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Full text of "Vögel"

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Dr. Bernard Altum: 
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Fig. 10 (Seite 105), 


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nger in.Berlin. 


Verlagsbuchhandlung bon Inlins Springer in Berlin, 
Monbijouplatz 3. 


. Früher erschien: 
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Dr. Bernard Altum, 


Professor der Zoologie an der Königl. Forstaxademie zu Neustadt-Eberswalde. 
I. Säugethiere. 
(mit 63, meist Originalfiguren in Holzschnitt) 
eleg. geh. Preis 1 Thlr. 25 Ser. 


Der II. Theil „‚Insekten“ wird im Laufe des Jahres 1874 zur 
Ausgabe kommen. 


Soeben erschien: 


Der 
Waldwegbau 
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‘seine Vorarbeiten 


Karl Sohukar 


Professor der Forstwirthschaft am gr. Polytechnikum zu Carlsruhe,. 
In zwei Bänden. 


Erster Band: 
he = 
Die Instrumente, die allgemeinen Grundsätze und die Vorarbeiten. 


Mit zahlreichen In den Text gedruckten Holzschnitten, einer lithographirten Tafel und 


einem Anhang. 


- eleg. broch. Preis 2 Thlr. 20 Sgr. 


Reiherftand in der Colbitz- Letzlinger Haide, 
Forftort Steinberge, Jagen 146. 


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FORSTZOOLOGIE 


von 


Dr. Bernard Altum 


Professor der Zoologie an der Königl. Forstakademie 


zu Neustadt- Eberswalde 


I. 
Vögel. 


Mit 36 Original-Figuren in Holzschnitt 


Berlin 1875. ee 
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Attonal lu 


Verlag von Julius Springer. 
Monbijouplatz 3, 


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„Man gehe hinaus in die freie Natur, man 
„fehe die Thiere in ihrem Leben und Wirken!” 


JoH. FRIED. NAUMANN, 
(‚Vögel Deutfchlands” Bd. II. Vorwort.) 


Dem Andenken 


feines unvergefslichen Freundes, des verftorbenen 
EIERRN Dr. j. H. BLASIUS, 


Profeffor am Collegium CAROLINUM in Braunfchweig, 


in Liebe gewidmet 


vom Verfasser. 


N) ai hi PS ini6h: 


Systematische Debersichl 


Ordnungen, Familien, Gattungen. 


1. Landvögel. 


I. Papageien. 
I. Kakadus. 
2. Sittiche. 
3. Papageien. 
4. Loris. 
5. Nachtpapageien. 
IH. Kukuksartige Vögel. 
a. Zygodactyli. 


1. Tukane. 
2. Kukuke. 
Kukuk. 
b. Heterodactyli. 
3. Nashornvögel. 
4. Eisvögel. 
Eisvogel. 
5. Immenvögel. 
Immenvogel. 
6. Wiedehopfe. 
Wiedehopf. 
7. Raken. 
Rake. 


III. Spechte. 
1. Wendehälse. 
Wendehals. 
2. Spechte. 
Specht. 
IV. Langhänder. 
1. Nachtschwalben. 
Nachtschwalbe. 


5) 


er 


3. 


Segler. 
Segler. 
Salangane. 


"Kolibri. 


V. Sperlingsartige Vögel. 


a. 


Su 


Schreivögel. 
Singvögel. 
Webervögel. 
Finken. 

Ammer (a. Spornammer, 

b. ächte Ammer). 

Kreuzschnabel. 

Gimpel. 

Fink (a. Kernbeisser, b. Edel- 
finken, ec. Hänflinge d. Zei- 
sige, e. Sperlinge). 

Bachstelzen. 
Pieper. 
Bachstelze. 

Lerchen. 
Berglerche. 
Lerche. 

Sänger. 

Braunelle. 

Sänger (a. Laubsänger, 

b. Grasmücken, c. Gold- 
hähnchen, d. Rohrsänger). 

Drosseln. 

Wasserschwätzer. 

Erdsänger (a. Nachtigallen, 


VI Systematische Uebersicht. 


b. Rothkehlchen, e. Blau- 
kehlchen). 

Rothschwänzchen. 

Merle. 

Schmätzer (a. Steinschmätzer, 
b. Wiesenschmätzer). 

Drossel. 

7. Schwalben. 

Schwalbe. 

8. Seidenschwänze. 
Seidenschwanz. 

9. Fliegenfänger. 
Fliegenfänger. 

10. Pirole. 

Pirol. 

11. Würger. 
Würger. 

12. Zaunschlüpfer. 
Zaunschlüpfer. 

13. Klettermeisen. 
Baumläufer. 
Mauerläufer. 
Baumklette. 

14, Meisen. 

Meise (a. Waldmeisen, b. Rohr- 
meisen). 

15. Trupiale. 

16. Staare. 

Staar. 
Hirtenvogel. 

17. Paradiesvögel. 

18. Raben. 
Heher. 
Felsendohle. 


Rabe (a. Tannenheher, b. El- | 


stern, ec. Dohlen, d. Raben. 
VI. Raubvögel. 
1. Eulen. 
Eule (a. Glattköpfige, Schleier- 
eulen, Kauze, Tageulen; 
b. Öhreulen). 
2. Falken. 
Weihe. 
Habicht. 
Milan. 
Wespenbussard. 
Bussard. 
Schlangenadler. 
Fischaar. 


Adler (a. ächte Adler, b. See- 
adler). 
Falk (a. Edelfalken, b. Röthel- 
falken). 
3. Geier. 
Geieradler. 
Geier. 
Aasgeier. 
VII. Tauben. 
Tauben. 
Taube. 
V1ll. Hühnerartige Vögel. 
1. Wüstenhühner. 
Sandhuhn. 
Steppenhuhn. 
Waldhühner. 
Waldhuhn. 
Schneehuhn. 
3. Feldhühner. 
Feldhuhn. 
Wachtel. 
4. Fasanen. 
Fasan. 
Huhn. : 
Pfau. 
Perlhuhn. 
5. Fusshühner. 
6. Baumhühner. 
Puter. 
7. Steisshühner. 


$) 


IV. Kurzflügler. 


1. Zweizehige Strausse. 
Strauss. 

2. Dreizehige Strausse. 
Nandu. 
Emu. 

3. Casuare. 
Casuar. 

4. Schnepfenstrausse. 
Kiwi. 


2. Sumpfvögel. 
X. Sumpfläufer. 
1. Sumpfhühner. 
Wasserhuhn. 
Teichhuhn. 


Sumpfhuhn. 
Ralle, 


Systematische Uebersicht. 


2. Kraniche. 
Kranich. 

3. Trappen. 
Trappe. 

4. Regenpfeifer. , 
Triel. 

Regenpfeifer. 
Kiebitz. 
Steinwälzer. 
Austernfischer. 

5. Schnepfenartige Vögel. 
Schnepfe. 
Strandläufer. 
Kampfläufer. 
Wasserläufer. 
Uferläufer. 
Uferschnepfe. 
Brachvogel. 
Säbelschnäbler. 
Stelzenläufer. 

XI. Wasserwader. 

1. Reiherartige Vögel. 

Reiher (a. eigentliche Reiher, 
b. Rohrdommel, d. Nacht- 
reiher). 

2. Storchartige Vögel. 
Storch. 

Sichler. 
Löffler. 


3. Wasservögel. 


XII. Leistenschnäbler. 
1. Stelzenschwäne. 
Flamingo. 

2. Entenartige Vögel. 
Schwan. 


Gans (a. ächte Gänse, b. See- 
gänse). 


Höhlenente. 
Ente (a. Schwimmenten, 
b. Tauchenten). 
Süger. 
XIII. Ruderfüsser. 
1. Pelekane. 
Pelikan. 
2. Tölpel. 
Tölpel. 
3. Fregattvögel. 
Fregattvogel. 
4. Scharben. 
Scharbe. 
5. Schlangenhalsvögel. 


XIV. Langschwinger. 

1. Sturmvögel. 
Albatross. 
Sturmvogel. 
Sturmschwalbe. 
Sturmtaucher. 

2. Möven. 
Möve. 
Raubmöve. 
Seeschwalbe. 
Scheerenschnabel. 


XV. Taucher. 


1. Taucher. 
Seetaucher. 
Haubentaucher. 

2. Alken. 

Alk. 
Papageitaucher. 
Lumme. 
Krabbentaucher. 

3. Flossentaucher. 
Pinguin. 


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Einleitunse. 


Die Vögel erfreuen sich ohne Zweifel eines weit lebhafteren 
Interesses von Seiten derer, welche mit der freien Natur in dauern- 
dem Verkehr leben, als die Säugethiere. Während von diesen 
nur die Jagd- und Raubthiere allgemein bekannt sind, nennt man 
fast durchgängig von den weit zahlreicheren Vögeln auch die 
kleinsten Arten. Nur die nicht unbedeutende Anzahl nahe ver- 
wandter Spezies pflegt eine gewisse Unsicherheit zu bedingen. 
Viele von ihnen bewohnen den Wald und umgeben den Forstmann 
auf Schritt und Tritt. Nur wenige erregen sein Jagdinteresse; 
die meisten führen sich als Bekannte bei ihm ein durch ihre ge- 
fällige Gestalt, Hhre schönen Farben, durch ihr vielseitiges, offenes, 
anziehendes Wesen. Ihre laute, meist sonore Stimme, welche sich 
bei vielen in der lieblichsten Jahreszeit sogar zum erhebenden 
Gesange steigert, stellt sie weit über alle übrigen Thiere. Ohne 
ihren polyphonen Chor erscheint uns die Natur fast als bunte 
Einöde. Somit vertreten die Vögel in der Natur unter 
allen Thieren am schärfsten die ästhetische Seite und zwar 
für das Auge, wie für das Ohr. Diese ästhetische Bedeutung 
scheint die praktische bei ihnen zurückzudrängen. Bei Weitem 
weniger als Säugethiere und namentlich als Inseeten können sie 
als Hebel in der Natur angesehen werden, die durch Vernichten 
und Fördern das bestehende Gleichgewicht erhalten oder gar das 
gestörte wieder herstellen. Sie zerstören nicht wie Säugethiere 
und Inseeten mit einem Schlage Tausende von Morgen der üppig- 
sten Vegetation, sie morden nicht wie Ichneumoniden und Tachinen 
plötzlich Milliarden von Zerstörern. Ich zweifle daran, ob auch 
nur eine einzige Vogelart eine solche unersättliche Fressgier zeigt, 

Altum. Die Vögel. 1 


2 Einleitung. 


als beispielsweise die Fledermäuse. Auch bei den Pflanzen scheint 
das gleiche Gesetz zu herrschen. Die unansehnlichen, ja kaum 
deutlich, oft nur unter starker Vergrösserung erkennbaren Pilze 
üben eine ungeheure Macht über Leben und Tod aus, die un- 
scheinbaren Flechten, die winzigen Moose bilden die nothwendige 
Vorbedingung allen höheren organischen Lebens auf dem Fest- 
lande. Dagegen leisten viele Tausende hochangestaunter, im üppig- 
sten Blumenflor prangender Gewächse kaum Nennenswerthes in 
dieser Hinsicht. Die vorwiegend praktische und die ästhetische 
Bedeutung ist überall auf verschiedene Gruppen vertheilt. Bei 
den Vögeln liegt der Schwerpunkt ihrer Bedeutung ohne Zweifel 
in der herrlichen Belebung der Natur. Es sei hiermit nicht be- 
hauptet, dass nicht manche Vogelarten energisch in die Entfal- 
tung derselben eingreifen. Allein eine solehe Wichtigkeit, wie 
Säugethieren und Insecten, kann ihnen bei Weitem nicht zuge- 
schrieben werden, trotzdem dass die Menge der Vogelarten die 
der Säugethierspezies etwa um das Achtfache übertrifft. Wir 
können nur wenige Arten als uns schädlich, viele freilich als nütz- 
lich bezeichnen, jedoch ist dieser Nutzen im Ganzen genommen, 
mit jenen grossartigen Erscheinungen verglichen, gering. Berück- 
sichtigen wir unsere forstlichen Interessen, so vermögen wir kaum 
einige Vogelarten als Waldverderber aufzuführen, und forschen 
wir nach den Walderhaltern unter ihnen, so treten uns nur die 
Angehörigen einiger wenigen Gattungen als solche entgegen. An 
ästhetischer Wichtigkeit jedoch kommt keine andere Thierclasse 
auch bei uns ihnen gleich. 

Diese Thatsache macht es schwer, wenn nicht unmöglich, die 
Vögel im Zusammenhange als einen Theil der Forstzoologie so 
zu behandeln, dass der ganzen Arbeit der Stempel des forstlichen 
Charakters vorwiegend. aufgeprägt wird. War es bei den Säuge- 
thieren verhältnissmässig leicht, durch eine Anzahl von Ilustra- 
tionen das forstschädliche Wirken mancher darzustellen, so kann 
der Vögel Thätigkeit im Walde nur durch eine höchst bescheidene 
Anzahl bildlicher Darstellungen erläutert werden. Durch diesen 
Umstand oder vielmehr Uebelstand bewogen bin ich um so lieber 
bereit gewesen, diejenigen Theile des Vogels durch Abbildung zu 
erläutern, die zur Erkennung sonst schwierig zu bestimmender 
Arten die einfachste und sicherste Diagnose bieten. Es sind be- 
sonders die ersten Schwingen in ihrer gegenseitigen Länge, Ge- 
stalt, event. Zeichnung, auf deren Wichtigkeit schon vor Jahren 
der gründliche Blasius energisch und wiederholt aufmerksam ge- 


Einleitung. G 


macht hat. Blasius selbst wollte seinem ausgezeichneten ersten 
Bande der „Wirbelthiere Deutschlands und der anstossenden Län- 
der” („Säugethiere”), welcher 1857 erschien, die „Vögel” bald fol- 
gen lassen. 16 Jahre sind seitdem verflossen. Vielen neuen amt- 
lichen Arbeiten musste er den grössten Theil seiner Kräfte widmen. 
Seine ornithologischen Arbeiten scheinen nicht ganz zum Ab- 
schlusse gekommen zu sein. Nach mehrfachen ernsten Anmah- 
nungen entriss ihn ein plötzlicher Tod am 25. Mai 1870 der Wissen- 
schaft, seiner Familie, — seinen Freunden. Das unschätzbare, als 
Vorarbeiten angesammelte Material wird hoffentlich durch einen 
seiner befähigten Söhne bearbeitet und der Oeffentlichkeit über- 
geben werden. Meine Aufgabe hier ist eine wesentlich andere, 
als jene, welche sich Blasius zur Lösung vorgesetzt hatte. In die 
Behandlung der Ornithologie waren Prinzipien eingeschwärzt und 
drohten sich dort herrschend festzusetzen, welche von der wissen- 
schaftlichen Behandlung der übrigen Zoologie wesentlich abwichen. 
Individuelle Verschiedenheiten, lokale Abweichungen, verschiedene 
Altersformen wurden nach unwichtigen, schwankenden äusseren 
Merkmalen als verschiedene Arten, bez. Unterarten aufgefasst und 
dargestellt, so dass fast jede Art bis zur Ungreifbarkeit in Atome 
auseinander fiel. Diesen Bestrebungen gegenüber bemühte sich 
Blasius die Speziescharaktere auf festen sicheren Grundlagen auf- 
zuführen. Constanter als Färbung, Grösse und dergleichen er- 
kannte er u. a. die plastischen Verhältnisse der Schwingen, und 
war auf dieses Princip zuerst aufmerksam geworden, als zwei be- 
rühmte Zoologen im berliner Museum sich stritten, ob ein be- 
treffender Drosselleueismus Schwarz- oder Ringdrossel sei. Die 
Entscheidung war nach den Schwingen äusserst leicht und sicher. 
Aus innigster Seele entschlüpfte ihm später der unabsehbaren 
Speziesmacherei gegenüber der Wunsch, es möchten alle Vögel 
über Nacht schwarz werden. In der bezeichneten Richtung ar- 
beitete er rastlos viele Jahre, verschaffte sich selbst ein in ein- 
zelnen Gruppen äusserst reiches Material, bereiste die grössten 
fremden Sammlungen, untersuchte einzelne von Andern mono- 
graphisch behandelte Gruppen in den Originalexemplaren, und 
da er selbst wie kein Anderer die schärfsten Beobachtungen auf 
seinen zahlreichen ausgedehnten Reisen gemacht hatte, so stand 
ihm ein so reiches Material, wie wohl selten einem Andern, zu 
Gebote. Auf allen Versammlungen des deutschen Ornithologen- 
Vereines bildete er, ausserdem ausgerüstet mit sehr klarem Ver- 
stande, den unbestrittenen Mittelpunkt. Auf alle Fragen wusste 
1* 


4 Einleitung. 


Blasius durchschlagend zu antworten, alle Zweifel sofort endgültig 
zu lösen. Er war es, welcher wichtige neue Gesichtspunkte vor- 
brachte, er, der für die ornithologische Zeitschrift stets die aus- 
gedehntesten wissenschaftlichsten Artikel lieferte. Seine oben be- 
zeichnete Hauptaufgabe ist bis jetzt noch ungelöst, freilich auch 
nicht mehr so dringlich als damals. Mit dem Haupturheber jener 
entgegengesetzten Richtung ist nämlich auch diese so ziemlich 
vom Schauplatze des Lebens abgetreten. Der wissenschaftliche 
Werth seiner exacten mühevollen Arbeiten ist jedoch dadurch um 
nichts vermindert. 

Ich bin nicht im Stande, meines unvergesslichen Freundes 
Aufgabe ebenbürtig aufzunehmen. Für mich handelt es sich hier 
auch nicht um eine solche scharfe Abgrenzung von Vogelarten 
unter Berücksichtigung aller aufgestellten Nominalspezies und Sub- 
spezies, sondern, was die systematische Seite betrifft, nur um eine 
scharfe Bezeichnung, eine genaue Diagnose der bei uns vorkom- 
menden, namentlich der dem Forstmanne näher stehenden Spezies, 
und für diesen Zweck trete ich bei den durch eine Beschreibung 
schwer kenntlich zu machenden Arten willig in seine Fussstapfen. 
Ich gebe dort den Flügelbau. 

Noch weniger als die Säugethiere sind bisher die Vögel vom 
forstlichen Standpunkte behandelt. Die vielen Broschüren der 
Neuzeit über Vogelschutz, durch den Vorgang des phantasiereichen 
Gloger in Schwung gebracht, bieten für unser Interesse nichts 
Wesentliches oder Gründliches. Redensarten, wie: Die Insecten 
fressenden Vögel sind wegen Vertilgung des Insecetengeschmeisses 
äusserst nützlich, und ein Aufzählen dieser Arten, sind eben so 
billig als überflüssig. Wollen wir über die forstliche Bedeutung 
unserer Vögel endlich zur Klarheit kommen, so möchte uns dazu 
die Beantwortung folgender Fragen förderlich sein: 

1) Welche Thiere schädigen unsere Forstwirthschaft, und 
welche Vögel sind auf die Verminderung bez. Vernich- 
tung dieser angewiesen? 

2) Welche Vögel fördern direct unser forstliches Interesse 
(etwa durch Verschleppen von werthvollen Baumsäme- 
reien)? 

3) Welche Vögel sind durch Verzehren forstnützlicher 
Thiere (z. B. Vögel, Tachinen) forstschädlich? 

4) Welche Vögel schädigen direct die Forstwirthschaft 
(durch Auflesen von Sämereien, Abbeissen der Baum- 
knospen, Abbrechen der Gipfeltriebe) ? 


Einleitung. 5 


5) Welche Vögel äussern ihre forstwirthschaftliche Be- 
deutung stets, welche zu gewissen Jahreszeiten, welche 
gelegentlich? 

Bei den einschlägigen Arten’haben mir diese Fragen vorge- 
schwebt und ich habe dieselben vorurtheilsfrei zu beantworten 
gesucht. Die Antworten bestätigen keineswegs stets die land- 
läufigen Ansichten; ja ich bin bei denselben in einzelnen Fällen 
zu entgegengesetzten Resultaten gekommen. 

Der vorliegende zweite Band der Forstzoologie ist demnach 
unter ganz kurzer Berücksichtigung der exotischen Avifauna ein 
knapp gefasstes Handbuch der Vögel Deutschlands mit besonderer 
Berücksichtigung der sich darbietenden forstlichen Interessen. 
Alle diejenigen inländischen Vogelspecies, denen eine forstwirth- 
schaftliche Bedeutung zukommt, sind eben nach dieser Richtung 
hin ausführlicher behandelt. Kommt einer ganzen Gruppe eine 
solche Wichtigkeit zu, so habe ich letztere, wie bei den Spechten, 
Meisen, Eulen, in einem Excurse behandelt. Diejenigen Arten, 
welche eine forstliche Bedeutung nicht haben, jedoch dem Forst- 
manne auf Weg und Steg begegnen, sind gleichfalls nicht zu 
knapp behandelt. Jedoch solche Vögel, welche nur selten als 
Verirrte in unseren Gegenden erscheinen, sowie die grosse Menge 
der See- und Strandvögel, für die sich nur in den seltensten 
Fällen Jemand, am allerwenigsten der Forstmann, sehr eingehend 
interessirt, habe ich nur kurz, jedoch so erwähnt, dass Jeder vor- 
kommenden Falles einen betreffenden Vogel wird bestimmen 
können. Das Leben dieser hat freilich sehr viel Anziehendes. 
Unvergesslich werden mir die Beobachtungen und Jagden sein, 
welche ich eine Reihe von Jahren im Herbst auf den Nordsee- 
inseln, zum Theil mit meinem Freunde Ferd. Frhr. v. Droste 
u. A. gemacht. Allein in eine Forstzoologie möchte eine ausführ- 
liche Schilderung von dem Leben der einzelnen Arten dieser 
schwerlich gehören. Auch sind dieselben bereits von dem eben 
genannten scharfen Kenner meisterhaft in sehr anziehender Weise 
neuerdings behandelt, und ich ergreife deshalb mit grösster Freude 
diese willkommne Gelegenheit, dessen „Die Vogelwelt der 
Nordseeinsel Borkum. Münster, Commissionsverlag von 
W. Niemann” wärmstens allen denen empfehlen, welche sich für 
die Kenntniss unserer deutschen Regenpfeifer, Strand- und Ufer- 
läufer, Seeschwalben und Möven, sowie für die avifaunistischen 
Verhältnisse an unseren Seeküsten im Allgemeinen interessiren. 
Sehr viel schätzbares Material ist in diesem Buche niedergelegt. 


6 Einleitung. 


Was ich hier gebe, sind zumeist meine eigenen, in mehr als 
30 Jahren gemachten Beobachtungen, zu denen manche Studien 
in grösseren Museen, sowie Mittheilungen von bewährten Freun- 
den sich gesellen. Aus der einschlägigen Literatur habe ich zu- 
meist die unübertroffenen Lebensbeobachtungen von Joh. Fried. 
Naumann, und zwar namentlich da benutzt, wo mir eigene Beob- 
achtungen nicht oder nicht ausreichend zu Gebote standen. Die 
„Wirbelthiere” von Keyserling und Blasius erleichterten 
mir die Aufstellung der Diagnosen. Für die systematische Dar- 
stellung habe ich mich den neuesten Resultaten der Wissenschaft 
angeschlossen und bin deshalb von dem Althergebrachten dort 
abgewichen, wo die Abweichung als unzweifelhafte Verbesserung 
angesehen werden muss. 


Neustadt-Eberswalde, den 20. Januar 1873. 


Altum. 


Vögel, Aves. 


Allgemeines, 


Warmblütige, befiederte, eierlegende Wirbelthiere. 


Die Vögel sind für das Luftleben organisirt. Ihre Gestalt, ihr Bau, 
ihre Bedeckung, ja auch ihre Fortpflanzungsweise sind durch dieses 
Leben in ihrer Eigenthümlichkeit bedingt. 

Wie aber in der Classe der an die Erdscholle gebundenen Säuge- 
thiere einzelne Formen durch ihr Luft-, andere durch ihr Wasserleben von 
der allgemeinen Organisation der übrigen Säugethiere abweichen, ohne jedoch 
dadurch den Charakter als Säugethiere zu verlieren, so finden sich auch 
in der Classe der Vögel einzelne Formen, welche säugethierartig an die 
Scholle gebunden sind, oder an das Leben der.Fische erinnernd, fast aus- 
schliesslich dem Wasserelemente angehören. Auch bei diesen ist die Orga- 
nisation des Vogels als Luftthier für ihr singuläres Leben nicht unerheb- 
lich modifieirt. Jedoch wird dieselbe in keiner Weise derartig verleugnet, 
dass die betreffenden Thiere nicht sofort als Vögel erkannt werden könnten. 
Es giebt überhaupt trotz dieser extremen Verbildungen, an welche sich 
bis zu den reinsten Luftvögeln stufenweise geringere Abänderungen nach 
beiden Seiten hin anschliessen, wohl kaum eine Thierclasse, deren Zuge- 
hörige sich so einheitlich darstellen, als die der Vögel. 

Da jedoch selbstredend kein Vogel ausschliesslich und stets nur Luft- 
bewohner sein-kann, so ist seine Gestalt auch nur dann, wenn er vor- 
übergehend die Luft durchschneidet, nicht aber, wenn er auf fester Unter- 
lage, dem Erdboden, auf Bäumen, Felsen, dem Wasserspiegel verweilt, 
dem Luftleben angepasst. Seine äussere Gestalt ändert sich, sobald er 
der festen Stütze entbehrt, in freier Luft, wie auch unter dem Spiegel 
des Wassers. In freier Luft trägt der Vogel, um derselben im Fluge 
den möglichst kleinsten Widerstand entgegenzusetzen, Kopf, Hals und 


8 Vögel. Aves. 


Körper in gleicher, und zwar der Flugrichtung, wovon er vorübergehend 
nur dann mit dem Kopfe eine Ausnahme macht, wenn er die Fläche unter 
sich nach Beute durchspähet (Seeschwalben). Nicht nur durch die Rich- 
tung der einzelnen Theile, sondern auch durch deren Gestalt ist der Vogel 
zum Durchschneiden der Luft vorzüglich geeignet, denn er gleicht als- 
dann einem fein zugespitzten Kegel oder gar einer Pfeilspitze. Es liegt 
dann ferner auch der Schwerpunkt der Längsachse des Vogels genau in der 
mittleren Widerstandslinie der arbeitenden Flügel. Bei der verschiedenen 
Körpergestalt entspricht die gleichfalls verschiedene Gestalt der Flügel, 
die Haltung des Halses und der Beine, jener Unterstützung des Schwer- 
punktes. Andererseits aber ist dieser Punkt dadurch, dass das Haupt- 
gewicht des Vogels, dem Schiffsballast vergleichbar, auf seinen Unterkörper, 
namentlich auf die Vorderbrust concentrirt ist, unter die Insertion der 
Flügel verlegt, wodurch beim heftigen Winde einem Kentern des Luft- 
schiffes vorgebeugt wird. 

Der Bau entspricht dem genannten Zwecke durch die gleichzeitige, 
äusserst vollkommene Verbindung von Festigkeit und absoluter und rela- 
tiver Leichtigkeit. — In dieser Hinsicht sind zunächst die Eigenthümlich- 
keiten des schnell sich entwickelnden, schnell zu einer bedeutenden Festig- 
keit sich bildenden Skeletes zu beachten, welche jedoch auch noch 
manche andere interessante Seite bieten. Fast alle Knochen zeichnen sich 
durch ausserordentliche Feinheit aus, viele sind sogar im Innern hohl und 
mit Luft gefüllt; alle jedoch durch ihren Reichthum an erdigen Bestand- 
theilen auffallend hart und fest, viel dichter und spröder als die der Säuge- 
thiere, welche Festigkeit für die hohlen Knochen durch innere das Lumen 
durchsetzende Stützen und Lamellen noch bedeutend erhöht wird. 

Der Schädel zeigt schon sehr früh eine innige Verwachsung seiner 
einzelnen Knochen. Die Kieferknochen sind mit Hornscheide überzogen 
zu einem Schnabel verlängert. Muskeln und Lippen fehlen. Der OÖber- 
schnabel wird durch die zu einem Stück verwachsenen Zwischenkiefer- 
knochen gebildet, während der eigentliche Oberkiefer sehr kurz bleibt. Am 
Grunde liegen die sehr verschieden gestalteten Nasenlöcher, bald frei, bald 
durch Schuppe oder Borsten und Federn verdeckt. Zähne fehlen. Lamellen 
und Zacken, welche zuweilen deren Stelle vertreten, gehören den Rändern 
der Hornscheiden an. — Der Öberschnabel ist bei fast allen Vögeln be- 
weglich. Hinter den Nasenlöchern, zuweilen auch (Schnepfen, Colibri) in 
der Mitte des Schnabels, seltener (Regenpfeifer, Ibis) an beiden Punkten 
befindet sich eine papierdünne, federnde Stelle, bei den Papageien, deren 
Gaumenbeine senkrecht stehen, ein Charnier. Der durch das Quadrat- 
bein, Jochbein und Gaumenbein gebildete Oberkiefergaumen-Apparat drückt 
von unten her gegen den vor der genannten dünnen Stelle liegenden Theil 


Allgemeines. 9 


des Oberschnabels, wodurch derselbe gehoben wird. Am beweglichsten ist 
derselbe bei den Papageien, welche sich seiner als einer Hand bedienen. 
Der Unterkiefer besteht aus 9 bis 10 Paaren, schon früh fest verwachsender 
Stücke. Die Symphyse beträgt in der Regel ungefähr '/, seiner Länge, 
jedoch kommen auch stärkere und schwächere Verwachsungen vor, die 
Extreme bilden wohl Pfefferfresser und Pelekane. Seine Artikulation ist 
im Gegensatz zu den Säugethieren recht gleichmässig; er besitzt keinen 
Gelenkkopf, sondern eine Pfanne, Den Vögeln ist nur eine vertikale, 
keine seitliche, oder nach vorn und hinten gerichtete Bewegung des Unter- 
schnabels möglich. 

An der Wirbelsäule unterscheidet man Hals-, Brust-, Lenden-, Becken- 
und Schwanzwirbel. Die Wirbelkörper vorn concav, hinten convex, sind 
gegenseitig durch feine Scheiben von Faserknorpeln getrennt. Hals- und 
Schwanzwirbel sind sehr beweglich, die übrigen mehr oder minder verwachsen 
oder gar ganz verschmolzen. Die Zahl der Halswirbel (9— 25) steht mit 
der Länge des Halses, der oft die des übrigen Körpers wohl um das 
Doppelte übertrifft, in geradem Verhältnisse. Manche derselben tragen 
abortive, bleibende oder schon früh verwachsende Rippen. Die grösseren 
derselben, welche den ächten Brustrippen unmittelbar vorhergehen, die 
sogenannten falschen, gehören noch dem Halse des Vogels an. Die Brust- 
wirbel tragen die ächten, d. h. die mit dem Brustbein verbundenen Rippen 
(4 bis 11); jede dieser Rippen heftet sich nur an einen Wirbel. Die 
Lendenwirbel (1—5) tragen stark entwickelte Querfortsätze und siud unter 
sich und mit den Beckenwirbeln, welche ihrerseits wiederum mit dem 
Becken ein einziges solides Knochenstück ausmachen, verwachsen. An 
den Löchern zwischen den Querfortsätzen sind die einzelnen Wirbel 
noch zu erkennen. Die eigentlichen (Brust-) Rippen tragen mit Aus- 
nahme der letzten an ihrem hinteren Rande einen schräg nach oben ge- 
richteten Fortsatz (im Embryonalzustande ein besonderes Knochenstück), 
wodurch sich zur Verfestigung des Brustkorbes jede Rippe auf die zu- 
nächst folgende legt. Durch gelenkig mit dem unteren Rippenende ver- 
bundene Knochenstücke, welche jedoch bei den fluglosen Vögeln redueirt 
sind, stossen sie an das breite, viereckige, grosse, oft noch einen Theil 
der Bauchhöhle deckende Brustbein. Ausnahmsweise erreichen die hin- 
tersten Rippen die Wirbelsäule nicht. Jene oberen, an die Wirbel stossen- 
den Stücke (die eigentlichen Rippen) heissen die Wirbel- oder Vertebral- 
rippen, jene unteren, den Knorpelstücken der Säugethiere entsprechenden, 
die Brustbein- oder Sternalrippen. Zur Anheftung der starken Flugmus- 
keln trägt das Brustbein einen senkrecht sich erhebenden Längskamm, 
dessen vordere Höhe zur Flugfähigkeit der betreffenden Art in geradem 
Verhältnisse steht. Den straussartigen Vögeln fehlt dieser Kamm gänz- 


10 Vögel. Aves. 


lich. An seinem hinteren Rande ist das Brustbein jederseits einmal oder 
doppelt ausgeschnitten. Bei starken Fliegern reduciren sich diese Aus- 
schnitte oft auf zwei Löcher, ja auch diese fehlen zuweilen, wie z. B. bei 
alten Adlern, und das Brustbein ist dann eine solide Knochenplatte. — 
Das Schultergerüst besteht aus dem langen, schmalen und platten Schulter- 
blatt, welches von oben eine grosse Anzahl Rippen überdeckt, dem Raben- 
schnabelbein, ein dem Vogel eigenthümlicher Knochen, der dem unteren 
Schulterblattfortsatz bei den Säugethieren entspricht, und dem Schlüssel- 
bein. Die beiden letzteren vereinigen sich vorn und bilden so das Gabel- 
bein, welches weit seltener, als bei den Säugethieren (bei den Papageien 
und Straussen) fehlt. Das Rabenschnabelbein tritt mit seinem unteren 
verbreiterten geschärften Rande in die dort rinnenförmige Gelenkfläche 
des Brustbeins. Hier ist es durch einige feste Bänder gehalten, so dass 
trotz seiner festen Verbindung dem Brustbein eine Bewegung nach auf- 
und abwärts möglich ist. Die Gestalt des Gabelknochens ist in den ein- 
zelnen Vogelgruppen sehr verschieden, seine Spitze zur Ermöglichung der 
Hebung und Senkung des Brustbeins von dem Brustbeinkamme in der 
Regel etwas entfernt, jedoch durch ein starkes Band mit derselben ver- 
bunden. Erreicht seine Spitze aber das Brustbein, so vermag sich das 
dann kleine Schulterblatt zum Zweck dieser Hebung und Senkung zu 
verschieben. So bei Kranichen und Pelekanen. Der Gabelknochen dient 
beim Niederschlage der Flügel als Gegendruck wesentlich zur Verstärkung 
des Knochengerüstes. Die Stelle, wo diese drei Schultergerüstknochen 
zusammenstossen, bildet die Gelenkpfanne für die Inserirung des Ober- 
armbeines. Der Arm selbst ist nur in einer bestimmten Ebene streck- 
und faltbar. Der Kopf des starken und langen Öberarmbeines ist ohne 
Hals, unter ihm liegt das grosse Loch zur Einführung der Respirations- 
luft in jenen. Der Unterarm besteht aus der sehr dünnen Speiche und 
der starken Elle. Er, wie die Hand, sind bei den Pinguinen platt. Die 
Hand zeigt zwei Handwurzelknochen, zwei verwachsene Mittelhandknochen, 
einen, zuweilen zweigliedrigen, Daumen mit kleinem Verbindungsknochen 
und zwei Finger, einen zweigliedrigen grossen und einen eingliedrigen 
kleinen. Sie entsprechen dem zweiten und dritten der Säugethiere, wäh- 
rend der vierte und fünfte fehlen. Das stets langgezogene Becken ist oft 
mit der Wirbelsäule verwachsen. Die tiefe Gelenkpfanne zur Aufnahme 
des Oberschenkelkopfes wird durch das Scham-, Sitz- und Hüftbein ge- 
bildet. Die beiden Schambeine schliessen sich unten nur bei den strauss- 
artigen Vögeln, die Hüftbeine sind feine, oft nur fadenförmige Knochen. 
In den Lenden- und Kreuzwirbeln erweitert sich der Rückenmarkskanal. 
Die hinteren Extremitäten enthalten das kurze, mit Hals versehene Ober- 
schenkelbein, zwei Unterschenkelbeine (Schienbein und kleines meist ver- 


Allgemeines. 11 


wachsenes, die Fusswurzel nicht erreichendes Wadenbein), vor der Ge- 
lenkung beider die in der Sehne liegende Kniescheibe, welche vermittelst 
der Sehnenverknöcherung verwachsen kann, und den Fuss. Fusswurzel 
und Mittelfuss bilden mit Ausnahme der Pinguine ein Stück, den Lauf, 
Tarsus. Die Fusswurzel ist jedoch im Embryonalzustande als besonderes 
Stück vorhanden, verwächst aber früh, theils mit dem unteren Ende des 
Unterschenkels, theils mit dem oberen des Tarsus, so dass sich das „Fersen- 
gelenk” eigentlich in der Mitte der Fusswurzel befindet. Der Mittelfuss 
zeigt früh drei parallele Knochen, welche jedoch, mit Ausnahme der Pin- 
guine, ebenfalls gar bald gänzlich verwachsen. Die Zehen sind meist in 
der Vierzahl vorhanden, in der Regel drei von ihnen nach vorn und eine 
nach hinten gerichtet. Ausser dem Nagelgliede enthält die hintere 1, von 
den vorderen die innere 2, die mittlere 3 und die äussere 4 Glieder. 
Segler, Flughühner, Trappen, Casuare und Austernfischer bilden jedoch 
eine Ausnahme von der Normalzahl der Zehenglieder. Vielen Vögeln fehlt 
die Hinterzehe, der afrikanische Strauss besitzt nur zwei Zehen. Manche 
hühnerartigen Vögel tragen als Waffe am Tarsus einen Sporn (selten zwei), 
mehre Wasser- und Sumpfvögel desgleichen an der Handwurzel; der Dau- 
men besitzt gleichfalls zuweilen eine Kralle. Plattnägel kommen nur selten 
(Haubentaucher) vor. In der Regel sind Fusswurzel und Zehen, zuweilen 
auch ein Theil der Schienen, unbefiedert und dann mit hornigen Schuppen 
oder Tafeln bedeckt, deren Vertheilung, Grösse und Gestalt sehr verschie- 
den, systematisch wichtig ist. Bilden diese lange Schienen, so heisst der 
Fuss gestiefelt, sonst getäfelt oder genetzt. Der Lauf ist gewöhnlich auf 
der Vorder- und Rückseite verschieden beschuppt. Reicht die Befiede- 
rung bis zu dem Fersengelenke oder noch darüber hinaus, so nennt man 
die Beine Gangbeine, erreicht sie das Fersengelenk nicht, Watbeine. Ist 
der Lauf der Wadteine wenigstens so lang als der Rumpf, so heissen 
diese Stelzbeine. Auf der Länge des Tarsus beruht meist die Länge des 
Beines. 

Nicht allein die Eigenthümlichkeiten des Skelets, sondern auch seine 
sonstige Organisation bedingt den Charakter des Vogels als Luftthier. Die 
erste Stelle möchte wohl die Respiration einnehmen. Die hellrothen 
Lungen sind auffallend klein und liegen hart an der Wirbelsäule, so dass 
sie von dieser und den Basaltheilen der betreffenden Rippen deutliche 
Eindrücke zeigen. Sie bestehen eigentlich aus einem vielverzweigten, in 
allen Theilen communicirenden Luftröhrennetz. Häutige, sackartige Aus- 
stülpungen, welche mehr oder minder weit in die Leibeshöhle hineinragen, 
sogar sich in manche Knochen fortsetzen und als Luftbläschen sich zwi- 
schen den Eingeweiden finden, rechtfertigen den Vergleich eines Vogels 
mit einem aufgeblasenen Ballon. Die Respirationsluft kommt so mit sehr 


12 Vögel. Aves. 


vielen Blutgefässen in Berührung, und da die Hämatose in den Parietal- 
und nicht in den Terminalzellen der Lungen vor sich geht, so kommt 
trotz ihrer geringen Grösse eine bedeutende Menge Blut zur Oxydation. 
Die bedeutendsten jener von der Lunge aus durch Oeffnungen in derselben 
vermittelst besonderer Luftgefässe gefüllten Zellen sind drei sehr geräumige 
Luftsäcke, von denen einer sich durch eine besondere Grösse auszeichnet. 
Auch in die Federposen tritt Luft hinein. Von den Knochen sind Ober- 
armbein und Brustbein stets pneumatisch, desgleichen die Schädelknochen, 
welche jedoch von dem Munde, der Eustachischen Röhre und dem Luft- 
sacke aus mit Luft gefüllt werden. Manche Sumpf- und Wasservögel, 
wie Schnepfen, Wasserhühner, Taucher besitzen nur wenige, zumeist nur 
die eben genannten Knochen pneumatisch, während bei anderen Vögeln 
die meisten Knochen lufthaltig sind. In den Oberarm tritt, wie oben be- 
merkt, die Luft durch ein grosses foramen pneumaticum unter dem Ge- 
lenkkopfe, in das Brustbein durch mehre feine Löcher auf seiner inneren 
Fläche. Dass die fluglosen Vögel (die kleinen Jungen, Strausse, Pinguine) 
sich in dieser Hinsicht den übrigen Thieren anschliessen, kann nicht be- 
fremden. Das Zwergfell fehlt den Vögeln mit Ausnahme der Apteryx; 
sein Rudiment ist der sogenannte Lungenmuskel. Dieser entspringt in 
vier bis fünf Portionen an dem unteren Ende der dritten, vierten und 
fünften Rippe, und breitet sich an der Wand des grossen Luftsackes, wel- 
cher den grössten Theil der Brust- und Bauchhöhle einnimmt, aus und 
geht an den unteren Theil der Lunge, sowie auch an die zu den Luft- 
säcken führenden Oeffnungen. Er versieht somit 1) den Dienst des Zwerg- 
felles, ermöglicht also das Ein- und Ausathmen, und schliesst 2) während 
des Zusammenpressens des Brustkastens beim Niederschlage der Flügel 
die Luftkanäle, damit die Luft nicht zurücktritt. Diese genannte Einrich- 
tung ermöglicht aber trotz der sehr geringen Luftcapacität der kleinen 
Lunge und des relativ ausserordentlich grossen Rauminhaltes der Luftröhre 
ferner nichts desto weniger ein völliges Ausstossen der respirirten und 
Einziehen frischer Luft bei der Athmung; 3) wirkt die im Innern des 
Vogels in den gefüllten Luftsäcken strotzende Luft als innerer Gegendruck 
beim Niederschlage der Flügel. Verletzungen der grossen Luftsäcke, etwa 
durch ein Schrotkorn, haben sofortige Ermattung und Fluglähmung des 
Vogels zur Folge. Endlich ist auch der oft laute und anhaltende Gesang 
des Vogels, sogar während des Fluges, sowie sein Aufenthalt in sehr ver- 
dünnten Luftschichten durch diese Einrichtung bedingt. Untergeordnet ist 
hierbei jedenfalls der Gesichtspunkt der relativen Gewichtsverminderung. 
Die Stimme wird beim Vogel nicht in dem am Anfange der Luftröhre 
sich befindenden Kehlkopfe erzeugt. Er besitzt nämlich noch einen zweiten, 
vorn in der Brust liegenden, dort, wo sich die Luftröhre in die beiden 


Allgemeines. 13 


Bronchien spaltet. Hier ist dieselbe kapselartig erweitert, ein Steg durch- 
setzt das Innere, und hier werden durch Falten in der Luftröhrenhaut 
zwei Stimmritzen gebildet, hier entsteht die Stimme. Die Modification 
derselben bedingen hier vorzüglich 1, 2, 4 oder 5 Paare äusserer Muskeln, 
welche um so leichter diese Stelle in verschiedene Bewegung zu setzen 
im Stande sind, als die Knorpelstücke dieser Bronchien keine geschlossenen 
Ringe, sondern nur die oberen Theile von solchen bilden, während die 
untere Seite dieser Bronchien häutig ist. Sind 4 oder 5 Paare solcher 
„Singmuskeln” vorhanden, so gehört der mit diesem „Singmuskelapparate” 
versehene Vogel zu den Singvögeln, auch wenn er, wie die rabenartigen 
Vögel und die Sperlinge, keinen Gesang produeirt. Zwei solcher Muskel- 
paare charakterisiren den „Schreivogel”. Dieser Muskelapparat ermöglicht 
es, dass ein Vogel, etwa der Rabe, diejenigen Consonanten mit offenem 
Schnabel auszusprechen vermag, welche wir nur mit Hülfe der Lippen 
auszusprechen im Stande sind, wie z. B. die Explosionsbuchstaben b, p. 
Durch feinere Längsmuskeln, welche an der ganzen Oberfläche der Luft- 
röhre verlaufen, sowie oft auch durch Biegung des Halses wird ebenfalls 
die Stimme modifieirt. Kapselförmige Erweiterungen der Luftröhre, viel- 
leicht als Resonnanz finden sich bei den Männchen der Säger und Enten. 
Bei Kranichen und dem Singschwane steigt die Luftröhre, bei jüngeren 
Individuen schwach, bei alten tief, in den Brustbeinkamm hinein, biegt 
sich hier schleifenförmig nach hinten und oben und tritt nun wieder aus 
demselben heraus, um sich in die beiden Bronchien gespalten zur Lunge 
zu begeben. 

Mit der starken Respiration steht ausser der hohen Bluttemperatur 
(+ 35° R.; — die Blutkörperchen sind gurkenkernförmig) die ausserordent- 
lich laute, kräftige Stimme in Beziehung. Unter ihren verschiedenen Modi- 
ficationen nimmt der Paarungsruf, welcher sich bei den meisten „Sing- 
vögeln” bis zum wirklichen Gesange steigert, die hervorragendste Stelle 
ein. Er leitet jede Fortpflanzungsperiode ein und begleitet dieselbe im 
Anfange, kommt mit sehr seltenen Ausnahmen nur den alten Männchen 
zu und hat, abgesehen von der ungemein grossen Verschiedenheit bei den 
einzelnen Arten seinen besonderen Charakter, je nachdem der Vogel Tag- 
oder Nachtvogel ist, liebliches Laubgebüsch, Gärten, Fruchtfelder oder 
finsteren Nadelholzwald, das starre Rohrgebüsch, öde Haideflächen bewohnt. 
Auch äussern die Arten der meisten Gattungen ihre Verwandtschaft durch 
irgend eine gemeinsame, zuweilen recht auffallende Eigenthümlichkeit in 
ihrem Gesange oder sonstigen Paarungsrufe. Die am verborgensten leben- 
den Singvögel suchen sich durch den Gesang am meisten bemerklich zu 
machen. In der Regel nehmen sie während desselben einen freien her- 
vorragenden Sitz ein, oder sie steigen sogar im auffallenden Balzfluge in 


14 Vögel. Aves. 


die Luft empor. Ausser dem Paarungsrufe unterscheidet man leicht Angst-, 
Warnungs-, Lockstimme. 

Nicht allein die Gestalt des Vogels, sein Knochenbau und die so eigen- 
thümlichen Respirationsorgane , sondern auch ferner seine Befiederung 
steht zu seinem Luftleben in der innigsten Beziehung. Die Feder entsteht 
in einem als kegelförmige, aus mehren Schichten bestehende Fortsetzung 
der Oberhaut aus der dünnen Haut sich erhebenden Balge, unter welchem 
sich als Matrix für den Bildungsstoff der Feder ein zweiter mit gallert- 
artiger Masse gefüllter Balg befindet, dessen Achse von Blutgefässen, einer 
kleinen Arterie und einer grossen Vene, durchzogen ist. Zwischen beiden 
Bälgen befindet sich als eine Schicht einer weichen, breiartigen, feinkör- 
nigen Substanz dieser Bildungsstoff. Diese Körnchen, welche an der Spitze 
deutlicher auftreten, sind Zellenkerne. Die mittlere Schicht verändert 
sich bei fortschreitender Bildung wesentlich. Bald öffnet sich der aus der 
Haut gehobene äussere Balg, und die neue Feder erscheint als ein feines 
Strahlenpinselehen. Der am meisten vom Körper abgewandte Strahl dieses 
Pinselchens lässt sich kurz darauf schon als die markleere Schaftspitze er- 
kennen, und die übrigen Strahlen erscheinen alsdann als seine Aeste, welche 
sich alle nach unten allmälig stärker vereinigen, hier nur mehr schiefe 
Linien auf der Bildungsmasse darstellen und sich endlich gänzlich in jene 
körnige Masse verlieren. Diese erste Federbildung ist stets dunig und 
steht auf der späteren vollkommenen Feder noch ziemlich lange als kleines, 
nachher abfallendes Pinselchen. Auch die ausgebildete Feder steht noch 
mit dem Organismus in Lebensverbindung, obgleich sie nicht mehr wächst 
und Verluste nicht mehr durch Reproduction ersetzt. Mehre Erschei- 
nungen zur Fortpflanzungszeit, wie das fast plötzliche Abfallen von 
Kanten, der eben so plötzliche, oft bedeutende Farbenwechsel nach etwa 
halbjährigem Bestehen, beweisen dieses. Nach dieser Lebensperiode aber 
scheint die organische Verbindung aufzuhören. Der Einfluss von Luft 
und Licht, sowie der mechanische des Gebrauches wirken von jetzt an in 
jeder Hinsicht destruirend ein. Die Farbe verbleicht, die Ränder, beson- 
ders aber die hellen Stellen nutzen stark ab, so dass manche am Rande 
abwechselnd hell und dunkel gefleckte Feder sägeförmig erscheint und ein 
hell und dunkel gebänderter Schwanz in den hellen Partien auseinander 
zu fallen droht. Endlich fällt die Feder selbst aus, um sofort durch Neu- 
bildung ersetzt zu werden. 

Eine vollkommene Feder enthält folgende Theile: 

l) Kiel, der mittlere Haupttheil der Feder, an dem sich zu beiden 
Seiten die Fahne oder der Bart befindet. Sein unterer walzlicher, mark- 
leerer Theil heisst Spuhle, Pose, sein oberer markgefüllter Schaft. Letzterer 
ist an der vom Körper abgewendeten Seite schwach gewölbt, an der ent- 


Allgemeines. 15 


gegengesetzten mit einer Längsrinne versehen, ‚während die beiden Seiten 
scharfe Flächen bieten. Selten ist der Schaft gerade (Schwanzfedern), in 
der Regel mehr oder weniger stark gebogen. 

2) Afterschaft, welcher bei vielen Vögeln an der hinteren Seite aus 
der Spuhle entspringt. Bei den Öasuaren hat er die Grösse des Schaftes, 
schwächer ist er bei den Hühnern und Seglern, noch kleiner bei den Tag- 
raubvögeln (dem Flussaar fehlt er), bei Nachtschwalben, Papageien, den 
meisten Sumpfvögeln, Möven, Seeschwalben, bei den Spechten und den 
kleinen Singvögeln tritt er am schwächsten auf. 

3) Aeste. Diese bilden die Fahne der Feder. Sie sind plattgedrückte, 
lanzettliche Lamellen, welche, auf die Kante gestellt, beiderseits von den 
flachen Seiten des Schaftes entspringen. 

4) Strahlen, welche an den Aesten die Fahnenbildung dieser secundär 
wiederholen. 

5) Wimper. Sie entspringen von den Strahlen und zwar fast nur 
von denen der vorderen Reihe, bilden gleichsam deren Aeste. Von diesen 
gehen endlich noch 

6) Häkchen ab, wodurch die genannten feinen Federtheile schliess- 
lich zu einer soliden Hornfläche verankert werden. 

Die Federn zerfallen in Flaumfedern oder Dunen, und in Licht-, 
Umriss- oder Contourfedern. Jene dienen zur Erwärmung, diese zur 
Bedeckung und zur Luft-, selten zur Wasserbewegung des Vogels. — Die 
Dunen sind charakterisirt durch sehr feine Schäfte, unregelmässige, nicht 
bilaterale Stellung der Aeste, welche in geringen Abständen zahlreiche 
Knoten zeigen, und Mangel der Strahlen, Wimper, Häkchen. Sie bilden 
deshalb keine Fahne, zeigen nie eine zusammenhängende Hornfläche und 
entbehren auch mit Ausnahme einiger Cacadus einer höheren Farbe, sowie 
stets der Zeichnung, höchstens sind sie grau in grau gewellt. Da jede 
Contourfeder, namentlich das kleine Gefieder, am Basaltheile dunig wird, 
so beschränkt sich auch der crasseste Farbton stets nur auf den an das 
Licht tretenden Theil ihrer Spitze. Sie stehen meist dem Lichte völlig 
entzogen und zwar zwischen den Contourfedern im Quincunx, nur an ein- 
zelnen Stellen weniger Vögel, z. B. den Köpfen und Hälsen der Geier 
und Strausse, offen. Sie entsprechen der Wolle der Säugethiere. — Die 
Contourfedern sind vollkommene Federn, welche jene vorhin aufge- 
führten Theile mehr oder weniger sämmtlich enthalten. Ihre Fahnen stellen 
durch die ungemein enge Verbindung ihrer feinsten Theile solide Horn- 
flächen dar, welche den Vogel als äusserer Federpanzer eben so sehr 
schmücken als schützen. Sie bedingen eben den gefälligen Umriss desselben, 
sie tragen als die Lichtfedern die angenehme, oft brillante Farbe und 
Zeichnung des Vogels. Nach Klima, Jahreszeit, Alter, Geschlecht zeigt 


16 Vögel. Aves. 


das Colorit des Vogels die mannigfachsten und zwar gesetzmässige Ver- 
schiedenheiten; auch sind die Nachtvögel in ihrer Färbung als solche 
charakterisirt; innerhalb vieler Gruppen herrschen oft bestimmte Farben- 
töne und Zeichnungen. Auch besondere plastische Federbildungen treten 
innerhalb mancher Gruppen auf und auch sie beschränken sich oft auf 
bestimmte Jahreszeit, Alter, Geschlecht. — Diese Contourfedern zerfallen 
in kleines und grosses Gefieder. Das kleine Gefieder dient vor- 
zugsweise der Bedeckung des Vogels, es verleiht ihm den gefälligen Körper- 
umriss, ohne dieses erscheint seine Gestalt unschön. Es bildet die zart- 
feste, den Körper als schlechter Wärmeleiter umgebende Hornschicht, 
schützt vor Kälte und Nässe und vermindert das relative Gewicht des 
Vogels. Das ölige Sekret aus der Bürzeldrüse, mit dem der Vogel sein 
Gefieder fortwährend schwach einsalbt, vermehrt noch die schützende Eigen- 
schaft desselben. Eine schwimmende Ente ruht auf einem mit warmer 
Luft gefüllten Dugenpolster, dessen untere dem Wasser zugewendete Seite 
durch eine geschlossene, gegen Eindringen des Wassers absolut schützende 
Hornfläche gebildet wird. Dieses kleine Contourgefieder steht jedoch nur 
in den seltensten Fällen gleichmässig über den ganzen Körper vertheilt, 
fast stets ist es auf mehr oder minder schmale Körperlängsstreifen, Fluren, 
beschränkt, welche breite nackte, oder nur mit Dunen besetzte Felder, 
Raine, zwischen sich frei lassen. Jedoch werden diese Raine von den 
benachbarten Federn der Fluren, deren Schäfte zu dem Zwecke einzeln - 
eine ganz bestimmte Länge, Biegung und Richtung haben, derartig über- 
dacht, dass äusserlich der ganze Vogelkörper gleichmässig befiedert zu sein 
scheint. Bei einigen Vögeln, z. B. Wiedehopf, sind diese Fluren ausser- 
ordentlich schmal, bei den meisten Wasservögeln hingegen so breit, dass 
die Raine nur schmale Längsstreifen bilden. Ja bei den Pinguinen, sowie 
den fluglosen Erdvögeln, Kiwi, straussartigen Vögeln fehlen sie gänzlich, 
Auf diesen Längsstreifen sind die Federn in Querreihen gestellt. Gestalt 
und Lage der Fluren ändern mannigfach ab. Im Allgemeinen yerläuft 
jedoch eine Flur über den Hinterhals, verbreitert oder theilt sich auf dem 
Vorderrücken, verengt resp. vereint sich wieder auf dem Mittelrücken, um 
sich über der Schwanzwurzel wieder zu verbreitern. Eine zweite zieht 
sich am Vorderhalse entlang, gabelt sich zu Anfang der Brust, und ver- 
läuft so getrennt als seitliche Streifen, von denen jeder noch einen kurzen 
Ast zu den Beinen absendet, bis zum Körperende. Somit sind die Hals- 
seiten, die Mitte des Unterkörpers und die Körperseiten von Contourfedern 
unbesetzt. Die dadurch gebildeten Raine bedingen das S-förmige Zu- 
sammenlegen und Einziehen des Halses, das Brutgeschäft und das Anlegen 
der Flügel. Die Wasservögel, bei denen das Schwimmen sehr schmale 
Raine am Unterkörper bedingt, zupfen sich für das Brutgeschäft eine ent- 


Allgemeines. 17 


sprechende Anzahl Federn aus, „Brutfleck”. Der nicht brütende Kukuk 
vermag seine unteren Contourfedern nicht zu lüften, sie liegen fest an den 
Körper gedrückt. Dass bei manchen Vögeln auch einzelne Theile, welche 
man nicht als Raine bezeichnen kann, nackt oder nur mit Dunen besetzt 
sind, als Kopf und Hals des Puters, der Geier, Augenstreif vieler Hühner, 
Zügel und Augenränder der Pelekane, Reiher u. a., ist bekannt. 

Das grosse Gefieder dient als Luft- bez. Wasserruder, sowie als 
Steuer; es sind Flügel- und Schwanzfedern. Im Ganzen nimmt dasselbe 
weniger an dem oft herrlichen Colorite des kleinen Gefieders Theil, und 
wo das der Fall ist, sind es fast stets nur die kleineren, gleichsam secun- 
dären Federn des Flügels, selten die eigentlichen Ruderfedern. Vom kleinen 
Gefieder unterscheidet es sich nicht nur durch die Grösse, sondern vor 
Allem auch durch die Steifheit und Festigkeit der Schäfte und Fahnen. 
Ein Afterschaft tritt hier nie auf. Die Flügelfedern zerfallen in die der 
ersten Ordnung, oder die Handschwingen, weil sie von der Hand getragen 
werden, in die der zweiten Ordnung, oder Fächer, oder Armschwingen, 
da sie am Unterarm befestigt sind, die Schulterdecken, welche der Ober- 
arın trägt, die oberen und unteren Deckfedern, welche auf der Öber- wie 
Unterseite die Hand- und Armschwingen in den Zwischenräumen der ein- 
zelnen Federn mehrreihig schräg überdecken, und endlich in den Daumen- 
flügel oder Lenkfittig, welcher sich vor die Basis der ersten Schwingen 
legt. Von den Handschwingen trägt das erste (äusserste) Glied des grossen 
Fingers ], das zweite 2, der kleine Finger 1, die Mittelhand 6 Schwung- 
federn, deren erste bei manchen Vögeln ausserordentlich klein zu sein pflegt, 
auch wohl, wie bei den Schwalben, gänzlich fehlt, so dass dann der Flügel 
sofort mit der zweiten Handschwinge beginnt, und im Ganzen dann nur 9 
Schwingen erster Ordnung zählt. Die Schäfte der Hauptruderfedern sind die 
starrsten und in lange Spiralen ausgezogen, so dass ihre schmalen Fahnen 
windmühlenflügelartig gebogen erscheinen und dadurch beim Niederschlage 
dem Vogel nicht nur einen Stoss nach oben, sondern auch nach vorn geben. 
Zum Durchschneiden der Luft legen sich die vorderen Aeste der Fahne 
unter sehr spitzem Winkel, von etwa 20°, fest an den Schaft und bilden 
so eine scharfe Schneide. Zugleich deckt diese. straffe feste vordere Fahnen- 
hälfte jeder Feder die breitere, schwächere, hintere der je vorhergehenden 
und verhindert dadurch beim Niederschlage ein Ausweichen derselben. 
Zugleich bedingt grossentheils die absolute und relative Länge der Hand- 
schwingen, sowie Gestalt, Ausschnitte, Einschnürungen derselben die Ver- 
schiedenheit des Flugcharakters, wie wir eine solche bei fast allen 
Vogelarten finden. Dass dafür auch noch andere Momente, namentlich die 
Länge des Ober- und auch des Unterarmes, mit massgebend sind, versteht 
sich von selbst. Im Allgemeinen kann man Ruder- und Schnellfügler 

Altum, Die Vögel. on 


18 Vögel. Aves. 


(Bussard, Falk) unterscheiden. Ist die erste und zweite Handschwinge 
die längste, so zeigt der Vogel einen leichten und raschen Flug, und er 
ist dann gewöhnlich auch Zugvogel, wenn die fünfte und sechste die Spitze 
bilden, so ist er kein Zugvogel. — Die Unterarmknochen sind zum 
(schrägen) Anheften der Schwingen zweiter Ordnung (6, 8, 10 bis 36) 
etwas abgeplattet. Diese Federn stehen in der Regel den Handschwingen 
in Festigkeit und Grösse nach. Ihre Fahne ist breiter und deren Hälften 
weniger ungleich, ihre Fläche kaum gekrümmt. Sie dienen mehr als tra- 
gende, wie als fortbewegende Organe, mehr als Fallschirm wie als Ruder. 
— Die „Schulterdecken” des Oberarmes können nicht mehr als Theil des 
Ruderapparates angesehen werden, sie stellen zwischen dem ausgebreiteten, 
arbeitenden Flügel und dem Körper die nothwendige Verbindung her. 
Zwischen Ober- und Unterarm spannt sich der sogenannte Windfang aus, 
ein sehr elastischer, bei jedem Winkel, den diese beiden gegenseitig machen, 
stets gespannter, an seinem vorderen Rande etwas gesenkter Muskel, wel- 
cher die muldenförmige Flügelfläche nach vorn zweckdienlich abschliesst. 
— Der Daumenflügel, Lenkfittig, ein für sich bestehendes kleines Flü- 
gelchen, schützt angelegt die Basis der Hauptschwingen beim heftigen 
Durchschneiden der Luft vor störender Verwirrung derselben, und bedingt 
zum Theil, einseitig entfaltet, eine Schwenkung des fliegenden Vogels in 
der Horizontalebene. — Ausser der Reihe aller dieser Schwingen über- 
decken mehre Reihen von „Deckfedern” in abnehmender Grösse und sehr 
regelmässiger Lage und Anordnung die Zwischenräume derselben an der 
Basis, indem sie diese schwächeren oder gar lückigen Stellen auf der Ober- 
wie Unterseite kreuzen. Die oberen Deckfedern verdicken hier diese 
Stellen zur erforderlichen Festigkeit, die unteren dienen als sich vor- 
legende Blätter als ein Stopfapparat beim Niederschlage. Die Schwanz- 
federn, gewöhnlich 12, doch auch bis 32, entfalten sich gleich Fächer 
blättern von der Mitte nach beiden Seiten. Die beiden mittleren sind vor 
den übrigen häufig farbig, auch wohl plastisch ausgezeichnet; wenn die 
übrigen eine von der Rückenfarbe des Vogels abweichende Färbung tragen, 
so stimmen sie mit dieser auffallend. Als die obersten sind sie am meisten 
der Abnutzung ausgesetzt und werden häufiger als die übrigen erneuert. 
Die Fahnenhälften der Schwanzfedern sind annähernd gleich, die ganze 
Fahnenfläche verläuft mehr als Ebene (nicht spiralig gebogen). Die Basis 
ist oben wie unten durch Deckfedern befestigt. In der Regel dienen die 
Schwanzfedern als Luftsteuer, bei dessen Hebung und Senkung auch der 
Körper des fliegenden Vogels sich hebt und senkt, den schwebenden Vögeln 
als Fallschirm, den Spechten als Stützpunkt beim Ruhen und Klettern 
am Baumstamme, bei den flugunfähigen Vögeln, sowie bei den sehr 
schlechten Fliegern scheint er ausser Function zu sein. 


Allgemeines. 19 


Nachdem das Gefieder zur Fortpflanzungszeit den höchsten Grad von 
Vollkommenheit und Schönheit erreicht hat, nutzt es schnell ab. Die 
feinsten Theile, als Häkchen und Wimper beginnen abzufallen, ja bei 
mancher Feder sieht man an der Spitze nur noch den fahnenlosen Schaft; 
die Farben sind verblasst. In diesem Zustande fallen die Federn leicht 
aus und werden gar bald durch neue ersetzt. Der Vogel mausert. Während 
dieser Zeit hält er sich in der Regel still und zurückgezogen, stört mit 
dem Schnabel häufig in den Federn umher, scheint unlustig und krank zu 
sein. Die Dauer dieses Federwechsels ist höchst verschieden, ebenfalls 
fällt derselbe nicht bei allen Vögeln in dieselbe Zeit. Während nämlich 
die meisten im Herbst ihr Gefieder wechseln, mausert der Sperber wäh- 
rend des Brütens, die Enten kurz nachdem die Jungen selbstständig ge- 
worden sind, die Schwalben u. a. im Winter in Afrika. Bei dem Wechsel 
der Flügel und Schwanzfedern wird das Gesetz der bilateralen Symmetrie 
äusserst strenge eingehalten. Vögel, die sich ihrer Flügel zur Erlangung 
ihrer Nahrung gar nicht bedienen, als Enten und andere Schwimmvögel, 
verlieren ihre Flügelfedern wie mit einem Schlage, und eben so gleich- 
mässig keimen die neuen Federn wieder hervor. Den schroffsten Gegen- 
satz zu diesen bilden die grössten RKaubvögel, namentlich die Geier, deren 
Federn in ihrer ungleichen Consistenz stets drei Jahrgänge erkennen lassen. 
— Die meisten Vögel bestehen jährlich nur eine Mauser, die Herbst- 
mauser. Das dann angelegte Winterkleid enthält dieselbe Federanzahl als 
das Sommerkleid, ist aber häufig unschöner, grauer, sowie auch wärmer 
als dieses, obgleich beide genau dieselben Federn enthalten. Im Frühlinge 
nämlich, beim Beginne der Fortpflanzungszeit, fallen bei vielen Arten unter 
gleichzeitiger Erhöhung des Farbentones graue Kanten des Gefieders ab, 
welche vorhin das höhere Colorit mehr oder minder verdeckten. Bei anderen, 
namentlich vielen Sumpf- und Wasservögeln, ist die sogenannte „Verfär- 
bung” der hauptsächlichste Vorgang, durch welchen sich das Sommer- oder 
Hochzeitskleid der Vögel bildet. Uebrigens nehmen bekanntlich daran 
sehr häufig auch Schnabel und Füsse Theil. Wenige legen dann auch 
noch einen besondern Hochzeitsfederschmuck an; so der Kampfhahn, der 
Kormoran, das Blaukehlchen, die weisse Bachstelze. Eine zweimalige 
Jahresmauser bestehen ebenfalls nur sehr wenige Vögel, die Schneehühner. 
— Im ersten Lebensherbste wird nur das kleine Gefieder gewechselt. 
Dieses erste Jugendkleid ist in der Regel von dem späteren verschieden, 
Männchen und Weibchen sind sich jedoch in demselben gleich, Im All- 
gemeinen ist die nach Jahreszeit, Klima, Alter, Geschlecht, ja Tageszeit 
verschiedene Farbe des Gefieders bedeutsam. Die mit der Umgebung 
gleichgefärbten Arten drücken sich bei Gefahr, die contrastirenden zeigen 
sich scheu und flüchtig. 

IX 


20 Vögel. Aves. 


Endlich bedingt die Eigenschaft des Vogels als Luftthier eine Ab- 
weichung in der Fortpflanzung im Vergleich mit den übrigen Thieren. 
Zur Verminderung eines zu bedeutenden Körpergewichtes entwickeln sich 
nämlich die Eier nur allmälig, so dass alle Tage, oder alle zwei Tage, 
oder in noch längerer Frist nur ein Ei zur Reife gelangt. Es wird so- 
fort gelegt und das noch kleine nächstfolgende entwickelt sich sehr schnell 
in gleicher Zeit. Bei den Weibchen ist in der Regel nur ein Eierstock 
(der linke) entwickelt, wenn beide, sodann doch nur ein Eileiter. Die 
Testikeln sind paarig vorhanden; sie liegen in der Bauchhöhle unter der 
Wirbelsäule; ein Copulationsorgan findet sich nur bei den Straussen und 
schwach bei den Enten. Es ist nicht durehbohrt, sondern mit obenstän- 
diger Rinne versehen. Die Wege der Geschlechtsproducte, sowie der festen 
und flüssigen Excremente münden in die gemeinsame Cloake, so dass 
äusserlich nur eine Ausführungsöffnung vorhanden ist. 

Die Hauptmuskelpartieen liegen an der Brust und dienen der 
Flugbewegung. Bei den stärksten Fliegern, namentlich bei den Raub- 
vögeln, ist vorwiegend der vorderste Theil derselben muskulös, bei den 
schwächeren ist die Muskelmasse über das Brustbein mehr gleichmässig 
vertheilt, bis endlich die Muskeln des Hinterkörpers, namentlich der Beine 
die der Vorderbrust überwiegen. Die Sehnen, welche sich von den tief- 
rothen Muskeln scharf absetzen, sind an den Vorder- und Hinterextre- 
mitäten fast fadenförmig fein, äusserst fest, oft ossifieirt. Eine besondere 
Anordnung im Verlaufe und der Insertion der Sehne eines Fussmuskels 
bewirkt, dass durch das Gewicht des sitzenden Vogels die Zehen sich 
krümmen und so auch ohne besondere Muskelthätigkeit, z. B. im Schlafe, 
ihn auf einem Zweige halten. Grosse plattenförmige Hautmuskeln dienen 
zum Bewegen des sämmtlichen Gefieders, sie verlaufen unter den einzelnen 
Federfluren, die Haut der Raine ist meist durchscheinend dünn. Kleine 
Hautmuskeln treten an die einzelnen Federspuhlen und bedingen das 
Sträuben der Federn, 

Unter den mannigfaltigen Arten der Ortsbewegung der Vögel ist 
der Flug die hervorragendste. Die grösste Fluggeschwindigkeit beträgt 
gegen 22 Meter in der Secunde, so dass einer der schnellsten Vögel täg- 
lich einen Weg von 97 Meilen zurückzulegen im Stande ist, während ein 
Pferd nur 9 Meilen macht. Die Ruderbewegungen geschehen senkrecht 
auf die Achse des Vogels. Die Hebung der Flügel kann bis zur senk- 
rechten Stellung gesteigert werden, die Tauben schlagen bekanntlich zum 
Theil die Flügelrücken oberhalb des Körpers klatschend zusammen; die 
Senkung reicht dagegen nicht über 40° unter der Ebene der Körperlängs- 
achse,. Unmittelbar nach dem tiefsten Stande des Flügels wird derselbe 
eingezogen, der Oberarm vermittelst des kleinen Brustmuskels umgerollt 


Allgemeines. 21 


und nun der in seiner höchsten Lage stehende Flügel entfaltet, worauf 
dann der Niederschlag erfolgt. Dieses geschieht so schnell, dass nur bei 
grossflügeligen, in langsamem Tempo schwingenden Arten ein völliges Ver- 
schwinden der Flügel zwischen je zwei unmittelbar aufeinander folgenden 
Niederschlägen zu bemerken ist. Sobald nämlich der Flügel die tiefste 
Schlagstelle erreicht hat, sieht man ihn fast in demselben Augenblicke in 
seiner höchsten Lage. Die Vorwärtsbewegung wird vermindert oder gar 
aufgehoben (steigende Lerche, rüttelnder Thurmfalk) durch eine veränderte 
Haltung der einzelnen Flügeltheile. Ober- und Unterarm sind dann theil- 
weise angezogen und die ersten Schwingen nicht entfaltet. — Mit der be- 
reits erlangten Geschwindigkeit kann der Vogel auch ohne Flügelschlag 
weiter schweben und wird auch mit angelegten Flügeln vorwärts gestossen. 
Im letzten Falle macht sich die Anziehungskraft der Erde so stark geltend, 
dass sich solche Vögel dann jedesmal bedeutend senken. Sie heben sich 
darauf wieder zur früheren Höhe durch etwa 5—S äusserst schnelle Flügel- 
schläge. Ihr Flug beschreibt somit eine sehr ausgeprägte Wellenlinie 
(Bachstelzen, Spechte, Würger). Die schwebenden schiessen auf den Flü- 
geln entweder eine kurze Strecke gerade aus (Falk, Sperber), oder sie 
ruhen lange Zeit auf den Flügeln und bewegen sich meist in einer Spi- 
rale (Storch, Bussard). Die vorhergehenden Flügelschläge sowie die An- 
ziehungskraft der Erde bilden die treibende Kraft; jedoch vermag es der 
Vogel, durch die Fallkraft die Geschwindigkeit zu steigern und mit dieser 
wiederum zu steigen. Diese Fallkraft wirkt bei fast senkrechtem Sturze 
am stärksten, so dass z. B. die Angriffsbewegung eines Falken unter Mit- 
hülfe derselben eine sausende Rapidität erlangt, mit welcher auch der 
flüchtigste Vogel leicht überholt wird. Nach einem Fehlangriffe steigt er 
durch sie sofort ohne Flügelschlag blitzschnell wieder empor und über- 
steigt und überholt nun wiederum unterstützt durch die erneuerten Flügel- 
schläge sehr rasch sein Opfer, um von Neuem in demselben jähen Sturze 
anzugreifen. Auch das anfängliche Forttragen der schweren Beute wird 
durch die Fallgeschwindigkeit wesentlich erleichtert. Die schwebenden 
Ruderflügler können nur in einer Spirale aufsteigen, weil zu viele Flügel- 
theile bei ihnen vorwärts treiben. Durch Neigung des Körpers auf eine 
Seite, Schiefstellung des Schwanzes und einseitige Entfaltung des Lenk- 
fittiges, wird die spiralige Drehung veranlasst. Ein mässiger Gegenwind 
befördert die Hebung des Vogels und erleichtert somit den Flug; ein vom 
Rücken her wehender Wind wirft das Gefieder auf und drückt die Flügel- 
mulde herab. Der Anfang des Fluges wird unter sehr tiefen kräftigen 
Flügelschlägen oder einem Anlaufe oder Aufhüpfen, oder unter einem 
Herabschwingen oder Falle aus der Höhe gemacht. Der erste Nieder- 
schlag erfolgt in der Regel so schnell nach der Hebung des Flügels, dass 


22 Vögel. Aves. 


man nur diesen Schlag, nicht aber die Hebung sieht. Einige Arten, als 
Kiebitz, lassen den Flügel eine kleine Weile in der erhobenen Lage ruhen. 
Beim Auffliegen erhebt sich der Vogel gegen den Wind und wendet sich 
im Flug erst nach der von ihm einzuschlagenden Richtung. Beim Nieder- 
setzen stellt er zur Milderung des Stosses schon vor dem Ziele die Flügel- 
schläge ein, wendet sich oft sogar zu gleichem Zwecke kurz vorher in 
der Luft, läuft am Boden häufig in der Flugrichtung eine Strecke weiter 
(Regenpfeifer), oder schiesst so auf dem Wasserspiegel dahin (Ente), 
oder parirt das noch wirkende Gesetz der Trägheit durch seine Schwanz- 
federn (Bachstelze), — bis der durch den Flug bewegte Körper zur Ruhe 
gekommen ist. Will sich ein grösserer Vogel auf einen Zweig setzen, so 
stellt er schon in grösserer Entfernung die Flügelschläge ein, senkt sich 
dann gar oft schwebend unter das Ziel und hebt sich nun mit dem 
Schwanze steuernd sanft auf dasselbe. Vögel mit kurzen Flügeln schlagen 
äusserst schnell, und umgekehrt. Doch können auch langschwingige unter 
freilich gleichzeitiger und entsprechender Verringerung des Schlagwinkels 
ihre Luftruderschläge sehr schnell führen. Sie erreichen dadurch, da der 
Flügelschlag dann am meisten fördert, wenn der Flügel die Horizontal- 
ebene passirt, die grösstmöglichste Geschwindigkeit (Segler). Bei sehr 
kurzen Schwingen pflegen die zweiten Schwingen oder die Schulterdecken 
durch bedeutendere Grösse die Verkümmerung der Fallschirmfläche zu er- 
gänzen (Enten, Strandläufer, — die langschwänzige Bachstelze entfaltet 
im Fluge ihr Steuer nicht). Länge und Breite der Flügel stehen meist 
im umgekehrten Verhältnisse. Wenn lange Schwingen eine nicht unbe- 
trächtliche Breite zeigen, so ist der Vogel ein ausgezeichneter Schweber 
(Geier). Die relative Grösse der Flügelfläche, als Fallschirm der ungleichen 
Dichtigkeit der verschiedenen Luftschichten entsprechend, bedingt im All- 
gemeinen die Höhe eines länger anhaltenden Fluges (Bussard; Falk). Sehr 
kurzflügelige Vögel erheben sich nie zu bedeutender Höhe (Eisvogel, 
Wasserschwätzer, Wachtel). 

Die Bewegung des Vogels auf dem Erdboden ist bei Weitem 
nicht so mannigfaltig als der Flug. Er läuft hier entweder, oder er 
hüpft. Manche Vögel (Elster) wechseln mit beiden Bewegungsarten ab. 
Langbeinige Vögel schreiten gravitätisch langsam, kurzbeinige rennen schnell. 
Einige bewegen bei jedem Schritt den Körper hin und her und nicken 
auch wohl mit dem Kopfe (Tauben), bei anderen behalten alle Körper- 
theile ihre Lage unverändert und der Vogel scheint dann wie auf unsicht- 
baren Rollen schnell fortgezogen zu werden (Regenpfeifer). Diese rennen 
in Absätzen stossweise. Die Sumpfhühner (Rallen, Wachtelkönig) ähneln 
durch ihre gestreckt horizontale Körperhaltung einem eiligst fliehenden 
kleinen Säugethiere (Ratte). Diejenigen Landvögel, welche auf dem Boden 


Allgemeines. 23 


ihre Nahrung nicht aufsuchen, begeben sich selten oder nie auf denselben 
(Segler, Eisvogel, Buntspechte, Baumläufer, Fliegenfänger, Kukuk, Würger). 
Nur wenige Vögel (Alken und Pinguine) vermögen nicht zu gehen. 

Vom Klettern kann man eine dreifache Form unterscheiden. Einige 
hüpfen die Stämme und Aeste hinauf und entlang, indem sie sich mit 
ihren scharfen, stark gebogenen Krallen einhaken (Spechte, Baumläufer), 
andere umgreifen und umspannen mit ihren Zehen, wie mit Händen, unter 
Mitwirkung ihres stark beweglichen Oberschnabels als dritter Hand schwä- 
chere Zweige (Papageien), noch andere endlich durchklettern turnend die 
feinsten Zweige und Reiser (Meisen). 

Zum Schwimmen sind in der Regel die vorderen Zehen durch ganze 
Schwimmhäute verbunden. Bei den pelekanartigen Vögeln wird auch noch 
die hintere Zehe durch eine Schwimmhaut mit der inneren vorderen ver- 
bunden (Ruderfuss). Für die schwimmende Fortbewegung in gerader Rich- 
tung werden die Ruderschläge mit beiden Füssen zu gleicher Zeit ausge- 
führt, für Wendungen ist nur ein Fuss, der auf der entgegengesetzten 
Seite liegende, thätig. Auch während des Schlafes auf der Wasserfläche 
scheinen die Schwimmvögel Ruderbewegungen auszuführen, da sie auch 
bei Wind auf derselben Stelle bleiben und von demselben nie an’s Ufer 
getrieben werden, Pinguine und Alken bedienen sich auch ihrer Vorder- 
extremitäten als Wasserruder. Die langschwingigen, mit halber Schwimm- 
haut versehenen Seeschwalben, Tropikvögel, Fregatten sieht man wohl auf 
der Wasserfläche ruhen, wobei die Flügelspitzen sehr hoch emporragen, 
aber nicht eigentlich schwimmen. Die Schwimmhaut der Haubentaucher 
umgiebt als breiter Saum die einzelnen Zehen, bei den Wassertretern und 
Wasserhühnern ist dieser Saum nach der Zahl der Zehenglieder lappig 
eingeschnitten (Lappenfüsse). Die langen Zehen der sehr anhaltend, 
nickend schwimmenden Teichhühner entbehren jeder Hautverbreiterung- 
Im Nothfalle können die meisten Vögel, die kleinen Sumpfvögel sogar 
geschickt, schwimmen und auch tauchen (Strand-, Wasser-, Kampfläufer). 

Man unterscheidet ein dreifaches Tauchen: Gründeln, Schwimm- 
und Stosstauchen. Beim Gründeln taucht der Vogel kopflings nur den 
Vorderkörper unter Wasser (zahme Ente), beim Schwimmtauchen versenkt 
er sich vom Schwimmen unter den Wasserspiegel (Haubentaucher), wo- 
gegen er sich beim Stosstauchen fliegend aus der Luft in’s Wasser stürzt 
und unter dessen Spiegel verschwindet (Seeschwalbe, Flussaar). 

Das Nervensystem ist dem der Säugethiere im Allgemeinen sehr 
ähnlich, jedoch besitzt das grosse Gehirn stets eine glatte Oberfläche, das 
von oben nicht sichtbare Mittelhirn liegt nach unten und das auf seiner 
Oberfläche vielfach quer gefurchte kleine besteht fast nur aus dem Mittel- 
stück (Wurm). 


24 Vögel. Aves. 


Unter den Sinnesorganen nimmt das Gesicht unstreitig die erste 
Stelle ein. Die Vögel leben vorzugsweise in der Welt des Gesichtes, ihre 
Sehkraft übertrifft die aller übrigen Thiere. Keiner Vogelspezies fehlt 
dieser Sinn, bei keiner treten die Augen verkümmert auf, bei vielen hat 
er eine ungemeine Schärfe und eine beispiellose Accommodationsfähigkeit 
für die verschiedensten Entfernungen (Geier); anderen (Schwalben, Fliegen- 
fängern, Eulen, Enten) scheint nur eine grosse Sehschärfe in der Nähe, 
nicht aber auch für eine grössere Entfernung zuzukommen. Darnach 
zeigen sich in den Lebensäusserungen, besonders in Rücksicht ihrer Er-. 
nährung bedeutende Verschiedenheiten. Aus dem Verhalten der einzelnen 
Arten lässt sich ein gegründeter Schluss auf die Entfernung machen, in 
der sie scharf und deutlich zu sehen vermögen. Es möge hier nur an 
die „rüttelnden” Vögel, etwa Flussaar, Thurmfalk, Seeschwalben, erinnert 
werden. In der Accommodation des Auges für verschiedene Lichtinten- 
sitäten stehen im Allgemeinen die Vögel den Säugethieren nach (Eulen 
— Katzen). Auch an Beweglichkeit wird das Vogelauge von dem der 
Säugethiere übertroffen, bei den Eulen ist es fast unbeweglich; doch wird 
dieser Nachtheil durch eine weit grössere Beweglichkeit des Kopfes und 
Halses compensirt. An relativer Grösse übertrifft es dieses jedoch so be- 
deutend, dass in dieser Hinsicht z. B. das Auge eines Sperlings dem eines 
Marders gleichkommt. In dem vorderen Rande der Sklerotika liegt zur 
Stütze des vorderen Augenabschnittes ein Ring von dünnen Knochen- 
platten. Neben der Eintrittsstelle des Sehnerven dringt ein schräg auf- 
steigender „Fächer”, dessen Zweck noch nicht erkannt ist, durch eine 
Spalte der Netzhaut. In Gestalt und Grösse zeigt er mannichfaltige Ver- 
schiedenheiten. Die Iris ist meist lebhaft dunkelbraun, oft sogar kirsch- 
roth, bernsteinfarben, leuchtend hellgelb, seltener rosa, weiss, bläulich, 
grün. Nach dem Alter variirt dieser Farbton häufig sehr erheblich; die 
lebhaft gelbe Iris des Sperberauges ist bei Nestvögeln theegrün, während 
sie sich bei der Sumpfohreule in jedem Alter hellchromgelb zeigt. Die 
tiefbraune Iris beim rothen Milan, Mäuse- und rauhfüssigen Bussard, See- 
adler u. a. wird im Alter hell perlgrau. Die Pupille hat stets eine kreis- 
förmige Gestalt. Ausser dem oberen und unteren Augenlide besitzen die 
Vögel noch ein drittes, die transparente Nickhaut, welche durch einen 
besonderen Muskel seitlich vom Innenwinkel her über das Auge fortge- 
zogen wird und sich durch ihre Elastizität wieder zurückzieht. 

Scharf ist ferner auch das Gehör vieler -Vögel. Eine äussere, die 
Schallwellen auffangende und concentrirt in’s Innere leitende Muschel ist 
freilich nicht, oder etwa nur, wie bei den Eulen, als eine Hautfalte vor- 
handen. Bei diesen scharfhörigen Vögeln kommt jedoch ein schallauffan- 
gender und leitender Federapparat, eine Wand eigenthümlich gestellter 


Allgemeines, >25 


und gebildeter Federn noch hinzu und dieser ersetzt durch seine Aus- 
dehnung mehr als genügend die fehlende Muschel. Bei allen Vögeln ist 
die äussere Ohröffnung überdeckt mit starren Federn, welche, da ihnen die 
Aeste, Wimper und Häkchen fehlen, ein die Schallwellen leicht durch- 
lassendes Gitter bilden. Der äussere Gehörgang ist sehr kurz; ein ein- 
ziger stabförmiger Knochen (Columella) leitet die zitternden Bewegungen 
des Trommelfelles in das Innere des Ohres. Im Allgemeinen besitzen die 
Eulen und diejenigen Arten, welche den Wald bewohnen und somit am 
freien Gebrauche ihres Gesichtssinnes mehr als die offen lebenden gehin- 
dert werden, das feinste Gehör. Sind diese offen lebenden, auf lautlose 
Nahrung angewiesen, so scheint dieser Sinn erheblich zurückzutreten (See- 
schwalben). 

Weit schwächer ist der Geruchssinn ausgebildet. Mit Ausnahme 
der Kiwis liegen die Nasenlöcher von der Spitze des Schnabels entfernt 
an der Basis oder öffnen sich in einer Röhre, unter einer Knorpelschuppe, 
unter kleinen Federn oder grösseren Borstenfedern. Ein Schnuppern, 
Spüren, Winden bemerken wir nie bei den Vögeln. Sogar die Aasfresser, 
welche sich von grosser Höhe her bei ihrem Male einfinden, sollen das- 
selbe nur durch das Gesicht ausfindig machen (Geier, Raben). 

Auch der Geschmackssinn tritt bei den Vögeln sehr zurück. Ihre 
meist hornig umkleidete Zunge dient wesentlich nur als Ingestionsorgan. 
Wenn am Grunde derselben oder seltener an der Spitze Papillen mit Nerven 
vorkommen, so scheinen diese mehr als Tast- wie als Geschmacksorgane 
zu dienen (Papageien, Enten) zum Sondiren und Ordnen der in den 
Schnabel aufgenommenen Stoffe. Nichts desto weniger sind die Vögel 
wählerisch in ihrer Nahrung. 

Der Tastsinn scheint allgemeiner verbreitet zu sein, als gewöhnlich 
angenommen wird. Alle Arten besitzen im Schnabel einen nicht unbe- 
deutenden Nervenreichthum. Bei vielen ist der Ueberzug, besonders an 
den Rändern und an der Spitze weich, und hier mit vielen Nervenenden 
versehen; die betreffenden Vögel (Schnepfen, Enten) bedienen sich dieses 
feinen Tastapparates, um ihre unsichtbar im feuchten Boden, Wasser, be- 
findliche Nahrung zu erkennen. Im weiteren Sinne kann auch der, die 
Bäume auf Anwesenheit von Insecten und deren Larven unter der Rinde 
und im Holze perceutirende Schnabel der Spechte als Tastorgan ange- 
sprochen werden. 

Der Verdauungsapparat der Vögel hat manches Eigenthümliche. 
Zähne zum Zermalmen der Nahrung fehlen; die Nahrung wird ganz oder 
in grössere Brocken zerrissen verschlungen. Ist die unzertheilt verschlun- 
gene Nahrung gross, wie z. B. bei vielen Fischfressern, als Reihern, Pele- 
kanen, so vermögen sich sowohl die Aeste des Unterkiefers wegen ihrer 


26 Vögel. Aves, 


kurzen Zygose sehr weit von einander zu trennen, als auch die Speiseröhre, 
sowie die Haut des Halses, sich sehr zu erweitern. Viele Vögel, wie z. B. 
Insectenfresser und Eulen, werfen die unverdaulichen Theile ihrer Nah- 
rung, etwa Insectenpanzer, Haare, Federn, Knochen, zu Klumpen zusam- 
mengeballt als sogenanntes „Gewölle” durch den Schnabel wieder aus. Zur 
Compensation des Mangels der die Nahrung zerkleinernden Zähne dient 
häufig sowohl eine sackartige Ausstülpung der Speiseröhre an ihrem unteren 
Ende, der Kropf, in dem die verschlungene Nahrung aufgespeichert und 
erweicht wird, als auch eine durch verdickte Muskelwandung und mit- 
verschluckte Steinchen erhöhte Magenthätigkeit. Bei den Fleischfressern 
sind die Magenwände dünnhäutig, bei den übrigen Vögeln derb, bei vielen 
(Schwan) sogar mit zwei gegenüberliegenden zu kräftigen Reibeplatten ver- 
diekten Stellen versehen. Die Darmlänge entspricht gleichfalls der Nah- 
rungsverschiedenheit. — Für die Ausführung der festen wie flüssigen Exere- 
mente, sowie der Geschlechtsproducte haben die Vögel nur eine Oeffnung, 
indem die verschiedenen Gänge in das erweiterte Endstück des Mast- 
darms, die Cloake, münden. — Manchen Vögeln fehlt die Gallblase. 
Von den Geschlechtsorganen liegen die ausser der Fortpflanzungs- 
zeit sehr kleinen Testikel paarig im Becken. Ein Copulationsorgan ist 
nicht oder nur sehr rudimentär (Enten), in sehr seltenen Fällen (Strauss) 
in beträchtlicher Ausbildung vorhanden. Von den Eierstöcken entwickelt 
sich in der Regel nur ‚der linke. Der Dotter wird im Eileiter mit Ei- 
weiss umgeben; darauf bildet sich die aus eng verfilzten Fasern bestehende 
Eihaut und endlich die Kalkschale, welcher die Eihaut bis auf einen kleinen 
Theil enge anliegt, und mit dem obersten Theile der Schale ev. die Farbe 
und Zeichnung. Die Schale besteht nämlich aus zwei, oft innig verbun- 
denen, oft deutlich geschiedenen Schichten. Die untere ist in der Regel 
weiss, nur in verhältnissmässig wenigen Fällen (Scharbe, Madenhacker) grün- 
lich oder blaugrün, nie trägt sie eine Zeichnung. Bei den Eiern mancher 
Vogelgruppen (Pelekan, Haubentaucher, Flamingo) ist die obere Schicht 
sehr grob und unregelmässig aufgetragen, so dass sie bei grüner unterer 
Schalenschicht diesen Ton stellenweise durchscheinen oder gar gänzlich 
frei lässt (Scharben, Uuculus guira). Eine ähnliche Erscheinung zeigen 
die Eier der Madenhacker, deren weisse Oberschicht beim Legen noch 
weich ist und dann durch das Nestmaterial oder den brütenden Vogel 
stellenweise abgerieben, den tiefblaugrünen Unterton zu Tage treten lässt. 
Auch bei andern Eiern, z. B. bei denen der Schneehühner, sind die letzten 
Bildungsschichten beim Legen noch nicht erhärtet; sie zeigen deshalb fast 
stets verwischte Stellen. Die Eier der Haubentaucher und Magapodien 
nehmen von dem feuchten färbenden Nestmaterial bei längerem Liegen 
eine unregelmässige, wolkige, schmutzige, zuweilen lebhaft braune Färbung 


Allgemeines. 27 


an; auch bei Spechteiern kommt ähnliches in dem seltenen Falle einer 
feuchten Bruthöhle vor. Die sonstigen Farben und Zeichnungen der Eier 
zeigen stets einen sanften, nie grellen Ton und lassen sich bei aller Ver- 
schiedenheit auf zwei Töne, auf Grün und Rothbraun zurückführen, die 
zuweilen als Flecken und Punkte so stark aufgetragen sind (Singdrossel, 
Pirol), dass sie schwarz erscheinen. Erwiesener Maassen ist der Gallstoff, 
und zwar entweder das Gallgrün, Biliverdin, oder das Gallbraun, Chole- 
pyrhin, der Farbstoff für die Eier. Je nachdem die Zeichnung von dem 
Kalk der oberen Schalensehicht mehr oder minder stark bedeckt ist 
(Schalenflecke), oder frei auf der Oberfläche liegt, bald leicht, bald stärker 
aufgetragen ist, entsteht durch einen einzigen Farbstoff jene grosse Bunt- 
heit, welche uns an zahlreichen Eiern begegnet (Kiebitz, Krähe). Alle 
solche Eier sind als einfarbig mit Zeichnung und diejenigen, deren Schale 
gefärbt ist, ohne dass weitere Zeichnungen auftreten, als einfarbig ohne 
Zeichnung (Reiher, Fasanen, Enten) zu bezeichnen. Weil nur die beiden 
genannten Stoffe die Eier färben, so kann kein Ei dreifarbig sein. Sogar 
zweifarbige (manche Drosseln) sind nicht so ganz häufig, und in diesem 
Falle stets grün grundirt und rothbraun gefleckt. Auf den Eiern mancher 
Vögel (schnepfenartige, Seeschwalben) erscheinen die Flecke etwas von 
rechts nach links gestellt, die ganze Zeichnung ist in dieser Richtung ge- 
dreht, andere dagegen (Charadrinen) lassen eine solche spiralige Anord- 
nung nicht erkennen. In einzelnen Fällen, am häufigsten bei den Alken, 
alterniren auf einzelnen Eiern die beiden Farbtöne, so dass es bei diesen 
sowohl schwach grün oder röthlich grundirte, und dem entsprechend dunkel- 
grün, oder rothbraun gefleckte Eier giebt. Die Höhlenbrüter legen weisse 
oder fast weisse Eier. Steht das Nest ohne alle Deckung am Boden, so 
gleichen die Eier, mit Ausnahme der am Boden brütenden Raubvögel, in 
auffallender Weise der Farbe der Umgebung. — Trotzdem dass nie und 
nirgends die Eizeichnungen mathemathisch bestimmt auftreten, so zeigen 
sie doch sowohl bei den einzelnen Arten, als innerhalb der Gattungen so 
viel Charakteristisches, dass sie in Verbindung mit den Farbtönen vom 
systematischen Standpunkte sehr wichtig sind. Die Verwandtschaft der 
Vögel drückt sich sehr häufig in der auffallendsten Weise in den Eiern 
aus. Noch wichtiger ist die plastische Eigenschaft der Schalenoberfläche, 
das Korn. Bald erscheint dieselbe spiegelglatt, bald porzellanartig mit 
einzelnen weitständigen Poren, bald mit nahestehenden derben Porenstichen, 
bald wolkig runzlich, bald mit scharfen Kalkkörnchen rauh überzogen. 
Die grösste Verschiedenheit kommt in dieser Hinsicht wohl in der Ord- 
nung der hühnerartigen Vögel vor, in der die Eier der Örypturus und 
Urax die grössten Gegensätze darstellen. Die Eier desselben Individuums 
zeigen auch in den verschiedenen Jahrgängen eine grosse Uebereinstim- 


28 Vögel. Aves. 


mung. Verschiedene Individuen derselben Art legen verschieden charak- 
terisirte Eier, so dass es nicht schwer ist, aus einer Menge von Sperlings-, 
oder Dohlen-, Krähen-, Sperber-.... Eiern nachträglich die einzelnen Ge- 
lege wieder auszulesen. Von den Eiern desselben Geleges enthält in der 
Regel das erstgelegte die stärkste Zeichnung und das rauheste Korn. — 
Auch die Gestalt (ei-, birn-, walzenförmig, rundlich), Grösse und Schalen- 
stärke der Eier, sowie die Anzahl des Geleges charakterisiren die einzelnen 
Vogelgruppen oft sehr genau. Bei Verlust des ersten Geleges legt der 
Vogel zum zweiten Male, jedoch oft ein Ei weniger. Bei einem späteren 
Gelege kommen nicht selten abortive Eier, die sogenannten Spul- oder 
Spareier vor. Dass ausnahmsweise Eier ohne Zeichnung von Vögeln, die 
normal stark gefleckte Eier legen, gelegt werden, ist gleichfalls keine Selten- 
heit. — Wasservogeleier sind häufig noch von einer feinen OÖberhaut über- 
kleidet. 

Die Eier werden von dem Vogel bald ohne oder fast ohne Unterlage 
in eine flache Bodenvertiefung gelegt, bald von einer natürlichen oder selbst- 
verfertigten Höhle, und hier ohne oder mit Nestmaterial, bald von einem 
mehr oder minder kunstvoll erbauten Neste aufgenommen. Das Nestmaterial 
wird, wie bei Schwalben und Seglern, zuweilen durch den leimartigen Speichel 
der Vögel verfestigt; die Salanganen bauen ihr Nestnäpfehen nur aus sol- 
cher Aussonderung auf. Der Standort des Nestes, der Neststoff, das Ge- 
füge desselben zum Nest, die Gestalt des Nestes ist gleichfalls in hohem 
Grade verschieden und für die einzelnen Arten sehr charakteristisch. Bald 
finden wir die künstlichste Verwebung feiner Hälmehen, Haare, Federn, 
Moos, Flechten, Pflanzenwolle und eine sehr weiche innere Auspolsterung, 
bald einen rohen Haufen derber Reiser, ja eine innere harte Ausmauerung, 
bald ein festes retorten- oder backofenförmiges äusseres Mauerwerk, wel- 
ches die Eier schützt und verhüllt; bald steht das Nest offen am Boden 
oder es schwimmt auf dem Wasser, bald im dichten Gestrüpp, auf dem 
Gipfel hoher Bäume, in Felsschluchten. Bald brüten die Vögel colonien- 
weise, ja wohl zu Hunderttausenden zusammen, bald halten sie ein Brut- 
revier von bestimmter Grösse so strenge inne, dass kein zweites Paar der- 
selben Art sich dort ansiedeln darf. Das Brutgeschäft besorgt entweder 
das Weibchen allein, oder dieses wird vom Männchen abgelöst. Die Brut- 
flecke sind in der Regel als Raine, von denen sich durch das Brüten nur 
die Dunen abreiben, bereits ausreichend gross vorhanden; bei zu schmalen 
Rainen aber, namentlich vieler Wasservögel, werden sie durch Ausrupfen 
von Federn erst hergerichtet, Eine Menge Gefässe erhöhen zur Brutzeit 
die Temperatur der mit den Eiern in unmittelbare Berührung kommen- 
den Körperstellen. Kurz vor dem Ausschlüpfen der Jungen ist die Schale 
allmälig dünner und poröser geworden, ein Theil des Schalenkalkes ist 


Allgemeines. 29 


zum Aufbau der Knochen des Embryo verwendet. Ein scharfes Kalk- 
zähnchen auf der Spitze des Öberschnabels erleichtert dem Jungen das 
Sprengen seiner brüchigen Hülle und zwar genau an der Stelle, die ge- 
sprengt werden muss, damit es ihnen möglich ist, mit dem Kopf und 
Vorderkörper zuerst an die Aussenwelt zu treten, aus dem Ei zu kriechen. 
Jene bedeutendere Porosität der Schale ermöglichte auch eine nothwendig 
gewordene stärkere Respiration während der letzten Zeit des Embryonal- 
zustandes. Nach dem Auskriechen werden die Jungen, wenn sie unbe- 
hülflich noch längere Zeit im Neste verbleiben, „Nesthocker”, von den 
Alten gefüttert, häufig wohl mit anderer Nahrung als die alten Vögel 
selbst verzehren, die jungen Tauben sogar mit einem besondern, sich im 
Kropfe der Alten absondernden milchigen Saft. Andere dagegen (Hühner, 
Lauf-, viele Sumpf- und Schwimmvögel) kommen weit entwickelter auf 
die Welt und folgen als „Nestflüchter” alsbald dem alten Vogel (Weib- 
chen), der sie zu ihrer Nahrung hinführt. Die Färbung dieser relativ 
selbstständigeren Dunenjungen zeigt, insofern sie zu den Landvögeln ge- 
hören, eine auffallende Aehnlichkeit mit der ihrer Umgebung. Est später 
erhalten sie annähernd das Kleid der Alten. 

Nach der ersten Herbstmauser macht sich bei den meisten Vögeln 
der Wandertrieb geltend. Es steht ja diejenige Jahreszeit bevor, in 
der ihnen in ihrer Heimath die Existenzbedingungen entzogen werden. In 
Betreff dieses Triebes hat man bekanntlich für die Vögel drei Kategorien 
unterschieden: Stand-, Strich- und Zugvögel. Standvögel sind solche, 
welche das ganze Jahr hindurch an dem Orte, an dem sie entstanden sind, 
bleiben. « Unter Strichvögel versteht man alle diejenigen, welche frei- 
lich ihre Heimath gegen den Winter nicht verlassen, aber in derselben 
mehr oder minder weit nach Nahrung umherstreichen. Sie rotten sich zu 
diesem Zwecke mit anderen ihres Gleichen, häufig auch mit Individuen 
fremder Spezies, zusammen, bleiben in derselben Gegend, aber sind wäh- 
rend dieser Zeit nirgends fest ansässig. Sie streichen von Wald zu Wald, 
von Feld zu Feld und revieren so eine Gegend in bestimmtem Umkreise 
fortwährend ab, häufig dieselben Lokalitäten besuchend. Die Zugvögel 
endlich wandern gegen diese Jahreszeit aus, um als Wintergäste in fremden 
Gegenden ihr Dasein zu fristen. Diese drei Kategorien sind in ihrem ver- 
schiedenen Verhalten theoretisch leicht auseinander zu halten. In Wirk- 
lichkeit aber lässt sich die lebende Natur nicht in dergleichen scharf be- 
grenzte Rahmen fassen. Für viele Spezies ist es gradezu unmöglich, mit 
Bestimmtheit eine dieser Kategorien in Anspruch zu nehmen. Dieselbe 
Art kann in einer Gegend Standvogel sein, während sie auch ohne nach- 
weislichen Grund in einer anderen als Zugvogel bezeichnet werden muss. 
So ist z. B. die Dohle in Münster ein ausgeprägter Standvogel, hier in 


30 Vögel. Aves. 


Neustadt dagegen sieht man sowohl grosse Züge hoch durch die Luft 
wandern, als auch einzelne oder wenige Individuen plötzlich auftauchen 
und wieder verschwinden. Das Rephuhn wird mit Recht allgemein als 
Standvögel angesehen, und doch sind ja die grossartigen Erscheinungen 
von „Zughühnern” bekannt. An einem und demselben Orte ist der Mause- 
bussard entweder Stand- oder Zugvogel. Es ist eine der gewöhnlichsten 
Erscheinungen, dass von vielen Spezies in manchen Jahren nur oder fast 
nur die Weibchen und Jungen aus derselben Gegend auswandern, während 
die härteren alten Männchen in der Heimath verbleiben. So erscheinen 
bei uns von den nordischen Schneeammern, Birkenzeisigen, Bergfinken, 
manchen Enten und anderen Schwimmvögeln in der Regel fast nur jene, 
während diese daheim bleiben. Unser Buchfink hat von dieser Individuen- 
trennung bekanntlich von Linne seinen wissenschaftlichen Artnamen coelebs 
erhalten. Standvögel im strengsten Sinne des Wortes giebt es nur gar 
wenige. Die meisten Arten zeigen gegen Herbst oder im Winter die Nei- 
gung, die engen Grenzen ihres Sommerdomicils zu erweitern oder dieselben 
zu verlegen. Eben so wenig und noch weniger möglich ist es, praktisch eine 
scharfe Sonderung zwischen Strich- und Zugvögeln zu machen. Gar häufig 
wird ein gewöhnliches, den Strichvogel charakterisirendes Umherstreifen 
in derselben Gegend bei ungünstigen Witterungsverhältnissen zum völligen 
Verlassen der Heimath, zu einem förmlichen Auswandern, und umgekehrt 
wandern reguläre Zugvögel in aussergewöhnlich milden Wintern nicht weiter, 
sondern verweilen in derselben Gegend, bis im Frühlinge der Fortpflan- 
zungstrieb sie wieder ihrer engeren Heimath zuführt und an dieselbe fesselt. 
An das Wasser gebundene Vögel lassen sich so auf ihren Wanderungen 
nur durch die gegenwärtige Temperatur bestimmen. Das gilt nicht blos 
von den meisten entenartigen und anderen Schwimmvögeln, sondern auch 
von Teichhühnern und Wasserrallen, welche man bei milder Witterung 
den "ganzen Winter hindurch bei uns antreffen kann. Hoher Schneefall 
bedingt dagegen das Auswandern mancher Landvögel, wie der Seiden- 
schwänze und Schneeammern. Andere scheinen nur durch sporadischen 
Reichthum an Nahrung in ihrem örtlichen Auftreten bestimmt zu werden. 
So brütet in mausereichen Jahren stellenweise die Sumpfohreule zahlreich 
bei uns, während sie in anderen unsere Gegend nur als flüchtiger Gast be- 
rührt. Die Kreuzschnäbel (Z. eurvirostra) können mitten im Sommer 
plötzlich auf längere Zeit unsere Gärten beleben, während man sie sonst 
nur selten und in wenigen Individuen im Herbst in unseren Nadelholz- 
wäldern beobachtet. Im Sommer und Herbst 1863 wurden Ornithologen 
wie Jäger durch die ganz unerhörte Invasion des asiatischen Steppenhuhnes 
in Aufregung gebracht. Die grosse Dürre hatte dieses schöne Flughuhn 
wohl aus seinen öden Steppen vertrieben. Der Tannenheher ist als zigeuner- 


Allgemeines. 31 


artiger Vagabund bekannt, ohne dass es bis jetzt möglich gewesen wäre, 
einen Grund seines plötzlichen räthselhaften Erscheinens bei uns aufzu- 
finden. Eine grosse Menge von Arten, deren Individuen bei uns nur sehr 
vereinzelt auftreten, sind wohl meist als verschlagene Vögel anzusehen, 
die sich auf ihren Irrflügen entweder irgend einem wandernden Schwarme 
von Gattungsverwandten anschliessen (manche sibirische, sogar amerikanische 
Drosseln) und nun mit diesen zu uns gelangen, oder, die vereinzelt blei- 
bend, bald vom Norden, bald vom Süden und Osten, bald vom hohen 
Meere, bald von den Hochgebirgen her als Seltenheiten hier auftauchen 
(Möven, Raubmöven, Tölpel, Immenvogel, Mauerläufer, Steinmerle, Rosen- 
staar u. v. a.). Für alle solche, deren Liste bereits eine ziemliche Länge 
erlangt hat, wäre als vierte Kategorie die der Irrgäste aufzustellen. Aber 
noch viele andere Erscheinungen, welche ohne Zweifel in innigster Be- 
ziehung zum Wandertrieb stehen, werden sich schwerlich dureh eine Be- 
zeichnung fixiren lassen. So treffen manche Arten im Frühlinge hier ein 
und brüten in sehr vielen Paaren, wogegen sie in einem anderen unsere 
Gegend entweder nur passiren, oder sich kaum in einem oder anderen 
Individuum als Passanten blicken lassen, vielleicht gänzlich fehlen, obschon 
ihre Existenzbedingungen hier nicht verändert scheinen. Andere ver- 
legen dauernd ihre Heimath und ändern damit auch ihre Zugerscheinungen. 
So dringt den Chausseen folgend die Haubenlerche als Brutvogel vor und 
wird dort Standvogel, wo sie früher nur als spärlicher Durchstreicher be- 
kannt war. Das Hausrothschwänzchen folgt den Ziegeleien und grösseren 
Steinbauten. Anscheinend unmotivirt siedelt sich die Grauammer, Wach- 
holderdrossel, der Girlitz u. a. dort an, wo man solche Vögel früher ent- 
weder gänzlich vermisste, oder nur als Zugvögel kannte. Der Ortolan 
zeigt als Brutvogel stets eine auffallende Launenhaftigkeit, so dass man 
sich für berechtigt halten kann, ihn für eine Gegend als häufig zu be- 
zeichnen, während er plötzlich wieder verschwunden ist und umgekehrt. 
Dass mit den Bedingungen ihrer behaglichen Existenz die betreffenden 
Vogelarten schwinden oder sich sehr vermindern, kann nicht auffallen. 
Unsere Land- und Forstwirthschaft übt hier einen mächtigen Einfluss aus. 
Auch scheinen die vielen industriellen Etablissements der Neuzeit mit ihren 
rauchenden Schornsteinen, der geräuschvolle Eisenbahnverkehr, die schnell 
wachsende Population gewisser Distriete und ähnliches manche Zugvögel 
von ihren alten Wanderstrassen abzulenken. — Aus diesen Thatsachen 
und Erscheinungen, welche sich leicht vermehren liessen, erhellt, dass die 
mannigfachsten Unbestimmtheiten, Abweichungen von der Regel, Schwan- 
kungen, anscheinende Gesetzlosigkeiten es völlig unmöglieh machen, jede 
Vogelart in Hinsicht ihres Wandertriebes unter eine feste und bestimmt 
definirte Kategorie einzureihen. Es folgt aber gleichfalls daraus, dass sich 


33 Vögel. Aves, 


auch für eine einzelne Gegend schwerlich ein genaues Verzeichniss der 
Insassen nach der in Rede stehenden Lebenserscheinung als Stand-, Strich-, 
Zugvögel aufstellen lässt. Die freilebende Natur lässt sich nun einmal 
nicht in die engen Rahmen scharf umrandeter Kategorien fassen. Die 
Vögel zeigen so verschiedene Nüancen des Wandertriebes, dass vielleicht 
wohl ein Dutzend solcher Kategorien aufgestellt werden müsste, um die 
hauptsächlichsten Verschiedenheiten zu fixiren. 

Jedenfalls aber sind unter den sogenannten Zugvögeln sehr bedeutende 
wesentliche Verschiedenheiten, welche weit wichtigere Gegensätze zeigen 
als „Stand-, Strich- und Wandervögel”. So ist ein grosser Theil derselben 
Sommervögel, welche im Frühlinge bei uns eintreffen, hier ihre Fort- 
pflanzung besorgen und uns im Herbste wieder verlassen. Dass diese in 
sehr verschiedenem Grade den Wandertrieb bekunden, einige im ersten 
Frühlinge bei uns eintreffen und erst im Spätherbst wieder abreisen, wäh- 
rend andere kaum 4 oder 5 Monate bei uns verweilen, ist bekannt. Auf 
den Termin des Eintreffens bei uns wirken bei den ersteren die gegen- 
wärtigen Witterungsverhältnisse so ein, dass ein Schwanken desselben von 
1—3 Wochen entsteht; die letzteren, wozu namentlich fast alle diejenigen 
Arten gehören, deren Gattungsverwandten zahlreich in den heissen Län- 
dern ihre Heimath haben, welche hier aber nur mehr ganz vereinzelt, 
gleichsam als die äussersten nach Norden vorgeschobenen Posten auftreten 
(Rake, Segler, Nachtschwalbe, Pirol), zeigen sich von der jedesmal herr- 
schenden Temperatur und der Witterung in ihren Zugverhältnissen fast 
gänzlich unabhängig. Eine andere Gruppe von Zugvögeln müssen wir für 
unsere Gegenden als Wintergäste bezeichnen. Sie erscheinen mehr oder 
minder regelmässig im Spätherbst und Anfangs Winter vom höheren Norden 
herkommend bei uns und verlassen uns wieder im Frühlinge. So nehmen 
die Bergfinken, Birken-, Erlenzeisige, Schneeammern, Seidenschwänze für 
die strenge Jahreszeit unsere Gastfreundschaft in Anspruch. Jedoch ver- 
weilen während derselben nicht alle gerade ausschliesslich bei uns, manche 
ziehen auch südlicher und so lässt sich schliesslich zwischen diesen und 
der letzten Gruppe, den Durchzüglern schwerlich eine feste Grenze 
ziehen. Jedoch passiren viele der letzteren in ganz ausgeprägter Weise 
und meist flüchtig unsere Gegend. Zu diesen gehören manche Raubvögel, 
zu diesen auch jene zahllosen Schaaren kleinerer Sumpfvögel (Wasser-, 
Strand- und Uferläufer, Charadrinen, Austernfischer u. a.), von denen 
manche ihre boreale Heimath kaum drei Monate im höchsten Sommer be- 
wohnen. Nach schnell beendigtem Fortpflanzungsgeschäfte beginnen sie 
meist den Küsten entlang schon im August ihre Wanderungen zum Süden, 
und nachdem sie in unaufhaltsamem Vordringen die europäischen und 
afrikanischen Küsten des atlantischen Oceans und des Mittelmeers bis zum 


Allgemeines. 33 


Cap hin belebt haben, treten sie die Rückreise an, und noch im Juni be- 
rühren sie unsere Nordseeküsten auf ihrer Heimreise. Sie brechen vom 
Norden her so früh auf, dass die meisten derselben noch das Jugendkleid 
tragen, dass die Alten wie die Jungen noch oft in der tiefsten Mauser 
stehen, wenn sie an unseren deutschen Küsten erscheinen. Grosse Schaaren 
derselben durchziehen auch auf dem Landwege unsere Breiten. Man hört 
nämlich nicht selten Anfangs September in tiefer Nacht die hundertfachen 
Stimmen der kleinen Strandläufer (Tringa cinelus) aus grosser Höhe her- 
abschallen und kann deutlich die Richtung ihres Zuges verfolgen, bis ihre 
immer matter tönende Stimme endlich erlischt. Bei vielen Zugvögeln ist 
dieses oder jenes Verhalten eine allgemeine und regelmässige, scharf aus- 
geprägte Erscheinung, andere nehmen eine Mittelstellung ein, oder prägen 
irgend einen Zugceharakter nur ausnahmsweise rein aus. Während z. B. 
der Bergfink als regelmässiger Wintergast für unsere Gegend bezeichnet 
werden muss, trifft die Schneeammer sehr unregelmässig vom Norden her 
bei uns ein, und die Spornammer ist jedenfalls eine sehr seltene Erschei- 
nung. Wir können die Rothdrossel wohl als normalen Durchzügler be- 
zeichnen, für die Ringamsel oder gar Wachholderdrossel, die ja sehr oft 
den ganzen Winter bei uns umherschweift, wäre dieses Prädicat im Allge- 
meinen sehr zweifelhaft. Und doch müssten wir in manchen Jahren beide, 
die Ringamsel am häufigsten damit belegen. Es ziehen sich ferner alle 
Hochgebirgsvögel, als Alpendohle, Alpenbraunelle, Alpenmauerläufer, Alpen- 
schneehuhn, Steinhuhn u. a. gegen den Winter von ihren Sommerhöhen 
zurück in die geschützteren und wirthlicheren Thäler, ohne dass man deren 
Ortswechsel gradezu einen Zug nennen könnte. Für solche wäre eine be- 
sondere Kategorie aufzustellen, und könnte man diese, wie auch etwa die 
Krähen (Corvus corniw mit corone) und manche andere, welche weder 
ziehen noch streichen, sondern nur ihren Aufenthaltsort mitunter verlegen, 
passend mit dem Namen Wechselvögel (analog dem Wechselwild) be- 
zeichnen. Wir würden somit als Hauptkategorien für solche Vögel, welche 
nicht in ihrer engsten Heimath zu jeder Jahreszeit verbleiben, ohne dass 
sie jedoch die Gegend verlassen, die coordinirten Begriffe Strich- und 
Wechselvögel anwenden können. Diejenigen aber, welche förmlich aus 
ihrer Heimath auswandern, wären jenen gegenüber Zugvögel, welche für 
eine bestimmte Gegend in Sommervögel, Wintergäste und Durchzügler zer- 
fallen. Jene unregelmässigen landstreichenden Zigeuner und Irrgäste mit 
ihren verschiedenen Abstufungen würden allerdings nicht unter diese Ru- 
briken gefasst werden, sondern eine fernere, im weiteren Sinne zu den 
Zugvögeln zu zählende Classe bilden. Unter der nochmaligen Bemerkung, 
dass auch bei diesen vermehrten Kategorien gar häufig Arten stets mehr 


oder weniger eine Mittelstellung zwischen zweien derselben einnehmen, 
Altum, Die Vögel. 3 


34 Vögel. Aves. 


oder sich in verschiedenen Jahren oder gar in ihren Individuen an ver- 
schiedenen Oertlichkeiten oder auch in derselben Gegend bald der einen, 
bald der anderen anschliessen, möchte doch die Aufstellung folgenden 
Schemas sich für das Verständniss empfehlen: 
1. Vögel, welche in ihrer Heimath stets an derselben 
Stelle leben, mim DAhk 2 am nn). Btandvögel; 
2. Vögel, welche zwar nicht bei an Bulben Stelle 
leben, aber doch in ihrer Heimath verbleiben: 
a. in derselben umherstreichen . . . . .  . Strichvögel; 
b. ihren singulären Aufenthaltsort wechseln . . Wechselvögel; 
3. Vögel, welche ihre Heimath ganz verlassen: 
a. gesetzmässig . . . - 020. Zugvögel; 
Für eine bestimmte Gegend) zerkullen diese in: 
a. Sommervögel, 
ß. Wintergäste, 
y. Durchzügler, 
b.löregellesiiu.nf 2 Ne. su dergäste. 
Gegenwärtige Noth Kraibti die Vögel ich zum ar denn sie 
treten ihre Reise bei noch sehr mildem, warmem Wetter und Ueberfluss 
an Nahrung bereits an. Die Zugvögel sind zu der Zeit weit fetter, als 
die nicht wandernden Vögel. Auch die in Gefangenschaft gehaltenen In- 
dividuen werden im Frühlinge und Herbst zur bestimmten Zeit, welche 
der der Wanderschaft ihrer freien Artgenossen entspricht, durch den, sich 
durch eine grosse Unruhe bekundenden, Wandertrieb erregt. Manche Arten 
wandern bei Tage, die meisten des Nachts; einige ziehen in hohen Luft- 
regionen, andere fliegen nahe am Boden. Während die Individuen vieler 
Spezies einzeln die Reise machen, vereinigen sich die anderer zu oft ausser- 
ordentlichen Schaaren und ziehen dann in ungeordneten Haufen, oder schliessen 
sich zu besonderen Zugformen aneinander. Dieselben Vögel kehren zu 
ihrer früheren Heimathstelle zurück. Im Allgemeinen ist für unsere Ge- 
genden die Zugrichtung im Herbst von Nordost nach Südwest und im 
Frühlinge umgekehrt. Der Wegweiser kann für die meisten Vögel nicht 
das Gesicht sein; man hat als solchen das magnetische Gefühl nachzu- 
weisen versucht. Wirklich ziehen auch die Vögel in centrifugaler oder 
centripetaler Richtung zum magnetischen Pole (der nördlichsten Spitze 
Sibiriens, dem Taimyrlande). Dass übrigens viele Arten den Meeresküsten 
folgen, oder durch die Richtung der Gebirgszüge und Flüsse bestimmt 
werden, ist bekannt. 
Man hat bis jetzt gegen S000 verschiedene Vogelarten aufgestellt. 
Diese bevölkern die ganze bewohnbare Erde, Land wie Meer, keine Zone, 
keine Region entbehrt derselben. Die heissen Gegenden zeichnen sich 


Allgemeines. 35 


durch eine besondere Mannigfaltigkeit der Formen und Pracht der Farben 
aus, in den kälteren Klimaten sinkt Alles zu einer immer grösseren Ein- 
tönigkeit herab. Trotz der grossen Ortsbeweglichkeit der leichtbeschwingten 
Vögel sind die meisten, sogar die ausgesprochensten Zugvögel, an eine be- 
stimmte beschränkte Heimath gebunden. Manche Papageien und Tauben 
verbreiten sich nur über kleine Inselgruppen, die Paradiesvögel sind an 
die papuanische Region gebunden und mehre Finken bewohnen nur den 
Galopagos-Archipel. Dagegen sind im’ Allgemeinen die Raubvögel, viele 
Schwimm- und namentlich Sumpfvögel sehr verbreitet, ja einige Arten, 
wie der Flussaar und der Steinwälzer, scheinen fast Cosmopoliten zu sein. 
Gegen die Pole hin treten auf beiden Halbkugeln viele ähnliche Formen 
auf; ja manche Spezies sind circumpolar. Auf der amerikanischen Seite 
treten diese Arten jedoch vom Pol her weit tiefer zum Süden hinab. So 
enthalten Sendungen aus gleicher Breite mit unseren südlichsten euro- 
päischen Ländern von dorther regelmässig Schneeeulen, Seidenschwänze, 
Schnee- und Spornammern u. a., während die diesseitigen Nordländer 
wohl schwerlich je Neapel oder Sieilien erreichen. Manche Gattungen hin- 
gegen, als Würger und Meisen, erreichen dort kaum das mexikanische 
Tafelland, während sie in der alten Welt noch in die Tropen hineinragen ; 
andere finden sich überall. Nicht selten steht sich die Vogelwelt auf jener 
westlichen und unserer östlichen Halbkugel in stellvertretenden Formen 
gegenüber. So ist z. B. die Familie der Colibri ausschliesslich amerika- 
nisch; die alte Welt hat dafür als Gegenstück die der Honigsauger auf- 
zuweisen. Aehnlich verhalten sich die Pfefferfresser und Hornvögel, die 
Condore und ächten Geier, die Hoko-, Steisshühner, Puten und die Fuss- 
und Flughühner, die Fasanen, Pfauen, Rephühner u. v. a. — Auf der öst- 
lichen Halbkugel gehört Europa zu Asien. Temminck zählt in seiner 
Fauna iaponica 114 europäische Arten auf, und am Himalaja finden sich 
in überraschender Weise viele unserer Vogelformen wieder, wenn auch zu- 
weilen in etwas verändertem Kleide. Dasselbe gilt auch für Nordafrika, 
woselbst z. B. unser Heher, Buchfink, grosse Buntspecht, unsere Blau- 
meise, Elster in einem zuweilen nur wenig veränderten Aeusseren leben. 
Die Länder um das Mittelmeerbecken, die Inseln des Mittelmeeres, die Um- 
gebung des Caspischen und Schwarzen Meeres zeigen in ihrer Fauna eine 
nicht unbedeutende, ihnen singuläre Uebereinstimmung, und die grösseren 
Flüsse als Nil, Donau, Rhone führen diese Fauna noch tief in das Fest- 
land hinein. Das übrige Europa zerfällt noch in zwei, eine mittlere und 
eine nordische ornithologische Provinz, von denen sich jede durch eine 
Anzahl ihr eigenthümlicher Vogelformen charakterisirt. 

Vögel, welche in ihrem Vorkommen an bestimmte Gegenden und 
Lokalitäten gebunden sind, heissen Charaktervögel derselben. So besitzen 

3* 


36 Vögel. Aves. 


der Meeresstrand, das hohe Meer, die Teiche, die Flüsse der Ebene, die 
Gebirgsbäche, das Hochgebirge, die Felsen, die Marschländer, der Nadel- 
holz-, der Laubholzwald, das Gebüsch und Gestrüpp, das Rohr, die Frucht- 
felder, die Haide u. a. derartige Charaktervögel. Die Haubenlerche ist 
sogar Charaktervogel unserer Chausseen, der Haussperling unserer Wohn- 
häuser. 

Von Arten, welche in früheren Zeiten ausgestorben sind, haben sich 
nur verhältnissmässig sehr spärliche Reste aufgefunden. Mehre Spezies, 
unter diesen auch der fluglose Alk unseres Nordens, von dem seit 1844 
die letzte lebende Spur verschwunden ist, sind noch in der historischen 
Zeit ausgerottet. Die Existenz anderer, z. B. von Papageien Nestor und 
Stringops, wird progressiv gefährdet; vom neuholländischen Casuar, dem 
Emu, sollen bereits mehr Individuen in unseren zoologischen Gärten als 
in ihrer Heimath leben. 

Die in den altägyptischen Denkmälern mumifieirt sich noch vorfinden- 
den Vogelarten, als Sperber, Taubenfalk, Thurmfalk, Röthelfalk, Aasgeier, 
Rohrweihe, Waldkauz, heil. Ibis u. a. scheinen sich in Nichts von unseren 
noch lebenden Individuen derselben Arten zu unterscheiden. 

Man theilt die noch lebenden Vögel in folgende 15 Ordnungen: 


I. Landvögel. 
1. Ordnung: Papageien, Psittaci. 


2, ‚ Kukuksartige Vögel, Coccygomorphae. 
9. a Spechte, Piei. 
4. 5 Langhänder, Macrochires. 
5. 4 Sperlingsartige Vögel, Passerinae. 
6. 5 Raubvögel, Ataptatores. 
7 : Tauben, Gyrantes. 
8. “ Hühner, Rasores. 
9. = Kurzflügler, Brevipennes. 
II. Sumpfvögel. 

10. 5 Sumpfläufer, Grallae. 
ER: R2 Wasserwader, Ciconiae. 

III. Schwimmvögel. 
12. 5 Leistenschnäbler, Zamellirostres. 
19. > Ruderfüsser, Steganopodes. 
14. > Langschwinger, Longipennes. 
15. R Taucher, Urinatores. 


Landvögel. 37 


l. Landvögel, 


I. Ordnung: Papageien, Psittacı. 


Nesthocker mit stark beweglichem und hakig gekrümmtem 
Ober- und abgestutztem Unterschnabel und mit Kletter- 
füssen. 


Eine ausserordentliche Analogie im Betragen der Papageien mit den 
Affen hat den Anstoss gegeben, dieselben an die Spitze der Vogelwelt zu 
stellen. Der Kopf der Papageien ist rund, der dicke Schnabel kurz, der 
starkhakige Oberschnabel überragt den abgestutzten, fast napfförmigen Unter- 
schnabel bedeutend, und dient, äusserst beweglich mit dem Schädel ver- 
bunden, als geschicktes Greiforgan. An seiner Basis liegen die Nasen- 
löcher in einer Wachshaut. Die seitlich gerichteten kleinen Augen ent- 
behren fast der Nickhaut. Die Zunge ist fleischig, dick, kurz, an der 
Spitze häufig kolbig, auch mit verschieden gestalteten Papillen besetzt und 
dient als Tast-, auch als Leckorgan. Die bald spitzen, bald stumpfen 
Flügel besitzen fast stets 10 Handschwingen; die (12) Schwanzfedern 
varliren in ihrer Länge wie in ihrem Längenverhältniss ausserordentlich, 
jedoch kommt nie ein Gabelschwanz vor. Die kurzen, bis zum stets stark 
gebogenen Fersengelenk befiederten Beine besitzen stumpfkrallige Kletter- 
füsse, an denen die innere und äussere Zehe nach hinten gewandt sind, 
ihr Tarsus ist netzförmig getäfelt. Das breite Contourgefieder steht auf 
schmalen Fluren und zeichnet sich vorwiegend durch krasse Farben, unter 
denen Grün und Roth eine Hauptrolle spielen, sowie durch Zeichnung in 
grossen Partieen aus. Keine Art zeigt Metallglanz. Diejenigen, denen die 
Bürzeldrüse fehlt, besitzen sogenannte Puderdunen. Ihre Knochen sind in 
ausgezeichnetem Grade pneumatisch. Allen kommt ein Kropf zu. 


38 Papageien, 


In fast 400 Arten bewohnen sie die heissen Länder aller Welttheile 
mit Ausnahme von Europa. In einem Tropengürtel verbreiten sie sich 
rund um die Erde, doch treten manche Spezies weit über die Wendekreise 
hinaus bis zum 50. Grad, ja bis zum 55. Grad. Die insularen Gebiete 
der Molukken, Papualänder, Australien und Polynesien sind reich an Papa- 
geien; den grössten Reichthum besitzt jedoch Amerika, namentlich Bra- 
silien (142 Arten). In ihrer Lebensweise zeigen sie eine grosse Ueber- 
einstimmung. Sie gehören dem Walde, selten dem Erdboden an; fliegen 
in der Morgendämmerung aus dem Walddunkel, entweder, wie die grossen 
Ara’s, einzeln oder paarweise, oder in hellen Haufen zur Nahrung aus, 
welche in Baumblüthen, Baumfrüchten, auch Mais u. ä. besteht. Während 
die freie Natur die durch sie bewirkte Vernichtung dort leicht wieder er- 
setzt, richten sie auf den Plantagen oft furchtbare Verwüstungen an. In 
den Bäumen klettern und greifen sie mit Füssen und Oberschnabel, auf 
dem Erdboden sind sie unbeholfen. Ihr Flug ist rasch. Sie brüten in 
Baumhöhlen und legen weisse, die grossen Arten 2, die kleineren 3, 4 
und mehr Eier. Das Luftröhrenende ist auffallend zusammengedrückt, die 
beiden ersten freien und die fünf folgenden verwachsenen Bronchialringe 
haben eine halbmondförmige Gestalt, ein Steg fehlt. Drei seitliche Kehl- 
kopfmuskeln bedingen die von manchen Arten sehr bekannte Modification 
der Stimme. 

Sie werden in folgende fünf Familien eingetheilt: 


1. Familie. Kakadu’s, Plictolophinae. 


Kräftige Papageien mit starkem Schnabel, meist aufrichtbarer Feder- 
holle, mittellangen Flügeln und breitem Schwanz. Viele sind schneeweiss 
mit rother, gelber, oranger, auch weisser Holle (z. B. moluccensis, sulphu- 
reus, Leadbeatheri, cristatus), andere dagegen schieferschwarz mit bren- 
nend rother, zerschlitzter Holle (galeatus), oder ganz schwarz (aterrimus), 
oder auch violettgrau, gelb und weiss mit hoher spitzer Haube (Novae 
Hollandiae), nur selten fehlt die Holle (pygmaea). Sie bewohnen Austra- 
lien, Neu-Guinea, Van-Diemensland und viele kleinen Inseln der Südsee, 
sowie Ostindien. 


2. Familie. Sittiche, Sittacinae. 


Der lange Schwanz, ein Keil- oder stufiger Schwanz charakterisirt 
diese Gruppe am einfachsten. In Körpergrösse und Gestalt schwanken die 
Angehörigen derselben nicht unbedeutend, denn zu ihnen gehören sowohl 
die riesigen südamerikanischen Aras, z. B. der einfarbig cobaltblaue (hya- 


Papageien. — Nachtpapageien. 39 


cinthinus), der rothe (araranga), der gelbblaue (ararauna) Ara, wie der 
zierliche kleine australische Wellenpapagei (undulatus). Der nordameri- 
kanische carolinensis kommt noch unter dem 49° n. Br. vor. Ausser Ame- 
rika und Australien werden noch die ostindischen und viele polynesischen 
Inseln von dieser Familie, deren Arten die Zahl 150 übersteigen, bewohnt. 
Die beiden auch zu dieser gehörenden Arten der Erdpapageien, Pezoporus 
(formosus und occidentalis) legen ihre Eier in eine Bodenvertiefung. 


3. Familie. Papageien, Psittacinae. 


Die Papageien im engeren Sinne, etwa 125 Arten, entbehren jener 
auffallenden Verlängerung von Scheitel- oder Schwanzfedern. Sie bilden 
die typische Papageiform. Ausser Australien bewohnen sie die sämmtlichen 
Welttheile. Am häufigsten hält man in Gefangenschaft den gelehrigen 
grauen rothschwänzigen Jako (erithacus), oder die grünen ochrocephalus 


und aestirus. 


4. Familie. Loris, Trichoglossinae. 


Eine merkwürdige „Pinselzunge” zeichnet diese Papageien aus, da die 
Zungenspitze lange, fädliche, zahlreiche, hornig überzogene Papillen trägt. 
Mit diesem Pinsel lecken sie den Blüthensaft der immer blühenden Euca- 
lypten, ihre ausschliessliche Nahrung. Australien bildet die Heimath der 
hierhin zählenden 56 Arten. Die bemerkenswertheste Gattung ist Nestor, 
welche sieben dunkel gefärbte, kurzschwänzige seltene Arten mit gestrecktem 
Schnabel und nur 4 Handschwingen enthält, von denen in neuerer Zeit 
die eine oder andere (formosus) bereits ausgestorben ist. 


5. Familie. Nachtpapageien, Stringopinae. 


Schnabel kurz, Gesicht und Kopf eulenähnlich, Flügel kurz, Gefieder 
grün, mit dunklen Wellen eulenartig gezeichnet. Von den beiden einzigen 
neugeeländischen Arten ist Stringops habroptilus am besten gekannt. Sie 
leben am Boden, können nicht fliegen, wenigstens versuchen sie es am 
Tage in der grössten Gefahr nicht, leben viel in Erdhöhlen und brüten 
daselbst. Es sind überhaupt Nachtvögel mit eulenartigem Betragen. Auch 
ihre Existenz ist bereits sehr gefährdet und habroptilus dem Aussterben 
nahe. 


40 Kukuksartige Vögel. 


II. Ordnung.. Kukuksartige Vögel, 


Coccygomorphae. 


Nesthocker mit langen Flügeldecken, feiner glatter Zunge 
und einem oder zwei Kehlkopfmuskeln. 


ÖObschon die Kukuke im weiteren Sinne die Hauptmasse dieser viel- 
gestaltigen Ordnung ausmachen, so rechtfertigen doch viele Arten durch 
ihr Aeusseres sowie durch ihre Lebensweise die Bezeichnung „kukuks- 
ähnlich” nicht. Es wird nicht möglich sein, in derselben eine einheitliche 
Form oder einen hervorragenden Typus, an den die übrigen sich anlehnten, 
aufzustellen; es hält überhaupt schwer, durchschlagende gemeinsame Merk- 
male, namentlich an solchen Organen, welche, wie etwa Schnabel, Füsse, 
Flügel, für die Lebensweise von entscheidender Bedeutung sind, bei ihnen 
aufzufinden.: Gerade diese Theile zeigen innerhalb dieser Ordnung die er- 
heblichsten Verschiedenheiten. Im Aligemeinen ist .die Contourbefiederung 
wenig dicht, die Fluren oft sehr schmal, die zwischen diesen liegenden 
Raine nur bei den stosstauchenden Eisvögeln mit Dunen besetzt, die Schulter- 
flur ist ungetheilt. Wachshaut wie Kropf fehlt bei allen. Ausser mehren 
Uebereinstimmungen im Schädelbau sind es ferner nur die Einzelheiten 
der vorstehenden Diagnose, welche allen gemeinsam zukommen. Die dieser 
Ordnung angehörenden Familien, bez. Unterfamilien, stehen sich in ihrer 
Organisation auffallend scharf gegenüber, dagegen enthalten sie wiederum 
Gattungen und Arten, welche eine grosse Verwandtschaft zeigen. Ein 
ähnlicher Gegensatz der Familien tritt mit Ausnahme der cosmopolitischen 
Kukuke und Eisvögel auch in ihrer geographischen Verbreitung auf. Viele 
Familien sind auf einzelne Welttheile beschränkt, und correspondiren dann 
wohl gegenseitig als vikariirende Formen. Ihr Schwerpunkt liegt inner- 
halb der Wendekreise, und weit darüber hinaus treten nur mehr verein- 
zelte Arten gleichsam als vorgeschobene Posten, auf, welche sich dann 
zwischen der übrigen Vogelwelt dieser Gegenden als fremdartige Formen 
ausnehmen. So sind denn auch bei uns die 4 oder 5 Spezies (Kukuk, 
Eisvogel, Immenvogel, Rake, Wiedehopf), welche hier diese reiche Ord- 
nung noch repräsentiren als solche letzten Ausläufer zu betrachten, welche 
sich in unsere übrigen einheimischen Vögel systematisch schwerlich ein- 
reihen lassen. Die meisten documentiren ihre tropische Heimath durch 
eine grosse Farbenpracht ihres Gefieders, indem sie wie die Tukane, Bart- 
vögel u. a. die grellen Farbentöne der Papageien wiederholen, oder gar wie 
die Glanzvögel, Trogonen u. a. in Metallglanz prangen. Auch jene weit nach 
Norden vorgerückten Posten nehmen noch derartig Theil an dieser Tropen- 


Tukane. 41 


pracht, dass sie sich dadurch vor den meisten ihrer Heimathsgenossen vor- 
theilhaft auszeichnen. Nur die kukuksartigen Vögel im engeren Sinne sind, 
jedoch auch mit Ausnahme, bescheidener colorirt. Mit dieser Gefieder- 
pracht contrastirt in auffallender Weise die äusserste Unsauberkeit, welche 
sich in den tiefen Bruthöhlen mancher Arten findet, da die Excremente 
der Jungen weder über die Mündung derselben entleert, noch auch von 
den Alten fortgeschafft werden. So viel bekannt ist, zeigen diese so höchst 
verschieden gebauten und lebenden Vögel, wenn wir die häufig parasitische 
Fortpflanzung der Kukuke unberücksichtigt lassen, in diesem Geschäfte 
grosse Uebereinstimmung. Die meisten sind nämlich Höhlenbrüter und 
legen weisse Eier. 

Die zu dieser Ordnung gehörenden Vögel besitzen theils Kletterfüsse, 
theils sind drei Zehen nach vorn und eine nach hinten gerichtet. Doch 
finden sich innerhalb dieser beiden Gruppen, die passend als’ Zygodaetyli 
und Heterodactyli bezeichnet werden können, wesentliche Verschiedenheiten 
in der Fussbildung. So sind z. B. in der Regel beim Kletterfusse die 
innere und die äussere (die erste und vierte) Zehe nach hinten gerichtet; 
bei den Trogonen jedoch bilden die beiden inneren (die erste und zweite) 
die „Daumen”. Die Corythaix umklammern den Zweig, auf dem sie sitzen, 
von vorn mit der zweiten und dritten, von hinten mit der ersten Zehe, 
während die vierte der Länge nach auf demselben ruht. Die Coliiden ver- 
mögen es sogar durch Wenden der beiden äusseren Zehen nach vorwärts 
oder nach rückwärts bald einen Klammerfuss und bald einen Kletterfuss 
zu bilden. In ähnlicher Weise zeigen auch die Heterodactyli in Gestalt, 
Längenverhältniss, Heftung der Zehen, wie in Befiederung des Unterschen- 
kels mannigfache Verschiedenheiten. 

Für unseren Zweck genügt es, von den fremdländischen Coceygo- 
morphen nur die bekanntesten Familien kurz zu charakterisiren. 


. 


a. Aygodactyli. 


l. Familie. Tukane, Rhamphastidav. 


Die etwa in 50 Arten, ausschliesslich in Amerika, namentlich Bra- 
silien lebenden Tukane gehören wegen ihres ungeheueren Schnabels zu 
den Monstris in der Vogelwelt. Derselbe ist einer ungeheueren, dem Körper 
zuweilen an Länge gleichkommenden Maske ähnlich, seitlich zusammen- 
gedrückt, an der First sanft gebogen, an den Rändern oft sägeförmig und 
wegen der grobmaschigen Luftzellen im Innern sehr leicht. Die sehr schmale 
Zunge zeigt an den Seiten federbartartige Faserungen; die Flügel sind 
stumpf und kurz, der breite, stumpfkeilföürmige Schwanz über mittellang. 


42 Kukuksartige Vögel. 


Es nähren sich diese Waldvögel von weichen Früchten und niederen Thieren, 
welche sie mit der Schnabelspitze ergreifen und dann mit einem geschickten 
Ruck in den Rachen bringen. Sitzend nehmen sie durch stets sehr stark 
gebogenes Fersengelenk, durch eingezogenen Hals und oft senkrecht auf- 
gerichteten Schwanz eine komische Figur an. Grelle Farben ihres Schna- 
bels und ihres auf sehr schmalen Fluren stehenden, haarartig zerschlitzten 
Gefieders zeichnen alle aus. Sie sind Höhlenbrüter. 

Die Arten der Gattung Rhamphastos sind die grössten, ihr Schnabel 
ist am colossalsten und ‚seitlich stark zusammengedrückt, seine Ränder 
leicht gesägt. Ihr Colorit ist tiefschwarz mit irgend einer oder anderen 
grell, etwa weiss, roth, gelb, orange, gefärbten Partie, als Kehle, Bürzel, 
Unterleib und Schnabel. 

Die Gattung Pteroglossus enthält Arten mit weniger ungeheuer- 
lichem und seitlich nicht so stark zusammengedrücktem Schnabel, dessen 
First mehr allmälig abfällt, und dessen Ränder stark gezackt erscheinen. 
Grün ist hier die regelmässige Hauptfarbe. 

An diese würden sich die Familien der eircumtropischen Capito- 
niden, der amerikanischen Galbuliden (Glanzvögel), der prachtvollen 
gleichfalls südamerikanischen Bucconiden, sowie der afrikanischen häufig 
purpurfarbenen Musophagiden (Pisangfresser) reihen. Sie sind sämmt- 
lich nicht sehr artenreich und haben in unseren Gegenden keinen, auch 
nicht entfernten Verwandten. 

Anders verhält es sich jedoch mit der 


2, Familie Kukuke, Cuculidae. 


Wenn wir unseren einheimischen Kukuk als Typus für die Ange- 
hörigen dieser Familie ansehen, so treffen wir unter den zahlreichen, gegen 
150 Arten doch mannigfache, wenngleich nebensächliche Abweichungen 
von demselben an, deren Extreme sich jedoch durch mancherlei Mittel- 
glieder zu dieser einheitlichen Familie gruppiren. Der Schnabel von allen 
ist mittellang, bald wie beim einheimischen drosselartig, jedoch ohne die 
Kerbe vor der Spitze, bald weit kräftiger, stets seitlich zusammengedrückt 
und zwar ebenfalls bald schwach, bald scheibenförmig hoch; der Rachen 
breit, der Schwanz lang und stumpfkeilförmig, der Körper gestreckt. 

Die Kukuke bewohnen zumeist die Wälder und zwar sämmtlicher 
Welttheile. Nur wenige leben vorwiegend am Boden oder auf freien offenen 
Flächen, die meisten in den Kronen der Waldbäume Während einzelne 
Unterfamilien sich in ihrer Verbreitung beschränken, bewohnen andere 
ausgedehnte Gebiete eines Erdtheiles, oder verbreiten sich sogar über mehre 
Welttheile. Jedoch gehört keine Unterfamilie beiden Hemisphären zugleich 


Kukuk. 4" 


an. Manche reichen vom Festlande Asiens über die ostindischen Inseln 
nach Australien, am zahlreichsten sind die Gattungen, welche in Asien, 
Afrika und Öceanien ihre Repräsentanten haben; etwa 20 Spezies sind 
dem tropischen Amerika eigenthümlich. In Europa hat nur eine Art ihre 
Heimath, wenngleich eine zweite von Afrika her sich das europäische, 
sogar deutsche Bürgerrecht erworben hat. Im Ganzen gehören sie, wie alle 
Coceygomorphen, den Tropen an, nur wenige treten noch in die gemässigten 
Gegenden hinein; die kalten Zonen haben keine einzige eigenthümliche 
Kukuksspezies aufzuweisen. 

Die meisten dieser sehr nützlichen Vögel, deren Grösse nur ausnahms- 
weise in den Extremen von der eines Raben und einer Lerche auftritt, 
leben von Insecten, welche sie von den Zweigen und Blättern der Wald- 
bäume ablesen, einige jedoch suchen ihre Nahrung auch am Boden, andere 
(die Madenhacker) befreien die grösseren Säugethiere, namentlich das 
Heerdevieh, von lästigen Parasiten, die grössten verzehren kleinere, niedere 
Wirbelthiere. 

In ihrem Brutgeschäfte zeigen die meisten, insofern ihre Lebensweise 
in dieser Hinsicht bereits bekannt ist, ein ganz absonderliches Verhalten. 
Theils nämlich legen mehre Weibchen in ein gemeinsames Nest und brüten 
und pflegen die Jungen gemeinsam, theils finden sich bei der sehr lang- 
samen Entwickelung der Eier in dem Neste eines und desselben Paares 
frische und bebrütete Eier und kleine und grössere Junge zusammen, theils 
werden die Eier einzeln fremden Vögeln untergeschoben, die dann alle 
fernere Sorge für die Kukuksbrut übernehmen. 

Jene, welche wenigstens theilweise das Brut- und Pflegegeschäft gemein- 
sam betreiben, sind die südamerikanischen Madenhacker, Crotophaga, 
deren 6 Spezies sich durch fast scheibenförmig zusammengedrückten Schnabel, 
rel. kurze Flügel, lange Beine und langen Schwanz, wie auch durch tief- 
schwarze Farbe ihres metallisch schimmernden Gefieders von den übrigen 
Unterfamilien unterscheiden. Ihre stumpfeiförmigen Eier sind bereits 
Seite 26 erwähnt. — 


Kukuk, Cuculus. 


Körper schlank, Schnabel drosselartig, an seiner Basis freiliegende, 
durch farbige Haut umrandete Nasenlöcher, Flügel und Schwanz lang, 
erstere spitz, schmal, letzterer breitkeilförmig; Armknochen kurz; Beine 
kurz und schwächlich bis über das Fersengelenk, der Lauf von oben fast 
ganz befiedert; derbes dickschaftiges Contourgefieder, an den Schenkeln zu 
Hosen verlängert, lose in der feinen Haut steckend. Als Zeichnungen 
treten häufig Bänderungen, namentlich in der Jugend auf; im Alter sind 
Männchen und Weibchen nicht sehr verschieden. 


44 Kukuksartige Vögel. 


Die Kukuke sind einsam, unstät und unverträglich lebende Waldvögel, 
welche von Inseeten und deren Larven leben und sich parasitisch fort- 
pflanzen. Man kennt gegen 50, dem warmen Asien, Afrika und Oceanien 
angehörende Arten. Eine hat auch in Europa ihre Heimath; eine zweite, 
der afrikanische Heherkukuk, der seine Eier der Elternpflege von Krähen 
anvertraut, ist in unserem Welttheile ein seltener Gast. 


Der gemeine Kukuk. 
Cuculus canorus L. 

Der Körper etwa von Misteldrosselgrösse, Beine und Krallen gelb, am 
Schafte der Steuerfedern weisse Fleckchen, Unterkörper weiss mit schwarzen 
Querbändern. Die alten Vögel sind im Uebrigen bläulichgrau, Augenstern 
und häutiges Rändchen um die Augen, sowie die Nasenlöcher gelb. Die 
Jungen vor der ersten Mauser an allen Körpertheilen bunt, auf der Ober- 
seite bald mehr schiefergrau mit etwas Rostfarbe und weisslichen Feder- 
kanten, bald vorwiegend Rostbraun, auf der ganzen Unterseite auf weiss- 
lichem Grunde gesperbert. Kreideweisse Genick-, auch oft Scheitelfedern 
sind in diesem Alter fast Regel. Jene Rostfarbe mit vielen schwärzlichen 
Zeichnungen am Halse und der ganzen Oberseite zeigen die Weibchen 
auch noch wohl im zweiten Lebensjahre. Man hat diese früher als eine 
eigene Spezies, den rothen Kukuk (Cuc. hepaticus Sparrm. oder rufus 
Bech.) angesehen. Im späteren Alter finden sich am Unterhalse noch oft 
Spuren von rostfarbener verloschener Bänderung vor. Wegen der ent- 
fernten Aehnlichkeit des rothbraunen Kukukes mit dem Thurmfalken und 
des grauen mit einem Sperber, ist die alberne Fabel seiner Verwandlung 
gegen den Winter in einen Raubvogel entstanden. Diese rothbraune Fär- 
bung ist bei uns keineswegs häufig. Uebergänge, bei denen zwischen den 
schiefergrauen Federn noch einige rostfarbene (in den Flügeln) stehen, 
sind noch spärlicher. E. v. Homeyer bemerkte 1848 in der Nähe seines 
damaligen Wohnortes (Darsin in Pommern) während der Zugzeit Anfangs 
Juli unter einer Menge von etwa 100 Kukuken alle möglichen Farben- 
abstufungen vom reinen Aschgrau bis zum dunklen Rothbraun, von letzteren 
jedoch nur einige wenige, so dass auf 40—50 etwa ein ächt rothbrauner 
kam. In der Umgegend von Lyon ist die rothe Race ebenfalls selten, im 
südlichen Russland scheint sie zu fehlen, während sich in Kurland roth- 
braune Kukuke vorfinden. Höchst auffallend muss es erscheinen, dass an 
einem Tage im Mai 1849 einem Sammler in Mühlheim am Rhein nicht 
weniger als 16 rothbraune Kukuke gebracht wurden. Im Süden von 
Europa, namentlich in Italien, soll diese Varietät sogar die vorwiegende, 
auch bei den Männchen vorkommende Färbung sein. Die eben erwähnten 
von Herrn v. Homeyer erlegten zahlreichen Individuen liessen durch die 


Der gemeine Kukuk. 45 


Mauserexemplare erkennen, dass die neu aufkeimenden Federn den alten 
gleich waren, dass folglich die grauen, die rothen, die mittelfarbigen wiederum 
eben so wurden. Hiernach also scheinen diese Färbungen keine Alters- 
stufen, sondern bleibende Formen, wirkliche Ragen zu sein. Jedoch ist 
das sicher nicht bei allen Individuen der Fall, da ja sämmtliche Junge 
mehr oder weniger rostbunt sind, die nach der Mauser in Afrika zu uns 
im Frühlinge Heimkehrenden dagegen, wie gesagt, nur sehr selten noch 
diese Färbung tragen. 

Der Verbreitungsbezirk unseres Kukuks erstreckt sich vom Polarkreis 
bis nach Afrika. In Skandinavien lebt er überall vom südlichen Schonen 
bis oben nach Nordkyn am Eismeere und geht auf den dortigen Alpen 
bis in die Birken- und Weidenregion hinauf. In Archangel ist er eben- 
falls bemerkt; im russischen Lapplande traf ihn v. Middendorf jedoch 
nicht. Auf Island und in Grönland kommt er ebenfalls nicht vor. Im 
Süden kennt ihn die Umgegend von Tanger und das nördliche Fez noch 
als Heckvogel; Algerien besucht er auf dem Zuge. Doch auch in Öst- 
indien, auf Timor, Ternate, Borneo, Halmahera, sogar in Japan findet sich 
unser Kukuk, wenn auch wohl in einem etwas abweichenden Kleide. Oest- 
lich gehört das westliche Asien noch zu seiner Heimath; bei Sarepta pflanzt 
er sich, sowie im südlichen Russland, fort. Die canarischen Inseln liegen 
bereits ausserhalb seiner Westgrenze. Die zwischen diesen Grenzen liegen- 
den Länder bewohnt er häufig, wenigstens ist er in allen ein bekannter 
Vogel. Bei uns wohnt er als Sommervogel. Im Durchschnitt ist sein 
Ankunftstermin in Tyrol der Anfang April, bei Stuttgart der 16., in 
Bayern der 18., in Münster der 20., im nordöstlichen Pommern der 
28. April, in Quenstadt (am Harz) der 2., in Schonen der 9., in der 
Lappmark (64—66° n. Br.) der 22. Mai und in Karesuando (65'/,° n. Br.) 
der 2. Juni. Das früheste Datum, an dem ich seinen Ruf bei Münster 
hörte, war der 14. April (1565). Somit verbreitet sich dieser Vogel im 
Frühlinge von Tyrol bis Karesuando in einem Zeitraume von 2 Monaten. 
Es ist hierbei jedoch zu bemerken, dass er nicht stets die etwas nörd- 
licher gelegenen Länder später bezieht, als die südlicheren. Die Küsten- 
länder passirt er schneller als den mittleren Continent. In den meisten 
Jahren kommt er ziemlich gleichmässig in seiner Heimath an, in einzelnen 
jedoch erscheint er bedeutend früher oder später. Die Zeit, wann er uns 
verlässt, ist schwer festzustellen. Schon Ende Juli sollen manche sich zur 
Abreise anschicken; da jedoch die Jungen bei der so sehr langsamen Eier- 
entwickelung um 6—8 Wochen früher oder später entstehen, so sieht man 
die Spätlinge noch im September, ja einzelne noch Anfangs October bei 
uns. Auf der Nordseeinsel Borkum verliess ein solcher in der Nacht vom 
9, auf den 10. September seine Heimath. Der Kukuk zieht einzeln und 


46 Kukuksartige Vögel. 


zwar des Nachts. Sein Winteraufenthalt ist Afrika. Sogar in Abu-Harahs 
wandert er noch. Ausnahmsweise zieht er bis zum südlichen Nubien, und 
Alfred Brehm sah ihn am 5. September bei Carthum noch südlich 
ziehen. Sobald er hier wieder anlangt‘, kündigt er sich durch seinen be- 
kannten Ruf (fis-d), der jedoch mannichfache Modificationen erleidet, an; 
hitzig verdoppelt er die erste Silbe und fügt nach einigen Rufen ein in 
Buchstaben schwer zu versinnlichendes Finale hinzu. Auch das auflachende 
Geschrei des Weibchens lässt sich schwer durch Silben ausdrücken. In 
ruhigen lauen Nächten vernimmt man schon um Mitternacht seinen dann 
sehr anhaltenden Ruf. Darauf folgt eine lange Pause und er beginnt dann 
unter den ersten der Frühsänger vor Sonnenaufgang wieder mit seinem 
sonoren Rufe. 

Er ist ein unstäter, flüchtiger Waldvogel, der sich in den Kronen der 
alten Bäume, gleichgültig ob Nadel- oder Laubholz, umhertreibt. Jedoch 
liebt er auch Blössen, angrenzende Wiesen u. dergl., über die man ihn in 
gerader Richtung zu einem andern Waldtheil fliegen sieht. Zur Ruhe hat 
er in der Regel gewisse Lieblingsbäume und in diesen besondere Sitze, 
namentlich trockene Zweige, um von ihnen herab laut seine Anwesenheit 
zu verkündigen. Auch im Fluge ruft er nicht selten. Gegen Ende Juni 
lässt sein Eifer im Rufen nach und gegen Mitte Juli hört man nur Mor- 
gens und Abends einzeln seinen Ruf, der darauf gänzlich zu verstummen 
pflegt. Im verflossenen Jahre hörte ich ihn zuletzt am 28. Juli. Er ist 
dann noch fortwährend an den Wald gebunden. Wenn aber seine Nah- 
rung in den Baumkronen allmälig seltener wird, etwa im Spätsommer, 
verschmäht er den Besuch der Felder, Gärten, Aenger nicht. Man sieht 
ihn dann dort meist niedrig fliegen und sich auf einen Zaun, Pfahl und 
Aehnliches setzen. Waldlose, ja sogar fast baumlose Gegenden entbehren 
keineswegs des Kukuks. Vielleicht sind die dort lebenden Kukuke solche, 
welche bei dem Innehalten eines festen Revieres dieser Vogelart, aus allen 
Waldgegenden verdrängt, endlich in jenen offenen Gegenden ihre Heimath 
aufgeschlagen haben. So sind unsere Nordseeinseln, insofern ich sie kennen 
gelernt habe, je von einem Kukukspaare bewohnt. Jedes Paar behauptet 
nämlich ein bestimmtes Revier, dessen Grösse zu der Menge Nahrung in 
umgekehrtem Verhältnisse zu stehen scheint. Im diesem. schweift es un- 
ruhig umher und das Männchen duldet durchaus keinen fremden Ein- 
dringling; in diesem hat es eben seine vorhin angedeuteten Lieblingsbäume 
und Lieblingssitze. 

Sein Flug über freie Blössen ist auf grössere Strecken fast steif zu 
nennen. Er schlägt, der kurzen Oberarme wegen, sehr schnell, hält die 
gerade Richtung ein, und der lange Schwanz schleppt anscheinend unthätig 
nach. Dieses, sowie der kleine Kopf und dickere Hals unterscheiden ihn 


Der gemeine Kukuk. 47 


dann leicht von einem fliegenden kleinen Raubvogel. Zwischen den Zweigen 
der Waldbäume, beim Verfolgen eines Nebenbuhlers, oder plötzlich er- 
schreckt, weiss er jedoch eine bewunderungswürdige Gewandtheit mit 
Schnelligkeit verbunden zu entfalten. 

In seinem ganzen Verhalten bekundet er sich als sehr scheuen Vogel, 
der, wenn nicht durch eine Laubmasse verdeckt, zeitig flieht. Angelockt 
wird er durch genaues Nachahmen seines Rufes während der Fortpflan- 
zungszeit leicht. 

Durch seine Nahrung, wonach er nie in den Zweigen oder auf dem 
Boden umherhüpft, gehört er zu den forstwichtigen und zwar aus- 
schliesslich nützlichen Vögeln. Ich trage kein Bedenken, ihn unter allen 
die forstnützlichste Art zu nennen. Er ist nämlich in einem Grade wie 
kein anderer Vogel auf die Raupen, besonders auf die behaarten Raupen 
als Nahrung angewiesen. Als forstlich wichtiges Moment kommt hinzu, 
dass dieser Waldvogel fast ausschliesslich in der Region der Baumkronen 
wirkt. Hier, in einer Höhe von 10—30 Meter findet er die forstschäd- 
licehsten Raupen in Menge, und seine Fressgier ist unersättlich. Auch in 
letzter Hinsicht wird er sicher von keinem anderen Vogel übertroffen. 
Seine forstliche Wichtigkeit wird aber noch durch den Umstand ganz ausser- 
ordentlich gesteigert, dass dort, wo Raupenheerde entstehen oder wo ein 
Raupenfrass lokal auftritt, sich seine Individuen trotz ihrer sonstigen Un- 
verträglichkeit sammeln und mit ihrem Gesammtgewichte dort so lange 
wirken, bis die drohende Gefahr beseitigt ist. In seltenen Fällen ist die 
Thatsache des gemeinsamen Wirkens so auffallend, wie nachher in einem 
Beispiele mitgetheilt werden soll. In der Regel wird der nicht sehr auf- 
merksame Beobachter in. einem bestimmten Waldtheile nur eine etwas 
grössere Anzahl Kukuke als in anderen Jahren bemerken, ohne dass dieses 
ihn veranlasste, dem Phänomen genauer nachzuspüren. Mir wenigstens ist 
es Jahre lang so ergangen. Sieht man aber genauer nach, so wird man 
Gelegenheit haben, die staunenswerthe Leistungsfähigkeit des hier in etwa 
nur 5 bis 10 Individuen vereint wirkenden Kukukes zu erkennen. Wo 
freilich ein Raupenfrass nicht eng lokalisirt auftritt, wo sich, wie z. B. 
hier in unserem nordöstlichen Deutschland die Kieferspinnercalamität zeit- 
weise in einzelnen Revieren auf Tausende von Morgen erstreckt, wo auf 
Quadratmeilen Alles von dieser Waldpest infieirt ist, nun dort haben die 
Kukuksindividuen keine Veranlassung, sich nach irgend einem Orte beson- 
ders zusammenzuziehen, auch dann nicht, wenn die verschiedenen Reviere 
in sehr verschiedenem Grade von dem Feinde befallen sind. Der Kukuk 
findet dort überall seinen Tisch gedeckt. Unter anderen Verhältnissen 
aber vermag es der Kukuk eine Raupencalamität im Keime zu 
ersticken. Zum Nachweise Folgendes: Im Frühlinge 1560 bedurfte ich 


48 Kukuksartige Vögel. 


für meine Vorlesungen eines Kukuks und suchte am 24. Mai auf dem 
etwa 1 Meile von Münster gelegenen Gute Heithorn, der Familie Hötte 
gehörend, ein Exemplar zu erlegen. Ich traf auffallend viele Vögel dieser 
Art dort an, von allen Seiten erschallte der Kukuksruf. In einem kleineren 
Eichenwalde, woselbst ich nur ein Paar vermuthet hatte, hielten sich 6 
bis 8 Stück auf. Vier waren daselbst. wie ich hörte, bereits von Sonn- 
tagsjägern geschossen. Da ich mich nun bis auf etwa SO Schritt an das 
Exemplar, welches mir zunächst zu sein schien, unter Deckung angepirscht 
hatte, konnte ich dessen Treiben genau beobachten. Nach je drei- bis 
viermaligem Rufen griff es stets nach irgend etwas, sass dann einige Augen- 
blicke ruhig, um von Neuem seine Anwesenheit durch sein „Kukuk’” zu 
verkündigen. Endlich strich er ab, und zwar in Schussnähe an mir vor- 
über. Die Section zu Hause belehrte mich über jene ergriffenen Gegen- 
stände. In Schlund, Speiseröhre und Magen befanden sich 97 ganz frische, 
etwa zum Drittel erwachsene Prozessionsspinnerraupen. Dadurch 
auf diesen argen Eichenfeind aufmerksam gemacht, besuchte ich jenes Wald- 
terrain bald wieder und fand, dass ein nicht unbedeutender Prozessions- 
spinnerfrass im Anzuge sei. Eine grosse Anzahl Eichen bezeugte durch 
die Fäden am Stamme die Anwesenheit desselben. Bei einigem Nach- 
suchen liessen sich auch leicht über 20 Nester auffinden. Jedoch zeigte 
sich auch schon das energische Eingreifen des Kukuks, da manche Fami- 
lien dieser Raupe bereits gründlich deeimirt oder gänzlich aufgerieben 
waren. Das Ungeziefer nahm, wie mich wiederholte Besuche belehrten, 
von Tag zu Tag sichtlich ab, und als ich am 21. Juni zum letzten Male 
diese Nachforschung anstellte, konnte ich kaum noch Raupen entdecken. 
Doch waren die Kukuke anscheinend noch sämmtlich vorhanden; zu meiner 
Belehrung schoss ich noch einen, und es fanden sich jetzt 43, vollständig 
erwachsene, seinen Magen zum Strotzen füllende Raupen bei,ihm vor. Von 
da ab aber verschwanden allmälig die Vögel bis auf einen oder anderen. 
Von lebenden Prozessionsspinnerraupen oder Puppen war nichts mehr zu 
entdecken, die Gefahr war vollständigst beseitigt. Jetzt war es mir klar, 
wodurch, wie ich so oft beobachtet hatte, an den verschiedensten Stellen, 
an denen ich früher Prozessionsspinnernester gesehen, zugleich aber auch 
Kukuke bemerkt hatte, als Schlossgarten, „Geist”, auf der Coerdehaide 
und anderen, stets diese Nester entvölkert wurden, so sehnlichst ich auch 
als eifriger Schmetterlingssammler zuweilen das Gegentheil gewünscht hatte. 
1868 im Juni retteten in gleicher Weise 3—5 Kukuke durch Erdrückung 
eines in einer Eichengruppe entstehenden Prozessionsspinnerfrasses den 
Bestand. Viele Tausende dieser Giftraupen waren vorhanden; allein in 
etwa einer Woche wurden jene mit ihrer verdienstvollen Arbeit fertig. 
Im Münsterlande gehören wohl wegen der stets vorhandenen Prozessions- 


Der gemeine Kukuk. 49 


spinner Eichenwald und Kukuk so sehr zusammen, dass man diesen Vogel 
dort gradezu als Eichenvogel bezeichnen kann. Obgleich in ausgedehnten 
Kieferrevieren das Gewicht, welches der Kukuk gegen die Kiefernspinner- 
raupe einzusetzen im Stande ist, nicht von einem solehen Nachdrucke 
begleitet sein kann, so ist es doch nicht unmöglich, dass auch hier ein 
beginnender Frass durch ihn niedergehalten oder irgend ein verhängniss- 
voller Raupenheerd bei Zeiten gesäubert wird. Meine jüngsten Erfah- 
rungen darüber mögen hier eine Stelle finden. In den Sommern 1869, 
70 und 71 trat hier in der Umgegend von Neustadt die genannte Raupe 
in verheerender Menge auf. Mit Aufwand aller Mittel, namentlich durch 
das wirksame Theeren wurden die meisten Bestände vom Untergange zwar 
gerettet, allein manche hatten gar arg gelitten. Da begann die Calamität 
zu erlöschen. Die Raupen degenerirten nämlich, sie blieben in der Jahres- 
zeit allmählig zurück, so dass sich im Frühlinge 1871 nur mehr äusserst 
kleine (statt halbwüchsiger, jedoch in solcher Menge, dass z. B. in der 
hiesigen Stadtforst auf vielen Theerringen 5- bis 800 Stück klebten), und 
völlig ausgewachsene fanden, welche letztere bereits im vorhergehenden Juli 
sich hätten zu Schmetterlingen entwickeln müssen. Sie würden, ohne 
durch Theerringe abgefangen zu sein, mehr als ausgereicht haben, den 
Kiefern den letzten Stoss zu geben. Doch, wie gesagt, von da ab erlosch 
hier die Calamität. Im Frühjahre 18572 wurden mehre Proben neuer 
Klebemittel gegen diese Raupen zu Versuchen eingesandt, und es lag mir 
die Pflieht ob, dieselben anzustellen. Allein alle Nachforschungen, alle 
Anfragen bei unseren vigilanten Förstern waren vergebens. Die Raupe war 
verschwunden. Ich konnte nur blinde Versuche machen. Als nun nach 
Mitte April der Kukuk erschien, drängte sich mir die Frage nach seiner 
Nahrung auf. Es wurde Ende April einer geschossen. Wie gross war 
mein Erstaunen beim Oeffnen seines Magens! 18 fast erwachsene Kiefern- 
spinnerraupen, soviel als der Magen nur zu fassen im Stande war, füllten 
denselben. Alle waren, wie aus dem gleichmässigen Stadium der Ver- 
dauung hervorging, rasch nacheinander verzehrt. Auch bei der grössten 
Calamität hätte der Magen nicht rascher und nicht stärker mit Raupen 
vollgepfropft werden können. Dies war hier bei den Leuenberger Wiesen, 
woselbst sich etwa 5 Kukuke zusammengefunden hatten. Da dieses Jahr 
ein Maikäferflugjahr war, so konnte ich nicht umhin, im Mai das Expe- 
riment an einer anderen Stelle, wo Buchen und Kiefern gemischt vor- 
kommen, in der Nähe von Spechthausen, also dort, wo es von Maikäfern 
wimmelte, zu wiederholen. Etwa 6 Kukuke trieben sich hier umher. Der 
erlegte enthielt in seinem Magen ausser 1 oder 2 zerriebenen Maikäfern 
7, sämmtlich noch ganz frische, erwachsene Kiefernspinnerraupen, die gleich- 


falls den Magen vollständig füllten. Nach solchen Erfahrungen möchte 
Altum. Die Vögel. 4 


50 Kukuksartige Vögel. 


meine vorstehende Vermuthung, dass der Kukuk bestandgefährliche Raupen- 
heerde zu säubern vermöge, wohl nicht als gewagt erscheinen. Fremde 
Berichte stimmen damit vollständig überein. Herrn E. v. Homeyer’s 
oben bereits angezogene Mittheilung (Naumannia L., 1) ist von diesen ohne 
Zweifel die wichtigste: „Zu Anfang Juli des Jahres 1848 zeigten sich in 
einem hiesigen (Pommern), etwa 30 Magdeburger Morgen grossen Kiefern- 
gehölz mehrere Kukuke, und als ich nach einigen Tagen wieder hinkam, 
hatte sich die Zahl dieser interessanten Vögel so auffallend vermehrt, dass 
dies Freigniss mein lebhaftes Interesse in Anspruch nahm. Es mochten 
nach einer ungefähren Schätzung etwa 100 Kukuke durch das Gehölz ver- 
theilt sein, denn überall sah man diese interessanten Vögel nahe bei ein- 
ander — wenn auch stets jeden für sich — so dass trotz ihrer Anzahl 
doch durchaus von keiner Gesellschaft von Kukuken die Rede sein konnte, 
dass sich jeder unabhängig von anderen bewegte, selbst dann, wenn ein 
Schuss sie aufschreckte. Der Grund der ungewöhnlichen Anhäufung dieser 
Vögel wurde mir alsbald klar, da ich wusste, dass bereits im Jahre 1847 
die kleine Kiefernraupe (Nonne, Ziparis monacha) in grosser Anzahl das 
Wäldehen heimsuchte, und sich in diesem Jahre in noch grösseren Massen 
wieder eingefunden hatte, während sich, so viel ich ermitteln konnte, diese 
Raupe in der ganzen Umgegend nirgends zeigte. Die Kukuke, welche 
dieses Wäldchen besuchten, fanden einen Ueberfluss von Nahrung, und 
da eben die Zugzeit begonnen hatte, blieben alle die Kukuke, welche ihr 
Weg durch dieses Wäldchen führte, einige Zeit darin, wodurch sich bald 
eine Menge ansammelte..... Mit Recht kann man den Kukuk einen un- 
stäten Vogel nennen, denn so oft ich einen einzelnen bemerkte, nie war 
er ruhig, stets unstät, bemüht, sein Futter zu suchen. Ein Vogel mochte 
oft in der Minute mehr als 10 Raupen verschlingen. Rechnet man nun 
auf jeden Vogel in der Minute nur zwei Raupen, so macht dies auf 100 
Vögel täglich, den Tag (im Juli) zu 16 Stunden gerechnet, 192,000 Raupen, 
in 15 Tagen — denn so lange währte der Aufenthalt dieser Vögel in 
Massen — 2,850,000 Raupen. Es war aber auch eine sichtbare Abnahme 
der Raupen unverkennbar, ja man war versucht, zu behaupten, die Kukuke 
hätten dieselben vertilgt, da späterhin, nachdem auch die Nachzügler ver- 
schwunden waren, keine Spur von Raupen übrig blieb. Hätte ich ein 
solches Ereigniss vorhersehen können, so würde ich eine Anzahl Raupen 
eingesammelt haben, um beobachten zu können, wie gross der Antheil der 
Schlupfwespen bei dieser Vertilgung war. Uebrigens konnte ich bei einer 
Beobachtung im Freien nur wenige angestochene Raupen entdecken..... 
So lange es Raupen gab, ersetzten neue Ankömmlinge die (durch Ab- 
schuss von 58 Stück) verminderte Zahl immer wieder.” Eine kurze, leider 
zu dürftige Mittheilung von Herrn Hintz über eine vierte forstschädliche 


Der gemeine Kukuk. al 


Spezies möge sich nichts destoweniger diesen Aufzählungen anschliessen: 
„Den 25. Juli 1845”, schreibt er, „sah ich über 20 Kukuke auf den Allee- 
bäumen von dem Dorfe Gust nach Bublitz (Pommern), welche bald vor-, 
bald rückwärts flogen und sich vermuthlich von Dombyx salieis, welche 
in grosser Menge die Bäume besetzt hatten, nährten” Ohne Zweifel galt 
nur der Ziparis salieis ihr dortiges gesellschaftliches Verweilen. Ueber 
eine fünfte Raupenart, die mir freilich nicht als Forstfeind bekannt ist, 
seien meine Beobachtungen auf der Nordseeinsel Borkum noch erwähnt, 
obgleich es sich hier nur um ein einziges Individium und nicht um eine 
Anzahl gemeinsam wirkender Kukuke handelt. An der einen Seite des 
Dorfes hielt sich noch Ende August fortwährend ein junger rothbrauner 
Kukuk, wohl der letztgeborene heurige Sprössling des dortigen Paares in 
unmittelbarer Nähe der Häuser, namentlich an einer bestimmten Stelle auf. 
Dadurch aufmerksam gemacht, bemerkte ich auf einem heckenartig gezo- 
genen Hollundergebüsch eine grosse Menge Raupen eines kleinen Bärenspin- 
ners, Dombyax menthastri, und konnte mir nun das Vergnügen gewähren, vom 
Zimmer eines Freundes aus, den nur wenige Schritt entfernten Vogel in seiner 
Arbeit zu beobachten. Er ergriff eine Raupe nach der andern, bis er am 
S. oder 9. September mit der ganzen Menge fertig war und dann, wie 
oben bereits erwähnt, in der folgenden Nacht verschwand. Obgleich diese 
Thatsache nicht eben von forstlicher Wichtigkeit ist, so spricht sie doch 
für meine obige Behauptung, dass der Kukuk, sogar ein einzelner Vogel, 
im Stande sei, einen Frass im. Keime zu ersticken. Sogar an Stellen, 
welche sonst seiner Natur wenig zusagen, hält er sich wohl im Herbste 
in einer Anzahl Individuen hartnäckig auf, wenn sich dort Nahrung findet. 
So bewohnten im verflossenen September (1871) etwa 6 Stück ein Kar- 
toffelfeld S Tage lang. Die Raupen, welche der eine davon erlegte im 
Magen hatte, schienen nach der mir gemachten Beschreibung die von 7rr- 
phanae pronuba, Agrotis exelamationis, eorticea oder ähnlichen zu sein. Ich 
selbst habe sonst Raupen von Spannern, vom Heckenweissling (P. erataegı), 
und zwar diese letzten in bedeutender Menge, desgleichen vom Schwamm- 
spinner (D. dispar) und dem Ringelspinner (neustria), Massen von Raupen 
des Kohlweisslings (P. brassicae) u. v. a., sogar Reste von der Maulwurfs- 
grille und höchst merkwürdiger Weise sogar von mehren Wasserkäfer- (Ditis- 
cus) Larven, die beiden letzten am 23. Mai, in seinem Magen gefunden. Er 
wird überhaupt keine einzige Raupenspezies verschmähen. — Es liegt nahe, 
hier noch auf einen anderen nicht unerheblichen Nutzen aufmerksam zu 
machen, den der Kukuk dem Forstmann mittelbar zu leisten im Stande 
ist. Bekanntlich ist es für ihn in manchen Fällen von der grössten Wich- 
tigkeit, diejenige Waldesstelle zeitig kennen zu lernen, an der sich ein 
Raupenheerd zu bilden beginnt, oder an der etwa nach dem Erlöschen 
4* 


53 Kukuksartige Vögel. 


einer allgemeinen Calamität eine erhebliche, für die Umgebung bedrohliche 
Raupenmenge zurückgeblieben ist. Der Kukuk zeigt solche, wenn er sich 
in mehren Individuen an einem und demselben Orte längere Zeit umher- 
treibt, mit grösserer Sicherheit an, als etwa das Sammeln auf den Probe- 
bahnen, mit denen man den Wald durchschneidet, um die Raupencentra 
etwa von Dombya pini zu entdecken. Ich erinnere nur an die vorste- 
henden eclatanten Fälle vom Prozessionsspinner. Diesen bedeutsamen Wink 
des Kukuks wolle man beachten und solche Orte vor allen anderen und 
genau untersuchen. 

Die Haare der genossenen Raupen bohren sich häufig in die innere 
Magenwand ein, so dass dieselbe, zumal da die Haare durch die peristal- 
tische Bewegung des Magens einen gleichmässigen Strich erhalten, emem 
Mausepelz ähnelt. Der alte Streit über die Natur dieser Magenhaare ist 
längst ausgefochten. 

Durch die Art und Weise, wie sich zur Conservirung und Rettung 
unserer Wälder nach Vorstehendem der Kukuk ernährt, ist meiner An- 
sicht nach die parasitische Fortpflanzung bedingt. Von jeher hat 
man sich mit der Frage nach dem Grunde dieser Abnormität beschäftigt. 
Man hat z. B. geglaubt, den dichten nahrungslosen Pelz der Raupen ver- 
bunden mit der Gefrässigkeit des Vogels dafür in Anspruch nehmen zu 
müssen. Denn eben das erheische eine derartige, fast die ganze Bauch- 
höhle einnehmende Grösse seines Magens, dass es für eine rasche Ent- 
wickelung der Eier an Raum gebreche, und je ein Ei sich nur in etwa 
acht Tagen zeitigen könne. Das Leben in den erstgelegten Eiern wäre 
längst erloschen, wenn nach 6—S Wochen nach dem Legen des letzten 
das Brutgeschäft begonnen würde; oder im anderen Falle, wenn nämlich 
der Vogel sofort schon die ersten Eier bebrüte, wären deren Eimbryonen 
längst entwickelt, bevor noch die letzten gelegt würden. Man hätte hin- 
zufügen können, dass der Kukuk auch nicht im Stande sei, die seitlichen 
Bauchfedern zu lüften, und folglich einen Brutraum zu bilden. Alles dieses 
steht freilich zu seiner parasitischen Fortpflanzung in genauer Beziehung. 
Allein der Kukuk frisst keineswegs vorzugsweise so dicht- und langpelzige 
Raupen, dass er gezwungen ist, „mit vielem Stroh nur wenige nahrhafte 
Körner” zu sich zu nehmen. Die diekpelzigen Raupen gehören zumeist 
nur den Krautgewächsen, nicht aber den Baumkronen an. Die genannten 
forstschädlichen Spezies: Bombya processionea, monacha, pini, salieis, 
dispar, neustria, Aporia erataegi, welche sämmtlich zeitweise einen be- 
deutenden Kahlfrass bewirken, sind freilich behaart, aber keineswegs mit 
dichtem Pelz bekleidet. Und wenn er im Spätsommer sich nach den 
Gärten begiebt, um dort in ähnlicher Weise die Raupen des Kohlweiss- 
linges (Pieris brassicae) in ungeheurer Menge zu verzehren, so stützt diese 


Der gemeine Kukuk, BB) 


Thatsache jene Behauptung ebenso wenig, wie das constatirte massenhafte 
Verzehren der Larven der Stachelbeerblattwespe (Nematus ribesi), oder 
der der forstschädlichen Kiefernblattwespe (Zophyrus pini). Jene 18 fast 
erwachsenen Kieferspinnerraupen waren im Magen nur mehr als bereits 
völlig ausgepresste defecte Häute vorhanden, welche bald als Gewölle wären 
ausgeworfen worden, während der volle Inhalt den Darmkanal passirte. 
Hier waren entschieden viele Körner und nur wenig Stroh dem Kukuk zu 
Theil geworden. Aber gesetzt auch, jenes Gerede beruhe auf voller Wahr- 
heit, warum darf dann die Bauchhöhle nicht etwas grösser sein, so dass 
sich die Eier normal rasch zu entwickeln Raum haben? Oder, wenn auch 
das nicht, so haben doch fremdländische Kukuksarten, z. B. die ameri- 
kanischen erytkrophthalmus, americanus und dominicus frische und be- 
brütete Eier, und kleine und grössere Jungen in demselben Neste und 
werden mit ihrem Fortpflanzungsgeschäfte doch fertig. Warum ist ferner 
dieser Vogel so eingerichtet, dass er abweichend von allen anderen keinen 
Brutfleck bilden kann? Man bewegt sich mit allen diesen Erklärungs- 
versuchen in Cirkeln, aus denen man schwerlich herauskommen kann. Be- 
rücksichtigen wir aber seine, unter allen hiesigen Vögeln einzig ihm ge- 
wordene Aufgabe, als kräftiges Gegengewicht gegen den Raupenfrass in 
der vorhin erörterten Weise aufzutreten, berücksichtigen wir namentlich, 
dass er gerade in der Brutzeit in einer relativ oft bedeutenden Indivi- 
duenmenge durch diese seine Aufgabe im Naturhaushalte wochenlang an 
eine bestimmte, nicht selten beschränkte Stelle gebunden ist und sich erst 
nach völliger Lösung derselben gleichmässig dünn über einen bedeutenden 
Waldcomplex vertheilen darf, so folgt für ihn die Unmöglichkeit, das Brut- 
geschäft und die Jungenpflege selbst zu übernehmen, von selbst, Nach 
Vernichtung der übergrossen Raupenmasse würde er in solcher Anzahl 
dort nicht mehr im Stande sein, seine Jungen zu ernähren. Und wenn 
das auch wirklich der Fall wäre, so würde durch seine enge Lokalisirung 
die dann von ihm nicht bewohnten, seines Schutzes stets bedürftigen aus- 
gedehnten Wälder und Waldestheile gefährdet und so die Harmonie des 
Ganzen wiederum bedroht. Ein Vogel, dem die Aufgabe des Kukuks von 
der Natur zugewiesen ist, muss jederzeit frei umherschweifen, er muss 
sich in seinen Individuen dort sammeln können, wo jene erwähnten Cala- 
mitäten auftreten, muss aber auch frei sich wieder vereinzeln dürfen, oder 
überhaupt als ungesellige Art vereinzelt leben, sobald und wann sein ver- 
einzeltes Wirken am Platze ist. Er bildet ein Polizeicorps, das bald hier 
bald dort zum Dämpfen des Aufruhrs längere Zeit thätig sein muss, dessen 
Glieder aber bei ruhigen Zeiten über das ganze Land einzeln vertheilt 
auf Ordnung zu sehen haben. Ein ‘normales Fortpflanzungsgeschäft ist 
damit unvereinbar. Und so vertraut denn der Kukuk ein für alle Mal 


54 Kukuksartige Vögel. 


seine Eier fremden Brutvögeln an. Er ist dabei natürlicher Weise nur 
auf die kleinen Vögel angewiesen, denn eben nur diese, nicht aber unsere 
grösseren Arten füttern ihre Jungen ausschliesslich mit zarten Insecten. 
Diejenigen Spezies unter den kleinen Vögeln, welche wie Kernbeisser, 
Dompfaff, Grünfink ihren Jungen nur Körnernahrung bringen, oder solche, 
die wie die Sperlinge ihnen gemischtes Futter zutragen, sind von diesem 
Pflegegeschäft ausgeschlossen. Wenn sich nichts desto weniger wohl mal 
ein Kukuksei in deren Nest findet, so hat das Weibchen ohne Frage einen 
Fehlgriff begangen und im Drange das Ei in Ermangelung eines passen- 
den Nestes unzweckmässig placirt. Es ist mir nicht bekannt, dass aus 
einem solchen Ei je ein flügger junger Kukuk erzogen wäre. Diejenigen 
Arten, in deren Nestern man Kukukseier gefunden hat, sind folgende: 
1. Dorngrasmücke (Sylvia cinerea), 

2. Gartengrasmücke (S. hortensis), 

3. Mönchsgrasmücke (8. atricapilla), 

4. Zaungrasmücke (8. curruca), 

5. Sperbergrasmücke (S. nisoria), 

6. Bonell’s Grasmücke (8. Bonelli), 

7. Sprosser (Zusciola philomela), 

8. Rothkehlchen (Z. rubecula), 

9. Drosselrohrsänger (Calamoherpe turdina), 

0. Teichrohrsänger (C. arundinacea), 

11. Sumpfrohrsänger (C. palustris), 

12. Seggenrohrsänger (C. phragmitis). 

13. Binsenrohrsänger (C. aquatica), 

14. Heuschreckenrohrsänger (C. locustella)?, 

15. Spottvogel (P’hyllopneuste hypolais), 

16. Fitislaubvogel (Z’h. trochilus). 

17. Weidenlaubvogel (Ph. rufa), 

15. Gartenrothschwänzchen (Zluticilla phoenicurus), 

19. Hausrothschwänzchen (Zr. tithys), 

Heckenbraunelle (Accentor modularis), 

Weisse Bachstelze (Motacilla alba), 

. Gelbe Bachstelze (M. flava), 

. Gebirgsbachstelze (M. boarula), 

Baumpieper (Anthus arboreus), 

25. Wiesenpieper (A. pratensis). 

26. Brachpieper (A. campestris), 

27. Gemeiner Steinschmätzer (Sawicola oenanthe), 

28. Rothgelber Steinschmätzer (S. stapazina), 

29. Braunkehliger Wiesenschmätzer (Pratincola rubetra), 


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Der gemeine Kukuk. 55 


30. Zaunkönig (Troglodytes parvulus), 

31. Feuerköpfiges Goldhähnchen (Regulus ignicapillus), 

32. Grauer Fliegenfänger (Museicapa grisola), 

33. Rothrückiger Würger (ZLanius collurio), 

34. Rothköpfiger Würger (Z. rufus), 

35. Feldlerche (Alauda arvensis), 

36. Haubenlerche (A. eristata), 

37. Haidelerche (A. arborea), 

"38. Grauammer (Zmberiza miliaria), 

39. Goldammer (E. eitrinella), 

40. Rohrammer (E. schoeniclus), 

41. Grünfink (Fringilla chloris), 

42. Bluthänfling (F! cannabina), 

43. Buchfink (F. coelebs), 

44. Haussperling (Passer domestieus). 

Am meisten pflegen die weisse Bachstelze, die Dorn- und Garten- 
grasmücke, das Rothkehlehen und im Münsterlande auch die Heckenbrau- 
nelle vom Kukuk als Pflegeeltern seiner Nachkommen ausgewählt zu 
werden. Auf der Nordseeinsel Borkum belegt er mit grosser Vorliebe die 
Nester des Wiesenpiepers. Für jedes Ei wählt er ein neues Nest. Man 
hat freilich wohl mal zwei Kukukseier in einem Neste gefunden, allein 
für diese Thatsache ist die Annahme, dass zwei Kukuksweibchen zufällig 
dasselbe Nest aufgefunden und benutzt haben, die wahrscheinlichere. Auf- 
fallender Weise belegt er in der Regel nur solche Nester, deren Eier noch 
frisch sind. Die Ausnahmen hiervon sind selten. Zum Auffinden eines 
fremden Nestes sieht man das Kukuksweibehen meist niedrig am Boden, 
über Blössen, am Rande einer Hecke, an Vorhölzern, über Waldwegen, 
in der Nähe von Gestrüpp, sogar von Häusern, Scheunen und sonstigen 
Gebäuden umherflattern. Seine Fähigkeit, auch»sehr verborgene Nester auf- 
zufinden, muss uns um so mehr in Erstaunen setzen, als es durchaus nie- 
mals Gestrüpp, Hecken u. dergl. durchschlüpft oder auf dem Boden dar- 
nach hüpfend umhersucht. Steht das Nest in einer Höhle, in Stein- oder 
Holzhaufen, oder in so sehr verworrenem Gezweige, dass es sich für seinen 
Zweck nicht auf dasselbe setzen kann, so legt es das Ei auf den Boden 
und trägt es mit dem Schnabel an den Ort seiner Bestimmung. Die 
fremden Eier lässt es unberührt, sowie auch-von Seiten der Pflegeeltern 
sein Ei unbehelligt bleibt. Entgegengesetzte Thatsachen gehören zu den 
seltenen Ausnahmen. Die Annahme, dass die kleinen Vögel den Betrug 
nicht merkten, da das Kukuksei in Grösse und Färbung den eigenen Eiern 
zum Verwechseln ähnelte, ist unstatthaft. Allerdings legt der Kukuk wohl 
das verhältnissmässig kleinste Ei, welches an Grösse etwa dem des Haus- 


56 Kukuksartige Vögel. 


sperlinges und der Feldlerche gleicht, und in dieser Hinsicht besteht wenig- 
stens in der Regel kein namhafter Unterschied zwischen beiden. Diese 
Grössengleichheit ist aber ohne Zweifel mehr zum Zweck eines erfolg- 
reichen Brütens, als einer Täuschung nothwendig. Eine auffallende far- 
bige Abweichung bei einem Ei irgend eines Geleges desselben Vogels ist 
eben keine Seltenheit. Findet man doch zuweilen unter stark gezeichneten 
fiern z. B. von Bussard, Sperber, Thurmfalk, Krähe, Dohle, ein ausser- 
ordentlich abstechendes ungeflecktes (das letztgelegte), ohne dass diese 
Vögel dadurch irgend beunruhigt würden. Aber auch die weit ausge- 
sponnene Theorie von der farbigen Assimilation des Kukukseies nach der 
Färbung der der kleinen Vögel leidet gar oft grelle Ausnahmen. Noch 
im verflossenen Sommer fand ich hier im Lieper Revier in einem an der 
Wurzel einer Buche stehenden Rothkehlchenneste mit zwei Eiern das als 
himmelblau und ungefleckt möglichst abstechende Ei des Kukuks. Doch 
etwas Wahres ist immerhin an jener Behauptung. Seite 27 wurde be- 
reits erwähnt, dass bei einigen Eiern die beiden Farbentöne (Roth und Grün) 
zuweilen in der Art wechselten, dass abweichend von der sonstigen etwa 
grünen Farbe die Eier eines Weibehens röthlich erschienen. Vom Dom- 
pfaff habe ich selbst einmal ein Gelege gefunden, dessen Eier auf röth- 
lichem Grunde tief roth punktirt waren, bei Alca torda, Uria grylle ist 
diese Erscheinung durchaus nicht selten. Ein rothbraunes Wespenbussard- 
Ei hatte auf der einen Seite einen merklich grünen Anflug. Auch unter 
den Eiern des Mäusebussards giebt es solche, die olivengrün statt roth- 
oder leberbraun gefleckt sind. Die Eier des rothrückigen Würgers sind 
eben so oft grünlich als röthlich. Dieser Wechsel des grünlichen und röth- 
lichen Tones kommt nun bei den Kukukseiern gleichfalls sehr häufig vor. 
Im Allgemeinen überwiegen jedoch die Eier mit graugrünlicher Grundi- 
rung. Ob das eine Weibchen nur Eier der einen,.das andere solche der 
zweiten Färbung legt, muss unentschieden bleiben. Auch will man beob- 
achtet haben, dass die Töne wohl nach den Jahrgängen wechseln. Die 
Verschiedenheit der Hauptnahrung, wie sie sich dem Kukuk in den ein- 
zelnen Jahren durch das Vorwiegen bald dieser bald jener Raupenspecies 
bietet, könnte der Grund davon sein. Da nun aber bekanntlich die far- 
bigen Eier aller, also auch die der kleinen Vögel in diesen beiden Tönen auf- 
treten, so hat ohne Zweifel nur die zufällige Thatsache, dass Kukukseier 
zu gleich gefärbten gelegt wurden, die Theorie von jener Assimilation ver- 
anlasst. Es kommt die unbestimmte bald dichtere, gewöhnlich aber spär- 
liche Kritzelzeichnung der Kukukseier hinzu, welche ebenfalls der Zeich- 
nung der Pflegevögeleier ähnlich sein kann. Trifft beides zufällig zu- 
sammen, so ist die Aehnlichkeit zwischen den beiden Eiern allerdings 
frappant. Jedoch ist das eben nicht häufig der Fall. Zudem mag auch 


Der gemeine Kukuk. 57 


manches Ei im Neste von kleinen Vögeln zu einem Kukuksei gestempelt 
sein, welches durchaus nicht untergeschoben ist, sondern sich nur durch 
irgend eine geringe Abweichung in Grösse oder Farbe von den übrigen 
unterscheidet. Bei der grossen Menge von Kukukseiern, welche ich in 
Sammlungen gesehen habe, sind mir manche verdächtig vorgekommen. 
Nichts desto weniger bleibt die Thatsache der Variabilität dieser Eier auf- 
fallend genug. 

Der junge Kukuk zeigt sich sofort vor seinen Stiefgeschwistern un- 
bändig, fressgierig, Er weiss sich stets vorzudrängen, übertrifft gar bald 
die übrigen Kleinen bedeutend an Grösse, füllt den Nestraum aus und 
drängt jene über Bord. Mir ist ein Fall bekannt, in welchem die alten 
weissen Bachstelzen zu Gunsten ihres Wechselbalges ihre eigenen Jungen 
unter dem Dache eines niedrigen Treibhauses hervorzerrten und sie herab- 
stürzten. Wie aus bodenständigen Nestern, z. B. des Wiesenpiepers, der 
gelben Bachstelze, die Jungen oft spurlos verschwinden, ist unbekannt. 
Vielleicht verkümmern und verhungern sie, weil der Kukuk ihnen jeden 
zugetragenen Bissen wegschnappt, und werden dann von anderen Thieren, 
Ameisen u. dergl. verzehrt. Der junge Kukuk sitzt lange im Neste und 
fordert die alten Vögelchen durch sein stetes Schreien zum unaufhörlichen 
Füttern auf. Ja sogar, wenn er ihnen gegenüber als Riese das Nest schon 
verlassen hat und von Zweig zu Zweig, von Baum zu Baum fliegt, eilen 
sie ihm, auch wohl durch seinen jetzt veränderten Schrei dazu fortwäh- 
rend gereizt, mit Futter nach, das er stets noch begierig von ihnen an- 
Z.mmt. Sogar fremde Vögel füttern einen jungen Kukuk, wenn man einen 
solchen etwa aus der Gefangenschaft in’s Freie setzt. Von der weissen 
Bachstelze und der Heckenbraunelle habe ich es selbst beobachtet. Von 
der letzteren kamen 5—4 Vögel mit Futter zu ihm. Im Käfige steckte 
sogar eine noch junge, noch im ersten Federkleide sich befindende weisse 
Bachstelze einem schreienden jungen Kukuke einen Mehlwurm nach dem 
andern in den weit geöffneten orangefarbenen Rachen. Erst wenn der 
Kukuk in seinem ganzen Verhalten eine gewisse Gewandtheit zeigt, wenn 
er anfängt scheu zu werden, vor dem Menschen z. B. schon auf 40 bis 
50 Schritt Entfernung zu fliehen, löst sich das Band des früheren Pflege- 
verhältnisses. Er schweift dann einsam umher, sich selbst seine Nahrung 
suchend, welche dann aber nicht einzig und allein aus Insecten und deren 
Larven, sondern auch wohl aus Beeren, z. B. denen des Faulbaumes, be- 
steht. Bald aber tritt der Wandertrieb ein und er ist in irgend einer 
Nacht plötzlich verschwunden. 

Im Ganzen vermehrt sich der Kukuk schwach. Manches Weibchen 
vermag im Augenblicke der Legereife des Eies kein oder kein passendes 
fremdes Nest zu finden; manche Pflegevögel verlassen durch das legende 


58 Kukuksartige Vögel. 


Kukuksweibchen zu sehr beunruhigt, ihr Nest. Dass manche Brut durch 
mörderische Säugethiere und Vögel umkommt, versteht sich von selbst. 
Alte Kukuke findet man dagegen nicht sehr häufig zerrissen. 

Dass von ausländischen Kukuken sich viele ebenfalls parasitisch fort- 
pflanzen, ist bereits erwähnt. Diese gehören dem warmen Asien, Afrika 
und Australien an, während andere, theils alt-, theils neuweltliche Arten, 
das Brutgeschäft selbst besorgen und in Nichts von dem normalen Ver- 
halten anderer Vögel abweichen. Sie benutzen dazu theils Baumhöhlen, 
theils bauen sie auf Bäume oder auch am Boden in’s Gras. Inwiefern 
die Lebensweise dieser Arten mit dieser Verschiedenheit ihres Fortpflan- 
zungsgeschäftes in näherer Beziehung steht, ist meines Wissens noch un- 
ermittelt. 


b. Heterodaetyli. 


Diese Gruppe umfasst etwa 6 Familien, deren Mitglieder im äusseren 
Habitus, wie in der Bildung einzelner Organe die mannigfachsten Ver- 
schiedenheiten darstellen. Doch zeigen alle theils durch die Farbenpracht 
ihres Gefieders, theils durch plastische Monstrositäten, dass sie einer Hei- 
math angehören, in welcher Pracht und bizarre Mannigfaltigkeit herrschen. 
Wenn einige wenige vereinzelte Repräsentanten dieser reichen tropischen 
Fauna gleichsam als nach Norden hin weit vorgeschobene Posten noch in 
unseren Breiten ihre Heimath haben, so nehmen diese sich unter unseren 
Vögeln als wahre Sonderlinge aus. Ihren Schwerpunkt haben sie in den 
warmen Gegenden der alten Welt. Nur eine kleine Gruppe gehört dem 
warmen Amerika an. In Afrika, namentlich im südlichen Asien, Ost- 
indien, Oceanien häufen sich ihre Spezies und berühren von dort aus sogar 
Australien. Die reichste, etwa 120 Arten zählende Familie ist zwar cos- 
mopolitisch, doch auch von diesen bewohnen die meisten Ostindien, viele 
Afrika, manche Neu-Guinea, eine einzige (der gemeine Eisvogel) unsere 
Gegend. Von den gänzlich fremdländischen Familien sei hier nur er- 
wähnt die 


3. Familie. Nashornvögel, Bucerotidae. 


Diese sonderbaren Vögel können in den Tropen der alten Welt als 
stellvertretende Form der Tukane des südlichen Amerikas gelten. Ihre 
Körpergestalt und mittlere Grösse erinnert an unseren Raben; jedoch giebt 
es schwächere sowie bedeutend grössere Arten. Ihr langer Hals, dicker 
Kopf mit einem ungeheuren Schnabel und langer stumpfkeilförmiger zehn- 
federiger Schwanz erhöhen ihre Grösse scheinbar nicht unerheblich. Ihre 


Eisvögel. 59 


stumpfen Flügel, die bis 17 Armschwingen tragen, sind kurz, die Arm- 
knochen lang, ihr unschönes, meist düster, schwarz, bräunlich, weisslich 
gefärbtes kleines Gefieder zerschlissen. Der Schnabel macht sie zu den 
sonderbarsten Formen in der Vogelwelt. Derselbe ist sehr gross und 
plump, seitlich zusammengedrückt, sanft gebogen, an seinen Rändern grob 
gesägt und besitzt auf seiner First einen oft riesigen horn-, mond- oder 
barretartigen Aufsatz, bei den kleinen Arten jedoch nur eine seitlich ge- 
furchte Firstkante, ja bei einigen nur mehre Querwülste an der Basis. 
Trotzdem ist er sehr leicht, weil innen grobmaschig hohl, und der Auf- 
satz wohl durchscheinend dünn. Dieses ganze Gebilde wird vom Munde 
aus mit Luft gefüllt. Die Zunge ist kurz und fleischig, die Beine mittel- 
stark. — Die Nashornvögel gehören ausschliesslich dem Walde an, nähren 
sich von kleineren Thieren und saftigen Früchten. Man kennt bis jetzt 
gegen 40, meist in Östindien, doch auch im übrigen südlichen Asien und 
Afrika lebende Arten. 

B. rhinoceros, mit grossem, breitem, vorn aufgerichtetem Horne; Sumatra. 

B. hydrocorax, mit grossem, kirschrothem, oben plattem, durch- 
scheinend dünnwandigem Aufsatz; Philippinen. 

B. bicornis, das grosse Horn vorn in zwei Spitzen endigend; Sumatra. 

B. suleirostris, nur ein erhabener, vorn senkrecht abgeschnittener 
hohler Kamm; Philippinen. 

B. plicatus, ohne Horn, nur mit Basalrunzeln; Java. 

B. erythrorhynehus, Schnabelfirste nur zur scharfen Kante zusam- 
mengedrückt; Afrika. 

Unter den übrigen Familien dieser Gruppe sind drei durch je eine 
Art als Brutvogel auch in Deutschland vertreten, eine vierte Spezies ist 
aus dem südlichen Europa wiederholt als Irrgast bei uns vorgekommen. 
Alle zeichnen sich durch Pracht oder Buntheit ihres Gefieders aus. Sie 
wechseln ihr Aeusseres nach Alter, Geschlecht, Jahreszeit nicht. Dass jedoch 
die Jungen matter als die Alten, dass die alten Männchen am schönsten 
gefärbt erscheinen, ist wohl selbstverständlich. Doch zum Theil hält es 
schwer, aus der Pracht des Gefieders den Nestvogel vom alten Männchen 
zu unterscheiden. Sie nähren sich von niederen Thieren, namentlich In- 
secten, und brüten in Höhlen. Nur einer derselben ist Waldvogel und 
insofern von einer, wenngleich keineswegs hohen forstlichen Bedeutung. 
Wir können uns deshalb mit einer kurzen Behandlung derselben begnügen. 


4. Familie. Eisvögel, Alcedidae. 


Die Eisvögel gehören zu den kleineren Vögeln, indem ihre Körper- 
grösse zwischen der einer Lerche und einer Drossel zu stehen pflegt. Die 


60 Kukuksartige Vögel. 


grösste Art, der australische Rieseneisvogel, erreicht kaum Dohlengrösse. 
Jedoch verleiht ihnen ihr unverhältnissmässig grosser Schnabel und Kopf, 
sowie ihr gedrungener Körper ein weit robusteres Ansehen. Der Schnabel 
ist lang, kräftig, gerade, vierseitig, spitz, seine Ränder scharf. Hals sehr 
kurz. Flügel und meist auch Schwanz kurz. Beine klein und schwäch- 
lich. Die äussere Vorderzehe mit der mittleren bis zum zweiten, und 
diese mit der inneren (den Arten der Gattung Ceyx fehlenden) bis zum 
ersten Gelenke verwachsen. Gefieder zerschlissen, meist grellfarbig, häufig 
blau und grün, auch lebhaft kupferbraun. Sie gehen und hüpfen fast nie, 
ruhen auf horizontalem Sitze, fliegen schnurrend kurze Strecken, leben 
einsam und ungesellig am Wasser in unmittelbarer Nähe von Wald oder 
Gebüsch, ergreifen stosstauchend ihre Nahrung, welche sie unzerkleinert 
verschlingen und in den unverdaulichen Theilen als Gewölle auswerfen, 
graben in senkrechte Uferwände tiefe, horizontale, von den Jungen später 
arg beschmutzte Neströhren, in deren erweitertem Ende sie ohne Unter- 
lage ihre porzellanweissen, kugeligen Eier legen, die von dem Weibchen 
allein bebrütet werden. Man kennt gegen 120 über alle Welttheile zerstreute 
Arten, welche in drei Unterfamilien und zahlreiche Gattungen getheilt 
werden. Von den spärlichen fossilen Vogelresten gehören einige der ältesten 
dieser Gruppe an. In Europa leben zwei Arten, der südliche schwarz- 
weisse Alcedo rudis und unsere allbekannte Art: 


Der gemeine Eisvogel. 
Alcedo ispida L. 

Oberseite dunkel blaugrün mit beryllfarbener Rückenmitte und Bürzel; 
Unterseite rostroth; Beine mennigroth. In Europa, nördlich etwa nur bis 
Dänemark, noch in Persien und Sibirien; bei uns Stand-, höchstens Strich- 
vogel, in manchen Jahren in einer Gegend häufig, in anderen selten. Er 
lebt an allen Gewässern, deren Ufer mit Gebüsch oder Wald umgeben 
sind. In diesem nimmt er in einem meist verborgenen Winkel auf einem 
Zweige, Pfahle, Steine, bis kaum l Meter über dem Wasserspiegel seinen Sitz, 
um auf kleine Fische bis zur Stärke eines Fingers, oder auf Wasserinsecten 
stosstauchend Jagd zu machen. Doch rüttelt er auch häufig über seiner 
Beute. In seinem strenge eingehaltenen Reviere hat er mehre solcher - 
Lieblingsplätze. Er begnügt sich sogar mit kleinen Wassergruben, zumal 
wenn vom Holzwuchs theilweise überwachsene Gräben zu solchen hin- 
führen. Sein fast stets ganz niedriger, aber reissend schneller Flug, wäh- 
rend dessen er häufig seinen durchdringenden Schrei „Tiit”, selten im 
Sitzen und dann kürzer und öfter wiederholt, hören lässt, weicht nur auf 
kurze Strecken vom Wasser ab, wenn er von einem Gewässer zum andern 
wechselt oder wenn er beunruhiget wird. In diesem Falle erhebt er sich 


Immenvögel. 61 


wohl momentan zu einer gewissen Höhe, gern fliegt er dann den Gestellen 
und Waldwegen entlang, oder schwingt sich niedrig durch die Stämme 
der Waldbäume. Seine Neströhren führt er mit dem Schnabel arbeitend 
gern an bindigen, stets an gänzlich unbenarbten Ufersandwänden aus, zu- 
weilen ziemlich weit vom Wasser entfernt. Sie haben eine Länge von 
ungefähr 1 Meter, steigen sanft aufwärts und sind im Querschnitt nicht 
vollständige Kreise, sondern am Boden etwas erhaben. Die Erweiterung 
am Ende derselben enthält nie ein eigentliches Nest. Wenn sich dort 
viele Fischgräten vorfinden, auf denen die Eier, bez. Jungen liegen, so 
sind diese die bei langjähriger Benutzung desselben Nistraumes angehäuften 
und zerfallenen Gewölle. Mitte April habe ich schon zum Ausfallen reife 
Eier (5 bis 8), Anfang Mai schon ziemlich herangewachsene Junge ge- 
funden. Die Frühlingstemperatur scheint auf die Zeit der Fortpflanzung 
von erheblichem Einflusse zu sein, da man häufig erst um die Mitte Mai 
die volle Eizahl findet. Vom 20. bis 30. October fand ich ‚den Eisvogel 
in der Mauser. Um diese Zeit pflegt er sein Standquartier zu verlassen 
und in der Umgegend umherzustreifen; doch auch in dieser Hinsicht 
kommen oft bedeutende Abweichungen vor. Er erscheint z. B. wohl ein- 
mal dort in der Mitte August, wo er sich in der Regel erst im October 
einzustellen pflegt. Seine Nahrung bilden meist kleine Fische, doch auch 
vielfach Wasserinseeten, namentlich Libellen, womit er anfänglich seine 
Jungen füttert. Kurz vor dem Ausfliegen derselben ist die Neströhre von 
ihnen greulich beschmutzt. — Sein grösster Feind ist der strenge Winter, 
so dass er sich trotz seiner bedeutenden Eierzahl doch nur schwach ver- 
mehrt. — Forstlich ist er selbstredend ohne alle Bedeutung, der Fischerei 
schädlich, in ästhetischer Beziehung eine wahre Zierde einer Landschaft. 


5. Familie. Immenvögel, Meropidae. 


Diese nur kleine, etwa 25, an Grösse, Gestalt und oft auch Färbung 
sehr ähnliche Arten enthaltende Familie gehört ausschliesslich den warmen 
und heissen Gegenden der alten Welt an. — Sie haben kaum Drossel- 
grösse; ihr Körper ist schlank, der Schnabel etwas über mittellang, schwach 
gebogen, an der Spitze verdünnt, mit scharfer First und scharfen Rän- 
dern, der Rachen breit, Armknochen kurz, die Schwingen straff, lang und 
spitz, der Schwanz über mittellang mit spitz verlängerten Mittelfedern, Beine 
kurz, schwächlich, noch über der Ferse unbefiedert, die äussere Vorder- 
zehe mit der mittleren bis zum zweiten und diese mit der inneren bis 
zum ersten Gelenke verwachsen, Das zerschlissene Gefieder prangt in 
hohen Farben ohne Metallglanz, unter denen namentlich Grün, doch auch 
tiefes Rosa vorherrschen. Als wahre Flugvögel jagen sie schwalbenartig flie- 


62 Kukuksartige Vögel. 


gende Insecten, Immen, Heuschrecken, Libellen, leben gesellig, nisten in 
enger Gemeinschaft in selbst gegrabenen Uferhöhlen und legen 5-—7 por- 
zellanweisse Eier. Nur eine Art: 

Der gemeine Immenvogel, Merops apiaster I.., von kaum Drossel- 
grösse, mit gesättigt braunem Hinterkopf, Oberrücken und Flügeldecken, 
hochgelber, schwarz begrenzter Kehle, blaugrüner Stirn und Unterseite, 
und grünen Flügeln und Schwanz, verfliegt sich aus dem südlichen Europa 
und den Donauländern wohl mal nach Deutschland. Ein schönes Exem- 
plar wurde in der Nähe von Münster (Oelde) erlegt. 


6. Familie. Wiedehopfe, Upupidae. 


Wenn zu dieser Familie auch die meist südafrikanischen Irrisoren, 
ohne Federbusch, gerechnet werden, so ist dieselbe doch die ärmste von 
allen. Der comprimirte, lange, feine, sanft gebogene Schnabel zeichnet 
sich dadurch besonders aus, dass seine Hälften ohne Rinne platt auf ein- 
ander liegen. Ihre Zunge ist kurz, die mittellangen Flügel stumpf und 
breit, die vorn geschilderten Läufe kurz, die äussere und mittlere Zehe an 
der Basis kaum oder nur im ersten Gliede verwachsen. Sie bewohnen 
offene Gegenden in unmittelbarer Nähe von Wald und alten hohlen Bäumen, 
in deren Höhlen sie ihr Brutgeschäft verrichten und suchen ihre Insecten- 
nahrung am Boden ausserhalb des Waldes. 


Wiedehopf, Upupa. 


Scheitel mit hohem, sehr beweglichem Federbusch, der zehnfedrige 
Schwanz abgestutzt, das Gefieder weich, locker, auf sehr schmalen Fluren, 
mittlere Zehe mit der Aussenzehe sehr wenig an der Basis verwachsen, 
Hinterkralle fast gerade. Nur 3 oder 4 sehr ähnliche buntscheckige 
Arten in Europa, Asien und Afrika. 


Der gemeine Wiedehopf. 
Opupa epops L. 

Grösse einer Drossel, doch lässt der lange Hals, der grosse zweizeilige 
Federbusch, sowie die breiten und stumpfen Flügel ihn viel grösser er- 
scheinen. Hauptfarbe ein röthliches Lehmgelb, der meist spitz nach hinten 
zusammengelegte, seltener starrend aufgeriehtete Federbusch mit schwarz- 
weissen Spitzen, Flügel und Schwanz tief schwarz, erstere mit vielen, 
letzterer mit einer kreideweissen Binde. Er lebt im grössten Theile von 
Europa und kommt auch in fast ganz Afrika, in Asien bis Japan und im 
Himalaya bis 4400 Meter vor. Deutschland bewohnt er überall, in der 


Der gemeine Wiedehopf. 63 


Ebene wie im Gebirge, wenn die Bedingungen seines Aufenthaltes, freie 
Flächen, namentlich Viehweiden, Triften, Aenger mit alten hohlen Bäumen, 
Kopfbäume, Wald und Gebüsch dort nicht fehlen. Er liebt es, wenn auch 
etwas Gestrüpp, Wachholder, Schwarz- oder Weissdorn, wilde Rosen und 
dergleichen, stellenweise den Boden deckt. Auf den offenen Plätzen läuft 
er fast beständig umher, dort im feuchten Boden, den er mehr als trocknen 
liebt, oder in den Excrementen des Weideviehes nach Inseceten und be- 
sonders deren Larven suchend. Maikäferlarven und Ameisenpuppen sind 
ihm Leckerbissen. Sandboden zieht er dem schweren Lehmboden vor. 
Aengstlich und scheu eilt er fliehend bei Annäherung einer Gefahr stets 
dem Gebüsch oder Walde zu, um im dichten Laube Schutz zu suchen. 
Von hier aus, nie fliegend, selten auf dem Boden, lässt er seinen bekannten 
weittönenden Ruf „Upupupup” hören. Seiner Nahrung scheint er dort nie 
nachzugehen, nie durchhüpft er das Gezweige, sondern sitzt meist ruhig 
an einer Stelle auf einem stärkeren Zweige. Im Innern der geschlossenen 
Wälder findet man ihn nie. Durchaus offenes Terrain gehört zu seinen 
Lebensbedingungen eben so sehr, als der alte Wald, namentlich der Laub- 
holzwald. Auch liebt er gemischte Bestände, während ihn reine Nadel- 
holzwälder fast gar nicht anziehen. Sein unregelmässig wankender Flatter- 
flug ähnelt dem eines Hehers. Er fliegt ungern weite Strecken, sondern 
begiebt sich gern in’s erste beste Gehölz, von woher er in ähnlicher Weise 
weiter flieht. Man trifft ihn überall nur vereinzelt an, jedoch leben im 
Herbst mehre, etwa bis 10 oder 12 Individuen wohl zusammen, aber nie 
in enger Gemeinschaft, und die einzelnen oft 100 und mehre Schritte von 
einander getrennt. Gestört flieht jeder unbekümmert um die anderen seine 
Wege. In der ersten Hälfte des April verkündet seine nie zu verkennende 
Stimme seine Ankunft. Am frühsten habe ich ihn am 1. April gehört. 
Im August tritt er seine Abreise nach Afrika an. Sein schlecht gebautes 
Nest steht in der Regel in einer Höhe von etwa 5 Meter in einem alten 
hohlen Baume, besonders Kopfbaume, nicht selten aber niedriger, sogar 
nahe am Boden, auch in Steinhaufen, Fels- und Mauerhöhlen. Es ent- 
hält in der ersten Hälfte des Mai gegen 5 langgestreckte, hellbläulich oder 
lehmgelblich erdfarbene Eier. Tief dunkle sind selten, fein rothpunktirte 
mir nur ein einziges Mal vorgekommen. Von den Jungen, welche mit 
den Alten gleich gefärbt und gezeichnet sind, wird die Nesthöhle höchst 
arg verunreinigt. Die Mauser fällt in den Winter. — Seiner Nahrung 
wegen muss er zwar zu den nützlichen, kann aber keineswegs zu den be- 
deutsamen Vögeln gerechnet werden. Die meisten Insecten und deren 
Larven, die er verzehrt, sind gänzlich indifferent, die schädlichen Mai- 
käferlarven erbeutet er leider nicht so gar häufig, zumal da seine Furcht- 
samkeit es nicht gestattet, dass er dem Pfluge folge. Forstlich darf er 


64 Kukuksartige Vögel. 


wohl nur den fast gleichgültigen Arten zugestellt werden; wo die Mai- 
käferlarven dem Forstmanne schaden, ist der Wiedehopf schwerlich thätig, 
jedoch hebt seine Stimme wie sein Aeusseres nicht unbedeutend den 
Reiz einer Landschaft, zumal wo er, wie hier bei Neustadt, an passenden 
Stellen recht häufig ist. 


7. Familie. Raken, Coraciidae. 


Nach der neueren Systematik, welche ein grösseres Gewicht auf ein- 
zelne anatomische Merkmale, besonders auf die Bildung des Gaumens, als 
auf Habitus und Lebensweise gelegt hat, gehören zu den rakenartigen 
Vögeln mehre unter sich höchst abweichende Formen. Denn mit den 
typischen Raken werden ausser anderen sogar die nachtschwalbenähnlichen 
Nyetibien, Podargen, Froschmäuler aus Südamerika, Australien und Indien 
vereinigt, welche von älteren Autoren der Familie der Caprimulgiden zu- 
gerechnet, oder gar unter „Caprimulgus’” aufgeführt sind. Uns kann hier 
vorzüglich nur diejenige einheitliche Gruppe interessiren, der unsere hie- 
sige Blaurake angehört. 


Rake, Coracias. 


Körper kräftig, wohl gestaltet, Schnabel mittellang, vorn seitlich zu- 
sammengedrückt, an der Wurzel breit, und die First von dort bis zur 
etwas abfallenden Spitze sanft gebogen; Scheitel breit; Beine kurz, aber 
kräftig; Zehen frei; Flügel lang und breit, die beiden äussersten Schwanz- 
federn etwas verlängert. In Grösse kommen diese prachtfarbigen Vögel 
ungefähr einer Feldtaube gleich; Grün, Blau, Weinroth, auch schön Nuss- 
braun bilden ihre Hauptfarben. Sie gehören warmen Ländern der öst- 
lichen Halbkugel an und bewohnen dort lückige und von Blössen unter- 
brochene lichte alte Bestände, nähren sich von Inseeten, Würmern und 
kleinen niederen Wirbelthieren und brüten in hohlen Bäumen. Man kennt 
etwa 10 sich in jeder Hinsicht sehr nahe stehende Arten. Eine von 
diesen ist in manchen Gegenden Deutschlands ein sehr bekannter Vogel. 


Die Blaurake. 
Coracias garrula L. 

Dieser ansehnliche Vogel ist mit keinem hiesigen zu verwechseln. 
Kopf, Hals und Unterkörper sind meergrün, der Rücken hell nussbraun, 
die Unterseite seiner schwarzen Schwingen tief lasurblau, die äussersten 
Federn des blauen Schwanzes nur sehr schwach verlängert, Füsse gelb. 
Er bewohnt, jedoch sporadisch, einen grossen Theil von Europa, erstreckt 


Die Blaurake. 65 


sich sogar vom südlichen Schweden bis zum Senegal und wird auch in 
Südsibirien und Kleinasien gefunden. Auch in Deutschland tritt er nur 
stellenweise auf. Hier bei Neustadt ist er z. B. im Lieper Revier zahl- 
reich, während in Westfalen nur äusserst selten sich ein verflogenes 
Exemplar hat blicken lassen; jedoch soll er im Münsterlande früher auch 
Brutvogel gewesen sein. Er zieht Sandboden in seinem Vorkommen vor 
und ist an den Wald gebunden, jedoch keineswegs ein Waldvogel im 
eigentlichsten Sinne, und stimmt hierin mit dem Wiedehopf ungefähr über- 
ein. Er will unbedingt weitständige alte starke Bäume mit dürren Zacken, 
und zwischen diesen und in der Umgebung offenes, wenn auch durch Ge- 
strüpp vielfach unterbrochenes Terrain. Eine wellige Gegend, mit an- 
grenzendem Hochwalde scheint ihm besonders zuzusagen. In der Wahl 
der Baumarten, ob alte Eichen, oder Buchen oder Kiefern, scheint er ziem- 
lich indifferent zu sein, und seine Paare leben daselbst in der Regel in 
nicht unbedeutendem Abstande zusammen. Doch haben wir hier auch 
manche einzeln brütende Paare. An diesen Orten jagt er sich, wenn er 
gegen Ende April (im vorigen Jahre hier am 25.) oder Anfangs Mai aus 
der Fremde wieder angelangt ist, mit seines Gleichen umher, wobei man 
häufig seine, durch seinen deutschen Namen ausgedrückte, etwas elster- 
artige Stimme, ein „Rack” oder „Räck” mehrmals wiederholt, hören lässt. 
Er zeigt sich dabei als sehr gewandten Flieger, während er im ruhigen 
Fluge leicht mit einer Hohltaube verwechselt werden kann. Zum Sitze 
wählt er allemal eine dürre Zacke, etwa einen Aststummel am Kiefern- 
stamme, oder die sogenannten Hornzacken einer alten Eiche oder Buche, 
oft auf der höchsten Spitze, von woher er weit um sich schauen kann und 
selbst schon in weiter Ferne sichtbar ist. Nie hüpft er in den Zweigen 
nach seiner Nahrung umher, sondern nimmt diese durch sein scharfes Auge 
erspähet vom Boden auf. Diese besteht aus allerhand grösseren Insecten, 
weniger deren Larven; auch verzehrt er kleine Frösche. Die unverdau- 
lichen Theile werden als Gewölle ausgeworfen. Zum Brutplatze wählt er 
ausschliesslich Baumhöhlen mit ziemlich weiter Oeffnung. Nur Gegenden, 
welche ihm diese bieten, können ihn dauernd fesseln, nur hier siedeln sich 
mehre Paare an und stellen sich alljährlich dort ein. Er scheint deshalb 
fast stets mit Hohltauben, und beide mit Schwarzspechten zusammen vor- 
zukommen. Seine 5 oder 6 porzellanweissen Eier gleichen bis auf die 
stärkere Grösse denen des Immenvogels und des Eisvogels. Auch seine 
Jungen verunreinigen die Nisthöhle in greulicher Weise. Sobald sie 
flugfähig geworden, zerstreut sich allmälig die Gesellschaft in der Gegend, 
und man sieht sie dann gern auf Chausseebäumen, sogar auf Telegraphen- 
drähten sitzen. Auf den Chausseen kann man dann die im Gegensatz 
zu den stets scheuen Alten noch zutraulichen Jungen, namentlich zu Wagen, 


Altum. Die Vögel. 5 


66 Spechte, 


von Baum zu Baum treiben, bis sie endlich das Weite suchen. Anfangs 
September ziehen sie nach Afrika, woselbst alle ihre Jahresmauser be- 
stehen. 

Die Blaurake (Mandelkrähe) ist unter die forstnützlichen Vögel zu 
rechnen, obgleich ich ihr wegen der verhältnissmässig wenigen Maikäfer, 
welche sie verzehrt, eben keine Wichtigkeit beizulegen vermag. Winzige 
Insecten, namentlich diejenigen, welche im Verborgenen ihre Forstfrevel 
verüben, ergreift sie nicht. Den an sich schon malerischen Waldestheilen, 
die durch den Ernst und die Würde ihrer altersgrauen Baumriesen impo- 
niren, verleiht die Blaurake einen neuen, ich möchte sagen contrastirenden 
Reiz durch ihre jugendfrischen, tropischen Farben, die jedoch für den Be- 
schauer fast nur dann zur Geltung kommen, wenn er in einem hügeligen 
Terrain sie von oben herab ihr munteres Wesen treiben sieht. Ein flüch- 
tiger Blick von unten lässt in ihr fast nur eine Dohle öder Hohltaube 
erkennen, es sei denn, dass sie, wie namentlich beim gegenseitigen Jagen, 
seitliche Wendungen macht, oder, wie das Männchen im Frühlinge, in der 
Luft sogar Purzelbäume schlägt. 


Il. Ordnung. Spechte, Pıcı. 


Nesthocker mit geradem, wenigstens mittellangem Schnabel, 
Nasenlöcher durch das Stirngefieder verdeckt, die feine 
Zunge weit vorstreckbar, Flügeldecken kurz, nur ein 


Kehlkopfmuskel. 


Die spechtartigen Vögel stellen eine Ordnung einheitlich gebauter, 
meist kleiner Vögel dar, welche nur in wenigen Arten die Grösse einer 
Krähe etwas übertreffen oder unter Finkengrösse herabsinken. Ihr kleines 
Gefieder ist meist zerschlissen und enthält nur wenige Dunen zwischen 
sich. Sie zeigen meist einen robusten Bau, namentlich eine starke Vorder- 
brust; das Rabenschnabelbein ist bei allen stark entwickelt. Der Kopf 
mittelgross; der Schnabel meist etwas länger als der Kopf, gerade, gleich- 
mässig von der Basis, an der die offenen Nasenlöcher durch die Stirnfedern 
bedeckt sind, zur Spitze sich verjüngend; die Zunge fein; an das Zungen- 
bein schliessen sich jedoch äusserst lange Hörner, die sich vom Munde 
zu den Halsseiten und von dort aufwärts und wieder nach vorn auf den 
Schädel bis zur Stirn hin erstrecken, woselbst sie in zwei seitliche flache 


Wendehälse. 67 


Schädelrinnen aufgenommen werden. Sie bewegen sich in einer sehr 
elastischen Scheide. Vermittelst einer besonderen Muskelvorrichtung kann 
die hornspitzige Zunge weit aus dem Schnabel vorgestreckt werden und 
dient dann zum Aufspiessen der Nahrung, oder durch den zähen Speichel 
klebrig gemacht, als Leimruthe für dieselbe. Man hat die ganze Ordnung 
deshalb wohl Pfeilzüngler (Sagittilingues) genannt. Ihre Flügelknochen 
sind etwas verkürzt, die Schwingen jedoch ziemlich lang, der Flügel stumpf, 
da in der Regel die 3., 4. und d., oder gar auch die 4, 5. und 6. Schwinge 
erster Ordnung die Spitze bilden. Die Flügeldecken sind kurz. Ihre 
Krallen stark gekrümmt, mondförmig, spitz. Von ihren Zehen ist die 
äussere Vorderzehe, welche jedoch bei wenigen fehlt, nach hinten gerichtet. 
Es sind meist wahre Waldvögel, welche sich im Walde von Insecten, doch 
auch von Sämereien nähren. Ein Kropf fehlt. Ihre Nester stehen in 
hohlen Bäumen und enthalten zahlreiche, porzellanweisse Eier. Die Jungen 
sind den Alten ähnlich und nehmen sofort Theil an den grellen Farben, 
wodurch sich die meisten auszeichnen. Sie bewohnen in mehr als 200 Arten 
die ganze Erde, mit Ausnahme von Australien, soweit überhaupt der Baum- 
wuchs noch Bestände bildet. Man hat sie in mehre Familien gesondert, 
die theilweise wiederum in zahlreiche Gattungen zerfallen. In Deutsch- 
land leben die Vertreter zweier Familien, der Wendehälse und der eigent- 
lichen Spechte. 


1. Familie. Wendehälse, Iyngidae. 


Schnabel von Kopfeslänge, rund, nur gegen die feine Spitze etwas 
zusammengedrückt, Nasenlöcher liegen nahe zusammen; Zunge mit glatten 
Rändern; Flügel kurz und stumpf, Lauf und der weichfederige Schwanz 
mittellang; die Vorderzehen an der Basis wenig verwachsen. — Diese in 
sehr wenigen Arten in der alten Welt vereinzelt lebenden Vögel bewohnen 
buschiges, mit stärkeren Bäumen und mit Gras und Kraut vielfach unter- 
brochenes Terrain, leben von Insecten und nisten in meist niedrigen Baum- 
höhlen mit nicht zu enger Oeffnung. 

Die zu dieser Familie gehörenden 4 bis 5 Spezies sind in Schnabel-, 
Flügel-, Fuss- und Schwanzbildung, sogar in Grösse und Zeichnung so 
ähnlich, dass sie nicht in mehre Gattungen haben getheilt werden können 


Wendehals, Jynz. 


Lerchengrösse, Genickfedern stumpf verlängert, Hals wenig über mittel- 
lang; die erste Schwungfeder sehr kuz, die dritte die längste. — Eine Art 


bewohnt unsere Gegenden. 
5* 


68 Spechte. 


Der gemeine Wendehals. 
Jynx torquilla L. 

Die Beschreibung dieses auf weisslichem Grunde mit tausend feinen 
schwärzlichen und bräunlichen Zeichnungen derartig bedeckten Vogels, 
dass sein Gefieder im Allgemeinen den Ausdruck des Grauen trägt, von 
dem sich der tiefbraune Rücken scharf abhebt, ist ohne grosse Weit- 
läufigkeit unmöglich. Doch jener braune Rückenstreif und die fünf dunk- 
leren Querbinden des gleichfalls fein gesprenkelten Schwanzes charakteri- 
siren ihn hinreichend. Zum Unterschiede von einigen Exoten, welche 
eine tiefrothbraune Kehle (indica, pectoralis), oder gar die fast ganze 
Unterseite (aequatorialis) so gefärbt haben, ist seine Kehle schwach gelb- 
bräunlich (im Süden, z. B. Toskana, wohl braun) und die übrige Unter- 
seite weisslich grundirt. Besondere Alters-, Geschlechts- oder Jahres- 
zeitskleider sind bei ihm nicht vorhanden. Wir treffen diesen einsamen, 
wenig lebhaften, man könnte sagen, langweiligen Vogel, im grössten Theile 
von Europa, auch in Sibirien, sogar in China und Japan (?) an. Auch 
er ist, wie Wiedehopf und Immenvogel, kein eigentlicher Waldvogel, kommt 
aber doch nie dort vor, wo Bäume gänzlich fehlen. Er liebt Waldränder 
mit Gestrüpp und freien berasten Plätzen, Kopfbäume mit lückigem Unter- 
wuchs, Obstgärten, Wallhecken, wenn niedrige alte Baumstumpfen nicht 
fehlen. Er lebt meist nahe am Boden, geht nie hoch in die Baumgipfel hin- 
auf und verbirgt sich gern im Gestrüpp, so dass man ihn verhältnissmässig 
nur selten zu Gesichte bekommt. Hauptbedingung seines Vorkommens ist 
ausserdem Bodenfeuchtigkeit. Wo ein alter Graben sich hinzieht, eine 
verwachsene Grube in irgend einem Winkel einer Haidefläche sich be- 
findet, da schlägt er, wenn die übrigen Erfordernisse vorhanden sind, gern 
seinen Heerd auf. Reine Nadelhölzer meidet er, gemischte Bestände sind 
ihm erträglich, reines Laubholz sagt ihm am meisten zu. Hier in Neu- 
stadt, wo er gemein ist, lassen sich diese Verhältnisse leicht beobachten. 
Gegen Ende April langt er bei uns an, doch habe ich seine Ankunft in 
einzelnen Jahren auch früher, am 11. 15. 19. April notirt, und man 
hört dann zum Ueberdruss seinen gleichfalls langweiligen Ruf, ein unauf- 
hörliches „Gäth, Gäth, Gäth....’, wodurch er seine Verwandtschaft mit 
den Spechten bekundet. Im Uebrigen weicht er in seinem Leben nicht 
unerheblich von diesen ab, da er weder klettert noch meisselt. Seine 
Hauptnahrung besteht aus Ameisen, die er mit seiner klebrigen Zunge 
auffängt, oder Ameisenpuppen, welche von ihm mit der Zungenspitze har- 
punirt werden. Seinen Namen hat er durch sein komisches Verdrehen 
und Recken des Halses, womit er ein Sträuben der Kopffedern, fächer- 
förmiges Ausbreiten des Schwanzes, sogar ein halbes Schliessen seiner leb- 


Spechte, 69 


haft braunen Augen verbindet, erlangt, wenn er sich in äusserster Erregung, 
wie etwa in den Händen des Vogelstellers, befindet. Seine Eier, gegen 7, 
liegen ohne Unterlage in einer niedrigen Baumhöhle, auf denen er sehr 
fest brütet. Alte Obstbäume wählt er sehr gern als Brutstellen. Auch 
bei ihm verunreinigen die Jungen in arger Weise den Nestraum. — Eine 
forstliche Wichtigkeit kann diesem harmlosen Vogel in keiner Weise bei- 
gelegt werden. 


2. Familie. Spechte, Picidae. 


Die Gestalt ist kräftig, die Brust breit und flach, der Kopf stark, 
Schädelknochen sehr fest, Hirnschale stark gewölbt, oberhalb mit zahl- 
reichen kleinen Eindrücken versehen, Schnabel meist über 'mittellang, ge- 
rade, selten sanft gebogen, äusserst fest, kantig, dessen Spitze ein senk- 
rechter scharfer Meissel; die kleine Zunge mit seitlichen Widerhaken ver- 
sehen; die Flügel mittellang, die Schwingen starr; der Lauf kurz, grob 
geschildert, die Krallen spitz und stark mondförmig gebogen; der Schwanz, 
dessen beide äussersten, sehr kleinen Federn auf den vorletzten liegen, 
keilförmig; die nach der Bauchseite gebogenen Schäfte der Steuerfedern 
sehr dick und elastisch, ihre Fahne, welche sich an der Spitze sehr ver- 
jüngt, starr, der letzte Schwanzwirbel eine horizontale Platte. Ihr Ge- 
fieder ist bunt, in oft grell abstechenden Partieen, an welchen Tönen meist 
auch die Jungen Theil nehmen. Männchen und Weibchen sind äusserlich 
an irgend einem grell gefärbten Theil des Kopfes zu erkennen. Die 
Spechte stehen als wahre Waldvögel dem Interesse des Forstmannes nahe. 
Aus der Rinde und dem Holze der Waldbäume hacken sie ihre Insecten- 
nahrung. Doch leben manche auch von Baumsämereien, andere hüpfen 
auch auf dem Erdboden nach ihrer Nahrung. An den Bäumen klettern 
sie unter vertikaler Körperhaltung den Stamm in Sprüngen hinauf, auch 
umspringen sie ihn in derselben Haltung. Der elastische Schwanz dient 
ihnen bei dieser Bewegung, und beim Hacken gebrauchen sie ihn gleich- 
sam als Stuhl, indem sie sich mit dessen Federspitzen auf die rauhe Borke 
stützen. Zu Schlaf- und Brutstellen meisseln sie sich kreisrunde Löcher 
und Höhlen. Sie ruhen selten der Quere nach, sondern fast stets der 
Länge nach auf einem stärkeren Zweige oder Aste. Sie sind sehr un- 
ruhige, stets bewegliche, fast unaufhörlich nach Nahrung kletternde und 
hämmernde Vögel, die durch dieses ihr lebhaftes Wesen, sowie durch ihre 
laute Stimme und ihr Trommeln den stillen Wald angenehm beleben. 
Das letzte hört man fast nur im Frühlinge von ihnen. Sie sitzen dabei 
an irgend einem dürren Zacken und hämmern schnell mit dem Schnabel auf 
denselben, so dass hierdurch, sowie durch die Repercussion des Zackens 


70 Spechte, 


gegen den Schnabel dieser Trommellaut entsteht, der je nach der Grösse 
und Resonnanz des Zackens bald errrrrr, bald arrırrr, bald orrrrrr lautet. 
An einer solchen Trommel sitzt der Specht oft lange unbeweglich und 
trommelt in der Regel in’grossen Intervallen. Zuweilen springt er plötz- 
lich zu einem anderen Trommelzacken, dann wieder schnell zum ersten, 
so dass er wie auf zwei verschieden gestimmten Pauken spielt. Der eigent- 
liche Paarungsruf ist ein in der, Regel lang gedehnter, oft -kläglich lauten- 
der Schrei, oft nur eine Steigerung seiner sonstigen Stimme, etwa eine 
schnelle Wiederholung seines Schreies. Zur Brutzeit hält jedes Paar ein 
mehr oder weniger bedeutendes Revier inne, ausser derselben pflegen die 
Spechte umherzustreifen und kommen dann wohl in Gärten. Gesellig 
sind sie auch dann keineswegs. Ihre Bruthöhle meisseln sie selbst und 
benutzen dieselbe später nur selten wieder. Die am Fusse des Baumes 
liegenden Holzspähne verrathen ihre Arbeit. In der Regel wählen sie eine 
faule Aststelle zur Anlage derselben. Die Ueberwallung oder sonst die 
Beschaffenheit des Stammes daselbst schützt die Höhle bei herablaufendem 
Regen vor Nässe. Ihr Flug geschieht ruckweise in Wellenlinien, wobei 
die Flügel S—12 Mal äusserst schnell geschlagen und dann an den Körper 
gelegt werden. Beim ersten hört man ein starkes Schnurren. Den Stamm, 
an den sie sich häkeln wollen, erreichen sie stets nach dem 'absteigenden 
Bogen ihrer Flugwelle, indem sie sich durch die Fallgeschwindigkeit wiederum 
etwas heben. — Ihre, meist zahlreichen festschaligen Eier liegen in der 
unten erweiterten Bruthöhle ohne Unterlage. — Ihre sehr zahlreichen Arten 
bewohnen ausser Madagaskar und Australien die ganze Erde, soweit die 
Bewaldung reicht. Man hat sie mit Recht in mehre Unterfamilien und 
eine grosse Anzahl Gattungen getheilt. Von vieren der letzten haben wir 
in Deutschland Repräsentanten, doch wird es nicht unzweckmässig. sein, 
wenn sie hier unter die eine Gattung Specht (FPicus) zusammengefasst 
werden, für welche die Charakteristik der Familie gelten möge. 

Die forstliche Bedeutung ist die für uns wichtigste Seite dieser inter- 
essanten Waldvögel. Sie möge nach kurzer Behandlung unserer acht in- 
ländischen Arten am Schlusse folgen. 


Il. Der Schwarzspecht. 
Picus martius L. 
Dieser stattliche Vogel von fast Krähengrösse ist tief mattschwarz 
- mit hochrothem Scheitel (Männchen) oder Genick (Weibchen), leuchtend 
gelber Iris und hornblauem Schnabel und Beinen. An seinen breiten Flü- 
geln bildet die 4., 5. und 6. Schwinge die Spitze. Er gehört zu der, 
ausser ihm nur noch in Amerika durch 16 Arten vertretenen Gruppe 
Dryocopus, welche sich durch bedeutende Grösse, äusserst kräftigen 


Der Grünspecht. Ti 


Körperbau und Schnabel, sowie durch die schwarze Hauptfarbe auszeichnen. 
Deutschland bewohnt er sporadisch und dünn, verbreitet sich übrigens in 
Europa bis zur Mittelmeerfauna und bewohnt auch das angrenzende Asien 
in ähnlicher Breite. In Westfalen habe ich ihn nie angetroffen, hier bei Neu- 
stadt ist er überall Standvogel, jedoch nur recht einzeln, häufiger sah und 
hörte ich ihn in den süddeutschen Hochgebirgen, Tyrol, Schweiz. Sein 
Flug, häufig niedrig im alten Hochwalde durch die Stämme, im Freien 
über grosse Flächen sehr hoch, gleicht einem fast lahmen Flattern, indem 
er unregelmässig schlägt, aber keineswegs so scharf und bestimmt inter- 
mittirt als die übrigen Spechtee Dem Tannen- und Eichelheher ist sein 
Flug am meisten ähnlich. Die verlängerten Genickfedern, verbunden mit 
dem Contrast der Farben, lassen ihn fliegend als hinter dem Kopf aus- 
gekerbt erscheinen. Den Stamm springt er mit aufgerichteter Brust und 
keck zurückgebogenem Halse in grossen Sätzen äusserst geschickt hin- 


” 


auf. Sein Ruf ist ein nicht gar lautes „Krick Krick....”, sein Paarungs- 
schrei, den er am Brutplatze im Frühling eifrig, doch auch im Herbste 
hören lässt, ein Pfiff, der in einem nur in der Nähe hörbaren Grundton 
beginnt, schnell zur langgedehnten Quinte überschlägt und dann wieder ver- 
nehmlich in den Grundton zurückfällt. Er hauset nur in ausgedehnten 
alten Wäldern und scheint hier bei Neustadt die Buchen den Kiefern vor- 


zuziehen. Seine Nesthöhle steht in der Regel hoch. 


2. Der Grünspecht. 
Pieus viridis L. 

Mit dem folgenden, dem Grauspecht, vertritt er in Deutschland eine 
zweite Gruppe, (reeinus, Erdspechte, welche sich in 10 Arten ausser in 
Europa, noch in Asien und Afrika finden. Sie bewohnen mehr die Wald- 
ränder und lückigen Waldesstellen, auch Baumreihen und einzeln stehende 
Bäume, als den tiefen geschlossenen Wald, setzen sich häufig auf den 
Boden und nähren sich gern von Ameisen. Grün ist ihre Hauptfarbe. 

Die Federn des Oberkopfes und Genickes sind beim Grünspecht asch- 
blau mit hochrothen Spitzen, Gesichtsseiten schwarz, desgleichen auch ein 
Backenstreif, der jedoch beim Männchen eine carmoisinrothe Mitte zeigt’ 
Die Jungen tragen ein gleiches, jedoch durch Flecken und Schuppenzeich- 
nung unrein gefärbtes Kleid. Iris schneeweiss.. Der Grünspecht bewohnt 
an den bezeichneten Oertlichkeiten ausser einem Theile von Asien fast 
ganz Europa in der Ebene wie im Gebirge. In Süddeutschland habe ich 
ihn noch allenthalben bis fast 1500 Meter Meereshöhe angetroffen. Er 
ist ein wahrer Charaktervogel der Feldhölzer und kleinen Wäldchen, be- 
gnügt sich sogar gern mit einer Reihe alter Kopfweiden, wenn sich einige 
alte Pappeln oder Eichen in der Nähe befinden Das Münsterland ist so 


72 Spechte. 


recht sein Eldorado, während man ihn hier in unseren ausgedehnten Wäl- 
dern weit spärlicher antrifft. In unseren Nadelholzwäldern begegnet man 
ihm nur ganz einzeln auf seinen Streifereien. Sehr häufig hüpft er 
auf dem Boden nach seiner Nahrung, welche zum grössten Theile in 
Ameisen und deren Puppen besteht, umher. Er verlangt deshalb für seinen 
Aufenthalt ausser alten Bäumen freie Plätze, Wiesen, Viehtriften, breite 
Raine und dergleichen. In grösseren Wäldern jagt man ihn fast stets von 
Gestellen und breiten Fahrwegen auf. Die grossen Haufen der Wald- 
ameisen besucht er fleissig und hackt oft tiefe Löcher hinein, die ihn voll- 
ständig aufnehmen. Als scheuer Vogel zieht er sich jedoch alle Augen- 
blicke daraus zurück, um sich nach irgend einer Gefahr umzusehen. Nichts 
desto weniger wurde er von einem feindlichen Heher im Winter einst 
überrascht und es entspann sich zwischen beiden ein possirlicher Kampf, 
der mit der Flucht des Grünspechtes endigte. Inseeten hackt er fast nur 
aus’ Weichhölzern, besonders aus den Kopfweiden die Larven des Bisam- 
bockes (Carambyx moschatus), auch die des Weidenbohrers (Cossus lignt- 
perda) werden oft seine Beute. Im Uebrigen hackt er wenig. Nie habe 
ich ihn trommeln gehört, nie, auch nicht in der Paarungszeit diesen Allein- 
herrscher in seinem Reviere durch Pochen anlocken können. Ausser der 
Fortpflanzungszeit streift er ziemlich weit umher, ohne jedoch die Gegend 
zu verlassen, und kommt dann wohl in Gärten, sogar an einzelne Bauern- 
häuser. Sein bekanntes Geschrei „Gück, Gück, Gück....” steigert sich 
durch öftere und gegen Schluss schnellere Wiederholung dieser Silben zum 
Paarungsruf, den man bei heiterem Wetter schon sehr früh, etwa Anfangs 
März, ja zuweilen mitten im Winter, etwa Ende Januar hört. Dieser 
Ruf wird durch die Benennung „Lachen” sehr gut bezeichnet. Nach Mitte 
April findet man meist schon das volle Gelege, etwa 6 Eier, welche ich einst 
nicht weiss, sondern von der Eichenlohe (das Nest stand in einer starken 
Eiche) stark braun gewolkt fand. Ich besitze noch zwei von diesen. In 
diesem Falle war als seltene Ausnahme der Nestraum nicht trocken ge- 
wesen. Seine Bruthöhle steht ziemlich hoch, selten unter 10 Meter vom 
Boden entfernt, doch habe ich sein Nest wiederholt in niedrigen Kopf- 
weiden, einmal sogar kaum 1,5 Meter hoch gefunden. Das letzte enthielt 
am 22. Mai Junge. 


3. Der Grauspecht. 
Picus canus Gm. 


Der Grauspecht ist die kleinere Ausgabe des Grünspechtes; sein 
Scheitel grau, beim Männchen mit rothem Stirnfleck, Wangen ebenfalls grau, 
der schwarze Bartstreif schwach; Iris rosa. Die Jungen ebenso buntfleckig 
als die des Grünspechtes, im Uebrigen haben sie die charakteristischen 


Der grosse Buntspecht. 73 


Zeichnungen der Alten. Er soll in Europa weit nördlicher vorkommen 
als der Grünspecht, auch in Asien und Amerika heimisch sein. In 
Deutschland tritt er jedenfalls sehr sporadisch auf. Während er in man- 
chen Gegenden noch nicht, oder nur im Frühling oder Herbst auf seinen 
weiten Streifereien als Durchzügler angetroffen ist, übertrifft er in anderen 
als Brutvogel an Häufigkeit den Grünspecht. Die Behauptung, dass er 
im Gegensatz zum Grünspecht Gebirgsvogel sei, trifft nach keiner Seite 
hin zu. Ich habe, wie vorhin bemerkt, in den bayerischen Alpenländern 
den Grünspecht zahlreich angetroffen, und der Grauspecht ist um Braun- 
schweig ein häufiger Vogel. Im westlichen Süddeutschland, z. B in der 
Umgegend von Stuttgart ist er gemein. Für das Münsterland dagegen 
kenne ich ihn nur als Durchzügler, und zwar hört und sieht man ihn 
um Pfingsten einzeln in den alten Laubwäldern, im Herbst habe ich ihn 
dort im September erhalten, am 11. November wurde er durch Anprall 
gegen einen Telegraphendraht frisch getödtet gefunden. Hier bei Neustadt 
habe ich noch keinen bemerkt. In seinem Betragen ähnelt er in jeder 
Hinsicht dem Grünspechte; doch ist er an seiner helleren Stimme, die 
statt des Ü des Grünspechtes ein I als Vokal hat, so wie auch in be- 
deutender Höhe an dem hellen Gesichte leicht zu erkennen. 


4. Der grosse Buntspecht. 


Picus maior L. 


Die dritte, durch vier Arten bei uns vertretene Spechtgruppe bilden 
die Buntspechte (Fieus), kleine, gedrungene kurzhalsige Spechte, deren 
schwarz- und weissscheckiges Gefieder, dem in der Regel auch noch 
leuchtendes Roth beigemischt ist, ihnen ihren Namen verschafft hat. Es 
sind wahre Waldspechte, welche sich in etwa 40 Arten über Europa, 
Asien und Amerika verbreiten. Afrika scheint keine eigenthümliche 
Spezies zu besitzen. 

Der grosse Buntspecht, von etwa Schwarzdrosselstärke, zeichnet sich 
vor seinen nahen Verwandten, durch kurzen dicken Schnabel, dieken Kopf, 
gedrungenen Körper, sowie durch den tiefschwarzen, beim Männchen mit 
einem hochrothen queren Nackenstreif gezierten Oberkopf, tiefschwarzen 
Rücken und hochrothe Unterschwanzdeck- und Afterfedern aus. Die 
Weichen sind wie alle hellen Partieen der Unterseite weisslich, oft bräun- 
lich, bei einzelnen Exemplaren sogar gesättigt braun. Bei den Jungen 
beiderlei Geschlechts zeigen die schwärzlichen Federn des Vorderscheitels 
hochrothe Spitzen, welche sich selten so decken, dass der schwärzliche 
Grund nicht sichtbar ist. Bei den jungen Männchen zieht sich diese 
rothe Scheitelzeichnung bis fast zum Hinterkopfe hin, Die rothen After- 


74 Spechte. 


und Unterschwanzdeckfedern sind bei den Jungen blassroth. Dieses Ju- 
gendkleid verlieren sie in der Mitte September. Vom Schnabel zieht sich 
ein tief schwarzer (bei den Jungen schwächerer und blasserer) Streif zur 
Kropfgegend hin, woselbst er sich zu einem grösseren Querfleck verbrei- 
tert, nachdem er vorher einen Ast zum schwarzen Hinterhals abgegeben 
hat, so dass die weissen Wangen von tiefschwarzen Binden umgeben 
werden. In jenem starken schwarzen Kropffleck zeigen die Mittelfedern 
bei manchen südlichen (Spanien, Afrika) Individuen rothe Spitzen, ja es 
zieht sich dieses Roth wohl über diesen Fleck hinaus nach der Brust- 
mitte zu in ein queres Brustband zusammen. Das ist die Form, welche 
man als P. numidicus Malh. spezifisch von mator abgetrennt hat. Doch 
muss ich bemerken, dass diese südlich rothbrustige Form sich auch noch 
durch spitzeren Schnabel, sowie durch feinere weisse Flecken der Schwin- 
gen von unserem gewöhnlichen maior unterscheidet. Ich habe übrigens 
wahre maior aus Portugal gesehen, bei denen Schnabel und die feineren 
Schwingenflecken sich in nichts von den betreffenden Theilen des numt- 
dieus unterschieden, und ausser diesen, was wichtig ist, Mittelformen und 
Uebergänge. Die rothe Brustzeichnung ist, wenn auch nicht in höchster 
Entwickelung, bereits mehrmal in Deutschland vorgekommen, und ich 
selbst schoss am 3. April 1861 einen bereits gepaarten, also sicher hei- 
mathberechtigten P. numidieus im Geister Holz bei Oelde (Münsterland) 
und ein zweites Exemplar mit freilich nur sehr schwacher Andeutung 
vom Roth auf der Brust, jedoch solches sowohl auf dem schwarzen Fleck 
als auf der hellen Mitte, hier bei Neustadt. Von Nestvögeln, welche auf 
den erwähnten Flecken eine, dem Roth der Afterfedern entsprechende 
blassröthliche Zeichnung tragen, habe ich ebenfalls schon ein Individuum 
besessen. Auch der P. eruentatus Ant. aus Syrien und Palästina ist 
wohl nichts anderes als unser grosser Buntspecht in dieser südlichen 
Form; vielleicht auch 7. himalaiensis mit ihm zu identificiren. Wenn 
wir also, woran nicht zu zweifeln ist, die erstgenannten südlichen For- 
men, von maior spezifisch nicht trennen können, so hat letzterer nach 
Süden und Südosten hin eine weite Verbreitung. Auch soll er in Russ- 
land, Sibirien und anderen Theilen von Asien vorkommen. — Der grosse 
Buntspecht ist durchaus an den Wald gebunden und belebt in anmuthi- 
ger Weise zahlreich den öden Hochwald, zieht jedoch den Nadelholzwald 
derartig dem Laubholzwalde vor, dass man ihn geradezu als Nadelholz-, 
namentlich als Kiefernvogel bezeichnen kann. Er ist der ausgeprägteste 
Charaktervogel unserer Kiefernwälder. In den alten Kiefernwäldern lebt 
er, z. B. hier bei Neustadt sehr zahlreich; in üppigen Stangenorten 
sieht man ihn verhältnissmässig selten, häufiger noch, jedoch nur vor- 
übergehend zwischen alten Kusseln, die unregelmässig und lückig auf 


Der grosse Buntspecht. 23 


armem Boden stehen. Im Laubholz scheint er Eichenwälder den Buchen- 
wäldern vorzuziehen. Nichts desto weniger treibt er sich in sehr alten, 
abständigen Buchen in der Nähe vom alten Kiefernwald sehr gern um- 
her. Ein Pochen, gewöhnlich zwei oder drei Hiebe in Pausen, hört man 
von ihm mehr als von anderen Spechten, da er fast unaufhörlich häm- 
mert. Das leichteste Mittel, ihn anzulocken, ist ein nachgeahmtes Pochen 
in gleichem Tempo, ihn beim Pochen aufzufinden, das Anlegen des Ohres 
an die einzelnen Stämme, an denen man ihn vermuthet. Geräth man an 
den richtigen, so vernimmt man den Ton, wenn der Specht nicht gerade 
fern vom Schafte auf einem Zweige hämmert, überraschend scharf, als 
wenn das Innere des Stammes erzitterte. Er vermag es mit Leichtigkeit 
auch das härteste Holz nach einer grösseren Larve aufzuschlagen. Gleich- 
falls hämmert er gern Haselnüsse, die er vorhin Ih eine Borkenspalte 
klemmt, auf. Mit Kiefernzapfen verfährt er auf gleiche Weise. (Vergl. am 
Sehlusse der „Spechte“ die „Samennahrung.*) Er treibt sich am liebsten 
in den höheren Baumpartieen umher; längere Zeit am Boden umher- 
hüpfen habe ich ihn nur im Winter in einem Garten gesehen; er 
sprang jedoch, um seine Natur nicht zu verleugnen, alle Augenblick an 
den Stamm eines nahen Obstbaumes und aufgenommene Nahrung wurde 
auf einem Aste desselben mundgerecht verarbeitet. In ähnlicher Weise 
zerhackt er auch Maikäfer, so dass die Flügeldecken und andere grössere 
ungeniessbare Panzertheile sofort in Fetzen umherfliegen. Ameisen oder 
deren Puppen nimmt er nicht. Mehr als audere Spechtarten setzt er 
sich vorübergehend wohl quer auf einen Zweig. Nicht selten ruht er 
hoch über den Baumkronen an einer dürren Zacke, jedoch nur bei hei- 
terem ruhigen Wetter. Er fliegt dann gewöhnlich nach für einen so 
beweglichen Vogel ziemlich langer Ruhe einer entfernten Waldpartie zu. 
Sein Trommeln ‘hört man von ihm im Frühlinge recht häufig. Gegen 
den Herbst streicht er in der Umgebung seines Brutterrains umher, doch 
scheinen mir die im Kiefernwalde lebenden grossen Buntspechte fast 
Standvögel zu sein, während die in Laubhölzern wohnenden entschieden zu 
den Strichvögeln zu rechnen sind. Sein Schrei besteht in einem in grossen 
Intervallen, nur in Aufregung, z. B. wenn man sich seinem Neste nähert, 
rascher wiederholten „Kitt*. Geflügelt vom Baume herabgeschossen, er- 
hebt er während des Falles ein sehr lautes und anhaltendes Geschrei. 
Seine Nesthöhle steht nie niedrig, in der Regel 10 M. und lıöher. Seine 
länglichen Eier, etwa 5, haben weniger Porzellanglauz als die der übri- 
gen einheimischen Spechte. — Er ist von allen Spechten derjenige, wel- 
cher sich im Walde durch sein Arbeiten dauerud am meisten bemerk- 
lich macht. 


76 Spechte. 


5. Der weissrückige Buntspecht. 
Piens leuconotus Bech. 

In Grösse übertrifft dieser Specht den grossen Buntspecht nicht un- 
erheblich. Seine Gestalt ist gestreckter, sein Schnabel von allen Bunt- 
spechten absolut wie relativ am längsten. Er ist leicht an dem weissen 
Mittelrücken zu erkennen. Das Männchen hat einen hochrothen Scheitel, je- 
doch scheint stets die graue Federmitte zwischen den rothen Spitzen hindurch, 
das Weibchen einen schwarzen. Der grosse weisse Schulterfleck anderer 
Buntspechte fehlt hier; die weissen Flügelflecken und Bänder sind jedoch 
grösser und breiter, so dass er den Namen „Weissspecht“* wohl verdient. 
An den sibirischen Exemplaren ist das Weiss noch ausgedehnter als an 
den unsrigen. Das Jugendkleid (vor der ersten Mauser) ist noch so 
wenig bekannt, dass es genauer beschrieben zu werden verdient. Stirn, 
wie bei den Alten, weisslich, die schwarzen Scheitelfedern bis etwas über 
die Scheitelmitte mit trübrothen äussersten Spitzen, so dass der vordere 
Theil des Oberkopfes schwarz mit trübrothen Punkten besetzt erscheint. 
Die ganze Unterseite trübweiss grundirt, nicht, wie bei den Alten, die 
Weichen rosa, nur die allerletzten Bauch- und die unteren Schwanzdeckfedern 
ganz schwach röthlich; der seitliche Brustfleck schwach, Kehle und Mitte 
der Vorderbrust, wie bei den Alten, ungefleckt, die übrige Unterseite mit 
kurzen, nach dem Schwanze zu allmählig verloschenen Schaftflecken. 
Jedes Weiss der Alten ist an den Jungen trübe mit Ausnahme der 
weissen Rückenpartie und der völlig so breiten und grossen weissen 
Flügelbinden und Flecken. Die” brandbraune Färbung der ‚Spitzen der 
5, 4. und 5. Steuerfedern ersetzt hier ebenfalls ein trübes Weiss; jenes 
Braun ist nur in sehr schwacher Andeutung vorhanden. -—- Man hat die- 
sen Buntspecht ganz nach Norden und namentlich nach Osten versetzen 
wollen. Bei uns brütet er jedoch, vielleicht schon seit einer langen Reihe 
von Jahren. Im Winter habe ich ihn selbst 1853 im Invaliden-Park bei 
Berlin in nächster Nähe bemerkt. Ein weibliches Exemplar unserer 
akademischen Sammlung ist hier in der Brütezeit im Lieper Revier in 
der Nähe des Plager See’s 1850 von dem jetzigen Oberförster von Gross- 
Schönebeck Herrn Witte, und ein Männchen vom Herrn Grafen Ma- 
tuschka, früherem Forstmeister in Oppeln, als er 1847 hier studirte, 
im Juni geschossen. Einen sicheren Beweis seines hiesigen Brütens 
erhielt ich jedoch erst im verflossenen Jahre. Am 28. Mai nämlich 
brachte mir der Herr Forstkandidat Hesse ein altes Männchen mit ab- 
getragenem Kleide (ein Zeichen, dass es hier gebrütet hatte), welches er 
Tags vorher gleichfalls im Lieper Revier, in der Nähe des Plager See’s 
erlegt hatte, unter dem Bemerken, dass er es beim Füttern eines Jungen 


Der mittlere Buntspecht. rt 


beobachtet hätte Auf mein dringliches Ersuchen um Erlegung eines 
weit werthvolleren Jungen, erhielt ich das vorhin beschriebene am 
l. Juni. Ich zweifle nicht daran, dass schon zu Witte’s und Matuschka’s 
Zeit, vielleicht seit jeher dieser Buntspecht hier gebrütet hat. Von un- 
sern Förstern kennt ihn nur einer, Lassig. Derselbe beschreibt ihn mir 
eben so einfach als richtig, als „einen Buntspecht mit einem grossen, 
weissen Dreieck auf dem Rücken.“ Sein Belauf enthält eben die Stellen, 
an denen damals Witte das Weibchen und jetzt Hesse Männchen und 
Junges im Sommer erlegt haben. Auch bei München und in Schlesien ist 
er brütend vorgekommen. Er scheint nicht Kiefer-, sondern Laubholzvogel 
zu sein, da er jetzt in alten Buchenwäldern, vom Grafen Matuschka in 
gemischtem Bestande angetroffen wurde, — In seinem Betragen konnte 
Herr Hesse nichts besonders Abweichendes von dem anderer Buntspechte 
bemerken; jedoch behauptet er sehr auffallender Weise, den geschossenen 
jungen Vogel beim Trommeln beobachtet zu haben. Ich selbst habe ihn 
damals als einen wenig scheuen Vogel kennen gelernt, so dass ich mit 


einem Schneeball nach ihm werfen konnte. 


6. Der mittlere Buntspecht. 
Pieus medius L. 

Singdrosselgrösse; in Körpergestalt und Kopfform die kleinere Aus- 
gabe des weissrückigen Buntspechtes; auch die gelbliche Grundfärbung 
der Unterbrust, welche in Rosa am Bauche, den Weichen und Unter- 
schwanzdeckfedern übergeht, hat er mit leuconotus gemein. Der grosse 
Buntspecht ist in Allem weit gedrungener, ich möchte sagen klobiger 
gebaut. Oberkopf rein und hell carminroth, diese rothen Federn beim 
Weibchen den Nacken nicht mehr erreichend, zerschlissen und fast schopf- 
artig verlängert; der Bartstreif sehr schwach, so dass man ihn auch 
hoch im Baume an dem hellen Gesichte leicht von maior unterscheiden 
kann. "Durch das grosse weisse Flügelschild, sowie durch den schwarzen 
Rücken, welche er mit maior gemein hat, unterscheidet er sich von leu- 
conotus auffallend. Der Mantel ist häufig nicht tiefschwarz, sondern wie 
etwas verblichen, bräunlich.. Man findet diesen Specht im gemässigten 
Europa sporadisch, denn er scheint die höheren Gebirge, sowie die grossen 
Nadelholzhochwälder zu vermeiden. Im Laubholz, namentlich in alten 
Eichenwäldern finden wir ihn in Deutsghland überall. Jedoch wählt er 
am liebsten alte, recht weitständige Eichen dort, wo andere Laubholz- 
arten und verschiedenes Gebüsch das Unterholz bilden. Zu kleine Feld- 
hölzer liebt er nicht. Er ist im Allgemeinen weit weniger häufig, als 
der grosse Buntspecht, an manchen Orten, sogar an solchen, in denen er 
früher eine gewöhnliche Erscheinung war, fast selten. In seinen Bewe- 


78 Sjechte. 


gungen zeigt er sich sehr unruhig, und mit maior verglichen, zierlicher. 
Er pocht weniger derbe, als dieser, macht sich keine „Hobelbänke”, ob- 
schon auch er Nüsse, Eicheln, Kirschensteine und Bucheln zum Zerklauben 
einklemmt. Seine Lockstimme ähnelt der von maior, doch ist sie höher 
und der einzelne Schrei wird mehrmals, zuweilen ziemlich schnell nach 
einander ausgestossen. Im Frühlinge schnurrt auch er. Sein Geschrei, das 
er dann hoch in der Eiche ertönen lässt, gleicht einem kläglichen, wie in 
höchster Angst ausgerufenen, in kleinen Intervallen mehrmals wiederholten, 
gezogenen „Aeh, Aeh”. Auch er schreit, fluglahm von der Höhe herab- 
fallend, laut. Ausser den eben genannten Sämereien nährt er sich haupt- 
sächlich von Insectenlarven. Seine Nesthöhle steht selten unter 10 Meter, 
in der Regel in einer alten Eiche. Gegen den Herbst beginnt er, in der 
Gegend, umherzustreichen und kommt dann nicht selten in den Obst- 
gärten, sogar mitten in kleinen Städten und Dörfern vor. 


7. Der kleine Buntspecht. 
Picus minor L. 

Die geringe, (etwa Sperlings-) Grösse lässt diesen Buntspecht nicht 
verkennen. Das Männchen hat einen rothen, das Weibchen einen 
weissen, jedoch nicht bis zum Hinterkopf reichenden Scheitel; ein grosses 
weisses Flügelschild, sowie eine rothe Zeichnung am Unterkörper nicht 
vorhanden, dagegen ist, ähnlich wie bei leweonotus, die Rückenmitte weiss, 
jedoch dieses Weiss durch schwarze Querflecken unterbrochen. Im Lei- 
dener Museum steht ein Exemplar aus Halle a. S., bei dem der ganze 
Scheitel bis auf einen kleinen Stirnfleck, sowie ein breiter Strich vom 
Auge über die Ohrgegend schwarz sind. Er lebt in Nord- und Mittel- 
europa und Sibirien, und ist bei uns ein fast allenthalben bekannter, je- 
doch wohl nirgends zahlreich vorkommender Vogel. Er wählt wie medius 
gern die alten Eichen, hält sich aber fast nur in den schwächeren sper- 
rigen Aesten und Zweigen derselben auf, wohl deshalb, weil die Borke 
der unteren Partieen für seine Schuabellänge zu dick ist. Auf seinen 
Streifereien, welche etwa Mitte September beginnen und den ganzen Winter 
über dauern, trifft man ihn jedoch oft genug niedrig im Unterholze, ja 
im Gebüsch und Gestrüpp an. Er zeigt sich dann in der Regel sehr be- 
weglich und flüchtig und verschwindet dem ihn Verfolgenden, zumal wenn 
stellenweise Schnee auf den Zweigen und alten Blättern liegt (seines vielen 
Weiss wegen) schnell aus den Augen. Alte Kiefern, zumal in der Nähe 
von Laubholz, vermeidet er keinesweges; Alleebäumen, zumal Pappeln, 
folgt er gern; im Winter scheint er sich in den Gartenobstbäumen recht 
wohl zu fühlen. Seine Stimme ist ein hohes, oft und schnell wiederholtes 
„Pitt”, das man besonders im Frühlinge oft von ihm hört. Auch dieser 


Der dreizehige Specht. — Forstlicher Wirth unserer Spechte. 79 


Zwerg schnurrt, freilich an einer nur schwachen Zacke. Seine selbstge- 
meisselten Bruthöhlen befinden sich, seinem Sommeraufenthalte entspre- 
chend, in der Regel recht hoch, etwa gegen 30 Meter. Ein niedriger 
Neststand ist für ihn seltene Ausnahme. Das feine, kreisrunde Flugloch 
befindet sich zuweilen auf der Unterseite eines fast horizontal verlaufen- 
den Astes. Ob er ausser Insectennahrung auch Baumsämereien verzehrt, 
ist nicht bekannt. 


8 Der dreizehige Specht. 
Picus tridactylus L. 

Man hat die dreizehigen Spechte, von denen es übrigens nur 9 sehr 
ähnliche Arten in Europa, Asien und Nordamerika giebt, gleichfalls als 
eine eigene Gattung, Apternus, aufgestellt, da ihnen die innere Hinterzehe 
fehlt. Man würde sie sonst wohl zu der Gruppe der Buntspechte ge- 
rechnet haben, obschon auch noch andere Eigenthümlichkeiten sie unter- 
scheiden. Der Schnabel ist dünn, der Scheitel des Männchens gelb, des 
Weibchens weiss; roth fehlt gänzlich an ihnen; auch ist ihr Gefieder bei 
Weitem weniger buntscheckig, da das Weiss in den Flügeln sich nur auf 
kleine Fleckchen erstreckt. Unsere europäische, dem Norden, namentlich 
dem Nordosten, doch auch den Alpen angehörende, und nur selten bis 
in’s Innere von Deutchland sich verirrende, dem mittleren Buntspecht an 
Grösse und Gestalt am meisten ähnliche Art, ist durch Vorstehendes hin- 
reichend gekennzeichnet. Auch charakterisirt ihn ein weisser Längsstreif 
auf dem Rücken mit unbestimmt zackigen Rändern. Er ist vorzüglich 
Nadelholzvogel. 


