Skip to main content

Full text of "Vom Jura zum Schwarzwald. Geschichte, Sage, Land und Leute"

See other formats


Google 


Über dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin¬ 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 


Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen. 



Vom Jura 

zum Schwarzwald 

Franz August Stöcker 









































Digitized by 


Google 



Digitized by t^ooQle 



i 


Digitized by V 




|>j* YorstSbter 

®om öura 51t: 


Digitized by t^ooQle 



mtmmmmr 



tttttt 1490 |« JSnb^nrtt. 

, jajö^tofltjwalb 1892, ©eite 90/3 


Digitized by ^.ooQle 




Digitized by t^ooQle 



Ion |rao p $dpnplt. 

-- 


|jer angegeben 

rafor Jttteirfciii riirr 3 ip|l S^riftjkifr ul |ilk»frnalt 

üon 

f. JL Stitor, 

SiMdir >fr „tililtx ftulyriifct ewT. 


Ulemrter §ar&. 


Jumm, 

DrnA n*b Verlag von fl. & Sanerlänber ft €•* 

1892 . 



Digitized by Google 



'w- v -, 3 

5 7 ^ 

|lflrt)iiru(k «rrbotm. 

|Ul« |leci)te trovbtfJjaUetn 


Digitized by Google 



|l tt \j a 11 


©eite 


2)aaBolf$f$ulft>efeninben3urafantonenam©nbebe£18.3ft§r s 

§unbert§. Bon BBalttyer ©immi, Pfarrer in ©djönengrunb . . 1 

gtoette $eiratty. Bon 2lb. Stibeauj:. 2lu3 bem „Contes chez noas“. 

2lutorifirte Ueberfefcung bon ©life ©berfolb.40 

■•Natur* unb BolfSleben int ©ctytoargtoalb. Bon ßarl $oIIba$ . 47 

gerbinanb ©ctylötty. Bon g. 51. ©toefer. (2Nit Portrait) ... 53 

£)er 3)1 aIe r §einri$ 3ennty. Bon g. 21. ©toefer (2Nü einer 21 bbit* 

bung).81 

Bereinigung bon ©roft* unb $Uein*Bafel. 2lu$ einem Bortrage bon 

§rn. Sßrof. Dr. 2lnbrea8 §eu8ler.93 

©in ©pagiergang nad) Beltelaty. Bon 3of- ©Rilliger in Sßruntrut 100 
£anbbogt3gefd)idjten au$ bem bernifetyen Unteraargau. 9tadj Ur* 

funben entworfen bon 3 a ^b $ungifer .... 114. 161. 257 

SBanberungen inBafetS Umgebung, 3ura, ©djtoargtoalb, ©Ifafj. 

3m 2tuftrage be3 BerfetyrSbereinS Bafel gufammengeftellt bon Dr. grifc 

Baur.131 

Ueber 2llter unb 21 rt ber §au§* unb $$iernamen. Bon Dr. ©. £. 

Sftocfyfy o lg.147 

2)a3 glattentoirt^StyauS. ©ine ©age bon ©. Brobmantt in ©ttingen 156 

2largauer 2lnefboten. Bon 21. Heller.160 

ßlofter DUberg. jfulturfyiftorifctye Bilber bon ß. Biebermann . 179. 259 

$)er liftige Bauer unb ber Sanbbogt. Bon ©. Brobmann in ©t* 

tingen.232 

$)er ©ctyafc bon ©Ugenberg. 9ta$ einer ©age au$ bem ©ctyioargbuben* 

lanb bon 21. gatyltoeib (©olotfyurn).235 

grang 2luguft ©toefer f. Bon * *.316 


Digitized by t^ooQle 










P«s lilksMiIvtftx in bcn 3nw=|«ntonfn am finiit 
ins 1$. |il)r|nnictt 0 . 

Sott JtJaltljer ©irnntt, Pfarrer in ©djönengrunb. 


» IV. 

(jun wir an «'paitb ber ©d)u(berid)te junädjft einen 33ücf in bie 

_ 2lrt unb Sßeife ber Cefjrerbeftellung, fo treten un§ ba fdjort 

bie mannigfaltigften SBertjättniffe entgegen. 2öir beginnen mit bem 
Danton Slargau. ßur 33oltftänbig€eit festen bie Angaben ber hier 
©djulen Don Cenjburg. 

30 mal Reifet e§>: SSont Pfarrer eyaminirt, bem Slmtmonn bor= 
gefdjlagett unb oott biefem erwählt, Qür ben gangen Oiftritt Siulm 
mit 31 ©djulert gilt bie SHotij: Sont Pfarrer im Seifein ber Ort§= 
borgefejjten geprüft, bem 06eramtmann borgefdjtagert unb bbn biefem 
gewählt. Qm Oiftritt Srugg finb 2 Celjrer burcf) bett bormaligen 
äRagiftrat bbn Srugg, 5 burd) ben jeweiligen Särger Pfarrer erwägt 
unb bom bormaligen Oberamt SfönigSfelben ernannt, 24 burd) ben 
jeweiligen Pfarrer erwäljlt unb oom bormaligen Oberamt ©djenfen* 
berg ernannt, einer, erft feit 3 Sftonaten im ©djutbienft, ift bom @r= 
äiel)ung§ratf) be§ Sfantonä eingefefjt worben. 

3 mal Reifet e§: Sunt Pfarrer unb ben Sorgefe^ten geprüft, bem 
ülmtmann borgefd)lagen unb oon iljm beftätigt, 1 mal (Sraunegg): 
bie ©emeinbe befteHt ben Celjrer, ber Slmtmann beftätigt if)n; 8 mal 
(©eengen 2, (Sgliswpl 2, Qafyrwangen, ätteifterfdjwanben, SettnWpl, 
9lUi§Wp(): bie Detenten würben bom Pfarrer geprüft, oorgefdjlagen 
unb bon ber §errfd)aft bon ftallmpl beftätigt. Qn üttieberijallwpt, 
gsunjenfdjwt)! (2) unb ©eon (2) gefdjal) bie GcrWäljlung auf gleiche 
Sßeife, ebenfo in fwlberbanf unb Stförifen, nur erfolgte bie Seftätigung 
bort burd) bie Canboogtei Senjburg, t)ier burd) bie ^jerrfdjaft SBitbecf. 
Qn §enbfcf)ifen würbe ber ißetent bont Pfarrer eyaminirt unb oor» 

SSom Q;uta jura ©^war^wöli). IX. 1 


Digitized by 



2 Baa Bolksfdjnlroefen in ben Sura-'ßaitionen am <£nbe bee 18. ^aljrljnnbert». 


geflogen uttb oom Slmttnann in SenjBurg gemäht; in 9iupper3mt)l 
mürben jum ©yamen burcb ben Pfarrer bie oorgefefjten meltlicbeit 
unb geiftlicben ©ericfjte pgejogen; bie SBeftätigung gefaßt) burdj ben 
jetoeiligen Canbüogt auf ßenjburg; ber erft im Söintcr 1798/99 in 
Oienft getretene Celjrer in 33oui3mbl mürbe non ber 2$ermaltunge= 
fammer in Slarau gemäht. 

Qm Danton 33aben ift bie Qrage: „333er ^at bisher ben ©d)ul= 
meifter beftellt?" beantmortet: 9 mal: bie ©emeinbe, 8mal: ber Pfarrer 
unb bie ©emeinbe, 3mal: bie ©emeinbeoorgefe^ten unb ber ißfarrer, 
5 mal: ber Pfarrer, 7 mal: bie ©yaminatoren in gürirf) („SSon benneit 
Herren ©ytlamty Sto. tboren"; „bie ©btnöligen ©yamennatren oon 
ßüricf)" fcbreiben bie S3erid)terftatter oon eoangelifcb 3Süren(o§ unb 
Söalbbaufen). 

beifet eä: 

ber refortnirte Pfarrer in 33aben. 
ber ©ericbt§berr in Söettingen. 

ber ehemalige Stagiftrat oon SBaben. 

ber Oberamtmann oon Sfihtigäfelben. 
bie Obrigfeit oon Stellingen, 
ber S'ommanbeur. 
bie Stebrbeit ber .£)au§oäter. 
ber Oberoogt, Pfarrer unb bie 6 S’aftoögte. 
„oon ber ©tift." 


Qm SBertcbt oon: 
Oättmtyler $of 
fatb- 3ßürenlo£ 
Qi§ti§bacb j 
Oberrobrborf I 
eü. ©ebenäborf 
Stellingen 
Ceuggern 
Obertunfbofen 
SHingnau 
Burjadb 


Oietifon \ 
©preitenbad) J 

3Ö3ettingen 

33aben, beutfcbe @d)ule 
SSremgarten, „ ©djule 

Oöttingert 

Saiferftubl 


ber ißrälat in 333ettingen. 

ber Slbt üon SBettingen auf 33orfteflung 
be§ Pfarrers, 
bie frühere Obrigfeit. 
bie OrtSobrigfeit. 

ber Oberoogt oon Sflingnau auf 33orfdjlag 
be§ ißfarrerS unb ber ©emeinbe. 
ber ehemalige ©tabtratb nadb einem ©yamen 
burcb ©timmenmebrbeit. 


Oie Berichte oon 333ürenlingen, Ober» unb Unterborf fdjreiben: 


„Oie gemeinb pflegt ©inen ißfaarrer 33on ben anbattenben ©ub* 


jeftis brep burcb 9teE>r^eit ber ftimmett aufj gemebrete 33or Qu= 


Digitized by t^ooQle 



Das tyoUtsftfjalroeren in bat Sara-ßantonen am QBnbe bes 18. atalirljnnbfrt«, 


3 


ftetten, Son meldjetn ber ^faarret (Sitten Son bifett Stufe ßumöllen, 
guernen (ernennen) feat." 

®er Ceferer non Sin£ fagt: „ber fdjuClmeifter, ber gugleid) organift 
ift, feat eigentlich Sid) fetBften beftellt, 2öeil er Stofe oufe gutem Söitlen 
fdjulhält, obgleich 9J?an efe für gebräuchlich hält, bafe ber organift Stud) 
fdjulhalte." 6 Stntmorten fehlen. 

gfür bie Kantone Sdjaffhaufen, Solothurn, Safet unb Sem an 
taffen wir je eine Stnjafet ber f)iet)er gehörigen Sericfeterftattungen 
folgen; Bei ber StuSmaljl featten mir eS auf eine möglidjfte ©rfdjöpfung 
ber bamatigen Serljältniffe aBgefeljen. 

Schaffhaufen. 0ie Cefjrer für bie ÜDZäbdjenfchule in Schaff* 
häufen mürben nad) ooran§get)euber Prüfung oont fteinen Statt) burd) 
ba§ CooS gemäfett; ber neugemäf)lte Setjrer mar jemeiten an bie erfte 
klaffe uerfefet unb bie anberen rüdten feinauf. Qn Sudeten unb 
Stünblingen mürbe ber Ce^rer oom Pfarrer unb bem ehemaligen 06er* 
bogt nad) einer Prüfung in ©egenmart ber OrtSoorfteher, bie aber 
nur 6eratt)enbe Stimme hatten, ermfthtt. ®er Serid)t bon Shafengen 
fagt uns, bafe bor ber Stebotution nur Sürger bott Sdjaffhaufen als 
Seferer gemähtt merben fonnten. $n 2)örftingen fefete ber ©yamina* 
torenfonbent bon ßürid) auf einen ®reierborfd)lag ber ©emeinbe bie 
ßehrer ein. Qn SOteriShoufen mähtte bie ©emeinbe burd) if)v Stimmen* 
mehr in ©egenmart be§ ehemaligen OBerbogtS unb Pfarrers, in re* 
formirt ®iefeenhofen ber ehemalige euangelifdje Stirdjenratt)- $n 
OpfertSljofen unb Süttenljart fanb eine jährliche 2ßiebermat)( beS 
CehrerS, Seftätigung ober 333at)t eines Stnbern, ftatt; in erfter Cinie 
mürben Stenten anS ber eigenen ©emeinbe Berüdfidjtigt; eine jährliche 
SEßahl beS Celjrerg mirb auch au$ Stetten gentelbet. 

„333er mittenS ift" — fd)rei6t ber Sdjulmeifter aus Sargen — 
„Schullehrer gu merben, ber mufetc ftd) Bet) bem Sürger Pfarrer 
metben'unb bor ganzer ©hrfanter ©emeinbt barnm anfjalten. Stad) 
bifem mirb ©r Son bem Sürger Pfarrer bor ganjer ©Ijrfamer ® e * 
meinbt ©yaminiert unb nach ©utBefinben ihme ben ®ienft übergeben." 
StuS SiBlingen mirb Berichtet: „Sei ber alten ^Regierung mürbe ein 
Sdjulmeifter Beftellt, in Set)fein, £>rr. Canbt Sogt, Canbtfcfjreiber, 
Sfarrer, Sogt, Sta6f)atter, ©fdjmornen, Sitcfje Pfleger, burch SOtefjr* 
heit ber Stimmen nach aBgehaltnem ©yanten." Stuf beS SOtinifterS 
gfrage antmortet ber Cehrer bon Seggingen: „SiS^er hat ©S bie ©h* 


Digitized by (^ooQle 



4 {lag öolhgfdjnlrotfen ht im 3nra-fiantonra am ®nfce beg 18. Jfltjrljnitifrtg. 

malige Obrigfeit Pfarrer beg ortg 33ogt unb gefchworne burcf)g 
Eyamibet ober burcf)g Sofj bie ©cfjulfehrer SBeftett." Söir fchliefcen für* 
ben fitantou ©djaffhaufen mit ber Slntwort aug Unterfchlatt: „bie 
gemeinb in 33eifeitg eineg £>rr. ^ßfarerf? unb ift Eyamamert worben 
oont ^Bürger ^3farer fDtelcheor ^irdhhofer oon ©djafhaufen unb oom 
^Bürger ‘ißrefebent (tocfer Don ©chafhaufen beftetiget worben. /; 

©ofothurn. $n Softorf mahlte bie ©emeinbe ben Seljrer „burdf 
baf allgemeine tof"; in ©ofothnrn, Slnabenfdjule, ber tägliche fRath 
ber Dormaligen Regierung in offener 2Bahl; ^ßrittjipi, bie 6 ^jäupter 
ber Regierung unb bie 6 älteften £f)or£)erren; SSaifenljaug, bie Söaifen» 
haug^nfpeltoren; in ©rennen ©emeinbe unb Pfarrer burcf) ©timmen* 
mehr; in Slefdji bie ©emeinbe mit Seftätigung burd) ben ©c^utratlj; 
in Olten bie ©emeinbe burcf) geheimes ©timmenmehr; in ©üngberg 
bie ©emeinbe, ber Pfarrer unb ber ©6eroogt; in ©efjacf) früher bie 
©emeinbe, feit ber normalifcfjen Einrichtung bie ©dfuflommiffion; 
in SOZeffen bie ©emeinbe nach „Eyanthttacion" burd) ben Pfarrer; in 
SBitfferacf) bie ©emeinbe, aber feit Einführung ber Stormalfdjule mit 
nacf)f)eriger SBeftütigung ber Obrigfeit (jefjt oom Unterridjtgfommiffär); 
in 'SRümligWhl „bie SBormahlige Regierung mit ju gretjbenljeit ber ge= 
meinbt"; in Stetigen ©emeinbe unb Pfarrer na cf) öffentlichem Eyamen; 
in Oornadj bie alte Regierung; in SRajenborf bie @d)ulfommiffion 
in ©ofotfjurn. Sluf mangelhafter .Qenntnijj ber ©rammatil eher alg 
auf Shatfcichlichleit bitrfte eg beruhen, toettn ber Seher Don Oenfingen 
fchreibt: „ber fchufmeifter hat bie ©emeinbe erwöhlt.'' 

Qit ©renchen mufjte ber Sehrer jebeg Qaljr beftätigt werben. 
9J?ancf)e ©enteinben fd)idten ihren ©chufmeifter auf eigene Soften in 
bie üftormalfd)ule nach ©ofothurn; fo toirb aug Egerlingen gefchrieben: 
„S3on ber ©emeinb beftefft unb auf Skonto berfelben unterrichtet" unb 
aug SBüren: „unb ifjne nachcr ©ofothurn gefchicft um bie Unterweisung 
ber SRormal junemmen nach aufgeftanbenem Eyamen mirt er burch 
ein patent junt ©chuflehrer anerlent." Enttäufchnng fchaut aug ber 
Slntwort beg Sehrerg Don SJMtingen fyexauZf mettn er fagt: „ber 
bürger 5 ran ä ftefibenten h Q t i u wir gefagt ich Sode auf ©olo= 
thurrt gefehren mau mache ©chullöhn ift aber nidjtg gemalt Worten." 

SBafel. Oie grage nach ber SBefteClung ber ©chulnteifter finbet 
hier folgenbe^Beantwortungen: SOZünfterfchule, Söafef: „Oer allabemifche 
©enat mit 3 u ä' e h un g ber Oeputaten ber Kirchen unb ©djulen unb 


Digitized by Google 



Dag üolhafdjnln»fnt in im Sura-fiantottm an Crtbe i»« 18 . 3aIjrljmtlfrU. 5 

beS jetoeiltgert SlntifteS burcp baS CooS unb gwar ba§ ternarium." 
©cpute ber Sircpgemeinbe ©t. ißeter, Safel: „oon beni Slapitel beS 
©tiftS ©t. sßeter, ben 2 regieretiben Häuptern unb bem Pfarrer ber 
©emeine burcp baS CooS erwäplt." ©t. äRartinS=$lRägblein*@cpule itt 
33afe(: „ber Oberlehrer biefer ©dpule ttntrbe btöfjer Don ben ehemaligen 
©tanbeSpäuptern, ben Oeputirten gu ben Kirchen unb ©chulen mit 
ßugiepung eines jeweiligen Sürger=2fntifteS unb einem jeweiligen Pfarrer 
ber ©t. SRartinSgemeinbe beftimmt." Shtabenfcpule bei ben Saarfüjjeren 
in Safel: „gu ber ©teile eines OberleprerS biefer ©chule würbe bisher 
Don ben ehemaligen ©tanbeSpäuptern, ben Oeputirten gu ben SHrcpen 
unb ©chulen mit ßugtepung eines jeweiligen Sr. 9lntifteS, beS Sr. 
Pfarrers unb Sr. Diaconi ber ©t. CeonparbSgemeinbe wie audh beS 
Pfarrers bei ben Saarfüfjeren unb im ©pittahl unter ben (Sanbibaten 
burdh bie SReprpeit ber ©timmen 6 in bie Sorwahl gegogen, woraus 
ber kleine SRapt Orep in bie |jaubtwapl nahm unb unter biefen baS 
CooS gog." sßrooiforfdpule ber minberen ©tabt: „bie Seftellung beS 
CeprerS gefdhah bis gegenwärtig burd) baS blinbe CooS auS einer will» 
Bürlidpen SBapl Don brepen burdh bclbe regierenbe |)äubter, ben Sürger 
SlntifteS, burcp bie 4 Deputaten/ burcp bie neuen im Oluartir wop* 
nenben Otäpte, bie regierenben Obft. ÜReifter (Oberft ÜReifter) ber brep 
©efetlfdpaften, burdp ben ©cpultpeifi, burcp bie brep ‘’ßrebiget unb 
Sattnbrüber-ber minberen ©tabt." fRiepen: „baS Oeputatenamt in 
Safel auS brepen burcp baS CooS." Settingen: „ber je^ige ©cpul» 
meifter in Settingen erpielt (auf Segepren ber ©enteinbe) Don bem 
Oeputatenamte in Safel bie ©rlaubnifj, gwifdpen ben ©cpulftunben 
gu fRiepen, wo er als ©cpulpelfer angefteUt ift, audp in Settingen 
©cpule gu palten. OaS Oeputatenamt ernannte ipn gum ©cpulpelfer 
in fiepen." 9lucp auS ben übrigen ©emeinben beS S'antonS ift bie 
grage immerwieberfepreitb beantwortet: baS Oeputatenamt für Slirdjen 
unb ©dpulen nacp üorpergegangener Prüfung burcp ben Pfarrer. 

Ceman. 21 ltf bie fyragc: „Qui a etabli jusques ici le Regent? 
et de quelle maniere?“ antwortet ber Sericpt auS 9tobelIag: „Les 
Particulliers,“ berjenige auS Chavannes-le-Chene; „la Commune 
Letablit,“ berjenige auS Villars-Epeney et la Maugettaz: „le 
pasteur en Suite d’Un Examen,“ berjenige auS Givrins: „le Pasteur, 
et les preposes de la commune sans examen“. Oer SRegent in 
Bercher: „a ete examine par le Pasteur, et brevete par le ci 




Digitized by t^ooQle 





6 


JDae tJolk«fdjuln)«|>n in ben Sura-fiantonrn am (£nbe bea 18 . Safyrlinnberte. 

devant Seigneur Baron [Monsieur De Dortau] a ; Jean Jaques 
Durussel ä Ballaigues des le 1 Janvier 1799: „a ete nomine par 
le pasteur apres un examen de concours, puis etabli par le Con¬ 
seil d’Education“. 2Bir laffert nod) jltjet 23eridjte über biefen $unft 
reben. 

2luS Chene toirb gemelbet: „Le Citoyen Pasteur faisait l’exa- 
men en Presence du consistoire et la nommination des deux 
plus capables admis a l’examen etoit envoye au Baillif, qui 
donnait le Brevet au plus capable des deux suivant la decla- 
ration du Pasteur“, üftodj ausführlicher fdjreibt Jean Simeon auä 
Pailly: „La Commune de Concert avec le Pasteur ont toujours 
etabli le Regent de la maniere suivante La Regence etant de- 
venue vacante; le Pasteur de Concert avec la Commune fixoient 
un jour pour l’examen et le faisoient publier par les feuilles 
Publiques, et au temps marque les aspirans etoient examines & 
huis ouverts en presence de toute la Commune par le Pasteur 
qui apres la verification des Talans nommoit les deux, ou trois 
plus Capables; lesquelles nominations etoient ensuite presentees 
au Seigneur de l’endroit; puis on sen [s’enj referoit ä son Choix 
pour Telection de l’un d’entreux (entre eux). u 

Unb nun etttmS ii6er baS Sllter, bie ^erfunft, ©imlftanb, früheren 
SSeruf unb Nebenbeichäftigung ber bamaligen (Sdhulmeifter. ßur $t\t 
ber 33erid)terftattung ftanben im SJanton Slargau: 


im 

SHter jm. 20 u. 30 fahren 15 Sehrei* 

im Sllter 

oon 30 ^a^vcn 

2 Seljrer 

/» 

„ „ 30 u. 40 

n 29 „ 

rr fr 

» 40 ,, 

3 „ 

ff 

„ „ 40 u. 50 

„ 27 „ 

ff ff 

n 50 „ 

3 „ 

fr 

„ „ 50 u. 60 

„ 20 „ 

ff ff 

n 60 „ 

3 „ 

rr 

„ „ 60 u. 70 

„ 12 „ 

rr ff 

n 70 „ 

3 „ 

/f 

„ „ 70 u. 80 

» 1 » 

ff ff 

„ 80 „ 

rr 


®ie Slbbition ergiebt für 119 Schulen nur 118 Selber, meil bie Schulen 

auf bem Siütihof, in 

3iäfenthal unb Siebegg, ©emeinbe ©rammen. 

nur einen 

Setyrer Ratten. SSon biefen 118 Sehrcrn hatten — 

eS fehlen 4 Slntmorten — 

51 

toeniger als 10 $ahre $ienft$eit 

6 Ratten 

10 $ah re ®ienftjeit 

22 

jmifchen 10 u. 20 

ff ff 

2 „ 

20 „ 


20 

rr 20 u. 30 

ff fr 

1 „ 

30 „ 


7 

„ 30 u. 40 

ff ff 

2 „ 

40 „ 


2 

„ 40 u. 50 

rr ff 

~~ U 

50. 


1 

„ 50 u. 60 

rr rr 

ff 

60 „ „ 

hinter ftd). 




Digitized by t^ooQle 














Da« tlolktfdjulrocftn in ktn Sntn-finnionfn am ffinbt bca 18. Sat]ctiunberte. 7 

(piufichtid) ber f>erfunft festen bie Antworten auS bem Oiftrift 
Sutrn unb 5 weitere; öon bett übrig bteibenben 82 Sehern finb 
78 ^Bürger ber Orte, Wo fie Wirten. 

Qn 23ejug auf ßioilftanb, SBeruf unb 9?ebenbefd)äftigung taffen 
wir für bie beiben Oiftritte Sutm unb SBrugg ßatjten fotgen: 23on 
ben 31 Sefjm'n beS erfteren finb 4 tebig; oott ben 27 oerf)eiratf)eten 
finb 22 SBiiter non Sinbevit. .'pinfidjtlicf) beS 23entfeS oert^eiten fie 
fid) Wie folgt: 

Seruf: Server: ©evuf: ?e^rer: 

„©aurengemerb" unb 2Bebjtuf)( 8 ©aumroottengewerb .... 5 

„Saurengeroevb", Raubbau. . 6 Sütaurer unb ©teutfyauer . . 1 

2anbbau,@ätf$eidjn en unb ÜJtuni» eljemalS ©olbat, je^t ©troljbecf er 1 

cipat« s f5räftbent .... 1 „Äüefer" unb ©tgrifl ... 1 

5e(bmeffer unb „©aurengercevb" 1 ©aumrooflenfpinner .... 1 

„^ßajjementev''.2 Sanbban unb ©aumtooflenavbeit 2 

Äitdjmepev, „£ud)mefiei'", 93e= ©trumpfroeber.1 

jirfävicbtev.1 

SBon ben 32 8et)rträftcn be§ Oiftrifts SBrugg finb 2 unocr^eiratet, 
bie übrigen fjaben, mit SttuSnatjme eines einigen, ®inber. SBei ber 
SBefpredjung ber 33erufSuer()ättniffe faden bie beiben Seherinnen 
(9J?äbcf)enfd)ule in SBrugg unb SBirrentauf) §utn SBorauS weg. ®ie 
Seher oertf)eiten fid) auf folgenbe SBerufSarten: 


©ei'uf: ?eljier: ©eruf: 

SRotljgerbev.1 .2 

©tvurn pfiuebev.3 ©anntrooüenroebev .... 1 

Sanbbau unb SBaguer ... 1 ©auutrcollenfabrifation u. £anb* 

Sanbbau unb ©djnfj<i> ac hv . 1 bau.1 

üanbbau unb Sfeinroeber . . 3 Sanbbau unb SJie^argt ... 1 

Sanbbau, ftiifer unb ©iebarjt. 1 j Sanbbau.12 

2anbbau unb ©aumrooüenroeber 3 


£>ie fraget „28aS fjattc er üorf)er (gemeint ift öor bem Antritt 
beS Seh'amtS) für einen SBeruf?" ift nteiftenS beantwortet: „betrieb 
feine ^ßrofeßion**. QofjanueS Zauber in SJBinbifd) fdfreibt: „feine 
Sßrofejjion nttb 9tboo!atur“; $S. U(ricf) (£id)enberger in SBirr war 
„18 Qaljre 3Sie^f)irt“; QofjantteS StBeibel in ©ffingett in StriegSbicnften. 
p§>. £)einrid) SBrat in SDtöntljat war neben feinem SBeruf „©eljütfe 
feines SBruberS in ber Schute“. 

SBon ben beiben Seherinnen oerfteh eS fid) oon fetbft, bafj fie 










8 t)as tfolheräjnlroefjen in ben ?nr«-fiantonen awt b*e 18. Jaljrljtinbfrt?. 


feine SXlebettöeftf^äfticjung Ratten. ®a£ tfjetfen 13 ßeljrer mit ihnen; 
bie übrigen 17 oertfjeilen fid) auf fofgenbe Nebenbei djäftigungen: 


SDtitgtieb ber SDiunicipalität unb 

Drganift.1 

®iffrift§ridjter, SSortcfev unb 93or- 
finget in bet Äirdje . . . 1 

•Dtunicipatbeamte.5 

SSotfefet in bet Kirche . . . 1 

^ßofaunift unb ©iehinfpeftor . . 1 

,3oUinfpeftor, ©orlefer unb ©or* 
finget in bet Äitcfye . . . 1 

©eforgiutg einet ©afjbütte . . 1 


$i|frift§richter, ©ortefer unb ©or* 
finget in bet $ird)e . . . 1 

SKunijipafbeamter, 'ißofaunijl unb 


©orfefer.• . . 1 

©igrift.1 

©igrift unb ^ßofaunifi . . . . 1 
SUialjtgrift unb Ißofaunift . . 1 


SJeibel bet SRunijipalität, ©orfefer 
unb ©orfinger in bet Äirdjie . 1 


Siefen Qciljten *ei£)en mir nod) .einige tjie^crge^örenbe ^otijen 
au3 bem übrigen Danton Slargau an. „®en (Sommer fjinburd) get)t 
er“ — ber ßefyrer non 3)ieifterfrf)manben — „bem (Sdjärmaufen nach"; 

bet ©cfjuftneifter non ©tauffen, obere ©cf^ute, mar Snbienenbrucfer; 

ßüibienenbrucfer; 
^ofamenter; 
©ädjjeidmer; 

„Rablentacher"; 
Korbmacher; 

„©ejdjroinb ©(eichet" ; 
,CbnigeÜnet b. 3>orfe§;' 
Sanbmann, s 2(gent unb 
^O^nigeitner^ im $)orf; 
feinet ©egangenfdjaft ein 
©d^nl)mad^et; 
Äupfetfc^mieb; 

®(a)et; 

früher „©djuhmachet"; 
jefct befchäftigt et fidj 
„mit einem! (einen£)anbrf 
unb ©chreiblectionen"; 

„ $üttigen „treibt 2lgricuftur, Sttebecin unb ©f>irurgi e// ; 

„ Otmarfingen, früher ein ©trumpfmeber, bef^äftigt [ich 
mit oorfaüenben ©cripturen unb tteinen 
$anb(ung§gefdhäften unb ift jug(eid) Lüfter 
ber Siliatfirdje unb r/ £)i)n\§tÜnex lt ; 

„ gahrmangen, mürbe af$ guter Redjner „bei Xh c ^ un 9 en ^ 
©ogt£' ©ernenn unb anbern Rechnungen 
üiel gebraucht". 


ff 

ff 

ff 

ff 

ff 

ff 

ff 

ff 


untere 


ff 

ff 


ff 

©chaft§hdm Jf 
§enbfchifen 
SRörifen 
2Ifp 

©ul;r, Unterfchute 

rfnimer^mpf 

2)intifeu 


SThalheim, $nabenfcf)u(e 

Jen^burg, gröf$. Xöc^terfcfjitle 
„ f(. $naben)chute 

// grö|. „ 


Digitized by ^.ooQle 






9 


©olhefrfjnliPffen iit beit Juta-fianionnt nnt Öubf bts 18. Saljrljunbfrts. 


Vaben. 3 ur 3 e i* ^ er Verid)terftattung (tattben: 


int 

Älter jtü. 20 u. 30 Starren 

7 

£ef)ier 

im 

SUter 

non 

30 

Oafyven 

5 

?el)rev 

// 

tt 

„ 30 u. 40 

ti 

13 

n 

i " 

tf 

ft 

40 

tt 

— 

tt 

// 

rt - 

ff 40 u. 50 

ft 

14 

tt 

, 

rt 

tt 

tr 

50 

n 

— 

tf 

ft 

tt 

n 50 u. 60 

n 

8 

tt 

tt 

tt 

tt 

60 

ff 

2 

tf 

tt 

tt 

ff 60 tt. 70 

tt 

4 

tt 

/t 

tt 

tt 

70 

ir 

— 

tt 

ft 

ff 

ff 70 u. 80 

tt 

2 

tt 

ft 

tr 

n 

80 

ff 

— 

tt 


3 Stnticortcn festen. 


33on ben 58 Seljvern — C SIntroorten festen — b fl t ten 


24 mentgev 10 3afyve ©teufl^ett | 

5 

I)atte[n] 10 3taf)ue ®ienftjeit 

11 jrotfehen 10 u. 20 

ff ff 

1 

n 

20 

ff 

ti 

3 „ 20 u. 30 

tf ff | 

1 

tf 

30 

tt 

ti 

2 „ 30 u. 40 

tf tt \ 

1 

tt 

40 

tf 

ff 

3 „ 40 u 50 

ft ft 

— 

tf 

50 

tf 

ff 

1 „ 50 u. 60 

tf tt 1 

— 

ft 

60 

ff 

f f hinter ftd}. 


lieber £>ertunft, Veruf, 9iebenbefrf)äftigung, Vergangenheit/ ißer» 
föntidjeS geben ,tnir einigen Veridjtcn baS 2öort. i'aneri £>uber in 
Obertu t)( fdjreibt: r/ algit gebürtig in ober mit" früher mar er ein 
Vauer; jegt ift er neben bem Cehramt Stgent. «fjeinrief) gu<f)§ in unb 
non giSliSbad) ift ein „Ceintnäber"; er //arbeitet 9tad) ber ©dfutte 
auf ©ebner brofäfetyon". Gonrab SJJarftnalber in enang. SßiirentoS 
ift „ber 9J?ahten in ber 2)Jungt)balibeth (SQtfunicipalität)". Gafpat 
©trebet non Gtropt „SWüäfte baß gang 3 a ^) r an ©ontäg nnb feirbäg 
in ber tiretjen bet) ber ^ugent ‘Sorgen bie Voß Ijeit Ver hüöthen — 
mit ©ingen nnb Vätten bafs 9)?aul ßuo erft auf £h uon//> Sigriften* 
bienft/ Vorbeten unb Vorfingen in ber Sirdfe bilbeten auch für bie 
nteiften ©cljulletjrer beS SantonS Vaben bie SJlebenbefdjäftigung. Seine 
foldje hatte „Stntonp" 5P?olI non unb in Stein £>ietrnt)t, ber in Qtalien 
unb gerrara getnefen ift. Oie meiften tarnen nie über ihre ©emeittben 
hinauf unb auch nur bie tnenigften genoffen eine orbcntliche Vorbitbung 
für ihren Sehretberuf. Gine StuSnahme machen ber ©chutmeifter noit 
Stingnan, ber „5 ©chulen jm Gtofter ©t)on abfotnirt" h at , Qatob 
burcfet=Vuod)er in Veinmit, ber gur Grlernung ber „fdjuhlart" in 
.'podjborf getnefen/ Gafpar Vürgiffer non unb in Oberlunt'hofen/ ber 
früher unb noch gur 3 e >t ber Veridjterftattung ein Süfer, 1 */* Sah* 
in £>od)borf bei 0-ribolin „SBife" fdjreiben, tefen unb Orgetfchtagen 
lernte/ 3°§ anu Vaptift-Sftägeti auS SWarfborf in ©d)tuaben, ßehrer in 
Saiferftuljl, ber, früher ütmtSfdjreiber in Vogtingen, fich ben SSiffem 



Digitized by 


Google 




10 Das Öolkefdjninjcrfn in bfn SuraHBanionfn am (Cnbe b«3 18. Saljrfjnnberto. 

fdjaften mibmete, 2 galjre Cefjrer an ber Sformalfdhule in Vudjau am 
geberfee mar ltnb nun in Sfaiferftutjl neben ber ©djule in G^oral* 
unb „Viguralfingen", ©eigen, Planier* unb Orgel fdjlagen Unterricht 
gab. gribolin Stanj in ßeuggern, gebürtig au£ ©ädingen, mar früher 
beim fürftlichen Oberamt in ©ädingen als (Schreiber gebraudjt. 

SSir haben früher barauf htngemiefen, mie bie beutfdje ©djule 
in Vrentgarten über baS gemöhntidje Sliueau htnauSging; bennoch 
fommt uit» unmiltfürlich ber ißtjarifäer im ©letchttiß in ben ©inn, 
metut ber Cehrer gulgenj gribolin greh, ebeooriger Kaplan ju VeUi» 
fon über fich felbft fchreibt: „(Sr ift fein gemöljnlicher, ober alltags 
Oorffchulnteifter . . . fein ©cf)ret)er, ©chmäljer, Folterer, fein ©teden 
unb Stutheumagifter, fein pebantifcher ©dhtenbrian, Sßort» unb graf» 
turenpraf)ler; fonbern ein burd) lunge ©elbftüb» unb Prüfung er» 
fahrner Sinber, gugenbfenner unb greiinb. Stuf üieleS Stadjbenfen, 
Stacfjlefett, prüfen, Verfudjen unb Vergleichen mit anbern Cehrarten 
fanb er feine fdjidlid)ere, feine, bie bie ©eele beS öerbefferten Unter» 
ricfjtS eigentlicher fann genennt merben, — mo bie gugetib mährenb 
beS Unterrichts angenehmer unb lehrreicher unterhalten, il)re Stuf» 
merffamfeit allzeit gefpannt unb fo einzig erhalten mirb, unb gerabe 
ba§ ift, maS 311111 Vefteit ber ©djüter je gemünfcht merben fann, al& 
— bie fofratifche öehrart. gjt braucht er bie fofratifd)e nad) ©alj» 

mann, (Sampe, ©chlej, Vafebom unb Stodjom-. OaS Cehramt 

ift feine gan^e unb einzige Verrichtung unb Vefchäftigung aufjer ber 
geit be§ ©otteSbieufteS." 

(Siner eingehenben Veantmortung ber gragen bes Unterrichts» 
minifterS enthebt fich ber ©d)ultneifter Ceontp Sfoller oon Vnber berdhen 
(Unterberifon) burch folgettbeS ©emiffionSfdjreiben: 

„ghr ^huont gang Stecht an mich begäfjrett 
Oajj id) mich ®or (Süch ©oll er klären 
Ob id) ber fdjuoll Oienft noch ttiöue Treiben 
Ober ber felbige mötle lagen bleiben 
SSeit ich fec^S ucb [unb] fibengig gafjr im Sllter 
fd)on jmeü unb fünfzig gahr fd)no(l gehalten 
©0 SJtöcht ich jefct «in StüöIjigS Gäben 
Vnb ü£h uon bie fchuoll mit Oanff) aufgäben." 

Stuffällig ift bie Uebereinftimmung biefeS launigen VerfeS mit 
einem taut fmugiferS ©efchiihte ber frfjmeijerifchen VolfSfchule auS bem 




Digitized by i^ooQle 



Da« tfolberdjulwffrn in 'btn Jnrn-'fiönionfn am Üfnbe bee 18. JaljrljnnbfriB. 11 


Danton ©äntid eingegangeuen unb a. a. O. Sb. II, 26 abgebrudften. 
Scridjieben ift nur bie Orthographie; fonft ftiranten fogar bie 3 a ^ en: 
76 Raffte 9Ilter unb 52 $aljre ©cf)ulbienft. 9ln 3ufßll tä^t fidj babei 
nicht wohl benfen; oietteidjt ift ein fotc^eö poetifcbed 9lbfdjiebdbegehren 
in Celjretfreifen begannt gewefen unb etwa of)ne Seriidfid)tigung ber 
jeweiligen Serfjiiltniffe unb 2(enberuug nad) benfelbert fittnlod nadf* 
gefdjriebett worben. 

9ln ben 48 Schulen bed Slantond ©djaffhaufen fiub laut ben 
Serid)ten 66 Cefjrfräfte tljätig gewefen: 91 n ber 9)?äbd)enfd)ute in 
©djaffhaufen 3 Cctjrerinnen, an ber beutfdjen Snabenfd)ule in ©d)aff* 
Raufen 4, in Sljatwgen 3, in SReunfirrf) 3, in ©ödjtingen 2, in Unter* 
fjalluu 3, in Seringen 2, in ©iblingen 2, in ©djleitheim 3, in Seg* 
gingen 2 Seljrer, in ©djlattingen 1 Setter unb I „gifar", an ben 
übrigen 37 ©djulen je 1 Cefjrer. 

®ent 9llter nad) — 4 9lngaben fehlen — oertfjeilen fie fid) wie folgt: 


3mtfd). 20 u. 30 alt 

ftnb 

7 

?ef)rev. 

1 30 3af)re alt finb[tft] 

2 Server 

„ 30 u. 40 „ „ 

»r 

u 

ff 

40 

ff ff 

ff 

1 „ 

„ 40 u. 50 „ „ 

// 

13 

ff 

50 

11 tf 

tt 

1 „ 

/, Ui n // 

// 

10 

tf 

60 

tt •• 

>t 

1 „ 

n u - „ „ 

// 

7 

ff 

70 

tt tt 

tt 

2 „ 

/, 70 u. 80 „ „ 

f/ 

4 

ff 

80 

tt tt 

tt 

tt 


SBeitaud bie meiften finb Sürger ber Orte, in benen fie wirten. 
9iur bei wenigen Eann man oon einer Sorbilbitng jum ßebrerbcrufe 
rebeu; SJiicfjael ©euer in Sud) l)at in früheren Qafjren feinen Sater, 
ber aud) ©djulmeifter war, unterftü^t; ßonrab SJJefjmer itt Oörflingett 
fjat in l)olIänbifd)en Oienften fcfjreiben, rechnen unb fingen gelernt; 
£jetnrid) Söljm in Sßildjingen ift 6 Qafjre Seifeljrer gewefen, ebenfa 
|jeinrid) Pfeifer, Oberfdjulmeifter in 9teuntird); $of)d. ©raf in dtamfeti 
genojj einige 3 e ü ben Unterridjt bed ©d)ulinfpeftord Süel in £>emid* 
bofen. Qo. gibelid Niedling in fatljol. Tdeffeuljofen er§ä^lt über feine 
Sergangenljeit: „Sorbin war er in Oeutfdjlanb in bem ßollegiatftift 
Seüron, wo er bie Cogif, ■EÜtetaphbfil'/ bie 9)toraI:pt)i(ofopf)ie, bad 97atur» 
recf)t, bie ©eometrie unb mehrere XI)eile ber matljematifdjen SBiffeit* 
fdjaften ftubirte, audj bie Soittunft t£)eoretifd) unb praftifd) lernte, 
oon ba er im 17. ^abre feined 9llterd, ald er feine ©tubien auf 
einer 9lfabemie weiterd fortfeüen wollte, in feiner Saufbafjn auf* 
gehalten unb gegen feine Neigung biefe Cebrftetle anäuneljmen ge* 
jwungen würbe." 


Digitized by t^ooQle 




12 ©tte Dolbefdjnlrofffn in brn Jura ‘finntonnt am ©nbe bei 18 . laljrljnnbtite. 

93on früheren ^Berufen — eS lehren f)ier aud) bie für bie Kantone 
2 largau unb ©oben fdfou genannten roieber — notiren mir: 9 J?aler, 
©erber, ©Schiffer unb Qifd)er, SBeinbauern, ^Setfd)aftfted)er, SBagner 
ober „Srumbolfc" unb SJiüblenmacber. Qn 2luSübung UmeS ^Berufes 
finb einige gereist, einige baßen in fremben feeren gebient. 

Qaft alle ©cbulmeifter beS SantonS baßen eine SJtebenbefcbäftiguug. 
derjenige oon 23udb bat „bie Ubre täglich 51 t ßeficbtigen unb aufju* 
jieben Unb 90?ittag läuten". 

21 uS 2 Orten oernebmen mir etmaS üßer 2luSbilfbienft. Qn 
Sbapngen ftellte ber ©d)ulmeifter, menn er megen 2lrbeitSüberbäufung 
ficb felßft ber ©dfule nidbt mibmett tonnte, einen 9Iu@£>effer. 2 lleyanber 
Segler, Cebrer unb ©emeinbefcbreiber in Unterballau, fcbreibt: als bie 
Gruppen einriictten, 1798, ba häuften ficb feine ©efcbäfte als ©emeinbe» 
fcbreiber fo an, bafj fein Sruber, 9D?etd)ior ft'efjler, ben ©djulbienft 
für ibn oerfebett tnufcte. 

Qm Danton ©olotburn oertbeilen fidf bie Cebrer bem 2llter 
nad) folgenbertnajjen: 


20 

3al)re 

alt finbfift 

1 

Server 

■3m. 

20 u. 30 

Safyve alt 

finb 

13 Sebrer 

30 


tf fi 

2 

tr 

ff 

30 u. 40 

rt 

ff 

tf 

26 „ 

40 

ff 

ff tf 

1 

tf 

ff 

40 u. 50 

ff 

ff 

ff 

22 „ 

50 

ft 

f» tf 

6 

// 

ff 

50 u. 60 

ff 

tf 

rr 

9 „ 

60 

ff 

ft tf 

— 

ff 

ff 

60 u. 70 

rt 

tf 

ft 

3 „ 

70 

ff 

fr ft 

— 

tf 

tr 

70 u. 80 

ff 

rt 

ff 

3 „ 


©S fehlen 4 2lntmorten. Oie 2lbbition ergiebt 90 Cebrer für 
89 ©djulen; eS mirfeit nämlich am SBaifenbauS in ©olotburn 2. 


Qu ^Betreff ber .'pertunft biefer Cebrer fehlt 8 mal bie 2luStunft, 
63 finb ^Bürger ber Orte in benen fie amten, 19 flammen anberSmober. 

Oie meiften baßen Jeine SBorbilbung erhalten, mit SluSnabme 
berer, oon melcben fd)on bei ber 23eftellung in biefer §infidbt bie OJebc 
loar, haben Qofepb S u ß ev ' n ©üitSberg, Qofepb Stipftein oon unb in 
üfteuenborf, Qofepb Otter oon unb in fjerbetSmpl, UrS „SBpf" uon 
unb in ©eetoen, QobS. 23runncr oon unb in St'leinlütcel, Qofepb 
munb oon unb in 9f?iebboI§, Cubmig ©d)ubmad)er oon unb in Söangen, 
„ 2 llot)fi 9?otb" oon unb in Qlumentbal eine iftormallebve in ©olotburn 
(SöaifenbauSfcbule) burebgemaebt. 2lnbreaS Snittel auS Qulba, ©d)uf= 
meifter in SBettmpl bat UnioerfitätSftubien b'ntcr fidf, „QoanncS" 
§enggi oon unb in 33üren bie ißrincipia in ©olotburn abfotoirt. UrS 
2lrb oon ÜNeuenborf, Cebrer am SöaifenbauS in ©olotburn ftubirte am 



Digitized by i^ooQle 













Das Dolhefdjulnjflen tn b*n Jura-flantonf« am Öntie fcn 18 . Saljrljmttißris. 


13 


Seminar in „Sünnecj". 33on ben übrigen ftnb nur menige in bie 
grentbe gefommen. „9?itlau3 meibel" oon unb in Settlarf) mar „folbat 
in ©orfica", „33rS ©übler" in Coftorf „in friegSbienften gemefen in 
grattEreicf) unb biemontf)". 33on ber bamaltgen Solotljurner Celjrer» 
fdfaft t)at ficE» Ur§ Qofepf) Späti oon £>einrid)3mt)l, erfter Center ber 
253aifenl)au§fcE)u(e in Solothurn einen tarnen in ber ©efrf)icf)te ber 
fdfmeigerifdfen iBolESfdjule ermorben. ,,£>urcf) ign" — fcfjreibt er in 
feinem 33erid)t — „mürbe ba§ mirfltcge SBagfen- unb ©r^ieljungä* 
Qnftitut angefangen unb feit 1782 fortgefegt; burdj it)n mürben bie 
8et)rer ber Normal gu (Stabt unb Canb in tiefer Ceffrart unterrichtet; 
burd) ifyn bie jährliche Sdjuloifitation gehalten." 

2Beitau§ bie SÖJefjräaljl ber Ce^rer gaben fidj neben ber Schule 
mit üftebenbcfdjäftigungen ab; e§ finb jum guten Stlfeil bie anbcrort§ 
fdfon genannten/ fo bajj mir nur gang menig §u bemerfen fjaben. 
©inen großen ©ontraft jur früheren Eriegerifdjen 33efcf)äftigung bilbet 
e$, menn ber 34 jährige „33r§ ©übler" in Coftorf neben ber Schule 
fidj abgiebt mit „©in menig lifmen ober ftricfen unb ©in menig £)ag= 
iönen". ©toffer SSerbienfte um feine ©emeinbe ift fidj $ofept) ßuber 
in ©ünSberg bemujjt, menn er fdjreibt: „9iebft bem Cegramt 
SBerridjtet ber fdjulmeifter SBietle fadjen, @r t£)ut bie gefege, befdjlüfje, 
Proklamationen unb beeret ofenblidl) in unb aujjet ber Stirnen 93er= 
fiefen unb bekantmadjen, 2öie audj ba§ 3ßo(k§b(att benen 8eutf)en 23or* 
lefen unb erklären, ©r ift ein griben Stifter, ©r ocrfjoft eine be= 
loljnung oon ber 97euen Regierung ju erhalten, ©r mad)t ben Unter» 
agent au§." 

©eleljrte unb ftubirte Herren treffen mir unter ber Cegrcrfdjaft 
im Danton 33afet, oorab in ber |jauptftabt. So f)at Qolj. Qak. 
Ceurfjt oon SBafet, Celjrer an ber 9Q7ünfterfd)ule, auf ber Unioerfität 
feiner 5Saterftabt humaniora, bann s JJed)t3gelefjrfarnkeit ftubirt, mar 
Ijernadj ißrioatergieger unb begann unb abfotoirte nad) bem 3lmtSan= 
tritt baä Stubium ber ÜEfjeologie. Qoljä. 28erenfe(3 oon 33afel, an 
ber ißrooiforfdjule in ber minberen Stabt, ift Philosophiae Magister 
unb S. M. C., befdjäftigte ficf) früher mit Qugenbunterridjt unb ^ßre= 
bigen in SJJurten unb 33afel. Samuel SBettftein oon 33afel, Cegrer 
au ber 5D?äbd)enfdjule in ber minberen Stabt, 70 Qa^re alt, feit 
20 Qafjren Cefjrer, unoerfjeiratljet, mar oorfjer Pfarrer an ber refor» 
mirten ©emeinbe ülteureutl) bei Starter ul), SSicar bei Pfarrer Slnoni 


Digitized by 


Google 



14 flcw *Jolh*fdjtilrof|>n in t>f« Inta-'ßöntoafn am <£itl>« bf« 18 . Jaljrljnnbfrt*. 

tn SKuttenj, bann bet Pfarrer Surgljart auf ©elterfinben, bann bei 
Pfarrer 9totl) in 9?eigolb§mt)l. $of). Sailer non Safel, S. 

M. C., Cefyrer in 9tief)en, roar nor Eintritt beä Sd)ulamt§ 2 ^af)re 
sßfarroifar in 9iotfjenflulj; QoljanneS äfleper non Sinningen, in Set» 
dingen, 39 ^aljre alt unb feit 7 '/* $ai)ten im Scfyulbienft, „mar als 
(Sänger bei bent Gonjert in Safel" angeftellt; nad)f)er ging er itt 
Kriegäbienfte. 

Gmanuel .fjeinfjgen non Safel, Celjrer in SOJuttenj, 51 Qat)re alt, 
f)at 7 Kinber, non benen 4 bei ifjm finb nnb ifjnt aud) bei ben Ktnbern, 
meldje ftricfen, gute £>ienfte teiften. Gr ift feit 1790 Cefjrer in 50?ut= 
tenj. „Gf)e beffen mar er auf einem ©ütlein. Gr Ijatte in feiner 
Qugenb, nad)betu er halb alle Klaffen be§ ©tjmnafij paffiert, 3 ^afjre 
bie ßeidptungäfdjule befugt, benn er Ejatte eine befonbere Cuft §um 
ßeidjnen unb Kupferftcd)erep; er marb aud) non Siirger Gf)riftian 
non SDtediel als ber erfte in feine Cefjre genommen, erlernte bafelbft 

nod) bie Geometrie nnb Q-elbmeffen unb anbereS mefyr •—. 

ofmgeadjtet feiner Kenntniffe unb SemeifjtbumS be§ 28of)löerl)alten3 
lernte ifyn Sr. G. Son 2fted)cl ba§ Kupferftecfjen nid)t, fonbern tnoUte 
if)tt 51 t feinen Ginfdjlageitben ©efdjäften mibnten. Sein Sater, ber 
mehrere Kinber Ijatte, öermodjte nidjt, biefen Soljn attbersmo in bie 
öeljre ju tf)un, naljm iljn alfo gu |>auj 3 , lernte ifjn miber feinen SBillen 
bie Sdjreiner ^ßrofefeion, auf melier ^trofejjion er fyernad) ein baar 
Qafjre gemenbet, aber in feiner 9tücffe£)r nur ein ^al)r bie ^ßrofe^ion 
getrieben, er ermeljlte ba§ Canbleben, meldjeä er bem anbern oorgog 
unb aud) ein guter Kenner in ber Oefottomie ift. ^ßauluS Stoerbel, 
Celjrer in ßieftal ift S. M. 0.; Qofyann Qafob SRotE», St. 8 . 9Jt., in 
Suiten fjatte ebenfalls Geologie ftubirt.* 

* @3 fdjeint aber ba$ nidjt immer, mie man meinen follte, ein Sßort^eit ge= 
mefen fein. „ . . . unglüeflidjer Söeife (fagt gäfcfy) braute eä bie alte SSerfaffung 
mit fidj, bafj fie (bie £e§rerftellen) au$fdjlief$lic§ mit Bürger au$ ber ©tabt Söafel 
unb gtt>ar mit fogenannten ©tubirten befefct Serben mußten. §ier fanb alfo nictyt 
feiten ein alter übelftubirter ©tubent, ein berrofteter 9Jtagifter ober ßanbibat, bie 
fonft $u nid^tö taugten, bie Söelofynung feinet $itel§, unb ben unfeligen SÖeruf, eine 
gan$e (Generation bon Bürgern gu berpfufcfyen, bereit biele bon 9iatur $u etmas 
93efferem als ifyr Sefyrer, beftimmt gemefen mären. 2>aS biefen 99tifjbraudj erjeugenbe 
(Gefefc marb $mar furj bor ber ^ebolutiou burdj einen $8ef$lufj beS (Großen SftatfyeS 
abgefc^afft, bie ©ac§e felber aber bauerte fort. 4 ' (SRubolf Suginbüfyl: ^. 2llb. ©tapfer, 
S3afel, 1887, p. 73.) 




Digitized by Google 




Dos tfolkefdjnlroerfn in brn änrn-ftantontn am (Silbe bes 18 . Satjriiunberte. 15 


2 ßa§ bie Stebenbefdjäftigung betrifft, gaben fid) bie Server bcr 
(Stabt nteift ntit ^rioat-^nformationen ab, etma auch mit ^ßrebigen. 
(So fdjreibt 2Md)ior Serri, Server an ber Schute ber Äirchgemeinbe 
(St. ißeter: „unterftügt fotoobt in ber (Stabt als auf ber Canbfrfjaft in 
ben ©efdjäften be§ ^ßrebigbStmtS alte uttb frattfe ©eiftlidje. 2tudj ift 
ihm bie religiöfe Untergattung ber ©efangenen am Sdjeltenmerf auf 
atte (Sonn» unb Qefttage oon ber oorigen Regierung aufgetragen 
morben. (Samuet SSettftein tjitft im Sßrebigen au§ unb giebt s f3rioat= 
unterricht in ber djriftlichen ^Religion im minberen unb großen Safet. 
3o$. £>cf). fperfperger, ißroöifor an ber s K?äbct)enfct)ute ju (St. SJtartin, 
ber ben Sßagiftergrab befi^t, erttjeilt ebenfalls $ßriöatunterrid)t unb 
ift überbieS, „mie e§ fd)on 300 Qafpre «Sitte mar", auch ©igrift ju 
St. Sftartin. QotjanneS SBattner in ©berborf berichtet: „tiorher mar 
er SHrgenb gemäffen er ift ein Saffementer Stehen bem lehr ampt hat 
er noch ba§ fiegrift ampt unb Sorfingen alle fonn Sag Snb SEBödjent* 
liehen ©otteäbienft mau er gehalten mirb". Qm Safeltanb befchäftigten 
fich bie Cehrer hauptfädjlich mit ^ofamenterie unb ben bamit wer» 
bunbenen Seruf§groeigen. 

Seim Santo« Ceman angetommen, haben mir nur noch 
menig Steuer ju fagen. Qm ültlgemeinen ift unes aufgefatlen, bafj bie 
Stf)utmeifter biefeS StantonS fidt) mit ihrer SBirffamleit tiiet meniger 
an bie Spotte ber ^eimath banben al3 ihre Soltegen in ben beutfeh 
rebenben Kantonen; Saulion unb ba§ Qouythat haben bem Danton 
manche Selfrer gegeben. Qerner fchien e§ un§, baff ber Cehrerftanb 
fich, menn auch nicht auSfchliefelid), fo hoch jum größeren Sheit au§ 
jüngeren Ceuten retrutirte unb bie§ nicht §um 9iad)ttjeit ber Schuten, 
^infichtlich be§ SerufeS unb ber Stebenbefdjäftigung lehren bie fdjon 
mehrfach gefchitberten Sertjältniffe mieber; neben ber Schute nimmt 
auch ba ber Sirdjenbienft bie ßetjrer am meiften in Slnfprud). 2tm 
Schluffe biefe Sapitelä mögen noch einige fpejietle Slntmorten folgen. 
Qean lernet in Sitteneuoe beantmortet mit mahrhafter Segeifterung 
bie Qrage beä 90?inifter§ nad) ber früheren „vocation“: „celle 
de paysan Cultivateur! o heureux etat pourquoi t’ai-je 
quitte pour la penible et ingrate vocation d’Instituteur? 
— Quand j’eus communie, mon pere me pla9a chez le Ci¬ 
toyen Joneli, & present Prefect National du Canton de 
l’Oberland pour apprendre la Langue Allemande, — de lä 


Digitized by 



16 Ha« Dolktfdjnlroeftn in ben Jnra-fiantonen orn ®nbe bes in. Snljcljmibtri». 

j’ai ete k Geueve cinq ans et demi, Commis dans le Commerce 

— Au mot de Geneve mon coeur s’epanouit.Immortel 

Rousseau! C’est lä, c’est dans la ville qui t’a vu naitre que 
j’ai commeuce k connaitre tes sublimes ecrits . . . mon patrio- 
tisme datte depuis cette epoque, et il y a pres de vingt ans 

— Doux et vertueux Fenelon! modele de l’honnete homme et 
du Chretien, c’est aussi k Geneve que j’ai apris a taimer [t’ai- 
merj . . lieber feine ÜRebenbefchäftiguitg fpridjt er fidj folgenber 
SEßeife auS: „Je conduit le Chaut des Psaumes et fait les lectures 
d’usage ä l’Eglise (et il reunit k son office, la fonction de Com¬ 
mis de la Poste aux Lettres, objet de la plus minime conse- 
quence pour le profit)“. 

©er Sdjulmeifter tmn Combremont-le-petit mar „astrologue 
Privilegie par le ci devant Sonverain de Berne“, berjenige Oon 
Noville mar „Clerc et copiste Chez un Notaire du district de 
Vevey et a travaille ensuite ä des cartes geographiques“. ©e* 
rührt haben muff ben menfchenfreunblichen äUinifter bie Ülntmort, 
melche ©atub Olioier fRepmonb in Vaulion auf bie Qrage nach betn 
(Siüilftanb gab, er fdjreibt: „il n’est pas marie La pension n’etant 
pas asses Lucrative pour Eleve une famille“. 


2 öir fommen ju einem lebten Kapitel, ba§ fiel) über bie öfono* 
mifdjen SBertjältniffe ber bamaligen Schute üerbreiten fall. Unter 
biefem ©itel hat ber SRinifter ©rEunbigungen eingejogen über Schul* 
fonb§, Sdjulftiftungen, Sd)ulgelber, Schulhäufer unb GrinEommen ber 
(Schullehrer. 33on ben Sihulhäufern mar fd)on bie 9febe unb fo bleibt 
un§ benti noch etmaS §u fagen über bie anberen fünfte, junächft über 
bie SdfulfonbS unb Schulgelber, bie bamt bei ben GrinEommen ber 
Sehrer eine 9toHe fpielen. 

2 öir beginnen mit bem Danton 31 arg au. ©afelbft befijjt |jenb* 
fdjiEen 100 3J) Q t er 5 UV Sfnfdjaffung öon 33üdjern, fRupperSmpl faft 
300 ©ulben Cegat für Schulgelb armer ^inber, 33eltheim 150, Ober* 
flach® 350 ©ulben, Grntfelben hat ein Cegat ooti 300 ©ulben für 
oierftimmige ^falmenbücfjer, SRuljen 325 ©ulben Cegat für 33itd)er 
unb fßrämien unb 400 ©ulben für „Schu unb Strumpf ben armen 
^inbern anjufchaffen". Qm SBegirE SEulm haben 13 Schulen befonbere 
Qonb§: ©ontenfchtopl, Ober* unb Unterborf äufammett 100; ßegmül, 




Digitized by Google 




Dae Oolkafdjnl«)ef£n nt b*n ^nraHBantoneit am $nbe bfs 18. JaJjrlpmlttrta. 


17 


obere unb untere ©cpule zufammen 90; ©djlofjrueb, ©djmibrueb unb 
©dpiltmalb zufammen 1316; SReinacf) , obere unb untere ©cpule ju= 
fammen 775; SJtenziEon, obere unb untere ©dfule zufammen 200; 23ein= 
mpl, obere unb untere ©cpule zufammen 200 ©ulben. 23on ben 32 ©cpulen 
beg ®iftriEtg 23rugg befifcen 17 obrigEeitlidjeg Kapital jur S3erbefferung 
ber 33efolbungeit, eigentliche gonbg ober (Stiftungen, nämlich: Raufen, 
SJtütligen, ^jabgburg unb Slltenburg je 250 ©ulben, ©fingen, 33öjen 
unb @f fingen zufammen 200 ©ulben, SJiöntpal 100 ©ulben, Urfprung 
133 ©ulben 5 23afcen, ©aüenEircp 166 ©ulben 10 23afcen, 9tein 
20 ©ulben, SRüfenacpt 26 ©ulben, Dtemigen 213 ©ulben, ^Billigen 
750 ©ulben, (Stilli 100 ©ulben, 2J?anbach unb gmttmpl äitfaminen 
100 ©ulben. fpiex müffen mir auch oeremigen, mie Qatob Söbeli, 
ber ©djulmeifter oon SDMfterfcpmanben biefer ©enteinbe p einem 
©djulfonb oerholfen put. „®ic Schule p Söteifterfcpmanben hatte 
— fchreibt ber ©cpulinfpeEtor — ebenfomenig alg bie anberen ©e= 
meinen beg Kircpfpielg einen ©djulfonb, biä ber bermalige macfre 
©djullehrer, QaEob döbelt, nach eigenem nacpbenEenben Sriebe auf 
folgenbe SBeife einen anfänglich f° fef)r fchmachen ©runb bap legte 
Slm Syteüjaprgtag 1789 geigte er feiner ©dhuljugenb in einer herzlichen 
Slnrebe: mie fdhön, nüjlid) unb ©ott gefällig eg märe, menn mopl» 
habenbere, bie fo manchen Kreuzer ju ihrer greube hätten, eingebenf 
ihrer armen Sütitfcpüler, nach frepem SBiHen, je an ben ©onntagen 
in ber Kinberlepre, ben SBinter t(inburd^, fid) etman einen Kreuzer 
abbredjen, unb zu einer ©cpul Saga zufamntenlegen moUten; au§ 
beren man feiner ßeit armen ©chitlern bie 23cid)er Eauffen ober auf 
anbre SBeife etmag erleichteren fönntte ec. — ©g geftehl ben ©chütcrn, 
man liefje jeben ©onntag in ber ©djule ein ©cpüfjeli unter ben 
©djülern herumgehen; — bag gefammelte mürbe in ihrer ©egenmart 
gezehrt unb eingefdjrieben; ©o gieng eg einige SBinter mit bem beftett 
Söitlen fo fort, bajj allgemadh ein Kapitälchen oon 25 ©ulben zu* 
fammenEam, unb an 3iuf3 gelegt merben Eonntte. — morauf benn in 
einer ©emeine mit famtlidjen §augoättern gerebet, unb ba ber ©cplug 
genommen mürbe, bafj biefe ©(put Saga niemalg mit bem ©emeine* 
gut oermifcht, ober zu ^Reparationen beg ©cpulgebnubeg angemanbt; 
fonber einzig unb allein ein gottb für bie @cpüler merben unb bleiben 
folle: fepe eg, um arme ©djüler zu unterftüzen, ober bejjere ©in* 
richtung in bem ©djulmegen felbft zu treffen. — ©o patte beg ©cpul* 

S3om Ourasum 8d>roar$tiMlb. IX. 2 


Digitized by 





18 


Das Dolksrdjulnefen In brn Jara-fi an tonen am Üitbt bes 18. Satplptnberis. 


meifterS fcfjöne ibee bisher ben gefegneten Fortgang, baff nun a[(bereite 
ein 3' u fe tragenbed Kapital uon 214 ©ulben 8 ©a§en beijfammeu 
ift. wobei ba§ ritfjmiicbe ßufammenlegen ber ©dfüler bisher alle Sinter 
rtorfj fortbaurt. — ©on ben ginjjen würbe biefyer nur einmal ©e« 
brauch gemacht; nemlidf, allen fo fd)rei6en wollten für einen Sinter 
ba§ nötige ißapier umfonft f)erbeijufd)affen: bei) wenigen gaffren wirb 
fidf aud) biefer gonb burcf) ein par ©ermädjtnitie oermef)ten, welche 
2 . fefjr betagte in ber ©emeine allbereitS redjtförmig teftiert Ifaben. — 
SJlöge biefe oorn ©djulnteifter getroffene Slnftalt iffm immerhin jum 
©egen, unb §u feinem oerbienten Cob gereichen! — Umfonft ift bisher 
gehofft worben, baff e§ in anbern ©emeinen be3 Sircf)fpiel§ 9iacf)= 
afjmung erweden füllte." 

gn ben ©ericfjten oon Utiterfiggingen unb giäliäbad), ©oben, 
ift oon einer Keinen Stiftung bie Siebe, offne baß ber Sertlf berfelben 
angegeben Wäre. Settinqen befaß 380, Sietifon 1000, Sieuenlfof 250, 
latlfol. SürenloS 475, ©preitenbacff 500, Slufjbaumen 60, SKrd)borf 
155 unb SUingnau 390 ©ulben gonbä. 

Slur ganj wenig ©dfulfon'bä fanben wir in ben ©dfulberidften 
be§ S'antonä ©eff aff Raufen erwähnt. ©3 waren foldfe öorffanben 
in ©arjfieim 400, in latlfol. ©afenbingen 270 unb in Siamfen 300 
©ulben. ©tein a. 9iff., beittfdfe Sitabenfdjule unb SJiäbdjenfdjule, 
Ratten „ein Hein ©ermädjtnifi, oon einem ©eorg ©djrnib, wetdjeä in 3 fl. 
befteljenb, bem @d)ullelfrer auf ©eorgi Sag au§ bem Saifen=9lmt 
bejaht wirb". Ser 9J?äbcf)enfd)ule fielen oon biefer ©eite jäf)r(id) 
nur 2 ©ulben ju; au§ if)rent ©eriefjt erfahren wir ferner, baff ber 
Seftator ein gewefener ©ürgermeifter war. 

9lu§ bem Danton ©olotffurn ffaben wir un3 folgenbe ©djulen 
mit folgenben gonb§ notirt: Siuglar 22 ^ßfunb 4 ©dfilling, 6‘/a ißf.; 
Slleinlü^el 1061 ißfunb ©tebler; £>immelrieb 100 ißfunb ©tebler; ©üren 
252 graulen (?); ©üfferad) 533 gr.(?) 6 fd)itl. 6pf.; £>od)Walb 225 ißfb.; 
©rinbel 360 ^Jfunb;©reitenbadf 434ißfunb unb 11 ©dfilling; ©erfcffwpl 
750 ißfunb; SitterSwpl 220 ißfunb; ©eewen 400 ißfunb ©tebler; 
9iober§borf 1300 ißfunb ©tebler; Saifenlfau§fdfule in ©olotfyurn 
„ungefähr" 59000 ehemalige ©olotffurner ißfunb; ©eHadf 300 ißfunb; 
©üns6erg 300 ^ßfuttb;§u6er3borf 500 ißfunb; Sftdenbad) 200 ©ulben; 
Siotffncler 5C0 ©ulben; gulenbadf 80 ©ulben; ©bergö^gen unb 
Sinjttau je 100 ©ulben. ©dfnotwpl ffatte „140 fronen am ßin§, 


Digitized by t^ooQle 



19 


Da« in fc*it ^ura-ßantonfir am (Enbe b£s 18 . ^aljrijnnberts. 

melcher alle Ofter*@yamen ben Sittbern nad) ber SBiffenfrfjaft au§= 
geteilt rnirb." 

Qm Danton SBafet fattbett mir nicht oiele Sdjulfonbä. Oer ©e= 
rid)terftatter ber äftünfterfcbule in ©afel fd) reibt: „Heber ben beträgt» 
lidjen Sdjulfonb biäjmnirte bisher ber affabemifdje Senat. 2Bie ftarE 
er fet), rneijj icf) nicht, aber arifefinüdje Stipenbien non ©ermädhtniffen 
unb anberen frommen Stiftungen fließen oierteljährlidj auS biefer 
Cluelle ben ©Itern meiner Sd)üter §u, bie — ba biefe ©Itern meift 
arm finb — ganj bem GrnbgmecEe biefer ©ermächtniffe jutoiber, ftatt 
für ©üdjer uitb Scfjulgelb, für bie Slnfdjaffung anberer öEonomifcber 
33ebürfniffe oermenbet merben; benn alle Schulbücher merben ben 
armen Schülern auf ©egeljren au§ einem anberen Qonb, ben ber 
©ürger Slntifteä Sfterian, mie id) glaube, ju oermalten hat, unentgeltlich 
bargereicht." SHeinhüningen unb QüdinSborf haben einen Sdjulfonb 
oon je 600 ©funb; an legerem Orte ift er „oon einer 3ä§lifd)er 
Qamilie" geftiftet, „au3 ©ebauern mit ben SSnbern, meldhe über Qelb 
in bie Schule mußten". 

Stur beifpieläfjalber notiren mir auch einige Qonb§ oon Sdjulen 
au§ bem Danton Setuan. Qm ©eridjt oon ©ercher lefen mir: „L’an 
1670 Samuel De Dortan Seigneur de Bercher etc. donne pour 
augmentation de pension 270 L. en Creances, lesquelles ont reste 
entre les mains de la Charitable Direction des Pauvres, laquelle 
remet l’interet de dite somme au Regent.“ Valleyres-sous-Ur- 
sins hat „L. 328 donne par l’ancien Gouvernement“. Coppet, 
Myes et Tannay, Commugny, Founex et Chavannes-des-Bois 
befijjen alle ©erntädjtniffe, bie oon einer ©aronin Lotscher geftiftet 
finb jur ©eljaltäoerbefferung ber 8el)rer unb meldje jährlich 60, 40, 
40, 40, 40 8 . abmerfen. Oie bcutfcfje Schule in Yverdon, Mont- 
cherand unb Agiez haben je 200 8 . par le ci devant Gouvernement; 
Correvon 600 florins. 

SlttfäUig ber ©emeinbe geljörenbe Schulhäufer, ©arten, Sßiefen, 
©flanglanb, haben mir entgegen manchen ©eridjten unter ben Qonbä 
nicht aufgeführt. 

SSir fommen jum Schul gelb unb beginnen auch ba toieber mit 
bem Danton Slargau. Sin 15 Schulen be§ OiftrütS ©rugg ift gar 
lein Schutgelb eingeführt, an 4 be§al)lt bie ©emeinbe für ba§ reichere 
SEinb 10 ©a^en, für ba3 ärmere 5 ©a|en, mie benn bie Slermeren 






20 


Dn« tJolhBfdjnlnjffen ht ben Inro-Cantonen am £nbe bee 18 . faljTljnnberte. 


faft überall berücffichtigt merben, and) ba, luo bie Schulfinöer felber 
bejahen muffen. Qn |jabsburg legen bie (Sltern für ben SBinter 
7 ©ulben gufantmen; bie filtern non Scf)ulfinbern bejahen etmaS 
mehr baran als anbere ©emeinbSbürger. • 

Qn 8 ©emeinben beS $)iftriftS ftulm wirb bie SBefolbung bes 
CeljrerS üon ben -fpauSuaterrt, in 11 burdj baS Jfirdjengut unb bie 
©emeinben beftritten; 1 Bericht fehlt. !Jn ben 6 Schulen ber Sird)* 
gemeinbe Sulm erbalten bie Cebrer noch non jebem Äinb, baS nicht 
in ber ©emeinbe 33ürger ift, 6 SBafcen aus bem ©runb, meil ber 
flirte Sdjullohn gang aus bem Äircbengut begabt roirb unb bie 
„fremben gur firricfftung beSfelben nichts beitragen". (So gerne mir 
auch b* er eine ©tatiftif burchgefübrt batten, fonnten mir ben Seridjten 
ber genannten 35iftrifte nicht mehr entnehmen. 

SöaS bie übrigen 56 Berichte betrifft, bie unS auS bem Danton 
2largau noch 3 ur Verfügung ftanben, fehlten unS 3 Slntmorten; 5 mal 
finb unter bem Sdfulgelb fipamenprämien oerftanben morben. 2ln 
27 (Schulen mar laut ben Berichten fein (Schulgelb ü6licb; oon 2 
fönnen mir nur bas SBorljanbenfein eines folgen fonftatiren. 


Sin 4 ©chulefn] bezahlte jeber Sauer per Äinb u. ©ocfje 2 tr., jeber Jauner * 1 fr. 
1 „ mürbe per Äinb unb Söinter 9 SBafcen 


1 

2 

4 

2 

2 

2 


Sommer 3 
bie gange ©hulgeit 6 

n rt tt ^ 

tt tt rt 8 

„ io 


bejahlt; 

8$. 3 fr. befahlt 


10 


$n 9?upperSmil mar ein (Schulgelb eingeführt nach Maßgabe beS 
Vermögens unb ber SKnber, bie ein ^nusuater in bie (Schule fdhicft. 
Qn ‘dtieberentfelben begog ber öeljrer 47 ©ulben 7 33g. 2 Slreuger 
gufammengelcgteS ©elb; ob baran nur folche fteuerten, melche Äinber 
in bie Schule fdjidten, ob alfo bafelbft ein eigentliches Schulgelb be* 
gahlt mürbe ober nicht, fönnen mir nicht mit 33eftimmtheit fagen. 

SJBaS bie Scachtfchulen angeht, ftnb mir nur für §olberbanf unb 
90?örifen ein Schulgelb oon 5 Sreujer per Schüler unb 28od)e gu notiren 
im Stanbe. £>er Schulmeifter oon ^olberbanf fügt biefer SJtotig flagenb 
hingu: „aber ber Schulnteifter hotte immer 90?üh begalt gu merben 


* Saglöbner. 



Digitized by i^ooQle 


Dae *Jo.lhefdjnltitf(jm in ben Sura-'fiantoiten am Önbe bes 18. ^aljrljunbfrt«. . 21 

9D?an toolte abmärten für biejenige Sage, too btfe Stinber nicht Eamen. 
9D?an oerfäumte gart je Sßodjen, rtur baß man nichts §af)len müße 
bie Bürger Saue u. dontp galten biefe abenbfdjulen 2 SBinter hinburcf) 
für bte atlerärmften $inber, ba motte alles arm fepn. Sie f^itrgefegten 
motten bem Sei) ul SDJeifter bifen Cohn für 2tbenb«Sd)ulen nicht ein* 
giefjn — dr machte fictj burdjS §>eüfcf)en unmertt). äftußte oft alter* 
lep oerbrießtid)S ^ören uon fd)tecf)ten älteren. SeEarn bifen 8ot)n gang 
oertrümpelet marb if)nt noch oergönnt, obfdjon dr alte Slbenb 2 1 /i biß 
3 ftunb Unterricht gab unb 3 : 4 lampen brennen mußte gu ber 3eit, 
mo baS Oefjt fo tt)eür ift." Ser Sericßt oon -JflöriEen meint, bie 
9totig oon ^olberbanE paffe für SJföriEen „noch in einem oorgüglicheren 
©rab." gür arme Schüler begahtte mancherorts baS &'ird)engut. 

tßaben. dS fehlen oon ben 58 (Schulen 4 ÜTntmorten; 10 33e* 
ricf|te fagett nichts oon einem Schulgelb; mo ein fotdjeS eingefüfjr mar, 
mürbe eS halb pro Sag, halb pro 2Bod)e, halb pro ^Quartal unb enblich 
auch für bie gange Sdjulgeit fipirt. 

‘Per Äinb u. Sag betrug ber ©cputtobn in 1 ©djulefn] 1 „3ürrp angfler ' 

„unb ein fchith" 
„ 3 „ 1 ©cpeit, 

fr r/ tf 2B o d) e ff tt ft tt o ft 1 ©apen, 

„4 „ 1 ©apen n. tagt. I 

©djeit (i. Detmeil 
1 ©j.u. 1 ©ch.ob. 
2©j u.fein©d|.), 
„2 „2 ©apen, 

„1 ,3 ©apen, 

„2 „1 V« Sreujer, 

„1 „1 Schilling, 

„ 2 „ 1 ©rofdjen, 

„ „ ,, Quartal „ „ „ „1 „2 ©apen, 

„1 „6 ©apen, 

„ „ „ gg.©chuljeit„ „ „ „1 „ 1 ©aßen u. täglich 

ein ©djeit, 

„ 1 „ 5 ©apen, 

„1 „6 ©apen, 

„ 2 „ 10 ©apen, 

„ 1 „ 20 ©apen, 

„ 1 „ 30 ©apen, 

„1 „ 1 ©ulben, 

„1 „ 1 ©ulben 10, 

„2 „16 Schilling, 






22 Da« Oolhtfdjnlrotftn in ltn Snra-fiantontn am (T'nbf be* xg, Satjrljnnbert«. 


ißer Äinb u. g$. ©dju!jeit betrug ber ©c^ufto^u in 1 ©cfjute 16 @ot8, 

„1 „ 1 Sranfen, 

„1 „12 Ärj.f.Sürg.finb., 

4 Ärj.f.Seifäfjfinb. 

93 on 6 @d)u(en fönnen toir nur bag 93orhanbenfein eineg ©d)ul= 
gelbem melben. Qn ®ietifon be-jahtten bie ©djulfinber nicfjtg, Ratten 
aber bag § 0(3 jum feigen ber ©chulräumtichfeit §u tiefem. Qn 
gfifibad) tegten bte £>augüäter 24 ©ulbett ju jammen; ob babei aud) 
biejenigen ficfj beteiligten, meldje feine Sinber in bie ©tute fdjidten 
ober nicht, ift nicht gefagt. $n Sfröfenj finben toir eine ©cßulfteuer 
unb baneben ein @cf)ulgelb, inbem bie 33ürger ohne Unterfdjieb 
10 Äreujer an bie ©tute 31 t teiften hotten, ntährettb bag jur 3 Ser= 
üoltftänbigung ber 8 el)rerbefolbung (26 SBaßen per SBodje) noch Sehtenbe 
gleichmäßig auf bie ftinbcr oertheitt iourbe. 

^infichtlid) ber 9iachtfcf)iile ift ung nur aug ^üttifon ein ©dfut» 
gelb befannt getoorben; bort giebt für ©ommer» unb 9?achtfd)ule jeher" 
^Bürger, ber Sfinber fchicft, ob oiet ober toenige, 5 SBaßen. 

Qn ©chneifittgen befam ber ©d)utmeifter „93on ben 9lrmen, mit» 
men unb meißen nicßtg", in Älingnau bejahte für bie Slrnten bie 
Kirche. 

SBon ben 48 ©cßulen beg Sfantong ©d)affhanfen fehlen 2 9lnt= 
morten. 9tn 11 ©djuten toirb fein ©djutgelb erhoben, 001 t einer ift 
nur tag 93orhanbenfein, nicht aber aud) ber ^Betrag begfelben oor» 
gemerft; ä^nlidt) oerhätt eg fich mit 9lttborf, moher gefchrieben roirb: 
„bie mit bem Qemeiligen ©chutmeifter arcortierte ©umtne (Mt für bie 
©ommer unb SBinter ©d)ut mirb auf bie ©d)ul Slinber außgered)net‘‘. 
2Bo ein ©djutgelb eingeführt mar, ift eg batb für jebe SSBoche, halb 
bie ganjc ©djutjeit, batb für ben SBinter unb ©ommer befonberg 
angegeben. 

1 mal beträgt ba§ »ödjentt. <SchuIgetb per $inb 1 */2 Sreu 3 er, 

5refp.6mat „ „ „ „ „ „ 2 „ (in §erbtingen 

ebenfooiel aber nur für 
bie Söeifaßen), 

2 mat „ ,, „ ,. „ „ 3 Sieger, 

1 mat „ rr ff ff ff ff 4 * 

ffür bie ganje ©cbutjnt würbe per Sinb befahlt: 
an 1 ©d)ute[n] 14 Äreujer, 11 für biejenigen, metdje nicf)t [treiben (Sargen). 
„2 /, 15 „ 


Digitized by t^ooQle 



Da« in StoM-Äantone» itnt Ornbe b*@ 18 . foljrljtmbeit». 


23 


an 5 


// 

tt 

tt 


2 

1 

2 


©d)ute[n] 24 ftreuger, 


n 


n 


30 „ 

36 „ 

1 ©ulben. 


Oft audj tourbe ba§ ©df)ulgetb für ben SBintcv unb ben ©ommer 
befonber§ entrichtet. betrug bte§fatt§ 


un 1 ©djule per SBodje u. 

tt 1 tt tt tt tt 

tt 1 ff ff ff t* 

tt 1 ft n ft tt 

tt 1 tt tt tt t> 

tt i tt tt tt tt 


©djüter im äBinter 8 Äreujer, im ©ommer 2 Äreuger 
„ „ „ 12 ©aßen, ,, „ 3 Safcen, 

„ „ „ 15 Äreujer, „ „ 7 7 2 Är. 


tt tt 

tt tt 

tt tt 


n 

tt 

tt 


24 

30 

30 


tt 

tt 

tt 


tt 

tt 

tt 


tt 


tt 


20 

20 

12 


tt 

tt 


^rt Seggingen beftanb baS ©cpulgelb in Naturalien unb ©elb, 
tiämlicp per 5tinb auS 1 SBierling 5forn, 12 Ureujer unb täglich 
1 ©dpeit §op$, in ©untmabingen nur auS Naturalien; jebeS 5tiitb 
patte bafelbft „10 Ntäfslp Ntiilpfrucpt" ju bringen. Stuwer bem ©cpul* 
fdjeit, baS bie ©cpüler im SBiriter jeben Sag in bie ©(pule trugen, 
fcpeint man in reformirt unb in fatpolifcp Safenbingeit tneniger ein 
©cpulgelb al§ oielmepr eine ©cpulfteuer gelaunt gu paben. Som 
erfteren Orte mirb öieSbegügltcp gefcpriebett: „baS ein geführte @dpul= 
gelt ift fo auf alle §auSoäter PiSper oerlegt gemefen, bafj biejenigen, 
melcpe ein ^auptoiep befaßen 8 fr., bie übrigen 6 fr. bem ©cpulmeifter 
^äprlicp geben mußten. NB. bagu marcn audp biejenigen oerpfücptet, 

melipe feine ^inber in bie ©cpute §u fcpicfen patten- “■ ®en» 

feiben ©inn bürft ber S3erid)t auS fatp. Safenbingen paben: „Sin 
©elb Don jebem Sauner 6 5fr., oon jebetn Sauer 15 5fr. 

©ine non ben 11 oben genannten ©cpulen opne ©cpulgelb giebt 
ben ©rurtb feinet geplettS an; im Sericpt öon Oberfdplatt peifjt eS 
nämlid): „©cpulgelt ift feinS eingefüprt, meil oiele Sirme Ceüte ba 
mopnen, pat man Seforgt eS möcpte nicpt begaplt merben". 

Heber baS an ben Nacpifcpulen erpobene ©cpulgelb paben mir 
mepr SluSfunft gefunbeu, als in ben übrigen Kantonen. Sin einer 
mirb fein ©cpulgelb begaplt, in Copn unb OpfertSpofen begaplen bie* 
jenigen Sagfdjüler, melcpe bie Nacptfdpufe aucp befudpen, für biefe 
leptere nidptS. §n Sörflingcn entridpten bie Nadptfdpülcr „etmaS ©e= 
ringeS". Sin einer ©dpule beträgt baS ©cpulgelb per ©cpüler unb 
SBodpe 2 72 5freu§er, an einer anbern per ©cpüler unb gange ©cpulgeit 8, 
an gtoei 12, an fieben 15 unb an einer 20 5t teurer. 



Digitized by 




24 'D«f Volktfdjnlrorfrn in brn 3ura-flant«nrn «m Cnkc b«» l#. ?al}rtjQnbfrt». 


Stuf ber ©teig ift für bie Stritten baS ©djulgelb non 4 Streujern 
per ftinb uttb SBoc^e auf bie §nlfte fyera&gefe^t unb biefe beEommen 
fte attS bem Eieinen ©chulfonb. SBuchtljalen wirb baS ©cfjulgelb 
für ganj 9lrtne auS milben Beiträgen, in 33ud)6erg auS bem Slrnten* 
ober ^ircfjengut bejaht. ES fcheint, baß ber ©chulmeifter non Eatlj. 
SRamfen bie armen Äittber umfonft unterrichten mujjte; wir fchliejjen 
eS barauS, bafj er nach Nennung beS ©chulgelbeS beifügt: „aber nur 
ooti ben reichen S3auernEittbern. 7/ !gn Dfterfingen gab ber ©djulmeifter 
in ber Sag* unb Stachtfcfjule fürs ©chufgetb noch „hinten, febern 
unb Rapier". 

9luS bem SEanton ©olothunt taffen uns nicht weniger als 
15 ^Berichte im ©tid). Sin 19 ©djulen Eommt Eein ©chutgetb oor, 
an 3 Eönnett wir nur baS 33orhanbenfein eines fotchen feftftetten; an 
brei ©dhufen befteht ber tägliche Sribut eines SEinbeS in einem ©djeit. 
$n einer ©dfule bejaht jebeS Stinb jeben Sag einen „fierer 7 '. 

3n 2 ©djutefn] bega^tt ein $inb per 2ßocf)e 1 Äreujer, 


20 

4 

2 

3 

1 

2 

1 

1 

1 

1 

1 


u.bvingttägf. l@d). 


n 


„ „ l ji Saßen/ 

n // 1 // 

„ „ 6 Stoppen, 

„Ouartal3 Saßen, 
fürbie gg. ©djulgeit 3 Saßen, 

„ „ 3 „ u. tagt. 1 ©$. 

r. 

n n ° tf 

„ » io „ 

„ „ V* ©utben. 


StuS ®unßgen trieb ein ©djulgelb Don */* ®aßen, auS Slefdji ein 
foldjeS Don 8 Äreujern gentelbet, aber e§ ift nicht gefagt fiir toetdje $«*• 

^n §od)Walb wirb nur für bie 3 e ü/ um welche bie ©djule 
i /* Qafjr überbauert, 1 /t ®«^en per SEinb unb SBodje ©chulgetb ent* 
richtet. (Sine ähnliche Einrichtung bürfte gemeint fein, wenn ber 33e* 
ridhterftatter auS ©eewen fdjreibt: „bie Äittber jaf)len nach abjug beS 
jinfeS oon obgemelten Kapital (400 ?/,) ben noch für bie rucEftäntigen 
Wochen wöchentlich Eines Vs bajen 77 . ®vencf)en bejahten nur bie 
gnnterfäjjEinber wöchentlich 1 ©otS, in ber SöaifenhauSfchule in ©olo* 
thurn bie StidjtwaifenEinber im ©d^ulja^r 12 granEen 7 S3a£en (offen* 
bar alle jufammen). f$n ©änSbrunnen legen bie gtauSoäter, welche 
Sittber in bie ©dfule fcfjicEen, Wöchentlich 45, in •’perbertswtjl unb 


Digitized by 


Google 



{tat t)oIh*fd)nlu)fffn in fcm Jurnfiantoitfn am ®n»e b(» 18 . 3al)rl)tntbret«. 25- 


Jiuglar 25 Sagen jufanimen. Qtt Sovnad) ntufj ber Schullehrer 
„gehn bie aermften Stinbev umfonft Qnftruiren"; auch ber Celjrer in 
©üngberg fpricf)t nur oon einem Scfjulgefb für bie „Serntögenben 
S'inber"; für bie Firmen ber beutfcfjen Shtabenfcljule unb ber ^ßringipi 
in ©olotfjorn bejahten ber (Staat, für biejenigen ber (Spulen in 
Unter* unb Obererlin§6acf) unb SBangen bie £irdje. Ser Schulmeifter 
oon ©rennen Wagt, ba§ Schulgelb toerbe „burdjgängig nachläfjig be» 
jalt". „fiffe geben eint gar nichts" fdjreibt ber Cefjrer aus SMtingen, 
„Qegt fct)on bet) fünff Qaljr tooHen ficf) einige meigern, bife 2 Äreüjer 
per SBodjen ju bejahen'' berjenige au§ Serfchmpl. 

folgen einige Seifpiele au§ ben Äantoncn 33afet ünb Seman. 

Sem Se^rer Qol). Qafob 8 euch t an ber Shtabenfchule am fünfter 
in 33afet bejahte ein (Schüler fronfaftentlicf) 3 Sagen; für bie Sinnen 
bejahte ber fiscus gymnasii; in ber Stlaffe be§ 8e§rer§ §agenbarf>. 
betrug ba§ Schulgelb per Ouartal unb Schüler 5 Sagen; jubent 
hatte jeber bem Sdjulmärter ober ©ufto§ 4 $ßf. §u entrichten. 

2ln ber Schute ber Ätrchgemeinbe (St. s ßeter betrug ba§ Schulgelb' 
fronfaftentlicf 3 Säuert, an ber (St. 9Dtartin§»9Ötäbchenfchule fronfaftent* 
lief 4 Sanier (Schilling, an ber Shtabenfchule ju ben Sarfüfjeren 
26 Stoppen; att jenen beiben tarn 7® beSfelben bem erften unb ba3 
übrige bem jmeiten Celjrer ju; an biefer bejog ber Unterlehrer 7*/- 
ber Oberlehrer */«• Sin ber ißrooiforfchule in ber minberen (Stabt be» 
johlte man üiertetjährlich pro Sinb 3, an ber SDtägbleinfchule in ber 
minberen (Stabt 6 (Schilling. Qu Stieben bezogen oon bem oiertel» 
jährlich per (Schüler 3 Sagen betragenben (Schulgelb Schulmeifter 
unb Schulhelfer je bie .jpülfte. Qn Settingen mürbe 00 m Schüler 
per Söocfje 1 Sa3ler*Schilling, ht Siegten 1 Stoppen, in ©ptingen 
pro Söinter 1 1 /t Scfjmeijetfranfen, im Sommer 8 Schilling, in Campen» 
berg V 2 Sagen, in Säften „6 raben" erhoben. Saju hatten bie 
Äinber, refp. bie ©Item ber Schüler an ben legtgenannten Orten ben 
Celjrer auch i u oerföftigen. „Söochenblich für jebeä Stinb Schulgelt 
ein (jalbbagen. Unb bem Schulmeifter ba§ ©ffe", „SEBodjentlich $r.. 
Ä'inb 6 raben auch ^ßr. Stirtb einen Sag ju effen" hei&t e § ln ben 
Serichten. 

„Chaque Enfant paye six batz ä la Commune des läge de 
cinq ans jusqu’ä 14 ans et la Commune fait le reste“ fcfreibt 
ber Regent au3 Oppens. Sßir taffen noch einige Slnttoorten ihrem 


Digitized by i^ooQle 



26 Da* OoUufdjnlnjfreit in brn Jnra-'fiantonfn ant tfnb* bf« 18. £atjrt|unberte. 

SBortlaute nad) folgen: „Chaque Enfant paie, des Tage de 5 ans ä 
15 ans un tiers ou un demi quarteron de graine, ce qui varie suivant 
]e nombre, la Commune fixe et retire ce que chaque Enfant 
doit paier. a (Bercher). „Les Etrangers doivent payer pour y 
etre admis. Les Peres de familles payent 1 L 5 S pour Les 
Enfans de 6 ans ä 14“ (Biolay). biefer SCnttoort fötmte man 

fc^Uefeeu/ e3 1jabe für bie grembeti noef) über baä geroöljnlidje @d)ut* 
$elb hinauf eine £aje 6 eftanben. „Les Peres paie 4 bätz par 
Chaque Enfans depuis l’äge de 6 ans ä 15 ans a (Ogens); le 
meme de „6 ans ä 16 ans“ (Chavennes sur Moudon). „Un pere 
paye un qtron de Segle et 4 baches en Argent par an pour 
un enfant, et cela dequis Tage de 7 ans a 15 ans; un pere qui 
aura 4. 6. 8. 10. enfans ne paye que pour 2.“ (Demoret). „Chaque 
Enfant paye ä la commune des Tage de 8 ans, un quarteron 
graine melee et 4 baches chaque annee.“ (Montcherand). SJfit 
biefen oerfrfjtebenen 3 ö ^ en (des läg e de c ^ n( l ans a ^ ans, a 
15 ans etc.) biirften bie ©retten be$ fcfjulpflidbtigen 9(lter§ in ben 
oerfdjiebenen ©emeinben bejeicfjnet fein. „Les proprietaires des 
biens Communaux ne payent rien, mais les non proprietaires 
payent ä la Commune un quarteron de Seigle par annee et pour 
Chaque Enfant. Ce qu’ils ont refuse pour 1’Annee 1798“ 
(Yvonnand). „Chaque enfant paye ä la Commune et non au 
regent 5 batz par ennee de puis läge de 5 ans a (Nonfoux). 
„Les ecoliers Bourgeois payent a la finance de Commune 
3 Batz par Annee et les ecoliers non Bourgeois payent 9 Batz 
ä la ditte finance“ (Mathod). „Chaque enfant doit donner une 
Javelle de bie, Les habitans payent dix baches par enfant ä la 
Commune et les Bourgeois rien u (Montagny). „Chaque enfant 
paye 2 Batz par Mois a „que le Regent est Charge de retirer“ 
(Coppet). „Les Bourgeois et habitants payent trois Sols par 
mois“ (Myes et Tanay). „Dix crutzer par mois par chaque 
enfant. Neuf crutzer pour ceux qui sont assiste du bien des 
pauvres“ (Commugny). „douze baches par Ecolier qui Ecrit 
par annee six baches pour ceux qui n’ecrivent pas (Chavannes- 
de-Bogis). „rien si ce n’est les Etrangers qui donnent une petite 
retribution au Regt, qui se fixe de gre ä gre entre les Interes¬ 
ses“ (Crassier et Borrex). „Les particuliers ne payent rien au 



Digitized by ^.ooQle 



27 


Da« flolhBfdjnlntffen In b*tt 3ura- , f8anton*n am £nbe bea 18. faljrljnnbert«. 


regent, mais a la commune 10 batz par chaque menage bourgeois 
annuellement et 20 batz par cbaque menage d’habitant“ (Duillier). 
Slud) im Ponton Seman Ijaben mir an einigen (Spulen ba% fogenannte 
©djulfdjeit, ba$ öieHeic^t nodj häufiger oorfam, al£ bie 33erid)te e$ 
angeben, gefunben. 

ßur 33efpred)ung ber Stefolbung3öerfjältniffe ftanb un§ faum ein 
anberer 2Beg offen, al£ bie 9ttittljeiluug einer Slnjafjl Seifpiele au£ jebern 
Danton, mobei mir e£ angelegen fein liefen, bie 93ielfältig!eit mögtid^ft jur 
Slnfcijauung ju bringen, ^ntereffant märe freilief) aud) ba eine ©tatifti? 
gemefen, aber bie ^erftettung einer folgen bietet öiele ©djmierigfeiten, 
beren Ueberminbung mir un§ nidjt gutrauten*. Gingig für ben ®i* 
ftrift $ulm im Danton Slargau fönnen mir mit ein paar ßatjlen 
aufmarten. ®ie Sefolbung ber 8et)rer mürbe bafelbft in 9 gälten 
burd) ©elb unb (Betreibe, in einem burd) ©elb unb Sftu^niefeung eine£ 
33aumgarten$, in 20 burd) ©elb allein gebitbet. (Sine Slntmort fefjlt. 


3)ie Sefolbung betrug roeniger al3 10 ©ulben in 1 ©cfyule[n]. 


ff 

tt 

tt 

3tt>tfcf)en 

10 

u. 20 

ff 

ff 

3 

ff 

tt 

tt 

tt 



20 

ft 

ff 

2 

ff 

tt 

n 

ff 

ff 

20 

u. 30 

m 

ff 

3 

ff 


tt 




30 

ff 

tr 

3 

ff 

tt 

tt 

ff 

ff 

30 

u. 40 

ff 

rf 

6 

ff 


tt 

ff 



40 

ff 

rr 

4 

ff 

tt 

tt 

ff 

tt 

40 

u. 50 

ft 

ff 

4 

ff 

tt 

tt 

tt 



50 

ff 

ff 

3 

fr 

tt 

tt 

•t 

ff 

50 

u. 60 

ff 

ff 

— 

ff 

tt 

tt 

ff 



60 

ff 

ff 

1 

ff 


©3 folgen nun eine Slngafyl ©djulen mit 
Äantonen georbnet. 


c&attfott £argau: 


i^reit Sefolbungen nad) ben 


Settljeim: 

an ©elb: 50 ©ulben, 2 Sagen, 

2 Äreuger, 

an ©etreibe: 16 Srtf. fernen, 
an §0(3: 2 Älaftev für bie ©djul* 

ftube. 


£>berfladf)3: 

42 ©ulben, 7 Sagen, 2 Äreuger, 

4 Srtl. 17* Srlg. fernen, 

1 Klafter §0(3. 


* Um ein gang JlareS Silb fcon ben Sefolbung$öerfyältniffen gu gewinnen, 
müßten bie Naturalien in ben bamaligen Söertty umgerec^net unb überall unterfdjieben 
toerben, toaS bie Se^rer für bie Schule unb toaS fie für anbertoeitige bamit oer* 
bunbene Sefdjäftigungen unb gunftionen begogen. 


r 


Digitized by t^ooQle 















28 Das tfolhefdjnlnjtfrn in km 3ura*€antonm am <8nbe bf» 18. Jaijrljnnbertt. 


Quellen biefer Sefolbungen: 

Seltfjeini: | OberfladjS: 

Sctyulgelb: 20 ©ulben, | 12 ©ulben, 

Stiftungen: — ' 2 „ 

©emeinbSfaffe: — 10 Saßen, 7 „ 7 Saßen, 2 Sreuger, 

Sirdjengüter: 22 ©ulben, 7 „ 

SonbS: 7 ©ulben, 7 Saßen, 14 „ 

2 Sreuger, 

Sobenginfen: obigeä ©etreibe, obigem ©etreibe. $a§ £ofg au§ ber 

obrigfeitlidjen SBalbung. 

X \) a l f) e i nt: 

Snabenfdjule: üRäbdjenfdjule: 

an ©elb: 23 ©ulben, 7 Saßen, | 25 ©ulben, 

2 Sreuger, ! 

(au§ bern Sirdjengut) 

an ©etveibe: 24 Srtl. Sernen, 11 Srtl. Sernen, 8 Srtl. £aber, 

(au§ ben abgefcfyafften Sobenginfen) 
an $olg: roaä für bie Sd)ulftuben nötfyig ift. 

© r ä n i d) e n : 

$orf: Sorftabt: 

an ©elb: 56 ©ulben, 5 Saßen, 47 ©ulben, 10 Saßen, 

an ©etreibe: 4 Srtl. fernen, 8 Srtl. Sloggen, 4 Srtl. fernen, 4 Srtl. 9toggen^ 
an §olg: 6 Klafter. — 

9liitiljof unb SRäfent^al: 
an ©elb: 69 ©ulben, 5 Saßen, 

an ©etreibe: 4 Srtl. Semen, 4 Srtl. SRoggen. 

Quellen biefer Sefolbungen: 

©räniefjen $5orf: ©r. Sorftabt: 9iütifjof u Släfentfyalr 
v 2lu§ abgefdjafften Sefyngefäüen: 

(ßefynteit, ©runbginfen?): ob. ©etreibe, obige§ ©etreibe, obige§ ©etreibe, 
Scfyulgelbern: 28 ©ulb. 5 Saß , 22 ©ulb. 10 Saß., 39 ©ulb. 5 Saß.,. 

Stiftungen: — — — 

©enieinbäf affen: — 5 ©ulben, — 

Sircfyengtitern: 20 ©ulben, 20 ©ulben, 30 ©ulben, 

^ufatnmengel. ©elbern 

ber §au§oäter: — — — 

Siegenben ©rünben: 8 ©ulben, — — 

eJonbS: — — — 

Sengburg: 

©r Snabenfdjule: 160 ©ulb., 5 9J?ütt Sernen, 5ÜJ?ütt3?ogg., 32 ©ulb. £au§gin& 

„ 2örf)terfd)ule: 112 ff 5 ff „ 5 ff „ — 

Äl. Snabenfdjule: 70 „ 5 „ „ 5 „ , r — 

„ 9Räbd)enfc^u(e: 100 „ — — — 

Sille: £olg für bie Sdjulftuben. 




Digitized by t^ooQle 




Das Uolh&fdjttlmsfen in bfit Jara-Äantonrn am ©nbe bes 18. 3>aijtljniiberts. 29 

©raunegg: 15 ©ulben, 10 ©aßen unb 4 3Rütt fernen unb 1 72 Klaf* 

tcr $ 0 ( 3 . 

9tupper3topl: 76 ©ulben, etmaS ©oben unb §olg genug für bie Schule, 

©djingnadj,obere 

u. untere ©djule: ©elb: 30 ©ulben (20 ©ulben ©djulgelb, 10 ©ulben 

non ben Kirdjengütern), 

©etreibe: 8 ©rtl. fernen (oon bei* ©emeinbe), 

$olg: ein fleine§ Suber, gurn §au§ geliefert, 

ffiiberftein: an ©elb: 37 ©ulben, 9 ©aßen unb 2 Kreuger (34 ©ul* 

ben, 2 ©aßen @d)ulgelb; 2 ©ulben, 7 ©aßen 
2 Kreuger au8 ben Kircfyengtitern; 1 ©ulben 
oon ber Regierung), 

an ©etreibe: 8 ©rtl. fernen (oon ber Regierung), 

an §olg: 2 Klafter. 

Küttig en: an ©elb: 67 ©ulben, 7 ©aßen, 2 Kreuger (64 ©ul* 

ben ©djulgelb; 2 ©ulben, 7 ©aßen, 2 Kreu* 
ger au3 ben Kirdjengütern, 1 ©ulben oon 
ber Regierung), 

an ©etreibe: 8 ©rtl. fernen (oon ber Regierung), 

an $olg: 4 Klafter. 

c&attfott ISabeti: 

3onen: 10 ©ulben, 1 SEftütt Kernen unb 1 ^uber £olg. 

Unterfiggingen: 25 ©ulben nnb l /2 Klafter ipolg. 

8fi§li§badj: 11 72 ©ulben, 6 ©rtl. Kernen, 6 ©rtl. loggen unb 

72 Klafter £olg. 

SDegerfeiben: 30 ©ulben unb oon ber Kirche 1 SRtitt Kernen unb 

3 ©ulben für ba§ ©orfingen. 

SEBettingen: 40 „fdjtoeißer lioerS' 1 10 ©ol§, 1 9Kütt Kernen, 1 $uber 

§olg, alle ^ronfaften 3 ^funb ©rob. 

Katt}. 933tirenlo§: 15 ©ulben, roödjentlid) „2 San* ©rob au§ bem ©ottö 
$au§ SBettingen“ unb täglid) oon jebern Kinb ein ©djeit 

©ber*Enbingen: 28 ©ulben 24 Kreuger (oon ben $au§oätern gufammen* 
gelegt) unb 1 ©iertel Kernen. 

Unter*£)etttoeü: ff ©on iebem Kinb in ber SEBodjen ein ^alb ©aßen unb 
alle tag ein fd)eit, ober 2 b. in ber SBodjen unb fein fdjeit. 
©on einem ieben $auf$ ©ater tjab id) Empfangen Oftljrlidj 
ein #auf$ ©rob — e§ belauft ftd) bermalen auf 19. ©rob 
— ©on bem Kirdjen Pfleger ©on ©Jürenlofc ^ab $äl)lidf) 
Empfangen 4 ©ulbe . . . 

©on bem Herren öberften ^JJfarer unb benen sperren E$fa* 
manatoren in ßürid) §ab id) Oäfylid) Empfangen 4 gulbe.. 
in bem triten 3al)r. t>ab id) ©mpfangen ©on bem Herren 
öberflen ^ßfarer 5 gulbe ..." 





30 Dos Uolherdjnlnttfftt in bfit fura-fianionrn am Citbe bre 18. Saijrtjunberte. 


3 urjadj: ,,©r toar" — fc^rcibt Sodann 9?epomuf ©frörer — 

„oon b Stift befolbet, oor ober nadj SWartini jebe§ 3a£r3 
be^og er feine Sefolbung, unb biefe beßunb in grüßten, 
tljeilS £eljenben, t^eiCd ©runbjinfen au3 bem Äelleramt, 

an fernen, SRoggen, £aber, ©erften, ©djmalfat. 

an ©elb au3 oerfdjiebenen Stiftungen.üon bcn 

©cfyulfinbern unb einigen accibentien . . . ©ein . . freie 
Sefjaufung unb Ärautgärtel .... im ©anjen beregnet 
nac$ bem toirflidjen ?lnfcf)tag belauft ftd) bie ©efolbung 
auf fl. 464. 38V 2 ßr." 

©fiteren: 5 9Rütt fernen. 3ln ©elb: 3 ©ulben. „©onft fyat er 

nichts ju Se^iefyen oon feinem £rt fyer'\ 

cÄanfott Sdjaffßaulrn: 

© dj lei tl) eint: Die 2 erften Sefyrer: ©djulgelb: 48 ©ulben; oon ber 

Äirdje 5 ©ulben 40 ßreujer, 3 9Wütt 2 Ortl. fernen 
unb ben ©djullofyn für arme Äinber; ber erjte ©djulmeiftet* 
f)at 4 gudjart Slcferfelb, 3 SSierl. ©iefen, 1 Sierl. „£anf~ 
bünbt", ber ^loeite 3 gudjart äcferfelb, ben falben Sirdj= 
l)of unb 7* SSierl. „Sunbt", ber britte 3 ©ulben oon ben 
beiben erften Sehern für feine §ilfe in ber 9?adjtfd)ule, 
oon ber $ircf)e per ©odje 1 ©ulben 48 Äreu^er, aber 
nur im Sommer. Die beiben erften Sefjrer oerfefyen jugleid^ 
ben äfteßmerbienft unb fyaben „a) ®on jeber ?eidje ein 
gro^e§ 33rot nebft 2 üftaß 2Bein; b) Son ber Äirdf)en 
auf bie ^eiligen gefttage 3 ©ulben 12 Är." 

Unterfyallau: £ef>rer ber 1. Älaffe: an ©elb: 13 ©ulben, ©ein: 1 ©aum, 

„SWüflinforn 7 Sftütt", ^ol^: 6 Klafter, „toirb anf foften 
be§ Firmen ©ätflein im ©alb genauen, auf Äoften be£ 
©ätfelamtö ljeimgefüf)rt. Der ©djulmeifter mußte ©pei3 
unb Dranf geben; auf eigene Soften flein ©palten 
laffen." 

Se^rer ber 2. Älaffe: ©elb: 21 ©ulben, ©ein: 6 ©imer, 
„•IKüfliforn": 7 SKütt, „1 Sri. 2l<fer*9?ütl}j oon geringem 
ertrag". 

Seljrer ber 3. klaffe: ©elb: 12 ©ulben, ©ein: 6 Sinter, 
„SWüöiforn": 6 SDJütt. 

©O.Dießenljofen: 11 Dublonen 

Sud)tljalen: Sin ©elb: 15 ©ulben (aber erft feit einigen Sauren). 

„Da§ übrige l)ängt oon ber mefyr ober minber gafylreidjen 
©d)uljugenb unb oott mef)r ober minber fleißigen Sefudfyen 
ber Minber ab, bie oft ganje ©odjeit oon ©Item abge* 
galten toerben um 2 $r. 9lu3lag gu erfparen. —" „6 giertet 
9ttül)tenfrucf)t ($orn, loggen, ©erften, ©iefen, §aber unb 







Das tJolhefidjatroffen in beit $nra*-ßantoneu am GBtrtie bf« 18. Jaljrljnnbfrt«. 31 

Sonnen, aöe§ buvd) einanbev) für ba§ Slblefen eines ercnb* 
gebet§ am ©arnftag unb für ba§ galten einer Sinb lehre 
an ben ©onntagen, mo ber ©.Pfarrer fold^e im ®orf 
©üefigen hält, 3 Slafter eichen ^>oIj gur Neuerung 41 , 
©argheim: ®a3 ©chulgelb, toeld)e§ bte ©c^ütcr oom 3in§ be§ ©djul* 

fonb§ erhalten; 2 Slafter §olg; 1 9Jtütt Semen, 1 7« 9Kütt 
üRühlenfrucht. „Slu3 bem ©pithal 156 ^fb. ©rob unb 
5 fl. 12 fr. gelt bife ©penb au§ bem ©pithal ift Gigent* 
lieh nid)t für Seprer fonberen für bie ©rotlofen im lanb 
©eftimmt. 44 3lu§ bem Sfr mengut gu £hagngen 10 ©ulben. 
Sath* 3?amfen: ©d)ulgelb; 11 SKalter 5rucf)t unb 12 ©ulben für 

?e!jrer> unb SKefcmerbienft gufammen. „3?erner3 ©on jeg= 
fidler ^odjgeit an gelt 30 fr. nebft einem 9?aj$buch bep 
SeicpbegängnuS für Seüt^en ber ©locfen 1 ?eib ©rott nebft 
einem SJtafflp ©alg. 44 

Siünblingen: ©cpuigefb ber Siitber; an fjrud^t 24 ©rtl., 3 ©rtl. 

SWüfyfenfrucpt; ftatt 1 ©aum ©Sein ba§ betreffenbe ©elb; 
4 Slafter §olg. 2)a3 Sircpengut begabt ba£ ©cpulgelb 
für bte armen Sinber. ,,2)a^ Sirenen ©ut gibt auch 
Gebern, hinten unb Rapier in bie ©cpufen unb Sergen 
in bie 9?acfytfcpulen. 44 

©tein a. 3l^ein, beutfepe Snab enfcpule: freie Sßopnung; an ©elb: 

204 ©ulben, 12 Spalter Sernen, 13 Eimer ©Bein, 

11 Slafter $olg. „SBegen bem ©orftttgen an §ocpgeiten 
unb 2eicpen mag e3 ungefähr 15 bi§ 20 fl. jährlich ab* 
merfen . 44 „Gin Srautgarten 72 j\ ©tunb non ber ©tabt . 44 

SRäbcpenfcpule in 

©epaff häufen: 1. Slaffe: ©elb: 30 ©ulben 24 Sreuger, an Snlcpten: 

12 9J?ütt, an ©Bein: 5 ©aum 1 ©rtl. 6 8 Slafter 

©ucpenpolg unb einige Slcdbentien. 

2. Slaffe: Sin ©elb, Smcpt, ©Bein mie üorpin. Gicpenpolg: 
15 Slafter. „Slu§ bem Slofter jeglicpe§ Gramen 1 
©Bein unb 1 s ^fb. ©robt. 44 

3. Sltt ©elb: 37 ©ulben 36 Sreuger, an $ntcpt: 12 äftütt, 
an ©Bein: 8 ©aum 3 3Srtl. 2 2Rf$., für 2 Gramen gmei 
^ßaar ©rob unb 4 äftafc ©Bein, 15 Slafter §olg. 

©ei bem ©elb ift jebe§mal 1 ©ulben eingerechnet, meldper 
ber Seprerin au§ bem Slofter flog unb ftatt beffen fie 

1 2acp§ mahlen fonnte. 

©chaffhaufen, beutfehe Snabenfcpule: 3. Slaffe: ©elb: 52 ©ulben, 
Svucpt: 18 5D?ütt, ©Bein: 7 ©aum 3 7« ©vtl., §otg: 
8 ©Bagen. — G^tra für bie G^amina 18 9Ka{$ ©Bein unb 

2 fl. 12 fr., 1 2acp§ ober bafür 1 fl., Srautgartengelb 
1 fl., „^erbftbaab unb ©tccpnunggelb 44 1 fl. 12 fr., aHe§ 




•32 Dob Dolh*fdjalrofffn tn btn Jarö-Dantonen am Cnbe be* 18 . laljrljtrafeett«. 


aßeS au S bem äflerheiligen Slofter. 9IuS bcm „©pitt^al 
Herbftbab ,,©elb” 36 fr.". 

Danton Sofot^urtt: 

©elgach: ^cr ©chulmoche 272 ©chtreigerfranfen „unb mit bcr fd^u^t 

hört auch ber Sohn auf. 3ebod) toirb bicfcr Sohn tn 
grüßten 93ega^It, unb gioar nach bcm Saufenben greife; 
fo baS er toeniger, ober mehr grüßten gu ©egiehen ^aat^ 
je nach bem fotd^e teurer, ober moljlfeüer angefchlagen 
ftnb. 3h m ftetS enblid) ob, biefe brächten felbft ©on §au§ 
gu $au§, bie Stützten eingufammeln, an biefen eben ge* 
melbeten ©chullohn ©egalst bie örüberfdjaft 7 72 ©c^mei^er 
Sranfen; Um bie ©enteinbe gu erleichtern, SernerS Siegte 
bem ©chulmeifter ob baS ^)oIg für bie ©djufl* unb SBacht* 
©tuben felbft gu festen (faßen), unb gu fpalten, SBeldjeS 
fobann SrohnStoeife gum ©d)utt §au^e gefürt S35ivb. toieber* 
um liegtS bem fc^uümcifter ob, baS H°ffc Sep bem fd^u^I^ 
hauS gu ©er fertigen für ben ©d^uß* unb ©Sacht Dfen 
gu heigen". SDer Lehrer ijat bagu noch ^Rufcniefjung 
eiue§ Meinen ©artenS unb eines Meinen ©tticfS Sanb. 

‘Siberen: „am barrem ©eit toochenblich 30 b£. 9?ebft meiner Soft 

in ber ferre bei ben $auf$ üättern 11 . Such baS ©elb be* 
fommt er oon ben §auSoätern. 

©o&liiopl: 12 Sronen, oon ben Haushaltungen gufammengelegt. „®er 

©chulmeifter .... toirb oon H au $ gu H aug evnä^rt. -< 

Unters9tamferen:16 fronen, „frepe Soft in ber Sehre bep benjenigen 
HauSoätern, toelche Sinber in bie ©djule fepiefen". 2>ie 
16 Sronen roerben auch oon ^ en H au ^ätern gufamnten= 
gelegt. 

^©ünSberg: 3)ie ©emeinbe runbet baS ©cpulgelb toöcpentlich auf 25 ©afcen 

= 1 Srone auf, macht im ©angen ettoa 17 Sronen. 
3ür Neigung ber ©cpulftube erhalt ber Seprer 2 Slafter Holg. 

©olotpurn, ^rincipi:8ln®etb: 450 -ßfb. 1 Schilling, baS^funbä 772 ©^ 
pen, ferner 10 Sronen 22 ©apen; an §ofg: 7 Slafter 
Sannenholg, 700 SReiStoellen; ferner ein ©arten unb 
1 „2RääS /7 ©alg; 12 9Rütt Sorn. 

-Oenfingen: 16 Steue Xfyaltx. 

IReuenborf: ©on ben ©auern „31 72 2RäS Sorn 7 ', oon ben übrigen 

©ürgern 12 „SRäS" Haber; oon ben armen ©ärgern 
unb ben ©cpulfinbern 12 ©ulben 6 ©apen. „©on $eben 
©cpulfinb beS ®agS ein fepit H 0 ^* 

Ober buchfiten: ©on jebem ber 21 ©auern 21 „SRäS" Sorn; oon jebem 
ber 79 „®auneren 7/ 79 „9RäS 7/ H a & er ; an ©elb: 7 ©ul* 
ben 5 ©apen; für Sirchenfunftionen 2 SRalter Sorn. 




Digitized by t^ooQle 



Das Dolhfifdjnlmfm hi ben Inra-flantonon am GBnb* bw 18 . £aljrtjtmbßrt*. 


33 


©olot^urn, SBaifenfyauS: „SaS ©infommen ber ©djullefyrer befielt nebft 
bem trodfenen Sifd)e unb SSofjnung in ®elb, bein erften 
per Sag 8 Sagen 1 Är. bem gmeqten per Sag 1 Sagen 
3 Är., auS meinem ©elb fte ftd) 2Bein anfd&affen fömten." 

SEBotftopl: Son jebem Sürger jä^rltc^ 3 Sagen, gufammen 15 ©ulben; 

non beffer bemittelten Sürgern 36 „2Räf$ 44 Äorn; oon ber 
Äirdje für feine Serridjtungen 48 „SRäfc 44 Äorn; oon ber 
©emeinbe 2 Älafter §olg, bie er aber felbft »erarbeiten rnujj. 

Dlten: ©in §auS als ©oljnung, 1 Qfuc^art ?anb, 1 Ärautgarten, 

10 Älafter §olg franfo gum §auS, 130 ©ulben auS 
©t. @logi, 50 ©ulben »on ber ^eiligfreugfapeKe (baüon 
25 für SJtefelefen). ©djulgelb im 3a§r 100 ©ulben, 
3a^rgeitgelber (gemiffe ©tiftungen gum Slnbenfen ber Ser* 
ftorbenen) 17 ©ulben, Drgelgelber 6 ©ulben (auS ber 
©t. ©logiftiftung). 2WeS in allem für ©djutbienft 278 
©ulben. 

SReltingen: Ser ©d)ulmeifter, ber auf baS ©djulgelb angen>iefe$ ift, 

fdjreibt: „id^ fyabe für ber feljnberege („fernrige 44 , »or* 
jährige) minber nicfyt ©in neüen Skalier ©dfjutloljn über 
fommen 41 . 

Settmpl; „Sie Äoft, bie iljm bie ©emeinte giebt 41 unb baS gange 

3afjr tyinburd) »on 26 Äinbern per 2Bod)e unb Äinb 
6 Stoppen. 

itanfott 

■äWünfterfdjule, Safel. ^otyann $a!ob ?eudjt: ©tatt einer freien 
SSoljnung 18 Stt^lr. Sg. 16. „mo id) aber jäljrlid) nodj 
auS bem SJteinigen bei 6 Sttfylr. unb barüber gufegen mu§ 
unb bodj fjödjftenS 2 3immer unb eine Kammer bafür 
befomme." ferner für Sefolbung mit ©infdjlufc beS 2Wej$* 
gefdjenfeS Sttfjlr. 43 Sg. 29 8 Stoppen (?). ©umma 
ber gangen Sefolbung 62 Sttljlr. 5 Sg. 8 Stoppen (?) 
Slccibentien öon ben Äinbern für ©efdjenfe 10—12 Sttljlr. 
Sin ©etreibe 14 Srtl. Äorn; an Sßein 4 ©aum. 

SKünflerfd^ule Safel. ?efyrer §agenbad): ©infommen incl. ©efd&enfe 
174 ‘jßfunb, 1 ©djilling (?), 12 Srtl. Renten, 2 ©aum 
933ein, freie SBofjnung. 

Safel, ©t. 2WartinS*50täbd^enfc^ute: 3ä^rlid^ 133 $r. 12 ©. in ©etb 
oom Sertoalter beS Äirdjen* unb ©dfyulgutS; 3 gfr. 14 ©. 
13 '»Pfg. auS bem Slrmengut beS SJtünfterS, 36 %x. frei* 
mittige SRefcfram, Steuja^rS* unb StamenStagSgefd&enfe ber 
Äinber, 10 Srtl. $orn, 3 Älafter §olg unb 600 ©om* 
peteng=2Betten oon ber SermaltungSfammer gum feigen ber 
©djutftube. 

Dom Qfuta gum ©djmargroalb. IX. ^ 





34 Cm VollußlpÜDcfni fai b«n SnnHBantonm cm «ntc fen 18. Jn^ripmltrtf. 


$afel, Änabcttfdjult bei beit Sarfüfjeren: 

tfoe8 Stnfommen. 358 3?r. 8 ®g. 

©cfc^cnfc.180 „ — „ 

Stör ©^traftunben pro Stüter monatlich 
« ®J. - > 860 „ - „ 

Summa . . 898 grr. 8 8g. 

14 ©rtl. Äorn, ©ein: nichts r 4 Älaftcr #olg unb 600 
©ompetengioellen gar ©rtoärmung ber Schulflube. 

SRtc^cn: 3n ©elb gufammen ungefähr 200 %v., an ©etreibe 20 Sätfe 

Äorn, an ©ein 4 Saum, an §olg 2 Älaftcr ©ichenholg 
unb 30 gro&e buchene ©eilen, jur ©inheigung ber S d)\\U 
fiube 3 Älafter ©idjenholg, meines ihm aßeS gratis gu* 
geführt mirb. ©ine „S:^aucn SWattcn 11 , ein Siertel 
kleben, fo oon einem Stabtbitrger gum Sdjutbienfi legirt 
toorben, ein ©ärtlein beim Sdjutyau«. 

Sampenberg: ©on 48 Sdhulfinbern oon jebem toöchentlidh 7* öftfcen, 

bagu bie Äoft; an anbertoeitigem ©elb, ©ein, ©etreibe 
nichts. 

Der Se^rer oon ©uften, Johann ftafob 3?oth, beflagt ftd^ ^infi^tlic^ 
ber ©efolbung: „Difer SchulSehrerbienff, als einer ber befdjtoerlidjfien, ^at gar 
feinen ©ein, ift auch ber ©ingige unter allen ber Deputatenfdjulen beS gangen 
ÄaptonS, fo bife nötige ©ompeteng ermangelt, unb utufc ftdj ber Sdjul Sekret 
folgen gu feiner nötigen ©rquiefung auS feinen Äoßen anfdfjaffen.' 4 „3u 
©ünfd^en märe eS aber", — fd^reibt ber Sdjulmeifier auS Sticfenbad) — 
„man bie ©efefcgäber benen Schullehrern ©inen ©efferen Unterhalt ©eftimmen 
Stätten, bamit ftch biefelben ©effer bem Sd)uU bienft ©ibmen fönten". 

Mntou £man. 

L’ecole allemande ä Yverdon: „Le Maitre d’Ecole tire an- 
nuellement pour sa pension En argent L. 150. En graines 6. Sacs de 
8. quarterons dont il y en a 3 en froment et 3. en Messel [raeteil]. 
L. 65 de le bourse des pauvres de cette commune, L. 75. Qui lui 
ont ete payees regulierend chaque annee en titre de Gratification depuis 
ran 1780. par le ci devant Souverain de Berne L. 10. L’interöt d’un 
Capital de L. 200 au 5 p. destine pour cet usage par le ci-devant 
Souverain.“ 

Demoret: „La Pension est fixe En Argent 38 francs en Segle 

8 coupes Avoine 8 coupes le tout mesure de Moudon 
Bois- 12 chards dont le Regent doit l’aller prepare 
dans les bois et la commune est chargee du charois.“ 
Ber eher: „La Pension du Regent consiste 

Argent, 36 Ecus petits ou 72 L. la Commune paie 
22 Ecus ou 44 L. et la Charitable Direction 


Digitized by t^ooQle 






Da* DoUufdjnlwtfnt in iien Inra-'ßantowtt am ©nbe bfs 18 . äaljrlptnfctrts. 


