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Full text of "Vom gastfreien Pastor"

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gaUfreicn Paftor 



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Otto £riiti baTtlcbm 



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I 



VOB OTTO BBICH HABTLSBBN «ndUMMB Miher: 

Aag ele. GomOdie. 1890. S. Fiiebar, Yerlag» Bcriin. 
Dl* SM>foyL Zwei Tanchtodeae GeMUehtea. 1881. 

in.A«lL1901. B. Fiaolier, VerUg» BerUiL 
Dar Frosch. FamiliendnuBA UMh Heailk IpM. 1891. 

m. Aufl. 1900. B. FlBOher, Verlair. Bwlln. 
▲Ibert Girand, Pierrot Lanalre. Rondell. 1888. 

8» Fischer, Verlag, Berlin. 
Haona Jagert. ComOdie. 1898. IL AniL 1901. B. Fiieher, 

Verlag, Berlin. 
Die Bniehung aar Bhe. Batire. 1898. IL Anfl. 1898. 

B. Fischer, Verlag, BerUn. 

Die Qescfalcbte vom abgerissenen Knopfe. 1898. 
DL— X.A11JL 1901. B. Fischer, Verlag, Bellte. 

£ln Ehrenwort. BohanspieL 1894. B. Fischer, Vedag, 
i Berlin. 

Ooothe-Brevier. Goethes Leben ia seinen Gediehtea* 
heransgegebea yob O.B.H. 1885. Mtnehw, Karl 
Bchfller, MaziBiliaastrasse 8. 

Meine Verse. 1895. 8. Fischer, Vertag. BeiUn. 

Aaalie Bkram, Ag noto. DeatMh von Theress Krilger 
and 0. B. H. 1895. Belbstreriag. Beriia W. 



Aagelns Silosins. 1896. Georg Bondl, BerUa. 
Vom gastfreien Pastor. 1895. DL— X. Aai. 1901. 
B. Fischer, Verlag, Beriia. 

Oor rSnüsche Maler. 1898. IIL— IV. Aal. 1900. 
a Fischer, Yedm, Bsrlia. 

Olo Bofk«iten. Bin Binakter-Cydna. (lahalt: Die Lore 

— Die sittliche Fordening — Abschied toh BegisMat 

— Der Fremde). 1899. IL AoiL 1901. B. Fischer, 
Veilag, Berlin. 

6ta wahrhaft gnter Mensch. OonOdle. 1889. 
B. Fischer, Verlag, Berlin. 

Kosenmontag. Blas Oflliiers-TragOdie. 1900. X. Aefl. 
1901. B. Fischer, Verleg, BerUa. 






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Vom gasl/reien paslor 



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Berlin 1902 
S. Fischer, Verlag 



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Alle Rechte vorbelialten 



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Seinem lieben 



Cheodor 5ch>^2irz 

in Leipzig 



mit fröhlichen Grüssenl 



ROM, Mai 1895. 
BERLIN, November 1897. 
BERLIN, NoTember 1899. 



M82414 



' * 



INHALT 

Vom gastfreien Pastor S. 13 

Der Einhorn-Apotheker . . . . „ 57 

Ich erbte „121 



-~<- — — <- 



Vom gastfreien pastor 



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J j • o 






Menschen, welche niemals Refe- 
rendar gewesen sind, flössen 
nur eigentlich stets ein unbe- 
grenztes Misstrauen ein. Ich kann 
mir nämlich gar nicht vorstellen, wie 
in solchen Menschen jenes wünschens- 
werte, gesunde Gefühl für die per- 
sönliche Würde heranreifen kann, 
das ich den Vater aller Tugenden 
nennen möchte. 

Hab ich es doch an mir selber er- 
fahren. Ich hatte es als Student, 
selbst in den höchsten Semestern, 
niemals zu einem Zustande des Be- 
wusstseins gebracht, der auch nur 
annähernd den Namen Würde ver- 
dient hätte. Zu den Gaben, welche 
mir die gütige Natur versagt hat, 
zählte ich das Talent zur Feierlich- 
keit. Mit bitterem Neide sah ich 



i3 



• • • 









VON DER MENSCHLICHEN WÜRDE, 

auf die Menschen, welche, mit diesem 
Talente geschmückt, keines weiteren 
*W J^P^iy^^ schienen. — Und doch! 
• Kaum *w€^ ich Referendar — so fing 
:*: .•*tch: ^ucb Jjereits an, mir selber von 
/ : '•••Tag: zit /Tag mehr Achtung abzu- 
nötigen, und es dauerte gar nicht 
lange, da war ich, wenigstens wenn 
ich mir Mühe gab, und zumal wenn 
die weite Robe des Gerichtsschrei- 
bers meine jungen Glieder umrausch- 
te, sehr wohl im stände, mich selber 
für den Königlich Preussischen Be- 
amten zu halten, den zu markieren 
mir das Schicksal vorschrieb. Es ist 
nicht zu sagen, wie eminent erziehe- 
risch solch ein innerer Vorgang 
wirktl Ich war noch keine sechs 
Monate Referendar, als ich bereits 
mit ungeheucheltem sittlichen Ab- 
scheu auf die Opfer der Alimenten- 
prozesse herabzublicken gelernt 
hatte. — 

Der Ort, an dem sich diese ethische 
Wandlung in mir vollzog, war Stol- 
berg am Harz. Die stolzeste Erinne- 



14 



DER COJLLSGS TRÄGER, 



rung, die ich aus jenem lieblichen 
Waldthal ins Leben mitgenommen 
habe, will ich hier gleich vorweg- 
nehmen — gewissermassen in Sicher- 
heit bringen. Man denke: Albert 
Träger, der deutsche Dichter Albert 
Träger, damals noch Rechtsanwalt 
in Nordhausen, kam eines Tages, 
um jemanden vor unserm Schöffen- 
gericht zu verteidigen, und bei dieser 
Gelegenheit hat er mich damals 
wiederholt „Herr College* ge- 
nannt. Auf Ehre 1 Man muss so etwas 
gefühlt haben, um es zu begreifen. 

Stolberg liegt an einer Post- 
chaussee, die aus der nahen Ebene 
aufsteigt und weiter ins Gebirge 
führt. Gleich hinter den alten und 
schiefen, so wunderlich malerischen 
Häusern und Hütten, die da rechts 
und links an dieser Postchaussee 
liegen, steigen sofort die Berge 
hinauf, die fast von unten an be- 
waldet sind. 

Eng und begrenzt wie diese ört- 
liche Lage Stolbergs ist auch der 



15 



DIB STOLMSRGSR UND 



Sinn und das Gehirn der armen 
Stoiberger. Sie kommen nicht her- 
aus, Draussen, in der ebenen Gross- 
stadt, befallt sie Platzfurcht, und 
wenn es wirklich einmal einer fertig 
bringt, draussen im Strome mit zu 
schwimmen — lange hält er*s nicht 
aus, und führen ihn schliesslich Heim- 
weh, Sehnsucht oder andere profa- 
nere Mächte in die Vaterstadt zu- 
rück» so kann man sicher sein, dass 
er es inzwischen zum Ortsarmen 
gebracht hat, den die heimische Ge- 
meinde zu unterhalten verpflichtet 
ist« 

Dem Fremden, der in Stolberg 
einzieht, fallt es sofort unangenehm 
auf, wie zahlreich kleine, verküm- 
merte Kretins, kröpfige Untiere 
aller Art aus dem Kot der Strasse 
hervorzukriechen scheinen. So er- 
hält er gleich ein richtiges Bild von 
dem Menschenschlage, der in diesem 
schönen Erdenwinkel gedeiht. 

Hoch oben über der Stadt, diese 
weithin beherrschend, ragt aus 



i6 



IJiRB DYN^dSTIB. 



schwarzen Tannen das Schloss auf. 
Ein weitläufiger Komplex verschie- 
den alter weissgetünchter Häuser 
mit hohen Schieferdächern, zahllosen 
Mansardenfenstern und niedrigen, 
klotzigen» jichteckigen Türmen — ^ 
so steht es da oben und scheint 
eine Stadt, eine Welt für sich zu 
sein. 

In diesem Schlosse haust seit 
Menschengedenken das Geschlecht 
der ^regierenden" Grafen von Stol- 
berg-Stolberg, ein Geschlecht, so 
alt und vornehm, wie der liebe Gott 
kaum selber. Eine schier unendliche 
Reihe edler und grosser Herren hat 
hier gesessen und — geherrscht. 

! Jeden Nachmittag, punkt zwei 
Uhr, fahrt, solange es eine Geschichte 
giebt und eine Überlieferung unter 
den Menschen, der jeweilig Regie- 
rende wit seiner Gemahlin im offe- 
nen Wagen oder Schlitten, von 
zwei feurigen, schwarzen Rossen 
gezogen, den Berg herab durch 
die Stadt Es geschieht dies einer- 



17 



EINE TAKTLOSIGKEIT. 



seits der Gesundheit wegen, haupt- 
sächlich aber, um die ehrfürchtigen 
Beg^rüssungen der oben geschilderten 
«Unterthanen** erwidern zu können 
und das freundliche Verhältnis zu 
diesen dadurch aufrecht zu erhalten. 
Ganz erstaunlich ist es und nahe- 
zu unglaublich, wie vornehm die 
Grafen von Stolberg-Stolberg sind! 
Und wie vornehm sie zu allen Zeiten 
gedacht und gefühlt haben. Man 
erzählt sich davon viele und herr- 
liche Beispiele. Waren sie doch 
beispielsweise die einzigen unter 
dem hohen Adel Deutschlands, die 
damals, als der streberhafte „regie- 
rende Graf von Habsburg", der 
nachmalige König Rudolph, sich so 
weit vergessen hatte, einen ganz 
gewöhnlichen Priester auf sein Pferd 
zu setzen — eine Begebenheit, die 
durch Friedrich von Schiller dann 
in weitere demokratische Kreise 
getragen wurde — den Mut be- 
sassen, mit jenem wegen dieser un- 
erhörten Taktlosigkeit jeden offi- 
ziellen Verkehr abzubrechen. 

i8 



ADOLPH XXIV, 



Ein Stolberg-Stolberg soll auch 
:zur Zeit der Bauernkriege, als sich 
-eines Tages, kurz vor zwei Uhr 
Nachmittags, ein wütender, blut- 
dürstiger Haufe hungernder Bauern 
zum Schlosse gewälzt hatte, ruhig 
das Fenster geöffnet, seinen Schnurr- 
bart gedreht und ihnen erklärt 
liaben, dass es ein für allemal nicht 
45U seinen Gewohnheiten gehöre, 
mit Leuten ihres Standes persön- 
lich zu verhandeln; ausserdem 
müsse er gleich spazieren fahren 
— worauf dann die Bauern natür- 
lich tief beschämt und begossen 
wieder abzogen. 

Der zur Zeit „regierende" Graf 
heisst, wenn ich mich recht entsinne, 
-Adolph XXIV. Denn — so un- 
wahrscheinlich es klingt — auch in 
dieser erlauchten Familie gehen 
immer zwölf auf ein Dutzend, also 
vierundzwanzig auf zwei Dutzend. 

Adolph XXIV. ist ein seelens- 
guter alter Herr, wohlthätig und 
«parsam, edel und milde. Er reiht 

2* 






DAS SCHRECKLICHE. 



Sich würdig den hehren Gestalte» 
seiner Vorfahren an und ist in keiner 
Beziehung ein Neuerer. Seine Grund- 
stimmung ist eine tiefe, aber harmo- 
nisch abgetönte Melancholie; er hat, 
auch wahrlich Grund genug, sich 
über die Zeit, in der zu leben er 
gezwungen ist, zu beklagen. Zwar" 
hat er selber ja das Schreckliche- 
nicht mehr erlebt, nämlich dass die 
durch Gottes Gnade seinem Stamme 
verliehene Souveränetät diesem im 
Verlaufe schnöder, profaner Zeiter-^ 
eignisse plötzlich abhanden kam; 
er hat es selber nicht erlebt, aber 
er hat den ganzen ungeheuren 
Schmerz über dieses unerforschlich- 
furchtbar- tief- geheimnisvolle Ge- 
schehnis gleichsam vererbt bekom- 
men« Wie versteinert liegt auf 
seinen offenen, sanften Zügen die 
erstaunte Frage : wie ist es möglich,, 
dass Stolberg-Stolberg nicht mehr 
mitgezählt wird unter den deutschen 
Staaten — Wie ist es möglich, dass 
ich, Adolph XXIV., nicht mehr 



20 



DIE LANDESFARBEN, 



Tnitgelernt werde von den deutschen 
45chulbuben — wie ist es möglich? 
Seia hochseliger Vater, dessen 
Namen und Nummer ich vergessen 
habe, war wenigstens im Anfehg 
seiner Regierung noch mitgelernt 
worden: später, als er mediatisiert 
w^ar, pflegte er sich dann mit dem 
'Gedanken zu trösten , dass ihn 
wenigstens die gute, die alte Ge- 
neration noch — auf der Schule 
Tjgehabt" habe. 

Auch Adolph XXIV. sucht sich 
tö seiner Weise zu trösten. Er 
macht das so. Wo er auch immer 
in der Umgebung seines Schlosses 
«inen Pfahl oder aufrecht stehenden 
Balken findet, der zu irgend welchen 
Verkehrszwecken dient — zum Bei- 
spiel eine Tafel zu tragen, auf der 
geschrieben steht: „Verbotener, 
herrschaftlicher Weg.* — da lässt 
*er ihn flugs mit den „Landes^ 
färben* — gelb und schwarz — 
4>emalehl 

Das ist doch immer etwas, und 



91 



MIT MIR IST ADOLPH BOSS. 

der Preussische Staat in seiner be- 
kannten liebenswürdigen Jovialität 
lässt sich das ruhig lächelnd ge- 
fallen und gönnt dem guten Adolph 
dies „landesherrliche* Vergnügen^ 

Die Salamander sind in der Graf-^ 
' Schaft Stolberg-Stolberg ebenfall» 
gelb und schwarz, doch ist es eine 
böswillige Verläumdung, wenn er- 
zählt wird, der Graf liesse auch sie 
anstreichen. Vielmehr thut man 
gut, diesen Umstand einfach auf 
eine besonders devote Gesinnung 
der fraglichen Bestien zurückzu-r 
führen. 

Mit mir ist Adolph böse. Und 
im Grunde kann ich es ihm nicht 
verdenken. Ich war nämlich, solange 
die Welt steht, der erste Referendar» 
der nach Stolberg kam und ihm 
keinen Besuch machte. Das heisst^ 
Pardon: Besuch . . es handelte sich 
dben nicht um einen Besuch, sondern 
um eine Audienz, um die man schrift- 
lich einkommen mnsste. Man wurde 
dann auf eine bestimmte Stunde be-^ 



38 



DJB GESTÖRTE ORDNUNG. 



fohlen, lind nachdem man diese be* 
stimmte Stunde lang im Frack ge- 
wartet hatte, wurde einem durch 
eine gelbschwarze Hofschranze mit- 
geteilt, dass Illustrissimus von den 
heutigen Audienzen schon zu er- 
müdet sei und . . nun ja: man möchte 
ein andermal wiederkommen. 

Solche Vergnügungen haben für 
mich nun immer verflucht wenig 
Reiz gehabt, und ich verzichtete 
daher leichten Herzens darau£ Die 
Folge war, dass man alsbald bei 
Hofe von mir als von einem revo* 
lutionären Verbrecher sprach und 
die Frage in ernstliche Erwägung 
zog, ob man nicht durch eine diplo- 
matische Intervention beim König- 
lichen Hofe zu Berlin die gestörte 
Ordnung wieder herstellen, beae- 
hungsweise Genugthuung fordern 
solle. Man kam jedoch von diesem 
Gedanken wieder ab, weil man sich 
überlegte, dass die HohenzoUern 
doch noch ein zu junges Geschlecht 
seien, als dass man sich mit ihnen 



«3 



\ 

\ 



EINS GNADBk 



in einen standesgemässen Connex 
setzen könnte. 

Statt dessen wusste man es durch- 
zusetzen, dass die „guten" Stolber- 
ger Familien mich nach und nach 
boykottierten, dasheisst, auf meinen 
Besuch hin nicht mehr einluden. 
Wer mich kennt, wird nun denken, 
iiierauf hätte ich es eigentlich abge- 
sehen gehabt, aber ich kann auf 
Ehrenwort versichern, dass ich auf 
eine solche Wirkung ursprünglich 
nicht zu hoffen gewagt hatte^ son- 
dern sie später als reine, unverdiente 
Gnade empfand. 

Aber was red* ich denn so viel 
von Stolberg-Stolberg; ich will ja 
eine Geschichte erzählen, die Ge- 
schichte vom gastfreien Paston 



»4 



J 



n. 



Der einzige Freund, den ich in Stol- 
berg zurückgelassen habe und 
mit dem ich jetzt noch hin und 
wieder fröhliche Karten wechsele^ 
ist merkwürdigerweise der Hotel- 
besitzer und Weinhändler Eberhard. 
Bei ihm, in dem alten Gastzimmer, 
fand ich bald die Gemütlichkeit, um 
die mich die „Gesellschaft* Stol- 
bergs durch Verschliessung ihrer 
„Häuslichkeit* zu bringen den Ver- 
such am untauglichen Objekte ge- 
macht hatte. 

Es war etwas Besonderes, dieses 
alte Gastzimmer. Es hatte seine 
verborgenen Tiefen und gefahr-* 
liehen Heimlichkeiten wie ein Buch 
von Friedrich Nietzsche, Da ging 
es plötzlich ein paar Stufen in 'die 
Höhe, dann wieder unvermutet uni 



»5 



DER HORT DER OPPOSITION. 

die Ecke, und auf einmal stand 
man staunend vor einem niedrigen, 
breiten Block oder Kasten, der in 
seiner geheimnisvollen Einfachheit 
alles begriffsmässige Denken zu sus- 
pendieren drohte. Man atmete er- 
leichtert auf, wenn einem Eberhard 
nach Aufheben eines ungeheuren 
Deckels den Einblick in ein fried* 
liches Lager von Rotspohn und 
Cigarren gewährte. 

Den Mittelpunkt dieses alten ro- 
mantischen Raumes bildete natur- 
lich der Stammtisch der Honora- 
tioren von Stolberg. Dieser Stamm- 
tisch, an dem sich die Hausväter 
der „guten^ Familien kaum sehen 
liessen, bildete gewissermassen den 
Hort der geistigen Opposition gegen 
das regierende Grafenhaus. Da 
residierte und räsonnierte der alte 
Oberstabsarzt mit dem riesigen Ritt^ 
meister-Schnauzbart und gab mit 
seinem blutigen Witze, dem ausser ' 

dem Weberschen Demokritos nichts j 

heilig war, den Ton an. P^n. war 

26 



EINE DÄMONISCHE NATUR. 

da der Amtsanwalt, der sich seine 
Weltanschauung aus JohannesScherr 
gebildet hatte, dabei aber äusserlich 
ein korrekter, formlicher Beamter 
geblieben war, der immer recht 
hatte. Er besass eine grosse natür- 
liche Beredsamkreit, und da er 
ausserdem ein guter und gescheiter 
Mensch war, so verkehrte ich mit 
ihm trotz mancher wimderlichen 
Schrulle, die ihm eigen war, am 
allerliebsten. Er war nicht in dem 
Thal geboren, sondern viel herum- 
gekommen, und besass eine Freude 
an Paradoxen, die durchaus nicht 
kleinstädtisch war, durch die er sich 
vielmehr in den Ruf einer dämo* 
nischen Natur gebracht hatte« 

Der Oberstabsarzt, der Amtsan- 
walt und ich hatten uns bald ge- 
funden und bildeten demnächst 
stillschweigend einen engeren Ring 
und den eigentlichen Stanmi des 
Stammtisches. Wir verstanden ein- 
ander alsbald schon durch Blicke 
und rächten uns für unseren Zwangs- 



»7 



PASTOR VIEMBY&R. 



aufenthalt in diesem Wust von 
Rittertum und PfafFerei, wie wir 
das fromme Stolberg ein für alle- 
mal getauft hatten, durch manches 
feinere oder gröbere Possenspiel, 
in dem wir die Rollen mit einge- 
borenen Stolbergern besetzten. 