Forstlicher Werth unserer Spechte. 


Als wahre Waldvögel begegnen die Spechte dem Forstmann auf Schritt 
und Tritt. Sie beleben den stillen Wald in einer durch keine andere 
Vogelgruppe zu vertretenden Weise. Sie tragen ohne Zweifel ein ausser- 
gewöhnliches, fremdartiges Lebenselement in den Wald. Wenn ihre Er- 
scheinung auch im Allgemeinen mit der Harmonie, wie -wir sie überall 
um uns her finden, nicht in Widerspruch tritt, wenn wir es darnach z. B. 
ganz angemessen erachten können, dass der Grünspecht, den wir so oft 
vom grünen Rasenteppich verscheuchen, eine grüne Hauptfarbe trägt, dass 
der dem tiefen düsteren Hochwalde zugetbeilte Schwarzspecht eben schwarz 
ist u. s. w.,, so liegt doch auch schon in diesen ihren Farben selbst etwas 
Ungewohntes, Neues, Auffälliges und somit Interessantes. Die scharfe 
Gegensatzfarbe auf dem Scheitel jenes, das todte, stumpfe Schwarz dieses 
Spechtes, das scheckig bunte Gefieder unserer kleinen Arten, das krasse 


s0 Spechte. 


Roth überhaupt, welches wir sonst so äusserst selten in unserer Fauna 
finden, sind eben solche Momente, welche unser Interesse in jedem ein- 
zelnen Falle wieder erregen. Erhöht wird dasselbe ohne Frage durch die 
so singuläre Lebensweise der Spechte. Dieser sonderbare Flug, dieses 
enge und ängstliche Anklammern derselben an die Stämme und stärkeren 
Aeste der Waldbäume, das springende Emporklettern am Stamme, das 
scheue Umspringen desselben, das verstohlene Spähen hinter demselben, 
das unerwartete gedeckte Abfliegen, das Trommeln und eifrige Hämmern 
und Pochen, die lauten Schreie, kurz die stete Urplötzlichkeit aller ihrer 
Bewegungen und Lebensäusserungen kommen in dieser Gesammtheit keiner 
anderen Vogelgruppe zu, und contrastiren so sehr mit der Lebensweise 
unserer gesammten übrigen Vogelwelt, dass die Spechte dem Walde einen 
wahrhaft neuen Reiz verleihen. Ja oft sind sie sogar, wenn auch nicht 
gerade das einzige, so doch das am stärksten hervorragende Element. zur 
Belebung des Waldes, und treten dabei so vereinzelt, so dünn vertheilt 
auf, dass sie nie durch Fülle zur Gleichgültigkeit herabsinken oder gar 
lästig werden können. Für den auf einsamem Pfade wandelnden Forst- 
mann ist dieser ästhetische Werth der Spechte wahrlich nicht gering 
anzuschlagen. 

Fragen wir nun nach dem praktischen Werthe derselben, nach 
dem, was sie uns im Walde durch ihre unaufhörliche fleissige Arbeit 
leisten, so lässt sich die Antwort darauf nicht durch allgemeine Redens- 
arten kurzer Hand abmachen. Ein Verfahren, wie das von Gloger, der 
sich auf seinem Zimmer alles Mögliche und Unmögliche zusammendachte 
und zurecht legte, führt schwerlich zum Ziele. Die Section des Magens, 
die nur an dem einen oder anderen Individuum vorgenommen wird, lässt 
gleichfalls keinen sicheren Schluss ziehen. Fremde Behauptungen kritiklos 
ewig nachschreiben führt uns in unserer Kenntniss auch nicht weiter. 
Treten wir vorurtheilsfrei mit offenem Auge an ihre verschiedenen Lei- 


stungen im Walde heran! 
» 
a. Die Inseetennahrung. 


Wollen wir uns ein sicheres Urtheil über den forstlichen Werth der 
Spechte vom praktischen Gesichtspunkte aus verschaffen, so müssen wir 
uns, insofern es sich um die Forstinsecten handelt, zunächst die Frage vor- 
legen: Welche Inseeten schaden unseren Wäldern? und dann die zweite 
zu beantworten suchen: Bilden die Spechte gegen diese ein namhaftes 
oder gar wesentliches Gegengewicht? Ich bin durch vielfache Beobach- 
tungen leider in die Lage gekommen, bei Beantwortung dieser Fragen ein 
von dem wohl ausnahmslosen so äusserst günstigen fremden Urtheile über 


Die Inseetennahrung. 81 


die Leistungen dieser Vögel sehr abweichendes Urtheil abgeben zu müssen, 
Die Spechte, das ist meine volle Ueberzeugung, sind nie im Stande, einen 
bestandsgefährlichen Frass im Keime zu ersticken oder einen ausgedehnten, 
bereits vorhandenen Insectenfrass irgend merklich zu vermindern. Der 
Grund liegt darin, dass die meisten verderblichen Insecten einerseits für 
die Spechte viel zu winzig sind und andererseits an für die Spechte 
unzugänglichen Stellen leben. Beginnen wir mit den winzigen. Ich meine 
hier in erster Linie die sogenannten Xylophagen, den Gattungen Bostrichus, 
Hylesinus, Eccoptogaster angehörend, dann auch mehre Rüsselkäfer. Hier 
bei Neustadt ist es leicht, eine grosse Anzahl Kiefern aufzufinden, deren 
Stämme unter der Rinde von diesen Feinden wimmeln. Wird ein solcher 
gefällt, so können wir //ylesinus piniperda, minor, palliatus, cunicula- 
rius, Bostrichus larieis, lineatus, zuweilen auch Cureulio piniphilus in 
allen Stadien sammeln. In manchen Fichten hausen in anderen Gegen- 
den, wovon ich mich z. B. im bayerischen Oberlande, im Erzgebirge, im 
Harz u. a. überzeugt habe, Tausende von Dostrichus typographus in dem 
unteren borkigen Stammende, während oben Alles dicht besetzt ist von 
Bostr. chalcographus. Im Erzgebirge ist Curculio hercyniae dort, wo 
nicht die sehr vigilante sächsische Forstverwaltung durch Aufsuchen und 
sofortiges Fällen und Entrinden der infieirten Stämme das Revier von 
diesem Todfeinde der Fichte scharf rein hält, etwa in Privatforsten, ein 
wahrer Verwüster der Fichtenwälder; bald nach hercyniae findet sich dann 
Bostr. autographus ein. Tausende und aber Tausende besetzen einen ein- 
zelnen Stamm, und Tausende von Stämmen werden durch €. hercyniae 
getödtet. Nach Schnee- oder Windbruch stellt sich der genannte Dostr. 
typographus nebst chalcographus und suturalis in den Fichtenrevieren 
ein. In den Fichten der Öberförsterei Thale hat in der neuesten Zeit 
Hhlesinus micans ganz arg gehauset. Der Königliche Oberförster Herr 
Dobbelstein zu Münster sandte mir im vorigen Jahre für die biolo- 
gische Abtheilung unserer zoologischen Sammlung eine Anzahl von durch 
Bostr. dispar getödteten Eichenhalbheistern unter dem Bemerken, dass 
eine sehr grosse Anzahl durch den Frass dieses Käfers eingegangen sei. 
Die Käfer sassen familienweise zu 10 bis 20 Individuen zusammen absatz- 
weise von etwa 0,5 bis 2 Meter vom Boden entfernt. Nach mündlicher 
Mittheilung des Grossherzoglich Oldenburgischen Oberförsters Herrn Otto 
zu Cloppenburg sind, gleichfalls in neuester Zeit, im Revier Baumweg auf 
38 bis 4 Hektaren gegen 3000 Eichenheister, welche in einem Alter von 
10 bis 12 Jahren vor etwa 22 bis 24 Jahren dort gepflanzt waren, durch 
denselben Bostr. dispar getödtet. Er zeigte mir eine Familienwohnung, 
aus der er 23 Exemplare hervorgeholt hatte. Pissodes notatus tödtet hier 
bei Neustadt alljährlich eine bedeutende Anzahl Kiefern. Dicht besetzt 
Altum, Die Vögel. 6 


82 Spechte. 


sind die betreffenden Stellen. Hier bei Neustadt werden fortwährend die 
kranken und todten Kiefern im Bestande gefällt. In den oberen Partieen 
machen sich die horizontalen Wagegänge von Hylesinus minor schon von 
aussen sichtbar. Die dünne gelbe Rinde ist über dem Horizontalgange 
derartig aufgesprungen, dass man gar oft den ganzen Verlauf des Ganges 
deutlich sehen kann. Der zahlreich vorhandene Specht könnte gar 
leicht hinzukommen. Ich untersuche einen gefällten Stamm nach dem 
andern nach irgend einer Spechtthätigkeit, ich suche vergebens. Bei 
keinem einzigen dieser Fälle machte der Specht seine Thätig- 
keit geltend. Man wolle bemerken, dass dieselben sich auf starke 
Stämme beziehen, die gleichmässig bedeckt sind mit den Käfern oder ihrer 
Brut, auf solche, die blos an einzelnen Stellen mit Larven dicht gefüllte 
Familiengänge (/7. micans) beherbergen, auf schwache Stangen, die stufen- 
weise vollgepfropft sind mit den Verderbern, also auf die verschiedenste 
Art des Vorkommens der ärgsten Forstfeinde. Man gehe durch unsere 
hiesigen Kiefernwälder, todte, halbtodte, kranke, kränkelnde Stämme überall, 
und diese voll und übervoll von den genannten Forstverderbern! Unter 
hundert Stämmen wird man nicht oder kaum einen einzigen finden, an 
dem der Specht sich hier bemerklich gemacht hat. Man nenne mir doch 
nur ein einziges verderbliches Forstinsect, gegen welches irgend eine Specht- 
art in nur irgend bemerkenswerther Weise wirkt! Unter den Bostrichiden 
und Cureulioniden wird man schwerlich eine solche Spezies finden. Wir 
würden es ihm sehr Dank wissen, wenn er z. B. die Larven von Cure. 
pini (abietis L.) verfolgte. Im Revier Thale trat 1869 bis 72 ein äusserst 
intensiver Frass von ZAylesinus micans (Fichten) auf. Der Forstcandidat 
Herr Ulriei, der denselben an Ort und Stelle genau beobachtet und in 
Danckelmann’s Zeitschrift seine Erfahrungen in einem längeren schätzens- 
werthen Artikel veröffentlicht hat, scheint an den Spechten kräftige Helfer 
in dieser Noth erwartet zu haben, allein sie blieben aus. „Einschalten 
will ich hier noch die Bemerkung, schreibt er daselbst, dass ich nirgends 
habe beobachten können, dass sich Spechte oder andere Vögel in irgend 
wie ungewöhnlicher Anzahl nach den bedrohten Revieren hingezogen haben, 
trotzdem dass der Frass in Neueschenke jetzt doch schon zwei Jahre an- 
hält.” Die Spechte leisten gegen die eigentlichen Waldverderber eben gar 
nichts. Doch ja, wenn der Stamm bereits so weit herabgekommen ist, 
dass er die gänzlich indifferenten Larven von /thagium indagator oder 
von Lamia aedilis zahlreich unter seiner Rinde birgt, dann erst findet 
der Specht eine seiner würdige Beute. Der Schwarzspecht hackt in Masse 
aus den faulen Kiefernstöcken die Larven von Spondylis buprestoides, 
auch die von Buprestis mariana, aus alten Buchen die des Lucanus 
parallelopipedus. Unser grosser Buntspecht zerhackt stellenweise die von 


Die Inseetennahrung. 3 


den Larven der Saperda populnea dicht besetzten Aspen. Alles das aber 
ist für den Forstwirth gänzlich gleichgültige Arbeit. Man hat allerdings 
auch wohl Bostrichiden im Spechtmagen, ja diesen damit angefüllt ge- 
funden. Ich selbst freilich noch nie. Es ist bekannt, dass der Specht 
oft grosse Stücke Rinde von todten Stämmen loshackt, um zu den Holz- 
verderbern zu kommen. Die beiden untenstehenden Figuren ]. und 2. 
stellen dergleichen Fichtenstammstücke vor, wie ich sie im bayerischen 
Hochgebirge gezeichnet habe. Das obige 
„oft” hat für unsere Gegend jedoch keine 
Gültigkeit. Ich bin nicht im Stande ge- 
wesen, hier auch nur einen einzigen Stamm 
aufzufinden, nach dem ich hätte für diesen 
Zweck eine Zeichnung entwerfen können. 
Ich halte dafür, dass er meistens in einem 
solchen Falle nach einer der genannten 
grösseren Larven hackt, und dass durch 
diese Arbeit nebenbei Stücke der bereits 
gänzlich gelösten Rinde herabfallen. Er 
wird dann mit den zufällig freigelegten 
Bostrichiden seinen Magen anfüllen. Aber 
gesetzt auch, das käme wirklich oft vor, 
oder er hacke die Rinde absichtlich nach 
den Bostrichiden auf, so bleibt es nichts 


desto weniger Thatsache, dass die vom Bugurt. Fig. 2. 
Spechte gesäuberten Stammstellen ver- Fichtenkläninktücke 
schwindend klein sind gegen die von ihm vom Specht (Picus maior) 


angeschlagen. 


unberührten Theile, dass ferner ein solcher 
Baum bereits längst abgestorben ist und 
als Brutheerd seine verderbliche Wirkung in der Umgebung vollauf aus- 
geübt hat. Zu berücksichtigen ist dabei noch immer, dass Fichte wie 
Kiefer in diesem Zustande reichlich besetzt ist mit den vorhin schon ge- 
nannten, vom Specht durchaus vorgezogenen Larven von Athagium inda- 
gator. Wenn sich an Laubhölzern, namentlich an der Eiche, eine der- 
artige Spechtarbeit zeigt, so sind es gleichfalls die höchst gleichgültigen 
Larven von Rh. inquisitor und mordax, von Clytus arcuatus und ähn- 
lichen, worauf er fahndet. Ich bin mit grossem Vorurtheil für die Spechte 
an eine ernste Beobachtung ihres Lebens getreten, ich fand meine frühere 
günstige Meinung wenig bestätigt. Unsere verderblichsten Forstfeinde sind 
ihnen zu winzig. Nur ein einziges Frassstück habe ich erhalten, das be- 
reits völlig todt, dicht mit den Puppen eines sehr kleinen Xylophagen be- 


setzt, vom grossen Buntspecht stark nach denselben angeschlagen war, 
6* 


84 Spechte. 


nämlich einen Pflaumbaumzweig mit Hecoptogaster rugulosus. Diese ein- 
zige, übrigens forstlich gänzlich indifferente Ausnahme erkläre ich durch 
das tiefe Eingreifen des Xylophagen in’s Holz, was beim Anpochen des 
Spechtes seine Aufmerksamkeit erregen und zum wirklichen Anschlagen 
des Holzes reizen mochte. — Dass der Specht (ich verstehe darunter hier 
den bei uns so häufigen grossen Buntspecht) auch die Schwärmzeit der 
Bostrichiden nicht benutzt, um Hunderte und Tausende beim Anfliegen 
zu verspeisen, davon habe ich mich ebenfalls überzeugt. Ein Tag, an 
dem dieselben sehr stark schwärmten, war z. B. der 9. März des vorigen 
Jahres. Ich konnte eine beliebige Menge von Bostr. lineatus, bicolor, 
Hhylesin. piniperda, minor, cunicularius und palliatus bei den Klaftern er- 
beuten. Spechte waren in der Nähe in den Kiefern, aber kein Individuum 
kümmerte sich um die Schwärmer. Weisse Bachstelzen aber liefen auf 
dem Schlage und Holze umher und machten mir mit staunenswerther 
Ausdauer und emsiger Gewandtheit beim Fange beneidenswerthe Con- 
currenz. — Andere gar böse Forstfeinde leben an solchen Stellen, welche 
von den Spechten überhaupt nicht abgesucht werden oder gar ihnen gänz- 
lich unzugänglich sind. Das ist das ganze Heer der von Blättern und 
Nadeln oder in jungen Trieben lebenden Raupen, Afterraupen und anderer 
Larven, sowie der unter der Erde die Wurzeln benagenden Larven. Da 
meines Wissens noch Niemand auch für diese die rettende Thätigkeit der 
Spechte behauptet hat, so will ich eine Spezialisirung dieser nicht geben. 

Aber hacken denn die Spechte nie Larven aus Stämmen oder Aesten, 
welche wirklich forstschädlich sind? Allerdings giebt es einige grössere 
schädliche Larven, die er vertilgt. Ich will hier meine Erfahrungen geben. 
Der grosse Buntspecht stellt zunächst der holzbohrenden Raupe des Ross- 
kastanienspinners (Cossus aesculi) nach. Sie lebt in vielen Holzarten, 
namentlich in Syringe, Ahorn, Eiche, Buche, auch Linde, Rosskastanie, 
Obstbaum. Diese Art tritt jedoch auch dort, wo keine Spechte wirken, 
nur in seltenen Jahren und auch dann lokal sehr beschränkt, häufig auf. 
Für gewöhnlich bleibt Cossus aesculi ein nur sehr vereinzelt vorkommen- 
der Schmetterling. Die Raupe lebt ferner mehr in niedrigen und schwachen 
Zweigen, als in den Stämmen. Wichtig ist des Spechtes Leistung bei 
diesem Insect für die Forstwirthschaft durchaus nicht. Er zerhackt ferner 
die Weiden nach den Larven von Cerambya moschatus und Cossus ligni- 
perda. Auch das ist forstlich ohne besondere Bedeutung. Zunächst sind 
die Weiden, in deren stärkeren Stämmen diese Larven wohnen, keine 
forstwichtigen Holzarten. Es rettet ferner der Specht durch sein Aus- 
hacken der Larven nach meinen Beobachtungen nie einen Stamm. So 
lange die Larven noch jung, also noch klein sind, so lange sie noch tief 
im Holze stecken, bleiben sie von ihm im Allgemeinen unangefochten. 


Die Inseetennahrung. 85 


Daher kommt es, dass jeder vom Spechte nach den Larven angeschlagene 
Stamm bereits von diesen nach allen Richtungen stark durchwühlt ist, 
also schon allen Nutzwerth verloren hat. Zur Erläuterung verweise ich 
auf unten stehende Abbildung (Fig. 3.), eines früher stark von Larven des 
Cerambyx moschatus bewohnten Stammes von Salix caprea, der an dem 
durchsägten kleinen dargestellten Stücke an drei 
Stellen (a) von Picus matior nach diesen Larven 
angeschlagen ist. Die beiden oberen Stellen liegen 
in dem Sägeschnitte, die unterste, in der Ab- 
bildung durch das untere a nur angedeutete seit- 
lich auf der Rückseite. Man könnte aber mit Nach- 
druck für die wohlthätige Arbeit der Spechte die 
Verminderung der Holzfeinde hervorheben wollen, 
wodurch für die Zukunft das Uebel von anderen 
Stämmen fern gehalten würde. Allerdings ist das 
ein Nutzen, den der Specht dem Holze_ leistet. 
Allein, damit dieser Nutzen von einer namhaften 
Bedeutung sei, müssten wenigstens die meisten 


Larven aus den Stämmen gehackt werden. Das 
ist nun keineswegs der Fall. In den angeschla- 


genen starken Stämmen verfallen ihm nur ver- 


hältnissmässig wenige Larven; die grösste Anzahl 


solcher pflegt gar nicht von ihm aufgeschlagen zu 


werden. Sogar das kleine Stück des abgebildeten 


noch schwachen Stammes (die Figur ist genau 
'/; natürlicher Grösse) enthält trotz der starken 
Spechtarbeit noch 8 auf der Rückseite liegende 
Fluglöcher des Käfers, so dass also bei alledem für 
Nachzucht des Bisambockes hinreichend gesorgt ist. 
Ob er Saperda carcharias aus den Pappeln, oder Fig. 3. 
Lamia textor aus der Saalweide hackt, ist mir 

; x Salix caprea 
unbekannt. Dass er die mächtige und sehr schäd- von Picus maior nach 
liche Larve von Cerambyx heros in unseren alten eg ange- 
Eichen im Grossen und Ganzen völlig unbehelligt (Y% ne, 
lässt, davon kann sich hier Jeder überzeugen. Es 
giebt dort Spechte genug, keiner wird irgend verfolgt, und doch sind 
die Eichenstämme durchwühlt von diesen Larven. Nie habe ich an den- 
selben eine Stelle gesehen, an der ein Specht nach diesen gehackt hätte. 
Ich vermuthe, dass die zu dicke Borke ihm ein genaues Percutiren nach 
der Stelle der Larven unmöglich macht. Wenn ich vorhin anführte, dass 
der grosse Buntspecht Maikäfer verzehre, so beruht diese Mittheilung auf 


36 Spechte, 


Beobachtungen, wie sie in dem vorigjährigen hiesigen Maikäferflugjahre » 
(1872) bei einem einzigen Spechtindividuum gemacht wurden. Diesem 
Factum kann unmöglich eine forstwichtige Bedeutung zugelegt werden. 
Wichtiger aber ist sein Hacken nach den Larven der Holzwespe (Sirex 
iwvencus). Diese seine Thätigkeit kann man hier leicht an manchen Stäm- 
men constatiren. Zu bemerken ist dabei jedoch, dass Sirex iuvencus nie 
ganz gesunde Stämme ansticht. Diejenigen, an denen die kleinen Harz- 
tröpfchen verrathen, dass sie mit jungen Holzwespenlarven, welche sich 
kürzlich in den Stamm einbohrten, besetzt sind, zeigen ohne Ausnahme 
schon einen kranken Zustand. Es sind zurückbleibende oder gar unter- 
drückte, niemals kräftige dominirende Stämme. Im folgenden Jahre, wenn 
sich die Larven zur Verpuppung aus dem Innern des Stammes wiederum 
der Rinde nähern, werden sie allerdings von Picus maior zahlreich aus- 
geschlagen. Zwei Momente drücken jedoch auch hier den Werth der 
Spechtarbeit wesentlich herab. Zunächst können solche Stämme doch nicht 
wohl etwas anderes als Brennholz liefern, und dafür haben sie mit oder 
ohne Sirexgänge gleichen Werth. Sie würden, wenn auch der Holzwespen- 
frass ihr Ende beschleunigt hat, doch bei der nächsten Durchforstung fort- 
genommen worden sein. Dann aber reinigt der Specht den Stamm wiederum 
nie vollständig, so dass trotzdem Individuen genug übrig bleiben, welche 
die noch freien Stämme infieiren können. — Wir kommen jetzt zu den 
Ameisen, dieser Hauptnahrung des Grün- und Grauspechtes, die auch der 
Sehwarzspecht gern nimmt. Ich muss jedoch von vorn herein bekennen, 
dass mir über das Leben des Grauspechtes eigene Beobachtungen nicht 
zu Gebote stehen. Der Grünspecht aber ist, wie allgemein bekannt, der 
ärgste Feind der Waldameise (Formica rufa). Schätzen wir nun diese 
als Vertilgerin einer Menge Räupchen, die theilweise zur Verpuppung auf 
den Boden gelangen ((reometra piniaria, Noctua piniperda u. a.), und 
hier eine Beute der Ameisen, theilweise aber auch von diesen auf den 
Zweigen ergriffen werden, so kann das oft maasslose Zerhacken der Ameisen- 
haufen durch den Grünspecht und das Verzehren von Tausenden von 
Imagines und Puppen dem Grünrock doch schwerlich zu einem besonderen 
Verdienste angerechnet werden. Weder er noch der Grauspecht leisten 
zudem im Walde irgend etwas, sie scheuen sogar den eigentlichen Hoch- 
wald. Ueber ihr Höhlenzimmern soll unten gesprochen werden. Doch 
können Ameisen auch erheblich schaden, indem sie ganz gesundes lagern- 
des Nadelholz, namentlich Tanne, auch Fichte, im Innern schichtenweise 
nach den einzelnen Jahresringen aushöhlen. Mehre unserer hiesigen Arten 
richten sich alte Stöcke oder sonst altes Holz durch maschen- und etagen- 
förmiges Ausnagen zu Wohnungen her. Die Riesenameise (Formica her- 
culeana) aber geht in besagter Weise an gesundes lagerndes Nutzholz und 


Die Inseetennahrung. 


KINHTT 
ln 


I 
a 
II 
ı| mil ii 


Fig. 4. 
Unteres Stammstück einer alten Fichte 
von Picus martius angeschlagen. 


87 


88 Spechte. 


verdirbt oft die werthvollsten Stämme. Ich habe diese Beobachtung aller- 
dings nur an lagernden, entrindeten Stämmen gemacht, die von der Sonnen- 
wärme aufgesprungen, den Ameisen Stellen boten, an denen sie in’s In- 
nere dringen konnten. Weisses, staubiges, aus feinen Spänchen beste- 
hendes Holzmehl, welches in Menge von den Ameisen herausgeschafft wird, 
bekundet deren Anwesenheit und verderbliche Thätigkeit.e An solche 
liegende Hölzer wird sich aber schwerlich ein Specht machen. Allein die 
in der beigefügten Abbildung (S. 87, Fig. 4.) dargestellte alte Fichte, die 
ich im sächsischen Erzgebirge antraf, war in ähnlicher Weise von Ameisen 
stark bewohnt und, wie das Holzmehl zeigte, im Innern arg benagt. Hier 
aber hatte der Specht (ich vermuthe P. martius) so stark nach den In- 
sassen den Baum angeschlagen, wie mir Aehnliches noch nie vorgekommen. 
17 kleinere und grössere Löcher bedeckten in der abgebildeten Weise an 
der einen Seite den unteren Theil des Stammes bis zu einer Höhe von 
4 Meter. Der Durchmesser war 1 Meter. Der Baum war freilich hohl, 
das reichliche weisse Holzmehl aber bewies, dass die Ameisen in gesunden 
Theilen arbeiteten. Der Specht mag eine hübsche Anzahl derselben er- 
beutet haben, allein eine grosse Menge war nichts desto weniger darin 
zurückgeblieben und setzte ihr Zerstörungswerk eifrig fort. Es wimmelte 
von Ameisen. Wenn wir auch annehmen, dass diese Ameisen dort im 
Walde an stehenden Bäumen Schaden anrichten könnten, so muss uns die 
Arbeit des Spechtes in diesem gewiss interessanten Falle nichts desto 
weniger als forstlich ziemlich gleichgültig erscheinen. — Ob die bisher 
nicht genannten beiden Buntspechte, medius und minor, für die Forst- 
wirthschaft mehr Achtung verdienen, ist mir unbekannt. Der mittlere ver- 
zehrt viele Waldsämereien, als Nüsse, Eicheln, Bucheln, sogar Kirschkerne. 
Doch ist darauf wohl kein Gewicht zu legen, Vielleicht ist der kleinste, 
der forstlich nützlichste, da er besonders auf seinen Streifereien die Rolle 
der Meisen und des Baumläufers zu vereinigen scheint und manches In- 
sect in seinem Winterstadium, z. B. die Eierringel von Bombyx neustria 
vertilgen wird. Doch kann er schon seiner relativen Seltenheit wegen 
nicht als forstlich wichtiger Vogel besonders hervorgehoben werden, 


b. Die Ringelbäume. 


Man trifft an den verschiedensten Stellen in Wäldern wie an Chaus- 
seen und Alleen zuweilen Bäume an, welche mit zahlreichen Ringeln, oft ‘ 
in bedeutender Ausdehnung umgeben sind. Bald sind es geschlossene 
Ganzringel, bald nur kleinere und grössere Theile solcher Ringel. Mit 
den durch Säugethiere (Schläfer) hervorgebrachten Ringelungen, wie ich 
solche zu Hunderten im Walde gesehen, haben diese nur wenig Aehnlich- 


Die Ringelbäume, 


Fig. 5. Fig. 6. 
Birke. Kiefer, 


Spechtringelbäume aus dem hiesigen Lieper Revier. 


89 


90 Spechte. 


keit. Haselmäuse oder Siebenschläfer ringeln nur schwache Stämme von 
glatter Rinde, meist Buche, auch Birke und Hainbuche; ihre Ringel sind 
solide fortlaufende Verwundungen. Sie treten ferner nie in sehr grosser 
Höhe, selten etwa über 6 Meter, und dann stets in den unregelmässigsten, 
oft geringen, oft sehr weiten Abständen von einander auf. Dies Alles ist 
bei den hier in Rede stehenden Erscheinungen anders. Diese „Specht- 
ringel” stehen nur selten an glattrindigen Bäumen. Ich habe von solchen 
nur die einzige, S. 89, Fig. 5., dargestellte Birke aus dem hiesigen Lieper 
Revier gesehen. Von den Laubhölzern waren es sonst Linde, Aspe, 
Pappel, lauter Weichhölzer, von den Nadelhölzern Kiefer, Fichte, 
Tanne. Alles Bäume mit rauher Borke. Die meisten gehören zu den 
stärksten Bäumen des betreffenden Bestandes. Die Spechtringel bestehen 
ferner aus einzelnen getrennten Verletzungen (Schnabelhieben), und diese 
stehen unter sich nicht so ganz unregelmässig von einander, wenn auch 
an dem einen Baume wohl etwas weitläufiger als an dem andern. Jedoch 
verwachsen sie später wohl zu scheinbar soliden Horizontalstreifen. An 
jener Birke (S. 89, Fig. 5.) sind die einzelnen Verletzungen scharf ge- 
trennt von einander sichtbar, an der Kieferspitze, S. 89, Fig. 6. unten 
mehr als oben. Endlich haben die Ringel unter sich einen ziemlich gleich- 
mässigen Abstand. Es kommen bald nur wenige an einem Stamme vor, 
bald ist der grösste Theil desselben von ihnen eingenommen. Die in ihrem 
unteren Theile abgebildete Ringelfichte (S. 91, Fig. 7.) traf ich im Revier 
Frankenhofen im bayerischen Öberlande an. Dieses höchst auffallende 
Exemplar war von 2 bis etwa 30 Meter Höhe mit Ringelungen bedeckt. 
Werkwürdiger Weise kennt man diese Erscheinung in manchen Gegenden 
gar nicht. So habe ich im Münsterlande nie etwas davon gesehen noch 
gehört. Nach Mittheilung des Herrn Oberforstmeisterss Danckelmann 
sind im Hakel, in den Vorbergen des Harzes, bei Halberstadt, an der 
Winterlinde, welche dort stellenweise das Oberholz im Mittelwalde bildet, 
diese Ringelungen so zahlreich, dass ein Jeder sie als eine ganz gewöhn- 
liche Erscheinung kennt. Hier bei Neustadt findet sie sich an Pappeln, 
Kiefern, Aspen und Birken, und zwar theils höchst scharf ausgeprägt, 
theils, wie an manchen einzeln stehenden, z. B. an Chausseepappeln, die 
vielleicht vor vielen Jahren verletzt sind, nur mehr als schwache Andeu- 
tungen. Bald sind hier die Ringel zahlreich, bald nur wenige vorhanden. 

Man ist auf verschiedene Thiere als Thäter verfallen. Im Hackel 
gelten dieselben als die Arbeit von Hornissen. Wer aber einmal Horniss- 
frass an Esche, Linde, Erle, Syringe oder woran sonst gesehen hat, wird 
beide Erscheinungen nie auf gleichen Ursprung zurückführen wollen. Auch 
für Verwundugen durch Wanzen hat man sie halten wollen... Man nennt 
freilich derartige Bäume vielfach „Wanzenbäume”; allein diese Benen- 


91 


Die Ringelbäume, 


nung hat in dem Aberglauben ihren Grund, dass in die aus diesem Holze 
Dass aber nur Spechte die 


verfertigten Möbeln leicht Wanzen kämen. 
Thäter sind, steht wohl, obgleich meines Wissens Niemand einen Specht 


SE = ff 
EI = 


FE 


BE 
= 


ErerFE. 


Fig. 7. 


Spechtringelbaum (Fichte) 
aus dem oberbayerischen Revier Frankenhofen, 


92 Spechte, 


bei der Ringelfabrikation beobachtet hat, ohne Zweifel fest.*) Wenn die 
Wunden noch ganz frisch, also noch nicht 
überwallet oder ausgewachsen sind, so er- 
kenntman ganz genau die einzelnen Schnabel- 
hiebe. Die Rinde ist dann trichterförmig 
ausgesprungen und am Grunde dieser Ver- 
tiefung sieht man die scharfen Löcher, 
welche die Schnabelspitze dem Stamme bei- 
gebracht hat. Meist sind 2, auch 3 Hiebe 
sehr nahe zusammen geführt und diese haben 


alsdann einen gemeinsamen Rindentrichter 
ausgeworfen. Fig. 8 stellt in halber natür- 
licher Grösse ein Stück glatter Tannenrinde 
mit solchen noch ganz frischen Verletzungen 
dar. Es stammt aus dem Thüringer Walde 
und wurde unserer Sammlung nebst einem 
anderen vom Herrn Forstdirector und Wirk- 
lichen Oberforstmeister Burckhardt zu 
Hannover geschenkt. Ein Specht ist der 
Anfertiger unbedingt. Wenn nicht schon 
andere Gründe, namentlich die Grösse der 
Schnabelspitze, dafür sprächen, dass wir es 
hier nur mit dem grossen Buntspecht 
zu thun hätten, so würde uns dieses Zu- 
sammenstehen von 2 und 3 Schnabelhieben 
Tamnenrinde zur Annahme dieser Spezies führen. Denn 
a en “ das tausendmal gehörte Hämmern von Picus 
matior geschieht genau in demselben Tempo 

als diese Rinde angeschlagen ist. Selten 

ist ein isolirter Hieb, meist sind 2 oder 3 Hiebe rasch nacheinander ge- 


Fig. 8. 


*) Zu spät, um jetzt im Drucke das Ganze umzuändern, aber noch früh ge- 
nug, um an dieser Stelle Notiz davon zu nehmen, erfahre ich aus dem neuesten 
Hefte der Danckelmann’schen „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen”, I., 1873, 
durch einen sehr interessanten Aufsatz des Herrn Oberforstmeisters Werneburg, 
dass jetzt allerdings Jemand, der Herr Förster Riedmüller, einen Specht, näm- 
lich den grossen Buntspecht, als Ringeler beobachtet hat. Ich bin aus 
den mir vorliegenden Ringelobjecten zu ganz denselben Resultaten gekommen, 
die auch nach jener direeten Beobachtung ihre Bedeutung nicht verlieren. Denn 
sie beweisen, dass jene isolirte Beobachtung unbedingt für alle Ringelungen gene- 
ralisirt werden kann. Es ist nach allen mir bekannten Objeeten nur eine einzige 
Spechtart, die genannte, welche ringelt. Abweichende Beobachtungen wären sehr 
interessant. 


Die Ringelbäume. 


führt, worauf der Specht etwas 
zur Seite sprang, um wiederum 
in gleichem Tempo zu hacken, 
und so fort, bis er bei der 
ersten Stelle wieder anlangte, 
wodurch der Ringel geschlossen 
war. Dann wird er einen Ruck 
höher gesprungen sein, um 
wiederum einen Ring zu be- 
ginnen und so fort. Auch die 
Weite des jedesmaligen Sprun- 
ges spricht für Picus mavor, 
wenigstens mit Bestimmtheit 
gegen martius, viridis und 
minor. P. canus aber und 
medius kommen wenigstens in 
unseren Kiefernhochwäldern, 
woselbst ich manche ganz aus- 
gezeichnete Ringelbäume an- 
getroffen habe, nicht vor, wäh- 
rend maior dort häufig ist. 
Pieus maior ist der alleinige 
Urheber. War die Rinde dünn, 
wie z. B. an dem oberen Theile 
der Kieferspitze, S. 89, Fig. 6. 
eine noch feine Spiegelrinde, 
so bilden sich wohl durch 
Ueberwallung schwache Ring- 
wülste, weil hier die Rinde 
vollständig durchschlagen und 
dann auch das Holz verletzt 
wurde. Auch an der Tannen- 
rinde, S. 92, Fig. 8., ist die 
Rinde durchschlagen, und man 
sieht auf der Innenseite ganz 
scharf die feinen Schnabel- 
löcher. Man findet draussen 
jedoch verhältnissmässig selten 
Ueberwallungen, ein Zeichen, 
dass eben nur die Rinde, nicht 
aber auch das Holz verletzt 


Fig. 9. 


Tilia americana 


von Picus maior angeschlagen. 


93 


94 Spechte. 


war. — Im Braunschweiger Forstgarten ist mir im vorigen Jahre eine 
bis dahin völlig unbekannte Spechtbeschädigung vorgekommen, die freilich 
keine Ringelung genannt werden kann, jedoch dem Wesen nach mit der- 
selben völlig identisch ist. Eine auf einen Wildling gepfropfte Tikia ame- 
ricana (var. missisippiensis) war, wie in der Fig. 9., 8. 93, dargestellt, 
am Stamm von der Pfropfstelle an bis in die Zweige hinein dicht mit 
Spechtschnabelverletzungen bedeckt. Andere mit diesem Exemplar in der- 
selben Reihe stehende Linden zeigten gleichfalls, jedoch weit spärlicher 
diese Hiebe, oder wohl gar nur einige wenige Wunden. Sämmtliche Linden 
waren noch jung und daher mit noch glatter Rinde versehen, die Ver- 
letzungen noch ziemlich frisch, wenigstens noch nicht ausgewachsen, so 
dass aus der Beschaffenheit derselben auch nur auf Picus maior als Thäter 
geschlossen werden konnte. 

Darüber kann folglich auch wohl nieht mehr gestritten werden, dass 
ein Specht die Bäume ringelt, und auch die Annahme der bezeichneten 
Spezies für diese auffallenden Erscheinungen möchte wohl keinen erheb- 
lichen Zweifeln unterworfen werden können. Im Uebrigen aber stehen 
wir vor einem räthselhaften Phänomen. Man kennt weder die, Jahreszeit, 
in welcher der grosse Buntspecht die Bäume in Ringen anschlägt, noch 
auch die nähere Veranlassung und den Zweck. Es steht diese Beschä- 
digung in dieser Hinsicht in Parallele mit so manchen Verletzungen der 
Bäume durch Säugethiere, namentlich Eichhörnehen und Schläfer, welche 
auch nur räthselhaft sporadisch, vielleicht nur von einem einzigen Indi- 
viduum ausgeführt werden. In dem Stande der Ringelbäume kann ich 
auch nichts Gemeinsames erkennen, aus dem irgend eine Folgerung zu 
ziehen wäre. Die braunschweigischen Linden standen freilich an einem 
Wege, die Chaussee- und Wegepappeln, an denen ich die Ringel, bald 
schwach, bald sehr auffallend vorfinde, stehen selbstredend auch so. Eine 
oder die andere Ringelkiefer nähert sich dem Bestandesrande. Allein im 
Allgemeinen kann man nicht behaupten, dass diese Bäume durch ihren 
Stand auffällig, dass gerade sie besonders exponirt seien. Ich finde sie auch 
mitten im Bestande, hier sowohl, wie an anderen Orten. Jedoch kommen 
sie nach meinen Beobachtungen nicht in dichten jungen Stangenorten, 
sondern nur in lichtgestellten älteren Beständen vor. — Der Zweck, den 
der Specht bei dieser Arbeit verfolgt, ist ebenso räthselhaft. Sucht er 
etwa nach Insecten? Möglich.*) Doch unter der sämmtlichen betreffen- 


*) In dem vorhin angezogenen Werneburg’schen Artikel wird als Zweck 
der Ringelung, nachdem die Annahme, dass der Specht dort Inseeten fände oder 
den Baumsaft fliessend mache, um ihn zu geniessen, mit vollem Rechte abgewiesen 
ist, eine Lüsternheit des Spechtes nach den Bastfasern supponirt. Auch dieses 
muss ich abweisen. Die Rindentrichter in Fig. 8., S. 92, sind völlig scharf und 


Die Ringelbäume. 95 


den Rinde, die ich untersucht habe, ist keine Spur von Insectenfrass zu 
entdecken. Die auf S. 92 abgebildete, rein vom Holze getrennte Tannen- 
rinde (Fig. 8.) ist auf der Innenfläche vollständig intact. Jener Birken- 
stamm (Fig. 5., S. 89) ist in mehre Stücke zerschnitten, einzelne Schnitte 
gehen genau durch die Ringelwunden. An den Jahresringen erkennt man, 
dass die Verwundung vor 8 Jahren stattgefunden hat, aber von Insecten- 
frass keine Spur. Ich wüsste auch nicht, was für Inseeten ausser Keco- 
ptogaster destructor, der sich stets höchst auffällig auch von aussen ver- 
räth, dort vorkommen sollten. Denn die Larven von Arhagium inquisitor 
und Pyrrhochroa coceinea finden sich erst an gänzlich abgestorbenen 
Stämmen ein, wozu jener durchaus nicht gehörte. Wonach sollte deı 
Specht an den Linden des Braunschweiger Forstgartens die Stämme und 
stärkeren Zweige angeschlagen haben? Schnitt man mit einem Messer 
ein Rindenstück ab, so zeigte sich diese Stelle unterhalb der Schnabel- 
wunden völlig gesund und insectenfrei. Gleiches kann ich von den an- 
geschlagenen Pappeln und Kiefern behaupten. Inseeten waren nirgends 
vorhanden. König hat daher die Vermuthung ausgesprochen, der Specht 
hacke in der in Frage stehenden Weise die Bäume an, um den Saft zu 
lecken. Ich kann mich dieser Meinung nicht anschliessen. Nach der 
Stellung der einzelnen Wunden scheinen sie, wie bereits vorhin erwähnt, 
in demselben Tempo, in welchem der Specht gewöhnlich zu hacken pflegt, 
geschlagen zu sein. In dieser Zeit aber dringt aus der Wunde noch kein 
Saft hervor. Versetzt er aber dem Baume in grossen Intervallen Hiebe, 
so können sie unmöglich diese Stellung haben. Oder soll etwa der Specht 
heute ein Dutzend Ringel hämmern in der Absicht, um morgen nach dem 
etwa hervorquellenden Safte zu sehen? Zum Ausfliessen des Saftes für 
eine solche dem Specht untergeschobene Absicht wäre eine einzige tiefere 
Wunde weit praktischer und der Specht könnte sich da nur an der Seite 
der Kiensammler und Harzschrapper oder des schälenden Wildes halten. 
Die grosse Regelmässigkeit der Ringelwunden widerstreitet ebenfalls ohne 
Frage jener Annahme. Und was soll denn der Specht mit dem Harze 
unserer Nadelhölzer! Uebrigens sind die Wunden an der mehrfach er- 
wähnten Tannenrinde so rein, dass auch nicht der allermindeste Harz- 
ausfluss sichtbar ist. Auch an den freilich alten Wunden der Kiefer- 
stammstücke, die ich hier vor mir habe, ist nirgends Harz zu sehen. Es 
kommt hinzu, dass der Specht mit seiner feinen spitzen Zunge nicht ein- 
mal im Stande ist, hervorquellenden Baumsaft zu lecken. Ich möchte 


rein ausgesprungen, die Bastfasern durchaus nicht abgezerrt oder abgeschlagen. 
An den Braunschweiger Linden (Fig. 9., S. 93) war dasselbe zu sehen. An frisch 
verletzten Stellen sieht man nur die einfachen glatten Hiebe, nichts anderes. 


96 Spechte. 


deshalb dieser Annahme eine andere gegenüberstellen, nämlich die von 
Pereussionsversuchen des Spechtes nach Insecten. Es steht wohl fest, dass 
die Spechte beim Aufsuchen ihrer Nahrung nicht so sehr durch den Ge- 
ruch, als vielmehr, vielleicht lediglich, durch das Gehör geleitet werden. 
Wie der Arzt durch Percussion mit einem fremden Instrumente den Zu- 
stand des Brustinnern seines Patienten zu ermitteln im Stande ist, so wird 
auch der Specht, welcher eine solche Percussion nicht mit einem fremden 
Werkzeuge, sondern mit einem eigenen Körperorgane ausführt, die innere 
Beschaffenheit des Holzes in nicht zu grosser Tiefe unter der Oberfläche, 
er wird dort genau jeden Hohlraum, jeden grösseren Insectengang nach 
seinem genauen Verlaufe ermitteln. Wie schlägt er nicht direct auf die 
am Ende eines langen Ganges noch ziemlich tief im Holze sitzenden Larven 
von Cossus aesculi ein! Diese genaue Stelle, das äusserste von der Raupe 
besetzte und erfüllte Ende des Ganges, kann dem Spechte nach unserem 
menschlichen Urtheile nur durch genaues Pereutiren angezeigt werden. Zu 
diesem Zwecke geschieht das ewige Hämmern, das fortwährende Pochen 
und Klopfen, sowie das unruhige Umherspringen an den Aesten, wenn 
sich kein Beute versprechender Hohlraum findet. Die Annahme, der 
Specht spränge nach einigen Schnabelhieben deshalb plötzlich auf die ent- 
gegengesetzte Seite des Astes, um die dadurch etwa aus dem Holze nach 
der Oberfläche gescheuchten Insecten zu überrumpeln, möchte. schwerlich 
auf Wahrheit beruhen. Jedes Holzinsect zieht sich bei einem solchen 
Pochen augenblicklich in’s Innere zurück. Ein Sammler kann wohl durch 
eingeblasenen Tabaksrauch die Insecten aus dem Innern des Holzes ver- 
treiben, um sie dann an der Oberfläche in Empfang zu nehmen, nicht 
aber durch Pochen. Es wurde vorhin stark in Zweifel gezogen, dass die 
Spechte die Rinde nach den, wenn auch in grosser Menge vorhandenen 
Bostrichiden anschlügen. Weshalb? Wenn der Geruch sie leitete, würden 
sie zur Zeit der Noth trotz der winzigen Grösse dieser ohne Zweifel hier 
ihre Nahrung aufsuchen. Denn dass sie diese Xylophagen als Nahrung 
keineswegs verschmähen, etwa wie der grosse Buntspecht die Ameisen, 
beweisen die einzelnen Fälle, in denen man ihren Magen mit diesen ge- 
füllt gefunden hat. Allein die Percussion ist hier nicht anwendbar; die 
noch isolirten Gänge sind zu fein, um unter der oft starken Rinde genau 
fixirt werden zu können; die gänzlich durchwühlten Stellen aber lassen 
von Aussen erst recht nicht erkennen, an welchem Punkte ein Lecker- 
bissen zu erbeuten ist. Der Specht pocht bald hier bald dort, um irgend 
einen bestimmt begrenzten Insectengang zu entdecken und in diesem Falle 
schlägt er an dem weitesten Ende desselben ein. Hier sitzt die Larve. 
Er bleibt aber am steten Percutiren, bis er seinen Zweck erreicht. Dabei 
verfährt er aber nicht gänzlich planlos, indem er etwa bald an diesem, 


Die Ringelbäume. 97 


bald an jenem Baum oder Ast einen Schlag anbringt, sondern er unter- 
sucht in einer mehr oder weniger zusammenhängenden Reihe von Hieben 
die ganze Fläche, von unten an beginnend. Ist der untere Stammtheil 
für ihn ein- für allemal zu borkig, wie es z. B. bei den alten Kiefern für 
den grossen Buntspecht der Fall ist (sein Schnabel ist für die Borken- 
dicke zu kurz), so beginnt er seine Untersuchungen in einer höheren Re- 
gion. Das ist der Grund, weshalb wir den genannten Buntspecht in unseren 
alten Kiefernhochwäldern stets in der Region der Spiegelrinde erblicken, 
ihn aber nie an den unteren Stammtheilen hämmern sehen.” Ueber den 
mittleren und kleinen ist Aehnliches zu sagen. Kommen alle drei aber 
auf ihren Streifzügen in unsere Gärten, so finden sie auch tiefer Arbeit 
genug. Kurz, der Specht sucht plan- und gesetzmässig durch Pereutiren 
die Baumestheile ab, welche seine erreichbare Nahrung bergen können. 
Als Stellen, denen solche vergebliche Percussionsversuche gegolten haben, 
sehe ich die fraglichen Ringelungen an. Dass der horizontale Abstand der 
einzelnen Hiebe eines Ringes dem gewöhnlichen Klopftempo sowie der 
Weite eines seitlichen Sprunges des grossen Buntspechtes, dass der verti- 
kale Abstand der einzelnen Ringel von einander je seinem Sprunge auf- 
wärts entspricht, ist bereits vorhin erwähnt. Die Regelmässigkeit der 
Ringelungen kann folglich bei unserem Erklärungsversuche nicht blos nicht 
auffallen, sondern sie ist gradezu nothwendig. Es ist folglich nur noch 
die Menge der Ringel an einem und demselben Stamme auffallend und 
einer Erklärung bedürftig. Bei genauer Aufmerksamkeit treffen wir häufig 
Stämme an, welche nur den einen oder anderen Ringel, oft nur einige kleine, 
aus wenigen isolirten Hieben bestehende Ringelstücke tragen. Niemand 
wird sich hier veranlasst fühlen, für diese einen anderen Erklärungsgrund, 
als dass es einige flüchtige Untersuchungen des Spechtes nach innewoh- 
nenden Insecten seien, zu fordern. Von diesen ersten schwächsten Ringe- 
lungen bis zu solchen auffallenden Erscheinungen, wie sie vorstehend bei- 
spielsweise nach der Natur gezeichnet sind, giebt es nun die allmähligsten 
Uebergänge. Die Sache bleibt stets dieselbe, nur die Menge der Ringel 
macht stutzig. Berücksichtigen wir aber, dass der Specht bei seinen täg- 
lichen Rundflügen in semem Revier gern dieselben Baumpartieen wieder 
absucht und zwar oft mit einer solchen Regelmässigkeit, dass man mit 
einer ziemlichen Bestimmtheit darauf rechnen kann, zu einer gewissen 
Tageszeit dasselbe Individuum an einem bestimmten Baum anzutreffen, so 
kann es uns nicht mehr so gar sehr überraschen, dass der Specht dort, 
wo er auf seinem Curs die frischen Hiebe findet, wiederum anfliegt und 
dort in ähnlicher Weise weiter pereutirt. Je mehr und je auffälligere 
Wunden der Stamm bereits aufweiset, desto stärker wird ihn dieses reizen, 


stets wieder an diesen Stamm zu fliegen. Dadurch erklärt sich die sonst 
Altum. Die Vogel. 7 


98 Spechte. 


unerklärliche Thatsache, dass man an einem bestimmten Orte nur einen 
einzigen stark geringelten Stamm, oder nur sehr wenige Ringelstämme, 
die dann stets nahe zusammen stehen, aufzufinden im Stande ist, wäh- 
rend man den ganzen übrigen Bestand vergeblich darnach durchspähet. 
Wo wenige zusammen stehen, da hat sich der Specht, weil er an einem 
vergeblich pochte, in seinem Eifer von diesem an einen benachbarten 
Stamm begeben. Wäre es ihm um den Saft zu thun, so könnte und würde 
er jeden beliebigen Baum an jeder beliebigen Stelle anschlagen, denn jeder 
besitzt denselben. Die Inseeten aber concentriren sich bekanntlich vor- 
wiegend nur auf einzelne Bäume. Wenn der Specht also Grund zu haben 
glaubt, einen solchen Insectenbaum anzutreffen, wenn er gar durch schon 
vorhandene Spechtarbeit auf einen solchen hingelenkt wird, so müssen 
sich dort nothwendig mit der Zeit seine Verwundungen häufen. Ich bin 
wegen des regelmässigen Absuchens eines Revieres durch einen und den- 
selben Specht davon überzeugt, dass stets von demselben Individuum die 
sämmtlichen Ringel eines Stammes, oder einiger Nachbarstämme herrühren. 
Wahrscheinlich führt dasselbe diese Arbeit in sehr kurzer Zeit aus. Die 
Hiebe sind nach dem Augenscheine, sowie nach der Controle durch die 
Jahresringe, sämmtlich gleich alt. — Es wäre nicht uninteressant zu 
wissen, ob ein solcher Ringelstamm in dem Brutrevier des Vogels und 
event. in welcher Entfernung von der Nesthöhle stände. Schwerlich wird 
diese Arbeit ausser der Brutzeit vorgenommen werden, da sich dann das 
Revier des Spechtes so sehr erweitert, dass man ihn als Strichvogel be- 
zeichnen muss. Als Strichvogel aber ist er kaum in der Lage, solche 
Ringelarbeit vorzunehmen. Erfahrungen fehlen mir hierüber. Hier in der 
Stadtforst stand jedoch im vorigen Frühjahr das Nest des grossen Bunt- 
spechtes in einer Erle. Mehre Erlen in der unmittelbarsten Nähe waren 
angeschlagen, ein Stamm sogar in bedeutender Ausdehnung. Es waren 
jedoch keine Ringelungen, sondern die Borke war in kleineren Stücken 
ganz unregelmässig entfernt; Schnabelhiebe waren aber deutlich zu er- 
kennen. An diese Stellen war höchst wahrscheinlich der Specht von seiner 
Bruthöhle zunächst angeflogen, denn es waren in Beziehung zu dieser 
ohne Frage sehr exponirte Stämme. . Jedes andere höhere Holz lag fern 
oder durch Erlengebüsch von der Höhle aus verdeckt. Da er aber auf 
dem Wege von oder zu der Höhle in deren Nähe denselben Curs zu 
nehmen pflegt, von und nach derselben Seite und Richtung ab- und an- 
fliegt, so kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn derselbe Baum stets 
einige Hiebe an einer bestimmten Stelle erhält. Ist er aber bereits durch 
solche etwas auffällig markirt, nun so lockt er den Vogel zum Percu- 
tiren, wie bereits bemerkt, erst recht heraus, — es entsteht ein Ringel- 
baum. Obgleich ich diese lokalen Verhältnisse, wie gesagt, nur bei jenen 


Die Ringelbäume. 99 


Erlen erkannt habe, so zweifle ich doch keinen Augenblick daran, dass 
obgleich wir hinterher in dem Standorte eines ausgezeichneten Ringel- 
baumes nichts besonderes bemerken können, er für den Specht in seinem 
Revier und bei seinem Ab- und Anfliegen, bei seiner Tour, die er im 
Walde nach Nahrungserwerb macht, ein durchaus exponirter, sich von der 
übrigen Masse abhebender, auffälliger, vielleicht gar zu dem Neststande in 
lokaler Beziehung stehender Gegenstand sein wird. — Was Ratzeburg 
in seiner „Waldverderbniss“ II. pag. 116 ff. schriftlich und bildlich über 
das Zerhacken von Stämmen durch Spechte mittheilt, wird uns schwer- 
lich weiter helfen können. An den wenigen Öbjeeten, welche ich hier 
in Neustadt nach Ratzeburg’s Abgange in der Sammlung vorfand, z. B. 
dem Abschnitte eines Ahornstammes, finde ich nichts, was mit den Be- 
schädigungen, welche ich im Freien beobachtet habe, Aehnlichkeit hätte. 
Auch die Hauptfiguren auf Tafel 51, nämlich 3 und 5, geben ein gänz- 
lich abweichendes Bild von den sonstigen mir bekannten Spechtbeschädi- 
gungen. Wenn Ratzeburg bezüglich dieser Zerfetzungen pag. 119 sagt: 
„Forstmänner, welchen ich die seit Jahren so zugerichteten Stämme aus 
Neuhaus zeigte, wollen gar nicht glauben, dass die Narben und die gänz- 
liche Veränderung der Stammform vom Spechte herrühren könnten,“ so 
befinde ich mich mit diesen Forstmännern in derselben Lage. Meines 
Wissens versetzen die Spechte den Stämmen nur auf die Längsachse 
senkrecht gerichtete Hiebe, nicht aber zerspalten sie die von ihnen an- 
gegriffenen Stellen parallel der Längsachse in Splitter und Fetzen, wie 
abgebildet und beschrieben ist. Doch lässt sich über dergleichen schwer- 
lich unbedingt absprechen. Jenes Plätzen der vorhin erwähnten Erlen, 
an deren 'angegriffenen Stellen der eigentliche Schnabelhieb fast stets, zu- 
weilen sehr deutlich zu sehen war, ist mir sonst auch noch nicht vorge- 
kommen. Uebrigens hat Ratzeburg jenes nur fremden Mittheilungen ent- 
lehnt. Was er für sich allein in Anspruch nimmt, ist die Spechtarbeit, 
„die an Birken hervortritt, an welchen der Specht, um Larven und Pup- 
pen des Kecoptogaster zu finden, ganze Reihen von Picklöchern horizontal 
oder schräg anbringt und die Laien, die sich diese Löcher nicht erklären 
können, in Erstaunen setzt.“ Ich bin in der Lage, über das zur Ver- 
anschaulichung dieser Thatsache von Ratzeburg Fig: 7, Seite 90 abge- 
bildete „hübsche Stück unserer Sammlung, wie man es wohl selten an- 
trifft,“ ein sicheres Urtheil abgeben zu können. Das Stück befindet sich 
in unserer Sammlung, es stimmt genau mit der Abbildung; es ist aber 
auch das einzige, was ich vorgefunden habe, worauf sich seine Worte 
beziehen können. Es enthält durchaus gar nichts, als eine ganz gewöhn- 
liche Luftlöcherreihe von KEeccoptogaster destructor. Mit einer Verwun- 


dung durch einen Specht hat diese Reihe auch nicht das mindeste zu 
7* 


100 Die Spechte. 


thun. Auf mein Ersuchen hatte der königliche Oberf. Sachse in Gross- 
Schönebeck die Güte für unsere Sammlung zwei starke Stammabschnitte 
dicht besetzt mit demselben Xylophagen zu übersenden. Hunderte sol- 
cher Luftlöcherreihen lassen sich in seinem R.eviere sehr bald auffinden, 
wenn die alten Birken, welche ich vor drei Jahren dort sah, noch stehen. 
Diese Reihen verlaufen bald horizontal, bald und zwar zumeist vertikal, 
bald in sanftem Bogen, bald in scharfer Curve. Auch hier bei Neustadt, 
in der Stadtforst, im Belauf Maienpfuhl und Kahlenberge fand ich manche 
mit Luftlöcherreihen von Zecotogaster besetzte Birkenkloben und einzelne 
Stämme. Sie sind stets so charakteristisch, so scharf und bestimmt aus- 
geprägt, als kreisrunde genagte Löcher von Spechthieben so verschieden, 
dass mir Ratzeburg’s Verwechselung vollständig unerklärlich ist. Ich 
habe viele mit Zecoptogaster besetzte Stämme gesehen, fast nirgends 
aber irgend eine, auch nur die leiseste Spechtarbeit dabei bemerkt. Das 
einzige Mal, wo ich ausnahmsweise das Gegentheil beobachtete, war an 
einer vom Winde geworfenen starken Birke hier im Belaufe Maienpfuhl 


im Lieper Revier. Der Stamm war seiner ganzen Länge nach so dicht 


mit diesem Xylophagen besetzt, wie ich es bis dahin noch nicht gesehen 
hatte. Hier waren einige wenige Spechthiebe sichtbar, aber bei dieser 
übergrossen Menge von Zecoptogaster so verschwindend wenige, dass ich 
trotzdem, auch dann, wenn sich vielleicht mal wieder ein ähnliches Ob- 
ject, etwa wie jener kleine, dicht mit Eee. rugulosus besetzte Pflaum- 
baumzweig (Seite S4), finden würde, meine obige Behauptung, dass der 
Specht die Stämme nicht nach Bostrichiden anschlage, vollständig auf- 
recht halten muss. Nur zum Schutze der Wahrheit habe ich des allver- 
ehrten und hochverdienten Ratzeburg’s Irrthum in diesem Falle hervor- 
heben müssen. Ratzeburg ist auf dem Gebiete der Örnithologie stets 
unsicher gewesen. 

Ein Ringelbaum erleidet durch die Tätovirung keinen Schaden, er 
wächst freudig weiter. Nur in Ausnahmefällen ist der Splint ein wenig 
angeschlagen, so dass der Stamm bald ausgeführte Ueberwallungen vor- 
nehmen muss. Am unangenehmsten dabei ist jener Wanzenaberglaube, 
da derselbe den Werth eines Ringelstammes erheblich herabdrückt. — 
Zum wenigsten ist diese eifrige Arbeit des Picus maior höchst über- 
flüssig. 

Zum Nachweise, dass der grosse Buntspecht Bäume zwecklos an- 
schlägt, sei es nun zum Percutiren, sei es aus Neugier, möge noch eine 


fremde Mittheilung folgen. Ich finde den interessanten Aufsatz in der 


„Monatsschrift für Forst- und Jagdwesen“ vom weiland Königl. Hannov. 
Revierförster Brauns: „... Ich behaupte nämlich (schreibt derselbe) 
und kann das mit Zeugnissen anderer Forst- und Waidmänner belegen, 


e33 
- E 


Die Ringelbäume. 101 


dass der grosse Buntspecht, Picus maior, wirklich so einfältig und boshaft 
ist, ganz gesunde Bäume, in denen sich keine Insecten finden, zu zer- 
hacken und dass derselbe dadurch höchst lästig und schädlich werden 
kann. In meinem früheren reinen Kiefernreviere, Ovelgönne bei Celle, 
wurde ein kleines Jagdhaus gebaut und zwar an einer Niederung, um 
wenigstens einen Theil des Jahres Wasser zu haben und auch um die 
Umgebung durch Anpflanzung von Laubholz zu verschönern. Beides war 
auf den trockenen Partieen nicht möglich. Es wurden zunächst aus einem 
entfernten gemischten Laub- und Nadelholzorte, wo Picus maior ebenso 
häufig vorkam, starke Eichheister genommen, die im Pflanzkampe erzogen 
waren und die reinste Spiegelborke zeigten. Sie waren kaum einige Tage 
gepflanzt, als sie schon einige zerhackte Stellen zeigten; zugleich aber 
wurde auch der Attentäter auf der That betroffen und musste mit dem 
Leben büssen. Es war jedoch als ob sich die ganze Familie verschworen 
hätte, ihn zu rächen; denn wurde einer abgeschossen, so waren drei wie- 
der da und zerhackten die Eichheister so, dass von unten bis oben keine 
heile Stelle blieb; [Also wohl ähnlich wie die obige Figur 9 der Trlia 
americana, pag. 93] auch die Zweige, die nur einen Hieb vertragen 
konnten, wurden nicht verschont. Um die Pflanzung zu retten, wurden 
die Stämme ganz mit Stroh umwickelt. Kurze Zeit darnach wurden aus 
der Plantage zu Hannover starke Lindenheister gesandt; sie theilten aber, 
mit den zugleich angepflanzten Vogelbeeren und Akazienstämmen; das 
Schicksal der Eichen. Obgleich jeder Forstmann, der sich obendrein 
noch etwas mit Entomologie beschäftigt hat, auf den ersten Blick sehen 
konnte, dass die Spechte dort keine Insecten oder Larven suchten, weil 
keine darin waren, so habe ich doch die Stämme gründlich untersucht, 
aber weder Larven noch ausgebildete Inseeten gefunden. Der als Ento- 
mologe und Forstmann bekannte frühere Lehrer an der Forstschule zu 
Münden, jetziger Chef der Forstinspection Nörten, Herr Forstmeister 
Wissmann, dem ich gelegentlich eines Besuches davon sagte, behauptete 
a priori auch, dass die Spechte bestimmt dort Inseeten suchten und fän- 
den, nahm jedoch seine Behauptung, nach der Untersuchung an Ort und 
Stelle unbedingt zurück. Meiner Ueberzeugung nach behacken die Spechte 
die ihnen fremden Holzarten aus reiner Neugier und ich muss gestehen, 
dass mich diese Thatsache keineswegs überrascht, da man z. B. bei Roth- 
wild, Rehen und Hasen die gleiche Neigung wahrnimmt, ihnen unbekannte 
Holzarten, oder auch solche, die ihnen selten vorkommen, zu zerschlagen 
oder zu verbeissen..... Für meine Ansicht spricht auch die Thatsache, 
dass die Spechte den Telegraphenstangen durch Aushauen von Löchern 
und Spalten sehr nachtheilig werden. Ich zweifle sehr, dass sie in den 
präparirten und gestrichenen Stangen Insecten finden. [Doch wohl, in 


102 Die Spechte. 


frischen häufig Sirex iuvencus.] In demselben Forstorte, aus dem die 
beim Jagdhause gepflanzten Eichheister genommen waren, wurden bedeu- 
tende Pflanzungen mit Heistern aus demselben Kampe ausgeführt, jedoch 
von Picus maior, der, wie schon gesagt, hier ebenfalls häufig war, nie 
beschädigt. Dass der Specht den Saft trinkt, oder den Bast frisst, glaube 
ich auch nicht; ich habe denselben öfter während seiner Arbeit beim 
Jagdhause beobachtet, aber nie wahrnehmen können, dass er leckte oder 
frass.. Nachdem ich den Picus maior eines solchen Vergehens bezüchtigt, 
will ich auch mein Urtheil über die ganze Sippschaft nicht zurückbe- 
halten. Ich räume den eigentlichen Spechten in Beziehung auf Vertil- 
gung schädlicher Insecten keineswegs einen so hohen Rang ein, als man 
ihnen jetzt ziemlich allgemein beilegt, stelle vielmehr die Meisen, Buch- 
finken [?] und den kleinen Baumläufer viel höher. Ich habe hinlänglich 
Gelegenheit gehabt, die Spechte in Laub- und Nadelholzrevieren zu 
beobachten, und gefunden, dass sie ihre Nahrung fast ausschliesslich an 
bereits trockenen Aesten und Stämmen suchen. Unter der Rinde und 
im Holze bereits abgestorbener Stämme finden sich aber bekannt- 
lich eben keine merklich schädlichen Forstinseeten mehr, und werden die 
Spechte dort mindestens eben so viele nützliche Inseeten und deren Lar- 
ven verzehren als forstschädliche, z. B. die Larven von Clerus formica- 
rius. Ihre Haupttugend scheint nur darin zu bestehen, dass sie für die 
übrigen Höhlenbrüter die Wohnungen zimmern. [Hat auch leider seine 
zwei Seiten.] — Einen Umstand darf ich noch erwähnen, der mir auf- 
fallend gewesen ist. Es waren die im Reviere sehr einzeln an einem 
durchfliessenden Bache vorkommenden Eichen, Erlen und Birken stets 
von unten bis oben geringelt, wogegen ich weder in meinem noch in an- 
(dern Revieren je eine Kiefer gefunden habe, die in solcher Weise von 
den Spechten geschändet war, obgleich das in den Kiefernforsten anderer 
Gegenden häufig wahrgenommen werden soll.“ — Aehnliches berichtet 
der Forstmeister Wachtel in Smoler’s Vereinsschrift (1861. pag. 71.) 
y.... Wir haben auf einer Waldwiese nächst dem Schlosse Gstütthof, 
theils zur Verschönerung, theils wegen künftiger Aesung des Hochwildes 
eine Partie Rosskastanien ausgepflanzt. Als selbe zu einer Stärke von 
drei Zoll heranwuchsen, fand man an einigen die Rinde abgespalten und 
hielt im Anfang das Hochwild für die Thäter. Doch bald überzeugte 
sich das Forstpersonal, dass ein Buntspecht die Rinde abspalte und so 
die Stämme vernichte; es musste demselben aufgelauert und er erlegt wer- 
den. Die beschädigten Stämme wurden mit Lehm verschmiert und ver- 
bunden und dieses Jahr doch erhalten. Vorigen Sommer aber begann 
wieder ein Specht an den meisten der übrigen unbeschädigten Kastanien 
mit Gewalt ringsum die Rinde abzuspalten. Es blieb nichts übrig, als 


Die Ringelbäume. 103 


selben wieder zu erlegen und die beschädigten sowohl als die unbeschä- 
digten Stämme zur Vorsicht mit einem Lehmbrei zu überziehen und 
theils zu verbinden. Eben so fand ich im vorigen Frühsommer im Neu- 
mühler Reviere an der Waldstrasse gepflanzte Spitzahorne der Art häufig 
beschädigt, was mir bei meinen Bereisungen heuer selbst anderer Orten 
auch vorkam. Dieses Jahr selbst begannen Spechte an einer schon sehr 
starken Lärchenallee die obere Rinde der Stämme zu entblättern, sie 
sahen ganz roth aus und man trug Sorge, dass die Spechte in ihrer Ar- 
beit tiefer eingehen könnten und die Rinde ganz abspalten dürften, sie 
wurden daher wie möglich verscheucht..... Die Abspaltung in diesen 
Fällen ist nicht senkrecht, wie die Spechte es gewöhnlich thun (?), wenn 
sie Insecten aus dem Holze hervorholen wollen, sondern bei dem Suchen 
von in der Rinde lebenden Insecten zerfransen sie wagerecht die Rinde; 
an einem schwachen Laubholzstamme haben sie mit wenigen Hieben fast 
um und um die Rinde bald abgespalten.* Wachtel’s Beschreibung lässt 
einen Ringelbaum, wenn auch nicht in der schärfsten Ausprägung seiner 
charakteristischen Form, nicht verkennen. Dass bestimmte Bäume, etwa 
jene Kastanien, Eichen von den Spechten angegriffen wurden, erklärt sich 
durch ihr von den Bäumen der Umgebung abweichendes Aussehen. So 
wie ein todter, von Insecten stark bewohnter Stamm sich gegen die übri- 
gen des Bestandes durch ein abweichendes Bild, einen ungewohnten, 
fremdartigen Habitus abhebt und eben hierdurch den Specht anlockt, so 
wird auch eine fremde oder neu eingepflanzte Holzart die gleiche Wir- 
kung haben. Nicht braucht es Muthwille oder Neugier zu sein, was den 
Specht zu seiner müssigen Arbeit verleitet. 

Nachschrift. In unserer hiesigen Stadtforst steht unmittelbar an 
den Quellen des einen „Wasserfalles” eine Gruppe Hainbuchen, von denen 
etwa ein Dutzend vom Specht in einer Weise angeschlagen ist, wie ich 
es noch nie gesehen habe. Zunächst ist die Stärke der Stämme für eine 
solche Spechtarbeit beispiellos gering, da dieselben höchstens 14, häufig 10, 
8, sogar 6 Centimeter Durchmesser haben. Es waren mir ferner bisher 
fast nur rauhborkige Hölzer als solche bekannt, welche vom Specht für 
seine unnütze Ringelarbeit ausgewählt werden. Hier aber handelt es sich 
nun um die sehr hartholzige Hainbuche. Während sonst nur ein ein- 
zelner Stamm oder nur einige wenige angeschlagen werden, ist hier die 
ganze Gruppe, zu der erst gestern (10. März) der Herr Stadtförster 
Kühne mich führte, behämmert. Einzelne Rothbuchen trugen auch 
einige Schnabelhiebe, und in der Umgebung war es mir leicht, noch mehre 
angeschlagene Hainbuchen aufzufinden. Endlich sind die Stämme und 
Stämmehen nicht allein mit einzelnen Ringeln oder vielmehr hier Halb- 
ringeln ziemlich stark besetzt, sondern ausser diesen regelmässig ange- 


104 Die Spechte. 


brachten Schnabelwunden sind dieselben von etwa 1,5 bis gegen 7 Meter 
hinauf stellenweise bald mehr bald weniger so dicht mit unregelmässigen 
Verwundungen besetzt, dass in nicht unerheblicher Ausdehnung die Rinden- 
fläche vollständig dicht mit denselben bedeckt wie blatternarbig erscheint. 
Die oben Seite 93 abgebildete Linde aus dem Braunschweiger Forstgarten 
ist diesen Stämmen gegenüber sehr weitläufig angeschlagen. Dass unter 
der Rinde der behackten Stämme keine Insecten leben, weiss jeder Forst- 
mann. — Da ich diese Erfahrung erst während des Druckes dieses Bogens 
gemacht habe, so ist es mir leider nicht möglich, eins dieser höchst inter- 
essanten Objeete durch eine Abbildung zu veranschaulichen, und muss 
ich mich somit auf diese Nachschrift allein beschränken, 


6. Die Samennahrung. 


Wie unter den Säugethieren die meisten Nager stets feste Gegen- 
stände zernagen müssen, um sich zu ernähren, so müssen zu demselben 
Zwecke die Spechte immer hämmern. Das gilt nicht bloss in Hinsicht 
ihrer Inseetennahrung, sondern auch von ihrer Nahrung aus dem Pflan- 
zenreiche, die wenigstens zeitweise einige Arten reichlich nehmen. 
Diese besteht wohl nur sehr selten in weichen Früchten, in saftigen 
Beeren, etwa Ebereschbeeren, sondern fast obne Ausnahme in Baum- 
sämereien, welche von einer festen Hülle umgeben sind, in Nüssen, 
Bucheln, Eicheln, Kirschkernen, Nadelholzsamen. Der Specht pflückt die 
Frucht vom Baume, klemmt sie in eine Rindenspalte und schlägt die 
harte Schale oder sonstige Umhüllung mit dem Schnabel auf. Die Hülle 
wird dann herabgeworfen. So findet man zuweilen Hände voll Hasel- 
nussschalen um den Stamm eines Baumes angehäuft und hoch oben in 
einer Spalte noch eine zerschlagene stecken. Am stärksten ist in dieser 
Arbeit wiederum der grosse Buntspecht. Als Nadelholz- oder bei uns 
Kiefernvogel wählt er sich zum Aufklauben vorzugsweise Kiefernzapfen, 
obschon er Haselnüsse, wo er deren habhaft werden kann, durchaus nicht 
verschmäht. Auch diese sucht er in Borkenspalten fest einzuklemmen. 
Da aber genau passende nur spärlich vorhanden sind, so richtet er sich 
zweckentsprechende dadurch her, dass er eine natürliche Spalte etwas 
vertieft oder erweitert. In der Regel findet man an einem Stamme nur eine 
solche Stelle und zwar ziemlich hoch. Uebrigens kann man hier bei 
Neustadt auch überall niedrig eingeklemmte Kieferzapfen antreffen, welche 
zuweilen so fest stecken, dass man sie ohne Hülfe eines Messers kaum 
aus der Spalte wieder hervorziehen kann; doch scheint der Specht diese 
niedrigen Stellen nie anhaltend zu benutzen. Der Fall, dass ein Stamm 
5 solcher Stellen ganz niedrig enthielt, ist mir nur einmal, in unserer 


Die Samennahrung. 105 


Stadtforst, vorgekommen. Das nachstehende Bildchen (Fig. 10.) stellt 
denselben naturgetreu dar; die fünfte Stelle befand sich auf der anderen 
Seite. Wird durch tausendmaliges Hämmern eine solche Stelle endlich 
so mitbeschädigt, dass sie die Zapfen nicht mehr festhält, so zimmert der 


Fig. 10. 
Ein Zapfenstamm des grossen Buntspechtes. 


Specht sich, falls es überhaupt auf den Nachbarbäumen noch Zapfen zum 
Zerhacken giebt, entweder eine neue in der Nähe der ersten, oder aber, 
er meisselt die vorhandene nach unten hin wiederum passend aus. Wenn 
solches lange Zeit hindurch wiederholt geschieht, so können endlich solche 
Längsrinnen entstehen, wie jener Stamm aus unserer Stadtforst zwei 


106 . Spechte. 


zeigte; in der Figur die eine, an welcher der Specht sich mit dem Zapfen 
beschäftigt, die zweite in seinem Rücken. Häufig sind jedoch solche aus- 
geprägte Längsrinnen keineswegs. Sind die Zapfen auf den Bäumen schon 
stark deeimirt, so legt sich der Specht entfernt von der ersten eine neue 
„Hobelbank” an. Die Zapfen bricht er von einem der nächsten Bäume, 
fasst sie bald bei dem Stiele, gewöhnlich jedoch, weil nur selten Theile 
vom Stiele am Zapfen bleiben, bei der Spitze an und trägt sie zur Hobel- 
bank fort. Klemmen sie nicht völlig fest, so hält er sie während des 
Meisselns mit den Vorderzehen, und hämmert nun mit seinem gewöhn- 
lichen Eifer auf die stets emporstehende Spitze derselben, und klaubt 
schnell die äusserst fest schliessenden Schuppen auf, um zu dem Samen 
zu gelangen. Zum Herbeiholen eines neuen Zapfens fliegt er allemal direct 
von der IHobelbank gegen seine sonstige Gewohnheit in die zapfentragen- 
den Zweigspitzen. Dies ist der Grund davon, dass man ihn so oft in 
den schaukelnden äussersten Spitzen zwischen den Nadeln angehäkelt er- 
blickt. Wenn er den neuen Zapfen zu der erwählten Stelle bringt, wirft 
er den früheren noch eingeklemmten Zapfen herab. So sammelt sich 
denn allmählig um den Stamm eines solchen Baumes eine grosse Menge 
zerhauener Zapfen. Man kann hier in unseren Wäldern solche leicht 
scheffelweise auflesen. Der Vergleich mit den Hobelspänen unter einer 
Tischlerbank drängt sich jedem Beobachter von selbst auf, und des- 
halb haben wir die sonst nicht ganz passende Benennung „Hobelbank” 
hier aufgenommen. Der Specht verfährt bei diesem Nahrungserwerb sehr 
verschwenderisch, indem die ganze Stielhälfte eines jeden Zapfens, der ja 
eben dort eingeklemmt und geschützt ist, von ihm unberührt bleibt. Die 
Behauptung, dass der Specht nur während des Winters zu dieser Nah- 
rung greife, beruht auf Irrthum. Man findet hier schon im Juli und 
August eine grosse Menge aufgeschlagener neuer Kiefernzapfen, bevor diese 
noch ihre Reife erlangt haben. — Einen vom Spechte zerhackten Nadel- 
holzzapfen einer anderen Art, etwa der Fichte, habe ich noch nie ge- 
funden. Geht man durch unsere alten Kiefernhochwälder, so wird man 
alle Augenblicke das Hämmern eines grossen Buntspechtes vernehmen. 
Es ist gar leicht den Arbeiter aufzufinden und ihn näher zu beobachten. 
Er sitzt unter 10 Mal 9 Mal nicht am Stamme, sondern auf einem hori- 
zontalen Aststummel und hämmert und hämmert. Wer der Meinung ist, 
dass er dort nach schädlichen Insecten hacke, befindet sich im Irrthum. 
Ich selbst war dieser Ansicht, bis ich mir die Frage nach den dort hausen- 
den Insectenspezies vorlegte. Welche konnten denn das sein? So oft ich 
die trocknen Aststummel an gefällten Bäumen untersuchte, fand ich nichts. 
Die Frage jedoch musste gelöst werden, und ich legte mich zunächst 
wieder auf’s Beobachten. Grössere Stückchen fielen wohl einmal vom 


Die Höhlen. 107 


thätigen Specht zur Erde. Es konnten Rinden- oder Holzstückchen sein. 
Jedoch, was ich am Boden fand, waren Zapfenschuppen. Allein ich konnte 
mich irren, da es nicht eben leicht ist, den herabgefallenen kleinen Gegen- 
stand genau zu fixiren. Da fiel ein grösseres Stück senkrecht herab, — 
ein angeschlagener Zapfen. Sofort flog der Specht ab, und kam nach 
kurzer Weile mit einem anderen heran, der auf dieselbe Weise verarbeitet 
wurde. Um nun nicht in den Fehler des leichtfertigen Generalisirens zu 
fallen, allen das zuzusprechen, was man an einem einzigen beobachtet hat, 
griff ich zur Flinte. Bald hier, bald dort wurde der in gleicher Weise 
hämmernde Specht herabgeschossen. Ich mag die Zahl der Opfer nicht 
nennen; aber die Versicherung kann ich geben, dass ich durchaus nicht 
generalisire, wenn ich behaupte, der Specht hämmert dort nur nach Kiefern- 
samen. In keinem einzigen Magen fand ich irgend eine Spur anderweitiger 
Nahrung, aber jeden mit solchem angefüllt. Die Art und Weise, wie er 
auf einem solchen horizontalen Stummel die Zapfen festklemmt, ob er sie 
zwischen Splitter einzwängt oder mit den Krallen hält, lässt sich durch 
directe Beobachtung schwerlich feststellen, da er von unten her fast voll- 
ständig gedeckt ist. Die Schnelligkeit aber, womit er sofort nach dem 
Auffliegen seine Arbeit beginnt, sowie der vorhin erwähnte Umstand, dass 
nach gethaner Arbeit der Zapfen herabfällt, spricht für die letzte Alter- 
native. — Jeder Spaziergang durch unsere Kiefernwälder zeigt uns, eine 
wie staunenswerthe Menge von Zapfen fortwährend durch zwei Thiere, 
das Eichhörnchen und den grossen Buntspecht, vernichtet werden. Die 
vom Eichhörnchen zerschrotenen Zapfenreste liegen weit gleichmässiger im 
ganzen Bestande vertheilt, die vom Specht zerhackten Zapfen in der Regel 
in grosser Menge an einzelnen Punkten, doch findet man unter recht vielen 
Bäumen wohl einige wenige, etwa bis zum Dutzend. So wird die ganze 
Zapfenernte vernichtet. Wo auf das Sammeln von Kiefernzapfen oder auf 
Anflug Gewicht gelegt werden muss, kann das Urtheil über unsern Bunt- 
specht dieser massenhaften Zerstörung wegen nur negativ ausfallen. Nütz- 
lich zeigt er sich jedenfalls dadurch nirgends. Er könnte, sollte man 
meinen, Zeit und Kräfte im forstlichen Interesse besser verwenden. Gleich- 
falls wird man es schwerlich anderen Spezies zum besonderen Ruhme an- 
rechnen können, wenn sie allerhand sonstige Baumsämereien verzehren. 
Der grosse Buntspecht ist jedoch in dieser Hinsicht jedenfalls die beach- 
tenswertheste Art. 


d. Die Höhlen. 


Es ist bekannt, dass die Spechte sich in stärkeren Stämmen Schlaf- 
und Bruthöhlen zimmern. Das Flugloch ist kreisrund und entspricht in 


108 Die Spechte. 


seinem Durchmesser genau der Stärke ihres Körpers so zwar, dass sie 
beim Durchschlüpfen mit ihrer breiten Vorderbrust die Oeffnung voll- 
ständig füllen. Darum findet man nach langem Aus- und Einfliegen, z. B. 
nach Beendigung des Brutgeschäftes die seitlichen Vorderbrustfedern stark 
abgerieben. Die Höhle pflegt zuvörderst etwas zu steigen und sich dann 
bedeutend zu senken. Am Ende erweitert‘ sie sich zur Aufnahme des 
brütenden Vogels und der Jungen zu einem Kessel. Die nach Vollen- 
dung derselben am Fusse des Stammes umherliegenden zahlreichen Holz- 
späne verrathen ihr Vorhandensein, wie auch die Grösse des Zimmer- 
meisters. Es ist mir unklar, wie der hämmernde Vogel in dem oft sehr 
beschränkten Bauminnern den nothwendigen Raum für seine Arbeit findet. 
Solcher Höhlen richtet der Specht mit der Zeit recht viele her, zumal da 
er fast stets in jedem Jahre eine neue Nisthöhle anlegt. Da er nun ein 
festes Brutrevier inne hält, so bleiben schliesslich manche Höhlen von ihm 
unbesetzt. Solche werden begierig von andern höhlenbrütenden Vögeln 
angenommen, welche selbst nicht im Stande sind, sich Wohnungen zu 
meisseln, denn die alten Bäume, welche ihnen passende natürliche Höhlen 
zu bieten im Stande sind, werden von Jahr zu Jahr seltener. Je nach 
der verschiedenen Grösse dieser Höhlenbrüter werden von ihnen die leeren 
Höhlen der verschiedenen Spechtarten angenommen. Die engen Höhlen 
des grossen und mittleren Buntspechtes werden von Staaren bezogen, die 
weiteren des Grünspechtes vom Wiedehopf, auch wohl .von der Hohltaube, 
die geräumigen des Schwarzspechtes von Blaurake und Hohltaube. Man 
findet deshalb in unseren Wäldern diese bestimmten Vogelarten zusammen 
vor. Zuweilen siedelt sich auch eine Dohle, häufiger noch ein Thurm- 
falk in einer Grünspechts- oder Schwarzspechtshöhle an. Die Baumklette 
fühlt sich in allen, sogar in denen mit recht weiter Oeffnung heimisch, 
da sie eine solche bis auf ein enges Flugloch zu vermauern weiss. So 
sorgen die Spechte unfreiwillig für ein passendes Unterkommen dieser 
zum Theil sehr nützlichen, jedenfalls aber den Wald in der angenehmsten 
und mannigfachsten Weise belebenden fremden Vogelarten. Nach dieser 
Seite hin können wir diese Thätigkeit unserer Spechte nur mit Freude 
begrüssen. 

Anders aber muss unser Urtheil über diese Zimmermannsarbeit an 
sich ausfallen. Man behauptet ganz allgemein, dass die von Spechten für 
Höhlen angeschlagenen Stämme sämmtlich im Innern kernfaul, also werthlos 
seien. Das ist allerdings in der Regel der Fall. Ganz gewöhnlich wird 
die Stelle eines eingefaulten Astes als Angriffspunkt gewählt, und von 
hier ist häufig die Fäulniss bereits in’s Innere des Baumes eingedrungen. 
Oft ist freilich die Fäulniss von aussen nicht sichtbar, so dass erst die 
Spechthöhle dieselbe mit der Aussenwelt in Verbindung setzt, Dass’ aber 


Spechte. 109 


trotz aller Behauptung die Spechte auch kerngesunde Bäume zu Nisthöhlen 
anschlagen, weiss ich von Pappel und Aspe sicher und vermuthe es auch 
von anderen Weichhölzern, und der Schwarzspecht kümmert sich über- 
haupt nicht viel darum, ob der Baum gesund oder kernfaul sei, er schlägt 
z. B. gesunde Nadelhölzer häufig genug an. Es ist selbstredend, dass 
durch solche Arbeit der Stamm ganz erheblich entwerthet wird. Aber 
gesetzt auch, es würden nur in bereits kernfaulen Stämmen von den 
Spechten Bruthöhlen angelegt, so ist auch das keineswegs gleichgültig. 
Gloger hat freilich sogar einen bedeutenden Nutzen für den Stamm dar- 
aus dedueirt. Der Stamm soll dadurch in den Stand gesetzt sein, durch 
stärkere Verdunstung nach Aussen im Innern zu trocknen, wodurch dann 
das Weitergreifen der Fäulniss sistirt würde. Die Körperwärme des brü- 
tenden Vogels und der Jungen trüge ebenfalls nicht wenig für ein solch 
wünschenswerthes Ereigniss bei. Mit solchen und ähnlichen Erörterungen 
sind unsere Pflanzenphysiologen nun aber keineswegs einverstanden, sie 
bekunden den absoluten Mangel der Kenntniss von dem Gegenstande und 
dem Processe, worum es sich hier handelt. Ein gesunder Baum, welcher 
vom Specht gehöhlt wird, hat nicht blos diese ganz bedeutende Wunde 
erhalten, sondern er wird ausserdem unbedingt kernfaul. Ein bereits kern- 
fauler eilt dadurch nur um so schneller seinem völligen Verderben ent- 
gegen. Eine geschlossene Wunde ist stets weniger gefährlich als eine 
offene. Wenn man die Trockenheit im Innern einer Spechthöhle so stark 
betont, so ist es freilich wahr, dass nach der Lage des Flugloches der 
den Stamm herablaufende Regen nicht in dieselbe einfliesset. Ein oberer 
stärkerer Ast, "die Neigung und Biegung des Stammes, die vorhandene 
Ueberwallung um den eingefaulten früheren Ast, sogar der Verlauf der 
Borkenrisse, pflegen allerdings davor zu schützen, dass nieht plötzlich bei 
irgend einem Platzregen die ganze Spechtbrut unter Wasser gesetzt wird. 
Allein feinere atmosphärische Niederschläge dringen fortwährend ein und 
befeuchten reichlich den Boden der wuchernden Pilze. Fast alle älteren 
mit Spechtlöchern versehenen Stämme sind durch und durch faul, gar oft 
auf weite Ausdehnung hohl wie ein weitgebohrtes Pumpenrohr. Von Sisti- 
rung der Fäulniss durch Austrocknen in der Umgebung der Spechthöhlen 
ist nirgends eine Spur zu entdeeken; im Gegentheil sind hier stets die 
faulsten Stellen. Noch nie hat ein Specht durch sein Höhlenmeisseln ge- 
nutzt, als etwa dem Käufer eines solchen Stammes, sondern in jedem ein- 
zelnen Falle ganz erheblich geschadet. 

Nach Vorstehendem kann unser Urtheil über den forstlichen Werth 
unserer Spechte keinesweges zweifelhaft sein. Meine Erfahrungen über 
Inseceten- und Samennahrung, über Ringelung und Höhlung sind hier vor- 


110 Langhänder. 


urtheilsfrei aber auch rückhaltlos mitgetheilt. Dass die Spechte noch in 
anderer Weise zu der Forstwirthschaft in Beziehung treten, ist mir nicht 
bekannt. 


IV. Ordnung. Langhänder, Macrochıri. 


Nesthocker mit kurzem Oberarm und verlängertem Unter- 
arm und Hand; Handschwingen lang, Armschwingen 
höchstens mittellang und von den Flügeldecken über- 
ragt; Schienen und oberer Theil des nicht oder kaum 
geschilderten Laufes befiedert; Beine kurz und schwäch- 
lich; ein oder zwei Paar Kehlmuskeln. 


Diese ausgeprägten Flugvögel zeichnen sich durch kurzen Oberarm, 
langen, nur kurze, höchstens mittellange, von den Flügeldeckfedern bedeckte 
Schwingen tragenden Unterarm und eine noch längere, stets 10 kräftige und 
lange Schwingen tragende Hand gemeinsam aus. Ihrem Flugvermögen ent- 
spricht ferner ein hoher Brustkamm und in Folge dessen eine starke und 
hohe Brust. Ihr Hals ist kurz, die Beine kurz und meist sehr schwäch- 
lich, ihre Füsse zeigen mehre, doch nicht gemeinsame Eigenthümlichkeiten- 
Desgleichen ist ihr Schnabel auffällig, und zwar entweder ganz abnorm 
kurz und an der Basis auffallend breit, oder fein und lang, sogar sehr lang 
röhrenförmig gebildet. Auch ihr Contourgefieder, welches stets einen deut- 
lichen Afterschaft trägt, zeigt fast extreme Verschiedenheiten. Gemeinsam 
ist ihnen jedoch die sehr geringe Zahl (2, höchstens 3) ihrer sehr ge- 
streckten, zuweilen fast walzenförmigen weissen, oder auf weissem Grunde 
grau marmorirten Eier. In ihrem Leben ragen sie durch ungemeine Flug- 
fertigkeit hervor. Während einige nur in der Dämmerung, andere vom 
ersten Morgengrauen bis zur Zeit der Abendröthe nach fliegenden Insecten 
jagen, schwirrt eine dritte Familie mit äusserst schnellen Flügelschlägen 
nur im hellen Sonnenlichte schwärmerartig an Blumen umher. Sie ge- 
hören den warmen Erdstrichen an, nur wenige Arten treten für die Som- 
merzeit in gemässigte Zonen über. Zwei Familien bewohnen die alte wie 
neue Welt, die dritte ist einzig auf Amerika beschränkt. — Von diesen 
drei Familien, Nachtschwalben, Segler und Colibri, haben nur die beiden 
ersten bei uns je noch eine Art aufzuweisen. 


Ablı 


Die gemeine Nachtschwalbe. 111 


1. Familie. Nachtschwalben, Caprimulgidae. 


Die Nachtschwalben oder Ziegenmelker, die Riesen unter den Macro- 
chiren, zeichnen sich nicht so sehr durch extreme Flügelbildung als viel- 
mehr dadurch aus, dass alle ihre Organe dem Nachtleben angepasst sind 
und zwar mit auffälliger Berücksichtigung ihres nächtlichen Inseetenfanges. 
In dieser Hinsicht stehen sie unter allen Vögeln einzig da. Doch ent- 
spricht immerhin noch ihr Flügelbau dem Typus der übrigen Macrochiren. 
Hand und Unterarm übertreffen den Oberarm noch an Länge, die Primar- 
schwingen, deren drei erste die Flügelspitze bilden, sind lang, die Arm- 
schwingen, wenn auch nicht gerade kurz, so doch nur mittellang. Mit 
ihrem nächtlichen Insectenfange steht ihr äusserst kurzer, aber sehr breiter, 
weit gespaltener Schnabel, der durch derbe bewegliche Borsten noch mehr 
verbreiterte Rachen, ihre grossen nächtlichen Augen, sowie ihr gewandter, 
die kühnsten Schwenkungen erlaubender Flug in innigster Beziehung. 
Ihrem Nachtleben überhaupt entspricht ihr eulenartig graubunt gezeich- 
netes Gefieder. Dasselbe ist gross und weich, fast flatterig locker und 
sitzt lose in der sehr dünnen Haut. Manche tragen, fast im Contraste mit 
ihrem sonstigen unscheinbaren Eulenaussehen, einzelne wunderliche Feder- 
zierrathen, etwa im Flügel ein Paar sehr langer Federn fast ohne Fahne, 
deren normale Spitze weithin nachflattert, oder einen ungeheuren Gabel- 
schwanz, verlängerte seitliche Kopffedern u. dergl. Ihr Flug ist unhörbar 
leise. Am Tage ruhen sie auf gleichfarbigem Boden, oder der Länge nach 
auf einem stärkeren, horizontal verlaufenden Zweige, einer alten Planke, 
auch in Höhlen. Zum sicheren Längssitze auf den walzenförmigen Zweigen 
ist die Mittelzehe, bei Weitem die längste von allen, mit einem nach 
innen stark gekämmten Nagel versehen, und die Hinterzehe stark seit- 
wärts nach innen gewendet. Die äussere Zehe besteht nur aus 4 Pha- 
langen. Die Fusswurzel zum Theil befiedert. Man sieht diese lichtscheuen 
Vögel nie laufen, nur ruhen oder fliegen. Ihre 2 walzenförmigen weissen, 
„stark mit grauen Zeichnungen marmorirten, gefleckten und gestrichelten 
Eier liegen ohne Unterlage auf dem mit Haidekraut u. dergl. bewachsenen 
Boden. Nach Geschlecht, Alter, Jahreszeit zeigen sie in ihrem Aeussern 
nur geringe Unterschiede. Ja die verschiedenen Arten sind sich ausser- 
ordentlich ähnlich, wie selten in irgend einer Vogelgruppe. Sie leben aus- 
schliesslich von Insecten, welche sie fliegend meist im Fluge, doch auch 
von den Pflanzen erhaschen. Die unverdaulichen Theile derselben werden 
als Gewölle ausgeworfen. Die Zunge ist äusserst klein, Kropf fehlt. Man 
kennt etwa SO auf beiden Erdhälften vorkommende Spezies, welche die 
nächtliche Stille durch ihre staunenswerthe Fluggewandtheit, noch mehr 


113 Langhänder. 


aber durch ihre stets höchst auffallende, sonderbare Stimme beleben. In _ 
Europa leben zwei Arten dieser merkwürdigen Vögel, bei uns hat noch 
eine von diesen ihre Heimath. 


” Die gemeine Nachtschwalbe. 
Caprimulgus europaeus L. 

Das sehr fein und mannigfach auf hellgrauem Grunde bräunlich und 
braun gezeichnete Gefieder dieses kukuksgrossen, äusserst breitschnabeligen 
Vogels ist ohne grosse Weitläufigkeit nicht zu beschreiben. Ein breiter 
braunschwarzer Mittelstreif des Scheitels, ähnliche Streifen am Hinterhalse, 
Fehlen eines Halsbandes, schwärzliche Zickzacks, Punkte und lückenhafte 
Binden der beiden mittleren Schwanzfedern lassen ihn von anderen ähn- 
lichen Arten unterscheiden. Er bewohnt Europa mit Ausschluss des 
höheren Nordens, auch das benachbarte Afrika, z. B. Oberägypten, Tripoli 
und vielleicht Asien, und ist in seinem Vorkommen durchaus an den Wald 
oder wenigstens an den Baumwuchs gebunden. Das Innere des düsteren 
Hochwaldes vermeidet er, liebt dagegen den Rand eines solchen und fühlt 
sich auf grösseren Blössen oder Haideflächen, wenn solche ausser Beer- 
und Haidekraut junge oder lückige und vielfach unterbrochene Schonungen, 
oder einzelne krüppelhafte Kiefern, auch Birken enthalten, besonders 
heimisch. Nadelholz zieht er dem Laubholz entschieden vor. Ueppiger 
dichter Graswuchs am Boden ist ihm zuwider. Im Allgemeinen will er 
für seine niedrigen Jagdflüge offenes, doch nie ödes und kahles Terrain. 
Am Tage ruht er auf dem Boden oder niedrig auf einem von oben ge- 
deckten horizontalen Aste, liegenden Baumstamme u. dergl. und schmiegt 
sich der Länge nach so sehr diesem an, dass er wie eine mit Flechten 
oder rauher Borke bedeckte Erhöhung derselben, etwa wie ein Auswuchs 
aussieht. Aufgescheucht fliegt er, wo möglich, sofort hoch auf einen alten 
Baum des benachbarten Bestandes oder eines Parkes, um sich dort wieder 
platt auf einen starken Ast zu drücken. An erst bezeichneten Stellen 
finden sich auch seine 2 Eier am Boden ohne Unterlage zwischen Haide- 
kraut oder anderen Bodenkräutern. Man findet ihn in Deutschland überall, . 
wenngleich stets einzeln und sporadisch, sowohl im Gebirge als in der 
Ebene brüten. Auf seinem 4 Wochen währenden Zuge durchstreift er 
ausser seinen Brutrevieren auch andere Gegenden. Er ist höchstens 
5 Monate bei uns. Spätlinge scheinen Junge einer nach Zerstörung der 
ersten, vorgenommenen zweiten Brut zu sein. Ich fand am 21. Mai schon 
stark bebrütete, ein anderes Mal am 1. Juli zwei noch ganz frische Eier. 
In der Regel legt er jedoch, wenn er nach Verlust der ersten Brut zu 
einer zweiten schreitet, nur ein Ei. Von Mitte bis Ende Juli findet 
man halb und kaum flügge Junge. Seine Ankunft am Brutplatze habe 


ur 


Segler. 113 


ich nicht früher als am 5. Mai constatiren können. Das laute wunderbar- 
liche katzenartige sehr anhaltende Schnurren des Männchens am Brut- 
platze, welches wie errrrrv, örrrrrr (beim Einziehen und Ausstossen der Luft 
hervorgebracht) lautet, ist für eine solche Feststellung maassgebend. Sonst 
hört man einen schnalzenden Ton und einige leisere Stimmen von ihm. 
Er ergreift als Nahrung meist fliegende, seltener sitzende grössere Insecten, 
als Melolontha vulgaris, hippocastani, solstitialis, Scarabaeus stercora- 
rius, politus, mutator, silvaticus, vernalis, typhoeus, Odontaeus mobil- 
cornis (von letzterem sind schon 30 Stück in seinem Magen gefunden; 
Sammler machten früher Jagd auf ihn wegen dieses „seltenen” Käfers), 
Sphin® pinastri, Gastropacha rubi u. v.a. Bei Verfolgung schnellfliiegen- 
der Beute, z. B. des letztgenannten Spinners, beweist er eine an die der 
Schwalben erinnernde Fluggewandtheit. Meist streicht er niedrig am Boden 
umher und überspringt im leichten Fluge die höheren Gegenstände, doch 
‚sieht man ihn auch sich hoch über die Kronen alter Bäume schwingen. 
Sein Flug ist eulenartig leise und in der Abend- und Morgendämmerung 
wie beim Mondschein äusserst lebhaft. — Man muss ihn unter die forst- 
nützlichen Vögel rechnen, kann ihm jedoch eine Wichtigkeit keineswegs 
zulegen. Die meisten ihm zur Beute fallenden Inseeten sind gänzlich in- 
different, und er selbst tritt auch in den von ihm am stärksten bewohnten 
Gegenden doch nur sehr einzeln auf. 


2. Familie. Segler, Cypselidae. 


Die Segler umfassen eine kleine, einheitlich organisirte Gruppe von 
etwa 50 in allen Welttheilen lebenden, bescheiden düster gefärbten "Arten, 
welche häufig durch graue oder weisse Partieen eine wenig zierende Zeich- 
nung erhalten, selten dunkel metallisch schimmern. Sie gehören sämmt- 
lich zu den kleinen Vögeln und zeichnen sich durch einen sehr kleinen, 
breiten, plattgedrückten Schnabel aus, der sich bis unter die in einer 
muschelförmigen Vertiefung liegenden Augen spaltet. Kopf breit, platt. 
Armknochen sehr kurz; dagegen die Handschwingen, deren erste oder 
zweite die Spitze bildet, sehr lang und etwas säbelförmig gebogen; die 
Armschwingen sehr kurz; der Schwanz mittellang und gabelförmig; die 
Beine kurz. Sie gehören zumeist den warmen Gegenden an, bewohnen 
hier Felsen und grössere Steinbauten, selten Wälder. Als „Langhänder” 
im reinsten Ausdruck durchjagen sie im stürmischen Fluge vom ersten 
Morgengrauen bis tief in die Nacht die Luft, erhaschen fliegend Insecten, 
sowie ihr Nestmaterial, welches sie jedoch stets mit ihrem leimartigen 
Speichel verkleben, wenn sie nicht gar ohne alles fremde Material ihr 
Nestnäpfchen nur aus Speichel herstellen, trinken sogar fliegend, indem 

Altum. Die Vögel. 8 


114 Langhänder. 


sie eine lange Furche über den Wasserspiegel ziehen. Sie setzen sich 
weder auf Zweige noch auf den Erdboden, laufen überhaupt wenig oder 
gar nicht. Diejenigen, welche ihre Nester nicht äusserlich an Felsen kleben, 
brüten in Fels- oder Baumhöhlen, wohin sie sich direct fliegend begeben, 
Ihre 1, 2 oder 3 weissen Eier haben eine matte Schale und gestreckte 
Form. — Ihrer schwalbenartigen Gestalt und Lebensweise wegen werden 
sie häufig Schwalben genannt. 


Segler, Cypselus. 


Die Segler im engeren Sinne zeichnen sich durch gedrungene Körper- 
form, ganz gespaltene dreigliederige Vorderzehen, nach vorn gewendete 
Hinterzehe, starke, sehr gekrümmte ganzrandige Krallen und vorn be- 
fiederte Läufe aus. Sie bewohnen in etwa 20 Arten alle Welttheile, zwei 
derselben Europa, von denen eine zahlreich noch in Deutschland vor- 
kommt. 


I. Der Mauersegler. 
Cypselus apus L. 


Tief russschwarz mit schwachem Metallschimmer; Kehle grauweiss. 
In ganz Europa, nach Norden bis tief in Schweden, südlich noch am Cap 
der guten Hoffnung, jedoch in Afrika, woselbst er auch mausert, nur im 
Winter. Er langt nach Mitte April (19.), meist gegen den 27. bei uns 
an. Nach dem sehr kalten Winter 1836 erschien er bei Münster erst 
am 13. Mai. Am 3. oder 4. August pflegen sie hier über Nacht zu ver- 
schwinden, nachdem sie sich an den Tagen vorher zahlreich in grosser 
Höhe gesellig umhergetrieben haben. Nachzügler erscheinen noch bis in 
den September. So am ®. am Seestrande auf Borkum. Er bewohnt meist 
die alten grossen Gebäude der Städte wie auf dem Lande, in Gebirgen 
hohe schroffe Felswände, selten, wie hier bei Neustadt, alte Wälder. Dort 
brütet er in Stein- wie Baumhöhlen; macht oft viele Ausflüge in die Um- 
gegend, woselbst die Individuen von der Stadt her, besonders während 
der Futterzeit, wiederholt plötzlich zahlreich erscheinen und eben so plötz- 
lich wieder verschwinden. Bei heiterem Wetter pflegen sie in bedeuten- 
der Höhe, bei schwülem und vor Gewittern niedrig über Getreidefeldern 
und stehenden oder langsam fliessenden Gewässern in sausendem Fluge 
zu jagen, wobei sie sich wohl so wenig scheu zeigen, dass man sie mit 
einem Handstocke erschlagen kann. Scheuheit bemerkt man überhaupt 
bei ihnen kaum, ihre unermüdliche äusserst energische Flugkraft lässt sie 
keine Gefahr erkennen und achten. Doch überholt und fängt sie der 
noch schnellere Lercheufalk. Im Fluge beschreiben sie bald schwebend 


Der Alpensegler. 115 


gleich Schlittschubläufern die verschiedensten Bogen, bald flattern sie weit 
ausholend, bald mit sehr kurzen Schlägen, fast zitternd; dann heben 
sie momentan, ähnlich wie die Tauben, die Flügel hoch, dann scheinen 
sie sich zu überschlagen. Im ersten Morgengrauen kommen sie gern zur 
Tränke, einem grösseren ruhigen Wasserspiegel, streifen in langer Furche 
denselben, erheben sich schnell schlagend wieder, um im Bogen zwei- bis 
dreimal zum selben Zwecke zurückzukehren. Sie leben stets gesellig, ein- 
zelne Pärchen trifft man nicht häufig, gesellig jagen sie, obgleich jedes 
Individuum seine eigenen Zwecke verfolgt, in dichtem Haufen treiben sie 
sich laut schreiend umher. Sie leben nur von Inseeten. Das Futter für 
die Jungen häufen sie in einer Ausbauchung der Kehle zu einem, durch 
ihren klebrigen Speichel zusammengehaltenen Ballen bis zur Haselnuss- 
grösse an. Er besteht aus Fliegen, Öulieiden, Tipuliden, Phryganeen, auch 
kleineren Käfern. Die Individuen mit solchen Ballen sind an dem son- 
derbar, fast kugelig erscheinenden Kopfe auch im reissendsten Fluge leicht 
zu erkennen. Bei nasskaltem, unfreundlich windigem insectenarmen Wetter 
verlassen sie ihre Höhle nicht, und sie wie ihre schwach hellschuppig ge- 
zeichneten Jungen müssen dann oft lange fasten. Die unverdaulichen 
Reste ihrer Nahrung werden als Gewölle ausgeworfen. Fast jedes Indi- 
viduum wird von grossen Lausfliegen, Stenopterya® hirundinis, bewohnt. 
Ermattete findet man oft auf dem Boden. Sie vermögen kaum zu laufen, 
durchaus nicht auf einem Zweige der Quere nach zu sitzen, sondern nur, 
sich mit ihren scharfspitzigen mondförmigen Krallen an Gemäuer und Felsen 
anzuhäkeln. — Eine besondere Nützlichkeit kann ihnen kaum zugeschrieben 
werden; doch sah ich einst, wie ein Paar bei anhaltendem Hin- und Her- 
fliegen einen Mückenschwarm so deeimirte, dass er allmählig sichtlich lichter 
wurde. Als Vögel, welche in sehr hohem Grade die Natur beleben, wie 
kaum andere, deren Fülle von stets unverminderter Kraftäusserung von 
keinem anderen hiesigen Vogel erreicht wird, erwecken sie bei uns Staunen 


und Bewunderung, und wir begrüssen sie mit Freuden, Forstlich sind sie 
gänzlich indifferent. 


2. Der Alpensegler. 
Cypselus melba L. 

Der Alpensegler ist etwa um ein Viertel grösser als der Mauersegler, 
oben russgraubräunlich ohne Metallschimmer, unten weiss mit dunkelgrau- 
braunem Brustband. In den Alpen, namentlich im Südwesten Europa’s, 
vertritt er unseren Mauersegler, mit dem er in seinen gesammten Lebens- 
äusserungen viele Aehnlichkeit zeigt, so dass man es ohne genaue Auf- 
merksamkeit dort zuweilen nicht merkt, dass man es mit dieser kräftigeren 
Art zu thun hat. 


8*+ 


116 Langhänder. 


Salangane, Collocallia. 


Diese schwächliche, zarter gebaute Seglerform unterscheidet sich von 
den eigentlichen Seglern durch unbefiederte Läufe, normale Zehenstellung 
und Phalangenzahl; kein Gabelschwanz. Auch sie sind russgrau und kräftige 
gewandte Flieger. Aus ihrem puren zähen Speichel verfertigen sie die 
essbaren Vogelnester, kleinen halben Hornnäpfchen nicht unähnliche Schalen 
an den steilsten Stellen in der Nähe des Meeres, welche oft in grosser 
Menge zusammen stehen. Doch nicht alle Arten bauen ohne jeden fremden 
Neststoff, der dann aus feinen, durch das Drüsensekret stark verleimten 
Hälmcehen besteht. Nur D unter einander ähnliche Arten in Südasien und 
Östindien. C. esculenta, nidijica, fuciphaga. 

Die Waldsegler (Dendrochelidon), in Fussbildung den Salanganen 
ähnlich, jedoch mit längeren Flügeln und Gabelschwanz, aus Ostindien, 
Afrika und Neu-Guinea, gehören dem Walde an. Ihr Nestbau ganz abnorm — 
5 Arten. DD. Klecho z. B. baut ein unverhältnissmässig kleines Nest von 
der Grösse einer Wallnussschale seitlich an einen Zweig. Beim Bebrüten 
des einzigen Eies sitzt der Vogel auf dem Zweige der Quere nach und 


auf dem Neste zugleich. 


3. Familie. Kolibri, Trochilidae. 


Den Charakter als Langhänder zeigt auch die an Arten wie Formen 
reiche Familie der ausschliesslich amerikanischen Kolibri im reinsten Aus- 
druck. Ihr Oberarm ist sehr kurz, die 10 (9) Schwingen erster Ordnung 
auffallend lang und wie die sehr kurzen Armschwingen und die Steuer- 
federn breitfahnig. Dieser hohen Ausbildung ihrer Flugorgane gegenüber tritt, 
wie bei den Seglern, die Bedeutung und Function ihrer sehr schwächlichen 
Füsse mit normaler Zehenstellung derart zurück, dass auch sie weder 
laufen, noch die Zweige durchschlüpfen können. Jedoch dienen sie ihnen 
zum festen queren Sitz auf Zweigen. Ihr Schnabel ist lang und fein; der 
Oberschnabel greift fast stets mit seinen Rändern über den Unterschnabel. 
Ihre lange, vorn in zwei Fäden getheilte Greifzunge ist durch eine ähn- 
liche Vorrichtung wie bei den Spechten weit vorstreckbar. Die über den 
Scheitel bis zur Stirn sich erstreckenden Zungenbeinhörner liegen hier in 
einer seitlichen Scheitelvertiefung. Ihr Gefieder ist sehr häufig stark 
metallisch (goldig, grün, blau, violett, orange und carminroth) glänzend, 
die Aeste der Fahnen sind dann sehr verbreitert, nicht selten aber treten 
auch sehr bescheidene Färbungen auf. Bald sind die beiden Geschlechter 
höchst ungleich, bald sich recht ähnlich. Ihre gegen 350 zählenden Arten 


zeigen auch in anderer Hinsicht gruppenweise bedeutende Verschieden- 


Kolibri. 117 


heiten. Der Schnabel tritt von nur etwas über Kopfeslänge bis zu und 
über Körperlänge auf, ist bald gerade, bald bogig schwach bis stark nach 
unten gekrümmt, bald mit der Spitze sogar schwach nach oben gebogen, 
bald feiner, bald derber, die Ränder des Oberschnabels bald mit Zähne- 
lung versehen, bald glatt; die Schwingen bald gradschäftig, bald etwas 
säbelförmig, ihre Schäfte bald breit und derb, bald fein; der Schwanz 
bald abgestutzt, bald gabelförmig, bald keilförmig mit wohl ganz auffallend 
in feinere Spitzen ausgezogenen Mittelfedern, bald mässig lang, bald un- 
gewöhnlich verlängert. Auch-die winzigen Beine nehmen an diesen Ver- 
schiedenheiten Antheil. Der Lauf ist bald kürzer als die Mittelzehe, bald 
nicht, bald vorn mit undeutlichen Tafeln versehen, bald befiedert, zwischen 
den beiden äusseren Zehen bald ein kleines Verbindungshäutchen, bald 
fehlt ein solches. Man hat daher die zahlreichen Arten dieser Familie in 
mehre (7) Unterfamilien und in fast 150 Gattungen getheilt. Trotz aller 
Verschiedenheiten und Theilungen bilden die Kolibri nichts desto weniger 
eine sehr einheitliche Gruppe sowohl in ihrem äusseren Bau, als in ihrer 
Lebensweise. Sie haben in ihrer geographischen Verbreitung ihren Schwer- 
punkt in den heissen Gegenden von Amerika, doch treten einzelne Arten 
sowohl nach Norden wie nach Süden weit über diese Gegenden hinaus- 
Wir finden Kolibri in Labrador wie in Patagonien. Während manche 
Arten einen ausgedehnten Verbreitungsbezirk haben, sind andere in ihrem 
Vorkommen etwa durch hohe Gebirge sehr beschränkt. Einige steigen 
bis zu den Schneeregionen aufwärts, andere bewohnen stets die warmen 
tiefen Thäler. Ihr Flug ist schwirrend schnell, ruckweise schiessen sie Schwär- 
mern gleich von einer Stelle zur andern, schweben vor Röhrenblüthen, um 
dort Inseeten und vielleicht Nectar aus dem Innern hervorzuholen, und 
sind im nächsten Augenblicke wieder verschwunden. So erscheinen sie 
auch oft in Menge plötzlich in einer Gegend, an der man vorher keine 
wahrnahm, um bald darauf wieder zu verschwinden. Die am weitesten 
von den heissen Zonen entfernten Kolibrigegenden beherbergen meist nur 
vorübergehend solche Durchzügler. Manche Arten sind unter die wirk- 
lichen Zugvögel zu rechnen: Auf den Erdboden setzen sie sich nie. Ihre 
sehr kunstvollen, aus Pflanzenwolle verfertigten Filznestchen stehen auf 
Zweigen, zwischen Gabeln, in und an Blättern und enthalten zwei matt- 
weisse, walzliche, für die Grösse der Vögel (von Hummel- bis Schwalben- 
grösse) starke Eier. 

Die Eigenthümlichkeiten dieser winzigen Vögel in Bau und Lebens- 
weise sind Veranlassung gewesen, dass man sie als eine besondere Ord- 
nung: Schwirrvögel, Strisores, behandelt hat. 

Arten: pella, sappho, bilophus, helios, furcatus, vestitus, — moschitus, 
Delalandi, amethystina, clarissa, rubineus, schöne, die fünf letzten häufige 


118 Sperlingsartige Vögel. 


Arten; ensiferus die langschnäbeligste, colubris die in Nordamerika be- 
kannteste, minimus die kleinste, der düstere gigas aus dem südlichen 
Westamerika die grösste Art. 


V. Ordnung. Sperlingsartige Vögel, 


Passerinae. 


Nesthocker mit nicht verkürztem Oberarm, 10, selten 9 Hand- 
schwingen, kurzen Flügeldeckfedern, bis zur Ferse be- 
fiedertem Unterschenkel, vorn mit grob getäfeltem, auch 
gestiefeltem Lauf, zierlichen Füssen mit normaler Zehen- 
stellung und Phalangenzahl, die beiden äusseren Zehen 
am Grunde verwachsen, Hinterzehe kräftig. 


Nach Beschaffenheit des unteren Kehlkopfes zerfällt diese bunte Ord- 
nung in zwei Unterordnungen, in Schreivögel im engeren Sinne und in 
- Singvögel. 


a. Schreivögel. 


Man rechnete früher zu den als eigene Ordnung aufgeführten „Schrei- 
vögeln” auch die vorhergehend bereits in vier besonderen Ordnungen be- 
handelten Vogelformen. Nachdem diese ausgeschieden, bleiben unter dieser 
zu den Passerinen gestellten Unterordnung nur etwa noch 600 Arten übrig, 
die im äusseren Habitus manche, sogar gegensätzliche Verschiedenheiten 
zeigen und häufig die Benennung „sperlingsartig’” sehr wenig rechtfertigen. 
Ein Singmuskelapparat ist nicht vorhanden, öder nur seitliche Muskeln 
bilden denselben. Ihre erste Schwinge ist lang (fehlt jedoch wohl manch- 
mal); der Lauf vorn grob getäfelt, seitlich beschient oder auch gekörnelt. 
Ausser den beiden Arten des neuholländischen Leierschwanzes (Menura) 
und den grellbunten dickköpfigen, hochbeinigen und sehr kurzschwänzigen 
afrikanischen, australischen, indischen und ostindischen wenigen Arten der 
Gattung Pitta sind sämmtliche hierher gehörende Spezies amerikanisch. 
Die meisten dieser gehören Südamerika, etwa Brasilien, Peru, Chili an, 
Man hat sie in 6 Unterfamilien und zahlreiche Gattungen getheilt. Manche, 
wie die Cotinga’s sind durch hohe Farbenpracht (etwa Blau und Purpur), 


Singvögel. 119 


andere, wie die orangefarbenen Felsenhähne, Arupieola, durch auffallende 
Federbildung geziert. Da sie im Allgemeinen dem heissen Klima ange- 
hören, so treten häufig Prachtfarben bei ihnen auf. Sie gehören, abge- 
sehen von den genannten Leierschwänzen, zu den kleineren Vögeln, welche 
meist die mittlere Drosselgrösse kaum erreichen. — Europa oder gar Deutsch- 
land sind sie gänzlich fremd, daher zur Erläuterung unserer einheimischen 
Fauna unwichtig. Wir können uns deshalb hier in Betreff derselben mit 
dieser kurzen Andeutung begnügen. 


b. Singvögel. 


Die erste der 10 Primarschwingen verkümmert oder wohl fehlend; 
Läufe gestiefelt; am unteren Kehlkopf 5—6 Muskelpaare. 

Ihre Körperform ist freilich mannigfach verschieden, jedoch treten fast 
stets alle äusseren Organe in mittlerer und so harmonischer Ausbildung 
auf, dass man sie als die typischen Vogelgestalten ansehen kann. Munteres 
Wesen, kunstvoller Nestbau, angenehme, oft zum herrlichsten Gesange sich 
steigernde Stimme erhöhen ihren Reiz. Sie gehören zu den kleinen Vögeln, 
ihre grössten Arten erheben sich kaum zur mittleren Vogelgrösse. Die 
Schnabelform verschieden, die erste der 10 Handschwingen sehr kurz, 
ausnahmsweise fehlt sie oder erreicht etwa die halbe Länge der zweiten. 
Die Armschwingen sind ungefähr von halber Länge der ersten; der Lauf 
ist meist gestiefelt. Drei Zehen mit normaler Phalangenanzahl stehen nach 
vorn gerichtet, eine nach hinten. Der Singmuskelapparat ist bei ihnen 
am vollendetsten ausgebildet. Ihre geringe Grösse wird reichlich aufge- 
wogen durch die Menge, in der sie in mannigfacher Verschiedenheit auf 
der ganzen Erde leben. Man kennt ungefähr 3000 Arten, welche man 
in 28. Familien getheilt hat, und von denen viele der letzteren noch in 
mehre Unterfamilien, und fast alle selbstredend in zahlreiche Gattungen 
zerfallen. Wenige Familien sind Cosmopoliten, mehre auf einen einzigen 
Welttheil, etwa Amerika, Afrika, Australien angewiesen, andere verbreiten 
sich von einem Welttheile zum andern, sind z. B. alteontinental, oder alt- 
und neucontinental, ohne dass sie gerade überall vorkommen. Von diesen 
2S Familien haben 15 auch in unseren Gegenden Arten, einige sogar ver- 
hältnissmässig zahlreiche Arten aufzuweisen, die theils als Brutvögel hier 
heimathberechtigt sind, theils als Wintervögel unsere Gastfreundschaft in 
Anspruch nehmen. Sie beleben in der angenehmsten Weise das offene 
Feld wie den Wald, das einsame Landhaus wie die grössten Städte, das 
dichteste Gebüsch wie die klare Luft. In dieser ihrer Verschiedenheit 
zeigen sie die interessantesten habituellen Aehnlichkeiten mit manchen 
Vögeln aus gänzlich fremden Kreisen. So erinnern die Kreuzschnäbel an 


120 Sperlingsartige Vögel. 


die Papageien, die Bachstelzen an die Strandläufer, die Lerchen an die 
Hühner, die Schwalben an die Segler, die Würger an die Raubvögel, die 
Raben an die Geier, die Baumkletten an die Spechte, die Wasserschwätzer 
an die Taucher. Im Naturhaushalte wirken sie bedeutend durch Ver- 
zehren einer grossen Menge von Sämereien und Inseceten, und zählen unter 
sich mehre Arten, welche durch ihre Nahrung als durchaus forstwichtig 
bezeichnet werden müssen. 

Für unseren Zweck wird es genügen, uns neben einer kurzen Er- 
wähnuug der hervorragendsten exotischen Familien auf die inländischen 
zu beschränken, und in diesen nur diejenigen Arten hervorzuheben, denen 
vom forstlichen Gesichtspunkte ein besonderes Interesse beigelegt werden 
muss. 


l. Familie. \Webervögel, Ploceidae. 


Die Webervögel sind von finkenähnlicher Gestalt; ihr starker, bald 
mittellanger, bald kurzer Finkenschnabel zeichnet sich jedoch durch eine 
breite First, welche an der Basis in das Stirngefieder einspringt, sowie 
durch etwas zusammengedrückte Spitze aus; der Tarsus ist vorn getäfelt, 
seitlich geschient. — Man kennt gegen 140 Arten, fast sämmtlich afri- 
kanisch, welche in 3 Unterfamilien und viele Gattungen zerfallen. 

Die eigentlichen Webervögel sind weniger durch ihr buntes, 
meist gelblich und röthlich mit Schwarz gezeichnetes Gefieder, als viel- 
mehr durch ihren äusserst künstlichen Nestbau berühmt. Der merkwür- 
digste derselben ist ohne Zweifel das dachförmige, eine Menge von Einzel- 
wohnungen enthaltende gemeinsame Nest des Ploceus socius. 

Die beiden anderen Gruppen, die sogenannten Wittwen und kleinen 
Prachtfinken, sind besonders in neuester Zeit sehr beliebte Käfigvögel 
geworden. Die Männchen der sehr bescheiden, meist schwarz und weiss 
gefärbten Wittwen imponiren in der Fortpflanzungszeit durch monströs 
lange mittlere Schwanzfedern; die „Prachtfinken”, zu denen ausser dem 
Reisvogel die äusserst kleinen und niedlichen Amadinen, Astrilden, Blau- 
bäckchen, Bandvögelchen u. a. gehören, gefallen durch ihre hübsche Zeich- 
nung. — Eier matt weiss. 


2. Familie. Finken, Fringillidae. 


Körper kräftig, gedrungen, Kopf stark, rundlich, Flügel, Beine, Schwanz 
mittellang. Der Schnabel ist kurz, selten mittellang, konisch, an seiner 
Basis eine wulstige Auftreibung, welche seitlich am Oberschnabel für die 
Nasenlöcher einen nach vorn gerichteten Bogen macht. Die 3 ersten der 


Ammer. 121 


9 Handschwingen bilden die Flügelspitze, doch ist auch die vierte nicht 
sehr viel kürzer. Der Lauf ist hinten über °/, seiner Länge geschient. — 
Sie lieben Wald und Gebüsch, welche manche von ihnen nicht verlassen, 
während. andere sich gern oder gar vorzugsweise auf offenen Flächen auf- 
halten, wenige meiden den Baumwuchs gänzlich. Der Nestbau pflegt um so 
künstlicher zu sein, je höher er auf einem Baume ausgeführt wird. Die Eier 
tragen auf meist bläulichem, auch röthlichem Grunde mannigfache Zeich- 
nungen, nur ausnahmsweise sind sie weiss. Sie nähren sich meist von 
Körnern, welche sie entweder an dem Boden oder an den Sträuchern oder 
in den Baumkronen finden, verschmähen aber keineswegs Insectennahrung, 
sowie sie auch namentlich ihre Jungen mit letzteren füttern; doch giebt 
es manche Arten, welche ausschliesslich von Vegetabilien leben. Mit Aus- 
nahme von Australien bewohnen die finkenartigen Vögel in etwa 450 Arten 
alle Welttheile. Die 6 Unterfamilien, worin dieselben zerfallen, sind theils 
ebenfalls von gleicher geographischer Verbreitung, theils beschränken sie 
sich gänzlich oder doch vorzugsweise auf die östliche Hemisphäre. Unsere 
Gegenden beherbergen mehre Vertreter von vier dieser Unterfamilien, 
welche wir als eben so viele Gattungen behandeln werden. Manche Arten 
sind hier forstlich gänzlich indifferent, manche nutzen in etwa durch Ver- 
tilgung von Insecten, andere können dagegen durch ihre Samennahrung 
dem Forstmanne recht lästig, ja in einzelnen Fällen nicht unerheblich 
schädlich werden. j 


Ammer, Emberiza. 


Schnabel, kurz, an der Spitze stark comprimirt, die Schneiden ein- 
gezogen, Oberschnabel auffallend verengt und niedriger als der sich nach 
vorn schnell verspitzende Unterschnabel; Gaumen gefüllt, gewöhnlich sogar 
mit einem Längszahne; Mundwinkel stark abwärts gesenkt. In ihrem meist 
bescheiden gefärbten Gefieder zeigen die Individuen nach Geschlecht, Alter 
und Jahreszeit erhebliche Verschiedenheiten. — Man kennt gegen 40 Arten. 
Die meisten halten sich gern an Waldrändern und Gebüsch in der Nähe 
offener Felder, einige nur an offenen Plätzen, oder auch am Wasser oder 
in felsigen Gebirgen auf. Sie leben viel am Erdboden, suchen dort ihre 
Nahrung, besonders mehlhaltige Körner, deren Hüllen sie geschickt ab- 
spelzen, fressen jedoch auch Insecten und füttern ihre Jungen mit solchen. 
Ihre Nester stehen am Boden. Die meisten Arten haben in ihrem ganzen 
zutraulichen stillen Wesen, in Flug, Gesang, Eierzeichnung viel Charak- 
teristisches und Uebereinstimmendes. Die kurze Gesangstrophe besteht 
aus zwei Theilen, einer stakkato mehrmal und schnell wiederholten Silbe 
als erstem Theile und einer gezogenen, oder auch wohl tremulando ge- 


122 Sperlingsartige Vögel. 
dehnten oder gleichfalls mehrmal wiederholten zweiten Silbe von anderer 
Tonhöhe und Klangfarbe als Schluss. Das Gemeinsame der Eierzeichnung 
bildet ein schwach röthlicher oder violetter Grundton mit feineren oder 
gröberen, kürzeren oder längeren dunklen Schnörkeln, 

Fünf Arten, von denen eine häufig aus hohem Norden im Winter 
bei uns eintrifft, sind in den meisten Gegenden Deutschlands sehr be- 
kannt, zwei bewohnen unser Vaterland nur an beschränkten Stellen, und 
ausserdem haben sieben andere in seltenen Fällen aus ferneren Gegenden 
(Norden, Osten und Süden) wohl mal die Grenzen Deutschlands über- 
schritten. — Forstlich wichtig ist keine Art. 

Man theilt sie in Spornammer (Pleetrophanes) und eigentliche Ammer 
(Emberiza). 


a. Spornammer. 


Schnabel kürzer, dieker und weniger comprimirt als bei den eigent- 
. lichen Ammern; der Gaumen entbehrt in seiner Mitte des Längszahnes, 
die gestreckte Kralle der Hinterzehe länger als diese Zehe. Die drei ersten 
Schwingen bilden die Flügelspitze. — Sie meiden das Gebüsch, leben 
lerchenartig auf dem Boden, gehen wie diese, schrittweise, fliegen gewandt. 
— Zwei Arten im hohen Norden beider Erdhälften, von denen die eine 
uns im Winter oft in grossen Schwärmen, die andere jedoch selten besucht. 


I. Der Schneespornammer. 
Emberiza nivalis L. 

Schnabel kurz, stumpfspitzig, gelb; Scheitel und Wangen mehr oder 
weniger braun; die grossen Schwingen und die ersten Flügeldeckfedern 
schwarz, auf dem Flügel durch die weisse Färbung der mittleren Schwingen 
und die Basis der vorderen ein grosses weisses Schild; ganze Unterseite 
ohne Schaftflecke. Die alten Männchen im Sommer schneeweiss mit 
schwarzem Mantel und schwarzen oberen Flügeldeckfedern, im Winter mit 
vielen braunen Federkanten; die Jungen auf der Oberseite als Haupt- 
färbung braun; die Weibchen mehr grau als braun. Ein kaum flügges 
Exemplar des Leidener Museums aus Island zeigte Scheitel und Nacken 
dunkelaschfarben mit locker sich deckenden, etwas in’s olivenfarbene zie- 
hende Kanten, die Rückenfedern trugen schwärzliche Schafttropfen und 
olivenbraune Kanten, doch ist die Zeichnung nicht scharf; Unterseite 
weisslich, zart ins röthlich Rostfarbene ziehend, Kropf und Weichen ge- 
sättigter, Flügel ähnlich denen der Jungen, die sich bei uns häufig ein- 
stellen; das Weiss des Schwanzes noch nicht rein. Fliegend in jedem 
Alter sehr leicht an der breiten kreideweissen Flügelbinde zu erkennen; 


Der Lerchenspornammer. — Der Grauammer. 123 


auch sind die spitzen Flügel, sowie der im Vergleich mit unseren finken- 
artigen Vögeln längere Schwanz dann auffallend. In schneeigen Wintern 
kommen sie aus ihrer nordischen Heimath, Island, Lappland, (in Lapp- 
land gehen sie noch 600 M. über die Schneegrenze) zuweilen schaarenweise 
zu uns, und treiben sich dann unstät auf offnen Flächen, Haiden, Stop- 
peläckern u. dgl. umher. Auf 50 Junge kommen oft kaum zwei alte 
Männchen und fünf alte Weibchen. Auch vereinzelte Individuen, dann 
aber in der Regel alte, sieht man zuweilen. Auf dem Zuge bewegen sie 
sich hoch durch die Luft. Auch im Norden Amerika’s z. B. Labrador, 
nisten sie zahlreich und wandern im Winter zum Süden. Sie nisten im 
Norden auf dem Boden, in den lappländischen Gebirgen häufig zwischen 
Steinen. Die etwa lerchengrossen Eier sind auf sehr schwach grünlichem 
Grunde mit wenigen kleineren und grösseren, selten etwas zu Ammer- 
schnörkeln ausgezogenen, rothbraunen Flecken besetzt. 


2. Der Lerchenspornammer. 
Emberiza lapponica Nilss. 

Schnabel kurz, scharfspitzig, an der Spitze schwarz; Flügel ohne 
Weiss, Unterseite namentlich an den Weichen mit dunklen Schaftflecken; 
das alte Männchen mit schwarzer Kehle. — Diese gleichfalls hochnor- 
dische Art besucht uns im Winter weit seltener als der Schneeammer und 
fast nur einzeln. — Eier matt, von olivenbraun bis olivengrün grundirt, 
mit kräftigen aber sehr spärlichen Ammerschnörkeln, die manchen Stücken 
fast ganz fehlen. 


b. Aechte Ammer. 


Gaumenmitte mit starkem Zahn; Hinterzehenkralle gebogen und 
kürzer als diese Zehe; die vier ersten Schwingen bilden die Flügelspitze. 
Die Zeichnung der Oberseite fast stets Schaftflecke, somit lerchen- oder 
sperlingsähnlich. — Sie lieben Gebüsch und Waldränder neben offenen 
Plätzen, auch Gebirge und Wasser. Ihr Gang ist hüpfend. Ihr Nest 
steht niedrig am Boden im Gebüsch oder im Gekräut. 


3. Der Grauammer. 
Emberiza miliaria L. 

Feldlerchengrösse, ganze Oberseite hellgrau mit dunklen Schaftflecken, 
Brust weiss, braun gestrichelt; Schwanzfedern ohne weissen keilförmigen 
Fleck. Alle Kleider gleich, nur vor der ersten Mauser theilweise lehm- 
farben. Er bewohnt den grössten Theil Europa’s, im Süden z. B. noch 
Portugal, Sardinien, Griechenland, die Gegenden des Kaukasus, als Brut- 


124 Sperlingsartige Vögel. 


vogel in den Fruchtebenen, liebt namentlich grössere Niederungen, Ge- 
treidefelder, auch Wiesen mit anstossendem Gebüsch öder einzeln stehen- 
den Strauchgruppen und Bäumen. Von der Spitze eines solchen oder 
einem Grenzsteine, einer Erdscholle, häufig auch vom Telegraphendrahte 
lässt dieser sonst stille Vogel in kleineren Pausen oft sehr anhaltend sei- 
nen Gesang, ein „Tick, Tick...“ mit nachfolgendem lauteren blechernen 
Gerassel erschallen. Den eigentlichen Wald vermeidet er. Doch fehlt er als 
Brutvogel unerklärlicher Weise auch in manchen anscheinend passenden Ge- 
genden z. B. um Münster, während er südlich jenseits der Lippe und nördlich 
jenseits der Hase zahlreich brütet. Im Herbst, Winter und ersten Früh- 
ling streift er einzeln oder in kleinen Gesellschaften, oft unter andere 
kleinere Vögel, namentlich Goldammern gemischt, in der Gegend umher, 
Beim Abfliegen fällt er durch Herabhängen seiner Beine, sowie durch 
zitternden Flügelschlag auf. Nest sehr versteckt am Boden in Kräutern; 
Eier auf röthlichem Grunde mit derben Flecken und Schnörkeln besetzt. 
— Bei Wildhändlern und Gastronomen heisst er Ortolan. 


4. Der Goldammer. 
Emberiza eitrinella L. 
Kopf, Hals und Unterseite (wenigstens im Grunde) gelb; Bürzel 
rostroth ohne Schaftflecke; auf der Innenfahne der äussersten Schwanz- 
feder ein bis über die Mitte gehender weisser Keilfleck. — Ausser dem 
grössten Theile von Europa bewohnt dieser häufigste aller Ammern auch 
das angrenzende Asien. Auch er will offenes Terrain, aber in der Nähe 
oder in demselben Laubholz. Bei uns ist er fast Standvogel, doch strei- 
chen auch manche Individuen zu kleinen Gesellschaften vereint in der 
Gegend umher. Der Gesang dieses zutraulichen Vogels ist allgemein be- 
kannt; in der Regel steigt der erste Theil der Strophe in dem etwa 
7 mal wiederholten „Zi“ zur Octave, worauf dann der gedehnte Ton, 
etwa Tri, als zweiter Theil wieder die Höhe des Grundtones hat. Wir 
hören ihn in unseren Gegenden schon an klaren Februartagen, wenn auch 
nur die erste Hälfte seines Gesanges vortragen, gegen Mitte März singt 
er jedoch schon oft sein vollständiges Liedehen. Auch sein Nest steht 
in der Regel am Boden und zwar im Gestrüpp, oft von Kräutern um- 
wachsen, als Ausnahme fand ich es 1 M. (im Wachholderbusch), ja 2 M. 
(in einer Dornenhecke) hoch. Er brütet 2 mal; noch anfangs August 
findet man zuweilen ein Nest mit Jungen. 


5. Der Gartenammer. 
Emberiza hortulana L. 


(Gesicht und Kehle gelb, unten rostroth, Bürzel grau bis bräunlich 


Der Rohrammer. 125 


mit dunkien Schaftflecken; jederseits auf den beiden äussersten Schwanz- 
federn ein nicht bis zur Mitte dieser Federn reichender Keilfleck; Schna- 
bel und Füsse fleischfarben. — Der Gartenammer oder Ortolan bewohnt 
das mittlere und südliche Europa und kommt in Deutschland unbestimmt 
sporadisch vor, indem er in derselben Gegend bald fehlt, bald als häu- 
figer Brutvogel auftritt. So bei Münster. Hier bei Neustadt scheint er 
beständiger zu sein; doch wechseln die Pärchen auch hier ihr Revier in 
den einzelnen Jahren erheblich, so dass man ein solches im nächsten Jahre 
nicht mit Bestimmtheit dort antreffen kann, wo es in diesem Jahre Junge 
aufbrachte. Auch er will offenes Feld mit einzelnen benachbarten Bäu- 
men und Gebüsch. Es genügt schon, wenn ein durch Fruchtfelder füh- 
render Fahrweg stellenweise mit Schlehdorn und einem oder anderen nie- 
drigen Baume begrenzt ist. Vom Mai bis September bleibt er am Brut- 
platze. Seine melancholische, gleichfalls aus 2 Theilen bestehende Strophe 
hat gewöhnlich nur 5 Töne: 8 mal „zi* und dann eine kleine Terz 
tiefer 2 mal „zü“. Nest sehr versteckt am Boden im Klee oder sonsti- 
gen Kraut; die rundlichen Eier röthlich mit wenigen, kaum zu Schnör- 
keln ausgezogenen Punkten. 


6. Der Rohrammer. 
Emberiza schoenielus L. 

Oben rothbraun mit gelblichen Federrändern, Bürzel grau mit dunklen 
Schaftflecken; jederseits auf den. zwei äusseren Schwanzfedern ein weisser, 
auf der ersten bis über die Mitte gehender Keilfleck auf der Innenfahne; 
die kleinsten Flügeldeckfedern rostroth. Das alte Männchen im Sommer 
durch schwarzen Kopf und weisses Halsband ausgezeichnet. Im Süden 
z. B. in Italien, sowie östlich z. B. am Ural kommen diekschnäbelige 
Individuen vor („palustris“), die jedoch von einem engen Anschluss 
an die normale Schnabelstärke bis zur doppelten Stärke variiren. 
Die letzten hat man als Species pyrrhuloides abtrennen wollen. Europa, 
in Niederungen am Wasser, Flüssen, grösseren Teichen, Gräben, in mit 
Rohr untermischtem Weiden- und anderem Gebüsch. Er geht nie auf 
hohe Bäume. Auf dem Zuge, zuweilen mitten im Winter finden wir ihn 
in kleinen Gesellschaften von 6-—10 Stück im Erlen- und Weidengebüsch 
an kleineren Gräben. Die Silben seines Ammergesanges folgen sich stets 
in kurzen Pausen, der zweite dem ersten ähnliche Theil der Strophe in 
einer längeren. Nest in unmittelbarer Nähe des Wassers zwischen Ge- 
büsch; die Eier tiefröthlichgrau mit dicken schwärzlichen Schnörkeln. 

Im Süden von Europa, einzeln selten in Deutschland kommt der 
Zaunammer, Zmberiza eirlus L. vor, dem Goldammer ähnlich; Bürzel 
braungrau. Eier auf hellgraugrünlichem Grunde mit # und I 


126 Sperlingsartige Vögel. 


Zeichnungen besetzt. — Ebenfalls südlich, jedoch sogar als Brutvogel 
noch in Deutschland, am Rhein z. B. bei St. Goar und Umgend lebt, 
der Zipammer, Ämberiza cia L. Bürzel rostroth ; durchs Auge ein 
schwärzlicher Strich. Gebirgsvogel. Eier auf hellviolettem Grunde mit 
äusserst feinen und langen Haarschnörkeln. 

Ausser den genannten Arten sind noch folgende fremde Ammern 
selten in Deutschland vorgekommen: 

Der Kappenammer, F. melanocephala Scop. (Südost-Europa), 

»„ Weidenammer, E. aureola Pall. (Nordost), 

» graue Ortolan, E. caesia Cretsch. (Südost), 

„ Waldammer, FE. rustica Pall. (Nordost), 

„ Zwergammer, E. pusilla Pall. (Nordost), 

„ Fichtenammer, FE. pityornus (Nordost). 


Kreuzschnabel, Loxia. 


Schnabel mittellang, an der Spitze zusammengedrückt und die Spitzen 
sich kreuzend, indem die obere sich bogig nach unten, die untere sich 
nach oben wendet. Ob bei dieser Kreuzung die Unterschnabelspitze 
rechts oder links von der hakig gebogenen Spitze des Oberschnabels 
aufsteigt, ist individuell. Gaumenfläche nicht ausgehöhlt. Der Kopf, wie 
die Gestalt des ganzen Körpers, dick und kräftig, ersterer an der Seite, 
an welcher die Unterschnabelspitze sich befindet, etwas stärker entwickelt, 
als an der anderen Seite. Flügel mittellang nnd spitz; die erste Schwinge 
ist die längste. Beine kurz, kräftig; Krallen stark gebogen und scharf; 
Schwanz kurz und schwachgabelig. Gefiederfarbe der alten Männchen 
hochroth, der Weibchen und jüngeren Vögel gelb, grün bis graugrün. — 
Es sind wahre Waldvögel und besonders Nadelholzvögel. Dort leben sie 
meist von dem Samen der Zapfen, deren Schuppen sie durch ihre ge- 
kreuzten scharfrandigen Kiefer geschickt aufklauben. Nachdem sie näm- 
lich die Spitzen der einzelnen Schuppen quer abgebissen, oder auch bei 
grossschuppigen Zapfen die Schuppen der Länge nach aufgeschlitzt haben, 
fassen sie mit dem Schnabel unter dieselben, heben sie bez. spreizen ihre 
Hälften und kommen so zu dem Samen. Sie klettern hierbei meisen- und 
papageiartig in den Zweigen umher; beissen aber häufig auch einen Zapfen 
am Stiele ab, um ihn dann auf einem stärkeren Zweige zu entschuppen. 
Die so entsamten Zapfen liegen dann oft in grosser Anzahl unter der 
Schirmfläche einzelner Samenbäume und lassen wegen der Eigenthümlich- 
keit ihrer Verletzung über die Thäterschaft keinen Zweifel aufkommen. 
Die Fülle dieser ihrer Nahrung bedingt nicht blos ihren Aufenthaltsort, 
sondern sogar ihre Brutzeit, welche darnach nicht selten in den Decem- 


Der Fichtenkreuzschnabel. I 


ber und Januar fällt. Auf ihren regellosen Streifereien, auf denen sie 
nicht selten ganz entfernte Gegenden erreichen, besuchen sie auch Laub- 
holzwälder, doch lieber Parks und Gärten. Die Stimme besteht in schnell 
auf einander folgenden, abgestossenen Tönen. Die licht bläulich grun- 
dirten Eier sind wie die sehr vieler Finken mit röthlichen, einzelstehen- 
den Punkten versehen. — Ausser zwei amerikanischen Arten bewohnen 
etwa fünf die alte Welt, von denen drei auch unsere Gegenden be- 
suchen. 

Vom forstlichen Gesichtspunkte können wir die Kreuzschnäbel nur 
zu den schädlichen Vögeln rechnen. 


I. Der Fichtenkreuzschnabel. 


Loxia curvirostra L. 


Schnabel schlank, weit mehr lang als hoch; die kreuzend sich deut- 
lich überragenden Spitzen fein; helle Flügelbinde fehlt; die Flügelspitzen 
überragen die oberen Schwanzdeckfedern nicht. — Er bewohnt einen 
grossen Theil Europa’s und Asiens in den vorhin bezeichneten Wäldern. 
Am Harz ist er häufig. In der Umgegend von Münster überschwemmte 
er 1866 Ende Juni und anfangs Juli alle Gärten und war zu gleicher 
Zeit auch bei Brilon gemein. Auch sind Anfang und Mitte Juni, Juli 
und August, sowie September, besonders aber Oetober Zeiten, in denen 
er sich in verschiedenen Jahren theils und zwar gewöhnlich einzeln oder 
in kleinen Gesellschaften (5, S, 10 Stück), theils in beträchtlicher Anzahl 
im Münsterlande zeigte. Er nährte sich von dem Samen einzelner in 
einem Parke stehender starker Fichten, von Hainbuchensamen, Ahorn- 
samen (Acer campestre), den er, wie dıe nebenstehende Figur 11 dar- 
stellt, nach dem Zertheilen der Doppelfrucht durch seitliches Aufbrechen 
erreicht, von Obstkernen und Eberesch- 
beeren. Die kleine Gesellschaft sitzt bei 
einer solchen Arbeit so ruhig, dass nur 
die herabfallenden Fruchttheile ihre An- 
wesenheit verrathen, und kann dann mit 


Fig. 11. 


Acer campestre. F 2 . 
oe ee eostn aufgehrachen dem Samen eines einzelnen Baumes gründ- 


(nat. Grösse.) lich aufräumen. Unter dem Ahornbaume, 
von dem die gezeichnete Samenhülle stammt, lagen im letztverflossenen 
September Tausende von leeren Hüllen. Die Nadelholz- namentlich 
Fichtensamen (die Kiefernzapfen sind ihnen etwas zu fest) können sie 
stellenweise ganz empfindlich vermindern. Man kann diesen Vogel des- 
halb nur als forstschädlich bezeichnen. In den Gärten hat er sich je- 
doch in dem oben angeführten Falle (Juni, Juli 1866) durch Vertilgen 


128 Sperlingsartige Vögel. 


einer grossen Menge von Blattläusen, welche er von den ÖObstbäumen 
ablas, nützlich erwiesen. 


2. Der Kiefernkreuzschnabel. 
Loxia pityopsittacus Bech. 

Schnabel dick, fast so hoch als lang; die kreuzend sich nicht oder 
kaum überragenden Spitzen kurz; helle Flügelbinde fehlt; die Flügel- 
spitzen überragen weit die oberen Schwanzdeckfedern. — Er bewohnt einen 
grossen Theil Europa’s, besonders auch Russland, kommt aber wohl überall 
weniger zahlreich vor als der Fichtenkreuzschnabel, ist ferner auch auf 
seinen Streifereien weit mehr an Nadelholzwälder gebunden, und des- 
halb, wo diese fehlen, eine Seltenheit. Sein robusterer Bau und grössere 
Kraft lassen ihn auch die festen Kiefernzapfen öffnen. Im Uebrigen ist 
er in seinem Verhalten, wie seiner forstlichen Bedeutung dem Fichten- 
kreuzschnabel ähnlich. e 


3. Der weissbindige Kreuzschnabel. 
Loxia bifasciata Br. 

Diese sibirische und osteuropäische, ın nur sehr wenig abweichender 
Form auch in Nordamerika (leucoptera Gm.) vorkommende Art zeigt 
sich in ihrem Bau am meisten mit dem Fichtenkreuzschnabel verwandt. 
Weisse Flügelbinden und Schwingenspitzen lassen ihn jedoch sofort er- 
kennen. In Deutschland ist sein Erscheinen ein ungewöhnliches Factum, 
obschon er sich in einzelnen Jahren an beschränkten Stellen (z. B. Schle- 
sien) zahlreich einstellte. 


Gimpel, Pyrrhula. 


Diese Gattung umfasst eine Anzahl gedrungener, kurz-, dick- und 
hohlschnäbeliger, meist im höheren Norden der alten wie neuen Welt 
und zwar in Wäldern lebender finkenartiger Vögel, welche sich im männ- 
lichen Geschlechte durch rothe Färbungen auszeichnen. Manche stellen, 
abgesehen von der Schnabelform, eine Verbindung mit den Kreuzschnäbeln 
her, denen sie auch in ihrem Leben ähneln. Man findet jedoch in den 
einzelnen Gegenden, und zwar oft in bedeutender Ausdehnung, nur eine 
Art als Brutvogel, wogegen andere nur auf ihren Streifereien sich selten 
dort einstellen. So haben denn auch wir in Deutschland nur eine eigent- 
lich heimische Art, welche für uns deshalb als Typus dieser in mehre 
Untergattungen getheilten Gattung gelten möge. Nach dieser ist der 
Schnabel fast so hoch als lang, bauchig gewölbt; Füsse kurz, Schwanz 
gerade, fast so lang als der Körper. — Sie bewohnen Wälder und Ge- 


Der gemeine Gimpel. 129 


büsche, nähren sich von Knospen, Beerenkernen und Baumsämereien und 
sind somit fortschädlich. Sie leben meist einsam oder in kleinen Gesell- 
schaften; die Nester stehen auf Bäumen oder im Gebüsch und enthalten 
auf gesättigt blauem Grunde dunkel punktirte oder gefleckte Eier. 


Il. Der gemeine Gimpel. 
Pyrrhula vulgaris Briss. 

Scheitel, Flügel, Schwanz mit den oberen Deckfedern stahlschwarz, 
Bürzel und Unterschwanzdeckfedern weiss; das Männchen unten zinnober- 
roth, Weibchen und Junge violettgrau. Rücken des Männchens aschblau, 
selten (bei Münster) mit röthlichem Anfluge; ein kleines Exemplar des 
Leidener Museums aus den Ardennen zeigt alle Mittelrückenfedern stark 
roth gekantet; auch nimmt zuweilen die Aussenfahne der letzten Arm- 
schwinge an der rothen Färbung bald stärker bald schwächer, die Spitzen 
der Armschwingen bei beiden Geschlechtern häufig daran Theil. Der Rücken 
der Weibchen und Jungen ist bräunlichgrau. Die Mauser der Jungen, 
von denen die männlichen während derselben ein sehr buntscheckiges Ge- 
fieder zeigen, erstreckt sich, wohl den verschiedenen, durchschnittlich drei 
Bruten entsprechend, vom August bis Mitte October. Die verschiedene 
Intensität des neu entstehenden Roth ist gleichfalls wohl durch diese be- 
dingt; die Jungen der letzten Brut tragen nur ein helles Ziegelroth. — 
Der Gimpel oder Dompfaff bewohnt den grössten Theil Europa’s und findet 
sich gleichfalls auch in dem angrenzenden Asien. Wald und Gebüsch be- 
dingen seine Heimath. Dürre Sandgegenden scheint er zu vermeiden. Wo 
in seiner Heimath Sand- und Kleiboden wechselt, nistet er nur auf letzterem. 
Er mag die Gebirge den Ebenen vorziehen; im Thüringer Walde, Harz, 
Erzgebirge, dem Bayerischen Oberlande, in Tyrol traf ich ihn überall an, 
während er hier bei Neustadt als Brutvogel gänzlich fehlt. Jedoch ge- 
hört er in dem flachen Münsterlande zu den sehr häufigen Brutvögeln. 
In letzter Gegend bewohnt er die grösseren höheren Hecken, die Ränder 
der kleinen Feldhölzer dort, wo sich Unterholz und Gestrüpp findet, be- 
sonders junge und dichte Birken- und Erlenpartieen, welche mit Brom- 
beerranken verwachsen sind. Wachholder in der Nähe sagt ihm gleich- 
falls sehr zu. Man trifft ihn an solchen Stellen stets niedrig in den 
Zweigen an, in denen er fast nie umherhüpft. Auf den Boden geht er 
nur unter dem Holze. In den Fichtenrevieren der vorhin genannten Ge- 
genden entbehrt er freilich eines solchen Unterwuchses; er lebt dort in 
jüngeren Hochwäldern. Anfangs October beginnt im Münsterlande sein 
Umherstreichen und man sieht ihn von da ab in kleinen Gesellschaften 
den ganzen Winter hindurch vorübergehend in Gärten und an Stellen, die 
seinen eben bezeichneten Brutplätzen ähnlich sind, überall. Auch hier bei 

Altum. Die Vögel. 1) 


130 Sperlingsartige Vögel. 


Neustadt treffen im October einzelne Individuen ein. Gegen Ende März 
begeben sich die Streifer nach ihrem Standquartier zurück. Sein Nest 
steht l bis 2 Meter hoch im Gestrüpp. Er liebt gern einen Wachholder- 
strauch, sogar wenn er an 50 Schritt vom Rande des Gehölzes entfernt 
steht. Auch in dichten Gartenhecken, zumal bei Bauernhäusern, woselbst 
der Garten an den Wald stösst, und etwa noch Kopfbäume das ihm zu- 
sagende Gestrüpp ersetzen, treffen wir häufig seine Brutstätte an. Die 
Nester sind auch dort, wo der Vogel häufig vorkommt, ziemlich dünn 
über die ganze Gegend vertheilt, doch stehen an ganz besonders ihm zu- 
sagenden Stellen wohl mal mehre in gegenseitiger Entfernung von 50 bis 
100 Schritt. Ihren bekannten Lockton, sowie ihren stümperhaften Gesang 
lassen Männchen und Weibchen stets und überall hören, sogar mitten im 
Winter an heiteren klaren Frosttagen. In der Gefangenschaft lernen sie 
leicht fremde Melodien. Ihre Nahrung besteht ausschliesslich aus Vege- 
tabilien, nämlich allen möglichen Baum- und Krautsämereien, unter den 
letzten sogar Wermuth, und aus Baumknospen. Von den Beeren (Brom-, 
Eberesch-, Hagebutten, Nachtschatten u. s. w.) verzehren sie nur die 
Körner. Auch ihre Jungen füttern sie nie mit Insecten, sondern mit weichen 
oder unreifen Sämereien. Durch ihre Nahrung werden uns diese sonst 
harmlosen und die Umgegend in angenehmer Weise belebenden und ver- 
schönernden Vögel schädlich, am empfindlichsten dem Obstbaumbesitzer. 
Man sieht im Frühlinge ein oder mehre Individuen anscheinend ruhig und 
unthätig in den Zweigen von Pflaumen-, Kirschen-, auch Birn- und Apfel- 
bäumen sitzen, in Wirklichkeit aber sind sie eifrigst bemüht, die Blüthen- 
knospen zu verzehren, der Boden innerhalb der Schirmfläche ist bedeckt 
mit den herabgefallenen Blattstücken, und sie werden ungestört mit sämmt- 
lichen Blüthenknospen eines schwächeren Baumes in kurzer Zeit eben so 
leicht fertig, wie im Herbst mit den Beeren einer Eberesche. Auch die 
Laubknospen werden von ihnen, obgleich weniger, angegriffen. Ein mir 
befreundeter Gutsbesitzer musste gegen 30 Dompfaffen in seinem Garten 
schiessen, um überhaupt nur noch Hoffnung auf eine Obsternte zu er- 
halten. Forstlich wichtig wird der Dompfaff wegen seiner relativ geringen 
Anzahl wohl kaum, obgleich fast Alles, was er im Walde verzehrt, für 
den Forstmann Werth hat. Er zerknoppert auch im Walde die Baum-, 
Blüthen- wie Laubknospen und schadet dadurch der Eichen-, Buchen- und 
Ahorneultur, frisst in Menge Erlen- und Birkensamen und sucht sich auf 
dem Boden die Nadelholzsämereien. Befasst sich der Forstmann mit dem 
Krammetsvogelfange, so kann ihm der Dompfaff durch energisches und 
hartnäckiges Ausbeeren der Dohnen höchst unbequem werden. Wir können 
diesen Vogel also auch forstlich nur als schädlich bezeichnen. 


Der Hakengimpel. — Fink. 131 


2. Der Hakengimpel. 
Pyrrhula enucleator Temm. 


Schnabel mehr lang als hoch, der Öberschnabel überragt hakig den 
Unterschnabel; der Schwanz gelblich, kürzer als der Körper; Männchen 
gesättigt rosa, Weibchen gelblich, Junge grünlich, über dem Flügel zwei 
weisse Querbinden. Dieser drosselgrosse prächtige Vogel bewohnt den 
Norden beider Hemisphären und erscheint als Seltenheit meist einzeln in 
Deutschland, nur in unseren nordöstlichsten Ländern kommt er in einzelnen 
Jahren wohl häufiger vor. Vor einer Reihe von Jahren fing einer unserer 
hiesigen Förster ein Paar solcher Vögel in Dohnen, wie aus der mir ge- 
machten Beschreibung seiner „indischen Dompfaffen” unzweifelhaft her- 
vorging. Die fürstlich Radziwill’sche Sammlung (Berlin) enthält 5 Stück 
mit dem Etiquettenvermerk „Dahldorf 1832”, und der Herr Besitzer theilte 
mir auf meine Anfrage mit, dass der Vogel in dem bezeichneten Jahre 
dort (in der Nähe von Berlin) in grösserer Menge vorgekommen sei. 

Ausser diesen sind in Deutschland noch vorgekommen: 

Der Karmingimpel, Pyrrhula erythrina (Nordost), 

Der Rosengimpel, P. rosea (Nordasien). 


Fink, Fringilla. 


Die grosse Anzahl der Spezies, welche dieser Gattung angehören, 
zeigen in Schnabelform, Fuss- und Flügelbildung mannigfache Verschieden- 
heiten, denen selbstverständlich auch eine verschiedene Lebensweise ent- 
spricht. Man hat sie deshalb in viele Untergattungen gruppirt. Auch 
unsere inländischen Arten, die uns hier allein beschäftigen werden, zeigen 
einzeln oder gruppenweise solche Modificationen ihres Baues. Diese Diffe- 
renzen sind jedoch nicht so erheblich, dass wir sie nicht in einer Gattung. 
belassen könnten, immerhin aber bemerkenswerth genug, um die Gruppen 
als solche zu bezeichnen. — Der Schnabel ist kegelig, die Ränder gerade, 
nicht hakig, der Gaumen mehr oder weniger gehöhlt. Männchen und 
Weibchen unterscheiden sich in der Gefiederfärbung in der Regel bedeu- 
tend; die Jungen gleichen dann den Weibchen. Wenn, wie häufig, ein 
verschiedenes Winter- und Sommerkleid bei der nur einmaligen Mauser 
auftritt, so entsteht letzteres durch Abstossen der unschönen Federkanten 
und durch gleichzeitige Erhöhung des Farbtones. Sie sind zumeist an den 
Wald oder wenigstens an Gestrüpp und Baumwuchs gebunden, suchen 
aber zum Theil ihre Nahrung hauptsächlich ammerartig auf dem Boden, 
anderentheils erinnern sie durch ihr stetes Verweilen in Baumzweigen an 
die Gimpel und Kreuzschnäbel. Jedoch giebt es von dem einen zum 
anderen Extrem manche Mittelstufen. Auch die Felsen haben ihnen eigen- 

g* 


132 Sperlingsartige Vögel. 


thümliche Finken. Als Waldvögel, die zumeist von Baumsämereien leben, 
jedoch auch zeitweise Insecten verzehren oder ihre Jungen damit füttern, 
haben manche Arten eine forstliche Bedeutung. Ihre Nester, meist künst- 
lich gebaut, stehen sowohl und zwar zumeist auf Bäumen, als auch im 
Gesträuch; wenige brüten in Baum- oder Felshöhlen. Die meisten machen 
jährlich zwei Bruten. Im Herbst scharen sich die Insassen einer Gegend 
häufig zu bedeutenden Flügen zusammen und sie durchstreifen dann die 
Felder und Wälder, einige machen sogar weitere Reisen, ohne dass jedoch 
unsere Spezies wie etwa die meisten Sylvien zum fernen Süden auswan- 
derten. Im Frühlinge behaupten die meisten ein bestimmtes Brutrevier, 
das sie für die ganze Fortpflauzungsperiode des Jahres inne halten. Mehr 
durch ihren oft herrlichen Gesang, dem im Allgemeinen der Charakter des 
Stakkato zukommt, als durch ihr eben nicht sehr bewegliches, munteres 
Wesen beleben viele die Waldränder, Alleen, Gebüsche, Gärten. — Man 
kennt etwa 125 Finken im weiteren Sinne, welche mit Ausnahme von 
Australien in allen Welttheilen leben; Amerika hat nur wenige Finken 
aufzuweisen. Deutschland bewohnen 15 Arten, von denen jedoch nur 8 
in unseren Gegenden Brutvögel sind. Einige besuchen uns mehr oder 
weniger regelmässig, zum Theil scharenweise, vom hohen Norden her, 
andere gehören dem Süden an und sind bei uns stets nur ganz verein- 


zelte, seltene Erscheinungen. 


a. Kernbeisser. 


Robuste Finken mit sehr starkem Kopf, äusserst dickem, kräftigem 
Schnabel, dessen First in schwachem Bogen von der Stirn abwärts ver- 
läuft, der vordere Theil der Gaumenfläche hohl, die Dillenkante sehr lang; 
die erste Schwinge etwas kürzer als die zweite, Füsse kurz und kräftig, 
Schwanz kurz, gelblich. Waldvögel, welche einsam oder in kleinen Gesell- 
schaften leben; sie nähren sich zumeist von hartschaligen Baumsämereien; 
bewohnen Europa, Asien (Himalaya, Altai, Japan), Mexiko und Nord- 
amerika in nur wenigen, etwa 10 Arten. 


I. Der Kirschkernbeisser. 
Fringilla coccothraustes L. 

Unser grösster Fink. Schwingen stahlblau, die fünfte bis neunte mit 
breiter, bogig abgestutzter Spitze, auf den Innenfahnen ein weisses Feld, 
das sich besonders im Fluge als weisse Flügelbinde bemerklich macht; 
Schwanzfedern bräunlich lehmfarben mit weisser Spitze. Männchen mit 
lehmgelbem Oberkopfe, tief castanienbraunem Rücken, schwarzem Kinn und 
röthlicher Unterseite, Weibchen in blasseren unreineren Tönen, die Jungen 


Der Kirschkernbeisser. 133 


an der schuppigen Zeichnung der Unterseite leicht kenntlich. — Er be- 
wohnt das mittlere Europa und einen Theil des angrenzenden Asiens und 
ist in seinem lokalen Vorkommen durchaus an den Wald, besonders Laub- 
wald gebunden. Er verräth sich bei seinem stillen Wesen jedoch durch 
seinen scharfen metallischen Ton, etwa „Tinx’’, sowie durch ein gedehntes 
„Zieh”. Seine Nahrung, Baumsämereien, und deren Fülle bedingt sein 
häufiges oder spärliches Auftreten an demselben Orte. Hier bei Neustadt 
war er z. B. im Sommer 1870 bei sehr reichlichem Hainbuchensamen 
auffallend zahlreich, während sich 1871 und 72 in der Brutzeit kaum 
einzelne Pärchen bemerklich machten. In der nächsten Umgebung von 
dem etwa eine Meile von hier entfernten Chorin war er 1872 dagegen so 
häufig, dass aus einem einzigen Weichselkirschenbaum (Prunus Mahaleb) 
in kurzer Zeit gegen 120 Stück geschossen wurden. Gegen Ende Sommer, 
bisweilen schon Mitte August beginnt er in kleinen, jedoch nie engen Ge- 
sellschaften umherzuschweifen. Bei hinreichender Nahrung verweilt er 
dann wohl in derselben Gegend, ja man trifft sogar mitten im Winter in 
Parks und Gärten wohl Kernbeisser an. Man kennt ihn jedoch als Winter- 
gast auch im südlichen Europa. Gegen März oder April stellt er sich 
an seinem Heimathsorte wieder ein; ehe er jedoch zur festen Wahl eines 
Brutreviers schreitet, treibt er sich noch einige Zeit in kleinen Gesell- 
schaften in den höchsten Spitzen der Waldbäume, namentlich Buchen, 
doch auch wohl Kiefern umher, und zeigt sich dann stets scheu und 
flüchtig. Dürre Gegenden sagen ihm nicht zu. Im Walde vom Boden 
aufgescheucht, fliegt er für kurze Rast auf einen niedrigen Zweig und deckt 
sich gegen den Störenfried fast stets durch einen Stamm. Sein bevor- 
zugter Aufenthaltsort sind stets die Kronen starker Bäume. Um fort zu 
eilen sieht man ihn nur hoch durch die Luft über die Wälder weg ziehen. 
Er baut sein Nest auf Bäume, in der Regel mittelhoch, und wählt, wenn 
ein Garten an den Wald grenzt, dafür sehr gern einen der Obstbäume 
(Apfel-, Pflaumen-, Birnbaum), und hier steht dasselbe oft kaum über 
3 Meter hoch. Der niedrigste mir bekannt gewordene Neststand war 
1,3 Meter in einem — Schlehenstrauche. Die Eier, bis 5, sind auf grau- 
grünlichem, auch zuweilen in’s Lehmfarbene ziehendem Grunde mit starken, 
aber oft unbestimmten, d. h. in kurze mehr oder weniger verloschene 
Schnörkel ausgezogenen, oder nicht scharf begrenzten Flecken von gleicher 
aber intensiverer Färbung besetzt, namentlich am stumpfen Ende. Seine 
Nahrung ist vorhin bereits angedeutet. Er zerknackt, in der Regel die 
beiden Schalenhälften trennend, harte Baumsämereien und Kirschensteine, 
um den Kern zu verzehren. Das Fleisch verschmäht er gänzlich. Hain- 
buchensamen spaltet er stets in die beiden Schalenhälften, die Steine der 
Garten-, Vogel-, Weichselkirschen häufig; die letzten sind ihm der feinen 


134 Sperlingsartige Vögel. 

Schale wegen besonders angenehm. Auch die Bucheln werden von ihm 
bevorzugt. Ahornsamen befreit er erst von der äusseren grünen Hülle, 
dann spaltet er die weissliche innere Samenhülle des Embryo, um dann 
diesen allein zu verzehren. So wenigstens beim Bergahorn (Acer pseu- 
doplatanus). Seine Enthülsung ist somit von der oben durch Zeichnung 
(S. 127, Fig. 11.) erläuterten des Kreuzschnabels auffällig verschieden. 
An Ahorn geht er schon im September, wogegen der Eschensamen erst 
gegen Winter von ihm angegriffen wird. ‘Auch Erlen- und Ulmensamen, 
ja Nadelholzsamen soll er angehen. Im Winter habe ich ihn mehrfach 
bei Crataegus, im Herbst bei Sorbus angetroffen. Zur Zeit der Noth 
verlässt er auch den Wald und kommt tief in die Gärten, um von den 
Samen der Culturkräuter zu leben. Man kann sich erst eine Vorstellung 
von seiner forstschädlichen Bedeutung machen, wenn man die Documente 
seiner Thätigkeit unter der Schirmfläche einzelner Bäume in Masse ge- 
häuft antrifft. Selbstredend gilt dasselbe für die Obstgärtnerei. Wo Kern- 
beisser hausen, ist von natürlichem Anfluge wenig zu hoffen, es müssten 
denn besonders reiche Samenjahre sein. Ist aber eine reiche Samenpro- 
duetion lokalisirt, so zieht sich nach diesen Stellen die ganze Gesellschaft 
zusammen, und auch dann ist die Ernte vernichtet. Völlig so schlimm 
ist sein Abknoppern der Knospen besonders der Eichen und Ahorne, 
während er Buchen und Hainbuchen zu verschonen scheint. In diesem 
seinem Verhalten betreffs seiner Nahrung zeigt er viele Verwandtschaft 
mit den Kreuzschnäbeln und dem Dompfaffen. Mit dem letzteren ist er 
auch wohl zusammen rücksichtlich seiner Forstschädlichkeit behandelt. 
Ich will eine hierher gehörende fremde Mittheilung aus der „Monatsschrift 
für Forst- und Jagdwesen 1868” hier folgen lassen. Sie rührt vom Frei- 
herrn v. Sturmfeder her (Appenweiler, 14. März 1867): „Das abnorme 
Frühlingswetter mit Frost und Schnee in der Mitte März hat die Wald- 
vögel wieder in die Nähe der Häuser und in die Gärten zurückgetrieben. 
Zu diesen Vögeln, welche bei wärmerer Witterung sich in die tiefen 
Waldungen zurückziehen, dagegen im Winter in hiesigen Gärten zu treffen 
sind, gehören der Kernbeisser und der Blutfink (Dompfaff), beides bekannt- 
lich Loxien. Ihre Hauptnahrung bildeten, so lange sie zu haben waren, 
die Beeren von Zigustrum vulgare, Viburnum, Sorbus aucuparia, dann 
kamen die sehr reichlich erwachsenen Samen der Weissbuche (Carpinus) 
und der Esche (Frawinus) an die Reihe, so dass der Boden mit abge- 
bissenen Samen bedeckt und die Bäume kahl gefressen waren. Nadelholz- 
samen war in Folge des Frostes im Mai und Juni 1866 keiner gewachsen, 
dagegen sind in Folge des gelinden Winters von 1867 die Blüthenknospen 
von Frühbirnen, Frühpflaumen und Syringen sehr weit voran, erstere am 
Aufbrechen, letztere ganz grün. Die genannten Vögel haben nun seit 


Edelfinken. 135 


einigen Tagen die Frühbäume angenommen und leben blos von den Blüthen- 
knospen, die sie abfressen und astweise leeren, so dass der Schaden nicht 
unbedeutend ist, ein Fall, der mir noch nicht vorgekommen ist.” [Für 
den Dompfaff nach Obigem eine ganz gewöhnliche Erscheinung.] Seine 
Forst- und Obstbaumschädlichkeit erhält kaum ein nennenswerthes Gegen- 
gewicht durch seine sehr geringe Inseetennahrung, obgleich er auch seine 
Jungen mit Insecten, doch auch mit weichen Sämereien, namentlich jungen 
Erbsen, denen er gleichfalls eifrig nachstellt, füttert. 


b. Edeltinken. 


Körperform von mittleren Verhältnissen. Schnabel mässig gestreckt, 
seine First bis zur schwach abfallenden äussersten Spitze gerade; ganzer 
Gaumen hohl; Kopf schmal und niedrig; die vier ersten Schwingen von 
fast gleicher Länge, die zweite und die nur etwas kürzere dritte bilden 
die Spitze; Beine mittellang; desgleichen der schwach gablige Schwanz. 
— Waldvögel, welche auf den anstossenden offenen Flächen ihre haupt- 
sächlichste Nahrung, ölhaltige Sämereien, auflesen, sich zeitweise in grosse 
Flüge scharen und so umherwandernd die Gegend durchstreifen. Nur 
wenige Arten. 


2. Der Buchfink. 
Fringilla coelebs L. 

Ueber dem Flügel eine weisse (Spitzen der mittleren und kleinen 
Deckfedern) und eine gelbliche (desgleichen der grossen Flügeldecken) 
Binde; erste Schwinge kürzer als die vierte; Bürzel gelblich grün; auf 
den 2 (selten 3) äussersten Steuerfedern jederseits ein keilförmiger weisser 
Fleck. Männchen mit sammtschwarzer Stirn, bläulichem Scheitel, tief 
olivenbraunem Rücken und weinrother Unterseite; Weibchen und Junge 
oberhalb olivengrau, unten schmutzig olivenweisslich. Am 17. Juli 1571 
schoss ich hier einen merkwürdigen Erythrismus: die beiden hellen Flügel- 
binden so breit, dass sie fast den ganzen Oberflügel einnehmen, und sowie 
der Bürzel, die hellen Keilflecken der Schwanzfedern, die ganze Unter- 
seite mit Einschluss der Unterschwanzdeckfedern zart, aber gesättigt wein- 
roth, dagegen der Scheitel, Nacken und besonders Mittelrücken durch 
Braun getrübt und gedunkelt weinroth. Nur die Hand- und Armschwingen 
normal, so dass das kleine rein weisse Fleckchen an der Basis der erstereu 
ganz auffallend von dem übrigen rothen Tone des Vogels absticht. Derselbe 
sang eifrig und erregte, da er mir die ja stets weinrothe Brust zuwandte, 
meine Aufmerksamkeit nur durch die eintönige Kopffärbung, so dass ich 
schon ein Winterkleid vor mir zu haben glaubte. — Der Buchfink be- 


136 Sperlingsartige Vögel. 


wohnt fast ganz Europa und einen Theil des angrenzenden Asiens. Im 
Norden wird er vom 62° n. Br. an allmälig durch den Bergfink ersetzt. 
Wenn, woran ich nicht zweifle, die nur in der Färbung abweichende nord- 
afrikanische Form spodiogenys Bp. („aschwangig”) artlich mit unserem 
Buchfinken zu identifieiren ist, so erstreckt sich seine Verbreitung nach 
Süden über die Grenzen Europa’s hinaus. Eine solche Identifieirung scheint 
mir völlig berechtigt zu sein. In den plastischen Verhältnissen findet sich 
keine Verschiedenheit und die farbigen Unterschiede stehen keineswegs 
ohne Uebergänge da. Ich habe Exemplare von coelebs aus Portugal ge- 
sehen, deren Rückenbraun schon weniger ausgedehnt war als bei unserem 
einheimischen Buchfinken. Diese braunen Federn hatten ausserdem grün- 
liche Spitzen, und die Unterseite zeigte ein zartes Violettroth, nicht das 
‚ gesättigte Weinroth unserer Vögel. Ferner: Mehre spodiogenys aus Algier 
wichen unter sich in der Färbung durch theilweise Annäherung an unseren 
coelebs ab. Bei einem Exemplar war die Unterseite entschieden buch- 
finkenähnlich, und von diesem lichten Weinroth waren sogar die unteren 
Theile des Gesichtes eingenommen, so dass hier die Benennung „spodio- 
genys” („aschwangig”) nur halb mehr passt. Auch der Rücken war nicht 
ganz ohne alles Buchfinkenbraun, wenngleich nur auf einzelne Federn be- 
schränkt. Es giebt somit unstreitig von beiden Seiten her Mittelfärbungen 
zwischen coelebs und spodiogenys; die Weibchen sind gar nicht zu unter- 
scheiden. Der Buchfink zeigt sogar in unseren Gegenden seine Neigung 
zur Variabilität. Es folgt z. B. auf das Blau des Nackens wohl ein starker 
grüner Saum, der sich auf das Braun des Mittelrückens legt (eine schwache 
Andeutung der Forın spodiogenys), das Weinroth der Unterseite ist durch- 
aus nicht stets gleich und weist zuweilen gleichfalls auf spodiogenys hin, 
die weissen Flügelbinden sind bald breiter bald schmaler, es tragen jeder- 
seits bald 2, bald 3 Steuerfedern die weisse Keilzeichnung, u. a — In 
seinem lokalen Auftreten ist er an den Wald, wenigstens an einzelne 
starke Bäume gebunden. Die münsterländischen Wallhecken bewohnt er 
dort, wo sie nicht auch zugleich einzelne Eichen haben, nur vorübergehend 
in der Zugzeit oder im Winter. Ob Nadelholz- oder Laubholzwald ist 
ihm gleichgültig. Wenn keine offenen Flächen, namentlich Gärten und 
Fruchtfelder anstossen oder den Wald unterbrechen, so meidet er den 
Wald dort, wo dichtes Unterholz den Boden bedeckt. Seine Hauptnah- 
rung sucht er auf dem offenen Boden und wo ihm dieser nicht zugäng- 
lich ist oder keine Nahrung bietet, ist auch seines Bleibens nicht. Gegen 
‚September pflegt er sich in Flüge zusammenzurotten und nach Nahrung 
unter steter Fühlung mit dem Walde, Alleen, Gebüschen, Baumgärten 
umherzustreifen, wobei sich die Männchen und Weibchen zu trennen 
pflegen. Gar oft mischen sich fremde Arten, Bergfinken, Grünfinken, Hänf- 


Der Buchfink. 187 


linge, Goldammern, auch Feldsperlinge unter seine Schaaren, Je nach 
der Strenge des Winters und besonders nach der Tiefe des Schneefalles 
streicht er blos in derselben Gegend umher, oder wandert weit fort zum 
wirthlicheren Süden. Jedoch ziehen in den wenigsten Jahren alle Indi- 
viduen, sogar einzelne Weibchen bleiben wohl hier. Sehr früh kehrt er 
zurück; jedoch richtet sich auch dieser Termin nach den äusseren Ver- 
hältnissen. Ich habe ihn schon am 7. Februar wieder singen hören, wäh- 
rend er uns in der Regel erst gegen Mitte März mit seiner allbekannten 
schmetternden Stropfe erfreut. Auch seine übrigen Töne, sein „Fink”, das 
er auf dem Boden umherlaufend und hüpfend oder von einem Zweige 
herab, sein „Jüpp”, welches er im Fluge hören lässt, u. a. sind allgemein 
bekannt. Seine Nahrung besteht in ölhaltigen, weniger in mehlhaltigen 
Sämereien, welche er nur vom Boden aufliest. Er frisst dieselben so 
lange, als sie vorhanden sind. Nur wenn sich im Frühlinge allmälig die 
vorigjährigen Samenkörnchen zu Pflanzen entwickelt haben und neue noch 
nicht existiren, greift er zur Insectennahrung und füttert mit Insecten, 
namentlich grünen Räupchen (@eometra brumata, piniaria u. a.) seine 
Jungen. Auch erhascht er fliegenfängerartig Insecten in der Luft. Er 
ändert für die Insectennahrung auch insofern seine Natur, als er diese 
von den Blättern und Zweigen der Bäume abnimmt. In Gärten, seinem 
bevorzugtesten Aufenthaltsorte, wird er dadurch ohne Zweifel den Obst- 
bäumen nützlich, im Walde ist diese seine Thätigkeit von keinem Be- 
lange. In den Nadelholzsaatkämpen zeigt er sich dem Forstmanne höchst 
lästig. Die Kiefernsamenbeete in unseren hiesigen drei Forstgärten müssen 
vom Tage des Säens an, bis dass die Sämlinge ihre Samenhülle vollständig 
abgeworfen haben, also volle 4—6 Wochen hindurch, vom frühen Morgen 
bis zur Abenddämmerung durch mehre Personen vor den räuberischen 
Buchfinken geschützt werden. Die Vögel sind so zudringlich, dass diese 
mit Klappern bewaffneten Personen an dem Verscheuchen ihre volle Arbeit 
haben. Sogar bei den Schiessständen im alten Forstgarten zeigen sie sich 
während der Schiessübungen durch den Lärm wenig affıcirt. Kaum tritt 
eine kleine Pause ein, und der eine oder andere Buchfink fällt sofort 
wieder auf die Beete. Die Klage über diese Forstschädlichkeit der Buch- 
finken finde ich wiederholt in den forstlichen Zeitschriften erhoben und 
die Anschuldigung der Vögel erwiesen. Dass sie in deu Gemüse- und 
Fruchtgärten ebenso erpicht auf die dort ausgesäeten, keimenden oder die 
später reifenden ölhaltigen Samen sind, ist bekannt. Es erfordert auch 
dort die anhaltendste Wachsamkeit des Besitzers, wenn nicht ein sehr 
grosser Theil der Ernte, ja stellenweise die ganze Ernte, bezüglich Aus- 
saat, lurch sie verloren gehen soll. Sie nehmen dem Gemüsegärtner völlig 
so viel, als sie dem Öbstgärtner gerettet haben. Ein zweiter Umstand 


135 Sperlingsartige Vögel. 


erhöht ihre Sohädlichkeit. Sie fallen nämlich im Herbste in oft starken 
Flügen auf die an gereiften Samen reichsten Stellen und vernichten den- 
selben dort mit vereinten Kräften und längere Zeit hindurch. Denn zum 
Weiterziehen oder anderweitigen Umherstreifen finden sie sich dann nicht 
veranlasst. Sie picken in bedeutender Menge den Samen sämmtlicher 
Nadelhölzer, sowie Birken- und Erlensamen auf. Auf letzteres ist frei- 
lich an und für sich wenig Gewicht zu legen; allein die beiden Zeisige 
betreiben mit aller Energie dasselbe Handwerk in den Zweigen, und schliess- 
lich kommt eins zum anderen, so dass der natürliche Anflug merklich 
verringert wird. Bei reichlicher Buchenmast wird ihre Thätigkeit in 
Buchensamenschlägen mehr noch im Frühlinge, wenn die Buchen in den 
Cotyledonen stehen, als im Herbst empfindlich, der Buchensamenaufschlag 
durch sie ganz erheblich vermindert. Auf den Aeckern können wir die 
umherschweifenden Schaaren wegen Vertilgung einer Menge von Unkraut- 
samen nur willkommen heissen. — Das äusserst künstliche Nest steht auf 
Bäumen, entweder durch Wasserreiser oder einen Aststummel gestützt hart 
am Stamm und ist dann wegen der von aussen dasselbe umgebenden, mit 
Inseetengespinnstfäden befestigten Baumflechten schwer zu entdecken, oder 
auf einem starken bis schwachen Zweige, im letzten Falle weit vom 
Stamme entfernt in einer Astgabel. 6—7 Meter Höhe ist sein gewöhn- 
licher Stand; doch fand ich eins in einem Weissdornbusche, 1,3 Meter 
hoch. Auch in (Hainbuchen-) Lauben baut der Buchfink zuweilen. Von 
den Eiern kann man zwei Varietäten unterscheiden. Der allen zukom- 
mende gedämpfte bläulichgrünliche Grund ist entweder rein und dann mit 
einzelnen kleineren scharfen Flecken, zumeist am stumpfen Ende besetzt, 
oder röthlich gewolkt und trägt dann stärkere brandröthlich umrandete 
Flecken. Die ersten können den Eiern des Dompfaffen täuschend ähn- 
lich sehen. Der Buchfink brütet jährlich zwei auch drei Mal. Mitte 
März findet man ihn schon wohl im Nestbau begriffen, gewöhnlich Mitte 
April die ersten Eier. 


3. Der Bergfink. 
Fringilla montifringilla L. 

Unterrücken in der Mitte weiss, an den Seiten schwärzlich; Unter- 
flügeldeckfedern schwefelgelb; die Spitzen der grossen Flügeldeckfedern 
bilden eine orangefarbene, die der mittleren eine weissliche Flügelbinde; 
erste Schwinge länger als die vierte; nur die äusserste Steuerfeder mit 
weisslichem Fleck, Männchen im Sommer oben stahlschwarz, im Winter 
mit starken braunen Federrändern, Brust rostfarben; Weibchen und Junge 
gedämpft. — Er bewohnt den Norden Europa’s und theilweise Asiens, 
kommt aber auch (auf dem Zuge?) in Japan häufig vor. Unter dem 


Der Bergfink. 139 


65° n.Br., wo der Buchfink nicht mehr lebt, ist er schon zahlreicher Brut- 
vogel. Gegen Ende Sommer rottet er sich daselbst in Schaaren zusammen, 
die nach anfänglichem Umherstreifen in ihrer Heimath sich Ende September 
erst nur in kleineren Gesellschaften, später aber in oft ungeheuren, nach 
Tausenden zählenden Flügen bei uns einstellen. Diese Flüge ziehen oft 
sehr hoch, und man erkennt sie leicht an ihrem Locktone „Quäk”. So 
folgen sich an manchen Morgen die Züge von '/, Stunde zu Y, Stunde. 
Wenn sie sich bei uns niederlassen, sind sie anfänglich rein, später aber 
mit Buchfinken, Grünfinken und Hänflingen gemischt. Ihre Zugrichtung 
geht nach Südwest, im Frühling, selten Ende Februar, meist Mitte März, 
nach Nordost. In der Regel findet man zehnmal so viele Junge als Alte 
bei den in unseren Gegenden überwinternden. Viele treiben sich draussen 
auf den Aeckern, am Waldesrande, in den Wäldern umher, andere kommen 
in die Städte und Dörfer. Dort mit Buchfinken auf freien Plätzen umher- 
laufend und hüpfend sind sie schon aus bedeutender Ferne an ihrer mehr 
wagerechten Körperhaltung kenntlich. Auch sie sind Waldvögel wie der 
Buchfink, geben aber den Nadelholzwäldern, namentlich Tannen- und 
Fichtenwäldern vor den Laubholzwäldern den Vorzug; auch sie leben zu- 
meist von ölhaltigen Sämereien, die auch sie vom Boden ablesen. Auch 
sie nutzen uns durch Verzehren einer grossen Menge von Unkrautsamen 
auf den Aeckern. Aber an Forstschädlichkeit übertreffen sie durch Ver- 
zehren der Buchenmast ‚den Buchfink bedeutend. Sie überfluthen im 
vollsten Sinne des Wortes die alten lichten Buchenwälder, wolkenartig 
erheben sie sich von den Blössen bei plötzlicher Störung. Ihr weit kräfti- 
geres Gebiss vermag leichter mit den Bucheln, die im Herbste oft ihre 
einzige Nahrung bilden, fertig zu werden, ihre ungeheuren, nach Tausen- 
den von Individuen zählenden Schaaren bedürfen einer grossen Menge 
Nahrung. Reichlicher Samenaufschlag ist auch nach den besten Mast- 
jahren dort, wo die Bergfinkenflüge längere Zeit gehauset haben, nicht zu 
hoffen. Von den Forstleuten ist ein solcher Schaden oft constatirt. So 
berichtet z. B. die „Allgem. Forst- und Jagdzeitung” aus Clausthal sehon 
vor 30 Jahren: „Die reichliche Buchelmast des vorigen Herbstes hat in 
diesem Frühjahre meistens einen reichlichen und kräftigen Aufschlag er- 
zeugt; stellenweise ist sie jedoch zum Aerger des Forstwirthes durch un- 
geheure Schwärme von Buch- und Bergfinken (Fringilla colebs et Fr. 
montifringilla), welche sich in Mastjahren hier einzufinden pflegen, total 
verzehrt.” Früher und tiefer Schneefall ist dann dem Forstmann der beste 
Verbündete gegen diese Forstfrevler. Sie ziehen alsdann weiter zum Süden 
und sollen dem Fichten- und Tannensamen in ähnlicher Weise nachstellen. 
— Ihr Nest soll dem des Buchfinken sehr ähneln; die Eier sind zum 


140 Sperlingsartige Vögel. 


Verwechseln denen des Buchfinken ähnlich, jedoch die Gestalt etwas ge- 
streckter, die Fleckenzeichnung spärlicher und verloschener. 

Es möge hier noch der Schneefink (Fringilla nivalis) ein Bewohner 
unserer südlichen höchsten Gebirge (schweizer Alpen, Pyrenäen, Kaukasus, 
auch Sibiriens und Japans) kurz erwähnt werden. Grösser als der Buch- 
fink; Scheitel aschgrau, Rücken tiefbraun; Flügel mit sehr grossem weissen 
Spiegel (mittlere Schwingen und obere Flügeldeckfedern); Schwanzfedern, 
mit Ausnahme der mittleren schwarzen, weiss mit schwarzer Spitze. In 
seiner Lebensweise erinnert dieser alpine Vogel sehr an Buch- und Berg- 
fink. Eier schneeweiss. 


e. Hänflinge. 


Körperform schwach gedrungen; Schnabel wenig gestreckt, an der 
Basis dick, gerundet; Lauf niedrig; Flügel spitz; die fast gleich lange erste 
und die zweite Schwinge sind die längsten von allen, die erste länger als 
die fünfte; Schwanz mittellang, spitzgablig, — Sie bewohnen Wälder, 
Gärten und Gebüsche; sind im Allgemeinen weniger an den Wald ge- 
bunden als die Edelfinken und leben in niedrigeren Regionen; suchen ihre 
Nahrung, gleichfalls zumeist ölhaltige Sämereien, theils am Boden, doch 
auch auf den Pflanzen selbst, nisten im Gestrüpp, in Hecken und Büschen, 
jährlich zweimal; die Eier tragen auf hellbläulichem Grunde wenige, doch 
am stumpfen Ende oft gehäufte rothe Punkte. — Man kennt etwa 20 Arten, 
welche Europa, Asien und Afrika bewohnen. Deutschland beherbergt davon 
vier, zwei sind überall bekannte Brutvögel, eine gehört dem Süden an, 
eine besucht uns zur Winterszeit vom hohen Norden her. 


4. Der Grünfink. 
Fringilla chloris L. 

Kopf und Schnabel dick, Ober- und Unterseite gelbgrün, Aussenfahne 
der Handschwingen und Basalhälfte der fünf äusseren Steuerfedern gelb; 
Beine fleischfarben. Männchen gesättigt gelblichgrün, Weibchen und Junge 
graugrünlich. — Der Grünfink bewohnt fast ganz Europa, einen Theil des 
angrenzenden Asiens und Nordafrika. Er vermeidet sowohl gänzlich offene 
Gegenden als die eigentlichen Waldflächen; in Nadelholzhochwäldern trifft 
man ihn wohl niemals an. Dagegen liebt er Waldränder, Baumgärten, 
Bachniederungen mit Kopfbäumen und Gestrüpp, Parks, überhaupt feuchten 
frischen Boden mit Blössen, Gebüsch und einzeln oder gruppenweise stehen- 
den Bäumen; ist deshalb auch vorzugsweise ein Bewohner der Ebenen, 
An solchen Orten ist er in ganz Deutschland ein häufiger Vogel, dessen 
Männchen sich schon im ersten Frühling, ja bei heiterem milden Wetter 


Der Girlitz. 141 


mitten im Winter durch seinen ammerartigen Gesang, von dem man in 
einiger Entfernung nur den lang gezogenen Schluss „Trriiii” vernimmt, 
bemerklich macht. In der Regel jedoch streift der Grünfink zur Zugzeit 
umher, ja wandert bei ungünstigem Winterwetter ganz fort. Zu Ende 
October, Anfangs November sieht man seine kleinen Schaaren, 10 bis 20 
Individuen, umherstreichen. Diese sind dann stets unvermischt; sobald 
sie aber auf freien Flächen, etwa Stoppelfeldern, unter denen sie, wie alle 
Unkrautsamenvögel, solchen auf fettem Boden vor denen auf sandigem, 
dürrem ‚den Vorzug geben, ihrer Nahrung nachgehen, finden sich Blut- 
hänflinge, Buchfinken, Bergfinken, Feldsperlinge zwischen ihnen ein, je- 
doch bilden die Grünfinken nicht selten die Hauptmenge. Sie nähren 
sich fast ausschliesslich von ölhaltigen Sämereien, welche sie nicht blos 
vom Boden auflesen, sondern von den Pflanzen selbst abnehmen. Auf 
Hanfsamen sind sie so verpicht, dass sich auf Hanfäckern im Herbste eine 
grosse Menge Grünfinken sammelt, die dann die Ernte ernstlich bedrohen. 
Die Gärtner erleiden an den Sämereien ihrer Küchenkräuter durch sie ganz 
erhebliche Einbusse. Nie verzehrt der Grünfink ein Inseet, nie auch füttert 
er seine Jungen mit einem solchen. Forstlich ist er als gänzlich indiffe- 
rente Spezies anzusehen. Der eigentliche Wald ist nicht sein Wirkungs- 
kreis, und wenn er auf lichten Stellen auch einige Baumsämereien ver- 
zehrt, etwa einzelne Bucheln, oder etwas Erlensamen, so ist das doch 
nicht in Anschlag zu bringen. Er brütet an seinen vorhin genannten 
Lieblingsstellen. Das Nest steht selten gegen 6 Meter hoch, meist etwa 
2 oder 3 Meter in Gestrüpp, Hecken, Wachholderbüschen, in Anlagen 
gern niedrig in umwachsenen Fichten, in Taxus, gern auch in Prome- 
nadenbäumen, geköpften Pappeln und zwar in den niedrigeren Wasser- 
reisern u. dergl. Mitten in Münster hatte ein Paar sein Nest in ein win- 
ziges Epheuspalier, das in einem Blumentopfe vor dem Fenster der zweiten 
Etage eines Hauses stand, gebaut und darin seine Jungen erzogen. Die 
Eier sind sehr hell grundirt und nur mit wenigen rothen Punkten besetzt, 
Auffallend ist zur Fortpflauzungszeit der merkwürdige fledermausähnliche 
Balzflug des Männchens, während dessen es gern „trrüit, trrüt....” schreit. 
Nach diesem Flatterfluge setzt es sich dann, wie auch zu seinem Gesange, 
hoch und frei auf einen vorragenden Zweig. Im Uebrigen ist der Grünfink 
ein stiller, wenig lebhafter, zutraulicher Vogel. Trotz seiner dreimaligen 
jährlichen Brut vermehrt er sicht nicht stark, vielleicht wird der Winter 
vielen verderblich. 


5. Der Girlitz. 


Fringilla serinus L. 


Ausser dem eben behandelten derben Grünfinken giebt es in Deutsch- 


142 Sperlingsartige Vögel. 


land drei sehr kleine grüne Finken, den allbekannten Erlenzeisig, den 
südlichen (Schweizer) Citronenzeisig und unseren Girlitz. Dieser letzte, 
von Zeisiggrösse, ist an seinem kurzen, dieken Schnäbelchen, degsen Ge- 
stalt an den aufgeblasenen Schnabel des Dompfaffen erinnert und dem 
Vogel auch schon eine systematische Stellung in der Gattung Pyrrhula 
verschafft hat, leicht zu erkennen. In seiner Farbe und Zeichnung steht 
er dem Erlenzeisig sehr nahe, doch hat das Männchen einen grünen Ober- 
kopf. In seinem Betragen stimmt er insofern mit den Hänflingen über- 
ein, als auch er sich von allerhand Krautsämereien nährt, nicht aber wie 
Zeisige oder Dompfaffen von Baumsämereien oder Knospen. Er bewohnt 
Süddeutschland in den ebenen oder nur welligen Gegenden, dort wo Ge- 
müse- und Baumgärten und Weinberge abwechseln. Ich selbst sah ihn im 
September in verschiedenen Jahren in der Nähe von Wien an Stellen, wo 
irgend ein Bach einen tiefen Einschnitt in das Terrain gemacht hatte, 
dessen Ufer mit Gestrüpp verwachsen und stellenweise mit mittelhohen 
Bäumen bestanden waren. Obstgärten und Weinberge bildeten die nächste 
Umgebung. Dort verriethen sich kleine Gesellschaften, etwa 6—10 Stück, 
durch ihre Stimme; in ihrem Wesen zeigten sie sich sehr lebhaft und 
flüchtig. Er ist auch dort Zugvogel, der gegen Ende September die Ge- 
gend verlässt und sich Mitte April allmälig wieder einfindet. Im süd- 
westlichen Deutschland ist der Girlitz ein allbekannter Vogel, und seit 
man seit einigen Decennien genauer auf ihn geachtet hat, auch an anderen 
Orten, z. B. in Schlesien, zahlreich beobachtet, so dass man geglaubt hat, 
für ihn ein Fortrücken seiner Verbreitungsgrenze annehmen zu müssen. 
Manche neueren Facta seines nördlicheren Vorkommens scheinen allerdings 
dafür zu sprechen. Sein sehr künstliches Nestchen steht auf Bäumen, 
und zwar auf Obst-, meist Birnbäumen. Seine hellblau grundirten Eier 
zeigen die röthlichen Flecken stets an dem stumpfen Ende kranzartig 
gehäuft. 

Zu den grünen Finken gehört auch der, unter den inländischen am 
meisten mit dem Girlitz verwandte Kanarienvogel, Fringila cana- 
ria L.; Männchen Stirn und Augenstreif goldgelb, Weibchen Stirn grün, 
Oberkopf hellgrün, sonst grün mit grauen Federrändern. Von ihrem Vater- 
lande her, den canarischen Inseln, sind sie als die beliebtesten Käfigvögel 
über die ganze Erde verbreitet. Die gelbe Form, in der wir sie in der 
Gefangenschaft ganz allgemein kennen, ist als unvollkommener Leucismus 
anzusehen. An manchen (grünen) Individuen tritt, wenigstens partiell, 
die Wildfärbung wieder hervor. Sie brüten auf Bäumen; ihre Eier zeigen 
auf bläulichem Grunde die röthlichen Flecken zuweilen unbestimmt, ver- 


wischt. 


Der Bluthänfling. 143 


6. Der Bluthänfling. 


Fringilla cannabina L. 

Schnabel ebenmässig kegelförmig, dunkelgrau; die Handschwingen mit 
weisser Aussenfahne, dritte Schwinge kürzer als die beiden ersten; Steuer- 
federn mit Ausnahme der beiden mittleren weiss gesäumt; Beine fleisch- 
farben; Rücken nussbraun mit dunkleren Schaftflecken. Männchen im 
Sommer Stirn und Brust carminroth, welche hohe Farbe im Winter zum 
röthlichen Violett gedämpft und durch graue Federkanten verdeckt ist. 
Bei manchen Individuen (Vögeln der ersten Brut), sowie im Süden (Nord- 
afrika: Fr. bella Hemp. et Ehb.) tritt diese, sowie die Rückenfarbe auf- 
fallend lebhaft auf. Der letzten, dritten, vielleicht wohl gar vierten Jahres- 
brut entstammte Männchen bleiben fast ganz ohne die Schmuckfarbe; 
einige violettgraue Flecken deuten dann dieselbe an. In seltenen Fällen 
nimmt das Roth einen starken Stich in’s Orange an, ja wird gelblich, 
sogar strohgelb. In der Gefangenschaft verlieren die Männchen diese Zier- 
färbung stets bei der nächsten Mauser. — Der Hänfling bewohnt Europa, 
und einen Theil von Asien und Nordafrika. Im mittleren Europa, nament- 
lich in Deutschland, ist er überall sehr bekannt, mit Ausnahme der hohen 
Gebirge, ausgedehnten Hochwälder und ganz offenen Gegenden. Am 
meisten wählt er solche Stellen, die den kleinen Haideflächen des Münster- 
landes ähnlich sind, auf denen Wachholder, wilde Rosen, Weissdorn und 
ähnliches Gebüsch, in der Nähe kleinere Baumgruppen oder eine einzelne 
Eiche stehen. Lückige Vorhölzer, Niederwald, junge Nadelholzschonungen 
mit freien Stellen sind ihm sehr angenehm. Hier brütet er in den dich- 
testen Sträuchern kaum 1 oder 2 Meter hoch zahlreich. Das Männchen 
singt meist von der äussersten Spitze eines jungen Bäumchens oder 
Strauches herab, und zwar schon im ersten Frühling, etwa Ende Februar, 
Anfang März, ja zuweilen mitten im Winter. Bei strenger Kälte und 
Schneefall verlassen uns jedoch die Hänflinge regelmässig. Sie pflegen 
sich Mitte September zu scharen, fallen dann sehr gern in immer grösseren 
Flügen auf die Getreide-, Kartoffel-, namentlich Buchweizenäcker. Sie 
streifen dann unvermischt umher, und falls andere Spezies sich zu ihnen 
gesellen, so werden sie geduldet, aber weiter nicht beachtet. Im ersten 
Frühling langen sie wieder bei ihren Brutorten an und vertheilen sich in 
einzelne Paare, schlagen sich aber bei einem neuen Schneefall wieder in 
Flüge zusammen. Sie nähren sich und füttern ihre Jungen aussehliess- 
lich mit Sämereien, namentlich ölhaltigen, vertilgen eine Menge Unkraut- 
samen, werden aber oftmals in Gärten durch ihr hartnäckiges Plündern 
der betreffenden Samenpflanzen (Kohl, Rüben, Salat u. s. w.), deren Sehoten 
und Kapseln sie aufbeissen, sowie durch das Aufpicken der gesäeten, sogar 
gekeimten Sämereien sehr lästig und unangenehm. Für die Forstwirth- 


144 Sperlingsartige Vögel. 


schaft sind sie von keiner Bedeutung. Da sie jährlich drei Bruten zu 
machen pflegen, so vermehren sie sich ziemlich stark; jedoch erleiden sie 
in strengen Wintern oder durch plötzlich über sie hereinbrechende an- 
haltend ungünstige Frühlingswitterung starke Einbusse. Auch werden viele 
Nester ihres niedrigen Standes wegen von Hermelinen und Wieseln ge- 
plündert. 


7. Der Berghänfling. 
Fringilla montium Gm. 

Schnabel dieses kleinen gedrungenen Hänflings gelb („AHavirostris L.”), 
die vier ersten Handschwingen mit feinem bräunlichen, die fünf folgen- 
den mit breiterem weissen Aussensaume; die dritte Schwinge so lang als 
die beiden ersten; Füsse schwarz. Oberkopf, Nacken und Rücken braun 
mit dunklen Schaftflecken, Bürzel weisslich, beim Männchen röthlich an- 
geflogen. — Als Bewohner des höheren Nordens, Skandinaviens, auch 
Hochschottlands mit den Orkney-Inseln, besucht er uns nur im Winter, 
geht aber dann wohl bis zum südlichen Deutschland und mittleren Frank- 
reich. Er trifft meist in sehr kleinen Gesellschaften, 5—10 Stück, bei uns 
ein, mischt sich auch wohl einzeln unter Bluthänflinge und andere finken- 
artige Vögel und nährt sich von Sämereien, die er nach Schneefall von 
der freien Spitze höherer Krautstengel abliest. Sein Nest steht meist in 
steinigen, nur mit kurzem Gestrüpp bewachsenen Gegenden, oft am Boden. 
Seine Eier tragen auf lichtblauem Grunde rothe Pünktchen. Für unsere 
wirthschaftlichen Interessen ist er völlig gleichgültig. 


d. Zeisige. 

Körper mässig gestreckt; Schnabel von der Mitte zur stark ausge- 
zogenen Spitze hin verschmälert, fast doppelt so hoch als breit. Beine 
kurz und kräftig, Nägel scharf und stark gebogen; der kaum mittellange 
Schwanz scharfspitzig gegabelt. In einigen 20 Arten bewohnt diese Finken- 
form mit Ausnahme von Australien alle Welttheile und zeichnet sich vor 
allen übrigen Finken durch ein meisenartiges Klettern an den feinen Zwei- 
gen der Samenbäume aus. Auf den Boden gehen sie selten. Sie nähren 
sich meist von feinen Baumsämereien, nach denen sie in der Strich- und 
Zugzeit scharenweise umherfliegen. Ihre künstlichen Nester stehen meist 
hoch auf Bäumen, die Eier tragen auf bläulichem Grunde röthliche Punkte. 


8. Der Stieglitz. 


Fringilla carduclis L. 


Schnabel horuweiss; Flügel und Schwanz schwarz, erstere mit grossem 


Der Stieglitz. 145 


guttgelbem Felde, letzterer auf den zwei äusseren Steuerfedern mit weisser 
Innenfahne vor der Spitze, an den inneren weisse Spitzen; Rücken tief- 
braun. Die alten Vögel um die Schnabelwurzel lebhaft roth. Im Uebrigen 
ist dieser unser buntscheckigster Singvogel in seinem Kleide, welches bei 
Männchen und Weibchen, im Winter und Sommer fast gleich ist, bekannt. 
Doch varürt derselbe mannigfach, so dass man grosse und kleine, auch 
Tannenstieglitze artlich hat unterscheiden wollen. Das Roth ist im März 
und April am brillantesten, später wird es durch Schwarz unterbrochen, 
die Brust ist im Herbst nach der Mauser am schönsten. Bei zwei Exem- 
plaren war die schwarze Kopfplatte hinten wieder roth garnirt. — Seine 
Verbreitung erstreckt sich über die Grenzen Europa’s, da er auch in Sibi- 
rien, Syrien, auf Madeira u. a. lebt. In Deutschland ist er überall be- 
kannt; jedoch meidet er sowohl die gänzlich baumarmen Gegenden, als 
auch die tiefen Hochwälder und die höchsten Gebirge. Auch behagt ihm 
das Nadelholz wenig. Gärten mit höheren Obst-, namentlich Birnbäumen, 
zieht er dem Waldrande vor. Doch liebt er auch sehr Alleen, kleinere 
Feldhölzer, Vorhölzer u. dergl., und giebt feuchtem, frischem oder Klei- 
boden vor dem armen Sandboden den Vorzug. Man trifft ihn in der Nähe 
des Bodens am häufigsten an Abhängen, als Böschungen von Bahnkörpern, 
Stadtwällen, Flussufern an, zumal wo seine Hauptnahrung, Disteln (daher 
„Distelfink”), Kletten oder andere Syngenesisten wachsen. Selbst im Früh- 
linge finden wir ihn eifrig beschäftigt bei noch nicht verregneten Distel- 
köpfen, sonst, besonders im März} gern an der Miere. Auf dem Boden 
vermeidet er jedoch stets die Beschattung der Bäume. Er will immer freie 
Aussicht haben, und so verweilt er besonders im Sommer oft und lange 
frei auf höheren Baumspitzen. Wenn im Winter die Kräutersamen nicht 
mehr vorhanden oder nicht zugänglich sind, geht er, schon Ende October, 
gern auf Erlen, bei deren Samen er seine zeisigartige Kletternatur am 
meisten produzirt. Ende März besetzt er die Pappeln, und sein Schnabel 
ist dann von dem Abknoppern der Knospen mit einer Harzkruste über- 
zogen. Auch die Aspen verschmäht er nicht, und Birkensamen ist ihm 
gleichfalls willkommen. Auf offenen Flächen sieht man ihn fast nur 
im Herbste und dann geschaart. Ausser der Brutzeit zeigt er sich 
überhaupt stets gesellschaftlich; meist sind etwa 10, doch auch 20, ja 
50 Stück zusammen, letzteres jedoch nur im Anfange seines Herum- 
schweifens, ja zu dieser Zeit schlagen sich die Individuen in noch stär- 
kere Schaaren zusammen. Seine Gesellschaften sind wohl stets unver- 
mischt. Beim Beginn der Birnblüthe findet man ihn mit der ersten Fort- 
pflanzung des Jahres beschäftigt. Das Nest steht in der Regel hoch, gewöhn- 
lich am Ende eines herabhängenden Zweiges, dort wo die Jüngsten Triebe 
dasselbe durch ihre Blätterbüschel hinreichend verdecken, zuweilen auch 
Altum. Die Vögel. 10 


146 Sperlingsartige Vögel. 


auf der Spitze eines Baumes. In Gärten werden starke Birnbäume allen 
anderen vorgezogen, sonst auch andere Obstbäume, Linden, Eschen, Kasta- 
nien, namentlich Akazien, sogar Nadelholzbäume gewählt. Ein Nest fand 
ich kaum 2,5 Meter hoch in einem Syringenstrauche; über 10 Meter steht 
es nicht gar selten. Es ist sehr kunstvoll gebaut, wie gedrechselt, und 
enthält 5 Eier, welche denen des Bluthänflings sehr ähneln. Er macht 
jährlich 2, auch wohl 3 Bruten. — Obgleich er wohl nur sehr selten In- 
secten frisst, auch seine Jungen nur im Anfange damit füttert, manche 
Baumknospen, Blüthen und Samenkörnchen vernichtet, kann man ihm 
doch keine besondere forstliche Wichtigkeit beimessen, da er meist ganz 
indifferente Sämereien frisst und auch nirgends in solchen Schaaren auf- 
tritt und auf die Bäume fällt, als andere finkenartigen Vögel. Sein ausser- 
ordentlich munteres Wesen, seine herrlichen Farben, sein metallisch klin- 
gender Ruf „Stieglit” und der diesem ähnliche Gesang entschädigen uns 
völlig für den geringen Schaden, den er durch seine Nahrung dem Forst- 
manne wie dem Gärtner im Herbst, Winter und Frühling zufügt. 


9. Der Erlenzeisig. 
Fringilla spinus L. 

Einer der kleinsten Finken von gedrungener Körpergestalt. Oben 
gelblichgrün, Flügel mit zwei gelben Querbinden, unten licht gelbgrün. 
Schwanzfedern an der Basis gelb. Die Weichen mit Schaftstrichen ge- 
fleckt. Oberkopf des Männchens schwatz. Farbige Abänderungen betreffen 
meist nur die Intensität des gelbgrünen Tones, welcher bei einzelnen In- 
dividuen oder nach der Lokalität (z. B. Ardennen) sehr gesättigt auf- 
treten kann; plastische die Stärke des Schnabels, die z. B. bei Exemplaren 
aus Portugal merklich grösser ist, als bei hiesigen. So sind denn wohl 
„Arten”, wie spinoides Tem., nichts als derartige schwache Verschieden- 
heiten. — Der Erlenzeisig bewohnt das mittlere und südliche Europa, 
dringt im Norden bis zum mittleren Schweden und Norwegen vor und 
ist besonders im Osten (Russland) häufig, wird jedoch auch noch tief im 
Südwesten gefunden. Er ist im Sommer so sehr Wald-, und im Näheren 
Nadelholzwaldvogel, dass es in dem Fehlen passender Wälder begründet 
sein wird, wenn wir ihn in Deutschland an vielen Orten als Brutvogel 
vermissen. Ausserdem scheint er Hügel- und Gebirgslandschaften vorzu- 
ziehen. Um Pfingsten habe ich ihn im Thüringer Walde, sowie im Harze- 
als Brutvogel angetroffen; jedoch ihn im vergangenen Sommer auch hier 
bei Neustadt auf ebenem Terrain im Lieper Revier als heckend bemerkt. 
Zahlreich erscheint er in unseren Gegenden, sowie überhaupt in Deutsch- 
land jedoch nur zur Strichzeit, wo dann Schwärme von Hunderten, ja 
Tausenden bei uns gegen Mitte September, in der Regel jedoch erst zu 


Der Erlenzeisig. 147 


Ende October, Anfang November eintreffen und theilweise bis Februar, 
März oder April verweilen. In den Zugverhältnissen des Zeisigs vermisst 
man, wohl wegen seiner Abhängigkeit von der Nahrung, mehr als bei 
manchen anderen Arten die Regelmässigkeit. Wo sich Samenerlen be- 
finden, stellen sich die Zeisige ein und können Erlenbrüche zu Tausenden 
den ganzen Winter hindurch bevölkern; wo diese Bäume nur stellenweise 
und in geringer Anzahl stehen, streifen kleinere Zeisigschwärme von einer 
Gruppe zur andern, so dass man diese beweglichen Vögelchen ununter- 
brochen an den feinsten Reisern meisenartig kletternd in den possirlichsten 
Stellungen dort antrifft, um die Samenkörnchen auszupicken. Die reizendste 
dieser Stellungen ist wohl die, wenn sich einzelne mit nur einem Fusse 
unterhalb einer einzelnen Erlenfrucht anhäkeln und so baumelnd und 
schwebend eifrig um ihre Nahrung sich bemühen. Ihre Stimme, besonders 
das charakteristische „Didl” oder „Ditlit”, lassen sie auch dann ab und zu 
hören. Sie fliegen bei irgend einer Störung alle zusammen plötzlich auf, 
kehren aber nach einiger Zeit, und wenn das eine oder andere Indivi- 
duum ausnahmsweise zurückgeblieben ist, sehr bald wieder zurück. In 
zweiter Reihe gehen sie an Birkensamen; in Fichten- und Tannenwäldern 
an den Samen von diesen Bäumen. Ist in den Kronen kein Same mehr 
vorhanden oder ihnen nicht zugänglich, so lesen sie ihn auch vom Boden 
auf. Auch auf Krautpflanzen gehen sie, wenn die genannten Baumsäme- 
reien in den Kronen fehlen, nach deren Samen. Sie sollen im Frühlinge 
auch Baumknospen verzehren, Ihre Insectennahrung ist nur sehr unter- 
geordnet, obgleich die Jungen mit Insecten gefüttert werden. Wo weder 
Erlen- noch Birkensamen vorhanden ist, finden sie sich bei uns nicht ein; 
wenn derselbe in den Kronen verzehrt und der am Boden liegende mit 
Schnee bedeckt ist, verlassen sie uns sofort. Doch finden wir sie auch 
zuweilen in dicht gestellten Eichen mit Unterholz, wo eine Schaar sich 
durch ihr eifriges Gezwitscher und Singen bemerklich macht. — Wo der 
Erlen- und Birkensamen nicht gesammelt wird, oder man keinen starken 
Anflug derselben wünscht, kann der Zeisig als forstlich gleichgültige Vogel- 
art angesehen werden. Für unsere Gegend bin ich davon überzeugt, dass 
alle unsere Samenerlen, Weiss- wie Schwarzerlen, so eifrig und anhaltend, 
tagtäglich, Monate lang, von den Zeisigen geplündert werden, dass bei 
weitem der grösste Theil des Samens durch sie verloren geht. Die für 
den Forstmann empfehlenswertheste Seite des Zeisigs ist jedenfalls die, 
dass er zur öden Winterzeit an einzelnen Stellen den todten Wald auf 
angenehme Weise belebt. — Sein gleichfalls sehr künstlich gebautes, kleines, 
tiefnapfiges Nest steht in Nadelholzwäldern der Ebene oder häufiger in 
Gebirgsthälern auf starken Bäumen ziemlich hoch. Hier im Lieper Revier 


schätzte ich seinen Stand auf eine Höhe von etwa 20 Meter. Das Männ- 
10* 


148 Sperlingsartige Vögel. 


chen macht sich wie Grünfick und Girlitz durch einen besonderen Balz- 
flug zur Fortpflanzungszeit bemerklich. Die Eier ähneln sehr den freilich 
grösseren des Bluthänflings. 


10. Der Birkenzeisig. 
Fringilla linaria L. 

Dieses hänflingsfarbene Vögelchen zeichnet sich vor den ihm ähn- 
lichen, namentlich vor dem Berghänfling aus durch dunkelgraue weisslich 
gesäumte Schwung- und Steuerfedern, braunschwarzen Zügel und Kehle und 
weisslichen Bürzel. Nach der ersten Mauser ziert ein carminrother Scheitel 
alle, eine lebhaft carminrothe, sehr selten mit Gelb gemischte (Radziwill’sche 
Sammlung) Brust die männlichen Individuen. Bei der sehr weiten Ver- 
breitung dieser Art ändern die Individuen zu mancherlei Lokalracen ab. 
Ich habe etwa 100 Exemplare aus den verschiedensten Gegenden (Nord- 
und Süddeutschland, Umgegend von Leiden, Helsingfort, Jemtland, Lan- 
cershire, Ardennen, Stockholm, Petersburg, Ural, Visconsin, Missouri, Grön- 
land, Japan) auf diese ihre Verschiedenheiten untersucht. Die grönlän- 
dischen zeichnen sich vor den unsrigen zunächst durch bedeutendere 
Grösse aus; doch sind die Verhältnisse weder an sich, noch in gegen- 
seitiger Beziehung constant. Die Flügellänge (von der Hand bis zur Spitze) 
schwankt z. B. zwischen 78 und 82,5 Millimeter, die Schwanzlänge zwi- 
schen 57 und 69 Mm. Mit einer Flügellänge von 82,5 Mm. ist eine 
Schwanzlänge von 64 Mm., mit einer von nur SO Mm. eine desgleichen 
von 69 Mm. verbunden. Unsere stärksten Exemplare erreichen die nie- 
drigsten Dimensionen der grönländischen vollständig. Dasselbe gilt vom 
Tarsus und Schnabel. Das schwächste von mir untersuchte grönländische 
Exemplar hatte den dieksten, fast einen normalen Fiukenschnabel. Die 
Färbung tritt ebenso wenig constant, aber auch ebenso wenig mit scharfen 
gegenseitigen Grenzen auf, Die Grönländer sind allerdings auffallend 
weisslich, die Unterseite wohl mal bis auf einige schwache Schaftflecken 
an der Seite der Oberbrust ungefleckt, doch das durchaus nicht in gleich 
starkem Maasse. Die aus Petersburg stellen sich jenen durch lichte helle 
Federkanten nahe. Den stärksten Gegensatz zu den grönländischen bilden 
die auffallend rostfarbenen aus den Ardennen und zwischen diesen wären 
manche unserer hiesigen Stücke als Mittelstufen zu setzen. Sehr unschön, 
wie verschmutzt, sehen die von Lancershire aus. Ich bin der Ueber- 
zeugung, dass sich scharfe Gegensätze, plastisch wie farbig, hier nicht 
werden nachweisen lassen. Wir haben es mit einer eircumpolaren Art 
zu thun, die in ihrem grossen Verbreitungsbezirke nicht unerheblich varürt. 
Die Jungen vor der ersten Herbstmauser entbehren (nach einem weib- 
lichen Exemplar vom 5. Juli, Jemtlaud) der rothen Scheitelzeichnung, der 


Der Birkenzeisig. 149 


Oberkopf zeigt dagegen grobe dunkle Schaftflecken; Unterseite ähnlich wie 
beim jungen Stieglitz, jedoch unreiner und dichter gefleckt, die hinteren 
Stellen der Weichen mit längeren Schaftflecken, Flügeldecken und letzte Arm- 
schwingen bilden durch ihre hellbräunlichen Kanten Flügelbinden; Aussen- 
säume der Steuerfedern breit; Schnabel stumpfer, dieker als bei den Alten. 
— Aus seiner hochnordischen Heimath wandert der Birkenzeisig (Lein- 
zeisig) gegen den Winter in manchen Jahren in grossen Schwärmen zum 
Süden, und dann ist er in Europa sogar im nördlichen Italien noch an- 
zutreffen. Bei uns ist sein Erscheinen weit unregelmässiger als das des 
Erlenzeisiges. Es können Jahre vergehen, ehe sich seine, in der Regel 
zahlreichen Schaaren wieder bei uns einstellen. Die nicht rothbrüstigen 
Weibchen und Jungen bilden stets die grössere Menge solcher starken 
Flüge, so dass man unter hundert Stück zuweilen kaum ein rothbrüstiges 
antrifft. Doch bestehen in anderen Jahren kleinere Gesellschaften wohl 
zur Hälfte aus rothen. Ja ganz vereinzelt umherirrende sind in der Regel 
(wie bei den Schneeammern) alte Männchen. Selten mischt sich ihren 
Schaaren der eine oder andere Erlenzeisig bei. Mit letzteren stimmen sie 
fast in den meisten Lebensäusserungen überein. Man kann nicht sagen, 
dass sie die Birken den Erlen vorzögen. Obgleich sie sich gern auf 
unseren mit Samenbirken bestandenen Haiden umhertreiben, so befallen 
sie eben so stark die Samenerlen — und ihre massenhaft unter denselben 
angehäuften Exeremente beweisen, dass sie dort sehr reichliche Mahlzeiten 
hielten. Im November pflegen sie bei uns einzutreffen und im Februar 
uns wieder zu verlassen, und halten sich während ihrer Anwesenheit meist 
in unregelmässig mit Birken und Erlen bestandenen Flächen, wohl nie 
im eigentlichen Walde auf. Auch habe ich sie nie sehr hoch, oder in 
anderen als ihren Samenbäumen, etwa wie die Erlenzeisige auf Eichen, 
gesehen. Unter ihren Samenbäumen suchen sie, wenn die Krone ihnen 
nichts mehr bietet, ebenfalls emsig die Körnchen auf. Forstlich sind sie 
von ähnlicher Bedeutung als ihre genannten nächsten Verwandten; jedoch 
wegen ihres weit selteneren Erscheinens im Allgemeinen weniger schäd- 
lich; jedoch können ihre Schaaren lokal sehr unangenehm werden. — Sie 
brüten, wie gesagt, im höheren Norden. Unter allen verwandten Vögeln 
zeigen ihre Eier das tiefste Blau als Grundfarbe. 

Als letzten der in Deutschland vorkommenden finkenartigen Vögel 
sei hier noch der Citronenzeisig, Fringilla eitrinell«, genannt, ein 
zeisiggrünes Vögelchen von der Grösse eines Bluthänflings. Der Schnabel 
ist nicht ganz so spitz, gestreckt, und zusammengedrückt, als bei den 
eigentlichen Zeisigen. Ober- und Unterseite sind grünlich, Bürzel grün- 
gelb, Nacken und Halsseiten aschgrau, über dem Flügel eine doppelte 
grüngelbe Querbinde. Diese Art bewohnt die Schweiz, Tyrol, das Salz- 


150 Sperlingsartige Vögel. 


kammergut, sowie die südlicheren europäischen Länder; geht jedoch auch 
nach Norden bis in die Gebirge Schlesiens, Sachsens, ja Thüringens hin- 
auf und ist sogar an den Nordabhängen des Öberharzes entdeckt. Im 
ebenen Deutschland ist ihr Vorkommen eine Seltenheit. Eier denen des 
Bluthänflings sehr ähnlich. 

Andere Forinen der finkenartigen Vögel, die Spiz ellinen und Pity- 
linen, gehören mit einer sehr grossen Anzahl von Arten fast sämmtlich 
der westlichen Halbkugel, die meisten Nordamerika an. Sie leben dort 
nach Weise unserer Ammern und Finken. Eine Gruppe von nordameri- 
kanischen Ammerfinken, zu denen z. B. leucophrys, iliaca, Savanna, pa- 
lustris, Lincolnü gehören, haben sehrsübereinstimmend gezeichnete, zwei- 
farbige Eier (gesättigt grünlich bläulicher Grund mit vielen feinen, oft 
fast die ganze Fläche bedeekenden Strichelchen, oder grösseren Flecken). 


Sperlinge. 


Körper gedrungen, doch nicht plump; Kopf dick; Schnabel eine 
mittlere Finkenform mit kurzer Spitze und aufsteigender Dillenkante; Flügel 
kurz, 9 Handschwingen, die zweite und dritte bilden mit der kaum kür- 
zeren ersten die Spitze; Schwanz mittellang; Füsse kräftig; Krallen wenig 
gekrümmt; Farbe nicht lebhaft. Sie bewohnen durch Holzwuchs unter- 
brochene freie Gegenden, auch Gehöfte, Städte, Dörfer, Felsen; fliegen 
schnurrend, meist in gerader Richtung; suchen ihre Nahrung, mehlhaltige 
Sämereien, auch weiche Früchte und Insecten sowohl am Boden, als auf 
den Pflanzen; verweilen meist in niedrigen Regionen; bauen ihr Nest in 
Höhlen, brüten mehrmals im Jahre und legen weisslich grundirte mit grauen 
oder auch bräunlichen Fleckcehen oft reichlich besetzte Eier. Sie bleiben 
das ganze Jahr hindurch in derselben Gegend. — Man unterscheidet fast 
20 Spezies, welche sämmtlich der alten Welt angehören. 


Il. Der Haussperling. 
Fringilla domestica L. 

Ohrgegend blassgrau bis weisslich, über dem Flügel eine feine gelb- 
lich weisse und eine breitere verloschen gelbbräunliche Binde. Männchen 
und Weibchen verschieden. Ersteres ist durch kastanienbraune Kopfseiten, 
schwarze Kehle und lebhaft rothbraunen Rücken mit dunklen Schaftflecken 
ausgezeichnet. Diese lebhaften Kopf- und Kehlfärbungen im Winter durch 
grauliche Kanten, die sich gegen den Frühling und Sommer allmälig ab- 
stossen, theilweise verdeckt. Jenseits der Alpen wird der ganze Kopf 
kastanienroth und die Kehle dunkelbraun, welche beiden Farberhöhungen 
in schwachem Grade auch bei hiesigen alten kräftigen Männchen vor- 


Der Haussperling. - 151 


kommen. In der fürstlich Radziwill’schen Sammlung (Berlin) fand ich 
ein Männchen von dort, dessen weit herabreichende Kehlzeichnung voll- 
ständig tiefbraun, also südlich gefärbt, im Uebrigen aber unseren nörd- 
lichen Sperlingen völlig gleich war. Diese südliche Form ist unter „eisal- 
pina” Tem. als eigene Art aufgestellt. Die Weibchen und Jungen sind 
überall fast gleich. Berücksichtigen wir die Thatsache, dass der Haus- 
sperling dem Getreidebau folgt und sich so sehr an die Ferse des Men- 
schen heftet, dass er diesen überall dorthin begleitet, wo er feste, nament- 
lich Steinbauten aufführt, ja dass er nur äusserst selten fern vom Men- 
schen und an von Menschen nicht bewohnten Gebäuden (Brücken, 
Ruinen u. ä.) lebt, so müssen wir die genannte südeuropäische Varietät 
wohl für die eigentliche Form des Haussperlinges und unsere nördlichere 
für eine später entstandene halten. Seine Verbreitung erstreckt sich nicht 
blos auf den grössten Theil Europa’s und einen grossen Theil Asiens, 
sondern er ist auch nach fremden Welttheilen (Amerika, Australien) ver- 
pflanzt und gedeiht dort ebenfalls in der Nähe der Menschen. Er be- 
wohnt bei uns bekanntlich die grössten Städte, besonders in der Nähe 
grösserer freier Plätze. Zu kleine Landhäuser und Dorfwohnungen pflegt 
er nicht anzunehmen. Hier ist er reiner Standvogel; auf dem Lande 
durchstreift er aber in Flügen wohl die nähere Umgebung. ÖObschon er 
kein Waldvogel ist, den Nadelholzwald gradezu scheuet, so will er doch 
auch bei seinen Streifereien Bäume oder dichtes Gebüsch in der Nähe, 
sowie bei den von ihm bewohnten Dörfern und Landhäusern Baumgärten, 
Hecken, Lauben. Nur in grossen Städten verzichtet er sehr oft auf jeden 
Holzwuchs. Er ist Getreidevogel; Weizen, Gerste, Hafer, namenlich Hirse 
sind ihm sehr willkommen. Milchkörner frisst er sehr gern und füttert 
auch seine Jungen damit. Dass er auch Insecten verzehrt, kleine Raupen, 
Mai- und andere Käfer, Nachtschmetterlinge u. dergl., ist allgemein be- 
kannt. Aber die eingehendsten Untersuchungen haben ergeben, dass er 
so lange bei der Getreidenahrung bleibt, als sie ihm geboten wird. Eben- 
falls greift er mit Vorliebe weiche süsse Früchte, junge Erbsen, Kirschen, 
Trauben, an und vermag hier, wie am Getreide, woselbst er die Halme 
kniekt, um bequem einige Körner aus den Aehren hervorzerren zu können, 
sehr empfindlich zu schaden. Auch auf den Kornböden der Oekonomen, 
Kornhändler, Bäcker, auf denen er sich in grosser Anzahl das ganze Jahr 
hindurch mästet und durch seine Exeremente das lagernde Getreide ver- 
unreinigt, ist er ein sehr unwillkommener Gast. Oelhaltige Sämereien 
nimmt er nur bei Nahrungsmangel. Keimenden Pflanzen, jungen Säm- 
lingen, z. B. auf Salatbeeten, wird er oft verderblich. Mit den kleinen 
nackten Räupchen, die er von den Obstbäumen abliest, ergreift und ver- 
dirbt er auch manche Blüthe. Er ist für Gärtner wie besonders für Oeko- 


152 Sperlingsartige Vögel. 


nomen ohne Zweifel mehr schädlich als nützlich. Gegen die genannten 
kleinen Obstraupen, fast sämmtlich (reometra brumata, kann sich der 
Obstgärtner selbst hinreichend schützen. Andere verderbliche Raupen, 
z. B. Bombyx neustria, greift der Sperling nicht an. Sogar die Kohl- 
raupen lässt er ruhig die sämmtlichen Pflanzungen im Garten ruiniren 
und geht dann lieber an Kirschen und Trauben. Dem Forstmann ist er 
ein gänzlich indifferenter Vogel. Er pflanzt sich jährlich zwei- bis vier- 
mal fort und beginnt damit schon sehr früh, ja leitet oft schon um Weih- 
nachten durch sein Schilken, Strohschleppen u. s. w. das freilich um diese 
Zeit nicht zu Ende zu führende Fortpflanzungsgeschäft ein. Dass seine 
bekannte Stimme sich im Frühlinge zur Fortpflanzungszeit fast zu einem 
Gesange steigern kann, habe ich selbst einmal von einem einzelnen in 
einer Hecke sitzenden Männchen vernommen, welches alle die bekannten 
Sperlingstöne recht zart vorgetragen an einander zu reihen vermochte. Die 
Production lautete wie ein gemüthliches Selbstgespräch in Noten gesetzt. 
Seine Nester, inwendig mit grossen Federn in Menge ausgelegt, äusser- 
lich aus zusammengetragenen und roh gehäuften Strohhalmen bestehend, 
stehen bekanntlich zumeist in irgend einem Verstecke an Gebäuden, doch 
nie niedrig. Nicht selten, wie z. B. hier bei Neustadt, baut er auch frei 
auf Bäume, in die Ruthen von Kopfbäumen, besonders aber auf starke 
Obst-, namentlich Birnbäume. Gar oft trägt eine Gruppe nahe zusammen- 
stehender Bäume, ja ein einzelner Baum mehre solcher grossen, äusser- 
lich ganz unordentlichen Nester. Die Eier sind stets grau gestrichelt oder 
gefleckt, bald stärker bald schwächer, aber nie braun. 


12. Der Feldsperling. 


Fringilla montana L. 

Kleiner und zierlicher gebaut als der vorige. Oberkopf kupferröthlich ; 
Zügel, Kehle und Öhrgegend schwarz, der Kopf sonst weiss; über dem 
Flügel zwei weissliche Querbinden. Männchen, Weibchen und Junge, 
Winter- und Sommerkleider hier gleich. Auch er bewohnt den grössten 
Theil Europa’s und einen Theil von Asien; hält sich allerdings auch wohl 
gern bei Häusern auf, ohne sich aber an diese zu binden. Er ist viel- 
mehr Feld- und Baumvogel zugleich, dem Waldränder ınit alten hohlen 
Bäumen, Kopfweiden mit Getrüpp, Baumgärten mit Hecken, alte Eichen, 
daneben aber stets freie Flächen, Viehweiden, Brachflächen, Aecker Be- 
dingungen seines Vorkommens sind. Der Name „campestris” ist bezeich- 
nender für ihn als „montana”, obgleich er allerdings höher in’s Gebirge 
hinaufgeht als der Haussperling. Einen eigentlichen Waldvogel kann man 
ihn schwerlich nennen; die Hochwaldsmitte bewohnt er nie; Nadelholz- 
waldungen sind ihm zuwider. In Dörfern findet man ihn gar häufig, er 


Der Steinsperling. 153 


schweift aber meist um dieselben herum; sogar grössere Städte haben ihn 
aufzuweisen, wenn die Häusermassen durch grössere Gärten unterbrochen 
sind. In Münster wohnt er an mehren Stellen beständig. Er nährt sich 
gleichfalls von mehlhaltigen Sämereien, namentlich von Getreide und kann 
lokal nicht unbedeutende Weizenflächen völlig ruiniren. Seine Jungen, 
die er etwa viermal jährlich aufbringt, schlagen sich nämlich sobald als 
möglich in Flüge zusammen, und nun fällt ein wohl aus vielen solchen 
Flügen zusammengesetzter Schwarm hartnäckig, tagtäglich auf ein Weizen- 
feld ein. Ich habe dergleichen gesehen, wo ich Mühe hatte, um mich 
her etwa noch ein Dutzend intacter Halme und Aehren zu entdecken. Die 
grösste Menge war zerknickt und theilweise geleert, man hätte an Hagel- 
schaden denken können. Im Herbst treiben sich Schaaren von Hunderten, 
ja Tausenden umher; wo sie Nahrung finden, machen sie Rast, und man 
sieht sie dann längere Zeit auf den aufgerichteten Garben fröhliche Mahl- 
zeit halten. Dem Forstmann schaden sie in keiner Weise; einen beson- 
deren Nutzen kann man ihnen jedoch auch nicht zusprechen. Allerdings 
verzehren sie im Frühling manches Räupchen und andere Insecten und 
füttern die Jungen damit, ergreifen auch einige Maikäfer, allein man kann 
diese Thätigkeit doch unmöglich eine irgend eingreifende Leistung, irgend 
ein namhaftes Gegengewicht gegen Insectenbeschädigung nennen. Zum 
Glück lässt er unsere Erbsen, Kirschen, Trauben unberührt und deeimirt 
und beschmutzt das auf den Böden lagernde Getreide nicht. — Sein Nest 
steht fast stets in einer Baumhöhle mit nicht zu weiter Oeffnung sowohl 
in natürlichen als in Spechthöhlen; auch Nistkästchen nimmt er gern an. 
Seine Eier sind theils mit grauen, theils mit bräunlichen oder braunen 
Flecken oder Strichelchen meist sehr dicht besetzt. 


2. Der Steinsperling. 
Fringrilla petronia L. 

Eine südeuropäische Art, dem Weibchen des Haussperlinges sehr 
ähnlich, doch auf den Schwanzfedern vor der Spitze der Innenfahne ein 
rundlicher weisser Fleck; auf der Mitte der Gurgel ein grosser schwefel- 
gelber, bei den Jungen vor der Mauser weisslicher Fleck. Der Stein- oder 
Felssperling tritt in Deutschland nur an einigen südwestlichen Punkten, 
z. B. Saarthal, als Brutvogel auf. Seine Heimathstelle muss felsig sein, 
alte Ruinen sind ihm auch willkommen; doch sind alte Bäume und 
Gebüsch in der Umgebung fernere Bedingungen seines dauernden 
Vorkommens. Im Herbst und Winter soll man ihn auch auf Land- 
strassen und offenen Flächen antreffen. Er lebt im Allgemeinen nach der 
Art des Haussperlinges; soll in hohlen Bäumen sowie in Felslöchern, Ge- 
mäuerspalten u. dergl. brüten. Seine Eier sind denen des gemeinen Haus- 


154 Sperlingsartige Vögel. 


sperlinges oft zum Verwechseln ähnlich. Eine forstliche oder ökonomische 
Wichtigkeit kann ihm schon seines äusserst sporadischen und im Ganzen 
seltenen Vorkommens wegen in keiner Weise beigelegt werden. 

Als zwei folgende Familien der Singvögel finden die artreichen, 
rein amerikanischen Tanagrinen und Mniotiltiden nach den finkenartigen 
Vögeln ihre Stelle. Viele von diesen, namentlich die über 120 Spezies 
zählenden Tanagrinen, zeichnen sich durch hohe Farbenpracht aus, welche 
sich bei einzelnen, geographisch eine weite Längenausdehnung in ihrer 
Verbreitung einnehmenden Arten von Norden nach Süden hin bei ab- 
nehmender Körpergrösse allmälig steigert. Ihre Bälge werden als Schmuck- 
gegenstände häufig nach Europa versandt. In Nordamerika gehört der 
sogenannte Feed bird, Tanagra rubra, von Staargrösse, dunkel feuer- 
roth mit schwarzen Flügeln, zu diesen, dort allbekannten Tanagrinen. — 
Für unseren Zweck möge der systematischen Vollständigkeit wegen die 
blosse Nennung dieser beiden Familien genügen. 


3. Familie. Bachstelzen, Motacillidae. 


Körper schlank, Kopf spitz, länglich; Schnabel schlank, die First 
sanft gebogen, von Kopfeslänge, Beine schlank, die Nägel nur schwach 
gekrümmt, die Kralle der Hinterzehe häufig spornartig; Flügel lang zu- 
gespitzt, 9 Handschwingen, deren drei ersten oder die zweite und dritte die 
längsten sind; die Federn des Schulterflügels überragen als spitzer Keil 
weit die Armschwingen. Es sind sehr bewegliche, muntere, schnell lau- 
fende Vögel, welche vorzugsweise am Boden, besonders in der Nähe von 
Wasser unter beständigem Auf- und Abwärtsbewegen des Schwanzes 
umherlaufen, sich jedoch auch häufig auf Bäume und Zweige setzen. 
Sie nähren sich von Insecten, welche sie meist laufend erhaschen, und 
sind in den kälteren Gegenden Zugvögel. Ihre Nester stehen am Boden 
oder auch in Fels-, Gemäuer- und Baumhöhlen. Man hat gegen 50 Arten 
unterschieden, welche zumeist in der alten Welt ihre Heimath haben, 
doch ist auch eine Gruppe in Amerika vertreten. Sie zerfallen in zwei 
scharf getrennte Unterfamilien, in Pieper, und in eigentliche Bach- 
stelzen, und diese wiederum in verschiedene Gattungen. Für unseren 
Zweck genügt für jede dieser beiden Unterfamilien eine einzige Gattung 
um so mehr, als sich im Leben dieser forstlich unwichtigen Vögel keine 
bedeutenden Gegensätze nachweisen lassen. 


Pieper, Authus. 


Vögel mit olivengrünlicher oder lehmfarbiger Lerchenzeichnung; 
Schnabelfirste auf dem Scheitel ansteigend, Dillenkante lang; die 3 ersten 


Der Spornpieper. 155 


Handschwingen gleich lang und die längsten von allen; Nagel der Hinter- 
zehe lang, oft ein Sporn; Schwanz mässig lang, galblig ausgeschnitten, 
Nester bodenständig, die Eier meist völlig bedeckt mit grauen, bräun- 
lichen, auch violett röthlichen Strichelchen; die Jungen verlassen das Nest 
schon, bevor sie flugfähig sind. Sie halten sich theils auf dürren Flächen, 
theils an grasigen, durch Gebüsch unterbrochenen Orten, seltener am 
Wasser auf, und gehen nur auf dem Boden ihrer Insectennahrung nach. 
Aufgescheucht steigen die meisten im hüpfenden Fluge unter wiederholtem 
Rufe, der ihnen ihren deutschen Namen gegeben, in die Höhe. Entschie- 
dene Zugvögel. Etwa 30, auch amerikanische, zum Theil schwierig zu 
determinirende Arten. Fünf bewohnen oder besuchen Deutschland. Wir 
werden uns nur mit diesen fünf Arten kurz beschäftigen. Insofern, als 
sie in unserem Deutschland vorkommen, sind sie nicht schwierig zu be- 
stimmen, und das kann für unseren Zweck genügen. Im Allgemeinen sei 
jedoch die vorläufige Bemerkung erlaubt, dass das Gefieder der Pieper, 
sowie der Laub- und Rohrsänger, welches kurz nach der Mauser einen 
gesättigten lehmgelben, grünen, grünlichgelben, olivenbräunlichen, oliven- 
grünen Ton zeigt, im Laufe des Jahres erheblich verbleicht zu einem 
stumpfen gelblichen, grünlichen oder fast gänzlich tonlosen Grau. Kommt 
noch das Verschleissen der Federränder etwa bis auf die dunklere Schaft- 
mitte hinzu, so ist die Veränderung ganz erheblich. Hierzu gesellen sich 
allerdings auch noch andere determinatorische Schwierigkeiten, etwa eine 
nicht allgemein auftretende Schmuckfarbe des Männchens im Frühlinge, 
bei sehr weiter Verbreitung climatische Verschiedenheiten, individuelle 
Variabilität, und, was alle diese Verschiedenheiten erst zu wirklichen 
Schwierigkeiten erhebt, die ungemeine Aehnlichkeit der Individuen un- 
zweifelhaft verschiedener Spezies unter sich, so dass auch ein geübter 
Kenner wohl mal in Zweifel sein kann, welche von unsern hiesigen Arten 
er vor sich hat, wenn er blos nach der Färbung urtheilen will. 


Il. Der Spornpieper. 
Anthus Richardi Vieillot. 


Grösste Pieperart; sein Schnabel ist dicker als bei A. campestris, 
er erinnert fast an einen Lerchenschnabel; Scheitel tief dunkelbraun, die 
einzelnen Federn mit rostfarbenen Rändern, über dem Auge ein heller 
gelblicher Streif, Rücken gelblichgrau lerchenfarben, auf dem Unterrücken 
und Bürzel verschwindet die dunkle Schaftzeichnung fast; Unterseite weiss- 
gelblich, in der Kropfgegend mit scharfen feinen Schaftflecken; äusserste 
Steuerfedern weiss mit graubrauner Innenkante, die zweiten mit weisser 
Aussenkante und weissem Keilfleck auf der dunklen Innenkante; sporn- 
artiger Nagel der Hinterzehe viel länger als diese. Diese Art bewohnt 


156 Sperlingsartige Vögel. 


Südosteuropa, doch auch Südfrankreich, Nordafrika, China. Nach Exem- 
plaren, die ich aus China (Colonghu und Amoy) stammend (vom Februar, 
März, April, September, October, December) untersucht habe, wird er dort 
ein recht häufiger Vogel sein. Wie ich aus einer norwegischen Zoologie 
ersehe, ist er auch in Norwegen zu Hause. Er steht in jeder Hinsicht 
unserem Brachpieper nahe. Dürre sandige Flächen mit nur sparsamer 
Vegetation scheinen seine Heimath zu bilden, auf diesen hüpft er drossel- 
artig nach Insectennahrung behende umher. — Er hat sich selten bis 
nach Deutschland verflogen; ist aber auf Helgoland und der Nordsee- 
insel Borkum vom September bis December mehrmals erlegt und noch 
häufiger gesehen, so dass anzunehmen ist, dass er die öden Dünenpartieen 
der übrigen Nachbarinseln, vielleicht auch der Küsten unserer Nord- und 
Ostsee öfters besucht. Er wird von seiner skandinavischen Heimath hier- 
hin gekommen sein. Im Fliegen sollen die hellen Federränder des langen 
Schultergefieders, sowie der bachstelzenähnliche lange und an den beiden 
äusseren Steuerfedern weisse Schwanz dieses scheuen Vogels besonders 
auffallen. Um die Aufmerksamkeit auf diesen bisher noch seltenen deut- 
schen Gast zu lenken, ist er hier aufgeführt. 


2. Der Brachpieper. 
Anthus campestris L. 

Oberseite lehmgrau mit undeutlichen dunklen Schaftflecken, welche 
auf den oberen Schwanzdeckfedern als feine Striche auftreten; Unterseite 
trübe gelblichweiss; Seiten der Oberbrust häufig mit dunklen Schaftflecken; 
Schaft der ersten Steuerfeder ganz weiss, diese selbst auf der Aussen- 
fahne fast ganz, die zweite dort reinweiss; auf der Innenfahne die erste mit 
langem, die zweite mit kleinem weissen Keilfleck; Nagel der Hinterzehe 
gestreckt. Die mittleren Maasse der Länge des Flügels von der Hand 
bis zur Spitze 87 Mm., des Schwanzes 72 Mm., des Schnabels 19 Mm., 
des Tarsus 26 Mm, der Hinterkralle 1D Mm. Doch schwanken alle diese 
Maasse bei Individuen aus der hiesigen Gegend, Holland, Südeuropa, den 
Ardennen, Nordostafrika, Cap, Indostan, Ceylon, die ich an einer Anzahl 
von Exemplaren genommen habe, nicht unbedeutend und auch nicht gleich- 
mässig. So die Flügellänge zwischen 74—95, der Schwanz 65—81, 
Schnabel 15 —20, Tarsus 23--28, Hinterkralle S—13 Mm. Für unsere 
hiesigen Exemplare treffen jedoch die Durchschnittsdimensionen zu. Nicht 
minder variirt der Farbton, sowie die Schaftfleckenzeiehnung der Unter- 
seite. Der Brachpieper, der in seinem ganzen Auftreten bald stark an 
die Bachstelzen, bald an die Lerchen erinnert, bewohnt Deutschland nur 
sporadisch. Hier bei Neustadt ist er häufig und brütet, wie auch sonst, 
nur auf freiem, sterilem, mit spärlicher Vegetation überzogenem Sandboden, 


Der Wasserpieper. 157 


etwa vierter oder fünfter Bodenklasse für die Kiefer. Besonders sind es 
höher gelegene Plateaux mit einigen sehr weitständigen Kiefernkusseln, 
grössere, noch wenig benarbte abgetriebene, oder jüngst in Cultur ge- 
brachte Flächen zwischen Hochwäldern. Hoher Graswuchs ist ihm wie 
jeder frische, fruchtbare Boden zuwider. Den Wald vermeidet er gänz- 
lich. Auf dem Boden läuft er schnell und munter umher, setzt sich 
jedoch gern für einige Zeit auf einen erhöhten Punkt, Scholle, Stein, Spitze 
einer niedrigen krüppelhaften Kiefer. Für die bezeichneten öden Gegen 
den ist er ein wahrer Charaktervogel. Er trifft bei uns gegen Ende April 
ein und verlässt uns Anfangs September. Auf seinem Zuge findet man 
ihn dann auch in solchen Gegenden, in denen er nicht brütet. In der 
Umgend von Münster traf ich ihn vom 22. April bis 4. Mai auf sterilen 
Haiden, Emskämpen und anderswo an. Sein Flug ist gewandt, schnell 
und hoch; am Brutplatz produeirt das Männchen eine Art Balzflug und 
lässt im Herabfliegen eine Stimme hören, die unverkennbar an die Feld- 
lerche erinnert, während er auf dem Boden eine Bachstelze imitirt. Das 
Nest steht recht verborgen am Boden in einer flachen Vertiefung und ent- 
hält weisslich grundirte, mit feinen graubräunlichen Zeichnungen nicht 
völlig überdeckte Eier. Für unsere Wirthschaft ist er weder nützlich 
noch schädlich. 


3. Der Wasserpieper. 
Anthus aquaticus Bech. 


Oberhalb olivengrau mit schwachen, dem Bürzel und den oberen 
Schwanzdeckfedern sogar fehlenden Schaftflecken, auch die feineren Schaft- 
flecke der weisslichen Unterseite sind wie verwischt; Unterschwanzdeck- 
federn weiss; Füsse schwärzlich, die mässig gekrümmte Hinterkralle länger 
als die Hinterzehe; auf der Innenfahne der äusseren Schwanzfeder ein 
grosser, der zweiten ein kleiner weisslicher Keilfleck. Sommerkleid des 
alten Männchens unterhalb röthlich. — Der Wasserpieper bewohnt in zwei 
nicht sehr verschiedenen Formen Europa: den hohen Norden (oberhalb mehr 
grünlich, Kanten der Schwung- und Schwanzfedern grüngelb, die helle 
Schwanzfederzeichnung weissgrau, die weinröthliche Brust des alten Männ- 
chens im Sommer mit Schaftflecken besetzt, die Form rupestris Nils.) 
und die mitteleuropäischen Alpen (oberhalb mehr bräunlich, jene Kanten 
rostfahl, die Schwanzfederzeichnung nur an der Spitze weissgrau, sonst 
weiss; die röthliche Brust des alten Männchens ohne Schaftflecke, aqua- 
tieus Bechst.) Ausser diesen bewohnt ein Wasserpieper, der sich durch 
olivenbräunliche Oberseite, grüngelbe Schwung- und Steuerfederkanten, 
grossen, zwei Drittel der Federlänge einnehmenden weissen Keilfleck auf 
der äussersten Steuerfeder (bei rupestris und aqualicus reichte er kaum 


158 Sperlingsartige Vögel. 


bis zur Mitte der Feder), und beim alten Männchen durch braunröthliche, 
in der Mitte von Schaftfleeken unbesetzte Unterseite, — auszeichnet, Nord- 
amerika von Grönland und Labrador bis nach Mexiko, ludovieianus Gm. 
Diese drei Formen bilden wahrscheinlich, die beiden ersten nach Exem- 
plaren aus Norwegen, Schweden, dem Riesengebirge, Pyrenäen, Bayerischen 
und Schweizer Alpen, die ich untersuchen konnte, wohl sicher nur eine 
Art. Bei uns ist er nur Wintervogel. Ich habe ihn sowohl Jahre lang 
bei Münster in kleinen Gesellschaften, selten über sechs Stück, im Januar, 
Februar und März, als auch hier bei Neustadt beobachtet. Es ist auf- 
fallender Weise nicht die nordische Form (aquatieus), sondern die der 
Alpen. Exemplare, die ich bei Münster und in den Bayerischen Alpen 
in der Region der Legföhre schoss, stimmten völlig überein. Bei Münster 
pflegen sie schon nach dem ersten Drittel des März zu verschwinden. 
Ein Exemplar legte bereits das schöne Sommerkleid an, als es erlegt 
wurde. Diese kleinen Gesellschaften treiben sich an offenen Wasserstellen, 
den sogenannten warmen Quellen, auf Wiesen umher; ihre Glieder sind 
stets weit von einander getrennt, oder kümmern sich nicht um einander, 
wenn die wenig ausgedehnte Stelle auch mehre vereinigt. Sie zeigen sich 
sehr scheu und fliegen mit einem lauten, öfter wiederholten „Piep” nach 
Art des Wiesenpiepers und dessen Stimme bis auf die etwas niedrigere 
Tonlage äusserst ähnlich, auf, jedes Individium für sich und zieht seiner 
Wege. Sie streichen in der Regel weit fort. Sind mehre solcher offenen 
Stellen vorhanden, so wechseln sie bei Störung an der einen gern mit 
einer entfernten. Am Boden laufen sie sehr beweglich umher, setzen 
sich auch öfter auf einen niedrigen Baum, Erle, Weide. Fliegend sind 
sie, abgesehen von ihrer bedeutenderen Grösse, auch an ihren längeren 
Flügeln und längerem Schwanze vom gemeinen Wiesenpieper zu unter- 
scheiden. Jedoch ist dieser Unterschied nur für einen genauen Kenner 
wahrnehmbar. Sie leben von Wasserthierchen, auch kleinen Conchilien. 
— Sie brüten in der vorhin genannten Heimath auf dem Boden. Die 
Eier sind mit sehr feinen gesättigt aschgrauen Schmitzchen dicht besetzt. 


4. Der Wiesenpieper. 
Anthus pratensis L. 


Oberseite tief olivenbräunlichgrün mit dunkelbraunen Schaftflecken, 
Brust hellrostgelblich mit scharfen schwärzlichen Schaftflecken; Nagel der 
Hinterzehe länger als diese, schwach gebogen; Schaft der äussersten Steuer- 
feder in der Basishälfte braun, in der Spitzenhälfte weiss. Als hiesiger 
Vogel ist der Wiesenpieper an dieser Diagnose leicht zu erkennen. Allein 
er bewohnt ein ungeheures Ländergebjet vom Eismeere der östlichen Halb- 
kugel bis Afrika und Ostindien, Japan, China und auf der westlichen von 


Der Wiesenpieper. 159 


Grönland bis Mittelamerika. In diesem riesigen Verbreitungsbezirke kommt 
er in mannigfacher Abweichung vor, die Veranlassung geworden ist, eine 
Anzahl Arten (cervinus Pall., rufogularis Br., iaponieus Tem., Forsteni 
Tem., rosaceus Hodg.) aufzustellen. Ich habe eine grosse Anzahl von 
Exemplaren untersucht: von Deutschland, Holland, Frankreich, der Wolga, 
Sieilien, Algerien, Aegypten, Altai, Nepal, Celebes, Japan, Formosa, Teng- 
ström, Grönland u. a. und muss gestehen, dass ich bei allen Verschieden- 
heiten nirgends feste Gegensätze gefunden habe. Die auffallendste dieser 
Verschiedenheiten zeigt, ähnlich wie das Sommerkleid des alten männlichen 
Wasserpiepers, die weinrothe Brust. Bald ist nur die Kehle lehmwein- 
röthlich, bald nur die Kehle weinroth, bald Kehle und Vorderbrust so 
gefärbt, bald Kehle, Vorder- und Mittelbrust so, bald Kehle und Vorder- 
brust weinbräunlich, bald intensiv, bald sehr blass, — bald finden sich 
dort sehr starke, bald schwache Schaftflecke, bald solche nur an den 
Weichen u. s. w. Kurz alle möglichen Nüancen und Mittelstufen und 
dieses wohl mal bei Individuen aus demselben Lande. Es kann nicht 
unser Zweck sein, auf diese und andere Differenzen genauer und weit- 
läufiger einzugehen. Sehen wir aber alle diese nur als die verschiedenen 
Kleider einer und derselben Art unseres gemeinen Wiesenpiepers an, so 
ist jedenfalls die Thatsache eines so colossalen von diesem kleinen Sing- 
vogel bewohnten Areals von besonderem Interesse; auch dann, wenn wir, 
was wohl feststeht, annehmen müssen, dass derselbe an manchen Orten 
nur als Gast erschienen ist. — Bei uns ist der Wiesenpieper überall auf 
Marschflächen, Torfmooren, sumpfigen Haiden, feuchten Wiesen Brutvogel, 
wenn einzelne Erhebungen, Graskaupen, Seggenbüsche ihm trockne Nist- 
stellen gewähren, in der Ebene sowohl als auf Bergen. Die Torfmoore 
und feuchten Stellen unserer mit Haidekraut, Vaceinien, Gräsern bedeekten 
Höhen haben überall brütende Paare aufzuweisen. So das südliche West- 
falen, z. B. die Umgebung der sogenannten Bruchhauser Steine (colossale 
Porphyrfelsen), der Thüringer Wald, Brocken, Riesengebirge. Er geht in 
letzterem doch nicht so hoch hinauf als der Wasserpieper. Auf nassen 
und feuchten Haideflächen, die nicht zugleich Torfmoore sind, habe ich 
ihn selten als Brutvogel angetroffen; nur wenn Grasgründe daselbst Wiesen 
bilden, sind auch immer diese Pieper vorhanden. Im Herbst jedoch, im 
September, wenn sie sich zum Wandern in kleine Flüge zusammen ge- 
schlagen haben, trifft man sie auf allen Wiesen und Krautfeldern, Rüben- 
äckern, Kartoffelfeldern u. dergl. an. Sie fliegen unter ihrem lauten Lock- 
ton: „Piep, Piep....”, oft wiederholt, unter kurzen Flügelschlägen fast 
hüpfend empor, ohne viel von der Stelle zu kommen, und biegen dann, 
um sich rasch zu entfernen, zur Seite. Die meisten verlassen unsere Ge- 
gend; in nicht zu anhaltend strengen Wintern bleiben aber stets einzelne, 


160 Sperlingsartige Vögel. 


oder kleine Gesellschaften an offenen Wasserstellen bei uns, und ich habe 
sie dann wiederholt in Gesellschaft der Wasserpieper beobachtet. Gegen 
Ende März stellen sich in normalen Jahren an ähnlichen Stellen die ersten 
Wanderer wieder bei uns ein. Sie leben von kleinen Thierchen, die sie 
an ihren Aufenthaltsorten am Boden antreffen. Von Zweigen lesen sie 
keine ab. Sie lieben freilich etwas krüppelhaften Holzwuchs in ihrer Nähe, 
irgend einen Weidenstrauch, oder Myrica gale, aber bedienen sich desselben 
nicht einmal gern als Ruheplatz. Das Nest steht in einer flachen Boden- 
vertiefung, vom Gekräut eng umgeben und wegen der gleichförmigen aus- 
gedehnten Fläche nicht leicht zu finden. Auf den Nordseeinseln steht es 
in den feuchten Dünenthälern häufig und dient hier gar oft als Wiege 
für einen jungen Kukuk. Sie brüten zweimal. Die Eier sind von bräun- 
lichen sehr feinen Zeichnungen fast ganz bedeckt. Am Brutplatze führt 
das Männchen unter eifrigem Gesang einen ähnlichen Balzflug aus, wie 
der verwandte Baumpieper; es steigt singend in die Höhe, flattert sin- 
gend etwas, und steigt nun nach einer Scholle, einem Steinblock u. ä. 
erescendo, fast schwirrend singend wieder herab. Auch dieser Gesang er- 
innert sofort an den des Baumpiepers; allein er ist weit weniger melodisch, 
nicht so metallisch schmetternd, sondern stumpfer, blechern. 


5. Der Baumpleper. 
Anthus arboreus L. 


Oberseite grau olivenbräunlich mit dunklen Schaftflecken (lerchen- 
farben), Kehle weisslich, Brust lehmgelblich mit scharfen schwärzlichen 
Schaftflecken; Hinterkralle kürzer als diese Zehe und stark ('/, Kreis) 
gebogen; Schaft der äussersten Steuerfeder braun, auf der Innenfahne dieser 
ein grosser, auf der der folgenden ein kleiner weisser Keilfleck. Auch 
diese Art überschreitet die Grenzen Europa’s in ihrer Verbreitung be- 
deutend. Ich habe Exemplare aus Kamschatka, Japan, Nepal, dem Hima- 
laya gesehen, die sich nur wenig von unseren einheimischen Baumpiepern 
unterschieden. Eine röthliche Färbung der Kehle und Brust kommt bei 
ihm nicht vor. Der ganze Farbton seines Gefieders wird im Allgemsinen 
von einem Lehmgelb oder auch Lehmgrau beherrscht, wogegen beim Wiesen- 
pieper stets ein Stich in’s Olivengrüne sich geltend macht. In seinem 
örtlichen Vorkommen ist er au den Wald, oder wenigstens an den Baum- 
wuchs, gleichgültig ob Laub- oder Nadelholz, gewiesen. Doch meidet er 
den Kronenschluss und findet sich nur auf grösseren Lücken und Blössen 
mit unregelmässigem Stockaufschlag, Unterholz und freien berasten oder 
mit anderen Kräutern, Vaceinien, Haidekraut, Ginster u. dergl. bewach- 
senen Stellen, woselbst jedoch einzelne stärkere Bäume nicht fehlen dürfen. 
Auf unseren jungen Culturen mit einigen Ueberständern ist er überall ein 


Bachstelze. 161 


regelmässiger Brutvogel. Es will mir scheinen, als wenn er kiesigen und 
nicht armen Sandboden dem schweren Kleiboden vorzöge. Im April (vom 
5. bis 18.) pflegt er sich bei uns einzustellen und begiebt sich sofort auf 
die bezeichneten Lieblings-, seine Brutstellen. Das Männchen lässt bald 
darauf seinen herrlichen, in seinem schmetternden Theile einem Öanarien- 
vogelschlage sehr ähnlichen Gesang hören, mit dem es gar oft seinen 
Balzflug — ein Aufsteigen von einem freien Sitze auf einem Zweige, 
Zaunpfahle, Gatterpfosten in schräger Richtung und ein Absteigen mit 
ausgebreitetem und erhobenem Steuer im Bogen auf irgend eine andere 
Baum- oder Strauchspitze, oder einen Pfahl — begleitet. Sein Nest steht 
sehr verborgen auf dem Boden durch Krautwuchs oder Holzaufschlag 
verdeckt. Die Eier enthalten auf hellem Grunde entweder dicht stehende 
violettgraue, grau violette, violettröthliche, gesättigt röthliche Schmitzchen 
und Strichelehen, oder sie sind in allen diesen Tönen grundirt und (in 
Weise der gewöhnlichen Buchfinkeneier) mit starken, oft etwas schnörkelig 
ausgezogenen Flecken sparsam besetzt. Seine Inseetennahrung sucht er 
nur am Boden, auf dem er die meiste Zeit, aber fast stets durch den 
Bodenüberzug sehr verdeckt lebt. In den Zweigen hüpft er nie nach 
solcher umher. Für den Forstmann ist er ohne wirthschaftlichen Werth, 
jedoch in ästhetischer Hinsicht durch seinen die ganze Umgegend auf die 
angenehmste Weise belebenden, sehr fleissigen Gesang von hoher Bedeu- 
tung. Leider verstummt derselbe schon im Juli; vom September bis 
October verlässt uns dieser liebliche Vogel, über Winter bleibt keiner. 


Bachstelze, Motacilla. 


Körper, wie seine einzelnen Theile sehr gestreckt; Färbung in grosse 
Partieen vertheilt, nie auf hellem Federgrunde Schaftflecken; Schnabel fein, 
mit scharfem Rücken, Dillenkante lang und aufsteigend; zweite und dritte 
Handschwinge die längsten; Kralle der Hinterzehe flach gebogen und kürzer 
als diese Zehe; Schwanz lang, bis zur Körperlänge, schmalfederig und 
(eine exotische stark gabelschwänzige Form unberücksichtigt) abgestutzt, 
die beiden mittleren Federn die längsten. Männchen und Weibchen kaum 
verschieden, dagegen nach Alter, Jahreszeit, sowie nach Lokalität oft sehr 
variabel. Sie bewohnen in nicht vielen, etwa 15 Arten die alte Welt; 
bewegen sich viel am Boden, nach ihrer ausschliesslichen Insectennahrung 
huıtig umherlaufend, und nicken bei jedem Schritt mit dem Kopfe. Sie 
finden sich häufig am Wasser, benutzen nur vorübergehend Baumzweige 
zum Ausruhen, vermeiden den eigentlichen Wald; nisten am Boden oder 
in Baum- oder Felshöhlen. Ihr Flug ist schnell und gewandt und be- 


schreibt anhaltend und namentlich in grösserer Höhe stets eine stark aus- 
Altum, Die Vögel. 11 


162 Sperlingsartige Vögel. 


geprägte Wellenlinie. Deutschland hat drei Arten aufzuweisen, welche als 
Zugvögel uns für die Winterzeit verlassen. 


I. Die weisse Bachstelze. 
Motaeilla alba L. 


Schwanz von fast Körperlänge, die beiden äusseren Schwanz- und die 
unteren Schwanzdeckfedern weiss; Gefieder ohne Gelb; Schnabel und Füsse 
schwarz; Hinterkralle kürzer als die Hinterzehe. — Ein ganz allgemein 
bekannter Vogel, dessen abstechend rein weiss, tief schwarz und bläulich 
grau gefärbtes Gefieder ihn zu einer auffallenden und angenehmen Er- 
scheinung macht. Die Jungen tragen vor der ersten Mauser statt des 
Schwarz ein unschönes Grau. Das Winterkleid zeigt statt einer schwarzen 
Kehle und Vorderbrust auf letzterer nur einen hufeisenförmigen Fleck, 
und bei den Jungen noch keinen schwarzen, sondern gelblich grauen 
Scheitel. Interessant aber ist die in hiesiger Gegend selten, in anderer 
aber als Lokalform auftretende Verdunkelung des blaugrauen Rückens der 
alten Vögel. Bald tritt das Schwarz des Scheitels bis tief am Nacken 


hinab, bald taucht an einzelnen Rückenfedern am Schafte Schwarz auf, 


bald dehnt sich dieses auf grössere Federpartieen aus, bald ist die ganze 
Oberseite schiefergrau, bald schieferschwarz, bald tiefschwarz, bei den 
Männchen mehr, als bei den Weibchen. Ein schiefergrau- und ein schiefer- 
schwarzrückiges Exemplar habe ich selbst bei Münster erlegt; von den 
übrigen genannten Färbungen eine bedeutende Suite von den Orkney-Inseln 
in allen nur möglichen Nüancen untersucht. Es sollen diese schwarz- 
rückigen besonders in England, Skandinavien und auf dem Zuge in West- 
europa bis Algier, ferner auch an der Nordseeküste vorkommen. Gegen 
Ende März erschien ein starker Flug dieser einst bei Noordwyk. Das 
münsterländische schieferschwarzrückige Exemplar war Brutvogel. Diese 
und andere Abweichungen haben zur Aufstellung der Arten M. Yarellii 
Gould, lugubris Tem. ete. Veranlassung gegeben. Die weisse Bachstelze 
hat nach Norden hin eine weite Verbreitung, da sie auf Island noch Brut- 
vogel ist; auch in Nordasien ist sie heimisch. Ob Abweichungen von der 
Normalfärbung, wie sie in Kamschatka, auf den Kurilen, in China und 
Japan vorkommen, auch unserer einheimischen Spezies angehören, kann 
ich nieht entscheiden. Von Nepal habe ich normale Winterkleider von 
alba, und von Canton dergleichen, doch mit sehr breiten hellen Flügel- 
deckfederkanten gesehen. — Der Aufenthaltsort der weissen Bachstelze 
ist allgemein bekannt. Sie liebt das Wasser, hält sich gern bei den mensch- 
lichen Wohnungen auf, sucht mit Vorliebe ihre Nahrung hinter dem 
Pflüger auf Aeckern, ferner auf kurzbenarbten Wiesen, Viehweiden, auf 
Wegen, in Gärten, auf Holzlagerplätzen, im Walde auch auf grösseren 


N 


Die Gebirgsbachstelze. 163 


Abhiebsflächen, besonders in der Nähe der Chausseen u. s. w. Fern von 
der Cultur, auf öden, wenn auch feuchten Haiden, Mooren, Brüchern ist 
sie nicht zu finden. Sie ist kein Waldvogel, jedoch liebt sie einzelne 
stärkere Bäume, besonders an Bächen, Canälen, Teichen die Kopfweiden, 
Im ersten Frühlinge, schon Ende Februar, sicher Mitte März stellt sie 
sich bei uns ein. Manche sollen überwintern. Es ist eine sehr bekannte 
Thatsache, dass sich manche weisse Bachstelzen in gelinden Wintern an 
offenen Wassern munter umhertreiben, namentlich an der Sonnenseite von 
Uferabhängen. Allein dieses sind ohne Zweifel nicht unsere Brutvögel, 
sondern Nord-, vielleicht Isländer. Denn, wenn Ende Februar, Anfang 
März unsere Insassen im schönsten Sommerschmuck wieder erscheinen, 
sind diese Winterkleider plötzlich verschwunden. Diese Thatsache, welche 
ich genau habe constatiren können, ist anderweitig unerklärlich. Das Be- 
tragen dieses munteren Vogels ist ebenfalls bekannt. Seine Beweglich- 
keit ist sprichwörtlich geworden. Mit seines Gleichen, sowie mit fremden, 
auch weit grösseren Vögeln, z. B. den Haustauben auf dem Dache, hadert 
er beständig, jeden Raubvogel verfolgt er lärmend in zahlreichen Indi- 
viduen. In grosser Gesellschaft übernachtet er, besonders vom Juli bis 
October gern im Rohr. Sein Nest steht meist nur halbversteckt in Ge- 
bäuden oder in hohlen Bäumen, selten hoch, etwa bis 10 Meter; er brütet 
drei Mal. Seine Eier sind auf sehr hellem, fast weisslichem Grunde mit 
graulichen feinen Fleckehen eng besetzt. Oekonomisch oder forstlich 
wichtig ist die weisse Bachstelze nicht, obgleich einzelne auf den Schlägen 
eine Menge von Borkenkäfern bei deren Schwärmen und Anfliegen im . 
Frühlinge fangen, und die auf dem Acker umhersuchenden Individuen 
manches schädliche Insecet oder deren Larve verzehren. Ihr munteres, 
zutrauliches Wesen, ihr laut zwitschernder Gesang, ihre grell abstechen- 
den Farben machen sie ausserdem zu einem der beliebtesten Vögel. 


