genau nach dem Maasse gearbeitet ist, welches
ihm zu Grunde liegen soll. Wenn der Schraubenmikrometer eine solche Einrichtung hat, dass man einen
ziemlich langen Theil seiner Schraube zur Messung benützen kann, so kann man auch einige Abtheilungen
eines metallenen, etwa in Centimeter getheilten Massstabes zur Bestimmung der Grösse einer Schrauben-
windung benützen und wird dabei den Vortheil haben, dass bei dieser Grösse des Objectes schon durch eine
kleine Reihe von Messungen der wahrscheinliche Fehler auf eine sehr unbedeutende relative Grösse herab-
gebracht wird.
Schliesslich erlaube ich mir noch einen Punkt zu berühren, welcher schon von mehreren Seiten ver-
geblich in Anregung gebracht wurde. Es ist sehr gewöhnlich, dass die mikroskopischen Beobachter, welche
sich des Schraubenmikrometers bedienen, das Resultat ihrer Beobachtungen in Form eines Decimalbruches
publiciren. Dieses ist ein wahrer Unfug, welcher den Leser auf eine ganz unnöthige Weise belästigt. Ein
Ausdruck wie 0,003867° giebt gar keine klare Vorstellung von der Grösse des beobachteten Objectes, und
ist für Jemand, der nicht Mnemotechniker von Handwerk ist, nicht zu behalten, es ist daher der Leser ge-
nöthigt, wenn er sich eine anschauliche Vorstellung bilden will, den Decimalbruch in einen gewöhnlichen
Bruch zu verwandeln, was zwar während des Lesens annäherungsweise durch Kopfrechnung vorgenommen
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—_— m —
werden kann, aber doch höchst lästig ist. Diese Mühe sollte billigerweise der Verfasser einer Abhandlung
seinen Lesern ersparen; er kann ja immerhin, wenn sich der Decimalbruch nicht genau in einen gewöhnli-
chen Bruch, welcher 1 zum Zähler hat, verwandeln lässt, den am meisten der zu bezeichnenden Grösse sich
annähernden Bruch wählen, und den die Grösse genauer bezeichnenden Deeimalbruch in einer Klammer
beisetzen *).
*) Gegen diese Verwandlung des Decimalbruches in einen gewöhnlichen Bruch spricht sich Hanpına ent-
schieden aus, allein er fühlte doch selbst, dass die Decimalbrüche wenig geeignet sind, um in Kürze eine
deutliche Vorstellung von der Grösse, die man andeuten will, zu geben. Er ergrift daher das Auskunfts-
mittel, dass er 0,001 Millimeter (wofür er das Zeichen m m m, d. h. Mikro -millimeter vorschlug) als
Einheit gebrauchte. Dieses ist allerdings, wenn es sich um geringe Grössen handelt, sehr bequem, macht
aber in vielen Fällen den Gebrauch sehr grosser Zahlen nöthig, da auf die par. Linie 2255 solcher Ein-
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