Unserer ganz besonderen Beach- 
tung erfreute sich der juiige Pastor 
Viemeyer, der dritte Geistliche am 
Ort. Er war der Sohn des Stol- 
terger Materialwarenhändlers Vie- 
meyer und vereinigte in sich so 
ziemlich alle glänzenden Eigen- 
schaften des Stoiberger National- 
charakters. Seit einigen Jahren war 
er verheiratet und bewohnte den 
zweiten Stock seines geräumigen 
Elternhauses; parterre war der 
Laden, und eine Treppe hoch 
wohnten die Alten. 

Eines Abends im Hochsommer 
war das Eberhardsche Gastzimmer 
überfüllt Es waren viele Fremd« 
in Stolberg, und so herrschte ein 



s8 



SIN HUU^-OUVERJ. 



ungewohntes Leben, Der Ober- 
stabsarzt und der Amtsanwalt spiel« 
ten mit dem Pastor Viemeyer Skat 
um die Zehntelpfennige. (Höher 
spielt kein Stoiberger.) Ich sass 
bei einer Flasche Moselwein in dem 
grossen Ledersessel und sah zu. 
Der Pastor war schlechter Laune, 
er hatte schon gegen dreissig Pfen- 
nige verloren. 

Da schlug es Neun, und alsobald 
fuhr regelmässig wie jeden Abend 
die Post vor. Alle Stoiberger 
stürzten nach uralter Sitte an die 
Fenster, Pastor Viemeyer gab mir 
schnell seine Karten» und es gelang 
mir, in der Eile einen NuU-ouvert 
für ihn zu verlieren. 

Der Post entstiegen zwei Damen, 
die jetzt unter Eberhards Führung 
in das dichtbesetzte Gastzimmer 
traten, eine ältere und eine junge 
— wie es schien, Mutter und 
Tochter. Eberhard wusste einen 
Platz für sie ausfindig zu machen, 
und sie bestellten sich das Abend- 
essen. 

29 



DAS WAR ZU VIEL FÜR IHN, 

■) 



Die jüngere Dame war eine pi- 
kante Erscheinung: sehr schlank, 
fast mager mit vollem, üppigem, 
blassrotem Haar, ein paar dunklen, 
wie versteckten Augen und frischen, 
starken Lippen. Ein eigentüm- 
licher Reiz ging von ihr aus . . 

Die ältere Dame war sehr dick 
und behäbig. Ihre lebendigen Augen 
blickten freundlich und liebenswür- 
dig allen Menschen ins Gesicht. 
Beide waren mit grossstädtischer 
Eleganz gekleidet. 

Während ich mir sie in aller Ruhe 
besah und mich zugleich an der 
Neugier aller andern erfreute, ver- 
lor der Pastor ein Spiel nach dem 
andern. Denn das war zu viel für 
ihn: diese beiden Damen, die so 
plötzlich da hereingekommen waren, 
und über die man doch nun nach- 
denken musste, und dabei Skat 
spielen — nein! Das war zu viel 
für ihn. 

— Vergeben Sie so viel Sünden, 
wie Sie Lust haben, Herr Pastor, 



30 



SOGAR DAS BJLLARD . . . 



aber hier die Karten nicht! — 
schnauzte der Oberstabsarzt und 
warf die Karten auf den Tisch. 

Jetzt fragten die Damen Eber- 
hsurd nach einem Zimmer. Der aber 
zuckte in grösster Höflichkeit die 
Achsehi, bedauerte unendlich und 
versicherte, dass er für diese Nacht 
schon alles, alles vergeben habe, 
sogar das Billard, auf dem zwei 
Touristen aus Sondershaüsen schla- 
fen würden. 

— Aber was machen wir denn 
da? ~ 

— O, Sie werden schon noch 
unterkommen, gnädige Frau. Ich 
werde Ihnen nachher Friedrich mit- 
geben; der wird Sie in eins der 
andern Gasthäuser bringen; irgend- 
wo wird wohl noch Platz sein. — 

Als die beiden Damen mit Essen 
fertig waren, gingen sie mit Friedrich. 

Kaum waren sie draussen, sagte 
ich: 

— Herr Pastor, ich begreife Sie 
nicht. — 

— Wieso? — 

31 



^I^SER FASTOR IST ßlNE SFMINX, 

Ich hatte' einen Blick mit dem 
Amtsanwalt gewechselt. Er hatte 
mich verstanden, und indem er 
seine Karten musterte, sagte er: 

— Ja, ich muss auch sagen, Herr 
Pastor, manchmal sind Sie mir ganz 
unverständlich. 

— Aber was denn? 

Der Oberstabsarzt hatte die Si- 
tuation überschaut. Er drehte sei- 
nen Riesen'^chnauzbart und meinte: 

— Ja, unser Pastor ist eine Sphinx. 

— Aber meine Herren, was wollen 
Sie denn? — 

Nun kam ich wieder dran: 
— Ja, mein lieber Herr Pastor, 
wenn Sie das nicht fühlen • • • 

Dann der Amtsanwalt, der den 
Faust gern citierte: 

— Wenn Ihr*s nicht fühlt: Ihr 
werdet's nie erjagen I 

Und schliesslich wieder der Ober- 
stabsarzt; 

— Schad*t nichts, Herr Pastor: 
wenn's Herz nur gut ist, Hauptsache 
ist, dass 's Kind Luft hat — 



32 



GJiSTFRSI, HERR PASTOR/ 



— Nämlich — sagte ich — Sie 
haben sich da eine der herrlichsten 
Gelegenheiten entgehen lassen, der 
Aussenwelt zu erweisen, was die 
Stoiberger für weltmännische und 
liebenswürdige Menschen sind. In 
Ihres Vaters Hause sind viele Woh- 
nungen: wie Sie hörten, dass Eber- 
hard für die Damen kein Zimmer 
mehr hatte, mussten Sie als Stol- 
berger Patriziersohn aufstehn, sich 
den Damen vorstellen und sie bitten, 
gütigst bei Ihnen absteigen zu 
wollen; sehen Sie, das mussten Sie 
thun. Gastfrei, Herr Pastor! Immer 
hübsch gastfrei! 

— J^i ja, — fügte der Amtsan- 
walt hinzu, — schon die Alten 
schätzten die Gastfreundschaft für 
eine Tugend. Aber freilich: das 
waren Heiden. 

— Jawohl, — knurrte der Ober- 
stabsarzt, — liebe deinen Nächsten^ 
aber halte ihn dir vom Leibe. — 

— Also, Sie meinen wirklich, 
meine Herren . . . 



33 



DER HANHOVSRSCHB COURIBR. 

— Reden wir nicht mehr davon, 
die Sache ist erledigt. Jetzt werden 
die Damen schon in irgend 'ner 
Winkelherberge untergekrochen 
sein — sagte der Amtsanwalt und 
fugte in gleichgültigem Tone hinzu: 
— Es thut mir nur leid um die 
schöne Notiz, die ich an den „Han- 
noverschen Courier*' hätte senden 
können; Unser Städtchen erfreut 
sich in diesem Sonuner einer ganz 
besonderen Beliebtheit beim verehr- 
lichen Reisepublikum. Der Zudrang 
ist augenblicklich ein so grosser, 
dass er nur durch die selbstlose 
Opferwilligkeit unserer privaten 
Mitbürger, an ihrer Spitze der Herr 
Pastor Viemeyer . . . Schade, wirk- 
lich schade . . . Übrigens: Tourne. — 

Man spielte weiter. Der Pastor 
war tief niedergeschlagen. 

Nach Verlauf einer halben Stunde 
kamen die Damen jammernd zurück. 
Friedrich berichtete, dass alles be- 
setzt sei — auch alle Billards, fügte 
er gewissenhaft hinzu« Eberhard 



34 



EINE WELTMANNISCHE SCENE 

■war ratlos, die jüngere Dame dem 
Weinen nah. 

Aber nun kam unser Pastor. Wie 
die Damen wieder erschienen, hatten 
wir ihn nur stumm und mahnend 
-angesehen. Er stand auf. 

— Gestatten Sie . . mein Name 
ist Viemeyer. — 

Erstaunt blickten die beiden Da- 
men auf und — lächelten. Die Vie- 
: mey ersehen Verbeugungen waren 
berühmt. 

Er erklärte ihnen nun, dass er 
Seelsorger sei. — Auch bin ich ver- 
heiratet und wohne im Hause mei- 
ner Eltern, gleich hier links an der 
Ecke. — Schliesslich lud er sie dann 
'höflichst ein, vorlieb nehmen zu 
wollen u. s. w., mit einem ganzen 
Schwall kleinbürgerlicher Redens- 
arten. 

Es entstand eine atemlose Stille. 
^Das ganze Gastzimmer hatte schwei- 
•gend die Scene verfolgt, die guten 
Stoiberger sahen mit Stolz auf ihren 
jungen Pastor und bewunderten 
"«eine weltmännische Kühnheit. 

35 

3» 



eXOSSER ABGANG. 



Als er geendet, sahen die beider» 
Damen sich an, lächelten noch ein- 
mal flüchtig, und dann nahm die 
Altere von ihnen die Einladung mit 
würdevollen Worten an. 

Ganz glücklich, triumphierenden 
Blickes, zog der Pastor mit ihnen 
ab. — 

Wir drei aber knobelten — nach- 
dem sich der Schwärm verlaufen» 
hatte — zur Feier eines solchen 
Tages noch drei Flaschen Sekt aus.. 
Ich fin^ sie alle dreL 



l^ 



HL 

Den Damen schien es im Hause 
des gastfreien Pastors ganz gut 
zu gefallen, sie blieben ziemlich 
acht Tage da. — 

Am Tage vor ihrer Abreise traf 
ich sie zufällig auf einem Spazier- 
gange; er mit der alten Dame voran« 
^eine Frau und das junge Mädchen 
vergnügt hinterher. Ich grüsste ach- 
tungsvoll, ging aber schnell vor- 
über, denn ich verspürte einen 
plötzlichen , unmotivierten Drang, 
zu lachen. — 

Solange die Fremden bei ihm 
wohnten, liess sich der Pastor am 
Stammtisch nicht sehen. An dem 
Abend, wo sie abgereist waren, kam 
^r. 

Er war ganz voll von ihnen und 
«erzählte eifrig drauf los. Die alte 



37 



EIN MÄDCHENPBNSIONAT. 

Dame — übrigens war sie noch gar 
nicht so alt, höchstens 50 — war 
die Witwe eines Oberförsters, die 
nach dem Tode ihres Mannes nach 
Magdeburg gezogen war und dort 
ein Mädchenpensionat eröflfnet hatte,, 
das nun schon zwanzig Jahre bestand 
und sehr gut ging. Das junge Mäd« 
chen, eine Gutsbesitzerstochter aus 
der Umgegend von Magdeburg, war 
bei ihr in Pension. Ach, und beides 
wären so reizend liebenswürdige 
Damen, wirklich, sie hätten eine 
entzückende Woche verlebt. Er war 
ganz begeistert. 

— Sehen Sie, meine Herren — rief 
er aus '— ich bin ja gewiss ein guter 
Stoiberger und liebe mein schönes- 
Vaterland wie einer, aber ich muss- 
doch sagen: hin und wieder ist so 
ein Hauch von aussen riesig er- 
frischend. Sie können sich zum- 
Beispiel gar nicht vorstellen, wie 
bildend der Umgang mit den Damen^ 
speziell auf meine liebe Frau ge- 
wirkt hat, die ja noch nie aus Stol* 
berg herausgekommen ist. 

38 



DER VEREIN FÜR JUNERE MlSSIOJf. 

-^ Und ausserdem hat die Sache 
für mich noch einen sehr praktischen 
Erfolg gehabt. Nämlich beim Ab- 
schied hat uns die Frau Oberförster 
eingeladen, falls wir jemals nach 
Magdeburg kämen, doch ja bei' 
ihnen abzusteigen; sie bewohnten 
ein ganzes Haus für sich, 3 Etagen . • 
und wären immer auf Besuch ein- 
gerichtet. Wie sie das sagte, hielt 
ich es bloss für eine liebenswürdige 
Höflichkeit, denn wie sollten wir 
jemals aus unserm schönen Stol- 
berg herauskommen? Nachher ist 
mir erst eingefallen, dass ja im 
nächsten Monat die Provinzialver- 
sanmilung des Vereins für innere 
Mission in Magdeburg tagt. Ich 
hatte zwar eigentlich nicht die Ab- 
sicht, hinzufahren, denn sowas kostet 
immer schredilich viel Geld — aber 
unter diesen Umständen — : selbst- 
verständlich fahr* ich hin! Nicht 
wahr, meine Herren, das würden 
Sie doch auch thun? — 

Wir drei hatten uns längst an- 
gesehen und verständigt. 

39 



ALS SYNDICCrS ODBR SO. 



— Aber sicher! — sagte der 
Oberstabsarzt« 

— Ich führe sofort! — behaup- 
tete der Amtsanwalt. 

— Und Sie, Herr Referendar? — 

— Ich? — Wenn ich nicht preu* 
ssischer Beamter wäre, würd' ich 
mich überhaupt in der Pension fest 
anstellen lassen. Als Syndicus oder 
so. 

Pastor Viemeyer lachte: 

— Ach, Sie Schäker — nicht 
wahr? Die Kleine war nett? Wissen 
Sie, wie sie in der Pension genannt 
wird? — Lilith! — 

— Na also. — 

— Wir lachten alle, und der 
Abend schloss wiederum in Fröh- 
lichkeit. 



IV. 

Wenn ein Stoiberger Pastor 
nach Magdeburg fährt, so ist 
das ungefähr eine Begeben- 
heit, als wenn unsereins Venezuela 
besucht. Schon vierzehn Tage vor 
dem Beginn der Provinzialversamm- 
lung des Vereins für innere Mission 
unterhielt uns Pastor Viemeyer von 
aichts anderem als von seinen Vor- 
bereitungen zur Reise. Das erste, 
was er sagte, wenn er abends an 
den Stammtisch trat, war etwa: — 
Wissen Sie, ich hab* es mir über- 
legt: ich werde doch keinen Koffer 
nehmen, sondern meine grosse ge- 
stickte Reisetasche von meiner 
Mutter; wissen Sie, es ist so*n Adler 
drauf, d. h. eigentlich ist es kein 



41 



DIB RÜCKKEHR. 



Adler . . es sieht mehr so aus wie 
eine Wildsau ... — 

Wir kannten die Tasche. 

Mit ihr bestieg er denn auch 
schliesslich eines schönen Tages die 
Postkutsche und fuhr nach Nord- 
hausen. Jetzt kann man schon von 
Rottleberode an mit der Bahn fahren. 

Schon nach drei Tagen war er 
wieder da. Bleich und verstört trat 
er an den Stammtisch. Er setzte 
sich still in eine Ecke und gab auf 
alle Fragen nur kurze, ausweichende 
Antworten. Dabei trank er ziem- 
lich schnell einen Schoppen nach 
dem andern und zwischendurch, was 
sonst gar nicht seine Art war, meh- 
rere Schnäpse. Doornkat. 

Schliesslich, ziemlich spät in der 
Nacht, als alle andern gegangen und 
wir drei Säulen des Stammtisches 
mit ihm allein waren, fasste er sich 
ein Herz und erzählte: 

— Ach, meine Herren! Wir Stol- 
berger sollten wirklich unsre schöne 
Vaterstadt nicht verlassen. Ich bin 

43 



IM SALON. 



nun kaum hinausgekommen, und 
schon ist ein fürchterliches Unglück 
über mich hereingebrochen. Und 
was das Schlimmste ist, ich verstehe 
es gar nicht . . ich kann es mir nicht 
erklären • * ich weiss gar nicht, was 
mir eigentlich passiert ist. Also bitte 
hören Sie mich an: ich werde ganz 
ruhig erzählen. Bevor ich fortfuhr, 
hatte ich zwei Tage früher einen 
Brief an die Frau Oberförster ge* 
schrieben, dass ich dann und dann 
ankäme. So fand ich denn alles zu 
meinem Empfange bereit. Es war 
nachmittags so gegen fünf Uhr, als 
ich ankam. In einem Salon, eine 
Treppe hoch, fand ich das ganze 
Pensionat beim Kaffee versammelt. 
Ich wurde wie ein alter Freund 
begrüsst, mit einer ungenierten 
Herzlichkeit . . wirklich sehr nett. 
Überhaupt herrschte in der Pension, 
wie ich gleich von Anfang an be- 
merkte, ein viel freierer und unge- 
nierterer Ton, als wir ihn hier ge- 
wohnt sind. Hier bei meinem Amts- 



43 



UND DIB MÄDCHEN LACHTEN 

bruder Pfitzner zum Beispiel geht 
alles unendlich viel steifer zu. Da 
merkt man eben die Grossstadt. 
— Also ich musste nun mit ihnen 
KafFee trinken. Die jungen Mäd- 
chen, es waren so gegen zehn, alle 
sehr hübsch und riesig geschmack- 
voll angezogen . . allerdings: unsere 
Damen würden da nun wieder als 
Prüderie manches auszusetzen ge- 
habt haben . . na, Sie wissen ja, 
wie das ist. — Wir amüsierten uns 
sehr gut; ich plauderte, erzählte 
ihnen von Stolberg, und die Mäd- 
chen lachten darüber in einem fort, 
ich habe noch nie so viel lachen 
gehört. 

Schliesslich kam Besuch. Sie 
meinten alle, das wäre nichts für 
mich, und ich war auch wirklich 
zu abgespannt von der Sache. Lilith 
führte mich eine Treppe höher in 
ein kleineres Zimmer, wo ich dann 
zu Abend ass. Die Zimmer waren 
übrigens alle riesig gemütlich und 
anheimelnd. Nur standen überall 



44 



AM OFFENEN FENSTER, 



Betten. Daran merkte man, dass 
man in einer Pension war. 

Die Frau Oberförster sah ich den 
Abend nicht mehr, sie blieb untea 
bei ihrem Besuch . • ebenso die 
andern Mädchen. Nur Lilith leistete 
mir noch Gesellschaft, und da ich, 
wie gesagt, müde von der Reise 
war, brachte sie mich schon früh zu 
Bett — noch eine Treppe höher. 
Sie sagte mir, dass sie in dem 
Zimmer nebenan schliefe, und wenn 
ich noch was brauchte, sollt' ich 
nur klopfen. — 

Ich schlief wie ein Stein bis zum 
andern Morgen, wo ich wie ge- 
wöhnlich punkt sieben Uhr auf- 
wachte. Da noch alles ganz still 
im Hause war, mocht ich nicht 
stören, sondern nahm aus meiner 
Reisetasche meine Patentpfeife, 
schraubte sie mir zusammen und 
rauchte. Und zwar — wie das hier 
jeder Mensch thut — indem ich 
mich ans offene Fenster setzte und 
die Pfeife zum Fenster hinaushängen 
liess. 

45 



SPÜLEBOOM LAUFT DAVON. 

Es war ein wunderschöner Mor- 
gen. Ich träumte so recht behag- 
lich und blies den Rauch in den 
Wind. — 

Da auf einmal: wer biegt um die 
Ecke? Mein alter Freund und 
Studiengenosse Friedrich Spüle- 
boom aus Halberstadt, mit dem ich 
vier Semester lang in Göttingen 
jeden Tag zusammen gegessen hatte. 
Ich wusste: er war inzwischen Pastor 
in der Nähe von Halberstadt ge- 
worden, aber wir hatten uns seit 
der Zeit nicht mehr gesehn. 

Ich rufe also in der Freude 
meines Herzens herunter: „Spüle- 
boom, Bruder, bist Du's denn 
wirklich?" 

Was glauben Sie, meine Herren, 
was thut Spüleboom? Wie er mich 
sieht, starrt er mich erst einen Augen- 
blick wie entsetzt, wie entgeistert 
an und dann — läuft er davon. 
Was sagen Sie?l Läuft wie ein 
Dieb, so schnell ihn seine Beine 
tragen! — 



EIKB WEICHE HAND, 



Wissen Sie: er war ja inuner 
schon ein bisschen verrückt, schon 
auf der Universität — machte Ge- 
dichte und alles Mögliche, aber — 
dies könnt ich mir denn doch nicht 
erklären. Ich schimpfte laut vor 
mich hin. 