2. Die Gebirgsbachstelze. 
Motacilla boarula Penn. 


Die am feinsten gebaute Art; Rücken aschgrau, Bürzel grüngelb; 
Unterseite und Unterschwanzdeckfedern gesättigt schwefelgelb (M. sulphu- 
rea Bech.), doch die. Vorderbrust häufig hell; Schwanz von oder sogar über 
Körperlänge (seine Länge variirt bei alten westfälischen Exemplaren von 
96 bis 104 Millimeter); die äusserste Schwanzfeder rein weiss, die zweite 
und dritte in der Mitte mit schwarzer Innenkante; Füsse schmutzig röth- 
lich; Hinterkralle kürzer als die Hinterzehe. Das alte Männchen mit tief- 
schwarzer, im ersten Frühling weissschuppiger Kehle; das Weibchen hier 
nur unbestimmt fleckig; die Jungen und Winterkleider weisslich. — Auch 


die Gebirgsbachstelze hat eine sehr weite Verbreitung. Nach Norden geht 
ir 


164 Sperlingsartige Vögel. 


sie freilich nicht hoch hinauf, schon das südliche Skandinavien kennt sie 
nicht mehr, bei uns im nördlichen Deutschland ist sie häufig, im Süden 
von Europa von Lissabon bis zur Wolga zu Hause, bewohnt Nordafrika, 
einen grossen Theil von Asien, besonders noch Ostindien und Japan, ist 
sogar in N.-Formosa vorgekommen. Sie bleibt jedoch in diesem weiten 
Verbreitungsbezirke recht constant und wurde deshalb noch nicht so wie 
die vorher behandelte weisse oder, wie namentlich die nächstfolgende, die 
gelbe Bachstelze, von den Systematikern misshandelt. Lokal ist sie an 
die Gebirge gebunden, obgleich sie weniger dem Hochgebirge als vielmehr 
dem Mittelgebirge, ja sogar dem Hügellande angehört. Ich habe sie im 
Teutoburger Walde, dem Egge- und Wesergebirge, den Sauerländischen 
und Rheinischen Gebirgen, dem Thüringer Walde und Harz, dem Erz- 
und Riesengebirge, Oberbayern, Tyrol und Schweiz beobachtet, allein in 
der alpinen Region am spärlichsten. Sie brütet sogar dort, wenn auch 
nur in einem oder andern Paare, wo sich ein etwa 50-70 Meter hoher 
Hügelzug durch die Ebene hindurchzieht. Die Höhen von Stromberg oder 
die sogenannten Baumberge im Münsterlande genügten ihr schon. Sie ist 
eigentlich mehr an die rasch strömenden, klaren, seichten, über Gerölle 
dahin fliessenden Bäche und kleineren Flüsse als an die Gebirge gebunden. 
So nistet sie mitten in Paderborn (die unter dem Dom entspringende 
Paderquelle ist bekanntlich so stark, dass sie sofort eine Mühle treibt), 
erscheint im Winter in der Vorstadt von Münster St. Mauriz, wo das in 
flacher breiter Rinne circulirende Wasser einer Dampfmühle einen kleinen 
Gebirgsbach imitirt, fehlt in keinem Winter hier in Neustadt an unserer 
schnell fliessenden Schwärze. Für Neustadt’s Umgebung kann man aller- 
dings mit vollem Rechte den Charakter des Hügellandes zwar in Anspruch 
nehmen, jedoch fliesst die Schwärze dort, wo M. boarula sich zeigt, durch 
offenes, ebenes Terrain. Für die krausen wilden Flüsse und Flüsschen 
der collinen und montanen Region, dort wo dieselben weite Kiesbänke 
abgesetzt haben, wo das Wasser zwischen dem Gerölle forteilt, wo stellen- 
weise buschiger Holzwuchs (Erlen, Weiden) das Ufer begrenzt, ist sie wahrer 
Charaktervogel. Sie liebt jedoch auch senkrecht ansteheude, unterwaschene 
und zerklüftete Felsen, Wasserbauten, als Mühlen, Brücken oder sonstige 
industrielle Etablissements an solchen Flüssen, und man wird nicht leicht 
eine solche Stelle ohne diese Bachstelze autreffen. Sie wechselt dort sehr 
gern zwischen dem Wasser und den freien Plätzen, etwa Lager-, besonders 
Holz- und Schuttplätzen, und vielleicht nur der letzteren wegen nimmt 
sie hier ihren ständigen Aufenthalt.- Ende September und October schweift 
und streicht sie stets in kleinen Gesellschaften umher und berührt dann 
viele Stellen, an denen man sie sonst nicht kennt. Das Wasser, und 
zwar das schnell fliessende, oder, wie oft bei grossen flachufrigen Teichen 


in _ 


Die gelbe Bachstelze. 165 


und Seen, das vom Winde bewegte Wasser übt die stärkste Anziehungs- 
kraft auf sie aus. An solchen Seen läuft sie dann am sandigen Strande 
in der Nähe der Wellenlinien umher. Doch muss sie sich auch oft mit 
stelıenden Gewässern begnügen. So lief sie auf dem Eise des Stadtgrabens 
von Münster an einer offenen Stelle umher, und erhaschte mit vielem Ge- 
schick kleine Fische, die sich dort sammelten. Ja bei Schnee suchte ein 
Individuum in einem Garten auf einem grösseren Misthaufen nach Nah- 
rung. Zwischen dem Weidevieh habe ich sie in ziemlicher Anzahl einst 
im September auf kurz beraster Weide im Sauerlande beobachtet. Sie 
verzehrt sonst die verschiedensten Wasserinseeten, besonders deren Larven, 
Trotz ihres beweglichen Wesens entdeckt man sie auf dem Kiese und dem 
Gerölle ihrer oberhalb grauen Farbe wegen nicht leicht. Fliegend aber giebt 
sie sich durch ihre Stimme, ähnlich wie die der weissen Bachstelze, jedoch 
weit feiner, höher, ich möchte sagen metallischer (sie erinnert in ihrem 
Charakter an den schneidigen Ton des Kernbeissers), sofort zu erkennen. 
— Ihr Nest steht halbversteckt stets in Fels- und Mauerlöchern, wo mög- 
lich von oben durch eine Brücke, überragende Felspartie, auch Uferge- 
büsch geschützt. Die Nähe jener Etablissements, ja zu diesen gehörende 
Gebäude wählt sie häufig; jedoch baut sie nie hoch (etwa bis 2 oder 
3 Meter), nie im Innern, sondern stets von aussen nach der Wasserseite 
hin, und zwar hart am rauschenden Wasser. Die Eier zeigen einen lehm- 
gelblich grauen Grund und nur matte, oft gänzlich verwischte Zeichnungen 
derselben Farbe in einem etwas dunkleren Tone. Sie brütet zweimal. — 
Wirthschaftliche Bedeutung kann ihr in keiner Weise zugelegt werden; 
sie verzehrt weder schädliche noch nützliche Thierchen; denn ihre vorhin 
berührte Fischerei ist zu harmlos. 


3. Die gelbe Bachstelze. 
Motacilla flava L. 

Rücken olivengrün; Unterseite gelb; Schwanz kürzer als der Körper, 
seine beiden äussersten Federn zum grössten Theile weiss; Hinterkralle 
länger als die Hinterzehe. Merkwürdig ist die Variabilität der Scheitel- 
färbung der alten Männchen. Man hat darnach diese Art in viele Spezies 
zerspalten wollen, die sich folgendermaassen charakterisiren lassen: 

„melanocephala” Licht., Scheitel und Hinterhals tief schwarz, ohne 
hellen Augenstreif (Nordostafrika, Kirghisensteppe, seltener Dal- 
matien, Sicilien); 

„Kaleniczenkil“ Andr., Scheitel und Hinterhals tief schwarz mit 
Augenstreif (Krimm, Südrussland, Ungarn, Dalmatien); 


„borealis” Sundewall, Scheitel schwarzgrau, Kopfseiten häufig grau- 


166 Sperlingsartige Vögel. 


schwarz, Hinterhals allmälig schiefergrau, ohne Augenstreif (Skan- 
dinavien, Nordrussland); 

„einereocapilla” Savi, Scheitel blaugrau, ohne Augenstreif (Jemt- 
land, Südungarn, Dalmatien, Südfrankreich, Italien, Sieilien, Aegyp- 
ten, Banka); 

„jlava” L., Scheitel blaugrau, mit Augenstreif (unsere mitteleuro- 
päische Form, vom Atlantischen bis zum Stillen Ocean, doch auch 
in Madras, Keren, Amboina, Borneo, Emoi [China], Lappland); 

„aveola” Temm., Scheitel und Hinterhals lebhaft gelbgrün mit 
gelbem Augenstreif -(England, Südfrankreich, Spanien, Nubien, 


Senegal); 
„campestris" Pall., Scheitel eitronengelb (südlicher Ural, südöstliches 
Russland). 


Auf genau eingehende Würdigung dieser Formen können wir uns 
hier nicht einlassen. Nur sei im Allgemeinen bemerkt, dass unsere ge- 
wöhnliche jlava gar nicht selten im Frühjahr einen in sehr verschiedener 
Intensität und Extensität grünlich angehauchten Scheitel, mithin lebhafte 
Annäherung zu flaveola, dass sie ferner bald einen gelblichen, bald einen 
weissen, bald einen starken, zuweilen auch einen recht schwachen Augen- 
streif' (Annäherung zu cinereocapilla) zeigt. Mitte Mai (14., 15., 16.) 
zieht in der Umgegend von Münster borealis durch; ich habe auch schon 
am 7. Mai eine borealis erlegt. Diese zeigen in der Regel keine Augen- 
streifen, sind daher reine borealis; doch Andeutungen in einem oder an- 
deren weissen Fleckchen sind eben keine Seltenheit. Ausserdem habe ich 
ausser sonstigen viele Exemplare im Leidener Museum untersucht, aus 
England, Frankreich, Italien, Dalmatien, Sieilien, Boccagnazio, Lappland, 
Jemtland (Schweden), Ural, Keren, Aegypten, Abyssinien, Nubien, Char- 
thum, Senegal, Borneo, Java, Banka, Madras, Amboina, China u. a. Das 
Resultat der mühevollen Untersuchung ist einfach dieses, dass sich 1) noch 
mehre Verschiedenheiten und Combinationen aufstellen und 2) dass sich 
nie und nirgends scharfe Grenzen auffinden lassen, dass wir es folglich 
nur mit Formen einer und derselben Art, der Motaeilla flava, zu thun 
haben. Nur möchte ich bemerken, dass darunter auch einzelne Exem- 
plare vön Borneo, auch Amboina, vorkamen mit ganz weisslicher Unter- 
seite, also ohne Gelb, so dass unsere obige Diagnose in diesem Theile 
nicht auf sie passt. — Die gelbe Bachstelze lebt bei uns stellenweise in 
grosser Anzahl. Da sie jedoch hoch gelegene Sandflächen, etwa mit Roggen- 
bau, Wälder und Gebirge meidet, so tritt sie nur sporadisch auf. Frische 
feuchte Niederungen mit Gras- und Krautwuchs, sowohl Wiesen, Auen, 
als Klee-, Raps-, Erbsen-, einzelne Kartoffelfelder sind unter den ange- 
gebenen Verhältnissen ihre Lieblingsplätze. Einzelne Bäume oder Sträucher 


Lerchen. 167 


daselbst, oder unmittelbar vorbeiführende Alleen sind ihnen ebenfalls will- 
kommen, und man sieht sie häufig, wenn auch nicht lange, auf deren 
Zweigen ausruhen und Umschau halten. Gegen Mitte April treffen diese 
entschiedenen Zugvögel bei uns ein, der 2. April ist das früheste Datum 
gewesen, das ich für ihre Rückkehr habe notiren können. Sie begeben 
sich bald an die bezeichneten Brutstellen und bleiben dort bis sie mit den 
Jungen in der ersten Hälfte des Juli auch anderweitig umherzusch weifen 
beginnen. Im Herbst trifft man sie zahlreich bei dem Weidevieh, sogar 
auf hoch gelegenen Stoppeläckern bei den Schafen an. Sie machen dort 
auf die sich bei dem Vieh sammelnden Insecten Jagd, sowie sie ja über- 
haupt sich nur von Insecten nähren. Ihren Lockton „Srieh” lassen sie 
sehr häufig hören und verrathen dadurch ihre Anwesenheit leicht. Des 
Abends vereinigen auch sie sich, ähnlich wie die weissen Bachstelzen zur 
Nachtruhe nicht selten im Rohre. In ihren Bewegungen zeigen sie eine 
grosse Gewandtheit; ihr Flug beschreibt weniger‘ kühne und grosse Bogen 
als der der beiden anderen Arten; auf kurze Strecke am Brutplatze fliegen 
sie niedrig oft lerchenartig mit zitternden Flügeln. Gegen Ende August 
und im September verlassen sie uns wieder. Ihr Nest steht stets am 
Boden und ist der Gleichförmigkeit ihres Aufenthaltsortes wegen eben 
nieht leicht aufzufinden, obgleich es nicht verdeckt steht. Sie machen 
nur eine Brut. Die Eier sind gelblich- oder schwach bräunlich-erdfarben 
grundirt, und die Zeichnung, eine grosse Menge dunkler Fleckehen von 
demselben Tone, in der Regel so matt, dass sie sich nur schwach ab- 
heben, zuweilen gänzlich verloschen. — Ein sehr angenehmer, aber wirth- 
schaftlich indifferenter Vogel, dem man es allerdings zum Lobe anrechnen 
kann, dass er dem Weidevieh durch Wegfangen von manchem lästigen 
Insect einen Dienst erweiset. 

Es sei hier schliesslich noch bemerkt, dass es noch eine kurzschwän- 
zige Bachstelze mit langem Hinternagel giebt, Motacilla eitreola Pall. 
Sie gehört Asien an und scheint nach Westen hin ihre Grenze im Ural 
zu finden, wurde jedoch bereits zweimal auf Helgoland erlegt. Kopf und 
Hals des alten Männchens guttgelb, des Weibchens grünlich, ganze Unter- 
seite bis auf die weissen Unterschwanzdeckfedern gelb, Rücken grau. Beim 
Jungen ganze Unterseite weiss, Oberseite grau, über dem Flügel zwei 
weisse Binden. 


4. Familie. Lerchen, Alaudidae. 


Körper gedrungen ; Schnabel mittellang, kräftig, gerade, doch die First 
sanft gebogen; das Stirngefieder tritt auf die Seiten des Schnabels; Flügel 
breitfederig, Schulterfittig weit länger als die Armschwingen; Beine mittel- 


168 Sperlingsartige Vögel. 


lang, kräftig; der Lauf auf der Hinterseite getäfelt und gerundet; Kralle 
der Hinterzehe fast gerade und lang; Schwanz kaum mittellang; das Ge- 
fieder, ihrem Leben auf dem Erdboden entsprechend, oberhalb erdfarben, 
unterhalb hell mit scharfen dunklen Zeichnungen. Männchen und Weib- 
chen nicht verschieden; das Gefieder der Jungen mit hellen Rändern. Die 
meisten verlassen ruhend den Boden nicht, laufen schrittweise, halten sich 
vorzugsweise auf Feldern, Ackerflächen, Haiden auf; leben von Sämereien, 
Insecten, und im Winter von Krautblättchen, füttern ihre Jungen mit 
Insecten; bauen kunstlose Nester am Boden und legen erdgrau gewässerte 
und punktirte Eier. Die Männchen der meisten sind ausgezeichnete Sänger, 
welche fast nur im hohen und anhaltenden Balzfluge ihren nicht strophi- 
schen lauten Gesang vortragen. Zur Herbstzeit vereinigen sich manche 
Lerchenarten zu starken Flügen, und streichen in der Gegend umher oder 
ziehen ganz fort. Man kennt gegen 60 Arten, von denen die meisten in 
Afrika, besonders in Südafrika leben. Auch Asien hat viele aufzuweisen, 
von denen aber die Hälfte auch in Europa, namentlich Südeuropa lebt, 
während Amerika und Europa nur wenige Arten beherbergen. Amerika 
ist recht lerchenarm, Australien hat nur eine Spezies aufzuweisen. 


Berglerche, Otocoris. 


9 Handschwingen; Nasengrube länglich, Nasenlöcher von Federn dicht 
bedeckt; auf dem Hinterkopfe zwei spitze, hornartige Federschöpfe. Ge- 
fieder unten in grossen Partieen weiss, schwefelgelb, schwarz, gezeichnet. 
Diese Lerchenform ist die einzige von der auch Amerika einige (3) Arten 
aufzuweisen hat. Sie bewohnen den höheren Norden oder Gebirge. 

Eine Art, die ihren Sommeraufenthalt in Nordeuropa vom Eismeere 
bis etwa zum 67° n. Br. hat, übrigens auch einen Theil von Asien be- 
wohnt, erscheint in manchen Wintern, obgleich im ‘Allgemeinen selten, in 
Deutschland. Es ist Otocoris alpestris, die Alpenlerche. Stirn und 
Kehle rein schwefelgelb, Zügelstreif, Wangen und ein halsbandartiger 
Gurgelfleck kohlschwarz. In Grösse stimmt sie ungefähr mit der Feld- 
lerche überein. In kleinen Gesellschaften kam sie in der Umgegend von 
Berlin, sowie in der Nähe von Cöthen und an anderen Orten vor. Ende 
Januar 1561 wurde ein einzelnes prachtvolles Männchen beim Dorfe 
Gimbte unweit Münster auf dem Schnee erlegt. In ihrem Vaterlande lebt 
sie auf den Bergplateau’s und steigt bis in die Birken- und Weidenregion 
als Brutvogel hinauf. Die sehr dicht mit feinster Zeichnung besetzten 
grauen Eier haben einen schwachen Stich in’s Grünliche, 


Lerche. 169 


Lerche, Alauda. 


10 Handschwingen; Nasengrube quer; Nasenlöcher von Federn be- 
deckt; Oberseite „lerchenfarben”; Unterseite hell mit schwärzlichen feineren 
Schaftflecken. Sie bewohnen in etwa 50 Arten die wärmeren Gegenden 
der alten Welt. Europa hat von diesen 10 aufzuweisen; nur 3 sind noch 
in Deutschland heimisch. 


1. Die Feldlerche. 


Alauda arvensis L. 

Die ersten vier grossen Handschwingen bilden die Spitze des Flügels 
und bedecken in Ruhe die Hälfte des gabligen Schwanzes, dessen dritte 
und vierte Federn die längsten sind; die äusserste Steuerfeder weiss mit 
dunkler Innenfahne, die folgende mit weisser Aussenfahne; Hinterzehen- 
nagel fast doppelt so lang als diese Zehe; Hinterkopffedern nicht schopf- 
artig verlängert. Die Färbung ihrer Oberseite ist nicht gerade constant; 
bald ist der Ton grauer, bald mehr lehmfarben, zuweilen auch dunkel, 
im Allgemeinen jedoch weniger variabel als wohl bei anderen Vögeln. 
Auch unterscheiden sich die Jahreszeitskleider nicht sehr. Die Jungen 
vor der ersten Mauser zeigen einen mehr bräunlichen Ton, von dem die 
hellen Federkanten sich auffallend abheben. — Die Feldlerche bewohnt 
fast ganz Europa, lebt auch in einem grossen Theil von Asien, sowie in 
Nordafrika. Am zahlreichsten findet sie sich in den mittleren Gegenden 
unseres Erdtheiles, besonders in den Ebenen, in denen der Ackerbau blüht. 
Freie Flächen bedingen ihren Aufenthalt, auf solchen aber kommt sie 
auch entfernt von Fruchtfeldern, z. B. auch auf Haiden, noch vor. Sogar 
Bergplateau’s beherbergen einzelne Paare. Auf den Nordseeinseln habe 
ich sie wiederholt angetroffen. Doch die Hochgebirge, sowie der Wald 
werden von ihr gemieden; gleichfalls ist sie den Dörfern und Städten ab- 
hold. Auf jenen Flächen aber ist sie ohne Zweifel der dominirende Vogel, 
sowohl nach ihrer überwiegenden Anzahl, als auch nach dem Grade, in 
dem sie sich hier vom ersten Frühling (schon wohl Anfangs Februar) bis 
August durch ihren die ganze Gegend beherrschenden Gesang, sowie wäh- 
rend der Zugzeit durch ihr Umherstreifen in grossen Flügen bemerklich 
macht. Ihr in der Regel mit dem Balzflug verbundener Gesang ist so 
anhaltend wie bei keinem anderen Vogel, und ein einziges Männchen be- 
lebt durch sein Wirbeln und Trillern fortwährend die Umgebung in weiter 
Ausdehnung. Singend erklettert sie im flatternden Fluge eine bedeutende 
Höhe, singend beschreibt sie dort im blauen Aether weite horizontale Rad- 
und flache Spirallinien, singend schraubt sie sich hoch und weit fort, um 
singend nach einer Weile zum Ausgangspunkt zurückzukehren, singend 


170 Sperlingsartige Vögel. 


senkt sie sich dann absatzweise und stürzt endlich stumm aus mässiger 
Höhe mit angelegten Flügeln bis nahe auf den Boden, woselbst sie einen 
Augenblick nochmals flattert, um den Anprall zu brechen und sich sanft 
niederzulassen. Wo die Lerche zahlreich lebt, ihre Brutreviere folglich 
wenig ausgedehnt sind, ist im Frühling die ganze Luft voll Lerchengesang. 
Wirbeln aber zwei Männchen zufällig zu nahe singend vom Boden empor, 
so wird plötzlich abgebrochen, und einer ernstlichen Fehde vor dem weiteren 
Concertiren der Vorzug gegeben. Man hat alsdann Gelegenheit, die un- 
gemeine Fluggewandtheit und Schnelligkeit der Lerche zu bewundern. 
Gegen Ende September beginnen sie, sich in Flüge zu schaaren, im October 
streichen ihre Schwärme am stärksten. Sie ziehen dann in Pausen zum 
Süden. Bei gelindem Wetter und offenem Boden sieht man einzelne 
Schaaren noch lange, ja noch bis in den Winter hinein umherstreichen. 
Bei günstigem (West-) Winde aber beeilen sie sich doch, möglichst rasch 
in südwestlicher Richtung ein milderes Klima zu erreichen. Ihre Haupt- 
nahrung bilden mehlhaltige, weniger ölhaltige Sämereien. Sobald im 
Sommer an diesen Mangel eintritt (die vorigjährigen sind verzehrt oder 
gekeimt, die diesjährigen noch nicht gereift), greifen sie zur Insecten- 
nahrung und füttern auch ihre Jungen mit Insecten. Zur Zeit der Noth 
verschmähen sie auch grüne Blättchen, als Raps, Vogelmiere, Kohl, Roggen, 
nicht. Sie ruhen nur auf dem Erdboden; nur sehr vorübergehend sitzen 
sie auf einem Wachholderstrauche, einer Eisenbahneinfriedigung, einem 
Pfahle und beweisen schon durch das anfängliche Flattern und Balanciren, 
dass ihnen ein solcher Sitz wenig angemessen ist. Auf einer vorstehen- 
den Erdscholle oder einer ähnlichen niedrigen Erhabenheit nehmen sie 
gern ihren Platz und tragen auch ihr erstes Morgenlied noch vor Auf- 
gang der Sonne, seltener ihren Gesang des Abends oder bei stürmischem 
Wetter dort vor. Ihr Nest steht ebenfalls nur auf dem Erdboden, stets im 
Grünen, doch nie von dem Krautwuchs zu arg verdeckt. Im Münster- 
lande, wo die Ackerflächen in „Baustücke” mit erhobenem Rücken und 
gegenseitig trennender Furche getheilt sind, darf man es weder in der 
Mitte dieser Baustücke noch in den Furchen suchen, denn es hat seinen 
Platz an den sanft abschüssigen, in der Regel weniger dicht und üppig 
als die Mitte bewachsenen Rändern. Schlechter bestandene Ackerstellen 
zieht die Lerche überhaupt den dichtbewachsenen vor. Wenn sie Junge 
hat, schreit sie „Titerieht....”, fliegt über’s Nest hinweg, setzt sich in 
der Nähe, event. etwa auf das nächste Baustück, kommt wieder, und fällt 
nun plötzlich zu den Jungen herab mit voll gefülltem Schnabel. Sie ver- 
mag mit so gefülltem Schnabel zu singen. Sie brütet jährlich zwei-, in 
manchen Fällen dreimal. Das schlecht gebaute Nest enthält 5, das spätere 
4 oder 3, mit trüb erdfarbenen Flecken überdeckte, doch zuweilen am 


Die Haidelerche. 171 


stumpfen Ende einen düsteren Kranz bildende Eier. — Selbstredend hat 
dieser den Wald hassende Vogel für die Forstwirthschaft nicht die min- 
deste Bedeutung. Dem Öekonomen verzehrt die Lerche manches nütz- 
liche Getreidekorn, auf Hirse ist sie sehr erpicht, Mohnsamen liebt sie 
gleichfalls sehr; jedoch wird er auch durch sie von einer grossen Menge 
von Unkrautsamen befreit. Den Nutzen, den sie durch ihre Insecten- 
nahrung dem Landmanne verschafft, möchte ich nicht gerade sehr hoch 
anschlagen. Im Ganzen wird man sie jedoch unter die nützlichen Vögel 
rechnen müssen, und ihr herzerhebender Gesang verleiht ihr von ästhe- 
tischer Seite einen Werth, an den auch unsere grössten Virtuosen, die 
theils zu leise, theils zu sehr lokalisirt, theils zu kurze Zeit singen, nicht 
heranreichen. 


2. Die Haidelerche. 
Alauda arborea L. 

Kleiner als die Feldlerche. Die fünf ersten grossen Handschwingen 
bilden die Spitze und bedecken in Ruhe über *?/, des fast geraden Schwanzes, 
dessen drei äussersten Federn fast gleich lang sind; mit Ausnahme der 
beiden mittleren tragen sämmtliche Steuerfedern weisse Spitzen; die Hinter- 
kopffedern sind zu einem stumpfen Schopfe, der häufig aufgerichtet wird, 
verlängert. Männchen und Weibchen sind kaum zu unterscheiden. Der 
Hauptfarbton ist dem der Feldlerche ähnlich; die verlängerten breitspitzigen 
Hinterkopffedern stellen durch ihre weisslichen Spitzen ein Genickband 
dar. — Mit Ausnahme des Nordens, schon des nördlicheren Skandina- 
viens, ist fast ganz Europa die Heimath der Haidelerche. Da sie jedoch 
fast nur auf magerem, mit spärlichem dürrem Kräuterüberzug versehenem 
Boden vorkommt und ausserdem lückigen Holzwuchs, hier und da etwas 
Gebüsch und einen oder anderen stärkeren Baum in ihrer Nähe für ihren 
Sommeraufenthalt fordert, so tritt sie überall nur sporadisch, und oben- 
drein nie eigentlich zahlreich auf. Hier bei Neustadt findet sich so manche 
ihr durchaus zusagende Stelle: eine höher liegende Sandfläche mit stellen- 
weise dürrem Grase, etwa Ara canescens, mit Gnaphalium arenarium, 
weitständigen Kieferkusseln, oder ein abgetriebenes noch nicht oder erst 
kürzlich wieder in Cultur genommenes Jagen mit einigen starken Ueber- 
hältern, u. ähnl. Auf solchen Flächen brüten hier in der Regel mehre 
Paare, auf der erst bezeichneten gern mit Anthus compestris zusammen. 
Das Nest steht dann an einem kleinen vorragenden Gegenstande, an einem 
Gras- oder Haidekrautbüschel, doch nie verdeckt unter solchen, an einer 
jungen Kiefer, wohl mal zwischen einer- kleinen Gruppe derselben. Man 
kann stets frei hineinsehen. Der brütende Vogel sitzt sehr fest, er lässt 
sich in nächster Nähe beliebig betrachten. Die Eier scheinen sehr wenig 


172 Sperlingsartige Vögel. 


zu varüren; wenigstens habe ich nie andere als weisslich grundirte mit 
sehr feinen Pünktchen gleichmässig dicht besetzte Eier gesehen, deren 
Färbung zu dem weisslichen Sandboden und der dürren Vegetation auf- 
fallend passt. Das Männchen belebt diese armen Brutstellen durch seinen 
melancholisch silbernen Gesang „Didldidldidldydldydldydldüdldüdldüdl....”, 
der gleichfalls in seinem Charakter zu dem der Umgebung mit ihren 
flechtenbehangenen Kiefern in überraschender Weise passt. Es ist ein, 
fleissiger Sänger, sogar eifriger Nachtsänger, der selten am Boden, meist 
auf der Spitze eines Baumes sitzend, doch auch im Balzfluge singt. Er 
steigt erst stumm auf, beginnt dann seinen unvergleichlich weichen, sanften, 
doch sehr weit hörbaren Triller, singt hoch in der Luft, ja wohl in einer 
Höhe, dass man den Sänger kaum noch mit den Augen erreicht, gegen 
den Wind ziehend sehr lange, und lässt sich dann bis zur früheren Stelle 
etwas unregelmässig zurücktreiben, und schliesslich in tieferer Region mit 
angezogenen Flügeln herabfallen, bis er sich nahe am Boden durch er- 
neuertes Fliegen in den Stand setzt, denselben sanft zu erreichen. Da 
die Haidelerche zwei Bruten macht und die jungen Männchen im Herbst 
noch fleissig singen, so erfreut uns der Gesang einen grossen Theil des 
Sommers hindurch. Schon in der ersten Hälfte des Februar vernimmt 
man in manchen Jahren das Läuten dieses Silberglöckchens, im März regel- 
mässig. Die. Männchen, welche zwei, sogar wohl drei Wochen früher als 
die Weibchen bei uns eintreffen, wählen bez. erkämpfen sich die Brut- 
reviere, während letztere anfänglich noch zusammen bleiben. Geselligkeit 
ist überhaupt ein hervorstechender Zug in ihrem Betragen; die einzelnen 
Bruten bleiben bis zum Herbst zusammen, sie fliegen zusammen auf und 
fallen zusammen wieder ein. Ihr Lockton „Tüdelüt” wird dabei häufig 
ausgestossen. Allein niemals vereinigen sich die Haidelerchen derselben 
Gegend zu grossen Flügen. Man trifft nicht einmal häufig mehr als etwa 
ein Dutzend zusammen an. Sie haben sich im Spätsommer oft weit von den 
Brutstätten entfernt, liegen auf Aeckern, Stoppelfeldern, Rübenfeldern, 
Haideparzellen, aber nie ohne Gebüsch und einzelne höhere Bäume in der 
Nähe. Noch sei bemerkt, dass diese Art bei Terrainveränderung, namentlich 
durch Abtreiben der Wälder, Ausroden der „Wallhecken” ihre Brutplätze 
verlegt. Sie rückt wohl aus diesen Gründen in der Umgegend von Münster 
allmählig der Stadt mit den sie umgebenden Gärten mit ihren lebenden 
Hecken und Bäumen näher, und beweist auch hierdurch, wie sehr ihr, 
obgleich sie den finsteren Wald auf alle Fälle vermeidet, die Nähe 
von Holzwuchs Bedürfniss ist. Der Zug beginnt im September, Mitte 
October haben meist alle Individuen unsere Gegend verlassen. Es gehört 
zu den Ausnahmen, wenn man mitten im Winter noch eine Haidelerche 
antrifft. Nach ihrer Ankunft im ersten, an Inseeten noch armen Früh- 


Die Haubenlerche. 178 


ling, nährt sie sich von Sämereien, greift aber sobald und so lange sie 
ihr geboten wird, nach Inseetennahrung. Trotzdem möchte sie dadurch 
kaum eine wirthschaftliche Wichtigkeit erlangen, denn sie lebt zu jeder 
Zeit recht vereinzelt, auch ihre kleinen Gesellschaften, deren Glieder nie 
dicht gedrängt auftreten, können wenig wirken. Ihre hohe Bedeutung für 
ihre traurige Heimath hat auch sie vorzugsweise durch ihren herrlichen 
Gesang. 


3. Die Haubenlerche. 
Alauda cristata L. 

Grösser als die Feldlerche; Schnabel mittellang; die ersten fünf grossen 
Handschwingen bilden die Spitze und bedecken *°/, des fast geraden 
Schwanzes; die drei äusseren Steuerfedern gleich lang, die beiden äusseren 
theilweise grauröthlich; Weiss fehlt allen; auf dem Kopfe ein beweglicher 
Spitzschopf. Oberseite erdgrau; Unterseite schmutzig weisslich; alle dunk- 
leren Schaftflecken weniger scharf und hervorstechend als bei den anderen 
beiden Arten; auf den Seiten der Vorderbrust vereinigen sich die Schaft- 
flecken fast zu matten schwärzlichen Zeichnungen. — Man trifft die Hauben- 
lerche im mittleren Europa als häufigen Vogel an; jedoch ist ihr singu- 
lärer Aufenthaltsort an so besondere Bedingungen geknüpft, dass man sie 
nur sporadisch antrifft. Denn abgesehen davon, dass sie das Hochgebirge, 
den Wald, feuchte Niederungen, Wiesen, geschweige Sümpfe und Moore, 
vollständig meidet, und nur mageren Sandboden liebt, auf dem jedoch 
noch Getreide und Gartenfrüchte angebaut werden, kommt sie als Brut- 
vogel doch nur in der Nähe von Städten und Dörfern und zwar merk- 
würdiger Weise auch nur dann dort vor, wenn Kunststrassen, Chausseen, 
zu solchen hinführen. Jedes andere Vorkommen gehört zu den seltenen 
Ausnahmen. Sie treibt sich dann das ganze Jahr auf diesen Strassen und 
in nächster Nähe derselben auf beiden Seiten umher. In der Umgegend 
von Münster war sie früher nur in der Strichzeit eine seltene Erscheinung. 
Sobald und wo Chausseen neu angelegt, oder ein früherer breiter Fahr- 
weg in eine Chaussee umgewandelt wurde, stellte sie sich sofort als Brut- 
und Standvogel ein. Bei Sand- und Kiesgruben scheint sie zuerst Posto 
zu fassen. Nur da, wo sich ihre Anzahl bedeutend vermehrt hat, ent- 
fernen sich einzelne Paare wohl etwas von den Gebäuden und Strassen. 
Gegen den Winter rückt dieser höchst harmlose und zutrauliche Vogel 
den Dörfern und Städten noch näher, bis er endlich im Winter, besonders 
nach Schneefall, sogar in dieselben eindringt, und dort auf den breiteren 
Strassen, besonders aber freien Plätzen, Reit- und Exerzierplätzen, Plätzen 
vor grossen Gebäuden u. ähnl., aber nicht tief in den Häusermassen nach 
seiner Nahrung umherläuft. Sein Flug hat, wohl wegen des ähnlichen 


174 Sperlingsartige Vögel. 


Flügelbaues, mit dem der Haidelerche die meiste Uebereinstimmung. Man 
sieht ihn jedoch selten weit umherfliegen; das Leben der einzelnen Paare 
beschränkt sich meist auf sehr engen Raum. Man findet Männchen und 
Weibchen stets zusammen. Im ersten Frühling, in manchen Jahren schon 
wohl Mitte Februar, sonst Mitte März erfreut uns ersteres durch seinen 
Gesang. Denselben trägt es noch studirend auf irgend einer Erdscholle 
höchst leise und unterdrückt, wie ein Bauchredner, vor, so dass man leicht 
versucht wird nach dem staubgefärbten Sänger in einer etwa 50 Schritt 
weiten Entfernung zu spähen, während derselbe uns auf kaum 10 Schritt 
nahe ist. Den eigentlichen und vollen Gesang, liebliche und abwechse- 
lungsvolle Strophen produeirt das Männchen ebenfalls während seines sonder- 
baren Balzfluges. Es wirft sich nämlich, nachdem es einige Höhe erreicht 
hat, bald auf die eine, bald auf die andere Seite und wendet den Flug 
auch nach dieser und jener, steigt so endlich ungemein hoch, rückt aber 
dadurch gleichfalls weit von seiner Ausgangsstelle fort, so dass es zuweilen 
dem Auge entschwindet. Dieses Manöver währt wohl 5 und 10 Minuten, 
ja noch wohl länger. Leider ist es in dieser anziehenden Production eben 
nicht sehr eifrig und so hat man dieses interessante Schauspiel auch nicht 
gerade sehr oft. Das Nest steht stets unweit der Chausseen und Gebäude 
am Boden; einst hatte ein Paar auf einem Bahnhofe sogar hart an eine 
Schiene gebaut. In der Regel findet man es im Gartenlande (selten in 
einem grossen Garten), etwa zwischen den Kartoffel-, Kohl-, oder Rüben- 
reihen, oder an einer Getreidefurche; jedoch wohl nie tief im Getreide 
auch nicht sehr weit in den sonstigen Fruchtfeldern. Die sonst so zu- 
traulichen Vögel zeigen sich beim Neste sehr scheu und gehen, sobald sie 
Verdacht schöpfen, nie zu den Jungen. Bei nur etwas auffallenden Er- 
scheinungen legen sie überhaupt ihr vertrautes Wesen,, wohl nur Folge 
ihrer erdgrauen Farbe, ab, sie vermeiden z. B. auf dem Schnee ganz sorg- 
fältig die für sie gesteckten Leimruthen. — Die Haubenlerche lebt vor- 
zugsweise von Sämereien, welche sie nur vom Boden aufliest. Auf Baum- 
zweige setzt sie sich nie, auf Mauern, Dachfirsten u. ähnl. allerdings oft, 
- aber nur zur vorübergehenden Ruhe. Auf Böden, um dort etwa wie die 
Sperlinge Körner zu verzehren, geht sie ebenfalls nicht. Inseetennahrung 
ist für sie nur secundär, jedoch füttern sie ihre Jungen mit kleinen Kerb- 
thieren. Wirthschaftlich wichtig ist sie schon deshalb nicht, weil sie 
meist verstreute oder indifferente Sämereien geniesst, zudem lebt sie stets 
nur vereinzelt, nie in Schaaren und Flügen. Zur Belebung und Ver- 
schönerung ihrer Umgebung trägt sie ebenfalls nicht sonderlich viel bei. 

Ausser den vier genannten Lerchenarten, von denen die drei letzten 
sehr bekannte Brutvögel in unseren Gegenden sind, beherbergt der Osten 
und Süden von Europa noch eine Reihe anderer Spezies, von denen die 


Sänger. 175 


eine oder andere auch 'schon in Deutschland als verirrt angetroffen 
wurde. Letzteres aber war bisher nur so vereinzelt und selten, dass eine 
nähere Beschreibung derselben für uns zwecklos ist. Es möge deshalb 
die Aufzählung dieser Arten hier genügen: 

Die Wüstenlerche, Alauda desertorum Stanl. (Osten); 

Die Isabellerche, Alauda isabellina Temm. (Süden); 

Die Kalanderlerche, Alauda calandra L. (Süden); 

Die Mohrenlerche, Alauda tatarica Pall. (Südost); 

Die weissflügelige Lerche, Alauda leucoptera Pall. (Osten); 

Die kurzzehige Lerche, Alauda brachydactyla Lsl. (Süden); 

Die sandfarbene Lerche, Alauda pispoletta Pall. (Osten). 


5. Familie. Sänger, Sylviidae. 


Körpergestalt schlank; Schnabel dünn und schlank, die First sanft 
gebogen, vor der Spitze ein kleiner Ausschnitt; Unterschnabel gerade; 
Flügel mittellang bis kurz, 10 Handschwingen, deren erste sehr kurz; 
Läufe vorn getäfelt. Gefiederfarbe bescheiden, mit wenigen, oft keinen, nie 
mit grellen Zeichnungen; Männchen und Weibchen, Sommer- und Winter- 
kleider fast stets gleich. — Diese kleinen, äusserst beweglichen Vögel be- 
wohnen Bäume, vornehmlich aber dichtes Gebüsch, Laubholz oder Rohr, 
selten Nadelholz. Sie nähren sich von Insecten und deren Larven, viele 
im Herbste jedoch auch von weichen Beeren. Ihre häufig sehr kunst- 
vollen Nester stehen im dichten Gebüsch, niedrig. Die Männchen zeichnen 
sich durch lauten, meistens sonoren Gesang aus. In den gemässigteren 
Gegenden sind sie entschiedene Zugvögel, wovon nur sehr wenige eine 
Ausnahme machen. Man kennt bis jetzt gegen 250 Arten, welche fast 
sämmtlich in der alten Welt leben. Doch hat auch Australien einige Syl- 
vien aufzuweisen, wogegen diese Vogelfamilie Amerika gänzlich fremd ist. 


Braunelle, Accentor, 


Körper weniger schlank; der harte Schnabel, dessen First fast gerade 
verläuft, an der Basis verdickt, vor den Nasenlöchern oben etwas einge- 
senkt, so dass derselbe von dort zur Spitze schwach aufsteigt. Die kaum 
mittellangen Flügel, deren dritte grosse Handschwinge die längste ist, 
decken in Ruhe nicht oder kaum die Hälfte des ausgerandeten Schwanzes. 
— Die Braunellen oder Flüevögel bilden durch ihren robusteren Körper- 
bau, harten Schnabel, vorwiegende Körnernahrung, an die Lerchenzeich- 


176 Sperlingsartige Vögel. 


nung stark erinnernde Rückenfärbung und durch den schwach ausgeprägten 
Wandertrieb die natürliche Verbindung der vorher behandelten Vögel mit 
den folgenden zarten eigentlichen Sylvien, während sie durch ihre Eier 
(einfach blau), und einige durch ihr Verhalten, ihre Bewegungen, sowie 
durch ihren Aufenthalt in felsigen Gebirgsgegenden lebhaft an die Stein- 
schmätzer und Felsendrosseln erinnern. Durch ihren häufigen Aufenthalt 
am Boden treten sie allen genannten ebenfalls näher, als die übrigen Syl- 
vien. Es sind etwa ein Dutzend auf Europa und Asien beschränkte Arten 
bekannt; zwei bewohnen Deutschland, eine davon die süddeutschen Alpen, 
die zweite unsere norddeutsche Ebene. 


I. Die Alpenbraunelle. 
Accentor alpinus L 

Haubenlerchengrösse; erste (kleine) Handschwinge kürzer als die 
oberen Deckfedern; die Flügelspitze reicht bis zur Mitte des Schwanzes, 
dessen Federn mit hell ockerfarbenen, nach der Mitte abnehmenden Spitzen- 
flecken; auf dem Flügel durch die weissen Spitzen der grossen und mitt- 
leren Decken zwei Querbinden. Kopf aschfarben, Rückenfedern dunkel- 
braun mit aschgrauen oder rostgelben Kanten; Kehle weiss mit schwarzen 
Schuppenfleckchen, die übrige Unterseite rostroth, theilweise (Weichen) 
mit hellen Federrändern. Die Jungen vor der: ersten Mauser: Kopf asch- 
farben, Kehle heller mit sehr schwachen Zeichnungen, Unterseite aschgrau 
mit dunklen Schaftflecken, Rückenfärbung trüber. —- Die Alpenbraunelle 
(Alpenflüevogel) bewohnt die Alpen des mittleren Europa’s in der Region 
des Knieholzes und höher; so die Pyrenäen, die Schweizer und Tyroler 
Alpen, die Bayerischen Alpen, die Böhmischen Gebirge. Sie wird im 
Sommer nieht unter 2000 Meter herabsteigen; in Oberbayern sah ich sie 
erst bei 2500 Meter. Sie ist übrigens dort ein sehr bekannter Vogel, 
heisst beim Volke Steinlerche und wird vielfach im Bauer gehalten. Man 
kann sie fast Standvogel nennen, obgleich der Winterschnee sie veranlasst, 
tiefer in die Thäler hinabzusteigen, woselbst sie sich dann an offenen Ge- 
wässern ihre Nahrung sucht. Den Boden verlässt sie selten, huscht lieber 
bei Annäherung eines Menschen unter die Latschen, als dass sie durch 
Fliegen der Gefahr zu entrinnen suchte. Sie brütet auch auf dem Boden, 
zwischen Gesteinen, in Spalten unter Gebüsch. Das Männchen, welches 
fleissig singt, soll auch einen Balzflug haben. Die Eier sind ziemlich ge- 
sättigt grünlich blau. Wirthschaftlich wichtig ist sie in keiner Weise, 


2. Die Heckenbraunelle. 
Accentor modularis L. 


Feldsperlingsgrösse; die erste (kleine) Handschwinge reicht bis zur 


Die Heckenbraunelle. 477 


Spitze der oberen Deckfedern; der kurze Flügel deckt nur die Basis des 
einfarbigen Schwanzes; zwei sehr schwache feine Querbinden auf dem 
Flügel. Kopf, Hals, Vorderbrust schmutzig schieferblaugrau; Rücken trüb, 
olivenbraun lerchenfleckig. Die Jungen vor der ersten Mauser mehr rost- 
gelb, und über dem Auge ein heller Streif. — Die Heckenbraunelle be- 
wohnt Europa bis tief in Skandinavien hinein. In Deutschland tritt sie 
sporadisch auf, obschon sie sich in den meisten Gegenden finden wird. 
So scheint sie hier um Neustadt gänzlich zu fehlen und auch an anderen 
Orten der Mark Brandenburg und in Pommern nur selten vorzukommen. 
Es ist freilich ein höchst unscheinbarer und daher leicht zu übersehender 
Vogel, allein das Männchen im ersten Frühjahr (schon zu Anfang März) 
ein so fleissiger und charakteristischer Sänger, dass er dem Kenner nicht 
verborgen bleiben kann. In der Umgegend von Münster dagegen, ja in 
den grossen Gärten der Stadt selbst, gehört er unter die allbekannten 
Vögel. Er ist dort wahrer Garten-, auch Wallheckenvogel. Sein Vor- 
kommen ist an dichtes Gestrüpp, Gebüsch und einzelne höhere Bäume 
gebunden. Ein Haufen Reisigbündel wird an solchen Stellen von ihm 
sehr geliebt, dichte Hecken, auch todte Zäune sind gleichfalls willkommen. 
Im Walde habe ich ihn nur an den dicht verwachsenen Rändern gefunden; 
die Waldesmitte liebt er nicht. Die Holzart ist ihm ziemlich gleich- 
gültig, wenn sie nur niedrig ein dichtes Gestrüpp bildet. So bewohnt er 
denn junge Fichten- und Tannenschonungen ebenfalls gern, scheint aber 
die Kiefer von seinem Interesse auszuschliessen. In diesen Pflanzen- 
dickichten schlüpft er im Sommer nach seiner Inseetennahrung umher, 
mit welcher er auch seine Jungen füttert. In den übrigen Jahreszeiten 
lebt er zumeist von feinen Sämereien, unter denen er den ölhaltigen den 
Vorzug giebt, und sucht nach diesen, behende mit sehr gebogenen Fersen- 
gelenken am Boden umherschlüpfend unter dem Schutze von diehtem 
Pflanzengewucher, unter Hecken, Dorngebüschen, am Waldesrande, in 
Gärten. Saftige Beeren verschmäht er. Man sieht ihn fast nie, als nur 
kurze Strecken fliegen und zwar seiner kurzen Flügel wegen sperlings- 
artig schurrend. Grössere freie Flächen vermeidet er. In Winter trifft 
man diejenigen Individuen, welche nicht fortwanderten, fast stets am Boden 
und zwar gar häufig in Gesellschaft der Schwarzdrosseln. Sie folgen 
diesen regelmässig, um in dem durch diese aufgebrochenen Laube oder 
sonstiger Bodenstreu ihre Samenkörnchen aufzufinden. Doch durchschlüpfen 
sie dann auch Holzstösse, Reiserbündelhaufen, machen sich in und an 
Scheunen zu schaffen, durchsuchen todte Zäune u. ähnl. nach Spinnen 
und Inseeten oder deren Eier; jedoch verlangen sie stets starke Bäume 
über sich, oder Gestrüpp mit Bäumen in der Nähe. Obschon sie sowohl 
die Ebene als das Gebirge gleich zahlreich bewohnen, so wählen sie in 
Altum. Die Vögel. 12 


178 Sperlingsartige Vögel. 


ersterer jedoch nicht die dürren Höhenlagen, sondern zumeist die niederen 
Stellen mit frischem Boden. Schon Anfangs März hört man, wie bereits 
gesagt, den hellen fast silbernen Gesang des Männchens, dessen Strophe 
sowohl an die des Zaunkönigs als an die der Dorngrasmücke erinnert. 
Jedoch unterscheidet sich der Charakter des Braunellengesanges von dem 
energischen des Zaunkönigs durch die weichere Tonfarbe und von dem 
übereiligen Allegro der Dorngrasmücke durch grössere Kraft und Klar- 
heit. Der Sänger sitzt dabei frei auf einem stärkeren Zweige eines nicht 
zu schwachen Baumes, einer Eiche, eines Obstbaumes, sehr gern auf einer 
Bohnenstange, etwa 5 bis S Meter hoch. Sonst lebt die Braunelle stets 
niedrig und verborgen, und auch das singende Männchen begiebt sich 
nach Vollendung seines Gesanges sofort wieder m’s nächste niedrige Ge- 
büsch. Niedrig steht auch das Nest im Gestrüpp, in der Regel 1 Meter 
hoch; sein Stand von 0,3 oder- 1,6 Meter ist selten. Es enthält meist 9, 
gesättigt grünlichblaue Eier. Trotz seiner Verborgenheit wird es im 
Münsterlande gar oft vom Kukuksweibchen zum Unterbringen seines Eies 
erspähet. Unter den Pflegevögeln des Kukuks nimmt dort die Braunelle 
eine der ersten Stellen ein. Gegen Ende September verlassen uns die 
meisten Individuen; nie jedoch sieht man sie in Flügen oder auch nur 
in Gesellschaften zusammen, einzelne bleiben ganz hier. Wirthschaft- 
liche Wichtigkeit ist diesem kleinen einsamen Vogel nicht zuzulegen, und 
den wenigen feinen Baumsamen, z. B. Erlensamen, der von ihm verzehrt 
wird, kann ihm für seinen belebenden Frühlingsgesang der Forstmann 
schon gönnen. 


Sänger, Sylvia. 


Körper schlank; Schnabel schlank, gerade, First sanft gegen die Spitze 
herabgebogen, Dillenkante lang und schwach aufsteigend; Flügel mässig 
lang, die dritte und vierte Handschwinge bilden die Spitze; Füsse mittel- 
hoch. — Diese kleinen Vögel, welche in etwa 30 Arten die alte Welt 
bewohnen, sind einzig auf Gebüsch und Wald, und zwar fast stets nur 
Laubwaldungen, angewiesen. Hier durchschlüpfen sie die Zweige nach 
ihrer Inseetennahrung, hier bauen sie niedrig ihre Nester und erziehen 
ihre Jungen. Man trifft sie stets nur einzeln, nie in Gesellschaften oder 
gar Schaaren an; ängstlich vermeiden sie alle freien Flächen, ziehen in 
den gemässigteren Klimaten im Herbst von Wald zu Wald zum fernen 
Süden und kommen in gleicher Weise im Frühlinge zurück. Die Männ- 
chen zeichnen sich durch einen lauten, häufig sehr melodischen Gesang 
aus. Die bei uns vorkommenden Sylvien zerfallen in zwei charakteristisch 
verschiedene Gruppen, in Laubvögel und in Grasmücken. 


Laubvögel. 179 


a. Laubvögel. 


Körper sehr schlank; feiner, hellhornfarbiger, vor den Nasenlöchern 
mehr breiter als hoher Schnabel, dessen First kürzer als die Mittelzehe 
(ohne Nagel); Schwanz schwach ausgeschnitten. Oberseite grün ohne alle 
Zeichnung, Unterseite weisslich in’s Grüngelbliche ziehend, gleichfalls ohne 
Fleckung, über dem Auge ein gelblicher Streif. In diesen ihren Farben 
stehen sich die sämmtlichen Arten recht nahe. Es herrscht allerdings 
bei der einen ein frischer grüngelb- 
licher Ton vor, bei der anderen F 
ein stumpfer olivengrünlicher. Da A\ 
jedoch, wie bereits S. 155 bemerkt, h A\\\| 
die frisch vermauserten von den k || \IN|| 
unmittelbar vor der Mauser stehen- A\ 
den abgeblichenen Exemplaren sich 
auffällig in dem Farbtone unter- IN 


” ” ” ” | Y 
scheiden, so ist eine Bestimmung ) | N 1) 
nach der Färbung schwierig. Die J) D. 
plastischen Verhältnisse geben da & 4 
aber stets sichere Kennzeichen. Dies Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. 
bezieht sich für uns namentlich Sylvia rufa, trochilus, Ainilateiz! 


auf unsere drei kleinen Arten, den 
Weiden-, Fitis- und Waldlaubvogel 
(Sylvia rufa, trochilus und sibilatrix), weshalb hier die Diagnose der 


Halbe natürliche Grösse, 


ersten Schwungfedern in Abbildung folgen möge. Das Längenverhältniss 
der ersten, sehr kleinen Handschwinge zu den oberen Deckfedern reicht 
zur Bestimmung allein schon aus. Das Verhältniss der zweiten zur sechsten 
Schwinge lässt ebenfalls über die Art keinen Zweifel. Geschlechts-, 
Jahreszeits- und Altersdifferenzen giebt es bei diesen Vögeln so gut wie 
gar nicht. 

Die Laubvögel bewohnen den Wald und das Gebüsch, das wirre ver- 
worrene Gestrüpp vermeidend. Hier hüpfen sie halb flatternd in den 
dünnen Zweigen nach Insectennahrung, die sie von den Blättern nehmen, 
umher, steigen auch wohl fliegend nach einem dahinschwirrenden Insecte 
empor, und betreiben diese Jagd nicht blos niedrig, sondern begeben sich 
bis in die Kronen der höchsten Bäume. Da diese Region von den bei 
weitem meisten Insecten fressenden Vögeln nicht besucht wird, so ist ihre 
Thätigkeit hier von nicht unbedeutender forstlicher Wichtigkeit und zwar 
besonders gegen den grünen Eichenwickler, Tortrix viridana, der nament- 
lich von zwei Arten zu Tausenden verzehrt wird. Sie brüten niedrig am 


Boden; ihr zuweilen überwölbtes Nest enthält weisse roth punktirte 
12* 


“ 


180 Sperlingsartige Vögel. 


Eier. Eine Art macht jedoch in mancher Hinsicht eine Ausnahme. Man 
kennt ungefähr 25 Arten; vier von diesen sind in Deutschland überall 
sehr bekannt, mit denen wir uns hier einzig beschäftigen werden. 


I. Der Weidenlaubvogel. 
Sylvia rufa Lath. 

Die kleinste, am wenigsten lebhaft grünliche Aft, deren Oberseite 
eher als grünlich braungrau bezeichnet werden könnte; Unterseite schmutzig 
weiss. Für sichere Bestimmung verweise ich auf obige Flügelzeichnung. 
— Der Weidenlaubvogel kommt in Europa noch ziemlich hoch in Schwe- 
den hinauf vor. Bei uns ist er in unregelmässig bewaldeten Gegenden, 
an Waldrändern, in Parks und Anlagen überall häufig; man findet ihn 
sowohl im Nadel- als Laubholze, doch in geschlossenen alten Hochwäldern 
kaum; dagegen in Gebüschen an Gräben, hohen Hecken. Er erscheint in 
einzelnen Jahren schon vor Mitte März, in anderen jedoch erst im An- 
fang April. Im Münsterlande, was ihn in seinen Feldhölzern, kleinen 
Mittelwäldern, Gebüschen und Wallhecken überall aufzuweisen hat, heisst 
er „Schnepfentreiber”, weil mit seiner Ankunft der Strich der Schnepfen 
sein Ende erreicht zu haben pflegt. Wir finden dieses rührige, stets 
hungrige Vögelchen dann fast ständig in den Sträuchern der Saalweide, 
Saliw caprea, mit dem Erhaschen der sich an den blühenden grossen 
Kätzchen derselben sammelnden Insecten beschäftigt. Später geht es in 
die nächsten Gebüsche. Gar bald kündigt das Männchen seine Ankunft 
durch seinen absonderlichen lauten Stakkatogesang an, der bekanntlich 
wie: „Dilm, Delm, Dilm, Delm....” klingt, zwischen welche scharf ab- 
gesetzte Silben auch wohl die eine oder andere in tieferer Tonlage, etwa 
„Dölm”, sich ’einschleicht. Ist man dem wunderlichen Sänger ganz nahe, 
so hört man als Einleitung ein sehr leises „Trip, Trip, Trip”, worauf un- 
mittelbar das „Dilm, Delm” folgt. Er sitzt dabei nie ganz niedrig, in 
der Regel gegen 4—5 Meter hoch; in Hecken wählt er dann die höchsten 
Spitzen, Weiden scheinen für seine Gesangsproduction eine bevorzugte 
Holzart zu sein. Sein überwölbtes, inwendig stark mit Federn ausge- 
füttertes Nest steht auf dem Boden auf lichten Waldstellen, an alten Fahr- 
wegen, in bewachsenen Heckengräben, wo allerhand Gestrüpp, Dornen, 
Nesseln, es verdecken. Die kleinen weissen Bierchen tragen scharfe weit- 
ständige blutschwarze Punkte. Nach der zweimaligen Brutzeit durchstreift 
der Weidenlaubvogel die Wälder der Umgegend. Er geht dann höher als 
irgend ein anderer Laubvogel in die alten Eichen und Kiefern, und lebt 
in den Kronen derselben von den schädlichen Wickler- und Spanner- 
raupen, namentlich in Kiefern von denen der Geometra piniaria. Seine 


Der Fitislaubvogel. 181 


Wirksamkeit dort ist bei seiner Menge, seinem nie gestillten Hunger und 
dem recht langen Verweilen durchaus nicht zu unterschätzen. In jenen 
Regionen wirken nur mehr wenige Vögel und einige Fledermäuse gegen 
diese Inseeten. Wir müssen dieses winzige Vögelchen als Freund und 
Verbündeten des Forstmannes mit Freude in unsern Revieren begrüssen. 
Spät im Jahre verlässt uns der „Weidenzeisig”, wieder. Noch Ende August, 
noch im September und Oetober hören wir sein energisches „Dilm, 
Delm....”, von da ab ist aber mit dem Gesange auch der Sänger ver- 


schwunden. 


2. Der Fitislaubvogel. 
Sylvia trochilus L. 


Etwas grösser als der vorige; seine Färbung reiner, obgleich keines- 
wegs lebhaft grüngelb; der abgebildete Flügel giebt die genauere Charak- 
teristik der Art. — Diese Art bewohnt den grössten Theil von Europa, 
vielfach mit dem Weidenlaubvogel zusammen. In kleinen Wäldern mit 
vielem Unterholz und Stangenhölzern, Wallhecken, Kiefernschonungen mit 
Birken, in Birken besonders auf Haiden, dürren, sandigen wie Lehm- 
haiden, an nassen Waldstellen, an denen Lücken den Bestand unter- 
brechen, wo Faulbaum und Weiden wachsen, finden wir unseren Fitis- 
laubvogel überall. Er kommt später zu uns als der Weidenlaubvogel, 
frühestens Ende März, in der Regel gegen oder kurz nach Mitte April, 
kurz vor Ankunft der Nachtigall stellt er sich in unseren Gegenden ein. 
Durch seinen Gesang, eine kurze Strophe, die an Tonfarbe an den auf- 
flackernden Gesang des Rothkehlchens erinnert, durch ihr gleichmässiges 
Decrescendo aber unter allen Gesängen sofort auffällt, zeigt er uns im 
Frühlinge seine Ankunft an. Er ist ein harter Vogel, der bei ungün- 
stigem Wetter auch dann noch singt, wenn alle anderen Vögel schweigen. 
Da wo der Fitis mit dem Weidenlaubvogel zusammen vorkommt, nimmt 
ersterer wohl mal ein Stück der Hämmerstrophe von diesem an und lässt 
dann dem Schlusse seiner Decrescendo-Strophe noch wohl einige Male das 
„Dilm, Delm....” folgen. Man hat sich veranlasst geschen, solche Indi- 
viduen als besondere Art aufzustellen. Seiner Nahrung, die gleichfalls 
nur aus Insecten besteht, geht er in ähnlicher Weise durch die Zweige 
flatternd und hüpfend nach, als der vorige, er ist jedoch wohl ausschliess- 
lich Laubholzvogel, der auch ausser der Brutzeit nicht die Nadelholzwälder 
durchstreift. Auch geht er nicht so hoch als rufa, oder hält sich wenig- 
stens nicht so lange in den hohen Baumkronen auf. Jedoch ist es nicht 
gerade leicht, in solcher Höhe die beiden Arten genau zu unterscheiden, 
wenn sie ihre Stimme nieht hören lassen, und sogar der gewöhnliche 
Lockton „Hüit” lässt bisweilen noch Zweifel übrig. Schiesst man aus den 


182 Sperlingsartige Vögel. 


Kiefernkronen oder aus den Wipfeln hoher Eichen einen kleinen Laub- 
vogel herab, so ist es allemal rufa. Unser Fitis scheint somit mehr in 
den unteren und mittleren Regionen der Laubholzbäume zu wirken, und 
hier ist er uns bestens willkommen. Das Nest ist ähnlich gebaut, wie 
das von rufa, es steht auf der Erde an Stellen, wie sie vorhin als seine 
Aufenthaltsorte bezeichnet sind, häufig an Abhängen, etwa dem Ufer eines 
Waldgrabens, wo es dann durch halb überhängenden Pflanzenwuchs ge- 
schützt ist; die dunkle Waldesmitte hat niemals sein Nest aufzuweisen. 
Seine Eier haben auf weissem Grunde gleichfalls rothe, aber blassrothe 
und weit zahlreichere Punkte als die von rufa. Im September, oder An- 
fangs October pflegt er unsere Gegend wieder zu verlassen. 


3. Der Waldlaubvogel. 
Sylvia sibilatrix Bechst. 

Der grösste dieser drei kleinen Laubvögel, und auch weitaus der 
schönste; das gelbliche Grün seiner Oberseite, das Grüngelb seines Augen- 
streifes, das Weiss der Unterseite ist so rein wie bei keinem anderen. 
Seine Flügel sind weit länger und lassen ruhend etwa 1 Centimeter des 
Schwanzes unbedeckt, während die freie Spitze bei den beiden anderen 
Arten ungefähr doppelt so gross ist. Das Längeverhältniss der ersten 
(sehr kleinen) Handschwinge zu den oberen Deckfedern (kürzer als diese) 
lässt allein schon, wie die Abbildung zeigt, den Vogel mit voller Sicher- 
heit leicht erkennen. — Der Waldlaubvogel gehört auch wohl dem mitt- 
leren Europa an, die aus dem Süden stammenden Exemplare in unseren 
Sammlungen sind wohl nur dort Wintergäste gewesen. In Deutschland 
kommt er überall, aber doch nicht in jeder Gegend vor. Er ist Wald- 
vogel, bewohnt aber weder den alten Hochwald, noch junge Culturen. 
Ausserdem ist er auch in Hinsicht der Holzart wählerischh Nach meinen 
Erfahrungen ist er im eminenten Sinne Buchenvogel. Ich habe ihn nir- 
gends so zahlreich angetroffen als hier in der Umgegend von Neustadt; 
aber in den Revieren sind es nur die Buchenpartieen und zwar zumeist 
die Stangenorte, an denen er von allen geradezu der gemeinste Vogel ist. 
In den Kiefernorten lässt sich auch nicht ein einziger hören. Seine 
Stimme, sowohl sein stark an den Ruf des kleinen Baumläufers erinnern- 
des, aber weit sanfteres „Djü, Djü, Djü, Djü”, als sein so sehr absonder- 
licher Schwirrgesang, der ihm seinen lateinischen Namen verschafft hat, 
ein Stakkato- Anfang, allmälig accelerando in ein Schwirren endigend 
(„Sipp, Sipp, Sipp, Sippsippsippsippsirrrrrrrrr”, der Schluss jedoch nicht 
rein in R schwirrend, sondern halb in R, halb in L), verräth ihn an 
seinem Brutplatze überall. Ein solcher ist stets eine lichte Stelle oder 
gar eine Bestandeslücke, auf der hier und da etwas Aufschlag, kurzer 


Der Gartenlaubvogel. 183 


Rasen, etwas Beerkraut, die eine oder andere Stange vorkommen, aber 
auch die unbewachsene Laubdecke sich noch geltend macht. Hier steht 
das halbgedeckte Nest, welches zum Unterschiede von dem der beiden 
anderen kleinen Laubvögel nie Federn im Innern enthält, unter einem 
kleinen isolirten Sträuchlein. Nur unter einem solchen, deren es auf der 
lichten Fläche nie viele giebt, hat ınan das, sonst sehr schwierig zu ent- 
deckende Nest zu suchen. Die Lier tragen auf weissem Grunde eine 
grosse Menge blutschwarzer und als Schalenflecke auch grauvioletter scharfer 
Punkte, welche auf der Fläche ungefähr so viel Raum einnehmen, als sie 
von dem weissen Grunde frei lassen. Vor Ende Mai wird man jedoch 
selten eine Gelege finden. Diese Art trifft nämlich später als die beiden 
andern bei uns ein, erst bei beginnender Belaubung ihrer Lieblingsholz- 
art, der Rothbuche, etwa Ende April, Anfang Mai. Auch in seinem ganzen 
Verhalten unterscheidet sich dieser „Waldvogel” („sylvieola” Lth.) von 
jenen. Man trifft ihn weit seltener in den äussersten Zweigspitzen an 
als jene; er verweilt vielmehr häufig in den keine Blätter tragenden mitt- 
leren Partieen, untersucht weniger die Blätter und feinen Zweige nach 
ruhenden Insecten und deren Larven, als er vielmehr fliegenfängerartig 
dieselben im Fluge erhascht. Sein Jagdterrain ist dabei etwa die mittlere 
Höhe der Stangen, gewöhnlich nicht tief unter ihrem Laubdache, und zwar 
dort, wo dieselben nicht so geschlossen stehen, dass nicht reichliche 
Sonnenstrahlen noch den Boden erreichten. Es ist gewiss eine Ausnahme, 
wenn man diesen Vogel im niederen Gebüsch, oder hoch in den Wipfeln 
älterer Bäume antrifft. Sein forstwirthschaftlicher Werth ist nach dieser 
seiner Lebensweise weit geringer als der der beiden anderen Arten. „Dort, 
wo er lebt und wirkt, sind mir forstschädliche Insecten, die ihm zur 
Nahrung dienen könnten, fast unbekannt, wenn man nicht etwa ein oder 
anderes indifferentes Spannerräupchen dahin rechnen will. Unter den 
fliegenden Insecten aber giebt es entschieden mehr nützliche als schäd- 
liche. Zu den letzten möchten die Blattgallmücken, z. B. Cecidomyia 
fagi, gehören. Allein als Gegengewicht gegen diese fällt er, wie die Er- 
fahrung hier bei Neustadt zeigt, nicht in die Wagschale. Als angenehm 
belebendes Moment ist er für den stillen Hochwald eine wahre Perle. 


4. Der Gartenlaubvogel. 
Sylvia hypolais L. 

Grasmückengrösse; der Schnabel flach, bis nahe vor der Spitze mehr 
breit als hoch; die Flügel, deren erste (kleine) Handschwinge so lang ist 
als die oberen Decken, lassen ruhend die Spitze des schwach ausgekerbten 
Schwanzes auf fast 2 Cm. frei; Oberseite graugrünlich; Unterseite blassgelb- 
lich; Füsse lichtblau, Männchen zuweilen weniger lebhaft als das Weibchen. 


184 Sperlingsartige Vögel. 


— Der hier der gleichmässigen Bezeichnung wegen gewählte deutsche 
Name ist weniger bekannt, als etwa Spottvogel oder Bastardnachtigall. 
In mehr als einer Hinsicht ähnelt dieser durch fast ganz Europa vor- 
kommende, in Deutschland gemeine Vogel den Rohrsängern und trennt 
sich eben dadurch von den eigentlichen Laubvögeln. Mit etwa sechs 
anderen, meist dem wärmeren Süden angehörenden, ihm sehr nahe stehen- 
den Arten bildet er eine zwischen den beiden genannten Gattungen ste- 
hende Gruppe. Sein Aufenthalt in der freien Natur möge seine Stellung 
hier bei den Laubvögeln rechtfertigen. Spät erst kommt er im Frühling 
zu uns, selten vor Ende April oder Anfang Mai, und nimmt seinen Aufent- 
halt sofort in den bereits belaubten Kronen mittelhoher Bäume. Hoch 
steigt er überhaupt nie empor; dagegen sind ihm im Garten Obstbäume 
und das in der Nähe stehende Lustgebüsch, als Traubenkirsche, Flieder, 
Schneeball, Goldregen, Hollunder, Haseln, wenn es nicht zu niedrig, etwa 
3—4 Meter hoch ist, sehr willkommen. Draussen liebt er Waldränder 
oder lichte Stellen mit einzelnen höheren Bäumen und kräftigem Unter- 
holz; den schattigen Hochwald, überhaupt dichten Kronenschluss vermeidet 
er ebenso als niedriges verworrenes Gestrüpp. Auch ist er Feind von 
jeglichem Nadelholze. Wo in Gärten oder im und am Walde sich fliessen- 
des Wasser befindet, da ist er sicher zu finden, falls sonst der Holzwuchs 
daselbst ihm zusagt. Hier bei Neustadt und Umgegend zeigt er das an zahl- 
reichen Stellen. Feuchtes, frisches Terrain wird überhaupt von ihm be- 
vorzugt. Im Münsterlande bewohnt er mit Vorliebe ausser den beschrie- 
benen Gärten, die jedoch nie zu klein sein dürfen, die höheren Wall- 
hecken dort, wo sich Haseln und Eichen befinden; und auf den Haiden 
wählt er die Birkenpartieen. An solchen Stellen macht er sich den ganzen 
Tag die lebhafteste Arbeit, bleibt dabei immer innerhalb der schützenden 
Laubmasse. Seine fortwährende Unruhe, namentlich aber seine laute, 
nicht liebliche, sanfte, sondern fast frech tönende Stimme, die trotzdem 
nicht ohne Wohllaut ist, der Lockton „Teterit” sowohl als sein Gesang 
verrathen ihn sofort. Letzterer hebt in der Regel mit dem einem Schwal- 
benschrei ähnlichen „Teterit”” an und bildet fast nur die schnell aber 
energisch abgeleierten Variationen desselben, zwischen die er stellenweise 
fremde Vogelrufe, die einen ähnlichen Toncharakter an sich tragen, oder 
die er nach demselben modelt, einwebt. Den Namen Spottvogel verdient 
er deshalb mit Recht. Er allein belebt mit seinem lauten Gesange einen 
grossen Garten vollständig, Das Nest, ein äusserst kunstvoller Bau, ein 


sehr tiefer, an der der Rohrsänger erinnernder, gedrechselt glatter, fester, 
mit allerhand Spinn- und Raupenfäden verwebter Napf, steht fast stets 
zwischen dünneren Ruthen, etwa in einer drei-, vier- fünftheiligen Zweig- 
gabelung, sehr oft in Haseln, Hainbuchen, Eichen, am liebsten in Haseln 


Grasmücken. 185 


mit Geisblattumrankung, doch auch in Wasserreisern, und in Gärten, in 
denen verschiedenes Lustgebüsch gezogen wird, wohl am öftersten in 
Syringendickichten. In Hainbuchen-Gartenhecken habe ich es nur einmal 
gefunden; in sonstigem wirrem Gebüsch, etwa Weiss- und Schwarzdorn 
u. ähnl, steht es wohl nie. Die Höhe des Neststandes ist gewöhnlich 2 
bis 3 Meter; die mir bekannten Extreme in dieser Hinsicht, nämlich 0,3 
und 12 Meter, sind seltene Ausnahmen. Die Eier, gesättigt zart rosa 
grundirt mit einzelnen weitständigen blutschwarzen Punkten, weichen ebenso 
wie der Nestbau und Stand von denen der anderen Laubvögel ab, zeigen 
aber mit den Eiern der übrigen ihm am nächsten verwandten 6 Arten, 
von denen ich allerdings nur die von olivetorum und elaica kenne, eine 
überraschende Achnlichkeit. Er erzieht jährlich nur eine Brut. Gegen 
Mitte bis Ende August verlässt uns dieser äusserst muntere Vogel wieder. 
Für die forstlichen Interessen ist er ohne Bedeutung, in den Gärten aber 
ein sehr willkommener Insectenvertilger. Er verzehrt nämlich eine grosse 
Menge nackter Obstbaumraupen, namentlich die der (@reometra brumata 
und defoliaria, und anderer Feinde. Auch füttert er seine Jungen mit 
Räupchen, doch viel auch mit Tipuliden und Spinnen. Freilich nascht 
er auch die süssen Kirschen, sowie er auch andere saftige Beeren ver- 
zehrt; von einem Schaden, den er dadurch anrichtet, kann jedoch kaum 
die Rede sein. 


b. Grasmücken. 


Körper schlank; Schnabel kräftig, dunkelhornfarben, an der Basis 
fast so breit als hoch, die First kürzer als die Mittelzehe (ohne Nagel); 
Flügel kaum mässig lang; Schwanz abgerundet; Färbung vorherrschend 
grau oder bräunlich, Bürzel grau. Alle Kleider sind gleich, doch sind die 
beiden Geschlechter zuweilen an irgend einer stärkeren oder schwächeren 
Zeichnung zu erkennen, und die Jungen stimmen dann. mit den Weib- 
chen überein. Lebhaft grelle Zeichnungen fehlen ihnen. — Diese nicht 
zahlreiche Sängergruppe hat in unserer Gegend fünf allgemein bekannte 
Arten aufzuweisen, welche sich in ihrem Betragen, Aufenthaltsorte, Nest- 
bau und Neststand, Eiern und Nahrung recht nahe stehen. Die Benen- 
nung Buschsänger wäre für sie sehr passend, da sie sich fast nur im 
Gebüsch, im wirren Gestrüpp, sehr gern sogar in Dornen, doch auch auf 
Bäumen, stets aber niedrig aufhalten. Niedrig, etwa 1 Meter hoch stehen 
dort auch ihre ziemlich schlecht gebauten Nester. In dieser niederen Re- 
gion suchen sie im Sommer ihre Inseetennahrung und füttern auch ihre 
Jungen damit. Sehr munter und beweglich durchschlüpfen sie darnach 
den dichten Holzwuchs. Doch im Herbst lieben alle mehr oder weniger 


186 Sperlingsartige Vögel. 


saftige Beeren und steigen darnach auch in höhere Baumpartieen hinauf. 
Die Männchen beleben und verschönern durch ihren zum "Theil äusserst 
melodischen Gesang die Gegend, einige verbinden damit einen Balzflug. 
Sie sind sämmtlich Zugvögel, die weder zu den frühesten, noch zu den 
spätesten Ankömmlingen und Abreisenden gehören. — Hervorragend forst- 
liche oder überhaupt wirthschaftliche Wichtigkeit vermag ich keiner ein- 
zigen Art beizulegen; nur dem Gartenbesitzer und Obstzüchter, sowie auch 
oft an Waldrändern, sind einzelne durch Insecten- namentlich Raupen- 
vertilgung nützlich. Jedoch wegen ihres prachtvollen Gesanges allein schon 
verdienen diese lieblichen Geschöpfe Schutz und Schonung. 


5. Die Sperbergrasmücke. 
Sylvia nisoria Bechst. 

Grösste Spezies; Schnabel in der Gegend der Nasenlöcher mehr hoch 
als breit; Oberseite aschgrau, Unterseite weisslich mit Sperberzeichnung; 
Unterschwanzdeckfedern blassgrau mit dunkelgrauer dachförmiger Binde; 
Iris schwefelgelb. Jene Sperberung fehlt den Jungen vor der ersten Mauser, 
oder tritt nur an den Weichen und zwar ganz -schwach auf; auch ist die 
Iris dann noch nicht leuchtend gelb. — Die Sperbergrasmücke scheint 
in Europa ein mehr südlicher Vogel zu sein; im Norden von Deutsch- 
land wenigstens kommt er keinesweges in continuirlicher Verbreitung vor. 
Er lebt freilich im wirren Buschholz und Dornengestrüpp recht verborgen 
und kann auch wegen der wirklich ausserordentlichen Aehnlichkeit seines 
Gesanges mit dem der Gartengrasmücke an manchen - Stellen unerkannt 
und unbeachtet bleiben. Allein für die Umgebung von Münster, vielleicht 
für das ganze Münsterland möchte ich das gänzliche Fehlen dieser Gras- 
inücke verbürgen. Zunächst nämlich müsste dann doch ein Gartengras- 
mückengesang aus einem Dorngestrüpp auffallen und würde zur genaueren 
Beobachtung veranlasst haben; und ferner lebt unsere Art nicht gerade 
immer verborgen, das Männchen macht sich sogar durch einen Balzflug 
bemerklich, und im Fluge ist sie kaum zu verkennen. Wenn sie vor dem 
Beschauer niedrig von einem Gestrüpp zum andern fliegt, so ist auch ihre 
dann mehlgrau erscheinende Färbung auffällig genug. Ich habe sie nur 
diesseits der Elbe angetroffen. Hier bei Neustadt kenne ich sie nur an 
einer Stelle, wo (Eichwerder) ein hoher steiler, stellenweise senkrecht 
ausgestürzter Abhang mit niedrigem undurchdringlichem Gebüsch von 
Schwarz- und Weissdorn, Hainbuche, Hasel u. a. dicht besetzt ist. Sie 
brütet dort in mehren Paaren mit dem feindlichen rothrückigen Würger, 
der Dorngrasmücke und am Rande auch dem Goldammer zusammen. Sie 
erscheint erst mit Ausgang April und verlässt uns im Laufe des August. 
Ihre Wohnplätze sind stets ähnlich dem beschriebenen, besonders wählt 


Die Gartengrasmücke, 187 


sie solche Dickungen, namentlich von Dorngestrüpp, welche unmittelbar 
an den Wald stossen. Bewachsenes sumpfiges Terrain vermeidet sie ebenso 
wie den eigentlichen Wald und besonders die Waldesmitte. Sie nährt 
sich und füttert auch die Jungen mit allerhand, jedoch wirthschaftlich 
wohl nur indifferenten Inseeten; im Herbst lebt sie von mancherlei weichen 
Beeren. Das Nest steht niedrig im Gestrüpp, vorzugsweise Dornen; die 
Eier sind auf hell aschgelblichem Grunde mit meist sehr verloschenen, 
nur am stumpfen Ende stehengen, selten sich scharf und lebhaft abheben- 
den, aschgrauen Flecken versehen. 


6. Die Gartengrasmücke. 
Sylvia hortensis Bechst. 

Wenig kleiner als die Sperbergrasmücke; Oberseite schwach oliven- 
grau, unten schmutzig weiss mit gleichfalls einem schwachen Stich in’s 
Olivengelbliche; die kurzen Füsse licht schieferblau. — Auch diese höchst 
einfach gefärbte Grasmücke bewohnt den grössten Theil Europa’s und ist 
in Deutschland überall bekannt, an manchen Orten recht häufig, obgleich 
selten eigentlich in grosser Anzahl vorhanden. Ich habe sie in West- 
wie in Ostnorddeutschland häufig, doch kaum irgendwo so häufig ange- 
troffen, als stellenweise hier bei Neustadt. Sie erscheint erst, wenn be- 
reits die meisten Laubhölzer im ersten Maigrün prangen, gewöhnlich S 
bis 14 Tage später als die Nachtigall, und schlägt dort ihr Standquartier 
auf, wo zwischen niederem Holzaufschlag und Wurzelbrut, Brombeerbüschen 
und anderem Krautgeschlinge einzelne höhere Bäume, am liebsten junge, 
mittelwüchsige Bäume stehen. Im Münsterlande findet sie besonders 
dichte Wallhecken sehr einladend, hier frische, vor etwa 3 bis 5 Jahren 
theilweise abgetriebene Flächen am Rande von älteren Beständen. Gärten, 
wenn sie dem angegebenen Charakter entsprechen, Beete mit dichtem 
Staudengewächs, höheres Lustgebüsch und stärkere Obstbäume ent- 
halten, werden von ihr zugleich mit dem Spottvogel gern bezogen. 
Parks und englische Anlagen entsprechen deshalb gleichfalls ihrem Ge- 
schmacke. Sie will niedrige Verstecke und zugleich höhere Bäume, auf 
denen sie nach Insecten umhersuchen und ihren lieblichen Gesang fleissig 
erschallen lassen kann. Im Gesange stimmt sie, wie bei der Sperbergras- 
mücke erwähnt, mit dieser fast völlig überein, zeigt darin aber auch eine 
grosse Verwandtschaft mit der schwarzköpfigen Grasmücke, übertrifft sogar 
die letztere in Länge der vorgetragenen Strophe, sowie in der Kürze der 
Zwischenpausen zwischen den einzelnen Strophen. Jedoch steht sie dem 
Schwarzkopf an Glockenreinheit und Klarheit des Tones wesentlich nach, 
und dieser Toncharakter entscheidet in etwa zweifelhaften Fällen sofort 
über die Spezies des Sängers. Im Uebrigen macht sich die Gartengras- 


183 Sperlingsartige Vögel. 


mücke nicht sehr bemerklich, obschon sie unaufhörlich ihrer und ihrer 
Jungen Inseetennahrung nachgeht. Das Nest steht niedrig, etwa 1 Meter 
hoch, an den Stellen, die vorhin als ihre Sommerheimath angegeben sind. 
Es ist so wenig dicht gebaut, dass man stets von unten her die Eier 
durch den Boden sehen und zählen kann; auch steht es fast nie sehr 
ängstlich verborgen, doch gern in einer dicken Hecke, einem Brombeer- 
strauche, sogar im Wachholder. Die Eier zeigen auf hellem, schwach 
olivenfarbenem Grunde weitständige olivenhraune, zuweilen heller umran- 
dete, oft in kurze Schnörkel ausgezogene Flecken. Sie nähern sich zu- 
weilen bis zur Ununterscheidbarkeit denen der schwarzköpfigen Grasmücke 
und variiren auch etwas in dem hellen Grundtone, der wohl einen Stich 
in’s Röthliche oder Violette annimmt. Gegen den Herbst wird die Garten- 
grasmücke ein so arger Beerenfresser als keine andere Sylvie; aus den 
Kirschbäumen und Hollundersträuchern ist sie kaum zu verscheuchen. 
Anfangs September verlässt sie uns allmälig. — Im Garten ist ihr Wirken 
gegen die Obstbaum- und andere Raupen und Insecten anzuerkennen; die 
Kirschennäscherei wird manchmal, wenn Alt und Jung dort beständig 
hausen, höchst unangenehm; dem Walde kann sie nur geringe wirthschaft- 
liche Dienste leisten; desto willkommener aber muss sie uns als eben so 
geachteter wie fleissiger Sänger sein. 


7. Die schwarzköpfige Grasmücke. 
Sylvia atricapilla Lath. 

Aehnlich der vorigen, oben olivengrau, beim Männchen reiner grau, 
unten weisslich; Männchen mit tiefschwarzem, Weibchen und Junge mit 
braunem Scheitel. In seltenen Fällen behält auch der Oberkopf des alten 
Männchens die braune Jugendfärbung, und man sah sich veranlasst, diese 
Abnormität zu einer eigenen Art zu erheben, Sylvia ruficapilla Naum. 
Zupft man einem jungen noch nicht vermauserten Männchen die (braunen) 
Scheitelfedern aus, so sprossen alsbald neue und zwar wieder braune her- 
vor und so gleichfalls bei den folgenden Mausern. Der Vogel bleibt braun- 
scheitelig, Im Süden, etwa Kleinasien, Nordafrika soll diese Färbung 
häufiger vorkommen. Ja es giebt auch einzelne schwarzköpfige Weibchen, 
Unser Schwarzkopf (Plattmönch, Mönch, Schwarzplättchen) verbreitet sich 
überhaupt sehr weit zum Süden hin und ändert da auch anderweitig wohl 
etwas in der Färbung. So war bei zwei Exemplaren aus Abyssinien und 
Coimbra der Oliventon des Rückens stärker als bei den unsrigen; eins 
vom Oapverdischen Eiland St. Nicolaus hatte eine lehmgelbliche, anstatt 
der weissgrauen Kehle. Auf Cap Verd kommt unser Vogel überhaupt 
häufig und zwar als Standvogel vor, der im November, December und 
Januar dort brütet. Bei uns ist er ein ebenso entschiedener Zugvogel als 


Die Dorngrasmücke. 189 


die übrigen Grasmücken. Er pflegt von Mitte bis Ende April hier ein- 
zutreffen. In seinem Aufenthaltsorte stimmt er, wie in so mancher anderen 
Hinsicht sehr mit der Gartengrasmücke. Er treibt sich jedoch mehr in 
höheren Bäumen, namentlich Eichen umher, von einem Baume zum anderen 
seiner Nahrung wegen fliegend. Sein höchst sonorer Gesang, den er 
gleichfalls sehr gern von einem hohen Baume herab erschallen lässt, ist 
vorhin bereits erwähnt. Mehr als irgend ein anderer Vogel singt er beim 
und unmittelbar nach dem Regen; man könnte ihn unter den Singvögeln 
den Regenvogel nennen. Im niederen Gebüsch hält er sich dagegen weniger 
gern auf, obgleich sein Nest stets niedrig steht, — etwa in Brombeer- 
ranken, einem Stachelbeerstrauche, einer Hecke, Wurzelbrut, sonstigem 
Strauchwerk, besonders in mit Geisblatt umrankten Haseln. Es ist etwas besser 
gebaut als das von hortensis und stets dunkler, von innen gern mit Pferde- 
haaren ausgefüttert. Vom Neste fliegt das Männchen meist direct auf einen 
Baum, um sofort seine helle silberne Stophe in aller Eilfertigkeit vorzu- 
tragen. Die Eier sind, wie bereits gesagt, denen der hortensis ähnlich, 
in der Regel jedoch weit dunkler, wohl olivenbräunlich grundirt, so dass 
sich die Flecken bez. kurzen Schnörkel weniger scharf vom Grunde ab- 
heben, die matteren sogar verschwimmen, so dass das Ei eher wolkig als 
fleckig genannt werden muss. Eine nicht seltene Varietät ist der Erythris- 
mus; statt des olivenfarbenen Tones tritt ein gesättigter, gedämpft röth- 
licher Ton auf. Die Jungen werden viel mit Fliegen gefüttert, doch auch 
mit kleinen nackten Raupen. Fliegen zieht der Plattmönch auch in der 
Gefangenschaft den Mehlwürmern weit vor und kommt am leichtesten 
durch sie ans Fressen. Die Jungen schlüpfen schon gut halbwüchsig 
(wie übrigens auch bei hortensis) aus dem Neste; ihre Federn wachsen 
auffallend rasch. Sie sitzen der Reihe nach auf einem Zweige und gehen 
auch des Nachts nicht wieder in’s Nest zurück. Durch seine Insecten- 
nahrung wird auch er, wie hortensis, dem Obstzüchter, kaum dem Forst- 
manne nützlich. Doch verzehrt er gleichfalls gegen Herbst fast ausschliess- 
lich saftige Beeren mit Einschluss der Kirschen. Vom September an ver- 
lässt uns dieser liebliche Vogel, gegen Mitte October sind auch die letzten, 
vielleicht Junge der zweiten Brut, verschwunden. 


8. Die Dorngrasmücke. 
Sylvia cinerea Lath. 


Die schlankste aller Grasmücken, etwas schwächer als die vorige; 
Oberseite wegen der breiten rostrothen Ränder der hinteren Schwingen 
und oberen Flügeldecken lebhaft gefärbt; Unterseite zart weisslich, bei 
frischem Gefieder sogar schwach rosa; Innenfahne der äussersten Steuer- 
federn mit langem weissem Keilfleck, der nächst folgenden, zuweilen auch 


190 Sperlingsartige Vögel. 


noch der dritten mit kleinem Endfleck. — Das Vaterland der Dorngras- 
mücke ist das mittlere Europa; im Süden scheint sie durch die kleinere 
conspieillata vertreten zu sein. Exeniplare aus der Umgegend von Coimbra, 
Rom und Smyrna vom October waren wohl Gäste aus nördlicheren Ge- 
genden. In unserem nördlichen Deutschland ist sie dort, wo es an frei- 
liegendem Gestrüpp, namentlich Dornen, Weiss- und Schwarzdorn, nicht 
fehlt, überall ein sehr häufiger Vogel, den man in dem von Wallhecken 
durchzogenen Münsterland wohl als den gemeinsten von allen bezeichnen 
kann. Er langt bei uns kurz nach Mitte April bis Anfang Mai an und 
macht sich sofort durch sein höchst bewegliches Wesen, wie durch seine 
muntere Strophe, die er nicht eilig genug vortragen zu können scheint, 
sofort bemerklich. Jedoch hat man ihn nur niedrig zu suchen, und er 
würde in dem wirren Durcheinander auf Flächen, die von Stockaufschlag, 
Wurzelbrut, Weiss- und Schwarzdorn gefüllt sind, nicht leicht zu ent- 
decken sein, wenn er nicht, gleichsam um in der nächsten Umgebung 
Umschau zu halten, sich ab und zu auf Augenblicke auf einen Zweig 
am äussersten Rande eines Busches setzte. Solches Gestrüpp durchschlüpft 
er, sowohl stumm, als singend, mit grösster Beweglichkeit. Jedoch ver- 
bindet das Männchen mit seinem Gesange auch häufig einen eigenthüm- 
liehen Balzflug, in dem es etwa 6—7 Meter tänzelnd emporsteigt, oben 
mit wenigen Flügelschlägen tänzelnd schwebt und nun sich ähnlich wieder, 
und zwar öfters auf eine höhere Stelle herablässt, hier sein Allegroliedcehen 
vollendet und dann jn dem niederen Gezweig sich verliert. Einzelne 
höhere Bäume in ihrem Reviere hat die Dorngrasmücke gern, obschon 
sie sich wohl nur selten in die oberen Zweige derselben hineinwagt; aber 
eine eigentliche Ueberschirmung ist ihr zuwider. Wir finden sie deshalb 
am meisten in freiliegenden Hecken, freiliegendem Gestrüpp und in Wäl- 
dern nur auf grösseren, sehr licht gestellten Flächen. Ein eigentlicher 
Waldvogel ist sie noch weniger als die übrigen Arten. Sogar in Gärten, 
Anlagen, Parks, die von der Garten- und Mönchsgrasmücke gern bewohnt 
werden, treffen wir sie kaum an. Dem jungen wie alten Hochwald ist 
sie Feind, auch flieht sie das Nadelholz, obgleich ihr Nest wohl mal in 
einem Wachholderbusche steht. Dieses dürfen wir nur niedrig, etwa 
0,5 Meter hoch suchen. Wo in allerhand Aufschlag einzelne Weissdorn- 
büsche vorkommen, bilden diese regelmässig den Standort; sehr gern 
nimmt der Vogel dazu auch die Schlehensträuche, doch verschmäht er 
eigentlich keine einzige Laubholzart an solchen Stellen, wenn sie nur ein 
dichtes Gewirr bilden; sogar Nesseln verschmäht er nicht. Seine gesättigt 
graugrün grundirten Eier tragen bald stärkere, bald schwächere dunkle 
Punkte desselben Farbtones, in der Regel stark als Kranz am .tumpfen 
Ende gehäuft. Auch von dieser Art kommen zuweilen Gelege von Ery- 


Die Zaungrasmücke. 191 


thrismen vor. Diese zeigen und zwar in verschiedenem Grade statt jenes 
schmutzig grünen einen lehmröthlichen Ton. Seine Nahrung ist die der 
übrigen Grasmücken, doch verzehrt er gegen Herbst weit weniger Beeren 
als siee Man sieht ihn z. B. in einem Kirschbaume nur sehr selten 
schmausen. Auf seinen Brutstellen nutzt er durch Vertilgen einer grossen 
Menge Inseeten nur wenig, denn das dort vorkommende Heer ist forst- 
lich durchaus indifferent. Wo aber Eichenheister oder jüngere Eichen in 
oder hart an seinem Reviere stehen, säubert er diese wenigstens in den 
niederen Partieen von allen nackten Räupchen. Stundenlang sieht man 
ihn dort mit dem Abpieken von solchen und mit seiner hastig abgeleierten 
Strophe ununterbrochen abwechseln. Während der Brutzeit (er macht 
jährlich 2 Gehecke) entfernt sich dieser Vogel aber von seiner Brutstelle 
nur sehr wenig. Später durchstreift er die Gegend und wir finden ihn 
dann namentlich zablreich an mit Weiden u. dergl. bewachsenen Fluss- 
ufern, überhaupt gern an niedrigen Plätzen. Im August beginnt schon 
dieses Umherstreichen; die letzten, wahrscheinlich Junge der zweiten Brut, 
verlassen uns erst im October. 


9. Die Zaungrasmücke. 
Sylvia eurruca Lath. 

Unsere kleinste Grasmückenspezies; Oberseite aschgrau, an den Wangen 
dunkler, auf dem Rücken ein schwacher Stich in’s Bräunliche; Unterseite 
weiss; äusserste Schwanzfeder mit weisser Aussenfahne und einem grossen 
weissen Keilfleck auf der Innenfahne; auch die zweite zeigt noch einen 
hellen Fleck. — Die Zaungrasmücke (Müllerchen, Klappergrasmücke) be- 
wohnt mit den übrigen Spezies das mittlere Europa und ist in Deutsch- 
land allenthalben zu Hause. Ihr Aufenthalt unterscheidet sich nicht sehr 
von dem der übrigen Arten. Sie liebt niedrigen Holzwuchs, unter Aus- 
schluss des Nadelholzes, Gestrüpp, rauhe Hecken, zumal wenn sich dort 
Dornen, besonders Weissdorn, befinden. Im Münsterlande findet sie solche 
Öertlichkeiten in den zahlreichen Wallhecken überall und ist daher ziem- 
lich gleichmässig über die ganze Gegend verbreitet. Im eigentlichen Walde 
kommt sie kaum, im geschlossenen Hochwaldsbestande nie vor. Kleine 
Feldhölzer, möglichst unregelmässig bewirthschaftet mit anstossenden Hecken, 
dicht bewachsenen Gräben an Waldrändern bilden ihren bevorzugten Aufent- 
haltsort. Aehnliche Lieblingsplätze bieten ihr auch grössere, nicht sehr 
kunstgerecht behandelte Gärten, zumal wenn sich statt des fehlenden 
Weissdorn Stachelbeersträucher in der Nähe von Haselgebüsch, hier und 
da ein alter Obstbaum, besonders Pflaumenbaum, vorfinden. Sie lebt fast 
stets niedrig und über 3—D Meter sieht man sie in den Bäumen nur 
ausnahmsweise. In lebhafter, rühriger Thätigkeit gleicht sie den übrigen 


192 Sperlingsartige Vögel. 


Grasmücken. Sie erscheint bei uns kurz vor Mitte April, doch kommen 
bis in den Mai hinein noch fortwährend einzelne Individuen an. Das 
Männchen verkündet sein Eintreffen sofort durch seinen unter allen Vogel- 
stimmen auffälligen Gesang, dessen Strophe aus zwei Theilen besteht, 
einem, dem Gesange der cinerea im Charakter sehr ähnlichen, aber recht 
leise, selten laut, vorgetragenen Gesang, den sie im vollen Durchschlüpfen 
ihres Pflanzengewirrs hören lässt, und einem merkwürdigen Schluss, der 
wie „Kleckeckleckleckleckleck” („Klappergrasmücke”) lautet. In einiger 
Entfernung hört man nur dieses im Sitzen vorgetragene, schnell gesprochene 
„Kleck”. An den beschriebenen Oertlichkeiten steht auch ihr schlecht ge- 
bautes Nest, nur durch die geringere Grösse von denen der übrigen Arten zu 
unterscheiden, und zwar häufig in einem Weissdornstrauche. Jedoch ist 
sie in dieser wie jeder anderen Hinsicht weniger an Dornen gebunden als 
die Dorngrasmücke. Im Walde findet man es selten, sondern fast stets 
am Waldrande, häufig auch an verwachsenen Grabenabhängen in den vor- 
hin bezeichneten Gärten. Die Eier tragen auf sehr hellem Grunde ein- 
zelne grössere, zuweilen in kurze Schnörkel ausgezogene, am stumpfen 
Ende oft kranzartig gehäufte braune Flecken und aschfarbene Schalen- 
flecken. Sie haben mit denen der hortensis die meiste Aehnlichkeit, sind 
jedoch selbstredend weit kleiner. Dort, wo die Cultur ihr im Freien ihre 
Lieblingsplätze sehr eingeschränkt hat, ist sie regelmässige Bewohnerin 
der Bauerngärten, kommt sogar in Dörfern und Städten vor. Ihre Nah- 
rung wird sich kaum von der der übrigen Arten wesentlich unterscheiden, 
und macht sie in den Gärten zu einem willkommenen Vertilger kleiner 
nackter Obstbaum- und Strauchräupchen. Ob sie die Raupen der Stachel- 
beerblattwespen verzehrt, ist mir unbekannt. Auch sie geht im Herbst 
gern an süsse Kirschen und an mancherlei weiche saftige Beeren. Dann 
streift sie in der ganzen Gegend dort umher, wo es rauhe Hecken, dichtes 
Gebüsch mit einzelnen Bäumen giebt, revidirt in den Gärten zum Ab- 
schied nochmals die Obstbäume, um uns dann bis zum nächsten April 
oder Mai Lebewohl zu sagen. Forstliche Wichtigkeit kann für diese 
Art ebenso wenig behauptet werden, als für eine andere. 


Goldhähnchen, Regulus. 


Schnabel kürzer als der Kopf, gerade, dünn, spitz, mit kantiger First, 
an der Wurzel mehr hoch als breit, Ränder eingebogen; Nasenlöcher je 
mit einer einzigen sperrig getheilten Feder bedeckt; Flügel mittellang, 
Läufe gestiefelt. — Die Goldhähnchen gehören zu den kleinsten Vögeln, 
und die inländischen Arten sind geradezu die allerkleinsten unter den 


einheimischen Vögeln. Ihr langes, reiches, zerschlissenes Gefieder, sowie 


Das gelbköpfige Goldhähnchen. 193 


Manches in ihrem Betragen lässt eine Aehnlichkeit mit den Meisen nicht 
verkennen, wogegen andere Eigenschaften sie den Laubsängern nähern. 
Wie diese, sind auch sie grünlich oder grünlich grau, unten schmutzig 
grünweisslich gefärbt. Eine Art, Regulus modestus Gould (supereiliosus 
@Gm.), die sich durch stets grünen Scheitel, einen sehr hellen Augenstreif 
und zwei dergleichen Flügelbinden von unseren anderen Arten unter- 
scheidet, aus Centralasien, doch bereits wiederholt in Deutschland vorge- 
kommen, ist auch nach ihrer Schnabelbeschaffenheit eher Laubvogel als 
Goldhähnchen und als solcher, doch auch wohl als Repräsentant einer 
besonderen Gattung, systematisch aufgeführt. Von den eigentlichen Gold- 
hähnchen kennt man nur 3 Arten, ausser unseren beiden einheimischen 
noch eine nordamerikanische, satrapa Licht. Einen ausserordentlichen 
Schmuck, dessen jedoch die Jungen vor der ersten Mauser entbehren, 
bildet die gelbe, orange bis feuerrothe, seitlich mit längeren schwarzen 
Federn eingefasste Scheitelmitte, die ihnen ihre deutsche Benennung ver- 
schafit hat. Es sind sehr bewegliche Waldvögel, die fast ausschliesslich 
dem Nadelholzwalde angehören, dort meist in beträchtlicher Höhe an den 
äussersten Zweigen ein sehr künstliches, fast kugeliges Moosnestchen bauen, 
und vom Herbst bis zum Frühlinge meisenartig umherstreichen. Sie nähren 
sich von kleinen Insecten und sind forstlich als sehr nützliche Vögel an- 
zusehen. 


I. Das gelbköpfige Goldhähnchen. 


Regulus eristatus Koch. 

Kopfseiten einfarbig grünlichgrau; das alte Männchen mit orangegelber 
Scheitelmitte, die beiderseits zunächst schwefelgelb und dann schwarz be- 
grenzt ist; das alte Weibchen dort nur schwefelgelb mit schwarzer Be- 
grenzung. — Das gelbköpfige Goldhähnchen (Hlavicapillus Naum.) scheint 
zumeist Mittel- und Nordeuropa in den Nadel-, vorzugsweise Kiefernwäldern 
zu bewohnen. Jedoch habe ich auch ganz gleiche Stücke aus Sieilien, 
sehr ähnliche (aschfarbene Kopfseiten und Nacken; doch Weibehen auch 
grüne Hinterkopfseiten) aus Japan, sogar mehre aus der Umgegend von 
Newyork (starke schwarze Scheiteleinfassung) gesehen. Sollten diese, woran 
ich kaum zweifle, zu derselben Art gehören, dann hätte dieselbe eine ungemein 
weite Verbreitung. Bei uns brütet es nur in Kiefern, vielleicht überall, 
doch keineswegs häufig. Dagegen stellt es sich im Spätherbst in Menge 
bei uns ein, belebt den ganzen Winter bis zum Frühlinge unsere Kiefern- 
wälder und findet sich auf seinen Wanderungen und Streifereien auch gar 
häufig im Laubholze, namentlich in Hecken und dann sehr niedrig, sonst 
aber, besonders bei windstillem Wetter, gern in den Gipfeln der höchsten 
Kiefern. Es durchschlüpft eifrigst die Zweige, um kleine Insecten zu er- 

Altum, Die Vögel, 13 


194 Sperlingsartige Vögel. 


spähen, und unterscheidet sich dadurch, sowie durch sein schwebendes 
momentanes Flattern vor der Spitze eines Zweiges, wie man das sehr 
häufig oben in den Kieferkronen sieht, wesentlich von dem Betragen der 
Meisen. Fortwährend lässt es seine zarte Lockstimme „Sit” hören, die 
sich trillernd wohl zu einem schwer zu beschreibenden Gesange steigert. 
Sein Nest steht, insofern ich nach den beobachteten Brutvögeln urtheilen 
kann, hoch, da ich diese nur im alten Kiefernhochwalde angetroffen habe. 
Es hängt fast an der äussersten Spitze eines Zweiges, ist ziemlich kugelig 
gebaut, von aussen mit Moos versehen und völlig so künstlich als das 
Buchfinkennest. Seine 6—10 Eier sind schmutzig gelblich, fast ohne 
Zeichnung oder mit kaum kenntlicher Wässerung. Öbschon ich über seine 
Nahrung nichts Spezielles anzugeben im Stande bin, so bin ich doch der 
festen Ueberzeugung, dass die zahlreichen Individuen, welche hoch oben 
in den Baumkronen fortwährend mit dem Ablesen ihrer Nahrung beschäftigt 
sind, sehr nützlich wirken, denn sie verzehren nur Insecten, Eier, kleine 
Räupchen. Doch hat man auch wohl mal das eine oder andere Samen- 
korn der Kiefer in ihrem Magen gefunden. 


2. Das feuerköpfige Goldhähnchen. 


Regulus ignicapillus Brm. 

Kopfseiten aschgrau mit einem hellen Strich über dem Auge und 
emem schwarzen (bei den Jungen blos dunklen) durch dasselbe; Schultern 
grüngelb. Männchen wie Weibchen mit orangefarbener Scheitelmitte, die 
jedoch beim letzteren heller ist. Diese der ersten sehr nahe verwandte 
Art geht nicht so hoch nach Norden hinauf. Sie brütet nach meinen Er- 
fahrungen bei uns weit häufiger als jene, jedoch nur in Fichten, selten 
auch in Weymouthskiefern. Wo in irgend einer Anlage einige starke 
Fichten zusammenstehen, findet sich z. B. im Münsterlande auch ein Brut- 
paar dieses Vogels. Sogar innerhalb der Stadt war eine Gruppe von noch 
schwachen Fichten von einem Paar besetzt, das am 28. Mai zum ersten, 
und am 17. Juli zum zweiten Male flügge Junge hatte. Wo "ich sonst 
in ganz Deutschland bis nach Oberbayern hinauf Fichtenwälder antraf, 
lebte stets auch dieses Goldhähnchen. In Kiefern habe ich es nie im 
Sommer beobachtet. Seine Streifereien beginnt es schon im August und 
es kommt erst zurück, wenn uns die erste Art bereits wieder verlassen 
hat. Man kann die erste Art das Winter-, und diese zweite das Sommer- 
goldhähnchen nennen. Auf seinem Zuge lebt es weit einzelner, ist über- 
haupt weit weniger zahlreich, Es besucht dann nicht so sehr die zu- 
sammenhängenden grossen Wälder, zieht wenigstens nicht in den tiefen 
Wäldern, sondern mehr an den Rändern. Man findet es in isolirten und 
lichten Baumgruppen, sowie in einzeln stehenden Bäumen. Sein Nest 


Rohrsänger. 195 


habe ich schon kaum 5 Meter hoch gefunden. Es ähnelt dem der anderen 
Art sehr. Sein Stand ist so angebracht, dass dieht benadelte Zweigspitzen 
es auch von oben bedecken. Seine Stimme, wie sein ganzes übriges Ver- 
halten ist dem des anderen ähnlich, in seinem Gesange erinnert es jedoch 
an den der Sylıa sibilatrie, obschon derselbe weit schwächer ist. Seine 
Eier sind blass röthlich gewässert. - Von den kleinen Thieren, die es ver- 
zehrt, bilden Blattläuse ein starkes Contingent. 


Rohrsänger, Calamoherpe. 


Körper sehr schlank; Kopf mit flacher, gestreckter schmaler Stirn, 
in welche der Schnabel ganz allmälig verläuft; Flügel kurz, nur bis kaum 
über die Basis des keilförmig gerundeten Schwanzes reichend, zweite und 
dritte grosse Handschwinge die längste; Füsse kräftig mit grossen scharfen 
Krallen. — Die Rohrsänger leben in fast 150 Arten auf der östlichen 
Halbkugel. Afrika hat die meisten ihm eigenthümlichen Spezies, gegen 0, 
aufzuweisen; auch beherbigt Asien mit Oceanien eine grosse Anzahl, es 
giebt sogar einige Arten, die nur in Australien leben; mehre südeuropäische 
kommen auch zugleich in Afrika, oder auch in Asien und Afrika vor. 
Was wir von Rohrsängern in unserer nördlichen Heimath besitzen, sind 
nur gleichsam die von dem Mittelpunkte ihres Vorkommens in die ge- 
mässigteren Klimate vorgeschobenen Posten. Jedoch werden wir uns 
einzig mit diesen befassen, und ist auch die vorstehende Diagnose insofern 
diesen angepasst, als manchen ausländischen Arten kein Keilschwanz zu- 
kommt. Sie leben am, sogar über dem Wasser, oder doch an feuchten Stellen, 
und zwar im Rohre oder Gebüsch, woselbst sie auch ihre meist sehr kunst- 
vollen Nester bauen. Ihre Nahrung suchen sie gleichfalls nur dort, und ver- 
mögen es zwischen den glatten Rohrstengeln behende umherzuhüpfen und an 
denselben, sowie an dünnen Weidenruthen u. dergl. auf- und abzuklettern. 
Ihr Flug ist schnurrend, ohne dass er jedoch rasch förderte, und fast 
stets in gerader Richtung ohne seitliche Schwenkungen, niedrig, kurz, 
fast nur von einer Rohrparzelle, bezüglich Gestrüpp, zur anderen; sogar 
nur etwas breitere Flüsse scheuen sie sich zu überfliegen. Sie breiten 
dabei den Schwanz, namentlich kurz vor dem Ziele weit aus. Nie sieht 
man sie hoch auf Bäumen umherhüpfen, nie auf starken Zweigen ver- 
weilen. Sie leben freilich einzig von Inseeten, werden uns jedoch in 
keiner Weise nützlich, beleben aber mit ihrem, allerdings bei manchen 
nichts weniger als lieblichen, sonoren Gesange den sonst tristen Aufent- 
haitsort. Alle sind stark ausgeprägte Zugvögel, die spät zu uns kommen 
und früh uns wieder verlassen. In Deutschland kommen regelmässig nur 


13* 


196 Sperlingsartige Vögel. 


sechs Arten vor, welche wir nach der Färbung ihrer Oberseite in’zwei 
Gruppen, in einfarbige und lerchenfleckige theilen können. 


a. Rohrsänger ohne Zeichnung. 


Die Rohrsänger ohne Zeichnung, die man auch als Rohrsänger im 
engeren Sinne bezeichnen kann, stehen sich in der Färbung noch näher 
als die Laubvögel. Statt des grünen Tones dieser sind sie oberhalb rost- 
grau, auf der Unterseite schmutzig weisslich mit gleichfalls einem schwachen 
Stich in’s Rostfarbene und haben über dem Auge einen hellen Strich. 
Alle Kleider sind gleich. Unsere drei Arten stehen sich auch in anderer 
Hinsicht, z. B. in Nestbau und Eiern nahe, doch weicht die eine im 
Aufenthaltsorte und Stimme wesentlich von den beiden andern ab. 


I. Der Drosselrohrsänger. 
Calamoherpe turdoides Mey. 

Als Diagnose kann für diesen kräftigen Vogel seine Grösse, der er 
auch seine Bennennung verdankt, gelten; denn er kommt hierin der Roth- 
drossel gleich. Es unterscheidet sich jedoch auch seine Schnabelform von 
der der beiden anderen, indem der Schnabel in der Gegend der Nasen- 
löcher seitlich zusammengedrückt und so hier mehr hoch als breit ist, 
während jene das Gegentheil zeigen. Fremde Arten, z. B. schwächere, 
kleinere, mit kürzeren Flügeln aus Japan, Celebes, Java, Ternate, Sumatra, 
die sonst unserem Zurdoides nahe stehen, können hier füglich unberück- 
sichtigt bleiben. — Der Drosselrohrsänger (Rohrdrossel, „Rohrsperling”) 
geht in Europa nicht hoch nach Norden hinauf, während er in dessen 
mittleren und südlichen Theilen ein freilich sehr bekannter, jedoch nur 
sporadisch auftretender Vogel ist. Auch in den Gegenden, die er zahl- 
reich bewohnt, sind seine Individuen durch die Eigenthümlichkeit seiner 
Wohnstätte selbstredend lokalisirt, denn er lebt und hauset nur an stillen 
und nicht zu kleinen Gewässern, die in bedeutender Ausdehnung vom 
Rohre (Phragmites communis) bedeckt sind, also an Landseen, grösseren 
Teichen, Stadt- und Festungsgräben, nicht aber an rasch fliessenden 
Flüssen. Und auch hier trifft man ihn nicht überall. Bis vor wenigen 
Jahren war er z. B. im Münsterland als Brutvogel unbekannt. Es traf 
allerdings an grossen Hausteichen wohl mal ein solcher, sich sofort sehr 
bemerklich machender Schreihals ein, aber nach einem oder anderen Tage 
war der Durchzügler wieder verschwunden. Seit 1862 aber blieb er bei 
Gravenhorst, und 1867 siedelten sich mehre Paare bei Rheine an, die trotz 
der Störung, die diese Aufmerksamkeit erregenden Neulinge erfuhren, 1868 


Der Drosselrohrsänger. 197 


wieder zurückkehrten und seitdem dort ständige Brutvögel sind. Im öst- 
lichen Norddeutschland dagegen habe ich ihn an passenden Stellen seit 
20 Jahren überall angetroffen. Hier bei Neustadt ist er an jedem See 
und grösseren Teiche, dessen Ufer reichlich mit dem gemeinen Rohre be- 
standen sind. Andere emporragende Wasserpflanzen, als Kolbenschilf, 
Kalmus u. dergl. ersetzen ihm das Rohr nie. Er scheint diese fast zu 
vermeiden. Sein ganzes Leben ist auf den Rohrwald angewiesen; jedoch, 
wenn an sehr seichten Stellen auch Weiden und Nachtschatten wachsen, 
so stört ihn das nicht. Ich habe sogar Nester gefunden, die eben so sehr 
durch Nachtschattenstengel als durch Rohrhalme gestützt waren. Das 
sehr hohe und sehr tiefnapfige Nest ist nämlich so um diese Halme, 4—6, 
geflochten, dass diese durch seine Wand der Länge nach hindurchragen und 
es so frei über dem Wasserspiegel schwebend tragen. Derbe, breite, trockene 
Grasblätter, Bastfasern, selten etwas Gespinnst, bilden das rauhe Aeussere 
des äusserst künstlichen und festen Baues, feinere Hälmchen das Innere, 
Die sehr gestreckten Eier tragen auf hellgrünem, grünlich blauem oder 
grünspanblauem Grunde viele, aber weitständige, nicht in einander ver- 
fliessende, derbe, dunkle Flecke von demselben Tone. Vor Ende Mai kann 
der Vogel, seiner bis dahin noch nicht gehörig erwachsenen Pflanzen wegen 
nicht zum Nestbau schreiten, obschon er bereits gegen 4 Wochen früher 
eingetroffen ist. Ja, er wird aus gleichem Grunde daun wohl gezwungen, 
seinen anfänglichen Aufenthalt in den Uferweiden und sonstigem Gebüsch 
zu nehmen. Wenn irgend ein Vogel, dann macht sich unser Drosselrohr- 
sänger an seinem Brutplatze durch seinen Gesang — man muss seine 
Schreierei doch Gesang nennen — bemerklich. Ein lautes „Karr, Karr, 
Dorre, Dorre, Kik, Kik, Kik, Kerr, Karr, Karr” und ähnlich, hört man 
den ganzen Tag von ihm, so dass er auf Hausteichen schliesslich lang- 
weilig und lästig wırd Im Freien höre ich ihn gern. Die Grösse der 
Fläche, die er beherrscht, lässt die Härte nicht so scharf hervortreten 
und mildert sehr die Stärke des Tones. Ja, man kann versucht werden, 
diesen Gesang in seiner Eigenthümlichkeit in diesen Rohrwäldern gerade 
passend zu finden. Der Schrei des Teichhuhnes, das bei ihm wohnt, hat 
genau denselben Charakter. Er singt übrigens, wie fast alle Rohrsänger, 
auch des Nachts; doch dann weit weniger energisch. Sein sonstiges Be- 
tragen ist ganz das der übrigen Gattungsverwandten. Er spielt stets im 
Rohr Verstecken, nur das singende Männchen exponirt sich den Blicken 
etwas mehr, Bei ruhigem Wetter zeigen die Bewegungen der einzelnen 
Rohrhalme seine Thätigkeit an. Mit staunenswerther Gewandtheit durch- 
schlüpft er diese senkrechten Halme oder klettert schrittweise an ihnen 
herauf und herab, um Donacien, Phryganeen und andere Wasserinsecten 
zu erhaschen. Ungern fliegt er von einer Rohrparzelle zur andern 


198 Sperlingsartige Vögel. 


und dann stets niedrig, schnurrend, in gerader Richtung. Im August bis 
in den September hinein verlässt uns dieser interessante Vogel wieder. 


2. Der Teichrohrsänger. 
Calamoherpe arundinacea Lath. 

Schon durch seine geringe (Grasmücken-) Grösse vom vorhergehen- 
den unterschieden; Schnabel in der Gegend der Nasenlöcher mehr breit 
als hoch, Zum Verwechseln ähnlich ist er dagegen mit der folgenden Art, 
dem Sumpfrohrsänger. Obschon ihn freilich oberhalb ein rostfarbiges Grau, 
was sich besonders vom Unterrücken abwärts, überhaupt ein rostfarbener 
Stich am ganzen Gefieder, der sich namentlich am Zügel und den unteren 
Schwanzdeckfedern bemerklich macht, vor dem Sumpfrohrsänger, dem 
dieser Rostton fehlt, unterscheidet, so hält es doch schwer, ihn ohne Ver- 
gleich sicher zu bestimmen. Denn abgesehen davon, dass dieser Ton nie. 
gesättigt auftritt, sind frisch vermauserte und alte abgetragene Kleider 
gerade in diesem Tone nicht wenig verschieden, und abgeblichene und 
verstaubte Cabinetstücke erst recht nicht zu unterscheiden. Der Mund- 
winkel ist orangeroth, beim Sumpfrohrsänger orangegelb; allein das ist 
gleichfalls nur eine geringe Differenz in gleichem Tone, die höchstens den 
frisch geschossenen Vogel bestimmen lässt. Die plastischen Unterschiede, 
so gering sie sein mögen, sind deshalb wichtiger. Es ist die Flügellänge 
(vom Bug bis zur Spitze) beim Teichrohrsänger = 63 Millimeter (zwischen 
58 und 65 schwankend), beim Sumpfrohrsänger = 67 Mm. (zwischen 
66 und 69 schwankend); der Abstand der Armschwingen von der Flügel- 
spitze bei zusammengelegtem Flügel beim Teichrohrsänger zwischen 15 
und 17 Mm., und beim Sumpfrohrsänger zwischen 19 und 21 Mm. Die 
kürzeren Flügel charakterisiren auch im Freien den Flug des Teichrohr- 
sängers dem der anderen Art gegenüber. Wer überhaupt die beiden Arten 
zu beobachten Gelegenheit hatte, wird sich trotz ihrer Aehnlichkeit in 
Färbung und Körperbau nie einer Verwechselung schuldig machen. Beide 
Arten sind in unseren Gegenden, wenn auch nicht gerade überall, häufig. 
Der Teichrohrsänger (Schilfrohrsänger) lebt mit dem Drosselrohrsänger an 
gleichen Stellen; jedoch begnügt er sich zum Unterschiede von diesem 
mit kleinlichen Verhältnissen. Er bedarf keiner so grossen Wasserfläche, 
und ist auch mit wenigem Rohr zufrieden, zumal wenn das Ufer noch 
mit Weiden und andern Holzpflanzen mit dünnen Ruthen bewachsen ist. 
So finden wir ihn an Stadtgräben, Hausteichen, Flussufern, die nur wenig 
mit Rohr garnirt sind, fast überall. Sehr lieb ist es ihm freilich, wenn 
irgend eine Bucht, Auslache, ein todter Winkel in grösserer Ausdehnung 
mit Rohr bestanden ist. Im Rohr stehen seine Nester genau so wie die 
des Drosselrohrsängers über dem blanken Wasserspiegel. An ihrer ge- 


Der Teichrohrsänger. 199 


ringeren Grösse und dem weit feineren Material sind sie sofort als die 
seinigen zu erkennen. Jedoch kann er auch alles Rohr entbehren. Es 
haben die einzelnen Paare ihre abgegrenzten Brutreviere, und so müssen 
manche, aus allen Rohrstellen verdrängt, endlich zu Weidenruthen und 
Lustgebüsch in Gärten, welches hart am Wasser steht, greifen. Wegen 
eines Mühlenbaues wurde vor mehren Jahren das Wasser der Werse 
(Nebenfluss der Ems) auf eine bedeutende, an Rohrsängern reiche Strecke 
abgelassen. Das dadurch leicht zugängliche Rohr wurde geschnitten; die 
Rohrsänger aber bauten zum Theil jetzt in Holzpflanzen. An diese Ab- 
weichung von ihrer normalen Lebensweise können sie sich gewöhnen und 
dieselbe auch dann einhalten, wenn kein zwingender Grund vorhanden zu 
sein scheint. Mıtten in Münster lebten vor einigen Jahren mehre Teich- 
rohrsängerpaare dort, wo die Aa, ohne auch nur einen einzigen Rohrhalm 
am Ufer, durch grössere Gärten floss. Die Rohrsänger waren wahre Garten- 
vögel und bauten in Syringen, Schneebeersträucher und, wenn ich nicht 
irre, auch in Spiräen und Schneeball, jedoch stets hart am Ufer. Man 
hat die Individuen dieser Spezies zum Theil nach ihrem Aufenthaltsorte 
(die Benennungen scheinen das wenigstens anzudeuten) in eine Anzahl 
von verschiedenen Arten oder Unterarten zu theilen versucht und so „Cal. 
arundinacea, alnorum, arbustorum, salicaria, pinetorum, hydrophilus, 
piseinarum” u. a. aufgestellt. Ich selbst habe nur eine einzige Art, die 
sich zuweilen den veränderten Umständen zu accommodiren veranlasst 
sieht, erkennen können. — In seinem Betragen ist der Teichrohrsänger 
ein sehr beweglicher Vogel, und das vom Drosselrohrsänger Gesagte passt 
auch auf ihn. In seinem Gesange, der gleichfalls mehr interessant als 
wohllautend ist, spielt das Absetzen der einzelnen Silben, sowie das Vor- 
wiegen des R gleichfalls eine Hauptrolle. Die Vokale lauten auf i, ä 
oder e, und jede Silbe beginnt mit einem scharfen Consonanten, was dem 
ganzen eine Härte verleiht, die jeden Rohrsängergesang charakterisirt. 
Doch zirpt er mehr, wogegen der Drosselrohrsänger schreit. Sein „Tiri, 
tiri, tirr, tärr, tärr, zritt, zritt, zritt, zrätt, zrätt, tirr, tirr” u. s. w. hört 
man an seinem Brutplatze beständig. Der Sänger hüpft dabei fortwährend 
in den Rohrstengeln umher. Auch er hält sich nicht blos in ausgedehnten 
Rohrflächen, sondern auch in kleineren Partieen sehr versteckt. Aus 
dichtem Rohr ihn mit Gewalt, etwa durch Steinwürfe, Schlagen mit Stan- 
gen, einen Hund, zu verscheuchen, gelingt nur selten. Verborgenes und 
ruhiges Ansitzen ist für den Beobachter oder Schützen das einzige zum 
Ziele führende Mittel. Seine Eier tragen auf hellgrünlichem Grunde sehr 
viele dichtständige grüne Flecken. Er lebt wie jene grosse Art von Wasser- 
insecten und ist wirthschaftlich ohne irgend eine Bedeutung. (regen Ende 
August beginnt er, aus unserer Gegend zu verschwinden. 


200 Sperlingsartige Vögel. 


3. Der Sumpfrohrsänger. 
Calamoherpe palustris Bechst. 

Die Kennzeichen dieser mehr olivengrauen als rostgrauen Art wurden 
vorhin beim Teichrohrsänger bereits gegeben. Der Mangel des rostfarbenen 
Anfluges bei ihm macht sich am deutlichsten auf dem Bürzel, oberen wie 
unteren Schwanzdeckfedern, sowie in der Zügelgegend bemerklich. — In 
seinem Aufenthaltsorte und Betragen, in Stimme, Nestbau, Neststand und 
Eiern beweist er sich als unzweifelhaft selbstständige Art. Ich habe Ge- 
legenheit gehabt, diesen in der Umgebung von Münster häufigen Vogel 
eine lange Reihe ven Jahren hindurch nach Lust und Liebe zu beob- 
achten. Hier bei Neustadt scheint er gänzlich zu fehlen. Wenn er gleich 
auch sehr verborgen lebt, so ist sein wundervoller Gesang so charakte- 
ristisch und dabei so laut und interessant, dass er hier schwerlich würde 
uubeachtet geblieben sein. Doch auch in einiger Entfernung von Münster 
kommt er an vielen Orten als Brutvogel sicher nicht vor. Er scheint 
somit sporadisch aufzutreten. Es wird nicht viele Gegenden geben, in 
denen er, wie etwa in der Umgebung von Münster, bei Paderborn und 
im Holsteinschen zu den gemeinen Vögeln zählt. Er bewohnt nur Niede- 
rungen, feuchten, frischen, nicht armen, mageren Boden. Er wählt sich 
im Münsterlande dichte Wallhecken, dort, wo irgend ein feuchter Graben, 
oder ein kleiner Sumpf, eine Wassergrube (Viehträuke) in der Nähe ist, 
zumal wenn Viehweiden, Wiesen, Roggen- oder Rapsfelder, auch Weizen- 
felder unmittelbar an diese Hecken stossen. Letztere dürfen nicht allzu- 
hoch sein, die Höhe von etwa 4 Meter nicht überschreiten. Er vermeidet 
ferner die eigentlichen Dornhecken, ja alle Stellen, in denen Dornbüsche 
und Brombeerranken sich bemerklich machen. Brennnesseln, Rohrgräser, 
Senecio und ähnlich hohe Krautpflanzen an den Heckenrändern oder in 
der Hecke selbst sind ihm sehr willkommen. Auch zieht er Hecken mit 
nur jungem Holze dem alten oder gar knorrigen Holze weit vor. An 
solchen Stellen schlägt er sein Standquartier auf, verweilt aber sehr viel 
auch im Freien. Er fliegt fortwährend von der Hecke in’s Korn und vom 
Korn in die Hecke. Hier wie dort verweilt er oft recht lange, nament- 
lich nimmt er sich vollauf Zeit, im dichten Getreide seinen Gesang mit 
Musse zu produeiren. Im Fortstreichen erscheint sein Unterrücken dunkler 
als der der Gartengrasmücke, die ihm in der Färbung sonst wohl am 
nächsten steht. Sein Flug ist gewandter und schneller als der des Teich- 
rohrsängers. Die Getreidehalme scheinen ihm die Rohrhalme seiner Gat- 
tungsverwandten zu ersetzen, auch die von ihm erwählten Heckentheile 
sind so beschaffen, dass sie ihn in scharfen Gegensatz zu den dornliebenden 
(Grasmücken setzen. Ausserordentlich gern lebt er auch in Rapsfeldern, 
in denen man ihn schon aus grösserer Entfernung beobachten kann. Ja, 


Der Sumpfrohrsänger. 201 


wenn auf einem brachliegenden Acker zwischen Aufschlag von Klee, Gräsern 
und anderen niedern Kräutern einige grössere, etwa Sauerampfer, hervor- 
ragen, fliegt er wohl mal auf diese, aber nur auf kurze Zeit. Er lebt 
stets niedrig; auch in den Hecken steigt er selten über Getreidehalmhöhe. 
An seinen Lieblingsörtlichkeiten scheinen sich seine Individuen zu concen- 
triren; die Brutreviere verengen sich da bis auf etwa 100 Schritt Aus- 
dehnung. Einer meiner Freunde zu Paderborn fand am Almeufer zwi- 
schen Weiden, Brennnesseln u. dergl. auf 400 Schritt sogar sieben belegte 
Nester, ein achtes stand noch in einem gegenüberliegenden Busche. So 
zahlreich und gedrängt ist er mir freilich bei Münster nirgends aufge- 
stossen. Bei Münster kommt er Anfangs Mai, singt aber noch nicht so- 
gleich, sondern erst nach einigen Tagen. Es ist schwer möglich, seinen 
Gesang zu beschreiben. Derselbe ähnelt am meisten dem des Gartenlaub- 
vogels (Spottvogels, Sprachmeisters). Wenn ich diesen oben als energisch, 
sogar als fast frech bezeichnete, so ist der Charakter des Sumpfrohrsänger- 
gesanges durchaus lieblich und zart, jedoch kräftig und fest, klangvoll und 
sonor; allein weniger metallisch als der des Plattmönchs. Trotz dieser 
Eigenschaften, die ihn unvergleichlich hoch über das Gezirpe und Ge- 
schetter der beiden anderen Rohrsänger, arundinacea und turdoides, er- 
heben, erkennt man doch sofort darin den Rohrsänger. Das „Terr, zerr, 
zirr, tiri, tirr” wird bald so bald anders eingewoben. Das Gros der Haupt- 
musik ist ein Quotlibet aus einem Dutzend und mehr Vogelgesängen und 
Stimmen. Kraus und bunt folgen die Bruchstücke der Gesänge und die 
Rufe durcheinander von Singdrossel, Gartengrasmücke, Rauchschwalbe, 
Wachtel, gelber und weisser Bachstelze, Kohlmeise, Haus- und Feldsperling, 
Buchfink und Stieglitz, Feldlerche, Plattmönch, Baumklette, ja sogar das 
Gequake des Wasserfrosches darf zuweilen nicht fehlen. Aber alle diese 
Stimmen und Töne werden in seiner Weise modulirt; er reiht sie nicht 
schlechthin und steif an einander, sondern macht sie ganz zu seinem 
Eigenthume. Alles kommt wie aus einem Gusse hervor, seine Silberkehle 
veredelt sie alle Er singt eben nur sein Lied, geläufig, ohne sich zu be- 
sinnen, ohne Pause, in voller anderweitiger Beschäftigung, im Klettern, 
Durchschlüpfen, Insectenfangen, im Verfolgen eines Rivalen. Einen grösseren 
Singmeister kenne ich unter unseren einheimischen Vögeln nicht. Frei- 
lich beherrscht und hebt sein Lied nicht, wie das der Feldlerche, die ganze 
Umgegend, freilich bleiben Sprosser und Nachtigall unerreichte Virtuosen; 
aber die Meisterschaft in der Nachahmung verbunden zugleich mit der 
ansprechendsten Tonfarbe, mit lieblicher klangvoller Stärke erreicht kein 
anderer. Auch er ist Nachtsänger. An mondscheinlosen Abenden beginnt 
er, sobald die Tagessänger verstummen. Darauf tritt etwa von 10 bis 
ll Uhr eine Pause ein, und nun bleibt er Nachtsänger. Jedoch folgen 


202 Sperlingsartige Vögel. 


seine Strophen weniger rasch, sie sind weniger lang und werden weniger 
feurig vorgetragen, als am Morgen. Am Tage verstummt er nur um die 
Mittagszeit. Der niedrige Neststand, häufig umgeben von Nesseln, ist 
vorhin schon bezeichnet. Der Nestbau bekundet entschieden den Rohr- 
sänger. Der Nestnapf ist auch hier tief und die Wände desselben werden 
durchsetzt von Pflanzenstengeln; im Material ähnelt das Nest dem des 
Schwarzplättchens. Nie steht das Nest über. dem Wasserspiegel, nie auch 
habe ich je den Vogel im Rohre gesehen. Die Eier sind graubläulich 
grundirt und mit grösseren spärlichen weitständigen, zuweilen etwas aus- 
gelaufenen dunklen Flecken gleichen Farbtones geziert. Seine Nahrung 
bilden nur Insecten. Vom Anfang bis Mitte September verlässt uns dieser 
reizende Vogel. 


b. Lerchenfleckige Rohrsänger. 

Diese „lerchenfleckigen” Rohrsänger umfassen eine Gruppe nicht im 
Rohre, sondern im Gebüsche, jedoch in der Nähe von Wasser, in Brüchern, 
Fennen, oder in feuchten Niederungen lebender Arten. Den Namen Rohr- 
sänger im eigentlichen Sinne verdienen sie nicht, der wohl für sie ge- 
wählte wissenschaftliche Name Salicaria ist passender. Jedoch haben sie 
in ihrem Wesen sowie in ihrem Bau noch so viel Aehnlichkeit mit jenen, 
dass wir sie sehr wohl unter dem gleichen Gattungsnamen belassen können. 
Ihre Zeichnung ist oberhalb in lehmgelblichem, lehmgrauem oder schmutzig- 
grünem Ton eine lerchenartige oder pieperartige dunkle Schaftflecken- 
zeichnung. Die Unterseite enthält bald feine Schaftstriche, bald nicht. 
Als Vögel mit Zeichnung stehen sich äusserlich die Arten nicht so nahe 
als bei der ersten zeichnungslosen Gruppe. Der Farbton ihres Gefieders 
varüirt, je nachdem es ein frisch angelegtes oder verblichenes Kleid ist, 
nicht unerheblich, aber die Zeichnung lässt doch die Art leicht erkennen. 
In ihrem Verhalten ziehen sie "bei weitem weniger die Aufmerksamkeit 
auf sich als jene. Gar oft bewohnen sie abgelegene Oertlichkeiten, ihre 
Stimme ist schwächer, ihre Verbreitung weniger allgemein, ihre Anzahl 
geringer. Wir werden uns nur mit drei Arten, und zwar nicht ausführ- 
lich beschäftigen. 


4. Der Schilfrohrsänger. 
Calamoherpe phragmitis Bechst. 

Oberseite trüb olivenbraun, Bürzel olivenrostfarbig, Rückenfedern 
mit dunkler Schaftmitte, Bürzel ungefleckt, Scheitel einfarbig, doch 
zuweilen ein schwach aufdämmernder, kaum merklicher heller Längsstreif 
in der Mitte; Streif über dem Auge und Unterseite rostweisslich, der 
Kropf nur selten schwach schuppig gefleckt, die übrige Unterseite 


Der Binsenrohrsänger. 203 


stets ungefleckt; die hinteren Schwungfedern breiter und lichter ge- 
säumt als die übrigen. Jene schuppigen Kropfflecke, die nie solide, 
sondern stets in Pünktchen aufgelöst sind, kommen nicht nur den Jungen, 
sondern auch wohl den Alten zu, wie ein Paar vom 16. Juli und ein 
Exemplar vom 28. August zeigten. — Der Schilfrohrsäuger wird in fast 
ganz Europa vorkommen. Boie beobachtete ihn noch unter dem 68° n. Br. 
in Norwegen; ich selbst habe Sommerexemplare aus der Umgegend von 
Rom, sogar aus Smyrna untersucht. Lokal ist dieser kleine Vogel auf 
die sumpfigen mit niederem Gebüsch unordentlich bewachsenen Stellen 
angewiesen. Hier bei Neustadt brütet er z. B. auf dem Plager Fenn in 
mehren Paaren, und wo ich ihn sonst in Norddeutschland an seinen Brut- 
plätzen beobachtete, waren es stets ähnliche Oertlichkeiten, ganz oder 
theilweise sumpfiges, weit ausgedehntes ebenes Terrain, mit einzelnen 
Weidenbüschen, kleinen rauhen Erhöhungen, Seggengras, Binsen u. dergl. 
Im Münsterlande ist mir ein Brutplatz unbekannt. Er zieht dort im 
Frühling in den letzten Tagen des April durch und bewohnt dann, wie 
überhaupt auf dem Zuge vorübergehend die bewachsenen Fluss- und Graben- 
ufer, alte Flussbette, Auslachen und halb moorige todte Gewässer. Im 
Rohre sah ich ihn nie. Seine wissenschaftliche Benennung, phragmitis, 
ist durchaus unpassend. Dort, auf schwer zugänglicher Fläche, brütet er. 
Das Männchen singt reizend, der „Rohrsänger” ist an dem charakteristi- 
schen eingewebten „Err, terr, tie, tie” sofort_zu erkennen, der zwitschernde 
grasmückenartige Gesang, dem auch noch nach Weise des Sumpfrohr- 
sängers Andeutungen von fremden Stimmen (Rauchschwalbe, gelbe Bach- 
stelze) freilich spärlich eingefügt werden, jedoch schwer zu beschreiben. Zu- 
weilen verbindet es mit dem Gesange einen merkwürdigen Balzflug nach 
Weise des Baumpiepers. Das Nest steht auf einer trocknen Erhöhung 
etwas vom Boden entfernt, und bekundet durch seine seitliche Befestigung 
an Pflanzenstengeln und die tiefe Form, dass sein Baumeister ein Rohr- 
sänger war. Die kleinen Eier lassen auf dem lehmgrauen Grunde die 
fast gänzlich verschwommenen und zerflossenen, etwas dunkleren feinen 
Zeichnungen kaum erkennen. Um so schärfer aber heben sich schwarze, 
feine, sehr spärliche Ammerschnörkel (einer oder zwei), sowie einzelne 
schwarze Pünktchen von dem graulehmfarbenen wolkigen Grunde ab. Im 
September und October verlassen uns diese einsamen Sumpfbewohner 
wieder. 


5. Der Binsenrohrsänger. 

Calamoherpe aquatica Lath. 
Scheitel braunschwarz mit breitem, scharf abgesetztem, hellem, gelb- 
lichem, mittlerem Längsstreifen; Rückenfedern gleichfalls tiefbraun mit ab- 


204 Sperlingsartige Vögel. 


stechend hellgelblichen Federkanten, Schwingen rostgrau gerandet; Unter- 
seite weisslich oder gelblich ohne Zeichnung, oder mit feinen scharfen 
Schaftstrichen an der Seite, namentlich an der Weichengegend. Frisches 
und abgeblasstes Gefieder unterscheidet sich im Tone bedeutend. — Dieser 
kleinste unserer Rohrsänger hat mit dem vorhergehenden ähnlichen Aufent- 
halt, ist aber wohl überall weit spärlicher anzutreffen. Ich selbst habe 
ihn nur einmal in mehren Paaren bei Braunschweig an der Hand meines 
theuren Blasius zur Brutzeit beobachten können. Auf 10 Paare von 
phragnitis kam dort etwa eins von aquatica. In seinem Betragen weicht 
er ebenfalls nur wenig von phragmitis ab. Sogar seine Eier sind denen 
von jenem zum Verwechseln ähnlich; doch im Allgemeinen etwas freund- 
licher, gelblicher gefärbt. Auffallend ist sein äusserst regelmässiger Durch* 
zug im Münsterlande. Mein Freund, Pfarrer Bolsmann im Gimbte (etwa 
1'/, Meilen von Münster), hat viele Jahre hindurch genau am 9. August 
das dort regelmässig durchziehende Vögelchen, jedoch auch wohl ausnahms- 
weise am 8. oder 10. dieses Monats an bestimmten Stellen angetroffen. 
Hier bei Neustadt habe ich dasselbe noch nicht bemerkt. 


6. Der Heuschreckenrohrsänger. 
Calamoherpe locustella Penn. 

Oberseite trüb olivenfarbig, die einzelnen Federn mit lerchenartig 
dunkler Mitte; Unterseite weisslich, sehr schwach in’s Olivenfarbene zie- 
hend, meist ohne Zeichnung, doch zuweilen, besonders bei den Weibchen, 
sehr feine schwärzliche Schaftstriche an der Brust; die Unterschwanzdeck- 
federn überragen die äussersten Steuerfedern und sind grauweisslich nach 
der Mitte hin dunkler, mit dunklen Schaftstrichen. -— Der grösste Theil 
von Europa scheint diesen Vogel zu beherbergen. Mir ist keine zweite 
Art bekannt, die in einem solchen Grade versteckt lebt als er. So wird 
er auch in Deutschland an vielen Stellen, wenigstens als Zugvogel vor- 
kommen, an denen er bis jetzt noch nicht entdeckt ist. Im Münsterlande 
habe ich ihn nie beobachtet; doch wurde vor Jahren einer unweit der 
Stadt geschossen, der durch sein „Brummen” auffiel, und mein Freund, 
Öberförster Renne auf Lembeck (bei Haltern) traf dort im Frühlinge 1871 
mehre an, allein im folgenden Jahre liess sich keiner wieder hören. Als 
Brutvogel scheint er im nördlichen Deutschland an der Elbe, z. B. im 
Revier Lödderitz, am häufigsten zu sein. Derselbe Freund fand dort 1867 
acht belegte Nester. Der Aufenthaltsort dieses Rohrsängers ist nun nichts 
weniger als der Rohrwald. Mit Gebüsch, besonders Weiden, bewachsene, 
nicht zu trockene Flächen, die ausserdem viel deckendes und schützendes 
höheres Kraut, namentlich Gräser enthalten, dienen ihm zum Aufenthalte. 
Jedoch begnügt er sich nicht mit kleinen Büschen, sondern fordert eine 


Drosseln. 205 


immerhin bedeutende Ausdehnung dieses Gestrüpps. Unterbrechungen des- 
selben durch Grasflächen sind ihm angenehm; bewachsene Einsenkungen 
auf Wiesenflächen besonders lieb. Wo ich selbst ihn beobachtet, standen 
stets einzelne mittelwüchsige Bäume in solchen Dickichten. Hier lebt er, 
gänzlich gegen das Verhalten der übrigen Rohrsänger, fast stets auf dem 
Boden oder in der Nähe desselben, jedem spähenden Auge entzogen. Nur 
das singende Männchen zeigt sich oftmals während des Gesanges. Es ist 
ein erregender Moment, wenn der so lange vergebens erspähete, gleichsam 
in tiefes Geheimniss gehüllte Vogel plötzlich seinen wunderbarlichen Ge- 
sang anhebt und nun aus dem Verborgenen singend eine senkrechte Weiden- 
ruthe emporsteigt, und wohl eine Minute lang und länger sein eintöniges 
Lied ohne abzusetzen erschallen lässt, um dann plötzlich wieder in’s fin- 
stere Gebüsch zu verschwinden. Dieser Gesang hat ihm seinen Namen 
verliehen und er ähnelt in der That einem Heuschreckengezirp in sehr 
hohem Grade. Doch ist der Stridulationston dieses Insecetes härter und 
schärfer, während der Kehlton des Vogels in der Nähe gehört, durch seine 
Weichheit sofort auf ein anderes musikalisches Instrument schliessen lässt. 
Ich möchte den Gesang deshalb mit „Sirlelelelrlrelrleirlelr .. ..” veran- 
schaulichen. Das Nest, welches nur schwach an das der übrigen Rohr- 
sänger erinnert, steht nahe am Boden und enthält 6 hellröthlichweiss 
grundirte, mit scharfen, gesättigt rosa, auch oft violetten (Schalen-)' Fleck- 
chen und Schmitzchen fast gleichmässig dicht besetzte Eier. Jedoch ist 
der Grund nie ganz davon verdeckt. Die Eier zeigen nur mit denen des 
südöstlichen, etwas grösseren Flussrohrsängers (Cal. fluviatilis M. et W.), 
nahe Verwandtschaft. Im September verlässt dieser Vogel unsere Gegend. 

Die den Sylvien nahe stehende Familie der Maluriden gehört zu- 
meist Afrika, namentlich Südafrika an. Auch hat Australien mehre Arten 
aufzuweisen. Eine Spezies lebt auch im südlichen Europa, die häufig noch 
zu den Rohrsängern gerechnet wird. Es ist die kleine cistieola Temm., 
im Gesammteindrucke einer frisch vermauserten Cal. aquatica nicht un- 
ähnlich, Merkwürdig ist ihr tiefflaschenförmiges Nest aus Pflanzenwolle 
gefilzt, das durch höhere Grashalme, welche in seinem äusseren Umfange 
mit der Wand zahlreich verwebt sind, nach Rohrsängerart gestützt und 
getragen wird. Die zarten kleinen Eier sind hellblau, entweder ohne 
Zeiehnung oder weitständig mit wenigen bis dichtständig zahlreichen 
rothen Punkten besetzt. — Es bauen übrigens alle Maluriden kunstvolle 
Nester, sie filzen, weben und nähen. 


6. Familie. Drosseln, Turdidae. 


Gestalt kräftig, starkbrüstig, Kopf und Augen gross, Stirn ansteigend; 


206 Sperlingsartige Vögel. 2 


Schnabel mittellang, kräftig, schlank, gerade, First gegen die nicht über- 
ragende Spitze gebogen, vor dieser eine schwache Kerbe; Flügel mittel- 
lang, 10 Handschwingen, wovon die erste sehr kurz; Läufe stemmig, ziem- 
lich hoch, gestiefelt. — Die Mitglieder dieser Familie leben meist an mit 
Holzwuchs bestandenen Oertlichkeiten, vermeiden jedoch dichtes Gestrüpp, 
halten sich meist niedrig am Boden auf, laufen oder hüpfen viel auf dem- 
selben umher, ja manche sind nur in offenen Gegenden oder doch fast 
stets auf freien Plätzen am Boden zu finden. Während einige dürre, 
sonnige Flächen, gar hohe Felsen zum Aufenthalte wählen, wagen sich 
andere aus dem Halbdunkel eines lichten Waldbestandes ungern heraus, 
oder besuchen vorzugsweise nur in der Zugzeit gesellschaftlich Haiden 
oder feuchte Wiesengründe, oder sie sind sogar für immer eisvogelähnlich 
an das Wasser gebunden. Die Männchen sind vorzügliche Sänger. Ihre 
Nester und Eier zeigen wenig Uebereinstimmendes; die Jungen sind den 
Alten meist unähnlich. Nur wenige haben ein besonderes Winterkleid. 
Sie nähren sich von Inseeten und erziehen auch ihre Jungen mit solchen, 
gghen aber auch im Herbst theilweise sehr gern nach saftigen Beeren. 
In unseren Gegenden gehören fast sämmtliche Arten zu den Zugvögeln, 
von denen die Einen einzeln und des Nachts, die Anderen in Schaaren 
am Tage wandern. — Diese kleinen bis mittelgrossen Singvögel bevölkern 
in fast 400 Spezies alle Welttheile; die meisten leben in der alten 
Welt, jedoch sind einige Formen ausschliesslich amerikanisch. Man hat 
sie in 6 Unterfamilien getheilt, von denen 4 auch bei uns allbekannte 
Repräsentanten haben. Wir werden dieselben als eben so viele Gattungen 
behandeln. 


Wasserschwätzer, Cinclus. 


Körper gedrungen; Kopf schmal; Stirn gewölbt, ansteigend; Schnabel- 
first über den Nasenlöchern eingedrückt, und somit nach der Spitze, wie 
nach der Stirn etwas ansteigend; Schneppe über die Mitte der Nasen- 
löcher vorragend; Nasenlöcher von einer Membran verschliessbar; Flügel 
gerundet, kurz, erste Schwingen, von denen die dritte die längste, schwach 
säbelförmig; Fersengelenk fast unbefiedert; äussere Zehe mit der mittleren 
am Grunde ziemlich stark verwachsen; Schwanz breitfedrig, sehr kurz; 
Gefieder düster, dicht, fettig und reichlich; Wasservögeldunen. — Die 
drosselgrossen Wasserschwätzer (Wasserstaare, Wasseramseln) leben einsam 
an klaren Gebirgswässern und nähren sich dort watend und tauchend 
von niederen Wasserthieren. Sie imitiren die Taucher in Federpelz, Flügel- 
gestalt und säbelförmiger Biegung der ersten Schwingen (Alken), Kürze 
des Schwanzes, Schnabelgestalt (Haubentaucher), Markhaltigkeit der Knochen, 


Der gemeine Wasserschwätzer. 207 


sogar in der Färbung. Ihr Leben entspricht diesen körperlichen Eigen- 
thümlichkeiten. Unter den Singvögeln steht ihnen der Zaunkönig am 
nächsten, was sich sogar im Gesange (Wintergesang) und im Nestbau 
zeigt. — Man zählt 10 Arten auf, welche fast über alle Erdtheile ver- 
breitet sind, jedoch zum Theil sehr erheblichen Zweifeln an ihrer spezi- 
fischen Selbstständigkeit Raum geben. 


Der gemeine Wasserschwätzer. 
Cinelus aquatieus L. 


Oberkopf und Hals russbraun, Kehle, Vorderhals und Brust weiss, 
Rücken hellschieferfarben mit dunkler Federmitte, Bauch dunkelschiefer- 
farben. — In dieser Färbung lebt der Wasserschwätzer in unserer Gegend; 
in der Regel ist jedoch noch der weisse von dem dunkelgrauen Theile 
der Unterseite durch eine tief braunrothe Partie, welche allmälig in das 
Schwarzgrau des Hinterkörpers verläuft, getrennt. Diese Unterbrustfarbe 
varlirt vom lebhaften Rothbraun bis zu einer kaum sichtbaren Andeutung 
derselben. Ja es kommen auch in unseren Gegenden Exemplare vor, 
welche dieser Zeichnung völlig entbehren. Im Allgemeinen jedoch sind 
die dunkelbäuchigen nordisch und finden sich noch im schwedischen und 
russischen Lappland. Sie sind als melanogaster und septentrionalis Drm. 
abgetrennt, wogegen die lebhafter als gewöhnlich bei uns an der Unter- 
brust gefärbten dem Süden, den Alpen und dem gebirgigen Südeuropa 
angehören, und unter der Bezeichnung meridionalis Brm. gleichfalls eine 
besondere Art bilden sollen. Weder die geographischen Grenzen werden 
von diesen verschiedenen Färbungen strenge inne gehalten, noch ist farbig 
ein scharfer Gegensatz irgend sichtlich. Und wenn auch letzteres der 
Fall wäre, so stimmen sie in allen Körperverhältnissen, sowie in allen 
Lebenserscheinungen so völlig überein, dass an eine artliche Trennung 
nicht zu denken ist. Auffallender ist die ganz dunkle Form ohne alles 
Weiss aus Ostsibirien und Japan (auch einmal auf Helgoland vorgekommen), 
Pallasii‘ Tem., sowie die Form vom Jenisei und ebenfalls Ostsibirien mit 
ganz weisser Unterseite, leucogaster Eversm., deren Artberechtigung durch 
die Variabilität unserer hiesigen Exemplare von vornherein schon starken 
Zweifeln unterworfen ist. Abgesehen von dieser Färbung habe ich die 
untersuchten Individuen nicht unterscheiden können. In Südamerika 
(Peru) giebt es noch eine mir nicht näher bekannte Form mit weissem 
Kopfe. Jedenfalls schrumpft, wenn man nicht blos nach den Farben ur- 
theilen will, die kleine Zahl der Wasserschwätzer sehr zusammen; wir " 
haben es in unserem einheimischen Vogel mit einer weit verbreiteten, 
interessanten Art zu thun. Das Jugendkleid trägt auf dem Weiss der 
Kehle und Brust nicht starke schwarze Fleekchen. ——- Der Wasserschwätzer 


208 Sperlingsartige Vögel. 


ist Gebirgsvogel und hält sich nur an klaren Gebirgswässern, Bächen, 
Flüssen und Seen auf. In den niedrigeren Gebirgsländern scheint er mir 
häufiger vorzukommen als im eigentlichen Hochgebirge. Ich habe ihn im 
südlichen Westfalen, Thüringer Wald, Harz, Erzgebirge, Oberbayern, Tyrol, 
Schweiz überall zwar angetroffen, aber nirgends so zahlreich als im erst- 
genannten Gebirgslande, wo ich ihm an jedem Fluss und Flüsschen, Hönne, 
Sorpe, Röhr, Lenne, Ruhr u s. w., alle Augenblicke begegnete. In gelinden . 
Wintern ist er im Süden, ja auch in unseren Breiten, wenn er offene 
Stellen behält, Standvogel, doch streifen auch manche Individuen weit 
umher und erscheinen dann an Flüssen, die irgend einem Hügelzuge an- 
gehören und noch starkes Gefälle haben oder, freilich selten, an Flüssen 
des Flachlandes dort, wo eine Stauung einen kleinen künstlichen Wasser- 
fall hervorbringt, zumal bei Wassermühlen und Brücken. Er pflegt im 
October und November dort zu erscheinen. Aus dem Münsterlande kann 
ich die Gegend von Coesfeld, Ibbenbüren, Grevin anführen, und hier bei 
Neustadt ist er in den letzten Jahren mehrmals um diese Zeit an unserer 
Schwärze geschossen. Diese letzten Exemplare gehörten, so wie auch eins 
von Ibbenbüren, dort im November vorgekommen, der Form melanogaster 
an. An seinen Standquartieren ist er der ausgeprägteste Charaktervogel 
der Forellenbäche und Flüsse. Dort, wo Blöcke und Gerölle den Boden 
bedecken und theilweise aus dem Wasser hervorragen, wo schroffe dunkle 
Felswände sich senkrecht erheben und spärliches Gebüsch ihren Spalten 
entspriesst, wo Hüttenwerke und Mühlen das fortwährende Brausen des 
schäumend dahin eilenden klaren Wassers noch verstärken, findet er seine 
bevorzugte Heimath. Hier sitzt er niedrig auf einem Steine, am oder im 
Wasser, an Farbe selbst einem Steine mit anhaftendem Schaumballen 
ähnlich, springt plötzlich gegen die Strömung in’s Wasser und taucht in 
der Nähe eines anderen Steines wieder auf, läuft bald auf dem trocknen 
feineren Gerölle, bald ganz untergetaucht auf dem Boden des Wassers 
umher, watet bald bis an den Leib eingesenkt durchs Wasser, fliegt in 
niedrigem Fluge mit schnurrenden Flügelschlägen, setzt sich in einiger 
Entfernung unter einen überragenden Felsen, oder stürzt sich in den 
heftigsten Strudel, um jenseits wieder empor zu kommen. So sucht der 
fast stets bewegliche einsame Vogel seine Nahrung, kleine Wasserthiere. 
An den Seeufern ist sein Betragen weniger abwechselungsvoll. Obschon 
man ihn keineswegs zutraulich nennen kann, so kommt er doch wohl in 
die von solchen schnell fliessenden Gebirgsflüssen durchströmten Städte 
und Dörfer. Seinen anhaltenden und munteren lauten Gesang hört man 
das ganze Jahr hindurch, an heiteren Tagen sogar mitten im Winter. Im 
Herbst zwitschert er jedoch wohl ausserordentlich leise. Er sitzt dabei 
auf einem Steine, einem Stege u. dergl. Er baut sein Nest stets unmittelbar 


Erdvögel. — Nachtigallen. 209 


am Wasser in einer Höhle, etwa Felshöhlung, Mauerloch, Mühlenradschaufel. 
Es ist in der Regel kugelig mit seitlicher Oeffnung, und enthält äusser- 
lich viel Moos, jedoch richtet sich seine Form nach der Höhle. Ist diese 
enge, so bleibt das Nest napfförmig. Eier länglich, ziemlich matt, weiss. 
Jährlich zwei Bruten. — Ausser einer angenehmen Belebung der Gebirgs- 
wässer hat der Wasserschwätzer für uns keine Bedeutung. 


Erdsänger, Lusciola. 


Körper schlank; Schnabel pfriemenförmig, vor den Nasenlöchern mehr 
hoch als breit; Flügel mittellang, die zweite Handschwinge länger als die 
sechste, die dritte die längste; Schwanz mittellang; Läufe hoch, schlank. 
Das Gefieder meist unschön, nur wenige tragen an der Kehle Prachtfarben, 
häufiger tritt Rostfarbe auf. Männchen und Weibchen nicht oft, die fleckigen 
Jungen von den Alten immer verschieden; ein besonderes Winterkleid selten. 
Sie halten sich auf frischem feuchtem Boden, ja sogar gern in unmittel- 
barer Nähe des Wassers auf, leben dort meist stets niedrig am Boden im 
diehten Holzwuchse, suchen ihre Nahrung, Gewürm, Larven, Insecten, 
am Boden und durchstöbern darnach drosselartig die Laubdecke. Ihre 
Lockstimme ist ein kräftig schnalzendes „Tack”, ihr Gesang ganz vorzüg- 
lich. Sie brüten nahe auf der Erde. Die Eier tragen schwache, oft wolkig 
verlaufende, jedoch die ganze Fläche mehr oder weniger überziehende 
Zeichnung, selten fehlt dieselbe. Es existiren nur etwa acht Arten, von 
denen vier bei uns heimisch und allgemein bekannt sind. Als Zugvögel 
verlassen sie uns im Herbst und erscheinen im Frühlinge wieder, nur von 
einer Art überwintern manche Individuen. Sie wandern nur des Nachts 
und zwar vereinzelt; doch scheint es, als wenn im Herbste die Familien 
auf der Wanderung noch etwas zusammenhalten, da man häufig mehre 
an denselben Oertlichkeiten antrifft. — Forstlich oder überhaupt wirth- 
schaftlich wichtig wird keine Art. Im Herbst greifen alle, doch nicht 
sehr eifrig, zur Beerennahrung. 


a. Nachtigallen. 


Grosse Augen und hohe Tarsen; zweite Schwungfeder länger als die 
sechste; Schwanz reichlich mittellang, abgerundet. Gefieder oberhalb rost- 
bräunlich, unterhalb hell bräunlichgrau, ohne Zeichnungen. — Die Nach- 
tigallen halten sich stets auf feuchtem Boden, gern in der Nähe von 
Bächen auf, und zwar in höherem Gebüsche, welches nach oben ein 
schützendes Blätterdach bildet. Einzelne höhere Bäume sind ihnen will- 
kommen. Der Boden muss durchaus freie Stellen, auf denen sie nach 

Altum. Die Vögel. 14 


210 Sperlingsartige Vögel. 


Nahrung umhersuchen können, euthalten. Diese besteht aus allerhand 
Insecten, Maden, Gewürm, doch gehen sie im Herste auch an saftige Beeren. 
Sie hüpfen in mehren energischen Sätzen drosselartig in Pausen, um sich 
dann mit aufgerichteter Brust und über die 

Flügel gehobenem Schwanz umherzusehen, 
AN und darauf weiter zu hüpfen. Verfolgt, 
A\\ verstecken sie sich niedrig im Gebüsch. Es 


| sind entschiedene Zugvögel, die im Früh- 
ling ihre Ankunft sofort durch einen un- 
vergleichlich prachtvollen Gesang ankün- 
digen. Ihr äusserlich aus trocknen Blättern 
bestehendes Nest steht niedrig im Gebüsche; 
Eier einfarbig olivenbraun; Junge gefleckt. 
Jährlich nur eine Brut. Es giebt nur zwei 


sehr nahe verwandte Arten, den Sprosser 
und die Nachtigall, welche sich jedoch leicht 


/ / 
- p, 


Fig. 15. Fig. 16. an dem verschiedenen Flügelbau erkennen 
Lusciola luseinia, philomela. lassen. 
(a matarliche, Grösse.) Abgesehen von allem Anderen ist sofort 


auffällig, dass die erste (sehr kleine) Hand- 
schwinge bei der Nachtigall (Z. luseinia) wenig länger, bei dem Sprosser 
(L. philomela) weit kürzer ist als die oberen Decken. 


I. Der Sprosser. 
/ Lusciola .philomela Bechst. 

Der grössere und etwas robuster als die Nachtigall gebaute Sprosser 
(grosse, polnische Nachtigall) unterscheidet sich, abgesehen von dem ab- 
weichenden Flügelbau, von jener auch sofort durch die trübere Farbe. 
Oberseite tief graubraun, Kehle weisslich, Oberbrust olivengrau gewolkt. 
— Seine Verbreitung ist sehr beschränkt, da sie sich nur auf die süd- 
östlichen Länder von Mitteleuropa, also auf Polen, Ungarn, Oesterreich, 
zum Theil auch Böhmen und Schlesien ausdehnt. Es treten freilich an 
der Elbe und Oder noch manche Paare tiefer in Deutschland hinein, allein 
diese bilden auch die äussersten Grenzen seiner Heimath. Er soll sich 
dort in den Weidenhegern niederlassen und überhaupt durch die unmittel- 
bare Nähe von Wasser gefesselt werden. An solchen Stellen bewohnt 
er nur Laubgebüsch. Zu Anfang Mai stellt er sich ein. Im Gesange des 
Männchens, den ich freilich nie im Freien gehört habe, liegt dem der 
Nachtigall gegenüber etwas Ernstes, Männliches. Die Vokaltöne haben 
eine tiefere Lage, A und OÖ walten mehr vor, das Gezogene, Weiche, 
Schleifende des Nachtigallengesanges fehlt hier, zudem sind die einzelnen 


Die Nachtigall. 211 


Absätze kürzer. 
äusserst kräftig. 
auf mehre hundert Schritte. 


Ad 


Doch ist die Stimme höchst angenehm, schmetternd, 
Sein Gesang beherrscht und füllt des Abends eine Strasse 
Im Einzelnen weicht der Gesang verschie- 


dener Individuen erheblich ab, besonders der aus verschiedenen Gegenden. 


Bechstein versinnlicht durch Buchstaben den Gesang eines Ungarischen 


oder Wiener und eines Polnischen Sprossers in folgender Weise: 


Ungarischer oder Wiener Sprosser. 
Quepicktjaz, Zerrrrrrrrrrrtez 
Jakob, Jakob, Jakob, 

Quoarck, Quoarck, Quoarck, 
Tott, Tott, Tott, Tott, Tott, 
Philipp, Philipp, Philipp 
Zerrrrrrrrrrrrrrrer 

Glock, Glock, Glock, Glock 
Tschererck, Tschererck, Tschererck 
David, David, David 

Philipp, Philipp 
Quawawawawawawawawat 
Gockörk, Gockörk, Gockörk 
ZOZ0Z0Z0Z0Z02Z02020Z0 

Tarrack, Tarrack, Tarrack 
Querrrrrrrrrer Tizeck 

Opidd per tui 

David, apick, dlipick, dlipick 
Tilitz, tilitz, quorrrrrrrrror 
Wat, wat, wat, wat, wat, wat, 
Zieka, zier, zier, zierip, zierip 
Tziob, tziob, dacob, We-elitz 


Polnischer Sprosser. 


Tzerrrrrrrrrrrtzeck 

David, David, David, David, 
Zorror, zOorror, ZOTror, 

Zicka, zicka, zieka 

Dobriluck, Dobriluck, Dobriluck, 
Quoark, quoarck, quoarck, quoarck 
Glock, glock, glock, glock 
Tscherrrrrrrrrrrrrkel 

David, David, David 
Zorrrrrrrrrrrrock 

Twa, twa, twa, twa, qua, qua, 
Tschierck, Tschierck, Tschierck 
Quoark, quoarck, Tarack, Tarack, 
Terer, tererrrrrrrrrrer 

Tilitz, tilitz, tilitz 

Quoad qui wi wi wi wiwi-irtz 
Perrckerk, perrekerk, perrckerk 
Gockkörk, gockörk, 

Glock, glock, glock, glock-irtz. 


Der Sprosser sitzt, wie auch die Nachtigall, niedrig und ruhig auf 


einem Zweige. 


Loden und Schösslingen in nächster Nähe des Wassers stehen. 
olivenbraunen Eier sind nur durch die bedeutendere 


der Nachtigall zu unterscheiden. 
u. dergl. gefüttert. 


Sein Nest soll auf einem alten Stock, umgeben von jungen 


Seine 


Grösse von denen 


Die Jungen werden mit Inseeten, Maden 
Im Herbst greift Alt und Jung auch wohl zu saftigen 


Beeren, namentlich zu Hollunderbeeren. 


2. Die Nachtigall. 


Lusciola luseinia L. 


Kleiner und schlanker als der Sprosser; der Fig. 16 dargestellte 
Flügelbau entscheidet am sichersten über die Art, doch ist die Nachtigall 


14* 


212 Sperlingsartige Vögel. 


auch an der frischeren, reineren Färbung leicht zu erkennen; Oberseite 
trüb rostfarben; Bürzel und Schwanz gedämpft rostroth; Unterseite trüb 
weisslich. Ein Sommerexemplar von Lissabon war jedoch weit weniger 
rostfarben, als unsere hiesigen Stücke; seine Färbung neigte sich zum 
Sepiabraun. — Die Nachtigall verbreitet sich über den grössten Theil von 
Europa und ist in ganz Deutschland ein allgemein bekannter und an 
passenden Oertlichkeiten, wenn auch nicht gerade gleichmässig, so doch 
überall brütender Vogel. Sie ist kein Waldvogel im eigentlichen Sinne, 
obwohl durchaus an den Holzwuchs gebunden. Alten Hochwald, Nadel- 
holzwald, bewaldete Hochgebirge vermeidet sie, auch in den gleichförmigen 
Weidenkulturen ist sie kaum zu finden. Dagegen bewohnt sie iu niedrig 
gelegenem Terrain, besonders an bewachsenen Wassergräben, Bächen, Flüssen, 
das Laubholz, sowie kleinere Feldhölzer gern. Im Münsterlande ist sie 
einer der allergewöhnlichsten Vögel. Sie scheint keine Bodenart zu bevor- 
zugen, wenn nur Wasser in der Nähe und dichtes Gebüsch, dort dicke Wall- 
hecken, vorhanden ist. Sie belebt gleichfalls als häufiger Vogel die Gärten, 
Parks, englischen Anlagen. Hier bei Neustadt ist sie in unmittelbarer Um- 
gebung der Stadt, wo ihr sowohl Wasser als Gebüsch überall reichlich 
geboten wird, ebenfalls sehr häufig, Gegen Mitte April stellt sie sich ein. 
Der 8. April, wie 1831 im Münsterlande, ist eine seltene Ausnahme für 
ihren Ankunftstermin, der 15. kann als mittleres Datum gelten. Sie hält 
sich meist niedrig am Boden, hüpft in den Gärten und Anlagen gern auf 
den Wegen umher und scheut die Nähe von Gebäuden so wenig, dass 
man sie in grösseren Gärten belebter Städte gar nicht selten findet. In 
den Zweigen sitzt sie meist ruhig; nach Nahrung durchschlüpft sie die- 
selben nie und vermeidet auch das zu wirre Gebüsch. Nur während des 
Singens sitzt- sie in der Regel höher, etwa bis 4 Meter hoch. Sobald sie 
plötzlich beunruhigt wird, z. B. durch einen Steinwurf, fliegt sie sofort 
in’s tiefere Gebüsch hinab. Das Gebüsch verlässt sie fliegend stets nur 
auf kurze Strecken, obschon ihr Flug keineswegs ungeschickt ist. Grössere 
freie Strecken überfliegt sie ausser der Zugzeit wohl nie, oder nur äusserst 
selten. Ihr Gesang ist unstreitig die Krone aller Vogelgesänge. Eine 
solche Weichheit und Kraft, Anmuth und Fülle, eine solche Abwechse- 
lung von zarten schleifenden Tönen und energisch schmetternden Stellen 
finden wir bei keinem unserer einheimischen Vögel. Sie singt freilich 
nur kurze Zeit, kaum acht Wochen, aber sie ist in dieser Zeit, nament- 
lich im Anfange und in der Mitte eine fleissige Sängerin, die nur um die 
Mittagszeit pausirt, die sogar die ganze Nacht singend durchträumt, Man 
hat es mehrfach versucht, ihre Strophen durch Silben und Worte zu ver- 
deutlichen. Sie sind aber, wie beim Sprosser, durchaus nicht überall 
gleich. Zwei solcher verschiedenen Gesänge mögen hier nach Bechstein 


Die Nachtigall. 213 


und Naumann folgen, wobei ich bemerke, dass der letztere nach seinen 
eigenen Worten die kürzeren, schwer zu beschreibenden, und die eigent- 
lich schmetternden und schnurrenden Strophen, welche sich kaum nach- 
ahmen lassen, übergangen hat. Naumann’s Nachtigallen gehören über- 
haupt nicht zu den besten, doch noch zu den guten Sängern, während 
Bechstein einen Meistersänger copirt zu haben scheint. 


Nach Bechstein: 


Tiuu tiuu tiuu tiuu, 

Spe tiu squa, 

Tio tio tio tio tio tio tio tix 

Qutio qutio qutio qutio 

Zquo zquo zquo zquo 

Tzu tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzı 
Quorror tiu zqua pipiqui 
7,020202020202020202020z0 Zirrhading! 

Zorre zorre zorre zorre hi; 

Tzatn tzatn tzatn tzatn tzatn tzatn tzatn zi 
Dlo dio dlo dlo dio dio dlo dlo dio dio 
Quio tr nrrrrrrr itz 
Kkkiükyhylyhylhlhıllh 

Quio didl Ki lülyli 

Ha gürr gür quipio! 

(Qui qui qui qui gi gi gi gi gi gi gi gi 
Gollgollgollgoll gia hadadoı 

Quigi horr ha diadiadillsi! 
Hezezezezezezezezezezezezezezezezeze quarrhozehoi; 
Quia quia quia quia quia quia quia quia ti 
Qi qi qi jo jo Jo jojojojo gi — 

Lü Iy li le lä la lö lo didl jo quia 
Higaigaigaigaigaigaigai giagaigaigai 

Quior ziozio pi 


Nach Naumann: 


Ih ih ih ih ih watiwatiwati! 

Divati quoi quoi quoi quoi quoi qui 
Ita lülülülülülülülülülü watiwatiwatih! 
Ihih titagirarrrrrrrrrr itz 

Lü lü lü lü lü lü lü lü watitititit, 


Twoi wOoiwoiwolwolwoiwol ih 


214 Sperlingsartige Vögel. 


Lülülülülülülü dahidowitz, 

Twor twor twor twor twor twor twor tih! 
Dadada jetjetjetjetjetjetjetjetjet, 

Tü tü tü tü tü tü tü qui zatnzatnzatnzi; 

Iht iht iht iht iht iht zirhading, 

Richp rihp rihp rihp rihp rihp rihp rihp rihp ih! 
Zezezezezezezezäzäzäzäzäzäzäzazazazazazazazi, 

Ji jih güh güh züh züh züh dadahidowitz. 


Man könnte eine grosse Menge noch anderer Modificationen des Nach- 
tigallengesanges, wie man solche an verschiedenen Orten hört, aufstellen. 
Vorzüglich feurig ist derselbe besonders des Morgens. Des Nachts ertönen 
meist nur die sanfteren Strophen, und das Lied wird dann auch mit 
weniger Energie und Kraft vorgetragen. Ende Juni verstummt dasselbe 
leider ganz. — Die Nachtigall nährt sich drosselartig am Boden von dem 
niederen Gethier, was sie dort findet, Gewürm, Larven, Ameisenpuppen, 
seltener von den vollkommen entwickelten Insecten. Im Herbst geht sie 
auch an saftige Beeren, unter denen die von Hollunder und Faulbaum beson- 
ders vorgezogen werden. Das Nest steht auf oder fast auf dem Boden, jeden- 
falls stets niedrig und zwar zwischen feineren Ruthen und im Gestrüpp. 
Von aussen gleicht es einem unordentlichen Klumpen trockener Blätter. 
Die Eier sind olivenbraun. Der Oliventon ist die Grundfarbe, das Braun 
die Zeichnung. Letzteres deckt häufig die ganze Oberfläche, oft aber lässt 
es den Grund stärker oder schwächer durchscheinen, Nur einmal fand 
ich ein Nest, auf dessen Eiern dieses Braun als scharfe, wenige aber grobe, 
Flecke concentrirt war, so dass hier eine eigentliche Zeichnung entstand. 
Im September verlässt uns die Nachtigall wieder, nachdem sie fast ein 
Vierteljahr lang nur wenig mehr beachtet im Stillen gelebt hat. 


b. Rothkehlchen. 


Augen gross; Schnabel kürzer, stärker, als bei den Nachtigallen; 
Tarsen weniger hoch, schwächlich; zweite Handschwinge gleich der achten, 
die dritte kürzer als die sechste; Schwanz mittellang, leicht ausgeschnitten. 
— An den Holzwuchs gebunden, leben die Rothkehlchen in nicht zu 
dichtem Unterholze, an Waldrändern, im Stangenholze an feuchten Gegen- 
den; nähren sich vom Gewürm des Bodens, den sie fleissig darnach ab- 
suchen; nisten auf dem Boden, und sind in kälteren Gegenden Zugvögel. 
Es giebt nur wenige Arten; ausser unserem einheimischen allbekannten 
Vögelchen bewohnt noch eine Spezies Centralasien und zwei Japan. 


Das gemeine Rothkehlchen. 215 


3. Das gemeine Rothkehlchen. 


Lusciola rubeeula L. 
® Oberseite grau olivenbräunlich; die längsten oberen Flügeldeckfedern 
mit rostbräunlichen Spitzen; Unterseite bei den Alten vorn, sowie Stirn 
und Kopfseiten ziegelrostroth, an den Seiten aschgrau eingefasst, nach 
hinten weiss. — Das Rothkehlchen bewohnt den grössten Theil von Europa, 
unsere Gegenden überall häufig. Im Allgemeinen ist es bei uns Zugvogel; 
doch bleiben im Winter manche hier und suchen an warmen Quellen, 
falls diese bewachsen sind, auf Bauernhöfen und selbst in den Städten um 
die Häuser ihre Nahrung. Diese singen sogar an wärmeren heiteren 
Wintertagen und zwar meistens des Morgens und Abends. Im October, 
November, Januar, Februar habe ich ihren Gesang zu verschiedenen Zeiten 
gehört. In der Regel ist freilich ein solcher Wintergesang weniger voll- 
kommen als der Gesang zur Zeit der Fortpflanzung; allein einige Male, 
Ende October, ja sogar einmal am 16. November um 2", Uhr Nach- 
mittags, sang ein Männchen durchaus anhaltend und feurig. Die Wan- 
derer pflegen, obschon manche Individuen sich schon etwas früher ein- 
stellen, kurz nach Mitte März zu erscheinen. Sie ziehen, wie alle diese 
Vögelchen des Nachts, unterscheiden sich aber dadurch von den übrigen, 
dass sie sich Abends spät, auch Morgens um die Zugzeit zusammen 
locken. Im October hört man dieses nicht gut zu versinnlichende Locken 
(„tickerikikikik”) besonders in früher Morgenstunde. Der Gesang ist 
gleichfalls schwer durch Buchstaben zu verdeutlichen; er ist eine gewöhn- 
lich nur kurze Strophe von lebhaftem Tempo und heller Klangfarbe, deren 
Charakter man wohl am treffendsten mit dem Ausdruck Aufflackern be- 
zeichnen kann. In höchster Extase verlängert das Männchen diesen Lauf, 
indem derselbe am etwas sinkenden Schlusse nochmals ganz oder zum 
Theil wieder aufgenommen wird. Es ist kein Nachtsänger, jedoch be- 
ruhigt es sich von den Tagessängern des Abends zuletzt. Es singt z. B. 
im Frühlinge bis zum Beginne des Schnepfenstriches. Zum Singen 
setzt es sich oft auf einen höheren Zweig, wohl auf die Spitze eines 
mittelstarken Baumes, ja sogar einer hohen Chausseepappel. Den Aufent- 
haltsort des Rothkehlchens bilden die nicht zu jungen Gebüsche mit Ober- 
holz, Stangenörter mit Unterholz, von beiden Seiten mit hohen verwil- 
derten Hecken überwölbte Fuhrwege, Gärten mit Lustgebüsch und ein- 
zelnen höheren Bäumen, Parks, englische Anlagen, Waldränder, jedoch nur 
auf frischem und feuchtem Boden. Wie die Nachtigall will auch das Roth- 
kehlchen eine lichte Bodenbeschirmung durch Holzgewächse, die einen 
dichten Gras- und Krautwuchs nicht aufkommen lässt. Doch wenn das 
Unterholz für jene bereits viel zu licht geworden ist, wird es von diesem 
noch gern bewohnt. Den alten Hochwald vermeidet dieses Vögelchen 


216 Sperlingsartige Vögel. 


ebenfalls, und Nadelholz ist ihm überhaupt zuwider. Sehr dichtes Ge- 
strüpp sagt ihm auch nicht recht zu. Es durchschlüpft solches nicht und 
tritt gern seitlich aus dem Gebüsch hervor. Seine ähnliche Nahrung sucht 
es gleichfalls drosselartig am Boden und deckt auch den Laubabfall nach 
dem Gewürm und Inseetenlarven auf; nach Beerennahrung ist es jedoch 
weit gieriger, weshalb es sich in Dohnen häufig fängt. Es brütet jähr- 
lich zweimal. Das Nest steht auf oder halb im Boden, gern an irgend 
einem schwach bewachsenen Abhange, einem Walle, auch hart an einem 
Baumstamme durch die Wurzeln geschützt, an einem alten Stocke u. dergl., 
in.der Regel von oben her halb gedeckt. Die Eier tragen auf blass röth- 
lich lehmfarbenem Grunde zahlreiche, in der Regel undeutliche, etwas ver- 
schwommene Flecken von gleichem Färbentone. Im October bis in den 
November hinein verlassen uns die meisten dieser zutraulichen Vögel. 

An die Rothkehlchen schliessen sich zunächst die Rubinkehlchen, 
Calliope, die durch ihre prachtvoll rubinrothe schwarz begrenzte Kehle 
in hohem Maasse auffallen. Ihre Eier sind nach zwei v. Middendorff- 
schen Originalexemplaren in unserer akademischen Sammlung aus Nord- 
ostsibirien gesättigt blau ohne Zeichnung. 


e. Blaukehlchen. 


Tarsen hoch, schwach; zweite Handschwinge ungefähr so lang als 
die sechste, länger als die siebente; Flügel kaum mittellang. — Die Blau- 
kehlehen leben im Dunkel der Gebüsche an feuchten Stellen, gern sogar 
am Wasser; halten sich fast stets niedrig am Boden auf, woselbst sie ihre 
Inseetennahrung zwischen abgefallenem Laube und Kräutern suchen. Sie 
hüpfen in sehr kurzen und äusserst raschen Sprüngen, doch laufen sie 
auch eben so schnell schrittweise. Das sehr verborgene Nest am Boden. 
Die Männchen sind prächtige Sänger. Es giebt übrigens nur eine einzige 
Art, deren Männchen freilich so bedeutend variiren, dass man sie in 
4 Arten hat trennen wollen. 


4. Das gemeine Blaukehlchen. 
Luseiola eyaneeula Autor. 

Oberseite dunkel graubraun, die Schwanzfedern mit Ausnahme der 
beiden mittleren mit rostrother Wurzelhälfte, über dem Auge ein heller 
Strieh. Kehle und Vorderbrust des alten Männchens lasurblau, an der 
Unterbrust in ein schwarzes Band übergehend, worauf ein rostrothes folgt. 
In dem herrlichen Brustblau in unserer Gegend ein perlmutterweisser 
Fleck von der verschiedensten Grösse („leueocyana“), der zuweilen fehlt 
(„Woji), dann jedoch fast stets beim Lüften der Federn als Zeichnung 


Das gemeine Blaukehlehen. 217 


auf der Mitte der Federn noch sichtbar ist. Ich habe nur ein einziges 
Exemplar gesehen (Braunschweiger Museum), dem jedes Weiss fehlte. Die 
Grösse des dreieckigen, mit der Spitze zur Kehle hin gerichteten Fleckes 
ist wohl mal so bedeutend, dass sich diese Spitze bis zur Kehle erstreckt, 
oder dass zwischen dem unteren Rande des Fleckes und dem schwarzen 
Brustbande nur zwei Reihen oder nur eine einzige Reihe blauer Federn 
bleibt. Bei einem Exemplar von Valkenswaard (Leidener Museum) trugen 
drei Federn des weissen Fleckes scharf abgesetzte zimmtrothe Spitzen. 
Das ist eine Andeutung der dritten südlichen Form (Himalaya, Ostindien, 
Nubien), bei der dieser Fleck ein zimmtrothes Centrum trägt („orientalis” 
oder „dechrosterna”). Endlich wird der ganze Fleck zimmtroth: die nor- 
dische und nordöstliche Form (Nordeuropa, Sibirien), welche Linne nur 
kannte, als er unseren Vogel mit dem Namen „suecica” belegte. Zur 
kurzen Würdigung dieser Formen sei bemerkt, dass, wie aus dem Gesagten 
bereits erhellt, die allmählichsten Uebergänge von der einen zur anderen 
vorkommen, und zwar sogar in unserer Gegend sich starke Andeutungen 
zu allen auffinden lassen. Ja, ein und dasselbe Individuum, was ich hielt, 
ein im Juli 1854 noch junger Vogel, hat sich am 14. März 1855 noch 
durch vorherrschend weisse Kehle mit wenig Blau (Winterkleid) ausge- 
zeichnet; am 21. März, S Tage später, war die Kehle vorherrschend blau 
mit grossem weissen Fleck an der Kehle und kleinem weissen Kehltleck, 
Dieser weisse Kehlfleck erschien am 24. März in der Mitte röthlich. "Es 
war allerdings nur ein röthlicher Anflug, kein gesättigtes Zimmetroth. hob 
sich aber deutlich als Centrum von dem weissen Rande ab. Am 26. März 
bedeekte ein schönes Blau, ohne irgend eine andere Zeichnung, die ganze 
Kehle, und zu Anfang April wurde auf der blauen Kehle wieder ein weisser, 
jetzt in der schönen Silberfarbe glänzender, Stern sichtbar. Die genannten 
Veränderungen gingen folglich ungefähr innerhalb zwei Wochen vor sich. 
Ein zimmtrothsterniges Blaukehlchen in unserer Gegend ist selten; doch 
hat unsere Akademie noch jüngst ein solches aus der Umgegend von 
Münster acquirirt. Die Nestjungen bis zur ersten Herbstmauser sind 
schwarzbraun mit lehmgelben Schaftflecken; die doppelte Schwanzfeder- 
färbung jedoch bereits vorhanden. Es würde uns hier zu weit führen, 
die sonstigen Farbverschiedenheiten, wie sie namentlich auch bei den 
Weibchen vorkommen, näher zu beschreiben. Ich könnte über ein Dutzend 
abweichender Kleider anführen. — Das bescheidenere Winterkleid wird 
sowohl durch Abstossen von Federkanten, als auch in hohem Grade durch 
sogenannte Verfärbung, durch Erhöhung des bereits vorhandenen Farb- 
tones, besonders der Vorderbrust und Kehle in das Sommerkleid umge- 
wandelt. Diese Umfärbung geht sehr rasch Ende März und Anfangs April 
vor sich. Die neu angekommenen Männchen sind dort zuweilen noch 


218 Sperlingsartige Vögel. 


bleiblau statt lasurblau. — Ueber die grosse Verbreitung des Blaukehlchens 
sind vorhin bereits Andeutungen gemacht. Als Aufenthaltsort wählt es 
stets feuchten, nassen, sogar sumpfigen Boden, der mit Gebüsch dicht be- 
standen ist. Es ist deshalb an den mit Weiden bewachsenen Fluss- und 
Bachufern, an Gräben, Teichen, todten Flussbetten, Wassergruben dort 
zu suchen, wo solches dichtes Gestrüpp den Boden deckt. Höhere Bäume 
fordert es daselbst durchaus nicht, und wenn sich auch das singende 
Männchen auf irgend eine Ruthenspitze oder einen vorragenden Zweig 
setzt, so geht es doch nie hoch in einen Baum hinauf. Im Gegentheil 
lebt dieses Vögelchen die meiste Zeit so verborgen am Boden, dass nur 
der Gesang des Männchens das brütende Paar verräth. Fast mause- 
ähnlich treibt es sich an der Erde umher; nur der Heuschreckenrohr- 
sänger überbietet es im Versteckenspiel. Gegen Ende März kommt es 
hier bei uns an. Tritt dann noch Frost ein, so sieht man es an Teich- 
rändern in dem abgestorbenen vorigjährigen Schilf und den dort wach- 
senden Weidenruthen oder in den mit dichtem struppigen Gebüsch be- 
wachsenen Gräben umhersuchen. Der Gesang ist schwer zu beschreiben. 
Ein sehr lautes „Kirjih, Kirjih, Kirjih” schallt weithin. Alsdann folgt ein 
Piano in schnellem Tempo, wobei es allerhand fremde Vogelstimmen, die 
der Singdrossel, der gelben Bachstelze, der Wachtel, der Feldlerche, des 
Haussperlings, der grossen Kohlmeise („terrrertt”) u. a. einmischt und, 
was das Merkwürdigste ist, alle Zwischenpausen derart mit einem tiefen 
Sehnurren oder Brummen ausfüllt, dass es nicht anders lautet, als wenn 
Brummen und zwitscherndes Singen zu gleicher Zeit stattfände. In melo- 
discher Klangfarbe und Kraft erreicht sein polyglotter Gesang jedoch den 
des Sumpfrohrsängers nicht. Auch das Blaukehlchen ist kein Nachtsänger, 
singt jedoch des Abends fleissig und auch dann noch, wenn alle übrigen 
Vögel bereits verstummen. Sein Nest steht an den bezeichneten Stellen 
seines Aufenthaltsortes sehr versteckt am Boden. Seine Eier gleichen bis 
auf die geringere Grösse den ausnahmsweise hellen, grünlichen, der Nach- 
tigall; doch sind sie gewöhnlich noch heller. Der Farbton ist aber der- 
selbe. Rein blaugrünlich ist derselbe nie, sondern stets durch einen bräun- 
lichen Anflug gedämpft. Seine Nahrung, nach der es ebenfalls drossel- 
artig sucht, besteht wie die der übrigen Erdsänger in Gewürm, Ameisen- 
puppen, Insectenlarven u. dergl. Gegen Herbst verlässt es sein Brut- 
revier und die demselben ähnlichen Oertlichkeiten. Auf der Hühnerjagd 
fliegt es häufig aus den Kartoffelfeldern und sonstigen Krautäckern. Es 
zeigt sich dann als gewandten Flieger, stürzt sich aber bald wieder in 
sein Krautdickicht, jedoch durch die nachrückenden Hunde nochmals auf- 
gestört, zieht es weiter fort. Die dann stets sichtbare und auffallende 


Rothsehwänzchen. 219 


Schwanzfärbung lässt über die Art keinen Zweifel. Im October verlässt 
dieser zutrauliche Vogel unsere Gegend gänzlich. 


Rothschwänzchen, Ruticilla. 


Zweite Handschwinge so lang oder länger als die sechste; Tarsen 
hoch und schwach; Schwanzfedern mit Ausnahme der beiden mittleren 
rostroth. — Es lässt sich nicht leugnen, dass sich die Rothschwänze dem 
Blaukehlehen durch die Färbung enge anschliessen. — Ebenso sichtlich 
sind aber auch manche ihrer Lebenserscheinungen abweichend von den 
zur Gattung Lusciola gehörenden Arten. Sie tragen die Brust stärker 
erhaben, rucken aber nicht, wie die Erdsänger, mit dem Schwanze, son- 
dern rütteln mit demselben. Statt auf dem Boden umherzulaufen, um 
dort zum Theil durch Umwenden des abgefallenen Laubes ihre Nahrung 
zu suchen, sitzen sie auf erhabenen Zweigen, Felsen, Gebäuden und er- 
haschen fliegenfängerartig ihre Insectenbeute, führen überhaupt ein mehr, 
ja wohl durchaus offenes Leben, und erinnern dadurch sehr an die Stein- 
schmätzer. Sie bilden zu diesen von den Erdsängern derartig einen Ueber- 
gang, dass die Systematiker wohl im Zweifel waren, zu welcher Gruppe 
sie eine bestimmte Art rechnen sollten. Ihr Brüten in Höhlen entspricht 
gleichfalls dem Leben der Steinschmätzer. Ihre zeichnungslosen Eier sind 
grünblau oder weiss. Es giebt etwa ein Dutzend in Europa, Asien und 
Afrika lebende Arten, von denen 10 Asien allein angehören; unsere beiden 
europäischen Spezies, die auch in unseren Gegenden als sehr bekannte 
Vögel leben, verbreiten sich auch über das angrenzende Asien und Nord- 
afrika. 


I. Das Gartenrothschwänzchen. 
Rutieilla phoenicurus L. 


Zweite Handschwinge so lang als die sechste; Flügelfedern mit gelb- 
bräunlichen Säumen; untere Flügeldeckfedern rostroth. Männchen: weisse 
Stirn, grauer Rücken, schwarze Kehle, rostrothe Unterseite (beim Winter- 
kleide die Farbe der Stirn ganz, der Kehle stark, die der anderen Theile 
schwach durch unschöne Federkanten bedeckt); Weibchen: bräunlicher 
Rücken, weisse Kehle und Brustmitte, übrige Unterseite schwach rost- 
farben. Selten nehmen die Weibchen die Gefiederfarbe der Männchen an, 
sie bleibt jedoch stets matter. Mir ist nur ein einziges derartiges hahnen- 
fedriges Weibchen bekannt geworden. Die Nestjungen unten gelblichweiss, 
oben lehmbräunlich, überall stark gefleckt. Bei Münster kam ein Nest 
mit 6 Jungen, sämmtlich reine Albino’s vor; die Alten waren normal. — 
Das Gartenrothschwänzchen bewohnt fast ganz Europa. Diejenigen, welche 


220 Sperlingsartige Vögel. 


ich vom Senegal, aus Aegypten und anderen Theilen Nordostafrika’s ge- 
sehen, waren Winterkleider, und daher wohl Zugvögel, zeigten jedoch 
zum Theil kleinere Abweichungen von unseren einheimischen Individuen 
(„pectoralis” Heugl.). Seinen deutschen Namen verdient es mit vollstem 
Rechte; denn wir treffen es nirgends so häufig an als in Gärten, welche 
ältere Obstbäume enthalten. Auf Bauernhöfen mit solchen anstossenden 
grösseren Gärten fehlt es nie, zumal wenn sich verwilderte hohe Hecken 
oder ein Wald in unmittelbarer Nähe befinden. Auch mitten in Städten 
und Dörfern ist es Gartenvogel. Doch finden wir es auch weit von mensch- 
lichen Wohnungen an Waldrändern, sogar in alten lichten Kiefernbe- 
ständen, wenn sich als Unterholz etwas Laubholz, namentlich Buchen 
finden. Obschon es den Ebenen vor den Gebirgen den Vorzug zu geben 
scheint, so begegnet man ihm dennoch in letzteren, sogar in felsigen Par- 
tieen. Bei Gebäuden vermeidet es Steine keineswegs, obgleich es sich lieber 
in den unteren Zweigen stärkerer Bäume, sehr gern Obstbäume und Eichen, 
aufhält. Seine Verwandtschaft mit den sämmtlichen Arten der Gattung 
Lusciola bekundet es hier insofern, als es nicht das dichte Gezweig nach 
seiner Nahrung durchschlüpft. Sein fliegenfängerartiges Auffliegen oder 
Herabfliegen von einem Zweige zur Erde nach derselben weicht jedoch 
von deren Leben ab. Zuweilen nimmt es auch Insecten, Räupchen, von 
den Blättern. Nicht früh, in der Regel erst gegen Ende März kommt es zu 
uns; jedoch habe ich es schon am 1. und am 8. dieses Monats beobachtet. 
Der April bildet seine eigentliche Ankunftszeit. Durch seine kurze, schwer 
zu beschreibende Gesangstrophe meldet sich das angekommene Männchen 
bei uns an. Es sitzt beim Singen auf irgend einem Zweige eines stärkeren 
Baumes weit vom Stamme entfernt, doch oft auch höher, nie versteckt. 
Hier bei Neustadt lässt es sein Liedchen gar häufig hoch oben aus einer 
alten Kiefer erschallen. Sein Nest steht in einer Baum-, selten Mauerhöhle 
oder Ritze. Doch nimmt es leicht alle möglichen Höhlungen an, nistet 
sowohl in Stämmen, als auf Kopfweiden, in Gartenhäusern, aufgehängten 
Steinkrügen, zusammengestellten Bohnenstangen, sogar wohl hart auf dem 
Boden auf einem alten etwas ausgefaulten Stocke, obgleich das Nest nicht 
leicht unter 2 Meter steht. Es heckt zwei Mal. Die Eier sind tief grün- 
blau. Ende August fängt es an uns zu verlassen; doch findet man sogar 
schon Ende Juli frisch vermauserte Winterkleider tief in Hecken, die be- 
reits auf dem Zuge zu sein scheinen. — Seine Insectennahrung, die es 
im Herbst wohl mit Beerennahrung vertauscht, meist vollkommen ent- 
wickelte Insecten, ist uns wenig schädlich, weshalb sein Nutzen, besonders 
seine forstliche Bedeutung nicht hoch anzuschlagen ist, 


Das Hausrothsehwänzehen. ; ST 


2. Das Hausrothschwänzchen. 
Rutieilla tithys Scop. 

Zweite Handschwinge gleich lang mit der siebenten; Flügelfedern 
aschgrau gesäumt; die kleinen unteren Flügeldeckfedern schwarz und weiss. 
Männchen aschgrau mit tiefschwarzer Kehle und Brust, die Federkanten 
auf der Aussenfahne der Armschwingen und Decken bei ganz alten Vögeln 
breit und weiss und somit ein Flügelschild bildend; doch im Süden (Ar- 
dennen, Lissabon) wird auch der Mittelrücken, zuweilen auch der Scheitel, 
schwarz, wenigstens auf der Mitte der einzelnen Federn, dort auch die 
Brust wohl kohlschwarz. Arten, die man auf derlei Verschiedenheiten 
hat bauen wollen, sind schwerlich begründet, bei „Cairü” Gerbe kann 
ich nieht den mindesten Unterschied von unseren grauen (jüngeren) Männ- 
chen entdecken. — Die Verbreitung des Hausrothschwänzchens stimmt 
im Allgemeinen mit der des Gartenrothschwänzchens überein; der Aufent- 
halt und das topographische Vorkommen beider sind jedoch wesentlich ver- 
schieden. Unser Vögelchen ist Gebirgsthier, Felsvogel und steigt als 
soleher über die montane Region bis in die alpine hinauf. In der Ebene 
dienen ihm als Surrogat hohe Steinhaufen, und nur wo sich diese be- 
finden, treffen wir jenes an, wo sie entstehen, wandert es allmählich ein. 
In Rheine wohnt es erst seit 1317— 1818. Quaderbauten sind ihm lieber 
als Backsteingebäude. Von alten Schlössern, Burgen, Ruinen, Thürmen, 
Domen und sonstigen Kirchen, zumal wenn sie viele Nebengebäude haben, 
ist das Hausrothschwänzchen unzertrennlich. Es begnügt sich jedoch auch 
mit niedrigeren Bauten, wenn diese die höchsten in der Umgebung sind. 
Ist es in irgend einer alten, an hohen Gebäuden reichen Stadt zahlreich, 
so bevölkern viele Paare auch die umliegende Gegend, die ihnen jene 
nicht bietet. Doch sind auch sie eigenthümlich wählerisch., In der Um- 
gegend von Münster giebt es z. B. keine Ziegelei, die "nicht von diesem 
Vögelehen bewohnt würde. Die tiefen Lehmgruben, die Ziegelöfen, der 
angehäufte Ziegelschutt u. dergl. scheinen hier seinem Charakter als Fels- 
vogel zu entsprechen. Es sitzt stets hoch und frei. Wenn bald nach 
Mitte März zuerst sein gequetschtes unsonores Lied erschallt, so braucht 
man nicht lange vergebens nach dem Krächzer zu spähen. Auf der Spitze 
eines Schornsteins, einer Fiale, einem Kreuze, einer -Wetterfahne, der 
First eines Daches sitzt hoch aufgerichtet der schwarze Vogel, der mich 
stets an einen Schornsteinfeger erinnert. Er ist ein fleissiger Sänger, am 
fleissigsten bei Regenwetter. Schon um 3 Uhr Morgens hören wir Anfangs 
Mai sein komisches Lied, und das verstummt den ganzen Sommer nicht, 
wenn er es auch nicht stets mit gleichem Fleisse ableiert. Am 17. October 
habe ich es zuletzt, im September zu sehr verschiedenen Zeiten gehört. 
Es nährt sich fast nur von Fliegen und Mücken, die es ebenfalls fliegen- 


> 


222 Sperlingsartige Vögel. 


fängerartig erhascht, sowie von Spiunen; in den Gärten jedoch, wohin es 
gleichfalls wohl von seinem hohen Domiceil hinabsteigt, sowie auf dem Zuge, 
auf dem man es wohl in alten knorrigen Hecken antrifft, auch von sitzen- 
den Insecten, Räupchen oder sonstigen Larven. Ein Waldvogel ist es 
nicht, ein Gartenvogel nur in sehr uneigentlichem Sinne zu nennen; Nadel- 
holz verschmäht es gänzlich. Für unsere Wirthschaft ist es jedenfalls 
gänzlich indifferent. Vielleicht aber wird es durch Vertilgen der Cephe- 
nomyien (Rachenbremsen), welche gerade bei seinen hohen Warten um- 
herschwärmen*) zum Wohlthäter des Wildes. Sein Nest, in Felsspalten, 
Mauerlöchern u. dergl. steht in der Regel hoch; an den alten mächtigen 
Steinbauten, etwa 20 bis 25 Meter hoch, jedoch zuweilen auch niedrig, 
selbst dann, wenn in der Umgebung passende höhere Niststellen vorhanden 
zu sein scheinen. Ich fand es einst in dem niedrigen Häuschen einer 
mehrmals in der Woche stark frequentirten Kegelbahn. Auch steht es in 
Rüstlöchern, ausgefallenen Mauerstellen, auf Balken ausnahmsweise nur etwa 
2 Meter hoch. Es brütet jährlich 2, und nach dem Gesange des Männ- 
chens zu schliessen, vielleicht 3 Mal. Die Eier sind rein weiss. Gegen 
Ende September verlassen uns bereits einige dieser Vögelchen, bis Ende 
October trifft man jedoch stets noch einzelne an. Im Süden von Deutsch- 
land soll es zuweilen überwintern; für Linz a. d. D. ist mir ein solcher 
Fall bekannt geworden. 


Merle, Petrocinela. 


Körper kräftig, fast von Drosselgrösse; Schnabel von Kopfeslänge, vor 
den Nasenlöchern mehr hoch als breit, die First nur an der Spitze ge- 
bogen und hier überragend; Flügel lang, den kurzen Schwanz zu zwei 
Drittel bedeckend; dritte Handschwinge die längste; Lauf hoch, stark. — 
Die Steindrosseln oder Merlen bilden den natürlichen Uebergang von den 
Rothschwänzen zu den Schmätzern, während nur die bedeutende Grösse 
ihnen die Benennung Drossel verschafft zu haben scheint. Sie gehören 
dem wärmeren Klima an und sind in ihrem Aufenthaltsorte an die schroffen 
Felsen höherer Gebirge gewiesen. Dort leben sie nach Weise der beiden 
verwandten Gattungen, bald mehr der einen, bald der anderen ähnlich. 
Se nähren sich von Insecten. Ihre Nester stehen in Felsspalten, ihre 
Eier sinc einfarbig blau; sie unterscheiden sich von Staareiern durch eine 
etwas bauchigere Gestalt, sowie durch tieferen Farbton. Nur ungünstige 
Witterungsverhältnisse vertreiben sie aus ihren hohen Regionen, gegen 
Winter wandern sie zum Süden, selten werden sie nach entlegenen ebenen 


*), Vergl. I. Band Säugethiere, pag. 1%. 


Die Steinmerle. — Die Blaumerle. 223 


Gegenden verschlagen. Man kennt etwa 10 der östlichen Halbkugel an- 
gehörende Arten, von denen zwei auch Deutschland bewohnen. 


I. Die Steinmerle. 
Petrocinela saxatilis L. 

Erste (kleine) Handschwinge reicht bis zur halben Höhe der oberen 
Deckfedern, die zweite ist länger als die vierte; die Schwanzfedern, mit 
Ausnahme der beiden mittleren dunkelbraunen, lebhaft rostroth, desgleichen 
die Schwanzdeckfedern und die unteren Flügeldeckfedern; Schwingen 
dunkelbraun mit bräunlich weissen Innenkanten. Männchen im Sommer 
mit lebhaft aschblauem Kopf und Hals und hellrostfarbener Unterseite; 
Weibchen und Junge grau mit zahlreichen schwärzlichen Monden und 
Punkten. — Die Steinmerle bewohnt die hohen Felsen des südlichen 
Europa’s, ist übrigens noch in Steiermark, Oesterreich, Salzkammergut, Tyrol 
ein bekannter Vogel. Weiterhin nach Norden brütet sie noch am Rhein, 
z. B. bei Coblenz (Ehrenbreitstein), war sogar eine Reihe von Jahren bei 
Goslar Brutvogel. Ein junges Exemplar kam vor einer Reihe von Jahren 
im Herbst im Münsterlande (Sendenhorst) vor, wo es, auf einem Dünger- 
haufen nach Nahrung suchend, erlegt wurde. Die ihm dort beigelegte 
Benennung „Doppeltes Rothschwänzchen” war sehr bezeichnend. Nau- 
mann (Anhalt) hatte einst ein Exemplar in einer Dohne gefangen. Es 
war freilich von einem Raubthiere fortgenommen, aber die ‘zurückgeblie- 
benen Federn waren Beweise des aussergewöhnlichen Fanges. Solche Fälle, 
in denen die Steinmerle in den ebenen Gegenden von Norddeutschland 
angetroffen ist, gehören zu den Seltenheiten. An ihren Brutplätzen singt 
das Männchen zur Fortpflanzungszeit oben auf einer Felskante lebhaft. 
Ich habe den wohltönenden Gesang nur von gefangenen Steinmerlen ge- 
hört. Er war leise, und hatte allerdings einige Aehnlichkeit mit dem 
Studiren einer Amsel. 


2. Die Blaumerle. 
Petrocinela cyanea L. 

Erste (kleine) Handschwinge bis fast zur Spitze der oberen Deck- 
federn reichend, die zweite kürzer als die vierte; die Läufe vorn und 
unten quergetheilt. Das ganze Gefieder dunkel, entweder mehr oder 
weniger tief schieferblau, oder bedeckt mit dunklen und hellen Feder- 
kanten. — Die Blaumerle lebt noch südlicher als die Steinmerle, jedoch 
in weniger hohen Regionen. Sie bewohnt die Länder um das Mittel- 
meer und kommt nach Norden hin als Brutvogel nur noch in der Schweiz 
und Tyrol vor. Ihr Gesang ist ebenfalls vortrefflich., Auch diese Art 
habe ich nur in der Gefangenschaft gesehen. — Wollen wir beide Arten 


224 Sperlingsartige Vögel. 


mit den so nahe verwandten beiden hiesigen Rothschwänzchen vergleichen, 
so entspricht die Steinmerle dem Gartenrothschwanz und die Blaumerle 
dem Hausrothschwanz. 

Von fremden Vögeln schliesst sich an die Merlen der in Nordamerika 
so sehr bekannte sogenaunte Blauvogel, Sialia sialis, oben aschblau, unten 
weinbräunlich an. 


Schmätzer, Saxicola. 


Schnabel zusammengedrückt, pfriemförmig, vor den Nasenlöchern 
mehr breit als hoch; Flügel mittellang, die zweite Handschwinge etwas 
kürzer als die dritte, dritte und vierte die längsten; Tarsen hoch und 
dünn; Schwanz- kurz, abgestutzt. Diese kleinen, buntscheckigen Vögel 
leben durchaus offen in weiten, öden, felsigen, haidigen Gegenden, doch 
auch auf Wiesen und andern mit Kräutern bewachsenen Flächen und 
setzen sich dann stets frei erhaben auf die Spitze eines niedrigen Ge- 
büsches.. Das Innere von Gebüsch vermeiden sie stets. Auf dem Boden 
hüpfen sie flüchtig und rasch, fangen Fliegen, Käfer und sonstige Insecten, 
nisten in Felshöhlen, Steinhaufen, Mauerspalten, oder am Boden zwischen 
Krautwuchs. Eier bläulich, häufig mit rothbrauner Zeichnung. Manche 
steigen in felsigen Gegenden hoch hinauf. Sie leben in einigen 30 Arten 
in den wärmeren Gegenden der alten Welt, jedoch beherbergt unser 
Deutschland auch 3 Arten, von denen eine sehr hoch nach Norden hinauf- 
steigt. Man kann sie passend in Stein- und Wiesenschmätzer theilen. 


a. Steinschmätzer. 


Schnabel mittellang; an der Basis dreikantig, Mundspalte länger als 
die Mittelzehe mit Nagel; Schwanzfedern mittellang, breit, abgerundet, 
die beiden mittleren etwas verkürzt; Tarsen sehr schlank; Basis des 
Schwanzes und die oberen Schwanzdeckfedern weiss. Sehr bunte Vögel, 
deren Farbencontraste, vorzüglich Schwarz und Weiss, vorzugsweise fliegend 
zur Geltung kommen. Sie halten sich in dürren, sandigen und steinigen 
Gegenden auf, hüpfen dort weit sichtbar auf dem kargen Boden umher, 
ruhen häufig auf einer kleinen Bodenerhöhung oder auch der Spitze eines 
niedrigen Strauches, setzen sich seltener vorübergehend höher auf die 
Spitze eines Baumzweiges, nisten in Erd- oder Steinhöhlen und legen 
hellblaue, oft mit wenigen Punkten gezeichnete Eier. Eine Art hiesig. 


Der gemeine Steinschmätzer. 225 


Il. Der gemeine Steinschmätzer. 
Saxicola oenanthe L. 


Die erste (kurze) Handschwinge kürzer als die oberen Deckfedern; 
untere Flügeldeckfedern schwarz- und weissschuppg. Männchen im 
Sommer Oberseite hellaschgrau; alle übrigen Kleider röthlich aschgrau bis 
röthlich braungrau; Unterseite gelblich weisslich bis roströthlich; Flügel- 
federn schwarz mit rostigen Kanten, die bald breiter, bald schmaler sind, 


sich aber selten gänzlich durch Abstossen verlieren; Schwanzwurzel weiss, 


Spitze schwarz. Nach der Vertheilung der beiden Schwanzfederfarbenfin 
Verbindung mit den Nüancen der übrigen Färbung hat man diesen weit 
verbreiteten Vogel, der sich von Grönland bis Abyssinien und Nubien er- 
streckt und ebenfalls am Himalaya und in Indien angetroffen wird, in 
mehre Arten zu theilen versucht. Auch geringe Grössenunterschiede wurden 
dafür geltend gemacht. So sollen z. B. die Schwanzfedern bei oenanthe 
nur am Enddrittel, bei der im südlichen Europa und Afrika wohnenden 
Form („Art”) saltatrix Menetr. an der Endhälfte schwarz sein. Ich habe 
eine grosse Anzahl Exemplare aus Grönland, Holland, Deutschland, Sar- 
dinien, Griechenland, Abyssinien, Aegypten, Nubien u. a. untersucht. Es 
ist mir nicht möglich gewesen, bei den vielfachen Verschiedenheiten scharfe 
Grenzen aufzufinden. Ohne uns hier auf genaue Erörterungen einzulassen, 
mögen zum Belege des Gesagten die obigen Abbildungen der Spitzen der 
äussersten Schwanzfedern dienen: 


- = = - = . 

a. = isabellina Rüpp. oder saltatrix Menetr., Weibehen aus Alexan- 
drien: 

b. = oenanthe L. aus Holland, ein auffallend kleines feinschnäbliges 


weibliches Exemplar; . 


Altum. Die Vögel. - 15 


226 Sperlingsartige Vögel. 


c. —= oenanthe L., Deutschland, Weibchen; 

d. — oenanthe L. aus Sardinien, Männchen; die Feder hat merk- 
würdiger Weise auch eine weisse Spitze; die Vertheilung des 
Weiss und Schwarz ganz ähnlich der kbanotiea Ehr. aus Athen; 

e. = oenanthe L., Weibehen aus Griechenland, ganz ähnlich einem 
Männchen aus Grönland; 

f. — olivastra Rüpp., Weibchen aus Nubien; 

g. — oenanthe L. aus Nordostafrika, sehr ähnlich mehren saltatri« 
Menetr. aus Griechenland und Nubien. Genau zwischen f. und g. 
steht eine olivastra aus Nubien; 

h. = ferruginea Heugl. aus dem abyssinischen Hochland, ein etwas 
tiefer rostbräunliches Winterkleid (Januar 1863); 

i. —= oenanthe L. aus dem Himalaya. 

Eine scharfe Sonderung ist hier ebenso wenig möglich, als überhaupt 
bei den sonstigen Differenzen, denen dieser schon bei uns in seinem Winter- 
und Sommerkleide so erheblich abweichende Vogel in seinem ungeheuren 
Verbreitungsbezirke unterworfen ist. Die afrikanische Form olivastra Rüpp. 
(squalida Eversm.) soll sich durch bedeutendere Grösse von unserem 
oenanthe unterscheiden. Die Messungen fliessen vollständig zusammen, 
und die zahlreichen Eier aus Grönland, welche ich gesehen, übertreffen 
durchschnittlich die Eier unseres norddeutschen Vogels gleichfalls an 
Grösse, und doch ist der Grönländer noch stets als oenanthe unbehelligt 
geblieben. — Bei uns ist der Steinschmätzer überall bekannt, auch dort, 
wo er eben nicht gerade zahlreich vorkommt. Denn sein durchaus offenes 
Leben, seine auffallenden leuchtenden Farben, die besonders im Fluge zur 
Geltung kommen, lenken leicht die Aufmerksamkeit auf diesen ewig be- 
weglichen Vogel, wogegen andere sich fast stets dem Blicke des Menschen 
entziehen. Oede dürre, nur spärlich, lückig und kurz begraste Oertlich- 
keiten, hohe Brachfelder, Hügel in den Haiden, Dünen und Deiche, be- 
sonders grobkiesigen und steinigen Boden, dort, wo viele grössere Steine 
auf sterilen Flächen umherliegen, auch Felsen bilden seinen Lieblings- 
aufenthalt. Bei Ziegeleien, welche in Haiden liegen, auf den Chaussee- 
steinhaufen, grob umgebrochenen Ackerfeldern trifft man ihn in unseren 
Gegenden fast überall an. Sandboden zieht er dem Kleiboden entschieden 
vor. Den Wald scheut er; jedoch einzelne Wachholderbüsche, Kopfweiden, 
krüppelige Eichen, Kiefern sind ihm angenehm. Nirgends habe ich ihn 
so zahlreich gesehen, als auf den Düneninseln der Nordsee. Er hüpft 
schnell am Boden umher, macht auf irgend einer kleinen Erhöhung, 
Hügelchen, Scholle, Steine, Halt, knickst und rennt hüpfend hinab, um 
bald darauf auf einer anderen Erhabenheit wieder zu erscheinen. Auf 
Pfähle, Zäune, Wachholderbüsche u. dergl. setzt er sich gern. Beim Ab- 


Der gemeine Steinschmätzer. 227 


fliegen senkt er sich sofort würgerartig und steigt erst nahe vor seinem 
gleichfalls erhabenen Ziele wieder empor. Seine Nahrung, meist Käfer, 
greift er vom Boden auf; jedoch vermag der gewandte Flieger sie auch 
im Fluge zu erhaschen. In der ersten Hälfte April stellt er sich bei uns 
ein. Das früheste Datum in meinen Notizen ist der 31. März; auch seine 
Ankunft am 4, 6, 8. April ist fast noch Ausnahme, dann aber tritt doch 
seine normale Ankunftszeit ein und die bleibenden Individuen begeben 
sich sofort an ihre Brutplätze, die vorhin schon als bevorzugte Aufent- 
haltsorte bezeichnet sind. Das Männchen begleitet seine schwer zu be- 
schreibende zwitschernde Strophe zuweilen mit einem Balzfluge, einem 
Aufwärts- und Abwärtsflattern im unbestimmten Ziekzack, wobei es oft 
die Flügel stark hebt. Schon viel vor Sonnenaufgang ertönt an seinem 
öden Revier schon sein Liedehen. Das Nest steht in einer horizontalen 
Höhle, im Boden, etwa einer Kaninchenröhre, einem alten Iltisbaue, in 
einem Steinhaufen, in Felsenritzen, auch unter einer überragenden Erd- 
scholle, unter einer Brachfurche, in einem alten Wagengeleise, aber auch 
in hohlen Bäumen, Kopfeichen, Weiden u. a. Die Eier sind sehr licht- 
blau, höchst selten mit wenigen, feinen rothen Pünktchen besetzt. Die 
Jungen werden meist mit kleinen Grashüpfern (Tettix, Stenobrothus, Aecri- 
dium u. a.) gefüttert. Gegen Mitte September hat er sein rostbräunliches 
Winterkleid angelegt, mit dessen Ueberrest (noch nicht völlig abgestossene 
Kanten) das Männchen im Frühlinge hier anzukommen pflegt. Ein solches 
vom 6. April hatte sich noch nicht zur Hälfte umgefärbt. Im Herbst 
völlig vermausert tritt er allmählich seine nächtliche Wanderung an; doch 
sehen wir noch tief im October einzelne Individuen, vielleicht nordische, 
etwa aus Island, bei uns. — Wirthschaftliche Bedeutung hat dieser hübsche, 
die Gegend eben so belebende als zierende Vogel nicht; den forstlichen 
Interessen steht er gänzlich fern. 
Zwei dem gemeinen grauen Steinschmätzer nahe verwandte Arten 
leben im Süden und sind noch an den Südabhängen der tyroler und 
schweizer Alpen, sowie im südlichen Frankreich stellenweise sehr bekannte 
Vögel. Die erste (kleine) Handschwinge überragt die oberen Deckfedern, 
die fünfte ist länger als die zweite, der Flügel stumpfer als der von 
oenanthe. Sie leben in felsigen Gegenden. Ihre gesättigt grünblauen Eier 
tragen ziemlich reichlich rothe Punkte. Es sind: 
Der weissliche Steinschmätzer, Sawicola stapazina L., mit schwarzer 
Kehle, und 

Der Ohrensteinschmätzer, Sazxicola rufescens Briss. (aurita Tem.). 
mit schwarzer Kehle, und beim Männchen mit seitlicher schwar- 
zer Kopfzeichnung (vom Munde durch das Auge über die Ohr- 
gegend). 


15* 


228 Sperlingsartige Vögel. 


b. Wiesenschmätzer. 

Schnabel kaum mittellang, rundlich, Mundspalte kürzer als die Mittel- 
zehe mit Nagel; Schwanzfedern schmal, von ziemlich gleicher Länge, kurz, 
dunkel gefärbt ınit weniger grell abstechenden Farben; Tarsen mässig lang. 
(Gefieder düster, weniger grellbunt, Oberseite dunkel gefleckt, auf der Basis 
der Hinterschwingen ein weisses Schild. — Die Wiesenschmätzer bewohnen 
die Wiesen und sonstige feuchte mit Krautwuchs bestandene Gegenden, 
theils Cultur-, theils Haideflächen; verlangen aber einzelne Sträucher oder 
angrenzenden Holzwuchs, auf deren äusserste Spitzen sie sich gern frei 
setzen. Ihr Flug ist ziemlich schnell aber nie kühn. Sie brüten am 
Boden; das Nest durch Kräuter verdeckt; blaue Eier mit geringer, häufig 
verschwommener Zeichnung. Man kennt S meist in Asien wohnende Arten, 
zwei davon gehören auch unseren Gegenden an. 


2. Der schwarzkehlige Wiesenschmätzer. 
Saxicola rubieola L. 

Erste (kleine) Handschwinge länger als die oberen Decken; die zweite 
fast der siebenten gleich und kürzer als die sechste; Kehle schwarz, Kropf 
und Brust rostroth; Bürzelfedern weiss mit dunklen Schaftflecken, Schwanz- 
federn braunschwarz, an der Wurzel mehr oder weniger weiss. Das Männ- 
chen im Sommer oberhalb tiefschwarz, wovon sich die weissen Halsseiten, 
Flügelschilder und Bürzelfedern auffallend abheben. Selten jedoch tritt 
die Farbe rein auf, da sich die breiten bräunlichen Federkanten des Winter- 
kleides nicht leicht ganz verlieren. Mit dem Winterkleide hat auch das 
stets matter gefärbte Weibchen Aehnlichkeit. Unter wärmeren Himmels- 
strichen scheint, was bei uns selten ist, normal zu sein; ja es treten dort 
die Farben, namentlich auch das Rostroth der Brust noch um einen Ton 
höher auf. Man hat diese und andere Formen als Arten aufgestellt; ich 
habe ausser geringen Farbdifferenzen an einer Menge Exemplare, die ich 
untersucht und verglichen habe, hiesige, aus Holland, den Ardennen, Siei- 
lien, Portugal, Abyssinien, Nordostafrika, Syrien, Madagaskar, Cap, Hima- 
laja, asiatische Russland, Ural, Nepal, China u. a., keine wesentlichen 
Unterschiede auffinden können und halte somit „albifasciata und semi- 
torquata” Heugl. (Semien), „maura” Tem. (asiatische Russland, Japan, 
Madagaskar, Cap), „pastor" Strickl. (Cap), „Hemprichü” Ehrh. (Nord- 
ostafrika, Abyssinien, Syrien), „ferrea” Hodgs. (China), „indica” Bilyth. 
(Himalaya, China) mit rubrcola L. für gleichartig. Aehnlich differirende 
Schwanzfederzeichnungen, wie bei oenanthe dargestellt, finden sich auch 
hier. Bei der typischen rubicola ist die Wurzel fast nie weiss, bei der 
dunklen, auch durch etwas grösseren Flügelspiegel ausgezeichneten maura 


Der schwarzkehlige Wiesenschmätzer. 229 


in der Regel auch nicht, doch dämmerte diese weisse Färbung bei einem 
Individuum (Japan) auf, während sie bei anderen eine Ausdehnung von 
6 Mm. erreichte; bei Femprichü reicht sie von O bis 20 und 25 Mm. 
weit, bei zwei rubicola aus Abyssinien und vom Ural nahm sie volle zwei 
Drittel der äussersten Schwanzfeder ein, grenzte sich aber bei der abyssi- 
nischen gegen die schwarze Spitze nicht scharf ab, sondern verlor sich 
allmählich in dieselbe; endlich zeigte die äusserste linke Schwanzfeder bei 
einem Exemplar aus China, j/errea, nur noch eine auf der Aussenfahne 12, 
auf der Innenfahne 10 Mm. lange schwarze Spitze, wogegen bei dem- 
selben Individuum die äusserste rechte asymmetrisch an der Spitze nur 
mehr zwei kleine schwarze Flecken zeigte. Die äussersten Schwanzfedern 
variiren bei dieser Art folglich von ganz schwarz bis fast ganz weiss; 
scharfe Grenzen sind nirgends sichtlich. Wie aber bei dieser einen, des 
Beispiels wegen gewählten Feder, so verhält es sich bei allen Körper- 
theilen. — Interessant ist jedenfalls der ausserordentlich weite Verbrei- 
tungsbezirk dieses kleinen Vögelchens; doch scheint es in demselben durch- 
aus nicht gleichmässig vorzukommen. Schon in unseren norddeutschen 
Gegenden ist rubicola ein durchaus sporadischer Brutvogel. In der Um- 
gegend von Münster ist er gemein, hier bei Neustadt ist es mir nicht ge- 
lungen, ihn zu entdecken. Er bewohnt nämlich einzig die nicht eultivirten 
Haiden von besseren Bodenverhältnissen, auf denen ausser Haidekraut ein- 
zelne Wachholderbüsche, kleinere Kiefern, Schlehdorn mit Brombeerranken, 
wilde Rose, verschiedene Gräser, auch Orchideen wachsen. Der Linne’sche 
Name „rubieola” („Brombeerbewohner”) ist für dieses Schmätzerchen sehr 
bezeichnend und können wir ihn deutsch „Haideschmätzer”” nennen, wo- 
gegen der folgende ein eigentlicher Wiesenschmätzer ist. Auf den be- 
zeichneten Lehmhaiden genügen ihm sogar sehr kleine, kaum 0,5 Hektare 
einnehmende, etwa wegen starker Terrainunebenheiten noch uneultivirte 
Stellen, allein das vorhin genannte Dorngestrüpp darf nie fehlen. Man 
braucht nicht lange vergebens nach ihm zu suchen, denn auf dessen her- 
vorragende Spitzen setzt sich dieses sehr gedrungene bunte Vögelchen 
sofort, um unter einem lauten „Huit tek tek tek” nach einem etwaigen 
Feinde zu spähen. Zutraulich ist es fast ebenso wenig als der Stein- 
schmätzer. Bei schussmässiger Annäherung fliegt es sofort in ähnlicher 
Weise nahe am Boden hinstreichend ab, und nach einigen Augenblicken 
sehen wir es in gleicher Weise auf einer anderen, entlegenen Spitze sitzen. 
Kurz nach Mitte März, regelmässig gegen Ende desselben stellt es sich 
paarweise am Brutplatze ein. Manche ziehen im Winter gar nicht fort, 
sondern streifen sogar bei hartem Frost an offenen Stellen, sog. warmen 
Quellen, falls sich Weiden- oder anderes Gebüsch dort vorfindet, in unserer 
Gegend umher. So traf ich wiederholt Anfangs und Mitte Januar sowohl 


230 Sperlingsartige Vögel. 


bei gelindem Wetter, als strenger Kälte, einzelne Paare in der Umgebung 
von Münster an. An dem Brutplatze singt das Männchen fleissig eine 
schwer durch Silben zu verdeutlichende kurze Strophe. Das Nest ist 
schwer zu entdecken; es steht am Boden von irgend einem Pflanzen- 
büschel halb überragt, etwa an einem überwachsenen Maulwurfshügel, unter 
einem kleinen Zwergweidenbusche u. ähnl. Die Eier sind matt hellgrün- 
lich, mit bräunlichem Tone schwach, besonders am stumpfen Ende über- 
broneirt. Der Haideschmätzer lebt wie die übrigen Verwandten von kleinen 
Inseeten, besonders Käferchen, Grashüpfern, auch Fliegen, die er zuweilen 
im Fluge erhascht. Im August und September verlässt er die Brutplätze 
und streicht in der Gegend umher, nur theilweise, wie bereits gesagt, die- 
selbe gänzlich verlassend. Wirthschaftliche Wichtigkeit ist ihm selbst- 
redend in keiner Weise zuzulegen. 


3. Der braunkehlige Wiesenschmätzer. 
Saxicola rubetra L. 

Erste (kleine) Handschwinge kürzer als die oberen Deckfedern, die 
zweite so lang als die fünfte, die dritte am längsten, die sechste bis neunte 
an der Wurzel auf der äusseren Fahne weiss oder weisslich; Bürzel und 
obere Schwanzdeckfedern rostbraun mit schwarzen Flecken; Schwanzfedern, 
ohne die mittleren, schwarzbraun; Gurgel und ÖOberbrust rostbräunlich, 
Oberseite mit dunkelschwarzbraunen stark rostgelblich gekanteten Federn; 
über dem Auge ein weisser oder hell rostgelber Streif; Wangen und Öhr- 
gegend braun und schwärzlich gemischt. Auch bei diesem Schmätzer färbt 
sich die Basis der seitlichen Steuerfedern wohl hell, sogar weiss. Bei 
den hiesigen ist das allerdings nicht oft, doch zuweilen wohl recht auf- 
fallend der Fall. Die dunkle Färbung kann sogar bis 22 Mm. gegen die 
Spitze von dem Weiss zurückgedrängt werden. Die Grenze dieser beiden 
Farben ist bald gerade bald nach der Basis hin concav. Die Männchen 
im Sommerkleide zeigen alle Zeichnungen und Farben am reinsten, die 
übrigen Kleider nähern sich mehr oder weniger einem allgemeinen rost- 
farbenen Lehmtone, und tragen auch wohl auf dem Kopfe kleine dunkle 
Schaftfleeken. Die Exemplare, welche ich aus verschiedenen Gegenden, 
Deutschland, Holland, Frankreich, Finnland, Sieilien, Syrien u. a., unter- 
suchte, änderten im Allgemeinen nicht gerade stark ab. — Die Verbrei- 
tung dieses Wiesenschmätzers ist weniger ausgedehnt, als die des Haide- 
schmätzers, er scheint aber innerhalb seines Areals gleichmässiger vorzu- 
kommen. Hier bei Neustadt brütet er zahlreich, bei Münster nicht selten. 
Er langt gegen Ende April bei uns an, doch habe ich für Münster sogar 
schon den 5. dieses Monats als Ankunftstermin notirt. Man findet ihn 
auf Wiesen, zumal in der Nähe von Wasser und etwas Gebüsch, an Bahn- 


Drossel, 231 


körpern dort, wo diese feuchte grasreiche Niederungen durchschneiden, 
auf lückigen Kleestücken, auf jungen, lückigen Culturen, wenn reichlicher 
Graswuchs nicht fehlt. Dort sitzt er auf einem seitlich vorspringenden 
Zweige oder auf der Spitze der höchsten Krautpflanze oder eines Ge- 
büsches. Hierin, wie in seinem übrigen Verhalten ähnelt er dem Haide- 
schmätzer sehr. Doch habe ich letzteren nie so hoch beim Gesange sitzen 
sehen, als zuweilen jenen. Noch im verflossenen Frühlinge sang er sein 
Liedehen oben auf einer gegen 20 Meter hohen Eiche, welche am Rande 
einer ausgedehnten Grasfläche stand. Sein Nest steht gleichfalls veiborgen ; 
hat man es aber etwa an einem Bahnkörper unter einem sehr kleinen 
Weissdornbusch einmal aufgefunden, so findet man die der übrigen Paare, 
die ganz in derselben Weise stehen, schon leicht. Die Eier sind ge- 
sättigt grünblau und tragen zuweilen wenige scharfe, oder zahlreichere 
und dann mehr verloschene rothe Fleckchen. Im August verlässt er sein 
Brutrevier und streift in der Gegend umher, die sterilen, dürren, uneul- 
tivirten Theile vermeidend, gegen Mitte September verschwindet dieser 
niedliche, für unsere wirthschaftlichen Interessen jedoch ziemlich bedeutungs- 


lose Vogel aus unserer Gegend. 


Drossel, Turdus. 


Körper kräftig; Schnabel scharfschneidig, mittellang, gegen die Spitze 
hin etwas comprimirt, First der ganzen Länge nach sanft gebogen, vor 
der Spitze eine seichte Kerbe; Flügel mittellang, kaum die Hälfte des 
mittellangen Schwanzes bedeckend; dritte und vierte Handschwinge die 
längsten; Lauf mittelhoch, schlank. — Die Drosseln repräsentiren die Ge- 
stalt des Vogels im reinsten Ausdruck; ihre Grösse unter den Singvögeln, 
ihre Gestalt, wie die der einzelnen Theile hält sich gleich fern von jedem 
Extrem; Alles steht hier in Harmonie; kein äusserer Theil ist plump, 
keiner schwächlich; sie halten in Allem das Mittel. Aehnliches ist auch 
über ihr Gefieder und dessen Zeichnung und Färbung zu sagen. Aehnliches 
gilt sogar von allen ihren Lebenserscheinungen. Sie bewohnen weder den 
Wald noch das Feld ausschliesslich, leben sowohl einzeln als gesellig; sind 
weder die allerbesten Sänger noch Stümper, bauen weder die kunstvollsten 
noch kunstlose Nester, verzehren sowohl niedere Thiere als Beeren, gehören 
weder zu den ausgeprägtesten Zug-, noch zu den Standvögeln, ihr Flug 
ist weder reissend noch matt. — Man kennt etwa 60 auf der ganzen 
Welt lebende Arten, und auch diese Zahl, wie ihr Cosmopolitismus trägt 
dasselbe Gepräge der mittleren Verhältnisse in ihrem Leben und Auftreten 
an sich. In Deutschland kommen 6 überall bekannte Arten vor, jedoch 


232 Sperlingsartige Vögel. 


einzelne verflogene Individuen von noch mehr Spezies aus Sibirien, sogar 
aus Nordamerika, erhöhen diese Zahl um mehr als das Doppelte. — Unsere 
einheimischen Arten sind in doppelter Hinsicht forstwichtig. Im Herbste 
schaaren sich bekanntlich die meisten, durchziehen dann unsere Wälder, 
und fallen massenhaft auf die dann reifen Beeren. Da sie nun die unver- 
daulichen Theile derselben als Gewölle durch den Schnabel wieder aus- 
werfen, so verbreiten sie vor allen andern Vögeln die beerentragenden Bäume 
und Sträucher, unter denen ich nur Eberesche, Trauben- und schwarzen 
Hollunder, Faulbaum, Hartriegel, Kreuzdorn, Traubenkirsche, Weissdorn 
und Wachholder nennen will. Sie schaffen auf diese Weise dem Walde 
nützliches Unterholz und grossen Schmuck. Auf unseren Nordseeinseln 
verpflanzen sie vorzugsweise den Seekreuzdorn. Zweitens aber vertilgen sie, 
wenigstens mehre Arten, in ungeheurer Menge die unter der Laub- und 
Nadeldecke des Waldbodens dann ruhenden schädlichen Insecten, „Erd- 
mast”, besonders die Puppen, bez. Raupen der Forleule und des Kiefern- 
spanners, indem sie in der Decke darnach umherstören und den Laub- 
und Nadelabfall umwenden. Wo eine Schaar solcher Drosseln sich einige 
Zeit aufgehalten hat — und sie lässt ungestört, wenn weder Frost noch 
Schneefall ihnen diese Beute unzugänglich macht, nicht sobald von einer 
solchen Fundgrube ab —, kann man an der durchstöberten Bodendecke 
noch lange nachher ihre Thätigkeit sehen. Auffallender Weise verschmähen 
sie die Beerennahrung im Frühlinge vollständig, auch wenn man ihnen 
sorgfältig conservirte vorleg. Um fliegende Insecten kümmern sie sich 
nie Sie suchen alle ihre thierische Nahrung nur auf dem Erdboden. 
Unsere Brutvögel nützen auf diese Weise den ganzen Sommer hindurch. 
Die Schwarzdrossel, weniger die Singdrossel, ist freilich auch als Kirschen- 
dieb bekannt; jedoch den Schaden haben beide uns vorher schon durch 
ihren- bereits im Anfange März ertönenden Gesang reichlich vergütet. Es 
wäre zum Schutze unserer Brutvögel sowie für die nützliche Thätigkeit 
der Passanten zu wünschen, wenn der Drosselfang nur vom 1. October 
bis 1. Februar freigegeben würde. — Sie brüten in unseren Wäldern, 
Jährlich zweimal; das künstliche tiefnapfförmige Nest enthält blau grun- 
dirte, meist mit rothbrauner Fleckenzeichnung gezierte Eier; doch giebt es 
auch tiefblaue fleckenlose Eier, und die unserer Singdrossel zeigen auf 
dem blauen Grunde nur wenige weitständige schwarze Punkte. Die Jungen 
sind auch bei den einfarbigen oder denjenigen Arten, deren bunte Färbung 
auf grosse Partieen vertheilt ist, fein gefleckt oder getropft. Die Tropfen- 
fleeckung an der Unterseite ist für diese Gruppe typisch. Wir können 
nach der Zeichnung der Unterseite der alten Vögel unsere hiesigen Arten 
in zwei Gruppen theilen. 


Die Misteldrossel. 233 


a. Unterseite drosselfleckig. 


Zu dieser Gruppe gehören vier Arten, deren Unterseite auf weissem 
Grunde schwarze Tropfen, oder doch dunkle Pfeilflecke trägt; Männchen 
und Weibchen sind hier gleich. 


I. Die Misteldrossel. 
Turdus viscivorus L. 

Unsere grösste Art; Oberseite hell olivengrau, die drei äusseren 
Schwanzfedern mit verloschen weisser Spitze, untere Flügeldeckfedern 
weiss; Unterseite mit sehr starken dreieckigen und rundlichen Tropffllecken ; 
die Jungen vor der ersten Mauser durch helle Federkauten und Ränder 
auf den Flügeln und der Oberseite bunt. — Die Misteldrossel oder Schnarre 
bewohnt den grössten Theil Europa’s und überschreitet dessen Grenzen 
nach Südosten hin weit. Exemplare vom Himalaya und aus Indien, die ich 
untersuchte, unterscheiden sich von mehreren hiesigen Vögeln nur durch 
eine etwas hellere Färbung. In Deutschland bewohnen sie die meisten 
Gegenden, sind jedoch in den Ebenen, in denen es an Nadelholz fehlt, 
nur als Durchzügler bekannt. So hat das Münsterland keine Brutvögel 
dieser Art aufzuweisen; jedoch müssen sie in früheren Decennien einzeln 
auch dort gebrütet haben, da ich ihre Eier in einer alten Sammlung fand. 
Vielleicht hat die Aufhebung der früheren sog. städtischen Gemeinheiten, 
gemeinsame Weideberechtigungen, die Fällung alter, einzeln stehender 
Bäume, Theilung der Marken, fortschreitende Ackerceultur sie verbannt. 
Im südlichen, gebirgigen Westfalen brüten sie zahlreich. Am meisten 
lieben sie lichten Nadelwald; freier Boden, freie Plätze im Walde, oder 
solche, namentlich kurzberaste Wiesen, Viehweiden, Aenger, auch junge 
Culturen in unmittelbarer Nähe oder gar vom Hochwalde eingeschlossen, 
sind ihnen Bedürfniss. Hier bei Neustadt finden sie sich deshalb überall. 
Auf diesen freien Plätzen, oder auf dem freien Waldboden hüpfen sie 
nach ihrer Nahrung umher, welche mehr als bei irgend einer anderen ein- 
heimischen Art aus niederen Thieren, Regenwürmern, Schnecken, Insecten 
und deren Larven und Puppen besteht. Nur wenn diese nicht mehr vor- 
handen oder zugänglich sind, gehen sie an die Beeren, unter denen aller- 
dings die der Mistel ein Lieblingsgericht für sie zu sein scheint. Weniger 
gern nehmen sie die von Ebereschen, Faulbaum, Wachholder. Man trifft 
sie daher stets nur so lange bei diesen an, als Frost oder Schneefall sie 
zu denselben führt, und die Stellen, an denen sie zuerst wieder ihrer 
Thiernahrung nachgehen, sind die Südabhänge eines unebenen Terrains, 
besonders in der Nähe offener Gewässer, etwa eines Wald- oder Wiesen- 
baches. Diese Art streicht übrigens zur Winterszeit weit umher, jedoch nur 


234 Sperlingsartige Vögel. 


einzeln oder in kleinen weitläufigen Gesellschaften. In der Umgegend von 
Münster trifft sie vor Ende October wohl nie ein, und Anfang April 
passirt sie die Gegend wieder. Zwischen anderen Drosseln habe ich sie nie 
bemerkt. An ihren Brutplätzen hört man schon im ersten Frühling ihren, 
dem des Pirols ähnlichen Gesang, eine kurze Flötenstrophe, die sich durch 
einen weniger vollen, sonoren Charakter, sowie durch einen oder anderen 
am Schlusse angehängten Ton von jenem unterscheidet. Dieses kurze, 
etwas melancholische Liedchen wird vom Sänger unaufhörlich bis zur 
Langweiligkeit wiederholt. Er sitzt dabei auf der Spitze eines starken 
Baumes, besonders Kiefer, mitten im Hochwalde, und zeigt sich dann so 
scheu, dass es einem Schützen nur selten gelingen wird, seinen Zweck 
zu erreichen. Ja sogar der harmlose Beobachter, welcher sein Ziel aus 
grösserer Entfernung verfolgen kann, muss sich fast stets mit dem guten 
Willen begnügen. Ehe man sie sieht, erschallt ein verdächtiger schnar- 
render Ton und die Drossel ist verschwunden. Von diesem Schnarrton, 
den sie übrigens auch sonst hören lässt, hat sie ihren Namen Schnarre 
erhalten. Das Nest steht nicht leicht unter 5 Meter Höhe, gern jedoch 
bedeutend höher, und zwar zumeist auf einer alten, aber krüppelhaften 
Kiefer. Die Eier sind auf gedämpft bläulichgrünem Grunde mit wenigen 
leberrothen, starken, oftmals ausgelaufenen und deshalb umrandeten Flecken 
besetzt. Zuweilen wird auch ein Theil der Grundirung wolkig von diesem 
Leberroth schwach überdeckt. — Forstliche Wichtigkeit kann man dieser 
Art wohl kaum beilegen; sie wirkt weder in Masse, noch ist ihre Haupt- 
nahrung für die Forstwirthschaft bedeutungsvoll. Es lässt sich sogar die 
sehr begründete Anklage gegen sie erheben, dass durch sie mehr als 
durch irgend eine andere Drosselspezies die nicht gern gesehene Mistel- 
pflanze auf zahlreiche Bäume übertragen wird. 


2. Die Singdrossel. 
Turdus musicus L. 

Oberseite gesättigt olivengrau; Augenstreif undeutlich, kaum bis über 
die Ohrgegend reichend; Unterflügeldeckfedern okergelb; Unterseite weiss 
oder schwach gelblich mit starken schwarzen dreieckigen oder ovalen 
Drosselflecken. — Die Singdrossel (Zippe, Zippdrossel, Graudrossel) be- 
wohnt ganz Europa, soweit der Baumwuchs reicht. Sie ist durchaus an 
den Wald gebunden, bewohnt sowohl Laub- als Nadelholz (am wenigsten 
gern Kiefern), aber verlangt dabei dichtes Unterholz. Auch bevorzugt 
sie Kleiboden und frischen, feuchten Boden vor dürrem Sandboden; Wasser, 
etwa ein Waldbach, ferner unmittelbar anstossende freie Plätze, nament- 
lich Wiesen, sind ihr ebenfalls angenehm. An solchen Orten wird man 
sie in Deutschland überall antreffen. Sie ist viel gleichmässiger vertheilt 


Die Singdrossel. 235 


und im Ganzen weit zahlreicher als die Misteldrossel. In alten Kiefern- 
hochwäldern, in denen hier bei Neustadt die letztere angetroffen wird, 
fehlt jene. Dieckicht, in das sie ihr Nest bauen, und unter dessen Schutze 
sie den Boden nach Nahrung absuchen kann, ist für sie Bedürfniss. An 
solchen Orten erscheint sie im Frühlinge schon sehr früh. Ich habe bei 
Münster, woselbst sie sehr häufig ist, ihren Gesang in verschiedenen 
Jahren schon am 25. und 28. Februar, am 7., 10., 18. und 22. März 
gehört. Gegen Ende März singt sie übrigens fast in jedem Jahre an 
ihrem Brutplatze, während ihre nordischen Individuen noch Mitte und 
Ende April in Menge durch unsere Gegenden ziehen. Sie hält sich 
meist in kleinen, jedoch zahlreicheren Gesellschaften, als die Misteldrossel. 
Solche durchstöbern eifrig den Waldboden nach der Erdmast, verzehren 
im Herbst jedoch auch viele Beeren. Die Hauptnahrung der Singdrossel 
bilden niedere Thiere, Regenwürmer, Insectenlarven, Puppen, Käfer und 
dergleichen, welche sie nicht blos an der Oberfläche des Bodens aufliest, 
sondern auch unter dem umgewendeten Laube hervorholt. Dass sie in 
Menge nackte Schnecken verzehrt, ist allgemein bekannt; weniger jedoch, 
dass sie auch unter den gehäuseten eiue grosse Niederlage anrichtet. 
Dieses letzte geschieht nun allerdings wohl nie von den wandernden Ge- 
sellschaften, sondern von den einzelnen Brutvögeln, und zwar zumeist im 
Sommer. Die Drossel wählt sich einen kleinen, flach aus dem Boden 
hervorstehenden Stein, holt nun eine gehäuste Schnecke herbei und zer- 
schlägt das Haus auf dem steinernen Amboss, worauf sie den Inhalt ver- 
zehrt. Einen solchen Stein benutzt sie bald längere Zeit, bald wechselt 
sie rasch mit einem anderen ab. Im ersten Falle liegen wohl Hunderte 
von zerschlagenen Schneckenhäusern um den Stein angehäuft, im letzten 
kaum eine Handvoll. Im Park des Rittergutes Hülshoff bei Münster 
traf ich vor einigen Jahren in einem Promenadenwege auf kurzer Strecke 
wohl ein halbes Dutzend solcher Ambosse. Die Gehäusefragmente von 
Helixw nemoralis, hortensis, lapieida, incarnata, sogar die von pomatia 
lagen zahlreich umher. In den letztverflosseuen Ferien wurde ich auf 
meine betreffende Anfrage zu einer Stelle im Walde geführt, an der die 
Kinder des Hauses sich nach Lust und Liebe eine grosse Menge Schnecken- 
häuser bereits gesammelt hatten und ich trotzdem noch im Stande war, 
für die biologische Abtheilung unserer zoologischen Sammlung eine reich- 
liche Nachlese zu halten. Jedoch fand ich daselbst nur eine einzige 
Spezies, /leliv nemoralis. Ich brauche wohl nicht ausdrücklich zu ver- 
sichern, dass die Thäterschaft der Singdrossel für diese Arbeit vollständig 
eonstatirt ist. Sie ist bei ihrer Arbeit sowohl mit dem freien Auge als 
durch den Tubus vielfach beobachtet. So wirkt sie fast das ganze Jahr 
hindurch wohlthätig in unseren Wäldern; nicht minder jedoch auch in 


236 Sperlingsartige Vögel. 


der nächsten Umgebung im Freien. Gegen Herbst macht sie sich freilich 
auch an Beerennahrung. Wenn wir von dem Verzehren einiger Kirschen 
durch sie absehen, so kann uns auch dieses wegen der vorhin (S. 232) 
bereits berührten unfreiwilligen Verbreitung der betreffenden Holzarten 
(Eberesche, Faulbaum, Hartriegel, Wachholder) nur willkommen sein. Das 
Verzehren der Kräuterbeeren, z. B. der Vaceinien, ist indifferent. Bald 
nach ihrer Ankunft schickt sich die Singdrossel zum Nestbau an den 
vorhin bezeichneten Waldstellen an. Das Nest steht etwa 2 Meter hoch, 
häufig niedriger, stets im dichten Holzwuchs, besonders hart an einem 
Stamm durch Wasserreiser umgeben und gestützt, in durch Wild ver- 
bissenen oder anderweitig beschädigten, und dann verworren kraus ge- 
wachsenen Laubhölzern, in jüngeren Fichten, überhaupt im Dickicht. In 
einem Wachholderstrauche, der frei auf kurzem Rasen etwa S—10 Schritt 
von einem Feldholze entfernt bei Münster stand, befand sich oben das 
Nest vom Dompfaffen und in der Mitte von der Singdrossel, beide Nester 
waren zu gleicher Zeit belegt. Das dünnwandige Nest ist merkwürdig 
durch seinen von innen mit zerkleinertem faulem und durch den Speichel 
der Drossel zu einem Mörtel verfestigtem Holze ausgeschmierten tiefen 
Napf. Die intensiv grünblauen Eier tragen wenige, weitständige, schwarze 
(tief braune) Punkte. Die gewöhnliche Lockstimme hat dem Vogel den 
Namen „Zipp”-Drossel oder Zippe verliehen. Ihr Gesang ist wohl- und 
volltönend, laut, abwechselnd, anhaltend. Sie sitzt dabei auf der obersten 
Spitze eines starken Baumes, ist dort im Gegensatz zur Misteldrossel 
leicht aufzufinden, und beherrscht und belebt in der anmuthigsten Weise 
dadurch den Wald in weitem Umkreise. Da sie zweimal, bei Zerstörung 
eines Nestes auch dreimal brütet, so singt sie bis tief in den Sommer 
hinein. Nach Mitte September bis Mitte October pflegt sie unsere Gegend 
zu verlassen. Die nordischen Individuen ziehen noch lange durch, wenn 
unsere Brutvögel bereits längst abgereist sind. Fälle, dass noch mitten 
im Winter Singdrosseln bei uns vorkommen, sind selten. Doch wurde 
am 23. Januar bei 21'/,° Kälte noch eine in Dohnen gefangen. 


3. Die Rothdrossel. 
Turdus iliacus L. 

Die kleinste inländische Drosselspezies; Oberseite olivenbraun, über 
dem Auge ein deutlicher rostgelber bis über die Ohrgegend reichender 
Strich, unter dieser ein ebenso gefärbter Fleck; Unterflügeldeckfedern und 
Weichen lebhaft rostroth; Unterseite weisslich mit olivenbraunen oder wenig 
scharfen olivengrauen Schaftflecken. Mehr als die anderen Drosseln variirt 
diese Art, ohne dass die Artkennzeichen verwischt würden. Ein Individuum 
der Fürstlich Radziwill’schen Sammlung (Berlin) zeigt jedoch an den 


Die Rothdrossel. 237 


Weichen keine Spur von Rostroth, und diese Färbung an den unteren Flügel- 
deckfedern sehr gedämpft. Ein zartes Aschgrau herrscht überall bei diesem 
Stücke vor. Eine andere Aberration daselbst, ein sehr blasses Individuum, hat 
an den Weichen an dem Rostroth gar nichts eingebüsst, so dass diese Stelle 
als grell rostrother Fleck auf blassgelblichem Grunde erscheint. — Die 
Rothdrossel (Weindrossel, Böhmer) ist für unsere Gegend wohl nur Zug- 
vogel. Seine Heimath ist der hohe Norden und dem entsprechend treffen 
seine Schaaren alljährlich hier im Herbst später ein, als die wandernden 
Singdrosseln. Die normale Ankunftszeit ist kurz nach Mitte October, doch 
habe ich schon am 4. dieses Monats, ja schon am 8. September, dahingegen 
auch noch am 13. bis 16. November in der Umgegend von Münster Roth- 
drosseln angetroffen. Im Frühlinge erscheinen ihre Schaaren zahlreicher 
und zwar noch Mitte März, zumeist jedoch von Ende dieses Monates bis 
nach Mitte April. Ein früheres Eintreffen bei uns, etwa am 19. Februar 
(1859), gehört zu den Ausnahmen. Auch diese Art ist Waldvogel, obgleich 
sie im geschlossenen Hochwalde, sowie in Nadelholzwäldern nicht zu finden 
ist. Unterholz ist auch ihr lieb. In bedeutenden Schaaren fallen die Roth- 
drosseln in unsere bewaldeten Gegenden ein und nähren sich auf dem 
Boden ähnlich wie die Singdrossel. An solchen Waldesstellen, die vom 
Inseetenfrass bedroht sind, verweilen sie längere Zeit, wenn diese Forst- 
feinde sich in einem für sie erreichbaren und geniessbaren Stadium unter 
der Laubdecke befinden. Erdmast ist auch ihre Hauptnahrung. Im Früh- 
linge suchen sie besonders gern die freien Stellen in Waldesnähe, als Wiesen, 
Weiden, Culturen, nach dergleichen ab und zerstreuen sich da wohl über 
grössere Flächen, welche sie vom Waldrande her besuchen. Im Herbst 
zeigen sie sich sehr lüstern nach Beeren, besonders vom Wachholder. Ihre 
Hauptbedeutung für die Forstwirthschaft liegt in der Menge, in der sie 
die einzelnen Stellen nach dem Bodengewürm, Puppen, Larven, Insecten 
absuchen. Sie lieben überhaupt die Geselligkeit sehr und mischen sich 
sogar gern unter fremde Arten, die sie jedoch auf dem Zuge wieder zu 
verlassen scheinen. Ihr gedehntes „Ziih* lässt sie leichter als ihr Aeusseres 
von der Singdrossel unterscheiden. An heiteren Frühlingstagen vernimmt 
man auch zuweilen ihren Gesang, der jedoch sowohl an sich, als auch 
aus dem Umstande, weil eine ganze Schaar in irgend einem Randbaume 
sich hören lassen will, wodurch er sehr undeutlich wird, schwer zu ver- 
sinnlichen ist. Die Rothdrossel nistet im hohen Norden. Ein Brüten in 
unseren Gegenden würde eine Seltenheit sein; jedoch ist solches be- 
hauptet. Die Eier sind den schwach gezeichneten der Schwarzdrossel 
sehr ähnlich, selbstredend aber weit kleiner, etwa von der Grösse der 
Staareier. Auf licht blaugrünlichem Grunde tragen sie eine Menge feiner 
röthlicher Fleckchen. 


238 Sperlingsartige Vögel. 


4. Die Wachholderdrossel. 
Turdus pilaris L. 

Kopf und Bürzel bläulich aschgrau, Oberrücken kastanienbraun; Unter- 
flügeldeckfedern weiss; Unterseite an Kehle und Gurgel rostgelblich, sonst 
weiss mit länglichen dreieckigen, an den Gurgelseiten gehäuften dunklen 
Flecken. Diese Zeichnung variirt jedoch nach Alter und Geschlecht nicht 
unerheblich. Ein kaum flügges Exemplar (Deutschland) trug auf den 
Federn des Oberrückens scharfe breite weissliche Schaftflecken, und war 
unten bis zur Mittelbrust bräunlich grundirt und auf der ganzen Unterseite 
mit Ausnahme der fleckenlosen Mitte der Kehle mit lockeren Tropfflecken 
(nicht Pfeilflecken) besetzt Ein zweites etwa 8 Tage älteres Junge aus 
Ungarn zeigte die hellen Schaftflecken des Rückens schmaler. —- Die Wach- 
holderdrossel (Ziemer, Schacker, doppelter Krammetsvogel) bewohnt als 
Brutvogel den höheren Norden von Europa wie Asien und ist z. B. als 
solcher in den Birkenwäldern des nördlichen Norwegens sehr häufig. Er 
trifft auf dem Zuge bei uns im Herbst am spätesten, in strengen Wintern 
schaarenweise, in gelinden spärlicher ein. Der Wandertrieb prägt sich bei 
ihm überhaupt nicht sehr stark aus, denn bei nur etwas günstigen Witte- 
rungsverhältnissen, welche ihm seine Nahrung nicht unzugänglich machen, 
finden wir seine Schaaren in allen Wintermonaten bei uns umherschwär- 
men. Im entgegengesetzten Falle aber wandert er bis zum südlichen 
Europa. In der Regel trifft er nach Mitte October bei uns ein, jedoch 
zeigen sich häufig erst einzelne Vorposten, die Schaaren folgen dann im 
November. Ein Fall, dass am 8. October (1863) ein Schwarm von gegen 
300 Stück, oder dass schon am 19. September ein kleiner Flug sich zeigte, 
gehört zu den Ausnahmen, ebenso wie im Frühlinge eine Schaar von SO 
bis 90 Stück, die noch am 10. Mai durch unsere Gegend wanderte. Gegen 
Ende, häufiger schon um die Mitte April sind die Wachholderdrosseln für 
gewöhnlich verschwunden. Doch erscheinen noch oftmals einzelne Nach- 
zügler, oder auch bereits gepaarte Paare von solchen. Es ist nicht un- 
möglich, dass ein solches über die Sorge für das Fortpflanzungsgeschäft 
die Heimath vergisst. Das vorhin genannte Nestjunge aus Ungarn möchte 
ich mir so erklären. In der Regel brütet die Wachholderdrossel colonien- 
weise, im Norden sowohl, wie auch an einzelnen Stellen in Deutschland 
z. B. mehrfach in Schlesien. Feuchte, sogar nasse, völlig ebene, aus 
Eichen, Birken und Erlen gemischte Waldstriche, die mit Triften und 
Aeckern abwechseln, sind dort die beliebtesten Brutplätze. Die Nester 
stehen in den ziemlich starken Wipfelästen meist auf Erlen, durch schlam- 
mige, mit den anderen Baumaterialien vermischte Erde befestigt. Im 
Innern sieht man keine erdige Ausschmierung. Um Pfingsten 1854 traf 
ich in der Jungfernhaide bei Berlin (jetzt bebauet) eine Anzahl Wach- 


Einfarbigere Drosseln. 239 


holderdrosseln an, die durch ihr Verhalten sich ohne allen Zweifel als 
flügge Junge erwiesen. Denn ich konnte sie nur durch Lärmen, sogar 
Pochen an die Stämme von einem Baum zum anderen treiben. Es sind 
diese Drosseln bekanntlich sehr scheu. Mit lautem „Schackschackschack” 
fliegen sie sowohl von den Wiesen und Haiden als von den hohen Bäumen 
schon aus weiter Entfernung auf und streichen dann sehr weit weg. Nur 
einzelne aus der Schaar verweilen auf den Zweigen noch einige Zeit, und 
folgen dann einzeln abstreichend dem Gros; gewöhnlich hält jedoch das 
eine oder andere Stück die Annäherung des Schützen, der sich im ruhigen 
Schritte nähert, aus, aber langes Zielen ist auch dann sehr unpraktisch. 
Die meiste Zeit halten sich die Schaaren auf offenen Flächen, Wiesen, 
Aengern, Weiden in der Nähe von Wäldern oder anstossendem Gebüsch 
mit einzelnen starken Bäumen auf und gehen hier über dieselben sehr 
vertheilt ihrer Nahrung, Regenwürmern, Larven, Inseceten nach. Im Früh- 
linge verzehren sie nur dergleichen niedere Thiere, im Herbste jedoch 
lieben sie mehr als andere Drosselarten Beeren, unter denen sie wiederum 
den Eberesch- und Wachholderbeeren den Vorzug geben. Den Waldboden 
vermeiden sie consequent zum Aufsuchen ihrer Nahrung; sie wirken des- 
halb gegen die Waldfeinde aus dem Insectenreiche nicht. Auch zeigen 
sie wenig Vorliebe für die von den Insectenplagen am meisten heimge- 
suchten und somit der Hülfe am stärksten bedürftigen Nadelholzwälder. 
Sie sollen sogar nur im Laubholz nisten, und dort ihre Colonien so dicht 
besetzt sein, dass nicht selten mehre Nester auf einem Baume stehen. 
Die Eier sind denen der Schwarzdrossel sehr ähnlich und zum Theil kaum 
von diesen zu unterscheiden. Die meisten zeichnen sich jedoch durch 
einen licht blaugrünlichen Grund und sehr reichliche, scharfe, nicht in 
einander fliessende, braunröthliche längliche Pünktchen aus. Nicht blos 
an den Brutplätzen, sondern auch hier bei uns lassen sie ihren Gesang 
ertönen, und zwar stets von einem hohen Baume herab in Gesellschaft. 
Es ist das ein Durcheinanderschickern und Schackern verbunden mit 
höheren Tönen, welches sich einer näheren Beschreibung völlig entzieht. 
Nach solchem eifrigen Singen verlassen sie jedoch bald unsere Gegend. — 
In forstwirthschaftlicher Hinsicht erlangen sie nur durch Verbreitung der 
beerentragemden Holzarten einige Bedeutung und zwar diese in höherem 
Grade als die übrigen Drosseln. 


b. Unterseite ohne Drosselflecken. 


Die düsteren Drosseln, von denen zwei Arten bei uns allbekannt, 
sind entweder einfarbig schwarz, oder tief braun mit kaum aufdämmern- 
der Zeichnung, oder sie zeigen die grell abstechenden Farben in grosse 


240 Sperlingsartige Vögel. 


Partieen vertheilt; Männchen und Weibchen unterscheiden sich äusserlich 
bedeutend. 


5. Die Ringdrossel. 
Turdus torquatus L. 

Gefieder mattschwarz mit grauen Kanten, auf der Oberbrust einen 
grossen weissen oder weisslichen Querfleck. Bei den alten Männchen sind 
diese Farben rein und scharf, bei den Weibchen weniger, ja bei den 
jüngeren hebt sich das weissliche oder vielmehr schmutzig graue Brust- 
schild wenig von der unteren Gesammtfärbung ab. Vor der ersten Herbst- 
mauser tragen die Federn des Rückens und die Armdecken scharfe weisse 
Schaftflecke, auf der Unterseite ist gar kein Schild ausgeprägt; jede Feder 
ist an der Basis und Spitze dunkel, in der Mitte weisslich oder gelblich; 
die hellen Flügelränder gelblich; die unteren Schwanzdeckfedern mit breiten 
weissen Schaftflecken versehen. Noch anders ist das Nestkleid. Ein noch 
nicht flügges Exemplar zeigte Scheitel und Rücken weit dunkler, des- 
gleichen merkwürdiger Weise die Stelle des später weissen Brustschildes, 
und zwar ist diese dunkle Partie gebildet durch grobe braune Flecken- 
tropfen auf gelbrostfarbenem Grunde. Die Bezeichnung Ringdrossel oder 
Schildamsel passt somit nur auf die alten Vögel. — Diese Art bewohnt 
den hohen Norden und die Alpen. In der Schweiz ist sie stellenweise, 
z. B. im Berner Oberland, häufiger Brutvogel. Die dortigen Individuen 
unterscheiden sich jedoch durch einen auffallend hellen Wisch auf dem 
Flügel (die zusammentretenden helleren Kanten der betreffenden Federn) 
von denjenigen, welche aus dem nördlichen Schweden als Zugvögel unsere 
Gegenden jährlich durchwandern. Kurz nach Mitte September pflegen sie 
bei uns einzutreffen und verweilen dann in kleineren Gesellschaften, deren 
Glieder sich nicht enge und ängstlich an einander schliessen, nur etwa 
14 Tage bei uns. Sie leben meist niedrig im Gebüsch verborgen, suchen 
nach Art der Schwarzdrosseln, denen sie überhaupt mehr als einer anderen 
Art ähneln, ihre Nahrung am Boden. Man sieht sie einzeln bald hier 
bald dort von einem Gebüsch in’s andere fliegen. Dichtbewachsene Wald- 
ränder mit vielem Unterholz lieben sie sehr. Doch treten sie auch, um 
auf Haiden Wachholderbeeren zu suchen, aus ihren Schlupfwinkeln hervor 
und verbreiten sich dann vereinzelt über eine grosse Fläche. Noch im 
vorigen Herbst traf ic# sie in der Nähe von Münster in dieser Weise an. 
Man sieht sie da auch fast nur fliegend von einer Wachholderpartie zur 
andern. Beunruhigt streichen sie weit fort oder nehmen ihre Zuflucht 
zum nahen dichten Walde, Laub- wie Nadelholzwalde Ihre Stimme 
„lack, Tack” ähnelt der der Schwarzdrossel, jedoch hört der Kenner 
sofort, dass er es mit einer anderen Spezies zu thun hat. Ihr Flug ist 


Die Schwarzdrossel. 241 


dem jener auffallend unähnlich; ihre längeren spitzeren Flügel verleihen 
ihr fast eine Aehnlichkeit mit der Wachholderdrossel. Im Frühlinge 
passiren sie kurz nach Mitte April unsere Gegend. Das früheste Datum 
meiner vielen Notizen ist der 9. dieses Monats, am zahlreichsten erscheinen 
sie vom 22. bis 27., das späteste der 7. Mai. Ihre Nahrung ist im Allge- 
meinen die der übrigen Drosseln, niedere Thiere, besonders Käfer im 
Frühlinge und Sommer, Beeren im Herbste. Die Ringamsel brütet in 
den schlesischen Gebirgen, namentlich den Sudeten nicht unter 1200 M. 
absoluter Höhe, dort, wo nur kümmerliche Fichten und Legeföhren mehr 
vorkommen. In ersteren, kaum 2 M. hoch, steht das Nest häufig, in 
letzteren selten. In Norwegen zieht sie als Brutvogel über die Holzregion 
hinaus und baut dann sogar wohl in’s Haidekraut auf der Erde. Gesellig- 
keit zeigt sie an ihren Brutstellen nicht; jedes Paar hält sein eigenes 
Revier inne. Doch sind brütende Wasserpieper nicht selten Nachbarn 
der Ringamsel. Das Nest gleicht sehr dem der Schwarzdrossel, auch ihm 
ist Erde, Moorerde, beigemischt, so dass der Napf ausserordentlich fest wird 
und sehr fest auf den mit Bartflechten bewachsenen krüppeligen Fichten 
steht. Die Eier weichen jedoch nicht unerheblich ab. Auf gesättigt blau- 
grünem Grunde stehen nämlich grobe, nicht sehr zahlreiche braunrothe 
Flecken. Man müsste schon aus einer bedeutenden Menge Eier beider 
Arten Extreme auswählen, von denen der Schwarzdrossel die am gröbsten, 
von denen der Ringamsel die am feinsten gezeichneten, um eine Un- 
sicherheit in der Bestimmung zu erzielen. Die Ringamsel soll ab und zu 
im nördlichen Deutschland gebrütet haben, z. B. im Thüringer Walde und 
im Harz. Regelmässiger Brutvogel ist sie im Riesengebirge, den Sudeten, 
den bayerischen Alpen. 


6. Die Schwarzdrossel. 
Turdus merula L. 

Zweite Handschwinge ungefähr der sechsten gleich, die vierte die 
längste.*) Männchen schwarz mit leuchtend gelbem Schnabel und Augen- 
rand, Weibchen und Junge schwarzbraun mit weissgrauer Kehle und un- 
deutlichen, gleichsam aufdämmernden Flecken am Vorderkörper. Die 
Weibchen treten jedoch in so mannigfacher Variabilität auf, dass es schwer 
hält, sie genauer zu beschreiben. Es ist die Unterseite, welche sich so 


*) Der Flügelbau der Schwarzdrossel weicht von dem sämmtlicher vorher 
behandelten Arten ab, bei denen die zweite Handschwinge ungefähr gleich der 
fünften und die dritte die längste ist. Nur die amerikanische Wanderdrossel 
ähnelt ihr in dieser Hinsicht. Ihr von dem aller übrigen abweichender Flug, 
sowie ihr von allen am schwächsten ausgebildeter Wandertrieb stehen zu dieser 
stumpferen Flügelform in Beziehung. 