35 


des Pauvres livre 14 Ecus ou 28 L. en- 
suite de la donation susmentionnee. 

Grain es, Seigle 3. Sacs ou 24 quarterons ) 

froment une coupe ou 4 q ™°g (* nesure de 
Avoine 1 Sac ou 8 quarterons jkansanne, 
Bois, Le Regent est oblige de couper et de re- 
duire le bois que la Commnne lui fait charrier. 
Cheneyier tres mauvais .... Terrain pour planter 
trois quarterons de pommes de terre. Tous ces Ar- 
ticles sont fournis au Regent par la Commune, excepte 
les 28 L. de la donation de Monsieur de Dortan et 
font toute sa Pension.“ 

Montcherand: „En argent 68 L., en graine, 40 quarteron, moitie 
bled et moitie mecle, et 6 quarterons de bled pour les 
javelles, le tout mesure d’Orbe qui revient ä celle de 
Berne, 6 chars de bois de daille rendus deyant la 
Maison. Pour conduire 1 horloge et Sonner midi 
16 L.“ „La commune fait la pension, au moyen de 
16 L. qu’elle retire de la bourse des pauyres, et 
d’apres ce que les Particuliers lui payent. Un jardin 
que le regent jouit est k la commune.“ 

Gossens: „la pension au Regent Consiste en argent k Yingt 

francs, deux Sacs de Segle et deux davoine. La Com¬ 
mune donne deux chars de bois pour echaufer la 
Chambre. La Pension se fait par la Commune qui 
retire des peres et meres Ce que j’ai dit au plus 
haut . . . 

Signy: „La pension Consiste en argent 74 Livres payable 

par la Commune et 6 Liv. par la Nation, en bled 
ce que cidevant est dit que chaque ecolier paye. 
[13 @d)iiler: Chaque ecolier paye demi-quarteron de 
bled par anne Mesure de Nyon] environ trente toises 
de jardin peu fertile, terrein de la Commune, et les 
benefices Communs (variables) ordinairement 28 Livres 
de fromage et 10 de beurre.“ 

Coppet: „L. 342 de dix Batz. En argent seulement. Elle ne 

derive ni de dixmes, ni de Censes foncieres, ni de 
droits feodaux. 

Etat de la Pension: 

Du ci devant Baron.L. 15 

Des Communes reunies, pour le Service de 

TEglise, y compris Coppet.L. 99 

De la ci devant Baronne Lotscher . . . L. 60 


r 


Digitized by t^ooQle 




36 


Da« OoUufdjulroefm hx bnt Inra-ficntosrn am 6 nbe bn 18. lat^mxbfrt«. 


Duillier: 


Coi nsins: 


Prangins: 


Trelex: 


Uebertrag.• . L. 174 

De 70 enfans ä 2 Batz par Mois, fait chaque 

annee.L. 168 

total . . . L. 342“ 

$agu fomrnt nodj bie 9?ufcniefcung einc$ ©artend unb 
eines ©türfeS Ißflanjlanb. 

,,Le Regent re 9 oit de pension annuellement 12 Louis. 
Tout en argent. 11 a en outre son logement et un 
petit Jardin, fournis par la commune.“ 

,,244 florins 1 S. 6 Pf. le fl. est de 4 batz. Et 
13 fl. 6 S. pour braise = pour Chaufage de leurs 
Enfans ; tout en Argent, point de Bled n'y vin et bois. 
La commune fait 122 fl. 6 S. outre les 13 fl. 6 S. 
pour leurs Enfans et la Bource des Pauvres fait 
111 fl. 7 S. 6 Pf.“ 

,,La Pension du Regent consiste en 20 Louis . . . . 
un Logement et un petit Jardin. Les 20 Louis de 
Pension sont fournis, la moitie par la commune et 
l’autre moitie par la Bourse des Pauvres. Le Bois 
pour la Classe est fourni par la Commune. II n’y a 
aucun fond particulier affecte ä cet usage.“ 

„Soixante Ecublancs, dix Livres de Boeure, et vingt 
de fromage. Pour tout, soixante Ecusblancs le Loge¬ 
ment et le petit Jardin. Pension tres modique vü 
la cherte des Danrees etcj^. Environ trois Cbards 
de bois, que le regen t fait couper et amener ä ses frex. 

Le Boeure, fromage, et Bois sont les mömes que per- 
^oivent les Citoyens, qui font leur menage separement 
dans le lieu.“ „D’aucune autre Source que des biens 
communaux, d'ont une partie consistoit en droits feo- 
daux.“ ,,pour quant au Vin“ — fdjreibt bcr Regent 
auä Lussery — „il faut que le pauvre Regent le paie 
s’il en veut boire sur la ditte pension, cependant il 
lui est indispensablement necessaire dans son cas“. 


SBir tljeüen, elje tnir ju einem abfdjtieftenben Söorte übergeben, 
nodj einige 93emerfungen mit, meldje, bie finanziellen 33erl)ältniffe be* 
treffenb, non ben 33erid}terftattem gemalt morben finb. 

£)er ©djutmeifter non Capraj menbet ftd) gegen bie übliche Sir t 
be§ SejugS feiner 33efolbung. „Le Begent“ — fdjreibt er — „est 
charger d’aler recouvrer sa Pansion de maisons en maisons au- 
prös de chaque particulliers, Et comme les plus pauvres sont 




Digitized by 


Google 



Da« *flolh8fdjttln>ßfjen in bin Sura-ßaittoiun am ©nb* bis 18. Saljrlpnibwt®. 


37 


oblige de payer leurs Cottes part; le Regent par ce moyen ne 
peut qu’etre mal paye de plusieurs; souvant apres baucoup 
d’attente et d’avertissement“. Sludj ber Celjrer (Späti an ber (Solo» 
Runter SBaifenhaulfdhule tiertritt bie 2lnfdjauung: „ber (Schultneifter 
füllte feinen Beftimmten 8oljn fo beziehen, bafs er fid) meber mit ber 
©emeinbe, nod) mit ben Sleltern ber Äinber befemegen abgeben bürfte". 
(Schon früher haben mir unter ben tlrfadjen bei fdjledjten (Schulbefudjl 
unb ben §inöerniffen ber Schule bal Schulgelb unb Sdhulljolg gefunben. 
©egen biefe birefte Qnanfprudinafjme ber Äinber gie^t ber Schulmeifter 
oon Obergölgen unb Söingnau gu gelbe. „Sßal ben (Schulleiter 
anbelangt" — fagt er — „fo ift fein begehren, bal fönnte gemacht 
merben, bal er fet> billigen Oienftlohn ohne Gsntgeltnul feinen an- 
mefenten Sdjulftnberen fönnte befahlt merben, meit ber Oienftlohn 
fo gering ift, bal er nicht fan bie (Schul hatten, man er nicht mehr 
aufs liebe, all aufs oerbienft, bie (Schul holtet". 2Bie münfchbar bie 
©rfe^ung ber (Schulgelber burch eine fiye (Summe ben Cehrern auch 
mit Öiücfficht auf fich fetbft fein mufjte, leuchtet uni ein, menn mir 
uni erinnern, mie unoollftänbig unb tropfenmeife — n la perception 
fractionnee de son salaire, indispensable suivant les Cas et le 
Local, en est encore un afFoiblissement“ fagt ber ^Bericht oon 
Cuffei'h — ihnen balfelbe mancherortl einging unb mie fie feinetmegen 
ba unb bort fich fdjelten unb befeibigen Iaffen unb Ciebe unb Dichtung 
einbüfjen mußten. 

Mit ben Klagen über bie SBefotbung fönnten mir mit Ceidjtigfeit 
manche (Seite füllen. 3lul ber Menge heben mir nur bie eine aul 
bent fdjon citirten Bericht oon Cufferty, metche bie gange öfonomifche 
(Stellung bei ßehrerl betrifft, heroor. ©I h p ifet ba: 

„1 Le Sol de Lussery, Jngrat, occasionne que les particu- 
liers pour laplupart en de bonnes annees n’ont que leur neces- 
saire, la production du Terrein est insuffisante ä l’entretien de 
ser Individus ; la # Commune et la Bource, ne sont point fortunees 
je m’y suis plu mais je n’ai pu m y faire riche, et actuellement 
que je suis infirme et insuffisant je me recommande aux Bontes 
de mes jours ainsi que ma femme et mon enfant. 

2 II est tres necessaire pour le bien de l’instruction de la 
jeunesse que les Autorites Politiques prennent ä Elles le soin 
des Regens et de leur salaire, des Ecoles et des logemens; s’il 


Digitized by 


Google 





38 


Das {foUtfttttotfim tu ben Inrn-Äantoneii am <Nbt bet 18 . Sdprinnderta. 

est mal nourri, il servira mal; s’il a des diffioultes ä percevoir 
son salaire, il sera exposö ä des proces, s’il est mal löge ses 
soins seront moin efficaces et ä moins que d'une affeotion par- 
ticuliere pour le Lien il se degoutera, et un Regent p au vre sera 
mäprise de ses Ecoliers et du Public et perdra l’ascendant ferme 
qu’il doit necessairement avoir 

3 Quand il sera qu’un Regent ne percevra son salaire que 
de la main des Autorites Politiques il eprouvera moins de des- 
agremens quant aux ressentimens des Individus d’un Public 
aupres desquels il doit le percevoir, surtout de ceux qui sont 
insuffisans il en aura plus de plaisir et son salaire lui sera plus 
profitable. 

4 Un Regent ne devroit avoir d’autre profession celle ci 
occasionne la melancholie ä quiconque n’est pas d’un humeur 
joial et eile est ingrate en bien des endroits en vers quiconque 
est srcupuleux ä faire son Devoir; il servit & craindre que son 
penchant favori ne fut pour celle qui lui procnreroit le plus de 
benefices et moins d’agitations“. 

SJegeidjnenb ift aud), baß $ofjann Heinrich Scßerb oon SBafet, 
Sdjulmeifter oon SlriSborf, gu Söeihnachten 1798 feine Stellung toegen 
gu langen StuSbleibenS beS QcinEotnmenS quittirte, um ftcß in 93afel 
mit Information ber SEinber, mit ©inbirtben oon Supern, mit ßeicßnen 
unb ©rabfcbriften[d)reiben abgugeben. — 3)em Bürger ©frörer, Scf)ul= 
meifter in .ßurgad), ftanben mit Sftartini 1800 fcßon brei QahreS* 
befolbungen auS unb aud) bie übrigen Ce^rer beS SEantonS ©oben 
befanben fid^ bamalS in einem fo bürftigen guftanb, „ber befürchten 
läßt, baß biefelben auS Mangel oon Unterftüßung ihre Stellen oer* 
laßen mögten". $n bie bamalige ÜJlotlj läßt unS auch ein oom 
9. Sluguft 1800 batirteS btingenbeS Slnfucßen beS ©rgiehungSratßeS 
an ben Sttinifter ber fünfte unb Söiffenfcßaften ^tneinblicfen: „bie 
SWunicipalitäten burch ein förmliches ©efeß anguhalten, Quellen ohne 
2lnftanb auSßnbig gu machen, auS toelcßen bie Schullehrer Eönnten 
befolbet toerben, ober aber bie Söürger nach if) rem $3ermögenSftanbe 
befteuren gu taffen; — benn manglet noch gar ber Unterricht ber 
$ugenb, fo manglet getoiß für jjeßt unb in .ßuEunft alles, ba bie Sitten* 
lojtgEeit übergroß — bie Untoiffenljeit abfcheufich — baS ©etberbttiß 




Digitized by 


Google 



Da» *JoUi*f4jnlwffen ht den anra-Äantonw am tfttfct bas 18. 3aljrljtmb«ri*. 


39 


allgemein, unb bie Siachläfftg» unb Sorglofigfeit ber kelteren unoer» 
antwortlich, oerbammlidj. —" 

Slun ftnb wir mit unferen Slugeinanberfjungen am (£nbe. 0b 
mir auch bie lichten färben nicht o ergaben, fo ift, mie mir am @in» 
gang eg angefünbigt haben, ein Schattenbilb herauggefommen. SDafür 
barf man, mie mir früher fcfjon baoor warnten, nicht bie Öe^rer allein 
oerantWortlidj machen, ob auch fte einen 2§eit ber auf oerfdjiebene gaf» 
toren fallenben ©chulb tragen. ®ie bamalige Sdjule War fo recht 
ein SEinb ber bamatigen 33erljältniffe. -Dian lebte in erfterSinie 
für bie Slrbeit; mag nicht unmittelbar berfelben biente, erfchien alg mertf y 
log; nacf) geiftiger Silbung mar fein 23ebürfnih oorljattben unb aug bem» 
felben ©runbe für bie ©cf)ule unb ihre Söeftrebungen fein 33erftänbnih; 
biefe mar üielme^r alg £jinbernih empfunben, bie Äinber jur Strbeit 
unb junt 93erbienft ju oerwenben, meg^alb mir benn auch manche 
Silage über alljufrülje Uebergabe ber ©dfüler an bie Sdjule unb oor» 
geitige Söegnafjme aug i^r gu hören befamen. ®a ©taat unb ©e= 
meinben fidj ber Gsrjiefjung wenig annafjnten, mürben bie ©djulen 
auch eine finanzielle Saft berer, bie fie benü^ten, unb eg ift Wohl 
richtig gefagt worben, bafe oiele Stinber „Stöcfe" bleiben mußten, weil 
ihre armen ©Itern bie materiellen Seiftungen an bie ©dhufe nicht auf» 
jubringen oermochten. ®amit im guftHnmenljang fteht auch bie geringe 
Seiftunggfähigfeit unb Unmiffenheit beg größten ü£fjeilg ber bamaligen 
©chulmeifter. ®ie meiften höben feine berufliche SSorbilbung genoffen; 
Eönnen mir fie bafür oerantwortlicfj machen ober müffen mir eg nicht 
begreifen, wenn fie wenig $eit unb ©elb ober gar feineg auf bie 93or» 
bereitung eineg fo wenig einträglichen SBerufeg aufmenbeten? £>arf 
man fidj Wunbem, Wenn Ceute, bie einft in ber Qugertb felbft nur 
wenig lernen fonnten unb biefeg Söenige big jurn Antritt beg Schul» 
amteg — oft im 40., 50. $ahr, wie aug ben 2lltergtabellen beutlich 
heroorgeht — wieber oergafjen, nur geringe unb fcfjledjte Seiftungen 
aufweifen? dürfen mir einen ©teiti auf fie werfen, wenn fie in 
mancherlei ber Schule fremben Siebenbefdjäftigungen ihre Kräfte jer» 
fplitterten unb bie Schule oielfadj alg Siebenfache behanbelten? SBaren 
fte nicht barauf angemiefen unb baju gezwungen'? SOiüffen wir nicht 
öielmeljr ung barüber wunbem, bah tcof? biefer unerquicflidjen 93er» 
hältniffe immer noch Ceute ftd) finben liehen, welche fich für bie Sache 
beg ©djulunterridjtg hergaben? ©ewifj, eg ^at ber ©chulmeifter oon 




40 


Btoette $*tratij. 


ObergöSgen unb SBingnou nid)t übertrieben, wenn er fdjrieb, ber 
£)ienft(ol)tt fei fo gering, „baS er nicht tan bie Sd)ul galten, man er 
nicht mehr aufj liebe, als aufs üerbienft, bie Sd)ul galtet". 

Söie 'ift eS bodj anberS geworben in Ijunbert Qaljren unb fo, bafj 
in Sejug auf baS SoltSfdjulwefen faurn jemanb fid) jurücfwünfcht 
in „bie gute alte 3eit"! 




3t»rite 0mat|, 

Son &b. Itibaur. 

2lu8 bem „Contes chez nous“. 

Slutoriftrte Ueberfe^ung oon ©life ©berfolö. 


//“£Sj)uftin Sraillarb ^at in ©orgier ben erften ßug genommen 
unb fteigt etwas oor ad^t Ufjt in Saint*Slaife auS, um oon 
bort §u gufj nach Signieret ju gefjen, wo heute, ben oier* 
unbjWanjigften Märj, großer Siehntarft ift unb Wo er im (Sinne hat, 
eine Stuf) ju taufen. Schon tünbigt fiel) ber Frühling an; in ben 
Sßälbern, bie er gegen grodjaub wanbemb burehfdjreitet, meint man, 
baS Steigen beS SafteS in ber ^ßflanjenwett ju hören. 21uS bem 
langen Söinterfchlaf erwart, ftreefen bie Säume ihre tnofpenbebeeften, 
halb in frifchem Caube prangenbett Slefte auS, jwifchen benen ein gart* 
blauer ^jimrnel hiuburchfchtmmert, an bem bie noch etwas fchüdjtente 
Sonne ftrafjlt. 3 w *f^ en öen bürren ßweigen oom testen §erbfte 
her lächeln lilafarbige Süfdjet Ceberblümchen unb gelbe Primeln auS 
bem Soben unb ba unb bort oerräth ihr SSohlgerud) oerborgene Seilchen. 

$od) Quftin bleibt gleidjgütig gegenüber biefer morgenblidhen 
Schönheit, biefem wunberbaren ©rwachen ber Statur ringS um ihn. 
Slnbere Säuern, bie ebenfalls in Saint*Slaife auSftiegen unb beren 
3iel CigniereS ift, [äfft er oorangehen unb wanbert, ben bieten Stoef 
in ber $anb unb mit befiimmerter Miene, einfam weiter. Quftin 
ift nicht weit oon ben Sierjigen unb niemals fchön gewefen. Mit oier= 
unb^wanjig Qah ren oerheirathet, hatte er wenig Urfache, bem ©he* 


Digitized by Google 




Broette tfjthrotlj. 


41 


ftanb ein öoblieb gu ftngen; fein 800 S mar fein leicEjteS geliefert, 
©eine grau, eine Metttfea non ©ortaittob, war reicfe unb liefe eS ifen 
noc^btrüdEIid^ fügten. .33ont erften ©age an nafem fte baS ©cepter in 
bie |)anb unb regierte baS gange £>auS mäferenb gefen gaferen als 
unumfcferänfte Königin, befeanbette ben ©atten oon oben feerab, befahl 
ifent mie einem Sfriedfet unb bemalte ifen mie einen fteinen gungen. 
©in, gmei Mal, oerfucfete er, fein gocfe abgufRütteln, gab aber fcfetiefelidfe, 
um 9Rufee gu feaben, nacfe, toie fdjmer eS ifent aucfe tourbe. ©rinnen 
unb braunen fommanbirte bie grau, unb menn ber UnglücKicfee etwa 
einmal mit fefer fdfeiidfetemer Miene irgenb welken ©intoanb magte, 
Ejatte fie eine Spanier gu fagen: „Stammt baS Vermögen oon bir ober 
mir?" bafe er fofort flein beigab. ©üblich fam bie ©rlöfung; fte ftarb 
unb Unterliefe guftin als Vergütung ifer fänuntlicfe ^ab unb ©ut. 
©oife fcfeien ifen ein maferer Unftern gu oerfolgen: feitbem machten ifent 
bie Mägbe baS geben fauer; in ein paar gaferen lüften ein fealb 
©ufjenb ficfe ab, ofene bafe ifent eine einzige gufagte. ®ie erfte, eine 
gaullengerin, ift oon einer ©cfenecfenlangfamfeit, läfet aHeS feerum* 
liegen, oergifet bie ©dfemeine gu futtern unb bie fiüfener in Dbacfet 
gu nefemen; jeben ©onntag Morgen mar guftin gu einem Auftritt 
gegloungen: ba gab’S §>emben offne knöpfe, ungebürftete Kleiber unb 
er fonnte lange reben, SBocfee um SBodfee mar bie gleite Unorbnuttg. 
®ie gm eite füferte baS ^jauStoefen anftänbig, moHte aber alles nacfe 
iferent Stopfe madfeen; ba feiefe e§: „9J?etn ©arten'', ,,mein ^auS", unb 
fte faufte unb oerfaufte, ofene gemanb gu fragen, guftin mar nidfet 
mefer §err im eigenen fjaufe unb ba featte er enblicf) genug! ©ine 
anbere beftafel ifen auf’S ©cfeamlofefte. ®ie mar oor brei Monaten 
fort unb feitbem featte er, ber ©adfee überbriiffig, gegögert, ifer eine 
Sltadfefotgerin gu geben, gefet aber mar eine anbere ©efdfeidfete! 2 öie 
foHte baS auf bem grofeen ©ute mit all bem 23iefeftanb, ofene grau 
unb Magb meiter gefeen? SBäferenb ber ©rabarbeiten in ben Stehen 
mar er bereits genötigt, um eilf Ufer feeimgugefeen um gu Mittag gu 
fodfeen. Unb Stöcfein fein in feinem Sitter, menn man baS nidfet ge« 
mofent, ift meiner ©reu ein 33iScfeen ferner! Unb in gmei Monaten 
toaren bie grofeen „Sßerdfe": fettet unb ©rnte ba unb guftin fragte 
ficfe mit maferer ^ergenSangft, maS er ba anfangett foHe. 

* * 

* 


Digitized by 


Google 



42 


Bmettt 4)*iratJ|. 


Qn ©ebanEen oerfunEen marfcfeirt bcr Sauer feit anbertfealb 
©tunben unb nun öffnet fid) baS grünenbe 2feälhen oon CigniereS 
in bejaubernbet, frühlingSfeafter iDtorgenfrifcfee oor ifeni. Qm hinter« 
grunb ftnb bie wofjlfeabenben §>öfe beS SDorfeS mit ihren braunen 
£)äd)ern jerftreut unb jwifhen ben ©ebäuben breiten fid) fdjöne Saum* 
gärten mit ihren batb in SÖIütEje ftefeenben ©bftbäumen auS. 

Sluf bem oor bem ©emein bewirtfeSfeauS ^crrfd^t grofeeS 

SttarEtgewithl- Son Tagesanbruch an h>ar baS ein ©eben unb kommen, 
eine ungewohnte SRegfamEeit im Torfe; bie Krämer ftnb nach unb nach 
angelangt unb haben ihre ©tänbe aufgerichtet. Ta wirb alles 9Jtög« 
liehe »erEauft: ©emüfe« unb Slumenfämereien, ©efeiwiebelti unb auch 
fdjon ©enfen unb ©trofefeüte, obfdhon ber ©ommer noch fern ift. 
Saufenberiet ©tintmen Ereujen fidh: Stufen ber ©trafeenoerEäufer, 
©efchrei ber ©üben, ©efhäftSoerfeanblungen, unb barein tönt baS 
9Kuhen ber Ochfen unb Stühe, gleich einem jeitweiligen Safe. TaS 
fchöne SSetter hält an unb auS ben umliegenben Törfem Eommen 
bie Ceute truppenweife — bie Säuern in braunem ^alblein, bie Stofe« 
hänbler in ihren langen blauen ober grauen Ueberfeemben, gefefeäftig 
hin« unb feerlaufenb. Unb in ber ©cfeenEe, bie ihre genfter ber milben 
©onne weit öffnet, erhebt fiel) um bie rafch geleerten glafdjen ein 
Wahres ©timmengewirr. 

@3 ift Diel Sieh ba: reifee unb weifee Ocfefen, etliche ßuefetftiere, 
©efeafe mit Eraufem, wolligem gell, feübfcfee Kälber, bie ifere muntern 
Sprünge machen, feauptfäcfelih aber St'üfee — ©immentfealer unb 
©cfew^errace. Quftin läuft auf bem SDtarEtptafe umfeer, feört auf bie 
©efpräcfee, erEunbigt fiel) nah bem greife unb fuefet mit ben Slugen 
nadfe einem ifem anftänbigen Sfeier. Ta jiefet eine, etwas abfeitS oon 
einem jungen SRäbcfeen bewachte Stufe feine SlufmerEfatnEeit auf fth- 
@3 ift ein fcfeöneS ©tücE „©djwarsflecE", mit feinem, weifeen ®opf unb 
jwei fhwarjett Sternen neben ben Singen, grofeen, etwas feuhten 
unb fefer gutmütfeigen Slugen, glänjenb, feinem gell, wofelgeftalteten 
Seinen unb prächtigem Suter. 

„Qft bie Stufe ba gum oerfaufen?" fragt Quftin näfeertretenb. 

„Qa", lautet bie Slntwort. 

„3u welhem tß re ife? // 

„TaS wirb Such ber Sater, ber in einer üötinute wieber Eommt, 
fagen." 


Digitized by Google 




43 


9lud) baS junge SKäbdjen mit ben blauen Sfugen in bem ettoaS 
bleiben ©efidjt, bent braunen lodigen $aar unb bem gierlidjen SQtunbe, 
ift Ijübfdj. 

„SBoljer fommt ^r? /y erfunbigt firf) Quftin. 

„93on ©oncife; mein SSater ^ei^t £)aoib ©urrtt." 

„2fdj fo r mirtlicf) ?" 

„333ir motten auS ber ©egenb fort unb oertaufen befebatb oor 
ber Stbreife alles." 

„SBoljin gef)t Qh r — menn’S erlaubt ift gu fragen?" 

r/üftacf) Slmerifa." 

„Stad) Slmerifa? Unb Qh r ebenfalls?" 

„$a, id) mufj mich barein fdjtden." 

Qn biefem Slugenblid tarn beS SftäbdjenS 33nter Ijerbei, gefolgt 
oon einem |)änbler im grauen Stittel, mit ©päfjeraugen unb pfiffiger 
9Kiene. 

„Couife, ^ier ift ein Oiebfjaber für ben „©djmargtleb", fe£)t, $err, 
ob id) übertrieben fjabe." 

®er SJtann unterfud)t bie Stuf), Dorn/ ((inten, oon beiben (Seiten; 
er betaftet fie, überzeugt ficf) oon ber geftigfeit beS ©uterS unb nimmt 
auS ber £afd)e ein menig ©alg, baS er il)r auf ber f)anb £)in^ält. 

,*^a, ja, baS S^ier gefällt mir giemlidj gut; aüein $f)v mißt, 
bie greife finb im ©inten begriffen, — nun, idj biete ©ud) gmölf 
ÖouiSbor bafitr." 

®er alte ©urrit fieljt, mie feine Softer, trübfelig unb elenb auS 
unb Schüchternheit unb SBeftürgung malt fid) in feinen $ügen; eS ift 
t(ar, baß er ficf) oon bem flauen fpänbler, ber il)n mit einem einzigen 
iöliif burd)fd)aut, befteljten läßt. ®od) fguftin fühlt ficf) oon plößlidjem 
SJHtleib ergriffen. „Söart", murmelt er, bem fpänbler oon unten 
einen SBlicf gumerfenb, „mart, SBruber Suftig". Unb an ben oöttig 
erftaunten ©reis gemanbt, fagt er leife: „Saßt mid) machen". 

£>ann fefjrt er fid) gegen ben SBloufenmann: „Qf) r f paff et; gmölf 
CouiS für eine fofcfje ftut)! Qdj bot eben fünfgeljn". 

„^ßuf)! . . . 9tun, id) gebe ebenfalls fo oief." 

„Sie ift aud) bamit nod) nicht genug begaljlt, fonbern ift brei- 
I)unbert fünfgig g-ranfen mertlj unb id) nehme fie gu biefem 5ßreiS!" 

,,Unb id) für oierljunbert." 



Digitized by 


Google 



44 


Biotite flttroilj. 


„So fo, Qfjr habt Cuft, mich gu ärgern; borf; mir wollen feljen, 
wer SJieifter wirb, id) gehe bis uierfjunbert gwangig!" 

„Unb ich bis öierhunbert bretfeig. // 

25er £>änbler gögert unb muftert bie ftüh nochmals mit Senner» 
blief; eS ift unläugbar ein ^Srad^töftütf unb er macht, auch wenn er’S 
fo tfjeuer begaljlt, nod) immer einen „Schief". 

„Vierhundert fünf§ig/ / erflärt er, „weiter gelje icf) nicht". 

Quftin E>ält biefen ^ßreiö für genügenb; ber Streich ift gelungen, 
er unterbrütft ein Sätteln unb meint: „meiner Seel, 3h r müfjt eine 
wo£)fgejpi(fte Vörfe h Q ben; eS ift unmöglich, ftd; mit (£ud) gu meffen. 
9hm, nehmt bie Suh, wir wollen nic£»t mehr brüber reben". 

Vater (Surrit ift glütffelig unb labet alle gu einem ©tafe 28ein 
ein. ®er <$änbler gibt feinem Snedjt ein geidjen unb biefer eilt 
l)erbei. Gouifc unb itjr Vater nehmen Slbfdjieb Don „Sdjfoargfleb", ben 
baS junge Sttäbdjen gum lebten 3J?al ftreicfjelt; fte führt itjn nun 
fiinftig an frönen, lebenfprühenben ©ommertagen nicht mehr auf bie 
Slllmenb, um ba baS aromatifcf) buftenbe ©raS abguweiben; bie gange 
frieboofle Vergangenheit ift ba^in! 25aS oerftänbige Schier fetjeint gu 
begreifen, waS oorgeht unb betrautet Couife traurig. ®iefe aber wenbet 
fich ab, um ein Schfuchgen gu unterbieten. Sille oier finb in’S ©e= 
meinbeWirthShauS getreten, wo nun ber Viebbänbler einen ‘Dollen 
Öeberbeutel auS ber SJTafc^e gieht unb bem Vauer bie feftgefe^te Summe 
auSgahlt; nachbem er auSgetrunten, entfernt er fich mit ben SBorten: 
„Qdj bin noch nicht fertig, fonbern habe noch »eitere ©infäufe gu 
machen. Slbieu mit einanber!" 

SllS er fort ift, fagt Vater ßurrit gu Qnftin: „3h r h ö bt mir 
einen famofen Dienft erwiefen". 

„Sich »aS, ift nicht ber 9J?üt;c werth, er begahlte für ©ure Sulj 
übrigens nicht mehr, als fie werth ift. Sllfo, 3h r »otlt nach Slmerifa 
auSwanbern?" 

„Qa, waS wollt ^h*? ® a S Geben hier gu Canb ift unerträglich; 
eS ift umnöglidh, bafj eS bei all ben ginfen unb Steuern langt! Sßenn 
wir über S'teuenburg heimgehen, wollen wir bei einem SluSwanberungS» 
agenten unfere fßicM§ e beftellen unb bie Sache richtig machen." 

Quftin war nacfjbenflich geworben, feine Sorgen, bie er einen 
Slugenblicf oergeffen, bemächtigten fich feiner auf’S Sceue. 2SaS fott 
er, belaftet mit feinen ©auShaltungSgefchäften, anfangen? ®aS ^afjr 



Digitized by Google 




45 


fängt mit guten SluSjtcbten an; eS giebt Diel ©raS unb ©etreibe unb 
barutn auch Diel Slrbeit. SEBieber eine ÜKagb anftellen? ©cbönen ®anf! 
28er aber fott alle fDJorgen ben SJtä^bern baS grühftücf bringen? 
Unb bodj man, meiß ©ott, nadf gtoeiftünbiger Arbeit im ^b au 
eine Saffe Kaffe Donnötljen! „9fein, nein/' benft Quftin, „baS fann 
nicht mehr fo fortgeben, ^dj muß mieber beiratben; aber toer wirb 
mich mögen? heutigen Sage* ftnb bie Sdiäbchen ferner gu befriebigen 
unb bagu bin icb nicht in her Saune, ©iner lange ben £>of gu madben. 
©leicbmohl febe ich nicht auf's ©elb; bie reichen Säuern Eönnen mir 
geftoblen m er ben, Don ber ©orte höbe id) genug gehabt! ®aS Vefte 
für mi<b ift ein junges ÜDtäbcben ohne Vermögen, baS DöHig glütflid) 
ift, ein eigen |>eim unb eine gefieberte ßufunft gu finben." 

Sftecbanifcb fyob er, b* er angelangt, ben Stopf unb feine Slugen 
richteten ftcb auf Souife, bie, ihm gegenüberftfjenb, ebenfalls in fd)merg* 
UdbeS ©rübeln oerfunfen fchien. Denft baS arme Ktnb an baS ferne 
Slmerifa, mobin ein fcbnelleS ^aljrgeug fte morgen fchon über’S 9J?eer 
tragt? Vetrauert fte ihre ^eimatb? SEBarum gmei Spänen — gmet 
^Regentropfen auf bem ©atin gmeier Kornblumen — im SGBinfel ber 
blauen 2lugen, gunt Ueberfliefjen bereit? ,,©ie meint," benft ^uftin, 
„ift alfo nicht glücflieb! SBogu auch artberSmo fuchen? ®a, ba ift bie 
©attin, bie ich bebarf; bie ift nicht ttergogen; fie mirb ficb mir unter« 
orbnen unb baS £>auSmefen ficb angelegen fein laffen. Ob fte mobl 
einmilligt? ®aS ift eine anbere grage. Ungmeifelbaft fagt fie gu! 
Qdj bin meber fo alt, noch fo fehlt mm, um fo ein SRäbel fürchten gu 
machen. Unb bie 2Babt gmifdjen Verbannung unb einer £>eiratb mit 
mir mirb ihr faum fdjmet faden. $a mabrbaftig, ich bin entfdjloffen! 
2lber tro^bem, menn man mir baS gefagt hätte!" 

®ie ©läfer finb leer; Vater ©urrit unb Coitife machen SRiene, 
aufgufteben. 

„©ine gflafcbe!" ruft Qfuftin, um fie gurücfgubalten. Unb feinen 
©tuhl näher rücfenb, fängt er, unmidfürliih bod) etmaS Derlegen an: 
„@agt, mürbet ^h r annehmen, menn man ©uch ein SRittel geigte, in 
ber ^»eimath gu bleiben?" 

„Ob mir annähmen, oh!" fdjrie baS SRäbdjen auf. 

„$Run benn, modt $b r mich gum SRantte?" 

Souife unb ihr Vater glaubten, nicht recht gehört gu haben. 

„2Bie? maS? ©r ift gemifs nicht recht bei ©innen!" 




46 


Bacttt 4jeiniU|. 


„Sich nein, nein," fährt guftin, ihre ©ebanfen erratljenb, fort, 
„ich Bin ganj gut beim 33erftanb. £jört, ich Bin S53ittmer, unb baS 
ift Bei einem großen Säuern»oefen nicht luftig, baS oerftchere idh Sud). 
Söißigt ein, Jungfer öouife; bann hat ©uer Sater ein OBbadj für 
feine alten Sage unb $h r fetber follt nicht unglüdßidj fein, baS oer« 
fpredje idj ©udj." 

(Sie haben Begriffen, bafj fein Sorfchlag ein emftgemehtter ift. 
Öouife fieljt nun auch UjrerfeitS Quftin an. ©emifj ift er nicht baS 
gbeat eines ©atten! 316er baS arme «inb ift nicht fo weit, fidj ein 
gbeal fudjen ju bürfen; 9?ul)e, Sicherheit ift fdjon oiel für fte. guftin 
hat baS SluSfeljen eines Brauen SWanneS; er »erfpridjt, fie glücflich 
ju machen, unb biefer SUp — bieS Slmerifa — mirb »erfdjminben. 

„Sagt, ift Such baS anftänbig?" brängt Quftin. 

„Seht", mirft ber Sater ein, „fie !ann bodj nidht fofort ja fagen, 
baS mufi überlegt fein!" 

„Unb ich lann nicht märten; eS Braucht brei Sßodjen für bie Ser« 
fünbigung; ©nbe Slpril fönnen mir ^ochjeit halten. SiS bahin mohnt 
fie bei meiner Sante Shlvia ißointet unb ich 9 e be ihr eine 3lr6eiterin, 
um ihre SluSfteuer ju nähen." 

Ser Sater lächelt. Sag ift entfdhieben ein unverhoffter ©lücfg* 
fall! 353er hätte baS gebadjt, bafj er heute in öigniereS einen Sodhter« 
mann fänbe! 353elch ein SIBenteuer! SaS mirb ein ©erebe geben! 
Sofern Öouife menigftenS ja fagt! Sie Qugenb ift manchmal fo munber« 
lidh! Unb ber Siebermann, tion furcht ergriffen, fie laffe ftch biefe 
günftige ©elegenheit eritfcfjlüpfen, mirft ihr flehentliche Slicfe §u. 

gnbefj Beruhigt er fid), als er fte bem entjücften Quftin lädjelnb 
bie $anb über ben Sifdj reidhen fieht mit ben SBorten: 

,,gdj miHige ein!" 

* * 

* 

©ine Stunbe nachher macht fid) baS feltfame Srio auf ben 3S3eg 
natf) ©orgier. 

Unb fo Brachte guftin von bem 9J?arft in ÖigniereS ftatt ber 
«uh, bie er fudjen ging, eine grau, bie er nidht fudhte, mit nadh $aufe. 


\ 


Digitized by Google 




ttötar- nnb tfoUuleben im Ädjwarfwalb. 


47 


|tat»r= nii ItalksItbrK in Sdnntjmili.* 

3Sott §Utrl ftoUbmtf. 

ie 3 e ü cn / 100 unerme^tidje SBätber bett ©tolg ©ermanienS 
Bitbeten, ftnb vorüber. 90?efjr unb mehr verringerten unb 
lidjteten fid) ihre Seftänbe; nur bie (jöljeren ©eBirge goBen 
ifpten nadj wie vor eine fixere 3uftudht§ftätte. gn ihnen BtieB benn 
aud) ber gonge 3ou6er Watten, ber ehemals bie fpeimftätten unferer 
Stfmen umgab unb mit frifdjem £)aucfje uns auS ihren Siebern unb 
©agen anweljt. Oie Segriffe Söatb unb ©eBirge verfdjmotgen förmtid) 
in ber ©pradje ber fpäteren 3 e ^/ wofür ber Söhmer*, Saper* unb 
S^üringerwatb, ber Oben* unb ber ©djwargwalb unb viele onbere 
3üge unb ©ruppen be§ beutfcfjen SDHttelgeBirgeS in ihren tarnen 
Setege Bieten. 

2(6er felBft Bis in biefe ©infamteiten folgte ihnen an vielen Orten 
in fpüterer 3eit ber 2lderbau mit feinen geregelten Sinien, bie gnbuftrie 
in ben Spätem mit raudjenben ©dhloten unb tautem ©etrieBe. SBenige 
©eBirge Bewahrten bie alte unentwegte 2BatbeSherrlid)teit, unter ben 
rljeinifdjen feinet fdjöner, atS ber ©djwargwalb. 

©rft in fanfteren, reich Bebauten Sorhöljen, bann aber in ftotgen, 
finfteren kuppen unb 9tüden [teigen feine Sergmaffen über bie grünen 
SBiefenftädhen ber OBerr^einifc^en Tiefebene empor. 2ln feinen gufj 
lernen ftd) bie reidjften Stnfiebtungen, bie meiften ©tübte unb Oörfer, 
wetd)e bie gtufoeBene fd)euten, in ber ber ©trom, nodj erregt von ben 
gälten unb ©ngpäffen beS gura, reifjenb feine gtuttjen burd) bie leidet 
Beweglidjen SIBlagerungen eines ehemaligen Sinnenfee’S führte. Oie 
Sobenanfdjwettungen vor bem ©eBirge bagegen fieberten vor ben lieber* 
fdjwemmungen beS SR^cineS, ber, häufig Sett unb Dichtung veränbernb, 
unb erft in jüngfter 3oit burdj riefige, toftfpietige ©trombauten ge* 
feffett, wie ein Böfer llnhotb bie oberften ©tridje biefeS OieftanbeS 
bebrohte. @o finben wir greiburg, Offenburg, Saben, Karlsruhe/ 
Srudjfal, ^jeibelberg unb gwifd)en biefen ©täbten gafjlreidje Heinere 

* 8tu$ „SUjeinifdjeö 2Banber6u<§". S5on Äarl JtoKba$. Sonn, @mil Strauß. 


Digitized by 








48 


Hatnr* nrib ))olkeieben tm Sdjtoarpoalb. 


Orte in grämlicher ©ntfernung uoin einfamen 0-luffe, ober in nächfter 
Stälje beS fdjüfcenben ©ebirgeS, on beffen ©orhöben ein milbeS Älinta 
eine ^errtid^e ©egetation begünftigt, Welche in biefen wedjfelootlen 
CanbfchaftSbilbern, int ©orbergrunbe beS bunflen SSalbgebtrgeS erft 
recht gur ©ettung fontmt. Slber nicht »eit reicht biefe 3 onc / 0,0 ber 
SBalnufjbaum fid) fdjattenfpenbenb über ben SBo^nftätten ber 2ftenfdjen 
auSbreitet, wo eble Sieben an ben ©ergen emporKimmen unb feine 
Obftforten im ©erein mit fremblänbifdjen 3rärgewächfen in ben ©arten 
gebeiben unb ben Schntucf ga^treic^er, wunberooller öanbjtfce bitben; 
halb, auf ben ^jölfen unb aufwärts in ben Shälern beginnt ber SBalb; 
unb feinem Steidje führt nun unfere SSanberung gu. 

SieSmal wählen wir als SfuSmarfdjort greiburg im ©reiSgau 
unb Wenben uns burdj’3 IjöHentljal aufwärts, um gleich gu ben höd)ften 
©rfjebungen beS ©ebirgeS gu gelangen, ©in weiter Söiefengrunb, 
»on Slderfluren unterbrochen unb bi er unb ba bon länblichen Sin* 
fieblungen belebt, nimmt unS jenfeitS ber testen ©ororte unb ©ebäube 
oon ftäbtifdjem Slnftrich auf. Östliche Stunben oberhalb aber tritt 
ber SBalb näher heran. SaS Sf)al wirb enger; bie bunflen Sannen 
fteigen oon ben ©ergen herab, ihre ftolgen graben ©eftalten fteljen 
bicht gefchaart auf bem ©oben beS SfjaleS unb umfdjatten ben rau* 
fchenben ©ach, ber mit tebenbigem ©efäHe burd) granitene gelSftücfe 
fchäumt. 916er auch bis in biefe SBalbeinfatnfeit brangen bie Sin* 
fieblungen ber ÜÖtenfchen. SEreifchenb arbeitet bie (Sägemühte im ftillen 
Sljalgrunbe; unb oereingette SBoljnhäufer fteljen inmitten ber weiten 
gorften auf grünem SSiefenplan. ©igenartig wie Sitten unb Sprachen 
beS SchwargwälberS ift auch bie ©auart biefer Käufer. Söiit feinen 
©allerien an ber Stufjenfeite, feinen braunen Stämmen unb Keinen 
genfterdhen erinnert eS an’S SdjwetgerhauS; allein währenb bei legerem 
bie Scheunen, Ställe unb Schober meift abfeitS unb gefonbert liegen, 
oereinigt baS erftere alles bieS unter einem einzigen Süefenbadj, baS 
bicht bemoost in meift erbrücfenber SluSbehnung nach einer Seite hin 
tief gurn ©oben fid) h crfl bfenft. Oben liegt bie Sdheune unb bie 
Senne, unb über ben köpfen ber SWenfchen unb ben bicht baneben 
eingebauten £muStt)ieren wirb ein* unb auSgefaljren unb gebrofchen. 
Stur bie ftarfen Stämme ber Sd)WargWalbtanne tragen feft unb ftcher 
biefe über ben SBohnräumen ruljenbe Saft, ©egenüber bem |)aufe ift 
faft allemal ein fleiner Oueß abgeleitet unb riefelt burdh jwei, oon 



Digitized by 


Google 




49 


Wafcttr- nnb IfloUwUben im Ädjnwrfnmlb. 


mächtigen auSgehöhlten ©aumftämmen geBtfbete Sröge, oon benen 
ber oBerfte baS SrinEwaffer für bie ©ewohner, ber untere bie SränEe 
für baS ©iel) liefert. 

SBenn im hinter bie gelbarbeit ruht, unb braufeen ber Ealte 
SSinb Etingenb burcfj bie Bereiften Sannen gie^t, mirb baS innere 
biefer einfam gelegenen Käufer ber ©chauplafe einer lebhaften §atib* 
befchäftigung. ©trohhüte fted^tenb ober UhrwerE bereiienb fifet gung 
unb 2llt Beim ©djem ber Campe; unb felbft im ©ommer fiefjt man, 
wie bie ^jirtenbuben unb ÜWäbdjen bie ßeit mit @trol;f)utflecf)ten nufe» 
bringenb auSfüßen. Sie hier oerfertigten $üte unb Uhren geniefeen 
benn auch eines SBettrufeS, unb bie Eleibfamen, wannenförmigen ©trolj» 
hüte, welche aßenthalben bie ©chtoargwälber grauen unb äJtäbdjen 
tragen, oereinigen fowoljl MeibfamEeit unb ©dju§ gegen bie ©onne, 
bafe ihre gorm felbft burdj ben 2öed)|’el ber Sflobe htnburd) fiel) eigentlich 
in aßen fahren, wenn auch Vereinzelt fogar bei ben Soifetten ber 
©tabtbamen erhalten hot. Unb nicht nur bie ^erfteßung biefer ©adhen 
befdjäftigt taufenbe f>änbe, zahlreiche ©djwargwälber führt aud) beren 
©erEauf hinaus in bie grembe, felbft bis in’S ferne SluSlanb. SJtit 
reichen Gsrfparniffen Eommen bie meiften nach ®aufe, fiebeln fidh in 
ber $eimath an unb oermehren mit ihren fdhmucfen fwlghäufern baS 
©ilb ber SBohlhäbigEeit, weites bie meiften Drtfchaften biefeS ©ebieteS 
gewähren. SBenn an ©onntagen biefe ernften Ceute mit ihren langen 
fcf)Warjen ßtöcfcn unb rothen Söeften gut Kirche wanbern, ahnt Eaum 
gemanb, wie mancher oon ihnen als ^olgflöfeer ober Uhrenfjänbler 
einft bie 2öelt burcfjgogen hat unb oon fernen 9teife»©rlebniffen zu 
ergähten weife. 

gngwifdjen feljen wir oor unS baS Sljat abermals unb zwar 
bieSmal bebeutenber fidh oerengern. Sie Canbftrafee unb bie neuer» 
bingS angelegte, ftredEenweife für 3ahnrabbetrieb eingerichtete ©ifen* 
Bahn flüchten mancherorts in Eurge SunnetS ober unter ben ©chufe 
jäh anfteigenber fdjroffer gelSwänbe. gn büfterer $tuft bricht fidh 
ber ©ad) feinen 2Beg burch bie feften Schichten beS ©ebirgeS. Sann 
aber oeränbert fidh baS ©ilb. Sie enge SurchbtudjSfdjlucht liegt hinter 
unS, oor unferen ©liefen ruht anmutig ein frieblicheS ftißeS £jodj= 
tfeal, umgeben oon fanft anfteigenben SBalbhöljen. SSBeite gorften 
becEen feinen ©runb; hier unb ba umfäumen frifdjgrüne ©Siefen ben 
beruhigten Cauf beS ©adjeS. ©Sieber nach einer Eurgen ©Sanberung 

S5om Jgura jum ©djtrarsroalb. IX. 4 


Digitized by 



50 flotnt- tmb Volkiltbtn Im Sdjnwrimalt:. 


liegt üor unS tu märchenhafter (Stille unb SBeltoerlorenljeit bet tief= 
bunfle Sitifee, auf beffen blanfer glutlj fiel) bie büfteren Serge unb 
bie gellen ^joljljöufer einer fleinett Slnfteblung unb Sommerfrifche 
Riegeln. £>ie gange Scenerie untrer rief in mir lebhafte (Erinnerungen 
an baS nörbliche Scffmeben mach, mo gasreiche, gang ähnlich gebettete 
Seeen bie füllen SBälber am Dftfuffe beS Hochgebirges unterbrechen. 

©ntfprechenbe SBer^ältttiffe bieten auch bte übrigen Scffmargmalb» 
tljäler. Stuf bie breiten, reich bettölferten unteren Shalftri^e folgen 
regelmäßig enge ®urchbruchSftrecfen, bis oberhalb bie einfamen, aber 
tounberoollen hödjften 2f)al6öben beginnen, melche mit ihrem SRatten» 
grün unb ihren oereingelten Keinen Seeen bis an ben gufj ber häuften 
Sämme beS ©ebirgeS heranreidjen, bon benen allermärtS riefelnbe 
©emäffer herabrinnen unb fcbneü bie bem Stljeine, bent Stedar ober 
ber 35onau gueitenben Sache bilben unb oerftärfen. Stur bie Keinen 
Ühäle*/ wie baS bon Saben»Saben, mo ein elegantes, anfpruchSboHeS 
Sabeleben bie Schmargmälber (Einfachheit unb Urthümlidjfeit in baS 
innere beS ©ebirgeS gurücf gebrängt hot/ geigen nicht fo beutlich bie 
eben geEenngeidjnete ©lieberung. Sieben bem ^öllenthal, unb biefeS 
an Schönheit fogar noch übertreffenb, leitet bie SWurg unb ffingig au 
einer folgen Steihe ftetig mechfelnber Xhalbilber borüber in baS H er g 
beS ©ebirgeS. £)ort thront majeftätifch in ihrem Clueügebiete ber 
milbe Sergfatnm ber HorniSgrinbe hoch über ben umliegenben Höhen 
unb fenbet feine urmüchfigen gorfte bis herab gu ben Ufern beS fügen» 
reichen, tief melancbolifdjen Süummelfee’S. ®er Stingig entlang aber 
führt bie berühmte Schmargmalbbahn in’S ©ebirge hinauf unb bietet 
in ihren SehrtunnelS, ihren hohen SiabuKen unb prächtigen gern» 
fichten ein EleineS EunftbolleS Slbbilb einer ber neueren SBunberbahnen 
beS Hochgebirges, ber ©ottljarbbahn. 

®er Stuf ber Schönheiten beS SdjmargmalbeS gieljt alljährlich 
Saufenbe auS allen ©ebieten feines CaufS hinouf in feine ^höler, 
unb umgefehrt fenbet ber Sdjmargmalb feine Semohner in gleicher 
SBanberluft ober gu lohnenbem ©rmerbe biefelben SBege hinab. Söenti 
ferner bie grojjen glöfje, unter taEtmäfjigem 3 uru f oon Scbtoargmälber 
Unechten getrieben, ben gtufj hi na &9i e it en , menn brunten in ben 
Siieberlanbett bie Stiefenftämme gum Sau ber Häuf er in ben fchlant» 
migen Soben eingerammt ober als SWaftbäume auf ben Stümpfen 
ftolger Seefchiffe aufgerichtet merben, bann finb eS allemal Scfjmarg» 



X 


Digitized by v^jOOQle 



ttatar- tmb ^Jolhaleben im Ädfwarpöalb. 


51 


wälber Sannen, bie hiermit ihrer testen Verwenbung entgegen* 
geben. 

Droben in ben Sergen bringt baS gatten, Searbeiten unb £)inab* 
fdjaffen biefer (Stämme bie mannigfacbftett Verrichtungen in ^Bewegung, 
ja, man Eann fagen, bajj eS eigentlich ben Slern beS ganzen gewerb* 
lidjen Gebend im Scbwar-poalb auSmadjt. ©ut gehaltene SBege er* 
leichtern je£t faft in allen Sbeilen beS ©ebirgeS baS §inabförbem 
beS £)oljeS; aber in abgelegenen Scblüften unb ©rünben häuft boeb 
auch mobl noch ber Köhler einfam bei feinen qualmenben SReilern, 
beren meiner Staud) oon hohen fünften gefehen, üereinjelt in ftitten 
Säulen über bem rneiten bunflen SBalbgebiete febmebt. DaS §inab* 
flögen beS |)oljeS auf ben Keinen SdpoarjWalbbäcben, beren Söaffer 
man fpatfam anftaut, um als treibenbe unb febmemmenbe SEraft 
benutzt ju werben, bietet fo oielfacbe intereffante 9Romente, bafj eS 
ftetS gern oon Darftettern ber geber fomohl, wie beS ißinfelS ge* 
fdjilbert würbe. DaS grofjartigfte Silb biefer 2lrt bietet jur ßeit 
ber «Rhein felbft auf ber reifjenben Strecle unterhalb Scbaffhaufen. 
Dem Unfunbigen brohen babei freilich nicht feiten unerwartete ©e* 
fahren. SllS ich einft bei Gaufenburg bei nieberem SBafferftanbe am 
Stanbe beS gluffeS auf oorfpringenbem gelfen ftanb unb bem ©e* 
braufe ber gluthen äufdjaute, bie, in ben engen gelSfpalt gezwängt, 
mit wilbem ©etöfe unb febäumenbem ©ifebt binunterfdjie&en, oernahm 
ich plöfclicb in ber SRäbe ein EnatternbeS ©eräufcb unb fah sugleidj 
am ©ingange ber Schlucht mächtige Saumftämme in wilbem Sanje 
herabfahren. SRur ein febnetter Sprung brachte mich in Sicherheit; 
benn einen SlugenblicE fpäter hotten bie Stämme ben Drt erreicht, 
prallten mit lautem ©etön gegen bie gelfen, richteten fub auf, unb 
einer fegte hart über bem SlodEe weg, auf bem ich 'eben noch geftanben. 
Dann aber fanE alles wieber in ben Sdjlunb jurücE, unb bie SSaffer 
trugen fie wirbelnb bem unteren Gaufe ju, wo bie Sefifcer bie fdjeinbar 
herrenlofen §öljer aufftfdjten unb ju Wohl gefügten gtöfjen oerbinben. 

Doch Eehren wir nach biefer Slbfdjweifung wieber ju unferer 
SBanberung am gujje beS Sitifee’S jurücf! «Rahe babei liegt ber grofje 
gelbberg, beS SdjwarjWalbS hödjfte ©rhebung. Sittein bie ©infamEeit, 
welche anbere ^öhenpunEte beS ©ebirgeS noch umgiebt, ift hier bereits 
gefdjwunben. ©ine bequeme gahrftrafje führt ju feinem ©ipfel, auf 
bem ein $otel ben Souriften gute Verpflegung unb UnterEunft ge* 


Digitized by 


Google 




52 Motor- mt floUdlrttn tm Sdpotrpaolk. 


roä£)rt. 35ie ©ipfelhöt)e fclbft ift eine »eit gezogene, Eammartige glatte 
fchon oberhalb ber eigentlichen ©aumregion. ftnieholj, ^eibefrout 
unb niebrigeS ©eftriipp überwuchert, wie auch auf ben anberen §och= 
fämnten beS ©ebirgeS, biefett ^lan. ©rofeartig ift ber Slict non biefent 
Orte auf baS ju güfeen liegenbe SBalbgebirge, auf bie ferne 9Hjein* 
ebene unb auf bie jenfeitigen ©ergjüge ber ©ogefen. 9ln feltenen, 
günftigen Üagen aber bleibt ber ©langeffeft beS gelbbergS fein SluS* 
blief auf bie betten ber Sllpen, bie in filbenten Cichtlinien als garter 
©aum ben füblichen ©efidhtSfreiS umgrenzen. 

Sehnlich bent ©au ber jenfeitigen ©ogefen, fällt, wie wir fahen, 
ber ©efewargwatb fteil nach ber Oberrheinifchen Tiefebene gu ab, 
wäljrenb er fich an ber entgegen gefegten ©eite fachte in bie fchwäbifche 
Hochebene fortfefet. ©eibe ©ebirge fteigen ferner t»on Slorben her all* 
malig an, unb ihre impofanteften ©ipfel liegen einanber gegenüber 
im füblichen Steile, ©o fontntt eS, bafe oom gelbberg auS baS 
©ebirge in fteilen, hoch übereinanber liegenben ©obenwellen fich nach 
©üben hin abbadjt unb faft allenthalben begünftigte £>ochmarten gegen 
bie ©efeweig unb bie Sllpen hin gewährt. 211S wir mit ber »ierfpän* 
nigen ißoft nach ©üben gen ©t. ©laftert fuhren, überragte unS am 
©ingange eines fyod) gelegenen SholeS ein foldjer wunberttoller 9llpen= 
blief. 3t°iföen bunflen £annenwipfeln fchimmerten weiße ©chnec» 
flädhen unb üerfpracljen günftigfte SluSfcfeau. Qcfe liefe ©illet unb 
äßagen fahren, wanbte mich feitWärtS unb erreichte halb ben Ort 
.fjöhenfdjwanb, eines ber haften Dörfer beS ©cfewargwalbS, welches 
Weit unb breit baS befte 2llpen=ißanorama gewährt, gn ferner £iefe 
lag baS SRhaint^at, bariiber blifete ber ©piegel ber Stare, unb weithin 
geftreeft gogett jtch bie nieberen SRücfen beS ©chweiger Qura. lieber 
biefem anmutfeigen ©orberbilbe ragten bie fernen ©ipfel ber ©oralpen: 
ber Uettiberg bei ßimefe, ber 9figi unb ©itatuS, bie beiben ÜJHptfeen* 
ftöcfe unb bie gange ftette ber ßuger* unb ©ierwalbftätter ©erge. 
Slber bahinter, gu furchtbarer f)öhe anfteigenb, reiften in ergreifenber 
90?ajeftät bie trofeigen Sftaffwe ber inneren ©ebiete unb ber ©entral* 
fette ihre finfteren Häupter empor: ber hohe ©äntiS, baS SRtefenmaffw 
beS ©lämifch mit feinen öergletfcfeerten ©chlucfeten, ber £öbi, ber 
SitliS unb alte bie fRiefen beS ©enter OberlanbeS in ihren Weifeen, 
fchimmernben ©chneegewänbern. 9iur ber ÜWont»©lanc, beffen weifee 



Digitized by 






Digitized by 


Google 




^^Srerbirtartb c4£>rfcrIiitXj 
geb. bcn 25. fanuar 1818, geft. ben 1. Äuguft 1891. 




























4Ferbtnanb Srijlötlj. 


53 


Sdfneegipfel in fettenen gäHen tote ein blaffet SBölfdjen int Stau 
beS £)orijontS fdjmimmen, tag oerfcfjleiert. 

$n einer guten Stunbe fteigt man non £)öljenfd)ü>anb Ijinab nacf) 
St. SBtafien. ^ier, im Schule ber nörblidj oorgelagerten ffoljen ©e* 
birgSmauer, t)err|cf)t baS milbefte ^tirna, baS im Seretn mit ben Sor* 
pilgert einer erfrifdfenben 93erg= [unb SEBalbtnft alle SSorbebingungen 
eine§ betoäljrten GuftfurorteS gemährt. 3af)lreidje Ceibenbe unb (Sr- 
fjolungSbebürftige nehmen benn aucf) £)ier ttmfyrenb ber befferen QalfreS* 
geit if)ren 9iufenthalt. 3Bie in ben Ijödjften Sdftoarjroalbtlfälern bie 
fdjinbelgebedten hmnberlidjen ßtoiebelfuppeln ber Sirdftffürme an feit* 
fame Sauten £jinboftanS erinnern, fo mafjnt Ijier in St. Slafien eine 
ftattlidje ®irdje mit (Säulen unb fjoljer, ftol^er Kuppel an irgenb einen 
romanifd)en Ort jenfeitS ber Sllpen. 

Son St. Slafien ging’S in rafd)et ffafjrt bergab burdj’S roman* 
tifdje Sllbtfyal. Unfer jugenblidjer ißoftißon fdfmetterte auf feinem 
§>orn lauter luftige Cieber. £)ie medten in allen SBinfeln beS £ljalS 
ein frölflidjeS (§d )0 unb im §)erjen frifcf>e SBanberluft. 2llS fid) enblict) 
oor unS baS 9tf)eintl)a( öffnete, fanf bereits ber Slbenb fjerab, unb 
oon leisten SJtebeln umjogen, raufcf)te ber grüne Strom um bie lebten 
$ö^en beS SdjtoarjtoalbS. 




IftiiiiBi SdilöH. 

Son $. |l. giotker. 

(2Rit Portrait.) 



^enn man oon 9?E)einecE am Sobenfee nacf) Söaljenljaufen gelft, 
fo begegnet man auf fdjöner breiter Ganbftrajje an ber obft» 
reidjen Sergffalbe oberhalb beS 2)orfeS 2d)at auf ber |)öbe 
einem niebltefyen, cfjaletartig gebauten Canbljaufe, bem SuScutum beS 
SaSler SilbljaiterS gerbtnanb Sdflötl). 

ßierlidfe, toofflgepflegte ©artenanlagen, bie eine fünftlerifdfe £>attb 
tierrat^en, umgeben baS frnuS, baS mit Salfonen gefdfmüdt ift unb 
baS 2ßo£)nen barin fyetmelig macf)t. SDtfelfrere SaSler gfamilien f)aben 


Digitized by 



54 


/erbinanb Ädjlötlj. 


fid) ott biefer Sergfjalbe angefiebeft uttb genießen mährenb beg ©ommerg 
bie reine Sanbluft, mährenb anbere felbft roäfjrenb beg SBBinterS hier 
bermeilen. £)ie 33iHett liegen alle fdjon ouf Suppenteller 33oben, mer* 
ben ober gemeinhin ju Zfyal geregnet, ba fte nur einige ©dritte oon 
ber ©renje entfernt liegen. 

©djlöth’3 33illa „Me la fumo“, non betn Äünftleraufentljalt bei 
SRont fo gereiften, liegt hört on ber Sanbftrafje. 

333er einmal hier oben ftch befanb, füllte fid) mohl im Greife ber 
Eieinen gamilie unb begehrte nimmer hinunter ju fteigen in bag ©e= 
tnii^l ber 333elt; bietet ber Sanbfifj bocfj eine prächtige Slugficht auf 
ben SBobenfee unb bie obftreirfjett ©efilbe beg SRheintljaleg, enblid) auf 
bie blauen, buftigen ,giöf)en SSorarlbergg, bie in nicht atljugrofjer gerne 
herüberleuchteten auf $hal- |)ier oben in ber Slbgefchiebenheit hotte 
ber Zünftler, ganj in ber 9tähe feineg Kaufes, fein Atelier auf-- 
gefdjlagen, hier »ertnahrte er feine ©djä^e, bie ihm aug feiner Sfünftler* 
tfjätigEeit noch nerblieben mären. 

©eit fahren lebte ©chlöth mährenb ber ©ommermonate mit 
feiner ©attin, einer geborenen (Smma ©engenbach, mit ber er fich im 
galjre 1874 oermählt hotte, auf biefem ^uljefifc; im 3Binter meilten 
fie in SBafel; immer mat ihr £mu§ offen für greunbe, bie jeitmeife 
auf 33efuch famen, für gretnbe, bie ben Sünftler fennen lernen 
mollten. 

9ludh lebten ©ommer jog fich ©chlöth mit feiner ©attin unb 
einer Mdjte nad) XEjol jurüd, ba traf ihn ein ©djlagfluft, ber ben 
Zünftler theilmeife lähmte unb ihn §u fernerm ©Raffen unfähig machte, 
©g mar ein harter ©chlog für ben unermüblidj thätigen 9J?ann. grei» 
lieh blieb fein ©eift frifdj unb rege. Slllmälig erholte er fid) mieber. 
9 todj am ©amgtog, oor ber SBunbegfeier, am 1. Stuguft, orbnete er 
oor ber 2lltane feineg -gjaufeg ein fleineg geuermerE. ©g foHte bie 
le§te ShötigEeit fein, bie er im üDienfte beg 33aterlanbeg oerrichtete. 

Sllg am ©onntagmorgen bie gange Canbfdjaft im lichten ©onnen= 
glanze erglühte, alg bie ©loden aug bem iRhcinthal herauf um 9 Uhr 
gum 3D?orgengottegbienfte erElangen, ba lief; er feinen Sehnftufjl auf 
bie Stltane rüden. ®a hörte er bie ©loden erElingen oon 9iah unb 
gern unb mie fie oerElungen maren, mar auch fein Sehen bahin» 
gegangen mie ein ©lodenElang. 



Digitized by 


Google 



£*rbinaitb Ädjlotlj. 


55 


9ln feinen SobeStag legten bie Gslfäfjer ©chmei§eroetetne unb ber 
©chmeijeroeretn oon Qreiburg i. 23r., unbewußt, bafe ber Zünftler 
beinahe §u jener ©tunbe oerfdjieben mar, einen Äranj an baS @t. QaEobS« 
benfmal. 

Unb eine meitere ©ebenEfeier erhielt ber ©djöpfer beS ©t. QaEob« 
benEmalS am Sage ber ©djlachtfeier felbft, ben 26. Sluguft b. Q., mo 
ein ßug oon 44 Vereinen fiel) oor bem SeitEmal, baS frifc^ gefchmütft 
mar, auffteltte. Qn ber h°<$ erhobenen öinfen fjiett ^peloetia einen 
grünen Strang mit fdjmarjer ©Steife; baS eble .£>aupt beS ShriegerS, 
ber mit bem ißfeil in ber 93ruft auf bem öftlidjeit ^ßoftamente Eniet, 
unb ju bem ber geniale Zünftler beS ÄunftmerES felbft SRobetl ge« 
ftanben, mar mit einem Corbeer ummunben. SaS UmfaffungSgelänber 
mar fchmarj brapirt, auf bem bunEeln Untergrunbe hoben ftcf) meifje 
SRofetten ab. Sie naljenben QRufiEen fpielten Srauermärfdje, bie 
gönnen fenEten fid), bie ^Bannerträger ftiegen bie ©tufen l)inan unb 
ftellten ficf) linES unb rechts oom SenEmal auf, bie Häupter ent« 
blökten fiel)/ galt eS bocfj, ben SD?anen beS unoergeftfichen SEünftlerS 
non ©otteS ©naben, unferm am 1. Sluguft baf)ingefdjiebenen SRit« 
bürger Qerbinanb ©cljlöth, bie ^jutbigung ber SBaterftabt unb beS 
SBaterlanbeS barpbringen. £jr. alt fRatljSherr Qm |)of trat oor unb t)ielt 
folgenbe Slnfpradjc: 

„Vereinte ©dhrneijerbürger unb t^eilne^menbe Qreunbe! 

„2luf bem SBege ju bem ©djlacfjtfelbe oon ©t. QaEob ^aben Qf)re 
Steifen einen £>alt gemalt, um bem ©djöpfer biefeS SenEtnalS audj 
eine Sobtenfeier ju oeranftalten, unferm matfern fJRitbürger, §erm 
Qerbinanb ©tf)töt§. 9lm 1. Sluguft, bem fc^meigerifd^en ©rünbungS« 
feft unb unter ©lotfenElang am frönen ©onntagmorgen, ^at ©ott 
iljn abberufen unb iljm einen fünften ©djlaf gefdjenEt. ©ein treueg, 
biebereS £)erj ruf)t fern oon fjier in ber Ealten ©rbe, boef) feine 9lugen, 
bie faft erblinbet marett, ftnb bem emigen 2icf)te aufgefcfjloffert. 

„ße^n Qafjve beS emfigften ©djaffenS l)at eS gebraust, baS Sen!« 
mal §u erftellen, um feinem gwerfe, ber fteten SanEbarEeit SajelS 
gegen bie Ijilfreidje ©djmeij, bleibenben SluSbrutf §u geben, unb neun« 
jefjn Qaf)re finb oerfloffen, feit ber Sunftoerein baSfetbe ber ®ater« 
ftabt übergab. SamalS marb mir bie ©h re ju S^eil, bie ©inmei^ung 
oorgune^men, unb Ejeute hielt ich wich, als fein befter Qreunb, oer« 
pflichtet, an feiner ©tatt bie feinem ©ebäcftnif; unb feinem SBerEe 


Digitized by 





56 


fniintni Sdjlött). 


bargebracf)te |>ulbigung entgegengunehmen unb auf« SBärmfte uer» 
banfen gu foücn. 

„3” beit üier Stiegern, bie auf bem gunbament in Äreugelfortn 
ruhen, bem ©teinmerfer all flirte unb Sanbmann, bem Stieger, bem 
$äger unb Schüßen, bem gahnenträger all gelbherr, bot ©d)Iöth bie 
Sßehrfraft unfcrel 93olfel gur (Srhaltung unferer Una&hängigfeit bar» 
geftellt. ©ie ftarben, mie bie ^nfdjrift betagt, mit bem SBabrfpruch: 
Unfcre Seiber ben geinben, unfere ©eelen ©ott! 

„©leid) ben gelben, bie feine Siinftlerbanb erfdjaffen, ift ber 
Sßadere bei Seben! Sampf unb Sftüfjen erlegen, ©ollte ba nid)t bie 
banfbare SSaterftabt, mie bie ^eluetia ben gefallenen Sriegem, ihm 
auch beit ©iegelfrang entgegenbringen! 2ßar er e! bod), ber burd) 
feine Dettfmäler für ben gelben SBinfelrieb, für bie gelben uott 
©t. gafob ba! Caterlanb uerljerrlicht |at. Darum ftnb mir gefommett, 
fein Slnbettfen gu effren unb feinem SBerfe mof)lterbienten Sorbeer 
gu meinen. 

„2Sir aber Sille mollen un! an bem Sunft» unb Opferftnn, bie 
folcfje patriotifdje Denftnäler gefcfjaffen, aufrtesten in treuer Siebe gunt 
SBaterlanbe unb pnt SBtvfen für alle! ©ute, @d)öne unb SBahre gu 
unfere! SSolfe! 28o^lfaE)rt. — grtebe feiner Slfdje!" 

Dief ergriffen ftanb bie uttjäl)(ige S3olt!menge ba unb betrachtete 
ftill unb fimtenb ba! Denfmal, um fobann in ba! oon ben äWufifen 
intonirte herrliche Sieb: „O mein ^eimathlanb!" träftig einguftimmen. 
Damit mar bie einfache unb rührenbe Drauerfeter beenbigt unb ber 
■8 U 0 fefcte fich mieber in S3emegung. 

* 

Der 5Hegierung!rath non S3afelftabt unb ber ©emeinberath ton 
©tan! begeugten ihre Dheitnahme an bem Dobe be! Sünftler! burd) 
fotgenbe gmei Schreiben: 

Der Dffegierunglrath fchrieb an grau ©djlötl) u. Sl.: 

. gn bem Slugenblicfe, mo nicht nur in SBafel allein, fott* 
bern auch im meitern S3aterlanb ber Job biefe! aulgegeichneten 9)?anne! 
betlagt mirb, brängt e! auch un!, unfer innigftel SBeileib aulgu» 
fprechen. Unb gmar thun mir bie! nicht nur al! Sürger einer ©tabt, 
melche in bem S3erftorbenen einen htchgefchä^ten Mitbürger terehrt 



-v 

\ 


Digitized by Google 




fitihmnt SdjlSlIj. 57 


hat, fonbern auch im Manien ber ^teflgen Grinmohnerfchaft, benn mit 
ber oon bem fjodjBega&ten Zünftler gefdjaffenen 93erberrlichung alt« 
fchmeigerifchen ^jetbenmutheS h°t biefer fidf in Stffer £>ergen bis in 
bie fpäteften 3 e ^ett ein bleibenbeS ®enfmat geraffen. 

„^tefe ©ebanfen betoegen unS gur 23egeugung unferer lebhafteren 
S^eifnabme unb mir Beehren unS befehatb, unfer SBeileib nnmit auef) 
gu £>anben Qh rer gamitie auSgufpredjen. . . ." 

Stuctj ber S?unftoerein non SSafel fanbte nebft einem Drange eine 
hergliche SBeiteibabreffe. 

®er ©emetnberath noit ©tanS fdjrieb unterm 5. Sluguft: 

. 2tudj in unferem Danton, unb oorgüglidj in unferer ©e* 
meinbe, ljot bte traurige SWa^rid^t, Silbljauer ©chtött) ift geftorben, 
einen tiefen ©inbruef gemacht/ oerehren mir ja in iljm ben Schöpfer 
unfereS 2Binfelrieb»£)enfmalS unb gar 93iele leben noch in ber ©e= 
meinbe/ meiche im ^afpre 1865/ afS baS ^ervlid)e ®enfmal errichtet 
mürbe, ben genialen SHinftler fehlen unb lieben lernten unb ihn bis 
heute nicht oergeffen hoben, ©eien ©ie oerfidjert, bafj fein Siebenten 
Bei uns nie ertöfchen mirb unb mögen ©ie bei bem herben SSerfuft 
in bem ©ebanfen Sroft ftnben, bafj ber ^nngefdjiebene fich nun in 
jenen Räumen befinbet, mo ber ©eift beS Qbeaten, ©dhönen unb 
©uten, bem ber SSeremigte auf biefer Gerbe fdjoti mit ganger ©eele 
gehulbigt, auf emig bie |)errfchaft führt ..." 

$ £ 

* 

CufaS gerbinanb ©djlöth mürbe geboren ben 25. Qaituar 
1818. ©ein 33ater, Heinrich Cubmig ©djtöth, harn als ©chloffer im 
Stnfange unfereS QaljrhunbertS oon Berlin nach 93afel, ^eirathete bie 
Jungfrau SDtarie ©atonte Sreu unb marb 33aSterbürger. gerbinanb 
mud)3 mit oier ©efchmiftern auf, bie er alle überlebte. 

Ger roibmete fich, nachbem er bie ^teftgert untern unb mittleren 
©hüten befudht hotte, bem ©chloffer» unb äftedjaniferhanbmerf, gang 
gegen feine Steigung, aber aus ©ehorfam gegenüber feinem SSater, 
metcher baSfetbe @efct)äft betrieb. Stachbem er in mehreren größeren 
©tübten beS StuStanbeS, ijßariS, Cpon k. unb auch ber ©hmeig fich 
in feinem Berufe auSgebilbet hotte, fehrte er nach §oufe gurücf, mo 


Digitized by 



jftrblnanb 5djlötlj. 


58 


er nadj bem £obe feines ©aterS mit feinen« ©ruber Oubwig bie 
©d)Iofferei unb Ofenfabrifation übernehmen mußte. 

©alb ober fab er ein, bafe biefe ©efdjäftigung nicht no«h feinem 
©efdjmacf war, unb bafe er ftd) jur ©ilbljauerfunft hingegen fühlte, 
bie immer fein Qbeal war. 

©in ©erwanbter hotte bie SBüfte feines ©aterS mobeHirt. 35aS 
formen non plaftifdjen ©ebilben tag im ©tute, beim fein ©ater unb 
fein ©rofeonfel hotten fidj fchon in fotdjen gingen geübt, gerbhtanb 
gefiel bie Arbeit nicht, er machte fid) baran, fte nach feiner $bee auS» 
juarbeiten unb ruhte nicht, bis bie SleljnlidjEeit hergefteflt war. Qe£t 
war fein ©ntfdflufe gefaxt, er warf ben Jammer jur ©eite, liefe baS 
geuer in ber ©ffe ruhen unb befchtofe, ftdj ber ©itbhauerei ju wibmen. 
©in holbeS Qal)r nahm er geidfnungSunterridjt hei bem Später £)ie» 
rontjmuS §efe in ber ©t. QohannSourftabt, bei bem ©aSter SDtaler 
Steuftücf unb ging bann 1844 mit 26 fahren nach Stom, ioo er 
über 30 Qal)re weilte. 

©nbtich in SRotn ju fein, ber £>eimatl) alter Sötaler uub ©ilb= 
haner, bem ßielpunft aller Süuftler, baS war für ©dflöth baS ©Ihfium. 
©r befudjte bie oerfd)iebenen ©ilbhauerwerfftätten unb griff waefer 
als Cehrling ein. ©ein §beal Waren bie flafftfchen ©djönheitsformen 
ber Slntife. ©S War ein grofeeS Söagnife für ben breifeigjäljrigen 
9J?ann; aber er befafe ©nergie unb SBiUenSEraft genug, um bie ©adfe 
511 gutem ©nbe ju führen. 

2 )er ©inbruef ber in SRom beftehenben Stunftfchähe ntufe ein über» 
wöltigenber auf ©d)lötlj gewefen fein. ®rei ^afjre oerlebte er in ber 
ewigen ©tabt, einem eifrigen ©tubium ber Slntife hingegeben, ohne 
eS JU wagen, ben« angeborenen fd)öpferifd)en Triebe fein Stecht an» 
gebeihen ju laffen . .. ©üblich oerfudjte er eS unb fchon feine erften 
Arbeiten, befonberS ©üften unb ©ruppen oon Ätnbern in antifem 
©tplc, hotten fi«h halb eines ungeteilten ©eifattS ju erfreuen, ©on 
ba an war eS freilich noch ein weiter 2Beg bis jur monumentalen 
©laftif, aber ©nergie unb Talent wiffen in fur§er 3 e *t bie weiteften 
©treefen jurücfplegen. 

©ein ©efährtc im Sltelier war ein Slbler, ben er oon Qugenb 
an erlogen hotte, unb ben er fpäter bem joologifctjen ©arten in ©afel 
fchenfte. tiefer 9lbler thront je£t, oon ©d)lötl) mobeHirt, in ©ronje 
gegojfen, über bem Sltelier in £f)al. 



Digitized by i^ooQle 



4tobtnanb Ädjlötl]. 


59 


©cbliejjlidj gelang eS ©cbtöth ein eigenes Sltelier ju errichten, 
ben erften fahren hatte ev allerbingS, nadjbem er fein oäterlidjeS 
Vermögen bem ©tubiurn feiner S'unft geopfert hotte, mit ben ©orgen 
beS Ce6en§ ju Eäntpfen, Bis er eS enbltdj jur SWeifterfdjaft gebraut 
f)atte. 

2Sie auf ber Sßanberfdjaft er mit feinem fötitbürger StiEolauS 
fftiggenbad), bem berühmten SÖtedhaniEer, beEannt geworben unb eine 
fjreunbfdfaft für baS Geben fdjlojj, fo oerbanb er ftdj mit bem 6e- 
rühtuten fötaler SBecfeffer in greunbfd}aft auf GebenSjeit. SBecEeffer 
befugte ihn fpäter mehrmals in S£t)at; er befanb fidf auch unter 
ben Geibtragenben am SBegräbnifetage beS Zünftlers. 

©djlöth warb Eeine 53itb§auer|^u(e ju ü£fjeit; er t)atte nicf)t bie 
elementare 33ilbung bis hinauf ju ben £jöljen ber Äunft in ftjfte* 
matifchem Ge^rgang genoffen, er mar unb blieb SlutobibaEt; um fo 
höher ift anjuerEennen baS, maS er ohne bie faft unentbehrlichen 
Hilfsmittel ju befi^en, geleiftet hot. 

* 

* * 

©chlöth’S erfter ©rfolg im H e i ma ^ Qn ^ e mar baS ÜBinEelrteb» 
2)enEmat ju ©tanS. 

(SS mar am eibg. gfreifchiefjen oon 1853 ju Gütern, mo ber ©e* 
battEe auSgefprochen mürbe, baf? baS ©chmeigeroolE feinem Stational» 
helben Slmolb oon SBinEelrieb bis auf ben jag ein würbigeS 2>en b 
mal fchulbig geblieben fei, unb bafs eS enblidj an ber ßeit märe, biefe 
©h^nfchulb einplöfen. ®er ©ebattEe, oon ben geftbefucfjern nach 
Haufe gebraiht, fanb überall gerechten SlnElang. Vereine, SBehörben 
unb fßrioate maren gur ßeidjnung ber nöthigen Beiträge bereit unb 
man Eam überein, bafe bem ©emeinberath oon ©tanS, bem ©eburtS* 
orte SBinEelriebS, bie Geitung beS Unternehmens anheim gegeben werben 
foute. Slber nicht lange, fo ftellten fich über baS 2BaS unb 2Gie 93e» 
benEen ein, unb eS fudjten bie entgegengefebten Slnfichten ftch geltenb 
äu machen, ob SDenEmal ober eine gemeimtübige ©tiftung, ob ein 
blofcer ®enEftein auf bem ©ihlachtfelbe oon ©entpach u. f. W. ®urch 
biefen Söiberftreit ber Slnftchten mürbe bie perfönüdje OpfermilligEeit 
beS fßubliEuntS abgefchmächt unb fchon lag bie ©efabr nahe, bafj bie 
fdföne Anregung gänzlich im ©anbe fich oerlaufe, als fich ber fdhmei* 


Digitized by 


Google 



60 ftrthian» »djIStlj. 


gertfdje Shntftoerein anljeifchig machte, bie ©adje juv 9lugführutig 3 « 
bringen. 

■Dtit biefem SG3crf)fcl ber öeitung war junächft, unb fetbftoer» 
ftänblich, ber ©ntfdjeib getroffen, bajj bag Denfmnl ein Äunftbenfmal 
werben muffe, unb um biefen ©ntfcheib nicht mehr neuer ©efährbe 
augjufefcen, einigte man ficfj nun halb and) auf ein plaftifdjeg 9iunb* 
bilb unb auf ©tang, a(§ beffen ©tanbort. ©g mürbe eine Äonfurrenj 
3 ur ©inlieferung oon SÖtobeilcn für oaterlänbiiche Zünftler eröffnet, 
wobei nacf) längerer Prüfung bag SSWobell beg Sailer ©ilbhauerg 
gerbinanb ©djlöth ben erften ißreig empfing, ©djlöth erhielt ben 
Auftrag, fein 9Ö?obett a(g lebenggrofjeg ©tanbbifb in weitem SWarmor 
au§ 3 ufiit)ren. ßugleidj rourbe bie Grridjtung einer ^altenartigen Sftifdje 
befdjfoffen, bie bem ©fulpturwerfe tfjeilg 3 unt ©dju^e gegen fd)äblichc 
Söitterunggeinfltiffe, tfjeilg 3 ur ©inrafjmung unb Würbigem hinter* 
grunbe bienen foCfte, wobei nodj bem S'tebengebanten Rechnung ge* 
tragen werben modjte, bafj an ber ©rfteHung beg patriotifcf)en ®enf= 
mafg auch ber 9 frcf)iteEtur if)r SC^eit eingeräumt werbe. 

2 fber 3 ur 9lugfüfjrung biefer ©efdjlüffe mufjte oon ©eite beg 
fcflWeig. Stunftoereing nod) monier ernfte Stnlauf genommen werben, 
gür bag 2öinfe(rieb*£>en!ma( fteuerten bie 264 SÄitglieber beg Stunft» 
oereing unb ber Sünftlergefettfdjaft 8726 §r., anbere ©efefffcfjaftcn 
1454 §r., ©tabtratf) unb ßünfte 1700 gr., oerfdjiebene ißrioatper* 
fonen 103 gr., 3 ufammen 11,978 g r - 63 ©t. £)ie bereits gejeidj* 
neten ©eträge erreichten aber noch lange nidjt bie ©umme ber ©e» 
fammtfoften (83,000 g-r.) unb bei ber injwifdjen eingetretenen 9(6» 
Büfjlung beg ©ubtitums war eg Beine leichte 9lufgabe, bag 9D?angelnbc 
3 ufamme* 3 ubringen. Qnbeffen Würbe auch ber ©tan 3 U ber 9luf= 
ftelluugguifdhe entworfen, unb in ©out begann ©chlöth bag luftige 
©ebilbe feiner ^SEjarttafie aug bem ftarren 9 J?armor h erau ® 5 u ' 
meifjeln. 

üDag $:unftfchöne ift nie bag 2ßerf beg 9lugenb(icfg. ®er SHenfdj 
hat feine hefte ßcit unb Straft baran gu wenben, wenn eg unter 
feiner |>anb heroorgehen fott; bann aber oermag eg auch &ie füfjlften 
fersen 3 U erwärmen unb ben ftumpfften ©inn mit bem 9 (bglan 3 e 
feineg göttlichen Vtrfprungg 3 U burchleudjten. 2 )ag geigte ftd) in er*' 
hebenber 2Seife, alg am 3. September 1865 bie ©nthüüunggfeier beg 







61 


4Ferbiitanb Sdjl8tij. 


t>atevlänbifdEjen ®enEntalS Gegangen werben Eonnte.* Saufenbftimmiger 
SöetfaEtSruf erfdjott, als enblidj bie HüEe fiel unb bie meinen 3Rarmor= 
geftalten nun üom fyofjen fßiebeftal auf bie Sttenge herabfchauten. 

2tuS biefer er^o6 ficfj bagegen rt)ie ba§ jRaufchen eines mächtig 
bewegten (Stromes baS ftotge Sieb: 

„Safjt böten auS alter 3ctt, 

Son fü^ner ?l£>iteti §etbenftreit, 

5Son ©peeraudjt unb »ilbem ©djroertfampf 
Son ©djtadjtftaub unb feigem SUitbampf, 

2Bir fingen beut’ ein Zeitig Sieb: 

@8 gilt bent .petben SBinfetrieb!" 

DaS aEgemeine ©efüljl oerlangte laut nach bem Zünftler, ©djtöth 
trat uot; EeineS SBorteS mächtig, banEte er mit ftummer Verbeugung 
für bie fo wohlwoEenbe SlnerEennung. (Sin foldjer Sttoment, wo bem 
SEünftler bie Giebe unb Hochachtung eines ganzen VolEeS entgegen» 
braust, mufj ihn für lange, bornenooEe $abre ttiühfamen SRittgenS 
unb (StrebenS entfdjäbigen. 

¥ # 

©chiöth fdjreibt fetbft über ben (Sntmurf junt 3ßinEetrieb»®enE= 
mal** folgenbeS: 

„QebeS größere S'unftwerf; bezeichnet oon feinem erpten (Sntftehen 
an bis ju feiner VoEenbung eine (Spod)e auS bem Geben feines Ur» 
heberS; unb bie SBechfelbegiehung zwifdjen bem Zünftler unb feinem 
SGßerE greift fo in Veiber ®afein ein, bafs eS unmöglich fein würbe, 
ben Ursprung beS SBerEeS ju fchilbern, ohne einige Vorgänge auS beS 
Zünftlers Geben ju berühren. Stefehalb, obgleich ich ni^t beafjfidjtige 
meine Viographie zu fchreiben, fehe ich mich gezwungen, einige 9Ö?o» 
mente meines Gebens in bie Vefchreibung oon ber (Sntftehung beS 
befagten ®enEma(S einzuflechteit, unb ich thue bieS mit oielem Ver» 


* Sltb 2lbgeorbnete beb Äletnen SRatheb oon Bafel fanbte biefer jur ©nthüttung 
beb SBinfelrieb=!Denlmatb ben SRathbherrn 3m §of unb ben ©taatbfihreiber Dr. ©. 
Bifchoff in Begleitung beb ©tanbebtoeibelb. 

** $ab äßinfelrieb=®enfmal in üertteinertem iKafiftabe, für bab eibg. ©chühen» 
feft 1864 alb ©abe getauft, ift nad) mehrmaliger fjanbänberung in ben Befifc beb 
$rn. Sllbert Burcttjarbt, früher Äaffier beb Äunftüereinb, übergegangen. 


Digitized by Google 



62 jfftbhumb ÄdjlötJj. 

gnügett, »eil ich eS ^auptfdc^Iic^ bem (Srfolg, welchen ich Bei ber ©e» 
Werbung um biefeS SBerf fyattz, oerbanfe, bajj ich im ©tanbe mar, 
auch ferner meine Sfunft auSjuüben. 

„SBenn td) mich recht erinnere, fo War eS im gahre 1853, baß 
ber ©tan einer ©reiSauSfdjreibung für ein SSinf eirieb * £)enfmal oer» 
öffentlich ttmrbe; aber eS fcljeint, bafj baS betreffenbe Sfomite biefen 
Aufruf jut SDiitbewerbung nur fparfam ueröffentlidjte, benn bie 
©chweijer Zünftler in 9iom Ratten feine Sfenntniß baoon, bis ber 
©djlufjtermin für bie (Jinfenbung ber Gsntmürfe fd)on beinahe ba mar. 

„!DamalS lebte icf) fdjon einige gaffte in fe^r bürftigen llmftänben, 
fo baft ich allbereits anfing ben Sftutf) ju oertieren, nodj ferner auf 
bem ©egafuS ber Sfunft ju reiten, unb bafj ich feft entfdjloffen mar, 
^urüdfjufe^reti ju meinem frühem ©eruf, ber mir bod) menigftenS oer» 
fprad), meinen gleiß mit einem forgenfreien Geben ju belohnen, falls 
nicht ein günftiger llmftanb mir neue fünftlerifdje ©chaffenSfreubig» 
feit bringe. 

„£)alb ärgerlich, baß mir nicht mehr ßeit übrig blieb, um mein 
©liidf bei ber auSgefdjriebenen Bewerbung ju oerfuchen, h°fö ent¬ 
mutigt, meit ich nie ©tubien über mittelalterliche Sfoftüme gemacht, 
fonbernmich nur in fthliftifdjen gormen geübt hatte, mährenb ©chweijer 
©ilbljauer fidh mehr mit SBerfen ber erfteren 9lrt befdjäftigten, brütete 
ich über einen Gsntmurf für bieS ®en fötal unb oerfiel auf ben ©c» 
banfen, Söinfelrieb als Slpotljeofe barjufteden; einen ©iinbel ©peere 
in bem linfen 9lrme, mährenb bie Rechte frei auSgeftrecft blieb. 

„9luf bem ©iebeftal gebachte ich ben Söinfelrieb in ©aS»9tetief an» 
^ubringen, fich niebermerfenb mit ben rafch erfaßten ©feeren ber 
Oefterreidher, welche in ^ß^alan 5 Oorrücfen, mährenb bie ©chweijer 
über ben Gefallenen hinweg in bie ßücfen ber eifernen ©flauer hinein» 
ftürmen. 

„Sflachbem bie eingefanbten Entwürfe oon ben ©chiebSridjtern 
geprüft worben waren, würben bie greife für bie beften Slrbeiten 
oertheilt, hoch oernahm ich, baß feine ber Arbeiten würbig war, als 
EDenfmal unfereS gelben auSgeführt ju werben. 

„2((S ich bie ©hotographie beS mit bem erften greife gefrönten 
(Entwurfes fah, fafjte ich neuen ©flutl), mich in bie ÜReihe ber ©e» 
Werber ju ftellen, wenn eine jweite SluSfdjreibung erfolge, gn ber 
Shat erfchien am Neujahr 1855 ber in weiterem Greife üer* 


Digitized by OOQlC 



«f^rbintnb Ädjlätij. 


63 


breitete ^SrofpeEt einer gweiten 'ȧreiSauSfcbreibung, in Wetter folgenbc 
33or6e§afte gemocht würben: 

„3EBir wollen leinen tobten Söinfelrieb, feine Sltlegorie, feine 2lpo» 
t^eofe unb enblid) feine 33aS4ReliefS; baS £>enfmal fott eine übge» 
runbete ©eftalt fein ober eine ©rappe, welche bie einfache S^otfa^e 
oon Straolb oon SBinfelriebS £>elbentnutb barftellt. 

„2)utcb biefen oeröffentlicbten *ßlan war bie gange 2luffaffung 
meines SBerfeS in grage geftellt, unb bodj war bet (Entwurf feiner 
SSollenbung nabe, benn id) §atte nichts anbereS gu tbun, als bie 
ßentralgruppe meines auSgebacbten 23aS = SReliefS in abgerunbetcr 
gorm ergaben gu mobetliren. 

„2TIS \ä) ben Aufruf empfing, War icb eben baran, bie Süfte 
meiner fürglidj oerftorbenen ©djwefter in SRarmor auSgufübren, unb 
meine ©efunbbeit war fo hinfällig, bafc id) faum glaubte, baS 28erf 
beenben gu fönnen. SReine greunbe brängten mid) aber, bic 2tuS» 
fü^rung beS ©ntwurfeS für ben SBinfelrieb gu beginnen; id) erwiberte 
ihnen aber: 28enn id) bie SSoöenbung ber 33üfte meiner ©djwefter 
überlebe, wirb ber Entwurf gum SBinfelrieb in fürgefter grift beenbigt 
fein, weit mir baS 33itb bagu beinahe ooHfommen im ©eifte t»or= 
fd)Webt. Unb in ber Xljat, einen ÜRotiat, nadjbem id) baS 3Berf ber 
SBruberliebe oollenbet, war aud) ber ©tttwurf gum SEBinfelrieb mobel» 
lirt; meine £raft war aber gebrotzen, unb id) »erließ fRom fo fdjnell 
id) fonnte, um womöglich meine ©efunbbeit in ber reinen Cuft ber 
©djweigerberge wieber ^erguftellen. 

„2Reinen ©ntwurf batte id) bem Sfomite beS ®enfmalS überfanbt, 
bod) bauerte eS nod) bis gum ©ommer 1856, bis enblidj bie ©djiebS' 
rid)ter Ufren ©pradj über bie eingegangenen ©ntwürfe abgaben. ®iefe 
Ratten wä^renb biefer 3 e ü bie SRunbe burd) alle ©djweigerftäbte ge» 
macht, um oor bem ißubtifum auSgefteöt gu werben. 

„SRadjbem tdj eine furge Sur in ©t. 2Rori£ im Oberengabin 
beenbet, lebte icb bte gange 3 c *t mit meinem Sruber in SBafcl unb 
in SReuenburg, wofelbft icb »erfdjiebene ^ortraits mobeltirte, bie fpäter 
in 3Rarmor auSgefübrt werben foHten. 

„211S mir bie ÜRadjridjt gufam, baß mein ©ntwurf beS SBinfelrieb 
angenommen worben war, als ÜRobell gu bienen, febrte icb, neu 
geftürft an ©eift unb Körper, gurüdf nach 9tom. 3Rein erfteS ©e= 


Digitized by 


Google 





64 fintlnm* SdjlSttj. _ 

fdjäft bafelbft mar nun, ba3 SKobett oon ber brittcn ©ruppe be§ 
Söinfelrteb ber gangen BeoBfid^tigten Sänge be§ 3J?onumeitt§ nach aus?» 
gufübren. 

„33on biefem SJtobell mürben eine 9Kenge 2lufnabmen gemalt itnb 
in ber ©djtneij oerfauft, fange beoor ich ben Auftrag erlieft/ ba§» 
fefbe in ber nämlichen foloffalen Sänge gu ntobettiren. Qm September 
1860 mar baS SKobefl fertig, allein e§ gab barnafS einen neuen 2luf= 
entsaft, ebenfomof)! au§ Mangel an ©elb, meldje§ burd) eine Sub* 
ffription ^erbeigefc^afft merben fottte, rcic burd) bie ^Berechnung, ob 
bie 2tu§fii£)rung in Sütarntor ober in 23ronge roeniger foftfpielig märe. 

„£>ie erfte Qbee, gu (Sljren 2lrnolb3 oon SBinfelrieb ein 35enfntal 
gu errichten, ging ba^in, e§ in einer Söeife gu tbun, bafs bie 2lrdji= 
teftur, Sfulptur unb SWalerei barin gur ©eltung fomme; allein ba§ 
©rgebnifj ber Subffription bernieä, bajj ber ©ntbufiaSmuS für bie 
frönen fünfte in ben meiften Steilen be§ @d)meigertanbe§ nod) feinen 
fo l)of)en ©rab erreicht Ejatte, um freimillig ba8 ©elb gu einem patrio» 
tif^en £>enfmal gu fpenben, nnb ba§ St'omite fab fitf) genötbigt, in 
elfter Sinie oon ber SMerei abgufteben. Qn gmeiter Sinie mußte 
aud) ba§ in 2luSficbt genommene EapeHenartige ©ebäube meggelaffen 
merben; e§ mar eine fcbmierige Aufgabe, bie 21 u§f übrung burcb bie 
Sfulptur allein gu bemerfftelligen. Ü)abei mar nun bie Qrage, ob 
bie 2tu3fübrung in SKarmor, iftit einem leichten Ueberbau, mehr foften 
mürbe, al§ eine ©ruppe in 23tonge.. 

„Qm 2ltlgemeinen macht ein Zünftler nid)t nur 2lnfprucb barauf, 
in fo bel)aglid)en 23erbältniffen gu leben, mie ein |>anbtoetf§ntann, 
unb fo fonnte ich leicbt in 23egiebung auf ben ^ßrei§ mit bem 23ronge= 
giefser Eonfnriren. 

„(Snblid) mürbe befcfjloffen, bie ©ruppe beS SBinfelrieb in carra» 
rifdbem äftarmor au^gufübren, unb biefelbe burd) einen leichten Heber» 
bau, beffen 2lu3fübrung einem berühmten 2lrdjiteften Übetragen mürbe, 
gu f(büßen. Seßterem gefiel eä unglüdlichermeife, fidb burcb eine 
fernere Steinmaffe beroorgutbun, ftatt alle Sflittel angutoenben, um 
bie SBirfung ber SBilbbauerarbeit beroortreten gu laffen. ®ie Oppo» 
fition meinerfeitä mürbe burcb eine fdjarfe 2lntmort be§ OuäftorS 
gurücfgemiefen. äfteine 23orau§fage, bafj ber eigenmächtige 2lrchiteft 
oor bem ißublifum merbe gerichtet merben, blieb unbeachtet, unb fo 
erftanb baS fatale ©ebäube, meldbeä bie Sfulptur erbrüdte unb in 


Digitized by i^ooQle 




4FfrMnanD 


65 


gemiffen ©rabe audj bcn 9?uf beS berühmten Slrdjiteften üerbunfette, 
ber neben [einem mirElidjen latent für alleinfteljenbe ^Bauten bod) 
niemals glüdKidj mar bei ber bloS auSfdjmücfenben Slrdjiteftur eines 
anbem SunftmerfS. 

„9Ketne ©ruppe ftettt bie bret giauptmomente ber ©djtacfjt bei 
©empad) bar. ®ie erfte — mo bie ©djmeiäer üon ben öfterreidjifdjen 
©peeren fielen, oljne bem Qfeinbe ju ftraben, brütfte idj burd) einen 
auf ber ©rbe liegenben tobten ©cfjtoeiger auS; bie jmeite, bie Rettung 
üor einer gänjUcfyen, fdjlimmen Sltieberlage, ift in ber SBeife bärge» 
[teilt, bafj SBinfelrieb, nodj ben 9lrm tioU jufantmengeraffter ©peere 
an feine 23ruft bruefenb, auf ben tobten ©dgoeijer nieberftnft. 35ie 
britte bejeic^net ben ©rfolg tion SBinfelriebS Stfyat. Qd) fteÜte bieS 
burdj einen jungen Shxljljirten bar, ber feine Äeule fcfjtoingenb, auf 
feine SBaffenbrüber jueilt." 

©September 1863 fam ©cfjlötfj nad) SBafef, ba liefj eS fid) bie 
SJünftlergefetlfdjaft nidjt nehmen, ju ©Ijren @d)tötf)’S ein 33anfett im 
neuen ©efellfdjaftSljaufe in SHein = SBafel ju geben, ifjrn bie ©Ijren» 
mitgliebfdjaft ju erteilen unb einen ftlbemen Corbeerfranä ju über» 
reifen. 

StlS ©djtötlj am Sßinfelrieb»®enfmal arbeitete, mar ber Stönig 
üon 33apern bamalS in 9tom, ber iljn meljreremalS in feinem Sltelier 
befugte unb feljr leutfelig mit bem Zünftler üerfeljrte. ©inmal fagte 
er ju ©djtötlj: „SBenn baS 2Bin!elrieb»®en!mal fertig ift, füllten fie 
audj ein ©t. QafobS»$)entmal in Angriff neljmen." ®iefeS SBort 
foHte fic£> halb bemaljrfjeiten. 


* * 

* 

®aS alte ®en!mal ju @t. $afob an ber SBirS mar oermittert 
unb verfallen, obfdjon eS erft 50 $afjre ftanb. ®er Äunftoerein üon 
SBafel unternahm eS, ein neues, mürbigeS ®entmal erftellen §u taffen. 
©S fonnte nunmehr nadj bem ©rfolge mit bem 2Bittfelrieb»®enfmal 
Sftientanb anberS als ©t^lötE» baS SBerf auSfüljren. ©djtötlj ging 
fofort an bie Slrbeit. @r fagt felbft über biefeS Söerf: 

„©S mar feljr fdjmierig, eine -jutn ©iegeSbenlmal für eine üer» 
nidjtete ©cfjaar üon Kriegern paffenbe ®arftellung ju erfinnen. ©S 
liefe fic£) meber eine Ijerüorragenbe £Ijat als genügenbeS SJtotiü ge» 

JBom 3uva jum ©^umrjwalb. IX. 5 


Digitized by 


Google 



66 


4Fcrbhtanb Sdjlötlj. 


braunen, nod) eine ^iftorifcf»e BerfönlidjEeit finben, bie als §anpt> 
figur bienen fonnte. 

„®a man fornit genötigt mar, burdj eine Bereinigung non alle* 
gorifdjen unb epifobifdjen Bitbern gu mitten, fo ermäljlte id) bie Hel» 
Oetia at§ Hauptfigur unb begeidjnete fte näher burd) ein Streug, um» 
geben non Sltpenrofen, als Stopffdjmud. 

„2luf einem ißiebeftal, in ber 2ttitte eines Unterbaues aufrecht 
fteljenb, bietet fte mit ihrer rechten $anb gmeige öon Gridjenlaub oier 
Kriegern, bie noch int ßufammenbredjen fortfechten. (®ie oier Strieger 
ftehen auf ben oier ©den beS Unterbaues.) Heloetia hebt ihre linEe 
$anb gen Himmel, um ben ©egen für ben Grrfolg biefer Helbentljat 
auf ihre fterbenben @öl)ne herabguflehen. 

„®ie gmei giguren auf ber oorberen ©eite ber Unterlage ftetten 
baS ©efeefjt gegen bie frangöfifrfje Slrrnee unb baS Hawptfchlachlfelb 
auf bem Stirchhof gu ©t. Q n tob oor. ßu biefem 3 tt,ei ^ ertoählte ich 
einen Bannerträger, ber in feiner ^Rechten ein ^erbrochenes ©djtoert 
hält unb töbttich oerhmnbet nieberfättt auf bie SBaffen eines tobten 
SltmagnaEen. ®ie anbere gfigur, ein gemöhnlicher atter Strieger, mit 
SBunben im Bein, lehnt fid) gegen ein als ®enfmal hingefe^teS Streug 
unb oertheibigt fid) mit einer Heüebarbe. 

„®aS 9J?otiö gu einer ber gtoei Figuren auf ber Stüdfeite entnahm 
ich einer Grpifobe ber ©chlacht. ®ie ©d)tt>eiger Bogertfdjü^en, toeld)e 
alle ihre ^Sfeile oerbraucht hatten, gogen toelche auS ihren SBunben, 
um fie toieberum auf ihre geinbe abjufchießert. 3 U biefem 3 ttjec ^ 
fteHte ich einen ©entSjäger mit gefenEter Strmbruft bar, ber ftd) mit 
feiner rechten Hanb einen ‘pfeif auS ber SBunbe gie^t. 

„®ie anbere ^9 ur ftüfct fid) auf eine ®h at fache, bie nach beenbeter 
©chlacht oorfiel, als fid) ber Dritter Burtarb Sftündj oon 2Rüttchen= 
ftein, melier »ährenb ber gangen ©chlacht in feinem ©djloffe oer» 
weilt hatte, gleich einem Feigling bem ©djlachtfelb näherte. ®a er 
Oernahm, bafc alle ©cfjweiger gefallen feien, tarn er baher, bewaffnet 
oom Stopf bis gum gmfe/ um ben traurigen Slnblid einer ©chaar 
gefallener gelben gu genießen. Stuf bem ©chladjtfelb mit einigen 
beutfdjen Gittern angetommen, fah er unter all ben Seichen noch einen 
©djweiger im SobeSEampf. Sttünd), ber in feiger ©raufamEeit ben 
©terbenben bis gunt lebten Sltfjemgug höhnen mollte, rief ihm gu: 


Digitized by Google 




4Ftrbiiumb Ärfjlätlj. 


67 


„^jeute haben mir in Stofen!" ®er Schmeiger aber fafjte feine le^te 
CebengEraft gufammen, ergriff einen (Stein, augrufenb: „So frifj eine 
ber Stofen!" fdjleuberte il)n mit fotc^er Äraft bent Stitter ing ©efidjt, 
bafj er tobt öom ißferbe ftürgte. Stach ber Ueberlieferung mar eg 
ein Urner |)auptmann Schief; ba bieg aber nicht oerbiirgt ift unb eg 
effeEtooUer mirEt, bag Söitb einer SEraftanftrengung an einem nacEten 
Körper gu feljen, a(g in einer ©ifenrüftung, mahlte ich 8« biefer Qigur 
einen jungen fürten mit gerriffettem §emb, bag tion ber |)üfte herunter« 
hängt, unb [teilte ben SlugenblidE bar, mie er ftch auf bem linEen 
9lrme auf richtet unb, ben Stein in feiner Stedjten hallenb, im ^Begriffe 
fteht, ihn bem Stitter an ben SEopf gu roerfen." 

ßehn Qafjre hotte ber SEünftler an bem ®enEmat gearbeitet, unb 
gtoar unter Stoth unb Sorgen, mie bieg beutlich aug feinen Briefen 
heroorgeht, bie er an feinen intimften Qreuub in 33afel, bem Stath§« 
herrn Qm |)of fc^rteb. Qn einem 58riefe oom 16. Qanuar 1867 fcfjrteb 
er: „Qd) rneiß, ®u hoft oiel auf bem $alfe, hoch gibt eg noch 
mere ißlagegeifter, bie ©elbnoth, fo ba| ich ntir fcfjier nicht getraue, 
auch our bag Stöthigfte für meinen Sebengbebarf angufdjaffen. ©e* 
lingt mir bie Arbeit, fo bin ich über StHeg hi ritüe 9- // „Anfangs SDtärg" 
(fo fdjreibt er in einem 33riefe oom 3. Qebruar) „benfe ich bie §et» 
oetia formen gu Eönnen, eg mirb einen fürchterlichen SJtarmorElofc 
Eoften unb auch biel mehr Slrbeit, um alle bie unbequemen Höhlungen 
heraugguhauen unb gu bohren, aber ich h°ff e ' @h te bamit eingulegen." 
Unb bann führt er in feinem Briefe oom 16. Qanuar fort: „®ie 
^eloetia mirb mein größtes SSerE merben. SDteinen Qreunb, ber big« 
her mit mir baran gearbeitet hot, mufjte ich oug SJtangel an eigener 
©yifteng oor SEurgem feinem Schicffal überlaffen . . . Qd) muß auf 
jebe Söeife fuchen, gu ©elb gu Eommen." 

Schiöth hotte gehofft, bag SDenEmal fchon 1869 fertig gu bringen, 
eg Eam aber erft 1872 gur 93oHenbung. 

SWit Schiöth hotte fich ouch Stöbert ®orer oon Saben um bag 
ÜDenEmal bemorben. Stach ber SlugfteHung ber beiben ©ntmürfe in 
natürlicher ©röfje Oon Sdjlöth unb oon üDorer auf bem 5ßetergpla§, 
ergaben fich 1500 Unterfdjriften für bag Sdjlöth’fche EßrojeEt. 

Stun Eam bie Eßla^frage an bie Sagegorbnung. Qn betreff 
biefer Qrage gaben fomohl ber Stabtrath, alg bie ^ünftlergefeUfchaft 
unb ber SEunftoerein bem 5ßlaße beg alten ®enEmalg ben 93orgug. 


Digitized by 


Google 



68 jftrMmmb 2d)tMI|. 


3ludj bic ©yperten SRidjner auS 2larau, 2trcf)iteEt in SReuenburg, 
^ßtof. Qut. Stabler in 3üridj unb Q. ©. £>arbier, StrdjiteEt in Sem, 
fprachen fict» für biefen ißlafc auS. 

Sdjlötlj fdjreibt ju biefer Qrage am 6. Qanuar 1872: „2lu§ 
einem bortigen Statte entnahm ich ben Sefdjlufe beS ©rofjen SRatljeS, 
bafj baS ®enEntal auf ben alten ißlaf} ju fielen Eomnten fott. So 
menig nun biefeS meinen eigenen Söünfdjen entfpridjt, fo Ijabe id} 
hoch wenigftenS bie ©enugtljuung, baff burd) biefe (Streitfrage bodj 
gewifj gar Sieten baS fehlerhafte an biefem alten ißlafce Elar geroorben 
ift, unb bafj man fidj nun mit befferer ©inftdjt gleich bei ber 2luf= 
ftetlung be§ 9RonumenteS an einen meitergreifenben ißtan be§ gangen, 
fpäter ober früher gu orbnenben SEafinoterrainS Ijatten wirb, ftatt ftd} 
je^t bem ^Sla^e, mie er ift, angufdjmiegen. So wünfdje ich, bafj baS 
SRonument mitten auf ben §ag jurücf gefegt mirb, bamit bie abfdjeu* 
lidje ©rbgunge abgetragen merben fann unb baburdj fRaum gu einem 
fdjönen Stuf gang gewonnen werbe." 

Qm Qatjre 1872 war eS fertig geworben unb Eonnte ben 22. Quli 
enthüllt werben. ©3 war ein großes f eft, baS Safet bei biefem benE* 
Würbigen Stnlaffe feierte. Slbgeorbnete beS SunbeSratheS unb ber 
SEantone Sern, Supern, Uri, Stfjwtjj, Unterwalben, ©laruS, gug, 
Solothurn, Safetlanb uub SReuenburg waren babei oertreten, fowie 
bie Eantonalen unb ftäbtifdjen Seljörben, bie politfdjen unb gefeit* 
fdjaftlidjen Sereine ber Stabt, oor Sittern ber ^unftoerein, bem baS 
SBerE gu oerbanEen ift, im ©angen etwa 120 Sereine unb Qafjnen. 

Um fünf Ut)r SRadjmittagS Eonnte ber feierliche 2lEt ber ©nt* 
fjüHung oor fidj gehen. Söätjrenb öeS 3 u ge8 m öie Sonne 
etwas oerfinftert, graue ßlegenWolEen hingen am £>immel unb fchienen 
bie feftoerfammlung mit einem unwillEommenen Sabe begrüben gu 
Wollen. 9lfS aber bie £>ülle fiel unb bie herrliche ©eftalt ber £>etoetia 
auS ben grauen Südhern heroortrat, umgeben oon ihren Söhnen, bie 
im £obe3Eampfe noch gur lebten SEraftanftrengung fich emporrafften, 
ba brach auch bie ©tut!) ber Slbenbfonne burch bie SßolEen hindurch 
unb belebte mit roftgem Steine ben herrlichen SRarmor; mit ihm 
fdjwang fich ber $>rang lange oerhaltener ©efühle auS ben §ergen 
ber fefttheilneljmer empor unb machte fich burdj ein oieltaufenbftitm 
migeS £jod) 8uft, unb gerne wäre Qeber in baS „SRufft bu mein 
Saterlanb!" eingefatten, wenn bieS nicht eine fpegieße, freubüoß unb 



Digitized by 


Google 



4Ferfeinanb ÄdjUHlj. 


69 


mit Sßirfung erfüllte Aufgabe bet bereinigten ©efangSdjöre gemefen 
märe. — 

|jr. 9?att)§^err Q. Q. Qm £>of leitete bie Qeier burd) eine Siebe ein, 
ber mir ber oon un3 gefdfriebenen Qeftfdjrift ber „Sanier Slacbridjten" 
folgenbe ©teilen entnehmen: 

„ . . . ®a§ SKonument mürbe geftiftet: um ba§ Slnbenfen ber 
bei ©t. Qafob gefallenen gelben ju effren, um ber fteten ®anfbar= 
Eeit SBafelS gegen bie l)ilfreid)e ©c^meij bleibenben Sluäbrud ju geben, 
unb um ju äeigen, ma§ bie Äunft ber ©egenmart im üDienfte be§ 
93aterlanbe3 ju leiften tiermag. Qe melfr baäfelbe biefen beabfitätigten 
groeden entfpridjt, um fo befriebigter merben audj Sille, bie baju 
beigetragen, nadj allen Kämpfen unb f)inberniffen enblidj fein bürfen. 

Qn aufopfernber Siebe §u biefer fjo^en Slufgabe Ijat unfer 50iit= 
bürger, 23ilbf)auer Qerbinanb ©djlötl), jeffn Qafjrc feinet SebenS baran 
gegeben, feiner SBaterftabt fein 90?eiftermer! ju meinen. (Sr fjat mit 
fdjöpferifdjer Straft auä roljem ©tein ba3 S3ilbmerf gefdjaffen, biefe 
3toede ju erzielen unb jur Slnfcfjauung ju bringen. 2Bie aber mit 
bem £obe ba§ Seben, mit ber Stieberlage ben ©ieg barfteHen? 

„Unfere Seiber ben Qeinbett, unfere ©eelen — ©ott!" 
mie ber SSaljrfprud) ber gelben, fo bie Qnfdjrift be§ ®enfmal§. — 
®ie[er Söaljrfprurf) muffte bie ft'unft befeelen; bod) galt e§ nidjt, 
mie anberämo, nur eine befonberä Ijeroorragenbe ißerfönlidffeit ju tier» 
l)errlid)en. Querer unb Krieger traf ein Soo§: gu fterben für ba§ 
S3aterlanb. 

Sluf bem Qunbament, ber Sreujesfornt, bem ©pmbol unfereS 
©Ijriftenglaubenä ’ unb unferer ©ibgenoffcnfdfaft, ergeben fid) tiier ber 
^elbengeftalten: ber Siitter, ber Strieggfnedjt, ber ©dfülje, ber ©tein-- 
rnerfer; in üjrer SJiitte bie §eloetia. — 2Sir fetjen in iljncn bargefteHt 
ben eblen Qüfjrer, auf be§ QeinbeS 233affen jufammenfinfenb, ba§ 
©djmert jerbrodfjen, ba3 SBaniter nodj ffod)ffaltenb in fterbenber §anb. 
Qljm gegenüber ben tuettergeljärteten alten Krieger mit maflenbem 
33arte, auf ben ^nieen nocf) fdjüljenb ben {(eiligen 23oben be§ Qrieb» 
t)ofe§ uon ©t. Qafob. — ®er träftige ©dfütje jiet|t, ben ©cfymerj 
überminbcnb, au§ ber offenen 53ruft ben ißfeil unb ift entfdjloffen, 
jur guten Se§e nod) bie gefpannte Slrmbruft abgubrüden;* mäfjrenb 


* ©er ©ctyüfce fteltt beS ÄünfUerS eigene £üge t> ar . 




70 


«ffrbhmnb Sdjl5tt|. 


ber |)irtenEnnbe mit Elaffenber SSuttbe ben Stein aufrafft, ben Heber* 
mutt) gu ftrafen, um bann bie Seele auSguhaudjen. 

So fteHt ber Sünftler in SEtiabe, Jüngling, ÜJlann unb ©reis, 
im £)irten unb Sauer, im gäger unb Sd)üßen, im SErieger unb Sol* 
baten, im abeligen güljrer unb SRathgeber, bie gelammte SßefjrEraft 
beS Canbes bar. Sie, bie gelben, hoben baS irrige gettjan; fte Eämpften 
bis gum lebten Slthemguge; nod) ein lefcteS Slufflammen eblen 2J?utheS 
unb fie brechen oor Grfdjöpfung gufammen im bittem ü£obeSf<htnerge. 

®a — oon ben üllpen h ern iebereilenb, tritt bie freie Tochter 
^jeloetia in ihre 2Kitte unb reicht ben Eämpfenben Söhnen ben Siegel* 
Etang; banEbaren, trauernben SlicfeS, mit erhobener -fpanb ruft fte 
ben Segen beS Rimmels auf baS gerettete Saterlanb hetab . . 

SKod) fprad) §r. Prof. g. g. üftähltj SBorte beS ®an!eS an bie 
Seljörben unb gab in finniger Söeife bem 2)enEmal feine Seftimmung: 

„Ga foll nicht nur ein Ghrenmal für bie lobten, e§ fott zugleich 
eine Grmahnung an bie Sebeitbigen, ein in feftern Stein oerEörpertes 
©elübbe ber gegenwärtigen ©efdjtechter fein, baß unfere Srcuc unb 
Siebe gum Saterlanbe auf eben fo feftern ©runbe Wurgele, wie bie 
unferer Säter. 3Köge auch bie Stelle, auf ber es je$t, rote oorbem 
baS befcheibeue alte, fid) erhebt, am 28ege unb gleichfam als 2Seg» 
roeifer gum Sdjlachtfelbe, als oermittelnbe ßroifchenftation groifchen 
Safel unb ber benEroürbigen SBalftatt, benjenigen, welche ihm lieber 
im 9)iittelpunEt unb ^jergen unferer Stabt ober wo fonft einen piaß 
gegönnt hätten, nicht ungeeignet erfd)cinen gur SBecEung unb Selebung 
oaterlänbifcher ©efühle. 2(ber nicht bloß bie oaterlänbifche, auch bie 
Eünftlerifche Seite beS :DenEmalS ift für uns Sanier, bie wir an ber* 
gleichen öffentlichen ^unftgebilben nicht atlgureich finb, oon h°h cr ©e* 
beutung. UnbanEbar wäre eS barum, tooHten wir nicht heute beS 
SDfeifterS gebenEen, beffen erprobtem SEönnen, geläutertem ©efchmacf 
unb treuem, hingebenbent gleiß roir baS SßerE oetbanEen. Sein SJleißel 
hätte aber brachgelegen für unS, wenn nicht ber Patriotismus unferer 
Sehörben unb ber in ihnen lebenbe 3;rieb gur roürbigen 2tus[d)mücEung 
unfereS Eieinen ©eroeinroefenS ihn gur 2hat berufen hätte. Unfere 
Sehörben ftnb eS, Welche in fd)önem Sunbe unb regem Sßetteifer mit 
ber OpfermifligEeit unferer Sürger* unb Ginmohnerfcfjaft bie Sefdjaf* 
fung eines foldjen SSerEes möglich gemacht unb unS allen oorgeteudjtet 



Digitized by 


Googlt 



4FtrMnanb Ädjlötlj. 


71 


IjctBcn mit bem 8eifpiet ebler $anbreichung. £>arum auch irrten 
unfere aufrichtige 9lnertennung unb unfern marmen £)ant! Qh rer 
treuen gürforge unb fchü^enben Obhut fei e§ für alte ßutunft auf’S 
angetegenttichfte empfohlen . . 

2lt§ te^ter SRebner fprach £>r. 33unbe3rath (Serefote im SRarnen 
ber ©ibgenoffenfchaft. Unter bem tauten SSeifatt ber Sttenge bantte 
ber (Sprecher in fräftigem, mit bem ißräftbenten be§ Stunftoereinä 
getoedhfelten ^önbebrmf 33afel, feinem ©chlöth unb bem Vereine für 
ba§ ^errticfie $)enfmat, ba§ feit einigen SRinuten, im ©lange ber 
Stbenbfonne ftraljlenb, bie grofje SSerfammtung gu ungeheuchelter 33e* 
geifterung fnnrife- 

®er 6efcheibene Äünftter mar aBmefenb, er hotte fidj ben 3lu§= 
Brüchen ber 33egeifterung unb be§ Sobe3, bie ihm bargeBoten morben 
mären, burch feine gernhaltung entgiehen motten. ®ennoch h°t er 
ftch in feiner ©infamfeit hergtich über bie SBemeife ber Siebe unb 3ln* 
erfennung, bie ihm gu Sheit marb, gefreut. 

®a§ SDenfmal enthält fotgenbe ^nfcfjriften: 

UNSERE SEELEN GOTT 
UNSERE LEIBER DEN FEINDEN. 


AM XXVI. AUGUST M.CCCC.XXXX.ini 
STARBEN IM KAMPFE 

GEGEN FRANKREICH UND OESTERREICH 
UNBESIEGT VOM SIEGEN ERMUEDET 
DREIZEHNHUNDERT 
EIDGENOSSEN UND VERBÜNDETE 


BERNER 

LUZERNER 

URNER 

SCHWYZER 

UNTERWALDNER 


GLARNER 

ZUGER 

SOLOTHURNER 

NEUENBURGER 

BASLER 


DAS GANZE HEER. 


* 

GESTIFTET 

VON DEN BÜRGERN BASELS 

AM XXVI. AUGUST M.DCCC.LXX.II. 


Digitized by LjOOQle 



72 


jferbtnonfc Sdjtfittj. 


35er ©runbftein beS 35enfmal$ entölt eine Shipferplatte mit 
folgenber Qnfchrift: 

J. N. G. 

2lm 22. Quli beS QahreS 1872, 
al8 ißräjtbent beS ©ibgenöfftfdjen 33unbeS mar 
£>err @mil ffielti, Phil. Dr., 

Sürgermeifter oon Safel*@tabt bie Herren S. Q. SBurd^arbt, J. U. D., 

unb Q. Q. ©te^lin, 

sßraftbent beS ©rofjen SRatljS f>err ©b. Sljurnehfen, J. U. D., 
^ßräftbent beS ©tabtrat^S £>err Q. Q. SOHnbet, 
ift tiott bent 

^unßoer ein Bafels 

unter bem ^räfibium beS 
Herren Q. Q. Qm £>of»Qorcart, 2llt»9tat^S^erm, 
in ben 33oben, auf meinem bisher baS im Qaljre 1823 errichtete 
@t. QafobS=35enEmal geftanben, tiefer ©runbftein gelegt morben, bamit 

über ihm ba£ neue 

&i. Ifaküfcs ■ f eitkttutl 

ftdj ergebe, ein Sftonument, baju beftimmt, baS Slnbenlen ber bei 
@t. QaEob gefallenen gelben ju ehren, ber 35anfbarEeit 23afel3 gegen» 
über bet hilfreichen ©djmeij SluSbrud ju geben unb ju geigen, ma§ bie 
Äunft im 35ienfte beS S3aterlanbe§ gu leiften uermag. 

* * 

* 

fpr. 2tlt=5Rat£)ät)err Qm §of beurteilt ©djlöth folgenbermaften: 
„©chlötlj ift ein Siealift im beften Sinne beS SSorteS. 35em in 
ber ©djloffermerlftätte bei feinem 33ater, einem tüchtigen fpattbmerES* 
mann, in befdjeibenen bürgerlichen SBerljältniffen aufgetoachfenen Knaben 
unb Qüngling, bem eine einfache ©cfjulbilbung gu $heil mürbe, mufete 
eine gemiffe ÜNüdjternheit unb Srodenheit anhaften. @r märe jeben* 
falls ein gefdjidter S?unftfd)loffer gemorben, menn er biefen 58eruf fort* 
gefegt hätte. 2öa§ ihn gur bilbenben ^unft gog, mar feine Qreube 
am ßeichnen unb bem Unterricht ber Cehrer ber 3 e i c h nun 9^ 5 unb 
SNobellirf^ule, SMterborn unb SNeuftüd. 35ie Eünftlerifcfje 2luffaffung 
unb baS richtige 3 e ^ nen üerbanEte er bem Sttaler ,fp. fpefi, beffen 
eifriger Spüler er mar. 35er fcfjon fchmerfäHig gemorbene SNeifter 


Digitized by Google 






4FtrMnanb Sdjlätlj. 73 


naßm ißn öfters auf feinen ©pajiergöngen in bie Stacßbarfcßaft mit 
unb mag ißm beim ©lafe SBein neben feinen ©eßnurren gar manches 
Oon feinem Slufentßalte in Italien erjagt unb baS Qntereffe für 
Qtalien wacßgerufen ßaben. 

(So oorbereitet, mit offenem 2luge unb geübter §anb, begann er 
feine Sfünftlerlaufbaßn in fRom. ®aS Stubium ber flafßfcßen ©e* 
bilbe ©riecßenlanbS unb woßl noeß meßr bie große ßeßrmeifterin aller 
3hmft, bie Statur, förberten unauSgefefct feine StuSbilbung. 