Da fühle ich plötzlich eine weiche 
Hand auf meiner Schulter. Ich 
drehe mich um — war's Lilith. 

Ich muss sagen y dass ich mich 
ordentlich genierte. Sie war noch 
nicht angezogen, ihr schönes rotes 
Haar war noch nicht gemacht, und 
sie lächelte mich so freundlich an • • . 

Ich war verlegen und wusste 
nicht recht, was ich sagen sollte . • 

Sie schloss zunächst die Fenster- 
läden. Die Morgenluft war auch 
wirklich recht frisch. Dann fragte 
sie leise: 

— Darf ich Ihnen den Kaffee hier 
in Ihr Zimmer bringen? 

— Ja gewiss, sagt' ich, gern, 
wenn Sie so freundlich sein wol- 
len • . • 



47 



ZIEMLICH VIEL KÜCHEN, 



— Und darf ich auch mit Ihnen 
trinken, Herr Pastor? — 

Das gute Kind war so zutrau« 
lieh . . wirklich reizend! 

Na also: sie kam dann mit dem 
Kaffee wieder, und wir setzten uns 
zusammen aufs Sofa und tranken 
ihn. Auch sehr schöner Kuchen 
war da, von dem ich ziemlich viel 
ass — wie meinen die Herren? — 

— Nichts, nichts, Herr Pastor. 
Also — : Sie assen ziemlich viel 
Kuchen? — 

— Ja, na und dann war die 
Stunde herangekommen, wo ich in 
die Versammlung musste. Und nun 
kommt das Unglaubliche: der erste, 
den ich erkenne, ist wiederum mein 
alter Freund Fritz Spüleboom. Wie 
ich aber auf ihn zugehen will, zieht 
er sich schleunigst zurück in das 
Gedränge der andern. Und nun 
dauert es gar nicht lange, da be- 
merk* ich, wie mich bald der eine, 
bald der andere so scheu und finster 
von der Seite ansieht • • Und wenn 



48 



WAS ZUVIEL IST, IST ZUVIEL, 

ich einen anrede, antwortet er nicht, 
sondern thut, als wenn er nichts 
gehört hätte, und wendet mir in 
aufialliger Weise den Rücken . • . 
Ganz scheussliche Situation! Ich 
besehe mich von oben bis unten, 
ob ich was an mir habe • • ich 
prüfe meine Stiefelsohlen . . spüre 
nichts, absolut nichts. 

Die Verhandlungen nehmen ihren 
Verlaut Obgleich ich mich für den 
Verein für innere Mission stets leb- 
haft interessiert habe, höre ich nur 
mit halbem Ohr zu, denn ich bin 
yiel zu sehr mit mir selber be- 
schäftigt. Als dann endlich die 
Sache zu Ende ist, und ich gehen 
will, werde ich ztun Präsidenten des 
Landeskonsistoriums gerufen. 

Ich komme hin: „Herr Pastor 
Viemeyerl Es scheint mir doch, dass 
Ihnen eine würdige Auffassung der 
ernsten Aufgaben des Vereins für 
innere Mission abgeht. Ich will 
keine langen Worte machen. Die 
Sache widert mich an. Was zuviel 
ist, ist zuvieL Einstweilen werdet 

49 



MIT DER LANGEN PFEIFE. 

Sie sich unverzüglich nach Stoiber^ 
zurückbegeben. Dort werden Sie 
das Weitere von mir hören,* Damit 
dreht* er sich um und ging • • • 
liess mich stehn. 

Und nun frag' ich Sie, meine 
Herren 1 Beschwöre Sie: sagen Sie 
mir, ich bitte Sie: was kann das 
sein? Was kann dem zu Grunde 
liegen? Dass man sich am frühen 
Morgen mit der langen Pfeife zum 
Fenster hinauslegt, du lieber Gott, 
das mag ja kleinstädtisch sein,, 
meinetwegen auch ungehörig, wenig- 
stens für einen Geistlichen. Aber 
unmöglich kann das doch ein solches 
Verbrechen sein . . . Wie? — 

Wir verharrten nach Schluss dieser 
Rede eine Zeit lang in tiefem 
Schweigen. Die Situation war doch 
precär geworden . . . 

Schliesslich ergrijGT der Oberstabs- 
arzt das Wort: 

— Sagen Sie, Herr Pastor, haben 
Sie die Sache mit der • • der Frau 
Oberförster besprochen? — 



50 



SIE HAT BEZIEHUNGEIf. 



— O doch, gewiss! Die gute Frau 
war ganz unglücklich, ganz unglück- 
lich, — sie hat sogar geweint. — 

— So. 

— Ja, und hat immer versucht, 
mich zu trösten. Und ganz zum 
Abschied sagte sie: Ich möchte mich 
nur beruhigen: sie würde die Sache 
^chon ins Reine bringen. — 

— Sie. — — 

— Ja, — Sie war ganz erregt. 
Sie versprach mir, sie würde persön- 
lich zu dem Herrn Präsidenten gehen. 
Sie würde ihm bezeugen, dass wir 
das hier alle so machen. Ich meine 
mit der Pfeife morgens. So zum 
Fenster hinaus. — Sie hätte Be- 
ziehungen zu dem Herrn Präsidenten. 
Sein Sohn, der Landrat, wäre öfter 
bei ihr gewesen, und ein Bruder 
Von ihm, dem Präsidenten, hätte 
sogar mal ein Mädchen bei ihr 
gehabt. — Auch kenne sie eine 
^anze Anzahl von meinen Amts- 
brüdern persönlich. Sie würd* 
«s schon machen! 



5« 



BIN KLEINSTÄDTISCHES VORURTEIL, 

Wir atmeten erleichtert auf. 
Nachdenklich sprach der Amts- 
anwalt: 

— Wissen Sie, Herr Pastor, wie 
ich hiernach die Verhältnisse be- 
urteile — Sie wissen: ich war früher 
Lazarettinspektor in Magdeburg und 
weiss also dort Bescheid — nach 
meiner Überzeugung können Sie 
hiernach — voll und ganz beruhigt 
sein. Wenn sich die Frau Ober- 
förster bei ihren sicherlich sehr 
weitgehenden Verbindungen in dieser 
energischen Weise Ihrer annimmt 
— dann kann Ihnen nie und nimmer 
was geschehn. — 

Ich pflichtete dem Amtsanwalt 
eifrig bei und fügte hinzu: 

— Aber da sehen Sie's nun mal 
wieder, Herr Pastor: die eigent- 
lichen Kleinstädter leben doch nur 
in der Grossstadt. Denn sagen Sie 
selbst : giebt es etwas Kleinlicheres^ 
als sich an eine solche Ausserlich- 
keit, wie dieses zum Fenster Hinaus- 
rauchen, zu stossen? -^ — 



53 



K^ÖTTINGEN JST EINE WELTSTADT. 

— Nein, das muss ich auch sagen: 
■das haben wir doch als Studenten 
in Göttingen ganz ruhig gethan. — 

— Ja Göttingen — rief der Ober- 
stabsarzt — Göttingen ist eine 
Weltstadt im Vergleich mit Magde- 
burg! 

Nun wurde es sehr fidel. 

Wir tranken auf das Wohl des 
Vereins für innere Mission. 

Der Pastor, von seinen Sorgen 
befreit, geriet schnell ausser Rand 
und Band — wir mussten ihn von 
Friedrich in seines Vaters Haus 
geleiten lassen. — 

Wir drei aber knobelten wiederum 
^ur Feier des Tages drei Flaschen 
4Sekt aus, und ich fing sie wiederum 
alle dreL 



53 



^^^"^OF'^I^ 



Per €inhorn-)\pothßker 



Die Thätigkeit eines Referendars 
ist schon deshalb eine der vor- 
nehmsten unter allen mensch- 
lichen Thätigkeiten, weil sie niemals 
durch Maschinen- Arbeit ersetzt und 
überflüssig gemacht werden kann. 
Während nämlich auf allen anderen 
Gebieten mit jeder neuen Erfindung 
eines geriebenen Mechanikers so 
und so viele „Hände", welche doch 
nicht bloss arbeiten, sondern auch 
Lohn empfangen wollen, erspart 
werden, trotzt der Referendar mühe- 
los allen Erfindern noch so guter 
und billiger Schreibmaschinen; denn 
wie billig eine solche auch sein 
mag: er ist noch billiger; er ist 
gratis. Darin besteht seine unein- 
nehmbare Stellung, darauf beruht 
seine Würde, das ist sein Rang« 



57 



ICH SCHRIEB, 



So oft ich Über den mir ge- 
wordenen Beruf nachdachte, um so 
sinnvoller erschien mir die Ver- 
knüpfung meines Schicksals. Was 
war seit meinen Kinderjahren mein 
Traum, meine Sehnsucht gewesen? 
Schreiben! Schreiben zu dürfen, 
womöglich ein richtiger Schrift- 
steller zu werden. Nun, das war 
mir im wesentlichen in Erfüllung 
gegangen. Schreiben durfte ich, 
schreiben konnte ich, schreiben 
musste ich sogar. Und wenn es 
einstweilen weniger meine eigenen 
Gedanken und Gestalten waren, 
die ich auf das Papier brachte, 
sondern meistens diktierte Proto- 
kolle, so musste ich mich mit dem 
Gedanken trösten, dass nicht alles 
auf einmal kommen könne. Jeden- 
falls : das Sinnfaltige, das Materielle 
meiner Wünsche hatte ich erreicht: 
ich schrieb. 

Und das in Stolberg. Länger 
als neun Monate habe ich in diesem 
süssen Erdenwinkel dem preussi- 



58 



EINE EMREN'ERKLARUNG, 



sehen Staate meine bescheidenen, 
aber unbezahlbaren Dienste leisten 
dürfen. Ist es da ein Wunder, dass 
mir das Städtchen ans Herz ge- 
wachsen ist, und dass meine Ge- 
danken oft und mit Vergnügen zu 
jenem Referendariats-Idyll zurück- 
kehren? 

Aber auch die lieben Menschen, 
die dort wohnen — es sei ferne 
von mir, dass ich ihnen etwas Bos- 
haftes oder Unrechtes nachrede. 
Vor allem muss ich zu ihrer Ehre 
und um sie vor Zweideutigkeit zu 
schützen, rühmend hervorheben, 
dass sie, wenigstens soweit sie der 
„besseren" Gesellschaft angehörten, 
sehr bald, nachdem sie mich kennen 
gelernt hatten, den offiziellen Ver- 
kehr mit mir abbrachen — es kann 
auf sie auch nicht der Schatten 
eines Verdachtes fallen, als ob sie 
jemals mit mir sympathisiert hätten. 

Ich glaubte diese Erklärung dem 
Rufe jener ehrlichen Leute schuldig 
zu sein und will nun auch erzählen, 



59 



VOM RINGBSTBCHEN, 



was den ersten Anlass dazu gab, 
dass ich es mit ihnen verdarb. 

Der Konsistoriakat Pfitzner, der 
ältere Amtsbruder des gastfreien 
Pastors Viemeyer, hatte auch ein 
Mädchenpensionat« Jedoch war 
dieses von anderer Art als jenes 
der Frau Oberförster in Magdeburg: 
der Unterschied war sogar dem 
Pastor Viemeyer aufgefallen, der 
sich dahin äusserte, dass ihm die 
Mädchen in Magdeburg „wesentlich 
geweckter" vorgekommen wären. 

Zu den erlaubten Ausschweifun- 
gen dieses Mädchenpensionats ge- 
hörte das herzerquickliche Ringe- 
stechen oder Reifefangen. Es ge- 
schah dies aber also. Man verteilte 
sich auf einer Wiese in zwei Gruppen, 
und jeder nahm ein kleines Rohr- 
stöckchen in die Hand. Mittels 
dieser Rohrstöckchen suchte man 
dann kleine Reifen, welche eben- 
falls von dünnem Rohre gefügt 
waren, teils einander zuzuwerfen, 
teils sie aufzufangen. Wenn man 
nämlich einen in hohem Bogen auf 

60 



BIN SCHÖNES WORT. 



einen zufliegenden Reif kunstge- 
recht aufgefangen hatte, empfand 
man eine sanfte Genugthuung; wenn 
es misslang, hatte man das Gefühl 
eines leichten Argers, und im ganzen 
war es eine sehr gesunde Be- 
wegung. 

Die jüngeren Herren vom Gericht 
wurden zu diesen Vergnügungen 
mit Vorliebe kommandiert; sie 
standen in dem Rufe einer beson- 
deren Begabung für jenes sinnige 
Spiel, was der geistreiche Assessor 
Rothe in das schöne Wort fasste: 
Ein richtiger Jurist trifft nicht bloss 
stets ins Schwarze, er weiss auch 
ins Weisse zu treffen. Mit dem 
Weissen meinte er aber den leeren 
Raum innerhalb der Rohrreifchen. 
Dieser Scherz wurde häufig wieder- 
holt. 

An der wundervollen Chaussee, 
die von Stolberg nach Rottlebe- 
rode aus dem Harz hinausführt, 
liegt, etwa eine halbe Stunde von 
Stolberg entfernt, ein einsames 
Wirtshaus, hart an der Felsenwand, 

6i 



FRÄULEIN HANNCHBN AUS BREMEN. 

in die der Wirt seine Keller ge- 
schlagen hat. Dem Wirtshaus ge- 
genüber, an der anderen Seite der 
Chaussee, breiten sich einige Wald- 
wiesen aus, und diese waren zur 
Sommerzeit häufig der Schauplatz 
der erwähnten kindlichen Spiele. 

An einem herrlichen Juni -Tage 
hatte dort bis zur sinkenden Sonne 
der Kampf getobt, und man schickte 
sich schliesslich einträchtiglich zum 
Heimgange an. Hierbei geschah 
es, dass ich mit Fräulein Hannchen 
aus Bremen und dem Einhorn- 
Apotheker zusammengeriet und mit 
diesen beiden trefflichen Menschen- 
kindern vereint die Strasse fürbass 
schritt. 

Fräulein Hannchen war, wie ge- 
sagt, aus Bremen, und das war 
wohl das Charakteristischste an ihr. 
Im übrigen war sie jenes junge 
Mädchen, das schon so unzähligen 
Komödienschreibern den Vorwurf 
schablonenhafter Mache eingetragen 
hat, weil — ein jeder von ihnen — mit 



62 



DER EINHORN-APOTHEKER. 

heiaeem Bemühen, danach gestrebt 
hatte, es möglichst echt und natur- 
getreu wiederzugeben. 

Sie hatte einen blonden Mozart- 
Zopf, hellgraue Augen und einen 
gewissen schwärmerischen Zug im 
Schnitt ihrer Taille. Ihre Rede war 
Ja, Ja und Nein, Nein, was darüber 
war, war meistens vom Übel. Sehr 
häufig sagte sie jedoch auch Ach* 

Wesentlich interessanter und con- 
tourenreicher war da schon der 
Einhorn-Apotheker. Er hatte vor 
allem eine , Weltanschauung", auf 
deren Besitz er viel Wert legte. 
Worin diese bestand, kann ich jedoch 
nicht mit wünschenswerter Klarheit 
angeben, da er meist erst in vor- 
gerückter Nachtstunde darauf zu 
sprechen kam. Ich erinnere mich 
nur, dass er durchaus auf dem 
Boden des kategorischen Imperativs 
unseres grossen Kant stand : „durch- 
aus". 

Auch sonst war er ein ernster 
Mensch und für ein durchschnitt- 



63 



FREMDARTIGE GEWACHSS, 

liches Alltagsgespräch schwer zu- 
gänglich. So kam es denn auch, 
dass er jetzt schweigsam neben 
Fräulein Hannchen aus Bremen ein- 
herging, und es mir überliess, das 
liebe, junge Mädchen zu unterhalten. 

— Ach sagen Sie doch, Herr 
Referendar: was sind das eigentlich 
für merkwürdige Bäume, die hier 
überall an den Chausseen wachsen ? — 

Die Bäume, die sie meinte, waren 
ganz gewöhnliche Buchen, die jedoch 
der herrschaftliche Geschmack der 
regierenden Grafen von Stolberg- 
Stolberg zu allerlei stereometrischen 
Figuren, Pyramiden, Kegeln, CyKn- 
dern und dergleichen hatte zu- 
stutzen lassen. 

Fräulein Hannchen aus Bremen 
hatte sich wohl dadurch irreführen 
lassen und sah die Bäume für fremd- 
artige Gewächse an, nach deren 
Herkunft sie sich bei mir erkundigte. 
Da ich meine Mitmenschen nur un- 
gern in ihren Illusionen störe, er- 
widerte ich nach einigem Nachsinnen 



64 



ZUR BEFREIUNG DER JUDEN. 



und nachdem ich einige botanische 
Forscherblicke um mich geworfen 
hatte: 

— Ja, wissen Sie denn das noch 
nicht, mein gnädiges Fräulein? Diese 
Bäume sind ja eine der grössten 
Merkwürdigkeiten des Stolberg- 
schen Vaterlandes. Sie haben doch 
gewiss schon davon gehört, dass 
einer von den erlauchten Vorfahren 
unseres Herren Grafen einen Kreuz- 
zug mitgemacht hat* 

— Achl — rief Fräulein Hannchen, 
— welchen denn? — 

Ich geriet in Verlegenhdt. Um 
mir jedoch keine Blosse zu geben, 
sagte ich rasch: 

— Den Kinder-Kreuzzug. — 

— Ach ! — rief das wissensdurstige 
Fräulein Hannchen, — wozu wurde 
der denn eigentlich unternommen? — 

— Nun . . also . . hm . . zur Be- 
freiung der Juden. Jawohl. — Adolf 
war damals noch recht klein. Er 
hiess nämlich auch Adolf — der 
'Vorfahr. Wie Sie wissen, ging es 



6s 



DER HEILIGE GEORG, 



mit dem Kinder-Kreuzzug damals 
ziemlich schief: auch der kleine 
Adolf wäre beinah umgekommen. 
Seine Beinchen thaten ihm so weh, 
dass er schliesslich mitten im ge- 
lobten Lande liegen blieb und gar 
nicht mehr weiter wollte. Wenn 
er aber da so allein zurückgeblieben 
wäre, hätten ihn ganz sicher die 
wilden Tiere gefressen. Da erschien 

ihm der heilige Georg wissen 

Sie, gnädiges Fräulein, so erzählt 
es die Legende, Thatsächlich wird 
es wohl irgend ein älterer, wohl- 
wollender Herr gewesen sein. Der 
sprach: Komm, kleiner Adolf, hebe 
deine Batterbeinchen auf und lauf 
noch ein Endchen mit, bis wir ans 
Meerkonunen. Aber der kleine Adolf 
war verzagt und weinte und sagte: 
Nein, hier muss ich bleiben und 
sterben. Da riss der heiUge Georg, 
oder wer es nun war, ein ganz 
dürres Reis aus dem Boden, reichte 
es dem kleinen Adolf und sprach: 
Du wirst nicht eher sterben» als 



66 



DAS WUNDERREIS. 



]>is Du dies Reis in den Boden 
Deiner Heimat eingegraben und 
<laraus einen stattlichen Baum hast 
erstehen sehn. 

— Ach, wie nett! — 

Ja: dieser heilige Georg der Le- 
bende muss zum mindesten ein guter 
Menschenkenner gewesen sein, denn 
der kleine Adolf fasste krampfhaft 
nach dem dürren Reis und stapfte 
wieder mutig weiter. Er ist denn 
auch glücklich wieder nach Stolberg 
heimgekommen. Das erste, was er 
that, war natürlich , dass er das 
Wunderreis einpflanzte — und siehe 
^a, es wurde ein seltsamlich ge- 
formtes Bäumchen, dergleichen man 
vordem niemals dahier gesehen. 
Und von dem ersten Bäumchen 
stammen alle ab, die Sie hier — 
und nur hier so häufig sehn* Es 
wundert mich wirklich, dass Ihnen 
der Herr Konsistorialrat diese Ge- 
schichte von den Bäumen aus Judäa 
noch nicht erzählt hat. — 

— Ach der — was Hübsches er- 
zählt der einem ja nie, — 

6* 



FAGUS SYLVATJCA, 



Der Einhorn - Apotheker hatte 
unser Gespräch schweigend mit an- 
gehört, und obwohl er doch i» 
botanischen Dingen erfahrener sei» 
musste, als ich, nahm er keine 
Gelegenheit, sich einzumengen, son- 
dern sah ernsthaft vor sich hin. 