Altum. Die Vögel. 16 


242 Sperlingsartige Vögel. 


verschieden zeigt. Der Grundton ist bald schwarzbraun, bald sogar röth- 
lichbraun und recht hell. Auf diesem zeigen sich bald sehr verloschene, 
bald ziemlich scharf sich abhebende, bald grobe, bald feine Flecke. Die 
Kehle ist in der Regel weissgrau ohne Zeichnung, jedoch auch wohl hell 
weisslich mit intensiven Schaftflecken, und die letzten bald tiefbraune 
Lanzettflecken, bald braune rostfarbig umrandete Pfeilflecken, welche sich 
dann auf dem rostfarbenen Grunde der Vorderbrust als Pfeiltropfen fort- 
setzen. Jedoch kann auch die Vorderbrust mit schmalen Schaftstreifen 
versehen sein, welche dann gegen die Mitte der Brust in verloschene 
Tropfen übergehen. Auch ein von einem Männchen nicht zu unterschei- 
dendes (hahnenfedriges) Weibchen ist mir bekannt geworden, und ausser- 
dem ein auffallend kleines aus Portugal. Eine der merkwürdigsten Ab- 
errationen, die ich je gesehen, war gleichfalls ein Schwarzdrosselweibchen: 
Oberseite durchaus aschweisslich grundirt, jede Feder aber mit feinen 
dunklen Ziekzackbändehen und Wellen, desgleichen die Weichen und 
Unterschwanzdeckfedern, so dass diese Partieen ein auffallend ziegenmelker- 
ähnliches Ansehen hatten. Die Unterseite normal weiblich, doch blasser 
(Leidener Museum). Sollten vorkommenden Falles über die Art bei einem 
Exemplare Zweifel entstehen (Leucismen sind z. B. bei diesem Vogel nicht 
so gar selten, und haben sich wohl Jahre lang bei den verschiedenen 
Jungen eines Paares im Freien erhalten), so entscheidet der Flügelbau 
sofort. Die nicht unerhebliche Verschiedenheit der Individuen dieser Art, 
an der auch die jungen Männchen nach der ersten Herbstmauser wohl 
Theil nehmen, erkläre ich mir durch die unter so verschiedenen Tempe- 
raturverhältnissen sich entwickelnden jährlichen drei oder gar vier Bruten. 
Mitte März finden wir schon wohl belegte Nester; am 25. Juni 1862 hatte 
ein Paar in einem Garten zum dritten Male Junge und brachte noch eine 
vierte Familie auf. Am 22. August brütete ein Paar sogar zum fünften 
Male, erzog jedoch nur viermal Junge. Die Verschiedenheit der Nahrung, 
die verschiedene Tageslänge, wodurch ohne Zweifel auch die Menge der 
„ Nahrung bedingt wird, zur Zeit der verschiedenen Bruten, mag auch nicht 
ohne Einfluss sein. Die übrigen Drosseln bringen nur zwei Bruten auf. 
— Die Schwarzdrossel (Amsel) bewohnt fast: ganz Europa und kommt 
überall in Wäldern mit dichtem Unterholze, wüsten Hecken, Feldhölzern, 
Gärten und Parks vor. Jedoch giebt sie dem fetten Kleiboden, zumal 
in der Nähe von Wassergräben und bewachsenen Bächen vor dürrem, 
sandigen Terrain den Vorzug. Zwischen Laub- und Nadelholz macht sie 
wenig Unterschied. Im Allgemeinen ist sie weniger häufig als die Sing- 
drossel, hier bei Neustadt sogar entschieden seltener als die Misteldrossel. 
Das Münsterland mit seinen vielen Feldhölzern und Wallhecken wird jedoch 
von ihr sehr zahlreich bewohnt. Sie ist dort ohne Frage häufiger in den 


Die Schwarzdrossel. 243 


Gärten der Stadt und um dieselbe, als in den Wäldern. Im Winter 
scheint sie zahlreicher zu sein, weil ihre Individuen sich dann nach der 
Stadt zusammenziehen, um daselbst mit alten Weintrauben, faulem Obst 
u. dergl. kümmerlich ihr Dasein zu fristen. In Wirklichkeit aber lebt 
dann kaum ein Drittel der Sommerzahl dort, denn in den Wäldern und 
Wallhecken trifft man keine an. Die Thatsache, dass man im Winter 
fast nur alte Männchen sieht, lässt schliessen, dass, wie bekanntlich bei 
vielen anderen Vögeln, zumeist die Weibchen und Jungen abgereist sind. 
Gegen Mitte October ziehen diese fort; Mitte März erscheinen sie wieder. 
Zu 8, 4, 5 sieht man sie dann zusammen, und auf geringe Entfernung 
von einigen Hundert Schritten lassen sich im Ganzen etwa 20 Stück zählen. 
Unter den Männchen giebt es alsbald Kampf und Streit, aber sehr rasch 
finden sich die Paare zusammen und vertheilen sich über die Gegend. 
Im ersten Frühlinge ertönt die herrliche Flötenstrophe der alten Männchen. 
Ich habe sie schon an heiteren Tagen in der Mitte Februar wiederholt, 
einmal sogar am 30. Januar (1859), gehört. Anfangs März, spätestens 
Mitte dieses Monates beginnt der Gesang regelmässig und dauert dann 
bis Ende Juli, zuweilen noch bis tief in den August hinein. Ueber die 
Nahrung der Schwarzdrossel ist nichts von der der übrigen Drosseln Ab- 
weichendes zu berichten, sondern nur hervorzuheben, dass sie ihre Thä- 
tigkeit das ganze Jahr hindurch fortsetzt und deshalb dort, wo sie zu den 
häufigen Vögeln zählt, mit Recht trotz ihrer Kirschendieberei, als einer 
der nützlichsten bezeichnet werden muss. Wo Schwarzdrosseln vorkom- 
men, findet man stets die Waldbodendecke, Laub oder Nadeln, umge- 
wendet. Auf freie Plätze begiebt sie sich nur vorübergehend und nur in 
der Nähe von Holzdickicht, wohin sie auch sofort bei irgend einer Beun- 
ruhigung flieht. Sie vermeidet es sogar, am Tage über grössere freie 
Plätze zu fliegen. Ihr Flug erscheint stets etwas ängstlich und unter- 
scheidet sich von dem aller übrigen Drosseln. Ihr Nest steht meist sehr 
niedrig, am oder halb im Boden, an dem Wall einer Wallhecke gedeckt 
durch irgend einen knorrigen Stamm, auf einem alten angefaulten Stocke 
auf einer Kopfweide, im Gartenhause, Weinspalier, in zusammengestellten 
Bohnenstangen, Reiserbündelhaufen, jungem dichtem Nadelholz, besonders 
Fichten, selten gegen 7 Meter hoch auf höheren Bäumen in Astgabeln. 
Sein tiefer Napf ist inwendig glatt ausgeschmiert mit Thonerde, doch 
nicht gerade immer. Ihre Eier sind auf blaugrünlichem Grunde mit 
schwachen braunrothen zahlreichen Fleckchen ziemlich dicht bedeckt; doch 
giebt es auch intensiv grundirte Eier ohne Zeichnung. Man findet 9, 
auch 6 Eier im Neste. Die starke Vermehrung wird durch den oft so 
verderblichen Winter, sowie durch den mörderischen Sperber, der die 
Schwarzdrosseln sehr häufig fängt, paralysirt. 
16* 


244 Sperlingsartige Vögel. 


Von fremdländischen Drosseln erscheinen als seltene Irrgäste in 
Deutschland: 

Die Wanderdrossel, Turdus migratorius L., aus Nordamerika. 
Oberseite olivenschwarz, Kehle weiss mit schwarzen Längsstreifen, 
übrige Unterseite orangeroth; in der Jugend (vor der ersten 
Mauser) lehmgelblich mit scharfen schwarzen Drosselflecken. Nach 
ihrem Flügelbau gehört sie zur Schwarzdrossel, und auch die 
Kehlzeichnung erinnert lebhaft an die mancher Weibchen. Mehr- 
mals vorgekommen; vor einer Reihe von Jahren auf dem Berliner 
Markt, welches Exemplar sich in der Sammlung des verstor- 
benen Fürsten Bog. Radziwill zu Berlin befindet. 

Die schwarzkehlige Drossel, Turdus atrigularis Natt. (Bech- 
stein, Naum.). Eine grosse sibirische Drossel mit schwarzer 
Kehle und Vorderbrust beim alten Männchen, übrige Unterseite 
weisslich mit langen schmalen Schaftflecken der Weichen, Ober- 
seite olivengrau, Unterflügeldeckfedern sanft rostbräunlich. Junge 
Individuen, denen die schwarze Zeichnung am Vorderkörper fehlt 
(bei den Weibchen ist derselbe schwärzlich bis dunkelgrau), sind 
nicht so ganz ausserordentlich selten. Ich selbst kaufte am 
10. November 1866 ein solches auf dem Markt zu Münster. In 
seinem Magen befanden sich Kerne von Eberesch- und Scheeball- 
beeren, sowie Reste von Forficula. Von den sehr seltenen alten 
Männchen besitzt unsere akademische Sammlung ein schönes 
Exemplar gleichfalls aus Münster. 

Die Naumanns-Drossel, Turdus Naumanni, Tem. Gleichfalls 
eine sibirische, namentlich ostsibirische, bis Japan reichende Art. 
Hauptfarbe rostroth, woran auch die Flügel und namentlich der 
Bürzel und der Schwanz theilnehmen; Weichen und untere Flügel- 
deckfedern desgleichen; Unterseite weisslich grundirt, an den 
Seiten mit rostlichen Flecken in demselben Charakter, wie die 
Zeichnungen von T. pülaris; ein heller Augenstreif rostgelb. 
Meines Wissens sind nur junge Vögel in Deutschland und auch 
diese selten vorgekommen. Einen solchen aus hiesiger Gegend be- 
sitzt gleichfalls unsere akademische Sammlung. *) 


*) In letzter Zeit hat das Berliner zoologische Museum einige 40 Stück 
sibirischer Drosseln erhalten, die sich sehr leicht in 4 Gruppen abtheilen lassen, 
denen die bis jetzt aufgestellten Arten: atrigwlaris, rufcollis, fuscatus und Nau- 
manni entsprechen. Doch bieten die schwarzbrüstigen azrigularis und die roth- 
brüstigen rwjicollis derartige Uebergänge, dass diese beiden Formen artlich zu- 
sammen gezogen werden müssen, während die viel angefochtene Naumanni als 
Art bestehen bleibt. 


Die Schwarzdrossel. 245 


Die sibirische Drossel, Turdus sibirieus Pall. (leueoeillus Pall.). 
Wie der Name besagt, gleichfalls sibirisch. Eine kleine Spezies 
von der Grösse der Rothdrossel. Männchen schwarz mit weissen 
Augenstreifen und unteren Flügeldeckfedern; Weibchen bräunlich 
olivenfarben, unten weisslich braun gefleckt. Von diesem seltenen 
Gaste besitzen wir hier einen jungen Vogel und ein eben ver- 
mausertes altes Männchen, beide aus hiesiger Gegend. Nach 
ihrer Färbung schliesst sie sich den Schwarzdrosseln an. 


Ausser diesen sind noch die blasse Drossel, Turdus pallens Pall. 
aus Sibirien, die einsame Drossel, Turdus solitarius Wels. 
aus Nordamerika, die Zwergdrossel, Turdus minor Gm. (Nach- 
tigallengrösse), gleichfalls aus Nordamerika, die bunte Drossel, 
Turdus varius aus Sibirien, und auf Helgoland noch Turdus rufi- 
collis Pall. (Sibirien) vorgekommen. Jeder einzelne Fall ist eine 
grosse Seltenheit. 


An die Drosseln im engeren Sinne schliessen sich die etwa 25 Arten 
zählenden amerikanischen Spottdrosseln, Mimus, welche sich durch sanft 
bogig gekrümmten Schnabel, kurze Flügel, langen stufigen Schwanz, sowie 
durch die vorn in Schilder getheilten Läufe von jenen unterscheiden. 
Durch ihren Gesang und ihre vorzügliche Nachahmungskunst ist Mimus 
polyglottus Boie berühmt. Eine Art, M. carolinensis L., (Katzenvogel 
und eine zweite (Toxwostoma) rufus L. wurden als Irrgäste schon auf 
Helgoland erbeutet. 


Eine fernere Gruppe drosselartiger Vögel, welche sich durch gekielten 
Kerbezahn der Spitze, starke Bartborsten, abgerundete Flügel, mittellangen 
abgerundeten Schwanz, sowie durch kurze, schwache Füsse und Zehen 
auszeichnet (Drachypodinae), bewohnt in etwa 125 Arten Afrika, Indien 
und Öceanien. Eine Spezies Jwos obscurus Bp. lebt in Nordafrika und 
Spanien, eine zweite afrikanische aurigaster Vieill. kam verschlagen in 
Irland vor. 


Mehre systematisch den Drosseln folgende Familien der Singvögel 
sind gänzlich exotisch. Sie enthalten zahlreiche, meist kleine, ja sehr 
kleine Vögel von hoher Farbenpracht, von denen gar oft manche Schmuck- 
vögel ausgestopft in einer Gruppe als Zimmerzierde prangen. Sie gehören 
bald ausschliesslich Amerika, bald der östlichen Halbkugel an und be- 
wohnen nur die heissen Gegenden. Die meisten nähren sich von Insecten. 
Es sind die amerikanischen Caeribeidae (35 Arten), die Meliphagidae (119 
Arten) aus Asien, Afrika, Australien und endlich die in der alten Welt 
die amerikanischen Kolibri vertretenden Honigsauger, Nectarinidae, gegen 
110, bei weitem zumeist afrikanische, wenige ostindische Spezies. 


246 Sperlingsartige Vögel. 


7. Familie. Schwalben, Hirundinidae. 


Gestalt wegen des kurzen Halses und der starken Vorderbrust ge- 
drungen; Kopf breit und flach, Stirn von dem sehr kurzen, platten, breiten 
dreieckigen Schnabel scharf abgesetzt; Rachen sehr breit; Augen in einer 
muschelförmigen Vertiefung; Flügel mit kurzem Oberarm, längerem Unter- 
arm und sehr langer Hand, 9 lange, starrschaftige Handschwingen, von 
denen die erste die längste, Armschwingen kurz; Schwanz gablig; Füsse 
schwächlich, drei Zehen nach vorn, die mittlere mit der äusseren fast bis 
zum ersten Gelenk verwachsen, eine nach hinten gerichtet. — Als wahre 
Flugvögel verrichten sie fast alle Thätigkeiten im Fluge. Fliegend erschnappen 
sie ihre Nahrung (Insecten), fliegend trinken sie, den Wasserspiegel streifend, 
fliegend fangen sie Nestmaterial auf, fliegend füttern sie sogar häufig ihre 
flugfähigen Jungen. Man sieht sie fast beständig im raschen Fluge dahin- 
eilen, sitzend selten und auch dann nur auf kurze Zeit, gehend, oder viel- 
mehr einhertrippelnd noch seltener. Ihr knappes Gefieder entbehrt hoher 
Prachtfarben, ist meist schwarz, grau, weiss, auch braun, doch glänzt das 
Schwarz im schönen Stahlblau oder Stahlgrün. Alle Kleider sind gleich. 
Unsere Arten mausern in Afrika, wohin sie sich aus unseren Gegenden 
im Herbste begeben. Einige bewohnen Felsen, andere senkrechte Erd- 
wände, doch auch gern menschliche Wohnungen, Städte und Dörfer. Sie 
zeigen einen grossen Hang zur Geselligkeit, sie brüten colonieenweise, sam- 
meln sich in grosser Menge zur Abreise und wandern gemeinsam. Für 
ihre Brut legen sie Erdhöhlen an, oder benutzen natürliche Höhlen, führen 
künstliche Mörtelbauten auf, oder verfertigen ein mehr normales Nest auf 
fremder Unterlage. Die Nestmaterialien, bez. den zum Bau zu verwen- 
denden Mörtel verfestigen sie durch ihren klebrigen leimartigen Speichel. 
Man kennt einige 50 Arten, die in verschiedene Gattungen getheilt sind, 
von denen eine ausschliesslich Amerika, mehre die östliche Halbkugel, 
zwei alle Erdtheile bewohnen. Da jedoch alle Schwalben nach einem sehr 
einheitlichen Typus gebaut sind und uns hier nur drei bez. vier deutsche 
Arten interessiren können, so werden wir diese unter der einen Gattung 
Hirundo zusammen belassen können. 


Schwalbe, Hirundo. 


Merkmale der Familie. 


I. Die Rauchschwalbe. 
Hirundo rustica L. 


Ganze Oberseite glänzend stahlblau, Stirn und durch ein stahlschwarzes 
Querband begrenzte Kehle braunroth; Unterseite bräunlich weisslich, 


Die Rauchschwalbe, 247 


Schwanzfedern mit Ausnahme der beiden mittleren mit weissem Fleck. 
Dieser wie Brust und Bauch werden in Südeuropa, Nordafrika, Östsibirien, 
bei einzelnen auch im Innern von Deutschland braunroth (Zr. cahirica 
Licht.) ; Uebergänge von diesen zu ‚den hellbäuchigen finden sich in allen 
Nüancen. Tarsen und Zehen nackt, Schwanz sehr tief gablig, die äussersten 
Federn zu Spiessen verlängert. — Aus Vorstehendem erhellt schon die 
weite Verbreitung der Rauchschwalbe; sie soll sogar auf Island, in China 
und am Cap vorkommen. Bei uns ist sie einer der bekanntesten Vögel, 
fast Hausthier, da fast jedes grössere Landhaus, jedes Dorf, jede Stadt 
von ihr besetzt ist. Geräumige Tennen, Wagenremisen, Viehställe werden 
von ihr am liebsten in Beschlag genommen. Einzeln oder zu wenigen 
Individuen, gleichsam in Vorboten, langt sie bei uns Ende März oder 
gewöhnlich Anfang April an. Diese treiben sich nicht selten einen 
oder anderen Tag bei uns umher und sind dann wieder verschwunden, 
worauf sich dann Mitte oder kurz nach Mitte bis Ende April die übrigen 
allmählich einstellen, die sofort durch ihre Bekanntschaft mit den Loka- 
litäten beweisen, dass sie dort heimisch sind. In einzelnen Jahren können 
auffallend wenige sich einfinden, z. B. 1831 bei Rheine kaum der sechste 
Theil der gewohnten Menge, und in dem unmittelbar folgenden, also 1832, 
dort wieder die Normalzahl. Machen die ersten noch nicht sofort An- 
stalt zum Nisten, dann übernachten sie gern im Gebüsch und Röhricht 
am Wasser. Tritt nach ihrer Ankunft im April kaltes Wetter ein, dann 
suchen sie häufig in den Niederungen die kleineren Wasserflächen auf, die 
theilweise mit Gras bewachsen sind, um sich dort nothdürftig zu ernähren. 
Sie setzen sich dann auch wohl am Wasser. In einzelnen Fällen haben 
sie sich an solchen Stellen wohl mal zu Tausenden angesammelt. In der 
Regel jedoch bleiben sie bei den Wohnungen und machen von dort aus 
ihre Jagdstreifereien in die Umgegend, besuchen gern, besonders vor Regen- 
wetter, die Wasserflächen, durchfliegen die Strassen, begeben sich zu 
Weideplätzen und ruhen des Nachts in Gebäuden, auf Pfosten, Vorsprüngen 
u. dergl., später aber gewöhnlich im Neste. Ihr oben offenes Nest ist seit- 
lich an eine senkrechte Balkenseite geklebt, so dass es die Form eines 
ziemlich tiefen Halbnapfes hat. Zeigt der Balken nirgend einen kleinen 
Vorsprung, Splitter, Pflock, Nagel, so muss ein solcher als untere Stütze 
des Nestes dienen. Man findet sie jedoch auch in felsigen Gegenden nistend. 
Sie wählen dann stets für das Nest eine von oben überragte Stelle. Die 
Festigkeit und Klebrigkeit erhält dasselbe durch den leimartigen Speichel, 
womit die zum Bau verwendeten Erdklümpchen verbunden mit einzelnen 
längeren Haaren und Hälmchen getränkt werden. Von aussen erhält das- 
selbe durch diese Materialien ein rauhes Aussehen. Sie brüten jährlich 
zweimal, und bedienen sich wohl mehre Jahre hindurch desselben Nestes. 


248 Sperlingsartige Vögel. 


In einem Raume nisten gar häufig mehre Paare, ja man hat in einem 
Stalle schon über 20, sogar die doppelte Anzahl brütend angetroffen. Die 
länglichen Eier tragen auf weissem Grunde derbe, reichliche, rothbraune 
und als Schalenflecke violette Punkte. Bewunderungswürdig ist die Ge- 
schicklichkeit, womit sich die Rauchschwalbe durch eine oft recht kleine 
Oeffnung, z. B. die schmale Ritze einer nicht ganz geschlossenen Flügel- 
thür, eine zerbrochene Fensterscheibe, u. dergl. fliegend hindurchzwängt. 
Und wenn dasselbe Paar im nächsten Jahre aus Afrika heim gekehrt 
ist, so nimmt es sofort wieder diesen Durchgang, um zu dem wüsten 
Innenraume zu gelangen. Die Rauchschwalbe jagt fast nur in ganz nie- 
driger Region bald die Strassen entlang, wobei sie die etwaigen Hinder- 
nisse im leichten Bogen gleichsam springend überfliegt, nimmt dabei sich 
ganz auf die Seite legend alle Augenblicke eine Fliege von der Wand ab, 
oder jagt sie auf, um sie sofort im Fluge zu erschnappen, bald, nach einem 
warmen Sommerregen, schwebt sie in grosser Gesellschaft in den mannig- 
fachsten Curven Schlittschuhläufern vergleichbar dicht über dem Boden 
unter starken weitständigen Bäumen auf grösseren Plätzen umher, bald, 
vor Gewittern und Regenwetter, in ähnlicher Weise über Wasserflächen, 
bald reviert sie Landwege und Chausseen auf und ab. Nur auf dem Zuge 
sieht man sie hoch fliegen. Von allen unseren Schwalbenarten ist sie 
der gewandteste Flieger. Sie verfolgt mehr als die übrigen schreiend und 
lärmend vorüberziehende Raubvögel, namentlich Sperber. Gegen den Ler- 
chenfalken zeigt sie jedoch stets mehr Respect; trotz ihrer Gewandheit und 
Schnelligkeit wird sie diesem oftmals zur Beute. Der verschiedene Schrei, 
sowie der zwitschernde Gesang des Männchens, der schon wohl 1 auch 2 
Stunden vor Sonnenaufgang vorgetragen wird, sind bekannt. Sie setzt 
sich gern auf feine dürre, wenigstens kahle, vorragende Zweige, besonders 
dicht über dem Wasser, auf dem sie vorher eifrig der Insectenjagd oblag, 
oder auf ähnliche Stangen, Telegraphendrähte, Ränder der Dachrinnen, auch 
wohl, jedoch weniger häufig, auf die Dachfläche selbst. Ihre Nahrung be- 
steht zumeist aus zweiflügeligen Insecten, doch fängt sie auch manche 
andere, sogar Drohnen, allein keine Bienen, Wespen oder sonstige mit 
einem Giftstachel versehene Insecten. Dem Vieh wird sie durch Weg- 
fangen einer Menge sehr lästiger Fliegen (Stomowys caleitrans) und Mücken 
eine Wohlthäterin. Dass sie dicht über die Saaten hinschwebend eine 
Menge denselben verderblicher Zweiflügler fängt, wird behauptet; manche, 
z. B. die Chlorops-Arten, sind jedoch so winzig, dass sie schwerlich gegen 
diese in’s Gewicht fallen kann. Mir fehlen darüber eigene Erfahrungen 
gänzlich. Der Forstwirthschaft ist sie jedenfalls völlig gleichgültig. 
Vom September bis Ende October verlässt uns dieser muntere Vogel. 
Seine Individuen sammeln sich vorher aus einem Umkreise auf einem 


Die Hausschwalbe, 249 


Dache, auf Windmühlenflügeln, hohen Firsten u. dergl., fliegen plötzlich 
unter Geschrei auf, rufen die noch fehlenden hinzu, setzen sich wieder, 
fliegen wieder auf, bis sie endlich Ernst machen und uns nun auf ein 
halbes Jahr Lebewohl sagen. Die Gegend scheint dann mit einem Schlage 
fast wie verödet. 


2. Die Hausschwalbe. 
Hirundo urbica L. 

Oberseite stahlblau, Bürzel und Unterseite weiss, Tarsen und Zehen 
weiss befiedert, der Gabelschwanz ohne lange Spiesse. — Die Hausschwalbe 
hat eine geringere Verbreitung als die Rauchschwalbe, obschon sie in 
Europa fast überall angetroffen wird. Sie tritt im Allgemeinen weit mehr 
lokalisirt auf, concentrirt sich auf einige wenige Punkte, während sie an 
anderen fast zu fehlen scheint. Solche sind in Städten grosse wüste Ge- 
bäude mit grossen Vorplätzen, etwa Rathhäuser u. ähnl. auf dem Markt- 
platze, Schlösser, grosse adlige Wohnungen, öffentliche Gebäude, nament- 
lich wenn sie Erker, Balkone, Säulen, Caryatiden und sonstige grössere 
Ornamentik tragen, an breiten Strassen oder mit Vorplätzen, Kirchen mit 
Höfen. Sie ist Feindin aller kleinlichen Verhältnisse, durchstreift nie enge 
Gassen und Winkel. Auf dem Lande sind jene fast alle grösseren Oeko- 
nomiegebäude, auf deren freien Plätzen es oft wie vor Bienenhäusern von 
diesen Luftseglern wimmelt. Sie trifft erst gegen Ende (22.) April, oft auch 
erst gegen Mitte Mai bei uns ein, ist weniger flüchtig, rapide als die 
Rauchschwalbe, dehnt ihre Jagdstreifereien weniger weit aus als diese, jagt 
aber fast nur ausnahmsweise (vor oder nach einem Regen) tief, die Rauch- 
schwalbe in der Höhe der ersten Etage, diese in Dachhöhe, steigt sogar 
z. B. vor einem Gewitter wohl wolkenhoch, als wolle sie den tobenden 
Gewittersturm übersteigen. Bei Sonnenschein hebt sich dann ihre weisse 
Unterseite gegen die schwarzen Wolken sternschnuppenähnlich ab. Auch 
ihre Nahrung sucht sie häufig in den oberen Regionen. Sie ruht fast 
nur Nachts und dann in ihrem Neste. Auf dürren Zweigen habe ich sie 
nie sitzen sehen, wohl aber auf der Dachfläche, dieses jedoch meist nur 
von Jungen oder kurz vor der Abreise. Auf den Boden geht sie nur, 
um Schlamm und feuchte Erde für ihren bekannten backofenförmigen 
Nestbau zu sammeln. Das Paar wechselt darin in der Weise ab, dass die 
eine Material holt, während die andere am Neste arbeitet. Verlassen beide 
den Bau zu gleicher Zeit, dann nehmen oft diebische Schwalben den be- 
reits vermauerten Mörtel, so dass deren Nestbau früher vollendet ist, als 
der der ersteren. Das stets äusserlich an Gebäuden, stets unter Vor- 
sprüngen, Gesimsen, Wasserleisten, Verzierungen u. dergl. angebrachte, 
halbkugelige Erdnest, durch ihren Speichel sehr verfestigt, hat nur eine 


250 Sperlingsartige Vögel. 


enge seitliche Oeffaung, und enthält innen wenig Federn. Haben bei 
etwas weiterer Oeffnung Sperlinge davon Besitz genommen, so hängen 
stets Strohhalme zum Flugloche hinaus. Diese Nester stehen, zumal an 
Landhäusern, oft sehr zahlreich dicht gedrängt neben-, ja wohl halb über 
einander. Die Hausschwalbe ist im Allgemeinen, namentlich am Brut- 
platze, weit geselliger als die Rauchschwalbe, trifft aber an Menge noch 
weit ungleichmässiger in den einzelnen Jahren bei uns ein, als jene. So 
bewohnte sie z. B. 1862 Münster nur sehr spärlich. Ihrer Vorliebe für 
grosse alte wüste Gebäude entspricht ihr Domieil an schroffen Felsen. 
Auf Rügen z. B. brütet sie an Felsen zahlreich. Die Eier sind rein weiss. Die 
Alten kriechen zur Fütterung der kleinen Jungen in den Nestraum, füttern 
später durch das Flugloch, indem sie sich von aussen anklammern, end- 
lich die flüggen Jungen in der Luft. Die zweite Brut fällt, zumal wenn 
die Alten viele Zeit zur Herstellung neuer Nestbauwerke haben verwenden 
müssen, welche Arbeit sie z. B. bei regnerischem Wetter sistiren, wohl 
so spät, dass schliesslich der Wandertrieb der Alten über deren Fütte- 
rungstrieb die Oberhand gewinnt, und die Jungen so im Neste umkommen. 
Vor der Abreise (9., 16. September bis 20. October) sammeln sich die 
Insassen einer Gegend in oft grossartiger Anzahl auf den Dachflächen, 
erheben sich plötzlich, kehren zurück, fliegen wieder auf, ziehen weite 
Kreise, steigen oft in grosse Höhen"empor, kommen wieder zurück, bis 
sie endlich die Reise (meist Nachts) wirklich antreten. Sie schreien und 
lärmen dabei in ihrer Art arg; doch haben sie überhaupt nur eine leise, 
unsonore Stimme, und von einem Gesange lässt sich kaum reden. Diese 
Art ist insofern noch weniger nützlich als die Rauchschwalbe, als sie sich 
weit weniger in der unmittelbaren Nähe des Viehes aufhält und dieses 
von den lästigen Stechinsecten befreit. Wirthschaftlich wichtig wird sie 
in keiner Weise. 


3. Die Uferschwalbe. 
Hirundo riparia L. 

Oberseite und ein Kropfband braungrau, sonst weiss; 'Tarsen und 
Zehen nackt; Schwanz schwach gegabelt. — Die Uferschwalbe, unsere 
kleinste und schwächlichste Spezies, ist an unseren Gewässern mit steilen 
Ufern allenthalben bekannt, kommt aber in Europa wohl nirgends so 
häufig vor als in Russland. Sie scheint überhaupt eine "vorwiegend 
östliche Spezies zu sein, doch- bewohnt sie auch das nördliche Afrika. 
Von allen langt sie im Frühlinge am spätesten bei uns an. Die frühesten 
Daten nach meinen Notizen sind der 20., 23. und 24. April, und am 
20. Juli (1868) verliess uns schon eine starke Colonie von 40—50 Paaren 
nebst Jungen. Man sieht freilich noch viel später einzelne auf Stadt- 


Die Felsenschwalbe. >51 


gräben und Hausteichen umherstreichen; so noch im verflossenen Herbst 
am 19. September auf Lembeck (Münsterland), vor einigen Jahren am 
10. dieses Monats auch in der Nähe von Münster. In ähnlicher Weise 
treiben sich vor der Ankunft am Brutplatze schon einzelne oder einige 
wenige über Canälen, Teichen, Stadtgräben umher. Diese wie jene ver- 
schwinden aber stets nach einigen Tagen. Wasser ist für sie Lebens- 
bedürfniss; in hart aus dem Wasser, namentlich Flüssen sich erhebende 
senkrechte Uferwände ohne Pflanzenüberzug von bindigem Sande, bald 
mehr sandig, bald mehr lehmig, graben sie mit Schnabel und Krallen oft 
hoch über dem Wasserspiegel, kaum 1,5 Meter unter der oberen Rasen- 
decke ihre 1 bis 1,5 Meter tiefen horizontalen Niströhren, deren neben 
einander gereihete Mündungen in oft imponirender Anzahl eine auffallende 
Erscheinung bieten. Vor denselben schwebt die Schwalbenmenge im wirren 
Durcheinander, meist über dem Wasserspiegel, zum Theil auch im Bogen 
über Land, um hier und dort das Wasser wieder zu erreichen. Besonders 
belebt ist eine solche Stelle bei starker Colonie zur Zeit der Jungenfütte- 
rung. Doch, es kommen auch sehr schwache Colonien vor. In der Nähe 
von Münster kenne ich zwei Stellen, wo an niedrigem Ufer nur 2 oder 
3 Paare brüten. Findet sich am Ufer keine senkrechte nackte Wand, so 
brüten sie wohl in einiger Entfernung von demselben in einer Sand-, 
Kies- oder Ziegeleigrube, einem Steinbruche u. dergl. Die Brutröhre ist 
hinten zur Aufnahme des weichen Nestmaterials und der Brut etwas 
erweitert. Sie brüten jährlich nur einmal. Die stark nach der einen 
Seite sich verjüngenden kleinen Eier sind rein weiss. Der Flug der Ufer- 
schwalbe ist meist niedrig und steht dem der beiden anderen Spezies an 
Schnelligkeit und Gewandtheit nach, ähnelt noch am meisten dem der 
Hausschwalbe. Auch die Stimme dieser beiden hat eine erhebliche Aehn- 
lichkeit. Man sieht sie nie auf äusseren Gegenständen ausruhen, sie ruht, 
namentlich Nachts, nur in der Bruthöhle. Ihre Nahrung bilden allerhand 
kleine fliegende Insecten, Zweiflügler, Käfer, Ameisen u. a., nach denen sie 
nie sehr weit umherstreift. Wirthschaftliche Wichtigkeit kann ihr nicht 
beigelegt werden. 


4. Die Felsenschwalbe. 
Hirundo rupestris L. 

Der Uferschwalbe bis auf die längeren Flügel, Fehlen des Kropf- 
bandes und die weissen Flecke der seitlichen Schwanzfedern sehr ähnlich. 
Die nördlichsten Brüteplätze dieser südlichen, dem Hochgebirge eigen- 
thümlichen Schwalbe, die Südeuropa und Afrika bevölkert, bilden die 
Nordabhänge der Tyroler und Schweizer Alpen, z. B. die Martinswand, 


252 Sperlingsartige Vögel. 


der Pilatus, auch das Oberrheinthal. Das oben offene Nest und die Eier 
ähneln denen der Rauchschwalbe. 

Von fremden Schwalben ist die Alpenschwalbe, Hirundo alpestris 
Pall. (H. rufula Tem.), in Sibirien, vom Altai bis Daurien, China und 
Tibet, sowie in Südeuropa, den Mittelmeerinseln, auch in Südfrankreich 
brütend, auf Helgoland erlegt. Sie ähnelt der Rauchschwalbe in Gestalt, 
weicht aber durch rostgelblichen Augenstreif, Nacken und Bürzel und 
durch lehmgelbliche Unterseite (ohne Brustband) mit sehr feinem Schaft- 
strich auf jeder Feder auffallend von der Rauchschwalbe ab. Ihr der 
Hausschwalbe ähnlicher backofenförmiger Lehmbau steht unter einer vor- 
ragenden Felsplatte und trägt als Eingang eine Lehmröhre, so dass die 
ganze Arbeit ein retortenförmiges Aussehen hat. Die Eier sind rein weiss. 


8. Familie. Seidenschwänze, Ampelidae. 


Schnabel kaum mittellang, etwas plattgedrückt, First sanft gebogen, 
die überragende Spitze des Oberschnabels stumpf; Dillenkante aufsteigend; 
Flügel ziemlich lang und spitz, 10 Handschwingen, deren erste sehr kurz; 
die hintere Horndecke der Tarsen seitlich theilweise mit getheilten Schil- 
dern. — Die seidenschwanzartigen Vögel bewohnen in etwa einigen 40 Arten 
alle Welttheile in baumreichen Gegenden, zeigen übrigens unter sich so 
erhebliche Verschiedenheiten, dass man sie in 38 Unterfamilien getheilt 
hat. Diejenige, zu der unser bekannter Wintergast zählt, die Seiden- 
schwänze im engeren Sinne, umfasst 10 mit einer einzigen Ausnahme, in 
Amerika lebende Arten. Dieser unser Gast hat unter denselben nur zwei 
Spezies als seine nächsten Verwandten, von denen die eine in Nordamerika, 
die andere in Japan lebt. Mit diesen beiden bildet er die Gattung 


Seidenschwanz, Ampelis. 


Vor der stumpfen, etwas übergreifenden Schnabelspitze eine kleine Kerbe, 
dergleichen auch im Unterschnabel; Flügel lang spitz; dritte Handschwinge 
die längste, die zweite länger als die vierte, Armschwingen oft mit lack- 
rothen über die Spitze vorragenden Plättchen; Füsse kurz, hintere Horn- 
decke des Laufs aussen wenig über die Hälfte, innen über zwei Drittel 
der Lauflänge ohne Quertheilung; Schwanz ziemlich kurz, gerade; Gefieder 
sehr zerschlissen, auf dem Kopfe zu einer Holle verlängert. — Die Seiden- 
schwänze leben gesellig in alten Nadelwäldern, oft auf sumpfigem Terrain, 
nähren sich meist von Beeren, bauen drosselartig aus Reisern und Flechten 
bestehende, innen mit feinerem Material ausgepolsterte Nester. Eier auf 


Der gemeine Seidenschwanz. 258 


bläulichem Grunde scharfe weitständige, dunkle Flecken. Gegen Winter 
wandern sie oft schaarenweise nach milderen Gegenden. 


Der gemeine Seidenschwanz. 
Ampelis garrulus L. 

Kaum Staargrösse; allgemeine Färbung zart röthlichgrau, oben trüber, 
unten reiner, Unterschwanzdeckfedern tief rothbraun; Spitze der grossen 
Flügeldecken und Daumenfedern weiss, der Schwingen nach aussen gutt- 
gelb. Aehnliche, doch kleinere Lackspitzen wie an den Armschwingen, 
deren Anzahl jederseits von O (selten) bis 9 schwankt, bei ganz alten Männchen 
auch wohl an den Schwanzfedern. Die Färbung variürt sonst nicht, nur 
zeigt sich bei jüngeren Weibchen das Gelb der Schwingenspitzen oft sehr 
blass. Die Jungen vor der ersten Mauser mit gleichen Lackplättchen, 
das Gelb der Schwingenspitzen blass, das Gefieder im Allgemeinen weit 
trüber, etwa wie der Rücken des amerikanischen cedrorum, unten wenig 
heller als oben, ohne den schönen violetten Ton; am Bauche mit grossen 
aber sehr verloschenen Schaftflecken; die Holle sehr kurz, der ganze 
Scheitel schmutzig bräunlich wie der Rücken, seitlich von einem hellen 
Streifen begrenzt; Kehle nicht schwarz, sondern im Gegentheil heller als 
die übrige Unterseite, jedoch von den Maulwinkeln aus ein seitlicher 
schwarzer Wisch als obere Einfassung. Unterschwanzdeckfedern weniger 
lebhaft braun als im Alter. — Der gemeine Seidenschwanz bewohnt eircum- 
polar den hohen Norden, auf der östlichen Halbkugel das schwedische und 
russische Lappland und von dort aus den ferneren Osten. Er brütet in 
alten, finsteren flechtenreichen Tannenwäldern, zum Theil auf sumpfigem 
Terrain. Sein stilles Verhalten, sowie der Umstand, dass er mit seinen 
hochnordischen, unwirthlichen Brutorten zu wechseln scheint, verhinderte, 
dass das Geheimniss, welches sein Fortpflanzungsgeschäft deckte, früher 
als etwa vor 15 Jahren enthüllt wurde. Im amerikanischen Norden lebt 
er gleichfalls zahlreich und mischt sich dort an den südlichsten Grenzen 
seiner Heimath mit einer zweiten sehr ähnlichen, jedoch kleineren und 
weniger schönen Art, A. carolinensis Br. (cedrorum Gr.). Seine ent- 
sprechend grossen Nester bestehen ausser der Unterlage von Tannenreisern 
grösstentheils aus Bartflechten, eine weichere Ausfütterung im Innern von 
Hälmehen und Haaren, namentlich denen vom Ren, findet sich durchaus 
nicht bei allen. Die Eier (5 bis 6) gleichen bis auf die bedeutendere 
Grösse (etwa die der Kernbeissereier) den längst bekannten der eben ge- 
nannten, ausschliesslich amerikanischen Spezies, carolinensis: auf hellem 
bläulich grünem, oder grünlich blauem, doch stets etwas gedämpftem Grunde 
stehen wenige fast schwarze Punkte und kleinere Flecken nebst manchen 
verloschenen und verwaschenen Schalenflecken. Mit keiner inländischen 


4 


254 Sperlingsartige Vögel. 


Spezies sind sie irgend zu verwechseln. In unseren Gegenden ist der 
Seidenschwanz nur Wintergast, aber ein so unregelmässiger, dass er bald 
mehre Jahre nach einander und zwar in nicht unerheblichen Flügen er- 
scheint, bald eine lange Reihe von Jahren gänzlich vermisst wird. Hier 
im nordöstlichen Deutschland stellt er sich jedoch weit häufiger ein als im 
westlichen. Er pflegt erst in der Mitte November zu erscheinen, häufiger 
trifft er erst gegen Ende dieses Monates bei uns ein und streift dann nach 
seiner Beerennahrung oft weit umher, erreicht sogar das südliche Deutsch- 
land, die Schweiz, ja Oberitalien. Ist Nahrung reichlich vorhanden, so 
bleibt er auch in derselben Gegend, und wir treffen ihn dann, nament- 
lich in gelinden Wintern, stets an. Doch zeigt er sich in der Regel un- 
ruhig und verweilt nur auf kurze Zeit an demselben Orte. Ende Februar, 
Anfang März verlassen uns die meisten wieder, jedoch kamen auch Ende 
April im Münsterlande in verschiedenen Jahren noch einzelne Seiden- 
schwänze wie kleinere Gesellschaften vor. In ihrem Verhalten zeigen sie 
sich als dummdreiste Vögel. Sie sitzen steif, ohne muntere Bewegung 
zusammen auf einem Baume, meist mit niedergelegter Holle, richten die- 
selbe auch ab und zu auf, folgen, wenn einer etwa nach Wachholder- 
büschen abfliegt, diesem sämmtlich unter einem etwas gezogenen, sehr 
feinen, trillernden „Ziep”, und baumen auch zusammen wieder auf. Die 
Nahrung besteht unter Bevorzugung der Beeren von Eberesche und Wach- 
holder in allen möglichen Beeren, und sie verzehren davon eine sehr grosse 
Menge. Stehen beerentragende Bäume und Sträucher in Gärten und An- 
lagen, so scheuen sie die Nähe der menschlichen Wohnungen keineswegs. 
Da sıe die unverdaulichen Theile ihrer Nahrung als Gewölle durch den 
Schnabel wieder auswerfen, so haben sie als Verbreiter der beerentragen- 
den Pflanzen immerhin eine gewisse forstliche Bedeutung. Sie gehen 
jedoch nicht in den eigentlichen Wald hinein, sondern lieben offenes, nur 
durch Gebüsch, einzelne Baumreihen, niedrigere Sträucher unterbrochenes 
Terrain. 


9. Familie. Fliegenfänger, Muscicapidae. 


Der Schnabel erinnert an den der Schwalben; er ist kurz, an der 
Basis breit und platt, gegen die etwas hakige, ausgeschnittene Spitze seit- 
lich zusammengedrückt; Scheitel breit; 10 Handschwingen, von denen die 
erste sehr kurz; Tarsen kaum mittellang, schwächlich, In fast 150 Arten 
bewohnen die fliegenfängerartigen Vögel die heissen Gegenden der öst- 
lichen Halbkugel. Nur sehr wenige (4 Arten Culicivora) haben ihre 
Heimath in Amerika. Asien, namentlich Ostindien und von da bis in 
Australien hinein, doch auch Afrika wird von zahlreichen Spezies bevölkert. 


Fliegenfänger. 255 


Europa hat nur 4 Arten aufzuweisen und von diesen bewohnen drei unser 
nördliches Deutschland. Die letzten gehören zu der Unterfamilie, welche 
sich durch spitzeren Flügelbau (die dritte Handschwinge ist die längste), 
durch geraden Schwanz und einfaches Colorit auszeichnen. Sie bewohnen 
den Wald, sogar das Innere des Hochwaldes, Waldränder, Baumgärten, 
Parks und leben von Insecten, die sie fliegend erhaschen. Ihre Nester 
stehen theils in Höhlen, theils halb frei. Aus den kälteren Himmels- 
strichen wandern sie vor Eintritt des Winters nach warmen Gegenden. 
Da wir uns nur mit unseren inländischen Arten befassen werden, so können 
wir diese trotz kleiner Verschiedenheiten in ihrem Bau füglich in einer 
Gattung belassen. 


Fliegeufänger, Muscicapa. 


Oberschnabel an der Spitze etwas herabgebogen den Unterschnabel 
überragend, vor der Spitze schwach eingekerbt, First kantig, Dillenkante 
lang und aufsteigend; Läufe kurz, schwach, vorn gestiefelt; Flügel spitz 
und mittellang, Zehen und Krallen klein. Kleine Waldvögel, die auf freiem 
Sitze auf vorüberfliegende Insecten lauern, und sie im plötzlichen Auffliegen 
zu erhaschen suchen, seltener in ähnlicher Weise vom Erdboden oder Zwei- 
gen aufnehmen. Wirres Gebüsch vermeiden sie, nie durchschlüpfen sie 
die Zweige. Sie gebrauchen ihre Füsse zur Ortsbewegung überhaupt selten, 
kaum, dass sie mal in einigen kurzen Sprüngen am Erdboden hüpfen. Als 
entschiedene Zugvögel verlassen sie uns schon früh und kehren spät zu- 
rück. Ihre Nester stehen in Baumhöhlen, oder halb versteckt; ihre Jungen 
sind gefleckt. Die von ihnen verzehrten Insecten sind grossentheils in- 
different. Was insbesondere die Beziehung dieser ausgeprägten Waldvögel 
zur Forstwirthschaft angeht, so ist mir kein einziges Moment in ihrem Leben 
bekannt, das sie als irgend wie nützlich erscheinen lassen könnte. Die 
von ihnen am Tage erschnappten Insecten schaden uns in keiner Weise, 
ja sie erbeuten unter den vielen Fliegen auch gar oft die so sehr nütz- 
lichen Raupenfliegen, Tachinen, und mit Rücksicht hierauf müssen wir sie 
nicht nur als wirthschaftlich indifferent, sondern geradezu als schädlich 
ansehen. Dieses Urtheil steht freilich mit der landläufigen Ansicht in 
schroffem Gegensatze. Es ist mir aber nicht bekannt, dass von irgend 
Jemandem nachgewiesen ist, welche verderblichen Insectenspezies denn von 
den Fliegenfängern eigentlich vertilgt werden. Sie halten sich freilich viel- 
fach an gleichen Stellen und in gleichen Regionen auf, woselbst auch mehre 
Forstfeinde hausen; allein der beiderseitigen Lebensweise wegen bleiben 
diese von ihnen verschont. Es sei damit nicht behauptet, dass nicht wohl 
mal ein einzelnes schädliches Insect von ihnen gefangen und verzehrt wird, 


256 Sperlingsartige Vögel. 


obschon ich kein einziges anzugeben im Stande bin, und kein einziges ange- 
geben finde. Allein Behauptungen, wie: „Durch Vertilgung einer zahllosen 
Menge schädlicher Insecten, die Menschen und Thieren eine Plage sind, 
wird (diese oder jene Art) sehr nützlich”*), bleiben für die Forstwirthschaft 
gegenstandslos. Die aufgezählten Insecten, Fliegen, Bremen, Bremsen, 
Mücken, Schnacken, Schmetterlinge, kleine Heuschrecken, kleine Libellen 
können zum Theil wohl lästig fallen, von forstlicher Bedeutung sind sie 
nicht. Durch das gar häufige Wegfangen von Tachinen sind die Fliegen- 
fänger forstschädlich, und wenn wir diesen Schaden auch nicht gerade 
hoch anschlagen wollen, so wird er doch durch nichts von ihnen com- 
pensirt. 


I. Der Trauerfliegenfänger. 
Museicapa luctuosa Temm. 


Die zweite Handschwinge kürzer als die fünfte; ein grosses weisses 
Flügelschild; Bürzel schwarz oder grau; die 2 oder 3 äusseren Schwanz- 
federn auf der Aussenfahne weiss. Männchen: Oberseite, Flügel und Schwanz 
tiefschwarz, oder schwärzlich bis aschgrau, Stirn und Unterkörper weiss. 
Weibchen oben braungrau, unten schmutzig weiss. Die Jungen vor der 
ersten Herbstmauser: Oben auf tief graubraunem Grunde die einzelnen 
Federn mit rostgelblicher Mitte, unten rostweisslich mit vielen tiefbraunen 
Fleckchen und Kanten. Dieser Vogel wird sehr selten in seinem höchsten 
Farbenschmucke, tief schwarz und rein weiss, angetroffen. In der Regel 
ist dem Schwarz des Rückens Grau beigemischt, und die mit dunkel 
aschgrauem Rücken versehenen alten Männchen zeigen vom reinen Asch- 
grau bis zur stärksten Mischung von Grau und Schwarz alle möglichen 
Mittelfärbungen. Die dunklen Partieen der Flügel sind gleichfalls nur selten 
rein. Ob diese verschiedenen Mittelfärbungen Altersstufen, oder Verfär- 
bungsgrade oder individuelle Eigenthümlichkeiten sind, ist meines Wissens 
noch nicht ausgemacht. Ich habe eifrig singende Männchen geschossen, 
die keine Spur von Schwarz an sich trugen, während andere auf vollem 
Zuge sich befindende tief schwarz waren. Es ist erklärlich, dass man in 
diesen Verschiedenheiten mehre Spezies hat erkennen wollen. M. atri- 
capilla L. und muscipeta Tem. sind Synonyme. — Der in Europa weit 
verbreitete, besonders im Süden häufige Trauerfliegenfänger ist für unsere 
Gegenden ein räthselhafter Insasse. Im einem Jahre zieht er in grosser 
Menge durch, in allen Hecken, Gebüschen, Waldrändern trifft man den 
seiner Färbung wegen auffallenden Vogel an; der Zug dauert den ganzen 
Mai hindurch; in einem andern lässt sich in derselben Gegend kaum ein 


*) J. Fr. Naumann, Vögel Deutschlands. 


Der Halsbandfliegenfünger. 257 


einziger blicken. 10 Jahre und länger ist dem eifrigen Beobachter kein 
Fall bekannt geworden, dass der Trauerfliegenfänger dort brütet. Plötz- 
lich entdeckt er im Walde (Eichen), in Promenaden (Linden), in Gärten 
(Apfelbaum) brütende Paare, so dass die Annahme nahe liegt, der Vogel 
rücke als Brutvogel allmählich näher oder er verlege seine Brutstellen 
planmässig weiter, wie solches von anderen Arten schon bekannt ist. In 
einem der folgenden Jahre ist jedoch der frühere Zustand wieder einge- 
treten. Solche Erfahrungen habe ich im Münsterlande vielfach gemacht. 
Nirgends habe ich unseren Vogel als Brutvogel so zahlreich angetroffen 
als in Sommer 1870 hier bei Neustadt. Wo man im Walde spazieren 
ging, in Buchen- wie Kiefernrevieren, weit von der Stadt wie ganz in der 
Nähe hörte man den Gesang der Männchen. Im letzt verflossenen Som- 
mer 1872 war es mir kaum möglich, ein oder anderes Paar in unseren 
ausgedehnten Revieren aufzufinden. In dieser Unbeständigkeit hat der 
Trauerfliegenfänger grosse Aehnlichkeit mit der Gartenammer. Auf dem 
Zuge sieht man ihn fast nur niedrig, am Brutplatze fast nur hoch, und 
auch die flüggen Jungen befinden sich meist im hohen Baumkronen. Er 
trifft erst nach Mitte April (19., 23., 26.) ein. Seine Nester stehen meist 
hoch in Baumhöhlen; alten knorrigen Bäumen giebt er den Vorzug vor 
glatt gewachsenen. Hohle Kiefern verschmähet er nicht, obschon er Laub- 
holzbäume entschieden vorzieht. Seine Eier sind leicht gesättigt blau, 
bald etwas heller, bald dunkler, ohne Zeichnung. Die Jungen füttert er 
mit allen möglichen weichen Insecten, und er selbst scheint für seine 
eigene Nahrung auch keine sorgfältige Auswahl zu treffen. Im Herbst 
geht er sogar an saftige weiche Beeren, Hollunder, Faulbaum u. a. Der 
‚Gesang des Männchens ähnelt im Charakter sehr dem des Hausrothschwänz- 
chens, ist aber durch Silben schwer zu versinnlichen. Ende August bis 
kurz nach Mitte September pflegt uns dieses niedliche, stets rührige, 
muntere Vögelchen zu verlassen. 


2. Der Halsbandfliegenfänger. 
Musecicapa albicollis Temm. 

Dieser südeuropäische, doch auch noch in Tyrol, Oestreich, Schweiz 
lebende, selten aber in Deutschland erscheinende Fliegenfänger ähnelt in 
jedem Kleide dem etwas kleineren vorhergehenden sehr. Das alte Männ- 
chen unterscheidet sich freilich leicht von jenem durch das schneeweisse 
Halsband; zur Erkennung der übrigen Kleider dienen folgende Merkmale: 
Die zweite Schwinge etwas länger als die fünfte; auf dem Flügel zwei 
weisse Spiegel, Bürzel weisslich. Die Eier sind ebenfalls freundlich blau, 
ungefleckt. Synonyme sind M. collaris Bechst. und melanoptera Heckel. 


Altum, Die Vögel. 17 


258 Sperlingsartige Vögel. 


3. Der graue Fliegenfänger. 
Muscicapa grisola L. 

Oberseite mausegrau, bei den Jungen vor der ersten Mauser jede 
Feder mit weisslicher Mitte, Scheitel mit dunklen Schaftflecken; Unter- 
seite weisslich, auf der Brust mit grauen Längsflecken; zweite Schwinge 
länger als die fünfte, kein Flügelspiegel. — Der graue Fliegenfänger, 
gleichfalls Bewohner des grössten Theiles von Europa, tritt durchaus mehr 
gleichmässig und beständig auf, als der Trauerfliegenfänger. Ich habe ihn 
nie durch unsere Gegenden blos wandern sehen. Die Individuen, die man 
antrifft, sind fast stets die über Nacht angekommenen Brutvögel dieser 
Stelle und wohl mit nur seltenen Ausnahmen Paare. Er kommt erst 
gegen Ende April und Anfang Mai bei uns an (24. April bis 2, Mai), 
und man hört dann seinen häufig erschallenden, dem des Rothkehlchens 
ähnlichen Lockton. Viel mehr kann er aber auch überhaupt nicht hervor- 
bringen. Eine etwas schnelle Wiederholung desselben soll wahrscheinlich 
einen Gesang vorstellen. In seinem ganzen Wesen stille, sitzt er nach 
Art der Rauchschwalben frei auf einem feinen dünnen Zweige, einem 
Telegraphendrahte, dem Rande einer Dachrinne, im Garten auf dem Ge- 
länder, der Spitze eines Blumenstockes u. ähnl. aufrecht und wendet den 
Kopf spähend nach einem fliegenden Insect bald nach dieser bald nach 
jener Seite. Kommt ihm ein passendes nahe, so fliegt er etwas schlotterig, 
aber im geeigneten Zeitpunkte fast schwalbenartig gewandt nach dem- 
selben, um mit seiner Beute sofort zum alten Sitz zurückzukehren, wo- 
selbst er sie rasch verschlingt. Ist sie ihm jedoch nicht mundgerecht, 
so wird sie vorher auf dem Sitze zurecht gestaucht und dann verzehrt. 
Eine Menge rundlicher erbsengrosser Ballen -von den unverdaulichen 
Nahrungstheilen, die er als Gewölle auswirft, liegen um seine Lieblings- 
sitze. Muss er einige Zeit vergebens auf seinem Sitze auf ein vorüber- 
schwirrendes Insect warten, so wechselt er. Einen überaus komischen 
Anblick gewährte es mir einst, als ein solcher Vogel einen T-Spinner 
(Nagelfleck, Schieferdecker, Aglia tau), eine riesige Beute für ihn, er- 
hascht hatte. Meist verzehrt er Zweiflügler. Nach Insecten auf dem 
Rasen oder dem Erdboden fliegt er von seinem Sitze herab, um sie rasch 
in Empfang zu nehmen. Wir treffen ihn bei menschlichen Wohnungen 
in den Gärten überall, sogar in grösseren Städten an. Von finsteren, 
schattigen Wäldern mit vollständigem Kronenschluss ist er kein Freund. 
Dagegen findet er sich in alten lichten Kiefernhochwäldern häufig, und 
zwar in diesen sehr hoch. Er muss stets freie Aussicht und freien Spiel- 
raum für seine Jagdflüge haben. Wo deshalb auf Plätzen nur wenige 
Bäume stehen, ist er zu finden. Sein Nest pflegt er halb zu verstecken. 
Es steht z. B. hinter den Latten eines Wein- oder Aprikosenspaliers, in 


Der kleine Fliegenfünger. 259 


einer flach ausgebrochenen alten Mauer, zumal wenn Epheu dort empor- 
klettert oder ein Obstbaum mit seinen Zweigen sich hart an die Wand 
legt, auf einer Kopfweide u. dergl., so dass in der Regel die eine Seite 
mehr oder weniger sichtbar ist. Doch wird es auch auf einen niedrigen 
starken horizontalen Ast einer Eiche, auf einen horizontalen, frei eine 
Halle oder ein Zelt durchsetzenden Balken, unter das Dach eines Garten- 
hauses und an ähnlichen Stellen gebauet. Stets ist es von oben über- 
schattet. Die Eier tragen auf blaugrünlichem Grunde sehr starke braun- 
rothe Flecke von verschiedener Intensität. Gegen Ende August, zuweilen 
aber schon kurz nach Mitte desselben (19.) und Anfangs September wan- 
dert dieser zutrauliche Vogel aus unserer Gegend zum warmen Süden. 


4. Der kleine Fliegenfänger. 
Museicapa parva Bechst. 


Oberseite bräunlich aschgrau, Flügel ohne Spiegel, die zweite Hand- 
schwinge kürzer als die fünfte; die vier äusseren Federn des Schwanzes 
an der Basishälfte rein weiss; Unterseite ungefleckt weisslich, doch das 
alte Männchen an Kehle und Kropf brennend rostfarbig. Die Jungen vor 
der ersten Mauser oben tief olivenbraun mit heller Federmitte, unten mit 
vielen olivenbraunen Kanten und Fleckchen auf weisslichem Grunde, 
Grösse kaum die der Zaungrasmücke. — Als das Vaterland dieses ausser- 
ordentlich beweglichen Vögelchens werden Böhmen, Mähren, Schlesien, 
Galizien, Polen, Westpreussen, Pommern, Mecklenburg angegeben. Jedoch 
kommt es ohne Zweifel noch an vielen anderen Orten vor. Hier bei Neu- 
stadt (Mark Brandenburg) ist es z. B. durchaus nicht selten. Ich habe 
wenigstens im verflossenen Sommer an fünf Stellen singende Männchen 
zur Brutzeit gehört. Möglich ist es freilich immerhin, dass er wie der 
Trauerfliegenfänger ein unbeständiger Gast ist und somit im nächsten 
Jahre zu den Desideraten zählt. Jedoch habe ich ihn in den Jahren 1853 
bis 1856 jährlich bei den Vogelhändlern in Berlin und zwar als dort in 
der Nähe gefangen, angetroffen, und in der Umgegend von Greifswald ist 
er schon seit lange als ständiger Brutvogel bekannt. Zwei Umstände er- 
schweren seine Entdeckung, die Beschaffenheit seines Gesanges und die 
seines Aufenthaltsortes. Sein Gesang ist freilich laut und charakteristisch. 
Mit einem „Tilit Tilit Tilittilit” hebt er an und geht dann accelerando 
in einen angenehmen Schluss über. Allein gerade die lautesten Stellen 
liegen ganz im Charakter des Gesanges sowohl vom Gartenrothschwänz- 
chen als vom Trauerfliegenfänger. Wenigstens scheint das aus einiger 
Entfernung der Fall zu sein. Da nun, wo und wann er singt, eine Menge 
Vogelstimmen und Gesänge erschallen, so wird er nur zu leicht überhört. 
Man glaubt, eine der beiden genannten Arten gehört zu haben und achtet 

Kr 


260 Sperlingsartige Vögel. 


weiter nicht darauf. Jedoch möchte ich behaupten, dass er im Münster- 
lande nicht brütet; er scheint überhaupt kein westlicher Vogel zu sein. 
Sein Aufenthaltsort aber ist ein derartig verwachsenes Blätterdach, dass 
man wirklich Mühe hat, ein eifrig singendes Männchen auch nur zu 
sehen. Ein nicht singendes Individuum zu entdecken, ist reiner Zufall. 
Er scheint vorzugsweise Buchenvogel zu sein. Ich habe ihn in dichten 
Buchenstangenorten wie in älteren Buchen angetroffen. Sind Bäume sehr 
verschiedener Altersklassen vorhanden, so müssen doch jüngere Buchen 
einen dichten Kronenschluss bilden. An solchen Stellen kann man oft 
lange warten, ehe er sich unterhalb dieses Blätterdaches zeigt. Auch 
wenn man ihn sieht, ist er doch nicht leicht zu erkennen, weil man nur 
in den seltensten Fällen seine Bewegungen so weit verfolgen kann, um 
ihn mit Sicherheit als einen Fliegenfänger zu constatiren, zumal da eine 
Menge anderer Spezies ähnlich kleiner Vögel sich in den Zweigen umher- 
treibt und zum Theil auch Fliegen fängt. Doch zuweilen breitet er, eine 
Seitenwendung nach einem Insecte hin machend, seinen Schwanz weit 
aus; alsdann verräth ihn freilich die auffallend weisse Zeichnung desselben 
sofort. Das Nest steht von 1 bis 5 Meter und darüber hoch, in einer 
Astgabel oder hinter einem alten Zacken, Splitter, überhaupt eingeklemmt 
und enthält äusserlich viel Moos. Die kleinen Eier sind bleich rostlehm- 
farben, fast ohne Zeichnung. Die ganz verloschene, verwaschene Zeich- 
nung bildet vielmehr diesen Ton. Er scheint vor Mitte Mai bei uns 
nicht einzutreffen und uns schon früh wieder zu verlassen. 

Zwei exotische, den tropischen und südlichen Gegenden der östlichen 
Halbkugel angehörende Familien, Campephagidae und Dicruridae, 
seien hier nur dem Namen nach erwähnt. Sie verbinden die Fliegen- 
fänger mit den Pirolen, enthalten freilich zahlreiche Arten, von denen 
viele Ostindien bis Australien bevölkern, haben aber in unserer euro- 
päischen oder gar deutschen Fauna keinen einzigen Repräsentanten. 


10. Familie. Pirole, Oriolidae. 


Abgesehen von den düster gefärbten, kurzschnäbligen, asiatischen und 
oceanischen Artamiden, welche die Schwalben mit den Orioliden ver- 
binden, doch auch wohl mit letzteren zu einer Familie vereinigt werden, 
lassen sich diese folgendermassen charakterisiren: Gestalt mässig gestreckt; 
Drosselgrösse; Schnabel etwas über mittellang, stark, gestyeckt kegel- 
förmig, die gerundete First sanft gebogen, Spitze des Oberschnabels schwach 
übergebogen, Mundwinkel mit kurzen Borsten besetzt; Flügei lang, 10 Hand- 
schwingen, die erste sehr kurz, die dritte am längsten; Schwanz mittel- 
lang; Lauf vorn geschildert, kurz; Zehen kräftig. — Die Orioliden be- 


Pirol. 261 


wohnen in etwa 25 Arten einsam die Wälder der östlichen Halbkugel; 
die meisten leben in Afrika und Südasien und erstrecken sich durch zahl- 
reiche Inseln bis nach Australien. Sie nähren sich von Insecten wie 
Beeren und kleineren saftigen Früchten, bauen, insofern ihre Fortpflanzung 
bekannt ist, sich oben in Seitenzweige künstliche Nester und legen 
weisse, mit wenigen aber scharfen, fast schwarzen Fleckenpunkten, häufig 
auch noch mit dergleichen Schalenflecken weitständig besetzte Eier. 


Pirol, Oriolus. 


Schnabel so lang oder wenig länger als der Kopf, an der Wurzel 
breit gedrückt, Spitze mit Einschnitt; Mundspalte länger als der Lauf und 
dieser länger als die Hinterzehe; Schwanz gerade abgestutzt. — Es leben 
etwa 16 verschiedene, sehr einheitlich gebaute und gezeichnete Pirolarten 
in Afrika, Asien, Oceanien und Europa. Ihre gestreckte Drosselgestalt 
macht sie zu wohlgeformten Vögeln, deren Aeusseres durch lebhafte und 
angenehm vertheilte Farben, bei den alten Männchen gesättigt guttgelb 
und tief schwarz, Iris kirschroth, Schnabel röthlich, bei den Weibchen 
und Jungen die Gefiederfarbe gelbgrün und grünlich, sehr gehoben wird. 
Ungesellig leben sie paarweise in den Wipfeln alter Bäume, nähren sich 
dort von Insecten, verzehren aber auch zeitweise mit Vorliebe weiche 
Früchte und saftige Beeren. Nur eine einzige Art entfernt sich von der 
allgemeinen tropischen Heimath nach Norden bis in unsere Gegenden, 
woselbst er ein häufiger Vogel ist. 


Kirschpirol, 
Oriolus galbula L. 

Bürzel, Schwanzdeckfedern, Schwanzspitze und untere Flügeldeck- 
federn gelb. Männchen hochgelb, Zügel, Streif durchs Auge, Flügel, 
Schwanz kohlschwarz. Weibchen und Junge: oben grün, unten weisslich 
mit feinen schwärzlichen Schaftflecken, Flügel und Schwanz olivengrün. 
Die Intensität der gelben Färbung der Männchen tritt in sehr verschie- 
denem Grade auf. Von einem, freilich nicht häufigen, sehr gesättigten, 
fast orangegelben Tone bis zu einem gelblichen Grün, das sich nicht sehr 
von der weiblichen Färbung unterscheidet, giebt es alle möglichen Mittel- 
stufen. Ob solches verschiedenem Alter zuzuschreiben ist, so zwar, dass 
z. B. die gelbgrünen männlichen Pirole als die letztjährigen Jungen, die 
hochgelben als ganz alte Vögel anzusehen sind, oder ob individuelle Dis- 
position, vielleicht hervorgerufen durch warmes oder kaltes Wetter zur 
Zeit der Brut, durch frühe oder (bei Störung des ersten Geleges) ver- 
spätete Brut, durch Nahrungsfülle und Qualität, überhaupt also durch 


262 Sperlingsartige Vögel. 


äussere Ursachen, so dass diese verschiedene Färbung eine für das ganze 
Leben ständige bleibt, ist noch nicht ausgemacht. Die erste Annahme ist 
die einfachste, jedoch sprechen Analogieen für die letzte. — Der Kirsch- 
pirol (Pirol, Pfingstvogel, Vogel Bülo, Wiedewagl, Goldamsel) ist in Europa 
durch alle Walddistriete vertheilt, vermeidet jedoch die Hochgebirge. Am 
regelmässigsten bewohnt er kleinere Laubholzwälder. Man findet wohl nur 
selten einen solchen ohne ein Paar. In grösseren leben mehre Paare, 
jedoch unter einer Minimalentfernung von etwa 5 Minuten. Im Innern 
von ausgedehnten Hochwäldern kommt er weniger vor. Er ist hier fast 
nur an den Rändern zu finden. Stossen diese an Flüsse, so werden wir 
ihn sicher dort antreffen; er liebt mit hohen Bäumen besetzte Flussufer 
überhaupt sehr. Sein Lieblingsbaum scheint die Eiche zu sein; wenigstens 
ist er im Münsterlande stets in Eichenwäldehen und in gemischten Wäl- 
dern in den einzelnen Eichen anzutreffen. Jedoch bewohnt er auch die 
Kiefernwälder, zwmal dort, wo sie mit Laubholz gemischt sind. Aus dem 
Walde tritt er fast nur gegen Herbst heraus, und wenn es geschieht, so 
beeilt er sich gar sehr, sofort wieder das dichte Blätterdach zu erreichen. 
Man sieht ihn deshalb fast nur an den Waldrändern, selten über freie 
Flächen fliegen. Seinen gewandten Flug kann man als schwalben- und 
taubenähnlich bezeichnen. Er kommt bei uns in der Regel vor Mitte 
Mai über Nacht an, und seine runde, sonore, volle, leider sehr kurze 
Strophe meldet uns die Ankunft sofort. Man kann sie durch „Didlüoh” be- 
zeichnen; jedoch das „Didl” wohl noch durch einen tiefern Vorschlag ein- 
geleitet, und auch oft noch etwas modifieirt verdoppelt. Ausser diesem 
wirklich prächtigen. Rufe, hören wir sehr häufig ein durchaus im Charakter 
 abweichendes, unsonores „Quäwäk” von ihm. Die flüggen Jungen rufen 
spechtartig abgebrochen „Jjäk, jäk....”. Seine Nahrung sucht er hoch 
in den Kronen der stärkeren Bäume, in denen er sich so versteckt hält, 
dass man ihn nur selten zu Gesichte bekommt. Eine grosse Scheuheit 
unterstützt dieses Versteckenspiel wesentlich. Er verzehrt dann grössere 
Insecten, Maikäfer, Raupen von Nachtschmetterlingen, doch nicht bloss glatte, 
sondern auch behaarte, z. B. die vom Kiefernspinner. Nimmt er aus- 
nahmsweise von niederen Gesträuchen oder gar am Erdboden ein Insect, 
Käfer, Heuschrecke, Raupe auf, wobei er im letzten Falle wohl einige 
Sekunden lang rüttelt, ehe er sich setzt, dann eilt er sofort wieder in’s 
dichte Blätterdach. Er nistet nur auf Bäumen, Buchen, Birken, Erlen, 
besonders Eichen, und zwar nicht auf alten abgestorbenen, sondern 
schlanken, gesunden, jungwüchsigen, gewöhnlich in der unmittelbaren Nähe 
einer Waldblösse, an einem Gestelle, Waldwege, und zwar im ersten, 
zweiten oder dritten Baume. Das Nest steht zumeist in den mittleren 
Zweigen. Ich habe es jedoch in einer extremen Höhe von 4 bis etwa 


Würger. 263 


17 Meter gefunden. Die unteren Zweige verdecken es von unten, die 
oberen von oben. Das tiefe, korbförmige Nest selbst ist in der Gabel 
eines horizontal verlaufenden Zweiges kunstreich befestigt, so dass sein 
Rand grösstentheils durch den mit Nistmaterial, besonders Wolle, Werg, 
umwickelten Gabelzweig gebildet wird und der Boden frei schwebt. Der 
ganze Bau ist sehr künstlich und fest. Wolle, feine Birkenrinde, über- 
haupt weisse Stoffe bilden den Napf, dessen Inneres mit zahlreichen feinen 
Hälmchen ausgelegt ist. Die Eier tragen auf weissem, ganz schwach in’s 
Rosafarbene ziehenden Grund, scharfe, wenige, sehr weitständige, tief blut- 
schwarze Fleckenpunkte. Er brütet nur einmal. Mit Insecten werden 
auch die Jungen gefüttert. Im Neste verrathen sie sich nicht. Nur rufen 
sie beim Füttern „Jülp, jülp....” Sobald sie den angekommenen alten 
Vogel auf den Stamm treten fühlen, bewegen sie im Takte ihres Rufes 
den Hals rasch, fast bebend hin und her, den Schnabel senkrecht erhoben. 
Beim Neste steigert sich die Scheuheit der Alten noch mehr; sobald sie 
etwas Verdächtiges wittern, fliegen sie sofort lautlos ab. Wenn sich im 
Frühlinge die Männchen um die Reviere streiten, werden sie unvorsich- 
tiger, noch mehr in den Kirschbäumen. Sobald nämlich die Kirschen 
reifen, kennen sie fast keine andere Nahrung mehr. Alt und Jung ver- 
zehren nicht blos die wilden Vogelkirschen, sondern sind auch aus den 
Kirschbäumen im Garten kaum zu verscheuchen. Wo ein solcher an einen 
von ihnen besetzten grösseren Park oder ein Wäldchen stösst, wird die 
Kirschernte durch sie ganz erheblich geschädigt. Er frisst freilich auch 
andere Beeren, giebt aber den Kirschen vor allen den Vorzug. Giebt es 
keine Kirschen mehr, dann zieht er ab. Vor dem Abzuge durchstreift 
er dann noch alle Gärten, um etwaige Nachlese zu halten, und Ende 
August, Anfang September ist der Pirol verschwunden. Den Winter ver- 
bringt er tief in Afrika, woselbst er sich auch vermausert. Von forst- 
wirthschaftlichem Standpunkte müssen wir diesen Vogel zu den absolut 
nützlichen zählen; dem Öbstzüchter kann er jedoch empfindlich schaden. 
Durch seinen wohltönenden Ruf, den er sehr fleissig hören lässt, ist er 
ausserdem von ästhetischer Seite eine ausserordentliche Zierde des Waldes. 


ll. Familie. Würger, Laniidae. 


Körper gedrungen, Kopf kräftig, mit flachem Scheitel; Schnabel 
mittellang, kräftig, Oberschnabel vor der hakigen Spitze einen Zahn, Unter- 
schnabelspitze aufwärts gebogen, hinter ihr eine Kerbe; Nasengrube durch 
dichte Borstenfedern fast bedeckt, am Mundwinkel starre Borsten; 10 Hand- 
schwingen, deren erste sehr kurz; Lauf vorn getäfelt, länger als die Mittel- 
zehe; Zehen völlig frei. — In kaum 150 Arten bewohnen die würger- 


264 Sperlingsartige Vögel. 


ähnlichen Vögel die wärmeren Gegenden der östlichen Halbkugel. Nur 
eine, durch fast eylindrischen Schnabel, lange spitze Flügel und kurzen 
Schwanz von den übrigen Verwandten sich auszeichnende, etwa 30 Arten 
zählende Gruppe, die Vireonen, ist Amerika eigenthümlich; doch kommen 
auch zwei unserem inländischen grossen Würger sehr nahe stehende Arten 
in Nordamerika vor. Viele Spezies bewohnen Afrika, auch das südliche 
Asien, namentlich die ostindischen Inseln. Sogar Australien und auch 
Madagaskar haben ihre besonderen Würgerarten. In die gemässigten 
Länder treten noch mehre Spezies ein, einzelne ziehen sich sogar bis in 
höhere nordische Gegenden hinauf. Diese temperirteren Länder bewohnen 
sie nur zur warmen Jahreszeit. In ihrem topographischen Vorkommen 
sind sie durchaus an den Baumwuchs, wenigstens an Gebüsch und Ge- 
strüpp gebunden, obschon sie die Mitte des finsteren Hochwaldes durch- 
aus vermeiden. Sie nähren sich von Insecten und kleineren Wirbel- 
thieren, die sie von einem Sitze her überfallen, und brüten auf Bäumen. 
Die unverdaulichen Theile werfen sie als Gewölle durch den Schnabel 
wieder aus. 


Würger, Lanius, 


Schnabel sehr kräftig, comprimirt, First über den Nasenlöchern ge- 
rundet, dritte und vierte Handschwinge fast gleich lang und von 
allen die längsten; Schwanz stufig keilförmig. In 33 Arten bewohnen 
diese mittelgrossen Singvögel ausser Australien alle Welttheile, doch hat 
Amerika nur zwei derselben aufzuweisen. Gebüsche mit einzelnen stär- 
keren Bäumen, lichte Waldpartieen, einzelne Baumreihen mit benach- 
bartem Gebüsch, sogar starke Chausseebäume bilden ihren Hauptaufent- 
halt. Dort sitzen sie auf frei vorstehenden oder vorragenden Zweigen auf 
Beute lauernd, stürzen sie plötzlich auf diese, fassen sie mit dem Schnabel 
und spiessen sie auf oder klemmen sie ein, um sie zum Genusse zu zer- 
stückeln. Sie ergreifen grössere Insecten, junge Vögel, auch Mäuse. 
Wirthschaftlich sind die Inseeten, welche sie vertilgen, meist indifferent, 
Mäuse verzehren sie zu wenig, als dass sie dadurch einen besonderen 
Nutzen für unsere Culturzwecke beanspruchen könnten, durch Zerstören 
vieler Vogelbruten werden sie schädlich. Ihr Flug beschreibt stark aus- 
geprägte Wellenlinien, einige vermögen sich längere Zeit rüttelnd an einer 
Stelle in der Luft, um auf dem Boden eine Beute zu fixiren, schwebend 
zu halten. Ihre ziemlich grossen Nester stehen auf Bäumen oder im 
Gebüsch, die Eier enthalten auf hellgrünem oder röthlichem Grunde viele 
starke Flecken von gleichem Tone. Ausser ihrer gewöhnlichen unmelo- 
dischen Lockstimme lassen sie oft als meisterhafte Spottvögel fremde Ge- 


Der grosse Würger. 265 


sänge und andere Laute hören. Die meisten sind Zugvogel, welche wäh- 
rend des Winters in wärmeren Klimaten ihr Gefieder wechseln. In 
unseren Gegenden leben vier Arten. Das südliche Kuropa hat noch eine 
oder andere Art mehr aufzuweisen. 


I. Der grosse Würger. 
Lanius exeubitor L. 

Grösse der Rothdrossel; Schnabel an der Wurzelhälfte gerade, Zahn 
senkrecht, Haken stark; erste Handschwinge überragt weit die oberen 
Deckfedern, zweite viel kürzer 
als die dritte (die längste) und NA 
gleich der sechsten. Oberseite KEN u AU |\ 
hell aschgrau, Stirn heller; Unter- NN \.1\ 1 [V] 
seite weiss, oder weisslich mit  \\ \I\ | \|| NIT 
verloschenen Querwellen; Flügel \\ \ \h3ı | 
und Schwanz tief schwarz mit ala \\Alal| j} 
rein weiss, Bei uns meist ein Ara ıı \All 
doppelter weisser Flügelspiegel. IKuVBETIR un | / 
Doch variiırt die weisse Zeich- Sl) ll) 
nung sowohl dieses Spiegels als HN) | 
der Spitzen der Schwingen, als N 
endlich der Schwanzfedern. So / 
habe ich Exemplare aus Deutsch- / 
land, Holland, Nordafrika, Por- Er 
tugal auch mit nur einem Spiegel Fig. 18. Fig. 19. 
gesehen. Auch die übrige Fär- Lanius minor, excubitor, 
bung ist nicht constant. Ein ('/ natürl. Grösse.) 

Exemplar aus der Gegend von 

Lissabon mit einem Flügelspiegel zeigte einen schieferblaugrauen Scheitel 
und viel düsterere Rückenfärbung; dieses wie der röthliche Ton der Unter- 
seite erinnerte an den südeuropäischen meridionalis. Dagegen trug ein 
anderes aus Smyrna mit zwei Flügelspiegeln ein sehr helles Colorit. Es 
scheint, als wenn die Extensität des reinen Weiss in Flügel und Schwanz 
mit der Intensität des Farbtones der Oberseite in Beziehung steht, je 
mehr Weiss, desto heller die Farbe der Oberseite und umgekehrt. Auch 
die Schärfe und Länge des Hakens des Oberschnabels ist bedeutenden 
Schwankungen unterworfen. Jedoch sind unsere einheimischen Vögel 
stets leicht an der allgemeinen Färbung in Verbindung mit dem Flügel- 
bau zu erkennen. Ob die amerikanische Form septentrionalis Gm. (borealis 
Vieill.) von der unserigen spezifisch verschieden ist, wird sich schwerlich 
durch die etwas abweichende Färbung, etwa durch den nur einzigen und 


266 Sperlingsartige Vögel. 


oft sehr schwachen Spiegel, beweisen lassen. — Auch wenn unser grosser 
Würger nicht in Nordamerika lebt, so hat er doch, wie aus den vor- 
stehenden Andeutungen erhellt, eine sehr weite Verbreitung, zumal da er 
auch auf unserer Halbkugel hoch nach Norwegen hinauf geht. In Deutsch- 
land ist er wohl überall bekannt; jedoch nicht gleichmässig verbreitet. 
Hier bei Neustadt habe ich ihn z. B. nur im Winter bemerkt, im Sommer 
bewohnt er unsere Gegend jedenfalls nur sehr einzeln. Dagegen ist er 
im Münsterlande häufiger Brutvogel. Es scheint fast, als wenn die dort 
im Winter vorkommenden Individuen nicht die Sommervögel seien, da 
die meisten sich durch trübweisse, dunkel wellig gewässerte Unterseite (wie 
die Weibchen und Jungen) auszeichnen. Er wählt zu seinem Aufent- 
halte stets freie Gegenden mit Feldhölzern, hohen Hecken mit einzelnen 
starken Bäumen, Waldrändern, einspringenden Waldspitzen. Jene freien 
Flächen aber dürfen nicht steril sein; Brachäcker, kurze Wiesen, Weiden 
sind ihm lieb. Er hat dann stets auf der höchsten Spitze eines kleineren 
aber stärkeren Baumes, der Hecke, auf einem Pfahle, einer Einfriedigung 
u. dergl. seinen freien Sitz; gleichsam einen Wachtposten („exeubitor”), 
um sich nach seiner Beute umzusehen. Diese besteht aus allerhand 
grösseren Insecten, jungen, sogar alten Vögeln, sowie namentlich zur 
Winterszeit aus Mäusen. Ich habe häufiger Mus silvatieus als Arvicola 
arvalis von ihm auf Dornen gespiesst gefunden. Fast stets ist solchen 
Opfern der Kopf abgerissen. Als Räuber zeigt er oft eine beispiellose 
Verwegenheit. Von den Lockvögeln im Käfige ist er trotz der nahen 
Anwesenheit des Vogelstellers zuweilen kaum zu verscheuchen; jedoch 
legen ihm dann die angebrachten Leimruthen bald das Handwerk. Auf 
dem Kirchhofe von Rheine (Münsterland) fing er einst zwischen den 
Menschen einen Sperling. Als nach ihm gegriffen wurde, liess er seine 
todte Beute im Stich und setzte sich auf einen Kirchenpfeiler, stürzte 
aber sofort wieder nach dem von den Knaben fortgeworfenen Sperling 
herab und entkam kaum unter den Händen der nach ihm greifenden 
Knaben. Letztere versuchten ihr Glück nochmals, indem sie den Sper- 
ling wieder hinwarfen. Sofort kam der Würger von dem Strebepfeiler 
wieder herab und wurde nun wirklich gegriffen. Sein Flug ist eine stark 
ausgeprägte Wellenlinie. Er lässt sich von seinem Sitze im starken Bogen 
tief herab, fliegt niedrig unter schnurrender Flügelbewegung und steigt 
kurz vor seinem Ziele gleichfalls in einem starken Bogen wieder auf- 
wärts. Da ihn Gebüsch während des Fluges häufig deckt, so sieht 
man ihn dann nur abstreichen und nach kurzer Zeit auf irgend 
einer Spitze wieder erscheinen. Ueber der Stelle, woselbst er eine 
Beute genau fixiren will, rüttet er oft lange Zeit und hat 


dann seiner CoOntrastfarben wegen ein merkwürdiges schmetterlings- 


Der graue Würger. 267 


artiges Aussehen. Ich sah ihn einst bei schon eingetretener starker 
Dämmerung (4', Uhr am 26. December) noch rütteln. Sein Nest steht 
meist hoch, und zwar auf einem Baume mit rauher Borke, namentlich 
Eiche oder wildem Obstbaume. Er wählt einzelstehende oder Randbäume; 
auch brütet er gern dort, wo eine Gruppe alter Eichen auf freier Fläche, 
etwa Viehweide zusammen steht. 15 Meter ist die gewöhnliche Nist- 
höhe, über 20 Meter habe ich noch kein Nest gefunden. Doch stand 
es als gewiss seltene Ausnahme auch schon kaum mehr als 1 Meter hoch 
in einer Dornhecke. Die Eier sind elsterähnlich, jedoch meist gröber ge- 
fleckt und stets bauchiger und selbstredend viel kleiner. Er ahmt in 
seinem Gesange nicht bloss fremde Vogelstimmen nach, die er stück- 
weise verbindet und verkittet, sondern kann auch anorganische Laute, z. B. 
den des Sensenwetzens, täuschend hervorbringen. ‚Sein forstwirthschaft- 
licher Werth ist jedenfalls sehr gering. Da, wo er vorzugsweise, wie 
hier, Wintervogel ist, nutzt er durch seinen, allerdings wenig intensiven 
Mausefang. Durch sein arges Nesterplündern und Wegfangen junger 
Vögel schadet er. Seine Insectennahrung, Caraben, Heuschrecken, ist 
ziemlich gleichgültig, auch wenn er einige Maikäfer verspeist. 


2. Der graue Würger. 
Lanius minor L. 

In der allgemeinen Färbung und Farbenvertheilung steht diese Art 
dem vorhergehenden nahe. Der gänzlich abweichende Flügelbau (Fig. 18.) 
lässt jedoch über die Art keinen Zweifel. Oberseite aschgrau, bei den 
alten Vögeln schwarze Stirn und Augengegend, Unterseite weiss mit röth- 
lichem Anfluge; auf den schwarzen Flügeln nur ein weisser Spiegel. Die 
Jungen beider Arten so ähnlich, dass abgesehen von der (wohl täuschenden) 
Grösse (diese Art ist etwas kleiner, „minor”) nur die verschiedene Flügel- 
bildung entscheidet. Es sei noch bemerkt, was für die beiden folgenden 
Arten ebenfalls gilt, dass seine Schnabelfirst schon von der Basis an 
sich sanft, an der Spitze freilich stärker herabbiegt, und dass der Zahn 
nicht senkrecht herab, sondern schräg nach vorn gerichtet ist. Auch im 
Flügelbau haben die beiden folgenden Arten mit ihm Aehnlichkeit. — Der 
graue Würger ist mit jenem verglichen eine mehr östliche und südöstliche 
Spezies, und kommt in Deutschland bei weitem nicht überall vor. Im 
westlichen Norddeutschland scheint er zu fehlen; im Münsterlande ist das 
sicher der Fall. Hier im Nordosten ist er häufig, doch auch nicht überall. 
Den tiefen Wald, das Nadelholz und das Gebirge vermeidet er gänzlich. 
Er bewohnt nur kleinere an Wiesen und Weiden stossende Gehölze, mit 
heckenartigem Gesträuch und einzelnen Bäumen besetzte Fahrwege, die 
an Bächen, Wiesengründen, Feldern vorbeiführen, namentlich wenn sie mit 


968 Sperlingsartige Vögel. 


kleinen Feldhölzern und Ausläufern von Wäldern zusammenhängen, grössere 
Baumgärten, wenn wilde Hecken oder sonstiges Gesträuch in der Nähe 
nicht fehlen. Seine Heimath ist nur dort, wo sich freie, nicht sterile 
Flächen, stärkere Bäume und höheres Gebüsch zusammen finden. Im 
August habe ich ihn wiederholt familienweise in Chauseebäumen angetroffen. 
Wenn man den excubitor draussen im Freien kennt, so ist eine Verwech- 
selung der beiden Arten, zumal wenn man sie fliegend beobachten kann, 
nicht leicht möglich. Minor fliegt mit seinen spitzen Flügeln weit leichter, 
gewandter, er bietet fliegend ein völlig anderes Bild, erscheint gestreckter, 
feiner gebaut, vermag es sogar raubvogelartig zu schweben. Er ist weit 
beweglicher, unruhiger, fliegt öfter, jagt sich neckend mit seines Gleichen 
beständig umher, fliegt häufiger vom Baume zur Erde, von einem Baume 
zum andern; excubitor zeigt ihm gegenüber stets eine gewisse Schwerfäl- 
lichkeit. Dieser leichteren Beweglichkeit entspricht sein sehr stark aus- 
geprägter Charakter als Zugvogel. Mit den letzten Wandervögeln kommt 
er bei uns an (Mai), mit den ersten verlässt er uns wieder (Ende August). 
In seinem Gesange vermischt auch er oftmals Rufe und Gesangstheile 
fremder Vögel. Den Wachtelschlag ahmt er häufig nach. Seine Nahrung 
ist insofern von dem des grossen Würgers verschieden, als er sich schwer- 
lich an Mäuse wagen wird, auch werden ihm alte Vögel wohl nur selten 
zur Beute fallen. Wirthschaftlich ist auch er ohne Bedeutung. Sein Nest, 
das ich selbst freilich nie gefunden hahe, steht nicht sehr hoch, in der 
mittleren Höhe eines jüngeren Baumes, auf dem starken Aste eines Obst-, 
namentlich Birn- oder Apfelbaumes, oben auf einem Kopfbaume. Seine 
stets grünlichen Eier, auf hellgrünem Grunde, scharf und stark dunkel- 
grün gefleckt, sind nie zu verkennen. Der grünliche Ton ist stets gedämpft. 


3. Der rothköpfige Würger. 
Lanius rufus Briss. 

Kernbeissergrösse; zweite Handschwinge gleich der fünften; zweite 
bis zehnte an der Wurzel weiss, einen Spiegel bildend; Federn über der 
Nasenhöhle; Schulter und Bürzel weiss; Schwanzfedern schwarz, von der 
ersten bis fünften mit abnehmend weisser Basis und Spitzenfleck. Die 
alten Vögel oben schwarz mit rostrothem Hinterkopf und Nacken, die Jun- 
gen vor der ersten Herbstmauser auf den weissen Schultern und der weiss- 
lichen Unterseite schwärzlich geschuppt, oben mit weisslichen und schwärz- 
lichen Schuppenflecken auf grauem Grunde. Männchen und Weibchen 
sind äusserlich nur durch die verschiedene Intensität und Reinheit der 
Zeichnung verschieden, welche bei- ersteren auch in unserer Gegend 
häufig ausserordentlich lebhaft wird und sich dann in nichts von den afri- 
kanischen Individuen („rutilans” Lath. vom Senegal) unterscheidet. — 


Der rothköpfige Würger. 269 


Der rothköpfige Würger (ruficeps Bechst.) gehört den südlichen Vögeln 
an, da er im nördlichsten Dentschland sich seiner Nordgrenze ziemlich 
nähert, dagegen im Süden über den grössten ‘Theil von Afrika verbreitet 
ist. Auch ist er schon in Norddeutschland bei weitem nicht so häufig 
als in Süddeutschland, etwa jenseits des Main. In letzterem trifft man 
ihn an passenden Stellen, besonders Obstbaumpflanzungen, Obstgärten, als 
wirklich häufigen Brutvogel an, bei uns im Norden dagegen brüten zwar 
überall einzelne Paare; unter die gemeinen Vögel kann man ihn jedoch 
keineswegs zählen. Er macht freilich wenig Aufhebens von sich, lebt 
weniger hoch und frei als ewcubitor, weniger lebhaft und beweglich als 
minor, jedoch ist er immerhin ein Vogel, der durch seine ansehnliche 
Grösse, leuchtenden Farben, sowie durch sein keineswegs verstecktes Wesen 
dem Kenner nicht leicht verborgen bleiben kann. In den letzten Tagen 
des April oder Anfangs Mai pflegt er über Nacht bei uns anzulangen. 
Viele passiren dann blos unsere Gegend, einzelne bleiben als Brutvögel 
und wählen solche Stellen, wo einzelne Bäume mit freien, namentlich 
Rasenplätzen abwechseln. Lückig mit Laub- und Nadelholz unregelmässig 
bestandene Haiden, Obstgärten, an Gartencomplexen gelegene Promenaden, 
mit Gebüsch und stärkeren Bäumen besetzte Flussufer, zumal wenn die 
freie nächste Umgebung als Hutung benutzt wird, sind seine Lieblings- 
brutstellen. Auf Flächen mit kurz begrastem Boden, auf dem hier und 
dort ein alter knorriger Baum, namentlich Eiche, Schlehdorn mit Rosen- 
gebüsch, Wachholderstrauch, auch Kiefern stehen, pflegt man ihn dort, wo 
er überhaupt nieht zu den Seltenheiten gehört, anzutreffen. Die Nähe von 
Städten, Dörfern und einzelnen Landhäusern scheut er keineswegs, ob er 
aber auch innerhalb der bewohnten Orte in den grösseren Gärten vorkommt, 
ist mir unbekannt. Bei seiner Ankunft im Münsterlande scheint er sogar 
die auf dem Hofraume der Bauernhäuser stehenden alten Eichen mit Vor- 
liebe als hohe Warten zu benutzen, von denen herab er die erste Umschau 
hält. Später lebt er niedriger, sitzt auf einem seitlich vorragenden Zweige 
oder der Spitze eines Dorngebüsches, auf einem Wachholderstrauche, dem 
niedrigen Zweige einer alten oder der Spitze einer jungen Kiefer, Eiche, 
in einem Obstbaume, Linde u. a, um von dort nach seiner Inseetennahrung 
zu spähen. Er ergreift nur grössere Insecten, die er gern auf Dornen 
und abgebrochene Zweige spiesst. An seinem Aufenthaltsorte findet man 
unter diesen besonders viele Hummeln (Dombus terrestris), auch Erdgrillen 
(@ryllus campestris). Sein, häufig viele weissliche Materialien (Flechten, 
Gnaphalien) enthaltendes Nest steht etwa 5 Meter hoch, meist auf einem 
stärkeren horizontalen Zweige, doch auch in einer Gabelung der vorhin 
genannten Bäume. Am Wasser (Stadtgräben, Flüssen) wählt er für den 
Neststand gern die Wasserseite. Seine Eier sind nicht leicht von den 


970 Sperlingsartige Vögel. 


grünlichen der folgenden Art zu unterscheiden; jedoch ist die Zeichnung 
hier scharf markirt und begrenzt, hart, während bei jenem die Flecken 
mehr als gedämpfte Zeichnung auftreteu. Auf sehr hell olivengrünlichem 
Grunde tragen seine Eier intensive, am stumpfen Ende zu einem Kranze 
zusammentretende Flecken desselben Tones, sowie aschfarben durchschim- 
mernde Schalenflecke. Am Brutplatze trägt das singende Männchen oft in 
bewunderungswerther Virtuosität ein Quodlibet einer Menge fremder Vogel- 
stimmen und Gesänge vor, die jedoch auch er mit seinen natürlichen 
Würgertönen verbindet und vermischt. Die Jungen treiben sich mit den 
Alten in der Umgebung des Neststandes noch einige Zeit umher, bis uns 
die ganze Familie gegen Ende. August verlässt. Wirthschaftlich leistet 
auch er in keiner Weise einen erheblichen Nutzen. Sein Nesterplündern 
macht ihn sogar zum Schadenstifter. 


4. Der rothrückige Würger. 
Lanius collurio L. 


Lerchengrösse; die zweite Handschwinge länger als die fünfte und 
kürzer als die vierte; Flügel ohne weissen Spiepel, Bürzel aschgrau; Fe- 
dern über der Nasengrube schwarz; Schwanzfedern schwarz, von der 
ersten bis fünften mit weisser Basis. Männchen: Oberkopf aschblau durch 
das Auge ein tiefschwarzer Strich; Rücken gesättigt braunroth; Brust zart 
rosa. Weibchen und Junge: Oberseite trüb rostbraun (bei den Jungen: 
schwärzlich und weisslich gewässert); Strich durchs Auge braun; Unter- 
seite weisslich, fein schwärzlichgrau gewellt. — Der rothrückige Würger 
hat eine weite Verbreitung, wenn die südafrikanischen und ost- 
indischen Formen dieser ‚Spezies angehören. Nach Norden geht er 
weiter hinauf als rufus; in Nordamerika kommt jedoch weder er noch 
ein naher Verwandter vor. Bei uns in Deutschland ist er überall von 
allen Würgern der häufigste und am meisten gleichmässig verbreitet. Seine 
Lieblingsaufenthaltsorte sind in ähnlicher Weise zu charakterisiren als die 
der übrigen Würger: freie kurz begraste Flächen, Triften, Weiden, unter- 
brochen mit Holzwuchs. Nur sieht diese Art von allen höheren Bäumen 
gänzlich ab und wünscht entschieden niedrige Dickungen, wirres Gebüsch, 
Wachholderbüsche mit niederem Laubholz, junge dichtstehende Kiefern oder 
Fichten, noch lieber Dornen, besonders Schleh- und Weissdorn. Wenn 
solches Gestrüpp sich an dichte Hecken, Waldränder, Baumgruppen anlehnt, 
wenn es ferner durchrankt ist von der Hundsrose, wenn es namentlich 
an sonnigen Abhängen, Flussufern, kleinen Hügeln und Bodenerhebungen 
steht, so werden wir in den meisten Gegenden den rothrückigen Würger 
dort als Brutvogel antreffen. Vergleichen wir unsere vier hiesigen Arten 


Der rothrückige Würger. 271 


in ihrem Aufenthaltsorte mit einander, so entspricht in auffallender Weise 
die Höhe und Stärke des von ihnen verlangten Holzwuchses, sowie die 
Höhe ihres Neststandes ihrer Grösse. Jedoch setzt sich unsere kleinste 
Art, obschon sie, wie gesagt, der eigentlichen Bäume gern entbehrt, bei 
Beunruhigung wohl auf die Spitze eines solchen, um sich die Gefahr aus 
der Vogelperspective mal anzusehen. Für gewöhnlich sitzt er auf einem 
seitlich oder in die Höhe ragenden Zweige seines Gebüsches, seiner dicht- 
verwachsenen Hecke, also niedrig. Von hier aus macht er Jagd auf 
grössere Insecten; in seinen Gewöllen sind fast stets Carabendecken und 
Beine kenntlich. Jedoch verzehrt er räuberisch auch viele Nest- und 
flügge, ja sogar alte Vögel. Er ist die Geissel seiner schwächeren Um- 
gebung. Wo, wie hier bei Neustadt, in und an einem grösseren Gestrüpp 
die Sperber- und Dorngrasmücke und der Goldammer in mehren Paaren 
mit ihm zusammen brüten, haben diese beständig durch seine Verfolgungen 
zu leiden, und da er gegen die Weise seiner Gattungsverwandten auch durch 
das Gebüsch hüpft, so bringen dieselben sehr selten die von ihm früher 
oder später entdeckte Brut auf. Das Aufspiessen seiner Beute betreibt 
er noch stärker als die übrigen Würger. Sein Nest steht in dem be- 
zeichneten Pflanzengewirr, doch auch gern in einem Wachholderbusch, 
einer jungen Kiefer, Fichte. Seine Eier sind entweder hell grünlich, bez. 
gelblich oder röthlich grundirt mit intensiven, einen Kranz bildenden 
Flecken desselben Farbentones. Meines Wissens findet sich ein solcher 
Erythrismus bei den Eiern der übrigen Arten nicht, hier ist er aber eben 
so häufig, als die andere, die Normalfärbung. Ob diese Farbverschieden- 
heiten verschiedenen Altersstufen und Jahrgängen entsprechen oder ob 
sie individuell sind, ist nach einzelnen Beobachtungen wohl im letzten 
Sinne zu bejahen, da (höchst wahrscheinlich) dasselbe Weibchen mehre 
Jahre nach einander gleiche Eier legte. In der Nachahmung fremder 
Vogelgesänge ist auch er Meister, obgleich er dieselben stets etwas nach 
seinem Geschmacke verändert. Am stärksten hat er mich einst durch 
Nachäffung des Gesanges des Teichrohrsängers getäuscht und, da derselbe 
aus dem Stockaufschlag einer vor etwa drei Jahren gehauenen Waldpar- 
zelle umgeben von altem Hochwald erscholl, in hohem Grade irritirt. 
Auch er ist ein stark ausgeprägter Zugvogel, der erst in den ersten Tagen 
des Mai bei uns anlangt und nachdem er sich familienweise nach Been- 
digung des Brutgeschäftes in der Gegend einige Zeit umhergelrieben, uns 
Anfangs August wieder verlässt. Seine Reisen macht auch er des Nachts. 
Er soll durch Vertilgung vieler „schädlichen” Insecten ausserordentlich 
nützlich sein. Ich kann nach mehr als dreissigjähriger Beobachtung kein 
schädliches Inseet auffinden, gegen welches er in nur irgend namhafter 
Weise wirkt. Die paar Maikäfer, die er vertilgt, machen ihn schwer- 


272 Sperlingsartige Vögel. 


lich zu einem grossen Wohlthäter der Forst- und Landwirthschaft. Als 
Brutzerstörer wirkt er weit mehr, und zwar schädlich. 

An die Familie der Laniiden schliesst sich die der Timaliiden 
enge an. Ihr gegen die Spitze eomprimirter Schnabel ist jedoch ohne 
starkhakige Spitze, Zahn und Kerbe, die Nasenlöcher liegen frei; Flügel 
kurz; Schwanz meist stufig verlängert, ebenfalls der Lauf über mittellang; 
Zehen, namentlich die Hinterzehe, lang. In ihrem geographischen Vor- 
kommen sowie in ihren speciellen Aufenthaltsorten ähneln sie gleichfalls 
den Würgern; jedoch gehen sie nicht so hoch nach Norden hinauf, 
überschreiten vielmehr den Wendekreis des Krebses nicht, fehlen folg- 
lich in Europa, aber auch in Amerika. Ihren Schwerkunkt haben sie 
im südlichsten Theile von Asien, besonders in Östindien; manche Arten 
kommen aber auch in Australien, sowie in Afrika vor. Es sind gleich- 
falls Waldvögel, welche sich von Inseeten und anderen schwächeren Thieren 
nähren. 


12. Familie. Zaunschlüpfer, Troglodytidae. 


Gestalt dieser meist kleinen Singvögel gedrungen; Schnabel mittellang, 
fein, spitz, sanft gebogen; Mundspalte ohne Borsten, Nasenlöcher frei; 
Flügel kurz und rund; Lauf geschildert, kräftig, mittellang. Fast sämmt- 
liche Arten dieser nicht armen Familie, nämlich 60, gehören Amerika an 
und sind theils auf Nord-, theils auf Mittel-, theils auf Südamerika ver- 
theilt. Ausser zwei auf einzelnen Inseln lebenden Arten kennt man über- 
dies nur noch vier Arten: unseren gemeinen Zaunkönig, der sich auch 
über einen Theil von Asien und Afrika verbreitet, zwei Spezies aus 
Mittelasien und eine japanesische. Man hat sie in eine Anzahl von 
Gattungen getheilt. Uns kann jedoch nur diejenige interessiren, zu der 
unsere hiesige Art gehört. 


Zaunschlüpfer, Troglodytes. 


Kleine, aber kräftig gebaute Vögel; Flügel gewölbt, die Schwingen 
säbelförmig gebogen, vierte und fünfte die längsten; Nasenlöcher ritzen- 
förmig; das kleine Gefieder dieht und gross; Färbung braun mit zahl- 
losen schwärzlichen Wellen und Punkten. Ausser unserem bekannten 
Zaunkönige, der sich auch über einen Theil von Asien und Afrika ver- 
breitet, leben noch zwei in Mittelasien und eine in Japan, doch will man 
auch noch eine nordische, borealis, unterscheiden. Alle übrigen, etwa 
17 Arten, sind amerikanisch. Die meisten gleichen sich in jeder Hin- 
sicht so sehr, dass eine Unterscheidung derselben meist nur auf einige 


Der Zaunkönig. 273 


kleine Verschiedenheiten gestützt werden kann. Es sind, insofern man 
ihr Leben kennt, sämmtlich sehr bewegliche, muntere Vögel, welche tief 
am Boden, doch nicht auf demselben, Pflanzengewirr, Zäune, besonders 
aber durch Wurzeln, lagernde Hölzer u. ähnl. gebildete Hohlräume nach 
Spinnen und Insecten durchsuchen. Ihr Flug ist niedrig und schnurrend und 
führt sie nur selten über grosse freie Flächen. Unsere Gegend beherbergt 
nur eine Art, welche, so ähnlich sie auch mehren fremden Spezies ist, 
mit keinem anderen hiesigen Vogel leicht verwechselt werden kann. Ihr 
Aeusseres, ihr Betragen, ihre Stimme ist durchaus singulär. 


Der Zaunkönig. 
Troglodytes parvulus Koch. 

Färbung rostbraun, auf der Oberseite vom Scheitel bis zum Schwanz 
allmählich reiner werdend, mit zahlreichen dunklen Querstrichelchen, 
Flecken, (auf den Schwanzfedern) Binden; die oberen mittleren Flügel- 
deckfedern und die unteren Schwanzdeckfedern mit feinen weissen Spitzen; 
weisse Spitzensäumchen nebst dunklen Wellen zeigen auch die Federn 
der Unterseite. — Der, zu unseren kleinsten Vögeln gehörende, doch 
kräftig gedrungene Zaunkönig geht nach Norden bis in den arktischen 
Kreis hinauf (doch vielleicht borealis sp.) und ist gleichfalls im Süden 
von Europa anzutreffen; er bewohnt die Ebene wie das Hochgebirge. Man 
trifft ihn in dem Stockaufschlag ausgehauener Waldstellen in einer Höhe 
von 1000 Meter und darüber im südlichsten Deutschland noch überall 
an, sowie er in unseren norddeutschen Ebenen an allen Orten ein sehr 
bekannter Vogel ist. Jedoch lebt er stets nur einzeln. Einen Waldvogel 
im eigentlichsten Sinne kann man ihn nicht nennen. Den geschlossenen 
Hochwald vermeidet er consequent, er duldet durchaus kein finsteres 
Blätterdach über sich und da er sich nur niedrig am Boden herumtreibt, 
so bildet dichtes Gestrüpp, zumal wenn alte Stöcke, hohl stehende Wur- 
zeln, lagernde Holzstücke, Reiserbündel u. dergl. sich dort vorfinden, 
seinen Lieblingsaufenthalt. Lücken, nicht zu ausgedehnte freie Stellen 
sind ihm ebenfalls willkommen. Um ihn jedoch ganz zu fesseln, nament- 
lich ihn zur Verrichtung des Fortpflanzungsgeschäftes einzuladen, ist ausser- 
dem feuchter, frischer Boden, ein bewachsener Wassergraben, ein Bach 
mit überhängenden unterspülten Ufern, zumal am Waldrande nothwendig. 
Die Nähe von Gebäuden schreckt ihn keineswegs zurück, nur muss Alles 
dem eben angedeuteten unordentlichen Terrain analog sein. Reinliche, 
saubere Wirthschaft, neue glatte Wände und Gebäude sind ihm zuwider. 
Er ist nämlich in seinem ganzen Wesen ein eigentlicher Schlüpfer. Die 
Benennung Zaunschlüpfer oder auch Troglodytes kann nicht passender 
sein. Stets durchschlüpft, durchhüpft, durchkriecht er kleinere Löcher, 

Altum. Die Vögel, 18 


274 Sperlingsartige Vögel. 


Spalten, Ritzen und solche werden ihm nicht in wirthschaftlich ganz glatten 
Verhältnissen geboten. Ausgefallenes Mauerwerk, bemooste Dächer, alte 
halb zerfallene Zäune, Buhnen und Flechtwerk mit Gestrüpp, alte knorrige 
Baumwurzeln, zusammengeworfenes altes Holz, doch Alles in der Nähe 
von oder zwischen dichtem Gestrüpp werden von ihm mit Vorliebe aufge- 
sucht. Auch im Schilf, wenn es sich lückig in unordentlichen einzelnen 
Partieen am bewachsenen Ufer hinzieht, nicht im reinen Rohrwald treffen 
wir ihn an. In der Nähe grösserer alter Landhäuser, ja sogar in den 
Gärten von Dörfern und Städten wohnt er behaglich, wenn gegen seine 
Ansicht von Ordnung nicht zu sehr gefehlt ist. In höheren Bäumen oder 
auf Dächern sieht man ihn nur selten und vorübergehend. So singulär 
wie sein Aufenthaltsort unter dem der übrigen kleinen Vögel erscheint auch 
seine Gestalt, die an sich schon, besonders aber durch den senkrecht oder 
gar übersenkrecht emporgetragenen kurzen Schwanz lebhaft an den Wasser- 
schwätzer erinnert. Ueberhaupt hat er im Habitus und Betragen mit 
keinem hiesigen Vogel eine solche Aehnlichkeit als mit diesem. Sein nie- 
driger Aufenthalt, seine Vorliebe für Wasser, sein kurzer schnurrender 
Flug, sein Knicken, seine Einsamkeit, sein Nestbau, sogar sein Winter- 
gesang lässt uns ihn als nahen Verwandten von jenem erkennen, und fast 
möchte es scheinen, als hätten die Systematiker beide zu weit getrennt. 
Seime energische Lockstimme, wie sein bekannter, schwer durch Silben 
zu bezeichnender, anhaltender, lauter, kräftiger sonorer Gesang erscheinen 
im auffallenden Contraste mit der winzigen Gestalt. Er baut sein grosses 
geschlossenes, nur mit einem hoch angebrachten seitlichen Flugloche ver- 
sehenes Nest, das äusserlich gewöhnlich eine erhebliche Partie Moos und 
innen eine warme Federdecke enthält, in ausgebröckelte Mauerstellen, 
falls Gebüsch, besonders Epheu es verdeckt, unter Gartenhausdächer, in 
Steinklüfte, Reisighaufen, unter überragende Ufer, unter Brücken, in 
Pfostlöcher, hohle Kopfweiden, zwischen alte knorrige Baumwurzeln, in 
Pürschhütten u. ähnl., überhaupt an von oben überdachte, beschattete 
Stellen, verlorne Winkel, wohl gar in einen recht dichten düsteren 
Wachholderbusch. Einst stand es sogar in einem hohl ausgedorrten Fuchs- 
cadaver, welches vom Winter her gestreift an einem Waldbaume hing. 
Wie das Männchen im Winter singt, so baut es auch oft im Winter, ja 
die nicht zur Fortpflanzung kommenden Männchen bauen auch Nester. 
Solche Winter- und Männchennester werden als Schlafstellen benutzt, 
sowie überhaupt der Zaunkönig sich gern für die Nachtruhe der Nester, 
sogar fremder, und zwar gesellschaftlich bedient. Es sitzen dann oft so 
viele als eben Platz haben, gleich jungen Vögeln in einem Sylviennest. 
Zur Abendruhe in einem hohlen Baume laden sie sich zur Dämmerungs- 
zeit durch Locken gegenseitig ein. Drei bis vier ist die geringste Zahl, 


Klettermeisen. 275 


die sich dann dort zusammenfindet, zuweilen sind es wohl acht bis neun 
Individuen. In einem Aalkorbe (Reuse) fanden sich zwölf Leichen; den 
übernachtenden Zaunkönigen war es ergangen, wie es für die Fische be- 
zweckt war, sie hatten den Rückweg nicht finden können. Gleicherweise 
übernachten wohl drei bis sechs zusammen in einem Nistkasten für Meisen. 
Diese Geselligkeit ist jedenfalls als Widerspruch mit dem sonstigen ein- 
samen Leben bemerkenswerth. Die nicht sehr kleinen Eier tragen auf 
reinweissem Grunde wenige, meist weitständige rothe Pünktchen. Der 
Zaunkönig verzehrt vorzüglich Spinnen, doch auch viele kleinere Insecten- 
larven, Puppen, Würmehen. Spinnen und Weberknechte (Phalangium 
opilio) trägt er vor allem seinen Jungen zu. Ein Nutzen, den er uns 
durch seine Nahrung erweist, wird sich nur in ganz einzelnen seltenen 
Fällen nachweisen lassen. Wenn uns die Spinnen die lästigen Fliegen 
weglangen, so ist es eben keine grosse Wohlthat, wenn er nun seinerseits 
im grössten Theile des Jahres fast nur Spinnen vertilgt. Obschon er, 
wie allbekannt, auch im Winter sich bei uns herumtreibt, hart gegen 
Frost, so kann man ihn doch nicht ganz unbedingt zu den Standvögeln 
rechnen. Manche Individuen wenigstens mögen weit umherstreichen. So 
besuchen mehre z. B. unsere Nordseeinseln im Winter, wogegen, was sich 
leicht und sicher constatiren lässt, im Sommer kein Zaunkönig dort lebt. 
Es sind das Zaunkönige unserer gewöhnlichen Form, nicht aber die etwas 
grösseren (borealis), wie sie z. B. schon auf den Faroer vorkommen. 


13. Familie. Klettermeisen, Certhiidae. 


Schnabel schlank, lang oder mittellang, mit glatten, nicht gekerbten 
Rändern, an der Wurzel breit; 10 Handschwingen, deren erste kurz, 
kürzer als die halbe zweite; mittlere und äussere Zehe bis zum ersten Ge- 
lenk verwachsen, letztere länger als die innere, Krallen scharf; Hinterzehe 
länger als die mittlere und als der niedrige, getäfelte Lauf. Gefieder 
reichlich und lang, zerschlissen. Die Vögel dieser Familie imitiren durch 
ihr ausgezeichnetes Klettervermögen, einige sogar durch Hämmern mit 
dem Schnabel, andere durch die Bildung ihrer Schwanzfedern unter den 
Singvögeln die Spechte. Andererseits zeigen sie auch sowohl in ihrem 
Habitus als in ihrem Leben, Nestbau, Eiern viele Aehnlichkeit mit den 
Meisen. Manche sind ausschliesslich Wald- und Baumvögel, andere auf 
die Felsen des Hochgebirges angewiesen. Sie suchen sprungweise kletternd 
aus den Spalten und Ritzen ihre Insectennahrung; auch hacken manche 
wohl hartschalige Sämereien nach den Kernen auf. Doch weichen die 
ebenfalls wohl hierher gerechneten gradkralligen Orthonyciden in ihrer 


Lebensweise von den übrigen ab. Diese letzteren bevölkern in kaum 
18* 


276 Sperlingsartige Vögel. 


40 Arten alle Welttheile. Wir haben in Deutschland drei Formen, im 
Norden jedoch nur zwei derselben vertreten. 


Baumläufer, Certhia. 


Schnabel so lang oder etwas länger als der Kopf, dünn, seitlich stark 
zusammengedrückt und in seiner ganzen Länge gebogen; Flügel kaum 
mittelgross, schwachfedrig, «stumpf, 10 Handschwingen, die vierte die 
längste; Lauf schwächlich, von der Grösse der Aussenzehe, Krallen, be- 
sonders die der Hinterzehe, fein, gross, stark gekrümmt, scharf; Schwanz 
keilförmig, zweispitzig, der Bart der Steuerfedern an der Spitze starr und 
von beiden Seiten verschmälert. — Die wenigen in Europa, Asien und 
auch Nordamerika lebenden Baumläufer im engeren Sinne gehören zu den 
sehr kleinen Vögeln. Die Kleider der verschiedenen Altersstufen, Ge- 
schlechter, Jahreszeiten sind nicht erheblich verschieden; dagegen scheinen 
sich individuelle Eigenthümlichkeiten geltend zu machen. Sie leben in 
Wäldern und Baumgärten, sind aber nur auf die starken Bäume ange- 
wiesen, deren Stamm sie von unten auf bis in die stärkeren Zweige er- 
klettern und aus den Rindenritzen ihre Insectennahrung hervorholen. Sie 
bauen ihre Nester meist halb versteckt zwischen Baumspalten, in Höh- 
Jungen, auch an Gebäude und legen zahlreiche weisse rothpunktirte Eier. 
Bei uns und überhaupt in Europa lebt nur eine Art. 


Der graue Baumläufer. 
Certhia familiaris L. 

Oben dunkel gelblichgrau mit weisslicher Federmitte; Bürzel ocker- 
bräunlich; über die Mitte der Schwingen verläuft eine rostgelblich weisse 
Binde; Unterseite weiss; Schwanz einfarbig, Sowohl der Farbton der 
Oberseite und Unterseite, als auch die Länge des Schnabels und der 
Krallen varirt etwas. Die Oberseite schwankt nämlich vom stumpfen 
Dunkelgrau bis zum frischen Gelblichgrau, die Unterseite vom reinsten 
Atlasweiss bis zum hellen Grau. Der Schnabel ist bald von Kopfeslänge, 
bald um ein Beträchtliches länger. Man findet unser Vögelchen in fast 
ganz Europa, jedoch nur bei und an starken Bäumen. In alten Wäldern 
fehlt er nirgends, auch in Parks, Baumgärten, Promenaden, Alleen trifft 
man ihn, wenigstens ausser der Brutzeit bei seinen Streifereien an. Er 
fliegt nicht gerade ungeschickt, vermag sich sogar überraschend schnell 
und gewandt aus der Höhe eines Baumes gleichsam herabzuwerfen, um 
einen anderen Stamm von unten her zu erklettern. Jedoch fliegt er nie 
weite Strecken und wagt sich auch nur ungern in’s Freie. Er klettert 
spechtartig am Stamme in vertikaler Körperhaltung und unterstützt durch 


Der graue Baumläufer. 277 


den Schwanz sprungweise von unten her herauf, in gerader Richtung oder 
auch in Spirale. Für gewöhnlich hält er die gerade Richtung nicht lange 
ein, sondern springt beim Heraufrücken auch jedesmal etwas zur Seite, 
An horizontal verlaufenden starken Aesten vermag er sowohl oberhalb, 
als seitlich und unterhalb fortzuklettern. Glattrindige Stämme erklettert 
er nur selten, rauhe, borkige sind ihm die liebsten, an dünnen Zweigen 
sehen wir ihn nie, jedoch wohl an Brettergiebeln von Garten- und Land- 
häusern und senkrechten Pfosten, wenn diese bereits ein alterndes An- 
sehen haben. Zwischen Laub- und Nadelholz scheint er keinen Unter- 
schied zu machen, nur muss es altes Holz sein. Seine Nahrung besteht 
ausschliesslich aus Insecten und deren Eiern, Larven, Puppen. Er ver- 
mag es freilich mit seinem feimen Bogenschnabel nicht, die Rinde nach 
innewohnenden Leckerbissen zu zertheilen, jedoch durchsucht er die feinen 
und tiefen Ritzen und nimmt auch die kleinsten geniessbaren Gegenstände, 
und da er für den Winter uns nicht verlässt, höchstens nur mit seines 
Gleichen und Meisen umherstreicht, so zeigt er sich dem Forstmann wie 
besonders dem Obstzüchter das ganze Jahr hindurch sehr nützlich. Wo 
die Nonne stark auftritt, hat er den ganzen Winter hindurch Arbeit 
genug, während er im Sommer andere Rindeneier in Menge verspeist; 
ich erinnere beispielsweise an die von Orgyia pudibunda und Gastro- 
pacha pini. Es werden die sog. Frostspanner, deren ungeflügelte Weib- 
chen oft an den Stämmen und stärkeren Zweigen, wenngleich leider ge- 
wöhnlich an den äussersten Spitzen der feinen Zweige, und dann für ihn 
unzugänglich sitzen, sehr deeimirt. Es sind das nicht blos die beiden 
bekanntesten Chimatobia brumata und defoliaria, sondern der Wald birgt 
noch manche andere Arten (progemmaria, aceraria, leucophaearia, aescu- 
laria, pilosaria), deren Raupen eine ungeheure Menge von Baumknospen 
bei ihrer Frühlingsentfaltung verderben. Wiederholt habe ich die Weib- 
chen mancher derselben am Tage an den Stämmen gefunden; der Baum- 
läufer wird eine grosse Menge derselben entdecken. Die gegen brumata 
in den Gärten an Obstbäumen angebrachten Theerringe werden sogar von 
ihm nach den gefangenen Weibchen abgesucht. Bei seinem eifrigen 
Suchen und fortwährender Beweglichkeit lässt er fleissig seinen hellen 
mehrmals wiederholten Lockruf „Tit” erschallen. Seinen Gesang, eine 
kurze Strophe desselben Toncharakters, hört man schon einzeln in der 
Mitte Februar, und bei heiterem Wetter von da ab bis in den Juli. Nach 
diesem seinem Wirken müssen wir das kleine Vögelchen zu den forst- 
lich sehr nützlichen rechnen. Man sieht, wie es fortwährend an und in 
der rauhen Borke eine Beute auffindet, sein scharfes Auge erspähet auch 
die kleinsten Gegenstände. Sein Nest baut der Baumläufer am liebsten 
hinter grössere, etwas abstehende Splitter, in irgend eine Ritze und Spalte, 


278 Sperlingsartige Vögel. 


in einen stark angefaulten Ast, eine Kopfweide u. dergl., doch auch in 
den Giebel eines Landhauses, Gartenhauses, in den Winkel von Sparre 
und Latte unter einem halb offenen Strohdach, sogar in Holzhaufen. Er 
brütet jährlich zweimal und ist, da er das erste Mal 7—9, das zweite 
Mal 4—5 Eier zu legen pflegt, sehr fruchtbar. Doch sieht man ihn nir- 
gends eigentlich in Menge. Die Eier enthalten auf weissem Grunde zahl- 
reiche, gegen das stumpfe Ende sich zu einem starken Fleckenkranze ver- 
einigende rothe (dem Carmin sich nähernde) Punkte. Hierdurch unter- 
scheiden sie sich in der Regel von allen anderen ähnlich grossen und 
ähnlich gezeichneten Eiern (Laubvögel, Zaunkönig, Meisen) leicht, nur 
stehen die Haubenmeiseneier diesen zuweilen nahe. Das Nest steht nie 
oder nur ausnahmsweise hoch; seine Grösse scheint sich nach dem für 
dasselbe gewählten Raum zu richten. 


Mauerläufer, Tichodroma. 


Schnabel sehr lang, dünn, wenig gebogen, feinspitzig und wie die 
Füsse schwarz; die nicht starken Läufe ringsum gestiefelt, Zehen lang, 
Krallen, besonders die der Hinterzehe lang, feinspitzig, stark gekrümmt; 
Flügel breit, stumpf, die vierte und fünfte und die kaum etwas kürzere 
sechste Handschwinge bilden die Spitze; Schwanz kurz, weich- und breit- 
fedrig, von dem Flügel völlig bedeckt. Gefieder weich, gross, locker, sehr 
zerschlissen. — Die Mauerkletten leben in den hohen Alpenregionen und 
suchen kletternd an den steilen Felswänden ihre Insectennahrung. Das 
Nest steht in Felsspalten. Diese Gattung ist sehr arm; denn man kennt 
ausser der europäischen Art nur noch eine andere in Öentralasien, der 
unserigen sehr ähnlich, mit kürzerem Schnabel (nepalensis Bp.). 


Der Alpenmauerläufer. 
Tichodroma muraria L. 

Grösse der gemeinen Baumklette; oben aschgrau, unten an Kehle und 
Vorderbrust im Winter weisslich, im Sommer schieferschwarz, Bauch 
schieferdunkel, desgleichen Flügel und Schwanzfedern; die kleinen oberen 
Flügeldeckfedern und die Aussenfahne der grossen wie der vorderen und 
mittleren Handschwingen hellkarminroth, die zweite bis vierte Hand- 
schwinge auf der Innenfahne mit je zwei weissen Flecken. Die Jungen 
vor der ersten Mauser mit rosa angehauchtem Scheitel. — Die Alpen- 
mauerklette gehört der alpinen Region von Südeuropa an und reicht als 
Brutvogel durch die Schweiz und Tyrol nach Norden bis in’s Salzkammer- 
gut und Oberbayern. Selten hat sich mal ein Exemplar in den schle- 
sischen Gebirgen, im Thüringer Walde, oder gar im nördlichen Deutsch- 


Baumklette. 279 


land antreffen lassen. Das nördlichste Vorkommen eines Verirrten möchte 
wohl Osnabrück sein, woselbst er vor einer Reihe von Jahren in’s Gymnasium 
Carolinum flog, und dort jetzt ausgestopft noch vorhanden ist. Diese 
höchst bewegliche Art hüpft oder klettert von unten nach oben unter 
Beihülfe der Flügel an den schroffsten Felswänden empor und zeigt, wenn 
man einen solchen Vogel in nächster Nähe betrachten kann, ungemein 
viel Aehnlichkeit mit dem Benehmen unseres gemeinen Baumläufers, be- 
sonders in der Art und Weise, wie jede Ritze genau nach ihrem Inhalte 
inspieirt wird. Gegen den Winter werden ihm seine luftigen Höhen un- 
wirthlich, und er zieht sich dann in die Alpenthäler hinab, woselbst er 
dann an altem Gemäuer, Ringmauern, Burgen, Kirchthürmen u. dergl. 
seine Inseetennahrung aufsucht. Sein Flug ist schwankend, dem des im 
Flügelbau analogen Wiedehopfs ähnlich; sein Nest steht in Felsspalten 
und enthält 5 reinweisse, mit sehr feinen, spärlichen, weitständigen blut- 
schwarzen Punkten besetzte Eier. Eine wirthschaftliche Bedeutung kann 
diesem Prachtvogel keineswegs zugeschrieben werden. Den Wald ver- 
meidet er gänzlich. 


Baumeklette, Sitta. 


Schnabel von Kopfeslänge, gerade, pfriemförmig, rundlich, ganzrandig, 
die Dillenkante stärker aufwärts, als die First abwärts verlaufend; Flügel 
kaum mittelgross, breit, stumpf, die vierte Handschwinge die längste; die 
Horndecken auf der Rückseite des kurzen Laufs mehr als °/, ihrer Länge 
ohne Quertheilung; Zehen lang mit stark gekrümmten, feinspitzigen 
Krallen, von denen die der Hinterzehe die stärkste; Schwanz weichfedrig, 
kurz, von oben durch die Flügel bis auf die Spitze, von unten durch 
die Deckfedern zu ?/, bedeckt. Das Gefieder reichlich lang, zerschlissen, 
alle Kleider gleich, doch zuweilen lokale Verschiedenheiten. Die Baum- 
kletten sind ausgeprägte Waldvögel; an den Stämmen und Zweigen klettern 
sie mit ausgezeichneter Meisterschaft, sogar mit dem Kopfe abwärts ge- 
richtet. Sie bleiben in den verschiedenen Jahreszeiten in derselben Ge- 
gend, nähren sich von Insecten und Baumsämereien, nisten in Baumhöhlen 
und legen weisse rothpunktirte Eier. Im weiteren Sinne gehören 22 Arten 
zu diesen Vögeln, von denen mehre sogar Australien und Neuseeland be- 
wohnen; die engere Gattung Sitta enthält ausser unserer einheimischen 
Baumklette noch 10 andere Spezies, von denen 5 in Asien und 4 in 
Nordamerika ihre Heimath haben. 


Die gemeine Baumklette. 
Sitta caesia M. & W. 


Oberseite blaugrau, Weichen und Spitzen der unteren Schwanzdeckfedern 


280 Sperlingsartige Vögel. 


rostbraun; durch das Auge ein schwarzer Strich. Die Unterseite der 
mittel- und südeuropäischen Exemplare von der helleren Kehle an all- 
mählich gelblich rostfarben (caesia); der nordischen dagegen rein weiss 
(europaea L.). Dass die allmählichsten Uebergänge in dieser Hinsicht 
vorkommen, wird nicht befremden. So sah ich rein weissbäuchige aus 
Stockholm, Seeland, Kamschatka, sehr blasse aus Stockholm und dem 
übrigen Dänemark, aus Seeland, Jütland, blasse aus Finnland, auch aus 
den Ardennen, normal braune aus Frankreich, Deutschland, Holland. Auch 
die Färbung der Weichen ist intensiv wie extensiv sehr variabel und diese 
Verschiedenheiten kommen an denselben Oertlichkeiten, namentlich dort 
vor, wo sich, wie in Dänemark, die Scheidung der extremen Färbungen 
oder vielmehr der Uebergang der einen in die andern zu finden scheint. 
Sogar im nördlichen Deutschland zeigen die westlichen Individuen (Münster- 
land) einen gesättigteren Ton der Unterseite, als die östlichen (Neu- 
stadt Ew.). In den Hochgebirgen des Südens habe ich ihn nur mit ge- 
sättigt rostgelber Unterseite gesehen. Da es jedoch im Südosten noch 
eine zweite weissbäuchige, unzweifelhafte Spezies giebt (syriaca Ehrenb.), 
so muss für unsere Art zur Diagnose noch hinzugefügt werden: Erste 
(kurze) Handschwinge ist '/, der zweiten lang, die zweite länger als die 
siebente, die dritte, vierte und fünfte bilden die Spitze. — Sein ziemlich 
weiter Verbreitungsbezirk ist vorhin bereits angedeutet. Er ist Wald- 
vogel. Nur wo starke Bäume stehen, ist er zu Hause. Von diesen sind 
ihm die mit rauher rissiger Borke die liebsten; Eichen zieht er jedem 
anderen Laubholze vor, in Buchenwäldern findet er sich selten, wenn er 
nicht seiner Nahrung wegen hingeführt wird. Doch scheinen gemischte 
Bestände mit verschiedenem Unterholz seine Lieblingswälder zu sein. 
Alte Nadelholzwälder bewohnt er gleichfalls, am wenigsten gern jedoch, 
wenn sie rein sind. Einzeln stehende Bäume in Baumgärten, vom Walde 
entfernte Alleen besucht er fast nur in der Strichzeit. Diese beginnt im 
Spätherbst und man sieht sich dann im Walde gewöhnlich plötzlich von 
mehren Individuen in Gesellschaft von allerhand Meisen, von Goldhähn- 
chen und Baumläufern umgeben, während alle übrigen Waldestheile öde 
erscheinen. Im ersten Frühling jedoch trifft man ihn schon bleibend an 
seinem Brutorte an. Sein lauter Pfiff „Quei”, mehrmals wiederholt, durch- 
schallt bei heiterem Wetter schon wohl Ende Januar oder im Februar, 
stets im März den noch stillen Wald. Ausserdem trillert er, wohl die 
höchste Steigerung seiner wohltönenden Stimme, laut. Sonst ruft er eben 
so kräftig sein wiederholtes „Twitt” das ganze Jahr hindurch, nament- 
lich regelmässig dann, wenn er einen Stamm angeflogen ist, wobei er sich 
sofort kopflings zu setzen pflegt und dabei den Kopf mit dem spitzen 
Schnabel etwas aufgerichtet trägt. Eine Kopflingsstellung nimmt er sehr 


Die gemeine Baumklette. 281 


gern, und zwar unter unseren einheimischen Vögeln wohl einzig ein. Er 
klettert eben so gewandt mit dem Kopfe abwärts gerichtet nach unten, 
als in der entgegengesetzten Stellung nach oben, als bei horizontaler 
Körperhaltung seitlich um den Stamm. Sogar an Bretterwänden, Holz- 
giebeln u. dgl. vermag er in jeder beliebigen Haltung und Richtung zu 
klettern. Es ist ihm gleichgültig, ob er unter oder auf einem horizontal 
verlaufenden starken. Zweige umherklettert. Dieses Klettern, was er in 
Sprüngen vornimmt, geschieht gar oft mit solcher leichten Gewandtheit, 
dass er sich schlangenartig an den Zweigen herumzutreiben scheint. Kein 
Specht erreicht diese Meisterschaft. Kopflings klaubt er auch sehr oft 
die hartschaligen Baumsämereien, sogar Haselnüsse, die er in Baumspalten 
klemmt, durch auf die Spitze derselben energisch geführte Schnabelhiebe 
auf. Er hebt dabei nicht blos den Hals, sondern auch den ganzen Vorder- 
körper und breitet dabei momentan flatternd die Flügel aus. Horizontaler 
Pföste bedient er sich auch gern zu diesem Zwecke; im Münsterlande 
z. B. der Schlagbäume zwischen den, oft mit Haselgebüsch bestandenen 
Wallhecken, welche zu den einzelnen Kämpen führen. Bucheln zerklaubt er 
ebenfalls gern und diese machen ihm, wie die weniger beliebten Eicheln, 
gar keine Mühe. Auch kleinere Baumsämereien, als Hainbuchennüsschen, 
Lindenfrüchte sieht man ihn wohl aufschlagen. Nach Nadelholzsamen 
scheint er die Zapfen nicht aufzuhacken, sondern ihn unter den geöff- 
neten Schuppen fortzunehmen. Alle diese verschiedene Nahrung und 
noch manche andere Kerne sowie auch grössere Gartensämereien 
nimmt er fast nur im Spätsommer bis zum Frühling. In der warmen 
Jahreszeit wählt er Insecten und deren Larven und Puppen, jedoch ver- 
mag er es nicht, spechtartig das Holz nach solchen aufzuschlagen, doch 
blättert er oft darnach die Rindenschollen ab. Von jenen Sämereien trägt 
er zur Zeit des Ueberflusses manches in Höhlen und Winkel. Sein Nest 
steht in einer geräumigen Baumhöhle, seltener in einer Mauerhöhle. Den 
zu weiten Eingang vermauert er mit lehmiger Erde, die durch seinen 
Speichel so fest wird, dass eine solehe Wand nur dem Meissel weicht. 
Das enge kreisrunde Flugloch befindet sich stets in der Mitte. Ich habe 
das Nest zweimal in oder eigentlich hinter einer Mauer gefunden; das 
eine Mal hatte er eine Schiessscharte, das andere Mal ein Mauerkreuz 
vermauert. Das Nest selbst ist meist nur lose verbundenes Material, 
der Neststand in der Regel hoch, 10—20 Meter, doch auch wohl mal 
nicht viel mehr als 5 Meter hoch. Die (6) Eier tragen auf weissem 
Grunde sehr kräftige, ziemlich zahlreiche, am stumpfen Ende kranzartig 
gehäufte, doch nicht in einander fliessende Flecke. Von den übrigen 
weissen, rothpunktirten Eiern unserer hiesigen Vögel sind sie durch ihre 
Grösse, wie starke Zeichnung leicht zu unterscheiden. Auf dem Boden 


282 Sperlingsartige Vögel. 


hüpft er, um etwas Geniessbares zu entdecken, oft umher, aber fast immer 
in unmittelbarer Nähe eines starken alten Baumes. Er biegt dann das 
Fersengelenk stark und trägt, wie übrigens immer, den Kopf sehr einge- 
zogen. Auf dünnen Zweigen sitzt er, wiewohl nie lange, der Quere nach; 
ruhend sieht man ihn überhaupt fast nie, sondern stets in der allerbeweg- 
lichsten Geschäftigkeit. Sein Flug ist gewandt, doch fliegt er ungern über 
grosse freie Flächen, hält vielmehr wo möglich stets die Verbindung der 
stärkeren Bäumen. — Forstwirthschaftliche Wichtigkeit hat er weder durch 
Vertilgen von Spinnen und Insecten, noch durch Verzehren von Baum- 
sämereien, da beides unbedeutend und unwichtig ist. Als eine Haupt- 
zierde des Waldes aber, der sowohl durch seine ewige Beweglichkeit als 
durch seine herrliche laute Stimme in der angenehmsten Weise belebt wird, 
muss er eine höchst willkommene Erscheinung in demselben sein. 


14. Familie. Meisen, Paridae. 


Körper gedrungen; Kopf dick; Schnabel kurz, stark, gerade, von der 
Wurzel allmählich verdünnt; Nasenlöcher durch mehre sperrige Federn be- 
deckt, deren Schaftspitze frei vorsteht; Flügel kurz; 10 Handschwingen, 
deren erste sehr klein, deren dritte fast so lang als die vierte, die längste 
von allen; der vorn getäfelte Lauf kurz und kräftig; Vorderzehen ganz ge- 
theilt, Krallen stark, sehr gekrümmt, spitzig, am meisten die hintere; Ge- 
fieder dicht, reichlich, lang, zerschlissen. — Die Meisen gehören zu un- 
seren kleinsten Waldvögeln, die beständig unter den gewandtesten Stellun- 
gen die feinen Zweige und Reiser nach ihrer Insecetennahrung absuchen, 
Doch leben sie auch von Sämereien, deren härtere Schale sie nach dem 
Inhalte aufschlagen, indem sie jene mit den Füssen festhalten. Auch 
Fleisch und Fett gehen sie an; die grösseren hacken sogar schwächeren 
Vögeln den Schädel ein, um zum Gehirne zu kommen. Ausser der Fort- 
pflanzungszeit leben sie gesellig und streichen mit Individuen ihrer eige- 
nen, sowie gar oft auch fremder Arten in den Gebüschen, Gärten, Wäldern 
der Umgegend nach Nahrung umher. Ihr Nest bauen sie in verschiedener 
Weise; die meisten legen weisse, rothpunktirte, alle zahlreiche Eier und 
hecken jährlich zweimal. Man kennt etwa 50 verschiedene Arten, die in 
10 Untergattungen zerfallen. Innerhalb dieser letzteren stehen sich die 
einzelnen aufgestellten Spezies häufig so nahe, dass für manche dieser 
Formen das Artrecht mit Grund bezweifelt werden kann, zumal wenn keine 
plastischen Differenzen sichtbar sind und die verschiedenen Färbungen 
nicht ohne Andeutung von Uebergängen auftreten. Es repräsentiren un- 
sere 7 bis 8 deutschen Arten fast eben so viele jener Untergattungen. 
Für unseren Zweck genügt es vollkommen, wenn wir die im Habitus 


Meise. 283 


gleichen Meisen nicht weiter trennen und für die abweichenden die Tren- 
nung nur andeuten; alle aber in der einen Gattung 


Meise, Farus, 


vereint lassen und für sie die Charaktere der Familie in Anspruch neh- 
men. Jene vorhin erwähnten Arten sind mit Ausnahme einer einzigen auf 
die östliche Halbkugel beschränkt. Neuholland hat freilich keine Meisen 
aufzuweisen, doch wird Neuseeland von 3, und ÖOceanien von mehren, 
Asien von den meisten Arten bewohnt, 


a. Waldmeisen. 


Schnabel hart, an der Spitze abgestutzt; Nasenlöcher kreisrund, Schna- 
belränder sich deckend, First, besonders an der Spitze abwärts gebogen; 
erste (kurze) Handschwinge grösser als die oberen Deckfedern; Füsse blei- 
blau. Kräftig gebaute Meisen, welche vorzüglich Wälder Gebüsch und 
Gärten bewohnen. 


1. Die Kohlmeise. 
Parus maior L. 

Rücken gelbgrün; Bürzel, Schwingen und Schwanz blaugrün; Unter- 
seite gelb, im Süden (Lissabon) heller; Scheitel, Gurgel und ein Längs- 
streif über die Brust schwarz; Schläfen und Wangen weiss; Schnabel ge- 
streckt, doppelt so lang als hoch. — Die Kohlmeise, unsere grösste Art, 
bewohnt den grössten Theil Europa’s und das westliche Asien, und lebt 
bei uns in allen Wäldern, sowohl Laubholz-, als Nadelholz-, als gemischten 
Wäldern, in der Ebene wie im Gebirge. Sie ist mehr ein Vogel des 
Unterholzes oder des niedrigen Oberholzes als der hohen Baumwipfel, 
wohin sie nur selten geht. Weit häufiger findet sie sich sogar unter dem 
Gesträuch auf dem Erdboden. Im ersten Frühling, ja schon in der ersten 
Hälfte des Februar, regelmässig im März kündigt sie sich durch ihren 
lauten Gesang, zwei hohe Töne auf i, und ein dritter tieferer, in Aus- 
nahmsfällen auch höherer, oft wiederholt, als ersten Frühlingsherold an. 
Ihre sonstige Stimme ist ein ziemlich deutliches „Fink” („Finkenmeise”), 
sonst hört man auch im Affeet ein „Terrettettet’’ von ihr. Ihr Nest baut 
sie nur in Höhlen, besonders Baumhöhlen, also ausgefaulte Weiden, zumal 
wenn sie am Waldrande stehen, hohle Apfelbäume, besonders gern in 
Pumpen, bei denen übrigens grössere Bäume, namentlich Obstbäume in 
nächster Nähe nicht fehlen dürfen, und legt 11—15 weisse derb und ziem- 
lich zahlreich roth punktirte Eier. Ihre Nahrung besteht den ganzen 


284 Sperlingsartige Vögel. 


Sommer aus Insecten und deren Larven, die Jungen füttert sie meist mit 
grünen Räupchen, im Herbst und im Winter vorzüglich aus Sämereien. 
Wo sie trocknes und halbtrocknes Fleisch von Knochen abpicken kann, 
ist sie stets sehr geschäftig. Sie greift sogar andere Vögel an, um ihnen 
das Gehirn auszuhacken., Einst flüchtete sich zu mir in’s Zimmer durch 
ein offen stehendes Fenster eine Sylvia rufa von einer Kohlmeise heftig 
verfolgt, und prallte so arg gegen die Scheiben eines schräg gegenüber 
liegenden geschlossenen Fensters, dass sie betäubt zu Boden fiel, während 
die Kohlmeise sehr bald durch ersteres wieder entkam. Da sie ihre Nah- 
rung stets aushackt und in ganz kleinen Partieen verzehrt, so greift sie 
auch grössere Gegenstände, z. B. grosse Puppen, an. Öbschon manche 
Individuen, vielleicht alte Männchen als Standvögel betrachtet werden 
können, so streichen die meisten vom Herbst, etwa September und October, 
bis zum März in Gesellschaft von anderen verwandten Vögelchen umher, 
wobei sie fast stets die niederen Regionen, das untere Gesträuch ein- 
nehmen. Andernfalls sieht man sie jedoch auch wirklich ziehen. Die Um- 
herstreichenden scheinen einen ziemlich regelmässigen Curs einzuhalten und 
kommen dabei sehr gern in Gärten und die Nähe von Häusern. — Forst- 
wirthschaftlich ist die Kohlmeise als ein sehr nützlicher Vogel zu be- 
zeichnen; doch leistet sie auch dem Öbstzüchter durch Verzehren vieler 
ihm schädlicher Inseeten wesentliche Dienste; sie soll auch dem Bienen- 
züchter durch Verzehren von Wachsmotten nützen. 


2. Die Tannenmeise. 
Parus ater L. 


Eine kleinere unschönere Ausgabe der Kohlmeise, fast ebenso ge- 
zeichnet, allein statt grün grau und statt gelb weisslich; doch ist der 
Bürzel rostfarbig, und der schwarze Längsstrich der Unterseite fehlt; auch 
ist der Schwanz einfarbig, während bei der Kohlmeise die äusserste 
Schwanzfeder aussen weiss gezeichnet ist. Farbige Abänderungen kommen 
selten vor, doch haben nördliche Exemplare (Finnland) wohl schmutzig 
rostfarbene Weichen. — Die Tannenmeise (kleine Kohlmeise) bewohnt in 
Europa mehr den Norden als den Süden, sowie einen grossen Theil von 
Asien. Ich habe sie sowohl in unseren norddeutschen Ebenen, als in den 
südlichen Hochgebirgen angetroffen. Bis zum Herbst 1843 oder 1844, 
wo ich sie zum ersten Male schoss, war sie in Münsterland gänzlich un- 
bekannt. Von da stellte sie sich jährlich regelmässiger ein und brütete 
nach etwa 10 Jahren schon an verschiedenen Stellen. Schon gegen Ende 
Februar kann man ihre Lockstimme hören, und ihr „Sitüititi” steigert 
sich dann bald zu einem Gesange. Hier bei Neustadt ist sie häufig, doch 
nicht so gemein als die Haubenmeise, welche beiden zusammen als die 


Die Haubenmeise. 285 


eigentlichen Nadelholzmeisen zu bezeichnen sind. Jedoch scheint die 
Haubenmeise mehr die Kiefer, die Tannenmeise mehr die Fichte vorzu- 
ziehen. Auf ihren Streifereien besucht sie sehr gern die mit Tinea lari- 
cinella besetzten Lärchen, und hält namentlich im Winter, wenn die 
Larven dieser in ihren Säcken gehäuft an den Spitzen der Zweige über- 
wintern, dort reichliche Mahlzeit. Der Forstmann hat überhaupt allen 
Grund, diesen Vogel in seinen Nadelholzwäldern mit Freude zu begrüssen, 
da er eine ungeheure Menge von Insectenbrut in den Gipfeln der Bäume 
zur Sommer- wie Winterzeit vertilgt. Eine sehr beachtenswerthe Beob- 
achtung soll unten nach der kurzen Behandlung der einzelnen Meisen- 
spezies in dem Excurs über ihren forstlichen Werth noch zugefügt werden. 
Ungern und nur auf kürzere Zeit vertauscht diese Meise ihr Nadelholz 
mit dem Laubholze. Im Gegensatz zur Kohlmeise trifft man diese, ob- 
gleich sie Schonungen durchaus nicht vermeidet, mehr in den höheren 
Regionen, in den Gipfeln der stärkeren Bäume an. Auch sie verzehrt 
im Herbst und Winter gern Baumsämereien, besonders gern Nadelholz- 
samen. Das Nest steht niedrig; nicht so sehr in einer wirklichen Baum- 
höhle als vielmehr in der Höhlung eines alten Stockes, die sie selbst, 
wenn derselbe bereits faul ist, sich zurecht meisselt und passend erweitert. 
Ja sie baut es sogar in die Erde, dort, wo eine von Moos und Kräutern 
umgebene Höhlung, der Fussstapfen eines Pferdes oder sonstigen grösseren 
Säugethieres, altes Wagengeleise, altes Pflanzloch u. dergl. sich dazu 
passend findet. Ihre 6—10 weissen rothpunktirten Eier haben so wenig 
Charakteristisches, dass ich sie von den gleich grossen anderer Arten, 
namentlich von denen der Blau- und Sumpfmeise im Allgemeinen nicht 
unterscheiden kann. 


3. Die Haubenmeise. 
Parus eristatus L. 

Die hohe, spitze, aus weiss und schwarz gezeichneten lanzettlichen 
und nach vorn gekrümmten Federn bestehende hohe Haube kennzeichnet 
diese Art unter unseren einheimischen Meisen hinreichend. Jedoch kommt 
in Nordamerika noch eine zweite ähnlich gehäubte Art vor (bicolor L.), 
und in Mexiko eine ähnliche aber langschwänzige. Der Rücken ist bräun- 
lich grau, die Unterseite weiss, Kehle und ein Strich durch die Augen 
schwarz. — Die Haubenmeise lebt in Centraleuropa und ist gleichfalls 
Nadelholzvogel. Wenn man sie in der Strichzeit auch im Laubholze, im 
Münsterlande z. B. in Wallhecken findet, so ist doch Nadelholz in der 
Nähe und es scheint, als wenn sie das Laubholz nur als Verbindung von 
getrennten Nadelholzparzellen besuchte. Man sieht sie häufiger niedrig 
als ater. Sie sucht nicht bloss die dünnen feinen Zweige nach Insecten 


286 Sperlingsartige Vögel. 


und ihrer Brut ab, sondern klammert sich auch gern an alte Kiefernstämme; 
ja hüpft an der rauhen Borke wohl spechtartig eine kleine Strecke hin- 
auf. In ihrem übrigen Betragen, sowie in der Nahrung ähnelt sie der 
vorhergehenden Art sehr, und ist eben so nützlich als diese. Ihre auf ü 
trillernde Stimme lässt sie jedoch leicht von sämmtlichen übrigen Meisen 
unterscheiden, von denen nur die der Blaumeise einige Aehnlichkeit mit 
ihr hat. Das Nest steht nicht hoch, etwa 3—4 Meter in einem hohlen 
Stamme oder einem alten Stocke, jedoch ausnahmsweise zwischen dem 
Stamm und irgend einem grösseren Splitter, zumal wenn es ausserdem 
noch durch einen anderen Zweig verdeckt ist. Ihre S-10 Eier sind von 
den übrigen gleich grossen Meiseneiern durch ihre meist gröberen und 
häufig einen derben Kranz bildenden rothen Flecken noch am ersten zu 
erkennen. 


4. Die Sumpfmeise. 
Parus palustris L. 

Oberseite bräunlich grau, Unterseite weisslich; Oberkopf und Vorder- 
nacken, sowie ein kleiner Kehlfleck schwarz. Sie bildet mit 4 anderen, 
ihr äusserst ähnlichen Arten (?) eine enge Gruppe. Der Oberkopf der 
nordischen borealis Sel. ist tiefschwarz, während bei ihr das Schwarz 
einen schwach grünlichen Schiller hat; der der gleichfalls nordischen sıbt- 
ricus Gm. braun; wogegen bei alpestris Bailly die schwarze Kappe und 
Kehle weit tiefer herab reichen, und bei der südeuropäischen und dalma- 
tinischen grösseren lugubris beide weit blasser auftreten. Die übrigen 
Verschiedenheiten sind kaum zu fixiren, zumal da lokal der graue Ton 
der Oberseite nicht unerheblich zu variiren scheint. So waren Exemplare 
von palustris aus Stockholm weit heller als die unsrigen: das Weiss 
reiner, der graue Rücken ohne den bräunlichen Ton. Ich habe borealis 
aus der Umgegend von Stockholm, Archangel, Ostsibirien, Pecking und 
die südliche Form alpestris aus Savoyen untersucht, die gleichfalls varürten. 
Eine borealis aus Kamschatka zeichnete sich durch fast weissen Rücken, 
weisse Aussenfahnen der letzten Armschwingen und äussersten Schwanz- 
federn aus. Es wird schwer halten, diese verschiedenen Formen alle 
strenge zu sondern; jedoch ist die Trauermeise, lugubris, wohl nicht als 
Art zu verkennen. — Bei uns ist die Sumpfmeise ein allbekannter Be- 
wohner des dichten Laubholzes, Höhere Bäume sind ihr durchaus kein 
Bedürfniss, wohl aber dichtes Unterholz und wo möglich in tiefer feuchter 
Lage. Von allen Waldmeisen lebt sie jedenfalls am tiefsten und am liebsten 
an sumpfigen, nassen Stellen im Walde. In der Strichzeit trifft man sie 
freilich überall an, und sie scheut auch dann das Nadelholz nicht. Im 
Münsterlande nistet sie viel in Wallhecken, zumal dort, wo deren Gräben 


Die Blaumeise. 237 


wasserhaltig und verwachsen sind. Sie ist Höhlenbrüter und meisselt 
sich in alte, ganz mürbe Stämme, namentlich Kopfweiden eine passende 
Höhle, nachdem sie es oft an mehren anderen Stellen versucht hat. In 
Gärten brütet sie nicht oft. Im Uebrigen zeigt diese ausserordentlich 
flinke bewegliche Art wenig Abweichung von dem Betragen der übrigen. 
Sie ist, nach ihrem Aufenthaltsorte zu schliessen, vielleicht etwas weniger 
nützlich als diese, und verzehrt auch völlig so gern oder noch lieber als 
sie im Herbst und Winter Sämereien. 


5. Die Blaumeise. 
Parus coeruleus L. 

Schnabel kurz; Flügel, Scheitel und Schwanz blau, erstere mit Quer- 
binde, Rücken grün; Unterseite gelb mit schwachem kurzen mittlern blauen 
Längsstrich. Auch diese ist Repräsentant einer Gruppe ähnlicher Arten, 
oder vielmehr, sie hat, da die eine als Art aufgestellte südliche Form 
(ultramarinus Bp.) mit ihr spezisch gleich ist, nur noch eine nahe Ver- 
wandte, die blau und weiss gezeichnete sibirische cyaneus Pall. Was die 
Selbstständigkeit von der afrikanischen ultramarinus angeht, so zeigen 
südeuropäische Blaumeisen z. B. aus Portugal, durch ihre geringere Grösse 
und das Fehlen der weisslichen Färbung der Bauchmitte schon bedeutende 
Annäherung dazu, und in Algerien giebt es uliramarinus, die gar nicht, 
oder nur an dem etwas blaueren Rücken von coeruleus zu unterscheiden 
sind. Die Lasurmeise, cyaneus, muss wohl aus dem Verzeichnisse der 
deutschen und europäischen Vögel gelöscht werden, da kein sicherer Fall 
von einem Vorkommen dieses nordöstlichen Vogels bekannt geworden ist. 
Man will in einzelnen seltenen Fällen ein oder anderes Individuum dieser 
Art gesehen haben“). Da jedoch nach einer Anzahl in Gefangenschaft, 


*) Da sie sıch am auffallendsten und auf den flüchtigen Blick von coerwleus 
dadurch unterscheidet, dass sie blau weiss, diese blau gelb gefärbt ist, so will ich 
die Bemerkung nicht unterlassen, dass das Gelb der Meisenfarbe auf Schnee nicht 
sichtbar ist. Ich selbst wurde vor mehren Jahren von einem genauen Vogelkenner, 
der von einem anderen auf eine „Latzurmese” in dem verschilften Canal vor 
Münster aufmerksam gemacht war und an Ort und Stelle die Latzurmese wirklich 
recognoseirt hatte, dorthin geführt. Ueber 5 Minuten lang beobachtete ich dieselbe 
auf dem Schnee der tiefen Canalrinne. Es war absolut kein Gelb zu sehen, auch 
der Rücken war nicht grünblau, sondern rein blau, und als ich endlich dieselbe 
schoss und in der Hand hielt, war sie so gelb wie jede andere coerwleus. Seitdem 
habe ich auf diese Täuschung geachtet. Allein man sieht nicht oft Meisen auf 
ganz weissem Grunde, da sie auf Schneeflächen selten auf den Boden kommen. 
Doch ist mir das Vergnügen der optischen Täuschung auch hier in Neustadt bei 
einer Kohlmeise geworden. — Merkwürdig, dass bei Blaumeisen-Leueismen um- 
gekehrt nur das Blau schwindet; sie sind gelb und weiss. Auch aus dem grünen 
Rücken ist das Blau verschwunden. Man kann sie passend Acyanismen nennen, 


288 Sperlingsartige Vögel. 


welche ich sah, weder die Grössse, noch die Gestalt, noch das Betragen 
von der gemeinen Blaumeise bedeutend abweicht, so ist eine Täuschung 
leicht möglich. — Nach Süden hin werden wir ihre Verbreitungsgrenze 
bis einschliesslich zum nördlichen Afrika zu legen haben, da ultramarinus 
mit ihr ohne Zweifel identisch ist. Bei uns ist sie überall dort, wo auch 
die Sumpf- und Kohlmeise sich finden, häufig. Niederes Gebüsch und hohe 
Bäume von Laubholz auf frischem fruchtbaren Boden sind ihr der liebste 
Aufenthalt. In Gärten lebt sie weit häufiger als palustris. Mehr als 
irgend eine andere Art geht sie in die Kronen der höchsten Waldbäume, 
namentlich Eichen, wenn diese von Tortrie viridana besetzt sind, hinein. 
Auf ihren Streifereien findet man sie jedoch auch, wie z. B. hier bei 
Neustadt, in den Wipfeln der alten Kiefern, sogar in reinen Kiefernhoch- 
wäldern, obschon sie sonst Abneigung gegen Nadelholz zeigt. Unter allen 
Arten scheint sie mir die im Klettern gewandteste zu sein. Ihre 
Stimme unterscheidet sich von der der übrigen Verwandten durch einen, 
weniger stark wie bei der Haubenmeise ausgeprägten Triller auf i, etwa 
wie „Zirrrrrr”. Ihre Nahrung besteht zumeist aus Insecten, nach denen 
man sie fortwährend die feinsten Zweige und schwächsten Reiser ab- 
suchen sieht. Vielleicht ist sie von allen Meisen die nützlichste. Ihr. 
Nest steht in Höhlen mit engem Eingange, zumeist in Baumhöhlen, welche 
sie sich bei sehr morschem Holze selbst einzurichten weiss. In Mauer- 
ritzen baut sie es seltener; doch sass es mehre Jahre nach einander in 
einer solchen hart an der Hauptthüre eines Wirthschaftsgebäudes, die in 
den Baumgarten führte. Der Eingang war durch Wein verdeckt. Die 
Hunderte von Menschen, welche im Laufe ihrer Brutzeit durch die Thür 
gingen, störten sie in keiner Weise. Im Allgemeinen liebt sie die Nähe 
der Menschen weit mehr als die Sumpf- oder gar als die Haubenmeise. 
Im Uebrigen stimmt sie mit ihren Verwandten ziemlich überein. 


6. Die Schwanzmeise. 
Parus caudatus L. 


Schnabel sehr kurz, hoch; Schwanz über Körperlänge, stufig keil- 
förmig, doch die beiden Mittelfedern kürzer als die zunächst folgenden, 
alle schwarz, doch ausser den vier mittleren mit weissem Keilfleck; 
Färbung weiss und schwarz, an den Seiten des Rückens und den 
Flügeln violettbräunlich; die Alten mit weissem Kopfe, die Jungen 
mit blassweisser Scheitelplatte.e Eine sehr verwandte japanesische Art 
(trivirgatus Temm.) mit kürzerem Schwanz. — Unsere Schwanzmeise 
ist im grösten Theil Europa’s zu Hause, ich kenne Exemplare aus Stock- 
holm und Coimbra, und bewohnt gleichfalls in beträchtlicher Ausdehnung 
Asien. In Deutschland findet man sie als Brutvogel jedoch nicht überall. 


Rohrmeisen. 289 


Während sie z. B im Münsterlande zu den allbekannten und sehr gemei- 
nen zählt, erscheint sie hier bei Neustadt nur auf dem Zuge und zwar 
durchaus nicht jährlich. Ich selbst habe nur ein einzelnes Pärchen im 
Frühling am Plager See beobachtet, das gleichfalls später verschwunden 
zu sein scheint. Durch ihr unaufhörliches Locken „Terrt”, „Zett” u. ä. 
kündigt sie sich stets an, und kann trotz ihrer geringen Grösse nicht 
leicht verborgen bleiben. Doch auch ihre auffallende Gestalt, ein kleiner 
Federball mit langem Stiel, und sehr bewegliches Wesen macht sie auf- 
fallend. Wo sie die Gegend auch für die Winterszeit nicht verlässt, pflegt 
sie doch dieselbe familienweise mit einer lächerlichen Hast von Gebüsch 
zu Gebüsch forteilend unter beständigem Locken zu durchstreifen. Man 
sieht sich dann plötzlich rings von Schwanzmeisen umgeben und eben so 
plötzlich sind sie wieder verschwunden. Nie nehmen sie sich Zeit, irgend 
einen geniessbaren Gegenstand, etwa eine Puppe, nach dem Inhalte auf- 
zuschlagen, oder einen festen, z. B. die Eier des Ringelspinners, abzu- 
hämmern. Nie auch schlagen sie eine hartschalige Frucht nach dem Kerne 
auf, sie verspeisen überhaupt nur kleine Thierchen, welche sie einfach 
von den Zweigen ablesen. Ihr Jagdrevier ist die unterste Region des 
Laubholzes und das Gebüsch. In gemischte Bestände gehen sie ebenfalls 
nicht ungern, aber in reines Nadelholz nur auf ihren Streifzügen sehr 
flüchtig. Jedoch steht ihr Nest, ein sehr grosser beutelförmiger, künst- 
licher Bau, gern in dichten Wachholderbüschen. Auch lehnt es sich oft 
an mit Flechten überzogene Stämme oder todte zerfallene Zäune dort an, 
wo es durch anderweitige Reiser halb verdeckt ist. In Eichen, Obst- 
bäumen, knorrigen, stark geschorenen Hecken findet man es gleichfalls oft. 
Es gleicht, wie ein Buchfinkennest, mit Flechten und Moos aus der nächsten 
Nähe äusserlich bekleidet sehr der Umgebung und ist deshalb trotz seiner 
Grösse nicht auffällig. Spinnen- und Raupenfäden halten den Bau zu- 
sammen; im Innern ist eine grosse Menge von Federn angehäuft. Die 
12 bis 17 Eier sind weiss mit röthlichen Pünktchen so gewässert, dass 
diese sich selten als scharfe Zeichnung vom Grunde abheben. Fehlt in 
einzelnen Fällen diese Wässerung, so ist doch die Schale nie rein weiss. 
Schon kurz vor Mitte April findet man das volle erste Gelege. Leider 
wird die Brut sehr oft durch thierische Feinde vernichtet. 


b. Rohrmeisen. 


Die Schnabelfirst in ihrer ganzen Länge gebogen; der OÖberschnabel über- 
ragt vorstehend den Unterschnabel; Nasenlöcher länglich ritzenförmig; erste 
(kurze) Handschwinge von der Länge der oberen Deckfedern; Schwanz stufig, 
von Körperlänge. — Diese Meisen leben im Rohr und bewachsenen Sümpfen 
und bauen ihr Nest auf Erhöhungen auf dem Boden. Man kennt nur eine Art. 

Altum, Die Vögel. 19 


290 Sperlingsartige Vögel. 


7. Die Bartmeise. 
Parus barbatus Briss. 


Diese an Gestalt wie Farbe und Zeichnung äusserst prächtige Meise 
besucht Deutschland nur selten. Hauptfarbe ist ein zartes gelbliches Zimmt- 
braun; das Männchen mit perlgrauem Oberkopf, langem, tiefschwarzem, 
von den Zügeln herabhängendem Barte, weisslichem Streif auf Schulter 
und Hinterflügel, mit weissen Aussenfahnen der Handschwingen, schwarzen 
Armschwingen mit starken zimmtbraunen Kanten; Kehle weiss, die übrige 
Unterseite allmählich rosa; Schnabel und Iris gelb; Unterschwanzdeck- 
federn tiefschwarz. Weibchen mehr gleichmässig braun mit heller Unter- 
seite; seine gleichfalls etwas verlängerten Bartfedern weiss und deshalb 
wenig auffallend. Junge oben fast einfarbig gelblich zimmtbraun mit 
schwarzer Rückenmitte, unten hell. — Die Verbreitung dieser Meise 
scheint höchst sporadisch zu sein. Sie lebt in Sibirien, am Ural, an der 
unteren Wolga, Oberitalien, doch auch in Dänemark und in Holland. In 
Deutschland erscheint zuweilen eine Gesellschaft im Rohr- und Weiden- 
gebüsch an Flüssen und Seen; so etwa 15 Stück im Herbst 1847 an der 
Ems bei Gimbte (unweit Münster), die mein Freund Pfarrer Bolsmann 
dort antraf. Die schönsten Exemplare der davon erlegten zieren noch 
seine Sammlung. Etwa 2 oder 3 Jahre vorher liess sich -gleichfalls eine 
Gesellschaft bei Neuenkirchen (bei Rheine) sehen. Zum Verkauf wurden 
sie lebend früher mehrmal in Münster unter dem Namen von Grenadier- 
vögeln zahlreich (vielleicht von Holland her) angeboten. — Ihr Aufent- 
halt ist vorhin bereits angedeutet. Das Nest steht auf einer Bodenerhöhung 
in schilfigem, sumpfigem Terrain und ist backofenförmig von feinen Reisern 
gebaut, nimmt jedoch auch von den wachsenden Gräsern seines Standes 
einzelne Halme und Blätter in seine Wandung auf. Die Eier sind mit 
denen irgend einer anderen Spezies nicht zu verwechseln. Auf weissem 
Grunde stehen sehr spärliche, weitständige, fast schwarze, oft winkelige 
Schmitzehen (nicht Punkte). Sie nährt sich von kleinen TInsecten. 


e. Beutelmeisen. 


First gerade; Schnabel gegen die Mitte stark verschmälert; die Schnabel- 
ränder passen genau auf einander; Nasenlöcher kreisrund; erste (kurze) 
Handschwinge von der Länge der oberen Decken; Schwanz von halber 
Körperlänge, ausgeschnitten. Auch diese Meisen gehören sumpfigen mit 
Rohr und Gestrüpp bewachsenen Oertlichkeiten an. Ihr beutelförmiges, 
äusserst künstliches Nest hat ihre Benennung veranlasst. Man kennt fünf 
in Europa, Asien und Afrika lebende Arten. 


“ 


Die Beutelmeise. — Forstlicher Werth der Waldmeisen. 291 


8. Die Beutelmeise. 
Parus pendulinus L. 


Die kleinste Art; in Deutschland, namentlich dem nördlichen, noch 
seltener als die vorhergehende. Rücken und Schulter rostbraun; Scheitel und 
Nacken grau; Schwingen und Schwanzfedern mit weisslichen Kanten; die 
unteren Schwanzdeckfedern mit dunklen Schaftstrichen. Sie ist eine südliche 
Spezies, die an vorhin bezeichneten Stellen in Südeuropa, auch Dalma- 
tien, Ungarn, ziemlich zahlreich brütet. Ihr Nest, ein grosser länglicher, 
zumeist aus Pflanzenwolle (dem Anscheine nach vorzugsweise von 7ypha) 
dicht verfilzter Beutel hängt schwebend und schwankend an der Spitze 
eines Zweiges, an den es durch Bastfasern, etwa Nesselfasern oder ähnl. 
oben festgewickelt ist, frei über dem Wasser. Seitlich hat es oben ein 
Flugloch, oder auch zwei gegenüber liegende Oeffnungen. Nicht selten ist 
das Flugloch wie ein Retortenhals röhrenförmig verlängert, doch anderer- 
seits brütet der Vogel auch wohl in einem kaum zu einem ordentlichen 
Beutel ausgeführten Bau. Unter den Nestern aller einheimischen Vögel 
ist dieses das kunstvollste. Die kleinen zarten Eier sind reinweiss. 


Forstlicher Werth der Waldmeisen. 


Bei aller spezifischen Eigenthümlichkeit unserer Meisen zeigen doch 
alle in ihrer Lebensweise eine so grosse Uebereinstimmung, dass es nur 
zu zahlreichen Wiederholungen geführt haben würde, wenn der forstliche 
Werth bei jeder einzelnen Art eingehend hervorgehoben wäre. Manche 
Arten zeigen sich in ziemlich gleicher Weise, oder nur in geringen Modi- 
fieationen nützlich, oder bei einer und derselben Arbeit betheiligen sich 
mehre Arten. Es kommen ferner Fälle vor, in denen mit Sicherheit eine 
vorhergegangene Thätigkeit von Meisen zu erkennen ist, ohne dass es 
möglich wäre, die bestimmte Spezies dafür zu bezeichnen. Es wird des- 
halb zweckmässig sein, in einem kurzen Excurse auf ihre forstwirthschaft- 
liche Bedeutung summarisch hier zurückzukommen. Wohl in keiner anderen 
artenreichen Vogelgruppe treten so viele Momente bei allen ihren Spezies 
ohne Ausnahme zusammen, wovon jedes einzelne von forstlicher Bedeu- 
tung ist. Zu diesen Momenten gehören zunächst ihre geringe Grösse und 
ihre Fruchtbarkeit. Die geringe Grösse, wodurch sie befähigt werden, 
die dünnsten Zweige, die feinsten schwankenden Reiser mit ihren Knospen 
abzusuchen, haben sie freilich mit mehren fremden Spezies, mit den Laub- 
sängern, kleinsten Fliegenfängern, Grasmücken, Goldhähnchen und dem 
Zaunkönige gemein. Von den samenvertilgenden kleinen Finken, den 
Zeisigen, kann hier selbstverständlich nicht die Rede sein. Allein alle 


diese übertreffen sie weit in der staunenswerthen Fäliigkeit, in allen mög- 
19* 


292 Sperlingsartige Vögel. 


lichen Stellungen und Körperhaltungen auf den Zweigen, wie unter den- 
selben sitzend und hängend und hüpfend als die gewandtesten Turner 
dieselben und ihre Knospen auf Insecten zu untersuchen. Mehre der eben 
genannten fremden Arten bekunden auch nicht einmal den leisesten Ver- 
such davon bei ihrem Insectenfange. Die meisten vermögen es nur, die 
Zweige zu durchschlüpfen, vielleicht schwärmerartig frei vor der Spitze 
momentan schwebend ein Insect zu fixiren und zu ergreifen. Die Meisen 
aber schauen in nächster Nähe angehäkelt in jede Ritze, jede Knospen- 
schuppe und sind dabei äusserst lebhaft und beweglich. Jeder auffallende 
Gegenstand, jedes auffallende Pünktchen, jeder Ast- und Blattwinkel, jedes 
Eckchen muss inspieirt werden. Man hat oft als Hauptzug ihres Charakters 
die Neugier hervorgehoben. Hält man eine Meise im Zimmer gefangen, 
so dass sie sich in demselben frei bewegen kann, so erscheint ihre unab- 
lässige geschäftige Eile, womit sie Alles genau untersucht, höchst drollig. 
Berücksichtigen wir also diesen in so sehr scharfer Ausprägung hervortre- 
tenden Trieb verbunden mit ihren beispiellosen Turnerkünsten und ihren 
geringen Körperdimensionen, so stehen die Meisen unter allen Vögeln als 
solche, welche die Zweige und schwachen Ruthen nach Insecten, deren 
Eiern, Larven und Puppen absuchen, ohne Frage obenan. Allein es wirkt 
bei ihnen nicht hier und dort mal ein einziges Vögelchen, sondern ihre 
Fruchtbarkeit, in der sie alle anderen Vögel übertreffen, lässt fort und 
fort ein sehr achtunggebietendes Heer in den Wald rücken. Sie brüten 
jährlich zweimal, und legen das erste Mal im Durchschnitt 12—14 Eier. 
Im Neste der Sumpfmeise sind schon 27 Eier gefunden. Man mag 
draussen in der Nähe von Bäumen und Gebüsch spazieren gehen zu einer 
Zeit wann man will, die Natur kann trostlos öde, wie ausgestorben er- 
scheinen; Meisen trifft man nichts desto weniger immer an. Mit dieser 
Schaar rücken sie besonders beim Beginne des Herbstes gegen den Feind 
an, und wenn auch der Winter mit seiner Härte allmählich gegen den 
Frühling hin ihre Reihen sehr lichtet, so haben sie dann bereits ihre 
Schuldigkeit redlich gethan. Dass sie aber nicht blos wie die Sylvien im 
Sommer gegen das Insectenheer ankämpfen, sondern dass sie das ganze 
Jahr hindurch an dieser Aufgabe arbeiten, dass sie ferner gerade zur 
Winterszeit gesellig, sogar mit einer nicht unbedeutenden Anzahl anderer 
Vögel, von denen jede ihre eigene Jagd- und Fangmethode hat, vereint 
tagtäglich ihre Jagdexpeditionen unternehmen, dass sie so ihre Heimath 
in engeren und weiteren Kreisen durchstreifen und fast planmässig ab- 
suchen, sind weitere für die Beurtheilung ihres forstlichen Werthes sehr 
zu berücksichtigende Momente. Es sei betreffs ihrer Winterarbeit noch 
besonders darauf aufmerksam gemacht, dass in den Laubhölzern, die dann 
entblättert dastehen, ihr Blick und ihre freie Bewegung an den feinen 


Forstlicher Werth der Waldmeisen. 293 


Zweigen nicht gehemmt sind durch die Laubmassen, dass somit für ihre 
genaue und energische Arbeit, die kleinsten Inseeten bez. ihre Eier ete. 
zu entdecken und zu ergreifen, gerade der Winter die passendste Jahres- 
zeit ist. Der Weg, den die einzelnen umherstreichenden Gesellschaften 
täglich oder in einem längeren Turnus machen, ist ihnen, da sie nicht 
gern über freie Flächen fliegen, durch die Verbindung der Waldestheile, 
Gebüsche, Alleen, Gärten und Anlagen mehr oder weniger vorgezeichnet, 
und wenn man sich auf einer solchen Meisenstrasse dauernd befindet, so 
lässt sich leicht die Regelmässigkeit, mit der sie ihre Rundreisen machen, 
eonstatiren. Im Garten einer meiner früheren Wohnungen mitten in 
Münster erschien eines Tages im Herbst plötzlich eine starke Familie 
Schwanzmeisen. Das war mir auffallend, noch auffallender aber, dass sie 
in einem aus Goldregen, Schneeball, Syringe bestehenden Gebüsche Halt 
machten, um auszuruhen und ihr Gefieder zu ordnen, sich mal nach den 
Parasiten zu kratzen, überhaupt dergleichen kleinere Geschäfte zu ver- 
richten, für die ihnen während des Streichens keine Zeit vergönnt ist. 
Nach kaum 5 Minuten Pause ward vom Anführer zum Aufbruche ge- 
blasen und alle eilten in der bekannten Weise unter unaufhörlichem Locken 
von dannen. Nach zwei Tagen erschien wieder eine Gesellschaft, aus der 
gleichen Anzahl (19, wenn ich nicht irre) bestehend, die wiederum in 
jenem Lustgebüsche Posto fasste, und in der Folge fanden sie sich alle 
paar Tage wiederum ein. Obschon ich zuweilen nur einen kleinen Theil 
des Tages zu Hause anwesend sein konnte, so liess sich die Regelmässig- 
keit ihrer Passage durch den Garten doch mit Bestimmtheit constatiren 
und eben so gewiss war es wohl, dass stets nur eine und dieselbe Familie 
sich einstellte. So oft sie die Zweige untersuchen, finden sie eine hin- 
reichende Menge Beute. Was sie das eine Mal übersehen, entdecken sie 
später. Wie oft sieht man sich zur Strichzeit dieser Vögel im Walde 
plötzlich umgeben von einer auffallenden Menge derselben! Wie mit 
einem Schlage ist Alles umher lebendig geworden: Kohlmeisen, Sumpf- 
meisen, Blaumeisen, Baumläufer, Baumkletten, auch Goldhähnchen, ein 
kleiner oder grosser Buntspecht, Alles umher ist unter beständigem Locken, 
damit sich von der Reisegesellschaft ja kein Theilnehmer verirre, in voller 
Thätigkeit. Aber eben so plötzlich ist auch die ganze Gesellschaft wieder 
verschwunden und der Wald wieder öde. Nach einiger Zeit erscheinen 
sie wieder. So durchsucht Schaar auf Schaar unsere Wälder, Gebüsche, 
Baumgärten. Als ferneres Moment zur Beurtheilung der hohen Wichtig- 
keit der Meisen ist noch ganz besonders hervorzuheben, dass sie nicht 
blos die frei und lose sitzenden Insecten und deren Eier, Larven und 
Puppen wie die Sylvien ablesen, sondern auch die festgekitteten abzu- 
hämmern, ja sogar die völlig geschützten und verborgenen aufzudecken 


294 Sperlingsartige Vögel. 


im Stande sind. In erster Hinsicht erinnere ich z. B. an die Eier des 
Ringelspinners, die von keiner einzigen Sylvie erbeutet werden können, 
so frei und offen sie auch ringförmig gehäuft den Zweig umgeben. Im 
Jahre 154S hatte eine unendliche Menge von Raupen der Bombyz dispar 
alles Laub von den Bäumen des Grafen Wodzicki gefressen, so dass 
diese ganz kahl standen. Im Herbste waren alle Aeste und Stämme be- 
deckt mit diesen Schwammeierhaufen. Den Versuch, sie durch Menschen- 
hände ablesen zu lassen, gab er, nachdem er die Erfolglosigkeit desselben 
erkannt hatte, auf und machte sich schon darauf 
gefasst, seine schönsten Bäume absterben zu sehen. 
Da kamen gegen den Winter hin täglich zahl- 
reiche Schaaren von Meisen und Goldhähnchen 
herbeigeflogen. Die Eierballen nahmen ab. Im 
Frühlinge nisteten an 20 Meisenpärchen im Garten 
und die Raupenplage war bedeutend geringer. 
Im Jahre 1550 hatte die kleine gefiederte Garten- 
Fig. 20. polizei seine Bäume so gesäubert, dass er sie den 


Wurmstichige Eichen ganzen Sommer im schönsten Grün sah. Eine 
von Meisen ausgehackt. solche Leistung ist nie von anderen kleinen Vögeln, 
(Natürl. Grösse.) von Sylvien, Rothkehlchen, Rothschwänzchen ete. 

zu erwarten, sondern nur von den hämmernden, 

pickenden Meisen. Ist ihre Nahrung nicht blos wie hier mit einem leichten 
Ueberzuge (Wollhaare) umgeben, sondern völlig versteckt und geschützt, 
so bekunden sie mit ihrer „Neugier” einen solchen Scharfblick, dass sie 
unser gegründetes Staunen im höchsten Grade erregen. Im verflossenen 
Herbst fand ich bei Ilsenburg unter einer Traubeneiche eine grosse Menge 
aufgeschlagener Eicheln. Fig. 20 stellt eine solche Traube von drei der- 
selben dar. Bei näherer Besichtigung ergab sich sofort, dass diese Eicheln 
ohne Ausnahme wurmstichig gewesen waren. Die Frage, wer dieselben 
nach den Larven aufgehackt hatte, war mit gleicher Sicherheit zu beant- 
worten. Im ersten Augenblicke war ich freilich geneigt, an die Baum- 
klette zu denken, obwohl mir die vielfach sichtbaren Spuren der Schnabel- 
hiebe (in der Figur durch die einzelnen schwarzen Pünktchen auf der 
Fläche der Eichelschalen dargestellt) für die Baumklette zu zerstreut 
standen und zu schwach waren, ich daher schon sehr bald an Meisen als 
die Thäter dachte. Als ich jedoch auch mehre Eicheltrauben von zwei, 
oder gar die abgebildete von drei auffand, war der Beweis geliefert, dass 
die Arbeit nur von Meisen herrühren könne. Die Baumklette klemmt 
nämlich bekanntlich die aufzuschlagenden hartschaligen Bauinsämereien in 
eine Rindenspalte und hackt sie nun, ihre Hiebe stets auf die Spitze 
richtend, auf. Das war bei diesen Trauben uicht möglich gewesen. Ausser- 


Forstlicher Werth der Waldmeisen. 295 


dem aber waren die meisten Eicheln durchaus nicht genau an der Spitze, 
oftmals in der Mitte, oder gar nahe dem Becher geöffnet, was gleichfalls 
bei der Arbeit, wie sie die Baumklette vornimmt, unmöglich gewesen war. 
Die Meisen aber halten den zu zerhackenden Gegenstand stets mit den 
Zehen fest und können somit eine keliebige Stelle desselben ihren Schnabel- 
hieben exponiren. Nach der Menge der am Boden liegenden Eicheln lag 


Fig. 21. 


Lindenzweig von Meisen nach /ercospora tiliae angeschlagen. 
(Natürl. Grösse.) 


die Annahme nicht feru, dass die Meisen, ich vermuthe die Kohlmeise, 
den grössten Theil der Mastverderber dieses Baumes vernichtet hatten. 
Sehr merkwürdig ist eine andere Thatsache, die Fig. 21. darstellt. Sie 
bezieht sich freilich nicht auf Inseeten. Im Juni und Juli 1870 erlitten 
hier bei Neustadt viele Winterlinden (Tilia parvifolia) fast plötzlich “einen 
starken Laubabfall, wie sonst im Herbste, der einige Wochen anhielt. Die 
Blätter waren noch völlig grün, jedoch etwas verwelkt. Eine Erklärung 
konnte vor der Hand nicht gegeben werden. Im folgenden Winter aber 
bemerkte man Kohl- und Blaumeisen eifrigst beschäftigt, von den Zweigen 
dieser Bäume die Rinde abzuhacken, und auch dieses war auf den ersten 
Blick ein eben so räthselhaftes Phänomen. Die dunklen Zweige bis zu 
der Stärke im Durchschnitt von 20 bis 30 Mm. waren in weiter Aus- 
dehnung von den Meisen unregelmässig weiss geschält. Fig. 21. stellt 
ein Stück eines solchen schwächeren Zweiges in natürlicher Grösse dar. 


296 Sperlingsartige Vögel. 


Die genauere Untersuchung jedoch liess die von der Rinde entblössten 
Stellen mit einem Pilze, Zercospora tiliae, bedeckt erkennen (die kleinen 
schwarzen Kreise in den hellen Partieen der Figur). Die Meisen hatten 
den nahrhaften, gegen 6» Procent Proteinstoffe enthaltenden Lindenfeind 
entdeckt und sofort sich diese Nahrungsquelle eröffnet. Obgleich nun 
nicht behauptet werden soll, dass auf die Verminderung dieses verderb- 
lichen Pilzes durch die Meisen ein besonderes Gewicht zu legen ist, da 
ihre Arbeit schwerlich als eine Radicalkur angesehen werden kann, so 
beweist dieses Factum doch unzweifelhaft, mit welch’ staunenswerth feinen 
Sinnen unsere Alles untersuchenden Spürnasen ihre Nahrung zu finden 
und mit welcher Energie sie dieselben hervorzuholen wissen. Wer hätte 
das je von den Meisen vermuthet! Ich will noch einige andere bemer- 
kenswerthe, obgleich weniger auffallende Facta folgen lassen. Im Sommer 
1868 herrschte in den Gärten in der unmittelbaren Umgebung von Mün- 
ster ein ganz arger Ringelspinnerfrass. Es gab Gärten, in denen fast kein 
Apfelbaum noch ein Blatt zeigte. Als sich später die Raupen verpuppt 
hatten, wehten überall leere Cocons umher. Meine auf die Ursache dieser 
Erscheinung gerichtete Beobachtung führte rasch zum Ziele. Die Kohl- 
meise wurde gar bald als Urheber entdeckt und von da ab konnte ich 
auf jedem Spaziergange diese Beobachtung fortsetzen. Ich brauchte nur 
kurze Zeit auf irgend eine Meise zu achten. Kohl- und Blaumeise waren 
die hauptsächlichsten Vertilger des Ringelspinners. Sie zerrten rasch einen 
Cocon aus irgend einem Schlupfwinkel hervor, flogen mit ihm auf einen 
nahen horizontalen Zweig, zerrissen diese Hülle und verarbeiteten dann 
die Puppe. In ganz ähnlicher Weise sah ich im verflossenen Sommer bei 
einer Fahrt im hiesigen Lieper Revier auf den meisten Pfosten eines 
Gatters einen bis drei denen der neustria fast völlig gleichen Cocons der 
sehr verwandten castrensis, ebenfalls entleert, liegen. Diese Art ist frei- 
lich ein forstlich gänzlich gleichgültiger Schmetterling, allein diese That- 
sache zur Constatirung der in Rede stehenden Thätigkeit als einer allge- 
meinen nicht unwichtig und dabei namentlich das interessant, dass die 
Meisen, wo sich solche leckere Mahlzeiten finden, so verpicht auf die- 
selben sind, dass sie darnach sogar die Kräuter am Boden abzusuchen 
wissen. Die Raupe von Gastropacha castrensis kommt nämlich nur, an 
Krautpflanzen vor und verpuppt sich eben dort. Ja sogar die für sie 
riesigen Cocons des grossen Kiefernspinners zerren sie von ihrer Stelle, 
reissen sie auf und verzehren den Inhalt der aufgepickten Puppe. Aus 
dem Sommer 1570 könnte ich mehre Beispiele davon anführen. Je mehr 
und schärfer man die Meisen in ihrer Thätigkeit beobachtet, desto fester 
überzeugt man sich davon, dass der Kreis der ihnen als Nahrung dienen- 
den Gegenstände ein sehr weiter ist. Diese mögen winzige Eier oder 


Forstlicher Werth der Waldmeisen. 297 


grosse Objecte sein, sie werden von ihnen verzehrt. Ich bin fest davon 
überzeugt, dass sie wie die bereits erwähnten, auch eine Menge anderer 
grösserer Puppen, etwa die von monacha, dispar, salicis u. v. a. ver- 
nichten werden. Dass sie die Puppennester des Prozessionsspinners nach 
ihrem Inhalte aufhacken, weiss ich aus eigener Beobachtung; dass sie auch 
haarige, sogar gifthaarige Raupen in der angegebenen Weise verzehren, 
ist mir von zuverlässigen Beobachtern mitgetheilt. — In einem Berichte 
des Herrn Oberforstmeisters Dreger zu Bromberg an das Ministerium 
betreffs des Vorkommens von Ichneumonen in den Raupen des Kiefern- 
spinners vom 6. Mai 1868 finde ich über die Thätigkeit der Meisen, en 
specie der Tannenmeise folgende, das Gesagte durch eine wichtige That- 
sache bereichernde Notiz: „Einer vielleicht nicht wuninteressanten Er- 
scheinung wollen wir bei dieser Gelegenheit erwähnen, die vom Referenten 
im Revier Cierpitz beobachtet worden ist. Derselbe wurde von dem 
Förster Ziegler bei Bereisung des Reviers im Januar d. J. darauf auf- 
merksam gemacht, dass an den Stangenorten sich Schaaren von kleinen 
Vögeln, die er nur mit den Localnamen zu benennen wusste, eingefunden 
hätten, welche die in dem dortigen Reviere in sehr grossen Massen mit 
der Forleule vorkommenden Kiefernblattwespenraupen und zwar aus den 
Cocons (Tönnchen), welche offen auf der Erde liegen, oder in Massen an 
die Gras- und Haidekrautstengel, auch an die Nadeln der unterdrückten 
Stämmchen angeklebt seien, herausfrässen. Die Vögel seien, wenn man 
sich ruhig verhalte, sehr vertraut, so dass er vielfach beobachtet habe, 
wie von denselben die lederzähen Tönnchen mit dem Schnabel geöffnet 
und die Raupe herausgeholt und verzehrt würde. Referent überzeugte 
sich sofort, dass eine sehr grosse Anzahl von Blattwespentönnchen unan- 
geheftet auf der Erde, unbedeckt zwischen Moos und Sprock umherlagen, 
oder an Grashalme angeheftet waren, dass jedes der vielen nur mit einem 
scharfen Messer zu öffnenden Tönnchen eine sehr wohl conservirte Blatt- 
wespenraupe enthielt. Die kleinen Vögel, welche diese zähen Cocons 
geöffnet haben sollten, waren an jenem Tage aber nicht zu sehen. Ander- 
weitige Geschäfte verstatteten dem Referenten auch nicht, in dem Reviere 
herumzufahren, um vielleicht einen Schwarm aufzufinden. Es wurde daher 
der Förster Ziegler beauftragt, etwa ein Dutzend dieser Vögel mit einem 
schwachen Schuss mit Sand geladen zu schiessen und dem Referenten zu 
übersenden. Nach einigen Tagen langte die Sendung an, ein Dutzend 
Exemplare der gewöhnlichen Tannenmeise (Parus ater), welche näher 
untersucht wurden. In jeder derselben wurden 6—10 unverdaute Raupen 
der Kiefernblattwespe im Magen vorgefunden, welche unzweifelhaft erst 
ganz kurze Zeit vorher von dem Vogel gefressen sein mussten, da die 
sämmtlichen Raupen in den 12 Vögeln keine andere Verletzung oder 


298 | Sperlingsartige Vögel. 


sonstige Spuren der Verdauung trugen, als an irgend einer Stelle die vom 
Schnabel herrührende Quetschung. — Die massenhafte Vertilgung der 
Tinea laricinella durch unsere Meise wurde bereits Seite 285 erwähnt. 
Die Thatsache aber, dass die Grösse ihrer Nahrungsobjecte zu der ihres 
Körpers in keinem Verhältnisse steht, ist ein ferneres wichtiges Moment 
zur Würdigung ihres forstlichen Werthes. Andere kleine Vögel müssen 
ihre Beute unzerkleinert verschlingen, oder sie stauchen sie vorher zurecht, 
entfernen dadurch wohl die harten Panzerstücke, sperrigen Beine, grossen 
Flügeldecken, um sie sich mundgerecht zu machen. Es ist klar, dass sie 
dabei eine gewisse Grösse nicht überschreiten können. Allein die häm- 
mernden Meisen hacken stets eine solche Beute an irgend einer Stelle 
auf und verzehren dann in ganz kleinen Portionen den Inhalt. Auf diese 
Weise vermögen sie sowohl das gestreifte ausgedorrte Cadaver eines 
Fuchses am Baume des Waldes als die vor dem Fenster des Hauses hän- 
genden Talglichte zur Stillung ihres stets lebhaften Hungers zu verwerthen. 
An der energischen Verminderung der schädlichen Inseeten arbeiten sie 
so im Sommer wie im Winter. Damit aber. diese ihre Arbeit um so 
plan- und gesetzmässiger geregelt werde, sind die verschiedenen Arten 
auf verschiedene Regionen und auf verschiedene Holzgruppen angewiesen. 
Jede hat ihr Arbeitsfeld, und nur in der Strichzeit ziehen sie, wie be- 
reits hervorgehoben, mehr oder weniger gesellig durch das ganze Terrain 
zu gemeinsamem Wirken. Die Sumpfmeise lebt vorzugsweise tief; die 
Kohlmeise sehen wir gleichfalls häufig in den unteren Gebüschen, doch 
eben so oft auch in den mittelhohen Zweigen; die Schwanzmeise stimmt 
darin mit letzterer ungefähr überein, liebt aber mehr sehr dichtes Ge- 
büsch und schwächere Zweige als jene. Die Blaumeise steigt von allen 
am höchsten empor. Wenn wir in den obersten Baumkronen eine Meise 
erblicken, so ist das nur in seltenen Ausnahmen nicht coeruleus. In den 
Wipfeln hundertjähriger Eichen geht sie vereint mit dem kleinsten Laub- 
sänger (Sylvia rufa) den Raupen und Puppen des grünen Eichenwicklers 
nach. Mehr als maior und palustris klettert sie an den dünnsten Reisern 
umher; ja sie übertrifft darin auch caudatus. Alle diese sind in der 
Brutzeit Laubholzbewohner, jedoch scheut maior auch den Nadelholzwald 
nicht. Die Tannen- und Haubenmeise dagegen sind eben so ausgeprägte 
Nadelholz- und für den Nadelholzwald typische Charaktervögel. Obwohl 
man beide in Schonungen wie im alten Hochwalde antrifft, so wählt die 
erstere doch im Allgemeinen eine höhere Region, als die andere. Ausser- 
dem giebt ater den Fichten den Vorzug, eristatus den Kiefern. Es war 
mir auffallend, dass ich ater im ersten Frühlinge hoch in den Spitzen 
der Chausseepappeln (Populus canadensis) bei deren eben aufbrechenden 
Knospen eifrig beschäftigt beobachtete, und es stiegen Zweifel in mir auf, 


Forstlicher Werth der Waldmeisen. 299 


ob sie dort nur der Insectenbrut nachginge. Die zur Belehrung herab- 
geschossenen jedoch beseitigten jeglichen Zweifel, da sie nichts als kleine 
Raupen in Schlund und Magen hatten. Es giebt wohl keine andere Vogel- 
gruppe, welche so einheitlich und erfolgreich wirkt und sich dabei so 
planmässig in das des Schutzes bedürftige Waldterrain theilt, als die 
Meisen. Sie verdienen deshalb Schutz und Schonung im vollsten Maasse. 

Es ist vorhin hervorgehoben, dass die Meisen diejenigen Vögel seien, 
denen man an den entsprechenden Stellen auf Schritt und Tritt begegnet. 
Nichts desto weniger ist jedoch die Thatsache nicht zu leugnen, dass ihre 
Anzahl zu ihrer Fruchtbarkeit in keinem normalen Verhältnisse steht. 
Wir können dafür nicht etwa die Italiener verantwortlich machen, die 
unsere Lieblinge zu Hunderttausenden jährlich fangen und verspeisen. 
Die Meisen bleiben mehr oder weniger bei uns, suchen wenigstens nicht 
unter dem milden Himmel jenseits der Alpen der Härte des nördlicheni 
Winters zu entgehen. Die Ursachen ihrer relativ schwachen Vermehrung 
müssen folglich bei uns zu suchen sein. Alles Raubzeug aufzuzählen, 
welches hier auf Kosten der kleineren Vögel, also auch der Meisen lebt, 
hat wenig Zweck. Doch auf einen Räuber möchte ich hier als allge- 
meinen Feind der Bruten der kleinen Vögel, ganz besonders aber der frei 
brütenden Meisen und unter diesen vor allen der Schwanzmeisen auf- 
merksam machen. Es ist der Heher (Garrulus glandarius). Wo er 
haust, kommen schwerlich viele Bruten dieser lieblichen Art auf. Ihr 
Nest ist so gross, ihre Arbeit an diesem prachtvollen Kunstbau dauert so 
lange, dass es nur selten von ihm unentdeckt bleibt. Mit plumpem 
Schnabel zerreisst er das herrliche Geflecht und lässt sich oder seinen 
Jungen den Jnhalt, Eier oder Junge, wohlschmecken. Zum Glück bauen 
die Schwanzmeisen häufig in der Nähe eines Landhauses an einem alten 
Zaune, in Hecken und Obstbäume, wohin das lüsterne Auge des menschen- 
scheuen Hehers nicht dringt. Diejenigen, welche in der Nähe seines Brut- 
reviers im Walde bauen, verlieren ihre Brut durch ihn regelmässig, Zum 
Schutze der kleinen Vögel, besonders der Schwanzmeisen, ist gegen den 
Heher schonungslos vorzugehen. Doch abgesehen von dem Umstande, 
dass viele Meisenbruten zerstört werden, kommt doch eine selır grosse 
Anzahl während des Winters bei uns um. Mit einem ansehnlichen Heere 
beginnen sie, wie vorhin bemerkt, ihre Streifzüge im Herbste, mit sehr 
gelichteten Reihen gehen sie in den Frühling hinein. Der Sperber fängt 
sich im Winter wohl mal eine einzelne Meise; jedoch der stets gedeckte 
Aufenthaltsort unserer Turner schützt sie vor namhafter Deeimirung durch 
Raubvögel. Es ist vielmehr der auf den Zweigen liegende Schnee, in 
höherem Grade Duftanhang, Rauhreif, Eiskruste um die Zweige, wodurch 
ihnen das Handwerk zur Erwerbung ihres täglichen Brodes höchst er- 


300 Sperlingsartige Vögel. 

j 
schwert, ja völlig gelegt werden kann. Hält diese Uebereisung längere 
Zeit an, so sterben viele eines elenden Hungertodes. Gegen Kälte sind 
die in dichten Winterpelz gehüllten Vögelchen hart, gegen Nahrungs- 
mangel jedoch sehr empfindlich. Einem solchen Nothstande kann erfolg- 
reich entgegengewirkt werden. Man ist bereits von forstlicher Seite auf 
den Gedanken gekommen und hat denselben ausgeführt, die Meisen in 
solch’ ungünstiger, für sie mörderischer Winterszeit zu füttern. Der Königl. 
Öberförster Herr Smalian zu Zerrin bei Bütow (Pommern) hat schon 
vor vier Jahren hierher berichtet, dass er die Meisen im Walde mit Speck 
füttere. Er spricht von dem den Meisen verderblichen Duft und bemerkt 
ferner: „Hier kann der Mensch helfen, wenn er jährlich einige Pfunde 
Speck opfert, welcher eine Lieblingsspeise der Meisen bildet..... Gegen- 
wärtig (1. December 1868) sind, hier wenigstens, die Verhältnisse ge- 
radezu darnach angethan, mit Speckversuchen vorzugehen. Seit 5 Tagen 
ist die ganze Zerriner Forst mit Duft und Rauhreif vollständig behangen. 
Ein Speckwürfel, welcher vermittelst eines durch die Schwarte gezogenen 
Bindfadens an dem Nistkästchen befestigt wird, reicht aus, um einer ganzen 
Meisenfamilie auf 3 Tage den nöthigen Unterhalt zu gewähren.” Auf 
meine spätere Anfrage nach dem Erfolge dieser Fütterung äussert er unter 
dem 14. Januar 1870: „Die Speckfütterung ist nur im Kleinen ausgeführt 
worden, weil die günstigen Witterungsverhältnisse im Winter 1868/69 
eine Anwendung dieses Mittels im Grossen überflüssig machten, indem 
Duft und Rauhreif stets nur einige Tage anhielten und daher die Meisen- 
arten drückenden Nahrungssorgen nicht ausgesetzt waren. Ich selbst hatte 
an mehren Nistkästchen, welche in meinem Garten hängen, kleine Speck- 
würfel mittelst Bindfadens befestigen lassen und hatte sehr bald die Freude 
zu sehen, mit welcherä Appetit der Speck durch die Meisen verzehrt 
wurde.” Obgleich also im Grossen meines Wissens diese Fütterung nicht 
versucht ist, so scheint sie mir doch eben so rationell als leicht und in 
den durch Duft befallenen Revieren frühzeitig ausführbar. — Um die 
Meisen während der Brutzeit an bestimmte, etwa von Insectenfrass, be- 
sonders von Noctua piniperda und Geometra piniaria, bedrohte Stellen 
zu fesseln, ist das Aushängen von Nistkästchen für die Höhlenbrüter unter 
ihnen sehr zu empfehlen. Ich bin im Allgemeinen gerade kein Enthu- 
siast für Nistkästchen; doch für die Meisen und den Staar möchte ich 
sie dringlichst empfehlen. Zur Zeit, als Gloger durch seine Thierschutz- 
arbeiten endlich seinen lange entbehrten Unterhalt fand, wurde das Capitel 
des Vogelschutzes in einer Weise ausgebeutet, die den unbefangenen Beob- 
achter überraschen musste. Man wurde an seinen eigenen Erfahrungen 
fast irre, und schliesslich war Ueberdruss statt Begeisterung der Erfolg. 
So war es wenigstens bei mir. . Jeder Vogel, der nur ab und zu ein 


Forstlicher Werth der Waldmeisen. 301 


, 


Insect frisst, wurde zum Wohlthäter der Menschheit gestempelt, und ein 
Hagel von Vogelschutzbroschüren fällt von der Zeit an bis jetzt, wenn- 
gleich etwas schwächer, auf den Büchertisch. Männer, welche nicht ein- 
mal die Vögel, über welche sie schrieben, geschweige denn ihre Lebens- 
weise kannten, traten in die Reihe dieser Schriftsteller. Gloger’s Wahr- 
heit und Dichtung wurde durch Sinn und Unsinn vermehrt, wieder und 
wieder aufgetischt. Gloger selbst arbeitete eigenhändig mit seinen 
Schreiberfingern Nistkästchen für die erste Pariser Ausstellung (1855). 
Ich hatte inniges Mitleid mit ihm, wenn ich sah, wie sehr er sich bei 
dieser ungewohnten Arbeit abmühete. Er sägte, leimte, nagelte jedoch 
so lange, bis eine Anzahl Modellkästchen für alle möglichen nützlichen 
und unnützen Vogelarten hergestellt waren, die dann in saubefen, durch 
den Schreiner angefertigten Copieen nach Paris wanderten. Er wusste 
das Ministerium und durch dieses die Regierungen für diese Angelegen- 
heit lebhaft zu interessiren. Jetzt war das Mittel gefunden, Wald und 
Garten und Feld zu befreien von allem bösen Insectengeschmeiss. Ich 
habe in dieser Schrift bisher nur selten Veranlassung nehmen können, 
irgend eine Vogelart wegen ihres forstwirthschaftlichen Nutzens besonders 
hervorzuheben; die meisten sind mehr oder weniger nach meiner Erfah- 
rung indifferent, über die bis in den Himmel gehobenen Spechte, sowie 
auch über die Fliegenfänger musste ich mich sogar im entgegengesetzten 
Sinne aussprechen. Unsere Meisen jedoch haben einen wahren und hohen 
Werth für den Forstmann. Es wird ihnen freilich, weil sie sehr genügsam 
und im morschen Holze sich selbst eine passende Bruthöhle herzurichten 
im Stande sind, im alten Walde wohl nur selten an Gelegenheit zum 
Nisten fehlen. Allein dort, wo gerade ein scharfer Insectenfrass droht, 
dort also, wo der Forstmann ihre Anwesenheit und ihr Gegengewicht 
gegen die Verderber dringlichst wünschen muss, finden sie eine solche 
Gelegenheit vielleicht nicht. Eine Anzahl von Brutpaaren nach diesen 
Stellen zu ziehen, ist jedenfalls wichtig, und das kann allerdings 
durch passende Nistkästehen geschehen, welche sie sehr gern annehmen. 
Ich will hier wieder den bereits genannten Oberförster Smalian reden 
lassen: „.... In Betreff des Ortes der Anbringung der Nistkästehen habe 
ich die Beobachtung gemacht, dass dieselben da, wo Diekungen mit alten 
Beständen wechseln, am liebsten und schnellsten von den Vögeln ange- 
nommen werden, wobei es ziemlich gleich ist, ob das Aufhängen an den 
alten Bäumen oder an den jungen Stämmen der Dickung geschieht. Es 
ist nämlich für die Meisen, die im Forsthaushalte nützlichste Vogelgattung, 
die Höhe von 3 bis 4 Meter vom Boden vollständig ausreichend. Es er- 
leichtert dies auch die Revision und Reinigung. .... Bezüglich der Menge 
in einem Walddistriete anzubringender Kästchen sei erwähnt, dass im 


302 Sperlingsartige Vögel. 


Hinblick auf den sehr zänkischen und boshaften Charakter der Meisen, 
in specie der Kohlmeisen, das Anbringen der Nistkästchen in entsprechen- 
der Entfernung von einander erfolgen muss. Werden dieselben zu nahe 
an einander gerückt, so entsteht Zank und Kampf zwischen den Meisen- 
pärchen, welcher so lange energisch fortgesetzt wird, bis das eine aus 
dem Felde geschlagen ist.... In der hiesigen Oberförsterei hatte der Frass 
der Eulenraupe im vorigen Jahre (1867) in sehr bedenklichem Grade auf 
eirca 200 Morgen Fläche um sich gegriffen. Demselben wurde jedoch 
durch Anbringung von etwa 130 Nistkästchen, von denen einige 40 
von den verschiedenen Meisenarten angenommen waren, Einhalt gethan; 
wenigstens glaube ich das. Denn 5—6G00 Meisen, inel. der 80 alten 
können schon was leisten. Auch war in den Reviertheilen, wo keine 
Nistkästchen angebracht waren, ein sehr auffälliger Frass bemerkbar. Durch 
die Nistkästchen hat der Forstmann es vollständig in der Gewalt, alles 
dem Walde schädliche Ungeziefer sich vom Halse zu schaffen. (Schwer- 
lich!) Mit wahrer Wollust verzehren die Meisen nicht blos die nackten 
Räupchen der Eule (Noctua piniperda) und des Spanners (G@eometra 
Piniaria), sondern auch die Eier dieser Insectengattungen, sowie die des 
grossen Kiefernspinners.” Ich habe diesen Worten nur hinzuzufügen, 
dass man sich durch Heranziehen einer grossen Menge von Meisen frei- 
lich nicht alles Ungeziefer des Waldes vom Halse schaffen, das’ offen und 
frei lebende jedoch in erheblicher Weise vermindern kann. Das zahl- 
reiche Aufhängen von solchen Kästchen ist dort von besonderer Wich- 
tigkeit, wo man durch directe Beobachtung, oder Probesammeln, oder auch 
durch den Kukuk (s. Seite 5]) Raupenheerde entdeckt hat. Dorthin 
wären sie auch schon in dem vorhergehenden Winter durch Speckfütte- 
rung zu locken. 


15. Familie. Trupiale, Icteridae. 


Als rein amerikanische Familie sei hier noch der Trupiale, /eteridae 
gedacht, Vögel, die im Allgemeinen die Grösse eines Staares haben, sich 
Jedoch durch stets spitzen, oft sehr langkegelig ausgezogenen Schnabel, 
längere, spitzere Flügel, mit nur 9 Handschwingen, längeren Schwanz von 
den Staaren auf den ersten Blick unterscheiden. Die meisten sind ganz 
oder zum Theil tief schwarz, sehr oft mit grell abstechenden gelben („Gelb- 
vögel”) auch rothen Partieen; die Jungen blasser, grauer. Wegen ihrer 
schwarzgelben Färbung wurden manche von früheren Autoren den Pirolen 
zugesellt und geradezu unter Oriolus aufgeführt, während andere als Arten 
der Gattung Sturnus figurirten. Sie leben theilweise von Mais und ande- 
ren Früchten und werden dort, wo sie heerdenweise einfallen, schädlich, 


Staare. 303 


theils aber auch namentlich alle im Frühlinge und Vorsommer von Insecten. 
Man kennt etwa 120 Arten, von denen die meisten Nordamerika bewohnen. 
Nach ihren Verschiedenheiten, besonders in der Schnabelform zerfallen sie 
in drei Gruppen, die wieder in eine Anzahl Gattungen getheilt sind. 
Eine der bekanntesten nordamerikanischen Arten ist Agelaius phoeniceus, 
tief schwarz mit brennend rothem, gelb begrenztem Fleck vorn auf dem 
Flügelbuge; seine Eier einfarbig tiefblau. Bemerkenswerth sind die wun- 
derbar lichtgeflochtenen Nester der Beutelstaare, Cassicus, oft ein Meter 
lange und längere, an feinen Zweigen senkrecht herabhängende, oben ge- 
schlossene und dort seitlich zum Nestnapf ausgebauchte, unten offene 
Röhren. Berühmt ist der ziemlich kurzschnabelige, einfach braunschwarze, 
den Rinderheerden zum Ablesen der Parasiten folgende sog. Viehstaar oder 
Kuhvogel, Molothrus pecoris Sws, wegen seiner kukuksähnlichen Fort- 
pflanzungsweise. Er vertraut nämlich seine weisslich grundirten mit vielen 
feinen bräunlichen Pünktchen und grauen Schalenfleckchen besetzten Eier 
einzeln den Nestern fremder Vögel an. (Bei diesem wird die Nothwen- 
digkeit für die parasitische Fortpflanzungsweise in der durch Umherziehen 
der Heerden, die er stets begleitet, bedingten vagabundirenden Lebens- 
weise zu suchen sein. Er kann nicht längere Zeit an einer Stelle ver- 
weilen). Die Quiscalus, metallisch schwarz, oft, wie z. B. versicolor 
Vieill., in iwisirenden Farben schillernd, legen höchst auffallender Weise 
mit derben Ammerschnörkeln und in dergl. ausgezogenen Flecken besetzte 
schmutzig blaugrünlich grundirte Eier. In Färbung sehr abweichend ist 
die oben lerchenfarbene, unten an Kehle und Brust hochgelbe Sturnella 
hıdorieiana (Alauda magna L.) mit hohen stämmigen Beinen; ihre Eier 
auf weisslichem Grunde sehr dieht mit röthlichen Punkten und Fleckchen, 
ähnlich wie manche Eier der Wachholderdrossel, besetzt. — In zoologi- 
schen Gärten trifft man stets eine Anzahl Icteriden an. 


16. Familie. Staare, Sturnidae. 


Wie die Trupiale ausschliesslich amerikanisch sind, so haben die 
staarartigen Vögel nur auf der östlichen Halbkugel ihre Heimath. Hier 
aber leben sie in reicher Formenfülle zumeist nur in den heissen und 
südlichen Ländern. Schnabel ungefähr von Kopfeslänge, Ränder etwas 
eingezogen, die gerade oder nur leicht gekrümmte First tritt tief in die 
flache Stirn ein; Flügel: mittellang, 10 Handschwingen, erste sehr kurz, 
die zweite die längste; Lauf vorn getäfelt, kräftig, Hinterzehe lang und 
stark; Schwanz mittellang. Man kennt über 70 Arten, von denen die 
zahlreichen prachtvollen Glanzstaare (Lamprotornidae) Westafrika, Java 
und Neu-Guinea bewohnen; Buphagiden, nur 4 Spezies, finden sich in 


304 Sperlingsartige Vögel. 


Südafrika, die gleichfalls artenarmen Graeuliden in Ostindien und auf den 
benachbarten Inseln. Die Sturniden im engeren Sinne übertreffen die 
Glanzstaare an Artenzahl, ihre grösste Menge findet sich im südlichen 
Asien und auf den ostindischen Inseln; Afrika wie Europa haben nur sehr 
wenige Formen aufzuweisen. Sie bewohnen den alten Wald in der Nähe 
von offenen Feldern, Viehtriften, Wiesen, auf denen sie zumeist ihrer in 
niederen Thieren bestehenden Nahrung nachgehen, leben gesellig, und 
schweifen ausser der Brutzeit in Schaaren umher. 


Staar, Sturnus. 


Schnabel mittellang; Oberschnabel flach gedrückt, mit der gerundeten 
Spitze vorstehend, vorn mehr breit als hoch; Läufe mittellang, kräftig; 
die äussere und mittlere Zehe durch eine kleine Haut an der Basis ver- 
bunden, die unteren Schwanzdeckfedern reichen bis zur Schwanzspitze. 
Die Staare leben von Insecten, Schnecken und anderen niederen Thieren, 
doch auch von weichen saftigen Früchten; brüten gesellig in Höhlen, legen 
blaue Eier und ziehen nach der Brutzeit in Schwärmen in offenen frucht- 
baren Gegenden umher, oder auch vom Brutplatze ganz fort, um im ersten 
Frühlinge des nächsten Jahres wieder an ihrer früheren Heimathstelle zu 
erscheinen. Man kennt vier verschiedene Staararten im engsten Sinne, 
von denen nur eine unser Deutschland bewohnt; die anderen bevölkern 
die Länder des Mittelmeeres und Südasien. Jedoch ist es zweifelhaft, ob 
nicht die eine oder andere dieser als selbstständige Arten aufgestellten 
Formen mit unserem einheimischen Staar zu identificiren ist. 


Der gemeine Staar. 
Sturnus vulgaris -L. 


Gefieder schwarz mit starkem violetten, grünen auch blauen Schiller; 
vor der ersten Mauser matt braun, jedoch Kehle weisslich., Das kleine 
Gefieder namentlich an Kopf und Hals fein lanzettlich; seine Spitzen weiss 
oder weisslich. Diese weissen Spitzen treten bei der Herbstmauser so 
stark auf, dass sie die übrige Färbung an der Kehle ganz und an den 
übrigen Theilen zum grossen Theil verdecken. So sind sie noch am 4. 
September; am 10. decken sie sich an Kehle und Kropf schon nicht mehr; 
am 18. haben sie schon viel von ihrer langspitzigen Form verloren; am 
5. October sind es scharf und weit getrennte rundliche Fleckchen; am 
24. December erscheinen sie bereits sehr weitständig, noch kleiner und 
rundlicher. So verlieren sie immer mehr an Umfang, so dass am 25. 
Januar allerdings noch deutliche, aber schon recht kleine, am 24. Februar 
sehr kleine und bald kaum noch feine weisse Spitzen an diesen Federn 


Der gemeine Staar., 305 


mehr vorhanden sind. Vollständig scheinen sie sich erst gegen Mitte Mai 
zu verlieren. Das alte Männchen ist dann an Kehle, Kropf, Vorderbrust 
rein schwarz mit ausserordentlich starkem violettem und grünem Schiller. 
Das Weibchen, stets stärker gefleckt, verliert diese weissen Spitzen nie; 
auch ist der Rücken und der Unterleib des Männchens in unseren Gegenden 
wohl nie ohne diese. Von da ab bleibt die erreichte Höhe einige Zeit; 
allmählich jedoch wird die Färbung stumpf, das Gefieder erscheint verblichen, 
abgetragen, und im August wird dann wieder das Winterkleid angelegt, 
welches dieselben Veränderungen besteht. Die Schnabelfarbe durchläuft 
einen ähnlichen Kreis. Zur Zeit der höchsten Gefiederpracht ist er eitro- 
nengelb, sonst schwärzlich; auch die Farbe der Beine nimmt Theil daran. 
Im September bis zum December ist der Schnabel hornschwarz, im De- 
cember und Januar schwärzlich, im Februar nur vorn noch schwärzlich, 
im März desgleichen, oder nur etwas schwärzlich, ja auch schon gelblich, 
im April gelblich, fast gelb, gelb, im Mai gelb. Im Süden von Europa 
lebt der Sturnus unicolor La Marm., dessen Schnabelfärbung sich genau 
so verhält, als die von vulgaris. Ich habe auch von dieser Form eine 
Anzahl von Exemplaren untersucht. Schwarzschnäbelige (also Winter- 
kleider) aus Sardinien zeigten zum Theil überall sehr feine, zum Theil 
stärkere weisse Federspitzen. Ein Winterkleid (November) aus der Um- 
gegend von Ribatejo (Portugal) und ein anderes von Lissabon (Januar) 
waren ohne diese Spitzen. Ein gelbschnäbeliges aus Sardinien war ein 
glänzendes Sommerkleid, ein gleichfalls gelbschnäbeliges von Madrid am 
Bauche mit äusserst feinen weissen Federspitzen gezeichnet, ein gleiches 
aus Sicilien ohne diese Zeichnung. Ein Sommerkleid aus Nepal unter- 
schied sich in nichts von einem abgetragenen Sommerkleide von vulgaris. 
Wenn sich auch die meisten Individuen des Sturnus unicolor durch ihre 
Bleischwärze und das Fehlen der weissen Federspitzen und Tropfen von 
unserer nördlichen Form auffällig unterscheiden, so giebt es doch, wie aus 
vorstehenden Angaben erhellt, sowohl dort, wie hier Exemplare, welche 
als Mittelformen und Uebergänge, wenigstens als Andeutungen von solchen 
angesehen werden müssen. Junge von Sardinien, welche ich gesehen habe, 
stimmten mit St. vulgaris völlig überein. Da sich auch in der Lebens- 
weise keine durchgreifenden Verschiedenheiten haben nachweisen lassen, 
so möchte die Artberechtigung der südlichen Form wohl gegründeten 
Zweifeln begegnen. Ein gelbschnäbeliges Exemplar aus Indien (Chander 
nagor) zeigte einen um 3 Mm. längeren Schnabel als vulgaris, glich aber 
sonst dem reinsten Sommerkleid von diesem, doch trug keine einzige 
Feder, nicht einmal eine Schwanzdeckfeder eine Zeichnung an der Spitze. 
-—— Unter unseren einheimischen Vogelarten steht jedoch der gemeine 
Staar so einzig da, dass eine Verwechselung mit irgend einer audern 
Altum, Die Vögel, 20 


306 Sperlingsartige Vögel. 


schwer möglich ist. Jene Angaben über die verschiedenen Kleider sind, 
sowie ähnliche bei anderen Spezies, nur gemacht, um auch in dieser 
Hinsicht die Aufmerksamkeit auf die betreffenden Vögel zu lenken. Ver- 
schiedenheiten in der Zeit des Kleiderwechsels treten namentlich in der 
Jugend schon deshalb häufig auf, weil der Staar jährlich eine doppelte 
Brut macht und folglich die ersten Jungen um 4 bis 5 Wochen eher 
flügge sind als die zweiten. Es wirkt dieses auch noch bis ins nächste 
Jahr hinein, da die Alten und die Jungen der vorigjährigen ersten Brut 
um 14 Tage früher zu brüten pflegen als die der letzten. Auch die 
herrschende Temperatur und Witterung im Frühlinge ist nicht ohne erheb- 
lichen Einfluss. Das anfangs gegebene sehr spezielle Datum für eine 
Abnahme der weissen Spitzen vom 4. September bis 24. December hat 
deshalb nur relativen Werth, zeigt aber, wie die Schnabel- und Beinfär- 
bung den ganz allmählichen Uebergang in die Fortpflanzungsperiode. 
Damit stimmt vollständig das eben so allmähliche schon sehr frühe Er- 
scheinen an den Brutplätzen und der Gesang. Ich habe die Ankunft der 
Staare, die in Münster selbst in sehr grosser Anzahl an meiner früheren 
Wohnung und in der nächsten Umgebung brüteten, eine lange Reihe von 
Jahren notirt. Sie stellten sich einzeln an ihren alten Brutstellen ein 
am 5, 7, 10, 14, 15, 16,18. 21. 23., 282.)27., Jangar, 2. 
6., 15., 16., 19., 21., 22., 25. Februar, 2, 5., 8., 17., 29. März. Mitte 
Januar aber hörte man zuerst den durch eine ÖOctave geschleiften ge- 
dehnten angenehmen Ton, kurz nachher auch wohl den ersten Gesang. 
Jedoch entfernten sich die sehr früh angekommenen, die in der Regel als 
kleine Gesellschaft auf den Zinnen oder Kreuzen von Kirchen sassen, nach- 
dem sie sich zerstreut, ihre vorigjährigen Brutstellen wieder besucht hatten, 
wieder, um nach einer oder anderen Woche wieder zu erscheinen und dann 
festen Fuss zu fassen. Obschon sie erst ungefähr um die Mitte März 
unters Dach zu schlüpfen pflegten, um ihre Niststelle wieder herzurichten, 
so habe ich sie doch auch schon am 22. Februar Nestmaterialien tragen 
sehen. Mangel an passenden Baumhöhlen im Walde wird die Staare ver- 
anlassen, ihre Heimath in den Städten, in denen, falls sie zu den grösseren 
gehören, ausgedehnte Gärten nicht fehlen dürfen, zu nehmen. Ueber die 
Staare Münsters weiss ich ohne Angabe des speziellen Grundes ihrer 
Ansiedlung daselbst nur zu berichten, dass vor 1826 der Staar als Brut- 
vogel in der Stadt unbekannt war und von 1826 bis 1828 sich die ersten 
Paare dort festsetzten. 1804 nahmen die Staare durch Abtreiben des sog. 
Bentlager Holzes ihre Zuflucht nach der Stadt Rheine. Jedoch hatten 
schon früher einige Paare an dortigen alten Thürmen genistet; allein seit 
1804 wanderten sie in Menge ein. Kurz nach ihrer Ankunft sieht man 
sie nur des Morgens und Abends an ihrer Brutstelle. Sie sitzen dann 


Der gemeine Staar. 307 


auf einem Schornsteine, der Dachfirste, einem hervorragenden alten Baum- 
zacken und tragen unter komischem, fächelndem Flügelschlage ihr noch 
komischeres Lied vor, das an ein plätscherndes Bauchreden, mit „Spett” 
oft unterbrochen und durch jenes chromatische Schleifen von einem tiefern 
Tone bis zu dessen Octave und umgekehrt von der Octave bis etwa zur 
tieferen Quinte zu einer musikalischen Production erhoben, erinnert, Am 
Tage treiben sie sich dann auf den benachbarten Feldern und in den 
Gärten umher. Der Staar ist in sofern ein Waldvogel, als er im Walde 
seine geselligen Brutstellen, Baumhöhlen, bezieht. Jedoch will er stets 
unmittelbar anstossendes offenes Terrain und zwar Wiesen, Weiden und 
Aecker. Auf diesen geht er am Boden unter fortwährendem Kopfnicken 
umherlaufend seiner Nahrung nach, so lange der Gras- und Getreidewuchs 
noch niedrig ist. Am liebsten bewohnt er alte knorrige Eichen. Wo 
solche auf dem Hofraume einer Landwohnung oder in deren Nähe stehen, 
da fehlt der Staar nirgends. Sogar ein’ einzelner oder eine kleine Gruppe 
derselben auf einer Viehweide ist nicht selten von einer bedeutenden 
Menge besetzt. Bringt man dort, wo die Bedingungen seiner Existenz 
günstig sind, unter dem Dache einer solchen Landwohnung, lange balken- 
förmige Kasten an, die eine grosse Menge eingebohrter Löcher an der vom 
Hause abgewendeten Seite enthalten, so kann man die Freude haben, 20 
bis 40 Paare sich dort etabliren zu sehen. Sie nehmen überhaupt Nist- 
kästchen sehr gern an, mögen diese am Giebel eines Hauses, am Stamme 
oder den Zweigen eines Baumes oder nur an einer einfachen frei daste- 
henden Stange angebracht sein. Weil sie gesellig leben und brüten, hat 
man es bei diesem Vogel in der Hand dort, wo fruchtbarer, feuchter 
Boden, wo möglich auch Wasser, wo Triften, Aenger, Wiesen sich finden, 
eine beliebige Anzahl Paare zusammen zu ziehen und so diesen nützlichen 
Vogel vorzugsweise dort zu verwerthen, wo uns durch seine Nahrung 
Gefahr droht. 50 bis S0 Paare, die an den Gebäuden einer grösseren 
Oekonomie brüten, halten den Garten, die benachbarten Bäume, das nächste 
Feld so ziemlich vom Ungeziefer rein. Ich möchte aber wohl behaupten, 
dass sie dem Oekonomen nützlicher seien als dem Forstwirth. Wo seine 
junge Saat von nackten Schnecken bedroht wird, fallen die Staare von 
den emporragenden Eichen des Waldes darauf ein und vermindern sie bis 
zur Unschädlichkeit. In den frisch gepflügten Ackerfurchen lesen sie die 
Engerlinge auf, die ihren Brutcolonien benachbarten Bäume säubern sie 
von Maikäfern, von den noch jungen oder den jüngst gemäheten Wiesen 
sammeln sie eine Menge Raupen. Jedoch scheint ihre Hauptnahrung da- 
selbst aus kleinen und grösseren Heuschrecken zu bestehen. Auch ver- 
zehren sie gern Regenwürmer. Die Maikäfer- und Engerlingnahrung kommt 
freilich auch dem Forstmaun zu gute. Der akademische Forstmeister Herr 
20* 


308 Sperlingsartige Vögel. 


Wiese in Greifswald hat vor einer Reihe Jahre eine Menge Staarenkasten 
in der Nähe anbringen lassen, die fast sämmtlich besetzt sind, und seit- 
dem leidet er dort nieht mehr durch Maikäferfrass. Dieses post hoc be- 
weist freilich noch nicht ein propter hoc; allein bemerkenswerth ist diese 
Thatsache nichts, desto weniger. Hier in der Stadtforst bei Neustadt sind 
vom Herrn Stadtförster Kühne im hohen Holze (Kiefern) gleichfalls viele 
dergleichen Brutkästen angebracht und die meisten besetzt. Es wird 
schwer halten, genau anzugeben, welcher Feind durch sie niedergehalten 
wird. Doch ausser den Maikäfern vertilgen sie eine grosse Menge von 
Rüsselkäfern, namentlich vom Kiefernrüsselkäfer, und da sie sich gern-auf 
den dortigen Culturen aufhalten, werden sie ohne Zweifel sehr viel zur 
Verminderung derselben beitragen. Der Staar gehört unbedingt zu unseren 
nützlichsten Vögeln. Doch wird er sich in nur etwas namhafter, folglich 
wirksamer Anzahl nach trocknen, dürren Gegenden nicht hinziehen lassen, 
eben so wenig als der geschlossene düstere Hochwald ihm zusagt. Sonst 
wechselt er mit seinem Jagdterrain vom Frühling bis Herbst, je nachdem 
ihm bald hier bald dort seine Nahrung zugänglich geboten wird. Im 
Herbst treffen wir ihn wohl auf den Stoppeläckern, häufiger, ja in ganz 
bedeutenden Flügen jedoch auf Wiesenflächen, besonders auf Hutungen 
beim Vieh, Rindvieh, Schafen, auch Schweinen. Wolkenartig sieht man 
dann seine Schaaren auch in denjenigen Gegenden, denen Wald und Baum 
fehlen. Sobald die Jungen erwachsen sind, schaaren sie sich in Flüge 
zusammen und man hört dann überall ihr Schreien, was sich im Juli 
und August verliert. Sie bestehen dann ihre erste Mauser, während deren 
sie wegen der ausserordentlich grossen Ungleichheit ihres ersten und 
späteren Kleides sehr auffällig aussehen. Der Kopf behält am längsten 
die graue, dann aber schon bis zum Weissgrau verblichene Jugendfärbung. 
Sie scheinen sich kurz vor Eintritt dieses Prozesses weit fort zu begeben. 
Auch die Alten sind plötzlich, etwa Mitte August verschwunden. Vorher 
wimmelte Alles von Staaren, dann sieht man keinen einzigen, und wenn 
sie über einige Wochen wieder erscheinen, tragen sie ihr neues, völlig 
ausgebildetes Winterkleid. Es ist nicht sehr leicht, Junge im Uebergangs- 
kleide zu erhalten. In diesen Winterkleidern singen oder pfeifen sie auch 
wieder, etwa um die Mitte September, und können sich bei mildem Wetter 
und Vorhandensein von Nahrung auch noch im October, ja November 
und December in der Gegend umhertreiben. Doch sind das stets nur 
kleine Trupps. Die Hauptmasse streicht langsam und stets nur dort 
Posto fassend, wo der Tisch gedeckt ist, allmählich zum Süden. So lange 
noch Weidevieh draussen sich befindet, ziehen sie nicht weiter. Sie sind 
demselben so sehr attachirt, dass sie sich häufig auf dasselbe, namentlich 
Schafe setzen, um die Parasiten abzulesen. Selten richten sie durch Ver- 


Hirtenvogel. 309 


zehren von Kirschen und Maubeeren einigen Schaden an; empfindlicher 
schaden sie wohl dem Forstmann durch Abbrechen der Buchencotyledonen. 
Ihr Nest steht, wie bereits erwähnt, in Höhlen, Baumhöhlen, besonders 
Eichen, wie in Rüstlöchern, unter Dächern, auf alten Thürmen. Die Eier 
sind einfarbig sehr hell grünlich blau. Während die völlig flüggen Jungen 
sofort die Brutstellen verlassen, schicken sich die Alten gar bald zur 
zweiten Brut an. Ist auch diese flügge, dann gehen auch sie. Fern von 
diesen Plätzen schweift dann draussen Alles umher. Nachtruhe wird sehr 
gern an Teichen im Rohre gehalten. Eine Schaar nach der anderen be- 
giebt sich dorthin. Unter lautem Bewillkommnen werden die neuen An- 
kömmlinge jedesmal empfangen, bis oft Hunderte, ja Tausende auf kleinem 
Raume vereint sind. Lange noch, bis in die Dämmerung hinein, dauert 
die Abendunterhaltung. In ähnlicher Weise fliegt am frühen Morgen des 
nächsten Tages eine Schaar nach der andern auf, kehrt wohl wieder 
zurück, fliegt wieder auf, bis endlich die Schlafstelle von allen verlassen 
ist und die ganze Schaar in der Umgegend sich wieder zerstreut. 


Hirtenvogel, Pastor. 


Schnabel seitlich zusammengedrückt; Oberschnabel mit hoher, sanft 
gebogener First; die unteren Schwanzdeckfedern bedecken °/, des Schwanzes. 
Nur eine Art, deren Lebensweise mit dem des gemeines Staares viele 
Aehnlichkeit zeigt. 


Der rosenfarbene Hirtenvogel. 
Pastor roseus L. 

Schnabel und Füsse fleischfarben. Gefieder des alten Vogels rosen- 
roth, Kopf mit stark verlängerten, nach hinten sanft herabhängenden 
Federn, sowie Hals und Gurgel tief schwarz mit stahlblauem, Flügel und 
Schwanz desgleichen mit grünem Schiller; nach der ersten Mauser die 
Federn des Oberkopfes noch wenig verlängert, alle Farben, besonders des 
Halses, noch unrein, Mittelrücken schwärzlich gefleckt, Unterschwanzdeck- 
federn schwarz mit breiten weisslichen Säumen; vor der ersten Mauser 
ohne Federbusch, braungrau, Kehle weisslich, Brust undeutlich gefleckt. 
— Der rosenfarbene Hirtenvogel (Staaramsel) bewohnt staarartig die 
Länder des Mittelmeerbeckens, zieht sich aber östlich tief in Asien hin- 
ein. Er ist ein ständiger Begleiter der Viehheerden, lebt gesellig, und 
nährt sich ausser den beim Weidevieh und parasitisch auf demselben vor- 
kommenden Insecten hauptsächlich von Heuschrecken. Er brütet gleich- 
falls in Höhlen, seine sehr zart bläulichen Eier unterscheiden sich von 
denen des Staares durch den viel zarteren Farbton und den an die Specht- 


310 Sperlingsartige Vögel. 


eier erinnernden Glanz der Schale. In Deutschland ist er wiederholt als 
Verirrter vereinzelt, oder zwischen den Flügen von Staaren angetroffen. 


17. Familie. Paradiesvögel, Paradiseidae. 


Schnabel mittel- oder über mittellang, gegen die Spitze seitlich zu- 
sammengedrückt; First sanft gebogen und mehr oder weniger scharf, wo- 
durch der Oberschnabel im Querdurchschnitt dreieckig wird; Nasenlöcher 
seitlich, halb oder ganz durch eine befiederte Haut bedeckt; Mundspalte 
breit; Flügel breit, 10 Handschwingen, deren sechste und siebente die 
längsten; Schwanz mittellang, breit; Füsse gross; Krallen seitlich zu- 
sammengedrückt, stark gebogen, scharf. Das Gefieder der alten Männchen 
durch mannigfache monströse Schmuckfedern, Büschel schuppiger oder 
langwallender zerschlissener Seitenfedern, sehr lange bis auf die Basis oder 
bis auf die Spitze fahnenlose mittlere Schwanzfedern, verlängerte, ein ab- 
stehendes Schild darstellende Brustfedern, seitlich verlängerte Kopffedern 
u. a. auffallend. Die Weibchen und Jungen ohne diese Zierden. Diese 
Vögel leben in etwa 8 Arten auf Neuguinea und den benachbarten Inseln 
ausschliesslich in den Wäldern, nähren sich dort von Insecten und saftigen 
Beeren, brüten auf Bäumen. Eier noch unbekannt; eben flügge Junge 
wenigstens von einer Art bereits entdeckt. 

Arten: Paradisea apoda, die von Alters her bekannteste, rothbraun, 
Stirn und Kehle metallisch grün, Scheitel, Halsseiten und Vorderrücken 
strohgelb; mit gelblichen, wallenden seitlichen Schmuckfedern. Papuana, 
sehr ähnlich, doch Unterrücken strohgelb. Aubra, gleichfalls ähnlich, seit- 
liche Schmuckfedern kürzer und braunroth, die bartlosen Schäfte der mitt- 
leren sehr verlängerten Schwanzfedern, bei’ den beiden ersten nicht ver- 
breitert, bei dieser schmalen Hornspänen ähnlich. Wallacei Grai, kleiner, 
einfach hell bräunlich aschgrau, mit grünen, seitlich und nach unten spitz 
schildförmig abstehenden Schmuckfedern. Zegia, kleinste Art, Lerchen- 
grösse, braunroth, die seitlich an der Brust stehenden Schmuckfedern an 
der schuppig abgestutzten Spitze glänzend grün, die beiden mittleren 
Schwanzfedern nur Schäfte, ihre jedoch befahnte Spitze nach aussen ein- 
gerollt. 

Die 6 Arten einer anderen Familie, Paradieshopfe, Epimachidae, 
wurden früher theils unter Upupa, theils unter Paradisea, ihres Schna- 
bels, sowie der gleichfalls monströsen Schmuckfedern der alten Männchen 
wegen, aufgeführt, jedoch auch als selbstständige Gattung hehandelt. 
Arten: Epimachus speciosus, durch Grösse, Büschel von seitlichen Brust- 
federn und einen sehr langen, stufigen Keilschwanz; alba, durch breite, 
zerschlissene, verlängerte weisse, in bartlose Schäfte endigende seitliche 


Raben. ll 


Schmuckfedern ; G@ouldiü, durch sehr verschiedene Schnabellänge bei Männ- 
chen (kurz, fast gerade) und Weibchen (sehr lang, gekrümmt, spitz), aus- 
gezeichnet. Sie bewohnen gleichfalls die Wälder von Neuguinea, kommen 
jedoch auch in Australien vor. 


185. Familie. Raben, Corvidae. 


Die grössten Singvögel, von robustem Körperbau; Schnabel kräftig, 
mittellang, etwas comprimirt, First sanft gekrümmt, Schneiden scharf; 
Nasengruben von vielen dicht aufliegenden, schmalen, sperrigen Borsten- 
federn bedeckt; Flügel mittellang, abgerundet, 10 Handschwingen, von 
denen die erste etwa halb so lang ist, als die zweite; Läufe vorn quer- 
getheilt, länger als die Mittelzehe; Füsse kräftig. Man kennt etwa 120 
Arten, die sich über alle Erdtheile verbreiten und in 5 Hauptgruppen 
zerfallen. Eine derselben gehört ausschliesslich Australien und Neuguinea 
an; eine andere hat die meisten Vertreter in Amerika; eine dritte 
ist cosmopolitisch, eine vierte bewohnt ausser Amerika sämmtliche 
übrigen Welttheile, eine fünfte mit nur 5 Arten, deren jede eine eigene 
Gattung bildet, nur Asien und Europa. Es scheint, dass manche als 
Arten aufgeführte Formen nur die bei weiter Verbreitung auftretenden 
Modificationen derselben Spezies sind. In den einzelnen Gruppen pflegen 
in auffallender Weise bestimmte Farben und Zeichnungen aufzutreten, mit 
denen dann auch ein singulärer Habitus correspondirt. Nach Geschlecht, 
Alter, Jahreszeit scheinen Kleiderverschiedenheiten nicht aufzutreten. Auch 
Flug, Betragen, sogar Eier (in soweit sie mir bekannt sind) zeigen inner- 
halb der einzelnen systematischen Abtheilungen bei aller Verwandtschaft 
gewisse Eigenthümlichkeiten. Die in Deutschland vorkommenden raben- 
artigen Vögel repräsentiren drei der 5 Hauptgruppen (Unterfamilien), die 
hier als Gattungen aufgeführt werden mögen, deren Charakteristik vor- 
zugsweise den inländischen Arten entnommen -ist. 


Heher, Garrulus. 


Kräftige, aber kleinere Formen; Schnabel kaum mittellang, stumpf; 
First nur wenig gebogen, ohne oder mit kurzer Hakenspitze; Flügel kurz; 
Schwanz mittellang, auch lang, breit. Man kennt gegen 50 in allen Erd- 
theilen lebende Arten; Färbung angenehm, Zeichnung bunt, häufig eine 
Querbänderung und zwar blau in blau, theils auf dem Flügel und dem 
Schwanze, theils auch auf anderen Körpertheilen. Eine Anzahl Unter- 
gattungen ist nach dieser Färbung benannt (Cyanogarrulus, Cyanoce- 
phalus, Cyanopolius, Cyanopica, Cyanoeitta), Kopffedern oft schopfartig 
verlängert und dann aufrichtbar. — Die Heher bewohnen ausschliesslich 


312 Sperlingsartige Vögel. 


die Wälder, durchhüpfen äusserst geschickt die stärkeren Zweige der 
Baumkronen und wagen sich selbst fliegend nur ungern in’s Freie; ihr 
Flug der kurzen Flügel wegen flatternd, intermittirend.. Auf dem Boden 
hüpfen sie in grossen Sprüngen. Sie leben von Baumfrüchten, Insecten, 
der Brut anderer Vögel. Ihr Nest bauen sie frei auf Bäume; die Eier 
der eigentlichen Heher, sowie der nordamerikanischen Blauheher sind auf 
graugrünlichem Grunde mit sehr zahlreichen dunkleren Fleckchen, die bald 
scharf, meist aber verloschen, ja wohl gänzlich gewässert auftreten, besetzt; 
doch zeigen andere Formen auch wenige und scharfe Flecken. 

Ausser einer in ganz Deutschland allbekannten Art lebt im hohen 
Norden der Unglücksheher, Garrulus infaustus L., von Misteldrossel- 
grösse, ohne blaue Zeichnung; Hauptfarbe braungrau, Schwanz (ohne die 
beiden grauen Mittelfedern), Flügeldeckfedern und Aussenfahne der mitt- 
leren Schwingen rostroth. Eier, ähnlich denen des grossen Würgers, auf 
schwach trübgrünlichem Grunde weitständig dunkler gefleckt. Er bewohnt 
den Nordosten Europa’s und das nördliche Asien. Eine zweite verwandte 
Art (canadensis L.) im hohen Norden Amerika’s. 

Auch die Blauelstern, welche man ihres langen Schwanzes wegen 
zu den Elstern zählte, gehören richtiger der Hehergruppe an. Man kennt 
von ihnen drei, sich sehr nahe stehende Arten: melanocephalus aus China, 
cyaneus aus Ostasien und cooki aus Spanien. Blau sind Schwanz und 
Schwingen, jedoch ohne Querbänderung. Die Eier der europäischen Art 
zeigen auf hell braungelblichem Grunde sehr weitständige rundliche Flecken 
von gleichem aber sehr tiefem Tone. 

Durch blaue, quergebänderte Färbung zeichnen sich die amerika- 
nischen Blauheher aus. Ihre. Eier hell graugrünlich grundirt mit zahl- 
reichen feinen dunklen Fleckchen desselben Farbtones. Die bekannteste 
Art eristatus L. ist häufig in den Vereinigten Staaten. 


Der Eichelheher. 


Garrulus glandarius L. 

Schnabel mit plötzlich hakig herabgebogener Spitze, vor derselben 
leicht ausgerandet; Hauptfarbe ein sanftes, röthliches Grau, oben gesättigt, 
unten sehr hell; Deckfedern der vorderen grossen Schwingen mit schmalen 
schwarzblauweissfarbenen Querbänderungen auf der Aussenfahne; die mitt- 
leren Schwingen und die schwarzen Schwanzfedern nehmen an der Basis 
an dieser Bänderung Theil; Armschwingen mit weisser Aussenfahne in 
der Mitte und mit schwarzem Enddrittel; vom Unterkiefer erstreckt sich 
ein schwarzer Bartstreif herab; Iris perlgrau, in der Jugend trüber. — 
Das so gänzlich singuläre Aeussere des Eichelhehers unter unseren ein- 
heimischen Vögeln macht eine nähere Beschreibung überflüssig; jedoch 


Der Eichelheher. 313 


tritt er in anderen Gegenden in erheblich abweichenden Kleidern auf, 
Zunächst giebt es schwarzköpfige Heher, deren verlängerte Scheitelfedern 
welche bei uns nur eine dunkle Mitte enthalten, mehr oder weniger 
schwarz werden. Diese schwarzköpfigen bilden die südliche Form. So 
der in Nordafrika, Arabien, Syrien lebende melanocephalus (Gene, mit 
wenig verlängerten Scheitelfedern. Alle Farben sind reiner, als bei dem 
unserigen, die hellen Partieen heller, die dunklen dunkler; ausserdem aber 
noch der Nacken mit kastanienbraunem Anflug. Ohne letzteren und mit 
normal langen Scheitelfedern ist die gleichfalls schwarzscheitelige Form 
Krynicki Kalen. aus Südosteuropa und dem westlichen Asien; bei cervwi- 
calis Dp. aus Afrika zieht sich das Schwarz des Scheitels etwas den 
Nacken herab. Gleich unserem Eichelheher mit hellem Scheitel kommt 
eine etwas kleinere Form in Japan vor, iaponicus Schleg., die sich auch 
durch etwas kürzere Flügel und Schwanz kennzeichnet; und endlich bei 
der sibirischen und am Altai lebenden Form Drandti Eversm. erhält der 
ganze Scheitel die zimmtbraune Färbung, welche bei melunocephalus nur 
im Nacken auftritt; doch auch das ganze übrige Gefieder nimmt an diesem 
Tone Antheil. So viel über das Leben dieser Heherformen bekannt ist, 
zeigt sich darin keine wesentliche Verschiedenheit; die Eier kenne ich 
nur von melanocephalus, und diese stimmen mit denen von glandarius 
übereir. Man wird deshalb wohl am richtigsten urtheilen, wenn man alle 
diese interessanten Kleider als vorwiegend Localformen unseres gemeinen 
Eichelhehers ansieht, zumal da es an, wenn auch schwachen, Uebergängen 
keineswegs fehlt. Es hat demnach unser „Holzschreier, Markolf”, oder 
wie diese allgemein bekannte Art sonst genannt wird, eine ausserordent- 
lich weite Verbreitung. Wollen wir aber darunter nur unsere in Deutsch- 
land lebende Form verstehen, so erstreckt sie sich über fast ganz Europa, 
und ist sogar im Süden von Spanien bis Griechenland anzutreffen. Der 
Eichelheher ist reiner Waldvogel und bewohnt als solcher die Ebenen wie 
die Gebirge, das Laubholz wie den Nadelholzwald. Letzteren, sowie die 
tiefe Waldesmitte liebt er freilich weniger gern, doch trifft man ihn ein- 
zeln stets in alten Fichten- und Tannenwäldern an und auch in unseren 
Kiefernhochwäldern fehlt er keineswegs. Häufiger freilich belebt er die 
gemischten und die Laubholzbestände, zumal an den Rändern und in den 
Vorhölzern, Eichen und Buchen sind ihm ihrer Samen wegen sehr an- 
genehm. Aus dem Walde geht er nur sehr ungern heraus, fliegt über 
Blössen und freie Flächen wie ängstlich nur in gerader Richtung zum 
nächsten Gebüsche oder Baum, woselbst er sofort seine Ankunft durch 
seinen lauten, bekannten Schrei verkündet. Oder er fliegt dem Waldrande, 
einem Waldwege, Gestelle entlang, sich dicht an die Baumwand haltend 
und nach kurzem Fluge wieder einlenkend. Sein Flug besteht aber auch 


314 Sperlingsartige Vögel. 


nur aus einem unregelmässigen Flattern und erinnert an den des Wiede- 
hopfes und Schwarzspechtes. Desto gewandter durchschlüpft er in grossen 
Sprüngen die Zweige und weiss, so namentlich in Eichen, rasch empor 
zu steigen. Auf dem Boden bewegt er sich gleichfalls hüpfend. Ausser- 
halb des Waldes steigert sich dann seine sonstige Scheuheit noch bedeu- 
tend, denn bei dem geringsten Verdachte begiebt er sich eiligst wieder 
in die nächsten Baumzweige. Gesellig zeigt er sich nie, und wenn auch 
mehre in gleicher Absicht desselben Weges ziehen, so fliegen doch die 
einzelnen in bedeutendem Abstande von einander. Während der Fort- 
pflanzungszeit kann man mit Sicherheit erwarten, dass genau denselben 
Weg, den einer der beiden Alten gemacht hat, nun auch der andere 
machen wird. Zusammen fliegen sie nie. Trotz ihres versteckten Aufent- 
haltes melden sie ihre Anwesenheit stets durch ihren Schrei, den sie sofort. 
mit aller Energie hören lassen, wenn sie irgend etwas Verdächtiges ge- 
wahren. Ueber einem dahin schleichenden Fuchs, oft sogar über einem 
im Treiben vorgehenden Hasen fliegen sie fortwährend schreiend, wenn 
sie sich nicht selbst etwa durch den Treiberlärm in ihrer eigenen Sicher- 
heit bedroht glauben. Haben sie eine Eule oder gar einen im Eichhorn- 
neste ruhenden Baummarder entdeckt, so schlagen sie unter eifriger Assistenz 
von Schwarzdrosseln und Baumkletten sogleich Lärm. Die Benennung 
„Holzschreier” ist für sie sehr bezeichnend. Doch bekunden sie auch in 
meisterhafter Weise, dass sie mit Singmuskelapparat versehen zu den 
Singvögeln gehören. Einen eigenthümlichen Gesang lassen sie freilich 
nicht hören, dagegen reproduciren sie alle möglichen fremden Töne. Das 
„Hiäh” des gemeinen Bussards, jedoch etwas sanfter, weniger energisch, 
hört man am häufigsten von ihnen. Ein Exemplar täuschte mich durch 
das „Kliwitt” des Waldkauzes. Auch dieses war etwas verändert, so dass 
ich gespannt war, eine seltene Tageule zu entdecken. Ein anderes äffte 
das „Huitt” des Kiebitzes ganz vorzüglich nach. Einst hörte ich an einem 
heiteren Märztage eine Schaar Staare von fern im bunten Durcheinander 
zwitschern, oder waren es Krammetsvögel (Turdus ptilaris)? Auch Roth- 
drosseln mussten dazwischen sein. Die Entfernung war zu gross, um die 
Stimmen deutlich zu determiniren. Allein ich konnte keinen Baum ent- 
decken, auf dem diese gemischte Schaar ein so eifriges Frühlingsgeschwätz 
hielt, obschon mehre einzelne, am Rande einer Wiese aus dichtem Ge- 
büsch hervorragende jüngere Eichen einen sonst so beliebten Sitz boten. 
Ich ging näher. Mit lautem Schrei flog plötzlich auf kaum 30 Schritt 
Entfernung ein Heher auf, der sich diesen bauchrednerischen Scherz mit 
mir erlaubt hatte. Will man ihn, etwa zum Schuss aus einem Verstecke 
anlocken, so hat man nur nöthig, alles mögliche Gemisch zu pfeifen, 
namentlich thun die abwechselnden Rufe des Pirols und des Waldkauzes 


Der Eichelheher, 315 


(„Huhuhuhu”), mit allerhand Phantasie desselben Toncharakters vermischt, 
gute Dienste. Er antwortet sofort mit seinem Schrei und fliegt mit auf- 
gerichteter Holle herbei, um sich über den fremden Singemeister genauer 
zu informiren. Die Nahrung des Hehers ist sehr mannigfach. Nicht mit 
Unrecht ist er nach seiner Vorliebe für Eicheln benannt. Bei Eichen- 
mast verlässt er die Eichen nicht. Tragen nur einzelne Eichen, so finden 
wir ihn beständig in diesen. Stehen diese auf dem Hofe eines Landhauses, 
so sieht man fortwährend Heher vom nächsten Feldholze her ab und zu 
fliegen, weil sich keiner getraut in solch unmittelbarer Menschennähe 
lange zu verweilen. Alle Heher der Umgegend haben sich dann zum 
Plündern derselben versammelt und zerstreuen sich nicht eher, als bis 
sämmtliche Eicheln entfernt sind. Sie gehen dann auch von Zweig zu 
Zweig herabsteigend endlich auf dem Boden den herabgefallenen Eicheln 
nach, raffen eiligst einige auf, um wie mit bösem Gewissen sofort zum 
sicheren Gebüsche zu entfliehen. Ein derartiges vollständiges Plündern 
der wenigen Sameneichen, wie ich es z. B. noch im verflossenen Herbst 
an zwei Stellen in Westfalen beobachtete, ist unter Umständen durchaus 
nicht gleichgültig, da der Besitzer dadurch seine einzigen Saateicheln ver- 
liert. Noch empfindlicher kann der Schaden werden, wenn er namentlich 
bei sonstigem Mangel die bereits gesäeten entdeckt. Er vereitelt dann 
die Cultur völlig. Jedoch pflanzt er auch Eicheln. In seinem Schlunde 
häuft er weit mehr Eicheln an, als er zu verzehren im Stande ist. Den 
Ueberfluss steckt er unter abgefallenes Laub oder sonstige Bodendecke 
zwischen Gebüsch, in Haidekraut. Sämmtliche rabenartigen Vögel haben 
die sonderbare Eigenschaft, kleinere Gegenstände zu verschleppen und zu 
verstecken, auch wenn sie nichts weniger als Nahrung sind. Besonders 
sind sie bekanntlich auf glänzende Sachen erpicht. So verschleppt unser 
Heher eine Menge Eicheln.. Manche mögen ihm im Fluge bereits ent- 
fallen, denn ich habe zwischen zwei Eichenwäldern auf offener Haide 
häufig junge Eichen gesehen, die allgemein als vom Heher gepflanzt an- 
gesehen wurden, auch nicht gut auf anderem Wege dorthin gekommen 
sein konnten. Allein an ein eigentliches Pflanzen war dort wohl kaum 
zu denken, da sich nur ganz ausnahmsweise ein Heher dort setzen und 
sein Pflanzen unternehmen wird. Die Menge dieser jungen Eichen in 
Verbindung mit dem Umstande, dass gerade über diese Fläche die Heher 
von einem Walde zum andern herüberwechselten, möchte für meine An- 
nahme sprechen. Ja ich glaube, die meisten vom Heher gepflanzten 
Eicheln sind ihm entfallen. Was hier von den Eicheln gesagt ist, gilt in 
ähnlicher Weise auch von den Bucheln. Der Heher ist der von der Natur 
bestellte Verbreiter dieser Holzarten. Jedoch werden wir ihm diesen 
Cultivateurdienst im forstwirthschaftlichen Interesse nur dort als Wohl- 


316 Sperlingsartige Vögel. 


that anrechnen können, wo von uns überhaupt nicht oder wenig eultivirt 
wird. Dort, wo eine geregelte Forstwirthschaft Platz greift, ist der Heher 
mit seinem Eichelnpflanzen gänzlich überflüssig. Dass er sich mit Kirschen- 
dieben stets bei den reifen Kirschen einfindet, ist bekannt; auch geht er 
an sonstiges weiches und süsses Obst. An Nahrung aus dem Thierreiche 
verzehrt er fast Alles, was er erreichen und bewältigen kann: Insecten; 
namentlich Käfer, Larven und Puppen, Regenwürmer, Vogelbrut, Mäuse, 
Aas. Als Curiosum sei hier die Mittheilung Naumann’s erwähnt, dass 
einer seiner Söhne einst einen Heher schoss, der eine Handvoll Eier- 
ringe, oft noch um die Reiserstücke angeklebt, vom bekannten Ringel- 
spinner im Schlunde hatte. Manche Raupen werden ihm zur Beute, nicht 
blos nackte, sondern auch schwach behaarte, z. B. die des grossen Kiefern- 
spinners. In Maikäferflugjahren verzehrt er viele dieser Forstfeinde. Allein 
er lebt zu vereinzelt und wechselt zu sehr mit seiner Kost, als dass er 
dadurch auf das Prädikat eines erheblich nützlichen Vogels Anspruch 
machen könnte. Um desto ärger aber greift er gerade als vereinzelt auf- 
tretender Strauchdieb hemmend in die Vermehrung unserer kleinen Vögel 
ein. Er durchschlüpft fortwährend nach Nestern spähend das Gesträuch 
und die Zweige und hat darin nur an der Elster einen ebenbürtigen Con- 
ceurrenten. Eier, wie nackte und flügge Vögel verzehrt er mit gleicher 
Vorliebe. Es wurde oben (Seite 299) bereits bemerkt, dass die Nester 
der Schwanzmeise meist durch ihn zerrissen werden. Völlig so stark leidet 
die Brut der Nachtigallen und Grasmücken; auch die Drosselnester werden 
nicht verschont. Nach einem so reichlichen Funde und leckeren Mahle 
kümmert er sich wenig um schädliche Raupen, sondern bemüht sicb nur 
um so eifriger, auf ähnlichen Entdeckungsreisen ein gleiches Ziel zu er- 
reichen. Man wird sich durch Untersuchung des Magens zur Fortpflan- 
zungszeit der Vögel geschossener Heher leicht überzeugen können, auf 
wen ein grosser Theil der Schuld für die geringe Vermehrung der kleineren 
Vögel fällt. Falken und Sperber erhaschen im Laufe des Jahres manchen 
Vogel; allein keiner derselben zerstört deren Bruten, wie es der Heher 
eben so hartnäckig als ohne viel Aufsehens dabei zu machen, thut. Dass 
er auch Mäuse verzehrt, soll keineswegs in Abrede gestellt werden. Allein 
sein beständiger Aufenthaltsort, sein Wirkungskreis ist weder der Wald- 
boden noch das Feld. Dort, wo er sich den ganzen Tag umhertreibt, 
da giebt es eben keine Mäuse. Dieselbe Thatsache können wir auch be- 
treffs der vorhin bereits als unbedeutend bezeichneten Thatsache der Ver- 
tilgung schädlicher Raupen durch ihn geltend machen, Von den Aesten 
und stärkeren Zweigen mag er manche Raupen ablesen, ja er füttert sogar 
seine Jungen vorzugsweise mit Raupen und anderen Insecten, und wenn 
eine Calamität durch die Nonne oder den Kiefernspinner wüthet, wenn 


Der Eichelheher. 317 


überall Raupen und Puppen dieser und anderer Forstfeinde in Hülle und 
Fülle vorhanden sind, mag er in Ermangelung besserer Nahrung einige 
Hundert davon verzehren. Allein er durchschlüpft nie die schwächsten Zweige 
nach diesen, häkelt sich nicht meisenartig an, um Knospen und zarte 
Blättehen von ihren Todeskeimen zu befreien, sein Wirkungskreis ist 
wiederum nicht der der meisten Waldverderber. Er mag hier und da 
durch Pflanzen von Eicheln und Verzehren von Inseeten in geringem 
Grade nutzen der Schaden, den er fortwährend anstiftet, überwiegt den 
Nutzen weitaus. — Sein Nest baut er in der Regel niedrig, nicht häufig 
über 6 bis 7 Meter auf einen Baum, bald dicht am Stamme, bald von 
diesem entfernt auf einen Zweig, zuweilen sogar in dichtes Dorngebüsch, 
und im Münsterlande nicht selten auf die alten knorrigen umgelegten 
Stämme der Wallhecken, woselbst deren junge Zweige dasselbe schützen. 
Er wählt lieber Laub- als Nadelholz, gern gemischte Bestände. Ein Nest- 
stand in einem Mauerloch gehört "unter die sehr seltenen Ausnahmen. In 
den ziemlich tiefen Nestnapf legt das Weibchen 6 bis 8 hell graugrün- 
liche, auch wohl schwach in’s Graulehmfarbene ziehende Eier, deren Zeich- 
nung, eine grosse Menge feiner Fleckchen von demselben Farbentone, sehr 
häufig bis fast zur Unkenntlichkeit verwaschen sind. Zuweilen jedoch 
häuft sich diese Zeichnung, ohne jedoch als scharfe Fleckung aufzutreten, 
kranzartig gegen das stumpfe Ende an; auf einzelnen Eiern findet man 
sogar wohl einen fast schwarzen ammerartigen Schnörkel. Die Jungen 
werden zumeist mit Raupen, Insecten und Regenwürmern gefüttert. 


Felsendohle, Fregilus. 


Zierlich gebaute, langflügelige Krähen mit schwächlichem feinem Schna- 
bel; Nasendeckfedern faserig, kurz, Nasenlöcher oval; Läufe vorn schwach 
getäfelt mit 3 bis 5 grösseren Tafeln; Schnabel und Füsse grell gefärbt. 
Sie bewohnen ausschliesslich die höchsten Gebirge; nähren sich von nie- 
deren Thieren, Insecten, Schnecken, aber auch von saftigen Früchten und 
brüten in Felshöhlen. Man kennt nur 4 Arten, von denen zwei in Europa 
und zugleich in Asien, eine im westlichen Asien und eine in Australien 
lebt. Sie unterscheiden sich durch Schnabelbildung und anderes so sehr, 
dass man für jede eine besondere (Unter-) Gattung aufgestellt hat. Wir 
haben im äussersten Süden von Deutschland zwei Arten. 


I. Die Alpendohie. 
Fregilus pyrrhocorax L. 


Sammtschwarz; Schnabel eitronengelb, kürzer als der Kopf; Schwanz 
abgerundet, ragt unter den Flügeln hervor; Beine corallenroth. — Sie be- 


318 Sperlingsartige Vögel. 


wohnt die sämmtlichen Alpengebirge Südeuropa’s und erstreckt sich östlich 
bis in den Himalaya. Unter 1500 Meter kommt sie selten vor, nur der 
Winter führt sie in tiefere Thäler. Ihr Flug ist gewandt, an den langen 
spitzen Flügeln erkennt man sie sofort als eine andere Art wie die ge- 
meine Dohle. Sonst lebt sie ähnlich, ist namentlich ebenso gesellig. Ihre 
Nester stehen meist in den unzugänzlichen Felsklüften. Eier elsterartig, 
doch sind die Flecken gröber und weıtständig. Sie nährt sich von Inseeten, 
Schnecken und anderen niederen Thieren, und ist in ihrer Heimath, ähn- 
lich wie unsere Dohle, als arger Kirschendieb bekannt. 


2. Die Steindohle. 
Fregilus graculus L. 

Violettschwarz, Schnabel corallenroth, länger als der Kopf, sanft ab- 
wärts gebogen; Schwanz gerade, von den Flügeln überragt; Beine wie der 
Schnabel corallenroth. Auch sie ist ein typischer Charaktervogel der al- 
pinen Region, bewohnt die höchsten Felsen, namentlich dort, wo sie senk- 
recht aus dem Meere emporsteigen. Jedoch lebt sie auch zahlreich in 
Binnengebirgen, erstreckt sich im Norden als Brutvogel sogar bis Ober- 
bayern. Dort kennt sie Jeder, namentlich von ihrem Aufenthalte im 
Winter auf den Aeckern und Wiesen der Thäler. Sie soll weniger ge- 
sellig sein als die Alpendohle; jedoch sah ich auf dem Schafberge einen 
Schwarm von 15 bis 15 Stück. Im Uebrigen lebt und brütet sie ähnlich 
wie jene Art. Auch sind die Eier der beiden fast zum Verwechseln 
ähnlich. 


Rabe, Corvus. 


Schnabel stark, hornschwarz (sehr selten gelb), gross, mittellang, First 
sanft gebogen, am Grunde breit; Flügel und Schwanz verschieden; Beine 
schwarz, Läufe kräftig, mittellang. Man kennt etwa 40 über alle Welt- 
theile verbreitete Arten; ihre Hauptfarbe ist schwarz, doch kommt neben- 
bei auch weiss, grau, braun vor. Sie leben gesellschaftlich, manche sogar 
während der Brutzeit, bauen theils sperrige Nester auf Bäume, theils 
brüten sie in Höhlen. Ihre Eier sind meist grün, dunkelgrün gefleckt. 
Sie nähren sich sowohl von thierischen als pflanzlichen Stoffen. Man hat 
sie in eine Anzahl von (Unter-) Gattungen getrennt, von denen vier durch 
hiesige Arten vertreten sind. Wir wollen diese hier durch Ueberschriften 
andeuten, ohne jedoch die Gattung weiter zu theilen. 


a. Tannenheher. 


Schnabel länger als der Kopf, First und die lange Dillenkaute nur 


Der gemeine Tannenheher. 319 


sehr schwach und gleichmässig gebogen, ohne Haken, Seitenränder gerade; 
Nasendeckfedern kurz; vierte und fünfte Handschwinge die längste; der 
Schwanz, dessen äusserste Feder allein jederseits verkürzt, zur Hälfte von 
den Flügeln bedeckt; Lauf länger als die Mittelzehe. Man kennt nur drei, 
häufig zu den Hehern gerechnete, sehr ähnliche Arten aus Europa und 
Asien, 


I. Der gemeine Tannenheher. 
Corvus caryocatactes L. 

Hehergrösse; dunkelbraun, mit Ausnahme des Scheitels und Bürzels 
mit weissen, auf der Oberseite kleineren, auf der Unterseite starken Tropfen ; 
Flügel und Schwanz schwarz, doch die Schwanzspitze und unteren Sch wanz- 
deckfedern weiss. Auffallend ist die ungemeine Verschiedenheit in Länge 
des Schnabels. Er bewohnt die Fichtenwaldungen, besonders der stillen 
Gebirge in Europa, Nord- und Ostasien, und wandert aus noch nicht 
gehörig aufgeklärten Ursachen in einzelnen Jahren im Herbst, wo er dann 
zigeunerartig theils in Menge und allgemein, theils mehr einzeln und nur 
lokal Deutschland’s Ebenen besucht. Es sind das in der Regel die 
Monate September und October. Auch bleibt er wohl mal bis nach Neu- 
jahr. Von seinem Vorkommen im Frühlinge ist mir nur ein einziger Beleg 
aus dem Münsterlande bekannt (6. April 1865). Obschon man einzelne 
eben flügge Jungen aus dem Thüringer Walde und dem Harz in Samm- 
lungen aufzuweisen hatte, so blieb seine Fortpflanzung doch lange unbe- 
kannt. Er brütet in Fichten und zwar bereits Ende März. Seine Brut- 
plätze im Hochgebirge sind dann theilweise noch unzugänglich. Im 
Schwarzwalde, sowie in den bayerischen Hochgebirgen und im Salzkam- 
mergut, woselbst ich ihn, wie in Tyrol und der Schweiz, häufig im August 
und Anfang September antraf, wird er zahlreich brüten. Die ersten sicheren 
Eier wurden, wenn ich nicht irre, aus den Basses Alpes eingesandt. Sie 
ähneln den Dohleneiern, tragen auf grünlichem Grunde scharfe, nicht sehr 
dichtständige Flecken. Weder in seiner Heimath noch hier bei uns zeigt 
er sich scheu. In jenen Gebirgswäldern hört man überall sein „Errrr” 
oder „Körrr”; doch habe ich es nirgends so häufig gehört, als in der 
Umgegend von Ischl. Bei uns nährt er sich von Baumfrüchten, namentlich 
Haselnüssen. Im Schlunde eines Exemplares fand ich 12, in dem eines 
anderen 16 Haselnüsse, von denen merkwürdiger Weisse mehre bereits 
aufgehackt und entkernt waren, und ausserdem auch noch kleine Schalen- 
stücke. Eicheln und Bucheln verzehrt er ebenfalls; einen schoss ich, als 
er in einem Zwetschenbaume mit dem Verzehren einer Pflaume beschäftigt 
war. In den Alpen soll er den Zirbelnüssen sehr nachstellen und durch 
Aushacken bereits gelegter der Cultur bedeutenden Schaden zufügen. Dass 


320 Sperlingsartige Vögel. 


er auch eine Menge von niederen Thieren verzehrt und viele Vogelbruten 
zerstört, ist nicht zu bezweifeln. In seinem Fluge ähnelt er dem Eichel- 
heher, dem er überhaupt in seinem Leben viel näher steht, als den Raben 


und Krähen. 


b. Elstern. 


Schnabel kräftig, kaum mittellang; Spitze leichthakig, schwach aus- 
gerandet; die Deckfedern der Nasenhöhle reichen bis über den halben . 
Schnabel, Flügel rund, die erste Handschwinge in der Spitzenhälfte sichel- 
förmig und stark verschmälert, vierte und fünfte fast gleich lang, die 
längsten; Lauf viel länger als die Mittelzehe; Schwanz von Körperlänge, 
stark stufig. — Die Elstern leben am Rande bewaldeter, durch fruchtbare 
offene Flächen unterbrochener Gegenden, suchen ihre Nahrung auf dem 
offenen Boden, sowie auch im Gezweig der Gebüsche, nähren sich von 
allerhand thierischen wie pflanzlichen Stoffen, fliegen mit Anstrengung, 
schnell flatternd, in gerader Richtung, ungern über weite Flächen; bauen 
frei stehende sperrige Nester auf hohe Bäume und legen hellgraugrün 
grundirte, dunkelgefleckte Eier. Man hat acht Arten unterschieden, von 
denen 6 in Europa, Asien, Afrika, 2 in Nordamerika wohnen. Abgesehen 
von der gelbschnäbligen Art Nuttalli Aud. aus dem westlichen Amerika, 
sind die andern, da sich Alle sowohl in der schwarzweissen Färbung, als 
auch in der Vertheilung dieser Farben nahe stehen, ausserdem aber auch 
an einem und demselben Orte variiren, oft schwer zu unterscheiden. Der 
starke prächtige Metallschiller, der namentlich die Steuerfedern auszu- 
zeichnen pflegt, und auch wohl als Kennzeichen verwerthet wird, ist nicht 
allen eigen und auch nicht gänzlich constant. Zuweilen freilich erleichtern 
andere Eigenthümlichkeiten die Diagnose. So hat z. B. die nordafrika- 
nische mauretanica Malh. nicht blos keinen starken Schiller an den 
Spitzen der Schwanzfedern und etwas weniger Weiss, sondern auch kür- 
zere Flügel, längere Zehen und einen nackten bläulichen Augenbrau- 
streifen. Der nicht, wie bei den meisten Exemplaren der gemeinen Elster 
graue, sondern schwarze Bürzel kann als Artunterschied nicht gelten, da 
er auch bei dieser so vorkommt. Eine Anzahl Exemplare aus China, die 
ich untersucht habe, alte, flügge und kaum flügge, kann ich als Art von 
der hiesigen Elster nicht unterscheiden. Der Schwanz ist freilich im 
Durchschnitt ein wenig länger, doch variirt er bedeutend; der Bürzel bald 
grau, bald hellgrau, bald weiss, bald schwarz, bald ist diese weisslich 
graue Stelle schmal, bald breit; bei einem Exemplare mit schwacher 
Bürzelzeichnung waren die beiden mittleren Schwanzfedern ohne Schiller. 
Es kann hier nicht der Zweck sein, auf dergleichen Variabilitäten fremder 


Die gemeine Elster. 321 


Elsterformen noch weiter einzugehen; das Eine jedoch möchte ich hervor- 
heben, dass sich nämlich bei hinreichendem Material eine Menge von 
Abweichungen in solchen Theilen findet, die für die Aufstellung von Arten 
verwendet sind. Ich zweifle nicht daran, dass sich bei genauer Unter- 
suchung von bedeutendem Material die für manche einzelnen Arten auf- 
gestellten Grenzen verwischen würden. 