ßeigte bocß fcßon fein erfteS auSgefteÜteS unb oon ber öffent= 
ließen SfunftauSfteHung in 33afel erworbenes 38erf, bie Sßfßcße, in 
^Bewegung unb 3 art ß e (t ber formen eine oieloerfprecßenbe Begabung 
beS Zünftlers. Qm reiferen SötanneSalter unb nießt befriebigt oon 
tiefer Qugenbarbeit, naeß jmanjigfäßrigev ©rfaßrung, ließ eS ißm feine 
Stuße, bie Aufgabe nocßmalS ju löfen. @o entftanb erft bie uoH= 
enbete ^ßfßeße, ein Slbbilb weibließer Scßönßeit uttb ©ragie. ©in Sßerf, 
baS in feiner 93otIfommenßeit jebem Qreunbe beS ©cßönen unb ©bien 
in feiner Steinßeit unb Äeufcßßeit 23ewunberung einflößt, unb welcßeS 
jeber ©allerie jur ßierbe gereicht unb baS unbebingt oon feiner 33ater» 
ftabt erworben werben follte. 

©S ift ßöcßft bemerfenSwertß, Wie ©eßlötß, ber in feinen Kämpfern 
beS 2öinfelrieb*35enfmalS, in feinen ftrammen Sfriegern oon ©t Qafob 
bie männlicße Äraft in Haltung unb ©eberbe fo meifterßaft dßaraf» 
terifirte, ßinmieberum bie toeiblicßen Qiguren fo fein unb gart ju 
mobelliren oerftanb. Qn praftifißer unb natürlicßer SBeife finb feine 
gelben, ißrem Canbe entfprecßenb, fcßltcßt unb einfaiß- gefleibet, boeß 
ift beßßalb ißre Söirfung nießt Weniger effeftooll. 

©eßlötß würbe oielfatß oon ©egnem unb Söiberfacßern, bie auS 
Unfenntniß ober Steib ißm ©eßwierigfeiten in ben SBeg legten, ßart 
angegriffen unb feine Söerfe abfcßäßig beßanbeft. ©r war fo ebel, 
baß er ißnen biefe §anblungSweifc nie üergalt; barum ßat er fieß 
aber am ©t. QafobS-jDenfmal felbft bargeftellt, ber ©cßtnerjbewußte 
mit bem fßfeit in ber SBruft. 2Ber im ferner Oberlanbe einem 
©eßwinget beigewoßnt ßat, wirb bemerft ßaben, baß fieß ber ©eßwinger 
nie bobigen läßt, ber mit ben Qüßen ben 33oben berüßrt; fein Um 
gemadß fonnte unfern Zünftler ju Soben bringen; er blieb .fperr 
feiner Situation unb maeßte fieß erft reeßt an bie fdßwierigften 2luf* 
gaben. 


Digitized by 



74 Itrbinanti Sdjlättj. 


®aS leBenSgrofje Vilbwerf „2lbam unb ©oa" gu oollenben, 
fefcte er fein gangeS Sonnen ein. ®iefe Figuren gu fdjaffen, Sflann 
unb grau, in ffünftem ©benntafe, unfereS ©otteS würbige Sljat, 
fdEjeint eS nicfjt Vermeffentjeit gu fein? ®en 8ef)tn gu formen, um 
baS 33ifb beS SflanneS unb beS SöeibeS, bie Qbeale, bie ber Vilbljauer 
in feiner Seele trug, gu geftalten, war wahrlich ein EüfjneS Unter* 
fangen. 2Bol)I barf man ben, ber folcheS unternimmt, einen Sünftler 
„oon ©otteS ©naben" nennen, unb ihn als folgen feiern, wenn baS 
VUb iijm gelingt. Unb eS ift if)m gelungen, ©ine Vefdjreibung beS* 
felben gu geben, Wäre ein unfruchtbares Vernähen, man mufe bie 
©ruppe gefeljen haben. 

j)aS ouale gunbament, worauf baS erfte ©Itempaar fteht, gieren 
bie SteliefS ber SluStreibung auS bem ^JarabteS, ber oon ber 8anb* 
arbeit auSruhenbe Vater, bie fpinnenbe SDhitter unb bie beiben ftrei* 
tenben Snaben." 

$r. 9Ratt)S£)err Qm §of forbert fchtiefelich feine Vaterftabt auf, 
baS h^thachtbare SunftwerE ihres ÜDtitbürgerS gu erwerben, gu welchem 
3wetfc wohl oiele tjiefiqe ©inwohner namhafte Summen beifteuern würben. 

®ie „QHuftrirte geitung" beurtheilt baS SöerE folgenbcrtnafsen: 
„®a ift ber Räuber weiblicher Schönheit über bie @oa auSgebreitet; 
ahnungslos reicht fie 9lbam, an ihn gefdjmiegt, mit aufgehobener 
CtnEen, ben 2tpfel hin, Währenb er fiel) finnenb auf fie nieberbeugt. 
®ie giguren finb oon großer Stnmutf) unb Schönheit, ber Ceib ber 
©oa oon unenblidiem Ciebreig, ber beS SftanneS oon Sraft unb ©e* 
fdjmeibigEeit. ötidjtS oerräth bie Sinnlichkeit beS SlugenblidS, bie 
©ruppe fteUt baS Vilb ber unfd)ulbSoollen Roheit beS SDienfchen* 
gefd)lechteS bar." 

Schlöth fagt felbft über biefe ©ruppe: 

„Von ber Qeit an, als ich mich bem Vilbhauerberufe guwanbte, 
war eitie meiner erften Qbeen, ein SBerE gu formen, baS eine parallele 
bilben foHte gwifchen SJtann unb SBeib, fowofjl nad) ber Sörperbefchaffen* 
heit, als nach bem geiftigen SBefen. 

„Qn ber griechifchen 2Jtt)tho[ogie gibt cS oerfchiebene brauchbare 
SKotioe für biefen Qwecf, hoch fanb ich EeineS, baS mir fo lieb gewefen 
wäre, als bie 33ibelergät»tung üon Slbam’S unb ©oa’S Verführung 
burdh bie Schlange. Von ßeit gu ßeit oerfuchte ich mit mehr ober 
minber ©rfolg biefeS ßieblingSthema gu bearbeiten, ohne bafe fi<h in* 




Digitized by ^.ooQle 



4FrrMnanb ÄdjlStlj. 


75 


beffen mein ©eift baBei beruhigt fünfte. ©S bot eine ©djWierigEeit, 
Welche icf) lange $eit ntc^t p überroinben betmod)te, unb nad)bem id) 
meine ©ntwürfe als unbefriebigenb berwarf, fei eS megen ber äußern 
formen ober bem AuSbrud beS ©ebanEenS, legte ici) biefelben bei 
©eite, ohne einen weitern 33erfucf) in biefer fRid)tung p machen, bis 
p bem außerorbentliefen ©rfolg, ben id) mit bem SBinfeirieb*®enEntal 
unb ber Voltenbung beS SJiobellS für @t. gaEob an ber SöirS batte. 

„©obalb ich wieber ein wenig mehr 9J?ußc batte, begann id) mieber 
meinen CicblingSgegenftanb p entwerfen, unb ba eS mir gelungen 
War, bie ©cbwierigfeiten p überwinben, Welche mir perft unitber« 
fteiglid) erfchienen waren, formte idj bie ©ruppe non Abam unb ©ba 
unb baS bapgebörige ^ßiebeftal in ooller Sänge, auf Weid) leiderem 
ich jtoei 33aS»9teliefS anbrad)tc, oon benen baS eine bie Austreibung 
Abam’S unb ©ba’S auS bem ^ßarabieS, baS gweite bie erften ©Itern 
bei ber gelbarbeit barftellte, wäbrenb ihre Stnber um ben ©treitapfel 
janEen, welchen fie bon ber ©epiange, bie niemals ihren ©influß auf 
bie SJJenfdjeu berliert, erhalten batten. 

„SWofeS hielt baS SBeib für mehr feinen Saunen unterworfen, als 
ben SJfann, ba ber 9Wann mehr bie golgen feiner gmnblungen über» 
benEt; aber ber Sflann wirb leichter oom Söeib überrebet, als biefeS 
bon ihm. ©S ift bartnädiger bei ber Verfolgung ber ©ittgebungen 
feines ©igenwillettS, ohne bie golgen p überlegen, bie auS ber Sltacf)» 
giebigfeit gegen feine SBünfche entfteben. ©afür erträgt eS bann aud) 
bie barauS entftehenben Hebel mit mehr ©rgebung, als ber äflann. 

„Obgleich ©ba baS ^arabieS nur pgernb berläßt,. hofft fie bod) 
fchon wieber eine neue §eimatb p finben, wäbrenb Abam, faft ber« 
pjeifelnb, nur in ihrem grobfinn £roft finbet." 

®iefe SBSorte laffen unS in ein ebel, rein unb ibeat angelegtes 
Stünftlcrljerj bliden. 

2BaS er bei ber Ausarbeitung ber ©ruppe Abam unb ©ba wahr« 
genommen, bie fchwarje Aber im SJfarmorblod, bie ihn bann etwas 

anbereS barauS fchaffen ließ, bat ben Zünftler angeregt, feine Ve» 

forgniffe beim AnEaufe eines SOtfarmorblodeS nieberpfdjreiben: 

,,©S ift ein bezweifeltes ©efchäft für einen Vilbljauer, einen großen 
2J?armorbtod bon befter Oualität p Eaufen. 9?id)t nur, baß baS 

SubiEmaß je nach bem Umfang beS ©teineS auf baS ßwei« unb 

Oreifadfe fteigt, fonbern eS ift auch biel fd)Werer, bie berborgenen 


Digitized by t^ooQle 



76 <#etbhurab SdjISttj. 


SDtängel eines großen SDtarmorblodS gu offnen, wie biejentgen etneS 
Heinen. Stadlern ber ©ilbffauer fold) einen foftbaren SBIotf gefauft 
hat, fann er oon nie! ©füct fagen, wenn berfelbe gut auSfäHt, benn 
je feiner bie Slrt beS SDtarmorS ift, umfo mehr ift biefer SRiffen unb 
bunfeln gledett unterworfen. Oft fomrnt eS oor, ba& felbft ber 
gweite ober britte ©lod weggeworfen Werben muff, unb biefeS SDtijj* 
gefd)id trifft aud) nocf) gewöhnlich elfer ben armen, wie ben reifen 
©ilblfouer. <Solcff ein armer Zünftler ift bann oft, ftatt burcf) feine 
harte Slrbeit ©elb oerbient gu haben, gftnglich ruinirt, falls er nidjt 
reiche greunbe Ifat, bie ihm wieber aufhelfen. ©ei einer oerlfüHten 
fjrigur tönnen Heinere gleden überfein werben, wenn fie nicht gerabe 
auf einen nacften SOfieil, befonberS nicht auf bas ©eftcht, fallen; an 
einer gang nacften gigur aber, wo auch immer ein glecf fei, ift er 
feffr ftörenb. ©3 gibt alterbingS eine 9lrt üott gang weitem SDtarmor, 
Welche biefen häßlichen bunflen glecfen weniger unterworfen ift, aber 
biefe Slrt ift bröcfetig unb oon einer abiaphnnen, fatfät)nli(hen garbe. 
Stoch niemals ift mir ein großer SDtarmorblod licht, hart nnb oon 
Warmer garbe oorgefommen, ohne gleden ober leichte Sßolfett. StidftS» 
beftoweniger, als ich einen fchönen SDtarmor, Welchen ich getauft, um 
bie ©ruppe oon Slbam unb ©oa gu meißeln, bei ©eite gefteUt hatte, 
weil ein Heiner, fdfwarger (Streifen fidf über ben Knöchel Igngog, War 
ich f° glücflich, einen anbern ©lod feinfter 9trt gu bemfelben gwed 
gu taufen, welcher fo gut ausfiel, baß bie gange ©ruppe gu Sage 
trat, ohne ben geringften Rieden ober SDtatel. 

©eint ©eginit meines SBerteS war id) faft oergweifelt, Weil ber 
SDtarmor fidf als abiaphan, untermifcht mit gelben (Streifen unb 
gfeden, erwieS; jebocf) unter einer (Schicht oon naffegu einem 
erfdhien ber SDtarmor burdfauS licht. 2)a id) bemerfte, baff ber Um» 
fang beS SDtarmorS immer noct) genügte, nahm ich baS fd)on ©e» 
gonnene weg unb fing oon Steuern an. ©on biefem Slugenblid an 
blieb ber SDtarmor rein, fo baß biefer (Stein fowohl Wegen feiner 
lid)tcn, warmen ^arbe, als wegen feiner SReinffeit ein Söunber ge» 
nannt werben tonnte." 

* * 

* 

©ine ehrenoolle Slnerfennung War eS für (Sdflötlf, als er ben 
erften SßreiS für ein Senfmal beS SlbmiralS Jegetlfoff in Sßien erhielt. 
Qutriguen öfterreichifeher Zünftler, welche nicht gugeben tonnten, bah 


's 

S 


Digitized by Google 



^erbhumb S^ldtlj. 


77 


ein auSlanbifcfjer S3ilbl)auer baS ®enfmal auSfü!)re, Brauten eS baljin, 
baff bie Ausführung $afjre lang oergögert unb bann anbern £)änben 
übergeben würbe. AuS AnerEennurig für fein preiSgeErönteS 2J?obeU 
erhielt Sd)töth oont SEaifer granj Qofef ben f^rang QofefS=C)rben mit 
bent perfönlidjen Abelstitel. 

SBie uneigennützig Sdjlötl) war, get»t auS bent Untftanbe fjeroor, 
bajj er bie 3000 fl., bie er als ißreiS Dom £eget£)off=£>enfmal erhielt, 
fofort einer Siebte fd)enEte. 

®en 2. 2JJärg 1873 fc^reibt Sdjlötl): „!£)aS Äomite für baS 
£egethoff/DenEma( fd^reibt mir, bafj ber betrag non 3000 fl. ö. SB. 
in «Silber gu meiner SSerfügung bereit liege. Um biefeS ©elb bei 
meinem Aufenthalte in Sßien nidjt perfönlich in (Smpfang gu neunten, 
ba idj mtd) faft fdjäme, eine fotcf)e, wie auf ber Roulette gewonnene 
Summe in bie £afd)e gu ftecEen, fo ecfudjte idj baS Äomite, biefelbe 
für meine SRedjnung an bie fpfptn. 9Ji. Qnt |>of & Söhne in 33afel 
gu überinadjen. 

„®aS SRefultat mit bem £egetl)off*®enEmal f)ilft mir üieUeicf)t 
auch gu einem leichtem 33erEauf meiner Arbeiten auf ber AuSftellung 
unb Würbe idj biefe bort weg haben, bann bin ich ein für meine 
©jrifteng gefieberter SOtann, fo bafe ich bei bem Stubium für meine 
Arbeiten unb beren Ausführung nicht immer fo gu Enidern brauche/' 

gür baS ®enfmal oon $faaE Qfelin EonEurrirte mit Atfreb 8ang, 
SHobert 2)orer, öiieharb Sifjling, Qguel unb SSing. SSela auch Sd)föth, 
ba ihm aber ber ©inlieferungStermin nicht entfprad), trat er gurücE. 

gfür ein §olbein=2)enfmal befdjäftigte [ich Schlötl) auf Anregung 
beS SEunftüereinS Qahre lang unb fertigte ein SftobeU in ©t)pS an, 
oon bem eine Abbilbung in ber „^Huftrirten Leitung" (1890,9h:. 2478) 
mit einer S3efd)reibung oon 9R. SEelterborn eyiftirt. 

9iachbem SEelterbom ben Slieifter §olbein in feiner tielfadjen 
SljätigEeit gefchilbert, fährt er fort: „SSon all ben ernftem, religiöfen 
unb profanen SBerEen $oIbein’S h at ©djlötl) in feinem (Entwürfe 
nichts angebeutet, ba baS ®enEmal fein boEtrinäreS, fonbem ein 
beEoratioeS fein foU; ift es hoch in feiner gangen Anlage gur AuS* 
fdjmüdEung eines SSrunnenS beftimmt. SDlit ber fcE)licf)ten, fdhlanEen 
©eftalt beS 2J?alerS, wie wir fie auS feinem Selbftportrait genügenb 
Eennen, h Q ^ en bie ©eftalten beS ^ßiebeftatS nur fo weit 3 u f ammens 
hang, als ftd) ber 33ilbl)auer unter ben geflügelten gifdjpferben, bie 


Digitized by i^ooQle 







78 ^rrblranl) ÄdjlMIj. 


oon ©enien regiert rnerben, bie Söefen ben!t, bie nach griechifchem 
s JUt)tbuS, bem gu golge ^BegafuS eine pofeibonifthe ©chöpfung ift, ben 
©ieg beS ©eniuS über bie üftaterie borftettt. ®ie ©atqre, ®elp^in 
unb ber quaEenbe grofcf), ber fic^ faunt auS bem feuchten ©temente 
gu heben oermag, finb bie gefdjroä^igen SritiEer unb SRegenfenten, bie 
oon ihrem nieberen ©tanbpunEt unmöglich beurtheilen Eönnen, maS 
hinter ber ©tim beS HieifterS oor fich geht, ber hoch h erQ b fei” grojjeS 
Auge über bie SRenfdjheit gleiten läßt unb arbeitsluftig ben pnfel 
in ber Siechten hält." 

Auf Seranlaffung oon ©taatSfdjreiber Dr. ©ottlieb Sifdjoff »er« 
fertigte ©chlöth bie SDiobefle gu ben Süften ber ^Brofefforen ^Jßeter unb 
Stubolf Sfterian, St. 9i. £)agenbad), ©chönbein, Sifdjer-Silfinger, ©er* 
lach, 3>ung, A. 33inet unb AnbreaS Neuster. Següglidj ber Ausführung 
in SRamtor unb ber Aufteilung in ber Aula beS 2RufeumS gab eS 
©chmierigEeiten, auch »regen ber Segaljlung ber Süften, inbem Dr. Si* 
fchoff bie Seftellung übernommen hatte, ohne bat er für bie Soften gebecft 
mar. ©djon früher hatte ©chlöth bie 9Rarmorbüften beS ^ßrof. be SBette, 
beS AfriEa*Sieifenben ©d^eif gbrahim (Cubmig SurcEljarbt uon Safel), 
alt aftathöherrn ©arafin unb A. be SOieuron, 1879 bie Säften uon 
|)rn. unb grau gm $of*9füfch uerfertigt. 

©in fernerer Cohn feines SüngenS marb ©chlöth gu als 

baS SDiufeum gu Safel bie feine, buftige ‘’ßfqcbc ermarb. §ente noch 
fteht m feinem Atelier eine gmitlingSfdjmefter berfelben, erft im gahre 
1882 gefchaffen, auS einem SÖiarmorblocE, ber um einer fchmargen 
Aber mitten für baS große 2SerE Abam unb ©ua fich als untauglich 
ermiefen hatte. ®ie ^[qdje, ftärEer nad) uorn geneigt, als bie im 
SaSler SPiufeum, barf mohl, maS ßartljeit, Ausführung, ®urd)ftd)tig= 
Eeit beS ÜJiarmorS, ber mie uom Ceben burd)haud)t fdjeint, als ein 
SDieiftermerE ber Sunft betrachtet merben. 2öir haben unS aufrichtig 
gemunbert, fagt £jr. ^Bfr. in feinem biographtfchen ArtiEel über 

©chlöth, bafe biefelbe im fcfjmeig. ©alon Eeine ©nabe fanb uor ber 
anEaufenben SunbeSEommiffion. ©ie mürbe fo gut, als jene in Safel 
jebe ©ammlung gieren. 

Son SöerEen, bie ber Sünftler fchuf, nennen mir noch bie £jaut* 
reliefS beS ^ringen Anton uon £>ohengoHern=©igmaringen unb feiner 
©djmefter, ber Sönigin oon Portugal (im SRaufoleum gu gechingen); 
bie ©rabmäler Sh 60 * 301 ©arafin’S unb Dr. Abolf SurcEharbt*33ur<f» 



Digitized by Google 



jhtMiumt Sdjlöttj. 79 


ßarbt’S auf bem SEannenfelb ju IBafet in Sftarmor auSgefüßrt; bie 
Sftarmorftatue (in ®/< © ri %) „Sanjenbe Sacdjantin" in ber 33iöa 
Qfioritta beS [cßmetj. ^ottfulS SReuricoffre in SReapel; jmei Safen uitb 
§tt>ei fmnbe nacf) SfntiEen bei bem oerftorbeneu £)6erft 9iub. 2Rerian= 
Qfelin; bie ÜRatmorgruppe „©unpmeb ben Slbler fpeifenb" (in ber 
©rotte feines ©artend in !£ßal); ein ©anßmeb (in Relief); ber ®i§« 
EuSmerfer (lebensgroß) im SreppenßauS oon SurcEßarbt’dßaffaoant in 
©. Sllban; Qufon mit bem golbenen Sließ unb StßefeuS im SRufeum 
in Safel; eine Sßfpcße (in V* ©röße unb in SRarmor) bei Qm ,£>oß 
SRiifdß; ein ßßriftuSEopf (in SRarmor) im §auSgange ber Qrau ©cßlötß 
in Safel (©cßü^engra&en 51*), ebenfo eine Sallertua unb ein 2lmor, 
ben Sogen fpannenb; ein ©tanbBilb oon OeEolampab (SRobell), enb* 
ließ baS $ßracßtS6ilb, bie freilief) megen bem oorgeriiiften Slugenleiben 
©cßlotß’S nod) unooHenbete Ceba mit bem ©eßtoan (im Sltelier in 
Sßal). 

®ie „Sanjenbe Sacdßanttn", „Slbam unb Gsoa" unb „$ßfßdße, 
Slrnor evblicEettb", ßatte er an ber SßeltauSfteHung in 2ßien 1883 jur 
StuSfteHung gebracht. 

SBenn mir ben gmingli auf feinem pebeftal an ber Söaffer* 
Eircße in ßiiricß Befcßauen, fo tuiff eS unS nießt reeßt in ben Slopf, 
baß nießt ein ©eßmet^er, fonbern ein Oefterreicßer, Gatter auS SSMen,** 
biefen ßmingli ßat ßerfteKen muffen; mar boeß bie ©tatue oon ©eßlötß 
meit meßr ben Silbern entfpredjenb, bie mir oon ßtotngli ßaben. 3öar 
benn ßmingli nießt meßr ein SerEunbiger beS GeoangeliumS, mie ißn 


* 3Wit meWjen ©dfjmierigteiten ©ctylötty $u fämpfen fyatte, mag fotgenbe 
fadje ittuftriren: ©dfjtötty Janbte bon 3ftom feine in Marmor auSgefütyrte Süfte 
„(£$rifUtetof>f" in bie ©d^mei*. $urmte*2Iuafteüung 1862 na<$ Sern burdj einen 
rötnifdjen ©pebiteur, unb 3mar bte nadj ®enua franfirt. Sftun fomrnt bie ßifte in 
Sern mit einer 9tadjna$me bon 663 gr. 80 (£t. behaftet. £)er ßunftberein nimmt bie 
ßifte, bte für einen 2Bert§ bon 2000 gr. beftarirt ift, nid^t an unb menbet fidj an 
ben Sruber beS ÄünftterS, Soute ©c§löt§, meldjer §iefür bie §ilfe beS tyiefigen ßunffc 
bereinS in Slnfprudj nimmt. ÜRacfy bem fategorifdjen ©infd^reiten be$ Sefcteren ftettt 
te fiel) tyerauS, bafj ber ©pebiteur in ®enua mir nickte bir nickte 500 gr., bie biefer 
an bem ©pebiteur in 3ftom ju forbern gehabt, einfadfj auf bie $ifte gefd^tagen unb 
burclj 9iad(jna$me feinen Setrag erhoben tyat. 9Jtit ber Seröffentttäjung biefer §anb* 
lunggmeife bebro^t, mirb bom ©pebiteur bann bie ©a<3je*au3geg(i<$en. $tefe G^riftuS- 
büfte mürbe bon $rn. Dberft Sftub. SJieriamSfelin getauft. 

** S)en 13. 2tyrU 1892 geftorben. 



Digitized by Google 




80 


jftrkhurab Srtjlätlj. 


©djlöth borgeftetlt/ bie Sibel in ber CinEen unb bie $Reelfte f)o<h erhoben, 
bie grofjbotfchaft oerEünbenb, als ein föriegSmann mit bem ©Zitiert, 
mie ilfn Gatter bargefteHt? 

Samit hätten mir bie SßerEe ©d)löth'S fEijjirt, nicht befprodjen; 
eine Sefpredfung ber Eünftlerifdfen Ceiftungen beS Sereroigten über» 
laffen mir gerne einer mürbigeren gfeber, mir fabelt nur bie Sau» 
fteine jufammengetragen ju einem SenEmal, baS einft bem errietet 
merben foH, ber feI6ft fo niete SenEntale geftiftet hot. 

©d)löth f)atte nur menige ©dfüler: Stidfarb Äifeting in 
ber bereits ju einer gemiffen Serüfjmtfjeit gelangt ift, Ferrari, einen 
Italiener,, unb feinen Steffen $iHp ©chlötlf, ber bie SOtebaiUonS am 
tßoftgebäube in Safel gemacht f»at. ©iacomo, non bem meiter öorn 
bie Stebe ift, mar fein erfter ißunEtirer; bann braute er nod) einen 
©effilfen tmn 9?om mit nach Safel unb naef) Stjal, bem aber bie 
norbifdje Cuft nicht jufagte. 

Stur nod) einige SBorte über bie ißerfönlidfEeit ©dflöth’S. 2Bir 
tlfun am beften, menn mir fie bem fefeon ermähnten Siograplfen ent» 
lernen, ber ben Serftorbenen beffer geEannt hat, als mir. 

„©efelöth mar nid)t nur ein Zünftler non ©otteS ©naben, fon» 
bern er mar auch ein burd) unb burd) ebter, freunbtidfer, liebreicher 
SOtenfch- 2)tan hatte bei i§m nicht baS ©efülfl unnahbarer £)öh e ober 
genialer SJtenfdjenoerachtung. Qn guten unb fchlimmen Sagen, bei 
freubiger SlnerEennung, bie er fanb, unb in melfthuenber ßurücf» 
fefeung blieb er fiih gleich, ruhig, frieblidj unb befdfeiben. Slufeet» 
orbentliche ©eetengüte, bie manche Stotfjleibenbe in reichem SDtafec 
erfahren burften, Stuf rieh tigt eit unb SieberEeit bilbeten ©runbjüge 
feines ©h ara ^erS; bieS SllleS getragen non einer einfachen unb echten 
grömmigEeit unb ©otteSfurcht, bie fidf auch in ben lebten CeibenS» 
mochen, SlngefidjtS feines balbigen SobeS, bemährte. 

„Ser Zünftler, ber breifeig $aljre lang in 9tom Edmpfte unb 
rang, an ber ©eite feines treuen greunbeS SöecEeffer unb anberer 
Zünftler, hotte nod) Eeinen eigenen §auSftanb grünben Eönnen. §nt 
Qahre 1874 mürbe ihm eine ©attin gefdjenEt, eine SaSlerin, bie 
mit Ciebe unb Serftänbnife auf fein ©dfaffen einging unb ifem feinen 
lefeten CebenSabfcfjnitt noch lieblich unb forgenfrei geftaltete. 




Digitized by Google 



In piln gerariifi Jrmtti. 

$on $. gl. gtotfeer. 

(3Jiit einet Slbbitbung.) 


Danton ©ototljurn f)at in ßeit «on einem Qaljre brei ber 
tjeroorragenbften SDtaler oerloren: £)en meit gereisten QranE 
Surfer, ben |)immel»9)?aler gröljlidjer unb ben |)iftorien= 
mater unb Qlluftrator Qennty. 

$einri<ft Qennt) ftarb am 13. üluguft 1891 in ©otottjurn. 
^eftigeS Slftljma «erbitterte bie SebenStage be§ fonft fo jooiaten, 
liebenSmürbigen, übergeugungStreuen, burd) unb burrfj freifinnigen 
SttanneS. @S mar eine Qsrtöfung auS fermeren Seiben, bafj ber S£obeS» 
enget fid) feinem Säger nafjte unb it)n in bie eroige £jeimatfj abrief. 

2Bir «erfolgen feinen SebenSgang an ber §anb feiner Sagebucfj» 
btätter, bie un§ feine Sßittme gütigft gur §anb gefteHt unb an Stuf» 
geidjnungen auS öerfdjiebenen Cluetten. 

* * 

* 

SJiein 93ater, fagt Qennt) in feinem Sagebudj, mar Qotjann 
QaEob Qennt), mit bent ®orftytmen „SBalbjoggi", benn er mar auf 
bem ©ennfyof „2Balb", eine tjalbe ©tunbe «on bem bafettanbfdjaftlidjen 
£)orfe Sangenbrud entfernt, 1797 geboren. (£r mar guerft 9Wöbet* 
fdjreiner unb tiacfjber 3J7ed)aniEer unb macfjte bie erften SBebftüfjle für 
fagonnirte ©eibenbänber. Qm Qafyre 1817 tjeirattjete er bie Slnna 
Sparte Qennt), geboren 1798, bie eingige Softer beS @d)uE)tnad)er3 
SÄartin Qennt), genannt „ÜDie^germarti". Qdj bin am 2. Quli 1824 
geboren. 

9ttS anno 1830 bie Steoolution in 33afettanb auSbrad), na^m 
mein S3ater fo lebhaften StntEjeit baran, bafe er für gut fanb, mit 
ber gangen Qamitie nadj Slmerifa auSgutoanbern. ®ie Stnftalten 
bafür maren fefjon getroffen, bie Rapiere in Orbnung, einige Giften 

S3om iQfura junt ©djtoarjtoalb. IX. 6 


Digitized by Google 



82 


Orr ßUirr fjrhtridj laq. 


fd)on oerpacft, ba crfrantte bie SRutter unb ftarb, nad)bem fte jelfn 
Sinbem ba® Sehen gegeben hatte, non benen brei im SinbeSalter 
ftorben- Den ©ebanfen mit fteben Sinbern nach Stmerüa p gefjen, 
gab ber Bater infomeit auf, als er allein bortfpn auSmanberte unb 
unS Sin bet jurücflieB. ©S mar jmifdjen Weihnachten unb SReujafjr, 
al§ er unS p oollftänbigen Waifen machte. 3)ieine fedjS ©efdjmifter 
mürben ju Bermanbten get^an, ich blieb bei meinem ©roßtiater, mo 
ich mel junger litt, ütacf) einer oierjährigen Schulbilbung tarn ich 
im ^uni 1836 p Cheim unb Xante Seifert nach Bafel, mo ich ä u ‘ 
erft bei einem ©ärtner untergebracht mürbe, ba ich ober als ©emüfe» 
frau nicht taugte, ftecfte man mich < n eine Seibenbanbfabrif, mo ich 
juerft „Spüeleli", bann Sopierarbeiten machen mußte unb enblidj, ba 
ich Anlagen pm ßeichnen hatte, pm Defftnateur beftimmt mürbe. 
3u biefem 3mccfe befuchte ich bie 3eichenfchule, mo ich aujjerorbentlid) 
fleißig mar. Den Winter brachte ich in einer finftem falten Dad)« 
Eammer p bei einem biirftigen Oellämpchen, melcfjeS ich auS meinen 
©rfparniffen angefchafft hatte unb unterhielt. Da arbeitete ich beS 
0?achtS, bis mir baS Waffer in ißinfel unb ©taS gefror. Da malte 
ich mein eigenes ißortrait unb bie Bilbniffe anberer ^erfonen, bie mir 
gut bejahet mürben. Die ©rfpamiffe moHte ich für garben unb 
Sleiber oermenben, aber mein Onfel nahm mir meinen Sparhafen 
meg unb behielt ihn für fid), mie er überhaupt fid) nicht als Ber= 
manbter, fonbern eher als geinb mir gegenüber benommmen hat. 

3mei Qahre mar idh in ber Sehre als Deffinateur, ba erhielt ich 
bon meinem Bruber, ber als SRedjanifer in Jorgen in Arbeit ftanb, 
bie Anfrage, ob iih nicht p ihm Eommen unb feinen Beruf erlernen 
molle. ^ch fagte fofort p, ba ich bod) bei meinen Bermanbten ein 
fümmerlidjeS Sehen führte. 

Sonntag ben 5. Quli 1842 oerlief? ich, mie ber Dieb in ber 
SRadjt, in Begleitung meines 0-reunbeS Hermann Wortmann, Bafel, 
eilte burch baS Bafelbiet ii6er bie Schafmatt nach Slarau, fam ben 
jmeiten Dag in 3üri<h an unb am britten Dag auf bem Dampfboot 
„SRepublifaner" nach Jorgen. Da ich nicht SRater merben fonnte, fo 
mar eS mir höthft gleichgültig, melden Beruf ich ergriff. ^dj fam 
nun an Drehbanf, Schraubftocf unb SlmboS unb mufjte ben pan^ig 
cßfunb fchmeren Borfchlaghammer oft oon SRorgenS oier Uhr bis 
SRadjtS 10 Uhr fchmingen. 2lber mie fe^r ich auch arbeitete, madjenb 



Digitized by 


Google 



83 


C^r jÄoler fytnrtdj Snmij. 


uub träumenb ftecfte mir bie SJJalerei im Sopf, was mir manche 
SKifehonblung üon meinem Sruber ^ujog. 

tiefer 3 u f tan b tt>ar mir unerträglich, beß^atb manbte ich nticE) 
non Jorgen weg, reifte mit 50 Sa£en ©eib in ber Safdje im gehruar 
1843 6ei heftiger Säfte nadj 28äbenSwetl uitb nach bem fabrifreichen 
Santon ©laruS, Wo ich beS AbenbS in Sitten anfant. Aber ich traf überaft 
bis Sdjmanben hinauf eine gefchäftSlofe $eit unb für einen Sefftnateur 
leine Arbeit. ^dj fchfug befe£)al6 ben 9tücfweg an unb in ©algenen 
tm Santon Sd)Wt)j gab ich meinen festen h Q ^en Sa§en für Srob 
auS; über Söollerau ging eS über bie fange Srücle nach SapperfdjWhl. 

©nblidj in SöäbenSweil fanb ich in einer gfamilie ÜÖiantel, üon 
ber ÜDiutter unb Softer in Wenigen Sagen geftorben war, Arbeit, 
inbem ich beren Porträt malte, bie fie in ßürid) fithograp£»tren lieh. 
Sa malte ich bie AngefteHten auS ber ßfabrif Sftantel, burch biefe 
Würbe ich in Söäbensweif befannt unb trat fomit pm erften SDZal als 
Sortraitmaler in Aquarell auf. 

Ser glacfjmaler Hornberger auS bem „(Schwanen" in Safel, 
mit bem ich befannt Würbe, gab mir baS ÜJJiaterial jur Oelmalerei, 
ich lieferte fünf ^ßortraitS auf Siech, wefdje mir mit fecbSjeljn 
granfen bejaht würben. SaS waren meine erften Serfuche in ber 
Oelmalerei. 

SaS war nun ein herrliches Sehen! A6er jebeS 9Jial, wenn ich 
ein anbereS Portrait fah, fanb idh, wie üiel mir noch mangelte, 
namentlich in ber Aquarellmalerei. Qd) fonnte bie g-arben nicht richtig 
herausbringen, üon Sedjnif befaß ich nicht bie Spur, freilich war 
ich bamalS erft neunzehn $al)re alt unb eS ^ätte nichts als einer 
ernftmeinenben Stütze beburft, um mich pr Sunft §u führen, nach 
ber ich fo fehr ftrebte. Aber ich War fremb unb mittellos, eine in bie 
Söelt hinauSgeftohene SBaife. 

Son UBäbenSweil, wo ich halb baS ganje Sorf gemalt ^atte, 
ging ich nach ©djönenberg, wo ich bei Dr. Haufer bie Anatomie 
ftubirte, malte in Hütten, in ber Spifce, im Hirjel unb auf ber Höhe, 
©nbe Quni 1843 reiste ich mit meinem Sruber Johannes, mit bem 
ich ntidj wieber auSgeföhnt h^tte, über Saben, burch baS gricfthal, 
nach ©ofel unb üon ba nach Solmar, wo ich ^ortraitS malte, bann 
nach SßalbenBnrg unb Cangenbrucf, SalSthal unb enblich nach 3 ut b s 
wpl bei Solothurn. 


Digitized by 



84 


JJer jÄoler flemridj Ifttmj. 


Qn (Solothurn lernte ich bie ©tubenten SDtarugg unb ©djilb 
fenneit, ben nochmaligen ©rojjätti oom Ceberberg, ber mich ju feinen 
©Item nadj ©rendjen einlub. 

Qn ©rendjen jeidjnete id) eine llnjaljl ^ßortraitS, bie ich leicht 
folorirte, ba§ ©tücf ju fünfzehn 33a^en. Oie 93auevntöd)ter nahmen 
eS mit ber Stehntichfeit nicht gar genau, menn nur bie SBacEen roth 
unb baS ©eficht meijj angeftrichen mar. 

SSon ©nbe Quli bis Oftober 1844 meilte ich itn SBabe ©rendjen, 
mo ich bie Sfurgäfte malte. OaS mar eine fröhliche unb forgenlofe 
ßeit! ©ine grau Qacot lub mich ein, mit ihr nach ©hauybefonbS ju 
gehen, eS gäbe bort oiele Slrbeit für mich unb baneben fönne ich 
gran^öfifch lernen. Qcf) höbe eS fpäter bitter bereut, biefem SRatlje 
nicht Qolge gegeben ju höben. 

33on ©rennen meg 30 g ich nach Solothurn in’S ©olbgäjjlein ju 
Qräulein ©t., mo ich ftott fleißig unb ftrebfam §u fein, geiftig »er* 
bummelte. OaS ging fo bis §um 24. Quni 1847, als ich non Qreiburg 
einen Stuftrag erhielt, ben ich auSfüfjrte unb nach meiner „Slblöhnung" 
Qreiburg mieber oerlaffen fonnte, baS anf mich mit feinen fonber» 
bünblerifchen Oenbenjen einen büftern ©inbrucf gemacht hotte. Qm 
Pfarrhaus ju SBichtradj oerlebte ich bei ben ißfarrSleuten SJteuljauS, 
bie ich alle malte, fcfjöne Oage unb eS that mir ber Stbfdjieb mel). 

33on SBichtrach ging ich noch Solothurn unb Ceutmtyl im Slargau 
ju meinem öruber QofjanneS. Stber eS mar hier nichts mit bem 
^ortraitmalen, bie Ceute hotten bei bem (jeranrüdenben ©onberbunbS* 
friege fein ©elb für „Shutterfeien". 23on SDterenfdjmanb auS gerieth 
ich auf’S ©djtofj £>orben mit feiner munberfdjönen SluSfidjt. ®a 
jeichnete ich ein Panorama, §u bem ber berühmte ©eograpfj ^jeinridj 
Heller oon ßüridj bie S 3 erge benannte. Qdj blieb bis jum 12 . ültoo. 
1847, mo ich burd) bie ©onberbünbler oertrieben mürbe, melche Oer* 
fudjten, in’S Qreiamt einjubredjen. Qn SüJfuri mürbe ich megen meiner 
ßeidjnerei gefangen, oerhört, halb aber mieber laufen gelaffen. 

93on SOturi ging ich nadj ©olotljurn, auf ber gufjreife 
mürbe ich breijetjn Sftal oerhaftet, fo baff ich froh mar in «Solothurn 
anjufommen. 

93on ©. ©tuber in Sßinterttjur erhielt ich nun ben Sluftrag, einige 
Sfompofitionen aus bem ©onberbunbSfriege gu jeidjnen, bie nachher 
litljographirt mürben. s Jtad)bem biefe Slrbeit oollenbet mar, ging ich 


Digitized by Google 



Oer iWaUr •fijfhtrdj Sennij. 85 

Töteber auf’g ©chloft Sorbett, wo icf) ein gangeg %at)V mit 3e«hnen 
unb Späten gubrachte, bann ein halbeg §ahr auf bent ©djlojj .fpeibegg, 
an ber aargauifch*Iugernifchen ©renge. 

^n 3°f* n 9 en un & Marburg mar um jene 3 e >t bie ©tettc eine§ 
3eid)nitng§(e^rer§ auggefchriebai; icf) Bewarb mich barum, beftanb 
auch ein Spanten, erlieft aber bie ©teffe bocf) nicht, Weil mir ein 
gamilienöater mit gwölf Sinbern oorgegogen worben War. Starf) 
manchen Irrfahrten fam id) wieber nad) ©olothurn. 

®a§ ißortraitiren würbe mir nacfjgerabe langweilig unb ich öer= 
fudjte mich in ber gebergeicfjnung unb eigenen Sontpofttionen, mit 
welchen id^ bei einigen Salenbern gut anfam. Sari ©ut!ned)t in Sern, 
ber Verleger beg „©djweig. Unterhaltunggbtatteg", machte mir tiiele 
Seftellungen unb lub mich fogar ein, bei ihm 2öof)nuttg gu nehmen; 
allein ich Se^rte halb nadh ©olothurn gurücf, ba ich bon ©utfnedjt 
nicht wie eine ©itrone auSgeprefjt fein Wollte. Nachher gab ich mit 
Slrtljur Sitter (§aberftich) ein E»unioriftifch s fatirife§ Statt h crau § 
„©harioari", bag ich mit einem ißrämienblatte (Sreibe = 3 e > c hnung) 
auSftattete: ßeuenberger empfängt bie Scrner ©efanbtfchaft in Öfter» 
munbingen 1653. Slber bag SBijjblatt hielt ficb nicht, inbem ^aberftich 
ein guter Stomanfchriftfteller, aber tein Ijnnwriftifcher 3 e i tun 9 g= 
rebattor war. 

Surch bie Silber im „©hariöari" war bie Stebaftion beg „Soft 5 
heiri" auf mich aufmertfam geworben, fie engagirte mich alg Sß u f tro t° r 
biefeg Slatteg, Weldje ©teile ich 14 3afjre einnahm. Oaburcfj würbe 
ich in ber ©cf)roeig befannt unb erhielt oiele SefteHungen auf Silber 
unb QUuftrationen. gfür ntich brauchte ich wenig, mein ganger Cupug 
beftanb in fdjönen Sleibern, ba§ 3ß3irth§h Qu ^ieben, wie e§ in ©olothurn 
fo auggebreitet ift, öerntochte mich nicht gu feffeln, ich blieb in meinem 
3intmer unb arbeitete ober trieb ÜDtuftE, bie ich leibenfchaftlich liebte. 

©ine§ fchönen ©onntagg SDtittagg Eam Citljograph Sümmertp oon 
Sem gu mir unb machte mir ben Sorfdjlag, nach Sern gu Eommen 
unb mit Dr. ©tanf} bie fierauggabe beg hiftorifchen gfeftgugeg, ber 
im §uni 1853 gu ©Ijren beg ©intrittg Serng in ben ©cfjweigerbunb 
ftattfinben foKte, gu übernehmen. Stach langem 3ögern folgte ich bem 
Slnerbieten unb übernahm bie Aufgabe, an ber ich üiergeffn Sage lang 
geichnete, Welche bann lithographirt würbe. 


Digitized by 



Dir jÄolfr Ut'mrWj Itmnj. 


86 


J>er „Softßeiri", melcßer nur eine geringe SlBonnentenjaßl ßatte, 
erfreute fidß burcf) meine Silber einer bebeutenb großem Staffage, 
meßßalb er ftatt alle oierjeßn Jage regelmäßig atte acßt Jage er* 
fcßeinen mußte. Söäßrenb be§ 5£rintlriege3 mar ber „Sßoftßeiri" fogar 
ein feßr gutes Statt unb icß mürbe infolge beffen oft in ben öffent» 
liefen Stättern ermahnt. 

2ll£ id) in Sern Bei Dr. ©tanfc geidßnete, fpraeß er mir bamalS 
feßon oon einer größern SluSgabe beS ßiftorifeßen gugeS unb fo ftebelte 
icß jum jmeiten SDtal mit ©atf unb Sßa<f ju Dr. ©tanfj in’S ©cßtößli 
auf bem galfenpläfjli (große ©cßanje) über, mo icß oon biefer fiitber* 
lofen (Sße mit Ciebe unb SluSjeicßnung Beßanbelt mürbe. Dr. ©tan£ 
mar eine fanguinifeße Statur, e§ mar nießt gut auS^ufommen mit ißtn 
unb fidß fetBft ßielt er immer für feßlerloS. ($S ßanbelte fidß in Sern 
barum, ben ßiftoriftßen geftjug in 60 Silbern oßne bie Jonplatten 
ju jeidßnen, maS mieß üom OftoBer 1853 bis jum gebruar 1855 
Befcßaftigt ßielt unb mir 1500 graule tt cintrug. 

Söaßrenb icß in Sern arbeitete, lub mieß Dr. ©tanß im gaßre 
1854 ein, bie StuSfiellung in Sftüncßen ju befueßen, um midß oon 
meiner Slnftrengung etrnas ju erßolen. jie Steife Bot oiel 2l6mecߧ= 
lung unb tßat mir moßl. Ja ertönte ber ©cßrecfenSruf: „Jie Sßotera 
ift in SJtüncßen auSgebrodßen!" Slber icß ließ rnieß nießt abfeßreefen, 
fonbern Blieb noeß einige Jage, fußr bann über SlugSburg, Stuttgart, 
StarSruße naeß Safel, mo icß meinen greunb granj StiggenBadß Befucßte 
unb über Cangenbrucf unb ©olotßurn noeß Sern jurüdlfeßrte. 

Jer (SinbrucE ber ganzen GsrßolungSreife mar lein Befonberlicßer. 
Sor SlHent mar icß enttäufeßt, nicßtS imponirte mir, felbft (SorneliuS 
unb Staulbacß nießt, bie oon ber ©emoßnßeit oergötterten Stünftler. 

gm gaßre 1855 leßrte icß oon Sern mieber itacß ©olotßurn 
jurücf, mo icß baS tängft in meinem Stopfe feßlummernbe ^ßrojeft 
„bie ©eßmeijergefeßießte in Silbern" Bearbeitete unb biefeS in meßreren 
Slompofitionen oerfeßiebenen SerlagSßanbtungen einreießte. Steine ber* 
felben naßm baS Sßrojeft an; ba oerfeßentte icß nadß unb naeß bie 
mit ber geber auSgefüßrten 3 e ^ Ttutt f! en / idß in ber golge Be* 
bauerte, ba bie Silber ßauptfäcßlicß bie -größten SOtomente auS ber 
©eßmeijergefeßießte barftellten. 

gn ©olotßurn, mo idß bei grau ?ßrofeffor §>ugi moßnte, oerfudßte 
icß mieß in ßiftorifeßen Jarftetlungen in Del, maS mir aber nie redßt 


Digitized by i^ooQle 



D*r Äler 'QclnrWj 3*nmj. 


87 


getingen mollte, benn gemöfjnlicf) oerbarb icf) mit ben immer trüben 
färben meine Sfompofitionen, metl mir ba§ richtige Qurbengefüf)l für 
Oel fehlte. 

Ourd) einen 5tuftrag fam icf) im ©ommer 1856 nad) Safel unb 
mottte mich bort nieberlaffen. Oa§ reifte Safel befanb fiel) aber in 
ben Serien unb fomit tiefen bie SefteKungen auf Silber fefjr fpärlidh 
ein; icf) fanb für beffer, itüd) roieber naefj ©olotfjurn prüefjubegeben, 
elje idj gang uon 2 Ritteln entblößt fei. 

Qm gleichen ©ommer erhielt icf) ben öluftrag, für bie „Qiluftration" 
oon 5ßari§ unb bie „QHuftrirte Qeitung" uon Ceipjig ©pifoben auS 
bem atotjaliftenputfd) in 9teuenburg -ju jeichnen unb namentlich aud) 
fßortraitS aufäutteljmen, rnobei idEj Slufnaljmen oon (S^auyöefonöö unb 
Code ju machen Ijatte. Qit ©olothunt führte ich bann meine Silber 
au§ unb jeidjnete ba§ „fRufft bu mein Saterlanb \“, meldjeS Silb im 
„ißoftfjeiri" erfchieit unb in einer Sluflage oon 20,000 ©jremplaren 
unter bie eibgenöffifchen Gruppen oertheilt mürbe. 

StlS „eibgenöffifdjer ©d)Iad)tenmaler" ging ich «ach Safel unb 
jeidhnete bamalö auch mehrere Silber für bie „QHuftrirte 3 e ibunfl // 
in Ceipjig. 

Qm Qrühjaljr 1857 lernte ich in Safel bei Q-. SBortmann 
Qräulein SRarie ©chneiber fennen, mit metcher ich mich ben 28. 5luguft 
oerlobte unb ben 18. Qebruar 1858 bie Sermähtung feierte. 

* * 

* 

2 Bir finb bis je£t bem Sagebuch unfereS QreunbeS jientlidj genau 
gefolgt unb fj«ben mit SluSlaffung oon unbebeutenben (Einzelheiten 
fein Ceben befdjrieben; mir oerfahren oon nun an etmaS fummarifdjer. 
Qennp übernahm in ber golge baS 9touleaugefd)äft Sonfitch»©roj 3 * 
mann in Slarburg, 50 g ben 10 . Oftober 1859 mit feiner ganzen 
.Qamilie oon Safel borthin. Oie ©rfaljrungen in 5larburg maren aber 
unangenehme unb bie ©nttäufefjung feine geringe, fo bofj er ben 
23. Sluguft 1862 Slarburg mieber oerließ unb nach ©olotljurn 30 g, 
ba Sudjljänbler ©djerer bafelbft 2Riene zeigte, bie „©cfmeijergefchtchte 
in Silbern" ju unternehmen, frf)tießlich ober fo feljr bamit jögerte, 
bafs er gerichtlich eingeflagt merben muffte. Oie Seftetlungen oon auS- 
länbifchen Qeitungen liefen auch nicht fo zahlreich ein, fo bah Qennto 


Digitized by 




88 Der 4Waler fjetnrtdj Senmj. 


froh mar, beim eibgenöffifdjen ©chü^enfeft in ©h Q uybefonb3 1863 fid) 
Bet^eitigt 51 t feiert. §ier lernte er niete Sltänner fennen, beren 
Qreunbfcfjaft if)m merthooH mar, mie biejettige be§ 9Kater§ Sluguft 
Vachelin in 9Jtarin (f. „Vom Qura jum ©chmarjmalb" 1891, 2 . $eft). 

3 )ann plante er eine Sßrad)tau3ga6e ju ©cJjiHer’S „SBilhelm Seil" 
unb fefjte fiel) ju biefem ßtoeefe mit Qr. ©chultheß in Zürich in Ver» 
binbung'; ba aber ba§ Verlagsrecht ju ©chiller’S Sßerten nocfj nicht 
abgelaufen mar, fo gerrann auch biefeS ißrojett. Um bie angefertigten 
ßeicfjnungen nicht unnü| gemacht ju höben, fo manbte fich Qennt) an 
Dreß, Qüfjli & (Eie. in ßüricfj, beren Inhaber Qifdj'-ftagenbuch auf 
ben ©ebanten ber Vermertljung einging, ben armen Zünftler hinhielt, 
um gute^t baS ißrojett in ©anb oerlaufen gu laffen. 

• Qm Qafjre 1864 erhielt Qennt) ben Auftrag, bie fecfj3f)nnbert= 
jährige VefreiungSfeier ber ©tabt VMntertfjur burdj einen t)iftorifcf)eri 
Qeftgug malerifch barguftellen. ®ie ßeit, ein Vierteljahr, mar lurg 
bemeffen, aber Qennt) löste bie Aufgabe gu größter ßuf rieben heit ber 
©tabt unb begog bafitr ein Honorar oon 3600 Q-ranf'en. 9tud) ber 
^jiftorienmaler Vogel unb Heinrich Sramer auS ßürid) golltcn ihm 
alle Slnertennung für feine Ceiftung in ber Stoftümlunbe unb Qn* 
feenirung ber gugeS. 

Qm ©ommer 1865 unternahm Qennt) eine ©teingeidjnung be§ 
SßingerfefteS in Veoet), bei melchem Unternehmen ihm aber 300 
Qranfen oottt Honorar abgewogen mürben, megen ber fdhtechten litljo* 
graphifdjen Slrbeit. 

ÜEhetlä in ©enf, tljeilS ju £>aufe geichnete Qennt) im ©ommer 
1864 grnei grojje Arbeiten: 

„Le retour de Bezanson Hugues et les autres eugenots gene¬ 
vois fugitifs aveo les lettres de combourgeoisies de Fribourg et 
de Berne le 21 fevrier 1526. Cortege historique projete pour les 
fetes de septembre 1864“ unb bie ©Sfalabe in ©enf. £)a erhielt 
er bie ©epefdje, eS fei eine ffteüolution in ©enf auSgebrod)en unb er 
müffe mit feiner Slrbeit einhalten. 2ludj befuchte er 1865 bie ©nt» 
hütlung beS 2Bin!elrieb=®enfmalS üon ©djlötf) in ©tang unb machte 
ein Vilb oon biefer erfjebenben Qeier. 

* * 

* 


Digitized by t^ooQLe 



Der fltaler fifinridj Sfnntj. 89 


Xie oiefge^n Qaljre, tt)erc£)e Qennt) bom Xezember 1865 Big 1878 
in Xeutfdjlanb gu6vad)te unb wo er fidj in Berlin, Ceipgig, SBcmbö- 
Becf unb (Solingen auffjieft, welche 3 e ^ immer bon fRofentagen 
Begleitet war, motten wir mit ©tittfcfjweigen übergeben. 

Xen 1. Qebruar 1874 ^atte eine Xante ©djneiber in Serlin 
Qennp ein Segat bon 1500 Xljalern hintertaffen. Xag brachte ihm 
toieber beffere Saune. Xazu War jiEjm bon Sßenget in SSeißen* 
Burg im ©Ifaß eine ©teile in 2lugficf)t geftettt unb bon Surg in 
4?otftein h a U e er eine Seftellung auf ein Slltarblatt (Slbenbmahl) er» 
halten. Qennp machte ficf) fofort an bie Arbeit biefeg leßtcrn Silbeg 
unb lieferte bagfelbe @nbe äftärj ab; eg gefiel fo gut, baß eg alg ein 
ttnrEticbeg äReifterwer! bon einem Sölatte ber Umgebung bezeichnet Wirb. 
Xag ©leidfe wirb auch non einem Silbe getagt, bag Qcnnt) für bie 
Kirdje in Qeuenftabt walte unb bag ©hriftug am Kreuze barftettt. 

Xie Silber aber, bie er währenb beg 1866er Kriegeg gemalt, haben 
ihm einen eljrenbotten Flamen gemacht. Xie ißortraitg beg Köntgg 
oon ißreußen, beg Kronprinzen griebrich, beg Prinzen Karl, SJtoltle'g 
unb SigmarcE’g waren bon fpredjenber Slehnlidjfeit. Som König 
tourbe ihm ein eigeneg Xanffchreiben zugefertigt. 

2 lußerbem hat Qennt) in zwölf £)riginal»Qlluftrationen ein ,,©ff'e» 
harb»9llbum /y herauggegeben, bag in unoeränberlicfjem Sichtbrmf bon 
Ber Kunftanftalt bon 9tömmler unb Qonag, |>ofphotograpl)en in 
Xregbcn auggefül)rt in britter Auflage in ber ^ubotphi’fchen Such» 
hanblung in Hamburg erfchien. ©dfon bag Xitelblatt beweigt, welche 
große ©abe Qennp für bie Kompofition befaß. Xie zwölf Silber 
enthalten: Herzogin §>abmig befucht bag Klofter ©t. ©allen. Xer 
Ueberfall im SBalbe. Xie SSalbfrau. Xer Sitte in ber ^jeibenhölfle. 
Xie Hunnen auf 9?ekhenau. Slubifaj unb «fpabermoth’S Xantopfer. 
•|)abmig in ber Kapelle, Qm Kerfer. Xie Qtucht. Qm Söilbftrchlein. 
Stuf ber ©benalp. ©fEeharb’g 2tbfd)ieb. Xie Silber finb fehr fdjön, 
reich in ber ©ruppirung, reatifiifd) in ber Stuffaffung. ©inzelne 
Slätter ftnb wahre 9Reifterwerfe. ©(habe, baß bie Herzogin nidjt etwag 
ibealer aufgefaßt ift. Qn ber ©cfjweiz finb fie wenig befannt. 

* * 

* 

Qennp fehnte fidf nach ber ^eimath- Qm SRooember 1878 erhielt 
er nach bem Xobe beg ißrof. Xaoerna einen 9tuf oon ber heimathlichen 


Digitized by 



90 Ber Klater f}elnrfdj Senng. 


Regierung al§ 3 e ^ nun 9 § ^ e ^ rer an Stantonäfcfeule. SBie gerne 
folgte er biefem Stufe, ©eitler feat er ©olotfeurn bauemb nie oer» 
iaffen. ©rft jefet begann ein freubigeä ©Raffen in ber ©d^ute unb 
ju |>aufe. Qn ©olotfeurn toirfte ^ennp fefer anregenb unb jog mancfeeä 
junge Talent feeran. ®er Serfefer jtoifcfeen öeferer unb ©cfeüler toar, 
»ie $rof. ©eroert in ber „©onntagäpoft" fcfereibt, ein feeimelicfeer, 
gemutfelicfeer, faft freunbfcbjaftlidjer unb toenn ^;ennt)’S f>erjen§güte 
oon ber Qjugenb, bie ja feine Smgenb fennt, audj mancfemal mifebraudfet 
tourbe, fo liefe er fidj bocfe fetneetoegS beirren. 

SBäfetenb biefe§ oierten unb lefeten ©olotfeurner StufentfealteS 
fd^uf Qennfe mehrere gröfeere feiftorifcfee Silber, ©jenen au§ ber 
©olotfeurner-' unb ©cfetoeijergcfcfeidfete: §>au3 Stoffe oor bem ©icfetfeor 
(au§ Slnlafe eines Stantonalfcfeüfeenfefteä); ein allegorifdfeeä Silb: 2luf* 
nafeme §reiburg§ unb ©olotfeurn^ in ben eibgen. Sunb (1481); bie 
Selagcrung ©olotfeurn^; bie Xagfafeung oon @tan§; ©cfeultfeeife 
SBengi, bie Sorftabt'Stircfemeife oon ©olotfeurn (1499). (@. bie Slbbil* 
buug.) SDteferere biefer Silber fcfemüden bie SBänbe be§ Cafe de la 
Poste unb ber SBirtfefcfeaft ©cfeneiber in ber Sorftabt unb oerleifeen 
biefen Cofalen ettou§ SlnfeeimelnbeS, ein cfearafteriftifcfeeS ©epräge, ba§ 
fte oon getoöfenlicfeen 2öirtfefdjaft3lofalitäten unterfdfeeibet. 

ÜJtit toelcfeer aufeerorbentlicfeen 2 D?eifterfcfeaft Qentip bie geber in 
ber ßeicfenung feanbfeabte, baoon legt berebteS 3 eu 8 n *ft Sllbutn 

feeroorragenber ©olotfeurner ©cferiftfteller unb Stirn ft ler, ba3 feiner 
3cit auf Slnregung bcö §errn StSt. Slffolter cntftanb unb oorjüglidj 
gelungene ißortraitä in prächtigen aHegorifdjen Untrafemungen auf* 
toeiöt. Qn Del fcf)uf Qennfe bie fpretfecnbcifenlicfeen ißortraitä bc§ Canb* 
amntannS Sigier, be§ Sifcfeofä giala u. a. nt. 

$m ©ifeungSfaale be3 ©emeinberatfeeS oon 3 0 fengen feüngt in 
gefcfentacfooHer Umrafemung Qenttp’§ Silb: „3)ie Sluffinbung ber Ceicfee 
StiflauS S£feut’3 nacfe ber ©cfelad)t bei ©entpacfe.“ 

Sei all ben ernften Slrbeiten fonnte fteinricfe Qennfe ba§ feumo* 
riftifdje ©lernent, baä in ifetn ftecfte, ntcfet oerfeeimlicfeen. 3 uer fe ntirfte 
er am toiebergegrünbeten „^oftfeeiri" mit, au bem er 14 Qafere f. 3* 
gearbeitet featte, unb glaubte ifen toieber in bie Ipöfee bringen ju 
fönnen, aber bie 3 e ^ cn $iloriu§ 3 mnter 9 r n n / bes ©artenfeag« 
malere unb be§ Slauen ÖeifteS roaren oorbei, ber neue „ißoftfeeiri“ 
fam auf feinen grünen 3 lDe *9 unb mufete nad) einjäferigem Seftefeen 




Digitized by , VjOOQl0 



91 


ffler Äler ^elttrtöj Senntj. 


1887 fein ©ingeßen anEünbigen. Qn ber festen Plummer beg SBfatteS 
Bringt er itocß ein Sarßfd^ieb§6itb/ bag ung gang meßntütßig ftiramt: 
35 er „ißoftßeiri" manbert mit ^uleS, bem ©artenßagntaler unb ben 
SRitgliebern beg Blauen Seiftet gutit <Sicf)tf)ore ßinaug, bepacEt unb 
Beloben, mäßrenb £)ilariug immergrün mit bem (Slifi bon ber Slltane 
beg Jßoteg hinunter grüßen. „($s finb nicßt fomoßl Umftänbe ge* 
fcßäftlicßer 3trt," fagt bie fRebaEtion in ißrern ©pilog, „alg btelmeßr 
gerabe ßerauggefagt! — bie trübfeligen innern Serßältniffe unfereg 
Cänbcßens, melcße eg ung grünblicß berleibet Baben, bag Eieine Unter* 
nehmen, bag mit ber 3 e >* entfeßieben profperirt bjatte, länger fortju* 
feßeti. 35er §umor ift jum Teufel gegangen unb mie »eilanb ber 
SBittenBerger 2Rönd) feßmeißen mir ba§ Tintenfaß an bie 3öanb ad 
rei memoriam (!) unb bie geber unter ben ütifcß, froß einer ber* 
bammten Caft lebig gemorben ju fein/ melcße unter anbern Serßätt* 
niffen für ung maßrßaftig ein ©paß gemefen märe!“ 

SRun manbte fieß Qenttß bem „SRebelfpalter“ in .gürieß ju, bem 
er eine Slnga^l feE»r feßöner Silber lieferte/ boeß ber Sob näßte ßeran 
unb naßm ißm ©tift unb ©riffel aug ber §anb. 

Unter feinem SRacßlaffe befinben fieß u. 31. folgenbe Sufcßgemälbe: 
3ag naeß ber ©cßlacßt bei ©t !gaEob; ©treitenbe ©emgjäger; Ugo* 
Uno mit feinen ©öffnen im ^Htngertßurm ju $ßifa; ber EranEe ©albin; 
Sonnibarb im ©cßloß bon Gljiüon (Illustration nationale Nr. 4) 
mürbe jüngft berEauft. ferner SlquareHe: Ecce Homo! Uri fRotß* 
ftocE; Saubenlocßfcßlucßt bei Siel; SeufelgbrücEe; ©emgjäger. Oelbilber: 
^Raubritter; Slarburg bei Olten; gwifeßen Qura unb 3llpen; Sor ber 
Kapelle; SEinber, Srombeeren fueßenb; 3ln ber Sirg; 3obtenfee. 

Qn Sufcß ausgefüßrt malte er in außergemößnlicßer ©vöße eine 
feßmeij. ßiftorifeße Silbergallerie, bie in einem Sllbum bereinigt unb 
atg 5ßf|otograp>E>ie n ßerauggeEommen finb: 3)ie ©innaßme ber Surg 
SRotyberg 1307: bie ©cßlacfjt bei äRorgarten; bie Selagerung bon 
©olotßurn; bie Sagfatjung bon ©tang mit SRiEtaug bon ber glüe; 
©cßultßeiß 3öengi (1533). 

SRocß Baben mir jmeier Silber ju ermäBnen: 35er SauernfüBrer 
SRiElaug öeuenberger auf bem ©ftermunbingerfelb (1653) unb ©cBult* 
Beiß ©teiger im ©raußolä (1798) unb boeß ßoben mir nießt bie £)älfte 
angejeigt alleg beffen, mag ^enntj in feiner fangen Äünftlerlaufbaßn 
gefeßaffen ßat. 


Digitized by 


Google 



92 


Cer JHalfr fletnrtdr Jfmnj. 


@eme Stunft, ju ber er ftcf) nur burcf) feine ©enialität tjeraufge* 
arbeitet bot, b Qtte ä^oet Seiten: £>ie ^iftorienmalerei unb bie ©enre* 
malerei. Sie jeigt aucf) bie ©igeitart ^ennp’S: glücfliebe Stompofition 
unb träftige, au§brud§ooHe ©eftaltunq ber einzelnen Figuren. Qennp 
erinnert un§ uielfad) an ben Iängft oerftorbenen SRaler SRartin ®ifteli, 
obfebon er nie fein Stüter gewefen ift. 

2Bie mir au§ feinen Jagebucbblättern gefeben, bat Qennp eine 
öielfacb bewegte, namentlich in feiner Qugenbjcit unb in 2)eutfcblanb 
ärmliche 23ergangenbeit bt n i er fi<h> 9Rod)te ibm ba3 Sdjicffal auch 
noch fo hart ntitfpielen, gang tiefe er ben Stopf nie bangen; immer 
gewann feine jooiale, gefunbe unb frifd^e SRatur bie Oberbanb. ®abei 
war er energifd) unb raftloS tbätig unb wahr ift, wa3 einer feiner 
Sdbüler in einem poetifdjen SRacffruf oon ibm fagt: 

S33a§ bein ÄünfltergeniuS gefdjaffen 
Sebt in feiner ©d)önbeit ewig fort! 

2Bie bie ©dje trogt bem ©turmeSbeben, 

Jrateft bn entgegen bem ©efd)itf, 

ÜDocb oon beinern cblen $ünftlerftreben 
§ielt ba$ ©djitfial niemals bid) jurüd! 
f$a, bu trarft in beinern ©benleben 
1(3 ein idjöpfung3reicber ©eift geehrt; 

3egt, ba büft've ©chatten bidb umgeben, 

Stennt man beineS ©tifte3 oollen SBertl)! 

9)iand)c3 luge fonnteft bu erfreuen, 

ÜRandjcn jungen ©eift baft bu entflammt, 

2)od) bie Üiebe, treldje mir bir treiben, 
lud) »ott beiner §ergen3güte ftammt. 

* * 

* 

Samftag ben 15. luguft 1891 SRad)mittag^ 2 Ubr bei faft tropifdjer 
f>i£e begleiteten bie fßrofefforen unb Schüler ber StantonSfdjule unb 
•eine grofee Injabt greunbe unb fBetannte ^ennp’ä feine fterblicben 
Ueberrefte auf ben ^atbarinen=©otte3ader jur testen fRubeftätte. 

$er fReftor Dr. Kaufmann entwarf in auSgejeicbneter fRebe ein 
33ilb beS 8eben§ unb SBirfenS be§ genialen StünftlerS, ber noch lange 
fortleben wirb in ber folotburnifcben 33euölferung, benn mit ibm ift 
ein gut Stücf Solotburnergefcbicbte ju ©rabe geftiegen. 


Digitized by t^ooQle 



tferetnigang oon ©ro$- mtb Älfln-^afel. 


93 


Jmtoipug mra $ro| uni filriu=jSaftl. 

2luS einem Bortrage oon £>rn. ißrof. Dr. ^.nbreos fjeusler. 

C^ß-'reitag ben 4. SJiärj 1892, SIBenbS 8 UI)t, tjielt £>r. ißrof. 
SlnbreaS §euSler im großen ©aale beS BernoultianumS 
einen öffentlichen Bortrag über bie Bereinigung oon ©roß» 
unb SleiwBafel, welche am 6. 2lpril 1392 ftattfanb. ^n Harer, über» 
ftcßtlicßer ®arftetlung beleuchtete ber Bortragenbe bie £)iftorifcf)e Be» 
beutung biefeS GreigniffeS, woraus fid) bann auch bie oollfte Bered) ti= 
gung unb Begrünbung ber auf ben fommenben ©ommer geplanten 
500»jäßrigen ©ebenffeier ergab. 

Bor 36 fahren feierte Bafel ben ernften ©ebenftag an baS große 
Grbbeben, baS oor 500 fahren bie ©tabt in krümmer legte, .fpeute 
bereiten mir unS oor, in allgemeiner patriotifcßcr geier freubig eines 
gerichtlichen GreigniffeS §u gebenten, meldjeS ßeugniß ablegt, baß 
wenige Qaßre nach ber frfjrecfließen Glementarfataftropße neues Ceben 
au§ ben fRuinen Bafels blühte unb eine ßeit angebrochen war, ba 
bie ©tabt auS einer oft fcßioierigen ü)efenfioe gegen bie itjre Freiheit be» 
broßenben SRäcßte in bie Cffenfioe übergehen fonnte unb baS ©epräge 
eines muthig unb fräftig aufftrebenben ©taatsmefenS erhielt. 2)a» 
malS, gegen baS Gnbe beS 14. ^aßrßunbertS, erfolgte bie Bereinigung 
oon ©roß» unb Slein»Bafet, welcher burd) Sauf unb Eroberung weitere 
Erwerbungen folgten, fo baß Bafel halb ein ©ebiet beßerrfeßte, um 
baS eS anbere ©täbte beneibeten. Xie gu feiernbe hifborifefje 2ßat» 
faeße fommt jwar an Söicßtigfeit nießt etwa ber ©rünbung beS 
©cßweijerbunbeS ober aud) nur ber ©rünbung ber ©tabt Bern gleich; 
baßer ift aud) bie Bebeutung ber freier feine fo ßoße unb allgemeine, 
unb felbft oom fpejiell baSlerifcßen ©tanbpunfte auS betrachtet, mag 
baS Gr eigniß beS ^mponirenben ermangeln, baS eine neue ©cßöpfung 
eben ißreS feßöpferiiehen unb jugleicß bioinatorifeßen ©ebanfenS wegen 
oerfldrt unb ibealiftrt. 216er ebenfo gefeßlt wäre eS, biefeS Blatt 
ber Basier ©efeßießte ju unterfchäßen unff ein gewößnlicßeS ©elb» 
gefcßäft barin ju feßen, baS ebenfo gut einen anbern ©egenftanb ßdtte 
betreffen ober ganj unterbleiben fönnen. 2lucß baS nimmt ißm nicßtS 



Digitized by 



f \ 



94 


Oirfintgang von ©roß- nnb ftiefo-fiafel. 


»oit feiner Bebeutung, baft &lein=Bafel burd) eine frieblidje Srmerbung, 
nid)t burd) eine 253affentE)at mit ber großen (Stabt ift oereinigt morben. 
Sßir feiern nicht bie Grmerbung, fonbertt bie Bereinigung, unb barunt 
ift eS aud) nic£)t ein „SUein»BaSler geft," fonbem ein geft, an bem 
bie beiben Stabttheile gleichen Slnthetl i}a6en, fo gut, als bei einem 
£)odjseitSfefte baS fmchjeitSpaar unb nicf)t blojj eines ber ^»odjgeit» 
leute gefeiert rnirb. 

£>ie Bebeutung beS (SreigniffeS für bie QrntmicElung ber Stabt 
Bafel mirb burd) bie Betrachtung ber ^iftorifcfjen Momente, bie baju 

geführt haben, in baS richtige Sicht gefteUt. 

* * 

* 

Qaljrhunberte lang haben ©rofj» unb SHein»Bafel neben einanber 
unb unbefümmert um einanber ihr Seben geführt unb ftd) jfebeS in 
feiner Söeife eine eigene politifd)e (Beftaltung unb fommunale Ber» 
faffung errungen, ohne grojj baS Bebürfnifj nach einer Berbinbung 
$u empfinben, bis plö^lid) am Qsnbe beS 14. gahrljunbertS ber 9?ath 
oon ©rofj»Bafel bie hödjftett Slnftrengungen macht unb in faft uner» 
härter SBeife feine ginanjEraft anfpannt, um SUein-Bafel an ftd) ju 
bringen uttb burcfj förmliche Slufnaljme ber Eieinen Stabt in ihren 
eigenen Organismus biefen Befifj auf unmiberruflid)fte Sßeife für alle 
ßeit ju fichern. 2BaS hat auf einmal biefe neue SBenbuttg ber ®inge 
herbeigeführt? ®S mar bie Ueberjeugung oon ber BotljmenbigEeit 
biefer Bereinigung für bie eigene dfiftenj. Unb biefe Ueberjeugung 
hatte fich hi ntt) iebcrum unabmeiSbar aufbrängen ntüffen unter bem 
CsinbrucEe ber (Befahr, bie burch ben BerEauf Sleitt»BafelS Seitens beS 
hcruntergeEommenen BiSthumS an baS mächtig aufftrebenbe Oefterreidj 
auch bie freie QrntmicElung (Brof^BafelS bebrohte. 

(Sntmeber rnufjte (Brofj» Bafel auf eine eigene (Befd)idjte, auf 
SelbftänbigEeit Derjidjten, ben lanbeSljerrlichen (Bemalten ber gimften 
bie $errfd)aft am Oberrhein überlaffen, unb bann felbft früher ober 
fpäter, gleich ^reiburg im BreiSgau, biefen Brächten jum Opfer fallen 
ober eS rnufjte feinem felbftänbigen materiellen unb geiftigen ©ebeifjen 
Sicht unb Suft fchaffen, meitern Baum ermerben, um nicht j$u Der» 
Eotnmen. Bafel mufjte mit feiner freien Bürgerfdjaft eine herrfdjenbe 
ÜJiadjt am Oberrhein fein unb bie fperrfcfjaft auch ju behaupten Der» 
mögen. 

* * 

* 


Digitized by Google 



95 


Ueretntgnng oon ©roft- nnb fileln-fBafel. 


(Seit bem Qa^re 1365 Begann bie SBenbung ber 3Mnge, au§ 
ber ftd) bie Ueberjeugung biefer Sftothmenbigteit ^erau§Bübete. @8 ift 
ba8 ßahr, in wettern Qof)ann oon Vienne ben bifchöftidhen Stuljt 
Befticg. 9Kit it>m erhielt ber Äonftift jmifchen ben ^ntereffen beS ViS* 
thurnS unb ber Stabt jenen afuten Stiaratter, ber in ber golge ttjo^t 
^eitmeife gefchlummert hat, aBer nie oerfcfjmunben ift, Bis er im 
16. Qafjrfjunöert zu ooßftänbigem Vrudje geführt hat. $)er neue 
Vifdjof, mie er fofort mit mächtigen Sftachbarn in bie fchmierigften 
§änbet geriet!), ftellte fid) aucf) mit ber Stabt Safe! auf ShiegSfufj, 
inbem er goröerungen bezüglich ber 9tathSmaf)l u. 21. gegen fte ert)ob, 
bie fie nicht bemißigen fonnte. gü* SBafel mürbe bie Sad)e baburd) 
bebentlid), bafj ber Vifdjof in feiner fmanjietten Vebrängnifj bie il)m 
oon Oefterreid) angebotene §ilfe ergriff. 2)enn nun trat in ben 
Vorbergrunb ber (Srcigniffe baS unterneijmenbe $aupt 0efterreid)8 
in ben oberrheinifchen ©egenben, §erjog Ceopolb. 2)ie „ßier ber 
SRitterfdfjaft" hmfj er Bei feinen Vafaßen; aber bie ©efchidjte mirft 
auf it»n einen bunflen Sdjatten; habgierig unb gemaltt^ätig gegen 
feinen Vruber, unjuoertäffig gegen Verbünbete unb immer nach neuen 
©rtoerbungen ftrebenb, gerät!) er in ein abenteuerliches SBefen, baS 
ihm fchtiefetidh ben Untergang bringt, ßn biefen jmei turbulenten 
©egnern, melche bie Stabt Vafel oon Stufen Bebrohteit, tarn nun 
noch baS äJiifjtrauen unb bie ^einbfehaft ber oerfchiebenen Grinmohner» 
ftänbe VafetS innerhalb ihrer eigenen Sftauern. Seitbem bie ßiinfte 
Zum Stabtregiment gelangt maren unb ber ftäbtifrfje §>auS^att fich 
immer mehr oon ber Bifdjöfliehen Vermattung getrennt unb biefe 
jurüefgebrängt hatte, fah fich bie Siitterfchaft, bie urfprünglid) bie 
bifd)öflidhen 2lemter unb beren üJiu^ung innegehabt hatte, ihrer öfo* 
nomifthen $ilf8queßen Beraubt unb fud)te nun burd) Gcrmerb oon 
2temtern Bei ber öfterreichifchen ^jerrfefjaft im Sunbgau, Grtfaf unb 
VreiSgau ben 21u§faß gu beeten. So maren fie im 4?erjen mehr 
öfterreidhifdje Unterthanen als VaSler Vürger, unb jefjt, ba ihr CehenS* 
herr, ber Herzog, als Bifdfjöflicher Verbünbeter offener f^eiub ber 
Stabt gemorben mar, oerhängte ber fttatf) über manche oon ihnen, 
namentlich menn fte fich ben ftäbtifdhen Steuern nicht unterziehen 
moßten, bie Verbannung. 

üftadjbent bie gel)be jmif^en bem Vifchof, bem §erjog öeopolb 
unb ben oerbannten (Sbelleuten einer» unb ber Stabt Vafel anber» 



Digitized by 


Google 




96 tymlntgnng son ©roft- nnb CHItin-fialel. 


feitS offne bcmerfenSroerthc Söaffentßat ein ^at)r lang gebauert. Der» 
mittelte ber -fpergog oon Oefterreicß einen grieben, beffen Stoften ßaupt» 
fäcßlid) ber Vißßof jaulte, inbem er Oefterreicß für feine auf 30,000 
©ulben gefefjäfjten ®ienfte StleimVafel als ißfanb überantmorten mußte. 
®aß ®rüngen be§ §ergog3 auf rafcßc ©rlebigung ertlärt ficß moßt 
au§ ben Vermittlungen, bie ißm aus ben Slnfprücßen $ngelram’§ oon 
©oucß auf rüdftänbige ©ßefteuer feiner Sttutter an Oefterreicß in 
biefer 3 e it erroucßfen. 9(ber amt) fo mar er nicßt im ©tanbe, ber 
£>eere3macßt ©oucß’3 SBiberftanb gu leiften, er 30 g ficß nadf bem 
feften Vreifadf guriid unb überließ e§ ben ©cßmeigern, mit ben 
©uglem fertig gu merben. Staunt mar biefe ©efaßr oorüber, fo naßm 
er feine ißläne gegen Vafel mieber auf. Stm 21. Januar 1376 
ermarb er oon Slot) er Äarl IV. bie tReicßSoogtei, b. ß. bie Vlut» 
geridftSbarteit in 33 ftfet. ®amit mar er ^nßaber be§ erften melt» 
licken Slmteä bafelbft gemorben. ®ie Vürgerfcßaft mußte babureß 
in ftarfe (Erregung oerfeßt merben, unb ein Heiner Slntaß tonnte 
einen ferneren Stonflitt ßerbeifiißren. ®er blieb benn auch nicßt 
au3. Oer £>ergog feierte bie gafeßingätage in SUein*Vafel unter 
großem ßulaufe ber £)errfd)aften au§ ber Untgegenb. ®a ritten bie 
©bedeute aud) ttaeß ©roß=Vafe( tjerüber gur Slbßaltung ritterlicher 
©piete auf bem idtünfterplaße unb oerübten babei moßl in über» 
mütßiger gafd^trigälaune gegen bie Vürger allerßanb SDhttßmiHen 
unb Sioßßeiten, j 0 baß ber 3tmn ber Vürgerfcßaft in hellen flammen 
auäbracß unb bie 3 » n f te unter bem ©eläute ber ©turmgloden ficß 
um ihre Vamter fammelten, über bie ©bedeute auf bem SJtünfterplaß 
unb in ben nädjften Käufern ber Oomßerren unb ber VaSler 9titter» 
feßaft ßerfieten, Siele töbteten unb gefangen nahmen, bie Uebrigen gu 
rafeßer glucßt über ben 9tßein nöthigten. ©a§ mar bie „böfe gaft» 
nacht“ oon 1376. ©ie tarn S3afel theuer gu ftehen. 

Vergebend fueßte ber 9iatß ba§ ©ange at§ eine einfache ©cßlägerei 
barguftellen; üergebenS fueßte er bureß §inricßtung oon 13 „böfen 
Vuben" unb bureß Verbannung anberer bem Unheil oorgubeugen; ber 
£>ergog betrachtete bie Sßat al§ einen CanbfriebenSbrucß, ber ftrenge 
geaßnbet merben müffe, ma§ aueß nießt auäblieb. Vafel mar ifolirt 
unb mußte fteß notßgebrungen gu ben feßmerften unb brüctenbften 
Vebingungen ben ^rieben mit Oefterreid) erlaufen, fieß üerpflicßten, 
bem §ergog gu bienen unb gu märten, unb ißn in feinen geßben gu 


Digitized by Google 



titrtfofgimg 90 n ©roß- nnö ÄbliHßaffl. 


97 


unterftüfcen burdj 3 u ä u 9 un ^ Offenbarung bet (Stabt, in gtetd^er 
SEBeife, mie anbere öfterreidjifdje Stäbte, bie oerbannten Nitter mieber 
aufsunebmen -uttb grofje (Summen an bie oerle^ten (Sbelteute ju 
Sabten. ©in ©efüt)I bet SJ^iebertage bemächtigte ftdb ber 39iirgerf(f»aft unb 
eS brauste mieber einige Qabte ruhiger (Sammlung ber STbatfvaft. 

Unterbeffen hotte aber Defterreicf) ben £>öbef>unft feiner SNacht 
am Oberrbein unb in ber (Schweis erreicht. (Sein (Sinftufj auf Safel 
tritt gerabe je^t, ba man hoch ein energifdjeS Auftreten ermarten 
fönnte, eher surücf, unb swar offenbar barum, meil ber f>ersog nach* 
gerabe burch feine unternebmungSluftige ^»errfchfucht auch onbermeitig 
Su ftarf oerbängt, auch ftnansieU s« |<hwer belaftet unb oerfcbutbet 
mar, namentlich in <S<hmaben Gsrmerbungen entamirt hotte, bie auf 
Sdjmierigfeiten aller 2lrt fließen unb feine ganse 2t ufnterff amfett in 
2lnfpruch nahmen. 

daraus mag fidf auch bte planlofe Söeife, mie er bie SaSlerifdjen 
2lngelegenbeiten anläßlich ber swiefpättigcn SifchofSmabt beS $abre8 
1382 bebanbelte, erftären. $n biefent $abre ftarb Johann oon Sienne 
unb baS Domfapitel feilte [ich in ber Sßabl feines Nachfolgers 
Smifchen Qmer öon Namftein unb Söernbcr bem Schaler. (Der teuere 
mar ber Kanbibat DefterreidjS, fanb aber bei biefem feineSmegS bie 
nötbige Unterftüfcung. Denn Geopolb fab [ich in biefer 3 c 't oon einer 
politifdjen Kombination ber ftbmäbifdjen NeidjSftäbte unb ber fdjmei? 
Serifchen ©ibgenoffenfcbaft bebrobt, beren 2lbmenbung alle feine Dbätig* 
feit in 2lnff)ruch nahm. Der fdjon früher flüchtig aufgetauchte ©e* 
banfe eines großen SunbeS aller freiheitlichen Elemente oom 2Uf>en* 
gebirge bis sum 90?ain, eines SunbeS ber Kommunen ber Stäbte unb 
ber Säuern sur Umflammerung unb Sernidjtung ber GanbeSbobeit 
ber dürften fchien in biefer ßeit feine Sermirfticbung finben su fönnen, 
aber er fam oon oomeberein nicht in oollem Umfange su Stanbe; 
bie Cänber ber fcbmets- ©bgenoffenfdjaft lehnten ihn ab unb auch baS 
Sünbnijj swifchen ben fchmeiserifchen Stäbten unb bem fdjmäbifcben 
Stäbtebunbe, baS 1385 mit beutlidj ftchtbarer Spi£e gegen Defter* 
reich abgefchloffen mürbe, ermieS fich beim erften 2lnlafj als nicht 
lebensfähig, meil bie Qntereffen ber SunbeSgenoffen immer mieber 
auSeinanber gingen. DaS s^igte fich juerft, als Safet, baS 1384 bem 
fdjmäbifdjen Stäbtebunbe beigetreten mar, im 3 a h te 1385 megett 
ftetS mieberbolter Sefebbungen beS öfterreid^ifcfjen 2lbelS biefen Sunb 

Sou 3uta jum gdjuotjtoalb. IX. ^ 


Digitized by 


Google 



98 


tierthttgnng 001t ©rofj- nnb £leht‘ 43 af«l. 


jum Kriege mahnte: ba wollten bie Schweizer nidjt mitmachen. §in= 
Wieberum als bte Schweizer ein f)a£6e§ gatp: barauf »egen fRapperS= 
wpl unb tftotljenburg mit Oefterreicf) in Shrieg gefommen waren unb 
bie fdjwäbifcften ©täbte mahnten, tonnten fidj biefe nicht zu einer 
SriegSerllnrung entfdjlieften; im ©egentljeit oerftänbigte ftcf) ber ^erjog 
Seopolb mit iljnen unb »anbte bann feine ganze £>eereSmad)t gegen 
bie Schweizer. (Der ($rfolg ift beEannt: bei Sempach ereilte ihn am 
9. guli 1386 baS fcfjrecEliche ©efcfticf. 

(Der (Sieg ber ©ibgenoffen bei ©empad) ^at auch bie 33aSlerfrage 
gelöst. Offne S3erjug orbnete SBafet eine ©efanbtfdhaft an Sönig 
SBenjel ab, um bie fHeichSoogtei ju erwerben, waS aud) gelang. (Dann, 
als bie ©öffne beS gefallenen Ccopolb in hödffter Sftoth unb oon allen 
SRitteln entblößt, nadf allen ©eiten Hilferufe ergeben tieften, erwarb 
ber 9iatt) oon ihnen um ben fßreiS oon 7000 ©ulben bie fßfanbfcftaft 
über St’lein=33afel (OEtober 1386). (Drei gaffre fpäter erteilte ber 
SBifdfof feine (Einwilligung baju, unb burcf) immer neue (©arteigen an 
baS finanziell zerrüttete 23iStIfum, bie zu ber fßfanbfumme gefdflagen 
würben, brachte eS ber 9fatl) enblicf) bazu, baft ber Sötfdjof um bie 
©efammtfumme oon 29,800 ©ulben ftdcimSafel an ben 9tatlf ber 
groften ©tabt zu ewigem, unoeräufterticftem ©igentljum abtrat, burcf) 
SBrief üom 6. 2tpril 1392. 

(Damit war ba§ längft erfefjnte ßiel, beffett fto^e S3ebeutung bie 
IBürgerfdfaft wofft erfannt ^atte, erreicht. (Die ©tabt hatte ftdf leine 
Opfer an ©etb, an birelten unb inbiretten ©teuern freuen laffen, 
ifjre ©cftutb war fd)on 1390 bis auf 85,000 ©ulben geftiegen. gn 
golge beS befinitioen (Erwerb8 hätte nun allerbingS ©roft=53afel baS 
|)errfdfaftSrecht auSüben unb UleitnSafel als Untertlfanenftabt belfam 
beln Eönnen. Stber baS muftte fidf politifd) als unmöglich barftellen. 
SleiwSBafel hatte bereits einen ©rab oon ©elbftänbigfeit erreicht, ber 
feine Unterorbnung unter bie §>err[d)aft eines gleichartigen Herren 
nicht zulieft. StlS Unterthanenftabt wäre SHein*33afel immer oerfudft 
gewefen, fuft in Oppofttion zu ber £>errfdfaft zu fteßen, um feine eigenen 
gntereffen zu oerfolgen, in bewegten 3*iten unter Umftänben mit ben 
^geinben SSafelS zu Eonfpiriren. gm ^Bereiche ber politifd)en 53etradf-- 
iuttg lag nichts anbereS, als eine ^Bereinigung ber beiben ©täbte 
auf bem gufte ootter ©leichberecfttigung. (Der Stein»33aSler SRatlf 
Würbe aufgehoben, bie ®leitu33aS(er traten in bie fünfte ©roft=5BafelS 


Digitized by 


Google 



tterehttgung »an ©ra&- mtb fiUtn-4tafel. 


99 


unb Würben baburd) auch ber SÖfitgtiebfchaft im Diathe ber großen 
©tobt theilljaftig, bie Vereinigung oottgogf firf) in ber gorm ber ©tobt* 
ermeiterung; wie bie ©tobt früher auf bie Sßorftäbte war auägebefjnt 
worben, fo gog fie nun SfleimVafet in ihren 23ereidj. 

2öer babei gewonnen tjabe, ift eine müfcige gracje. SBeibe Steile 
Würben be§ ©egenS ber Vereinigung t^eiifjaftig. 3>te (entere bitbete 
einen mächtigen gaEtor be0 3Iuffd)Wung§, ben Vafet im 15. ^aljr* 
Ijunbert nahm. 9J?uth unb S^attraft erfüllte bie Vürger; bie ©tabt 
war Eampffähiger, gefürsteter unb impofanter at§ je. ©ie hatte auf 
bem redjten ^^einufer einen ©tü^punEt ermatten, beffeit SBerth nament¬ 
lich in ben fahren 1444—49 fühlbar würbe. Stber nicht nur in 
ftaats*, aud) in h<wbet§politifcher Vegieljung erwies fidj bie Vereinigung 
atS ein eminenter Vorteil; ber ©rcngftreit gwifdjen beiben ^beiten 
unb bie goltpladereien auf bem 9?hein hörten auf; bie VrücEe würbe 
frei für ben Sranjtt. Vafet Würbe ber ®urchgang§punEt großer 
VerEehrS* unb ^eerftrajjen; ed würbe burdj |>anbet unb ©ewerbe 
reich, burd) ungeftörten materiellen unb ibeaten VerEe(jr ein gead)tete§ 
unb heroorragenbeä ©lieb in ber ftolgen Sette ber oberbeutfdjen 
©täbte. 316er nid)t nur für bie Vergangenheit t)at bie oor 500 fahren 
üoltgogene VerfSmelgung gu einem ©tabtgangen Vebeutung; faffen 
Wir bie heutigen Verljältniffe inS 3tuge unb oergegenwärtigen wir 
un§ nur einen SlugenblicE, wie e§ wäre, wenn baä rechtzeitige 9?hein= 
ufer bem beutfdjen Steidjägebiet gugefjörte, fo müffen wir unfern Vätern 
bon bergen banEbar fein für bie Etug burcbgefüfjrte £h at unb ben 
Qmpu(§, ben fte baburdj gum Stufbtühen unferer ©tabt gegeben. 
SBetdjer Vaäler wollte benn nid)t auch mit ungetrübter gteube unb 
Vegeifterung bie ©ebenEfeier im nächften ©ommer begehen unb gum 
©elingen berfetben fein Vefte§ beitragen! 




Digitized by t^ooQle 



100 


Gin Spaitergang narij tielUlaq. 


(in ä|g;i(C|ti| »4 gdtlif. 

Son gof. Rilliger in ^runtrut. 

frönen (Sommertagen, menn tau bie Cüfte meljn, jiefjt e3 
ben Stäbter IjinauS in ©otteS freie Statur, um baä Stuge 
ju laben an ben SEBunbertoerfen ber Schöpfung, um bie Sruft 
ju Baben in ber balfamifdjen SöalbeS* unb SergeStuft. 2Sot)t mag 
ifynt baBei manchmal bie 2öaf)l fermer falten, benn jatjtreid) ftnb bie 
©ipfel mit Berühmter gernfidjt, bie Seen mit jaubertjaften Steifen, 
bie romantifdjen Später, bie tofenben ÜBafferfätte, metdje ben nadj 
reinem Staturgenufe Sdjmadjtenben antoefen. Unb bod) ffeinen e§ 
einige biefer 33erüljmtljeiten barauf aBgefefjen ju fyaBen, ba§ Sdjönfjeit§= 
monopol an fidj ju gieren. Stidjt nur ba§ Steifen al3 foldjeS ift fefct 
eine SJtobefadje, fonbern audj bie Steifegiele ftnb mobifdj gemorben. 
Söenn mir an einem Sommermorgen einen greunb mit Stodf unb 
Stänket bem SBaljnljof jueiten feljett unb mir üjn nadj feinem 3!3orIjaBen 
fragen, fo mirb er unä mit überlegener Sttiene mittljeilen, biefeS 2>iat 
get)e eS ins OBerlanb ober an ben 3$iermalbftätterfee. ®enn barunter 
tljut eä nun einmal berjenige nidjt, ber etraaS auf feinen Souriften» 
namen Ijält. 216er muft e§ benn immer biefe Ijocfjariftofratifdje Stigi 
ober ba§ oon ©elbprofcen Belagerte Qntertaten fein, benen unfere 
Sefudfye gelten? Sßarurn ba§ Steifen nidjt audj einmal bemofratifcf) 
geftalten ? Unb mie oiele fdjöne Sßinfel Birgt nidjt unfer lieBeä SSater« 
lanb, bie fo §u fagen noefj ber GmtbecEung Darren, bie Bi§ jefct il)re 
Steige einfam oertrauerten, unBemunbert oon ber naturfc^märmenben 
Sötenge be3 ncunjeljntett Q-aljrljunbertS! 

$n eine fo gan^ unBetannte ©egenb motten mir inbeffen ben 
ßefer nidjt führen, benn ba§ £(jal ber Sonte unb ba§ Stoftcr 
SeUelat), mofjin mir il)n ju Begleiten gebenfeit, finb menigftenä ben 
Stnmofjnem ber 33ir§ nidjt fremb, menn audj nic^t in bem SJtafje 
Befannt, mie fie e§ oerbienten. 3 U unferer ©jepebition fjaben mir rtidjtä 
SlnbereS nötfjig al§ einen monnigen Sommertag, benn atle§ UeBrige 
ergiBt fid) oon felBft, menn unS einmal bie ^uraBaljn üBer üDetäBerg 
IjinauS nadj ber Station 33affecourt — ju beutfdj Slttborf — ge» 






Ctn £pa|Urgait0 nadj Uellelag. 


101 


bracht tiat. Sort auSgeftiegen, gehen wir in ber Stiftung nach 
©lobetier borwärtS — wer bon ^ßruntrut herfommt, fteigt auf biefer 
le^tern (Station auS, — bis wir ju einem SBegweifer Eommen, ber 
unS auf ber redjtwinteUg fidj abjweigenben (Strafe nacf) ©üben weist 
unb bie (Entfernung bis SBeüelat» auf bierje^n Kilometer angibt. 33on 
f)ier aus ftnb wir in ein paar (Sprüngen in bem Weinen, mitten in £)bft« 
Bäumen berftecften Sörfcf)cn Sertincourt. SaSfetbe befiljt 5 War 
uur ein einziges SöirtljSfyauS, welches aber alle guten ©igenfdjaften 
feiner Slrt in ftd) bereinigt: greunblidjeS ©nftzimmer, gute Stücke unb 
Heller unb aufmerffame 33ebienung. (Spezialität: Sabellofer Schweizer« 
Baffee. Sa wir auS langjähriger 9?eifeprayiS wiffen, bafj ein Wäfjrhafter 
ÜWilchfaffee, jumal am frühen Sttorgen, bie befte ©runblage für 
romantifdje ©inbrürfe jeber 2lrt bitbet, rühren biefelben nun bon 
SBafferfällen ober ©letfchern, SEBälbern ober Schluchten het, fo wirb 
bie freunblicfje SBirthin, eine urdjige Slargauerin, um fofortige 33er» 
obfolgung biefeS StrtifelS ihrer h^hern SEüdjenweiSheit erfudjt. 

SBährenb wir in ibptlifcher 9tul)e unfern Kaffee fchlürfen, Eommen 
einige martialifch auSfehenbe ©eftalten baher, in welchen wir, obfdjon 
fte Weber feinte noch 3 a 9bhuttb bei ftd) führen, Sßruntruter üftimrobe 
erfennen. Sa baS eble Qagboergnügen ben üftenfdjen nur einen Sf) e tf 
beS QahreS befchäftigt, ein echter SportSmann inbeffen fein höheres 
©elbft im Sommer nicht barf berfümmern taffen, fo ftnb biefe Herren 
auf bie glürftidje Qbee berfallen, fich wäljrenb ber Schonzeit als §orn» 
Bläferflub gufammenjufinben — waS eS hoch für allerlei SllubS unter 
ber Sonne gibt! Sie hoben befehalb grofje SBalbhörner bei ftch, um 
bamit in ben Siefeti beS ißidjoup baS (Echo gu werfen. 

Sie Qäger allein bei ihrem grüljtrunf laffettb, machen wir uns 
wieber auf ben SEBeg, ber nun anfängt romantifdj ju werben. Senn 
gleich oberhalb beS SorfeS berengert ftch baS Sljof/ bie Reifen treten 
ganj nahe an einanber heran unb laffen Eaunt bie Strafe unb bie 
braufenbe ©ome z^ifchen fich hioburcf). Slnmutljige 33uchen, trau» 
merifche Sannen unb büftre göfjren fchmürfen bie Abhänge unb ber« 
hüllen z«nt Sfjeil bie jähen Reifen, an beren ^ufs, ^at6 unter SBeibcn» 
gebüfdj berfterft, ber glufe raufcht unb fdjäumt unb burch feine 9ftufiE 
unb fein garbenfpiel bie ©inne beS SöanbererS gefangen nimmt. 
33alb erweitert fich baS Sl)al wieber unb wir erblirfen bie ©ebäulidj* 
feiten ber ehemaligen (Eifen Werfe bon Unberbelier. £jocf) ragt 


Digitized by t^ooQLe 



102 


Gin Spaytergang rtadj 48tU«lat|. 


inmitten berfetben ein geborftener Sfamin empor. (Düfter flauen uns 
bie fcljmarjen, tljeilmeife jerfaßenen ßftauem an, biefe 3 eu 9 en einer 
einftigen regen SBetriebiamEeit, einer Qnbuftrie, meldje ber Sonfurrenj 
unb ben 93erEebrSmitteln ber Sfteujeit erlegen ift. 

SBifchof QaEob ©hriftopfj SBlarer mar eS, melier im Qafjre 1599 
hier einen ©ifenhammer errichtete, nachbem er in ©ourrenblin einen 
©dfmeläofen erfteßt ^atte unb nun baS ©ufeeifen oon bort nach 
Unberoelier führen liefe. Dicfe ©egenb befafe batnalS noch einen grofeen 
^jotjreichthum. (DaS ©rj lieferten bie Sergmerfe Oon (DelSberg unb 
fünfter. Der SBifrfjof betrachtete ben ©ifenljanbel als fein fürftlicheS 
SRegai unb erliefe bieSbejüglichc ©efe£e. Sluein troij beS Verbotes, 
biefeS fo nothmenbige SWetaß auS anbern ©egeitben ju beziehen, mürbe 
im 2J?ünfterthale ein lebhafter ©ifenfcfpnuggel oon Solothurn her 
betrieben. 

Qm Qafjre 1745 entftanb in Unberoelier neben bem ©ifenhammer 
noch eine ©iefeerei. Qnbeffen liefe fcfeon 1767 ber Sifcfeof (Simon 
SUEoIauS oon 2J?ontjoie biefelbe fdfliefeen, meil bort bie §olgfchä§e 
erfchöpft maren. ©in S£E)eil ber ©ebäulidjEeiten mufete 1773 neu erfteßt 
merben. Qm Qahre 1813 maren hier ein ^jocffofen, brei Qrifchherbe, 
jmei grofee unb brei Eieine Jammer in Shdtigfeit. ©ine SlEtiengefeß» 
fcfeaft übernahm 1840 ben betrieb ber ©ifenmerEe oon Unberoelier 
unb Söeßefontaine. Um baS mangelnbe ^olj ju erfe^en, bejog man 
Dorf oon Seßelap her.* 9Jiit ber ©röffnung ber Qurabahn mürben 
bie SßerEe nach unb nach eingefteßt. Die oon Unberoelier, roelcfee in» 
jmifchen an bie je^igen Sofiaer oon 9toß & ©ie. übergegangen maren, 
arbeiteten noch bis jum Qahre 1880. ©eit jmei Qaf)ren herrfcht bort 
aber mieber eine ungemein rege SlfätigEeit. ßmar fprühen meber 
^»ochöfen noch ©ifenhämmer. äßofel aber hot fich ba ein Q^eig ber 
in unferm Oanbe „mobernften“ Qnbuftrie eingefunben, nämlich bie 
Qabrifation ber ©chäfte für unfere neue ©cfjiefemaffe. Qeben Sag 
merben hie* bei 200 ©tücf biefer hölzernen ©emehrbeftanbtheile Oon 
ungefähr 60 Arbeitern mit £jilfe oon eigens Ijiefür erfteßten ättafcfeinen 
fchablonenmäfeig oerfertigt. (Daneben merben auch ©emehrläufe gebohrt, 
©in S3efuch in ber Kantine, mo ein gutes SBier auSgefdhenEt mirb 


* Qaiquerez: 

de Bäle. 


Les mines, les forets et les forges de l’ancien 6vechö 


Digitized by t^ooQle 



QHn Spajurgang na<^ UfUflaij. 


103 


unb 33aSler=, ferner* unb ©olothurner*3eitungen aufliegen, belehrt 
unS, bafe bie meiften Slrbeiter ©eutfchfchweijer ftnb. 

©leid)' hinter biefett ehemaligen ©ifenwerfen erheben [ich S^ei 
gewaltig oorfpritigenbe Qelfett oon über 300 Qufe £>öhe, §wifdjen 
Welchen ber Qlufe unb bie ©trage ftd) wie burch ein 9?ie[entf)or fym* 
burchäiehen. ©incm anberit 97aturwunber begegnen wir bürg oor bem 
(Eintritt in baS ®orf Unberoelier. 9Jecf)tS an ber ©trafee liegt nämlich 
eine hulbfugelförmige ©rotte oon ungefähr 70 Qufe 2)urd)tnef[er, 
beren ©ingang einen regelmäßigen Kreisbogen bilbet unb burch ein 
(Sifengitter abgefchloffen ift. ©ie ift in ber ©egenb unter bem Flamen 
©rotte be ©te. ©olombe befannt. Qm Qnnern berfelben fprubelt eine 
OueHe atiS bem Kalffelfen fjetoor, mannigfaltige fßflanjett bebecfen 
ben ©oben. Oer 97ame ber ©rotte unb baS hohe Krujifiy, welches 
fid) unter ihrem ©ingang erhebt, beuten auf eine religiöfe ©age hin, 
bie ftch baran fniipft 2luf uitfere ©rfunbigungen hin tl)eilte unS ber 
Sef)rer oon Unberoelier QolgenbeS mit: 

®ie heilige Solomba war eine Qungfrau, welche in einer anbern 
$öhle oberhalb beS OorfeS wohnte, aber §uweilen bis ju biefer ©rotte 
[parierte, ©in 23är fchüßte fie oor ben ÜDiifehanblungen roher ©olbaten. 
Qh r oerbanft baS SBaffer in ber §öl)le feine SBunberfraft. ©chwäcfc 
liehe, rhachitifche Kinber werben auS ber Umgegenb h^e^er gebracht 
unb in ber falten Oluelle untergetaucht, worauf man bem Pfarrer 
beS OrteS baS ©tipenbium für eine am Slltare ber heiligen ©olomba 
ju lefenbe 907effe oerabfolgt. 

3ur Qeit beS ©dfiSmaS, im Qahre 1874, hielten bie 9iömifd)= 
fatholifcljen ihren ©otteSbienft in biefer ©rotte. 

3)aS T)orf Unberoelier,* auf beutfeh Unterfcfewt)!, liegt in einem 
üthulfeffel unb befifjt einige fd)mucfe Käufer. ®ie Bewohner, etwa 
500 an ber 3 a hl/ befdfäftigen fid) mit Uhrenfabrifation, 8anbwirt£) s 
fchaft unb fwlgljanbel. 3)ie t)ü6fd}e Kirche würbe oor etwa breifeig 
Qahren gebaut unb ift bem heiligen ©rljarb geweiht, ber maffioe $h urm 
trägt bie QahreSjahl 172). ®aS ftattlidje ©chulhauS macht ber ©e» 
meinbe alle ©hre. 

®ie ©trafee, weldje oon Unberoelier nad) bem ^ßidjouy führt, 
Würbe in ben breifeiger Qahren oon Oberft Sitdjwalber oon Oelsberg 


* Quiquerez leitet ben 9! amen oon nndarnm villa fjtv. 


Digitized by 


Google 



104 


Qta Ä|w^er|g!tg ssaity UfUflaij. 


gebaut. Sie alten Ceute beS DrteS erinnern ftä) noch beS frühem 
guftwegeS unb einer neben bem SBafferfaH angebrachten ßeiter, »er« 
mittetft welcher man bie (Schlucht ^inaufftteg. 

Oberhalb beS Dorfes, ba wo man ben glufe auf einer foliben 
SBriicfe überfdhreitet, fängt bie Strafte an fteiler p werben. SaS Sljal 
wirb immer enger, immer romantifdjer, bie büftern Sannen mifchen 
fidh immer mehr in baS frohe SBudjengrün. 

2Bir ftnb in ben Schluchten beS Sßidjouy. Sief unten raufcht 
bie Sorne, ihre SBeHen fchäumen um gelSblöcfe, bie mit zartgrünem 
SJtooS bebectt finb, welkem ein paar neugierige Sonnenftrahten einen 
Zauberhaften ©lang oerleihen, ber ftch malerifch gegen bie im ©rutibe 
liegenben, mit fchwarjen flechten bewachfenen Steine abhebt. Schöne 
Sannen unb SBudjengruppen rahmen biefeS Stücf SBafferpoefie ein. 
Siber nicht bloft im Sommer entfaltet hier bie Statur eine oerfchwen« 
berifche Fracht, fonbem auch im Spätherbft, wenn ber Sßalb alle 
garbenabftufungen oom hellgrün bis jum Sunfelbraun aufweist 
unb ba§ ftellenweife einfallenbe Sonnenlicht ben garbeneffeft noch 
oerboppelt, bieten bie gorges du Pichoux bem Söanberer einen §odh= 
genuft. (SS fcheint bann, als wolle bie Statur noch einmal ihre ganze 
Straft zufammennehmen, um fo recht z u seigen, welchen ißrachtauf* 
wanb ihre reifen SJtittel ihr erlauben. 

2öir tommen burch eine gelfengalerie, bie uns an baS Urnerloch 
erinnert, jeboch mit bem Unterfdjieb, baft fie unS nicht „in ein heiteres 
Shal ber greube"-führt, fonbem in bie „Sdjöltenen", wie benn über* 
haupt baS Sßichouy für ein Urner Shal en miniature gelten fann. 
Sie Schlucht wirb auf einmal ganz en 9 e / fyelfen fteigen faft fent* 
recht empor, bie Strafte, bie fi<h bicftt neben bem fchmalen gluftbett 
hinzieht, überbrüctt baSfelbe abermals. Stuf ben grauen Äalfftein* 
blöden wachfen bie tleine ©loctenblume in ihrem himmelblauen Stteib* 
chen, bie oiolettblütige Sitelei, baS traute SJtaftlieb foWie hellfchimmernbe 
SJtoofe. Sluf ben üorfpringenben Reifen über unfern Häuptern, in ben 
Stilen, überall wo SJtutter Statur ein Pä§d)en gewährt, hüben Sannen 
Sßurzeln gefaftt. Sazwifchen haben SBäclje Stunfen auSgemafdheit unb 
ftürzen fich braufenb in ben gtuft hinunter. 

2luf einmal treten wir aus biefer wilbfehönen (Sinfamfeit heraus 
unb befinben unS oor bem 2Birtf)§hauS 5 um ißiehoup. ©ne turze 
Staft ift hier angezeigt, um fo mehr, als ber SBirtl), ein freunblicher 


Digitized by 


Google 



* 6bt Spaziergang nadj tiriUlag. 


105 


Slltberner, über eine gute ^lafdje 2Bein tierfügt, bie un§ feine Socfjter, 
bie fchmucEe gräulein Sertfja, nach öden SRegeln ber SeroierEunft 
tiorfe^t. 

33on ^er führt eine (Strafte in 2 1 /* Stunben nach 2Rünfter 
hinunter. Oer nunmehr ebenen ober bocf) nur fanft anfteigenben 
^jauptftrafte folgenb, crblicfen tt)ir halb linES am S5ergab£)ange baö 
freunblidje Oörfdjen Sornetan, beffcn Äirdjenglocfen unä einen Sonntags* 
morgengruft jufenben. ß^ätelat, burch meldjeS un§ ber 2Beg äuuächft 

führt, ift ein Meiner Ort, ber Eaum fünfzehn £>äufer jä^lt. 

* * 

* 

Oie Strafte nimmt ^ier nochmals eine §iemticf>e Steigung an. 
Qnbeffen erblitfen mir halb burd) bie Oannenmipfel ^inburd) baS 
Sloftergebäube tion Sellelat) in einfamer 33efd^aufic^feit in einem 
Sljalfeffef gelegen. Oer Ort fdjeint mie baju gefdjaffen, um ber S33ett- 
entfagung unb ftiUen Betrachtung ju obliegen. (Sine reiglofe, fumpfige 
Oholntulbe, 930 9Reter über 9Reev gelegen, oon finftern Oannenhügeltt 
umlagert, macht bie ©egenb auf ben Befudjer felbft im Sommer einen 
melandjolifdjen (SinbrucE. $n frühem fahren mürbe in berfelben Oorf 
gegraben, ber E>auptfäd)li(f> in ben (SifenmerEen oon llnberoelier feine 
Bermenbung fanb. 

OaS im Qaffre 1797 aufgehobene SElofter Bellelap gehörte 
bem tiom Ejetfigen Norbert §u Slnfang beS jmölften ^ahrljunbertS 
geftifteten Orben ber ißrämonftratenfer (franjöfifch: Ordre des Pre- 
montres). Oie ©rünbung fällt in baS $af|r 1136. ÜRit berfelben, 
fomie mit ber (Stpmologie beS SBorteS Bellelat) (lateini)df: Bellelagia) 
ift eine Sage oerEnüpft. SRadj berfelöen hätte fiih SigiSmunb, ißropft 
beS Kapitels Moutier-Grandval, einmal auf ber Qagb oerirrt, als er 
eine Sßilbfau (fran§öfifc^: laie) tierfolgte. Qn feiner SRoth gelobte er bem 
£>errn an biefcr Stelle ein .fpauS ju bauen, morauf er halb feinen §eim* 
meg mieber fanb. ßum OanEe für feine munberbare ^Rettung lieft er 
an bem Orte eine Kapelle errichten unb nannte biefe felbft Belle-laie. 
Ohne unS bei Eritifcfjen BemerEungen über biefe (Stftmologie aufem 
halten, gehen mir gleich $u ben t»auptfäd)lichften (Sreigniffen in ber 
©efdjidjte beS ÄlofterS über, mobei mir unS an bie „Histoire de 
l’ancienne abbaye de Bellelay" oon Pfarrer Sauet) holten rnerben.* 

* @3 fei Riebet auch auf bie BerbienftßoHe Arbeit Bon Dr. ©. Scfytnab „$a3 
JMofter SBcUelao," erfdjienen im Setner Xafdjenbucij 1892. bingemiefen. 





106 


Öht ÄpafUrgang narfj UrUelaij. 


Stfg erfter 2lbt wirb ©erolb genannt, ben bag ^ßrämonftratenfer* 
ftofter Lac de Joux hwfanbte, um non ber neuen (Stiftung beg 
?ßropfteg Stgigmunb Sefifc gu neunten. Die „meinen SDtönche" non 
Seflelat), tuie ntan ftc »egen ihrer Kleibung — weifewollene Kutte unb 
»eifeer gilghut — nannte, erhielten halb reiche Donationen in ber 
Umgebung, io bag um bag Klofter gelegene ©ebiet, bie Stirnen non 
Soecourt unb Daoanneg u. a. m. Filialen entftunben fpäter in ©ranb* 
gourt, gwifcfeen ^ßruntrut unb Delle gelegen, fo»ie bei 2Bt)f)len (Streik 
Cörrach) bie Slbtei Himmelgpfortc. 

Sluf bem Kongil gu Konftang (1414) erhielt ber 2lbt Heinrich 
Sterr non Seüelat) für fidj unb feine Stnchfolger bas 9ted)t, 9ting, 
Qnful unb Stab gu tragen, fornie ein faiferlicfjeg Diplom, traft beffen 
ber Kaifer Sigigmuub bag Klofter unter feinen Scfeug nahm, ihm 
feine Sefi^ungen unb Stechte betätigte unb ihm bag Surgredft ber 
freien 9teid)gftäbte Sern unb Solothurn oerlieh. Slber bie Steife nach 
Konftang, fomie ber Slufentljnlt in biefer Stabt ffeinen bie Hilfsmittel 
beg Slbteg erfdjöpft gu haben, benn er »ar brei $af)re fpäter genötigt, 
ein H QU§ / weldjeg bag ftofter in Steucnftabt befafe, um 17 ©ulben 
gu oertaufen. 

©tner ber bebeutenbften Siebte war Stifolaug Schnell non Siel 
(1508—1530). Gfr fcfjlofe ^»ifcfjen feiner 33aterftabt unb bem Klofter 
ein Surgredjt, laut welchem Siel fidj oerpfüchtete, bag ©otteghaug 
gu fdhü^en unb gu ocrtheibigcn, fomie bag nötige H°ls für ben Sau 
ber Häufer gu liefern, bie ber Slbt in ber Stabt befafe. Dafür rnufete 
Scllelah jährlich fünfgef)n Dealer entrichten unb bie fernen öon ©iet 
bei iliren Sefucljen im Klofter höflich unb freunblid) empfangen unb 
fte mit ihren Dienern unb Sßferben gaftfrei halten. 

Unter bem Slbt Qean ©ogniat (1530—1553) brach &ie 9tefor» 
mation aug. Dag Klofter hatte fch»ere Prüfungen gu beftehen. Stach 
einer Ueberlieferuttg foH garel felbft in Sellelat) geprebigt haben. 
9luch fott bantalg gwifcfeen bem Sifcljof non Safel unb ber Stabt Siel 
ein geheimer Sertrag abgefchloffett »orben fein, laut welchem bei einer 
allfälligen Aufhebung beg Klofterg Sellelat) (etwa in golge ber Ste« 
forntation) jene beiben Kontrahenten fich in beffen ©iiter theilen 
würben. 

Stoch manch bittere ©nttäufdhung brachte bie ^Reformation bem 
Klofter. Dagfelbe nerfah bie Pfarrei Daoanneg mit ©eiftlicf)en. Sllg 



Digitized by Google 





Ciit Spajitrgang nadj Äffltlag. 107 

im Qaljre 1529 bort bie et»angelifcf)e Selfre ftd) auSjubreiten broljte, 
fanbte ber 915t feinen Unterprior Qafo6 3J?öfcf)ler als Pfarrer ^in, 
rneil ihm berfetbe roegen feines ©laubenSeiferS befonberS geeignet festen, 
bem 9lbfall ©infealt ju gebieten. 9lüein gerabe biefer äRöfdjler mar 
eS, meldjer ftd) halb öffentlich jur neuen Sehre befannte unb fitt» »er* 
heiratete. Qm Qaf)re 1538 fehen mir ihn nach längerer 9lbmefenheit 
mieber als reformirten Pfarrer uon SauanneS auftnuchen unb, maS 
cigenthümlich ift, foqar in freunbfd)aftlid)e Schiebung jum ftlofter 
Sellelat) treten. So beforgte er j. 93. für ben 9lbt bie ©efdjäfte eines 
Notars. gür folche geleiftete Sienfte erhielt ber ehemalige ftonuentual 
unb nunmehrige ißräbifant 3Röfd)ter oom ft (oft er ein alljährliches 
©efdjenf uon einem gafe SBein, mogegen er aber burd) NeoerS auS» 
brütflidj ertlären mufete, baß Diefe Sergiinftigung fein Nedjt für feinen 
Nachfolger im ^ßrebigtamte nad) fich gietje- 

Qrn Qatjre 1556 brannte baS ftlofter ab, mürbe aber fogleidj 
mieber aufgebaut. Unter bem 9lbt 2Öerner 93rifclance (1576—1612) 
fanb eine Neform ber ftlofterfitten ftatt. ©3 hobelte fich ba&ei bc* 
fonberS aud) barum, gemiffe ©infünfte, meldje fich bie ftonuentualen 
perfönlid) §ufd)rie6en unb bezogen, maS alfo ber Negel ber freimilligen 
9lrmuth jumiberlief, bem ftlofter als fold)em jugumenben. Sei biefem 
Neformmerfe unterftüfeten ben 9lbt ber Nuntius Sonfjomo unb ber 
Sifd)of Qafob ©hriftoph 93larer, melch legerer fich bie Serbeffcrung 
ber (Sitten in feiner Siögefe Safel befonberS angelegen fein liefe. 
Ser 9lbt Srifelance geriet!) inbeffen halb in Streit mit biefem ftird)cn= 
fürften, meldjer nicht nur bie fämmtlidje ©eridjtSbarfcit beS ftlofterS 
an fich ju reifeen fudjte, fonbern feine ffänbe fel6ft nad) beffen ©ütern 
auSftredte, um bamit fein fürglidj gegrünbeteS Qefuitenfollegium in 
ißruntrut ju botiren. Surcf) päpftlicf)en ©ntfefeeib fiel fo bie bem 
ftlofter gefjörenbe ißriorei Niiferej (jmifchen SNiecourt unb ©harmoille 
gelegen) ber ©cfeflfdjaft Qefu als ©igenthunt ju. 

Ser breifeigjährige ftrieg ging am ftlofter Sellelat) nicht fpurloS 
uorüber. ßroar blieb eS, Sanf feinem 93urgred)te mit Solothurn unb 
Siel, in golge beffen eS in bie fehroeijerifefee Neutralität eingefdjloffen 
mar, lange ßeit uon ber ftriegSfurie uerfchont. 9lüein im Qahre 
1637, als Sruppen beS ^terjogS Sernljarb uon Sad)fen*2Beimar ihr 
Söinterquartier in ben greibergen auffchlugen, hatte auch Sellelap ju 
leiben. Ser 9lbt unb bie meiften ftloftergeiftlichen hotten fid) nach 


Digitized by i^ooQle 



108 


fön Spaziergang nadj ÄeUelag. 


SteuöeüiHe geflüchtet/ mähtenb bloß einige mutige SDtönche im SElofter 
jurüdblieben, um baSfelbe bot ißlfinberung ju beroaljren. Die fremben 
©äfte begnügten ftdj inbeffen mit bem reichlich uorhonbenen Slofter» 
mein unb ben SebenSmitteln unb berfchonten baS ©otteSljauS unb 
beffen Qnfaffen. Der Aufenthalt beS AbteS in SteuöeoiHe bauerte 
bis 1645. 

Unter bem Abte g-riebrid) oon ©taal (1692—1706) beginnen 
bie großartigen Sauten in Sellelat). ©ein SEBerf ift ber Sau beS 
SBirth^haufeS, über beffen £f)üre noch baS Stoppen biefeS AbteS, 
fomie bie QahreSjahl 1698 fteljt. ®S ift ein mafftöeS jpoeiftödigeS 
©ebäube mit fehr biden “Stauern, baS bon jeher als Daöerite benufct 
mürbe, ©egenmörttg ift eS ©igentljum ber Yicomtesse de Salignac- 
Fenelon in ißariS. 

Der Abt Soirot (1706—1719) feßte bie Sauttjätigfeit fort. Stach» 
bem baS ^lofter öergrößert morben mar/ ging er 1710 an ben Sau 
ber Kirche, meldje am 23. Oftober 1714 burch ben gürftbifchof Johann 
Sfonrab bon Steinach eingemeiljt mürbe, ©ie ift in bem bamalS blühen» 
ben Stofofoftpl auSgefüljtt unb geigt in ihrem ©runbriß bie ^re Urform. 
Qh re Sänge beträgt 180 gfuß, bie Sreite 75 gfuß. Sierjeljn Pfeiler 
tragen baS £>auptgemölbe. hinter biefen laufen rechts unb linfS 
©alerien. DaS ©h or mar burch ein ©ifcngitter bon funftboller Arbeit 
bom ©chiff abgefihloffen. Darunter bcfanb ftd) baS ©rabgemölbe, 
morin im ©anjen 55 Stöndje beigefefct mürben. Qet$t bietet bicfe 
Sfirche, einft eine ber fchönften im Qura, ein trauriges SUb ber Ser» 
müftung bar. Die rtadten Stäume enthalten bie ©tadungen beS 
Pächters utib bloß einige oerbtaßte Fragmente eines ©emälbeS an ber 
©h orrt>an b erinnern an bie einftige Seftimmung beS SaueS. 

Die aus fotiben Ouaberfteinen aufgeführte gcujabe mit ben beiben 
Stürmen macht heute noch einen harmonifchen ©inbrud. Se^tere ftnb 
jmar berfallen unb nur ber eine, höhere geigt noch über bem quabra» 
tifdjen Unterbau ein oberes, ad)tedigeS ©todmerf, über melcheS ftd) 
einft eine Kuppel mölbte. Qefjt macßfen ©raS unb ©trauchmerf in 
ben öben ©challlöchern. 

Qm Qafjre 1718 erhielten bie beiben Dhürme %efyn ©loden, bie 
man in SeHelap felbft goß. Diefelben gaben bie aufeinanberfolgenben 
Däne ber natürlichen Donleiter mieber unb bilbeten baS fdjönfte 
©lodengeläute im Qura. 




Digitized by Google 






©in Spofiergang nadj UeUelflij. 


109 


Unter bem 9lbt ©emon Itrnrbe in ben Qaljren 1728—1736 baS 
Klofter neu erbaut, fo wie wir eS fieute noch feljen. GsS gefdjah baS 
nadj bent ißlan beS KlofterS ©t. Urban im Danton Cujern, welkes 
Eur-$ üorfjer ebenfalls neu erftanben war. Oer Sau nimmt eine 
quabratifclje Qläcfje oon 200 Qujj ©eite ein unb beftefjt auS brei 
’ Qtügeln, in beren SWitte ber geräumige £>of liegt. Oie 9iorbfette 
wirb burch bie Sirene abgefdftoffen. JDie hier (äcfftügel fielen je um 
breijjeljn Qufj bor unb geben ber Qacjabe eine gefällige ©lieberunq. 
£)ol)e, folibe Kellergewölbe mit ftarten Sogen ftü^en ben Oberbau 
unb laffen benfelben auS ber etwas fumpfigen Sobenoertiefung fierauS» 
treten. Qm fiiblidjen ^lügel beS (SrbgefdjoffeS liegen bie Küche, ber 
©peifefaal für bie Qremben unb baS 9?efeEtorium beS SlbteS. Oer 
erfte ©toef enthält ben fogenannten sprinjenfaal, ben 2lubien§fanl, bie 
©emäcljer beS 9lbteS mit prächtigen runben Kachelöfen, beren einer 
bie Qahrjahl 1735 trägt. (Sine Ohürc am (g n fo e beS ©angeS führt bon 
biefem ©toefe auf bie ©alerie ber Kirche. Qm norbweftlichen ©cfflügcl 
beS jweiten ©tocEeS ift ber £h eater l" na 4 für brantatifche 9luf» 
führungen beftimmt war. Qhm entfprechenb befinbet fich am anbern, 
fübweftlichen ©nbe ber SRufiffaal, fowie im norböfttidjen Qlüget, an 
bie Kirche angelehnt, ber SibliotljeEfaal mit adegorifchen OecEgemälben, 
barftellenb: Oie ©eredhtigEeit mit ber Söaage, 5D?ofeS mit ben ©efe^eS* 
tafeln, bie ©terntunbe, ber ©taube, in ber 9D7itte ©aturn, bie ÜÜKufe 
ber ©efchichte unb ein QanuSEopf. 

OaS Klofter jäf)tt im gangen achtzig ©emächer. 