Als wir uns später von den Damen 
und der übrigen Gesellschaft vor 
der Thür des Herrn Konsistorial- 
rats verabschiedet hatten und in 
Eberhards gemütlichem Gastzimmer 
beim Weine sassen, sagte er: 

— Nun sagen Sie mir mal offen^ 
glauben Sie an die Geschichte« 
die Sie dem Fräulein Hannchen 
vorhin erzählt haben? 

— Aber lieber Herr Constantinr 
was denken Sie von mir: sie ist 
mir- beim Sprechen so eingefallen. 

— Nun ja: das dacht* ich min 
Aber sehen Sie, das find* ich nun 
nicht recht von Ihnen. Das ist 
nämlich die ganz gemeine Buche^ 
Fagus sylvatica. 

— Aber lassen Sie mir doch meinea 
Spass. 

68 



NEUTRALiB DINGE. 



— Ja: Sie verwirren dieses junge 
Mädchen, das in seinen botanischen 
Kenntnissen offenbar noch nicht 
recht sicher ist . • • 

Ich brach das Gespräch ab, und 
wir redeten bald über harmlose und 
neutrale Dinge • • • Monarchie, 
Religion, Ehe, Eigentum und der- 
gleichen. 

Zu derselben Zeit aber wollten 
es meine Sterne, dass die Familie 
des Konsistorialrats Pfitzner mit all 
ihren Pensionärinnen um den grossen, 
runden Tisch beim Abendessen ver- 
sammelt sass und dass Fräulein 
Hannchen aus Bremen ihr Münd- 
chen aufthat und fragte: 

— Ist das wirklich wahr, Herr 
Konsistorialrat, der Herr Referendar 
hat mir erzählt, die beschnittenen 
Bäume an der Chaussee wären 
alle von jüdischer Abstammung? — 

Das entsetzliche, qualvoll lange 
Schweigen, das nach dieser un- 
geschickten Frage eintrat, wurde 



69 



so LASS7 UNS DENN BETEN. 

erst unterbrochen, als der Herr 
Konsistorialrat wie allabendlich die 
Hände faltete und sprach: 
— So lasst uns denn beten • • •. 



70 



i 



n. 



Damit war es mir geglückt^ in 
den erfreulichen Ruf zu ge- 
raten, dass man mich nicht 
gut mit jungen Mädchen zusammen 
einladen könne, weil ich zu wenig 
Respekt vor ihrer Unschuld an den 
Tag lege« Und so kam es, dass 
man mich von Stund an von dem 
Ringelchen- Werfen dispensierte. Ein 
älterer Assessor, der das Grund- 
buchwesen bearbeitete, und von 
dem man bereits geglaubt hatte, 
absehen zu dürfen, wurde wieder 
hervorgesucht und musste an meiner 
Stelle auf der grünen Wiese hüpfen. 
Ich aber begann mich mehr und 
mehr für den seltsamen Einhorn^ 
Apotheker zu interessieren. Seit 
jenem Abend musst ich ihn im 
Stillen stets mit jenen Bäumchen 



71 



EINE MANNERSCHÖNHEIT, 

aus Judäa vergleichen, die so künst- 
liche Contouren trugen und im 
Grunde doch gemeine Buchen 
waren. 

Er war einige Jahre älter als ich, 
etwa dreissig Jahre alt und von 
tobef stattlicher Figur. Er hatte 
einen dicken Kopf und ein volles 
Oeisicht, das von einigen Schmissen 
verziert war. Grosse, runde, etwas 
blöde Augen, ein strammgezogener^ 
starker Schnurrbart und ein Grub- 
chen im Kinn machten ihn ent- 
schieden zu einer Männerschönheit. 
Sein dunkelblondes Haar trug er 
in der Mitte gescheitelt und fest 
anliegend. . Er lachte fast nie, und 
seine grosse, breite Stirn zeigte 
eine starre, unbewegliche Glätte. 

Er stammte aus einer wohl- 
habenden Familie aus Duisburg im 
Rheinland.' Sein Vater, der auch 
eine Apotheke hesass und dessen 
Nachfolger Constantin eigentlich 
hatte werden sollen, hatte ihm die 
Einhorn- Apotheke zu Stolberg ge- 



73 



NAPHTUALIir, 



kauft, da er sich selber noch rüstig 
fühlte, und da zwei Apotheken ein- 
träglicher sind denn eine. 

Constantin war unverheiratet, ein 
spröder Junggeselle. So viel Mühe 
sich auch begreiflicher Weise alle 
Stoiberger Familien, die mit ehe- 
benötigten Töchtern behaftet waren, 
um ihn gaben, so uneinnehmbar 
und wacker hielt er aus. Selbst 
Müttern gegenüber, deren Wesen 
so lieblich war, dass man sich 
ordentlich danach sehnen musste, 
sie zu Schwiegermüttern zu besitzen, 
wusste er seine Standhaftigkeit zu 
bewahren. Als ihm eine von diesen, 
die Frau Obersteuereinnehmer Stiel- 
chen, die immer stark nach Naph- 
thalin roch, weil sie eine aber- 
gläubische Angst vor den Motten 
hatte, als ihm diese einmal eines 
Abends eine etwas breite, aber 
anschauliche Schilderung der häus- 
lichen Tugenden ihres Clärchen ent- 
worfen hatte, erwiderte er schliess- 
lich mit ernster Bescheidenheit: 



73 



NOCH ZU JUNG DAZU. 



— Ja, ja . . . aber ich glaube, 
ich bin noch zu jung dazu. — 

Diese in höchster Not und Enge 
gefundene, höchst mangelhafte Ent- 
schuldigung wurde natürlich von 
der entrüsteten Frau Obersteuer- 
einnehmer weiter erzählt und wurde 
der Ausgangspunkt für eine ganze 
Reihe abenteuerlicher und unge- 
rechter dunkler Gerüchte über den 
Einhorn- Apotheker. 

Obgleich in Stolberg nicht der 
geringste Boden war für die Be- 
thätigungen einer unverheirateten 
Mannesseele, und es ihnen daher 
eigentlich gleichgültig sein konnte, 
hielten doch die Stoiberger mit 
Entschiedenheit darauf, dass sich 
ihre Jünglinge im Besitze der all- 
gemeinsten männlichen Fähigkeiteil 
befanden : sie dachten darüber etwa 
wie mein philosophischer Freund, 
der Papa Heilmann, über die all- 
gemeinen bürgerlichen Ehrenrechte, 
von denen er sagte: Ich mache 
zwar keinen Gebrauch davon, 
möchte sie aber doch nicht missen. 

74 



DIE ANIMALISCHE EHRE, 



Die verletzten Eltern der ver- 
schmähten Töchter zögerten also 
nicht lange, den rätselhaften Ein- 
horn-Apotheker in ihren frommen 
Conventikeln durch allerlei ver- 
stekte Andeutungen, durch Aus- 
brüche christlichen Bedauerns und 
dergleichen nach und nach um seine, 
wie soll ich sagen? — animalische 
Ehre zu bringen. 

Eines schönen Abends kam der 
alte Oberstabsarzt aus so einer gott- 
gefälligen Gesellschaft zu uns nach 
Eberhard an den Stammtisch, und 
nachdem er sich einige Male 
wichtig den Schnauzbart gedreht 
hatte, sag^e er mit der ihm eige- 
nen, gewinnenden Offenheit: 

— Wissen Sie denn das Neueste, 
meine Herren? Unser Einhorn- Apo- 
theker soll ja ein Castrat seini 

— Ach was! 

Eberhard und ich lachten laut auf. 
Nicht so der Amtsanwalt, dessen 
Halsadern anschwollen. Zornrot 
rief er: 



75 



DAS HEILIGSTE, 



— Ich begreife nicht, wie Sie 
darüber lachen können, meine 
Herren. Beim heiligen Sebastian: 
es ist eine Gemeinheit! Nichts 
ist mehr sicher vor den Pfeilen des 
boshaften Klatsches dieses bornier- 
ten Kleinstadt-Gesindels! An. das 
Heiligste tasten siel Selbst an 
unsere Manneswürde wagen sie zu 
greifen, o pfui, pfui über sie! 

Während wir noch lachten, trat 
der Einhorn-Apotheker selbst ins 
Zimmer. Er pflegte um lo Uhr 
abends seine Apotheke zu schliessen 
und sich dann zwar nicht jeden 
Abend, aber dreimal in der Woche 
zu Eberhard zu begeben. 

— Guten Abend, meine Herren. 

— Guten Abend ! — Wir schüttel- 
ten ihm mit besonderer Herzlichkeit 
die Hand, und es herrschte an diesem 
Abende von vornherein eine vor- 
zügliche Stimmung. Wir beschäftig- 
ten uns fast ausschliesslich und un- 
gewöhnlich liebenswürdig mit ihm, 
dem böse Menschen hinterrücks so 
übel mitspielten. 

76 



DIE REIHE DES EHEBETTS, 

— Nun sagen Sie mal, mein Ver- 
ehrtester — sagte plötzlich der Ober- 
stabsarzt mit erhobener Stimme — 
wie steht es denn nun eigentlich 
mit Ihrem werten Liebesleben? 

— Womit? — fragte der Einhorn- 
Apotheker ganz erschrocken. 

— Mit Ihrem werten Liebesleben, 
wiederholte der Oberstabsarzt und 
kaute mit ingrimmigem Behagen an 
seiner Cigarre. 

Constantin lächelte verduzt, und 
ich legte mich ins Mittel. Im Ton 
des Vorwurfs sagte ich: 

— Aber Herr Oberstabsarzt, wo 
denken Sie hin! Meinen Sie denn, 
jeder junge Mann müsste eine so 
stürmische Jugend durchkosten, wie 
die ihrige war. Nein, Gott sei Dank. 
Noch giebt es deutsche Jünglinge, 
die da hübsch warten, bis die Reihe 
des Ehebetts an sie kommt. 

Das half. 

— Oho! rief der Einhorn- Apo- 
theker — halten Sie mich nicht für 
einen solchen Duckmäuser. Auch 
ich bin . . . hm . • • 

77 



KELLNER t 

Er wollte wohl sagen : in Arcadien 
geboren, aber es fiel ihm nicht ein. 
Auch unterbrach ihn der Oberstabs- 
arzt mit der schmetternden Stimme 
des Triumphes: 

— Recht so, junger Mann! Ich 
sehe: ich habe mich in Ihnen nicht ge- 
täuscht. Also vorwärts! Legen Sie 
los. Enthüllen Sie uns die Mysterien 
Ihrer gährenden Leidenschaft. Wir 
sind masslos gespannt. — Kellner! 

Der Einhorn-Apotheker zögerte 
noch, so dass sich nun auch der Amts- 
anwalt veranlasst sah, einzugreifen: 

— Mein lieber Herr! Vergönnen 
Sie, in Ihre tiefe Brust, wie in den 
Busen eines Freundes zu schauem 
Zwar: sie thun recht, zu zögern. 
Ich kenne den hämischen Geist 
des Klatsches, der in diesem von 
Frömmigkeit durchseuchten Wald- 
thal herrscht. Aber seien Sie un- 
besorgt. Hier sehen Sie drei ernst- 
hafte Männer vor sich, alle drei 
verschwiegen wie • • . wie mein 
Privatconto bei Eberhard. Uns 
können Sie sich anvertrauen. 

78 



SIE IfEISST ELSE. 



Der bedrängte Constantin holte 
tief Atem und begann, anfangs etwas 
befangen, zu erzählen: 

— Ja, also, meine Herren: es ist 
eigentlich eine sehr einfache Ge- 
schichte und gar nicht interessant. 
Sie heisst Else. 

— Constantin und Else — nicht 
übel — sagte der Oberstabsarzt und 
nickte befriedigt mit dem Kopfe. — 
Nicht übeL 

— Wenn ich auch selber kein 
Instrument spiele — fuhr der Ein- 
horn-Apotheker fort — so bin ich 
doch sehr musikalisch und höre 
furchtbar gern Musik. Als ich nun 
das letzte Mal in Berlin war» und 
eines Nachmittags gar nicht wusste, 
was ich anfangen sollte, auch gar 
keine Gesellschaft hatte, bloss so 
durch die Strassen bummle, hör 
ich auf einmal aus einem Lokal, 
das äusserlich nach gar nichts Be- 
sonderem aussah, Orchestermusik. 
Na nu, denk ich, wie ist das möglich. 
Und da ich, wie gesagt, absolut 



T9 



ALLE NEU NB, 



nichts Besseres ru thun hatte, geh 
ich rein. Hm. 

Er räusperte sich und trank. Wir 
tranken alle schweigend mit. Es war 
ja sehr spannend. Er fuhr fort: 

— Gott, es war ganz nett. Wirk- 
lich. Bloss das Podium war ein 
wenig recht klein. Nämlich die 
Musik wurde von einer Damen- 
Kapelle gemacht. Es waren fünf 
Geigerinnen, eine Klavierspielerin, 
eine Cellistin und ein Mann, der 
immer in so*n Ding blies . • von 
Blech • • ich weiss nicht, wie man 
das nennt. 

— Eine Posaune — bemerkte der 
Oberstabsarzt. 

— Also im ganzen acht Personen 
und ein Klavier, die mussten alle 
acht .... 

— Alle neune — warf der etwas 
pedantische Amtsanwalt dazwischen. 

— Meinetwegen, also alle neun 
auf einem Podium sitzen oder stehen, 
das kaum grösser war, als der Tisch, 
an dem wir hier sitzen. Ja, richtig: 



80 



DjiS FODIUJi. 



und eine Trommel oder Pauke 
stand ja auch noch drauf. Das bätt' 
ich bald verg^essen. Wer die eigent- 
lich schlug, ist mir nie recht klar 
geworden. 

— Ich denke mir — sagte der 
Oberstabsarzt — das wird der Mann 
von der Posaune gewesen sein. Der 
wird ihr so gelegentlich einen heim- 
lichen Knuff versetzt haben. 

— Das ist möglich. — Also nun 
stellen Sie sich vor, meine Herren, 
dieser ganze Apparat aufis engste 
zusammengepfercht auf einem zwei 
Fuss hohen, an drei Seiten freien 
Podium ohne Geländer . . . 

— Hören Sie aufl — rief ich 
dazwischen und leg^e die Hand vor 
die Augen — ich habe niemals 
Gletscherpartien machen können, 
weil mich der Gedanke an die 
blosse Möglichkeit des Abstürzens 
schon nervös macht. 

Aber der Einhorn- Apotheker war 
im Zuge: 

— Und nun denken Sie sich: in 



8i 



EINS PltBKÄRB SiTUATIOir. 

der ersten Reihe, wo die fünf 
Greigenspieleiinnen nebeneinander 
gereiht, Stuhl an Stuhl an Stuhl, 
dasassen, an der rechten Ecke, hart, 
ganz hart an der rechten Ecke, so 
dass das rechte Vorderbein ihres 
Stuhles nur noch zur Hälfte auf 
dem Podium stand — sass ein 
Mädchen. Ein Mädchen, sag* ich 
Ihnen • • • Also wie gesagt, Else 
heisst sie. 

— Aha — sagfte der Oberstabs- 
arzt — also in dieser prekären 
Situation haben Sie sie kennen ge- 
lernt. 

— Ja. Ich hatte fortwährend das 
Gefühl : jetzt — jetzt muss sie runter- 
fallen. Nichts ist unangenehmer als 
eine solche andauernde Beängsti« 
gung. — Ich fühlte ein lebhaftes 
Mitleid mit dem zarten Geschöpf, 
das ganz in ihre Kunst vertieft war 
und die Gefahr gar nicht zu be- 
merken schien. Ich betrachtete sie 
voller Teilnahme. Ein ovales Ge- 
sichtchen, ein Kinn, das fast spitz 



8a 



ROKOXO-KÖPFCHBir. 



2U nennen wäre, wenn es nicht von 
einem entzückenden Grübchen ge- 
kerbt würde. Eine feine, längliche 
Nase mit schmalem Rücken. Bin 
kleines, wie zu Kuss und Spott ge- 
^spitztes, hochgeschürztes Mündchen 
und lebendige, hellbraune Augen, 
:8chmal und pikant, die ganz leise 
an den Typus der holden Japane- 
Tinnen erinnern • • • oder lag das 
-an den seltsamen, wie von einer 
LaunehochgezogenenAugenbrauen? 
Ich weiss es nicht. Ihr braunes Haar 
war zierlich gewellt und hochge- 
steckt • • Ach, meine Herren, was 
soll ich Ihnen viel sagen: es war 
*das allerliebste Rokoko-Köpfchen, 
das Sie sich vorstellen können. Ihr 
ganzes Wesen sprühte einen Mut- 
willen, eine neckische Laune • • . 
•es war entzückend i Und dabei führte 
-sie den Bogen mit einer Grazie . • . 

— Na, nun trinken Sie erst mal. 

Der Oberstabsarzt klopfte dem 
Einhorn-Apotheker, der gar nicht 
wieder zu erkennen war, so bc- 

6* 



SEJfR MUSIKALISCH, 



geistert schwärmte er, mit onkelhaf- 
tem Wohlwollen auf die Schulter :. 

— Wir glauben's Ihnen schon. — 
Constantin that einen tiefen Zug. 

Der Amtsanwalt ergriff das Wortt 

— Gestatten Sie mir, Ihnen gegen- 
über unverhohlen meiner Freude 
darüber Ausdruck zu geben, dass Sie 
sich ein so warmes Empfinden zu: 
erhalten verstanden haben. Es ist 
dies gewiss eins der köstlichsten^ 
Güter im Leben — wohl Ihnen, Sie 
bewohnen ein glückliches Land! 

Ich unterbrach ihn, ich war neu- 
gierig geworden: 

— Ach bitte, erzählen Sie weiter. — ^ 

— Nun, ich fing eben an, mich zu» 
interessieren. Und zwar: anfangs* 
war es wohl mehr ihr Spiel, in daa 
ich mich verliebte. Ich erzählte 
Ihnen schon, dass ich sehr musika-^ 
lisch bin, und . . so klein das Dameri-J 
Orchester auch war . . es wurde 
ausgezeichnet gespielt. Ganz aus- 
gezeichnet. Und dann hatte es aa 
jund für sich so einen ganz eigeh- 



84 



UNERHÖRTE FÄHIGKEITEN. 

..............k....... .......... ................ 

tümlichen Zauber und Reiz, diese 
jungen Mädchen da so selbständig 
ihre Kunst üben zu sehn. Es lag 
^arin doch etwas echt Grossstädti- 
«ches. Die Grossstadt zeigt einem 
<lie Frauen in den merkwürdigsten 
Berufen . . . ich kann nie den Bin« 
^ruck vergessen, den es auf mich 
machte, als ich zum ersten Male eine 
Dame hinterm Schalter sah. Ich bin 
deshalb immer mit Vorliebe Stadt- 
bahn gefahren ... in der ersten 
2eit. So ähnlich wirkten jetzt auch 
wieder die Geigenspielerinnen auf 
meine Phantasie. Sie kamen mir 
vor wie Geschöpfe aus einer neuen 
Welt — mit ungeahnten, unerhörten 
Fähigkeiten. 

— Ja, ja — brummte der Ober- 
stabsarzt — es steckt doch mehr in 
den Weibern, als man früher gedacht 
hat. Man soll sie jetzt sogar schon 
zum Telephondienste verwenden 
können. 

Es schien jetzt, als ob den Ein- 
horn-Apotheker seine plötzliche 



«5 



INFOLGE DSR BE7CA1TNTSCHAFT. 

Offenheit gereut hätte. Er hörte 
auf Äu erzählen, und wir kriej^eki 
nur mit Mühe uhd Not noch soviel 
aus ihm heraus, dass er infolge seiner 
Bekanntschaft mit der talentvollen^ 
jungen Geigenspielerin seinen Auf- 
enthalt in Berlin um beinah vierzehfii 
Tage verlängert hattö. 

Seitdem korrespondierten sie mit- 
einander • • • 



8» 



IIL 

Ich wohnte in Stolberg m einem 
alten, hohen Hause, das in halber 

Höhe am Berge lag: unter mir 
die Kirche, über mir das Schloss. 
Das Haus lehnte mit dem Rücken 
gegen den Berg, und das dritte 
Stockwerk, in dem meine Zimmer 
lagen, schien nach hinten hinaus zu 
ebener Erde zu liegen. 