2. Die gemeine Elster. 
Corvus pica P. 

Schwarz, verschieden schillernd, Schulter, Unterbrust und Innenfahne 
der grossen Schwingen bis zur zehnten rein weiss. Der Schiller der 
Flügel blaugrün, der Schwanzfedern grün, gegen die Spitze lebhafte irisi- 
rende Farben; der Bürzel meist weisslich grau, jedoch variirend. So 
zeigten "holländische Exemplare im Leidener Museum diese Stelle: schwarz, 
schwach grau, in der Mitte grau, grau, hellgrau, weissgrau, weiss, breit 
weiss, folglich alle möglichen Zwischenstufen von schwarz zu weiss, jedoch 
sind die Extreme selten und jedenfalls werthvolle Stücke in Sammlungen. 
Die Schwanzlänge, im Durchschnitt 242 Mm., variirt an einer bedeuten- 
den Anzahl untersuchter Exemplare von 220 bis 260 Mm. Doch trotz 
dieser und anderer Verschiedenheiten steht die Elster unter unseren ein- 
heimischen Vögeln so singulär da, dass sie auf den flüchtigen Blick von 
Jedem erkannt wird. Ihre Verbreitung erstreckt sich ausser Europa auch 
über einen nicht unbeträchtlichen Theil von Nord- und Westasien und 
Nordostafrika, da sie in Aegypten und sogar in Nubien noch vorkommt. 
In Deutschland ist sie einer der bekanntesten Vögel, jedoch nicht überall 
gleich häufig, So sehr wie ihr Domieil von der Nähe starker Bäume, 
auch Schonungen abhängig ist, eben so sehr vermeidet sie den eigentlichen 
Wald, namentlich dessen Inneres. Ebenso fordert sie freie offene frucht- 
bare Flächen, Aecker, Wiesen, Gärten. Im Gebirge habe ich sie nie be- 
merkt, dagegen wohl mal ein Paar in den weiten angebauten Thälern 
zwischen höheren Gebirgszügen. Wohl kaum ist eine Gegend Deutsch- 
lands für ihr Vorkommen so günstig, als das mit Wallhecken durch- 
zogene, von Feldhölzern wimmelnde, mit einzelnen kleinen und grösseren 
Landhäusern übersäete Münsterland. Hier begegnet man ihr überall. 
In den alten Eichen auf dem Hofraume der Oekonomien, in den starken 
Obst-, namentlich Birnbäumen ihrer Gärten, in den Pappeln, die bald 
Alleen bilden, bald einzeln oder gruppenweise stehen, sieht man ihre 
sperrigen, bei vieljährigem Gebrauch hoch aufgethürmten Nester überall. 
Ich konnte einst von einem Standpunkte aus ein Dutzend zählen. Sie 
stehen fast stets in den höchsten Zweigen und sind dann nur selten zu 
ersteigen. Es ist fast eine Ausnahme, wenn man sie entfernt von einem 

Altum, Die Vogel. 21 


322 Sperlingsartige Vögel. 


Hause antrifft. Am eigentlichen Waldrande habe ich sie dann nie gefunden, 
sondern entweder in den einzelnen auf den Wallhecken stehenden Eichen, 
oder seltener auch verborgen in einer Kiefernschonung oder einer kleinen 
Lärchenparzelle, häufiger jedoch in den rauhen, hohen Hecken selbst. Das 
Nest enthält von aussen meist Dornen und trägt von diesen einen Helm 
als Bedachung, im Innern eine Erdschicht; das Flugloch ist seitlich. Die 
ıneist gestreckten Eier tragen auf hell schmutzig grünlichem Grunde zahl- 
reiche kleine dichtständige grüngraue Flecken und aschfarbene Schalen- 
flecken. Ist diese Zeichnung ausnahmsweise grob und weitständig, so 
haben die Eier grosse Aehnlichkeit mit denen der Felsendohlen. Das 
Paar, welches bei einem Bauernhause brütet, pflegt sich das ganze Jahr, 
im Herbst mit den Jungen zusammen, auf den zu demselben gehörenden 
Aeckern, Feldern, Wiesen umherzutreiben, besucht jedoch im Winter auch 
gern die etwa in der Nähe vorüberführende Chaussee, die Ufer der offenen 
Bäche, von der Sonne erwärmte Südabhänge des Culturlandes, entfernt 
sich aber nie weit von den Gebüschen und höheren Bäumen. In grösseren 
Gesellschaften sieht man sie selten umherspazieren. Ich habe nur ein 
einziges Mal 12 bis 15 Stück nahe zusammen im Sommer auf einem be- 
bauten Felde beobachtet. Nur zur Nachtruhe versammeln sich die In- 
sassen der Umgegend gern in diehten Gebüschen, jungen Hölzern, Scho- 
nungen. Aus solchen (Erlen, Kiefern, Lärchen) konnte ich des Abends 
wohl einige zwanzig herausstören. Auf dem Boden geht die Elster schritt- 
weise, jedoch etwas wankend, was wegen der bedeutenden Länge des 
Schwanzes auffallend wird; im Gezweig macht sie weniger kühne Sprünge 
als der Heher, zeigt sich jedoch im Durchschlüpfen des Gebüsches als 
Meister. Ihre Nahrung, alles Geniessbare aus dem Thier- und Pflanzen- 
reiche, die der Heher fast nur innerhalb des Baumwuchses sucht und 
findet, nimmt sie sowohl hier als noch häufiger vom offenen Boden. Im 
(sebüsche treibt sie die Nesterplünderei dort, wo sie dichte Hecken und 
dichtes Strauchwerk hat, wie z. B. im Münsterlande, eben so arg als der 
Heher, namentlich müssen wiederum die Bruten der Grasmücken durch 
sie ungemein leiden. Findet man in den Knicks ein solches Nest, so 
kann man fast darauf rechnen, dass es bei Anwesenheit eines Elstern- 
paares in der Nähe nach kurzer Zeit auch von diesem entdeckt und zer- 
stört ist. Auf dem Boden sucht sie in der Fortpflanzungszeit gleichfalls 
nach Nestern. Den Bruten der Lerchen und anderer kleinen Vögel mit 
bodenständigen Nestern, der Rephühner, Wachteln, Fasanen schadet sie 
ungemein, die jungen Enten und Küchlein auf den Oekonomien werden 
arg durch sie decimirt. Da sie diese Räubereien fast nur in den ersten 
Morgenstunden verübt, später am Tage sich aber auf den benachbarten 
Wiesen, Feldern und in den Gärten umhertreibt, so pflegt der Verdacht 


Die gemeine Elster. 323 


gar oft auf irgend einen bösen Iltis oder ein unbestimmtes Etwas zu 
fallen. Sie macht überhaupt an dem Orte ihres Neststandes sehr wenig 
Aufsehens von sich; sie baut sogar das Nest meist unvermerkt in aller 
Frühe, so dass es plötzlich wie hingezaubert erscheint. So lange Elstern 
Eier und Junge haben, lassen sie sich in der Nähe des Nestes nicht hören 
und führen später die Jungen sofort in’s nahe Gehölz, lärmen dann aber 
sehr beim Nahen eines Hundes, Raubthieres, Menschen, fliegen sogar auf 
erstere zu, um sie zu vertreiben oder durch Flattern deren Aufmerksam- 
keit von den Jungen abzulenken. In der Fortpflanzungszeit ist die Elster 
ein sehr schädlicher Vogel, ausser derselben aber hat sie auch ihren 
Nutzen, obwohl derselbe schwerlich den angerichteten Schaden wird auf- 
wiegen können. Zunächst spaziert sie die frisch geworfenen Ackerfurchen 
entlang und ist ein treuer Begleiter des Pflügers. Hier ergreift sie eine 
Menge schädlicher Larven, namentlich die des Maikäfers. Leider hindert 
sie ihre ausserordentliche Scheuheit, die sie auch hier nicht ganz ablegt, 
dem Pflüger sehr nahe zu sein, doch macht sie die Gesellschaft und das gute 
Beispiel der Krähen etwas vertrauter. Dann aber ist sie auf den Feldern, 
Stoppeläckern, Wiesen ein nicht zu unterschätzender Mausefänger. Sie 
ergreift sogar die kräftige, äusserst bissige und eben so schädliche Wühl- 
ratte (Arvicola amphibius). In forstwirthschaftlicher und namentlich jagd- 
licker Hinsicht muss sie unbedingt als schädlicher Vogel bezeichnet werden; 
der Oekonom hat einigen Nutzen von ihr. Ihre sonstige Nahrung, Ge- 
treide, Obst, Feldfrüchte, kann man im Ganzen als indifferent ansehen, 
da sie deren nie in Menge verzehrt. — Man kann sie im Allgemeinen als 
Standvogel bezeichnen, den auch ein herber Winter nicht zum Verlassen 
der Heimath bewegt. Jedoch sieht man im Herbste wohl mehre in nicht 
unbedeutender Höhe durch die Luft wandern. Sie folgen sich dann in 
gerader Richtung dahin fliegend einzeln in grossem Abstande. In ähn- 
licher Weise folgen sich auch die beiden Alten eines Paares, wenn sie 
von einem Gebüsch zum andern herüberwechseln; nie fliegen sie etwa wie 
Enten dicht hinter einander, oder gar neben einander, Im Allgemeinen 
fliegen sie ungern, wenigstens über grössere freie Flächen; ein stärkerer 
Wind erschwert ihnen des langen, im Fluge nachschleppenden Schwanzes 
wegen, das Fliegen sehr. Man sieht sie daher nur bei ruhigem Wetter 
hoch streichen. Beim Niederlassen legen sie abwechselnd die Flügel an 
und breiten sie aus und erreichen so in starken Wellenlinien absteigend 
den Boden. Ihre Stimme, ein kurzes „Kräh”, oder „Schäckeräck”, lassen 
sie häufig hören, und dieses steigert sich zur Paarungszeit zu einem leb- 
haften Geschäcker, etwa „Schäckäckäckäckäck....” Von ihren sonstigen 


musikalischen Talenten, die sie in der Gefangenschaft, namentlich durch 
21* 


324 Sperlingsartige Vögel. . 


unartikulirtes Plaudern vermischt mit einzelnen aufgeschnappten kurzen 
Wörtern, bekunden, vernimmt man bei ihnen in der Freiheit nichts. 


e. Dohlen. 


Körper gedrungen; Schnabel kaum mittellang, kräftig, Mundspalte 
weit kürzer als der Lauf; Flügel mittellang, spitz, die dritte Handschwinge 
die längste, die zweite länger als die sechste; Schwanz mittellang, abge- 
stutzt. Man kennt von diesen kleinen, lebhaften rabenartigen Vögeln nur 
3 Arten aus Europa und Asien. Sie lieben, sogar in der Brutzeit, die 
Gesellschaft ihres Gleichen, brüten in Fels- und Baumhöhlen, fliegen unter 
schnellen Flügelschlägen rasch, wandern in grossen Schaaren und nähren 
sich von thierischen wie pflanzlichen Stoffen. ÖObschon sie den Wald 
nicht vermeiden, so durchschlüpfen sie doch nicht die Zweige und das 
Gebüsch nach Nahrung, suchen letztere vielmehr von den Fruchtbäumen 
oder auf offenen Flächen am Boden. 


3. Die gemeine Dohle. 
Corvus monedula L. 

Schieferschwarz, mit tief stahlschwarzem Scheitel, schwach grün 
schillernden Flügeln und bei den Alten mit schiefergrauem Halse. Letztere 
Zeichnung kann sich wohl zum lebhaften Grauweiss steigern; lris weiss; 
bei den Jungen Alles matter, trüber. Ich habe Exemplare aus Holland 
und Schlesien gesehen, deren Hinterhals und Halsseiten ausserordentlich 
hell, und auch die Rückenfedern mit hell aschfarbenen Spitzen versehen 
waren. In welcher Beziehung solche Färbungen zu der schwarzweissen 
Art dauricus Pall. aus Ostasien (Daurien, Amur, Japan) stehen, kann ich 
nicht entscheiden; die junge daurica gleicht jedoch der jungen monedula 
nach der Färbung vollkommen. — Die Dohle bewohnt den grössten Theil 
Europa’s und das westliche Asien. In Deutschland ist sie allgemein be- 
kannt theils als Brut-, theils als Zugvogel. Als ersterer tritt sie an- 
scheinend unmotivirt sporadisch auf, Ihre Anwesenheit ist nämlich bei 
ihrer höchst ausgeprägten Geselligkeit und ihrem fortwährenden Schreien 
um so leichter zu constatiren, als sie sich überwiegend in Städten ange- 
siedelt hat. Auf den verschiedensten Reisen durch Deutschland habe ich 
sie bald angetroffen, bald vermisst, ohne dass es mir möglich gewesen 
wäre, in den äusseren Verhältnissen dafür einen Grund oder überhaupt 
in ihrer Verbreitung eine Gesetzmässigkeit aufzufinden. Ihre Anwesenheit 
ist freilich durch Vorhandensein alter, hoher, massiver Bauten bedingt, 
so dass sie dort nicht vorkommt, wo diese fehlen; allein manche Ort- 
schaften leiden an solchen durchaus keinen Mangel, und trotzdem haben 


Die gemeine Dohle. 325 


sich die Dohlen dort doch nicht angesiedelt. Im Allgemeinen scheint sie 
freilich im Süden und gebirgigen Gegenden weniger zahlreich zu leben 
als in den Ebenen Norddeutschlands, doch kommen auch Ausnahmen vor. 
Hier bei Neustadt und in der Umgegend ist sie kein Brutvogel, in Ober- 
bayern, z. B. in Schongau, habe ich sie zahlreich angetroffen. Die Grösse 
der Städte mit ihrem Strassenlärm schreckt sie von Ansiedelungen in 
Masse keineswegs ab. In Berlin z. B. lebt sie in grosser Menge. Nirgends 
habe ich sie verhältnissmässig so massenweise gesehen, als in Münster. 
Sie hat sich dort so vermehrt, dass ihr die zahlreichen alten Thürme und 
Kirchen mit ihren Rüstlöchern und tausendfachen Schlupfwinkeln schon 
seit vielen Jahren keinen hinreichenden Raum mehr gewähren. Sie brüten 
daher dort in Menge auch unter den Dächern niedrigerer Gebäude, und 
wenn die Jungen ausgeflogen sind, zieht des Abends gegen Sonnenunter- 
gang eine Schaar nach der andern von irgend einem hohen Thurme ab, 
um ausserhalb der Stadt, in den starken Linden der Promenaden, oder 
gar im Schlossgarten oder den nächsten Wäldern zu übernachten, und 
doch ist der Thurm noch stark besetzt. Diese Ueberfüllung veranlasst 
auch andere Abweichungen von ihrer normalen Lebensweise. Bekanntlich 
brütet die Dohle, so lange sie es vermag, in den Löchern alter Mauern, 
unter Dächern, Sparrwerk u. ähnl,, ausnahmsweise in hohlen Bäumen. 
Dass sie das auch bei Münster einzelu beginnt, ist wenig auffallend, da 
es ja überhaupt nicht selten ist. Ich könnte aus dem Münsterlande wie aus 
dem südlichen Deutschland mehre Belege dafür anführen. Sie ist über- 
haupt nicht so gar wählerisch in der Beschaffenheit ihrer Bruthöhle, 
nimmt sogar auch Felsenspalten und Höhlen als solche an, z. B. in den 
Lechfelsen in der Nähe des eben genannten Schongau. Dass sie aber 
auch dazu gedrängt werden kann, frei auf Bäume zu bauen, wie in 
Münster (Kreuzschanze), möchte vielleicht neu sein. Ihre Nester haben 
dann Aehnlichkeit mit denen der Saatkrähen, welche noch durch den 
nahen Stand mehrer auf benachbarten Bäumen vermehrt wird. Von Elstern- 
nestern unterscheiden sie sich leicht durch ihre flachere, weniger abge- 
rundete und scharf begrenzte Gestalt. Wo sie in solcher Menge als Brut- 
vogel sich eingenistet hat, beeinträchtigt und gefährdet sie schon durch 
ihren Nestbau unsere Interessen. Sie brieht dort in der nächsten Umge- 
bung Tausende von Zweigspitzen aus den Kronen der Bäume, um sie als 
erste Nestlage zu verwenden. Dabei zeigt sie sich keineswegs sehr haus- 
hälterisch. Indem sie nämlich mit einem quer im Schnabel getragenen 
Reise in ihre Nesthöhle dringen will, ist der Eingang dazu natürlich zu 
enge, und das Reis fällt nach einigen fruchtlosen Versuchen zu Boden. 
So häuft sich dort am Fusse der Gebäude eine Masse Reiser an, die durch 
andere ersetzt werden müssen. In den meisten Fällen sind freilich die- 


326 Sperlingsartige Vögel. 


selben trocken, aber nicht stets, und die Gipfel der Bäume, die von den 
Dohlen zum Nestmaterial zunächst befallen zu werden pflegen, zeigen, 
dass deren Arbeit nicht ohne Nachtheil gewesen ist. Ein anderes Moment 
aber ist weit wichtiger. Es wird nämlich Jahr ein Jahr aus durch diese 
Reiser eine derartige Menge leicht brennbaren Zündstoffes in den alten 
Gebäuden angehäuft, dass ein Einschreiten der Sicherheitspolizei gegen 
die Dohlen angemessener erscheint, als das jetzige Gesetz, welches unter 
erheblicher Strafe die „nützlichen” Dohlen in Schutz nimmt. Zum Glück 
holen sich Glöckner und ärmere Leute gar häufig ihr Kaffeeholz aus den 
Thürmen und von den Kirchenböden; doch eine Masse Brennmaterial ist 
dort stets unerreichbar und wegen Blitzgefahr bedenklich. Zur Würdi- 
gung ihres Werthes diene ferner noch die Bemerkung, dass sie wie alle 
anderen Vögel, zur Bildung ihrer Eierschalen Kalk, in welcher Form auch 
immer, verzehren müssen. Die Dohlen machen sich das recht bequem. 
Sie haben den Kalkmörtel, womit die Ziegel ausgeschmjert und verdichtet 
sind in nächster Nähe. Unter dem Dache eines von mir früher bewohnten 
Hauses brüteten 5 Paar Dohlen. Beständig sassen sie im Frühlinge auf 
der First und pickten den Mörtel auf. Bei starkem Gewitterregen im 
Sommer zeigten sich die Folgen. Der Boden schwamm stellenweise vom 
Regen, und die Reparaturen waren gewöhnlich um so kostspieliger, je 
schwerer die beschädigten Stellen erreichbar waren. Doch die Dohle soll 
allen Schaden hundertfach ersetzen durch ihre uns so wohlthätige Nah- 
rung. Sie reinigt unsere Gärten und Felder von einer ungeheuren Menge 
verderblichen Ungeziefers. Wir wollen sehen. Wenn ich aus eigener An- 
schauung berichten darf, fällt sie im ersten Frühlinge in die um die Stadt 
liegenden Gärten und Gartenländereien ein. In Münster pflanzt man als 
Leibgericht sehr viel die grossen Bohnen (Vicea faba) und zwar reihen- 
weise auf Beeten. Wehe der ersten Bohne, die es wagt, die Erde zu 
durchbrechen. Sofort wird nicht nur sie von den Dohlen ergriffen, son- 
dern sie hat Verrath geübt auch an den übrigen. Die Dohlen gehen 
genau den Reihen nach und weichen auch dann nicht aus denselben, wenn 
von oben her noch nichts sichtbar ist. Lässt man sie, wie häufig, vorher 
zu Hause ankeimen, so sind sie sofort den Dohlen verfallen, auch wenn 
‘sich in ihren Reihen noch kein Verräther zeigt. Aehnlich ergeht es den 
gelegten Erbsen. Ganze Reihen derselben werden ausgehackt, was sie 
heute nicht finden, entdecken sie morgen. Was sie von keimenden Säme- 
reien in den Gärten auffinden, wird verzehrt. Sogar ausgesäetes oder eben 
keimendes (Getreide, vorzugsweise Weizen nehmen sie begierig. Endlich 
hört die Plage auf, denn Alles, was gepflanzt und nachgepflanzt, gesäet 
und nachgesäet ist, steht Dank der zahlreichen Scheuchen und Wachen 
im Kraute. Kaum aber zeigen sich die jungen Erbsen in.den Schoten, 


Die gemeine Dohle. 327 


so sind auch die Dohlen wieder da, welche dieselben sehr wohlschmeckend 
finden. Kaum röthen sich die Kirschen, so halten sie sich für ausschliess- 
lich berechtigt, Kirschen zu verspeisen, und sie nehmen nie die schlech- 
testen. Auch Pflaumen und Aprikosen, sogar Wallnüsse können sie ge- 
brauchen. So brandschatzen sie den ganzen Sommer hindurch die Gärten 
und Felder. Wo ihrer nicht viele leben, wird der durch sie angerichtete 
Schaden wohl kaum ernstlich empfunden, da sie sich bei ihren Ausflügen 
bald hierher bald dorthin wenden. Allein anderswo ist derselbe sehr 
empfindlich. Ist endlich gar nichts mehr zu holen, als allenfalls einige 
Kartoffeln, die sie auch nicht ganz verschmähen, dann freilich machen sie 
weitere Excursionen, dann folgen sie dem Pflüger, um aus der umge- 
brochenen Erde die aufgeworfenen Insecten und Regenwürmer zu holen, 
dann gehen sie in die Wiesen, auf die Aenger, und leben dort meist von 
niederen Thieren. Dort freilich kann uns ihre Thätigkeit nur erwünscht 
sein, obgleich gerade auch nicht jeder Regenwurm, den sie verzehren, ein 
Verwüster unserer Culturen ist. Eins aber wolle man zur Würdigung 
ihres Werthes berücksichtigen, nämlich, dass sie.eng vereint auf kleinen 
Flächen schaden und dass sie über grosse Flächen weit verbreitet etwas 
nutzen, Gesetzt also auch, der durch ihre Nahrung entstehende Nutzen 
wäre dem Schaden an und für sich gleich, was freilich durchaus nicht 
der Fall ist, so würde diese Thatsache sie doch zu den relativ schäd- 
lichen Vögeln rechnen lassen. Auf welche exacte Beobachtungen sich 
ihre ausserordentlichen Lobeserhebungen in den Vogelschutzbroschüren 
gründen, ist mir unbekannt. Die Dohle in der freien Natur und die 
Broschürendohle scheinen mir nicht genau zu derselben Spezies zu ge- 
hören. In forstwirthschaftlicher Hinsicht ist die Dohle wohl als ein inditfe- 
renter Vogel zu betrachten. — Rücksichtlich des Wandertriebes zeigt 
sich die Dohle scharf ausgeprägt eben so sehr als Stand- wie als Zug- 
vogel. In den Städten sieht man zu jeder Jahreszeit dieselben Individuen, 
wie sich aus ihrem Betragen, namentlich ihrem Verhalten zu ihren sin- 
gulären Wohnplätzen ergiebt. Ja sie gruppiren sich dort vom Herbst an 
nach einzelnen Paaren, so dass z. B. in einer langen Dohlenreihe auf der 
Wasserrinne eines Thurmes oder der First einer Kirche sich stets zwei 
und zwei näher gerückt sitzen. Auch machen sie von dort her paarweise 
ihre Ausflüge, so dass man sogar in ihren Flügen deutlich erkennt, 
wie sich stets zwei nahe zusammen halten. Eben so kehren sie vom 
fernen Felde her zu ihren hohen Sitzen in der Stadt zurück. Dieses 
sind ohne Zweifel Standvögel. Andere aber ziehen in grösseren und 
kleineren Schwärmen hoch durch die Luft dahin. Man kann in solchen 
einzelne Paare nicht unterscheiden. Vielleicht sind das die diesjährigen 
Jungen. Sie erscheinen erst nach Mitte October, nach meinen Notizen 


328 Sperlingsartige Vögel. 


am meisten zwischen dem 20. und 26. dieses Monates; doch habe ich 
auch schon am 30. September und noch am 7. November einen solchen 
Zug gesehen. Die stärksten, je mehre Hundert Stück, zogen hier am 20. 
und 24. October durch. Sie kündigen sich durch ihren häufigen Ruf „Kia” 
schon aus grosser Ferne an. Wo sie schliesslich bleiben, ob sie zurück- 
kehren, ist mir unbekannt. Ich habe sie nie im Frühlinge ziehen sehen. 
Auch manche andere Erscheinungen scheinen mir räthselhaft. Abgesehen 
davon, dass z. B. vom 19. bis 24. October eine kleine Anzahl des Mor- 
gens die Spitzen der hohen italienischen Pappeln an unserer Akademie 
besetzt hielt und dann spurlos wieder verschwunden war, traf am 21. Mai 
eine einzelne und Mitte Juli eine kleine Schaar dort ein, zu einer Zeit 
also, die gänzlich ausserhalb der Zugperiode liegt. Auch diese verschwan- 
den bald wieder. Dass sie uns in strengen Wintern verlassen, in gelinden 
bleiben, ist faktisch unrichtig. Das Erscheinen jenes isolirten Individuums 
am 21. Mai war um so auffallender, als man überhaupt nur sehr selten 
eine ganz vereinzelte Dohle antrifft. Der Geselligkeitstrieb ist bei dieser 
Vogelspezies in einem sehr hohen Grade ausgeprägt. Sie begeben sich 
-- sogar gern unter Saatkrähen, Rabenkrähen, auch unter Staare. Ihr Flug 
ist von allen inländischen rabenartigen Vögeln am schnellsten; in der 
Paarungszeit sieht man sogar überraschende Flugevolutionen von ihnen, 
sie steigen hoch, überschlagen sich, können sogar ohne Flügelschlag einen 
Thurm umkreisen. Doch führen sie dergleichen Künste nur ausnahms- 
weise aus. Ausser ihrem „Kiah”, was sie fliegend am meisten hören 
lassen, rufen sie dort, wo sie in Menge sich um die begünstigten Sitze 
zanken, unaufhörlich „Jäck” oder „Jäke”, „Keck”, jedoch leise und so zu 
sagen gesprächsweise. Im Nachahmen fremder Töne, menschlicher Worte, 
die man nur in der Gefangenschaft hört, steht die Dohle der Elster und 
dem Heher erheblich nach. Viele lernen nie dergleichen. — Ihre Eier 
tragen auf sehr blassgrünem Grunde ziemlich weitständige scharfe, nie 
sehr lang gezogene dunkelgrüne Flecken und wenige grau durchschimmernde 
Schalenflecke. 


d. Raben. 


Sie enthalten die grössten und robustesten Arten der rabenartigen 
Vögel und bilden ihre typischen Repräsentanten. Schnabel kräftig, über 
mittellang, Firste gekrümmt, Spitze ganzrandig, Dillenkante lang, Mund- 
spalte so lang oder länger als der Lauf, Flügel lang und spitz, die vierte 
Handschwinge die längste, die dritte nur wenig kürzer; Schwanz mittel- 
lang; Lauf kräftig und länger als die Mittelzehe, breit getäfelt. — Die 
grössten Arten dieser Gruppe vertreten die Geier unter den Singvögeln, 


Die Saatkrähe. 329 


was für eine kleine Untergruppe derselben, ausgezeichnet durch einen sehr 
hohen Schnabel, sogar die Benennung Corvultur bezeichnet. Wahrhaft 
monströs hoch und dick erscheint derselbe bei dem nordostafrikanischen 
crassirostris Rüpp.; dahingegen zeigt die Art validissimus Schl. aus Gilolo 
den gestrecktesten Schnabel. Bei den dickschnäbeligen tritt die Bildung 
der Nasenhöhlenborsten zurück. Die Raben gehören dem alten Walde an, 
suchen jedoch ihre Nahrung, welche mehr aus thierischen, wie pflanz- 
lichen Stoffen besteht, auf dem Boden freier Flächen. Sie kommen des- 
halb nur dort vor, wo hohe Bäume mit solchen Flächen abwechseln. Sie 
bauen ihre sperrigen Nester frei auf Bäume und legen grün in grün (m. 
W. einer, capensis Licht., roth in roth) gezeichnete Eier. Man kennt 
etwa 30 verschiedene in allen Ländern und Zonen lebende Arten. Die 
meisten sind einfarbig schwarz, jedoch mit Stahlglanz, einzelne in grösseren 
Partieen weiss oder grau gezeichnet. — Man nennt die kleineren, weniger 
robusten Arten Krähen, die anderen Raben im engsten Sinne. 


4. Die Saatkrähe. 
Corvus frugilegus L. 

Tief schwarz mit lebhaftem stahlblauen Schiller; Schnabel von der 
Länge des Laufs, First schwach gekrümmt, an der Wurzel fast gerade, 
Spitze nicht übergreifend, Schneiden stumpf; Flügel bedecken den stark 
gerundeten Schwanz; Brustfedern zerschlitzt; Borsten über der Nasen- 
höhle fehlen den Alten, die Umgebung der Schnabelbasis dann grindig 
hellgrau. — Die Saatkrähe bewohnt den grössten Theil Buropa’s und das 
westliche Asien, doch habe ich auch eine Anzahl Exemplare aus Japan 
gesehen, die ich von unserer Saatkrähe nicht zu unterscheiden vermochte. 
Abgesehen davon, dass sie als Brutvogel sowohl die höheren Gebirge als 
die ausgedehnten Wälder und baumlosen Ebenen meidet, tritt sie in ihrer 
Heimath höchst lokalisirt auf. Sie brütet nämlich stets gesellschaftlich 
und zwar wohl in solcher Menge, dass man ihre nahe zusammen stehen- 
den Nester, wohl 12 bis 15 auf einem Baume, in einer solchen Colonie 
nach Hunderten zählt. In meilenweitem Umkreise ist dann ein solcher 
gemeinsamer Brutplatz der einzige, der sich auffinden lässt; ja auf viele 
Meilen Entfernung werden keine brütenden Saatkrähen mehr angetroffen. 
Die nächste Colonie in der Umgebung von Münster ist etwa » Meilen ent- 
fernt, und hier bei Neustadt ist mir gar keine bekannt. Die stärkste, 
die ich gesehen, steht in dem Walde bei Düsterbrok am Kieler Hafen. 
Die Saatkrähen bauen nie im Innern eines Waldes, sondern wählen ein 
nur kleines Gehölz von starken Bäumen, Eichen am liebsten, doch auch 
Buchen, sowie Fichten. Auch sollen sie Kiefern nieht verschmähen. 
Ausserdem lieben sie auch stärkere durchsichtige Gruppen alter Bäume, 


330 Sperlingsartige Vögel. 


vorspringende Spitzen eines alten Hochwaldes. Ein Haupterforderniss 
jedoch ist freie Lage eines solchen Gehölzes in Mitte von Wiesen und 
Fruchtfeldern. Wenigstens dürfen diese nicht weit entfernt sein. Gegen 
alles niedrige Gesträuch, junges Gehölz, Schonungen haben sie Abneigung. 
Alte Bäume mit sperrigen Zweigen und vielen Gabelästen werden vorzüg- 
lich bevorzugt. Auf jenen freien Flächen suchen sie ihre Nahrung. Nicht 
mit Unrecht setzt sie schon ihr Name mit den Saaten in enge Beziehung. 
Nach keimendem Getreide sind sie sehr begierig und verzehren auf den 
Saatfeldern eine Menge davon. Weizen und Hafer ziehen sie anderem 
Getreide vor. Jedoch auch die keimenden Hülsenfrüchte werden von 
ihnen stark vernichtet. Nicht minder ist ihnen noch unreifes, weiches 
Getreide eine Lieblingsspeise; Gerste leidet in diesem Zustande am meisten 
von ihnen. Sie ziehen die Aehren herab, knicken die Halme und ver- 
derben eben so viel als sie verzehren. Jedoch halten sie sich dabei 
stets nur an den Rändern. Auch in Erbsenfelder fallen sie vor der Reife 
der Frucht massenweise ein und verzehren dort ausser Insecten auch viele 
Erbsen. Auch weiche saftige Früchte sind vor ihnen nicht sicher. Im 
Uebrigen aber vernichten sie eine Menge niederer Thiere und unter diesen 
eine Masse schädlicher. Sie bohren mit ihrem spitzen Schnabel in den 
Boden der Wiesen, um ausser Regenwürmern auch Käfer-, namentlich 
Laubkäferlarven zu erbeuten; sie folgen dem Pflüger, und lesen Alles, 
was die Pflugschaar an niederen Thieren, Puppen, Larven aufgedeckt hat, 
auf. Sie wirken um so energischer, als sie stets in Menge eng vereint 
ihrer Nahrung nachgehen. Der Boden der von ihren Schaaren besuchten 
Wiesen ist förmlich durchlöchert. Nackte Schnecken vertilgen sie gleich- 
falls in Menge. Sie schaden und nützen; jedoch wird hier, wie bei keiner 
anderen Spezies der rabenartigen Vögel, der Nutzen den Schaden über- 
treffen. Dass sie auch Mäuse verzehren, jedoch auch Vogelnester plün- 
dern und junge Vögel ergreifen, haben sie mit ihren übrigen Gattungs- 
verwandten gemein. Im Allgemeinen jedoch sind sie weit weniger als 
diese auf eigentliche Fleischnahrung angewiesen. An Aas gehen sie nur 
im äussersten Nothfalle. Forstlich wichtig sind sie durch das Abbrechen 
zahlreicher Zweige von den stärkeren Bäumen zum Zweck ihres Nest- 
baues; jedoch habe ich noch keine Colonie gesehen, in deren Nähe sich 
dieses in auffallender Weise an den Bäumen gezeigt hätte. Der Schaden 
schien stets nur gering zu sein. Der niederen Jagd sind sie schädlich, 
Jedoch weniger als andere Arten. Wo sie sich mal eingenistet haben, 
behaupten sie ihre Brutstellen mit seltener Zähigkeit. Da nicht alle 
Waldbesitzer und Oekonomen von dem Nutzen derselben überzeugt sind, 
wenigstens auch ein ganz offenes Auge für den Schaden haben, den sie 
anstiften, so wird ihren Colonien vielfach nachgestellt. Man schiesst die 


Die Raben- und Nebelkrähe. 331 


Jungen, stört die Nester aus, beunruhigt die Alten; aber trotzdem hält es 
schwer, sie zum Vertauschen der einmal ausersehenen Brutstelle mit einer 
anderen zu veranlassen. Nach sehr mörderischen Jagden erscheinen sie 
im nächsten Frühlinge nichts desto weniger wieder. Die Saatkrähe ist 
ein ausgeprägter Zugvogel. Man trifft in kalten schneeigen Wintern aller- 
dings einzelne an, die mit Nebel- und Rabenkrähen auf dem lagernden 
Strassenkehricht, auf Misthaufen, auf Chausseen ihrer Nahrung nachgehen. 
Allein die meisten wandern in grösseren und kleinen Flügen zum milden 
Süden. Sie ziehen entweder unter Geschrei „Krah’” oder „Karr”, „Kurr” 
hoch durch die Luft, wie meist im Herbste, oder sie fliegen niedrig, setzen 
sich auf Getreidefelder und Wiesen, um hier sehr oft in Gesellschaft von 
Dohlen und Staarschwärmen Mahlzeit zu halten, und ziehen dann weiter; 
so meist im Frühlinge. Die Zugzeit im Herbst ist in der Regel Ende 
(23. bis 27.) October; im Frühlinge passiren sie unsere Gegend im März; 
der 3. ist nach meinen Notizen das früheste, der 26. das späteste Datum. 
Von den Krähen hat diese Art ohne Zweifel den leichtesten, gewandtesten 
Flug. An heiteren Frühlingstagen steigen sie bei ihren Colonien oft un- 
geheuer hoch, und verlustiren sich im blauen Aether an allerhand Flug- 
künsten. Fliegend ist sie überhaupt an den längeren Flügeln ‚von der 
Rabenkrähe unschwer zu unterscheiden; sitzend erkennt man sie, abge- 
sehen von dem feineren Schnabel oder gar vom Fehlen der Nasenborsten, 
wodurch ihr Gesicht ein gänzlich abweichendes Aussehen erhält, an der 
spitzeren Gestalt, den längeren Flügeln, der tiefen, stahlschwarzen Fär- 
bung, sowie sie auch gewöhnlich durch ihre grosse, über eine bedeutende 
Fläche mehr oder weniger gleichmässig verbreitete Menge auffällt. — Ihre 
Eier sind nur durch die geringere Grösse von denen der Rabenkrähe zu 
unterscheiden; jedoch pflegt auch ihre Gestalt etwas gestreckter zu sein. 


3. Die Raben- und Nebelkrähe. 
Corvus corone L. et cornix L. _ 

Gefieder schwarz, am Hals und Rücken stahlblau (corone), oder 
schwarz mit aschgrauem Mantel, Brust und Bauch (cornix). Schnabel 
mittellang, kürzer als der Lauf, First sanft, gegen die Spitze stärker ge- 
bogen; die Flügelspitze erreicht die Schwanzspitze nicht; Brustfedern zu- 
gespitzt. — Unzweifelhaft bilden die Raben- und die Nebelkrähe nur zwei 
farbig verschiedene Racen einer und derselben Art, da sie sich weder in 
ihren plastischen Körperverhältnissen, noch in ihrer Lebensweise in irgend 
einer Hinsicht unterscheiden. Auffallend ist dabei die Thatsache der 
lokalen Trennung. In Norddeutschland ist die Rabenkrähe die westliche, 
die Nebelkrähe die östliche Form; im Norden scheint die Nebelkrähe vor- 
herrschend zu sein, doch kenne ich auch Exemplare aus Syrien und 


332 Sperlingsartige Vögel. 


Aegypten, die sich freilich durch eine etwas geringere Grösse sowie durch 
einen merklichen Strich des grauen Mantels in’s Lehmrostfarbige von 
unseren Nebelkrähen unterscheiden. Vom Waggon oder Dampfboot aus 
hat man zuweilen Gelegenheit, die Grenzen der Verbreitung dieser beiden 
Racen zu constatiren. Es ist das um so interessanter, als man nicht 
blos rasch die eine Form allmählich auftauchen und progressiv zur Allein- 
herrschaft gelangen sieht und für die andere das umgekehrte Verhältniss 
beobachtet, sondern auch die an anderen Orten durchaus nicht häufigen 
Mittelformen verhältnissmässig zahlreich zu sehen Gelegenheit hat. Eine 
solche Grenzscheide liegt z. B. zwischen Braunschweig (Rabenkrähe) und 
Magdeburg (Nebelkrähe), ferner in der Mitte zwischen Berlin (N.) und 
Hamburg (R.) bei Wittenberge an der Elbe, ferner zwischen Linz a. d.D. 
(N.) und Wien (R.) etwa bei Krems. Bei Münster (R.), woselbst die 
Nebelkrähe nur im Winter erscheint („Winterkrähe”), habe ich solche 
Mittelformen ganz einzeln, hier bei Neustadt (N.), woselbst das Erscheinen 
einer Rabenkrähe zu den Seltenheiten gehört, dergleichen Uebergangsfär- 
bungen noch nie beobachtet. Dort aber, wo sich beide Racen berühren, 
gehören die beiden Alten eines Nestes gar nicht selten der einen und 
der anderen an, die Jungen sind dann in der Regel die reine eine und 
andere Race, und man muss die Mittelfärbung auch dort als relative 
Seltenheiten und Ausnahmen betrachten. Diese Mittelfärbungen aber bilden 
die allmählichsten Uebergänge von dem einen zum anderen Extrem. Es 
giebt ganz schwarze Krähen, die an den grauen Theilen der Nebelkrähe 
nur des stahlfarbenen Schillers entbehren, andere, bei denen diese Theile 
schieferschwarz, schiefergrau bis endlich fast normal grau sind. Bei an- 
deren tritt die schwarze Färbung in feineren oder breiteren schwarzen 
Schaftflecken in die grauen Felder, namentlich vom Nacken und der Gurgel 
her hinein, auch beginnt sich der Unterrücken düster bis endlich schwarz 
zu färben. Es sei schliesslich noch bemerkt, dass sich beide extreme Formen, 
wie alle Mittelfärbungen, unbegrenzt fruchtbar kreuzen. Bei allen diesen 
Thatsachen wird man schwerlich die spezifische Selbstständigkeit der 
Raben- und Nebelkrähe annehmen dürfen. Wir wollen sie daher hier 
auch nur als die eine Art „Rabenkrähe” (in einigen Gegenden „Rabe”, 
und dort der eigentliche Rabe „Kolkrabe’’ genannt) behandeln. — Ueber 
die Beschaffenheit ihrer Heimath ist nicht viel Abweichendes von der der 
übrigen verwandten Arten zu berichten. Alte Wälder mit angrenzenden 
offenen Feldern, Wiesen, Aengern dienen auch ihnen zum Aufenthalte, 
In jenen übernachten und brüten sie, auf diesen suchen sie vorzugsweise 
ihre Nahrung. An solchen Oertlichkeiten aber leben sie geographisch in 
sehr weiter Ausdehnung. Vorhin wurden bereits Aegypten und Syrien 
für das Vorkommen der Nebelkrähe genannt; die Rabenkrähe kenne ich 


Die Raben- und Nebelkrähe. 333 


nicht blos aus Italien, sondern auch vom Cap St. Vincent, sogar aus 
Japan. Ob die nordamerikanischen z. B. aus Carolina, Wisconsin u. s. w. 
artlich gleich sind, möchte ich nicht behaupten („americanus” Aud.). 
Auch die graue Nebelkrähe hat fremde verwandte Formen, bei denen die 
betreffenden hellen Partieen allerdings nicht grau, sondern weiss (scapulatus 
Daud., Nordamerika, pectoralis (ould., Asien) gezeichnet sind. Bei uns 
lebt sie zumeist in den ebenen Gegenden und ist an den meisten Orten 
wohl Standvogel, jedoch verlegen viele für die Winterszeit ihren Aufent- 
haltsort etwas ohne umher zu streichen. Es sind Wechselvögel. In der 
Umgebung von Münster erscheinen die ersten Nebelkrähen gegen die 
Mitte October, der 9. ist der früheste, der 23. der späteste Termin ihres 
ersten Eintreffens gewesen. Im Frühlinge waren in einzelnen Jahren be- 
reits am 9. März keine grauen Krähen mehr vorhanden, während man 
in anderen am 20. die letzten sah. Hier bei Neustadt, wo stets nur 
Nebelkrähen leben, ist dieser Wechsel nicht zu constatiren. Am Tage 
sieht man sie paar- oder truppweise auf Aeckern, Wiesen, an Ufern, 
Böschungen nach Nahrung umhersuchen, des Abends fliegen sie zum gemein- 
samen Nachtstande, nachdem sie wohl eine halbe, ja eine ganze Stunde 
vorher umherkreisten, aufbäumten, wieder kreisten, bis sie endlich bei 
schon tiefer Dämmerung einzeln abziehen. Des Morgens versammeln sie 
sich vor ihrem Ausschwärmen gern auf bestimmten hohen Bäumen. Hier 
bei Neustadt sind die Spitzen der sehr starken italienischen Pappeln am 
Akademiegebäude des Winters jeden Morgen mit 40 bis SO Nebelkrähen 
besetzt. Sie beginnen bei noch tiefer Dämmerung die lıohe Warte ein- 
zunehmen. Eine einzelne setzt sich und ruft laut in das nebelhafte 
Dunkel hinein, bald kommt eine zweite, dritte, bis alle Bewohner der 
Umgebung sich dort versammelt haben. Sie bäumen hier in ähnlicher 
Weise auf, wie sie des Abends auf ihren Nachtstand einfallen. Kaum ist 
der Tag hereingebrochen, so streichen sie ab, um in den umliegenden 
Gärten und auf den Feldern ihrer Nahrung nachzugehen. Des Abends 
sieht man sie einzeln und in kleinen Schaaren den Wäldern zueilen. Ihre 
Nahrung ist kaum bestimmt zu bezeichnen, da sie so zu sagen Alles fressen ; 
jedoch scheinen ihnen thierische Stoffe am liebsten zu sein. Lebende 
kleine Säugethiere und Vögel verspeisen sie sehr gern; sie plündern die 
bodenständigen Vogelnester, z. B. der Becassinen, Rephühner, Fasanen, er- 
greifen die Eier, wie die Küchlein, fangen aber auch die Feldmäuse. Der 
niederen Jagd sind sie unbedingt schädlich, der Oekonomie nützlich. Das 
Fleisch von grösseren Thieren, z. B. Maulwürfen, jungen Hasen, schälen 
sie geschickt aus der Haut, wobei letztere umgewendet wird. Noch grössere 
Thiere greifen sie nur an, wenn diese ermattet oder verwundet sind, Aas 
bildet ihr Lieblingsgericht, sogar erfrorne Fische nehmen sie gern. Ver- 


334 Sperlingsartige Vögel. 


endeten Hasen und sonstigen grösseren Thieren hacken sie zuerst die 
Augen aus. Ausserdem verzehren sie auch niedere Thiere, Regenwürmer, 
nackte Schnecken, Insectenlarven. Aus den Teich- und Flussrändern holen 
sie die Muscheln und Wasserschnecken hervor, und zerhacken am Ufer die 
Schalen, um zu den Thieren zu kommen. Dem Pflüger folgen sie, um 
die ausgepflügten Engerlinge, Würmer, u. dergl. aufzulesen. Auch aus 
dem Pflanzenreiche dienen ihnen die verschiedenartigsten Gegenstände als 
Nahrung, Getreide, Rüben und sonstige Wurzeln, Kartoffeln, Beeren. Vom 
Königl. Oberförster zu Münster Hrn. Dobbelstein wurde mir die Mit- 
theilung gemacht, dass er einst zur Rettung der gelegten Eicheln die 
Krähen abschiessen lassen musste, da diese fortwährend auf seine Culturen 
einfielen und dieselben völlig zu ruiniren drohten. Obgleich ich geneigt 
sein möchte, einen solchen Forstfrevel eher von der Saatkrähe, welche 
ja überhaupt von allen rabenartigen Vögeln am meisten auf Vegetabilien 
angewiesen ist, als von der Rabenkrähe zu erwarten, so bürgt mir doch 
die einfache Bezeichnung „Krähe” von dem genannten genauen Kenner 
unserer Thierwelt dafür, dass die Rabenkrähe, welche dort eben stets 
„Krähe’”’ ohne weiteren Zusatz genannt wird, der Thäter war. An Nadel- 
hölzern frevelt sie ferner mehr als andere Vogelarten durch Abbrechen 
der Spitzen, indem sie sich dieselben zum Ruhepunkte auserwählt und 
dann durch ihr zu grosses Gewicht abbricht. Man sieht diese Beschädi- 
gungen besonders häufig an Fichten. Weder der Forstmann noch der 
Jäger hat besondere Veranlassung, sich über eine grosse Menge Krähen 
im Reviere zu freuen. Der Oekonom kann sie willkommen heissen. In- 
direct nutzen sie auch der Fischerei. Wo sich nämlich ein Reiherstand 
befindet, siedeln sich auch Krähen an und diese plündern die Reiherhorste 
nach den Eiern auf ganz arge Weise. Der Reiher thut merkwürdiger 
Weise so gut wie gar nichts, um die sich lüstern heranschleichende Krähe 
zu vertreiben. Während er ihr einige komische Stellungen entgegen 
macht und sich in feindliche Position zu setzen "sucht, ergreift sie schnell 
ein Ei und entflieht rasch, worauf sich dann jener, als wenn nichts passirt 
wäre, zum Brüten niedersetzt. Finden sich jedoch zu viele Krähen ein, 
so wird die ganze Colonie aufgehoben, die Reiher verziehen sich aus der 
Gegend. Die sperrigen, jedoch nicht sehr grossen Nester der Krähen 
stehen meist hoch auf starken Bäumen, wo möglich auf Eichen. Rand- 
bäume und kleine durchsichtige Gruppen werden am meisten bevorzugt; 
auch auf Chauseepappeln (P. canadensis) habe ich sie wiederholt brütend 
gefunden. Auf ganz isolirte Bäume. bauen sie weniger gern. Sie ver- 
meiden die Nähe menschlicher Wohnungen, doch habe ich schon mitten 
in Münster in den alten Linden des Domplatzes ein brütendes Krähenpaar, 
das auch seine Jungen erzog, entdeckt. Im nächsten Frühlinge betrachteten 


Der Rabe. 335 


die Dohlen das Nest als gute Prise. Gesellig brütet die Krähe nicht. 
Nur an besonders begünstigten Orten, z. B. in der Nähe eines Reiher- 
standes, in dem einzigen Bichenwäldehen einer ausgedehnten Feldmark, 
findet man in einem gegenseitigen Abstande von etwa 50 bis 100 Schritt 
die Nester. Die Eier sind stets grün in grün gezeichnet, die Zeichnungs- 
flecke bald spärlicher bald so zahlreich, dass sie den hellen Grund ganz 
oder fast ganz bedecken. Die Stimme der Krähe hat ihr den deutschen 
Namen verschafft, doch wird der Ton mannigfach modifieirt; es scheint 
aber mehr individuelle Eigenthümlichkeit zu sein, die den Vokal des ge- 
wöhnlichen, unter sonderbarer Halsbewegung, oder im Fliegen unter gleich- 
zeitigem Anziehen der Flügel hervorgebrachten Schreies bald als ä, bald 
als oa erscheinen lässt. Beim Necken und Verfolgen eines schwerfälligen 
grösseren Raubvogels, besonders eines Bussards, rufen sie Karr, karr. Im 
Frühlinge hört man auch noch wohl besondere Laute, z. B. Klong, von 
ihnen. 


6. Der Rabe. 
Corvus corax L. 


Schwarz mit blauem und grünlichem Stahlglanz, Kehlfedern ver- 
längert; Schnabel sehr stark, von der Länge des Laufes, die First der 
ganzen Länge nach gekrümmt, der Öberschnabel über den Unter- 
schnabel herabgebogen; die Flügel bedecken den stark abgerundeten 
Schwanz, die sechste Handschwinge länger als die zweite — Der 
Rabe oder Kolkrabe bewohnt einen grossen Theil der Erde, den 
Norden beider Welten, und steigt auf der östlichen Halbkugel bis 
Afrika, auf der westlichen bis Mexiko herab, und lebt sowohl in den 
Ebenen als in den Gebirgsländern. In Deutschland kennt man ihn allent- 
halben, theils als Brutvogel, theils als Durchstreifer; jedoch gehört er 
fast überall unter die selteneren Vögel. Im Münsterlande kann man 
ihn als relativ häufig ansehen, doch steht in einem Umkreise von etwa 
einer Meile selten mehr als ein Horst, hier bei Neustadt zeigt er sich 
sehr spärlich. Nur ausser der Brutzeit sieht man mehr als zwei Stück 
zusammen, indem sich entweder mehre beim Aase einfinden (so bei Mün- 
ster bei einigen Fuchscadavern 9 Stück), oder im Frühlinge oder Herbste 
beim Herumstreifen. Die grösste Anzahl sah ich 1855 Anfangs April 
bei Stettin, nämlich 30 Stück. Seine Brutstellen sind denen der Krähen 
ähnlich; auch er fordert nämlich alte Wälder mit benachbarten offenen 
Flächen, als Wiesen, Weiden, Aecker. Er baut nur auf sehr starke 
Bäume, stets sehr hoch, dort, wo oben vom Stamme ein starker Seitenast 
abgeht, meist mitten im Walde. Einzeln stehende Bäume, sowie Rand- 
bäume verschmäht er. Nichts desto weniger war die äusserst starke 


336 Sperlingsartige Vögel. 


Schwarzkiefer (ein kolossaler astreiner Stamm und in einer Höhe von 
30 Meter eine gewaltige schirmförmige Krone) auf dem Gute Dieckburg 
bei Münster eine lange Reihe von Jahren von einem Rabenbrutpaare be- 
setzt. Der Fall ist um so merkwürdiger, weil der Rabe sonst die Nähe 
des Menschen flieht. In starken Kiefern habe ich wiederholt seinen Horst 
gesehen, zumeist jedoch in Eichen, einmal in einer Pappel. Er scheint 
überhaupt keine Baumart besonders zu bevorzugen, wenn sie nur sonst 
die ihm erforderlichen Eigenschaften besitzt. Am Brutorte duldet er kein 
zweites Paar, sogar schafft er sich die Krähen aus der Nähe. Dort kreisen 
raubvogelartig die Alten in schönen Spiralen und erheben sich oft wolken- 
hoch, wobei sie ausser ihrem gewöhnlichen Rufe, einem tiefen „Kra”, auch 
andere wohllautendere Töne, z. B. „Klong”, hören lassen, jedoch habe ich 
dieses Klong auch schon von einem Raben auf einem Baume vernommen. 
Zieht ein fliegender Rabe nicht sehr hoch, so hört man deutlich ein starkes 
Rauschen bei jedem Flügelschlage. Von einer Krähe ist ein solcher leicht 
an dem auffallend dieken Schnabel, der breiteren Flügelbasis sowie an 
dem starken fingerförmigen Spreizen der Spitzen seiner Handschwingen 
zu unterscheiden. Seine Nahrung nimmt auch er mehr aus dem Thier- 
als Pflanzenreiche und sucht sie auf offenen Flächen. Wegen seiner 
grösseren Stärke greift er auch grössere Thiere an, verschmäht aber kleine 
keineswegs und liebt vorzüglich Aas. Für die niedere Jagd ist er der 
grösste Ruin. Was er an Eiern, jungen Vögeln, kleinen Säugethieren mit 
seinem scharfen Blicke erspähet, wird erfasst und verzehrt. Wahrhaft 
komisch war der Anblick, der mir vor Jahren gewährt wurde, als ein 
Rabe auf einem Felde, auf dem eine Gänseheerde weidete, ein eben ge- 
legtes Gänseei entdeckte, es mit dem Schnabel umspannte (nicht auf- 
spiesste) und nun eiligst davonflog. Zur Winterszeit fällt manches matte 
Wild dem Raben zur Beute. Kranken, kraftlosen Schafen hackt er schon 
bei noch lebendigem Leibe die Augen aus; gefallenes Wild entdeckt er 
sofort; junge Enten raubt er sogar vom Wasser. Der Oekonom hat es 
der grossen Scheuheit des Raben zu danken, dass er ihm sein Hofgeflügel 
nicht deeimirt; dieselbe Furchtsamkeit hindert ihn aber auch, dem Pfluge 
zu folgen und so durch Vertilgen von ausgeworfenen Insectenlarven zu 
nutzen. Am meisten nutzt er wohl durch Vertilgen von Feldmäusen, 
doch bei seiner Seltenheit ist auch dieser Nutzen von keiner Erheblich- 
keit. Er brütet bereits im ersten Frühlinge, etwa Mitte März. Sein 
grosser sperriger Horst enthält 5 Eier, welche bis auf die stärkere Grösse 
denen der Krähen gleichen. In gebirgigen und felsigen Gegenden soll er 
auch in Felsklüften horsten. Jung ausgenommen wird er sehr zahm und 
ergötzt durch sein meisterhaftes Talent, menschliche Worte, Hundegebell 
und allerhand unorganische Töne nachzuäffen, wird jedoch durch seine 


Raubvögel. 337 


Diebereien, Mördereien am Hausgeflügel und Beissen oftmals unangenehm. 
— Eine forstwirthschaftliche Bedeutung ist ihm nicht beizulegen; der 
Jäger hat allen Grund, ihn als seinen Feind anzusehen und zu behandeln. 


Kl: Ordnung. Raubvögel, Raptatores. 


Kräftig gebaute Nesthocker, mit hakig übergreifendem, an 
der Basis mit einer die Nasenlöcher enthaltenden Wachs- 
haut überzogenem Oberschnabel, nach hinten gewen- 
deter Innenzehe und stark gekrümmten Raubkrallen. 


Der Körper der Raubvögel ist kräftig, gedrungen, namentlich die 
Brust breit, die Schenkel stark; das Schultergerüst ist besonders kräftig 
entwickelt, die Schlüsselbeine stark, der Brustbeinkamm hoch, die Flügel- 
knochen stark und mit Leisten zum Ansatz der Flugmuskeln versehen. 
Der Flügel enthält starre Handschwingen, welche sich auf die breiten 
Handknochen inseriren, die Armschwingen nie verkürzt, 12, selten 14 
kräftige Steuerfedern. Der kurze, höchstens mittellange Schnabel zeichnet 
sich durch scharfschneidige Ränder, der Öberschnabel durch hakig über- 
greifende Spitze aus, hinter welcher der Rand entweder gezähnt oder ge- 
schweift erscheint. Eine nackte, farbige, in der Regel wachsgelbe Haut 
(„Wachshaut”’) überzieht die Basis des Oberschnabels, in welcher die 
offenen oder durch Federborsten verdeckten Nasenlöcher liegen. Mit der 
Farbe dieser Wachshaut correspondirt event. die der nackten Umgebung 
der Augen, sowie der nackten Läufe und Zehen. Der Rachen breit. Der 
Scheitel flach, häufig durch Supereiliarknorpel noch mehr verbreitert; 
der Kopf im Allgemeinen rund. Oberschenkel lang; Tarsen mittellang, 
selten sehr verlängert, die Zehen mit scharfen, stark gekrümmten, unten 
meist rinnig vertieften Krallen versehen, die von aussen nach innen an 
Stärke zunehmen. Die äussere Vorderzehe oft Wendezehe. Die Speiseröhre 
durch seitliche Ausbuchung in der Regel zu einem starkwandigen Kropfe 
erweitert, in welchem event. die unverdaulichen Nahrungstheile, als Haare, 
Federn, Knochen, Inseetenpanzer, von den weicheren Theilen entfernt, 
und zu sog. Gewöllen zusammengeballt werden, die die Vögel durch den 
Schnabel wieder auswerfen. In den weichhäutigen Magen gelangen nur 
die weicheren Theile; jedoch verdauen einige Arten auch die härtesten 
Knochen. Sie bauen ihre grossen Nester theils auf hohe Bäume und 

Altum. Die Vögel. 22 


338 Raubvögel. 


Felsen, theils in Baum- oder Felshöhlen, theils auf die Erde, sogar in 
Erdhöhlen. Ihre Eierzahl steht mit ihrer Grösse im umgekehrten Ver- 
hältnisse. Ihre lange hülfsbedürftigen Jungen sind meist mit weissem, 
doch auch mit graubuntem Flaumgefieder bekleidet. Ihre ersten Contour- 
federn weichen gewöhnlich in Zeichnung und Färbung von dem Kleide der 
Alten, welches oft erst nach mehren Jahren angelegt wird, ab. Im Allge- 
meinen von düsterer, brauner Färbung zeigen sie im hohen Norden ein 
weisses, im heissen Süden ein rostiges Gefieder; die Männchen sind häufig 
lebhafter gefärbt als die Weibchen, an Körpergrösse stehen sie diesen 
nach. Manche Arten varüren stark, andere zeigen ein mehr beständiges 
Aeussere. Von ihren Sinnesorganen steht das scharf- und fernsichtige Auge 
obenan; sie “übertreffen hierin sämmtliche übrigen Thiere. Manche ver- 
mögen sehr leise zu hören. Die hohe Entwickelung der übrigen Sinne 
ist zweifelhaft. Sie erbeuten als Nahrung meist warmblütige Thiere, theils 
durch Schnelligkeit ünd Gewalt, theils durch plötzliches Ueberraschen. 
Einige leben nur vom Aase, andere nur von selbstgefangenen frischen 
Thieren. Man kennt fast 400 Spezies, die in allen Zonen und Regionen 
über die ganze Erde verbreitet sind. Sie gruppiren sich in 4 Familien, 
15 Unterfamilien und zahlreiche, etwa 80, Gattungen. Viele der letzteren 
enthalten Arten, die sich nur auf einen schmalen Tropengürtel, auf irgend 
einen Erdtheil, oder eine Halbkugel beschränken, wogegen andere Formen 
in verschiedenen Arten auf der ganzen Welt vertreten sind. Wenn wir 
von der einen afrikanischen Art Gypogeranus serpentarius, einem adler- 
artigen Raubvogel mit Stelzbeinen, der für sich eine besondere Familie 
bildet, absehen, so gruppiren sich alle übrigen als Eulen, Falken, Geier, 
welche sämmtlich in Deutschland ihre Vertreter haben. 


1. Familie. Eulen, Strigidae. 


Körper gedrungen, Kopf sehr gross, Scheitel breit, die Knochen der 
Schädelhöhle sehr maschig; die grossen Augen nach vorn gerichtet. Um 
diese liegen radienartig starre Gitterfedern, „Schleier”, welche die Wachs- 
haut und grösstentheils auch den Schnabel verdecken, die Schallwellen 
für die Ohren jedoch leicht durchlassen. An beiden Seiten hinter der 
weiten Öhröffnung, die häufig durch eine Hautfalte sogar eine Art von 
Öhrmuschel erhält, stehen gewöhnlich im Halbkreis mehre Reihen starrer 
dichter Federn, welche sowohl durch ihre Stellung als durch ihre Biegung 
einen schallauffangenden Hohlraum bilden. Diese Einrichtung ist Mit- 
bedingung ihres scharfen Gehöres und verleiht den Eulen ausserdem, 
zumal wenn leuchtende Augen oder gar ohrförmig aufgerichtete Feder- 
büschel hinzukommen, ein katzenartiges Aussehen. Die Augen ruhen fest 


üulen, 339 


in ihren Höhlen, der Kopf aber ist auf dem kurzen, nur 9 Wirbel ent- 
haltenden Halse äusserst wendbar. Die Flügel sind breit und abgerundet, 
Jedoch keineswegs kurz, die Handschwingen sichelförmig gebogen und die 
erste, auch zweite und dritte, ja wohl bis zur sechsten, am äussersten 
Rande ihrer Aussenfahne gefranset; der Schwanz kaum mittellang, sogar- 
kurz; das ganze Gefieder sehr weich, elastisch und locker; ihre Beine 
mittellang, doch stark in dem lockeren Gefieder versteckt; die Schenkel 
und Zehen bei den meisten Arten peizartig dicht befiedert; jedoch giebt 
es auch Arten mit tagraubvogelartig nackten Ständern und Zehen; der 
Lauf äusserst platt, die Krallen sehr scharf und spitzig; die äussere Zehe 
eine Wendezehe; ein Kropf fehlt. Die Eulen nähren sich vorzugsweise 
von kleinen Säugethieren, weniger von Vögeln und Insecten. Sie sitzen 
ruhig auf einer Warte, horchen sehr scharf nach jedem Laute und blicken 
unter fortwährendem Kopfwenden umher. Sie nähern sich der erspähten 
Beute in lautlosem Fluge und überfallen dieselbe meuchlings von oben. 
Einen fliegenden Vogel vermögen sie nicht zu erjagen. Ihr Flug erlaubt 
überhaupt weder schnelle noch gewandte Bewegungen; doch machen die 
am Tage munteren Arten einige Ausnahme. Die lichtscheuen Spezies 
ruhen am Tage mit geschlossenen oder blinzelnden Augen an dunklen 
Verstecken, in Baum-, Erd- und Felshöhlen oder im Waldesdunkel auf 
Zweigen oder auf beschattetem Boden und beginnen ihr munteres Leben 
in der Dämmerung. An solchen Verstecken findet man ihre Gewölle in 
Menge aufgehäuft. Sie sitzen immer fast senkrecht aufgerichtet, wobei ihre 
Füsse ganz von Federn verhüllt werden und der Schwanz senkrecht herab- 
hängt. Glauben sie sich von einer Gefahr bedroht, so legen sie das Ge- 
fieder knapp an, drücken sich an den Stamm, auf dessen Zweig sie ruhen, 
und blinzeln nur mit den Augen. Sie sind dann in hohem Grade unkennt- 
lich, wozu auch ihr wellig gezeichnetes Gefieder mitwirkt. Bei Tage auf- 
gescheucht eilen sie rasch einem nahen Verstecke zu und werden dann 
von vielen kleinen Vögeln lärmend verfolgt. Nordische Arten, deren 
Heimathsonne zur Zeit ihrer Fortpflanzung, in der sie zur Erziehung ihrer 
Jungen die meiste Nahrung erbeuten müssen, längere Zeit hindurch nicht 
untergeht, sind wahre Tagraubvögel. Ihr Geschrei ist meist ein unheim- 
liches Heulen. Im Affect knappen sie laut mit dem Schnabel. Sie brüten 
in Höhlen, auch frei auf Bäumen oder auf der Erde, und legen ohne 
Ausnahme rein weisse, meist rundliche und schwach glänzende Eier. Man 
kennt etwa 150 verschiedene Arten, welche in drei Unterfamilien und 
zahlreiche, theils arme, theils artenreiche Gattungen zerfallen, und alle 
Zonen der Erde bewohnen. Mehr als bei den übrigen Raubvögeln finden 
sich bei den Eulen cosmopolitische Gattungen, d. h. solche, deren Arten 


einzeln in allen Erdtheilen zerstreut wohnen. Cosmopolitische Arten giebt 
22% 


340 Raubvögel. 


es bei ihnen vielleicht nicht, doch haben einige eine ungemein weite Ver- 
breitung, während andere lokal sehr beschränkt auftreten. Die nordischen 
Spezies sind eircumpolar. — Da sich alle Eulen sowohl in ihrem Aeusseren 
als in ihrer Lebensweise so sehr ähneln, dass fast jede Art als typischer 
Repräsentant der ganzen Familie gelten kann, so wird es zweckmässig 
sein, wenn wir hier bei der Behandlung der wenigen einheimischen Spe- 
zies für diese nur die eine Gattung Strix in Anwendung bringen und 
die hauptsächlichsten Verschiedenheiten innerhalb derselben durch Ueber- 
schriften andeuten. 


Eule, Strix. 


Charakter der Familie. — Wir wollen sie eintheilen in glattköpfige 
und in Öhreulen. 


ee Glattköpfige Eulen. 
a. Schleiereulen. 


Schnabel erst an der Spitze gekrümmt; Vorderrand des Ohres unten 
scharfwinklig ausgezogen; Schleier sehr stark ausgeprägt, herzförmig, Augen 
relativ klein; Flügel lang, nur die erste Handschwinge mit gefranseter 
Aussenfahne; Lauf befiedert, länger als die Mittelzehe, Zehen nackt, 
höchstens mit spärlichen Borsten besetzt, fein beschuppt; Schwanz kurz, 
von den Flügeln überragt. — Nur wenige mittelgrosse Arten, die jedoch 
in allen Welttheilen ihre Vertreter haben. Ihr ausgezeichneter Schleier, 
der im Leben zu einer verzerrten Herzform seitlich eingezogen wird, hat 
ihre Benennung veranlasst. Ihr Gefieder ist äusserst weich und ausser- 
dem sehr zart und gefällig von Farbe und Zeichnung. Sie bewohnen 
altes wüstes Gemäuer, grosse Gebäude, Ruinen und fliegen von dort bei 
bereits tiefer Dämmerung nach offenen Plätzen nach Raub aus. 


I. Die Schleiereule. 
Strix flammea L. 

Mittelgross; Schnabel weisslich; Iris dunkelbraun; Gesicht weiss, um 
die Augen röthlich; der Federkranz sehr abstechend, braun, herzförmig, im 
Tode scheibenförmig; Oberseite zart aschgrau mit weissen nach von schwarz 
begrenzten kleinen Perlen („Perleule”) an den Federspitzen; Unterseite 
atlasweiss bis gesättigt rostgelb, ungefleckt oder mit spärlichen oder zahl- 
reichen Punkttropfen; Lauf lang und dünn, nach unten mit abnehmender 
Befiederung; Zehen fast nackt, nur mit Borsten schwach besetzt; Krallen 
fein, spitzig, die der Mittelzehe am Innenrande gezähnelt. Gefieder sehr 


Kauze. 341 


zart und weich. — Diese sehr schöne Eule hat vielleicht eine ausser- 
ordentlich weite Verbreitung, doch mag ich nicht entscheiden, ob die in 
Australien lebenden Schleiereulen, welche mir nur farbig von der unsrigen 
abzuweichen scheinen, mit dieser artlich als gleich zu betrachten sind. 
Auch für amerikanische Formen hege ich denselben Verdacht. Unbe- 
stritten bewohnt sie jedoch ausser Europa einen grossen Theil des west- 
lichen Asiens und Nordafrika. In Deutschland ist sie nirgends selten, 
und überall um so bekannter, je enger sie sich bei ihrem auffallenden 
Aeusseren den menschlichen Wohnungen anschliesst. Sie bezieht jedoch 
nur grosse, wüste, namentlich alte Gebäude, in den belebtesten Städten 
wie auf dem Lande. Hier sitzt sie am Tage in Thürmen, auf Kirchböden, 
in altem Mauerwerk in der Regel auf irgend einem Pfosten. Sobald die 
Dämmerung eingetreten, vernimmt man ihren gezogenen heiseren, schnar- 
chenden Ton, den sie in längeren Intervallen von da ab die ganze Nacht 
hören lässt, wenn sie nicht gerade auf einem Raubfluge begriffen ist. Sie 
fliegt nach Beute, kleinen Säugethieren, Mäusen und Spitzmäusen, in’s Freie, 
in grössere Gärten, Wiesen, an Hausteiche, auf’s nahe Feld. Die Menge 
Hausspitzmäuse (Sorex araneus), sowie Wasserspitzmäuse (S. fodiens), 
welche sie mehr als eine andere Eulenspezies verzehrt, zeugen für ihr 
Jagdterrain. Nach letzteren, von denen man zuweilen nebst anderer Beute 
6 bis 10 Stück an ihren Schlupfwinkeln als Ueberreste der Jagd in der 
vorhergehenden Nacht findet, lassen vermuthen, dass sie sich jagend viel 
am Wasser umhertreibt. Ihre langen Läufe und deren spärliche Befiede- 
rung würden dieser Lebensweise sehr entsprechen. Von Mäusen und Wühl- 
mäusen verzehrt sie gleichfalls eine grosse Menge. Auch Fledermausreste 
von drei Spezies, sowie Vogelschädel habe ich in ihren Gewöllen gefunden, 
jedoch im Allgemeinen nicht häufig. Grössere Thiere scheint sie nie, 
Inseeten nur äusserst selten zu erbeuten. Sie ist bei uns Standvogel, lebt 
stets einsam und wird nur ganz ausnahmsweise im Walde und auch dann 
in der Nähe von grösseren Gehöften angetroffen. Sie brütet früh. Die 
Eier, länglich und ohne Glanz (6 bis 9), liegen fast ohne von den Alten 
herbeigeschaffte Unterlage auf Mulm, Stroh, Schutt, wie sich solches auf 
den Böden häufig vorfindet. Am 5. April schlüpften bereits die Jungen 
aus, während am 930. d. M. in einem anderen Jahre die Eier noch ganz 
frisch waren. Junge im September stammten wohl von Alten, denen die 
erste Brut zerstört war. Häufig brüten sie in Taubenschlägen; in einem 
Falle benutzte eine Schleiereule und eine Taube dasselbe Nest. Mit den 


Tauben leben sie überhaupt friedlich zusammen. 


b. Kauze. 


Schnabel von der Wurzel an gekrümmt; Vorderrand des Ohres scharf- 


342 Raubvögel. 


winklig ausgezogen; Schleier stark ausgeprägt, gross, rundlich; Augen 
gross, Iris tiefbraun; Flügel mittellang, stumpf, die vierte und fünfte 
Handschwinge die längsten, wenigstens die beiden ersten am Aussenrande 
gefranset; Lauf dicht befiedert, desgleichen die Zehen mit Ausnahme 
mehrer amerikanischen nackzehigen Arten, Kralle der Mittelzehe ganz- 
randig; Schwanz von den Flügeln nicht überragt. — Die Kauze leben in 
etwa 20 Arten in fast allen Welttheilen; Europa hat drei Spezies auf- 
zuweisen, eine nordische ceircumpolare, eine östliche und eine überall ver- 
breitete; Afrika besitzt nur eine Art eigenthümlich; die übrigen leben in 
Asien und Amerika. Es sind wahre Nachtvögel, welche diesen Typus 
durch ihre grossen nächtlichen Augen, sowie durch ihre graubunte Ge- 
fiederfarbe wohl am reinsten ausprägen. 


2. Der Waldkauz. 
Strix aluco L. 

Mittelgross, gedrungen, diekköpfig; Schnabel gelblich; die einzelnen 
Federn der Unterseite mit dunklen Schaftflecken, welche in feinere Quer- 
wellen verlaufen; Schulter- und Flügeldeckfedern mit scharf begrenzten 
weissen birnförmigen Flecken; die sechs ersten Handschwingen an der Aussen- 
fahne gefranset; Schwanz nur etwa 2 Cm. vorragend. Die Färbung des 
Gefieders ist zweierlei, entweder grau oder braun, letzteres wohl sogar 
fuchsig braun; die Zeichnung, zahlreiche Flecken und Strichel, in dem- 
selben Tone dunkler, also grau in grau oder braun in braun. — Der 
Waldkauz bewohnt ausser Europa Nordafrika und einen Theil von Asien. 
Bei uns ist er überall, wo es alte Wälder und starke Bäume giebt, ge- 
mein. Am Tage ruht er im dicht belaubten oder benadelten Walde gern 
auf einem starken Aste hart am Stamme; dort sitzt wohl mal das Paar 
enge zusammen. Gern auch wählt er, wenn kein dichtes Blätterdach ein 
angenehmes Halbdunkel hervorbringt, in einer Baumhöhle. Sehr heb ist 
ihm für einen solchen Aufenthalt ein alter Kopfbaum, eine Kopfeiche, 
Buche, Weide. Aus einem solchen kann man ihn bei jedem Spaziergange 
durch Anklopfen herausscheuchen; ja einzelne derartige Bäume werden 
so sehr von ihm bevorzugt, dass, wenn der Insasse geschossen wird, sich 
nach einiger Zeit jedesmal wieder ein anderer Waldkauz dieses Versteck 
als Wohnung ausersehen hat. Solche Eulenbäume stehen sowohl im 
Walde selbst, als am Rande desselben, ja sogar in Obstgärten und an 
viel befahrenen Landwegen. Gebäude verschmäht er als Domicil keines- 
wegs und lebt und brütet in denselben sowohl auf dem Lande als in 
belebten Städten. In letzteren aber nur dort, wo grössere ruhige Garten- 
complexe mit starken Bäumen in unmittelbarer Nähe liegen. Des Abends 


Der Waldkauz. 343 


wird das träumerische Geschöpf lebhaft. Er fasst Posto auf einer er- 
habenen Stelle, etwa auf einem Randbaume, Dachfirste, Schornstein, Garten- 
mauer, von wo er ein offenes Terrain weithin übersehen kann. Gern lässt 
er dort vorher, ehe er seine Jagden beginnt, sein „Kliwitt, kliwitt”, und 
sein „Huhuhuhu” ertönen. Jedes Piepen einer Maus oder Spitzmaus, 
jedes Rascheln im Laube, jede Bewegung auf dem Boden nimmt seine 
Aufmerksamkeit in Anspruch. Plötzlich fliegt er ab von seiner Warte, 
und lässt sich fast wie ein Stein aus der Luft auf seine Beute fallen. 
Auf einer niedrigen Mauer, welche zwei Gärten trennte, sah ich ihn einst 
unmittelbar an meiner Wohnung in voller Eile hin und her laufen, bald 
in den einen, bald in den anderen Garten spähen, bis er plötzlich abflog 
und eben so plötzlich mit seiner Beute zurückkehrte, sie rasch verschlang, 
um dann dasselbe Spiel zu wiederholen. Er ist bei weitem weniger wäh- 
lerisch als die Schleiereule. Mäuse und Wühlmäuse bilden das Gros seiner 
Nahrung, auch viele Maulwürfe müssen unter seinen scharfen Krallen 
bluten, Panzertheile grösserer Insecten findet man sehr häufig in seinen 
Gewöllen, ja in Maikäferflugjahren habe ich einzelne Gewölle gehabt, die 
nur aus Maikäferfragmenten bestanden; der Schädel eines Hermelins in 
einem Gewölle zeigte, dass auch dieses scharfe Raubthier vor ihm nicht 
sicher ist. Froschreste habe ich in Hunderten von untersuchten Gewöllen 
nie gefunden; Vogelschädel nicht häufig. Jedoch greift er, wenn er Jungen 
hat, sogar die Haustauben an, mit denen er vorhin, ähnlich wie der fried- 
fertige Schleierkauz, traulich unter einem Dache gewohnt hatte. Er brütet 
nämlich auf Hausböden, in alten Thürmen u. ähnl. eben so gern als in 
hohlen Bäumen. Ja mir sind mehre Beispiele bekannt, dass er verlassene 
Krähennester annahm. Er brütet schon früh, bereits Mitte Februar. Bei 
gelinder Witterung wohl schon Ende Januar hört man den Paarungsruf, 
sein „Fauchen”. Am 7. März habe ich schon etwas bebrütete, am 11. und 
15. bereits stark bebrütete Eier erhalten. Seine 5 bis 7 Eier sind rund- 
lich und schwach glänzend. So einfältig und furchtsam er am Tage er- 
scheint, so muthig kann er sich des Abends zeigen. Ich erinnere mich 
dabei an einen Fall, wo Jemand in der Dämmerung in eine ziemlich hohe 
Kopfweide gestiegen war, um Ruthen zu schneiden. Ein Waldkauz musste 
das für unberechtigt halten. Er stiess aus der Luft herabschiessend nach 
ihm, schwenkte sich im Bogen wieder aufwärts und wiederholte den An- 
griff fort und fort, immer näher rückend, bis endlich der Quidam im 
Baume mit der Mütze schlagend ihn abwehren musste. Er wäre bei 
seinem sehr unbequemen Stande unter diesen abwehrenden Bewegungen 
vom Kauze beinahe aus dem Baume herabgeworfen worden. 


344 Raubvögel. 


3. Der Uralkauz. 
Strix uralensis Pall. 

Ueber mittelgross; Gestalt wegen des längeren zugespitzten, die Flügel 
etwa 6 Cm. überragenden Schwanzes scheinbar gestreckter; Schnabel gelb- 
lich; Gefiederfarbe weissgrau, unten graulichweiss mit einfachen dunklen 
Schaftflecken; Schwanz mit abwechselnden, gleich breiten, je 7 bis 8 
dunklen und hellen Querbinden; die fünf ersten Handschwingen gefranset. 
— Der Uralkauz (Habichtseule) bewohnt den Osten von Europa und 
Sibirien. In Östpreussen ist er eben keine Seltenheit, noch in Steiermark, 
Galizien, Curland Brutvogel; im mittleren Deutschland bis jetzt nur sehr 
vereinzelt angetroffen. Auch dieser Kauz ist ein ausgeprägter Waldvogel, 
nährt sich zumeist von kleineren Säugethieren und brütet in hohlen 
Bäumen. 

Der fast Uhugrösse erreichende, doch schmächtiger gebaute Lapp- 
landskauz, Strie lapponica Retz., ein Bewohner des hohen Nordens, 
Brutvogel in Lappland, unterscheidet sich durch seine kleinen Augen, gelbe 
Iris und gestreckte Gestalt bedeutend von den übrigen Kauzen. Auch er 
ist grau in grau gezeichnet und an den 9 concentrischen dunklen Kreisen 
in seinem Gesichte leicht zu erkennen. Für Deutschland ist seine Er- 
scheinung eine grosse Seltenheit. Seine Eier sind verhältnissmässig klein. 


e. Tageulen. 


Schnabel von der Wurzel an gekrümmt; Vorderrand des Ohres glatt, 
ohne einen vorspringenden Hautlappen; Schleier undeutlich; Augen relativ 
klein, lebhaft, Iris hellgelb; Flügel rund, kürzer als der Schwanz. — Die 
Tageulen, von denen man gegen 50 verschiedene, in allen Welttheilen 
lebende Arten kennt, unterscheiden sich in ihrem Wesen durch grössere 
Lebhaftigkeit am Tage von den übrigen Arten. Je höher nach Norden 
hinauf, desto schärfer ist ihr Tagesleben den nordischen Verhältnissen 
(tage-, ja wochenlanger Sonnenschein zur Brutzeit) entsprechend ausge- 
prägt, desto mehr aber weicht auch ihr Aeusseres, ihr kleiner Kopf, 
kleines lebhaftes Auge, langer Schwanz, von dem Typus der Eulengestalt 
ab. Bei ihrer Gefiederfärbung herrscht eine weisse Fleckenzeichnung auf 
Grau oder Schwarz vor. Doch auch in dieser Hinsicht machen sich die 
klimatischen Verhältnisse der verschiedenen Zonen, in denen sie leben, 
geltend. Bemerkenswerth ist ferner ihre höchst verschiedene Grösse. 
Während eine boreale Art fast Uhustärke erreicht, zählen die übrigen zu 
den kleinen, ja allerkleinsten Eulen. Sie zerfallen nach allen diesen Ver- 
schiedenheiten in mehre Untergattungen, von denen wir bei uns im nörd- 
lichen Deutschland nur einen einzigen allgemein bekannten Repräsentanten 


Die Sperbereule. 345 


als Brutvogel besitzen. Aus dem hohen Norden erscheinen, wenngleich 
als seltene Gäste, im Herbst und Winter zwei andere Tageulen, eine 
dritte ebenfalls nördliche Spezies ist mehrfach im Herbste bei uns ange- 
troffen, eine vierte endlich gehört mehr dem Süden und den gebirgigen 
Gegenden an, ist im südlichen Deutschland stellenweise schon Brutvogel, 
schwerlich aber schon im nördlichen vorgekommen. 


4. Die Sperbereule. 
Strix nisoria Bechst.*) 

Unter Mittelgrösse; Schnabel gelb; Kopfseiten am Ohr mit grossem 
halbmondförmigen schwarzen Fleck; Oberseite braungrau mit weissen 
Flecken; Unterseite weiss mit feinen schwarzen Querbändern (gesperbert); 
der Schwanz lang, keilförmig, braungrau mit S bis 10 feinen weissen 
Querbändern; Lauf und Zehen stark befiedert. — Das Vaterland dieser 
hübschen, gefällig gestalteten kleinen Eule ist der hohe Norden beider 
Welten. In Europa kennt man sie blos in Lappland als Brutvogel; im 
nordischen Amerika, Labrador, Grönland, den Hudsonsbay-Ländern scheint 
sie zahlreicher zu brüten. Bei uns in Deutschland erscheint sie nur als 
seltener Gast. Ich selbst habe sie nur ein einziges Mal, im Herbste 1841, 
im Fleische erhalten, wo Jemand sie zufällig auf der Jagd in der Nähe 
von Münster geschossen hatte. Mehrfach ist sie jedoch daselbst auf der 
Bekassinenjagd auf offenen Haiden mit Wachholdersträuchern gesehen. Sie 
zeigte sich dann so scheu und flüchtig, dass sie nicht bis zur Schuss- 
nähe aushielt. Sie ruhte häufig auf einem Wachholderbusche, strich ge- 
wandt ab und ähnelte im Fluge einem bald dahin gleitenden, bald rudern- 
den Sperber, vermochte sogar zu kreisen. Ein am 12. December 1826 
bei Burgsteinfurt (etwa 4 Meilen von Münster) erlegtes Exemplar war 
schon einige Tage vorher gesehen, flog oft von einem Baum zum andern, 
auch auf die Erde, erhob sich sogar mit Leichtigkeit wie ein Falk hoch 
in die Luft. Diese Eule, die Tageule im reinsten Ausdruck, beträgt sich 
überhaupt tagraubvogelartig, jagt frei am Tage und übernachtet auf Bäumen. 
Vom Sperber, mit dem sie im Fluge verwechselt werden könnte, unter- 
scheidet sie jedoch der dicke Kopf. In seltenen Fällen ist sie wohl mal 
in mehren Exemplaren zusammen angetroffen; auch in ihrer Brutgegend 
(Lappland) soll sie an denselben Stellen in verschiedenen Jahren bald 
spärlich bald häufig vorkommen. Ihre Eier, 6 in einem Neste, von etwas 


*) Der Artname »isoria Bechst. ist hier wegen der so trefflichen Bezeich- 
nung gegen das Prioritätsgesetz beibehalten, zumal da die anderen älteren Be- 
zeichnungen anderweitig vergeben oder unpassend sind. Die Synonyme dieser 
Art sind folgende: zuwla L., hudsonia Gm., funerea Lath. et Cuwv., canadensis et 
frei hudsonis Briss., doliata Pall., arctica Sparrm., borealis Less. 


346 Raubvögel. 


länglicher Gestalt, kommen meist von Nordamerika in den Handel. — 
Sie hat unter den Eulen keinen nächsten Verwandten und repräsentirt 
somit allein eine singuläre Tageulenform. 


5. Die Schneeeule. 
Strix nycetea L. 

Fast Uhugrösse; Sehnabel schwarz; Gefieder schneeweiss, selten ohne 
schwarze Flecken, bei jüngeren zahlreich schwarzfleckig; Lauf und Zehen 
sehr dicht und lang, fast haarartig befiedert. — Auch diese Tageule, die 
grösste von allen, bewohnt eircumpolar den hohen Norden. Ihre Gestalt 
ist eine typische Eulengestalt, der Schwanz überragt die Flügel etwa 
2 bis 3 Cm. In unserem Vaterlande erscheint sie gleichfalls selten, jedoch 
an den Küsten der Ostsee in Pommern, Mecklenburg, Holstein in ein- 
zelnen Jahren verhältnissmässig zahlreich. In Westfalen ist sie meines 
Wissens nur einmal, bei Wünneberg vom ÖOberförster Witte, jetzt in 
Gross-Schönebeck, erlegt, der die Güte hatte, dieses Exemplar unserer 
akademischen Sammlung zu schenken. Bei Münster soll sie einmal ge- 
sehen sein. Auch sie ist ein flüchtiger Tagraubvogel, der jedoch seiner 
Grösse und auffallenden Färbung wegen, wenn er sich zeigt, stets Auf- 
sehen erregt. Im hohen Norden nährt sich diese Eule auch von grösseren 
Thieren; den Schneehühnern soll sie sehr nachstellen. Dass sie, nebst 
der Sperbereule, den Zügen der nordischen Lemminge feindlich folgt, ist 
bekannt. Sie horstet auf Felsen und dem flachen Boden. Ihre Eier sind 
etwa von der Grösse starker Hühnereier. — Auch sie ist für sich allein 
eine besondere Tageulenform. 


6. Das Steinkäuzchen. 
Strix noctua Retz.*) 

Ein kleines, sehr kurz gedrungenes Eulchen mit dickem, niedrig- 
stirnigem Kopfe; Schnabel gelblich, Iris sehr hell, fast weiss; Oberseite 
braungrau mit weissen Tropfen, Unterseite weiss mit starken, jedoch seit- 
lich ausgekerbten Schaftflecken; der kurze, weisslich quergebänderte Schwanz 
wird von den kurzen Flügeln, deren erste Handschwinge kurz, die vier 
folgenden, die Spitze bildenden, fast von gleicher Länge sind, bedeckt 
Läufe dicht befiedert, Zehen fast nackt, nur mit Borsten besetzt. — Das 
Steinkäuzchen (kleiner Kauz) bewohnt Mittel und Südeuropa, lebt in der 


*%) Synonyme: jasserina Nills., Cuv., Kaup, Boie, nudipes Nilss., meridionalis 
Risso, persica Vieill., numida Levaill. 


Das Steinkäuzchen. 347 


kleineren, statt weiss mehr rostig gezeichneten Form (meridionalis Riss.) 
auch noch in Nordafrika und verbreitet sich über Westasien. In Deutsch- 
land ist der Steinkauz überall bekannt, jedoch nur an wenigen Stellen 
häufig. Wo alte hohle Bäume in der Nähe von wüsten Gebäuden, Baum- 
gärten und freien Plätzen stehen, siedelt er sich am liebsten an. Man 
kann nicht sagen, dass sein deutscher Name sehr passend wäre. Man 
findet ihn allerdings in Steinbrüchen, alten Gebäuden, auf Thürmen, grossen 
Böden, Mauerwerk, allein eben so häufig in Kopfweiden, alten knorrigen 
Wallhecken, alten Eichen, überhaupt in hohlen, verwachsenen, einzeln oder 
gruppen- oder reihenweise, auf oder an Feldern, Weiden, Gärten stehen- 
den Bäumen. In den uralten Kastanienbäumen (Castanea vesca) beim 
Schlosse Lembeck (Wulfen, Westfalen) brüten stets mehre Paare. Ein 
eigentlicher Waldvogel ist er nicht. Auch lebt er meist niedrig; doch 
habe ich ihn schon oben auf der First eines hohen Hauses gesehen. Er 
ist weit weniger Tageule, als die beiden nordischen Arten, hält sich an 
heiteren sonnigen Tagen vielmehr in seiner Höhle oder unter dem dichten 
Schutze eines starken Blätterdaches ruhig. Allein schon vor Sonnenunter- 
gang, an trüben Tagen schon in den Nachmittagsstunden zeigt er sich gar 
nicht selten munter und geht dann auf die Jagd. Gern treibt er sich 
dann zwischen Gebäuden, einzelnen starken Bäumen und in den an- 
stossenden Gärten umher. Stört man ihn am Tage auf, so frappirt sein 
von den übrigen Eulen gänzlich abweichender Flug; er bewegt sich dann 
nämlich spechtartig in Wellenlinien. In einiger Entfernung sucht er dann 
in den starken Aesten eines Baumes Zuflucht, schmiegt sich enge an einen 
solchen an und ist dann nicht leicht wieder aufzufinden. Seine Stimme 
ähnelt bald dem „Uhu” des Uhu, bald dem „Kliwitt” des Waldkauzes, 
ist jedoch weniger hohl als der erste, weniger scharf als der letzte Schrei. 
Auch modifieirt er seinen Ruf häufig in „Quiu” oder „Quiw”. Bei uns 
ist er Standvogel, er streicht wenigstens nur unregelmässig. Seine Nah- 
rung besteht ausser Mäusen und seltener kleinen Vögeln aus grösseren 
Insecten, namentlich Käfern, die er vom Boden aufnimmt. Ich habe in 
seinen Gewöllen wenigstens kaum andere Käfer als Laufkäfer, namentlich 
Carabus cancellatus, granulatus und nemoralis, gefunden. Sein Nest 
steht in der Regel in Baumhöhlen und enthält 5 bis 7 ziemlich grosse 
rundliche Eier. — Der Steinkauz steht durchaus nicht als vereinzelte 
Eulenform da, sondern er hat etwa 40 nahe Verwandte in allen Welt- 
theilen, für die man die Gattung Athene aufgestellt hat. Ueber die Hälfte 
von diesen lebt in Asien und auf den ostindischen Inseln. Sogar Austra- 
lien hat in etwa 6 Arten diese Eulenform (doch grösser und langschwänzig) 
aufzuweisen. In Europa ist er der einzige seiner Verwandtschaft. 


348 Raubvögel. 


7. Das rauhfüssige Käuzchen. 
Strix dasypus Bechst.*) 

Grösse und allgemeine Färbung (des alten Vogels) ähnlich wie noctua; 
Schnabel gelb; der Federkreis um das Gesicht stark (Ausnahme von den 
Tageulen); Flügel spitzer, da die dritte Schwinge die längste; der Schwanz 
länger, dessen Spitze 2 Cm. von den Flügeln unbedeckt bleibt; Läufe 
wie Zehen dicht befiedert. (Der junge Vogel bis auf einige weisse Flecken 
der Schwung- und Schwanzfedern dunkel kaffeebraun.) — Dieses Tag- 
eulchen scheint vorzugsweise den nördlicheren Gegenden anzugehören und 
lebt dort sowohl in Europa als in Asien. In Deutschland erstreckt es 
sich südlich vielleicht nur bis zum Harz. Jedoch seine relative Selten- 
heit, sein verborgenes Leben, zumeist aber seine Aehnlichkeit mit dem 
gemeinen Steinkauz, wegen welcher er gewiss in vielen Fällen unbeachtet 
und unverwerthet geblieben ist, bedingen für ihn noch manche Unsicher- 
heit in unserer Kenntniss. Was ich selbst über ihn aus der Umgegend 
von Münster erfahren, ist sehr wenig. Im Laufe einer langen Reihe von 
Jahren wurden daselbst zwei Stück, beide im Walde zufällig geschossen, 
das eine bei Herbern, das andere im October 1862 bei Telgte. Das letzte 
verspeiste tief in einer Kiefernschonung am hellen Tage eine eben ge- 
fangene Kohlmeise. Diese Thatsache ist insofern interessant, als sich diese 
Art dadurch als Tageule manifestirtee Auch das Herbern’sche Exemplar 
soll sich munter und flüchtig gezeigt haben. _ Beide Fälle aber bestätigen 
die fremden Angaben, dass diese Spezies eigentlicher Waldvogel ist. Im 
Innern von Gebäuden scheint sie noch nicht vorgekommen zu sein. 


8. Die Sperlingseule. 
Strix passerina L.**) 

Dieser Zwerg unter den einheimischen Eulen übertrifft den Haus- 
sperling an Körpermasse, ist aber kaum länger als er; Kopf relativ klein, 
Schnabel gelb; Oberseite olivenbräunlich mit hellen Tropfen und Flecken, 
Unterseite weiss mit dunkelbraunen Schaftflecken; Flügel kurz, lassen 
den mit 4 bis 5 weisslichen Querbinden versehenen Schwanz zur Hälfte 
frei; Füsse und Zehen dicht befiedert. — Dieses äusserst kleine 
Eulchen bewohnt gleichfalls den Norden von Europa und Asien. Südlich 
kommt es in Deutschland noch am Harz vor; ja sogar in Schlesien sind 
einige Exemplare erbeutet. Es bewohnt den tiefen Wald, besonders Ge- 
birgswaldungen und entzieht sich dadurch, zumal bei seiner geringen 
Grösse, der Beobachtung sehr. In Deutschland gehört es ohne Zweifel 
überall zu den seltenen Vögeln. Es ist ein munterer und ausgeprägter 


*), Synonyme: Junerea L., noctua Tengm., Tengmalmi Gm., passerina Pall. 
**) Synonyme: fygmaea Bechst., pusilla Daud., acadica Tem. 


Öhreulen. 349 


Tagvogel, wenn es auch den Waldesschatten den hellen sonnigen Flächen 
vorzieht, fliegt leicht und rasch, raubt am Tage und nährt sich von kleinen 
Säugethieren, Vögeln und Inseceten. In seinem ganzen Verhalten lässt es 
nichts von dem schläfrigen, mürrischen Wesen der Nachteulen erkennen. 


B. OÖhreulen. 


Ueber den Ohren stehen aufricktbare Büschel verlängerter Federn; 
der Vorderrand des Öhres nicht scharfwinklig ausgezogen; Schleier deut- 
lich; Iris gelb; Schnabel schwarz oder schwärzlich. Man kennt über 50 
verschiedene Arten, welche sich zu 5 Untergattungen gruppiren lassen. 
Diese stehen sich häufig eben so schroff in Grösse, Zeichnung, Habitus 
gegenüber, als sich die Arten innerhalb dieser einzelnen Gruppen zu ähneln 
pflegen. Letzteres ist nicht selten in einem solchen Grade der Fall, dass 
gerechte Bedenken gegen die Speziesdignität mancher Formen kaum ab- 
zuweisen sind. 


9. Die Sumpfohreule. 
Strix brachyotus Gm. 


Kaum mittelgross; Kopf relat. klein; Ohrbüschel nur von 3 bis 4 
kleinen Federchen gebildet; Augenkreis ringsum schwarz; Oberseite rostig- 
gelb mit dunkelbraunen und weisslichen Flecken; Unterseite hell rostig- 
gelblich mit einfachen, nicht seitlich in Querwellen auslaufenden dunkel- 
braunen Schaftflecken; Flügel auffallend lang, am Vorderrande etwas 
sichelförmig gebogen, erste Handschwinge länger als die vierte. — Die 
Sumpfohreule hat eine ausserordentlich weite Verbreitung. Auf der östlichen 
Halbkugel reicht sie als Brutvogel vom Eismeere bis zu den Mittelmeer- 
ländern, erstreckt sich durch ganz Sibirien, wird beim 71° n. Br. eben 
so gefunden als in China und Nepal, ist auf den Sandwichsinseln, Ber- 
muda, Cuba heimisch, ja zieht sich fast durch ganz Amerika von Labrador 
bis zum nördlichen Patagonien. In Deutschland erscheint sie meistens 
nur vorübergehend als Gast. Im Spätherbst, etwa Mitte September bis 
Mitte October pflegt sie sich bei uns einzustellen und den ganzen März 
hindurch uns wieder zu verlassen. Bald bleibt sie im Winter bei uns, 
bald sehen wir sie nur als Passanten, bald tritt sie in grösserer Anzahl 
auf, bald gewahrt man kaum eine. Doch brüten auch manche Paare in 
unseren Gegenden. Häufig und allgemein geschieht das freilich nicht; 
zeit- und stellenweise aber kann sie wohl mal als zahlreicher Brutvogel 
eine Landschaft beleben. Es scheint ein solches aussergewöhnliches Phä- 
nomen durch massenhaftes Auftreten von Mäusen in niedrigen Bruchge- 
genden bedingt zu sein. So brüteten im Jahre 1857, in dem die Brand- 


350 Raubvögel. 


und Zwergmaus sich in den Brüchern zwischen dem Elb- und Saalzusam- 
menflusse zu einer Calamität vermehrt hatten, daselbst gegen 200 Paare. 
Auch im vorigen mausereichen Jahre (1872) traf ich in der Garbe (bei 
Wittenberge an der Elbe) diese Eule in mehren Paaren brütend an. Die 
Mäuse, welche ich dort sah, waren die gemeine Feld- und die Ackermaus 
(Arvicola arvalis und agrestris). Hier zeigte sie sich als Tageule. Es 
war am IS. und 16. Juni. Ihre Jungen waren etwa halbwüchsig. Schon 
auf der Hinreise (14.) sah ich auf der Elbe eine solche Eule hoch durch 
die Luft ziehen. Am folgenden Tage gaukelte ein Weibchen in heller 
Mittagssonne in kühnem Fluge, bald sich mit weit ausholenden Flügel- 
schlägen hoch erhebend, bald mit taubenartig erhobenen Flügeln sich her- 
abstürzend über den mit Weiden cultivirten Flächen hin. Plötzlich stürzte 
es sich mitten zwischen sieben ruhig auf dem Boden umhersuchende 
Krähen und trieb diese in eilige Flucht. Unmittelbar darauf attaquirte 
es einen schwarzen Milan, fortwährend aus der Höhe auf ihn bald von 
dieser, bald von jener Seite herabstürzend, und auch dieser konnte nur 
sein Heil in eiliger Flucht suchen. Am folgenden Tage wurde ein er- 
schlagener Bussard heimgebracht, und auf meine Frage nach den näheren 
Umständen, erzählte man mir, er sei mit einer solchen Eule aus der Luft 
gefallen, die Eule sei vor dem hinzulaufenden Knecht leider geflohen, 
der Bussard aber von ihm erschlagen. Ich bemerke hierbei, dass dort 
wegen der starken Fasanenzucht alles Raubzeug eifrig verfolgt wird, und 
auch von den Sumpfeulen war schon eine Anzahl vor meiner Ankunft 
daselbst erlegt. Im Fluge ist diese Eule ihrer langen, am Vorderrande 
etwas sichelförmig gebogenen, und bei Tageslicht auf der Unterseite blen- 
dend weiss erscheinenden Flügel wegen ein gar stattlicher Vogel. Die 
Art und Weise, wie sie gleichsam tanzend und sich wendend und schwen- 
kend unter äusserst grossem Schlagwinkel dahin rudert, giebt der ganzen 
Erscheinung ausserdem noch den Charakter des gänzlich Ungewöhnlichen, 
und die Nachfrage und das Staunen einer Jagdgesellschaft ist daher sehr 
erklärlich, wenn im Winter bei einem Treiben eine solche Eule aufgestört 
wird. Ich habe sie jedoch auch schon bei bereits hereingebrochener Däm- 
merung jagen sehen. Sie flog dabei niedrig und erinnerte an Weihen 
und Möwen. Aus Haidekraut, Rübenfeldern, trockenen Sumpfstellen mit 
höherem Krautwuchs u. dergl. stört man sie am Tage häufig auf. Sie 
fliegt dann in der Regel niedrig am Boden hin, um sich bald wieder zu 
setzen, baumt aber auch gern auf, um bequemer nach dem Störenfried 
Umschau zu halten. Eine Tageule ist sie nicht; aber sie nimmt zwischen 
diesen und den Nachteulen unbestritten eine Mittelstellung ein. Auch 
ihr kleiner Kopf und ihr kleines lebhaftes Auge mit feiner guttgelben 
Iris scheint diese Stellung zu bekunden. Von ihren äusserst winzigen 


Die Waldohreule. 351 


Öhrbüscheln sieht man selten etwas, da diese nur im Affeet aufgerichtet 
werden. Sie besucht oder bewohnt weder den Wald noch Felsen und 
Gemäuer, sondern ruht und brütet am Boden, an offenen niedrigen mit 
höherem Krautwuchs und auch stellenweise etwas Gestrüpp besetzten Oert- 
lichkeiten. Sie legt meist 6 bis 7 Eier. 


10. Die Waldohreule. 
Strix otus L. 

Kaum mittelgross; Ohrbüschel gross, aus 6 Federn bestehend, nie 
zu verbergen; Oberseite gelbrostfarben und weisslich, grau und schwarz- 
braun gezeichnet; Unterseite hell gelblichrostfarben mit starken schwarz- 
braunen in 4 bis 6 feine Querwellen verlaufenden Schaftflecken; Flügel 
mittellang, überragen den Schwanz; erste Handschwinge kürzer als die 
vierte; Iris dunkel chromgelb. — Die Waldohreule lebt in dem grössten 
Theile von Europa und Nordasien und zieht im Winter bis Nordafrika. Viel- 
leicht ist die nordamerikanische Form americana Gm. mit ihr identisch, 
so dass sie dann auch den neuen Continent bewohnt. Ihre deutsche 
Benennung ist für ihren Aufenthalt sehr bezeichnend, da sie im scharfen 
Gegensatze zu der vorhergehenden ein ausgeprägter Waldvogel ist. In 
den jüngeren lückigen Wäldern und Schonungen finden wir sie im 
Gebirge wie in der Ebene, im Laub- wie Nadelholze, schwerlich jedoch 
tief in alten Hochwäldern. Am häufigsten traf ich sie in kleinen 
Gehölzen und zwar stets an dichten dunkelschattigen Stellen. Aus 
Scheu vor dem einfallenden Tageslichte wählt sie daher auch lieber Nadel- 
als Laubholz. An solchen Stellen sitzt sie hart an den Stamm gelehnt 
auf einem Aste, zieht bei verdächtigen Gegenständen, etwa bei Annäherung 
eines Menschen, die Federn knapp an und macht sich stabartig lang und 
dünn. Diese komische Gestalt wird dadurch noch mehr verzerrt, dass 
sie dabei die Augen, ja oft nur ein Auge schmal ritzenförmig öffnet. Auf 
einer mit Kiefern und Birken lückig bestandenen Haideparzelle habe ich sie 
am Tage auch schon aus dem hohen Haidekraut aufgestört, nie aber in 
Baumhöhlen oder Gemäuer angetroffen. Sie ist eine wahre Nachteule; 
nur bei tiefem Dämmerlichte zeigt sie sich munter. Man sieht sie dann 
jedoch verhältnissmässig nicht sehr oft, da sie sich meist niedrig umher- 
treibt und sich ferner weit weniger auf offene Felder begiebt als etwa 
der Waldkauz, mit dem sie oft das Tagesversteck theilt. Sie hält sich in 
der Regel nahe am Walde, oder jagt innerhalb desselben auf den Blössen 
und lückigen Stellen. Hier hört man auch ihren gedehnten, fast wie 
„Uhuk” klingenden Ruf, sowie den lauten Schrei (aus der Ferne dem 
eines Rehkitzes ähnlich) ihrer flüggen Jungen, hier im Frühlinge ihr tauben- 
artiges Klatschen mit den Flügeln. Auch die Reste ihrer Nahrung, 


352 Raubvögel. 


welche ihre Gewölle bieten, unter denen die von Arwcola agrestris 
eine Hauptrolle spielen, zeugen für dieses ihr Jagdterrain. Bei gelindem 
Winterwetter scheint sie im Nadelholze Standvogel zu sein. Der Blätter- 
abfall der Laubhölzer ist ihr jedoch auf alle Fälle so unbequem, dass 
das lichtscheue Geschöpf dadurch stets zum Streichen oder Wandern ver- 
anlasst wird. Mir sind mehre Fälle bekannt geworden, dass man im 
Herbst auf wenigen nahe zusammen stehenden Bäumen eine grosse Anzahl 
dieser Eulen angetroffen hat; gegen Ende Februar, im März, spätestens 
April kehrt sie nach ihren Brutplätzen zurück. Das früheste Datum 
ihres Rufes ist nach meinen Notizen der 7. März; gegen Mitte April hat 
sie bei normalem Frühlingswetter stets die volle Eierzahl (4 bis 7). Sie 
brütet frei auf Bäumen, baut jedoch selbst nicht, wie überhaupt fast keine 
Eule ein Jungenlager herrichtet, das den Namen eines Nestes verdiente, 
sondern benutzt alte Heher-, Krähen-, Eichhornnester, jedoch nur dann, 
wenn sie gehörig dicht und nicht zu hoch, etwa nicht über 6 bis 7 Meter 
hoch stehen. 


Il. Der Uhu. 
Strix bubo L. 

Unsere grösste Eule, die Weibchen wohl von Steinadlergrösse, ro- 
bust gebaut; Gefieder locker getragen und dadurch noch stärker erschei- 
nend; Ohrbüschel aus langen schwarzen Federn gebildet; Iris orange; 
Oberseite gesättigt rostgelb mit schwarzen Flammen; Unterseite: Kehle 
weisslich, sonst rostgelb, im Norden jedoch weisslich bis schneeweiss, 
auf der Brust mit grossen fast einfachen Schaftflecken, auf dem Bauche 
verlaufen dieselben in 12 bis 18 feine Querwellen. Man unterscheidet 
von dieser kräftigen Eulenform 15, einzeln in allen Welttheilen lebende 
Arten, von denen Afrika über die Hälfte, Amerika nur 2 aufzuweisen 
hat. Die helle, weisslich graue (statt brennend rostgelbe) Form des Nord- 
ostens, scandiaca L., ist wohl kaum für etwas anderes als für die nor- 
dische Färbung unseres Uhu anzusehen. Er ist überhaupt ein mehr 
nördlicher als südlicher Vogel, obschon er bis Italien vordringt, der sich 
vorzugsweise öde Waldgebirge, mit schroffen felsigen Partieen zum Aufent- 
halte auswähl. Wo diese in Deutschland vorhanden sind, fehlt er 
nirgends. So brütet er z. B. im Harz, Thüringer Wald, südlichen West- 
falen, in den rheinischen Gebirgen, Schwarzwald, Oberbayern u. s. w. In 
den ebenen Gegenden trifft man ihn meist nur als einzelnen Streifer im 
Herbst und Winter an, und es giebt wohl keine Gegend mit alten nicht 
zu kleinen Wäldern, in der sich nicht ab und zu mal ein Uhu blicken 
liesse. Aus dem Münsterlande könnte ich eine Reihe von Belegen dafür 
anführen. In Pommern brütet er merkwürdiger Weise unter solchen 


Der Uhu. 353 


Verhältnissen und zwar verhältnissmässig häufig. Jedoch dürfen wir 
seine Brutreviergrösse nicht viel unter eine Meile im Durchmesser erwarten. 
Seine Horste, von der Grösse der Bussardhorste, stehen dort nicht hoch, 
etwa 10 Meter vom Boden und zwar frei auf starken Bäumen. Jedoch 
weicht er dort, wo er weder Felsenklüfte noch alte Wälder in der Ebene 
hat, noch stärker von seiner normalen Brutweise ab. Er nistet nämlich 
im Südosten gar nicht selten in trocknen Sümpfen zwischen Schilf und 
anderen höheren Krautpflanzen auf dem Boden. Felsige Waldgebirge 
bilden nichts desto weniger in ihren zerklüfteten Theilen die bevorzugten 
Brutplätze des Uhu. Hier hauset er das ganze Jahr und nur zu tiefer 
Schnee scheint ihn zum Umherstreifen oder vorübergehenden gänzlichen 
Verlassen der Gegend zu bewegen. Im Allgemeinen zeigt er sich scheu 
und flüchtig, auch am Tage bei weitem nicht so schlaftrunken als manche 
anderen Eulen. Ein Uhu, der bei mir von einer starken Kiefer am 
hellen Tage abstrich, begab sich sofort so tief in den Wald hinein und 
war nun so scheu und flüchtig, dass es mir nicht möglich war, ihn zu 
erlegen, ja nicht einmal, ihn auch nur wieder zu Gesichte zu bekommen, 
obgleich er mir nicht lange nachher durch sein „Uhu” fortwährend die 
Richtung beim Pirschen vorzeichnete. Endlich war mit der eintretenden 
Dämmerung alle Hoffnung verschwunden. Im Dämmerlichte steht er an 
Scheuheit keinem Tagraubvogel nach. Ist er ausserdem durch Fehlschüsse 
bereits beunruhigt, dann hält es sogar schwer, sich auf Schussnähe an 
ein brütendes Weibchen heranzuschleichen; denn er streicht bei dem ge- 
ringsten verdächtigen Geräusche alsdann schon sehr frühzeitig ab. Die 
Eierzahl ist 2 bis 3; man wird jedoch wohl nur äusserst selten mehr 
als zwei Junge in einem Horste finden. Seine Nahrung ist der der 
übrigen Eulen analog, doch erbeutet er selbstverständlich seiner bedeu- 
tenderen Grösse entsprechend auch viele grösseren Thiere, Waldhühner, 
Schneehühner, Hasen, sogar Rehkitze und Kälber vom Hochwild, doch 
verschmäht er keineswegs kleine Thiere, Hamster, Mäuse u. dergl. Wie 
das Nest der Schleiereule garnirt ist mit Spitzmäusen und Mäusen als 
Reservenahrung der Jungen, so liegen bei seinem Horste u. a. viele Reste 
von Hasen. Aus einem Uhuhorste bei St. Goar holte sich Jemand  wäh- 
rend der Fütterungsperiode der Jungen jeden Morgen einen oder anderen 
Hasen oder mehr oder weniger grosse Theile von solchem, und endlich, 
nachdem die langsam heranwachsenden Jungen fast flügge geworden, auch 
diese herab. Nichts desto weniger brütete das Paar im nächsten Früh- 
linge wiederum daselbst und wurde wieder in ähnliche Contribution ge- 
setzt. Der Jagd, besonders der niederen Jagd ist der Uhu sehr schädlich, 
im Uebrigen indifferent, da er in landwirthschaftlich unproductiven Ge- 


Altum. Die Vögel. 23 


354 Raubvögel. 


genden zu hausen pflegt; zu der Forstwirthschaft tritt er schwerlich in 


Beziehung. 


12. Die Zwergohreule 
Strix scops L. 

Körpergrösse kaum die einer Drossel; Ohrbüschel aus vielen kurzen 
Federn bestehend, niedergelegt kaum sichtbar; Iris schwefelgelb; Fär- 
bung und Zeichnung ziegenmelkerartig, ein Gemisch von Grau, Weiss, 
Rostgelb mit dunklen Schaftstrichen und Quersprenkelung, die Aussen- 
fahnen der Schulterfedern bilden grosse rostweissliche Flecke; Flügel über- 
ragen den Schwanz; Läufe dünn und kurz befiedert, Zehen nackt. Mit 
etwa 20 anderen über alle Welttheile verbreiteten, jedbch meist den wär- 
meren Gegenden angehörenden Arten, bildet unsere Zwergohreule eine 
besondere Eulengruppe. In Deutschland kommt nur diese Art, und zwar 
nur als vereinzelte seltene Erscheinung vor. Denn sie bewohnt die Län- 
der des Mittelmeerbeckens und dringt nach Norden etwa bis Oesterreich 
und die Schweiz vor. Doch soll dieses Eulchen auch schon in Schlesien 
gebrütet haben. Es ist Wald- und vorwiegend Gebirgsvogel. Die Fälle, 
in denen es auch im ebenen nördlichen Deutschland angetroffen ist, ge- 
hören unter die Seltenheiten. Es nährt sich gleichfalls von kleinen Säuge- 
thieren, Vögeln und grösseren Insecten. 


Wirthschaftlicher Werth unserer Eulen. 


Unter die vorstehend behandelten 12 deutschen Eulenarten sind zum 
Zwecke der Determination für vorkommende Fälle auch die seltenen Spe- 
zies aufgenommen. Selbstverständlich bleiben diese hier, wo es sich um 
das Gewicht handelt, welches die Eulen im Interesse unserer Bodeneultur 
einsetzen, ausgeschlossen. Auch für den sehr vereinzelt auftretenden Uhu 
kann eine besondere wirthschaftliche Bedeutung nicht in Anspruch ge- 
nommen werden. Als Gegenstand dieses Excurses bleiben somit nur zu 
berücksichtigen die Schleiereule, der Waldkauz, die Sumpfeule, die Wald- 
ohreule und das Steinkäuzchen. Leichter als bei den meisten Vögeln ist 
die spezifische Nahrung hier mit Sicherheit festzustellen, und zwar aus 
dem Inhalte ihrer Gewöllee Da in der Regel dieser Auswurf an den 
Tagesverstecken der Eulen massenhaft angehäuft wird, so ist durch die 
gleichzeitige Anwesenheit des betreffenden Vogels die Bestimmung der 
Art, der die Gewölle angehören, von selbst gegeben. Doch sind letztere 
auch an sich artlich so verschieden, dass bei Abwesenheit des Vogels 
oder bei etwa gleichem Verstecke zweier artlich verschiedener Individuen 
ein Zweifel in dieser Hinsicht sehr leicht zu beseitigen ist. Die Gewölle 


Wirthschaftlicher Werth unserer Eulen. 355 


der Schleiereule bilden mehr ellipsoidische als walzliche Klumpen, sind 
von aussen schwärzlich und wie mit verdünntem Leim so überkleistert, 
dass die Oberfläche glatt erscheint, und enthalten ‘die in die Haare ein- 
gebetteten Schädelknochen meist völlig intact. Die Gewölle des Wald- 
kauzes bilden dazu den stärksten Gegensatz; ihre Gestalt ist unregelmässig 
walzlich, ihre Oberfläche aschgrau und rauh und ihr Inhalt so stark zer- 
rieben, dass Haare wie Knochen fast nur ein Pulver bilden, ähnlich wie 
fein zerriebenes graues Löschpapier. Nur die stärksten Knochen, Schädel 
und Schädeltheile widerstehen der Zerreibung. So bleiben die Maulwurfs- 
schädel unversehrt, die der Wühlmäuse meist nur an Gaumen und Kiefern 
unverletzt, die der Mäuse dagegen sind in äusserst leicht zerfallenden 
Stückchen oft kaum noch zu entdecken; Vogelschädel wegen der harten 
Schnabelkerne in beiden leicht aufzufinden. Die Gewölle der Waldohr- 
eule gleichen bis auf die geringere Grösse äusserlich denen des Wald- 
kauzes, die Zerreibung äussert sich jedoch weit weniger stark. Die des 
Steinkäuzchens erlauben schon ihrer Kleinheit wegen keine Verwechselung 
mit einer anderen Spezies; im Uebrigen sind sie denen der Waldohreule 
ähnlich. Ueber die der Sumpfohreule kann ich leider fast nichts berichten, 
da ich sie nur einzeln und zwar in den Dünen von Borkum fand. Es 
waren längliche Ballen und enthielten stets die völlig intacten Schädel 
der dem Strand- und Dünenhafer dort äusserst schädlichen Mollmaus 
(Arvicola amphibius). Ich habe zur genauen Constatirung der Nahrung 
der einzelnen Spezies mehre Tausend von Gewöllschädeln bestimmt. Dar- 
nach ist das Resultat folgendes: Die Eulen sind Säugethierfresser, jede 
andere Nahrung ist fast als Ausnahme zu betrachten. Unsere Arten greifen 
ihrer Grösse entsprechend nur die kleinen Säugethiere an, Spitzmäuse, 
Wühlmäuse, Mäuse, ab und zu Fledermäuse, Maulwürfe, einzeln kleine 
Vögel, die meisten auch grössere Insecten, namentlich Käfer. Fast scheinen 
sie gegen den Biss der mit den Krallen ergriffenen Nahrung durch den 
dichten Federpelz ihrer Ständer und Zehen gewaffnet zu sein. Die Schleier- 
eule macht mit ihren langen dünnen kaum befiederten Beinen eine Aus- 
nahme, aber ihre abweichende Nahrung entspricht genau dieser Ver- 
schiedenheit. Die Eulen vertilgen ferner eine grosse Menge dieser Säuge- 
thiere, schleppen den Jungen sogar mehr Leichen zu als diese zu ver- 
zehren im Stande sind, so dass man ihr Lager sehr oft von todten Mäusen 
und Spitzmäusen umsäumt findet. Es gewährt hohes Interesse, den auf 
Raub ausfliegenden und mit Beute heimkehrenden Alten zuzusehen. So 
befand ich mich eines Abends an der „Wienburg’” (Restauration), eine 
kleine halbe Stunde von Münster. Das einstöckige Haus ist theilweise 
umgeben von Hausgräben, Gärten, freien Plätzen, Nebengebäuden. Auf 
dem Hausboden befand sich das Nest des Waldkauzes mit Jungen. Der 
23* 


356 Raubvögel. 


westliche Himmel war noch hell erleuchtet von den Strahlen der unter- 
gegangenen Sonne, als sich ein alter Kauz auf der First des Daches zeigte. 
Unmittelbar darauf fasst der zweite auf dem Schornstein Posto. Sie sitzen 
unbeweglich, doch der Kopf wendet sich ruckweise bald hierhin bald 
dorthin. Plötzlich streicht der eine ab, überfliegt den breiten Hausgraben 
und lässt sich jenseits am Rande des Gehölzes fast senkrecht zu Boden 
fallen, um sofort mit einer Beute, einer langschwänzigen Maus, also wohl 
Waldmaus, zurückzufliegen. Kaum ist er mit derselben unter dem Dache 
verschwunden, so streicht auch der zweite ab und kommt mit Beute be- 
laden sofort zurück. Von da ab aber waren sie derart mit dieser Jagd 
beschäftigt, dass im Durchschnitt kaum zwei Minuten zwischen dem Herbei- 
tragen zweier kleinen Säugethiere verstrichen. Häufig hatten sie kaum 
ihr Observatorium eingenommen, so machten sie auch schon wieder einen 
erneuerten Jagdflug und ich habe nicht gesehen, dass sie auch nur ein 
einziges Mal vergebliche Jagd gemacht hätten. Endlich setzte die zu- 
nehmende Dunkelheit der Beobachtung ein Ziel. Höchst interessant ist 
bei der Untersuchung der Gewöllschädel ferner die Thatsache, dass fast 
allen bissigen kleinen Säugethieren, nämlich den Nagern (Mäusen und 
Wühlmäusen) auf ganz gleiche Weise die Gehirnkapsel eingedrückt ist, 
während die Schädel der Spitzmäuse unverletzt bleiben. Es muss unser 
Staunen erregen, dass die Eule sofort diejenigen Arten, von denen sie 
selbst einen empfindlichen Biss erwarten kann, von den andern zu unter- 
scheiden weiss. Grössere Thiere sind stets durch einen kräftigen Schnabel- 
biss in den Hinterkopf getödtet. — Bei dieser Uebereinstimmung in der 
Lebens- und Jagdweise unserer Arten zeigt jede doch so viele Eigen- 
thümlichkeiten, dass eine kurze Erwähnung derselben angezeigt erscheinen 
möchte. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die besonderen Jagdreviere 
und die Nahrung selbst. Beginnen wir mit der Schleiereule, aus deren 
Gewöllen ich über 3000 Schädel bestimmt habe. Nachdem man ein oder 
anderes Mal ihr heiseres unheimliches „Chüü” von oben herab aus dem 
alten Gemäuer vernommen hat, sieht man sie abstreichen und am Feld- 
rande, auf einer Wiese, an einem Graben verschwinden. Bald taucht sie 
wieder auf und senkt sich bald hier bald dort, stets aber den Wald ver- 
meidend. Das schnarchende „Chüü” ertönt plötzlich wieder aus dem 
alten Thurme, oder vom hohen Dache her. Ihre Gewölle zeigen das Er- 
gebniss ihrer Jagd. Sie enthalten fast ausschliesslich Säugethierreste, in 
grösster Anzahl die Schädel der Spitzmäuse und zwar bei weitem zumeist 
die der Hausspitzmaus, Sorex araneus. Die relativ häufigen der Wasser- 
spitzmaus, S. j/odiens, müssen denjenigen überraschen, der mit der 
schwachen Individuenanzahl und der Lebensweise derselben bekannt ist. 
Man kann sich der Annahme nicht verschliessen, dass diese Eule gradezu 


Wirthschaftlicher Werth der Eulen. 357 


Wasserjagden macht, mit ihren langen dünnbefiederten Ständern nach 
dieser Spitzmaus in’s Wasser greift. An zweiter Stelle kommen die 
Schädel der Mäuse und Wühlmäuse Jäckel hat diese Untersuchungen 
fortgesetzt, und ist zu anderem Resultate gekommen. Bei ihm verzehrt 
die Schleiereule in erster Linie diese Nager, und in zweiter Spitzmäuse, 
Zur Erklärung meines Resultates vermuthete er, ich habe meine Unter- 

suchungen etwa zufällig in einem „Spitzmausjahre” angestellt. Ich muss 
darauf erwidern, dass zu ganz derselben Zeit und an ganz derselben Stelle 
(einem Thurme |des Rittergutes Hülshoff bei Münster) eine Schleiereule 
und ein Waldkauz zusammen wohnten. Die Gewölle der ersten enthielten 
weitaus überwiegend Spitzmausschädel, die des zweiten Mause- und Wühl- 
mausschädel. Von woher auch immer ich mir Schleiereulengewölle im 
Münsterlande verschaffte, stets ergab sich dasselbe Resultat. Die Erklä- 
rung der verschiedenen Befunde ist jedoch endgültig ganz einfach diese. 
Dort in Bayern, wo Jäckel sammelte, giebt es nach seiner eigenen mir 
gemachten Mittheilung keine Hausspitzmäuse, oder es sind dieselben doch 
so selten, dass es ihm nicht gelungen war, ein Individuum zu erhalten. 
Wo es also keine Hausspitzmäuse giebt, da kann die jagende Schleier- 
eule, die ausserdem den Wald vermeidet, woselbst zwei andere 
Arten leben, die Waldspitzmaus, S. vulgaris, und die Zwergspitzmaus, 
S. pygmaeus, auch nur wenige Spitzmäuse erbeuten. Sie ist dort fast 
auf 8. leucodon und fodiens beschränkt. Fledermausreste habe ich nur 
in den Gewöllen dieser Art, einzeln aber so zahlreich gefunden, dass 
letztere einzig aus diesen bestanden. Die Eule wird die Schlupfwinkel 
derselben entdeckt und mit ihren langen Beinen sie daraus hervorgelangt 
haben. Eine fliegende Fledermaus ist vor jedem Eulenangriff sicher. Unter 
den Tausenden von Schädeln fand sich nur ein einziges Mal der eines 
Maulwurfs. Höchst auffallend war das gänzliche Fehlen von Insecten- 
resten in allen untersuchten Gewöllen. Jäckel führt übrigens Insecten 
als vorgefundene Nahrung auf, jedoch sehr wenige. Von Vögeln, die sie 
gelegentlich ergreift, wurden von ihr nicht viele verzehrt, unter anderen » 
Segler und Sperlinge. — Sehr abweichend von der Nahrung der Schleier- 

eule zeigt sich die des Waldkauzes. Die Hauptmasse bilden Mäuse und 

Wühlmäuse, weit weniger ergreift er Spitzmäuse, verhältnissmässig viele 
Maulwürfe und einzelne andere Säugethiere, wie Wiesel und Eichhörnchen. 

Grössere Insecten erbeutet er in grosser Menge, z. B. Lauf- und Wasser- 

käfer, in den Maikäferflugjahren bestehen manche Gewölle nur aus Panzer- 

stücken dieses Culturfeindes; kleinere Vögel verzehrt er kaum mehr als die 

Schleiereule. —- Die Waldohreule vertilgt ebenfalls zumeist die kleinen 

Nager, dann Spitzmäuse, auch einzelne Vögel und Inseeten. Allein die 
ersteren gehören anderen Spezies an. Es ist das namentlich die Acker- 


358 Raubvögel. 


maus, Arvicola agrestis, sowie auch die Röthelmaus, A. glareola. Die 
letztere fand ich im Verhältniss zu ihrer Häufigkeit äusserst selten in 
den Gewöllen der beiden anderen Eulenarten vor, die erste kaum in einem 
oder anderem Schädel. Diese Verschiedenheit ist durch das verschiedene 
Jagdrevier der drei Arten bedingt. Die Waldohreule bleibt im Walde, 
jagt dort auf den Schlägen, Blössen, Lücken, ja im Bestande selbst, wäh- 
rend der Waldkauz den Wald zumeist nur für seine Tagesruhe gebraucht, 
seine Jagdstreifereien aber vom Waldrande aus auf die angrenzenden 
Felder macht. — Das kleine Steinkäuzchen zeigt wenig Charakteristisches 
in seiner Nahrung, als nur dieses, dass Käfer, besonders Laufkäfer, den 
kleinen Säugethieren gegenüber vorwiegen. — Noch ist ein Punkt zu be- 
rühren, der für die Beurtheilung des Werthes der Eulen schwer in’s Ge- 
wicht fällt, nämlich der, dass sich die Individuen einiger Arten nach von 
Mäusen bedrohten Stellen zusammenziehen und dort längere Zeit ver- 
weilen, ja sogar dort brüten, obschon sie sonst als Brutvögel in der Ge- 
gend gar nicht gekannt sind. Dahin gehört vor allen die Sumpfeule, 
wie bereits oben (Seite 350) erwähnt. Hierdurch gewinnt sie für unsere 
Gegend eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Wichtiger noch ist sie 
für unsere Inseln, welche aus leicht verwehbarem Flugsande bestehen. 
Ihre Dünen werden am meisten gehalten durch die weitgreifenden Wur- 
zeln von Flymus arenarius und Arundo arenaria. Diese Strandgräser 
aber haben an der unterirdisch wühlenden Mollmaus, wie vorhin gleich- 
falls erwähnt, ihren ärgsten Feind. Von diesem aber scheint die Eule, 
die in der Zugzeit in vielen Exemplaren sich dort längere Zeit umher- 
treibt, sich einzig zu ernähren. Man trifft ferner von der Waldohreule 
in der Zugzeit zuweilen überraschend viele Individuen, 10, 14, 16, 20 
und mehr zusammen an. Wohin man sich an solchen Stellen wendet, 
erblickt man diese Eule in den Bäumen; ja die ganze Gesellschaft ist 
wohl auf wenigen eng zusammenstehenden vereinigt. Es ist mir nicht im 
Mindesten zweifelhaft, obschon mir directe Beobachtungen darüber leider 
‚nicht zu Gebote stehen, dass nur die überreichliche Nahrung, also Mäuse, 
als Grund einer solchen Abweichung von ihrer sonstigen Lebensweise an- 
gesehen werden muss. — Fragen wir nun nach dem wirthschaftlichen 
Werthe unserer Eulen, so ergiebt sich die Antwort nach dem Vorstehen- 
den von selbst. Im Allgemeinen erhellt aus ihrer Nahrung, dass sie ohne 
Zweifel zu den nützlichsten Vögeln zu rechnen sind. Sie vertilgen zu 
jeder Jahreszeit, zumal aber dann, wenn sie ihre Jungen zu ernähren 
haben, eine ungeheure Menge von Mäusen und Wühlmäusen. Dem Oeko- 
nomen ist der Waldkauz die wichtigste Spezies, und dort, wo es keine 
Hausspitzmäuse giebt, kommt die Schleiereule diesem nahe. Den Inter- 
essen des Forstmannes dient am meisten die Waldohreule, doch leistet 


Falken. 359 


ihm auch der Waldkauz sehr anerkennenswerthen Forstschutz.. Die 
Leistungen der Schleiereule können ihm ziemlich gleichgültig sein. Scho- 
nung der Eulen in jeder Hinsicht ist deshalb für ihn strenge Pflicht. 
Wo sich ein Eulenpaar ansiedelt, oder wo ein oder oder anderer „Eulen- 
baum” (Seite 342) im Reviere steht, da nehme er alle mögliche Rück- 
sicht auf diese seine treuen Verbündeten. 


2. Familie. Falken, Falconidae. 


Körper sehr kräftig; Schnabel kurz bis mittellang, die hakige Spitze 
nicht kuppig; First entweder grade und nur an der Spitze bogig abfallend 
oder ganz gekrümmt; Wachshaut farbig, offen liegend, in derselben seit- 
lich die nicht durchgehenden Nasenlöcher; Augen halb nach vorn gerichtet, 
tiefliegend, von einem vorspringenden Orbitalrand überragt, daher finster 
blickend; Kopf mit vollkommenen kleinen Federn dicht besetzt; Flügel 
lang, die Schwingen mit charakteristischen Ausschnitten. Die Federn des 
Unterschenkels an der Aussenseite mit nur einer einzigen Ausnahme stark 
verlängert („Hosen”). — Die falkenähnlichen Vögel zeigen sich nur am 
Tage munter; sie ergreifen meist lebende Thiere, nähren sich nur aus- 
nahmsweise auch wohl von Aas; leben meist einzeln in ruhigen Gegenden 
und bevölkern alle Welttheile, Zonen und Regionen. Man kennt fast 
250 Arten, welche in Körpergestalt, Flügelbau und Fussbildung die mannig- 
fachsten Modificationen des Raubvogeltypus repräsentiren. Während einige 
zu den typischen Schnellflüglern gehören, welche unter fortwährenden 
Flügelschlägen die Luft pfeilschnell durchschneiden, sind andere mit voll- 
kommenen Ruderflügeln zum ruhigen Schweben und Kreisen versehen und 
viele andere halten in ihrem Flügelbau und demgemäss in ihrer Flugart 
in verschiedener Weise die Mitte zwischen diesen Extremen. Diese Diffe- 
renzen bedingen eine sehr verschiedene Art und Weise, wie sie ihre Beute 
erjagen, sogar eine Verschiedenheit der Hauptnahrung, auf welche sie an- 
gewiesen sind. Auch die Zugverhältnisse stehen zum Flügelbau in innigster 
Beziehung. Sogar Farbe und Zeichnung zeigen innerhalb der einzelnen 
Gruppen oft viel Uebereinstimmendes. Den weit einheitlicher gebauten 
Eulen gegenüber zerfallen die Falkoniden folglich in auffallender ausge- 
prägte verschiedenartige Formen, von denen die wichtigsten, insofern unsere 
hiesigen Arten ihnen angehören, hier als einzelne Gattungen behandelt 


werden mögen. 


Weihe, Circus. 


Körper schmächtig; Gefieder dünnschaftig, flatterig; um das Gesicht 
ein schwacher oder deutlicher Eulenschleier, Schnabel kurz, etwas zu- 


360 Raubvögel. 


sammengedrückt, die Schneide des Öberschnabels geschweift, First von 
der Basis an gekrümmt, Zügelborsen lang, nach oben gekrümmt, ver- 
decken einen Theil der gelben Wachshaut; Flügel, deren dritte und vierte 
Handschwinge die längsten, und Schwanz im Verhältniss zum Körper un- 
gemein gross; Öber-, Unterschenkel und der dünne nackte Lauf sehr 
lang, Zehen und Krallen kurz, letztere wenig gekrümmt. — Die Weihen 
bewohnen offene Ebenen, Fruchtfelder, Haiden, bewachsene Sümpfe, Moore, 
fliegen in niedrigem, schwankendem, fast unsicherem Fluge bis in die Abend- 
dämmerung hinein nach Beute auf dem Boden, kleinen Säugethieren, 
Vögeln, Vogelbruten, Eiern spähend und ruhen und nisten auf dem Erd- 
boden. Das Nest steht in Kornfeldern, Haidekraut, Binsen, auf Wiesen, 
in Teichen auf Bulten, und enthält 4 bis 5, auch 7 bläulich weisse, meist 
ungefleckte Eier. In ihrem Brutreviere sieht man sie beständig mövenartig 
umherflattern, nach der Brutzeit verlassen sie das Revier und man findet 
sie an passenden Stellen einzeln, oder auch mehre zusammen nach Nah- 
rung suchen, bis sie uns im Spätherbst gänzlich verlassen. Durch Vertilgen 
von Mäusen gewähren sie einigen Nutzen, schaden jedoch _ durch ihr 
massloses Nestplündern weit mehr. Ihre Beute tragen sie nicht fort, 
sondern verzehren sie zur Stelle. Den Wald vermeiden sie gänzlich und 
nur selten sieht man eine Weihe auf einem einsamen, in offener Gegend 
stehenden Baume ausruhen. Eine forstwirthschaftliche Bedeutung kommt 
somit keiner Art zu. Man kennt 15 in allen Welttheilen lebende Arten, 
von denen vier unser Deutschland als Brutvögel bewohnen. Ihre Kleider 
wechseln nach Alter und Geschlecht oft so sehr, dass sie darnach schwer 
zu beschreiben und noch schwerer zu erkennen sind. Die plastischen 
Verschiedenheiten im Flügelbau bieten dagegen eine eben so leichte als 
feste Diagnose, weshalb dieselben hier statt einer weitläufigen Beschrei- 
bung in Abbildung ('/, natürlicher Grösse) gegeben werden. 


I. Die Rohrweihe. 
Cireus aeruginosus L. 

Gefieder braun, Bürzel und obere Schwanzdeckfedern stets braun; 
Schwanzfedern gebändert; Schleier undeutlich; die Jungen tiefbraun mit 
heller Kehle und gelbem Hinterkopf, bez. Nackenfleck; die alten Weib- 
chen fahlgrau, Männchen desgleichen mit schiefergrauen Schwungfedern. 
Sie ist grösser und robuster gebaut, als die übrigen Weihen, auch die 
einzelnen Theile, namentlich Schnabel und Läufe sind stärker; ihre Flügel 
reichen bis zur Schwanzspitze. — Die Rohr- oder Rostweihe bewohnt bis 
auf die nördlicheren Gegenden die Ebenen von ganz Europa, Asien und 
Nordafrika und lebt in Niederungen, Sümpfen, Mooren, feuchten Wiesen. 
Hier langt sie etwa im März an, brütet dort im Schilfe, in Brüchern, an 


Die Rohrweihe. 361 


Seeufern, und nährt sich zumeist von Eiern und jungen Vögeln, später 
auch von allerhand anderen kleinen Thieren, sogar von Fischen und 
Amphibien. Es giebt für die Bruten von Sumpf- und Wasservögeln keinen 
grösseren Feind als diese Weihe. Im Herbst streicht sie weiter umher, 
und dann habe ich wohl mal ein halbes Dutzend 
nahe zusammen über einer sumpfigen Niede- 
rung schweben gesehen. Auf den Nordseeinseln 
ist sie ein sehr bekannter Gast. Sie über- 
nachtet auf dem Boden im hohenKraute, auf 
Borkum zahlreich in dem Seekreuzdorn der 
Dünenthäler. Im Spätherbst beginnt sie allmäh- 
lich unsere Gegend zu verlassen. Von ihren 
Eiern sind meines Wissens bis jetzt noch keine 
gefleckten Stücke bekannt. Es ist auffallend, 
dass man nur äusserst selten ein altes Männ- 


chen erhält. 
Unsere übrigen drei Weihenarten, die Korn- | | 
weihe (€. cyaneus), die Wiesenweihe (C. cine- | 
raceus) und die Steppenweihe (©. pallidus) 
treten jede in verschiedenem Alter und Ge- / 
schlechte in so verschiedenen Kleidern auf, / 
und haben nach Grösse, Farbe und Zeichnung I 
unter sich so viele Aehnlichkeit, dass sie fast 
stets econfundirt, wenigstens einzelne Kleider ir- un 
Circus aeruginosus. 


gend einer fremden Art zugesprochen werden. 
('% natürl. Grösse.) 


Die alten Männchen sind hell zartblau und weiss, 

und ähneln somit den Möven, mit denen sie 

Nichtkenner, wenn nicht der lange Schwanz sie verriethe, um so leichter im 
Fluge verwechseln könnte, als auch ihr schwankender Flug etwas Möven- 
ähnliches zeigt. Die Jungen und die Weibchen sind braun mit dunklen 
Schaftflecken, doch auch mit zeichnungsloser Unterseite. Zur sicheren 
Determination für einen vorkommenden Fall mögen umstehende (S. 362) 
Flügelabbildungen ('/, natürlicher Grösse) dienen. Die Beschaffenheit der 
ersten Handschwinge allein schon reicht für eine sichere Bestimmung voll- 
ständig hin. Bei der Kornweihe ist sie kurz und der Einschnitt ihrer 
Innenfahne (in der Zeichnung punktirt) liegt unter den oberen Flügel- 
decken; bei der Wiesenweihe ist sie am längsten und jener Einschnitt 
ragt hoch über diese Decken hervor; bei der Steppenweihe ist sie mittel- 
lang und der Einschnitt liegt nur sehr wenig höher als die Spitzen der 
Decken. Ausserdem sind bei der Kornweihe 5 Handschwingen einge- 
schnürt, bei der Wiesenweihe 4, die erste stark, bei der Steppenweihe 


362 Raubvögel. 


gleichfalls 4, die erste aber schwach. Die Vergleichung des Flügels mit 
den Figuren wird jede Unbestimmtheit über die Art sofort heben. Der 
Schleier ist bei allen sehr deutlich. Merkwürdiger Weise gleichen sich 
diese drei Arten auch in den Eiern, insofern man unter diesen zuweilen 


Fig. 23. Fig. 24. 


Circus cyaneus, ceineraceus, 


('% natürl. Grösse.) 


stark braungefleckte antrifft. Man sieht diese drei Weihen in der Regel 
niedrig über Getreidefelder, Wiesen, Haideflächen in schwankendem Fluge 
und stets einzeln fliegen. Nie habe ich, wie bei der Rohrweihe, mehre 
nahe zusammen an beschränkter Stelle jagen sehen, 


2. Die Kornweihe. 
Circus eyaneus L. 

Die Kornweihe ist von den dreieu für unsere Gegend bei weitem 
die häufigste. Das alte Männchen erscheint im Fluge fast rein weiss mit 
schwarzen Flügelspitzen, und auch das Weibchen ist fliegend zu erkennen 
und zwar an dem hellen Schwanze, oder sicherer an den weissen oberen 
Schwanzdeckfedern („pygargus” L.). Sie verbreitet sich über Europa, 
einen grossen Theil von Asien und Nordafrika. In ausgedehnten, frucht- 
baren, durch Wälder nicht sehr zerrissenen Gegenden, wie etwa in Hol- 
land, scheint sie am häufigsten zu sein. Im ebenen Westfalen ist sie 
gleichfalls keine Seltenheit. Obschon sie im Herbst, etwa October unsere 
Gegend zu verlassen pflegt, so sieht man in milderen Wintern doch noch 


Die Wiesenweihe. — Die Steppenweihe. 363 


im November, ja noch im Januar einzelne Kornweihen, und zwar dann 
fast stets alte Männchen umherjagen. Im Frühling kommt sie im März 
retour; das früheste Datum nach meinen Notizen ist der 8. d. M., in 
manchen Jahren sind sie jedoch kaum um die Mitte April in ihren Brut- 
gegenden angelangt. Sie ist gleichfalls ein arger Feind der Vogelbruten 
und der am Boden lebenden Vögel, verzehrt jedoch auch Mäuse, Frösche, 
Inseeten,. Das Nest steht in Getreide- oder auch Rapsfeldern, oder in 
deren Nähe in Binsen, sehr gern auch auf Haiden, die theilweise von 
Ackerbau umgeben sind. Sie hält ihre Nachtruhe auf dem Erdboden, 
dort wo Getreide oder hoher Krautwuchs sie schützt. 


3. Die Wiesenweihe. 
Circus eineraceus Mont. 

Das alte Männchen oben düstergrau; Flügeldeckfedern mit schwarzer 
Querbinde, Flügelspitzen schwarz; Unterseite weiss, am Bauche und den 
Hosen mit starken rothbraunen Schaftflecken. Im Fluge erscheint die 
Wiesenweihe spitzer als die Kornweihe und das alte Männchen düsterer, 
das Weibchen mit dunklerem Schwanz und dunklem Bürzel. Diese Art 
ist weit seltener bei uns als die Kornweihe. Sie brütet freilich einzeln 
anscheinend überall und zwar an ähnlichen Oertlichkeiten als jene, jedoch 
hält es immerhin schwer, sie etwa für eine Sammlung zu erhalten. Das 
ist besonders in Betreff _des alten Männchens der Fall; ich habe nur ein 
einziges (21. April 1863) bei Münster erhalten. Weibchen und Junge 
kommen häufiger vor. Sie scheint spät zu ziehen, da sie sich Ende 
October und Anfang November noch in unseren Gegenden umhertreibt. 
Im Magen der im Herbst erlegten Individuen findet man fast stets die 
gemeine Feldmaus; sonst ist sie ein eben so arger Nesträuber als die 
Kornweihe, mit der sie ungefähr gleiche geographische Verbreitung zu 
haben scheint. 


4. Die Steppenweihe. 
Circus pallidus Sykes. 

Das Männchen sehr hell, mit hellen Flügelspitzen, fast ohne Zeich- 
nung. Diese Weihe gehört dem Süden und Südosten an. Aus den Ge- 
genden der unteren Wolga kommen ihre Bälge wie Eier zahlreich in den 
Handel. Jedoch durchstreift sie auch unsere Gegenden. In der Samm- 
lung meines Freundes Pf. Bolsmann zu Gimbte, etwa 1'/, Meilen von 
Münster, finden sich z. B. drei Exemplare aus der Umgegend. Das eine 
Weibchen derselben wurde mir sogar mit den Eiern, bei denen es ge- 
schossen war, gebracht. Es ist also dadurch sogar das Brüten dieser 
Art bei uns constatirt. Ihre eigentliche Heimath ist jedoch nichts desto 


364 Raubvögel. 


weniger, wie gesagt, der Süden, besonders der Südosten („dalmatinus” 
Rüpp.) von Europa und das angrenzende Asien. Der Name Steppen- 
weihe bezeichnet ihren Aufenthalt. Für unsere norddeutschen Gegenden 
gehört sie keineswegs zu den häufigen Vögeln. 


Habicht, Astur. 


Körper kräftig; Beer, mittellang, Schäfte meist straff; Schnabel 
kurz, First von der Wurzel an gekrümmt, Schneide des Oberschnabels 
stark geschweift, Flügel kurz, die erste Handschwinge ziemlich kurz, die 
vierte die längste, sie bedecken nicht oder nur die Hälfte des über mit- 
tellangen abgestutzten Schwanzes; Ober- und Unterschenkel und Lauf 
lang, letzterer hinten ganz, vorn fast ganz nackt, und länger als die 
verlängerte Mittelzehe; Zehen vorn getäfelt, an der Wurzel meist genetzt; 
Krallen sehr scharf; Iris und alle nackten Theile gelb. — Die Habichte 
bewohnen die Wälder, rauben jedoch ausserhalb derselben. Sie erjagen 
fliegend, sich auf ihre Beute stürzend, Säugethiere und Vögel, und ergreifen 
letztere nicht von oben herabstossend, sondern seitwärts und sogar von 
unten mit ihren langen Beinen. Ihr Flug ist schnell, doch nur im Augen- 
blick des Angriffes reissend; sie durchschneiden unter fortwährenden 
Flügelschlägen die Luft, schiessen aber auch schwebend eine Strecke in 
gerader Richtung vorwärts. Man sieht sie wenig und meist niedrig fliegen 
an Waldrändern, über kleinere Blössen, den Gestellen entlang, auch in 
Gärten, um Gehöfte und Häusergruppen, wobei sie sich häufig auf einen 
Ast, Pfahl, sogar auch Erdscholle und andere niedrige Erhabenheiten 
niederlassen. Sie überrumpeln bei diesen Streifereien ihre Beute meist 
plötzlich und machen sofort einen energischen Angriff. Die ergriffene 
tragen sie an einen ruhigen Ort, um sie dann zerstückelt zu verzehren. 
Ihre Nester bauen sie auf Bäume, doch weder auf vereinzelt stehende, 
noch tief im Walde, sondern nahe am Waldrande, an Waldwegen, Ge- 
stellen und fliegen zu denselben vom Freien aus niedrig in den Wald 
hinein. Die grösseren Arten legen 3, die kleinen 6 bläulich weisse, theils 
ungefleckte, theils mit braunen Flecken besetzte Eier. — Man kennt ge- 
gen 70 verschiedene in etwa 12 Untergattungen gruppirte Arten, von 
denen manche auf einzelne Welttheile beschränkt sind, während andere 
in allen ihre Vertreter haben. Bei uns leben zwei Arten von etwas ver- 
schiedenem Habitus, der Hühnerhabicht und der Sperber. *) 


*) Die beiden hiesigen Habichte, wie auch viele Ausländer, verändern be- 
kanntlich die Zeichnung der Unterseite der Art, dass statt der anfänglichen 
Längszeichnung in Schaftflecken später eine scharfe Querbänderung auftritt. Man 
kann für die nach dem Alter verschiedene Zeichnung der Unterseite, abgesehen 


Der Hühnerhabicht. 365 


I. Der Hühnerhabicht. 


Astur palumbarius L. 

Ringeltauben- bis Haushuhngrösse; robust gebaut; über dem Auge 
ein heller Strich; Zehen an der Wurzel genetzt, an der Spitze getäfelt; 
Schwanz schwach abgerundet, mit 5 (4, 6) dunklen Querbändern, die 
Spitze scharf begrenzt weiss. Alter Vogel: Oben dunkel aschgrau, unten 
weiss mit schwarzen Querbändern. Junger Vogel: Oben braun mit hellen 
Federkanten, unter lederfarben mit kräftigen langen dunkelbraunen Schaft- 
flecken. Einzelne junge Vögel sind auffallend braun in braun bunt- 
scheckig auf den Flügeln und der Oberseite. Er scheint dieses Jugend- 
kleid zwei Jahre zu tragen, da man ihn in demselben sehr oft brütend 
findet. Der Hühnerhabicht bewohnt Europa, das angrenzende Asien und 
Nordafrika und, wenn A. atricapillus nur eine Farbvarietät von unserem 
Hühnerhabicht ist, zu welcher Annahme Kleider, die sich letzterem nähern, 
zu berechtigen scheinen, auch Nordamerika. Deutschland bewohnt er 
überall. Er ist Waldvogel, will aber angrenzendes offenes Terrain, Felder, 
Wiesen, Weiden, und hält sich zumeist an den Rändern der Wälder. 
Er lebt für seine Grösse recht verborgen, fliegt meist niedrig, verhältniss- 
mässig selten sieht man ihn hoch durch die Luft ziehen und auch dann 
lenkt er durch seine ringeltaubenartige Gestalt weniger wie die anderen 
grossen Raubvögel die Aufmerksamkeit auf sich. Niedrig baumt er auch 
auf, nie wird man ihn hoch oben auf einer dürren Zacke eines starken 
Waldbaumes sitzen sehen. Er wählt vielmehr irgend einen Ast innerhalb 
der Baumkrone in kaum mittlerer Höhe, wo möglich im dichten Bestande, 
in Stangenorten und Schonungen. Dort auch übernachtet er und ver- 
zehrt seinen Raub. Selbst nahe bei seinem stets mit frischen grünen 
Zweigen ausgelegten Horste sieht man ihn nur mal ab und zu, so dass 
man jenen gar nicht in der Nähe vermuthet. Derselbe steht meist in 
einer Stammgabelung, gleichfalls gewöhnlich niedrig, etwa gegen 10 Meter 
hoch, nie tief im Walde, sondern in der Regel kaum 50 bis 100 Schritt 
von der nächsten Blösse, ist hoch aufgebaut und oben sehr flach. Seine 
3, auch 4 Eier, welche man bereits Mitte April findet, sind ungefleckt. 
Brütend sitzt er äusserst fest, so dass es oft unmöglich ist, ihn durch 
blossen Lärm, sogar starkes Klopfen an den Stamm, zum Abstreichen 


von Habichten,. auch für die Falken und Bussarde allgemeine Gesichts- 
punkte geltend machen. Eine starke und ausgedehnte Schaftfleckenzeichnung 
auf der Unterseite ist nämlich im Gegensatz zu einer schwachen, beschränkten, 
oder fehlenden derartigen Zeichnung oder gar zu einer Querbänderung (Wander- 
falk) oder auch nur einer, oft schwachen und undeutlichen Querfleckung (Bussarde) 
stets ein Zeichen der Jugend; wogegen Vögel mit letzterer als alte zu betrach- 
ten sind. 


366 Raubvögel. 

zu bewegen. Mir ist sogar ein Fall bekannt, in dem ihn ein Büchsenschuss, 
der ihm freilich nur einige Schwanzfedern kostete, nicht von den Eiern 
verscheuchtee Der Horst wird bei unveränderter Umgebung Jahr ein 
Jahr aus benutzt. Wenn einer der beiden Alten erlegt und die Brut 
zerstört wird, ist im nächsten Jahre bei demselben Horste das Paar er- 
gänzt; sind beide Alten geschossen, so wird er nichts desto weniger wieder 
besetzt, so lange überhaupt noch Hühnerhabichte in der Gegend leben. 
Schon gegen Ende Februar, gewöhnlich Mitte März hört man an den 
Brutstellen im Walde sein Locken, ein abgesetzter, oft wiederholter Schrei, 


&$ 


etwa wie „Kjack, kjack, kjack.....? Im-Winter sieht man nicht selten 
Hühnerhabichte; jedoch kann man diese Art nicht geradezu als Stand- 
vogel bezeichnen, da viele im Herbst umherzustreichen, ja manche ganz 
fortzuziehen scheinen. Er ist ein gar arger Räuber, ja von allen hiesigen 
Raubvögeln derjenige, welcher der niederen Jagd den meisten Schaden 
zufügt. Er ergreift seine Beute mit derselben Gewandtheit, mag sie sitzen, 
laufen oder fliegen. Sein niedriger Flug kommt ihm dabei gut zu statten, 
er überrascht jene fast stets, indem er niedrig um eine Ecke biegend, 
oder am Rande des Gehölzes gleichsam schleichend plötzlich unter eine 
Rephuhn- oder Fasanenfamilie fährt. Bei den Landwohnungen saust er 
ebenso unerwartet über das Dach eines niedrigeren Nebengebäudes oder 
durch den Zwischenraum zweier Gebäude, ergreift mit Blitzesschnelle mitten 
vom Hofraum eines der Haushühner oder eine Taube und ist damit ver- 
schwunden, ehe man noch recht zur Würdigung dieses fremden Gastes 
kommt. Zuweilen kann er sich dabei auf unerklärliche Weise wählerisch 
zeigen. So wurde einem Oekonomen bei der alle 3 bis 4 Tage erfolgenden 
Erscheinung eines starken Weibchens auf dem Hofe jedesmal ein Capaun 
geraubt. Doch vielleicht mochten die Capaune sich wohl etwas von den 
übrigen Hühnern getrennt halten und deshalb sich seinem Angriffe am 
meisten blosstellen. Exponirte oder farbig auffallende Beutethiere werden 
aus einer Menge immer zunächst angegriffen, aus einem Volke Rephühner 
oder einem Gesperre Fasanen daher ein etwas abseits der übrigen fliegendes 
oder das Flügel-Individuum, aus einer Schaar mohnblauer Haustauben 
eine der einzelnen weissen, die sich dabei befinden, wenn eine solche 
nicht von den übrigen dicht umgeben ist. In die Mitte eines Schwarmes 
stürzt sich ein Raubvogel, wie ich es namentlich bei den Edelfalken oft be- 
obachtet habe, nicht hinein. Er nimmt einen frei fliegenden Vogel aufs 
Korn und verfolgt hartnäckig nur diesen. In der Mitte einer Schaar wird 
er seine Angriffsbewegungen wegen der dort ausserordentlich stark be- 
wegten Luft nicht sicher dirigifen können. In einer ziemlich weiten 
Umgebung des Horstes eines Hühnerhabichtspaares richtet dieses besonders 
zur Zeit, wo es die Jungen zu ernähren hat, ganz bedeutenden Schaden 


Der Sperber. 367 


an. Junge Hasen sind ihm eine Lieblingsbeute, um Mäuse dagegen ist 
der Hühnerhabicht gar nicht verlegen. Auch Krähen, Elstern, Heher 
werden viel von ihm erwürgt und verzehrt. Seine Kraft ist so gross, 
dass das weit grössere Weibchen sogar eine zahme Ente fortzutragen 
vermag. Kleinere wilde Arten trägt er mit Leichtigkeit fort, und nimmt 
die schwimmenden Wasservögel sogar vom Wasserspiegel. Schnelles 
Tauchen oder Flucht in’s dichte Geröhricht, sowie bei den Landthieren 
Verstecken in’s hohe Kraut und wirre Gebüsch sind vor seinen Klauen 
die einzige Rettung. Er verschmäht übrigens auch die kleinen Vögel, 
als Finken, Meisen u. dergl. durchaus nicht. — In früheren Zeiten richtete 
man diesen unbändigen Vogel zur Baize ab. — Es giebt mehre, etwa $, 
nächsten Verwandte unseres Habichts (kräftige robuste Habichtsform), 
welche einzeln in allen Welttheilen, drei sogar in Australien leben. 


2. Der Sperber. 


Astur nisus L. 

Etwa Turteltaubengrösse; Männchen jedoch weit kleiner als das 
Weibehen; im Nacken ein schwacher weisser Fleck; Lauf weihenartig 
dünn und lang; Zehen dünn und besonders die mittlere sehr lang, getäfelt; 
Krallen lang, fein und nadelspitz; Schwanz lang, abgestutzt mit fünf 
dunklen Querbinden, die Spitze allmählich trübweiss. Die alten Vögel 
oben aschblau, unten weiss mit feinen Querbändern, die Männchen mit 
braunrothen, die Weibchen mit schwarzen. Die jungen Vögel oben braun 
mit hellen Federkanten, unten weiss, an der Kehle mit dunkelbraunen 
Schaftflecken, sonst herzförmigen Pfeilflecken. — Der Sperber ist in Allem 
eine kleinere zierlichere Wiederholung des Hühnerhabichts und ähnelt ihm 
auch in seinem ganzen Verhalten. Er bewohnt mit Ausnahme des arcti- 
schen Kreises ganz Europa, Nordafrika und das nördliche Asien, sogar 
noch Nepal. Auch er ist Waldvogel, liebt jedoch vorzugsweise kleine 
Wäldchen und Feldhölzer und zieht jüngere, dichtere Bestände den alten 
lichten weit vor. Unter Laub- und Nadelholz scheint er keinen Unter- 
schied zu machen. Anstehende freie Felder, überhaupt offenes Terrain 
ist auch für ihn Bedingung seines Vorkommens, denn er benutzt dieses 
zumal an den Waldrändern, durchziehenden Hecken und Gebüschen als 
Jagdrevier. Nach Vollendung des Fortpflanzungsgeschäftes durchstreift er 
die ganze Gegend, findet sich dann gern in der Nähe von Landwohnungen 
in den Gärten, sogar bei und in Dörfern und Städten, wenn grössere 
ruhige Gärten in denselben belegen sind, ein. Im Münsterlande reviert 
er fortwährend die Wallhecken und die nächste Umgebung der zahlreichen 
Landhäuser ab. Dabei fliegt er immer niedrig über vorkommende Hin- 
dernisse leicht hinwegsetzend. Bei etwas höherem Fluge über freie Flä- 


368 Raubvögel. 


chen wechselt er fortwährend mit schnellen Flügelschlägen und einem 
kurzen Schweben in gerader Richtung ab. Da ihn ausserdem seine kurzen, 
weit ausgestrecken Flügel und sein langer Schwanz vor anderen gleich 
grossen Raubvögeln (kleinen Falken) auszeichnen, so ist er fliegend nicht 
leicht zu verkennen. Sein Horst steht auf schwachen Bäumen, niedrig, 
gegen 5 bis 7 Meter hoch, in dichtem Bestande, nahe am Waldrande, 
Waldwegen, Gestellen, kaum 15 bis 30 Schritt in den Bestand hinein. 
Niedrig fliegt er am Rande oder die Waldwege entlang zu demselben 
hin und schwingt sich von unten in den Bestand hinein zu ihm herauf. 
Auch er macht sich dort wenig bemerklich. Seine Eier 5 bis 7, sind 
auf grünlich weissem Grunde stark braun gefleckt. Man findet sie erst 
Anfangs Mai. Während des Brütens besteht das Weibchen, dem das 
Männchen Beute zuträgt, die Mauser, Sein Ruf, den man in der Fort- 
pflanzungszeit von ihm hört, ähnelt dem des Hühnerhabichts, ist jedoch 
schwächer und höher, etwa wie „Kjük, kjük, kjük....” Der Sperber 
ist ein eben so arger und noch weit verwegenerer Räuber als der Habicht, 
nur beschränkt seine geringe Grösse ihn auf kleine Vögel und Mäuse. 
Im Münsterlande fällt ihm die Schwarzdrossel im Winter sehr oft zur 
Beute. Wenn er auf eine harmlos in einem Baume oder Hecke sitzende 
Masse Sperlinge stösst, so wirft sich die Schaar in möglichster Eile laut- 
los in’s Gestrüpp. Er überrumpelt seine Opfer ähnlich wie der Hühner- 
habicht, doch verfolgt er auch hartnäckig einzelne fliegende Vögel, und 
man weiss kaum, ob man mehr die Gewandtheit des Räubers oder der 
ausersehenen Beute bewundern soll. Sehr oft muss er unverrichteter 
Sache abziehen. Ist man bei einem Angriffe in der Nähe, so hört man 
deutlich das starke Sausen seiner Flügel. Ich erinnere mich stets leb- 
haft, wie er einst bei mir in unmittelbarster Nähe nach einer Schaar 
Sperlinge, die auf einem niedrigen Pflaumbaume sass, stiess, weil jenes 
Sausen von solcher Heftigkeit war, dass ich stark erschrak, Meine An- 
wesenheit schien ihn nicht sehr zu beunruhigen. Er zeigt sich überhaupt 
äusserst kühn und frech. Die Beispiele sind gar nicht selten, dass er 
den Sperlingen bis unter’s Dach von Gebäuden, auf Böden, in Ställe und 
Scheunen hinein folgt. An grössere Vögel, etwa Rephühner, wagt sich 
nur das Weibchen, kranke und angeschossene fallen ihm oft genug zur 
Beute. Hat man nach Hühnern geschossen, so kommt gar nicht selten 
aus dem nahen Gehölze ein Sperber nahe herangeflogen, gleichsam um 
zu sehen, ob er kein krankes erwischen könne, doch ist dann wohl ein 
Rohr für ihn bestimmt. Ein komischer Fall ereignete sich auf dem 
Hühnerhofe eines meiner Bekannten. Ein Sperberweibchen hatte ein 
Haushuhn ergriffen, das jetzt in voller Eile den sicheren Stall zu erreichen 
suchte. Der Sperber hatte mit nur dem einen Fange gefasst, konnte aber 


Milan. 369 


oder wollte nicht loslassen, sondern hinkte auf dem freien Beine neben 
dem Huhne her und beide gelangten wohlbehalten in den Hühnerstall, 
- worauf ein Knecht, der dem possirlichen Wettrennen zugesehen hatte, die 
Thür schloss und den Sperber für immer unschädlich machte. Auch der 
Vogelsteller hat zuweilen Gelegenheit, sich von der Dreistigkeit des Sper- 
bers zu überzeugen, wenn derselbe auf seine Lockvögel im Bauer stösst. 
Verscheucht kommt er sogar wohl mal zurück und büsst dann seine Kühn- 
heit durch die dann für ihn rasch aufgesteckten Leimruthen. Man kann 
ihn für unsere Gegenden als Standvogel bezeichnen, doch streicht er im 
Herbst, Winter und ersten Frühlinge in der Gegend umher. Er kommt 
im Frühlinge um 14 Tage später zur Ruhe als der Habicht. Die Zahl 
der beiden Geschlechter ist auffallend verschieden, die Männchen sind bei 
weitem weniger häufig als die Weibchen. Alte Männchen erhält man 
relativ selten. Viele Weibchen gelangen deshalb nicht zur Fortpflanzung 
und diese streifen dann das ganze Jahr umher zum Schrecken der kleinen 
Vögel. — Auch von dieser kleineren zierlicheren Habichtsform giebt es 
in allen Welttheilen einzelne, im ganzen etwa 25 Spezies; von denen im 
äussersten Südosten und Südwesten Europa’s noch je eine Art, gabar Lth. 
und badius (@rm., lebt. 


Milan, Milvus. 


Körper gestreckt; Gefieder gross, abstehend, an dem kleinen Kopf 
und Hals lanzettlich; Schnabel kurz, seitlich stark zusammengedrückt, 
First an der Basis fast gerade, Spitze starkhakig; Flügel sehr gross, breit 
und lang, spitz, dritte und vierte Handschwinge am längsten; Schwanz 
lang, breit, gegabelt; Lauf schwach und kurz, vorn fast bis zur Hälfte 
befiedert; Zehen kurz, geschildert; Krallen kurz, spitzig. Die Milane 
leben in nur 6 Arten in allen Welttheilen der östlichen Halbkugel, brüten 
hoch auf starken Waldbäumen, legen 3 (2, 4) grünlich weisse oder fast 
weisse, braungefleckte Eier, gehen ihrer Nahrung auf benachbartem offenem 
Terrain nach und leben von Thieren, welche sie auf dem Boden von oben 
herab überfallen, sowie vom Aase. Ihr Flug ist majestätisch schwebend 
oder gemächlich rudernd. In unseren Gegenden, woselbst zwei Arten leben, 
sind sie ausgeprägte Zugvögel. 


I. Der rothe Milan. 
Milvus regalis Briss. 
Von fast Rabengrösse; Hauptfarbe rostfarben, im Alter weissköpfig 
mit perlgrauer Iris, in der Jugend bunter; Schwanz rostroth, 7—12 Cm. 
Altum. Die Vögel, 24 


370 Raubvögel. 


tief gegabelt und unvollkommen, oft nur audeutungsweise dunkel quer- 
gebändert; die sehr grossen Flügel im Fluge sichelförmig gekrümmt. Er 
bewohnt den grössten Theil Europa’s, das angrenzende Asien und Nord- 
afrika. Sehr hoch nach Norden hinauf geht er nicht. In Deutschland 
ist er in den ebenen wie in den gebirgigen Gegenden überall heimisch 
oder doch als Durchzügler bekannt. Er langt im März, ausnahmsweise 
im Februar oder im April aus dem Süden zurückkehrend bei uns an; 
kreiset paarweise über dem Walde, worin er sein Brutgeschäft verrichten 
will, in schönen Spiralen, oft stundenlang ohne einen Flügelschlag, wobei 


” 


man sein tremulirendes „Hihihihihi....” oft vernimmt. Fliegend ist er 
eine wahre Zierde der Gegend. Seinen grossen, oben flachen Horst baut 
er hoch auf starke Waldbäume oft mitten im Bestande und steigt von 
oben nach demselben herab. Derselbe enthält stets Lumpen, oft eine 
Menge derselben, sowie auch ganz häufig Kuhhaare, und ist daran von 
allen übrigen gleich grossen Horsten sicher zu erkennen. Seine 3 (2, 4) 
grünlich weissen, stark braungefleckten Eier sind denen des schwarzen 
Milanes und der beiden Bussarde so ähnlich, dass eine sichere Bestim- 
mung in einzelnen Fällen unmöglich scheint. Doch die meisten charak- 
terisiren sich durch etwas stärkere Grösse, eiförmige Gestalt und rauhere 
unebene Schale; zudem sind die Zeichnungen nie spiralig nach links ge- 
dreht, oder dahin verwischt. Nur für das Fortpflanzungsgeschäft und zur 
Nachtruhe lebt er im Walde, sonst auf oder über freien Feldern und 
sonstigen Flächen, und geht hier seiner Nahrung nach, indem er im 
ruhigen Schweben dieselbe erspäht und sich dann gemächlich auf dieselbe 
niederlässt. Er verzehrt fast alle Thiere, deren er habhaft werden kann: 
Kleinere oder junge Säugethiere wie Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische 
wie Insecten und Regenwürmer, und schadet in der Nähe von Dörfern 
und Gehöften sehr durch Ergreifen von jungem Federwild, namentlich 
Gänsen und Enten. Dabei ist er feige, dass er sich z. B. von einem 
Haushahn in die Flucht schlagen lässt. Aas verzehrt er sehr gern. In 
seinem ganzen Betragen zeigt er sich gemächlich. Frei auf einem dürren 
Zweige eines starken Baumes sitzend, ist er an der hochschulterigen Ge- 
stalt und namentlich den auffallend herabhängenden Flügelspitzen und 
dem breiten Schwanze auch in grosser Entfernung leicht zu erkennen, 
jedoch wohl mit dem schwarzen Milan zu verwechseln. Gegen Ende 
September und in der ersten Hälfte October verlässt er unsere Gegend. 
Man sieht alsdanı in der Regel mehre zusammen in ruhig schwimmen- 
dem Fluge, wobei der ausgezeichnete Gabelschwanz, sobald eine Drehung 
gemacht werden soll, seitlich etwas gehoben wird, auf dem Zuge. Er 
vermag es so hohe Luftschichten zu durchschneiden, dass ihn unser Auge 
kaum mehr erreicht. — Wenn wir von dem Umstande absehen, dass er 


Der schwarze Milan. 371 


seine Brutgegend in schönster Weise belebt, so verdient er den obrigkeit- 
lichen Schutz, der ihm hier zu Theil wird, nicht. 


2. Der schwarze Milan. 
Milvus ater Gm. 

Körper über Krähengrösse; Hauptfarbe tiefbraun (an keiner Stelle 
schwarz, wie die Benennung anzudeuten scheint), in der Jugend mit hellen 
Schaftflecken, Schwanz braun mit 9 bis 11 dunkelbraunen Binden, nur 
3 bis 4 Cm. tief gegabelt (am zusammengelegten und über den Nestrand 
hinwegragenden ist nichts von einer Gabelform zu sehen). Im Fluge ist 
er, abgesehen von der düsteren Färbung und dem schwachen Ausschnitt 
der Schwanzspitze auch besonders noch durch eine mehr gestreckte adler- 
ähnliche Flügelhaltung dem rothen Milan mit seinen sichelförmigen Flügeln 
gegenüber charakterisirt. Er ist übrigens fliegend immerhin eine sehr 
stattliche, doch weniger imponirende Erscheinung als sein genannter Vetter. 
Er bewohnt von Europa mehr die südlichen und östlichen Gegenden, als 
den Norden und Westen, bevölkert auch das angrenzende Asien und Nord- 
und Nordostafrika. Im nördlichen Deutschland scheint die Elbe sein 
Vorkommen gegen den Westen hin zu begrenzen. Nie habe ich im 
Münsterlande einen schwarzen Milan, nicht einmal auf dem Zuge gesehen. 
Hier aber in der Mark Brandenburg ist er gradezu häufig. Der rothe 
Milan ist innerhalb seiner Verbreitungsgrenzen mehr gleiehmässig ver- 
theilt, der schwarze scheint durchaus nur lokalisirt vorzukommen. In 
hochgelegenen trockenen Gegenden wird man ihn schwerlich antreffen, 
denn Wasser, besonders stehendes, Teiche, Seen, Fenne, Moore, von Flüssen 
aus inundirte Flächen in der Nähe sind ihm Bedürfniss. Er kommt an 
manchen dieser Oertlichkeiten mit der Rohrweihe zusammen vor. Hier 
sieht man ihn flatternd und schwebend nach Nahrung umhersuchen. Vor 
allem liebt er Fische, deren Reste man stets unter seinem Horste vor- 
findet. Die Grösse derselben, z. B. von Hechtsköpfen, beweiset, dass er 
sie bis zu einem Gewichte von zwei Pfund fängt und fortträgt. Ausser 
Fischen aber ergreift er junge Enten, Gänse und andere Schwimm- und 
Sumpfvögel, Frösche, Mäuse, Maulwürfe, überhaupt Alles, was er von 
kleineren Thieren dort antrifft. Wo Landseen und Teiche mit altem 
Walde oder einzelnen alten Bäumen mit Gestrüpp und Unterholz ab- 
wechseln, treffen wir ihn innerhalb seines Verbreitungsbezirkes mit Sicher- 
heit an. Nirgends habe ich ihn so zahlreich gesehen, als in der Um- 
gegend von Spandau. Wer mit der Bahn von Berlin über Spandau fährt, 
wird in der warmen Jahreszeit stets schwarze Milanen dort jagend an- 
treffen. Im verflossenen Sommer zählte ich in nicht 5 Minuten 14 Stück, 
von denen sich manche einzeln, andere aber zu 4 bis 6 Individuen dort 

24* 


372 Raubvögel. 


umhertrieben. Landhäuser und Gehöfte, bei denen sein Vetter nach jun- 
gem und altem Geflügel lüstern umherreviert, besucht er nie. Sein Horst 
steht stets auf alten Bäumen und zwar auf einem starken Aste hart am 
Stamme, nicht blos im eigentlichen Walde, im geschlossenen Walde 
sogar selten, sondern auch auf einzelnen, ja auf ganz frei stehenden 
Bäumen. Den alten Eichen scheint er vor anderen Bäumen den Vorzug 
zu geben. Hier im Lieper Revier hat er jedoch eine Reihe von Jahren 
den alten Horst eines Fischaars auf der höchsten, theilweise trocknen 
Spitze einer alten Kiefer angenommen. Dass sich für seine (2 bis 8) Eier 
wohl schwerlich eine sichere Diagnose aufstellen lässt, ist vorhin beim 
rothen Milan bereits erwähnt. Im Allgemeinen jedoch sind sie, abgesehen 
von der- etwas geringeren Grösse, von mehr gestreckter Gestalt; feine 
Kritzel, wo solche als Zeichnung auftreten, sind meist für ater charak- 
teristisch; die sonstige Fleckenzeichnung scheint auch bei dieser Art nie 
spiralig angelegt oder nach der Seite (links) hin verwischt. — Auch 
dieser Milan trägt zur Belebung und Verschönerung einer Gegend wesent- 
lich bei. Am Brutplatze erhebt sich das Männchen oft in prächtigen 
Spiralen zur Wolkenhöhe. Ziemlich hoch ziehend verlassen uns die In- 
sassen unserer Gegend im October, im März stellen sie sich wieder bei 
uns ein. — Schutz und Schonung verdient der schwarze Milan eben so 
wenig als der rothe. 


Wespenbussard, Pernis. 


Körper kräftig; Gefieder knapp, straff; Zügel (zwischen Auge und 
Wachshaut) nicht wie bei allen übrigen Raubvögeln mit Borsten, sondern 
mit normalen, kleinen schuppigen Federn besetzt; Schnabel schwach; First 
flachbogig, Spitze schwachhakig; Flügel lang, die dritte Handschwinge die 
längste; Schwanz schwach abgerundet, lang, überragt die Flügel; Läufe 
kurz, vorn zur Hälfte befiedert, sonst mit rauhen Schuppen bedeckt; 
Zehen mit netzförmiger Querringelung, das Nagelglied mit Schildern; 
Krallen schwach, flachbogig. — Die Wespenbussarde, von denen es ausser 
unserer europäischen Art nur noch eine zweite, asiatische, mit stark ver- 
längerten Hinterkopffedern (P. eristata Cuv.) giebt, bilden eine singuläre 
Raubvogelform, die zwar den Milanen nahe steht, jedoch sowohl in ihrem 
Aeusseren als vorzüglich in ihrer Lebensweise so sehr von diesen, wie 
von den Bussarden, mit denen man sie auch wohl zusammenstellte, ab- 
weicht, dass die Aufstellung einer besonderen Gattung für sie nicht um- 
gangen werden kann. Sie nähren sich meist von Insecten und deren 
Brut, bethätigen sich jedoch auch als Nestplünderer, verzehren sogar saftige 
Beeren. Alle ihre Nahrung suchen sie am Boden umherlaufend. 


Der Wespenbussard. 375 


Der Wespenbussard. 
Pernis apivorus L. 

Fast von Bussardgrösse, doch schmächtiger; der Schwanz mit drei 
breiten und zwischen denselben feinen dunklen Binden, Spitze weiss; im 
Uebrigen Charakteristik der Gattung. Eine nähere Beschreibung kann 
seiner ausserordentlich grossen Variabilität wegen ohne bedeutende Weit- 
läufigkeit nicht gegeben werden. Jedoch lassen sich einige Gesichtspunkte 
über seine Kleider aufstellen. Ein blaugrauer Kopf oder eine Querfleckung 
auf der Unterseite (siehe Anınerkung Seite 36+) sind stets Zeichen des 
höheren Alters; ist der Kopf nicht aschgrau und die Unterseite längs- 
fleckig, so hat man Vögel im jüngeren Alter vor sich. Melanismen, d. h. 
einfarbig tiefbraune Individuen, treten häufig auf, doch wohl kaum in der 
ersten Jugend, bei den Weibchen häufiger als bei den Männchen. Die 
Jungen im ersten Jahre pflegen auf weissem Grunde sehr stark braun- 
fleckig zu sein. Die Basis der Federn ist überhaupt weiss, und je nach- 
dem die Spitzen nur am äussersten Ende, oder etwa im Enddrittel oder 
‘in der Endhälfte braun gefärbt, oder je nachdem die Federn mit breiten 
oder schmalen braunen Schaftstrichen versehen sind, entstehen die mannig- 
fachsten Verschiedenheiten. Es kommt hinzu, dass auch der ganze Ton 
eine hellere oder dunklere Lederfarbe aunehmen kann. Alles dieses gilt 
vorzugsweise von der Unterseite, welche demnach weiss ist mit nur 
einzelnen feinen braunen Tropfen, oder mit feinen Schaftstrichen, oder 
stärker gefleckt, und endlich tief braun mit nur etwas durchschimmern- 
dem Weiss am Bauche oder einfarbig braun, oder gar lederfarben mit 
dunkleren Flecken. Fliegend ist er an den längeren schmaleren Flügeln 
und an dem längeren Schwanz leicht vom fliegenden Bussard zu unter- 
scheiden. Er bewohnt das mittlere und südliche Europa und einen Theil 
des angrenzenden Asiens in den bewaldeten, besonders ebenen Gegenden. 
Im nördlichen Deutschland gehört er weit mehr dem Westen als dem 
Osten an. Im Münsterlande ist er durchaus nicht selten, hier im Osten 
dagegen nur ganz einzeln. Laubwald scheint er dem Nadelholz, Buchen 
den Eichen vorzuziehen. In der Umgebung der von ihm besetzten Wälder 
geht er auf den offenen Flächen, auf Aeckern, Feldern, Wiesen, jedoch 
auch auf lichten Stellen des Waldes seiner Nahrung nach. Ich habe viele 

‘xemplare nach derselben secirt. Bald war der Kropf gefüllt mit Erd- 
grillen und kleineren Grashüpfern, bald mit Wespen- und namentlich mit 
Huinmelbrut, bald mit kleinen nackten Spannerräupchen (in einem Kropfe 
fanden sich deren 320, von denen die grössten die von defoliaria waren, 
und ausserdem ein Erdfrosch), bald mit Fröschen, bald mit einer Familie 
Nestvögel, von denen er die Drosseln besonders zu lieben scheint. Mäuse, 


374 Raubvögel. 


die er ohne Zweifel auch verzehrt, fand ich nie. Insecten, zu denen 
namentlich auch Käfer gehören, Hummelbrut, Erd-, Gras- und Spanner- 
raupen scheinen nebst Fröschen seine Hauptnahrung zu sein. Nach einem 
im Walle steckenden Wespennest hatte er ein etwa 0,3 Meter im Durch- 
messer haltendes und am Grunde sich stumpf verzweigendes Loch, das 
in auffallender Weise zerwühlt aussah, gekratzt, und wurde dabei über- 
rascht. Insecten mit einem Giftstachel zerschneidet er mit dem Schnabel 
so, dass der gefährliche Hintertheil entfernt wird. Am 26. Juni wurde 
mir ein beim Horste geschossenes Paar mit gerade im Ausfallen begriffenen 
Eiern gebracht (das Männchen blaugrauköpfig, unten weiss mit starken 
braunen Flecken, das Weibchen ein Melanismus) unter der Bemerkung, 
dass diese Alten einem benachbarten Bauer mehre Hühner geraubt hätten. 
Trotz dieser Versicherung vermuthe ich doch eine Verwechselung. Es 
ist nicht unmöglich, dass sich auch ein Hühnerhabicht in der Nähe an- 
gesiedelt hatte. Bei dem verborgenen Leben dieses und dem offenen der 
Wespenbussarde musste natürlich der Verdacht des Beraubten auf letztere 
fallen. Saftige Beeren, sogar süsses Obst verzehrt der Wespenbussard 
ebenfalls. Jung aufgefütterte zogen Stachel- und Johannisbeeren, Pflaumen, 
faule und gebratene Aepfel jeder thierischen Nahrung vor. Ich habe nie 
dergleichen bei ihm gefunden. Erst spät langt derselbe, als ausgeprägter 
Sommervogel, bei uns an. Vor Ende April können wir ihn nicht er- 
warten; doch sah ich ihn am 28. d. M. schon bauen. Gegen Ende Mai 
Anfangs Juni finden wir ihn auf den Eiern brütend. Die Eier unter- 
scheiden sich von denen der Milane und Bussarde wesentlich dadurch, 
dass sich ihre Schale bei durchscheinendem Lichte nieht grünlich, sondern 
gelblich zeigt. Ausserdem ist die braunrothe Zeichnung nur in Ausnahme- 
fällen als Fleckung, welche einen bedeutenden Theil des Grundes frei 
lässt, aufgetragen, im Gegentheil überzieht sie gewöhnlich die ganze 
Fläche, so dass die Eier wolkig braunroth aussehen. Im September ver- 
lässt uns der Wespenbussard wieder, Er zieht alsdann in kleineren Ge- 
sellschaften mit Schweben in horizontalen Radlinien und in gerader Rich- 
tung abwechselnd hoch durch die Luft. Gegen Abend stürzen sich Alle 
plötzlich auf einen Wald herab, haken zum Nachtstande einzeln auf 
und verursachen dann wohl, wie ich es einst am 15. d. M. sah, einen 
panischen Schrecken unter den Ringeltauben. — Der Werth des Wespen- 
bussards ist leicht zu überschätzen, wenn man nur die von ihm ver- 
zehrten Raupen, Grillen, Wespenbrut berücksichtigt, dagegen ausser Acht 
lässt, dass er viele Vogelbruten zerstört und dass Frösche und Hummeln 
durchaus keine schädlichen Thiere sind. 


Bussard. 5Y65) 


Bussard, Buteo. 


Mittelgrosse plumpe Raubvögel mit grossem weichschäftigem Gefieder, 
dickem, breitscheiteligem Kopfe, kurzem Schnabel, dessen First von der 
Wurzel an gekrümmt; Flügel gross, meist die dritte und vierte Hand- 
schwinge die längsten; Schwanz gerade, kaum mittellang, von den Flügeln 
ganz bedeckt; Läufe mittellang; Zehen kurz, die Mittelzehe kürzer als 
der Lauf, an der Wurzel genetzt, das Nagelglied geschildert. Etwa 
40 Arten dieser trägen und langsamen Raubvögel leben einzeln in allen 
Theilen der Erde. Ihr Flug ist langsam, doch vermögen sie in schönen 
Spiralen lange zu schweben; ihre Nahrung erspähen sie von einer Warte 
aus oder im niedrigen Fluge, auch wohl in einiger Höhe rüttelnd und 
ergreifen sie am Boden. Sie leben meist von kleinen Säugethieren, auch 
von Vögeln und niederen Thieren. Ihren grossen Horst bauen sie auf 


starke Bäume und legen grünlich weisse, braun gefleckte Eier. 


I. Der Mausebussard. 
Buteo vulgaris Bechst. 


Läufe hinten ganz, vorn bis über die Hälfte nackt, getäfelt; Schwanz 
mit 12 (10, 14) schmalen Querbinden, Schäfte der Schwanzfedern und 
Schwingen weiss. Färbung recht verschieden, jedoch zumeist tief braun, 
an der Unterseite theilweise weiss mit braunen Schaftflecken (jung) oder 
braun und weiss querfleckig (alt). Bei einzelnen fehlt alles Weiss, bei 
anderen breitet es sich mehr und mehr aus, so dass endlich der Vogel 
mehr weiss als braun, bis ganz weiss mit etwa nur braunen Schwingen 
erscheint. Eine eigentliche Rostfarbe tritt häufig an den Schwanzfedern, 
seltener an den Hosen auf. Alle diese Abweichungen von der Normal- 
färbung sind jedoch als Ausnahmen zu betrachten und keineswegs häufig, 
scheinen übrigens beständig zu sein. Wenigstens weiss ich von einem 
Paar im Münsterlande, von dem das eine Individuum dunkel, das andere 
auffallend weiss war, dass es eine lange Reihe von Jahren stets in dem- 
selben Kleide dort hausete.. Finen wirklichen, aber unvollkommenen 
Albino besitzen wir in unserer akademischen Sammlung, ein junges, unten 
längsfleckiges Exemplar, an dem alle normal braunen Partieen sehr blass 
sind, ähnlich wie bei den sonstigen unvollkommenen, blassen Leueismen, 
wogegen sich bei den sogen. weissen Bussarden die noch vorhandenen 
dunklen Stellen eben so intensiv zeigen als bei den braunen. Der Mause- 
bussard bewohnt, abgesehen vom hohen Norden, woselbst ihn die folgende 
Art vertritt, ganz Europa und das angrenzende Asien und im Winter 
auch Nordafrika. In Deutschland ist er überall einer der bekanntesten 
Raubvögel und in unserer Gegend entweder Zug- oder Standvogel. Er 


376 Raubvögel. 


zieht gesellschaftlich sehr hoch durch die Luft, und zwar gruppirt sich 
die Masse der gleichzeitig am Himmel zieheuden Individuen in kleinere 
Trupps, die sich in verschiedener Höhe und erheblichem Abstande unter 
fortwährendem abwechselnden Kreisen und Schweben in gerader Richtung 
nach derselben Himmelsgegend weiter bewegen. Man sieht diese Wan- 
derer im Spätherbst, September und October, meist in westlicher, im 
März, oder auch Anfangs April in östlicher Richtung wandern. Doch 
habe ich auch schon am 28. Februar heimkehrende Bussarde beobachtet. 
Obgleich auch er dem Walde angehört, so giebt er doch kleinen Wäld- 
cben und Feldhölzern, die von Feldern und Aeckern umgeben sind, den 
Vorzug. Höhere, die offenen Flächen durchschneidende Hecken mit ein- 
zelnen starken Bäumen, sowie einzelne Baumgruppen sind ihm besonders 
angenehm. Auf diesen Bäumen, oder auf Randbäumen eines Waldes, gar 
oft auch auf niedrigen Erhabenheiten, Grenzpfählen und Steinen, Heu- 
haufen, sogar Erdschollen, erblickt man seine plumpe Gestalt oft lange 
sitzend. Er observirt da die Umgebung auf Mäuse und andere Thiere 
am Boden. Nach einem wühlenden Maulwurfe greift er durch die locker 
aufgeworfene Erde. Er verzehrt auch Reptilien, Amphibien, Regenwürmer 
und Insecten, besonders Grillen und Heuschrecken. Den Vogelbruten ist 
er ein gar arger Feind; auch schadet er der niederen Jagd, fängt junge 
Hasen, junge Hühner und ergreift im Winter die ermatteten, halb ver- 
hungerten alten ebenfalls. Manches Stück Hausgeflügel muss, wenn die 
Noth ihn kühn macht, unter seinen Krallen bluten. Man kann ihn des- 
halb durchaus nicht von allen Uebelthaten frei sprechen. Am meisten 
nutzt er nach der Ernte und auf frisch gemähten ‘Wiesen durch Ver- 
tilgung einer grossen Menge Mäuse Im Wiuter sieht man ihn, zumal 
bei tiefem Schneefall, an den offenen Wassern, an Bächen, die am Wald- 
rande oder durch Wiesen fliessen, sowie an den Ufern von Teichen und 
Seen. Erst bei später Dämmerung zieht er sich zum Uebernachten aus 
seinen Jagdrevieren nach dem Walde zurück. Seinen Horst baut er auf 
starke Bäume eines grösseren Waldes nicht gerade sehr hoch, aber auch 
wohl nur selten niedrig. Mit Grün versehene Zweige zeigen an, dass er 
frisch besetzt ist. Zum Unterschiede seiner Eier von denen der Milane 
kann man anführen, dass ihre Oberfläche glatt, ihre Gestalt mehr rund- 
lich und ihre Zeichnung nach links verwischt oder spiralig gedreht er- 
scheint. Jedoch sind manche Stücke von jenen nicht zu unterscheiden. 
Dort wo er horstet, ist er eine wahre Zierde der Gegend. Es gewährt 
einen prachtvollen Anblick, wenn die beiden Alten an heiteren Frühlings- 
tagen und auch noch später stundenlang in den schönsten Spiralen sich 
hoch über dem Walde wiegen. Ihr lautes weit schallendes „Hiäh” er- 
höht noch die angenehme Belebung. Haben sie ihre Künste im Fliegen 


Der rauhfüssige Bussard. 377 


lange genug produeirt, so zieht einer der beiden die Flügel an und wirft 
sich in sausendem Sturze herab in den Wald, sofort folgt auch der andere. 
Der Bussard vermag auch zu rütteln, um eine Beute auf dem Boden 
genau zu fixiren; jedoch sieht man das weit weniger von ihm als von 
der folgenden Art. Sein sonstiger Flug ist wenig gewandt, jede Krähe 
kann ihn nach Herzenslust ungestraft necken. — Es giebt etwa ein Dutzend 
ähnlicher Arten, von denen man einzelne in allen Welttheilen findet. 


2. Der rauhfüssige Bussard. 
Buteo lagopus L. 


Grösser und noch plumper als der Mausebussard, Läufe bis auf 
die Zehen befiedert; Schwanz weiss mit einem breiten schwarzen Bande 
an der Spitze, bei den Jungen weniger scharf ausgeprägt als bei alten 
Individuen, auf der übrigen Schwanzfläche wohl mal Andeutungen von 
feinen Binden; Oberseite tief braun mit hellen Federkanten melirt; Unter- 
seite weiss, an der Brust mit tief braunen Schaftflecken (jung) oder un- 
regelmässiger (Querfleckung (alt), am Bauche ein gleichfalls tiefbraunes 
Feld. Fliegend von dem gemeinen Bussard an den längeren Flügeln, die 
von unten gesehen einen schwarzen Flecken an dem Handgelenke zur 
Schau tragen, an der auffallenden Schwanzzeichnung, sowie an dem ab- 
weichenden Flugcharakter selbst zu unterscheiden. Er rudert nämlich 
unter stärkerem Schlagwinkel, und nach einem oder anderen Schlage 
schwebt er mit sehr gestreckten Flügeln eine Strecke gerade aus. Auf 
seinen Jagdstreifereien sieht man ihn sehr häufig rütteln. Frst im Spät- 
herbst langt er aus seiner nordischen Heimath, dem nördlichen Skandi- 
navien etwa, bei uns an. Er bewohnt nicht bloss die borealen Gegenden 
der östlichen Halbkugel bis zum Eismeere hin, sondern ist auch im hohen 
Norden Amerika’s heimisch. Er soll übrigens auch schon im nördlichen 
Dänemark, ja mitten in Deutschland am Taunus gebrütet haben. Dass 
man ihn auch in den Capländern findet, ist jedenfalls eine eigenthümliche 
Erscheinung in der Verbreitung der Thierwelt. Ich habe ihn bei uns 
nie vor October gesehen, im März oder April zieht er wieder zurück; 
übrigens trifft man ihn auch den ganzen Winter bei uns an. Die Angaben 
von seiner Häufigkeit bei uns in der Zugzeit oder im Winter, die Mit- 
theilung, dass Jemand in einer solchen Zeit 36 Stück auf einer Krähen- 
hütte geschossen u. dergl., setzen mich in Erstaunen. Ich glaube im Stande 
zu sein, jeden fliegenden Bussard und rauhfüssigen Bussard auch bei 
bedeutender Entfernung sicher zu bestimmen, muss aber gestehen, dass 
ich, abgesehen von den hoch über uns fortziehenden, noch jeden einzelnen 
Fall aufzuzählen vermag, wo ich ihn bei uns sich habe umhertreiben ge- 
sehen. Im Allgemeinen scheint er, ähnlich wie Seidenschwänze und 


378 Raubvögel. 


Schneeammern, das östliche Deutschland häufiger zu besuchen als das 
westliche. Doch auch im letzteren trat er vor 25 bis 30 Jahren weniger 
selten auf als jetzt. In gelinden Wintern sieht man ihn kaum. In seiner 
Nahrung ist er dem gemeinen Vetter ähnlich, auch wählt er ungefähr 
gleichen Aufenthalt, offene Felder mit Feldhölzern oder angrenzenden Wäl- 
dern, steht demselben überhaupt so nahe, als sich zwei verschiedene Arten 
nur stehen können. Seine Eier sind etwas stärker als die des Mause- 
bussards, sonst aber schwerlich von diesen zu unterscheiden. — Ausser 
ihm giebt es vielleicht noch drei andere rauhfüssige Bussarde. 


Schlangenadler Circaötus. 


Körper kräftig, Gefieder gross; Hals kurz; Kopf und Augen, um 
welche ein Kranz weisser Flaumfedern, gross, Schnabel von der Wurzel 
an gekrümmt, stark hakig, Schneiden gerade; Flügel sehr gross und breit, 
den mittellangen breiten Schwanz fast bedeckend, erste Handschwinge 
kürzer als die siebente, die vierte am längsten; Läufe lang, grob und 
flach genetzt; Zehen kurz, die äussere und innere von gleicher Länge. 
— Ausser der europäischen Art werden noch 2 afrikanische angeführt. 
Es sind träge in der Nähe von Wäldern an feuchten offenen Stellen sich 
aufhaltende und meist von Amphibien und Reptilien lebende Raubvögel, 
den Bussarden näher als den Adlern verwandt 


Der Schlangenadler. 
Cireaötus gallieus Gm. 

Grösser wie der stärkste rauhfüssige Bussard, und wegen der sehr 
grossen Flügel, hohen Ständer und des grossen Gefieders noch weit an- 
sehnlicher erscheinend. Oben grau bräunlich mit helleren Federkanten, 
Wachshaut und Füsse blau; Iris hellgelb; unten weiss mit lichtbraunen 
oder rostgrauen Flecken, in der Jugend mit Schaftstrichen; Schwanz mit 
drei dunklen Querbinden. Der Schlangenadler hat in Europa eine weite 
Verbreitung und bewohnt auch einen Theil des angrenzenden Asiens, so- 
wie Nordafrika. Er ist Waldvogel, geht aber seiner Nahrung auf angren- 
zendem freiem Terrain, namentlich auf feuchtem nach. In seinem ganzen 
Verhalten träge, hält er sich meist am Boden und lebt hier von Fröschen, 
Schlangen, und auch niederen Thieren. Man hat ihn in Deutschland 
mehrfach brütend angetroffen; aber überall tritt er nur äusserst vereinzelt 
auf. Auch da, wo er vorkommt, lebt auf sehr weite Entfernung nur ein 
Paar. Fliegend ist er leicht an der weissen Unterseite und der impo- 
nirend grossen Flugweite, sowie an dem adlerartig sich fingerförmig sprei- 
zenden Spitzen der Handschwingen zu erkennen, so dass er nicht leicht 


Fischaar. 379 


verborgen bleiben kann. Man hat ihn in Deutschland zufällig fast überall, 
im äussersten Westen wie im Osten, hier in der Mark Brandenburg und 
in Pommern eben so wie im Süden, in Schlesien, Böhmen, Oesterreich, 
mehrmals geschossen. Im Allgemeinen ist er jedoch ein mehr südlicher 
Vogel, in Nordafrika sogar ziemlich häufig und wandert im Winter sogar 
bis zu den südlichsten Gegenden dieses Welttheils. Auch sein grosser 
Horst ist wiederholt an verschiedenen Gegenden aufgefunden. Der nörd- 
lichste Fundort desselben ist wohl Rügen, darnach Pommern. Er legt 
nur ein einziges Ei, ausnahmsweise zwei, ungefleckt bläulich weiss, ähn- 
lich wie die Eier des Hühnerhabichtes; aber fast von der Grösse eines 
Putereies. — Wegen seiner kurzen Zehen hat ihn Temminck brachy- 
dactylus genannt. 


Fischaar, Pandion, 


Gestalt gestreckt; Gefieder kurz, knapp, Nackenfedern lanzettlich 
verlängert; Schnabel kaum mittellang, First gerade, die Spitze sehr lang- 
hakig; Wachshaut kurz; Augen nicht sehr tief liegend; Hals lang; Flügel 
lang und spitz, dritte Handschwinge die längste, zweite und vierte fast 
ebenso lang; Unterschenkel ohne Hosen; Läufe kurz, nackt, mit kleinen, 
derben abstehenden Schuppenwarzen bedeckt; äussere Zehe nicht geheftet: 
Krallen gross, äusserst stark gekrümmt, auf dem Querschnitt elliptisch, 
die Fusssohle stachelig rauh. — Die Fischaare, deren etwas verschiedene 
Formen vielleicht nur eine einzige Art ausmachen, leben zumeist von 
Süsswasserfischen, die sie stosstauchend ergreifen, und brüten in grossen 
Horsten auf Bäumen. 


Der Flussaar., 
Pandion haliaötus L. 


Körper von Bussardgrösse, jedoch etwas gestreckter; Oberseite braun- 
schwarz mit mehr oder weniger feinen weissen Federkanten; Unterseite 
und Kopf weiss, doch die Scheitel- wie Brustfedern mit dunkleren Schaft- 
streifen; an den Halsseiten eine dunkle Längsbinde; Iris dunkel chrom- 
gelb; Wachshaut und Füsse bleiblau; der Schwanz mit stets dunklen 
(uerbinden. — Der Flussaar (Flussadler, Fischadler) ist vielleicht Cos- 
mopolit; der australische leucocephalus vorzüglich nur durch einen rein 
weissen Kopf von unserer deutschen Art unterschieden, welcher Differenz 
schwerlich ein spezifischer Werth beizulegen ist. Auch unsere einhei- 
mischen Individuen variiren in dieser Hinsicht, sowie in der Schaft- 
fleekung an der Brust nicht unerheblich, Er lebt bei uns überall dort, 
wo Landseen mit grösseren alten Wäldern abwechseln, Von Mitte April 


380 Raubvögel. 


bis Anfang Mai pflegt er aus seinen südlichen Winterquartieren zu uns 
zurückzukehren. Am 25. März habe ich ihn am frühesten, am 21. Mai 
am spätesten durchzieien sehen. Sein Flug ist nicht schnell. Fast scheint 
es, als seien die enormen Flügel zu gross für den kleinen Körper. Doch 
imponirt er fliegend wegen der schmalen Gestalt der Flügel wenig. Er 
rudert gemächlich mit ziemlich tiefem Schlagwinkel. In einer Höhe von 
etwa 10—15 Meter revidirt er die Gewässer nach Fischen, seiner aus- 
schliesslichen Nahrung, ab, nicht bloss die grösseren Seen, sondern zumal 
auf dem Zuge auch kleinere Teiche, sogar Hausteiche bei Landsitzen. 
Einmal habe ich ihn sogar mitten in Münster, dort wo die Aa einen 
bedeutenden Gartencomplex durchfliesst, in unmittelbarer Nähe der Stadt 
wiederholt, jagend beobachtet. Die Meeresküsten besucht er nur ausnahms- 
weise, am Haff der Ostsee traf ich ihn mehrmals an. Bemerkt er einen 
hochgehenden oder stehenden Fisch, so hält er rüttelnd an und hat als- 
dann aus der Ferne viele Aehnlichkeit mit einem rüttelnden Rauhfuss- 
bussard; plötzlich senkt er sich bis auf etwa 5 Meter hoch über dem 
Spiegel, zieht dann die Flügel an und stürzt sich senkrecht hinab auf 
seine Beute, so dass die Wellen über ihm zusammenschlagen. Nach einigen 
Sekunden heben sich zwei grosse Flügel aus dem Wasser, ein Schlag, 
und der Adler schwebt mit oder ohne Beute wieder in der Luft und zwar 
eben so trocken, wie eine auftauchende Ente. Bei grösseren Seen, wie 
z. B. hier in der Umgegend beim Wehrbelliner See, treibt er sich, wohl 
in einem halben Dutzend Individuen stets umher, bei kleineren wechselt 
er von einem zum anderen. Seine grössere Beute, Fische bis zu 3 Pfund, 
trägt er oft weit fort, um sie an einem einsamen Orte in aller Ruhe zu 
verspeisen, mit kleinen macht er weniger Umstände. Hat er so schwere 
Fische geschlagen, die er nicht sofort aus dem Wasser zu heben vermag, 
so ist er der gefangene. Fälle, dass man starke Karpfen, auch Hechte 
fing, denen seine Fänge noch im Fleische steckten, sind nicht so gar 
selten. Er horstet auf hohen Bäumen. Ich habe eine verhältnissmässig 
grosse Anzahl seiner Horste gesehen. Bei weitem die meisten standen 
in der trockenen Spitze des höchsten Baumes der ganzen Umgegend, und 
ragten hoch über den übrigen Wald empor, so dass manche davon auf 
eine Entfernung von einer Stunde zu sehen waren. Ausserdem standen 
andere auf dem Ende eines seitlichen starken Astes, weit vom Stamme 
entfernt. Nie baut er hart an einen Stamm. Da er jährlich denselben 
Horst benutzt und stets im-Frühjahr neues Material hinzuträgt, so er- 
langt ein solcher endlich eine riesige Grösse. In waldarmen oder felsigen 
Gegenden soll er auch auf Felsen, sogar auf hohen Ruinen, ja auf Schorn- 
steinen horsten. Sein Horst dient oft anderen Vögeln als Nistplatz. Kurz 
nach Mitte April sieht man ihn neue Baustoffe, Zweige, hinzutragen, als- 


Adler. 3s1l 


dann ihn aber auch allerhand Flugkünste produciren. Er gleitet hoch 
im Aether dahin, bald mit gestreckten Flügeln, so dass seine Figur die 
Kreuzform annimmt, bald mit sehr stark gekrümmtem Handgelenk. Plötz- 
lich stürzt er sich herab, überschlägt sich der Art, dass sein Rücken der 
Erde zugewandt ist, und so um etwa 10 Meter tiefer gekommen, fliegt 
er in normaler Lage wieder in der früheren Richtung weiter, Man hört 
dann auch seine Stimme „Kai” oft. Bussardähnlich Spiralen zu beschreiben, 
versteht er nicht, sogar sein Schweben in gerader Richtung ist fast als 
Ausnahme zu betrachten. Häufig und anhaltend habe ich das nur im 
Frühlinge am Brutplatze von ihm gesehen. Seine Eier (3) können zu 
den schönsten aller Vogelarten gerechnet werden. Auf weisslichem Grunde 
(bei durchscheinendem Lichte gelblich, nie grün) stehen starke, scharf 
begrenzte, lıberrothe Flecke, sowie violette Schalenflecke. Spärliche, sowie 
sehr reichliche, den Grund fast bedeckende Zeichnung kommt selten vor. 
Die Oberfläche der Schale ist rauh, die Grösse der Eier etwa die eines 
starken Hühnereies. Gegen Ende August beginnt er uns wieder zu ver- 
- lassen, während der letzten Hälfte des Septembers streichen noch ein- 
zelne durch, zuweilen sieht man noch Anfangs November ein Individuum. 
Dieser sonderbare und höchst interessante Raubvogel ist nur schädlich, 
da er die Fischereien, stellenweise sogar ganz arg, beeinträchtigt. In 
unserem Spreebruche ist er den Fischern äusserst verhasst; aber trotzdem 
wird nur selten einer erlegt. Aus der Höhe fliegt er heran, begiebt sich 
sofort über die Mitte eines See’s, wo er vom Ufer aus von keinem Schrot 
mehr erreichbar ist, meidet besetzte Nachen und andere verdächtige Gegen- 
stände, holt sich rasch seine Beute und verschwindet. Kein Geflügel, 
als Enten, Taucher, Bless- und Rohrhühner, wird je von ihm behelligt. 
Diese zeigen auch nicht die mindeste Furcht vor ihm, schauen allenfalls 
wie nach einer vorüberziehenden Möve, nach ihm hinauf, aber fliehen 
weder durch Tauchen noch dadurch, dass sie sich schnell in’s sichere 
Rohr begeben. Die meisten nehmen absolut keine Notiz von ihm. Den 
auffallendsten Beleg davon hatte ich einst Mitte April am Haff der Ost- 
see, woselbst er über einige hundert Blesshühner, März-, Berg- und Eis- 
enten niedrig hinwegstrich. 


Adler, Aguila. 


Grosse, kräftig gebaute Raubvögel mit grossem Gefieder; Kopf mittel- 
gross, platt, mit spitz lanzettlichen Federn besetzt; Schnabel gross, am 
Grunde gerade, Spitze kräftig und stärkhakig; Hals lang; Flügel lang und 
breit, bis zum Schwanzende reichend; Schwanz mittellang, breit; Lauf 
mittelhoch und so wie die Schenkel sehr kräftig; Krallen stark, unten 


382 Raubvögel. 
flach mit schwach vortretender Kante. — In etwa 20 verschiedenen Arten 
bewohnen die Adler alle Zonen der Erde. Ihre bedeutende Grösse, welche 
ihnen einen Angriff auf grössere Thiere gestattet, der majestätische Flug, 
ihr kühner, trotzig wilder Blick haben ihnen den hervorragendsten Platz 
unter den befiederten Räubern verliehen. Jedoch sind sie weniger ge- 
wandt und räuberisch, als die Habichte, denn sie ergreifen nur sitzende 
oder laufende Beute, nur selten einen langsam fliegenden grossen Vogel 
und fallen bei nur einigem Mangel gern auf Aas. Den eigentlichen Falken 
stehen sie an Schnelligkeit bedeutend nach. Ihre grossen Flügel erlauben 
ein langes Schweben und Beschreiben von Spirallinien in der Luft und 
sie ähneln hierin den Bussarden und Milanen. Die Spitzen der Hand- 
schwingen, von denen die vierte und fünfte die längsten zu sein pflegen, 
werden dabei stark fingerförmig gespreizt. Sie bauen ihre grossen Horste 
theils auf Bäume, theils auf Felsen; in den Steppen jedoch begnügen sie 
sich auch mit dem flachen Erdboden. Ihre zwei bis drei Eier sind bald 
bussardartig gefleckt, bald einfach weisslich. In ihrem düster braunen 
Gefieder, dessen Mauser sich bei den grossen Arten über etwa drei Jahre 
erstreckt, stehen sich manche Spezies sehr nahe. Mehre schweifen im 
Jugendkleide oft lange Jahre umher und vermehren dadurch wohl die 
Schwierigkeit der spezifischen Abgrenzung, zumal da es bei dem 
isolirten Vorkommen derselben nur selten vergönnt ist, durch zahlreiche 
Beobachtungen des Lebens und Vergleichung einer grossen Menge von 
Bälgen den Gegenstand vollständig zu beherrschen. Es kommt hinzu, 
dass bei der lange währenden Mauser das ältere Gefieder häufig der Art 
ausbleicht, dass der Vogel farbig ein ganz fremdartiges Ansehen erhält. 
Auch die Beschaffenheit der Eier giebt für solche Fälle keinen Ausschlag. 
Wir können uns hier jedoch auf die bekanntesten deutschen, spezifisch 
genau bestimmten Arten beschränken. — Man unterscheidet unter den- 
selben die ächten und die Seeadler. 


a. Aechte Adler. 


Schnabel von halber Kopflänge, an der Wurzel gerade; Hals mittel- 
lang; Lauf vollständig befiedert; Eier auf weisslichem Grunde braun ge- 
fleckt, selten ohne Flecken. Etwa ein Dutzend, einzeln in allen Erd- 
theilen lebende Arten. 


I. Der Steinadler. 
Aquila chrysaötos L. 


Ackergansgrösse, Hauptfärbung tiefbraun; Schwanz weiss, in der 
Jugend weniger, im Alter mehr, mit schwarzer Endbinde, Lauf hell; in 


Der Königsadler. 383 


der Jugend Scheitel-, Nacken-, Vorderbrust und auch wohl Rückenfedern 
mit rostfarbenen Spitzen. Iris braun, im Alter tiefgelb; Wachshaut oben 
länger als die Breite der Schuabelwurzel; Mundspalte ragt nur bis vorn 
unter die Augen; das Nagelglied der Vorderzehe mit 3 bis 4 umfassen- 
den Tafeln. Die Flügel erreichen die etwas abgerundete Schwanzspitze 
nicht; die sechs ersten Schwingen auf der Aussenfahne verengt. Der 
junge Vogel ist Linne’s Falco fulvus.. Der Steinadler bewohnt den grössten 
Theil Europa’s und Asien’s und soll auch in Nordamerika vorkommen. 
Jedoch bleibt er allen bevölkerten Gegenden fern. Oede Waldgegenden, 
zumal dort, wo Seen in der Nähe sind, bilden seine Heimath; am meisten 
bewohnt er die höheren Gebirge. In Deutschland ist er ein entschieden 
seltener Vogel. Meines Wissens ist im nordwestlichen Deutschland noch 
kein Steinadler erlegt. Was für einen Steinadler ausgegeben wurde, war 
stets ein Seeadler. Ich kenne in Norddeutschland nur Östpreussen als 
seine Heimath, dort brütet er mehrfach in der Nähe des Mauren-See’s; 
auch erhielt ich bereits aus Ostpreussen ein prächtiges Exemplar für 
unsere akademische Sammlung. Im Gebirge tritt er regelmässiger auf, 
horstet schon im Riesengebirge und gehört in der Schweiz zu den ge- 
fürchteten Vögeln. Zahlreicher lebt er in den Wolgaländern, sowie im 
südlichen Russland in der Steppe. Seinen Horst baut er in den Gebirgen 
auf steile Felsen, in der Ebene auf sehr starke Bäume und legt zwei bis 
vier grünlichweisse, nicht stark braun gefleckte rundliche Eier von Pfauen- 
eiergrösse. Er raubt kleinere und grössere Säugethiere, besonders Hasen, 
und grosse, meist schwerfällige oder wenigstens nicht schnell fliegende 
Vögel, Trappen, Gänse, Enten, Störche, Kraniche, Waldhühner u. s. w. 
— Die oft erzählten Kämpfe eines Menschen mit einem Adler oder „Geier” 
bei dessen Horste beziehen sich auf ihn. Er soll auch das ursprüngliche 
Motiv des Wappenadlers sein. 


2. Der Königsadler. 
Aquila imperialis Bechst. 

Ungefähr gleiche Grösse mit dem Steinadler; Hauptfärbung des alten 
Vogels tiefbraun mit helleren Spitzen der Hinterkopffedern und mit 
weisser Schulter; des jungen Vogels unten ledergelb bis gelbrostlich mit 
dunklen Längsflecken; Kopf und Hals ledergelblich, Oberseite und Flügel 
dunkler. Die Mundspalte reicht bis unter das Auge weg; Wachshaut so 
lang als breit, der aschgrau gewässerte, unregelmässig gebänderte und mit 
schwarzer Endspitze versehene Schwanz wird ganz von den Flügeln be- 
deckt; die Mittelzehe besitzt fünf grosse Tafeln; der Lauf dunkelfarben 
befiedert. — Der Königsadler steht dem Steinadler nahe; doch wenn man 
beide nebeneinander etwa lebend in zoologischen Gärten betrachtet, so 


- 


354 Raubvögel. 


charakterisiren ihn seine gedrungenere Gestalt, sein stärkerer Kopf, längerer 
Schnabel, seine kleineren Augen sofort, auch abgesehen von aller Farben- 
verschiedenheit als eine besondere Spezies. Er ist ein südöstlicher Vogel, 
dessen Erscheinen in Deutschland zu den Seltenheiten gehört. Ausser 
dem südöstlichen Europa bewohnt er Nordafrika und einen Theil Asiens. 
An den unteren Wolgagegenden und stellenweise auch in Ungarn ist er 
nicht selten. „Am häufigsten”, sagt Fritsch*), „kommt er in den Ebenen 
des Temeser Banates und zwar in der Gegend des Belo Berdo (Sand- 
hügel) vor. Dieses ist eine 7 Quadratmeilen grosse, von bodenlosem Sande 
bedeckte Landstrecke. Der Sand bildet eine unzählige Menge von Hügeln, 
die mit Rasen und theilweise auch mit Gestrüpp bewachsen sind und einer 
grossen Anzahl von Zieseln zum Aufenthalte dienen. Zwischen den Hügeln 
finden sich sumpfige Stellen, welche dicht mit Rohr verwachsen sind, wo 
die Enten vortreffliche Brutplätze haben. Da sich überdies auch viele 
Hasen, Füchse u. a. daselbst aufhalten, so bietet sich den Adlern reich- 
liche Nahrung, ohne dass sie weit nach derselben umhersuchen müssten.” 
Fritsch fand den Adler dort ziemlich häufig und wenig scheu, da er 
sich zwischen den Sandhügeln, wo er gewöhnlich auf einem erhöhten 
Punkte sitzt, zu Wagen auf Schussweite annähern konnte. Einst traf er 
sogar eine Gesellschaft von sieben meist lichtgefärbter junger Individuen. 
Er baut dort seinen Horst auf den Boden und zwar in’s Gestrüpp und 
bewohnt auch in Kleinasien die Steppen. Doch hat man seinen Horst auch 
auf alten Bäumen, z. B. auf hohen Eichen der Donauinseln aufgefunden. 
Seine (2 bis 3) Eier ähneln denen des Steinadlers, ihre Schale ist jedoch 
etwas glatter und die braune Fleckenzeichnung selten intensiv. — Der 
Königsadler scheint demnach vorzugsweise Steppenvogel zu sein, wo- 
gegen die eigentliche Heimath des Steinadlers bewaldete Hochgebirge mit 
zerklüfteten Felspartieen bilden. 


3. Der Schreiadler. 


Aquila naevia Briss. 

An Grösse übertrifft er oft kaum den weiblichen Rauhfussbussard, 
doch variirt er in dieser Hinsicht nicht unerheblich; sein längerer Hals, 
seine stärkeren robusteren Flügel, welche den Schwanz gänzlich überdecken, 
sogar wohl etwas überragen, besonders aber seine höheren Läufe verleihen 
ihm eine scheinbar bedeutendere Grösse. Seine Färbung ist einfach tief 
braun, das neu angelegte Gefieder mit Kupferschimmer, das alte oftmals 
bis zum falben Braun an den unbedeckten Spitzen verblichen. In der 


*) Naturgeschichte der Vögel Europa’s von Anton Fritsch, Prag; Com- 
missionsverlag von F, Temsky. 


Der Schreiadler. 3835 


Jugend zeichnet er sich durch tropfenartige gelbliche Punkte und starke 
Flecken an den Spitzen der Hinterkopf-, Nacken-, Vorderbrust-, Flügeldeck- 
und anderen Federn bald mehr bald weniger aus. Der Schwanz trägt 
12 bis 14 schmale, gerade verlaufende schwarze Querbänder. Die Wachs- 
haut ist länger als die Breite der Schnabelbasis; die Nasenlöcher eirund 
ohne Einbuchtung. Er bewohnt einen Theil Europa’s, Asien’s und das 
nördliche Afrika. In Deutschland ist er im Allgemeinen selten, jedoch 
hier in unserem norddeutschen Osten, dort wo Waldungen und Seen, 
grössere Teiche und Fenne abwechseln, vorzüglich wo im Walde selbst 
sich Pfützen und inundirte Niederungen finden, geradezu häufig. In Vor- 
pommern habe ich an 15 Horste gesehen und hier bei Neustadt (Prov. 
Brandenburg) lebt er als Brutvogel sowohl im Biesenthaler- als Lieper 
Revier. Es gewährt ein herrliches Schauspiel hier im Frühlinge ein Paar 
Schreiadler, Bussarde und schwarzer Milane über einer und derselben 
grösseren Blösse im blauen Aether kreisen zu sehen. Der Schreiadler 
ist vom Bussard im Fluge sehr leicht zu unterscheiden. Statt des kurzen 
runden Bussardkopfes mit dem kleinen Schnäbelchen, verläuft bei ihm 
der Kopf konisch in den längeren Schnabel; er spreizt in höchst auf- 
fallender Weise die Spitzen der Handschwingen fingerförmig, und zwischen 
diesen und den geschlossenen Armschwingen zeigt der gestreckte Flügel 
des schwebenden Adlers einen tiefen Einschnitt. Selbstredend ist auch 
die ganze Flügelform eine andere, namentlich sind die Armknochen länger 
als beim Bussard. Eine Verwechselung mit einem der Milane ist auch 
abgesehen von deren breitem Gabelschwanz nicht möglich. Im westlichen 
Norddeutschland habe ich ihn nie gesehen. Seinen grossen Horst baut 
er auf alte Bäume, namentlich Buchen, doch auch Eichen. Die neuen 
grünen Zweige, womit er den alten Horst belegt, zeigen an, dass er wieder 
besetzt ist. Er steht in der Regel nicht sehr hoch, etwa 10 bis 15 Meter 
hoch. Ausnahmsweise hat der Vogel schon wohl sehr niedrig gebaut, 
so dass man vom Boden her fast an den Horst reichen konnte. Er legt 
2, auch 3 Eier. Von zweien pflegt fast ohne Ausnahme das eine bedeutend 
kleiner (Männchen) als das andere (Weibchen) zu sein. Auf grünlich 
weissem Grunde stehen braunrothe Flecke und violette Schalenflecke in 
der mannigfaltigsten Verschiedenheit. Der intensivere grünliche Grundton, 
die rundlichere Gestalt, sowie meist auch die stärkere Grösse unterscheiden 
sie so von allen ähnlichen Raubvogeleiern (Mause- und Rauhfussbussard, 
schwarzer und rother Milan u. a.), dass die Bestimmung hier keine Schwie- 
rigkeit bietet. Er nährt sich im Frühlinge wohl ausschliesslich von 
Fröschen (ana temporaria), welche sich zum Laichen an den bezeich- 
neten Stellen in Menge versammeln. Sein Kropf ist zu dieser Zeit immer 
mit Fröschen angefüllt. Später wechselt er insofern mit seiner Nahrung, 


Altum, Die Vögel. 25 


386 ‘  Raubvögel. 


als er ausser einzelnen Fröschen auch alle andere kleinere höhere Thiere, 
kleine Säugethiere, junge und auch alte Vögel, sogar wohl grössere Insecten 
erbeutet. Schnelligkeit und Gewandtheit zeigt er jedoch nie, selbst nicht 
bei seinen Jagden. 


Eine andere sehr ähnliche Spezies, der grosse Schreiadler, 
Aquia celanga Pall., kommt aus dem Osten und Südosten häufig mit 
naevia in den Handel. Er ist gleichfalls tief braun und im Allgemeinen 
grösser, ja einzelne Individuen reichen völlig an die Stärke des Stein- 
adlers. Jedoch lässt sich nach der Grösse schwerlich eine Grenze ziehen, 
da diese von elanga zu naevia allmählich übergeht. Sein Schnabel ist 
weit robuster, als der für einen Adler schwächliche der naevia, und er- 
nnert lebhaft an den des Steinadlers. Gleichfalls unterscheiden ihn die quer 
igestellten eingebuchteten Nasenlöcher, sowie eine sehr schwache, zuweilen 
sogar fehlende, breite zackige Bänderung des Schwanzes, und eine ähn- 
liche, noch schwächere, meist nur auf der Unterseite sichtbare Zacken- 
bänderung der Handschwingen. Seine Eier ähneln mehr denen des Stein- 
adlers als seines kleineren deutschen Vetters. 


Ausser den genannten sind in Deutschland als Seltenheiten noch 
zwei andere ächte Adler vorgekommen. Der Zwergadler Aquila pen- 
nata (m. von Bussardgrösse, aus dem Südwesten wie Osten (Galizien, 
Volhynien) Europa’s.. Seine Eier grünlich weiss ohne Zeichnung. — 
Bonellis Adler, Ag. Bonelli Tem., von der Grösse eines starken 
Schreiadlers, auffallend durch seine sehr langen Ständer, aus Südeuropa 
und Nordafrika. Eier grünlich weiss mit sehr kleinen braunen Zeich- 
nungen. 


b. Seeadler. 


Schnabel hoch, von Kopfeslänge; First an der Basishälfte gerade, 
dann sich zu einer starkhakigen Spitze herabbiegend; Lauf in der unteren 
Hälfte nackt, getäfelt. Eier weiss. Man kennt sieben, in allen Erdtheilen 
ausser Neuholland lebende Spezies; sämmtlich grosse kräftige, doch nicht 
sehr gewandte Raubvögel, von denen einer Deutschland als Brutvogel 
bewohnt. 


4. Der weissschwänzige Seeadler. 
Aquila albieilla L. 
Der grösste deutsche Adler, die Weibchen namentlich von impo- 
nirender Körperstärke. Schwanz keilförmig, die Flügel um mindestens 
3 Cm. überragend. Im hohen Alter Schnabel eitronengelb, Iris perlweiss, 


Der weissschwänzige Sceadler. 387 


Schwanz schneeweiss, Kopf und Hals einfach grauweiss, das übrige Ge- 
fieder ohne Zeichnung braun. Bei der langsamen Mauser jedoch ver- 
bleichen mit der Zeit die unbedeckten Spitzen der alten und ältesten 
Federn in verschiedenem Grade, gegen welche die neuen noch dunklen 
stark abstechen. Hierdurch entsteht dann namentlich auf der Oberseite 
eine unbestimmte unschöne Fleekung. In der Jugend ist Kopf und 
Hals schwarzbraun, das übrige Gefieder hellbraun mit schwarzbraunen 
Spitzentropfen; Schwanz tiefbraun mit noch sehr beschränkter sprenkeliger, 
schneeweisser Zeichnung; Schnabel hornschwarz, Iris braun. Mit zu- 
nehmendem Alter wird die Gefiederfarbe des Körpers einfacher, Kopf und 
Hals heller, das Weiss des Schwanzes mehrt sich. Alle Exemplare er- 
halten im Alter rein weisse Schwänze, allein anscheinend nicht, wenig- 
stens in unserer Gegend nicht, jene sehr helle Kopf- und Halsfärbung. 
Vielleicht bezeichnet letztere das höchste Alter, und ist eben deshalb so 
selten. So wie dieser Vogel nach Grösse und Färbung hier in Deutsch- 
land varürt, so zeigt er auch in seinem sehr ausgedehnten Verbreitungs- 
bezirke mehre Abweichungen, von denen nur die weit stärkere und lang- 
schwänzige grönländische Race genannt werden möge. Die von der unteren 
Wolga häufig in den Handel kommenden Bälge von alten Vögeln tragen 
fast alle jene helle Kopf- und Halsfärbung, welche ich soeben für Deutsch- 
land als selten bezeichnete. Exemplare mit dieser scheinen bei Sonnen- 
schein in klarer Luft kreisend an Kopf und Hals rein weiss zu sein; auch 
der eitronengelbe Schnabel macht sich dabei sehr geltend. Der Beob- 
achter kann leicht versucht sein, einen solchen Vogel für den nordame- 
rikanischen leueocephalus zu halten. Der Seeadler bewohnt Nordsibirien 
bis zum 75° n. Br., Grönland, Island, Skandinavien bis zum Eismeere, 
findet sich auch auf den Aleuten, in Japan, im südlichen Sibirien und 
Russland, ist in den Donauländern häufig, wird an der unteren Wolga, 
ja noch am unteren Nil gefunden, und besucht als Gast zur Winterszeit 
noch weit südlicher gelegene Länder. Im Norden bewohnt er gern die 
Felsen, in den Karpathen ist er in einer Höhe von 1000 Meter noch an- 
getroffen, bei uns aber liebt er ebenso die Ebenen. In Deutschland, 
namentlich Norddeutschland haben ihn nur diejenigen Gegenden aufzu- 
weisen, in denen ausgedehnte stille Wälder mit Seen abwechseln, nament- 
lich Mecklenburg, Pommern, Brandenburg, Ostpreussen. Für den Westen 
kenne ich ihn als Brutvogel nicht. In Pommern ist er als Brutvogel gar 
nicht selten, doch behauptet er ein ziemlich bedeutendes, etwa 1—1'/, Meile 
im Durchmesser haltendes Brutrevier. Dort stehen auf starken Bäumen 
(im Norden brütet er gern auf Felsen); so weit die Erinnerung der ältesten 
Menschen zurückreicht, auf stets denselben Bäumen unverändert die grossen 


25* 


388 Raubvögel. 
Horste. Nie wird ein neuer gebaut. Wird der Baum gefällt oder bricht 
der Sturm den Gipfel und wirft ihn mit dem Horste herab, so ver- 
schwindet das betreffende Paar aus der Gegend, man sah in denselben 
Revieren nie einen neuen entstehen. Sind die Brutvögel durch ihre Fär- 
bung kenntlich, so lässt sich dort leicht constatiren, dass stets dasselbe 
alte Paar denselben Horst bezieht. So mögen dort manche Brutvögel 
uralt sein. Die Jungen schweifen 15, 20 Jahre und länger in der Gegend 
umher, ohne zur Fortpflanzung zu kommen. Sie sind es vorzüglich, die 
man als Vagabunden auch in anderen Gegenden antrifft, die gegen October 
unsere Nordseeinseln und Küstenstriche besuchen, wm vorzugsweise auf 
Kaninchen Jagd zu machen, die von dorther einzeln auch bis in den 
Westen von Norddeutschland streichen. Manche mögen sich schon ge- 
paart haben und in der Fortpflanzungszeit paarweise zusammen halten, 
sie kommen aber nur dann zum Brüten, wenn sie in eine vakante 
Stelle einrücken können. Am 14. April schoss ich einst ein uraltes, vom 
Horste abstreichendes Weibchen in Vorpommern und liess den Horst un- 
berührt, um auch das Männchen dabei zu erlegen. Nach 8 Tagen jedoch 
hatte sich das Paar nicht nur ergänzt, sondern es waren drei Adler beim 
Horste. Zu dem verwittweten Männchen hatte sich ein jüngeres Weib- 
chen gesellt, aber dieses auch sein Männchen mitgebracht. Im‘ Fluge 
übertrifft er als Zierde einer Landschaft weitaus die kleineren Vettern, 
zumal wenn er mit fingerförmig stark gespreizten Handschwingen sich 
ohne Flügelschlag im blauen Aether in weiten Spiralen wiegt. Seine 
Ruderbewegung erscheint gemächlich; schwebt er mit sehr gestreckten 
Flügeln und etwas aufgebogenen Schwingenspitzen in horizontaler oder 
vielmehr sehr wenig geneigter Richtung dahin, etwa von einem Dünen- 
kopfe in die weite Ebene hinein, so repräsentirt er gleichfalls die plastische 
Ruhe; zieht er aber die Flügel halb an, so schiesst er aus der Höhe mit 
zunehmender Geschwindigkeit endlich sausend schräg abwärts dahin und 
muss für ein etwaiges Niedersetzen vor dem Ziele durch Ausbreiten der 
Flügel, sowie durch eine seitliche Wendung der Flugrichtung den sonst 
unvermeidlichen Anprall pariren. Eine laufende Beute, namentlich Hasen, 
überholt er leicht; schnell fliegende Vögel vermag er nicht zu erbeuten, 
wenn er sie nicht überrumpelt. In dem gänsereichen Pommern ist der 
„Josor” (Gänseaar) aus sehr begreiflichen Gründen verhasst; er erbeutet 
aber nicht allein zahme, sondern auch wilde Gänse und Enten. Auf Aas 
fällt er gern ein. Dass er grössere Fische fängt, wird allgemein behauptet. 
Dem Wilde thut er nicht unerheblichen Abbruch; es ist gar keine Selten- 
heit, dass man in seinem Horste die Reste eines Rehkitzes findet. Er 
weiss sich stets zu ernähren, und greift beim Mangel grösserer Beute auch 
kleine Thiere an. Seine Vermehrung ist schon aus dem Grunde, weil 


A Falk. 389 


keine neuen Horste angelegt werden, in einer Gegend nicht stark. Seine 
(2 selten 3) Eier tragen nur in seltenen Ausnahmefällen ganz schwache 
Zeichnung. Seine Stimme hört man an den Brutplätzen oft von ihm; sie 
ist ein weitschallendes „Kjak, kjak, kjak....”, wodurch er sich fliegend 
oft aus bedeutender Ferne ankündigt. 


Falk, Falco. 


Kleine bis mittelgrosse Raubvögel, mit knappem starrschaftigem Gefieder ; 
Körper gedrungen, jedoch die ganze Gestalt wegen des knapp anliegenden 
Gefieders, der langen schmalen spitzen Flügel, deren zweite Handschwinge 
die längste ist, und des wenigstens mittellangen Schwanzes schlank; Kopf 
diek und rund; Schnabel kurz, die First von der Wurzel an stark ge- 
krümmt, im Oberschnabel vor der scharfhakigen Spitze ein scharfer Zahn, 
im Unterschnabel eine dem entsprechende Kerbe; um die tiefdunklen Augen 
eine nackte Haut, deren Farbe der der Wachshaut und der nackten Bein- 
theile entspricht; Hals kurz; Läufe kurz, kräftig, netzschuppig, Zehen 
lang, oben, wenigstens vom Wurzelgliede an, beschildert. — Die Falken, 
die reinste Ausprägung des Raubvogels, leben nur von selbst erbeuteten 
lebendigen Thieren. Viele von ihnen erjagen nur fliegende Vögel, die sie 
aus der Höhe schräg herabstürzend ergreifen. Diese Art des Angriffes 
macht es ihnen unmöglich, Thieren auf dem Boden verderblich zu werden. 
Andere schweben über freien Flächen, den Boden nach Beute abspähend, 
rütteln wohl über einem etwaigen Funde und überfallen denselben dann 
nach Weise der Bussarde und Weihen. Diese leben auch von kleinen 
Säugethieren und grossen Insecten. Wälder oder Felsen bez. hohe Stein- 
bauten sind ihre Heimathsstellen, von wo aus sie ihre Jagdflüge in die 
offene Umgegend anstellen. Ihre Horste bauen sie eben dort und legen 
3 (die grösseren) bis 6 (die kleineren Arten) Eier, deren bei durchfallen- 
dem Lichte gelbliche Schale meist vollständig bedeckt ist mit feineren 
oder auch gröberen intensiv braunrothen Flecken. An ihren Brutplätzen 
schreien sie viel, fliegend wie sitzend; einsilbige Töne wie „Käk”, „Kik”, 
„Kli” werden abgestossen oft wiederholt. Man kennt etwa 50 verschiedene 
Arten, die sich einzeln in allen Erdtheilen finden. Manche haben eine 
ungemein weite Verbreitung und ändern dann wohl in Färbung und Zeich- 
nung erheblich ab, andere bewohnen nur bestimmte Zonen und Regionen, 
deren Grenzen sie trotz ihres ausgezeichneten Flugvermögens nur selten 
überschreiten. Als Schnellflügler bilden sie den Ruderflüglern (Adlern, 
Bussarden und Milanen) gegenüber im Fluge einen schroffen Gegensatz. 
Keine Art vermag ruhig schwebend sich in Schraubenlinien zu bewegen. 
Sie vermögen nur unter fortwährenden schnellen Ruderschlägen zu fliegen, 


390 Raubvögel. 


höchstens eine kleine Strecke in gerader Richtung weiter zu schwimmen. 
Ihre Angriffsbewegung auf eine Beute, der Sturz schräg abwärts aus der 
Höhe, ist die schnellste Bewegung, die überhaupt bei sämmtlichen Vögeln 
gefunden wird. — Als allgemein bekannte Brutvögel leben bei uns in 
Deutschland nur drei Arten; eine vierte stellt sich vom Norden her all- 
jährlich regelmässig bei uns ein, einige andere sind mehr oder weniger 
Seltenheiten. Nach der obigen Andeutung wollen wir dieselben in Edel- 
und Röthelfalken theilen. 


a. Edelfalken. 


Die kräftigste Falkenform, das Gefieder am knappsten und starrsten, 
namentlich Schwingen und Steuerfedern äusserst kräftig; die Schnabelfirst 
nicht halb so lang als die Mittelzehe mit Krallen; die äussere Zehe wenig 
länger als die innere. Sie erjagen nur fliegende Vögel. Gegen 30 Arten, 
in allen Welttheilen. 


I. Der Jagdfalk. 
Falco candicans Gm. 

Der grösste Falk (etwa Rabengrösse); Bartstreif schwach, die Flügel 
bedecken den mit 12 bis 14 Querbinden versehenen, oder rein weissen 
Schwanz nicht; Tarsus kürzer als die Mittelzehe ohne Kralle, nach hinten 
in einem schmalen Streifen bis zur Ferse nackt, vorn zu zwei Drittel, 
seitlich noch tiefer befiedert; die starken Hosen reichen bis auf die Zehen. 
Die nackten Theile in der Jugend bläulich, später grünlich, im Alter 
gelblich, doch nie intensiv gesättigt gelb. Dieser Falk bewohnt circum- 
polar den hohen Norden und tritt daselbst in drei verschiedenen Formen 
auf, von denen die prächtig weissen schwarz gefleckten, als passendstes 
Gegenstück zu der Schneeeule so recht den nordischen Charakter in der. 
Färbung repräsentiren. Ausser dieser (im Alter) weissen Form aus Grön- 
land, Island und Sibirien (candicans GFm.), lebt ebenfalls in Island, ferner 
in Norwegen und Lappland eine graue Form (gyrfalco L.) und in Labrador 
eine schwärzliche (arcticus Holb.). In der Jugend sind alle längsfleckig, 
nach dem ersten Lebensjahre tritt Querzeichnung auf. Der norwegische 
Gierfalk (gyrfalco L.) ist die einzige Form, die bis jetzt mit Sicherheit 
im Winter bis in unsere Gegenden, Norddeutschland, Helgoland, Holland 
vorgedrungen ist, meist nur in Jugendexemplaren. Die so sehr geschätzten 
nordischen Jagdfalken der Falkoniere waren ebenfalls diese norwegische 
Form. — Dieser Falk horstet auf Felsen; seine Eier sind nicht sehr 
intensiv röthlich, oft tritt die feine Fleckung nur äusserst schwach auf 
und die ganze Fläche erscheint dann schmutzig fleischröthlich. 


Der Würgfalk. — Der Wanderfalk. 391 


2. Der Würgfalk. 
Falco laniarius Pall. 

In Grösse den Wanderfalken nur etwas übertreffend; Bartstreif schwach ; 
der Schwanz mit weisslichen oder gelblichen, runden und quer elliptischen 
Flecken in 9 bis 11 Reihen, die nie eine durchgehende Querbänderung 
bilden, sondern auf der Aussen- und Innenfahne jeder Feder durch die 
Schaftpartie unterbrochen werden; die nackten Theile blau („eyanopus’ 
Tiedem.); Unterseite weiss oder gelblich mit dunklen Längsflecken oder 
Tropfen, nie eine Querbänderung ; Oberseite graubraun mit rostigen Säumen; 
der Scheitel oft rostroth. — Dieser Falk ist gleichfalls für Deutschland 
eine Seltenheit. Er bewohnt den Südosten Europa’s; sein Horst steht 
meist in unersteiglichen Felsklüften. Eier zart, aber gesättigt, dunkel 
fleischroth, wohl in’s Violette ziehend, fein gefleckt, doch so dicht, dass 
die Schale völlig bedeckt ist. 


3. Der Wanderfalk. 
Falco peregrinus L. 

Etwa Haushuhngrösse, sehr kräftig; Backenstreif sehr stark; Schwanz 
von Flügellänge, mit 7 bis 9 Querbinden; Hosen mit Längs- oder Quer- 
zeichnung, Zehen lang; nackte Theile gelb. Alter Vogel: Oberseite grau- 
blau mit Querflecken, Scheitel wohl bis zu schwarz verdüstert, Backen- 
streif schwarz; derselbe hängt zuweilen durch schwarze Färbung der Wan- 
gen mit dem schwarzen Scheitel zusammen (melanogenys Gould.) ; Unter- 
seite weiss, doch auch wohl theilweise rostbräunlich, oder theilweise, na- 
mentlich an der Unterbrust zart aschbläulich, an der Kehle ungefleckt, 
in der Kropfgegend beginnen einzelne feinere, allmählich in stärkere Flecken 
übergehende, meist weitständige Tropfen, welche gegen die Unterbrust 
eine quere Gestalt annehmen und dann sehr bald durch eine kräftige 
Sperberung, zumal an Bauch und Hosen ersetzt werden. Junger Vogel: 
Oberseite und Backenstreif mehr oder weniger graubraun, der Rücken 
mit lichten Federrändern; Unterseite schmutzig rostweisslich, bald lichter 
bald gesättigter, mit starken dunkelbraunen Längsflecken. An Grösse 
variiren die Exemplare, namentlich die beiden Geschlechter erheblich. 
Alle diese Verschiedenheiten kommen hier in einer und derselben Gegend 
vor, bald nur in schwachen Andeutungen, bald in starker Ausprägung. 
Es kann nicht befremden, dass bei der ungeheuren Verbreitung des Wan- 
 derfalken in verschiedenen Gegenden bald das eine, bald das andere dieser 
Kleider als typische Form auftritt und dort sogar noch weiter ausgebildet 
erscheint. Unter allen Besonderheiten und Formen ausländischer Wan- 
derfalken ist mir kein einziges Moment bekannt, das nicht auch in unseren 
Gegenden, wenngleich nur schwach und gleichsam nur andeutungsweise 


392 Raubvögel. 


vorkäme. Diesen äusseren Verschiedenheiten ist spezifischer Werth bei- 
gelegt. So hat Bonaparte den Wanderfalken Nordamerika’s als F. ana- 
tum unterschieden, Gould den australischen melanogenys, Sundewall 
den F. peregrinator aus Mittel- und Südasien und Schlegel eine kleinere 
afrikanische Form als minor aufgestellt. Andere Autoren gingen noch 
weiter. Bechstein wollte einen (kleineren) Tannenfalken, F. abietinus, 
Brehm (Vater) ausserdem noch einen weisswangigen, /. leucogenys, einen 
graubäuchigen, F. griseiventris, und einen Krähenfalken, FÜ cornicum, 
als selbstständige Arten unterscheiden. Nach seiner. Verbreitung kann 
man den Wanderfalken geradezu einen Cosmopoliten nennen; wir treffen 
ihn in allen Welttheilen an; im hohen Norden jedoch wird er durch den 
Jagdfalken vertreten. In den verschiedenen Ländern ist auch seine Auf- 
enthaltsörtlichkeit verschieden. Denn er bewohnt eben sowohl die Felsen, 
ja die schroffen Felswände, deren Fuss vom Meere bespült wird, als er 
in den ebenen Waldgegenden hauset. Wasser mit Wassergeflügel in der 
Nähe ist ihm stets sehr willkommen, denn auf dieses jagt er stark. In 
Städten, auch den grössten, setzt er sich fest, um dort auf die zahmen 
Tauben Jagd zu machen. In Berlin war er vor zwei Jahren so zahlreich, 
dass die Polizei von den Taubenhaltern um die Erlaubniss des Abschusses 
angegangen wurde. Von 1853 bis 1856 habe ich selbst ihn dort häufig 
beobachtet. So pflegte ein Weibchen des Morgens früh ruhig und zu- 
sammengekauert auf einem Ziegelvorsprunge des Daches der Garnisonkirche 
zu sitzen. Taubenflüge beleben die Luft. Der Falk wird erregt und 
verfolgt mit den Augen die Tauben. Das währt etwa 5 Minuten und 
nun erhebt er sich. Noch gewahren ihn diese nicht; doch er rückt ihnen 
in wenigen Sekunden so nahe, dass nun plötzlich ihr leichter ungezwun- 
gener Flug sich in ein wirres ungestümes Fliegen und Steigen verwandelt. 
Aber unglaublich schnell hat er sie eingeholt und etwa um 10 Meter 
überstiegen. Nun entfaltet er seine ganze Gewandtheit und Schnelligkeit. 
In sausendem schrägem Sturze fährt er auf eine der äussersten hernieder 
und dirigirt in diesem rapiden Angriffe seine Richtung so genau, dass 
er allen verzweifelten Flugwendungen des schnellen Opfers folgt. Aber 
in dem Momente, wo er dasselbe ergreifen will, ist es unter ihm entwischt. 
Mit der durch den Sturz erlangten Geschwindigkeit, steigt er sofort ohne 
Flügelschlag wieder empor, rudert schnell und ehe 10 Sekunden verflossen 
sind, ist die Taube vom Falken wiederum eingeholt und in derselben 
Höhe überstiegen, der Angriff im sausenden Sturze mit angezogenen Flügeln 
erneuert und die Beute blutend in den Fängen des Räubers. In horizon- 
taler Richtung fliegt er nun mit derselben ab und verschwindet bald aus 
dem Gesichtsfeldee Von den übrigen Tauben sieht man noch einzelne 
in fast Wolkenhöhe wirr umherfliegen, wogegen sich die anderen jäh 


Der Jagdfalk. 395 


herabgeworfen und unter dem Schutze ihrer Behausung Sicherheit gefunden 
haben. Stösst er etwa drei oder vier Mal fehl, so lässt er von dem aus- 
ersehenen Opfer ab, und da die übrigen sich bereits in die Höhe oder 
Tiefe geflüchtet, so zieht er unverrichteter Sache ab. In ähnlicher Weise 
jagt er, wie alle übrigen Edelfalken, jede Beute. Bei minder schnellen 
und gewandten Fliegern, z. B. bei Enten und Rephühnern, hat sein erster 
Angriff fast stets den gewünschten Erfolg. Da er hier in unseren Gegenden 
häufig in Wäldern brütet, die an offene Flächen stossen, auf denen sich 
die Kiebitze häuslich niederzulassen gedachten, so richtet er unter diesen 
stets ein furchtbares Blutbad an. In Pommern wie hier bei Neustadt 
waren die Waldestheile, in denen sein Horst stand, bestreut mit den 
grösseren auffallenden Kiebitzfedern. Ueberhaupt hält er alles grössere 
Geflügel in seiner Umgebung in Schach. Wilde Tauben sind ihm sehr 
willkommen, Spechte, Waldhühner, Blauraken, Wiedehopfe, Drosseln und 
was noch sonst, werden verjagt. Sogar die Wildgänse greift er mit Erfolg 
an. Den Entenzügen folgt er zur Zugzeit und braucht dann nie um 
Nahrung verlegen zu sein. Im ersten Frühlinge sah ich ihn hier ruhig 
in einer Erle am Wasser sitzend das Auffliegen der Märzenten, die in 
seiner Nähe umherschwammen, erwarten. In ähnlicher Weise harrt er 
auch oft in irgend einer Hecke, auf einem Zaune, Grenzsteine, einer Erd- 
scholle auf das freiwillige Auffliegen einer Rephuhnkette, eines Gesperres 
Fasanen u. ähnl. Wird ihm dieses zu langwierig, so streicht er niedrig 
am Boden dahin, um seine ersehnte Beute zum Aufstehen zu bewegen. 
Doch wehe, wenn er diesen Zweck erreicht, denn dann ist im folgenden 
Augenblicke ein Stück verloren. Er kröpft es alsdann an derselben Stelle 
auf dem Boden. Den etwaigen Rest überlässt er anderen, da er nie wieder 
zu demselben zurückkehrt. Seinen Horst baut er gern auf einen starken 
Baum am Rande des Waldes, um sofort in’s freie Jagdrevier gelangen 
zu können, doch habe ich denselben auch schon mitten im Walde gefunden, 
und zwar hatte er hier einen alten Bussardhorst angenommen und her- 
gerichtet. Er stellt sich schon sehr früh im Jahre, etwa Mitte Februar 
bei uns ein, in diesem Jahre (1873) wurde schon am 6. Februar ein 
Pärchen im hiesigen Lieper Revier gesehen. Jedoch kommen auch den 
ganzen Winter hindurch einzelne Wanderfalken vor, zumal bei milder 
Witterung. Schon Mitte April finden wir im Herbste seine drei dunkel 
braunrothen Eier. Er zeigt eine grosse Anhänglichkeit an seine Brut, 
sitzt auf den Eiern sehr fest, fliegt dem Menschen, der sich seinen kleinen 
Jungen nähert, entgegen und begleitet ihn eine Strecke durch den Wald. Er 
schreit am Horste viel, etwa „Kjäck” (Männchen), „Köck” (W.). Hier im 
Nordosten von Deutschland brütet er überall, und scheint dabei die Nadel- 
holzwälder den Laubholzwäldern vorzuziehen; im Münsterlande ist mir 


394 Raubvögel. 


keine Brutstelle bekannt geworden, ich kenne ihn dort nur als durchaus 
nicht häufigen Durchzügler. Im September pflegt er uns wieder zu ver- 
lassen. — Den Falkonierern war der Wanderfalk ein sehr geschätzter Baiz- 
vogel. 


4. Der Lerchenfalk. 
Falco subbuteo L. 

Oberseite schieferschwarz, bläulich überhaucht; bei den Jungen mit 
hellen Federkanten; im Genick zwei gelbliche Flecke; Wangen und Kehle 
weiss, Backenstreif schwarz und stark; Unterseite weisslich, bei den Jungen 
hellrostig, mit starken braunschwarzen 
Längsflecken; Flügel sehr lang, überragen 
den Schwanz, die erste Handschwinge auf 
der Innenfahne eingeschnitten (Fig. 26); 
Hosen und untere Schwanzdeckfedern 
roströthlich und fast ungefleckt; Schwanz 
auf der Unterseite gebändert; Zehen lang; 
nackte Stellen gelb. — Der Lerchenfalk 
(Baumfalk) ist die kleinere Ausgabe des 
Wanderfalken, erscheint jedoch der re- 
lativ viel längeren Flügel wegen sitzend 
wie fliegend weit schlanker. Wo Wald 
und offenes Feld sich begrenzen, wohnt 


Falco subbuteo, aesalon. er im mittleren und südlichen Europa 
('/, natürl. Grösse.) 


Fig. 26. Fig. 27. 


sowie im angrenzenden Asien überall. 
Vom Walde oder kleinen Feldholze aus 
unternimmt er seine Jagdflüge und verfolgt namentlich die Lerchen, jedoch 
auch alle anderen kleinen Vögel, die er dort antrifft. Er ist wohl der 
schnellste von allen hiesigen Raubvögeln, denn er erbeutet sogar die 
schnellen Schwalben, ja ich habe ihn sogar einmal einen Segler fangen sehen. 
Vögel von etwa Wachtelgrösse fallen ihm noch zur Beute, grössere aber 
greift er nicht mehr an. Dagegen nimmt er auch grosse Inseeten, Käfer 
und Heuschrecken. Man sieht ihn meist in mittlerer Höhe, nicht so 
häufig niedrig über den Boden oder hoch oben durch die Luft streichen. 
Von den übrigen ungefähr gleich grossen hiesigen Raubvögeln ist er im 
Fluge an seinen langen spitzen Flügeln und dem kurzen Schwanze leicht 
zu unterscheiden. Man trifft ihn in ganz Deutschland überall an, er ist 
nirgends selten, doch auch nirgends eigentlich häufig oder gar zahlreich. 
Seinen Horst baut er hoch auf hohe Bäume am Waldrande, gern auch 
in stark gelichteten Wäldern oder in einen der alten Ueberständer in einer 
Verjüngung und wählt dazu am liebsten Eichen. Seine Eier unterscheiden 


Der Merlinfalk. 395 


sich von denen der anderen kleinen Falken im Allgemeinen durch ge- 
ringere Intensität des braunen Tones, feine dichte, den Grund fast stets 
völlig bedeckende Fleckung, etwas stärkere Grösse und gestreckte Gestalt. 
Ich getraue mir, jedes normale Lerchenfalkenei zwischen denen des Thurm-, 
Merlin-, Rothfuss-, Eleonoren- und Röthelfalken zu erkennen; doch ist 
eine ausreichende Beschreibung schwierig und kaum möglich. Er ist bei 
uns ein entschiedener Sommervogel. Erst im April trifft er hier ein, um 
die Mitte Mai finden wir seinen Horst besetzt und Ende September ver 
lässt er uns wieder, doch sieht man auch noch im October einzelne umher- 
streichen. Sein Geschrei, das man am meisten während der Brutzeit von 
ihm hört, lautet wie „Gäck, gäck, gäck....” oft wiederholt. 


5. Der Merlinfalk. 
Falco aesalon L. 

Wenig kleiner als der Lerchenfalk, doch wegen der kürzeren Flügel, 
die angelegt die Spitze des Schwanzes nicht erreichen, scheinbar, nament- 
lich fliegend, viel kleiner und gedrungener. Die beiden ersten Hand- 
schwingen auf der Innenfahne eingeschnitten (Fig. 27.); Backenstreif 
schwach; nackte Theile gelb. Altes Männchen oberhalb mit Ausnahme 
eines rostigen undeutlichen Nackenflecks aschblau mit feinem schwarzen 
Schaftstriche auf jeder Feder und einer starken schwarzen Binde an der 
Schwanzspitze; unterhalb rostgelblich mit dunkelbraunen Längsflecken. 
Weibehen und Junge oberseits graubräunlich mit rostfarbenen Kanten und 
Flecken und 5 bis 6 hellen Querbinden auf dem Schwanze; von unten 
schmutzig gelbweisslich mit braunen Längsflecken. — Der Merlinfalk be- 
wohnt als Brutvogel den höheren Norden von Europa und Asien. In 
Lappland bildet etwa der 57° n. Br, in England sogar der 50° seine 
südliche Grenze. Es ist oft behauptet, doch eben so oft bezweifelt, dass 
er auch in Deutschland brüte. Sichere Fälle sind meines Wissens davon 
nicht bekannt geworden. Schon im August, am meisten jedoch Ende 
September und im October trifft er vom Norden her bei uns ein. Ein- 
zelne nicht zur Fortpflanzung gekommene Individuen streifen jedoch nicht 
bloss in unseren Küstenländern, sondern auch tiefer im Festlande im 
ganzen Sommer umher. Im Fluge ist er leicht kenntlich, denn er ver- 
bindet den Flugeharakter des Edelfalken mit einem Sperberhabitus. An 
den Sperber erinnern die für einen Edelfalken kurzen Flügel und der 
längere Schwanz. Man pflegt ihn häufig den schnellsten aller einhei- 
mischen Falken zu nennen, welches Prädikat vorhin dem Lerchenfalken 
gegeben wurde. In Mannigfaltigkeit der Flugart übertrifft er diesen jeden- 
falls, wenn auch nicht in der Schnelligkeit. Auf seine fliegende Beute 
schiesst er nie aus einer bedeutenden Höhe tief herab, ja er versteht es 


396 Raubvögel. 


in horizontalem oder sogar kurz vor seinem Ziele in ansteigendem Fluge 
sein selten entwischendes Opfer zu ergreifen. Er jagt auf alle möglichen 
kleinen Vögel, Finken, Ammern, Lerchen, sehr gern Drosseln, und ausser- 
dem an den Küsten und auf unseren Nordseeinseln, auf denen er sich zur 
Zeit des Drosselzuges einfindet, auf allerhand kleinere Strandvögel. Ein- 
zelne sieht man den ganzen Winter hindurch in unseren Gegenden um- 
herjagen, während andere bis zum tiefen Süden gelangen, sogar in Aegypten 
und Nubien noch angetroffen werden. Im März und April zieht dieser 
kleine Falk durch unsere Gegenden wieder zu seiner nordischen Heimath 
zurück. Er brütet daselbst, wie berichtet wird, auf Felsen. Seine Eier 
pflegen sehr intensiv braunroth gefärbt zu sein. Sein Geschrei ist ein 
lautes hohes „Ki ki ki....”. 


b. Röthelfalken. 


Weniger robust gebaut, das Gefieder weniger derb und knapp; die 
Schnabelfirstt mehr als halb so lang als die Mittelzehe mit Kralle und 
diese so lang oder kürzer als der Lauf; Zehen kürzer. In ihrem ganzen 
Verhalten unkräftiger, weniger stürmisch als die Edelfalken. Sie ver- 
mögen es nicht, fliegende Vögel zu erjagen, sondern überfallen meist ihre 
Beute am Boden und leben von kleinen Säugethieren, Vögeln und Insecten. 
Etwa 20 Spezies; bei uns nur ein allgemein verbreiteter Brutvogel, eine 
zweite Art als seltener Gast. 


6. Der Thurmfalk. 
Faleo tinnunculus L. 

Hehergrösse; Backenstreif schwach; Rücken des alten Männchens 
röthelroth mit schwarzen Tropfen; Kopf aschblau, Schwanz desgleichen 
mit schwarzer Binde vor der weissen Spitze; Weibchen und Junge: Ober- 
seite gesättigt rostbräunlich, stark schwarz gefleckt, und der bei ganz alten 
Weibchen bläulich werdende Schwanz schwarz gebändert. Unterseite gelblich 
oder hell rostigweiss mit dunklen Schaftflecken; Schwingen schwärzlich, 
sie lassen angelegt das Endviertel des langen, breiten, zugerundeten 
Schwanzes frei; die beiden ersten Handschwingen (ähnlich wie Fig. 27,, 
S. 394) eingeschnürt; nackte Theile gelb. — Der Thurmfalk bewohnt 
vom Nordkap bis zu den Mittelmeerländern ganz Europa, in letzteren, 
sogar in Nordafrika, ist er sehr häufig. Auch ist er in Sibirien, Japan, 
China, Nepal Brutvogel. Das Tiefland der Niederlande und Friesland hat 
ihn fast ebenso zahlreich aufzuweisen, wie die Gebirgsgegenden des süd- 
lichen Deutschlands. Man sieht ihn fast beständig über offenen Flächen 


Der Thurmfalk. 397 


unstät und im Vergleich mit den kleinen Edelfalken matt umherfliegen, 
alle Augenblicke rüttelnd anhaltend („Rüttelfalk”), bald nach dieser bald 
nach jener Seite sich im grossen Bogen wendend. Rüttelnd sucht er eine 
Beute, etwa Maus oder Vogel, zu fixiren, senkt sich plötzlich auf die 
halbe Höhe, rüttelt wieder und stürzt sich nun senkrecht herab, greift 
jedoch häufig fehl, da etwa die auf's Korn genommene Feldmaus zu 
schnell ihre sichere Röhre erreichte. Auch stürzt er sich wohl im Augen- 
blick, wo ein Maulwurf Erde aufwirft, auf dessen Haufen und greift mit 
beiden Fängen hinein. Von kleineren Vögeln fallen ihm mehr junge als 
alte zur Beute; doch scheinen Mäuse seine Hauptnahrung zu bilden. Ausser 
diesen fängt er sich auf dem Boden manches grössere Inseet. Auf einer 
niederen Erhabenheit, jedoch auch auf der Spitze eines’ Baumes ruht er 
oft aus. Den tiefen geschlossenen Wald vermeidet er, im lichten alten 
Kiefernwalde sehen wir ihn zur Brutzeit häufig. Lieber jedoch horstet 
er auf einzeln oder vielmehr in kleineren Gruppen stehenden hohen 
Bäumen. So steht sein Horst im Münsterlande z. B. gar oft auf einer 
der alten Pappeln hart am Ufer der Ems. Er zeigt sich merkwürdiger 
Weise als Brutvogel zuweilen gesellig.., Nicht etwa, dass er, was ich 
mehrmals gesehen, mitten in einem Reiherstande horstet, sondern, dass 
bis gegen 30 seiner besetzten Horste in einem beschränkten Waldestheile 
ziemlich nahe zusammenstehen. Bald brütet er frei auf Bäumen und 
zwar gewöhnlich in einem alten Krähenneste, das er mehre Jahre nach 
einander benutzt, bald in Baumhöhlen. Grössere wüste Steinbauten, alte 
Thürme, sogar in belebten Städten, Schlösser und Ruinen nimmt er gern 
an, und verdient deshalb seine deutsche Benennung. Den am Thurm zu 
Paderborn vor Kurzem horstenden Paaren schrieb man das Verschwinden 
der Nachtigallen aus den benachbarten Gärten zu. In felsigen und zer- 
klüfteten Gegenden begegnen wir ihm als Brutvogel überall. Er zeigt 
somit in dieser Hinsicht eine weit grössere Mannigfaltigkeit als die übrigen 
Falken. Seine (5 bis 6) rundlichen Eier haben eine intensiv braunrothe, 
in der Regel den ganzen Grund überdeckende Zeichnung. Sein Geschrei, 
das man namentlich im Brutplatze sehr oft von ihm hört, ist ein lautes 
Im März pflegt er sich bei uns einzustellen, im September uns wieder zu 
verlassen; doch habe ich vom October und November bis Februar in 
nicht zu strengen Wintern stets einzelne Thurmfalken gesehen. 

Ihm ähnlich, doch kleiner, mit nur einer, der ersten, eingeschnürten 
Handschwinge (vergl. Fig. 26., S. 394) und mit hornweissen Krallen, lebt 
eine zweite Art im Süden von Europa, der Röthelfalk, Falco cenchris 
Naum. In einzelnen seltenen Fällen ist er in Deutschland erlegt. Seine 
kleinen runden Eier unterscheiden sich durch eine die ganze Fläche fast 


395 Raubvögel. 


gleichmässig bedeckende bräunlich backsteinfarbene Zeichnung von denen 
unserer übrigen Arten. 


7. Der Rothfussfalk. 
Falco rufipes Bechst. 

Von fast Thurmfalkengrösse; nackte Theile leuchtend roth, bei jungen 
Vögeln orange; Krallen hornweiss; Flügel von Schwanzeslänge. Altes 
Männchen bis auf die rostrothen Hosen und Unterschwanzdeckfedern 
schieferschwarz, auf den Flügeln schiefergrau. Altes Weibchen oben 
schiefergrau mit schwarzen Querflecken und auf dem Schwanz solche 
Bänderung; unten zart rostfarben mit heller Kehle. Junge ähnlich wie 
die jungen Merline oben aschbräunlich mit rostfarbenen Federkanten, unten 
schmutzig gelblichweiss mit dunkelbraunen Längsflecken. Der Rothfuss-: 
falk (Abendfalk, Falco vespertinus L.) gehört dem Südosten und nament- 
lich dem Östen von Europa, sowie dem angrenzenden Asien an. In Un- 
garn ist er häufig, in Russland noch zahlreicher. Doch traf ich ihn zwei- 
mal im „nordwestlichen Deutschland, im Münsterlande, an: einen jungen 
Vogel, den ich auf dem Markt in Münster im September 1846 kaufte, 
und ein altes Männchen, das ich am 25. April 1859 an der Ems bei 
Gimbte in einer Pappel antraf. Letzteres flog bei meiner Annäherung 
einige Bäume weiter, dann über den Fluss und setzte sich da niedrig auf 
eine Kopfweide. Die weissgrau bedufteten Flügel hoben sich von dem 
übrigen schieferschwarzen Tone in auffälliger Weise ab. Er soll noch 
einige Male in dieser Gegend angetroffen sein. Ueber seiner Beute rüttelt 
er nach Art des Thurmfalken, und sucht wie dieser nach kleineren Thieren 
die Felder und Wiesen ab. Von grösseren Insecten, namentlich Heu- 
schrecken, denen er folgt, verzehrt er eine grosse Menge. Seine Eier 
sind von denen des Thurmfalken schwer zu unterscheiden. 


3. Familie. Geier, Vulturidae. 


Grosse, ja grösste Raubvögel; Gefieder gross, breit; Schnabel mittel- 
oder über mittellang; gegen die stumpfhakige Spitze schwachkuppig auf- 
getrieben; Augen klein, flach liegend; Kopf oder nur Gesicht, doch auch 
der lange Hals mit nur einer Ausnahme nackt oder mit Flaum besetzt; 
Flügel mächtig gross und breit, Armknochen lang, die ausgeprägtesten 
Ruderflügel, in der Ruhe am Handgelenk vom Körper abstehend, die 
Arm- wie Handschwingen fast hängend; Beine mittellang, wenig kräftig, 
Läufe und Zehenwurzeln genetzt, mittlere und ‘äussere Zehe mit Spann- 
haut; Krallen stumpf, wenig gebogen; Schwanz lang, breit, stumpf, keil- 
förmig, — Die Geier gehören den heissen Gegenden beider Erdhälften, 


Geieradler. 399 


theils den Ebenen, theils den Hochgebirgen an. Die ersten verzehren 
nur verendete Thiere, gefallenes Vieh, überhaupt Aas, oder gar Exere- 
mente, die andern überfallen grössere lebende Thiere, ängstigen dieselben 
durch ihren Angriff, betäuben sie durch furchtbare Flügelschläge und suchen 
sie so an einen steilen Abhang zu drängen und herabzustürzen, worauf 
sie die unten zerschellten verzehren. Sie werfen keine Gewölle aus, 
sondern verdauen auch die stärksten Knochen. Viele leben gesellig, andere 
einsam. Zum Erspähen ihrer Nahrung schrauben sie sich bei Tagesanbruch 
bis zur Wolkenhöhe, so dass sie bei einer Flügelspannung von 3 bis 4 
Meter von unten kaum noch sichtbar sind. Hier schweben sie gleich 
Ballons, die Gegend mit ihrem überaus scharfen und fernsichtigen Auge 
in weitem Umkreise nach einem passenden Schmause durchmusternd. Die 
nur von Aas lebenden schweben dann eben so ruhig in schönen Spiralen 
herab, nahe am Ziele angelangt, strecken sie ihre Ständer herab und fallen 
nun auf das Aas ein. Dem ersten Geier folgen bald mehre und in kurzer 
Zeit ist das gefallene Stück mit Geiern bedeckt. Zuerst wird die Bauch- 
höhle geöffnet, und selbst die starke Haut des Kameels weicht der Schnabel- 
stärke und der Kraft der grössten Arten. Die Baucheingeweide bilden 
ihr Lieblingsgericht. Die schwächeren Formen sind auf weniger feste 
Gegenstände angewiesen. Sie halten entweder nach Sättigung jener eine 
Nachlese, oder machen sich an kleinere oder von der Verwesung bereits 
stark ergriffene Thiere, oder verspeisen sogar vorzugsweise Auswurfstoffe, 
und kommen nach solchen Leckerbissen häufig in die von Menschen be- 
wohnten Plätze. Alle diese sind durch Abräumen solcher Peststoffe für 
ihre Gegend wahre Wohlthäter, und werden deshalb von den Bewohnern 
sehr gern gesehen und möglichst geschützt, sie gelten ihnen für heilig 
und unverletzlich. Die übrigen einsam in den Hochgebirgen auf lebenden 
Raub ausgehenden Arten dagegen sind Jägern wie Hirten verhasst, 
und sogar schon Kindern verderblich gewesen. Gesättigt zeigen sich 
alle träge, der gefüllte Kropf tritt dann beutelförmig hervor. Sie 
horsten meist in schwer zugänglichen Felspartieen; ihre wenigen Eier 
sind rein weiss, schwach oder stark braungefleckt, ja wohl gänzlich mit 
einer intensiv braunrothen Zeichnung bedeckt. Bis in unsere Gegenden 
verirrt sich nur selten ein Geier; wir haben deshalb keinen Grund auf 
das Leben der betreffenden einzelnen Arten ausführlicher einzugehen, so 
wie ebenso wenig die verschiedenen Familien zu charakterisiren, in welche 
man die kaum 20 übersteigende Anzahl Arten getheilt hat. 


Geieradler, Gypaetus. 


Gestalt gestreckt; Schnabel stark, seitlich zusammengedrückt; Kopf 


400 Raubvögel. 


und Hals völlig befiedert, letzterer mit lanzettlichen Federn besetzt, jedoch 
erinnert eine Partie wolliger Federn an den Schneiden der Schnabelbasis 
und unter dem Auge an die abnorme Befiederung der ächten Geier; zwischen 
den Kieferästen ein nach vorn gerichteter Borstenbart; Wachshaut vom 
Gefieder völlig bedeckt; Flügel lang, relativ spitz, die dritte Handschwinge 
die längste, die zweite nur wenig kürzer; Lauf niedrig und fast ganz 
befiedert; Schwanz lang, breit, keilförmig; nackte Theile graublau. — Die 
Geieradler hausen ausschliesslich in der alpinen Region, ergreifen grosse 
lebende Beute, welche sie in die Tiefe stürzen oder von unsicheren Orten 
an geschützte Stellen tragen; zur Noth verzehren sie auch frisches, nie 
faulendes Aas. Man kennt nur eine Art; die man nach kleinen Diffe- 
renzen, wie sie in verschiedenen Gegenden vorkommen, wohl in drei Spezies 
hat spalten wollen. 


Der Lämmergeier. 
Gypaötus barbatus L. 

Leicht gebaut; klaftert über 3 Meter. Alter Vogel: Kopf, Hals und 
Unterseite in verschiedener Intensität schön rostgelb, vom Schnabel durch 
das Auge zum Hinterkopf ein tiefschwarzer breiter Strich; alle übrigen 
Partieen mehr oder weniger tief braunschwarz, auf dem ÖOberrücken mit 
weissen Federschäften und feinen rostigen Federspitzen; Flügelgefieder 
auch grossentheils mit weissen Schäften. Junger Vogel: Kopf, Hals und 
Oberseite tief schwärzlich braun, letztere und Flügeldecken mit einzelnen 
hellen, sogar weisslichen Flecken; Brust und Bauch russfarben. — Der 
Lämmergeier bewohnt die höchsten Gebirge der Länder um das Mittel- 
meerbecken und der dortigen Inseln, und dringt von dort auf den Alpen- 
zügen noch tief in die Continente ein. So bilden seine Heimath die Py- 
renäen, die schweizer, tyroler und bayerischen Alpen, der Kaukasus, Hima- 
lajah, Atlas u. a. Jedoch ist er in den bewohnten Gebirgstheilen längst 
ausgerottet und gegenwärtig sogar in Graubündten und Wallis eine grosse 
Seltenheit. Als deutschen Vogel können wir ihn nicht mehr bezeichnen, 
Der s. Z. berühmte Alpenjäger Urban Fürstmüller in Oberbayern, 
welcher 1625 den letzten seiner 75 Bären am Königssee erlegte, schoss 
43, seine Söhne 31 Lämmergeier. Jetzt ist mit dem Bär auch unser ge- 
fürcht@ter Geieradler dort verschwunden. Der Name Geieradler charak- 
terisirt ihn richtig, da er in jeder Hinsicht als Mittelform zwischen Geier 
und Adler auftritt, am meisten sich jedoch den Geiern nähert. Der Angriff 
auf sein Schlachtopfer ist stürmisch rasch, heftige Flügelschläge verwirren 
und betäuben dasselbe fast augenblicklich und ehe es sich versieht, liegt 
es zerschellt in der Tiefe. Kinder sind wiederholt von ihm angegriffen, 
Die dadurch berühmt gewordene „Lämmergeier-Anni” wurde als drei- 


Geier. | 401 


jähriges Kind gegen 1400 Schritt von ihm fortgetragen, ein heranwachsen- 
der Knabe noch in neuerer Zeit von ihm zur Bewusstlosigkeit mit Flügel- 
schlägen tractirt und nur durch augenblickliches Zuhülfespringen Anderer 
gerettet, u. ä& m. Zuweilen ereilte ihn bei seinen Angriffen auch das 
Schicksal. Ein mit einem Fuchs in den Fängen abziehender Lämmergeier 
erhielt von seinem Opfer einen Biss in die Gurgel, so dass er todt aus 
der Höhe herabstürzte. Ein anderer fasste einen mächtigen Widder. 
Letzterer stemmte sich anfänglich erfolgreich gegen den Abgrund und 
als er dann doch überwältigt den Sturz in die Tiefe zu machen im Be- 
griffe stand, hatten sich bei dem Umhertummeln des Geiers Fänge so 
in der langen Wolle verwickelt, dass der Räuber als Fallschirm .über dem 
schweren Bock schwebend mit diesem sanft zur Erde gelangte. Der ge- 
ängstigte Bock hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als mit seinem erstaunten 
Reiter in den Stall zu laufen, und der anwesende Hirt, die Stallthür zu 
schliessen. Der Jagd, namentlich Gemsjagd, sowie der Viehzucht war 
er in früheren Zeiten sehr verderblich. Doch jetzt hat er wegen seiner 
Seltenheit, wenigstens in Europa, seine Bedeutung verloren. Lebende 
Exemplare habe ich nur im zoologischen Garten zu Amsterdam gesehen; 
Bälge und Eier kommen meist aus dem Atlas und Kaukasus in den Handel, 
doch beherbergen die griechischen Gebirge noch manche Paare. Die Eier 
von Gänse- bis Schwaneneiergrösse besitzen eine matte weissliche, in’s 
Lehmgelbe ziehende Schale. Dunklere und dann zuweilen wie wolkig 
beschmutzt aussehende Exemplare sind seltener. Sein Horst steht nur 
in Felsklüften, in der Regel äusserst schwer, oder gar nicht erreichbar. 
Aufgefunden werden seine Horste sowie die der übrigen in Felsen brütenden 
Geier durch blinde, ihn zum Abstreichen veranlassende Pistolenschüsse, 
die man gegen die Felswände abfeuert, in denen man durch seinen häu- 
figen Aufenthalt seinen Horst vermuthet. Auf Bäume setzt er sich nie, 
als vielleicht nur, um Nestmaterial zu brechen. Dagegen ruht er auf Felsen 
häufig aus und es giebt in dem von ihm noch bewohnten öden Hochge- 
birge einzelne Felszacken, die als regelmässige Ruheplätze desselben be- 
kannt sind. Zu gewissen Tageszeiten, namentlich in den Mittagsstunden, 
sieht man ihn sich auf solchen gegen den blauen Alpenhimmel abheben. Im 
ruhigen, schwebenden Fluge, bei dem sein langer breiter Keilschwanz stark 
zur Ausprägung kommt, ist er eine wahrhaft imposante Erscheinung. 