* * 

* 

Qn Sedelap war eS, wo ber unglticflidje *ßierre ißequignat oon 
©ourgenap, ber Ceiter beS SlufftanbeS gegen ben Qürftbifdjof, bei feiner 
StücEfunft oon Sern, wo er oergebenS bie gnäbigen Herren biefer 
©tabt für bie ©adje ber Qreiljeit §u gewinnen gefudjt h°Ue, mit 
einem feiner Qreunbe am 30. 2lpril 1740 gefangen genommen Würbe. 
Oer Sogt ber Qreiberge liefe bie Stufrührer nach ©aignelegier unb 
oon bort nach Sßruntrut tranSportiren, wo ihre Häupter am 31. OEtober 
beS gleichen QaljreS oor bem ©tabthaufe unter bem ©djwert beS 
£>enEerS fielen. Slucf) ber Slbt ©emon war angeElagt, in ber Ser* 
fdjwörung gegen ben Qürften oerWicEelt ju fein. Unter bem Sorftfce 
eines Oelegirten beS SRuntiuS in Sujern oerurtheilte ihn baS ©eriept 


Digitized by i^ooQle 



110 


fön ÜSpojUrgsng nadj Uellflaij. 


oon Oelsberg baju, nacf) Sßruntrnt 31 t gehen, um bem dürften 916= 
bitte ju leiften, fornie fedjS Jahre lang fein Stlofter nicht ju oerlaffen, 
meines Urtheil inbeffen nach einem Jahre gemitbert mürbe. 

©ne großartige Jeier erlebte baS Sflofter SBellelat) am 3. Sütärj 
1776. 9ln biefem Oage empfing bort ber 39iftf)of Jriebrid) oon Söangen . 
feine 2Bei§e. Oiefelbe ert^eitte ber Söeitjbifd^of oon Cpbba, ber ©fäffer 
©obei, ber fidj nachmals oon ber franjöfifchen 9iationaloerfammlung 
gutn fonftitutioneden 93ifcf)of oon SßariS ernennen ließ unb 1794 
guittotinirt mürbe. Oie ßeremonie fanb in ©egenmart oieler Eirdjlicher 
unb meltlicfjer SBürbenträger unter fef>r großem ©epränge ftatt. 

OaS Jahr 1772 fab in ben 2Wauern beS StlofterS eine Öehranftalt 
entfteben, ba§ berühmte Sßenfionat oon 23edelap. Oer 9lbt hotte bie 
Oberleitung ü 6 er bie Sdjule, bie SDWncfje ertheilten ben Unterricht. 
9lnfänglich mürben bie göglinge in einem Jlügel be§ SllofterS unter« 
gebraiht. 916er halb erftedte man auf ber SÜBeftfeite beSfelben, linES 
neben bem fmupteingange, ju biefem ßtoecEe ein befonbereS ©ebäube, 
melcfjeS bis 1820 beftanb. 9110 8 et)rfächer galten: ^Religionsunterricht, 
ißh'tofophie, lateinifche, franjöftfche unb beutfche (Sprache, Rechnen, 
©efdhiihte, ©eographie, SRathematif, ©efang, SRufif, Sangen _ unb 
Jechten. ©in befonbereS ©emicht legte man auf £>öfIichEeit unb feine 
Umgangsformen. ©roße (Sorgfalt mürbe auch auf bie militärifche 
9luSbilbung oermenbet. Oie ßbglinge Ratten in ihrer freien 3 e *t 
ihre SBaffenübungen, mie unfere heutigen Stabetten. 2Benn biefelben 
bei feierlichen 9lnläffen in ihrer blauen Uniform unb mit ihren Keinen 
©emehren erfchienen, in (Schlachtorbnung aufmarfchitten unb ihre 
ScljmenEungen machten, fo fah ihnen Dtiemanb mehr bie Stlofter» 
fdhüler an. 

Oer Jahresbericht für 1783, ber noch in lateinifcher ©rache ab* 
gefaßt ift, nennt folgenbe klaffen: Secunda rhetorica (4 Schüler), 
prima rhetorica (6), suprema grammatica (9), media grammatica 
(7), infima grammatica (4), prinicpia (8). 9llS Jacher ftguriren: 
Stylus historicus, amplificatio latina, amplificatio vernacula, 
carmen, Stylus epistolarus, arithmetica, doctrina christiana, 
historia, geographia. 9110 Schüler treffen mir 3 . SB. einen Franciscus 
Xav. de Mohr, Patricius Lucemensis, Helvetus, ferner einen 
Franciscus Xaver, de Zurgilgen, ebenfalls auS Cujern, einen 



Digitized by t^ooQle 



Hin Äpajffrgaeg naxij fBelUlaij. 


in 


Ludovie. de Lenzburg, Patricius Friburgensis, Helvetus, einen 
Jacobus Migy, Bruntrutanus, Rauracus. 

2ltn ©cpluffe beS ©cpuljapreS pflegten bie ßöglinge jutneilen 
tpeatralifcpe 2luffüprungen ju oeranftalten. 28ir taffen pier ben bem 
QapreSbericpt für 1786 beigebrucften ü£peaterzebbel folgen, weil ber 
gnpalt ber beiben Somöbien für ben ©eift ber 2lnftalt cparafteriftifcp ift. 

Monsieur D’Arebours ou le distrait. 

Comedie en trois actes entremelee de Danses. 

Representee par Messieurs leg Pensionnaireg de l’Abbay de Bellelay 
les 3 et 5 Septembre 1786. 

SUJET: Monsieur d’Arebours, gentilhomme de province 
s’etoit rendu ä Paris depuis quelques mois pour y cbercber un 
emploi et pour s’y avancer; mais il est sujet a des inattentions, 
qui le rendent la risee de tout le monde, et qui le font echouer 
partout: il est donc force de quitter la Capitale et les vains 
projets de fortune, dont il s’etoit ocupe inutilement 

La scene est ä Paris, ä l’Hötel des etourdis. rue des extra- 
vagues, au signe du lourdeau. 

2Tuf biefeS franzöftfcpe ©tücf folgte ein beutfcpeS: 

®ie ©olbaten int SSinterquartier. 

Gin fiujtfpiel in jtoeen 2lufzügen, 
aufgefüprt t»on ben Herren ßöglingcn ber ftoftfcpule in Vellelaq. 

g n p a 11: Sinber oon gemeinen Ceuten tonnen aucp wa§ »erben, 
»enn jte fiep wopt galten; taufenb Vcqfpiele mtb ber Cbrift biete© Cuft* 
fpieleS beweifen biefe SBaprpeit. .fjerr 3H)oüing, ©aftgeb ju ^eimftetten, 
patte einen ©opn, ber, nicpt roie oiele, aus 91otp ober Verzweiflung 
©olbat geworben. Gr oergaß niemal bie cpriftliepe Grziepung, bie er oon 
feinem eprliepen Vater betommen patte. Gr jeigte ji<p unoeränbert 
als einen wahren Gpriften; im gelbe zeigte er 2Rutp, wie ein jeber 
©olbat, bep bem e§ um bie Vruft gut ftept. Gnblidj burcp fein SBopU 
oerpalten ftieg er naep unb naep io potp, baß er für feine wichtigen 
®ienfte ein ^Regiment betam, baS wirfliep in feiner Vaterftabt tm 
Sßinterquartier lag. 

(Unter ben Prägern ber Stollen befinben fiep z- ber fjerr 
©raf oon $ennin, ber f>err greiperr oon ißfiert) 


Digitized by 


Google 






112 Chi £|Mfirrgang Barfj tidttUi). 

SBäfjrenb ben ©türmen ber 3?eoo(ution ^atte bie Slofterfdjule bon 
SeHelap ein Slfpl in ©olotfjum gefunben. ©aS Serjeichnife ber mit 
greifen bebauten ©djüler für baS Qahr 1792 mürbe bei ©ajjntann 
in bort unb jutn erften 2Wale in franjöfifcber Sprache gebrucft. ©er 
Xitel lautet: Distribution des prix du colege de l’abbaye de 
Bellelay de l’ordre des Premontres, fait ä Soleure le 5 Septembre 
1792. 91(8 Unterrichtsfächer für bie oberfte klaffe ftnb aufgejä^lt: 
Amplification latine, amplification fran9aise, traduction fran^aise, 
vers, Version allemande, mathematiques, traite de la religion, 
histoire, geographie. Qm ©anjen erhielten 66 Schüler greife. 

©ie ÄtofterfchuleSettclahhot mährenb ben ftebenjehn Qaljren ihres 
SeftehenS 464 ßöglinge beherbergt, bie jum größten Xheil ben fyofyevn 
gefellfdhaftlichen Greifen angehörten. ©er Qura, bie tatljolifdjen 
©chmeijertantone, baS ©Ifajj, QranEreicfj, ©eutfdjlanb, fogar £>otlanb 
unb ißolen fcf)ictten junge Ceute ben ißrämonftratenfern §ur ©rjieljung. 

©ie franjöfifche Otebolution, bie ihre Söogen halb in baS ©ebiet 
beS QürftbifdjofS oon Safel fchlug, mar für baS Älofter Seiteiah ber 
Slnfang bom ©nbe. 9tachbem im Qrüfjling beS QaljreS 1792 bie 
9ljoie burdj frangöftfcf>e Xruppen befe^t morben mar, bephtofj baS 
Kapitel, nach Solothurn §u fliehen, mo 9J?önche unb ©dhüler auf 
ben ©ütern ber Qamilie ©ürh eine gaftfreunblidje Aufnahme fanben. 
©an! feinem Surgrcchte mit Solothurn unb Siet blieb iitbeffen baS 
Klofter biefeS 9ttal oon ben Qranjofen berfchont. ©chon glaubte 
man, bie ©türme ber SReoolution mürben ruhig an SeHelah borüber« 
gehen, fchon mar im 2Kai 1797 baS gan^e ißenfionat mieber non 
©olothurn in feine alte .jpeimftätte übergefiebett, als im ©ejember 
biefeS QahreS bie Kataftroplje h ere i n & ra dj- ©tma 250 franjöftfche 
©olbaten erfchienen in Sellelah unb nahmen trofc ber ißroteftationen ber 
©olothurner ©chuhtruppen baS Klofter, als jum SiSthum Safel ge* 
Ijörenb, für bie grofee SRepubtif in Sefi£. ©er 2lbt, ber ftch bor SlnEunft 
biefer ©äfte in bie ©chmeij geflüchtet, hotte bie Kaffe, bie SBerth* 
fchriften unb ba§ Ktofterarchio in Sicherheit gebracht. 9lm 19. ©ejember 
jogen aftöndje unb ©chüter auS ben dauern beS KlofterS fort, ©ie 
©eiftlidhen begaben fich juerft nach Solothurn, oon mo auS fte fidh 
jerftreuten. 

Qm ÜRonat 3J?ai 1798 mürbe baS betoegliche unb unbemegliche 
©ut beS KlofterS berfauft. QeneS manberte um Spottpreife nach allen 


Digitized by i^ooQle 




113 


Gin SjmjUrgang «adj l8*lielai), 

SBtnbcn. 2)te ©ebäube bagegen famen an £>errn Qapty uon Seaucourt, 
um bie (Summe uon 4,050,000 gr. in Slffignaten, mag einer Saar» 
fumme uon faum meljr ate 30,000 §r. gteichEommt. ®urcf) gamiiien» 
uerbinbung gelangte fpäter ba3 SUofter an bie ©ebrüber äftonnin, 
roeldje barin eine Bierbrauerei einric^teten, bie bte jutn QaE)re 1868 
beftanb, ebenfo eine ©la^ütte, melche uon 1862 bte 1870 in St)ätig» 
feit mar. 

Qn fester ßeit waren bie ©ebäube fojufagen unbenufct. ©eit 
bem 1. Januar 1891 gehört ba§ SU öfter mit 2THem, mag bie Unt» 
faffunggmauer einfdjlieftt, bem Stanton Sern, ber eS um bie Summe 
uon 150,000 gr. Eäuflich ertuorben ^at. Ueber bie Seftimmung ift 
nod} fein befinitioer Sefchlufj gefajjt; hoch fott bamit {ebenfalls einem 
gemeinnützigen gmecfe gebient merben, mahrfcheintidj burdj 

©rünbung einer Slnftalt für Unheilbare. 

3ur ©tunbe ift ba§ ft'tofter nur uom ^achter, bem ißoftljalter 
unb bem Canbjäger betoofjnt, roetdjer Sefudjer bereittuiUig in ben 
Räumen Ijetumführt. 

©rmäfjnen mir jum ©djluffe noch &er berühmten ©djabfäfe, 
jener h°h en ctjlinbrifchen Caibe, meldhe unter bem ^tarnen tetes de 
moines ate ®effert auf ben Sifcf) fommen unb in ben SMerräumen 

be§ SUofterS fabrijirt merben. 

* * 

* 

Son SetTetah auS !ann ber ©pajiergänger entmeber, ber (paupt» 
ftrajje fotgenb, nadh bem l 1 /* ©tunben entfernten £auanne§ h' nun * ers 
fteigen, ober über 8a Qoujc unb ©aulct) bie ©ifenbahnftation erreichen, 
fatt§ er nicht uorjiefjt, mieber nadh bem ^idjouy jurüefäufehren, unb 
bort bie ©trafee nach SOtoutier einjufchtagen. 






114 flatrtMfltsgefdjldjtin aas bern berutfdjfit Knttraargan. 


lanhogtsgrfdiihn» au brm turnifdirn Kntrraargai. 

SJiad) Urfunbeti entworfen oon gakok jjuitjiker. 

3ur ©inteitung. 

f i^Yichfolgenbe Silber finb jurn größten Steile eine grudjt heimatl)- 
funbiger ©tubien über ben Ort meines SßirtenS unb jenem 
cv Orange §u oerbattfen, bie !aum hinter uns liegenbe 3eit, 
oon welcher ber ©rofjoater noch fo gerne bem ©nfet er-jählt unb bie 
Wir borf) in mannen ©tüden weniger fennen, als ben punifchen Shrieg, 
ju burchgrünben. 

Oie erfte ©antmlung ift ^iftorifcf» treu bearbeitet, wcifyrenb bie 
©rjä^tungen beS ^weiten OheileS t)in unb wieber Süden Überbrüden 
unb aUp fahle ©rünbe mit Slütfjen beftreuen. Ueberall t)abe idj 
mich inbefj einer genauen ©djilberung ber fulturellen 3oftänbe be= 
Men. 

OaS ©(bloß Siberftein, in beffen £>errfibaftStwing fiel) bie 
Slte^rjalil ber „CanboogtSgefchicbten" abfpielt, warb im Qafyr 1526 
oom bernifcbcn Sogt SBigfer wiberrechtlid) in Serwaltung genommen 
unb hierauf burch feine Obern ber ^oljanniterfommenbe ju Ceuggent, 
welche baS „©ottSljuS Siberftein" als Filiale befaß, in breijätjriger 
ÄaufSoerhanblmtg abgetiftet. 

Oreijetynmal oertangte Ceonljarb 2öt)ß, ber ©eröffnet ber 
Stomtljurei, auf ben Oagfafcuttgen beffen Verausgabe. Oer jähe 
Sttufc Wufjte bie Slngelegenljeit oom 8. Januar 1532, ba bie gorberung, 
geftüfst auf einen SanbfriebenSartifel pm erften äftal gefteHt würbe, 
bi§ 1535 fjtnauSpfcfjieben: breimal waren SernS Sertreter „nicht 
inftruirt“; bann boten fie 300 ©utben; behaupteten hierauf, bie Sefte 
liege auf ihrem ©ebiet unb fie haben alle SRedjte barauf, tonnten aber 
ben SeweiS nicht erbringen, „Weit bie Urfunben oerlegt feien". Son 
ben übrigen fieben ©ebirmorten in bie ©nge getrieben, wollten fie 
baS „oerWaljrloSte Oing" wieber an Seuggern -jurüdgeben, wenn auf 
ben ^irchberg ein reformirter ißräbifant gefegt werbe, um es fchlie^ 
lieh boch für ben „ißfanbfchilling", 3380 ©ulben rheinifch betragenb. 


Digitized by Google 



flan&öogtBgefdjtdjten aae bem bermfdjen,l(ntfr«arg<m. 


115 


ju erftehett. Der Sauf würbe unter» 16. Sluguft 1535 auf beut Dage 
ju Sabett ratifijirt unb mit ber lebten ?lu§jat)lung am 23. Quni 1537 
ging bie ^errfdjaft an Sern über. 

33on ben 51 toof)lebelgeborenen Sürgertt ber 9Jhtgenftabt, weiche 
non 1537—1798 al§ Obernögte ade fedjä Fahre unter Söder* 
fdfüffen unb ^ubel ber „lieben unb getreuen Untertanen" auf bie 
Sefte jagen, lernen wir nur bic legten fennert. 

Son jebetn Slatte weljt un3 ber ©eift ber Snedjtfcbaft an. 
SOiögen bie ftarre Formalität unb ber junterlidje ißopanä, bent fdfon 
bie 907orgenrötl)e franjofifeber ©leidjljeit in§ Slntlig leuchtete, unS nor 
ab»liebem £>afenfcblafe warnen! 


©rp( Sammlung. 

i. 

Entertfjutte tntb ©brigReif. 

(1779.) 

ßwei Srüber, f>an§ unb 9?ubolf Slattner, wagten, für ficb 
unb anbere ißartifularen non Sättigen an bie CanbeSnäter ju Sern 
eine „gnäbige gürfteduug" ju richten, wie bafe ber Pfarrer F°b- Gmtft 
non Silcbberg am Srifpirain einen Gsinfdblag non 16 F U( b ar t en an 
ber Särenflub norbabenö gewefen; wie aueb etlicb Slarauer in ihrem 
Sann gemeinbeweibig 8anb getauft unb mit 28alb angefegt, unb fie 
fomit um ba§ alte ffteegt bed Söeibganged gebradbt werben. Sid bi et b et 
Wäre bie ©uppltf in Orbttung geWefen; nun aber liefen fie barin 
einen unrefpettirltdjcn ©rod §u Jage treten. 2ldgemein gebe bie 9tebe, 
fahren fie fort, bafj ^>err Fünfer ©ffinger auf Siberftein fold)e§ 
gegen geheime <$ntfrf)äbnu§ erlaubt höbe, ba bodb männiglicb betannt 
feie, wie nur bie hohe Oberteit ju Sern ba§ ©in» ober SluSf^lagen 
ju geftatten geruhe. 

Die Sittfdjrift warb bent Obernogt jur Sericbterftattung unter* 
breitet, unb auf beffen fdjtefe Darftedung ber (Sachlage hin, belegte 
bie gnäbige Oberteit bie beiben Srüber für ihre „anmafjenben Slägben" 
mit 24»ftünbiger ©efangenfebaft, gab jugleicb aber auch ben Sefehl/ 


Digitized by 


Google 



116 


4Canb»oflt*gefidjtiijten an« bfm bemifrijen Knteraargaa. 


bafe bie gefegten SBalbpflangen wieber füllen au§gejd)(agcn werben, 
weil baS ©infdjlagen oijne Bewilligung gefcbefjen. 

Sie beiben oerfnurrten ©upplifaitten würben fofort nad) Biber» 
ftein betrieben unb irrten baS ©djreiben meiner gnäbigen Herren oor» 
gelefen, wobei ber Stubi in ©egenwart mehrerer Unterbeamten auf 
ber ©djlofjftube bem wofylebelgebornen Runter folgenbe ^3rife gu 
fdjnupfen gab: „GrS märe gut, wenn $eber baS neunte ©ebot be» 
trachten unb galten Würbe." hierauf eine frifdje Gspiftel non ©eite 
ber OberoogteS an ©djultfyeifj unb Stätfje gu Bern. Ser ©itten» 
prebiger warb unterm 20. 2lpril 1779 gu adjt Sagen ©efängnifj bei 
Sßaffer unb Brob oerurtljeilt, unb mufote in gleicher ©tuben unb im 
Beifeiit aller ^Derjenigen, fo bei Berlefung beä obrigfeitlkfjen Befehls 
gugegen gewefen, bie auSgeftofjene, ftrafbare Siebe mit „gelehrten" 
SBorten unb gebeugten Sfnieen folgenbermajjen abbitten: 

„Sßenn id), SRubo If Blattner oon ^üttigen, oon meiner ^nötigen 
Oberfeit baljin oerfällt worben, bafj id) wegen jener l)öd)ft freoel» 
fyaftert Siebe, fo icf) oor etWelcben Sagen bei 2lnl)örung meiner um 
boshaft geführter SUägben willen wobloerbienten ©träfe auSgeftofeen, 
öffentlich Slbbitte tljun fotl, fo banfe id) oor 21 Hem au§ meiner f)oi)en 
Oberfeit für if>r gnäbigeS unb, mel)r als id) oerbient f)abe, gelinbeS 
Urtl)ei(; fobann befenne id) f)ier in ©egenwart beS l)eiligften ©otteS, 
oor feinem ©tattljalter auf ©rben (!) unb ben gegenwärtigen geugen, 
bafj eS bie ftrafwürbigfte ^redjljeit war, mit alfo @f)r oerlegcnben 
SSorten baS erhabene Siid)teramt, fowoljl ber l)o()en Oberfeit, als if)reS 
l)od) gu efjrenben Herren SlmtmannS, angutaften. $d) bereue baf)er 
mein freches, ungefjorfameS Betragen, wünfc^e oon gangem bergen, 
bafj ich bod) fold)e fd)anblid)e ÜEBorte niemals Weber gebadjt nod) 
gerebt l)a6en möchte, unb bitte ben l)ol)ett beleibigten ©ott unb feine 
aller £>od)ad)tung mürbigen, weltlichen Siichter iunigft gerührt unb 
bemütfjigft um Bergei^ung. Qd) unterwerfe mid) ber oon ber t)o()en 
Oberfeit mir neu auferlegten ©träfe unb gelobe, bafj id) in ßufunft 
mid) beftreben wolle, als ein gef)orfamer unb getreuer Untertan gu 
leben. bitte ©ott, bafj er mir l)iegu feine ©nabe unb feinen 
heiligen ©eift oerleil)e!" 

(„Jurnbuc^" b«3 6$loffe3 Sibsrftein, S. 75—78.) 


Digitized by t^ooQle 




flanfcoogtegtfdjtdjten aua bem berttifdjett Ifateraargira. 


117 


ii. 

3lt»(jefedMe ^idjter. 

(1791.) 

£)ie ferner Regierung hatte fid) üeranlaßt gefujtbert, bie uner» 
laubten fjfreifjeitägebanlen ber SBaabtlänber unb if)re St)mpatl)ien für 
bie SaftiUenftürmer mit ißuloerraudj gu umnebeln unb 6000 Sttann 
au§ ben beutfchen Canbeti nebft 60 gelbftüden über bie falben 
be§ Qorat hinunter nacf) Caufanne gu fenben. 31m (Sonntag, ben 
9. SBeinmonat 1791 tarnen bie unteraargauifdjen Gruppen nun wieber 
au§ bem 2Belfcf)lanb t)eint nacf) Slarau unb gmei Strittiger Surften, 
Siubi Sirchet*, 2Birtl)3 unb Siubi äöehrti, Sdjuhmad)er§, holten 
i^ren Äameraben, Siubi Völliger, $anfen, bort ab. Sie lehrten 
beim Seel gif d) er unter bern Siößli ein, tränten unb machten ftcfj 
luftig bi3 in bie 9iad)t. Stuf bem monbljellen §eintWeg befchloffen 
fte, fie wollen itodh auf ba§ 6rlin3badjer §arb „g’ßiedjt gähn" 
unb paffirten oberhalb Stüttigen, um ben 2Seg nach biefem gmifchett 
bem Sruttnenberg unb ber Sßafferfluh gelegenen Sergmeiler abgu« 
fürgen, ben Stapfenpfab burch be3 Schultheißen Sieben hinauf. 

£)ie SBeinberge maren im Samt, unb bie ©efthmornen be3 35orfe3 
mußten bamalö oott SlmtSwegen unentgeltlich bie 2/raubeit hüten. 
®ie brei Äiltgänger hörten dritte hinter fid); ftunben fie ftiHe, fo 
thaten bie Serfolger ba3felbe. Oberhalb ber Sieben lagen fie auf einen 
§ag, um gu fdjauen, mer ba läute. 3113 aber Siiemanb erfd)ieti unb 
auf einmal lautlofe Shtlje f>errfcf)te, toollten fie if)ve§ 2Bege3 weiter» 
gehen. ®a mürben fie plö£lich gepaclt. 

„So hoben mir enblidj bie Sied)ten!" rief ber elfte £rauben£)irt, 
$eini 2Bet)rli, SBeber. 

„Stlja, finb ba3 bie Schelmen, bie mir fdjon im oorigen galjr 
einen gangen Strich Trauben gelefen haben?" fprad) ber gtoeite, £>an3 
Sirdjer, ^oggi3 unb ber brittc ©efd)morene, Samuel 2Bel)rli, 
SÜiferä, Wie3 fie mit ben Söorten weiter: „©eljt jept nur, mir lettnett 
eudh wohl!" 

®en Surfdjen mar übel gu SOiutlje. Sie baten bie Trauben» 
hirten, hoch fte ja nicht gu uevleiben, fie boten il)tien ©elb an — 


Digitized by t^ooQle 




118 


ÄanbDOötsgffdjtdjtfn ose bem btrnifdtjen ilnteraorstm. 


umfonft! üftiebergefchlagen begaben fte fiel) itt’S Dorf juriief; iljr 
„ä’Ciedjt gähn" hatte ein bitterlich ©nbc. 

Den folgenben Sftorgen, als beS 355 i v t £> S 99itbi mit bem SEBagen 
im Serge .'polj fjofte, tarn ihm ber ©eridjtsfäfie ©arnuel Söeljrli noch 
unb befcfjieb ihn fommt feinen Santeraben nach bent Sadjteffen in 
fein £>auS. Sie folgten unb fanbeit bort olle brei ©efdjmornen fchon 
befantmelt. Der Süferfämi laS ihnen auS einer ©cfjrift, „2luS= 
legung beS ©ibfdjmurS" betitelt, cor, mie übel eS fei, trenn Seeibigte 
ihr ©eliibbe bredjett. ,,'pabt itjv’S gehört'?" fpraef) ber SSeberheini. 
„DaS ift baS „@efaß", unb mir biirfett fjalt nicht anberS, als euch 
oerleibett; ihr müfjt {mh e Sufee jahlen ober bas Öanb meiben." 

Die 22=, 24= unb 25jährigen Jünglinge mürben bleid). „2Bir 
miffen mohl, bafj, menu ihr moUt, mir baS Saterlanb mit bem fHucfen 
anfehen muffen!" fagten fie. „SBollet unS aber um ©otteSmillen 
nicht oertreiben unb faget nur, mit mie oiel ©elb ihr euch begnüget." 

SBentt fie nun 300 ©ulben forbertert, meinte ber^oggihanneS, 
toas fie baju fageu mürben unb mie fie bas ©elb jufamntetibrächten, 
ba fie ben (Eltern unter allen Umftänben nidjt^ baoon oerrathen bürften? 

DreUjunbert ©ulben! Die armen Serie jucften jufammen. 

„Söenn ihr unS fagt," fpracfj ber SBeberheini, „mer baS |)örn* 
lein am neuen Drottbaum let?tE)in abgefägt hat, fo motten mir gerne 
bie ©traf ntilbern unb bann foH eS halb auSgemacht fein." 

©ie antmorteten, baß fie nichts barum müßten, unb 3fubi 
So lüg er, roelcher fürglich noch bie Sßaabtlänber mit blinben Eßatro» 
nen erfchretft, fagte mit äudenbent Shtnbe, eS fei hoch fcfjmer, fo hart 
geftraft ju merben, ba fie hoch nichts oerfehlt haben; fie motlen fechS 
ÜJteutljalcr geben. Qh m uerfeßte ber ^oggifjanneS, um fo menig 
fönnen fie ben ©ib nicht brechen; für 200 ©utben mollen fie bie 2ln= 
geig untertaffen. 

Die grauen ©ünber ließen fid) fdjliefslüh bemegeit, auf 150 ©ul= 
ben herunter ju gehen. Den Surfchen mürbe eingefchärft, feiner 
©eele baoon ju reben; eS fülle bie ©adje beiberfeitS geheint gehalten 
merben. Die Drei oerfprachen 2ttleS. 

Sor beS StiferfäntiS §>auS fdjoffen beS £>anfcn 9fubi unb 
beS 28irtf)S Subi fofort ihre Saarfchaft im Setrage oon 45 ©ulben 
§ufammen; beim ber 3 Q htungStermin mar auf borgen 6 Uhr ange* 
feßt! hierauf ging erfterer heim, mährenb beS 2Sirtf)§ SRubi unb 


Digitized by i^ooQle 







tfanbDogtegefdjidjtfn an* Dfm bmitfdjfn Knifraoröan. 119 


SRubolfäßeferli, ©cfeufemacfeerd, ftefecnben gufee^ nacfe Siberftein ftcQ 
Begaben unb Ülacfetd um 2 Ufer bie Särenwirtfein, 333ei6el ©cfeärerd 
SBittwe, and bem ©cfelafe riefen. Sieielbe, ©cfewefter »on 9iubi 
Sircfeer’d Butter, öffnete iogleicfe unb liefe fie in bie ©tube treten, 
wo fie aber fo traurig breinfafeen, bafe bie Saute aud iferem jammern 
unb ©eufgen auf ein Unglitcf in ber Serwanbtfcfeaft fcf)tofe unb fie 
befrug, roo’d fefele. Sed SBirtfed SRubi erjagte ifer ben böfen unb 
wichtigen Slnftanb mit ben brei ©efcfewornen: 2öie fie 9?acfetd nacfe 
9 Ufer, alfo gut - »erbotenen ©tunbe, oberhalb ber 9?eben angetroffen 
morben; mie fie bie morgen 150 ©ulben ©träfe sollen müffen unb 
iferen ©Item bei $aufe im ©eringften nicf)t^ baoon fagen bitrfen. 
Sedroegeti nehmen fie bie guflucfet ju ifer unb bitten fie um ©otted 
XBillett, ifeiteit gu feclfen unb 100 ©ulbcn gu leifeen, fonft motlen fie 
morgend über bie ©cfeafmatt unb freiwillig and bem Sanbe. 

Sie Särenwirtfein, meltfee nicfet fo uiel ©elb im £>aufe befafe, 
crmutfeigte ben Neffen, bie ©acfee nur feiner eigenen SUutter oorju* 
tragen; bad ÜHangelnbe wolle fie gufügen. Sie beiben gingen mit 
gurcfet unb Summer ttacfe ftiittigcn gurücf, unb ald bed SBirtfed 9?ubi 
Sidjt gefcfelagen, wecfte er bie SJiutter leife unb ergcifelte ifer in ber 
Siicfec unter Seifein bed anbcm Seibendgefäferten ben gangen bid=- 
feerigen Verlauf, worauf ftc aud ©rbarmen unb Siebe iferem ©ofene 
bie 100 ©ulbcn im .pinterftübli gab. ÜWorgend, etwad nacfe 6 Ufer, 
bracfete 9?ubi Sirefeer, SBirtfed, bie 145 ©ulbett bem Süferfämi itt’d 
£aud, welcher fie faft nicfet annefenten wollte, weil fünfe fcfelten. 

Sie ©eviefetdfäfeen oertfeeilteit bie erpreßte Sufee unter fiefe, unb 
bie ©efefeiefete blieb ftillc bid 9lnfangd |>ornung bed folgenben Qafered. 
Sein ©afen würbe mefer barnaefe gefräfet feabeit, wenn ber Süfetfämi 
nicfet felber jwei Sättigern, bie ifem auf feinem .porenbacfßSanb tag* 
löfenten, ergäfelt unb gerüfemt feätte, wie fie lefeteit perbft junge 
Ceute ju einer Sufee angefealten: ©d fei eine fefewere ©acfee gewefen 
unb ftreng mit ben Suben oerfaferen worben. SRubi Solliger’d Sater 
befaxtt 2ßinb, bafe fein ©ofen auefe einer ber ©eftraften fei, nafem ifen 
in’d ©ebet unb nacfe oollitänbigem Sefenntnife rietfe er ben brei $üng* 
lingen, fie tollen gu ben ©efefewomen gefeen unb bad ©elb wieber 
jurüefforbem; er felbft liefe fiefe oon gürfpreefe ©runer in Slarau 
feierüber noefe näfeere Sludfunrt ertfeeilen. Sienftag, ben 14. pomung, 


r 


Digitized by Google 



120 CiBkvogtagcrdjidjttn an« htm btrntfäen Unttcaargan. 


gingen bie Surfdjen nadf bem SRadfteffen jum Äüferfämi, riefen üjn 
au§ ber ©tube unb oerlangten ba§ ©elb. 

„2Ba3 für ©elb? ^d) f»abe fein ©elb non eudf!" — „Sa§©elb, 
baS if)r unS lebten §erbft obgebrüdt fyabet!" fprad) be£ 2öirt^§ fRubi. 

„®eroeifet mir baä! Qfjr fönnet nichts beweifen!" Ijölfnte ber ©e* 
ridftSfäjf. 

„2öir Serben e§ euch an 2Runb unb §anb hingen!" — 

„$lfr f°^ ct eu d) fdfümen, ba il)r im .f) erb ft fo bittücf) unb bemütl|ig 
mit meinenben 2lugen angefyalten, unS je§t ben 33ettel mieber ju 
forbern!" 

Sie Surften bräueten mit bem fRidfter, menn ba§ ©elb bi» am 
©onntag nidjt gurücferftattet fei, worauf ber Äüferfämi mit ber 2Int* 
wort, fie EBnnen „go guntpen, wo fie wollen," non ilfnen weg wieber 
in bie ©tube ging. Sen Sag barauf polten jebodf alle brei ©e= 
fdjWornen beim gürfprecfj Slerni in Slarau fid^ SBeifung unb jaulten 
auf beffen 9?atE)fd)Iag f)itt am ©onntag ben 19. .fpornuug, ben ©e» 
prellten bie 145 ©ulben fäuberlidf in be§ StitferfämiS £>au» jurüct. 

Sa§ ©erüd)t ging weiter, unb ber Oberoogt ü£fdfiffelp auf 
33iberftein fanb fid) genötigt, über bett §anbel ein SBerlfBr aufju= 
nehmen, ba§ im Surnbudf 86 goliofciten anfüllt. 

Sie brei gehbaren ftettten ficf) freiwillig, würben aber nad) ben 
Verhören als fonft ad)tbare gamilienoäter auf 33ürgfd)aft Ifin ber 
§aft entlebigt unb mit «fpauSarreft belegt. @ie entfdfulbigten ilfre 
S§at bamit: ©ie feien lebten §erbft jum Statthalter ©tettler in 
©dfafiSlfeim gegangen unb haben ilfm oorgeftellt, wie felfr müljfant 
baS 9tebenf)üten feie, baS fie umfonft tffun müßten; er fülle bod) 
gütigft burd) ben Unterttogt unb bie ©emeinb ihnen eine ©ntfcfjäbigung 
ftipuliren laffen, was er aber feiner bloS oorüberge^enben 9tegent= 
fd^aft (falber abgefdflagen; ba hoben fie biefe 150 ©ulben als ihren 
Coljn angefe^en. SeS fernem §aben fie gemeinet, ilfre Slnjeigepflidit 
betreffe bloS bie SBülber, fReben unb 8anb, fo bem ©taate unb ber 
©emeinbe gehören, nid^t auch bie ißrioatgüter, unb jubetit fei eS fdjon 
feit langem offenfunbiger Söraudf, baff fleine ißolijeifadfen tion ben 
©efdjwornen felber abgewanbelt werben. 


Digitized by Google 




Canbuogtggeftijitirtfn au« bem bernffdjeit Knteraargan. 121 

®ie brei ©efdjwornett würben t)on 2lmt mtb (gib entfett, ju allen 
üerurfachten Äoften öerfällt unb mußten ü6erbieS 14 Stage bet Sßaffer 
unb 33rob im ©chloffe ju 33iberfteitt brummen, ©o ber Söefdjetb ber 
gnäbigen Obern ju 33ern. 

(„Jurnbucty" be$ @<$toffe3 93i&erftein, @. 109—496.) 

m. 

Jttimittalittßi). 

(1781.) . 

grüf) morgen^ um 4 Uhr manbert ein einfamer flRann über ben 
Senfen fübwärtS. ©ein hagerer, fd)Warjbärtiger Äopf ftecft unter 
einem runben 2SoW)ut,' er trägt einen blauen Mittel mit gelben 2Reffing= 
fnöpfen unb an ber ©eite einen langen, härenen iRanjen. SEief oot 
feinen 2lugen lagert noch ber hiebet im breiten Slarethal, unb im 
Often fenbet bie ©ottne be§ 11. ^ulitage§ erft ihre rofenfingrige 33or= 
reuterin herauf, geidjt, gemutf) unb fröhlich fjfeifenb trollt ficf) ber 
Sölaufittel oott ber ^odflföhe &cu holprigen 33ergpafs abwärts unb fieht 
rechter f)anb in ben fRittenen brei ©tieren weibett. ©r geht an 
einen ©ag, hont fich einen währfchaften ÄnotenftocE unb treibt eines 
ber Sthiere bon bem SRättlein auf bie ©trafje; boih ber £)anbochS, 
ber ftetS neben bem weggeführten am SEBagen jieht, muht unb rennt 
auch herbei, unb fo „trampen" ihrer brei, ooran bie gtoei ©tieren unb 
hinter ihnen ber SEreiber, gemächlich nach bem SDorf Sättigen hiuob. 
.'palb unten am 33erg gefeilt fich irrten §eiri Äiftler, ber Unecht 
be§ ättern Stubi 2Bef)rli, Prüfen, bei, welcher faunt oor einer Viertel» 
ftunbe bie Ocl)fen auf bie SBeibe gebracht. 

„SBolfer? SSohin? 2Ba3 mollt ^h r mit ben Spieren?" frägt er 
ben grembling. 

„33in ein SRehgertnedjt, unb f»a6e fte im fyricfthal auf ber Söeibe 
gefauft; nun will ich fte nach 2larau führen," uerfeßt biefer munter 
unb pfeift weiter, ohne wa§ SööfeS ju ahnen. 

„ßwei fdföne SS^tevc ba§! 2öent wollt ^l) r H e bringen?" 

„©etn langen 33ed unb äRefcger neben ber Ärone." 

@ie gelangen jttrn Streu^ in .Sättigen, bort nimmt ber Unecht ben 
^remben am Äragen unb macht 8ärm. 

©ermaßen wirb ber Sßlautittel feftgenomnten unb üotn Äüttiger 
Unteroogt unb feinem Sßeibel auf baS ©chlofj Siberftein beförbert. 


Digitized by v^jOOQle 



122 ‘Cantuogttgerd]t<t)ten au« bem bemifdjen Untttaargnn. 


Dort oertoanbelt fid) im SBerljijr oor bent Oberuogt Renner unb bem 
Canbfdjreiber, iftotar Qol). $b. iRqdjner, ber 9JJeßgcrEuerf)t in einen 
SUabelhämer Qaf. Snaup non iReqau au§ ber obern (Sfjurpfalj. 
33eim ®urcf)fud)en feinet gelleifenä firtbet man, aufjer „12 ißädlein 
Sftäf)*, Cifenter-, ißreißnabetn, ©ufen, gingcrf)üten unb einem Rädlein 
ßamelotbläk", an ©elb in einem neuen/ meinen ©ädlein 10 9leu* 
tljaler ju 40 23a£en, in einem jmeiten ©ädlein etliche anbere ©über* 
ftüde unb „^ßieclein" (©edjedrcuäcrli) nnb im ©djnupftudj ein getrudelt 
8 Satjen, 7 9?p. Söafelgelb unb 20 ©tiid 9?eid)3fd)cibemünjen. 

2öie alt er fei V fragt if)it ber Canbfdjreiber. 

Ungefähr 42 ^afjre; fönite foldje§ nicf)t genau fagen. 

Ob er oerljeiratljet? 

Qa, mit SRofina §>ädli, audj non üietjau; fjabc ein lieb SÜlägblein 
bafjeint, fjeifje SBalßurgia. 

Sßie er ju bicfem ©elb gefomntcn? 

33ont 97abeloerfaufen. 

2Ba§ er mit ben jroci ©tiercn oorgefjabt? 

<f>abe fie bem langen 53ed in 2larau bringen mollen/ um ein 
£>aumcffer unb einen ©taljl fjerausjulöfen. 

2lnbrea§ ©iebenmann, ber fogenannte „lange 23ed", mirb citirt 
unb erflärt, mm einem .fjaunteffer miffc er nichts? unb ben ©tafjl Ijabe 
er non einem Dtjroler getauft; er glaube, baß biefer 9)lann troublirt fei. 

lieber ben Delinquenten rtmrb auf bie SBeridjterftattung beS Ober* 
üogteS fjin unterm 19. Quli 1781 uon ©djultfjeifj unb Diatl) ju S3ern 
eine „gnäbige ©rfanntnufj" gefallet unb am 23. Quli an iljm folgen* 
bermafeen uoHjogen: 

©rftlidj führte ifjn -ber Slmtemeibel ©djärer in fpanbfdjellen an 
ben ©cfjanbpfafjl, fo ber ©enteinbclinbeit gegenüber, alltoo ber SEiittiger 
SBeibel if>n für jmei ©tuitben mit bem DalSeifen feftfcfjloß; fjernad) 
toarb ber 42jäf>rige 9J?ann uon bem üöiberfteiner unb bem Äüttiger 
SGBädjter auf eine 23anE gebunben unb gepeitfcfjt; fobattn brachte ber 
2lmt§meibel ifjn roieber bem Canbfdjreiber auf bie ©djlofjftuben, too 
er unter ßeugfame be§ $afob SE&efjrli unb be§ Uli grei, ber beiben 
SBäcfjter, folgenbe Urfeljbe nadjjufpredjen f(atte: 

,,Qd), Qafob Slnaup non iRetjau au§ ber ©fjurpfalj, tue Shmb 
unb befenne hiermit öffentlich: 28eil icf) ben 11. bied Sftonatä jroei 


Digitized by Google 



123 


tofcöogt*ß*fri)tdfttn ano btm bfrnifdj*n Knttraargan. 


©tieren ab ber Sättiger 28eib enttoenbet fyabz, oor SluSfüljrung biefeS 
2 >iebftahlS abev ertappt morben bin/ fo hat eine £}iefige gnäbige £5brig* 
teit mid) belegen in Banben gelegt, um mid) eine, meinem ber allge* 
meinen ©id)erl)eit jumiber laufenben Ceben, angemeffene ©träfe §u 
uerl)offenber Befferung auSfteljen ju laffen. 2Bie benn §üd)biefeiben 
unterem 19. bie§ SRonatS if)re fjoffe Urteil baljin auSgefällt, baf? icf) 
ju mohloerbienter ©träfe in SBiberftein gmei ©tunben an Pranger ge* 
ftellt, nadjmärtS eine £rad)t trüget empfangen, fobann auf bie ©rcnje 
biefeS fiartbeS geführt unb unter Bebrofjung harter CeibeSftraf mir 
unterfagt morben, ^iefige Canbe fernerhin 3 U betreten; aud) habe id) 
alle feit meiner ©efangennefjmung ergangenen Höften gu 6 e§a^Ien: 

3113 tue id), Qalob Snaup ooit fRepau au§ ber ©t;urpfalä, be* 
oorberft ©ott unb bie gnäbige h°h e Obrigkeit meines begangenen 
gepIerS fjalber gnäbigft um Bergeihung bitten mit bem feierlichen 
Berfpredjen, bero Canbe bei ber barauf gefegten, b>ö t) ern ©träfe 
nimmermehr gu betreten, unb gelobe fernerhin, mögen ©mpfal)ung 
biefer moljloerbienten ©träfe mid) an niemanben rächen 3 U malten. 
Sille ©efährbe oermitten." 


©lb. 10 35. — 


SllS $)effert mürbe ihm bie SofteuSnote präfentirt. ©ie lautete 
®em ^»anS Blattner, ltnteroogt gu Sfütti* 
gen, für bie Verbringung 
®em Söeibel oon Sättigen für Begleitung unb 
Slnfdjtiefeen an ben Pranger 
Ü)en beiben 2 ßäd)tern für baS „SluSfchmei^eit" 
gtir bie guljr 

®em V ert-n ©iebenmann 1 ©rfcpeinung 


_ .. 10 


// 

// 


4 ©lb. 12 33. 


— n 

— tr 

— n 
2 // 

2 kr. 


StReinem gnäbigen V erren ©beroogt. 
f^ür 12 Jage Unterhaltung in ber ©efangeufchaft ä 7 39. 
2 Sr., macht 

gür ©infdjliefjung unb CoSlaffung 
gür 2 ©yantitta 
gür 1 Urpheb 





Digitized /jOO 





124 


Canboogtfgefdjtiiytrn an« bem bfntifdjen Vnteraargas. 


Dem £>errn Canbfdjreiber. 
£$jür 2 ©jramina 
gür 1 Urpljebe 
SJluSfüljrung jmeier ©jramen 
f^ür ba§ ©infdfreiben in’§ Durnbudj 


4 ©lb..— 23. 

1 n // 

1 n 1 n 

1 u // 

7 ©ib. i s’ 


Dem 2lmt3tt>eibel (Sparer, 
gut ©infdjliejjung unb CoSlaffung 
gür breimalige 23orfüljrung 
gür 12 Dage Slbmartung k 3 33. 

Dett ©efangenen auf bie ©renje ju führen 


1 ©lb. — SB. 

— n 12 „ 

2 „ 6 „ 


1 


n 

t! 


10 


5 ©1b. 13 SB. 


Der fjoljen $an$lei ju 23ent: 
©molument 
gür granfatur 

©umnta: 32 ©Ib. 5 23.* 


2 ©1b. 7 SB. — ftr. 
— 1 // 2 „ 

2 ©ib. 8 SB. 2 ftr. 


Dem armen ©djetmen rollten ein paar fdjroere Dfjränentropfen 
über ben fdjmarjen SBart auf bie £>anb hinunter, bie jitternb noch 
ben SReft feinet ©elbeä empfing. SRe^r at§ Sßranger unb Prügel 
fdjnitt i£)m ber SBerluft feiner 10 SReutljaler, bie bi3 antjer feine Cuft 
unb ber ©runbftocf feines ©etoerbeS getoefen, in bie ©eele. 

SllSbann übergab üpt Runter Qenner feierlidjft bem SlmtSmcibel 
jur Slbfü^rung unb eine ©tunbe fpäter wanberte ber Sftabelfrämer 
mit ifjm über bie ©taffelegg prütf an bie ©renje unterhalb Den§= 
büren. Dort marb er mit ber oorgefdjriebenen Sebrotjung in bie 
laiferlidjen Canbe l)inau8gefcf)icft. 

(„Surn&ucff bei ©djloffeä ©iberftein, @. 79—88.) 


* 1 ©ulben = 2 <pfunb = 15 Söafcen. 
1 S3afcen — 4 Äreujer. 


Digitized by V. OQle 




Canboogtegtrrijutjttn ans tont bmtifdjfn tlnteraargao. 


125 


IV. 

gilt ^anbgcridjt 

(1771.) 

®er 9tbt oon ©t. Slaßen erhielt 1767 ootn ©tanbe Sern gegen 
Sieferung oon ©efcßüßfugcln eine 12jäf>rige Sonjcffion, im Unteraorgau 
Soßner^ groben ju bürfen. SBeil bie Ausbeute ju gering, nmrbe 
burd) SDJanbat ootn 25. Slugnft 1769 geftattet, hinter ©rlinSbacf) noch 
1 bi§ 2 ©ruben §u eröffnen unter ben Scbingungen, baß jäfjrlicE) 
nicf)t mcßr als 5 bis 6000 Sübet roßen ©rjeS auSgebeutet, ber Unter« 
oogt oon 0ber=(£rlinS6acß olS ©rubenmeifter unb nur illngeßörige 
SemS als Arbeiter angeftellt toerben; baß ferner ber 9lbt Stüßbalfen 
unb Sretter jur Sperrung ber ©tollen felber befcßaffe unb leitete 
auf eigene Soften toieber jubeden taffe. ®aS Soßnerj mürbe bann 
in langen Srögen am ©rjbac^e getoafdjen, auf SBagen an bie Slare 
geführt, in ©cfjiffe oerlaben unb nadj Sllbbrud in bie ©t. Slafifcßen 
Schmelzöfen gebracht. Qebc SBocße tarn ber Sergßauptmann Qofef 
Slntoni Sacßtnann oon SUbbrud herauf, bie ©ruben ju ütfpijiren 
unb bem SBerEmeifter, toie ben Ceutcn ben Soßn (im Sommer 6 Saßen, 
im SBinter 5 Saßen) auSjuzaßlen. 

* * 

* 

Unter benen, toelcße bie ©rjfußren übernommen, oerbiente Samuel 
Sßburj, ober ber Qörrifänti ab bem £jarb, mit feinen jtoei Stieren 
am meiften, toeil er bei buntelnber ÜJiacßt regelmäßig nocf) etliche Stüß* 
ßöljer ober Cabcn in bie „Sänne" loarf unb ßcimfüßrte. ©ineS früßen 
SRorgcnS aber, als ber ©ämi eben im Stalle bie Süße molt, traten 
ber Sergßauptmann unb ber Unteroogt 9iotß an feine ftoljbeigen 
unb fanben bie St. Slafifcßen „üträmel". Seitbem faßte Sßburj 
einen tiefen £>aß gegen feinen 9tacßbarn Qa!. Säler, ber als armer 
©rubenarbeiter ßoßtroangig unb gar oft mit leerem 9D?agen ben ^ßidet 
fcßtoang, um feine barbenbe ^amilie burcßjubringen; er hielt ißn mtt 
Unredßt für ben Serrätßer. 

9)?ontagS, ben 22. Quli 1771, füßrte Sßburj ein §uber $ol$ 
natß Slarau. Qm Saufe beS StacßmittagS, als feine £$r taU au ^ * 3em 
gelbe Stübli ßadte, fcßlicß beS SälerS £>anS in ißre Stube, um Srob 
abjufcßneiben, warb aber oom Sreneli, beS Spburjen Söcßterlem, 




igitized by 




126 


Canboogttgrfdjtdjten ans bem benttfdyen ICnteraargan. 


ertappt. Der 33übe gab ilfm einen Sreuger, baß e§ nichts fage, bod) 
umfonft, unb bie SRutter, eine unoorfidhtige „Siegle", f)interbracf)te bic 
Dljat ihrem SRannc, als er StbenbS um 8 Uljr fo giemlid) angetrunfen 
öon Slarau lant. tpburg ftürmte fogleid) oor be§ S3äler§ fmuS unb 
fcf»alt fie „|)ungerteiber" unb „©robfcbelmen". 

„Da£ ift nicht maf)r; mir hoben mehr 33rob als ihr!" rief 33älerS 
Söeib burd)§ ©tubenfenfter auf bie ©affe. 

Da lömmt eben S3äler, mübe oom Dagmerl, herju. „Du falfcher 
£)unb! $aft mich beim Slntöni „oertätfdjt" unb um ben S3erbienft 
gebracht unb habe buch bein Canb umfonft pflügen müffett," fchreit 
tpburg. 

„3ft nicht mahr, ©ämi! Unb ba§ „gaffren" foHft nicht umfonft 
gethan hoben; mitl bir SllleS befahlen unb gut mochen, ma§ idf 
fthulbig bin." 

„2Ba§ lannft gafften! Du gö^el!" gifdjt beS tpburgen Seib aus 
ihrer §auStbür. 

Da fliegen tiefelfteine auS ben .fpänben ber Sälerbuben hinter 
ber |)auSe<fe Ijeröor unb trieben bie gänler gurücf. 

©ine gute holbe ©tunbe h er na<h führt tpburg fein 23iefj bei 
beS SBälerS $au§ oorbei auf bie Seibe unb bei ber fRüdlunft trifft 
er auf bie SBälerbitben, £jans unb £>eiri. 

„©teinbengler, ihr oerfludjten," hebt tpburg ben Cärrn mieber 
an. „@eib fchon fo fchlimm als mie bie Sitten!" unb oerfeljte babei 
bem £>attS einen ©terfenljieb über ben .'topf. 

„Sehrt euch, 33uben! ©chlaget ihn auf ben S3oben nieber, bie* 
meilen ber ©ämi angefangen!" ruft SSäler auS ber ©tube unb geht 
ihnen gu £)ilfe. tpburg lehrt ftch fogleich gegen ihn unb werfest ihm 
mit bem SReffer gmei ©tiefte in ben 8eib. Der ©eftocheue holt einen 
©enfenmorb unb feftlägt bem ©egner bamit auf ben topf, baff biefer 
auf’S ©efidjt in bie ©tröffe finit. Doch fühlt er halb bie ©tidf» 
munben. „Qcf, höbe genug! Sann Du nur amh fo genug hätteft!" 
fpricftt ©ater im Scggehen. 

Der ÜRadjbar, S3annmart ©chmieb, eilt auf ben Cärm h er &ei unb 
finbet tpburg bcmujftloS im Sege liegen. 33äler lömmt auch mieber 
unb geigt auf fein blutig f)emb mit ben Sorten: „@chau bod), ber 
©ämi hot mich erftodjen." Drauf ging er ^eim unb nach einer 


"N 


Digitized by Google 



ÄanboogUgffdjIdjtnt au« bf»t bfrnlfdjfn Mnteraargau 127 

Ijalben SSiertelftunbc »erfc^ieb er, ftille auf einem «Studie ft^enb, in 
ber (Stube. 

Samuel Spburj flot) nocfj felbige 9fad)t übet Sienbetg. 

* * 

* 

golgenben 2ftorgen3, um 6 Ubr, überbradjten bie jrnei ©efdpoor» 
neu $b. 9?otf), SämeliS, unb Qb. (Srmel, 33ärcnrt>irtf), fammt $einrid) 
Stfburj, "SSBeibet non Obe^Grrlinsbadj, bem moljlebelgebornen unb Ijodj* 
geehrten ©erren Oberft unb Oberuogt Sttorlot auf 35iberftein biefe 
Ieibige 9Jad)ridjt. Oerfelbe fanbte fogleicf) feinen 2tmt3fd)reiber Saften» 
Ijofer fammt ©Ijirurgo Oaniel Oürr non 2larau mit ben 93orgefe§ten 
bon Qrrlinäbad) auf befagteS £>arb, um fo Diel al3 möglich ein um» 
ftänblidj 33erf)ÖT aufäuneljmen unb grünblidj in Sdjrift ju nerfaffen, 
ben entfeelten Sörper aber burcf) ben ©Ijirurgum auf bie Sefdjaffen» 
Ijeit ber SSunben tjirt oifitiren uttb butd) fein visum repertum fdjrift» 
lid) oeripäiren ju taffen. 

Oer (Sfjirurg fonftatirte, bafc ber eine Stid) liitfer Seiten jmtfcpen 
ber 3. unb 4. TOppe recta in bie Cuttgett, ber attberc aber einen 
Ouerfingcr unterhalb bem 3 tt, ercfifell burcf) bie Lineam albam in 
ben ättagen gegangen. 

9fad)bem bie historia facti auäfürlid) an meine gnäbige Herren 
unb Obern überfd)rieben morben, uerorbneteit £)odjbiefelben, bafi nad) 
Sanbeäübung hiegen biefent fßorfall bie erforberlidjeti brei Canbtage 
follen gehalten unb nad) gorm 9?edjten§ oerfiiljrt luerbett. ©ermaßen 
nmrbe ber erfte Canbtag oberamtlid) beftimmt unb abgelfalten ben 
10. Sluguft 1771 im Sdjtoftljof ju SBiberftein. 3 U bemfetben crfd)ienen 
al§ 8anbricf)tcr: 

SßräfeS: 9)?eiu moljtebelgeborner Oberbogt SUJorlot, mit bem 
rotfj»fd)tt>arjen Slmtämantel befleibet. 

33on (Srlin3bad): (peinrid) 9fot[), Unteroogt, $an§ Spbu% Statt» 
patter, gfiSfal, 9tubolf geller, Sirdjmeier, Uli Slattner unb ^einrid) 
Spbu% SBeibet. 

93on Süttigen: f)an§ Slattner, Unterbogt, Sfubolf SöeEjrti/ Statt» 
Raiter, SlnbreS Slattner, 3i mmermani V 9^ubt SBoHiger, £>eired)en unb 
©eorg SBetjrfi, SBeibel. 


Digitized by 




128 


Äanböogtegffrijlititfn ans fcrm beritifdjen Kntfraargan. 


©on ©iberftein: ©eorg Ott, Unteroogt, (Simeon Ott, Stafpar 
grep, Stubolf £)äuptli unb ^ans ©djärer, SBeibel, aud) im SDtantel. 

®a fie fid} in bie ©fronten, fo tjiefür aufgericptet worben, ge» 
fcfcct Ratten, hielt mein t)od)geet)rter §err Oberft unb Oberoogt “Stör tot 
unter ßeugfatne oiele§ ©olfö folgenbe Anrebe: 

„DJtannhafte, woljlbefchicbene llnteroögt unb Statthalter! Qh* 
fcib auf biefen feierlidjen Canbtag berufen unb addier oerfammelt, 
bantit be§ ga!ob ©älerä unfd)ulbig uergoffeneS ©lut an bem DJtiffe» 
tljäter Samuel Ä^burj, Qörrtö ab bem (Srlinäbadjer £>arb,. gerochen, 
bcrfelbe womöglich betjänbigt, pr wohloerbienten ©träfe beurteilt 
unb felbe an i(jm oollpgen werben möge; alles nad) unfrer gnäbigen 
Herren unb Obern t) 0 (±|löblid)er ©tabt ©ern Rechten unb ©efe^en; 
auch mämttglid) pr Söarnung unb ©efferung. ©§ gehet ber Ijotien 
Canbesobrigfeit unoerrüdteä klugen wert ftetiglid) bal)in, burd) forg» 
faltige Ausübung ber Ifjuftij & en SSohlftanb unb bie ©ic^er^eit ihrer 
lieben unb getreuen Angehörigen p wahren unb p mehren, unb fo 
habe benn auch id), ber obrigfeitliche Amtsmann, hochgebacht it)ro ©naben 
©efe.ht ooöpgen unb an euch, gegenwärtige Cnnbricfjter, bie oberamt» 
liehe ©itation ergehen laffen, um heute bem erft unb ^weiten Canb» 
tag beipwofjnen. ßu mämtiglicher Dtachridjt aber unb fonberlid) 
benen es p wiffen nötl)ig, Wirb bie ber SÖtorbthat an ßafob ©äler 
Wegen aufgenommene Information, nebft bem @d)ärer»geugfame ab» 
gelefen." 

9tacf)bem bie historia facti oerlefen worben, würben bie ©cfjranfen 
p allen oier ©eiten eröffnet unb auf be§ ObmannS ©efehl rief ber 
Amtsweibel Sparer außerhalb berfelben auf einem ©tuljl mit er» 
hobetter ©timme ba§ Canbgericht auS unb frug an, ob ßemanb pgegen 
fei, ber ba§ 3ted)t p gebrauchen höbe, wegen ber am 22. |)eumonat 
an ßafob ©äler auf bem .fparb ergangenen äftorbtljat; ba aber niemanb 
fich ftellte, fo trat .fpan§ Spburg, ©tatthalter, als Anwalt meiner 
gnäbigen Herren ber ©tabt ©ern oor ben ©räfeS unb begehrte, baf; 
bem Später ©amuel Sfpbu% görriä ab bem ©rlinSbadjer £>arb, nach 
©efe§ unb Orbnungen p breien unterfchieblidjen 9)?alen in’3 Specht 
gerufen werbe, um fid) üor biefem Canbgericht p uerantworten. 

Dt ad) gehaltener Umfrage warb einhellig pgeftimmt. ®a aber 
ber ©ethäter auf breimaligen erften Stuf im Rechten nicht erfchien, 
auch feinetwegen niemanb pr ©erantwortung fich geigte, fo begehrte 


Digitized by t^ooQle 



ÄanbDogtsßefdjiriikn atu bem betttif^m Unteraargait. 


129 


ber obrig!eitlid)e giSEal als Kläger über bie gefd)el)ene ßitation uitb 
baS Ausbleiben eine UrEunbe, Welche ihm einseitig burd) Urteil unb 
SRcd^t juerEannt würbe. 

9tadjbem nun ber crfte Canbtag folchermafjen oollenbet, begehrte 
ber giSEal int 9tamen meiner gnäbigen Herren, bafj jur ©rfparung 
oon 3eit unb Soften ber zweite Canbtag ebenfalls fogleid) oor jtdj 
gehen möchte; fefcte fein SBegehren jum Steckten. 

darüber toarb nach gehaltener Umfrag erEannt, eS foHe nad) beS 
griSEalS 33egehren ber jweite Canbtag auch bato gehalten werben. 
«Solpern nad) begehrte ber giSEal unb Kläger, bafj bem ©etf)äter 
Samuel £t)burj jum anbern Canbtag Ijeroorgerufen werbe, ©inhetlig 
Würbe befdjloffen, bem ÜDiörber wieberum ju breicn 2Jtalen burd) ben 
AmtSweibel mit erhobener Stimme oor attljiefig oerfammelteS Canb« 
geriet prüfen, um fid) laut oorljanbcnen traurigen SBaljrjeidjen* 
wegen ber an QaEob 33äler oerübten 2Jiorbtl)at ju oerantworten. 

iTtadjbem aber ber ©ettjäter wieberum nid)t erfdjien, erhielt ber 
Kläger auf fein 33egeljren Ijin abermalen über ergangene jweite Sitation 
unb SftidjMSrfcheinung eine UrEunb, unb fjernad) Würbe nadj beS 
giSEatS Antrag ber britte unb leßte Sanbtag auf Samftag ben 
31. Sluguft feftgefe§t, beffen ber Anwalt aud) eine UrEunb begehrt, 
daraufhin warb ber britte Canbtag nad) gornt DtedjtenS öffentlich 
üerEünbet unb bie bafyerige ißroElamation auf 33efefjl beS DbmannS 
hin bem AmtStueibel Schürer oon 33iberftein, fowie bem ©erid)tSWeibel 
Heinrich Sttjburj oon GrtlinSbad) übergeben, auf bajj fie biefelbe unter 
ßeugfame jweier Canbrid)ter fowoljl an hiefiger Sd)lof)porten als auch 
an beS ©etfjäterS ^jauStljür anfd)lagen. 

®ie ißroElamation lautete: 

333er ben Swbfdjlüger Samuel Stjburj, QörriS ab bem ©rlinS* 
bacher $arb, fefjen ober antreffen toirb in Stabten ober Dörfern, in 
§>ötjern ober Reibern, §u 333affer ober ju Canb ober Wo eS immer 
fei, ber fotl ihm oerEünben, bafs ber erft unb anbere Canbtag um beS 


* 5iacb ben germanifdfen SRecfitsbegtiffen Ratten bie SSertoanbten bie Pflicht, 
SBlutracbe ju üben; tonnten biefelbe aber aud) bureb Slnflage, unter ä3ortoeifung 
beS SeidjnamS, an ben Stifter übertragen ('-8 a b r g e vi cbt). Später genügte ein 
ftbrperttyeil (rechte panb, Änodfen) ober ein blutbeflecfteS SleibungSftüd als „Seib« 
ober SSBatyrjeid&en". 

®om ftura $um ©djtuarjujalb IX. 9 


Digitized by 


Google 



130 


£«sfe90ai«fttfi!fi4jtfs ose hm btnüMps Ifotmorgm. 


$obf<f)lageS mißen, ben er on $aEob SBöler boshafter Söeife begangen, 
heute förmlich gehalten morben wnb ber britte Canbtag auf Samftag, 
ben 31. Üluguft 1771, angefe^t fei, bamit er ftefe baju oerfügen unb 
fiefe oerfpreefeen Eönne; benn fo er auä) bannjumal nicht erfdjeinen 
mürbe, man nichts beftomeniger mit ber Urtheil miber ihn oerfahren ttiirb. 

®a nun ber britte Canbtag auf anberaumten 31. Äuguft oom 
fßrafeS, meinem gnäbigen Herren Oberft unb Oberoogt SRorlot, 
eröffnet unb bie Urfacfe, wie baS erfte 3Ral, angejogen morben, liefe 
er ben StmtSfdjreiber bie aufgenommenen Informationen famt bem 
viso reperto mieber öffentlich oerlefen unb an ben SchranEen bie oter 
^hnrlein auftfeun. daraufhin begehrte #anS Styburs, Statthalter, 
als giSEal baS fRecfet miber ben ÜEobfcfeläger unb bafe er jum britten 
2Ral oorgerufen merben möge, maS nach getanem SRecfetSfafc unb 
bieSörtigen Umfrag einhellig juerEannt marb. 

Solcfeemnacfe ooHführte auf beS $errn 5tmtmannS SöefehC SlmtS« 
meibel Scfeärer ben britten SRuf ju breien SRalen aufeerhalb ben 
SchranEen, überbrachte jebodj, bafe ber SSeEfagte nicht erfdjienen fei. 
®eromegen fteUte unb begrünbete ber gfiSEat ben Antrag, mit ber 
Urtheil in contumaciam fortjufahren. 

SRadj gehaltener Umfrage marb einhellig befdjloffen, bafe auS 
angebrachten ©rünben mit ber Urtheil foße fortgefahren merben, unb 
ber giSEal um feinen Eintrag befragt. 

®erfelbe formulirte ben (Spruch bahin, bafe ber ©ethäter Oon grieb 
in Unfrieb, oon Sicherheit in Unfidjerljeit erEennt, bafe all fein ©ut 
bem Staat oerfaHen unb er auf 101 ^afer au§ ben ferner Canben 
oerbannt fein foße. 

SRacfe barüber gehaltener Umfrage mürbe obigem SBorfdjlag unter 
©enefemhaltung unfrer gnäbigen Herren oon ber 3Rehrheit ber 8anb« 
riefeter jugeftimmt unb bem giSEal eine begehrte UrEunbe baoon be* 
mißigt, morauf hin ber Obmann unter 93erbanEung ben britten unb 
lebten Sanbtag befcfelofe, 

❖ * 

* 

ÜRacfebem bie ganje ©riminalprocebur ooßführt unb Eopeilidj an 
meine gn. Herren, bie fRätfj, überfdjrieben morben, hoben hochbiefelben 
fub 5. September 1771 bie lanbeSgericfetliihe Urtheil alfo mörtlicfe 
beftätigt: 


Digitized by 


Google 





JOßanfcerungtn in 6afei« Umgebung. 


131 


Schulreife uttb fRatfj. 

$a beS »erfüllen CanbtagS unb befcfjehener breier ißroftamatio» 
ncn ungeocbtet, SamuelShburj, QörriS ab beut ©rlinSbacher $arb, 
ficfe bennocf» in ben Rechten nicht gefteHt, um fidj über ben öon ihm 
an Qafo'b Säler, au<h öon bafelbft, üeräbten jobfdjlag ju öerant* 
Worten/ fo hoben wir ßnrechnung beS oergoffenen 33luteS befcfjloffen 
unb bie burdh bie Canbrichter wiber ihn gebrochene Urtheil bahin be» 
ftätigt: ®afe gebachter Samuel Shburg, QörriS ab bem (SrlinSbacher 
£>arb, non grieb in Unfcieben, öon (Sicherheit in Unfidherljeit erfennt 
unb ad fein ©ut ju unfern «ffanben öerfaßen fein, anbei berfelbe 
unfere Canbe für 101 Qatjr oertoren haben unb fürohin nicht mehr 
betreten fott unb Wo er je in benfelben habhaft gemacht werben fönnte, 
mufe er mit bem (Schwert oom Ceben jum Üobe Eingerichtet werben. 

£>iefe Urtheil werbet ^h r / lieber unb getreuer ÜlmtSmann, burch 
ben ©ericfetSweibel (Sonntags ben 15. (September auf bem SHrcfehof 
öerlefen, fowie an ben gewohnten Orten ju Ober* unb 9}ieber*©rlin8bach 
anfchlagen laffen. 

^Betreffs feiner jurücf gelaff enen ÜKittet ift unfer 2BiH, baß über 
folcfee ein Qnöentar gezogen, bie allfälligen Sdjulben unb aufgelaufenen 
Soften bezeichnet unb befahlt, fold)eS unS bann burdh Such einge* 
fenbet unb babei öermelbet werbe, ob unb wie öiel Sinber unb öon 
welchem ©efchledjt unb Ulter ber ausgetretene SEobfchläger hinterlaffen, 
bamit in 2tnfef)en beS ju bejiehenben SRefteS wir Such baS fernere 
auftragen fönnen. ©ott mit Such! 

(„Xwrnbudj" b«3 ©<§r. »iberftein, ©t. 89—66.) 


JpiRtaRRgn iR ItagekRRf, 

Jura, grtjimtruuali', ffilfnß. 

3nt Aufträge beä 3Sevleljr3»min3 Safe! jufammengtfteHt Bon Dr. Jfrih 



flicht weniger 33orjiige, als bie (Stabt SBafel ihren ©äften inner* 
halb ber SERauern bietet an SeljenSmürbigfeiten unb 53er* 
gnügungen jeber 2lrt, laffen ftch für ben SRaturfreunb unb für ben 



Digitized by 


/ 

^6c 



132 


Wottbtnragen in tiaftls Kmgtbnng. 


Souriften, für ben ©ommerfrifchler unb für beit ©rholungSbebürftigcn 
auch in unferer nähern unb fernem Umgebung ftnben. gn eine fo 
oerfdjieben geftaltete ©egenb liegt mohl nicht manche ©tabt ber ©chmeiz 
hineingebaut, hiie gerabe Bafel. ©djon bie Stahe breier oerfd)iebener 
©ebirge, beren jebeS feinen ganz befonbern ©barnfter trägt, beS gura, 
beS ©chmarzmalbS unb ber Bogefen, bemeiSt bieS. Unb innerhalb eines 
jeben einzelnen ©ebirgSzugeS mieberurn fteHt ficf) bie Statur in ben 
oerfchiebenen SL^eilen oerfchicben bar. Sine ganze 9?eiEje Don ©ifen* 
bahnlinien ftrahlen Don ber ©tabt als SDtittelpunEt nach «Öen Stich* 
tungen auS. Sin fie fc£)lie^en fidf Stebenbaffnen unb bieten bie ÜDtög* 
lidjEeit eines mfiljelofen BefucfjeS auch & er Stebenthäler. ©üblich ift 
burch zahlreiche, gute, jum Sheit mufterhafte Verbergen unb ©aft* 
häufer auch für Unterfunft unb Verpflegung reichlich geforgt. 

©tatten mir junächft bemgura unfern Befud) ab. gaft genau 
fübmärtS führen auS ber ©tabt bie fdjmalfpurige Birftgthalbahn unb 
eine normalfpurige Sinie ber gura»©implon=Bahn burch baS VirStljal 
in biefeS ©ebirge; ferner nach ©üboften jur Berbinbung mit ber 
innern ©djmeiz bie ©entralbafjn, erft bem Saufe beS StfjeinS, bann 
ber ©rgolj flujjaufmärtS folgenb. Bei Sieftal gtoeigt Don biefem ©trang 
eine ©eEuttbär=©trafjenbahn nach SBalbenburg, bei ©iffach eine jmeite 
mit eleftrifchem Betrieb nach ©ettertinben ab. Sen Berfehr mit ber 
Oftfdjmeij enblich Dermittelt bie Böfsbergbahn, melche bis ^ßratteln 
bie ©eleife ber ©entralbahn benü^t unb Don hier bem Saufe beS StheineS 
meiter folgt. 

SaS ©ebiet, melcheS bie Birfigtlfalbahn bem Steifenben er» 
fcfjtiefit, ber meftliche Shell t>on BafeHanb unb einige folothurnifdfe 
©nclaüen, erinnert in Dielen Beziehungen an baS benachbarte elfäffifche 
©unbgau. Sie Sinie reicht bis nach glühen hart an bie beutfdje 
©renje, an ben gufj beS im ©üben Bafels hingelagerten gurablauen. 
Sie planten biefeS in ber £>öf)e meift bicht bemalbeten BergeS, Don 
tiefen felftgen Schluchten burdjfurcht, erhalten ihr befonbereS ©epräge 
burch eine Steihe Don Burgruinen. Sa ragen auf felfiger Klippe 
unmittelbar über ber ©nbftation glühen bie Srümmer ber geftung 
SanbSfron; bahinter, jenfeitS beS ehemaligen BenebiEtiner©tiftS 
unb Dielbefuchten SBatlf alfrtSorteSSJtariaftein, erinnert ber zerfallende 
Shurm Don Stotljberg an Dergangene ßeiten. Unb mer ben ftünbigen 
SDtarfdj über baS ^ßlateau Don SDte^erlen nicht fcheut, ber erblicft auf 


I 


Digitized by i^ooQle 



Wanfctrnngen in €af*U Hntg*btmg. 


133 


fteilem Reifen über bem feljr empfefflenämertljen ©abe ©urg ba8 nodj 
betnoljnbare ©djlofj gleichen ©antenä. ©on f^lütien oftmärtä gelangt 
ber Söanberer auf nidjt minber anfptecf)enben SBegen an bett 9tuinen 
üon 0-ürftenftein oorbei nad) bem Sorf unb ©ab ©ttingen unb mag 
mit ©enufj feinen ÜKarfd) 6i§ bat)in auäbeljnen, h)o bie 33irÖ baS 
©ebirge burcf)brid)t unb bie romantifcf)en Ruinen üon Slngenftein unb 
Pfeffingen geugnifj oblegen üon ber ©ebeutung, metdfe frühere 3 e i* en 
bem fßafe über ben ©lauen beimaßen. 

9tidjt nur am Qrufje be§ ©erge§ entlang üerloljnt ficf)’3 ju fpa* 
gieren. @3 bcbarf bloft befcijeibenen fö'lettertalentä jur ©efteigung be§ 
au§[id)tsreid)en ©ergrüdenä, non bem man am anbern 2Ibl)ang in§ 
©irätlfal hinunter gelangt. 

3um ©efudje biefer ©egenben benii^t ein greunb ber gufstuam 
berungen bie ©irfigtfjalbafyn nicf)t. Ser ©tauen liegt nidjt fo weit 
üon ©afel entfernt, bafo er nicf)t au et) ju gufe in einem Sage felbft 
üon tnenig geübten gufjgängern offne 9J?ü£>e erreicht merben fönnte. 
Slurf) bietet ba§ gmifdjen ber ©tobt unb bem ©ergguge tiegenbe ©ebiet 
ber 9?eige fo mannigfaltige, baß bie SJftfjacfjtung ber ©ifenbalfn 9tie* 
manben reut, ©djon bidft bei ©afel labet ber meite 2lu3btid üom 
©t. SDtfargaretlfenljügel unb üon ber nod) fjöfjer ragenben ©atterie gum 
©efudje ein. Sie im SluSgange be§ ©irfigtt)ale§, am gufee biefer 
.'pötjen gelegenen Sörfer ©inningen unb©ottmingcn, le£tere§ 
mit einem roeilferumgebenen, laufdjigen ©dflöfjdfen, in bem jc£t eine 
tüchtige 2Strtf)fcf)aft betrieben rnirb, erfreuen fiel) gal)lreid)en ßufprucfjä 
üon ©eiten ber ©täbter unb ebenfo bie etma§ meiter abliegenben 
Sörfer Obertüt)!, Slfermtjl, ©iel unb ©enfen. 

Sie ^urabalfn, melcfje üom ©entratbaffnljof au§gef)enb bie 
SBeftfdjmeig bem ©a§ter etfcfjliejjt, fü£)rt in ba§ eigentliche Sorabo 
ber baSlerifdfen Souriften. ©ei ber erften Station Ptündjenftein 
fdfon münbet ein überaus lolfnenber 2Beg nad) bem ©empenftollen. 
Siefer, ein naffegu 800 m ffod) anfteigenber unb nadj ©üben jälf ab* 
ftürgenber 5JoradenEalffel§ bietet eine pradjtuolle SluSfidjt nid)t nur 
über bie ©tabt unb bie rfjeinabroärtä fid) befjnenbe ©bene, ba§ ©ir3* 
ttjal unb bas funbgauifdje |)ügetlanb, fonbern aucf) gmifdjen ben 
meiter fübticf) fiel) auftffürmenben Quraf)öf)en burd) bie Süden nad) 
ben fdjneebebedten ©ipfeln ber ©erner*Oberlänber*, ber Urfcfjmeiger* 
unb ber ©larner=9lfpen. ©einalje nodj tjäufiger rnirb bie £)öf)e be3 


Digitized by t^ooQle 



134 


titanfcerangen in fiafele Kmgfbmig. 


©empenftollenS B'eftiegen oon ®ontach=9ltteSheim auS, wo ber Pfab 
etwas fteilcr als oon Üftündhenfteitt, aber bebeutenb Kirjer, jurn ßiele 
hinaufführt, über beit tlaffifdjen Söoben ber ©(blockt bei Sorttad) 
(1499), an ben trogigen Ruinen beS ©ornadjerfchloffeS oorbei. 

®er unmittelbar bei ber «Station S)ornacf)brugg gelegene Bafel» 
lanbfdjaftliche gfleden SlrleSheim, in bem üerfdjiebene ©aftljäufer einen 
guten $£run! unb preiSroürbige Steifen bieten, oerbient einen befonbern 
Sefudj wegen beS biefjt baneben fief) ertjebenben SdjtoffeS SirSecf. (£in 
Par! umgibt biefe Stuine, eine englifebe Einlage, wie bie oornebme 
©efeUfdjaft um bie legte Qahrhunbertwenbe fie liebte. Sünftliche 
©rotten, ©räber unb ®en!mäler aller Strt, Stabinetcben unb Witter» 
faal, eine ©infiebetei mit lebensgroßer SSalbbruberpuppe u. bgl. mehr 
ftnb auf oerfcßlungenen Pfaben im Schatten weitäftiger Saunte gu» 
gänglid). Stiemanb, welchem bie Kultur oergangener 3«ten ein ©e= 
genftanb beS QntereffeS ift, wirb biefe Wohlerhaltene Einlage obne 
©enuß burebwanbern. 

Süblidj oom ©entpenftollen begnt in ber £)öbe ein unregelmäßiges 
§ügetlanb fidh auS. @S liegen barauf jurn SD^eil große unb ftattlicbe 
Dörfer: ©empen, ^ocßwalb, Seewen, weiterhin Stunningen u. f. f. 
3ur Serbinbung mit ber im £h°^ e loufenben Sahnlinie bienen wobt» 
gepflegte ßanbftraßen, oon bem wieberholt genannten Qornach bie eine 
in zahlreichen SBinbungen burch frönen 2Öalb nadh ©empen, bie 
anbere, am guße einer langgezogenen gelSWanb unb namentlich im 
obern eile burch fd)öne SluSfidjt ausgezeichnet, nach £>odjwalb. 
®ie Station Stefd), unmittelbar unter ber bereits erwähnten Singen» 
fteiner SfluS, überragt oon ben Ruinen Pfeffingens,, bient mehr ben 
Sebürfniffen ber Ortfdjaften am guße beS Qurablauen, als beS ©ent» 
penplateauS. Son ©rellingen auS leitet bagegen Wieberum eine 
Straße burch baS felftge, jum 2heil witbromantifche Peljmühtethal, 
beffen Quellen Safel mit SBaffer oerforgen, hi nau f Z um £>orfe 
Seewen. Stoch reijenber, weil weit abwedhSlungSreicher, barf bie 
Canbftraße nach Stunningen genannt werben, Slm meiften ©enufj 
aber wartet beS SiaturfreunbeS, wenn er oon ©rellingen auS baS 
fehmale ^attbrunnenthäldfen befucht. §ier reiht fich ein SBilb 
ooU intimer 2Balb», Söaffer» unb gelfenpoefie an baS anbere, unb 
nicht oergebenS haben bie SaSler Zünftler gerabe im SEaltbruunenthal 
einen ihrer beoorjugteften ^apbgriinbe für lanbfchaftliche SWotioegefunben. 



Digitized by 


Google 



Otatbtnmgin ht Kmgrtmrg. 


135 


Die Qurabahn roenbet fid) Bei ©retlingen ent) (Rieben weftwärtS 
unb folgt nun bis pm ©täbtchen Saufen bem füblicfictt gfufje beS 
©lauenS, beffen Siorbab^ahg wir eben fennen lernten. Die fanfteren 
falben beS ©ergeS auf biefer ©eite tragen einige Dörfchen: Siena* 
lingen, um welches auf weiter SEBeibe ein $ranj prächtiger (Sichen ragt, 
©lauen, Dittirtgen, eingebettet in ein faft fluchtartiges ©eitenthälchen, 
enblich auf freier ^ölje baS faubere SJöfdhenj. Um bie erftgenannten 
Orte p erreichen, oerlaffen wir in ßto'aö 60 ben Saljupg. Stuf 
ber entgegengefeßten ©eite biefer £>altefleHe aber, in beren Siähe, mitten 
im Dorfe gleichen Siemens, wo baS noch h eute bewohnte, mittel* 
alterliche Schloß ßwingen fich erhebt, führt bie ©trafse burch behäbige 
Dörfer nach bem ©cibe 3Jieltin gen, an ben trofcigen 9tuinen beS 
Donjons oon ©ilgenberg oorbei nach Hünningen unb bemnächft bei 
©refcWijl auf bafetlanbfchaftluhert ©oben. 

©ei Saufen treffen mehrere Später pfammen: baS Sü^elt^al, 
Welches nach SBcften an bie elfäffifche ©Tenge unb pr Duelle ber $11 
führt, baS ©irSthal, welches nun einen wilben felfigen ©h ara ^ er an ' 
nimmt, baS Süffelthal, welches p ben höchften SBarten beS $ura in 
©afelS iUähe hin leitet, pr |>ohen SBinbe unb pm ©aßwang, unb 
in beffen ^mttergrunbe ber Suftfurort SieuljäuSlein befcheibenen @om* 
merfrifchlern einen trefflichen Aufenthalt bietet. Doch Weiter bürfen 
Wir, wie fe^r eS unS auch locft, h°h er ins ©ebirge p fteigen, ber 
$urabaljn nicht folgen. 2öir beabftcßtigen, nur foldje Auszüge hi er 
p erwähnen, welche fich in ^öc^ftenS einem Dag leicht ausführen 
Iaffen. 

Die erfte Station ber ©entralbahnlinie ©afebOtten, baS 
große Dorf SJiutteng mit einer bemerfenSwerthen befeftigten Sfircße, 
liegt am guße beS SBartenbergS. Diefer oorgebirgegleich in bie ©bene 
Oorragenbe Siegel trägt auf feinem Siücfen bie Ueberrefte eines römifcfjen 
ÄafteHS unb bie Ruinen jweier mittelalterlicher ©urgen. ©ine weite 
AuSficßt nach SBeften unb Siorben belohnt für ben etwas [teilen Auf* 
ftieg. ©ine in halber £>öl)e liegenbe Eßenfion bietet freunblidjen Auf* 
enthalt unb gleich wie bie Verbergen in Sßutteng Sabung für ben 
hungrigen unb burftigen SBanberer. ©on ber genannten Ortfchaft 
eine halbe ©tunbe weit entfernt unb auf fdjattigen SBalbwegen oßne 
SDiühe erreichbar, liegt unmittelbar am mßeinufer bie ©aline 
©djweijerhall. AuS beträchtlicher Diefe wirb h* ev bie gefät* 




136 


Äonbmmgta In 6afeU tfogebnng. 


tigte ©oßle an bie Qcrboberjläcße gepumpt unb m großartigem betrieb 
unter nimmer erlöfcßenbent geuer oerbampft. (Sin ©oolbab mit moßl* 
berufener SBirtßfcßaft, einige Sitten unb inbuftriette Anlagen ßaben 
fitf) um bie ©aline gruppirt unb taffen ©cßmetäerßatt als eine ftatt* 
ließe Ortfcßaft erfeßeinen. Son ber ©tabt Safel au3 mirb e§ ßäufiger 
ju guß ober §u Söagen aufgefudßt, als mit £)ilfe ber ©ifenbaßn. 
®enn jaßlreicße gußmege bureß^teßen ben am (Rßeinufer entlang fteß 
erftreefenben |)arbt=2öalb unb bie genußreießften (Säuberungen untere 
nimmt unter biefem Slätterbacß im ©ommer attfonntäglitß eine 
©cßaar naturßungriger ©täbter. (Sin Stugftug in bie §arbt läßt 
fieß ja fo leießt fombiniren mit bem Sefucße beä ©tßlacßtfelbeS oon 
©t. gafob (1444), mo ein guter SEßein oerjapft mirb unb im grüß« 
ling ba§ beliebte gifeßeffen ber gebotenen (Rafen ben SaSler locft. 

©cßmeijcrßatt liegtnaße bei ber jmeitenSentralbaßnftelle (ßratteln. 
Son ßier au3, mo mitten im (Dorfe baä je§t al§ Slrmenßauä einge« 
rießtete ©eßloß ber Springer oon (ßratteln fteß erßebt, bietet fieß ©e* 
legen ßeit jum bequemen Sefucße ber gura«Sorberge. (Die Canbfiße 
moßtßabenber Sanier ©efcßlecßter finb an ben 2tbßängen angelegt, 
flauen meit in’S Canb ßinein unb über ben (Rßein ßinüber naeß ben 
öerblauenben £>ößen be3 ©eßmarjmatbeä. Slbterberg, ©tßauenburger 
gluß unb (Ruine ©cßauenburg finb bie oon ßier auS oft unb gern 
erftiegenen auäfidßtSreicßen §)ößen. gn tßrer SRittc, als Zentrum be§ 
©ebieteS für ben SEouriftcn, liegt in malbigent gefeßü^tem Keffel ba3 
Sab ©cßauenburg, au3 meitem UmEreiä oon ©efunb unb Girant, 
gung unb Sllt gern aufgefueßt. gu jeber £age3* unb gaßreSjeit 
bietet e3 bem ermübeten Söanberer, bem burftigen ßeeßbruber, bem er* 
ßolungäbebiirftigen (Retonoaleäjcnten juDorfommenbe treffließe Unter* 
funft unb Serpflegung. Ueber ben Serg ßinüßer oerbinben moßt 
unterßatteneSBege ba§ meiter oben ermäßnte@empenpIatcauunbbagSir§* 
tßal (gurabaßn) mit bem ©ebiete ber Scntralbaßn. (Der Uebergang 
oon bem einen biefer ©cßienenftränge jum anbern läßt fieß in jaßl* 
lofen Kombinationen mit immer neuem ©enuß auSfüßren. Slucß oon 
SRuttenj füßrt bureß bie ben ©übabßang be§ SBartenbergS einneß* 
menben (Rebberge ßinbureß eine feßr empfeßlenSmertße ©traße über 
bie §öße teä ©cßauenburgerfcßloffeS tn§ Sab ßinunter, 

©tatt nadß (ßratteln fteigen mir oon. leßterm naeß (Rieber* 
©cßöntßal, ber näcßft ßößern ©entralbaßnftation. (Dabei paffiren 




Digitized by t^ooQle 



HJottbertmgMi in tfntgebnng. 


137 


wir Wenige Schritte nor ber ^jalteftelte grettfe nborf (entpfehlenS* 
wert^e ©afthöfe: SBilber ÜRann, Cöwe), nach welchem auch non fßrat» 
teln au§ über baS fogen. ©i)rii ein überaus anmuthigeS Straff djen 
führt. ÜRicber=Schönthal, eine große inbuftrieHe Anlage an ber Waffer* 
Eraftfpenbenben ©rgolg, bient auch bent am rechten Dhalabhange ge= 
genüber non grenfenborf liegenben güüinSborf atS (Bahnftation. gül* 
linSborf ift feit einiger ßeit bei bcn (BaSlern gu einer gewiffen ÜRo» 
torietät gelangt, weil auf bent gegen ben SftEjein norfpringenben SC^cil 
feines ©ebieteS non ben im nahen Cieftal ihre fRefrutenfd)ule abbie* 
nenben Pionieren eine (BefeftigungSanlage eingerichtet worben ift, non 
ber auS ber 53Ii(f weit rljeinauf* unb abwärts unb in bie (Dörfer beS 
jenfeitigen babifdjen UferS ftreift. Sehren wir aber wieber gur (Station 
gurücf unb holen wir einen (Befud) nach, ben wir fdjon beim (RüdWeg 
non Schauenburg hätten abftatten fallen: ben beS SurortS (Bienen* 
berg. Unmittelbar über ber Bahnlinie erhebt fich ein gu mäßiger 
$öhe anfteigenber fmgel, beffen ©ipfel bie ©ebäube eines SurorteS 
trägt. (Radf einem (Brattbe nor einigen fahren etwas befcheibener 
als früher neu aufgebaut, bietet eS nor allem einen reigenben SBIitf 
in bie (Borberge beS SchwargwalbeS, eine reine Cuft unb bie (Borgüge, 
welche bie 9?achbarfdjaft eines emporblühenben CanbftäbtchenS bieten 
fann. 

Saum eine h ft l6e ©tunbe aufwärts non ÜRieberfchönthal liegt 
nämlich ber $auptort beS SantonS (BafeHanb, baS Stäbtdjen Cieftal. 
Spital unb Strafanftalt liegen nor ben 3d) orert / (RegierungS* unb 
anbere (BerwaltungSgebäube int dßetdjbitb ber Stabt, ©intge Q-abrifett 
giehen fich an'ben Söafferläufen hin unb oberhalb beS StäbtdfenS 
behnen fich bie SRauern ber Saferne. .fpter werben währenb ber 
gangen guten ^aljreSgeit äRilitärfcfjuten abgehalten. 53 a (b wirb auf 
ber Sichtern im SBeften beS StäbtchenS ber ^nfanterierefrut gebrillt, 
balb übt fich auf ber 9Ratte füböftlich non Cieftal ber Sappeur unb 
ber (ßionter in ber Einlage mehr ober Weniger Eunftnoller53erfdhangungen. 
Daf$ auch bie in einer ©arnifonSfta bt immer gasreichen SBirthfchaften 
nicht fehlen, braucht nicht befonberS heroorgefjoben gu werben. 

53on Cieftal auS läfet fich bie ©egenb gar bequem burrffftreifen. 
Durch bie laufchige ©infamfeit beS (RöfernthaleS erreicht man baS 
Wenige Silometer entfernte Schauenburger 53ab. ©enau auf ben 
(Bahnhof münbet baS OriSthal, in fübweftlicher (Richtung nerlaufenb 


Digitized by 



138 


tttonbrrangw in Bafel« tlmgetnng. 


unb bei ©eetoen roieberum auf baS ©empenplateau unb in baS ©eBiet 
ber Qurabafjn auSmünbenb. ©eine Dörfer ©t. Pantaleon/ Stuglar 
unb Sücen am tinfen Slbhang gehören bent Santon ©olothurn an. 
Supftngen unb auf prächtig meitfdjauenber fy'öty ©eltiSberg, me[d)e3 
trofc ber neuerfteilten SBafferleitung noch eine SReihe bon ©obbrunnen 
ftcb ermatten fyat, liegen auf ben £>öhen rechts beS OriSbadjeS im ©e« 
biete beS SantonS Safetlanb. 

Site britteS bei Cieftat münbenbeS $^al nennen mir baS Jl)al ber 
grenfe; biefer Sach ergießt fict) etmaS oberhalb beS ©täbtchenS in bie 
©rgotj unb mirb auf hoher eiferner Stüde bon ber Sahn überfdjritten. 
Slber bie Stüde trägt nicht allein bie ©djienen ber ©entralbahn. Sludj 
bie fdjmalfpurige SEBalbenburgerbahn führt barüber hin unb Biegt 
menige ©dhritte jenfeite ber Stüde auf bie Canbftrafje, um bon hier 
an ate ©trafjenbahn baS im ^»intergrunbe beS dh Q le3 gelegene ©täbt« 
djen SBalbenburg ju erreichen. die bornehmfte ©tation in ber Siähe 
bon ßieftal ift unftreitig baSSubenborferSab*, ein rnahreS SRufter* 
mirth^hau§ unb mit 9tecf)t ftetS gern befucht. GcS bilbet biefer freunb« 
liehe Slufenthalteort feinerfeite mieber ben Sfnotenpunft für eine ganje 
9teihe bon Slitepügen. 2öir müffen unS h' er mit biefer Slnbeutung 
begnügen, ohne fie alle aufjäljlen ju fönnen. desgleichen fehen mir 
unS gejroungen, baS gange dh fl i feemmt ben babon abgmeigenben 
©tragen nach Campenberg, SRamlinSburg, Seinmhl tc. gtt übergehen. 

Sei SBalbenburg oerlaffen mir ben Gcifenbahngug. hinter bem 
©täbtehen mit feinet altertümlichen Slnlage unb bem trofcigen dh or / 
bie moberne grofje Uhrenfabrif auf fteiler gelSflippe bominirenb, ftehen 
bie drümmer beS in ben StebolutionSmirren oor berfb 100 fahren 
gerftörten CanbbogtefißeS. die ©trafje beginnt gu fteigen, fomie fie 
SBalbenburg hinter fich läftt unb geminnt in langen SBinbungen nach 
unb nach bie Slnfjöhe. die Slbhänge finb meift bemalbet; h*e unb ba 
blidt ein Sauerngehöft, ein Canbfiß aus bem ©rünen heroor. ©ingelne 
Raufer treten bis an bie ©trafje heran. Stach einftünbigent ©teigen, 
baS aber in ber prächtigen Cuft unb auf ber bequemen ©trafee in 
feiner Söeife anftrengt, erreichen mir bie ^ßafehöh e * £>ier ft^cti>en bie 
Söaffer fich gur Slare unb rheinmärtS. ©he bie Canbftrajje am ©üb« 


* 33cm Qura gurn Öcfytoargtoalb I. 33anb. 





Digitized by Google 




Sanierungen in Bafel« Umgebung. 


139 


abhange ber ^urafette ben ftanton (Solothurn trifft, burdjfchueibet fte 
ba! Dorf Sangenbrucf, einen Beöorjugten (Sommeraufenthalt oon 
Safel! Söürgerfc^oft. gaft in jebem §aufe biefe! Dorfes wohnt jur 
(Sommerzeit eine Sa!ler gramilie; bie ©afthäufer fowie ba! grofje 
£urhau! ftnb überfüllt, alle Sauerithöfe ber 9leBenthäler haben eine 
Zahlreiche ©inquartierung aufgenommen. 

Die Umgebung — benn ba! reinliche Dorf felber fommt ja für 
ben (Sommerfrifchler erft in zweiter Stnie in betracht — rechtfertigt 
ooHauf fo reichlichen Sefucf). fRing!um fteigen bie Serge zu einer 
§öhe non 1000 m unb mehr. Da oerlofjnt fich nur an befonber! 
Beoorzugten Sagen Obft* unb gutterbau, oon ©etreibe wirb nur noch 
£>afer gebaut. Der ganze übrige Soben, foweit er nicht oom 28alb 
in SÄnfpruch genommen wirb, ift mit SBeibe überzogen. Dann offen* 
Bart fich mit befonberer Deutlichfeit ber fubalpine ©Ijarafter tiefer 
©egenb. ©in furze!, Würzige! ©ra! bebecft bie ©rbe. Die blauen 
(Sterne ber ©entianen, feltene Sftelfenarten unb ähnliche Slumen unter* 
Brechen ba! eintönige ©rün. Diefe Segetation bietet ber Siehjucht 
befonbere Sorzüge unb biefe Slrt Sanbwirthfcfjaft wirb hier auch in 
au!giebiger SSBeife gepflegt. Die beerben beleben ring!um bie f)öf)en 
unb bie einzige Unannetjmlichfeit bitben für ben Sßanberer bie oft 
recht wenig cioilifirten Stiere, beren Eingriffe namentlich für zum 
klettern weniger geneigte unb befähigte Seute zur eigentlichen ©efahr 
werben fönnen. 

gaft ungezählt ift bie Sftenge ber 9lu!flüge, welche oon Sangen* 
brucf au! fich unternehmen laffen; bie anftrengenben unb leicht au!* 
Zuführenben, bie furzen unb längeren, bie fdjattenfpenbenben unb 
fonnigen, bie au!ficht!reichen unb laufchig einfamen (Spaziergänge 
fönnen hier nicht aufgezählt werben. Dagegen würbe manch ein Sa!ler 
fich eigentlich »erlebt fühlen, wenn wir nicht ben in einem 9febentf|al 
*/« Stunben oon Sangenbrucf entfernt liegenben Kurort ftilchzimmer 
empfehlenb erwähnen Würben unb bie 0-eÜf'lippe be! Selchen!, welche 
einen weiten 2lu!blicf nach jeber ^Richtung faft ungehinbert eröffnet. 
Der ^auptoorzug Sangenbrucf!, ber ©runb, warum biefer Ort immer 
unb immer wieber aufgefucht, burch bie Sa!ler Siebte ftct! oon neuem 
Warm empfohlen wirb, liegt in ber prächtig reinen unb neroenftärfenben 
Suft, Welche fo manchem abgefpannten ©efchäft!mann Sabung, fo 
manchem fdjwacfjen 3Reconoa(e!ccnten Sfraft unb ©rfjolung wieber ge* 
fchenft hot. 




140 


Utanbercngen in ßaOU Kmgebnng. 


SBeint Subenborfer 33ab jweigt oom eigentlichen grenfenthal, 
bem bie ©albenbttrger Safjn folgt, ein größeres fftebenthal noch SBeften 
ab. f)ier liegen SBubenborf, 3^ e f en un b im f>intergrunbe SReigolbS* 
wql. $ier ift ein gmuptfijj ber im gangen fonftigen Safelbiet oer* 
breiteten fßofamenterei, b. fj* ber als ffauSinbuftrie meift auf Rechnung 
großer SBaSler Qfrmen betriebenen 23anbweberei. Qaft in jebent fmufe 
flappert ein 333ebftuf)l. ©a bie Canbwirthfchaft bei ber ftarfen $Be* 
oölEerungSbidjtigfeit, bem oerhältnifjmäjjig menig ergiebigen 33oben, 
bem unebenen ©errain unb ber hohen Sage nicht gur Srnöijrung ber 
©inwofjnerfchaft auSreicht, erfcheint biefer S'iebenoerbienft hoch willfom» 
men. ©inigeS ©elb bringt ferner ber Umftanb inS Canb, bafj in 
biefer ©egenb gasreiche Canbfilje baSlerifdjer Qamilten liegen. Sllte 
©rabition bringt einen jährlichen (Sommeraufenthalt auf biefen ©öf)en 
mit fich unb biefer natürlicher ©eife mieberum mannigfachen 23erbienft. 

fRetgolbSwql ift bem ©ouriften mohl beEannt als SluSgangSpunft 
für eine fReif)e genufjreidjer StuSflüge auf bie weibenretcf)en Qurat)öhen. 
©ir nennen als ben ©inen, aber einen Cöwen, ben herrlichen 1200 m. 
hohen fßafjwang. Heber bie ©afferfülle, über 33ürteit, über Cauwql 
unb bie ©t. 9fomat)höfe führen gahlreiche ©ege hinan, üftoch Weit 
bequemer finb bie ©tragen, melche über mäßige 9lnhöf)en baS mehr» 
genannte ©orf oerbinben mit Cauwtjl unb örejjwpl, mit CiebertSwpl 
unb ©albenburg, ober auch auf hohem 33ergrücfen entlang mit ©itterten 
unb 2lrbolbSwt)l (©aftelenfluh). ©enigftenS genannt merben mufj in 
biefem Qufammenhang baS auf bem nämlichen $öljenjuge gelegene 
Campenberg unb baS im (Stile beS SftittelaltcrS noch mohlerhaltene, 
im ©ommer ooit 33aSlern bewohnte ©chlofe ©i Iben ft ein. 

©enn aber ber SBerfaffer in biefer ©eitläufigfeit SafelS Umgebung 
noch weiter abfuchen wollte, Wann Eäme er gu ©nbe? SJJit feiner 
©chilberung bei Cieftal wieber anfnüpfenb, nimmt er fich oor, oon nun 
an mehr regiftrirenb als befchreibenb oorgugehen, wobei ihm ber geneigte 
Cefer etwaige fRücffäfle in bie angenehmere Pflicht gu ©ute h a ften 
mag. 9luf bem rechten Ufer ber ©rgolg leitet oon Cieftal puS eine 
im Slnfang fehr fonnige ©trafje auf bie §ö£)e unb bann gegen SlriS* 
borf, weiterhin über baS ehemalige Ädofter, jc^t aargauifdje Knaben» 
©rgiehttngShauS Olsberg burch fühlen ©alb nach 9fh e > n f e ^ en - Stuf 
ber £)öf)e oon ber ©trafje rechts biegenb, erreichen wir auf gleichfalls 
empfehlenSwerthen ©albwegen ^erSberg unb Stfufthof. Qm ©(jal leitet 


Digitized by i^ooQle 



ttJanbertragen in jBafel» llmgrbnng. 


141 


bie ©ifenbahn über ba3 ftattlicffe 2>orf Saufen unb neben Qttingen 
worüber nach ©iff ad), bem inbuftrieceicfjen §>auptorte be§ oberen 
BafelbietS. Sind) oon E)ier [tragen mehrere Später au§, ba§ eine in 
genau füblidjer SRidjtung etroas einförmig über ßunjgen, Sennifen 
unb Siegten nacf) bem gefdjiihten Babe fRudj'Qtptingen, am gufj be£ 
worein (bei CangenbrucE) genannten Belchen; ein anbereS, in meinem 
ber ^pauptftrang ber ©entralbahn oerläuft/ geljt nad) ©üboften, ba§ 
britte öffnet ficf) in öftlidjer fRicfjtung unb beffen unterfter Sfjeil bis 
ju einer neuen ©abelung bes Jhätchens ift burcf) bie eleEtrifdje 
Bahn ©iff ad)»© eit er Ein ben hoppelt leidet jugänglid) gemorben. 

Oberhalb ©iffacf) fjält bie oom ©täbtrf)en au§ unfdjmer, noch 
leichter unb bequemer aber oon ber fRucEfeite ju erfteigenbe h<>h e 
©iffadjer=Qluf) 2Bacf)e, an ihrem gufj baS befdjeiben aber gut gehal¬ 
tene länblidje 393irt^§^auö ber ©iffad)er Slip. Qm SBeften bes genannten 
QelSblocEeS führen bie ©trage ®iffad)=3Sinterftngen, im Often ©elter= 
Einben4RicEenbad)'BuuS=2Raifprach, beibe bei ÜRagben äufammentreffenb, 
nach SRIjeinfelben. 3 roe i SBege f«h ren oon ©elterEinben nach Oltingen 
am Quf$ ber ©djafmatt, mo bann ber früher oiel begangene ißfab über 
biefen ©erg nach Slarau feine ©teigung beginnt. £>ie ©trage über 
Ormalingen, SRothenfluh unb Stnmpl ift mehr ben Q-reunben lieblicher 
Statur ju empfehlen. ®en anbern über ütecfttau unb Sßenslingen 
jeichnet eine Partie auS, mo bie ©trage burcf) eine Qelfenfchludjt 
langfam empor Eriedft unb ©teilen bietet, melche in ber £f)at einer 
gemiffen Berühmtheit, menigftenS bei ben Baslern, merth erfcheinen. 
2Ber bie fRomantiE in ber Statur liebt, mirb oon XecEnau auS, ef)e 
er linES in bie Schlucht fteigt, noch bent SBafferfaH im ^intergrunbe 
bes Shale§, bem ©iegen feinen Befucf) abftatten. Qrnar hot bas Bitb 
biefer reijenben Canbfchaft an SBertf) üerloren, feit bie Rappeln am 
Baffin be§ QaHeS oerfchmanben. Qntnter noch aber ift ber ©iegen 
in hoh em ®rabe fehenSmertf) unb mer ihm in feiner je^igen ©eftalt 
Eeinen ©efchmacE abgeminnen Eann, bem gefällt hoch fidferlid) ba£ einige 
Schritte meiter oben gelegene ißfarvbörflein SEilcfjberg, melcf)es mit 
feiner einfachen Umgebung ju einem mahrhaft ibtjllifchen Bilbe ftch 
oereinigt. 

Bon Ormalingen, um bies hier nachjuholen, mirb ber ausgebehnte 
SRuinenEompley ber QarnSburg befucht. Bon ber neben ben $aupt= 
gebäuben gelegenen Söeibe aas eröffnet ftch eine meite 9lu§fid)t über 


Digitized by 


Google 



142 


Vonber&ngfa in 6üfel« Kragfbmtg. 


Sllpen, ©djwaräwalb unb ©ogefen, fowie burdj ben ganjen Qura fym, 
eine SluSfidjt, nietete für etwaige bei ber ©efteigung oergoffene ©djweife* 
tropfen reichlich entfdjäbigt. 9tod) fei auf ben prächtigen Slnblicf auf* 
merEfant gemacht, ben bic malbumfangene 9tuine oon ber Sftorbfeite 
her bietet. 

9?afch führt ber ©entralöahnjitg oon ©iffadj aus bie 9teifenben 
nach ©ommerau, am rechten Slbfeang beS DljaleS mehr unb mehr 
anfteigenb. Qn ber ©ohle liegen Dhürnen unb Diepf lingen, ber 
festere Ort baburch betannt, bafe Iper &ie $eerftrafee burdj ein |jauS 
hinburch führt unb mit einem ©djeunentljor abgefperrt werben fann. 
©ei bem nädjften Dorf, 9?ütnlingen, führt bie Sahn auf gewaltigem 
©iabuEt über ben ©ingang eines ©eitentpaleS, in beffen ^intergrunb 
|jäfetfingen liegt. Dann gehts burch jWei Eurje Dunnet — ber eine 
führt unter bem Reifen burdh, welcher bie Drümmer ber Qfefte £> ont* 
bürg trägt — im Dljale brunten fehen wir bie Raufer ©ucEtenS, 
jenfeitS grüßen oon ber .fjölje SBittinSburg unb ÄänerEinben, bann 
hält bie ©ifenbaljn auf ©tation Cäufelfingen. Sßir fteigen f)iex 
au§, benn wir befdjränEen unS auf baS natürliche ©ycurfionSgebiet 
ber Sanier nörblich oom fjöchften QuraWatl, ben hier ber lange £muen* 
fteintunnel burdjbridjt. ©on Cäufelfingen läfet ftch nicht nur auf ge* 
nufereichen SSegen ber bereits erwähnte Selben gewinnen. 2Ser ber 
fmuenfteinftrafee folgt, wirb in Eürjefter geit nach &em folothurnifdjen 
Dörfchen $auenftein geführt unb erreicht oon ba auf bequemen SBegen 
ben prächtigen auSftdjtSreichen Kurort groljburg, oon wo ftch ein 
ganj befonberS herrlicher 2IlpenEran§ bem ©efucfjer jeigt, Wenn er baS 
SBetterglücE hot. Ober man fteigt, oon Cäufelfingen auS wohloer* 
ftanben, nach ©ab 9t am fach empor, welches DanE ber hier gewährten 
trefflichen ©erpflegung in allen ©eoölEerungSfdjichten wohl beleumbet 
ift. SBpfenberg, SBpfenfluh unb Dorf köpfen oerbienen einen ©e* 
fuch, bie erften beiben als StuSftcptSpunEte, baS tefetere u. 31. um feiner 
faft an ben ©chwarjwalb gemahnenben ©trohbächer Witten. 

Dtachbem wir fo in flüchtigen Umriffen gezeigt haben, welche ©e* 
genben bem Staturfreunbe bie ©entralbaljn eröffnet, fei noch Eurj ber 
©trang ber ©öjjbergbafjn einige ©tationen weit oerfolgt. ©iS 
Eßratteln fällt bie Cinie mit ber ber ©entratbahn jufammen. §ier 
aber jweigt fte tinES nach 2tugft ab. Qm Dorf ©afel*§lugft über* 
fdjreitet fte auf hoher ©ritefe bie ©rgotj, unmittelbar bahinter auch 


Digitized by i^ooQle 



Utonbenrognt tn ÄafeU Kmgrbnng. 


143 


bie SantonSgrenge unb fteht nun an ber (Station $aifer=2tugft auf 
bem f[affinen Voben ber Colonia Augusta Raurica, ber ©riinbung 
be3 Munatius Plancus. ®ie wotjl erhaltenen SRefte eine? römifchen 
eines ÜempelS Junbamente auf weit frfjauenbent |jügel, 
bie fyiex unb bort aufgefunbenen Ueberrefte einer oerfunfenen Shiltur reben 
berebteSBorte Don ber Vergangenheit biefer Stätte. 2ltlenthalbenfinben ft<h 
nachweisbare©puren ber römif<hen©tabtbefeftigungen, fotoie auf ber fteil 
abfaCenben £>öhe bie ÜErümmer beS einftigen SaftrumS. Von SÄugftauS ift 
©iebenadj, toeiter auch SlriSborf, ferner Olsberg, bequem gugänglidj. 
Vatb nähert nun bie Vaf)n fid) bem S^^ein unb gemährt manchen 
fchönen Vticf hinüber in bie SluSläufer beS SdjwargmalbeS. ®ann 
tritt fte Dom ©trom mieber etwas gurücf, um bie Station SRhein« 
fetben gu erreichen. ®iefer aargauifche VegirfSljauptort erfreut ftdh 
oon Vafel auS reichen VefudjeS nicht btofj als wirffameS ©oolbab 
unb als meithin befannte Vierquelle, fonbern auch wegen feines malerifch 
atterthümlichen StuSfeljenS unb Wegen beS wilb frönen ÜlnblicfS, Welchen 
hier ber burch fein gerriffeneS Jelfenbett bahinbraufenbe ©trom gewährt. 
3)ie ßugänge gu SRhetnfelben oon ber Schweig h er ftnb fchon oon ben 
SRebenthätern ber ©entralbahnlinie auS erwähnt worben. ©3 bleibt 
nur gu erinnern an bie rheinaufwärtS faufenbe Canbftrafje; fie berührt 
SDJöhItn, äRumpf unb ©tein, bie gleichen Ortfdjaften, an welchen 
auch Stationen für bie Vößbergbaljn eingerichtet jinb. ®ie ©egenb 
bietet hiev weniger lanbfchaftlicheS Jntereffe, als baS Vafelbiet ober 
ber Verner unb ©olothurner Jura; man befugt oon Vafel auS etwa 
2Rumpf, Weil baS bortige ©oolbab gur „Sonne" im angenehmen 
©erudj einer guten SEücfie fleht, ober ©tein als SluSgangSpunft für 
2luSflüge nach bem Schwargwalb. ®enn ©tein gegenüber liegt ja 
baS burch ©cheffei bei allen fentimentalen Jünglingen unb Jungfrauen 
gum gweiten SReEfa geworbene SäcEingen; bemt in ©tein ift (mit 
2lu3nahme beS Keinen rechtSrljeinifchen ©ebietS oon Vafelftabt) bie 
leßte fchweigerifche Ortfdjaft unfrer fRunbreife erreicht. @3 wirb un3 
ÜRiemanb be8 ©houoini3mu3 begicfjtigen, wenn wir für heute wenig» 
ften3, bie oon Vafel au8 erreichbaren au3länbifchen Ort)haften unb 
©egenben nur gang funtmarifch oorführen. 

5Da ift gunächft ber ©cfjwargwafb, beffen Häupter in bie Stabt 
Vafel impofanter hernieberblicEen, al8 bie ©pißen beS Jura, ba biefer 
fuh un3 mehr al8 langgegogene SEette präfentirt. 5)ie oon Vafet au8 


Digitized by 


Google 



144 


Wanbenmgtn in tiafiels llmgebnng. 


leicht gugänglicpen Steile beg babifcpen ©ebirgg trogen bag peroor= 
ftecpenbe ©epräge einer Salbgegenb. Silbe ©ebirggromantif, tote int 
2tlb», 3Rurg> unb Sepratpal wirb man in unfrer unmittelbaren SRäpe 
oergeblicp fucpen. Socp trägt ben greunb folget ©cenerien bie ©ifen* 
baffn 53afet*S!onftang non ung weg rafcp genug in bie genannten 
©egenben. Sag ben o.on Vafel aug gunäcpft gugänglicpen unb am 
meiften befugten fübweftticpen Sinfel beg ©cpwargwalbeg auggeicpnet, 
bag finb bie herrlichen Weit auggebepnten Sälber. iRacp allen 9ticp» 
tungen toerben fie non guten ©tragen burcpgogen unb ftnb fo felbft 
gu Sagen beffer gugättglicp atg anbre ©egenben mit äpnlicper SRatur. 
SRamentlicp bag ©ebiet gwifcpen Stpeinebene unb Siefentpal, in welcpeg 
bag Äanbertpal tief einbringt, Oerbient non biefern ©eficptgpunfte be= 
fonberg peroorgepoben gu werben. 

Qn ben Spätem unb auf ben niebrigern Vorbergen breiten fiep 
SRatten unb ©etreibefelber aug, unterbrochen bon ©bftbäumen jeber 
2lrt. 2ln fonnigen falben reift ber SDJarfgräfter Sein unb nament» 
lieh bag 8anb bon 53afei big SRütlpeim rpeinabwärtg, ferner am ©trom 
aufmärtg, ©rettgaep unb Spillen, enblicp am ©ingang in’g Siefentpal 
SRiepen unb Seil rechtfertigen mit ihrem trefflichen ©eiüäcpg ben alten 
guten fRuf beg SRarfgräflerg. 

5ln ülugficptgpunften leibet fepon bag Vafel am näcpften liegenbe 
©ebiet ber bom ©cpwargwalb nieberfteigenben §>öpen nicht SRangel. 
©g genügt hier bie nodj auf ©cpweiger Voben liegenbe ©t. ©prifepona, 
ferner auf bem nämlichen SRücfen meiter öftlidE» bag £>orf Stbelpaufen, 
ferner ben grngel bon Süllingen unb bie ftattlicpe fRuine IRöteln 
gu nennen, welche felbft beg Slugblicfeg auf bie Sllpeit nicht entbehren. 
Sem ntepr 3 p it gur Verfügung ftept, ber oerWenbe einen Sag gum 
Vefucpe beg flauen ober mithilfe ber 3 e ll 5 ^°l |t:nauer '® a ^ ri ^ 
Vetcpen unb er wirb, wenn anberg beg Setterg ©unft ipm lächelt, 
reiepen ©enujj aug einer folcpen echten unb gerechten ©cpwargwalb* 
tour fepöpfen. Senn, um gu guter Cept auep bieg noep gu erwäpnen, 
für mufterpafte unb preigwürbige Verpflegung ift an ben ung guge* 
Eeprten Slbpängett beg babifepen ©ebieteg reicplicp geforgt unb in niept 
allgu großen ©tappen folgen fiep Sirtpgpäufer, in benen ber SReifettbe 
ftetg trefflicp aufgepoben ift, in benen er SRaprung unb Scan! finbet, 
Wie fie ipm auep gu ^aufe niept beffer gu Speit werben fönnten. 


Digitized by i^ooQle 



U><mbtrmtgrn ln tiaftl'a ßmgtbmtg. 


145 


SBon ben genannten §)öhen alten, am beften üietteicht tcom Stauen 
tjernieber, Breitet fich, §tt)ifc£)en ben 9t(jein unb bie Sogefen ^ingelagert, 
ber ©unbgau mit feinen üppigen gluren unb ungezählten Ortfchaften. 
©in ßanbftrid) oon flußaBmärtS gunehmenber Sreite liegt oöttig eben 
baS lütte Ufer beS ©trorneS ba. Ohne Befonbere SReige tanbfcEjaftfic^er 
9trt, genießt er nicht eben eines günftigen SRufeS unter SaSter Souriften. 
Oagegen Bieten bie üppigen SDtatten unb gelber biefeS fruchtbaren 
ÜlHuüiumS bem Canbmirth eine rnahre Stugenmeibe. ©S ift gu Bebauern, 
baß ber ©egen biefer grudjtbarEeit ben fonft fleißigen Setoohnern 
im ©angen menig zu ©ute Eommt. OB baS Naturell beS ©unb» 
gäuerS bem ©paren ab^olb ift, »6 bie ©egenb gu biete gSraelüen 
gählt, ob bie ©inftüffe tängft bergangener feiten, bie attißmirthfdjaft 
früherer gahrgeljnte unb gahrßunberte pdf heute «och gettenb machen 
ober enbtich, ob bieS 2l(te§ gur‘unerfreulichen SBirfung fid) bereinigt, baS 
gu entfdjeiben ift Iper nicht ber Ort. Shatfadje aber ift, baß nirgenbS 
in unferer Umgegenb mehr Slrmfeligfeit unb ©chmuß getroffen mirb, 
atS eBen Iper im ©Ifaß. $>em entfprechenb Bietet baS Canb auch bem 
Sefucher nicht bie freunbtiche Aufnahme, bie großartige ©aftfreunb» 
fchaft, bie bon einer ben SouriftenBefudj anlocfenben ßanbfdjaft mit 
fRedjt ermartet mirb. Oiefe gu finben muß man fich f<h°n etmaS meiter 
flußaBmärtS magen, über Sttüthaufen hinaus, an ben guß ber Sogefen. 
|)ier liegt bann auch bie £>eimath beS Häßlichen ©tfäffer=2BeineS, ber 
mehr als fein etmaS fäuerlicher SJtarEgräfter Stachbar jebem ©aumen 
Behagen mirb. Oiefe Sogefenthäler unb bie §)öhen beS ©ebirgS, auf 
benen bie beutfdßfrangöfifche ©renge baljinläuft, fcßtießen mir auS 
unferer heutigen oljnebieS fchon etmaS gu lang gebiehenen ©djilberung 
auS. 

9tur fei noch aufmerffant gemacht auf gmei ßanbftriche beS oberften 
©IfaffeS, melche gmar nur fetten Befud^t merben, beßmegen aber hoch 
einem für tanbfchafttiche 9teige empfänglichen 2luge tuet ©chöneS Bieten. 
®a ift gunächft baS bem 9tl)ein entlang taufenbe Ufergebiet, ein ©trich 
Bon t)ö<hftenS einem Kilometer Sreite. £jier gehen SDammanlagert, 
bie Shreug unb Ouer gum ©djuße beS oder* unb gemüfebautreiBenben 
§interlanbeS tior etmaigem ^ocßmaffer beS fRIjeineS. ©S hat fich hier 
ein fumpßgeS SBatbgeBiet im Saufe ber galjre geBilbet, metcßeS ©djritt 
für ©chritt eigentlich frembartige Silber eröffnet unb teiber auch int 
©ommer menigftenS burcß bie SßoSfitoplage gang epotifd) anmuthet. 






146 


ttaniernngm in fiaffel'i Kmgebnng. 


!DaS fann 06 er namentlich bie Votanifer unb ben Zoologen nicht ab» 
hatten oon ber Qagb auf bie in biefent ©ebiete häufigen (Seltenheiten 
ber glora unb gauna. 

2lm entgegengefefcten, weftlichen Saume bet oberelfäfftfchen ©bene 
erhebt ftd), in fanften Rängen langfam hoch unb höher fteigenb, ein 
welliges £>ügeHanb, welches unmerftich in bie lebten Stämme beS 
Qura übergeht. (Dajj biefe ©egenb non Vafel aus nicht touriftifch 
abgefucht toirb, baS fann lebiglidj in ber wenig hinreichenben/ nament» 
lidj meift nicht fehr reinlichen Verpflegung ihren ©runb hoben; immer* 
hin mag auch bie SJiobe ober wie man baS nennen mag, mitfpielen. 
(Denn einen ber am emfigften bei unfern StuSflügen gefudhten ©enüffe, 
bie weite unb abwechslungsreiche SluSficht erreicht ber SBanberer faft 
mühelos, {ebenfalls weit bequemer, als wenn er fte etwa auf bem 
©empenftotlen, ja felbft nur auf ber ©h^fchona h°ien wollte, ^m 
Zentrum beS gangen ©ebieteS unb felbft oon weither Danf ben weiten 
SBänben feiner Kirche wohl erkennbar, liegt baS Dorf golgenSburg. 
Von nirgenbS ffeinen bie weichen lUmrijjlinien beS Scfjwargwalb* 
Vlauen melobifcher hernieber gu fließen als oon hier; nirgenbS fteUt 
ber Qura ficfj bem Vefchauer mit abwechslungsreichem Konturen oor 
bie klugen; nirgenbS legt ftdj bie £>äufermaffe oon Vafel majeftätifcher 
gu unferen güfeen. Die nähere Umgebung, ber Söedjfel oon Stabei* 
hotggruppen unb bebautem Sttfertanb, oon Obftgärten unb Sßeinbergen 
gibt einen reigenben Vorbergrunb, unb hiuten über ben Qurawaü 
hereinlugenb hebt ftdh weifjgtängenb ber oielgeftaltige Strang beS Schnee* 
gebirgeS oom blauen £>immel unb fcfjließt aufS SöirtungSOoHfte baS 
Vilb ab. — gürwahr, auch bie üiet üerläfterte ©egenb oon V lohheitn, 
^egenheim u. f. f. bietet ©enüffe, Welche reichen Vefuch oon unferer 
Stabt auS oerbienen! 

(Der Verfaffer hot bie oortiegenben ßeilen auf einen ehrenben 
Stuftrag beS VerfehrSoereinS hiu niebergefchrieben. ©ewifs fch Webte 
ihm babei ftetS oor Slugen, bem gremblinge, ber in unfern Dtjoren 
weilt, bie Vorgüge unfrer ©egenb anS £>erg gu legen unb ihm gu 
geigen, bafj er, was StbwedjSlung an Staturbitbern unb an lanbfdjaft* 
lieber ©eftattung betrifft, nicht leicht eine oor Vafel beoorgugte Stabt 
finben wirb; eS tag ihm gerabegu baran, gu beweifen, bajj ber Statur* 
freunb fehr Wohl, fo parabop eS Hingen mag, in ber Stabt Vafel 
feinen Sfufentfjalt abwicfeln fann, inbem er tagtäglich nach einer anbem 


\ 

Digitized by 


Google 



IUb(t 3Uter nnb Ärt ber 4)<me- mtb (Kljtemamen. 


147 


SRicljtung ausfliegt unb, menn er am Slbenb toieber gurücKommt, noch 
ber 2lnne§mtid)feiten eines gröfjern ©entrumS tfjeilhaftig toirb. Qn 
erfter Cinie aber »erfolgte ich fort unb fort bie Slufgabe, meine CanbS* 
leute im engften (Sinne barauf aufmerffam ju machen, maS ihnen 
unfere ©egenb bietet unb ihnen allen einen »ermefjrten Söefuc^ unfrer 
herrlichen Umgebung ans $erj gu legen. 

-- 


liebet JUtet ««> Jtt bet %m- rnii f|itni«m 

33on Dr. ffi. f. Jlodjljflij. 


„$n toaS fmS baS fint mirt geboren, baoon mirt eS geheimen." 
SUbredjt oon ©tjbe, f 1475. 