Zu den zahlreichen lasterhaften 
Gewohnheiten, die mich in den 
Augen der guten Stoiberger als eine 
Ausgeburt der Hölle erscheinen 
Hessen, gehörte auch die, dass ich 
an Tagen, wo ich vormittags k^e 
Schreiberdienste zu verrichten hatte, 
ziemlich lange schlief. Es war ruch- 
bar geworden und für ruchlos be- 
funden, dass ich, zumal an Sonn- 
tagen, noch gegen zehn Uhr, wo der 



87 



DER SCHLAF AU MORGEN. 



heilige Gottesdienst längst begon- 
nen, nachweislich im Bette gelegen 
hatte. 

Süss ist der Schlaf am Morgen 
Nach durchgeweinter Nacht 

SO beginnt eins der schönsten Lieder 
Platens aus seinem letzten Lebens- 
jahr. Auch wir empfanden, nachdem 
wir uns die ganze Nacht mit Weinen 
beschäftigt hatten, den Schlaf am 
Morgen als eine süsse Gottesgabe. 
Ich war daher durchaus nicht an- 
genehm berührt, als mich eines Mor- 
gens gegen neun Uhr der Einhorn- 
Apotheker aus den lieblichsten 
Träumen riss. 

Erstürmte schweratmend, mit dem 
Hute auf dem Kopf, mit einem hoch- 
roten Kopfe in mein stilles Schlaf- 
gemach und stand, nach Worten 
ringend, vor meinem Bette, während 
ich mir ärgerlich die Augen rieb. 
. — Verzeihen Sie . . . verzeihen 
Sie — brachte er schliesslich heraus 
und nahm den Hut ab. 
— Mein Gott, was ist denn los ? — 
Er schnappte nach Luft: 

83 



SIE SIND DER EINZIGE, 



— Sie • • sie ist da. Hier • • in 
Stolberg 1 — 

. Er musste sich auf den Stuhl 
niederlassen, auf dem noch meine 
Unterhosen lagen. Seine Arme san- 
ken schlafif herab. 
Ich richtete mich auf: 

— Achl Ihre Virtuosin? Das ist 
ja famosi — 

— Lieber Herr Referendar: ich 
bitte, ich beschwöre Sie» nehmen 
Sie die Sache ernst. Sie sind der 
einzige, an den ich mich in meiner 
Not wenden kann, der einzige, der 
mir vielleicht zu helfen vermag* 
Verlassen Sie mich nicht. 

. Er hatte meinen linken Oberarm 
umklammert, und eine aufrichtige 
Angst sprach aub seinen gutmütigen 
Zügen. 

Ich konnte ihm mein Mitleid nicht 
versagen. Beruhigend sprach ich: 

— Vielleicht ist noch Rettung 
möglich, lassen Sie den Mut nicht 
sinken. Was an mir liegt, soll ge- 
wiss geschehn. At>er nun sagen Sie, 
wie ist denn das zugegangen? 

89 



DIE SEHNSUCHT. . . • 



— Ach es ist ja ein gar zu launen- 
haftes Geschöpf. Also stellen Sie 
sich vor: heute Morgen, vor einer 
halben Stunde, hringt mir der Eber- 
hardsche Hausdiener diesen Brief. 
Hier, lesen Sie, bitte. — 
Ich las: 

Geliebter ConstantinI 
Die Sehnsucht liess mir kdne 
Ruhe! Wir sollten auf einmal 
Kostüm tragen und im Kostüm 
dasitzen und spielen. Und die 
sollten wir auch noch selber be- 
zahlen. Na so dumm. Wenn ich 
schon sowas mache imd setzte mich 
da hin vors vergnügte Publikum 
mit nackten Armen zur Belustigung 
der Einwohner, denn kann er das 
auch aus seiner Tasche bezahlen. 
Lieber Schatz, es zog midi so 
za Dir hin! Wir haben uns nach 
einer andern Stellung umgesehen, 
haben aber keine gefunden, und 
weil es doch jetzt so schönes Wet- 
ter ist, sitzt man doch auch nicht 
gern in der ollen räuchrigen Bude. 



^ 



FUHFZiG PfMNNIGS. 



Das Geld, das Du mir geschickt 
hast, langte noch gerade zu eifiem 
Billet bis Nordhausen, und weil Du 
doch immer gesagt hast, es soll so 
nett in Stolberg sein, bin ich her- 
gekommen. 

Wie schön, dass wir uns wieder- 
sehen! Fünfzig Pfennige hab ich 
zwar noch gerade, aber bitte, gieb 
Du lieber dem Friedrich das Trink- 
geld, denn sonst hab ich gar nichts 
mehr, und ich weiss doch nicht, 
wann Du abkommen kannst* 

Am liebsten möchte ich aewar 
gleich selber in Deine Arme 
fliegen, aber da Du gewiss hinter 
dem Schalter beschäftigt bist und 
wer weiss, vielleicht ist gerade 
die Frau Gräfin da und kauft 
Schweizerpillen, da will ich nicht 
stören. 

Bitte, mein süsser Schatz, laiss 
mich nicht so lange warten, son- 
dern komme bald zu Deiner Dich 
innig liebenden Else. 

P. S. ins Hotel Eberhard, 

Zimmer Nr. 6. 

91 



DIB STO^^RGER, 



— Ein heiter gemütvolles Mäd- 
chei^. Was gedenken Sie nun zu thun? 

— Nichts. Um Gotteswillen! Gar 
nichts. Ich will still und unbefangen 
Medizin verkaufen und meine Offizin 
nicht verlassen, weder bei Tage noch 
bei Nacht. Denken Sie doch, wenn 
die Stoiberger auch nur eine Ahnung 
bekämen • • was mir da bevorstände. 
Nein, nein, ich darf mich gar nicht 
sehen lassen. Sie müssen für mich 
handeln. Sie müssen — wenn Sie 
mich retten wollen — das Mädchen 
auf sich nehmen. 

— Auf mich nehmen? Na nul 

— Ja. Sehen Sie: ihre Existenz 
kann den Stolbergern ja nicht ver- 
borgen bleiben. Und sofort wird 
gefragt werden: wieso, woher, für 
wen, wozu. Und sie werden, sie 
müssen auf mich verfallen, denn auch 
der Botengang Friedrichs zu mir 
kann nicht lange verborgen bleiben. 
Wenn Sie nun aber so edelmütig 
sein wollen, den Verdacht auf sich 
zu lenken, so wird den Stolbergern 



9» 



IMMERHIN BIN OPFER. 



die Sache sofort so — entschuldigen 
Sie — so plausibel vorkommen, dass 
man nicht weiter nachfragen wird. 
Und ich bin gerettet. Liebster, bester 
Herr Referendar, sehen Sie: bei 
Ihrem Rufe kommt es auf etwas 
mehr oder weniger weiss Gott nicht 
mehr an. Sie verlassen diesesjammer- 
thal in wenigen Monaten, und es 
bleibt Ihnen höchstens eine ange- 
nehme Erinnerung . . . 

--- Eine angenehme Erinnerung? 
Nun erlauben Sie mal, es wäre doch 
immerhin ein Opfer, das ich Ihnen 
brächte. Oder meinen Sie, dass es 
mir gleichgültig wäre, wenn dem- 
nächst bei Hofe etwa von mir er- 
zählt würde, ich hätte mir Bruchstücke 
meines Berliner Harems hierher nach- 
kommen lassen? 

- Jal 

Dieses „Ja" kam dem Einhorn- 
Apotheker aus so tiefem, oflFenem 
Herzen, dass ich laut lachen musste 
und also besiegt war. 

— Na, also gut. Verfügen Sie über 
mich. Womit kann ich Ihnen dienen? 

93 



ICHKB^NE SJB, 



— -Zunächst müssten Sie aufstehen 
und sich anziehen. Dann aber zu 
Eberhard gehen, sich auf ihr Zimmer 
führen lassen und darin möglichst 
lange verweilen . . . mit ihr allein 
bleiben, .... 

— Na, hören Sie mal, das ist aber 
eine starke Zumutung! Fürchten 
Sie denn da nicht . . , 

— Nein ! — versetzte der Einhorn- 
Apotheker mit Bestimmtheit. — Ich 
brauche nichts zu fürchten. Else 
wiird mir niemals untreu werden. Ich 
kenae sie! Dazu hat sie mich viel 
zu lieb. Aber sie muss vor allen 
Diageo machen, dass sie wieder aus 
Stolberg herauskommt, sie stürzt 
mich sonst ins Unglück. Sie müssen 
sie unter allen Umständen dazu brin- 
gen, dass sie augenblicklich nach 
Berlin zurückfahrt. Augenblicklichst. 

Er zog sein Portemonnaie und 
füllte meine Hand mit Gold. 

— Hier haben Sie 200 Mark, 
geben Sie ihr, was sie verlangt. 

— Sie sind sehr grossmütig. Und 
wo treffe ich Sie nachher? 

94 



MANCHMAL ZU UNANGENEHM, 

— Ich verlasse die Apotheke nicht 
eher, bis sie . . weg ist. Bitte kommen 
Sie sobald als möglich. O Gott« wenn 
nur alles gut geht . • es ist doch 
manchmal zu unangenehm sowas. 
Also adieu. Stehen Sie jetzt auf, 
ja? Bitte! 

Er drückte mir die Hand, seu£cte 
noch einmal tief und ging von 
dannen* 



95 



IV. 

Ich kleidete mich mit möglichster 
Sorgfalt an, säuberte und glättete 
meinen Cylinder und ging zu 
ihr . • . 

Als ich das Hotel betrat, fiel mir 
ein, dass ich ja gar nicht wusste, 
wie die Geigenfec mit ihrem elter- 
lichen Namen hiess, und dass es 
doch einen demoralisierenden Ein- 
druck auf die Seele des Ober- 
kellners machen würde, wenn ich 
einfach nach Fräulein Else fragte. 
Ich wurde jedoch meiner Bedenken 
alsbald enthoben, denn kaum hatte 
ich die Hausflur betreten, so fühlte 
ich, wie mich jemand auf die 
Schulter klopfte: es war Eberhard, 
der mir mit einem schlauen Zwin- 
kern seiner weinfröhlichen Augen 
zuflüsterte: 



96 



NUMERO SECHS. 



— Sie wartet schon. Numero 
sechs. Pst 

Später gestand er mir: er habe 
von vornherein gewusst, dass es 
sich bei diesem Besuche um mich 
handelte, und ich hätte daher nicht 
nötig gehabt, erst den unschuldigen 
Einhorn- Apotheker vorzuschieben. 

Ich liess ihn natürlich dabei. Der 
Gerechte hat viel zu leiden. 

Auf mein Klopfen: 

— Herein! — 

Ich war doch etwas beklommen. 
Die Stimme klang so gut . . . 

Nun weiss ich wirklich nicht 
mehr ganz genau, wie es dann 
weiter zugegangen ist. Ich bin ja 
auch absolut nicht verpflichtet, 
irgend jemandem darüber Rechen- 
schaft zu geben. Den Teufel auch 
— das wäre noch schöner! Wenn 
ich jemandem eine Geschichte er- 
zähle, so ist das mein guterWille — 
was ich nicht erzähle, gebt keinen 
was an. Ich stehe hier nicht als 
Angeklagter I habe auch nicht 



97 



l 



IM LAUFE DES GESPRÄCHS. 

sdiwören müssen, die lautere Wahr- 
heit zu sagen, nichts zu verschweigen 
und nichts hinzuzusetzen — ich 
fühle lediglich das Bedürfnis, mein 
Lächeln über dies scherzhafte Dasein 
nicht allein zu lächeln, denn es ist 
eine alte Erfahrung, dass man 
peinlich wirkt, wenn man schwei- 
gend und einsam lächelt. 

Übrigens der Einhorn- Apotheker 
hatte die Wahrheit gesprochen: sie 
war wirklich allerliebst. Auch war 
sie recht nett und elegant gekleidet, 
nur ihre Haartracht gefiel mir nicht. 
Ich zeigte ihr . • • (im Laufe des 
Gesprächs), wie sie sie nach meiner 
Ansicht tragen müsse, und sie ver« 
sprach mir, sich von nun an so zu 
frisieren, wie ich es ihr angegeben 
hatte. 

Überhaupt war sie durchaus ent- 
gegenkommend, ich fand bei ihr 
viel weniger Widerstand, als ich 
nach den Worten des Einhorn- 
Apothekers annehmen musste. Sie 
willigte ohne weiteres ein, die zwei- 



98 



DJB QUITTUNG. 



hundert Mark von mir anzunehmen, 
und unterschrieb mir lachend fol- 
jrende in der Eile von mir ent« 
worfene Quittung: 

200 Mark. 

Endesunterzeichnete bestätigt hier- 
mit, die Summe von 200 Mk. (Zwei- 
hundert Mark) aus den Händen des 
Herrn Referendars Otto Erich er- 
halten zu haben. Sie erklärt, von 
ihrem Besuch in Stolberg am Harz 
vollkommen befriedigt zu sein und 
spricht bei ihrem Scheiden von 
dort allen denen, die ihr Wohl- 
wollen entgegengebracht haben, 
ihren herzlichsten Dank aus. 

Else. 

Nur eine Bitte hatte sie noch: 
ich sollte sie nach Nordhausen auf 
<lie Bahn begleiten. — 

— Aber mein liebes Fräulein . . . 

— Ach gehn Sie weg: wenn Sie 
das nicht mal für mich thun können, 
<iann sind Sie nicht besser, wie die 
andern auch . • wie alle die Phi- 
lister, über die Sie sich lustig 
machen, gehen Sie weg . . • 

7* 



DIB ABEND POST, 



Ich hatte dem Einhorn- Apotheker 
versprechen müssen, mehrere Stun- 
den mit seiner Geigenspielerin alleia 
zu bleiben. Da ich ein Mann voa 
Wort bin und lieber mehr thue,. 
wenn ich etwas versprochen habe» 
als zu wenig, war es während un- 
seres Zusammenseins Spätnach- 
mittag geworden und nur noch eine 
halbe Stunde Zeit bis zur Abfahrt 
der Abendpost, mit der Fräulein 
Else unter allen Umständen nach 
Nordhausen zurückfahren musste» 

— Liebes Kind — sagte ich da- 
her — ich begleite Sie gewiss herz- 
lich gern, aber Sie wissen: die Post 
fahrt ihre vier Stunden . . . wenn 
ich jetzt mit Ihnen fahre, kommen 
wir erst gegen zehn Uhr in Nord- 
hausen an, und es ist dann für mich 
ganz unmöglich, heute noch nach 
Stolberg zurückzukommen. Ich 
müsste schon die Nacht in Nord- 
hausen bleiben, und da ich morgen 
früh Dienst habe, mit der Frühpost 
um 6 Uhr von dort wieder abfahren. 
Das würde eine heillose Strapaze . . . 

lOO 



AUCH DJBSBS OPFER NOCH. 

Aber sie würdigte meine Ein- 
wände nicht; im Gegetneil: sie 
schlug die Händchen zusammen und 
rief: 

— Ach, das trifft sich ja famos! 
Da können wir ja in Nordhausen 
noch zusammenbleiben! Nein: Du 
musst mit: bitte, bitte, bitte • . . 

Ich brachte also auch dieses 
Opfer noch. 

* 
Als ich dann am andern Morgen 
um neun aus der Postkutsche stieg 
und mich direkt auf das Bureau 
begab, hatte ich trotz meiner 
grossen Müdigkeit und Zerschlagen- 
heit das angenehme Gefühl einer 
guten That und einer freudig er- 
füllten Pflicht. 



tot 



• • • fc k t. k 



«tob " 






V. 

Sobald die Termine beendet 
waren, ging ich in die Einhorn^ 
Apotheke und erlöste den seit 
nunmehr fast siebenundzwanzig 
Stunden in Zweifelsängsten hangen- 
den Apotheker. 

Er gestand mir, dass er die ganze 
Nacht nicht geschlafen hätte, und 
ich erzählte ihm, wie auch ich die 
Nacht nur wenig geschlafen habe^ 
wie aber sonst die Sache glücklich 
und zu unser aller Zufriedenheit ab- 
gelaufen sei. 

Ich machte ihm vor allem mein 
Compliment wegen seines guten 
Geschmacks und gestand ihm, dass 
ich alles nur zu begreiflich fände,, 
dass jemand, der von einem so hold- 
seligen Geschöpfe beglückt würde,, 
kein Gelüst verspüren könne, mit 



lO» 



WIS MEINEN SIE DAS? ^ 



einer dieser korrekten Stolbergtf 
Gänse zusammen in das Joch der 
Ehe gespannt zu werden. 

Da machte er ein sehr merkwür- 
diges Gesicht« 

— Wie meinen Sie das, Herr Re- 
ferendar? — 

Ich versuchte deutlicher zu wei> 
den. Da wies er mich mit einer 
traurigen Entschlossenheit zurück. 
So weit wäre er mit ihr noch 
nicht. Er scheue es, das Gefühls- 
leben eines Weibes, das offenbar 
seinen ganzen Anlagen nach eine 
Künstlerin sei, mit voreilig plumpen 
Fingern zu betasten. Er wisse zwar, 
dass es ihr vielleicht nicht unlieb 
sein würde, wenn er ungestümer 
vorgehe ... jedoch einstweilen 
habe er noch widerstanden • . • • 

Ich nahm das alles schweigend 
hin, denn wir befanden uns in einer 
Apotheke, und wenn ich meiner ab- 
weichenden Überzeugung den Aus- 
druck gegeben hätte, zu dem mich 
in dem Momente mein Naturell 



103 



DBR APOTHBXBRSCffNAPS, 

:drängte, wäre es ihm, der mir gerade 
einen der von mir so geliebten Apo- 
thekerschnäpse zusammengoss, ein 
Leichtes gewesen, mich zu vergiften. 
So wird sich ein verständiger Mann 
stets hüten, einen wegen seines Jäh- 
zorns bekannten Barbiergehilfen un- 
nötig zu reizen, solange er sich 
noch unter dessen Messer befindet. 

Als ich dann den Schnaps ge- 
trunken hatte, übergab ich dem Ein- 
horn-Apotheker die Quittung, die 
ich mir von Else hatte ausstellen 
lassen, und gewahrte alsbald, dass 
ihn darob eine peinliche Empfindung 
überkam. 

•*- So hat sie also gleich die 
ganze Summe verlangt? — fragte er. 

Da fiel es mir schwer aufs Herz, 
.dass ich ja ganz vergessen hätte, 
erst zu handeln. Was sollte ich 
•nun sagen? Ich war in grosser Ver- 
legenheit. Schliesslich stammelte 
ich: 

— Ja, ich muss um Entschuldi- 
gung bitten, aber sie war ihrerseits 



104 



LIBBSR NICHT/ 



«o coociliant und loyal, dass ich • • 
übrigens I wenn es Ihnen zu viel 
ist • • es ist ja meine Schuld, und 
ich bin natürlich gern bereit . • • 
Er unterbrach mich grossmütig: 

— Wo denken Sie hin, lieber 
Herr Referendar: im Gegenteil: ich 
fühle mich noch tief in Ihrer Schuld. 
Nehmen Sie meinen herzlichsten 
Dank für diesen wahrhaften Freun- 
desdiensti und wenn ich Ihnen 
jemals einen ähnlichen Dienst er- 
weisen kann • • • 

Aber jetzt unterbrach ich ihn: 

— Ach nein! Lieber nicht! Das 
heisst: ich will hoffen, dass ich nie 
in eine ähnliche Verlegenheit ge- 
rate. — 

Der Einhorn- Apotheker schüttelte 
noch immer mit beiden Händen 
meine rechte. Er war wirklich ein 
braver Mensch mit einem dankbaren 
Herzen* Ich konnte ihm auf die 
Dauer nicht böse sein. 

Sobald es anging, machte ich 
aber doch, dass ich fortkanu Die 



«OS 



WUNGRIG INS BBTT. 



einhundertundfünfzig Steinstufen, die 
den Berg hinauf, an der Kirche 
vorbei, zu meiner Wohnung fahrten, 
würden mir recht sauer. Sobald 
ich daheim war, legte ich mich 
hungrig, wie ich war, ins Bett und 
schlief den Schlaf des Gerechten. 



lOC 



VI. 