Geier, Vultur. 


Bedeutende Körpergrösse, plumpe Gestalt; Schnabel äusserst kräftig; 
die freie Wachshaut sehr gross; Kopf und Hals mit Flaum besetzt; eine 
Halskrause von verlängerten abstehenden Federn. Sie leben vom Aase in 

Altum. Die Vogel. 26 


402 Raubvögel. 


der bei Charakterisirung der Familie angegebenen Weise und bewohnen 
ausschliesslich die heissen Gegenden der alten Welt, namentlich Afrika. 
Man unterscheidet etwa ein Dutzend Arten, von denen eine sich öfter 
nach Deutschland, sogar bis in dessen nördliche Gegenden verirrt, eine 
zweite ist sehr selten in unserem Vaterlande vorgekommen. 


I. Der weissköpfige Geier. 
Vultur fulvus Briss. 

Kopf und langer Hals ganz und gleichmässig mit weissem Flaum be- 
setzt; an der Halswurzel eine Krause von feinspitzigen, weisslichen Federn; 
sonstige Gefiederfärbung röthlich graubraun; Schwingen und Schwanz 
dunkler; Wachshaut und Beine bleiblau. Er klaftert 3,5 Meter. Dieser 
Geier lebt gesellig, brütet in Afrika, doch auch nicht selten in Griechen- 
land, Ungarn, Spanien. Er verirrt sich mehr als eine andere Art. Am 
10. Juni 1561 wurde ein Exemplar in der Nähe von Münster erlegt, 
einige Tage nachher ein zweites noch gesehen; im Frühling 1865 kam 
ein drittes Stück dort vor. Auch 1829 oder 1830 ist daselbst ein weiss- 
köpfiger Geier beobachtet, der auf einem Baume hart am Wege sitzend, 
von einer lärmenden Menge Krähen umgeben war. Auch nach Leer hatte 
sich vor einer Reihe von Jahren ein solcher Vogel verirrt. Im heissen 
Sommer 1834 fanden sich unweit Brieg in Schlesien sogar 11 Stück und 
'ein grauer Geier ein. Es kann nicht auffallen, dass er in den verschie- 
densten Gegenden von Süddeutschland und zwar wohl häufiger als im 
Norden angetroffen ist. Eier ungefleckt, weiss, matt. 


2. Der graue Geier. 
Vultur einereus Sav. 

Kopf und der kürzere Hals, letzterer nur zum Theil, mit braunem 
Flaum ungleichmässig besetzt; die Halskrause besteht aus breiten, zer- 
schlitzten seitlichen Schulterfedern,; Fusswurzel über die Hälfte herab be- 
fiedert, der nackte Theil fleischfarben; Gefiederfarbe gesättigt tiefbraun ; 
die Flügel klaftern 4 Meter. Heimath dieses unseres grössten, aber auch 
unsehönsten Raubvogels ähnlich wie die des vorigen. Er ist seltener, lebt 
einsam paarweise und verfliegt sich nur sehr selten. Von seinem Vor- 
kommen in unserem nördlichen Deutschland ist mir kein Beispiel aus 
neuerer Zeit bekannt. Seine matten Eier sind auf weisslichem Grunde 
mit meist verwischten braunen Flecken bald stärker bald schwächer besetzt. 

Diese beiden Arten sind es, namentlich diese letztere, welche im 
Verein mit anderen kräftigen Arten sogar gefallene Kameele zu zerkleinern 
und abzuräumen im Stande sind. 


Aasgeier. 403 


Aasgeier, Neophron. 


Kleine Geier von etwas über Rabengrösse; Schnabel von Kopfeslänge, 
sehr gestreckt; Kopf und Vorderhals mit nur kurzen Haarfederchen un- 
gleichmässig, der übrige Hals mit normalen lanzettlichen Federn besetzt; 
Flügel lang und spitz, die dritte Handschwinge die längste; Schwanz 
keilförmig; Läufe mittellang. Nur zwei Arten, eine davon als Verirrter 
auch in Deutschland. 


Der dunkeiflügelige Aasgeier. 
Neophron perenopterus L. 


Gesicht und Kehle fast nackt, gelblich; Handschwingen schwarz; das 
übrige Gefieder im Alter lederfarben weisslich, in der Jugend tiefbraun. 
Er bewohnt Nordafrika, sowie stellenweige Südeuropa; nördlichster Brut- 
platz bei Genf; lebt in Nordafrika, namentlich in Aegypten vielfach zu- 
traulich bei und in den Städten, versieht dort durch Verzehren von Aus- 
wurfstoffen die Strassenpolizei und wird deshalb dort in jeder Hinsicht 
geschützt. Die alten Aegypter hielten ihn heilig, seine Mumien haben 
sich aus jener grauen Vorzeit noch erhalten. Bis nach Deutschland ver- 
fliegt er sich nur selten. Im Herbst 1871 sah ich in Schliersee in Ober- 
bayern ein schönes altes Exemplar, das daselbst einige Jahre vorher ge- 
schossen war. Seine Eier, von der Grösse starker Hausenteneier, sind 
auf weisslichem Grunde mit intensiv braunrother Zeichnung meist ganz 
bedeckt. 


Auch Amerika hat seine Geier. Sie gehören den Gattungen Sarco- 
rhamphus und Cathartes an. Die beiden Arten der ersten Gattung, die 
„Königsgeier”, zeichnen sich aus durch nackten Kopf und Hals mit 
Fleischwülsten und Kämmen, sowie durch eine aus langen Dunen gebil- 
dete Halskrause. Sie bewohnen ausschliesslich die Hochgebirge Süd- 
amerikas. 

Der ausser dem kleineren Geierkönig (S. papa) zu diesen ge- 
hörende Condor, Sarcorhamphus gryphus, ist der grösste Raubvogel; er 
klaftert über 4 Meter. Er bewohnt die höchsten Grade der Andeskette 
und vermag in einer Höhe von schätzungsweise 7000 Meter zu schweben. 
Seine Eier gestreckt, rein weiss. 


Die 5 Arten der anderen Gattung, die Urubu’s, sind nur klein, 
etwa wie der ägyptische Aasgeier und tief schwarzbraun von Farbe. Sie 
bewohnen Nord-, Mittel- und Südamerika und leben theilweise ebenfalls 


26* 


404 Tauben. 


‘ 
wie die Aasgeier der alten Welt von Auswurfstoffen. ‘Die mir von den- 
selben bekannten Eier enthalten auf weissem Grunde eine scharfe weit- 
ständige rothbraune Fleckenzeichnung. 


VI. Ordnung. Tauben, Gyrantes. 


Nesthocker mit geradem, nur an der gewölbten Kuppe mit 
horniger Scheide versehenem Schnabel, knorpelschuppig 
bedeckten Nasenlöchern und Spaltfüssen. 


Der Körper der taubenartigen Vögel ist kräftig, jedoch nicht plump. 
Ihr dicht und glatt anliegendes knappes Gefieder zeichnet sich durch 
starre, lose in der Haut steckende Schäfte aus; Dunen fehlen zwischen 
den Contourfedern und besetzen auch die Raine nur schwach; Flügel 
lang und spitz; 10 Handschwingen mit besonders starren Schäften und 
fester schmaler Fahne; die 11 bis 15 Armschwingen nicht verkürzt; 
Steuerfedern ebenfalls kräftig; Kopf rundlich, Stirn stark ansteigend, 
Scheitel gewölbt; das Stirngefieder tritt in einer Schneppe vor; Schnabel 
schwach, mittellang, an der Wurzelhälfte mit weicher Haut bedeckt, welche 
sich jederseits über den ritzenförmigen Nasenlöchern wölbt, Spitze mit 
Hornscheide, kuppig aufgetrieben, vorn stumpf übergreifend; die Schneiden 
greifen nicht über; Hals mittellang; Lauf fast stets nackt, vorn quer- 
getäfelt, kurz, selten mittellang; vorn drei getrennte Zehen, die kürzere 
Hinterzehe in gleicher Höhe mit den Vorderzehen eingelenkt; Krallen 
kurz und stumpf; der Kropf, in der Mitte der Speiseröhre, ist paarig aus- 
gebildet; der Magen sehr muskulös; Gallenblase fehlt. Die Tauben er- 
reichen kaum eine mittlere Vogelgrösse, und stehen sich, wenige extreme 
Formen, etwa die grossen Kronentauben von den Molukken und die win- 
zigen Zwergtauben aus Nordamerika, abgerechnet, in ihrer Grösse ausser- 
ordentlich nahe. Besondere Jahreszeits- sowie Geschlechtskleider treten 
bei ihnen nicht auf, nur die Jungen tragen vor der ersten Mauser meist ein 
von dem der Alten abweichendes unschönes Kleid. Ein Mohnblau, „Tauben- 
blau”, bildet für viele Arten das Haupteolorit, welches oft durch ein 
prächtiges Irisiren der Halsfedern geschmückt wird. Die Tauben der 
heissen Länder prangen jedoch zahlreich in. den prächtigsten Farben, 
namentlich gelb, grünlich, auch violett, manche treten durch Metallglanz 
den schönsten Vögeln zur Seite, obgleich im Allgemeinen ihren hohen 


Tauben. 405 


Farben ein gedämpfter matter Ton, in seinem Charakter dem genannten 
Mohnblau entsprechend, eigen ist, Der Schwerpunkt ihres Vorkommens 
liegt innerhalb der Tropen, besonders treten sie auf den Inseln des Grossen 
Öceans und des indischen Meeres in einer Mannigfaltigkeit auf, die 
von keiner anderen Gegend erreicht wird. Viele einzelne Inselgruppen 
besitzen ihre besonderen Taubenarten, resp. Taubenformen. Ihre Neigung 
zum Endemismus ist bei ihrer grossen Flugfertigkeit sehr auffallend. Ihre 
Nahrung, Sämereien, welche sie unzerkleinert verschlucken, suchen sie 
am Boden, auf dem sie bei jedem Schritt nickend umhergehen. Zu laufen 
im eigentlichen Sinne vermögen sie nicht. Sie trinken saugend. Wälder 
oder Felsen bieten ihnen Schutz- und»Ruheplätze; hier auch bauen sie 
ihre kunstlosen ärmlichen Nester. Sie legen mehrmal im Jahre, je nur 
zwei, seltener drei, gestreckte, rein weisse, schwach glänzende Eier. Ihre 
anfangs blinden hässlichen Jungen, welche statt des sonst vorkeimenden 
Dunenpinselchens fadige gelbe Fasern tragen, werden in den ersten Tagen 
mit einem, an die Milchnahrung der jungen Säugethiere erinnernden Sekrete 
aus den Drüsen der Kropfwand geätzt; später erhalten sie im Kropfe der 
Alten aufgeweichte Sämereien. Ihre Stimme, welche sie häufig während 
der Fortpflanzungszeit hören lassen, ist das bekannte Kurren, welches 
sich wohl zu einem lauten, geheulartigen Rufe steigern kann. Sie leben 
monogamisch und brüten meist in vereinzelten Paaren, manche lieben 
jedoch auch als Brutvögel die Gesellschaft ihres Gleichen. In den kälteren 
Gegenden pflegen sie sich zu mehr oder weniger starken Flügen zu ver- 
einigen, um gemeinsam beim Nahen des Winters die wärmeren Zonen 
mit ihrer ungastlichen Heimath zu vertauschen. — Vorstehende Charak- 
teristik bezieht sich auf die so einheitlich gebaute, unseren hiesigen 
Arten sehr ähnliche grosse Menge der Tauben. Einzelne wenige Formen 
erinnern jedoch etwa durch die kürzeren, etwas gewölbten Flügel, den 
kurzen Schwanz, die höheren Läufe an die Hühner; es sind die Erd- 
tauben. Andere zeigen andere Modificationen des Taubenhabitus. Eine 
einzelne Art, Diduneulus strigirostris Gould., weicht noch stärker ab. 
Ja man rechnet auch die schon im 17. Jahrhunderte ausgerotteten beiden 
Dronten, Didus ineptus L., von Mauritius, und D. solitarius Strekld. 
von Rodriguez, trotz ihres gänzlich abweichenden Aeusseren, ihrer höchst 
plumpen Gestalt, völligen Fluglosigkeit u. s. w. zu den Tauben. Dadurch 
aber tritt die Ordnung dieser Vögel in einer solchen Mannigfaltigkeit auf, 
‚dass nicht einmal die gewöhnlich ausreichenden Kategorien für die syste- 
matische Darstellung hier genügen. Man fasst sie nämlich in drei Tribus 
zusammen, von denen die eine nur eine einzige (Didunculus), die zweite 
nur zwei (die beiden Dronten), die dritte alle übrigen Arten enthält, 
welche letzteren dann in 4 Familien, 9 Unterfamilien, 10 Sectionen und 


406 Tauben. 


fast 90 Gattungen zerfallen. Unserem Zwecke kann es nicht angemessen 
sein, hier, wo &s sich ja fast ausschliesslich um unsere einheimischen 
Taubenarten handelt, auf diese bei weitem zumeist nur die exotischen 
Spezies betreffende Classification näher einzugehen. Wer unsere vier 
hiesigen Taubenspezies in ihrer Lebensweise beobachtet, wird es uns ver- 
zeihen, wenn wir hier für die Ringel-, Fels- und Hohltaube nicht eine 
besondere Unterfamilie (Columbinae) und für die Turteltaube eine andere 
(Turturinae), oder gar für jede der ersten Arten eine besondere Gattung, 
für die Ringeltaube Palumbus, für die Felstaube Columba und für die 
Hohltaube Palumboenas acceptiren. Bei Behandlung sämmtlicher, etwa 
300 Arten ist eine solche vielfache Eintheilung angebracht, obschon auch 
dabei zu weit gegangen werden kann. Wir belassen deshalb unsere Spe- 
zies nicht blos in einer Familie und Unterfamilie, sondern auch in einer 
einzigen Gattung. 


Familie: Tauben, Columbidae. 


Mittelgross, Flügel spitz, zweite Handschwinge die längste, Schwanz 
mittellang bis lang mit 12 Steuerfedern, Lauf kurz, Fersen befiedert. 


Taube, Columba. 
Charakter der Familie. 


I. Die Ringeltaube. 
Columba palumbas L. 

Grösste einheimische Art; taubenblau, die äusseren oberen Flügel- 
deckfedern und Aussenrand der grossen Schwingen weiss; Schwanzspitze 
abgestutzt, schwärzlich; Halsseiten stark schillernd; im Alter unten wein- 
roth, am Halse jederseits ein scharfer weisser Querfleck („Ring”, Ringel- 
taube). Im Fluge macht sie ihre Grösse, ihr langer Schwanz und jene 
weisse Zeichnung am Vorderrande des Flügels leicht kenntlich. Sie be- 
wohnt mit Ausnahme des höheren Nordens ganz Europa und einen Theil 
des anstossenden Asiens, lebt hier sowohl in den Ebenen, als Gebirgs- 
ländern. Als Waldtaube schlägt sie ihre Wohnung nur in waldreichen 
Gegenden auf, vermeidet jedoch auch die zu ausgedehnten Waldeomplexe. 
Wälder mit starken Bäumen, dichtem Unterwuchs, Lücken und Blössen 
werden von ihr bevorzugt. In Nadelholzwäldern und vor allen in Fichten- 
wäldern wohnt sie der Nahrung wegen lieber als im Laubholze. Sie 
sucht Baum- und andere Sämereien am Boden auf, liebt ganz vorzüglich 
Fichten-, auch Kiefernsamen; wechselt jedoch, nach der Jahreszeit mit 


Die Ringeltaube. 407 


ihrer Nahrung, die sie bald im Walde, bald auf freiem Felde aufliest. Im 
Herbst frisst sie sehr gern Eicheln und Bucheln; geht auch oft an Heidel- 
beeren, sucht auf den Blössen Grassämereien, auf den Feldern Getreide, 
Erbsen, Wicken, besonders Raps, doch auch eine Menge von Unkraut- 
sämereien. Bedeckt im strengen Winter Schnee die Fluren, so fällt sie 
oft schaarenweise in die Gärten ein und nimmt dann mit Grünkohl vor- 
lieb; ähnlich frisst sie im ersten Frühlinge Knospen und Blüthenkätzchen. 
Obschon die meisten Ringeltauben uns im Herbst, etwa im September, 
besonders im October verlassen, nachdem sie sich vorher zu kleineren 
Flügen vereint, so schwärmen doch auch in manchen Wintern Schaaren 
von Ringeltauben bei uns umher. Ich habe solche aus November bis 
Februar und März notirt; am 17. Februar sah ich den stärksten Schwarm, 
etwa 125 Stück; auch am 22. November mehre grosse Schwärme. Sie 
fallen dann zusammen in die Feldhölzer und Wälder ein, und vermin- 
dern bei offenem Boden erheblich die Buchen- und Eichenmast. Die ein- 
zelnen abgesondert in den Wäldern brütenden Paare sind ohne forstliche 
Bedeutung; solche Schaaren aber, welche bei lokalisirtem Samenreichthum 
längere Zeit in derselben Gegend verweilen, tagtäglich in Masse in die 
Buchen- und Eichenwälder einfallen, sind ohne Zweifel erheblich forst- 
schädlich. Es ist dabei der Umstand nicht ausser Acht zu lassen, dass 
sie nur die gesunden, vollen Samen nehmen, alle tauben und schlechten, 
sowie wurmstichige Eicheln verschmähen, und dass ausser ihnen andere 
Vögel und Nagethiere in derselben Weise thätig sind. In den Fichten- 
revieren sollen sie auf ihren Streifereien in Schaaren ebenfalls eine grosse 
Menge von Samen auflesen, und auch hierbei ist zu berücksichtigen, dass 
dieser Same der geringe Rest der Ernte ist, den das Eichhörnchen, 
welches die Zapfen schon vor ihrer Reife zu Tausenden abnagt, gütigst 
dem Forstmanne gelassen hat. Am 3. März sah ich zuletzt ihre Flüge. 
In anderen Jahren hat sie sich dann schon wohl in ihrer Brutgegend 
vereinzelt; ja ich habe sie schon am 25. Februar heulen hören. Dieses 
sog. Heulen ist bekanntlich ihr Paarungsruf, und lautet ungefähr wie 
„hu huhuhuh, huhuhuh, huhuhuh, hu”, das erste hu tiefer und kürzer, 
das letzte als kurzer, noch tieferer Nachschlag. In den meisten Jahren 
kündigt sie sich gegen Mitte März als Brutvogel an. Das Männchen pro- 
dueirt dann auch wohl einen Balzflug, indem es schräg aufsteigt, in Kreisen 
umherfliegt und sich mit stark gehobenen Flügeln und ausgebreitetem 
Schwanze wieder herablässt. Das Nest, einige wenige, von unten eine 
Durchsicht gestattende Reiser, wird frei auf einen Baum gebaut, seltener 
auf ein fremdes Nest, und dann meist auf das des Eichhornes. Gewöhn- 
lich steht es hoch, doch habe ich es schon in einer Hecke gefunden. Ein 
Stand, wie er im Münsterlande einst vorkam, 1,3 Meter hoch, auf einer 


405 Tauben. 


offenen Haide in einem dürftigen Strauche, so dass das brütende Weib- 
chen von Weitem schon gesehen werden konnte, gehört zu den ganz 
aussergewöhnlichen Fällen. Die Ringeltaube ist als Brutvogel äusserst 
empfindlich, eine geringe Störung veranlasst sie, das Nest für immer zu 
verlassen. Um so auffallender muss ein Fall sein, dass zwei Jahre nach 
einander ein Paar in einer Linde auf dem Platze eines sehr besuchten 
Kaffeehauses bei Münster brütete, wo sowohl in nächster Nähe, als in 
einiger Entfernung alte Wälder sich befanden. Sie brütet regelmässig 
wenigstens zwei Mal im Jahre, doch ihre Empfindlichkeit oder das Zerstören 
der Brut veranlasst sie, das Geschäft mehrmals zu übernehmen. Auf- 
fallend späte Junge sind bei ihr eben keine grosse Seltenheit. So sind 
mir noch am 2. October ganz junge, am 4. October noch unflügge, am 
10. October noch nicht ausgewachsene Ringeltauben vorgekommen. Wenn 
solche Spätlinge nicht umkommen, so werden sie noch lange in der Ge- 
gend umherstreifen, vielleicht den ganzen Winter über bleiben. Als sehr 
scheuen Vogel zeigt sich die Ringeltaube stets, sie mag auf freiem Felde 
nach Nahrung umhersuchen, oder hoch oben auf einer dürren Zacke eines 
Feldbaumes oder mitten im Bestande sich sonnen, oder im dichten Laub- 
dache verborgen ausruhen. Mit einem nicht sehr lauten Flügelklatschen 
fliegt sie auf, ehe man unter zahlreichen Fällen auch nur einmal sie vor- 
her bemerkt hätte. Ein Anpirschen ist fast unmöglich; durch nach- 
geahmtes Heulen lässt sich das Männchen in der Brutzeit leicht heran- 
locken und dann vom verdeckt stehenden Schützen erlegen. — Die Ringel- 
taube belebt in angenehmer Weise unsere Wälder, doch hat der Forstmann 
keinen besonderen Grund sie zu schonen. Sie soll freilich bei vollem 
Kropfe Eicheln und Bucheln verschleppen und so für deren Verbreitung 
sorgen. Die Sache ist nicht zu bezweifeln, jedoch ist es sehr fraglich, 
ob sie dabei wirklich nützlich in unsere Cultur eingreift. 


2. Die Felsentaube. 
Columba livia L. 

Mohnblau, am Halse stark schillernd; Unterrücken und untere Flügel- 
deckfedern weiss; zwei starke, durchgehende Flügelbinden am Ende der 
Armschwingen und Decken, die sich nach dem Rücken hin vereinigen, 
schwarz; Schwanzspitze abgestutzt, schwärzlich; Iris gelb. — Die Felsen- 
taube ist die Stammart unserer zahmen Taube, und von dem blauen 
Feldflüchter oft nicht zu unterscheiden. Bei genauem Vergleiche jedoch 
findet sich in den meisten Fällen bei den halbgezähmten Feldtauben, auch 
dann, wenn sie im grossen Ganzen mit der wilden Felsentaube über- 
einstimmen, kleinere Abweichungen, namentlich in den Querbinden des 
Flügels. Sie lebt in der Freiheit in Südeuropa auf den Inseln und in 


Die Fels ntaube. 409 


den Ländern des Mittelmeerbeckens, dort, wo schroffe, steile, häufig senk- 
recht aus dem Meere sich erhebende Felsen ihr Ruhe- und Nistplätze, 
sowie freie Aussicht gestatten. Dort aber kommt sie oft in grosser 
Menge zusammen vor. Diese Art ist nämlich geselliger als irgend eine 
andere Art, sogar in der Brutzeit liebt sie ihres Gleichen in Menge in 
unmittelbarer Nähe. Im Norden bewohnt sie einzelne Stellen von Gross- 
britannien, die Orkney-Inseln, dann Norwegen, sogar die Insel Rügen. 
Verwildert kommt sie wohl überall an Thürmen, Ruinen, alten Schlössern, 
selbst in Bergen vor. Im Herbst zieht sie aus dem Norden zum gast- 
lichen Süden und passirt dabei gewiss auch unsere Gegend. Häufig ist 
jedoch ein solches Vorkommen nicht constatirt und zwar deshalb nicht, 
weil wohl jeder Nichtornithologe solche nur als gewöhnliche Feldtauben 
angesprochen und deshalb unbeachtet gelassen hat. In der Umgegend von 
Münster sind mir mehre Fälle bekannt geworden, wo in einer oder anderen 
isolirt auf offenem Felde, namentlich im Winter, vorgekommenen und 
erlegten Taube wohl nur eine ächte wilde Felsentaube zu erkennen war. 
Berücksichtigt man, dass die dort in der Umgegend auf den Gütern gehal- 
tenen Tauben sich wohl nur in den seltensten Fällen sehr weit entfernen, 
dass sich schwerlich eine einzelne abtrennt, um in der Ferne ihr Glück zu 
versuchen, dass endlich eine genaue der Wildfärbung entsprechende Zeichnung 
eigentlich so selten ist, dass ich unter fünfzig kaum eine einzige auffinden 
konnte, so muss man zu dem vorstehenden Schlusse gelangen. Ich hebe 
hier ausdrücklich hervor, dass ein solches Exemplar entschieden besser 
verwandt werden kann, als wenn es gerupft in den Brattopf wandert. 
Es ist für ornithologische Sammlungen ein durchaus nicht werthloses Object. 
Auch sind schon grosse Schwärme solcher Tauben in Deutschland zur 
Zugzeit aufgetreten; doch ist eine solche Erscheinung eine Seltenheit, 
wogegen jenes vereinzelte Vorkommen wohl nicht selten sein wird, aber 
wie gesagt bisher nur von einzelnen Kennern gewürdigt zu sein scheint. 
Das Leben unserer Feldflüchter ist bekannt. Sie bezeugen ihre Abstam- 
mung von der Felsentaube ausser durch häufig ähnliches oder gar gleiches 
Colorit auch durch ihre Vorliebe für Felsen oder als Ersatz für grosse 
wüste Steinbauten und ihren Widerwillen gegen den Wald. Hohe alte 
Thürme, Ruinen, Schlösser werden sehr gern von ihnen als Brutstellen 
angenommen und man kann sie dort, wo sie mit den Dohlen zusammen 
wohnen, kaum noch halb zahm nennen. Auch ihr Ausfliegen nach Nah- 
rung von diesen hohen Stellen weithin auf die Felder stimmt mit dem, 
was Reisende von dem Verhalten der wilden Felsentaube mittheilen. Diese 
Art nistet nur in Fels- oder Gebäudehöhlen, oder überdachten Stellen 
daselbst, nie in hohlen Bäumen, am allerwenigsten frei auf Bäumen. Wo 
sie in Menge vorkommt, wird sie ohne Frage schädlich durch Verzehren 


410 Tauben. 


vieler werthvolleo Sämereien, ganz besonders der Aussaat. Auch nimmt 
sie Baumsämereien, Nadelholzsamen, sogar wohl mal Eicheln; begiebt sich 
darnach aber nie in den tiefen Wald, sondern sucht nur die Ränder dar- 
nach ab. Uebrigens wird ihr eine forstschädliche Bedeutung kaum zuge- 
schrieben werden dürfen, es sei denn, dass sie auf Saatbeete einfällt, wovon | 
mir übrigens keine Vorkommnisse bekannt geworden sind. — Alle die 
zahlreichen, wohl bis zur Verzerrung der Taubengestalt veränderten Racen 
der Haustaube stammen von ihr ab. 


3. Die Hohltaube. 
Columba oenas L. 


Sehr ähnlich der etwas grösseren Felsentaube, doch Unterrücken 
und untere Flügeldeckfedern mohnblau, statt der starken durchgehenden 
Querbinden des Flügels nur wenige schwarze, nie solide Binden darstellende 
Flecken; Iris braun. — Die Hohltaube bewohnt ausser dem hohen Norden 
wohl ganz Europa und einen Theil des anstossenden Asien’s; ist aber als 
Brutvogel innerhalb ihres Verbreitungsbezirkes sehr unregelmässig vertheilt. 
Da sie nur in Baumhöhlen brütet, woher ihr deutscher Name, so kann 
sie nur dort auftreten, wo es an alten abständigen Bäumen, gleich viel, 
ob Laub- oder Nadelholzbäumen nicht fehlt. Obgleich sie an solchen 
Öertlichkeiten manche passende natürliche Höhlen findet, so sind diese 
doch nie ausreichend zahlreich, und so ist sie auch auf die Spechthöhlen 
stark angewiesen, und in Folge dessen eine stete Begleiterin des Schwarz- 
spechtes. Doch genügt auch der Grünspecht. Wo aber beide fehlen, 
wird schwerlich die Hohltaube in grösserer Menge als Brutvogel auftreten 
können. Im Münsterlande kenne ich nur wenige Stellen, wie etwa den 
Wolbecker Thiergarten, an denen sie noch in merklicher Anzahl lebt, 
an anderen brütet ein oder anderes Paar. Hier in Brandenburg, sowie 
in Pommern ist sie häufig. Weniger dem tiefen geschlossenen Walde 
angehörend findet sie sich regelmässig dort, wo alte zerfallende Ueber- 
ständer im jungen Holze, oder noch lieber, wo alte Bäume mit trockenen 
Zacken auf offenen Flächen stehen. Offenes Terrain, namentlich Felder, 
Weiden in unmittelbarer Nähe werden von ihr besonders gern zum Aufent- 
halte gewählt. Im Frühlinge laugt sie von allen Arten zuerst, etwa 
Anfangs Mäız, doch auch wohl mal schon Ende Februar aus dem Süden 
bei uns an, schweift Anfangs noch in kleinen Trupps, in denen sie auch 
zieht, umher, ucd vertheilt sich dann paarweise im Reviere. Man hört 
alsbald von allen Seiten das Kurren „Huhuh”, „Huhuhuh” der Männchen. 
Doch wirkt widriges Frühlingswetter auch wohl sehr verspätend auf sie 
ein. So sah ich einst am 8. April noch eine Schaar von etwa 25 bis 
30 Stück, die grösste Zahl, die ich je vereint gesehen, umherstreifen. 


Die Turteltaube, 411 


Der Geselligkeitstrieb äusserst sich bei ihr weit weniger stark als bei 
der Felsentaube, von der sie trotz ihrer grossen äusseren Aehnlichkeit, 
in den meisten Lebensäusserungen ganz erheblich abweicht. Die einzelnen 
Paare nisten nicht weit von einander entfernt, jedoch wohl selten sehr 
nahe zusammen, etwa in zwei Nachbarbäumen, nie wohl in demselben 
Baume. Ihr Flug ist weniger schnell und reissend als der der Feldflüchter 
er erscheint, so lange die Taube nicht erschreckt ist, etwa durch einen 
Raubvogel oder durch Klopfen an ihren Nestbaum, gemächlich. Vom 
Felde oder anderen offenen Stellen nach ihrem Brutplatze zurückkehrend, 
fliegt sie gewöhnlich erst über demselben hin und her und nimmt dann 
auf irgend einem dürren Zacken Platz; sie übernachtet nur in Baumhöhlen; 
Felsen und Klippen vermeidet sie gänzlich. Sie lebt gleichfalls vom Ge- 
treide und allerhand anderen Sämereien, auch von Baumsamen, etwa von 
Nadelholzsamen, Eicheln, Bucheln. Da sie jedoch nirgends in Menge 
einfällt, so möchte sie sich höchstens in Saatkämpen forstschädlich erweisen 
können. Gegen den Herbst bildet sie kleine Gesellschaften von 6 bis 
10 Stück. Zum Theil mögen dieses die einzelnen Familien sein, da sie 
drei bis sogar wohl viermal brütet, doch werden sich auch die Individuen 
der Nachbarschaft zusammenfinden. Zahlreich ist eine solche Gesellschaft 
nie. Wenn sie ausserhalb ihrer Brutgegend im Spätherbst oder gar im 
Winter erscheint, sind das nur kleine Trupps, etwa ein halbes Dutzend 
Individuen, die dann auf offenen Aeckern, oder an sonnigen Abhängen, 
z. B. Flussufern, ihrer Nahrung nachgehen. 


4. Die Turteltaube. 
Columba turtur L. 

Unsere kleinste und zierlichste Taube; Schnabel nicht ganz so lang 
als der kleine Kopf; Flügel lang und spitz, die gleich langen beiden ersten 
Handschwingen die längsten; Schwanz verlängert, stark abgerundet, die 
Spitzen wenigstens der vier äussersten Steuerfedern weiss; Schulter und 
Flügelfedern dunkel mit lebhaft okerbräunlichen Säumen. Die alten Vögel 
mit schön taubenblauem Kopf, an den Halsseiten einige Reihen schwarzer 
weissspitziger, ein kurzes Querband bildender Flecke; Unterseite intensiv 
weinroth; Augenlider carminroth; Iris tiefgelb. — Die Turteltaube bewohnt 
das mittlere und südliche Europa, einen Theil des angrenzenden Asien’s 
und Nordafrika; sie lebt sogar noch in Indien, China, Japan. In Deutsch- 
land gehört sie in den meisten Gegenden zu den sehr bekannten Vögeln, 
und siedelt sich dort an, wo sie dichte, jüngere, wo möglich gemischte 
Waldungen antrifft. Das Innere des alten Hochwaldes vermeidet sie gänz- 
lich; dichte Schonungen, Stangenorte, in Laubhölzern eingesprengte Fichten- 
und Tannenhorste, Waldränder mit diehtem Unterholz sind ihr am liebsten. 


412 Tauben. 


Doch darf Wasser in der Nähe und zwar reines klares Wasser, wo möglich 
mit kiesigem Grunde und sandigen oder wenigstens kahlen Uferstellen 
nicht fehlen. An letztere tritt sie heran, um zu trinken. Moorige, 
schlammige, bewachsene Stellen sind ihr gleichgültig. Wo diese Requisite 
fehlen, treffen wir sie als Brutvogel nicht an. Von allen hiesigen Tauben- 
arten kommt sie am spätesten im Frühlinge zu uns, gewöhnlich erst gegen 
Ende April, häufig jedoch auch schon Mitte dieses Monats, doch eben- 
falls wohl mal nicht vor dem S. oder 10. Mai. Das Männchen kündigt 
seine Ankunft sofort durch sein lautes munteres „Turrturr....” an, was 
uns alsdann aus dem Waldesdickicht entgegenschallt. Von allen übrigen 
Tauben hat sie auch den schnellsten gewandtesten Flug. Sie nistet an 
den vorhin bezeichneten Stellen, meist niedrig, doch stets im Baumdickicht, 
und zeigt sich dort ähnlich empfindlich als die Ringeltaube. Verscheucht 
man sie z. B. durch Klopfen an eine Fichtenstange, auf der ihr schlecht 
gebautes Nest steht, von demselben, so kann man fast mit Sicherheit 
darauf rechnen, dass sie dasselbe für immer verlassen hat. Sie brütet 
zweimal jährlich, doch nach einer solchen Störung erneuert sie dieses un- 
vollendete Brutgeschäft. Als Nahrung dienen ihr allerhand feinere Säme- 
reien, Getreide, Raps, Unkrautsamen, vor allem Samen der Nadelhölzer. 
Auf letztere ist sie so erpicht, dass sie dem Fortmanne in seinen Saat- 
kämpen höchst unbequem werden kann. Im verwichenen Frühlinge hatte 
der hiesige Stadtförster in der Ecke eines grösseren Schlages, sowie noch 
an einer zweiten Stelle einen dicht eingezäunten Kiefernsaatkamp ange- 
legt. Das war den Turteltauben ein prächtig gedeckter Tisch. Sie sam- 
melten sich aus der ganzen Gegend und fielen der Art in den Kamp ein, 
dass weder übergespannte und mit Scheuchfedern versehene Fäden sie ab- 
halten, noch fortwährendes scharfes Schiessen sie verscheuchen konnte. 
So oft man hinkam, traf man bis zu einem Dutzend fleissiger Turtel- 
tauben dort an. Wurde dann die eine oder andere geschossen, so kamen 
die übrigen, sobald der Schütze sich entfernt hatte, sofort aus dem hohen 
Holze der Umgebung nichts desto weniger wieder zurück. Sie lasen nicht 
blos den oben auf der Erde liegenden Samen auf, sondern scharrten durch 
schleudernde Seitenbewegungen des Schnabels die Körner frei. Es be- 
durfte der fortwährenden Thätigkeit des Forstbeamten und Gehülfen, da- 
mit nur ein Theil der Saat gerettet wurde. Derartige wenig angenehme 
Eingriffe in die Forstwirthschaft sind von ihr in Fülle bekannt. Sie mag 
im grossen Ganzen als ein wirthschaftlich indifferenter Vogel angesehen 
werden können, der etwa so viel durch Verzehren von werthvollen Säme- 
reien schadet, als er durch Vertilgen von Unkrautsamen nützt; jedoch 
unter den eben bezeichneten Verhältnissen kann man dieses niedliche 
Täubchen nur als eine eingreifend schädliche Spezies bezeichnen, die 


Die Wandertaube. — Hühnervögel. 413 


wochenlang den Forstbeamten zwingt, sich fast nur mit ihr zu beschäf- 
tigen, wenn er nicht an seinen Pflanzen eine ganz erhebliche Einbusse 
erleiden will. Um diese Zeit aber hat der Forstmann entschieden noch 
andere Arbeiten zu verrichten, als vom frühen Morgen bis späten Abend 
bei den Saatkämpen Wache zu stehen. Vom forstlichen Gesichtspunkte 
ist die Turteltaube nur als schädlich zu bezeichnen, zumal wenn sie, wie 
behauptet wird, den Samen der Fichte dem der Kiefer noch vorzieht. , Im 
Herbst trifft man sie gesellschaftlich auf den Rapsfeldern, und wo Buch- 
weizen gebaut wird, mit Sicherheit dort an. Ausgefallenen Samen von 
Culturfrüchten kann man ihr jedoch gern gönnen; sie belebt dafür die 
Gegend in angenehmer Weise. Anfangs September pflegt sie uns wieder 
zu verlassen. 


5. Die Wandertaube. 
Columba migratoria L. 


Von fast Ringeltaubengrösse; Schwanz lang- und spitzkeilförmig ab- 
gestuft; oben schmutzig aschgrau, unten bräunlich weinroth; Mittelzehe 
ohne Nagel. Sie bewohnt Nordamerika und ist durch ihre Wanderungen 
in beispiellos zahlreichen Schaaren, die viele Meilen lang und eine Meile 
breit die Luft erfüllen, berühmt. Die Schätzung der Menge entzieht sich 
jeder annähernd genauen Berechnung, doch hat man sie auf mehr als eine 
Billion veranschlagt. An ihren Schlafplätzen brechen Stämme von 60 Cm. 
Durchmesser unter ihrer Last; von ziehenden Schwärmen fällt der Koth 
so dicht wie Schnee. Von Nah und Fern strömt eine Menge Men- 
schen hinzu, um hier Beute zu machen, und diese ist so ergiebig, dass 
es nicht möglich ist, sie ganz zu verwerthen, obschon man sie einsalzt 
und sonst auf alle mögliche Weise, z. B. sogar als Schweinefutter, ver- 
wendet. 


VII. Ordnung. Hühnervögel, Rasores. 


Nestflüchter, mit schwerem Körper, kurzem, vorn kuppig 
gerundetem Schnabel mit übergreifenden Rändern, 
kurzen gerundeten Flügeln, kräftigen Gangbeinen und 
Sitzfüssen. 


Der Körper der hühnerartigen Vögel ist stark und gedrungen, das 
Gefieder reichlich, die Contourfedern besitzen dicke Schäfte, einen weit 


414 Hühnervögel. 


zur Spitze hin reichenden Dunentheil und einen starken dunigen After- 
schaft. Dagegen finden sich die selbstständigen Dunen spärlich. Der 
meist kleine Kopf zeigt fast stets einzelne nackte, häufig grell gefärbte 
Stellen, auch wohl Federschöpfe. Der Schnabel ist kräftig, kurz, selten 
wenig über Kopfeslänge, am Grunde mit weicher, häufig befiederter, die 
Nasenhöhlen überspannender Haut, in der die ritzenförmigen Nasenlöcher 
schräg ansteigen, versehen, während die hornige Spitze sich mehr oder 
weniger kuppig wölbt und stumpf über den Unterschnabel greift. Die 
meist kurzen, gerundeten Flügel, welche 10, auch 11 Handschwingen und 
12 bis 20 Armschwingen tragen, gestatten nur einen niederen, ungelenken, 
jedoch unter sehr raschen, fast schnurrenden Schlägen ziemlich fördern- 
den Flug. Der Lauf der mittellangen kräftigen Beine ist entweder be- 
fiedert oder nackt und dann vorn und hinten mit je einer Reihe von 
Schildern besetzt. Von den mit breiten und stumpfen Krallen versehenen 
Zehen ist die nach hinten gerichtete Innenzehe klein, fehlt sogar wohl, 
und steht bei den aufbäumenden Arten in gleicher Höhe mit den Vorder- 
zehen, bei den nur am Erdboden lebenden aber höher eingelenkt. Die 
Männchen tragen als Waffe an den Läufen häufig ein, auch zwei Paare 
Sporen. Der Schwanz wechselt in extremen Verhältnissen. Die tiefen, 
jederseits doppelten Ausschnitte des nur bei den Wüstenhühnern mit 
hohem Kamm versehenen Brustbeins sind durch eine Haut ergänzt; die 
Spitze des Gabelknochens als weit vortretende senkrecht gestellte Platte 
verlängert. Armknochen kurz. Kropf, oft gestielt, stark, der Muskel- 
magen kräftig. — Vorstehend bezeichnete Eigenthümlichkeiten erleiden 
für die einzelnen Hauptgruppen, worin die hühnerartigen Vögel zerfallen, 
einzelne ganz erhebliche Abweichungen von der typischen Gestalt. Mehre 
Arten lehnen sich durch ihre langen spitzen Flügel an die Tauben an, 
andere zeigen Verwandtschaft mit den Laufvögeln. Bald prangen die 
Männchen in dem brillantesten, metallglänzenden, oder doch in sehr grell 
gefärbtem Gefieder, während die Weibchen höchst bescheiden gefärbt und 
gezeichnet sind, bald nehmen auch die Männchen an diesem unschein- 
baren Aeussern Theil; bald treten in monströser Verlängerung der Arm- 
schwingen, Bürzel- und Steuerfedern ganz singuläre Zierrathen auf, bald ent- 
behren die Arten allen plastischen Schmuckes. Sie leben sämmtlich auf dem 
Erdboden, suchen hier, und zwar die meisten auch den Boden aufscharrend 
(„Rasores”) ihre Nahrung, verrichten hier ihr ganzes Fortpflanzungsge- 
schäft; doch bäumen auch manche auf und halten ausschliesslich auf den 
Bäumen ihre Nachtruhe, Diese sind eigentliche Waldvögel, wogegen an- 
dere das offene Terrain nie verlassen. Sie nähren sich von Körnern, 
Grünem, Beeren, Insecten und anderen niederen Thieren, trinken, indem 
sie den Schnabel füllen und alsdann den Kopf heben, und baden sich 


Wüstenhühner. 415 


(paddeln) im Sande und Staube. Einige bewohnen die Ebenen, andere 
die hohen Gebirge. Sie legen sämmtlich zahlreiche Eier, welche sie mit 
ihren stark verlängerten seitlichen Brustfedern beim Brüten umspannen. 
Auch die Eier zeigen eine solche Mannigfaltigkeit in Korn, Farbe und 
Zeichnung, wie in keiner anderen Ordnung. Es giebt stark metallisch 
spiegelnde sowie solche, deren Oberfläche mit dicht stehenden, scharf sich 
erhebenden Körnchen besetzt ist. Viele leben polygam. Die sofort dem 
Weibchen folgenden Jungen tragen ein bräunliches, dunkelgeflecktes Dunen- 
kleid: und gleichen im ersten Contourgefieder dem Weibchen, und beide 
dem sie umgebenden Erdboden. Man kennt etwa 820 in allen Welttheilen 
lebende Arten. Den grössten Reichthum beherbergt das warme Asien, 
doch hat auch Amerika, sogar Australien besondere Hühnerformen auf- 
zuweisen. Sie zerfallen in 8, durch eben so viele Familien, die wiederum 
in 11 Unterfamilien und in zahlreiche Gattungen getheilt sind, ausge- 
prägte Hauptformen. Von den ausländischen derselben sollen hier nur 
die hervorragendsten kurz erwähnt werden, und bei den inländischen 
werden wir uns aus praktischen Gesichtspunkten eine unwesentliche Ab- 
weichung von der neueren Systematik erlauben. 


1. Familie. Wüstenhühner, Pteroclidae. 


Taubengrösse und Gestalt; Gefieder knapp anliegend derb, steifschaftig, 
sandfarbig mit vielen dunklen, doch auch Pracht-Zeichnungen; Kopf und 
namentlich Schnabel klein, First sanft gebogen; Nasenhöhle mit befiederter 
Haut überspannt; nur um die sehr dunklen Augen eine kleine nackte, 
nicht grell, sondern schieferbläulich gefärbte Stelle; Flügel taubenförmig, 
spitz, erste Handschwinge die längste; Beine niedrig, schwach, ganz oder 
fast ganz befiedert; Zehen kurz, Hinterzehe klein, oder fehlend, Aussen- 
zehe mit nur vier Phalangen; Schwanz spitz, keilförmig. Männchen und 
Weibchen nicht unerheblich verschieden, doch beide ihrem Aufenthalte 
in sandigen Wüsten entsprechend sandfarben. Sie bewohnen in wenigen 
Arten Afrika und Asien, leben nach Art der Felsentaube schaarenweise 
und schweifen ausser der Fortpflanzungszeit in den Wüsten und Steppen 
umher. Ihre walzenförmigen Eier tragen auf gelblichem oder grünlichem 
Grunde eine starke intensive Fleckenzeichnung desselben Tones. 


Sandhuhn, Pterocles. 


Der Lauf hinten, sowie die getrennten, nur an der Basis etwas ge- 
hefteten Vorderzehen, nackt; Hinterzehe sehr kurz; erste und zweite 
Handschwinge gleich lang. — Die Sandhühner bewohnen in etwa acht 


416 Hühnervögel. 


Arten Afrika. Eine Art, das Sandflughuhn, Pferocles arenarius Tem. 
(sandgelb mit feinen schwarzen Zeichnungen, einem schwarzen Kehl- und 
grossen Brustfleck, die Flügel decken den Schwanz, dessen beide mitt- 
lere Federn nicht verlängert sind) hat sich in seltenen Fällen vereinzelt 
wohl bis nach Deutschland verirrt. 


Steppenhuhn, Syrrhaptes. 


Beine, sogar die Zehen bis auf die Krallen befiedert; Füsse klein, 
verkümmert, Vorderzehen bis zum vordersten Gliede verwachsen, Hinter- 
zehe fehlt; Spitze der ersten Handschwinge und die der beiden mittelsten 
Schwanzfedern ausserordentlich fein und lang. Sie trinken taubenähnlich. 
Nur eine (asiatische) Art, das Steppenhuhn, Syrrhaptes paradowus 
Pall. Es bewohnt die Kirghisensteppen, Tartarei, China. Nach einzelnen 
früheren Vorboten kam es im Juni 1863 in Menge schaarenweis nach 
Europa, hielt sich bis October an den Dünenküsten Schottland’s, England’s, 
Borkum’s, Holland’s auf, drang sogar durch Frankreich bis zu den Pyre- 
näen. Einzelne Paare blieben bis zum nächsten Jahre, brüteten sogar in 
Europa. 


2. Familie. Waldhühner, Tetraonidae. 


Leib gedrungen; Schnabel kurz, stark, am Grunde dick, mehr breit 
als hoch; Nasengrube dick befiedert, über den Augen eine mondförmige, 
rothe, rauhe, zuweilen kammförmig sich erhebende nackte Stelle; Flügel 
kaum mittellang, muldenförmig gewölbt; Läufe befiedert, kurz, kräftig, 
ohne Sporn; Schwanz länger als die Deckfedern, 16 bis 18 (bei einer 
exotischen Art sogar 20) Steuerfedern. — Die Waldhühner gehören zu 
den mittelgrossen und grossen Arten, leben in Wäldern, besonders Ge- 
birgswäldern, doch auch in nur mit Haidekraut bedeckten ebenen wie ge- 
birgigen Gegenden; manche in Polygamie, und pflegt das Männchen (Hahn) 
grösser und anders gefärbt zu sein als das Weibchen (Henne.) Sie fliegen 
mit starkem Geräusch und nähren sich von Baumknospen, Nadeln, jungen 
Nadelholztrieben, Körnern, Beeren. Sie sind Stand- doch auch Wechsel- 
vögel. Ihre Eier tragen auf hell bräunlichem Grunde eine braune Flecken- 
zeichnung. Ihre nicht zahlreichen Arten bewohnen Europa, das angren- 
zende Asien und Nordamerika. Ihres wohlschmeckendes Fleisches wegen 
sind wohl sämmtliche Spezies Jagdthiere; unsere grösste Art wird sogar 
zur hohen Jagd gerechnet. — In Deutschland sind zwei Gattungen, die 
der eigentlichen Waldhühner und der Schneehühner, vertreten. 


Waldhuhn. 417 


Waldhuhn, Tetrao. 


Schnabel stark, herabgebogen; Läufe („Ständer”) ganz oder halb be- 
% 
fiedert; Zehen nackt oder sehr dünnhaarig besetzt; Schwanz wenigstens 
mittellang. 


. Das Auerhuhn. 
Tetrao urogallus L. 


Schnabel hellhornfarben; Kehlfedern verlängert; Flügel ohne weisse 
Binde; Lauf ganz befiedert; Zehen mit schmalen Quertafeln von oben 
bedeckt, auf welche an den Seiten kleinere Platten und dann kammartig 
abstehende Hornfransen folgen; Vorderzehen am Grunde geheftet; Schwanz- 
spitze abgerundet. Der Hahn von Putergrösse, Kopf und Hals schiefer- 
grau, doch Scheitel und Kehle fast schwarz, Brust schwarzgrün glänzend; 
Schulter- und Flügeldeckfedern tief braun mit schwarzen sehr feinen 
Wellenlinien; Bauch und der grosse Schwanz schieferschwarz mit wenigem 
Weiss. Henne von Haushahngrösse, rostfarben mit vielen schwarzen 
Flecken, Bändern und Strichelehen, an der Kehle ungefleckt; Schwanz 
mittellang. Höchst interessant sind die hahnenfedrigen Hennen, welche 
sich zuweilen finden. Ihre vorwiegend schiefergraue Färbung und Zeich- 
nung, sowie auch ihre bedeutendere Grösse lässt sie als auffallende Mittel- 
formen zwischen Hahn und Henne erkennen. Das Auerwild bewohnt 
Europa mit Ausschluss des höheren Nordens und der Mittelmeerländer, 
sowie Westasien, namentlich Mittelsibirien. In Sibirien lebt es in einer 
etwas diekschnäbeligereu Form (urogalloides v. Midd.), die sich auch in 
anderen Kleinigkeiten von unserem inländischen Vogel unterscheidet, je- 
doch eine spezifische Selbstständigkeit nicht beanspruchen kann, —— Es ist 
ein Waldhuhn im eigentlichsten Sinne des Wortes. Ausgedehnte alte 
Wälder mit dichtem Unterholz und Gestrüpp, sowie Blössen und lückigen 
Stellen dienen ihm zum Aufenthalt, namentlich in gebirgigen oder auch 
hügeligen Gegenden. In den dürren monotonen Kiefernhaiden kommt es 
nicht vor, in Ebenen, in denen es an den bezeichneten Wäldern fehlt, 
wie z. B. in Holland, lebt es ebenfalls nicht, in den sonstigen Ebenen 
ist es nicht häufig. Hier bei Neustadt kommt es nieht vor; vom Münster- 
lande weiss ich nur, dass eine Henne im December 1822 in einem Kiefern- 
walde bei Ibbenbüren (stark hügelig) geschossen wurde, während es in 
dem romantischen gebirgigen südlichen Westfalen geradezu häufig genannt 
werden kann. In dem, im landschaftlichen Charakter diesem ähnlichen 
Thüringer Wald, im Harz, in Sachsen, Schlesien, Böhmen, lebt es gleich- 
falls zahlreich. Bis nur wenig unter dem Brockenplateau habe ich noch 
seine Federn gefunden. Im gebirgigen Süddeutschland, sowie auch in den 
Alpen findet es sich überall. Man kann es im Allgemeinen als Stand- 


Altum. Die Vögel. 27 


418 Hühnervögel. 


wild bezeichnen; jedoch jenes Vorkommen bei Ibbenbüren deutet schon 
an, dass es unter Umständen auch sein Standquartier weit verlassen kann. 
Aehnliche Beispiele sind mehrfach bekannt geworden. Jedoch ist es bei 
weitem mehr an seinen Aufenthaltsort gebunden, als das unruhige Birk- 
wild. Nach der Jahreszeit wechselt es in seinem Reviere, wohl der ver- 
schiedenen Nahrung wegen, mit seiner Aufenthaltsstelle. Im Allgemeinen 
liebt es die sonnigen, warmen, fruchtbaren Abhänge, woselbst es sich im 
Sommer viel unter dem Gestrüpp und im Unterholz umhertreibt, während 
es im Winter fast ausschliesslich auf Bäumen, besonders Nadelbäumen 
zubringt. Es verzehrt, was namentlich vom Hahn gilt, zu dieser Zeit 
fast ausschliesslich Nadeln; ja auch noch während der Balzzeit wird man 
nur selten etwas Anderes als Nadeln in seinem Kropf und Magen, nebst 
kleinen Steinchen von der Grösse etwa des Schrotes Nr. 4 bei ihm finden. 
Sonst geht es im Frühjahr an die Baumknospen, jungen Triebe und Keim- 
linge. Das Auerwild, besonders der Hahn, ist daher den Forstleuten ganz 
allgemein als forstschädlicher Vogel bekannt. Bei seinem ortsbeständigen 
Charakter ist der Schaden lokal oft sehr empfindlich. So wurden noch 
in der 18. Versammlung des sächsischen Forstvereins im Juni 1871 mehr- 
fache Klagen über das Auerwild laut. Es verbeisst die jungen Fichten 
nach dem Verschulen ganz arg, so dass sich in Folge dessen, wie be- 
hauptet, andererseits aber auch bestritten wurde, doppelte Wipfel bilden. 
Oberforstrath Judeich berichtete bei der Gelegenheit, dass besonders den 
Saatkämpen ein colossaler Schaden durch das Auerwild zugefügt würde. 
Oberforstrath König in Eisenach schoss zu dem Zwecke einen Auerhahn 
nach seinem Frühstück und fand beim Aufschneiden 1500 Wipfel. Die 
Revierverwaltung auf den Waldstein’schen Herrschaften in der Gegend 
von Weisswasser klagte, dass die Culturen durch das Auerwild fürchter- 
lich litten. Im Altenburger Revier war ein Saatkamp durch dasselbe 
vollständig beschnitten wie mit der Scheere. Der Hahn beisst die jungen 
Triebe so scharf ab, als seien sie mit einer Scheere abgetrennt. Weniger 
wichtig ist wohl sein Nadelverspeisen im Winter; doch wenn man auch 
das Verzehren von Tausenden von Knospen hinzunimmt, so ist das doch 
keineswegs gleichgültig. Und zudem geschieht das Nadelabbeissen lokal 
denn doch wohl mal in einer ganz unerhörten Weise. So sagt Nau- 
mann, nachdem er vorher bemerkt, dass nicht blos in der Balzzeit, son- 
dern auch im Winter Tannen-, Fichten- und Kiefernnadeln, nebst Knospen 
von Nadel- und Laubbäumen fast seine einzige Nahrung seien: „Er liebt 
die Bequemlichkeit dann so sehr, dass er einen Baum kaum eher ver- 
lässt, als bis er ihn fast von allen Nadeln entblösst hat.” Das ist aller- 
dings arg genug. „Auch im Sommer”, fährt Naumann fort, „sind ihm 
ebenfalls grüne Nadeln und dann namentlich die zarten jungen Triebe 


Das Auerhuhn. / 419 


der Nadelbäume Hauptnahrung, und er geht dann dieserwegen gern an 
junge Bäumchen in den Ansaaten und auf den Schlägen, wo es viel An- 
flug giebt, wo er dann gelegentlich auch wohl einmal grüne Pflanzen- 
spitzen, Blätter, und im Herbste Beeren oder Buchenkorn verzehrt; In- 
secten und Gewürm frisst er aber fast gar nicht. Er sucht seine Nah- 
rung mehr auf Bäumen als auf dem Erdboden.” Nach solchen und vielen 
anderen Mittheilungen und Klagen, welche durch jede Section stets be- 
stätigt werden, kann man den Auerhahn vom forstwirthschaftlichen Stand- 
punkte nur als schädlichen Vogel bezeiehnen. Die mehr am Boden umher- 
schleichende Henne nebst den Jungen schadet weit weniger. Sie nimmt 
allerdings auch Baumknospen und junge Triebe, aber nicht so viel, und 
zumeist von allerhand Laubhölzern, aber ausser diesen mancherlei andere 
Gegenstände; sie geht den Beeren nach, pickt Blättehen von indifferenten 
Krautpflanzen und verzehrt gern, wie die meisten hühnerartigen Vögel, 
Inseeten, Larven und Gewürm, verschmäht auch Nadelholzsamen, sogar 
Getreide nicht. Die Jungen leben meist von Insectennahrung, die Henne 
scharrt ihnen sogar die Ameisenhaufen nach den Puppen auf. — Berühmt ist 
das Auerwild als Gegenstand der hohen Jagd. Es giebt keine Geflügelart, 
über welche so viel in der Jagdliteratur, besonders in der periodischen, 
geschrieben ist, als über diese. Doch wir können uns hier auf eine 
kurze Darstellung des Verhaltens des Auerhahnes zur Balzzeit, der ja 
einzig und zwar um diese Zeit regelrecht gejagt wird, beschränken. Im 
ersten Frühlinge, wenn die frühesten Laubbäume den ersten grünen 
Schimmer zeigen, tritt die Fortpflanzungsperiode des Auerwildes ein. Der 
Hahn wählt dann im lückigen alten Walde einen an irgend einem Ab- 
hange, wenigstens nicht im tiefen Thale, stehenden starken Baum, in 
dessen Umgebung sich Unterholz befindet, fällt auf diesen, und zwar auf 
einen seiner starken mittleren Aeste des Abends unter starkem, an stillen 
Abenden weittönendem Geräusch ein. Das Auerwild fliegt überhaupt mit 
starkem Gebrause. Auf diesem Balzbaume, der für denselben Hahn wäh- 
rend der ganzen, etwa dreiwöchentlichen Balzzeit derselbe bleibt, wenn 
er nicht gestört wurde, auch wohl sogar mehre Jahre zum Balzen benutzt 
wird, lässt er vor Tagesanbruch einen schnalzenden einfachen Laut hören, 
erst in grösseren Zwischenräumen, dann schneller, worauf ein markirteres 
„Dack”, der sog. Hauptschlag, und unmittelbar auf diesen das „Schleifen”, 
ein mit Worten nicht zu versinnlichender Wetzlaut folgt, der nur einige 
Sekunden anhält. Er streckt dabei den Hals vor, sträubt Kopf- und 
Kehlfedern, lässt die Flügel etwas hängen, schlägt mit dem Schwanze ein 
Rad und geht dabei in kleinen Schrittehen, sich auch wohl auf dem Aste 
drehend. Nach einer Pause wird dieselbe Musik unter denselben Gesten 


wiederholt. Die Töne sind sämmtlich nicht laut, ja, wenn man, wie An- 
27* 


420 Hühnervögel. 


fangs unwillkürlich geschieht, die Grösse des ungeschlachten Hahnes, von 
dem man ein Mordspectakel, zumal nach Allem, was darüber geschrieben 
ist, erwartet, damit vergleicht, so erscheinen sie ungemein dünn und zart. 
Während des Schleifens ist er für die Aussenwelt taub, ja auch fast blind. 
Der Jäger hat sich deshalb vom Augenblicke des Hauptschlages an in 
einigen sicheren Sprüngen dem Stande des Auerhahnes, der vorher schon 
verhört und bestätigt ist, allmählich zu nähern, sich aber vor Erregung 
jedes auch des leisesten Geräusches, ausser in jenen Sekunden des Schlei- 
fens, zu hüten, da sonst der Hahn unfehlbar abstreicht und an diesem 
Morgen nicht wieder balzt. Während des Schleifens dagegen wird er 
nicht einmal durch einen Fehlschuss verscheucht. Die Begattung findet 
am Boden statt, auf dem sich in der Nähe in der ..Regel mehre Hennen 
befinden. Es ist wiederholt vorgekommen, dass der sonst so scheue Auer- 
hahn in der Balzzeit am Tage wie toll Menschen, etwa Holzhauer im 
Walde, angegriffen hat. Ein solcher erlangte eine gewisse Berühmtheit, 
weil er sich nach Kräften bemühte, längere Zeit hindurch einen Weg un- 
sicher zu machen. Sowie die jungen Männchen der Singvögel im Herbst 
wohl ihren, freilich noch unvollkommenen Gesang beginnen, so balzen 
dann auch wohl stümperhaft einzelne junge Auerhähne. Jedoch ist dieser 
Fall eben nicht häufig. Dass das Auerwild in Polygamie lebt, ist be- 
kannt; ein Hahn hat im Durchschnitt sechs Hennen. Er kümmert sich 
jedoch nicht weiter um diese, wie eben so wenig um Nest, Eier und Junge. 
Von einem eigentlichen Neste kann allerdings wohl kaum die Rede sein, 
da die Henne unter niedrigem dichten Gehölze nur eine flache Vertiefung 
für ihre 5 bis 12, ja 16 Eier scharrt. Diese sind auf hellbraunem, doch 
sehr verschieden intensivem Grunde dunkelbraun gefleckt. Die Henne ver- 
lässt die Eier bei Störung nur sehr schwer, und dann immer gedeckt 
durch Gestrüpp laufend. Die Familie bleibt bis zum Herbst, wo sich die 
jungen Hähne allmählich abzusondern beginnen, zusammen, während die 
jungen’Hennen noch wohl bis tief in den Winter bei den alten verbleiben. 
Die Hähne führen überhaupt eine sehr isolirte Lebensweise, die Hennen 
dagegen zeigen eine gegenseitige Anhänglichkeit. 


2. Das Birkhuhn. 
Tetrao tetrix L. 


Schnabel schwarz; Kehlfedern nicht verlängert; Flügel ınit weisser 
Binde; Lauf ganz befiedert; Zehen mit schmalen Quertafeln von oben be- 
deckt, auf welche an den Seiten kleinere Platten und dann kammartig 
abstehende Hornfransen folgen; Vorderzehen am Grunde geheftet; Schwanz- 
spitze ausgeschnitten. Der Hahn von Haushahngrösse, schwarz, doch 
Kropf, Hals und Unterrücken mit blauem Stahlglanz; die nackte zinnober- 


Das Birkhuhn. 421 


rothe Stelle über dem Auge kammartig erhöht, die verlängerten seitlichen 
Federn des Schwanzes („Spiel”, „Spielhahn”) leierförmig nach aussen ge- 
krümmt; am Bauche einzelne weisse Flecken; Unterschwanzdeckfedern 
weiss. Die Henne von Haushuhngrösse rostbraun mit einer Menge schwarzer 
Bänder und Flecken; der wenig verlängerte, schwarz quergebänderte 
Schwanz nur schwach gegabelt. Die Jungen vor der ersten Herbstmauser 
der Henne ähnlich. — Das Birkwild bewohnt zahlreich den höheren 
Norden, besonders Skandinavien, tritt lokalisirt im mittleren Europa auf 
und reicht in seiner Verbreitung noch in Südeuropa hinein. Im Allge- 
meinen scheint es eine mehr östliche Spezies zu sein und bewohnt das 
angrenzende Asien in ungefähr gleicher Längenausdehnung als Europa an 
ihm zusagenden Oertlichkeiten. Solche sind durchaus nicht der eigent- 
liche geschlossene Wald, es scheint überhaupt der Baumwuchs für dieses 
Geflügel das Vorkommen nicht zu bestimmen. Flächen mit tiefem Haide- 
kraut, üppigen Vaccinien, einzelnen Wachholderbüschen und sonstigem 
Gebüsch, besonders beerentragenden Stauden, in der Nähe von Torf- und 
anderen Mooren, auf denen ausserdem hier und dort Birken stehen, sind 
ihm besonders willkommen. Doch ist die Birke keineswegs für dasselbe 
bestimmend, die deutsche Benennung daher wenig genau Es kommt nur 
darauf an, dass die übrigen Boden- und Pflanzenverhältnisse vorhanden 
sind. Dann ist es dem Birkwilde aber auch gleichgültig, ob ein solches 
Terrain in der Ebene oder im Gebirge liegt; es steigt übrigens nicht so hoch 
in’s Gebirge hinauf als das Auerwild. Doch bevölkert es in Westfalen sowohl 
die nördliche Tiefebene als die Kuppen seines südlichen Gebietes; ja es 
wohnt in Oberbayern oberhalb der Waldregion und steigt ebenfalls in 
den Alpen über 2000 Meter empor, während es ebenso häufig in den 
Niederlanden angetroffen wird. Dass es Deutschland durchaus nicht gleich- 
mässig bewohnt, ist wohl nur in diesen eigenthümlichen Bodenverhält- 
nissen, die es fordert, begründet. Wo sich solche passende Lokalitäten 
weithin ausdehnen, rückt es allmählich vor, da es eine viel geringere 
Ortsbeständigkeit als das Auerwild zeigt. Sind diese dagegen beschränkt, 
so verliert es sich zum Theil in der Umgegend, da ihm die Heimath zu 
enge wird. In der nächsten Umgebung von Münster ist z. B. das Birk- 
wild nicht vorhanden. Nichts desto weniger wurde meist im Herbst, ja 
noch gegen Ende November ab und zu ein Stück in den Haiden ange- 
troffen und erlegt. Meines Wissens waren das stets Junge oder Weibchen. 
Sie stammten ohne Zweifel aus dem sog. Niederstift. In den grossen, 
durchaus waldlosen Mooren in Öst- und Westfriesland, in der Arenberg- 
schen Grafschaft Meppen und im Öldenburgischen waren sie von jeher 
zahlreich. Sie brüten dort im Haidekraut. Allmählich mehrten sich diese 
verirrten, bis plötzlich eonstatirt wurde, dass Birkwild in den Emsdetter 


492 Hühnervögel. 


Mooren und bei Mesum brütete. Von 1867 an wurde es als Brutwild 
zwischen Rheine und Emsdetten von Jahr zu Jahr häufiger, trotzdem, 
dass der Reiz der Neuheit manchen Jagdliebhaber anlockte, und sogar 
von den Sammlern von Kibitzeiern seine Eier nach Münster zum Verkauf 
gebracht wurden. Trotzdem, dass es als Charaktervogel der mit den vor- 
hin angedeuteten Pflanzen bewachsenen Moore bezeichnet werden muss, ist 
es doch insofern auch ein Waldhuhn, als es den lückenhaften, den 
krautbedeckte Blössen enthaltenden Wald keineswegs vermeidet. Alter 
Baumwuchs in unmittelbarer Umgebung seiner ihm sonst zusagenden Plätze 
ist ihm sogar angenehm. Es baumt gern auf und hält, wo es eben sein 
kann, auf Bäumen seinen Nachtstand. Seine Nahrung sucht es jedoch 
fast nur am Boden. Obschon es Baumknospen, namentlich die von Laub- 
hölzern durchaus nicht verschmäht, so habe ich doch nirgends eine Klage 
über seine Forstschädlichkeit vernommen. Die von mir auf ihre Nahrung 
Untersuchten hatten stets einen gefüllten Kropf; allein dieselbe war forst- 
lich indifferent. Ich fand die Spitzen des Haidekrautes, Wachholderbeeren 
(meist vorigjährige), Rosenbutten, Schneeballbeeren, Haide- und Preissel- 
beeren, Fruchtköpfehen von Centaureen und eine Menge allerhand Blätt- 
chen bei ihm vor. Es verzehrt ferner sehr gern allerhand Insecten und 
Gewürm, und die Henne legt ihren Jungen durch Aufkratzen der Ameisen- 
haufen die Puppen frei. So lebt es denn auch fast stets versteckt am 
Boden, und da sein Aufenthaltsort von Menschen im Allgemeinen wenig 
besucht wird, so kann es sich, ehe man solches vermuthet, in einer Ge- 
gend als Brutvogel festgesetzt haben, trotzdem, dass der Hahn im Früh- 
linge durch sein lautes stürmisches Balzen die Aufmerksamkeit zu erregen 
pflegt. Er balzt etwa 4 Wochen später als der Auerhahn. Da es mir 
bis jetzt nicht vergönnt war, selbst Augen- und ÖOhrenzeuge einer Birk- 
hahnbalz zu sein, so erlaube ich mir Naumann’s zuverlässige Angaben 
hıer fast wörtlich wieder zu geben. „Im Frühjahr, wenn die Knospen 
der Birken aufschwellen, gewöhnlich in’ der zweiten Hälfte des März, 
fängt die Begattungszeit und mit ihr das Balzen der Birkhühner an und 
dauert den April hindurch bis tief in den Mai hinein. Jeder Hahn hat 
einen bestimmten Balzplatz.‘ Besuchen diesen auch andere, so setzt es 
hitzige Kämpfe ab. Gewöhnlich behauptet nur einer denselben und dieser 
balzt in den nächstfolgenden Jahren immer wieder daselbst. In den nörd- 
lichen Gegenden, wo dieses Geflügel so sehr häufig ist, kommen jedoch 
immer mehre Hähne auf einem Balzplatze zusammen (Nilsson berechnet 
vom nördlichen Schweden, dass sich wohl 30 bis 40, ja wohl über 100 
Hähne dort zusammenfinden), kämpfen daselbst täglich um die Hennen, 
und nur die schwächeren, oft überwältigten Streiter weichen endlich und 
balzen nun in einiger Entfernung, wo sie von ihren Gegnern nicht gehört 


Das Birkhuhn. 423 


werden können; sonst sind sie auch hier nicht sicher vor Verfolgungen.... 
Sie benehmen sich beim Kampfe wie kämpfende Haushähne, springen 
kratzend gegen einander und hauen mit den Schnäbeln einer dem anderen 
nach dem Kopfe, stellen sich dann auf Augenblicke wieder mit hängenden 
Flügeln, aufgerichtetem hühnerartigen Schwanze, tief gebückt und nickend 
einander gegenüber, fahren wieder auf einander los und dies so lange, bis 
einer sich versieht und am Kopfe packen lässt, wo ihn dann der andere 
vom Platze führt und der Besiegte die Flucht ergreift.... Der Tummel- 
platz, auf welchem der Birkhahn zu balzen pflegt, ist von keinem grossen 
Umfange, hält in unseren Wäldern jedoch öfters mehr als 50 Schritt im 
Durchmesser und ist hier ein ziemlich freier Platz entweder auf einer 
Waldblösse, zwischen Haidekraut, oder auf einem nahen Wiesenflecke oder 
Acker, immer auf einer Stelle, wo wenige oder gar keine Bäume in der 
Nähe stehen. Schon in der Abenddämmerung, in Norwegen schon oft, 
wenn die Sonne noch hell scheint, kommt er in der Nähe des Balzplatzes 
an, stiebt daselbst auf einen Baum ein und balzt auf diesem mit Unter- 
brechungen bis zum Einbruche der Nacht. Im Norden geschieht dies oft 
auf den höchsten Gipfeln hoher Tannen, auch wohl auf den Dächern ein- 
zelner Gehöfte, und da hört man sein Balzen zuweilen selbst mitten in 
der Nacht und ziemlich anhaltend. Die auf den grossen Haiden wohnen- 
den stieben, weil sie dort keine Bäume haben, gleich beim Balzplatze auf 
die Erde ein und balzen hier wie dort am Abende schon mehrmals. Früh, 
noch vor Anbruch der Morgendämmerung verlässt der Birkhahn seine 
Schlafstelle und begiebt sich nun auf den eigentlichen Tummelplatz, wo 
er von Tagesanbruch bis nach Sonnenaufgang die abenteuerlichsten Stel- 
lungen, Gebehrden und Sprünge sehen und dazu sein Balzen hören lässt. 
Zuerst hört man einige kurze abgebrochene pfeifende Töne, dann, nach 
einem kurzen Schweigen, folgt ein sonderbares hohles Zischen und Blasen, 
das von Bechstein mit den ‘Silben „Gruuri” und „Frau” verglichen 
wird, eigentlich sich aber mit Buchstaben nicht gut versinnlichen lässt, 
und nachher das sog. Kollern oder Gurgeln, das ebenfalls jener Natur- 
kundige mit den Silben „Golgolgolgolroi” bezeichnet, die es aber weniger 
versinnlichen, als wenn man es mit dem Kollern des Truthahns vergleicht. 
Die Silben werden mehr oder weniger oft und schnell hinter einander, 
doch so, dass der Ton bis zu einer Quinte steigt und fällt, und im recht 
hitzigen Balzen so schnell herausgegurgelt, dass es zuletzt oft wie ein 
Hohngelächter endigt. Das Kollern ist übrigens weit hörbar; allein es 
ist, wie das Ganze, bei verschiedenen Individuen sehr verschieden. Nach 
Nilsson schallt es eine halbe oder ganze Viertelmeile weit. Der Hahn 
macht dabei die wunderlichsten Posituren in schnellster Abwechselung, 
wirft Anfangs den wie einen Fächer ausgebreiteten Schwanz senkrecht in 


494 _ Hühnervögel. 


die Höhe, sträubt die Kopf- und Halsfedern, hält die Flügel vom Körper 
ab, aber so, dass sie auf den Boden hinstreichen, rennt in die Kreuz und 
Quer herum wie ein Besessener, springt und tanzt gleichsam in Sätzen, 
selbst im Kreise herum und zuweilen auch rücklings, schlägt dabei mit 
den Flügeln, streckt den Hals bald lang in die Höhe, bald drückt er ihn, 
namentlich beim Kollern, so nieder, dass die gesträubten Kehlfedern auf 
den Boden hinschleifen und macht überhaupt der sonderbarsten Gebehrden 
so viele, dass man ihn beim Balzen für wahnsinnig und toll halten möchte, 
zumal da er Alles mit einer Art von Wuth ausführt, und seine Kräfte 
übermässig überbietet.... Wenn zugleich mehre Hähne auf einem solchen 
Platze umhertollen, so bietet das ein Schauspiel von wildem Durchein- 
anderrennen, von Gauklersprüngen und wüthendem Poltern, mit dem in 
der ganzen Vogelwelt wohl nichts Aehnliches zu vergleichen ist.” Einen 
Moment, in dem der balzende Birkhahn wie der Auerhahn für seine Um- 
gebung taub oder blind wäre, giebt es dabei nicht. Der Schütz muss 
sich deshalb schon sehr zeitig in die dafür hergerichtete niedrige und 
verdeckte Schiesshütte begeben oder sich sehr vorsichtig und gedeckt 
heranpirschen. Die Begattung geschieht in der Nähe des Balzplatzes, 
woselbst sich die Hennen versammelt haben, etwa 3 bis 4 Hennen für 
einen Hahn. Die Nestvertiefung steht nie im Walde, sondern immer auf 
einem freien Platze. Die Henne legt 6 bis 10, ja 12, 14, 16 bräunlich 
gelbe, stark und intensiv im selben Tone gefleckte Eier. Sie sind im 
Allgemeinen eine kleinere Ausgabe der Auerhuhneier, doch stärker ge- 
fleckt und dunkler grundirt. Doch kommen davon auch Ausnahmen vor. 
Die junge Familie bleibt bis zum Herbst zusammen, die Hähne trennen 
sich zuerst, während die Hühner stets mehr gesellig leben. 

Das Rakelwild, 7etrao medius Meyer, ist keine Spezies, sondern 
Bastard vom Auer- und Birkwild. Bei der polygamen Fortpflanzungsweise 
kann es nicht auffallen, dass in seltenen Fällen, dort wo diese beiden so 
verwandten Spezies nahe zusammen leben, eine Kreuzung derselben vor- 
kommt, welche sich in dem einen oder anderen Ei als fruchtbar zeigt. 
Wenngleich die Balz der beiden Spezies so auffallend verschieden ist, 
dass man es von vorn herein für unwahrscheinlich halten muss, dass 
eine Auerhenne durch die Polterei des Birkhahnes angelockt werden könnte 
und umgekehrt eine Birkhenne durch die Töne des Auerhahnes, so ist 
doch zu berücksichtigen, dass ja eben die Hähne von dem Jäger erlegt 
werden. Im weiteren Umkreise existirt kein Balzhahn derselben Art 
mehr, und so sind die IHennen fast gezwungen, da der Naturtrieb seine 
Befriedigung sucht, sich unter die fremden zu mischen. In Deutschland 
ist das Rakelhuhu oder Mittel-Waldhuhn sehr selten, weil nur an wenigen 
Stellen die beiden Arten in grösserer Individuenmenge in enger Nachbar- 


Das Haselhuhn. 495 


schaft zusammen leben. In Skandinavien hingegen findet sich diese hybride 
Bildung ziemlich häufig. Die Grösse hält die Mitte zwischen beiden 
Arten, die Schwanzspitze ist schwach ausgeschnitten, die Keblfedern wenig 
verlängert. Dass auch die Färbung die Charaktere beider an sich trüge, 
lässt sich nicht behaupten. Der. Hahn ist schwarz, jedoch der Rücken 
tiefbraun, schwarz gewässert, und Kopf, namentlich Hals und Vorderbrust 
tiefviolett glänzend. Dieser Purpurglanz ist jedenfalls ein neues Moment, 
was weder dem Auer- noch dem Birkhahn zukommt. Die rostfarbige, 
schwarz gebänderte Henne trägt über dem Flügel zwei weisse Binden. 
Letzteres ist gleichfalls neu. . Doch sind bis jetzt noch so wenige Hennen 
bekannt, dass sich schwerlich eine Constanz dieser Zeichnung im Allge- 
meinen wird behaupten lassen. Wir besitzen in unserer akademischen 
Sammlung ausser zwei schönen alten Hähner auch einen jungen Hahn 
im Uebergangskleide, leider ohne alle nähere Bezeichnung von Provenienz, 
Datum u. ä& Derselbe trägt em aus hellrostigen, schwarz gebänderten 
Jugendfedern und den schon zahlreich vorhandenen schwarzen gemischtes 
Kleid. 

Auch anderweitige Hühnerbastarde sind bekannt. So einer vom 
Birkhahn und dem Moorschneehuhne, vom Buschfasanen und einem Haus- 
huhne, Puterhenne, Silber- und Goldfasanenhenne, u. m. a. 


3. Das Haselhuhn. 


Tetrao bonasia L. 

Körper von Ringeltaubengrösse; Scheitelfedern verlängert; Schnabel 
klein, Lauf nur in der oberen Hälfte befiedert, in der unteren nackt, 
in zwei Längsreihen geschildet, Zehen mit umfassenden Tafeln; Schwanz 
abgerundet, mittellang, mit 16 Federn, welche mit Ausnahme der 2 mittleren 
hellaschblau, fein schwarz gewässert sind und vor dem weissen Spitzen- 
saume eine breite schwarze Binde tragen. Die Gefiederzeichnung ist ohne 
Weitläufigkeit nicht zu beschreiben; sie ist im Allgemeinen ein klexiges 
Gemisch von Weiss, Rostbraun und Schwarz, doch kommen auch viele 
feine Zeichnungen namentlich auf der Oberseite vor. Das Männchen 
zeichnet sich vor dem Weibchen durch mehr verlängerte Scheitelfedern 
und eine schwarze, weiss eingefasste Kehle aus. An Grösse übertrifft es 
dasselbe nur wenig. Uebrigens zeigt sich das Haselhuhn nach den ver- 
schiedenen Gegenden, in denen es vorkommt, nicht unbedeutend variabel 
im Tone seiner Farben. So differiren die Exemplare aus Ostpreussen 
von denen aus der Eifel schon merklich, die skandinavischen von den 
ungarischen und italienischen ganz erheblich. Bei den einen herrscht 
ein aschgrauer Ton vor, bei den anderen ein brauner rostiger. Das Hasel- 
huhn weicht im Körperbau, einzelnen Organen, in seiner Lebensweise 


426 Hühnervögel. 


der Art von den erstgenannten Waldhühnern ab, dass man für dasselbe 
eine besondere Gattung aufgestellt hat, zw der noch die nordamerikanische 
Art T. umbellus Bp. gehört. Es nähert sich ohne Zweifel mehr den 
Rephühnern, obschon es ein ganz ausgesprochener Waldvogel ist. Am 
zahlreichsten lebt es in Russland und ist ebenfalls in den Bergwäldern 
Nordeuropa’s sehr zahlreich. Man findet es bei uns fast nur in den be- 
waldeten Mittelgebirgen. Im südlichen Westfalen ist es ziemlich gemein, 
im Thüringer Wald und im Harz nicht selten; im Süden von Deutschland 
ebenfalls bekannt genug. In einzelnen Ebenen mag es gleichfalls angetroffen 
werden, im flachen Münsterlande fehlt es gänzlich. Es ist eben so orts- 
beständig als das Auerhuhn, streift deshalb nicht oder nur selten im Ge- 
gensatz zum unruhigen Birkhuhn nach fremden Gegenden über. Sonnige 
Abhänge, die auf Blössen und Lücken viele beerentragende Kräuter (Vac- 
einien u. a.) und Sträucher (Brombeeren, Trauben- und schwarzen Hol- 
lunder u. a.) enthalten, sind ihm die liebsten Aufenthaltsstellen. Doch 
habe ich es wiederholt mitten im Walde bei vollem Kronenschluss ange- 
troffen. Mir scheint, als wenn es dem Buchenwalde vor jedem anderen 
den Vorzug gäbe. Doch findet es sich sowohl in jedem Laub- als Nadel- 
holzwalde mit Ausschluss der dürren Kiefernwaldungen. In allen seinen 
Bewegungen zeigt es sich behender als Auer- und Birkhuhn. Es rennt 
rephuhnartig schnell am Boden und fliegt schnurrend eben so gewandt 
als schnell durch den dichten Wald und die dichtesten Kronen. Nicht 
häufig trifft man ein einzelnes Stück, einen alten Hahn, an. Fast stets 
hält sich die Familie zusammen. Aufgescheucht fliegen sie jedoch selten 
gleichzeitig auf, auch halten sie nicht dieselbe Richtung. Doch bäumen 
oft auf eine starke Buche etwa ein halbes Dutzend zusammen auf. Pirscht 
ıman sich heran, so wird man wohl das eine oder andere Stück entdecken; 
aber häufiger sucht man in der wüsten Krone vergebens. Plötzlich streicht 
eins unter starkem Schnurren ab, nach einer Pause ein zweites und so 
fort, bis sich alle entfernt haben, ohne dass man auch nur eines einzigen 
ansichtig geworden wäre. Sie nähren sich wenig von Laubknospen, sondern 
meist von saftigen Beeren, unter denen ihnen die Ebereschbeeren die 
liebsten zu sein scheinen, sowie von Insecten und Gewürm, nach dem 
sie den Boden aufscharren. Eine irgend wie hervorragende forstliche 
Bedeutung kommt dem Haselwild nicht zu. Es lebt im Gegensatz zu 
den anderen Waldhühnern in Monogamie. Der Balzton des Hahnes ist 
ein Pfeifen. Um das Brutgeschäft und die Jungen kümmert sich die 
Henne allein. Sie legt die Eier in eine kleine gescharrte und dürftig 
und kunstlos mit Laub belegte Vertiefung an einer durch Krautwuchs 
oder Gestrüpp geschützten Stelle, und zwar S bis 10, auch wohl 12 an 
der Zahl. Auf röthlich braunem Grunde sind dieselben gewöhnlich spärlich 


Schneehuhn, 497 


mit kleinen dunklen weitständigen rundlichen Flecken von gleichem Farb- 
tone besetzt, selten stärker gefleckt. 


Schneehuhn, Lagopus. 


Schnabel kurz, nur wenig herabgebogen; Läufe wie Zehen ganz und 
dicht befiedert; Schwanz kurz. Sie bewohnen ausschliesslich die Gebirge 
sowohl im Norden als in südlichen Gegenden, und sind weit richtiger als 
Felsenhühner wie als Waldhühner zu bezeichnen, obgleich manche auch 
das Gebüsch lieben. Sie mausern, jährlich zweimal; sogar die Hornscheide 
der Krallen wird jährlich gewechselt. 


I. Das Alpenschneehuhn. 
Lagopus alpinus Nilss. *) 

Etwas über Rephuhngrösse; Schnabel relativ gestreckt, an der Spitze 
seitlich zusammengedrückt, von den Nasenlöchern an mehr lang als hoch, 
Dillenkante länger, als an der Basis der Unterschnabel breit; Nägel klein, 
stark gekrümmt. Männchen mit schwarzem Zügelstreif. Im Winter bis 
auf die schwarzen seitlichen Schwanzfedern, die schwarzen Schwingenschäfte 
und den schwarzen Zügel des Männchens, welche Theile auch im Sommer 
schwarz bleiben, blendend weiss. Im Sommer Schwingen weiss, sonst 
graubraun mit zahlreichen feineren schwarzen Strichelchen und Flecken, 
die ohne grosse Weitläufigkeit nicht beschrieben werden können. Auch 
der rostfarbene Grundton variirt nicht unerheblich. Ueber dem Auge 
eine mondförmige, scharlachrothe, in der Fortpflanzungszeit sich fast kamm- 
artig erhebende nackte Stelle. — Dieses Schneehuhn bewohnt sowohl eireum- 
polar den höheren Norden und zwar dort die felsigen Hochgebirge, als auch 
unsere mitteleuropäischen Alpen. Es ist somit eben so in Nordamerika zu 
Hause, als in Lappland, Schweden und Norwegen, Island, und in den 
Hochgebirgen Schottlands, und findet sich in der Schweiz, Tyrol, in den 
österreichischen und bayerischen Alpen ebenfalls wieder. So kennt man 
es in der Umgegend von Hohenschwangau, Tegernsee, Schliersee u. a. 
ganz allgemein. Es steigt daselbst mit dem Stein- und Birkhuhn über 
die obere Baumgrenze, während das Auerhuhn nur bis in die obere Baum- 
region hinaufgeht. In jenen Höhen, von etwa 2000 Meter an, lebt es 
als alpiner Felsenvogel und steigt nur wie alle Arten, die mit ihm einen 
gleichen Wohnort theilen, im Winter in die Thäler hinab. In seiner 
Nahrung weicht es nicht wesentlich von der der übrigen Waldhühner ab. 


*) Tatrao rupestris Gm., lagopus L., mutus Mont., Islandorum Fab. (Island), 
Reinhardti Brm, (Nordamerika). 


428 Hühnervögel. 


Es frisst die zarten Spitzen, auch Blüthen, der dort wachsenden Kräuter 
und Stauden, sehr gern auch Beeren von Vaceinien, Empetrum u. a, 
sowie auch wohl, besonders in der ersten Jugend Insecten. Wie das 
Haselhuhn lebt es in Monogamie, ohne dass der Hahn sich jedoch um 
die junge Brut weiter kümmert. In seinen Bewegungen und seinem Ver- 
halten wird es als schnell, gewandt und doch zutraulich geschildert. Die 
unkünstlich ausgelegte Nestvertiefung steht durch Krautwuchs und Ge- 
strüpp verborgen, und enthält 6 bis 12 Eier von Grösse der der Ringel- 
taube, Sie gehören zu den schönsten, indem sie auf lebhaft braungelbem 
Grunde eine grosse Anzahl oft ineinayderfliessender, höchst intensiver, 
fast schwarzbrauner Flecken tragen. — Forstwirthschaftlich ist das Alpen- 
schneehuhn selbstredend ohne jede Bedeutung. 


2. Das Moorschneehuhn. 
Lagopus albus Gm. *) 

Grösser als das Alpenschneehuhn, etwa von Haselhuhngrösse, Schnabel 
dick und aufgetrieben, an der Spitze etwas plattgedrückt, von den Nasen- 
löchern an so lang als dort hoch, Dillenkante so lang als der Unterkiefer 
an der Basis breit; Nägel lang, gross, schaufelförhig, mehr flach. Männchen 
ohne schwarzen Zügel. Uebrigens der ersten Spezies im Allgemeinen 
sehr ähnlich, jedoch das Sommerkleid nicht graubraun, sondern kastanien- 
braun grundirt. Hervorzuheben ist für diese Art, dass sie in dem sehr 
temperirten Schottland im Winter nicht weiss wird, sondern ein dem 
braunen Sommerkleide ähnliches Kleid trägt. Dies ist die von Brisson 
als selbstständige Spezies aufgeführte Form scoticus. Sie zeigt nie etwas 
vom weissen Wintergefieder, während die im Winter weissen Individuen 
dieser Art, sowie auch das Alpenschneehuhn auch im Sommer stets einige 
Winterfedern auf der Unterseite und den Flügeln tragen. Das Moorschnee- 
huhn ist ebenfalls ein deutscher Vogel. In den Jagdzeitungen von Eng- 
«land, namentlich Schottland her ist oft von ihm als Grouse oder Grouse- 
wild die Rede. In Deutschland tritt es im äussersten Nordosten auf, im 
Regierungsbezirk Gumbinnen. Es stimmt sonst in seiner geographischen 
Verbreitung im Norden vielfach mit dem Alpenschneehuhn überein. Doch 
ist es durchaus kein Hochgebirgs- oder Alpenvogel, obgleich es gern in 
niederen Gebirgen vorkommt, so dass sich seine Grenzen mit denen des 
Alpenschneehuhns berühren können, zumal im Winter. Bewachsene Moore 
inmitten von Gebirgen und Höhenzügen sind ihm der liebste Aufenthalt. 
Im Uebrigen ähnelt es in seinem Betragen dem Alpenschneehuhn. Dass 
es stellenweise in ungeheurer Menge vorkommen muss, bekunden schon die 


*) Tetrao lagopus Retz., scoticus Briss, 


Feldhühner., 429 


enormen Summen, für welche die Jagd auf das Grousewild in den ersten 
14 Tagen, dann in der nächsten Woche, dann wieder für eine folgende 
kleine Frist in Schottland gepachtet wird. Es sind z. B. schon für die 
Jagderlaubniss auf Grouse in einem einzigen Revier in den ersten zwei 
Wochen 2000 Pfund bezahlt. Die vielen Schneehühner, welche im Winter 
in Berlin zum Verkaufe feil gehalten werden, gehören dieser Art an; doch 
erinnere ich mich, einzeln zwischen diesen auch das Alpenschneehuhn an- 


getroffen zu haben. 


3. Familie. Feldhühner, Perdicidae. 


Mittelgrosse bis kleine Hühner von gedrungener, jedoch nicht robuster 
Gestalt; Nasengrube nackt; schmale nackte Augenkreise; Kopf befiedert; 
Flügel kurz und abgerundet; Lauf nackt, vorn mit zwei vertikalen Schilder- 
reihen; Schwanz kurz, ungefähr von der Länge der Deckfedern, Schwanz- 
federn abgerundet. — Die Feldhühner bilden eine recht bunte, in etwa 
25 Gattungen zerfallende, auf der östlichen Halbkugel lebende Hühner- 
gruppe. Die meisten derselben gehören den wärmeren Gegenden an. So 
sind z. B. die Frankolinhühner auf das warme Asien und Afrika beschränkt. 
Den kalten Norden bewohnt keine Spezies. Sie leben in offenen Gegen- 
den und meiden den eigentlichen Wald; selbst im Gebüsche verweilen sie 
nicht dauernd. Jedoch haben auch nicht alle in offenen Feldern ihre 
Heimath. Schon das süddeutsche Steinhuhn ist ein Hochgebirgsvogel und 
der Tetraogallus caucasicus Gray, eine Art von fast Auerhahngrösse, 
bewohnt die alpine Region des Himalaya, Kaukasus und anderer asiati- 
schen Gebirge. Nichts desto weniger ist nach der Lebensweise der Mehr- 
heit der zu dieser Familie gehörenden Arten, die stets am Erdboden 
leben, nicht aufbäumen, auch des Nachts am Boden bleiben, hier ihre 
Nahrung suchen, sehr schnell rennen, die allgemeine Benennung „Feld- 
hühner” passend. Drei Spezies leben in Deutschland. 


Feldhuhn, Perdix. 


Kleine Hühner; Schnabel kurz; am Grunde mit Wachshaut, die 
Nasenlöcher unter einer Schuppe; von den Handschwingen die zweite 
oder dritte bis fünfte gleich lang und die längsten; Lauf ohne Sporn oder 
höchstens mit einer Spornwarze; Schwanz kurz, hängend, nicht ganz unter 
den Deckfedern verborgen. Männchen und Weibchen in Grösse und Fär- 
bung nur wenig verschieden. Die Feldhühner leben in der Fortpflanzungs- 
zeit paarweise, sonst in Ketten, legen ungefleckte oder nur mit feinen 
Punkten besetzte Eier und sind Stand-, höchstens Strichvögel. 


430 Hühnervögel. 


I. Das Steinhuhn. 
Perdix saxatilis M. & W. 

Das Steinhuhn bildet mit einigen anderen Spezies die Gruppe der 
Rothhühner. “Das Korallenroth des Schnabels, der nackten Augen- 
umrandung und der Beine hat wohl diese Benennung veranlasst. Die 
Läufe mit Spornwarze; die zweite bis fünfte Handschwinge gleich lang 
und die längsten; Schwanz 14 bis 16 Federn, unter den Deckfedern weit 
vorragend. Oberseite sanft aschblau, Wangen, Kehle, Gurgel weiss mit 
einem breiten, scharf begrenzten tiefschwarzen Bande eingefasst. Eine 
besondere Zierde bilden die doppelt schwarz, rostgelb und dunkelroth 
quergebänderten aschblauen Weichenfedern; Schwanz 14- oder 16federig, 
je nachdem die mehr lockeren, gegen die Spitze schmäler zugerundeten 
Mittelfedern in einem oder in zwei Paaren auftreten. — Dieses Huhn, das 
grösste unserer Feldhühner, ist ausschliesslich Hochgebirgsvogel. Seine 
nördliche Verbreitungsgrenze beginnt in Oberbayern, wo es, wie vorhin 
beim Alpenschneehuhn schon bemerkt, an vielen Stellen oberhalb der 
Baumregion als bekanntes Wild lebt. Von hier aus erstreckt es sich über 
die Alpen, Italien, Griechenland, bewohnt Nordafrika und einen Theil 
von Asien, namentlich Syrien und Persien und wird auch auf den 
grösseren Inseln angetroffen. Es nährt sich von den Blättchen, Knospen, 
Blüthen, Beeren der Alpenkräuter, verzehrt jedoch auch sehr gern In- 
secten, Spinnen, Gewürm. Beim Beginne des Winters verlässt es seine 
Höhen und kommt in die Thäler herab; in Italien besucht es dann 
wohl die Ränder der nächsten Getreidefelder. Sein Nest, eine unkünst- 
lich ausgelegte flache Vertiefung steht nur in jener hohen Region. Es 
enthält bis 12, ja sogar 15 Eier, welche sich durch stärkere Grösse, durch 
eine fast birnförmige Gestalt und durch sehr feine und spärliche braune 
Flecken oder vielmehr Punkte auf schmutzig lehmgelblichem Grunde von 
denen der nächsten Verwandten unterscheiden. 


2. Das Rothhuhn. 
Perdix rubra Briss. 

Auf den ersten Blick unterscheidet sich diese dem Steinhuhne so 
nahe verwandte Art, durch das nach aussen nicht scharf begrenzte, son- 
dern in Tropfenstreifen auf die Brust sich verlaufende schwarze Band 
um den weissen Vorderhals. Die prächtigen Weichenfedern sind hier weit 
gröber gebändert, namentlich fällt auf, dass jede Feder nicht zwei, son- 
dern nur ein schwarzes Querband trägt. — Dieses Huhn ist ein ausge- 
prägtes Feldhuhn, welches das Gebirge meidet und sich ganz nach Art 
unseres gemeinen Rephuhns auf den Fruchtfeldern aufhält. Es bewohnt 
die Ebenen, wenigstens stets weite Flächen, doch geht es auch gern in 


Das Felsenhuhn. — Das Rephuhn. 431 


die Weinberge und sucht, ebenfalls ähnlich unserem Rephuhne im Ge- 
büsch Schutz. Diese Art lebt nirgends in Deutschland, ist jedoch be- 
kanntlich in Frankreich gemein, bewohnt das südliche Europa, Nordafrika 
und einen Theil des westlichen Asiens Seine gedrungenen Eier tragen 
auf lehmgrauem Grunde eine sehr grosse Zahl kleiner gelbbrauner Flecken, 
die wie ein dichtes Maschennetz die Fläche überziehen. 


3. Das Felsenhuhn. 
Perdlix petrosa Lath. 

Die dritte europäische Spezies der Rothhühner findet sich nur in 
Spanien, auf den grösseren Inseln des Mittelmeeres und in Nordafrika. 
Der braunrothe Scheitel und Nacken, sowie ein breites, gleichfalls braun- 
rothes, mit weissen Tropfen besetztes Halsband unterscheiden es hin- 
reichend von den beiden anderen Arten. Seinen Aufenthalt bilden, ähn- 
lich wie beim Steimnhuhne, die höheren Gebirgsgegenden. Seine hart- 
schaligen Eier tragen auf gleichfalls hell lehmgrauem oder lehmgelblichem 
Grunde eine sehr grosse Anzahl brauner Porenpunkte. 


4. Das Rephuhn.*) 
Perdix cinerea Briss. 

Das gemeine Rephuhn weicht in mehren Stücken von den Rothhühnern 
ab, so dass man dasselbe wohl als besondere Gattung (Starna) behandelt. 
Sein trübgelber an der Spitze bläulicher Schnabel ist an der Basis breit, 
im Ganzen comprimirt, die dritte bis fünfte Handschwinge von gleicher 
Länge und die längsten, der Schwanz 1S8fedrig (die seitlichen Federn 
tief rostroth) und unter den Decken kaum vorragend; Läufe ohne Sporn- 
warze, vorn und hinten mit doppelter Schilderreihe. Jedoch stimmt es 
mit dem Rothhuhn in seinem ganzen Verhalten derartig überein, dass 
wir hier von dieser generischen Trennung absehen können. Eine nähere 
Beschreibung wird überflüssig sein, nur sei bemerkt, dass das Schild nach 
Osten hin allmählich dunkler wird. Dass die Henne kein solches, oder 
nur im höheren Alter Andeutungen desselben trägt, ist bekannt. Es giebt 
wohl von keinem frei lebenden Vogel so häufig farbige Aberrationen, 
namentlich Leueismen, als vom Rephuhn. Es ist merkwürdig, dass, so- 
bald der Mensch in das Leben einer Thierart auch nur leise, wenn auch 
nur wie hier durch das Gebundensein des Rephuhns an den Getreide- 
bau des Menschen und durch die Jagd, eingreift, sofort Abweichungen 


*) Ich halte die Benennung Rephuhn für onomatopoetisch, dem Rufe nach- 
gebildet, ähnlich wie Zerdix, Perdrix, Partridge u. a., und schreibe deshalb „Rep”, 
nicht „Reb”. Von „Rebe” ist es schwerlich abzuleiten, für Verdoppelung des p, 
„Repphuhn”, kein Grund vorhanden. 


432 Hühnervögel. 


von der ursprünglichen Form entstehen. Seltener als diese sind die Ver- 
dunkelungen der Farben des Rephuhns, die man als unvollständigen Mela- 
nismus auffassen muss. Andere Aberrationen, z. B. eine vom Normalen 
abweichende Vertheilung der Zeichnung, kommen ebenfalls vor. Inter- 
essanter aber sind die lokalen Varietäten desselben. Auf moorigen Haiden 
wird es kleiner und im Hauptton grauer, in der Zeichnung aber bunter 
und gleicht fast zerhacktem Haidekraut; in Ungarn ist es grösser und 
dunkler; im östlichen Sibirien klein und auffallend gesprenkelt. Es er- 
streckt sich vom nördlichen Sibirien bis zum mittleren Italien und süd- 
lichen Frankreich. Man kann es als Standvogel bezeichnen, ungemein 
beharrlich hält es an seiner Heimathstelle fest. Jedoch lieferten die Nach- 
kommen einer Anzahl ungarischer Rephühner, die ein Jagdbesitzer bei 
Münster vor mehren Jahren hatte kommen und nach Durchwinterung in 
engem Gewahrsam hatte aussetzen lassen, den Beweis, dass sie sich schon 
im nächsten Jahre etwa eine Stunde von der ersten Stelle angesiedelt 
hatten. Bemerkenswerth ist ferner die Erscheinung der sog. Zughühner, 
grosse Ketten im Herbst von oft 100 und mehren Stücken, die sehr scheu 
plötzlich auftreten und nach einer bestimmten Richtung hin verschwinden. 
Im Münsterlande sind solche mehrmal beobachtet. Es ist mir unbekannt, 
ob sie etwa aus den im Niederstift nicht seltenen, eben bezeichneten 
Haidehühnern bestanden. Wir. besitzen in unserer akademischen Samm- 
lung 2 Exemplare, alte Männchen, mit der Bemerkung „Zughuhn”, an 
denen ich aber ausser einem etwas lebhafter braunen Schilde nichts Ab- 
weichendes entdecken kann. — Der Aufenthaltsort des Rephuhnes ist be- 
kannt. Es wählt die fruchtbaren Ebenen, auf denen Getreidebau getrieben 
wird. Auf dürrem sandigen Roggenboden finden wir es weit weniger 
als auf fettem Weizenboden. Doch will es unter allen Umständen auch 
Schutzstellen haben. Das Kraut der Kartoffel- und Rübenfelder, sowie 
hoher Klee genügt ihm schon, doch sind ihm Remisen von Gestrüpp 
auf der Fläche oder anstossendes Gebüsch nöch mehr erwünscht. Bei 
Gefahr flüchtet es sich sehr gern in solche Verstecke und wir finden es 
dann auf schwach, schlecht oder unregelmässig bewachsenen Blössen und 
Schlägen in der Nähe des Waldrandes. Es brütet sogar häufig hier, 
und ist im Winter gar oft hier anzutreffen. Gegen die Winterkälte ist 
es ohne Nahrungsmangel ziemlich hart, allein es giebt doch auch Beispiele 
von nachtheiligem Einfluss derselben in Betreff der nächstfolgenden Fort- 
pflanzung. So fanden sich im Münsterlande im Sommer 1823 nach dem 
bekannten sehr strengen vorhergehenden Winter, der gegen sechs Wochen 
schneefrei war, nur sehr kleine Ketten von 3, 4, 5, 7 Stück, oder es 
fehlten die Jungen gänzlich, so dass man nur alte Hühner antraf. Man 
fand die Eier faul im Neste, oder zerstreut auf den Aeckern. Anfangs 


Wachtel. 433 


September wurden noch Hühner über den Eiern gefunden. Im ersten 
Frühlinge trennen sich die Individuen zu einzelnen Paaren; man hört 
dann besonders des Morgens und Abends an allen Ecken das „Kerrjäck” 
des Hahnes, Da mehr Hähne als Hennen zu existiren pflegen, so können 
sie sich beim Streit um die Hennen oft lange nicht beruhigen; sind sehr 
viele überflüssige Hähne vorhanden, so wird der ruhige Fortgang des 
Brutgeschäftes wohl erheblich gestört. Das Nest, eine flache, unkünustlich 
ausgelegte Bodenvertiefung, steht in der Regel in einer schützenden Re- 
mise, im hohen Kraute, oder in lückenhaftem Gestrüpp und enthält bis 
20 und mehr stumpfbirmförmige, grünlichgraue ungefleckte Eier. Bei 
Störung verlässt die brütende Henne das Nest, nach dem 16. oder 18. Tage 
jedoch nicht mehr. Eine brütende Henne wurde vom Nest genommen, 
einige Stunden eingesperrt, dann wieder hingetragen, und sie brütete ruhig 
weiter. Späte Bruten lassen eine Störung im Anfange des Brutgeschäftes 
vermuthen. Die Familie bleibt als „Volk’” oder „Kette” bis zum nächsten 
Frühling zusammen. An den Ort ihrer Entstehung halten sie ausser- 
ordentlich fest. Die Nahrung des Rephuhnes besteht aus allerhand Säme- 
reien, Blättchen, namentlich Inseeten. in schneeigen Wintern besuchen 
sie mit den Ringeltauben die Kohlfelder. 


Wachtel, Coturnix. 


Kleinste Hühnervögel; Schnabel kurz, am Grunde etwas, selten stark 
erhöht; Flügelspitze verlängert, die drei ersten Handschwingen oder die 
zweite bis vierte die längsten; Läufe kurz ohne Sporn, vorn und hinten 
mit einer Doppelreihe von Schildern; Schwanz 12federig, sehr kurz, von 
den Deckfedern völlig bedeckt. Die Wachteln leben durchaus in offenen 
Feldern, namentlich Getreidefeldern, paaren sich fast monogamisch, legen 
viele gelblich oder weiss grundirte, mit grossen braunen Flecken besetzte, 
stumpf birnförmige Eier und wandern aus kälteren Klimaten gegen den 
Winter nach wärmeren Gegenden. Es giebt mehre, sogar australische 
mit unserer deutschen Wachtel sehr ähnliche Arten. 


Die gemeine Wachtel. 
Cortunix communis Bonn. 


Unser kleinstes Huhn; Oberseite braun mit mehren Längsreihen langer 
hellgelblicher scharf begrenzter Schaftstriche und vielen abgebrochenen 
schwarzen und hellbräunlichen Querbändern; über der Scheitelmitte und 
jedem Auge ein rostgelblichweisser Längsstreif; Unterseite mehr oder 
weniger rostweisslich mit namentlich an den Weichenfedern hervortreten- 
den dunklen Schaftflecken; die Kehle beim Männchen von einer doppelten 

Altum, Die Vögel, 28 


434 Hühnervögel. 


Einfassung umgeben, und diese selbst schwarz oder schwarzbraun, fuchs- 
braun, lehmfarben weisslich. Im Gegensatz zum Rephuhn wird bei der 
Wachtel nach Osten hin die Kehle allmählich heller. Auch die Ein- 
fassung, welche bei den Weibchen nur kaum in Andeutung auftritt, ist 
sehr variabel. — Die Wachtel ist über den grössten Theil der alten Welt 
verbreitet und heftet sich ausnahmslos an die ebenen Culturflächen, 
namentlich an den Getreidebau. Den Wald, die sterile Haide, feuchte 
Wiesen und Moore vermeidet sie. Dichter, von oben sie schützender 
Krautwuchs, der ihr gestattet ohne viele Hindernisse am Boden umher- 
zulaufen, ist nothwendige Bedingung ihres längeren Aufenthaltes. Sie 
pflegt bei uns gegen Ende April, im Durchschnitt etwa am 20. d. M. 
anzukommen, trifft jedoch auch sehr oft erst Anfangs bis gegen Mitte 
Mai ein. Man findet sie dann vorzugsweise im Klee und Roggen, später 
mehr im Sommerkorn, namentlich Weizen und auch Hafer, gern auch in 
der Nähe der Fruchtfelder in nicht nassen Wiesen, sowie in Erbsenfeldern. 
Hier und an ähnlichen Stellen treibt sich das Männchen unruhig umher 
und unterscheidet sich durch diese Unbeständigkeit sehr vom Rephuhn. 
Vorzüglich ist es aber des Morgens und Abends unruhig; auch die Nacht 
hindurch noch lebhaft, doch bleibt es bei stark bethauten Kräutern mehr 
an derselben Stelle. Zur Mittagszeit treten die Wachteln gern aus dem 
Korn auf Fahrwege oder sonst an Stellen, an denen sie ein Staubbad 
nehmen können. Mit stark hängendem Gefieder des Unterkörpers, sehr 
eingezogenem Halse und krummem Rücken laufen die Wachteln einher, 
so dass bei dem sehr kurzen Schwanze und kleinen alsdann tief getra- 
genen Köpfchen die ganze Gestalt sich der Kugelform nähert, nur bei 
Erregung legen sie ihr spärliches lanzettförmiges Gefieder knapp an und 
recken den Hals und Körper. Ihr Flug ist trotz der schnellen Flügel- 
schläge scheinbar matt. Sie fliegen ungern auf, suchen sich lieber durch 
Laufen am Boden oder durch Sichdrücken vor einer Gefahr zu retten, 
und fallen, falls sie zum Auffliegen gebracht sind, sehr bald wieder ein, 
indem sie einen Augenblick in der Luft anhalten und dann unter einer 
seitlichen Körperwendung sich fast senkrecht hinabfallen lassen. Nie 
fliegen sie bei einer solchen Gelegenheit hoch, nie wie etwa Rephühner 
hoch über Feldhölzer, sondern sie bleiben stets.nahe am Boden. Ihre 
(Gestalt weicht der spitzeren Flügel wegen von der des Rephuhnes nicht 
unwesentlich ab, so dass man beide Arten auch in der Ferne fliegend er- 
kennen kann. Höchst eigenthümlich ist der Balzruf des Männchens, der 
bekannte Dactylus „Peckwerweck”, dem ein sonderbares leises, mehrmal 
wiederholtes „Wauwau” vorherzugehen pflegt. Jenen Ruf lassen sie drei- 
bis neunmal, selten elfmal, in Ausnahmefällen auch noch häufiger in kurzen 
Pausen nach einander hören. An stillen Abenden schallt er fast eine 


Die gemeine Wachtel. 455 


Viertelstunde weit. In manchen Jahren ertönt er von allen Seiten aus 
den Getreidefeldern, in andern hört man nur spärlich den Wachtelschlag. 
Auch bei der Suche im Herbst auf Hühner werden die Wachteln bald 
zahlreich angetroffen, bald scheinen sie ausgestorben zu sein. So konnte 
man im Münsterlande 1815 kaum eine einzelne Wachtel hören, 1817 
dagegen waren sie daselbst zahlreich, 1819, 23 und 26 selten, 1828 wieder 
häufig, 1835 und 1836 und mehre vorhergehende Jahre sehr spärlich, in 
anderen Jahren, aus der letzteren Zeit z. B. 1865, überall, stellenweise 
sehr zahlreich. Die Gefahren, denen sie auf ihrer Reise ausgesetzt sind, 
werden den Hauptgrund dieser auffallenden numerischen Ungleichheit 
bilden. Doch ist wohl sicher, dass mehr Wachtelmännchen in den Ge- 
treidefeldern umherlaufen, als man gerade schlagen hört. Lockt man 
nämlich mit der bekannten Wachtellocke, einem mit gebrannten Pferdehaaren 
ausgefüllten und beim Zusammendrücken mit der Hald als Blasebalg wir- 
kenden Ledersäckchen mit Knochenpfeife, wodurch der Ton des Weibchens 
täuschend nachgeahmt wird, so kommen wohl zwei oder gar drei Männ- 
chen heran, obgleich man nur eins schlagen hörte. Der Schlag pflegt des 
Abends gegen halb 9 bis 9 Uhr im Mai zu verstummen, und diese Pause 
dann bis gegen 11 Uhr zu dauern. Auch des Mittags sind die Wachteln 
stumm. Es scheint nicht, dass sie streng paarweise, wie die Rephühner 
leben. Das bewegliche unruhige Männchen ist bald hier bald dort im 
Getreide, um Weibchen aufzusuchen, die es mit der Familie später ganz 
ihrem Schicksale überlässt. Erst von Mitte bis Ende Juni findet man 
belegte Nester, flache, spärlich ausgelegte Bodenvertiefungen auf mit dichten 
Krautpflanzen bestandenen Aeckern. Die Eier, 10 bis 14, auch 16, tragen 
auf lebhaft bräunlich gelbem Grunde höchst intensive, fast schwarzbraune, 
doch auch wohl hellere, bald sehr grobe, bald feine, ja sogar punktförmige 
Flecken. Die Jungen werden vom Weibchen von einem dicht bewach- 
senen Krautplatze zum anderen geführt; häufig trifft man sie im Klee 
und in Kartoffelfeldern an. Die Jungen leben meist von Inseeten, Würm- 
chen, Larven, Spinnen; die alten mehr von Körnern und allerhand Säme- 
reien, Grünes fressen sie weit weniger als die anderen Hühner. Sind die 
Jungen flügge, so wird die Familie nicht mehr durch ein enges Band zu- 
sammen gehalten. Man trifft im Herbst auf der Jagd freilich noch oft 
genug die Glieder einer solchen als Kette zusammen an. Allein sie fliegen 
weder zusammen auf, noch auch suchen sie denselben Zufluchtsort zu er- 
reichen, sondern sie stieben nach allen Seiten hin. Gar oft trifft man 
nur vereinzelte Wachteln an; solche sogar noch wohl tief in den Herbst 
hinein. Noch im verflossenen Jahre wurde mir Ende October eine hier ge- 
schossene Wachtel gebracht. Der Zug zum Süden, zu dem sie sich 
Anfangs September anzuschicken pflegen, scheint daher bis zum südlichen 
28* 


436 Hühnervögel. 


Europa nicht gemeinsam unternommen zu werden. Dort aber, auf den 
tief in’s mittelländische Meer einspringenden Halbinseln, sowie auf den 
Inseln, namentlich den Cyeladen, sammeln sich die Wachteln in ungeheurer 
Menge und unternehmen nun die für sie höchst gefahrvolle Wanderung, 
Die Nordküste von Afrika, besonders Aegypten, sowie Syrien wimmelt 
später von Wachteln, so dass es Stellen giebt, an denen fast bei jedem 
Fusstritt eine Wachtel aufgestört wird. In ähnlicher Menge kommen sie 
im Frühlinge an die europäischen Küsten zurück, Hier wie dort langen 
sie höchst ermattet an und werden zu Tausenden erschlagen. Trifft sie 
über dem Mittelländischen Meere ein Sturm, so sind sie sämmtlich ver- 
loren, und die auffallende Ungleichheit der Anzahl, in der sie hier bei 
uns in den einzelnen Jahren erscheinen, ist wohl nur durch eine solche 
oder ähnliche ihnen auf ihrer Reise zugestossene Calamität zu erklären. 
Dass auch bei uns, abgesehen von den wenigen, die durch die Jagd ge- 
tödtet werden, manche durch Zerstören des Nestes durch Raubthiere, be- 
sonders aber durch die Sense des Landmannes verloren gehen, kann eben 
nicht stark in’s Gewicht fallen. Auch dass starke Platzregen und Ge- 
witter im Sommer viele dahinraffen, kann jene Ungleichheit nicht erklären, 
zumal da die Witterungsverhältnisse eines Sommers durchaus nicht, wie 
die Beobachtung gelehrt hat, massgebend sind für die Anzahl, die sich 
im nächsten Frühling bei uns einstellt. 


4. Familie. Fasanen, Phasianidae. 


Gestalt höher, gestreckter; Kopf mit meist nackter Wangengegend, 
tleischige Hautlappen oder Federschöpfe; Schnabel mittellang, Nasenklappe 
nackt; First nach der Spitze zu gewölbt, seitlich comprimirt; Flügel stark 
gerundet, mittellang; Läufe nackt, vorn mit zwei vertikalen Schilderreihen, 
bei den Männchen fast stets mit einem Sporn (auch 2); Vorderzehen am 
Grunde geheftet, die Hinterzehe höher gestellt; Schwanz gross, breit, 
häufig, wie auch andere Federpartieen, als Bürzelfedern, Armschwingen, 
verlängert. — Die fasanenartigen Vögel bewohnen ausschliesslich die alte 
Welt, und zwar die warmen Gegenden derselben. Sie treten dort in un- 
gewöhnlicher Pracht auf, ja gehören, was Farbe, Zeichnung und Glanz 
des Gefieders angeht, in vielen Arten zu den allerschönsten Vögeln. Jene 
angedeuteten Gefiederverlängerungen erhöhen diese Schönheit. Sie ge- 
hören zu den grössten Hühnern und sinken in ihren kleinsten Spezies 
kaum zur mittleren Hühnergrösse herab. Diese Farbenpracht kommt aber 
nur den Männchen zu, während die für das ganze Brutgeschäft an den 
Erdboden gebundenen Wejibehen und die Jungen eine unscheinbare, der 
Umgebung ähnliche Färbung und Zeichnung tragen. Sie leben in Poly- 


Fasan. 437 


gamie, suchen ihre Nahrung, Sämereien, Grünes, Insecten, am Boden, 
bäumen aber gern, besonders für die Nachtruhe, auf, lieben deshalb die 
Wälder; auf ganz offenes Terrain gehen sie ungern. Man fasst ihre ver- 
schiedenen Formen in drei Unterfamilien zusammen, in Fasanen, wozu 
als besondere Gattung auch unsere Haushühner gehören, in Pfauen und 
in Perlhühner. Bis in unsere Gegenden verbreitet sich im wilden Zu- 
stande keine Art, doch ist abgesehen von dem domestieirten Hausgeflügel 
eine Spezies, der gewöhnliche Fasan, der Art eingeführt, dass er ohne 
besondere Pflege, jedoch nicht ganz ohne menschliche Nachhülfe in der 
Freiheit aushält und sich ansehnlich vermehrt. Man kann ihn somit mit 
Recht als deutschen Vogel bezeichnen. 


Fasan, Phasianus. 

Schnabel mittellang, nicht hoch, die starke Spitze übergreifend; 
Wangen und ein breiter Kreis um die Augen nackt, warzig und in der 
Regel hochroth; Flügel kurz und abgerundet, die Länge der Handschwingen 
steigt von der ersten bis zur vierten und gleich langen fünften, welche 
die längsten sind; Schwanz von Körperlänge, keilförmig, seine 18 Federn 
spitzen sich stark zu, die mittelsten dachförmig. Sie bewohnen in mehren 
Arten das warme Asien und zeichnen sich im männlichen Geschlechte 
durch glänzende Prachtfarben aus, denen jedoch Augenflecke oder ähn- 
liche Zeichnungen fehlen. Die Weibchen erscheinen in einfach düsterem 
oder in gesprenkelt graubräunlichem Colorit. Sie halten sich in bewal- 
deten und gebüschreichen Gegenden auf, suchen und scharren am Boden 
nach Körnern, Beeren, Blättehen, Gewürm, Insecten und leben in Poly- 
gamie. Die Weibchen legen zart gefärbte Eier ohne Zeichnung. h 


Der gemeine Fasan. 
Phasianus eolchieus L. 


Eine Beschreibung dieser allbekannten Spezies möchte hier überflüssig 
sein. Zur Diagnose anderen Arten gegenüber diene Folgendes: Oberrücken 
und Schultern mit scharf abgesetzten, breiten scharfen Schaftflecken, und 
in diesen eine pfeil- oder hufeisenförmige weissliche Zeichnung; Schwanz- 
federn mit vielen abgebrochenen Querbinden; Füsse blaugrau. Hahnen- 
fedrige Hennen nach einem Exemplar unserer akademischen zoologischen 
Sammlung dem Hahn an Schönheit und Farbenglanz fast gleich; jedoch 
ist der grüne Kopf und Hals, besonders der Scheitel durch bräunliche 
Federspitzen getrübt, der tief rothgoldige Ton der Unterseite heller, die 
schwarze Schuppenzeichnung auffallend schwächer; auch die Oberseite 
weicht etwas ab; Sporen fehlen. — Der gemeine (Busch-, Böhmische, 


438 Hühnervögel. 


Edel-) Fasan ist bekanntlich ein asiatischer Vogel, dessen Verbreitung 
sich vom Kaukasus und Caspischen Meere bis nach China hin erstreckt. 
Die Argonauten sollen ihn von Colchis („colchieus”) nach Griechenland 
gebracht haben, von wo er allmählich eine weitere Verbreitung nach Osten 
und Norden fand. Auch der Name „Phasianus” stammt dorther, vom 
Flusse „Phasis”. Ueber die Beschaffenheit seiner Heimath können uns 
am besten die Oertlichkeiten belehren, an denen er sich in unseren Ge- 
genden freiwillig eingefunden und, freilich unter menschlichem Schutze, 
zu einer bedeutenden Menge vermehrt hat. Ich denke hier an das herr- 
liche Aurevier Garbe an der Elbe in der Nähe von Wittenberge, Eigen- 
thum des Herrn v. Jagow. Vor etwa 30 Jahren waren aus der Nach- 
barschaft wenige Stücke dorthin übergeflogen. Man verstand diesen Wink 
der Natur. Nach Anlage gegen Schneefall niedrig überdachter und gegen 
die jährlichen Ueberschwemmungen im Winter durch die Elbe erhöht an- 
gelegter Futterplätze, an welche der leider jetzt verstorbene, höchst ver- 
diente Oberförster Reuter daselbst, ein in seltenem Grade erfindungs- 
reicher Autodidact, die Fasanen bereits im Herbste zu gewöhnen wusste, 
wurde ihnen die nothwendigste Existenzbedingung gegeben und durch 
energisches Fangen und Schiessen der Raubthiere und Raubvögel die An- 
zahl der Feinde gehörig eingeschränkt. Andere weniger wichtige Nütz- 
lichkeitsvorrichtungen wurden später noch hinzugefügt, als halb beschirmte 
Sandplätze zum Paddeln, Ausschaufeln der Fahrgeleise durch einen kleinen 
eigens dazu construirten Pflug, damit die ganz kleinen Jungen nicht in 
tiefen Pferdefusstapfen und anderen ähnlichen Löchern umkämen. Im 
Uebrigen aber wurden sie sich selbst, namentlich wurden den Hennen 
ihre Eier und die ausgebrüteten Jungen überlassen, und nicht Haushühnern 
oder Puten anvertraut. Die Vermehrung war eine grossartige. Schon im 
zweiten Herbste nach der Uebersiedelung von 2 Paaren konnte eine Treib- 
jagd, in der 17 Stück geschossen wurden, veranstaltet werden. Nach 
mehren Jahren lieferte der erte Jagdtag gegen 100 Stück, und jetzt werden 
schon seit lange an einem solchen Tage von den dazu eingeladenen hohen 
und höchsten Herrschaften 7—800 Fasanen erlegt. Die äusserst günstige 
Lage und die wirthschaftlichen Verhältnisse, verbunden mit dem frucht- 
baren Boden, liessen dieses Resultat erzielen. Freilich ist der Fasan ein 
mehr südlicher Vogel und unsere häufige Benennung „Böhmischer” drückt 
gewiss aus, dass er in Deutschland, namentlich Norddeutschland weniger 
gut fortkommt, als unter einem milderen Himmel. Allein die Kälte scheint 
ihm, wenn er sonst die Bedingungen seiner Existenz vollauf findet, wenig 
nachtheilig zu sein. Als ich Mitte Juni 1572, also nur ein Jahr nach 
dem so äusserst strengen Franzosenwinter 1870/71 die Garbe besuchte, 
wimmelte Alles von Fasanen. Wenn irgend ein Fasanenrevier, so be- 


Der gemeine Fasan. 439 


stätigt die Garbe, dass zur Zucht dieses Wildes frischer, feuchter, tief- 
liegender, fruchtbarer Boden erforderlich ist, auf dem Fruchtfelder, nament- 
lich Weizen-, auch Rapsfelder, Wiesen, den Boden deckendes Gebüsch, 
undurchdringliches Dorngestrüpp, Waldpartieen mit dichterem Unterholze 
und kleine Gehölze abwechseln. In dürren, sterilen, hochgelegenen Sand- 
gegenden, in ärmlichen Kiefernhaiden, in zu eintönigen Wald- oder Ge- 
treidegegenden, die etwa nur auf beschränktem Raume einige der eben 
angedeuteten Abwechselungen bieten, wird die Fasanenzucht schwerlich 
von besonderem Erfolg begleitet sein. Der Fasan ist mehr Vogel des 
mit Kraut und Gebüsch theilweise bewachsenen Feldes als des eigentlichen 
Waldes. Den tiefen Wald, namentlich den öden Nadelholzwald bewohnt 
er nicht. Er baumt fast nur zur Nachtruhe und ausserdem vor einem 
plötzlich erscheinenden Verfolger auf. Deckung am Boden verlangt er aber 
unter allen Umständen und in’s benachbarte Gebüsch und Gestrüpp flieht 
er, sobald ihm in der Ferne ein verdächtiger Gegenstand erscheint, und 
sucht sein Heil, indem er unter steter Deckung rasch zu Fuss davon eilt. 
Nur nahe und drängende Gefahr bewegt ihn fliegend zu entfliehen. Wie 
von den übrigen polygamen Hühnerarten hält sich auch von dieser der Hahn 
meist allein. Für die Paarung aber versammelt er etwa 6 bis 8 Hennen 
um sich, die er durch sein abgebrochenes Balzgeschrei zusammenlockt. 
Die Henne macht ein eben so unkünstliches Nest an einer geschützten 
Bodenstelle, wie die übrigen Hühner und legt S bis 12 oder auch mehr 
mattglänzende gesättigt grünlich graue Eier. Nachdem die Jungen er- 
wachsen sind, trennt sich das Gesperre, indem die jungen Hähne sich zu 
isoliren beginnen. Die Nahrung des Fasanes besteht aus Sämereien und 
Getreide, namentlich Weizen, grünen Blättchen, Knospen, Insecten, Larven, 
Schnecken, Gewürm, die der Jungen meist aus letzteren Gegenständen. 
Er kratzt stark nach derselben, die Henne legt sie, besonders Ameisen- 
puppen, für die Küchlein durch Scharren frei. Forstwirthschaftlich ist 
der Fasan als gleichgültiger Vogel anzusehen, der Landwirthschaft und 
Gärtnerei kann er durch sein Verzehren des ausgesäeten Getreides, be- 
sonders durch sein arges Scharren auf Beeten empfindlich schaden. Man 
hört diese Klage oft, dagegen wird nie hervorgehoben, dass er durch Ver 
tilgen einer Masse grauer Ackerschnecken nütze. 

Von den sonstigen Fasanen werden der Goldfasan (Z’h. pietus) und 
der Silberfasan (Ph. nyethemerus) vielfach, aber nicht im Freien ge- 
züchtet. «In zoologischen Gärten findet man noch häufig Ph. versicolor, 
albocristatus, auch veneratus u. a. Der schönste von allen ist unstreitig 


Ph. Amherstiae. 


440 Hühnervögel. 


Huhn, Gallus. 


Kopf mit nacktem gezacktem Scheitelkamm und zwei herabhängenden 
Hautlappen am Unterschnabel, Läufe mit drei vertikalen Schilderreihen; 
ein starker Sporn beim Hahn; Schwanz mittellang, dachförmig und auf- 
gerichtet getragen, beim Hahn von grossen Schwanzdeckfedern bogig über- 
ragt, 14 Steuerfedern,; die vierte bis siebente Handschwinge der kurzen 
runden Flügel die längsten. 


Das Bankivahuhn. 
Gallus bankıva Temm. 


Etwas stärker, namentlich gestreckter als die englischen Haushühnchen. 
Hahn: Kopf-, Hals-, Nacken- und verlängerte Schwanzdeckfedern roth- 
braun bis goldig gelb; Mantel purpurbraun; Brust-, mittlere Flügeldeck- 
und Schwanzfedern schwarzgrün; Handschwingen braungrau; Armsch wingen 
schmutzig kastanienbraun. Henne: Halsfedern schwarz mit goldigen Rän- 
dern; Unterseite schmutzigbraun mit hellen Schattflecken; übrige Federn 
braungrau, schwarz gewässert, mit scharfen, feinen, hellen Schäften. — 
Das Bankiva- oder Jungle-Huhn lebt in Nordindien, auf Java, Sumatra, 
Burma, Assam, den Philippinen, Timor. Es ist die Stammart unseres Haus- 
huhnes, Gallus domesticus, in dem wir in noch fast allen Formen die 
ursprüngliche Zeichnung und Färbung ganz oder theilweise erkennen 
können. Das wenig veredelte Bauernhuhn sowie das englische Hühnchen 
stehen ihm am nächsten. Die Färbung der Eier, ein zartes Braun, auf 
dem sich die Poren als feine, dunkle Pünktchen scharf abheben, haben 
die der Haushühner meist verloren. (An den scharfen Porenstichen sind 
die Eier des Haushuhnes von etwa gleich grossen und gleich gestalteten 
weissen Eiern anderer Vögel, Eulen, Sturmtaucher u. a., stets leicht und 
sicher zu unterscheiden; auch die abortiven, die sog. Spul- oder Spareier 
der Haushühner, die in Sammlungen unter allen möglichen und unmög- 
lichen Bezeichnungen zu figuriren pflegen, an diesen scharfen Porenstichen 
sofort zu entlarven.) 


Monaul, Lophophorus; Körper gedrungen, Schnabel sehr gestreckt, 
Oberschnabelspitze weit vorstehend, Schwanz mittellang, breit. Die be- 
kannteste Art: Lophophorus refulgens, Glanzfasan oder Himalaya-Fasan; 
Männchen mit fuchsbräunlichem Schwanz, sonst metallisch goldgrün, gold- 
roth, blau, mit verlängerten, gegen die Spitze sich verbreiternden Scheitel- 
federn; Weibchen ohne Schmuck, tief braungrau mit weisslichen Zickzack- 
wellen. Eier gelblich mit vielen braunen Fleckchen. Himalaya. 


Pfau. 441 


Pfau, Pavo. 


Mittelgrosse bis sehr grosse Hühner; Kopf klein, mit Federbusch, ohne 
Lappen und Fleischkamm; Hals lang, Schwanz mittellang abgerundet; 
obere Schwanzdeckfedern ausserordentlich verlängert; Läufe nackt, mittel- 
hoch mit zwei vertikalen Schilderreihen; das Gefieder meist mit Augen- 
flecken. Sie bewohnen das südliche Asien und theilen mit den eigent- 
lichen Fasanen ähnlichen Aufenthaltsort, gehören jedoch mehr als diese 
dem eigentlichen Walde an; auch sie leben in Polygamie; Männchen mit 
Prachtgefieder, Weibchen unschön. 


Der gemeine Pfau. 
Pavo eristatus L. 

Die zum Busch verlängerten Scheitelfedern tragen nur an der Spitze 
kleine quere Fahnen; Schwanz 1Sfederig, die Schäfte der einzelnen Schwanz- 
federn bogig nach innen gekrümmt; vierte bis siebente Handsch winge 
die längsten. Beim Männchen sind die goldig grünen, schillernden Bürzel- 
und oberen Schwanzdeckfedern enorm verlängert und an den Spitzen mit 
der bekannten Augenzeichnung versehen. Der Pfau variirt trotz der mehr- 
tausendjährigen Domestikation noch kaum, nur sind vollständig oder theil- 
weise Albinos eben nicht selten. Beim Schlagen des Rades dienen die 
kräftigen eigentlichen Schwanzfedern zur Stütze. Eier weisslich mit vielen 
starken, zuweilen bräunlich gefärbten Porenstichen. In der Krimm lebt 
er verwildert. 

Pavo spieifer; von Grösse des gemeinen Pfauen, die verlängerten 
grünen Scheitelfedern verbreitern sich allmählich bis fast zur Spitze und 
nehmen dann an Breite wieder ab („spieifer”), Hals grün; Schwanzdeck- 
federn weit weniger verlängert, mit grüngoldigen, abgestutzten Spitzen, 
ohne Augenflecke. Burma, Java, Sumatra. Nicht selten in zoologischen 
Gärten. 

Polypleetron bicalearatum Temm: ein kleiner Pfau von Goldfasanen- 
grösse, dunkelgrauem, fein schwärzlich gewässertem Gefieder, trägt auf 
dem Rücken wie auf den verlängerten Schwanzdeckfedern grosse, einfach 
grüne kreisförmige Flecke; zwei Spornpaare. Malacca, Sumatra. 

Argus giganteus Temm., von stark Haushahngrösse, zeichnet sich 
durch ungeheuer lange Armschwingen, die je auf zart aschgrauem, viel- 
fach fein dunkel gezeichnetem Grunde eine Reihe bräunlicher Augenflecke 
tragen, sowie durch eine ungeheuerliche Verlängerung der breiten mitt- 
leren Schwanzfedern aus. Malacca, Siam, Borneo. 

Tragopan, Hornfasan. Gestalt gedrungen, Haushuhngrösse; Männ- 
chen mif weissen starken Tropfen als Augenzeichnung auf der Oberseite, 


442 Hühnervögel. 


sehr grossem Unterkieferlappen und zwei aufrichtbaren Hörnern; Schwanz 
kurz. Weibchen weder hohe Farben noch solche plastische Auszeichnungen. 


Perlhuhn, Numida. 


Mittelgrosse, gedrungene Hühner; Kopf und der mittellange Hals 
nackt; Stirn mit einem Helm, von der Basis des Oberkiefers hängen zwei 
Lappen herab; Flügel kurz, gerundet, dritte bis fünfte Handschwinge die 
längsten; Läufe mit zwei vertikalen Schilderreihen, ohne Sporn; Schwanz 
sehr kurz, hängend, unter den verlängerten Deckfedern ganz versteckt, 
die nackten Kopf- und Halstheile blau oder röthlich, die Gefiederfarbe 
zart aschgrau mit kreideweissen zahlreichen Perltropfen. — Ausser unserer 
bekannten domestieirten Art, Numida meleagris L., noch etwa 5 andere 
sehr ähnliche; sämmtlich in Afrika oder auf Madagaskar. Eier bräunlich 
mit sehr starken dunklen Porenstichen. 


5. Familie. Fusshühner, Megapodidae. 


Ueber mittelgrosse, düster gefärbte, und nicht durch besondere 
Gefiederverlängerungen ausgezeichnete Hühner, mit kleinem Kopfe, sehr 
starken und grossen Füssen, namentlich Zehen, deren hintere in gleicher 
Höhe mit den vorderen eingelenkt ist. Sie bewohnen ausschliesslich 
Australien und ÖOceanien und sind besonders wegen ihres auffallenden 
Brutgeschäftes merkwürdig. Ihre grossen, matten, zart röthlich gelben 
(Megapodius), oder weissen, allmählich aber braune wolkige Schmutzflecken 
annehmenden (Talegalla) Eier verscharren sie in grossen zusammenge- 
kratzten Laub- oder Erdhaufen, welche mit verwesenden Pflanzenstoffen 
untermischt sind. Durch die Gährungswärme werden die Eier ausgebrütet; 
die Jungen kommen mit entwickelten Federn aus den Eiern, arbeiten 
sich aus der Umhüllung heraus und können sich sehr bald ohne Hülfe 
der Alten ernähren. 


6. Familiee Baumhühner, Penelopidae. 


Grosse Hühner; Beine stark und hoch; Läufe getäfelt; der Kopf 
trägt Hollen, auch Fleischlappen und andere nackte Bildungen. Pracht- 
farben fehlen; Männchen und Weibchen von ähnlicher Grösse und Färbung. 
Sie bewohnen die Wälder; leben viel auf Bäumen, woselbst manche sogar 
nisten. Eier weisslich. Amerika. 

Höckerhuhn, Ürax. Meist schwarze Arten mit rother oder gelber 
Wachshaut und einzelnen anderen grell gefärbten Theilen; Scheitel mit 


Puter. — Steisshühner. 443 


krauslicher Federholle. Sie leben in den einsamen Wäldern in den weiten 
Flussgebieten des Amazonenstromes und des Orinoko. Eier weiss, mit 


sandähnlichen Körnchen überall bedeckt. Mehre Arten „Hokohühner” 


in allen zoologischen Gärten. 

Helmhuhn, Uraw. Grosse Hühner mit selbstständig überwölbtem 
Stirnaufsatz, gleichfalls den ebenen Wäldern Südamerika’s angehörend. 
Sie mögen hier erwähnt sein wegen der extrem rauhen Bildung der Schale 
ihrer grossen weissen Eier. Die Oberfläche ist nämlich mit feinen, scharf 
hervorragenden Kalkkörnchen dicht und gleichmässig überdeckt. 

Jakuhuhn, Zenelope. Gleichfalls den grösseren Arten angehörig. 
Schnabel gestreckt, oft mit Wachshaut, Augenkreis und häufig auch die 
Kehle unbefiedert; Scheitel zuweilen mit Haube; Luftröhre mehrmals ge- 
wunden. Südamerika. 


Puter, Meleagris. 


Grösste Hühner; Kopf und der lange Hals in der oberen Hälfte 
nackt und warzig; am Grunde des Oberschnabels ein schlaffer, schwell- 
barer Fleischklunker; vor der Brust der Männchen und alten Weibehen 
ein Büschel pferdehaarähnlicher Federn; Läufe mittellang, vorn und hinten 
getäfelt, seitlich genetzt, mit kurzer Spornwarze; Schwanz breit, 1Sfederig, 
abgerundet, aufrichtbar; dritte Handschwinge die längste. Sie leben in 
wenigen Arten in Nord- und Mittelamerika. 


Der gemeine Puter., 
Meleagris gallopavo L. 

Schwärzlich mit, besonders auf der Oberseite, starkem Kupferschimmer. 
Er wurde 1524 nach England und 1534 nach Deutschland importirt. 
Jedoch ist es nicht fest ausgemacht, ob diese Art oder die mexikanische, 
Meleagr. mexicana, die Stammart unseres domestieirten Puters ist. Eier 
auf weisslichem Grunde mit vielen kleinen, nicht intensiven, den Sommer- 
sprossen ähnlichen Flecken besetzt. 


7. Familie. Steisshühner, Crypturidae, 


Kleinere Hühner, von trappenähnlicher Gestalt; Schnabel dünn, 
schmal, höchst schwachkuppig; 10 bis 20 sehr kurze aus dem übrigen 
Gefieder nicht hervortretende Schwanzfedern; Hinterzehe sehr kurz; die 
Gefiederfärbung bei beiden Geschlechtern annähernd gleich, unschön erd- 
oder lehmbraun, theilweise mit dunklen Zeichnungen. Sie leben in den 
Wäldern Südamerika’s am Boden. Die Glätte der Schale ihrer einfarbig 


444 Kurzflügler. 

blauen, rosavioletten, gelblichen, chokolatfarbenen Eier bildet nament- 
lich bei den gesättigt tief chokolatfarbenen das Extrem, denn sie gleicht 
einem Metallspiegel (Urypturus perdicarius). 


IX. Ordnung. Kurzflügler, Brevipennes. 


Nestflüchter mit gänzlich verkümmerten Flügeln und langen 
kräftigen Beinen. 


Sämmtliche Organe dieser zum Theil riesenhaften Erdvögel sind dem 
ausschhesslichen Leben auf dem Erdboden angepasst. Der Kopf ist klein, 
die Nasenlöcher liegen in seitlichen Rinnen weit nach vorn, Hals lang, 
Flügel rudimentär, zum Fliegen gänzlich untauglich, zuweilen von Aussen 
nicht einmal sichtlich; Steuerfedern eben so abortiv; Läufe lang und sehr 
kräftig, starkknochig, vorn mit Halbringen, hinten mit kleinen Schildern 
besetzt, unterer Theil der Schienen nackt; Nägel breit und platt, Knochen 
mit Mark gefüllt, Brustbein ohne vorspringenden Kamm, Gabelbein, die 
queren Rippenfortsätze, der untere Kehlkopf und die Bürzeldrüse fehlen; 
Gefieder durchgehends dunenartig bis haarähnlich und nicht in besondere 
Fluren getheilt. — Die Kurzflügler leben in nur sehr wenigen Spezies in 
den warmen Gegenden aller Welttheile ausser Europa, theils in offenen 
Ebenen, theils im Waldesdunkel ausschliesslich auf dem Boden, in der 
Fortpflanzungszeit paarweise oder polygam, und nähren sich von grünen 
Blättern und niederen Thieren. Ihren Feinden suchen sie durch äusserst 
schnelles Rennen oder durch Verstecken zu entgehen. 


1. Familie. Zweizehige Strausse, Struthionidae. 


“ Die grössten lebenden Vögel. Obere Augenlider mit Wimpern; 
Schnabel platt, dreieckig, schnauzenförmig; Nasenlöcher in der Mitte des 
Schnabels; Kopf, Hals und die dicken fleischfarbenen Schenkel fast nackt; 
Flügel ohne eigentliche Schwingen, mit langen hängenden, gekrümmten, 
krausfahnigen Deckfedern; Läufe sehr kräftig, mit sechseckigen Schildern; 
Füsse nur zweizehig; nur die innere grössere Zehe mit breitem stumpfem 
Nagel; Brustbein napfförmig; Schulterblatt und Schlüsselbein zu einem 
Stück verwachsen. Becken geschlossen, 


Nur eine Gattung (mit den Merkmalen der Familie) und nur eine Art. 


Der afrikanische Strauss, — Emu, 445 


Der afrikanische Strauss. 
Struthio camelus L. 

Höhe gegen 2,5 Meter; die Mundspalte reicht bis unter die Augen; 
an der Brustmitte eine nackte Schwiele; die doppelspornigen Flügel und 
der Schwanz tragen graue (Weibehen und Junge) oder schwarze und 
weisse (Männchen), lange, hängende Federn. Männchen kohlschwarz; 
Weibchen und Junge grau. Die fleischfarbene Haut des Halses und der 
Schenkel nackt, oder durch sehr dünne Befiederung stark durchscheinend. 
Gewicht gegen 150 Pfund. Der Strauss bewohnt heerdenweise ganz Afrika 
und einen Theil vom westlichen Asien, wird aber durch Cultur und Ver- 
folgung fortwährend weiter zurückgedrängt. Pflanzenstoffe bilden seine 
Hauptnahrung, auch verschluckt er viele unverdauliche Gegenstände, 
Mehre Hennen legen, jede gegen 12 hellgelbliche Eier mit deutlichen, 
gewöhnlich braungefärbten zahlreichen Poren zusammen in eine Erdmulde. 
Die Strausse brüten des Nachts und überlassen am Tage die Eier den 
heissen Sonnenstrahlen. 


2. Familie. Dreizehige Strausse, Rheidae. 


Kopf und Hals stellenweise befiedert, Schnabel platt, dem des afri- 
kanischen Strausses ähnlich, Nasenlöcher in die Mitte gerückt, Flügel sehr 
verkümmert, ohne langwallende Federn, mit nur einem Sporn; Schwanz 
nicht sichtbar; Beine sehr kräftig; an den Füssen drei kurze durch eine 
Spannhaut verbundene Zehen; Brustbein schildförmig. Wenige Arten. 


Nandu, Rhea. 


Gefieder einfach, rund; Kopf und Hals ziemlich gleichmässig befiedert; 
Brustbein ganzrandig. 


Der südamerikanische Strauss. 
Rhea americana Lath. 


Gegen 1,5 Meter hoch; Oberkopf, Oberhals, Nacken und Vorderbrust 
dunkelgrau; Halsmitte gelblich; sonst bräunlichgrau. In den Pampas des 
Laplata-Stromes. Ein Männchen hat gegen sieben Weibchen bei sich. 
Eier länglich, weiss, mit gestrichelten Poren. 

Aehnliche Arten: Rh. Darwinii Gould., maerorhynchus Sel. 


Emu, Dromaeus. 


Gefieder doppelt, bandförmig wallend; Gesichtstheile und Vorderhals 
nackt; Brustbein mit-einem Einschnitte am Hinterrande. 


446 Kurzflügler. 


Der neuholländische Kasuar. 
Dromaeuns Novae Hollandiae Gray. 

Gegen 1,9 Meter hoch; lederbraun, schwärzlich melirt, Scheitel dunkel; 
Gesichtstheile und Vorderhals bläulich durchscheinend, Flügel nicht sichtbar. 
Er bewohnt die Wälder des östlichen Australiens, soll aber in seinem 
Vaterlande bereits seltener sein als in den zoologischen Gärten Europa’s. 
Sein Nest steht im Waldesdunkel und enthält schwarzgrüne rauhschalige 
längliche, doch an beiden Seiten abgerundete Eier; Dunenjunge auffallend 
hell und dunkel längsstreifig. 

Aehnliche Art zrroratus Bartl. auch in Neuholland. 


3. Familie. Kasuare, Casuaridae. 


Gegen 1,5 Meter hoch; Schnabel mittellang, seitlich zusammengedrückt; 
First gekrümmt; Nasenlöcher bis in die Schnabelmitte gerückt; Stirn- 
knochen aufgetrieben mit hornartigem comprimirtem Helm bedeckt; Hals 
mit zwei Lappen und wie auch der Kopf nackt; die Flügel tragen statt 
der Schwingen fünf derbe fahnenlose Schäfte; Schwanz nicht sichtbar; 
Federn doppelschaftig und, zumal im letzten Drittel, durch sehr weiten 
Stand der nicht weiter zertheilten Aeste haarähnlich; sehr stämmige 
Beine; die drei Zehen, besonders die innere mit grosser Kralle. — Auch 
die Kasuare bewohnen die Wälder, leben wenig gesellig, in der Forlpflan- 
zungszeit paarweise. Man kennt gegen sechs Arten von Ostindien und 
Neu-Guinea. Die bekannteste: 


Der indische Kasuar. 
Casuarius galeatus Vieill. 


Höhe gegen 1,8 Meter. Schwarz, in der Jugend olivenbraun; Gesicht 
im Alter ultramarinblau, daun auch der Hals vorn violett, seitlich blau, 
hinten roth. Die Oberfläche der länglichen Eier durelf aufliegende, dicht- 
ständige, lebhaft maigrüne Körnehen rauh, übrigens leicht dem Verbleichen 
ausgesetzt; Dunenjunge lichtbraun und dunkelbraun längsgestreift. Ost- 
indien. 


4. Familie. Schnepfenstrausse, Apterygidae. 


Von etwa Haushahngrösse; Schnabel schnepfenartig lang, dünn, sanft 
abwärts gebogen; Nasenfurchen verlaufen in der ganzen Schnabellänge, 
in der dicht hinter der Spitze die klappig verschliessbaren Nasenlöcher 
liegen; Lauf von Länge der Mittelzehe, robust, mit unregelmässigen Schuppen 
bedeckt; Füsse kräftig mit drei scharfbekrallten Grabzehen, die Hinter- 


Sumpfläufer. 447 


zehe dem Lauf angeheftet; Rückenwirbel fest verwachsen; Flügel nur 
S Cm. lang, nicht sichtbar; Schwung- und Steuerfedern fehlen ganz, ebenso 
die Schlüsselbeine; Gefieder gleichfalls haarähnlich. Die Schnepfenstrausse 
oder Kiwis leben in den dunklen Wäldern Neuseelands, und führen ein 
einsames, am Tage verborgenes Leben, da sie dann in Erdlöchern ruhen 
und nur in der Dämmerung und des Nachts ihrer Insectennahrung nach- 
gehen. Sie legen nur ein, im Verhältniss ihres Körpers ungeheuer grosses 
weisses Ei, das dem vierten Theile ihres Gewichtes gleichkommt. Dieser 
geringen Vermehrung und der heftigen Verfolgung wegen scheinen sie 
bereits auf dem Aussterbeetat zu stehen. — Die Art Aptery® Mantelli 
einfach tief nussbraun; Owenii aschgrau, auf dem Rücken mit weiss- 
lichen Tropfenflecken. 


2, Sumpfvögel, 


X. Ordnung. Sumpfläufer, Grallae. 


Nestflüchter mit an der Basıs mit weicher Haut, worin die 
Nasenlöcher liegen, überzogenem, gegen den Kopf 
scharf abgesetztem Schnabel, gewölbtem Schädel und 
Watbeinen, deren verlängerte Schienen grösstentheils 
aus dem Körper hervortreten. 


Die „Sumpfläufer” umfassen unter Ausschluss der reiher- und storch- 
artigen Vögel zumeist die kleineren, schwächeren Formen der Sumpfvögel 
oder Watvögel. Doch sind nicht blos die Kraniche, sondern auch die 
der alten Ordnung „Laufvögel” zugesellten Trappen ihnen eingereiht. 
Auch in dieser neuen Abgrenzung enthalten sie in ihrem ganzen Bau wie 
in ihrem Leben unter sich mannigfach abweichende Formen, welche sich 
zunächst als zwei Gruppen, Wasserhühner und schnepfenartige Vögel, 
darstellen, jedoch auch innerhalb der letzteren gruppenweis in Arten mit 

h 
& 


448 Sumpfläufer. 


besonderem, ja fast gegensätzlichem Typus zerfallen. Ein hoher gewölbter 
Schädel, dessen winklig oder bogig ausgeschnittene Stirnbefiederung nie 
so weit nach vorn reicht als die seitliche Befiederung an der Basis des 
Oberschnabels, eine mit weicher Haut überzogene Schnabelbasis, in welcher 
Haut die ritzenförmigen Nasenlöcher liegen, lange Armknochen, zehn 
Handschwingen, verlängerte Armdecken, lange Läufe und Schienen kommen 
Allen zu, obgleich nicht gerade jedes dieser Merkmale ihnen eigenthümlich 
ist. Im Uebrigen wechselt die Körpergestalt, die Form, Länge und Dicke 
des Schnabels, der Bau des Flügels, Befiederung der Schienen, Anzahl und 
Beschaffenheit der Zehen, Länge des freilich meist kurzen Schwanzes in 
sehr erheblichem Grade. Die meisten leben an sumpfigen Stellen, an 
denen sie ihre meist thierische Nahrung bald durch das Gesicht, bald 
durch die zum Tastorgän gebildete Spitze des Schnabels geleitet, suchen; 
jedoch sieht man einige fast nur schwimmend ihren Geschäften nachgehen. 
Auch diese leben vorwiegend an den sumpfigen Rändern der Gewässer. 
Sie legen sämmtlich farbig grundirte und mit Flecken stark gezeichnete 
Eier. Ihre Jungen verlassen sofort das Nest, um am Boden oder auf 
dem Wasser mit der Alten sich lebhaft umherzubewegen. Nur die jungen 
Kraniche verbleiben etwas länger im Neste. Viele von ihnen haben eine 
ungemein weite Verbreitung, manche können sogar als Cosmopoliten an- 
geschen werden; die Neigung zum Sporadismus ist in der ganzen Ordnung 
stark ausgeprägt. Keine einzige in kälteren Zonen lebende Art ist Stand- 
vogel, keine auch als Strichvogel zu bezeichnen. Alle können als Zug- 
vögel angesprochen werden, wenngleich sich der Wandertrieb bei den 
verschiedenen in einem sehr ungleichen Grade geltend macht. Einige 
ziehen nur des Nachts, andere bei Tage und bei Nacht, viele einzeln, viele 
auch in kleineren und grösseren, ja in ungemein zahlreichen Schwärmen. 
Manche zur Brutzeit den hohen Norden bevölkernde Arten wandern die 
Küsten entlang bis weit über den Aequator hinaus, und werden selten 
im Festlande angetroffen, wogegen andere nur selten die Meeresküsten 
sehen, sondern auf dem Continente von Gewässer zu Gewässer fliegen. — 
Wir können von der grossen Zahl der auf der Erde existirenden Arten 
vorzugsweise nur unsere inländischen Spezies berücksichtigen und werden 
in Bezugnahme auf die Seite 5 gemachte Bemerkung nur solche etwas 
ausführlicher behandeln, denen der Forstmann häufiger zu begegnen Ge- 
legenheit hat, von den übrigen aber nicht viel mehr als die Diagnose 
für eine etwaige Bestimmung in einem vorkommenden Falle geben. Manche 
erregen hohes Jagdinteresse; landwirthschaftliche Bedeutung wird man 
kaum der einen oder anderen Art beilegen können; forstwirthschaftlich 
ist keine einzige Spezies von irgend einer Wichtigkeit. 


Sumpfhühner. 449 


l. Familie. Sumpfhühner, Rallidae. 


Körper schlaff, stark seitlich zusammengedrückt, Hals über mittellang, 
stark befiedert; Schnabel gewöhnlich verkürzt, mehr hoch als breit, nur 
an der Spitze hart, nicht vom Kopf abgesetzt; Flügel kurz, gewölbt; Schwin- 
gen kurz, Arınknochen lang; Läufe mittellang, Zehen und Krallen lang, 
Hinterzehe in gleicher Höhe mit den Vorderzehen eingelenkt; Schwanz 
kurz und unkräftig; Gefieder sehr dicht, zerschlitzt. Die Sumpfhühner 
leben auf dem Wasser schwimmend, oder an den bewachsenen Ufern stiller 
Gewässer, an den krautreichen Rändern von Sümpfen, auf feuchten Wiesen. 
Die ersten schwimmen gut unter fortwährendem Nicken bei jeder Ruder- 
bewegung, alle gehen ebenfalls nickend, rucken auch häufig mit dem 
Schwanze aufwärts, rennen schnell mit wagerecht gestrecktem Körper, 
fliegen matt, ungern und nur auf kurze Strecken. Ausser den auf stillen 
Wasserflächen schwimmenden Arten führen sie ein durchaus verborgenes 
Leben, indem sie stets zwischen den Sumpf- oder Wiesenpflanzen gedeckt 
umherschleichend nach ihrer thierischen Nahrung, allerhand niedere Thiere, 
suchen. In Gefahr suchen sie sich durch eilige Flucht in hohes Gekräut, 
durch möglichst gedecktes und schnelles Laufen am Boden bis zu einem 
solchen durch überhängendes Ufer, alte Baumwurzeln und Stöcke, Gräser 
und niederes Gestrüpp gebildeten Verstecke zu retten und hier halten 
sie dann derartig, dass sie fast mit Händen zu greifen sind. In Ausnahme- 
fällen baumen einige Arten auch auf. Ihr Nest steht am Boden oder auf 
dem Wasser sehr versteckt in dichtem Kıaute, das häufig durch Umknicken 
und rohe Verflechtung zur Herstellung des Nestes mitverwendet ist, 
und enthält zahlreiche gestreckte, auf hell bräunlichem Grunde scharf 
und dunkel punctirte oder gefleckte Eier. Ihre Dunenjungen sind einfach 
schwarz, schwimmen oder laufen sofort mit der Alten nach Nahrung suchend 
umher und verstecken sich bei Gefahr an gleichen dunklen Orten, woselbst 
sie ihres dunklen Colorites wegen fast unsichtbar sind. Auch die alten 
Vögel tragen zum Theil ein einfach schieferdunkles Gefieder; Männchen 
und Weibchen sind äusserlich kaum von einander zu unterscheiden, 
jedoch weicht das erste Contourgefieder der Jungen oftmals nicht uner- 
heblich von dem Kleide der Alten ab. Der Wandertrieb zeigt sich bei 
ihnen nur schwach entwickelt; von mehren Arten bleiben bei uns einzelne 
Individuen bis tief in den Winter hinein, so lange sie nicht durch Frost, 
wodurch ihnen ihre Nahrung unzugänglich gemacht wird, vertrieben werden. 
Sie wandern des Nachts. Ihre nicht eben sehr zahlreichen Arten finden 
sich auf allen Continenten in reichlich mit Schilf, Gräsern und Kräutern 
bewachsenen feuchten und sumpfigen Niederungen. Hochgelegene, dürre, 
kahle Gegenden, sowie die Wälder werden von ibnen vermieden. 

Altum. Die Vögel. 29 


450 Sumpfläufer. 


Wasserhuhn, Fulica. 


Robuste kräftige Sumpfhühner mit kaum mittellangem Schnabel, der 
sich in einer schwieligen, grell gefärbten Platte bis auf die Stirn fort- 
setzt. Inu der ersten Jugend ist diese Stirnplatte kaum angedeutet. Die 
einzelnen Zehen sind mit einem breiten, nach den Zehengliedern zu Lappen 
ausgeschnittenen Schwimmsaume rings umgeben; die Hinterzehe trägt einen 
herabhängenden Lappen. Es giebt etwa 10, sich in ihrem eintönigen 
schieferschwarzen Gefieder sehr ähnliche, jedoch durch Körpergrösse, Farbe, 
und Bildung der nackten Stirnplatte deutlich unterscheidende Arten. Auch 
ihre Eier, sofern sie bekannt sind, zeigen eine sehr grosse Ueberein- 
stimmung. Auf hellbräunlich lehmfarbenem Grunde stehen gleichmässig 
auf der ganzen Fläche äusserst feine scharfe dunkel schwarzbraune, oder 
als Schalenflecke mehr oder weniger verloschen durchscheinende Pünkt- 
chen und Punkte. — Die Wasserhühner leben fast beständig schwimmend 
auf grösseren, stillen, schilfreichen Gewässern, nähren sich von Wasser- 
pflanzen und kleinen Thieren, brüten im Schilfe, lieben ausser der Fort- 
pflanzungszeit die Geselligkeit und wandern aus den kälteren Gegenden 
nächtlich bei Einbruch des Winters nach wärmeren Klimaten. In Europa 
wohnen zwei Arten, ausser der allbekannten deutschen Art eine durch 
eine hochrothe, seitlich schwach kammförmig sich erhebende Stirnplatte 
ausgezeichnete Art, Fulica eristata G@m., in Spanien. 


Das gemeine Blesshuhn. 
Fulica atra L. 


Schieferschwarz, auf dem Rücken schiefergrau mit schwacher weiss- 
licher Flügelbinde, Schnabel und Stirnplatte leuchtend weiss; vor der 
ersten Mauser schmutzig olivengrünlich ohne hohe Platte; die Dunen- 
jungen mit haarähnlichen groben orangerothen Dunenfäden am Kopfe und 
weisslichen am Halse, sonst schwarz. — Das Blesshuhn (Wasserhuhn) be- 
wohnt Mittel- und Südeuropa und das angrenzende Asien, es soll sich 
sogar bis nach China erstrecken, ja auch in Nordamerika heimisch sein. 
Doch ist der grossen Aehnlichkeit mit anderen Arten wegen leicht eine 
Verwechselung möglich. In unserer Gegend ist es dort, wo sich grössere 
ruhige schilfreiche Teiche und Landseen befinden, fast überall ein sehr 
bekannter Brutvogel, doch scheint es im Allgemeinen mehr dem Osten 
als dem Westen anzugehören. Mir ist aus dem Münsterlande keine ein- 
zige Brutstelle dieses Vogels bekannt, obgleich dergleichen Teiche keines- 
wegs fehlen. Jedoch brütet es auf dem Steinhuder Meer im Öldenbur- 
gischen und soll in früheren Jahren auch im Münsterlande gebrütet haben. 
Sogar auf dem Zuge lässt sich daselbst verhältnissmässig nur selten ein 


Teichhuhn. „451 


solcher Vogel sehen. Hier im Osten von Norddeutschland bevölkert es 
dagegen die passenden Gewässer überall und schon bei Braunschweig 
lebt es zahlreich. Schilf, Rohr, Binsen am Ufer und untergetauchte 
Wasserpflanzen gehören zu den nothwendigen Bedingungen seines Vor- 
kommens. Fliessendes Wasser, das,Meer, kahle Ufer und krautloses Wasser, 
sowie Holzgestrüpp und Wald in der unmittelbaren Nähe der Teiche 
sagen ihm nicht zu. Auch vermeidet es die Nähe von Menschen, z. B. 
Stadt- und Hausteiche. Schon früh im Frühlinge, etwa Ende März, An- 
fangs April trifft es bei uns ein, verweilt aber dann oft noch einige Zeit 
an anderen, als seinen noch zu kahlen, schilflosen Brutstellen, und dort 
können sich dann zahlreiche Gesellschaften bis zu vielen Hunderten an- 
sammeln. So ist z. B. das Haff der Ostsee nahe am Ufer oft weithin 
bedeckt mit Blesshühnern, welche sich später in der Gegend vertheilen. 
Man sieht dann bald die einzelnen Paare auf den Teichen gravitätisch 
umherschwimmen. Vom Teichhuhn unterscheidet es sich dann auch, ab- 
gesehen von dem weissen Schnabel und der leuchtend weissen Stirnplatte 
durch den kürzeren, weniger gehobenen Schwanz, sowie durch geringere 
Beweglichkeit. Im Fluge ähnelt es entfernt durch seine dunkle Farbe, 
die weissliche Flügelbinde und die nach hinten gestreckten, das Spiel 
des Birkhahns imitirenden Lappenfüsse diesem. Am Ufer geht es be- 
dächtig in gebückter Haltung, fast puterähnlich; jedoch sieht man es 
daselbst nur selten. Es baut sein Nest an der Wasserseite in’s Schilf 
oder andere höhere Wasserpflanzen. Gewöhnlich bilden abgestorbene 
Pflanzen oder ein Fennboden die Unterlage, seltener schwimmt dasselbe, 
wird aber dann durch die umgebenden Pflanzen gehalten. Die zahlreichen 
Eier (10 bis 14) tragen auf hell gelblichbräunlichem Grunde sehr feine 
tief dunkle Punkte in der vorhin bezeichneten Weise. Seine Nahrung 
besteht in allerhand Pflauzentheilchen und kleinen niederen Wasserthieren, 
nach denen es häufig taucht. Die Beschuldigung, dass es Fischlaich ver- 
zehre, ist ungegründet. Vor seinen Feinden flieht es in’s dichte Rohr, 
oder auch tauchend oder dadurch, dass es sich weithin auf die offene 
Wasserfläche zurückzieht. Sein gewöhnlicher Ruf ist ein mit dem Schrei 
anderer Wasservögel nicht leicht zu verwechselndes „Köw”. Im Spät- 
herbst verlässt es uns und wandert, wie alle Sumpfhühner nur des Nachts. 
Zu der Zeit sammelt sich auf einzelnen Seen wie in Schlesien, nament- 
lich aber in der Schweiz, eine nach Tausenden zählende Menge dieser Vögel 
an, die in den südlichen Gegenden von Europa zu überwintern pflegen. 


Teichhuhn, Gallinula. 
Weniger plump gebaut als die Wasserhühner; Schnabel, Stirnplatte 


29* 


452 e Sumpf läufer. 


und Gefieder diesem ähnlich; die mit breiten Sohlen versehenen langen 
Zehen ohne lappigen Hautsaum. Sie leben in ähnlicher Weise, begnügen 
sich jedoch mit kleineren Gewässern, schwimmen nicht weit auf offene 
Wasserflächen hinaus, sondern halten sich mehr in der Nähe von schützen- 
dem Rohr und Schilf; vereinigen sich auf dem Zuge nie zu so grossen 
Schaaren; nisten gleichfalls im Schilf, aber legen stark und weitständig 
gefleckte Eier. Bei uns und überhaupt in Europa lebt nur eine Art. 


Das gemeine Teichhuhn. 
Gallinula chloropus L. 


Die Aussenfahne der ersten Handschwinge mit weissem Rande; die 
äusseren Unterschwanzdeckfedern weiss, die mittleren schwarz. Im Alter 
die Schnabelspitze guttgelb, Basishälfte, Stirnplatte und ein Ring über 
der Ferse der grünen Beine zinnoberroth; Oberseite olivengrün, Kopf, 
Hals und Unterseite schieferfarben; in der Jugend ohne die grellen Fär- 
bungen, ohne grosse Stirnplatte, das Gefieder oben olivengrau, unten 
schiefergrau; Dunenjunge schwarz. — Unser gemeines oder grünfüssiges 
Teichhuhn ist fast Cosmopolit und bewohnt in unseren Gegenden ähnlich 
wie das Blesshuhn stehende, schilfreiche Gewässer, doch reichen schon 
kleine Teiche, sogar Wassergräben hin, um als Brutplätze bezogen zu 
werden, ja es zieht die kleinen Gewässer, die von Wasserpflanzen ein- 
geengten Spiegel den grossen offenen vor. Es vermeidet weder die Nähe 
des Menschen, da es auf Hausteichen und Stadtgräben sehr gern lebt, 
noch scheut es den Baumwuchs. Es baumt sogar aufgescheucht nicht 
selten auf und klettert auch in den Rohrstengeln empor, indem es mehre 
derselben mit seinen langen Zehen umklammert. Die Meeresnähe meidet 
es und lebt im Binnenlande weit gleichmässiger vertheilt als jenes. Schwim- 
mend ist es an seiner leichteren Gestalt und an dem längeren aufgerich- 
teten Schwanze leicht von dem Blesshuhn zu unterscheiden. Seine laute 
Stimme „Krik” oder „Keckkeckkeck”, dem jedoch ein R nie ganz fehlt, 
verräth es an seinem Aufenthaltsorte sofort. Seine Nahrung ist ähnlich 
der seines genannten Verwandten, auch das Nest hat einen ähnlichen 
Stand und ähnliche Beschaffenheit. Im Allgemeinen ist es jedoch künst- 
licher gebaut, und zuweilen die umstehenden Pflanzen, namentlich Schaft- 
halme, zu einer wahren Korbflechterei zusammengeknickt und geflochten. 
Ihre gelbbräunlichen Eier tragen starke dunkelbraune und weitständige 
Flecken. Gegen den Winter ziehen die Teichhühner zum wärmeren Süden, 
stets einzeln und des Nachts. Sie vereinigen sich unterwegs nie zu 
grösseren Massen. Man trifft übrigens einzelne an offenen Gewässern 
noch wohl mitten im Winter an. Ein solches sah ich einst bei Münster 
mit den Hühnern eines Wassermüllers umherlaufen, welches sich jedoch 


Sumpfhuhn. 45.) 


bei meiner Annäherung zum Mühlenteich begab und unter dem am Ufer 
stark gesenkten hohlen Eise verschwand. 

An diese Teichhühner schliessen sich die Sultanshühner, Por- 
phyrio, blau oder grünlich, durch korallenrothen Schnabel, geradrandige 
Stirnplatte und Beine ausgezeichnet. Sie bewohnen die heissen Gegenden 
der alten Welt. Dazu gehört das südeuropäische Purpurhuhn, Por- 
phyrio hyacinthinus Tem. Seine grösseren Eier ähneln denen des Teich- 
huhnes. 

Diesen zunächst verwandt sind die flugunfähigen Notornis, welche 
in der einzigen Art Mantelli Gould. zahlreich an der Westküste der 
Mittelinsel Neuseelands leben. 

Eine andere exotische Gattung, Spornflügler, Parra, wird gleich- 
falls hierher gerechnet. Als Waffe dient ihnen ein scharfer, stark vor- 
ragender Sporn am Handgelenk. Auch sind diese Sumpfhühner durch 
ganz auffallend lange Zehen und gerade Krallen, unter denen sich die 
Kralle der Hinterzehe ganz besonders auszeichnet, gekennzeichnet. Ver- 
möge dieser sind diese leichten Vögel im Stande über schwimmende 
Wasserpflanzen zu laufen. Eier rundlich, brennend braungelb grundirt 
mit breiten, reichlichen schwarzbraunen Ammerschnörkeln. 


Sumpfhuhn, Crex. 


Kleinere Formen; Schnabel mittellang, gestreckt, steigt mit seiner 
nackten First nur wenig in das Stirngefieder hinein. Sie bewohnen die 
Sümpfe, Teichränder, feuchten Wiesen, rennen durch das dichteste Kraut 
in sehr gestreckter wagerechter Körperhaltung und ähneln dann einem 
kleinen Säugethiere. Sie wissen sich durch den fortwährenden Aufent- 
halt im Gekräut den Augen des Menschen stets zu entziehen und sind 
namentlich von der Abenddämmerung an lebhaft. Freiwillig schwimmen 
nur einzelne Arten, ihre Zehen sind kürzer als die der Wasserhühner 
und nie mit Hautsäumen versehen. Das Nest steht an ihrem Aufenthalts- 
orte am Boden durch den dichten Krautwuchs versteckt. Sie legen zahl- 
reiche, meist hell grundirte und mit einzelnen scharfen Flecken besetzte 
Eier. Gegen den Winter verlassen sie uns und werden dann wohl in 
grösserer Anzahl, ohne jedoch eine gegenseitige Anhänglichkeit zu zeigen, 
an einzelnen Stellen angetroffen. 


I. Das Wiesensumpfhuhn. 
Crex pratensis Bechst. 
Etwa Turteltaubengrösse, doch der Körper sehr hoch und schmal; 
Oberseite hell lederbräunlich mit schwarzbrauner Federmitte; Schwingen 


454 Sumpfläufer. 


und obere Flügeldeckfedern braunroth, untere Flügeldeckfedern rostroth; 
Schnabel und Beine gelblich fleischfarben, erstere jedoch stellenweise auch 
wohl bräunlich; Zehen kürzer als bei irgend einem anderen Sumpfhuhn; 
Schwanz sehr kurz. — Das Wiesensumpfhuhn (Wiesenknarrer, Wachtel- 
könig, Schräk) wird sowohl in fast ganz Europa als einem grossen Theil 
von Asien angetroffen. In Deutschland ist es überall bekannt, tritt aber 
als häufiger Brutvogel nicht blos durchaus lokalisirt, sondern auch unbe- 
ständig und wechselnd auf. Sein knarrender Frühlingsruf ist so laut, so 
gänzlich abweichend von allen anderen Lauten und Stimmen, und wird 
an seinem Brutplatze so häufig producirt, dass es unmöglich ist, ihn zu 
überhören. Ich kann deshalb mit Sicherheit behaupten, dass es eine lange 
Reihe von Jahren in der unmittelbaren Nähe von Münster nicht oder 
kaum mal einzeln vorkam, dann aber bald in den Canalwiesen, bald in 
den Aawiesen, bald auf angrenzenden Weizenfeldern zahlreich brütete, 
später bald hier, bald dort wieder verschwand und wieder auftauchte. Hier 
in der Mark lebt es in den Oderbrüchern gleichfalls in Menge, ob be- 
ständig, kann ich nicht behaupten. Auch die Jäger kennen es im Herbste 
auf der Hühnersuche oft als einen sehr häufigen Vogel, den der Hund aus 
jedem Kartoffelstück aufstöbert; oft aber kommt im ganzen Herbst kaum 
ein einziges vor. Feuchte, aber nicht nasse, sonnige, üppige, bunte, aus- 
gedehnte Wiesenflächen, wo möglich mit bewachsenen Gräben, hier und 
dort etwas Gestrüpp bilden seinen bevorzugten Aufenthalt. Unter allen 
Umständen will es völlige Deckung für sich haben. Bietet ihm im 
Frühlinge, trotz seiner späten Ankunft, Ende April oder gewöhnlich erst 
Mitte Mai, das zu kurze Gras der Wiesen diese noch nicht gehörig, so 
geht es sehr gern in die angrenzenden Getreidefelder. Durch die Gras- 
ernte wird es gleichfalls nach der Umgebung gedrängt, und wir finden es 
dann in Klee- und Getreidefeldern. Es geht unter schrittweise niekender 
Körperbewegung mit einer gewissen Geziertheit, rennt mit seinem höchst 
schmalen Körper in gänzlich horizontaler Haltung schnell durch den dich- 
testen Krautwuchs, wobei ich es einst im ersten Augenblick für ein Eich- 
hörnchen hielt, fliegt sehr ungern, niedrig, ungelenk und matt. Durch 
sein hartnäckiges Hin- und Herrennen in den Kartoffel- und Kleefeldern, 
ohne dass es zum Herausfliegen zu bringen ist, kann es Jäger wie Hund 
ermüden und verwirren. Sein Nest wird sehr häufig von den Mähern 
verschnitten. Die gestreckten Eier, gewöhnlich 8 bis 10 in einem Neste, 
tragen auf sehr zart gelblich röthlichem, zuweilen auch grünlich getrübtem 
Grunde längliche leberrothe gegen das stumpfe Ende gehäufte Flecken 
nebst violett durchschimmernden Schalenflecken. Die Nahrung des Wiesen- 
sumpfhuhnes besteht vorzugsweise aus niederen Thieren, aus Insecten, 
deren Larven, Schnecken, Regenwürmern, doch auch wohl aus Grassamen 


Das gesprenkelte Sumpfhuhn. 455 


und zarten Würzelchen. In der Gefangenschaft mit anderen Vögeln zu- 
sammen gehaltene hackten diesen den Schädel ein und verzehrten das 
Gehirn. Zur Zugzeit im Herbst, etwa bei Beginn der Hühnerjagd in 
unseren Gegenden, treffen wir den Wachtelkönig in feuchten Niederungen, 
welche ihm Deckung durch Krautwuchs gewähren, sogar in Gebüschen 
an. Einzeln bleibt er noch bis in den October hinein bei uns, ja in 
manchen Jahren ist das gar keine Seltenheit. Er wird jedoch nie, wie 
das wohl beim Teichhuhne und noch häufiger bei der Wasserralle der 
Fall ist, bei uns überwintern. 


2. Das gesprenkelte Sumpfhuhn. 
Crex porzana L. 


Wachtelgrösse; Körper sehr hoch, schlaff; Oberseite olivenbräunlich 
mit dunkler Federmitte und zahlreichen feinen weissen Punkten und 
Strichelehen; Unterseite schiefergrau, doch auch olivenbräunlich angeflogen; 
Weichen tiefolivenbraun mit weissen Bändern; Unterschwanzdeckfedern 
weisslich, ungebändert; Schnabel und Füsse grün, ersterer bei älteren 
Individuen nach der Basis hin gelblich oder gar eitronengelb. — Das 
gesprenkelte Sumpfhuhn (Porzellanhühnchen) bewohnt die gemässigten 
und wärmeren Gegenden von Europa, das angrenzende Asien und auch 
Nordafrika, jedoch nur an stark mit Gräsern, Schilfgräsern und Kräutern 
bewachsenen sumpfigen Stellen, häufig dort, wo im Frühlinge aus unter 
Wasser stehendem Terrain viele bewachsene Hügel, Kaupen, hervorragen, 
wenngleich in späterer Jahreszeit dasselbe mehr oder weniger austrocknet. 
Auf rauhen Fennen ist es überall zu finden. Bei seiner Ankunft im 
Frühlinge, etwa gegen die Mitte April, sowie im Herbst zur Zugzeit 
sieht man es dort, wo bei schnell gesunkenem Wasser an Bächen, Teichen, 
Gräben ein feuchter Schlammstreifen von oben durch das vorstehende 
Ufer und überragenden Pflanzenwuchs geschützt sich längst‘ dem Wasser 
hinzieht, umherspaziren. Seine Bewegungen ähneln dann denen des Wiesen- 
sumpfhuhnes sehr. Es hat überhaupt fast nur in dem ausschliesslichen 
Bewohnen eines nassen, sumpfigen, morastigen Terrains, wodurch auch 
sein nicht seltenes Schwimmen bedingt wird, seine hervorstechendste Eigen- 
thümlichkeit. Im Uebrigen treibt es ein eben so arges Versteckenspiel, 
und man sieht es ausser an jenen Wasserlinien fast nur fliegend. Auch 
seine Nahrung besteht in kleinen niederen Thieren, sowie in weichen 
Blättehen, Würzelchen, Grassamen u. ä Seine Stimme ist ein heller 
pfeifender Ruf, den man in grossen Pausen allabendlich an seinen Brut- 
plätzen hört. Das Nest steht häufig auf einer Seggenkaupe. Da das 
Weibchen zur Herrichtung einer Krautdeckung von oben die umgebenden 
Blätter und Halme zum Neste hin einbiegt, so erscheint ein solcher Busch 


456 Sumpfläufer. 


aus einiger Entfernung als mit der Sense stumpf abgeschnitten. Das 
gescheucht vom Neste rennende Weibchen ähnelt auffallend einer Ratte. 
Die festschaligen Eier, etwa 9 bis 12 in einem Neste, tragen auf sehr 
hell violettbräunlichem Grunde ausser zahlreichen äusserst feinen Pünktchen 
grössere, scharfe, leberbraune Tropfen und Flecke und mehr oder weniger 
stark durchscheinende violettgraue  Schalenflecke. Der Bekassinenjäger 
wird es namentlich im Herbste stellenweise zahlreich antreffen. 


3. Das kleine Sumpfhuhn. 
Crex minuta Pall. 

Wenig über Lerchengrösse; Gestalt wie das vorhergehende, Ober- 
seite olivenbräunlich in der Mitte tief schwarzbraun mit einzelnen weit- 
ständigen weissen Strichen; untere Schwanzdeckfedern weiss mit dunkel- 
braunen Querbändern; Unterflügel schwarzgrau; Beine grün. Im Alter 
mit schiefergrauen Tragfedern. Männchen mit aschfarbener, Weibchen 
mit blassrostiger Unterseite. — Das kleine Sumpfhuhn bewohnt zumeist 
Central- und Osteuropa, liebt mit dem gesprenkelten Sumpfhuhn gleichen 
Aufenthalt, jedoch noch mehr als dieses das Wasser. Aus seinen Gras- 
und Krautverstecken kommt es gern zum Wasser hin heraus und begiebt 
sich dann auf Nympheenblätter und andere es tragende Wasserpflanzen. 
Seine helle Stimme ist ein lautes „Kriihk” oder ein oft wiederholtes, 
dem Geschrei des mittleren Buntspechtes ähnliches „Kik”. Seine Eier 
weichen in der Zeichnung von allen mir bekannten Rallideneiern wesent- 
lich ab. Sie tragen auf schmutzig gesättigt olivenbräunlichem Grunde 
eine grosse, die Grundfarbe fast verdeckende Menge schwacher, bräunlicher, 
sich kaum abhebender Schmitzchen. Diese Art ist keineswegs häufig. 
Wenngleich es, wie die anderen verwandten Spezies sehr versteckt lebt, 
so würde doch sein Ruf, wenn es häufiger wäre, mehr gehört werden. 
Für die Umgebung von Münster kenne ich es nur als Zugvogel; zweimal 
wurde es dort meines Wissens erlegt, und einmal, am 9. October, lebendig 
ergriffen, als es durch Anprellen gegen einen Telegraphendraht zu Boden 
gefallen war. 


4. Das Zwergsumpfhuhn. 
ÜUrex pygmaea Naum. 

Lerchengrösse; Oberseite olivenbräunlich, Rücken und Schultern 
schwarz mit vielen kleinen weissen Zeichnungen, Unterseite graublau; 
Weichen schwarz, weiss gebändert; untere Schwanzdeckfedern weiss mit 
schwarzen Querbändern; Unterflügeldeckfedern braungrau, weiss gefleckt; 
Beine licht röthlichgrau. — Dieses in Deutschland seltene Sumpfhühnche n 
ebt in Central- und Westeuropa. Seine Aufenthaltsorte gleichen denen 


$ 


« Ralle. 457 


der vorhergehenden Arten, so wie es auch im Betragen mit diesen über- 
einstimmt. Die als ihm zugehörig angegebenen Eier trugen auf hellem 
röthlichgelblichem Grunde nach Art der Eier vom gesprenkelten Sumpf- 
huhn scharfe Tropfenflecke und feine Punkte, doch waren dieselben leber- 
rothbraun. 


Ralle, Rallus. 


Die Rallen im engsten Sinne sind von den Sumpfhühnern vorzüglich 
nur durch ihren langen, die Kopflänge übertreffenden, dünnen, gestreckten, 
schwach abwärts gebogenen Schnabel verschieden; die Flügel, deren Schwin- 
gen, schlaff und schwach, säbelförmig gebogen sind, überragen den sehr 
kurzen Schwanz; die Füsse gross, Vorderzehen lang, Hinterzehe schwäch- 
lich; das Gefieder auf der Unterseite sehr reichlich, fast pelzartig, weich. 
Die Körpergestalt fast noch stärker seitlich zusammengedrückt, an welcher 
Gestalt auch Hals und der schmale Kopf Theil nehmen. In ihrem Be- 
tragen ähneln sie gleichfalls den Sumpfhühnern, doch rennen sie weniger 
schnell. Männchen und Weibchen sind äusserlich kaum von einander 
zu unterscheiden. Unsere Gegenden beherbergen nur eine Art. 


Die Wasserralle. 
Rallus aquaticus L. 

Wachtelköniggrösse, sehr schmächtig; Oberseite olivenbraun mit 
schwarzen Schaftflecken; Kehle weisslich; Unterseite schiefergrau, im ersten 
Contourkleide fleckig; Weichen und untere Schwanzdeckfedern schwarz 
und weiss gebändert; Schnabel hornbraun an der Wurzel bis oft fast 
über die Mitte hin lebhaft roth; Beine bräunlich. — Die Wasserralle 
bewohnt Europa bis in den hohen Norden hinein, ebenso wie das angren- 
zende Asien. Nasses, dicht mit. hohen Gräsern bewachsenes Terrain, 
abgelegene Fenne wie von Wassergräben durchschnittene Wiesen, zumal 
wenn Gebüsch an den Rändern vorhanden ist, bilden ihren Lieblings- 
aufenthalt. Im Frühlinge 1872 erschallte allabendlich ihr Ruf sogar aus 
der hinter dem Akademiegarten hierselbst gelegenen, von der Schwärze 
durchschnittenen Wiese. Derselbe ist ein lauter, in grossen Pausen er- 
tönender Pfiff, ähnlich wie „Huit”, welches man kurz und fast einsilbig 
mit dem Munde pfeift, oder wie der Ton eines kräftigen Gertenschlages 
durch die Luft. Sie hält sich eben so verborgen, rennt mit ihrem schmalen 
Körper eben so leicht und geschickt durch den dichtesten Krautwuchs, 
fliegt eben so ungern auf, als die Sumpfhühner und schwimmt freiwillig 
oft, wobei sie dem Teichhuhne in Bewegung und Habitus ähnelt. In der 
kälteren Jahreszeit sieht man sie wohl mal im Winter ähnlich wie das 


458 Sumpfläufer. 


gesprenkelte Sumpfhuhn nach Nahrung umhersuchen. Im Winter 1870/71 
trieb sich hier bei Neustadt eine Ralle wochenlang an den Wassergräben 
und auf der Wiese in unmittelbarer Nähe der Stadt umher, bis sie mit 
einem Handstocke in ihrem Verstecke erschlagen wurde. An offenen 
Stellen trifft man einzelne den ganzen Winter hindurch an; sogar Island 
sollen die Rallen nicht verlassen. Im Allgemeinen muss man sie jedoch 
als Zugvogel bezeichnen. Sie brütet an den bezeichneten Stellen wohl 
in ganz Deutschland. Ich habe im Frühlinge sowohl im Osten wie im 
Westen ihren Paarungsruf, jenes laute „Huit’’ gehört und im Münster- 
lande sowohl Dunenjunge, als Junge im ersten Contourgefieder gesehen. 
Das tiefnapfförmige, aus trocknen Halmen verfertigte Nest steht stets an 
einem sumpfigen oder gar nassen Orte und enthält gegen 8 bis 10, denen 
des Wachtelköniges sehr ähnliche Eier. Sie sind jedoch etwas kleiner, 
spitzer, von zarterem Korn und mit spärlicher, meist rundlicher Flecken- 
zeichnung geziert. Sie lebt fast nur von kleinen niederen Thieren, In- 
secten, Larven, Schneckchen, Gewürm, weit weniger von dem Samen der 
Gräser und Binsen und anderen Vegetabilien. 


2. Familie. Kraniche, Gruidae. 


Die Kraniche wurden wohl nur wegen ihrer storch- und reiherartigen 
Grösse früher diesen grossen Sumpfvögeln zugesellt. Im Bau wie im Be- 
tragen weichen sie erheblich von denselben ab, nähern sich am meisten den 
rallenartigen Vögeln, bilden aber, da sie auch von diesen sich wesentlich 
unterscheiden, ihnen gegenüber eine selbstständige Familie. Der gestreckte 
Körper eylindrisch; Kopf dick; Stirn nach der First verengt und abgeflacht; 
Schnabel mittellang, um die Nasenlöcher verengt, mehr hoch als breit, 
First abgerundet, Ober- wie Unterschnabel mit einer von der Basis bis 
zur Mitte reichenden flachen Furche, Nasengruben nach vorn verflacht; 
Hals sehr lang, anliegend befiedert; Flügel gross, breit, Armknochen sehr 
lang, Armschwingen und Armdecken verlängert; Läufe sehr lang, Schienen 
bis weit über der Ferse nackt; Vorderzehe nicht lang, äussere und mittlere 
an der Basis durch Spannhaut verbunden, Hinterzehe klein und so hoch 
eingelenkt, dass sie den Boden kaum mit der Spitze der Kralle berührt; 
Krallen kurz, rundlich, — Die Kraniche, welche in etwa 15 Arten die 
alte Welt, besonders die heisseren Gegenden derselben bewohnen, sind 
sämmtlich grosse, stattliche Vögel von aschgrauem, weissem, schwarzem, 
selten buntem Gefieder, in welchem sich Männchen und Weibchen nur 
wenig unterscheiden. Sie leben in bewachsenen, feuchten, sumpfigen 
Niederungen, Morästen, Deltabildungen, gehen langsam einher, fliegen 
leicht und vermögen sogar in Spirale zu schweben, nähren sich zumeist 


Kranich. 459 


von Körnern und zarten Pflanzentheilen, doch auch von kleineren niederen 
Thieren, brüten an bewachsenen Stellen auf einem Hügel in feuchter Um- 
gebung und legen nur zwei grosse gestreckte, olivengrau grundirte und 
mit leberrothen Flecken mehr oder weniger deutlich gezeichnete Eier. Die 
Jungen verlassen nach dem Ausfallen das Nest nicht sofort, bleiben jedoch 
nur einen oder anderen Tag in demselben, so dass sie zwischen den Nest- 
flüchtern und Nesthockern die Mitte halten, aber eher den ersteren als 
etwa den lange im Neste hockenden Reihern und Störchen zuzuzählen 
sind. Sie verweilen stets am Boden, keine Art baumt auf. Die in ge- 
mässigten Zonen lebenden Individuen schaaren sich gegen Beginn der 
kälteren Jahreszeit, wandern des Nachts wie am Tage in geordneten Ge- 
sellschaften wärmeren Himmelsstrichen zu und reisen im Frühlinge in 
ähnlicher Weise wieder heim. Von dem inneren Bau ist die schleifen- 
förmig einfach oder doppelt gewundene Luftröhre, welche Windung in 
eine kapselartige Erweiterung des Brustbeinkammes aufgenommen wird, 
die auffallendste Eigenthümlichkeit; vielleicht steht mit derselben die starke 
Stimme der Kraniche in Verbindung. 


Kranich, Grus. 


Charakter der Familie. 


Der gemeine Kranich. 
Grus einerea Bechst. 

An Körperhöhe übertrifft der gemeine Kranich alle anderen inlän- 
dischen Vogelarten, da er 1,2 Meter misst. Sein Gefieder ist einfarbig 
aschgrau, mit Ausnahme der schwärzlichen Kopfseiten und der wallend 
gekräuselten letzten Armschwingen, die gleichfalls verdüstert, graubräun- 
lich erscheinen; der rothe Scheitel ist fast kahl, nur theilweise mit spär- 
liehen Borsten, in der Jugend mit schmalen, gegen die Spitze bartlosen 
Federn besetzt. Er bewohnt mit Ausnahme des hohen Nordens ganz 
Europa und den grössten Theil von Asien, vermeidet jedoch alle gebir- 
gigen, sogar die stark hügeligen Gegenden. Jedoch kennen ihn auch die 
meisten Ebenen nur als Zugvogel. In Deutschland brütet er nur in 
unseren nordöstlichen Strichen, in mehr nördlich, besonders nordöstlich 
"gelegenen Ländern kommt er allgemein als Brutvogel vor. Sein südlichster 
Brutplatz ist der Drömling. Seine Züge sind so auffallend, dass sich 
über keine Art leichter und genauer Notizen sammeln lassen, als über 
den Kranich. Mir stehen dergleichen zahlreich zu Gebote. Sie beziehen 
sich zumeist auf das Münsterland. Nach denselben folgt zunächst, dass 
ohne erkennbare Ursache der Kranich in dem einen Jahre schaarenweis 


460 Sumpfläufer. 


durchwandert, während sich in einem anderen kaum eine oder andere 
kleine Wandergesellschaft blicken lässt. So ist der Monat October die 
Hauptzugzeit, aber im Jahre 1824 und 1825 stellte sich während des 
ganzen Octobers fast kein Zug ein. Ferner lenken die Züge in den ein- 
zelnen Jahren von ihrer Route wohl erheblich ab. 1832 z. B. war ab- 
weichend von dem Erscheinen der Kraniche in anderen Jahren in Rheine 
(6 Meilen von Münster) im Herbste kein Kranich zu sehen, während bei 
Münster viele Züge passirten. In manchen Jahren erscheinen die ein- 
zelnen Züge in tagelangen Pausen, in anderen dagegen treffen sie an ein- 
zelnen Tagen so zahlreich ein und verfolgen dann so genau dieselbe Luft- 
strasse, dass die Annahme gerechtfertigt ist, es haben sich Tausende in 
der Heimath zur Abreise versammelt und sich dann in einzelne Gesell- 
schaften gesondert auf den Weg begeben. Es ist übrigens bekannt, dass 
sich z. B. auf Rügen grosse Massen von Kranichen vor ihrer Abreise an- 
sammeln und dann truppweise aufbrechen. Am 31. October 1862 folgten 
sich zwischen 1 und 2 Uhr Mittags schnell 5 Züge, 2°%/, Uhr noch ein 
sechster, bis 3 Uhr noch 4 Züge, von denen einer gegen 200 Individuen 
zählte; 3 Uhr 6 Minuten kam der elfte und 3 Uhr 20 Minuten der zwölfte. 
Schon in der Nacht vorher waren um 11 Uhr ziehende Kraniche gehört, 
viele mochten am Morgen unbeachtet vorübergeflogen sein. Bald ziehen 
sie an einzelnen Tagen stark, vorher und nachher nur wenig, bald sieht 
man an mehren unmittelbar auf einander folgenden Tagen (z. B. am 14,, 
15., 16., 17., 18. November 1862) die Wandergesellschaften. Einzelne 
Kraniche oder nur wenige sieht man nie ziehen; eine Gesellschaft von 
einem Dutzend Individuen ist schon eine Seltenheit. Fast stets ist die 
Anzahl weit grösser, in der Regel sind es zwischen 20 und 50; auch 
kommen Züge von 60 bis SO noch oft vor. Den stärksten Zug sah ich 
am 11. November 1862, der etwa gegen 320 Stück zählte. Auf der 
Hin- und Herreise scheinen die Kraniche nicht denselben Weg einzuhalten, 
denn man sieht sie im Frühlinge auf ihrer Heimkehr weit weniger als 
im Herbst auf ihrer Auswanderungsreise. Vielleicht aber mögen sie beim 
Rückzuge mehr zur Nachtzeit wandern und somit unbeachtet bleiben. 
Der Hauptmonat für den Frühlingszug ist der März, wo sie sich nach 
der Mitte desselben, am zahlreichsten gegen den 22, einstellen. Jedoch 
wirkt die Witterung erheblich ein. So zogen bei dem unerhört milden 
letzten Winter hier bei Neustadt schon am 21. Januar gegen 60 Stück 
‘durch, und in einem alten Manuscript aus dem Münsterlande finde ich 
für den gleichfalls milden Winter 1826 sogar den Anfang Januar, und 
1819 den 10. Februar als Durchzugszeit der Kraniche verzeichnet. Das 
sind jedoch seltene Ausnahmen; auch das erste Drittel des März, sowie die 
Zeit nach Mitte April kann nur als Ausnahme für die Zugzeit bezeichnet 


Der gemeine Kranich. 461 


werden. Der 2. Mai 1560 war das späteste Frühlingsdatum, an dem ich 
Kraniche sah. Der Herbstdurchzug fällt in die letzte Hälfte des October. 
Auch hier giebt es Ausnahmen. Meine Notizen weisen einerseits auch 
den 2, 13., 14., 16. August, andererseits noch die Mitte November (11. 
bis 18.), ja für einen Fall des Jahres 1823 noch den 2. December als 
Datum für ziehende Kraniche nach. Abgesehen von den eben genannten 
vier Augusttagen ist der 5., 6., 8. October das früheste Datum. Auf- 
fallender Weise finde ich unter meinen zahlreichen Notizen nicht einen 
einzigen Tag des September verzeichnet. Jenes massenhafte, oben er- 
wähnte Erscheinen von Kranichzügen an einem einzelnen Tage, sowie 
jene ungemein grosse Individuenzahl eines einzigen Zuges erklärt sich 
wohl durch aus irgend einem Grunde verursachte unfreiwillige Ver- 
spätungen. Die vorhin angegebenen Tage, der 31. October, 11., und 14. 
bis 18. November liegen 2 bis fast 4 Wochen hinter der normalen stärk- 
sten Durchzugszeit. Die vielleicht nur durch Nebel, bei dem sie niedrig 
und unsicher ziehen, an einer rasch fördernden Weiterreise Gehinderten 
drängen nach Beseitigung des Hindernisses nun in Masse voran, und so 
erscheint Zug auf Zug oder eine gänzlich abnorme Anzahl einer Gesell- 
schaft. Doch lässt sich nicht immer Verspätung für ein massenhaftes 
Erscheinen anführen. So stellten sich 1866 am 17. März, also gerade in 
der Normalzugzeit von 10°/, Uhr Morgens bis 6'/, Uhr Abends S Züge 
ein, welche zusammen gegen S00 Individuen enthielten. Allein irgend 
welche Störung musste doch vorgefallen sein, da bei der allgemeinen Zug- 
Triehtung nach Nordost, eine gegen 100 Individuen enthaltende Gesellschaft 
nach Nordwest steuerte. Ein einzelner Zug wurde ferner etwa 5 Minuten 
weit vorausgeschickt; dieser kam plötzlich zurück, worauf Alles durch- 
einander flog, Es wird unmöglich sein, für einen solchen Fall den Grund 
ihres plötzlichen massenhaften Erscheinens aufzufinden. Die Keilform, 
welche sie auf der Reise annehmen, ist bekannt, selten ziehen sie nur in 
einer schrägen Linie. Der eine Schenkel ist stets kürzer als der andere, 
ja er besteht wohl nur aus einem einzigen oder aus sehr wenigen Indi- 
viduen. Solche, welche nebenher fliegen, suchen sich alsbald wieder in 
die Reihe zu drängen. Ist mal die ganze Gesellschaft in Unordnung ge- 
bracht, was z. B., wenn sie niedrig ziehen, in Folge eines Schusses fast 
stets geschieht, so dauert es unter beständigem- Schreien („Kruh”, höher 
und tiefer) längere Zeit, bis die Pflugscharform wieder hergestellt ist, aber 
einzelne fliegen auch dann noch neben der Reihe, sie drängen sich ein, 
aber oft auf Kosten anderer, und man sieht, soweit sie das Auge zu ver- 
folgen im Stande ist, sie mit Herstellung der gehörigen Reiseordnung be- 
schäftist. Jener ungeheure Zug von etwa 320 Individuen bildete ein 
dreifaches umgekehrtes y, im Anfange, dann am Ende des längsten Schen- 


462 Sumpfläufer. 


kels ein gleichschenkeliges A, woran sich wieder ein sehr ungleichschen- 
keliges anschloss. Für die Beantwortung der Frage, warum die Kraniche, 
wie fast alle grossen, in relativ langsamen Flügelschlägen und mit be- 
deutendem Kraftaufwand rudırnde Vögel auf ihren Reisen die schräge 
Zugform annehmen, erinnere ich an das im allgemeinen Theile über den 
Flug, Seite 21, Mitgetheilte, dass nämlich ein von vorn strömender Luft- 
zug den fliegenden Vogel hebt und ihm so das Fliegen erleichtert. Beim 
Niederschlage des Flügels entweicht die Luft nach hinten. Wenn sich 
somit fliegende Vögel folgen, so befinden sich alle mit Ausnahme des 
ersten gegen einen künstlich erzeugten Luftstrom, der Welle auf Welle 
gegen sie andrängt und zwar, da alle in gleichem Tact rudern, bei jedem 
Niederschlage, vor dem ja der Flügel in seine höchste Lage gestellt ist, 
nur von unten her gegen sie andringt, folglich noch ein zweites Moment 
zur Hebung des Vogels bietet. Die Frage ist jedoch hierdurch nur theil- 
weise beantwortet, nur, warum sie sich folgen, nicht aber, warum sie sich 
in schräger Aneinanderreihung folgen. Wenn man mit einem Flügel in 
gefärbter Luft (Zimmer voll Tabaksrauch) einzelne, möglichst naturgetreue 
Schläge ausführt, so sieht man, dass die Luft nicht einfach nach hinten, 
sondern nach hinten und aussen entweicht. Gerade die am energischsten 
forttreibenden Flügeltheile, die bei weitem den stärksten Luftstrom er- 
zeugenden Handschwingen lassen die verdrängte Luft schräg rückwärts 
nach aussen entweichen. Die einzelnen von genau sich in der Flugrich- 
tung hinter einander befindlichen Individuen würden von der durch die 
je vorherfliegenden erzeugten Luftströmung fast gar keinen Nutzen haben, 
Sie müssen, um den grössten Vortheil zu erlangen, sich deshalb seitlich 
schräg anschliessen. Die factische Erscheinung ist somit die zweck- 
mässigste. Es erklärt dieses auch, warum nicht blos bei Kranichen, son- 
dern auch bei anderen grossen Vögeln nicht eine einfache schräge Linie, 
sondern, namentlich wenn eine grössere Anzahl von Individuen die Reise 
macht, die Keilform gewählt wird. Die Vögel haben den Trieb, in enger 
Gesellschaft zu wandern, und benutzen dabei den eben erwähnten Vor- 
theil der Flugerleichterung. Sobald sie aufgebrochen sind und eine Höhe 
erreicht haben, dass die Reise ungehindert vorgenommen werden kann, 
schliesst sich bald einer an den Vordermann an und an diesen der dritte 
u.s.w. Das Gemeingefühl der engen Zusammengehörigkeit aber verleidet 
bei einer grösseren Anzahl ein zu weites Nachschleppen, Alles drängt 
nach vorn, jeder will möglichst nahe beim Ganzen sein, der Vortheil des 
Gegenwindes darf jedoch nicht aufgegeben werden. Somit bildet sich eine 
zweite Reihe, die sich an die andere Seite des Vorfliegers anschliesst, 
und die Keilform ist hergestellt. So erkläre ich mir die Thatsache, warum 
wenige Gänse eine einfache Schräglinie, mehre aber sofort eine Keillinie 


Der gemeine Kranich. 463 


bilden. Die sonst wohl gegebene Erklärung, dass der erste Vogel die 
Luft „mit grösserem Kraftaufwand zu durchschneiden” hätte als die nach- 
folgenden, erscheint mir als eine Redensart, welche die Frage völlig un- 
beantwortet lässt. Dass der Vorflieger ein alter kräftiger Vogel sein und 
auf der Reise in Pausen von einem andern abgelöst werden muss, lässt 
sich begreiflich finden. Einzelne kleinere Gesellschaften sollen, wie man 
aus ihrer Stimme geschlossen hat, jedoch nur aus jüngeren Vögeln be- 
stehen. Diese werden dann gewiss auch häufiger als die Alten unterwegs 
Station machen. Sie ruhen bekanntlich alle mehrmals auf ihrem Zuge. 
Von bestimmten Lagerplätzen ist mir nichts bekannt geworden, im Gegen- 
theil waren Alle, welche eine lagernde Kranichheerde antrafen, stets sehr 
überrascht von dieser dort gänzlich unbekannten Erscheinung. Jedoch 
gilt diese meine Bemerkung nur von dem in Tausende von kleinen ein- 
gefriedigten Parzellen zerrissenen Münsterlande. Es ist nicht zu bezweifeln, 
dass dort, wo die Abwechselung der Boden- und Bestandesverhältnisse 
sich auf sehr grosse Flächen ausdehnt, ganz bestimmte Oertlichkeiten und 
Plätze in hervorragender Weise geeignet sind, die ermüdeten Kraniche zur 
Ruhe einzuladen. Es ist bekannt, dass sie sich an manchen Küstenstrichen, 
sowie auf den Inseln des mittelländischen Meeres in grosser Anzahl nieder- 
lassen. Die Höhe, in der sie ziehen, ist sehr verschieden. Ich habe sie 
nicht blos bei nebeligem Wetter, sondern einmal bei ganz klarem Wetter 
sehr niedrig, etwa 50 Meter hoch, ziehen sehen; in einzelnen Fällen halten 
sie jedoch eine solche Höhe ein, dass sie nur mit dem Taschenfernrohr 
zu erkennen sind. Hohe Gebirge suchen sie auf ihren Wanderungen zu 
vermeiden. Auffallender Weise halten sie hier bei uns eine mehr oder 
weniger westöstliche und ostwestliche statt einer nordsüdlichen und süd- 
nördlichen Richtung inne, ändern aber in anderen Gegenden ihren Curs. 
Der Grund ist schwerlich anzugeben, eine bestimmte Luftströmung als ein 
soleher kaum zu vermuthen. Im Frühlinge in der Gegend ihrer Brut- 
plätze angekommen, scheinen sich die Reisegesellschaften allmählich auf- 
zulösen. Für solche abgetrennte Gefährten hielt ich z. B. im vorigen 
Frühlinge am 19. März sofort vier sehr niedrig in der Nähe unserer 
Forstgärten nach Osten fliegende Individuen, und bestätigt wurde diese 
Vermuthung, als ich einige Tage später in unserem Lieper Revier am 
Plager See, welcher genau in der Flugrichtung jener liegt, Kraniche an 
ihrem Brutplatze antraf. Dieser See, oder vielmehr das ihn umgebende 
Fenn ist ständiger Brutplatz der Kraniche; Graugänse, März-, Moor-, Spitz- 
und Knäckenten, grosse, rothkehlige und kleine Haubentaucher, Bekassine, 
Blesshuhn, Teichhuhn und gesprenkeltes Sumpfhuhn, Kiebitz und Fluss- 
seeschwalbe, Drossel- und Schilfrohrsänger, Rohrammer und andere Arten 
bilden für die Brutzeit dort die Insassen aus der Vogelwelt, während 


464 Sumpfläufer. 


Schreiadler, Bussard, schwarzer und rother Milan, Schwarzspecht, Blau- 
rake und Pirol und viele andere Spezies sich über demselben oder in 
dem von mehren Seiten ihn umschliessenden Walde sich sehen oder hören 
lassen. Wo ich die Brutplätze des Kranichs besucht habe, hatten sie 
zumeist denselben Charakter. Es war stark bewachsenes, zuweilen durch 
einspringendes Gebüsch unterbrochenes Fenn mit schwankendem, schwim- 
mendem Boden, oder Moor und Sumpf gleichfalls ähnlich bewachsen, ein 
Terrain, auf dem ohne Lebensgefahr nicht zu gehen, das aber auch nicht 
zu Nachen zu befahren ist. Nur einmal fand ich das Nest auf sehr schlecht 
bestandenem arg versumpftem Waldterrain. Ausser einzelnen höheren, 
schon abständigen Bäumen bestand der Holzwuchs aus Gestrüpp, das sich. 
auf den zahlreichen aus dem Wasser emporragenden Hügeln kümmerlich 
erhalten hatte. An ihren Brutplätzen machen die Kraniche grossen Lärm. 
Der mehrsilbige Schrei ist schwerlich durch Worte zu bezeichnen. Er 
ähnelt einem starken überschlagenden Gänseschrei, ist laut und hoch und 
tönt namentlich in stiller Abendstunde sehr weit. Obschon man nur 
selten auf diesen weiten, völlig unzugänglichen und ausserdem noch durch 
Erlengestrüpp, niedrige Weidenbüsche und ähnliches unterbrochenen Flächen 
nur selten die Kraniche sieht, so kann man doch über ihre Anwesenheit 
nie im Zweifel sein. Das Nest ist um so schwerer aufzufinden, als sich 
der brütende Vogel bei Annäherung der Gefahr erst eine grössere Strecke 
fortschleicht, ehe er sich zum Auffliegen anschickt. In der eben genannten 
versumpften Waldpartie flog er etwa 100 Schritt vom Neste auf. Dieses 
steht vom Sumpfwasser umgeben auf einem Hügel, versteckt von höheren 
Pflanzen oder an der Seite eines Erlenstockes u. ä Eine kunstlos an- 
gehäufte Laubmenge, oben flach vertieft, trägt die beiden . grossen Eier, 
welche auf olivenfarbenem Grunde leberrothe, doch selten sehr intensive 
Längsflecken oder oft fast Wische tragen, übrigens im Ton wie in der 
Schärfe der Zeichnung nicht unerheblich variiren. Die bräunlichgrauen, 
sehr kurzschnäbeligen Jungen verlassen bereits in den ersten Tagen das 
Nest und werden von den Alten nach kurzer Zeit auf die Felder und 
Aecker der Nachbarschaft geführt, wo sie sich an Getreide, zarten Blätt- 
chen, Erbsen, Insecten und Gewürm sättigen. Auch die Alten besuchen 
fleissig die Felder, fressen reife wie unreife Getreidekörner, nehmen die 
gesäeten, wie keimenden, die reifenden und gereiften Erbsen, graben die 
ersten gern mit ihrem Schnabel aus dem Boden, rupfen Klee und anderes 
Grünes, fressen Käfer, Heuschrecken, Regenwürmer und sonstige niedere 
Thiere, selten jedoch kleine Wirbelthiere. Dort, wo sie sich auch nur 
vorübergehend in grosser Menge aufhalten, insbesondere dort, wo sie sich 
im Herbste zu Tausenden versammeln, richten sie wahre Verwüstungen 
am Ackerbau an. Eine von keinem hiesigen Vogel in dem Grade be- 


Trappen. 465 


kundete Vorsicht und Scheuheit ist ein Hauptzug in dem Leben des 
Kranichs.. Wenn einst in einer Brutgegend (Vorpommern) bei fast an- 
brechender Dämmerung ein Paar kaum 15 Meter hoch über mich weg- 
strich, so ist das ein seltener Fall. Trotzdem wird er jung eingefangen, 
sogar alt erbeutet in der Gefangenschaft leicht zahm und ergötzt dann 
den Besitzer durch sein abwechselungsvolles, oft närrisches Benehmen, 
sein drolliges Tanzen, sein gebieterisches Einmischen in alle Streitigkeiten 
auf dem Hühnerhofe, er übt sogar einen Terrorismus gegenüber den grössten 
Hausthieren aus. Das Einfangen eines unverletzten alten Vogels ist frei- 
lich nicht so leicht; doch glückte es einst einem Bauer im Münsterlande, 
der früh an einem kalten Morgen eine Gesellschaft Kraniche auf seinem 
Kamp überraschte, denen über Nacht die langen Flügelfedern durch eine 
Eiskruste zusammengefroren waren. Nach einem ansehnlichen Rennen 
waren die meisten in Flug, der eine aber bis hart vor eine Wallhecke 
gekommen, die ihn sowohl am weiteren Laufen als am Fliegen hinderte. 
Auch dieser gewöhnte sich bald an die Gefangenschaft, in der er eine 
lange Reihe Jahre lebte. 

Von den Kranicharten sei nur noch der kleinere zartgraue Jungfern- 
kranich, Grus virgo Cwv. („die numidische Jungfrau”) genannt. Ein 
loser Federbüschel an jeder Seite des Kopfes, sowie die spitz verlängerten 
hinteren Schwingfedern charakterisiren diesen afrikanischen Vogel, der 
durch einzelne seltene Vorkommnisse das deutsche Bürgerrecht erlangt hat. 

Manche schöne Arten, unter denen der prächtige Pfauenkranich, 
Grus pavonina Gray, nie fehlt, sieht man in zoologischen Gärten. 
Unter allen, die ich besuchte, hatte der Amsterdamer davon die reichste 
Collection. 


3. Familie. Trappen, Otididae. 


Grosse, flüchtige, schwere Vögel; Kopf mittelgross, Stirn abgerundet; 
Schnabel mittellang, an der Basis breit, Spitze hühnerartig gewölbt, vor 
derselben beim Ober- wie Unterkiefer ein Einschnitt; First über der Nasen- 
grube gerade; Flügel gross, etwas gewölbt, die dritte Handschwinge die 
längste; Lauf vorn grob, hinten feiner genetzt, lang, stark, besonders in 
der Fersengegend kräftig; Vorderzehen nicht gross, breitsohlig, die innere 
mit der Mittelzehe durch eine grössere Bindehaut verbunden als die äussere; 
Hinterzehe fehlt, Krallen nagelartig breit, mit unten hohler abgerundeter 
Spitze, Schwanz mittellang, meist mit 20 Steuerfedern. Männchen und 
Weibchen ähneln sich, doch zeichnet sich ersteres durch stärkere Grösse 
und auch durch Schmuckfedern oder einzelne grell gefärbte Partieen vor 
dem letzteren aus. Die Jungen im ersten Contourgefieder gleichen dem 

Altum. Die Vögel. 30 


466 Sumpfläufer. 


Weibchen. Alle deuten durch ihr bräunliches, sandgelbliches mit zahl- 
reichen schwarzen feinen Zeichnungen versehenes Gefieder auf der Oberseite 
ihre dürre, öde, sandige Heimath an. Die Trappen bewohnen nämlich als 
scheue, jedoch wenig lebhafte Vögel die trocknen bebauten wie uncul- 
tivirten, baumlosen Ebenen der wärmeren Gegenden der alten Welt. Ge- 
wässer, Sumpf, Morast scheuen sie eben so sehr als Wald und Gebüsch. 
Sie gehen bedächtig, können jedoch auch ziemlich schnell laufen, ihr Flug, 
wobei sie die Spitzen der Handschwingen ihrer abgerundeten Flügel finger- 
förmig spreizen, ist freilich nicht schwerfällig zu nennen, entbehrt jedoch 
einer bedeutenderen Schnelligkeit und jeder Gewandtheit. Sie ziehen 
deshalb nicht gern weit fort und in den wärmeren Gegenden bleiben sie _ 
stets an denselben Oertlichkeiten. Jedoch verfliegen sich einzelne Individuen 
oft weit nach fremden Gegenden. Sie leben gern gesellig, leben sogar 
wohl in schwacher Polygamie und nähren sich von grünem Kraute wie 
von Inseeten und Gewürm, brüten am Boden zwischen Krautwuchs, legen 
wenige, grünlich grundirte und mit meist wenig scharfen bräunlichen groben 
Zeichnungen versehene Eier. Ihre Jungen verlassen bald das Nest. Man 
kennt etwa ein Dutzend Arten, von denen die eine in Deutschland heimisch ist, 
eine zweite zuweilen, eine dritte äusserst selten hier als Verirrte sich zeigen. 


Trappe, Otis. 


Schnabel kürzer als der Kopf; First hoch, Basis hoch und breit, 
die Spitzenhälfte comprimirt; zweite bis vierte Handschwinge die längsten. 


I. Die grosse Trappe. 
Otis tarda L. 

Putergrösse, doch diekhalsiger, und langbeiniger; Oberseite oker- 
bräunlich mit zahlreichen, schwarzen Querflecken und kurzen Bändern; 
Kopf und Hals einfarbig, heller oder dunkler aschbläulich; Unterseite weiss- 
lich; Armschwingen braunschwarz mit weisser Wurzel, die drei letzten 
ganz weiss, eine breite weisse Binde quer durch den Flügel; vor der 
weisslichen Schwanzspitze eine breite -schwarze Binde; ausser den 20 
Steuerfedern noch zwei mittlere höher eingelenkt. Dunen nussbräunlich 
bis trüb rosa; das weit grössere Männchen mit langem Federbart an den 
Mundseiten, einer seitlichen nackten violetten (beim Weibchen bräunlich- 
weissen) Stelle am Oberhalse und einem starken Kehlsack. — Die grosse 
Trappe bewohnt das mittlere Europa, besonders häufig Ungarn, Galizien, 
einige Striche von Deutschland, das mittlere und südliche Russland; kommt 
jedoch auch stellenweise in Frankreich, Italien, bis zum südlichen Schweden 
vor. Ausgedehnte Getreidefelder, in fruchtbaren Ebenen, entfernt von 


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Die grosse Trappe. 467 


geräuschvollen Etablissements, Dörfern und Städten, entfernt auch von 
jedem Walde und Holzwuchs überhaupt, unter Ausschluss aller feuchten 
oder gar nassen Stellen, bilden ihre Lieblingsaufenthaltsorte. Hier auf 
diesen Flächen leben sie gesellig und äusserst scheu, wissen sich aber 
auch sehr gut daselbst zu verbergen. Entzieht der hohe Schnee des 
Winters ihnen daselbst ihre Nahrung nicht, so bleiben sie dort, sonst 
streichen sie nach günstigeren Stellen im Lande umher. In einzelnen 
Strichen von Deutschland ist die Trappe häufig, so z. B. in Sachsen; im 
Münsterlande dagegen eine seltene Erscheinuug im Winter. In der Brut- 
zeit, schon im Februar befinden sich alle wieder an ihrer Heimath, die 
alten sondern sich zu Paaren ab, doch hat ein Männchen auch wohl mal 
zwei Weibchen, während die noch nicht fortpflanzungsfähigen jüngeren 
Vögel kleine Gesellschaften bilden. Das Nest, eine ärmlich ausgelegte 
flache Bodenvertiefung, enthält gegen Ende Mai zwei, sehr selten drei 
Eier. Ihre Gestalt ist gedrungen, ihre Schale fest und mattglänzend, 
schmutzig olivengrünlich, oft ins Bläuliche ziehend grundirt und mit dunk- 
len Wischflecken desselben Farbentones weitständig längsgezeichnet. Doch 
sind mir auch schon, abgesehen von erheblicher Verschiedenheit des Grund- 
tones, lebhaft blaue durchaus ungefleckte Trappeneier vorgekommen. In 
Berlin erscheinen sie alljährlich mehrfach auf den Märkten zwischen den 
Kiebitzeiern. Die anfänglich recht unbehülflichen, doch schon sehr bald 
das Nest verlassenden Jungen tragen auf erdgraubräunlichem Grunde starke, 
schwarzbraune Zeichnungen. Nach Anlegen des ersten Contourgefieders, 
in dem sie den Alten sehr ähneln, vereinigen sich die Insassen einer Gegend 
zu kleineren Gesellschaften. Sie leben vorzugsweise von Grünem, den 
weicheren Knospen, Blättern und zarten Mitteltrieben der Culturkräuter, 
Getreide, Raps, Klee, Kohl, Rüben, verzehren auch sehr gern Getreide- 
körner und sonstige Sämereien, die Jungen fast ausschliesslich, die Alten 
weniger Insecten, Larven, Gewürm. Putenartig gehen sie mit gekrümmtem 
Rücken in den ausgedehnten Feldern dieser ihrer Nahrung nach, schauen, 
besonders die alten Männchen, bei auch noch fernem Auftauchen eines 
verdächtigen Gegenstandes, sofort auf und ergreifen sehr frühzeitig die 
Flucht. Dieser sehr hohe Grad der Scheuheit macht die Jagd ausser- 
ordentlich schwierig. Ein verdecktes Anstellen in Erdlöchern, dort wo 
sie ihre Nahrung zu suchen pflegen, oder wo sie fliegend von einem be- 
liebten Nahrungsplatz zum andern wechseln, was häufig und in grosser 
Regelmässigkeit geschieht, führt noch am ersten zum Ziele. Ausserdem 
werden sie auch von einem Wagen aus, der in einem weiten Kreise ihre 
Gesellschaften umfährt, oder durch eine Anzahl von Jägern zu Fuss mit 
Erfolg umstellt. Im Herbst pflegen sich mehre solcher kleinen Gesellschaften 


zu vereinigen, so dass man Trappenschwärme von 50 bis 100 und mehr 
30* 


468 Sumpfläufer. 


Individuen angetroffen hat. — Die Trappe ist einer der schwierigsten Vögel 
für das Halten in der Gefangenschaft; man wird in zoologischen Gärten 
sehr selten eine Trappe finden. 


2. Die Zwergtrappe. 
Otis tetrax L. 


Von etwa Haushuhngrösse; Oberseite graugelblich mit zahllosen feinen 
schwarzen Zickzacklinien; Schwanz mit einem braunen Querbande. Das 
alte Männchen an Kopf und Hals in grossen Partieen schwarz und weiss, 
Es sei auf diesen südöstlichen, südeuropäischen und nordafrikanischen 
Vogel, von dessen Brutländern uns Ungarn und Dalmatien am nächsten 
liegen, hier nur aufmerksam gemacht, da er sich in jüngeren Individuen 
einzeln bis nach Deutschland verfliegt. Aus dem Münsterlande sind mir 
zwei Fälle, der letzte im Herbst 1563 bekannt geworden. Seine tief oliven- 
grünen glänzenden Eier, deren bräunliche Zeichnung nur als eine unbe- 
stimmte Broneirung aufzutreten pflegt, kommen schon seit einer Reihe 
von Jahren aus den unteren Wolgagegenden zahlreich in den Handel. 

Das Erscheinen einer dritten Art in Deutschland, welche einer anderen 
Trappenform angehört, der asiatischen Kragentrappe, ©. Maqueeni Bp. 
(übrigens wohl identisch mit der afrikanischen O. houbara Gm., da zwi- 
schen den Zeichnungsverschiedenheiten beider auch Uebergänge vorkommen), 
gehört jedenfalls zu den grössten Seltenheiten. Der hochbeinige lang- 
halsige Vogel, dessen Körpergrösse etwa der des Haushahnes gleichkommt, 
ist an seinen verlängerten Scheitelfedern und seinem „Kragen” leicht 
kenntlich. Die Eier enthalten auf olivengrauem Grunde weitständige 
grössere, scharf begrenzte intensive Längszeichnungen von demselben Tone. 


4. Familie. Regenpfeifer, Charadriidae, 


Kaum mittelgrosse bis kleine Vögel; Körper gedrungen kräftig, doch 
nicht plump oder schwerfällig; Kopf rundlich; Stirn stark aufsteigend; 
Schnabel kurz, doch auch mittellang, selten lang, die First in der Gegend 
der bis zur Hälfte oder zum Drittel des Schnabels vorgerückten Nasen- 
löcher gesenkt, Nasengrube vorn geschlossen; Hals locker befiedert, mittel- 
lang, Flügel spitz, die Oberarmfedern reichen mit ihrer Spitze fast so weit, 
als die Handschwingen; Beine stämmig, Zehen kurz und kräftig, Hinter- 
zehe fehlt meist, oder ist klein, wohl abortiv, und höher eingelenkt; 
Mittelkralle hohl, die anderen seitlich gefurcht. Gefiederfarbe sehr ver- 
schieden, doch meist bescheiden; Männchen und Weibchen ähneln sich 
sehr; das Winterkleid steht in den meisten Fällen dem ersten Contour- 
gefiederkleide nahe. Sie bewohnen die ganze Welt in zahlreichen Arten, 


Triel, 469 


von denen manche eine ungeheuer weite Verbreitung haben, halten sich 
aber nur auf offenen Flächen, die meisten in den Ebenen, am Gewässer 
auf, woselbst sie mit wagerecht gehaltenem Körper und stark eingezogenem 
Halse schell umherlaufen. Langsames Schreiten scheint ihnen fast unmög- 
lich zu sein. Alle diese Bewegungen geschehen ruckweise. Sie fliegen 
leicht und schnell. In nördlichen Gegenden sammeln sich manche Arten 
gegen Eintritt der kälteren Jahreszeit zu ungeheuren Schaaren und ziehen 
dann landeinwärts oder halten die Meeresküsten inne und kehren gegen 
den Frühling in ähnlicher Weise wieder heim. Sie brüten stets offen am 
Boden in einer kleinen flachen Bodenvertiefung fast ohne fremde Unter- 
lage. Ihre wenigen (3 oder 4) Eier tragen auf sand- oder moorgelblichem 
bis bräunlichem Grunde zahlreiche dunkle Flecken und sind dadurch der 
Umgebung assimilirt. Die bunten Dunenjungen verlassen nach dem Aus- 
schlüpfen sofort das Nest. 


Triel, Oedienemus. 


Grösste und robuste Charadrinen, von lerchenfarbenem Gefieder, welche 
sich von allen zumeist den Trappen annähern. Kopf gross, hochstirnig, 
seitlich eomprimirt, Augen gross, mit lebhaft hellgelber Iris; Schnabel 
wenig länger als der Kopf, die kolbige Spitze seitlich zusammengedrückt; 
die Mundspalte reicht bis unter die Augen; Läufe lang, zuweilen sehr 
lang, hinten genetzt, vorn grob, durch abwechselnd eine und zwei Platten 
quergetäfelt; von den kurzen breitsohligen Vorderzehen die äussere und 
mittlere durch eine grössere, saumartig sich an die Zehen heraufziehende 
Spannhaut verbunden, Hinterzehe fehlt; zweite Handschwinge die längste; 
Schwanz l4fedrig, keilförmig, unter den Flügeln vorragend, zuweilen an- 
sehnlich lang, Männchen und Weibchen höchst ähnlich, eine einfache 
Mauser, verschiedene Jahreszeitskleider nicht vorhanden. — Die Triele 
leben auf baumlosen, unfruchtbaren, sandigen, nur spärlich bewachsenen 
weiten Flächen, wofür ihr sandgelb oder bräunlich lerchenfarbenes Colorit 
ausgezeichnet passt, sind vorzugsweise in der Dämmerung und des Nachts 
lebhaft, nähren sich von niederen Thieren, Insecten, Larven, Gewürm, 
doch auch wohl von einzelnen kleinen Wirbelthieren, laufen schnell, fliegen 
etwas matt, nisten in einer flachen Bodenvertiefung und legen 2 oder 8 
sandgelbliche dunkel gefleckte Eier. Die wenigen Arten gehören aus- 
schliesslich der östlichen Halbkugel an. 


Der europäische Triel. 
Oedienemus crepitans Temm. 


Körper von Ringeltaubengrösse; Gefieder blass bräunlichgelb mit 


470 Sumpfläufer. 


dunklen Schaftstrichen (lerchenfarben), über dem Flügel weissliche mit 
mit dem oberen Rande parallel laufende Querbinden; Kehle, Zügel, Augen- 
gegend weiss; Handschwingen braunschwarz. — Der europäische Triel 
(„Diekfuss, Eulenkopf, Sandtüte”) bewohnt Südost- und Südeuropa, das 
westliche Asien, Indien und fast ganz Afrika. Oede, dürre, sandige Ebenen 
mit spärlichem Krautwuchs bilden seinen Lieblingsaufenthalt. Bei uns 
liebt er den nicht bestandenen Kiefernboden vierter und fünfter Classe; 
hier und da eine Kussel oder auch eine lückige Ansaat verleidet ihm den 
Aufenhalt nicht. Alle übrigen Oertlichkeiten, namentlich feuchte Niede- 
rungen, üppige Fruchtfelder, Waldungen vermeidet er gänzlich. Doch 
kommt er in Deutschland auch nicht allenthalben an ersteren vor, denn 
er scheint in Norddeutschland weit mehr ein östlicher, als westlicher 
Vogel zu sein. Im Münsterlande, das im Stande wäre, ihm manche Lieb- 
lingsplätze zu bieten, ist er bis jetzt nur als einzelner Verirrter im Herbst, 
September oder October, angetroffen und erlegt als einen Vogel, „den 
Niemand kennt”, angestaunt. Hier im Nordosten ist er stellenweise ein 
sehr bekannter Vogel. ‚Sein Lauf auf jenen mit ihm gleichfarbenen Ein- 
öden ist schnell, seinen Flug kann man dem der anderen regenpfeiferartigen 
Vögel gegenüber, wenn nicht als matt, dann als gemächlich bezeichnen. 
Seine 2 bis 3 kräftigen, ellipsoidischen Eier tragen auf matt sandgelbem 
Grunde viele, nicht grobe, aber dichtstehende und scharfe olivenbraune 
Zeichnungen. Es mögen weit häufiger 2 als 3 Eier gelegt werden; 
zwischen den Kiebitz- und anderen verkäuflichen Eiern wilder Vögel in 
Berlin habe ich oft Trieleier gefunden, aber nie mehr als 2 zusammen- 
gehörende. Die staubfarbenen, mit schwärzlichen Streifen und Flecken 
versehenen Dunenjunge werden ebenso vollständig von der Sandfarbe des 
Bodens aufgenommen, als die Eier. Der stets scheue Triel ist weit mehr 
Dämmerungs- und Nacht- als Tagvogel, wird daher auf seinen unfrucht- 
baren Flächen wenig bemerkt. Er lebt nur von Thieren, Insecten, nament- 
lich grösseren Käfern, Grillen, und Gewürm, ergreift und verschlingt jedoch 
auch wohl kleinere Wirbelthiere, verlässt uns im September und erscheint 
bei anbrechendem Frühlinge, etwa Anfangs April wieder. Seine Reisen 
macht er nur des Nachts. 


Regenpfeifer, Charadrius. 


Kleine und sehr kleine Sumpfvögel; Schnabel kürzer als der dicke 
hochstirnige Kopf, Spitze hart und kolbig, Mundspalte ragt kaum über 
die First hinaus; Flügel mittellang, schmal, spitz, erste Handschwinge die 
längste; Beine mittelhoch; Zehen kurz, breitsohlig, die äussere Vorderzehe 
mit der mittleren durch eine kurze Spannhaut verbunden, Hinterzehe fehlt, 


Der Goldregenpfeifer. 471 


selten abortiv vorhanden; Schwanz kaum mittellang, 12federig. Männchen 
und Weibchen ziemlich gleich, durch die Frühlingsmauser, in der das 
kleine Gefieder gewechselt wird, entstehen zuweilen auffallende Zeichnungen; 
das Winterkleid stets dem Jugendkleide ähnlich. — Die Regenpfeifer be- 
wohnen als sehr unruhige muntere Vögel alle Theile der Erde und manche 
Arten haben eine sehr weite Verbreitung. Ihren Aufenthalt nehmen sie 
auf offenen entweder kurzbenarbten oder gänzlich pflanzenlosen Flächen, 
besonders ausgedehnten ruhigen Ebenen. Einige lieben mehr trockene 
Oertlichkeiten, andere finden sich vorzugsweise in der Nähe der Gewässer, 
ja sogar Gebirgshöhen sind von ihnen bewohnt. Nicht blos der Wald, 
sondern auch das Gebüsch, sogar hoher Krautwuchs sind ihnen zuwider. 
Sie wollen stets einen Boden, auf dem sie ungehindert umherlaufen können. 
Dies geschieht unter unbeweglicher wagerechter Körperhaltung und sehr 
schneller Bewegung ihrer Füsse, und zwar, wenn sie sich verfolgt sehen, 
in der Regel absatzweise, indem sie eine Strecke rennen, einen Augenblick 
ruhig stehen, um nach dem gefürchteten Gegenstande zu spähen, und 
wenn sich dieser nähert, wiederum eine Strecke rennen, wieder Halt 
machen u. s. w., so dass sie stets ausser Schussweite bleiben. Doch andere 
betrachten hoch aufgerichtet, ohne sich besonders fortzubewegen den Feind, 
bis sie sich plötzlich zur Flucht durch Fliegen entfernen. Ihr Flug ist 
gleichfalls leicht. Sie nähren sich ausschliesslich von kleinen Thieren, die 
sie am Boden finden. Sie nisten in einer sehr flachen Bodenvertiefung 
und legen vier birnförmige, gelbbräunlich grundirte und mit meist rund- 
lichen Flecken und Punkten besetzte Eier, welche im Neste mit ihren 
Spitzen zusammenstossend eine Kreuzform bilden. Aus ihrer kälteren 
Heimath wandern sie in grossen Flügen vor Einbruch des Winters zum 
Süden und pflegen dann unsere Haiden und Brachfelder („Brachvögel”) 
vorübergehend» zu bevölkern. Sie fliegen so gedrängt, dass ein Schuss in 
eine Gesellschaft stets von Erfolg ist. Am lebhaftesten zeigen sie sich 
des Abends und Morgens, sogar in der Dämmerung sind sie munter. 
Ihren meist helltönenden Ruf lassen sie häufig hören. Unsere Gegenden 
bewohnen oder besuchen im Ganzen sechs Arten, für welche man vier 
Untergattungen aufgestellt hat. Für uns ist die Beibehaltung der einzigen 
Gattung völlig ausreichend, auch werden wir nur eine Art, die einen allge- 
mein bekannten Jagdgegenstand bildet, etwas ausführlicher behandeln. 


. Der Goldregenpfeifer, 


Charadrius auratus L. 
Turteltaubengrösse; Oberseite schwärzlich mit zahlreichen gelbgrünen 
oder goldgelben Fleckchen bedeckt, Schwanz gebändert; Unterseite weiss- 
lich, im Frühlinge kohlschwarz; Unterflügeldecken weiss; Beine und 


472 Sumpfläufer. 


Schnabel schwarz. — Dieser wohl den meisten Jägern sehr bekannte 
Vogel („Tüte, Brachvogel”) bewohnt den hohen Norden Europa’s und 
Asiens, namentlich die weit ausgedehnten, seiner Rückenfarbe entsprechen- 
den Tundern bis zum Eismeere, sowie die Haiden und Moore der scan- 
dinavischen Alpengegenden; jedoch beginnt seine Brutzone südlich bereits 
im nördlichen Deutschland dort, wo sich kurzbewachsene Haideflächen 
weithin dehnen. Im Anfang der vierziger Jahre‘war er im Münsterlande 
durchaus keine Seltenheit. Alljährlich konnte man seine Eier zwischen 
den zu Markt gebrachten Kiebitzeiern finden, von denen sie sich durch 
stärkere Grösse, röthlichere Grundirung (olivenbraun), stärkere Fleckung 
und rauhere Schale unterscheiden. Mit Interesse erinnere ich mich noch 
der unter Führung meines Freundes Bolsmann in den Pfingstferien von 
Greven aus (3 Stunden von Münster) unternommenen Besuche der Kroner 
Haide, von wo es uns möglich war, Vögel und Eier als Siegesbeute heim 
zu tragen. Weiter nach Norden hin, in den oldenburgischen und hanno- 
verschen Niederungen, im Holsteinschen, Jütland, mehrten sich die Brut- 
vögel. Wie zahlreich sie jetzt noch dort vorkommen, ist mir unbekannt. 
Vielleicht leiden sie in den erstgenannten Ländern durch den Fang der 
Hirten für die zoologischen Gärten, wie z. B. die Kampfläufer, schwarz- 
schwänzigen Uferschnepfen u. a. durch Wegfangen der Alten beim Neste 
stellenweise fast ausgerottet sind. Von 1843 etwa an wurden die „Tüten- 
eier” auf dem Markte zu Münster seltener, und gar bald bildeten sie 
unter den Sammlern einen gesuchten Artikel. Auch andere Vögel, die 
ich bei den Wildhändlern fast alljährlich gefunden, schwanden mehr und 
mehr. Dahin gehörten namentlich manche Entenarten, sowie Mornell- 
regenpfeifer, grosser rothschenkeliger und hellfarbener Uferläufer, mittlerer 
Säger und Taucher. In der Umgegend von Bevergern hielten sich diese 
Brut- oder Wandervögel noch am längsten. Jedem Jäger waren die 
Schaaren von Goldregenpfeifern bekannt, die namentlich im Frühlinge 
unsere Haiden auf ihrem Zuge nach Norden besuchten. Die Haiden wurden 
getheilt und eultivirt und die Regenpfeifer verschwanden auf denselben. 
Nur sehr vereinzelt mögen sich noch bis über die Mitte der fünfziger 
Jahre Pärchen dort häuslich niedergelassen haben. So ward mir noch 
1859 ein nicht 8 Tage altes moosgrüngelbes Dunenjunges gebracht, meines 
Wissens der letzte Beweis eines dortigen Brütens. Der Durchzug findet 
daselbst auch jetzt noch statt. Die Tüten pflegen nach Mitte März zu 
erscheinen, doch habe ich sie auch schon vom 20. bis 26. Februar, sowie 
noch bis zum 24. Mai angetroffen. Allein jene grossen, oft nach Hun- 
derten zählenden Schwärme erscheinen nicht mehr und statt der früher 
ausgedehnten Haiden wählen sie die noch kurzbegraseten Wiesenflächen, 
namentlich dort, wo auf den flachen Umgebungen der Bäche und Flüsse 


Der Mornellregenpfeifer. 473 


sich das Winterwasser verlaufen hat. Der Goldregenpfeifer ist eben kein 
Vogel eines nassen sumpfigen Terrains, wenn er auch gegen Abend gern 
zum Baden ein Wasser besucht, weit lieber sind ihm hochgelegene trockene 
Stellen. Auf Borkum sah ich ihn im Herbste, Anfang bis Mitte September, 
zahlreich, aber auch nur als Besucher der geschnittenen oder vom Weide- 
vieh kurz gehaltenen Wiesenflächen und des vom Vieh arg zertretenen 
und von kleinen Pfützen vielfach unterbrochenen Grünlandes. Auf diesem 
lief er in kleinen Gesellschaften auf den aus dem Schlamm und Wasser 
hervorragenden Flächen umher. Im Binnenlande sieht man ihn im Herbste 
weit weniger als im Frühlinge, und dann stellt er sich nach meinen 
Notizen im Münsterlande auffallend spät ein, vom 1, bis 25. October. 
Anders war es, als er vor einigen Decennien dort an hohen trocknen 
Stellen der grossen Haiden noch brütetee Er zog damals nur bei anhal- 
tendem Froste fort und stellte sich sofort bei, eingetretenem Thauwetter 
wieder ein. Bei einem solchen Umherschweifen bildet er staarartig dichte 
Schwärme, während die sich zu kleineren Gesellschaften gruppirenden In- 
dividuen derselben für die eigentliche Reise die Form der schrägen Linie, 
auch wohl die des Keiles, wie die Kraniche, annehmen. Sie erreichen 
dann als Winterasyl nicht blos das südliche Europa, sondern auch Nord- 
afrika und Kleinasien. An ihren Brutorten verrathen sie sich sofort durch 
ihr auffallendes „Klüih” und man braucht nicht lange vergebens zu spähen, 
denn hoch aufgerichtet auf irgend einem kleinen Erdhügelchen präsentirt 
sich sehr bald auf der baumlosen Fläche der Rufer. Auch im Fluge lassen 
sie ihre Stimme fleissig hören, und durch ihren Geselligkeitstrieb sich 
dann durch nachgeahmtes Pfeifen sehr leicht anlocken. Sonst sind sie 
scheu; den am Boden sitzenden muss man sich in Spirale oder in schein- 
barem Vorübergehen nähern, ohne einen Augenblick stille zu stehen. Reckt 
der eine oder der andere nach Art der Kiebitze die Flügel hoch empor, 
so erfolgt unmittelbar darauf die Flucht. Sie nähren sich fast ausschliess- 
lich von kleinen niederen Thieren, Inseeten, Larven, namentlich Regen- 
würmern, doch sollen sie auch die Beeren der Vaccinien u. a., sowie ein- 
zeln Sämereien fressen. Im hohen Norden bedingt die ungeheure Masse 
von Mückenlarven ihre zahlreiche Existenz. 


2. Der Mornellregenpfeifer. 
Chlaradrius morinellus L. 


Drosselgrösse; Oberseite mausegrau mit scharfen, feinen, hellrostigen 
Federrändern; im Sommer über dem Auge ein kreideweisser, von beiden 
Seiten in der Nackengegend sich fast vereinigender Strich; an der Ober- 
brust ein ähnliches Querbändehen; Bauch mit gelbrostfarbenem in der 
Mitte fast schwarzem Schilde; in der Jugend und im Winter fehlt letzterer, 


474 Sumpfläufer. 


und die beiden weissen Zeichnungen erscheinen sehr verloschen; Schwanz 
ungebändert; Beine grüngelblich. — Der Mornellregenpfeifer („Steintüte”) 
bewohnt die öden Haideflächen und Plateaux der scandinavischen Alpen, 
überhaupt des Nordens. Für Deutschland sind als Brutplätze die Höhen 
der Sudeten und des Riesengebirges bekannt (etwa 1500 bis 1600 Meter 
Meereshöhe); jedoch ist er hier seit etwa einem Decennium recht selten 
geworden. Die Haiden des Münsterlandes besuchte er früher auf seinem 
Durchzuge häufig. Er erschien dort in kleinen Gesellschaften im April 
und im Herbst vom ersten Drittel des August bis Ende September auf 
den trocknen Haiden und hoch gelegenen Grasplätzen. Durch Beackerung 
und Bepflanzung ist er längst von dort vertrieben. Bei der vorhergehenden 
Art habe ich schon bemerkt, dass ich ihn bis 1843 in Münster wiederholt 
auf dem Markte gekauft habe. Seitdem kam mir nur 1863 ein Exem- 
plar zu Händen. Doch 1864 traf ich in der ersten Hälfte September 
drei und vier Stück auf vom Krautwuchs nur spärlich überzogenen Stellen 
der Insel Borkum an, worunter noch ein altes Männchen im Sommerkleide. 
Ich kenne keinen Sumpfvogel, der so wenig scheu ist als der Mornellregen- 
pfeifer. Seine Eier sind ähnlich denen des Goldregenpfeifers, jedoch selbst- 
redend weit kleiner, etwa so gross als Sperbereier, und ungemein stark 
gefleckt. 

Von der Gruppe der „Halsbandregenpfeifer” (Aegialites), sehr 
kleiner, oben einfarbig bräunlichgrau (in der Jugend schwach hell gekantet), 
unter schneeweiss mit kohlschwarzem breiten Halsbande, bez. zwei solcher 
Brustflecken (in der Jugend grau) gezeichneten Arten beherbergt unsere 
Gegend drei. Sie bewohnen freie Sand- oder Kiesflächen in der Nähe 
von reinen, klaren Gewässern, das sandige Meeresufer, von den Flüssen 
abgesetzte Sand- und Kiesbänke, für eine Art genügt zuweilen schon eine 
Sandgrube mit Wasser. Ihr Nest, eine sehr flache Vertiefung im Sande 
oder Kiese, enthält sandgelbe mit feinen tiefschwarzen Punkten oder Krit- 
zeln, meist sehr dicht besetzte Eier. Es sind: 


3. Der Sandregenpfeifer. 


Charadrius hiatieula L. 


Rothdrosselgrösse; Schnabelspitze schwarz, Basis wie die Beine gelb. 
Er bewohnt unseren Norden durch Sibirien bis nach Grönland. Auf un- 
seren Nordseeinseln ist er häufiger Brutvogel. Im Münster habe ich ihn 
wiederholt, doch nicht oft, bei den Wildhändlern angetroffen, mehr im 
Frühlinge (Mitte April) als im Herbst (October), und am 17. April 1868 
sogar ein Gelege aus Bevergern erhalten. 


Der Flussregenpfeifer. — Der Kiebitzregenpfeifer. 475 


4. Der Flussregenpfeifer. 
Charadrius fluviatilis Bechst. 
Goldammergrösse; Schnabel schwarz; Beine gelblich. — Diese kleinste 
Art („minor” Meyer) ist über den grössten Theil Europa’s verbreitet, 
lebt jedoch nur an süssen Gewässern, namentlich an Flüssen und zwar 
dort, wo sie grössere Kies- und Sandbänke abgesetzt haben. Er ist es, 
der sich sogar auch an wasserhaltenden Sandgruben aufhält. An passenden 
Stellen kommt er bei uns überall vor, an einzelnen häufig. In seinen 
Bewegungen ähnelt er in einiger Entfernung einer weissen Bachstelze, 
Mitte, selten Anfang April stellt er sich bei uns ein. Seine Eier sind 
sehr fein und dicht punktirt und auf dem feinkiesigen Boden äusserst 
schwer zu entdecken. 


5. Der Seeregenpfeifer. 
Charadrius eantianus Lath. 

Haubenlerchengrösse; Schnabel und Beine schwarz; Stirn weiss 
(„albifrons* M. et W.); das Schwarz der Brust kein Querband, sondern 
nur zwei seitliche Flecken. Er erstreckt sich nicht hoch nach Norden, 
aber weit nach Süden, ist an unserer Nord-, auch Ostsee ein häufiger 
Brutvogel, der als solcher auch noch die Balearen, Griechenland, überhaupt 
das ganze Mittelmeergebiet, und das rothe Meer bewohnt und im Winter 
sogar auf Borneo, an den indischen, chinesischen und japanesischen Küsten 
angetroffen wird. Er ist nur Meeresvogel. Auf unseren Nordseeinseln 
belebt er die öden sandigen Küsten an der Wasserlinie fortwährend. Die 
Zeichnung seiner trübsandfarbigen Eier besteht aus schwarzen, zahlreichen 
derben kritzeligen Flecken. 

Eine letzte Regenpfeiferform, welche sich nicht bloss durch robusteren 
Bau, sondern auch durch eine sehr kleine Hinterzehe auszeichnet, ist für 
unsere Gegend repräsentirt durch eine Art: 


6. Der Kiebitzregenpfeifer. 
Charadrius squatarola Bechst. 

.Kiebitzgrösse; dem Goldregenpfeifer in Zeichnung ähnlich, jedoch in 
der Farbe statt grün und gelb, weiss und weisslich; Unterflügeldeckfedern 
schwarz. Er bewohnt eircumpolar den hohen Norden zwischen dem 64 
und 74° n. Br. Auf seinen Wanderungen besucht auch er die entlegensten 
Länder. Im Herbst wie im Frühlinge ist er auf unseren Nordseeinseln 
nicht selten, aber äusserst scheu. Einmal ist diese Art in der Nähe von 
Münster erlegt. Das Grünland und die Wiesen verabscheut er, im Uebrigen 
ähnelt er in jeder Hinsicht dem Goldregenpfeifer. Auch seine sehr stark 


476 Sumpfläufer. 


gefleckten und grösseren Eier stimmen im Wesentlichen mit denen dieser 
Art überein. 


Kiebitz, Vanellus. 


Kleine Sumpfvögel; Schnabel schlank, wenig kürzer als der sehr 
hochstirnige dicke Kopf, Spitze hart, schwachkolbig aufgetrieben; Flügel 
mittellang, sehr breit, stumpf, zweite bis fünfte Handschwinge am längsten; 
Beine mittelhoch; Lauf vorn mit ungetheilten queren Tafeln besetzt, an 
der Ferse und auf der Rückseite genetzt; vier Zehen, Hinterzehe sehr 
kurz und hoch gestellt, die innere Vorderzehe durch eine schwache, die 
äussere durch eine grössere Spannhaut ‚mit der mittleren verbunden; 
Schwanz gerade. Das Gefieder gross und breit, auf dem Hinterkopfe 
ein gegen die Spitze aufwärts gekrümmter Schopf schmaler, von der 
obersten nach unten an Länge abnehmender Federn. — Abgesehen von 
den am Handgelenke mit einem starken Sporn versehenen und darnach 
benannten Spornkiebitzen (Hoplopterus) und anderen verwandten Formen 
giebt es nur wenige Arten. Sie bewohnen wasserreiche oder doch feuchte, 
mit kurzem Krautwuchse überzogene Flächen, besonders die niedrigen 
Umgebungen der Gewässer, auch Viehweiden, leben daselbst unruhig und 
gesellig, nisten am Boden in einer schwachen Vertiefung und wandern 
aus den kälteren Gegenden beim Beginne des Winters nach wärmeren 
Klimaten. Ausser dem südöstlichen Heerdenkiebitz, Vanellus grega- 
rius Pall., bewohnt Europa nur eine, in Deutschland überall bekannte Art, 


Der gemeine Kiebitz. 
Vanellus ceristatus M. et W. 

Hohltaubengrösse, der Körper jedoch schmächtiger; Oberseite dunkel 
metallisch grün, an der Schulter ein violett purpurfarbener Fleck; die 
sehr stumpfen und breiten Flügel wie der Schwanz schwarz, vor den 
Spitzen der drei ersten Handschwingen ein trübweisslicher Fleck, die 
Basishälfte des Schwanzes, sowie die äusserste Steuerfeder kreideweiss, 
über der Schwanzwurzel eine rostfarbige Querbinde; Unterseite weiss, 
Vorderhals und Kropfgegend im Sommerkleid der Alten tiefschwarz, sonst 
nur auf dem Kopfe ein schwarzes Querband; Beine tiefröthlich. — Unser 
Kiebitz hat als Brutvogel eine sehr weite Verbreitung. In Grönland und 
Lappland brütet er freilich nicht mehr und ist daselbst nur als Gast 
bekannt, vom nördlichen Russland, sowie vom mittleren Skandinavien 
an findet er sich dagegen bis nach Südsibirien und Japan, Algier und 
Nubien, sogar in den Gebirgsmooren der Karpathen in einer Meereshöhe 
von 2000 Meter als Brutvogel. In unseren Gegenden wohnt er wohl 


5 
Der gemeine Kiebitz. 477 


nirgends so zahlreich als in den Niederungen und Marschländern in der 
Nähe der Nord- und Ostsee, zumal dort, wo weithin ausgedehnte Vieh- 
weiden von Wassergräben durchschnitten ihm die zusagendste Heimath 
gewähren. Er liebt überhaupt das Grünland, niedrig gehaltene, feuchte 
Grasflächen, die flachen Umgebungen der Gewässer u. ähnl. mehr als die 
mit Haidekraut bedeckten Haiden. Jedoch ist er auch auf letzteren nicht 
selten, zumal wenn sie in den Bodensenkungen Wasser mit grünen Rändern 
enthalten. Wird Holz in denselben gezogen, so ist der Kiebitz alsbald 
verschwunden, werden sie in Ackerflächen umgewandelt, so halten sich 
einige Paare noch wohl ein oder anderes Jahr, namentlich so lange der 
neu eultivirte Haideboden noch eine grosse Dürftigkeit zeigt, und zwar 
an den sterilsten Stellen. Allein gar bald suchen sich auch diese eine 
neue Heimath. Im allerersten Frühlinge, bei milder Witterung schon 
gegen Ende Februar, in der Regel kurz nach Mitte März stellen sich die 
Kiebitze bei uns ein. Man trifft sie dann stets in Gesellschaften auf den 
Grasflächen an, welche eine offene Wasserstelle umgeben, oder dort, wo 
das Winterwasser zurückgetreten ist. Mit ihnen zusammen pflegen dann 
einzelne Krähen sowie Schaaren von gleichfalls heimgekehrten Staaren, 
auch Goldregenpfeifer dort umherzulaufen und auf dem nahen Wasser 
Märzenten zu schnattern. Stehen Erlen und Weiden in der Nähe, so hat 
auch wohl ein lüsterner Wanderfalk hier Posto gefasst. Allmählich be- 
geben sie sich nach ihren Brutstellen, während noch fortwährend solche 
Individuen, welche ihre Heimath weiter nordwärts haben, unsere Gegend 
passiren. Selten sieht man ein vereinzeltes Exemplar umherirren und 
dann wohl zu einer ganz ungewöhnlichen Zeit, etwa mitten im Januar; 
jedoch ist es eben keine Seltenheit, dass in weichen Wintern Kiebitze bei 
uns bleiben. Während jene nordischen noch ziehen, brüten bereits die 
hiesigen. Schon am 30. März wurde eine Menge Kiebitzeier in Münster 
feil geboten, am 8. April fand ich schon sehr stark bebrütete. Am Brut- 
orte verrathen sie sich schon aus weiter Ferne Auch wenn sich nur 
wenige Paare dort angesiedelt haben, ist doch beinahe ohne Unterbrechung 
der eine oder andere auf den Flügeln. Die Gestalt und gebogene Haltung 
der Flügel, der bald matte, bald eigenthümlich kurze Flügelschlag, das 
Schwenken, zackige Aufsteigen, Herabwerfen, Neigen auf die eine und 
andere Seite, wobei sich dann die grell abstechende schwarzweisse Zeich- 
nung des Vogels geltend macht, sind so charakteristisch, dass man keinen 
Augenblick über die Art im Zweifel sein kann. Nähert man sich, so wird 
man sofort schreiend empfangen. Ein lautes „Kihwit”, „Huhitt”, unter 
dem der nächste gegen den Störenfried anfliegt, ist die Allarmtrompete, 
auf deren Signal Alles aus nah und fern zur gemeinsamen Abwehr sich 
sammelt, und man sieht sich plötzlich von allen Insassen der näheren 


478 Sumpfläufer. 


Umgebung umschwärmt. Jedoch ziehen die entfernter Wohnenden bald 
wieder ab, und auch die anderen lassen rasch von ihrem Eifer. Haben 
sie aber bereits Junge, so zeigen sie sich weit kühner. Unter lautem 
Schreien schiessen sie in schnellen und gewandten Wendungen bis nahe 
auf den Feind herab, steigen mit der durch die Fallkraft erlangten Ge- 
schwindigkeit wieder auf und greifen von Neuem an. Jedes Raubthier 
und jeder Raubvogel, zu denen auch für sie die Raben und Krähenarten 
zählen, suchen sie durch kühnes und gemeinsames Anstürmen und Schreien 
zu vertreiben. Jedoch zeigen sie vor dem Wanderfalken und Hühner- 
habicht eine höchst respectvolle Haltung. Fällt einer durch einen Schuss 
oder wird einer vom Raubthiere ergriffen, so ist sofort Muth und Geschrei 
dahin, es heisst dann: Sawve qui peut. Der Neststand wird mehr durch 
das in Nähe desselben im kühnen Balzfluge umhergaukelnde Männchen, 
als durch das brütende Weibchen angezeigt. Denn letzteres rennt bei 
Annäherung eines Feindes gebückt vom Neste und erhebt sich erst in 
erheblicher Entfernung fliegend. So sehr wie die Kiebitze den kurzen 
grünen Rasen lieben, so selten steht das Nest im Grünen. Die Umge- 
bung desselben ist fast stets grau. Ragen einzelne mit Haidekraut be- 
wachsene Hügelchen und grössere Stellen aus begrastem Terrain hervor, 
so wird man das Nest nur auf ersteren finden, Hohes dichtes Kraut, 
diehtes Seggengras oder gar Schilf ist den Kiebitzen zuwider. Sie wollen 
unter allen Umständen ein Terrain, auf dem sie ungehindert umherlaufen 
und frei nach allen Seiten umhersehen können. Sie wohnen sogar gern 
auf brach liegenden und ausserdem noch vom Vieh abgeweideten Frucht- 
stücken. Im Uebrigen muss ihr Aufenthaltsort möglichst ruhig und einsam 
liegen. Sind die Jungen vollkommen erwachsen, so schwärmen Alle in 
der Umgegend umher und schon Ende August schicken sie sich zur Reise 
an. Doch wird es mit dem definitiven Verlassen der Gegend vor Mitte 
und Ende September selten Ernst. Häufig sieht man noch am Schlusse 
October Gesellschaften wandern. Das ist aber unter normalen Witterungs- 
verhältnissen für unsere Gegend auch der letzte Termin. Sie ziehen zu- 
meist bei Tage. Sie leben ausschliesslich von niederen Thieren, nament- 
lich Regenwürmern, Insecten und deren Larven, kleinen Crustaceen und 
Schneeken. Durch massenweise Vertilgung der letzteren werden sie stellen- 
weise sehr nützlich. Da sie ausserdem die betreffenden Gegenden auf 
eine ausserordentlich angenehme Weise beleben, so kann man nur den 
Wunsch hegen, dass dem übermässig betriebenen Sammeln ihrer Eier eine 
Schranke gesetzt werden möge. 


Steinwälzer, Strepsilas. 


Gestalt gedrungen, regenpfeiferähnlich; Schnabel etwas kürzer als der 


Der Halsband-Steinwälzer. — Austernfischer. 479 


Kopf, First vorn nicht kuppig aufgetrieben, sondern allmählich verschmä- 
lert; Kopf rundlich, doch weniger hochstirnig als bei den Regenpfeifern ; 
Beine unter mittellang, stämmig; vier Zehen, die vorderen fast frei, 
die hintere höher eingelenkt und kaum den Boden berührend; Flügel 
spitz, die erste Handschwinge die längste; Schwanz abgerundet. — Man 
kennt nur eine in allen Zonen der Erde am Meere oder in dessen Nähe 
lebende Art. 


Der Halsband-Steinwälzer. 
Strepsilas interpres L. 

Singdrosselgrösse; Kehle, Unterleib, Hinterrücken, Schwanzwurzel und 
eine Flügelquerbinde weiss; Bürzel, Kropf und der Schwanz vor der Spitze 
schwarz. Im Sommerkleid sehr bunt gescheckt, in grossen Partieen schwarz 
und weiss mit nussrothbraunem Mantel; Beine gelbroth, Schnabel schwarz. 
In der Jugend und im Winter weiss und grau in ähnlicher Vertheilung. 
Die Verbreitung dieses Vogel erstreckt sich eircumpolar vom hohen Norden 
bis zum Cap und Chili. Sogar in Australien ist er gefunden. An unseren 
Seeküsten, woselbst er im Ganzen den Strandläufern sowohl als den Regen- 
pfeifern ähnelte, habe ich ihn häufig beobachten können; im Binnenlande 
erscheint er selten. Aus dem Münsterlande ist mir nur ein einziger Fall 
seines Vorkommens (an einer Wassergrube) bekannt. Seinen Namen hat 
er erhalten durch das Umwenden der Steine nach kleinen niederen Thieren. 
Seine ausgeprägt kreiselförmigen Eier tragen auf frisch olivengrünem 
Grunde eine Menge dunkler Flecken in gleichem Tone, die stets eine 
deutliche Spiraldrehung nach links zeigen. 


Austernfischer, Haematopus. 


Mittelgrosse, sehr kräftige Sumpfvögel von gedrungener Gestalt und 
derbem, knapp anliegendem, schwarzem oder schwarzweissem Gefieder; 
Schnabel doppelt so lang als der hochstirnige Kopf, stark zusammenge- 
drückt, gegen die meisselförmig abgestutzte Spitze fast zweischneidig; 
Flügel mittellang, spitz, die erste Handschwinge die längste; Beine mittel- 
lang, stämmig, der Lauf genetzt; Zehen kurz, breitsohlig, durch einen seit- 
lichen Hautsaum verbreitert, die äussere mit der inneren durch eine Spann- 
haut an der Basis verbunden, Hinterzehe fehlt. Die wenigen Arten sind aus- 
geprägte Seevögel, welche meist am kahlen Strande nach Nahrung umher- 
laufen, die aus kleinen Mollusken, Crustaceen, Würmern und anderen niederen 
Thieren besteht, wonach sie oft Steine und Muschelschalen umwenden. 
Sie laufen behende, fliegen unter sehr raschen Flügelschlägen, brüten in 
der Nähe des Strandes, legen 3 sandbräunliche mit intensiv dunkelbraunen 


480 Sumpfläufer. 


mittelgrossen Flecken besetzte, ellipsoidische Eier, schaaren sich im Herbst 
in den kälteren Gegenden in grosser Menge, um einem wärmeren Klima 
zuzuwandern. Selten und nur als Verirrte dringen sie ins Festland. Wir 
besitzen in unseren Gegenden nur eine Art. 


Der europäische Austernfischer, 
Haematopus ostralegus L. 

Von Ringeltaubengrösse; Körper gedrungen, sehr muskulös, Rumpf 
fast rund; tiefschwarz, nur Hinterrücken, Unterleib, Schwanzbasis und 
die Spitzen der grösseren Flügeldeckfedern weiss; Schnabel gesättigt orange- 
roth; Iris kirschroth, um das Auge ein nacktes, gelbes Rändehen, Füsse 
bleichearminroth. In der Jugend alle Farben matter; Winterkleid mit 
einem weisslichen Halsband. — Dieser Seevogel erstreckt sich von den 
Küsten des Eismeeres der östlichen Halbkugel bis nach denen von Japan 
und dem Amurlande. An unseren Nordseeküsten ist er gemein und wegen 
seiner ansehnlichen Grösse, seiner auffallenden Farben („Meerelster”’), seiner 
scharfen Stimme der dominirende Strandvogel. Auch die Masse, in der 
er sich im Spätherbst dort zusammenfindet, weithin die Bänke und den 
Strand bedeckt, oder gleich einer grossen Wolke einherzieht, ist wahrhaft 
imponirend. Aus weiter Ferne ist eine solche Wolke stets an ihrer Durch- 
sichtigkeit von den Schwärmen der Strand- und Uferläufer zu unterscheiden. 
Sie erscheint körnelig, während diese eine gleichartige Masse zu bilden 
scheinen. Auf dem Boden laufend oder stehend ist seine Figur unschön; 
die Ständer stehen ganz gerade, der Hals wird sehr stark eingezogen, 
der Schnabel senkt sich etwas zum Boden. Dazu kommt ein, oft gleich- 
sam Unschlüssigkeit verrathendes Hin- und Hertrippeln und seine glanz- 
lose tiefschwarze Farbe. Fliegend erscheint er plötzlich durch Entfaltung 
der vorhin fast ganz verborgenen Flügelbinde mehr weiss als schwarz, 
streckt die Flügel gerade von sich, so dass er ein Kreuz bildet und schlägt 
sie sehr hastig auf und nieder. So nähert er sich einem verdächtigen 
Gegenstande, umkreist ihn in respectvoller Entfernung und ruft sein 
scharfes „Kipp — Kipp”, womit er ihn schon vor dem Auffliegen begrüsste. 
Die Pausen zwischen diesem „Kipp” (in der Nähe gehört „He u ihpp”) 
verringern sich, je näher er dem Gegenstande rückt, bis sich sein War- 
nungsruf zu einem „Kipp kipp kipp kipp.....” ohne Pausen steigert. Er 
nährt sich von Sandwürmern, Crustaceen, Mollusken. Seine drei, schön 
eiförmigen gestreckten Eier tragen auf sandbräunlichem Grunde nicht grosse, 
intensiv braune, weitständige, gleichmässig vertheilte Flecken. Für den 
Bewohner des Binnenlandes ist er ein ziemlich gleichgültiger Vogel, da 
er sich hier nur selten sehen lässt. In der Nähe von Münster kamen 
meines Wissens dreimal, zuletzt 1362 und 1865 im September zwei und 


Schnepfenartige Vögel. 481 


drei Austernfischer vor. Der Forstmann wird schwerlich mit ihm in Be- 
rührung kommen, da er nichts mehr hasst als den Wald. Die gänzlich 
flachen Ufer, die nur sehr dürftig benarbten Stellen, ja der völlig kahle 
Sand, auf dem sein Tisch bei der Ebbe reichlich gedeckt ist, bilden seine 
bevorzugten Aufenthaltsplätze. 

Als noch zu der Familie der Charadrinen gehörig seien schliesslich 
auch die Brach- oder Steppenschwalben (Glareola) erwähnt: drossel- 
grosse Sumpfvögel mit kurzem, an der Basis breitem, gegen die Spitze 
nicht kolbig aufgetriebenem, sondern nur auf der First schwachbogig herab- 
gekrümmtem Schnabel; schwächlichen, kaum mittellangen Beinen, kurzen 
Vorderzehen, deren äussere mit der mittleren durch eine Spannhaut ver- 
bunden ist, und schwächlicher hoch eingelenkter Hinterzehe; langen 
spitzen Flügeln, deren erste Handschwinge die längste, doch nicht viel 
länger ist, als die drei folgenden; einem l4federigen, tief gabelförmigen 
Schwanz, der ihnen nebst den spitzen Flügeln und kurzen Armknochen 
im Habitus einige Schwalbenähnlichkeit verleiht. Sie leben regenpfeifer- 
artig auf offenen Haideflächen und Steppen, ergreifen laufend wie fliegend 
grössere Insecten, erinnern durch ihre Bewegungen am Boden sowie durch 
ihre Farben an die Steinschmätzer, fliegend an die Immenvögel, reprä- 
sentiren überhaupt eine eigenthümliche, singuläre Vogelform. Ihr Nest 
steht am Boden; die gedrungenen, an beiden Seiten gleichmässig gerun- 
deten Eier, olivengrau grundirt mit sehr zahlreichen und starken Flecken 
und Schalenflecken besetzt, erscheinen ebenso fremdartig zwischen den 
übrigen Arten. — Die eine Spezies aus Ungarn und anderen südöstlichen 
Ländern, die Halsband-Steppenschwalbe, Glareola torguata Briss., 
pratincola L, von Singdrosselgrösse, oben rostgelblichgrau, Kehle röth- 
lichgelb mit einer schwarzen bandförmigen Einfassung, Unterflügeldeck- 
federn rothbraun, oder bei einer Abänderung schwarz (melanoptera Nord.), 
verfliegt sich als Seltenheit wohl mal nach Deutschland. Im Herbst 1841 
oder 1542 wurde bei Münster ein solcher Vogel auf einer Haide erlegt. 
Aehnliche Fälle sind mehre bekannt. 


5. Familie. Schnepfenartige Vögel, Scolopacidae. 


Meist kleine und zierlich gebaute Sumpfvögel; Schnabel meist, oft 
sehr auffallend lang, schlank, schwach, theilweise weich, stets an der 
Wurzel weichhäutig und vor den schmalen ritzenförmigen, innerhalb des 
Wurzelwinkels der Mundspalte liegenden Nasenlöchern linear ausgezogen; 
Stirn vom Schnabel nicht scharf abgesetzt, sondern dort abgeflacht und 
verschmälert; Flügel bis zum Schwanzende und darüber reichend, erste 
Handschwinge ein sehr kleines abortives Federchen, die folgende die 

Altum. Die Vögel. öl 


482 Sumpfläufer. 


längste; Schwanz kurz; Zehen mittellang, die (selten fehlende) Hinterzehe 
klein, höher gestellt. — Die Bezeichnung „schnepfenartige Vögel” ist 
wenig passend gewählt, weil gerade die Schnepfen sowohl in Gestalt des 
Körpers als in Bildung einzelner Theile, sowie in ihrer Lebensweise sich 
vom Gesammthabitus der zahlreichen anderen Arten nicht unerheblich 
unterscheiden. Die Uferläufer drücken weit reiner den Typus der ganzen 
Gruppe aus. Alle fliegen gewandt und schnell und ohne einen vorher- 
gehenden Anlauf oder ohne Flügelrecken plötzlich auf. Sie leben auf offenen 
Flächen, sehr selten im Walde, und rennen nie durch dichten Krautwuchs 
oder verbergen sich in demselben. Wir treffen sie am Meeresstrande, 
an offenen Fluss- und Seeufern, auf Mooren und sumpfigen oder feuchten 
Haidestellen, auf dem Grünland der Inseln, in feuchten Niederungen an. Mehr 
als irgend eine andere verwandte Familie haben sie durch ihr Leben an 
solchen Stellen das Recht als „Sumpfläufer” bezeichnet zu werden. Sie 
brüten am Boden in einer schwachen, ärmlich ausgelegten Vertiefung und 
legen vier ausgeprägt kreiselförmige, dünnschalige, olivengelblich oder grün- 
lich grundirte und in demselben Tone dunkel gefleckte Eier, welche Zeich- 
nung bei den meisten eine spiralige Drehung nach links zeigt. Manche 
sind vorwiegend Nachtvögel, andere auch am Tage munter. Sie verlassen 
in den gemässigten und kälteren Gegenden ihre Heimath vor Eintritt des 
Winters und ziehen zumeist des Nachts, einige einzeln, die meisten in 
Schaaren. Sie bewohnen die ganze Erde. 