SBäljrenb bie beutfdjen gunamen beim Slbet belanntlid) mit bem 
11 . Qabrfyunbert bemerkbar tu erben unb in ber Siegel oon bem Stamm» 
gutS unb bem SBappcn entnommen finb, führen 53urgleute, ftäbtifdje 
©efdjlechter unb Seibeigene feit bem 12. unb 13. ^aljrffunbert gleich* 
falls i(jren gunamen, melier Oon iljreS SöohnljaufeS Sage, ißfUdjtig» 
feit, SDiarEe unb 9lbgetd)en entnommen ift. ©er bürgerliche unb bäuer» 
liehe ^jauSname ift beShalb giemlidj gleichalt mit bem gunamen beS 
SEBappenabelS; ber Schein, als fei jener erft üon fpäterer ©ntftefjung, 
rührt auS ben auSfdjliefjlich üon Slbet unb SleruS »erfaßten Urfunben 
her, in benen bie StanbeSintereffen ber ©runbljerren ausführlich unb 
genau, bie pflichtigen ^erfonen aber nur nebenher unb nicht immer 
mit Siamen angeführt fteljen. ©a biefer Sa£ ber herfötnrnlidjen Sin* 
nähme über baS Sitter ber beutfdjen gunamen gerabegu hHberfpridjt, 
fo foU er fogleidj burch ein gefchichtlicheS Seifpiel ertoiefen toerben, 
loeldjeS, mie bie hier unb tueiter fotgenben, größten ©h e ^/ auS ben 
bem SSerfaffer jugängtichen fchtoeigerifchen Urfunben getoühlt ift. ©ie 
ültefte gerichtliche Cluelle beS Stargauer ^(öfters SDiuri finb bie 
Acta fundationis Monasterii Murensis, abgefafjt im 13. Qahrhunbert; 
biefelben, hönbfdjriftlich im Slargauer StaatSarchioe, berichten pag. 11 
SftachfotgenbeS: 


Digitized by 


Google 



148 


Ucbcr älter ns) Ist feer $ams- ufe f^tenuMes. 


9tls im ^afyre 1025 bie erften 2Jtönd)e mit intern StBtc SReginbolb 
non Ginftebeln ^er nadf 9Äuri in’S greienamt famen, um baS Ijier 
burd) Stabebot neu geftiftete Stlofter ju beferen, trafen jte an ber 
OrtSfirdje non Schiri gegen ihr Smarten bereits einen ©efularpriefter 
StamenS 53ocfo. Sr muffte alsbalb non feiner Pfarre abtreten unb 
eS mürben ihm bafür bie jmei ißfrünben 51 t GUfhooen unb 51 t Sftf» 
Rotten im $aljr 1027 übergeben. ÜDtan ficht nun baS Süter ber ge» 
nannten Acta mittels beS SinmurfeS an, eS roerbe hier bem ermähnten 
^rieftet ein im Qa^re 1000 nod) gar nicht möglich gemefener ©e* 
fchledjtSname beigelegt. Allein eben biefer Stame 33ocfo erfcheint auch 
in baherifdjen Urtunben unb jmar fchon im 10 . unb 11 . ^ahrhunbert; 
Focho, testis, StotuluS beS ßürdjersQrogmünfterftifteS auS bem Qahre 
1000 (ßtfdjr. f. ©chmj. Stecht, 53b. 17, ©. 80.); eS ift 1070 ein gfoco 
3euge im Stlofteruertrag ju ©t. Smmeronn in StegenSburg. (Ouellen 
unb Srörterungen jur beutfchen unb bairifdhen ©efchichte I, pag. 35.) 
3u SJturi unb in ben fyreienämtem befte^t baS genannte ©efdjlecht, 33ocE 
bis auf ben heutigen Xag fort; SllopS 53ocf, 33erfaffer beS S3auern* 
friegeS non 1653 (2larau, 1831, 8 °), mar gebürtig non ©armenSborf 
unb jiarb als Domherr ju ©otothum 1850. 

Qn allen folchen cioilen guftänben, benen SllterthümlicheS öer= 
blieben unb UrfprünglidjeS beigemifcht ift, befteht heute ber |>auSname 
noch f ort uub gilt ba jumeilen auSfdjliefjlich ohne alle Begleitung 
eines ©efchlechtSnamenS. 

Qefjt noch führt her lettifdje 53auer neben bem 53 omamen feinen 
eigentlichen ©efchlechtSnamen, fonbent befommt nach feinem ©ehöfte 
ben ßunamen, meiner tior ben ütaufnameit gefegt mirb. (ißott, Stp» 
mologifche gorfcfjungen, Auflage 1, II. 559.); ber ^jauSname gilt 
baher auch in allen jenen ßanbftrichen fort, bie eine 2 lrt mittelalter» 
licheS ©onberbafein bis in bie Steujeit herüber gefriftet haben: in 
©chleSmig^olftein, ÜDtecflenburg, Stjrol, Gif aß, ©dhmeij unb in einer 
Steihe ehemaliger 9teidh§ftäbte. $n ben Canbgemeinben ber beutfchen 
©djmeig ift jmar feit 33eginn biefeS QahrljunbertS bie Rührung non 
©efchlechtSnamen amtlich burdjgefefst; allein ‘Dtiemanb im ®orfe mirb 
ba non feines ©leiden bamach, fonbern fortmafjrenb nach &em £>auS* 
namen benannt, unb bieS hat §ur golge, baff ber festere, unter ber 
SRubrif „Uebername" in allen gerichtlichen Stegiftem unb UrtheilS* 
fprüdjen ftetS mit eingetragen ftel)t. Slllmädjtiger als ißolijemerorbnung 
unb ©pradfömang ermeiSt ftch h' er bie ©efchlechterherrfchaft, auf 


Digitized by Google 





lieber Älter imb Ärt ber $}an#* nnb (Etjtfrnatnfti. 


149 


tnetd^e atle§ ©emeinbetoefen urfprüngtich gegrünbet ift. Sie bie§ er» 
»eifenben nöchftfolgenben brei 33eifpiele gehören jufommen bem 
Stargau an. 

gn ber greienämter ©emeinbe Sielt führen fämnttltc^e Ortäbürger, 
mit 2tu§nat)me einer einzigen gamilie, ben gleiten Stamen gügli» 
ftatter, b. h- 33ogelherber. 3 U 9?ümifon Ijeifeen alle ©emetnbehürger 
gifdjer, and) ba§ Sorfmappen ift ber gifeh; ber Gcinjige, ber baoon 
bie 2tu3nnf)me macht, hot ftdj hier bor etwa 80 fahren in’S 33ürger= 
recht eingetauft. Sa3 im Sorfe 33üttifon allein geltenbe Siamenä» 
gefchtecht ift Äoch; bie bortige 9lu§nahm§familie Heller ftammt, laut 
SBeridjt ber ©emeinbefchreiberei, au§ unehelicher Slhfunft. (Stargauifche 
OrtShefdhreihung: 33ütti!on). Ser ©teefhof Sßpltberg, ^irchgemeinbe 
3ieitnau, SBeg. Qofingen, gählte i. g. 1780 112 (Sintnoljner, alle be§ 
©efdjlechteS Söffer unb SKüßer. (gr. i. 33ronner, §>anbfchriftl. aar» 
gauifche (SEccöntf, 33b. 8, no. 5890.) 

Stoch erftaunlicher »erben berlei gälte in ben Urfantonen. ßu 
Unter»2legeri im ßugerlanbe helfet oon ben 2413 ©emeinbebürgern 
bie Hälfte gten; nach & er 1850 borgenommenen eibgenöffifchen 33ol!§» 
jählung hat Unter» unb Ober»2legeri gufammen 1342 Sßerfonen be§ 
gleichen Siamenä gten (©efd)icht§freunb, 33b. 9, ©. 190.). gür ben 
Danton ©<h»hä h at Sanbfchreiber Kettling eine gamilienftatiftif ent» 
»orfen, au3 »elcher für bie bortigen ©efchlechtänamen ftdh golgenbeS 
ergiebt: Sorten bilben jmölf gamilien mit 10,127 ^ßerfonen allein 
ben bierten Sljeil her SEantonSbeoölEerung; ben größten SlbrahamS» 
fegen hat bie gamilie Stalin mit 2471 Söffen aufjumeifen. 3luf fte 
folgen bie ©d)uler mit 871 $j?erfonen; bie SDtartt) mit 747; bie 
33etfdjart mit 634; bie ©teiner mit 575 u. f. ». gn Dbtoalben ju 
©achfeln hiefeen im gahre 1862 alle 9tath§h er ren 9tiEolau§ (nach bem 
Sanbe§heitigen SUfolauS oon ber glüh) unb alle Pfarrer im Sanbe 
grang (nach bem heiligen gran§i§Eu§ oon Slffifi).* 

* 2)ie „9iIIg. SlugSb. 3*0." melbet aus ©nglanb: ©in Siamengforfdjer erbeb au3 
ben ©enfurtabeHen ©nglnnbö unb Schottlanbs, bafj ti in Gnglanb unb 3Ba(e8 
250,000 Smitb, unb in ©<h®Ulanb 45,000 biefeS Siamenä giebi. Sie engl. 3*g- 
„SUIoS" Bom jja^r 1855 giebi für baS borangegangene 3 a b r bie ftatiftifd)e 3 U = unb 
Ütbnabme ber engtifchen 9iamenSfamitie ©müh al|o an: ©eburten 5588; ©terbfälte 
4044; heiraten 3005. 

©<hmib unb Soner. 2tnd) bie SRömer batten allein an gabiern 300 bor= 
vüt(ig, beren ®efd)le<ht ben Stieg für bie ganje Stabt attein übernehmen tonnte, 
©o bominirt im heutigen ©enf bas ftäbtifche Oeicbletht gaore unb ju Nürnberg unb 
Siegengburg bie toeltbefannte Sßreiftiftfabrif bon gäbet. 


Digitized by 


Google 



150 


lieber Alter nnb Art ber $an«- nnb t&ijternamen. 


Sitte bie eben angeführten Söeif^iete falten burdjmeg auf fat^otifc^e 
Canbftridje mit einer na^eju noch unberotifchten Seoölterung; hier 
hat fith baS Sßefen ber (Sippfc^aft mit alten feinen bürgerlichen unb 
potitifdjen ÜDtifebräuchen fortbehauptet unb mirb burd) greijügigfeitS* 
»ertrüge/ ©emerbefreiheit unb ähnlidhe fünfte beS fchmeij. SunbeS* 
gefefceS fehr tangfam befeitigt. SaS anbere cioile Hebet aber, bie 
Sermirrung nämlich/ bie auS ber ©leid)nanügfeit fo oieter ißerfonen 
eines unb beffelben OrteS gu entftehen broht/ mar hier gar niemals 
eingetreten/ meil eS fdjon anfänglich burch bie ©eltung ber £>auS= 
namen befeitigt mar. 

SlUein baSfetbe Serhältnifj, ba eS ein auS ber Sßatur entfprungeneS 
gemefen ift, begegnet auch in altproteftantifdjen Canbftrichen Seutfch* 
tanbS. ©ine ©egenb ber preufjifchen Stltmarf h^fet ber §anS-Qo^emS= 
SBinEel, meit bie bortigen Säuern allgumat biefen Saufnamen führen 
(tuhn, SJtärf. ©agen, 13); mithin müffen fte ihr gleichnamiges ißrä* 
nomen ebenfalls mittelft beS ©ognomenS erflärlich gemacht unb fith 
burch £>auSnamen unterfchiebeit haben. $n ©d)teSmig*£>otftein hat 
jebeS SauernhauS feinen ©igennamen, unb meift nur unter biefem 
ift fein Sefifcer betannt. (©analer, Seutfche Sornamen Stltona, 1856/ 
@. 130.) Safet, eine ju 2 /» proteftantifche ©tabt, gät)lt im Slbrefo* 
Äalenber oon 1862 beS bortigen ftäbtifdjen ©efcbled)teS SurEtjarbt 
nicht meniger als 99 Stnfäffige, b. h- folcher, bie eignen $erb haben 
unb alfo fid) burch befonbere ^»auSnamen gegenfeitig unterfdieiben. 
©ben nach biefer ©eite ift bie üftamenSfchöpfung in ber beutfchen 
©prache bon einem gang Ungeheuern ^robuftionSoermögen gemefen. 
5D?an bemeffe bieS auS nachfolgenber Stngabe. /,©eit Safet 1370 fid) 
mit 2öatt unb SotlmerE umgab/ hatte bie ©rojjftabt einen Strang oon 
40 Shürmen, 42 Cefcinnen unb 1199 ßinnen; bie Sileinftabt hatte 
9 Shürnte unb 300 ginnen. 

2Bie jebeS fcauS in ber ©tabt, fo hatte auch jeher Sh urm 
u. f. m. feinen eigenen tarnen: SBägbenhalS, ©chabengarb, ©tich 
ben ©efelten, ©ud in’S 9?eft, CuginSlanb (SaSter SWeujahrS^Slatt 
1852, ©. 34). 

Sie in Senfen’S ©efdjidhte ber ©tabt 9tothenburg ©. 357 auf* 
gewählten SRothenburger ©efchlechter: ©fei, SEahenftiel, SrunnenEah, 
^mnbSohr u. f. m. bezogen fich bafelbft anfänglidh auf bortige ftäbtifche 
©djanjen unb maren hernach §u Flamen ber benachbarten SJohn* 


Digitized by Google 





lübfr Älter nnt> Ärt ber flon«* nnb Ätjienumten. 


151 


Käufer gemorben. EDiefe üthatfache mufj matt oorzügltch Bei ber ©r* 
ftärung ber öielen imperatiöifchen ißerfonennamen bermertfjen. 

Sftadjfolgenbe SaSler ©efdjlechtSnamen finb entnommen bem SBerte: 
SBafet im 14. Qaljrhunbert (33on Dr. gelter)/ ©. 115 ff. 

1290 gfriebr. Sßalaft ber ©olbfdjläger, genannt nacf) feinem, 
fdjon bor if)m 3 um ^ßalaS genannten SBoljnhaufe. 
IDtifol. gucB^, bon bem jum gfudjS gen. ftaufe. 

Veinr. Rroner, bom $aufe zur Rrone. 

Sarthel u. Qot). ©tebtin, bom $aufe zum ©tab. 

1347 $ofj. Srunnaf §um ©chnabet, moljnhaft in ber Ver¬ 
berge jum ©chnabet. 

QoE). teufet, bom gleichnamigen SSofjnljaufe. 

RtauS 33arbe, bom Vaufe 3 ur 33arBe. 
9tutfchmann=Ramprat, oon ber SJiüljle Rammrab. 
Ronr. b. ffiirgburg, ber mfjb. dichter, nach bem gleich* 
namigen Sailer SBohnljaufe. 

1350 Sßeter bon 3JJagftat, genannt Pu’z, bon feinem Vaufe 
90?agftatt. 

Veinr. Ste^agel, nach feinem gleichnamigen SSofjnhaufe. 
Sernh- b. ßürid), bom V au f e in ber Krämer* 

gaffe- 

^Set. ©tjr, toofmhaft im V au f e Z unt ©hren. 

Statürtid) Begegnet SDtfangel an ©ef<hicf nnb ©efdjmad Bei ber 
SftatnenSgebung auch bamalS fd)on. ©eiler bon Reifersberg, ber bie 
Zahlreichen SSeifpiete, mit benen er feine Ranjelreben toür^t, junächft 
auS bem ©trajjBurger Ceben §u toählen pflegt, ermähnt auS bortiger 
©tabt folcher mifrathener SiamenSfchöpfungen: 

,,©u haft gemont bh bem tnecfft in bem Vaufj mit ainem 
löffelljol^ (Cöffelfchni^er) mit einem gefunben Johannes, bu Bift 
gangen 3 U0 bem tan§. (®te geiftl. ©pinnerin, jmeite ißrebig. 
©trafjb. B. 3°h- Rnoblaucf) 1511.) 

Unter ben fchmeij. ©täbten, melche mir genauer Belannt ftnb, 
haben fid) bie VauSnamen bis h eu * e erhalten ju ©chaffhaufen, Söinter* 
thur unb grauenfelb, bie Beiben erfteren zählen noch jefct taum ein 
einziges bürgerliches SßohnljauS ohne Befonbern VauSnamen ober eignen 
VauSfdjilb. £)erfelbe brauch, roiemohl feit ben Dreißiger fahren in 


Digitized by 



152 


Ktber Alter nnb Art ber tyam- rntb tNjtentamen. 


2 lbnaf)me fommenb, herrfdjt im SlppenjeHer 8 anbe,* fobann in bett 
Stäbten St. ©allen, SBafef, ßoftngen, SBaben, Stljeinfelben urtb in 
mehreren Dörfern beS 2llt»2largauS. ®aS örtliche Sllter biefer Stamen 
ift jumeilen ein fet)r beträchtliches; fie erflehten 3 . SB. in SKarau fd)on 
im bortigen älteren Ceutfirchenbuche, baS mit 1300 Beginnt; ju Qo= 
fingen mögen fie nodj früheren Datums fein. ®en StadjmeiS §iefür 
tüirb hier ber meitere Sachoerljalt im ©injelnen Beibringen, ber fich 
nun fpejieU benjenigen |>auSnamen jumenbet, hielte auS £^ier= 
unb SBa umnamen geköpft finb. 

®et Stabe ift bem ©ermanen ein meifenbeS unb prophetifcfjeS 
££)ier gemefen. Dbljin Reifet in ber ©bba Stabengott nach ben Beiben 
rebenben Staben, bie if»rt begleiten: Stugin unb SJtunin, bie ©ebenfen» 
ben. 35rei Staben rneifen bem t)l Senebift ben 2Beg bon Siom nad) 
SDtonte ©affino (Sßaul ®iafonuS , 26). üDie ^eiligen DSrnafb, Surf» 
£>arb unb Kolumban Ijaben einen munbertf|ätigen Staben jum Steife» 
Begleiter. 35ie beiben Staben beS f) l. SJteinrab nimmt baS Stift ©in» 
fiebeltt inS Zappen; mo fie fid) gu ßürich als SDtorbfläger nieber* 
getaffen haben, entftanb bie Verberge junt Staben, fpäter Erntet Silfjarj, 
an beffen Slltane fte auSgemeifselt §u fefjen ftnb, einen Sfrtodjen bon 
ber Ceic^e beS ©rmorberten als Zahrjeidfen ju ©ericfjte tragenb. 
35er Stabe mürbe als geheiligtes 35E)ter örtlich gehegt, „^m Schlojjfjof 
ju 35reSben milffen bon SllterS h er ftetS einige Staben erhalten 
merben." (SlntiquariuS beS ©IbftromeS 1714, S. 278.) ©ben baSfelbe 
gefdjah auf Stabtfoften im Schlöffe gu SDterfeburg. Seit baS 3;hier 
jum ©algenoogel gemorben, berfchmanb eS im $auSfchilbe ober mürbe 
burdj ben fdjmarjen Slbler erfe^t. 

1368 ift Heinrich Stapplin, ober SorbinuS, SBurger ju 3opngen, 
zugleich Schaffner im Stift St. Urban unb errichtet mit SemiKigung 
ber £>crrfd)aft äDefterreid) bie Zirthfdfaft ßum Staben. (Tobinium 
Politicum, Zeitliches Slemterbuch b. Stabt 3opngen, S. 7.) — ©S 
ift umS 1480 eine ber Sabernenmirthfchaften ju Slarau gefchilbet 
3um Staben. (Oeltjafen, Stabtdfronif, S. 41.) 

3um SBären finb galjllofe Verbergen unb £abernen in ber 
beutfchen Schmeig gefdtjilbet, benn biefeS Zappenttjier SBern’S unb 


* 2)ie 2öo$npufer im Stypenjetterlanbe führten ttocty im 3a£re 1836 burttys 
fdjnittlid) i^re befonbern §auänamett. 


Digitized by Google 




lUbfr 3Ut*r onb Art ber 4}anB* trab (EljUrnanten. 


153 


Slppenäeß’S ift f)ier bon ben patriotifdjen Untertanen in ber gleichen 
Sßeife berbielfältigt worben, wie bet 9?eicf)§ab(et oon ben SBirtben in 
®eutfcbtanb. Stßein aud) in ber |>eiligengefcbicbte ift ber 93är ein 
Sdfilbträger; er ift fReifegeleiter beS fyl. Solum&an unb ©aßuS, gibt 
bent ©tifte St. ©allen unb bem 8u§erner SE)ort)errenftifte SBeromünfter 
Flamen unb ©ntftebung, er wirb ju Sern in ben Stabtgwingern mit 
foldjet Sorgfalt fortgeEjegt (ein eigner „SBärenbater" ift horten ber 
S^ierabwart), baft ber ©eograpb ßeune in feinem ^janbbudje auf eine 
m bie Scbweij gerätsene Kolonie ttjieranbetenber 2lltegpptier rietf). 

3um SRö^ti: 9tame §aE)itofer 233irtt)fcf)aften unb ©aftböfe in ber 
Sdjweiä. ®aS fRof? ift £>annooerS CanbeSwappen, ftcf)t ftatt beS SBetter» 
babneS auf unfern $ircf)tt)iirmen; ber SJoffEopf, in natura getroifnet 
ober gefd)ni£t, berjiert unb fiebert bie ©iebel ber 23auernl)äufet in 
SRorbbeutfdjlanb unb ülltbapern (ganger Satjr. Sag. II, 447). ^m 
ehemaligen CebenSwirtbbaufe beS SElofterS 9Ruri beim Slbter trugen 
äße grembenftuben ftatt ber gimmernummern je baS 33ilb eines gliicfliebe 
Begegnung auSbrücEenben Stieres angemalt: .fjirjli, SRöfeti, Öämmli jc. 

®er |)irj, ein WeifenbeS Sbter, beraulafjt unter Stnberem bie 
©rünbung beS graumünfter = StifteS §u ßiiricb unb ber fd)Wä- 
bifeben Slbtei ju ^rirfdjau, fein ©emeib ift im hmrttembergifcben CanbeS» 
Wappen. SRad) ibm benennt ficb eines ber altbekannten Stabtgefdbledjter 
3ürid)S ^>irgel. Qn ber Stabt Slarau fcbmücEt fein SBilb eine <£>auS= 
wanb am £>irfcbengraben als ©rinnerung an biejenigen |)irfcbe, bie 
hier bis ©nbe hörigen ^abrljunbertS auf ©emeinbeEoften gebegt würben. 

$)er £)abn. ©ine Eeltifdje ©olbmünje, auSgegraben bei Jorgen 
am ßürdjerfee, trägt baS söilb beS gtabneS; (ihre Slbbilb. in ben güreb. 
Antiquar. SRittbeil. ©b. III.) ®ie cpmbrifcben SEriegerfdjilbe Waren 
häufig mit bem ^abnenbilbe bezeichnet: Ouinctilian VII, c. XI. Sluf 
aßen länblidjen 3 Q ^ rm är!ten, fowie §u 2Öeibnad)ten unb Dftern, 
werben in ber Schweig bie geteigten gigürdjen bon §abn, £>irg, SRöfjli, 
33är, $afe unb Storcb gurn Slaufe auSgeboten. 

$)er ©rengftreit ber Scf)Wp§er unb ©larner wirb mittels eines 
beim äRarfenbegang mitgetragenen $abneS entfdjieben; fo wirb baS 
Wadjfame, rotbfebimmernbe ©eleitt^ier beS feueratbmenben ÜRarEen* 
unb SlcEergotteS ®onar felbft ein heiliges Spmbol ber ©iiterbinbiEation. 
SluS berfelben Söejiebung ftammt bie fRoße beS £mbneS ober baS £mbnen= 
fiblagen bei ben ©rntebräudjen. 


Digitized by i^ooQle 



154 


tttbtr 3Uter mtb Ärt brr mtb tEfjUrimmnt. 


Ser £>afe. 2tu8fü()r(id) (janbeln oon ifpn meine 9taturmptf)en. 
Sort ift er aud) au§ ber Notitia Dignitatum at8 baS Ijiftor. ©d)ilb= 
jeidjen beä ©djmabenöolEeä mitermäfjnt. 9JMcf). Äirdjfjofer, ©djmeij. 
©pridjmörter, öerjeidjnet bie Lebensart „ber §a§ bringt über ben 
Slbet" unb erHärt fie au§ bem 93a3ter Sluflauf öon 1515, ba QaEob 
3 JJetjer ßum § a f en bafclbft gegen bie $unft ber §>o^en @tu6e fiegte 
unb 93ürgermeifter mürbe. Ao. 1882 quidam Protonotarius civitatis 
Basiliensis interfecit subscriptorum Basil., patrem suum in 
domo sua gern Hasen. (Cronica quonundam Basileorum Antisti- 
tum etc. ^anbfdjrift in §ot. auä bem 16. Qa^rt).: „MS. 93ibl. ßurlaub. 
no. 37 n (pag. 107 b ) auf ber Slarg. SEant. 93ibtiott)eE). 

©au. Sa eljebem in ben ©täbten bie ©djmeine lebig unterliefen 
unb berjenige untere §au§tf)ei[, ben man je£t Caube, Surdjgang, 
nennt, ftetS ber ©djmeineEoben mar, fo Eonnte f)ier bie jafjme ©au 
nid)t moEjt ein ©djilbjeidjen merben, bagegen bie milbe. Satjer ber 
93a3ter §au§fprud): 

Stuf ©ott üertrau! 

Stößer jur mitben ©au. 

Saöib non SBatbEirdj, be§ ©rofjen 9?att)e§ jü ©djafffjaufen, 
f 1621, ift motjnfjaft bafetbft „jur ©djdttenfau." (©rljarb Sürfteter, 
©enealogie ber öon SBntbEird), in ßurtaubenS Reibet. ©temmato« 
graptfie, £)f., 93b. 14, Sab. V.) Sie ©tabt Slarau §ä^lte im Qafjre 
1480 bei 26 Saoernen, barunter: Ddjfe, ©tordj, 9töfeti, ©rofoer unb 
Heiner ööme, Stbter, 33är (biefe atte finb nod) je|t bafetbft üftamen 
öon ©aftf)öfen unb )ßriöatt)äufern) ^>ed)t, 9?abe, SBibber, ßur mitben 
©au. Sie (entere tag an ber ^patbe. (Detfjafen ©tabtcfjroniE.) SBäljrenb 
be§ 0frieben§Eongreffe§ ju 93aben 1714 fjatte bie bafetbft miterfdjienene 
sßrinjeffin öon Sonbe itjr Slbfteigequartier im 2Birtf)8t)aufe gur mitben 
©au. (grider, ©ef. b. ©t. 93aben 199.) 

93ei 93et)anbtung bcä urfunbtidjen S'tamenS be§ ©d)meine§ ift ju 
berüdfidjtigen, baf? fotgenbe ©pnonpma mitunterlaufen: 93är (at)b. per, 
verres), 93 at)er, Unger, ^ejj, 9J2or (atfo fdjeinbar aud) auf unfere 
93ölEernamen beutenb), fobann: Sionne, SEempe, 8euer, Cäuer, 8o3, 
SRaljn, Sftaudj, SJtugg. 

ferner ift e§ bei biefem unb bei anbern folgen Siamen fraglich, 
ob fie bem $aufe fetbft, ober bem §au§patron unb ßinStfeiligen ge« 


Digitized by Google 





Heber 3Utec mtb Ärt ber $ant- nnb ©IjtentaraeH. 


155 


gölten haben. Anseres curae sunt Sancto Gallo, oves Wendelino, 
equi Eulogio, boves Pelagio, porci Antonio etc. (Job. Lusiez, 
de diis Samagitarum 1540; in £)auptS gtfebr. I, 143.) 

®er ©tfdjenbübt unb bie ©ülbnc Sau im (SejirE 

2D?uri) ftnb bte turnen jweier §unt ^re^^ofe getjörenben, 30 gutfjart 
baltenben SSalbmatten, ein getnefeneS StabHujernifcbeS SRannSteben, 
baS 1612 oom Slofter SJhtri um 4900 @1. erEauft würbe. (Slrcbto 
SO^uri, Serin. NIV, litt. G. 13 u. 20.) ®aran Enüpft fid) bie 
©rjäblung ber bort oergroben liegenbett filbernen grau: (Slargauer 
«Sogen I, no. 91.) 

üftadj bem ©aud), SEuEuE, benannte fiefj 1361 baS bürgerliche 
3unftljau8 §u greiburg i. SreiSgau (Schreiber, ©e|cb. o. greib., 
UrEunbenbud) I, 1/ 483.) 

Unter ben Bürgern SlarauS, welche 1449 bei 28ölfliSrot)l in 
ben Hinterhalt ber Serner greifd)aaren gerietben unb äufantmen 
meuchlings erfcblagen würben, nennt baS gabrjtb. ber SeutEirdje einen 
Hannes ©aud). (Slrgooia 6, pag. 406.) 

Rad) bem 3lffen bi e 6 en bte abeligen gunftbäufer ju Sern 
(©runer, Deliciae urb. Bernae) unb ju Supern (®efd)id)tSfreunb 13,147). 

gn Safe! t)ie {3 baS oor §Wei gabren abgebrochene H Qug an ber 
«Sporengaffe „jum 3lffen". 

1415 am 24. beS erften H er bftmonatS oerEaufen bie beiben go» 
banneS StucEinnen, ©ebrüber unb Sürger ju ßdrid) 2 ©ulben ©elbeS 
auf bem H au f e 3 um S'iotren am RinbermarEt ju gürtd), Sehen 
ber grau Slnaftafia, Slebtiffin am grauenmünfter. (ßurlauben Mon. 
Tugiensia, tom. 8, 284 b). 

Slarau, gabrjeitb. 0. g. 1350 unb 1514: confraternitas, vul- 
gariter die gesellschaft zu dem n a rren. (Slrgooia 6, pag. 365, 403. 

Rad) bem ©fei b^fs bie in ber (Stabt RamaSburg oott 1397 
bis 1818 beftanbene 3lbelSgefeHfd)aft ((Strubel, ©bron. ü - RaoenSb. 
pag. 10) unb ebenfo baS StabtrotbbauS (Solothurns i. g. 1506 
((Solotb. 2Bod)enblatt 1845, (S. 81.) ®er 34. in ber Reihenfolge ber 
Siebte beS Stiftes Rheinau, 3ürid), ift 1380 Sonrab SKeper oon 
geftetten, genannt ber ©fei. ®er gelehrte S^betnaiief lonoentual 
Mauritius oan ber Sfleer eyjerpirt über ihn bie grage: cur Asinus 
dictus? unb bie barauf ertbeilte 3t nt Wort: nam Domini animal erat, 
Deo es Sanctis devotus. (^Urlauben, Stemmatogr. Sb. 30, pag. 105). 





156 


Das yHatttntotrttptjaa«. 


ßum ©bluffe biefeS 9lbfdhnitte§ ftnb noch fotrfjc Skiern amen, 
bie in Stltgriedjenlanb fdjon perfonennamen Waren, wie fte eS in ber 
©<f)Weig noch ftnb, gu erwähnen: 

Pape, ©ried). SBörtb., tom. III, — ©chweigerifdj. 


'Hpvioxoq 

— 

Cätnmlt (©chaffhaufen) 

Tai) pt (7X07 

— 

©tierli (Sern unb Slargau) 

Moioxog 

— 

ÜRüSli, RiuSculuS (Sern) 

M(ju 7T£X07 

— 

güch^Ii (Srugg) 

'IX&67 

— 

gifch (Slarau) 

BarpaXoq 

— 

2Kaud) (21argau: ®orfSufm) 

TpüXko7 

— 

SKuheim (St. Uri). 

'Opvtdeov 

— 

Sögeli (3firid)) 



flau JH(llnutiittli9l)o<6. 

©ine Sage non %. groömmtn in ®ttittgen. 

uf ber fogenannten „glanlweib" gwifdjen Lenglingen unb 
flauen ftonb oor 3 e ^ en e ^ n 2Bitth§h 0Ug / ba§ platten* 
n)irtf)3f)ßu3 geheimen. £)a ber jefjige Plattenweg al§ gort' 
fe^ung be§ §errenweg§ fcfjon in früEjefter 3eit fetir befugt War, weil 
er bie lürgefte SerbinbungSftrafje gwifdjen Safe! unb betn Saufentfjal 
bilbete, fo lehrte man allgemein bafelbft ein unb gegen ütbenb nahmen 
bie meiften Reifenben in betnfelben Rad) tberber ge, ba jte oon bort 
au§ nocfj einen langen finftern JannenWalb gu paffiren Ratten. ®er 
©aftwirtfj bafelbft, ber fo manchen reifen Qunler, als audj Siel)* 
hänbler unb guben, bie meift reid)ltd) mit ©elb oerfefjen waren, gu 
beherbergen hatte, fotl nun nach ©elb immer lüfterner geworben fein unb 
fo oerwanbette ftdj ba§ piattenwirtf)§h ÜU 3 ciHmälig in etne Räuberhöhle. 

üluS biefer 3 e i* finb bem Serfaffer btefer 3eilen oon älteren 
Ceuten mehrere ©efdpdjten ergählt Worben, oon benen eine t)ier mit* 
geteilt werben fotl. 

* * 

* 


Digitized by t^ooQle 


Doi IHatieiroirtlietjai». 


157 


©in üome^met Qäger aug bent bernifdjen Qura butte, alg bic 
fdjon {jerattrmfte, jebe ©pur feiner Qagbgefellfcbaft verloren, 
unb oerirrte fidf fobann in ber fogenannten SSßunb^oDe, ot)ne in biefent 
Cabprintbe ju wiffen, wo er wäre. 

©r bemerBte fdjliefjticf) in weiter gerne noc h Siebt/ ging mit 
rafdjen ©dbritten bemfelben entgegen unb freute ftd) fef)r, alg er 
ein SBirtb^baug nor ftcb fob e § war bag berüchtigte ißlattenwirtb^ 
bang, beffen febtimmen 9iuf er ober nicht Bannte. (Sr betrat bag £>aug 
unb fagte bem erfdjeinenben Wiener, bah er ftcb üerirrt bube unb ju 
übernachten münfdje, ba eg fdjon ju fpät fei, feinen £>eimweg anju« 
treten. (Sr würbe in ben obent ©tocE in ein EteineS ßimmer ge« 
führt unb ein ÜJiacbteffen bafetbft feroirt. Saum butte er fidj ju bem« 
fetben niebergefefjt, fo öffnete ficb bie 5£^ür e unb eg traten jwei Serie 
herein, beren unheimliche ©efiebter einen peinlichen (Sinbrucf auf ihn 
machten, ©ein erfter ©ebanEe mar ber an feine herrliche ©üd)fe, bie 
er aug ©equemlicbEeit feinem ohnehin fdjon fo beiafteten ©ebienten 
mitgegeben butte, üftoeb ehe ein SBort geweebfeit würbe, hütte er gleich 
bag unheimliche ißaar ju ©oben ftrecEen mögen, ©r muhte ftcb aber 
brein ergeben unb bie ©ewitlEommung ber fatalen ©eftalten ficb ge« 
fallen taffen. (Sg entging ihm nicht, wie fie ihn unter oerfteilter 
greunblidjEeit forfchenb maßen, wie fte innerlich über feine SBebr» unb 
9?athlofig!eit froIjtocEten unb fiel) in unuerftänbtichem SauberWetfdj 
barüber jumurmelten. @r war nun auf bag ©cblimmfte gefaxt. 

Oiefe ©urfdje entfernten ficb nun wieber, um, wer weih, wag 
für Slnftalten ju treffen. Oag 9iad)teffen würbe gebraut; aber fo 
mächtig fein Ülppetit noch Burg oorher gewefen war, er butte ihn 
größten iheilS oerloren, fo bah er uur wenig genoh, nachbem er ben 
Öeberbringer genöthigt hotte, eg oorher felbft ju foften. (Sr bat um 
Sicht; benn bie oorhanbene Ser je war balb heruntergebrannt, ©in 
Cicbtftümpcben würbe gebracht; mehr Eonnte er nicht erhalten. — ©g 
Würbe ihm big ju feinem ©chtafengehen wohl bereichen, erwiberte 
ihm ber Oienftbote laEonifch- Oer Qäger pflegte nun bie Serge wie 
eine heilige Opferflamme unb fab mit bangen ©efübten feinem ©er« 
töfdjen entgegen. gnjwijcben unterfurfjte er SBänbe, gufboben unb 
OecEe, fanb aber nidjtg ©erbächtigeg. Oie Oljüre oerriegelte er unb 
oerftellte fie mit bem Oifdj, gegen welchen er noch bog ©ett rücfte. 


Digitized by 


Google 



158 


Vas JHaiitiuoirtyaliane. 


(Sr fucfite in bicfer bebrüngten Sage fid) Mutb einguflöfjen unb guter 
Hoffnung gu fein. (Sein Slufjenbteiben mufete ja ftdjerlidj feine greunbe 
um iljn beforgt machen. Silber »arteten fte nicht mahrfdjeinlich bis 
Mitternacht auf ihn, ehe fte nur bie geringfte Silnftatt trafen, ihn 
aufgufucfjen unb waS fonnte auS ihm geworben fein, bis fte in bem 
bidjten SBalbe auf irgenb eine fidjere Spur feines SilufentljalteS tarnen? 

©ein Sicht war unterbeffen ertofcfj.en; in bem §aufe Ejerrfc^te bie 
größte ©title: SiltteS fchien in Morpheus Sil raten gu liegen. Silber in 
beS SBaibmannS Siluge tarn tein Schlummer: er legte fid) auf bie 
Sauer. ®a nahte fid) etwas. (Sinige oerbächtige ©eftalten gogen mit 
leifen ©chritten in baS £>auS ein. ®aS Ungetüm oon £>auSf)unb, 
baS ihn fo heftig angebellt hatte, rührte ficf) nicht: eS mufjten 
wohtbetannte Seute fein. (SS würbe wieber ftitt. „2BaS würbeft bu 
thun," fragte fid) ber alte $äger, „wenn btt überfallen würbeft?" 
®aS Seben fo tljeuer oerfaufen a(S möglich — war ber eingige SituSweg. 

Seiber hatte er oorhin nirgenbS etwas gefehen, WaS ihm atS 
Qnftrument gur ©egenwehr bienen fonnte. (Sr griff im 0-inftern um» 
her unb ein ^ölgerner ©tul)l gerieth ihm in bie ftänbe. Mit alter 
ihm gu ©ebot ftel)enben Shraft fuchte er eines ber (Stuhlbeine auSgu« 
brehen. (SS gelang ihm unb er hatte wenigftenS für ben ciujjerften 
galt eine Sßaffe. ©r fühlte fid) um üieteS ftärfer, atS er eS in feiner 
£)anb fchwang; feine Straft fchien fich gehnfach üermehrt gu haben, 
©r hielt fich wieber ruhig. — ®a war’S, als fchliche ©twaS auf ben 
3et)en bie £reppe hinauf unb wenbe fich gegen bie eine ©eite beS 
©tübdjenS. ©r warf einen fehnfüdjtigen SBlicf burd) baS halb offene 
genfter unb nahm über ben bunften SSatbbäumen nur wenige ©terne 
am £)immel War. 

Sßlö^lid) fchien etwas auS feinen gugen toS gu werben unb ein 
©tücf beS ©etäfetS fiel gerabe an bem Ort, wo guoor fein 33ett ge« 
ftanben, in baS gimnter herein, ©r fteCCte fich mit aufgehobenem Silrnt 
muthig neben bie Oeffttung. ®a fcfioß ber $auShunb wie ein Säger 
herein unb ber entfchtoffene SBaibmann oerfefcte ihm einen wud)tigen 
©chtag. Situf bie ©djtiauge getroffen, ftürgte baS gottige ttngethüm 
gufammen. S)er Qäger gog ihn gegen bie Mitte ber ©tube unb im 
9 tu raffte er bie SBettlabe auf unb ftettte fie als 33erfd)angung oor 
bie Oeffnung. £)ie Morbluftigen mußten halb merfen, bajj ihr erfter 
Sßtan mifjglücft War. ®a fiel, faum hörbar, fern oben im 2Balbe ein 


Digitized by Google 



Do* yUattemotcttje^ane« 


159 


©cfjufj. (Sr blicfte fjinauS unb glaubte in ber gerne gatfein leuchten 
ju feilen. (Sr fdjrie in bie 9tacf)t fjtnauS: „gnlfe! ^jilfe!" ge£t Ratten 
ftdj aufeer^alb feines ßimmerS mehrere ©eftalten an bie Öeffnung 
gebrütft, um baS 33ctt, baS er mit CeibeSfräften gegen ben ©ingang 
prefjte, umjuftofsen. ®d)on glaubte er 2lKeS oerloren. ®a fiel Wteber 
ein ©djuf} unb nodj einer. ®ie Siebter bewegten ftdj fd)ort längs 
beS ißfabeS am SBalbeSfaume herauf, immer näljer unb näljer. CauteS 
©efdjrei wie öon oielen mutigen äWännern brang herauf. ©er ©e* 
fäfyrbete Oernaljm eS unb ein 3J?orgenrotl) ber Hoffnung ging in feiner 
Seele auf. 2lber — neues Slnrennen unb Stoßen ber geinbe — feine 
IBerfcfjangung war burdjbroc^en. 2luf ber einen ©eite trat ein ftäm» 
miger SJiann herein, auf ber anbem ber Sßirtlj mit einem SDiorb* 
inftrument, begleitet oon ber Söirtfjin, bie eine Slenblaterne trug. 

©egen ben ©inen, ber über ben ©ifdj ljin mit gewaltiger gauft 
nad) ifjm griff, füfjrte er mit bem ©tuf)lbein einen ©djlag auf beffen 
©Nulter unb Hopf, fo bajj er auffdjreienb gurüdtaumelte. ©etn SS3irtE» 
frfjnellte er als geübter gelter ben blinfenben SWorbftaljl Bli^fcfjnett 
auS ber £>anb. ®a erfc^oH neues ©efdjrei nott unten; er antwortete 
Ijilferufenb oon oben; ber ©c^ein ber gaefetn fpiegelte ficfj fdjon in 
ben genftern. 

ge§t ftu^ten bie ÜDtörber, ba fie bisher oon bem Vorgänge nichts 
bemerft Ratten. 

„iDtorbet mid) nur/' rief ermutigt ber bebrängte gäger ben 
£)a(lunfen §u. „®a nal)t fid) fdjon eine ©djaar meiner ©etreuen, 
bie meinen ©ob rächen wirb." 

®aS räuberifdje SöirtljSgefinbel Warf erfdjrodene 23ltde IjinauS 
burdj bie genfter, ließ bann ab oon ifjnt unb entfernte fid). ©er 
gäger war gerettet. 

„Vorwärts, in bie 9ftörberl)öl)le / umzingelt baS §auS!" rief ber 
©rlöfte Ijinab. 

®a famen mit rafdjen ©djritten eine 2lnjal)l bewaffneter Sttänner, 
bie er als feine braoen greunbe erfannte, bie ©reppe hinauf. Sie 
umftanben iljn mit erftaunten fronen ©efidjtern unb unter £mnbe» 
brütfen ergäljlte er in abgeriffenen SBorten ben Hergang. 

©ie 2Birtf)Sleute Ratten fid; unterbeffen in abgelegene Sßinfet 
beS ©aufeS oerfrodjen, 33eim gadelfdjein würben fie aufgefudjt unb 
in ein gimmer gefperrt. Unterbeffen waren üon biefem Vorfälle be* 



Digitized by 





160 


äaraoser 3Uuhboten. 


nadjridjtigt aucf) bewaffnete £)atfdjiere fjerbetgefommen , weldje bie 
©aunerbatibe abfüljrten unb bent ©eridjte überlieferten. 

3)aS 28irtf)3E)au3 foH bet btefent Slntaft angegünbet worben fein. 

®ie unernmrtete Rettung beS QägerS fyatte barin iljren ©runb, 
bajj einer feiner Qagbbegleiter in Slngft geriet^, als er if»n unt SOZitter* 
narfjt nod) nicf)t gu $aufe traf unb mutfjmaftte, er Eönnte in biefeS 
2ötrtfjSf)auS — baS als 9läu&erljöl}le befannt war — gerätsen fein. 
®erfelbe Ijatte fidj bafyet mit einer Slngaljt bewaffneter Öeute auf* 
gemalt/ um iljn gu furfjen unb iljm bann WirElicf» in ber Ijödjften 
S'Jot^ gang unöerljofft .*pitfe nnb Rettung gu bringen. 


Jatjäntt Jntkimtm. 

Son 2L 


®tc greiämter grau. 

©ine alte, fromme 3Jlutter im greiamt, als fie bie 2luf§ebung ber Älöfter ber* 
na§m, fpracij: „§e nu, in ©otteS -ftame! ©ie ^änb fd^o lang nüb me§ gniifct. 2)e 
©rojjbater fälig, tröfte ©ott! fyäb mängSmol gfeib: ©ie bringet b’Siit um b’©acij, 
baji me briegge rnöd&t, mit £eftamente, 3*^*. ^ßrogäffe unb mit em £obfatt, mo 
fie ame djo finb, menn be Sater uS em §uu3 gftorbe ift, unb benn be ©$inb ’S beft 
£aupt Sefy ufem ©tafyl unb ’S beft GSfyleib ufem ©tyafte gno tyänb. 3JiängS mol §eb 
be ©fylofteramme arme Sitte i^reS ©§üeli furtgfii^rt unb’S SaterS §odjfigs©afa!e 
am 2lrm berbotreib, unb b’Sfyinb fyänb um b’©fyue ume g’fdjraue unb ere no „ätyli" 
g’macfyt unb b’3Jtuetter fyeb briegget unb g’feib: ©S ift in ©migfeit nit räcijt, aber 
eS fett ene motyl t^ue! — ©S gotyb §alt bi allem fo lang af$ mag, tyeb be Hofnarr 
a’Sturi g’feib.". . . 

£)te ^Jrebtger. 

■ttadj Sluf^ebung ber ßlöfter mürbe in einer ©efettfdjaft bon Sanbleuten im 
greiamt bie grage befyroctyen: Ob bie ßloftergeiftlidjen nid)t beffere ^ßrebiger als bie 
SBeltgeiftlidjen feien. &aS Urteil fiel bon ber 9ftetyr§eit ber 9lnmefenben ^u ©unften 
ber Stände aus, befonberS nahmen fidj bie SBeiber ber ßapuainer an. „®enn" — 
meinte bie grau eines ©emeinberatfyeS — „eS djunt mer immer bor, bie ©tylofter* 
geiftlidje unb ßapuainer §eige bi allem, maS fi rnad&ib, fo e gmüffi gtyeimi ©§raft, bie 
eim jinnerft im $er$ inne no motyt tfyut." — ©in junger 3ftann aber, ber anno 35 
ju Stöfylin im Säger ftanb unb bafelbft ben Pfarrer Sögelin bon 2ttumpf prebigen 
gehört ^atte, mar bei feiner §atbe 2Jtoft nac§ unb nac§ a u fo üid 2ftut$ gefommen, 
eine anbere Meinung §aben unb fyradj: „Unb mernrner atti ©^loftertyerre unb 
©^afjiainer, morner im Danton inne ^änb, gfatae unb f)fäffert a^mme in eS ©l^effi 
ine nä^m unb tfyät fie e ganae SBod^e füübe, bis fi a u tim a ämme öf ottc h>änb, 
fo gäbS nit emol e ^albe ©eifttid^e, mie be Pfarrer bo 3ttum^f ein ifdjt. ©d^niirj)fer 
unb giirfüe^er finb fi gäge bäm. — Qufte, gib mer no e $albi!" 

.... 


Digitized by Google 







Äanbtjogtagjfdjirfjten ans fccm btrnifdjen Wnteraargan. 


161 


farititgtegrfMtcn an» bem betnifditn lintcrtatgii. 

Siadj UrEunben entworfen oon |Iakok $jmt|iker. 


giodtß Sammlung, 

y. 

Jfi# tttitiirfes «Sdbdtt. 

( 1768 — 1774 .) 

2tm ©onntag Jubilate 1768 fuljr QaEob Gabler, ein junger 
Siberfteiner, burcf) ben bampfenben 0-rüljnebel über bie Slare. .®er 
magljalfige 23utfcl)e, in grünlicfjtem 3Sam§ unb ben gilgljut Ee<f int 
SiadEen, lenEt mit einem einfeitig Eräftigen Stubergug ben SEßeibling 
gegen eine ©rf)ad)enbud)t bidfjt unterhalb ber ©uf)renmünbung, legt 
bie Riemen" ein unb beibe f)änbe in bie gtoilcfjene St'niefjofe ftecfenb, 
läfjt er fid) ruljig oom ftrömenben SBaffer hinter bie Süfdje treiben. 
®ort, im EirdjenftiHen ©djadjerttoalb oerborgen, fteljen bem Ufer ent* 
(ang um ein ®u£enb Euriofer, breibeinigter ©efcHen — ©olbtoafdj* 
ftüljle, fcfjrägen Sifcfjen oergleidjbar, mit jroei Ijanbljofjen ©eitenleiften, 
ätoifcljen bie man ein gvobfjäreneS Sud), ben beibfeitig aufgeErafcten 
„Störblinger", mit einem ©perrfyolg au§fpannt. SJiitten im ©abbat* 
morgentraum mirft ber 2tnEömm(ing ftracfä ben oberften ©tul)l über 
ben Raufen, f)olt feinen eigenen an beffen ©fjrenplafc herauf, legt ben 
Siörblinger barüber, fe§t auf bie Stanbleiften ein IjalbrunbeS ©tein* 
fteb au§ ^oljfproffen, fo fein, baf? nufegrofje Stiefel Eaum meljr burdj* 
fallen, unb fängt eifrig hinter bem erften SBinEel ber SBafferbudjt, 
mo be§ @olbe§ infolge feiner ©djtoere am meiften liegen bleibt, ju 
jdfaufeln an. ©in ©ieb um ba§ anbere toirb gefüllt unb mit Sßaffer 
fo lange begoffen, bi§ ber ©anb unb all bie ©olbblättdjen, toeldje burdj 
bie ©mme oom 33ater Stapf herunter gefcfjtoommen, in ben paaren 
be§ StörblingerS liegen. ®abei fcfjaut ber Saftige bi§toeilen, menn in 
ben 33üftf»en fidj ein 33ogel regt, ängftlicfj nadj ben bunElen Sannen, 
ob nidjt gmifdjen üjnen Ijeroor ein „ißatrouiHirer" trete, um ben 
©onntagSent^eiliger aufjugreifen. ®a§ Sud), bee ©otbfanbeS botl, 

Som 3ura gum ©$toargtoalt>. IX. 11 


Digitized by 




162 


ftmtoogtessrdjidjt*! cma bm benttfdjrit ICnUraorgon. 


mirb üon QaEob Gabler etliche 9Kale in einem SEübet SBafferS fauber 
gefdjmenEt, unb roäf)renb er eS barin fo auf unb nieber gieht unb 
brüben im nahen SEirdjlein baS Sauten beginnt, hebt ihn ein feligeS 
©efühl burd) baS gerreifjenbe Stebelgemoge in ben blauenben 9Jiai= 
himmel empor; bodj iljn erfüllt nic^t bie Siebe gu ©ott, fonbern bie 
Siebe gum Sinneli, ber SEodjter beS 95iberfteiner SehenmütlerS £>anS 
S£h°mann, unb feine ©ebanEen fdjmeben mo§l über bie Slare in baS 
©otteShäuSdjen auf bem £>üget, bocf» mebet gum Sßaftor noch gum 
Slbraham, ber eben mit ber ßeichenglode bimmelt, fonbern an ben 
Traualtar. Unb er fegelt füfyn in’S blumige ©beleben fjinein, fieljt 
bort oben an ber ©icfjgaffe, in feinem Eürgltd) ererbten £>äuScfjen mit 
ber geborftenen ©iebelmauer, fein rofigeS graueren malten unb, mie 
er’S jejjt tE>ut, gemiffe üieredige Seinmanbftücfe auS ber Sßäfdje gieren 
unb.an’S ©eil Rängen. Qnbeffen bat ftd) fein Ä'übel mit ©anb ge* 
füllt. Siod) in träumerifeber Stimmung trägt er iljn in ben £al)n 
unb fahrt mieber über ben glufj gurücf, ohne feinen ©olbtoafchtifch 
an ben frühem ^la| gu ftetlen. ®aheim giefjt er Cluedfilber in ben 
©anb unb Enetet rafch barin herum, bamit baS flüffige 2J?etatl, baS, 
bie ©olbblättchen abhärirenb, mit ihnen auf ben ©oben fufert, mög* 
lidjft fein ficb gertheile. ®en bloßen ©anb giefjt er nach unb nach 
auS, bi§ ihm enblid) am ©runbe beS Dübels nur noch ber SJtammon 
entgegenminEt. Qn einem meinen Seinentüchlein breht er ihn über 
einer ©djüffel forgfam auS, auf bafj baS h era uSperlenbe Gucdfilber 
gum neuen ©ebrauebe nicht oerloren gehe. ®aS roeifjltdje, butter* 
meiche ©olb, meldjeS im Büchlein gurüdgeblieben, brücEt ber Jüngling 
gu einem Kügelchen unb geht in bie Suche, um im Oefelein g-euer 
angugünben. ®enn er unb fein junger gudjS, ben er an einem Sfett* 
djen unter ber SEüdjenftiege angebunben unb ihm in ber „^jühnergätteri" 
üon feiner -äftutter felig baS SogiS angemiefen hat, finb oortäufig bie 
eingigen Herren im ^jauS. Stuf einem ©ifenbled) glüht er baS Slümp* 
djen fo lange, bis bie Ouedfilberfarbe in ©otbglang übergegangen. 
^Behaglich benEt er babei beS ©rlöfeS beim Slarauer ©olbfdjtnieb unb 
ber enblichen SOioglidjEeit, feine Slnna Shomann heimführen gu 
Eönnen. 


* 


* 


* 


Digitized by °Qle 



Cantisogtagtrdjiifyttn ans hm bmrtfdjen Wnttcaargan. 163 


28er ben „gleden" Siberftein auS ber gerne Betrautet, ber 
fteljt nift, metf’ ein ibpßiff Sfätfen nof hinter bem £>äuffen 
Käufer ant [teilen Slarefjang oerborgen liegt. Oaffetbe, bie „Suf* 
halbe" genannt, ift feffetförmig mit [fluchtartigem ÜtuSgang gegen 
baS Oorf hm, naf melfem ein muntres Säflein roßt, baS unter 
ber <Sf loftbrüde in maleriff er GaScabe ftf in bie Stare ergießt. OeS 
Sljälf'enS (Sohle bilbet ebener SBiefengrunb; bie Stbljänge tragen SBein« 
reben, meiter oben ßaubroalb bis jum ©rate beS gmntbergeS. 

3uhinter[t im „Urfprung", mo baS Säflein am gufee beS 
SBatbeS auS einem [Rafenborbe luftig h^öorfpringt, fafe am 9?af= 
mittage jenes (Sonntags gubilate beS ÜDtüflerS Stnneli, trübe ftnnenb 
baS unerff öpftif e SBeßenfpiet begleitenb, unb lehnte §urüd in bie 
Kräuter unb Slumen beS SorbeS. Oa ffredt fie baS [fleifenbe 
Sauff ert einer Sürbe Steifig empor, gafob Gabler, bie 8aft am 
9?anbe beS OueBS abffleubernb, tritt auS bem SBalbe IjerDor unb 
gieht [ein au[ge[f eufteS Ciebf ert pm grüljttngSteppif nieber, aßmo 
er [if fogteif freS hübffen StopfeS bemäftigte. 

„Slber gatob, am (Sonntage £>olj freüeln!" 

„O, bu heilige OreifaltigEeit! Unb h cute borgen h°be if/ 
toährenb ber ^ßfaff nof geff la[en, [ür gut 10 ©ulben ©olb gemaff en. 
OaS ©elb [ür bie $of jeit i[t je£t beifammen, Slnni." 

„SBirb nüt auS bem §ühnli! gf [oß Oif nif t hoben, hat ber 
Sater gejagt unb baju gefluft — unb bann gilt’S, menn er fluft. 
©eftern SRaft ift ber ©injüger Dom <Sf lojj mteber ju unS herunter 
geEommen unb hat einen (Sad „<Sf mpniEernen" in bie ÜDtühle hinein» 
gefteßt. ©S fei ffabe, fing er gleid) an, mie er an unferm Skiffe fafj, 
bajj if in baS ßotterneft in bie ©if gaffe hinauf begehre, Sünb unb 
(Sf abe! ©r moße mir bei [einen Sermanbten in Sern. einen Sßlajs 
Derffaffen unb mann if bann eine gebilbete Softer [ei, hätte if 
anbre Offerten, als je§t. 

„ga, baS mufj fein!" fpraf ber Sater, als er ben (Sad in ber 
fßtühle geleert unb mieber hereinEam; „menn Oif ber |>err Oteceoeur 
oerforgen miß, [o folg’ fm, £>u junge ©anS!" Oer (Sfmäftling 
Erof hinter bem Siff mir immer näher; if ging hinaus. „§ole ben 
@ad, hörft, SJJeitlt !" Enurrte mein Sitter jornig, unb mie if ben 
(Sfopf hinauf miß, ba fährt mir ber Stert in bie fjaare, mie bu 
oorhin". 


Digitized by 




Äcrabuogtegefdjtdjtfn cm« bem berntfdfen KnUraorgott« 


164 


„Unb (Du feaft dfut aud) ftiUe gehalten, wie mir öorfjin?" 

„Den Sad fcf»tug icfe um feine SEabiSobren." 

— „En effet! So tfjat fie," tiefe fid) ptöfelicfe eine quieEfenbe 
(Stimme Ijören, unb ber ©ingüger ^Jeterßefenfeerr oon 2f)un ftanb 
in feiner gangen minimen CebenSgröfee feintet ihnen auf bem SRafenborbe. 

„Schöne ©efcfeicfete! $e§t bat ber Spion 2ltte§ tiernommen !" 
Enirfcfete Stabler halblaut, waferenb Slnna näfetnb fpottete: „(St, ber 
$err fRecetieur ift mir nadfegefcfelidjen?" 

„(St, bie Jungfer fifet wiber be§ ©ater§ 93egefer bafeinten beim 
©icfegäfeler Sump ?" repticirte Sefenfeerr. 

Der ©efcfemüfete wollte auffpringen; aber Stnna feielt tfen gurüd. 

„28a§ meint ©r wofei/' fufer ber ©ingüger feämifcfe fort, „wenn 
idj Qfen um SBatbfretiel bem Runter tiergeige unb ©r bie gefegten 
100 $ßfunb Sufee begabten mufe ?" 

„Seib barmfeergig, £>err SReceoeur, bringt ben QaEob nicfet um’§ 
©elb! ©r feat’S ja fo fauer tierbienen müffen." 

„(Dir gum ©efatten Witt icfe’S nicfet tfeun," tierfe^te ber Eieine 
Scfenteicfeler auf bem SRafenborbe; „aber bafe ifen fein ©olbwafcfeen 
Don beute SRorgen, welcfee§ unerlaubt unb ofene obrigEeitlidje Kontrolle 
gef ebenen, 15 ©utben Strafe Eoftet, gegen b a§ feilft Weber ^Bitten 
noefe 23eten." 

SRit einem Sprung rife ber Wilbe Surfte ben biefften trüget 
au§ feiner §otgbürbe. ^ßeter Sebnberr, einer 33eEanntfcfeaft mit ben 
gefreoelten (Dingern nicht begeferenb, fabelte wie ein £>afe über bie 
5Bud)featben=2Rattlein bem (Dorfe gu unb Stabler feinter ifetn ber. Stnna 
Dfeomann fafe in ben ©ra§blütfeen unb tadjte unbänbig ob ber wilben 
Qagb. 

ßefenfeerr oergeigte ben fwlgfreoler niefet. 

@§ Eamen ftürmifefee Dage, Wäbrenb weld)er bie 9Rütter§tod)ter 
ber flebenben SRutter wie bem fdjmäfeenben 93ater gum Drofe ihren 
©eliebten betratbete, unter ben 33erwünfcfeungen beiber, bie nad) ber 
95ibel ben SEinbern Eeine Raufer bauen, i^r SEleiberbünbel fdjnürte — 
eine SluSfteuer beEarn fie nicht — unb in bie ©iefegaffe bittaufgog. 
Seligfte ßeit, al§ am erften Sonntagmorgen ber junge SRann, ben 
Slrm um ben Staden feiner fdjönen SBitbrofe gefefetungen, tior bem 
fmuäcfeen ftanb, mit i^r ben 93erg b»tab auf bie ©iebet unb Dädjer 
be§ engen DörfleinS fefeaute unb brüben auf bem anbern f)üget bie 


Digitized by i^ooQle 



taböogfagefdjidjten aas best benrifdjen Knteraargaa. 


165 


Äirdjengloden läuteten! 9Rit SebenSfreubigfeit unb »oller Sfraft Warf 
er ft cf) in’S godj müßfeliger Arbeit. Sßie ein Safttßier 50 g er mit 
öiergeßn onbent SDiännern oon 33iberftein unb Sluenftein gebutbig an 
ben über 60 guß langen gracßtfdjiffen üon ber „fScfiinbeCtegi", bem 
SagerßauS unterßalb bem Sabe ©cßingnadj, bis nach Olten, manchmal 
bis nacfj Sßangen unb ©olotßurn hinauf, grüß Borgens um 2 Ußr 
mußten fie baS Slaretßal abwärts wanbern, um auf ber 2tnfangS= 
ftation ßeute 33 fiebencentnerige ©aljfäffer, morgen 80 ©adle fernen 
k 11 alte 2ttäß ju oerlaben. Sann ging eS an ber langen „Seine" 
langfam auf bem redjten Ufer ftromaufwärtS. Um bie ßeiße SDiittagS* 
3 eit waren fie in Siberftein, mo bie grauen mit bem (äffen bereit 
ftanben. ©ine furje SRaft; bie beiben ©cßifffüßrer traten mieber auf 
ißre ißoften hinten unb öorn im ©cßtffe, bie fünfgeßn ßießfnecßte an 
bie „Seine", unb weiter ertönte ber gußpfab unter ißren fcßweren 
SRägelfdjußen, bie im gleichmäßigen Sempo aufftießen. Um ©onnew 
Untergang in ber SBöfdjnau angelangt, banben fie bort an unb gingen 
ßeim, um am frühen SRorgen nod) bie leßte Station bis Olten jurücl» 
julegen, wo fte in ber Siegel oon anbern ©cßiffsfnedjten abgelöst 
würben, gn Olten alSbann jaulte ber ©djiffmeifter, ber ©igen* 
tßümer beS ©djiffeS, ber bie gurren mit bem ©taate üerafforbirt, 
jebem ©djiffjießer für bie gwei Sage 27 Saßen, wooon fogleid) fedjS 
Saßen für eine glafd)e SülittagSwein, Srob unb Säfe Wegfielen. Sei 
ber ^eimfaßrt nahmen fie in ber Siegel nod) acßtgeßn ft'lafter £jolj 
ober ein guber Welfdjen Sßein mit, um bieSmal auf feistere SBeife 
gu einigem ©ewinn gu Eommen. gröl)ließ, naeß faurer Slrbeit betrat 
unfer Gabler jebeSntal ben ßäuSlicßen §erb unb lieferte fäuberlicß ben 
Serbienft feinem Sßeibdjen auS. Slnfangtid) tßat er’S freiwillig; halb 
aber maeßte fitß Slnna ein SRedjt barauS unb ließ ben ©atten feine 
ißfließten füßlen. 

SRabler unb feine junge grau waren gwei unbeßauene ©teine, 
wie fte bie SRatur bietet, unb wenn bie aneinanber geratßen, fo reiben 
fie fein feines SD?eßl. S)en erften Slerger ßatte ber ©atte, als er bem 
©ßorgeridjt fünf ißfunb Süße entrießten mußte, weit ber ©tordj fid) näcß 
ber pfarramtlicßen Serecßnung gu früß auf feiner §auSßrft nieber» 
ließ; einen weit größern unb nießt ben teßten, als Slnna bem gudßfe 
baS SlufentßaltSrecßt in ber „fpüßnerqätteri" beftritt unb ißn ßernaeß 
im gorne, Weil berfetbe ißr ein ffnißneßen gewürgt, gum Seufel jagte, 


Digitized by Goosle 



166 


4Can&»ogi®Sefd]Wjt*n ans btm b«mtfrfjen Kttttraargas« 


baS Reifet in beit ^jombergtoalb hinauf. Gabler fing an, itt bett 
23ären hinunter ju laufen, um feine ©erbriefjlichfeiten im ©läScfjen 
$u erfäufen. Sort biente* SJiarta Stbler, ein IjübfcheS ©iberfteiner 
ÜBJeitli, als 50?agb, bie if)m früher nicht gleichgültig getoefen unb iljnt 
nun Bei jebet ©etegenljeit Begreiflich gu matten fuc^fe, bafj er mit 
i^r ein beffer Seben gehabt hätte. (Sie Ejafete bie 9iebenbui)Ietin / meiere 
fie auS bem gelbe ju fdjlagen oermocht, oerbächtigte biefelbe als eine 
greunbin beS (Sdjlofebeamten — unb fonberbarlich! als 9t0bler in 
bet Stacht einmal nach §aufe fd)toanEte, fdjtoanb eine Heine ©eftatt, 
tote bie beS Jteceoeur’S, um bie ©de unb bie §ol)lgaffe hinab. Sie 
§auSt^ür mar regeltest oerfdjloffen unb er rnufjte wie fonft ben mit¬ 
genommenen <Sdjlüffel gebrauchen. Irinnen aber faß Slnna noch mad) 
im SBadjftübli, baS Änäblein miegenb unb toeinenb; fie hotte beim 
trüben Oellidjtchen ihrer ©Itern brunten in ber SDtühte, beS böfen 
SlbfchiebS oon ihnen unb ber Bittern SSenbung ber Singe gebacht. 

Sa trat ber ©atte ju ihr: 323aS fie ju flennen höbe? (Sie ant» 
toortete nicht, fonbern löste fich noch mehr in Sljrönen auf, fo bafj 
ber kleine auch lieber ju fchreien anfing. — Ob nicht gemanb ba 
getoefen fei? — „9tein!" fpradj fte, „habe auch Stiemanben Hopfen 
ober rufen hören." — „Cüge nicht!" fchrie er nun plö^lid) unb gab 
ihr eine SDtaulfchelle, ba^ baS ©lut auS ber 9Zafe fprang. Sötit einem 
ftedjenben ©lief, ben bie traurige aber nicht beachtete, toarf er bie 
Kleiber oon ftch unb polterte ächjenb §u ©ette. ©on jenem Sage an 
toar Slnna’S jperg gegen ihn oerfteint unb er alles §auSglücfeS be* 
raubt. SaS 3tel)banb brüefte ihn auf (Schulter unb ©ruft hoppelt fa 
fchtoer, unb ber „9tecftoeg" längs ber Stare bäuchte ihn breimat fo lang. 


Sin einem fonnigen |jerbftabenb beS^gafjreS 1769 marfchirte ein 
Srüpplein SJtänner oon Slarau h er gegen ©tberftein, beffen fchtoer» 
fälliges (Schlojj oerflärt im rothen Sichte oor ihnen lag. ißaartoeife 
jufammengefoppelt fdjritten fie, gerlumpte, rüftige Saugenidjtfe, bahin, 
oorauS ein Uniformirter mit Segen unb Karabiner, hinter ihnen ein 
•poeiter in gleicher SBtontur unb ©etoaffnung. @S nmren hollänbifdje 
SBerber, toelcfje oor ihrem Surcfjgang über bie (Staffetegg bem Slmt* 
mann ju ©iberftein bie 9tetruten ju präfentiren hotten, ©or bem 


Digitized by Google 



000 bem bernifrfjfn Knteraargan. 


167 


Sorfe nehmen fte ihnen bie Shtppelfettdjen unb Strmfdjlöffer ob; benn 
eS ift oerboten, SReiöIäufer gebunben öurch’S 8anb p führen. Qm 
Sdjtofjhofe oifitirten ber Oberoogt unb fein Canbfchreiber ben 3tetfe= 
pajj unb bie SignalementSliften ber Slngeworbenen. Qm Neifepafj 
ift ©intritt, SQtfarfdjroute unb SluSgangSort genau Oorgefdjrieben unb 
bei Nacht, ober auf Schleichwegen p manbern, wirb ftreng geafjnbet. 
Sie Sßerber weifen ilfre patente oor; ber Canbfdjreiber lieSt fie, 
Wä^renb ber SSogt bie Ceute fiyirt. SaS eine lautet: 

„(Samuel Nofjr oon öengburg) 2ßad)tmeifter oon £>rn. f>aupt» 
mann Qotj. Nub. £>a<fbrett’S Sompagnte im löbl. Schweijerregiment 
p £>ot(anb, hat Qrrlaubnife, in unfern fämmtltchen beutfdjen Canben 
p werben unb ift üjm ^iep biefeS ißatent mit bem großen StanbeS* 
fiegel gefieglet. 

Signalement: „Seine Statur 5 Sdpf), 2 3olt h oc fy/ traget 
braune £>aar unb ift feine§ StlterS 20jctf)rig." 

Slehnüd) ift baS anbre, beS SöBachtmeifter SOtarti SBircher oon 
Äüttigen, abgefafjt. 

Ob Stngef)örige beS S3iberfteiner SlrnteS unter ben Nefruten feien, 
frägt ber Oberüogt. 

„3n>ei," oerfetjt SBirdjer, „ber eine, StnbreS Slbler, beS ißauli’S 
Sol)n ton Siberftein, hat p Slarau gebinget, ber anbre, SDtidjel $ßt)at, 
ber §ufar, p Süttigen im Streug." Sie beiben treten oor unb werben 
dpt in ben Neifepajj eingetragen. Qür Siegel unb 3 eu 9 n if3 E)at er 
oon jebem, weil fie SlmtSangehörige, 2*/2 93a|en bem Oberoogt p 
entrichten, wä£)renb bie blofj Surdjmarfchirenben unentgeltlich ange* 
fdjaut Werben. 

2öo fte p übernachten gebenfen? 

„Qm 33ären baffier," antworten bie SSerber unb marfchiren pm 
§oft£)or hinaus, währenb ber Canbfdjreiber auf feine Stube fidh begibt, 
um fogfeid) an bie NelrutenEammer p iBern noch eine terfchloffene 
Sifte ber gefteüten Niannfdjaft uuSpfertigen. 

Qm S3ären entfalten bie Söerber mit 2Bein unb ißfeifenfpiet eine 
luftige Nacht, um bie Sörfler anploden unb womöglich noch einige 
SriegSljelben hinter bem Nüden beS SlmtmannS wegpfifchen. Qmmer» 
hin bämpfen fie oon 3 e >t p 3 e *t baS aUp laute ©etümmel; benn 
ber 93orgefef5te beS Nad)therbergeorteS mufe jebeSmal einen SluSweiS 
über gute Stufführung auSftellen. Sie S3ärenftube ift mit Neugierigen 




168 


ßanbooQtsgefjdjhljtat ans fctm bernifdjtn Wnteraargan. 


oollgeftopft. ®a ftfct auch Q a t ob Nobler/ in eine ©de gebrüdt, bei 
feinem ©löschen; er fjört ben SJiarti Sircfjer bie fd)öne Steife burd) 
ba§ Qridthal unb ben 9}^ein hinunter rühmen unb ben Sämi £RoE)r 
mit ben ©otbgulben im Seutel ttingetn. 97acf) einer Söeite füllen 
Kampfes Begibt er ftdü ftumm nach £>aufe. ©r fchlägt baljeim 8idjt, 
Slnna ermaßt im Sette, oerljarrt aber in, gleichgültigem Stillfd)Weigen, 
ba ihr fold) fpäteS Siachhaufetommen nicht mehr auffällt, ©r nimmt 
ben beffern fRod au§ bem SHeiberfchrant, fteclt noch bie geringe Saar* 
fdhaft, bie fich im §aufe üorfinb'et, §u fich unb geht wieber, leife bie 
Stubentl)ür gufdjliefeenb, hi nauS — fort burch ben nächtlichen Serg* 
malb unb über bie §ombergmatten ber (Staffelegg unb ®en§büren 
gu. Stoch fdheint hier ber SJtonb an bie fdjlafenben Käufer, als er an 
ihnen unb ber bäuerlichen ©renge entgegenmarfchirt. Slufeerljalb ber 
Sernlanbe oerfchlummert er noch feitlich in einem ©ebüfd) ben SReft 
ber Stacht unb ftöfet am Dtorgen gur öorübermanbernben Sölbner* 
truppe. 

* * 

* 

®ie oerlaffene grau, oon §>au§ auS nicht an’S ®arben gewöhnt, 
mehrte fich tapfer gegen bie hereinbrechenbe Stoth- Qm (Sommer tag* 
löhnte fie, h a( * te ihr Slderlanb unb ging mit ihrem Süblein barfuß, 
mie oiele anbre ©rmadhfene be§ armen ®örfleinS, auf bie Slaraner 
(Stoppelfelber, Sichren gu lefen; im SBinter fantmelte fie einen Sor* 
rath bürren SieifigS faft für baS gange Qatjr. (So liefen fünf Qal)re 
bahin. ©in ^eimtehrertber SteiSläufer h«üe ben Aufenthalt SiablerS 
oerrathen. Slnna, fich in bem jerfalterten |)äu§tein oft oereinfamt 
fiihlenb, liefe ihm burdh ben Schulmeifter in acht Sriefen ihre Sage 
fchitbern unb ihn bitten, hümgutommen; fie moHe ihm Silles oergeffen, 
roaS er ihr angetan. ,,©r hübe noch nicht auSgebient unb auSreifeen 
Wolle er nicht, fonft werbe er wieber gurüd fpebirt ober tomme baljeim 
in’S Schellenwerb," war feine bürge, mit Spott gemengte Slntwort. 

Qm Qrühling 1774 würbe ber Qobebli branb unb ben gangen 
Sommer über blieb fie an fein Settlein gefeffelt unb bonnte nichts 
oerbienen. Sie Wenbete fich mit ber Sitte um Unterftiifeung an ben 
Unteroogt; berfelbe aber wieS fie mit bem Sefcheibe gurüd, fo lange 
ihre ©ttern lebten unb etwas befäfeen, tonne bie ©emeinbe fte nicht 
•auf bie Stlmofentifte nehmen. Seit Slnna geheiratet, hatte fie Sater 


Digitized by Google 



flanboogtsgerdjtdjkn an« bem bfrotfdjen Kirtfraorgan. 


169 


unb 3Äutter wofjl oft gefeljen, ober webet angefprodjen nod) befudjt. 
9tun naljm fte eines 2)iorgenS, ba fte füt baS Eranfe £inb feinen 
Stopfen SUhld) ntefyr im §aufe Ijatte, iljr fterj in beibe §änbe, ent» 
fdjlug fid) ÜjreS SSettetftotjeS unb fdjlidj mit einem Steffeli gut ÜRutter 
oon hinten in bie Sfüdje. Unter lauter ßanfrebe fußte ifjr bie SJiutter 
baS SEeffeli; bet ©ater Ijörte baS, fam aucb in bie Stücke IjerauS unb 
tooßte fogteicf) im tickten 3<>rn auf fie loSfafjren. ©S fei baS erfte 
unb (egte SRal, bafe fie mieber unter fein Sad) Eomnte, fonft würge 
er fte tobt; fte Ijabe baS Unglüi gewollt, nun möge fie’S Ijaben! rief 
er ber glieljenben ttad). 

©S rüdfte ber SBinter 1774 auf 1775 in ! S 8anb. 2ln einem 
ftürmifdjen Siooembertag, als braufeen ber Siegen an bie geborftene 
ÜDiauer peitfcfjte unb bie arme grau bei ifjrern ft'näblein am Sranfen6ette 
fauerte, ftürgte mit bumpfem ©efracf) ber fjalbe ©iebel in bie Ijofjle ©affe 
fjinauS unb bie ©alfen ber ©tube fenften ficf). 2lnna erfdjraf nicfet 
gar fe()r; ifjr wäre ber Sob unter ben Ruinen eine ©rlöfung gewefen. 
’2llS fie bie grofee Oeffnung betrachtete, burdj Welche SBinb unb Siegen 
in bie ©tube brangcu, ba jammerte fie blofe für iljr franfeS fiinb, 
baS nunmehr gänglid) ber Söinterfälte preisgegeben. @ie oerbarrifabirte 
ftd) fo gut als möglich im £>interftübcf)en, uttb ein 97ad)bar, SlauS 
2lbler, ber ©ater ber ©erleumberin im ©ären, fam if>r bie ©tuben» 
halfen ju unterftügen. Sie 2lngft, ber geliebte gofebli fönnte fterben, 
mad^te fie fjalb waljnfinnig. Stuf ber ©trafee flagte fte i£)r ©lenb bem 
Oberoogt ©ffinger, welcher hierauf ben Siberfteiner Unteroogt unb 
feinen ©ingüger über bie ©crfon informirte. ©eibe fagten, fie fei ein 
trägeS „Safter", ein IjänbelfüdjtigeS „Siipp" unb iE)r ©ater, ber Scljem 
ntüßer, gar nidjt fo ungefcfeicft, wie fie öorgebe — unb bamit oergafe 
ber gnäbige £>err wieber baS arme Sßeib. 

groft unb ^)ungerSnot£) fteigerten wirflicf) bie Sfranfljeit beS 
Knaben immer mefjr. ©inen Slr^t ju rufen mit bem ©eWufetfein, ign 
bocb nicf)t bejahen ju fönnen, baS wagte fie nidjt; bie langen SBocfeen 
brütete fie nur immer mit einem gewiffen ©tumpffinn am Säger, 
bis enblidj um ©fjriftabenb ber fecfySjäfjrige gofebli als eine CeidEje, 
blafe unb »erhungert auf feinem feuchten Saubfacf lag. Sraufeen l)ielt 
ber Söinter mit weifeem ©aljrtucf) bie tobte ©rbe jugcbecft unb mit 
bicfer ©iSfrufte waren bie genfter oergängt. Sa erwarte am Seidjnam 
ÜjreS SinbeS nod) einmal baS ooße mettfcfjlidje ©efiigl ber llnglücflidjen. 


Digitized by 


Google 



170 


ÄanfcöogtBßfrdjWjtin <m* bm btrolfdjfit Wnkraarßan. 


§n ^ränenftrömen Eämpfte ba§ £>erg gegen bie äßudjt beS ©lenbeS 
an: 33om ©atten oerlaffen, non ben ©Itern gurücfgeftofeen, non ber 
©enteinbe oernacbläffigt, ofjne Sftabrung unb SUeiber, ofene fdjüfjenbeS 
Oad), of)ne 2J2enfd)enratb unb §ilfe — wer Begreift ba nidjt, bafe 
am CetcfjenBette bte ©infame ben ©tauben an eine gute SBett tobt 
gemeint? 

Slm 2öeibnad)tSmorgen, ba ber CeicfjenBefdjauer baS oon 2tnna 
Beftellte ©ärglein in bie ©idjgaffe £)tn auf trug, ftanb bie Satire gum 
|)interftübd)en offen unb ba§ tobte Snäblein tag mit einem bürren 
„ütteicti" in ben mad^Sgetben gingern mutterfeetenattein in ber eiftgen 
Kammer. Sie üftabterin mar öerfcbwunben. ©twaS nach üfteujatjr fpülten 
bie grauen glutben for 2[ Qre brunten bei Umifen einen weiblichen 
Ceidjnam an’S 8anb, welcher auf bem bortigen griebfjofe ElangloS 
begraben mürbe. S'tiemanb at§ ber griibting, ber ©ärtner be§ lieben 
©otteS, Eümmerte ftd) fjmmd) um ihren Ootenbiigel. ©§ mürbe 
©ommer unb mieber §erbft. Stn einem Söintermorgen Eani QaEob 
Stabter in tjotlänbifcfjer Uniform oon ©iberftein her nach UmiEen unb 
liefe fidf Oom Lüfter Stnna’S 3?ut)ftatt geigen, ©ebeugten .giaupteä 
ftanb er lange baoor, wcibrenb utn ihn bie weichen ©cbneeflocfen 
lautlos auf bie ^arte ©rbe fdjwebten; bann wanberte er über ben 
©talben mieber nacfe $oUanb gurü<f unb — mar oerfcbollen. 

Oßroiofoü be3 (SfyorgerictytS Jlirc^berg de dato 1761.) 


VI. 

3>te x otlje ^llottturljofe. 

(1787.) 

§eute fcbaut baS Sird)berger Sir d) lein ooll befonbrer ©naben 
nieber auf be» ©iegriften großen Sirftfebaum, beffen rotbe grüd)te 
brunten am beifeen §ügel aus bem Caube (adjen. ©§ ift ber 20. £>eu= 
monat 1787. ©onntagSftiüe lagert über ben ftbmargen fwlgEreugen 
unb ben Enietiefen CoWengabnEräuteru be§ griebtjofS, morinnen Pfarrer 
ÜJtüfperli’S fromme Sanincfeen meiben unb bisweilen mit aufgerecEten 
Obren ber lauten Sßrebigt ibreS ißatroneS laufeben. Oer junge, weit* 
bergige ©eiftlidje in feinem ißriefterrocE unb ber meifeen ^»alSEraufe, 
auf welcher ber Sopf wie ber beS OäuferS auf einem ÖeKer rubt, 
bat eben mit ben testen Sömern feiner ©anbubr auefe bie lebten 




Digitized by t^ooQle 



CtrafcDagtagtfdjtdjttn atu Itm bettrifdfnt Vtrttraargati. 171 


SlnbadhtSWorte niebetritinen (affen. (Sin allgemeines fmften unb ©e* 
rauf per Bricfjt auf fein Simen bie tiefe (Stille; inbeffen jieljt er nocf) 
ein obrigSeitlidh fßergament auS feinem Sreoiarium unb oerlieSt ben 
lieben unb getreuen Untertanen 33ern’S folgenbeS ©efa§: 

„Oie gnäbigen Herren SriegSräthe hoben für nüfclicf) erachtet, 
jur ©rfparung grofjer Soften für ben öanbmann anjubef elften, bajj 
Sille, fo fid) oerheuratljen, ficf) inSSünftig in ber Uniform, als ber bem 
jum (Solbaten geborenen Schweiger anftünbigften Reibung, foßen 
ehelich einfegnen laffen. ($3 Sann ffierbnrcb eine Softbare, neumobifdfe 
IwchjeitSSleibung erfpart merben unb beS fernem wirb männiglicfj 
beffer barauf achten unb holten, baff feine SRontur in gutem (Stanbe 
oerbleibe. SBir geben biefe wohlgemeinte SSorfdhrift mit bem 53efelcf), 
foldfe ab aßen Sanglen unf’rer Öanbe oerlefen gu laffen." 

9Rit unterfdhieblichen SReinungen über biefe neuefte Offenbarung 
fchreiten bie $uraffier burdf bie Snarrenben Sircffthüren. 2ßät)renb baS 
eine SReitli fich froh ©tißen neben feinen lieben (Solbaten an ben 
Slttar träumt, ärgert fidf baS anbere, baS halb als 33raut foß üer= 
Sünbet Werben, als ber erften eine biefeS neue „fßrälube" oormachen 
gu müffen, unb beS Söeifjen Qörg, ein ge^äbigeS Gültiger Oaunerli, 

fauftet im (SacS, baff nun fein fRubi ficherltcfj neue SRonturhofen begehre. 

* 

* * 

SRüfperli oerläjft bie fßrebigertonne unb fteigt in’S ©hör. Slßba 
Warten feiner in ihren ©horridhterftülflen: 

SRein 2Bohl s @bel=©eborener £>err Sl. C. (Stürler, Oberuogt auf 
33iberftein, Obmann beS (StißftanbeS; §anS SBlottner, Unteroogt oon 
Sättigen; £>anS ©eorg Ott, Unteroogt oon S3iberftein; 9iubi SBelfrli, 
Statthalter unb ©horrichter öon Sättigen; fRubi SBoßiger, alt Secfel* 
meifter unb ©horrichter oon Sättigen; g-riebricl) Ott, ©horrichter oon 
S3iberftein. 

greunblicf) brücEt er einem {eben bie SRecfjte, fie um ihre aßfäßigcn 
Slnbringen befragenb, bie pünStlidf notirt werben, hierauf begeben 
fte fich kie SRitte beS ©horS, ber Pfarrer oorn an ben Oaufftein: 
heute ift ©horgericht. 

ÜRad) Surgem ©ebet beS ©eiftlichen eröffnet Stürler bie Si^ung 
mit üorläufiger URamfung ber Streitfache unb fehieft ben ©horweibel 
Slbraham Söeffrli, Siegrift, üor bie Sirdfporten, ben Släger fRubi 
SBelfrli, Söeijfen oon Sättigen, eintreten gu heiffen. 


Digitized by i^ooQle 



172 


ttanboogtflgtftyixfytax an« bem bfraifrijfn Unkraargcm. 


Oer ©erufene erfcfjetnt unb erjagt nad) beS ObmannS Stuf* 
fotberung mit fdjlidjten SBorten beit ©runb feiner SHage: ©r fei am 
Slarauer SÖlaienjug le^t^in mit oielen Slüttiger S3uben unb Sfteitlinen 
im „©chmert" eingelehrt, habe bie Slnna 33irrf)er, baS „Suebelanneli“ 
geheifeen, beim SBein gehabt unb eS im Verlaufe beS ©eplauberS mit 
©paff unb ©rnft gefragt: „SSiUft Ou mich, menn icfe Oir ben Streujer 
■gebe, oon bem Ou fagft, id) fei ifjn für Stirfd)en Oir fdjulbig?" ©ie 
fagte: „Qa!" unb gab mir bie £>anb: [)at aber ben Sreujer nid^t 
motten, auch ein ©echSfreujerli nicht. Stuf meine oermunberte grage: 
Ob i§r gegebenes SBort fie benn gereue? hat fie geantmortet: 9lein, 
aber fie börf nicht megen bem SSater. Söeil er tiefen $aten fdhon 
gefannt, erzählt ber Kläger meiter, höbe er ihrer SRebe gu gebenten 
jmei geugen ernennet, bie braufeen fteljen. Vorigen ©onntag Slbenb 
fei er nun ju ^mnSrubi SMrdjer, ihrem S3ater, gegangen, um bie 
Oocfjter oon ihm ju forbern; ber fei ihm aber nur grob unb unan» 
ftänbig begegnet unb h ernac h haben &i e beiben Sitten baS üßeitli 
traEtirt, mie er oernommen; beffentmegen bitte er bie (£E>r6ar€ett, ihm 
in tiefer ©ad)e beijuftehen, bafe fie glücftich gufammen Eämen. 

Oer Kläger mufe abtreten. Oie beiben geugen werben ein« 
oernommen. Oer eine erflürt, er höbe bie 9teben anfänglich für ©pafe 
gehalten, nachher aber gefetjen, bafe eS ©rnft fei, unb ber anbere 
beftätigt, er höbe nichts anbereS geglaubt, atS fie mären ein ©elöbnife 
eingegangen. 

Oie StngeElagte unb ihr SSater müffen oor. SOtit ein menig fcfeam« 
rothen Söangen erElärt baS „Söuebelanneli" ben ehrbaren Richtern: 
©ie höbe jmar bie $anb gegeben unb Qa gefagt: aber SttteS btofe 
für ©piet unb ©pafe gehalten unb nie an eine §eirath gebacfet. 

„2Ragft ben S3urf<feen benn nicht leiben, Qiinferti, ben hübfcfeen, 
mit meifeeti SErauSlocEen ?*' fragt ber Runter, mit ben fetten Slugen* 
liebem fcfeelnüfch jminEernb. 

„SRöcht ihn fdion, gnäbiger £>err Oberoogt; er ift fteifeig unb 
häuslich unb recht, aber —" 

„Slber bem 33ettelbub, ber nichts an ber Söelt hot, bem mittft 
Ou ben OhürHoben jiehen, ÜReitli? ©ott’S Oonner nein! — SSohl« 
et)rmürbiger §err Pfarrer, oer§eiljt . . 


Digitized by Google 



4C<mbi>ogieg*fdjtdjten ans bem bernifdjfn KnUraorgan. 173 

Sie 23efd)mtcf)tigung beß gornigen f>an£rubi förnmt gu fpät. 9JHt 
SEBürbe ergebt fid) ber Eßaftor in feiner |)al§Eraufe unb beantragt eine 
hoppelte Sufje ton groei ©ulben für fd)röcHid)e3 glucken im ©otteS» 
t)au§. Sr mirb einftimmig terfäHt unb rnufj abtreten. 

„Sannft auSreben, Slnneli!" mabnt Stüfperli, ber torn am 
Saufftein al§ Slftuar funghrt, fein neben itjm mie auf Stern ftefjenbeS 
Sonfirmanbenünb. 

Sie atfjmet tief auf, toie um Sraft gu gemimten, M $d) mödjt’ 
il)n fcfjon, aber id) mi(I ntid) gmingen, b’rum mag id) itjn nicf)t! SRein, 
td) toitt d)n nirfit unb menn il)r mid) mit 3 an 9 en gerrei^t!" tobt mie 
befeffen bie Süttiger 2Raib. 

„SRur nicfjt fo milb getf)an, Slnneli!" beruhigt ber Sättiger 
Untertogt, ber fonft in Stbmefen^eit beß Qutiterß bie fßräfibentenmürbe 
beCteibet, ein urdjiger SRann. 

„ÜRufj Sir faft 9ted)t geben," meint ber Seelenfprt, „bafj nid)t 
l)eiratl)en magft. SSift fo blutjung, erft tor gmei Qatjren nod) in bie 
SHnberlel)re gegangen." 

„Unb aud) gu Hein!" fpöttelt ber Obmann. 

§ei flammt bie auf! „$8raud)ft Sid) nic^t gu fdjämen, äReitli, 
fagt meine SRutter atlemeil," antmortete fte, — „bift nid)t gu Hein 
gunt $eiratf)en, menn auf Seinem SäcKein Srabänter fte§t!" 

„#obo, nid)t aufbegeljrt, kleine!" läfjt ficf) enblid) aud) ber Unter» 
togt ton 23iberftetn, ein grauer 2Rann im Sdjmalbenfrad, mit feinen 
pfunbfdjmerett ^Sorten terneljmen. „S!)ut mir leib, baß id) ein fo 
übler fRebner bin, fonft motlt icf) Sir in bie (Seele reben, baß fdjmeigen 
tljätft! Su millft Sein Sßort bredjen unb ben guten 33urfd)en nid)t, 
blofj meil fein 33ater nicf)t reid) ift? Sutnm’S Sing! Stlugljeit im 
Sopf unb ein bratet $erg ift ein gröfjereä Kapital, al§ Su einmal 
erben fannft." 

Sa§ Suebelattneli mirb meid). „SDiödjt i!)n fd)on gern tjaben," 
fängt fte an gu meinen, „aber ber 33ater fcfjlägt ntid) tobt." 

(Stürler läjjt bie Slufgeregte abtreten. Ser gange (Stillftanb, mit 
9lu§nal)me be§ Pfarrers, befdjliefjt einmütig, ben Vorgang im 
„Sd)mert" gu Slarau a(§ eine förmliche S^eterfprecbung gu erHären 
unb bie 93ird)er auf SRoberation bin gu ben ftöften, gmei ©ulben 
betragenb, gu terfäUen. Sem über obiges Urt£»ei( fub befebmerenben 
®ater mirb bie begehrte Sebenfgeit biß näd)ften (Sonntag bemilligt. 




tfanfcoogtBgefdjtrfjtfn an« bera bermfdjen Knttraargaa. 


174 


91(3 altefammt au§ ber Stirne treten, ereignete fid), bafo plöfclidj 
ein öapin be£ ißfarrerä ber 9tnna über bie grüfje rennt. ©ie fafet im 
©Freden ifjren Sßiberpart am 2lrm: ber gettmfyrt e§ nidtjt ungern, 
mad)t jebod) eine abmefyrenbe Semegung; benn er gebenft ifjrer Söorte 
üor ben ©Urbaren, bie er, an ber ©übporten Ijordjenb, ternommen. 
35ie ©t)orrid)ter hinter ilpten galten oergnüglicf) ben 9lft für ein Seleg, 
bafe fie nicf)t faffd) geurteilt. 35er Sater, ber brummenb oorauS* 
gegangen unb im dürfen leine ütugen befafo, fdjmenlt mit feiner £odjter 
neben bem ©iegriftenfjauS ijtnab. 9tubi SSeljrli geljt bem 35orfe gu. 

lieber ben ®än§ader auf bie ÜDorfftrafi’ getontmen, f)ört 9tubi 
ben Slbant Söeljrli, SriUlmeifter, mit einem Trommler auf üftadjmittag 
nac^ ber Stinberlelfr’ eine SJtufterung auSrufen; benn mäfjrenb be§ 
©otteSbienfteS barf ntd)t ejcergirt merben. „ftm," benft er, „gu biefer 
^alfreSgeit? ©§ mirb fein, mei( man je§t fo gmifdjen $euet unb ©ritte 
nichts Sefunberbareä gu tffun tjat." Son ben 12 Srüttntufterungen 
jä^rlicf) mußten nctmlicf) nad) Sorfcfjrift fonft 6 im grüfyling unb 6 
im £>erbfte gehalten merben. ©infilbig, bodj mit Dielerlei ®ebanfen 
int Stopf, ißt er mit feinen betagten ©ttern git Mittag, gef»t barnadj 
in ben ©oben, um ben brounlfärenen ftaberfatf, ba§ gmeilötfjige, alte 
©emef)r mit Stteffingbefdfläg unb feine SWontur, faft alles ©ffelteti 
oon feinen ©Itern, au§ ©pinngeloeben unb 35unfel()eit herunter gu 
Eiolen unb gugurüften. ©egen 2 llljr mirft er fid) in bie rotfjen |)ofen 
unb bie gleidjfarbene, mit gtuei meifjen Sfrtopfreiljen gefdfmüdte SBefte. 
„Sub," fprad) be§ SBeißcn $örg, al§ er feine fed)Sgig ©ömmerdjen 
auf bent Sudel E)atte unb bienftfrei gemorben, „einen Uniformrod 
foUft neu f)aben, aber meine §ofen mufet nod) augtragen! 28är’ ©ünb 
unb @d)ab bafiir; f)abe mir erft oor 10 Qafjren, ba id) al§ g-ünfgiger 
nur nod) an ben Sor*, £>aupt» unb ©djiefomufterungen Siffeil naljm, 
fie gang neu angefdjafft." Otubi gog ein IrutnmeS 9)?aul. „^Die anbern 
betommen blaue £>ofen unb Sßefte nacf) ber frifdjen Orbottnang," 
meinte er. „©ieljft, mir oermögen’3 nidft," begütigte bie 9ttutter, „ber 
Stümmi feljlt." ©o l;at er a(§ guter Sub ftc£) b’reitt ergeben. 9ladp 
bem Subi bie runben ©tabtfdjulf’ angegogen unb bie fdjmargen Ueber* 
ftrümpfe an feine Söaben gelnöpft, fdjlüpft er in ben Melangen, 
bunlelblauen 9tod, ber f)inten moljl übereinanber ge£)t unb beim 
SÖtarfdjiren mie unter bem ©erneut aufgeftürgt merben muß. ©r ift 
au§ Sftorbertud), rot!) gefüttert, bis gur ©eintiire gmeireiljig belnöpft, 


Digitized by t^ooQle 



£anbsogtegcril)lit|tfn atu ttm btrnifdjen Unttraargaa. 175 


Bat einen rotten trogen, rotfje, jtoei Sernjod Breite Slermelauffdjläge 
unb auf ber (inten Stefjfel eine fdjarladB’ne ©d)nurepaulette, mit Slau 
unterlegt — ba§ Slbjeidjen ber beutfdjen Serner. Stod) fe^tt bie fdjttmrje 
Sratmtte, biefer oerBafjte „ft'innftupfer“, unb ber breiedig aufgetremmte 
güä^ut mit bem jodbreiten meinen Söodenranb aujjen. (Sr brüdEt i^n 
auf fein blonbeä SKingelBaar, ba§ er aud) an ber näd)ften §aupt» 
mufterung nid^t in eine fiabenette ftidjt unb roettn e§ mieber einen 
Sa^en foftet; gürtet mit nid)t wenig ©elfiftgefüBl bie fcBmarjteberne 
ißatrontafcfje mit ber ge(6en Sledjgrenabe oorn auf bem ©edel unb 
feinen ©renabierfäbel um — beibe§ ©inge, bie ber gemeine güfilier 
niefjt Bot — Böogt fid) fmberfad unb g-linte an bie Breiten ©djultern 
unb BegiBt fid) auf ben ©ammelplafj oor bem „Streuj". 

©ort rangirt ©rüdnater Slbam, oor Sillen auägejeidjnet burd) 
ba§ filberne ©ffiäier3banb am SEÖodBut, bie toeifjen ©tiefelmanfdjetten 
unb feine Storpulenä, bae unlenffame Soll. SBeldj’ ein buntes? Silb! 
©a fte^en bie Offiziere in (Sioil, aber mit bem ©eitengetoeBr, benn 
mit bem ©tod in ber £>anb ju fommanbiren, ift i^nen ftreng unter» 
fagt toorben; neben i£)nen alte SRotljofen, neue Slauljofen, alte glinten 
mit SWeffing», neue mit (Sifengarnitur; ©renabiere, 2)?u3fetiere, gü» 
filiere, feiger; ben ©cBlufj Bilben bie ©iebenjeBnjäBrigen, 6lo§ mit 
Stinten unb ißatrontafdjen, unb bie ©edjäjeBnjäBrigen ganj unbe» 
maffnet. SDtfonturen Brauchen fie bi§ jum 22. Qjatjre noch feine/ wenn 
fte nidjt „eBenber BeuratBen". 

©er ©rüdmeifter madjt Slgped. ©ie S e ^ ett ^ en Serben mit 
1 ißfunb, im 2BieberBolung§fade mit 1 ißfunb unb 24 ©tunben ©djlofe» 
ferfer bei SBaffer unb Srob gebüßt, ©ie Sujjen gehören §ur ©cilfte 
bem ©rüdmeifter, jur Hälfte bem Canbmajor, ber je an ber £jaupt» 
mufterung im SJJai fie einfaeft. §e£t mirb gebretjt unb, ©rommter 
unb Pfeiffer woran/ burdj bie ©orfftrafj’ unb bie Scttgaff l) in auf nad) 
bem SWufterpla^/ einer oon ©annettWalb untraBmten SBiefe auf 
„Sud)"/ marfdjirt. Sll§ 9tad)l)ut folgt ein gefdjwä^iger ©djwarrn 
jungen SolteS, benen fidj ein paar g’wunbrige Sllte unb bie Sor» 
gefegten beä £)rte§ untermifdjt Baben. 

Sluf ber SBalbwiefe angelangt, fd)idt ber ©rüdmeifter bie ©am» 
Buren unb Pfeifer feitab, um unter ifirem ©efdjidteften, bem „Sor» 
Pfeifer", für fid) ju üben, auf weldjen Sefe^l fie in ben ©annenwalb 





176 


Äanbuogtügefrfjldittti an« bem berotfidjen Knteraargan. 


halb unt)örbar berbuften. Slläbann werben bie jungen unb UngefeB» 
rigen auSgefcBieben unb bon einem Korporal in einer ©cfe ber Srüd* 
motte befonberä inftruirt, Wä^renb ber SSoter 2lbam fein ©pergitium 
bamit beginnt, bafj er bie glinten bifitirt unb ben Sabftocf in ben 
Sauf fdjieBen läßt, um gu fe^en, ob irgenbwer nod) ein gefabenes 
©eroe^r £)abe ? 2Beil folcfje bo, miiffen fie nor bie gront treten unb 
ben ©cBufe auf Stommonbo logbrennen. Sarob erfcBrecten bie 9RäbcBen 
beS Dorfes gar fdjrödtid). ©eBt, wie fie ben finftern SBaibranb ringS 
wie einen Strang non Beden, frifdBen Slumett gieren! 2Rit Ufren 
ftfjarfen Sleuglein üben fie eine größere ©ewalt über baS ÄriegSoolE 
au£ als SlbamS oaterfänbifcBe gtüdBe. 

ge£o Eömrnt man auf bie ^fauptfacB’, Welche nacB bem ©ferner* 
bücBIein in „gut äRarfcBiren, wof|l Gaben unb tief SlnfcBlagen" befteBt, 
unb gum ©(Bluffe folgt eine ©albe als Snaüeffelt. hierauf Bot nun 
baS ßufcBaueröolt mit ©eBnfucBt gewartet unb ein unruBig Swängen 
bemächtigt fidB feiner. 9lu<B baS „Suebelanneli" brüdlt ficB in ben 
33orbergrunb; e§ will feinen SRubi, ben ©renabier, feBen, wie ber bie 
glinte auf ben ©oben ftedt, auS einer ber Ginben()oIgBülfen in ber 
fßatrontafcBe bie papierene fßatrone gieBt, fie abbeifet, labet, mit bem 
eifernen Cabftocl neben bem breifantigen 33ajonnet, welches auswärts 
getrümmt ift, bamit ficB ber ©olbat in ber gefcBwinben Gabung nicht 
bleffirt, in ben Gauf hinunter hämmert, ben §ahn auf§ieht, anlegt 
unb — ?ßuB! 3Bie wirbelt fein fRäucBlein fo fcBön oor allen anbern 
gutn blauen fnmntelreicB! S)er Gabftoct, nochmals in’S ©eweBr ge» 
fcBoben, rnufj geigen, bofj ade ©cBüffe loggegangen — unb bamit 
ruBt wieber eine Srüdntufterung meBr in ber SßergangenBcit bunElem 
©cBoofe. 

* * 

* 

„SluSeinanber \“ Eommanbirt SReifter SßeBrli, unb nidBt gar lange, 
fo Bebt beim glötenfpiel beS SBorpfeiferS ein befcBeibentlidB Sangen 
an auf abenbtüBler Srüümatte. S>aS ift’S, warum bie Sorfblumen 
mit Ungebulb ber ©albe geBarret. ßwar B°6 en bie gnäbigen sperren 
gu 33ern ade CeidhtfertigFeiten unb UeppigEeiten auf bem ÜRufterplaB 
berboten unb ba§ Sangen bem GanbbolE nur naiB ber §auptmufterung 
entWeber auf ben Srüdwiefen felbft ober auf einem Sangboben baBeim 
erlaubt; aber SSater Slbam unb bie anwefenben OrtSborfteBer, bie 


Digitized by Google 



177 


Canb»08tegefdjtd)tfn ans Itm berotfdjen ttnteraargaa. 

ben Srütlmeifter jebeSmal unentgeltlich im Orbnunghalten unterftüfcen 
müffen, laffert [ich oon ben nieblichen Sirenen gern ein Sluge gubrücfen. 

9?ubi, waS gauberft Su? Sa fteht er wie nicht gefdjeibt am 
(Stamm einer Stotljtanne unb gto§t in baS h°pfenbe ©ewintntel. 
3lnneti tljut auch f° fpcmifdj unb weist brei Vurfcljen nacheinanber 
tro^ig ah. -Sftit ftiHem $ubel hemertt er’S; ©roll unb ßweifel fcfjwinben, 
unb halb breljt fräftigen Schwunges auch er feine ih m chorgerichtlich 
Singetraute unter ben Uehrigen auf bem fchon ahenbthauigen Stafen 
herum. Sladh einer heilen ©aloppabc flüftert Diubt: „Slmteli, fomm 
ein wenig unter bie Sannen; ich muff waS mit Sir reben," unb 
führt fie unhemerft in baS taufchige Sunfel hinein. 

„Sein Sieben »or bem StiHftartb heute morgen h at mir Weh 
gethan, glaub’S, ©eliebte!" hebt er an, als fie einfam gehen. „Su 
toiffft mid) nicht, weil ich Sich gwinge? Siehe, nicht um Sich, ober 
um Seinen Vater gu gftingen, hohe ich hie Sache oor ©ericht gebracht. 
§cfj glaubte, Su hötteft mich gern; Wenn bem aber nicht fo ift, fo 
fage mir’S je£t hier unter ben Salbbäumen mit aufrichtigem fpergen 
unb bann bift Su fogleich frei, bann finb wir in ©otteS tarnen für 
immer gefdfieben!" unb babei ftürgen ihm bie hellen Sf)ränen ouS 
ben Slugen. Slnna Vircher fchaut ihn innerlich bewegt unb mit einem 
Vlicf twU ©rbarmung an, fprid)t nichts, legt nur ihre .'panb wieber, 
Wie im „Schwert" gu Slarau, in bie feine unb fie fpagieren Weiter. 

Pöfclid) erfchrecft fie ein homerifcheS ©elächter. Qn umbufchter 
Vertiefung fifcen einige Sängerpaare unb fonftigeS Solbatenöolf, am 
§ufs einer ©eWaltStanne ber SrumberljanS auf feinem fdpoarg=rotb 
geflammten unb mit ber gnäbigen Herren ©ffeenwappen gefcfimücften 
„SHibel". ©r fchläft; bie Sadjenben aber potuliren tapferlich ben 
Sein, ben beS Sirth’S 5Rubi auS einem f^ä^Iein, fo er auS gürfidjt 
in ben Voben gegraben unb mit SDlooS überbeeft hot, abgapft; benn 
Sein auf bem 2)lufterungSpla§ auSgufdjenfen, ift ftrengftenS unterfagt, 
unb ba läfjt fich ber Srüttoater baS anbre Sluge nicht auch noch gu= 
brüefen. Sarum hoben bie heimlichen Sünber baS frifcf) anfontmenbe 
Härchen ouch mit foldjer Stille herannahen laffen, weil fie SlnfangS 
Spione oermutheten; nun aber bricht ein Strom oon Siederei auS 
ihren erleichterten ©emüthern über bie .f)anb in §anb ©ehenben het- 
„Schaut mir ba, wie brati bie C£E)orrid)ter heute gufammengefoppelt \" 

SSom öura jum €d)tuarjtoalb. IX. 12 


Digitized by Google 




178 


taböogtegefdjWjtKi ans Um btnrifdjtn MnUraargatt. 


fpöttelt ber ©ine, — „Slnneli, gefjt’S mit ber Stotljhofe Balb jum 
Slltar?" ber Slnbere. Stnneü mirft einen erfd)rodfenen 33licE auf SRubi’S 
abgefdjoffene Sflontur. „SSftödhte heuer nicht heiratljen, um fein ©elb!" 
Beteuert ein Buffer Sfteitli, bem baS ©egentljeil baöon auS ben 2lugen 
glänzt, — „möchte nicht Die erfte fein, bie baS neue „Äomebi" fpielt!" 

„$emanb muf bodj ben Anfang machen," meint 9tubi ernft, „unb 
bie waljre CieBe fieljt nicf)t baS Stleib an, fei eS rotfj ober Blau, elB 
ober grau!" 2lnna Bficft iljn grojj an, als oB fte iljn nidjt recht ber» 
ftünbe. „SIBer wer feinen Sd)a£ lieB Ejat, ber will if)n auch in rechtem 
bleibe flauen," entgegnete fte fecf unb fröhlich- So mirb gefdjwa^t 
unb gezecht. 

^jordj, Trommelwirbel! 35er TrumBerhanS fäljrt auS feinem 
SSeintraum empor unb rennt, ben „Sfübel" an ber nußbaumenen 
3arge fopfüber auf ben Sftedfen fdjwingenb, wie tott burdj ben gor ft; 
benn ber Trüttmeifter laßt Sammlung fdjlagen, um nad) SSorfd^rift 
feine anoertrauten unb nidjt anbertrauten Sdjäflein wieber fäußerlich 
hetmjufüljren. 

Schon ragen bie fcfjroffe SBafferfiuh unb bie fdjarfen ©rate beS 
Brunnen» unb SldjenBergeS in ben nädjtlidjen Sternenhimmel empor, 
at§ 9?ubi mit feiner Tänzerin bem StuBenlärm im „Sfreuz" entfliegt, 
Wo er anftanbSljalBer mit iljr nocf) eine glafcfje getrunfen, obwohl 
eS bem häuslichen TaunerSfoljn für unnüfc erfdhienen. Sie BegeBen 
ftch über einen SBadjfteg, ber ju §anSrubi Sirdjer’S §auS hinauf» 
führt. Tort, hinter $afelBüfdjen, geben fidj beibe einen herzhaften 
Äufj, ben erften — unb testen! 

„geh möchte 35i<h etwas fragen," lifpelt baS Ißuebelanneli, „baS 
mir auf bem ^erjen ift." 

„S'iur heraus bamit, CieBfte!" 

„®elt, Tu fchaffft Tir neue ÜDfonturljofen an auf bie Hochzeit?" 

„§ab’S nidht im Sinn, beS einzigen Tages wegen! Ciebdjen, 
gehft nicht auch mit bem StotfjhöSler zur SEirdje?" 

„S'tein!" antwortet fie gereizt. 

„So lauf! Tu magft mich nicht!" 

TaS Suebelanneli löst fchludhzenb bie £janb auS ber feinen unb 
geht baS gußweglein zum |>auS hinauf. 

„Slnneli, höre! Sommft wirflich nicht, wenn ich hie rotljen §ofen 
trage ?" 


Digitized by i^ooQle 






ÄlofUr 4DUb*rg. 


179 


„SXleiu! SBenrt mir nidjt mefjr (SE)re antljun magft, fo ift’S auS 
^totfcfjen unS!" gxBt ftc Bittern ßomS surücE unb oerfdjtoinbet im 
©djatten be§ tief nieberljöngenben StrofybadjeS. 

„(Sie l)at bie Prüfung nidjt Beftanben!" fpridjt SRubi feufjenb 
im ßuriicfgeljen. 

* * 

* 

2lm näd)ften Sonntag ertlärt £>an§ 9tubi Sirdjer bor ©Ijor» 
geridjt: Um fernem Höften äuoorjuBommen, unterlief)e er ftd) Bern 
Urtljeil gegen feine £od)ter, Bebiene fic^ aBer be§ 9?ed)te3, baS bie 
<Sefe£e bem Sater eines minberjä^rigen ^inbes jutljeilen unb jerni^te 
biefe ©l)eüerfpred)ung mit bem S33etjrfi umfomefjr, ba Slnneli bemfetBen 
ganj aBgeneigt fei. Oiefe Gsrllärung wirb bem anmefenben Kläger 
gleidE) mitgetljeilt. Stuf baS befragen, oB er Begehre, bajj bie Strd)er 
nod) einmal oor (SfjrBarfeit jur ©Ije mit iljm Berebt unb im SSeige* 
rungSfaa ber 33erid)t an baS OBer*(Sf)egeruf|t ju Sern eingefanbt 
Werbe, fagt er: Sitein! unb fteljt gletdj a6 oon feinen Slnfpriidjen. 
(Daraufhin werben bie Parteien audj oom Stillftanb mieber bon 
einanber gefprodjen. OB baS SueBelannelt fpäter mit einem Blau= 
Be^oSten Mittiger Surften oor ben Slltar getreten, babon weift baS 
Ätrd)Berger ©fjorgeridjt^SDtanual leiber nidjtS gu ergäben. 

(<5$orgeri($t3 = (ßrototolt bon Straberg de dato 1761.) 

-- 



SMturliiftorifdje Silber oon gieberntmtn. 


(Einleitung. 

©ine Stunbe fübticf) oon Stjeinfelben fließt oon Oft nad) Söeft 
ber SiolenBadj. UeBer einen mäßigen §ügel, burcfj fdjattenreidjen 
SBalb füljrt ber 2ßeg bon bem alten Stöbtdjen am SRfjetn ftinüBer in 

*) Som Sßerfaffer be8 trefflichen Suche« „US Stabt unb Sanb, ©rjeUige tion 
ttarl Biebertnann", SBintert^ur, Sertag bon @ef$tbifter ^tegter, au? toel^em Wir 
im Jahrgang 1888 unferer Seitfdjrift bie fo gerne getefene SJefdjreibung bon SieiO 
uf Äarti8rue$ abe" abgebrucft haben. 


Digitized by t^ooQle 




180 


ftiojitr ©Ubfrg. 


fein ftißeS S§al. SBiefen unb Aecfer, oon SBudjen* uttb Qöhrenmäl* 
bern befranst, umgeben eine ®ircf)e unb mehrere baran anfdjliefjenbe 
©ebäube, bereu ©auart uns fofort ein Softer üerraten (affen, ma§ 
eS benn aud) bis gegen ©nbe beS «origen QahtfjunbertS mar. 

©on korben ^erabfteigenb, gelangen mir guerft §u ber SUofter* 
firc^e. ©S ift feines jener impofanten ©aumerfe, mie mir fie in ben 
SRonafterien ju ©t. ©aßen, ©infiebeln, 9tf)einau, ©ädingen 2 c. jc. 
betounbern, öiel mehr eine fefjr einfache ®orffirehe, auch im Qnnern 
ärmlich, fdjmucfloS. 2Sir merben im Verfolg unferer ©efcfjic^te geigen, 
moher bie ungetoohnte (Einfachheit biefer ©tiftSfirdje rührt. 

©üblid) fehltest fid) an baS ©otteSljauS, einen großen £>of um» 
gebenb, in beffen SRitte fich eine mächtige Cinbe erhebt, baS eigentliche 
^lofter. £ro§ ben oielen Aenberungen, melche baSfelbe feit feiner 
Aufhebung erlitten, läjjt fich bie innere ©intichtung noch siemlidj 
genau erfennen. 

Qm erften ©toeftoerf gegen ©üben befanben fich bie 3eßen ber 
Tonnen, ber öftliche Qlügel fcheint baS SRefeftorium, fomie baS 3intmer 
ber ©beritt enthalten ju hoben, im meftlidjen Qlüget mohnten bie 
Saienfcfjmeftern; £üdje, 33ab» unb 2Bafd)hauS befinben fich < m parterre. 
Aßein umfonft fudjt ber Qorfdjer nach 28apf>en, ©chni^ereien, ©laS» 
gemälben, AßeS berartige ift oerfchtounben. ®ie ©infadjheit ber ©au» 
art beS ©anjen bemeiSt, baff nach bern lebten ©ranbe, ber baS ©tift 
oerheerte unb nach ber oanbalifdjen ißlünberung burch bie ©cfjmeben, 
bie SRittel fehlten, um bie ©ebäube fo herjufteflen, mie fte jur 3 e ^t 
beS ©langes ton Olsberg gemefen fein mochten. 

Auf ber ©übfeite beS SlofterS befinbet fich am Ufer beS ©iolen» 
badjeS ber SHoftergarten, baS h e ‘ßt berjenige $£heil, ber auSfchliejjlich 
für bie Tonnen beftimmt mar. Auf einem alten, im ©tift ftd) be» 
finbenben ©emätbe fieht man auch ben Qifdjmeiher, oon SBeibenbäu» 
men umgeben, bie nothmenbige 3 ut hat jebeS ÄtofterS. dagegen finb 
je^t oon ber hohen SSRauer, bie ben Aufenthalt ber Tonnen ben pro¬ 
fanen ©liefen entzog, nur noch 9tefte übrig. SBeftlid) oott bern eigent» 
liehen ßttonafterium, aßein hoch innerhalb ber gemeinfamen Ringmauer, 
ftehen bie ©chaffnerei unb bie roeittäufigen ©efonomiegebäube, fomie 
aud), nörblid) oon ber Sl’irdje, baS ißfarrljauS. ®urd) biefen Sheil 
beS ©tifteS führt bie ©trafee oom Sorfe Olsberg nach ©iebenach, 
einft burch ein öftlidjeS unb meftlidjeS 2d)or oerfdjlieftbar, jefct ift nur , 


Digitized by 


Google 



filoßtr ©Uberg. 


181 


nodj baS Seziere ficf)tbar. SlUein auch bie Scbaffnerei, bie OeEonomie» 
gebäube finb nicht titelt rote früher, ftott ber einftigen fiebjehn giften 
ftttb eS noch acht. OaS ©anje hat einen ruinenartigen Stnftrich, ob» 
fdjon fämmtliche noch öorfjanbene ©ebäube mit SluSnaljme ber SHrdje 
beftenS unterhalten roerben. 

dagegen tierrfdjt im Oljale fclBft noch jene Stille unb ©infam» 
Eeit, bie roofjl feinerjeit ben frommen (Stiftern fo geeignet fcfjien, eine 
SBofjnung für ßeute hingubauen, rodele fern oorn ©eräufcb ber 28elt 
©ott allein bienen, fottten. Äeine anbere menfd)tiche Söoljnung finbet 
fidj im Bis hinauf nach bem eine Eieine EjalBe Stunbe entfernten 
®örfdjen Olsberg unb hinab bis jur £>älfte be§ SßegeS nach ©iebenadj, 
roo ber SBanberer eine ebenfo einfant ftefjenbe ßiegelfjütte trifft. Oie 
Strafte oon Olsberg Bis nad) ©iebenad) hinab ift roenig begangen 
nnb als mir fte an einem fdjönen ^erbfttage gingen, trafen roir oom 
SHofter bis §u bem lefjtgenannten Oorf Eeinen äßenfeften an. Oie 
lautlofe Stille roarb nur oon bem SDurmeln beS Eieinen SiolenbadjeS 
unterbrochen. 

311S roir bann im Stifte felbft oernahmen, roeldhe ScfticEfale baS» 
felbe im Saufe oon neunljunbert fahren erbulbet, muftten roir unS 
.fagen, auch nicht ein SHofter in §eloetien hat ÜlehnlidjeS erlebt. Som 
Eieinen ütnfang ftieg eS hoch an Deid)thum irbifefjer ©üter, bie ebel» 
ften gamilien beS SanbeS hielten eS für eine ©hre, toenn eine Oodjter 
Donne ju Olsberg ober gar beS StifteS 93orftef)erin roarb. 3° 
foHten ja eigentlich btoS alt abelige Dootgen aufgenommen roerben. 
Oie Deformation brachte ihm nahezu bie Slufhebung. Sränbe unb 
bie ißlünberung burch Schroeben unb SEaiferlidje zerrütteten bie ginan» 
jen, jerftörten ben Söohlftanb berart, baft bei ber roirElidjen 2tuf= 
fjebung nur noch ein Schatten beS einftigen 9teid)thumS oorhanben roar. 

OiefeS roechfeloolle Schidfal oon Olsberg beroog unS audh, beffen 
©efchichte ju fchreiben, allein roir rootlten Eeine troefene UrEunben* 
fammlung, fonbern ein lebenSOolleS S3ilb ber roidhtigften ©pochen in 
ber ©efchidjte beS Stiftes unb oerfudjten beShalb bie Ealte ©öttin 
©tio in baS ©eroanb Eulturbjiftorifer Silber ju Eteiben, ohne gegen 
baS UrEunblidje ju oerftoften. ©ute greunbe boten unS b>lf r eid;e 
#anb, fo baft roir Eüftn fagen bürfen, im Dadjfolgenben ift SlUeS 
enthalten, toaS roidjtig unb urEunblidj oon Olsberg noch oorhanben ift. 


Digitized by 



182 


ftlofUr Oieberg» 


2Bir haben uni aber auch alte Sttühe gegeben, Äleibung, SRahrung, 
Sitten unb Oenlmeife jeber ©pocf)e getreu noch Urfunben, ©hronifen 
unb alten ©emälben ju fchtlbem. SBenn baljer ^te unb ba ©tmai 
oorfommt, bai int neunzehnten Jahrljunbert auffällig erf(feinen tuürbe, 
fo Bitten mir ju Bebenfen, bafj ber SRafsftaB unferer 3rit meber an 
bai zehnte noch fecfjizeftnte Jahrljunbert gelegt merben barf, oBfdjon 
tuir uni Bemühten, bai allzu ©teile zu termeiben. Sßir tertueifen 
bie ßweifler auf bie Oueßen, aui benen mir fdjöpften. OiefelBen 
ftnb: ©rimm’i fRedjtialterthümer; ©ffefjarb, ©hronif °on St. ©aßen; 
Jeliy |jämmerlin’i Schriften; Stumpfi Schmeizerdjronif; Ulrich öon 
^utten’i Schriften; ©efdjichte bei SUofteri OliBerg, gefchrieBen auf 
^Begehren ber SleBtiffin ton OliBerg, Katharina ton ^eriBerg; ©gli'i 
Urfunbenfammlung; ©efchichte bei Stiftei OliBerg, gefchrieBen ton 
§errn Stänberath Sirmann; Sailer Jahrbücher; Urfunbenfammlung 
bei £»errn ißrof. Sooi. Sefonbere Oueßen finben fiel) an ben geeig* 
neten Orten angegeben. Oie genaue SEenntnijj ber Siegeln bei ©ifter* 
Zienferorbeni terbanfen mir einer ehemaligen Sionne bei Slofter 
©nabenthal an ber Sieug, beren merthe Sefanntfcfjaft mir tor tierzig 
Jahren zu machen bie ©hre h otten - Oie Sefd)rei6ung ber UeBerrefte 
einer römifchen Sißa oberhalb bei SUofteri unb ber alemannifd)en 
SieihengräBer hart Bei ber Kirche theilte uni ein lieber Jreunb unb 
Sllterthumiforfcher mit. 


I. 

3>tc Römerin uub ber Jtlemauue. 

9iad)bem Juliui ©nfar bie feltifcfjen Stämme, bie er zuerft ,,$ef» 
tetier" nennt, im Jahr 58 t. ©hrifto ^ei SiBracte Befiegt hatte, legten 
bie fRörner längi bei füheini, ton Safel Bii nach Sihütien hiuauf, 
Jeftungen an, aui benen im Cauf ber 3eit grofee, tolfreidje Stäbte 
mürben, ©ine foldje mar auch Slugufta fRauracorum. Unzählige 
Junbe ton 3i e 9 e ^ n / ßRauerreften, SRünzen k. mürben fdhon bem 
Orümmerfelb ringi um bai Oorf ülugft Bii nadh SHficinfclbert hümuf, 
nach 33afel hinab, enthoben. Sie Bezeugen bie ©röjje, ben fReidjthum 
ber Stömerftabt, mährenb ringium mohlgeeignete *ßlä§e ton Veteranen 
mit ßanbhäufern geziert mürben. 



Digitized by t^ooQle 



Äloper ©i*b*rfl. 


183 


Sine Eteine ©tunbe f üb ließ oon 9R^einfeIbert fließt oon Oft nad) 
SEBeft ber SBiolenbadj in einem oon fünften Slbßängen eingefdjloffenen 
thäldjen. £)ier, oor ben rauben üftorbminben gefdjü^t, in unmittel¬ 
barer Stöße frifdjer Oueßen, erbaute ftcfi 8. EJ3. gaguS eine 93ißa unb 
gtoang mit rauher §anb bie utnmohnenben Gelten, ißm fein 8anb 
gu bebauen, ©ein ©ut »ererbte ftcfj auf ©ohne, ©nEet unb Urentel. 
gaft brei gaßrhunberte E)inburc^ beherrfdjte bie gamilie gaguS baS 
ftiCte thal, auS ben CeEtifdjen tagelöhnern mären mit ber 3«t ©Elaoen 
gemorben. 

SltS aber baS 9tömerreich feinem galt entgegeneilte, bie germani* 
fcßen SSöifer mehrmals ben SR^ein Übertritten, fand auch ein ate= 
mannifcher Häuptling ben 2Beg gu ber 33itta am 33iolenbach- Oer 
©itte feinet SMEeS gemäß, ftürmte er mit feinem ©efolge gegen baS 
©e^öfte heran, eS gu plünberu, ben gtammcn gu übergeben, ©tatt 
ber Pfeile unb SBurffpeere ber Semoßner trat ihm eine Jungfrau 
entgegen, mie fie fdjöner ber Stlemanne noch nie gefehen. 33on hoher 
©eftalt, trug baS eble Slntltß ben SluSbrucE h c h ren ©ntfteS unb tiefer 
trauer, oereint mit jungfräulicher Schüchternheit. ^h r S oar floß 
als SBemeiS ihrer gungfraufdjaft in reichen SBeßen bis faft gu ben 
Sfriieen nieber. ©in fchmaler *ßurpurftreif hinderte eS, baS reine Oöaf 
beS 9lntli§cS gu oerljüßen. ©ine dreifache Klette echter perlen umgab 
ben ©chmanenhalS. ßücßtig oerßüßte baS fchneemeiße Sinnenljemb 
bie f)errlicf>e SBüfte, ohne baß baS faltige Obertleib oon meißem SBoß* 
ftoff bie formen beS SEörperS gänglich oerbarg. Oer Ooße, natfte 
2lrnt mar mit ©olbfpangen gegiert; ben Et einen, bloßen guß fdjüßten 
©anbalen oon rothem 8eber, mit ©treifen oon Purpur befeftigt; ben 
8eib umfcßtoß ber reichgefticEte ©ürtet. 