\l 



on den vielfachen Thorheiten, 
Y zu denen mich die geigen- 
spielende Else verleitet hatte, 
verdient noch die einer besonderen 
Erwähnung: dass ich nämlich der 
Bitte, ihr einen feschen Freund 
von mir in Berlin, der nicht so 
ernsthaft wäre wie ihr Constantin, 
zu empfehlen, nachgegeben und ihr 
die Adresse meines Freundes, des 
Kleinen, verraten hatte. 

Man wird dies vielleicht unbe- 
greiflich von mir finden, aber einer- 
seits hatte sie mir in so ergreifenden 
Tönen ihr Leid geklagt, dass sie 
so gar niemanden hätte, der sie 
„verstände*, und andrerseits wusste 
ich ja von dem inzwischen völlig 
zum Teufel gewordenen Kleinen, 
dass es bei ihm keine Gefahr hatte. 



107 



DBR KLEINE, 



Sek den Tagen der lieben Lore 
glaubte ich überzeugt sein zu dür- 
fen, dass ihm, was mir vordem ge- 
fallen hatte, auch wohl gefallen 
würde, und hoffte daher auf ein 
freundliches Einvernehmen zwischen 
den beiden. 

Nach etwa acht Tagen erhielt 
ich folgenden frischen Brief vom 
Kleinen : 

„Alter Esel! 
Wann wirst Du mal verstandig 
werden? Glaubst Du, dass die 
preussische Regierung Dich zu 
dem Zwecke nach Stolberg am 
Harz (NB. Etwas Fauleres war 
für Dich schon nicht aufzutreiben!) 
geschickt hat, dass Du da eine 
Versuchsstation errichtest? Arbei- 
ten sollst Du, Gott verdamm mich, 
die Nase in die Bücher stocken 
und Deinen Vorgesetzten Freude 
machen. Verbeugen sollst Du Dich 
und allem weiblich Gnädigen die 
Hand küssen: meine Weiber such' 
ich mir schon von alleine, ich ver- 



108 



DER LEBERFLECK. 



bitte mir da jede Einmischung* 

Für diesmal will ich es Dir noch 

verzeihen, denn sie hat auf dem 

Rücken, oberhalb derlinkenHüfte, 

einen berauschenden Leberfleck. 

Prosit Du altes, aber ehrliches 

Stück Unglück! 

Dein Kleiner. 

Der Brief hätte stofflich reichhal- 
tiger und klarer sein können, inuner- 
hin entnahm ich daraus die That- 
sache, dass die Annäherung zwischen 
den beiden inzwischen erfolgt war. 
Ich wusste nur nicht recht, ob ich 
mich darüber freuen sollte. 

In Stolberg, am Stammtisch bei 
Eberhard war ich inzwischen der 
Gegenstand neidischen Hohnes ge- 
worden. Der Oberstabsarzt war un- 
erschöpflich in bösartigen Wen- 
dungen. 

— Sagen Sie, mein lieber Refe- 
rendar, wie wäre es, wenn Sie den 
Staatsdienst quittierten und sich 
dauernd in Stolberg niederliessen? 



109 



VERSTECKTE SCHMEICHELEI, 

Sie sehen: die Bevölkerung geht 
hier nicht nur numerisch zurück, sie 
wird auch durch die herrschende 
Inzucht immer mangelhafter. Da 
wären Sie doch eigentlich ganz der 
kommende Mann u. s. w. 

Der Einhorn- Apotheker hörte all 
diese Angriffe auf meine Tugend 
mit einem milden, aber doch ver- 
schmitzten Schmunzeln an, in sei- 
nem Incognito empfand er das alles 
offenbar als versteckte Schmeichelei. 

Endlich kam einmal wieder die 
Zeit, wo ich mich auf ein paar 
Tage frei machen und nach Berlin 
fahren konnte. Urlaub hatte ich 
zwar nicht bekommen, aber es 
passte so • • ich weiss nicht mehr 
wie. 

Der Kleine empfing mich auf dem 
Bahnhofe mit einem schallenden 
Gelächter, als ob meine Ankunft 
ein guter Witz sei. 
. — Du bist ein Kerl! — rief er 
ein übers andre Mal. — Du bist 
ein Kerl! — 



HO 



DJS BLINDSPISLBRIH. 



Dann, nachdem ^ sich endlich 
satt gelacht, fing er an in seinem 
rasenden Tempo zu erzählen. 

Also die Else hatte zu ihm ge- 
schickt« Er — aus Neugierde — 
war hingegangen — in das Lokal, 
in dem sie ihre Kunst übte « . • 

^- Weisst Du, was eine Blind- 
spielerin ist? 

Ich verneinte. 

— Natürlich. Du hast keine 
Ahnung. 

— O doch, halt mall Blindspielen 
beim Schachspielen ist, wenn 
man • • • 

— Halt die Schnauze. Du hast 
keine Ahnung. Also, das ist ein 
sehr ehrenwerter Beruf, dem so 
und so viel hundert junge Mädchen 
angehören. Bei den zahllosen 
yDamenkapellen", die heutzutage 
in Berlin spielen, ist es ganz un- 
möglich, dass alle Damen auch 
wirklich spielen können • . ist auch 
gar nicht nötig, denn der Radau 
ist so schon elend genug. Da hat 



III 



HANNCHENS LETZTE LIEBE. 

sich nun das Gewerbe der Blind- 
spielerinnen herausgebildet. Junge 
Mädchen, die sich äusserlich von 
wirklichen Geigenspielerinnen ab- 
solut nicht unterscheiden, höchstens 
manchmal hübscher und jünger sind, 
sitzen . in der ersten Reihe solcher 
Kapellen und ahmendieBewegungen 
eines Joachim täuschend nach. Die 
Senne ihres Bogens ist mit Schmalz 
beschmiert : Lautlos gleitet Sie über 
die zartesten Saiten! 

Er sah mich nach dieser Erklärung 
mit herausfordernder Fröhlichkeit 
an. Ich wusste nicht recht, was ich 
sagen sollte. Er aber fuhr fort: 

— Und ich kann Dir versichern, 
auf diese Weise spielt die Else die 
schwierigsten Sachen. Auf ihrem 
Notenpult liegt unverändert „Hann- 
chens letzte Liebe", und ich habe 
darnach die Teil- Ouvertüre gehört, 
dass es eine Freude war. 

— Ja so : uQser Einhorn- Apotheker 
war ja auch ganz entzückt; er hat 
sich zu allererst in ihr Talent verliebt. 



IIS 



COLOPHONIUM, 



— Nun erlaube mal ; sie hat auch 
Talent. Bei den andern merkt man 
es sofort, wenigstens wenn man nicht 
allzu heftig auf den Kopf gefallen 
ist, dass sie keinen Schimmer vom 
Violinspielen haben. Bei ihr mufis 
man schon ganz genau aufpassen, 
eh man*s merkt: so täuschend T«r- 
mag sie den Bogen zu fahren. — 
Ach, neulich, das hättest Du erleben 
müssen! Da haben rohe Menschen 
eine Kollegin von der Else um ihren 
musikalischen Ruf gerächt, indem 
«iC: ihr heimtückischerweise den 
Bogen mit Colophonium eingerieben 
haben. Denk Dir das Entsetzeni 
wie ihre Geige da ^uf einmal tönte. 
Es war ergreifend. 

Wir sassen während dieses Ge< 
spräches in einer Kutsche und fuhren 
ins , HöteL Der Kleine begleitete 
mich, und während ich mich von 
den Spuren der Reise reinigte, lief 
er in dem langen, einfenstrigen 
Zimmer auf und ab und räsonnierte 
in einem fort. Nicht alles von dem. 



113 

8 



SCHWERE ORCHESTERMUSIK. 



was er rastlos hervorsprudelte, lässt 
sich hier wiedergeben. Sein Schimpf- 
lexikon hatte, seit er Soldat gewesen 
war, etwa so zugenommen, wie der 
Kärschnersche Litteratur-Kalender 
in den letzten zehn Jahren, aber 
was ihm von den Lippen kam, waren 
nicht die stillen Nainen guter, stiller 
Dichter, sondern allerlei Dinge, die 
Menschen ohne militärische Vorbil- 
dung leicht zu derb finden möchten . » 

Dann gingen wir zum Abendessen 
und gedachten in behaglichem Zwie- 
gespräch unserer gemeinschaftlichen 
Vettern in Hannover und ihres so 
verschiedenartigen, buntschinunern-^ 
den Stumpfsinns. 

Aber plötzlich unterbrach der 
Kleine mich, er hatte nach der Uhr 
gesehii und rief: 

— Du, es wird die höchste Zeit! 
die Polizei ist. der Ansicht, dass man 
so schwere Orchestermusik, wie sie 
die Kapelle ^l^^ernando" verzapft, 
bloss bis elf Uhr abends vertragen 



114 



OASE FÜR JUNGGESELLEN. 

Iconne. Wenn wir die Else also 
heute noch treffen wollen • . . 

Wir brachen auf. — 

Das Lokal, in dem die Geigenfee 
wirkte, hiess „Oase für Junggesellen". 
— Ich war sehr froh, dass wir kürz 
^orThorschluss anlangten, und habe 
-selten eine widrigere Enttäuschung 
«erfahren, als da ich das niedliche 
Geschöpf in dem elenden, von Pro- 
leten vollgepfropften Raum, in einer 
entsetzlichen, von schlechten Ci- 
garren stickig und stinkig gewor- 
denen Luft wiedersah. Da sass sie 
auf einem engen Podium in einem 
.geschmacklosen, offenbar gemieteten 
und deshalb gar nicht sitzenden 
Kostüm und spielte zum Gespött 
^er denkenden Menschen mit einem 
geschmalzten Bogen auf einer Kinder- 
geige. Ich brachte kaum das Lächeln 
der Begrüssung fertig, mit dem ich 
auf ihr unbefangen freudiges Kopf- 
nicken antwortete, während sie mit 
kindlicher Seelenruhe ihr falsches 
-Spiel fortsetzte. 

"5 

8* 



MEINE L,IEBE ELSE, 



Der Kleine ehrte mein Schweigen: 
und mein ernstes Gesicht« Er sagte 
mit einem Seufzer: 

— Ja, ja: so sind die Weiber . •. 
Endlich sassen wir, Gott sei Dank^ 

bei Wildgrube, einem stillen Wein- 
lokal in der Mittelstrasse, wir drei^ 
allein, der Kleine, die Else und ich» 
Man gelangte langsam wieder za 
seinem Humor, 

Wir hätten ja nicht drei im Grunde 
so vergnügte Menschenkinder sein 
müssen, wenn nicht allmählich eine 
gute, gesunde Stimmung über uns 
gekommen wäre. 

— Nun sag' mir, meine liebe Else,, 
erkläre mir das eine: unser guter 
Einhorn- Apotheker schickt Dir doch, 
monatlich Geld, wie? 

— Jawohl 1 Natürlich! Jeden ersten^ 

— Na also: aus Not machst Du 
doch diese lächerliche Sache da 
nicht mit« Wie kommst Du nur 
darauf? 

— Ja, meinst Du denn, ich will 
vor langer Weile umkommen? Ich 



Ii6 



im 



EX LSBS NOCH/ 



liäbe mich so, so unglücklich ge- 
iiihlt, als ich keine Stellung hatte? 
Wenn Du nicht so nett gewesen 
wärest, mir die Adresse vom Kleinen 
•zu geben • . . 

Die beiden wechselten einen 
innigen Händedruck. Es war mir 
überhaupt schon aufgefallen, dass 
•ein recht herzlicher Ton zwischen 
ihnen herrschte. 

— Bloss schade, dass er nie Geld 
iatl — rief die Else und wollte sich 
•totlachen. 

Wir tranken Porter, und ich er- 
liob meine Schale. 

— Meine Herrschaften! — sprach 
ich gewichtig — gedenken wir auch 
der Abwesenden. Unser Einhorn- 
Apotheker: er lebe hochl 

— Hochl 

— Hoch!! 

Die Else war die lauteste. Die 
<jrläser klangen nicht gut zusammen. 

Wir tranken lange. Dann wischte 



"7 



WARUM} 



sich der Kleine den Schnurrbart 
und sagte nachdenklich: 

— Es muss ein guter Mensch sein^ 
Ich möchte nur wissen, warum er- 
der Einhorn- Apotheker heisst? 



fftS 



3ch erbte . . . 



Nach unserem glorreiclien Feld- 
zuge der Jahre siebzig und 
einundsiebzig ergab sich nach 
Schluss des «Friedens" als nächste 
Notwendigkeit, dass man sich nun 
aber — rüsten müsse. Wenn Du 
den Frieden willst — rüste den 
Krieg« Hast du aber den Frieden 
erlangt — so rüste erst recht den 
Krieg. So oder ähnlich muss es 
wohl in der Bibel stehn. 

Die französischen Milliarden wur- 
den, nachdem Bismarck und seinen 
Leuten ihre baren Auslagen, Porto, 
Reisekosten und dergleichen, zu- 
rückerstattet waren, in erster Linie 
zum Bau der spgenannten Kanonen- 
Bahnen verwendet) damit man in 
dem nun bevorstehenden nächsten 
Feldzuge womöglich noch schneller 



191 



MOLTKES IDEAL, 



und bequemer nach Frankreich hin- 
einfahren könne. 

Bei dieser Gelegenheit legte 
Moltke eines schönen Tages das 
Lineal auf die Karte des neuge- 
einigten Vaterlandes und zog einen 
dicken Strich von Berlin nach Metz, 
Von der alten Annahme ausgehend, 
dass die gerade Linie der kürzeste 
Weg zwischen zwei Punkten sei, 
wollte er diesem dicken Strich ent- 
lang eine Bahn bauen. 

Da ergab sich, dass Stolberg-Stfol- 
berg am Harz genau auf dieser 
geraden Linie lag! — Als Moltke 
dieses sah, wurde er nafch^enklich 
und brach wider Gewohnheit sein 
Schweigen: 

— Wenn mir da nur Adolph keine 
Schwierigkeiten macht, — rief er 
aus, — wir wollen ihm lieber gar 
nichts sagen. — 

So that man denn, als ob Stol- 
berg-Stolberg schlechthin preu- 
ssisches Gebiet sei und begann un- 
verzüglich mit den Vorbereitungen 



123 



ADOLPH KOMMT DAHINTER, 

zum Eisenbalinbau. Auf der einen 
Seite des engen Thaies sollte die 
Bahn aus dem Berge hervorbrechen, 
in einem stolzen Bogen über das 
Städtchen hinweggeführt werden 
und dann auf der andern Seite in 
halber Höhe des Berges wieder im 
Tunnel verschwinden. 

Da man Ulustrissimus nichts sagen 
durfte, wonach er nicht gefragt 
hatte, so erfuhr er anfanglich that- 
sächlich nichts von dem Attentate, 
das man gegen sein Land plante. 
Als er jedoch eines Nachmittags 
bei seiner Spazierfahrt einen hohen 
Stoss £isenbahnschwellen am Wege 
gewahrte, wurde er ob des unge- 
wohnten Anblickes stutzig und 
fragte, was denn das da seL Da 
kam die Geschichte dann heraus. 

Man kann sich Adolphs Schreck 
denken. Die Eisenbahn! Diese 
fluchwürdige Neuerung, diese durch 
und durch liberale Institution — 
in seinem Lande! Das war zu viel. 

Er setzte nun alle Hebel in Bewe- 



»«3 



MOZ,TJCB GIEBT NACH, 



gung. Es entspann sich alsbald ein 
internationaler Depeschenwecbsel 
grössten Stiles. Im Laufe der Jahr- 
hundertewaren die Stoiberger natür-» 
lieh mit einer ganzen Anzahl besseret 
Familien des älteren hohen Adels ver- 
wandt und verschwägert geworden. 
Diese FamiUenbeziehungen nutzte 
Adolph nun in ihrem ganzen Um- 
fange aus — und da der alte Kaiser 
Wilhelm von dem letzten Feldzuge 
Qoch zu müde war^ die Sache auch 
wohl nicht für wichtig genug hielt, 
um ihretwegen einen neuen Völker-* 
krieg heraufzubeschwören, so musste 
Moltke seufzend nachgeben. Er 
zog einen Halbkreis unten um den 
Harz herum, und Stolberg ist — 
Gott sei Dank! — bis auf den 
heutigen Tag — ohne Eisenbahn. 



I«4 



IL 

Zu meiner Zeit, also im Jahre 
neunundachtzig, war es daher 
noch ziemlich schwierig, nach 
Stolberg zu gelangen. Man fuhr 
mit der Bahn bis Nordhausen — 
einer Stadt, die wegen des vielen 
Schnapses, der in ihr fabriziert 
wird, ihren Namen vollauf verdient. 
Dort musste man sich in einen kai- 
serlichen Postkutschkasten setzen 
und hatte dann noch über drei 
Stunden zu fahren, ehe man in der 
Residenz der regierenden Grafen 
von Stolberg-Stolberg ankam. 

Heute ist es nicht mehr ganz so 
schlimm* Man hat von Berga- 
Kelbra, einer Station kurz vor Nord- 
hausen, eine Sekundärbahn bis Rott- 
leberode gebaut. Und von dort 
bis Stolberg ist es nur noch eine 



125 



STOLB ERG— BERLIN. 



Stunde, und zwar von Anfang an 
ein ganz herrlicher Weg. Ich bin 
ein Harzer und kenne und liebe 
den Harz: man darf es mir also 
glauben. 

Schon damals Hess ich mich je- 
doch durch die Ungunst der Ver- 
kehrsverhältnisse nicht abhalten, 
dem schönen Stolberg von Zeit zu 
Zeit den Rücken zu kehren. Öfter, 
als es meinem doch so milden Vor- 
gesetzten, dem Herrn Amtsgerichts- 
rat, lieb war, sah ich mich mit und 
ohne Urlaub in menschenreichere 
Gegenden versetzt. 

Speziell war es ein in der Nähe 
ansässiger Weinreisender, in dem 
ich einen sehr brauchbaren Men- 
schen erkannt hatte, der mich mit 
Vorliebe von dem Pfade der Tugend 
und des Amtsgerichtes ab und mit- 
tels seines vortrefflichen und be- 
quemen Privat-Fuhrwerks auf den 
Bahnhof von Nordhausen brachte. 
Von dort waren es nach Berlin nur 
noch vier Stunden, 



■ 36 



DER GBNIE-CQNVENT, 



Meine Berliner Freunde wunderten 
sich denn auch gar nicht, wenn ich 
von Zeit zu Zeit unter ihnen er- 
schien,. Wenn ich ihnen erzählte, 
dass ich Referendar in Stolberg sei, 
mochten sie diesen Ort für einen 
Vorort von Berlin halten. Sie 
wohnten ja selbst zum Teil in 
Friedrichshagen. 

Gelegentlich einer solchen An- 
wesenheit in Berhn machte ich die 
Bekanntschaft eines jungen Mannes, 
der seinem ganzen Ausseren nach 
keineswegs in den Kreis meiner 
Freunde zu gehören schien. Er 
war ziemlich anständig gekleidet, 
sogar mit einer gewissen billigen 
Eleganz f war nahezu bescheiden 
und schien immer Geld zu haben. 
Er erinnerte eher an einen stillen, 
sanften Kaufmannsjüngling, als an 
ein Genie — kurz er war in dieser 
Gesellschaft ,-7- dem sogenannten 
Genie-Conv^nt — eine auflfallende 
Erscheinung. 