Schnepfe, Scolopax. 


Gestalt gedrungen; Kopf seitlich zusammengedrückt; Stirn lang und 
hoch; Schnabel zwei- bis dreimal so lang als der Kopf, gerade, weich- 
häutig, Spitze verdickt, die des Oberschnabels nach vorn und abwärts die 
des Unterschnabels überragend, hier ein feiner Tastapparat: längliche 
Knochenzellen, welche die Enden der zur Schnabelhaut gehenden Nerven- 
fäden des fünften Paares umgeben; die federnde Stelle des Oberschnabels 
stark nach vorn gerückt, so dass die Spitze selbstständig gehoben werden 
kann; Augen gross, stark nach oben und hinten gerückt, die Ohröffnung 
unter denselben; das Hinterhauptloch fast senkrecht nach unten gerückt; 
Flügel mittellang, breit, die drei ersten ausgebildeten Handschwingen fast 
von gleicher Länge; Beine kurz, Schiene tief herab befiedert; Zehen ohne 
Bindehäute, die mittlere auffallend lang, die hintere kurz und hoch ge- 
stellt. Das bescheiden gefärbte Gefieder ist buntfleckig und ähnelt auffal- 
lend der Farbe ihres Aufenthaltsortes, so dass sie an den Boden sich drückend 
sehr schwer zu entdecken sind. Alle Kleider ähneln sich ungemein. Nach 
der Stellung des Hinterhauptloches tragen sie den Schnabel am Boden 


Waldschnepfen. 483 


wie fliegend stets stark gesenkt. Sie sind mehr in der Dämmerung, ja 
sogar des Nachts, als am Tage lebhaft, bewohnen in den nördlichen und 
gemässigten Gegenden Sümpfe, Brücher, Moore, auch Wälder und leben 
von Würmern, Inseeten, Larven, welche sie tief aus dem weichen Boden 
durch ihren Tastapparat entdeckt hervorholen. Dieses Tastorgan kann 
um so besser als Sonde in den weichen Boden eingesenkt werden, da sich 
die vorragende Spitze des Oberschnabels über die des Unterschnabels legt. 
Man trifft sie fast nur vereinzelt an, zu Gesellschaften oder gar starken 
Schwärmen vereinigen sie sich nie; sogar auf dem Zuge wandern sie ein- 
zeln. In der Paarungszeit hört man häufig ihre Stimme, und die Männ- 
chen zeigen dann oft einen auffallenden Balzflug. Ihre Eier tragen auf 
olivengrünlichem Grunde intensiv olivenbraune Flecke, doch bei denen der 
Waldbewohner ist der Ton leberbräunlich. Wir besitzen in unseren Ge- 
genden vier allbekannte Arten, von denen die eine der Gruppe der Wald- 
schnepfen, die anderen der der Sumpfschnepfen angehören. 


a. Waldschnepfen. 


Körper plump; alle Eigenthümlichkeiten der Schnepfen hier in schärfster 
Ausprägung; Schnabelspitze gerundet; Beine relativ sehr kurz; ihre Be- 
fiederung reicht vorn, nicht aber auf der Rückseite, bis zur Ferse, Schäfte 
der 12 Schwanzfedern nach innen gekrümmt; Nagel der Hinterzehe stumpf 
kegelförmig, die Zehe nicht überragend. Die Waldschnepfen bewohnen 
ausschliesslich den Wald und zwar an feuchten Stellen; ihr Colorit stimmt 
derartig mit dem des Laubbodens, dass sie auf demselben äusserst schwer 
sichtbar sind; auch das ihrer Eier ist demselben accommodirt. Es giebt 
ausser der europäischen noch zwei andere Arten. 


I. Die Waldschnepfe. 
Scolopax rusticola L. 

Stirn und Scheitel aschgrau; Oberkopf mit schwarzen und rostgelben 
Querbändern; Unterseite graugelblich mit dunkelbraunen Wellenlinien ; 
Aussenfahne der Handschwingen und Schwanzfedern mit dreieckigen bräun- 
lichen Randflecken; Schwanzspitze oben grau, unten silberweiss. Die Un- 
möglichkeit, diesen allbekannten Jagdvogel mit irgend einer anderen in- 
ländischen Art zu verwechseln, lässt eine nähere Beschreibung zwecklos 
erscheinen. Uebrigens varirt sowohl der Ton des Colorites als auch die 
Zeichnung nicht unerheblich; auch treten mannichfache Grössendifferenzen 
auf. Diese Verschiedenheiten sind theils individuell, theils in der Hei- 
math und im Alter der Vögel begründet. Ein spezifischer Werth kommt 
ihnen nicht zu. Männchen und Weibchen sind äusserlich nicht mit Sicher- 

3l* 


484 Sumpfläufer. 


heit zu unterscheiden. Alles, was man zur Unterscheidung hat aufstellen 
wollen, hat sich als schwankend und unsicher erwiesen; doch sind im 
Allgemeinen die letzteren grösser als die ersteren. Bekanntlich hat die 
Jägerei zwei Hauptformen unterschieden, nämlich die grosse Waldschnepfe 
oder der Eulenkopf und die kleine oder Steinschnepfe, Dornschnepfe, Spitz- 
kopf, Blaufuss. Da nun beide auch in ihrer Lebensweise Unterschiede 
zeigen, so lag die Annahme, dass diese beiden Formen zwei besondere 
Spezies seien, nicht fern. Hoffmann hat in seiner sehr werthvoilen 
Monographie über die Waldschnepfe*), die ich an dieser Stelle jedem ge- 
bildeten Jagdfreunde um so wärmer empfehlen kann, als Hoffmann nicht 
blos passionirter Jäger, sondern auch gründlicher Ornithologe ist, auch 
diesen Punkt sehr eingehend behandelt. Ich erlaube mir, sein Resultat 
hier zu reproduciren. „Meiner Meinung nach sind die meisten Dorn- 
schnepfen”, schreibt er S. 29., „theils solche Individuen, welche unter sehr 
hohen Breiten, im rauhen Gebirge, kurz unter Verhältnissen aufgewachsen 
sind, welche der Ernährung und Entwickelung des jungen Vogels nicht 
sehr günstig waren, theils, und zwar grösstentheils, junge, im ersten 
Lebensjahre stehende, männliche Individuen. Für die letztere 
Annahme sprechen mancherlei Indicien. Es ist hinlänglich bekannt, dass 
sehr viele, namentlich männliche Vögel erst im zweiten und dritten Jahre 
ihre vollkommene Grösse und ihr vollkommen ausgefärbtes Kleid erhalten. 
Dass die kleinen Waldschnepfen gewöhnlich ein unscheinbares, düsteres 
Gefieder tragen, spricht also offenbar für ihre Jugend; ebenso auch der 
Umstand, dass die kleinen männlichen Schnepfen, welche im Frühjahre 
geschossen werden, auffallend wenig angeschwollene Testikeln haben. That- 
sächlich ist ferner, dass die Dornschnepfen beinahe ausnahmslos beim 
Buschiren oder Treiben geschossen werden; ich wenigstens erinnere mich 
aus meiner Erfahrung keines Falles, wo eine Dornschnepfe, nämlich eine 
auffallend kleine, trüb gefärbte Waldschnepfe, auf dem Abendstriche ge- 
schossen worden wäre, welche den tiefern Kehllaut des balzenden Männ- 
chens (das Quarren) hätte hören lassen. Auch habe ich bis jetzt noch 
nirgends erfahren, dass eine Dornschnepfe brütend oder gepaart angetroffen 
wäre. Es scheint mir daher sehr wahrscheinlich, dass die Mehrzahl dieser 
auffallend kleinen Schnepfen einjährige, noch nicht fortpflanzungsfähige 
männliche Individuen sind. Was nun aber die Angaben über die spezi- 
fischen Eigenschaften und Gewohnheiten der Dornschnepfen betrifft, so 
ist hier offenbar sehr viel herkömmliches Vorurtheil und viele Selbst- 
täuschung im Spiele. Dass die ersten Schnepfenankömmlinge häufig kleine 


*) Die Waldschnepfe, ein monographischer Beitrag zur Jagdzoologie von 
Dr. Julius Hoffmann. Stuttgart. K. Thienemann’s Verlag (Julius Hoffmann), 


Die Waldschnepfe. 485 


Individuen sind, habe ich schon öfters erfahren, dass es aber stets „Dorn- 
schnepfen” sein sollten, das stimmt mit meiner Erfahrung durchaus nicht 
überein, denn ich habe ebenso öfters gefunden, dass die ersten Schnepfen, 
welche in hiesiger Gegend (Stuttgart) erlegt wurden, keineswegs besonders 
kleine Exemplare waren. Im Widerspruch mit jener Behauptung sowohl, 
als mit der Ansicht, dass die Männchen den Weibchen stets um einige 
Tage vorauseilen, kann ich aus meinen eigenen Schusslisten nachweisen, 
dass sich unter den ersten Ankömmlingen nicht nur „Eulenköpfe”, son- 
dern öfters auch weibliche Eulenköpfe befinden..... Wer sich die 
Mühe geben will, mehrere Jahre lang die ersten in seiner Gegend ge- 
schossenen Schnepfen auszumessen, abzuwägen und das Geschlecht zu 
untersuchen, wird gewiss zu denselben Resultaten kommen, welche ich in 
dieser Beziehung gewonnen.” — Die Brutzone der Waldschnepfe geht in 
Skandinavien etwa bis zum 67° n. Br. hinauf und erstreckt sich weithin 
nach Osten, berührt sogar die Grenzen China’s. Im Süden haben manche 
Mittelmeerländer sie noch als Brutvogel aufzuweisen. In Deutschland 
brütet sie in allen Gebirgen, weniger in den ebenen Gegenden, doch ist 
ein solcher Fall weder im nordwestlichen noch im nordöstlichen Theile 
Deutschlands eine Seltenheit. In der Umgegend von Münster brütet sie 
jährlich an vielen Stellen; von Ende März bis Mitte April habe ich wieder- 
holt Eier erhalten, und wenn längst die Zugzeit verstrichen ist, z. B. 
Mitte Mai, Anfang Juni findet man noch Schnepfen daselbst. Freilich ge- 
hören diese Fälle unter die, wenngleich eben nicht seltenen Ausnahmen. 
Die grosse Masse der Durchstreichenden wird in Schweden und Russland 
ihre Heimath haben. Im März pflegt die Waldschnepfe bei uns einzu- 
treffen. Allein die Witterung ist dabei von entschiedenem Einflusse. Nach 
meinen Notizen ist sie in verschiedenen Jahren bereits am 20., 23., 24., 
26., 27. Februar angelangt, und zu Ende dieses Monates strichen an ein- 
zelnen Abenden schon mehre. Manche bleiben sogar in milden Wintern 
in unseren Gegenden. Den ganzen November und December hindurch 
kommen dann be+ den Waldtreiben Schnepfen vor. Auch im Januar finden 
sich noch Lagerschnepfen. Es werden diese Individuen wohl diejenigen sein, 
welche bereits im Februar des Abends streichen. Die bei uns brütenden 
wählen für ihr aus Laub schlecht zusammengetragenes Nest selten den tiefen 
Wald, sondern meist einen lichten Stangenort, der einzelne starke Bäume 
enthält, Waldränder, die Nähe einer Blösse u. dergl. Ihre Eier tragen 
auf sehr hell leberröthlichem Grunde intensive weitständige Flecke des- 
selben Tones, sowie Schalenflecke. Die kleinen Dunenjungen verkriechen 
sich, nachdem sich die Alte beim Herannahen einer Gefahr durch Auf- 
fliegen entfernt hat, unter das Laub der Nestumgebung. Gegen Ende 
April pflegen sie schon schwachen Gebrauch von ihren Flugwerkzeugen 


486 Sumpfläufer. 


zu machen. Wer sie in der Hoffnung schont, daselbst später auf sie 
eine erfolgreiche Jagd machen zu können, sieht sich später in der 
Regel getäuscht, da sie dann dort nicht mehr aufzufinden sind. Mir 
schweben für diese Behauptung mehre Fälle vor; jedoch ist es möglich, 
dass sie sich nicht weit von ihrer Heimathsstätte entfernt haben, aber 
ihren am Boden umherschleichenden Feinden zum Opfer gefallen sind. 
An den Wald ist die Schnepfe stets gebunden, sei es Laub- oder Nadel- 
holzwald. Sie verlangt aber feuchten Boden und zum Brutplatz Unter- 
holz und lückige Stellen, gar Weiden oder Waldwiesen in der Nähe. In 
Gegenden, in denen der Wald fehlt, wie z. B. in Holland und Friesland 
fällt sie auch in die Kohlfelder ein und auf den Nordseeinseln belebt sie 
im Frühlinge nach dem ermüdenden Fluge über’'s Meer die mit Sand- 
gräsern oft nur unvollständig bewachsenen Dünen. Sehr dichtes Gestrüpp, 
welches sie am freien Umherlaufen hindert, vermeidet sie eben so, als 
Stellen des Waldes, welche mit ihrer Farbe nicht übereinstimmen. Man 
wird sie deshalb im Walde nie auf den grünen Gras- oder Moosplätzen 
finden, und auf jenen Nordseeinseln nicht im dichten Seekreuzdorngestrüpp 
zu suchen haben. Doch in der Dämmerung begiebt sie sich gern auf 
freie Stellen und es ist gleichgültig, welche Farbe diese tragen, wenn nur 
der Boden weich und reich an kleineren niederen Thieren ist. In diesen, 
ja sogar sehr gern auch in Viehdung, sticht sie mit ihrem Tastschnabel 
hinein, um ihre Nahrung, Regenwürmer, Insectenlarven und kleine oder 
weiche Insecten, zu erlangen, und solche Stellen zeigen dann oft eine grosse 
Menge Stiche des bohrenden Schnabels. Im Walde geht sie an stillen 
Örten, wo sie durch das schützende Blätterdach von oben vor feindlicher 
Entdeckung gesichert ist, im Halbdunkel, auch am Tage ihrer Nahrung 
nach. Sie wendet daselbst mit dem Schnabel das Laub in grösseren Par- 
tieen um, ähnlich wie es dıe Drosseln durchstören. Uebrigens ist diese 
ihre Arbeit daselbst von der der Drosseln leicht zu unterscheiden, da 
letztere das Laub weit stärker verwerfen als sie. - Wird sie hier irgend 
beunruhigt, oder schöpft sie auch nur leisen Verdacht einer Gefahr, so 
drückt sie sich sofort und hält sich unbeweglich am Boden. Auch dem 
geübtesten Auge fällt es dann sehr schwer, sie zu entdecken; sogar beim 
Vorstehhunde, der doch ungefähr ihre Stelle anzeigt, bleibt sie am Boden 
fast stets unentdeckt. In seltenen Fällen verrathen sie ihre auffälligen 
Glotzaugen. Sie sitzt dann niederhockend, den Hals stark eingezogen und 
den Schnabel, wie immer, stark gesenkt, so dass seine Spitze den Boden 
berührt. Kommt ihr die Gefahr sehr nahe, so fliegt sie mit einem nicht 
lauten, aber sehr charakteristischen, klackenden, übrigens schwer zu be- 
schreibenden Geräusch auf, und weiss sich dann meisterhaft durch die 
Zweige zu winden. Ist sie noch nicht bedeutend gestört, so entflieht sie 


Die Waldschnepfe. 487 


in der Regel nicht weit, sondern fällt gar bald wieder ein. Ungern fliegt 
sie über grössere Blössen, hält vielmehr lieber die Ränder des Waldes 
oder auch breite Hecken. Fliegt sie am Tage frei umher, so verfolgen 
sie, wie ich das zweimal gesehen, einmal in der Promenade Münsters, 
wohl mal, als sei sie ein Raubvogel, viele kleine Vögel. Jene Prome- 
nadenschnepfe wurde von einer Menge lärmender weisser Bachstelzen und 
Rauchschwalben arg geängstigt. Ihr Flug ist der am wenigsten schnelle 
von allen Scolopaciden. Nur zur Paarungszeit, wenn die Männchen sich 
verfolgen, kann er sich zu einer mässigen Rapidität steigern. Die Schnepfe 
streicht um diese Zeit, etwa ihre Ankunftszeit in hiesiger Gegend, nach 
eingetretener Abenddämmerung, sobald die grösseren Sterne sichtbar werden 
und auch die meisten der dann schon munteren Frühlingssänger, als 
Staare, Drosseln und Rothkehlchen sich zur Ruhe begeben haben, der 
Waldkauz seinen Paarungsruf hören lässt und Vesperugo noctula schon 
seit einer Viertelstunde mit bewunderungswürdiger Gewandtheit in ihren 
hohen Regionen die Insectenjagd betreibt, — in der Nähe ihrer Tages- 
verstecke, wenn sie daselbst nicht zu sehr beunruhigt ist, niedrig über 
freie Waldesstellen, Blössen, Gestelle, breitere Wege, Waldwiesen oder 
den Waldrand entlang. Ein sehr scharfer Ton, etwa wie „Psiep”, kün- 
digt sie in der Regel schon von fern her an. Mit den Locktönen der 
eben verstummenden Vögel ist er nicht zu verwechseln. Ein zweiter Ton, 
das nicht zu beschreibende Quarren oder Murxen scheint der eigentliche 
Paarungsruf, jenes „Psiep” mehr der Lockruf zu sein. Man hört jenen 
dumpfen Ton zumeist an lauwarmen, feuchten, windstillen Abenden, dann 
wann sie mit aufgeblasenem Gefieder und langsamen eulenartigen Flügel- 
schlägen ihren Balzflug producirt. Bei weniger günstigem Wetter pflegt 
man nur den hohen Ton zu hören; ist dasselbe aber unfreundlich, scharf 
und windig, so streicht sie stumm, und dann sehr niedrig und schnell. 
Je nachdem sie durch ungünstige Witterung an ihren Winteraufenthalts- 
orten oder auf der Rückreise, etwa durch hohen Schnee in den zu passi- 
renden Gebirgen über die Zeit aufgehalten ist, oder ohne alle Behinderung 
ihre Rückkehr hat bewerkstelligen können, je nachdem solche Verhält- 
nisse, wozu auch günstiger oder ungünstiger Wind gerechnet werden muss, 
sich in weiter Ausdehnung geltend machen oder nur lokal auftreten, er- 
scheint sie bei uns plötzlich in Menge und ist eben so rasch wieder ver- 
schwunden, oder sie stellt sich allmählich ein und Durchzug und Strich 
dauern wochenlang, oder sie zeigt solche Zugverschiedenheiten mehr oder 
weniger allgemein, oder in beschränkten Gegenden, hier so, dort anders. 
Ende März v. J. waren z. B. hier bei Neustadt sehr wenige Schnepfen, 
in Östpreussen gar keine, in Westfalen und den Rheinlanden dagegen 
schon seit 14 Tagen eine grosse Menge. Ich möchte daher die Erzäh- 


488 Sumpfläufer. 


lungen, wie man sie wohl mal von dem einen oder anderen Jagdliebhaber 
hört, dass einst an einem Abende „grosse Schaaren von Schnepfen ge- 
strichen seien”, nicht gradezu für Jägerlatein halten. Dass sie auch in @ 
der Morgendämmerung streichen, ist bekannt. Einzelne Oertlichkeiten, ja 
sehr beschränkte Stellen werden von ihr mit Vorliebe besucht; hier kann 
man mit Bestimmtheit in der Zugzeit Schnepfen erwarten. Boden- oder 
Bestandsveränderungen wirken auch verändernd auf die Auswahl ihrer 
Lagerplätze und Lieblingsstellen ein, und fast alle älteren Jäger wissen 
von solchen Veränderungen im Aufenthalte der Schnepfen zu erzählen. 
Im Herbst beginnt der Durchzug gegen Ende September und dauert dann 
oft bis zum Anfang November. Dass bei milder Witterung noch viele 
bis gegen Mitte dieses Monates, ja noch später die Gegend nicht verlassen, 
dann endlich das Reisen ganz vergessen, und als sog. Lagerschnepfen den 
ganzen (milden) Winter hindurch an offenen Stellen angetroffen werden, 
ist bereits vorhin bemerkt. Trifft man sehr früh, etwa um die Mitte des 
August, einzelne Schnepfen bei uns an, so hat man es wohl nur mit 
Brutschnepfen und deren Jungen zu thun. — Sie werden bekanntlich 
sowohl auf dem Strich als auf der Suche geschossen; dort aber, wo sie 
auf engem Raum in der Zugzeit sich concentriren, zumal auf beschränkten 
(den mit Holz bestandenen) Stellen mancher Inseln, sehr viel in Klebe- 
garnen gefangen. Bildet der Holzwuchs, wie etwa auf Nordernay enge 
Gassen, so lohnt sich diese Fangart auch dann, wenn nur wenige Schnepfen 
vorhanden sind. Im Süden, um das Mittelländische Meer, auf einzelnen 
Landzungen, ja mitten in bewohnten Orten, besonders auf den jonischen 
und anderen Inseln, wird ihre Anzahl im Spätherbst oder Winter, zumal 
bei lokal und plötzlich eintretendem Thauwetter so ungemein gross, dass 
man „Tausende dieser Vögel, wie Schwalben, dicht am Boden hinfliegen 
sieht”, dass sie massenweise an Stellen einfallen, die ihnen Nahrung zu 
bieten versprechen. Nach fünfstündiger Jagd’ hatten sieben Schützen 
387 Stück erlegt. Ende December 1838 thaten zwei in einem Walde 
bei Ostia in Italien zwischen 8 Uhr Morgens und 3 Uhr Nachmittags 
gegen 300 Schüsse auf Schnepfen. 

In Nordamerika lebt eine unserer Waldschnepfe sehr ähnliche, aber 
kleinere und auf der Unterseite nicht gebänderte Art: Scol. minor. 


b. Sumpfschnepfen. 


Weniger plump an Körper, auch Schnabel, Flügel, Beine gestreckter; 
Schnabelspitze platt gedrückt; über der Ferse die Schenkel rundum un- 
befiedert; Schäfte der 12 bis 26 Steuerfedern gerade; Hinterzehe mit 
gekrümmter vorragender Kralle. — Die Sumpfschnepfen verabscheuen 


Die Pfuhlschnepfe. 489 


jeden Wald, überhaupt jede geschlossene Pflanzendecke über sich, bewoh- 
nen daher freie, feuchte oder sumpfige, moorige Niederungen. Die Fär- 
bung und Zeichnung ihrer Oberseite, auf schwärzlichem Grunde viele 
helle gelbliche, bräunliche Flecken, stimmt ganz zu einem zertretenen, 
verletzten, lückig begrasten, haidigen, moorigen Boden. Ihre Eier tragen 
auf hell olivengrünem Grunde intensive, am stumpfen Ende gehäufte, 
nach links gedrehte Flecken. 


2. Die Pfuhlschnepfe. 


Scolopax maior Gm. 


Die grösste unserer Bekassinen, zwischen einer recht schwachen 
Waldschnepfe und der gemeinen Bekassine fast die Mitte haltend; Scheitel 
tiefbraun mit einem gelblichen Längsstreif in der Mitte; Flügeldeckfedern 
mit weissen gradlinig begrenzten Spitzenflecken; erste grosse Handschwinge 
braun mit hellerem Schaft und weissem Aussensaum. Schwanz mit 
16 Federn, deren 3 äussere mit weisser Endhälfte. Ohne mich auf eine 
genauere Beschreibung des ganzen Gefieders einzulassen, sei nur bemerkt, 
dass der Totaleindruck feinscheckiger und abgeblasster ist, als der der 
gemeinen Art. Die Pfuhlschnepfe (grosse oder grösste Bekassine) brütet 
im westlichen Norddeutschland in den hannöverschen und oldenburgischen 
Niederungen; auch im Münsterlande, in der Umgegend von Mesum, Ems- 
detten, Salzbergen, wird sie einzeln als Brutvogel gefunden, aber selten. 
Häufiger heimathet sie von dort mehr nördlich, in Schleswig, Jütland, 
Dänemark, sowie in Schweden und Norwegen, und steigt bis zum hohen 
Norden auf. Auch trifft man sie in Asien bis zur chinesischen Grenze. 
Sie hat die auffallende Eigenthümlichkeit, dass ihre Individuen überall 
gruppenweise zusammen liegen. Dort wo sie in ansehnlicher Anzahl 
brütet, geschieht das colonienweise. Sie balzen sogar gemeinsam und 
zwar auf eine überraschend merkwürdige Weise: „Die Vögel stehen in 
einer langen Reihe neben einander und geben jeder der Reihenfolge nach 
einen zwitschernden Laut zum Besten, zu dessen Schluss die versam- 
melte Gesellschaft in choro den Schnabel laut schnalzend zusammen- 
klappt, das Gefieder aufblässt und mit den Flügeln schlägt. Kam ein 
Vogel dem andern zu nahe, so wurde tüchtig gerauft. Diese musikalischen 
Abendunterhaltungen begannen vor Sonnenuntergang und währten bis 
nach Mitternacht.” So erzählen unabhängig von einander ein Schwede 
(Gadamer) und ein Südrusse (Taezanowski). Gruppenweise treffen 
wir sie auch bei uns auf dem Zuge an. Etwa 6 bis S Individuen liegen 
nahe bei einander, ohne dass sie freilich irgend ein gemeinsames Band 
verriethen. Aber in weiter Umgegend sind das die einzigen Pfuhlschnepfen, 
die sich auffinden lassen. Es scheint, dass mehr die singuläre Beschaffenheit 


490 Sumpfläufer. 


solcher Stellen, feuchte, grünbegraste, durch Maulwurfsarbeit, oder den 
Fuss des Weideviehes verwundete, oder anderweitig unterbrochene Flächen, 
als ein Geselligkeitstrieb die Vögel zusammenführt. Diese Art trifft im 
Frühlinge später, und im Herbst früher ein als die gemeine Bekassine. 
Sie hält sehr fest, fliegt matter, schlägt keine Ziekzacks, steht stumm 
oder selten unter einem leisen, mehrfach wiederholten „Bäd” auf und 
fällt gar bald wieder ein. Ueber ihre Nahrung ist nichts besonders Be- 
merkenswertes mitzutheilen. Ihre Eier stehen denen des Kampfläufers 
nahe; auf sehr hellem Grunde enthalten sie sehr starke, intensive Flecken. 
Am 6. August 1841 ward eine Pfuhlschnepfe geschossen, die auf drei Eiern 
brütete. Das war eine sehr späte, nach Verlust der ersten Eier wohl die 
zweite Brut. 


2. Die gemeine Bekassine. 
Scolopax gallinago L. 


Drosselgrösse; Scheitel schwarzbraun mit einem gelblichen Längsstreif 
in der Mitte; Flügeldeckfedern mit rostgelblichen in der Mitte weissen, am 
Schaft unterbrochenen, nicht scharf begrenzten Spitzenflecken; erste grosse 
Handschwinge mit weisser Aussenfahne und schwarzem Schaft; Schwanz 
l4federig, nur die äusserste Steuerfeder von der Spitze weiss. In Aus- 
nahmefällen sind mehr, sogar 26 Steuerfedern vorgekommen, von denen 
die äusseren schmale lange ohrlöffelförmige Hornplatten waren. — Die 
gemeine Bekassine („grosse Wasserschnepfe”) hat ebenfalls den Schwer- 
punkt ihrer Verbreitung im hohen Norden und lebt hier, wenn wir die 
nordamerikanische Form, Wilsoni Gray, mit ihr spezifisch identificiren, 
circumpolar. Auf der östlichen Halbkugel bewohnt sie sowohl Europa als 
Asien. Sie brütet auf Island, in ganz Skandinavien, Sibirien, und reicht 
bis in China hinein. Das südliche Europa kennt sie als Brutvogel nicht 
mehr, und möchte in Ungarn und dessen geographischer Breite die Grenze 
ihrer Brutzone anzunehmen sein. Auf ihrer jährlichen Wanderung dagegen 
dringt sie in Afrika bis S° 3° n. Br., in Asien bis Südchina und Bengalen 
vor. Die Oertlichkeiten, welche sie in ihrer Heimath als Brutplätze aus- 
wählt, sind bekanntlich feuchte und nasse baumlose mit Gräsern bewachsene, 
besonders kaupenreiche Flächen, namentlich auch Fenne und andere sumpfige 
Umrandungen stehender Gewässer, Moore. Die Nähe eines Waldes ist 
ihr angenehm, einzelnes, weitständig zerstreutes Gestrüpp verscheucht sie 
ebenfalls nicht. Der Krautwuchs muss so hoch sein, dass sie in dem- 
selben sich drückend völlig geschützt ist, doch darf er sie nicht am freien 
Auffliegen hindern. Auch zu dichtes Gras und Kraut vermeidet sie; sie 
will stets direct den sumpfigen feuchten Boden oder das Wasser erreichen 
können. Wir haben sie daher nie in denjenigen dichten und hohen Gräsern 


Die gemeine Bekassine. 491 


zu suchen, in denen die Sumpfhühner umherzulaufen pflegen. Gegen Ende 
März pflegt sie sich an den bezeichneten Stellen bei uns einzufinden; 
ausnahmsweise erscheint sie schon um die Mitte dieses Monates. Individuen, 
welche etwa schon Anfangs bis Mitte Februar oder ganz Anfangs März 
angetroffen werden, haben die weite Reise zum Süden wohl nicht gemacht, 
sondern sich bei uns oder vielleicht im südlichen Deutschland an geschützten 
offenen Stellen den Winter hindurch kümmerlich ernährt. Der Zug dauert 
in unseren Gegenden bis Mitte oder Ende April, und die einer nördlichen 
Heimath angehörenden Individuen ziehen noch durch, während unsere 
hiesigen Brutvögel sich bereits zum Fortpflanzungsgeschäfte angeschickt 
haben. So gänzlich still sie ungestört am Tage sonst zu sein pflegen, so 
dass man ihre Anwesenheit nur erfährt, wenn man sie beunruhigt, so be- 
merklich machen sie sich im ersten Frühlinge an ihren Brutplätzen. Am 
29. März des vorigen Jahres (1872), einem angenehmen warmen Tage, 
besuchte ich den bereits mehrfach genannten Plager See im hiesigen Lieper 
Revier. Schon in einiger Entfernung von seinem Fenn an einer Stelle, 
die sich als bedeutende Bucht in den Wald hinein erstreckt, war der unauf- 
hörliche laute Ruf „Dicke, dicke, dieke....” schon aus der Ferne ver- 
nehmbar. Imposant aber war mir das Schauspiel, als ich aus dem Walde 
tretend freien Blick auf das Fenn erhielt. Etwa ein Dutzend Bekassinen 
sausten in kühnem Fluge hin und her, bald im Bogen aufsteigend, bald 
in rapidem Sturze sich abwärts werfend, und alle Augenblick bald hier 
bald dort ertönte ihr bekanntes und berühmtes „Meckern” („Himmelsziege”), 
während sie sich ohne Flügelschlag, unter Zittern des Körpers, schräg auf 
die eine Seite geneigt mit grosser Vehemenz herabstürzten, um sich mit 
Hülfe der dadurch erlangten Fallgeschwindigkeit sofort wieder zu erheben, 
von Neuem in schnellem Fluge die Luft zu durchschneiden, in grossen 
Bögen hin und her zu fliegen und wieder herabzusausen und zu meckern. 
Der Ton ähnelt in einiger Entfernung bis zum Täuschen dem gedämpften 
Meckern einer Ziege, wie wenn dieselbe sich mit geschlossenem Munde 
vernehmen lässt, in der Nähe aber verliert er den Charakter als Stimmlaut. 
Bezeichnen lässt er sich schwerlich. Vielleicht könnte man ihn ein mek- 
kerndes Rasseln oder Schnurren nennen, das etwa zwei Sekunden anhält. 
Nur am Ende der Absturzbahn unmittelbar vor dem Wiederaufsteigen, 
nur bei gleichzeitig unbeweglich gehaltenen Flügeln und radförmig aus- 
gebreiteten Schwanzfedern, beim Zittern und seitlich schräg geneigtem 
Körper entsteht der komische Laut. Es ist jetzt wohl Niemand mehr, 
der denselben für einen Stimmlaut anspricht. Schon lange war man über- 
wiegend der Ansicht, dass die Flügelfedern das tönende Instrument abgäben. 
Im Jahre 1855 stellte ich in der „Naumannia’” eine neue Ansicht auf, 
dahin gehend, dass die unter der Flügelmulde nach hinten entweichende 


492 Sumpfläufer. 


und mit äusserster Heftigkeit schräg in die starr ausgebreiteten Schwanz- 
federn fahrende Luft dieselben als Zungen in Bewegung setzte und so 
den Ton bewirkte. Alle Umstände während des Meckerns sprechen für 
diese Erklärungsweise, die sich dann auch seitdem, wenn auch unter 
kleinen Modificationen, z. B. dass nur die 4 äusseren Schwanzfedern als 
Zungen tönten, Geltung verschafft hat. Wahrscheinlich werden zum Ge- 
sammtton des Meckerns auch wohl die Flügelfedern etwas beitragen, jedoch 
schwerlich den Hauptton bewirken. Während dieses höchst eifrigen und 
hitzigen Balzfluges mit seinem Meckertone erschallt es, man weiss nicht 
woher, laut und scharf „Dicke, dicke, dicke... 


” oder wie man diesen Ruf 


bezeichnen will, etwa „Tikküp” oder Jick jück”, oder „Tikket” oder 
„Djeppe”. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn nach Naumann’s An- 
gabe diese Rufe von den verborgen am Boden sitzenden Weibchen her- 
rühren sollten. Mir kam es stets vor, als wenn sie aus der Gegend der 
balzenden Männchen herübertönten und mit diesen in der Luft fortrückten; 
auch das zeitliche Verhältniss worin diese zu dem stets kurz darauf fol- 
genden Meckersturze stehen, scheint mir für eine Identität der Individuen 
zu sprechen. Dort, wo eine Anzahl balzender Bekassinen umherstürmt, 
die Terrainbeschaffenheit den Beobachter in einer gewissen respectvollen 
Entfernung hält und obendrein sich noch nahe an den Sumpf drängende 
Waldränder den Schall modifieiren und seinen Ausgangspunkt nur unbe- 
stimmt erkennen lassen, ist es nicht leicht, mit sich völlig klar über das 
Phänomen zu werden. Es wäre übrigens eine Ausnahme, wenn während 
des Balzens der Männchen, die Weibchen sich in einer so auffallend lauten 
Weise bemerklich machten. Die sonstige Stimme der Bekassine, ein etwas 
schnarrender Schrei, den sie beim Auffliegen hören lässt, etwa „Kätsch”, 
energischer und in einem höheren Tone bei magerem als bei fettem Körper, 
ist allbekannt. Die mageren Individuen zeigen sich auch scheuer, flüch- 
tiger als die wohlbeleibten. Uebrigens wirkt auch die verschiedene Witte- 
rung ganz ausserordentlich auf ihr Verhalten ein; bei ruhigem warmen 
Wetter halten sie sehr fest, bei rauhem unfreundlichen schlecht, und die 
erste, welche mit lautem „Kätsch” entflieht, kann dann die sämmtlichen 
Individuen der Fläche zur Flucht unter hundertfältigem „Kätsch” veran- 
lassen. Nach dem Herausfliegen steigt sie anfänglich nur sehr allmählich 
auf und wirft sich dabei von der einen Seite auf die andere; darauf ent- 
flieht sie in gerader Flugrichtung weiter, steigt dabei wohl zu einer be- 
deutenden Höhe, beschreibt in derselben einen grossen weiten Bogen, 
gleichsam um das Terrain in bedeutendem Umkreise zu recognoseiren, und 
wirft sich erst in oft weiter Entfernung wieder herab. Hier hält sie dann 
noch weniger gut als das erste Mal. Wie die anderen Schnepfenarten 
ist auch die gemeine Bekassine vorwiegend Dämmerungsvogel. In der 


Die kleine Bekassine. 493 


Dämmerung fliegt sie am meisten umher, in der Dämmerung wandert sie, 
in der Dämmerung geht sie ihrer Nahrung nach, nach welcher sie ähn- 
lich sticht, wie die Waldschnepfe. Diese Nahrung besteht gleichfalls in 
allen möglichen kleinen und weicheren niederen Thieren, Insecten, deren 
Larven, Gewürm, die sie aus dem nassen Boden, auch aus dem Dung 
des Weideviehes mit ihrem Tastschnabel hervorholt. Ihre Nester stehen 
an den vorhin als ihre Lieblingsaufenthaltsorte bezeichneten Stellen, und 
an solchen finden sich gewöhnlich mehre Paare zusammen. So unzer- 
trennlich sie selbst mit dem Wasser verbunden ist, so steht das Nest 
doch stets trocken, entweder auf irgend einer Erhöhung oder auf einer 
Unterlage von feinen Reisern und Hälmchen. Man findet erst nach Mitte 
April bei uns ihre Eier, welche auf olivengrünem Grunde eine intensive 
starke Fleckenzeichnung enthalten. Mir sind auch Erythrismen bekannt. 
Im September und October treten sie ihre Herbstreise an, und man findet 
die Durchziehenden dann nicht nur auf den Brutplätzen, sondern in allen 


kurz bewachsenen feuchten und nassen Niederungen, sogar wohl mal in 
Kartoffelfeldern. 


4. Die kleine Bekassine. 
Scolopax gallinula L. 

Lerchengrösse; Scheitel dunkelbraun ohne gelblichen Längsstreif in 
der Mitte; Rücken auf schwarzem stark metallisch grün und violett 
glänzendem Grunde drei rostgelbliche Längsstreifen; Unterseite weiss; 
12 Schwanzfedern, deren zwei mittelste länger und spitzer als die übrigen. 
— Die kleine Bekassine („stumme Wasserschnepfe, Müschen”) gehört dem 
hohen Norden an. Ihre Brutplätze beginnen, freilich als Seltenheiten, 
bereits im nördlichen Deutschland, woselbst z. B. im Niederstift des Mün- 
sterlandes, sowie in Oldenburg schon ein Nest aufgefunden ist. . Höher 
nach Norden hinauf mehren sich dieselben; so in Jütland, Skandinavien, 
Finnland und Nordsibiren. Mehrfach ist diese Art unter dem 70° n. Br. 
brütend angetroffen. Ihrer nordischen Heimath entsprechend trifft sie im 
Frühlinge etwas später und im Herbst etwas früher als die gemeine Bekassine 
bei uns ein. In der Beschaffenheit ihrer Aufenthaltsorte ist sie weniger wähle- 
risch als jene oder gar als die Pfuhlschnepfe. Im Allgemeinen liebt sie 
nicht so nassen Boden. Schon die weit härtere Spitze ihres verhältniss- 
mässig stärkeren und kürzeren Schnabels deutet an, dass sie auf nicht so 
sehr nassen, schlammigen Boden ausschliesslich angewiesen ist. Am Tage 
liegt auch sie still und zwar so fest, dass sie in der*Regel aus nächster 
Nähe auffliegt. Ihr Flug ist weit weniger schnell als der der vorher- 
gehenden Art, gerade und niedrig. Aufgestört beschreibt sie nie so hohe 
und weite Bogen in der Luft, sondern fällt sofort in der Nähe wieder 


494 Sumpfläufer. 


ein und nur wiederholte Beunruhigungen machen sie etwas scheuer. Sie 
ist allgemein unter dem Namen der Stummen bekannt, weil sie ohne 
Schrei auffliegt. Doch ist das zuweilen doch der Fall. Da ich selbst nie 
ihre Stimme gehört habe, so erlaube ich mir Naumann’s Mittheilungen 
hier zu wiederholen. „Der Ton, welchen unsere kleine Bekassine in sehr 
seltenen Fällen, gewöhnlich nur gegen Abend, beim Auffliegen ausstösst, 
ist ein pfeifender feiner scharfer Laut, wie „Kitz” oder „Kütz” klingend 
und dem Tone mancher Fledermäuse ähnlich. Er scheint ihr Nachtruf zu 
sein und ist jenem der gemeinen Bekassine ähnlich. Zuweilen schreit sie 
auch im Auffliegen am Tage ganz leise und heiser „ähtsch”, wobei der 
Ton am Ende sinkt, statt dass er bei jener steigt, welche dazu auch viel 
lauter schreit. Dabei schreit auch die kleine so selten, dass man oft 
20 Stück nach einander aufstöbert, ehe nur eine ihr halblautes „Aehtsch” 
einmal ausstösst. Fast noch öfter und zwar alle Frühjahre hört man des 
Abends auch eine Art von Gesang von ihr, welcher nur bei stillem Wetter 
und auch dann kaum auf 100 Schritte vernommen werden kann und voll- 
kommen wie das Hämmern der sog. Todtenuhr (Anobium pertinax) klingt. 
Dies eintönige Tettettettettet u. s. w. dauert oft 4 bis 6 Sekunden in 
einem Athem fort, während die eine darin einen höheren, die andere einen 
tieferen Ton hält und dabei wunderlich flatternd über dem Sumpfe in 
geringer Höhe hinstreicht. Dies scheint ihr Balzen zu sein.” Ohne Zweifel; 
doch producirt sie hier solches nur selten, weil sie, wie bereits erwähnt, 
im hohen Norden brütet. Die beiden Eier, welche ich durch meinen 
Freund Pf. Bolsmann von ihr erhalten habe, fand derselbe im Nieder- 
stift bei einem Hirtenknaben, der ihm die vom Neste gescheuchte Alte so 
völlig sicher beschrieb, dass an der Aechtheit jener kein Zweifel obwalten 
kann. Sie gleichen bis auf die weit geringere Grösse und das feinere 
Korn ‘den dunklen, olivenbraunen Eiern der gemeinen Bekassine. Gegen 
Ende August und in der ersten Hälfte September pflegt sie sich auf ihrer 
Reise zum Süden wieder bei uns einzustellen; doch hält der Zug gar oft 
noch im October an. Dagegen lässt sie sich im November nur ausnahms- 
weise noch sehen. Sie zieht zumeist zum südlichen Europa, überfliegt 
aber auch zahlreich das Mittelmeer und wird im Nilthal noch bis zum 
13° n. Br. gefunden; doch scheint sie den östlichen Ländern des Mittel- 
meerbeckens den Vorzug vor den westlichen zu geben. In Griechenland 
überwintert sie äusserst zahlreich und ist auch in Palästina und Syrien 
im Winter sehr häufig. 


Strandläufer, Tringa. 


Kleine Sumpfvögel, die nur in einer oder anderen Art die Drossel- 


Tringa. 495 


grösse erreichen. In ihrem Habitus erinnern sie in sofern an die Schnepfen, 
als ihr Hals und ihre Beine ungefähr eine gleiche relative Länge zeigen. 
Der Kopf ist aber kleiner, Schnabel kürzer, etwas länger als der Kopf, 
gerade oder an der Spitze sanft abwärts gebogen, schlank, schwach, weich, 
doch an der etwas breiteren Spitze härter. Er dient ebenfalls als Tast- 
organ, ist jedoch als solches unvollkommener als der der Schnepfen. Die 
Flügel sind mittellang und spitz; die erste Handschwinge gleichfalls ein 
abortiv winziges Federchen, die erste grosse Handschwinge die längste, 
Armschwingen kurz, die Oberarmfedern bilden eine lange zweite Flügel- 
spitze; Füsse mittellang, über der Ferse noch nackt, die Vorderzehen frei, 
die Hinterzehe klein, höher gestellt, berührt den Boden nicht. Das Ge- 
fieder wird im Herbst gewechselt und erscheint dann als oben aschgraues 
oder aschbläuliches zeichnungsloses Winterkleid, die Unterseite ist dann 
weiss oder weisslich. Im Frühlinge dämmert auf den Rückenfedern in der 
Nähe des Schaftes ein dunkler unbestimmter Fleck auf und dies ist der 
Anfang der nun in kurzer Zeit sich vollziehenden Verfärbung, nach welcher 
diese Vögel in tief rothbrauner und schwarzer Zeichnung so sehr von dem 
Colorit des Winterkleides abweichen, dass man sie hiernach schwerlich 
als identisch ansehen möchte. Ihr erstes Contourgefieder bildet ein drittes, 
von den beiden späteren alternirend auftretenden gleichfalls durchaus ver- 
schiedenes Kleid. Männchen und Weibchen sind äusserlich kaum von 
einander zu unterscheiden. Das allererste, das Dunenkleid, ist, sofern mir 
bekannt, bräunlich und schwarz gefleckt, auf vielen Dunenfedern stehen 
an der Spitze helle dunige knopfförmige Büschel. Sie bewohnen den 
hohen und höchsten Norden beider Welten; die meisten Arten sind sowohl 
auf der östlichen als westlichen Halbkugel heimisch. Hier in ihren arecti- 
schen Regionen brüten sie theils in den Ebenen, theils auch auf hohen 
Alpenflächen und nach durch den immerwährenden Tag sehr rasch been- 
detem Fortpflanzungsgeschäfte schaaren sich die meisten zu starken Flügen 
und wandern von Strand zu Strand dem Süden zu. Sie treffen gegen 
Ende August oder im September an unseren Nord-, auch Ostseeküsten 
ein, sammeln sich hier zu Tausenden und ziehen dann immer die Küsten 
entlang bis zum Mittelmeere oder gar bis zum Cap. Die meisten Wande- 
rungen machen sie in der Dämmerung, während sie am Tage ihrer Nah- 
rung nachgehen. Kaum haben sie ihr südliches Wanderziel erreicht, so 
beginnt auch bald wieder ihr Rückzug. Viele jedoch kommen gar nicht 
zu ihrer nordischen Heimath zurück, sondern schwärmen fern von der- 
selben im schönsten Hochzeitskleide umher, ohne dass sie sich fortpflanzen. 
Kaum giebt es an unseren Nordseeküsten einen Monat, den Juni, in dem 
man keine durchziehenden Tringen beobachtet. Sind im Mai die letzten 
zum Norden hin verschwunden, so erscheinen im Juli wieder Exemplare 


496 Sumpfläufer. 


vom Norden her, die sich im August schon sehr vermehren und im Sep- 
tember alle Küsten beleben. Ihr Leben scheint fast ein beständiges Wan- 
dern zu sein. Die Herbstmauser bestehen die meisten auf ihrer Wander- 
schaft, da man ganze Schaaren von Jugendkleidern an unseren Küsten im 
Herbste antrifft. Am 9. September schoss ich aus einem Schwarme islän- 
discher Strandläufer ein Sommerkleid, ein Uebergangskleid vom Sommer 
zum Winter, ein Winterkleid und mehre Jugendkleider, alle aber standen 
an den Schwingen stark‘ in der Mauser. Bald sind ihre Flüge rein, bald 
haben sich andere Arten in einzelnen Individuen mit denselben gemischt. 
Sie fliegen meist niedrig, einige in kleinen Gesellschaften, andere in wolken- 
ähnlichen Massen. In’s Binnenland kommt in irgend einer namhaften An- 
zahl nur eine einzige Art, der Alpenstrandläufer, der schon auf unseren 
münsterländischen Haiden brütet, wenigstens bis Mitte der vierziger Jahre 
dort brütete, und im Herbst oft in Menge von den Bekassinenjägern er- 
legt wurde. Alle übrigen verrichten im hohen und höchsten Norden ihr 
Fortpflanzungsgeschäft und besuchen das Binnenland auf ihren Wande- 
rungen nur ganz vereinzelt als Verschlagene. Am Boden laufen sie trip- 
pelnd munter umher; fliehen weder schussweise rennend und dann an- 
haltend wie die Regenpfeifer, noch drücken sie sich verborgen an den Boden 
wie die Schnepfen, sondern suchen ihr Heil im leichten Fluge, wenn ihnen 
die Gefahr zu nahe kommt. Ihre Stimme ist meist ein etwas tremu- 
lirendes „Tiiii” oder „Trit....” Sie leben von kleineren Insecten, 
deren Larven, Gewürm, Crustaceen, Mollusken. Die ungeheure Menge der 
Mückenlarven ermöglicht im hohen Norden ihre Existenz und die rasche 
Entwickelung ihrer Jungen. Ihre Eier sind gross, schnepfenförmig. — 
Der Forstmann kommt auch nicht als Jäger, vielleicht nur in vereinzelten 
seltenen Fällen, mit ihnen zusammen, und deshalb werde ich unter Hinweis 
auf die Seite 5 (unten) gemachte‘ Bemerkung mich hier zumeist nur auf 
eine Diagnose unserer deutschen Arten beschränken. 


I. Der isländische Strandläufer. 
Tringa islandieca Gm. 


Misteldrosselgrösse; Schnabel länger als der Kopf, gerade an der 
Spitze verbreitert und dicker; Lauf länger als die Mittelzehe mit Nagel; 
Schwanz schwach gerundet. — Sommerkleid. Unterseite tiefbraunroth, 
Oberseite schwarz mit grossen rostrothen Kantenflecken, weisslichen Feder- 
spitzen und rostgelben Säumen. Winterkleid: Unterseite weiss, nur am 
Kropfe schwache Schaftflecken; Oberseite aschblau. _ Jugendkleid: ähn- 
lich dem Winterkleide, doch Oberseite auf jeder Feder schwärzlich und 
weisslich geschuppt. 


Der Felsenstrandläufer. — Der Alpenstrandläufer. 497 


2. Der Felsenstrandläufer. 
Tringa maritima Brünn. 

Amselgrösse; Schnabel länger als der Kopf, sanft abwärts gebogen; 
Lauf gleich der Mittelzehe, ohne Nagel; Schenkel über der Ferse nur sehr 
wenig nackt; Lauf und Schuabelbasis gelb; Schwanz keilförmig. Oberseite 
grauschwarz mit weisslichen Federkanten; Unterseite desgleichen, Bauch 
weiss; Schwanz aschgrau; obere Schwanzdeckfedern schwarz mit weissen 
Spitzen, untere weiss mit langen dunklen Schaftflecken. Sommerkleid 
ähnlich, nur bräunlicher. 


3. Der bogenschnäblige Strandläufer. 
Tringa subarcuata Güld. 

Haubenlerchengrösse; Schnabel viel länger als’ der Kopf, abwärts 
gebogen; Lauf länger als die Mittelzehe mit Nagel; Schnabel und Lauf 
schwarz; Bürzel und obere Schwanzdeckfedern weiss; Schwanz doppelt 
ausgeschnitten, die Mittelfedern rundlich zugespitzt; Brust und Kropf völlig 
oder fast ungefleckt. — Sommerkleid: Unterseite tiefbraunroth; Ober- 
seite schwarz mit roströthlichen Kantenflecken und hellen Säumen. Win- 
terkleid: Unterseite weiss, Oberseite aschgrau. Jugendkleid: Unten 
weisslich mit zart und hell rostfarbiger Kropfgegend; Oberseite schwärzlich. 


4. Der Alpenstrandläufer. 
Tringa einclus L.*) 

Feldlerchengrösse; Schnabel länger als der Kopf, sanft abwärts ge- 
bogen; Lauf länger als die Mittelzehe mit Nagel; Schnabel und Lauf 
schwarz; Bürzel und obere Schwanzdeckfedern schwarz oder dunkelbraun; 
Schwanz doppelt ausgeschnitten, die beiden Mittelfedern lang zugespitzt; 
Brust und Kropf stark dunkel schaftfleckig. — Sommerkleid: Uuter- 
seite weiss mit scharfen schwarzen Schaftstrichen, in der Mitte ein grosses 
schwarzes Schild; Oberseite rostroth mit schwarzen Schaftflecken. Winter- 
kleid: Unterseite weisslich; Oberseite aschgrau mit sehr feinen dunklen 
Schaftstrichen. Jugendkleid ähnlich dem Sommerkleide, doch die Rost- 
farbe lichter und das Schwarz beschränkter. -— Diese Art ist die gemeinste 
von allen. In ungeheure wolkenähnliche Flüge schlagen sich ihre Individuen 
im Herbst zusammen und wandern dann nicht nur die Küsten entlang, 
sondern auch durch das Binnenland. Gegen Mitte August hört mau sie 
in stiller Abendstunde hoch obeu durch die Luft ziehen. Sie scheinen 
besonders dann laut zu werden, wenn sie über eine gaserleuchtete Stadt 
ziehen. So hörte ich sie zuletzt 1569 vom 11. bis 13.. August Abends 


*) Tringa alpina L., variabilis MH, et Wi Schinzü Brm. 
Altum. Die Vogel. 32 


495 Sumpfläufer. 


10'/, Uhr über Münster. Die Schaaren mussten eine enorme Ausdehnung 
haben, denn der nächtliche Himmel war weithin von ihrem Geschrei, ein 
zitterndes „Tititititi” oder „Tütütütü”, erfüllt. Nichts desto weniger 
trifft man noch tief im Seplember ganz bedeutende Massen am See- 


strande an. 


5. Der Zwergstrandläufer. 
Tringa minuta Lsl. 


Sperlingsgrösse; Schnabel von Kopfeslänge, gerade; der Schwanz 
doppelt ausgeschnitten; Schnabel und Füsse schwarz; Handschwingen weiss- 
schaftig, die äusserste Schwanzfeder rein weiss, die zweite und dritte 
grösstentheils weiss. — Sommerkleid: Unterseite weiss; Oberseite 
schwarz, die einzelnen Federn mit rostrothen Kanten. Winterkleid: 
Unterseite weiss; Oberseite aschgrau. Jugendkleid: Unterseite weiss 
Oberseite rostbraun, am ÖOberrücken weisslich mit braunschwarzer Feder- 


mitte, 


6 Der Temminck’s Strandläufer. 
Tringa Temmiuckii Lsl. 

Rothkehlchengrösse; Schnabel von Kopfeslänge, sehr wenig gebogen; 
der Schwanz keilförmig verlängert; Schnabel und Füsse schwarz; erste 
grosse Handschwinge mit weissem Schafte; die äussersten Schwanziedern 
einfach grau. —- Sommerkleid: Unterseite weisslich, doch Unterhals 
und Kropf braungrau mit Schaftflecken und weisslichen Säumen; Ober- 
seite tiefgrau mit schwärzlichen und rostfarbenen Flecken. Winterkleid: 
Unterseite düstergrau, Oberseite aschgrau. Jugendkleid: Unterseite 
ähnlich, wie im Sommer, Oberseite trüb graubraun mit lichten Säumen 
und dunklen Schäften. 

Von den eigentlichen Strandläufern unterscheidet sich der hochnordische, 
auf dem Zuge auf unserem Strande überall anzutreffende Sandläufer oder 
Sanderling, Calidris arenaria L., durch den Mangel der Hinterzehe. 
Haubenlerchengrösse; Schnabel gerade; weiss, auf der Oberseite in der 
Jugend mit schwärzlichen, im Sommer mit schwärzlichen und rostbraunen 
Zeichnungen, im Winter einfach aschblau. 

Der winzige, kaum Sperlingsgrösse erreichende, ebenfalls hochnordische 
Schlammläufer, Zimicola Lth., besitzt ebenfalls nur drei Zehen, aber 
einen merklich abwärts gekrümmten Schnabel. Hauptcolorit rostbraun, 
schwarz gefleckt. In Deutschland eine Seltenheit. 


Kampfläufer, Machetes. 


Eine hochbeinige Strandläuferform; Schnabel wie bei den Tringen, 


Der Kampfhahn. 499 


von Kopfeslänge, gerade, gegen die stumpf gerundete, nur flach erweiterte 
Spitze weich, Flügel mittellang, spitz, die erste grosse Handschwinge die 
längste, die zweite fast gleich lang; Läufe lang, die drei Vorderzehen 
durch Spannhäute, namentlich die äussere mit der Mittelzehe, verbunden, 
Hinterzehe kurz, hochgestellt, berührt den Boden nicht; Schwanz kurz, 
12federig, Spitze flach abgerundet. Man kennt nur eine Art. 


Der Kampfhahn. 


Machetes pugnax L. 

Männchen von Turteltauben-, Weibchen von starker Drosselgrösse; 
die mittleren Schwanzfedern breit, dunkel gebändert, die drei äusseren 
meistens einfarbig grau, obere Schwanzdeckfedern und Bürzel in der Mitte 
grau, seitlich weiss; der Schwanz von den Flügelspitzen überragt. Das 
Männchen erhält als Hochzeitskleid einen sehr grossen schildförmigen 
Halskragen und zwei seitliche Federbüschel am Hinterkopfe, ausserdem 
im Gesichte nackte gelbliche Warzenhöckerchen. In der Gefiederfarbe und 
Zeichnung, namentlich dieses Hochzeitsschmuckes zeigt es sich unter allen 
Vögeln beispiellos variabel. In der Fürstlich Radziwill’schen Sammlung 
zu Berlin stehen z. B. S6 Männchen in diesem Schmuck, von denen sich 
keine zwei gleichen. Auch die Farbe der nackten Theile, besonders der 
Ständer ist nichts weniger als constant. Die stets kleineren Weibchen 
zeigen wie die Jungen eine grössere Uebereinstimmung. Die rothbraunen, 
schwarzfleckigen und nach Art der Strandläufer knopfförmige Dunen- 
büschelehen tragenden Dunenjungen scheinen constant zu sein. Eine nähere 
Beschreibung der verschiedenen Kleider ist ohne bedeutende Weitläufigkeit 
nicht möglich, deshalb möge vorstehende Diagnose, die für eine Bestim- 
mung vorkommenden Falles völlig ausreicht, genügen. Bemerkt möge 
nur noch werden, dass nach mehrfachen genauen Beobachtungen dieselben 
Individuen beim neuen Federwechsel oder dem erneuerten Anlegen ihres 
Hochzeitsschmuckes stets wieder ihre frühere Eigenthümlichkeit erhalten. 
— Der Kampfläufer („Kampfhahn, Kampfschnepfe”) bewohnt als Brut- 
vogel nur die östliche Halbkugel und zwar vom höchsten Norden des Fest- 
landes bis zu den Ländern des Mittelmeerbeckens, ist übrigens im Norden 
ungleich häufiger als im Süden. In der Mitte von Deutschland treffen 
wir ihn nur sehr sporadisch an, während er in den baumlosen, feuchten, 
mit Gras bewachsenen Niederungen in den Küstenstrichen unserer Nord- 
see häufig brütet. Im April langt er bei uns an, bez. passirt er unsere 
Gegend; sein Erscheinen im März ist als Ausnahme anzusehen. Er liebt, 
ganz nach Art der Strandläufer, nur solche Flächen, die gänzlich frei ihm 
eine Aussicht nach allen Seiten gestatten. Hohe Sumpfgräser oder gar 
Holzwuchs meidet er ängstlich. Sein Gang weicht wegen der grösseren 

32* 


500 Sumpftläufer. 


Länge seiner Beine von dem kleinlichen Trippeln und schnellen Rennen 
der Strandläufer ab, und ähnelt dem der Wasserläufer (Totanus), sowie 
er sich überhaupt als ausgeprägte Uebergangsform dieser beiden Gattungen 
ausweist. Doch hat er auch wieder so viel durchaus Singuläres in seinem 
ganzen Wesen, dass er unter allen Sumpfvögeln einzig dasteht. Dahin 
gehört zunächst seine polygame Fortpflanzungsweise, und dann sein sonder- 
bares Kämpfen, welches ihm seine Benennungen verschafft hat. Eine 
Anzahl Männchen, etwa ein halbes Dutzend, begiebt sich auf eine kleine, 
kaum 2 Meter im Durchmesser haltende Stelle, den Kampfplatz, der all- 
jährlich genau wieder gewählt wird, und hier fahren stets nur zwei gegen 
einander, um sich mit ihrem schwächlichen Schnabel, ihrer einzigen Waife, 
zu befehden, namentlich an der schildförmigen Halskrause herumzuzerren, 
und dann tritt nach kurzem Tournir jeder wieder auf den vorhin ein- 
genommenen, kaum tellergrossen Platz, um nun das Feld einem anderen 
Paare abzutreten. Diese Kämpfe werden vorzugsweise am frühen Morgen, 
auch des Abends ausgeführt. Nach denselben verlassen alle den Platz, 
und jeder geht oder vielmehr fliegt seiner Wege. Gegen Ende Juni hat 
dieses anscheinend zwecklose Spiel sein Ende, die prächtigen Schmuck- 
federn fallen aus, die Gesichtswarzen verschwinden, an ihre Stelle tritt 
eine normale Befiederung, und der Vogel hat alles Auffällige, welches 
vorher durch die übermässig starke Befiederung des Vorderkörpers auch 
im Fluge auftrat, verloren. Die Männchen schlagen sich in kleinere Ge- 
sellschaften, die Weibchen und Jungen zu stärkeren Flügen zusammen. 
Anfangs September traf ich noch mehre derselben an, von da ab aber 
scheinen sie allmählich dem fernen Süden zuzuwandern, um in den Län- 
dern des Mittelmeerbeckens, ja sogar in den Capländern zu überwintern. 
Der Kampfhahn beweist sich in der Wahl seines Aufenthaltsortes durch- 
aus als Sumpfvogel, da er die Nähe von Wasser nie entbehren kann. 
Auch das Nest steht nur an solchen Orten. Die Eier ähneln denen der 
gemeinen Bekassine, sind jedoch grösser, gröber und weitständiger gefleckt, 
Auch ist die Intensitätsverschiedenheit der Grundfärbung und der Zeich- 
nung in der Regel grösser als bei jenen. Als Nahrung dienen ihm, wie 
den übrigen Verwandten, Insecten, Larven, Regenwürmer, Schnecken und 
anderes kleines Gethier. 


Wasserläufer, Totanus. 


Kleine Sumpfvögel von Drossel- bis etwa Turteltaubengrösse, sehr 
zierlich gebaut; Kopf klein, Schnabel lang, fein, gerade, die Spitze hart, 
sehr wenig abwärts gebogen, fein; Flügel mittellang, spitz; die erste grosse 
Handschwinge die längste, die Armschwingen kurz und säbelförmig ge- 


Der Waldwasserläufer, 501 


bogen, die Deckschwingen als zweiter Flügel in eine lange Spitze ausgezogen; 
Beine sehr schlank, weit über die Ferse hin” nackt; äussere und mittlere 
Zehe mit Bindehaut, Hinterzehe klein, hoch gestellt; Schwanz kurz, 
12federig, von den Flügeln überdeckt. Von den Strandläufern unterscheiden 
sich die Wasserläufer durch eine weit gefälligere, schlankere Gestalt. Sie 
gehen bedächtiger, fliegen sehr leicht und schnell, bewohnen meist die 
kalten oder gemässigten Zonen, in der Regel dort, wo wasserreiche, baum- 
lose Flächen sich ausdehnen, das nackte, sandige Ufer jedoch mehr als 
die Tringen vermeidend. Sie gehen nicht ungern in’s seichte Wasser, 
schwimmen in tieferem sogar häufig freiwillig. Eine Art ist sogar in der 
Brutzeit ausschliesslicher Waldbewohner. Alle wandern auf ihrer Reise 
vom und zum Süden durch die Binnenländer, jedoch trifft man sie meist 
nur einzeln oder in kleinen Gesellschaften an. Werden sie vom Ufer 
einer Pfütze, eines Teiches, Flusses aufgestört, so erheben sie sich mit 
lautem Geschrei, welchen Ruf sie auch auf der ferneren Flucht, weithin hoch 
durch die Luft ziehend in Pausen hören zu lassen pflegen. Wie die Tringen 
leben sie stets offen, drücken sich nie an den Boden, stehen bei Annähe- 
rung einer Gefahr aufgerichtet stocksteif, oder gebückt unbeweglich da 
und entfliehen dann plötzlich als scheue Vögel schon aus bedeutender 
Entfernung. Ihre sehr bescheidenen Gefiederfarben beschränken sich auf 
weiss und grau bis schwarz. Der Bürzel und der quergebänderte Schwanz 
pflegt stets weiss zu sein. Männchen und Weibchen sind äusserlich kaum 
zu unterscheiden. Gegen die Fortpflanzungszeit verdüstert sich das Winter- 
kleid durch Umfärbung in das Sommerkleid, an welchem Farbenwechsel 
auch wohl die Beine Theil nehmen. In Deutschland kommen 6 Arten, 
davon 3 als Brutvögel vor.. Einer derselben ist Waldvogel und steht als 
solcher dem Forstmanne näher. Nur dieser soll hier eingehender be- 
handelt werden. 


I. Der Waldwasserläufer. 
Totanus ochropus Temm. 

Drosselgrösse; Oberseite schwarzbraun bis mattschwarz mit zahlreichen 
weisslichen Tüpfeln; Bürzel, obere Schwanzdeckfedern und Bauch blendend 
weiss, desgleichen die Wurzel und schmalen Querbinden des sonst schwarzen 
Schwanzes; alle Schwingenschäfte braun; Schnabel gerade; Füsse lichtblau- 
grau. Winter- und Sommerkleid sind bei ihm sehr ähnlich. — Der Wald- 
wasserläufer („Schnepfenschwalbe, punktirter Wasserläufer”) bewohnt die 
nördlichen und gemässigten Theile von Europa und Asien, und soll noch 
in Griechenland und Japan nisten. Wer von einem Aufenthalt dieses 
Vogels im Sommer in irgend einer Gegend auf sein Brüten daselbst schliessen 
wollte, könnte sich sehr leicht irren. Eine grosse Menge Notizen habe ich 


502 Sumpfläufer. 


über sein Erscheinen im April im Münsterlande; aber es fehlen auch solche 
nicht vom Mai, ja Juni, Jwli, sogar August, während im letztgenannten 
Monat schon von einigen wiederum die Wanderreise zum Süden angetreten 
zu sein scheint. Jedenfalls sind die im September sich zeigenden Indivi- 
duen solche Passanten. Eine Notiz vom Jahre 1363 zeigt mir sogar den 
4. November als Datum für unseren Vogel an. Die im Juni und Juli 
sich noch umhertreibenden Vögel kommen wohl in diesem Jahre nicht zur 
Fortpflanzung. Für das Münsterland möchte ich das mit Sicherheit be- 
haupten, da diese Art sich an ihrem Brutplatze so eifrig und laut meldet, 
dass sie unmöglich unbeachtet bleiben kann. An den betreffenden Stellen, 
etwa dunklen Erlenbrüchern oder sonstigen niedrigen überschwemmten 
Waldestheilen, erschallt der täuschend specht- oder vielmehr baumkletten- 
artige Ruf, ein scharfes, lautes, oft wiederholtes „Jäck” oder „Jöck” oder 
„Jick”, das weder überhört, noch irgend einem anderen Vogel zugeschrieben 
werden kann. Diese Silbe wird nieht so rasch und in der Wiederholung 
nicht so absatzweise gerufen, als die Baumklette ihren ähnlichen Ruf vor- 
trägt, sondern anhaltend und in gleichmässigeren Pausen. Nur wenn man sich 
dem Neststande nähert, und der Vogel ängstlich von einem Baume auf 
den andern oder im Bogen um den Störenfried fliegt, unruhig auf den 
stärkeren wie schwächeren Zweigen umherläuft und durch sein ganzes 
Verhalten seine Erregung bekundet, ertönt auch dieser Schrei bald schneller, 
bald durch eine längere Pause unterbrochen. Wenn man ihn zum ersten 
Male hört, kann man versucht werden, an irgend eine Spechtart oder an 
einen spechtähnlichen Vogel zu denken, zumal da man einen schnepfen- 
artigen Vogel nicht im Waldesdunkel in den Zweigen der Bäume erwartet. 
Fliegt er endlich ab, so sieht man häufig nur den weissen Schwanz und 
Bürzel und ist dann erst recht im Unklaren über die Art. Sogar im Früh- 
linge auf der Durchreise lässt er an solchen nassen Waldesstellen, die übri- 
gens nach meiner Erfahrung nie weit von Blössen, gewöhnlich sogar in 
unmittelbarer Nähe des Waldrandes liegen, diesen Ruf erschallen. So 
hörte ich am 11. April 1871 diese bekannten Töne beim Schlosse Lembeck 
(Reg.-Bez. Münster). Der Vogel lockte und schrie eifrigst zwei Tage lang 
an derselben Stelle. Um ihm ja das Brutgeschäft dort nicht zu verleiden, 
wurde er nicht gestört; allein er verschwand nichts desto weniger aus der 
Gegend. Ein längeres Verweilen von einzelnen durchziehenden Individuen 
an derselben Stelle oder an einigen Stellen, womit dann abgewechselt wird, 
ist überhaupt eine bekannte Eigenthümlichkeit des Waldwasserläufers. 
Hier bei Neustadt brütet er mehrfach, im Biesenthaler wie im Lieper Revier. 
Man giebt in Büchern den Neststand verschieden an. Er soll im Sumpfe 
am Boden, im Walde am Boden, etwa auf alten Erlenstöcken, sogar wohl 
mal in Drosselnestern brüten. In allen sicheren Fällen, die mir bekannt 


Der Waldwasserläufer. 503 


geworden sind, brütete er ausnahmslos ) bis > Meter vom Boden in einem 
alten Drossel- oder einem anderen fremden, von ihm etwas hergerichteten 
Neste, und zwar entweder über einem Waldsumpfe oder in der Nähe eines 
Waldteiches, eines Wassergrabens im Walde oder eines am Ufer stellen- 
weise versumpften Waldbaches. Ich möchte behaupten, dass die Annahme, 
er brüte je im Freien, auf einer Sumpf- oder Moorfläche, zwischen Seggen- 
gräsern, auf irgend einer Kaupe u. ähnl,, durchaus auf Irrthum, nament- 
lich auf einer Verwechselung mit der nahe verwandten folgenden Art, dem 
Bruchwasserläufer, beruhe. Im Walde mag er bald höher, bald niedriger 
brüten, allenfalls auch mal einen Erlenstock mit seinen Wurzelschösslingen 
als Neststand wählen, allein den versumpften Wald wird er als Brutplatz 
nie aufgeben. Sogar auf seinem Durchzuge trifft man ihn fast ausnahmslos 
in unmittelbarer Nähe von Wald oder Gebüsch an. Sogar von Waldbächen, 
durch das Waldesdunkel führenden Gräben, von tief einschneidenden und 
bewachsenen kleinen Flüssen scheucht man ihn dann nicht selten auf. 
Mit einem schneidig lauten „Tieh Tieh” fährt er dann überrascht aus 
solchen tiefen Einschnitten blitzschnell empor, oft zum nicht geringen 
Schrecken dessen, der dem scheuen Vogel Schrecken eingejagt hat. Zu- 
meist sieht man ihu jedoch an flachufrigen Teichen, Tümpeln, seltener 
Flüssen umhersuchen, aber, wie gesagt, soviel wie möglich, stets in der 
Nähe von Gehölz. Doch scheint ihm auch zuweilen eine Schilfpartie zu 
genügen. Nie jedoch geht er in höheren Pflanzenwuchs hinein, sondern 
bleibt immer auf dem Offenen. Auf baumlosen Flächen sieht man ihn 
nur selten und vorübergehend. Bei meinem fünfmaligen Besuche der Nord- 
seeinsel Borkum, die zeit- und stellenweise von den verschiedensten ver- 
wandten Vögeln wimmelte, wo wir fast sämmtliche deutsche Tringen, 
Totaniden, Limosen, Regenpfeifer, Brachvögel u. s. w. erlegten, habe ich 
nur zweimal unsere Art beobachtet. Aufgestört, aber nicht zu sehr erschreckt, 
schreit er in grösseren Pausen „Dlüidlüidlüi”, beschreibt hoch in der Luft 
einen grossen Bogen und wirft sich in fast sausendem Sturze, den Fall 
durch Wenden des Körpers von der einen zur anderen Seite etwas mildernd, 
weit von der ersten Stelle wieder herab. Er fliegt wie mehre seiner Ver- 
wandten mit stark gebogenem Handgelenke, ist aber, abgesehen von dem 
eben bezeichneten Schreie im Fluge leicht an seinen sehr abstechenden 
weissen und schwarzen Farben leicht zu erkennen. Fliegt er gegen einen 
dunklen Hintergrund, so sieht man oft fast nur seine schneeweisse Schwanz- 
und Bürzelfärbung. Er erinnert hierdurch lebhaft an den gemeinen Stein- 
schmätzer oder an die Hausschwalbe (daher „Schwalbenschnepfe”). Mehr 
als die übrigen Arten lebt er auf dem Zuge einzeln oder nur in sehr 
kleinen Gesellschaften. Ich habe nie mehr als sechs Individuen zusam- 
men gesehen, und dieses nur zweimal am 6. und 18. April; häufiger trifft 


504 Snumpfläufer. 


man zwei, auch wohl drei an. Nie aber schlägt sich dieser Wasserläufer 
in starke Flüge zusammen. Auch solche kleine Trupps zeigen stets nur 
eine sehr lose Verbindung. Es scheint fast, als wenn mehr die einzelne 
zusagende Stelle sie zufällig zusammengeführt als ein Geselligkeitstrieb 
sie verbunden hätte. Aufgestört entfliehen sie ohne eine Zusammenge- 
hörigkeit besonders zu bekunden. Diese Art zeigt sich auch anderen Arten 
gegenüber ungesellig. Nie entdeckt man ein Individuum in der Gesell- 
schaft eines fremden Schwarmes. Auffallender Weise bemerkt man sie 
auf dem Zuge im Frühlinge weit häufiger als im Herbste. Ihre Wande- 
rungen machen sie des Nachts. In ihrer Nahrung werden sie sich schwer- 
lich von den anderen verwandten Spezies unterscheiden, als nur in sofern, 
als ihr singulärer Aufenthalt ihnen besondere kleine Thierchen bietet. Ihre 
Eier, die an Grösse die der gemeinen Bekassine übertreffen, sind von denen 
der sämmtlichen übrigen Scolopaciden auffallend verschieden. Auf sehr 
licbtem, weisslich olivengrünem Grunde tragen sie nämlich nur wenige, 
kleine, weitständige Flecken. Die Dunenjungen sind mir völlig unbekannt. 
Es scheint, als wenn diese Art für Deutschland nur in wenigen Gegen- 
den und auch dort nur in sehr vereinzelten Paaren als Brutvogel auftritt. 


2. Der Bruchwasserläufer. 
Totanus glareola L. 

Kaum Rothdrosselgrösse; von dem nahe verwandten Waldwasserläufer 
unterscheidet ihn eine stärkere Randfleckung der Federn seiner Oberseite, 
der weisse Schaft der ersten grossen Handschwinge, sowie der von der 
Wurzel an weiss und schwarz gebänderte Schwanz. Im Fluge erscheint 
er seinem schwarzweissen Verwandten gegenüber dunkelgrau und weiss. 
Seine höheren Ständer und längeren Zehen deuten auf einen anderen 
Aufenthalt. Er bewohnt als Brutvogel in Deutschland den bruchigen 
Küstenstrich der Nord- und Ostsee, und zieht sich durch Schleswig und 
Jütland bis hoch in Skandinavien hinauf. Für Süddeutschland ist er als 
solcher schon eine Seltenheit. Feuchte Wiesengründe, morastige Sümpfe 
werden von ihm als Brutstellen benutzt. Mehr als seine Verwandten lebt 
er, obschon er sich nie bekassinenartig drückt, durch Gras und sonstigen 
Krautwuchs verdeckt. Ich habe ihn äusserst spärlich angetroffen und er- 
halten; das letzte Mal am 10. Mai. Sein Flug ist ebenfalls sehr schnell 
und gewandt; im Frühlinge verbindet er mit einem auf- und absteigenden 
Balzfluge eine Art trillernden Gesang, zieht nicht einzeln, sondern fami- 
lienweise, ja sogar in grösseren Gesellschaften und erreicht im Winter die 
fernsten Gegenden von Asien und Afrika. Seine gestreckt kreiselförmigen 
Eier tragen auf grünlichem Grunde kleinere, meist langgezogene, sogar 
strichförmige zahlreiche rothbraune Flecken. 


Der kleine Rothschenkel. Der grosse itothschenkel. 505 


3. Der kleine Rothschenkel. 
Totanus calidris L. 

Wachholderdrosselgrösse; Oberseite licht graubraun mit schwarzen 
grösseren oder kleineren Flecken, Unterrücken, Bürzel und breite Binde der 
Armschwingen weiss, Unterseite weiss mit schwarzen Schaftstrichen oder gar, 
namentlich in der Kropfgegend, mit Drosselflecken (Männchen im Sommer); 
die Basishälfte des Schnabels und die hohen Füsse roth. Die weisse Flügel- 
binde nebst dem weissen Unterrücken kennzeichnet ihn leicht im Fluge. 
— Der Rothschenkel („Gambette, Gambettwasserläufer, Chevalier”) hat 
seine Heimath zahlreich in den baumlosen, niedrigen, wasserreichen Küsten- 
strichen des nördlichen Deutschlands und Hollands bis hoch in Skandi- 
navien hinauf und ist von hier zum Süden hin bis Ungarn und Griechen- 
land, aber in geringerer Anzahl, zu finden. Aehnliches gilt vom südlichen 
Deutschland. Brücher, Moore, sumpfige Wiesen bieten ihm dıe bevor- 
zugten Brutplätze, an denen er im April aus fernem Süden anlangt. Seine 
laute, wohltönende, vielfach modifieirte, sogar zum Trillern mit begleiten- 
dem zitternden oder auf- und absteigenden Balzfluge gesteigerte Stimme 
belebt in hohem Grade die eintönige Gegend. Gegen Ende August bis 
Mitte September langen die Bewohner der nördlicheren Gegenden an 
unseren Küsten in ungeheuren Schwärmen an, und ihre wolkenähnlichen 
Flüge sind dann nur mit denen des kleinen Alpenstrandläufers zu ver- 
gleichen. Aus nicht zu weiter Entfernung unterscheiden sie sich von 
diesen dadurch, dass sie weniger eine homogene compacte Masse bilden; 
jedoch sind die Schaaren der wandernden Austernfischer noch durchsich- 
tiger, gleichsam grobkörniger als sie. Auch diese Art macht des Nachts, 
wie oben vom Alpenstrandläufer bemerkt, in grossen Flügen seine nächt- 
lichen Wanderungen, theilweise wenigstens, über das Binnenland und er- 
füllt über eine durch zahlreiche Gasflammen erleuchtete Stadt ziehend 
oder von einem heftigen Gewitter überrascht den Himmel mit seinem 
tausendkehligen Rufe: „Tütütü, tütü, tütütü”, den Ton auf die zweite Silbe 
gelest. In einzelnen Fällen ziehen solche Schwärme noch spät im Jahre 
durch, z. B. am 20. November 1367 über Münster. — Seine Eier, welche 
fast denen des Kiebitzes an Grösse gleichkommen, tragen auf zart lehm- 
röthlichem, frisch jedoch häufig in’s Grünliche ziehendem Grunde, kleinere 
oder grössere zahlreiche, dichtständige rothbraune Flecken bez. Punkte. 


4.. Der grosse Rothschenkel. 
Totanus fuseus Briss. 
Stark Misteldrosselgrösse; an Gestalt der schlankste, zierlichste seiner 
Gattung; Oberseite aschgrau mit kleinen runden weissen Randflecken der 
einzelnen Federn, aber grossen dreieckigen der Flügelfedern (im Sommer 


506 Sumpfläufer. 


ist der Kücken‘ tief schieferschwarz mit sehr kleinen weissen Flecken, im 
Winter der Mantel ungefleckt); Unterseite im Sommer tief violett schiefer- 
schwarz, im Winter weiss mit sparsamen Flecken, in der Jugend weiss 
mit schwärzlichen Kanten, so dass dieselbe auf weissem Grunde mehr oder 
weniger schwarzschimmerig erscheint; Armschwingen nur mit weissen 
Spitzen; Schnabel sehr lang, besonders gegen die schwach abwärts ge- 
bogene Spitze fein und zierlich; Mundwinkel und nur die Basis des Unter- 
schnabels roth; Beine sehr lang, mennig oder ziegelroth, jedoch im Sommer 
tief rothbraun. Iu unseren Gegenden erscheint diese Wasserläuferart selten 
anders als im Jugendkleide, und auch in diesem ist sie durchaus nicht 
häufig. Sie bewohnt als Heimath den höchsten Norden und Nordosten, 
etwa von 68—70° n. Br. bis zum Eismeere. Im Frühlinge lässt er sich 
selten in Deutschland sehen und dann etwa von Mitte April an wohl in 
seinem, wenn auch noch nicht ganz reinen Sommerkleide. Am 1. April d. J. 
überraschte ich am Plager See im hiesigen Lieper Revier ein einzelnes, 
bereits sehr dunkles Exemplar. Im Herbst erscheint er einzeln oder in 
kleinen Gesellschaften am freien Rande von grösseren Teichen, Seen, auch 
Flüssen; jeden höheren Krautwuchs oder gar Gestrüpp vermeidet er dabei 
ängstlich. Steht er dann in sehr seichtem, etwa nur die Zehen bedecken- 
dem Wasser, so erscheint er an flachuferigen Stellen imponirend gross. 
Dies Postiren an gänzlich unbewachsenen Wasserrändern hat auf ihn mehr 
als auf irgend eine andere Art schon oft einen verhältnissmässig sehr er- 
folgreichen Schuss thun lassen; 9, 10, 15, ja noch mehr Stück, d. h. 
ungefähr die ganze Gesellschaft, sind wohl mit einem Schuss erlegt. Mehr 
als S Individuen habe ich nie zusammen gesehen. — Seine Eier ähneln 
denen des Kampfhahns, sind jedoch selbstredend weit grösser. 


5. Der hellfarbene Wasserläufer. 
Totanus glottis L. 

Von der Grösse des vorigen; jedoch wegen des stärkeren Schnabels 
und niedrigeren Ständer weniger zierlich erscheinend; Oberseite im Sommer 
schwarzbraun mit weissen Federsäumen, im Winter lichtgrau weisslich 
gekantet, in der Jugend aschgrau mit schwärzlich brauner Federmitte; 
Unterseite rein weiss oder weiss mit spärlichen schwarzen Schafttropfen ; 
Schnabel von der Mitte an schwach aufwärts gebogen, an der Basis 
viel mehr hoch als breit; Armschwiugen ohne Weiss; Handschwingen 
schwärzlich braun; Schnabel und Füsse grünlich bleifarben, die Spitze des 
ersten schwärzlich. Auch diese Art ist ein nordischer Brutvogel, obschon 
seine Brutplätze bereits in Scotland unter dem 57" n. Br. beginnen. In 
Deutschland wird er schwerlich brüten. Im hohen Norden nimmt seine 
Anzahl nach Osten hin zu, so dass wir ihn als nordöstlichen Vogel be- 


Uferläufer. 507 


zeichnen müssen. Im Innern von Deutschland wird er im Frühlinge im 
März und April, sehr selten noch in den ersten Tagen des Mai, im Herbst 
zumeist im August angetroffen. An unseren Seeküsten treibt er sich noch 
bis in den October, ja November hinein umher. In seiner Heimath be- 
wohnt er sumpfige, morastige Stellen, und bei uns zieht er ebenfalls 
Schlammboden den sandigen Stellen weit vor. Wir finden ihn nur an 
klaren Wasserflächen, stets frei, sowohl an Flüssen, als Seen, Teichen, 
sogar an grösseren Tümpeln, gern dort, wo eine Schlammbank sich in’s 
Wasser -hinein erstreckt, theils einzeln, theils in kleinen Gesellschaften. 
Jedoch war er an der Nordsee ungemein häufig und dort auch wohl zu 
starken Flügen vereint. Seine laute wohltönende Stimme steigert sich 
auch bei ihm im Frühling unter einem zitternden auf- und absteigenden 
Balzfluge zum melodischen Trillern. — Seine Eier ähneln denen des 
grossen Rothschenkels. 

Eine farbig ähnliche, doch kleinere deutsche Art (Rothdrosselgrösse), 
feiner gebaut, mit weit längeren Ständern, der Teichwasserläufer, 
Totanus stagnatilis, sei hier nur genannt, da sie als Bewohner des Süd- 
ostens (z. B. Ungarns) zu selten in Deutschland angetroffen wird. 


Uferläufer, Actitis. 


Kleine Arten, sowohl an Strand- als an Wasserläufer erinnernd; 
Schnabel nur wenig länger als der Kopf, weich, doch die schwach kolbige 
Spitze hart; Flügel mittellang, spitz, die erste grosse Handschwinge die 
längste; Füsse mittellang, doch schlank; äussere und mittlere Zehe durch 
Spannhaut verbunden, Hinterzehe nur wenig höher gestellt, berührt mit 
der Spitze den Boden; Schwanz abgestuft, ragt unter den Flügeln weit 
hinaus. Männchen und Weibchen von gleichem Gefieder, auch die Jungen 
ähneln den Alten. — Die Uferläufer leben in der Brutzeit an nicht be- 
wachsenen Uferstellen der Flüsse, streichen in niedrigem Fluge dicht über 
den Wasserspiegel dahin, setzen sich gern auf erhöhte Gegenstände, er- 
greifen dort Inseeten und andere Thierchen und brüten auch daselbst. 
Nach der Brutzeit schweifen sie familienweise umher, jedoch ohne durch 
ein enges Band zusammengehalten zu werden, und kommen auf ihrem 
Zuge meist einzeln auch an sonstige Gewässer. — Eine Art ist in Deutsch- 
land überall bekannt. Ausser dieser hat sich auch eine ähnliche, auf der 
Unterseite jedoch drosselfleckige amerikanische Art, Actitis macularia L., 
nach Deutschland verirrt. 


Der Flussuferläufer. 
Actitis hypoleucos L. 


Lerchengrösse; Oberseite braungrau mit seidenartig grünlichem Schein; 


508 Sumpfläufer. 


Unterseite weiss, jedoch am graulichen Halse fein gestrichelt; über Mitte 
und Spitzen der Armschwingen ein weisses Doppelband; die mittleren 
Schwanzfedern braungrau, die äusseren zunehmend weiss. — Der Fluss- 
uferläufer verbreitet sich von Spanien zum Eismeere, Kamschatka, Ben- 
galen, und ist innerhalb dieses ungeheuren Areals wohl an allen langsam 
fliessenden Flüssen heimisch. Nur an Flüssen scheint er zu brüten; dort, 
wo siöh zwischen Fluss und höherem, bewachsenem, schützendem Ufer 
freie Plätze, nicht so sehr Sandbänke, auf denen sich der Flussregen- 
pfeifer gern ansiedelt, als vielmehr halb getrocknete Schlammstellen oder 
bei niedrigem Wasserstande blosgelegte Theile des Flussbettes u. dergl. 
befinden. Auf solchen trifft man ihn fast beständig an, wenn die Wasser- 
fläche vor diesen frei ist und nach der Landseite eine hohe, steile, oder 
gar unterwaschene, namentlich mit Gesträuch, überragendem Gebüsch be- 
standene Uferwand den gehörigen Schutz bietet. Aufgescheucht streicht 
er sehr niedrig über die Wasserfläche hin, schlägt intermittirend schnell 
mit den Flügeln, senkt dabei oft die Flügelspitzen und schwenkt sich gar 
bald seitwärts zu einem ähnlichen Uferplätzchen hin. Eine besondere 
Vorliebe hat er für angekettete, vom Ufer her in den Fluss hineinragende 
Nachen, für Waschbretter, niedrige Pfähle, in’s Wasser tretende Flecht- 
zäune, sogar für sehr schräg geneigte Baumstämme, am Ufer schwimmende 
Planken. Ein hohes, ihn von der Landseite her deckendes Ufer und eine 
klare Wasserfläche sind auch hier für ihn unerlässliche Bedingungen. 
Rauschende Gebirgswässer mit senkrecht aufsteigenden Felsen sind ihm 
zuwider. An den eben genannten Stellen aber verweilt er lange, wech 
selt mit ihnen, so dass man ihn mit Sicherheit an der einen oder der 
anderen antreffen kann, und ergreift hier seine Nahrung, besonders In- 
secten, und zwar nicht oder nur zufällig am Boden, sondern wo immer 
sie sich findet. Er erschnappt ganz nach Art der weissen Bachstelze, 
der er auch durch seinen längeren Schwanz, mit dem er auf- und nieder- 
wippt, ähnelt, die flugfähigen Inseeten, unter denen namentlich Zweiflügler 
und Phryganiden, besonders Mystaeiden und im Frühlinge Sialis lutaria 
an solchen Stellen zahlreich umherfliegen und sich setzen. Mit dieser 
Arbeit sieht man ihn an den bezeichneten Plätzchen lebhaft beschäftigt. 
Weil er auf diese Nahrung angewiesen ist, trifft er im Frühlinge auch 
nicht so ganz früh bei uns ein. Von Ausnahmefällen abgesehen, bemerken 
wir diesen munteren liebenswürdigen Vogel erst gegen Ende April an 
unseren Flüssen, und noch Ende Mai sieht man zuweilen mehre Stück 
zusammen, die offenbar ihren festen Neststand noch nicht erwählt haben. 
Durch seinen lauten, sonoren Ruf „Tihtihtih” meldet er sich nach seiner 
Ankunft sofort. Derselbe steigert sich fast zu einem eifrigen Trillern in 
der Paarungszeit, und das dann unruhige heftige Hin- und Herfliegen des 


Wassertreter. 509 


Männchens dicht über dem Wasserspiegel, gern dort, wo der Fluss eine 
Biegung macht und dem übermüthigen Vögelchen einen grösseren Tum- 
melplatz bietet, kann als Balzflug angesehen werden. Ganz den Jagd- 
plätzchen entsprechend ist auch der Neststand. Wie jene nach der Wasser- 
seite hin frei, nach der Landseite hoch geschützt sind, steht auch das 
für einen schnepfenartigen Vogel auffallend gut gebaute Nest durch höheres 
Kraut oder Gebüsch halb, nur von einer Seite her verdeckt. Zwischen 
dem Neststande und dem Wasserspiegel ist freie, wenigstens nie mit Ge- 
strüpp bewachsene Fläche; doch steht es oft in einiger Entfernung von der 
Wasserlinie. Im Münsterlande ist der Vogel an Werse und Ems häufig, 
und dort lässt sich die Ausdehnung des Brutrevieres der einzelnen Paare 
auf etwa '/, bis '/, Stunde leicht ermitteln. Die Eier haben für den 
kleinen Vogel eine enorme Grösse, da sie hierin den Rephühnereiern 
gleichen oder dieselben noch übertreffen. Unter allen Scolopacideneiern 
sind sie sehr leicht zu erkennen, denn ihre fettglänzende Schale trägt auf 
hell rothbräunlichem Grunde kleine, weitständige rothbraune Flecken und 
verloschen durchschimmernde Schalenflecken. Gegen oder kurz nach Mitte 
Juli sieht man die Familien der einzelnen Paare sich an den Brutplätzen 
umhertreiben. Bald aber zerstreuen sie sich in der ganzen Gegend, und 
wir begegnen dann an allen Teichen, Tümpeln, Gräben, Bächen, welche 
annähernd dem Charakter ihrer Brutstellen entsprechen, einzelnen dieser 
Vögel; sogar auf den Nordseeinseln, aber nur an den Süsswasserkolken 
und Tümpeln im Innern derselben ist dann der Uferläufer vorübergehend 
häufig. Doch lebt er ungesellig, so dass nur die einladende Beschaffen- 
heit einzelner Stellen mehre Individuen zusammenführt; selten begegnet 
man einer kleinen, doch nie fest zusammenschliessenden Gesellschaft von 
5, 8, 10 Individuen. Man hat freilich schon gegen 20, ja 30 angetroffen; 
allein das ist eine seltene Erscheinung. — Von Mitte August an schweifen 
sie weiter umher, mit Ende September haben sie unsere Gegend ver- 
lassen, um im fernen Süden, bis Ostindien hin, die Ungunst ihres heimath- 
lichen Winters spurlos an sich vorübergehen zu lassen. 


Wassertreter, Phalaropus. 


Sehr kleine, strandläuferartige Sumpfvögel, deren hauptsächlichste 
Eigenthümlichkeit in der seitlichen, nach den Zehengliedern eingeschnürten 
Hautumrandung ihrer durch Spannhaut verbundenen Zehen besteht. Schna- 
bel von Kopfeslänge, von der Basis bis zur Mitte weich, und von da ab 
hart; Flügel mittellang; erste grosse Handschwinge die längste; Beine 
mittellang, Schenkel höher hinauf als bei den Tringen, unbefiedert. In 
ihrem Kleiderwechsel schliessen sie sich diesen enge an. Man kennt nur 


510 Sumpfläufer. 


drei nordische Arten, von denen zwei auf der östlichen Halbkugel lebend 
sich auch wohl bis nach Deutschland verirren. Sie halten sich stets am oder 
vielmehr ähnlich wie Wasser- und Teichhühner schwimmend auf dem 
Wasser auf. Sie nicken wie diese bei jedem Ruderschlage. Ihre zartscha- 
ligen kreiselförmigen Eier tragen auf olivengrünem Grunde zahlreiche dicht- 
ständige sehr intensive kleine Flecken. 

Der schmalschnäblige Wassertreter, Phaloropus einereus Briss. 
(hyperboreus L., angustirostris N.). Schnabel abgerundet, in der Basis- 
hälfte mehr hoch als breit, spitzewärts allmählich verschmälert. 

Der breitschnäblige Wassertreter, Phalaropus rufescens (pla- 
tyrhynchus Temm., rufus Bechst.). Schnabel plattgedrückt, zumal gegen 
die Spitze. 


Uferschnepfe, Limosa. 


Kräftige, mittelgrosse, wohlgestaltete Sumpfvögel; Schnabel sehr lang, 
zwei- bis dreimal so lang als der Kopf, länger als der Lauf, an der Basis 
hoch, von der Mitte an sehr schwach nach oben gebogen, die harte Spitze 
des Oberschnabels seitlich und nach vorn über die des Unterschnabels er- 
weitert; Stirn flach; Hals lang; Flügel über mittellang, erste grosse Hand- 
schwinge die längste; Beine lang, Lauf vorn und hinten mit queren Schil- 
dern; Unterschenkel über die Ferse hinauf weit nackt; äussere und mittlere 
Vorderzehe durch Spannhaut verbunden, Hinterzehe klein, nicht sehr hoch 
gestellt; Schwanz kurz. — Die Uferschnepfen, welche sich in wenigen 
Arten auf der nördlichen Hälfte beider Halbkugeln, doch auch in Neu- 
holland finden, erscheinen am meisten den Wasserläufern verwandt. Sie 
bewohnen sumpfige, weite, offene Flächen, feuchte und nasse Wiesengründe, 
auch Haiden, schreiten hier bedächtig nach Nahrung, niederes Gethier, 
umher, richten sich bei Annäherung einer Gefahr auf, stehen, wie die 
Totanus stocksteif, ohne sich je nach Art der Schnepfen zu drücken, und 
entfliehen fliegend schon aus weiter Entfernung plötzlich. Ihre Eier ähneln 
denen der schnepfenartigen Vögel, sind aber mit reinerem Grün grundirt 
und mit häufig sehr verloschenen Flecken gezeichnet. Im Herbst ziehen 
sie oft schaarenweise zum Süden, halten aber fast stets die Meeresküsten 
auf ihren Wanderungen, so dass man sie tief im Festlande nur selten 
antrifft. Ausser einer kleinen hoch nordöstlichen aschgrauen Spezies, Li- 
mosa terec, die nur sehr selten sich nach Deutschland verirrt hat, übrigens 
sich durch auffällig nach oben gebogenen Schnabel, sowie durch Spann- 
haut auch zwischen der inneren und mittleren Zehe von den anderen 
Arten unterscheidet, kennt unser Vaterland nur eine Art als Brutvogel 
und eine zweite als Herbst- und Frühlingsgast. 


Die schwarzschwänzige Uferschnepfe. 511 


I. Die schwarzschwänzige Uferschnepfe. 
Limosa melanura Leis]. 

Körpergrösse etwa die einer Ringeltaube, jedoch wegen ihres langen 
Halses, ihrer langen breiten Flügel und sehr hohen Beine im Stehen wie 
im Fluge ausserordentlich stattlich; von allen schnepfenartigen Vögeln, 
mit Ausnahme des grossen Brachvogels, die grösste Art. Die Stirn steigt 
von der Basis des sehr langen Schnabels allmählich an, so dass ihr läng- 
liches Gesicht ihr den Namen „Geiskopfschnepfe” (Z. aegocephala L.) 
verschafft hat. Schwanz schwarz mit weisser Basis, scharf abgeschnitten 
weiss erscheint auch der Bürzel und eine von der vierten Schwinge an 
beginnende Flügelbinde; Beine schwarz; Kralle der Mittelzehe nach innen 
gezähnt. Im Uebrigen variirt sie in Grösse und Färbung nicht unerheblich. 
Im Sommer ist ihre Hauptfarbe ein rostiges Rothbraun, häufig, namentlich 
auf der mehr grauen Schultergegend und dem Rücken, unregelmässig 
schwarz gefleckt. Man findet kaum zwei Exemplare, bei denen die Aus- 
breitung des Rostbraun und diese schwarze Fleckung gleich wären. Im 
Winter und der Jugend sind sie von oben eintönig erdbraun oder erdgrau. 
Sie hat ihre Heimath zahlreich im Südosten Europa’s, in den unteren 
Wolgagegenden, auch in Ungarn, und erstreckt sich von dort bis nach 
Jütland und den brittischen Inseln hinauf. In Asien lebt sie in ähnlichen 
Breitegraden, ja soll als Brutvogel noch in China vorkommen. In den 
niedrigen Küstenländern der Nordsee kennt man sie allenthalben, in Hol- 
land, Ostfriesland, Oldenburg, Hannover. Doch wird sie schon seit 2 Decen- 
nien durch das unausgesetzte Fortfangen der Alten beim Neste durch 
Hirten für unsere zoologischen Gärten stellenweise allmählich selten. Ihre 
am meisten bevorzugten Wohnplätze sind die ausgedehnten feuchten und 
nassen Wiesengründe, die ab und zu unterbrochen sind von Mooren und 
Sümpfen. Hier macht sie sich von allen ihren Verwandten durch Grösse, 
lautes Rufen, besonders durch ihr „Grütto grütto...”, das ihr auch lokale 
Benennung verschafft hat, bemerklich. Besonders fällt der komische Flug 
des eifrig balzenden Männchens, das sich bald auf diese, bald auf jene 
Seite wirft, den erhobenen Flügel steif in die Luft streckt, mit dem 
gesenkten Luftschläge ausführt, auf. Im April trifft sie dort ein. — 
Ihre gestreckt birnförmigen Eier repräsentiren den grünen Wiesengrund 
des Neststandes: ihre weitständige Fleckenzeichnung ist selten intensiv 
und scharf, in der Regel sehr verloschen. Auf ihrem Zuge zum Süden 
berühren sie die Binnenländer verhältnissmässig äusserst selten. Meines 
Wissens sind nur einmal zwei Exemplare bei Münster, das doch rück- 
sichtlich ihrer eben genannten Brutstellen äusserst günstig liegt, auf den 
ausgedehnten Aawiesen vorgekommen und erlegt. Ein so stattlicher Vogel 
ist kaum zu übersehen. 


512 Sumpfläufer. 


2. Die rothe Uferschnepfe. 
Limosa rufa Briss. 

Von etwa Feldtaubengrösse, doch ebenfalls durch ihren langen Schnabel, 
Hals, Beine und grossen Flügel weit stattlicher als eine Taube. Schwanz 
auf beiden Federfahnen weiss und dunkelbraun gebändert; Flügel ohne 
weisse Binde, Mittelzehe ohne Zeichnung. Sommerkleid: Oberseite schwarz- 
braun mit rostrothen Federrändern; Unterseite braunroth oder röthlich 
rostfarben. Winter- und Jugendkleid: Oben lerchenfarben, unten weisslich. 
Diese Art bewohnt den hohen Norden, brütet z. B. in Lappland und im 
Taimyrlande, und wandert im Herbst und Frühling in oft grosser Menge 
aus und nach ihrer Heimath. So zahlreich wie sie dann, zumal im Früh- 
linge, die Küsten unserer Nordseeinseln besucht, so selten erscheint sie 
im Innern unseres Vaterlandes. Die Eier übertreffen die des Kiebitzes 
an Grösse bedeutend und tragen auf olivengrünem Grunde sehr weit- 
ständige grosse olivenbraune längliche Flecken. 


Brachvogel, Numenius. 


Grosse, kräftig gebaute, wohlgestaltete Schnepfenvögel, mit ausser- 
ordentlich langem, die Kopfeslänge um das Doppelte bis Dreifache über- 
treffendem, stark bogig herabgekrümmtem, feinem, gegen die harte Spitze 
etwas verdicktem Schnabel; Hals lang; Beine kräftig, hoch; der Lauf nur 
vorn mit Querschildern versehen; Vorderzehen nicht lang, durch Spann- 
haut verbunden, Hinterzehe klein und hoch gestellt, so dass sie den Boden 
kaum berührt; Flügel spitz und gross; Schwanz 12federig, kaum mittel- 
lang. — Unter allen Scolopaeiden ragen die Brachvögel durch ihre statt- 
liche Grösse hervor; sie sind weder fein noch plump gebaut; und charak- 
terisiren sich auch auf den ersten Blick durch ihren unverhältnissmässig 
langen Sichelschnabel und die fast bei allen Arten für alle Kleider iden- 
tische Lerchenzeichnung als eine enge, scharf umschriebene Gattung. Es 
giebt etwa 10 Spezies, die über alle Erdtheile zerstreut leben. Sie schlagen 
ihre Heimath in offenen mit Gräsern und anderem niedrigen Kraute be- 
wachsenen Flächen, wo möglich in der Nähe von grösseren Gewässern, 
auf, leben hier in der Brutzeit paarweise, schaaren sich aber in den 
kälteren Gegenden zur jährlichen Wanderung zu oft starken Flügen. Sie 
leben stets offen, scheuen höheren Krautwuchs oder gar Gestrüpp und 
Gebüsch, drücken sich bei Annäherung eines gefährlichen Gegenstandes 
nie, sondern fliehen, häufig unter lautem Schrei schon aus weiter Ferne. 
Ihre Stimme ist überhaupt laut und wohltönend, sie erschallt als einzelner 
Ruf während des Fluges, hebt sich aber wohl zur Fortpflanzungszeit zu 
einem kräftigen Triller. Sie nähren sich von kleinen niederen Thieren, 


Der grosse Brachvogel. 515 


Regenwürmern, Inseoten, Larven. Wie alle übrigen Angehörigen dieser 
Familie legen auch die Brachvögel vier zartschalige, birnförmige, mit oliven- 
braunen Flecken besetzte Eier. Die Jungen sind nach dem abgelegten 
einfarbig grauen Dunenkleide den Alten an Gefiederfarbe und Zeichnung 
gleich; ihr Schnabel ist jedoch nicht blos relativ viel kürzer, sondern auch 
weniger gekrümmt. Auch bei den alten Vögeln varirt die Schnabellänge 
nicht unerheblich. Die nordamerikanische Art, Num. longirostris, gehört 
zu den langschnäbeligsten Vögeln. In Deutschland lebt eine Art als sehr 
bekannter Brutvogel, eine zweite besucht vom hohen Norden her alljähr- 
lich in Menge unsere Küsten, selten lässt er sich im Binnenlande an- 
treffen; eine dritte, der Mittelmeerfauna angehörende, namentlich in Nord- 
afrika brütende Spezies, der dünnschnäbelige Brachvogel, Numenius 
tenwirostris Viell., leicht kenntlich an den Drosselflecken am Unterkörper, 
namentlich in der Gegend der Weichen, ist für Deutschland nur als höchst 
seltener Irrgast anzusehen. 


I. Der grosse Brachvogel. 
Numenius arcuata L. 


Fast Rabengrösse; Oberkopf auf lehmgelblichem Grunde gleichmässig 
lerchenfleckig; Befiederung des Unterschnabels bis unter die Nasenlöcher- 
basis reichend; Weichen weiss mit wenigen dunkelbraunen Schaftstrichen; 
Schwanz weiss mit scharf begrenzten, auf den Mittelfedern verloschenen 
schwarzen Querbinden. — Diese Art („Keilhaken, Kronschnepfe, Tütewelle”) 
lebt als Brutvogel in Skandinavien und dem nördlichen Russland, Dänemark, 
an den Küsten unserer Nord- und Ostsee bis in Süddeutschland hinein. Im 
letzteren tritt er allerdings nur noch sehr sporadisch, am zahlreichsten in den 
Küstenstrichen auf. Ich kenne ihn aus Pommern und Brandenburg, sowie 
aus dem Münsterlande als Brutvogel. Weit ausgedehnte, ruhig gelegene 
feuchte Wiesengründe und moorige Haiden waren seine Brutplätze. Fern 
von diesen trifft man ihn im Binnenlande fast nur einzeln oder in kleinen 
Gesellschaften an, wo er dann auf kurz bewachsenen Aeckern, Brachfeldern, 
Triften, Weiden, Wiesen vorübergehend seine Nahrung sucht. Schon 
kurz nach dem ersten Drittel des März bis tief in den April hinein, eben 
so im August und September ist er an solchen Stellen zu finden. Ganz 
anders jedoch belebt er im Spätherbst oder gar im Frühlinge unsere 
Küstenländer und die Nordseeinseln. Dort streift er nämlich in grossen 
Flügen umher. Er hält sich stets an offenen Orten, woselbst er freie 
Aussicht hat, zieht Sandboden dem schweren Lehmboden vor, verweilt 
jedoch nicht gern lange an einer Stelle, sondern wechselt mit dem Be- 
suche von Tümpeln und sonstigen Gewässern und trockenen Lagen. Unter 
den Sumpfläufern gehört er unstreitig zu denjenigen Arten, welche sich 

Altum, Die Vögel, PP) 


514 Sumpfläufer. 


durch Grösse, helle Färbung und weitschallenden, : vollen, flötenartigen 
Lockton, ein sonores „Tloid”, das er in grösseren Pausen fliegend hören 
lässt, am meisten bemerklich machen, jedoch auch zu denen, die sich 
durch eine ausserordentliche Scheuheit auszeichnen. An den Brutplätzen 
steigert das im zitternden Fluge balzende Männchen seinen Ruf zu einem 
jodeluden Triller, womit es die Umgebung in weitem Umkreise völlig 
beherrscht. Die vorhin bezeichneten Aufenthaltsorte, nämlich grosse 
Haiden, trockne Moore nicht weit von Sümpfen, feuchte Wiesengründe, am 
Strande auch die Dünenthäler dienen ihm zu Brutplätzen. Bei Ueber- 
schwemmung einer ausgedehnten Wiesenfläche bei Stettin hatten einst die 
Brachvögel ihre Nester auf den Heuhaufen angelegt. Seine gestreckt birn- 
förmigen Eier sind auf olivengrünem Grunde, bald spärlicher, bald dichter, 
bald feiner, bald gröber gefleckt. Er nährt sich hauptsächlich von Regen- 
würmern, grösseren Insecten, namentlich Käfern, Larven, Schnecken; doch 
soll er auch wohl Beeren und sonstige Vegetabilien verzehren. Man sieht 
ihn am Tage beständig in bedächtigem Schritt darnach umhersuchen. Er 
ist überhaupt weit mehr Tages- als Nachtthier. Im Herbst zieht er meist 
die Küsten entlang zum fernen Süden, doch überwintern auch im höheren 
Norden, z. B. auf den Färöer, Brachvögel. Für Deutschland möchte das 
jedoch ein seltener Fall sein. 


2. Der Regenbrachvogel. 
Numenius phaeopus L. 

Kaum Krähengrösse; Scheitel dunkel mit einem gelblichen Längsstreif 
in der Mitte; Schnabel sehr stark herabgebogen; die seitliche Befiederung 
des Unterschnabels nicht bis unter die Nasenlöcher reichend; Weichen 
weiss mit Querbinden und Pfeilflecken; Schwanz an der Basis schmutzig 
weiss, sonst mit dunklen in die Grundfarbe verlaufenden Binden. Diese 
kleinere Art bewohnt als Brutvogel ausschliesslich nördliche Gegenden, 
dringt weit jenseits des arctischen Kreises vor und wird in Grönland, 
Island, den Färöer und Sibirien gefunden, und zwar auf Mooren und 
Haideflächen, namentlich solchen auf Hochplateaux. Deutschland besucht 
er fast nur an den Seeküsten, doch sind mehre Exemplare im Herbst im 
Münsterlande und auch anderswo im Binnenlande erlegt. Ende April und 
im Mai pflegt er im Frühlinge und Anfangs August, ja schon im Juli, 
im Herbst zu erscheinen. Ich selbst habe ihn nur auf der Nordseeinsel 
Borkum beobachten können. Abgesehen von seiner geringeren Grösse und 
seinem rascheren Flügelschlage unterscheidet ihn von der grossen Art sein 
auffallend tremulirender Lockton im Fluge: „Hüüüüüüh”. Im Winter ist 
er noch weit jenseits des Aequators, sogar auf den australischen Inseln zu 
finden. Seine Eier haben eine weniger gestreckte Form als die seines 


Säbelschnäbler. — Stelzenläufer. 515 


grösseren Verwandten, und sind in der Regel mit wenigen aber intensiven 
Flecken besetzt. 


Säbelschnäbler, Recurvirostra. 


Hochbeinige, langhalsige, in grossen Partieen schwarz und weiss 
gezeichnete Arten mit langem, äusserst feinspitzigem, nach oben geschwun- 
genem, plattgedrücktem, fischbeinartigem Schnabel und mittelgrossen Flügeln, 
deren zweite Handschwinge die längste ist; Vorderzehen durch halbe 
Schwimmhäute verbunden, Hinterzehe klein, hochgestellt, den Boden nicht 
berührend. Alle Kleider ähnlich. Die wenigen Arten gehören zumeist dem 
Süden an. Sie halten sich in offenen Gegenden auf moorigen, sumpfigen 
Flächen, gern auch am Wasser auf, fliegen weniger schnell als etwa die 
Wasserläufer, gehen langsam, schwimmen geschickt, ergreifen ihre Nah- 
rung, kleine niedere Thiere, indem sie mit ihrem sonderbaren Schnabel 
durch das Wasser hin und her fahren, leben stets offen, zeigen sich ausser- 
ordentlich scheu, brüten auf kaum benarbtem Boden und legen oliven- 
gelbbräunlich grundirte, mit dunkelbraunen scharfen, rundlichen und spiralig 
gestellten oder ausgezogenen Flecken besetzte rauhschalige Eier. Bei uns 
lebt nur eine Art. 


Die Avosette. 
Recurvirostra avocetta L. 

Taubengrösse; rein weiss; jedoch Schnabel, Oberkopf, Hinterhals, 
Schultern, kleine und mittlere Flügeldeckfedern und grosse Schwingen 
schwarz; Füsse bleiblau; Dunenjunge einfach weisslich. Die Avocette hat 
eine sehr weite Verbreitung, da sie sich etwa vom 57° n. Br. bis zum 
Aequator erstreckt. Für Deutschland kennen wir sie nur in den nörd- 
lichen Küstenstrichen und auf manchen Nordseeinseln. Jedoch ist sie 
nirgends zahlreich. Auf Borkum brüten nur etwa 6 Paare. Leider wird 
diesem so höchst auffallenden Vogel überall stark nachgestellt. 


Stelzenläufer, Hypsibates. 


Aeusserst hochbeinige, mässig langhalsige, in grossen Partieen weiss 
und schwarz gezeichnete Arten; Schnabel einem feinen langen Wasser- 
läuferschnabel ähnlich; Füsse ohne Hinterzehe; die mittlere und äussere 
Vorderzehe durch eine kleine_Spannhaut verbunden; Flügel sehr spitz, 
die erste grosse Handschwinge die längste; alle Kleider ähnlich, In der 
Lebensweise erinnern sie sehr an die Wasserläufer; die Eier stehen denen 
des Kiebitzes am nächsten. Man kennt 5 Arten, welche auf beide Halb- 

33* 


516 Wasserwader. 


kugeln vertheilt sind, doch meist in der heissen Gegend leben. Deutch- 
land wird nur von einer Art selten besucht. 


Der grauschwänzige Stelzenläufer. 
Hypsibates himantopus L. 

Taubengrösse; Unterseite, Bürzel und Unterrücken weiss; Mantel tief- 
schwarz mit grünlichem Schimmer, in der Jugend bräunlich mit weiss- 
lichen Kanten; Schwanz grau mit weissen Federrändern, Füsse hochroth, 
in der Jugend orange, Schnabel schwarz. Der europäische Stelzenläufer 
bewohnt den Süden und namentlich Südosten. In Deutschland ist er nur 
als Verirrter eine seltene Erscheinung. 


XI. Ordnung. Wasserwader, Ciconiae. 


Grosse Nesthocker mit langem, ganz hornigem Schnabel, 
niedriger Stirn, nackter Zügel- und Augengegend, 
langem Halse, grossen breiten Flügeln und hohen, weit 
über die Ferse hinauf unbefiederten vierzehigen Beinen. 


Die „Wasserwader”, wie wir diese Vögel im Gegensatz zu denen 
der vorhergehenden Ordnung, den „Sumpfläufern”, nennen wollen, zeichnen 
sich vor jenen aus durch bedeutende Körpergrösse und robusten, stark- 
knochigen Bau. Ihr langer Schnabel ist ganz mit harter Hornscheide 
überzogen; er dient ihnen nie als Tastapparat, sondern nur zum Ergreifen 
der durch das Gesicht erspäheten thierischen Nahrung. Der Scheitel ist 
flach, der Schädel vom Schnabel nicht abgesetzt, die Stirnbefiederung tritt 
auf die Schnabelbasis nicht als Schneppe vor, oder als solche zurück, son- 
dern findet hier eine geradlinigte oder convexe Begrenzung und zieht sich 
von hier hinter die Augen herum, so dass Zügel und Augenumrandung, 
oft auch ein grösserer Theil des Gesichtes, ja wohl der ganze Kopf und 
noch ein Theil des Halses nackt bleiben. Hals lang. Auch die Arm-, 
namentlich die Oberarmknochen und die Mittelhand verlängert, der Flügel 
somit gross, häufig auch breit. Die erste Handschwinge ist hier nie zu 
einem abortiven Federchen verkümmert; die hierher gehörenden Störche 
besitzen sogar 11 ausgebildete Handschwingen. Beine verlängert, die Ti- 
bien hoch über die Ferse hinauf unbefiedert und wie die Tarsen warzig 
genetzt, doch auch wohl vorn mit kurzen schiefen Schildern bedeckt. Von 


Reiherartige Vögel. 517 


den vier Zehen sind die vorderen durch Spannhäute an der Basis ver- 
bunden. — Die Wasserwader bewohnen zumeist die süssen Gewässer in 
allen Erdtheilen, leben namentlich an stehendem Wasser, Seen, Teichen, 
Sümpfen, theils im Schilf, Rohr oder zwischen anderen Wasserpflanzen 
versteckt, theils schreiten sie auf offenen Flächen nach ihrer Nahrung 
suchend umher. Alle Bewegungen werden mit einer gewissen Ruhe vor- 
genommen, doch das Ergreifen ihrer flüchtigen Nahrung geschieht unter 
blitzschnellem Ausstrecken des Halses. Ihr Flug ist ruhig, fast gemächlich. 
Keine Art durchschneidet in sausendem Fluge die Luft. Manche vermögen 
anhaltend zu schweben und raubvogelähnlich in schönen Spiralen sich zu 
drehen. Sie brüten theils auf dem Erdboden im Rohre der Gewässer oder 
im hohen Krautwuchse in der Nähe derselben, theils bauen sie frei ste- 
hende Nester hoch auf Bäume, einzeln oder colonienweise. Ihre hart- 
schaligen Eier haben nie die in der vorigen Ordnung so häufig auftretende 
Birnform, sondern eine schöne ebenmässige Eiform, sind weiss oder grün- 
blau, ausnahmsweise bräunlich und tragen nur sehr selten, und dann auf 
weissem Grunde braune Fleckenzeichnungen (die Löffler und theilweise 
Sichler). Die Jungen hocken lange im Neste und sehen im ersten Con- 
tourgefieder den Alten bald sehr ähnlich, bald gänzlich verschieden. Männ- 
chen und Weibchen sind äusserlich oft kaum von einander zu unterscheiden. 
Ihre Stimme ist meist schwach, oder ein rauher einzelner Ton. — Man 
kennt beinahe 120 Arten von Wasserwadern, deren grösste Anzahl an den 
Sümpfen, Flüssen, Deltas der heissen Gegenden angetroffen wird, etwa 
12 Spezies bewohnen von diesen Europa, kaum die Hälfte davon hat noch 
bei uns ihre Heimath. 


1. Familie. Reiherartige Vögel, Ardeidae. 


Zu dieser Familie gehören grosse bis kleinste Formen der Wasser- 
wader. Körper sehr schmächtig und seitlich stark zusapmengedrückt; der 
gerade, gegen die Spitze wohl sanft abwärts gebogene Schnabel spitz, 
scharfkantig, comprimirt, die First abgerundet nach hinten abgeflacht; 
Zügel und Augenrand nackt; die Augen der Schnabelwurzel genähert und 
mit leuchtend hellgelber Iris; Hals laug und dünn, dessen Haut wie die 
Speiseröhre sehr dehnbar; Armknochen sehr lang; Flügel gross, breit und 
stumpf; Beine lang bis mittellang, Bindehäute zwischen den Vorderzehen 
kurz; Mittelkralle am Innenrande kammförmig gezähnt; Hinterzehe halb 
schräg nach innen gerichtet, in gleicher Höhe mit den Vorderzehen ein- 
gelenkt; alle Zehen lang und dünn; die Krallen lang, schmal, flach ge- 
bogen; Schwanz kurz, 10- bis 12federig, Das Gefieder der Reiher hat 
manches Besondere. Am Kopf ist dasselbe häufig schopfartig, am Halse 


518 Wasserwader. 


und auf dem Rücken oft bandförmig, fein lanzettlich, sehr verlängert, grob 
zerschlitzt, alles das jedoch nur als Zierrath der alten Vögel. Männchen 
und Weibchen sind sich sehr ähnlich, die Jungen matter, doch auch wohl 
gänzlich abweichend gefärbt. Ein oder mehre Paare Puderdunenflecke, an 
den Seiten der Vorderbrust, an den Weichen, auch am Rücken zeichnen 
die Reiher vor allen anderen Vögeln aus. Diese Puderdunen, dunige Feder- 
bildungen, die sich durch unausgebildete Posen, sich stets abstossende 
Spitzen und Fettigkeit auszeichnen, kommen wenigstens in dieser Menge 
und polsterartigem Zusammenstehen bei anderen Vögeln nicht vor. Der 
Hals ist merkwürdiger Weise sowohl an seiner vorderen, als ganz besonders 
an seiner hinteren Seite von Contourfedern frei. Letzteres ermöglicht 
ein Zusammenlegen desselben, wie wir es bei anderen “Vögeln kaum 
wieder finden. In Ruhe nämlich berührt der Kopf durch ein sehr starkes 
S-förmiges Zusammenknicken desselben unmittelbar die Schulter, so dass 
das Scheitelprofil direct in den Umriss des Rückens übergeht. Steht nun 
ausserdem, wie gewöhnlich der Vogel auf einem Beine, so ist seine Form 
eine wahre Zerrgestalt. Es ist in hohem Masse überraschend, wenn ein 
solcher, anscheinend sehr gedrungener plumper Vogel plötzlich einen un- 
geahnt langen und dünnen Hals entwickelt. Auf Beute lauernd stehen 
die Reiher im oder am Wasser stets mit stark eingezogenem Halse, der 
aber blitzschnell entfaltet wird, wenn die Schnabelharpune nach einem 
Fisch oder anderen Thiere dirigirt werden soll. Auch nehmen sie wohl, 
namentlich um sich unkenntlich zu machen, die entgegengesetzte Stellung, 
eine sehr gestreckte, an, indem sie auf den Fersen hockend, den Körper, 
den ausgestreckten Hals und Schnabel in gleicher Richtung stocksteif schräg 
empor halten. Ueberhaupt vermögen die Reiher sehr komische Stellungen 
anzunehmen. Auch im Fluge, dem stets etwas Unkräftiges, Mattes bei- 
zuwohnen scheint, legen sie den Hals taschenmesserförmig zusammen, so 
dass der Kopf zwischen den Schultern ruht. Sie brüten theils versteckt 
in Rohr und Schilf, theils hoch auf Bäumen und dann meist colonienweise 
und zuweilen weit vom Wasser entfernt. Ihre grünblauen, weissen oder 
bräunlichen Eier sind stets matt und ungefleckt. Keine Art schwimmt. 
Es sind etwa einige 60 verschiedene Arten bekannt, die mit Ausnahme 
des hohen Nordens einzeln in allen Zonen an den entsprechenden Stellen, 
an süssem Gewässer, in Meeresbuchten, aber nie an offenen Seen ange- 
troffen werden. Sie leben meist einsam, doch zeigen sich manche in der 
Brutzeit gesellig, auch wandern einige in sehr kleinen Gesellschaften beim 
Anbruch des Winters wohl nach wärmeren Gegenden. Acht verschiedene 
Arten werden in Deutschland angetroffen, jedoch sind die meisten als Irr- 
gäste vom Südosten her anzusehen. Nur drei haben noch in unserem 
Vaterlande ihre Heimath. 


Reiher. 519 


Reiher, Ardea. 
Charakter der Familie. 


a. Eigentliche Reiher. 


Schlanke hochbeinige Gestalten; Schnabel viel länger als der Kopf, 
gerade, nur gegen die Spitze sehr schwachbogig sich verjüngend; Schiene 
über die Ferse weit hinauf (mehr als die halbe Laufeshöhe) nackt; Hals 
schlank, kurz befiedert, so dass seine winkligen Biegungen scharf ins Auge 
fallen, der Vorderhals in der Kropfgegend trägt bei den alten Vögeln lang 
herabfallende feinspitzige, der Rücken geschlitzte Federn; der Schwanz 
enthält 12 Federn. — Die eigentlichen oder typischen Reiher sind Tages- 
vögel, welche höchstens noch in der Dämmerung ihrer Nahrung nach- 
gehen, des Nachts jedoch ruhen; ihre Eier gesättigt grünlichblau, die 
Dunenjungen weisslich oder hellgrau. Vier deutsche Arten, von denen 
jedoch nur eine überall gemein und bekannt ist. Da derselben auch eine 
gewisse Forstwichtigkeit zukommt, so soll sie ausführlicher behandelt 
werden. 


. Der Fischreiher. 
Ardea cinerea L. 

Oberseite zart aschblau, Kopf, Hals, Unterseite weiss, ersterer mit 
zwei tiefschwarzen seitlichen Scheitelstrichen und desgleichen (selten weissen) 
sehr langen feinen Genickfedern, der Hals vorn mit zwei Längsreihen 
schwarzer Flecken, an der Schulter und jederseits am Unterkörper schwarze 
Partieen; die Unterhals- und Kropffedern sehr verlängert, fein lanzettlich, 
herabwallend, die Mantelfedern fein bandförmig zerschlissen. In der Jugend 
weit eintöniger aschgrau, die Schmuckfedern nicht ausgebildet. Diese Art 
ist zu bekannt, als dass nicht eine genauere Beschreibung überflüssig 
wäre. Doch für die Diagnose seien noch als plastische Merkmale ange- 
geben, dass der Schnabel, wie auch die Mittelzehe kürzer ist als der 
Lauf, die Kralle der Hinterzehe der Hälfte der Länge dieser Zehe gleich- 
kommt und die zweite Handschwinge die längste, die erste gleich der 
fünften ist. — Die Heimath des gemeinen Fischreihers erstreckt sich vom 
Norden, etwa vom 60—65° n. Br. bis zu den Mittelmeerländern; er soll 
in Algerien, Griechenland und Palästina noch brüten. In grösster Anzahl 
lebt er in Mitteleuropa und ist in Deutschland überall einer der bekann- 
testen Vögel, obgleich nicht in allen Gegenden gleich häufig. Da seine, 
wenngleich nicht einzige, doch weitaus bevorzugte Nahrung in Fischen 
besteht, welche er in seichten klaren Gewässern in der Weise fängt, dass 


520 Wasserwader. 


er in denselben mit gebücktem Körper leise, fast schleichend, und in die Tiefe 
spähend, einhergeht und sie durch blitzschnelles Vorschnellen des Halses 
mit seinem langen, scharfschneidigen Schnabel ergreift, so ist sein Vor- 
kommen eben durchaus an solche passende Jagdreviere gebunden. Er 
giebt ferner dem fliessenden Wasser vor dem stehenden den Vorzug und 
liebt den Wald, namentlich den alten Hochwald in der Nähe. Wo es 
ihm im hügeligen Terrain weder an diesem, noch an zahlreichen Land- 
seen fehlt, da verzichtet er auch auf den Besuch der Flüsse, siedelt sich 
hier oft in Menge an und wechselt gern von einem See zum andern. 
Hoch oben in den alten Bäumen, sowohl zur Ruhe am Tage und dann 
besonders auf den dürren Hornzacken der Eichen, als auch als Nacht- 
stand, findet er den gewünschten Schutz. Am zahlreichsten werden wir 
ihn an und in den grösseren Flüssen dort finden, wo zahlreiche Kies- 
bänke und Untiefen ihm die passenden Jagdplätze bieten. Wenn ich von 
einzelnen besonderen Ereignissen absehe, z. B. davon, dass beim Sturm 
auf den Nordseeinseln sich im Herbst wohl grosse Massen von Reihern 
in geschützten Dünenthälern zusammenfinden, ferner auch die Nisteolonien 
aus dem Spiele lasse, also nur ruhig fischende Reiher hier berücksichtige, 
so habe ich nie mehr Reiher gesehen als wiederholt auf der Donau, die 
dort, wo nicht hohe Ufer oder gar steile Felsen sie einengen, ihnen die 
eben bezeichneten Plätze in Menge bietet. In Gegenden, welche dem 
Reiher nach den oben angedeuteten Eigenschaften nicht zusagen, fehlt er 
freilich nicht. Ausser der Brutzeit sieht man dort fast in jedem Monate 
des Jahres Reiher, aber zahlreich stellt er sich nicht ein, namentlich wird 
man dort vergebens nach Brutplätzen suchen. So weiss ich für das 
Münsterland nur, das bei Rheine eine kleine Colonie sich angesiedelt hatte, 
ob sie noch daselbst existirt, ist mir unbekannt, und dass eben dort auch, was 
als seltener Fall angesehen werden muss, auch ein oder anderes Paar isolirt 
horstet. In der Mark Brandenburg dagegen sowie in Pommern sind Reiher- 
colonien durchaus keine Seltenheit und hier bei Neustadt besitzen wir im 
Lieper Revier einen recht starken Reiherstand. Das hügelige Terrain 
mit seinen vielen interessanten Seen und den alten Hochwäldern, ist für 
die Reiher sehr einladend; doch haben sie mehrmals kleine Colonien auf- 
gegeben und scheinen sich schliesslich in eine grössere (am Rosinensee) 
vereinigt zu haben. Wo eben möglich, wählen sie alte Bäume auf einem 
Hügel oder Höhenzuge, nie im Thale. Das habe ich bei der starken 
Colonie auf sehr hohen Buchen am Ahlbecker See in Pommern gesehen, 
das sehe ich an verschiedenen Stellen hier. So steht unweit der Försterei 
Liepe hier noch eine Anzahl alter, früher besetzter Horste auf einem am 
Felde gelegenen Höhenzuge, der mit sehr alten abständigen Buchen be- 
standen ist. Die Partie ist für den Ornithologen immer noch interessant. 


Der Fischreiher. 521 


Die Krähen sollen die Reiher daselbst durch massloses Nesterplündern 
vertrieben haben. Diese ihre Räubereien habe ich selbst oft gesehen. Eine 
Krähe treibt sogar das brütende Reiherweibchen vom Neste, wenn sie 
kein freies findet. Der Reiher macht allerhand komische Gebehrden und 
sperrt den Schnabel gegen die Krähe auf, diese aber ergreift rasch ein 
Ei und entflieht schleunigst. Jenen verlassenen Stand betreffend, so brüten 
auf kleinem Raume in den alten Buchen ausser Krähen, Staaren und 
anderen kleinen Vögeln daselbst noch Thurmfalk, Hohltaube, Schwarz- 
specht, Blaurake. Der Thurmfalk ist ein häufiger Insasse der Reiher- 
ceolonien. Ich habe schon drei brütende Paare in einer solchen gefunden. 
Eine zweite erst seit zwei Jahren ohne alle Störung, wenigstens durch 
Menschen, verlassene kleine Colonie, etwa 12 Paare, steht ebenfalls auf 
einem Höhenzuge im Lieper Revier und zwar auf alten Kiefern. Hier 
brütete ein Wanderfalk in unmittelbarer Nähe derselben. Beide, Reiher 
wie Falk, hatten Junge, wie ich sie besuchte, und sie schienen sich 
brüderlich zu vertragen. Ob die Reiher sich wegen dieser gefährlichen 
Nachbarschaft verzogen haben, ist mir unbekannt. Doch auch der Falk 
war im folgenden Jahre, obschon er seine drei Jungen ungestört aufge- 
bracht hatte, verschwunden. In diesem Jahre (1873) hat er sich wieder 
daselbst eingestellt, die Reiher aber sind nicht zurückgekehrt. Diese 
12 Reiherpaare scheinen sich mit denen jenseits des Rosinensee’s vereinigt 
zu haben. Diese starke Colonie behauptet ebenfalls den Rücken eines 
Hügelzuges und steht auch auf hohen Kiefern. Den imponirendsten, wenn 
auch bei Weitem nicht den stärksten Stand habe ich in der Colbitz-Letz- 
linger Haide im Forstort Steinberge, Jagen 146, gesehen. Es war im 
Mai 1854. Der damalige Oberförster des Revieres, der jetzige Kammer- 
herr und Vice-OÖberjägermeister Herr v. Meyerinck zu Berlin, führte 
mich hin. Schon aus der Ferne war der Anblick überraschend. Die von 
den Reihern besetzte Bestandesfläche glich einem abgebrannten Dorfe, in 
dem die nackten Sparren, etwa hier und dort noch mit den Resten der 
früheren Strohdächer behangen in die Luft emporragen. In der Nähe ent- 
hüllten sich diese räthselhaften Stangen und Stümpfe als die Spitzen alter 
Eichen, und die Strohklumpen als eine Menge Horste. Uebermässig stark 
war, wie gesagt, der Stand nicht, denn er enthielt nur 91 besetzte Horste; 
aber letztere standen so dicht, dass eine der alten Eichen allein 13 der- 
selben trug. Ich habe die Colonie damals skizzirt und gebe einen Theil 
derselben jetzt hier im Titelbilde dieses Buches. In den seitdem ver- 
strichenen 19 Jahren hat sich daselbst freilich Manches verändert. Wie 
mir auf meine Anfrage der jetzige Oberförster daselbst, Herr Salemon, 
gütigst mittheilt, hat der Sturm und hinterher die Axt des Forstmannes 
diese alten Reiherbäume entfernt, und ein Theil der Reiher sich in 


5223 Wasserwader. 


der Nähe angesiedelt. Allein die Darstellung der Colonie behält nichts 
desto weniger ihren Werth, zumal da auch der forstwirthschaftliche Schaden, 
der durch eine solche entstehen kann, dadurch zur Anschauung gebracht 
wird. Ich möchte nämlich das Absterben und Abbrechen der Spitzen zum 
Theil wenigstens auf Rechnung der Reiher setzen. Die sehr dünnflüssigen, 
in Masse dort verspritzten Excremente bedecken die jungen Blätter der 
Art, dass ihre Athmung sehr arg beeinträchtigt werden muss. Zu dieser 
bedeutsamen Functionsbeschränkung der Blätter tritt noch als freilich mehr 
unwichtiges, doch immerhin zu berücksichtigendes Moment, das Abbrechen 
der Reiser zum Bau der zahlreichen Nester. Jedenfalls werden auch die 
Reiher durch ihr Gewicht manches Zweiglein knieken und die Stürme 
die durch die Horste belasteten Zweige leichter brechen. Kurz, wer ein 
solches Waldbild, wie das im Holzschnitt dargestellte, in der freien Natur 
vor sich sieht, kann sich, auch ohne dass er sich die Gründe klar macht, 
unmöglich des Gedankens erwehren, dass die Reiher diesen Ruin direct 
oder indirect verschulden. Bunt sieht es in einer solchen Colonie aus. 
Auf dem Boden liegen stets zerbrochene Eier, später ist Alles weiss be- 
kalkt, hier und da verwesen Fische, auch ein oder anderer junger Reiher 
ist wohl mal als Cadaver zu ‘finden. Hoch oben flattern die Alten, die 
man sonst nur selten in solcher Menge und Nähe über sich sieht. Ihr 
tiefes „Krah” oder „Kah” erschallt von allen Seiten, bald setzt sich einer 
hier, bald dort, den langen dünnen Hals hoch emporgerichtet, bald rechts 
bald links fliegt einer plötzlich aus einer dichten Baumkrone auf. Da 
fällt der erste Schuss, der dröhnend durch die Hallen des alten Waldes 
schallt. Alles was Flügel hat, jetzt auf und davon. Bald jedoch kehren 
sie zurück, um sich von der Dringlichkeit der Gefahr genau zu über- 
zeugen, flattern hin und her, bald sich nähernd, bald wieder fliehend, 
allein stets in zunehmender Höhe. Manche halten sich schon sehr bald 
in einer schätzungsweisen Höhe von 50-80 Meter; der eine oder andere 
jedoch kommt auch nach wiederholtem Schiessen noch wieder schussrecht, 
so dass ich schon in sehr kurzer Zeit, ohne einen vergeblichen Schuss 
zu thun, sechs alte Reiher erlegte.e Die Jungen machen, wie ich im 
Juni zu hören mehrfach Gelegenheit hatte, einen ganz sonderbaren plärren- 
den Lärm, der in der Ferne an den einer so grossen gemischten Gesell- 
schaft von Wachholderdrosseln und Staaren erinnert, dass man keine ein- 
zelnen Töne mehr unterscheidet, sondern nur den Totaleindruck des 
Spectakels bekommt. Nähert man sich ihnen, so verstummt das eigenthüm- 
liche „Keckeckeck”. Schon früh, schon kurz nach Mitte März, sieht man 
die alten Reiher über der Colonie schweben und ab- und zufliegen. Sie 
besichtigen dann ihre vorigjährigen Horste, bessern sie aus oder bauen 
erforderlichen Falles neue. Vier Wochen später sind die Horste besetzt‘ 


Der Fischreiher. 523 


Man findet dann in jedem 3 bis 5 prächtig grünblaue Eier. Jedoch sind 
dieselben fast stets sehr schwer zu erreichen, da sie nicht allein auf den 
höchsten Bäumen, sondern auch in den Wipfeln derselben, sogar und zwar 
in der Regel auf so dünnen Zweigen stehen, dass ein Versuch, sie aus- 
zuheben, mit grösster Lebevsgefahr verbunden ist. Noch will ich er- 
wähnen, dass in baumlosen fischreichen Gegenden, z. B. in Russland, die 
Reiher auch nahe am Boden, auf zusammengeknicktes Rohr, Gestrüpp 
u. dergl. bauen. Sind die Jungen im Stande, sich selbst zu ernähren, so 
verbreiten sich Alle bald über die ganze Gegend und man sieht dann 
dort Reiher, woselbst sich in weitem Umkreise kein Reiherstand befindet. 
Es ist interessant, für eine solche Gegend die grosse Menge der jahrelang 
gesammelten Notizen über die Zeit des dortigen Eintreffens und Erschei- 
nens der Reiher zusammenzustellen. Die Verhältnisszahlen für die nähere 
Umgebung von Münster sind darnach folgende: Januar — 1, Februar = 2, 
März — 6, April = 3, Mai = 0, Juni = 1, Juli= 5, August = 10, Sep- 
tember = 10, October = 9, November = 2, December = 3. Ende April, 
Mai, bis gegen Ende Juni ist somit Alles fest an den Brutplatz ge- 
bunden; im Juli beginnen sie ihre Streifereien, im August und September, 
auch noch October, sind sie mitten in voller Bewegung; von da ab aber 
haben sie uns zum grössten Theil verlassen, nur einzelne fristen im 
November, December, Januar und Februar an offenen Stellen kümmerlich 
ihr Dasein, im März beginnt ihr Rückzug, sie passiren unsere Gegend 
wieder, haben aber grössere Eile als im Herbst, das Fortpflanzungs- 
geschäft drängt, doch lassen sich noch Anfangs April einzelne sehen, 
darauf aber ist bis Ende Juni Alles wieder verschwunden. Nach diesen 
Thatsachen ist es nicht leicht, den Reiher unter eine bestimmte Kategorie 
betreffs seines Wandertriebes zu fassen. Man kann ihm das Prädikat Zug- 
vogel, obwohl er sich im Winter in grösster Menge über Afrika und das 
wärmere Asien verbreitet, kaum voll und ganz zulegen, da namentlich in 
milden Wintern einzelne Individuen bleiben. Hier bei Neustadt liessen 
sich sogar in dem äusserst strengen Winter 1870/71 an unserer schnell 
fliessenden Schwärze Reiher antreffen. So gesellig sich der Reiher in der 
Fortpflanzungszeit zeigt, so vereinsamt lebt dieser „Träumer der Sümpfe” 
ausserhalb derselben. Wo man dann mehre oder gar viele zusammen 
findet, da sind es nur äussere Verhältnisse, reiche Jagdplätze, passende, 
isolirt liegende Nachtstände, geschützte Stellen bei heftigem Unwetter 
u. dergl., durch welche sie vereint werden. Doch wandern nicht selten 
kleine Gesellschaften, etwa 3 oder 4 Stück in Reih und Glied neben ein- 
ander, oder 6 bis 8 in schräger Linie hinter einander. Solche sind dann 
keine Umherstreifer, sondern als wirkliche Reisende anzusehen, welche 
bereits in August ihre Wanderung beginnen. Als „Träumer der Sümpfe” 


524 Wasserwader. 


ist unser Fischreiher vom Franzosen Michelet bezeichnet. Ich glaube 
nicht, dass ein ernst beobachtender Deutscher leicht auf diesen bestechen- 
den Ausdruck verfallen wäre. Zunächst bewohnt der Reiher nicht den 
Sumpf, sondern er fordert durchaus klares Wasser. Auch wenn wir ihm 
in sumpfigen, bewachsenen Niederungen begegnen, ist die Stelle, an der 
er sich befindet, stets offen und klar. Mit dem eigentlichen Sumpf kommt, 
er nie zusammen. Auch vermeidet er dichtes Schilf und Rohr, nie tritt 
er in solches hinein oder spaziert gar darin umher. Dann träumt er da- 
selbst auch nicht. Treten wir an eine solche weite, theilweise mit Schilf 
und zahlreichen anderen Wasser- und Sumpfpflanzen bedeckte Niederung 
heran, ganz behutsam, weil wir die Hoffnung haben, irgend einen er- 
wünschten Sumpf- oder Wasservogel daselbst zu erbeuten. Auf 500, 600 
bis 1000 Schritt ragt hier und dort über den Krautwuchs ein weisser 
Stab hervor, der unbeweglich an derselben Stelle steht. Schleichen wir 
am Rande näher heran, so verwandelt sich plötzlich der nächste Stab in 
zwei mächtige Reiherflügel. Die Fischer haben nicht geträumt, sondern 
die ihnen drohende Gefahr bereits auf so weite Entfernung hin vernommen 
und erkannt. Ein schwaches Räuspern oder gar Husten, ein unvorsich- 
tiger Tritt genügt völlig, um den Reiher sofort aufmerksam zu machen. 
Er richtet Körper und Hals unter horizontaler Haltung. von Kopf und 
Schnabel steif empor, um frei über alles Gekräut auszuschauen, und 
steht so stockstill so lange, bis die Gefahr gründlich beiseitigt ist. Nur 
schwer beruhigt er sich gänzlich. Er ist ohne Zweifel, trotz seiner baroken 
Gestalten, die er in den extremsten Abwechselungen annimmt und oft so 
lange einhält, dass man ihn für eine Bildsäule halten möchte, einer der 
wachsamsten Vögel. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese seine steinerne 
Unbeweglichkeit in Verbindung mit dem schon berührten gedankenraschen 
Vorschnellen des eingezogenen Halses den Eindruck des Unheimlichen, 
Tückischen an sich trägt. Man wird unwillkührlich an das Verhalten von 
Amphibien und Reptilien erinnert. Eine gefällige liebenswürdige Seite 
lässt sich dem Reiher kaum abgewinnen. Seine Hauptnahrung bilden 
Fische; Aale, wo er sie haben kann, zieht er allen vor, im Uebrigen 
werden zumeist die hochschwimmenden von ihm ergriffen. Zu grosse, die 
er ganz nicht hinunterschlucken kann, bleiben für ihn ungeniessbar, da 
er nicht im Stande ist, sie in Stücke zu zerreissen oder zu zerhacken. 
Alle andere Nahrung bildet nur Surrogat für fehlende Fische. Es gehören 
dahin Frösche, Froschlarven, junge Wasservögel, Mäuse, Teichmuscheln, 
grosse Wasserinsecten. Von seinen Jagdplätzen fliegt er erst in später 
Dämmerung, sich bemerklich machend durch seinen in längeren Pausen 
erschallenden Schrei, ein lautes überschlagendes „Kraih”, zu seinem Nacht- 
stande. In aller Frühe ist er am nächsten Morgen wieder am Platze. —- 


Der Purpurreiher. — Der Silberreiher. 525 


Dass in früherer Zeit der Fischreiher der Hauptjagdgegenstand der Fal- 
koniere war, ist bekannt. Das oben erwähnte nahe Zusammenbrüten der 
Reiher und des Wanderfalken in unserem Lieper Revier 1371 war um 
so auffälliger, weil diese Falkenart gar häufig zur Reiherbaize verwendet 
wurde. Im Anfange der vierziger Jahre erhielt ich in Münster noch einen 
Fischreiher mit einem unsignirten Kupferblech um den einen Ständer. 
Wenn ich nicht irre, wurde damals noch in Holland die Falkenjagd ein- 
zeln betrieben. 


2. Der Purpurreiher. 
Ardea purpurea L. 

Länger und noch schmächtiger als der Fischreiher; in Ausbildung 
der Schmuckfedern und im ganzen Habitus mit diesem übereinstimmend. 
Oberseite rostbraun und dunkelaschgrau gemischt; Scheitel schwarz; Hals, 
Brust und untere Schwanzfedern rostbraun. In der Jugend fast gleich- 
mässig gelblich rostfarben und braun gefleckt, mit weisslichem Bauche. 
Schnabel oder Mittelzehe so lang als der Lauf; die Kralle länger als diese 
halbe Zehe; vierte Handschwinge die längste, die erste gleich der fünften. 
— Der Purpurreiher bewohnt die sumpfigen, stark bewachsenen Niede- 
rungen im Süden und Südosten, doch kommt er als Brutvogel auch in 
Holland vor. Vom Waggon aus habe ich ihn mehrmal in der Gegend 
von Haarlem an Gräben gesehen. In Deutschland muss man ihn zu den 
seltenen Vögeln rechnen, und es sind fast nur Junge, die hier erbeutet 
werden. Im Herbst wurde meines Wissens zweimal ein solcher bei Münster 
erlegt. Er lebt fast nur zwischen Schilf- und Rohrpartieen versteckt und 
gedeckt und zeigt sich bei weitem weniger scheu als sein grauer Vetter. 
An klaren Flüssen wird er kaum angetroffen. Seine Nester stehen gleich- 
falls zwischen Sumpfpflanzen am Boden und enthalten 3 bis 5 nur durch 
eine etwas geringere Grösse und stumpfere Gestalt von denen des Fisch- 
reihers verschiedene Eier. 


3. Der Silberreiher. 
Ardea alba L. 

Eine gleichfalls sehr schlanke Gestalt, von 1 bis 1,3 Meter Länge; 
reinweiss, doch der Schnabel in der Jugend gelb, im Alter hornschwarz 
bis auf die gelben Mundwinkel und Basis des Unterschnabels; First ab- 
gerundet. Zügel gelb bis dunkelgrün; Zehenrücken dunkelbraun. Der 
grosse Silberreiher bewohnt nur den Südosten, auch Süden Europa’s und 
ist stellenweise in Ungarn häufig. Er hält sich gleich dem Purpurreiher 
in bewachsenen Sümpfen, brütet am Boden und legt länglichere und blasser 


526 Wasserwader. 


blaue Eier als der Fischreiher. Geschätzt sind von ihm seine ausseror- 
dentlich langen weitläufig sperrig getheilten Rückenschmuckfedern. 


4. Der Seidenreiher. 
Ardea garzetta L. 


Im Allgemeinen ist der Seidenreiher oder kleine Silberreiher die klei- 
nere Ausgabe des vorigen, der ihn an Grösse doppelt übertrifft. Auch 
er ist reinweiss, seine Schmuckfedern, die selbstredend nur die alten Vögel 
zieren, weil kleiner weniger geschätzt. Schnabel schwarz, die Basis des 
Unterschnabels und der Zügel graubläulich; First und Kiel kantig. Auch 
er lebt zumeist im Südosten, und kommt dort stellenweise in bedeutender 
Anzahl vor. Seine Nester stehen ebenfalls am oder niedrig über dem Boden 
in irgend einem Weiden- oder anderen Busche. Die Eier gleichen bis auf 
die geringere Grösse denen des Silberreihers. — Beide Arten sind kaum 
ein oder arderes Mal in Deutschland erlegt. 


b. Rohrdommel. 


Wegen ihres breiten, lockeren Gefieders und der kürzeren Ständer 
plump erscheinende Gestalten; Schnabel schlank, so lang oder wenig länger 
als der Kopf, gerade, jedoch First und Kiel gegen die Spitze schwach ge- 
bogen; der Lauf kürzer als die Mittelzehe; die Schienen kaum oder nur 
wenig über der Ferse nackt; Kopfbefiederung gleichmässig lang und wie 
das seitliche lockere breite Halsgefieder nach hinten verlängert, Schwanz 
1Ofederig. Die Rohrdommeln leben versteckt am oder über dem Wasser 
niedrig im Rohre, nähren sich von Fischen und anderen kleinen Wasser- 
thieren, bauen auf den schilfigen Boden ihr Nest und legen ungefleckte, 
doch verschiedenfarbige Eier. Es sind Nachtthiere, die sowohl hierdurch 
als durch ihr weiches lockeres Gefieder, häufig sogar auch durch dessen Zeich- 
nung und Färbung, sowie durch ihre zusammengekauerte Haltung und 
ihren matten ruhigen Flug an die Eulen erinnern. Drei Arten gehören 
Deutschland an, von denen jedoch eine nur als seltener Gast das deutsche 
Bürgerrecht beanspruchen kann. Ihr äusserst verstecktes Wesen und die 
Unzugänglichkeit ihres Aufenthaltsortes lässt sie ohne Zweifel in den 
meisten Fällen unbeachtet, so dass sie häufiger vorkommen, als sie scheinen. 
Das gilt besonders von den kleinen Arten, die sich sogar in der Fortpflan- 
zunggzeit wenig bemerklich machen. 


5. Die grosse Rohrdommel. 
Ardea stellaris L. 


Körper kaum Rabengrösse; Schnabel von Kopfeslänge, die grünen 


Die grosse Rohrdonimel. 5327 


Beine dick, über der Ferse nur wenig unbefiedert, Zehen lang, die innere 
viel länger als die äussere; Oberseite okergelb mit zahlreichen schwarzen 
Sprenkelungen und Querzeichnungen; Unterseite blasser mit schwarzen 
Längsflecken; Schwingen dunkelschiefergrau mit rostfarbiger Bänderung. 
Männchen und Weibchen äusserlich gleich, und ebenso auch die Jungen. 
— Die Heimath der Rohrdommel bildet das mittlere und südliche Europa; 
sie geht jedoch auch in das an Südeuropa angrenzende Asien bis nach 
Persien hinein. Im nördlichen Deutschland ist sie freilich nirgends unbe- 
kannt, jedoch im östlichen häufiger als im westlichen. In letzterem scheint 
sie meist nur als Dürchzügler aufzutreten und zwar in einzelnen Jahren 
ziemlich häufig, in den meisten selten oder fast gar nicht. Sie soll jedoch 
in den norddeutschen Marschländern und in Holland ein häufiger Brut- 
vogel sein, wenngleich nicht annährend so zahlreich als z. B. in Ungarn. 
Als Brutvogel kann sie des berüchtigten Brüllens des alten Männchens 
wegen nicht unbeachtet bleiben. Es ist dieser weithin schallende abendliche 
Ton auch im Münsterlande einige Mal vernommen worden, allein jedes- 
mal nur an wenigen Abenden und somit die Annahme wohl gerechtfertigt, 
dass trotz dieses Paarungsrufes das Männchen die Gegend nur passirte. 
Die Rohrdommel pflegt sich gegen die Mitte März bei uns einzustellen. 
Sie bewohnt ausschliesslich mit Rohr und anderen höheren Sumpf- und 
Wasserpflanzen umgebene und bewachsene grössere Teiche und Seen. Je 
ruhiger die Lage solcher ist, je dichter sie stellenweise bewachsen, je un- 
zugänglicher sie sind, desto lieber schlägt sie hier ihren Wohnsitz auf. 
Findet sie bei ihrer frühen Ankunft noch kein neues Rohr vor, so ist sie 
gezwungen, sich zeitweise mit anderem Gestrüpp und Gebüsch zu behelfen. 
Ist solches recht wirr und wild, findet sich namentlich noch vorigjähriges 
Rohr vor, so nimmt sie diese Stellen um so eher an. In den eigentlichen 
Wald geht sie nur ungern. Am Tage lebt sie ausnahmslos in ihren Lieb- 
lIingsdickungen versteckt und ruhig. Erst bei eintretender Dämmerung 
zeigt sie sich munter, doch bekundet sie nie eine muntere Beweglichkeit. 
Tritt eine Gefahr bei Tage an sie heran, so hebt sie hockend den Körper 
und in derselben Richtung Hals und Kopf fast senkrecht empor und gleicht 
dann täuschend einem alten Strohwisch oder Schilfbündel. Dem gefahr- 
drohenden Gegenstand wendet sie fortwährend die Vorderseite ihres Körpers 
zu und ist deshalb event. veranlasst, in dieser stocksteifen Stellung sich 
auf den Fersen herumzudrehen. Nicht erregt senkt sie ihren langen Hals 
an seiner Basis so tief herab, und wendet ihn dann wieder nach oben, 
dass der Kopf vor der Schulter ruht und Scheitel und Rücken denselben 
Umriss haben. Da die grossen flatterigen Halsfedern bei dieser Stellung 
den Vorderkörper umfassen, so erscheint sie dann eulenartig plump und 
dick. An den Rohrstengeln vermag sie, mit ihren weitgreifenden Zehen 


528 Wasserwader 


mehre nahe zusammenstehende umspannend, emporzusteigen oder auch im 
Rohrdickicht über dem Wasserspiegel fortzuschreiten. In grossen, wilden 
einsamen, dichtbewachsenen Sumpfgegenden brütet sie, allein durchaus 
ungesellig. Der Paarungsruf des Männchens ist das allbekannte, aus der 
Ferne wie Ochsengebrüll ertönende, an ruhigen Abenden wohl eine Stunde 
weit schallende „Ü prump”, das sich wohl in ‚VUüü prump, üprump, 
ü prump” steigert. Ihr sonstiger Ruf, der Lockton, ist ein rabenähnliches 
„Krauw”. Kleine Fische, grosse Wasserinsecten und anderes kleines Ge- 
thier dienen ihr zur Nahrung. Auffallend oft habe ich grössere Wasser- 
käfer, Ditiscus, bei ihr gefunden. Das Nest enthält 3 bis 5 hellbräun- 
liche Eier mit einem schwachen Strich ins Grünliche. Im October wandert 
sie auf ihrem Herbstzuge wieder durch unsere Gegend. — Unter den Aus- 
ländern giebt es mehre ihr sehr ähnliche Arten. 


6. Die kleine Rohrdommel. 
Ardea minuta L. 

Turteltaubengrösse; Schnabel länger als der Kopf; die Innenzehe von 
ungefähr gleicher Länge mit der Aussenzehe, das Schienenbein vorn bis 
zur Ferse befiedert; Flügelmitte rostgelblich, Flügelspitze schwärzlich; Kopf 
und Rücken beim Männchen schwarz, beim Weibchen und Jungen bräunlich. 
— Dieser Zwerg unter unseren hiesigen Reihern brütet vom mittleren 
Deutschland bis zur Umgebung des Mittelmeeres, ist im Süden dieses 
Areals häufiger als im Norden, lebt aber in grösster Menge wohl im süd- 
lichen Ungarn, welches ihm seine Lieblingsstellen in weitester Ausdeh- 
nung bietet. Solches sind im Allgemeinen sumpfige, stark mit Rohr und 
Gebüsch bewachsene Wildnisse, in denen sie ähnlich wie die grosse Art 
oder noch ärger ein absolutes Versteckenspiel treibt. In unserem nörd- 
lichen Deutschland scheint auch sie wiederum im Osten häufiger zu sein 
als im Westen. Vom Münsterlande weiss ich nur, dass am 9. October 
1541 ein junges Exemplar erlegt wurde, und ich selbst erhielt im Herbst 
1562 gleichfalls ein solches. Hier im Osten dagegen brütet sie wohl in 
den grösseren Rohrpartieen aller abgelegenen ausgedehnten Seen, zumal 
wenn dort auch Weidengebüsch sich findet oder sonstiges Gestrüpp vom 
Ufer her in die versumpften Partieen hineinragt. Es sind mir hier bei 
Neustadt mehre Brutplätze bekannt, auch in dem Rohr der bei Strahlau 
und Treptow bei Berlin seeartig die Niederung überschwemmenden Spree 
habe ich Nester gefunden. Rohrammern und Drosselrohrfänger wohnten 
stets in ihrer Nähe, auch das Blesshuhn hatte sich dort häuslich nieder- 
gelassen. In der Regel sind es unordentlich bewachsene, schwer zugäng- 
liche Stellen, theilweise schwankender, schwimmender oder versumpfter 
Boden mit Weidengestrüpp und Nachtschatten, rohrfreie Stellen, dieht mit 


Der Schopfreiher. — Nachtreiher. 529 


Stratiotes bewachsen, dann wieder geschlossener Rohrwald in klarem Wasser, 
welche sie für ihren Neststand wählt. Bieten solche ihr bei ihrer Ankunft 
Anfangs Mai noch nicht die erwünschte Deckung, so muss sie sich vor 
der Hand mit dem Holzgestrüpp und niedrigen strauchartigen Bäumen be- 
gnügen, worin sie dann in einer Höhe von höchstens 2 Meter ihren Stand- 
ort wählt und der Tagesruhe pflegt. Dies ist wohl der Grund, weshalb 
man sie zur Brutzeit weit eher in solchen Partieen als im klaren Rohr 
ohne allen Holzwuchs antrifft. Stört man sie auf, so fliegt sie niedrig 
und nur eine kurze Strecke, um sich kopflings sobald als möglich wieder 
in’s tiefe Rohr‘ zu werfen und nun recht fest zu liegen. Ihr Flug ge- 
schieht gleichfalls unter starkem Zusammenlegen des Halses. Im Uebrigen 
ähnelt sie in ihren Stellungen mit Ausnahme eines rallenartigen Aufwippens 
mit dem Schwanze und im ganzen Betragen ihrer grossen Verwandten, 
doch zeigt sie sich zierlicher, behender. Ihre Nester stehen etwas über 
dem Boden auf umgeknicktem alten Rohre oder sonstigen festen Pflanzen. 
Es sind unordentliche Baue, doch in der oberen Lage wohl mit Binsen- 
stücken in Radienform ausgelegt; die (3 bis 5) matten Eier reinweiss, 
frisch und unausgeblasen mit einem kaum merklichen Strich ins Grünliche, 
von etwa Taubeneiergrösse, jedoch von Reihereierform. Ueber die Nah- 
rung dieses unseres kleinsten Reihers ist nichts besonders Bemerkenswerthes 
bekannt, als dass er selbstredend nur von sehr kleinen Fischen lebt. In- 
secten, deren Larven, kleine Frösche, Würmer werden ebenfalls von ihm 
in Menge erbeutet. Von Mitte September an scheint er unsere Gegend 
zu verlassen. — Seine Stimme soll der der Kreuzkröte sehr ähneln. 


7. Der Schopfreiher. 
Ardea comata Pall. 


Diese ebenfalls kleine Reiherart unterscheidet sich von der Zwerg- 
rohrdommel, abgesehen von der etwas bedeutenderen Grösse durch im 
Ganzen rostgelbliches, am Unterrücken, Bürzel, Schwanz und den Flügeln 
weisses Gefieder, sowie durch jederseits dunkelbraunen Längsstreif auf 
den Kopf- und Halsfedern. Die (bei der vorhergehenden Spezies grünen) 
Füsse sind hier gelb mit einem Stich in’s Grüne. — Diese Art, häufig 
auch „Rallenreiher” (A. ralloides Scop.) genannt, hat sich nur sehr selten 
nach Deutschland verirrt. Auch er hat, wie Silber- und Seidenreiher, im 
Südosten seine Heimath und gehört in Ungarn und Dalmatien in man- 
chen weiten bewachsenen Sumpfgegenden zu den häufigen Vögeln. Seine 
Eier sind blassblau. 


@. Nachtreiher. 


Plumpe Reihergestalten, mit langen Halsfedern und im Alter sehr 


2) 


Altum. Die Vögel, B) 


530 Wasserwader. 


verlängerten feinen herabhängenden Federn am Hinterkopf; Schnabel kaum 
länger als der Kopf, dick, die First stark herabgekrümmt; Füsse dick 
und relativ kurz, die Schiene über der Ferse nur wenig nackt. — Die 
Nachtreiher, von deren wenigen Arten auch eine in Deutschland vor- 
kommt, stehen in ihrer Lebensweise den Rohrdommeln näher, als den 
eigentlichen Reihern. Bei Tage halten sie sich niedrig auf Bäumen oder 
in Gebüschen versteckt und zeigen sich nur von der Abend- bis zur 
Morgendämmerung an schilfbewachsenen grossen Sumpfflächen munter. 
Auf Zweigen ruhend erscheinen sie sehr kurzbeinıg und plump, und auch 
auf dem Boden einherschreitend gewinnen sie an gefälliger Gestalt nur 
wenig. Sie brüten niedrig auf Bäumen und zeigen sich dann in gewissem 
Grade gesellig und legen blassblaue Eier. 


8. Der gemeine Nachtreiher. 
Ardea nycticorax L. 


Fast Krähengrösse; Schwingen und Bürzel grau; im Alter am Hinter- 
kopf drei lange schmale weisse Federn, Kopf und Rücken schwarz, me- 
tallisch grün glänzend, Hals und Unterseite weiss; in der Jugend bräun- 
lichgrau mit starken weissen Tropfen und Flecken. Auch diesen Reiher 
kennen wir in Deutschland nur als seltenen Irrgast, während er im Süd- 
osten und Süden zahlreich lebt. In früherer Zeit hatte er auch in Deutsch- 
land, sogar im nördlichen (Spreewald u. a.) seine Colonieen, so dass er als 
Gegenstand für die Reiherbaize (als „Focke”) allgemein bekannt und zur 
hohen Jagd gerechnet war. 

Alle diese genannten Reiher befinden sich jetzt in vielen Exemplaren 
wohl in allen unseren zoologischen Gärten, in denen man mühelos ihre 
höchst komischen und in der mannichfaltigsten Weise wechselnden Stel- 
lungen, überhaupt sehr Vieles von ihrem Betragen zu beobachten Gele- 
genheit hat. 

Mit den Reihern am nächsten verwandt sind die sog. Kahnschnäbler, 
Cancroma, kräftige, hochbeinige, dickhalsige Reiherfoımen mit sehr breitem, 
flach gewölbtem, löffel- oder fast schuhförmigem Schnabel. Es gehört 
hierhin der an Körper etwa rabengrosse €. cochlearia aus Südamerika, 
sowie der riesenhafte aschgraue, mit sehr dicekem Kopfe und holzschuh- 
förmigem, an der Spitze fein hakig übergreifendem, monströsem Schnabel 
versehene „Walfischkopf”, Balaeniceps rex (Gould, aus Mittelafrika. Die 
Eier des letzten sind verhältnissmässig klein und rein weiss. — Diese 
Vögel halten sich an mit Rohr, Schilf und sonstigem Gebüsch bewach- 
senen weit ausgedehnten Sümpfen auf und leben von Fischen, Reptilien 
und sonstigen Wasserthieren. 


Storchartige Vögel. 531 


2. Familie. Storchartige Vögel, Ciconiidae. 


Grosse, sogar riesige, robust, doch keineswegs plump gebaute Sumpf- 
vögel. Im Gegensatz zu den Reihern ist ihr Körper kräftiger, weit weniger 
comprimirt; die Knochen stärker und mehr pneumatisch; der Schnabel 
stets lang, dieker, die Ränder weniger scharf; Kopf rundlich; der Hals 
im Verhältniss zum Körper länger; Beine sehr lang, die Schiene hoch 
über die Ferse hinauf noch nackt, Lauf wie Schiene vorn und hinten 
reticulirt; Zehen kürzer, zwischen den Vorderzehen stärkere Bindehäute, 
Hinterzehe höher gestellt, so dass sie nur mit der Spitze den Boden be- 
rührt; Krallen kürzer, stumpf, fast nagelförmig, die Mittelkralle ohne 
Zähnelung; Armknochen sehr lang, Flügel gross, spitzer als bei den Rei- 
hern, Ruderflügel; der kurze Schwanz 12federig. — Die storchartigen 
Vögel bewohnen alle Erdtheile, sind jedoch mehr in den warmen als ge- 
mässigten Gegenden heimisch, in den kälteren schwinden sie allmählich. 
Ihre Farben beschränken sich zumeist auf weiss und schwarz, welches in 
grossen Partieen vertheilt zu sein pflegt, ausserdem sind die nackten Stellen, 
als Schnabel, Umgebung der Augen, Kehlhaut, Füsse häufig roth. Hals 
und Kopf haben überhaupt oft nackte oder mit dünnem borstigem Flaum 
bedeckte Stellen. Letzteres z. B. beim ostindischen Marabu oder Kropf- 
storch, Leptoptilus argala Gray, dem hässlichen Riesen dieser Familie. 
Die in den norddeutschen Farben prangenden colossalen Sattelstörche, 
Myeteria, Südamerika’s und Afrika’s mit ihrem grossen schwarzen, von 
der Mitte an sanft aufwärts gebogenen Schnabel entbehren an Kopf und 
Öberhals jeglicher Befiederung. Die sonderbarste Schnabelform unter den 
Vögeln dieser Familie haben die Klaffschnäbel, Anastomus, aufzu- 
weisen, deren Schnabelränder bei geschlossenem Schnabel in der vorderen 
Hälfte sich nicht berühren, sondern ziemlich weit klaffen. Dagegen er- 
innert der im Querschnitte rundliche Schnabel der afrikanischen und süd- 
amerikanischen Tantalus durch seine Verjüngung gegen die Spitze und 
starke Krümmung nach unten an die Sichler. Unsere hiesigen Arten 
können als die am meisten ebenmässig gebildeten, wohl als die typischen 
Formen angesehen werden. Der untere Kehlkopf fehlt, deshalb nur eine 
äusserst schwache, kaum vernehmbare eigentliche Stimme, so wenigstens 
bei den letzteren. Sie bauen grosse sperrige Nester auf Bäume oder ander- 
weitige Erhöhungen und legen weisse längliche, verhältnissmässig kleine 
Eier. Die Nestjungen sind mit weissen Dunen besetzt, im ersten Öontour- 
gefieder gleichen sie jedoch schon den Alten, welche ebenfalls nach Ge- 
schlecht und Jahreszeit keine besonderen Verschiedenheiten zeigen. Die 
Störche bewohnen feuchtes, sumpfiges oder von Gewässer durchschnittenes 
Terrain, gehen hier offen im ruhigen Schritte ihrer thierischen Nahrung 


34* 


F 


532 Wasserwader. 


(Amphibien, Reptilien, auch jungen Vögeln und kleinen Säugethieren u. a.) 
nach. Wie träumend stehen sie oft, namentlich gesättigt oder bei ihren 
Horsten lange Zeit unbeweglig. Ihren langen Hals vermögen sie unter 
Biegungen zusammenzulegen, tragen ihn jedoch meist in sanfter S-forın, 
klappen ihn aber nie so winklich zusammen als die Reiher. Eine weit 
unvollkommnere Beweglichkeit in der Gelenkung der Halswirbeln, sowie die 
nicht, wie bei den Reihern, nur seitliche, sondern normale Befiederung des- 
selben macht dieses unmöglich. Ihr Flug, bei dem sie den langen Hals 
gerade vorstrecken, ist imposant. Sie bewegen sich oft gleich den grossen 
Raubvögeln in schönen Spiralen in der hohen Luft und erheben sich 
über Wolkenhöhe. Aus den gemässigten Gegenden wandern sie gegen Ein- 
tritt des Winters in kleineren Gesellschaften oder auch in starken Schaaren 
zum warmen Süden und kehren zeitig nach ihrer Heimath wieder zurück. 
— Wir besitzen in Deutschland bekanntlich zwei Arten. 


Storch, Ciconia. 


Mittelgross; Schnabel lang, gerade, gleichmässig zugespitzt, Ränder 
eingezogen; nur Kehlhaut, Zügel und Augenrand nackt; dritte bis fünfte 
Handschwinge die längsten. 


I. Der weisse Storch. 
Ciconia alba Briss. 

Weiss mit schwarzen Handschwingen, grossen oberen Flügeldeckfedern 
und langen Schulterfedern, hochrothem Schnabel und Beinen; die vierte 
Handschwinge die längste. — Der allbekannte weisse Storch lebt in den 
Ländern der nördlichen Hälfte der östlichen Hemisphäre mit gemässigtem 
Klima, doch tritt er nach Süden mehrfach in heisse Striche hinein, da wir 
ihn noch, wenngleich nicht häufig, im nördlichen Afrika heimisch finden. 
Nach Norden hin möchte der 56 bis 57° n. Br: sein Vorkommen begrenzen. 
In Deutschland ist er überall zu finden, jedoch bei weitem nicht überall 
gleich häufig, auch da nicht, woselbst ihm anscheinend sämmtliche Bedin- 
gungen für seine Existenz geboten werden. Im Münsterlande fehlt er zwar 
keineswegs, ist jedoch in meilenweiter Umgebung kaum irgendwo als Brut- 
vogel anzutreffen. Von dort nach Norden hat er in den fruchtbaren Niede- 
rungen Östfriesland’s überall zahlreich seine Heimath, und hier im Osten 
von Norddeutschland kann man ihn stellenweise ebenfalls als häufig be- 
zeichnen, Trockne, hoch gelegene, sterile Gegenden, sowie die Gebirge 
vermeidet er. Er will weit ausgedehntes, feuchtes, wo möglich von Wasser- 
gräben, Flüssen durchschnittenes oder sonstige Gewässer in der Nähe ent- 
haltendes, fruchtbares Terrain. Hier lebt er durchaus offen und beschäftigt 


Der weisse Storch. 533 


sich bekanntlich, abgesehen von der Sorge für seine Brut, den ganzen Tag 
mit dem Fange von Fröschen, Eidechsen, Schlangen, jungen Vögeln, jungen 
und kleinen Säugethieren, Regenwürmern, Käfern und anderen grösseren 
Insecten, sowie auch Fischen. Kröten tödtet er, ohne sie zu verzehren. 
Durch diese seine Nahrung ist er ohne Zweifel als schädlicher Vogel zu 
bezeichnen, und da er bei seiner bedeutenden Grösse tagtäglich ein erheb- 
liches Quantum bedarf, so ist der Schaden, den er durch Vertilgung der 
nützlichen Frösche und Kröten, sowie durch seinen oft recht ergiebigen 
Fischfang anstiftet, den er besonders auch der Jagd dadurch zufügt, dass 
er in dem von ihm täglich abgesuchten Reviere nicht leicht ein boden- 
ständiges Vogelnest aufkommen lässt, so erheblich, dass man kaum begreift, 
wie er noch fortwährend fast von aller Welt als heilig und unverletzlich 
angesehen wird. Sein inniges Anschliessen an den Menschen, sein zu- 
trauliches Wesen, seine imponirende Schönheit, wodurch er gehend wie 
besonders fliegend der Gegend zur hohen Zierde gereicht, haben ihn so 
allgemein in die Gunst des Menschen gesetzt, wie kaum einen anderen 
Vogel. Nach seinem Wirken da draussen, nach seinem gar argen Morden 
Tausender von nützlichen und angenehmen Geschöpfen verdient er unsere 
Zuneigung nicht. Dass er auch Mäuse, besonders Feldmäuse, fängt, ist 
sicher. Er ergreift und verzehrt eben jedes Thier, was er erreichen und 
bewältigen kann, also auch Mäuse. Allein zumeist ist sein Aufenthalt als 
zu nass nicht von Mäusen bewohnt. Wo er aber auf den Fruchtfeldern 
und Stoppeläckern suchend umherspaziert, mag er in mausereichen Jahren 
dem Oekonomen ein schätzbarer Gast sein. Bekanntlich sammeln sich die 
Individuen einer weiten Umgebung nach völliger Beendigung des Fortpflan- 
zungsgeschäftes etwa von Ende Juli an, um dann für unsere Gegenden 
nach Mitte August in Flügen zu Hunderten sich schliesslich in schönen 
Spiralen plötzlich zur Wolkenhöhe zu erheben und ihre Heimath mit dem 
gastlicheren Süden und Südosten zu vertauschen. Treiben sich solche 
Schaaren vor ihrem Abzuge auf mausereichem Terrain umher, so kann 
ihre heilsame Wirkung wahrhaft grossartig sein. Im letzt verflossenen 
Herbst wurde mir hier eine, noch nie gesehene, völlig räthselhafte Erschei- 
nung mitgetheilt. Auf einem Gestelle und in der nächsten Umgebung in un- 
serem Lieper Revier hatte man ungeheuer grosse Gewölle gefunden, die 
mindestens von einem Uhu herrühren mussten, allein in einer solch co- 
lossalen Menge, dass es den Anschein hatte, als habe Jemand die volle 
Fracht eines grossen zweispännigen Wagens und mehr noch dort umher- 
gestreut. Auf meinen Wunsch erhielt ich eine Anzahl derselben. Die 
mittelgrossen maassen gegen 70 Cm. in der Länge, 55 Cm. in der Breite 
und 30 Cm. in der Dicke. Viele waren verregnet und hatten ihre ur- 
sprüngliche Gestalt mit der einer dicken Scheibe vertauscht; manche da- 


534 Wasserwader. 


gegen waren noch sehr wohl erhalten und zeigten dann eine stumpf ellip- 
tische Form. Grösse und Gestalt wiesen, auch abgesehen von der ans 
Ungeheuerliche grenzenden Menge, die Annahme, sie stammten etwa vom 
Uhu, sofort unbedingt zurück. Aeusserlich erschienen sie schimmelig grau, 
manche Käferdecken waren sichtbar. Die nähere Untersuchung ergab, dass 
sie lediglich aus feinen stark verfilzten Haaren, die das Mikroscop sofort 
als Mausehaare (der Arvicola arvalis) bestimmen liess, bestanden, zwischen 
denen einzelne kurze Strohstückchen und wenige Käferfragmente einge- 
bettet waren. Die Vögel hatten demnach Feldmäuse auf Stoppeläckern 
gefangen. Zu meinem grössten Erstaunen war von Knochen fast keine 
Spur zu finden. Da ich Tausende von Eulengewöllen auf ihren Inhalt 
untersucht habe, so war mir sofort klar, dass an eine gänzlich von diesen 
verschiedene Vogelart, durchaus an keinen Raubvogel, gedacht werden dürfe. 
Es konnte nur der Storch gewesen sein. Auch die bestimmbaren Käfer- 
stücke, meist von Laufkäfern (Carabus granulatus, Feronia, Pterostichus, 
Harpalus) unterstützten den Verdacht. Ich fand ausserdem auch Theile 
der Schwimmbeine eines Ditiscus, hatte es somit ohne Zweifel mit einem 
auch im Wasser umherwatenden Vogel zu thun. Für mich war jetzt 
jeder Zweifel an meiner Recognoseirung geschwunden. Auf meine desfall- 
sige, einem dortigen Forstbeamten gemachte Ansicht über den Ursprung 
jener gewaltigen Gewöllmasse erfuhr ich dann, dass sich allerdings kurz 
nach Mitte August eine grosse Schaar Störche in der Gegend längere Zeit 
aufgehalten hatte. Diese hatten folglich hier im Walde ihren Nachtstand 
gehabt. Ohne Zweifel war eine gewiss nicht unbedeutende Menge Ge- 
wölle auf den Feldern, auf denen sie so eifrig die Mausejagd betrieben 
hatten, ausgeworfen. Die Anzahl der durch diese Schaar Störche in kurzer 
Zeit vertilgen Feldmäuse muss eine ganz ungeheure gewesen sein. In sol- 
chen Fällen wird der Nutzen des Storches manchen früher angestifteten 
Schaden wieder völlig aufwiegen. Allein dazu müssen stets schon mehre 
Umstände zusammenwirken und auch dann bleibt lokal wie zeitlich eine 
solche Wohlthat doch nur sehr beschränkt, während er den ganzen Sommer 
hindurch unter alltäglichen normalen Verhältnissen überwiegend schadet. 
Er pflegt bei uns im Frühlinge zu Anfang April einzutreffen. Diejenigen, 
welche man dort, wo er nicht brütet, einzeln oder paarweise noch gegen 
Ende dieses Monates, ja bis fast Mitte Mai umherstreichen sieht, sind viel- 
leicht abgeschlagene Individuen, welche nicht zur Fortpflanzung gelangten. 
Schwerlich werden es noch Durchzügler zum höheren Norden sein; denn 
der Storch pflegt sich aus ungemessener Höhe direct auf seinen früheren 
Brutplatz herabzuschrauben und nicht niedrig die Gegend nach demselben 
durchsuchend zu durchstreifen. Das Männchen findet sich in der Regel 
etwas früher daselbst ein als das Weibchen. Beide eröffnen ihre heimath- 


Der weisse Storch. 5835 


liche Thätigkeit durch das bekannte Klappern, was übrigens der Aus- 
druck für sehr verschiedene Stimmungen zu sein scheint. Der Hals wird 
dabei so zurückgebogen, dass der Kopf auf dem Rücken liegt und der 
Schnabel senkrecht empor starrt. Nach mehreren Zusammenschlägen der 
Kiefer richtet sich allmählich der Hals wieder im Bogen nach vorn, und 
wenn er seine gewöhnliche Lage erreicht hat, ist die Klapperstrophe zu 
Ende. Auch im Fluge, wobei der Storch Hals und Schnabel nach Art 
der Kraniche gerade ausstreckt, klappert er zuweilen. Dies Klappern ist 
fast der einzige Laut, den man vom Storch, dem, wie früher bemerkt, 
der untere Kehlkopf fehlt, hört, und scheint den Balzschrei und Gesang 
anderer Vögel, oder das Trommeln des Spechtes zu vertreten. Doch 
klappern auch schon die kaum flüggen Jungen, sowie die Alten unmittelbar 
vor ihrem gemeinsamen Aufbruche nach Afrika und Kleinasien. Seine 
Stimme ist äusserst schwach, nur ein Zischen; etwas mehr wissen die 
noch unbehülflichen Jungen vorzubringen. Stand und Beschaffenheit seines 
Horstes sind bekannt. Seine Anhänglichkeit an bewohnte Gebäude ist 
schwer zu erklären, zumal da er sie nicht als Ersatz für fehlende Felsen 
benutzt. Er ist weit mehr Baum- als Felsvogel, letzteres eigentlich gar 
nicht. Auf starke hohe Kopfbäume baut er häufig genug. Auch baumt 
er gern auf, wählt aber dann stets starke, horizontale Aeste und durch- 
aus freie Stellen. Er versteckt sich eben so wenig zwischen dichten 
Laubmassen, als am Boden zwischen Schilf und hohem Getreide. Freie 
Rundschau ist eine der nothwendigsten Bedingungen seines Aufenthalts- 
ortes. So lange er dem Fortpflanzungsgeschäfte obliegt, sieht man einen 
der Alten oder beide frei hoch oben beim Horste stehen, und nur Hunger 
und Sorge für den Unterhalt der Jungen führt sie auf die in der Um- 
gegend liegenden freien Jagdplätze. Sind die Jungen erwachsen, so 
spaziert die ganze Familie daselbst. Allmählich aber rotten sich die 
Insassen der Gegend zusammen und brechen endlich, wie bereits erwähnt, 
in oft ungeheuren Flügen auf zum fernen Süden. Meist erheben sie sich 
dann so hoch, dass sie dem menschlichen Auge entschwinden. Doch sind 
auch riesige langgedehnte Züge, namentlich in jenen südlichen Ländern, 
auf der Wanderung gesehen. Plötzlich erscheint bald darauf in Syrien, 
Palästina, Aegypten und anderen Ländern die Gegend voll von Störchen., 
So weit das Auge reicht, sind dort die fruchtbaren, feuchten Niederungen 
bedeckt mit diesen Amphibien- und Reptilienfängern, und die Gegend 
wird, indem diese Schaaren allmählich weiter rücken, planmässig abge- 
sucht nach diesen Thieren. Neue Heere rücken nach, um Nachlese zu 
halten. So bilden sie in jener weiten Ferne bis nach Nubien hin ein 
starkes Gegengewicht gegen dieselben, bis sie, wahrscheinlich auch plötz- 
lich und in grossen Flügen, sich erheben, um ihrer Heimath wieder zuzu- 


536 ; ‘ Wasserwader. 


steuern. Für diese Annahme spricht eine Thatsache aus dem Jahre 1854 
(ob 55?). Es kamen nämlich im Frühlinge dieses Jahres ganz auffallend 
wenige Störche zu den Brutplätzen im nordöstlichen Deutschland zurück; 
von 4 bis 6 Horsten ward oft kaum einer besetzt. Später erfuhr man 
durch Zeitungen, dass Schiffer auf dem Mittelmeere eine ungemein grosse 
Menge von Storchleichen daselbst angetroffen hatten. Es lag die Annahme . 
nahe, dass sehr grosse Flüge über diesem Meere durch arges Unwetter, 
etwa einen starken Orkan überrascht und vernichtet waren. Jedenfalls wäre 
diese Erscheinung unmöglich gewesen, wenn die Störche auf ihrer Rück- 
reise einzeln wandern. 


2. Der schwarze Storch. 
Ciconia nigra L. 

Kleiner und schlanker gebaut als der weisse Storch; braunschwarz 
mit grünem und purpurnem Glanze, Unterleib und Schenkelfedern weiss; 
alle nackten Theile im Alter ‚hochroth, in der Jugend grünlich; dritte 
Handschwinge die längste. — Der schwarze Storch verbreitet sich eben- 
falls über Mittel- und Südeuropa sowie die übrigen Mittelmeerländer, und 
soll sich von dort nicht allein über Ostindien erstrecken, sondern sogar 
auf den Antillen gefunden werden. In seinem Wesen stimmt er im All- 
gemeinen mit der vorhergehenden Art überein. Jedoch zeigt sich dieser 
weit scheuer und ungeselliger, tritt in seinem Verbreitungsbezirke nur 
dünn vertheilt, nirgends in grösserer Menge zusammen auf, wählt als 
Brutplätze grosse alte abgelegene Wälder, denen in der Nachbarschaft 
Gewässer oder auch ausgedehnte feuchte Wiesen mit Wassergräben nicht 
fehlen, und zum Neststand altersgraue starke Bäume, namentlich Eichen, 
auf deren starken, mehr oder weniger horizontalen Aesten nahe am Stamme 
der riesige sperrige Bau aufgeführt wird. Auch in seiner Nahrung unter- 
scheidet er sich insofern von jener Art, als er reiherartig Fische den 
anderen Beutethieren vorzieht. Seine Wanderreisen macht er ebenfalls 
einsam oder nur zu kleinen Gesellschaften von etwa einem Dutzend Indi- 
viduen. Mit Anfang April pflegt er sich bei uns einzustellen, und sobald 
die Jungen völlig flugfähig sind, in der Umgegend über weite Flächen 
an nahrungsreichen Stellen, an Feldwassern, Teichen, von Gräben oder 
einem Flusse durchschnittenen Wiesengründen sich zu verbreiten. So sieht 
man dann gegen Anfang August dort schwarze Störche, wo sonst keine 
zu erscheinen pflegen. Gegen die Mitte oder das Ende dieses Monates 
verlassen sie die Gegend. Hier im wald- und wasserreichen nordöstlichen 
Deutschland kommt diese Art allenthalben als Brutvogel vor, im west- 
lichen ist sie entschieden seltener, obschon man fast überall die Erfahrung 
machen kann, dass die Brutpaare sich für ein oder anderes Jahr irgend 


Sichler. 537 


wo ansiedeln, und darauf das Revier 5, 10, ja 20 Jahre lang unbesetzt 
bleibt, bis sich dann plötzlich wieder ein Paar einstellt. So war es bei 
Münster in der Davert, bei Emsdetten im Lindler Holz, bei Neuenkirchen 
(bei Rheine) in Schirem’s Busch; so scheint es hier bei Neustadt zu sein, 
woselbst mir im Lieper Revier ein noch vor wenigen Jahren besetzter 
Brutplatz gezeigt wird, ohne dass mir möglich war, etwas von dem Brut- 
paare zu entdecken. Diese Art scheint sehr empfindlich zu sein und durch 
jede grössere Störung zum Verlassen des Revieres oder sogar der Gegend 
veranlasst zu werden, ja sogar bei geringer Beunruhigung sich eine neue 
Heimath zu wählen. Von den mir persönlich bekannten Gegenden brütet 
er am meisten in Pommern. — Sein wirthschaftlicher Werth ist an sich 
wo möglich noch geringer als der seines weissen Vetters, da er, wie be- 
reits gesagt, Fische mehr als dieser verzehrt, jedoch lebt er in unseren 
Gegenden wohl nirgends so häufig, dass der durch ihn angerichtete Schaden 
besonders empfindlich wird. Er ziert wegen seiner düsteren Farben die 
Gegend weniger, allein im Fluge ist seine Erscheinung, zumal wenn sich 
der herrliche tropische Purpurglanz seines Gefieders neben der scharf ab- 
stechenden weissen Unterseite und dem korallenrothen Schnabel und den 
Beinen im Sonnenschein geltend macht, wahrhaft imposant. 


Sichler, Ibis. 


Schnabel lang, bogig nach unten gekrümmt, durch seitliche Furchen, 
welche am Oberschnabel bis zur stumpfen Spitze verlaufen, rundlich vier- 
kantig, Zügel und Augenumrandung, oft auch Kehle, Kopf, sogar ein Theil 
des Halses nackt; Flügel gross, breit, die Spitze stumpf; Läufe hoch, die 
Schiene über die Ferse hinaus weithin nackt; Zehen lang, die vorderen 
mit Spannhäuten an der Basis, die kleinere hintere nur wenig höher ein- 
gelenkt; Schwanz kurz. — Die Sichler gehören zu den kleineren Formen 
der Wasserwader. Wenngleich sie nie zu der geringen Grösse der kleinsten 
Reiher herabsinken, so erhebt sich doch keine ihrer Arten zu der Stärke 
des geringsten Storches. Sie bewohnen in etwa 20 Arten die heissen 
Gegenden beider Welten und leben an Gewässern und Sümpfen, woselbst 
sie sich von kleineren Wasserthieren nähren. Sie brüten am Boden oder 
auf Bäumen und legen gesättigt blaugrüne oder weisse braungefleckte 
Eier. Nur eine Spezies hat sich in seltenen Fällen bis nach Deutsch- 
land verirrt. 


l. Der europäische Sichler., 
Ibis faleinellus L. 


Krähengrösse; nur Zügel und Augenumrandung nackt; kastanien- 


538 Wasserwader. 


braun, alle Theile mit Ausnahme der Unterseite des Körpers mit sehr 
starkem, tiefem grünen Schiller. In der Grösse erheblich variabel. Dieser 
Vogel ist in den Mittelmeerländern an passenden Lokalitäten, so z.B. in 
Ungarn, was faunistisch noch zu diesem Ländercomplexe gehört, häufig 
und erstreckt sich von dort bis Abyssinien und Östindien. Er brütet oft 
in grösserer Gesellschaft seines Gleichen, wie auch von allerhand Reihern 
und den Zwergscharben niedrig auf Bäumen oder im Gesträuch und legt 
3 bis 5 tief blaugrüne Eier. Gegen Herbst wandert er in ungeheuren 
Gesellschaften, deren Glieder in einer vom Zenith bis fast zum Horizont 
reichenden Linie an einander gereiht ihre Wanderung machen. Sein Er- 
scheinen in Deutschland gehört zu den Seltenheiten. 


2. Der heilige Sichler. 
Ibis religiosa Cuv. 

Haushuhngrösse; weiss; die grossen Flügeldecken im Alter mit krausen 
büscheligen Spitzen und wie die letzten Armschwingen schwarz; der 
nackte, in der Jugend dünn befiederte, Kopf und ÖOberhals gleichfalls 
schwarz. Bei den alten Aegyptern göttlich verehrt, und dadurch be- 
rühmt; noch zahlreich als Mumien und sein Bild oft auf den alten ägyp- 
tischen Denkmälern und in Inschriften. Jetzt findet er sich noch kaum 
daselbst, ist vielmehr nach Nubien zurückgedrängt. Sein auf Bäumen 
stehendes Nest enthält weisse, gegen das stumpfe Ende braungefleckte 
Eier. 

Der scharlachrothe südamerikanische Sichler (Z/bis rubra Vieill.) mit 
schwarzen Schwingen ist bei seiner, dem heiligen Ibis ungefähr gleich- 
kommenden Grösse ohne Zweifel farbig der auffallendste Vogel. 


Löffler, Platalea. 


Sowohl an die Reiher als namentlich an die Störche erinnernde Vögel; 
Gesicht, auch wohl der Kopf mehr oder weniger nackt; Schnabel lang, 
an der Basis hoch, dann oben mit sehr abgeflachter First abfallend, gegen 
die Spitze sich spatelförmig verbreiternd; Flügel reiherähnlich; Füsse ähn- 
lich wie bei den Sichlern; der Lauf retieulirt. Nur sechs ansehnliche, 
doch weit unter der Storchgrösse bleibende, im weissen, sogar herrlichsten 
rosafarbenen Kleide prangende Arten, die dem warmen oder gemässigten 
Klima angehören. Wie ihre genannten Verwandten leben auch sie am 
Wasser, in Sümpfen, wo möglich in ruhigen, weit von Störungen durch 
Menschen entfernten abgelegenen Gegenden. Ihre Nester, welche weisse 
braungefleckte Eier enthalten, bauen sie zwischen Sumpfpflanzen. 


Leistenschnäbler. 539 


Der gemeine Löffler. 
Platalea leucerodius L. 

Körper etwa von Rabengrösse; Gefieder weiss, die nackte Kehle gelb, 
gelblich sind auch bei den alten Vögeln die stark schopfartig nach hinten 
verlängerten Scheitelfedern und ein Querband an der Brust; Beine und 
Schnabel schwarz, letzterer jedoch auf der spatelförmig verbreiterten 
Spitze bräunlichgelb. Der Löffler, gewöhnlich Löffelreiher oder unpassend 
Löffelgans genannt, hat seine Heimath im südlichen und südöstlichen 
Europa, namentlich in Ungarn und an der ganzen unteren Donau, in der 
Umgebung des Schwarzen und Caspischen Meeres, sowie im benachbarten 
Asien und Afrika, kommt jedoch merkwürdiger Weise als Brutvogel auch 
in Holland an der unteren Maas vor. Sein vereinzeltes Erscheinen in 
Deutschland gehört jedoch zu den Ausnahmen. 


3. Wasservögel, 


XI. Ordnung. Leistenschnäbler, 


IL.amellırostres. 


Nestflüchter mit mittellangem, weichhäutigem, nur an der 
Spitze hartem, anden Rändern quergezähneltem Schnabel 
und ganzen Schwimmhäuten. 


Die Körpergestalt der dieser Ordnung angehörenden Schwimmvögel 
ist stark walzlich. Ihre reichliche, knappe Befiederung lässt nur sehr 
schmale, mit dichtem Dunenpelz besetzte Raine frei, der schmale Kopf 
und lange Hals sind gleichmässig mit Contourfedern besetzt. Auch zwi- 
schen den Contourfedern stehen reichliche Dunen. Der Schnabel hat un- 
gefähr Kopfeslänge, ist bis auf einen harten hornigen, bald platten bald 
hakigen Nagel mit weicher Haut überzogen und dient vom fünften Ge- 
hirnnervenpaare mit zahlreichen Nerven versehen beim Aufsuchen der 
Nahrung unter dem Wasser als vorzügliches Tastorgan. Die Ränder sind 


540 Leistenschnäbler. 


mit oben und unten alternirenden Querblättern oder Leisten besetzt, welche 
bei einigen Arten wohl die Form von Zähnen annehmen. Die Nasenlöcher 
gehen quer frei durch. Die fleischige Zunge füllt fast den ganzen inneren 
Schnabelraum und zeigt den Lamellen der Schnabelränder entsprechend 
an ihren Rändern ähnliche Querzähnelungen. Die ziemlich langarmigen 
Flügel sind mittellang und spitz. Ihre 12 Handschwingen zeichnen sich 
durch Härte aus. Der Flug ist daher bei manchen sehr geräuschvoll. 
Die ziemlich nach hinten gerückten Beine meist kurz und die nur selten 
stärker aus dem Körperumriss tretende Schiene mit Ausschluss des Fersen- 
gelenkes ganz befieder. Von ihren vier Zehen sind die drei vorderen 
durch ganze Schwimmhäute verbunden, die Hinterzehe frei, schwächlich 
und wenig höher eingelenkt. — Die Leistenschnäbler zeichnen sich sowohl 
durch einheitlichen Bau, als sehr übereinstimmende Lebensweise aus, ob- 
schon sich beides in den einzelnen Gruppen in mehrfachen beachtungs- 
werthen Modificationen geltend macht. Die im Habitus sich den Wasser- 
wadern adaptirenden Flamingo’s bringen jedoch in diese Ordnung eine als 
singuläre Ausnahme dastehende Ungleichmässigkeit hinein, die vorzüglich 
in den äusserst langen Beinen, deren Schiene weit über die Ferse hinaus 
unbefiedert ist, in der Elfzahl ihrer Handschwingen, der abweichenden 
Anordnung der Federfluren, was Alles an die Störche erinnert, so wie 
auch in der fast monströs zu nennenden Bildung des Schnabels besteht. 
Auch die südamerikanischen Palamedea haben manches Eigenthümliche. 
Die Leistenschnäbler sind durchaus an das Wasserleben gebunden. Sie 
schwimmen gewandt und viel, tauchen oder gründeln nach ihrer Nahrung, 
welche zumeist aus vegetabilischen Stoffen, doch auch, sogar einzig, aus 
Thieren besteht. Im letzten Falle dienen die zu scharfen zum Munde 
hin gerichteten Zähnen umgewandelten Lamellen und der hakig über die 
Spitze greifende Nagel des Oberschnabels zum Ergreifen und Festhalten 
der Beute. Der Magen dieser ist dünnwandig, während er bei den anderen 
sehr dicke, sogar durch zwei gegenüber liegende Reibeplatten verstärkte 
Wände enthält. Die meisten besitzen eine starke Stimme, zu deren 
Hervorbringung die zuweilen vorkommenden Windungen der Luftröhre 
oder die am unteren Kehlkopfe zu grossen Knochenblasen erweiterte 
Paukenhöhle mitwirken werden. Sie brüten nur beim süssen Wasser, 
nicht auf dem Meere und zwar entweder zwischen Sumpf- oder Wasser- 
pflanzen auf dem Boden, oder auf Bäumen, sogar wohl in hohlen Bäumen, 
doch stets in der Nähe des Wassers. Wegen der zum Bebrüten der zahl- 
reichen weisslichen, gelblichen, grünlichen ungefleckten Eier zu schmalen 
Raine bilden die Weibchen durch Auszupfen von Federn einen‘ künst- 
lichen Brutfleck am Unterkörper und füttern ihr schlecht gebautes Nest 
mit diesen Federn aus. Das Männchen kümmert sich um die Brut nicht. 


Stelzenschwäne. 541 


Die Dunenjungen folgen sofort der Alten schwimmend und wissen sich 
nicht allein durch Verkriechen, sondern auch durch Tauchen den Nach- 
stellungen zu entziehen, und zwar auch von denjenigen Arten, welche 
später nach ihrer Nahrung nur gründeln. Man kennt gegen 150 auf alle 
Zonen und Gegenden vertheilte Spezies. Die den kälteren und ge- 
mässigten Himmelsstrichen angehörenden wandern beim Eintritt strengerer 
Kälte gesellig, oft in starken Flügen wärmeren Gegenden zu und lassen 
sich auf ihrer Reise vielfach durch die Küsten des Meeres wie durch den 
Lauf der Flüsse bestimmen. 


1. Familie. Stelzenschwäne, Odontoglossae, 


Schnabel länger als der Kopf, winklig nach unten gebrochen, Ober- 
schnabel mit Hornschuppe von der Breite der Spitze; Beine äusserst lang 
und dünn, Schienen weit hinauf unbefiedert. 


Flamingo, Phoenicopterus. 


Aeusserst langhalsige und langbeinige Gestalten; der etwas über mittel- 
lange Schnabel in der Mitte wie gebrochen plötzlich abwärts gebogen, bis 
auf die harte Hornspitze mit weicher Haut überzogen; Oberschnabel schmal, 
in seiner Hälfte spitzwärts ganz platt; Unterschnabel länglich dosenförmig; 
Ränder dicht und niedrig lamellirt; Kopf klein; Hals ungemein lang und 
dünn; Flügel mittellang, spitz, die erste und zweite Handschwinge die 
längste; Beine äusserst lang und dünn, vorn und hinten quergetäfelt; die 
Schiene so lang wie bei keinem anderen Vogel; Zehen kurz, die vorderen 
mit ganzen Schwimmhäuten, die hintere klein, höher gestellt, so dass sie 
den Boden nicht berührt. Das Gefieder pelzartig, in der Jugend weiss 
mit bräunlichen Zeichnungen, später rein weiss, oft mit Anflug von Rosa, 
der sich stets, oft sehr gesättigt auf den schwarzschwingigen Flügeln be- 
findet. Die Flamingo’s wiederholen in ihrer habituellen Abweichung von 
den übrigen Leistenschnäblern den stelzenbeinigen Sekretär unter den 
Raubvögeln, und sind deshalb passend „Stelzenschwan” genannt. Sie waten 
im Wasser, suchen gründelnd und entenartig schnatternd ihre thierische 
Nahrung, wobei sie den Rücken des Oberschnabels nach unten und die 
Dillenkante nach oben wenden, und schwimmen ziemlich leicht. Sie be- 
wohnen nur die wärmeren Himmelsstriche, leben dort gesellig an den 
sumpfigen Ufern der Gewässer, bauen ihr kunstloses Nest auf den Boden und 
legen 2 bis 3 langgestreckte, weisse, mit rauhem Kalküberzuge versehene 
und deshalb pelekanartige Eier, welche sie in gewöhnlicher Körperlage, 
nicht rittlings, bebrüten. Die Jungen sollen nicht sogleich das Nest ver- 


542 Leistenschnäbler. 


lassen. Nur wenige, sehr ähnliche Arten von denen der der Mittelmeer- 
fauna angehörende Phoenicopterus ruber L. (roseus Pall., antigquorum 
Temm.) sich in seltenen Fällen schon bis nach Deutschland verirrt hat. 
Im Juni des heissen Sommers 18311 erschienen 27 Stück am Mittelrhein, 
eine andere Gesellschaft zog über Bamberg. Es waren das sämmtlich 
jüngere, während der Brutzeit der alten umherschweifende Vögel. 


2. Familie. Entenartige Vögel, Chenomorphae. 


Schnabel nicht länger als der Kopf, an seinen Rändern gerade, Ober- 
schnabel mit hornigem Nagel; Beine kurz; Schienen über der Ferse nur 
wenig nackt. 


Schwan, Cygnus. 


Sehr grosse, langhalsige und kurzbeinige Schwimmvögel; Schnabel 
wenig über mittellang, flach, an der Basis mehr hoch als breit, gegen die 
Spitze flach, mit einem die Hälfte der Spitzenbreite einnehmenden Nagel, 
die Lamellen des Oberschnabels in eine comprimirte Spitze ausgezogen; 
Wachshaut bei den alten Vögeln bis hinter die Augen reichend; der Hals 
sehr lang; der Lauf kürzer als die Mittelzehe, auch als die Mundspalte, 
vorn mit grösseren Schuppen besetzt, als seitlich und hinten; vier Zehen, 
Vorderzehen mit breiten Schwimmhäuten, die Hinterzehe frei; Schwanz 
stufig zugespitzt; Flügel gross, die Armknochen sehr lang. Ihr reichliches 
dichtes Gefieder weiss oder schwarz, oder beides; am Schnabel und der 
Wachshaut im Alter grelle Farben; Füsse schwarz. Alle Kleider gleich, 
doch in der Jugend grau. Man kennt nur wenige, der kalten und ge- 
mässigten Zone angehörende Arten, Sie leben fast ausschliesslich auf dem 
Wasser, suchen ihre vegetabilische, weniger animalische Nahrung nur grün- 
delnd, nisten auf dem Boden im Schilf, sogar wohl auf schwimmender 
Unterlage und legen 5—6 ungefleckte grünliche oder gelbliche Eier. Bei 
starker Kälte wandern sie gesellig zum wärmeren Klima und nehmen auf 
der Wanderung gern die schräglinige Flugform an. Nur zwei inländische 
Arten.*) 


*) Zur Würdigung. meiner Auffassung der „Arten” mancher Schwimmvögel 
mögen hier einige Bemerkungen Platz finden. Zunächst muss uns oft die auffal- 
lende Grössenverschiedenheit von im Uebrigen in ihren plastischen Verhältnissen 
völlig gleich gebauten und auch farbig sich mehr oder weniger gleichenden In- 
dividuen überraschen. Man findet Schwäne, besonders auch Gänse, deren Körper- 
dimensionen kaum zwei Drittel von denen anderer Stücke ausmachen, so dass man 
sich schon hierdurch veranlasst finden könnte, solchen Differenzen einen spezi- 


Der Höckerschwan. 543 


I. Der Höckerschwan. 
ÖOygnus olor Gm. 


Sämmtliche Lamellen des ganzen Oberschnabelrandes spitzzahnig; die 
Stirnbefiederung nach vorn spitzwinklig begrenzt; Schwanz mit 22 bis 


fischen Werth beizulegen, zumal wenn durch die Unmöglichkeit, diese in der freien 
Natur, wie etwa den Drossel- und Teichrohrsänger, vergleichend zu beobachten, 
jede weitere Controle mangelt. Auch bei den Möven, Scharben u. a. treten der- 
gleichen Verschiedenheiten auf. Woher diese entstehen, ist schwer zu erörtern. 
Verschiedenes Alter könnte man vielleicht wohl für manche Gänseformen als Grund 
annehmen. Berücksichtigen wir den auffallenden Umstand, dass solche bedeutende 
Grössenunterschiede vorzugsweise bei den Vögeln des hohen und höchsten Nordens 
auftreten, so werden wir wohl auf klimatische Einflüsse als Ursache hingewiesen. 
In jenen borealen Gegenden, in denen jährlich eine lange Tageszeit mit langer 
Dunkelheit abwechselt, in denen in den Sommermonaten die Sonne nicht schwindet 
und rasch und energisch alsdann vielfaches Leben aus dem eisigen Winterschlummer 
erweckt, um dann Alles wieder in die frühere Oede zurücksinken zu lassen, wird 
eine günstigere oder ungünstigere Lage auf die Insassen einer Gegend nicht ohne 
bemerkbaren Einfluss bleiben, der schliesslich durch Vererbung fixirt und.sich fort- 
während noch geltend machend eine kräftiger oder schwächer gebaute, grössere 
oder kleinere Race zum Resultate haben kann. Die grössere Race scheint die nor- 
male Form zu sein, da sich Individuen der kleineren in der Regel weit seltener 
zu finden pflegen. Dass wir es hier aber nur mit Racen, nicht aber mit verschie- 
denen Arten zu thun haben, beweisen mannigfache Uebergänge, welche die Kluft 
zwischen den Extremen bald völlig, bald annährend überbrücken, so dass man 
gänzlich ausser Stande ist, eine Grenze zu ziehen. — Wo ferner ein Organ in 
besonderer Grösse und Länge auftritt, da schwanken seine Dimensionen bei den 
einzelnen Individuen gleichfalls in sehr beträchtlicher Weise. Das lässt sich sehr 
leicht z. B. an dem Schnabel des grossen Brachvogels und an den Ständern des 
gemeinen Fischreihers abmessen; das trifft auch bei unseren, so sehr langhalsigen 
Schwänen zu und zwar in der Weise, dass die kleinen Exemplare nicht nur ab- 
solut, sondern sogar relativ kürzere Hälse haben. — Eine fernere Variabilität und 
zwar die sofort und oft am stärksten in die Augen fallende betrifft die gelbe 
Färbung der nackten Theile nach Intensität und besonders nach Extensität. 
Im Jugendkleide tritt dieselbe zuweilen noch nicht auf; später aber ist z. B. der 
Sehnabel gelb und schwarz, oder orange und schwarz gezeichnet. Diese gelben 
Partieen sind regelmässig bei den Individuen der stärkeren Race ausgedehnter; 
vielleicht mögen sie sich auch, etwa bei den Gänsen, mit zunehmendem Alter ver- 
grössern. So liegt dann bald nur das Nasenloch, bald die ganze Nasenhöhle im 
Gelben; bald umgiebt diese Farbe die ganze Basis des Oberschnabels, bald ist sie 
nur auf seitliche Flecke beschränkt und der ganze Nasenrücken ist schwarz. Wenn 
nun ausserdem bei der ausgedehnteren gelben Zeichnung der Schnabel (der älteren 
Vögel?) etwas gestreckter, bei der mehr eingeengten (der jüngeren?) derselbe ge- 
drungener, an der Basis höher erscheint, ja wenn obendrein aus höherem Norden 
kleine Gesellschaften, die nur aus Individuen der einen oder der anderen Form 
bestehen, und zwar sogar zu verschiedenen Zeiten unsere Gegenden besuchen, so 
tritt die Versuchung, diese spezifisch zu trennen, trotzdem, dass keinem Forscher 
uubekannt ist, dass Alt und Jung sehr oft getrennt wandern, dass die Bewohner 


544 Leistenschnäbler. 


24 Federn; nackte Stelle zwischen Auge und Schnabel schwarz. Im 
Alter weiss, der gelbrothe am Grunde schwarze Schnabel mit schwarzem 
Nagel und Stirnhöcker. — Dieser Schwan ist als halbgezähmte Art all- 
gemein bekannt. Seine Heimath bilden mehr die gemässigten als die hoch- 
nordischen Gegenden. Besönders häufig soll er an den grossen Seen im 
mittleren Sibirien sein; auch mehr im Westen, etwa im südlichen Skan- 
dinavien hat er noch seine Heimath, und auch überall bei uns ist er Brut- 
vogel, wofern er nur grosse ruhige Gewässer findet. Diese sind aber seit 
einem halben Seculum und länger zum grossen Theil der Cultur gewichen 
und damit die Schwäne verschwunden. In der Nähe der Ostseeküsten 
brüten sie in Deutschland noch am zahlreichsten. Zu ihren südlichsten 
Brutplätzen gehören wohl Schleswig, Rostock, Braunschweig. Aeusserst 
spärlich passirt diese Art auf ihren Wanderungen das Innere von Deutsch- 
land. Meines Wissens ist z. B. im Münsterlande nur im Winter 1313/14 
und vor 3 Jahren ein Höckerschwan geschossen, und man ist dann noch 
nicht einmal sicher, ob es nicht etwa ein verwildertes Individuum sei. 
In früheren Zeiten, etwa vor 50 bis 70 Jahren soll er sich regelmässig, 
sogar in Gesellschaften von 50 bis 60 Stück eingestellt haben. October, 
November im Herbst und März im Frühlinge waren die Monate, in denen 
er unsere Gegend passirte. Seine Nahrung nimmt er vorzugsweise aus 
dem Pflanzenreiche. Dem entsprechend schlägt er nicht auf ganz reinen 
Gewässern mit klarem Sandboden seinen Wohnsitz auf; anderseits aber 


einer beschränkten Oertlichkeit sich isolirt auf die Reise begeben, dass grosse sich 
allmählich ansammelnde Massen zum Zweck des wirklichen Zuges sich wieder in 
Familiengruppen auflösen, sehr verführerisch an ihn heran. Auch Federzeich- 
nungen können bedeutend variiren; so die weisse Umgebung der Schnabelbasis 
bei Gänsen, oder die schwarze Fleckung an der Bauchseite bei diesen. So lange 
man nur in den Besitz geringen Materiales kommt, und das ist für den Einzelnen 
gerade bei Schwänen und Gänsen wohl der gewöhnlichere Fall, lassen sich diese 
Fragen nach der Speziesdignität schwerlich lösen. Je mehr Exemplare aber der 
Untersuchung unterbreitet werden können, desto mehr vereinfachen sich die For- 
men, indem dann die verschiedentlich sich kreuzenden Uebergänge die früher iso- 
lirt stehenden Formen ganz allmählich verbinden. Nach dıesen Bemerkungen möge 
hier die Erklärung folgen, dass ich von den hiesigen Schwänen ausser dem Höcker- 
schwan nur eine Art, den Singschwan, annehme und mit diesem unbedenk- 
lich die auffallend kleinere Form, minor Pall., und Bewickü Yarr. vereinige. Auch 
nehme ich die 1854 in der „Naumannia” von mir selbst beschriebene uud abgebildete 
kleine höchst interessante Form als Art ausdrücklich zurück. Desgleichen erkenne 
ich unter unseren grauen Wildgänsen nur drei Spezies, die Graugans, die varia- 
bele Saatgans und die gleichfalls vielgestaltige Blessengans, und betrachte 
demnach Anser arvensis Brm, brachyrrhynchus Baill., als Synonym von segetum Bechst. 
und intermedius Maum., minutus Naum., pallipes Schleg. nur als Ausdruck für ver- 
schiedene extreme Formen der aldifrons Gm. (erythropus L.). 


Der Singsehwan. 545 


dürfen sie auch nicht so stark bewachsen sein, dass er am freien Umher- 
schwimmen behindert wird. Doch verzehrt er auch kleineres Wasserge- 
würm. Der Fischzucht kann er durch Fangen von Fischen, die für seine 
gemächlich langsamen Bewegungen zu schnell sind, nicht schaden; wohl 
aber vermindert er den Fischlaich. — Seine Eier sind schmutzig blau- 
grünlich. 


2. Der Singschwan. 
Cygnus musicus Bechst. 

Lamellen des Öberkiefers nur in der Basalhälfte deutlich, aber nicht 
vorstehend; die Stirnbefiederung nach vorn stumpfbogig begrenzt; Schwanz 
mit 15 bis 20 Federn. Im Alter weiss, der Schnabel schwarz, an seiner 
Basis rundum oder nur seitlich mehr oder weniger ausgedehnt, sowie der 
nackte Raum zwischen Schnabel und Augen hellgelb. In der Jugend grau, 
Schnabel bleiblau. Diese hochnordische, jedoch im Osten auch sehr süd- 
lich, sogar noch bis zu den Küsten des Schwarzen und Caspischen Meeres 
als Brutvogel vordringende Art variirt in der Grösse so sehr, dass manche 
Exemplare darin dem Höckerschwane gleichkommen, andere dagegen bis zu 
der einer starken Hausgans herabsinken. Bei den kleinen Exemplaren pflegt 
die gelbe Schnabelzeichnung weit weniger ausgedehnt zu sein, sich wohl 
gar auf zwei seitliche kleine Flecke, die dann durch die schwarze, an 
der Basis wohl schwachhöckerig sich erhebende First getrennt sind, zu 
beschränken. Es lag nahe, in dieser kleinen Form eine selbstständige 
Spezies zu vermuthen, zumal da die geringe Grösse derselben ein gänse- 
artiges Ansehen verleiht und dadurch den Unterschied im Habitus zwischen 
dieser und der vorigen Art erheblich steigert. Es kommt hinzu, dass die 
grosse (wanthorhinus Naum.) und die kleine (melanorhinus Naum., minor 
Pall., Bewickii Yar.) Form des Singschwans bei uns in getrennten Gesell- 
schaften, die erste weit häufiger als die letzte, sich einstellt. Wenn auch 
die Acten über diese beiden Formen noch nicht völlig geschlossen sein 
mögen, namentlich die Ermittlung des Vaterlandes der kleinen von erheb- 
lichem Interesse wäre, so steht doch fest, dass die Vertheilung und Aus- 
dehnung der beiden Schnabelfarben keine Artverschiedenheit bedingen, da 
mehrfach Uebergänge vorgekommen sind. Nur in sehr strengen Wintern, wie 
z.B. 15%/,,, stellt sich der Singschwan bei uns ziemlich häufig ein. In 
früheren Jahren liess er sich fast regelmässig und in jetzt ganz unerhörter 
Menge sehen, so dass man dort leicht im Stande war, viele Hauptzüge seines 
Verhaltens zu beobachten, woselbst schon seit mehreren Decennien sich kaum 
mehr einzelne einstellen. So finde ich in den hinterlassenen Notizen eines 
alten münsterländischen Ornithologen, des Justizrath Meyer zu Rheine (an 
der Ems), der vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zu Anfange der dreis- 

Altum, Die Vögel, DB) 


546 Leistenschnäbler, 


siger Jahre des jetzigen den Mittelpunkt der dortigen zoologischen Be- 
strebungen bildete, folgende Mittheilungen, die auch jetzt noch ihren 
Werth behalten. Er schreibt nämlich: „Im October besucht der Sing- 
schwan unsere Gegend in grösseren und kleineren Trupps, namentlich bei 
Rheine, Neuenkirchen, Hopsten, Riesenbeck, Emsdetten, Greven. Weiter 
südlich geht der Zug nicht hinauf. Die Gewässer, die er besucht, müssen 
die Tiefe seines Halses haben. Kommt Eis, so ziehen die Schwäne süd- 
licher, oft schon einige Tage vor dem Frost. (Das wissen unsere Land- 
leute). Im März, bei gelindem Wetter schon früher, kehren sie zurück, 
verweilen dann bis Ende März oder April und ziehen darauf östlich 
weiter. Der Zug, den die Schwäne alle Jahr über unsere Gegend machen, 
scheint mir nach den eingezogenen Erkundigungen sich nur über wenige 
Stunden in die Breite zu erstrecken. Bei Emsdetten befinden sich im 
Herbst und Winter bei überschwemmten Niederungen noch manche auf 
dem Zuge, aber nicht mehr bei Greven und Münster; unterhalb Salz- 
bergen erstreckt sich der Zug auch nicht weiter. Bei strengem anhal- 
tendem Frost treffen wir die Schwäne auf Flüssen an sonst von ihnen nicht 
berührten Stellen an. Der Ruf ist laut und weit hörbar („Klung”), er-' 
schallt nur im Fluge und ist besonders bei einer Menge auffallend. Ausser 
diesem Rufe vernimmt man von den Männchen im Frühlinge auf dem 
Zuge noch einen besonderen Laut, in Pausen, lang gedehnt, sanft klingend, 
wobei der Hals etwas gekrümmt wird. — 1828 erschienen schon Anfangs 
October die wilden Schwäne auf dem Schwanenpohl. — Im Monat De- 
cember befanden sich daselbst gegen 400 Stück.” Ich glaube nicht, dass 
es noch jetzt in Deutschland viele Gegenden giebt, an denen man ähn- 
liche Beobachtungen zu machen im Stande ist, und irgend ein bedeu- 
tender Teich oder kleiner Landsee wegen des alljährlichen Besuches von 
vielen Wildschwänen verdient, darnach („Schwanenpohl”) benannt zu 
werden. Die Exemplare in unseren zoologischen Gärten können uns für 
diesen Verlust schwerlich entschädigen. Doch ist es interessant daselbst, 
diese Art, wie den Höcker-, den südamerikanischen schwarzhalsigen und 
den neuholländischen schwarzen Schwan in ihrem verschiedenen Betragen 
nebeneinander mit Musse beobachten zu können. Abgesehen von der weit 
steiferen Haltung des Halses zeigt unsere Art eine grosse Ueberein- 
stimmung mit der vorhergehenden Spezies. Seine Eier sind gelblich und 
schwach glänzend. 


Gans, Anser. 


Grosse kräftig gebaute Schwimmvögel mit ziemlich langem Hals und 
mittelhohen kräftigen Füssen; Schnabel kurz bis mittellang, am Grunde 
sehr hoch, nach vorn abfallend und etwas verschmälert; die Lamellen 


Aechte Gänse. 547 


bilden kegelförmige Zähne, der Nagel von der Breite der Schnabelspitze; 
der Hals ungefähr von der Länge des walzenförmigen Rumpfes; Flügel 
kräftig, die zweite Handschwinge oder die zweite und dritte am längsten; 
die Füsse in die Körpermitte gerückt, kräftig, der Lauf höher als die 
Länge der Mittelzehe, reticulirt, die Schiene über der Ferse nur sehr 
wenig nackt, die Vorderzehen mit vollen Schwimmhäuten, die innere an 
der freien Seite mit Hautsaum, Krallen kurz und stark. Männchen, 
Weibchen und Junge unterscheiden sich im Aeussern wenig, oft kaum; 
die Farben des dichten Gefieders bescheiden; ein Prachtkleid fehlt. Die 
Gänse bevölkern alle Theile der Erde, bewohnen jedoch mehr die kalten 
und gemässigten als die heissen Zonen. Mehr als die übrigen Glieder 
der Leistenschnäbler halten sie sich auf dem Lande auf; sie gehen ge- 
schickt, schwimmen nicht häufig, gründeln wohl nach Nahrung, aber 
schnattern nicht, tauchen nie. Als Tagesthiere erspähen sie ihre Nah- 
rung, ausschliesslich Vegetabilien, namentlich Grünes, durch das Gesicht, 
nicht etwa durch den tastenden Schnabel, und wissen dieselbe mit ihrem 
an seinen Schneiden harten Schnabel geschickt abzuzupfen. In der Nähe 
des Wassers, auch auf den bei Ebbe frei liegenden Bänken, haben sie 
ihre Weidepiätze. Durch Besuch der Getreidefelder im Winter und Früh- 
jahre können sie erheblich schaden, da sie nicht bloss die Spitzen ab- 
beissen und mit ihren Schwimmfüssen vieles zertreten, sondern auch durch 
ihre ätzenden Excremente dem Wuchse sehr nachtheilig werden. Ihre 
Nester legen sie in Schilf und sonstigen Krautpflanzen grösserer und 
ruhig gelegener Gewässer an, und legen 6 bis 12 rein weisse Eier. Als 
offen lebende Vögel zeigen sie sich sehr scheu. Sie schweifen wandernd 
oft zu vielen Tausenden umher, sondern sich aber für den wirklichen 


Zug in kleinere Gesellschaften, welche hoch in einer schrägen Linie, oder 


wenn eine Anzahl von etwa 20 und mehr Individuen sich vereint hat, 
in Pflugscharform die Reise unternehmen. Durch sehr laute Schreie, die 
bald von ‘dem einen bald von dem anderen Reisegenossen in grösseren 
unregelmässigen Pausen ausgestossen werden, kündigen sie sich schon aus 
der Ferne an. — In unseren Gegenden brütet nur eine Art, jedoch mehre 
andere erscheinen hier in der Zugperiode bald regelmässig, bald als seltene 
Gäste. Sie zerfallen in zwei Gruppen. 


a. Aechte Gänse, 


Schnabel ganz oder theilweise orange oder hellfarben, von Kopfes- 
länge, die Lamellen springen über den Rand vor; die Nasenlöcher öffnen - 
sich hinter der Mitte der Mundspalte; Halsgefieder bildet deutliche Längs- 
rinnen; Flügel lang, die erste und zweite der weissschaftigen Handschwingen 

35* 


548 Leistenschnäbler. 


am längsten; Füsse röthlich oder gelblich, die Spitze der Hinterzehe 
berührt den Boden. — Die zu dieser Gruppe gehörenden Arten zeichnen 
sich sämmtlich durch eine graue Farbe aus („Gänsegrau”), die auf dem 
Rücken in ein tiefes, durch helle, sich in Querreihen ordnende Feder- 
kanten unterbrochenes Graubraun übergeht. Wir haben von dieser iu 
Deutschland drei Spezies; auf zwei derselben findet die in der Anmer- 
kung, Seite 545 hervorgehobene Variabilität im vollsten Maasse Anwendung. 

Eine vierte, plastisch, aber nicht farbig sich den grauen Gänsen an- 
schliessende Art, die hochnordische, schneeweisse, mit rothem Schnabel 
und Füssen versehene Polargans, Anser hyperboreus Pall., für Deutsch- 
laud eine äusserst seltene Erscheinung, sei hier nur genannt. 


I. Die Graugans. 
Anser einereus M. et W. 

Hausgansgrösse, doch schlauker gebaut und durch stärkeres Vorragen 
der Schenkel hochbeiniger erscheinend; Schnabel ganz orangegelb mit 
weisslichem Nagel; Füsse blassfleischfarben; Schwanz 1l8fedrig, unter den 
Flügeln hervorragend. Die Farbe ist an den. kleinen Flügeldeckfedern 
und dem Bürzel weit grauer als bei den verwandten Arten; sie verdient 
daher nach dem Totaleindruck ihren Namen. Ihr Vaterland ist nicht so 
sehr der hohe Norden, obschon sie in Norwegen bis zum (0° n. Br. an 
den Küsten zahlreich lebt, als vielmehr der Osten. In Russland, beson- 
ders an der unteren Donau brütet sie zahlreich. In Deutschland hat zu- 
meist der Osten sie als Brutvogel aufzuweisen. Sie brütet schon bei 
Braunschweig auf den Riddagshauser Teichen. Hier bei Neustadt ist sie 
auf dem mehrfach bereits genannten Plager See im Lieper Revier eben- 
falls Brutvogel. Solche Wasserflächen sind stets von bedeutendem Um- 
fange und haben viele unregelmässig vertheilte Schilf- und Rohrpartieen 
oder sonstigen ausgedehnten Krautwuchs. Auch zieht sich in der Regel 
Holzgebüsch hier und dort in die Niederung hinein, einzelnes Weiden- 
oder Erlengestrüpp unterbricht die Fläche und der tückische Boden eines 
schwankenden Fennes macht häufig noch die Brutstellen schwer zugäng- 
lich. Sowohl die Beschaffenheit der Brutplätze, als auch das seltene Er- 
scheinen dieser Gans während der Zugzeit mitten im Lande an Orten, 
an denen sie nicht brütet, erinnert lebhaft an den Höckerschwan. Fast 
nichts, was man von wilden Gänsen ziehen sieht, gehört dieser Art an, 
und wenn sich wilde Gänse irgend wo bei uns auf dem Zuge niederge- 
lassen haben, dann sind das nur in sehr seltenen Fällen Graugänse. 
Ich weiss mich keines einzigen bestimmten Falles zu erinnern, dass bei 
Münster in einem etwa dreissigjährigen Zeitraume diese Spezies geschossen 
ist. Die Exemplare, welche Jäger erlegt hatten oder auf dem Markte 


Die Saatgans. 549 


und bei Wildhändlern zum Verkaufe ausgeboten wurden, waren stets 
Saatgänse, zuweilen Blessengänse, selten auch Ringelgänse, zwei- oder 
dreimal sogar die Weisswangengans. Doch ist sie vorgekommen, wie ein- 
zelne Stücke in dortigen Sammlungen beweisen, aber selten. Häufiger 
erscheint sie an unseren Küsten und zwar stets in kleinen Gesellschaften. 
Im October stellt sie sich dort ein, im März pflegt sie dieselben auf ihrer 
Rückreise wieder zu berühren. Im Winter bevölkert sie zahlreich die 
westeuropäischen Länder des Mittelmeerbeckens. Sie hält sich sehr viel 
auf dem Lande auf, besucht kurz berasete Wiesen, Aecker, Felder und 
soll dem Getreide schädlich werden können. Nachdem die Jungen völlig 
flugfähig sind, wie hier in unseren Gegenden zu Anfang Juli, zieht sie 
gern von einem grösseren Gewässer zum andern, doch führt sieı beun- 
ruhigt bei nicht zu weit von einander entfernt liegenden Teichen und 
Seen ihre Jungen zu Fusse auch schon früher fort. So fanden sich z. B. 
im verflossenen Jahre 1872 bei Eröffnung der Entenjagd (1. Juli) auf 
unserem Plager See, auf dem sich ein oder gar zwei Paare häuslich nieder- 
gelassen hatten, weder die Alten noch die Jungen vor. Doch zum Be- 
weise, dass sie sich wirklich wieder angesiedelt hatten und nicht bloss 
vorübergehend im Frühlinge dort anwesend gewesen waren, diente ein 
aufgefundenes Ei. Ich vermuthe, dass die Beunruhigung durch die Fischer 
geschehen war. Für Flüsse scheint sie keine Zuneigung zu empfinden- 
Ihre Stimme ist von der Hausgans, welche ohne Zweifel ven ihr ab- 
stammt, nicht zu unterscheiden; auch in ihrem sonstigen Verhalten ähnelt 
sie dieser sehr. Bastarde zwischen beiden sind mehrfach vorgekommen. 


2. Die Saatgans. 
Anser segetum Bechst. 


Kleiner als die Graugans; der Schnabel schwarz, in der Mitte orange- 
farben; Schwanz 1Sfederig, von den Flügeln überragt. Die rothgelbe 
Sehnabelfärbung von sehr verschiedener Ausdehnung. Die etwas grösseren 
und gestreckteren Exemplare sind auch durch einen gestreckteren, an der 
Basis weniger hohen Schnabel, sowie besonders durch eine viel exten- 
sivere Färbung desselben, die im Extrem nur mehr den Nagel, den Kiefer- 
rand und die First an der Basis schwarz lässt, ausgezeichnet. Diese 
Form ist als „Ackergans, Anser arvensis” Brm. spezifisch abgetrennt. 
Unter „Saatgans” werden dagegen die wenig kleineren Exemplare mit 
gedrungenerem Körper, relativ diekerem Schnabel, dessen orange Zeich- 
nung sich nur sattelförmig vor dem Nasenloche findet, zusammengefasst. 
Ganz allmähliche Uebergänge zwischen beiden Extremen machen eine 
scharfe Theilung unmöglich. Obschon ein sicherer Grund für die ver- 
schiedene Schnabelfärbung schwerlich aufzufinden sein wird, so deuten 


550 Leistenschnäbler. 


einige Abweichungen in dem Leben beider Formen auf eine Altersverschie- 
denheit derselben hin. Es stellt sich z. B. die kleinere Saatgans früher 
oder bei nicht sehr starker Kälte wohl allein bei uns ein, sie erscheint 
in weit grösserer Menge, bricht bei eintretendem starken Frost aus unseren 
Gegenden eher zum Süden auf und kehrt im Frühlinge später zurück, 
al8 die „Ackergans”. Letztere zeigt sich in Allem härter, ausdauernder, 
kommt nie in solcher Menge, wird nur durch die strengste Kälte und 
hohen Schnee, wodurch ihr jedes Gewässer verschlossen, jeder Weide- 
platz unzugänglich gemacht wird, zum entschiedenen Weiterwandern zum 
Süden veranlasst. Wenn es erlaubt ist, hier nach Analogieen einen Schluss 
zu machen, so wären unter der Form arvensis die alten, unter segetum 
die jüngeren Individuen zu erkennen. Grösse und Schnabelform würde 
ebenfalls damit stimmen. Es ist mir unbekannt, ob genügend zahlreiche 
Untersuchungen über das Geschlecht der Ackergänse angestellt sind. 
Wenn auch für diesen Punkt die Analogie gelten dürfte, so würde man 
unter diesen zumeist die alten Männchen vertreten haben. Im Uebrigen 
werden sich schwerlich Unterschiede zwischen beiden auffinden lassen. 
Beide besuchen dieselben Plätze und haben dieselbe Stimme. Im October 
und November sieht man sie meist in kleinen Gesellschaften hoch durch 
die Luft in Keilform wandern, und manche schon Mitte Februar wieder 
nach Nordost zurückreisen. Sie erscheinen alle Jahr, wenngleich in ver- 
schiedener Menge. In einzelnen langen sie in bedeutenden Schaaren an, 
treiben sich längere Zeit bei uns umher und weiden dann die grüne Saat 
ab. Doch werden sie von der durch sie sofort in Bewegung gesetzten 
Jägerschaft bald wieder vertrieben. Gewöhnlich aber sieht man sie nur 
als Durchzügler. Fast alle Wildgänse, welche unsere Gegend passiren, 
gehören dieser Art an. Ihre Heimath ist der hohe Norden; ihre Brut- 
plätze liegen an den Küsten des europäischen Eismeeres vom Nordcap 
an, in Lappland, sogar auf Spitzbergen und Nowaja Zelmja. Im nörd- 
lichen Sibirien lebt sie zahlreich. Sie bewohnt dort nur die sumpfigen 
Niederungen der Ebene und vermeidet den Baumwuchs. Gezen Ende 
April ist sie an ihren Brutplätzen angelangt, mit Ausgang September 
schickt sie sich schon zur Wanderung an und erreicht im Winter die 
fernen, namentlich östlich gelegenen Länder des Mittelmeerbeckens. Aber 
sie lässt sich, wie bemerkt, zumal in der Form der Ackergans, sehr durch 
die herrschende Temperatur in der Energie ihres Wanderns bestimmen. 
In den niedrigen Küstenländern unserer Nordsee bleiben fast alljährig an 
passenden Stellen viele Individuen, 


Die Blessengans. — Seegänse. 551 


3. Die Blessengans. 
Anser albifrons Bechst. 

Die kleinste Art der grauen Gänse und in der Grösse ganz auf- 
fallend schwankend, indem manche Individuen an die Dimensionen einer 
schwachen Saatgans heranreichen, während andere bis zur Grösse einer 
Märzente herabsinken. Schnabel orangegelb, auch wohl mit einem starken 
Anflug von Rosa, Nagel weisslich; jedoch kommt zuweilen auch an den 
Schnabelrändern, sogar am Nagel eine schwärzliche Trübung oder gar 
wirkliches Schwarz, doch nie in erheblicher Ausdehnung vor; die Befie- 
derung um die Schnabelbasis ringförmig weiss, auf der Stirn hinterwärts 
tief dunkel begrenzt, bei jüngeren nur weissfleckig in verschiedenem Grade, 
sogar ohne alles Weiss; Flügel bläulichgrau, mit fast schwarzen Hand- 
schwingen; Oberseite braun; Unterseite mit starkem schwarzen Brust- 
schild, oder nur grossen schwarzen Flecken, in der Jugend sogar ohne 
solche; Füsse orangegelb bis rosaröthlich; Schwanz schwach gerundet, 
mit 16 Federn, von den Flügeln bedeckt. Angedeuteter Maassen variirt 
die Blessengans sowohl in Grösse, als Zeichnung und Farbe ihrer nackten 
Theile sehr. Es kann daher nicht überraschen, wenn man in ihr eine 
Anzahl von Arten hat erkennen wollen. Die auffallendste ist jedenfalls 
die „Zwerggans, Anser minutus Naum.”, für unsere Gegend eine seltene 
Erscheinung. Die Heimath dieser Form liegt im hohen Nordosten. Die 
Blessengans ist überhaupt ein hochnordischer Vogel, welcher ostwärts an 
Häufigkeit zunimmt. Sie lebt sogar zahlreich in Grönland an den dortigen 
Süsswasserseen; jedoch ist sie auch in Skandinavien, etwa vom 66° n. Br. 
bis zum Eismeere durchaus nicht selten. Im Inneren von Deutschland 
erscheint sie nur spärlich, jedoch wird sie ihrer geringeren Scheuheit 
wegen verhältnissmässig leichter erbeutet, als eıne andere Gänseart. 
Wiederholt habe ich sie im Münsterlande frisch in Händen gehabt; sie 
stellte sich dort entweder im Spätherbst, oder auf ihrem Rückzuge, An- 
fang bis Ende März, ein. Ihre Vorliebe für die Küstengegenden, ja für 
unmittelbare Meeresnähe lässt sie bei uns so selten erscheinen. In ihrem 
Betragen soll sie im Uebrigen stark an die Saatgans erinnern, jedoch 
durch ihre Stimme „Kling” oder „Kläck”, „Klick”, „Krjenk” sich von 
derselben sehr auffällig unterscheiden. 


bh. Seegänse. 

Schnabel kürzer als der Kopf, schwächlich, bei den jüngeren Vögeln 
an der Firstbasis aufgetrieben, schwarz; die Lamellen des Oberschnabels 
seitlich von den Rändern verdeckt; die Nasenlöcher öffnen sich über der 
Mitte der Mundspalte; das Halsgefieder gleichmässig, ohne oder fast ohne 


552 Leistenschnäbler. 


Längsrinnen; Schäfte der Handschwingen schwärzlich; Füsse schwärzlich, 
schwächer und höher als bei den grauen Gänsen; Hinterzehe schwächlich, 
hoch gestellt; berührt den Boden nicht; Schwanz l6federig. Hauptfarbe 
schiefergrau mit Schwarz. Die Seegänse bewohnen ausser der Brutzeit 
das Meer, ziehen sogar während ihrer Wanderung dasselbe dem süssen 
Wasser vor, halten sich oft in ungeheuren Schaaren auf den bei Ebbe 
blossgelegten Bänken auf, weiden dieselben nach Seegras und Tangen ab, 
verzehren aber auch gern kleinere Thiere, namentlich Conchilien, Crusta- 
ceen, Würmer. Ins Innere des Landes gelangen sie aber nicht häufig. 

Ausser zwei allgemein bekannten Arten wird noch eine dritte, die 
Rothhalsgans, Anser ruficollis, eine sehr kleine, nur Hausentengrösse 
erreichende, nordasiatische Art, als deutscher Vogel verzeichnet. Öber- 
seite, Kopf und Hals schwarz, Kropf und Brust braunroth; Wangen und 
Bauch weiss. Man sieht auch in den grösseren Sammlungen kaum mehr 
wie ein Exemplar dieser für Deutschland äusserst seltenen Art. Die 
Eiersammlung unserer Akademie hat ein Ei derselben aufzuweisen, das 
v. Middendorff an der Boganida gesammelt hat. Die auffallend schmutzig 
wolkige Zeichnung desselben. stimmt genau mit der Abbildung in v. Midden- 
dorff’s bekanntem Werke, 


4. Die Ringelgans. 
Anser torquatus Frisch. 

Eine kaum mittelgrosse Art; schiefergrau; Kopf, Hals, Gurgel, Schwanz 
schwarz; der Hals der älteren Vögel mit seitlichem, weissem Halbringel; 
untere Schwanzdeckfedern sehr lang und weiss. Im Fluge erscheint sie 
ganz schwarz, doch bilden diese Schwanzdeckfedern eine auftallende weisse 
Zeichnung. Die Heimath der Ringelgans ist der höchste Norden, viel- 
leicht der Pol selbst. Abgesehen von ihren südlichsten Brutplätzen, das 
Taimyrland, Boganida, Spitzbergen und Nowaja Zelmja, die jedoch verhält- 
nissmässig nur wenigen Paaren ein Sommerasyl bieten, hat noch kein 
Fahrzeug ihr Domicil erreicht, noch keines Menschen Fuss ihre Brut- 
stätten betreten. So weit auch kühne Nordpolfahrer vordrangen, die 
Ringelgans zog und wohnte noch weiter nördlich. Dort in jenen matt- 
beleuchteten eisigen Gegenden pflanzen sie sich auf beiden Hemisphären 
zu Tausenden fort. Gegen Herbst, mit Eintritt der langen Nacht in der 
Heimath, treffen wir sie an den dänischen und unseren deutschen Ost- 
und Nordseeküsten in Schaaren oft zu Hunderten, ja Tausenden an. Jeder 
kennt dort die „Radgänse” oder „Rottgänse”. Auf den Watts und den 
bei Ebbe frei gelegten Bänken, im Frühlinge mehr auf den beraseten 
Flächen, finden sie reichlich ihre Nahrung. Dort machen sie sich weit- 
hin durch ihr unaufhörliches „Raott”, „Rott” bemerklich, Bei Gefahr 


Die Weisswangengans. — Höhlenente, 553 


erheben sie sich zeitig in wirrer, bald aber sich in kleine Gesellschaften 
auflösender Masse. Sie sind zu sehr Meeresvögel, um auch nur vorüber- 
gehend weithin in das Festland einzudringen. Im Gegentheil treffen wir 
hier nur stets vereinzelte, ohne Zweifel verirrte Individuen, am häufigsten 
im März an. Doch an den Küsten treiben sie sich noch tief bis in den 
Mai hinein, ja einzeln sogar bis in den Juni umher. Ihre Heimath ist 
dann auch für sie noch zu unwirthlich. 


5. Die Weisswangengans. 
Anser leucopsis Bechst. 

Etwas grösser als die Ringelgans, Hals wie Beine länger; Hauptfarbe 
tief schwarz, Gesicht weiss, Flügel und Hinterrücken grau. Auch diese 
Art bewohnt circumpolar den hohen Norden, brütet am Taimyrflusse, 
an der Bogaida, auf Spitzbergen und einzeln sogar in Lappland. Ihre 
Hauptbrutplätze sind ebenfalls, weil zu hoch nördlich oder in zu weiten 
öden Gegenden gelegen, unbekannt. Ihr später Rückzug an unseren Küsten, 
Mitte Mai, spricht ebenfalls für die sehr nördliche Lage ihrer Heimath. 
An unseren Küsten erscheint sie weit seltener als die Ringelgans, sie 
wählt daselbst übrigens mit dieser fast einerlei Aufenthalt. Im Innern 
des Landes begegnet man ihr von allen genannten Arten am seltesten. 


Höhlenente, Vulpanser. 


Grosse, ziemlich langhalsige Enten; Schnabel mittellang, an der Basis 
kaum höher als breit, First gerade oder in der Mitte geschweift nieder- 
gedrückt; Lamellen feinspitzig, seitlich sichtbar; Nagel schmaler als die 
Spitze; Flügel gross, spitz, die zweite Handschwinge die längste; ein be- 
trächtlicher Theil der Schienen über der Ferse, etwa von halber Laufes- 
länge, nackt, Lauf vorn mit sechsseitigen Schuppen; Schwanz schwach 
gerundet, l4federig, von den Flügeln ganz bedeckt. Die ansehnlichen 
Arten dieser Gattung zeichnen sich durch ein fast einfarbiges brennendes 
Fuchsbraun, oder durch dieses nebst Weiss und Schwarz in grosse Par- 
tieen vertheilt, sowie besonders dadurch vor den Enten aus, dass sie 
ähnlich wie die Gänse, weder nach der Jahreszeit, noch nach dem Ge- 
schlechte ein erheblich verschiedenes Kleid tragen. Auch ihre Jungen 
sind den Alten ähnlich, obschon ihre Farben weit weniger rein sind als 
bei diesen. Ihr Flügelspiegel ist metallisch grün. Sie bewohnen in ge- 
mässigten Gegenden ausschliesslich oder doch vorwiegend das Meer, gehen 
leichter als die Enten, fliegen unter weniger schnellen Flügelschlägen, was 
beides wiederum an die Gänse erinnert, nähren sich sowohl von Vege- 
tabilien als von kleinen niederen Thieren und brüten in Höhlen, sogar 


554 Leistenschäbler. 


gern in Erdhöhlen, als Kaninchenbauen, ja Fuchs- und Dachsröhren. Ihr 
thraniges Fleisch soll sogar den Fuchs derartig anwidern, dass sie unbe- 
helligt in einem bewohnten Fuchsbau ihr Fortpflanzungsgeschäft vollbringen 
können. 


Ausser der Rostente, Vulpanser rutila Pall., am ganzen Rumpf 
rostroth, eine südöstliche Art, welche sich nur selten bis nach Deutsch- 
land verirrt hat, bewohnt nur eine Art unser Vaterland. 


Die Brandente.*) 
Vulpanser tadorna L. 


Reichlich Hausentengrösse; der korallenrothe Schnabel flach sattel- 
förmig geschweift, beim Männchen im Frühlinge an der Stirn aufgetrieben; 
Füsse blassroth; Kopf und Öberhals tief schwarzgrün, die übrigen Farben 
fuchsbraun, schwarz und vorwiegend weiss. Auch im Fluge machen sich 
die weissen Partieen sehr auffällig geltend. In der Jugend alle Farben 
unreiner. Die Brandente erstreckt sich nach Norden bis kaum zum Polar- 
kreis, dehut sich aber nach Süden und Osten bis nach Indien, Japan und 
China aus. Sie ist nur Seevogel und lebt auf unseren Nordseeinseln 
häufig, auf mehren kleineren in Hunderten von Paaren. Die zahlreich dort 
in den Dünen hausenden Kaninchen richten durch ihre Baue für sie die 
Bruthöhlen her. Ihr Nest steht tief in einer solchen Röhre. Auf der 
Vogelinsel Rottum, auf der etwa 400 Paare brüten, macht man ihnen 
flachstreichende künstliche Erdröhren, an deren Ende ein bewegliches 
Schlussstück zu den Eiern gelangen lässt, die man ihnen nebst den Nest- 
dunen theilweise nimmt. Wegen ihres Brütens in den Dünenhügeln heisst 
sie dort allgemein „Bergente”. Nach Vollendung des Brutgeschäftes geht 
Alt und Jung sofort zum Meere. Bei tiefer Ebbe suchen sie auf den 
Watts ihre Nahrung. Es kann nicht befremden, dass diese Spezies trotz 
ihrer Häufigkeit in der Nähe der Küste so selten im Binnenlande ange- 
troffen wird, selbst dort, wo ein Hauptfluss, wie z. B. die Ems im 
Münsterlande dasselbe in directe und nahe Verbindung mit ihren Brut- 
plätzen setzt. Während einer langen Reihe von Jahren ist daselbst meines 
Wissens nur ein einziger junger Vogel, und 1862 am 5. Februar sind 
drei alte Brandenten daselbst erlegt. — Ihre Eier sind zart gelblich, 
fast weiss. 


*) In hiesiger Gegend belegt man die kleine Moorente, Anras nyroca, welche 
auf allen unseren bewachsenen grösseren Weichen und Seen brütet, mit dem 
Namen „Brandente”. 


Ente. 555 


Ente, Anas. 


Schnabel von Kopfeslänge oder kürzer, an der Basis nicht so hoch 
als breit, jedoch wohl an der Stirn knollig aufgetrieben, in der vorderen 
Hälfte stets weniger hoch als breit, Nagel schmaler als die Schnabelspitze; 
Flügel mittellang, spitz, die zweite Handschwinge die längste; der Lauf 
kürzer oder kaum so lang als die Mittelzehe, vorn mit queren Schildern, 
die Schiene über der Ferse nackt. — Die Enten bilden in ihren zahl- 
reichen, im männlichen Prachtkleide eben so auffallend als verschieden 
gefärbten Arten eine höchst bunte Gruppe, während alle übrigen Kleider 
sich innerhalb einer Anzahl von Spezies oft recht nahe stehen. Dieses 
männliche Prachtkleid oder Hochzeitskleid entspricht dem Sommerkleide 
der übrigen Vögel, wird aber nicht im Frühlinge; sondern schon vor Ein- 
tritt des Winters angelegt und überdauert dann den Winter und Frühling. 
Mit Eintritt des Sommers weicht es dem unschönen, dem weiblichen Ge- 
fieder täuschend ähnlichen „Sommerkleide”, in welchem wir, abgesehen 
von der Jahreszeit ein dem sonstigen Wintergefieder entsprechendes Kleid 
erkennen müssen. Dieses unschöne Sommerkleid legt das Männchen 
(Erpel, Enterich) schon an, wenn das Weibchen (die Ente) noch brütet. 
Da ihn der Federwechsel durch das fast plötzliche Ausfallen der Schwingen 
gänzlich flugunfähig macht, so zieht er sich für diese Periode auf Ge- 
wässer, die ihm durch Ausdehnung, ruhige Lage, Pflanzenwuchs Schutz 
zu gewähren im Stande sind, zurück und besteht hier diesen Vorgang in 
aller Verborgenheit. Unter entsprechend günstigen Lokalverhältnissen 
sammeln sich dann auf solchen grossen Teichen und Seen wohl Hunderte 
von „Mausern”, wie die Jägerei diese mausernden Erpel nennt, und ge- 
statten eine äusserst ergiebige, jedoch nur mit Hülfe vieler Kähne aus- 
führbare Jagd. Zur Zeit, wann die Jungen flugbar werden, sind auch die 
Schwingen der alten Erpel wieder völlig ausgebildet. Die Ente, welche 
einzig bei den Jungen bleibt, mausert wohl um zwei Monate später. Aus 
dem männlichen, dem Weibchen so sehr ähnlichen Sommerkleide ent- 
steht nun schon, wie gesagt, vor Beginn des Winters nicht so sehr 
durch Mauser, als vielmehr durch die sogenannte Verfärbung jenes Pracht- 
kleid allmählich, so dass man nicht selten farbige Uebergänge von dem 
einen zum andern findet. Da übrigens die während des Sommers ver- 
loren gegangenen Federn sich um diese Zeit der farbigen Umbildung 
wieder erneuern und zwar in der Färbung und Zeichnung des Pracht- 
kleides, so treten bei den meisten Individuen beide Vorgänge, Umfärbung 
und Mauser, zugleich auf, ein Umstand, der zu der Behauptung führte, 
dass die Männchen sich zweimal, die Weibehen nur einmal mauserten. — 
Die Enten bewohnen alle Erdtheile, zumeist jedoch die gemässigten Länder 


556 Leistenschnäbler. 


und sind sowohl bei ihrem Fortpflanzungsgeschäfte, als auf dem Zuge 
durchaus an das Wasser gebunden. Sie brüten auf mit Sumpf- und 
Wasserpflanzen theilweise bewachsenen süssen, ruhigen Gewässern, Seen, 
grösseren Teichen, in todten Flussbetten, Auslachen, meist zwischen diesen 
Pflanzen verborgen am Boden, doch auch wohl auf Kopfbäumen, sogar 
in Baumhöhlen in unmittelbarer Nähe solcher Gewässer und legen viele 
ungefleckte, zart grünliche oder gelbliche Eier. Auf dem Lande bewegen 
sie sich ungern und wegen ihrer kurzen, nach hinten gerückten Füsse 
ungeschickt, schwimmen aber vortrefflich, fliegen leicht und unter sehr 
schnellen Flügelschlägen, die ein spezifisch charakterisches, zuweilen sogar 
sehr laut schallendes Getön veranlassen, schnell, jedoch ohne geschickte 
Seitenbewegungen. Von den Paaren fliegt stets die Ente dem Erpel 
voraus, auf dem Zuge ordnen sie sich wohl in regelmässige Reihen. Ihre 
Nahrung besteht sowohl in Vegetabilien als in kleinen niederen Thieren, 
von welchen letzten sie manche nach entfernten Gegenden verschleppen 
mögen. So findet man oft ziemlich tief im Lande nicht nur bei ge- 
schossenen eine Menge von Schnecken, etwa Litorinen, die sie nur an 
den Küsten können verzehrt haben, sondern auch dergleichen im Wasser. 
Der Deckel, wodurch die Gehäuse derselben verschlossen werden, ver- 
hindert einen schnellen Tod. — Mit vollem Rechte hat man die Enten 
in zwei oder drei grosse Gruppen gesondert. Wir können uns für unsere 
einheimischen Arten mit zweien begnügen: Schwimm- und Tauch- 
enten. Wenn man den Verschiedenheiten derselben in Büchern den 
Werth von besonderen Familien beilegt, so entspricht ihr allerdings nicht 
gleichartiges Leben, sowie ihr Habitus in der freien Natur einer so weiten 
Trennung nicht. Mit Rücksicht auf dieses ihr freies Leben und der 
grossen Aehnlichkeit und Uebereinstimmung, welche sie dort bekunden, 
können wir sie sogar unbedenklich als zwei Gruppen einer und derselben 
Gattung behandeln, ohne befürchten zu müssen, Gegensätze unnatürlich 
zu vereinigen. Eine Theilung unserer deutschen Entenarten in nicht 
weniger als 16 verschiedene Gattungen mag sich in den Cabineten und 
Büchern recht hübsch ausnehmen; da draussen lassen sich diese gegen- 
sätzlichen Verschiedenheiten schwerlich wieder auffinden. Dass jedoch 
jede einzelne Art ihr singuläres Verhalten hat, versteht sich von selbst. 


a. Schwimmenten. 


Körper walzlich, relativ schlank, Kopf kleiner, Hals länger als bei 
den Tauchenten; Hinterzehe ohne Hautsaum. In ihren Farben und Zeich- 
nungen erscheinen sie weit gefälliger, zarter, freundlicher als die düster 
gefärbten Tauchenten. Die alten Männchen im Prachtkleide zeigen frei- 


Die Stockente. 557. 


lich kein gemeinsames Prinzip im Colorit, als allenfalls eine sehr feine 
zierliche dunkle Wellenbänderung auf den Seiten des Unterkörpers, nament- 
lich den Tragfedern, sowie eine spitzbandförmige Verlängerung und danu 
schwarze und weisse Längsstreifung der Schulterfedern, obgleich beides 
nicht gerade allen Arten zukommt. Allein durch alle übrigen Kleider, 
nämlich die der Männchen im Sommer, der Weibchen und der Jungen, 
werden sie wegen der grossen Uebereinstimmung derselben als unzer- 
trennlich einheitliche Gruppe gekennzeichnet. Mit kurzem Ausdrucke 
lässt sich dieselbe annähernd als „lerchenfarben” bezeichnen. Es ist auf 
der Oberseite ein lebhaftes Rostbraun bis gelbliches Braun mit dunkler 
Federmitte, auf der Unterseite ein hellerer Ton mit feineren Schaftflecken 
oder Schaftstrichen. Die Jungen und die Männehen im Sommerkleide 
pflegen dunkler als die Weibchen zu sein. Der stets charakteristische 
Flügelspiegel ist dabei als Diagnose trefflich zu verwerthen. Auch bleibt 
sich der Oberflügel in allen Kleidern fast gleich, — Die Schwimmenten 
haben ihre Bezeichnung davon erhalten, dass sie nur schwimmend, nicht 
aber gänzlich untertauchend, ihre Nahrung suchen. Doch gründeln sie 
bei nicht ganz seichtem Wasser gern. Sie halten sich daher nie längere 
Zeit über grosser Tiefe auf, sondern sind fast stets am Ufer, im Schlamme, 
zwischen Wasser- und Sumpfpflanzen nach Art unserer Hausenten be- 
schäftigt, schnatternd ihre Nahrung aufzufinden. In der Noth können 
aber alle, sowie die Jungen, so lange sie noch flugunfähig sind, tauchen. 
Wir finden sie fast nur auf süssem Wasser, mit Gräsern, Schilf und ähn- 
lichem bewachsenen Brüchern, Teichen, Landseen. Schwimmend wie 
fliegend zeigen sie eine gestrecktere, leichter gebaute Gestalt als die Tauch- 
enten. Ihres mehr walzlichen Körpers wegen sinken sie nicht so tief 
unter den Wasserspiegel ein, der längere Hals und kleinere Kopf machen 
sich als solche dann, sowie im Fluge geltend. Ihre quakende Stimme, 
die jedoch bei den einzelnen Arten manchen Modificationen unterworfen 
ist, zeigt ebenfalls manche Uebereinstimmung, die sie in Gegensatz zu 
den Tauchenten setzt. — Es leben und brüten von dieser Gruppe in 
unseren Gegenden sieben allbekannte Spezies. 


I. Die Stockente. 
Anas boschas L. 


Grösse einer kleinen Hausente; Schnabel gleich breit, gelbgrünlich 
oder schmutzig graugrün mit gelblichen Flecken; Mundspalte länger als 
der Lauf; Flügelspiegel gross, violettblau, vorn und hinten zunächst von 
einer schwarzen und dann von einer weissen Binde begränzt; Füsse gelb- 
roth; der Schwanz l6federig, die Spitze von den Flügeln unbedeckt. Männ- 
chen im Prachtkleide: Kopf und Hals lebhaft tief metallisch grün, durch 


558 Leistenschnäbler. 


ein schmales weisses Ringband von der purpurbraunen Oberbrust getrennt; 
der Rumpf grauweisslich, mit schwärzlich braunen Schattirungen und höchst 
feinen zahllosen Wellenlinien gezeichnet; über dem Schwanze vier aufwärts 
gerollte Federn. Die übrigen Kleider rostbraun bis rostgelb, unten heller 
wie oben, mit dunkler Federmitte oder hellen Säumen. — Die Stock- oder 
Märzente geht nicht sehr hoch nach Norden hinauf, bewohnt jedoch stel- 
lenweise noch die Gegenden vom 65—70° n. Br. und verbreitet sich hier 
über beide Welten. Im Süden reicht sie bis zur Breite der Mittelmeer- 
länder und hat auch hier eine ungemeine Ausdehnung in westöstlicher 
Richtung, da sie noch im unteren Amurlande gefunden wird. Obschon 
sie den ebenen Gegenden den Vorzug giebt, so vermeidet sie die Gebirge, 
sogar die Hochgebirge keineswegs, nur beansprucht sie ‘dort wie hier ru- 
hige, abgelegene, stark mit Riedgräsern, Schilf und anderen Sumpf- und 
Wasserpflanzen theilweise bewachsene Landseen, Teiche, Sümpfe, Auslachen 
von Flüssen u. ähnl. Unmittelbar an solche anstossende, dieselben sogar 
ringsum einschliessende Waldungen scheinen ihr sehr angenehm zu sein. 
Hier bei Neustadt brütet sie sehr zahlreich an eben solehen Stellen und 
sie begnügt sich dann sogar mit nur sehr wenig umfangreichen Teichen. 
In Deutschland ist sie von allen Wildenten als Brutvogel die häufigste 
und am allgemeinsten verbreitet. Ihre Nester stehen nicht stets in den 
Sumpfpflanzen am Boden, sondern oft genug auf alten niedrigen Kopfbäumen, 
alten Erlenstöcken, schräg gebeugten und verwachsenen Stämmen, sie nimmt 
sogar dort, wo sie nicht verfolgt wird, sehr gern die künstlich auf Bäumen 
hergerichteten Nester oder Nestunterlagen (etwa Drahtgeflecht mit etwas 
Pflanzenmaterial Schilf u. dergl. belegt) an. Ihre bläulich grünen Eier, 
das Gelege von S—12, ja 14 und 16 Stück, gleichen bis auf die gerin- 
gere Grösse denen unserer Hausente, für deren Stammart sie allgemein 
und mit Recht gehalten wird. Die Stimme dieser beiden Formen gleicht 
sich sehr. Am Tage hält sie sich mit ihren Jungen zwischen dem dichten 
Krautwuchse am Ufer oder auch auf der Fläche versteckt, nur wo sie sich 
gänzlich sicher glaubt und vorzüglich des Nachts wagt sie sich auf den 
freien Spiegel. Nicht stark bewachsene Gewässer, grössere Tiefen, in der 
Tiefe klares Wasser ohne untergetauchte Pflanzen besucht sie nur vorüber- 
gehend, namentlich nur auf dem Zuge. Im März stellt sie sich bei uns 
ein, nur die Bewohner nördlich gelegener Gegenden sieht man noch zu 
Anfang April, etwa noch bis zum 10. d. M. durchreisen. Im Allgemeinen 
ist bei ihr der Wandertrieb schwach ausgeprägt. Macht die strenge Kälte 
ihr nicht sämmtliche Gewässer unzugänglich, so sieht man sie den ganzen 
Winter bei uns. So lange die grösseren Seen noch offenes Wasser haben, 
lagert sie dort in grossen Schaaren. Stehen aber dieselben gänzlich, so 
fallen sie sogar auf die kleineren und kleinsten schnell fliessenden noch 


Die Schnatterente. 559 


offenen Flüsse ein. In tiefer Dämmerung hört man dort schon aus der 
Ferne ihren scharfen Flugton, etwa „Wiwiwiwiwiwi , mit einem lauten 
Plätschern fallen sie ein. Endlich müssen sie bei zu scharfem Frost auch 
hier weichen und sie begeben sich zum milderen Süden und bleiben dort, 
wo sie eben offene und passende Wasserflächen finden, gelangen übrigens 
zahlreich bis nach Algerien, Aegypten und Südasien. So wenig Vorliebe 
sie sonst für das Meer zeigen, so bevölkern sie dann auch die Küsten. 
Trotz dieser Unregelmässigkeit und Unbestimmtheit in ihren Wanderungen 
kann man doch den October und November als diejenigen Monate bezeich- 
nen, in denen sie ihre Reisen beginnen. Allein sie zeigen sich auch schon 
vorher, sogar schon kurz, nachdem die Jungen flugfähig geworden sind, 
unruhig, indem sie dieselben von ihrem Nestteiche gern nach benach- 
barten Gewässern führen. Doch mag dieses zum Theil auch durch die 
Jagdstörungen veranlasst werden. Die Märzente nährt sich von kleineren 
Wasserpflanzen, den feineren Spitzen von Blättern, von Knospen, Wurzeln, 
besonders von den Wurzelknollen von Sagittaria, Grassamen, namentlich 
Samen vom Schwadengras, sowie ferner von Getreide, zumal von Gerste 
und Hafer, und sie besucht zur Nachtzeit zu diesem Zwecke oft die Felder. 
Aus dem Thierreiche nimmt- sie nicht nur indifferente Wasserinsecten und 
deren Larven, ferner besonders gern Regenwürmer, sondern auch sehr kleine 
Fische und Fischlaich, 


2. Die Schnatterente. 
Anas strepera L. 


In Körpergrösse hält die Schnatterente ungefähr die Mitte zwischen 
der vorigen Art und der bekannten kleinen Krickente, weshalb sie auch 
„Mittelente” heisst; Schnabel gleich breit, schwarz, bei den Weibchen und 
Jungen an den Seiten etwas schmutzig gelb, die Lamellen stehen bei ge- 
schlossenen Kiefern unten vor; Mundspalte länger als der Lauf; Spiegel 
weisslich, unten schwarz gesäumt; Füsse röthlich gelb mit schwärzlichen 
Schwimmhäuten; Schwanz 16federig, von den Flügeln an der Spitze un- 
bedeckt, seine beiden Mittelfedern merklich verlängert. Das Gefieder ist 
im Totaleindrucke grau, d. h. es enthält auf weisslichem Grunde eine zahl- 
lose Menge feiner, doch auch gröberer schwärzlicher Zeichnungen. Die 
einzige höhere Farbe zeigen die vorderen lebhaft rothbraunen Flügeldeck- 
federn. Auch bei den jüngeren Exemplaren ist diese von dem übrigen 
sehr bescheidenen Colorit auffallend abstechende Färbung in Andeutung 
vorhanden. Von allen hiesigen Süsswasserenten ist diese Art unstreitig 
die am wenigsten bekannte. Ich habe von derselben kaum sechs Exem- 
plare frisch in Händen gehabt und nur eine einzige Brutstelle, die Rid- 
dagshauser Teiche bei Braunschweig besucht. Sie scheint im nördlichen 


560 Leistenschnäbler., 


Deutschland nirgends häufig zu sein und mehr dem Osten und Süden an- 
zugehören. Das östliche Schlesien und Ungarn wird als stark bewohnte 
Heimath für diese Art angegeben. Ihre Eier haben eine zartgelbliche 
Färbung. 


3. Die Spitzente. 
Anas acuta L. 

Kleiner und gestreckter gebaut als die Stockente, der lange dünne 
Hals und der besonders in den Mittelfedern, namentlich im Prachtkleide 
sehr verlängerte l6federige Schwanz giebt ihrer Gestalt in der Ruhe wie 
im Fluge ein noch schlankeres Ansehen, und ausserdem macht auch die 
helle Färbung der Unterseite sie leicht kenntlich. Schnabel gleich breit, 
bleibläulich, Mundspalte länger als der Lauf; Spiegel mittelgross kupferig 
grünschillernd, nach vorn schön rostfarben, oben schwarz, hinten weiss 
eingefasst, beim Weibchen hell graubläulich; Füsse dunkelgrau. Männchen 
im Prachtkleide: Kopf und Oberhals tiefbraun mit schwachem kupferigem 
Metallschimmer, der übrige Hals weiss, welche Färbung sich als seitlicher 
Streif in jenes Braun bis zum Hinterkopf hinauferstreckt, Unterseite weiss, 
an den Seiten und auf dem Rücken getrübt und sehr fein schwarz gewellt; 
Schulterfedern zum Theil bandförmig spitz verlängert und diese schwarz 
mit scharfer weisser Einfassung. Alle übrigen Kleider hell bräunlich ler- 
chenfarben, doch auch wohl oben tief grau mit einzelnen hellen Fleckchen 
besetzt. In ihrer Verbreitung ähnelt die Spitz- oder Spiessente der Stock- 
ente; auch sie bewohnt einen breiten Gürtel der nördlichen Erdhälfte in 
beiden Welten. In Amerika ist sie bis tief in die Vereinigten Staaten 
ein bekannter Brutvogel, und auf der östlichen Halbkugel lebt sie als sol- 
cher von Japan bis in unsere Gegenden allenthalben. Ob sie ihre Hei- 
math auch im äussersten Westen von Europa aufgeschlagen hat, scheint 
nicht bekannt zu sein. In Norddeutschland brütet sie an passenden Stellen 
allenthalben,; es werden ihr solche jedoch nicht überall geboten. Sie be- 
gnügt sich nämlich durchaus nicht, wie die Stockente, mit einzelnen kleinen 
verwachsenen Tümpeln und Teichen, und scheut eine enge Umrahmung 
durch den Wald. Sie wählt durchaus nur grössere, abgelegene, freie, son- 
nige, dann aber durch Wasser- und Sumpfpflanzen vielfach verwachsene 
Gewässer, und solche werden allmählich seltener. Zudem ist sie auch 
nirgends so häufig als etwa die Märzente. Aus dem Münsterlande, beim 
Dorfe Bevergern, kenne ich nur aus dem Jahre 1839 einen Fall ihres dor- 
tigen Brütens. Hier bei Neustadt ist der Plager See ihr sicherer Brut- 
platz, bei Braunschweig die eben bei der vorhergehenden Art genannten 
Riddagshauser Teiche. Auf ihrem Zuge stellt sie sich im März bei uns 
ein. Früher als am 4. d. M. habe ich.noch keine gesehen. Einzelne ziehen 


Leistenschnäbler. 561 


noch im April durch; sogar am 30. Mai wurde bei Münster noch ein Männ- 
chen im Prachtkleide geschossen. Im Uebrigen ähnelt sie in ihrem Be- 
tragen, sowie in der Nahrung der Stockente. Ihre Stimme ist jedoch ein 
unsonores „Kröck”, die der Weibchen ein helleres Gequäk. Ihre Eier 
sind kleiner und gestreckter als die der genannten Art, allein von der 
gleichen grünbläulichen Färbung. 