UnmißEürtich hielt ber mit einer thierhaut beEteibete, fonft halb 
nacEte Sllemamte fein ißferb an, minEte dem ©efolge, gu halten unb 
betrachtete ftaunenb bie ©öttergeftatt, bie ruhig auf ihn gufchritt. 

28ar baS moht grigga, bie todjter giorgpnS, bie gmeite ©e* 
mahlin ObinS? 2Sar es Stanna, 33alberS, beS ©traßtenben, geliebte 
©attin? SEBar eS eine SöalEüre, bie Eam, i(jn, ben gelben, abguholen 
in ObinS '»ßalaft, mo bie .öelbett fdhmaufen unb bann mieber fich Oer» 
fuchen im Stampf mit ©djmert und Sange? ©in heiliger ©djauer ergriff 
ihn. ©r moßte abfteigen, bie SimmelSgeftalt ehrerbietig begrüßen. 


Digitized by 


Google 





184 


Oodj ehe er ficf) recfet befonnen, ftonb fte oor ihm, fan! auf bie 
Stniee, hob ba§ thränenfeucfete Sluge ju ilpn empor unb flehte mit 
gefalteten ^jänben: 

„Gebier |jelb, oor Oir Eniet Olpmpia, Xodjter be§ Julius gagus, 
unb fleht nicfit um ihr Ceben, nur um (Schonung ihrer (££)re. ®ort 
brinnen im £>aufe liegen Sater unb Sruber, ber Gerfte tobt, ber 
gweite fterbenb an ben SEÖunben, bie fie im Sampf mit ben Kriegern 
OeineS 33 otfe§ erhalten. Oöbte micf), bring micf) deinen ©öttem gum 
Opfer, nur erniebrige micf) nicfit gut elenben (SElaoin." 

3Wit wedjfelnben ©efüf)len hörte ihr ber Sllemanne gu. Oie 
<ScE)önf)ett ber Sittenben entgütft ifjn, fein mußte fie werben; bod) 
gefiel iljm, bem $rieg§helb, ihre Sitte, nicht ihr Ceben, nur ihre jung> 
fräulidhe Gehre 3 U fronen, Ger fprang Oom ißferb unb fagte Eurg: 

„Summ, führe mich in ba§ fpauS." 

„©erne/' entgeguete fie ohne aufguftehen, „nur gewähre erft 
meine Sitte." 

„(Darüber reben wir nachher, erft mufe ich |eh en / ob Ou bie 
SBahrheit fprichft. SDJeine ©efangene bift Ou, wa§ ich nachher tljue, 
weif; ich jefct noch nicht." 

9)?it Slifceäfdjnelle 30 g fie einen feingefchfiffenen Oold) au§ bem 
©cwanbe, fich felbft gu tobten; allein ebenfo rafd) ^otte ber Sllemanne 
ihren 9lrm gepacft, brucfte ihr $anbgelenf gufammen, baß fie laut 
auffchrie unb ben Oolcf) fallen liefe. 

„Ou gefäUft mir nicht übel," lachte er, „®u Ijoft wenigftenS 
3D?uth-" Gernfter fuhr er fort: „Olpmpia, wenn e3 ift, wie Ou fagft, 
wenn ber Sater tobt, ber Sruber fterbenb ift, fo gelobe ich ®ir bei 
SJoban unb Dfjor, (Deine ©hre folt gefdjont werben." 

„Unb (Du wirft (Dein Söort halten als .pelb?" 

„Siemanb hot je an meinem SBort gegweifelt", entgegnete ftolg 
ber Sllemanne. 

Olpmpia’S tl)ränenoolles Sluge banfte bem Sllemannen für feine 
©üte. 9?uhig ging fie woran, bie Krieger folgten. (Durch ein ge= 
wölbteS Sh°r traten fie in einen fpof, mit (Steinen gepflaftert, rechts 
unb linfS ftanben (Scheunen unb (Stallungen, Oor ihnen erhob fich öo§ 
£>auS. Ourd) eine 3d)üte famen fie bireft in bas SBohngimmer, ber 
Soben beftanb aus 9Kofaif, an ben Sßänben befanben fich niebrige 
Setten, auf benen bie (Speifenben liegenb ba§ SDIaht genoffen, ba§ auf 



Digitized by 


Google 



‘filofbr ®lsb*rg* 


185 


bem Sifd) in ber 2Ritte aufgetragen tourbe. ©ine toeitere 2f)üte 
führte rerfjtä in bie ©emädher ber grauen, bie mit einem Suyuß auß= 
gerüftet maren, mie i()n ber Sllemanne noch nie gefeljen. Sie Setten 
mären mit Sorljängen umgeben, ber Soben mit foftbaren Seppidfjen 
Belegt, auf bem SBafdjtifdj mit äRarmorptatte ftanben Süchfen unb 
^iolen mit all ben ©ffengen unb ißommaben gefüllt, meiere bie reiche 
^Römerin für ihre Toilette unentbehrlich Ijielt, ber große (Spiegel oon 
2RetaH, ben bie ©Elaoin ber £>errin oorgufjalten pflegte, fehlte nicht, 
ebenfomenig ber Seuchter, ber an einer Sette oon Sronge oon ber 
Seele hing. Unmittelbar neben ben grauengemädjern mar baß Sab, 
ein Saffin oon jurafftfehent SRarntor, in bem bequem oier ißerfonen 
ißla£ fanben. Ratten bie Srieger baß SBaffer genau beobachtet, fte 
hätten gefe^en, mie baßfetbe burd) ein feineß Sieb im Soben herauf» 
ftieg unb oben burdj bünne tRöffren abfloß, ©benfo unbefannt blieb 
ihnen bie unterirbifdje Neigung, bie fRöljren, bie in ben SRauern bie 
Söärnte ben gimmertoänben mittheilten. Sluß bem Sabeljauß traten 
fte in bie Südfe, beren EunftooUer §erb fomohl als baß oiefe Südjen* 
gefchirr, tl)eil§ oon S^ort, tljeilß oon 9RetaH, bie Stufmerlfamleit ber 
Sllemannen mehr auf ftd) gog, atß bie 2Ralereien an ben SSänben 
ber ßiutmer. Sluß ber Sit<he führte Olpmpia bie ungebetenen ©äfte 
über einen gmeiten £>of in ben anbern glüget beß |>aufeß, in ein 
gimmer, baß nur ein Sorgemach gu fein feßien. 2Rit flehenben Slicfen 
fah fte ben Häuptling an unb beutete auf eine gtoeite Stjüre. ©r 
oerftanb fte unb minlte bem ©efolge, ftehen gu bleiben, trat bann 
mit ber ^Römerin ein. Saß große ©ernad) hatte ebenfallß einen 
ÜRofailboben, bie SBänbe maren mehrere guß hoch mit glatten oon 
SRarmor belleibet, mit ben giguren beß 9Rarß, 9Rerfurß, beß ißieuß, 
ber ©ereß, ißaleß unb Senuß gefchmücft. Sittlß unb rechtß ftanben 
grnei Setten, oorn ein Heiner Slltar, auf bem bie Saren beß £jaufeß 
aufgefteHt maren. 

SlUein hier herrfdjte bie peinliche Orbnung unb 3?einlchleit nicht, 
mie in ben anbern gimntern. Ser Soben mar mit Slut beflecft, 
gmei römifche £>etme, Süraffe, ©cßilbe, ©eßmerter unb Sleibungß» 
ftücfe lagen gerftreut umher, maren mit Slut unb ©rbe befcfjmußt. 
Stuf bem Sette gur Rechten lag fteif unb ftarr bie Seiche eineß SRanneß, 
beffen blutgetränfteß £>aar bereitß ergraut mar. ©in fürchterlicher 
§ieb hotte baß ebelgeformte §aupt gefpalten. Stuf bem Säger gur 


Digitized by 


Google 




186 


filofttr QDUbtrg. 


Sinfen ruhte unter ber ißurpurbede ein Jüngling, mit bem Sobe 
ringenb, baS blaffe £>aupt mit einer SBinbe umwunben, unter melier 
ber rotlje ©aft beS SebenS ^eroorfirferte. SllS ber ©chweröermunbete 
bie ©djtoefter, ben Alemannen eintreten ^örte, blidte er erft ben 
gfeinb, bann bie ©djwefter an. 

Olympia fiel neben bem SBette beS SruberS nieber, ifjre Jljränen 
fJoffen ftrommeife, fie fafete bie fcfjon talte £>anb unb fdjludföte hatbieife. 

„Sefta £)at meine Sitte erhört, er mirb meiner fdfonen." 

Ser Serwunbetc banfte bem Häuptling mit einem oielfagcnben 
Slid. Socfe biefer, erffüttert burd) bie fdjauerliche Umgebung, trat 
näher an baS Säger beS SJönterS. ©r, ber ben Sob in ber ©d)lacf)t 
in fjunbertfacber ©eftalt gefeffen, nie gefreut §atte, füllte fid) tief 
bewegt bei bem Slnblicf 'biefer 2J?änner, welche 23oban bereits bem 
Seben entrücft, ober bodj mit fefter §anb erfaßt f)ielt. Sie ©title 
beS ©rabeS, bie ^ier ^errfcbte, bänbigte fein milbeS ©emütf). 

„Sruber," fprad) er, bie Otedjte beS ©terbenben in ber feinen,, 
„gehe rubig ein in 3Salf)aüa. Qd) werbe Seine ©djmefter fcfeügen 
unb fdjirmen, ihre ©h re f°ü mir fettig fein. Slbalrid) bot fein Söort 
noch nie gebrochen." 

©leicb als lösten biefe tröftenben Söorte ben Sann, ber bie ©eete 
beS StömerS nodj auf ©rben äurüdhielt, fcf)loffen fid) beffen Slugen, 
bie ©lieber erftarrten, — fie mar entflohen, ob nach SJBalhaUa ober 
in baS 9teic£) beS ißtuto unb ber ißroferpina? 23er weife eS?- 

9J?it einem lauten Stuffdfrei warf fid) Dtpmpia auf bie Ceidje 
beS geliebten SruberS, tüfete bie erblafete Sippe unb befeuchtete baS- 
blaffe Slntlife mit ihren Sbränen. Stbalridj liefe fie eine ßeitlang 
weinen. Sann fafete er ihre §anb unb fprach mit fanfter ©timme: 

„Safe jefet bie Sobten ruhen, in SBalhatla werben fie wieber 
auferftehen, mit anbern gelben an ber Safel DbinS fcfemaufen unb 
fid) üben im Söaffenfpiel. £ontm jefet unb weife meinen Kriegern 
bie Sorrätlje beS .fpaufeS, benn wenn ich bir audh ©dfufe unb ©d)irm 
Oerfprochen, meine Seute begehren Nahrung unb Seute, wahrlich 
Seine SanbSleute hoben unS ben ©ieg nicht leicht gemacht. SRufe 
Seine Siener unb äftägbe, bafe fie ein 3J?ahl für unS bereiten.“ 

,,§err/' wollte Olpmpia entgegnen, allein ber Stlemanne unter* 
brach fee rafd). 


Digitized by i^ooQle 



•Hlöfter Oieberg. 


187 


„Sienne tntdj nicht $err, ba§ tüiH idj nicht fein, fonbem Stbolrid^, 
©ruber, mie idj e§ gelobt ffabe, gu fein." 

„Sllfo Slbalrid)," fpracb fie burd) Sbtänen tädjelnb, „xd) höbe 
meber Siener nod) SDtügbe. ©orgeftern gogen ©ater unb ©ruber 
gegen Seine SanbSleute gu gelbe, ©eftem brachten bie Unechte fie 
tobt unb fd)mer oermunbet gurürf, bann flogen bie elenben ©Hatten 
unb liefen mid) allein gurürf." 

„Sie 2^oren, mir hätten ihnen nichts getban, wir Eämpfen nur 
mit Sriegcm, nitbt mit SBeibern unb ©Elaoen. Sod) fdfabet biefj 
rnenig. ©Reifen, ©ieb unb grüdfte ftnb bocb gemift ba." 

„gm Ueberftujj, Slbatrid)." 

„Sotitm unb geige mir 9tHe§." 

©ine ©tunbe fpäter fdbmauSten bie ©ieger nadb £jergen§luft, 
gleifdj, ©emüfe unb felbft SBein mar genügenb öorbanben. 

„SBirft Su mich bie lobten beerbigen laffen, ebe Su meiter 
jiebft," fragte Olympia ihren neuen ©ruber, als ber Slbenb nabte. 

„Sa3 ift unfere ©adje, Olympia," entgegnete er. „©ebe Su 
nun rubig gu SBett, fdjlafe fanft, Sein ©ruber mirb Sieb bemadben.. 
SJtorgen beforgen mir ba§ Stötbige." 

©ie bot ibm bie §anb, bie er fanft brücfte, bann begab fie ficb 
gur 3^ub e un & fcfjtief lange, ermattet oon ben erftbütternben ©emütbä» 
bemegungen ber tiorbergegangenen Sage. 

grüb am fotgenben SJiorgen fcfjleppten bie Sitemannen auf ba§ 
©ebeifj ihres» gübrerg gidjtenftämme au§ bem naben SBalb Ejerbei, 
erbauten einen hoben |)olgftof 3 , ben fie mit bem im |jaufe befmbtidjen 
trocfenen §o(g auSfäHten. SOtit §ilfe 9Ebalrirf)§ b atte Obntpia, in 
Sbtänen gerfliejjenb, bie Sobten in meifte Sinnen gehüllt. Sie Krieger 
trugen fie auf ben ©djeiterbaufen. Slbalrid) nahm bie brennenbe 
garfei, rief SBoban unb Sb or an, bann loberte bie gtamme gen 
§immel unb nach einer ©tunbe mar tion bem 9tömer guliu§ gagu§, 
feinem ©obn (£urtiu§, nidjt§ übrig all ein Häuflein Slfrfie. 

Slbalridb b atte nit^t geftattet, bafe Öttjmpia bem traurigen 

©d)aufpiet gufab, ebenfomenig burfte fie bem ©cbmaufe beimobnen, 
ben bie Sllemannen gur geier ber Sobten biegen, ©ie rnufjte im 
§aufe bleiben, ©ie fab e§ aud) nicht, al§ ein ©ote auf fdjmeifc 
triefenbem Stoffe anfam, bem £jäu))tling eine Stactjricbt brachte, bie er 
fofort ben Kriegern mittbeilte unb bann ba§ Stötbige anorbnete. Sie 


Digitized by 


Google 



188 


ÄiofUr Olsberg. 


oorljanbene £>eerbe mürbe urtdergüglicf) meggetrieben unb toä^renb Stbal» 
rieh fid^ p Olympia Begab, alle ©orrät^e geptünbert. 

„Olpmpia," fprarf) Slbalridj, „idf tnu§ fort p unfernt §eere. 
Qd) fjabe Sir getobt, Sein 33ruber p fein, anerbiete Sir (Schirm 
unb ©cffu^, fo Su mit mir sieben roiffft. Qd) »UI aber audj offen 
gegen Sief) fein. Seine CanbSleute ftetlen fidf p einer neuen ©dflacht. 
Ob fie, ob mir ftegen, miffen bie ©ötter. SBiUft Su hier bleiben, ben 
SluSgang ^ier abmarten, fo fjaft Su Seinen freien SBiHen, nur baS 
-bemerte ict) Sir, fiegen mir, fo ift eS nirfjt gemifj, bafj ich mieber 
hierher tontme. bin ber getbfjerr nicht, bann Sir auch nicht 
helfen, menn Slachpgler f)io* burchpffen, Sich als ©efangene mit» 
f cf) toppen." 

„Unb menn ich mit Sir phe?" entgegnete fie nach einigem 
23efinnen. 

„@o bift Su ficfjerer als in ber 33urg Seines StaiferS," lautete 
bie ftotje Stntmort. 

SBaS fottte fie thun.? SaS Canb mimntelte oon feinblidhen Kriegern, 
höchft uttgemiß mar ber (Sieg ihrer CanbSleute. ©ie ftanb allein, 
ohne Siener, ohne $ilfe, in einem leeren frnufe, abgefchnitten tion 
,jeher römifchen Sflieberlaffung. Ser Stlemanne ^atte fich als ebler 
Sftenfch ermiefen. Qn feiner §ut mar fie ficher, baS mar gemtfs; ob 
Stnbere ebenfo hanbeln mürben, höchft unmahrfcheinlich. 

„Slbalridj," fprach fie entfchloffen. „Qcfj begleite Sich." 

Ohne meiter ein SBort p fagen, befahl er, ein gebulbigeS $ferb 
herbeipbringen. ©ie eilte, ihren ©d)tnucf in einen ©acf p pacfen, 
ben fie mit auf baS ißferb nahm. SlUein ehe fie fidj auf baSfelbe 
heben lief;, übergab fie Slbalridj einen ferneren SSeutcl oolt römifcf)er 
©ilbermünjen. 

„CSS ift SlHeS, maS ber fßater an ©elb befaß, benn er hotte bie 
biefjjäfjrige Gmtte noch nicht oerfauft." 

Slbalridj nahm ben SBeutel unb marf ihn feinen Kriegern ju. 

„Sheilt eS im grieben," rief er. 

QSrftaunt fah ihn Olpmpia an. Sädjetnb fagte er: 

„Qcf) h°be baS @d)örtfte erbeutet, eine ebenfo fchöne als muthige 
©djmefter. SaS Stnbere laffe ich mit g-reuben meinen ©efellen." 

Sin feiner ©eite ritt fie nun ben Slbljang hinan, burch ben gorft, 
welcher ben 33erg Bebeeft, ber jmifdjen bem S3iotenbadj unb bem SRIjoine 



Digitized by 


Google 



‘fUoßer ©Uberg. 


189 - 


liegt. 9118 bie gurüdgeblieBenen Berechneten/ Beibe mochten im bidjten 
SSalbe fein, legten fte geuer in Scheune unb Stallung unb maS baS 
entfeffelte ©tement nicht frafj, gerftörten fie fo grünblich, bafe nur 
ein Schutthaufen bie Stelle Begegnete, mo bie 3SiUa geftanben. ©rft 
fechSgehnljunbert Igahre fpäter entbecfte man bie ©runbmauern mieber. 
Brucifftüde bon giegeln unb Hetgtöhren, einige SQtüngen Beurfunbeten, 
bafe Bei Olsberg einft eine römifche Stieberlaffung mar. 

$n 9llemannien. 

®aS Heer ber 9ltemannen marb mirflich, menn auch nicht ge* 
fdflagen, boch gurüdgebrängt unb ging mieber über ben SR^ein in feine 
alten Sßoljnfi^e in ben Sthälern unb Schluchten beS SchmargmalbeS. 
Sftit rüfjrenber Sorgfalt hatte Slbalrich bie Jungfrau, bie fich ihm 
anoertraut, üor feber Unbill Bemahrt. Sie hatte feinen Statlj Befolgt, 
unb um jebeS 9luffehen gu bermeiben, bie Slleibung eines ademanni« 
fdjen SJtäbchenS angenommen. CDiefe mar nun allerbtngS fo einfach 
mie möglich, ©in Stod auS Sinnen, ber bon ber Bruft bis unter' 
bie Shtie reichte, bon einem ©ürtel gehalten mürbe, ©in moHener 
SJtantel, in ben fie fich Bei fehlerem ober laltem SBetter hüllte. Qh ren 
SchmucE Behielt fte Bei, benn auch bie 9lüemannentochter trug feljr 
lünftlich gearbeitete HatS!etten, 9lrntfpangen, f)anb= unb guffringe, 
menn auch mehr auS Bronge als bon ©olb unb Silber. Olpmpia 
lieh eS fich gerne gefallen, bafj 9lbalrich ihr ebenfalls Stinqe um 
bie Knöchel legte. Stad) einem langen SBtarfche, beffen SJtühfeligleiten 
bie Jungfrau, ®an! ber Sorgfalt ihres Begleiters, nur in geringem 
SJfofce etnpfunbert, langte bie Schaar, beren giihter Slbalrich mar, im 
Shale an, burch melcheS bie Stagolb bem Stedar guflieftt. $n einem 
fhönen BMefentljal, non bunleln gorften umgeben, ftanb baS ftattliche 
HolghauS beS Häuptlings, bon einem ©raben unb Eunftlofen 2Batt 
umgeben. CinlS unb rechts am ©alle ftanben neu auS Ballen er* 
richtete Stallungen, baneBeti grojje, mächtige HeufdjoBer, SBinterbor* 
rath für bie zahlreiche Heerbe. ®a3 SBohnhauS, gang auS Holg erfteHt, 
beftanb auS einer Süclje, in ber ein großer Herb faft ein Biertheil 
beS StaumeS einnahm. ü)ie Seffel gurn Wochen hmg en an Setten, 
ebenfo mächtige gleifchftüde gum Oörren. ®a§ einfache ©efchirr mar 
bon Shon unb Holg. kräftige SDtägbe, mehr als halb nadt, matteten 
in biefem Staunte. ©inen Schornftein gab eS nicht, ber Stauch fudfte 


Digitized by Google 



190 «lo|Ur ©l»b(rg. ____ 

fidj einen 2luSweg, wo er motzte. Unmittelbar neben ber Küche war 
iie 'SöoEjnftube. ©in roher eigener !£ifch, gleichartige 33änEe, bilbeten 
baS ganje Mobiliar. 9tn ben SBänben prangten mächtige ©eWeilje 
öom $irfch unb ©lenn, beftimmt, Kleiber unb SBaffen baran aufju- 
hängen. 2lu3 ber «Stube trat man in bie Kammer, worin ba§ grofje 
SBett ber ©heleute ftanb, ein hölgerneS ©efteH, barauf ein Stroh* unb 
ein SBollfacE, jwei SBoltEiffen, SöoHbecfen unb gelle oon S3ären für 
ben SBinter. (Sin Sifdjchen, jwei runbe Stühle oollenbeten ba§ 90to* 
biliar, lieber biefer Kammer war eine jweite, bie jwei Heinere 93etten 
enthielt. Stuf ber anbern Seite ber Küche war ber Keller, fo lang 
al§ baS §auS tief war unb einige jeffn gufj tief auSgegraben. 9luf 
leiterartiger Xreppe ftieg man in ben oberen StocE, wo bie SDtägbe 
auf SßoHbecfen am SBoben fchliefen. 

SDtit SBeljmuth gebaute Olpmpia beS Oätertichen |)aufeS, mit 
feiner bequemen, gegen biefer fp er Eoftbaren (Sinrichtung; allein fte 
Eämpfte ihre ©efüijle mutljig nieber. (Sine offen auSgefprochene 93er= 
gleich ung hätte ben treuen Schüler beteibigen müffen, ber jte mit ben 
freunblidjen SBorten einführte: 

„Sei wiHEommen, Olpmpia, in bem £jaufe meiner Sßäter." 

StlS fte bann an feiner $anb in bie Stube trat, bie Schlaf» 
fammer befidftigte, fragte fte oerwunbert: „Slbatridj, wohnft üDu allein 
hier, wo ift $eine gamilie?" — Sie hatte nämlich auf ber gangen 
Steife nie Gelegenheit gehabt, mit ihm über feine gamilienoerhältniffe 
gu fprechen. ®aß er nicht oerheirathet fei, wufjte fte, glaubte aber, 
bie Qrltern feien noch am Ceben. 

„33ater unb SDtutter ftnb längft tobt," entgegnete er auf ihre 
grage, „einen SBruber höbe ich nicht unb bie Schwerem ftnb tierhei» 
rathet." 

„3Bie, ®u lebft gang allein, nur mit Knechten unb SDtägben?" 

„ga wohl, aUerbingS hatte ich im <Sinne, mich nach bem Kriege 
nach einer ©attin umgufeljen, je§t tljue ich eS nicht mehr." 

„SBarum nicht?" fragte fte unbebacht. 

„SSBeil ich je§t in CDir eine Schweflet höbe, bie mich uie mehr 
«er taff eit wirb," entgegnete er fo gärtlidj, bafj fte ihn wohl oerflanb 
unb hotheirbthenb bie Stugen nieberfchtug. 

©r hob ihr baS Kinn in bie §>öf»e unb fah if)t forfchenb in bie 
Slugen. Sie Eämpfte eine SsBeile mit fid) fetbft, ÜJanEbarEeit unb jung* 


Digitized by i^ooQle 



filojler Oieberg. 


191 


fräulidje 3 ur ücf§Qltuttg ftritten in ihrem $nnern. Die (Srftere, oljne* 
hin mehr als bloßes DanEgefüljl, fiegte. ißurput übergoß tfyr fdjöneS 
©efidjt, at§ fte nun teife fagte: 

„StbatridE», Du [jaft Dein 3Bort treu unb reblidj gehalten, t)aft 
rnidj befdjirmt unb Befdjütjt, Beffer als eS ein ©ruber je get^an. Un* 
redjt märe eS non mir, '©eine treue Siebe nicht ju ermibern. Sitter- 
bingS ift bie Drauerjeit um 33ater unb ©ruber nodj nicht öerfloffen; 
allein eS märe aud) nicht frf)i(ffit^, mollte bie Jungfrau allein neben 
bem jungen Spanne leben; einen anbern Stufenthalt mähten Eann unb 
mag idj auch nicht. Qft eS alfo 3)ein SBunfdj, fo nimm mich l)in, 
id) merbe Dir eine treue ©attin fein bis an Dein ©rab." 

©türmifd) preßte er fie an feine ©ruft, bebecfte ihren SÖtunb mit 
SEüffen unb rief enblidj: 

„23a§ fagte id) nicht, als mir bon Deines ©aterS H au§ megjogen, 
ich ba§ ©elb ben ©efährten gab. Qd) habe baS ©dhönfte erbeutet!" 

„Stlfo badjteft Du hamalS fdjon, ich müffe bie peinige merben?" 

©r antmortete nicht, führte fte hinaus in ben Hof, mo fein $ift* 
horn Unechte unb SJtägbe jufammenrief, benen er Olympia als feine 
©attin unb ihre Herrin borftellte. 

* * 

* 

ßwanjig Qaf)re maven bem ©hepaar in feltenem ©lücE baljinge* 
fdhmunben. ßmei @öf)ne, je§t Eräftige Jünglinge, unb oier h°^ e 
Pächter, ber Sttutter ©benbilb, hatte Olpmpia bem lieben ©atten ge» 
fdjenft. Da erfcholl non Steuern ber SEriegSruf. DaS ©olE ber Slle» 
mannen hotte fid) fo oermehrt, baß baS rauhe ©ebirge jmifdjen Sttjein, 
Donau unb SJtain nicht mehr f)inreid)te, bie Stenge ju ernähren, 
ßubern brängten im Storben unb Often anbere ©tämme ber ©er» 
manen, im ©üben bagegen minEte baS Sanb, baS bie Stömer ben 
Gelten abgerungen. 9?om§ 9Dtad)t aber fanE oon Qatjr §u $afjr burch 
bie SEämpfe im Innern. Stauin hotten bie Segionen einen Äaifer 
ermählt, fo marb er Oon Slnbertt geftürjt, meift ermorbet. Oft ber» 
mochte bie Stachridjt oon ber 2Ba£)t eines neuen Oberhauptes bie 
©renjen nicht §u erreichen, bis ein Slnberer ben Dhron einnahm. Dieß 
mußten bie dürften ber Sllemannen, beriefen bie Häuptlinge. Der 
SluSjug marb befdjloffen. Sticht btoS Srieger, fonbern ber größte 
Dljeil beS ©olEeS, mit SCßeib unb Sinb, Hobe unb Heerbe fottte auS» 


Digitized by 


Google 



192 


filofter ©Uberg. 


wanbem, ftch in ben eroberten Sänbereien feftfefcen, römifd)e SBieber» 
eroberungen unmöglich machen. 

91(8 9lbalricfj au8 ber 33erfamntlung heintfam, ben 33efcf|tufe ber 
Häupter be8 93olEe8 ben ©einen mitt^eilte, falj er bie ©attin fragenb 
an. @ie faßte feine §anb unb fpracf) mit fefter ©timme: 

„9lbatrich, heute &iu ich eine 9llemannin, folge ®ir mit greuben, 
felbft in ©chladjt unb ©ob, wie e8 bie grauen nnferer Station ge» 
wohnt finb. ga, ich gefte^e ®ir, ich oertaffe biefe rauhe, wilbe ©egenb 
nicht ungern, wenn ®u mir erhalten bleibft." 

©r preßte fie an feine 93ruft. ©ann fragte er järtfidj: 

„Unb wenn ich nrir al8 Häuptling in bem eroberten Sanbe jene 
©egenb jum ©igenthunt au8wählen würbe, wo bie 2ßiege meiner 
Olpmpia ftanb. 2Bie bann?" 

„©ann, 9lbalrich," entgegnete fie mit feuchtem 9luge, „bann 
würbe ich mich unenblicf) glücflich fühlen. Sßoljl weife ich jo, bafe 
meine8 9Sater8 H°u8 nicht mehr ejciftirt, ©u h a ft e8 mir felbft ge» 
fagt unb hätten ©eine Krieger e8 nicht jerftört, 9lnbere hätten e8 
gethon, mehr al8 fie, bie mir heilige ©tütte entweiht, ©ennocfe ift 
unb bleibt jene8 fülle ©hol meine fpeimattj, in welcher ich gerne mein 
©rab finben möchte." 

©ine ftumme Umarmung War feine 9lntwort. 

©leid) einem ungeheuren ©trom, ber 9lHe§ mitreifet, oerfchlingt, 
WaS feinen gewaltigen Sauf ju hemmen üerfucfet, iibcrfcfewemmte baS 
Heer ber 9l(emannen ba8 unglüdlidje fpcloetien. 9Som SBobenfee bi8 
hinab nach Safel, oon ©onftanjia bis nach 9lugufta Stauracorum 
gingen @<haaren ber wilben Krieger über ben Stljein, gefolgt oon 
2Beib unb Sinb unb beerben, 9lHe§ oor fich h er nieberwerfenb. ©ie 
Cegionen flohen, ihnen nach bie Bewohner ber ©täbte unb 33t(len, 
nur SBentge blieben jurücf. Stahe^u fünfhunbert galjre hotte ber 
Körner ^eloetien beherrfcht, bann nahm ber 9lHemanne 93efi§ oon 
bem Sanbe, oont 93obenfee bis hinein in ba8 Hochgebirge unb hinab 
bis er am gura ben SSurgunbionen begegnete. ge£t madhte ber ©tront 
Halt, eS war genug 9taum ba für bie 9lu8gewanberten. 

SEaurn hotten bie gürften ba8 ©roberte unter bie Häuptlinge 
oertheilt, fo erfd)ott bie 9lyt in ben gorften am 33iolenbad) unb ehe 
be8 3Binter8 SJiacht hereinbrach, Wohnte 9lbalrich mit feiner gamilie, 
Unechten unb Sttägben, im ftattlicfeen H°4§ou8 nahe ber Ouede. 


Digitized by Google 




filofler ©Itberg. 


193 


'Sädjelnb t)örte ißm Olympia gu, als er feinen Ceuten befahl, feinen 
Söoßnfilj Olßmpiaäberc gu nennen, ber ©attin gu ©ßren. SBie freute 
fie ftcß, auf ben beEannten gluren ä 1 * toanbeln, ben Äinbern gu geigen, 
wo be§ ©roßoaterS §au3, §of unb ©arten geftanben, wo fie al§ 
finb gezielt unb wo ber 33ater fie gefunben. Fodj mancßeä gaßr 
lebte fie in ftiHem ©fücE, faß ficß umgeben oon einem Streik bfüßenber 
fiinber unb ftößlicßer ©nEel unb al§ enbticf) ber Stob fie abrief in bie 
ewige £>eimatß, legten ißr bie Stinber ißren ©djmudf an unb fenften 
fte in ba§ ©teingrab neben bem oorangegangenen ©atten unb fo lange 
bie 23ewoßner tion Oft)mpia3berc gu Söoban unb Stßor, gu greia beteten, 
fegten fie ißre lobten in bie Feiße neben ©tammonter unb ©tarntw 
mutter. 9Feßr al§ taufenb gaßre fpäter fanben 2fltertßum§forfcßer 
bie Felsengräber. 


U. 

gfjabatoß }tt Jtugft. 

günf gaßrßunberte finb abgerolft oon bem nimmer raftenben 
Fab ber geit, feit ber üllentanne Slbalricß mit feiner ©attin Ofßmpia 
fic£> nteberfieß an ben Oueffen be§ 33toIenbacße§. Sfu§ bem einfamen 
©eßöfte ift ein SDörfcßen geworben, ber Farne be§ .fpofe§ OlßmpiaS» 
berc in Ofinfperc oerwanbeit. Für in ber ©age Eennt ba§ 33ofE bie 
©rünber ber afentannifcßen §eimftätte, benn große ©reigniffe ßaben 
ba§ 2lnbenEen an biefefben oerwifdjt. Fonts SFacßt ift oernicßtet, auf 
bem Stßrone ber ©äfaren fi§t ein ©tattßafter beffen, ber auf ©rben 
nidjt fo oief befaß, um fein .jpaupt barauf fegen gu Eömten. Slber 
autß ba§ Sllemannenreicß ßat fein ©nbe gefunben. Fad) langjährigem, 
blutigem Kampfe erfag e§ ber Uebermacßt ber granten. Fidjtä bauert 
ewig auf ©rben. Studj SBoban unb £ßor, grigga unb Fanna mußten 
bem ©ßriftengotte Weicßen. SBoban ftürmt feitler al§ güßrer be§ 
Wifben ^>eere§ in graufer Fadjt bureß SBäfber unb gelber gum ©d)reden 
ber Sporen unb SEinber, au§ grigga entftanb bie SFutter bes Herren 
unb ftatt bem ßeibnifdjen grüßlingäfefte ber Oftera feierte nun ber 
©ßrift 3Sob unb Stuferfteßung be§ ©otteSfoßneä, aber nid)t im bunffen 
©icfjenwalb, wo ber Slßne bem £ßor unb SBoban SFenfcßen gunt Opfer 
barbraeßte, fonbern in Stempeln, bie be» SFenfcßen §anb üon gaßr* 
ßunbert gu gaßrßunbert feßöner unb großartiger feßuf. 2lu§ bem 
fernen ©cßottfanb waren SFänner unb grauen geEommen, ba§ 33olE 

S3om Qura jurn ©dftoarjtoalb. IX. 13 


Digitized by 


Google 





194 filoflir ©Ubetfl. 

bem ©ßriftentßum jujufüßren. 53alb ergriff 33iete ber fromme Sßaßn, 
man fönne ©ott rticfft Beffer bienen, als rnenn man bie men [cß ließe 
Statur, bie erften ©efe^e berfelöen, oerleugne unb fteß einfdjließe hinter 
Stauern unb in einfamer ßetle Bete unb finge. (So entftanben im 
alten ^jeloetien unb an beffen 9forbgrengen bie nochmals mächtigen 
(Stifte SiffentiS, (St. ©allen, Oteicßenau, 2lllerßeiligen, iJtßeinau, ©in» 
fiebeln, (Sädtingen :c. k. fyüßlte ein ©roßer ber ©rbe, ein ©raf, fyrei» 
ßerr ober Witter fein leisteS (Stünblein näßen, badjte er jurüd an all 
bie ©emalttßaten, bie er an (Scßmacßen oerüBt, erfaßte ißn bie gurdßt 
üor Fegefeuer unb §ötle, meteße feine ßeibnifeßen Sinnen nie gefannt, 
fonbern bie d)riftlicf)en ißriefter jum §>eil ber fötreße erfonnen; fo eilte 
er, irgenb einem (Stifte Canb unb Ceute ©runbginS unb geßnten gu 
fdßenfen, bamit beffen SBemoßner Beten für bas £»eil feiner armen, 
fünbigen (Seele. Qa feßon gaB eS (Solche, bie all i£>r £>a& unb ©ut 
ber geBenebeiten Jungfrau feßenften, um eS an ifjrent 2tltar mieber 
ju fielen ju empfangen. Sotß mar baS StUeS nod) im SB erben Be» 
griffen, als $arl ber ©roße bem Canbe eine S3erfaffung gab, eS ein* 
teilte in ©aue, mo ein ©raf in feinem Stamen ßerrfeße unb fRecf)t 
fpraeß im offenen Sartbgericßt. 

©in foldßer ©raf, Kantens ©ßabatoß, moßnte §u Sfaiferaugft, ba& 
fidl) mieber einigermaßen auS ben 9?utnen beS römifdjen Slugufto 
3tauracorunt erhoben Ijatte, freiließ nur ein Bloßer (Scßatten oonr 
früheren ©lanje. S23ir ßnben biefen ©ßabaloß, ober Beffer gefagt, bie 
©raffeßaft ©ßabaloßS ju Slugft im Slragome, ermäßnt in jmei Urfun* 
ben S'önig SlrnulfS, batirt oom 6. Sag Qanuar 891 unb 26. Slugje. 
894, als ber Sfönig $u 9?egenSBurg §of ßielt.* 

Sie gräfliche Sßoßnung mar jeboeß fein ißalaft, mie ißn ber 
römifeße ißräfeft bemoßnt ßaben moeßte. Sie Beftanb auS einem ge* 
mattigen Sßurm, beffen flafterbiefe üftauem auS roßen Riefeln erfteHt 


* Seite Urlunben Kegen abfrfiriftlicfc öor uns. SBir lönnen jebod) bie Slnfidji 
beä Serrn 99t. Sirmann (fflofter Olsberg, im Sanier Sa^rbud) 1885) nicht ttteilett_ 
@r glaubt, bet Senior in ber jloeiten Urfunbe fte^e im Sinne txm Seigneur, §err, 
unb es habe leinen jloeiten Gbabalob gegeben. So biel mir fdjon Urlunben lafett 
unb eS finb beten nidjt ioenige, ftebt Senior immer im ©egenfafc ju gunior unb 
§err ^ei^t einfach SombtuS. Eas franjöfifc^e Seigneur ift jubem Viel flöteten 
UrfprungS. SBir nehmen alfo audj Bier unbebenllidj einen altern unb jüngern ©rafen 
Gfyabatolj an, bie gleidjjeitig lebten, Sßater unb So§n. 


Digitized by t^ooQle 



©Uberg. 195 


maren, baneben ©ebäube, ebenfo rolf unb unbequem als ber S^urm, 
(Stallungen unb (Scheunen oon Imlj, 3lHe§ mit mächtiger SRauer 
unb ©raben umgeben. Stufjer einem ©of)ne gleichen SRamenS tjatte 
©babaloh eine Softer 3lmalfunba, ein Sßefen, baS ©dfönffeit ber 
(Seele unb beS SörperS in ficff oereiuigte. 31(3 fie ju Jungfrau heran» 
gemadffen mar, mürbe fie oon ben ©öffnen ber reichten Herren be3 
CanbeS utnmorben, offne baff einer fagen Eonnte, oon iffr liebreicher be» 
ffanbelt ju merben als ber 3lnbere unb bocb hotte ihr ^jerj fdfon gemählt. 

Unter ben gräflichen unb freifferrtidben Jünglingen, bie an ©baba» 
loff§ $of, in feinem 'Dienfte, ba3 SöaffenlfanbmerE erlernten unb 
nebenbei bie §anb ber fchönen ©rafentodfter §u ermerben fucbten, 
befanb ftcff auch 3lfbmqn, ein Eräftiger, junger SÖiann oon balb fünf» 
unbjmanjig Jahren, ©ein treues, blaueg Sluge, fein gelbe» Coden» 
haar beEunbeten feine rein alemannifche Slbftammung. Unb mirElidf 
toar er einem ©tamme entfproffen, in beffen Slbern noch baS reine 
Slut ber einftiaen Ueberminber röntifcher Stacht rollte. 3113 Jamilien» 
fage bemahrten bie ©lieber feines §aufe3 bie SlbEunft üon einem 
alemannifcbcn Häuptling unb einer Römerin, bie bent Slletnannen 
freimütig ihre .fpatib gereift, in feine .fpeimatl) gefolgt unb neuerbingS 
nach .'peloetien geEommen mar, um in ber 9täffe oon 3lugufta iRaura» 
eorum in einem Sbale am 33iolenbadf, ober mie er bamalS ^icj, ber 
gieleten, eine SRieberlaffung ju grünben. ©cbon üor Jahr’hunberten 
hatten bie Slfjnen Sllbrnquä baS fülle £1)01 oerlaffen unb lebten als 
freie SRänner im Jridthale. 33on allen feinen Vorfahren glänzte 
$rminger, SllbmpnS 33atcr, als ein großer SEricgSffelb, reich an ©ütern 
unb leibeigenen Ceuten. (Daß er Eein EöniglidjeS 3lmt beEleibete, nie 
©raf unb fRidfter mar, lag in feinem aUbeEannten £>afj ber JranEen, 
benen er bie Unterbrüdttng feiner Nation nicht üergeffen unb nicht 
oerjeiffen Eonnte, obfchon feitbem jmeibunbert Jahre oerfloffen. ©leidf 
bem jürnenben Cömen, mohnte er in feinem ftarEen Shurm am |fom» 
berg, auS bem erft oiel fpäter bie ©urg ber ©rafen oon -fpomburg marb. 

©hobalol), melcber JrmingerS SüRutff unb S0?ad)t gleich h oc h fd)äßte, 
hatte eS fcbon mehr als einmal oerfudft, ben eigenfinnigen 3llemannen 
in beS SEaiferS üDienfte ju jiehen, ihm große Cehen anerboten, Jrminger 
hatte für 3lHe3 nur baS ftolje 3öort: 

,, SIR eine Sßäter maren freie Sllemannen, als folcher miß auch ich 
fterben." 


Digitized by 


Google 



196 


•flloftfr ©ieberg. 


9Jtit SJtübe gelang eg bem ©rafen, öafe ^rminger es feinem 
jmeiten Sohn Sllbrnpn erlaubte, fiel) an beg ©rafen fjof jum Dritter 
augjubitben. 

Stnfangg fallen bie jungen ©bien faft mit Seradjtung auf ben 
Sohn beg freien nieber, ber ihnen nicht ebenbürtig mar. (Sie toagten 
eg, ben jungen Sauer, mie fte Sllbrnpn nannten, ju netfen, ihm aUertei 
Sdjabernatf ju fpielen. ©ine ßeitlang ertrug er eg, mie ber ©lepljant 
bie Stidje ber ttftücfe, enbtiefe maHte fein Blut auf unb alg im Söaffen-- 
fpiel ein junger ©raf ^interliftig oorging, liefe Sllbrnfen Sdjmert unb 
Scf)ilb fallen unb ftreefte ben ©egner mit einem gauftfcfelag fo ju 
Boben, bafe er modjentang bag Seit hüten mufete. ®er ©raf, t>or 
ben bie Slnbern bie Sad)e brachten, unterfudjte genau, gab Sllbmfen 
Stecht unb marnte bie jungen Herren, mit bem SRtefen Spott treiben 
ju motten, $egt batte ber junge Sllemanne Stube, allein fie mieben 
ibn, er ftanb einfam, ofene greunb in ber Burg, märe beungetefert, 
menn nidjt ein mächtiger ütttagnet ibn feftgebalten hätte. 

ft’aum mar er etliche SBodjen am §ofe, fo empfanb fein reineg 
$erj eine heftige Siebe §u ber reigenben ©rafentoefeter. 2Benn fie an 
ihm oorüberfdjritt in ber fleibfamen £ra<ht beg gebnten Qabrbunbertg, 
bem langen faltigen Stotf, oben feft anliegenb, oom reicfjgeftictten 
©ürtel gehalten, bag §aar frei, in reicher gütte über ben StücEen 
binabmaßenb, burd) bag filberne, biabemartige Stirnbanb gebinbert, 
bag bolbe Strittig gu oerbütten; fab er ihr nach, big fie feinen Singen 
entfefemunben. 2Benn fie aber, im reicfjgefticften SRantef, mit feinen 
berabbängenben Slermeltt gur Strebe ging, ihn freunblicfe bat, fte gu 
begleiten, bann fefemamm er in einem SDteer oon SBonne. ©r hörte 
meber bag Sßort beg ißriefterg, noch ben ©efang ber ©laubigen, für 
ihn eyiftirte bie Slufeenmelt nicht, er fab nur bag SBefen, bag feine 
gange Seele erfüllte. 

Slber auch Stmalfunbe fühlte fiefe unmiberfteblicb gu bem SRamte 
bingejogen, aug beffen Sluge niefet blofe l) 0 b er 3Rutb unb ©belfinn, 
fonbern auch faft finbticf)e Offenheit unb ©utmütbigfeit leuchtete, 
lieber ein Qabr lebten fie fo nebeneinanber, liebten ft(fe, ohne eg gegen» 
feitig augbrüefen gu tönnen. Qb n b^ n ^ ert:e Befangenheit ber Qung* 
frau gegenüber unb fie fühlte fid) burch meiblicbe Scheu gurütfgebalten, 
ihr £>erg bem ©eliebten gu öffnen. 





filo^tr ©lebcrg. 197 


Ser UBunfdj beS ©rafen, feine Sochter gut oerheiratljet ju feljen, 
Beamte fie einanber ^läßlich näher. Ser ©ofjn eines reichen ©rafen 
ouS bem ©unbgau marb fo offen um Slmalfunba’S ©unft, baff jeber 
2lnbere fünfte, er merbe oon bem Sater begünftigt. SaS Stuge beS 
Verliebten fteE)t frfjarf. 2llbmt)n beobachtete bie ßubringlidjfeit beS 
jungen ©rafen fdjnell, bemertte aber auch/ baff bie Jungfrau bem 
äöerber Ealt gegenüber ftanb. Sieß gab ihm Sftutf), ihr feine Siebe 
ju geftehen. Ser 3 u f a ^ begünftigte ihn, oieQeicht führte Stmalfunbe 
benfelben herbei. 


III. 

^rmittgcr. 

Ser ©raf hotte eine Qagb oeranftaltet, an ber, nach ber (Sitte 
jener 3 e it, auch Samen X^eil nahmen. SBie immer, mar 3llbmt)n 
ber treue ©efäfjrte Stmalfunba’S. Stuf fchnellcnt Stoß, ben Ralfen auf 
ber Eleinen, befjaubfcljuhten Hanb, fprengte fie, ohne auf bie 2lnbern 
ju achten, auf fo fdjmalem äöalbmcg fort, baff eS bem ©unbgauer 
©raf unmöglich 'rar, neben ihr gu reiten, er blieb gurücE unb fobalb 
fie biefj fah, trieb fie ihr ^ßferb gu noch größerer ©ile an, 2llbmt)n 
raSte an bem »erhofften Söerber oorbei, rnarf ihn beinahe »om Vferbe, 
fo hart ftreiften fid) Seibe. Sßeiter unb meiter ging ber tolle SRitt, 
ber Mang ber Hifthörner oerhallte, man hörte baS ©eftäff ber Süieute 
nicht mehr, aber immer noch jagte bie Jungfrau meiter, ot)ne mie eS 
fcfjien, fid) um Qagb unb Qäger gu beEümmern. S^lich hatte ber 
SBBalb ein ©nbe, burch grüne SCRatte raufdjte ein Säd)lein, meit, meit 
oben erfchienen einige Obftbäume, baS ftchere 3eidjen ber SRähe menfdj* 
lieber Söohnung, im £f)älcben felbft herrfchte tiefe ©title, ein leifeS 
Cüftdjen nur bemegte bie falben Slätter ber Suchen, trieb £)ie anb 
ba ©ineS nieber gur ©rbe, auS ber eS heroorgegangen. ©ah 2llbmt)n 
bie ©djönljeit beS herbftlicfjen SöalbeS, baS blaffe ©rün ber Suchen 
unb ©id)en, »ermifcht mit bem Tuntel ber Sannen unb Röhren? 3öir 
glauben eS nicht, ©ein 2luge haftete an ber ©eliebten, bie ihr ^ßferb 
angehalten, ben ©chmeifj oon ber ©tirne beS geröteten SlntlifjeS 
troefnete unb fich gerne oon bem treuen Segleiter auS bem ©attel 
heben liefe. 

$efet ober nie, fagte üllbrotm fich felbft, als er um fid) blidte, 
meit unb breit fein anbereS lebenbeS SSefen gemährte. 


Digitized by 




198 


-filoftet ©Isbwg. 


„SBo finb wir mfy, SlIBw^n?" fragte fie, bloß um etwas ju fagen. 

„SaS weiß irf) felBft nicht recf)t, bod} werben wir ben SBeg nach 
•£>aufe leicht finben; nur, §>errin, geftatte mir oorljer eine grage." 

„9lenne mich nicf)t Herrin, ba§ Bin irf) Sir gegenüber nid£»t. Su 
Bift ein freier SEJiann. lernte mit!) einfach Slmalfunbe." 

„9lun benn, Slmatfunbe," fpradj er, hocherfreut ü6er ihre SBorte, 
„ift eS wahr, baß Su ben jungen ©raf au§ bem Sunbgau hewathen 
fottft ?" 

„9J?ein 23ater will eS." 

„216er Su, Slmalfunbe, Su! Saß Sein 33ater eine folefje ^eirath 
wünfdjt, Begreife ich." 

„Unb wenn irf) einüerftanben Bin, 2116 Wijn?" 

©in wilber Sdjmerj burchjurfte feine (Seele, fein 2tuge glühte, 
bie nerbige gauft Ballte fidj. 2luS ber teudjenben 33ruft entrangen 
fich enblich bie SBorte: 

„SaS barf nicht fein, Stmalfunbe." 

„Unb Warum nicht, SllBwtjn?" fragte fie mit freubigem 23e6en. 

Ger ließ fich auf ein SSnie nieber, faßte ihre §anb -unb rief: 

„SBeit ich ®i<h liebe, ohne Sid) nicht leben fann!" 

Ohne ih«i bie fpanb gu entziehen, fagte fie mit fchelmifdjem 
öärfjeltt: 

„SBenn man mich ober swingt, ihn §u ehelichen, waS thuft Su 
bann, 2116whn?" 

Ger fpraitg auf, riß baS gewaltige Schwert heraus, unb rief mit 
wilb rollenben 2lugen: 

„Sann, 2lmalfunbe, ftirbt ber Sßidjt oon meiner £>anb!" 

„Unb ich, wilber, Böfer 9J?ertfrf) ?" 

„Unb Sich nehme ich au f meinen 2lrm, hebe Sich auf mein 9ioß 
unb entführe Sich in meine §>eimath, wehe bem, ber mir in ben SBeg 
tritt, feine Sage finb gewählt." 

„Qft baS Siebe, Stlbwhn?" 

„Qa, benn fo oerftehe irf) es. Sit bift mein 2lHeS, mein eigenes 
ßeben, für Sich gu fterben eine Cuft." 

„SBilber, Böfer 9)Jann, man follte Sich nicht lieb h Q ben, benn 
Su Bift fchretftid) in Seinem 30 ™-" 

„Su lieBft midj aber buch, Slmalfunba?" 


Digitized by Google 



€loft*r ©Uberg. 


199 


„ 2 )?ekr alä ®u glaubft, unbänbiger Sllemanne." 

90?it einem greubenfckrei ^06 er fte auf ben 9lrnt, brücEte, fü^te 
fie, faf) fte an, um fie tion Steuern ju Eüffen, an ftcfj ju brüden. 

©ie freute fi<k unenblick ob biefen ©rgfiffen einer ungeEünftelten 
Statur, ob biefen Steuerungen ber ©efütjle eines SDtanneS, beffen 
StiefenEraft fte Eannte, beffen Einblickes ©emütt) fick aber fo beutlick 
offenbarte. ©rft nack einer SSeite fagte fte f^meicketnb: 

„SEomm, ®u SBilber, lajj unS bort am Staube beS SBalbeS ab- 
fi^en, ratkfcktagen, benn menn ick ®ttk audk fett Saugern liebe, oereint 
finb mir nodk nickt." 

,,30er kinbert unS, fofort oon E)ier nack meiner <£)eintatk ju geken? 
©inmal meine ©attin, möcf)te idk ben feken, ber ®id) mir entreißt." 

„üDaS glaube ick gerne, Sllbmtm," tacfjte fie, „allein fo ge^t eS 
nidkt. 8 ck miß nidkt bie Urfacke einer blutigen getjbe merben. ©rft 
oerfucken mir, ben S3ater pr ©inmitligung in unfere ©ke i u bemegen. 
©ibt er fein Qatoort nickt, bann ift eS immer nock geit, an anbere 
SBege ju benEen. £>ein bin ick, Sllbmtjn unb merbe eS bleiben bis an 
meinen £ob. Unb ®einetmißen ritt ick tmrauS. Qdk muffte, ®u 
folgteft mir unb ^ätteft ®u nidkt ben SOtutlj gekabt, mir eine Siebe 
ju gefteken, bie ick fck on lange Eannte, fo kätte ick ®idk ba§u auf» 
geforbert." 

SBelcke SBonnc emgfanb ber junge SJtann bei biefen SBorten. ©ie 
mußte enblick ben ftürmifeken SluSbrücken feiner Siebe ©inkalt tkun, 
30 g ikn neben ftck in baS grüne SDtooS unb entmicEelte ikm ben fßlan, 
ben fte gefaxt, ©r mar mit Slßent einoerftanben. 

„Unb nun Stlbmßn, Eekren mir narfj $aufe, Eomm, bort oben 
fragen mir nack bent Söcge," fckloff fie enblick, „bort oben müffen 
Raufer fein." 

„Unnötig, Slntalfunbe, ick kabe tnick erEannt. 2 Sir ftnb am 
gieletenbadk, bort oben ift OlinSberc, bie $eimftätte meiner SUjnen, mie 
unfere fyamilienfage eS melbet, bock faß eS etmaS anberS gelautet 
kaben, idk bann midk aber nidkt genau erinnern mie, idk glaube faft 
OltjmpiaSberc, auS bem im Saufe ber 3 c iten OlinSberc entftanb. 
folgen mir bem 33ädklein, fo finb mir nack einer kalben ©tunbe ju 
©iebenack, baS Ü)u ja mokl Eettttfi." 


r 


Digitized by 


Google 



200 


•fUojkr Olsberg. 


,,©ut, bann fontm, mir moden Ijeim, nicf)t bafj bie 9^acE)t un& 
überfällt nnb unfere SJtbmefenljeit auffatten müßte. // 

©r tjob fie auf iE)r dtofj, ritt neben ifjr, ben monnetrunfenen 
©lid ftetS auf iljr rufjenb. ®urg oor Slugft trafen fie mit ber übrigen 
Jagbgefedfdjaft gufammen. 9tiemanb af)nte, maS gmifdjen ©eiben 
oorgefaden, nur ber junge ©raf fdjöpfte Strgmoljn, 3lmatfunbe möchte 
Sllbmtjn ii)m oorgieljen. ©emijjljeit betont er nicfyt, obfdjon er jeben 
©djritt ber ©eiben belauerte. Slm Sage trafen beibe einanber nidjt 
nteljr aiS gemöljttlidj, medjfetten nur Sieben, bie Jeber ()ören burfte. 
Jiir biefe ßurücffjaltung fanb 2Ubmt)n reidjtidje ©ntfd)äbigung in ben 
näd^tlid^en ©efudjen, bie er, nad) altalemannifdjer (Sitte, ber ©eliebten 
in if)rem ©emadje abftattete. 

ülmatfunba’S 9lbjtdjt, ruf)tg mit bem ©ater gu fprecfjen, if)nt iljre 
Siebe gu Sltbmpn gu geftefjen, iljm mitgutljeilen, mie fie entfcf) (offen 
fei, e£>er ben ©djleier gu nehmen, als einen Stnbern gu eljelicfjen, marb 
burdj ein für gang ©übbeutfcfjlanb unb bie 9torbfd)meig ©erberben 
bringenbeS ©reignife oereitett. 


IY. 

3»te ^tttflaru im gfri&tjjat. 

Um baS Jafjr 938 erhoben fiel) bie Ungarn, non bem ©ölte 
Uttgren genannt — fie fetbft nannten fidj 'äJtorbfdjaaren —, gu einem 
neuen ßuge nad) ©ermanien. ©on ben Ufern ber Sdjeijj unb Sonau, 
auS ben enblofen Steppen Ungarns, tarnen fie bafjer, ein milbeS 
9 ?eiterooIf, gleich getoanbt in ber Jüfjrung üon ©ogen unb ©feil, mie 
mit bem ©peere. 2öie ein £)eufd)recfenfdjmarm auS ber Sßüfte fommenb 
bie frudjtbarften ©benen unb Später burd)giel)t unb adern ©Siberftanb 
gum Srol 3 in menig Sagen gange ßänberftridje fa£>t frijjt, feinen ©raS* 
Ijalm übrig läßt: fo überfdjmemmten bie ftorben ber Ungarn erft baS 
heutige Cefterreid), ©atjern, tarnen nad) ©tfymaben unb an ben dtfjein, 
fengenb unb brennenb, raubenb unb tnorbenb. SBeber Stlter nod) ©e= 
fc^tec^t mürbe gefront, bie Scanner erftodjen, Sßeiber unb Jungfrauen 
in elenbe ©Hauerei meggefüljrt, baS (Stift (St. ©aden mürbe geplüm 
bert, bie ^eilige Sßiborab in Ujrer ßede umgebrad)t. SldeS ftot) unb 
fudjte ©d)u(3 in ben ©urgen unb menigen ©täbten, beren Sftauem 
unb Stürme ©d)irm öerfprad)en. So tarn baS mütfjenbe £jeer bem 
difjeitte nad), bis mo auf einer Jttfel ©t. Jribolin ein Stofter für 


Digitized by t^ooQle 



©Ubtrg. 201 


abeltge grauen grünbete. Ser Steicbtbum beS Stiftes Sädingen 
reigte bie beutegierigen ©paaren. (Sin St^eil ber Ungarn ging über 
ben Sthein, in ber Slbfidjt, oon ber regten ©eite her, über ben fleineren 
2lrtn beS gluffeS, baS Stofter unb Stäbtdjen ju nehmen. Sßährenb 
biefj gefcbat), jogen uom ^jauptbeer $orben hinab gegen baS nod) 
Keine Stbeinfelben, int SBiEen, ben ©rafenfijj Stugft ju neunten, ringsum 
baS flache 8anb ju plüttbero. 

SDtit Sangen faf) ©raf ©bobalob baS Staben ber geinbe. 2ttS 
fte noch meiter oben ftanben, eilte er täglich halb ju biefem, halb ju 
jenem Herren, fte jur gemeinfamen Slbmebr aufjuforbern. deiner 
folgte feinem Stufe, gebet hielt eS für baS Sefte, ruhig Ijinter ben 
Litauern feiner Sefte $u märten, bis ba§ 8anb auSgef reffen unb SOtangel 
an CebenSmitteln ben geinb jroang, meitetgugie^en. Sticht fo ©babalob, 
üjn jammerte baS arme Soll, aber maS füllte er an ber Spi^e oon 
einigen .jpunbert Steifigen gegen ein $eer, baS -nach oielen Saufenben 
3 äf)lte? gn büftre ©ebanfen oerfunfen, ftanb er am genfter feines 
©emacbeS, fab bmauf gegen Sädingen, mo bie Ungarn, nad) eben 
erhaltener Stadbridjt, eingetroffen marett. Sa trat Sllbrnpn §u ibm 
nnb bat, er möchte ibn feines SienfteS entlaffen. 

„Sßie," rief ber ©raf, „audb Su millft Seine ^ßerfon in Std)er= 
beit bringen?" — unb mit bitterem (Spott fügte er bei: „ber 2tle= 
manne freut ficb mobl, menn bie geinbe uns oernicbten. ©eh’ beim 
unb fage Seinem Sätet, Su feieft ein §elb, ber einen Sdjmacben 
mit einem gauftfdjlag nieberftredt, oor bem mirElidjen geinb aber 
flieht, mie ber §afe oor ben §>unben." 

„$err, Su urtbeilft falfdj/' entgegnete ber junge SDtann gelaffen.. 
„Söeil Seine (StanbeSgenoffen Sieb im Stieb raffen, glaubft Su, auch 
ber einfach gteie gleiche jenen felbftfüd)tigen Herren. Sticht um Sich 
in Stotb fteefen ju taffen, nicht um mich su retten, miE ich fort, fon» 
bern nur Seine unb beS SanbeS Stettung ju bemerffteEigen." 

„Unb mie miEft Su bieg in baS SBerf fe^en, Stlbrnpn? y ' fragte 
je^t freubig ber ©raf. 

„Su meijjt, §err, mein Sätet ift ein $elb, jeber freie Sauer 
gehorcht ihm gerne unb smeibunbert eigene SafaEen folgen mit greuben. 
3u ihm miE ich- ©r muf b^fem borgen früh hin id) mieber hier." 

„Steife mit ©ott," rief ber ©raf, bem grmingerS SJtutb unb 
Spracht moblbefannt mar. „©rüfje ben Sater unb fage ihm, ich merbe 
eS ihm nie üergeffen, maS er ju meiner Stettung tbut." 


Digitized by t^ooQle 




202 


•filofter (DUbetg. 


Diefe 28orte erfüllten ba# |jerj be# jungen 2Ranne# mit froher 
Hoffnung. 2luf abgelegenen ißfaben gelangte er rooblbebalten nach 
$aufe, trug bem 23ater fein Anliegen uor. 

// 9tI6tot)n/ / fpradj biefer büfter, „ju ma# follen mir biefen 2lb= 
lömmlingen ber JranEen BeifteE»en? §aben bie Ungarn fie gefchmädjt, 
fo mögen mir fie leicfjt ootlenb# überminben, ba# fReid) ber Alemannen 
mieber herftetten." 

//Unb bie armen Ceibeigenen, bie SBeiber unb Jungfrauen ber Canb* 
leute, bie ja meift unfere# (Stamme# finb, miHft Du biefen SBilben 
prei#geben? können fie nidjt aud) hierher Eommen, fengen unb brennen? 
23ater, Du mußt Reifen. (Die 5Roth be# Sanbe# ift allgemein." 

„28a# Bann idj thun," lächelte Jrminger, „mit hödfjften# taufenb 
SRann gegen einen Jeinb, ber mehr Drojjbuben hat, al§ mir SReifige ?" 

„23ater, (Du fagteft mir oft, unfere Slljnen jablten nie bie Jeinbe, 
nur bie Srfchlagenend' 

„Sagte ich biefj," lachte mit einem Stnflug oon Stolj ber hünen* 
hafte 9Rann. „SRun menn ich c# fagte, fo muff e# mahr fein unb 
bie Sltaft unferer 2tl)nen haben mir auch nodj: ©eh’ je^t ju ber 
SRutter, ftärle (Dich mit Speife unb DranE, bann t^eile idh (Dir 
meinen $lan mit. 28iH Sljabaloh fich meinen Slnorbnungen fügen, 
fo mollen mir ben Spaff mögen." 

2 lm folgenben Dage machte Sllbrnpn ben ©rafen befannt mit bem 
Ärieggplan be# SSater#. 211# er geenbet, rief Sljabaloh hocherfreut: 

„SJeite mieber gurücE unb Berichte Deinem 2Sater, baff idh mich 
unb bie SReinen mit Jreuben einem fo erprobten Krieger unterftelte, 
mie er ift. 2llle# foll genau befolgt merben." 

„Unnöthig, §err. Jd) habe ^mei SRänner mitgebradht, bie bem 
23ater Suren Sntfdjlufj überbringett merben. Jd> felbft foll, fo befahl 
er, mich an bie Spifje Surer Oieifigen ftellen unb bafür forgen, baff 
2 llle# genau nach feinem 28illen au#geführt mirb." 

Sin fraftiger §änbebruc£ mar be# ©rafen Danf. — Sogleich 
ging man an ba# 28erE. 28ährenb Shabatoh# Seifige fich fammelten 
unb rüfteten, fdjicbteten Ceibeigene unter 2llbmhn§ Leitung auf ben 
bügeln bei 9Rumpf, Stein, Siffeln, grofje gmläftöfje auf, bereiteten 
jodeln oon ißed). 

Schon oierunbjmanjig Stunben fpätcr langten Jrminger’# lejjte 
befehle an. 2ltfobalb jog Shabalol) mit bem JufjoolE auf SBalbmegen 



Digitized by 


Google 




•filojler ©Ubtrg. 


203 


auf bie $öljen, mo bie ©djeiterfjaufen ftanben. Sllbmpn an ber @pi§e 
bcr SReiftgen folgte ber alten Stömerftrajje, bte einft Slugufta Staura* 
corunt mit Shtboniffa oerbanb. ©s mar ein trüber Siooembertag. 
Stegenmolten flogen oor bem Süöinbe bafjin, ber non ben fdjneebebedten 
©pifjen beS gura Ijerabftürmte unb Ijeulenb buvcf) bie entlaubten 
Saume brauste. Dann unb mann fant ein feiner Stegen mit ©djnee* 
ftocfen oennifdjt, ungünftig für ben ©djüjsen, bem fie bie ©el)ne be3 
SogenS ermeidjten. Dumpf brauste ber Stljeinftrom am |jöllf)afen 
bei Stljeinfelben, Ijodj angefdjmollen burd) bie Ijunbert Säd)e unb 
glüffe, bie uott ber Dljur an bis nad) Stljeinfelben Ijinab iljre ©e= 
mäffer ben feinigen jufü§rten. 

Sei 9Rö^lin fließen bie Steifigen auf eine fporbe plünbernber 
Ungarn, rannten fie nieber. SSenige enttarnen, brachten bie SRad^rid^t 
uom Staren be§ geinbeS. Stun milber Cärm, Sille ben menigen 
Steifigen entgegen, beren geringe 3al)l bem geinbe oerborgen blieb, 
benn fdjon breitete bie Stacht ifyre ©djatten über bie gelber, bie alS= 
6 alb oom Slute ber ©rfdjlagenen gebüngt merben follten. Sllbmpn 
Ijiclt ©taub, feine Ceute fämpften mie Cömen, an ifjren großen eifern 
befdjtagenen ©djilbern, an ben ißangerljemben, an bem eifemen ©ugel* 
f)ut, beffen ©pifje bie Stafe, ben 9J?unb fdjü^te, prallten Pfeile unb 
äBurffpeere machtlos ab, müljrenb bie langen Sanken ben ungefjarnifdj» 
ten Ungarn burcfjftodjcn uom ißferbe marfen. Dennod) tjätte er ber 
ftetS madjfenbcn ßa^l ber geinbe erliegen müffen, benn ba§ gange 
am (inten Stfjeinufer befinblidje SÖtagparenfjeer marf fid) auf feine 
tleine ©djaar. 

Da§ mar e§, mag grminger gemodt, faunt Ratten bie Ungarn 
iljr Cager entblöfjt, teerten ifjrn, ber oom gridtljal l)erabgefomraen, 
ben Stüden, fo gab fein gemaltigeS £>orn ba§ 3 e ^ en ä um Eingriff. 
SERit bem meitljin fdjaHenbett Sriegsruf jener ßed/ „S'prie ©leifon" 
ftürgten taufenb moljlbemaffnete SDtänner auf bie erfdjrodeiten Ungarn, 
bie oon biefer ©eite an feinen geinb badjten. ©leidjgeitig flammten 
bie geuer auf auf ben £jöf)en unb graufig erfcfjotl ba§ ©d)lad)tge= 
fdjrei in ad ben benadjbarten SBälbern. ©rauen ergriff bie milben 
©teppenföljne, fie mahnten mo£)(, bie ©eifter all ber unfdjulbig ©r« 
morbcten fäntpfen gegen fie. Die Steifen lösten fiel) auf, aber motjin 
fie fidj aud) roanbten, oorn, hinten, auf ber ©eite, überall begegneten 
fie bem feinblidjen ©djmerte, baS fdjonungSloS SllleS nieberfjieb. §un= 


Digitized by 


Google 




204 


fUoftev Olftberg. 


berte üerfucljten eS, bett (Strom p burdjfchmimmen, umfonft, bie 
reiftenben g^ ut ^ en öerfdjlangen fRoß unb 2Rann. ÜRur einige SBenige 
erreichten baS jenf eilige Ufer, oerbreiteten ©ntfefsen im Säger. 

Sort hatte'man längft baS Schlachtgefdjrei üemommen, bie geuer 
auf ben Höhen beobachtet, allein hinüber p fontmen in bunfler SRadjt, 
mar bem fünften Schiffer unmöglich- ©ingebome Fährleute maren 
nirgenbs p finben. §eulenb unb brüüenb mußten bie üDiagparen 
ber Sdfladjt phören. ^e|t langten Flüchtlinge an, oermirrt oon bem 
unerhörten Stampfe, fpradjen fie oon bem F e inbe als oon oielen 
taufenb liefen, bereu 3 a h^ mit jebem (Befallenen fich oermehrte, ©in 
panifdjer Schrecfen ergriff 21 He. Qn großer £>aft mürbe baS Säger 
abgebrochen, ber SRarfch nach bem SRieberrljein angetreten mit einer 
©ile, bie eher einer Flucht glich- 2113 ber Sag anbrach, mar meit 
unb breit fein febenber Ungar mehr p feljen * 

ÜJtacb alter Sitte brachten bie Sieger bie Sltacht auf bem Schladh* 
felbe p, baS mit Saufenben ©rfdjfagener bebecft mar; fie felbft hatten 
Sßenige oerloren. 2lm Sage famen Seibeigene, marfen bie Sobten in 
grofte ©ruben, nachbem fie biefelben 2lHeS beffen beraubt, baS ihnen 
merthooll fchien. ©roß mar bie S3eute im Säger, in metche fich öie 
Sieger jubelnb feilten. 

©raf ©fjabaloh föchte ben Felbljerrn, beffen SricgSfunft ihn unb 
baS Sanb gerettet, ©r fanb ihn nicht. QrmingerS SSafaHen fagten 
ihm, ber fjerr höbe noch üor SageSanbruch ben fdhmeroermunbeten 
Sohn heimgeleitet. Siefe ißerfchmähung feines SanfeS murmte ben 
Herrn, bod) ließ eS ihm fein Stolj nicht p, benfelben in feinem 
Haufe aufpfnchen, groHenb fe^rte er nach .fpaufe. 

y. 

jUbmtnt nub juttaffunba. 

Sllbrnpn mar mirflich fihmer oermunbet, hoch fiegte bie fräftige, 
unoerborbene SRatur halb über ben Sob, ber feine Snodjenhänbe nach 
bem jungen Seben auSftrecfte, S)aS befte aller Heilmittel brachte 
Slmatfunbe. 2öie ftaunte ber alte Qrminger, als jelm Sage nach 
ber Sdhlocht ein ebleS Fräulein, geleitet oon oier Seifigen, üor feiner 

* 2)ie ganje 23ef$reibung ber ©djladjt faft toörtüd) nadj ber 6t. ©aller 
©fyrcnif bon ©ffel)arb. ©r nennt ben ©ieger ^rmingeru^ ben ©raf ©tyabaloty um 
feine §itfe gebeten. 


Digitized by 


Google 



ftiofter Olsbtrg. 


205 


Sljüre hielt, fid) ißm als Docßter ©raf (Sfyabatofjä ju erfennen gab, 
nadf Sllbwßn fragte unb ben SBunfdj auSbrücEte, an fein Säger ge* 
fü^rt ju »erben. 

S?opffd)üttelnb führte er fte hinauf in baS obere ©tocEwert feines 
©teinhaufeS unb öffnete iljr bie 2§ür ju einem fetten ©emacf), »o 
auf reinlichem Säger ber ©erwunbete gebettet »ar. SÖftt einem Qubel* 
ruf begrüßte 2tlb»hn bie ©eftebte, »eiche/ unbebümmert um ihre Um* 
gebung, ihn umarmte unb büßte. Qene 3 eit bannte unfere ©tibette 
nicht, ber SJtenfch freute fich nicht/ feine ©efü^Ie oor Slnbern jn äußern. 

„äJMn ©eliebter! — 9)ieine Slmalfunba!" — »aren bie erften 
Sßorte, bie SBeibe wedjfelten. Dann feßte fich bie festere neben baS 
©ett, faßte bie §anb beS ©erwunbeten, fah ihn ^örtlich an unb er* 
jäfjtte, »ie fte erft oorgeftern öernommen, baß er fo fdjwer üer»unbet 
fei. //©obalb ich bieß wußte," fuhr fie fort/ „ftanb mein ©ntfdjluß 
feft, ich mußte Dtd) feßen. Da ber ©ater alSbatb nadh ber ©djlacht 
ju bent Könige reiste, ißm ben Steg ju berichten, überlegte ich, unter 
toetchem ©orwanb idf bie ©urg oerlaffen bönne, »ählte bter treue 
tnecßte unb ritt hießer, unter ber Eingabe, am ©rabe beS h e '^gen 
gribolin bem £>immel für unfere Stettung ju banben." 

„Sich Slmalfunbe, bönnteft Du hoch bei mir bleiben. Qn »enig 
Sagen Ȋre ich gefunb." 

©ie büßte ihn järtlidj unb entgegnete: 

„Ob wir halb bereint fein bönnen, hängt jeßt bon Dir ober 
bielmehr bon Deinem ©ater ab. Söirbt er in Deinem Flamen um 
meine £>anb, fo glaube ich bäum, baß mein ©ater fie bem ©offne 
feines ©etterS abfchlagen »erbe." 

„Unb »enn er eS hoch tf)äte, ©eliebte?" 

gcodjerröthenb bog fie ftd) ju ißm herab unb ßüfterte ißm etwas 
in baS Ofjr. SllbWßnS Slugen funbeiten oor gfreube. 

„SBann bommt Dein ©ater heim?" 

„DaS weiß ich nicht, bor brei SJtonben bäum; ba er, nach ber 
©erjagung ber Ungarn, bem ftaifer gegen ben ^ßfalggraf ©bewarbt 
unb ben £>erjog bon Sothringen beiftehen will." 

„Söirft Du mich injwifchen auch befuchen?" 

„©ewiß, fo oft als möglich, bift Du aber geheilt, fo bommft Du 
ju mir, wirft »ieber mein treuer fRitter. Der ©ater ff°t Dich ja 
beS DienfteS gar nicht entlaffen." 


Digitized by 


Google 



206 ÄloHtr ®l»btrg. 


2öer roar frofjer afg Sltbmtjn? — ©ag gfräulein blieb big gegen 
Slbenb, tlj eilte bag ftftatjl ber ^jaugbemoljner unb eroberte im §Iug 
bag ^jerj ber Butter iE)teS ©eliebten; audj Qrntinger bet)anbette fte 
mit tjerjtidjer greunbltdjfeit; atg fie aber, mit bem 33erfprecf)en, halb 
mieber ju fomnten, fortgeritten mar, trat er an bag Säger beg ©otjneg 
unb fprad) mit freunbücfjem drnft: 

„Stlbmpn, marum fagteft ©u mir nie etmag oon ©einer Siebe 
§u ber ©rafentodjter ? Qd) tjätte ®ir bann fofort bie ©fjorfjeit oorge» 
ftettt, je an eine foldje §eiratE) ju benfen." 

„SBarunt ©Ijorljeit, SSater? Qft Slmatfunbe nicfjt eine Jungfrau 
gleich reidj an ©ugenb unb ©djöntjeit?" 

„©egen bag gräutein fjabe id) niri)tg etn^umenben unb begreife 
gang gut, mie ©u iljr ©ein |jerg meitjteft; aber glaubft ©u audj, ber 
ftolje ©raf merbe eg je jugeben, baß feine ©odjter bie ©attin eineg 
freien 93auerg merbe? SDiet;r ift ©ein SSater nidjt." 

„Stmalfunbe benft bag ©egentljeit, 93ater. ©ie meint, menn ©u 
bei iljrem 33ater um fie merbeft, merbe er bem ©oljne feineg Dietterg 
ifjre §anb nicfjt abfcfjtagen." 

„O liebe Qjugenb, mie menig fcnnft ©u bie äftenfdjen. Qdj mill 
eg tljun, meit id) ©id) innig liebe unb um ©ir ju geigen, mie turj 
bag ©ebädjtnifj ber ©roßen ift, menn eg fid) barum fjanbelt, empfangene 
2öoE)ttf)aten ju oergelten. SlHein e£)e idj, gegen meinen äöitlen, ja 
ungern genug, bcn Srautmerber fpiele, mufjt ®u mir offen fagen, 
mag midft ®u ttjun, menn ber ©raf „nein" fpridjt." 

„SBater, ©n erjafjUeft ung oft, bem 33ruber unb mir, mie eg 
bei ben Sttemannen ©itte mar, bafj ber junge ÜDJann oft jum ©djein, 
oft in bitterem ©rnft, bie ©eliebte raubte, allerbingg mit iljrem SBiHen." 

„Unb biefeg 23eifpict mittft ©u nadjaljmen?" 

,,^a, 33ater, benn idj bin ein Sitemanne." 

„Unb motjin mitlft ®u mit d)r fließen? ®od) nidjt t)ief)er, benn 
um ©uretmitlen fott feine gefjbe bag Sanb oerberben, et)er mürbe idj 
Slmatfunbe fetbft bem Sßater juriidbringen." 

,,©ut, bann fließen mir anbergmo (jin. ©otteg Söelt ift groß 
unb irgenb ein ißläjjdicn mirb fid) für ung finben. SJlein Slrm ift 
ftarf, ber Strbeit gemötjnt, id) merbe 2Beib unb SEinb §u ermatten 
oertnögen." 


Digitized by i^ooQle 



■fllofUr ©Uberg. 


207 


Ser Stlte brüefte bem ©ohne bie §onb unb entfernte firf), ohne 
ein SBort ju fagen. 

dr tjatte ooßfommen iRecht. 3 WQr befueßte Slmalfunbe ben ©e= 
lieöten noch mehrmals unb ^rminger mußte felbft gefteljen, fte mar 
ba3 Söefen, roeldhed jeber ©ater bem ©ohne jur ©attin münfeht, menn 
nic^t auf ©elb allein jRücf ficht genommen mirb. Slud) l)atte 2ll.6roßn, 
faum notdürftig hrcgejteßt, feinen Sienft in ber ©rafenburg mieber 
angetreten, ma§ er begreiflich nur um feiner Siebe mißen tljat; aber 
at§ dhabaloß enblid) mit bem beginn bed grühjahrs ^eimfe^tite unb 
grntinger bem Stangen bes ©of)nes narfjgebenb bei i(jm um Slmal* 
funba marb, ba hotte ber ©raf mot)[ ben 9Runb ooß füßer SBorte, 
aber er entfdjulbigte ftd) mit bem ©erfprechen, baä er bem ©ater beä 
jungen ©rafen oon ißßrbt gegeben. 

grminger empfing ben ©efefjeib al§ Slnmort, bie er längft ermartet, 
»erabfdjiebete firfj falt unb gelaffen, naeßbem er ben ©rafen gebeten, 
ben ©oßn mit Upn gieren ju taffen, ba eä unter foldten Umftänben 
nicht paffenb märe, menn SUbmpn länger in ber ©urg bliebe. ©h a ' 
baloh bemißigte eä mit greuben. 

.Saum maren bie ©eiben fort, fo ergoß fich ber oäterliche 3 orn 
über bie Sochter, bie eä gemagt, einen ©auentfoßn ju lieben. Stmab 
funba hörte ruhig ju, gab feine Slntmort, als er fte jürnenb fragte, 
ob fie einroißige, fofort bie ©attin beS 2Ranne§ §u merben, ben er 
ihr beftimmt. Söütßenb ob ihrer fRufje unb ob ihrem falten ©eßmeigen, 
brohte er enbßch mit dinfperren ober in ba§ Slofter gehen. 

Qeßt entgegnete fte gelaffen: 

„©ater, ©etbeS ift unnöthig. geh meiß, melche fRechtc Su 6e» 
ftßeft. gef) begehre blos brei 2öocf)en ©ebenfjeit. .freute bem ©e= 
liebten entfagen, morgen einen Slnbercn heiratßen, ba§ fann ich nicht. 
Stad) brei SBocßen gebe ich Sir ©efefjeib, ob ich ©attin be§ *ßßrbter§ 
merben ober ben ©cßleier im ©tift gu ©äefingen nehmen miß. Sin 
bem Seßteren fanitft Su mich nicht htnbern." 

drfdjrecft unb moßlbemußt, baß fie in biefer ©ejießung ooß» 
fommen ßfecht hotte, fteßte er ihr mit freunbtidjen ©Sorten ba§ Un» 
ftnnige ihrer Siebe ju Sllbmpn oor, gab ju, eä fei eine jugeublidje 
©erirrung unb bemißigte gerne ben oerlangtett Sluffcßub. 

d§ fant aber ben Siebenben moht ju ©tatten, baß fie für ben 
oorliegenben goß gut Oorbereitet maren. Sllbmßn hotte be§ ©ater& 


Digitized by Google 



.208 fllofter ©Uberg. 


Stuftest je länger je mehr für bie richtige erEannt unb SltleS aufge* 
boten, bie ©eliebte ebenfall baoon ju überzeugen. @ie motlte nicht 
glauben, baß ber Sater im ©tanbe fei, ihre §>anb bem ©ohne beffen 
Zu oermeigern, bem er mohl Geben unb ^errf^aft DerbanEte, allein 
fie oerabrebeten bod) SllleS jur gluckt, menn biefer §aH eintreten 
fodte. f Saher mar beS ©rafen 2ßad)famfeit umfonft. Umfonft ber 
Sefehl an bie Unechte, ja feinen gremben in bie Surg eingu taffen, 
ohne eS ifjrn mitjut^eilen; baS ftrenge ©ebot an bie ©ürtelmagb ber 
jungen««f)errin, biefelbe auf (Stritt unb Stritt §u begleiten, meines 
SltleS getreulich befolgt mürbe. Sltnalfunbe fcf)ien nichts z u achten. 
Unbefangen verrichtete fie aU bie ©efebäfte, meldhe ihr, als ber Socfjter 
beS Kaufes, oblagen, befonberS feit bie SDfutter geftorben. @ie fdjien 
fich gar nicht zu oermunbern, baß, menn fie §ur grühmeffe ging, ihr 
außer ber SüJfagb gmei bemajfnete Unechte folgten. Sicht Sage Der» 
gingen, eS gefdhah nichts, eS ließ fich nichts SerbädjtigeS fehen unb 
ber ©raf fing an, ju glauben, SlmatfunbaS Giebe §u Sllbmßn fei 
mirElicfj bloße Giebelei gemefen, beren Stjorheit fie jeßt einfehe. Sßeitere 
acht Sage fchmanben. Ser ©raf mürbe fröhlich geftimmt, bie Sochter 
fügte fich ftcher feinem Söillen, ba ftürgte am fünfzehnten SOiorgen 
bie ©ürtelmagb in fein ßimmer unb fhrie: 

„fjerr, man h at baS gräulein geraubt, unfere ^Begleiter erfhla- 
gen." — SaS Geßtere mar nun allerbingS nicht richtig/ benn bie 
beiben Shtedjte Eamen halb nah/ freilich h°^ betäubt Don bem gauft* 
fdjtag, ber fie gu Soben geftreeft. SBüthenb riß ber ©raf fein ©djroert 
Don ber Söanb, fhrie in ben |jof hinab, Sßferbe gu fatteln unb fprengte 
halb barauf ben Flüchtlingen nah, QU f betn Söege, ben ihm bie SOiagb 
bezeichnet.- 

Slahbem Sllbmtjn mit feinem Sater heimgeEommen, hatten Seite 
unter ßujug SBatlramS, beS älteren SruberS, eine lange Unterrebung. 
Sie Folge mar, baß fie nah Saben ritten, atlmo ein gelehrter ^rieftet 
eine UrEunbe auffeßte, Eraft melher Sllbmhn bem Sruber all feine 
Siechte unb Slnfprühe fomoht an baS oäterli<h e als mütterliche Gsrbe 
DerEaufte unb zugleich bezeugt mürbe, baß Stlbmßn ben Kaufpreis 
baar erhalten. Sieß unb bie Sefcfjaffung 6eS ©elbeS erforberte ßeit. 
Fnzmifhett erhielt Slmalfunba täglich Siadjriht Don bem ©tanb ber 
Singe. Siegelmäßig befudjte fie bie F^hmeffe unb ebenfo regelmäßig 
faß an ber sfirdjenthüre ein Settier, ©ie fah ben fheinbaren Krüppel 


Digitized by Google 




•filojhr <Dleberg. 209 


an unb biefer fdjüttclte baS gmupt, maS mohl fagen follte, „noch 
nid^t/' aber am üiergehnten borgen nicfte ?r. 

Slmalfunba ^atte SJtüfje, an biefem Soge ihre gemohnte llnbe» 
fattgenfjeit gu bemaljren. g)erg mußte fpringen uor greuben. (Sie 
fanb {einen Schlaf, fud^te iljn auch nicht- Sei bem trüben Öidjte 
be£ 0eßäntpd)en3 nähte fie ihren beften Scfjmucf in bie Slermel bee 
SÖtantelS, ben fie gemöhnlid) übetmarf, menn fie früh ÜJtorgenS gur 
S£ircf>e ging. 9llS bie ©ürtelmagb tarn, ihr bei bem Sintieiben gu 
Reifen, gebrauchte e§ alle itjrc Sraft, berfelben bie Aufregung gu oer= 
bergen, meldje fidf iijrer bemächtigt hatte- Sie fartbte bie SJJogb oorauS, 
ben Unechten gu fagen, fie fei bereit, gur Stirne gu gehen nnb be« 
nußte biefj, um ben Stantcl übergumerfen, beffett jeßige Scßmere ber 
ÜDtagb hätte auffaiien muffen. Qe nät)er fte ber Stirche tarn, befto 
höher pocfjte ißr g)crg. .ßtoeimal muhte fie ftiHfteljen, fo gitterten bie 
Shtiee. Qeßt maren fie hart an ber £f)üre, auch ber Settier mar 
ba, allein ehe fie eintraten, [prang ber St'rüppel auf unb marf ber 
ÜDJagb feinen alten SJtantel über ben Stopf,. fo baß fie meber fehen 
noch fcfjreien tonnte. £>ie Stnedßc ftehen uerbußt, miffen nicht, ift eS 
Scherg ober (Srnft, hören bie Stritte beS ÜDtanneS nicht, ber hinter 
fie tritt unb mit jebem gauftfdjiag (Stnen ohnmächtig nieberftredt. 
2113 e§ ber Stagb gelang, fid) uon bem uniiebfanten Schleier gu be= 
freien, fieht fie bie Unechte am Soben, ber Setticr ift oerfchmunbett 
unb in ber gerne fprengt ein Sieiter mit bem gräulein fort, beffen 
©emanb fie im Jöinbe flattern fieht. Sie fchreit um .griffe, ^pricfter 
unb Setenbe fommen herbei. ®er Sine nimmt [ich ber ohnmächtigen 
Unechte an, bie Slnbern eilen bem Räuber nach unb bie SUagb rennt 
entfett in bas Schloff 

Sobalb ber Settier auffprang, manbte fich Sfmalfunba um, fah, 
mie Sllbmpn bie Unechte nieberfdjlug uitb eilte mit ihm gu ber Stelle, 
mo baS fchmere Streitroh angebunben ftanb. Stein Söort mürbe ge» 
mechfelt, er h°b fte auf baS s fJferb, fdjmang fich hinter fie in ben 
Sattel, hielt fie feft unb ftürmte baooit, bem ©ebirge gu. Qhnt folgte 
ber Settier auf leichterem ^ferbe. 

(Sine Stunbe mochte ber milbe 9iitt gebauert haben, als baS 
fchmere Schlachtroh, fcbaumbebedt, gu ermatten begann, eS mar nicht 
gebaut, folche ©angart lange auSguhalten, mar gubent in ber Stacht 
fchon oon g)omberg bis Slugft gelaufen, ©ern ober ungern mußte 

SSom 3ura jum Styoarsroalb. IX. 14 


Digitized by i^ooQle 



210 


-ßloflfr ©Uberg. 


e§ 2llbWfen im ©cferitt gefeen (affen, ja feine Saft erleicfetern, ttaeStjalb 
Sßalfrieb, fo feiefe ber Snecfet, ber ben ^Bettler gefpiett, abftieg unb ber 
|>err bie ©eEiebte auf beffen Sßferb fefcte. 9iun ging e§ weiter, 21(6* 
Wfen gu 0fufe neben 2(ma(funba. ©ie glaubten fid) fidjer unb nafeten 
ficfe in munterem ©efpräcfe bem großen SSalbe, ber tfeeiE Weife feeute 
nocfe bie £>öfeen gwifdfeen ©iebenacfe unb gfidinSborf bebedt. ^5(ö^Iicb 
rief ber .Snecfet: 

„§err, id) g(aube, mir werben berfolgt, icfe feöre ben fmffdjlag 
gatoppiirenber Eßferbe/' 

2(ma(funba ftiefe einen ©cferedenäruf au§, 2tlbWpn war fdjnelf 
entfdjloffen. 

„Söalfrieb," rief er, „fdjwinge £)icfe auf. Ofene Saft wirb mein 
|jengft fdjon rennen, eile unb taufte bie Verfolger eine ßeitlang, 
gelingt e§ ®ir, gu entrinnen, fo fearre meiner in ber Siäfee ber SEaufe, 
bie man nennt Söalbenburg. weifet, Wo icfe meine." 

®er kneifet, liftiger als mutfeig, nidte ein Qa unb faitSte baüon, 
Wäferenb 2llbwfen feine ©eliebte an ber §anb fafete unb rafd) in ben 
2Salb feineingog. Saunt fcfeüfete fie ber bicfete gorft, fo brauste ©raf 
©feabatofe, gefolgt oon gefen Snedjten, feeran unb fefete in wütfeeitbent 
Sauf bem Snecfete nacfe. 2lma(funba gitterte wie ein ©fpenlaub. 2llbmfen 
aber lacfete: 

„Sontm, (lebe EBraut," rief er fröt)lid), „jefet finb wir erft redfet 
ficfeer, benn Wäferenb unS ®ein S3ater nacfe ©üben fein oerfolgt, pilgern 
Wir nacfe Dften unb ift er ntübe feeimgefefert, fo wenben audfe wir un§ 
bem ©ebirge gu/' 

©eine ÜWunterfeit wirtte ermutfeigenb. ©ie legte ben 2lrm in 
ben feinen unb folgte tfem mit leicfetem ©iferitte auf einfamem SBalb* 
pfab. 'Dod) ©tunbe um ©tunbe oerrann, fie famen nidfet au§ bem 
gorfte feerauS, inbem fidfe gar mancfeer ^ßfab freugte. Qa an befon» 
beren 33äumen glaubte 2llbwfen gu bewerten, bafe fie mefermalS im 
Greife feerumgegangen. 2lmalfunba begann gu ermatten, fie war gwar 
träftig, nicfet oerwöfent, wie bie reidfeen ÜDamen unferer 3«t, allein 
be§ 9teiten§ ntefer gewofent al§ be§ ©efeen§, bie leidfeten Sudfefdfeufee 
mit bünner Seberfofele waren nicfet gum langen 9J?arfcfeiren tauglidj. 
2lucfe featten beibe SBanberer nicfet ba§ ©lüd oieler OtomanfeeEben, bie 
gg, tagelang auSfealten, ofene ©peife unb SEranl gu ficfe gu nefemen. 


Digitized by i^ooQle 



G3lebtrg. 


211 


SDtittag mar längft oorüber, junger urtb quälenber Surft ftellten 
ftcfj ein. öangfant unb immer langfamer fcftritt Slmulfunba meiter, 
Big fie enblid) SUBmtin’g Slrnt fogließ unb troftloö am 0fujje einer 
©id)e h'ofonB. SDtit fdjmerjlidjen @efüE)len Betrachtete SllBmhn bag 
tfjeure Sßefen, bag fctjon am erften Sage beg 93eifammente6eng fo 
bulben muhte. 

„SllBmhn," houdjtc fte, „ich Bann nicht mehr. ©ef)c Su allein, 
furfje einen Slugmeg unb bann tß'te mich-'' 

„Wik," rief er, „nie. Sich hier im ungeheuren gorft allein 
taffen, bag Bann unb barf ich nicht- Stufje ein menig, bann nehme 
ich Sich ctuf ben Stücfen unb trage Sich- ©ine fo füjje Saft muh 
ja leicht fein." 

(Sie lächelte trü6e. ©r feijte ficf) an ihre ©eite, fpradj if)r SOtutl) 
ein. ©nblich ftanb er mieber auf unb Bat fie, fidj an feinen .£)al§ 
ju hängen. 

„Stoch nicht, ©elieBter, Bomme, holte mich feft, ich glauBe eg geht 
je£t mieber." ©r fafjte fie feft um ben CeiB unb ^alB getragen fdjritt 
fie meiter. $h r SWutf) marb Belohnt. SllBmhn fließ einen greuben» 
fchrei aug, ber Sßalb fchien lichter gu merben. Stoch fjunbert ©djritte 
unb fie ftanben am Staube eineg Bleinen, ftiHen Söiefenthaleg, in beffen 
Siefe ein 33äd)lein raufdhte. 

ßächelnb fah SllBmhn feine 33raut an, bie erft ftaunenb um fidj 
BlicBte unb bann gang entgücBt augrief: 

„Slber, SllBmhn, ift bag nid)t bie nämliche ©egenb, mo Su mir 
Seine Siebe erBlärteft? ©tanben mir nicht bort brü6en Bei jener 
grofeen ©idje?" 

„Soch, hoch, lieBeg $inb, unb bort oben muh Olingberc liegen, 
©ereut eg Sich nicht, baß Su mir bort brühen Sein Vergehen fdjenB* 
teft, mir, um beffentmillen Su heute fchon fo leiben muht?" 

„©title, ftiHe, SllBmhn, Su meiht ja nur gu gut, bah mein £jerg 
fchon oorher Sein mar. 316er höre, motlen mir nicht gurn SlnbenBen 
an jene Sage unb an ben heutigen auch, on Bern ich ßong Sein ©igen 
Warb, hier eine Stapelte ftiften?" 

„S3on .jpergen gern," lachte er, „nur mitffen mir hoch erft für 
ung ein Steftdjen bauen unb jejjt oor SlHem junger unb Surft füllen, 
©oll ich ®idj tragen Big in bie 9täf)e beg £iofeg?" 


Digitized by 



212 


filofler ©Ubrrg. 


(Sie lachte, eilte neugeftärft meiter, tranf mit ber Noblen £mttb 
aus bem ftaren SBädjlein, aus bem aud) 211brat)n bcn brennenbett 
®urft ftillte. SBalb mar Oliitsberc erreicht, mo fte Speife genug 
fanben. .frier mar es, mo 2ltnalfunba ihre gerriffenen Schuhe an 
Sanbalen taufchte. 9Jüftig ichritten fte meiter unb als bie Sonne 
hinter ben Stämmen bes $ura nieberfanf, ftanb ber 2b uvm ^er frerren 
oon SBinterfingen oor ihnen. 

„Sßollett mir hiev bie 9cadjt guhringen ?" fragte 21(brot)n bie ©raut 
mit oieliagenbem ©lief. 

„2öie Su millft," entgegnete errötljenb Slmalfunba, „menn mir 
nur feinen 93errath gu fürchten hoben." 

„Sas glaube idh nicht, benn frerr SBorinbert ift ein greuttb 
meines Katers." 

Sie mürben benn auch moht aufgenommen unb SBarinbcrt fragte 
nidjt einmal nach ihrer frert'unft. ©aftfreiljeit galt bamal3 nod) für 
Pflicht, nicht für Sugenb. 

gröl)lid) unb roohlgemuth festen früh am Sage bie jungen ©atten 
ihre 9ieife fort,* maitberten über Siffad) nadh fröltftein unb tarnen 
gegen 2lbenb in bie 9tähe oon äßalbettburg. ©leidj im ülnfaitg be§ 
uralten Crtes, beffen gmei ftarfe Bürgen ben ©ngpaf beherrfd)ten, 
ftanb oor einer Verberge ber treue Sßatfrieb. ©r hotte, mie er nad)= 
her ergählte, güllinäborf poffirt, ehe ihn ber ©raf gu ©efidjt befam. 
^gm 2öalbe, ber banta(§ bie ©bene gmifdjen biefem Sorfe unb Sieftal 
bebeefte, hotte er eine fcharfe ^Biegung be§ 2öege§ benu^t, hotte bie 
Stoffe itt baS ©ebüfd) gelenft, fobajj bie Stacheilenbcn feiner nidjt 
achteten. Staunt marett fte oorbei, fo ritt er gurüd nach ^üllinsborf, 


* SEßtr fdjreiben auäbrüdlidj „(Satten". gm jehnten 3al>rhunbert fannt« man 
nod) teine ItrdjUdje Stauung. Sie ©he War ein rein bürgerlicher 2lft, auf ben bie 
.Kirche nicht ben minbeften ©influß auöübte. „2Benn bie Sede über ben Verlobten 
gufammenfchlagt. ift bie ©he »olljogen," bjei^t eö in ben (Sefefcen jener 3eit. 9todj 
im breijehnten gahrhunbert faub bie firchtiche Stauung erft nach bem SBeüager ftatt. 
3ur ©ingehung ber ©he war aber bie ©inwilligung ber ©Item ober SSormünber ber 
Jungfrau erforberlich, Wobei Weitläufige ©eremonien ftattfanben. ©ntführung Jam 
häufig »or, Würbe hart ober milbe beftraft, je nachbem fie gegen ober mit SBitten 
ber entführten ftattfanb. hingegen beftrafte man bamalö fchon nur bie gehlbaren, 
bereit man habhaft '»«■'ben tonnte unb bei ©ntführung fanb biefj gewöhnlich erft 
bann ftatt, Wenn bie gotgen eine Strafe unftatthaft, bie SBerjöhnung höchft WünfchetiS» 
Werth machten, ©rimmö 9tcchtö=9llterthümer. 



Digitized by Google 



■filoftec Olsberg. 213 


burdj bie @rge§ unb oerfolgte bie Straße na cf) Diempen (©empen) hm, 
fam über ©eben (Seemen) nach 9teigo4wilau, wo er bte Stacht über 
weilte unb traf am SJtorgeu in SBalbenburg ein, wo auch bie ©atten 
nächtigten, Qejjt waren ftc in Sicherheit, mit welcher Stadjricht fie 
ben S'nedbt fjeimfanbten. 

©eleitet non funbigem Qüf)rer begann früh am Sage ju Qfuß, 
bie ißferbe non jwei Männern am ßügel geführt, bie Ueberfteigung 
be§ ißaffecS am oberen „©ehowenftein", wie ber 33erg bantalS fo e 6- 
SBo je^t eine pradjtootle Sanbftraße in fanften Steigungen t)inauffüE)rt 
nach bem Sfurort Saitgetibrucf unb eben fo fanft über .ßofberbanf Ijinab 
nach fßatStbat, ba beftattb botnalö ein nidjt£ minber al§ ungefäfjrlidjer 
Saumpfab. ©rft im fünfzehnten Qahrfjunbert mürben mit unfäglidjer 
Sötitfje unb großen Äoften bie Qelfen berart gefprengt, baß Söagen 
bie Strafe paffiren tonnten, aber aud) biefe nicht bloß burcb bie Straft 
ber ißferbe. 2tn ben gä^eften ©teilen £)atte man mächtige £>äfpcl be* 
feftigt, mittelft bereu größere Saftwagen an ©eilen beraufgemuttben 
tourben. ®ie ©emäffer höf)tten aber halb biefe Strafe fo au§, baß 
man fie att Dielen Orten mittelft b^t neben einaitbcrgelegten .^olj» 
ftämmen fahrbar machen mußte, ©iner fokßen, fefjr langen ^>oI§= 
6rücfe oerbanft ber Ort Sangertbrucf feinen Siamen. Qm jeffnten 
Qalfrljunbert bebecfte SBalb bie jeßt prächtigen 2llpen, Don SBalbenburg 
bi§ 5Bal3tl)al mar feine Ortfdjaft ju treffen. 

Stüftig ftieg Slmatfunbe am 2lrm be§ ©atten ben Qelspfab hinauf. 
3Wit SQtühe folgten bie ißferbe. ©efahrooller ttodj mar ber 2lbftieg. 
Socb ate fie Dor bem eigentlichen fteilen ülbfturj, über ben bie Straße 
binabfüfjrte, auf einer Sichtung anlangten, wo ba3 Sluge ba§ lange, 
Dott faft fenfredjt abfallenben QelSmänben eingefaßte Shal überfchaute, 
all bie fcharfen Qaden, fihntalen Qirften überblicfte, bi3 weit hinab 
jum Sßeißenftein, ba rief Slmalfunba entjüdt: 

„£)ier Stlbmpn, hier in biefem Sl) a ^ e möchte id) wohnen." 

„Sein Söunfdj foll erfüllt werben, lieber Stinb," entgegnete er 
freubig, „benn fiel), gerabe in biefem Shale rieth mir mein fßater, foll 
ich wich nieberlaffen. £)ier wollen wir in Q-rieben unb ©betracht leben, 
einen neuen Stamm grünben." 

Seicht fanb Sllbwpn eine paffenbe Stelle, um ein ftattlidjeö §auS 
m bauen, War er ja mit ©elb wofjloerfehen unb lag noch wehr für 
ihn ju Saben bei bem ißriefter, ber bie Sfaufurfuube gefcf»vieben. Stoch 




Digitized by OjOOQle 



214 


“filofter ©l«bfrg, 


war ba3 Sfjat fe^r fpärlidj Beüötfert, ©runb unb Soben billig/ ja 
wo SBalb ftanb, faft herrenlos. (Schott ju (Snbe be3 (Sotnmer3 waren 
bie (Satten nach bantaligen ^Begriffen gut eingerichtet/ befaßen eine 
ftattliche §eerbe. ®er 23ater fanbte ihnen gwei leibeigene Unechte, 
ebenfooiel SJtägbe unb ber Sßalb lieferte bem unermüblidjen Qäger 
SEBilb in Stenge. Qm |)aufe maltete 2ltnalfunba al3 forgfame §au3* 
frau. (Sie hatte bie Fracht ber Vornehmen an bie ber Säuerin Der» 
taufcht/ ging int einfachen SBoHrocE, ber bie 2trme frei liefe. Qm 2Bin= 
ter hüllte fie fich in einen meiten SJtantel, ber auch ba3 £>aupt fdjüfeenb 
umgab. (Sin ©ürtel, an bem be3 £>aufe3 (Sdjlüffel hingen, h' e ^ bas 
geftaltlofe ©ewanb gufatnmen. 2ln bie biofeen Qüfee banb fie (Sanbalen. 

21(3 ber Qöljn mieber henlenb burcf) bie engen $häler ftürmte, 
ben <5cfjnee oon beit ge(3wänben fegte, bie Söiefett grünten, ftanb 
2lma(funbe oft am 21benb unter ber $hüre be3 §aufe3, ben blüfjenben 
©äugling an ber Sruft unb fah mit ftrahlenben 2lugen bem (Satten 
gu, ber ben Unechten half, ba3 Sieh in bie (StäUe gu bringen. Dtafcfe 
fdjwanb ber (Sommer, ein gweiter Sßinter unb noch ein gweiter <Som= 
mer bahin. 2llbwt)n’3 9Jeid)thunt mehrte fich, aber auch ber SBunfd), 
bie oielen freien nadjguahnten, bie fitfe auf ungugänglichen Qetfen unb 
Sergen Stürme bauten, worin fie, uor jebem Ueberfall gefcfeüfet, 
in Doller (Sicherheit f) a n§ten. ®er iRaubgttg ber Ungarn h Q tte fie 
gelehrt, folcfee (Schufewefjren gu erfteUen. (Sine3 2lbenb3 Eehrte er 
heim, belaben mit reicher Qagbbeute. ©ie ©attin empfing ihn mie 
gewohnt unter ber §>au3thüre, einen h°lben S'naben an ber £>anb, 
ein EleineS SRäbchett auf bem 21rm. (Sr warf ba3 erlegte Söilb auf 
ben Sobett, umarmte SBeib unb Sinb unb wie3 bann auf einen jener 
fchroffen QelSEegel fein, bereit ber Qura in 9J?affe aufweist. 

„(Siefjft $)u bort, 2tmalfunbe/ / rief er, „jenen Qel3, ber nach 
allen (Seiten hin fo fteil abfäUt, bafe ich ih n bis h eute unerfteiglich 
hielt. 2113 ich aber bort an ber fchroffen QelSwanb brüben, bie fid) 
hinter bem Siegel aufthürmt, ben langen, fchntalen ©rat bilbet, ein 
Sei) aufjagte, floh e3 üor ben §uttben ben Qel3 hinan, bie Sfteute 
folgte, ich auch unb fielje ba, Don ber un3 abgefehrten (Seite Eatn id) 
fo leicht auf ben ©ipfel, bafe ich fah, mit wenig SDtühe läfet fich ein 
Sßeg anbahnen, auf bem man hinauf reiten Eattn, oben aber ift ber 
Serg faft eben. 2Ba3 rneinft £)u, wollen wir nicht einen 5£h urm 
hinauf bauen, in bem wir ficher häufen Eöntten?" 


Digitized by Google 




■filofter ©Isberg. 215 

„©elüftet eS $)idj fo feEjr, bort oben als greiberr gu Raufen?" 
fragte Slntalfunba läcbelnb. 

„OaS nic^t/ liebeS SBeib, ein freier SJtann bin ich fo wie fo, aber 
fo oft ich oon §aufe ferne bin, bangt eS mir für ®icb unb bie Sin» 
ber. ÜJtan hört allenthalben uon Staub, ÜJtorb unb Vranb. ®er 
Saifer hot Slrbeit genug im Canbe brunten. §ter oben thut jeber, 
toaS er miß." 

„steinetwegen, tljue waS 3)u willft, mein Cieber. geh geftehe, 
ich wohne auch lieber hinter feften 3)tauern als hi er i m ungefdjüfcten 
^olghaufe." 

Üllbwtjn tiefe eS ftch nicht zweimal fagen. SBerfleute tarnen. *t)er 
2Beg würbe gebahnt unb broben auf bem ©ipfel beS fteil abfallenben 
Segels erhob ftch int £>erbft ein ftarfer 2;hurm, auS rohen ©teinen 
erbaut, breifjig gufj h oc h °b ber ©rbe war ber (Singang gur Südje, 
bie ben gangen Staunt einnahm. 2luf funftlofer kreppe ftieg man 
in baS SBohngimmer, in bem auch bie (Sheleute fchliefen, eine ähnliche 
£reppe führte in ben hölgernen Oberbau, beftimmt, bei feftlichen 2ln» 
läffen bie ©äfte barin gu bewirken. 2ln ben Sfjnrm baute 2llbwt)n 
@d)eune, ©tallung, SSolfnung für Snedjte unb SJtägbe. ©ine Jlafter* 
biete ÜDtauer, bie fich genau bem Stanb ber fleinen ©bene anfchlog, 
auf ber bie Vurg ftanb, fieberte baS ©ange umfomehr, als fein SJtenfd) 
im ©tanbe war, ben gelS gu erflettern. Stach ben oielen galten, 
bie in ben Stiffen unb fohlen beS Segels nifteten, nannte Sllbwtjn 
feine Vurg „galfenftein". 


VI. 

3>te ©tönbnng bes .Stoßers. 

Slmalfunbe freute fich inniglich, in ber fiebern unb nach ih ren 
Gegriffen fehr ftattlidjen S3urg gu wohnen, war ja ber ©rafenfitj gu 
Slugft nicht fchöner als ber galfenftein. Saum war fie wohnlich ein» 
gerichtet, fo brachte ein Snecht beS VaterS grminger bie Stadjricbt 
oom |jinfcheib beS ©rafen ©habalof). ®ie Srauer ber Stodjter war 
aufrichtig. 2tlS aber ber erfte ©cbmerg überwunben war, brang fie 
in ben ©atten, hinübergureiten unb oon bem Vruber ihr ©rbe gu 
forbern. ©r War nicht gleich bereit unb meinte, er fei reich genug, 
baS ©chönfte oom ©ut beS Verdorbenen befijje er ja bod). 


Digitized by 



216 ‘filofttr ©lebtrg. 

„©cfemeicbler /' cntgegnete bie ©attin unb fcfelug ifytrt fanft auf 
ben SDiunb, „menn Su bieä glou 6 ft unb meinft, mir feien reicf) ge« 
nug, fo fott mein ©rbe baju bienen, jene Sapelle $u bauen, mie mir 
e§ oerabrebeten, als mir jum jroeitenmal, freubig erregt, bae 2 Biefen* 
tljal bei OlinSberc betraten." 

^ebt mar Sllbmtm fofort einuerftanben, bocfe ging er erft ju fei« 
nem ©ater unb tfjeilte ihm jein ©orbaben mit. 

„ßu einem folgen ßmecfe," lacfete ber Sftte, „mirb ber junge 
ßljabalofj mit bem (£rbe Slmalfunba'ä §erau§rü(fen müffen, fonft aber 
mürbe e§ fermer galten, nur eine ÜDiarf ©über au§ iljm fyerauäju* 
preffett." 

2 Birflidj mar ber ©mpfang §u 2 tugft mehr al§ nur fühl, ber 
junge Gf)aba(ot) freien niefet übel 8 uft jü fyaben, ben ©ntfüijrer feiner 
©efemefter 5 ur £Rcd)enjcE)üft jietjen ju moüen. 

,,©raf," fpracb Jllbmpn gelafjen, „Seine ©djmefter liebte mich 
unb folgte mir otjue ßmang. ^pätte Sein ©ater baran gebaut, ma§ 
ber ©Jeinige für itjn getf)an, eS wäre feine glucfet nötf)ig geroefen, 
benn 2 lntalfunbc mürbe niefet entführt, jie ffo^ oor bem traurigen 
Coofe, baS tf>rer fearete. 2Ba3 meine ©idjerfeeit anbelangt, fo miffe, 
idj fomme oon meinem ©ater unb bin icf) 2lbenb3 niefet mieber bei ihm, 
fo ift Seine ©urg morgen ein ©efeuttfeaufen. 23er ba§ jafellofe |)eer 
ber Ungarn fefelug, mirb menig Umftänbe mit bem ©räjlein be§ 2fr« 
oagaue machen." 

Siefe 23orte mirften loie ein ©trom falten 2öaffer§ auf ben Sob« 
jücfetigen unb at£ 2 llbrotjn uollenbs erflärtc, ju meinem ßmeef er 
Sfmalfunba'B ©rbc oermenben molle, geigte fttf) CSfjabatot) fofort bereit, 
fo oicl feerauäjugeben, um ein Sirefelein unb einige ßeücn für fromme 
Gferiftinnen 511 bauen, roelcfee bann in ihren ©ebeten auefe ber ©tifter 
eingebenfen follten. 

©eibe, 21lbmt)n unb (Shabalofe befuefeten ben ©lafe, ben 2 fntal= 
funba ber Stiftung beftinimt batte. Ser ©raf bat, ibm bie ©aefee 
ju überlaffen, ma§ 2 llbmfen mit greuben einging, ©ofort liefe Gfea« 
balob 28crfmeifter fomnten unb fdjon naef) ßahreefrift fonnte 2 lmal« 
funba mit ©atte unb Sfinbem in ber Sfircfee beten, roelcfee ifer ifere 
©rünbung oerbanfte. 

ßaft an bcrfelben ©teile, mo einft bie römifefee ©üla ber fyamilie 
ß-agiro geftanben, ctroa* unterhalb bee> £>ofee> Clinöberc, ber bem 2 lle« 


Digitized by Google 



ßloftfr ©Ubfrg. 


217 


mannen Stbalridj unb feiner ©attin ba3 Dafein oerbanfte, erfjob fiel) 
nun um bte Sßitte be§ §e£»nteit $at)rfjunbertS eine $lircf)e unb bane6en 
ein ©ebciube, in meinem fec^S fromme Sdjmeftern moljnten, baneben 
nod) Sdjeune, (Stallung, aucf) bic SSoffitung be§ ^ßriefter§, ber Änecfjte 
unb 9J?ägbe, benti bamit bie Scfimeftern, ohne Sorge um ba3 tägliche 
53rob, nur iljrem fjeiligen Serufe obliegen tonnten, bebauten bie Stif* 
ter ba§ SHöfterlein mit Siedern unb Sßiefen, leibeigenen Ceuten, bie 
©iiter gu bebauen. ‘Da Sllbmtjtt feine ©üter in ber ©egenb befaß, 
trat 33ater ^rminger an feine Stelle, benn er roar reid) unb it)m ge* 
fjörte faft SlUeS, ma§ gu Olinsberc lebte unb Ijauäte. Da§ SBolf 
nannte ba3 neue Stift im Saufe ber $eit Clsberc unb bann Olsberg. 
Slmalfunba aber Ijatte ifjm au§ boppeltem ©runbe bett tarnen Hor- 
tus Dei beigelegt. Denn in biefem ©arten ©otte3 mar iljre Siebe 
erßlü^t. Den Sionnen gefiel ber 9iame, menn fte aucf) nidjt mußten, 
meid)’ menfdjlidjem ©efiif)l berfelbe entfprungm unb in itjrem S'lofter* 
gelübbe gerabe ba§ ©egentfjeil oort bem oerfpracfjen, ma§ bic Stifterin 
an biefcr Stelle bem ©eliebten gelobte. 

5*c % 

* 

|)unbert Qafjre beftanb ba3 Keine Stift; 2ll6mt)n’3 ÜÜadjfomnten 
nannten ficf) ©rafen oon fyalfenftein, biejenigett feine» 33ruber§, ©ra* 
fen oott Homburg, blühten unb mürben immer mächtiger an Seuten 
unb ©ütern. . Dagegen uerfcbmanb ber ©lang be§ ©rafenfjaufeä gu 
Slugft. Die Sßittme be§ Seiten au§ biefem fpaufe, Signet oon 9)Jör§* 
6urg, trat 1084 in ba§ oon ben Sinnen geftiftete SHöfterlein, manbte 
bemfelben ifjr gange§ ©ut gu, oerfammelte Döcf)ter au§ ben ebelften 
fjamilien be§ Sanbe3 um fiel) unb lebte mit iljnett nach ber 9?egel beS 
fjeiligen 23enebiftu3. Sie ftarb 1116 unb marb al§ gmeite Stifterin 
öerefjrt, ba fie bie ©ebäube feljr oergrößert, ba§ ©ange mit dauern 
umgeben fjatte. * 

* ©eb. 3Hünfter macht aus 2lgne$ bon SKürSburg bie Sattin be§ ©o^neS 
6§abalobä beS I. unb nennt fie gerabeju ©tifterin bon Disbetg. ®a aber ß^aba* 
loh I. 891 biä 940 urfunblid) erfdjeint, fann fein Sohn (ibabalob II. nicht bis 
1084 gelebt ^aben. SBir überlaffen eS bem Sefer, ben 3Jamen beS finberloS ber* 
ftorbenen Satten ber 3tgneS bon SDlörSburg ftch ju benten. ©tifterin toar 2lgneS 
nidjt, bloS bie erfte 3lebtiffin beS burch fie bergrBjierten StofterS. $ie llrfadje, toa* 
rum bor 1199 nur eine Urlunbe bon DISberg fpricht, folgt unten. 1144 fdjenft 3l(* 
bert bon £>absiburg*£auffenburg bem JUofter jejm SJliitt ©etreibe jährlichen ßinS ab 
feinen ©ütern auf bem ÖBfcberg. 


Digitized by Google 



218 -fitoflrc Oieberg. 


$f)r folgte in ber SSürbe einer Slebtiffin Slgatfje non Siamftein 
bis 1136. Slunigunbe oon §onberg bis 1144. 5Diefelbe mürbe im 
SEapitelfjaufe beftattet; ©ifela oon ^ertenberg bis 1161. Slnna oon 
groburg bis 1180. 

35iefer frommen Sionne fcf)ien bie Siegel beS ^eiligen SenebiftuS 
alljumilbe für ihre Sdjäflein, ba nach ihrer Slnfidjt als Sräute beS 
©ottmenfd)en, ber auf Qsrben nichts hotte als einen Siocf, bem er* 
habeiten Sorbilbe auch < n her Sfleibung nachahmen füllten. Sie be* 
mog bie frommen Sdjmeftern, bie ftrengere Siegel ber ©fterjienfer 
anäunehmen. Sie trugen fortan burdfauS nichts am Ceibe als ben 
groben meinen Siocf mit fchmar^em Sfaputier, gingen barfujj unb 
fchliefen ohne Siachtgemanb auf einem Strohfacf, beeften fich mit einer 
groben SSollbede ju. 35aS Ceben brauten fie mit Singen, Seten 
unb ft'afteien beS fünbigett CeibeS ju. Stuftet ben ©eifelungen üot 
hohen {veften, mo fie fich int frommem SBaljn, Siücfen unb Cenbeu 
blutig fdjlugen, hatte am Steujahr jebe Sionne ber Slebtiffin fdjriftlich 
mitgutheilen, mie oft fie baS Qaljr burch fid) auf außerordentliche 
28eife burd) haften unb ©eifein fafteien mode. 35a aber Slnna oon 
groburg fürchtete, baS gleißt) möchte ftärfer fein als ber ©eift, unter* 
ftedte fie ihr Stift ber Sluffidjt ber Siebte beS Sifterjienfer*®lofterS 
ßü^el bei 3)elSberg, ba§ bamalS in feiner höchften Slütlfe ftanb, in* 
bem fich jmeihunbert SJiönche barin aufhielten. ®ic ©rgebniffe ber 
jemeiligeit SBifitationen beS SiomtenftifteS burd) SJiöttdje beeft ber bichte 
Schleier ber S'irdje. Stuf bie SlScetin Slnna folgte ©ertrub auS bem* 
felben f)aufe, nach beren §nnfd)ieb ©utta oon Sd)liengen oon 1196 an. 

VII. 

.ÄUbegarb. 

3u biefer 3 e it/ olS baS groölfte gahrljunbert feinem Gntbe nahte, 
gab eS in $eluetien !eine freien Säuern mehr, mit SluSnaf)me berer, 
bie um ben Sierroalbftätterfee in unzugänglichen £f)ötern mof)nten. 
©runb unb Soben gehörte bem hof)eit unb nieberen Slbet, ein großer 
Sljeil ben Stlöftern, benen baS breijehnte gahrlfunbert in frommem 2Bal)n 
immer noch mehr £)ingufügte. So fehr mehrten fich Stiftungen, 
Sdjenhtngen, Sertnäcfttniffe beS SlbelS ju ©unften ber Kirche, bafe 
cinft ein minber frommer greil)err auSrief: „Qdj glaube, ber Sliagen 


Digitized by Google 



filotor 210 

bet Äirdje »erbaut nicht btoe Steine, fonbern gattje Burgen unb 
fferrfchaften." — traurig n>ar baS Loos ber elenbcn Leibeigenen, 
bie im Schweiß if)reS Slngeftchts bie abeligen unb geifttidjen üRüffig- 
ganger ernähren mußten. Sie wohnten in Lehmhütten, mußten fich 
mit ÜJfild), 9KueS unb Cbft ernähren, fahen nur feiten fyleifd) auf 
ihrem Jifdje. ^h re ftleibung beftanb in einem leinenen £iemb, furjen 
§ofen auS bemfelben Stoff unb einer fsatfe uon ungefärbter SLolle. 
£)a§ SBeib trug ein £>cinb unb barüber einen geftaltlofen >Rotf. Schuhe 
fannten fie nicht, faum am Sonntag Sanbalen. £ie 3)iänner muß» 
ten taS £)aar furj fcheeren, langet .ftaat burfte nur bas ii>eib unb 
ber freie 3Jiann tragen. 33on ben Leibeigenen forberte man Grunb» 
ps, 3ehnten, £)erbft= unb gaftnachthüfjner, Gier, 2Lachs, £>onig unb 
grofjnbienfte ohne 3 °^- ^ er ^ err hurfte fie oerfchenfen, uerfaufen, 
fchlagen, tobten, fie waren fein mit Leib unb Seele, burften ohne 
feine ^Einwilligung nicht heirathen. GS waren ÜJienfchen, bie man 
als Spiere behanbeltc. 

3u biefer tranrigcn 3 c it lebte 311 Olsberg im armfeligen Oih'f* 
heit, oberhalb bes rcidjen Stiftes, ein ,'pöriger, beffen größter Schaß 
ein SRägblein war, bas man mit Siecht baS Blümchen SLunberbolb 
nennen burfte. fnlbegarb war gar nicht feine eigene Tochter, fonbern 
bas ftinb feiner Schwefter, bie fich hem ^unfer »on Gptingen h> Ils 
gegeben. Gr hatte bie fchöne Leibeigene 00 m Stift Olsberg gefauft 
ober beffer gefagt, eingetaufefjt, fee freigegeben, als fie ÜRutter ge» 
loorben. 211S fie bann ftarb, nahm ber finberlofe 33rubcr bie Söaife 
äu fich, erjog unb liebte fie, wie fein eigenes Stinb. Obfchoit bas 
ÜDiägblein Wohl in golge feiner Slbftanmmng alle Äittber ber Ortfchaft 
an Schönheit übertraf, war fte bod) eben fo ärmlich gefleibet als ihre 
SllterSgenoffen, felbft bie Jungfrau trug nichts am Leibe als ein 
f)emb unb einen fRocf, ber eher einem weiten Sacfe glich unb nur 
burd) hen Gürtel feftgehalten würbe. 

Sroßbem hatte ^ilbcgarb, ohne es ju ahnen, baS fterj eines freien 
2ftanncS erobert. Heinrich war ber Sohn eines SRauttes, ber auS 
bem weitentfernten Schwpjerlanb t)ief)er gefomtnen war, erft als er» 
faljrctter Senn im Äloftcr biente, bann als Lehenmann ben £>of Senn» 
rncib bewirthfehaftete. 21 (s Heinrich fünfunbjwanjig Qahre 5 äfjlte, 
ftarben ihm bie Gltern nacheinanber. 21 IS tüchtiger Lanbmirtl) be» 
fannt, erhielt er ohne große SRühe baS Gut ebenfalls 3 U Lehen; allein 


Digitized by t^ooQle 




tHoftrr Eisberg. 


220 

jeßt beburfte er auch einer ©attin, bie bem großen |)au3mefen oor= 
juftehen ocrmochte. Sein 2luge fiel auf .'pilbegarb, ba§ ©el)eimniß 
if»rer Ülbftammung mar ihm befonnt. Gr bernarb ftdj eifrig um ihre 
©unft. 9lls fcfjöner häftiger 'Kamt, beffeti blonbe Socfen feine freie 
©eburt bezeugten, befannt, ebenfo reblicb toic thätig, fiel e§ ihm nicht 
alljn fchmer, bie Siebe bes ißlümcbens Sunberholb ju geminnen. $n 
turjem füllte bie •'pochjeit ftattfinben. 

2 lKein nicht Ipeinnch allein fannte bie Schönheit ber Jungfrau, 
fonbem auch bem Schaffner be~3 &lofters, bem oierjigjährigen Ulrich 
Schleicher, mar fie fchon längft aufgefallen. Gr mar entfdjloffen felbft 
bas iBlümlein ju pflücfert, obfehott er nicht oon ferne an eine £>eirat(j bacfjte. 
3 mar hatte er roeber JL 5 eib noch Äinb, allein eine Ghe mit einem Sinb ber 
Siebe, bas nichts befaß, als roas es am Seibe trug, fchien ihm feiner 
unmiirbig. Gr honte alfo gebulbig auf bie Gelegenheit, bie fich ihm 
barbieten mußte. Saum hatte er uernommett, baß .Spilbegarö auf bem 
fünfte ftehe, fich mit Heinrich 'Hittfels auf bem ipofe Sennmeib ju 
oerehelichen, fo ließ er bem i'flegeoatcr ber Jungfrau fagen, ehe beren 
Ipeirath ftattfinben bürfe, muffe bie Grlaubniß bes Stiftet cingeholt 
roerben, ba pilbegarb bes Slofters Seibeigene fei. Sobalb bieß .pilbe» 
garb bem ^Bräutigam mittheilte, eilte er ju bent Schaffner unb fragte 
jiemlid) barfch, „mie er behaupten fönne, .pilbegarb fei eine Seibeigene, 
ba er hoch ficher miffe, baß bie 'Kutter eine grcigelaffene mar." 