Auf dem Heimwege erkundigte 



127 



SRÜEISST STBRNSERG, 



icli mich denn bei dem Obergenie 
unserer Gruppe, das auf den Namen 
Heinrich hörte: 

— Nun sag' mir mal: wer ist 
denn, eigentlich dieser neue Jüng- 
ling, den Ihr da bei Euch habt. — 

— Das — o das ist ein sfehr 
nützliches Mitglied der mensch- 
lichen Gesellschaft. Hast Du nicht 
gesehen, dass er heute wieder ein 
Zwanzig-Mark-Stück wechseln liess? 
Eine Seele von einem Menschen. 
Wir glaubten es ihm schon ab* 
gewöhnt zu haben — aber nein! 
Siehst Du: das ist einfe jener G-e- 
stalten, die einen immer wieder mit 
der Bourgeoisie aussöhnen . . • 

' — Nun ja . . . aber ich- möchte 
gern wissen: was ist er denn eigent- 
lich. — 

■ '^— ^ Ach, das ist das wenigste. 
Er h^isst Sternberg. Sein Vater 
hat natürlich Geld , • handelt mit 
Wolle, Zwirn, Draht '. . kurz allem, 
was länglich ist. Und er, der kleine 
Sternberg, misst es, bevor der alte 



128 



MIT EINBU MSTSRSTABS, 

es verkauft. Na • • und dabei ist 
er aufs Dichten verfallen. Wie? — 
kann ich Dir beim besten Willen 
nicht verraten. Aber Du musst mal 
herkommen, wenn er was vorliest. 
Dann ist es immer sehr gemütlich. 
£r bezahlt dann stets freiwillig das 
Bier. Wir finden dann auffallend 
viel Talent in seinen Sachen und 
bestärken ihn natürlich eifrigst im 
Dichten. Willy hat ihn neulich in 
einer Ansprache den „Petrarca der 
Spandauer Strasse" genannt und 
hat ihn gezeichnet > wie er mit 
einem Meterstabe Lorbeer-Guir- 
landen misst. 

— Ihr seid Ungeheuer! 

— Erlaube mal: wir sind sein 
einziger Herzenstrost, denn seine 
Familie will von dem Saitenspiel in 
seiner Brust absolut nichts wissen, 
er muss es ängstlich vor ihr ge- 
heim halten. Also — was willst Du? 



129 

9 



IIL 

In Stolberg hatte ich im Gedränge 
meiner Amtsgeschäfte nicht wie- 
der an den dichtenden Jüngling 
gedacht. Um so erstaunter war ich 
über die Dinge, die ich nach einer 
längeren Abwesenheit von Berlin 
dort von ihm vernahm. 

Sein Vater war gestorben und 
hatte ihm zwar nicht das Geschäft, 
das sein älterer Bruder übernahm, 
wohl aber ein beträchtliches Ver- 
mögen hinterlassen. Sofort mussten 
die seltsamsten Wandlungen in ihm 
vorgegangen sein. Man erfuhr je- 
doch nichts Bestimmtes darüber. 
Er war verschollen. 

Es vergingen wiederum einige 
Monate, da hörte ich, dass er in 
einem Vororte von Berlin in einer 
Maison de sante untergebracht seL 



130 



RINS ART DSNKSCBRJFT. 



Durch den Arzt der Anstalt war 
an unser Obergenie eine Art Denk- 
ischrift gelangt, die geeignet war, 
<iie widerstrebendsten Gefühle zu 
erwecken. Sie trug die Aufschrift: 
«Ich erbte • • •*• Indem ich mich 
für den getreuen Wortlaut yer- 
bürge« gebe ich sie im folgenden 
wieder. 



•3» 



IV. 



Ich erbte .... 
Meine Gedichte, welche bisher 
unten in einer Schublade meines 
Schreibtisches gelegen hatten — auj 
einmal lagen sie obenauf, mitten auj 
dem grünen Tisch. 

Es war ein Heft in Grossoktav> 
in rote Leinwand gebunden, nicht 
sehr stark und ohne Goldschnitt — 
denn die Menschen verspotten den« 
Goldschnitt. 

Ich notierte mir die Adressen 
einiger namhafter Berliner Verleger 
und nahm eine Droschke erster 
Klasse auf Zeit. Die Sache wurde 
mir weniger teuer, als ich befürch- 
tet hatte: schon nach einer Stunde 
hatte ich alle Besuche erledigt. 

Was nun? 

Mir fiel ein, dass ich neulich in: 



»32 



DBR SOHN DBS KRITIKERS. 

einer grösseren Gesellschaft die 
flüchtige Bekanntschaft des ältesten 
Sohnes eines unserer berühmtesten 
Kritiker gemacht hatte. Der junge 
Mann stand in dem Alter von etwa 
21 Jahren und war StudenL Ich 
schrieb einen sehr höflichen Brief 
an ihn, legte einen 50 Mark-Schein 
bei, und da ich 2 Jahr älter war« 
glaubte ich dem jungen Mann einen 
ebenso nützlichen wie wohlgemein- 
ten Rat erteilen zu dürfen. Ich legte 
ihm nämlich nahe, seinem Vater ein 
diesem gewiss hocherfreuliches selb- 
ständiges Interesse an schöner Litte- 
ratur dadurch zu verraten, dass er 
ihm meine Gedichte, als eine eigene 
Entdeckung, zeige, vorlese, oder 
wie er das nun wolle • • • 

Tags darauf erhielt ich den Be- 
such eines mir bis dahin völlig un- 
bekannten Herrn, der sich mir als 
Studiosus juris Soundso vorstellte. 
Derselbe überreichte mir einen 
50 Mark-Schein und teilte mir sodann 
in einem sehr gleichgültigen Tone 



»33 



DIB SÄBELFORDBRUNG, 



mit,'dass er mir eine Säbelforderung^ 
seines Freundes F. zu überbringen 
habe. Er legte dabei eine Karte, auf - 
der seine Adresse verzeichnet stand^ 
auf den Tisch, und eh ich in meiner • 
Verwirrung ihm noch meinen Dank • 
aussprechen konnte, war er schon mit ' 
einem höflichenGruss verschwunden» 

Ich schrieb nun einen zweiten Brief * 
an den jungen F., in dem ich ihm für \ 
seineForderung höflich dankte. Aus 
Ironie fügte ich hinzu, dass ich leider 
keinen Bedarf hätte, jedoch würde ' 
ich seine Wünsche insofern respek« ' 
tieren, als ich unter diesen Umstän- ' 
den von einer Zusendung meiner 
Gedichte an ihn absähe. Ausserdem - 
bestätigte ich ihm den Wieder» 
empfang der 50 Mark. 

Einige Tage war ich nun ganz- 
lieh ratlos — fast verzweifelt. In 

« 

besonders düsteren Stunden dachte' 
ich sogar an Selbst- Verlag. Doch' 
kam ich hiervon immer wieder zurück 
— denn die Menschen verspotten-, 
den Selbst- Verlag, und ich konnte ia 



134 



DSR bsdrAngte familibnvatsr, 

Anbetracht meiner kaufmännischen 
Stellung nicht einmal als Autor mit 
meinem eigenen Namen hervortreten. 
Ich nannte mich als Dichter mit 
Anlehnung an meinen bürgerlichen 
Namen ,Stellamons". 

Da las ich eines Morgens in der 
, Vossischen Zeitung", dass ein edler 
Menschenfreund gesucht würde, der 
einem bedrängten Familienvater mit 
einem Darlehn aus der Not hülfe. 
Ich hatte derartigen Anerbietungen 
bisher wenig Beachtung geschenkt, 
jetzt aber kam mir plötzlich eine Idee, 
und ich schrieb sofort unter der an- 
gegebenen Chiffire an die Expedition. 

Am andern Tage kam ein Mann 
zu mir, der schon durchsein Äusseres 
das allgemeinste Mitleid erregen 
musste. In einem abgetragenen 
schwarzen Rocke schleppte er eine 
Kollektion Gebeine mit sich herum, 
von der man sich wunderte, dass 
sie nicht klapperten. Dieser Mann 
erzählte mir, dass er zu Hause elf 
lebendige Kinder habe« und dass 



»35 



DIB VERSUCHUNG. 



seine Frau auf dem besten Wege 
sei, das Dutzend voll zu machen. 
Wenn der Mann nicht sonst einen 
überaus bescheidenen Eindruck ge- 
macht hätte, würde ich mich des 
Verdachts nicht haben erwehren 
können, dass er renommiere. 

Ich gab ihm meine Gedichte und 
sagte ihm folgendes: 

— Mein lieber Mann, ich bin gern 
bereit, Ihnen durch ein Darlehn in 
der Höhe von loo Mark aus der 
Not zu helfen. Ich verlange von 
Ihnen nicht, dass Sie mir diese loo 
Mark verzinsen, auch mögen Sie sie 
mir zurückgeben, wann es Ihnen 
passt. Nur eins verlange ich von 
Ihnen als Gegenleistung : Sie müssen 
meine Gedichte verlegen. Er- 
schrecken Sie nicht, lieber Mann, 
auch das soll for Sie nicht mit den 
geringsten Unkosten verknüpft sein^ 
Im Gegenteil, ich hoffe, wenn ich 
Ihnen alles zur Eröffnung eines 
kleinen Verlages eingerichtet habe, 
werde ich Ihnen damit eine Existenz 



136 



SCHWERER KAMPF. 



schaffen können. Ich denke mich 
mehr und mehr auf die eigentlich 
dichterische Produktion zu werfen. 
Also nehmen Sie diese Gedichte 
jetzt mit nach Hause, lieber Mann, 
lesen Sie sie sich durch. Sie sehen, 
ich gedenke nicht, Sie zu überrum- 
peln und ihre Notlage auszubeuten. 
Morgen erwarte ich Ihre Entschei- 
dung. — 

Der Mann ging und kam andern 
Tags um dieselbe Zeit wieder. Er 
schien mir noch gedrückter und ver- 
störter als das erste Mal. Mit zittri- 
ger Stimme begann er: 

— Mein Herr! Das Leben hat 
mir böse mitgespielt. Schon seit 
meiner frühesten Kindheit verfolgt 
mich das Unglück. Mein bescheide- 
ner Verdienst steht in gar keinem 
Verhältnis zu meiner natürlichen Ver- 
anlagung als Vater und zu der uner- 
schütterlichen Fruchtbarkeit meiner 
Frau« Oft genug fehlt uns das Brot 
im Hause, und unser Herz blutet 
und will fast zerreissen, wenn wir 



»37 



SJSGf 

unsere Kinder vor Hunger wimmern 
hören. Aber, mein Herr, das eine 
wenigstens hab* ich mir in all dem 
Jammer bewahret. Das eine ist mein 
Trost in trüben Stunden und richtet 
mich auf, wenn ich schier verzagen 
will. Ich bin trotz aller Anfechtung 
ein ehrlicher Mensch geblieben, mein 
Herz ist rein von bösen Thaten, und 
was ich auch im Leben schon Schwe- 
res erduldet habe, ich konnte mir noch 
immer sagen: Du leidest Unrecht, 
Du hast es nicht verdient, Gott muss 
Dich einmal entschädigen. Mein 
Herrl Nehmen Sie Ihre Gedichte 
zurück. Ich habe diese Nacht einen 
schweren Kampf mit mir gekämpft, 
vielleicht den schwersten meines 
Lebens. Doch ich bin als Sieger 
daraus hervorgegangen, und ich ver- 
zeihe Ihnen die Versuchung, in die 
Sie mich gebracht haben. Auch Gott 
möge Ihnen verzeihen 1 Leben Sie 
wohL — 

Der Mann verliess mit einer ge* 
wissen Würde mein Zimmer.— 



138 



»^ ^^^^mmmm^aB^rssrnm^ammma^mmmBami 



SBLBSTVSiULAGf 

Auch diese Hoffnung hatte mich 
betrogen. Ich war trostlos. 

Ich hatte meinem Vater auf dem 
Sterbebette versprechen müssen, 
dem kaufmännischen Berufe treu zu 
bleiben. Ich war daher, weil ich 
mich mit meinem Bruder nicht ver- 
tragen konnte, in ein Konkurrenz- 
geschäft eingetreten und konnte mit 
meiner Stnllung ganz zufrieden sein. 
Freilich war mein Chef ein streng 
denkender Kaufmann, und ich hatte 
daher meinen Verkehr mit dem 
Genie-Convent einstweilen aufge- 
geben. Hätte ich eine Ahnung ge- 
habt von der Flamme meines Busens, 
oder hätte er nur einen Hauch Eures 
genialen Wesens verspürt, so glaube 
mir, mein lieber Heinrich, würde er 
mich auf der Stelle wegen Unzuver- 
lässigkeit entlassen haben. Ach, die 
Philister sind gar zu brutal , . . 

Aber trotz dieser schwerwiegen- 
den Bedenken reifte nun tief in 
meinem Busen ein gewaltthätiger 
Entschluss. — Selbstverlag. — Es 
gab nichts anderes. 

139 



WOLLUST DBS KORREKTURENLESENS. 

Schliesslich: es brauchte ja nur 
der Name des Druckers auf dem 
Titelblatt zu stehen. Und dann — 
musste es denn herauskommen? 
O nein! Wenn ich nur recht ge- 
schickt war • . • Ich vergegenwär- 
tigte mir alle mir erinnerlichen Fälle, 
in denen man nach einem Morde 
niemals auf die Spur des Mörders 
gekommen war. Solche Fälle gab 
es doch, und zwar in ziemlicher An- 
zahl. Weshalb sollte ich nun gerade 
der Ungeschickte sein? 

Es begann nun für mich eine Zeit 
der heimlichen Wonne. Hinter ver- 
schlossenen Thüren, wenn alles 
schlief, kostete ich die Wollust des 
Korrekturenlesens bis zur Aus- 
schweifung. Dabei steigerte sich 
das Gefühl meiner inneren Grösse 
von Bogen zu Bogen. Es erreichte 
schliesslich eine Höhe, die mich erbe- 
ben machte. Einsam in meiner Grösse, 
gross in meiner Einsamkeit, wuchs 
ich vor meinen geistigen Augen all- 
mählich zum Giganten heran. Ja, 



140 



DA LACHTE SR.... 



es gab Stunden, wo ich mich schon 
mit Dir, mein Heinrich, zu vergleichen 
wagte. Verzeih! 

» Um jene Zeit war es auch, dass 
ich mir meinen Todfeind gewann. 
Ich sass eines Abends allein in einem 
Lokal. Er sass in grösserer Gesell- 
schaft an einem Nebentisch und hatte 
wohl schon eine Stunde lang immer 
und immer wieder von Goethe ge- 
sprochen. O, ich hatte die beleidi- 
gende Absicht sofort bemerkt, hielt 
mich aber lange mit Macht zurück. 
Da er aber gar nicht aufhörte, be- 
gann ich schliesslich denn doch — 
in bescheidener Weise von mir zu 
sprechen. 

Da lachte er . . . 

Infolge eines Meineides, den er 
nach einiger Zeit in dieser Ange- 
legenheit schwur, wurde ich wegen 
Körperverletzung zu einer Geld- 
strafe von fünfhundert Mark verur- 
teilt. Der Staatsanwalt hatte drei 
Monate Gefängnis beantragt. 



141 



DER TODFEIND t VERRAT f 

Mein Todfeind verfolgte mich nun 
erst recht mit allen Mitteln . . . 

In meiner Gegend hatte er sämt- 
liche Droschkenkutscher in seinen 
Dienst genommen und ihnen zuge- 
raunt, sie sollten mich in eine un- 
heimliche unbekannte Gegend fah- 
ren, wo er mich erwarten würde • • . 

Ich war aber schlau und fuhr 
stets mit der Pferdebahn, 

Doch er ging in seiner teuflischen 
Bosheit noch weiter . . . 

Endlich waren meine Gedichte 
erschienen • . • 

Da, etwa vier Wochen darauf, 
rief mich eines Abends nach Schluss 
des Geschäftes mein Prinzipal zu 
sich. 

Er betrachtete mich lange mit stil- 
ler Teilnahme, Dann sprach er; 

— Mein lieber Freund! Es thut 
mir herzlich leid, aber jener hat 
mir alles verraten. Und nicht bloss 
mir. Die Sache ist bereits ruchbar 
geworden. Sie begreifen daher . . 
die Rücksicht, die ich dem guten 
Rufe meines Hauses schuldig bin . . 

142 



VORBEIGESCHOSSEir, 

Ich war entlassen. — 

Von nun an gehört mein Leben 
der Räche! — — — — • — 

Einstweilen hält man mich hier 
fest. Ha, ich weiss! Das Geld 
meines Todfeindes ., • • 

Wenn mein Verteidiger auch be- 
hauptet hat, der Mordversuch, so 
wag^e er meines Herzens heilige 
That zu nennen, sei in einem Geistes- 
zustände begangen, der die freie 
Willensbestimmung ausschliesse • • • 
ha, ha! Ich weiss es besser. Lach- 
haft, höchst lachhaft • • • 

Ich weiss, was ich will. Ich weiss 
es. Klar steht es vor meiner 
Seele, als mein Schicksal, als meine 
Pflicht. 

Und wenn ich auch dies erste 
Mal vorbeigeschossen habe • . . 

Pah, was will das bedeuten! Das 
kam nur von meiner Dummheit, 
dass ich nicht näher an ihn heran- 
gegangen bin. 

Das nächste Mal . . . hm . . . wir 



»43 



ICH MUSS NACH BERLIN . . . 

werden ja sehn. Dann wird*s schon 
besser gehn. 

Lasst mich nur erst mal hier 
heraussein, dann werdet Ihr was 
erleben! 

Der Doktor lachte immer so 
leise . . so als pb er eine Ahnung 
hätte . • • • 

Ich glaube, er ist mein Freund. 

Ja! Wenn er mich heute besucht, 
werd' ich ihm meinen Plan ent- 
decken. 

Er wird mir helfen, mich heraus« 
lassen. 

Ich muss nach Berlin . • • 



Als ich Heinrich das Schriftstück 
schweigend zurückgab, sagte dieser 
achselzuckend: 

— Ja, du mein Gott, wer konnte 
ahnen, dass der dumme Kerl keinen 
Spass verstehen würde. 



A. Seydel & Qe., Gv m. b. H., Berlin S.W. 



mh 



Rotiiane 

pon gabrfele D^JUtumiziO: 

. . . . @d ift ein ^ugenbrnerl^ oon ber gti^ten Setbenfc^aft 
eingegeben, ftra^Ienb oon bev SBoOfuft bed Schaffend unb bte 
äOoQuft felbß oev^ertlt(^enb in bem ®egenfa| bed fc^vanfenlofen 
(^enie^eniS unb bet 7&nt|>fenben 6el^nfu(^t. @d x\t gebtibet nn 
bte 9^ergangen§eit StaKeniS. ^ev ©etft bed grojiSfen unb mtebev 
tiefen SBanbeQo (ebt auf unb bte gftrtlic^e^ niemald fraftlofe 
fipptgfett bet großen 92aler. @d ift angefüflt mit ben Sd^&ten 
bet Sergangenl^ett unb burc^Ieud^tet von bet @eele bet ©egen« 
»att. @d geigt eine übetaud loftbare Spnt^efe altet llunft unb 
neuer Sbeen. @o ift ed, mie jebed biefer SBerfe ^D'^nnungioS, 
ein S^H^^^f ^<>6 ^^^ ©ri^e Staliend, toenn auäf nut in einem 
SJ^anne, lebenbig ift ... . 

a>ie Seit (SBien). 

.... 5DaS ift ein Sßunberbuc^, feine Srg&^Iung mel^r, 
bie Sd^ilbetung be9 mobemen ^om§, ein ©emftibe ber „großen 
2BeIt" am @nbe biefe» 3a§t§unbert«. 5Die SBelt ber „Gardenias- 
unb ber „grandes dames", bie l^eute mit einem 8ä(^eIbU(f alle9 
oerl^eigen unb morgen am 9lrm be9 Ruberen oorüberraufd^en, 
fremb, tü^l, unnahbar. 

@in äBunberbuc^, au0 bem t» mie ein Sf^aufc^ aufftetgt, ber 
Sftaufd^ ber @Iegana unb ber Sorne^ml^eit, bad artftofratifd^e 
«Belbflgefül^I einer SBelt, bie mirfli(^ erft mit bem Saron an« 

^"^ ' ' ' * »etitnct e^ttttet. 