4 Die Krickente. 
Anas crecca L. 

Körper von kaum Ringeltaubengrösse; noch etwas kleiner, wenigstens 
gedrungener gebaut, als die folgende, unsere schwächste Art; Schnabel 
gleichbreit, schwärzlich; Mundspalte länger als der Lauf; Spiegel gross, 
rein metallisch grün, vorn sammtschwarz, unten schmal weiss, oben breit 
weiss und rostfarbig eingefasst; Füsse dunkelgrau; Schwanz 16federig, 
theilweise von den Schwingen unbedeckt. Männchen im Prachtkleide: Kopf 
mit seinen nach hinten verlängerten Federn und Oberhals gesättigt braun- 
roth, vom Auge zum Hinterhals ein tiefgrüner Streif; Vorderbrust weiss- 
lich mit schwarzen Tropfflecken; Rumpf weisslich sehr dicht mit äusserst 
feinen Wellenlinien gezeichnet. Alle übrigen Kleider von oben sehr trübe 
lerchenfarbig, Mitte des Unterkörpers weisslich. — Die Krickente bevöl- 
kert als Brutvogel in ungeheurer Ausdehnung, von Island bis Kamschatka, 
den Norden der östlichen Halbkugel, steigt jedoch in Sibirien, woselbst 
sie äusserst häufig lebt, nicht hoch nach Norden hinauf. Im nördlichen 
Deutschland scheint sie die Südgrenze ihrer Heimath zu erreichen. Sie 
wird daselbst allenthalben brüten, jedoch in sehr mässiger Anzahl, Im 
Münsterlande ist sie als Brutvogel bekannt; ich selbst kann aber nur zwei 
Fälle, 1361 bei Bevergern und 1865 auch aus der Umgegend von Mün- 
ster (ich erhielt am 19. Juni kaum flügge Junge), dafür namhaft machen, 
Ebenso ist sie auf Borkum, in Ostfriesland, bei Braunschweig, im Anhal- 
tinischen brütend angetroffen. Hier bei Neustadt scheint sie sich nicht 
häuslich niederzulassen, wenigstens ist mir bis jetzt davon kein Beispiel 
bekannt geworden, obschon sie anderswo hier im östlichen Norddeutsch- 
land mehrfach als Brutvogel angetroffen ist. Als durchziehender Wanderer 
stellt sich diese Ente jedoch überall in Menge ein und als die von allen 
_ Arten am wenigsten scheue gehört sie zu der bekanntesten Beute der 
Jäger. Sie erscheint bei uns erst gegen Ende März und es gehört fast 
zu den Ausnahmen, wenn sie sich schon gegen Mitte dieses Monates oder 
noch etwas früher sehen lässt. Nach drei Wochen ist ihr Durchzug be- 
endet. Auf dem Herbstzuge, der nie so lebhaft ist als der Frühlingszug, 
kommen die ersten oft schon kurz nach Mitte August; doch findet man 
zuweilen noch bis tief in den November hinein Kricken. Sie wählt als 

Altum, Die Vögel, 36 


562 Leistenschnäbler. 

Brutstel!en, wie die übrigen Süsswasserenten, bewachsene stehende Ge- 
wässer, weicht dabei jedoch von denselben dadurch ab, dass sie sich häu- 
figer und weiter als diese vom Wasser entfernt und gern, allerdings in 
einer gewissen Nähe der Teiche, im Walde, oder wie auf Borkum im Dorn- 
gestrüpp der Dünenhänge oder in Binsen und ähnlichen Büschen die Wiege 
ihrer Jungen aufschlägt. Diese Eigenthümlichkeit wird gewiss viel dazu 
beitragen, dass ihre Nester bei uns so selten gefunden werden. Sobald 
die Jusigen ausgeschlüpft sind, werden sie zum Wasser geführt und da 
sich diese mauseartig zwischen dem dichten Krautwuchse zu verkriechen 
wissen, so bleiben auch sie leicht unentdeckt. Es kommt hinzu, dass 
nicht allein die kleinen Jungen sehr geschickt tauchen, sondern dass auch 
die Alten hierin alle übrigen Süsswasserenten übertreffen. Diese kleine 
Art ist überhaupt die gewandteste, beweglichste von allen ihren näheren 
Verwandten. Auch fliegend weiss sie sich weit besser zu schwenken als 
jene; im Fluge wirft sie sich bald auf die eine, bald auf die andere Seite, 
wodurch ihr Flugton zu intermittiren scheint. Die Stimme des Männchens 
„Krück” hat ihr zu ihrer Benennung verholfen. Ueber ihre Nahrung 
wird schwerlich etwas Spezifisches zu bemerken sein. Sie lebt von kleinen 
niederen Thieren, Wasserinseeten und deren Larven, Schneckchen, Gewürm, 
von Wasserpflanzensamen, Wasserlinsen, die übrigens neben den daran 
häufig hängenden kleinen Thierchen von den Jungen aller Arten sehr gern 
verzehrt werden, sowie auch von Laich. Ihre 13 bis 15 Eier, die ich 
jedoch von denen der folgenden Art nicht zu unterscheiden vermag, ausser 
etwa durch ihre im Allgemeinen gedrungenere Gestalt, haben eine zart 
gelbliche Schale. 


5. Die Knäckente. 
Anas querquedula L. 


Kaum Ringeltaubengrösse, etwas gestreckter als die ungefähr gleich 
grosse vorhergehende Art; Schnabel gleich breit, schwärzlich; Mundspalte 
länger als der Lauf; Spiegel mittelgross, grau, beim Männchen mit grün- 
lichem Metallglanz, nach vorn und hinten weiss, nach dem Rücken zu 
grau begrenzt; Füsse dunkelgrau; Schwanz 1l4fedrig, von den Schwingen 
nicht ganz bedeckt. Männchen im Prachtkleide:- Kopf und Hals trüb 
chokolatbraun, vom Auge zum Hinterhalse ein kreideweisser Strich, unter- 
halb desselben eine feine, weisse Strichelung auf dem braunen Grunde; 
Oberbrust gesättigt gelbbraun mit schuppig schwarzen Kanten; Rücken 
hell aschbläulich mit tief dunkler Federmitte, die hinteren Schulterfedern 
spitz bandförmig verlängert, schwarz mit scharfer, feiner weisser Ein- 
fassung; der Vorderflügel mit aschblauen Deckfedern. Alle übrigen Kleider 
ähneln den entsprechenden der Krickente sehr, doch sind sie, abgesehen 


Die Pfeifente. 568 


von der vorstehenden Diagnose, an dem sich auch hier noch scharf mar- 
kirenden hellen Streifen hinter dem Auge, an der dunkel gefleckten Brust, 
sowie gewöhnlich auch noch an dem trüb aschblauen Vorderflügel zu er- 
kennen, — In westöstlicher Richtung deckt sich das Verbreitungsgebiet 
dieser Knäckente mit dem der Krickente, jedoch steigt letztere höher 
nach Norden hinauf und jene brütet weiter südlich. Als Brutvogel be- 
wohnt sie in Menge Centralasien, sowie das mittlere und südliche Europa. 
Auch in unserem Norddeutschland findet sie an passenden Stellen überall 
ihre Heimath. Zahlreich lebt sie übrigens hier keineswegs, wenigstens 
nicht an allen Orten. Aus der Umgegend von Münster ist mir sogar 
nur ein einziger Fall bekannt; 1862 erhielt ich nämlich am 25. Juni 
halbwüchsige Junge. Nie habe ich dort bei irgend einem Sammler ihre 
Eier gesehen oder selbst solehe erhalten, während ich dieselben in Berlin 
jährlieh in Menge zum Verkauf ausgestellt fand. Auch hier bei Neustadt 
brütet sie häufig, Nach der Stockente ist sie vielleicht unsere häufigste 
Brutente, wenn ihr nicht etwa die Moorente Concurrenz macht. Man 
findet sie hier sowohl auf grösseren frei liegenden, vom Fenn umgebenen 
und sonst vielfach, namentlich an den Ufern durch Binsen, Rohr u. ähnl. 
verwachsenen Seen zugleich mit Stock-, Spitz- und Moorenten, oder eben 
so häufig auch in von Wald eingeengten und arg mit Ried- und Seggen- 
gräsern in Kaupen verwachsenen und mit allerhand Gestrüpp und Ge- 
büseh unregelmässig bestandenen Sümpfen mit nur wenigem klaren Wasser, 
dann aber nur in Gesellschaft der Stock- und allenfalls auch der Moor- 
ente brüten. Die Spitzente meidet solche Stellen. Auch dieser Enten- 
zwerg ist eine gewandte, namentlich schnell fliegende Spezies und fast 
eben so zutraulich als die Krickente. Als Zugvogel erscheint sie bei uns 
etwas später als diese, in der Regel in der ersten Hälfte des April, im 
Allgemeinen jedoch weniger häufig. Ihre Stimme hat auch ihr ihren 
Namen „Knäck”-Ente gegeben; doch lässt der Enterich im Frühjahr auch 
einen knarrenden einsilbigen Schrei hören. Ihre Eier sind zart gelblich 
im Allgemeinen etwas gestreckter als die der Krickente, 


6. Die Pfeifente. 
Anas penelope L. 

Körpergrösse ungefähr die Mitte haltend zwischen der Stock- und 
Kriekente; Schnabel in der vorderen Hälfte verschmälert, bläulich, die 
Mundspalte so lang als der Lauf; Spiegel beim Männchen glänzend grün, 
beim Weibehen glätizend grau nach: vorn und hinten schwarz, nach dem 
Rücken weiss begrenzt; Füsse dunkelgrau; Schwanz l4federig, von den 
Schwingen ganz bedeckt. Männchen im Prachtkleid: Kopf und Hals rost- 
roth mit gelblichweissem Scheitel; Kropf weinroth; Brust, Bauch und 

36* 


564 Leistenschnäbler. 


Vorderflügel rein’ weiss; Weichen und Rücken auf weissem Grunde mit 
sehr feinen und dichten Querwellen; die Schulterfedern lang, schwarz mit 
weissem Saume; Schwanzdeckfedern schwarz. Das Sommerkleid des 
Männchens hält die Mitte zwischen dem unschönen düstergrauen Kleide 
der Weibchen und Jungen und seinem Prachtkleide; an dem schwarzgrün 
getüpfelten Kopfe und Oberhalse ist es leicht zu erkennen. — Auch die 
Pfeifente ist ein nordischer Vogel, der in einem nicht weit nach Süden 
reichenden Striche Europa und Asien bewohnt. Die Breite des nörd- 
lichen und mittleren Deutschland bestimmt ungefähr seine südliche Grenze. 
Diese Art ist als Brutvogel in Deutschland eine Seltenheit, und man kennt 
nur wenige sichere Fälle, dass sie in unserem Vaterlande ihre Heimath 
aufgeschlagen hat. Einen solchen kann ich aus dem Münsterlande mit- 
theilen, wo am 25. Juni 1830 auf dem Speller Brok bei Rheine eine 
Alte mit 6 noch nicht flugfähigen Jungen erlegt wurde. Auf dem Durch- 
zuge erscheint sie jedoch oft in grossen Massen, allein mehr auf den bei 
Ebbe freigelegten Bänken des Meeres und den Watts, sowie an der Küste, 
als im Binnenlande. In letzterem will sie jedenfalls grosse Wasserflächen, 
dort sieht man sie allerdings wohl in Schaaren von 50 bis 100 Stück zu- 
sammen. Auf kleineren Teichen und Flüssen erscheint sie seltener und 
mehr vereinzelt. Sie zieht den ganzen März bei uns durch, stellt sich 
jedoch oft genug auch schon Ende Februar ein, sowie sie in anderen Jahren 
sich noch bis tief in den April, ja als Ausnahme bis zu den ersten Tagen 
des Mai bei uns findet. Bei gelinder Witterung treiben sich auch noch 
mitten im Winter einzelne Exemplare bei uns umher. Aber, wie gesagt, 
am liebsten hält sie sich in der Nähe der Küsten auf dem Meere und 
sucht hier auf dem trocken gelegten oder nur niedrig überschwemmten 
Boden ihre Nahrung. Mit Ende August oder Anfang September beginnt 
ihr Herbstzug, der im October seinen Höhepunkt erreicht. Auch diese 
Art ist ein sehr schneller Flieger, der den Körper bald auf diese bald 
auf jene Seite wirft, im Bogen sich herablässt und wieder steigt und im 
Stande ist, bei arg drohender Gefahr Schwenkungen zu machen. Trotz- 
dem, dass sie weit mehr des Nachts als am Tage munter ist, zeigt sie 
sich doch sehr scheu. Ihre deutsche Benennung hat sie von ihrer weit- 
schallenden pfeifenden Stimme erhalten, die ungefähr durch „Huirrrrr” 
versinnlicht werden kann. Das Hu ist kurzer Vorschlag und nur in der 
Nähe vernehmbar, das i die Octave des Vorschlages, gedehnt und geht 
allmählich in den gleichfalls aus der Ferne nicht mehr hörbaren schnarren- 
den Schluss über. Ihre Eier besitzen gleichfalls einen gelblichen, jedoch sehr 
lichten Ton. 


Die Löffelente. 565 


7. Die Löffelente. 
Anas celypeata L. 

Von Grösse der Pfeifente; Schnabel allmählich von der Basis zur 
Spitze auffallend verbreitert, so dass diese doppelt so breit ist als jene, 
gewölbt, weich, Nagel klein, Mundspalte länger als der Lauf; die Lamellen 
vom ÖOberschnabel senkrecht und im Spitzendrittel am Rande in sehr lange 
feine Spitzen ausgezogen abwärts ragend; Spiegel metallisch dunkelgrün; 
die kleinen Flügeldeckfedern blass blau; Füsse orange; Schwanz 14federig, 
von den Flügeln nicht ganz bedeckt. Männchen im Prachtkleide mit 
tief dunkel, metallisch grünem Kopf und Oberhals; Oberbrust und Seiten 
des Rückens weiss; Unterbrust und Bauch kastanienbraun; Rückenmitte 
grau mit schwärzlicher Federmitte; die inneren Schulterfedern spitz ver- 
längert schwarz mit weisser Mitte. Alle übrigen Kleider lebhaft rost- 
braun bis rostgelblich lerchenfarben. — Die Löffelente ist ein Vogel ge- 
mässigter und wärmerer Klimate, obgleich sie in Lappland sogar bis zum 
67° n. Br. aufsteigt. In Mittel- und Südeuropa allgemein verbreitet, auch 
noch in Nordafrika heimisch, zieht sie sich von dort aus durch ganz Asien, 
bewohnt sogar Indien und Japan und ist ebenfalls auf der westlichen 
Halbkugel in den Vereinigten Staaten ein allbekannter Brutvogel. Bei 
uns brütet sie keineswegs häufig, obschon sie wohl nirgends, wo grössere 
freiliegende, stellenweise stark mit Rohr, Binsen, Schilf, und an den 
Rändern mit Riedgras bewachsene Teiche und Seen ihr passende Brut- 
plätze bieten, fehlen wird. Ich habe jedoch nur wenige sichere gesehen, 
bei Braunschweig und im Anhaltinischen. Im Münsterlande wurden im 
Juni 1839 bei Schapen von einer Brut 6 Stück eingefangen, das einzige 
mir aus dem westlichen Norddeutschland bekannte Beispiel. Sie ist über- 
haupt nicht sehr gemein, hält sich auch auf dem Zuge nur stets zu 
wenigen Individuen zusammen. Es ist schon eine Seltenheit, dass man 
eine Gesellschaft von 6 bis S Stück antrifft. Die Flüsse vermeidet sie, 
wenn ihr nicht dieht bewachsene Ufer schützende Plätze bieten. Ihrem 
mehr südlichen Vaterlande entspricht ihre zärtlichere Natur, denn über 
Winter bleibt wohl kaum je ein Exemplar in unserer Gegend. Als Aus- 
nahme ihres Vorkommens im Herbste kann schon der 30. October, das 
späteste Datum in meinen Notizen, angesehen werden. Gegen Ende August 
treffen sie zahlreicher ein, doch zeigen sie sich auf ihrem Frühlingszuge, 
wie die übrigen Arten, stets in grösserer Menge, und da ist der März als 
die Zugzeit anzusehen, obschon man auch noch bis zur Mitte April Löffel- 
enten ausserhalb ihrer Brutreviere findet. In ihrem Betragen und ihrer 
Nahrung weicht sie durch keine besonders hervorstechende Seite von den 
übrigen Arten ab. Ihre Stimme ist ein tiefes „Woak”. Ihre Eier, in der 


566 “ Leistensehnäbler. 


Regel 11, unterscheiden sich von denen ihrer Verwandten durch einen 
gesättigteren blaugrünen Ton. 


b. Tauchenten. 


Körper breit, gedrungen; Kopf dick, Schnabel mit kurzen Lamellen; 
Hals kurz; die Füsse weiter nach hinten gestellt, der Lauf kürzer, etwas 
zusammengedrückt, Zehen länger, die Mittelzehe oft doppelt so lang als 
der vorn getäfelte, nach hinten zu allmählich feiner retieulirte Lauf, Hinter- 
zehe mit einem frei nach unten stehenden Hautsaume; Flügel kurz, 
Sehwingen straf. Die Färbung der Tauchenten ist im Allgemeinen düster, 
sehwarz, schwärzlich, tief braun, mit nur spärlicher, stets grob vertheilter, 
oft scharf abstechender Zeichnung, z. B. schwarz und weiss. Der Flügel- 
spiegel nimmt an diesem allgemeinen Zeichnungscharakter gleichmässigen 
Antheil, da er entweder weiss oder grau auftritt, häufig aber gänzlich 
fehlt oder bis zur Unkenntlichkeit zurücktritt. Der angedeutete Körper- 
bau zeugt dafür, dass die Tauchenten weit ausschliesslicher auf das nasse 
Element angewiesen sind, als die vorhin behandelten Schwimmenten. Sie 
gehen schlechter, verlassen weit weniger die Wasserflächen, ziehen das 
offene Wasser dem bewachsenen sumpfigen vor, verweilen gern über grosser 
Tiefe und tauchen nach ihrer Nahrung senkrecht unter, suchen dert die- 
selbe auf dem Boden und steigen eben so senkrecht wieder empor. Das 
Meer bewohnen sie weit häufiger und anhaltender und ziehen dasselbe 
ausser der Brutzeit im Allgemeinen dem süssen Wasser vor. Man be- 
zeichnet sie daher, wenn sie bei strengem Frost auf die noch offenen 
Stellen der Flüsse einfallen, nicht ganz mit Unrecht als Seeenten. Beim 
Schwimmen tragen sie den Hals mehr eingezogen, so dass der Kopf un- 
mittelbar auf dem Rumpfe zu liegen scheint, und senken den Körper 
tiefer unter den Spiegel. Schwimmend wie fliegend sind sie an ihrer 
Gestalt auch aus bedeutender Entfernung von den schlankeren Schwimm- 
enten leicht zu unterscheiden. In ihrem Stimmcharakter herrschen knar- 
rende Töne vor. Sie leben mehr als die erste Gruppe von Wasserthieren, 
namentlich von kleinen Schnecken und Muscheln, seltener von grünen 
Pflanzentheilen, kaum je von Getreide, Eicheln u. dergl.,, weshalb ihrem 
Fleische gar häufig ein ranziger Geschmack beigemischt ist. In Ausbil- 
dung einzelner Theile, besonders in der Gestalt ihres Schnabels finden 
sich mannigfache Abweichungen, die Veranlassung zu zahlreicher gene- 
rischer Trennung gegeben haben. Alle jene Gesammteigenthümlichkeiten, 
welche sie in Gegensatz zu jener ersten Gruppe setzen, sind jedoch, wie 
bereits Anfangs bemerkt, nicht so gross, dass der Entenhabitus bei ihnen 
bedeutend alterirt würde. Man erkennt vielmehr sofort in jeder Art, 


Tauchenten. 567 


mögen ihre Individuen gehen, schwimmen, fliegen, die „Ente”. Nur bei 
der Eiderente und ihren wenigen nächsten Verwandten wird jener Typus 
erheblicher verändert. In den meisten Gegenden Deutschlands, nament- 
lich denjenigen, welche durch Hauptflüsse in direeter Verbindung mit dem 
Meere stehen, kommen ungefähr 10 Arten dieser Tauchenten vor, zu 
denen sich als seltene Irrgäste noch wohl einige andere gesellen können. 
Zu diesen letzten gehört namentlich: 

Die Ruderente, Anas mersa FPall., von Grösse der Pfeifente, 
Schnabel bleiblau, etwas schaufelförmig, vor der Stirn aufgetrieben; Füsse 
dunkelgrau; kein Spiegel; Hauptfärbung rostbraun mit zahlreichen schwarzen 
sehr feinen kritzeligen Zeichnungen; der Schwanz ein ziemlich langer 
breiter und platter Keilschwanz, dessen 13 Federn fischbeinartig starre 
Schäfte zeigen. Ihre verhältnissmässig sehr grossen Eier sind grünlich 
weiss, weichen aber durch eine sehr rauhkörnige Schale in höchst merk- 
würdiger Weise von den Eiern sämmtlicher übrigen Entenspezies ab. Sie 
lebt im Südosten (Ungarn und Wolgagegenden). — Als zweite Art der 
Irrgäste sei noch 

die Scheckente, Anas dispar Sparrm. (Stelleri Pall.) genannt. - 
Sie hat ebenfalls Pfeifentengrösse und stellt sich aus hohem Nordosten 
nur sehr selten bei uns ein, und dann wohl nur in dem unschönen düster 
rostbraunen mit schwarzen Flecken und Querbändern gezeichneten Kleide, 
an dem der Spiegel tiefbraun oben und unten mit weissem Querstrich, 
hinten grünlich schwarz begrenzt erscheint. Ein solches Exemplar wurde 
vor einigen Jahren unter anderen Enten in Berlin bei einem Wildhändler 
vorgefunden. Ihre Eier sind nach den Öriginalexemplaren von Midden- 
dorff in unserer akademischen Sammlung (Taimyrfluss Juni 1843) sehr 
gestreckt und blass grünbläulich. 

Die übrigen hier als für Deutschland seltene Irrgäste bezeichneten 
und in Catalogen und Büchern als deutsche Vögel aufgeführten Arten be- 
wohnen den hohen Norden eircumpolar oder sind ausschliesslich ameri- 
kanisch. Es ist für einzelne sehr zweifelhaft, ob sich je ein Exemplar in 
Deutschland hat antreffen lassen. Es sind: die Brillenente, A. per- 
spieillata L., Nordamerika; die isländische Ente (Spatelente) A. islan- 
diea @m. (Barrowü Reinh.), hoher Norden, namentlich im Westen; die 
Kragenente, A. histrionica L., desgl.; die Prachtente, A. specta- 
bilis L., desgl. Häufiger als die genannten, wenngleich immer als Selten- 
heit erscheint die Kolbenente, A. rufina Pall., in unseren Gegenden. 
Sie hat die Grösse einer Stockente, einen gestreckten, nach vorn ver- 
schmälerten, hellrothen Schnabel, haubig verlängerte Kopffedern, beim 
Männchen rostroth und am längsten, beim Weibchen oben braun, unten 
grauweiss; der Spiegel ist weissgrau nach vorn und hinten grau einge- 


568 Leistenschnäbler. 


fasst; Füsse röthlich oder gelblich. Sie lebt in Mitteleuropa und im Süd- 
osten, schon in Ungarn, auf grossen Brüchern und bewachsenen Seen. In 
Norddeuschland ist sie überall einzeln erlegt, im Münsterlande meines 
Wissens drei oder vier Mal, darunter ein Männchen im Prachtkleide. Ihre 
Eier sind gelblich. 


8. Die Tafelente. 
Anas ferina L. 


Grösse etwa zwischen Stock- und Pfeifente, doch weit gedrungener 
gebaut; Schnabel länger als der Lauf, schwarz mit blauer oder bläulich- 
grauer Querbinde, nach vorn verschmälert; Nagel mehr lang als breit; 
Nasenlöcher stehen am Ende des ersten Schnabeldrittels; Spiegel hellasch- 
grau; Schwanz l4federig; Füsse bleifarben mit schwarzen Schwimmhäuten. 
Männchen im Prachtkleide: Kopf und Hals rothbraun, Kropfgegend und 
Schwanzdeckfedern schwarz; Oberseite weisslich mit zahlreichen feinen 
schwarzen Wellen, Bauch weiss. Die übrigen Kleider mehr oder weniger 
eintönig tief graubraun, Kopf und Hals wohl reiner braun und der Rücken 
grau. — Die Tafelente bewohnt mehr die gemässigten als die kalten Kli- 
mate, erstreckt sich im Norden wohl nur in einzelnen Gegenden über den 
60. n. Br. hinaus, reicht aber im Süden bis Ungarn und den unteren 
Donauländern hinab, verbreitet sich in ähnlicher Ausdehnung von Norden 
nach Süden durch ganz Asien und wird sogar auch in Nordamerika an- 
getroffen. Zahlreich sieht man sie bei uns fast nie. Ihre Brutplätze sind, 
so weit ich solche gesehen, sehr ausgedehnte, einzelne oder mehre zusam- 
menhängende Teiche, die viel Schilf, Binsen, Rohr, Nymphäen und andere 
Wasserpflanzen nebst offenen Stellen enthalten. Hier lebt sie ziemlich zu- 
rückgezogen, da sie sich, sowie die folgende Art, lieber in der Nähe des 
Pflanzenwuchses und von diesem gedeckt an seichten Uferstellen, als auf 
den offenen freien Flächen aufhält. Auch vermeidet sie möglichst die 
Flüsse; auf hohem Meere finden wir sie nie, höchstens nahe an der Küste 
oder in geschützten Buchten. Sie zeigt sich weniger scheu als die meisten 
übrigen Enten, fällt z. B. auf dem Zuge gerz auf kleine Wasserflächen 
in der Nähe des Menschen, z. B. Hausteiche, ein und zwar sowohl von 
den Hausenten angelockt, als ohne ein solches Reizmittel. Im März pflegt 
sie sich bei uns im Frühlinge einzustellen, doch zieht sie auch Anfang 
April noch, während ihr Erscheinen im Mai dort, wo sie nicht brütet, 
und das scheint der grösste Theil des westlichen Deutschland’s zu sein, 
zu den Ausnahmen gehört. Im Herbst sieht man sie wieder im October, 
jedoch bleiben bei gelinder Temperatur einzelne noch tief in den Winter, 
ja die ganze kalte Jahreszeit hindurch bei uns. In ihrer Nahrung weicht 
sie in sofern von den meisten Tauchenten ab, als dieselbe vorzugsweise 


Die Moorente. — Die Bergente. 569 


aus Vegetabilien besteht, namentlich Sämereien der Wasser- und Sumpf- 
pflanzen, zarte Spitzen, Wurzelknollen. Ihre Eier sind wie ihre Gestalt 
gedrungen, graugrünlich, manche nähern sich der Farbe der Rephuhneier, 
andere zeigen einen schwachen Stich ins Olivengrüne; doch ist der Ton 
nie eigentlich rein, sondern stets gedämpft. 


9. Die Moorente. 
Anas nyroca Güld. 

Kleiner als die Tafelente und dieser sehr ähnlich, jedoch Schnabel, 
wie Füsse einfarbig dunkel schwärzlich und der Spiegel rein weiss. An 
letzterem im Fluge leicht zu erkennen. Beim alten Männchen die Iris 
reinweiss, daher „leucophthalmus Borkh. Diese Art ist durchaus kein 
nordischer Vogel, da er schwerlich über Deutschland’s Grenzen nach Norden 
hinausgeht, erstreckt sich dagegen weithin nach Südosten ähnlich wie die 
Tafelente. Im nördlichen Deutschland hat ihn der Osten ungleich häufiger 
aufzuweisen als der Westen. Es ist mir nicht bekannt, dass er im Mün- 
sterlande je brütend vorgekommen sei, und auch auf dem Zuge trifft diese 
Spezies nur in vereinzelten Individuen oder kleinen Gesellschaften daselbst 
.ein. Dagegen brütet die Moorente hier bei Neustadt auf jedem passenden 
grösseren Teiche und See und ist ganz allgemein unter dem Namen „Brand- 
ente” bekannt. In Berlin fand ich ihre gesättigt gelblichen Eier jedes Jahr 
auf den Wochenmärkten. Sie beschränkt sich nicht nur auf frei liegende 
Seen, sondern bezieht auch im Walde versteckt liegende, stark bewach- 
sene und nicht zu kleine Teiche, letztere jedoch verhältnissmässig selten. 
Dichter Pflanzenwuchs, der unregelmässig, partieenweise in die offene 
Wasserfläche vordringt, unbestimmte, mit Binsen, Ried- und Seggengräsern, 
bewachsene Ufer scheinen ihr besonders angenehm zu sein. Das süsse 
Wasser pflegt sie nie zu verlassen, Flüsse liebt sie keineswegs, der Name 
„Moorente” ist für sie recht passend gewählt. Sie macht also in diesen 
Punkten eine ähnliche Ausnahme von dem Betragen der Tauchenten im 
Allgemeinen wie die Tafelente. Uebrigens taucht sie sehr geschickt. Ihre 
Nahrung besteht aber auch wieder wie bei der genannten Art zumeist 
aus Vegetabilien. Anfang April sieht man sie wieder auf unsern Ge- 
wässern, nachdem sie dieselben im October allmählich verlassen hat. 
Einzeln kommt sie an offenen Stellen auch mitten im Winter vor, jedoch 
ist ein solcher Fall keineswegs häufig. 


10. Die Bergente. 


Anas marila L. 
Etwas grösser und schwerer als die Tafelente; Schnabel heller oder 
dunkler bleiblau, vorn deutlich verbreitert; länger als der Lauf; die Nasen- 


570 Leistenschnäbler. 


löcher stehen am Ende des ersten Schnabeldrittels; Iris gelb; Spiegel 
reinweiss, hinten und unten schwarz eingefasst; Schwanz l4federig; Füsse 
bleifarben mit schwärzlicher Schwimmhaut. Männchen im Prachtkleide: 
Kopf und Hals tief grünschwarz, Rücken weiss mit sehr feinen schwarzen 
Wellen, Unterseite weiss. Die übrigen Kleider trüb russbraun, Schnabel- 
umgebung breit weiss, dergleichen oft ein Ohrfleck, Rücken auf grauem 
Grunde mehr oder weniger weisslich fein gewellt. — Die Bergente hat 
ihre Heimath im Norden beider Welten, erstreckt sich von den Färöer 
und Island durch Lappland und Sibirien bis nach Kamschatka, wo sie 
auf den Landseen überall in Menge brütet. Südlich erreichen ihre Brut- 
stellen einzeln noch das nördliche Deutschland, Pommern, Mecklenburg, 
Braunschweig. Nach beendigtem Brutgeschäft begeben sich diese Enten 
auf’s Meer und halten diejenigen Stellen inne, deren Tiefe etwa zwischen 
l bis 5 Meter schwankt, und bilden hier, da sie sich zeitweise, nament- 
lich vom October ab, zu vielen Tausenden ansammeln, ein langes den 
Küsten parallel laufendes Band. In’s Festland steigen sie die Flüsse her- 
auf nur durch heftige Kälte oder Sturm und Unwetter gezwungen, wes- 
halb sie hier im Allgemeinen eine seltene Erscheinung sind. Treten aber 
solehe Ereignisse ein, dann können sie eine Gegend, wie z. B. das Mün- 
sterland in dem Winter 1843/44, wie mit einer Völkerwanderung über- 
schwemmen. Ausnahmsweise irrt wohl mal im Winter ein einzelnes und 
zwar meist junges Exemplar ohne nachweisbare Veranlassung im Lande 
umher und fällt dann nicht blos auf grössere und kleinere Flüsse, son- 
dern auch auf Mühlenteiche und ähnliche kleine Wasser ein, woselbst es 
sich dann keineswegs sehr scheu zeigt. Dass sie sich zumeist, ja fast 
ausschliesslich von niederen Thieren nähren, bekundet schon ihr Aufent- 
halt auf dem Meere. Namentlich sind es Conchilien, die man vorzugs- 
weise bei ihnen findet. Ihre Eier stehen denen der Tafelente sehr nahe, 
sind jedoch im Allgemeinen etwas grösser und trüber, d. h. weniger grün- 
lich und mehr grau gefärbt. 


Il. Die Reiherente. 
Anas fuligula L. 

Nebst der Moorente die kleinste Art der hiesigen Tauchenten; Schnabel 
bleiblau mit mehr oder weniger breiter schwarzer Spitze, länger als der 
Lauf, die Nasenlöcher öffnen sich über dem Ende des Wurzeldrittels; 
Iris gelb; Genickfedern verlängert („eristata” Raj.) und schopfförmig 
herabhängend, beim alten Männchen lang, bei den übrigen kurz; Spiegel 
weiss, hinten und unten grauschwarz begrenzt; Füsse bleiblau mit schwärz- 
lichen. Schwimmhäuten; Schwanz l4federig. Männchen im Prachtkleide: 
Sehwarz mit blendend weissem Bauche, doch Kopf violett schillernd und 


Schellenente. 571 


Rücken nicht tiefschwarz. Alle übrigen Kleider düster russbraun, um 
den Schnabel grauweisslich, Bauch heller. — Die Reiherente, wegen ihres 
Schopfes so benannt, gehört dem höheren Norden an und ist namentlich 
im nördlichen Asien, woselbst sie sich bis Kamschatka erstreckt, häufig, 
lebt jedoch gleichfalls zahlreich im unteren Amurlande und dehnt sich 
sogar über Japan aus. Bei uns findet sich in den Küstenländern 
der Nord- und Ostsee ihre südliche Brutgrenze. Ihr bekanntester Brut- 
platz ist der Krakower See im Mecklenburgischen. Ihre daselbst aufge- 
fundenen Eier sind jedoch wohl für die der Kolbenente ausgegeben und 
als solche beschrieben. Sie zeigen für den kleinen Vogel eine bedeutende 
Grösse, eine gedrungene Gestalt und einen ziemlich gesättigten graugrün- 
lichen Ton. Ihre Brutstellen sind dort ziemlich offene, von Rohr um- 
gebene Inseln des Sees. Ihr Erscheinen im Innern des Landes dort, wo 
sie nicht brütet, hat in sofern mit der Moorente Aehnlichkeit, als man 
sie zumeist nur vereinzelt, oder in kleinen Gesellschaften antrifftt. Ein- 
zelne scheuen Hausteiche auch bei lebhafter Umgebung nicht, sondern 
zeigen sich durchaus zutraulich; ein altes Männchen hielt sich vor 
einer Reihe von Jahren sogar mitten in Münster auf der Aa tagelang 
auf, trotzdem, dass Knaben oftmals mit Steinen nach ihm warfen. Ver- 
fehlte der Wurf nicht zu weit sein Ziel, dann tauchte das Entchen nach 
dem sinkenden Stein, Im Allgemeinen tritt diese bewegliche und im 
Tauchen gewandte Art bei uns nicht häufig auf; jedoch soll sie sich an 
den Küsten sowohl als auf grossen Binnengewässern wohl zu bedeutenden 
» Flügen zusammenschlagen. Im Frühlinge trifft sie von Mitte März an bei 
uns ein, und auch Anfangs April sieht man noch einzelne; von da ab 
ist sie verschwunden, obschon sie erst mit Beginn des Juni zu legen an- 
fängt. Dass man von dieser zumeist dem Norden angehörenden Spezies 
auch mitten im Winter auf offenen Stellen der grösseren Seen, sowie auch 
der Flüsse noch stets einige Individuen antrifft, kann nicht befremden. 
Auch sie nährt sich zumeist von niederen Thieren, besonders kleinen 
Conchilien, obschon sie Vegetabilien, als Würzelchen, Knollen, Keime, 
Samen von Sumpf- und Wasserpflanzen keineswegs verschmähet. 


12. Die Schellenente. 
Anas clangula L. 

Grösse der Tafelente, Weibehen und Junge weit schwächer; sehr 
gedrungen gebaut, jedoch dieses wegen des kurzen Halses und dieken 
fast buschig befiederten Kopfes mehr scheinbar als wirklich; Schnabel 
schwarz, von der Länge des Laufes, allmählich zur Stirn hoch ansteigend, 
nach vorn verschmälert, hier mit schmalem Nagel; Nasenlöcher öffnen 
sich vor der Schnabelmitte; Spiegel durch eine undeutliche Querbinde 


572 Leistenschnäbler. 


getheilt und nebst der Mitte des Oberflügels weiss; Füsse rothgelb mit 
schwarzen Schwimmhäuten; Zehen lang; Schwanz 1l6federig. Männchen 
im Prachtkleid: leuchtend in grossen Partieen schwarz und weiss ge- 
zeichnet; Kopf und ÖOberhals metallisch dunkelgrün, jederseits der 
Schnabelbasis ein grosser rein weisser runder Fleck. Die übrigen Kleider 
weit unansehnlicher; Kopf und Oberhals stumpf braun, ohne jenen seit- 
lichen Zügelflecken, Oberseite und ein unbestimmtes breites Brustband 
schiefergrau. — Die Schellenente bewohnt den Norden beider Welten und 
findet in unserer Gegend in den südlichen Küstenländern der Ostsee ihre 
südliche Verbreitungsgrenze als Brutvogel, da sie, wenn auch nicht gerade 
häufig, von Mecklenburg bis Preussen und Livland stellenweise ihre 
Heimath aufschlägt. Sie brütet auf grösseren stark bewachsenen Ge- 
wässern und baut ihr kunstloses Nest entweder auf Kaupen im Seggen- 
und Riedgrase, oder auf Baumstumpfe und Kopfbäume. Sie ist sogar 
mehrfach als Höhlenbrüter in alten Bäumen beobachtet, und in Lappland 
hängt man zur Erlangung ihrer wohlschmeckenden Eier und ihrer Dunen 
für sie sogar Nistkasten auf. Werden ihr die Eier nur theilweise ge- 
nommen , so legt sie bis auf 30 ja 40 Stück nach. Mässige Störungen 
verscheuchen sie von ihrem Gelege nicht. Im westlichen Norddeutsch- 
land kommt sie nur als Gast vor, fehlt aber wohl in keinem Winter. 
Meist sind es jedoch nur die weit kleineren, die Grösse von Moor- und 
Reiherente kaum übertreffenden Jungen und Weibchen, die sich dort all- 
jährlich einstellen. Treten die alten Männchen auf, dann herrscht im 
Norden anhaltend scharfe Kälte, und unsere Flüsse wimmeln dann an den 
offenen Stellen von den verschiedensten Arten der „Seeenten“, unter 
denen dann auch der männliche grosse Säger paradirt. Hier im Osten 
vermisst man auf unseren Seen besonders im Frühlinge wohl nie diese 
schwimmend wie fliegend weithin leuchtenden Gestalten. Sie wählen dann 
stets grössere und ganz freie klare Wasserflächen, auf denen sie weit 
über jede Schussdistanz vom rings umgebenden Ufer in kleineren und 
grösseren, bald reinen bald gemischten Gesellschaften munter umher- 
schwimmen und geschäftig tauchen. Im Tauchen sind sie unter allen 
ihren Verwandten Meister, sowohl was Schnelligkeit als was Gewandtheit, 
in allen Richtungen die Wassermasse zu durchschneiden, betrifft. Plötz- 
lich, durch sehr nahe Gefahr erschreckt, z. B. durch einen Schuss aus 
dem Kellkahn oder einem sonstigen Verstecke, ja sogar durch unerwartetes 
Erscheinen eines Menschen über dem Rande eines steilen Ufers, taucht 
nicht selten die ganze Gesellschaft unter, und die Einzelnen erscheinen 
nach einer spannenden Stille rechts und links kaum mehr in Schussnähe 
wieder über der Fläche, um nun sofort durch schnelles Entfliegen nach 
allen Richtungen der Gefahr zu entkommen. Mehr noch als durch die 


” 


Eisente. _ 573 


weithin auffälligen schwarzweissen Farben machen sich die Männchen 
fliegend durch ihren äusserst starken, einem Geklingel nicht unähnlichen 
Flugton („Schellenente*) bemerklich, den Unkundige in einiger Entfernung 
leicht für einen lauten schallenden Stimmlaut, wie „Tingtingting...*, zu 
halten veranlasst werden. Im März und April pflegen sie sich bei uns 
einzustellen und im November uns wieder zu verlassen. Obgleich sie 
sich sowohl auf dem Meere als auf süssen Gewässern ausser der Brut- 
zeit aufhalten, so ziehen sie doch ersteres weit vor und wandern in Masse 
nur durch die Ungunst der Witterung veranlasst, tiefer in’s Land hinein, 
weshalb man daselbst auch nur ausnahmsweise zahlreiche Scharen an- 
trifft. Diesem ihrem Aufenthalte entsprechend besteht ihre Nahrung 
vorwiegend in Conchilien und Crustaceen, weniger in Knospen, Wurzel- 
knollen, feinen Trieben u. dergl. Ihre grosse Gewandtheit in ihren Be- 
wegungen unter dem Wasserspiegel befähigt sie auch zum Fischfange, 
doch ergreifen sie nur ganz schwache Fische. Ihre gedrungenen Eier 
zeigen das so häufig auftretende bläuliche Grün der Enteneier am 
reinsten. 


3. Die Eisente. 
Anas glacialis L. 

Grösse der Moorente; Schnabel schwarz mit röthlich gelbem Sattel 
in der Mitte, von der Länge des Laufes, nach vorn stark verschmälert, 
zumal dicht vor dem scharf abgesetzten und mit der Schnabelspitze 
gleich breiten Nagel; die Nasenlöcher öffnen sich über der Mitte der 
Mundspalte; das Stirngefieder begrenzt die Schnabelbasis nicht winklig; 
Lamellen seitlich weit vorstehend; Spiegel dunkelbraun, undeutlich; Füsse 
grünlich bleifarben und schwarz; Schwanz l4federig, lang zugespitzt, die 
Mittelfedern verlängert. Beim alten Männchen im Prachtkleide ausser- 
ordentlich lang. Letzteres Kleid erinnert in jeder Hinsicht sehr an das 
Aussehen einer Schwanzmeise; alle übrigen Kleider sind düsterer braun. 
Diese Art variirt in ihren verschiedenen Kleidern so erheblich, und diese 
sind dabei so wenig durch einzelne grössere Partieen farbig gegen ein- 
ander gekennzeichnet, dass eine nur sehr weitläufige Beschreibung ihren 
Zweck erreichen könnte. Vorstehende Diagnose möge daher als völlig 
ausreichend zur Bestimmung eines etwa vorkommenden Stückes genügen, 
zumal da nur die allerwenigsten Forstleute mit dieser Ente in nähere 
Berührung kommen werden. Sie ist nämlich im Innern des Festlandes 
ein geradezu seltener Vogel. Mit Einschluss der Brandente habe ich im 
Münsterlande 17 verschiedene Entenarten frisch in Händen gehabt und 
sogar die selteneren Species zu wiederholten Malen, allein noch nie ist 
dort, trotz der directen und nicht zu fernen Verbindung des Landes mit 


574 Leistenschnäbler. 


dem Meere durch die Ems m. W. eine Eisente erlegt. Und doch liegen 
zeitweise auf dem nahen Meere und in den Buchten, besonders freilich 
in der Ostsee, Tausende und aber Tausende, so dass grosse Striche von 
ihnen bedeckt sind. Die Eisente ist nämlich ausser der Fertpflanzungs- 
zeit ausschliesslich Seevogel, und auch ihre Brutplätze liegeu entweder 
nahe am Meere oder sie stehen bei grösserer Entfernung durch eine 
Wasserverbindung mit demselben im Zusammenhange. Ihren Namen hat 
unsere Art mit vollem Rechte, da sie circumpolar nur den eisigen Norden 
bewohnt. Sowohl an der amerikanischen Seite, vorzüglich in den 
Hudsonsbay - Ländern, als auf der östlichen Halbkugel innerhalb des 
Polarkreises brütet sie in erstaunlicher Menge. Die nördlichsten Länder 
beherbergen überall an passenden Stellen in der Brutzeit Eisenten. Nur 
als vereinzelte, nach Süden weithin vorgeschobene Stationen ihrer Heimath 
kann man die Shetlandsinseln und Färöer ansehen. Im Norden all- 
mählich sich sammelnde Eismassen drängen sie in gemässigtere Meeres- 
theile und Sturm und Unwetter endlich in ungeheurer Anzahl bis in 
unsere Meeresbuchten, z. B. den Kieler Hafen. Sie taucht vielleicht von 
allen ihren Verwandten am tiefsten und so kommt sie weniger in Verlegen- 
heit als jene, sich durch die Flucht vor dem Hungertode retten zu müssen. 
Ihre Nahrung besteht nach dem Mageninhalte der in der Nähe unserer 
Küsten erlegten fast ausschliesslich aus Conchilien, kleineren Muscheln 
wie Schnecken; jedoch soll sie sich an ihren Sommeraufenthaltsorten 
auch nebenbei von Vegetabilien nähren. Ihre Eier, reichlich so gross als 
die der Moorente, haben einen grünlichen Ton ohne besondere Abweichung 
von dieser allgemeinen Färbung der Enteneier. 


14. Die Sammetente. 
Anas fusca L. 

Von Stockentengrösse, doch weit plumper gebaut; Schnabel breit, 
der Nagel so breit als lang nimmt die ganze Spitze ein, die First steigt 
vom Vorderrande der Nasenlöcher, die über der Mitte der Mundspalte 
stehen, bucklig an, diese Auftreibung seitlich von den Zügelfedern bedeckt; 
Spiegel und ein Fleckchen unter dem Auge weiss; Füsse zweifarbig; 
Zehen lang; Schwanz l4federig, zugespitzt, von den Flügeln nicht ganz 
bedeckt. Männchen im Prachtkleide: Tief schwarz mit violettem Stahl- 
glanz an Kopf und Hals; Schnabel orange mit schwarzem Rand und 
Firstgrund; Füsse corallenroth mit. schwarzen Schwimmhäuten; Iris perl- 
grau. Die übrigen Kleider tief graubraun, am Ohr ein weisser Fleck, 
ähnlich auch am Zügel und. in der Mitte der Brust. weisslich; Füsse 
grüngelb oder röthlich mit schwarzen Schwimmhäuten. Auch diese Art 
findet ihre Heimath im hohen Norden beider Welten, unterscheidet sich 


ä 
R 


Trauerente. 575 


jedoch in der Wahl ihrer Niststellen von manchen anderen dadurch, dass 
sie sich weniger an die Nähe des Meeres bindet, ja sogar im nördlichen 
Skandinavien hochgelegene Alpenseen zu solchen wählt. Sie zeigt sich 
in ‚ihrem “ganzen Verhalten allerdings als stark ausgeprägten Seevogel. 
Der Sturm muss schon orkanartig toben, wenn sie auf dem benach- 
‚barten Lande Schutz zu suchen sich entschliesst; auf ihren Wanderungen 
kommt sie jedoch bei strengem Frost, trotzdem, dass sie in ihrer Heimath 
wie in unseren Meeren ungleich weniger häufig ist, als die Eisente, die 
Flüsse hinauf noch tief im Binnenlande weit öÖfterer vor als diese. 
Nichts desto weniger ist sie daselbst durchaus keine alljährliche Er- 
scheinung und fast stets sind es nur ganz vereinzelte Individuen, Alte 
wie Junge, die sich daselbst antreffen lassen, und zwar wohl mal so her- 
untergekommen, dass sie dem Tode nahe sind. Ein altes Männchen im 
Prachtkleide wurde vor einer Reihe von Jahren bei Münster auf dem Eise 
fest gefroren ergriffen. Auf der Ostsee sieht man sie weit zahlreicher 
als auf der Nordsee; ihre Brutplätze liegen entschieden mehr östlich als 
westlich. Nicht blos während der Zugzeit, sondern das ganze Jahr hin- 
durch treiben sich dort ihre Schwärme umher, im Sommer jedoch wohl 
nur die aus jüngeren Individuen bestehenden, die noch nicht brüten. 
In ihrem Verhalten zeigt sie sich als eine Tauchente in reinster Aus- 
prägung. Auch sie lebt vorzugsweise von Conchilien, nährt sich jedoch 
auf den süssen Gewässern auch vielfach von Vegetabilien. Ihre Eier sind 
viel grösser als die einer der vorhergehenden Arten, von gestreckter Ge- 
stalt und zarter gelblicher Schale. 


15. Die Trauerente. 
Anas nigra L. 

Von der Grösse der Tafelente; der Schnabel etwas platt, jedoch nicht 
breit, der Höcker an der Basis der First ist nur beim alten Männchen 
auffällig und steigt plötzlich in der Mitte der First auf ohne sich seitlich 
noch auf die Zügelgegend zu erstrecken; Lage der Nasenlöcher und Nagel 
wie bei der vorhergehenden Art; Spiegel fehlt; Füsse einfarbig schwärzlich, 
etwas in’s Olivengrüne ziehend; Schwanz l4federig, die Flügel überragend. 
Männchen im Prachtkleide: Ohne Abzeichen tief schwarz, doch der Kopf 
und Hals schwach stahlblau schillernd und die Schnabelmitte vor dem 
Stirnhöcker orangegelb. Die übrigen Kleider tief graubraun, Wangen, 
Vorderhals und Brustmitte schmutzig weisslich. Weder im Aufenthalt 
noch im Betragen weicht diese Art nach den freilich nur äusserst 
dürftigen Beobachtungen, die ich bei ihr zu machen Gelegenheit hatte, 
von der vorhergehenden wesentlich ab. Auch sie lässt sich nur schwer 
zum Verlassen des Meeres zwingen. Das Bemerkenswertheste, was jedem 


576 Leistenschnäbler. 


Besucher des Meeres auffallend erscheinen muss, möchte sein, dass sie 
in kleinen Gesellschaften von 10 bis 20 Stück in gerader Linie, die ein- 
zelnen in geringem Abstande neben einander, niedrig über den Meeres- 
spiegel fliegt. Man sieht im Herbst auf der Nordsee überall diese 
schwarzen Linien sich in grosser Wellennähe über die Fläche fortbewegen. 
Wenn sie während der Fahrt dicht an mir vorübereilten, konnte ich mit 
Bestimmtheit constatiren, dass sie nur dieser, nicht aber auch der Sammet- 
ente angehörten, da sich letztere durch den weissen Flügelspiegel sofort 
zu erkennen giebt. Sie bestanden gemischt aus Alten und Jungen, vor- 
wiegend jedoch aus letzteren. Im Inneren des Festlandes erscheint sie 
kaum häufiger als die Sammetente und, abgesehen von einem oder anderen 
jungen Exemplar, nur bei strengem Frost. Ihre Eier haben ungefähr die 
Grösse der Stockenteneier, aber eine zarte gelbliche Färbung. 


16. Die Eiderente. 


Anas mollissima L. 

Körpergrösse einer schwachen Saatgans; der mittelgrosse Kopf geht 
allmählich in den sich bis zur Spitze gleichmässig verjüngenden gestreckten 
Schnabel über, daher ein unschönes langes Gesicht; Schnabel olivengrün, 
länger als der Lauf, die seitliche Kopfbefiederung erstreckt sich auf dem 
Oberschnabel bis unter die etwas nach vorn gerückten Nasenlöcher, auf 
der First springt sie ebenfalls weit, doch nicht so stark vor; der undeut- 
lich abgesetzte Nagel nimmt die ganze Spitzenbreite ein; Füsse oliven- 
grün mit schwärzlichen Schwimmhäuten, niedrig, Zehen lang; Schwanz 
l4federig, mässig zugespitzt. Das Männchen im Prachtkleide zumeist 
weiss, an der Brust röthlich gelb überhaucht, am Kopfe seladongrün; 
Stirn, ein breiter Strich durch das Auge, Unterrumpf, Bürzel und Schwanz 
schwarz; die Hinterschwingen scharfbogig abwärts gekrümmt. Die übrigen 
Kleider gleichmässig trüb rostbraun in höherem oder tieferem Tone mit 
zahllosen schwarzen Schaftstrichen und Querflecken. Die Eiderente ist 
ebenfalls ein arctischer Vogel beider Hemisphären. Seine südlichsten 
Brutstätten liegen für unsere Nachbargegenden auf Sylt, in Jütland, Däne- 
mark, Grossbritannien, etwa unter dem 55° n. Br., von wo aus sie bis 
Spitzbergen, bis zum 80° n. Br. aufsteigen. Während sie auf Sylt und 
anderswo auf niedrigem Strande auf schwach, wenigstens unregelmässig 
bewachsenem Terrain brüten, sollen sie auf den Färöer in einer Höhe 
von 3- bis 400 M. auf die Felsen in der Nähe des Meeres ihr Nest 
bauen. Die unmittelbare Meeresnähe wird überall als eine unerlässliche 
Bedingung für ihren Neststand bezeichnet. Aus dem hohen und höchsten 
Norden wandern sie gegen den Winter südwärts, gelangen jedoch in dieser 
Richtung nicht so weit, als die meisten übrigen Enten, indem grosse 


Die Eiderente, 577 


Mengen schon um Island oder den Färöer überwintern. Nichtsdesto- 
weniger verirren sich wohl einzelne jüngere Exemplare oder selten, wie 
es vor mehreren Jahren hier bei Neustadt vorkam, kleine Gesellschaften 
von jenen ins Binnenland. Auch für die nähere Umgebung von Münster 
sind mir einige Fälle bekannt, dass eine junge Eiderente erlegt wurde, 
Ihre ausserordentliche Fertigkeit im Tauchen enthebt sie der Nothwendig- 
keit, weiter zu wandern, wenn die Küsten und seichten Meeresstellen mit 
Eis stehen. Es wird behauptet, was jedoch kaum glaublich ist, dass sie 
bis zu einer Tiefe von 50 M. hinabtauchen und bis 5 oder 6 Minuten 
unter Wasser verweilen könnte. Sie fliegt ungern und wenig gewandt, 
und geht ebenfalls schlecht. Ihre Hauptnahrung besteht vorzüglich gleich- 
falls in kleineren Muscheln und Seeschnecken. Dass sie ihr schlecht ge- 
bautes Nest mit ihren ausgezupften Dunen zur Erwärmung der Eier 
reichlich umgiebt, ist für sie nichts weniger als eine bemerkenswerthe 
Besonderheit, da ja alle Leistenschnäbler auf gleiche Weise verfahren. 
Aber ihre Dunen übertreffen die der sämmtlichen Verwandten an Elasti- 
cität und haben als sehr geschätzter Händelsartikel dem Vogel eine Popu- 
larität verschafft, wie sie sich keine der anderen hochnordischen Arten 
erfreut. Man nimmt dieselben entweder sofort nach dem Ausschlüpfen 
der Jungen, oder schon während des Brütens, wodurch sich dann die 
Alte zum äbermaligen Auszupfen derselben veranlasst findet, um noch- 
mals das Gelege mit diesem warmen Bette zu garniren. Wo man ihnen 
auch die Eier nimmt, legt sie zum zweiten, oder gar zum dritten Male, 
allein dann wenige und oft Spuleier. Je weniger sie an ihnen zusagenden 
Stellen beunruhigt wird, desto zahlreicher wächst daselbst ihre Menge an, 
so dass an einzelnen Oertlichkeiten gegen 1000 Paare brüten. Bedeutende 
Störung veranlasst sie leicht zum gänzlichen Verlassen der gefährlichen 
Gegend. Ihre grossen, sehr gestreckten Eier sind blass und unrein 
blaugrünlich. 

Von fremden Entenarten möge hier noch die vielfach domesticirte, 
allgemein bekannte sogenannte Türkische Ente, Anas moschata Flem., 
die übrigens durchaus nicht aus der Türkei, sondern aus Südamerika 
stammt, genannt werden. 

Die schönsten Enten sind unstreitig die nordamerikanische Braut- 
ente, Anas sponsa Boie, und die chinesische Mandarinente, Anas 
galericulata Gray. Die letzten baumen sehr gern auf. In den zoolo- 
gischen Gärten werden sie vielfach gezüchtet. Alle drei Arten haben 
gelbliche, die beiden letzten jedoch sehr helle, fast weissliche Eier. 


Säger, Mergus. 
Im äusseren Habitus stehen die Säger den Enten ausserordentlich 
Altum, Die Vögel, 37 


578 Leistenschnäbler. 


nahe, in Körper- und Flügelgestalt am nächsten den Schwimmenten, in 
Fussbildung den Tauchenten. Der Schnabel und das Gesicht dagegen 
erinnern offenbar an die Scharben und auch im Leben zeigen sie mit 
diesen eine gewisse Aehnlichkeit. Der Schnabel ist so lang oder länger 
als der Kopf, an der Basis hoch und seitlich zusammengedrückt, nach 
der Spitze, die mehr oder weniger fein und lang ausgezogen ist, walzlich, 
der starkhakig vorn übergreifende Nagel nimmt die ganze Breite der 
Spitze ein; die Lamellen sind in nach rückwärts gerichtete scharfe zahn- 
artige Spitzen ausgezogen, welche an den Rändern des Oberschnabels 
zweireihig stehen, zwischen welche die einreihigen des Unterschnabels 
eingreifen; sonst umschliessen die Ränder des Oberschnabels den Unter- 
schnabel nicht. Die beiden Aeste des letzteren sind bis fast zur Spitze 
getrennt, die auffallend schwache Entwickelung des hinteren Fortsatzes 
lässt sie hier zum Verschlingen eines grossen Gegenstandes weit ausein- 
ander treten, so dass dadurch der Rachen sehr verbreitert werden kann. 
Der Lauf ist vorn quergetäfelt, der Schwanz kurz und breit gerundet. 
Das Gefieder gleicht dem der Enten; auch in den Mauserverhältnissen, 
sowie in der Bildung des auffallend von den übrigen Kleidern abweichenden 
Prachtkleides der alten Männchen und ihres dem der Weibchen täuschend 
ähnlichen Sommerkleides stimmen sie mit jenen. In gleicher Weise bekun- 
den sie durch ihren Nestbau und ihre Eier diese Verwandtschaft. Durch 
die Art und Weise, ihre Nahrung zu ergreifen, weichen sie aber insofern 
wesentlich von denselben ab, als sie unter der Wasserfläche schussweise 
den Fischen hin und her folgen, überhaupt eine Gewandtheit im Tauchen 
und Schwimmen unter dem Wasser zeigen, die von jenen nicht erreicht 
wird. In der freien Natur ist solches bei diesen scheuen Vögeln weniger 
leicht zu beobachten, desto bequemer aber bei halb gezähmten. Wirft 
man in einer Entfernung von etwa 30 bis 50 Schritt von einem solchen 
Säger einen Nahrungsgegenstand, z. B. das Eingeweide eines Fisches oder 
auch nur einen kleinen Theil desselben ins Wasser, so ist sofortiges 
Tauchen und Auftauchen an der Stelle des Objectes das Werk von etwa 
2 bis 3 Sekunden. So oft ich das Experiment wiederholte, nie hatte 
der Säger seinen Zweck verfehlt, sondern den Gegenstand während des 
Sinkens mit Sicherheit ergriffen. Derselbe wurde dann, was gleichfalls 
bei den Enten noch nicht beobachtet ist, erst nach dem Auftauchen über 
dem Wasserspiegel verzehrt. Die Heimath der Säger ist der hohe Norden 
beider Welten. Hier leben sie in nur 5 Arten, von denen 8 auch die 
östliche Halbkugel bewohnen. Bei strengem Frost wandern sie nach ge- 
mässigten Gegenden, verlassen dann endlich zum Theil das im Allge- 
meinen von ihnen bevorzugte Meer, beleben die Flussmündungen und 
steigen zuletzt die Flüsse bis tief ins Innere des Landes hinauf. Dort, 


Der grosse Säger. 579 


wo sich dann noch offene Stellen befinden, drängen sie sich nebst den 
nordischen Tauchenten zusammen, doch begegnet man auch nicht selten 
einzelnen Individuen. Hier hat man Gelegenheit ihre Fertigkeit im 
Tauchen zu bewundern; an einer offenen Stelle tauchen sie ein und an 
einer anderen unter den aufgestauten Eisschollen fort tauchen sie wieder 
auf. Die alten Männchen im Prachtkleide stellen sich bei uns in be- 
merkenswerther Anzahl nur bei sehr scharfem Frost ein. Eine Art ver- 
legt jedoch ihre Brutgrenze so weit nach Süden, dass sie bei uns sogar 
noch brütet. Zu Brutplätzen wählen sie nur süsse Gewässer und legen 
ihr Nest entenartig entweder am Boden zwischen Wasserpflanzen, oder 
auf Kopfbäumen, sogar in alten hohlen Bäumen, ähnlich wie die Schellen- 
ente, an. Ihre Eier sind gelblich. Sie nähren sich bei weitem zumeist 
von Fischen und vermögen es durch die vorhin angedeutete Einrichtung 
ihres Unterschnabels Fische von auffallender Grösse zu verschlingen. Alle 
übrige Nahrung, etwa Insecten und Conchilien, oder gar Vegetabilien (?), 
ist durchaus seeundär. Ihrer Fischnahrung wegen ziehen sie klares reines 
Gewässer allem übrigen vor; entsprechend derselben ist ihr Magen dünn- 
häutig. Aus mässiger Ferne sind sie schwimmend wie fliegend an ihrem 
spitzen Gesichte, das ein stark abweichendes Bild von der Physiognomie 
der Enten bietet, und den oft schopfartig verlängerten Genick- und 
Scheitelfedern, wodurch das scharbenartige Gesicht noch stärker zur Aus- 
prägung kommt, zu erkennen. Niedrig fliegen sie in ungeordnetem Haufen, 
auf der Reise hoch in einer einfachen Schräglinie.e Aus grösserer Ent- 
fernung ist zur Entscheidung, ob man es mit einer Ente oder mit einem 
Säger zu thun habe, beim Niederlassen auf eine Wasserfläche noch fol- 
gendes ein sicheres Kriterium. Der Säger taucht in der Regel sofort 
nach dem Einfall, die Ente nicht. Wenn beide tauchen, so erscheint die 
Ente an der ersten Stelle wieder, der Säger stets mehr oder weniger 
entfernt von derselben. 


Il. Der grosse Säger. 
Mergus merganser L. 


Hausentengrösse; Schnabel roth, so lang als die Innenzehe; das 
Kopfgefieder tritt im stumpfen Winkel auf die Seiten des Oberschnabels, 
und fast so weit auf die des Unterschnabels; Kopf und obere Hälfte des 
Halses tief grün oder braun; Unterhals und Oberbrust weiss oder grau- 
weisslich ohne Braun, Spiegel weiss ohne dunkle Querbinden; Füsse roth; 
Schwanz 1S8federig.. Männchen im Prachtkleide: Kopf und Oberhals tief 
metallisch grün; Unterseite weiss mit einem starken Anflug von Aurora- 
farbe; Flügeldeckfedern weiss, Handschwingen und hintere Schulterfedern 


schwarz; Bürzel und Schwanz bläulich aschgrau. Die herrliche Aurora- 
37° 


580 Leistenschnäbler. 


farbe, eine Folge von reichlicher Fischnahrung, verbleicht nach dem Tode 
und schwindet an Bälgen im Laufe der Zeit allmählich fast gänzlich. 
Die übrigen Kleider: Kopf und Oberhals fuchsig braun, Kehle und Unter- 
seite weiss, doch Kropf, Weichen, sowie die ganze Oberseite schiefer- 
bläulich. Diese Kleider sind der Linn@’sche Mergus Castor. — Der grosse 
Säger, häufig auch Tauchergans genannt, kommt, wie bereits bei der. 
Charakteristik der Gattung angedeutet, im Norden der ganzen Erde vor, _ 
rückt stellenweise, z. B. in Skandinavien, bis zum 70° n. Br. hinauf und 
lebt in weiter Ausdehnung in der Nähe des Eismeeres; allein er dringt 
auch weithin zum Süden vor. In allen Ländern diesseits der Ostsee 
finden sich vereinzelt seine Brutplätze; hier in der Mark Brandenburg 
brütet er mehrfach und sogar in unserem Lieper Revier kenne ich seinen 
Nestplatz, nämlich den Werder im Parsteiner See, woselbst er in den 
dortigen alten Linden Höhlenbrüter ist. So viel ich erfahren, ist er über- 
haupt in unserer Gegend ausschliesslich Höhlenbrüter und hat darnach 
die Benennung „Baumente” erhalten. Uebrigens steht sein Nest im Nor- 
den vielfach entenartig auf dem Boden, doch auch wohl auf einem Kopf- 
baume, ja sogar auf irgend einem alten fremden, etwa Krähenneste, oder 
in Felsklüften. Eine solche Verschiedenheit des Neststandes, anscheinend 
ohne Grund, finden wir bei anderen Arten kaum wieder. Hier beim 
Parsteiner See, wo März- und Moorente, grosser und kleiner Hauben- 
taucher, Teich- und Wasserhuhn u. a. zwischen den Wasserpflanzen ver- 
steckt brüten, wäre auch für ihn noch wohl ein verstecktes Plätzchen im 
Geröhricht aufzufinden; nichts desto weniger wählt er die alten hohlen 
Bäume. Seiner Vorliebe für das Höhlenbrüten Rechnung tragend hängen 
die Finnländer, um sich seine Eier zu Nutze zu machen, für ihn Brut- 
kästchen auf, da das Weibchen, wenn ihm stets nur einige Eier genommen 
werden, lange nachlegt. In harten Wintern trifft er in den kältesten 
Monaten bei uns ein und belebt etwa vom December bis Februar die 
offenen Stellen unserer Flüsse. Als seltene Ausnahme ist es anzusehen, 
wenn vor einer Reihe von Jahren sich bereits im October 5 Stück ein- 
stellten, von denen eins, ein junges Exemplar, erlegt wurde Je mehr 
ihm diese offenen Stellen eingeengt und verringert werden, desto weiter 
zieht er sich zum Süden hin und gelangt endlich bis nach Afrika. Der 
Rückzug, der gewöhnlich im April stattfindet, geht fast unbemerkt vor 
sich, da er nur des Nachts reiset und am Tage bei überall offenem Ge- 
wässer meist unbeachtet bleibt. — Dieser seines ranzig schmeckenden 
Fleisches wegen ungeniessbare, aber selbst sehr gefrässige Vogel schadet 
dort, wo er in grösserer Anzahl weilt, der Fischzucht nicht unerheblich, 


ur 


Der mittlere Säger. — Der kleine Säger, 58l 


2. Der mittlere Säger. 
Mergus serrator L. 

Spitzentengrösse; Schnabel roth, relativ länger und feiner als bei 
der grossen Art, länger als die Innenzehe, die seitliche Befiederung des 
Unterschnabels ganz kurz; Kopf und oberes Halsdrittel beim Männchen 
dunkel metallisch grün, sonst braun, ersterer mit einem auffällig in eine 
obere und untere Partie getheilten dünnfiederigen Schopf; Spiegel beim 
Männchen mit zwei, beim Weibchen mit einer dunklen Querbinde; Ober- 
brust rothbraun gefleckt, mit dunklen Schaftstrichen; Füsse gelbroth. 
Diese bei uns weit seltener eintreffende und nach fremder Angabe in 
Mecklenburg und Pommern an den Seen brütende kleinere Art, ist ab- 
gesehen von der feiner gebauten Gestalt, im Totaleindrucke, namentlich 
in seinen unschönen einfachen Kleidern der grossen sehr ähnlich und 
findet auch eine annähernd gleiche Verbreitung. Bemerkenswerth ist für 
seinen Aufenthalt die Angabe, dass er sich in Sibirien besonders häufig 
an reissenden Gebirgsbächen und Flüssen fände. Im nördlichen Deutsch- 
land wird er meist im unschönen, wohl Jugend-Kleide, selten im Pracht- 
kleide erlegt; jedoch sind mir auch davon aus dem Münsterlande zwei 
Fälle bekannt; in jenem kam er früher häufiger als in den letzten 20 Jahren 
vor. Besonders bemerkt möge noch werden, dass im Mai ein altes Männ- 
chen auf der Ems schon im Sommerkleide erlegt wurde. Im Neststande 
soll gleichfalls diese Art mit der ersten grosse Uebereinstimmung zeigen. 
Ihre Eier, tief und zart gelblich, sind etwas kleiner und stärker glänzend. 


3. Der kleine Säger. 
Mergus albellus L. 

Moorentengrösse; der bleibläuliche Schnabel relativ weit dicker als 
der der ersten Arten, viel kürzer als die Innenzehe, gegen dıe Spitze 
walzlich; Spiegel schwarz, zumeist weiss eingefasst; Schwanz 16federig; 
Füsse bleiblau. Männchen im Prachtkleide schneeweiss, jedoch Zügel 
und Augenumgebung, seitlicher Kopfstreif, ein feines in der Mitte breit 
unterbrochenes Brustband, Schulterfleck und Mittelrücken tief schwarz. 
Die übrigen Kleider: Kopf und Hals braun, doch Kehle weiss, Rücken 
und Oberbrust schiefergrau, sonst weiss. Diese kleinste Art, auch „Nonnen- 
säger” und das Prachtkleid „Kreuzente” genannt, bewohnt den hohen 
uud höchsten Norden, ist jedoch für uns durchaus ein nordöstlicher Vogel. 
In Nordost-Sibirien brütet er zahlreich in der Weise der anderen Arten. 
Es vergeht wohl kaum ein Winter, in dem er nicht auf unseren Flüssen 
angetroffen wird, in sehr strengen erscheint er oft in grösserer Menge 
und nur dann finden wir daselbst auch alte Männchen im Prachtkleide. 
Da sein Erscheinen ungefähr mit dem der Schellente zusammenfällt, so 


582 Ruderfüsser. 


vermischen sich beide Spezies, die in ihrem unschönen Kleide äusserst 
ähnlich sind, gern. Seine Bewegungen sind noch schneller als die der 
beiden anderen Säger, auf dem Wasser scheint er behender, die Luft 
vermag er in fast rapider Geschwindigkeit zu durchschneiden. Im Spät- 
herbst langt er bei uns an, und bleibt bei offenem Wasser den ganzen 
Winter. Ende März pflegen sich seine Individuen wieder zu verlieren. 
An seinen Brutplätzen langt er jedoch erst Anfangs Mai wieder an. Seine 
Eier, in den meisten Sammlungen Desiderate, sind ebenfalls gelblich und 
entsprechen seiner Grösse. 


XII. Ordnung. Ruderfüsser, Steganopodes. 


Nesthocker mit: meist langem Schnabel, weit getrennten, 
eine nackte Haut einschliessenden Unterkieferästen, 
langen Armknochen und Ruderfüssen. 


Die Ruderfüsser bilden eine scharf umschriebene, wenige Arten ent- 
haltende Schwimmvogelform. Ihr Gefieder hat in seiner Structur aller- 
dings wenig Gemeinsames, ist entweder weiss oder doch sehr hell oder 
düster. Nie zeigt es, wie bei sehr vielen Spezies der vorhergehenden 
Ordnung, Prachtfarben; am Kopf und Hals treten keine Raine auf; Dunen 
stehen sowohl zwischen dem Contourgefieder als auf den Rainen. Der 
Kopf ist klein, der Schnabel meistens lang, sogar sehr lang, übrigens 
von verschiedener Gestalt; die Nasenlöcher liegen in einer sehr schmalen, 
von Haut nicht selten fast ganz bedeckten Spalte; die Schnabelränder 
ohne Querlamellen, glatt oder auch wohl fein gesägt; Flügel spitz und 
lang; Armknochen lang, sogar wohl sehr lang; zehn lange Handschwingen, 
von denen die erste die Spitze bildet; Füsse kurz, Schienen bis zum 
Fersengelenk befiedert, Lauf granulirt, Zehen ziemlich lang, alle vier 
durch Schwimmhaut verbunden („Ruderfuss”) und in gleicher Höhe ein- 
gelenkt. Etwa 42 Arten bilden den ganzen Inhalt dieser Ordnung, welche 
sich in 5 oder 6 scharf unterschiedene, höchst arme, je fast nur eine 
Gattung enthaltende Familien gruppiren. Die einzelnen Gattungen pflegen 
einander sehr nahe stehende Arten zu enthalten. Sie sind weit verbreitet, 
beschränken sich jedoch zumeist auf die tropischen und subtropischen 
Gegenden, manche Formen treten noch tief in die gemässigten Zonen 
hinein, arctisch ist keine Art. Es sind vorwiegend, oder gar ausschliess- 


Pelikane. 583 


lich Seevögel, obschon sich viele während der Fortpflanzungszeit an süsse 
Gewässer binden. Ihre Nester stehen eben so häufig auf Bäumen, als 
am Boden, manche brüten in Colonieen. Sie legen nur wenige Eier 
(1 oder 2 bis 4), welche verhältnissmässig sehr klein und mit einer 
grob und unregelmässig, sogar wohl lückig aufgetragenen oberen weissen 
Kalkschicht bedeckt sind. Ihre Jungen hocken lange im Neste und lassen 
sich von den Alten die Nahrung (Fische) vorwürgen. Den Fischfang 
betreiben sie stoss- oder schwimmtauchend. Die meisten schaden als 
sehr gefrässige Vögel der Fischerei dort erheblich, wo sie zahlreich an 
nicht zu ausgedehnten Gewässern leben. Ein Kropf fehlt, der Magen 
ist dünnwandig. 

Die wenigen Arten einer Gattung, Tropikvogel, Phaeton, lassen 
sich schwer unter diese allgemeine Charakteristik fassen. Sie bilden die 
letzte, sechste, zu den Möven überleitende Familie. Im Aeusseren sind 
sie den Möven weit ähnlicher als den übrigen Ruderfüssern und auch ihr 
Ruderfuss ist, da die sehr winzige Hinterzehe nur durch einen schmalen 
Hautsaum mit der inneren Vorderzehe verbunden ‘ist, kaum ein solcher 
zu nennen. Auch anatomisch unterscheiden sie sich von den übrigen. 
Ihr nur mittellanger Schnabel enthält querdurchsichtige Nasenlöcher, das 
dichte gerundete Gefieder ist atlasweiss, rosa überhaucht, die mittleren 
Schwanzfedern über die andern mit ihren fast fahnenlosen Schäften sehr 
weit hinausragend. Das Nest steht auf einsamen Klippen im Meere und 
enthält ein weiss grundirtes, über und über mit kleinen rothbraunen 
Fleckenpunkten bestreutes, also ebenfalls von den Eiern der übrigen 
Steganopoden stark abweichendes Ei. 


1. Familie. Pelikane, Pelecanidae. 


Grösste Schwimmvögel; Kopf klein; Gesicht mehr oder weniger 
nackt, die Befiederungsgrenze unter dem Auge verläuft ziemlich gerad- 
Iinig; Schnabel gerade, ungeheuer lang, Oberschnabel zur Spitze hin sich 
allmählich ganz abflachend, auf der First durch zwei seitliche Rinnen in 
drei Längsfelder getheilt, die äusserste Spitze zu einem nicht abgesetzten 
scharfen, stark bogigen und übergreifenden, unten hohlen Haken ausge- 
zogen; die Aeste des Unterschnabels bis zu der Spitze völlig getrennt 
und durch eine dehnbare, zu einem mächtigen Sacke erweiterte Kehlhaut 
verbunden; die Zunge sehr rudimentär und von dem Epithelium des 
Kehlsackes überzogen; Nasenlöcher sehr klein, linear, an der Basis jener 
Schnabelfurchen liegend; Hals lang und ziemlich diek; Flügel lang und 
schmal, die Armknochen sehr verlängert, sie werden in der Ruhe weder 
von Tragfedern aufgenommen, noch vorn fest an den Körper angelegt, 


584 Ruderfüsser. 


sondern stehen nach Geierart etwas ab; die Zehen von sehr weiter 
Spannung; der Schwanz 20- bis 24federig; Knochen wie die schwammige 
Haut äusserst pneumatisch. Man unterscheidet etwa 3 verschiedene Spezies, 
die ausschliesslich in den warmen Gegenden ihre Heimath haben. Ihr 
Gefieder zeichnet sich durch eine oft sehr stark ausgeprägte lanzettliche 
Form aus und pflegt Grau in der Jugend und Weiss im Alter als domi- 
nirende Farbe zu tragen. An stillen grossen Gewässern, in Meeresbuchten, 
an Deltaufern, Sümpfen, pflegen sie ihren Wohnsitz aufzuschlagen. Sie 
fischen hier eifrig schwimmend wie schwimmtauchend, sitzen aber oft lange 
unbeweglich mit zurückgebogenem Halse, auf dem der Schnabel bis zur 
Brust hin ruht, am Ufer oder auf Inseln, fliegen sehr geschickt und ver- 
mögen sich sogar in Spiralen bis zur Wolkenhöhe zu erheben, bauen 
grosse bodenständige Nester und legen nur wenige (2 bis 4) kleine völlig 
weisse, mit der letzten Kalkschicht, die häufig durch Schmutz verunrei- 
nigt erscheint, grob überzogene Eier. Auf ihren Zügen wandern sie bei 
kleinen Gesellschaften in einer Schräglinie, bei grösseren nach Art der 
Kraniche in Keilform. Zwei Arten, welche den Süden und namentlich 
den Südosten von Europa bewohnen, haben sich durch einzelne Ver- 
irrungen das deutsche Bürgerrecht erworben. 

In dieser Familie nur eine Gattung Pelikan, Pelecanus, für welche 
die Merkmale der Familie dienen. 

Der gemeine Pelikan, Pelecanus onocrotalus L. Lauf doppelt so 
lang als die Hinterzehe; Gesicht sehr weit nackt; 20 Schwanzfedern ; Grösse 
eines starken Schwanes; im Alter rosaroth, Er lebt in den wärmeren Ge- 
genden von Asien, Afrika, auch Südeuropa, seltener in Amerika, erscheint 
oft zu Hunderten in Ungarn, verfliegt sich aber selten nach Deutschland. 

Der krausköpfige Pelikan, Pelecanus erispus Bruch. Lauf 2'/, 
bis 3 mal so lang als die Hinterzehe, im Alter weiss, stellenweise mit 
gelblichem Anfluge, Hinterkopffedern kraus verlängert; weit grösser als 
ein starker Schwan. Seine Heimath ist das mittlere Asien und Afrika. 
Im Südosten Europa’s am kaspischen Meere und in Ungarn ist er häufiger 
als die erste Art. Von der unteren Wolga kommen seine Eier zahlreich 
in den Handel. Dieser grösste Schwimmvogel ist ebenfalls in Deutschland 
eine seltene Erscheinung. 


2. Familie. Tölpel, Sulidae. 


Mittelgrosse Schwimmvögel; Kopf ziemlich gross; Schnabel stark lang 
gerade, hinten verdickt und rundlich, nach der Spitze hin seitlich com- 
primirt, die Spitze des Oberschnabels als nur schwach angedeuteter Nagel 
ein wenig herabgekrümmt; die Schnabelränder mit feinen rückwärts ge- 


Tölpel. 585 


richteten Zähnen versehen; Oberschnabelfirst durch Längsfurchen von den 
Seiten abgesetzt, in welchen Furchen oben die abortiven Nasenlöcher liegen ; 
Unterschnabeläste weit, fast bis zur Spitze getrennt zwischen denselben 
die Haut in der Mitte bis auf die Kehle in einem schmalen Streifen un- 
befiedert; Befiederungsgrenze verläuft unter dem Auge zu einem nach vorn 
convexen Bogen zum Mundwinkel nach hinten; Hals mittellang, dick; 
Flügel schmal und lang, Armknochen sehr verlängert, zweite Handschwinge 
die längste; Füsse sehr kurz; alle Zehen lang; Schwanz über mittellang, 
die beiden Mittelfedern spiessartig verlängert. Das Gefieder ist knapp, 
meist weiss, in der Jugend grau. Man unterscheidet etwa 8, sich recht 
nahe stehende Arten, welche die gemässigten Meere im Norden wie im 
Süden bevölkern. Das Meer verlassen sie nur zur Besorgung des Fort- 
pflanzungsgeschäftes und sammeln sich colonieenweise in der Nähe einzelner 
bestimmter steil und hoch emporragender Inseln und Klippen. Hier sind 
die Centralpunkte von Hunderten ja Tausenden, die sich von denselben 
nie sehr weit entfernen, sich aber ausser der Fortpflanzungszeit auch weiter 
nicht für sie zu interessiren scheinen, denn auf das feste Land geht der 
Tölpel sonst nicht. Auch auf dem Wasserspiegel ruht er verhältnissmässig 
selten, man sieht den flugkräftigen Vogel fast nur fliegen. Fortwährend 
revidirt er die ungeheure Meeresfläche, sei sie spiegelglatt oder erheblich 
erregt, nach seiner Beute, Fischen, spähend, um sofort stosstauchend sie 
zu erhaschen. Sogar schäumende Wogen und tosende Brandung scheut 
er nicht. Wehe aber, wenn er etwa durch Sturm verschlagen oder sonst 
verirrt aufs Festland oder überhaupt dort hingelangt, woselbst ihm der 
Anblick des Meeres entzogen ist. Er ist sofort rath- und thatlos, setzt 
sich endlich wohl weniger durch den anhaltenden Flug als durch das ihm 
gänzlich ungewohnte Fasten ermattet auf den Boden und lässt sich mit 
Händen ohne Gegenwehr greifen. Seinen wenig ehrenden deutschen Namen 
mag er von dieser lächerlichen Unbehülflichkeit erlangt haben, doch nimmt 
sich seine sehr kurzbeinige Figur sitzend recht linkisch aus. Das Tölpel- 
hafteste in seinem Benehmen ist jedoch sein Bebrüten der leeren Nest- 
stelle nach fortgenommenem Ei oder gar sein Herbeischleppen und Aus- 
würgen von Fischen für sein Junges, was nicht mehr existirt, oder nie 
existirt hat. Ganz genau in ihrem Leben kennen wir eigentlich nur die 
eine deutsche Art, den Basstölpel, Sula bassanıa Gray („alba” L.) 
upd deshalb ist vorhin nur von dem Tölpel in Singular die Rede ge- 
wesen. Er hat etwa Saatgansgrösse, sein Schnabel ist grünlich blau, die 
Mundspalte reicht bis unter das Auge, Füsse olivengrün. Im Alter schnee- 
weiss mit zart gelblichem Anfluge am Hinterhals, die schmale Kehlhaut 
und die Handschwingen schwarz. Jung aschbräunlich grau mit weissen 
Tropfen übersäet. Seine Benennung Basstölpel hat er von der kleinen 


586 Ruderfüsser. 


Felseninsel Bass (an der Ostküste von Schottland, der südlichsten seiner 
Colonieen) erlangt, woselbst er zu Tausenden brütet. Er legt nur ein 
weisses, grob mit einer rauhen Kalkschicht überzogenes, häufig beschmutztes 
Ei. Im Binnenlande, ja sogar auf unseren kleinen Nordseeinseln wird er 
nur in dem vorhin angedeuteten Zustande angetroffen. Obgleich er zu- 
weilen nach einem starken Gewitter plötzlich auf einem Felde erblickt 
und dort ergriffen wurde, so dass die Bauern meinten, diese Vögel reg- 
neten aus der Luft, so sieht man ihn doch auch bei vorhergehendem 
heitersten ruhigsten Wetter wohl in einer solchen trostlosen Lage.*) 


3. Familie. Scharben, Phalacrocoracidae. 


Mittelgrosse bis kleine Schwimmvögel; Rumpf sehr gestreckt; Kopf 
klein, mit sehr niedriger Stirn und nach vorn gerückten Augen; Schnabel 
mittellang; die First gerundet, in der Mitte gesenkt und von der Basis 
bis zur stark hakigen Spitze durch zwei seitliche Längsfurchen in drei 
Felder getheilt; Nasenlöcher fehlend; der. Unterschnabel an der Spitze 
ebenfalls herabgebogen, die beiden Kieferäste fast bis zur Spitze getrennt, 
an der Basis mit kleinem Kehlsack; Rachen sehr gross; ein Kreis um die 
Augen und der Zügel nackt; Zunge klein und als Ober- und Unterzunge 
doppelt; Hals ziemlich lang, sehr dehnbar; Flügel spitz und mittellang, 
die zweite und dritte Handschwinge bilden die Spitze; Armknochen lang, 
Schwingen kurz; Füsse weit nach hinten gestellt; Lauf sehr kurz, com- 
primirt; die Schiene seitlich mit längeren Federn; Zehen lang. Schwanz 
mit sehr starrschaftigen, flachen, 12 bis 14 Federn, stumpf keilförmig; 
wegen der ausserordentlichen Kürze der Deckfedern erscheint er lang. — 
Die Scharben zeichnen sich unter den Ruderfüssern äusserlich durch ihr 


*), Die eben vom Tölpel berichtete Thatsache hat auch für viele andere 
pelagische Vögel Gültigkeit. Wenn das offene Meer ihrem Blicke entrückt ist, 
so sind sie sofort ausser aller Direetion und Fassung. Man braucht z. B. ge- 
fangene Alken und Lummen nur hinter einen Hügel zu tragen, um sicher zu 
sein, dass sie nicht entfliegen. Sie hocken nieder und betrachten verdutzt ihre 
ungewohnte Umgebung, ohne sich ermannen zu können, von ihren Flügeln Ge- 
brauch zu machen. Es gehört hierher die fernere Erscheinung, dass von den 
fluggewandten langschwingigen Seevögeln im Binnenlande weit häufiger Arten 
angetroffen werden, welche der hohen See und dem höheren Norden, als welche 
den nahen Seeküsten angehören. Dem Münsterlande zunächst brüten z. B. Tausende 
von Paaren der Silbermöve auf der westfriesischen Insel Rottum. Es ist eine 
grosse Seltenheit, wenn eine solehe Möve sich mal im Lande zeigt. Dagegen 
wird die dreizehige Möve daselbst häufig erbeutet, auch kommt die Sturmmöve, 
sogar die Herings- und die Mantelmöve, der kleine und der gabelschwänzige 
Schwalbensturmvogel einzelu vor, alles dem hohen Norden angehörende Spezies. 


Scharben. 587 


düsteres Gefieder aus; schwarz, oft mit herrlichem, tiefgrünem Metallglanz, 
sowie dunkles Braun sind die herrschenden Töne. Männchen und Weib- 
chen ähneln sich äusserlich sehr, und auch die Jungen im ersten Contour- 
gefieder unterscheiden sich nur durch Mangel des Glanzes, und weniger 
reinen Ton von den Alten. Nach der Jahreszeit treten insofern Ver- 
schiedenheiten auf, als sich, ähnlich wie beim Kampfhahn, für das Hoch- 
zeitskleid besondere Schmuckfedern zwischen den anderen bilden und später 
allmählich wieder ausfallen. Es sind das langflockige schmale weisse Federn, 
welche vereinzelt, bald mehr bald weniger dicht am Kopfe und den Seiten 
des Oberhalses und an den Schenkeln und zwar hier so dicht auftreten, 
dass sie den schwarzen Grund völlig bedecken. Das kleine Gefieder ist 
sehr zerschlitzt, die Federumrisse verschwinden völlig und der Pelz er- 
scheint seidenartig. Im überraschenden Contraste dazu sind die starren 
Rückenfedern nicht bloss durch das geschlossene Gefüge ihrer Fahnen 
scharf umschrieben, sondern der freie Rand derselben ist auch ausserdem 
durch einen schwarzen Saum derartig gezeichnet, dass die Oberseite ein 
sehr auffälliges grob schuppiges Aussehen erhält. Sie leben fast stets in 
Colonieen, gewöhnlich am Meere, in Buchten, doch auch an Flussmündungen 
und Landseen. Höherer Baumwuchs ist ihnen, zumal für das Fortpflan- 
zungsgeschäft Bedürfniss. Sie ruhen viel auf Bäumen oder auf sonstigen 
Erhöhungen, Pfählen, Zäunen, Steinen, wobei sie, das Fersengelenk stark 
gebogen, den Hals mehr oder weniger zusammen gelegt, mit sehr aufge- 
richtetem Körper und senkrecht herabhängendem Schwanze sitzen. Auf 
dem flachen Boden gehen und stehen sie ungern. Im Schwimmen und 
Tauchen, welches letztere mit einem Sprunge geschieht, sind sie Meister. 
Sie leben einzig von Fischen, die sie unter dem Wasser nach allen Rich- 
tungen hin verfolgen, und wo sie zahlreich leben, wohl in enge Buchten 
zusammentreiben. Sie verschlingen Fische von einer staunenswerthen 
Grösse und namentlich Länge; Aale scheinen ihre liebste Nahrung zu sein. 
Ihre unersättliche Fressgier macht sie zu den grössten Feinden der Fischerei. 
Doch sind sie auch forstwirthschaftlich nicht gleichgültig, da sie mit ihren 
kalkartigen, sehr reichlich verspritzten Excrementen an ihren Bruteolonieen 
die Blätter der Bäume im Frühlinge bis in den Sommer hinein so be- 
decken, dass dieselben funetionsunfähig und die Bäume bald zopftrocken 
werden, — dieselbe Erscheinung, die wir bereits für die Reiherstände 
kennen gelernt haben. Unsere grösste Art brütet sogar häufig mit den 
Reihern zusammen und beide wirken gemeinschaftlich zum Tödten der 
Bäume. Die Horste der Scharben stehen in engen Colonieen hart am 
Wasser fast stets auf Bäumen; doch giebt es Gegenden, in denen sich die 
Brutpaare mit Gestrüpp und wüsten Schilfmassen, oder mit Felsblöcken, 
Felsabsätzen, Klippen begnügen müssen. Sie legen ö bis 4 sehr kleine, 


588 Ruderfüsser. 


gestreckte Eier, welche sich jedoch durch eine meergrüne Unterschale, 
von den Eiern der übrigen Steganopoden unterscheiden. Auf diese ist 
die grobe äusserste Kalkschicht unregelmässig, oft wolkig und lückenhaft auf 
getragen, so dass alsdann der grüne Unterton stellenweise durchscheint, auch 
wohl ganz frei liegt. Gegen das Licht gehalten erscheinen die Scharben- 
eier von innen stets intensiv grün. Ihre Jungen im tief schwarzen oder 
grauschwarzen Dunenkleide haben wegen des schmalen Vorderkörpers, 
der sehr dieken Schenkel und des sehr starken Hinterkörpers ein hässliches 
Ansehen, was durch den langen Hals, an dem sich die Luftröhre äusser- 
lich wie ein in gemeinsamer Haut steckender zweiter Hals unschön ab- 
hebt, sowie noch durch das theilweise nackte Gesicht durchaus nicht ge- 
hoben wird. Man unterscheidet etwa 20 verschiedene Arten, die sich 
einzeln in allen Welttheilen finden. Wenngleich drei Arten zu den deut- 
schen Vögeln zählen, so sind doch zwei derselben nur zufällige Gäste, 
oder vielmehr zu uns Verirrte, so dass wir uns auf eine einzige beschränken 
können, für welche wir die Gattung 


Scharbe, Halieus 


wählen mit der Charakteristik der Familie. 


Der Kormoran. 
Halieus carbo L. 

Grösse der Ringelgans, jedoch darin sehr variabel, die nordeuropäischen 
Exemplare weit stärker als die südlichen; Schnabel von Kopfeslänge, etwas 
länger als der Lauf, stark, an der Basis dicker als vor der hakigen Spitze; 
Rückenfedern abgerundet tiefbraun, mit einem Stich in’s Violette, von 
einem schwarzen, grünlich schimmernden Saume umgeben, nackte Kopf- 
stelle und Kehlsack ledergelblich, um die Kehle ein weisslicher Saum; 
der Schwanz hat 14, in Ausnahmefällen auch 12 oder 16 Steuerfedern. 
Die Alten mit prächtig metallisch grün glänzendem kleinen Gefieder und 
grüner Iris; als Hochzeitskleid am Kopfe und Oberhalse dicht stehende, 
doch den Grund nicht verdeckende, lang pinselförmige weisse Federn und 
an der Aussenseite der Schenkel ein grosser rein weisser Fleck. Die 
Jungen trüb schwarz mit etwas hellerem, doch auch mit weissem braun- 
fleckigem Bauche. Letztere Verschiedenheit findet sich bei den Jungen 
derselben Colonie. — Der Kormoran („Seerabe”) bewohnt fast die ganze 
Erde, vom hohen Norden bis China, Indien, Australien; doch steigt er 
nicht so hoch hinauf, wie manche Enten und Gänse. Am häufigsten 
scheint er in Europa im nördlichen Skandinavien zu brüten und horstet 
gleichfalls in grosser Menge im Südosten, namentlich in Ungarn und den 


Der Kormoran. 589 


unteren Donauländern. In Deutschland hat er nur in beschränkten Gegen- 
den, namentlich im Osten seine Heimath. Von den dänischen Inseln er- 
streckt er sich nach den ÖOstseeländern, während sich meines Wissens im 
Westen von Norddeutschland keine Colonieen finden. Da ihm in stark 
bewohnten und cultivirten Gegenden mit grösster Energie nachgestellt 
wird, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass er nur gezwungen die mitt- 
leren Landstriche sehr dünn besetzt hält. Man kennt eine grosse Reihe 
von Fällen, dass sich an einem Landsee, grossen wasserreichen Bruch 
u. dergl. einige wenige Paare als bisher gänzlich unbekannte fremdartige 
Vögel ansiedelten, eine Reihe von Jahren dort brüteten, vielleicht fremde 
Paare mit herüberzogen, bis sich endlich die Colonie auf mehre Hunderte 
von Paaren vermehrt hatte. Man war dann allmählich zu der Erkenntniss 
gelangt, dass durch diesen höchst gefrässigen Wasserräuber die Fischzucht 
gänzlich ruinirt werde. Nur die allerschärfsten Verfolgungen Jahre lang 
‘ in der Brutzeit fortgesetzt, konnte die hartnäckigen Insassen endlich zum 
Abzuge bewegen. Die Vertriebenen siedelten sich zusammen oder, wie 
gewöhnlich, in mehre Gesellschaften vertheilt, an anderen passenden fisch- 
reichen Gewässern, in der Regel viele Meilen von der früheren Colonie 
entfernt, wieder an, bis ihnen auch in der neuen Heimath ein ähnliches 
Loos bereitet wurde. So entstanden und verschwanden im Laufe der 
Zeit bald hier bald dort Kormorancolonieen, und man erzählt sich in vielen 
Gegenden von solchen. Namentlich wissen die armen Fischereipächter 
nicht Wunders genug von diesen schwarzen Gästen zu berichten. Findet 
sich an passender Oertlichkeit ein Reiherstand, oder auch nur eine Saat- 
krähencolonie vor, so wird von dieser von den Kormoranen sofort Besitz 
ergriffen, leere Horste werden ohne Weiteres in Beschlag genommen, von 
besetzten die Eigenthümer je nach Bedürfniss und Gutdünken wenigstens 
theilweise vertrieben, einzelne neue, wenn es sein muss, dazwischen ge- 
baut, so dass Anfangs noch mehre Jahre lang Reiher, bez. Saatkrähen mit 
den Kormoranen zusammen brüten, schliesslich die letzten aber den Platz 
allein behaupten, bis sie es denn endlich den Fischern zu arg treiben. So 
befindet sich hier in unserer Nähe, bei Stettin, etwa eine Meile strom- 
aufwärts, eine Colonie von 230300 Stück, früher stärker, jetzt schwächer 
mit Reiherhorsten gemischt in Erlenbrüchern. Sie stammt ohne Zweifel 
von der bis 1863, wo sie sich bei Stettin ansiedelten, auf Usedom in der 
Oberförsterei Pudagla ansässigen Colonie. Vor 25 bis 30 Jahren hatte 
auch Neustadt an dem grossen Stadtsee eine allmählich sehr stark ge- 
wordene Colonie, welche denn auf Grund der dringlichen Klagen der 
Fischer, die nicht mehr im Stande waren die Pacht zu bezahlen, durch 
energischen Abschuss (an einem Tage allein gegen 400 Stück) zum Ver- 
lassen der Gegend gezwungen wurde. So wird es also nicht in geo- 


590 Ruderfüsser. 


graphischen Verhältnissen begründet sein, wenn man den eosmopolitischen 
Cormoran ungleichmässig vertheilt findet. Aber auch ohne Einschreiten 
des Menschen wird er auf lange Jahre nur an sehr wenigen Punkten im 
Innern des Landes festen Wohnsitz behalten können. Im Vorhergehenden 
ist der Grund bereits angedeutet, er fischt nämlich, in Menge angesiedelt, 
grosse Teiche und Seen in nicht zu langer Zeit bis auf die letzte Schuppe 
leer und muss nun aus Nahrungsmangel seinen Brutplatz verlegen. Zum 
Glück ist er jedoch vorwiegend Seevogel und des Meeres Reichthum er- 
leidet durch ihn keine merkliche Einbusse. Hier ist seine Fischerei des- 
halb auch fast gleichgültig. Ueber seine Leistungsfähigkeit als Fisch- 
fänger und Fischeonsument wird Erstaunliches und doch Glaubwürdiges 
erzählt. Er soll 3—4 Minuten unter Wasser bleiben, bis 30—40 Meter 
tief tauchen können und gegen 7 Pfund Fische zu seinem täglichen Unter- 
halt bedürfen. Die Tauchtiefe erschliesst man aus der Art der Fische, 


die er erbeutet. Es sind das nämlich vorzugsweise solche, die, wie etwa ' 


die Schollen, nur auf dem Meeresboden leben; um sie zu erbeuten, muss 
er natürlich bis auf den Grund hinabtauchen. Auch aus dem süssen 
Wasser holt er mit Vorliebe die tiefgehenden hervor, Aale zieht er allen 
anderen vor und verschlingt solche bis zu 0,6 Meter Länge. Bei uns 
brütet er wohl ausschliesslich auf Bäumen. Dass seine kalkig flüssigen 
Exceremente die besetzten Bäume allmählich gipfeldürr machen, ist bereits 
bei der Charakteristik der Familie berührt und von der vorhin erwähnten 
Colonie zuerst in Pudagla, woselbst die Buchen, und dann bei Stettin, 
woselbst die Erlen bedeutend durch ihn litten, beobachtet. Im Norden 
geht er über den Baumwuchs hinaus und wählt daselbst, wie auch in 
anderen Gegenden, in denen Bäume fehlen, Felsen zu Brutplätzen. Stille, 
ruhige Gewässer zieht er Flüssen entschieden vor; doch ist Fischreich- 
thum das nothwendigste Erforderniss für seine Ansiedelung. Das Brut- 
geschäft besorgt er jährlich zweimal. Sind auch die Jungen der zweiten 
Brut flügge, so begiebt er sich in der Regel auf’s Meer, auch wenn sich 
die Colonie in erheblicher Entfernung von demselben befand. Im anderen 
Gegenden erscheint er nur selten. Aus dem Münsterlande z. B. kenne 
ich nur einzelne wenige Fälle, in denen er im Spätherbst, meist im 
November, gesehen oder von einer alten Eiche oder Pappel herabgeschossen 
ist. Als scheuer Vogel ist er nicht leicht zu erbeuten. Jene zahlreichen 
Individuen, welche zur Zerstörung einer Colonie erlegt wurden, waren fast 
nur Junge; die Alten sind daselbst -meistens nur mit der Büchse zu er- 
reichen. Sie schwingen sich bei einem solchen Blutbade zu grosser Höhe 
empor und fliegen da entenartig hin und her, vermögen es aber sonst 
auch, sich daselbst schwebend in Kreisen rabenartig umherzudrehen. Auch 
schwimmend lassen sie sich schwerlich ankommen. Sie tauchen sofort 


Der Kormoran. 591 


bei Gefahr von irgend einem niedrigen Sitze, auf dem sie vorhin behag- 
lich der Verdauung pflegten und dazu unaufhörlich mit den Flügeln 
fächerten, in’s Wasser, kommen erst weit über Schussweite, ja wohl erst 
in einer Entfernung von 1 bis 200 Schritt wieder empor, schwimmen, 
wenn sie nicht eine sofortige Wiederholung des Tauchens vorziehen, sehr 
tief eingesenkt, so dass sogar nur mehr Hals und Kopf sichtbar sind, und 
entziehen sich so allen Gefahren, die ihnen von Seiten eines Schützen 
drohen könnten. Doch die einzeln im Lande umherstreichenden, fast 
stets Junge, zeigen sich weit weniger scheu. Gegen Ende März, Anfang 
April stellen sie sich an ihren gemeinsamen Brutstellen wieder ein, von 
denen sie, wie gesagt, nur die äusserste Gewalt oder der Hunger ver- 
treiben kann. 

Die beiden anderen für Deutschland seltenen Scharbenarten sind: 

Die Krähenscharbe, Aalieus graculus, von Hausentengrösse, 
Schnabel gestreckt, länger als der Kopf, 12 Schwanzfedern, die Rücken- 
federn zugespitzt; die alten Vögel mit kurzer Haube („F. eristatus”) auf 
der Stirn zwischen den Augen. Vaterland: der Norden, wie auch für die 
etwas abweichende Form Desmarestü Payr. das Mittelmeer. Ein statt- 
liches Exemplar wurde vor einer Reihe von Jahren im Münsterlande von 
einer hohen Eiche herabgeschossen. 

Die Zwergscharbe, Halieus pygmaeus Pall. Grösse der Krick- 
ente, Schnabel kürzer als der Kopf, 12 Schwanzfedern, die Rückenfedern 
lanzettlich. Heimath der Südosten, namentlich Ungarn, Dalmatien, Ober- 
italien. 

Den Scharben am nächsten verwandt ist die aussereuropäische Familie 
der Schlangenhalsvögel, Plotidae. Sie enthält nur sehr wenige gleich 
gebaute Arten, die im Allgemeinen kleiner und von gestreckterem Körper- 
bau als die Scharben, aber gleich diesen düster gefärbt sind. Der Kopf 
ist klein, der Schnabel lang, spitz, nicht hakig endend, gerade, an den 
Rändern gezähnt; Gesichtsseiten und Kehle nackt; Hals ausserordentlich 
lang und schlangenförmig dünn, Flügel lang, dritte Handschwinge die 
längste, bei den alten die Schulterfedern sehr lang bandförmig und schwarz 
weiss längsgestreift; Lauf kurz und dick; Schwanz von Körperlänge, flach, 
mit 12 sehr steifschaftigen, elastischen, gewellten Federn. In ihrem Be- 
tragen scharbenähnlich. Sie bewohnen die wärmeren Gegenden aller 
aussereuropäischen Welttheile an grösseren stillen Binnengewässern. Be- 
kannteste Art: Plotus ahinga L. im warmen Amerika. 

Die letzte Familie der Steganopoden umfasst nur zwei Arten, die 
durch ihren Bau sich an die Tölpel, auch Scharben, durch ihre 
äussere Erscheinung, abgesehen von ihrer düsteren Färbung, an die See- 
schwalben anschliessen. Es sind die äusserst flugkräftigen Fregattvögel, 


592 Langschwinger. 


ad 


Tachypetidae. Sie haben nur etwa die Körpergrösse eines Birkhuhnes. 
Schnabel scharbenähnlich, doch fast doppelt so lang als der Kopf, Nasen- 
löcher kaum sichtbar; Armknochen, wie namentlich Handschwingen, deren 
erste die längste, äusserst lang; Lauf kurz, bis auf die langen dünnen 
Zehen befiedert; Schwimmhaut sehr tief ausgeschnitten; Nagel der Mittel- 
zehe am Innenrande gekrümmt; Schwanz 12federig, lang, sehr tief ge- 
gabelt. Man sieht diese einsamen Vögel, welche unter allen die grösste 
Flugkraft bekunden, in den Tropen fast nur über den Öden Oceanen, 
namentlich den südlichen, oft Hunderte von Meilen vom Lande entfernt 
vom ersten Morgengrauen bis zur tiefen Abenddämmerung bald mit ge- 
streckten Schwingen, bald mit stark gebogenem Handgelenke umherfliegen 
und sogar dem Sturme und Unwetter trotzen. Stosstauchend ergreifen 
sie ihre Fischnahrung nach Art der Seeschwalben. Nur in der Fort- 
pflanzugszeit begeben sie sich nach einsamen Felsen und Klippen und 
legen ein weissliches Ei. Die häufigste Art: Tachypetes aquilus L. 


XIV. Ordnung. Langschwinger, 


Longipennes. 


Nesthocker mit mittellangem, seitlich zusammengedrücktem 
Schnabel, langen spitzen Flügeln, kurzen Armschwingen 
und drei durch Schwimmhäute verbundenen Vorder- 
zehen. 


Der Kopf der Langschwinger ist im Ganzen dick, die Stirn schmal, 
der Schnabel von mittlerer Länge, in eine Hakenkuppe, bald ohne Haken 
endend, die Nasenlöcher liegen theils in Röhren auf der Schnabelfirst, 
theils offen und erlauben dann eine senkrechte Durchsicht, Hals kräftig, 
mittellang; Flügel sehr lang, Armknochen verlängert, Handschwingen 
stets 10, desgleichen, oft sehr lang, Armschwingen kurz und an Anzahl 
(15 bis 40) sehr verschieden; von den Zehen drei nach vorn gerichtet 
und durch ganze oder ausgeschnittene Schwimmhäute verbunden, Hinter- 
zehe frei, oft klein, gar bis auf den Nagel verkümmert oder gänzlich fehlend. 
Diese ausgezeichneten Flieger schweben fast stets über dem Wasser, Nach 
Nahrung stürzen sich die meisten stosstauchend herab. Diese besteht 
meist aus Fischen, Radiaten, Crustaceen und anderen niederen Wasser- 


Sturmvögel. 593 


thieren. Ausnahmsweise suchen sie auch auf dem Boden umherlaufend 
ihre Nahrung. Auf der Wasserfläche ruhen sie selten und dann nur sehr 
flach eingetaucht, schwimmen aber nicht oder nur wenig. Die meisten 
sind ausschliesslich Seevögel, verhältnissmässig nur wenige bewohnen süsse 
Gewässer. Sie brüten in der Nähe der Küsten auf dem sandigen kahlen 
Strande, an bewachsenen Ufern, in den Dünen, auf Felsen, in Mooren 
meist colonieenweise, so dass man Hunderte und Tausende von Brutpaaren 
an einzelnen Stellen dicht gedrängt antreffen kann. Solche Plätze werden, 
wenn keine bedeutende Terrainveränderung entsteht und die Vögel unge- 
stört bleiben, Decennien, ja Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch Jahr 
auf Jahr von diesen brütenden Schaaren, deren Zahl fortwährend be- 
deutend wächst, wieder angenommen. Die Exeremente, Gewölle, faul ge- 
brütete Fier, dort verendete Junge, nicht genossene Beute haben sich 
von diesen Myriaden im Laufe der Zeit daselbst zu mächtigen Schichten, 
welche weite Flächen überdecken, angehäuft und bilden unter dem Namen 
Guano bekanntlich einen grossartigen Handelsartikel. Bis jetzt hat man 
solche Guanolager nur in den südlichen Meeren, namentlich an der West- 
küste von Südamerika erschlossen. Nach der Brutzeit verlassen sie die 
Brutplätze und zerstreuen sich allmählich über die weiten Wasserflächen, 
ohne jedoch eigentlich zu ziehen. Wegen ihres ausgezeichneten Flug- 
vermögens und der Eintönigkeit des Meeres binden sich die meisten nicht 
an enge Grenzen, sondern schweifen oft sehr weit umher, wechseln sogar 
von der einen Halbkugel zur andern. Man kann sie im Allgemeinen als 
Cosmopoliten bezeichnen, obschon sie sich innerhalb des Tropengürtels 
weniger als nach den beiden Polen zu finden. Es sind bis jetzt unge- 
fähr 150 Arten bekannt, die naturgemäss in die beiden Familien der 
Sturmvögel und Möven zerfallen. Die ersten gehören zumeist den süd- 
lichen Meeren, sowie auch dem höhen Norden an, die anderen haben eine 
weit gleichmässigere Verbreitung. 


1. Familie. Sturmvögel. Procellaridae. 


Grösse in Extremen schwankend; Schnabel gestreckt, gerade, wenig 
seitlich zusammengedrückt; die gewölbte Spitze mit einer starkhakigen, 
durch eine Furche deutlich vom übrigen Schnabel abgesetzten Kuppe; 
Nasenlöcher öffnen sich in zwei dem Schnabel auf der First oder seitlich 
aufliegenden Röhren, woher die Bezeichnung der ganzen Familie als 
„Tubinares“; Armknochen sehr lang; die Schwingen weniger lang als bei 
den Möven; Lauf mittellang, retieulirt, sehr selten gestiefelt; die drei 
Vorderzehen, von denen die äussere gleich lang mit der inneren ist, durch 
volle Schwimmhäute verbunden; die Hinterzehe fehlt, oder tritt nur als 

Altum, Die Vögel, 38 


594 Langschwinger. 


ein höher gestellter bekrallter Stummel auf. Die Sturmvögel vermeiden 
ausser der Fortpflanzungszeit Festland wie Inseln völlig und sind aus- 
schliesslich pelagisch; sie schwimmen sogar selten, sondern fliegen fast 
ununterbrochen. Beim Stosstauchen tauchen sie in der Regel nicht unter 
den Wasserspiegel, sondern nehmen ihre Nahrung, weniger Fische, als 
andere Meeresthiere meist vom Wasserspiegel. Sie brüten auf einsamen 
Felsen und Klippen und legen nur ein weisses oder fast weisses Ei theils 
offen, theils im Finstern einer Felsenhöhle. Sie bewohnen alle Zonen, 
manche Arten innerhalb bestimmter, wenngleich weiter Grenzen, andere 
werden fast in allen Meeren, alle aber ausser der Brutzeit nur als durch- 
aus vereinzelte Umherstreifer angetroffen. Im Binnenlande erscheinen sie 
nur als Verirrte und ermatten daselbst bald. 


Albatross., Diomedea. 


Schnabel kräftig, über mittellang, scharfrandig, Oberschnabel an der 
scharfhakigen Spitze aufgetrieben, Unterschnabel an der Spitze etwas 
herabgesenkt; Nasenröhren kurz, klein, seitlich; Armknochen sehr lang, 
Armschwingen in der grössten Anzahl (40); Lauf von Länge der Mittel- 
zehe; Hinterzehe fehlt. Die Albatrosse bewohnen ausschliesslich die süd- 
lichen Meere und imponiren durch ihre riesige Grösse namentlich Flug- 
weite. Die berühmteste Art ist: 

Der gemeine Albatross, Diomeda exulans L., („Capschaf*). 
Grösse eines kleinen Schwanes; Flugweite 4 bis 4,3 M.; weiss oder 
weissbunt mit schwarzen Schwingen. Er folgt gern meilenweit ja tage- 
lang den Schiffen und lässt sich mit Speck an Angeln fangen. Das 
grosse Ei ist lehmweisslich mit wenigen sehr feinen Punktzeichnungen. 
Zumeist den südlichen Oceanen angehörend, am häufigsten etwa unter 
dem 50° S. Br., tritt er doch in Amerika bis weit nach Norden herauf, 
ist sogar verirrt auch schon nach Europa (Antwerpen) gekommen. 


Sturmvogel. Procellaria. 


Mittelgrosse bis grosse Schwimmvögel; die Hakenkuppe des kurzen 
kräftigen, höchstens kopflangen Schnabels aufgetrieben; Nasenröhren auf 
der Basis der First, nur im Innern durch eine dünne Scheidewand ge- 
theilt; Flügel mövenähnlich gebaut; erste Handschwinge die längste, 
Vorderzehen lang; Hinterzehe meist eine spitzbekrallte Warze. Auch 
die Sturmvögel meiden ausser der Fortpflanzungszeit den festen Boden, 
und kriechen in derselben mehr sich voranschiebend auf die Felsen als 
sie gehen. In Flugkraft stehen sie den Albatrossen nicht nach und ruhen 


Sturmschwalbe. 595 


wie diese nur kurze Zeit auf dem Meere aus. Stellenweise, namentlich 
im Norden, werden sie wohl räumlich zusammengedrängt und scheinen 
dann nach Mövenart gesellig. Besonders finden sie sich von allen Seiten 
bei grossen Thierleichen, etwa Walen, ein. Sie brüten in Meeresnähe 
auf Klippen und legen ein rauhschaliges weisses Ei. Ihre Vertheidigung 
besteht darin, dass sie dem Feinde den thranigen Inhalt ihres Magens 
entgegenspritzen. 

Der Eissturmvogel, Procellaria glacialis L. Einer mittelgrossen 
Möve in Grösse und Färbung ähnlich, doch robuster gebaut, Schnabel 
und Füsse gelb, in der Jugend grünlich oder bläulich und das Gefieder 
mehr bläulich grau. Im Norden ist er eircumpolar einer der bekanntesten 
Begleiter der Walfischfänger und hier die einzige Art, die sich in seltenen 
Fällen auch bis zu unseren deutschen Küsten verirrt hat, steigt übrigens 
im Norden bis zur äussersten Grenze des Lebens auf. Da er stets die 
von Eisschollen freien Meerestheile aufsucht, so ist sein Erscheinen für 
die Nordpolfahrer ein sicheres Anzeichen des offenen Meeres. Er fliegt 
stets dicht über dem Meeresspiegel und folgt bei unruhiger See geschickt 
den Wellenbergen und Thälern. 

Von den ausländischen Sturmvögeln mögen noch genannt werden: 
die Captaube, Pr. capensis L. Saatkrähengrösse, schwärzlichblau, auf 
dem Rücken weissfleckig; am Cap, einmal in Frankreich erlegt; — und 
der Riesensturmvogel, Pr. gigantea L., Gansgrösse, russbraun, in 
südlichen Meeren, einst sogar am Rhein vorgekommen. 


Sturmschwalbe, Thalassidroma. 


Sehr kleine, ja die kleinsten Schwimmvögel, schwarz oder schwärz- 
lich; Schnabel schwächlich, dünn, mit feinem weit greifenden Haken; die 
Nasenröhre liegt oben auf der First; Beine schlank, schwächlich; Lauf 
genetzt und von Länge der Mittelzehe,; Hinterzehe klein, höher gestellt; 
Flügel schmal und lang, zweite Handschwinge die längste. Diese winzi- 
gen, im Fluge sehr an die Segler erinnernden Sturmvögel finden sich 
einzeln überall auf den ungeheuren Oceanen. Sie fliegen sehr nahe dem 
Spiegel und nehmen von dort ihre noch nicht bekannte, weil leicht zer- 
gängliche Nahrung, jedenfalls wohl kleine Quallen auf, berühren sogar oft 
mit der Fusssohle halb laufend, halb mit den Flügeln flatternd die 
Wasserfläche („Thalassidroma“, „St. Petersvögel*). Im Magen hat man 
bis jetzt nur eine thranige Flüssigkeit gefunden, welche auch sie zu ihrer 
Vertheidigung dem Feinde entgegenspritzen. Ihr Erscheinen in der Nähe 
des Schiffes soll Vorbote eines bald losbrechenden Sturmes sein. Sie 


brüten gleichfalls auf Felsen und Klippen und zwar in engen Höhlen, 
38* 


596 Langschwinger. 


sogar in Gemäuer. Ihr mattweisses Ei trägt zuweilen an dem einen 
Ende einen Kranz von äusserst feinen dichtständigen rothen Pünktchen. 
— Zwei Arten sind wiederholt als Verirrte im Innern von Deutschland 
angetroffen. 

Die kleine Sturmschwalbe, Thalassidroma pelagica L. Dieser 
kleinste Schwimmvogel erreicht noch nicht völlig die Körpergrösse des 
Mauerseglers; russschwarz mit weissem Bürzel und einer verwischten 
undeutlichen Flügelbinde; Schwanz abgestuzt. Seine Heimath ist der 
Norden beider Welten; doch treibt er sich auf dem ganzen atlantischen 
Ocean und dem mittelländischen Meere umher. Im Norden muss das 
fette Vögelchen mit durchgezogenem Dochte als Thranlampe dienen. 
Es ist eben keine sehr grosse Seltenheit, dass man ihn in Deutschland 
ermattet findet. Aus dem Münsterlande sind mir mehre dergleichen Fälle 
bekannt, und hier in Neustadt finde ich in unserer akademischen Samm- 
lung auch ein Exemplar, das nach der Etiquettennotiz in der Nähe todt 
gefunden ist. 

Die gabelschwänzige Sturmschwalbe, Thalassidroma Leachü 
Temm. Etwa von Grösse des Alpenseglers ist diese Art an dem gabel- 
förmig ausgeschnittenen Schwanze leicht zu erkennen; die Färbung wie 
bei der vorhergehenden Art. Sie bewohnt mehr den nordwestlichen Theil 
des atlantischen Oceans und wird weit seltener nach dem Binnenlande 
verschlagen; jedoch sind mir davon für die Umgebung von Münster zwei 
Beispiele vom September 1857 und 20. November 1866, bekannt. In dem 
ersten Falle hatte der Schütz, dem der Vogel an einem etwas nebeligen 
Morgen begegnete, denselben für einen kleinen Falken gehalten. 


Sturmtaucher, Puffinus. 


Grösse etwa von Ringel- bis Turteltaube; Oberseite dunkler oder 
heller schiefergrau, Unterseite weiss; Schnabel fein, mittellang, an der 
Basıs breit; Spitze des Oberschnabels hakig, des Unterschnabels gleich- 
falls herabgebogen; für die Nasenlöcher eine kurze, flache, nach vorn 
schräg abfallende Doppelröhre; Armknochen sehr lang; Schwingen mittel- 
lang, spitz; erste Handschwinge die längste; der Lauf reticulirt, von 
Länge der Mittelzehe; Schwanz 12federig, stufig abgerundet. Auch diese 
pelagischen Vögel kommen nur zur Fortpflanzungszeit auf festen Boden; 
sie können kaum stehen oder gehen, sondern hocken auf den Fersen und 
schieben sich unbehülflich weiter, sind aber wiederum ausgezeichnete 
Flieger, die sich enge an die Meeresoberfläche anschmiegend, allen Bergen 
und Thälern mit bewunderungswürdiger Gewandtheit folgen. Auch 
schwimmen sie häufig, und tauchen sowohl vom Wasserspiegel als aus 


Mövenartige Vögel. 597 


der Luft sich in die Welle hineinstürzend und verbinden so diese Familie 
mit den Tauchern. Sie leben in wenigen Arten in gemässigten Zonen. 
Ihr einziges schneeweisses zartschaliges Ei legen sie in irgend einer 
Felsenhöhlung. Als Verschlagene im Innern des Festlandes gehören sie 
zu den grössten Seltenheiten. Ihre halbe Tauchernatur schützt sie vor 
einer solchen Calamität. — In den griechischen Meeren, besonders auf 
den Cyeladen, brüten zwei Arten, Puffinus anglorum Temm., der übrigens 
auch bei den britischen Inseln und an einigen anderen Stellen seine 
Heimath hat, und Puf. obseurus. Gm., tief in Felsenspalten. 


2. Familie. Mövenartige Vögel. Laridae. 


Mittelgrosse und kleine Schwimmvögel mit gedrungenem Körper; 
Schnabel meist mittellang, gerade, doch die Frist meist mehr oder weniger 
herabgebogen; Nasenlöcher öffnen sich seitlich in freie Nasengruben; 
Hals kurz; Flügel spitz; Armknochen mässig lang, Handschwingen sehr 
lang, Armschwingen kurz, Füsse schwächlich bis mittellang, gegen die 
Mitte des Rumpfes eingelenkt; Läufe vorn quergetäfelt, Vorderzehe mit 
ganzen oder ausgeschnittenen Schwimmhäuten, die Mittelzehe am längsten, 
Hinterzehe klein, frei. Die mövenartigen Vögel sind, wie die Sturm- 
vögel ausschliesslich an das Wasser gewiesen, und auch grösstentheils 
Seevögel. Sie gehören doch keineswegs dem offenen Meere, sondern weit 
mehr den Küsten an, manche leben zeitweise oder stets an süssen Ge- 
wässern und auf ihrem Zuge folgen sie vielfach den Flüssen. Sie setzen 
sich, um auszuruhen, gern auf freie Bänke, auf Küsten und Ufer, weniger 
auf das Wasser und zeigen einen starken Hang zur Geselligkeit. Sie 
brüten zumeist in Colonieen, zuweilen zu vielen Tausenden zusammen 
und mischen sich gruppenweise auch gern zwischen fremde Arten, so 
dass z. B. ein beschränktes Terrain nahe zusammen liegende Gesell- 
schaften von Seeschwalben, Möven, Austernfischern, Brandenten u. a. auf- 
zuweisen hat. Auch die nordischen Vogelberge halten einige Möven- und 
Seeschwalbenarten mit Scharben, Alken, Lummen, Krabben- und Papagei- 
tauchern inne. 

Es mag hier am Platze sein auf ein solches Brutterrain und zwar 
das uns zunächst liegende, die kleine Düneninsel Rottum, dem Dollart 
gegenüber, die erste holländische, aufmerksam zu machen. Nur ein ein- 
ziges Gehöfte steht auf derselben, nur eine Familie, die des Vogtes, 
wohnt daselbst. In unvollständiger Hufeisenform wird von Westen das 
innere Weide- und Ackerland von mächtigen Dünen umgeben. Betritt 
man, etwa von Borkum kommend den offenen Strand, so erscheint es in 
der Ferne über den Dünenköpfen als Schneeflockengewirr, während sich 


598 Langschwinger. 


oben hoch in der blauen Luft weisse Gestalten in ruhigem schwebenden 
Fluge ergehen. Kommt man näher, so erkennt man als Hauptmasse die 
reizenden Silbermöven und Brandseeschwalben. Fährt der Wagen, womit 
uns der Vogt vom Strande abgeholt hat, dicht bei einem Nestplatze 
vorüber, so macht sich ob der ungewohnten Störung Alles auf, was 
Flügel hat, und man kann alsdann im buchstäblichen Sinne vor Vögeln 
und Vogelflügeln den Himmel nicht sehen. Diese herrlichen Silber- 
möven halten in etwa 5000 Paaren die hufeisenförmigen Dünenzüge 
besetzt, während die Brandseeschwalben in mindestens 6000 Paaren 
nur auf drei hohen Dünen, dort aber so dicht zusammengedrängt brüten, 
dass stellenweise Nest an Nest steht und man kaum ohne Gefahr, Eier 
oder Junge zu zertreten, den Fuss voran setzen kann. Ausserhalb dieser 
drei Plätze trifft man nirgends irgend ein vereinzeltes Paar. Die kleinere 
Flussseeschwalbe dagegen vertheilt sich mehr über die ganze Fläche 
und ist namentlich nach dem Gehöfte zu äusserst zahlreich. Schätzungs- 
weise beherbergt Rottum von dieser Art wenigstens S000 Paare. Minder 
häufig, doch durch ihre Färbung, bez. ihr Geschrei und Benehmen 
stechen sehr hervor gegen 400 Paar Brandenten und fast eben so viele 
Austernfischer. Zählen wir die geringere Menge der Paare brütender 
Stockenten, kleiner Rothschenkel, Kampfläufer hinzu, so be- 
herbergt dieses kleine Stückchen Eiland gegen 20,000 Paare brütender 
Strand- und Wasservögel. Sind erst die Jungen flügge, so ist das 
Vogelgewimmel dort unbeschreiblich. Hier kann man sich eine gründ- 
liche Vorstellung von der Entstehung der Guanolager machen. Exere- 
mente, die von den Silbermöven als Ballen wieder ausgeworfenen Schalen 
der verschluckten Conchilien, ja, wie ich es einst daselbst sah, als starke 
und anhaltende Platzregen vorher die ganze Brut der Brandseeschwalben 
getödtet hatten, die Leichen unzähliger Jungen — Alles häuft sich an 
solchen gemeinsamen Nistplätzen an. Hier jedoch auf dem Dünensande 
werden diese Dungstoffe rasch von dem leichten durchlassenden Boden 
aufgenommen; dort aber, auf jenen Felsen und Klippen legt sich Schicht 
auf Schicht. Obgleich auch die anderen benachbarten Nordseeinseln den 
meisten der genannten Arten Brutplätze bieten, so ist doch Rottum als 
der eigentliche Heerd namentlich der Silbermöven und Brandseeschwalben 
anzusehen, welche ausser der Brutzeit den Dollart und die Küsten von 
Ostfriesland, sowie der meisten Inseln, namentlich Borkum, Juist, Norder- 
nay, Baltrum u. a. weithin beleben. — Die Eier der mövenartigen Vögel, 
gewöhnlich 3 eines Geleges, tragen auf lehmgelblichem bis olivenbraunem 
Grunde stets eine kräftige und reichliche tiefbraune Fleckenzeichnung. 
Ihre Beute, kleine Fische oder andere Wasserthiere ergreifen sie stoss- 
tauchend, indem sie zur genauen Fixirung einen Augenblick zu rütteln 


Seeschwalbe. 599 


pflegen und sich dann jäh herabstürzen, so dass sie wohl auf kurze Zeit 
unter dem Wasserspiegel verschwinden. Doch kommen auch andere Ernährungs- 
weisen, namentlich eine parasitische vor. In ihrer Färbung treten sie in 
den einzelnen Gattungen sehr homogen auf, so dass eine Unterscheidung 
der Arten nach derselben oft schwierig ist. Im Allgemeinen herrscht 
Weiss und ein zartes helles gedämpftes Blau vor. Schnabel und Füsse 
tragen bei den hell gefärbten Arten gar oft eine intensive grelle Farbe, 
namentlich Roth. Männchen und Weibchen sind äusserlich kaum von 
einander zu unterscheiden, jedoch die Jungen von den Alten häufig so 
verschieden, dass die Zusammengehörigkeit beider aus Farbe und Zeich- 
nung nicht geahnt werden kann; auch ist das Sommer- und Winterkleid 
nicht identisch. Man unterscheidet fast 100 verschiedene, in allen Welt- 
theilen einzeln auftretende Arten, die in Seeschwalben, Scheerenschnäbler, 
Möven und Raubmöven zerfallen. Deutschland hat eine ziemliche Anzahl, 
manche freilich nur als Verschlagene und Irrgäste, aufzuweisen. Da die 
Arten innerhalb der einzelnen Gattungen sich in ihrem ganzen Verhalten 
ungemein ähneln, so können wir uns nach einer Charakteristik dieser 
Genera für die meisten Spezies um so mehr mit einer kurzen Diagnose 
begnügen, als dieselben fast einzig auf die Inseln und Küstenstriche be- 
schränkt sind, und nur die wenigsten Forstleute mit ihnen anders als zu- 
fällig und selten zusammentreffen. Auch die Beschreibung der Eier 
möchte ich hier unterlassen, weil sie einander zu ähnlich sehen, als dass 
sie durch wenige Worte gekennzeichnet werden könnten. Ein ganz er- 
hebliches Variiren bei manchen Arten erschwert eine zweckdienliche Be- 
schreibung noch mehr. 


Seeschwalbe, Sterna. 


Die Seeschwalben zeigen von allen Lariden den feinsten Bau, die 
leichteste, zierlichste Gestalt, die längsten, spitzesten Flügel, den längsten 
oft in sehr lange Spiesse auslaufenden Gabelschwanz. Auch im Fluge 
machen sich diese leichten Formen den gleichfarbigen Möven gegenüber 
geltend, so dass man auch in bedeutender Entfernung bei nur einiger 
Erfahrung und Uebung über die Gattung nicht im Zweifel zu sein braucht. 
Mit zwei Falken verglichen, würden die Seeschwalben etwa dem Lerchen- 
falk, die Möven dem Wanderfalk entsprechen. Ihr Schnabel comprimirt, 
mehr oder weniger mittellang, fast gerade, die First zur Spitze im 
flachen Bogen gleichmässig abfallend, diese Spitze nie hakig, Schnabel- 
ränder scharf, dort wo die beiden Unterkieferäste zusammenstossen ein 
vorspringendes Eck, „Kinneck“; die Nasenlöcher linear, durchgehend, 
liegen in der Mitte des Basaldrittels des Schnabels; Stirn schmal und 


600 Langschwinger. 


niedrig; Flügel weniger durch verlängerte Armknochen als durch die 
feinen spitzen Handschwingen, deren erste die längste, unverhältnissmässig 
lang; die Armschwingen kurz und schwach säbelförmig zum Körper hin 
gebogen; der Schwanz theils tief, theils flach gegabelt. Gegen diese so 
äusserst stark ausgebildeten Flugapparate treten die schwächlichen Beinchen 
sehr zurück, die Schwimmhaut stark ausgerandet. Sie gehen selten, 
schwimmen kaum oder nie, nur dass sie sich ab und zu auf die Wasser- 
fläche zum Ausruhen niederlassen, wobei sie das Handgelenk so senken, 
dass die Flügelspitzen hoch nach oben ragen. Man sieht sie deshalb fast 
stets in kräftig sanftem Fluge, der sie bei jedem Flügelschlage schaukelnd 
hebt, über die Wasserfläche dahin rudern, über ihrer Beute wie ein 
papiernes Windmühlchen rüttelnd flattern und sich dann kopflings auf 
dieselbe hinabstürzen, so dass sie häufig auf einen Augenblick unter dem 
Spiegel verschwinden. Stärkerem Winde können diese fein gebauten 
Dinger nicht Stand ‚halten; sie haben alsdann ihre grossen Flügel nicht 
mehr in ihrer Gewalt. Von denen, welche ich vielfach zu beobachten 
Gelegenheit hatte, zeigten sich die Brand- und die Zwergseeschwalbe am 
Alugkräftigsten. Von den in Gesellschaft bewohnten Brutplätzen zer- 
streuen sie sich nach Beendigung des Fortpflanzungsgeschäftes und 
wandern endlich längs der Meeresküsten oder die Flüsse entlang zum 
wärmeren Süden. In’s Binnenland verirren sie sich weit weniger als die 
Möven. Ihre gegen 50 Arten hat man in verschiedene Gruppen, 
Gattungen und Untergattungen getheilt, die nicht blos in Körperbildung, 
sondern auch in ihren Lebensäusserungen einige Verschiedenheiten zeigen; 
im Grossen und Ganzen bekunden sie jedoch eine auffallende Ueberein- 
stimmung. Für unsere hiesigen 10 Arten mögen hier zwei solcher 
Gruppirungen nach der Hauptfärbung Platz finden. 


a. Weisse Seeschwalben. 


Hauptfarbe weiss, so stets die ganze Unterseite, Schwanz und Kopf- 
seiten; der Scheitel und Hinterkopf tief schwarz im Sommer, weissfleckig 
im Winter; Mantel äusserst zart mövenblau. In der Jugend Oberkopf- 
färbung weiss und schwarzfleckig und dann der Mantel ähnlich, auf sehr 
hellem Grunde schwärzliche Schuppenflecke, oder düster graubräunlich, 
nach dem Hinterkopfe schwärzlich und dann der Mantel auf bläulich 
grauem Grunde mit braunen breiten Federkanten. Diese Gruppe be- 
wohnt das Meer, jedoch auch süsse Gewässer, wählt aber stets klares 
reines Wasser und brütet auf Kies- und Sandbänken. Ihre Eier ent- 
sprechen dieser Umgebung; auf gelblich sandfarbenem Grunde nämlich 
tragen sie weitständige braune Flecken, 


Die Raubseeschwalbe, — Die Brandsceschwalbe. 601 


I. Die Raubseeschwalbe. 
Sterna caspia Pall. 

Die plumpste Art, von fast Krähengrösse; Schnabel von Kopfeslänge, 
sehr stark, zinnoberroth, in der Jugend röthlich; Füsse schwarz; Schwanz 
von den Flügeln weit überragt, auf '/, seiner Länge gabelig ausgeschnitten. 
— Ihrer Benennung entsprechend bewohnt sie das Caspische, doch auch 
das Schwarze Meer, viele Küsten des südlichen Asiens, sogar die Sand- 
wichsinseln. Auffallender Weise tritt sie mit weiter Unterbrechung auch 
nördlich von uns im südlichen Schweden und an einigen Stellen Däne- 
marks auf. Auf deutschem Boden findet sich eine einzige nicht mehr 
sehr mächtige, aber ängstlich geschützte Colonie auf Sylt (beim Dorfe 
Lyst). Da sie anderen schwächeren Arten Eier wie Jungen raubt, hat 
sie ihren deutschen Namen mit Recht erhalten. 


2. Die Lachseeschwalbe. 
Sterna anglica Mont. 

Etwa Dohlengrösse; Schnabel kurz, nicht ganz von Kopfeslänge, 
schwarz; Füsse ebenfalls schwarz; Schwanz ziemlich kurz, '/, seiner 
Länge gabelig eingeschnitten. — Diese Art hat ebenfalls eine ungeheure 
Verbreitung. Sie bewohnt das gemässigte Nord- und Südamerika und 
gehört in Brasilien zu den bekannten Vögeln. In Europa hat sie im 
Süden und Südosten, recht zahlreich z. B. in Griechenland, Ungarn und 
Dalmatien ihre Heimath. Für Deutschland ist sie nur als nicht häufiger 
Irrgast anzusehen. Im Münsterland wurde sie in den letzten Decennien 
ein einziges Mal (bei Osterwick) erlegt. 


3. Die Brandseeschwalbe. 
Sterna cantiaca Gm. 

Fast von der Grösse der vorigen Art, allein gestreckter; Schnabel 
lang, über Kopfeslänge, schwarz mit guttgelblicher Spitze; Füsse schwarz; 
die Flügel überragen nur wenig den gleichfalls nicht tief ausgeschnittenen 
Schwanz. Die Brand- oder kentische Seeschwalbe hat ihre Heimath so- 
wohl auf der westlichen als östlichen Halbkugel, da sie im gemässigten 
Nordamerika und Europa auffallender Weise aber nicht in Asien brütet. 
Im Süden erstreckt sie sich bis Guatemala und Cuba; auch bewohnt sie 
an manchen Stellen die afrikanische Küste. Wie zahlreich sie an ein- 
zelnen Punkten der Nordsee ihre Heimath aufschlägt, ist aus dem S. 598 
über Rottum Gesagten ersichtlich. Aehnliche Colonieen, obschon nur 
wenige in gleicher Stärke, befinden sich in Jütland und auf den Däni- 
schen Inseln. In der Ostsee dagegen kommt sie als Brutvogel wohl nicht 
vor. Da sie stets reines Seewasser liebt, so besucht sie nur sehr vor- 


602 Langschwinger. 


übergehend die Flussmündungen und steigt die Flüsse aufwärts nur 
äusserst selten in's Festland. Für die Umgebung von Münster sind mir 
zwei Fälle bekannt, der letzte 1860, wo im Sommer eine Brandseeschwalbe 
auf der Ems geschossen wurde, 


4. Die Dougias-Seeschwalbe. 
Sterna Douglasi Mont. 


Aehnlich der vorigen, doch schwächer, freier, gestreckter gebaut; 
Schnabel sehr gestreckt, schwarz, mit oder ohne gelbe Spitze, Füsse 
gelb; der sehr tief gabelige Schwanz, dessen äussere Federn zu Spiessen 
verlängert sind, überragt die Flügel. Diese Art findet sich von unserer 
Nordsee, Grosbrittanien und Frankreich, bis nach ÖOstindien, und dem 
gemässigten und heissen Amerika verbreitet. An unseren Küsten und 
überhaupt für Deutschland ist sie ein seltener Vogel. Es sei auf sie hier 
aufmerksam gemacht, damit ein früherer Fall, in dem sie an der Nordsee 
von einem meiner Freunde erlegt leider unbeachtet blieb, sich nicht 
wiederholen möge. 


5. Die Flussseeschwalbe. 
Sterna hirundo L. 


Diese allbekannte Art ist nebst der Zwergseeschwalbe die einzige 
dieser Gruppe, welche auch im Binnenlande an den meisten grösseren 
Teichen, Seen, Flüssen dort als Brut- und Sommervogel lebt, wo die 
Ufer flach und kiesig sind, sich Sandbänke abgelagert haben, oder solche 
vom Ufer her in die Wasserfläche hinein erstrecken. Schnabel mennig- 
roth; der tief gegabelte und in Spiesse ausgezogene Schwanz wird von 
den Flügeln etwas überragt. Sie bewohnt Europa und Nordamerika, steigt 
jedoch nicht hoch nach Norden hinauf. An unserer Nordsee (s. $. 598) 
brütet sie stellenweise in ungeheurer Menge, fehlt keineswegs der Ostsee, 
belebt alle Flussmündungen und grösseren Flüsse. Sie ist deshalb am 
allgemeinsten bekannt. Hier im Osten von Norddeutschland schwebt sie 
über jedem nur etwas grösseren See; im Westen brütet sie nicht so häufig; 
doch sieht man sie Ende April, Anfangs Mai, seltener im September 
überall durchziehen. Ihr lautes „Kriäh” charakterisirt sie auch dort, wo 
sie, wie am Seestrande, mit der äusserst ähnlichen folgenden Art zu- 
sammen vorkommt. Sie ist eine wahre Zierde unserer Gewässer, doch 
auch ein arger Fischfänger. Ich erhielt hier ein kleines Junges noch im 
reinen Dunenkleide, das einen staunenswerth langen Fisch (von Finger- 
länge) bei sich hatte. Der Schwanz steckte noch im Schnabel, während 
der Kopf bereits im Magen verdauet war. 


Die Küstenseeschwalbe. — Graue Seeschwalben. 603 


6. Die Küstenseeschwalbe. 
Sterna macrura Naum. 

Der bekannten vorhergehenden Art zum Verwechseln ähnlich; jedoch 
Schnabel und Füsse tief zinnoberroth, ersterer ohne schwarze Spitze; 
Kinneck kaum bemerkbar, der in sehr lange Spiesse ausgezogene Schwanz 
ragt so weit als die Flügel oder überragt dieselben noch etwas, die Unter- 
seite ist statt weiss zart hell aschgrau. Sie gehört dem höheren und 
höchsten Norden an („aretica” Temin.), bewohnt z. B. noch Spitzbergen 
und Nowaja-Zelmja, findet sich übrigens noch zahlreich an unseren Nord- 
und Ostseeküsten. Als ausschliesslicher Seevogel kommt sie freiwillig 
nicht in’s Binnenland. Der einzige Fall, dass sie im Münsterlande meines 
Wissens angetroffen ist, war am 31. Mai 1864, wo sie nach einem heftigen 
Nordsturme bei Sarbeck auf einem Felde gefunden wurde. 


7. Die Zwergseeschwalbe, 
Sterna minuta L. 


Die geringe Grösse charakterisirt diese Art schon ausreichend, da 
ihr Körper den einer Lerche kaum übertrifft; Schnabel und Füsse gelb, 
etwas ins Orangefarbene ziehend (in der Jugend mehr fleischfarben), Stirn 
weiss; Schwanz nur etwa '/, seiner Länge gegabelt, von den Flügeln 
überragt. Sie ist kein nordischer Vogel; ihre nördlichsten Brutstellen 
mögen in Europa etwa in der Nähe des 58° n. B. liegen; Afrika bewohnt 
sie an den meisten Küsten, sowie auch im Innern; sie hat ihre Heimath 
ferner in Indien, sogar in Australien. Ihre meisten Brutplätze liegen am 
Meere, doch brütet sie auch an grösseren Flüssen. Wie es scheint sind 
ihre Colonieen nie sehr zahlreich, An den Küsten unserer Nordsee und 
deren Inseln trifft man sie überall an. Von allen hiesigen Arten hat sie 
die am meisten sandfarbigen Eier (auf sandgelbem Grunde nur kleinere 
und weitständige Flecken). 


b. Graue Seeschwalben. 


Hauptfarbe schiefergrau bis schieferschwarz, doch im Winter unten 
und am Vorderkopf weiss; Schwimmhäute sehr tief ausgeschnitten. Sie 
bewohnen colonieenweise die bewachsenen süssen Gewässer, grössere Sümpfe, 
Moore, überschwemmte Wiesenflächen; scheuen den nackten klaren Sand 
und Kies, lieben dagegen einen niedrigen dichten Pflanzenwuchs, Gräser, 
Schill. Dem entsprechend sind ihre Eier mehr olivengrün, nie sandgelb» 
und besetzt mit vielen intensiven Flecken. Sie erbeuten ihre Nahrung 
ähnlich wie die Arten der ersten Gruppe, doch tauchen sie weniger tief 

_ beim Herabstossen ein und nähren sich auch weit weniger ausschliesslich 


604 Langschwinger. 


von Fischen, ziehen vielmehr die nicht so flüchtige Insectenbeute vor. 
Von diesen leben in Deutschland nur drei Arten. 


8. Die weissbärtige Seeschwalbe. 
Sterna hybrida Pall. 

Erheblich kleiner, als die gemeine Flussseeschwalbe; Schnabel und 
Füsse tief zinnoberroth, in der Jugend blasser, ersterer dann mit schwärz- 
licher Spitze; Oberseite aschbläulich, die schwarze Kopfplatte nur bis zu 
den Augen und dem Hinterkopfe reichend; Kehle und Kopfseiten weiss, 
woher ihre deutsche Benennung (auch „leucopareia” Natter.); Schwanz 
ziemlich tief ausgeschnitten, doch seine äusseren Federn nicht in Spiesse 
verlängert. Eier auf stark olivengrünem Grunde mit kleineren Flecken 
besetzt. (Die ähnliche afrikanische Art albigena hat sandgelb grundirte, 
spärlich gefleckte Eier). Sie ist ein südlicher und südöstlicher Vogel, 
brütet jedoch schon in Baiern, häufiger in Ungarn und Dalmatien, in Afrika 
bis Nubien und zahlreich im wärmeren Asien. Für Norddeutschland ist 
sie eine grosse Seltenheit. Im Münsterlande wurde vor etwa 10 Jahren 
ein jugendliches Exemplar erbeutet. 


9. Die weissflügelige Seeschwalbe. 
Sterna leucoptera Schinz. 

Körper etwas über Haubenlerchengrösse; Schnabel röthlich schwarz; 
Füsse roth, Bürzel und der schwach gegabelte Schwanz weiss; Kopf und 
Rumpf der Alten schwarz, sonst Rücken dunkelgrau, wogegen die weiss- 
grauen Flügeldeckfedern hell abstechen. Auch sie ist eine südliche und 
südöstliche Art, lebt jedoch auch zahlreich in Nordamerika. Bis ins In- 
nere von Deutschland verirrt sie sich selten. 


I0. Die sohwarze Seeschwalbe. 
Sterna fissipes L. 

Kaum grösser als die Zwergseeschwalbe; der schlanke Schnabel schwarz, 
Füsse tiefbraun; Rücken, Flügeldeckfedern und Bürzel schiefergrau, kaum 
heller der schwach gegabelte Schwanz; die Alten im Sommer Kopf und 
Hals schieferschwarz, Rumpf wenig heller. Diese Art ist wohl von den 
im Binnenlande brütenden die häufigste, jedoch colonieenweise durchaus 
sporadisch vertheilt. Sie will grössere Teiche und Landseen mit in Sumpf, 
Fenne, Wiesen auslaufenden Ufern, stellenweise Schilfparzellen, Seggengräser 
und im Wasser Nymphäen, Stratiotes, Potamogeton und ähnliche Wasser- 
pflanzen. Nach Norden steigt sie bis kaum zum 60° auf, erstreckt sich 
aber im Süden über viele Mittelmeerinseln bis Nordafrika und ist im 
grössten Theile von Asien heimisch, Auf unseren Nordseeinseln brütet 


Möve. | 605 


sie nicht, ich habe sie im Herbst nur auf Nordernay gesehen. Im benach- 
barten Holland, Oldenburg, an einzelnen Stellen im Münsterlande (Rheine, 
Dreierwalde), desgleichen bei Braunschweig (Riddagshauser Teiche) und 
hier bei Neustadt in den Oberbrüchern hat sie nicht unbedeutende Colonieen. 
Wo sie aber nicht brütet, sieht man sie äusserst selten durchziehen, wohl 
deshalb, weil sie einen grossen Widerwillen gegen Flüsse zu haben scheint. 
Aus der nächsten Umgegend von Münster kenne ich nur einen einzigen 
Fall ihres Vorkommens (im Mai 1864 auf der Coer-Heide). Als Träger 
ihrer olivenbraunen, stark gefleckten Eier wählt sie sehr gern Nymphäen- 
blätter, die dicht und fest zwischen anderen Wasserpflanzen stehen. — 
Die Sterna nigra L. ist die vorhergehende Art; Briss. diese. 

Den Seeschwalben zunächst stehen die düster gefärbten nächtlichen 
Scheerenschnäbler, Ahynchops, deren Schnabel wohl unter allen die 
widersinnigste Gestalt zeigt. Derselbe ist lang und gerade, und wie eine 
Desertmesserklinge flach, der Oberschnabel sonderbarer Weise bedeutend 
kürzer als der Unterschnabel. Diese sehr langschwingigen und gabel- 
schwänzigen Vögel bedienen sich dieses komischen Schnabels, um die 
Wasserfläche in langen Strichen zu furchen und so zu ihrer kleinen thie- 
rischen Nahrung zu gelangen. Ihre Zehen tragen tief ausgeschnittene 
Schwimmhäute. Ihre Eier sind durchaus seeschwalbenähnlich, doch ge- 
sireckter und von feinerem Korn. Jth. flavirostris, (Afrika), nigra, tro- 
pisches Amerika. 


Möve, Larus. 


Körper kräftig, Stirn weniger niedrig und verengt als bei den See- 
schwalben; Hals länger und dicker; Schnabel mittellang, seitlich stark com- 
primirt; Oberschnabel überragt mit einer schwachhakigen, allmählich vom 
Ende der grossen Nasenhöhle sich hebenden Kuppe die Spitze des Unter- 
schnabels; Schnabelränder sehr scharf; Kinneck deutlich; Rachen weit; 
Nasenlöcher öffnen sich gegen die Mitte des Schnabels; Flügel spitz, lang, 
breit, die erste Handschwinge die längste; Armknochen ziemlich lang; 
Füsse ziemlich stämmig; Vorderzehen mit vollen Schwimmhäuten; Hinter- 
zehe schwach, höher eingelenkt; Schwanz mittellang, fast stets stumpf 
endend; kleines Gefieder sehr dicht, fast pelzartig. Die etwa 40 Arten 
der Möven vertheilen sich über alle Zonen der Erde, finden jedoch den 
Schwerpunkt ihres Vorkommens in den gemässigten und kalten Zonen 
und steigen in letzteren bis in noch unbekannte Eismeere hinauf. Sie 
beleben mehr die Küstenstriche als das hohe Meer, sehr weit vom Lande, 
woselbst die pelagischen Sturmvögel umherjagen, treffen wir die Möven 
nicht mehr an. Aehnlich wie die Seeschwalben lieben auch sie die Ge- 


606 Langschwinger. 

selligkeit, nur auf Irrwegen schweifen ganz vereinzelte Individuen umher. 
Dem entsprechend brüten sie colonieenweise und zwar zumeist an den 
Meeresküsten, auf Dünen, Felsen, einzelne Arten jedoch auch an süssen 
Gewässern im Binnenlande. Ihre Eier sind gross, derber, grobkörniger 
als die der Seeschwalben. Die Jungen erhalten erst nach zwei Jahren 
allmählich das Kleid der Alten. Sie nähren sich nicht bloss von lebenden 
Thieren, welche sich stosstauchend erbeuten, oder von der Oberfläche ab- 
lesen, als Fische und Radiaten, sondern fallen über jeden geniessbaren 
Auswurf des Meeres her, finden sich z. B. bei grösseren Thierleichen sehr 
bald als gierige Fresser ein. Ja einige suchen sich zeitweise sogar auf 
dem Lande Gewürm. Auf festem Boden sind sie nämlich durchaus nicht 
so unbeholfen, als die Seeschwalben, sondern recht gut zu Fuss und ver- 
mögen es auch auf der Wasserfläche zu schwimmen, wobei sie den Schwanz 
und die Spitzen ihrer langen Flügel stark emporgerichtet tragen. — Die 
Determinirung der einzelnen Arten ist nicht leicht, denn einerseits stehen 
sich stets mehre derselben ausserordentlich nahe und anderseits variiren 
die Individuen derselben Art nach Alter und Jahreszeit sehr erheblich 
und auch die plastischen Verhältnisse bieten wegen der oft stark schwan- 
kenden Körpergrösse ihre Schwierigkeiten. Die beiden Geschlechter da- 
gegen pflegen sich kaum zu unterscheiden. Ein recht zuverlässiges Merkmal 
bieten ohne Zweifel die Zeichnungen der fünf ersten Handschwingen und 
wenn auch hier auf etwa schwarzem Grunde bald grössere bald kleinere 
weisse Partieen auftreten, so liegt doch in der Zeichnung für die Indivi- 
duen der einzelnen Arten ein bestimmter, leicht erkennbarer Charakter. 
Sogar die mehr oder weniger gleichmässig schwärzlichen Schwingen der 
Jungen zeigen die im Alter weissen Stellen lichter. Bei genauerem Ver- 
gleiche wird man an diesen lichten Stellen auch die Jungen zu diagno- 
stieiren im Stande sei. Ich gebe deshalb hier in '/, natürl. Grösse für 
die am meisten vorkommenden Spezies in der Zeichnung, wie sie bei uns 
aufzutreten pflegt, eine Abbildung der fünf ersten Handschwingen; wieder- 
hole jedoch hier die früher bereits gemachte Bemerkung, dass eine spe- 
zielle Behandlung des Lebens der einzelnen Arten ausserhalb des Zweckes 
dieses Buches liegt. Es ist hier nur beabsichtigt, den glücklichen Schützen 
irgend eines Individuums in den Stand zu setzen, seine Beute bestimmen 
zu können, sowie die Heimath und den Werth derselben, ob selten oder 
nicht, zu erfahren. 

Als überleitende Form von den Seeschwalben zu den Möven möge 
hier vorab die Gabelsechwänzige Möve, Xema Sabinüi Leach, er- 
wähnt werden, eine kleine, etwa turteltaubengrosse hochnordische Art, die 
jenseits des 75° n. Br. in Asien am Taimyrflusse und See, wie unter 
gleichem Breitegrade in Amerika ihre Brutzone findet. Wiederholt ist 


Die Lachmöre. 607 


sie in Europa, einige Male auch in Deutschland vorgekommen, und im 
Münsterlande sowohl ein altes Männchen im Sommerkleide, als auch (bei 
Österwick) ein junges Exemplar erlegt. Der nicht tief ausgeschnittene 
Gabelschwanz und die schwarzen mit weisser Spitze versehenen Hand- 
schwingen lassen sie in Verbindung mit der angegebenen Grösse vor- 
kommenden Falles erkennen. Man könnte des dunklen Kopfes des alten 
Vogels im Sommerkleide wegen diese gabelschwänzige Möve zu den sog. 
Kappenmöven rechnen, zu denen ausser der Zwergmöve, Larus minutus 
Pall. (von Misteldrosselgrösse, Schnabel schwärzlich, Füsse roth; mittleres 
Asien) und der schwarzköpfigen Möve, Zarus melanocephalus Natt. 
(Feldtaubengrösse, Südosteuropa), gehört: 


I. Die Lachmöve. 
Larus ridibundus L. 


Taubengrösse; Füsse und der gestreckte feine Schnabel roth, in der 
Jugend fleischfarben. Diese Art geht nicht hoch nach Norden hinauf 


-— 


Alter y junger Vogel. 
Fig. 28. 


da sie den 61 oder 62° n. Br., stellenweise nicht einmal den 58° über- 
schreitet, dagegen nach Süden sich bis Nordafrika verbreitet. Wo in 
Deutschland, Ungarn, den Mittelmeerländern grosse, stellenweise offene, 
und mit Binsen, Rohr, Schilf, Gräsern bewachsene Landseen sich aus- 
breiten, ist gewiss auch die Lachmöve heimisch, da sie eben so gern das 
Süsswasser des Binnenlandes als die Meeresküsten zum Brutplatz wählt. 
In Norddeutschland findet sie sich zahlreich in den Küstenländern der 
Ostsee. Grosse Mengen Eier kommen von dort jährlich als Kiebitzeier 


608 Langschwinger. 


nach Berlin. Ihre Nahrung nimmt sie dicht über dem Wasserspiegel 
flatternd und sich alle Augenblicke nach derselben herablassend, gleichsam 
tänzelnd von der Oberfläche, was sich bei einer engeren Gesellschaft dieser 
Möven fast komisch ausnimmt. Sie sucht aber auch allerhand Larven 
und Gewürm vom Lande auf, lässt sich in Menge auf die frisch ge- 
brochenen Aecker nieder oder folgt sogar krähenartig zu Hunderten dem 
Pflüger der Regenwürmer und Engerlinge wegen. Sie ist die einzige Art, 
welche auf diese Weise erheblich nutzt. 


2. Die dreizehige Möve. 
Larus tHidactylus L. 

Ringeltaubengrösse; Schnabel grüngelb, in der Jugend schwärzlich; 
Füsse braun, in der Jugend fleischfarben; Hinterzehe kaum entwickelt und 
daran leicht zu erkennen. Der 55° bis 60° n, Br. 
bilden die Südgrenze ihrer Heimath, von wo sie 
sich eireumpolar so hoch nach Norden erstreckt, 
als kaum eine andere Species, da sie zwischen 
dem 82° und 83° n. Br. noch weiter nach Norden 
\ \ ziehend gesehen ist. Von allen nordischen Möven 
verirrt sich diese Art am häufigsten in’s Binnen- 
land. Bei Münster ist sie sowohl mitten im Winter, 
als im Februar, März und April mehrfach erlegt, 
oder ermattet, einmal mit einer Hechtangel im 
Magen, deren Schnur noch spannenlang aus dem 
Schnabel hervorhing, verendet gefunden. 


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1ER 3. Die Sturmmöve. 


Fig. 29. Larus canus L. 


Lars tadebtye Grösser, namentlich robuster gebaut als die 


vorhergehende; Schnabel und Füsse bläulich oder 
grünlichgelb, in der Jugend fleischfarben. Sie 
bewohnt Nordeuropa und Asien, nicht Amerika, von dem 54° n. Br. bis 
etwa zur Höhe der Nordcap-Inseln und -Küsten, und wird nicht selten 
mit der Lachmöve zusammen angetroffen. An unseren Ost- und Nord- 
seeküsten ist sie im Herbst zahlreich; im Innern des Festlandes gehört 
sie keineswegs zu den häufigen Erscheinungen, obschon sie daselbst nicht 


gerade als selten zu bezeichnen ist. 


4. Die Silbermöve. 
Larus argentatus L. 


Rabengrösse; Schnabel eitronengelb mit zinnoberrothem Kinneck, in 


Die Sturm- und Silbermöre. 609 


Alter junger Vogel. 
Fig. 30. 


Larus canus L. 


__ 


Alter Junger Vogel, 


Fig. 31. 
Larus argentatus L, 
Altum, Die Vögel, 39 


610 Langsehwinger. 


der Jugend schwärzlich, Füsse fleischfarben. Sie lebt als Brutvogel in 
beiden Welten, erstreckt sich in Amerika von Labrador bis Cuba, auf der 
östlichen Halbkugel etwa vom 71°n. Br. bis zum Mittelmeer. Wie zahl- 
reich sie in unserer Nähe auf der Insel Rottum brütet, ist bereits vorhin 
Seite 598, erwähnt. In ähnlicher Menge ist sie auf Sylt, in kleineren 
Colonieen auf einer grossen Anzahl von Inseln heimisch. Nie siedelt sie 
sich im Innern des Landes an. Es muss im hohen Maasse überraschen, 
dass, während Tausende den Dollart und die friesischen Küsten beleben, 
in dem gegen das Meer hin gänzlich offenen Münsterlande in mehr als 
30 Jahren meines Wissens nur ein einziges Mal eine Silbermöve (jung) 
erlegt ist. 


5 Die Heringsmöve. 
Larus fuscus L. 
Ueber Krähengrösse; Schnabel wie bei der Silbermöve; im Alter mit 
schieferschwarzem Mantel. Sie gehört dem Norden von Europa au; die 


= 


Alter > junger Vogel, 
Fig. 32. 


Larus fuscus L. 


Färöer und Nordschottland sind ihre südlichsten Brutplätze. Nirgends 
tritt sie in solchen Massen auf als die vorhergehende Art; an unseren 
norddeutschen Flüssen erscheint sie nur einzeln, im Inneren des Landes 
recht selten und dann meist nur im graubunten Jugendkleide, 


Die Mantelmöve, — Die Porlarmöre. 611 


6. Die Mantelmöve. 
Larus marinus L. 
Ringelgansgrösse; eine im Fluge imponirende reiherartige Gestalt ; 
Schnabel wie die Silbermöve, Mantel im Alter schieferschwarz. Sie be- 


wohnt ebenfalls den hohen Norden und auch nur in kleinen Gesellschaften 


Alter junger Vogel, 


Fig. 33. 


Larus marinus L. 


ihres Gleichen. Gegen die schwächeren Arten ist sie räuberisch, beim 
Aase gierig wie ein grosser Geier. Auch ihre Erscheinung im Innern des 
Landes gehört zu den Seltenheiten. Auf einer Mole bei der Knocke am 
Dollart sah ich ein oder anderes Individuum bei jeder Vorüberfahrt. 


7. Die Eismöve. 
Larus glaucus Brünn. 
8. Die Polarmöve. 
Larus leucopterus Fab. 

Beide Arten haben im Alter ganz weisse, in der Jugend, wie Fig. 34. 
andeutet, zart dunkel gewässerte Schwingen; Schnabel wie die Silber- 
möve. Die Eismöve von Ringelgansgrösse, die Polarmöve nur etwas stärker 

39* 


612 Langschwinger. 


als eine Krähe. Beide bewohnen eircumpolar den höchsten Norden, ihre 
südlichsten Brutplätze erreichen etwa den 62° n. Br. An unseren Küsten 
sieht man sie selten, als Verirrte im Innern des Landes fast nie. 


Fig. 34. Fig. 35. 
Eismöve, jung. Polarmöve, alt. 


Noch seltener ist die kaum krähengrosse, gleichfalls boreale Elfen- 
beinmöve, Larus eburneus L., schneeweiss ohne alle Zeichnung, nur 
in der Jugend mit einzelnen schwarzen Tropfen; Schnabel graublau mit 
gelber oder orangefarbener Spitze, Füsse schwarz. 


Raubmöve, Lestris. 


Gestalt im Ganzen mövenartig, doch giebt ihnen schon der bis zu 
der abgesetzten, scharfhakig abfallenden Spitze fast walzliche Schnabel ein 
abweichendes Ansehen. Bis zur Spitze ist der Oberschnabel mit einer 
weicheren Wachshaut überzogen, unter welcher sich die Nasenlöcher vor 
der Schnabelmitte ritzenförmig Öffnen; Flügel lang und spitz, die erste 
Handschwinge die längste; Füsse mövenartig, zweifarbig bleiblau und 
schwarz; Schwanz 12federig, keilförmig, die beiden Mittelfedern oft, sogar 
wohl sehr bedeutend spiessförmig verlängert. Das dichte Gefieder trägt 


N Raubmöve. 613 
stets düstere, braune Färbung, im Alter mehr eintönig, in der Jugend 
hellschuppig. Lebhafte Farben an Schnabel und Füssen, wie bei den 
Seeschwalben und Möven, treten nie auf; diese Theile sind bleiblau und 
schwarz. Sie gehen und laufen behende, schwimmen nicht ungeschickt, 
fliegen sehr gewandt, abwechselungsvoll, schnell. Fliegend zeigen sie eine 
eben so grosse Aehnlichkeit mit den Raubvögeln als mit den Möven; sie 
erscheinen dann als dunkle Möven mit Raubvogelhals und -Kopf. Sie 
gehören dem offenen Meere an und besuchen nach Art der Sturmvögel 
Inseln, Küsten, einzelne Klippen fast nur zur Fortpflanzungszeit. Sie 
fallen dann gern, Schrecken um sich her verbreitend, in fremde Colonieen 
ein und rauben Eier und Junge, und brüten selbst abgesondert von jenen 
in sehr kleinen Gesellschaften, doch will man schon gegen 50, ja bis 
100 Paare Raubmöven an gemeinsamen Brutplätzen beobachtet haben. 
Ihre Nahrung suchen sie ausserdem am Strande in der Nähe der Fluth- 
linien, auch greifen sie im niedrigen Wasser verschiedene an der Ober- 
fläche schwimmende Seethiere. Hauptsächlich aber nähren sie sich vom 
wirklichen Rauben. Sie fallen nämlich eine ruhig dahinziehende, in 
schnellem Fluge rasch überholte Möve oder Seeschwalbe feindlich an und 
zwingen sie, ihre Beute, etwa einen Fisch, aus dem Schnabel fallen zu 
lassen, oder gar, eben verschlungene Nahrung wieder auszuwürgen. Mit 
erstaunlicher Gewandtheit erschnappen sie den herabfallenden Gegenstand 
ehe er den Wasserspiegel erreicht. Ein solcher Kampf in der blauen Luft 
bietet ein interessantes Schauspiel, welches jedoch dem Beobachter am 
Strande nur selten geboten wird. Vertrauend auf ihre Kraft und gewandte 
Schnelligkeit greift die Raubmöve an Grösse weit überlegene Arten an, 
ja scheut sich sogar nicht, dem Menschen nahe zu kommen. Auf einen 
Fehlschuss nach einer Brandseeschwalbe änderte eine schätzungsweise 9 bis 
400 Schritt entfernte Raubmöve sofort ihre Flugrichtung und kam direct 
bis in sehr gute Schussnähe auf mich zugeflogen. Aehnliche Fälle sind 
mehrfach beobachtet. Sie bekunden sich überhaupt als Herren und Ge- 
bieter, oder vielmehr als muthwillige ausgelassene Raubbolde und Stören- 
friede über dem weiten Meere, die im unstäten Fluge bald schwebend, 
bald in Wogenlinien, bald in gerader Richtung bald hierhin und dorthin 
sich wendend vor nichts sich scheuen, Alles necken und angreifen. Man er- 
kennt es an den verzweifelten Fluganstrengungen der Möven und Seeschwalben, 
wie äusserst unheimlich ihnen die Nähe einer Raubmöve ist. Ausser der 
Brutzeit sieht man sie nach Weise der meisten Raubthiere nicht gesellig, 
sondern stets vereinzelt. In nur vier Arten beherrschen sie fast die 
sämmtlichen Meere der ganzen Welt, indem die einzelnen Arten eine 
ungeheure Verbreitung zu haben pflegen. Sie brüten häufiger auf grünen 
Flächen, als auf klarem Sande, oft weit vom Meere entfernt. Ihre 2 Eier 


6l4 Langschwinger. 


unterscheiden sich von denen der Möven durch eine bauchigere Gestalt, 
stets olivengrünen Ton und wenige und nie so scharf sich abhebende 
und umgrenzte Zeichnungen. Sämmtliche 4 Arten kommen in unseren 
deutschen Meeren und an unseren Küsten, und als Verirrte oder Ver- 
schlagene selten im Biunenlande und zwar dann weniger auf Flüssen 
und Seen, als auf Feldern, Aeckern, überhaupt auf dem Festlande vor. 


l. Die grosse Raubmöve. 
Lestris catarrhactes L. 

Grösser als die Silbermöve, dunkelbraun mit hellen Tropfenflecken; 
an der Wurzel der Handschwingen des angelegten Flügels ein viereckiger 
weisser Fleck; Lauf etwas kürzer als die Mittelzehe mit Nagel, hinten 
fast glatt; Schwanz gerade, die beiden mittleren Steuerfedern kaum länger 
als die übrigen, am Ende geradwinklig abgeschnitten. — Dieser kräftige 
und kühne Seeräuber bewohnt als Heimath die gemässigten und kälteren 
Meere nach beiden Polen hin, während er in den dazwischen liegenden 
höchstens nur als Durchstreifer beobachtet ist. Unter jenem südlichen 
Himmel, wie hier im Norden, nimmt er einsame Inseln und Klippen, oft 
Hunderte von Meilen von jedem Festlande entfernt, als Brutplätze in 
Besitz, und verbreitet von hieraus Furcht und Schrecken, wenn er plötz- 
lich unter den Ansiedlern der Nachbarschaft erscheint. In der Umgegend 
von Münster wurde er anfangs Mai 1826 als sehr herabgekommener Irr- 
gast bei Burgsteinfurt ergriffen und bis Juni lebend erhalten. 


2. Die breitschwänzige Raubmöve. 
Lestris pomarina Temm. 

Saatkrähengrösse, die zweitgrösste Art und hierdurch schon gekenn- 
zeichnet; sicherer lässt sie sich jedoch an einigen plastischen Verhält- 
nissen erkennen: der Lauf ist länger als die Mittelzehe mit Nagel und 
hinten durch eckige Schilder sehr rauhschuppig; die beiden mittleren 
Schwanzfedern sind verlängert und am Ende abgerundet. Für unsere 
Küsten scheint diese Art als seltener Vogel betrachtet werden zu müssen; 
auch im Innern des Landes ist er nur sehr vereinzelt erlegt. Er bewohnt 
überhaupt den Norden der westlichen Halbkugel häufiger als den der 
östlichen. 

3. Die Schmarotzer-Raubmöve. 
Lestris parasitica Boie. 

Zwischen Saatkrähen- und Dohlengrösse; Hauptfärbung ebenfalls 
braun; die beiden mittleren Schwanzfedern allmählich, bei den Alten sehr, 
bei den Jungen wenig verlängert; der Vorderrand der Nasenlöcher liegt 
der Nagelspitze weit näher als der seitlichen Kieferbefiederung; Füsse 


en 


Die langschwänzige Raubmöve. 615 


schwarz. Oberseite tiefbraun, in der Jugend mit hellrostigen Feder- 
rändern; Unterseite bald tief braun, bald weisslich, in der Jugend fleckig. 
Wir haben in dieser verschiedenen Färbung der Unterseite in ähnlicher 
Weise zwei Racen derselben Art zu erkennen, als in der Raben- und 
Nebelkrähe Die Exemplare von Spitzbergen sollen sämmtlich weiss- 
bäuchig sein. Diese Art bewohnt circumpolar den ganzen Norden und 
wird namentlich an den Küsten des atlantischen Oceans häufig gesehen. 
Ihre Brutplätze reichen vom höchsten Norden bis etwa zum 56. und 
54° n. Br. Weit mehr als die grosse Raubmöve nähert sie sich unseren 
Küsten und wird auch als Irrgast im Innern des Festlandes weniger 
selten als die anderen Arten angetroffen. Ob man aber eine in einiger 
Entfernung vorübersegelnde Raubmöve für diese oder eine der anderen 
Arten ansprechen soll, ist gewiss oft schwer zu entscheiden, zumal da 
man es fast nur mit den weit schwieriger zu determinirenden Jungen zu 
thun hat. Es möchte nur Wenige geben, welche sich im sicheren Be- 
stimmen der fliegenden Raubmöven durch reichliche Erfahrung eine aus- 
reichende Zuverlässigkeit erworben haben. Jedoch ist diese Art die am 
häufigsten bei uns auftretende und in zweifelhaften Fällen eher an sie 
als an eine andere zu denken. 


4. Die langschwänzige Raubmöve. 
Lestris longiecauda Briss.*) 

Dohlengrösse; Hauptfarbe des alten Vogels bräunlich aschgrau; der 
junge sehr stark fleckig; die beiden mittleren Schwanzfedern bei jenem 
ausserordentlich verlängert, bei diesem noch wenig, aber schon verspitzt; 
der Vorderrand der Nasenlöcher liegt in der Mitte zwischen der seitlichen 
Kieferbefiederung und der Nagelspitze. Auch diese Spezies gehört dem 
hohen Norden und zwar beider Welten an. In Sibirien brütet sie auf 
den Alpenplateaux theils auf sumpfigem, theils trocknem Terrain, oft 
zwischen ewigem Schnee und nährt sich daselbst nicht allein von In- 
secten, Vogeleiern und Alpenmäusen, sondern sogar von Rauschbeeren. 
Durch Eismassen wird sie gegen den Winter von ihren borealen Meeren 
vertrieben. An unseren deutschen Küsten erscheint sie nicht häufig, im 
Innern des Landes selten. Doch ist bei Münster ausser einem oder an- 
deren Jungen auch schon ein altes Männchen im vollkommensten Ge- 


fieder erlegt. 


*) Buffoni Boie, crepidata Brm., parasitica der Engländer. 


616 Taucher. 


XV. Ordnung. Taucher, Urinatores. 


Theils Nestflüchter, theils Nesthocker mit hartem compri- 
mirtem Schnabel, sehr kurzen Flügeln und kurzen, 
weit nach hinten eingelenkten Schwimmfüssen, deren 
Schienen fast völlig in der Körperhaut liegen. 


Der Körper der Taucher ist stark depress; der Schnabel comprimirt, 
hart, meist mittellang; Flügel sehr kurz, 10 oder 11 Handschwingen, 
oder auch gänzlich ohne eigentliche Schwingen; Beine sehr weit nach 
hinten eingelenkt und treten erst mit der Ferse aus dem Körperumriss 
heraus; der Lauf comprimirt, die drei Vorderzehen mit ganzen Schwimm- 
häuten oder mit einer lappigen Umrandung versehen; Hinterzehe frei, 
oft klein, gar fehlend; Schwanz meist kurz, wohl gänzlich abortiv. Der 
Rumpf, besonders die stark nach hinten gerichteten Rippen lang; Becken 
ebenfalls lang und schmal; Kropf fehlt; der Magen dünnwandig. — Die 
Taucher sind für ein fast ausschliessliches Leben auf dem Wasser orga- 
nisirtt. Ihr sehr dichtes kleines pelzartiges Gefieder zeigt sehr stark, fast 
rechtwinklig gebogene Schäfte, so dass sich seine Spitzen zu einer gegen 
das Wasser undurchdringlichen Fläche vorzüglich fest auf einander legen; 
die Raine äusserst schmal, fehlen sogar bei den Arten einer Familie gänz- 
lich; der Dunenpelz reichlich. Die kurzen, nicht oder kaum bis zur 
Schwanzwurzel reichenden Flügel erlauben nur einen angestrengten Flug, 
oder sind sogar zum Fluge überhaupt gänzlich untauglich; dienen dagegen 
vielen als zweites Wasserruderpaar unter der Wasserfläche. Die sehr 
weit nach hinten gerückte Stellung der Beine befähigt sie zu sehr ge- 
wandtem leichtem Schwimmen, nimmt ihnen aber die Fähigkeit, ruhigen 
Schrittes auf festem Boden zu gehen, und erschwert ein eigentliches Stehen. 
Solches vermögen sie nur unter fast senkrechter Haltung des Körpers und 
sind dabei stets unsicher, meisten Theils hocken sie auf den Fersen. Auf 
dem Wasser liegen sie tief eingesenkt, so dass häufig ausser Kopf und 
Hals nur ein schmaler Rückenstreifen sichtbar ist, zeigen sich hier sehr 
lebhaft und beweglich, tauchen schnell und tief und durchschneiden das 
Wasser unter dem Spiegel in jeder Richtung. Ihre 3 Familien zeigen ° 
übrigens mannigfache Modificationen in ihrer Lebensweise, sowie auch 
scharfe Unterschiede in der Eigenthümlichkeit ihres Fortpflanzungsgeschäftes. 
Weder Nestbau noch Eier, noch Junge tragen ein einheitliches Gepräge. 
Die letzteren folgen theils sofort nach dem Ausschlüpfen den Alten, theils 
werden sie von diesen bis zur Flugfähigkeit im Neste gefüttert. Auch in 


Taucher. — Seetaucher. 617 


ihrer geographischen Verbreitung sondern sich die Arten der einzelnen 
Gruppen sehr scharf von einander ab, da mit Ausnahme einer einzigen 
cosmopolitischen Gattung, die übrigen nur bestimmte Zonen und zwar 
nur die kälteren oder gemässigten Meere bewohnen. Viele drängen sich 
zumal in der Fortpflanzungszeit zu ungeheuren Massen derartig zusammen, 
dass sie einen wesentlichen Antheil an der Physiognomie der Gegend 
nehmen. Man kennt gegen 50 Arten. 


1. Familie. Taucher, Colymbidae. 


Körper namentlich auf der Unterseite sehr flach; Schnabel mittellang, 
spitz, gestreckt, gerade; Nasenlöcher in einer seitlichen Grube; Augen 
stark nach vorn gerückt; Hals lang; Armknochen lang, Schwingen kurz; 
Läufe stark comprimirt; Vorderzehen, besonders die äussere lang; Hinter- 
zehe mit einem herabhängenden Lappen; Krallen flach; Füsse sehr weit 
nach hinten eingelenkt; Schwanz sehr kurz. — Die Taucher leben fast 
nur auf dem Wasser. Sie schwimmen an der Oberfläche wie in der 
Tiefe mit grösster Meisterschaft, tauchen äusserst schnell und ohne Wellen- 
schlag; fliegen ungern und selten, und vermögen es nur, durch einen 
längeren Anlauf auf dem Wasser, nicht aber vom ebenen festen Boden 
sich zu erheben, zu einer gewissen Höhe gelangt aber weit weg zu streichen. 
Auf dem Boden stehen sie fast senkrecht, jedoch nur auf dem vorderen 
Theile der Fusssohle, so dass der Lauf den Boden nicht berührt, laufen 
nur kurze Strecken schnell oder wankend und legen sich dann sofort 
flach nieder, eine Haltung, welche sie auf festem Boden fast stets ein- 
nehmen. Dabei liegen die Füsse ohne Ausnahme froschartig zur Seite. 
Sie brüten nur an oder auf süssen Gewässern in einzelnen abgesonderten 
Paaren, halten sich aber ausser der Fortpflanzungszeit wenigstens theil- 
weise gern auf dem Meere, jedoch in der Nähe der Küsten und Inseln 
auf. Ihre Jungen sind Nestflüchter. Mit Eintritt der stärkeren Kälte 
streichen sie nach offenen Gewässern umher theils schwimmend, theils 
fliegend. Die wenigen Arten dieser Familie trennen sich in zwei sehr 
scharf gesonderte Gattungen. Die meisten Spezies innerhalb jeder dieser 
Gattungen stehen sich in jeder Hinsicht nahe. 


Seetaucher, Eudytes. 


Körper sehr gestreckt; Schnabel kräftig, stark; Rachen weit; Nasen- 
löcher ritzenförmig, durchgehend, nach der Schnabelbasis gerückt; Kopf 
ganz und stets kurz befiedert; Hals dick; Flügel spitz; die vordersten 
Handschwingen, von denen die erste die längste ist, unter den Schulter- 


618 Taucher. 


federn vortretend; Läufe ringsum genetzt, auf der hinteren Kante glatt; 
volle Schwimmhäute; Schwanz mit normal gebildeten, straffen, aber sehr 
kurzen Steuerfedern. Diese nur vier Arten zählenden Vögel stehen in 
ihrer Grösse zwischen einer Ringel- und Saatgans, ja letztere wird von 
einer Art noch wohl erheblich übertroffen; jedoch zeigen die Individuen 
derselben Spezies häufig ganz bedeutende Grössenschwankungen. Die 
Unterseite ist stets weiss, die Oberseite abgesehen vom Prachtkleide tief 
aschgrau mit oft etwas helleren verloschenen Federkanten oder weiss- 
lichen kleinen Tropfen an den Spitzen der Federn. Das durch Verfär- 
bung entstehende Prachtkleid trägt auf der Oberseite auf tief schwarzem 
Grunde kreideweisse grosse Fensterflecken, oder auf dunkel braungrauem 
Grunde weisse Tropfen. Am Halse beziehungsweise Kopfe treten dann 
auch schwarze, oft violett oder grünlich schimmernde Stellen, bei einer 
Art tritt sogar ein zimmetrother Vorderhals auf; Dunenjunge schiefer- 
schwarz. Sie bewohnen ausschliesslich die nördlichen Gewässer, ohne 
jedoch zum höchsten Norden vorzudringen, brüten daselbst an Süsswasser- 
seen und grossen Teichen in unmittelbarer Ufernähe auf Grasflächen und 
legen zwei schr gestreckte, grosse, tief olivenbraune, mit nur wenigen 
scharfen, kleinen schwarzen Flecken weitständig besetzte Eier. Zum Neste 
gelangen sie mehr kriechend als gehend und schieben sich so auch wieder 
von demselben zum Wasser. Zur Fortpflanzungszeit sollen sie besonders 
lebhaft sein und gegen ihre sonstige Gewohnheit viel hin- und herfliegen. 
Ihre Nahrung besteht nur aus Fischen. Ausser der Fortpflanzungszeit 
sind sie fast ausschliesslich Seevögel, doch dringen sie zur Winterszeit in 
den Flüssen aufsteigend wohl weit ms Festland vor. So treten dann in 
Deutschland drei Arten auf. 


. Der Eisseetaucher. 
Eudytes glacialis L. 

Von Hausgansgrösse; Oberschnabel abwärts geneigt, im letzten Drittel 
fast gerade; Unterschnabel in der Mitte am höchsten, der Kiel fast bis 
zur Spitze mit Längsrinne versehen. Prachtkleid:: Kopf und Hals schwarz 
mit grünem Schiller, auf der Gurgel, Hinterhalsmitte und Kropfseiten 
auf weissem Grunde schwarz längsgewellt; Oberseite schwarz mit weissen, 
auf Rücken und Flügeln fensterartigen Flecken. Die übrigen Kleider: 
Oberseite tief bräunlichgrau. — Diese grösste Art findet circumpolar etwa 
zwischen dem 62 und 70° n. Br. auf einsamen öden Landseen, beson- 
ders im Gebirge ihre Brutstellen. Von allen ist sie die seltenste; Pracht- 
kleider erscheinen in Deutschland äusserst spärlich; bei Münster ist 
meines Wissens nur ein einziges Mal ein Jugendkleid erlegt. 


Der Polarseetaucher. — Der Nordseetaucher. 619 


2. Der Polarseetaucher. 
Eudytes arcticus L. 

Ringelgansgrösse, doch gerade diese Art variirt in der Grösse am 
stärksten; es kommen Exemplare im Prachtkleide vor, die eine starke 
Hausente darin kaum übertreffen. Oberschnabel abwärts geneigt, das 
Enddrittel am stärksten abfallend: Unterschnabel in der Wurzelhälfte ziem- 
lich gleich hoch; der Kiel ist am Astwinkel nur mit einer kurzen Längs- 
rinne versehen. Prachtkleid: Kopf und Nacken aschgrau; Kehle und 
Gurgel schwarz mit stark violettem Schiller, zwischen beiden weiss mit 
schwarzen Längswellen; Oberseite auf schwarzem Grunde grosse weisse 
Fensterflecken. Die übrigen Kleider: Oberseite aschgrau, Oberrumpf und 
Flügel ins tief Bräunliche ziehend. — Auch diese Art brütet im Norden 
beider Hemisphären, geht jedoch weit südlicher hinab; sogar in Pommern 
hat sie mehrfach gebrütet. Sie kommt in grösserer Individuenmenge vor, 
und ihr Erscheinen im Innern des Festlandes ist eben keine grosse Selten- 
heit, sogar Prachtkleider wurden mehrfach erbeutet. Noch im verflossenen 
Winter erhielt ich ein stattliches Uebergangskleid aus der Provinz Posen. 
Uebrigens scheint diese Spezies im östlichen Norddeutschland häufiger als 
im westlichen aufzutreten. Auf unserer Nord- und Ostsee sieht man sie 
durchaus nicht selten. 


3. Der Nordseetaucher. 
Eudytes septentrionalis L. 

An Grösse zwischen Hausente und einer schwachen Ringelgans stehend. 
Oberschnabel an der Basis gerade, von den Nasenlöchern an sanft auf- 
wärts gebogen; Schnabelschneiden stark eingezogen. Prachtkleid: Kopf 
und Hals aschgrau, Gurgel zimmetroth („rufogularis”) Oberseite tief braun- 
grau mit weisslichen Punkten dicht besetzt („Sterntaucher”). Die übrigen 
Kleider: Oberseite ähnlich, nur weit grauer und die weisslichen Punkte 
schwächer; die zimmetrothe Gurgelzeichnung fehlt. — Auch diese kleinste 
Art ist auf beiden Erdhälften im hohen Norden, etwa vom 56 oder 60° 
n. Br. bis zur Höhe von Spitzbergen und Nowaja Zelmja Brutvogel. 
Dass sie nach Vollendung des Fortpflanzungsgeschäftes das Meer, beson- 
ders in der Nähe der Küsten besucht, gegen den Winter allmählich weiter 
zum Süden vorrückt und endlich in die Flüsse hinaufsteigt, hat sie mit 
den beiden anderen Arten gemein. Häufiger als diese wird sie im Innern 
erbeutet, doch ist mir ein solcher Fall noch nicht von einem Pracht- 
kleide, nur einmal von einem Uebergangskleide bekannt geworden. 


620 Taucher. 


Haubentaucher, Colymbus.”) 


Körper gestreckt; Kopf klein, gestreckt, Stirn niedrig; Schnabel 
mittellang, gerade, schlank, spitz; Rachen nicht weit, Nasenlöcher klein, 
länglich eiförmig, nahe der Schnabelbasis liegend; Zügel nackt; Rumpf 
sehr platt; Hals dünn; Flügel kurz, schmal; zweite Handschwinge die 
längste, von den Schulterfedern weit überragt; Läufe seitlich getäfelt, 
der vordere Rand einfach, der hintere doppelt gesägt; Zehen mit ge- 
täfelten Schwimmlappen; Nägel sehr flach und breit; Schwanz ohne 
Steuerfedern, sondern nur mit einem pinselartigen Büschel von Halb- 
dunen. Das kleine Gefieder sehr dicht, zerschlissen, pelzartig; die Unter- 
seite meist atlasweis, Oberseite russbraun; Hals häufig höhere Farben, 
namentlich rothbraun; am Kopfe im Prachtkleide verlängerte zerschlissene 
Wangen- auch Scheitelfedern; Männchen und Weibchen gleich, die 
Dunenjungen schwärzlich, Kopf und Oberhals schwarz und weiss längs- 
gestreift. — Die in etwa 12 bis 15 Arten auftretenden Hauben- oder 
Lappen- oder Krontaucher bilden die einzige zu dieser Ordnung gehörende 
Gruppe, deren Verbreitung nicht nach der geographischen Breite be- 
schränkt ist, da sie sowohl im Norden als Süden vorkommen. Sie be- 
wohnen jedoch vorzugsweise die gemässigten Striche, gehen weder in die 
kältesten Zonen hinein, noch beleben sie in einer namhaften Anzahl die 
Gewässer der heissesten Gegenden. Ihre Brutplätze sind ausnahmslos 
stehende, und nur dann langsam fliessende Gewässer, wenn dieselben 
schilfreiche Ausbuchtungen und Auslachen enthalten. Auf schnell fliessen- 
den klaren Flüssen treffen wir sie zur Fortpflanzungszeit nicht an. Auch 
auf dem Meere leben sie nur ausser derselben stets nahe an den Küsten, 
und auch hier nicht häufig. Bewachsene Teiche und Seen mit theil- 
weise klarem, tiefem Wasser sind in unseren Gegenden von ihnen be- 
wohnt. Die grossen Arten verlangen ausgedehnte, ruhig gelegene und an 
den Rändern mit Rohr bewachsene Wasserflächen, die kleinen begnügen 
sich auch mit kleineren Teichen und niedrigen Wasserpflanzen und 
scheuen auch die unmittelbare Nähe eines bewohnten Gehöftes nicht. 
Ihr Nest ist stets schwimmend und besteht aus feuchten und nassen 
Wasserpflanzen, welche sie tauchend ergreifen und heraufholen. Das der 
grossen Arten steht im Rohr, während die kleinen auf etwas schwimmen- 
des Schilf, zwischen Potamogeton, Stratiotes, Nymphäenblättern u. dergl. 
zu bauen pflegen. Da es völlig schwimmt, so steigt und fällt es mit 
dem Wasserspiegel und steht somit beständig in unmittelbarer Berührung 


*%) Die höchst fehlerhaft gebildete Latham’sche Benennung Z’odiceps (soll 
heissen: Zodicipes, von podex und fes, „Steissfuss“) verdient in Vergessenheit zu 
gerathen. 


Haubentaucher. 621 


mit demselben. Obschon es sich als nur flacher, in der Mitte schwach 
vertiefter Haufen nicht hoch über die Wasserfläche erhebt, so ist das 
Material unter dem Spiegel doch so in Menge angehäuft, dass der 
legende oder brütende Vogel durch sein Gewicht das Nest nicht unter- 
taucht. Ausserdem aber sind stets längere, von allen Seiten nach unten 
in’s Wasser hineinragende Rohrhalmstücke oder ähnliches dem Ganzen 
sperrig eingefügt, so dass es dadurch sowohl am Versinken als auch 
beim Winde am Treiben verhindert wird. Ein Nest des grossen Hauben- 
tauchers ausgehoben füllt mit seinen sperrigen Rohrhalmspitzen fast die 
Hälfte eines kleinen Nachens. Die 4 bis 6 verhältnissmässig kleinen Eier 
tragen auf ihrer meergrünen unteren Kalkschicht einen weissen kalkigen 
Ueberzug, der aber von dem stets feuchten Nestmaterial sehr bald eine 
später unauslöschliche wolkige Schmutzfärbung, bei stark okerhaltigem 
Wasser wohl zu einem intensiven Braun gesteigert, annimmt. So lässt 
sich an dem Grade der Färbung das Alter der Eier leicht bestimmen. 
Wesentlich befördert wird diese künstliche Färbung dadurch, dass der 
brütende Vogel, wenn er, ohne plötzlich durch Beunruhigung überrascht 
zu sein, das Nest verlässt, noch obendrein die Eier mit diesem feuchten 
Nestmiste zudeckt. Kurz vor dem Ausschlüpfen der Jungen pflegen die 
Eier stets dunkel graubräunlich zu sein, während sie sich unmittelbar nach 
dem Legen durch ein gefälliges, schwach in’s Blaugrüne stechendes Weiss 
auszeichnen. Diese obere Kalkschicht auf grüner Unterschicht erinnert 
lebhaft an die Eier der Kormorane. In ihrer Gestalt stehen die Eier der 
Lappentaucher aber völlig isolirt; sie sind freilich auch gestreckt, aber 
an beiden Enden fast gleichmässig zugespitzt, also spindelförmig. Die 
Jungen gehen sofort mit der Alten auf’s Wasser und wissen sich bei 
Gefahr meisterhaft zu verbergen. Man kann sich im Nachen mitten in 
einer solchen Gesellschaft befinden. Hier piept es und dort piept es 
in unmittelbarer Nähe zwischen den auf dem Wasser schwimmenden oder 
den Spiegel nur wenig überragenden Blättern der zahlreichen Wasser- 
pflanzen; aber schwer wird es halten, auch nur eins der Kleinen zu ent- 
decken. Diese Vögel sind ganz für das Wasserleben geschaffen. Unter 
normalen Verhältnissen sieht man sie nie auf festem Boden; alle ihre 
Lebensverrichtungen werden zu Wasser vorgenommen. Sie sind sogar 
schwer, oft absolut nicht, nicht durch Schiessen, nicht durch Verfolgung 
des Hundes oder im Nachen zum Auffliegen zu bewegen. Bei so heftiger 
Verfolgung tauchen sie anfänglich entweder momentan bald hier bald dort 
auf, oder sie ziehen sich auf grösseren Wasserflächen schnell aus dem 
Bereiche der Gefahr und geriren sich dann, als wenn Alles in Ordnung 
wäre. Hält die Verfolgung aber länger an, so sind sie, namentlich auf 
kleineren Teichen, für den Verfolger gänzlich verschwunden. Sie harren 


622 Taucher. 


dann nämlich in aller Gemüthsruhe den Körper völlig untergetaucht und: 
nur Schnabel und Kopf bis hinter den Augen über der Wasserfläche an 
durch Kraut geschützten Stellen, oft sogar unter einem Blatte, welches 
sie als Schirm von oben deckt, bis sich die Gefahr verzogen hat. 
Ausserhalb des Wassers erscheint ihre komische Zerrfigur, die noch häufig 
durch verlängerte Federbüsche am Kopfe gesteigert wird, widersinnig. 
Sie stehen mit nur auftretendem vorderen Theile der Zehen senkrecht, 
bewegen sich dann, wenn es sein muss, schussweise eine kleine Strecke 
schnell laufend, um nach dieser ungewohnten Anstrengung sich sofort 
auf Brust und Bauch niederzuwerfen und die Beine froschartig seitlich 
auszustrecken. Sie gehören eben nur dem Wasser an. Jedoch zwingt 
sie in unseren Gegenden der Winter, dasselbe zu verlassen, aber nur, 
um es mit stets offenen Gewässern eines milderen Klima zu vertauschen. 
Dass sie vom festen ebenen Boden nicht aufzufliegen vermögen, ist oben 
bei der Charakterisirung der Familie bereits erwähnt. Von der Wasser- 
fläche geht das nur nach langem plätschernden Anlaufe unter ganz all- 
mählicher Erhebung von Statten; haben sie sich jedoch bis zu einer ’ge- 
wissen Höhe hinaufgearbeitet, so gehts in einem Strich weit fort. Ihre 
nach hinten gestreckten Lappenfüsse simuliren dann einen breiten Schwan z 
wodurch sie ein gänzlich fremdartiges Aussehen erhalten. Sie nähren 
sich von kleinen Wasserthieren, Insekten, Larven, selten von kleinen 
Fischen, häufig auch von Vegetabilien, Sämereien, Wurzelknollen u. dgl., 
welche sie nur unter dem Wasserspiegel ergreifen. Sie jagen nicht in 
rapiden Schüssen unter dem Wasserspiegel hierhin und dorthin den ent- 
fliehenden Fischen nach, wie die Seetaucher, und erscheinen deshalb in 
der Regel wieder an ungefähr derselben Stelle, an der sie verschwunden 
waren. Unsere Gegenden bewohnen drei Arten als regelmässige Brutvögel, 
zwei stellen sich einzeln auf ihrer Wanderung ein. 


I. Der grosse Haubentaucher. 
Colymbus cristatus L. 

Grösse der Stockente; die First des röthlichen Schnabels so lang 
als der Lauf vom Fersengelenk bis zur Hinterzehe; die Stirnbefiederung 
an der First vom vorderen Rande des Nasenloches um '/, der Schnabel- 
länge entfernt; ein Längsstreif längs der Schultern weiss; Flügel mit 
breitem weissen Spiegel; im Uebrigen oben tief graubraun, unten atlas- 
weiss. Prachtkleid mit zurückliegender zweispitziger Scheitelhaube und 
prächtigem braunrothen fast schwarz endenden seitlichen Kopfkragen. — 
Diese grösste Art zieht sich in etwa der Breite von 55 oder 60° bis 
35° N. Br. rund um die Erde, tritt jedoch auf der östlichen Halbkugel 
auch noch weithin nach Süden, noch am Cap der guten Hoffnung, sogar 


Der rothhalsige Haubentaucher. 623 


in Australien auf. Bei uns brütet dieser Taucher allenthalben auf grossen, 
an den Rändern unregelmässig mit Rohr und Schilf bewachsenen Binnen- 
gewässern. Hier bei Neustadt gehört er zu den allbekannten Brutvögeln ; 
für das Münsterland scheint er nur Durchzügler zu sein und im All- 
gemeinen mehr dem Östen als dem Westen von Norddeutschland anzu- 
gehören. — Seine Unterseite liefert ein gegenwärtig sehr modernes 
Pelzwerk für Damen, in den Rauchwaarenhandlungen unter dem Namen 
Grebes (franz. Gr&ebe) bekannt. 


2. Der rothhalsige Haubentaucher. 
Colymbus rubricollis Lth.*) 


In der Grösse schwankt diese Art nicht unerheblich, jedoch ist er 
stets kleiner als die vorhergehende Art, etwa von Grösse einer Löffelente; 
die First des schwarzen, nur an ‚der Wurzel hellfarbenen Schnabels so 
lang als der Lauf vom Fersengelenk bis zur Hinterzehe; die Stirn- 
befiederung an der First vom vorderen Rande des Nasenlochs um '/, der 
Schnabellänge entfernt; die kleinen Flügeldeckfedern und die an den 
Schultern liegenden Rückenfedern dunkelbraun; Flügel mit breitem weissen 
Spiegel; im Uebrigen oben tiefgraubraun, unten perlweiss oder vielmehr 
auf weissem Grunde verloschen perlgrau gefleckt. Prachtkleid: Scheitel 
schwarz, Wangen hell und zart aschgrau, die Federn dort und hier nur 
wenig verlängert, Vorderhals lebhaft braunroth. — Er geht weder so hoch 
nach Norden noch so weit nach Süden als der grosse Haubentaucher, 
obschon auch er in beiden Welten in einem breiten Gürtel der nördlichen 
Halbkugel vorkommt. Häufig ist er bei uns wohl nirgends. Aus dem 
Münsterlande kenne ich ihn nur als seltenen Gast, hier bei Neustadt ist 
er im Lieper Revier, z. B. auf dem oft genannten Plager See, mit jener 
grossen Art Brutvogel, und scheint im ganzen landseereichen östlichen 
Norddeutschland nirgends zu fehlen. Im Südosten von Europa, in Ungarn 
und an der unteren Wolga brütet er jedoch ungleich zahlreicher. So 
viel ich aus eigener Erfahrung beurtheilen kann, bekundet er mit 
eristatus in Auswahl seines Brutplatzes im Allgemeinen einen ähnlichen 
Geschmack, jedoch sind grössere zerrissene Rohrwälder (Phragmites 
communis) nicht so unbedingtes Erforderniss, auch begnügt er sich mit 
kleineren freien Stellen auf solchen theilweise bewachsenen Wasser- 
flächen. 


*) Col. suberistatus Jaeg. 


624 Taucher. 


3. Der geöhrte Haubentaucher. 
Colymbus auritus L.*) 


Grösse einer weiblichen Schellente; die schwach abwärts gebogene 
First des geraden Schnabels ungefähr halb so lang als der Lauf; die 11 
bis 12 ersten Schwingen des Flügels dunkelbraun, wie die Oberseite, 
Unterseite weiss. Prachtkleid: Oberkopffedern schwarz, wenig verlängert; 
vom Schnabel zieht über das Auge hin ein sich als Federzopf über das 
übrige Gefieder des Hinterkopfes verlängernder rostrother Streif. — Als 
circumpolarer Bewohner des hohen Nordens belebt er in der Brutzeit die 
dortigen Süsswasserseen, jedoch nur sporadisch. Auf Island ist er z. B. 
sehr häufig, soll aber in Grönland nicht vorkommen. Für Deutschland 
ist er selbstredend nur Wintergast, und auch als solcher keineswegs eine 
gewöhnliche Erscheinung. Ich selbst kenne ihn für unsere Gegend nur 
im Jugendkleide, doch ist er auch bereits mehrmal im Prachtkleide 
erlegt. 


4. Der schwarzhalsige Haubentaucher. 
Colymbus nigrieollis Brm.**) 


Krickentengrösse; die First des nach der Spitze schwach auf- 
gebogenen Schnabels ungefähr halb so lang als der Lauf, die 5 ersten 
Handschwingen braunschwarz, von da allmählich auf der Innenfahne zu- 
nehmend, also die letzten Hand- und die Armschwingen, weiss; Ober- 
seite braunschwarz. Prachtkleid; Kopf und Hals schwarz, an den Wangen 
verlängerte gelbe Federn. Für uns ist dieser Vogel eine südliche und 
südöstliche Art, der in fast ganz Afrika, in Klein-Asien, Palästina und 
Syrien, an der unteren Wolga, in den Donauländern häufig, ganz ver- 
einzelt jedoch auch im nordöstlichen Deutschland brütet. Für den 
Westen kenne ich ihn nur als seltenen Durchzügler. 


5. Der kleine Haubentaucher. 
Colymbus minor L. 


Unsere kleinste und bei weitem häufigste Art, welche sich schon allein 
durch das Fehlen des weissen Spiegels bei angelegtem Flügel- von den 
übrigen unterscheidet, denn die Armschwingen sind nur auf der Innen- 
fahne weiss. Im Prachtkleide sind die Kopffedern nur wenig seitlich ver- 
längert, Scheitel fast schwarz, Halsseiten gesättigt braunroth und Unter- 


*) arcticus Boie, cornutus Tem. — Im Naumann unter zwei Arten, als 
arcticus und cornutus aufgeführt. Die unter awrifus dort behandelte Spezies ist 
die folgende: »igricollis Br. 


*%*) auritus Tem., recurvirostris Br. 


Alken. 625 


seite dann nicht weiss, sondern schwärzlich gefleckt. Von allen Hauben- 
tauchern hat dieser die gedrungenste Gestalt. Er bewohnt sämmtliche 
Länder der östlichen Halbkugel und ist auf stehenden Gewässern, in denen 
nicht sowohl eigentliches hohes Rohr als vielmehr Schilf, Gräser und son- 
stige niedrige Wasserpflanzen vielfach durch die Wasserfläche unterbrochen, 
aber stellenweise dicht wachsen, auf grösseren Seen wie kleinen Teichen, 
Sümpfen und Auslachen von Flüssen überall als Brutvogel zu finden. 
Sehr hoch nach Norden geht er nicht hinauf, zeigt sich jedoch als harten 
Vogel, der gar nicht selten auch mitten im Winter auf offenen Stellen 
bei uns angetroffen wird. Sein Nest schwimmt in der Regel nicht im 
dichten und hohen Krautwuchse versteckt, sondern zwischen niedrigen 
nur wenig den Wasserspiegel mit Blättern oder Blüthen überragenden 
Pflanzen oder zwischen licht stehenden höheren, so dass es vom Ufer aus 
fast stets gesehen, obschon freilich schwer erkannt werden kann. 


2. Familie. Alken, Alcidae. 


Auch die alkenartigen Vögel bilden eine scharf umschriebene, und 
trotz mancher Modificationen der Schnabelform sehr einheitlich organisirte 
Gruppe. Die derselben angehörenden Arten bleiben fast sämmtlich unter 
der Mittelgrösse der Schwimmvögel, da die meisten in Grösse mit einer 
kleinen Ente ungefähr übereinstimmen. Ihre Gestalt ist jedoch weit ge- 
drungener, ja plump zu nennen, der Hals kurz, der Rumpf dick. Schnabel 
meist kürzer als der Kopf, eomprimirt, hart, mehr oder weniger hakig, 
doch auch zugespitzt, die First dann jedoch stets sanft abwärts gebogen; 
das Stirngefieder erstreckt sich seitlich bis auf die Nasenhöhle weit vor; 
Flügel kurz, spitz, da die erste Handschwinge die längste, säbelförmig 
gebogen; Armschwingen kurz; Beine stark, doch weniger als bei den 
Tauchern nach hinten eingelenkt, Läufe seitlich etwas zusammengedrückt; 
die drei Vorderzehen durch volle Schwimmhäute verbunden, die Aussen- 
zehe so gross als die mittlere, Hinterzehe fehlt, oder nur abortiv vorhanden, 
Krallen schlank, mehr hoch als breit; Schwanz kurz, stufig. Das Gefieder 
dieser Vögel ist dicht, pelzartig, Oberseite schwarz oder düster braun, im 
Winter wohl weissschimmerig; Unterseite weiss. Hohe Farben tragen nur 
ab und zu Schnabel und Beine. Die beiden Geschlechter sind äusserlich 
kaum zu unterscheiden, auch das erste Jugendkleid ist dem’ der Alten 
sehr ähnlich. Ganz zum Schwimmen eingerichtet leben sie ausser der 
Brutzeit nur auf dem Wasser und zwar ausschliesslich auf dem Meere, 
und tauchen vortrefflich. Stehend hocken sie mit fast senkrecht aufgerich- 
tetem Körper auf den Läufen; zu gehen vermögen sie auch nur in dieser 
Stellung. Sie schwimmen unter dem Wasserspiegel mit den Flügeln und 

Altum. Die Vögel, 40 


626 Taucher. 


bedienen sich dann ihrer Füsse mehr zum Steuern als zum Rudern. Sie 
bewohnen nur die nordischen Meere bis weit über den arctischen Kreis 
hinaus und bedecken hier stellenweise den Wasserspiegel in Hunderttau- 
senden von Individuen auf weit gedehnten Flächen. Als Brutstellen wählen 
sie die senkrecht aus dem Meere sich erhebenden Felsen und hohe Klippen 
und halten in der Fortpflanzungszeit solche, vorzugsweise nach Süden und 
Südwesten gelegene Wände vom Spiegel bis mehre Hundert Meter hinauf 
dicht besetzt in unzähligen Paaren. Auf allen Absätzen, Kanten, Vor- 
sprüngen stehen sie Reih an Reih geordnet neben und über einander, die 
eine Spezies tief, die andere in der mittleren Region, die dritte hoch oben, 
und zwischen ihnen brüten gleichfalls absatzweise, dreizehige Möven, Schar- 
ben, Silber- und Mantelmöven. Das sind die berühmten nordischen Vogel- 
berge, die mit den Felsen von Helgoland*) als südlichstem, sehr schwa- 
chem Vorposten beginnen, aber schon auf den Färöer, auf Island, an den 
Küsten und Scheeren Norwegens, und anderswo zu höchst imponirenden 
Naturbildern sich gestalten. Gegen die dunklen Felsen heben sich die 
Reihen der aufgerichteten, mit der weissen Unterseite zum Meere gewandten 
Gestalten, Soldaten ähnlich, scharf ab. Ihr ewiges Nicken und Verbeugen, 
ihr Streit um die kärglich zugemessenen Plätze, das Verschwinden und 
Auftauchen einzelner ist nur in der Nähe bemerklich,; aber aus der Ferne 
schon erscheinen diese mit weissen Horizontallinien versehenen Felsen wie 
von Bienenschwärmen belebt. Tausende fliegen ab und zu. Da auch sie, 
ähnlich wie die Taucher nicht vom ebenen Boden aufzufliegen im Stande 
sind, so lassen sie sich zum Abfliegen fallen und kommen so in Flug, wo- 
bei sie sich anfänglich rasch senken, dann aber ganz allmählich abwärts zum 
Meeresspiegel gelangen, während sie umgekehrt vom Wasserspiegel sich 
von fern her nur ganz allmählich erheben und erst in der Nähe des Felsens 
rasch und stark emporsteigen. Hier herrscht ein für uns Binnenlandmenschen 
völlig neues unbekanntes Leben. Da dasselbe als Contrastbild zu seinen 
täglichen Vorkommnissen auch den jagdpassionirten Forstmann interessiren 
dürfte, so möge hier von einem vollgültigen Augenzeugen, Graba,**) eine 
betreffende kurze Mittheilung von den Färö folgen: „In einer tiefen 
grauenvollen Schlucht, von 1000 Fuss hohen unersteiglichen Felswänden 
umgeben, angelangt machten wir Halt. Hier war der Vogelberg. Wohin 
man sah, nichts als Vögel und Vögel. Tausende von Lummen und Alken 
trieben in kleineren und grösseren Gruppen um das Boot, sahen uns neu- 


*) Wenn ich nicht irre, ist die Colonie der Alken auf Helgoland gegen- 
wärtig durch die unaufhörlichen Beunruhigungen der Fremden und Badegäste 
vernichtet, während sich die Lummen noch in wenigen, kaum 50 Paaren, trotzdem 
erhalten haben, 

**) Tagebuch, geführt auf einer Reise nach Färö im Jahre 1828.... 8. 94 f, 


’ 


Alken. 627 


gierig an, verschwanden auf einmal unter dem Wasser, um ganz nahe 
wieder aufzutauchen. Gryllummen konnte man mit den Rudern erreichen, 
Seehunde reckten ihre Köpfe hoch über das Wasser, die Störung dieses 
Asyls nicht begreifend; grosse Raubmöven stiessen auf Lunde und drei- 
zehige Möven, die sie im Fluge auf den Kopf treffen und tödten. Hier 
suchte eine unglückliche dreizehige Möve, die kurz vorher so glücklich 
gewesen war, einen Fisch gefangen zu haben, mit kläglichem Geschrei 
Schutz vor einer sie von allen Seiten kneipenden Raubmöve unter einem 
Schwarme ihres Gleichen. Doch immer heftiger drängte der Verfolger, 
immer angstvoller war das Geschrei der Verfolgten, endlich wirkte das 
gegebene Vomitiv, der Fisch wird herausgewürgt und von dem Räuber 
in der Luft ergriffen, ehe jener Zeit hatte, in die See zu fallen. Die be- 
nachbarten Bewohner der Felsen und die auf dem Wasser treibenden ver- 
rathen bei dieser Scene einige Unruhe, wagen aber nicht, dem gefürch- 
teten Feinde die Stirn zu bieten. Die Luft ist durchkreuzt von ab- und 
zufliegenden Alken, die ihr Geschäft des Brütens beginnen; so hoch, dass 
man Bienen an den Felsen vorbeifliegen zu sehen glaubt, und so niedrig, 
dass man mit Stöcken nach ihnen schlagen könnte, schwirren sie umher. 
Doch jetzt einen Blick auf die Niederlassung, das eigentliche Domieilium 
dieser Colonie. Auf etwas über die See hervorragenden Felsen sitzen 
glänzende Scharben, ihre langen Hälse nach allen Richtungen wendend, 
über ihnen einige Skuen (grosse Raubmöven), ängstlich von oben betrachtet. 
Dann kommt die Linie der dreizehigen Möven. Nest an Nest in einer 
Reise längst der ganzen Breite des Felsens, und Nest über Nest, sieht 
man nur Köpfe brütender Vögel und die weiter unten liegenden Felsen 
von ihrem Kothe weiss gefärbt. Etwas höher auf kleinen Absätzen oder 
Hammern des Felsens stehen die Alken und Lummen unter einander 
vermischt "in Parade aufgestellt, alle die weisse Brust der See zugekehrt, 
Mann au Mann, dass kein Hagelkorn durchgehen kann, stets gegen die 
unwillkommenen Besucher oder die Nachbarn sich verneigend. Einzelne 
Paare, welche einen kleinen Absatz allein eingenommen hatten, fächelten 
mit den Flügeln und liebkoseten den Gefährten, verschämt umhertrippelnd, 
und den Gatten mit dem Schnabel berührend. Schaaren derselben flogen 
ab und zu, und doch wusste jeder dieser Tausende seinen Platz genau 
zu finden. Freilich gab es mitunter einige Unordnung. Hier standen 
einige 20 Brust an Brust; plötzlich kommt ein Alk angeflogen, drängt 
sich auf seinen Platz und stösst einige Seitenverwandte herab. Den 
obersten Platz nehmen die Lunde ein, weniger sichtbar, doch durch das 
Ab- und Zufliegen sich verrathend. DBetäubend ist der Lärm an einem 
solehen Vogelberge; nicht dass man das Wort seines Nachbarn verstehen 


könnte. Die grässliche Stimme der dreizehigen Möve übertönt Alles, da- 
40* 


628 Taucher. 


zwischen hört man das eintönige „orr” des Alken und des „rrrrrrr” der 
Lummen mit allen Vokalen verbunden. Nachdem ich lange genug dem 
Treiben dieser Massen zugesehen hatte, wirkte der Reiz, eine noch mit 
einer crista versehene Scharbe zu bekommen, die 60 Schritte entfernt 
von unserem Bote auf einer Klippe sass, zu stark auf mich. Es knallte. 
Was aus der Scharbe geworden ist, weiss ich nicht, denn der Effekt war 
zu stark. Die Luft verfinsterte sich von den aus ihrer Ruhe aufgestörten 
Vögeln. Viele Tausende enteilten der Schlucht mit entsetzlichem Getöse 
und breiteten sich fächerförmig über die See aus. Wohin wir aus 
unserer Stellung sahen, konnten wir nur fliegende Alken, Lummen und 
Möven erblicken. Verwundert kamen die Papageitaucher (Lunde) aus 
ihren Höhlen hervor, betrachteten die allgemeine Verwirrung mit komischen 
Geberden und stiessen ein langsames „orr” aus. Die dreizehige Möve 
blieb grösstentheils ruhig auf dem Neste. Sämmtliche Scharben stürzten 
wie getroffen vor Schreck in das Meer... .” In dieser Zeit der Fortpflanzung 
suchen die Nordländer jener Gegenden sich den Hauptfleisch- und Eier- 
bedarf für das ganze Jahr von diesen Vogelbergen zu holen. Man fährt 
mit einem Nachen bis zum Fusse der Berge und erschlägt oder fängt 
mit einem Käscher die niedrigsten, oder erklettert unter grosser Lebens- 
gefahr von unten oder von den Seiten her die Felswand, wobei sich in 
der Regel zwei Personen durch ein Tau zu verbinden und so gegenseitig 
zu unterstützen pflegen, oder man lässt sich von oben an mächtigen Tauen 
herab. Die Beute wird herabgeworfen und von Leuten unten im Nachen 
gesammelt. Die meisten dieser Vögel legen nur ein, aber ein sehr grosses, 
gestreckt birnförmiges Ei. Die matte rauhe Schale trägt auf weissem 
oder tief meerblauem Grunde starke braunschwarze Flecken, doch legen 
einige auch ungefleckte oder sehr verloschen gezeichnete Eier. Die 
schwarzdunigen Jungen sind Nesthocker und bleiben bis zur Flugfähigkeit 
auf den Felsen. Die Nahrung der Aleiden besteht einzig in Seethieren. 
Ihre Wanderung besteht nur aus einer Flucht vor dem momentan sich 
sammelnden Eise. An die deutschen Küsten verirrt sich verhältnissmässig 
nur selten einer dieser Myriaden, noch seltener wird er im Binnenlande 
angetroffen. — Nach dieser allgemeinen Charakterisirung des Lebens 
dieser Vogelfamilie möge nun eine dürre Aufzählung der Gattungen und 
Arten mit Diagnose folgen. 


Alk, Alca. 


Schnabel mittellang, schmal, hoch, seitlich gefurcht, Nasenlöcher be- 
fiedert; Oberkörper und Hals schwarz; Unterseite weiss; Dunenjunge weiss- 
schimmelig. Sie legen je nur ein grosses Ei, welches auf weissem, doch 


Der Brillenalk. — Der Papageitaucher. 629 


auch grünlichem oder röthlichem Grunde mit starken tief braunen Flecken 
besetzt ist. 


I. Der Brillenalk. 


Alca impennis L. 


Von Saatgansgrösse; vor und über dem Auge ein weısser Fleck; 
Flügel normal gebaut, aber zum Fluge zu klein; sein Ei von der Grösse 
eines Schwaneneies. Dieser grosse „Geierfugl” war noch zu Anfang dieses 
Jahrhunderts auf Island und an Grönlands Küsten ganz bekannt. Durch 
Erschlagen der fluchtunfähigen Brutvögel an ihren gemeinsamen Brutplätzen 
sowie durch vulkanische Eruptionen auf Island, wodurch ihre bevorzug- 
testen Brutplätze vernichtet wurden, ist diese Art völlig ausgerottet. 
1833 wurden noch 13; 1834 noch 9; 1840 und 1841 noch 3 und 1844 
die beiden letzten erbeutet. Seitdem hört man nichts mehr von diesem 
Vogel, trotzdem, dass der hohe Preis für Balg (800 bis 1000 Thlr.) und 
Ei (80 vis 100 Thlr.) zum eifrigsten Forschen antrieb. 


2. Der Elsteralk. 
Alca torda L. 

Grösse einer kaum mittelgrossen Ente; ein schmaler weisser Augen- 
streif. Ei von Grösse eines Gänseeies, meist weiss, doch auch grünlich 
oder röthlich grundirt. Südlichster Brutplatz Cornwallis. In den Vogel- 
bergen in mittlerer Höhe. 


Lund, Mormon, 


Schnabel kaum mittellang, seitlich sehr stark, zu einer hohen Scheibe 
zusammengedrückt, stark gefurcht, Endhälfte roth; Kralle der Innenzehe 
stark gekrümmt, seitlich nach aussen gebogen. Man unterscheidet drei 
nordische Arten, die zum Theil noch unter dem SO” n. Br. brüten. Von 
ihrem komischen Schnabel heissen sie auch Papageitaucher. 


Der Papageitaucher. 
Marmon fratereula Briss. 

Grösse der Moorente; Schnabel mehr hoch als lang, gelb, roth, schwarz; 
Unterseite weiss; Wangen grauweiss. Das Ei wenig gestreckt, schmutzig 
weiss mit einem Kranze verloschener, zuweilen nur sehr schwacher Flecken 
an der Bauchung. Der „Lund” (Lunda arctica, fratereula) brütet in 
der obersten Region der Vogelberge in Höhlen. 


630 Taucher. 


Lumme, Uria. 


Schnabel mittellang, zugespitzt, schwarz; die mit Federn bedeckten 
Nasenlöcher durchgehend; Oberseite schwarz, Unterseite weiss. Ein sehr 
grosses, tief blaugrünes, seltener blasses oder gar weissliches grob und 
stark braunschwarz geflecktes Ei. 


I. Die diekschnäbelige Lumme. 
Uria arra Pall.*) 
Von fast Elsteralkgrösse; Schnabel von der seitlichen Oberschnabel- 
befiederung an kürzer als der Lauf, oder länger als die Innenzehe ohne 
Nagel; Kopf ohne Weiss; Füsse schwarz; hauptsächlich im Nordosten. 


2. Die dünnschnäblige Lumme. 
Uria lomvia Brünn. 

Wenig grösser als die vorhergehende Art; Schnabel von der seitlichen 
Öberschnabelbefiederung an länger als der Lauf, oder länger als die Innen- 
zehe mit Nagel; Kopf ohne Weiss („troile”, „lomvia’), oder mit weissem 
Augenkreis und einer feinen, sich von dort über das Ohr auf den Hals 
hinziehenden weissen Linie („Z/ringvia” Brünn.); Füsse schwarz. Auf 
den Vogelbergen in der mittleren Region. 


3. Die Grylilumme. 
Uria grylle L. 

Die Grylle oder Teiste erreicht nur Krickentengrösse; auf den Flügeln 
ein grosses weisses Feld, Füsse roth., Das Sommerkleid ausser dem 
weissen Flügelschilde tief schwarz. Diese an Individuen sehr zahlreiche 
Art legt zwei gestreckte, aber weniger birnförmige Eier, die, abgesehen 
von ihrer glatteren Schale und selbstredend der geringeren Grösse, den 
Eiern des Alkes ähnlich sehen. In den Vogelbergen nimmt die Grylle 
eine der höchsten Regionen ein. 


Krabbentaucher, Mergulus. 


Schnabel sehr kurz, rundlich, nicht zusammengedrückt, sondern ge- 
wölbt. 


Der kleine Krabbentaucher. 
Mergulus alle L. 


Die kleinste Art, etwa von Grösse des kleinen Haubentauchers; Ober- 
seite wie auch Schnabel und Füsse schwarz, Unterseite weiss. In den 


*%) Uria pica Fabr.; Brünnichi Sab. 


Flossentaucher, 631 


Vogelbergen sondern sich die Colonieen dieser Art von den anderen häufig 
ab, ja sie brütet wohl für sich ganz allein in Höhlen und Klüften senk- 
recht in’s Meer abfallender Felsengestade. Sie legt nur ein einziges, 
grünliches, gänzlich ungeflecktes Ei. 


3. Familie. Flossentaucher, Spheniscidae. 


Gestalt plump; Kopf klein; Schnabel mittellang, gerade, comprimirt, 
scharfkantig, mit abgerundeter, an der Spitze sich abwärts biegender First; 
Nasenlöcher linear; Flügel zu platten herabhängenden Wasserrudern aus- 
gebildet, mit sehr kleinen gleichmässigen, schuppenartigen Federchen be- 
setzt; alle Hand- wie Armknochen platt, Daumen fehlt; Beine sehr weit 
nach hinten eingelenkt, sehr kurz, der comprimirte Lauf besteht hier aus 
seinen zwei getrennten, bei allen übrigen Vögeln verwachsenen Stücken, 
dem Mittelfuss und der Fusswurzel; die drei Vorderzehen mit vollen 
Schwimmhäuten, unten eine rauhe Sohle, die Hinterzehe nach vorn ge- 
richtet und dem Lauf enge anliegend; Schwanz kurz oder sehr kurz, zu- 
weilen mit mehren Reihen Steuerfedern. Das höchst kurze, knappe, fast 
schuppenartige Gefieder bedeckt gleichmässig den ganzen Körper; unter 
der Haut liest eine dicke Specklage; die Knochen sind mit öligem Marke 
gefüllt. Die ganze Organisation dieser sonderbaren Vögel zielt auf ein 
ausschliessliches Wasserleben hin. Ob auch die sonderbare Beschaffenheit 
ihrer Luftröhre, welche nämlich fast in ihrer ganzen Länge durch eine 
Scheidewand getheilt ist, dem Wasserleben entspricht, möchte kaum ab- 
zusehen sein. Sie sind nicht nur ausser Stande zu fliegen, sondern ver- 
mögen auch nicht einmal zu gehen. Zur Verrichtung des Brutgeschäftes 
kriechen sie oder schieben sich vielmehr mit Hülfe ihrer rauhen Fuss- 
sohlen und ihres ersten Wasserruderpaares auf niedrige Felsenklippen. 
Solche Brutplätze werden zu der Zeit von oft grossen Mengen dieser 
Vögel gemeinsam besetzt. Sie legen ein einziges weisses, mit gröberer 
Kalkschicht überzogenes Ei, das sie nach Herrichtung eines Brutfleckes 
durch Auszupfen von Federn zwischen ihren Beinen daselbst ausbrüten, 
Ihre Jungen sind Nesthocker. Ausser der Brutzeit leben sie einzig nur 
auf dem Meere und zeigen sich hier als sehr bewegliche gewandte 
Schwimmer, die tief, bis auf Kopf und Oberrücken eingetaucht sich durch 
Rudern mit den Flügellappen schnell bewegen, und durch Steuern mit 
den Füssen genau dirigiren. Auch verstehen sie meisterhaft zu tauchen. 
Sie nähren sich nur von kleineren Meeresthieren. Ihre Heimath, die sie 
nie verlassen, bilden die südlichen Meere, etwa vom S° südl. Br. bis in 
die Polargegenden hinein. Man kennt kaum ein Dutzend Arten, 


632 Taucher. 


Pinguin, Aptenodytes. 


Schnabel schlank, länger als der Kopf, an der Spitze auffallend herab- 
gebogen; Oberschnabel bis zu den Nasenlöchern mit Federn bedeckt; von 
den Nasenlöchern bis zur Spitze eine Furche. 


Der grosse Pinguin. 
Aptenodytes patagonica Forst. 

Etwa 95 Cm. lang; Kopf und Kehle schwarz; Hinterhals und Rücken 
schiefergrau; Einfassung der Kehle und Unterhals eitronengelb. — Dieser 
Theil des Balges kommt häufig, doch früher mehr als jetzt, als Pelz in 
den Handel. 

Andere Art: chrysocome mit langen gelbgoldigen Federbüscheln an 
den Kopfseiten, der Gattung Spheniscus (mit höherem, kürzerem, an der 
Spitze abgeschnittenem Schnabel und längeren Schwanzfedern) angehörend. 


Register. 


Register. 


IRBRBBIOTE ne rs 
Abendfalk . 
BNGCENIOTUÜ 2... 
> alpinus 
> modularis . 


Aechte Adler . 
5 Ammer . 
n Gänse. 
Ackergans . 5 
Actitis, macularia, Bnolenccs A 
Adler. MR: 
Agelaius phoeniceus 
Alauda, arvensis. 
; arDoreag ser. 
= cristata . 2 
a desertorum, tanbellines ca- 
landra, tatarica, leucop- 
tera, pispo- 
letta 2 
Alaudidae' . 
Albatross 
INICHE Te 
„ JImpennis. 
„ torda . 
Alcedidae . 
Alcedo ispida. 
Alcidae . . . 
Alk ee 
ANEONAEE neh co 
Allgemeınes 
Alpenbraunelle 
Altum, Die Vögel, 


Alpendohle.. 

Alpenmauerläufer 

Alpenschneehuhn . 

Alpenschwalbe . . 

Alpensegler 

Alpenstrandläufer 

Amadinen . 

Ammer . 

Ampelidae, ehe 

Ampelis garrulus, carolinensis 
(cedrorum). 

Amsel 

Anas. . 

boschas . 

„u stroperan. 2 2 a 

„  acuta. 

„  erecca 

„  querquedula 

„ penelope 

„  elypeata. 

mersa, dispar (Stelleri), 

spieillata, islandica (Barro- 

wii), histrionica, spectabilis, 

rufina . 

ferina - 

nyroca (lenenphinstrauen 

marila 

fuligula (cristata) 

„  elangula. 

glacialis . 

„ fuca. ee 
41 


633 


Seite 
317 
278 
427 
252 
115 
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121 
252 


253 
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555 
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565 


567 
568 


569 
570 
571 
573 
574 


634 


- Anas nigra. 
„  mollissima . 


„ moschata, sponsa, alt 


lata 
Anastomus . 
Anser TR IT OR HRLE 
„ hyperboreus, einereus 
„  segetum (arvensis) 
„  albifrons (minutus) 
„  ruficollis, torquatus 


leucopsis . 
Kalie) - 
e Richardi.. 


= campestris . 
„  aquaticus eh) 
» Ppratensis (cervinus, 


rosaceus) . 
arboreus . 
ande nalagenieal 

Apterygidae 

Apteryx, Owenii, Mantel; 
Aquila ; 

„  ehysaötus (fulva) . A 
„  Imperialis 


„  naevia. 
„  elanga, ehnaia, Banell 
albicilla 


Ardea, ceinerea - 
„ Ppurpurea, alba . 
»„ garzetta, stellaris 
- minuta 
„ comata N 

nycticorax . 

Ada 

Argus giganteus . 

Artamidae . 

Astrilden 

Astur. 


„  palumbarius (atricapillus) . 


„  nisus 
„  gabar, Bade 
Auerhuhn . 
Austernfischer LEN 
R der europäische 
Avosette 


Bachstelze . 


rufo- 
gularis, iaponicus, Forsteri, 


Register. 

Seite 

575 | Bachstelze weisse 

576 n Gebirgs- 
r gelbe 

bTT: | Bachstelzen 2. ee 

531 | Balaeniceps, rex.. 

546 | Bandvögelchen 

548 | Bankiwahuhn . 

549 | Bartmeise . 

551 | Basstölpel . 

559 | Baumfalk 

553 | Baumhühner . 

154 | Baumklette, gemeine . 

155 | Baumläufer, der graue 

156 | Baumpieper 

157 | Bekassine, grösste . ; 
A die gemeine, grosse 
a4 die kleine, stumme 

158 | Bergente 

160 | Bergfink 

632 | Berghänfling . 

446 | Berglerche . 

446 | Beutelmeise 

381 | Beutelmeisen . 

382 | Beutelstaare 

383 | Binsenrohrsänger 

384 | Birkenzeisig 

386 | Birkhuhn . 

386 | Blasse Drossel 

519 | Blaubäckchen . 

525 | Blauelster . 

526 | Blauheher . a 

528 | Blaukehlchen, gemeines . 

529 | Blaumeise . 

530 | Blaumerle . 

517 | Blaurake 

441 | Blauvogel . 

260 | Blessengans Sale 

120 | Blesshuhn, das gemeine . 

364 | Bluthänfling . . 

365 | Bogenschnäbliger Strandläufer. 

367 | Böhmer . = 

369 | Böhmischer Haba . 

417 | Bonelli’s Adler 

479 | Brachpieper 

480 | Brachschwalbe 

515 | Brachvogel. uk 
. der dünnsehnehlige) der 

161 grosse . 


Seite 
162 
163 
165 
154 
530 
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440 
290 
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290 
303 
203 
148 
420 
245 
120 
312 
312 
216 
287 
223 

64 
224 
551 
450 
143 
497 
236 
437 
386 
156 
481 
b12 


513 


Brachvogel, der Regenbrachvogel 


Brachypodidae 
Brandente . 
Brandseeschwalbe 
Braunelle 
Brautente . 
Brevipennes 
Brillenalk . 
Brillenente . 
Bruchwasserläufer 
Buceros, 
bicornis, 
erythrorhynchus 
Buchfink 
Bunte Drossel 
Buntspecht, der grosse 
x der weissrückige 
a der mittlere . 
= der kleine 
Buphagidae 
Buschfasan . 
Bussard . 
Buteo, vulgaris 
»  lagopus 


Caeribeidae 

Calamoherpe . . 
R turdoides 
” arundinacea 
> palustris . 
= phragmitis . 
e aquatica . 
5 locustella 


5 fluviatilis, eisticola . 


Calidris arenaria 
Calliope . E 
Campephagidae . 
Cancroma, cochlearia . 
Caprimulgidae 
Caprimulgus, europaeus . 
Capschaf 

Captaube 

Cassicus 

Casuaridae . 

Casuarius, galeatus . 
Cathartes SE 
Certhia, familiars . . - - » 
Oerthiidae . 


rhinoceros, hy a ax, 
suleirostris, plicatus, 


Register. 


Seite 


514 


246 
554 
601 
175 
577 
414 
629 
567 
504 


59 
135 
245 

73 

76 

77 

78 
303 
437 
375 
375 
377 


245 
195 
196 
198 
200 
202 
203 
204 
205 
498 
216 
260 
580 
111 
112 
594 
595 
302 
446 
446 
403 
276 
275 


Oharadriidae . 
Oharadrius . - 
Fr auratus 
a morinellus 
5 hiaticula . 


n fluviatilis a can- 


tianus (albifrons), squa- 


tarola . 475 
Chenomorphae 542 
Chevalier 505 
Ciconia, alba . 532 

2 nigra 536 
Ciconiae 516 
Ciconiidae . 53l 
Cinclus . N ERHAUR 

h aquaticus (melanogaster, 

septentrionalis, Pallasii, 

leucogaster) 207 
Circatus, gallicus . 378 
Circus £ 359 

„  aeruginosus . 360 

„  eyaneus (pygar ee 362 

„ eineraceus : 363 

»„ pallidus (dakmenan) 363 
Citronenzeisig . 149 
Cocceygomorphae . 40 
Collocallia . 116 
Columba, palumbus . 406 

n livia 408 

5 oenas . 410 

- turtur . 411 

® migratoria 413 
Colymbidae 617 
Colymbus a). 620 
a eristatus . 622 

» rubricollis (onberietatun) 623 

Hr auritus(areticus, cornutus) 624 

S nigricollis (auritus) 624 
minor . 624 
es, garrula 64 
Coraciidae . 64 
Corvidae sll 
Corvus Sr: 318 

„ earyocatactes 319 

y  piea 321 

„ monedula (aa) 324 

„  frugilegus 329 

„ eorone et comix . 331 


41* 


636 


Corvus corax . 
Cotinga . : 
Coturnix, communis 
Crax . h 
Örex, pratensis . 
„  porzana 
„  minuta, pygmaea 
Crypturidae Kuahkos 
Crypturus perdicarius. . . . 
Ouculidae 
Ouculus . 
n canorus . 
Cyanogarrulus, ei CR. 
nopica, Cyanocitta . 
Oyenus . ..%; 
Y olor R 
„ Mmusicus Gahthorhinnen me- 
lanorhinus, minor, Bewickii 
Oypselidae . , „#% ; 
Oypselus, apus . . «a 
„. melba, ...,:Nnin. 


Dendrochelidon . 

Dickfuss . 

Dieruridae . . . . s 

Didunculus state " 

Didus ineptus, solitarius . 

Diomedea, exulans . 

Bietelinkr na seen 

Dohlen, die gemeine . . . 

Dorngrasmücke . 

Douglas’ Seeschwalbe . 

Dreizehige Möre a 

Dreizehiger Specht. . . . 

Dreizehige Strausse. . . . 

Dromaeus UL DERLLENEE 
2 Novae Hollandiae 

Dronte 

Drossel . 

Drosseln. - 

Drosselrohrsänger 


Edellalken #....2 Su was 
Edelfasan 

Edelfink 

Eichelheher 

Eiderente 

Eier 


Register. 
Seite 
335 | Einleitung . 
118 | Einsame Drossel : 
433 | Eintheilung der a 
442 | Eisente . - . 
453 | Eismöve . . 
455 | Eisseetaucher . 
456 | Eissturmvogel 
443 | Eisvogel 
444 | Elfenbeinmöve 
42 | Elsteralk 
43 | Elstern (Nutalli, sta 
44 »„ die gemeine 
Emberiza 
sll . nivalis 
542 n lapponica 
543 n miliaria 
n eitrinella 
545 & hortulana E 
113 ” schoenielus (rröleide 
114 palustris) eirlus 
115 a cia, melanocephala, au- 
reola, caesia, rustica, 
116 pusilla, pityornus 
470 | Emu . 
260 | Ente . . 
405 | Entenartige Vor . ; 
405 | Epimachidae, Epimachus, specio- 
594 sus, albus, Gouldii 
144 | Erdsänger . 
324 | Erlenzeisig 
189 | Eudytes . 
602 x glacialis 
608 n articus Dh Zul: 
79 „  septentrionalis (fo 
445 ris) 
445 | Eule 
446 | Eulen 
405 
231 | Falco. 
205 h ia (Byktalon] eroiienin 
196 „  Jlaniarius (eyanopus) . 
„  peregrinus (melanogenys, 
390 anatum, peregrinator, 
337 abietinus, leucogenys, 
135 griseiventris cornicum) 
312 „ subbuteo 
576 „ aesalon 
26 n  anuneuluaT 


Falco, cenchris 

„  rufipes (vespertinus) . 
Falk . e 
Falken, Falconidae . 
Fasan, der gemeine 
Fasanen 


Feldflüchter, Eoldtaube elle 


Feldhuhn, Feldhühner 
Feldlerche . 
Feldsperling 
Felsendohle 
Felsenhahn 
Felsenhuhn 
Felsenschwalbe 
Felsenstrandläufer 
Felsentaube 
Fichtenammer } 
Fiehtenkreuzschnabel . 
Fink . 
Finken 
Fischaar 
Fischreiher 
Fitislaubvogel 
Flamingo 
Fliegenfänger . 

5 Tnnerfiekenfanger 


254, 


5 Halsbandfliegenfänger 


® der graue 

% der kleine 
Flossentaucher 
Flüevogel NDS 
LELLETT: on Dr Bee 
Flussaar 
eeonpliter 
Flussseeschwalbe 
Focke 


Forstlicher Werth unserer Bnechts 


a. Die Inseetennahrung . 
b. Die Ringelbäume . 
c. Die Samennahrung 
d. Die Höhlen . 


Forstlicher Werth der Wallneisen 


Fregattvogel 
Fregilus, pyrrhocorax . 
nn graculus 
Fringilla N 
= coccothraustes . 
d eoelebs (spodiogenys) 


Register, 


Seite 
897 
398 
389 
359 
437 
436 
408 
429 
169 
152 
317 
119 
431 
251 
497 
408 
126 
127 
131 
120 
379 
519 
181 
541 
255 
256 
257 
258 
259 
631 
175 

20 
379 
475 
602 
980 

79 

80 

88 
104 
107 
291 
591 
317 
318 
151 
132 
135 


Fringilla, montifringilla . 
A chloris . 
; serinus . 
“ canaria 
R cannabina 


n montium (flavirostris) 


= carduelis 
ee spinus . 
R linaria . 
5 eitrinella . 


a domestica (eisalpina) 


« montana (campestris) 
petronia 
Bella 
Fulica. ceristata, atra 
Fusshühner 


(abelschwänzige Möve 
Gallinula 

= chloropus 
Gallus, bankiva . 


Gambett, Gembeliasserlinfer A 


Gans . 
Garrulus Se et 
: infaustus, eristatus 


2 glandarius (melanocepha- 
lus, Krynicki, cervi- 
calis, Brandti, iapo- 


nieus) . 
Gartenammer . 
Gartengrasmücke 
Gartenlaubvogel . 
Gartenrothschwänzchen 
Gefieder 
Gehör 
Geier RE 
„ der weissköpfige 

„ der graue . 
Geieradler . 
Geiskopfschnepfe 
Gelbvögel 
Geruch N 
Geschlechtsorgane . 
Geschmack 
Gesicht . 

Gestalt . 
Gimpel . . 

a der gemeine 


398, 


637 


Seite 
138 
140 
141 
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143 
144 
144 
146 
148 
149 
150 
152 
153 
120 
450 
442 


606 
451 
452 
440 
505 
546 
sll 
312 


312 
124 
187 
183 
219 
13 
24 
401 
402 
402 
399 
öll 
302 
25 
26 
25 
24 
25 
128 
129 


638 


Girlitz 

Glanzfasan . 

Glanzstaare 

Glareola torquata Beet me- 
lanoptera) . 

Glattköpfige Eulen . 

Goldammer 

Goldamsel . 

Goldhähnchen „UILHIR 
iA gelbköpfiges 

feuerköpfiges 

BAR sense i 

Grallae 

Grasmücken 

_ Grauammer 

Graudrossel 

Graugans 

Grauspecht 

Grouse, Grousewild 

Gruidae . 

Grünfink 

Grünspecht 

Grus, einerea . 

„ Vvirgo, pavonina 
Grylie, Grylilumme 
Gypaeötus ö 

5 barbatus . 
Gypogeranus serpentarius 
Gyrantes 


Habicht . 
Habichtseule . 
Haematopus avi 
y ostralegus 
Haidelerche 
Haideschmätzer 
Hakengimpel . 
Halieus 
BR:carbo,. RR ER or & 
»„ graculus (Desmarestii), 
pygmaeus 
Halsbandfliegenfänger . 
Halsbandsteinwälzer 
Halsbandsteppenschwalbe 
Hänfling 
Haselhuhn . 
Haubenlerche 
Haubenmeise . 


Register. 


Seite 
141 
440 
303 


481 
340 
124 
261 
192 
193 
194 
471 
474 
185 
123 
234 
548 

72 
428 
458 
140 

ja! 
459 
465 
630 
399 
400 
338 
404 


364 
344 
479 
480 
171 
228 
131 
588 
588 


591 
257 
479 
481 
140 
425 


178 || 


285 | 


Haubentaucher 
= der grosse 
5 der rothhalsige 
® der geohrte 
. der schwarzhalsige 
B der kleine 
Haushuhn . ; 
Hausrothschwänzchen 
Hausschwalbe 
Haussperling . 
Heckenbraunelle 
Heerdenkiebitz 
Heher 
Helmhuhn , 
Heringsmöve . 


Heuschr OU ERFOLGEN 5 
Himalaya-Fasan . 
Himmelsziege 

Hirtenvogel, der Tora uhare 
Hirundinidae . 

Hirundo, rustica (ouhrrien) 

4 urbica . 

- riparia . 

3 rupestris . 

a alpestris (rufula) 
Höckerhuhn, Hokohuhn . 
Höckerschwan 
Höhlenente 
Hohltaube . 

Holzschreier 

Honigsauger 

Hoplopterus 

Hornfasan . 

Huhn ; 

Hühnerhabicht 

Hühnervögel . 

Hypsibates & 
3 himantopus 


Jagdfalk 
Jakuhuhn 
Ibis faleinellus 

„ religiosa, rubra 
leteridae 
Immenvögel 
Isabelllerche 
Isländische Ente 
Jungfernkranich . 


Seite 
620 
622 
623 
624 
624 
624 
440 
221 
249 
150 
176 
476 
sl 
443 
610 
204 
440 
490 
309 
246 
246 
249 
250 
251 
252 
442 
543 
552 
410 
312 
245 
476 
441 
440 
365 
413 
ol5 
516 


390 
443 
537 
538 
302 

61 
175 
567 
465 


Junglehuhn ? 
Ixos obseurus, aurigaster 
Jynıx . R 

„ torquilla 


Kakadu . 
Kahnschnäbler 
Kalanderlerche BER 
Kampfhahn (Kampfläufer, Kämpf: 
schnepfe) . { : 
Kampfläufer 
Kanarienvogel 
Kappenammer 
Karmingimpel 
Kasuar, der nanhellandikehe 
2 der indische . 
Kauze 
Keilhaken . 
Kernbeisser R 
Kiebitz, der gemeine . 
Kiebitzregenpfeifer . 
Kiefernkreuzschnabel . 
Kirschkernbeisser 
Kirschpirol 
Kiwi . 
Klaftichnäbel‘. 
Klappergrasmücke . 
Klettermeisen 
Klettern 
Knäckente . 
Kohlmeise . 
. kleine 
Kolbenente 
Kohbrien 2, 
Kolkrabe 
Königsadler 
Kormoran . 
Kornweihe 
Krabbentaucher, der eihei 
Kragenente 
Kragentrappe 
Krähenscharbe - 
Krammetsvogel, der Tohnalle : 


Kraniche, Kranich, der gemeine . 


Kreuzschnabel 
Krickente . 
Kronschnepfe . 
Kropfstorch .*. 


Register. 


Seite 
440 
245 

67 
68 


38 
Sl 
175 


499 
498 
142 
126 
131 
446 
446 
341 
513 
132 
476 
475 
128 
128 
261 
446 
Sl 
191 
275 

21 
562 
283 
284 
567 
116 
335 
382 
588 
362 
630 
567 
468 
591 
238 
459 
126 
561 
513 
531 


Kuhvogel 
Kukuksartige Vögel 
Kukuke . a: 
5 der gemeine . 
Kurzflügler } 
Kurzzehige Lerche . 
Küstenseeschwalbe . 


Lachmöye . 

Lachseeschwalbe . ACER 

Lagopus, alpinus (rupestris, lago- 

pus, mutus, islandorum, 
Reinhardti) . - 
r albus (lagopus, scotieus) 

Lamellirostres 

Lämmergeier . 

Lamprotornidae . 

Landvögel 

Langhänder. 

Langschwinger 

Laniidae. 

Lanius BE has Sa ae 
” exubitor (septentrionalis, 

borealis) meridionalis . 
x minor. 
„ .  rufus ee rafiospaie. 
> collurio . 

Lapplandskauz 

Laridae . 

Larus. er 
„.  ridibundus 
„ tridactylus, 

tatus. 
„  fuseus . rede 
„  marinus, glaucus, Tönenpteus 
„  eburneus . 

Lasurmeise . nie 

Tiaubvogeli Sr. een 

Laufen 

Leierschwanz . 

Leistenschnäbler . 

Leptoptilus argala . 

Lerche B 

Lerchen . 

Lerchenfalk. 

Lerchenspornammer. 

Lestris u: 

a catarrhactes. 


canus, argen- 


110 


639 


Seite 
403 
41 
42 
44 
414 
175 
603 


607 
601 


427 
428 
539 
400 
303 

37 


592 
263 
264 


265 
267 
268 
270 
344 
597 
605 
607 


608 
610 
611 
612 
287 
179 

22 
118 
539 
Sol 
169 
167 
394 
123 
612 
614 


640 


Lestris, pomarina 
„ parasitica. 


” longicauda, (Buffoni, ere- 


pidata, parasitica) 
Limicola, pygmaea . 
Limosa terec . 
„  melanura N 
nıla® 
Löffelente . ee Be 
Damlora cn wer ne tere, Zrdıte 
£ der gemeine. 
Longipennes 
Lophophorus RnlEens 
Loris . 08 
Loxia. a 
NESZCUTNITOBITANE TE ne 
„ Pityopsittacus 
„  bifasciata . 
Lumme . TE SR 
„ die dickschnäbelige . 
„ die dünnschnäbelige. 
Lund . 


Luseiola . 
h; philomela . 
a luscinia . 
. rubecula Ne 
3 eyanecula (leucocyana, 


Wolfii, orientalis, dichro- 


sterna, suecica) . 


Machetes x 

pugnax . 
Macrochiri . 
Mandarinente . 
Mantelmöve 
Marabu . 
Mauerläufer 
Mauersegler 
Mausebussard . 
Mauser 
Meerelster . 
Megapodidae, Negapodiu 
Meise. : EN 
Meisen ; 
Meleagris, Eallarars 
Meliphagidae . 
Menura . 
Mergulus, alle. 


Register. 
Seite 
614 | Mergus . PER: 
614 »„ merganser (castor) 
a serrator, albellus. 
6157| „Merle... Sen 
498 | Merlinfalk . . 
510 | Meropidae 
511 | Merops apiaster 
512 | Milan. 
565 | Milvus, regalis 
538 RRE 1 1) RN a, cl, n 
539 | Mimus polyglottus, carolinensis, 
592 rufus.. 
440 | Misteldrossel . 
39 | Mohrenlerche . 
126 | Molothrus pecoris 
127 | Monaul . 
128 | Moorente (Brandenie) 
1238 | Moorschneehuhn . 5 
630 | Mormon fratercula (arctica). 
630 | Mornellregenpfeifer. 
630 | Motacillidae 
629 | Motacilla 
209 e alba (Yarellii, Iugubi) 
210 „ boarula. A? 
211 > flava (melnnoserkan 
215 Kaleniezenkii, borealis, 
cinereocapilla, flaveola, 
campestris) 
216 n eitreola. 
Möve. 
498 Bin narire Hügel 
499 | Müschen. 
110 | Muscicapa . EN - 
577 r luctuosa (atricapilla, 
611 muscipeta) . 
531 ® albicollis (collaris, 
278 melanoptera) 
114 = grisola. 
375 parva. 
19 Mdraapida i 
480 | Muskeln. 
442 | Mycteria. 
282 
282 | Nachtigall 
443 | Nachtigallen 
245 | Nachtpapageien . 
118 | Nachtreiher. 
630 br der gemeine . 


Seite 
677 
579 
58l 
222 
395 

61 
62 
369 
369 
371 


245 
233 
175 
303 
440 
569 
428 
629 
473 
154 
161 
162 
163 


166 
167 
605 
597 
493 
255 


256 


257 
258 
259 
254 

20 
58l 


211 
209 

39 
529 
580 


Nachtschwalbe, die gemeine. 
Nachtschwalben . 
Nandu 
Nashornvögel . 
Naumann’s Drossel . 
Nebelkrähe. 
Nectarinidae ; 
Neophron, perenopterus . 
Nerven : 
Nordseetaucher . 
Notornis, Mantelli . 
Numenius EIGEN RE ER 
R longirostris, tenuirostris, 
arcuatus . 
phaeopus. 
Numida, meleagris . 


Odontoglossae. 
ÖOedienemus, crepitans, 
Öhreulen 

Oriolidae 

Oriolus, galbula . 
Ortolan 

»„ grauer 

Otididae. 

Otis tarda . KE 
„ tetrax, Maquenii, honbara, 
Ötocoris, alpestris . 


Pandion, haliaötus . 
Papageien . 
Paradieshopfe . : 
Paradiesvögel, Paradiseidae. 
Paradisea, apoda, papuana, ruba, 
Wallacei, regia . 
Paridae . 
Parra. 
Parus, maior 
% ater. > 
„ veristatus, Breolen ; 
„ palustris, lugubris, sibi- 
ricus, borealis, alpestris 
„ eaeruleus, cyaneus 
n caudatus . 
5 barbatus. 
> pendulinus . 
Passerinae . 
Pastor, rosens. 


124, 


Register, 
Seite 
112 | Pavo, cristatus, spicifer 
111 | Penelope. 
445 | Penelopidae 
58 | Perdicidae . k 
244 | Perdix, saxatilis, Eure 
33l ” petrosa, cinerea 
245 | Perleule. 
403 | Perlhuhn 
23 | Pernis, cristata . 
619 55 apivorus . 
453 | Petroecincla. nu 
512 5 saxatilis, cyaneus . 
Phalacrocoridae . 
513 | Pfau, der gemeine . . 
514 | Pfauenkranich. 
442 | Pfeifente. 
Pfingstvogel 
541 | Pfuhlschnepfe. 
469 | Phaöton. 
349 | Phalaropus. 2 von en RER 
260 5 einereus (hyperboreus, 
261 angustirostris), rufes- 
125 cens Dir 
126 rufus) ale: 
465 | Phasianidae 
466 | Phasianus, colchicus e 
468 a pietus, nyethemerus, 
168 veneratus, albocris- 
tatus, versicolor, 
379 Amerstiae . 
37 | Phoenicopterus a: 
310 R ruber (roseus 
310 antiquorum). 
Pelecanidae. WER Er 
310 | Pelecanus, onocrotalus, erispus 
282 | Pelican, der gemeine, kraus- 
453 köpfige . 
283  Pelikane. 
284 | Piei 
285 | Pieidae . 
Picus, martius. 
286 ».  vimdis®e 
287 Ken 
288 FEBEMAIOT, 
290 „ leuconotus. 
291 „ medius. 
118 „ minor 
309 „» tridactylus. 


641 


Seite 
441 
443 
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429 
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431 
340 
442 
372 
373 
222 
223 
586 
441 
458 
563 ° 
261 
489 
583 
509 


642 Register. 


Seite 
Pieper... = nk Mara 2 GERIDE, 
Pinguin, der grosse. . . . . . 632 
Birolo: 2. en RIED 
Pirol, der ne ee RE RL. 
Bihlarn....,..,. ve RE ETSLER 
Tlylmen’, «Earl alle 25 
Bintalea” .. e-22: 00: Vera er aA 
> leucerodius. . ». . . . 539 
Eliotolophinen...> vn. AM ıE 0 38 
Ploceidse ..... ren. 120 
Plotidae, Plotus Aa ea bl 
Elan ann. SET RE nd 
Polarmovor .. 1... edlen eo 
Polarseetaucher, . . .1u%2 0. 14.1.1619 
Polypleetron bicalearatum . . . 441 
Porphyrio, hyaeinthinus . . . . 453 
Porzellanhühnchen . . . . . . 455 
Prachtente ......7.7.. Se EB 
Prachtäinken. ie... 0... 0 we 
Proeellaria. . : .:; ER ERREIA 
„ glacialis, ran gigantea 595 
Brocellaridae us#3/2#244 : 2252593 
Procellaridae 22% ..äı Pam.) % 05 22505 
Ha Se de ARE Ara 
Pterocles, arenarius. . . . . . 416 
Bleröcliae.. 2... nn) AU SWALS 
BOrOEIOERESRN. ICH ER EE. 6a BAD 
Paffinnszr.: \, 2:96 
= anlornt ER 2 2.4001 
Burpurkuhn‘. ‚mag VEN.2 u 8A 
Burpurreiher =. 0, +. 1. a FIR E28 
Puter, der gemeine. . . . . . 48 
Byachular aut re 
T- vulgaris... .. a 2) 
, enucleator, eyihring 

TOBeat HN RR NR. 
Quiscalus, versicolor . . . . . 308 
Bahe.. sn. %. >: 2. 8180855 
Baben. We nt ae 

u Vulturcorvus, crassiro- 
stris, validissimus, capensis 328 
Babenkräho, ı.... .:.- +. Neal 831 
Hakelwald)... 2. Ze ann MH 
Baken vs Dane 3: BE 
BRlle 32... nu, 05 DM Ah. 


Ballıdaos Urn. 2 sed 


Rallus aquatieus 
Raptatores . 
Rasores . 
Raubmöve . : 
. die - 
= die ne 
> die Schmarotzer- 
R die langschwänzige 
Raubseeschwalbe 
Raubvögel . 
Rauchschwalbe 
Rauhfüssiger Bussard . 
Rauhfüssiges Käuzchen . 
Recurvirostra, avocetta 
Regenbrachvogel Bin. 
Regenpfeifer”. .. nz 468 
Regulus, satrapa, modestus (une 
eiliosus) 
2 eristatus . 
ignicapillus 
Heiber, eigentliche . 
Reiherartige Vögel 
Reiherente 
Reisvogel 
Rephuhn 
Respiration des Vogels 
Rhamphastidae . . . a: 
Rhea, americana, Darwinii, macro- 
rhynchus . 
Rheidae 
Rhynchops . 
Riesensturmvogel 
Ringdrossel 
Ringelgans 
Ringeltaube 
Rohrammer rl 
Rohrdommel die grosse . = . 
r die kleine . 
Rohrmeisen 
Rohrsänger BEE? 
5 einfarbige . 
= lerchenfleckige 


| Rohrweihe (Rostweihe) 


Rosengimpel . 
Rostente 
Rothdrossel 
Röthelfalk . 
Röthelfalken . 


Rother Milan . 

Rothfussfalk 

Rothhalsgans . 

Rothhuhn . 

Rothkehlchen 5 
gemeines 

Botheoherkel, der kleine, grosse . 

Rothschwänzchen Re 

Rottgans (Radgans) 

Rubinkehlehen 

Ruderente . 

Ruderfüsser 

Rupicola : 

Rutieilla, phoeniceurus (Peeibrelis) 

n tithys (Cairü) . 


Saatgans 
Saatkrähe . 
Säbelschnäbler 
Säger, Ir: 
x der grosse 
5 der mittlere, kleine, 
Salangane . 
Sammetente ar 
Sanderling, Sandläufer 
Sandfarbene Lerche 
Sandhuhn . 
Sandregenpfeifer 
Sandtüte 
Sänger Me 
Sarcoramphus, papa, ee ollas ; 


Sattelstorch 
Saxicola ee ek 
5 oenanthe (isabellina, 
saltatrix, olivastra, 
squalida, ferruginea, li- 
banotica) . e 
n stapazina (rufesaenz) au- 
rita e 
> rubicola (maura, ah 
fasciata, semitorquata, 
pastor, Hemprichii, 
ferrea, indica 
= rubetra 
Schacker 
Scharbe . 
Scharben 
Scheckente 


Register. 
Seite 
369 | Scheerenschnäbler . 
398 | Schellenente 
552 | Schildamsel 
430 | Schilfrohrsänger 
214 | Schlammläufer 
215 | Schlangenadler ’ 
505 , Schleiereule, Schleiereulen 
219 | Schmätzer . 
552 | Schnarre 
216 | Schnatterente (Mittelente) 
567 | Schneeeule 
582 | Schneehuhn 
119 | Schneespornammer . 
219 | Schnepfe 
221 | Schnepfenartige Vögel 
Schnepfenstrausse 
549 | Schopfreiher 
329 | Schräk 
515 | Schreiadler h 
577 n der grosse 
579 | Schreivögel 
581 | Schwalbe, Sohwalben : 
116 | Schwalbenschnepfen 
574 | Schwan . Pe 
498 5 Höckerschwan 
175 | 5 Singschwan 
415 | Schwanzmeise 
474 | Schwarzdrossel 
470 | Schwarze Seeschwalbe 
178 | Schwarzer Milan 
403 | Schwarzkehlige Drossel 
531 | Schwarzköpfige Grasmücke . 
224  Schwarzspecht 
Schlangenhalsvögel 
Schwimmen 
Schwimmenten 
225 | Scolopacidae . 
Scolopax en 
2327 E rusticola 
x minor 
x maior e 
S gallinago, Walken 
228 5 gallinula 
230 | Seeadler, der weissschwänzige 
238 | Seegänse 
586 | Seerabe . 
588 | Seeregenpfeifer 
567 | Seeschwalbe . 


648 


Seite 


605 
571 
240 
202. 
498 
378 
340 
224 
233 
959 
346 
427 
122 
482 
481 
446 
529 
453 
384 
386 
118 
246 
501 
542 
543 
545 
288 
241 
604 
370 
244 
188 
70 
591 
23 
556 
481 
482 
483 
488 
489 
491 
493 
386 
551 
588 
475 
599 


644 


Seeschwalbe, die weissen 
5 die grauen 

Seetaucher . 

Segler 

Seidenreiher 


113 


Seidenschwanz, SeidenschHänze £ 


x der gemeine 

Sialia sialis 
Sibirische Drossel . 
Sichler, der europäische . 

a der heilige 
Silbermöve 
Silberreiher 
Singdrossel 
Singschwan 
Singvogel - SAL 
Sitta, caesia (europaea) Sea 
Sittiche, Sittacinae 
Skelet des Vogels . 
Spatelente . 
Spechte . 
Sperber . 
Sperbereule 
Sperbergrasmücke . 
Sperlinge 
Sperlingsartige Yagdl 
Sperlingseule . 
Spheniscidae . 
Spheniscus, chrysocoma . 
Spitzente 
Spizellinen 
Spornammer . 
Spornflügler 
Spornkiebitze . . 
Spornpieper 
Spottdrossel 
Spottvogel 
Sprosser 
Staar, der ic 
Staaramsel 
Staare 
Steganopodes 
Steinadler . 
Steindohle . 
Steindrossel 
Steinhuhn . 
Steinkäuzchen 


66 


Register. 


Seite 
600 
603 
617 
114 
526 
252 
253 
224 
245 
537 
538 
608 
525 
234 


Steinmerle 
Steinschmätzer uk 
e der gemeine . 
Steinsperling . 
Steintüte 
Steinwälzer 
Steisshühner 
Stelzenläufer . te Relge: 
“ der grauschwänzige 
Stelzenschwäne . 
Steppenhuhn . 
Steppenschwalbe 
Steppenweihe 
Sterna NER ig Sre 
5 caspia, anglica cantiaca, 
r Douglasi, hirundo . 
A marcrura (arctica), minuta 
5 hybrida (leucopareia), leu- 
coptera (nigra), fissipes 
(nigra) 
Stieglitz 
Stockente 
Storch, der weisse . 
„ der schwarze . 


Storchartige Vögel 


Strandläufer ee 
R der isländische . 
= Felsenstrandläufer, 
der bogenschnäblige, 
Alpenstrandläufer . 
F Zwergstrandläufer, 
Temmincks-Strand- 
läufer 
Strauss, der afrikanische, der süd- 
amerikanische 
Strepsilas 
= interpres 
‚ Strigidae 
Stringopinae . 
Strix, flammea 
„  aluco 


„  uralensis, lapponica . 

„  nisoria (ulula, hudsonia, fu- 
nerea, canadensis, freti Hud- 
sonis, doliata, aretica, borea- 
lis) 

n„  hnyctea . 


Seite 
223 
224 
225 
153 
473 
478 
445 
515 
516 
541 
416 
489 
363 
599 
601 
602 
603 


604 
144 
557 
5832 
986 
dal 
494 
496 


497 


498 


445 


478 
479 


338 

39 
340 
342 
344 


345 
346 


Strix, noctua (passerinia, nudipes 


meridionalis, numida) 
„  dasypus (funerea, 
Tengmalmi, passerina) 


„ passerina (pygmaea pusilla 


acadica) 

»„ brachyotus 

„  otus (Americana) , 
„ bubo (scandiaca) 
2 EA 
Struthio, camelus 
Struthionidae . 
Sturmmöve 
Sturmschwalbe 


® kleine, gabel- 
schwänzige . 


Sturmtaucher . 

Sturmvogel 

Sturmvögel 

Sturnella ludoviciana . 

Sturnidae 

Sturnus vulgaris oe. 

Sula bassana (alba) 

Sulidae . 

Sultanshühner 

Sumpfhuhn ern 
x das gesprenkelte 


Sumpfhuhn, das kleine, Zwerg- 


sumpfhuhn 

Sumpfhühner . 
Sumpfläufer 
Sumpfmeise 
Sumpfohreule 
Sumpfrohrsänger 
Sumpfschnepfen . 
Sumpfvögel 
Sylvia 

2 rufa . 

5 trochilus 

5 sibilatrix (erivteole) 

n hypolais 

2 nisoria . 

3 hortensis 

5 atricapilla . 

5 cinerea „I .UEN, 

& eurruca . 


Syrrhaptes, poradoxus 


noctua, 


Register, 645 
Seite Seite 
Tachypetidae an aquilus 592 
346 | Tafelente - 568 
Tageulen 344 
348 | Talegalla 442 
Tannenheher . Ar 318 
348 Re der gemeine . 319 
349 | Tannenmeise . 284 
351 | Tantalus 531 
352 | Tastsinn 25 
354 | Taube 0406 
445 | Tauben . 404 406 
444° | Tauchen ‚.....m0 vuiea. 23 
608 | Tauchenten 566 
595, || Tauchen. nr NGC GHZ 
Tauchergans 579 
596 | Teichhuhn . u 451 
596 5 das gemeine . 452 
594 | Jeichrohrsänger . 5 198 
593 | Teichwasserläufer & 507 
903 Teiste - 630 
308 Temmincks- Strandläufer : 498 
304 | Tetrao, urogallus (urogalloides) 417 
585 „  teirx 420 
584 e medius 424 
453 h bonasia, Benpelln: 425 
453 Tetraonidaer 7 Son: , 416 
455 Thalassidroma 595 
Thalassidroma, pelagica, Tone 596 
Thurmfalk . er . 896 
E28 Tiehodroma, muraria, Keane . 278 
149 | Tölpel 584 
447 | Totanus ER 500 
286 n ochropus 501 
349 ä glareola 504 
200 2 calidris, fuseus 505 
488 n glottis 506 
447 S stagnatilis . 507 
178 | Toxostoma . 245 
180 Tragopan : 441 
181 Trappe, die Bronze 466 
182 Trappen 465 
183 | Trauerente 575 
186 Trauerfliegenfänger 256 
187 Trichoglossinae . 39 
188 | Triel, der europäische 469 
189 Tringa - 494 
191 r islandiea .. 496 
416 ” maritima, subar Eee ein- 


646 


elus (alpina, variabilis, 
Schinzü) 
Tringa minuta, Temminckii 
Trochilidae 
Troglodytinae, De 
Troglodytes parvulus, borealis 
Tropikvogel 
Trupiale 
Tubinares 
Turdidae 
Turdus . 
> viscivorus . 
2 musicus 
5 iliacus 
n pilarıs 
= torquatus . 
R merula . te 
5 migratorius, atrigularis 
(Bechsteinii, ruficollis), 
Naumanni, fuscatus 
4 sibirieus (leucocillus) pal- 
lens, solitarius, minor, 
varius, ruficollis 
Türkische Ente . AbnE 
lurteltauben ua nenn 
Tüte . 
Tütewelle 
Uferläufer . 
Uferschnepfe . RE 
= die schwarzschwän- 
zige . - 
5 die rothe . 
Uferschwalbe . 
Unglücksheher 
Uhr . 
Upupa, epops 
Upupidae 
Uralkauz 
lirax> 
Une: Br ne 
„  arra (pica, Brünnichii) 
„ lomvia (troile, Hringvia) 
Urinatores . 
Urubu 


Vanellus, gregarius, eristatus 
Verbreitung 
Verdauungsapparat 


Register. 


Seite 


497 
498 
116 
272 
275 
583 
302 
593 
205 
231 
233 
234 
236 
238 
240 
241 


244 


245 
577 
411 
471 
413 
507 
510 


5ll 
512 
250 
312 
352 

62 

62 
344 
443 
630 
630 
630 
616 
403 


476 
35 
25 


Viehstaar 

Vireonen 
Vulpanser . OR 
5 rutila, tadorna 
Vultur RE AN7 
& fulvus, einereus . 

Vulturidae 


Wachholderdrossel . 
Wachtel, die gemeine 
Wachtelkönig 

Waldammer 

Waldhuhn . 

Waldhühner 

Waldkauz . 

Waldlaubvogel 

\Waldmeisen ; 
Waldschnepfe, Waldschnepfeh 
Waldsegler Nee 
Waldwasserläufer 
Walfischkopf . 
Wanderdrossel 

Wanderfalk 

Wandertaube . 

Wandertrieb 


Wasserhuhn 
Wasserläufer . 


r der hellfarbige 
Wasserpieper . Ber 
Wasserralle ; 
Wasserschnepfe, die oa, 
Bi: die kleine 


Wasserschwätzer 2 
5 der gemeine . 
Wassertreter . dran ugs 
a der schmalschnäbeli- 
ge, der breitschnä- 
beige IE 
Wasservögel 
Wasserwader . 
Webervögel 
Weidenammer 
Weidenlaubvogel, Weidenzeisig 
Weihe 3 SE 
Weindrossel 
Weissbärtige Sepschralbe 
Weissbindiger Kreuzschnabel . 
Weissflügelige Lerche 


Seite 
303 
264 
553 
554 
401 
402 
398 


238 
433 
453 
126 
417 
416 
342 
182 
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530 
244 
391 
413 

29 


453 
500 


506 
157 
457 
490 
493 
206 
207 
509 


510 
539 
516 
120 
126 
180 
359 
236 
604 
128 
175 


Register. 


Seite 
Weissflügelige Seeschwalbe . . 604 
Weisswangengans . . .» » . . 558 
Bendahalee Dena. a 160 
Wespenbussard . . . . . 872 373 
Wiedehopfe, Wiedehopf, der ge- 
meine ent. 2 
Wiedewagl 2 u... 2 2b 
nesenknarrer . ,. . un... 468 
Waesenpieper . -» . ........ 158 
Wiesenschmätzer . . . . . . 228 
= der schwarz- 
kehlige . . . 228 
n der braun - 


kehlige . . . 230 
Wiesensumpfhuhn . . . 2... 458 
äesenweihe ..... .... .2.."s.... 368 
Wirthschaftlicher Werth unserer 

Inn a er: 


wen ne a re re 120 | 

rer ea ee 32681264 
A der’erosse: 2%. 0. 0% 260% | 
5 GErspraNar.Z ee en 2a | 


:: der rothköpfige . . . . 268 
& der rothrückige . . . 270 
re. rn reed | 


Druck der Franz Krüger’schen Buchdruckerei in Berlin. 


Wüstenlerche . 
Wüstenhühner 


Xema Sabinii 


Zaunammer 
Zaungrasmücke . 
Zaunkönig . 
Zaunschlüpfer 
Zeisige . 

Ziemer . 
Zipammer . Se 
Zippdrossel, Zippe . 
Zweizehige Strausse 
Zwergadler 
Zwergammer . 
Zwergdrossel . 
Zwerggans 
Zwergohreule 
Zwergscharbe 
Zwergseeschwalbe . 
Zwergstrandläufer . 
Zwergtrappe . 
Zygodactyli 


647 


Seite 


175 
415 


606 


125 
191 
273 
270 
144 
238 
126 
234 
444 
386 
126 
245 
551 
354 
591 
603 
498 
468 

41 


BER ER 


Derlagsbuchhandlung bon Inlins Springer in Berlin, Monbijonplatz 3, 


eS Geschichte 


Waldeigenthums, der Waldwirthschaft 


und 


Borstwissenschaft in Deutschland 
Aug. Bernhardt, 


König]. Preuss, Forstmeister und Abtheilungs-Dirigenten bei der Hauptstation für das 
forstliche Versuchswesen. 


In zwei Bänden. 


Erster Band. 
Preis 2 Thlr, 15 Sgr. 


Das vorliegende Weık wird eine Lücke in der forstwissenschaftlichen Literatur 
ausfüllen und einestheils den Studirenden der Forstwissenschaft das Studium der Forst- 
geschäfte erleichtern, anderntheils allrn denen, welche sich für die Geschäfte der 
Kulturentwicktlung in Deutschland interessiren, willkommen sein, 

Es ist in demselben die tiefere Begründung der historischen Vorgänge auf dem 
speciellen Gebiete der Waldwirthschaft überall aus der allgemeinen Entwickelung der 
gesammten Kulturverhältnisse auf allen Gebieten hergeleitet, und die Forstgeschichte 
‘- nicht aufgefasst als etwas Alleinstehendes, in sich Abgeschlossenes, besonders zu Be- 
trachentendes, sondern als ein Theil der allgemeinen Kulturgeschichte; die Darstellung 
der Eigenthums- und Wirthschaftsgeschichte erscheint so in ihrer Abhängigkeit von 
der rechtshistorischen, socialen, politischen und sittlichen Gesammtentwickelung, 
welche auf allen Gebieten gleichmässig ihre Wirkung geübt hat, und deren ganzes Ver- 
ständniss erforderlich ist, soll anders die historische Gestaltung eines einzelnen Wirth- 

schaftszweiges richtig verstanden werden, 

} Dem ersten Bande wird demnächst der Schlussband, das Jahrhundert von 1750 
bis 1850 umfassend, folgen. Ersterer schliesst an der Schwelle einer neuen Zeit und 
lässt nur die Keime der späteren Forstwissenschaft erkennen; der letztere wird in erster 
Linie die Herausbildung dieser Wissenschaft aus den Elementen einer um 1750 noch 
systemlos arbeitenden Waldwirthschaft und der Waldwirthschaftslehre der Emperiker 
derzustellen haben. Daneben wird aber die Fortentwickelung des Waldeigenthums, 
namentlich seine Befreiung von hemmenden Dispositionsbeschränkungen ebenso, wie die 
Ausbildung der Wirthschaft im Walde gebührende Berücksichtigung findeo. 


Soeben erschien: 


forstliche Ausstellung 


Deutschen Reiches 
auf der Wiener Weltausstellung 1873. 


Verfasst im Auftrage der Deutschen Central-Commission 
für die Wiener Welt-Ausstellung 
von 
Bernhard Danckelmann, 


Kgl. Preuss. Oberforstmeister, Direktor der Forst- Akademie zu Neustadt-Eberswalde 
Delegirtem der Deutschen Central-Commission für die Wiener Welt-Ausstellung. 


Preis eleg. broch. 12 Sgr. 


Mi 
‚Vogel- Kann von "Norddeu 


gi Mais‘ kritische Musterung 5 


der europäischen Vogel-. 
nach. Kar Gesichtspunkte 


"Unter Benutzung der einchligige Literatur md nae 
bearbeitet von 


PS LE 


 Dr.. Bernard Borggreve, 


a: Preuss, Oberförster und Doeent ı an der Forstakademi ie: zu 


in Veog mit: her & 
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zur means ur Aare der "Wälder ke en { 


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mit, : besonderer Rücksicht auf die = 


" in Preussen 
Be kalter ya a "on. 1! 5 SL. 
ken Bernhardt; 
x Kl. Preuse; Oberförster.. 
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Tahalko “1. Der Wu und die Waldwirthschaft, _ - II. Der 8 


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