„Sannft Su bieß bemeifen," entgegnete ber Schaffner falt, „fo 
habe ich nichts gegen Guere ipeirath einjumetiben; allein ich bejmeifle, 
ob Su eine Urfnnbe ber 5tvt oormeifen fatmft. Sir taufchten aller» 
bings bie Kutter an einen Seibeigenen bes sperren oon Gptingen, je» 
hoch unter bem Vorbehalt bes Anrechtes an bie meiblichen 9iachfomnten 
ber Kagb. Tos bin ich bereit ju befchroören, benn ich felbft fchlojs 
ben Jan ui) ab." 

Ser junge 'Kann erfdjraf, öa-3 mar 3lües möglich, tarn häufig 
oor unb ^ubem mar auch ber iBater ^pilbegarb'3 nicht mehr unter ben 
Sebettben. Gr matibte fich an bie Slebtiffin, mürbe aber nicht einmal 
oorgelaffen. Sas fei Sache bes Schaffners, hieß e§, bie fromme 
fyrau habe feine 3eit, fich mit folch’ meltlichen ‘Singen 311 befchäftigen. 

Ipeinrtch mar nicht umfonft ber Sohn eines Komteß, beffen Siege 
in einem Sanbe ftanb, rco man fich nicht tefjeute, fein 9fed)t ber Kirche 
gegenüber 3 U behaupten. Sa mirftich feine Urfutibe oorhanben mar. 


Digitized by Google 




fiioftrr OUberg. 


221 


bie £)ilbegarbs greifjeit bewies, fo blieb ihm nichts übrig, al^ bev 3Bcg 
bee <33eric£)te*. 2113 fidj basfelbe unter freiem Fimmel an ber Sing* 

ftätte be§ Sfofters oerfammelte, crfcfjicn er, bie hocherrötbenbe §ilbe* 
garb an feiner Seite, il)m gegenüber ber Schaffner. 

Ohne auf bie flef)enben Slicfe ber 33rant ju achten, enthüllte er 
bie Umftänbe il)rer ©eburt, wie e§ ihrer SDlutter ergangen unb wie 
er bezeugen fönne, baß ber uerftorbcne £)err non (Springen felbige 
freigefprochen. Sann legte er ben Schöffen bie grage uor, ob bie 
Socffter ber greigelafjeiten wof)l leibeigen fein fönne. 

Sem entgegnete falt unb gelaffen ber Sei)offner: 

„geh beftreite gar nicht, baß bie SJiutter ber h>erftcl)enben ^JZagb 
£>ilbegarb freigefprochen würbe burch bie ©üte if)re3 Herren, bagegen 
behaupte ich, ber felbft ben Sauf cf) mit bem feligen Herren oon Gcp* 
tingen abfchlojf, baß ich auSbrücHicfj bebang, e3 muffen nach altem 
Siecht unb Sitte bie weiblichen SRachfontmen unfercr 22iagb be§ Stiftet 
©igenthunt werben. glätte ber Sfnecht, ben wir für fie erhielten, St'in* 
ber befomrnen, fo wären alle Shiaben auch lieber (Sigentljum bes Herren 
oon (Iptingen geworben. So warb ber Sauf abgefchloffen, ich bin 
bereit, e3 ju befchwören, obfdjon ja bie Sache an unb für fiel) Har 
unb bcutlicf) ift." 

So Har leuchtete fie aber ben Sfidjtern nicht ein, benn nach für» 
5 er 23eratf)ung fpraef) ber tBovfißenbe: 

„Ulrich (Schleicher, Sdjaffner bc3 Stiftet Olsberg unb Vertreter 
ber 9 fed)te ber ehrwürbigen grau Slebtiffin unb be§ onoentes, id) 
forbere Sich auf, §u befchwören, baff Su bei gejagtem Saufri) ber 
SRutter ber Ipet ftehenben 2 ttagb ^»ilbegarb ben lauteren Vorbehalt 
machteft, ihre weiblichen ülachfommen muffen in allen gälten bem 
Stifte eigen fein. 23ebenfc aber wohl, Schaffner, bas ©eridjt be» 
ftraft ben ÜReineibigett burch Stbljauen ber rechten ^anb unb barauf 
folgenben Sob. Sie tpanb foll an ben ©algen genagelt, ber Ceib in 
ungeweihter ©rbe oerfcharrt werben, bie Seele aber feine Sluhe finbert, 
bi§ am Sage be3 lebten ©erichteS." 

Stoß biefer furchtbaren Sroffuttg trat ber Schaffner oor unb be* 
fdjwur feine 2lu§fage. „So wahr fein Schöpfer unb dichter ob il)m fei.* 

* Siefe Strt ju ferneren fefyrt in fetyr nerfdjiebenen ©egenben in ber Solfäfage 
tuieber. SBir trafen fie am fflic^elfee im fbfyurgau, bei Qberg, Äanton ©t, ©at* 
len, 2 c. mit untnefentCic^en Stbmeidjungen. 


r 


Digitized by i^ooQle 



222 


■filofter ©Uberg. 


Stiad) feiner Slnfidjt hatte er feinen ÜDJeineib gethan, benn er [}atte in 
fein £>aar ben S'amm geftecft, ber in ber SotfSfprache „dichter" Reifet; 
ferner trug er auf bem Sopf einen „Schöpfer", wie ifjn ber ©ernte 
gebraucht. Seibe ©egettftiinbe burcf) bett großen ©ugelf)ut Bebeeft. 

®ie ©efdfworenen fonnten niefjt anberS, £>Ubegarb warb bem 
SHofter et (3 Seibeigene gugefproefjen. Sit S fie baS Urtfjeil oernaf)m, 
beffen golgen fie leicht begriff, brach fie gufammen, erholte fid) aber 
fchnett, als if)r §>einrid) guraunte: 

„Sfluth, ©etiebte, id) rette Oid). Seoor eS SDiitternadjt wirb, 
bift ®u frei. 2Bir fließen in meine ^jeimattj." 

©ebutbig ging fie oor bem Schaffner tjer, ber ihr fpottenb gutief: 
,,©rft bienft Ou mir je^t atS foigfame Söiagb. 2)ie geit tt>irb 
lehren, ob id) fpciter an üDir fjanbte, wie ber §err oon ©ptingert an 
deiner Butter." 

9J?it ©rauen burd)fd)ritt £)itbegarb ben §wf beS SiofterS, beffen 
eifenbefdjlageneS £E)or fnarrenb hinter ihr gefd)Ioffen warb, ©ine um 
fägtidje Slngft befiel fie, atS fie bie ftarfe SJJauer betrachtete, weiche 
bie ©ebäube umgab. 2öie fußte Heinrich fie (per herauSt)olen? ®a 
fiel ihr Slicf auf baS Sitb ber Sftutter beS £>eilanbeS, baS in einer 
9?ifd)e ber Sfirchenntauer ftanb. ©3 fd)ien ihr, bie ©nabenreid)e tädjle 
ihr gu. ©in ftitleS ©ebet ftieg gu berfeiben empor, bann trat fie in 
bie @d)affnerei, wo @djtetd)er fie einer aiten 3J?agb mit ben SB orten 
übergab: 

„®a ift baS Sftäbdjen, thue mit ihr, wie id) eS befohlen/' 

Sftit grinfenbem Sachen führte bie Sitte §ilbegarb in baS SBafdp 
tjauS, wo bereits ein Sab für fie bereit ftanb. ©ie muffte fidj ent* 
fieiben unb oon ber Sitten am gangen Seibe mit ©eife wafdfen taffen; 
Währenb weld)er Strbeit fie taut bie Schönheit £)ilbegarbS, ihre garte 
£>aut, bie deinen £>änbe unb güffe, bie üppigen gönnen ber guttg* 
frau rühmte. SllS fie biefelbe gut abgetroefnet, tegte fie ihr ein SRöcftein 
an, baS oon ben §üften bis etwas über bie $niee reichte, oon einem 
©ürtei feftgehalten Würbe. Oberleib, Seine unb Sinne blieben naeft, 
an jeben Oberarm tegte fie ihr einen breiten 9ting, baS geidjen ^ er 
Oienftbarieit. * 

- • 

* ßleibung einer reibeigenen SKagb, nad) einem aiten ^olgfd^nitt. ©ie$e auc$ 
©rimrnS $Rec§t3aItertfyümer. 2öir erfinben feine $oftüme, fdjilbern ßieibung unb 
©itten nur nac§ urfunbiie^en 9ta$rid)ten ober aiten 3ei$nungem 


Digitized by Google 





■filoöer ©lebtrg. 223 


„(Bo, mein füfeeä Saubren," fcf»rie &ie 9llte, „je§t Bift 2)u ein 
wahrer ©ngel. 91 d) welche ^reube wirb ber $err empfinben, menn 
iljn biefe Cilienarme umfd)lingen!" 

„9lber idf merbe borij nic^t fo nadt einhergehen ntiiffen?" fragte 
fie ^ilbegarb. 

„®od), bocf), mein Stäubchen, fo befaßt e3 bet £>err nnb fo ift 
ftet3 bie leibeigene Sfüchenmagb gefleibet. 93orberf)anb Ijilfft $>u mir 
in ber Stücke, bem Herren eine gute SJtahlgeit bereiten, üielleicf)t heifet 

er SDid) miteffen unb nadlet-Sta, ba3 mirft ®u bann fdjon 

inne werben. SJtan ift eben leibeigen." 

SJtit gefenftem frnupt, 3Tt)X'änen in ben Slugen, trat ^nlbegarb 
in bie $?üd)e. S)?it jeber Minute mehrte ficf) i£)re ^urdjt unb bie ©e= 
wifeheit, baä Cpfer eine3 (Schürfen gu werben. 2>och wo bie 9iotf) 
am größten, ift ©otte§ £nlf am nädjfteu. 9lu3 ber 9lbenbmal)lgeit 
mit bem Schaffner warb e3 nid)t§. £?aum oom ©ericfjt gurüd, berief 
i^n bie 9tebtiffin unb beauftragte il)n, fofort nach 9^Ejeinfelben gu reiten, 
bem Sdjultheifeen bafelbft wichtige Briefe gu bringen, ©crn ober un¬ 
gern, er mufete gehorchen, fonnte oor Stacht faunt gurüd fein, obfebon 
er fein Sßferb nicht fdjonte. 

91(3 Heinrich bie SDingftätte oerließ, fdfäumte er oor 28uth, be* 
fd)aftigte fich aber fofort mit ben SBorbereitungen gur Stettung feiner 
©eliebten. ©r rannte nach Stljetnfelben, gu einem ihm bekannten 
33ürger. Schnett war ber §>anbel gefdjloffen, bie furggefafete Urtunbe 
geichrieben, fraft beren er bem 23ürger att feine ga()rl)abc oerfaufte, 
ba3 ©elb bafür erhielt. 911 3 er bie Stabt oerliefe, fah er ben Schaffner 
einreiten, ohne oon ihm beachtet gu werben. Qu einem Sauf ftürmte 
er heim, befahl ben treuen Unechten, ba3 93ief) naef) Stheinfelben gu 
treiben. 9113 fie ihn ftaunenb aitfahen, geftanb er ihnen, bafe er ge* 
fonnen fei, bie ©etiebte gu befreien, in feine $eimath 3 U fließen. 

„£)err," fpradjen bie Jünglinge, „auch wir bürften nad) Freiheit. 
Stimm un3 mit, lafe un3 frei unb wir fteljen ®ir bei, SDeine §ilbe* 
garb gu befreien. 9lttein wirft ®u fie fcfjwerlicf) retten." 

Stad) einigem 93efinnen fdjlug Heinrich ein. Shtng fottte mit bem 
9Sieh nach Sth^infelben. Stuobi füllte fid) in Cumßen, beflebte ba3 
©eftdjt mit einem grofeen Sßflafter, nahm gwei Striiden, bie Heinrich 
.fchnett hergeftellt unb ging auf abgelegenen fßfaben bem Stlofter gu. 
Heinrich folgte, wohlbewaffnet. 


Digitized by 




224 fllcfltr (DUbcrg. 


gngmifcfeen mar e§ S^ac^t gemorben. (Sin ©emitter nafete, 33Ii^ 
unb ®onner folgten ©cfelag auf ©cfelag. 

„2Ber ift braufeen?" fcferie ber Pförtner am i£feore, burcfe melcfeeS 
man, oon ©iebenacfe feer fommenb, in ben §of gelangte, ben bie 
©cfeaffiterei, ©cfeeune unb (Stallungen umfcfeloffen. 

„©in armer Krüppel bittet um ©inlafe; bei bent fcfererfticfeen Un« 
metter um ein Obbacfe." 

SDcurrenb öffnete ber Pförtner. ®er Krüppel feinfte langfam an 
feinen Brüden feerein, fo tangfant, bafe ber Pförtner ungebulbig rief: 
,,©i, fo madfe’ bocfe, foll icfe um Seinetmilten aucfe nocfe nafe merben!" 
3)a trat ein grofeer, ftarfer äftann auf ifen gu. 

,,2öa§ ift ba§, ma§ millft £u," fcferie ber SBäcfeter. — ©ine 
Slntmort erfolgte nicfet. ©ifenfäufte fcfenürten ifem bie ©urgel 

gu. cmbere £)änbe oerbanben ifem ben SD?unb fo, bafe ©cfereien 

unmöglicfe mar, feffelten ifen an «fjänben unb güfeen. (Dann marb 
er in ben ©raben bor bem Sfeor gemorfen, ber gum ©tücf ofene SBaffer 
mar. SllSbann fcferitt ber ©rofee über ben £>of gur (Scfeaffnerei, beren 
ü£feüre er beim Scfeein ber SBli^e leicfet fanb. ©r trat in bie Sfücfee, 
mo bie alte üöfagb am |>erbe ftanb. 

„2öo ift §ilbegarb?" bonnerte er ifer gu, ,,füfere micfe gu ifer, 
menn ®ir ®ein Ceben lieb ift." 

Ü5ie Sllte ftarrte ifen mit aufgefperrtcm Sftunbe an. ©r trat an 
fie feeran unb fcferie ifer in ba§ Ofer: 

„2Bo ift ^ilbegarb; alte £>eye? geftefee, ober icfe tobte 2)icfe!‘‘ 
„.<piev, ^einricfe, feier, in ber Kammer, fie feaben micfe eingefperrt," 
rief jefet eine meiblicfee (Stimme, bie burcfe bie anftofeenbe ütfeüre gu 
fomnten fcfeien. 

®er ÜDJann ergriff eine 9ljt, bie in ber St'ücfee ftanb. ©in ©cfelag 
unb bie ütfeür flog in krümmer, ^ilbegarb lag an be§ 9ietter§ 23ruft. 
„gort, fort," rief er, „mir feaben feine 3 e tt oerlieren." 
„^einricfe," ftefete fie. 

ge£t erft gemaferte er ifere leicfete Sleibung. Söae mar gu tfeun? 
„S'omnt," fcferie er, „ba§ ift S^ebenfadje," nafem fie bei ber £)anb 
unb gog fie au§ ber St'ücfee, um al§balb oon fecfeS S’necfeten umringt 
gu merben, melcfee ba§ ©efcferei ber Sitten feerbeigerufen. ®a§ ©cfemert 
flog au§ ber ©cfeeibe, allein er märe fcfenell übermannt geroefen, ba. 
fam ein ©tement gu feiner £>ilfe. gm 3^3^ fufe* i)er eleftrifdfee 


Digitized by t^ooQle 





€Uo|&r ©Uberg. 


225 


Strom gur ©rbe, tagßeß marb eS im §ofe, gräßltcß fragte ber 
Bonner unb mit einem Scßlag fußr bie Soße empor gum $immel. 

„£>ie Scheune brennt! bie Scßeune Brennt!" fcßrie eine Stimme. 

SDie Sfrtecßte ließen ab oom Kampfe, rannten, baS 33ieß gu retten. 
Slutrotß färbte ficb bie fernere ©emittermolEe, bie über bem Sßate 
ßing. Scßauerlicß geulte bie Sturmglocfe, ©ntfefjen ergriff bie Tonnen, 
benn je§t bradß ber Sturm toS, ber bem ©emitter folgte. Sßeit um» 
^er flogen bie brennenben geßen ber Stroßbäcßer, unter ber SBudßt 
beS rafenben SBinbeS bog fuß bie Spi^e ber Soße um, ergriff bie ©e« 
bäube beS SUofterS fetbft, beffen gnf affen nur an beS SeibeS fftettung 
bacßten. Stof} aller ßerbeigeeilten §ilfe mären, als ber Sag anbradß, 
Äircße, Stift unb CeEonomiegebäube nicßtS als ein Raufen Scßutt 
unb raucßenbe Srümmer, bei bem bie Tonnen gitternb unb betenb 
ftanben. ÜRidjtS mar gerettet, fetbft baS Slrcßio üerbrannt. 

fmcß oben am Sßalb, burcß ben ber SBeg oom SMofter nacß fRßein« 
felben füßrt, ftanb an eine ©icße gelernt ein Sttann, an ben ficß ein 
2Beib fcßmiegte. Seine breite öruft ßob unb fentte ficß langfam, mit 
roKenbem Sluge faß er bem 33ranbe gu, fein 2lntliß leuchtete oor mil» 
ber greube. Runter bem ißaare ftanb läcßelnb ber oermeintlicße 
Krüppel, jeßt ein fcßlanEer, Iräftiger Jüngling. 

„5)eS Rimmels geuer ftanb unS bei," rief mit erregter Stimme 
ber -äJtann. 

„Unb ber äftenfcß geigte bem geuer ben SBeg," murmelte ber 
gfingling. 

£)ieß maren bie eingigen Söorte, bie fie fpradßen, bann faßen fie 
mieber fcßmeigenb bem entfeffetten ©lemente gu, baS mit rafenber 
SButß fein 93ertilgungSmerE fortfeßte, bis enblicß baS SBeib ftüfterte: 

„$einridß, micß friert." 

©r bog ftcfj gu ißr ßinab, füßte fie gärtlirfj unb entgegnete ßalb 

leife: 

„fiontm, liebeS $inb, ®u bift gerädßt; jeßt moHen mir aber an 
unfere Süßerßeit benfen." 

©r faßte fie um ben Seib unb gog fte rafdß fort, gn feinem 
.'paufe fanben ficß üon ber oerftorbenen ÜÖZutter ßer Kleiber genug. 
2BaS leidjt gu tragen mar, fcßnurten fie in gmei 33ünbel, bie £>einricß 
unb 9iuobi auf ben SRficfen marfen. 2Boßt öerfeßen mit SebenSmitteln, 
um nicßt gleicß eine menfcßlitße SSßoßnung betreten gu müffen, eilten 

Som 3ura jum «S^lüarjiralb. IX. 15 


Digitized by 


Google 



226 


Älofter ©Uberg. 


fxe fort, auf einfamen SBegen bem untern ^jauenfteinpafj gu. ©rft 
als fie ftcfj in ber Stäbe üon ©iffadj befanben, ber Sag anbracb, Der» 
fdjwanb bie 9?ötf)e am §>immel, baS geidjen 23ranbeS, welches in 
wenig ©tunben baS grofje (Stift oergeljrt hatte. 

Söer aber im uäd)ften ©ommer an einem geiertag über bcn 
©teinerberg hjnwanbette, tonnte auf ber Söanf öor einer ftattlicf)en 
©ennljütte einen rüftigen gurten fefjen, neben bem ein blüljenbeS SBeib 
in ber einfachen Sradjt ber bamaligen £>irtin fafj, auf bem ©c^oße 
einen munteren ©äugling fdjautelte. ©in einfacher Sßotlrocf, ber 
taum bis über bie Sfrtiee ging unb auS beffen 2lrmlöcf)ern ber fchnee- 
weifte, Weite £>embätmel fteroorquoll, bilbete ihren ganzen Slngug, bem 
fie bei fdjledjtem Söetter einen fdjtic^ten Söoümantel beifügte, in beffen 
Stapufce fie baS Raufst JjüHte. Sieben ihnen faften auf §olgblö(fen 
gwei träftige Jünglinge, wie ber §err mit bem einfachen furtenftemb 
befleibet. SaS war nun Heinrich SlmfelS, ber treue ©enne beS rei¬ 
chen ©tauffacfter gu ©teinen, mit feiner ©attin, £>ilbegarb, ber an¬ 
geblichen Ceibeigenen beS ^lofterS Olsberg. Sie beiben Sfrtechte, 
Stung unb Stuobi, waren jefct auch freie Canbleute im ßanbe ©cftwbg. 

vin. 

.Süffiges .Seben tn fMsberg. 

Ser furchtbare 23ranb halte bie ©efunbf)eit ber alten Slebtiffin 
©utta oon ©chliengen fo erfdjüttert, baft fie halb barauf baS grbifcfte 
mit bem ©wigen oertaufchte. Stur tangfam erhob fid) auS bem ©chutte 
ein neues ©tift. Ohne bie 33eifteuer beS umliegenben SlbelS wäre 
eS ber neuen Slebtiffin, 23erd)ta oon Shierftein, taum gelungen, ben 
Neubau Würbig herguftellen. Unwahrfcheinlich ift baher folgenbe ©age 
üon bem 8 eben ber Tonnen gur 3 e ^ 33erd)ta’S: 

„Sttit bem großen Vermögen beS StlofterS wuchs auch ber welt¬ 
liche ©inn in feinem gnnern. gm Stlofter gab eS halb lauter SBatang* 
unb Spieltage. Sttan 30 g hinaus in bie groften SBucftenwälber beS 
gura unb hielt ba 2 )taien[äfte unb ©ommerfrifdhe, aber nicht wie ber 
einfache Canbmann, ber um biefe 3 eit oon harter Arbeit in einem 
©ennhofe auSruht. Stein. Stuf ben grünen SJtatten fchlug man 
Jütten auf, um barin ungeftört unerlaubte greuben gu genießen. 
Sie ©ebetftunben oertangte man mit ben jungen Slbeligen unb StatljS» 
herren üon Stbeinfelben. Sie Stunbe oon folgen StuSfcftWeifungen tarn 


Digitized by t^ooQle 



filoßer OUberg. 


227 


ettblich auch p beit Ohren beS GtfdjofS oon Gafel, melcher einen ©eift« 
liehen nacf) OlSberg fanbte, bie Elöfterliche ßuc^t unb Orbnung h et5 
pfteKen. Allein ber Abgefanbte trat auf ebenfo garten, als unoer« 
hofften SBiberftanb. Aebtiffin unb St'onoent oerfammelten fid) in ber 
.tirche unb eröffneten bem unbequemen Reformator, fie feien ent« 
fd)loffen, jeben Eünftigen 23ringer foldjer SBotfdjaft fofort tobt p fragen 
unb p Beiden. 

35er fromme ÜRann BeEreujte [ich, oerließ baS entmeiljte ©otteS« 
E»attä unb brxidfte am AuSgang feine £>anb in ben S^orftein, als märe 
berfelBe üon 2öa<hS, babei rief er ben Rönnen p: * 

„Rie ift Olsberg offne Grob, aber auch niemals offne Roth-"" 

Oiefe (Sage trägt ben Stempel echter GolfSfage, inbem fie jmei 
fern ooneinanber abliegenbe Gegebenheiten in ©ine pfammenpht unb 
nach ben Sitten formt, bie pr geit ihrer ©ntftehung geherrfrf)t haben. 

Rotorifch ift, bajf unter Gerrf)ta oon Shierftein bie ©infünfte 
nicht hinreichten, ben erlittenen Sdfabeu gut p machen, fonbern baff 
biejf nur burch frembe £jtlfe möglich gemacht mürbe. Gon Reichthum, 
ber bie Rönnen p AuSfchmeifungen üerleitete, fann alfo bantalS feine 
Rebe gemefen fein. ßmeitenS f)atte ber Gifehof Oon Gafel gar fein 
Recht, fich in bie Angelegenheiten beS SlofterS p mifchen. Sämrnt« 
liehe OrbenShäufer ber Gernharbüter maren oon jeber bifchöfliihen Auf« 
fid)t befreit unb ftanben bireft unter bem ißapfte, melcher bie Gifi« 
tation ber meiblidhen Stifte einem benachbarten Abt beSfelben OrbenS 
übertrug. So ftanb eben Olsberg unter ber Auffidjt ber Aebte p 
Gü^el. 2öir glauben aud) nicht, bafs bie Sittenüerberbniff in ben 
Älöftem fchon im Anfang beS breigehnten QaffrhunbertS eingeriffen 
mar, bafür hot man nicht ben ntinbeften RachmeiS. dagegen pafft 
bie Sdjilberung beS auSgelaffenen Gebens ber Rönnen feffr gut für 
baS fünfzehnte ^ahrljunbert unb mir merben unten felfen, baff ber 
Abt oon Gü^et fich um jene $eit genöthigt fanb, energifch gegen bie 
grioolität ber Gemohnerinnen oon Olsberg einpfchreiten. Giel jeit« 
gemäßer ift bie ©rjählung Sebaftian SRünfterS, melcher fchreibt: 

„Oie Aebtiffin Gerchta oon 25f»ierftein hotte einen §ofmeifter 
(Schaffner, ^lofteroogt), ber gegen bie Armen äufferft hört mar, feine 
Almofen geben mottte. ©ineS OageS erfchien ein Armer an ber Sflofter« 
Pforte unb Bat im Ramen ©otteS um eine fleine ©abe. Oer Xfyox* 

* SRoc^^olj. Sagen au8 bem Stargau. 


Digitized by 


Google 



228 


filojtar CDUbtrg. 


Wärter fuhr ifjn hart an unb rief, ba ber'Settler nicht wetten wollte, 
ben ©djaffner gerbet, weither bem Strmen mit ©djlägen brotjte. @r= 
Zürnt rief biefer: Date et dabitur vobis! (©ebet, fo wirb auch euch 
gegeben werben.) £>abei brücfte er feine $janb in ben Sfjorftein, 
alfo baß alle fünf ginger ftdjtbar blieben. 3>er hierüber erfcßrocfene 
^jofmeifter machte ber Slebtiffin Slnjeige. Oer Sirme war unb blieb 
oerfdjwunben. ©ie aber befahl, tro^bem baS «Stift burd) ben Sranb 
fdjwer gelitten, l)infür feinen Sinnen unbefdjenft oon bannen ju taffen. 
Oer ©tein würbe im Sauernfrieg weggeführt." 

Oiefe ©rjä^lung mit ihrem SBunber am ©djluß, paßt oiet beffer 
in ben Slnfang beS breije^nten gafjrhunbertS als bie ©age oon ben 
auSfdhweifenben Tonnen. 

Stuf Sercßta oon 3:§ierftein folgte als Slebtiffin gutta oon 2fluß= 
badj, Weldje ben Neubau ju ©nbe führte. Son 1230 an regierte 
93runf)ilb oon SJtünd&enftein, Welche eS oerftanb, ihrem ©tift ben ©lang 
beS SBunberbaren ju oerleifjen. ©dljon unter ©iSbeth oon ©ptingen 
hatte wäljrenb einer anfjaltenben Oürre ber fromme Seidjtoater ©ott= 
frieb, ein zweiter StfofeS, eine Duelle neben bem Slltar emporfprubeln 
iaffen, bie beute nod) in ber £irdje ju feigen ift. Unter Srunljilb 
oon SKündjenftein aber lebte im ©tift eine fromme ©djwefter, bie 
wäljrenb elf galjren nichts tranf. Söahrlidj ein SBunber in einer 
ßeit, wo man einer Sionne täglich eine 9Jtaß Söein oerabreicßte. 
gerner befam ber achtzigjährige, faft blinbe Seichtoater, fieben neue 
ßähne unb ba§ ergraute £>aar warb wieber fchwarj. Stuf Serdjta 
folgte SÖiedjtilb oon ©dhauenburg, beren ©Item, Serdjtolb unb 9Jlecß= 
titb, bem ©tifte große Sergabungen machten, ©ie überließ ben geift» 
liehen |)irtenfta6 an SlgneS, dicta bie SRicßinnen, weither Sfönig 9?ubolf 
1283 bie SRedjte unb greiheiten ihres ©tifteS beftätigte.* 1335 herrfdjte 
laut Urfunbe ©ISbeth oon ©ptingen, welche ben ©tab aus ber $anb 
ber fterbenben ©ufanna, auS bem abeligen $aufe ber ßielempen ju 
iRheinfelben, empßng. 

gfjr folgte im Slmte ©lifabeth oon ^erenfon, worauf SlgneS, dicta 
äRafcerin, 1359 in einer Urfunbe als Sorftefjerin oon Olsberg erfdjeint. * 

* SBarum Seb. 3Dtünfter in feiner auf Stnfudjen ber Siebtiffin Äat^arina oon 
fjersSberg angefertigten ©efcfndJte beS ©tifteS Disberg biefe Siebtiffin SlgneS toegläfjt, 
ift un8 um fo unbegreiflicher als fie mehrfach in noch Oorbanbenen Urlunben er* 
fcheint. SBar fie ioohl nicht fo Bodjabetig toie ihre Stitfehtoeftern, oon benen man 
ben SladjtoeiS oon acht abeligen Sthnen forberte? 


Digitized by i^ooQle 



filojre OUbtrg. 229 


9Nit biefer Slebtiffin fdE>Io§ bie lange Steife oon ©ütertäufen, 
Släufchen, SchenEungen unb Stiftungen non Qaf)t§etteu, weldje baS 
StnfangS Keine Stift ju einer reichen Slbtei erhoben; benn eS fdjeint, 
ber ©eift, ber Slnna oon groburg befeelte, fei unter ihren Nachfolgern 
aus ben heiligen SNauern entflogen unb bie Sräute beS armen ©otteS» 
foljneS hätten ficfj oieltnehr bemüht, ein befchaulidjeS 3Bof)Ueben ju 
führen/ baS i§nen bie reichen QrinEünfte beS Stiftet gemährten. 2)ie 
NeaEtion begann. 

Unter ber Slebtiffin üttargaretha oon 33aben, gebürtig aus Safet, 
entftanb Streit swifdjen gtuei ^Bewerbern um bie ißfarrfteHe §u 9Nag* 
ben, beren ÄoUatur bem Säfte juftanb. ßum erften SNal feit feinem 
Seftanb 30 g baS Stift ben Bürgern, über Sorfteherin unb JEonoent 
Würbe bie niebere ©yfommunifaäon oerhängt, ©rft nadjbem ftch bie 
grauen gebemüthigt, würben fie oon bem päpftlichen Slbgefanbten 
freigefprodjen, 1374. Sluf SNargaretha folgten in ber SBürbe ber 
Siebäffin Serena oon bem alten ©efcfjledjt ber Scaler in Safel; 
ftarb 1389; SKara, oom §aufe ber 2/cuchfef$en 31 t SR^einfelben, ftarb 1391. 
SHara oon NtanSberg, welche baS Unglüd hotte, baS Klofter abermals 
in glommen aufgehen 3 U feljen, hmr ihre Nachfolgerin. 

®er Söieberaufbau ging langfam oon ftatten, eS mangelte 
bie Ouinteffens beS Gebens, baS ©etb. £>ie geiten hotten fid) ge» 
änbert. ®ie großen ©rafengefdjlecbter oon galEenftein, Xhierftein, 
£>onberg, |jabSburg=Gauffenburg, waren erlofdjen ober felbft arm. 
j)er niebere Slbet oielortS auSgeftorben, nidht mehr im Stanbe, reiche 
Seifteuem 3 U geben. 2)er reiche Sürget hielt eS für unnü§, an ben 
Sau eines SäfteS 3 U ftenern, baS nur aftabelige Züchter aufnahm. 
Sluf ber anbern Seite hotten oornehme Sefudje unb baS nach unb 
nach immer freiere Geben ber Nonnen, ber Slufwanb ber Slebtiffin, 
bie ginansen 3 errüttet; fo bafj enblidj ber Slbt oon Gütjel fidh °er= 
anlajjt fah, bie Orbnung herjufteden, waS ber Nachfolgerin SKara’S, 
ÜRargaretho oon ®achSburg, nicht gelingen wollte, ©rft bie folgenbe 
Sorfteljerin, Slnna NHiller oon Gieftal, eine ^Bürgerliche, oerftanb eS, 
Orbnung in baS oerfallenbe Stift 3 U bringen, fie regierte einunb» 
breifjig galjre unb ftarb 1517, als bereits baS SGehen eines freiem 


* Sind) biefe Slebtiffin übergebt Seb. SJlünfter tcobl aus bemfelben ©tunbe. 
ägneS SRafcerin toar offenbar eine SSürgerlidje. 


Digitized by t^ooQle 



230 


fiUflrr KHtberg. 


©eifleS ftd) fühlbar machte/ ber bem klojterleben ben Untergang 
bringen foUte. 


IX. 

3>es 3Ut|s(jOTit t^djter )» ^beittfrfbe«. 

SBäfjrenb Stnna ben krummftab führte, fam bie ©attin beS StatfjS* 
Herren küfer ju 9t^einfetben mit einem Dödjterdjen nieber. Die ©e* 
burt beSfelben braute 3J?utter unb kinb an ben fRanb beS ©rabeS. Qn 
feiner Slngft um bie t^eure ©öcfencrin getobte ber 9tattj8t>err, baS kinb 
ber 9Kutter ©otteS unb ihrem ©ofjn ju meinen, menn ihm SJtuttcr 
unb Döchterchen ermatten btieben. ©ei eS nun, baß bie ©ebenebeite 
munbertljätig einmirfte, ober baß bie Bräftige Statur ber 9JathSherrin 
über ben brofjenben Dob ftegte, furj bie SBödjnerin genaS unb bie 
Dodjter mudjS mit ber 3 ß it 5 U einer btüt)enben Jungfrau heran. 
SJtan liefe i§r in ©etracfet ihres jufünftigen ©tanbeS eine fefer gute 
©rjietjung angebeihen, natürlich gemäfe ben 93erfeältniffen jener 3eit. 
SlgneS küfer lernte fdjreiben unb etmaS rechnen, ja ber miirbige ©tabt* 
Pfarrer gab ftd) bie gröfete ÜDtübe, StgneS, bie -jufünftige 93raut (Stjrifti 
in ber ftircfeenjpratfee, bem ftajfifdjen (!!) Catein ber 2J?öncfee unb 
Pfaffen beS fecfeäjef)nten ^aferfeunbertS ju unterrichten, fo bafe fte 
menigftenS bie ©ebete unb Citaneien oerftanb, meldje fonft ber gröfete 
Dljeit ber Tonnen medjanifch unb ofene alles 93erftänbnife herunter leierte. 

Äörperlidj freilich glich 9lgneS nicht oon ferne einer Himmelsbraut, 
»iel eher einer irbifdjen ©öttin ber Ciebe. ©ie mar grofe, ftarf gebaut, 
ohne befemegen an ber Söeichheit meiblidjer formen einjubüfeen, im 
©egentljeil erfdjienen biefetben in üppiger gütle. Der fWunb mar 
Kein, bie leichtaufgemorfenen Cippen bargen jmei Leihen tabeUofer 
3ähne unb ihr blaues Slugc ftrafelte jnmeilen nicht minber als mie 
baSjenige einer SlStetin. Qh r ©lief mar offen, frei, fie mar nicht ge* 
mohnt, ihn an ben 33oben ju heften, mie eS bie frommen thun, nteift 
um befto beffer nach beiben ©eiten ju fehen. Qh r ©erftanb mar !lar, 
menn auch noch oon bem ©eift ber 3eit befangen, ber ba glaubte, 
bie Stonne ftelje bem Himmel meit näher als baS recht]efeaffenfte 335elt- 
finb. Doch beburfte eS nur ber ^Belehrung, um fofort ben ©djleier 
aöjufdjütteln, ber ihr geiftigeS Sluge noch oerhüllte. Sin irbifdjen 93er* 
cfjrern hätte eS ihr natürlich um fo meniger gefehlt, als man mohl 
mufete, mie oiete gute ©iiltbriefe in baS 33aterS Drulje lagen, fo bafe 



Digitized by 


Google 



«l*#rr OUterf. 


231 


aucf) bei einer Steilung unter oier fiinber, AgiteS ein VetrficbtlicßcS 
erben tnujjte. Afleht ba eS ftabtbefannt war, ju welchem ^eiligen 
©tanbe bie ©Item iljre Jocfjter beftitnmt Rotten, hielt fidj auch ber 
Süljnfte ferne. 

Ohne ju roiffen, was Siebe ffeijjt jroifchcn SRann unb VJeib, ^atte 
Agnes iljr neunzehntes §afjr prücfgelegt unb warb nun als SHmijc 
nad) Olsberg gebraut. (Sin ©djauer freilich crgyiff bie Jungfrau, 
als bie Pforte ftd) hinter il)r fchloß unb fie bie Sfäunte betrat, bie fie 
bi§ an ihren Job nicht meljr oerlaffen fällte. 

§tn Slofter Ijatte ftd) injmifdjen eine grofje Verünberuttg pge« 
tragen. ®ie bürgerliche Aebtiffin Anna 2)?üßer lag feit einigen Qalj» 
ren int ©rabe unb an ihrer ©teile regierte eine alte, abelSftolje £>ame 
Katharina oon ©chönberg. £>ie fecbSäigjäljrige 9ionne war in ihrer 
^ugenb fdjön gewefen unb hotte ftetS einen bittern ©roß gehegt ge» 
gen bie bürgerliche Vorgefefcte, bie mit alten Srüften baS mehr als 
nur leichtfertige ©ebaljren ihrer ©chäftein p oerbeffern fuchtc. 9tur 
einer ißlebejerin tonnte eS je einfallen, bie Vergnügungen abeliger 
©djweftern p ftören. SDtan war hoch nicht im Slofter, um 51 t fingen 
unb p beten unb ber 9lonne mar boch getoifj bie Verleihung gewiffer 
©ünben ficher, befonberS wenn ber SDiitfchulbige ein OrbenSbruber 
mar. ®a§ bie Sttüßer bieS nidht begreifen tonnte, zeugte ja gerabe 
oon ihrer fdebejijchen ©efinnung. Saum mar Satfjarina atu ©teuer, 
fo mürben bie ©chranfen niebergeriffen unb bie alte Oante freute 
fnh innig, ben jüngeren abeligen SßJitfcßmeftern im oollften Sßiafje 
p gönnen, was fie felbft genoffen, ehe bie bumme ©anS oon Cieftal 
Stebtiffin gemorben. ®amit aber nie miebcr eine Vürgerliche ben 
Sruntntftab in bie $anb befomtne, foßte burchauS feine meljr als 
ßlooip aufgenommen, an ber ftiftungSgemäfeen Abelsprobe feftgehalten 
werben. ©S beburfte baher oieler Vemühungen beS ©tabtpfarrerS ju 
SRheinfelben, in beffen f>anb ber SRathSherr feiner ßeit baS ©elübbc 
abgelegt unb ber fräftigen gürfpradje beS AbteS ju Cü^el, beS geift» 
liehen Oberhirten 31 t Olsberg, ehe Satfjarina oon ©dhönberg fich ent» 
fdjlofj, Agnes Süfer als Sftooije anzunehmen. ©ie that eS, im Vorfag, 
ber angehenben S'ionne baS ©tift Olsberg grünblich 5 U oerleiben unb 
fte burdj aße möglichen Ornaten bahin ju bringen, baß fie freiwtßlg 
ein anbereS Slofter jura Aufenthalt mahlte. AgneS tonnte ftd) beS» 
halb auf ein marterooßeS Seben gefaxt machen. ^h rc reine ©eele 



Digitized by t^ooQLe 




232 


Der UJHge Uaner tmb btr ffianboogt. 


ahnte freilich nichts oon bem, maS eine boshafte 9lonne ju tljun im 
Staube ift. £)ie erfte Stunbe fcfjon tiefe fie inbefe SBöfeS ahnen.* 
(Stumm, mit einer ifyx gong unhefannten 33angigfeit betrat 2lg? 
neS bie bunfeln SRäurne beS SflofterS, bie unheimliche Stille in ben 
langen ©ängen, baS geifterartige ©rfdjeinen ber neben ihr oorbei* 
feufchenben ©eftalten, beren blofee güfee fein ©eräufdj oerurfachten, 
baS Stiles mirfte beflemmenb auf ifere 33ruft. 3 um erftenmal moUte 
fie leife bereuen, baS Slofter ju ihrem lebenslänglichen Slufenthalt 
gemähtt ju höben. £)och eS mar ja ber SBille ber liebenben ©Itern 
unb biefe mufeten beffer miffen, maS ju ihrem ©lüde biente. 

©c$lufc folgt. 

Der lißige Inn tmb in fmteogt. 

Sott ffi. frobmamt in Sttingen. 


33on einem Canboogt — mag berfelbe nun auf ber 33urg 0-ürften* 
ftein, Sfchepperlin im Qura ober fonftmo gemaltet höben — ber oon 
einem SBauer überliftet mürbe, ift bem 33er f aff er folgenbe ©efdjichte 
mitgetheilt roorben. 

©in Canboogt hötte einft bei einem feftlidjen Slnlaffe unter an* 
beren ©äften auch einen flugen, oerptänbigen dauern ber Umgegenb 
jum 0-eftmaf)le eingelaben. SllS bei fröhlichem 33etf)erf(ang bie ganje 
©efettfdjaft allmälig recht heiter gemorben mar, mürbe unter Slnberem 
bie Söette oorgefchtagen, betnjenigen einen ißreiS oon 100 ©utben ju 
oerabfolgen, ber bie gröfete Cüge oorjubringen miffe. 

®er Canboogt begann nun folgenbermafeen: 

* ®a8 golgettbe ift uun Ieine8h>eg8 9ßl)antafie, fonbern eine getreue ©gilbet* 
ung bee Jtlofterlebemb im fünfje^nten unb fed^je^nten 3a^rBunbert, mobei hnr un8 
nur ber feinften garben bebienen. Sefer, bie an unferen SBorten jtoeifeln, berfoeifen 
toir auf bie Duellen, aub benen Wir fcfiöbften. gelij §ämmerlin, de nobilitate etc. 
— ©tumBf, ©efcfjicfyte gejerb lib. 13. Rap. 33. 34. — ©luntfdjli tUiemor. Sig. 
SRüti, ©mbracfi. — Sitten bei ber Sluftyebung baherifd^er ffilöfter. — Satb. SDlont, 
Slonne ju SJtontreal. — ®gli. Urtunbenfammlung aub ber Deformation. Slrt. ®fenn, 
Cetenbadj. ©tynobatberic^te. 3Ran ioirb finben, bah unfer 3Süb ein fetyr blaffeä ift. 




Digitized by i^ooQle 





Der lißigt Harare nnb öer Cmxfcoogt. 


233 


^ch befafj auf einem meiner f>öfe einen Söeiher, ber 100 3 UC B 5 
arten grojj mar. Son bem ihn umgebenben ©idjmalb fiel Bei ein« 
getroffenem Stegenmetter eine rieftge (Sic^e hinein, fo baß man nichts 
mehr baoon fah- 9hm rathfcblagte man, mie fie herauSgefdjafft merben 
fönnte. (Siner ber £nccf)te gab nun ben Statt), einen SBudjerftier, 
ben man mäfjrenb brei Sagen nicht gum Srunnen gelaffen hotte, an 
ben 28eifjer gu führen. SaS Sljier hotte in ben brei Sagen einen 
foldjen Surft betommen, bafj eS ben Söeifjer uöllig auffoff unb man 
ben ©djbaum leicht herauSfchleifen tonnte. 

hierauf antroortete ber Sauer: baS fönne mofjl möglich fein, 
©r miffe aber nod) eine Cüge oorgubringen. Ser Canboogt, ber fcf)on 
recht tüchtig gelogen gu haben glaubte, mar begierig, biefelbe gu hören. 
Ser Sauer erzählte bann golgenbeS: 

2118 ich einft mit bem pflügen eines großen 2lder8 fertig ge« 
morben mar unb einige 3 e ü gefäet hatte, befant ich f e h r toorrn unb 
gog baher mein Storni)ol au§. Unb fieh ba! als ich rüdmärtS fdjaute, 
mar ba bereits ein ^anfftengel gu beträchtlicher fjöfje aufgefchoffen 
unb an biefen hing ich mein Stamifol. 2118 ich bann ben gangen 21 der 
angefäet hatte unb baS £amtfol rnieber angieljen roollte, fo fah ich *3 
gu meinem grofjen ©rftaunen faft am pmmelSgelte broben flattern, 
inbem ber ©tengel unterbeffen fo hoch gemachfen mar. 2Ba3 mar ba 
gu machen? Qd) Hetterte feefen SJtutheS (ji nau f unb als ich oben 
glüdlidj angelangt unb liebliche Gmgelftimmen erf^alten hörte, ergriff 
ich utein .tamifol unb fdjmang mich oermittelft beffelben in ben £>immel 
empor. $ier fah ich meinen Sater auf einem Sfjrone ftßen unb gu 
feinen prüften ©uern Sater, ^>err Canboogt! „Unb maS mufite biefer 
benn machen," frug ber Canboogt. „SJteinen Sater bebienen unb ihm 
frifdje Cuft gufächeln." hierauf erfolgte allgemeines SeifaHflatfchen 
unb eS mürbe bem Sauer ber ^ßretS gugefprodjen. 

Ser ergiimte Canboogt fann nun auf Stäche unb nach aufgehobener 
Safel fagte er gu bem Sauer: „2Beit Su meine ©äfte fo angenehm 
unterhalten haft, fo labe ich Sich auf Oftern rnieber gum SDtittageffen ein." 

31m begeichneten Sage machte fich ber Sauer auf ben SBeg gum 
©djloffe unb nahm einen £>afen mit, ben er gufältig gefangen hotte 
unb bent Canboogte gum ©efdjen! machen mollte. Siefer hotte ben 
Unechten fdhon ben 2luftrag gegeben, fobalb fte beS SauerS anfichtig 
mürben, bie £)unbe gegen ihn loSgulaffen. 2öie ber Sauer biefelben 




Digitized by 


Google 



234 


Ver HJNfle ^auev nab ber Äonboogt. 


mütljenb ^eranfommen faf), Blieb er furdjtloS fte^en unb liefe plöfelidj 
ben unter feinem grade oerborgenen $afen fpringen. ®ie $unbe 
[türmten natürlich biefem nach unb liefeen ben Sauer ungefdjoren. 
£>er öanboogt, ber oom ©oller au§ bem galle jugefeljen hotte, ge* 
rietfe barob noch mehr in SButf). £>od} ftellte er [ich fdjetnbar freunb* 
lieh unb t)iefe ben Sauer in’3 ©djlofe fomtnen. Oiefer merfte beim 
©intreten erft, bafe er mit bem ©aftmahl jum Seften gehalten fei, 
ba gar ÜJWdjtä baju in Sereitfdjaft ftanb. 35er Öanboogt holte ifem 
nun ein ©la§ 2Bein, baä er aber holb mit SBaffer gemifcht hotte. 

35er Souer, ber nicht auf ben Stopf gefallen mar, [teilte e§, mäh 5 
renb ber Öanboogt b<oau3 ging, uor ba§ genfter an bie (Sonne. Seim 
^ereintreten in ben ©aal fragte ihn Öefeterer: „ 2 Ba£ machft bu ba?" 
35er Sauer antmortete: „gdj h Q & e gehört, bafe bie ©onne ba§ SBaffer 
aufjiehe unb befehalb mill ich l)ier bie ‘probe machen." 35er Sogt 
erroieberte: „ültun, menn 35 u ein fo guter Söeinfenner bift, fo fomme 
mit itt meinen Seiler unb ®u follft hier meine beften Söeine Eoften." 
@r hotte nämlich bie Slbfidjt, ihn tüchtig burdjpriigeln ju laffen. 

2113 ber Sauer nun oerfdjiebene ©orten gefoftet hotte unb bie 
Seiben an ein etma hunbertfäumigeS gafe famen, fah ber Öanbmann, 
mie jener eine Peitfcfje ergreifen trollte, ber Sauer aber mar nicht 
faul unb 50 g plö^lid) ben §ahn au3 bem gafe. ®er Sogt hielt, um 
ben oortrefflidjen Sßein nicht laufen ju laffen, rafch ben ginger in 
ba3 öodj unb unterbeffeti entrife ihm ber Sauer bie ‘peitfefje unb prii* 
gelte feinen gnäbigen Herren gehörig burdj. 35er Sogt rief um £>ilfe, 
aber trofe allen © rf)reien 3 famen bie Snedjte nicht herbei, meil ber 
§crr ihnen befohlen hotte auf ba3 ©efchrei beS Saucr3 h* n nicht 8 U 
crfchehten unb meil fie mirflich glaubten, ber geprügelte Sauer rufe 
um $ilfe. 

üftachbem ber Sauer an bem Öanboogt fein Sftüthdjen gefühlt 
hatte, machte er [ich eifenb3 au3 bem ©taube. 

©ine anbere ©efdjidjtc mit ähnlichem ©djluffe erjählt Semfjarb 
SBpfe in feinem „©djmiäerbütfch". 

9?ach ber Slnfunft be3 Sauer3 im ©djlofe »erläuft bie ©ache 
bort folgenbermafeen: 

„®er öanboogt, oor Säube faft oerfprüpt, minft tme ©hnedjt 
unb treit em uf, er feil mit bem ©aft i ©heller abe unb ihn fülle, 
afe er eberecht gnuc heig unb en be gottuergeffe abbröfdje. — 

v 


Digitized by ©■ooQle 




Der SAv$u OUgfaberg. 


235 


3)er Sbnedbt tbuet, tote ’S em bifo^Ie gfi ifcb unb ber Sur bet 
ft in erfte SST^eil orbti cbönne fdjitfe. 2öo ner ofe ö(f ober brtjef) 
Sbännli tioK tierforgt gba Ijet, glaubt er b’ SDfetti cbönnt je|t be glp. 
agob, — gfebt er uf bene grojje paffere nobe fo neS cbliS Solerli 
ligge unb feit: 35orün rnuefj gmüfe no neS guetS ÜEröpfli ft, mir toei 
en öerfuecfye unb er fd)lot mit ber guft ber §abne nuS. 35er SBi 
cbttnnt j’ fpringe bogetoiS unb ber ©^ned^t au unb leoitet: „®u ©ür* 
mel, toaS macbfcbt au?" unb ftojjt gfdbtoinb ber ginger i’S God). 35er 
Sur f)et ber fmbne gfuecbt, finbt en unb toie ’S ber (Sfjnedjt befiehlt, 
ftecft er eme nebem ginger ine unb pauf! mit bem Jammer bruff! 
ge§ iftb ber K^ned^t §alt a baS gäfjli agnaglet gft unb fdjreit gar 
erbärmlig. 35er Canboogt ooruffe bet fdjo lang uf bie ÜJiufig gmartet 
unb enblig, too ner lang gnue glufteret gfja Ijet unb ber Cärnte jejf. 
ngo£)t im ©IjcHer, b et er benft: 21 ba, je£ gerbt er en einifcb, bä ©ingel,“ 
unb rueft jum Ueberflujj no i ©heiler abe: 2riff en numme guetl: 
Sertoipen! fjau en redft bure!" 3)er Sur tfcf) als e gborfante 35ie» 
ner fdbo a ber 2lrbet gfi unb baut bo ab eme fdjöne Sb&S eS ganjeS- 
Sierteli, nimmt-be Siffe oorne in Sufe, too oor^er b’r £>aS gfi ifd) 
unb tbuet ber drittel bis obe ni. ©o gtoagglet er mit iiberfcblagene 
2lrme b’ SbäKerftäge=nuf, bet eS ©fidjt gfcfjnitte toie oorfernbrige 
^joljeffig, furi 2luge gmarfjt unb ber ©b°Pf lo b Qn 9 e toie ne arme 
©önber. 3’oberft empfo^t en ber Öanboogt mit Mergliger ©cbabefreub, 
lad^et unb feit: „©eil, Sürli, bu befcb W 9?ung bie $beil tiertoütidjt 
für bi böS SÖiul!" „2lHtoeg baut !" antroortete ber ©djalf. „£>err 
Sanboogt! gg unb miS graueli bei emel eS Sierteljobr bra §’cf)äue! y/I 


litt Sdjati mm iiljtnlitrg. 

'Jfacfi einer Sage aus bem St^tvarjbubentanb Bon Jntjlujcib (Solothurn). 


f S betriebet auf ©ebtojj ©ilgenberg 
3)er Canboogt ernft unb ftreng 
Unb toer nicht feiner SBittfür lebt 
Utnfcbliefeen feuebt unb eng 




Digitized by 


Google 



236 


Der Sdptl? von OUgenberg.' 


®er Jlerfermdnbe SQtauern: 

„T)en $opf gebucft, ifjr Säuern, 

Sor meinem ßorn erbebt!" 

9tid)t minber ftreng bie £ocf)ter fein 
£>ie SDtagb fo ftotg unb fdjön; 

Qm furggef (bürgten Qagbgemanb 
®urcf)ftreift fte unb $öl)’n. 

35enn ^jäuSlidjfcit unb SDtinne 
©ie bieten iljrem ©inne 
©idj nur als oben Snnb. 

9tun traf fte einft am SöalbeSljang — 
(SS mar im „|jimmetrieb" 

®en fdjmuden jungen Sauerntnab’ 
®en blonb gefrauSten Qrieb. 

®er fdjmang ber ©enfe Sogen 
Umraufdjt üon |>almenmogen 
Unb fang ein munter Sieb. 

®er ftolgen tecfen SanboogtSmaib 
©c^rteft Surfcb unb Sieb gefiel, 
„fortan follft ®u mein Knappe fein, 
SOtein folgfam Qagbgefpiel, 

9JKr pflegen meine Stoffe; 

®rum folge mir gum ©d^toffe, 

£>a minft ®ir ^ö^er ßiel." 

Qungfrieb, er fcfjaut ibr jäb erftaunt 
Qn’S lid^te Slugenpaar, 

®aS mebt um ifjn ein ©traljlennefc, 
£>rin er gefangen mar. 

„Ob’s mir gu Stu§ unb grommen — 
Qdj merbe mit (Sud) fommen, 

(Such bienen immerbar!" 

(Sin tolles Treiben nun begann 
(Sin Seben müft unb milb. 

(SS folgt bem luft’gen ßedjgelag 
®er Stitt burdj’3 Qagbgeftlb 


Digitized by 


Google 




Der Ädjclj von ©tlgcnberg. 


23T 


Unb 2Sün|'d)e fecf öermeffen, 

©ie laffen grieb’ oergeffen 
®er fjetmatb frteblid) SBilb. 

2lm S3ü£)et oor bem naben £>orf, 

®a fteE)t ein Heine8 £>au§. 

®ort tneint SERarlieS, ba§ §üb\d)t Äinb 
©id) faft bie Singen au§. 

SReiit Qrieb, fo arg nerblenbet, 

£>at ftrf) tion mir gemenbet 
Unb lebt in ©auS unb S3rau§. 

SRadj SReltingen jum ©nabenbtlb 
SBallt fromm ba§ äRägblein bin. 

„EJRaria, beil’ mein franfeS $e% 

Unb len!’ be§ Ciebften ©inn. 

Cab U)n fid) halb nereinen 
®er £>eimat{) unb ben ©einen, 

Slllmäcbt’ge Königin!" 

3ur 3«t, ba fte fo innig flefjt, 

ERaunt grieb ber §>errin §u: 

,,Qd) glaub, £u b»aft mir’8 angetban 
Unb mir geraubt bie ERub; 

D lab ben ©inn £>ir tenten — 

SBiHft nicht ®ein ^erj mir fdjenEen, 

®ann lös’ ben 3 nu &er ®u!" 

£)a ladjt bie ©djöne böbmfd) auf: 
„Qungfrieb — 35u miUft mein $er§. 
SBeibt nidjt, bab id) foldj £>ing nicht bab’, 
$>a§ ftört nur ERub unb ©djerj. 

£>odj für ®ein EübneS SRinnen 
Qm S3urgoerlieb magft finnen 
ERadj deinem CiebeSfdjmerj. — 

£)urdj enge Äerfergitter bringt 
üDer ERadjtminb fd)mer unb fcbmül — 

®a rubet rubeloS ber Qrieb 
Sluf bartgefügtem Eßfübl 


Digitized by 


Google 



Oer £dja1? von ©ügraberg. 


©rauf SDionbeSftraljten gleiten .... 

©in fünftes grauenfdjreiten .... 

©in ©rabljaudj milb unb füljt. 

gfjm naljct, buft’ge Cidjtgeftalt: 

„O Shtabe, füfjn unb rein 
©u fannft mit ©einem Eeden SWutl) 

£>eut’ mein ©rretter fein. 

®erfud)’S/ mid) ju erlöfen 
33om langen 3 tt,on 9 ®öf en — 

©ocl) Ijarrt ©ir ©djredenSpein. 

$3in ein »erwünfdjteS Qungfräulein, 
©ebannt an biefen Ort, 

Unb mujj, weil icf) einft ungetreu 
SBeljüten einen |)ort. 

SEBiüft ©u mir iJtufj üerleifjen, 

3J?ufet mir brei Süffe meinen — 

©od) ol)ne 9Juf unb SSort! 

©anj willig grieb bem ©cremen nat)t, 
Unb will e§ gart umfalj’n. 

©a-bäumt ein ©dflangenungetfyüm 

©itb gegen iljn fjeran, 

©od> grieb in federn SSagen 
Umfängt e§ oljne 3°9 en / 

Unb fe^rt ftdj nidjt baran. 

3 um 3 weiten 2 J?al will er fidf nafy’n 

©er Jungfrau ernft unb milb- 

©a ftürmt ein rief’ger 3 ^ e 9 en ^ 0( ^ 

©en il)n — gehörnt unb wilb. 

©od) grieb tritt il)m entgegen 
Umfaffet fed oerwegen 
©aS graufe 3ou6erbilb. 

,,©aS £)aft ©u waljrlid) gut ootlbracf)t," 
©ie Jungfrau freubig fpriemt, 

,,©oc$ jefco na£)t baS Sfergfte nod) 

33eim Seiten jage nidjt! 


Digitized by Google 



Ofr Ädjolj »on ©Ugenbfrg. 


239 


SDctnn greife nadj bem £>orte, 

®er öffnet Serferpforte, 

^Bringt ®ir ber ^reiljeit Cicf)t. 

Unb nimm ben ©dja§ unb eil’ gum ©djcifc 
ßu ber 53erlaffnen f)hv 
®ie fidj um iljren trauten grötnt 
Qn nielgetreuem Sinn. 

©ntfagenb tollem Treiben, 

©ollft al§ ©enoff ifjr bleiben 
3ur ©eite fürberljin. 

®ir fielet §immel§f)ilfe bei 
®ie 33eib’ un§ tooljl befreit!" 

Unb mutljig nafjet ficJ> ifjr grieb 

(Sie gu umfalj’n bereit 

®odj pacft il)n tiefet ©rauen — 

“Denn jäljlingä mu| er flauen 
Qn fdjmargent ©üjuppentleib 

Unb rief’getn, fcfjmargem gftügelpaar, 
Umgingt oon £>öÜenlidjt, 

©in ®rad)enbilb, ba§ faudienb gifcfyt: 

„Sßelj ®ir, oermeg’ner SSidjt!" 

— gürmaljr — ein f)arte§ Sftüffen 
©in ®rad)enmeib gu Eüffen — 

®odj grieb erfüllt bie $flid)t. 

©§ fließt bie 9tacf)t — ba§ Sftorgenrotf) 

§n Stofenpradjt erblüljt, 

®a grieb mit feinem gleiten §ort 
3um $au§ ber Siebften gieljt, 

®ie roadj — in bunflen Sorgen 
Segrüfet ben litten borgen, 

Unb ben ©rfeljnten fieljt. 

„SDtein grieb — o bift ®u mieber ba, 

Unb bleibeft nun bei mir!? 

®odj fag, marurn ®ein Slngeficbt 
©o fdjtoarg erfdjeinet mir, 


Digitized by 


Google 



«8 


Jfaa? iV.'x^trrxtlcn glrirai . . . . 

^rxxrrrirmrn .... 
(rin i^rxrfcxi rrl^ xxS Mü£- 


ritn xx^m ^:rx virr^rfxlr: 

„C firxhf, firx rr^ rm 

x"x hrri m Jtersr fefcc 2TCxrr 

Or-t' mczz errrrrrr ; rx. 

xri *x crJ^rs 

^rac Ixrprx ^nxrx ^ rv^rr — 
x\xi icm xrr Scrriscsicx. 


^:x m xmniT^rr^ ftxiimxx-m:- 

@Vr^Txt xx lurrr Cxx- 

y.i* 3ri'%. r>rf rr nrx xxnmn: 

$>rxrrrx mrrr £\rrx 

xr im fvxr umfunx 
2cä xrr 2 tjx £irx x>mrr — 
xuiä icixr für rrl Svnr:, 

^ct.j xn:lif ^nrl Ivnr Sxmnrr xixx 
UxJ rtl xrr: nrrxr tl 

xx-Jcnn: r:i: xt nrr ct prniiar 

^i:t rrprr irr nrrxrr 
x'uvx >r:> rx rxfnr S^nnrr 
Ll'nrxrrc c4 rrmr ^nnm 
Ilra :;n: rxt turc lurrcx. 

v -'xir ;uvrr. 2T.nl ir.iL rr Tix xxi x 





fer Satr aar r: 


4L'rrx rrrri naa irr c^ti 
Jet a^inr Jirrlcnrrn*: 
^tnrinr Xu 7«n*ni*ri! a-tn 


—nt onr i»n ^n: 

•*H ft**T ? _"* ; •" 

X’E nn na natn 1 
?\v 2 

£nr :;^rr:: rjtc X 





^.::: m*:: 



-LiC ^c**r- -<i-tu . 


$2£ *UÖr **' 

;si r:: 

^ -“•-' -*r- *" 

#*r --- 

M 


r 


Digitized by Google 





240 


Der Sdjafj von tJUgenberg. 


©leidjhne oom Stuft ber $ötte — 

£>ocf) — fdhwarjer 33ub — jur ©teile 
©eljerjt feift für unb für!" 

ÜDtein ©cfta^ — o laft erjagten Sir 
93om ©djaft unb ^jöllenbann, 

SDtein fc^roarg ©efidjt, ba§ h at mir too^l 
Ser Sradje angetljan, 

Sen ich gefügt ol)n’ 3 a 9 en / 

Srurn glaub mir, barf idh’8 magen, 

3u toerben Seemann. 

Sen Balten unb ben toarmen ©cfta^ 

$att ich nun miteinanb’ 

Unb morgen fcftlingt am Traualtar 
©icf) feft ber Streue 33anb — 

©rrötljc nicht, mein Siebten, 

33efdjeert un§ ©ott ein SBübdjen — 
©djtüarjbub’ merb’ ei genannt. 

Ser ©age @cf)aumbilb ift oermeljt 
Qm CebenSmellenfpiel; 

SDtan ffmdjt nicht mehr üon CanböogtSljaft 
Socf) hört unb roeift man uiel 
Qn aufgcHärten Sagen 
SSon ©cbtt>ar§6ub’3 8ift unb SBagen, 

Ser Becf erreicht fein 3iel! 




Digitized by Google 






ns Ws Wnxf^cs WtiwrpL 


241 


lutMgbgffW“ tu Im Irraifftn Hitnurgn. 

SJadj Urfunben entworfen öon ftaksb jumikrr. 


VIII. 

?er Witt** fffl in jutf*rg. 

( 1710 .) 

Sin einem grüblingentorgen 1710 lief bo§ immer refolute 3?iilf» 
lein ber Slar6urger in größter Aufregung nad) bem jRatbbauSplaije. 
„2Ba3 gibt’s? 28a§ gibt’§'?" 

„£)er neue ©trafefel!" 

„2öas? 2 öq§? 333er muß reiten?" 

„geliy |)äfele, ber Sartfdjeerer." 

Sllleö rennt, minbet unb ftößt fidj burd) bie angeftouten Raufen, 
um bem ©cbaufpiel möglichst na§e ju fein. Sitte üöeiber fd)itnpfcu 
über bie gußtreter unb ©robiane, toeldje mit ihren ©cheunetborrücfen 
ihnen gerobe öor bie 97afe ftefyen; be^äbüdje grauen fdjielen bväuenb 
nach ber löblichen Obrigfeit empor, bie broben au3 einem ©d)loßfcn|ter 
auf ben ©peftaEel nieberidjaut; fdjmutfe kirnen ballen unter ber 
©chürge ihre gäuftd)en; bort beohrfeigt ein 33urger bie ladjenbcn 
©tabtbuben; ba fchütteln etliche im eifrigen ßmiegefpräd) ihre 43arte. 
SHStoeilen burdjbridjt ein lauter gtud) bie fdjroüle ©timmung. 3)ie 
3ttenge fdjnjitlt immer me£)r an; bie £)interften l)olen ©tuljlbänfe 
herbei, um über ba§ SEöpfemeer hinweg nad) bem SBalbier £)äfclc, 
einem Slnfäften, ju feljen, ber auf einem am 33orabenb errichteten, 
hölzernen ©trafefel ben erften öffentlichen Sufjritt tf)uit ntufj unb uon 
irgenb einem SlmtSbiener — man Eann ihn nicht erEennen — fdjon 
feit einer halben ©tunbe oor ber 9Jatf)hauSftiege gefdjauEelt wirb. 

„Slber um ©otteä Sßillen! 2BaS hat mein geliyle oerübt?" puftet 
bie beleibte Xante, be§ ©djeererS £)au3geift, herbei. 

„®a§ mirft moht wiffen!" öerfefjt ein Üttantt in meinem SÄaurer* 
Eittel. 

SSom 3 fura 511m ©djtoarjwalb. IX. 


IG 


Digitized by 


Google 



242 


Canböoghgefdjiditen ans bem benufttjen Ifateraargau. 


„2Bie? ®u weifet eS fetber nicht?" ruft eine greunbin, fetfe he* 
Breugenb. 

„(Rein; geftern ging er, wie gewohnt, in fein Sarbierftübcfeen 
nacfe ber (Stabt unb ift über Stacht nicht fyeintgetommen. geh ^atte 
Beine gurcfet, unb nun muß id) baS ScferecBlicfee oerne^men unb laufe 
über £>als unb Stopf auS ber „©teinbitlen" herein. 2öie muß id) 
fdjnaufen — ad) ©ott!" 

„geliy bat gewiß eine Serfdjwörung gegen bie gnübigen Herren 
gu Sern gemalt/' oraBelt eine britte Patrone. ,,©r ift immer fo 
ein StlteSwiffer unb ©efeijeSBenner gemefen. ga, ja! ®aS Saterlanb 
bat er an bie Statbolifdjen oerratben." 

„ s 2ßarum nicht an bie SäirBen! .fjababa . . . 2)er §äfeli unb baS 
Saterlanb!" 

„£)u magft Iadjen, Sobnenbluft, bis eS ®ir auch noch fo 
gebt!" 

®er ÜJiaurer Bebrte fein bartlofeS ©eficbt oeräcfjttidj ab unb 
mieber bem ©efcbauBelten gu, weicher, fein gefdjni§teS Jfteittbier um* 
baifenb, mit beffen lang beobrtem Stopftl)eil im Sftenfcfeengewoge auf* 
unb niebertauchte. 

„(Sr fißt bodb erbärmlich auf bem £>olg!" murmelte ber Söeife* 
Bittei oerbiffen. „gcfe mufe gu ibm bin. ^ßlafe ba, bicBe Sabe!" 

„©i, wie ber äRenfdj b eu te lieber ben fRappel bat!" gürnte bie 
SBeggefdjobene. „gcfe möchte nicht mit ihm auS bem gleichen 2opfe 
löffeln; benn er ift mir ohne baS nicht grün, feit ich ein ©djweindjen 
unb SBürfte gu räuchern habe." 

„£>abt ihr ben Stamin noch nicht änbern taffen?" frug bie üftadj* 
barin. „®a§ ift ein Hebel, bafe er fo offen in beS SRaurerS Sttclje 
münbet unb fie jebeSmal mit 9taudj anfüllt. 9Rid) bäucht, er fottte 
baS felber tbun, nur feiner eignen grau guliebe." 

„£), ber äftaurer bat einen .topf wie Stiefel! (Sr fagt, eS fei an 
unS, ben fRaudj gum £)adj bi nau§ ö u führen, unb babei bleibt er 
unb wenn feine gute (Slifabetb erfticfen müfete. ga, feine grau ift 
gut! «Sie bat fihon manchen «Streit gwifdjen uns gefchlichtet... «Sieb, 
fieb ben gelij! 9tun fi^t er bolggerabe! Sobnenbluft bat ibn gemahnt, 
©in braöer unb guter SRann ift ber SRaurer gleichwobl, wenn er 
auch 9 r °h unb troßBöpfig fich benimmt, ©inmal ift er mit bem Canb* 
oogt batt gufammen geraden, ich benBe meiner Sebtag baran! ©S 


Digitized by 


Google 




ßanööogtsgefdjtdjten aas bem bernifdjen Unteraargaa* 


243 


h>ar baS evffce 9Ral, ba £jerr Äitcfeberger gu unS in bie „«Stein» 
Bitten' 7 feerauS tarn, um ficfe raftren gu taffen. ©in ©ang burcfe baS 
©rüne fei fein CiebtingSoergnügen, fagte er; brum erfcfeeine er in 
feöcfeft eigner ißerfon. 9tun ging ber teibige ßanf aucfe mieber toS. 
®er £>err Somntanbant rnottte ben recfetfeaberifdfeen ScfeimfeffeanS 
fennen lernen; mein ÜReffe mußte it;n herunter tjoten unb als er 
enbtic^ nacfe rieten 3 ute ^ en meines geliy ficfe geigte unb ber gnäbige 
£>err ifen gurecfetmeifen mottte, ba Brauste er auf unb miberlegte 
2l(teS. — ^(cf), eS mar boefe eine fcfeöne geit, &<* Runter Sitcfeberger 
fo freunbtiefe mit unS oerteferte, ficfe oon geiiy fefeeeren unb oon mir 
eine fRaudfetourft aufftetten tiefe! 2t6er jefet finb mir gang aus feiner 
©unft gefallen — aefe ©ott! 77 

Proben fefeaute ber |jerr geftungSfommanbant ©manuel Stitdfe* 
Berger nodfe immer oom feofeen genfter auf baS fummenbe SolfS* 
gemimmet nieber. Qfem entging bie emfeörenbe Stimmung ber ßu= 
fefeauer niefet, unb 2lerger unb Vergnügen jagten einanber mie SBolten* 
fdjatten auf feinem mit getbem Sacfenbärtcfeen umrafemten Sotlmonb» 
gefickt, ©r featte für biefeS neue Strafoerfaferen fid) fotoofel ben ®anf 
ber Untertanen, als bie 2tnerfennung feiner Obern oerfproefeen. 2Bar 
ein fotefeer Suferitt nid)t angenefemer als Werfer* unb Störßerftrafe ? 
SBurben bem Staate bamit nidjt Soften erfßart? Qefet erfufer er, bafe 
baS ©fergefüfet ber Sürgerfame anberS urteilte, unb mit einem 0-ufe* 
tritt gegen bie oertäferte g-enfternifefee, ber bie Steirafemen unb runben 
Sdjeiben ergittern maefete, oerfdjmanb er in’S Qnnre. „gefe mufe biefe 
SRebetten, 77 murrte er, „burcfe öftere Hebungen oon ber gmedmäfeigteit 
meiner 2tnorbnungen übergeugen. Sei ©ott, bie fotten nod) gafem 
merben! Söittabing feat unS nicfet umfonft für blutige ißenfionSgetber 
bie g-eftung gebaut. 77 

©nblicfe ging ^jüfefe’S fReittour gu ©nbe. ®er Sartfeufeer rutfdjte 
oorfiefetig über ben ©roufee beS miegenben .jpotgtfeiereS feinauS unb 
mürbe oon bem tangbefdfenaugten, rotten gfeftungSfolbaten mit läcfeer» 
licket ©efefeäftigfeit auf ben Soben geftettt; babei tonnte biefer ficfe 
niefet enthalten, ben fcfeminbligen £mfeti, bem fetbft bie fefte SRutter 
©rbe noefe eine 3 e >t Icing fortfefemantte, mit ©rintaffen gu oerffeotten. 
®a — ißatfcfe! fafe ptöfetid) eine berbe SÖZautfdtjette Oon feinten ber= 
geftalt auf feinem fatferifefeen Sipßenmerf, bafe ber ißuber auf bem 
gerquetfefeten Scfenurrbart auf ben fefemargen SRoiffragen ftob. 


Digitized by t^ooQle 




244 


Äanb»flgt«gefä)ld|t£n an« bera bertilfdjttt KnUraargan« 


Unter fdjattenbem ©elädjter fudjte ber SRifjljanbelte, metdjer beit 
Später mof)l tonnte, aug betn gefährlichen ©djmarm Ijeraugjufommen, 
mäfjrenb 0 )eliy ftth algbalb bem Sftaurer öeigefelltc unb mit ifjm jum 
©täbtdjen Ijinaug burdj bie mittaggftillen grü()linggroie|"en nacf) ber 
„©teinbitten,, manberite. 

* * 

* 

SBotjnenbluft ging ftill feineg Sßegeg. ®em fdjmalfippigen £jäfele 
mar eg aber ein ©räuel, otjne ©eplauber felbanber ju fein, ©eine 
gefdjmeiften SBraucn 50 g er meit über bie fladfe ©tint hinauf unb 
jprad) mit ernften Slugen: „ 2 lber bag fjätte um meinetmiffen jefct 
einen fchrecfUdhen ©fanbal abfeßen fönnen, menn ber fRotfye um £)ilfe 
gerufen" ... 

„Unb mir bie SBürger beigeftanben mären, meinft ®u?" 

,,^a, freilich! Sine (Smpörung märe entftanben, unb bag Sltteg 
um meiner Söenigfeit mitten. (£g ift hoch fd)ön, menn man einen 
?lnf)ang hat!" 

„$a, aber nicht nur unter ben Söeibern!" 

„ 2 öie ®u rebeft, SRaurer! Slber glaubft ®u nicht, ber Öanböogt 
mirb gteichmohl bie f)anbgreiflid)e ßurecfjtroeifung feineg ©ienerg nicht 
ungeftraft laffen? ©ie mirb ftdjer für ©idj folgen fjaben, aber nimm 
mir’g nid)t übel!" 

tl ^d) benfe, eine SBodje ffeftung ober ©elbftrafe." 

„Qdj fürchte, id) fürste — aber nimm mir’g nicht übel! ©u 
fennft ben Ätldjberger nicht mie id). Qljr 3 ü>ei feib 0 -euerfteine, unb 
ba gibt’g Junten!" 

„■fpat er bag gefagt oom geuerftein?" 

„@g fönnte ihm ein Vergnügen fein, fjat er bamalg ertlärt, als 
id) ©id) ttor iljn in unfre ©tube herunter bringen mußte, — eg 
fönnte if)m ein Vergnügen fein, ©ir ©einen garten ©inn ju bredjen. 
$dj fürchte, |>einridj — aber nimm mir’g nicht übel! ®u mödjteft 
alg mein näd)fter Nachfolger auf bag ^oljtlfier gefegt merben." 

„Unb ich foge ©ir, SBartpu^er beg Canbtmgtg, ehe id) mid) fo 
hünbifch beftrafen laffe, gebe id) — gibt’g ein Unglüct!" 

©eg SRaurerg ©timme brölfnte, alg er ftitte ftunb unb feinem 
fteinen ^Begleiter bie gauft mieg. 

geliy 30 g bie Sippen ein unb fdjlug fdjnett eine anbere ©onart 
an, inbem er bie munbgeredjte ?|Satfdhe prieg. 


Digitized by 


Google 



*tfnb»ogt»gffd}ixijt*n an« bem bentffdjen Knttraargan. 


245 


„Die Waulfchetle höbe icf) nicht um Deinetwillen auSgetheilt," 
fchnitt ihm bet Waurer baS SBort ob. „Wir galt eS bie @hre ber 
©acfee; benit gut ©träfe gehört feine Sefdjimpfung oon fo einem 
läufigen ©efefceSbiener. — üfber mie bift Du fo blilfdjnell auf baS 
£>olg gerathen ?" 

Soljnenbluft nahm babei, tangfamer gehenb, 3 un & eT nnb geuer* 
ftein hernor, gog auS ben weiten galten feiner SBerftagSljofe ein 
Sreujerpfeifchen, ftecfte baäfelbe in bie linfe Wunbecfe unb fc^Iug, 
ben Ealfweifeen Mittel bem Sßinbe oorhaltenb, mit feinem ©taljlmeffer 
geuer. 

„28a3, Heinrich/" rief ber Sartfdjaber erftaunt, „Du willft DabaE 
trinEcn?" 

„@ie hätten ihn eher oerbieten follen," meinte jener gleichgültig, 
„bamalS, als baS SEraut im Canb noch nicht befannt War. Unb fo 
lange gunfer ßilchberger felber tabäElet, tljut’S ber Soljnenbluft auch; 
bas Verbot ift nur mieber fo ein Wittel, unS arme Ceute unter bem 
Daumen §u holten." 

„Da§ möchte ich bem Sanboogt nicht fogen. Unb gubem ift e§ 
ja ein ©iftfraut, wie’S in ben Wanboten helfet." 

„gn ben Wanbaten ftefet oiel, baS bie Herren am wenigften 
glauben unb holten. — Slber Du willft Deine ©efchicfjte nicht er* 
gählen ?" 

„Dod), hoch! geh ntufe nur noch erft ba oorbei fein". 

£>äfele lenEte oom gelbmeg ab unb lief in weitem Sogen burch 
bie Slecfer um einen SEirfchbaum herum, ber oben auf bem ©trafeen* 
borbe im herrlie^ften Slüthenfdjmucfe ftanb. 

„Du follteft hoch ben DeufelShorniffen bort einmal bie Saum* 
fpatte gupflaftern," fpradj ber ijafenfufe, als ber Waurer, gelaffen 
raudhenb, ihn wieber einhotte. „Weine Wuhme fürchtet fie auch • • •" 

„©taub’S fchon, bie Wuhme! Wit ^ejeen lebt fein £f|ierlein im 
grieben." 

„Heinrich, glaubft Du wirflich on #eyen? Unb meine Wuhme.. 

„$abe ehebem auch nicht baran geglaubt; aber bie Sabe hot 
mich befehrt." 

„Söiefo? Söiefo?" 

®er Waurer ftopfte ba§ geuer in feiner pfeife mit bem fleinen 
ginger hinunter unb fagte: „©eljt Dich nichts an, getijc! Weine 





246 


ÄanbooQtegefrijirfjtfn troe bem berotfdjen llnlrraargatu 


gamilienangelegenheiten Bleiben innert titer Sßänben. Ou millft mir 
Oein ©eheimnih auch nicht auSEramen." 

„Oodj, bodj! Ou muht eS hören, Ou Bift ein ©hrenmann; Ou 
Baft mein ganzes Vertrauen, Heinrich! ©iehe, ba§ Eam fo gefdjminb: 
33li£ unb «ßuff! — 2lber jejjt firib mir fd^on baljeim." 

„Ou Eömmft herauf; ich fcEjenfe Oir ein ©läSdjen ein." 

©ie fchritten eine ©tiege Ejinauf, melche an ber Slujjenfeiie beS 
£>aufeS §u beS SRaurerS SBofjnung E)inauffü^rte; mit einem berBen 
©djtag auf bie ^^ürflinCe ftanben beibe in ber SEüdje. 

„2BaS ift baS mieber für ein tierfluchter Oualm?" fdjatt IBohnen» 
Bluft. „9ftachft Ou ben Jauchz ©Hfabeth?" 

Oie 9Jiaurerin, melche eben am Stochherbe in’S geuer blieS, 
menbete ihr blaf? gemeintes 9lntli§ bem Barfchen fraget §u unb rieb 
eine Ofjräne aus bem Sluge. „Oer fRaudj ift fdjulb," fagte fie unb 
tierbarg ben Kummer, ben ihr bie Nachricht ber alten Barbara oon 
ihres ©atten unüberlegter Of) a t tierurfadhte. 

„©o, räubert bie £>eye mieber, bie mir mein armes Snäblein 
quält, bah eS faft bie Cungen auSfdhreien muh?" Oer Slufbraufenbe 
mürbe tion geliy fanft in bie SBofjnftube gebrängt, mo eben ber halb» 
jährige §eireli in ber Söiege päppelte. 5lber ber mifemuthige 33ater 
achtete fein nicht; er fdjritt gu einem SBanbfchranE, holte §mei ©täS» 
lein unb bie SSranntmeinflafche, nahm auS ber ©djublabe einen an» 
gefchnittenen 33robIaib, fchenEte ein unb braute, ben giehrenben ©topfet 
einftecfenb, bie glafdje mieber an ihren Ort gurücE. 

„grau, forge, bah ber ©chreiljalS fdhmeigt!" 

©lifabeth Eam ftiH herein, befriebigte ben kleinen unb ging 
neuerbingS in bie $üdje. 

Oie beiben äftänner festen fid) jum ©chnäpSchen. 

Oer 33artfcheerer mar beim SlnblicE ber jungfchönen HRutter gang 
liebefelig gemorben, unb obmohl fie ihn einmal burd) ihre entfdjloffene 
Slbfertigung berart beleibigt hatte, bah er eS ihr nie §u »ergeffen 
gelobte, Eonnte er jefct hoch nicht umhin, ©uteS »on ihr gu reben. 

„§öre, Heinrich, Ou foöteft Oein SBeib nicht fo grob anfafjren; 
eS thut ihr mef)." 

„©ie ift nur gu meich für mich- Söenn ich nach meiner 9lrt ein 
menig barfch bin, fo fängt fie gleich gu flennen an — unb ich merbe 
Ealjmilb. OaS Eann ich nicht auSftehen. Oann bin ich immer gu hart, 


Digitized by i^ooQle 





€aafcMjjt*9efdjMjt*n aut Bern bernlfdjeit Wntfraargan. 


247 


icf) weife eg wohl. Unb wenn fie mid) bennocf) fo herjenggut anrebet, 
fo treibt’g mir manchmal, ich ftifle Oir, bag SBaffer in bie Slugeit ... 
Oodj jef$t rücfe einmal mit deiner ©efcfjicljte heruor." 

* * 

* 

„ga fieh/' begann täfele, „ber Canbuogt ift ein rafcher fßatron! 
33li§ unb ^3uff! — ©eftern um bie Dteune führte mich ber 6öfe ©eift 
oon meiner 33erlobten, ber Srämerrofel, weg nodh su einem Slbenb* 
trunE in beit galten. 2öar ba gerabe bie SRebe oom aufgeftellten 
©fei unb ©iner meinte, ber Canboogt fönnte hoch benfelben burch 
mich, ben bie SRutter alg ©pr offen eineg ritterlichen SBelfchett in'g 
8anb herein gebracht, jureiten laffen. geh fühlte ben ©ticb. „Oer 
Sommanbant," gab ich bem Singreifer möglirfjft augweidjenb §urücf, 
„Würbe beffer ben ^pofjborf für feine 62 rothen ©pi^buben auf ber 
geftung beiaffen hoben; übrigeng möge bag Schier halb wieber oom 
@rb6oben oerfchwunben fein unb ber §>err gunEer oielleicht nur noch 
bie Dh^en baoon friegen." gn meiner SBeineghi^e bachte ich btofe 
einen 2Bi§ ju reifeett unb nicht an bag ©taatggefährliche meiner SSorte. 
§iemit ergriff mich ein ^»atfchier, ber unbeachtet in einer ©rfe gefeffen, 
unb führte mich unter allgemeinem ©etädjter aug ber 2Birth§ftube. 
Oie ©atangbrut! 91 m SERorgen, alg ich oug meinem Oaumel erwachte, 
lag ich ättnfcfjen ben Eahlett geftunggmauern auf einer fßritfche, unb 
alg armer ©ünbet ftanb ich balb oor bem Canboogt, bem ich feh on 
fo mancheg 2Ral bag Sinn gefcfeabt unb ber nun ein fdjredlich ftrengeg 
fRidjtergeficht machte, alg ob wir einanber noch nie gefelfen hätten. 
,,^>abt gffr 1° gefprochen'?" fragte er. „ÜQicht ganj fo, §err Sont» 
manbant," oerfe^te ich jitternb. „SÖenn mir recht ift, fo fagte ich/ 
ber fjerr gunEer Werbe nicht einmal mehr bie dfren fliegen! Slber 
ich bitte Vergebung, gnäbiger .fperr Silchberger; ‘ich mar beraufcfet. 
geh will ©uch gerne jehnmal unentgeltlich rafieren \“ 

„gh r lügt . . . gut!" ©r ging in bag SRebenjintmer unb ich 
athmete auf, alg er mich nur jurn ©felgritt oerbammte. 33lits uu ^ 
fßuff! ©in gnäbig Urthetl! Slber wenn ich nicht fein Sinn fo fauber 
fdjaben Eönnte unb meine SRuhme nicht fo gute Sßürfte im Sornin 
befüfee — ich märe gehängt worben \“ 

„Um beg öimmelg SBillen," ftürjte bie SRaurerin herein ' 
Eömmt ein fpatfehier. C -öeinrich, wag ha ft Ou auch getfean! 






248 


Cani>»ogt«ger<i|t<fytttt ««• l>tra btrnlfdjfit tUntiraargan. 


„geh fdjtiipfe hinter ben SBetttwrhang. 28enn er mich bei ©ir 
ftefjt/ fo fommft ©u in fßerbacht." 

„©a bleibft, SBartfdjaber ber ©brigfeit! — herein!" 

©er rotlje ©arnifönler oom UWorgen trat ein/ unb oerfc^mi^t 
über feinen frifcfj gepuberten Schnurrbart ju 33oben blicfenb, jog er 
eine fBortabung wegen gröblicher äftifjljanblung eines SlmtSbienerS 
auS ber tRocftafche, gleichzeitig erflärenb, bajj er ben ÜJiaurer fofort 
ju SBegleitfdjaft ju nehmen habe. 

„gft nicht nötlpg. gef) folge auf bem gujje — aber ohne f>at« 
fcfjier!" 

„geh muß meine 93efel)le auSfü!jren." 

„©eh freiwillig mit!" bat ©lifabeth in taufenb Slengften. 
„Sofort!" erflärte SBohnenbluft, „aber ohne SRothrocf!" 

„©ann thut eS mir leib, oon meiner fßfticht ©ebraucf) machen 
ju muffen uttb (Such . • ." 

£racf)! ©a brach ein Stuhlbein, unb beoor ber Sötbling nur 
fein Seitengewehr berührte, pachte mit eifernen ©riffen ber ÜDiaurer 
feine 2lrme unb fteHte ihn oor bie ©ljü r - /Atnt 1 Uh r bin ich auf 
ber geftung!" rief er wuthjitternb. 

©arnifönler unb SBartfcheerer folterten gemeinfchaftlich bie Stiege 
hinunter. 

©er ßornbebenbe fam jurücf an ben SOtittagStifcfj. 

„©S ift bod) hinuneitraurig, WaS bie Runter fich mit uns er« 
tauben!" ftiefe er nach löngernt Schweigen heroor. 

„Cieber Sßann, mir ift nicht wohl um ©ich! ©aS fömmt nicht 
gut. © ©ott, wenn ©ich ber Canboogt nur nicht mit bem ©fei ftraft!" 
jammerte bie arme grau. 

„©aS benfe nicht, Gslifabeth! 9Jtir wirb Sfildjberger biefe Sinber« 
ftrafe nicht anfinnfin, fonft wiH ich bafür forgen, bafj eS nicht ge« 
fcfjieht — beim heiligen §>immet!" 

„Slber ©u tljuft nichts UngefchicfteS, gelt Heinrich? © wenn 
nur Sille wüßten, wie unter ©einer h ar ten £>ülle ein gutes §erj 
fcfjlägt! ©eit, ©u benfft an mich unb an ©ein liebes Sfinb? ©u 
fannft uns nicht unglucflicf) machen unb ergibft ©ich in ©otteS 
gügung?" 

„©er ©fei ift nicht ©otteS gügung; baS elenbe SJtacfjwerf eines 
33ogteS ift er!" 


Digitized by t^ooQle 




CanbüogtsgffrtjMjten ans bem bernlfdjen Knteraargan 


249 


„'Senfe an Sein Sfinb! Senfe an bie etrüge Seligfeit! Sttein, 
^jeinridj, Su tljuft Sir fein 8eib an, wenn Su audj auf ba3 folgern e 
Sfjier miijjteft! O, fiel) micf) an!" 

Sie fanf weinenb. oor iljm auf ben Soben; er ftiefj fte weg, 
naljm ftumm ben SBollljut non ber Ofenecfe unb ging au3 ber (Stube. 

^Junft 1 Uijr toat ber SJiaurer fortgegangen. 9113 gwei Stunben 
oorttber, al3 brei, oier nerfloffen waren, at3 ber 9tbenb unb halb nact) 
iljm bie Sftadjt anbrad) unb ber Sater nidjt Ijeimfam, ba toarb ber 
guten grau erft redjt unfägtidj bange; fie wufjte ficf) mcf)t mei)r gu 
Reifen unb toarf ficf) fdjlucf)genb über bie SBiege ifjre3 ^teireli, in 
©ebet unb Sljränen einige gaffung gu gewinnen. Sa3 Sfnäbleitt 
fdjlummerte fo ruljig; im fmufe war 9llle3 fo tobtenftiH. Äein SLfJenfcf» 
fam gu i^r, mit fanften SBorten fie gu tröften. Sonft fjatte ficf) oft 
bie SBobi gegeigt, wenn |>einricb nidjt gu £jaufe war; audj biefe blieb 
au3. (äfifabetf) ging in bie Sfüdje, ba3 9 f iad)teffen gu bereiten, füllte 
iljr Äinb unb legte fidj enblidj gu Sette. 

©egen borgen wedfte fie plö^lidj ein fdjriHer (Schrei, ber in 
einem langen Stöljnen erftarb. Sie fuhr auf unb meinte geträumt 
gu Ijaben; benn ringsum Ijerrfdjte noch ©rabeStufye. Sa Hopfte geliy 
auf ber Sortaube unb rief fie gur SJtuljme herunter, bie im Sterben 
liege. 

9113 ©tifabetf; erfcfjien, war ber Sfteffe fdjon fortgerannt, neben 
bem Sette nur eine brennenbe Dellampe gurüdflaffenb. „9ldj, gewiß 
bie geftrige 9lufregung unb ba3 Caufen!" feufgte bie Söiaurerin oor 
fid) fjin, if)r bie Stirne mit SirfdjWaffer befeudjtenb. SEBeljmütljig ge* 
backte fie ber gemütfyüdjen 9llten, unb wiewoljt fie biefelbe nidjt non 
jeber Sdjulb freifprecfyeit fonnte, bebauerte fie bocfj, bajj if)r ©atte bie 
Sabe fo oft al3 £jej:e unb Ouälerin üjre3 SfinbleinS befcf»ulbigt, unb 
ein Sdjatten lagerte fiel) auf bie Seele ber Setlaffenen, bafj iljr fperg 
heftig überquoll. 9J?it einer gucfenben Sewegung fd)lug bie Sterbenbe 
bie 9lugen auf. 

„©lifabetlj, fdjneibe eine 2ßurft au3 bem Äamin . . . fperr Stilrf)= 
berget wirb woljl halb ba fein . . . gdj will teftiren . . . 28a3 
weinft? . . . fpeinrid) ift, fcfjeint e3, nid^t mef)t fjeimgefommen . . . 
Sei getroft.... Ser Canboogt rnujj iljn wieber loSlaffen . . . gdj 
habe eudj oiel 9lrge3 getfjan . . . Sergeilje mir, ©lifabetlj, id) muß 
je£t fterben ..." 


Digitized by 


Google 



250 


ÄanbsoQtsgef’djtdjtsn ans brm berntfdjttt Knttraargan. 


„Saufenb, taufenb SWal! Varbara, Su fannft fetig fterben! 
Vergib Su unS, oergeilje meinem Spanne!" 

„Qd) wiU’S rnieber gut machen... SSßenn fie nur halb tarnen!... 
$>örft Su fie nodj nicht? . . ." 

©lifabetlj öffnete einen genftertljeil unb horchte in bie tüfjle grü(j= 

lingSbämnterung hinaus, inbeffen fiel bie äftufjnte mieberum inO^nmad^t. 

* * 

* 

§aftig trat geliy, als bie (Sonne fdjon mie eine behagliche Canb* 
oögtin über ben „(Striegel" flaute, .in baS ®rantenftübd)en, meines 
hinter bem Söoljngimmer lag. 

„gft fie fdjon hinüber?" frug er erfdjrotfert bie SBärterin. 

„geh glaube nidjt." 

Grinige Hoffnung fdjöpfenb, ergäljlte ber Vebfelige nun ber 
SJfaurerin, wie er guerft auf baS (Sdjlofj unb gunt üfiotariuS geeilt 
fei unb je§o in feiner Verwirrung/ ben ülrgt gu rufen, oergeffen habe. 
„Semt," fagte er, „wenn bie äftuljme nid)t meljr teftiren tönnte, fo 
fäme idj oiel gu furg! SSBie bin id) frofj, bafj ^jerr Sildjberger, meiner 
jüngften “äJiiffetfjat in ©naben oergeffenb, fo gütig gewefen unb auf 
baS befonbre Verlangen ber (Sterbenben f)in erfdjienen ift. ge£t tann 
alles nodj gut gehen!" 

Ser Canbtiogt befühlte bie (Stirn ber Oranten. (Sie Watete plö£« 
lid) auf unb tädjelte. 

geli£ beugte ftd) liebreich über fie unb fpradj: „Sie Herren finb 
je§t ba — aber nidjt waljr, liebe, liebe Sftuljme, Su wittft nod) nidjt 
fterben! Sftein, gelt nicht!" 

,/gch ftcrbe, geliy." 

„(Sie Wollen Seinen lebten SöiHen oerneljmen. Ser .fperr Som= 
manbant unb fein ©Treiber finb ba! was fotlen fie fcbreiben, liebe 
Sftufjme?" 

„SaS ift rec!jt, bafj fie ba finb. — Sir will id) baS §auS geben!" 

„SaS $>auS fott mein fein, fagt fie," fprad) ber Valbier, baS 
^inn ftreicfjenb. „Unb ber Üldfer in ber ©iSljalben?" 

„gft aud) Sein," fagte fte faum Ijörbar. Sod) $äfele E»örte gut. 

„Ser Slder oudj, £>err Sftotar!" 

„^alt/ baS §ab ic!j nid)t oerftanben!" unterbrach Stldjberger, ber 
wadjfam neben ber Vettftatt auf einem (Stuhle fafj. „gft eS wahr, 
grau Varbara?" 


Digitized by t^ooQle 




4anb00gtt<)cr4}i ( !)tfn an« bcm bernlfdjen Unteraargan. 251 


(Sie nicfte. 

(Stüber notirte auf beS CanboogtS 333inf. 

„Unb bie fjunbert ©ulben, bie an ßinfen liegen?" frug ber S'Jeffe 
Weiter, mit tiebreicf) bittenben Stugen fid Wieberum auf bie (Sterbenbe 
nieberbeugenb. 

„Sie foßen be§ SRaurerS Söljntein gehören." 

„333a — wa§? Sag’S noch einmal!" 

„®ie £)unbett ©ulben fotten bem (Söfjnlein beS £>eintid) Sonnen» 
btuft gehören!" biftirte Sfildberger bem Lotar in bie geber. 

„Unb weiter?" ergriff ber Canboogt baS 35Bort. 

„gd f)abe nichts meijr." 

^Barbara fdloß gur §>älfte bie gebrodenen Slugen, wanbte baS 
Slngepdt oom Cidte meg unb oerfdieb. 

2)ie Liaurerin war bie ßeit über wie auf SÜofjlen geftaitben, 
unb a(§ ber Canboogt fid anfdicfte, mit ben Slnbern in bie S33of)n= 
ftube IjiuauS gu treten, f)ielt fie dn fdneß entfdloffen gurücf. 

„£>err Stildberger," fprad fie mit (eifern gittern, „woßt gfjr 
mir auf einen Stugenblicf ©ef)ör fdenfen?" 

„Ledt gern, gute grau!" (adelte er mit feinem gangen 3tntli£, 
bie £(jüre nad ber SBorberftube Ijin guftofjenb. 

„gfjr fja&t geftem meinen üttann oor ©eridt gegogen," fagte fie 
halblaut. „ge£t bin id ftetS in Slengften unb tonnte feine SRinute 
fdlufen, weif er nidt (jeimgefommen!" 

„So, feib ifjr bie grau biefeS wiberfpenftigen äRaurerS? — gfjr 
paßt aud nidt gufantmen!" 

„gd bitte ©ud um ber ©eredtigfeit wißen, tperr Canboogt, 
rednet if)m feine barfden Lebensarten nidt an! ®aS ift feine Latur, 
unb er meint eS immer beffer, a(S er’S fagt." 

,,©r mufe fid beugen; er muß wiffen, baß eine Cbrigfeit beftefjt." 

„2ld, id fyabe i(jm aud gugcrebet, fid in ©uren Söißen gu fügen, 
unb baS §at mir nur feine LJißljanbtung eingetragen!" £a§ braoe 
S33eib bradj in Sfjränen auS. 

„S33ie! ©r F>at ©ud mißljanbeft? — 33efonbre limftänbe (egen 
eS mir naf)e, if»n gum öffentliden Litte gu oerurtfjeilen." 

„0 ftraft i(jn, aber nur nidt fo, nur nidt mit bem ©fei! gf)D 
ruinirt unfer ganülienglücf!" f(ef)te ©lifabett), beinahe gu ©oben 
finfenb. 9lber fie faßte fid ptöfjlid unb trat einen Sd^tt gurücf, 

r 

t Digitized 

i 







252 ÄanböOfltaaefrfjidjtett an« bem bernirdjett Mnteiaatsan. 

alö &il<hberger mit eigentümlich freunblidjer ©eberbe feine beiben 
.£)änbe auf ihre ©futtern fegte. 

„Sr bat eud) liebtoS bebanbeft unb $f) r fönnt noch an ibm 
bangen?" 

/ 7 53eftraft itjii, «fperr, beftraft if)n!" 

„3lur nicht ju laut!" ffüfterte ber ©icfbaudb. „^öeib/ ber 2 )?ann 
fott morgen beitnfommen — aber fdjweigt!" 

SJiit biefem brobenben befehle wanbte er ficb ber Sbüre ju, &° n 
melier ber laufchenbe fjäfele fchiteH megbufcbte, unb fdjritt mit bem 
Notare, ber braunen Wartete, nach ber ©tabt guriicf. 

„Sann ©ich jeßt fcbon wieber entbehren, ©lifabeth," fpracfj ber 
SBartfdjeerer, mit giftigen ©liefen bie Slbgeljenbe oerfolgenb. 

,,©o mufj ich fyntcx ihrem ©arg noch * n ben §ut hinein ffuchen," 
fagte er, al§ er einzig oor ber lobten ftanb. 

„Slber bie üftaurerin, ba§ falfche Söeib, hat fte beftochen, auf 
bem ©terbebett h erum gebracht. ©afj ich auch fortrennen mußte! 
.fputtbert ©ulben! Qcf) möchte mir bie fcaare auSraufen. Unb bem 
Sanboogt habe ich auch golbene ©erge oerfprecfjen müffen, bafj er nur 
fidj oom gfecE oerbläht hat, ber Sllten ihre oerrüdfte ©rille ju er= 
füllen!" 

geliy 30 g ein Seintuch über bie Seiche, fchlof? ba§ .£>au§ ab unb 
ging in bie ©tabt. 

„ 2 öa§ brauche ich 8 u wachen? — $a, wenn bie hunbert ©ulben 
mein wären —bie bunbert ©ulben!" feufjte er. „Slber fort ftnb fie, 
fte finb mir abgeftohlen worben, ©li£ unb ^ßuff!" 

©a tarn ©ohnenbluft ben gelbweg h er - 

„Sßeifjt ©u audh, wa§ leßte Sftacht oorgegangen ift? ©enfe, bie 
SDhthme ift geftorben." 

„©0?" 

„©in leichter ©aufd) gegen bie fchwere ©abe!" 

„©u follteft fie nicht oerfpotten, 9)?aurer. Urfache haft ©u, Qb r 
banfbar ju fein!" 

„©0?" 

„Unb mir auch, mein ich! ^cf) h°& e ih r sugefprocben, ©einem 
©üben hnnbert ©ulben 51 t oermacheti." 

,,©u Uigft!" 


V 


Digitized by 


Google 



tianboogtegfrdjtifytfn 000 beut berniCdjfn Hnteraargan. 


253 


„Sttein. fmnbert ©ulben hat fie if)m teftirt, wenn icffö jufttebeu 

fei." 

„SEantt nicht fein!" 

„aftuljme! fügte" id), „waS quält Did) itocf), baß Du nitf)t ftcrbcn 
Eannft?" — „Daß ber ÜDfaurer meint, id) fei eine ^>eye unb plage 
fein SEinb!" wimmerte fie. „SBeißt WaS," fpradj icf), „fdjenEe bem 
Snäblein bie ljunbert ©ulben, welche an 3^ n 1 en Kegen; icf) brauche 
fte nidjt, id) oerbiene ja genug! bann wirb §etnrid) non feinem grr» 
tf)um belehrt werben." 

„SBaS?" 

„©0 ift’S. Unb ber Canboogt, wie ber Ütotar ©tuber, weidje 
jugegen Waren, Eönnen eS bezeugen. Söie madjft Dn Stugen! ga gelt, 
baS ift ein fdjöneS ©chtnerjeuSgelb für Deinen £>eireli! — ©laubft 
Du’S noch immer nicf)t? ©0 frage Deine grau; fie ift beim Deftament 
aud) gegenwärtig gewefen unb §at eS gehört . . . Unb bann muß 
id) Dir nodj etwas fagen — aber nimm eS nidjt übel! gd) meine eS 
immer gut mit Dir. Deine grau hat mit SEilcfjberger, als ber Sftotar 
unb id) in bie ©tube hinaus getreten, noch etwas ^jeimtidjeS gehabt, 
gef) hörte, baß fie i£)in Etagte, Du Ijabeft fie gefc£»tagen. Du Eennft 
ben Canboogt — aber oerratlje Deiner grau ja nidjtS oon mir!" 

„gft baS wahr, Sartfdjeer, — wirElid) war?" 

„2ßenn Du’S nicfjt glauben magft, fo frage bodj •'perrn ©tuber!" 

Sleidjen 2lngefid)tS fcE»ritt Sofjtxenbluft bie ©tiege hinan. 

* * 

* 

©lifabetlj faß mit bem Süblein eben beim Sreitopf, als £jeinrid) 
eintrat, unb ließ eS oor greuben faft auf ben Soben fallen. (£r wies 
fte büfter jurüdf unb feßte ftcf) auf bie ©tubenbanE, 2lrm unb £jaupt 
auf bie DifdjecEe ftüßenb. „fperr ©ott, waS Eommt ba nodj über ntidj!" 
ftieß er ferner Ijerüor. 

„gft eS auf ber geftung nicht gut gegangen ?" fragte bie Slngftoolle. 

„Ueber ©rwarten gut. Slber nadf) SUlent, WaS id) erfahren muß, 
will idß Dir fagen: Der Sefdjluß fte£)t feft, wenn ich noch einmal 
mit ^ildjberger jufammengeratfje, fo — fo — fo erftedje ich ih n ^ 

„Seim 9ltlmäd)tigen! Heinrich, Du bift wahnfinnig!" 

„Sann wofjl fein, baß idj noch toaljnfinnig werbe, — wirb 
Wohl fein." 


Digitized by 




254 


CanbüogstgffdjtdjUn ans bem bernifdjen Ifnteraargan. 


©ie SOtaurerin begann p fcfjluchjen; aber fie ftürgte fiel) nicfjt 
p ihres ÜJtanneS güfjen, obwohl bie 2tngft mit furchtbarer Saft fie 
nieberbrücfte. ©ie [tilgte fidj nur auf eine Stuhllehne. 

„2SaS E)aft ©u! Vertraue mir’S, deinem treuen Söeibe! Qcfj 
mit! ©ir alles Unglücf tragen Reifen. — Qift’S etma ber ©trafefel?,, 

„Stein, etwas 2lnbereS brüift mich — etwas SlnbereS!" ©r fenEte 
wieberum trübfinnig fein |>aupt; plöfclich fufjr er empor: „2Bo bin 
icf) hingeratfjen, icf) ©lenber!" 

©er ©epeinigte ging hinaus, fidj Cuft p fdjöpfen. ©a traf er 
juft auf ber ©tiege ben Valbierer, weldjer SOtiene machte, fidj rücE* 
wärtS p begeben. 

„VJaS fdjleidjft ©u ba herum?" 

,,gdj fd)leid)e nicfjt herum! ©ben will icf) ©eine grau bitten, 
für meine SJlutter bodfj auf morgen SDtittag pm Öeicfjengeleite p 
laben,,, fpracfj ber Stebegewanbte unb rücfte wieber tapfer einen ©ritt 
aufwärts. 

,,©aS ift nicf)tS mit ©einem ©erebc oon üorljin!" 

„SBill ©ir halt nicht in ben Slopf!" fpöttelt ber kleine. 

„Stein, eS ift eine oerbammte 8üge!„ 

„|ji, hi, fjü Söirft toofjl nocfj pm ©tauben gelangen!" lieferte 
jener unb retirirte bie ©tiege hinunter. 

©ieS boshafte ©etiler löste bie SBurjeltt feines unerfdjütterlidjen 
Vertrauens! ©r ftanb eine geraume ßeit, in fid) oerfunfen, auf ber 
Vretterlaube. 

„Stein! ©ie ift rein mie bie ©ngel im §>immet! ©ie mujj! ga! 
Unb bodj bie unbegreifliche SOtilbe beS SanboogtS . . . Qdj Eann’S 
nicht mehr auSljalteu!" ©r ftampfte auf bie Saubenbiele. 

„Cieber ©ott! roaS ift heruntergefallen P" Eam ©lifabetlj heraus» 
geftür^t. 

„StidjtS. geliy ift bagemefen unb »oünfdjt, ©u mögeft für feine 
SDtufjtne noch heute pm Vegräbnifs laben." SDtit biefen troefenen 
Sßorten ging ber SJtaurer bie ©reppe hinunter unb fort, um bis pm 
folgenben ©ag nicht mehr heimpEommen. 

©lifabeth ging hinein unb fiel auf bie Shtiee. SBarum? ©ie wufjte 
eS nicht. $u ©ott flehen für ihren oerftörten ©atten wollte fie, bafj 
er ihn wieber aus bem räthfelljaften Kummer heraus auf bie richtige 
33afp leiten möchte. 21 ber in ihrer Verwirrung Eonnte fie nicht beten. 



Digitized by t^ooQle 



tfanboogtegefdjidjten ans bem bernlfdjen Knttraargan. 


255 


,,©r weife nidjtS oon ber Unterrebung. ©oll idj e§ ifem offen» 
baren," badjte fie. „Stein! Slaufenbmal Heber ben ftttten S3orwurf 
einer 93erfeeimlicfeung im ^jer^en tragen, als il)n burcf) biefe glüdlidj 
überftanbene ©efafer oon Steuern in 9?ad)fudjt gegen ben Canboogt 
treiben!" 

©ie warf ifjre fcfewarjen geierfletber um, nafem ein Srobfädletn 
unter ba§ gürtucfe — benn ba§ 8eicfeen6itten warb mit einer milben 
©penbe belohnt — unb begab fidj, nacfebem fie ben Steinen einer 
Siacfebarin jur äöbfeut anoertraut, als Sirdjenlaberin auf ben 2ßeg. 
©ie feoffte, unter Ceuten einwenig Sroft §u gewinnen; aber als fie 
im Slbenbbunfel wieber ben <fpauSfd)lüffe( brefete, war fie rnefjr nieber* 
gefdjlagen als ermutfeigt. SBon .fpetnrtdj (jatte fie nidjtS oernommen. 
©ie füllte, bafe SlEeS jerfiet, unb Wünfdjte mit ber ÜWufeme in’S 
©rab gu fteigen. 

Um 11 Uljr beS fotgenben ü£ageS ftanben auf bem rein ge* 
[dauerten ißlafee oor bem Stauerfjaufe £)äfele’S bie greunbe unb 
Sefannten unb Stile, bie gelaben worben waren, um ber S3erftorbenen 
bie lefete ©Ijre ju erweifen. Sludj ©Hfabetf) befanb ficfj unter ifpten; 
aber fie nafem feinen 2§eil Weber an bem bumpfen ©rollen ber 
SOtänner, nocfe an bem feeftigen ©efdjwafe ber SBeiber. 3^*^ Scanner 
trugen ben ferneren, fcfewarjen ©arg auS bet ©tube unb ftellten ifjn 
auf ein profanes SReitwägeldjen, an welchem ein $ferb oorgefpannt 
war. 2>ie Scanner fpelten ilfre ®reimafter in ben £)änben, bis ber 3ug 
fidj in Bewegung fefjte; bann folgte bie SJtenge in ftiUer Slnbacfet 
getip täfele, als erfter SSerwanbter, ging junäcfift hinter bem ©arge 
mit ber weijmütfeigften, frömntften ÜDtiene oon ber Söett. Da§ fealbe 
©efidjt oerbecfte er fretlid) mit bem §)ute, unb ob er nun in benfefben 
fludjte, bleibt bafeingeftellt. SllS bet guferntann an bem Sirfdjbaume 
oorbeifam, furrten wenigftenS ein paar £)orniffen feerbei, unb eine 
ftadj ben fcfjnaubenben ©aut in bie Lüftern, fo bafe er auSfcfelug unb 
mit ber bicfen Sabe in bie Sieder IjinauSrannte. £>aS gefamntte Ceicfeen* 
gefolge, befonberS bie Söeiber, flatterten wie gepeitfcE)te ^üfener nadj. 

„3 e ^t feat’S gefehlt!" rief ber SOtaurer, welker bebufelt oom 
©täbtdjen f)er fam unb ben unfreiwiEigen Stbftecfeer in bie SOtatten 
fjinauS bemerfte —' „jefet ift SlEeS üertoren!" 

©ine unnennbare Slngft wanbette ifen plöfeltcf) an. SDtit gezogener 
9)tü^e fdfritt er langfam am Ceidjenjuge oorüber unb warf einen 



Digitized by Google 



25fr 


CanbooQtegefdjtdjttn an« bent bfrntfdjfn KnUraargan. 


fcfemergtic^en Slicf, lote jum lebten Slbfdjiebe, feiner ©attin §u, bie 
bet ben f)interften grauen ging. 

$eimgefommen, pflafterte er eben mit ber 9Raurer!eHe an bem 
öerhängnifjooHen Saunte herum, alg fdjon ber ©arnifönler in ©ile 
bafjer fdjritt. ©iegmal loiberftrebte er nicht, mit ihm §u gehen, ©r 
trug bie ^ßflaftermulbe nach £>aufe unb befugte noch fein Suäbtein 
in ber (Stube, bag fdhlummernb in ber SBiege lag. Sllg er eg eine 
SBeile betrachtet hotte, ba fielen unoerfeheng ©hränentropfen auf bag 
©ecflein nieber. Seife oerfdjlofj er bie ©hüre unb oerliefe mit bem 
StothrocE bie SBoljnung. 

„©ben hot ein Sunbjäger ©einen SRann mieber auf bie geftung 
geführt. 2lHe Seute erjagen baoon!" fpradj nach ber ©obtenfeier bie 
Srämerrofel jur SRaurerin, ba fie mit ben Slnbern bie Sirchentreppe 
in bag ©täbtehen hinunter ftiegen. ©ie arme grau mürbe bleich mie 
ber ©ob. (Sie hotte oom ©rabe toeg ben Sartfdjeerer in’g (Schloß 
rennen fel)en. 

„2Bag mu| ich anfangen? Sieber §err gefug, rathe mir! Sich, 
ich Eann nicht jum Sanboogt . . . unb hoch . . . heiliger ©ott, h^f 
mir! StRein SRann, mein Heinrich barf Eein SRörber merben!" ©aufenb 
©ebanfen burchmirrten ihr ©ehirn. 

©ie SBeiber umftanben fie, riethen unb rebeten. 

* * 

* 

„ghr mifet, SRaurer, unter melchen Sebingungen, bie leicht ju 
erfüllen gemefen, ich t>or jmei ©agen Sud) freigelaffen höbe, unb nun 
feib ghr fchon mieber oon geliy §äfele, bem Sartfdjeerer, eineg 
hoppelten greoelg angeftagt." 

„ßmiefodje SHage, £>err Sanboogt?" 

„ßum ©rften hobt ghr burch unoergeihlidje galjrläffigfeit auf 
fünbhafte SBeife feinen ©obtenjug in Unorbnung gebracht, trofsbem 
man ©udj bielfach ermahnet, bie ©hiere abjutöbten." 

„©inmal hot er baoon gefprodjen — ja! Unb gum ßtueiten?" 

„gum Slnbern magt ghr, oerbotenen ©aba! §u trinfen." 

„So? ©er oergifjt nichtg. — ©g ift toaf)r." 

„Sßarum t^ut ghr, mag oon ber hohen ^Regierung bodj ftrengfteng 
unterfagt ift?" 

„£>err SUlchberger, meil auch gh r tabftftet." 




Digitized t ' )OQl0 



CanböO 0 tagffdjtdjt*n am bem bernifdjen Knteraargan. 


257 


“Der Canboogt flaute, ganz oerbfüfft über folcfee freche Offenheit, 
itadj bem anwefenben ©efefeeäbiener, welcher ftdj heimlid) befuftigte. 
„§inau§ oor bie Sd)tofethüren!" Eommanbirte ber ©eftrenge. 
®er ©arnifönler breite fid) jum Slbmarfd). 

„©uer tro£ige§ ffiefen befrembet mid) nidjt mef)r; aber td) rattje 
Gsudj, bie 3 un 9 e 5 U ^üten !" 

„93raudjt nicht ber SBermaljnung. 9iur habe id) geglaubt, zwifchen 
bem aftenfcben SEildjberger unb bem 90?enfd)en 23of)nen6luft fei oor 
bem ©efe|e fein Unterfdjieb, aud) im StabaEtrinEen nicht." 

„®a§ 9J?aul gehalten, frecher ©urm!" 

„$err Canboogt, ich bin fdjulbig. 33eftraft mich!" 

„©emäfe be§ £abaEoerbote§ trifft ©ud) 50 ^ßfunb 93ufee, unb 
wa§ ben erften $unEt anlangt, fo Eann ich nad) bem, wa§ oorau§ 
gegangen ift, nicht anber§, al§ ©ud) jum hölzernen ©fei uerurtheilen." 

£)er SDEaurer erbleichte, „©eit Qh r nicht maßt, £>err Canboogt! 
©eit Qh r tntr bie ©hre ju rauben trachtet!" 

SEilcf)berger§ 3lugen flammten. „Qa, baä miß ich! .friimmen foßft 
®u !j)ich, fRebefle!" 

„£>err Canboogt, ich untermerfe mich ganz gern, aber uer* 
wanbeit meine «Strafe in fi'erEer!" 

„$a, S)u wißft mir befehlen?" 

„Qch bin gewife gegen Eeine gerechte Regierung, beim §immet 
nicht! Stbcr Qh r ' €> err ö un ^ er / werbet ©uch nicht unterftehen, midh 
auf ben ©fei ju bringen!" 

„©oßen fehen. — £>eba, .ffanbfcheßen!" 
kalter Schweife trat auf be§ 9J?aurer§ Stirn, ©r warf fid) cor 
bem Canboogt nieber: „Um ©otte§ SarmherzigEeit wißen ... nein! 
£ljut’s nicht! £f)ut’§ nicht!" 

„$a, ha, h fl ! $e§t fängt er fid) an ju winben, aber §u fpät! — 
Die ifanbfdjeßen an!" 

©ie ein Sobenber fdfneßte ber SRaurer oorn ©oben auf, rife 
Wilb bem herantretenben §atfd)ier bie geffeiringe au8 ber §anb unb 
fdhleuberte fie oerzweifelt burch bie Erachenben genfterfdjeiben; fein 
ÜReffer EnacEfe in ber ,£)ofentafd)e. ®od) im felben StugenblicE brang 
burdj bie zertrümmerten 33leifenfter ein feltfameö ©eräufch, ein 
dämmern unb Sägen unb ©efdfrei au§ ber Stabt herauf, bafe SUld)* 
Berger an’§ genfter trat unb ob bem, Wa§ er brunten wahrnahnt, 

©om 3uta jurn ©dhttjarjtoalb. IX. 17 



Digitized by 



258 Cantwcijtefitfdjldjttn an« bun bernifdjcn ICntnraargan. 


auf geraume ßett 3lHe3 um fid) feer oergafe. Oantt menbete er, »or 
3»rn jitternb, fein mit bmtfler 9?ötfee übergoffeneS 93oßmonbgeficht 
bem 9 Waurer ju, neben metcfeem ber fmtfcfeier, Söefefele gemdrtigenb, 
ftanb. „23is auf 2Beitere8 miß idf Oid) ber ©efangenfcfeaft übermeifen, 
ba ein befonbrer gaß »or liegt, morüber id) erft noch bie gnäbigen 
Obern tonfultiren ntufe," fpracf) er. „fmtfdjier, bring ihn in bie hintern 
3 eßen!" 

Stle> Sofenenbluft im biiftern Oreppengemölbe neben bem rotfeen 
geft ungäfot baten ging, tarn eilig ber Sartfdjaber, norgebeugten Körpers 
unb bie £>änbe auf bie müben Slniee ftemmenb, herauf geftiegen. 

,,©nä ... biger .. . $err ... SJommanbant!.. . SWefer als . . . 
fünfzig Söeiber... genauen unb fcfeleppen... ben ©fei bei ber 
„Scfeaal" in bie Stare . .. unb beS SßiaurerS grau ... ift bie Sin* 
ftifterin." 

„So ? OeS SWaurerS grau?" 

Oer ^eucfeenbe, feinen grrtfeum mafernefemenb, mich au§ unb 
haftete meiter treppauf. 

X)rei Söocfeen bauerte bie SÜerferfeaft. ÜÖJit mancherlei ©ebanlen 
im Slbenblicht nadh §>aufe gefeenb, fah ber SUaurer feinen fdjneßen 
Söiberpart hinter fich feer fdjritteln; .fpäfete hatte feinem SBalbierftübcfeen 
in ber Stabt geierabenb gegeben. 93ofenenbluft »erborg fid) hinter bem 
^orniffenbaum auf bem fRafenborbe unb trat hurtig feer»or, mie ber 
kleine »orliberfcfeofe. Oerfet 6 e mußte gerfengelb geben. 

,,^>alt, gubaS! ge($t betennft fofort, bafe 0)u meine grau »er* 
logen unb »erleumbet feaft." 

„SBift fchon heraus ? -fpat Oir ©tifabetfe bie »ierte 2öod)e ab* 
»erbient?" 

„Satan! Söetenne, baß gelogen!" (Sr griff ihm an bie ©urget. 

„Cafe mich loS — o! geh miß Oir bie 100 ©ulben einfaffiren." 

„Oie foflen an 3*nfen fe e h en bleiben. Sefenne, bafe gelogen!" 

„Heinrich, lafe mich leben — o! ©rbarme Oicfe! ... geh miß 
... ben ftamtn . . . repariren." 

„OaS miß id) nun felber thun. Ou haft mich angelogen? Sag’S, 
fonft fiel) ba!" ©r brüefte ihm bie Stafe gegen bie Söaumfpalte unb 
ftiefe mit bem ginger hinein, bafe eine ber auS bem Schlummer ge* 
medten ©eiben bem S 3 artfcfeeerer gornig in bie §aare flog. 

„Sfein! . . . O 23armher§igfeit, fie fticht! . . . ga!" ftotterte 


Digitized by i^ooQle 




Älojttr ©Ubfrg. 


259 


bev gäf)e ©ünber enbfid) in Sobegangft. ,,©ie f^t für $)icf) bei Sitdj* 
Berger nur angehalten." 

,,©ef), ®u Sropf!" @r marf iljn toie einen 3BoEenfacf an bas 
grüne Snrb unb begob fid) mit leistem bergen in fein 35af)eim. 

SSon nun an mar ber barfcbe SDfaurer oeränbert. SBenn Grlifabetl) 
ben lädjefnben £>eireli am Slbenb bem ^eitnEe^renben, arbeitgmüben 
33ater entgegentrug unb er fie frug, marum ifjr Snäbfein ingmifdjen 
fo friebfict) gemorben, bann antmortete fie mit freubig auffeucfjtenben 
Slugen: „(Darum, metf bie 9D?utter nicfjt mef)r fo oiel um ben SBater 
gittern unb meinen ntujj." 

Gmianuet Sitd)berger erhielt enblidj oon ber oiefbefdjaftigten unb 
bcs£)a(b etmag iangfamen Sangfei gu 93ern einen S3et cf) eib, meldjer 
gar nidjt Söaffer auf feine Sflüfjle mar. ($r möge, befagte berfelbe, 
fic^ fünftigfjin fofdjerfei anftöfoiger ©trafen entsaften unb beim, er« 
probten Sitten oerbfeiben. (Die grauen aber, melcfje au§ Unbebaut 
unb gürmi§ gef)anbeft, bamit it)re Scanner nicf)t auf ben Gsfef gefegt 
merben möchten, foffen mit einer „fdjarpfen SBermaljnung" baoon- 
fommen. („pauSfdjrift" »on 3®b- S^lmamr.) 



Sufturf)iftorifd)e Silber oon $. giebermatm. 


SBäfjvenb ber SRattjetjerr bem ©(^offner bie anfef)nlidje Slusfteuer 
feiner Stodjter an baarem (Selbe fjingäf)lte unb bann mofjfgemutf) £>eim 
ritt, itbergeugt, bag ©fitef ber Dodjter begrünbet gu Ejaben, trat biefe, 
geführt oon ber öaienfdjmefter, bie fie an ber Pforte empfangen, itt 
bag 3immer ber Oberin, meldje if)rer in einem Cdjnftufjl fjarrte. 

SlgneS fügte if)r biefmnb unb harrte bann befefjeiben auf eine grage. 

(Die Slebtiffin betrachtete bie Slouige oon Sopf gu gügen unb 
ma§ fie faf), beftärfte fie in bem ISntfchfufs, Stgueg ben Slufenthaft 
im ©tifte gu oevfeiben unb fie gu ueranlaffen, in ein attbereg Sfofter 



Digitized by 


Google 



260 


filoßet ©Ubfrg. 


gu getjen. ©ie mar übergeugt, in biefern ftarfen Ceib wohnte feine 
fc^toad^e ©eele. ®a3 Stuge öerrieth ©eift unb fidjer aud) einen feften 
SBillen; ja e§ mar nur gu mahrfdjcinlidh, bie oerhajjte Slrtna tUJütter 
fei in 2tgne§ Stüfer auferftanben. Stach einer fangen ißaufe fagte fie: 

„$u miHft alfo in ben Orben eintreten, welcher feine Stiftung bent 
^eiligen 23ernfjarb oerbanft unb bent auch biefe Zäunte gemeint finb." 

„.fpochmürbige," entgegnete 2tgne§ nur ^alBteife, „eS ift ber SBille 
meiner lieben ©Itern, benen td) gerne gehorche." 