.... ^'SCnnungio ift immer me^r gu bem längft eric:;r..t.» 
maleren mobemen 9%omangier gemorben, ber eS oerftel^t, baS 
Seben unferer 3«t fü^n unb lebenbig in ^oefie gu giefeen. ^er 
3fJoman „Öuft" geigt in reinfter SRomanform bie groge Äunft 
be3 3taliener3, neben einer fpannenben ^anblung »on ergreifenbcr 
Seben^ma^r^eit bie »ielen unb üicifeitigen gormen moberner 



^uftut unb aud) Itberfultur bem liefet ret50oQ na^e gu bringen 
^'Slnnunato fd^cut in bicfer fa^ainicrcnbcn SicbeSöcft^it^tc x)or 
feinem @;trem Burücf, er tagt uni5 gletd^ermeife auf bte Gipfel 
tok in bie ^bgrünbe ntenfci^lid^er @mpfinbung bliden. X)er $elb 
beS SRomaniS ift ein Xröger mobemer Dua(itaten in il^rem guten 
unb fd^Ied^ten @inne, wie il^n nod^ fein ^td^ter gefc^ilbert ^at, 
unb bte ©enfioitöt beS ^'2lnnun5tof(i^cn ©eifteiS §at e§ fertig 
gebrad^t, bem Sefer l^ier ein unerl^ört uberrafd^enbeS Silb aller 
unferer Äulturfrüd^te gu geben, »on bcr ifunftaüftion bis gunt 
Slennfport, »on ber Unergrünblic^fcit ber SiebejJftürmc hi§ gur 
intimen Sflul^e in ber großen Saubfc^aft. 

flSBtencY XagiblatU 

6g ift ein Äunftmerf erften SiangeS, biefer 9?oman mit 

feiner Sflealifttf unb bo(§ feiner Unfummc »on tiefem, abgrunb« 

tiefem ©efül^Ic, feinen imrfenben unb bod^ fo munberbar ah^ 

getönten ©d^ilberungen, feiner ffaren ^fvd^ologie. @g ift ein 

S3ud^ für gereifte ©l^araftere, bie e« mit mac^fenbem Sntereffe 

lefen, bie e« nid^t el^cr au« ber §anb legen werben, al§ bis fte 

am @nbe angefommen 

^te rebenben fünfte« 

„Trionfo de la Morte" ift üielleicf)t ba5 bebeutcnbfte SBerf 
nid^t nur ber neueren italienifd^en Sitteratur. ®S ift ein fünft* 
lerifd^eS SBerf, in bem baS mobcrne ^enfcn unb gül^Ien il^rcn 
t^pifc^en, poetifc^cn unb plaftifd^en SluSbrudf gefunben l^abcn. 
^er SBiber^aH faft attcr Sbeen, »on benen bie gmeitc $älfte 
unfereS 3a^rl^unbcrtS bel^errfd^t mirb, in ber Seele eines 
.^rrjönglic^en, nad^ bem ©nbatoedf beS SebenS, nac^ inbimbueller 
^ifcnntniS ringenben SKenfd^en ift l^ier »on ^'STnnunaio mit 
feltener Xiefe unb ©id^erl^eit bargeftellt. Slid^t in toten 6i;mboIen, 
fonbcm in Tcbenbigen ©eftalten fommt §ier ber ßJeifteSfampf 
bcr oieDeid^t überreifen, aber iebenfaDS nid^t unreifen mobemen 
©eele jum 2(uSbrudf. 

9ltut 2)eiitfc4e 9lunbf4au 



Romaiie pon Bermaii Bang: 

üRtn (P^ege* Homan. 

^er Scrfaffcr !ann in bic Jlei^c bcr Bcften ©c^riftftcfler 
ßcftcUt merbcn. „3lm Söegc" ift eine eigenartige Slrbeit oon 
intimem Sleig. ^ie i^efer werben unbeioult unter ben SBiÜen 
bcS &xiaf)Ux§ gezwungen; er toe\% i^nen feine SBelt fo anfd^au» 
lic^ unb vertraut gu machen, ba| fie ^ören unb fej^en mit er, 
als i^ätten fte unter aE ben Seuten beS fletnen ^trc^fpield in 
befd^aulic^er greunbfc^aft gelebt. Xro^ be§ gefunben diealx^mnß^ 
unb ber frifc^en ^xt bed @r$ä^[end mirft ba^ (^ange rul^ig* 
abgeflärt; wie eine ftiDe SWefobie, bie ein l^eimlic^eg Xrauein 
ipedt, baä über perfönlic^em ßeib unb |)erfönlic§em ©lüdfe fte^t. 

^a3 33u(§ wirb reife, benfenbe Sefer biö gur lel^Un ©eite 
feffeln, e§ bietet eine gütte prächtiger c^arafteriftifd^er ©djilbe- 
rungen allerlei 2then^ ; leife, fc^mermütige, mübe, wie bie 33ilber 
bei Äatl^infa« ©eimatsbefut^, unb luftige, frö^Iicb-berbe, wie bi^ 
3a§rmarft^fa§rt unb bai5 geft im ^farr^au^. ©rwoftnt fei aucb 
no(^ ber SBei^nac^tSabenb hd SBaiä mit ber ffeinen 3enfen. 63 
ift unmj^glic^, ftc^ ber jeweiligen (Stimmung gu entgie^en. 

4^amburgtf(^tr 6!omf)ionbent* 

®ie VXtt V^tufet (Ejcentrif^^e Hooette. 

.... ^aS ift mit einer ^napp^eit erga^lt, bie bewunbe« 
runggwürbig ift; fein SBort guoiel, feine Sentimentalität ftört. 
@ine feine Äünftler^anb f)ai §ier bie geber geführt unb mit un» 
erbittlid)er Äonfequeng »on bem %ot> gweier armen (Stown^ er» 
gä^It, e^e fte ))om !^eben ttxoa^ Ratten. (Sin Kunftwerf aüe§ in 

ött^»»- »Iftttcr ffir attcturifi^e ttnfer^oltitng* 

J^offnungefofe <Befc$fec$(cr. Homan. 

.... ©er ©efamteinbrucf ift ein gemaltig pacfenber, ein 
in gerabegu fc^merg^aftcr SBeifc erfd)ütternber. ©er SJerfaffer 
fdjilbert bie legten 6proffen einer begenerierten Slbersfamilic: 
einen im SBa^nfinn enbenben SJatcr unb beffen @ol^n, ber al§ 
traurige^ ©rbteil oon ber gamilie l^er eine übergroße ©mpfinb» 
famfeit erhalten f)at unb an beren golgen gu ©runbe ge^t. 
„Sf^erDöfe ©ponnfraft" an ©teile bcr gefunben SebenSfraft in 
anberen 3ünglingen, ba^ ift baS d^arafteriftifc^e unb tragifd^e 
^JlgcnS im Seben biefe^ ©elben, unb alle üKerfmale beSfelben 
jinb von bem SBerfaffer ebenfo fein ber S^latur abgelaufd^t wie 
marfig bargefteHt. 3^ ^^n wirffamften ©teilen beS 93ud^e§ ge« 
^ören bic, in benen bie ©eclenangft ber ^Äutter unb ber beiben 
Äinber um ben fo merfwürbig oerwanbelten §ög3 gefd^ilbert 
wirb, unb bonn ber 2öal^nfmnSauSbruc§ bei lefeterem. 3n biefer 
©genc geigt Sang beutlic^, bafe er fowol^l über Die ^raft wie 
über ben ilbel wahren ©id^tertumS verfügt : roa^ auS il^r gu 
bem Sefer fpric^t, ift e^te, marferfd^ütternbc 2^ragif. 

Setpi(tgcr 2^aoeBIatt. 



£tzMmm 

(^on Otto €ricb Rarfleben: 



&c\d^\d^U pom aSgeiriffenen IKnopfe« 

8. ^(uflage. Vfixt Umfc^IagbUb oon f^. Sc^Iitt^en. 

^artleben Bebarf ttid^i ber fomifd^en Situation/ et f)at ben 
^umoriftifd^cn Xon, ber immer mirft, fo »ie gemiffe Äomifer 
fd^on $eiterfett erregen, menn fie nur bie Sül^ne Betreten. ®r 
iDirft burd^ bie oerBIüffenbe Stulpe, mit ber er ergäl^It/ unb man 
ia^t fd^lieglid^ auiS reiner f^reube an ber ©emütlic^feit bed @r« 

3ttfii|attt( (^amBurg). 

eine rid)ti0e ©tubentengefd^id^te, frifd^, frei — nein, fromm 
nid^t/ aBfolut nid^t, aBer üBermütig, launig, fedP. ^e @prad^e 
eBenfo fein unb fünftlerifd^ gefd^Iiffen, alg bie gefc^ilberten SBor» 
gonge berB unb gan3 unge!ünftelt«natürli(^. 

berliner SageBlatt* 

8. ^luflage. mit Umfc^Iagbilb oon (D. £agemann. 

. . . ©artleBen §at eS tjerftanben, feine ©efd^id^ten »om 
gaftfreien ^aftor unb t)om @inl^om>^pot](ie!er gu maleren ItaBinett« 
ftüdPen fröl^Iid^en ^umorS gu geftalten, unb mir banfen il^m oon 
bergen für bie freunblid^e ©aBc . . . 

S3red(atte( S^^^^^H* 

i&ier offenbart fi(§ ein l^umoriftifd^eS ®enie erften 9lange§. 
^artleBen mad^t feine SBi^e; feine fd^arfen, audgeflügelten Sßort* 
fpiele, feine raffiniert Berechneten Situationen fotten bie Äoften 



ber SBirfung Beftretten. @d ift clngig uub adetn fein golbencr 
^umot, ber aOed burd^trftn!t; il^n {(^lürfen wir hinunter wie 
einen eblen, flaren, fc^immemb ^eQen St^einmetn (eften ?^a^x* 
gangd, unb wohlige Se^aglid^feit umfängt und 6etm ^cnug. 

füti^^an^txqn (Berlin). 



$artle(en ift ein @pj$tier, unb ba er vor ben geheiligten 
Srabitionen ber ©efeUfd^aft unb ber ^RoxqI gar feinen 9tefpeft 
8u l^aben fd^eint, fogar ein lofet @|>dtter, bem aber aUe, bie 
nic^t oerbtffene 9RoraIiften ftnb, mit Sergnfigen gu^ören werben, 
weil er anmutig, geiftreic^ unb luftig au gleicher geit ift. 

4^amHttrgt( gf^embtttülatt 



©er (Böttitfcile (ttlafer. 

Uuifc^Iag von £. Petter. 
^. 2tnflage. 

. . . IBenn wir ntd^t in Deutfd^Ianb lebten, würbe id^ vor« 
au^fcften, bafe fein neuefter »anb C,5)er römifd^e SKaler") in 
aüm 4>änben ift, ein echter Otto ©rid^, brittant ftilifiert troft 
fc^einbarcr Si^adiläffigfeit, wi^ig, gefd)madfpoll wie immer, leicht 
unb fräftig, fomifd^ unb emft, ungemein er^eitcmb, unb läfet 
5um @(I)lug nod^ einen Steft oon S^ad^benütdifeit gurüdf . . . 

9leue ^eutfil^e Siunbfi^att. 



. . . ^artleben ergöldlt aUerbingd Dorwiegenb beutfc^e (S^ri« 
fettengefdjid^ten, wie SKaupaffant franaßfifd^e gu ergöl^len wußte. 
5lber wie 3Raupaffant burd^ feine ©ragie unb burd^ bie geinl^eit 
feined SBi^eiS ben ©egenftanb abelt, fo C^artleben oornel^mlid^ 
burd^ ed^t beutfd^en $umor . . . 

ferner ^unb* 



Romane pon Gabriele Remer: 

Cei&engefc^ic^te eines Hläbd^ens. 

\0, 2luflage. 

©Itern, bie tl^re Äinber anber^ liehen aI3 mit ber 

banalen „Elternliebe", foHten biefe^ 93ud^ lefen, unb bie uor» 
urteil)3freien 3Serftänbigen unter il^nen — freiließ aud^ nur biefe 
— werben mel^r barauS lernen fönnen al3 au3 ben fd^önften 
Xraftaten über ^inberergic^ung. 

@3 ift me^r al^ ein gutes, e3 i[t ein gro^c^ 33uc§, mit bem 
(SJabriele SReuter bie beutfd^e Seferoelt befd^enft ^at. 9Köge fic^ 
biefe ber Q^cihe njürbtg erweifen. 

S3tcdlnucr 9Korgenaettiittg* 

GS ift bieS ein 93ud^ Don fo aufrüttelnber 2öa^r* 

6eit, fo gana unb gar überaeugenb, eS fc^reit feine oernid^tenbc 
5lnffage mit fo burd)bringenber Stimme in bie aSelt, bafe man 
8unäd)ft öon3 uergeffen roirb, nad) feinen fünftlerifi^en @lgcn» 
f(^aften ju fragen. Unb bcnnod) ift eS fünftlerifd^ in |^o|em 
©rabe, — einfach ein SWeifterroerf. . . . 

©ruft ü. aßohogen 
im Tla^a^xn für l^tttcratur. 

ZToDellen. 2. 2luflage. 

^iefe S^oocHe „Xer fiebenSfünftler'' giebt eine gerabeju 
flaffifc^e 6d)ilt)erung jener egoiftifd)en Biegungen, bie baran fd^ulb 
finb, 'Dai fo Diele 5Wänncr gar nic^t ober fe|r fpät heiraten unb 
gerabe burd) foId)e 93ebenf(ic^feit baS roal^re SebenSglüdf, baS fic 
fid^ gu fidlem I;offen, am grünblid)ften oerfe^Ien. Xiefe ?looeIIe 
be^anbelt fomit ein Problem, baS üKänncr unb grauen angebt; 
fie burfte roo^l bem 93uc^e ben Xitel geben. €inb bod^ auc^ bie 
§au|)tc^araftere mit berounbcrnSroerter SWeifterfd^aft gefd^ilbert. 
5luc^ bie belben fürgeren 9^oo.encn: „®oi3 TlaleV unb „Xev 
^^ätfd^elfünber" finb burc^ feine S^arafteriftif unb eine eble, ge* 
funbe SScItanfd^auung auSgcgeic^nete 3lrbeiten. 

ferner S3unb. 



Stau (güiVQdin un5 i^vc ß6^iM. 

4. 21uflage. 

„grau Sürgclitt unb i^rc Sö^nc" tft ein 9?oman oon SBcrt. 
©a^ SSdter unb ©ö^nc etnanber nic^t cerfte^en, boS i^ fc^on 
l^unbertmal bagen)efen. ^ber bag eine [tebeoolle Butter i^ren 
Söhnen jur Xi)rannin n)irb, bag eine %xau Don ^ol^er ^ilbung 
unb ^ol^er (SJefinnung in ber ©rjie^ung i^rer ©ö^nc baS furd^t* 
barfte gia§!o erlebt, an bem fic — unb ber ältere ©ol^n bei* 
na^e ebenfalls — ju ©runbe gcl^t, ba^ in einem f)öä)\t feffeln« 
ben unb- bie gange Xragif eines foId}en 93erl^ältnif[e3 erfd^öpfen« 
ben Spontane bargufteClen, war ber tafentDoHen unb fünftlertfc^ 
gcroiffen^aften ©abriefe 9?cuter vorbehalten. 

S3crner S3ttttb* 

(Bffcn von 5er (K)et5en. 

Homan in QIagebuc^auf5ei(^nungen. 

3. ^luflage. 

3u ben feinen Äennem ber weiblichen @eclc gehört un« 
ftreitig Öabriele Sieutcr, beren pfvc^ologifc^er S^loman „SluS 
guter gamilie" in wenigen Solaren gel^n 5luflagen erlebte. %ud) 
i^r neuefter 3?oman „©Den »on ber SBeibcn" ift in erfter SReiße 
ein ©eelengemälbe von fd)ier unübertrefflid^er gcin^eit ber 9(uä* 
fü^rung. ©^araftere t)on ber ^rt ber ^elbin f)at man oft als 
unmöglich unb unma^r be3eid)net; bod^ in unfercm Sal^rl^unbert 
be§ raffinierten, unnatürlid^cn ©enuffeS, ber überreijten ^ercen, 
beS !ranf^aften ©rübclnS über fidj fclbft, fmb 3Wenfd^en, be« 
fonberS grauen, mit bem fcc^ftcn ©inn, bem ©ti(§ inS ?fi;c§0' 
pat^ifc^e, nur gu ^äufig anjutreffen. 3n ©Hcn »on ber SBeiben 
fd^ilbert unS Gabriele Sieuter einen fold^en XypuS mit ber ©e» 
nauigfeit eineS 5(natomen. 5)er Sefer lernt (SHenS ©mpfinben 
hei jebem St\x% bei jeber Umormung fennen, er wirb in i^rc ge» 
^eimften ©eelenregungen eingeweiht unb erfäl^rt il^re gel^eimften 
©cbanfen über Siebe unb ®^e, über baS Sföefen be§ SBeibe-S 
unb SKanneS, i^re Slnfidbten über bie Stellung ber ©efc^led^ter 
3U cinanber, über Äunft, Sittcratur u. f. w. 2^ro^ be§ »or« 
wiegcnb refleftierenben 3"^öttS ift feine Qexlt langweilig, übcratt 
begegnet man tiefen unb wahren ©ebanlfen unb, toa^ bie Qa\xpU 
faie ift, aud^ wo bie SBerfaffcrin bie l^eifetften tl^emata berül^rt, 
bleibt fie immer bereut, fo bafe baS 93ud^ audö benfenbcn jungen 
tarnen unbeforc^t in bie ©önbc gelegt werben barf. ®a§ 93ud) 
fann als ein geiftDoUeS, burdö feine ßaSsiDität getrübtes Äom* 
penbium beffen betrad^tet werben, waS von ben grauenret^t^' 
lerinnen über bie grauenfrage unb aUeS, waS mit i^r aufammen* 
l^ängt, gefd&rieben worben ift. 

@t ^eterdbttrger Bettung. 



üakob massermanii: 



k &t\cixciU der jungen (Sitnatt S^d^^. 

Koman. 
4. 21uflage. 

„. • . • 3Ranä)e fmnenbe @ttm loirb ftd^ barüber Beugen, 
manc^eiS 9uge loirb ftd^ feud^ten uttb aud oerfd^ütteten S^tefen 
n)irb eine loel^müttge Sejal^uttg aufftetgen* UeBer ben (Solang 
feiner Btlbnertfd^en ^l^antafte, über bte ^rad^t feiner €prad^e 
tDxU i(6 ntd^t weiter reben, nad^bem id^ fd^on einige groben ge* 
geben l^aBe. (SS tarn mir aud^ nid^t barauf an, baiS Sud^ nodi* 
Suersö^len ober 8U analpfteren, fonbem if)m t^reunbe ju errcerBen 
unb bem Sefer 9U fagen, »ad i^n an äftl^etifd^er f^reube unb 
menfd^Iid^em (^en)inn ermartet. €ettbem bev. altt Fontane tot 
ift, ber baiJ ©c^irffol ber Keinen ®ffl ©rieft in bie »erftel^enbe 
9)'{tlbe ber ^IterSerfal^ning gel^üHt §at, ift in biefem ^^vauen« 
roman sunt erften S^ale n)ieber ein Kunfttoer! 3U Begrüben unb 
ein 5tünft(er, ber menfc^lid^ tief unb reic^ genug fc^eint, um eine 
@ntn)idP(ung 5U nod^ reiferen SBerfen su oerfpred^en.'' 

S^offtfd^e Bettung (»erlin). 

„. . . @tn fuBjefttoeS ^ntjüdfen ifi ed etgentlid^, baS an 
biefeg 5bu(^ feffelt. ©in fuBjeftioer, männlid^ empfunbencr 
grauenroman — bamlt fann man baS Sud^ KtterarifdJ fenn* 
3eic^nen. 

3d^ IJialte es für ein (SreigniS. Sei SBaffermannS ^ar» 

fteUungSfunft im einseinen !ann id^ nid^t lang oem^eilen. ©einer 

2[rt »on ;)|:Dd^olo4ifd^er iDiale!tiI »tberftel^t man nic^t: fte rül^irt 

ans i^einfte unb oft faum mel^r @agBareS. Seine @rfinbung 

im Keinen im 3wfammen§ängen, 6d^affen unb SSermeBen Don 

ÜWotioen ift für ben mitftreBenben SlrBeitSgenoffen BemunbernS* 

mert. Unb feine @prad^e, baS eigentltd^ 6d^önfte unb p](iantafie« 

ooQfte an i^m, mäd^ft auS fd^lid^teften ©inaell^etten 3U n)unber« 

xjollen Söirfungen." 

^le Seit (Söten). 



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