„Stennft $)u bie ^Regeln unferea OrbenS fchon?" 

„Oer hocfjmürbige £>err ©tabtpfarrer la§ mir fte einigemafe uor." 
„9tun gut, idf miß e§ mit Oir oerfuchen. mar gmar feft 
entfcfjloffen, feine Stobige mehr angunehtnen, melche bie burcf) bie 
Stifter feftgefefste tilgten probe nicht Ieiften fann. Oer §odjmiirbige 
gu 8ü£el, unfer geiftfidjer Oberf)irt, hat ftcf) fo angelegentlich für Oid) 
oermenbet, baf? ich berfudjsmeife Oid) annehmen miH. Qd) fage oer» 
fudjSmeife, benn um gu erproben, ob Ou mirflich bie geiftige S'raft 
befi^eft, baS fdjmere Streng ber 3^ftergienferin gu tragen, mufj ich Oir 
einige Safteiungen auferlegen, melche Oir ©djmergen oerurfachen mer» 
ben, melche aber bennod) baSjenige SDtaf) nicht erreichen, meld)e$ fromme 
Sräute beS ©efreugigten fich freimiHig auferfegen. Söittft Ou Oid) 
mittig Sittern untermerfen, ma§ ich gunt £>eil Oeiner ©eefe öorfdjrei* 
ben merbe?" 

„^odfmürbige, ich meijj, bie Spönne unb mehr nod) bie Stooige 
ift ihren Obern unbebingten ©ehorfant fchufbig. Qcf) merbe SltteS 
aufbieten, mir ©uer 2Boj)lmolten gu ermerbeu.“ 

©in farfaftifd)eS 8äd)eltt umfpiefte ben JDtunb ber Oberin. Oann 
fuhr fie fort: 

„8ege nun biefen meftlichen Oanb ab unb gief)’ biefe Sutte an, 
fie ift nebft bem ©djleier baS ©ingige, ma§ mir tragen bürfen." 

Oie Oberin fchellte, bie Stooigenmeifterin unb gugfeich bie Saien* 
fchmefter Sfnaftafia, mefche bie ©teile eines SlrgteS in minber »nichtigen 
g-ällen befteibete, traten ein, halfen SlgneS bei bem Umfleibeu, mobei 
ülnaftafia fich gugleich übergeugte, bafj ber Ceib ber ©intretenben ge= 
funb mar. Oie Stobigenmeifterin orbnete ber Stooige baS §aar unb 
banb ihr ben ©chleier über ben Stopf. 

„©chmefter grangiSfa," fprad) nun bie Slebtiffin, mährenb ein 
teuflifdjeS Cächeln ihren SQtnnb umfpielte: „Stad) langer reiflicher 


Digitized by i^ooQle 



ftloflrr ©Uberg. 


261 


Ueberlegung höbe icf) gefunben, eS ift Beffer, wir legen bem lieben 
Sinbe gleich jefct Bie Bufeübungen auf, bie eS hoch fpäter als geweihte 
Stonne auf fed) nehmen müfete. ginbet eS baS Sreuj ber 3if ter ' 
gienferin -ju (efemer für feine geiftige Sraft, fo ift eS boch noch frei, 
auSjutreten unb fecf) einen Orten ju wählen, beffen Siegeln leichter 
ftnb, als biejenigen beS Unfrigen. @efet, ich h a Be hier aufgefdjrieBen, 
wie SlgneS Behanbelt werben foß. 

©ie hot bem ©otteSbienfte jeberjeit betjuroofenen, in ber freien 
3eit foß fee fticfen, ich weife, fee ift SJieifterin in biefer Sunft. gfere 
SWahljeit bringt man ihr in bie ßeße, gleiche Soft wie für uns. 
SJtorgen erhält fee nach Ber grüfemeffe bie Heine OiSjiplin, ihr wifet, 
fedjSunbbreifeig ©eifeelfeiebe auf ben Biofeen Stücfen. UeBermorgen trägt 
fee eine ©tunbe lang ben Bufegürtel, unb fo ben einen Stag ©eifeel* 
hiebe, ben anbem ben Bufegürtel, bis ihr Ceib auSfeeht, wie berjenige 
unfereS himmlifcfeen Bräutigams, nachbetn ihn bie Reiben mit Shctfeen 
gepeitfcfet. gebeSntal nach Ber Safteiung nimmt SlgneS ein Bat unb 
fpajiert eine ©tunbe im ©arten. Stach Ber SWittagSmeffe fomntt fee 
hieljer unb liest mir ein ©tünbdjen bor, wobei ich mich Bann über» 
jeugen fann, ob bie Bufeübungen richtig ooßjogen werben unb baS 
liebe Sinb ©elegenheit hot, mir fein f>er} $u öffnen, gefct führt fee 
in ihre Qeüt, gebt ihr bie OrbenSregeln ju lefen unb forgt, bafe fee 
ihre SJtahljeiten richtig erhält. 

@ie bot SlgneS bie f)anb, welche biefelbe Eüfete unb bann mit ber 
Stooijenmeifterin ihre ßeße auffudhte. ©S War bieS ein längliches 
gimmercfeen, baS nichts enthielt als eine hölzerne Bettfteße, ben oon 
ben Siegeln oorgefchriebenen ©trofefaef, ©trohKffen unb SBoßbecfe, 
ferner ein ü&rfdjchen, jWei ©effel, einen SßafferErug, ein SBofdjbecfen, 
einen jinnemen Bedher unb einen Betfcfeemel oor bem Bitte beS ©e= 
freujigten. Sin ber fahlen SBanb hingen swei ©eifeeln, jebe mit brei 
ftarfen Seberriemen, an ben ©üben berfelben waren Bei einer ©eifeel 
Heine runbe ©ifenplättchen befeftigt, bie ©porrenräbem täufchenb Öfen» 
lieh fohen. Sin einem anbern Stagel hing ber Bufegürtel, ein feonb* 
breiter fefer ftarfer Ceberriemen tnit ©efenaße, inwenbig mit einigen 
hunbert Keinen fefearfen Stägelfpi^en oerfehen. 

Startern fech auch Bie StoDijenmeifterin entfernt hotte, fefcte fech 
SlgneS an baS Heine oergitterte genfter, baS eine fefer fchöne SluSfedjt 
gegen ©üben, auf ben mit Buchen bewatbeten, fünften f)ügel barbot. 



Digitized by i^ooQle 



262 


ÄlofUr ©Uberg. 


Oie nädjfte Umgebung fafj man nicht, bie SQlauer mar gu bicf unb 
bie (Sifenftübe geftatteten fein ^jerauSftrecfen beS Kopfes. StgneS be* 
gehrte auch nichts gu fehen, ihr $erg mar uoll unb fchmere ©ebanEen 
lafteten auf ihrer Seele. 

(Sie hotte fich baS Stofter als einen ©arten ©otteS oorgeftetlt, 
in meinem fromme 33räute beS ©otteSf offnes in Siebe unb Stnbacfet 
manbelten, mo meber leibliche Stiotlf, noch geistiger Kummer unb Sorge 
bie ©ottgemeihten in ber füllen ^Betrachtung beS gu ihrem Seelenheil 
Ofenettben ftörten. Unter ber Oberin hotte fte fich eine Butter ge* 
bad)t, bie nur mit Siebe ihre S'inber leitete. SBoffl hotte ihr ber 
Stabtpfarrer teife angebeutet, mie bie Tonnen, um ihrem S3orbilb 
näher gu fommeit, gumeilen ben fünbigen Seib fafteien. Sie hotte 
bieS aber faum beachtet unb fich babei mehr ein goften unb ©nt* 
fagen materieller ©enüffe oorgeftellt. SSaS bann bie ©eifeelung an* 
betraf, meIdfe bie giftergienferinnen oor jebetit hohen fyefttag gemeinfam 
PoHgiehen, hotte fie fich gefogt, maS Stile tffun, baS oermag auch ich 
gu erbulben. — Unb nun- 

©leich bei ihrem ©intritt liefe man fie bitter fühlen, bafe fie eine 
bürgerliche mar, bie man bloS auS ©nabe uufnahm. 2J?an hotte tf)r 
33üfeungen oorgefdfrieben, an bie fie nur mit Schaubern benfen fonnte. 
SBerbe ich & ertragen? fragte fie fich unb ih r tlfränenfeuchteS Singe 
fah auf gum blauen .fpinmtel. Sie fanf auf bie S'nie unb flehte gum 
£>immel um Sfraft, bie üüfartern gu ertragen, mit benen fie bebrofft 
mar. Oer Schleier mar gerriffett. Oer geträumte ©arten ©otteS 
fchien [ich in eine §öl(e oermanbeln gu motten. 

So fanb fie bie Saienfdfmefter, metche bie reichliche Slbenbmahlgeit 
brachte. Sarfufe, mie alle SBemohnerinnen beS eigentlichen ^lofterS, 
mar fie fo leife hereingefommen, bafe SlgneS fie nicht hörte unb gu* 
famtnenfchraf, als biefelbe freunblich fragte: 

„Siebes Äinb, maS fehlt Oir, bafe Ou fo traurig bift, bie Stugen 
oon Ohränen feucht finb?" 

StgneS hotte fich fchnell erhoben, fuchte bie Spuren ber Ohränen gu 
oermifchen. Oie Saienfchmefter fuhr hotbleife im freunblichften Jone fort: 

„Slennft Ou mich nicht mehr, bie ©iSbetlf gifcher, bie Schmefter 
ber Söafdffrau Oeiner ©Itern, SlgneS?" 

„Sich, liebe ©isbeth," rief bie hocherfreute Stoöige, „mie, Ou bift hier? “ 


Digitized by Google 






filoßtr ®H«b(rg. 263 


„Sa, Slgneg, nach bem Dobe meinet Heben Wanneg trat icf) alg 
Saienichmefter in bag ^teftcje Stift, mo icf) jeitlebens tootjl oerforgt 
bin. Siun fage mir aber offen, marum fo traurig, Sinb? (So oiet 
icf) meifj, marft Du oon ©eburt an ber Sirene gemeint. $at tnan 
bennod) ©emalt anwenben müffen, Did) f)ief>cr ju bringen? Sprich 
aber leife, hier haben bie Wauern Obren." 

„Stein, ©Igbetf), icb fam mit ^reuben lieber, allein ber ©mpfang mar 
berart, bafj ber füfje Draum eineg befdhaulidjen Sebeng fdhnelt oerflog." 

„Äränft eg Did), bajj Du barfufj gel)en mnfjt, nichts am Seibe 
tragen barfft, alg bie grobe ft'utte ?" 

,,©ott bemabre, ©Igbetl), Sltleg bag mußte idj junt Voraus. Sllleiu 
bie fürchterlichen Safteiungen, bie id) alg Prüfung an mir oolljieljen 
laffen foH, haben mir bag Slofterleben grünblidj oerleibet." 

Sie tfjeilte nun ber Saienfdjtoefter mit, ma§ ihrer harrte. Xiefe 
fd)üttelte nadjbenflidj ben S'opf. 

„Slgnee," fagte fie enblicb, „bie Oberin mufe einen befonbern 
©runb haben, Did) ju quälen, mie e§ nodj feiten bei einer Stooije 
gefdbab. ^d) felbft fab noch nie etma§ Sehnliches, habe jmar gehört, in 
längft oergangenen ßetten habe man Wäbdjen, bie fid) miberfeßlicb ^eig« 
ten, §rlud)toerfudje anfteHten, big auf bag Vlut gegeißelt. Seiber fann 
ich Dir nur infomeit helfen, bafj ich deinen armen Seib mafdje unb falbe." 

„^önnteft Du mir nicht einen SBrief an ben Vater beforgen? 
S<h jmeifte nicht, er mürbe mich fofort abholen." 

„©laube bag nicht, Slgneg. ©r fönnte Dich ja gar nicht bireft 
fpredjen unb bie Oberin ift fein genug, bie Sache ganj anberg barju» 
ftellen. Die Vufjübungen mürben bann ju Prüfungen unb mollteft 
Du Did) roeigern, biefe ju ertragen,' fo mürbe man Dir ben Slugtritt 
nicht üermeigern, Did) aber in ein anber Slofter fteefen, benn Du bift 
eben burch bag ©elübbe Deines VaterS ber Kirche gemeiht. Unfere 
Oberin mürbe aber nicht Jägern, ber neuen Vorgefe^ten SWeS ju 
mclben, Dicf) in möglichft fdjlecfjtem Sichte barjuftellen. Spott, £>of)tt 
unb Verachtung märe Dein fichereS Soog. Qnbeffen barfft Du feines* 
rnegg oerjmeifeln. Die Safteiungen erträgft Du fdjon ein paar Dage. 
Du bift ein ftarfeS Stäbchen nnb an SBein unb guter Siafjrung foff 
eg Dir nicht fehlen, ^njmifdjen fommt ber Veidjtoater, ein junger 
Wann aug 9?l)einfefben gebürtig. Du mußt ben Vater .jpieronßmuS 
fennen. ©r mürbe ja im fpaufe beg Stabtpfarrerg erlogen." 


Digitized by ^.ooQle 



264 


filofter ©labtrg. 


„O jo, ©isbeth, idf fenne tErn genau." 

,,©ut, mit ihm rebe icf), foBatb er anfommt, unb ®u öffneft ihm 
©ein atnteS ^ergehen. geh -poeifle gar nicht, er nimmt ®idj in feinen 
©d)u£ unb bann f)a 6 en alle SSufjübungen ein ©nbe. SBift ©u aber 
erft gemeinte ©chwefter, fo mirft ©u finben, baf$ ber ©arten ©otteS 
ein Wahres ißarabieS ift." 

©rftaunt wollte SlgneS weiter fragen, allein ©isbeth legte ben 
ginger auf ben Sftunb unb fagte bann (aut: 

„ge§t ife unb trinf, liebet ftinb, idf fjn& e nur gefagt, waS 
©u in SBejug auf baS beinhalten ©einer ßelle ju ttjun ^aft. gn 
einer falben ©tunbe £>ote idj baS ©efchirr." 

$aum waren biefe 2 Borte gefprodfett, fo trat bie Siooijenmeifterin 
ein unb brachte Signet ein £>eft, baS bie OrbenSregeln enthielt, ©ann 
entfernten ficb SBeibe. 

2 lgne§ afj, ifjr gefunber SSerftanb fagte i(jr, fie bürfe nicht faften, 
wenn fie bie Startern ertragen wolle. 

* * 

* 

2 Bir wollen ben öefet nicht ermüben mit ber SBefdjreibung ber 
furchtbaren dualen, welche SlgneS erbulben rnufjte. ©8 wibert un§ 
an, bie ©chmerjen, welche bie ©eifeeln unb ber SSuggürtel berurfad)ten, 
auS-jumalen. 2Sir überlaffen bieS ©enen, bie eS lieben, burch folche 
©chilberungen ben Cefer aufjuregen. Söir fagen einfadh, nach fünf 
©agen war Signet fo heruntergetommen, bajj fie ftd) ben ©ob als 
greuttb herbeiwünfehte. ©iS aber eine gwanjigjährige ißerfon, gefunb, 
ftarf, ohne ©orge für Obbadj unb 2öot)nung, baS ©rab als ©rlöfung 
betrachtet, muß ftc UufäglicheS gelitten hüben. 

3J?it Vergnügen bemerfte bie Oberin bie blaffen SBaitgen, baS 
bon ©hränen gefihwollene Sluge ber bobije. ©ie wollte nur noch bie 
Slnfunft beS JBeidjtuaterS abwarten unb bann ber Öeibenben ben 9luS= 
tritt freiftellen, an ber Sinnahme jweifelte fie nicht. ©S fodte aber 
gang anberS fomnten. 

Slm ©amftag gleich nach ber gfrüfjmeffe, beoor bie bobijenmeifterin 
bie für biefen ©ag borgefdjriebene Äafteiung bornahm, !am ©iSbeth 
in bie ßetle gerannt unb flüfterte haftig: 

„Somm, SlgneS, Eomm. ©er SBeidjtbater will ©ich fp rechen, ehe 
er 511 ber Oberin geht, ©ei fröhlich jejjt, bie fchlimmen ©age ftnb 
ju ©nbe." 




Digitized by Google 






ftt öfter ©Itbfrg. 


265 


©eufsenb erhob fidf bie Ceibenbe unb folgte langfam ber Caien» 
fdjmefter in baS 3' n,Tnet &eS SRöncheS, ber il)r bte $aitb sunt Suffe 
reichte, fie ftaunenb betrachtete, 
gn ntilbent Sone fragte er: 

„Su fennft mich boch noch/ 9lgneS?" 

„garoohl," hauchte fte, „ich fab Sud) oft int ^ßfarrhofe." 

,,©ut, liebet Sinb. ©ielj aber in mir nicht bloS ben Mitbürger, 
fonbern ben Utann, ber Sir ratfjen fott unb ber Sir Reifen miß. 
©ei aufrichtig gegen mich, betrachte mich als Seinen filtern, erfahrenen 
Sruber. Sßiüft Su bieS thun, 9tgneSr )// 

„9Rit taufenb greuben, toiirbiger Sater." 

9Rilbe (ädjelnb bog fich ber SJtöndj su ihr herab unb fprad), in= 
bem er fte fanft aufhob: 

„Su bift tränt, Sein ßuftanb erforbert oor 9tßem fRulje unb 
fßftege. geh merbe Sich ber ©djmefter SInafiafia übergeben, ©ei 
ohne gurcpt unb ©orge, ich mache überSich unb bin mädhtig genug, 
Sich SU fdjüijen. 2Biüft Su mir oerfprechen, ruhig su fein, mit frohen 
SBIitfen in bie gutunft ju flauen unb fo bie Teilung Seines SörperS 
gu befcfjleunigen ?" 

„2ftit taufenb greuben, faüvöiger Sater," entgegnete 9lgneS, in 
beren |jers 3Ruth unb Hoffnung surüdtfehrten. 

Ser Seichtoater fc^etlte unb liefe burd) ©iSbetf) bie Sranfen* 
Pflegerin herbeirufen. 

„©djmefter 9lnaftafta,' / fprach er ernft, „ich übergebe Sir biefe 
tränte SRooise. Sefjanble fte auf baS Sefte; allein lafe SRiemanb oon 
ben gemeihten grauen, fefbft bie Oberin nicht s u il)r. geh merbe 
9lgneS täglich befuchen unb harte ©träfe bleibt nicht auS, falls meine 
Sefef)le nur mangelhaft befolgt werben." 

Sie ©chmefter oerbeugte fi<h. (£r reichte 9lgneS bie fjanb, bie 
fte füffen mollte, maS er aber fd)neß abmehrte. 

„geh liebe bieS 3 e ^ en tnedjtifdjer Untermiirfigfeit nicht," fagte 
er, „ein ^jfinbebrucE genügt. 91 uf SSieberfefjen, 9lgneS." 

©ie prefete ihm heftig bie bargebotene iRedjte. 

©ine Siertelftunbe fpfiter lag fte, fanft fchtummernb, in einem 
meinen, herrlichen Sett, hart neben bem genfter beS Ijeßen unb ge= 
röumigen SranfensimmerS. 


Digitized by 


Google 



266 


Älofter QHeberg. 


Saum t)ötte bie Uiooije ba§ ßimmet oerlaffen, fo begab ftcfe ber 
33eid)toater ju ber Oberin. SUad) ben üblichen 33egrüfeung§formeltt 
fragte bie 3lebtiffin: 

„Unb nun, würbiger 33ater, luie fjabt 3b* bie S'iooige gefmtben?" 

,,©ebr berabgefontmen, ^mcfewürbige." 

„Stiebt wahr, 3b* glaubt auch, fte fei nicht im ©taube, ba§ 
fefewere Sfveuj ber 3*fee*äienferin ä u trogen? 2)ie Regeln unfereö 
Orbenl finb ju ftrenge für ba3 Sttäbdjen. 3^) glaube, e§ wäre beffer, 
fte träte in einen anbertt Orben, junt Seifpiel in ba§ ftlofter ber 
Sluguftinerinnen im .Qlingentbal p 33afel." 

„gwdjwürben, oerjeibt, aber icb febe nicht ein, warum 3lgneS nicht 
ebenfogut gtfterjicnferin als Sluguftinerin fein famt." 

„3br fragt warum? 3tber, würbiger SBater, mufe tef) benn (Such, 
bem ßifter^ienfer, noefe fagen, wie wir un§ Hetbert muffen, wie eä un* 
fere Pflicht ift, bafe wir oor jebent hoben gefte ben biofeen Ceib mit 
bunbertfedjeunbbreifeig ©etfeelbieben fafteien, wie jubem jebe geweihte 
©efewefter am Neujahr ber Oberin fcferiftlicfe mitptbeilen bat, auf 
welche SBeife fte im Saufe beä QabreS ba3 fünbige gleifcfe süchtigen 
will. 3S3ie will bie§ eine ^ßerfon ertragen, bie fdjon bureb bie Heine 
“Disziplin franf wirb? Oen ©ufegürtel faum ein paar ©tunben tra* 
gen tann?" 

„Iwcfewürben," entgegnete ber 33eicfetoater nicht ohne leifen $obn. 
„2Ba3 bie SHeibung anbetrifft, taffen wir in &Jube, 3lgne§ fiüfer ift 
nicht jarter at§ bie bocbwiirbige Satbarina, geborne ©bie oon ©d)ön= 
berg. SSon ben ©eifeelungen oor ben geften wollen wir lieber gar 
nicht fpreefeen. Ob fte in längft oergangenen geiten ernftlicb polU 
jogen Würben, Weife iefe nicht. ^ef$t bilben fte eine 33eluftigung be- 
fonberS für bie jüngeren ©efeweftern. Qch barf ba§ ÜSeicbtgebeintnife 
nicht oeriefeen; fonft fönitte idj ©uefe fagen, wie e§ babei jugefet. 
©cferiftlicfee Reibungen oon freiwillig auferlegten 33ufettbuttgen werbet 
3 b r wir wenige oorlegen tönnen unb würben fie oerfproefeen, fo fehlt 
e§ am Sluäfübren. Ä'urj, wa§ bie abeligen ®amen oon ©ptingen, 
£>er§felb, ©chlieugen unb wie fie alle betfeen, erbulben, ba§ erträgt 
StgneS mit Seidjtigfeit. fwdjwürben, geben wir nicht, wie bie Äafee, 
um ben beifeen 33rei herum. 9J?ir, bem bürgerlichen Spanne, ift ba£ 
SO^otio ©uerer §attblung§weife flar. ©obalb idf erfuhr, wie man ba§ 
arme ®inb mifebanbelte, fiel mir ein, wa§ mir unfer boefewürbiger 



Digitized by Google 



fiiofl«: $>Uberg. 


267 


Sater p Cüfcel mittheilte, tüte eS iljn grojje SWülje gefoftet, 3lgne§ ^ier 
unterpbringen. ^teute jage ich aber: ^o^toürben, HgneS bleibt hier." 

„O, icf) begreife/' ^öt»nte bie Oberin. „2lber wenn irf) ben f|ocf»= 
toiirbigen Herren p 8ü§et crfudje, unS ftatt beS brei^igjä^rigen S3eic^t= 
oaterS einen altern Sruber p fenben?" 

„OaS mögt Qh r tljun, ^ochwürbige," lautete bie falte Slnttoort. 
„Ob bann ber ©reis boSfelbc Serftätibnih für bie Söünfdje ber jungen 
©djtoeftern befi^t, wie ber breifjigjäljrige SDtann, ift eine zweite grage. 
©fje mir aber frfjeiben, laßt unS als Stngeljörige ein unb beSfelben 
OrbenS ruhig mit einanber reben. Qh r mifet fo gut mie id), waS 
ber ©eiftlichfeit, inSbefonbere aber ben OrbenSleuten broljt, melcf)’ 
mächtige (Stimmen fiel) gegen unS ergeben. Sei allen ^eiligen, Un* 
recht hoben fie nicht; allein ihnen burch fmuSftreit noch wehr hoffen 
in bie £>anb p geben, hatte ich benn hoch für unflug. ©eib Qh 1 ' 
nicht auch meiner SWeinung, fwchmürbige?" 

„Ooch, hoch, aber WaS hat baS mit SlgneS p thun?" 

„Siel, fehr Diel. Sehrt SlgneS in baS üäterliche ftauS prücf, 
ober geht fie nach Slingentljal, einerlei, ber Sater wirb ben ©runb 
roiffen motten, auS welchem fie Olsberg oerlieh. 2>ie Softer, um 
ftch p rechtfertigen, fagt natürlich bie Söahrheit unb bann? — 28aS 
meint ^h r / toaS mirb ber tttathSljerr, bie gange ©tobt oon Such, oon 
betn Sonoent p Olsberg halten?" 

Oie Ülebtiffin fenfte ben Slicf pr ©rbe. Oer 9)tönch fah toeiter 
als fie. Sftacfj einer ißaufe fuhr er fort: 

„©chliehen mir ^rieben, ^tochmürbige. Ueberlafjt mir SlgneS 
unb feib fidjer, ich forge bafür, bah fie in ben @d)Weftern nichts an- 
berS fieljt, als fromme Sröute ©hrifti- Oann bringt fein böfer Saut 
nach außen unb baS ©tift fann bie ©olbgulben beS bürgerlichen 
ttJathSherren behalten, waS auch nicht p oerachten ift. SBaS meint 
$h* jo meinem Sorfchlag, fmchtoürbige?" 

„^ch merbe ihn annehmen müffen unb gratutire bem mürbigen 
Sater." 

„Unb tch oerbitte, mir jeben ©pott, .öoehmürbige. SltterbingS 
fenne ich 2lgneS recht gut, beffer noch ihre ©Item, ber 9?atl)Sherr 
hatte mehr als einmal offene Oafel für ben armen ©tubenten, allein 
als ich üor gel)n fahren oon 9?f)einfelben fchieb, um in ben Orbett 
p treten, mar ?lgneS noch ein Such." 


Digitized by Google 



268 filofter GMsbtrg. 


„Sddiefeen wir grieben, Vruber ^ierontjmuS/' lächelte bie Oberin. 
„Qljr §obt eine 2lrt ju rebcrt, ber man nicht ioiberftef)en fann. Viel* 
leicht geht eS einft ber 2lgneS mie mir je£t." 
yjiit taltem ^offn entgegnete er: 

„£)ocbwürbige, man fagt wirflid), ich prebige gut. Vielleicht tauf che 
ich fpäter buch noch einmal bie Sfutte an baS Ornat beS ©eltgeift* 
liehen. Sülfo SlgneS 6leibt. Von. Äafteiungen leine fRebe mehr. 
Sie SRoüize Bleibt mir übertaffen." 

„3ugeftanben, nur forgt bafür, bafe fte fich als Sübelige benimmt, 
baS Veifpiel ihrer ebelgebornen Schweftern befolgt." 

„§>od)Würbigc, ich werbe noch wehr tljun. Qn tur§em folt 2lgneS 
bie ßierbe oon Olsberg fein, $dj Werbe alles aufbieten, SlgneS in 
Vejttg auf Vilbuttg fo hoch SU ftellen, bafe man gerne oergifet, bafe 
ihr baS Sßörtdjen „oon" üor ihrem SRanten fehlt. 2ßifet, fjodjwürbige, 
heut ju Sage fiitbet man eher taufenb abelige SRonnen unb 2Röndje 
als eine gelehrte ßifterjienferin." 

9Rit biefett 28orten entfernte er fich, «in Öächeln um ben SRunb. 
Sie Oberin murmelte ihm einige Söorte nad), unoerftänblich, aber 
jebenfalls feine Sd)meidjeleien. 


X. 

Per 3$eidjft>ater e&teronpmus. 

Unter ber ausgezeichneten ^fdege ber Sdjwefter Slnaftafia erholte 
fid) 2lgneS fdjneH. Säglich tarn ber Veidjtoater, fe^te fid) an ihr 
Vett unb fprad) mit ihr oon 9?h e * n f e ^ en / ben Gütern unb VerWanb* 
ten, bie ihm alle wohlbefannt waren. (Sie fühlte fich glndtidj mit 
thm über ihre ^jeimath reben ju fönnen unb fah mit froheren Vlicfen 
in bie 3ufunft. (Srnftere ©efprädje bewiefen ihr bann, bafe ber SRöndj 
eine Vilbung befafe, wie man fie im fedjSzeijnten ^afjrljunbert nur 
feiten in einem Slöfter traf. ®h r 9 e >ä’9 unb moht einfefjenb, bafe ihm, 
bem türmen, nur bie Kirche unb auch biefe nur bem gelehrten Siener 
Zu ($f;re unb Slnfeljen oerhelfen Eönne, hotte er mit raftlofem ©ifer 
ftubirt unb auch o(S SRönd) feine Stubien fortgefefet. Ser 2lbt oon 
Süfjel fdjä^te ben jungen ©eiehrten unb um ihm noch mehr 3«t Z um 
Stubiren zu geben, fefjte er ihn als Veidjtoater nad) Olsberg, eine 
Sinefure, bie nur wenig 3 e *t in Slnfprud) nahm unb bem jungen 
URanne alle SRufee liefe, feinen ©eift immer mehr auSzubilben. 9Ran 


Digitized by Google 



€lofter Oieberg. 


269 


traf ihn aud) faft immer ob feinen 23üd)eru unb fmnbfdjriften. ©in 
Meiner (Spaziergang mar bie einzige ©rljolung, bie er ficf) gönnte. 
SaS Stift oerließ er bloß, um nach Cü^el ju manbern/ aus ber bor* 
tigen reifen Vibliotljef neue ©eifteSnahrurtg ju ^olen. Saß aber 
ein fotdjer SJtann halb freier badjte, als feine OrbenSbrüber, baß er 
einfafj, mie meit bie Sfirdje unb beren Wiener mm beit ©runbfäfcen 
beS ©tifterS abgefommen unb baß er ftd) mehr nnb mefjr ber begin* 
ttenben Deformation zuneigte, ift gemiß fein SBunber. 

fiieronpmuS mar aber nicht bloS ein fefjr gelehrter, fonbern aud> 
ein fdi)önet 5D?ann üon mittlerem/ gebrungenem SöudjS, beffen ©lieber 
eine ungefrffmädjte Straft üerrietljen. ©ein ebelgeformteS 2lntliß batte 
ben 2luSbrucf freunblicben ©rnfteS unb auS bem blißenben 2(uge leuch* 
tete ©eift unb ^o^er Dtutl). ©r befaß eine fjtnxrei^enbe Debnergabe 
unb menn er £>ie unb ba als ^ßrebiger auftrat, mußte er zum ^erzett 
ber 3 u ^örer zu bringen. Sabei batten ibn bittere ©rfahrungen in 
feiner freublofen Qugenb gelehrt, in 2111 em mit ruhiger Vefonnenljeit, 
mit reiflicher Ueberlegung zu h°ubeln, nichts z u überftürzen, fonbern 
gelaffen ben üttoment zum ©iege abzumarten. 

Saß 2lgneS z u biefem Dtanne ein unbegrenztes ßutrnueu faßte, 
ift begreiflich. Sticht nur imponirte ihr fein SSiffen, fonbern fie fa£> 
in ihm ben Detter. Sie freute fid) unenblid), als er ihr nach einigen 
Sagen ben SSorfcfjlag machte, fie in ber Sird)engefchid)te zu unter* 
richten, in meldjem gacfje er ooUftänbig zu -£jaufe mar. 

Dach oierzefjn Sagen mar 2lgneS oollftänbig f»ergefteltt. Ser 
Unterricht begann. $eben Dtorgen nach bem grühftücf begab fie fid) 
in baS ßimmer beS VeicßtoaterS, baS einer Meinen Vibliotljef glich, 
feßte fich neben ben oerehrten Sehr er, ber ihr mit außergemöhnlidjer 
Klarheit einen Vortrag hielt, ber je nach bem bebanbelten Shema, 
ein bis §tt>et ©tunben bauerte. SaS ©ehörte foltte bie ©^ülerin in 
ihrer 3 e öe furzgefaßt nieberfdjreiben. 

©r begann mit ber 2lpoftelgefchichte unb ber Verbreitung beS 
©hriftenthumS in Stleinafien unb bem 2lbenblanb, fdjilberte ihr bie 
oerfchiebenen ©eften, bie in ben erften Qahrljunberten auftauchten unb 
machte fie befannt mit ben Sehren ber Dazarener, ©noftifer, 2lnti* 
trinitarier, 2lriaiter 2 c. 2llSbann ging er über z u ben DteinungS* 
oerfchiebenheiten zmifchen ber griedjifch» unb römifchfatholifchen Kirche, 
bie fdjließlidj fich fcift allein gegenüber ftanben. 2ln ber §anb feiner 



Digitized by 


Google 



270 «toftn- ©Ubfta. 


3(uljüge aul ölten ©Triften ber ftircfeeuoäter bewiel er if)r, wie bie 
erften 6 Triften oielel liiert oerehrt, wal erft fpäter all fjeitig betrautet 
würbe, Wie bie Dtutter bei «'pcilanbel erft im fehlten 3 a ^ r ^ un ^ crt 
oll £)immelltönigin anerfannt würbe, ferner geigte er if)r, wie ber 
33ifcf)of ju Dom nur nad) unb natf) t»öt)er all onbere Sorfteher ber 
Stirne ftieg, bil er enblid) §um heiligen Sater unb ©telloertreter bei 
^etlonbel auf ©rben erflärt würbe. 

2 lgnefenl 2 luge fyaftete an bem SDunbe bei täglich £)ö^er oerehr« 
ten Cehrerl, el erweiterte fid) ihr geiftiger ©efidjtlfreil unb wenn fie 
iljn oft ftounenb anblicfte, fo lächelte er rnilbe unb pflegte ju fagen: 

„$u ftaunft, liebel Stinb, mid), ben SDöitdj, fo fpreßen ju hören. 
Sßiffe, in deinem 3(1 ter war id) fo gläubig wie ®u. Vtnaulgefefetel 
©tubium ber 3llten tjobt mid) ju ber Ueberjeugung gebrockt, bafe 
wir weit abgeroirfjen ftnb oon bem ißfabe, ben ber erhabene ©tifter 
unferer Religion, ben feine jünger unb beren erfte 2 lnl)änger wan« 
beiten. 28ir feljen, wie nton ju fügen pflegt, oor lauter Säumen 
ben 28aIb nid)t meljr. ©ine Umfel)r ju jenen ßeiten einel einfachen 
©hriftenthuml ift eine Unmöglidjfeit, ba bie oeränberten ©itten el 
nidjt mel)r geftatten. gfür bie begonnene Deformation bin id) mit 
8 eib nnb ©eele, ob fie jum giele führt, bal Weife id) nicht unb meine 
Cebenlftellung gebietet mir Sorftdjt. ©hriftul fagte ja felbft: ,,©eib 
einfältig, wie bie Stauben unb tlug wie bie Schlangen." Qd) fefee 
einftweilen rufjig p unb beherzige ben ©prudj: „Sonant .ßeit, fommt 
Dath-"" 

„ 2 (lfo Würbet ^l)r ©ueru ©lauben an bie fatljolijdje Stirere ab* 
fcfjwören, falll bie oon ©ud) bewunberte Deformation obfiegett follte?" 

„ 2 ßer fpridjt oon abfefewören, liebel Sitib? $ft bie begonnene 
Deformation bal, Wal gwingli bei feiner S 5 ilputation 31 t ßürid) 
oerfprad), fo lehren wir einfach auf hen 2069 jurüct, ben bie ©fjriften 
wanbeiten, beuor 9Denfd)en bal grofee 2 Bcrf bei ©ottelfol)nel burefe 
eine Unjaljl Sln^ängfel oerunftalteten. biefem galle feoffe id), 
auch meine tlarblidenbe 2 (gnel werbe ihrem Sehrer nadjfolgen." 

,,©iel)ft SDu, 2 lgttel," fagte er, all er ihr bie fämmtüdjen ©rben 
genannt unb beren oerfdjiebene Degeln, ©runbjafee unb 2lbfichten er« 
flärt, „fiehft S)u, 3lgnel, el gab eine ßeit, wo bal Slofter wirtlich 
eine SBohltfjat war. 2111 nämlich hie frommen SDänner ©atlul, 
Kolumban, g-inban, gribotirt in biel Catib tarnen, bie Reiben ju be* 



Digitized by ^.ooQle 




271 


fllofUr Olsberg. 


feeren, bauten fte an geeigneten ©teilen gellen für fiel) unb itjre 
©efäljrten, allein nid)t blog um barin ju fingen unb ju beten, ©ie 
machten bag 8 anb urbar unb rangen it)m ab, mag fie für ihren Unter» 
halt gebrauchten, baneben fugten fie bag unuooljnenbe SB 0 I 6 bem ©h r i' 
ftenthum pjuführen. Sllg bie Vrüber fid) mehrten, dürften unb reiche 
Herren ihnen Vergabungen machten, barnit fte ohne ©orge um bag 
tägliche 33rob bem ißre&iseramt obliegen fonnten, mürben halb aug 
ben einfachen gellen ©ebäube oon ©tein unb alg bie fReichthümer ftdj 
häuften, umgab man bie Sßoljnungen mit äRauern unb Shürmen, 
bag hölgerne Kirchlein machte einem mehr ober minber ftattlichen Sem* 
pel ißlaf}; aber immer noch lebten bie Semohner frei, ohne befonbere 
Siegeln, ohne Slaufur. ©ie mürben in ferneren, friegerifchen geiten 
bie gufluchtgftätten alternber Ceute. Oft fam eg oor, baff mähreitb 
ber 2Rann in ein fotdjeg ©tift trat, in bem fid) nur SRänner befan» 
ben, bie ©attin fich in ein grauenftift begab. Qh r ©ut fchenlten fie 
ihrem Slufentljaltgort. @0 entftanben bie nun reichen, gefürfteten 
Slbteien ©t. ©allen, Siffentig, Siheinau, ©äefingen unb SRaria ©in* 
fiebefn an ber ©teile, mo be§ heiligen SReinrabg gelle ftanb. ©fg* 
berg mürbe gegrünbet, auch bie ©tiftung ber Slbtei Cü^el fällt in jene 
geit, ba im $ahr 1122 ber ©rünber unfereg ©rbeng, ©anft Vern* 
harbug, Slbt ju ©lairoauy, ben ©runbftein legte. Sa aber fchon im 
ahnten Qahrhunbert feine Reiben in ^jeloetien, ©allien unb ©erma* 
nien mehr ju belehren maren, befamen auch bie Slöfter eine anbere 
©eftalt. Sie Vemohner nahmen irgenb einen ber fur§ juoor ober 
gleichzeitig entftanbenen Orben an, legten bag ©elübbe fortbauernber 
Äeufchheit unb ©ntfagung aller meltUchen greuben ab. ©tatt gu* 
ftudftgorten mürben fie nun ©dfulen, in benen'©eiehrte ungeftört 
oon bem fortbauernben Sriegglärm ruhig ihren ©tubien oblagen. 
gh«en oerbanfen mir bie ©rhaltung mancher merthooUen ©chrift ber 
Sitten. Sag jmölfte galjrhunbert mar befonberg reich an Klafter» 
ftiftungen. Ser fittlidje £)öhepunEt mar erreicht, oon nun an ging 
eg abmärtg. ©tatt ob ben Vüdjern ju fifjen, fchmangen fidf bie ge* 
fürfteten Siebte auf bag ©treitroff unb führten an ber ©fnf$e %at)U 
reicher Vafallen enblofe Stiege. Sie Vorfteherinnen meiblicher Slöfter 
fugten auf alte mögliche SBeife ben Sieicfjthum ihreg ©tifteg gu meh* 
ren. 3teid)thum führt §um Müßiggang unb biefer ift aller Safter Sin* 
fang. ©cfjon im breijefinten Qahrhunbert unb mehr noch im uier* 


Digitized by 



272 UltOtt roitbtrj. 


jehnten warb eS ©itte, bafe jüngere ©öhne beS SlbelS in irgenb ein 
Älofter traten, um bem Slelteften baS ©rbe nid)t ju fchmälern, fte 
le 6 ten a 6 er beffer als ber ritterliche ©ruber in feiner ©ergoefte. Das» 
felbe gefchah mit ben Jungfrauen, mo mehr Töchter roaren, als man 
ftanbeSgemäfe uerheiratt)en fonnte. 97un ftelle Dir aber biefe Jugenb 
oor, bie einge)d)loffen in finftere ÜRaueru beunod) in SRüfeiggang unb 
Ueberflufe lebte unb Du mirft Dir leicht ein ©ilb beS Gebens machen 
fönnen, baS 2Rönd)e unb 97onnen führten. 

Jch höbe Dir fchon 5 U wieberljolten 2Ralen erzählt, mie braufeen 
im SReidj ber ehemalige ÜRöncfe, 90?artin Guther, mit grofeem Srfolg 
gegen bie grofeen Uebelftänbe fämpft, bie fidj im Gaufe ber ßeiten in 
ber ftirdje gebilbet höben. DaSfelbe thut ber Geutpriefter £)ulbreid) 
ßmingli broben in ßürid). ©ie oerlangen Slbfcfeaffung beS ©Uber» 
bienfteS, ber Ohrenbeichte, Aufhebung ber ©heloftgfeit aller ißerfonen 
geiftüchen ©tanbeS unb, maS für unS ©eibe baS Sßicfjtigfte, ©ftfularifation 
fämmtlicher SUöfter unb geiftlichen ©tiftungen. Jd) h a & e ®tr aud) 
gefagt, bafe ich mit unferem 2 lbt ju Güfcel ber grofeen Disputation 
ju ßüricf) beiloohnte. Der ©rfolg, ben ßroingli errang, mar burch» 
fchlagenb. Der SRatf) oon ßitrich hat beim auch bereits begonnen, 
bie ÜRifebräudje in ber fiircfee abjufdjaffen unb fchon bürfen SRöncfee 
unb 97onnen ihre Sterfer oerlaffett. 2öaS aber bort oben im ßürich* 
gebiet oorget)t, mufe meiterbringen. Jcfe toeife oon guten Jreunben, 
baS eS juni ©eifpiel in ©afel gewaltig gährt, unb bie Gehrer an ber 
llniüerfität faft alle für bie ^Reformation finb. Sßirb biefelbe wirEltct) 
in ©afel burchgeführt, fo bewerbe ich mich um eine ißfarrfteHe." 

©on nun an empfanb StgneS einen glühenben Dürft nach höherem 
SBiffen. Gernte fie oorher, fo ftubirte fte jefjt. ©ie fudjte unb fanb 
©rünbe genug, ihr jefeigeS Geben 51 t rechtfertigen. Jn Äurjem er» 
weiterte ftch ihr ©eficfetSfreiS weit über bie filoftermauern hinaus. 
§ieronpmuS brachte iljr §mttenS ©chriften, bie fte insgeheim begierig 
oerfchlang. ©r unterftüfcte fte reblich mit feinem grofeen SBiffen, gab 
ihr alle ©riefe jum Gefeit, bie er oon gleidjgefinnten Jreunben em* 
pftng unb hielt fte babitrch auf betti Gaufenben. 

9llS bann ber 9lbt ju Güfcel feine geiftliche ©ifitation im Slofter 
OlSberg hielt, ftaunte er nicht wenig, in ber iRooije eine ©eiehrte §u 
finben, unterhielt ftdj fehr lange mit ihr unb empfahl ber Slebtiifm 
bringenb, bie SOBeihung ju bet'chleunigen, bamit ÜlgneS bem Orben ber 


Digitized by Google 



filajUr ©l»berß. 


273 


ßiftergienfer erhalten bleibe. SaS foHtc bcnn fcfjon nad) ad)t Sagen 
ftattfinben. 

©ehr gerne bewilligte bie Stebtiffiin ben SBunfdj beS ißaterS 
^ieronpmuS, bie SBeiljung ber Rooije im Stillen ju öoHjiehen. (SS 
fam i£)r bieS fe§r gelegen/ ba eS iljr bie Semfithigung erfparte, öffent¬ 
lich eine bürgerliche unter bie 3 a hl ihrer h oc h a öeligen @<hafe auf* 
juneljmen. @8 Würben baljer nur bie (Sltern unb allernächften SlutS* 
oerwanbten eingelaben. Ser £)ocfewürbige oon Süfcel weihte bie junge 
©chwefter unb fchien eS wirf lieh ni<ht ju achten, als jte bei öerfchiebenen 
fragen fchwieg. bater unb SWutter beglüefwünfehten fte. ©ie felbft 
blieb falt unb ber bater ftarrte fie betroffen an, als fie in eifigem 
Sone fagte: 

„bater, S)u glaubteft, mein ©lüi ju begrünben, als Su mich 
bem Sflofter weihteft. geh h°öe e§ gefunben, bieS ©lücf; allein bie 
©djulb trügeft Su, wenn ich heute bort braunen auf bem griebljof 
läge. (SS fehlte wahrhaftig nicht oiel baju.'' 

Rad) biefen SBorten oerfchwanb fte mit ber -Oberin im Innern 
beS SUofterS unb überliefe eS bem oerblüfften Ratsherrn, ben ©inn 
ihrer SEBorte ju enträthfeln. 

Seid)t erhielt fte oon bem 9lbt ju Süfeel unb ber 9lebtifftn bie (Srlaub* 
nife, ihre ©tubien unter ber Seitung beS SeicfjtoaterS fortfefcen ju bürfen. 

Sie Sage floffen ihr nun ruhig bahin. 

XI. 

^auernRrieg. 

gnjWifdjen gährte eS mächtig im Soße. Sie Sehren Suther’S 
unb 3 h, ingli’S brangen hinab bis in bie $ütte beS armen RianneS, 
ber freilich bie oerheifeene Befreiung fehr materiell auffafete. (SS ift 
unS fdjon oft aufgefallen, bafe bie Reformatoren, bie hoch auch nicht 
ben höh^n ©tänben angehörten, eS fo wenig oerftanben, bem Soße 
materielle Saften abjunehmen, ftatt nur baS ©eiftige, baS gbeale im 
3luge gu behalten; bafe fte oergeffen gu h a &en fchienen, auf Welch’ 
tiefer Stufe baS Soß ihrer 3 e >( ftanb. 2lHerbingS hob ßürief) in 
feinem eigenen ©ebiet bie brüefenbe Seibeigenfcfeaft auf, allein ber ge* 
meine SRann »erlangte mehr. (Sr forberte Slbfdjaffung beS 3ehntenS, 
freien 3 U 9/ freie gagb unb gif eher ei k. Sa bie Herren hierin nicht 
nachgaben, entftanb Unwille, oermehrt burdj ©äfularifation geiftlicher 

®om 3ura sum ©djtüarjmalb. IX. 13 


Digitized by i^ooQle 



274 filofier ©iebfrg. 


Stifte gu §anben beS Staates unb genährt burcfe bie Söiebertäufer, 
beren Setter offen Slbfdjaffung alles ©igenthumS unb 2Bat)l ber Obrig» 
feit burch baS ©olf prebigten. 3**™^/ 33ern, Schaffhaufen mußten 
burch SUtilbe unb Strenge ben Slufruljr oi)ne SBaffengewalt gu bärn» 
pfen. Oefto §ö^er ftieg ber Unwille ba, wo bie fetten feft an ben 
althergebrachten Rechten hielten. 

Qn Oeutfdjlanb entbrannte ber ©auernfrieg. Sludj rings um 
Olsberg, gu ©iebenad;, SlriSborf, SNaifpradj, Söinterfingen, iöfagben, 
^erSborf, überall wo baS Stift Seibeigene befaß, gäljrte eS mächtig. 
Schon lange fafjen biefe ©lenben mit fcheelen ©liefen auf baS Klofter, 
wo einige gwangig Söeiber im ©rtrage beffen fchwetgten, was fie tnt 
Schweife ihres SlngefidjtS bebauten. Nächtliche ©erfammlungen wur» 
ben abgehalten, man fpradj fich gegenfeitig Söfuth ein. Oer 3 ur| ber 
lag bereit, eS fehlte nur ber §unfe, um bie öerfjeerenbe flamme gu 
Weifen. Sludj biefer gunfe follte fontmen. 

Seit ^ahrljunberten beftanb gwifdjen ben ©enebiftinern, 3'feer» 
gienfern unb Oominifanern einerfeitS, ben grangiSlanern anberfeitS, 
eine Nioalität, bie gumeilen in £>afe auSartete. 3 U &en SrrangiS» 
fanern gäfjlten bte Nfinoriten, Kapuginer, beren Orben 1528 geftiftet 
Würbe, Karmeliter u. f. f. Stile biefe Orben Waren gu äufeerfter Sir» 
muth öerpfüdjtet unb erhielten fich weift burch ©ettel, in ber Niöndj» 
fprache Oerminiren genannt. Kein SBunber, wenn fie mit fcheelen 
Slugen bie reichen Stifte anfahen, benen ©ergabungen öon allen Sei» 
ten gufloffen, ohne bafe fie barum bitten mufeten. Oafür ftanben fie 
aber bem gemeinen ©olfe näher, ba fie fich h^ptfächlich au§ &en 
untern Klaffen refrutirten. SllS Kangelrebner waren unb finb fte 
heute nodj beliebt. Sie fennen baS ©olf unb wiffen gu ihm gu fpredjen; 
aud) zeichneten fie fich ftetS burch eine gewiffe SNifeadjtung päpftlicher 
©utlen unb ©annflüdje aus, blieben oft allein in ben mit bem päpft» 
liehen Qnterbift belegten Orten gurüd, hielten ©otteSbienft unb brach» 
ten fo bie Ntenge auf ihre Seite; fo gu ßürich anno 1247. ©in 
folcheS fJrangiSfanertlofter befanb fich feit 1280 gu Solothurn, beffen 
Qnfaffen ben reichen 3if te rgienfet’ Stiften gu Cügel, ©eltelap unb 
Olsberg nicht befonberS grün waren unb jebe ©etegenheit mit greu» 
ben ergriffen, ihnen Schaben gugufügen. 

Slm erften 3J?ai beS QaljreS 1525 fanb eine grofee ©erfammlung 
mifeoergnügter Unterthanen beS Stiftes Olsberg ftatt. 50ian rebete 


Digitized by Google 




ÄlofCtc ©Ubcrg. 275 


oiel, jebod) meift oermorreneS 3 CU 9/ ouS bem 9?iemanb tlug merben 
tonnte. Oa trat ein hoehgemadjfener 3J?ann in ber OrbenStradjt ber 
grangiSfaner ein. Oie SWenge machte if)m ehrerbietig ißlaj?. Of)ne 
3ögern ftieg er auf eine Sa nt/ überfah mit feurigen ^liefen bie 33er= 
fammlung unb begann bann mit fdjaßenber, moljltönenber «Stimme: 

//Scanner oon Sftaijpracf), £>erSberg, Olsberg unb ber (Snben, 
ich meifj, ma8 Ö$ r begehrt. 3Jiein fetiger 33ater hegte mofjl biefelben 
SBünfcfje. Qh r moßt frei fein oon ber briiefenben Ceibeigenfdjaft; 3h r 
rnoßt, bafe bie (Srbe benen gehöre, melche fie im Schmeifj ihres Sin« 
gefuhteg bebauen. Cftngft ftnb bie 3mingherren oerfchmunben, melche 
aßen ©runb unb ÜBoben mit bem, maS barauf mädjSt unb lebt, als 
©genthum beanfprudjten. Öhre Bürgen finb gröjjtentheüS Schutt« 
häufen, bie ©efchledjter auSgeftorben ober oerarmt. Qh r ober feib 
leibeigen geblieben. OaS Stinb im SDiutterleibe gehört bem Stift, an 
meldjeS man (Such gleich einer SBaare oerfchenfte. SBaS öhr bei eien« 
ber ftofi mit unfüglidjer 9J?ü^e ber (Srbe abringt, oerpraft eine §>erbe 
fauler, gügeßofer SBeiber, bie ftd) 33räute tSfjrifti nennen. — SBie 
lange, frage ich (Such, moßt öh r bieS SBeiberregiment noch bulben? 
Proben im 3ürdjer ©ebiet haben fte bie Hefter ausgenommen, Sttöndje 
unb Sionnen hiuauSgejagt. drüben im Schmähen« unb Sapernlatibe, 
im 33reiSgau, hoben fidj (Suere SBrüber erhoben. Slßnüdjtlich röthet 
ftch ber Fimmel oon ben glommen ber brennenben Schlöffet unb 
©löfter. SBarum gögert öh v noch? Olsberg oermüftet, bie ^ßerga« 
mente unb Urbarien oerbrannt unb öh r feib freie Scanner. Ober 
fürchtet ^hr (Such oor gmangig Sßeibern?" 

Sßilber 33eifaß bemieS bem OJebner, mie feljr er auS bem |jergen 
ber Slnmefenben gefprochen. (St moßte oon feiner improoifirten Diebner« 
Bühne horabfteigen, als ein ftämmiger Surfche in ber fleibfamen Spracht 
ber Strieger jener 3 e «t auf ihn gutrat. 3Son bem 33aret, baS fedt auf 
bem langen Cocfenhaare faß, maßten gtoei lange gebent nieb'er. OaS 
enganfchliefenbe SBammS reichte bis auf bie 9J?itte ber Oberfdjenfel, 
mar auf ber S3ruft gefehlt, ebenfo bie ^ßuffärmel, bie ungeheuren 
§ofen, gu benen fünfgehn (Sßeti Ouch erforberlich maren. Oie Sdjlifce 
mären mit rother Seibe gefüttert. Slm breiten Cebergurt titng ein 
breites Sdjmert, oom noch ein HeinereS, ein fogenannteS 33eimeffer. 
Oie gange ©eftaft trug ben Stempel beS milben SDiutheS, ber güget« 
Iofigfeit jener jungen Scanner, bie man, aßerbingS erft fpciter, mit 


Digitized by 



276 Älofter Oieberg. 

bem Starnen SteiSläufer bejeichnete. fpöhmfch fragte er ben granjiS* 
faner: 

„SBaS fprichft ®u ba t>on faulen SJtönchen, nichtsnutzigen Stonnen, 
bie in retten Stiftern fdjmelgen unb praffen? 33ift 35u nicht auch 
ein Pfaffe, ben nur erhalten muffen? SSift 35u beffer als jene? 
Strbeiteft $u?" 

greunblich läcfjelnb entgegnete ber SJtinorite: 

„SlUerbingS, lieber g re unb, bin auch ich ein Sßfaffe, wenn ®u 
alle ©eiftlidjen fo nennen miltft. Stur Ijerrfcbt jwifchen bem reichen 
gifterjienfer unb mir ungefähr ber gleiche Unterfdjieb, mie jmifdjen 
einem Sfüriffer unb 35ir. 35er ©chmergeharnifchte hot ju feiner Se* 
bienung oier unb noch mehr Unechte, 35u bift §err unb 35iener in 
bemfeiben Sßaar fpofen, immerhin meit genug für SBeibe. Stun fage 
mir aber, oieHieber gteunb, mo liegen bie ©üter meines ^lofterS? — 
SBoljl im SOtonbe, benn auf Gerben finbeft 3)u feine. ®ie Säuern im 
SOtonbe finb aber pfiffig, fie behalten geljnten, ©runbfteuer, fponig, 
SBachS, Ceinmanb, Stauch» unb gaftnadjtShühner, (gier unb mie bie 
©adjen all’ fjei&en, bie fte auf (grben in baS ©tift tragen müßten, 
fein fäuberlidh für fich, märten, bis mir fie holen. SBeifjt 3)u etma 
ben S33eg bahin, bielgereister ÄriegSmann?" 

©djaHenbeS ©eläd)ter belohnte ben Sfapuginermik. 3)er SJtönch 
fuhr fort: 

„£>er heilige granjiSfuS empfahl feinen OrbenSbrübern gänzliche 
Slrmuth unb ©ntfagung aller irbifcfjen ©enüffe. ©ieh mich an, SfriegS* 
mann, biefe Äutte mit bem ©trief, biefe ©anbalen finb SlßeS, maS 
ich am Ceibe trage. SluS bem, maS bie gebern 35eineS SareteS foften, 
fönnte man fünf granjiSfaner fteiben. §ür baS SBenige, baS man 
unS fdjenft, prebigen, tröffen, heilen mir ben franfen SJtenfdjen. ©tört 
ein ©eift bie 9tuf)e eines frnufeS, fo ftnb mir eS, bie ihn bannen unb 
feftnageln. ©eh’ nach SJtumpf unb frage, mer ben höllifchen SBan^en* 
fdjneiber in einen Äorb gebannt unb jmifchen ©chupfart unb SOtumpf 
»erfenft hot. 35ie Ceute merben 35ir jagen, maefere Srüber oom £>x= 
ben beS heiligen grongiSfuS maren eS, metche bie gefahroolle Se* 
fchmörung glücflich oollführten. g e htt irgenb etmaS im £jaufe, brüdft 
baS ©djrätteli baS Sfinb in ber Söiege, gibt bie S'ul) feine SOtildj, 
biefe feine Sutter, gu mem lauft Qh r ? — 8 ur Oberin nach OtSberg, 
bie (gudj gar nicht oorläßt? — Stach Cü^el, mo fie Such auSladjen 


Digitized by t^ooQLe 




filoftrr ®l»btrg. 277 


ober ju unS nacf) (Solothurn unb £>eßfperg, mo Qh r attegeit bereit» 
mißige §>tlfe finbet?" 

„Sittein, nein," fdjrie bie üttenge, „bie SBrüber oom Orben beS 
fettigen granziSfuS finb unfere üttothhelfer, bie mähren greunbe beS 
SSoIfeS. 916er baS OlS6erger Stteft nehmen h)ir auS. grei mofien 
mir fein, mie unfere Srüber broben im ßüridjwgcbiet." 

®er üttinurite lächelte fdjabenfroh unb oerfcßmanb. 

9lucß ber oerfpottete Krieger ging 6rummenb oon bannen. 

„Qcf) uerftefje £>ich, Pfaffe, mar nicht umfonft in Sttom. 2)aS 
©pricßmort fügt, menti eS fagt, fein fRabe hacft bem anberen bie 
9tugen auS. eS fudjt ©iner bem anberen bie Seute ju ent» 

reifen. Olsberg rnirb geplünbert, aber bie armen Seiber bauern midj. 
Q<h muß fte marnen. ®ie Säuern aber hoben feinen Serftanb, finb 
milbe Spiere: obfcbon ich gar nicht zmeifle, bie frommen (tapfern) CanbS» 
fnecfete merben fie batb genug ju paaren treiben. Qd) mette gehn 
©olbgulben gegen eine ©onnenfrone, ehe ein halbes Qaljr oergeht, 
friedjen fte jum ffireuj mie gezüchtigte Sinber." 

@o murmelte ber ftteiStüufer oor fich hin unb lenfte feine fcßneßen 
©dritte Olsberg zu, mo er ohne SeitereS in bie ©tu6e beS @cßaff» 
nerS trat, ber anfangs erfchraf, als er ben um feiner fttaufluft mißen 
berüchtigten ©efeßen erfannte unb beSljalb freunblidh fragte: 

,,©ei mißfomrnen, ßttartin, bift ®u auch mieber im Canbe? SaS 
begehrft ®u? ©inen Secfjer SRotfjen, ein gutes Sett?" 

„SttidjtS ba. Sttufe h eute uodh nach Sttfjeinfelben. Sar brühen 
in ßttaifpracfe. Sättorgen fommen bie Säuern, moßen baS ©tift ftür» 
men, plünbern. ©in oerbammter granjiSfaner munterte fie baju auf. 
®ie armen Sttönntein bauern mich- ®u haft noch 3 e ^ lafe anfpannen 
unb rette fte." @r fchritt hinaus unb tiefe ben ju SSobe erfcfjrocfenen 
Schaffner ftehen. $>och nicht lange befann ficß biefer. ®afe SSttartin 
in folcßen ©acßen feinen ©pafe fannte, mar ihm befannt. ©r rief 
bie Unechte, Befahl Sagen herjurichten unb ju befpannen, um bie 
Sfonoentfrauen ju retten. Dann eilte er in baS ©tift hinein, bie 
Oberin oon bem oerbrecherifdjen Sorhaben ber Säuern ju unterrichten. 

Qefct zeigte fich, maS ein fräftiger ©eift in ber ©tunbe ber Ser» 
mirrung oermag. ®ie ^»odhmürbige fanf beinahe in Ohnmacht. ®ie 
anberen grauen rannten rathloS, fdhreienb hin unb her. ®a trat 
9fgneS zu ber Oberin, unb bat, ihr bie Ceitung ber flucht zu überlaffen. 


Digitized by 


Google 




278 filo|ltr ©Ubfrg. 


„SBobin wiQft 35u, bafj mir fiteren?" jammerte bie 9lebtifftn. 
„®ie Säuern werben uns nadjjagen, unS mijjbanbeln, töbten." 

„^jodjwürbige," entgegnete 9lgneS läcbelnb, „fo gefährlich ift eS 
noch nid)t. . 2ßir fließen nach Sittel, wo wir fieser ein Unterfommen 
finben. Gange bauert ber Sriumph ber Säuern nicht. ®er (Schaffner 
jagt, bie SBagen ftetjen bereit. ©be bie ©onne aufgebt, ein Sauer fidfj 
ergebt, fittb wir in Sicherheit. $n ißruntrut fotl 9UIeS ruhig fein." 

wie 3)u willft, liebe ©cbwefter," feufjte bie Oberin, „hier 
finb bie ©djlüffel pm Sirebio." 

9lgneS leitete mit 9tut)e unb Sefonnenbeit bie gludjt, rettete 
auch baS Strcbiü unb fo Diele foftbare ^irebengerätbc, als bie Tonnen 
in ben $änben p beiten oer mochten. 

©ie war oon |)ieronbmuS genau unterrichtet. ®ie Säuern tjcin* 
beiten nicht nach ©inem ißlan. Qeber .£)aufe ging auf eigene gauft 
oor. 3)ie ^Reformatoren ftanben ber Sewegung talt gegenüber. Oie 
©täbte in ihrem eigenen Qntereffe oerbanben ficb mit ben Herren 
unb fo mußten bie oereinjelten ©ebaaren ber 9tufrübrer ber oereinig* 
ten SRacbt ber Sürger unb fRitter unterliegen. 

3118 bie Säuern am SRorgen beS 2. 2Rai 1525 oon allen ©eiten 
berbeiftrömten, fanben fie baS SU öfter leer, bie Qnfaffen waren auS* 
geflogen. Söütbenb plünberten fie baS Sltofter grünblicb, wag nicht 
mitpnebmen War, würbe jerfcblagen, felbft bie Sürdjenftüble, Geübter, 
SXItar sc. würben bemolirt, nicht einmal bie genfter gefchont. Oie 
Söutb ber Säuern fteigerte ficb 6i0 pr fRaferei, als fie Weber ißerga* 
mente noch Urbarien fanben, bie bereits in Gü^el waren. 9tur mit 
SRübe gelang eS ben Sefonnenern unter ihnen, ben Sranb beS Silo* 
fterS p oerbüten. 

Oie g-reube bauerte faum ein Qabr, bann lehrte baS 

arme Soll, gefchlagen unb jerftreut, unter bas alte Qotf) prücf. Oie 
gübrer ftrafte ber genfer. 

Oie betagte 3lebtiffin oon Olsberg, Katharina oon ©djönberg, 
erlebte ben Triumph ber Herren nicht mehr. Oie lebten ©reigniffe 
batten ihre ohnehin febwaebe ©efunbbeit berart angegriffen, bafj fie 
eine leichte Seute beS OobeS warb unb — wer hätte eS oor oier 
fahren geglaubt — 9lgneS St'itfer einftimmig üon bent St'onoent p 
ihrer 9 ( tachfolgerin erwählt würbe. Oer £)ocbwürbige oon Gäbet be» 
glücfwünfdjte fie oon f>erjen. ©r war nichts weniger als blinb für 


Digitized by i^ooQle 





filofter OUbtrg. 


279 


bic gebier ber Stertfei unb obfc^on ber 3toinj}ti’fdjen Ce^re abgeneigt, 
münfcbte er nichts febn lieber alg eine Deformation, jebodj ohne 2luf* 
bebung ber Slöfter unb ^Beibehaltung aller Zeremonien ber römifcfj= 
Batljolifcben Sirdje unb fye$u f<bien ihm bie gelehrte Slgneg Süfer ein 
febr tauglidjeg SBerBgeug. 

Slgneg nahm bie Söiirbe an. Sie beeilte ftdj, mit bem Sonoent 
in bag oerlaffene (Stift gurüefgufebren, bie 33ermüftungen notdürftig 
gu repariren unb bag SRotbmenbigfte angufdjaffen. £>iegu oertoanbte fte 
bag ©elb ber ©ültbriefe, bie fte ohne SöebenBen oerfaufte unb babei 
Sorge trug, eine fdjöne Summe an baar ftetg im SJorratb gu hoben. 

9Rit ihr gog ein anberer ©eift in bie Slofterräume ein. Oie 
einfache Sleibung ttrnrbe beibebalten, bagegen bie äRatuthte, bag b^fe* 
bie äRitternacbtgmeffe abgef(hofft. 3RU GsinmiHigung beg §od)roürbigen 
oon Cü^el füllten oon nun an auch bie ©eijjelungen oor ben hoben 
geften unterbleiben. 

2luf ben SJorfdjlag ber Oberin eingebenb, befdjloffen bie Sonoent« 
frauen, ein SMttfdjreiben an bie ^Regierung um Aufhebung beg Stifteg 
gu richten. ®b e ober bie Slnttoort aug SBien eintraf, befdjleunigte 
ein anbereg ©reignijj bie faft gänglicbe 93erlaffung beg Slofterg. 

Unter ber Slebtiffin ©lifabetb oon ©ptingen, toelcbe 1343 ftarb, 
batten ftdj Seguinen in bem §>ofe gglingen eingeniftet, meldjer 1255 
an bag Slofter erfauft morben mar. Sie hotten bort eine Sapelle 
erbaut unb ein fogenannteg SBegbarbenbaug gegrünbet. Oie Slebtiffin 
fob eg nicht gerne, allein bie meltlidjen Beamten beg Stifteg ftanben 
auf ber Seite ber 33eguinen unb fo mufete fte naebgeben. Oiefe 
Orbengfrauen, bie nie im ©erudj befonberer Sittenftrenge ftanben, 
rnaren bie ©rften, metebe ihr Slöfterlein üerliefeen, mitnabmen, mag 
nicht feftgenagelt mar unb ftcb in ben umliegenben Oörfern oer» 
ebeltdjten. 

gmrner noch gögerte bie faiferlicbe ^Regierung mit ber Slntmort 
auf bag Schreiben oon Olgberg. Qngmifdjen hotte fpieronpmug §alt* 
meier eine gute ^ßfarrfteUe in bem gur Deformation übergetretenen 
SSafel erhalten, naebbem er ftcb gurn reformirten ©lauben befannt. 

2 tgne3 oerfammelte ben Sonoent unb ertlörte frei unb offen, 
mie fie löngft eingefeben, bajj beg SBcibeg S3eftimmung eine gang an» 
bere fei, alg ftcb bi nter finftern SRauern .abgubämten, in frember 
Sprache gu fingen unb gu beten. SBte fie begbalb entfdjloffen fei, 


Digitized by Google 



280 


ftlofttr ©itbtrg. 


baS Stift 3 « b erlaffen unb jur reformirten SJtrdje iiberjutreten. 2tm 
Schüfe ihrer Nebe erfudjte fic bic Schmeftent, fid} eine anbere 2 $or* 
ftefjerin ju mahlen. 

Cächelnb Ratten bie grauen äugeljört. ge§t fpracfj bie Scfemefter 
©utta, eine ber gtingften: 

„2IgneS, ba Su nicht mehr Slebtifftn fein toittft, laffe ich baS 
^odjmürbige bei ©eite. 2ßir mählen feine anbere SSorfte^erin. ©eljft 
Su fort, fo fdjnfiren auch mir unfere SBiinbel. SGBir hoffen bloS, Su 
tljeileft rebltcfe mit unS, maS an Saarfdjaft norEjanben ift." 

Sofort eilte 2tgneS unb F)otte bie Sfaffe gerbet, ©obalb fte tourte, 
$ieront)mu§ ^abe eine gute 2 tnfteßung, fjatte fte fämmtliche noch übri* 
gen ©ültbriefe beraufeert, bie ißferbe, baS meifte SBielj, bie S3orrät^e an 
grüßten m. berfauft, fo bafe fid) eine anfeljnliche SBaarfdjaft borfanb, 
bie in grieben bertljeilt mürbe. 9 lm folgenben Sage jogen bie Tonnen 
fort. Sie ©ine baljin, bie Slnbere bortbin. Nur jmei alte Sdjmeftern 
blieben im Stift, benen ftd) eine ebenfalls alte SBeguine jugefeßte. 

2ld)t Sage fpäter mar StgneS Stüfer, gemefene Slebtiffin $u Olsberg, 
bie ebrfame £>auSfrau beS Pfarrers |)ieron^muS $altmeier. (Urfunblidj.) 

XU. 

5ie leibeigene. 

Sreiunbamanjig galjre lang ftanb baS Stift übe unb leer. Sie 
öfterreidfifcfie Regierung fd)ien fid) gar nicht meiter um baSfelbe ju 
befümmern. Ser greife 2tbt ^jeinridj ju ßüfjel füllte ftd) tief ber* 
le§t burd) ben SluStritt ber Slebtifftn SlgneS unb hoch mußte er fte 
bemunbern um beS SRutljeS mißen, mit bem fie lieber Sorgen mit 
bem ©atten tljeilte, als fid) moljl fein liefe im ©enufe ber ©infiinfte 
beS Stiftes. @r fucfjte nun oor 2lßem bic ©üter unb ©ebüube ju 
erbalten, inbem er einen treuen Schaffner nach Olsberg aborbnete. 
©ein Nachfolger, NifolauS, bemog Katharina bon ^erSberg, Nonne 
in einem 3'f ter äienfer*SHofter in ©chmaben, als Slebtifftn nach Otzberg 
§u fommen. SaS Stift bebölferte ftch mieber. Sie Neformation 
hatte nur in einem Keinen S^cil bon Seutfdjlanb unb ^jeloetien ge* 
ftegt. Katharina ftarb 1588. (Stuf ihren 58efeE>l marb bie ©efchichtc 
beS SHofterS niebergefchrieben, bie mir benu^ten, bie aber nicht immer 
mit ben Urfunben ftimmt,. bie uns in freunblicher äöeife jur ©inftcht 
übertaffen mürben.) ülllein bie Nuhe im tjergefteßten Stifte mar nicht 


'S 


Digitized by i^ooQle 





IllofUr Olsberg. 


281 


t>on Sauer. ©djon unter Urfula ©c^mogerin oon NizaU, SJot^a» 
rina’g Nachfolgerin,, brach neueg Ungliid herein.- 

Hut bag galjr 1612 tarn bie grau beg armen Saglöhnerg £jeini 
ju SNaifprach mit ihrem erften Äinbe nieber, einem Söcbtertein, bag 
aber fdfan nach acht Sagen ftarb. 2lm 9l6enb beg Sageg, ba man 
eg Beftattet, fafeen ©atte unb ©attin traurig beifammen, bie Shränen 
ber Ce|teren bezeugten ben ©djmerz, ben ihr ber ^nnfdjieb beg ©rft* 
geborenen üerurfacfete. £jeini fuchte fie ju tröften, alg eg an ber 
Sljüre ber £>ütte Hoffte, ©r ging fyinaug, fah Niemanb, lehrte aber 
mit einem Storbe wieber, in welchem ein neugeboreneg SRägbtein auf 
Weifeen Riffen fanft wie ein ©ngel fcljtief. grau $jeini fdjlug bie 
§änbe über bem Sfopfe gufammen, reichte aber bem ©rwadjenben fo« 
fort bie oolle Sruft, aug ber eg gierig bie füfee Nahrung fog. gm 
ZWifdjen unterfuchte £>eini ben Storb etwag näher. Sie Ginnen, in 
benen bag ^inb gelegen unb oon benen noch ein Sorratfj unter bem 
Riffen fich oorfanb, waren fo fein unb weife, bafe man gleich fah/ fe e 
flammten oon reicher £janb her, Wenn auch lein ßeuhen bie §erlunft 
oerrieth- 2Bag ihn aber faft aufeer fich brachte, War ein fchwerer 
Seutel, beffen gnhalt er auf ben Sifcfe leerte unb mit freubeftraljlen» 
ben Süden jählte. ©g waren hunbert blanle ©onnenlronen, für 
ben armen Saglöhner ein Vermögen.* Slßerbingg lag im Storbe auch 
noch ein befcferiebener Streifen ißapier, ben ber glüdliche £>eini forgfältig 
aufhob, um ihn oom Sogte lefen ju taffen, wag er felbft nicht im 
©taube war. 

ülm folgenben Sag entzifferte ber Sogt bie feine zierliche #anb* 
fchrift, welche lurz folgenbermafeen lautete: 

„Sag SNägbtein erhielt in ber heiligen Sauff ben Namen Äuni» 
gunba, erziehet es, alg Wäre eg bag ©urige." 

* Um baS 1600 galt eine ©onnenlrone jtoei flfunb jtwölf Shilling. 
Sin $funb batte jtoanjig ©Rüting. Steinet man ben ©Rüting nad? unferem Selbe 
ju 6 Senümes, fo ^atte bie ©onnenlrone ben 3Bertb oon brei Jranfen jtwölf Cen« 
timeS. 3)amat3 aber ggb man aber einem fEaglöljner wier ©d}ilting ober runb fünf: 
unbjtoanjig (Centimes nebft Äoft. 6 $ ^atte bemnadj baS Selb minbeftenS ben je^n» 
fachen SBertb Won $eute. golglid) fjeini twirllid; eine, audj für ben Arbeiter unfern 
3eit ganj orbentliebe Summe, in jener 3**t aber, too baareS Selb fetten in ber 
pütte beS Srmen ju finben toar, ein Vermögen. 3 “ 0 leider 3 eü taufte man eine 
ftu^ um 25 bis 30 $funb, ein ©etytoein um je^n $funb, ein Klafter $ot) um }toei 
$funb, ben ©aum äßein um fünf f]funb. 


Digitized by Google 



282 


filofter CDUberg. 


35aS traten beim bie beiben Seeleute umfomehr, als fie fein 
eigenes Äinb ntefjr befamen unb baS ginbelfhtb ihren SBoljlftanb 
begriinbete. ®eS VogteS 9tath befolgenb, nahm £>eini 8anb in ißacbt, 
baS bem (Stift Olsberg gehörte, oernteljrte feinen 33ief)ftanb unb Warb 
fo burd) unb Sparf amfeit ein oerhältnifjmä&ig wohlfjabenber 

SWann, leibet bem (Stift leibeigen. 

Sfunigunbe wud)S heran gur größten greube ihrer sßflegeeltern, 
welche fte als leibliche liebte unb ehrte. (Sie befudjte allerbingS feine 
Sdjule/ fo wenig als irgenb ein anbereS Sfinb ihres StanbeS ju 9ftai= 
fprad), allein fie half ber SRutter im ©arten unb im |jaufe, wo fie 
immer eS fonnte. £>ie Qahre fchwanben unb als man oon (SfiriftuS 
unfereS $eilanbeS ©eburt jähtte eintaufenbfed)Shunbertunbbreif}ig, war 
baS ginbelfinb in feinem Steufjern eine Jungfrau. Von ben pflege- 
eitern oerhätfdjelt, fannte fie nur ihren Sßitlen, war ftolj auf ihre 
Schönheit, obfchon ein einfacher SBollrocf ihre ganje Sfleibung auS» 
machte. Von Strümpfen holte fie gar feinen Vegriff unb Schuhe 
fah fie bloS an ben g-üfjen anberer Ceute. Oft fagte fie mit 8ad)en, 
auf ben wohlgeformten gujj jeigenb: 

/,51m SBerftag bin ich B^ftersienferin, gehe barfufj, am Sonntag 
Sluguftinerin, trage Sanbalen." 

5ln länblidhen Verehrern mangelte eS ihr nicht, fte hätte Wahlen 
fönnen, bod) fehlen ihr £>erj oon Stein, fie felbft eine rafftnirte ^o= 
fette, bie halb biefem, halb jenem Jüngling ben Vorzug gab, fleine 
Vertraulich leiten geftattete, ©efchenfe oon ihm nahm, um ihm bann 
plöfclidj $u erflären, fie liebe nicht ihn, fonbern einen Slnbern. ®ie= 
feS Spiel trieb fte längere Beit, bis eS enblich hiefe, beS Seppen $on* 
rab fei ihr Ciebfter, fte höbe ihm ben Bittgang geftattet. 3)er Sfrmrab 
war ein feljr hübfeher Vurfdje oon halb fünfunbjwan§ig fahren, fein 
Vater ber reichfte Vauer im 2)orfe. 2öaS SBunber, wenn ^untgunbe 
bem Sohn ©ehör fchenfte. 

Sfautn aber oernahm ber alte Sepp, welche Ciebfdjaft fein Sohn 
habe, fo fuhr er benfelben hört an: ' 

„Vift £>u oon Sinnen," fdjrie er, „®u, ber Sohn eines 2Jianne$, 
ber frei ift, feine fünfzehn Stücf ©rofjoieh Wintert, feine Schulben 
aber Schulbner hat, £>u läufft einer leibeigenen nach. ©d&ämft ®u 
®icfj nicht oor ®ir felbft?" 


Digitized by i^ooQle 






bloßer (Dleberg. 


283 


„23ater," entgegnete ber junge üftann getanen, „bie Siebe fragt 
nicht nach 33ieh unb ©ülten. 23in ich reich uttb Sfunigunbe arm, fo 
gaffen mir ganj gut jufammen, ber ©ine hot, maS ber 3lnbern fehlt." 

,,316er fie ift ja leibeigen," fct»rie ihm ber Sitte in baS C>h r / 
„leibeigen, Du meiftt hoch, maS baS haften toiH. Sie unb all’ ihre 
Äinber finb beS ^lofterS ©igenthum nach altem 9?echt." 

„2BaS thut bie§ jur (Sache. (Die jejjige Slebtifftn fall eine Siirger» 
liehe fein, fie mirb Ä'unigunbe um menig ©elb freigeben." 

„Unb Du glaubft, ich unb bie 3J?utter, mir mollen eine (Schmieger« 
tochter, bie man auf ber (Strafte aufgelefen? Sftie unb nimmermehr, 
eher enterbe ich Dich." 

„Da§ fönnt Qh r ' h a ^t baS 9?echt baju, allein midj fjinbern, bei 
ben ^aiferlichen Dienfte ju nehmen, baS fönnt Qh r nicht. Unb jeftt 
fage ich (Sud) frei unb offen, entmeber mirb Äunigunbe mein Söeib 
ober ich merbe SanbSfnecht." 

9J?it biefen Sßorten oerlieft ber (SoIjn bie (Stube. Der alte 9J?ann 
fchlug mit ber giauft auf ben Difd), baft man fürchten muftte, bie 
©icftenplatte fahre in (Stücfen. 

,,©S barf niefjt fein, ich gebe eS nicht ju, eher oerfaufe ich f)auS 
unb £>of," fchrie er mie rafenb unb rannte bann hinab in §eini’S 
Räuschen. 

„2Bo hoft Du baS gfinbelfinb, baS meinem (Sohn ben Slopf oer* 
breht. Saft fie holen, eher tobte ich fie, als baft fie meines 23üben 
SBeib mirb." 

§euti*ftarrte ben SBauer mit aufgefperrtem Söhmbe an. ©r hörte, 
aber er begriff nicht. Diefer bonnerte oon 3ieuem: 

„SJtun mirb’S halb, mo ift baS SJienfdh?" 

„£)ier, 23auer," tönte eine flangoolle (Stimme hinter ihm. ©r 
manbte ftd) um unb ftanb oor ber Jungfrau, beren 3lugen flammen 
fprüljten. 

„2ßaS miHft Du oon mir, alter Sünber," fuhr fie mit fdjnei» 
benbem Done fort, „rebe, aber hüte Didh, noch einmal folche Söorte 
auSjufprecfjen, meitn Dir Dein Sehen lieb ift. geft fage jeftt auch, 
eher ermürge ich Dich, als baft ich ntidj oon Dir, Du Dropf, befchim» 
pfen taffe." 



Digitized by 


Go -■* 




284 


filofter tiDUberg. 


Siefe SBorte, baS bli^enbe Sluge, bie broljenbe, h e h te ©eftalt ber 
öor ihm ©teljenben, oerblüffte ben Sauer. Qn gang anberetn Sone 
fpracf) er: 

„35er Sonrab fagt, er moße Sich ^eirat^en. Qft baS ma§r?" 

„Unb wenn eS fo märe, maS bann?" 

,,$d) gebe eS nicht p." 

„Sftir einerlei, ich heiratlje ben Stonrab, nicht Sich, Sitter." 

„SBenn ich ihn ober enterbe, £>auS unb £)of oertaufe?" 

„2BaS fümmert mich baS. Qch toill Seinen ©oljn, nicht Seine 
Siihe unb Schfen." 

„Qdj geftatte e§ aber nie, bafj mein ©ohn eine Ceibeigene, ein 
ginbelfinb heirathet." 

„ftore, Sauer, eine Ceibeigene bin ich nicht unb toill ich Seinen 
Sonrab heiraten, fo frage ich Weber Sich noch irgenb Qenianb. 2Biß 
ich eS, fo ift er mein unb nun geh’ h e 'm, Sauer, hier E)aft Su nichts 
mehr p thun." 

Ser alte ©epp marf ihr einen Slicf oofl glühenben $affeS p 
unb entfernte ftch wirtlich. 

Saum mar ber Sauer fort, fo toanbte fich §eini an fein oer» 
pgeneS pflegetinb: 

„©unbchen, märe eS nicht beffer, Su ftänbeft ab oon Seiner 
Siebe p beS ©eppen Stonrab. ^eiratljen tann er Sich ja hoch nicht." 

„28er fagt, baß ich ih n ßebe, Sater? ©o wenig als irgenb 
einen Slnbern. Scr Surfte ift in mich oemarrt. ©ieh, biefe ftlberne 
£>alStette mit bem Sreuj baran, fchenfte er mir, bloS bamit ich ihm 
baS genfter zweimal öffnete. Qefjt hot er mir noch Such p einem 
neuen 9to<f unb ©dhuhe oerfprochcn. SBäre ich nicht eine Sfjörin, 
ihn nicht feftphalten, baS SlßeS toftet mich ein paar Suffe." 

„Slber wenn Su ihn hoch nicht p heiraten gebentft, was fagft 
bu bieS bem Sitten nicht, ©r gäbe Sir noch mehr." 

„SaS miß ich nicht, Sater. 2BaS mir ber $unge gibt, ift ©e« 
fdjent, oom Sllten märe eS erpreßt." 

„Slber mir Werben ben ©epp pm geinbe hoben." 

„2BaS fchobet bieS? Su fcffulbeft ihm hoch nichts?" 

„SaS fchon nicht, aber er ift ein reicher, freier Sauer, ber uns 
immer fdfaben tann." 


Digitized by t^ooQle 




filoftar ©Uberg. 


285 


„Stur feine furcht, «Batet, bet ©epp ift noch froh, wenn mir 
iljm nic^t Junten. @r mufe wiffen, bafe man ben Sirmen nicht umfonft 
Befchimpft. (£rft will ich ihm bie £jöüe reiht Ijei& maihen, bann foH er 
fommen, Slbbitte thun, unb jurn ©djlufe gebe idj feinen Suben frei." 

„©unbdjen, ©unbdhen, ©u fpielft ein gewogtes ©piel; möge e3 
©id) nie gereuen," fcfjlofe |i>eini, bem auch bie ©attin Beiftimmte; 
allein Sfunigunbe blieb feft unb bie alten öeute gaben nodj, wie jte 
eS bem SJtäbchen gegenüber gewöhnt waren. 

©er Sauer ©epp gab jebodh, Wa8 ©igenftnn uub ©ro| anbetrifft, 
Sfunigunbe in SiichtS nach, ©«hon am fotgenben SJtorgen jog er ftdj 
fonntäglich an, ftedfte ©elb ju fiel), ergriff ben SünotenftodE unb Wan* 
berte nadh Stheinfelben, wo er im SöirthShouS nach einem funbigen 
StedjtSqelehrten fragte, benn fdjon war bie ßeit gefomnten, wo ber 
SJtann feine ©adhe oor ©erricht burch einen ©ritten auSfechten liefe. 
©a0 einfache Stecht ber Sllemattnen unb granfen hotte bem fogenann* 
ten römifchen Stecht ^ßlafc machen müffen, beffen ©runbfä^e oft im 
grellften SBiberfprudje ju ben beutfdjen ©ewoljnheiten ftanben. 

©in Sfriabe führte ©epp ju einem folgen güripted), SlboofatuS 
nannten fte fich in ih ren ©cferiften. ©epp trug ihm feine ©ache oor 
unb fragte ihn, ob e3 feinen 2öeg gäbe, bie §eirath feines ©oljneS 
mit einer ßeibeigenen, bie jubem ginbelfinb fei, ju oerhinbern. 

,,©aS ift ein goß/" fprodj ber StedjtSgeleljrte mit wichtiger SJtiene, 
„ber mir noch nie oorgefommen unb ber aud) ben Stiftern Arbeit 
geben wirb, ©he ich mich entfdjliefeen fann, (Suere ©ache ju führen, 
raufe ich nach Olsberg hinüber, mich im ©tifte felbft erfunbigen, wie 
eS fich mit’ £>eini’S Ceibeigenfcfjaft oerhält." 

„|jerr," entgegnete ber Sauer unb jog ben Seutel, „hier finb gehn 
Stheinifche ©ulben. ©h ut @ner SefteS; wo biefe waren, finb noch mehr.“ 
©chmunjelnb ftrich ber StedjtSgeleljrte boS ©elb ein, üerfpradj, 
bie ©aifee fofort an bie §anb ju nehmen, ©epp trollte feiner $ei* 
math ju. ©eS ©iegeS war er gewife. 

©er ©eiehrte ritt aber nicht fofort nach Olsberg, fonbern fdjlug 
erft einen golianten auf, rieb fich freubtg bie §änbe finb rief: 

,,©a hoben wir eS jo, furj unb bünbig: ©er ginbling geht recht¬ 
lich ,qonj in bie ©ewolt ber Slufneljmenben über." Ergo, SEunigmtbe 
ift ghtbling, ^> e i n i ber Slufnefjmenbe, in beffen SJtunt fie übergeht. 


Digitized by 


Google 



286 «lo|ter Ohbtrg. 


Stun ift ober $eini beS ©tifteS Ceibeigener, unb nochmals ergo Sunt» 
gunbe beS ©tifteS Öeibeigene, meld)e nach uraltem 9?ed)t nicht heiraten 
barf ohne beS £>olSherren Gcinmilligung. Ergo fagen mir gum ©dflufe, 
baS ©tift oermeigert bie (SinmiHigung unb bie ^ochgeit fann nie 
ftattfinben." * 

Stun erft liefe er fein ißferb fatteln unb ritt nach Olsberg/ mo 
er bem ©djaffner SllleS mittfjeilte. Oiefer gucfte jebodj bie Slcfefeln 
unb meinte, bie £>od)mürbige fei eine fe^r gute grau, bie t)ier faum 
hinbernb ein f cf) reiten merbe. Sßenn Sunigunbe baS übliche Sufengelb 
bejahe, gebe fte ficfjer bie Sinmiüigung gur £>eirath, ja fie laffe fich 
lei^t bereben unb gemöfere ben f^retfauf ber S3raut. 

\ 

„@i, fperr Vermalter," entgegnete ber gürfpred), „gu ma§ brau» 
dfen mir bie §odjmürbige? Oiefe nerläfet bie Slaufur nicht unb Qh r 
feib bocfe gemife im ©taube, gu f)mbetn, bafe baS SMbchen oorgelaffen 
mirb. SBebenft, ber 93auer gafjlt gerne ffunbert ißfunb, menn bie £>ei» 
rath unmöglich gemacht mirb. Oie tfjeilen mir. ftört, mie ich mir 
bie ©ad)e auSgebacfjt: Oie SJtagb hot, mie mir ©epp fagte, noch nie 
einen groljnbienft getljan, obfchon fte feit öier Qaferen frohnbienft» 
pflidhtig ift." 

„OoS ift richtig, benn erft heute, burch Such, erhalte ich bie Stach» 
rieht Dott bem Oafein biefer Ceibeigenen." 

„herrlich, ^errlid^, bann hoben mir gemonnen. 3Sier Qaf)re, jebe 
SBoche einen Oag ^-rolfne, macht graeihunbertunbacht Oage, bie nach» 
guholen finb. $h r tofet baS SJiäbchen holen, behaltet fie als SJtagb, 
bis bie fämmtlichen Oage eingebracht finb, behanbelt fie ein biSchen 
fcharf unb lafet Qh 1 ' nach einiger $eit merfen, bafe man ihr ben Dteft, 
fammt ber gebührenben ©träfe fchettfe, menn fie bem Sonrab entfage. 
Söill fie nicht, fo oerfanft man fie einem meltlid)en Herren, ber bann 
bie ^jeirath gang unmöglich macht. OaS SJtäbchen foß eine mahre 
©thönheit fein." 

„Qa, fo fann eS gehen, -fferr gürfpreef). Qd) laffe bie Oirne 
gleich morgen holen. Slber eS bleibt hoch bei ber Slbrebe. Qd) merbe 
Slrbeit genug "mit ihr hoben unb riSfire gubem ben ßom ber £>od)» 
mürbigett." 


* ©rtmmS 3iecf}t3a[terttHimer. SBtr geben bte lateintfdjen SetoeiSfä^e heutig. 


Digitized by i^ooQle 







filojUr JDUberg. 


287 


©tatt ber ülntmort brücEte ber gürfpredj bern ©djaffner bie fjanb, 
fafs auf unb ritt nach SWaifpradj, mo ihn ©epp alSbalb miHEommen Ijiefj. 

„333öS bringt Qtö* für Sefdjeib?" fragte er halbleife. 

„@S läfjt firf) machen," entgegnete bie)er in bemfelben Sone. 
,,©ie mirb als SWagb noch Olsberg geholt, allein id) mufjte bent 
©djaffner jmeiljunbert Sßfunb oerfpredjen, er moUte SlnfangS nichts 
oon ber @acfje miffen. ©r fürchtet ben 3 orn ber alljugutmüt^igen 
Slebtiffin." 

„Sttacht nichts, §err gürfpredj, oierljunbert foHen mich nicht reuen, 
menn nur bie *ßerfon nicht in mein §auS Eomrnt. ©leid) morgen 
bringe ich bent 33erroatter baS ©elb." 

„333o benEt Qh* h* n / SÖlann? ©laubt Qh r ' ber ©chaffner mode 
als SJlann angefehen fein, ber ©elb annimmt für etmaS, baS er auS 
Pflicht thun muf$? Ser mürbe (Sud) fdjön empfangen, bringt eS 
mir, er befudjt midh fdjon, fobalb bie Sirne im Stlofter ift." 

,,©oH nicht fehlen, §err gfürfpred). ©uere 90?ühe oergelte ich f°/ 
baß 3h r jufrieben feib. Söürbe id) ja hoch lieber SllleS üerEaufen, 
als biefeS ginbelEinb in mein |)auS taffen." 

„Sa hobt 3h r ooHEommen Siecht, ©epp, ich hülle eS gerabe mie 
Qh c - Sefel ober Eönnt 3h r 9 on ä ru h’9 fein." 

S5eibe brüdten fich bie fmnb. ©eelenoergnügt ritt ber fjerr gfür* 
fprech heim, ©o oiel als heute, oerbiente er fonft Eaum in einem 
halben Qahr. 

£>eini erfdjraE nicht menig, als ihm am SWorgett früh ein SElofter* 
Enecht ben 33eridjt brachte, er habe fich untierjüglidj mit feinem pflege» 
Einbe in ber ©djaffnerei einjufinben. 333aS Eonnte man oon ihm mol* 
len? ©r hatte ja all’ feine Abgaben an ©runbjinS, ßeffnten, ©iern, 
$onig, 3Bad)8, Seinen, baS Ceibtjuhn für bie ©attin gehörig unb gur 
ßeit entrichtet, feine groljnbienfte geleiftet. ©r mar fich auch fonft 
EeineS greoetS bemufjt. ftunigunba ahnte nichts ©uteS. 3ßaS foKte 
fie im ©tift, mit bem fie ja, nach ih rer Slnfidjt, abfolut nichts gu 
thun hatte, ©ie bachte bereits an f$fludjt, aber mohin, ohne ©elb 
unb gubem machte ber SElofterEnedjt gar Eeine SJliene, fich 5 U entfernen. 
Sennoch motlte fie eS üerfudjen, unter bem 33ormanb, ihre fonntäg* 
liehe Reibung nngugietjen, bie 353of)nftuöe oerlaffen. ©ogieich h^l 
ber Änedjt fie am 2lrme. 


Digitized by 


Google 



288 


filofiev ©lebtrg. 


„$Bobin, wohin," rief er halb fpottenb, „ant SßerEtag Brauet 
bie ßeibeigette feinen ©onntagftaat." 

„3<h bin feine öeibeigene," fuhr SEuniguntja auf. 

„2BaS fonft?" bö^nte bev Änedjt. „©odj oorwärtS jeftt, Wegen 
©ir Witt ict) nicht gefdjolten werben." 

„Unb wenn idj nirf)t gebe? 2Ber gibt überbauet ©ir unb ©ei* 
nent fetten baS ttiedjt, niicb Men ju taffen ?" 

©er ^nedjt, ftatt atter Antwort, pfiff unb alSbatb traten nod) 
•jwei Shtedjte beS ©tifteS ein, ber ©ne mit einem ©trief in ber £janb. 

„SBillft ©u je^t fofort oor unS betgeben, ober fotten Wir ©ir 
bie f>änbe auf ben ttiücEen binben, mit ber ^ßeitfdje geben lehren?" 

Äunigunbe fab burd) baS genfter, ob üftiemanb in ber Sttäbe fei, 
beffen ^jilfe fie in 3tnfprudf) nehmen fonnte. ©er ßufatt Wollte, baft 
ber ©orfoogt am §aufe öorbeiging. ©aS genfter aufreiften unb 
binauSfdjreieien: „SSogt, fommt herein, man Witt mir ©ewatt antbun," 
War baS SEßerf eines SlugcnblicES. 

SllSbalb trat ber ©erufene in baS 3i mmet - ®ie Unechte rühr* 
ten ficb nicht, lächelten einanber ju. ^jeini ftanb ratbloS baneben. 
2Wit fliegenber §aft erzählte Sfunigunbe, WaS oorgegangen, wie man 
fie als Ceibeigene bebanbeln Wolle, ©elaffen hörte ber Beamte §u, 
als fie geenbet, fagte er falt: 

„9llS sßflegefinb eines Ceibeigenen bift ©u nidjt mehr als er felbft. 
iöeweife, baft ©eine ©Itern freie Ceute finb, bann bift ©u auch frei, 
fannft ©u bieS nicht, fo füge ©id) willig, fonft lehrt ©ich ©toef nnb 
Sßeitfdje gehorchen." 

5D?it biefen Söorten oerlieft er baS £jauS. Sfunigunbe fenfte ben 
Äopf unb ging neben bem Eßflegeoater oor ben Unechten bet. 

911S fie oor ben ©ebaffner traten, fuhr biefer ben armen £jeini an: 

„2öaS ift baS, $eini, baft ©u ein fjinbelfinb in ©ein £>auS auf» 
nimmft, eS erjiebft unb ©einer ^jerrfeftaft feine Slnjeige baOon maebft?" 

„©näbiger §err," entgegnete f>eini erfdjrocfen, oer§ei£|t, ich wachte 
bem S3ogt fofort Slnjeige. ©aS Siinb ftammt fidjer üon freien, rei* 
djen ßeuten bet." 

Unb nun erzählte er fjaarflein, wie er SEunigunba gefunben unb 
maS neben ihr im Sforbe gelegen. 

„©anj red)t, ^jetni," fyracb ber ©ebaffner oiel milber, „ich glaube 
SltteS, benn ich Eenne ©ich als reblidjen, ehrlichen SJiann, ber allzeit 


Digitized by i^ooQle 








■ßlojler Olsberg. 


289 


feine Pflicht erfüllt, ober ba§ önbert on 21 Item nichts. ®a§ äRäbdfen ift 
grinbelfinb, ber öeibeigene erjog e£, befielt, maS im Sorbe lag, fomit ift 
eS in ©einer österlichen ©ematt, leibeigen mie ®u. So lauten unfere 
uralten ©efefce. ©eff nach SRIjeinf eiben, erfunbige ®t<h bei einem gür» 
fprech, ich jürne eS nid/, aber er mirb ©ir baS ©leiere fagen." 

„f)err, Iajjt mich gehen, idf-" 

„(Stille/' fdjvie ber Vermalter, „mit ©ir, ber SRagb, rebe ich je^t 
noch nicht." — Sich §u |jeini loenbenb, fuhr er fort: 

„2öie alt ift ba§ SRäbchen?" 

£>eini wählte an ben Ringern, brachte e§ aber nicht herauf. @nb< 
lieh fagte er: 

,,8cf) fanb eS an bent ©age, ba man unfer einzig Sinb ju ©rabe 
trug. ©8 mar am äftontag nach Verena im Qahre jmölf." 

„Sechääehnhunbertunbjmölf," oerbefferte ber Schaffner, „bann ift 
bie SRagb ämanjig Qal)re alt, feit wer fahren fro^nbienftfjftichtig, 
ohne fe eine grot)ne g e i e iftet ju ^aBen. Ipeini, menn ich bte§ ber 
^mdjmürbigen mittheilen mürbe, bafj ©u eine Pflichtige oier 3 a h re 
lang ihren Pflichten entjiehft, un§ nur eine 8eib£)enne brachteft, ftatt 
jmei, ma§ ineinft ©u, bafe ©ir gefdjähe?" 

„£jerr, feib gnäbig, ich tfjat eS ohne Porfafc, auS Unmiffenheit." 

„®a3 meijj ich, §eini, unb beSmegen miH ich billig fein. ®aS 
Stäbchen bleibt hier, bient ein ^aljr Imtg treu unb millig in ber Suche, 
bann nehme ich Qn / ba§ Stift hot feinen Schaben unb fie leiftet nach» 
her nicht mehr als jebeS anbere leibeigene ättäbchen auch." 

„§abt ©anf, f>err, hobt ©anf für ©uere ©üte," rief §eini, 
hocherfreut, fo leicht meggefommen §u fein. 

„Unb mich fragt üftiemanb, maS ich 3« bem £>anbel fage," fpot* 
tete Sunigunba. 

„SUtübchen," fuhr ber Schaffner auf, „ich marne ©ich, h^ te ©eine 
3unge. ®ie Ceibeigene hat nur ju gehörten." 

„Unb menn ich nicht gehorchen miH?" 

®ie 2lugcn beS PermatterS flammten, allein ehe er fpredjen fonnte, 
manbte fich §eint an Sunigunba in einem ©one, mie er noch nie 
ju ihr gebrochen: 

„Sinb, ®u bift leibeigen, baS ift flar unb mittft ©u nicht gepeitfdjt 
merben, fo oerhalte ©ich ruhig unb ffciU, bei mir finbeft ®u meber 
£>ilfe noch ©<hnh- ©er £>err Schaffner meint e§ gut mit un§, aber 

®om 3fura jum <S$n?ar$toaH>. IX. 19 


Digitized by i^ooQle 




290 


filofter tiDlsbfrg. 


fieljft Du öieS nicf)t ein, fo wirb Dein SRüdfen eS empfinben. SBaffer 
uitb 33rob im finftern 8od) metben Dich fidler gefd)meibig machen." 

Sunigunbe erfchraE, §eini mußte miffen, maS auf ben ungelfor» 
[amen leibeigenen martete. §)öfltch fagte fie: 

„£jerr Schaffner/ toaS f)a6e ich f)ier ju tljun ?" 

„@o ift’S recht, Äinb," lad)te biefer. „'Deine §änbe bemeifen eS, 
im gelbe fiaft Du nicf)t oft gearbeitet. Somm in bie Stütze, ijj erft 
fatt, nachher ftehft Du unter bem 33efetjt ber DberEüdjenmeifterin." 

Der ißflegeoater reifte ihr bie £janb, bann folgte fie bem ©djaff* 
ner in bie ungeheure $üdje, in raeldjer für all’ bie meltlidjen Sebien- 
fteten beS (Stiftet geEodjt mürbe. Sttan ftellte iljr SJtueS, S3rob unb 
SBein hin unb bie alte £>berEöd)in legte ilfr nod) ein ©tücE gleifdj auf 
einem £>oljteller oor. ©ie mufjte ftd) geftehen, fo hotte fie faum an 
einem Rolfen gefttag gefpeist. SHadjtjer l)iefe man fie ihre ©anbolen 
oblegen, Söaffer holen, ©etnüfe jubereiten u. f. f. Obfdjon nocf) eine 
©el)ilftn ba mar, gab eS Strbeit in ^jülle unb gälte. 2113 bie 33e3per* 
gtocEe ertönte, rüftete man ben Difcfj in ber großen $aHe ber ©djaff* 
nerei. ©in jmeiteS Reichen- m ' t einer Keinen ©lode rief bie Dienft» 
boten jum ©ffen. Oben an ber mächtigen ©idjentafel fafj ber ©djaff* 
ner, neben ifjm jur Siedeten ©attin unb Docfjter, jur CinEen ber 
@ot)tt, ein ©dfreiber, ein 3)feifterEned)t, ein Stüfer unb Äellermeifter, 
ber Dbergärtner, ber ©emt unb jmölf ^necfjte, an bie Dotter reil) 5 
ten fid) ad)t SJiägbe unb brei Stofe» unb fö’ühbuben. Die beiben SEüdjen* 
mägbe trugen nun bie großen ©djüffeln Oon fjolj, gefüllt mit ©auer* 
Eraut, gebörrten Sollten unb gelben Drüben auf. geber langte ju. 
DaS gleifd) mar in ©tücEe gefchnitten, für bie SEnecfjte unb SÖtogbe 
gebörrter ©pecE, für bie Roheren ber ©peifenben Slinbfleifd). Der 
Stellermeifter ging tjerunt unb füllte febem aus großen ©teinErügen 
ben öoljbedjer mit SGßein. ©he jebod) baS ©ffen begann, »errichtete 
ein Süt)bube ein langes ©ebet, gegen bie testen SGßorte hi» hoben fid) 
bie Cöffel unb mit bem „Simen" fuhren fie in bie ©Rüffeln, ©efprocfeen 
mürbe Eein SGßort. 3113 ber gnljalt fämnit(tcf)er ©cfeüffeln bis auf bie 
leiste ©pur üertilgt mar, fdjnitt ftd) gebeS ein größeres ober EleinereS 
©tücE Stoggenbrob oon ben jeljttpfünbigen Saiben herunter unb als 
auch biefeS »ertilgt mar, fprach ein jmeiter 93ub ebenfo gebanEenloS 
baS ©chlußgebet. 2Wit bem Simen erhoben fid) Unechte unb SJJägbe, 
»erliefen in langer Stoihe bie ©tube. SJMt lauter ©timme erteilte 


Digitized by Google 



filofter ©lebfrg. 291 


min ber ©djaffner bie Sciefjle für ben folgcnben Sog, morauf fiel) 
9D?eiftcrfnedjt, (Gärtner unb ©entt ebenfodS entfernten. 9tuv ber 
©Treiber unb Stedermeifter Biteben unb Ijalfen ben Sraten mit ©alat 
berjeljren, ber erft jefct Ijereingebradjt mürbe unb rnoju ber Steller* 
nteifter perlenben SRotljmein einfdjenfte. 

2llS auch bieS oorbei, ber Sifd) abgeräumt mar, fpeiSten aucEi bie 
brei Stücfyenmägbe unb mofjrlidj nid)t fdjledjter als bie ülnbern. SaS 
©efdjirr mürbe gereinigt, ein Stäbe! Sßaffer bereit geftedt, bamit ficfj 
bie beiben ®ef)ilfinnen bie gfüfje mafdjen tonnten. Sie Stöcfjin trug 
©d)ufje. 9tun fodte man jur IRufje geljen, allein beoor bieS gefdjafj, 
befahl bie Stödjin Stunigunba, fidj auf bie Sanf ju fe^eti, iljr bie 
Seine ju ftrecfen. 

Sunigunba falj fie erftaunt an, erfdjraf aber nidjt menig, als 
iljr jene $mei ftarfe ©tafylringe um bie Stnödjet legte, fie mit Sorlege* 
fdjlöffern befeftigte. Sie 9?inge maren burdj eine fußlange ©tafjlfette 
oerbunbett, fo bafs bie ©efeffelte mit furjen ©djritten geljen, aber 
meber fpringen nodj eine Seiter Ijinabfteigen tonnte. 

„2BaS foU baS, maS miH man Oon mir?" fragte fte, „idj bin 
bodj feine Serbredjerin." 

„0 nein," lad)te bie StÖdjin, „im ©egentljeil, idj bin fefjr jufrie* 
ben mit Sir, allein ber $err mufe allerlei oernomtnen Ijaben, mie Su 
fo äiemlidj trojjig feieft unb feineSmegS baran benfeft, bafj Su leib* 
eigen bift. @v fürstet, Su fönnteft fließen mollen. ÜlderbingS fämeft 
Su nidjt meit, felbft menn Sir beS ©eppen Sontab fyerauSljelfen 
mollte. ©ingeljott, befämeft Su minbeftenS jmanjig mit bem gierner 
unb biefe Ijarte ©träfe miß Sir ber £jerr erfparen. ©ei folgfam, 
artig, fleißig, bann fjaft Su eS fjier beffer als bafycim, für bie Um 
gefjorfame fjabe idfj jene Stütze bort an ber Sßanb unb bie ©törrifdjc 
befommt ben ßiemer auf ber ©trafbanf oor adern ©eftnbe. Setgifj 
baS nidjt, Stinb unb fdjlafe je^t rul)ig bei ber @lft." 

Siefe ergriff Stunigunba’S §>anb unb führte fie in eine anftofjenbe 
Sfamtner, mo fid) Seibe in einem großen, guten Sett nieberlegten. 
©cfylaf fanb Slunigunba nidjt. $n ifjrern Innern totste unb tobte 
eS, ärger als in einem §epenfeffet. ©ie tjatte nur einen SJunfdj, 
ben ©djaffner §u ermürgen unb ju fließen. Seiber fanb fie trofc al* 
lern ©rübeln feinen SluSmeg unb fcfjlief enblid) ein, mit bem ©ebanfen, 
fte mode fidj einftmeilen fügen unb auf gute ©etegenljeit märten. 


Digitized by 




292 


bloßer ©Iflberg. 


gteifjig unb mit ©efdjicB verrichtete fte StCteö, maS man i§r auf* 
trug. Oie Köchin mar beS SobeS voll. Stur ber ©chaffner traute 
ihr nicht recht/ fie mürbe jeben Slbenb gefeffelt. @o nahte ber 
£>erbft. 

©S mar bie ßeit, ba ber breifjigjährige Srieg in Oeutfchtanb 
miithete. Oie ©darneben maren p £jilfe ber fßroteftanten herbeigeeitt, 
thr Stönig fiel/ an feine ©teile trat SBernfjarb von Söeimar. Ueberalt 
fiegreich/ gelangte er an ben SR^ein unb rücfte näher gegen bie öfter* 
reichifchen SBalbftätte, Stheinfelben, Caufenburg unb SöalbSbut. Oiefe 
Stadjrichten famen auch nach Olsberg unb, aUerbittgS nicht genau, in 
bie Milche ber ©djaffnerei. OaS muffte man, baff bie Slebtiffin bie 
Uhren, Slltartafeln, Orgel, baS Slrcbiv nach Stljeinfelben in baS fpauS 
gebracht hotte, melcfjeS bort bem ©tifte angehörte.' ©erabe um biefe 
ßeit hotte bie Köchin eS bei bem ©chaffner pmege gebracht, baff man 
Sunigunba nicht mehr fegte. SÖtit biefem ftanb aber auch ihr ©nt* 
fchlujj feft, p fliehen unb p)ar p ben ©chmeben. Sieber mottte fte 
als Cagerbirne leben, als länger baS Qoch ber Ceibeigenfdjaft ertragen. 
Oer 3ufaE Bant ihr p f>ilfe, freilich nicht ohne blutige ©djmerpn. 
©he mir aber bieS erpfjlen, müffen mir ben Cefer barüber aufBlären, 
marum Sonrab Beinen 93erfu<h machte, fein ©djäfcchen p befreien. 

Statürlidj erfuhr er fofort bie Söegfüljrung Suttigunba’S burch 
SlofterBnecfjte unb mar auch halb mit fidf über ben Urheber ber ©e* 
maltthat im Steinen; bagegen maren ihm bie 9tecf)te beS £>alSherren 
p mohl befannt, um auf gerichtlichem SSßege gegen ben ©chaffner 
aufptreten. Oafj Suttigunba aber leibeigen mar, ftanb bei ihm aujjer 
ßmeifel. $n einem Orte, mo auf einen menigftenS holbfreien SJtann 
phn porige Barnen, muffte jeber bie Stedjte ber Herren unb bie fß flieh* 
ten ber ©igenleute Bennen, ©ein 3°rn flogen ben 33ater Ijolf ihm 
nichts, biefer lachte heimlich in baS gäuftdjen. Sift Bonnte hier allein 
ben ©ieg bavon tragen, ©r umfchlich baher p mieberholten fötalen 
baS ©tift, in ber Hoffnung, fein SDtäbcfjeu p fehen. Umfonft, Suni* 
gunba burfte meber bie Suche nodh bie ©chaffnerei jemals oerlaffen, 
Bam nie meiter als an ben ^Brunnen tm fpofe. Oagegen bemerBten 
Snedjte fein ©gäben, melbeten eS bem Herren, melcher bem Umher* 
fdjleichenben auflauerte. 

©S bauerte auch gor nicht lange, bis er bem ©chaffner in bie £>änbe 
fiel, ber urplö^lidj mit gauftroljr unb ©chmert bemaffnet vor ihm ftanb. 




Digitized by Google 



-filofltr ffihbnj. 293 


„Surfte/' fagtc biefer, ,,id) fenne Dieb unb meife, ma§ Dieb in 
bie Stäbe be§ ©tifteS treibt; allein idb ratbe Dir, bleibe bemfelben 
fortan ferne. Qd) toacbe unb treffe icb Dieb mieber, fo febiefse ieb Dieb 
ohne Varmbergigfeit über ben Raufen." 

Die Drohung mirfte, Sonrab liefe ficb niefet mehr fefeen unb fanb 
halb barauf @rfa£ für Shtnigunbc im Vefife einer reichen Vauern* 
toefeter oon SJtagben. 

Seferen tt)ir nun gu Äunigunba gurücf, fo b°tt e biefetbe ba§ 
SJtifegefdjicf, bei bent Steinigen ber Difcbgerätfee eine febr fiböne ©djüffel 
Oon ißorgeKan fallen gu laffen. ©ie g erbrach in Ipnbert ©tüefe. 
SBütbenb feferie bie Jföcbin: 

„2Ba§ macbfl Du ba, bummeä Dbier. ©§ ift boeb ficber maf)r, 
ma§ ber £>err immer fagt, biefe Ceibeigenen ftnb bummer a(§ ba§ SBief)." 

©tatt p fefemeigen, entgegnete S'unigunba tro^ig: 

„$br brauebt nicht fo p febimfefen, ba§ hätte @ucfe f° gut 6e» 
gegnen fönnen al§ mir." 

„SBa3," febäumte ber St'ücfeenbragoner, „Du mitlft noeb aufbe» 
gefereu. 2öart’, Dieb mill ich lehren." 

©ie rife bie Stutbe üon ber 3öanb. SJtit |)ilfe ber anbern SJtagb 
mürbe bie fühlbare über eine Vanf bmgetoorfen unb gegücfetigt, bi§ 
ba§ tefete Stei§ ber Stutbe gerfefet unb bie ©efcfelagene blutig mar. 

SWit Dbränen im Sluge, SButb im bergen, erhob ficb Sfunigunba, 
um meiter gu arbeiten. Sturg nachher mufete fie ^Baffer holen. Der 
Vrunnen befinbet ficb im $ofe, ba§ D§or mar offen. Qe^t ober nie, 
badete fie, liefe ben Stübel fteben unb rannte mie ein gejagtes* Steh 
auf ber ©trafee nach ©iebenadj fort. Qhre gtudbt blieb nicht lange 
unbemerkt. Sll3 fein SBaffer fam, eilte bie Köchin hinauf, fab ben 
föibel, errietb, ma§ gefebefeen, rief ben Unechten, bem Herren, ber 
alfobalb bie Verfolgung nad) alten Stid)tungen fein anorbnete. 

SWitten gmifdfen bem SHofter unb bem Dorfe ©iebenaefe ftebt ein 
einfameä fmu§ am SBalbe, an beffen Staub bie ©trafee l)infüf)rt. 
Stoch mar bie§ $au§ nicht erreicht, al§ ^unigunba in ihrem 8auf 
inne hielt, bie §anb auf bie mogenbe Vruft brüefte unb ficb umfafe. 
SBelcfe’ ein ©efereefen, meiter oben an ber £>albe fab fie gmei ÜJtänner, 
offenbar Verfolger. Db ne fe<h 3 U befinnen, fprang fie in ben SBalb 
fein, ftürgte burd) ©ebüfefe unb Dorngefträucfee ben Verg hinan. 2öa§ 
fümmerte e§ fie, menu Dornen bie gitfee blutig ftacben, ba unb bort 


Digitized by 




294 'Sloflrr ÜDltberg. 


ein gre^en ihre! elenben SRocEe! gongen Blieb. Son Oobelangft ge* 
tvieBen jagte fie meiter unb meiter, bis fiel) enblidj bie Kräfte erfdjöpf* 
ten unb fie,- mit bem Slulruf ,,©ott fei mir gnäbig", am gfuhe einer 
©idje nieberfanE. ©ie glaubte, bie Verfolger hinter fid) p hören, 
©ie täufcfjte ft cf). Oie Scanner hoffen fie gar nicht gefeljen, ba! ©e* 
räufefj hinter ihr rührte oon ben ßweigen unb. rieften Ijet, bie fie in 
ihrem Sauf burd)bruch unb bie hinter ihr mieber pfammenfdjlugen. 
©ie lag eine Söeile, Eeudjenb, h a ^ ohnmächtig am Soben, all fid) 
aber nicht! regte, ade! ftille Blieb, Eefjrte ihr SUJuth mieber, fie erhob 
fich unb ging langfant meiter; halb traf fie auf einen fdjmalen gfufj» 
pfab, folgte bemfelben bergab unb gelangte in Shtrjem an ben ©aum 
be! SBalbel. Sor ihr lag im ©lang ber Slbenbfonne ein moljlbe* 
feftigte! ©täbtdjen. Oa! mar 9?heinfelben, fie fannte e!, ba fie 
gtoeimal an SDJarEttagen mit bem Sater hier gemefen. Ooch ma! fah 
fie, erft im ©chrecEen, bann OoUer g*eube. Um ba! ©täbtdjen, auf 
ben füblidjen £>öljen ftanben 3 e i te - ^Deutlich erEannte fie bie blinEen* 
ben Söaffen ber Sorpoften, fah Leiter hin» unb herfprengen. 
„©erettet," rief fie, „gerettet, bort ftnb bie ©djmeben." 

„|)aben mir Oidj, oerbammte §>e):e," fdhrie eine ©timme hinter ihr. 
Ohne fich nur umpfehen, rannte fie in meiten ©ä§en bem 8a* 
ger p. @ie, bie barfüßige, nur halbgeEleibete oermochten bie Unechte 
nicht p erreichen. meld)e fie oerfolgten unb ohne ben Stulruf bei 
©inen auch ermifdjt hätten. @ie Eeljrten um. 

„SBohin fo fchnell, hübfdjel S'inb," rief ihr ber 2Bad)t:poften p, 
an bem fie üorbeirennen toollte. „§>att, menn Ou auch unbemaffnet 
bift, fo geht man nicht in ba! Säger." 

„8ah mich," rief fie, „ich h a ^ e deinem Herren eine midjtige 9iadj* 
rieht p bringen." 

Sldeitt ber Krieger lieh fie nicht fo leicht lol. @ie rang mit ihm unb 
fdjrie enblid) um fpilfe. Oer 8ärm rief einen 2ßad)tmeifter herbei, an 
ben fie bann ebenfall! bie Sitte richtete, fie p bem Anführer p bringen. 
Oer Unteroffizier mufterte fie erft uon Stopf p güfjen, bann fagte er Eurj: 
„golge mir." 

Sor einem großen gelte minEte er ihr, ftille p ftehen, ging 
hinein, um fie allbalb p holen. 

gn bem meiten Oudjljaufe fah an einem gfelbtifdj ein fdjöner 
junger 9J?ann in ber Oradjt eine! Oberften jener ßeit. Oa! bunEle 


Digitized by Google 



295 


filofUr ©laberg. 


Cocfenhaar fiel auf einen Breiten, gefticften ^embfragen nieber. OaS 
furze SBamrnS war an ben Slermeln gefehlt unb mit Weißer ©eibe 
gefüttert, bie SNanfchetten, ebenfalls gefticft, reiften bis zur Raffte 
beS SBorberarmeS jurücf'. ®ie ziemlich enganfchliefenben 33einfleiber 
Waren oon -£>irfch(eber. ®ie langen SReiterftifel reichten bis §u ben 
Snteen, ber obere Sfjeil beS ©djafteS war umgeftülpt, ungeheure, 
golbene ©poren baran befeftigt. 2ln einem golbgeftüften, ^albfufe» 
breiten SBanb, baS über bie rechte ©chulter lief, Ijing baS mächtige 
Neiterfdjwert. (Sin fmt mit ungeheurem Nanb, mit gebern gefchmücft, 
lag auf bem Sifdje, an ber ©tuhHehne hing ber reidjgarnirte ffteiter* 
mantel. (Sr felbft trug einen feinjugefpi^ten ©djnurrbart unb ein 
fleineS, ebenfalls fpißigeS Sinnbärtchen. OaS ebelgeformte Strittig 
hatte ben SluSbrutf h°hen NiutheS, aber auch ber SSBilbheit ungezähnt» 
ter Seibenfdjaft. (Sr fcpien im Cefen öon papieren Oertieft, bie üor 
ihm lagen. ®er neben ihm fißenbe ©Treiber hielt bie geber bereit, 
Zur Slbfaffung allfälliger Antworten. 

Sfunigunba warf fich üor ihm auf bie Slniee. (Sr betrachtete fte 
nur flüchtig. 

„2BaS wiUft ®u oon mir, welche Nachrichten bringft ®u?" fragte 
er nicht unfreunblidj. 

„(Söler §err," flehte fie, „erbarmt (Such einer armen Ceibeigenen, 
bie man unmenfdjlich mifehnnbelte unb bie bei (Such ©dju^ unb 
©chirtn fud)t." 

(Sr jucfte bie Slchfeln. 

„£>a fann ich ®tr nicht helfen, ©ielj ju, bajj ein ßanbSfnedjt 
Oidj hnbfch genug finbet, um Oidj Z u gehalten." 

(Sr winfte bem Unteroffizier unb Wanbte fich wieber feinen papieren ju. 

„2lber wenn ich (Such an einen Ort führe, wo gh r ohne jegliche 
©efahr reiche 33eute machen fönnt, Söein, ©etreibe, 33ief) in §ülle 
unb gülte V" rief fie ohne aufjuftehen. 

„ga, baS Eönnten wir fchon brauchen," lachte er unb betrachtete 
fie nun erft genau. „SBo ift ber Ort, in bem wir bieS finben Eönnen?" 

SNit wenig SBorten erzählte nun Sunigunba ihre ©efdjichte, wie 
man fie ntifohanbelt unb wie fie entfchloffen fei, bem eblen §errn ben 
3Beg nach Olsberg ju zeigen, wenn er ihr bafür @d)u§ unb ©chirtn 
gewähren wolle. (Sr hörte mit Wadhfenber Slufmerffamfeit zu- 8U8 
fte am ©chluffe war, ftanb er auf unb fagte: 


Digitized by i^ooQle 



296 


Clo Her Olsberg. 


„geh glaube Oir, allein meine ißflicfet als güfjrer ber ©chaar, 
melcfee biefeS ©täbtcfeen einnehmen fott, gebietet mir 93orftdjt. 9)?an 
toirb Oidj gut beljanbeln, aber ftrenge feemacfeen. SHorgen früh fü^rft 
Ou mich nach bem Slofter. gft eS, toie Ou uorgiebft, fo foH eS Oetn 
©<babe niefet fein." 

Sunigunba ttrnrbe in ein nefeenftefeenbeS ßelt gebracht, baS ein 
gelbbett, Jtfdj unb @tufel enthielt. Stacfebem er fte gang, mie eS gu 
Olsberg gegeben, an ben güfeen gefeffelt, oerliefe er fte. ©in altes 
SEBeib brachte gleifd), 93rob unb 2Bein unb bebeutete ber (befangenen, 
gut gu effen unb ftdj beS SBetteS gu bebienen. Sunigunba liefe eS liefe 
fcfemecEen unb entfcblief bann, erfdjöfeft bon ben ülnftrengungen beS JageS. 

Äaunt graute ber ÜWorgen, fo erfcfeien baS SSßeib, brachte ifer 
Söaffer gum SBafcfjen unb eine gute ©uppe, bann trat ber Unter* 
offigier ein, nahm tfer bie geffeln ab unb führte fte gum 3 e ^ beS 
Äommanbanten, ber ficfe eben auf fein ißferb fdjtoang. 

„©o," fagte er, „je£t gefeft Ou neben meinem ißferbe feer unb 
ffifjrft unS auf bem fürgeften 28eg gum SHofter; aber nimm Oid) in 
Sicht, jeber gluchtberfuife, bie geringfte 33errätherei bringt Ott ben Job." 

©ie begnügte ftdj gu lächeln, fdjritt neben bem $errn feer, fteben* 
gig Oragonec folgten, ©ie fdjlug ben näcfeften 2öeg über ben 33erg, 
burd) ben SBalb ein. Oie ©trafee, bamalS ein elenber, fteiler SBalb* 
pfab, nötfeigte bie SReiter, abguftfeen, bie ißferbe am 3ügel gu führen, 
bieS gab bem Oberften (Gelegenheit, ftd} mit feiner güfererin gu unter* 
halten, ©r befragte fte näher über ifer Vorleben unb ftaunte über 
ben flaren 33erftanb, ben üötutfe ber ßeibeigenen, beren @chönfeeit ihn ent* 
gücfte. Oer Jrofe, ben fie gumeilen Eunbgab, gefiel bem toilben Krieger. 

Stad) einer Eieinen ©tunbe mar baS Slofter erreicht, umgingelt, 
allein bie Stonnen entflohen. SllS bie Shtecfete berichteten, mie Stunt* 
gunba bem fdjmebifchen Säger gugeeilt fet, ahnte bem ©cfeaffner nichts 
©uteS. @r fefete fofort bie ^ochmürbige bon bem SSorfaH in SEennt* 
nife, obfchon er bie gange SBaferheit nicht fagte. Oie Slebiffin mar 
fd)neH entfcfeloffen. 3 U gEetd^er 3eit, als bie ©djmeben üon 9th e ' n * 
felben aufbrachen, oerliefe fte mit ihren ©chäfletn baS ©tift unb eilte, 
in SBabett ©d)u§ gu fucfeen. 

OieS EränEte ben Oberft menig. Oie 33eute in bem berlaffenen 
©tift, benn auch ber ©chaffner, bie Unechte unb SOtägbe maren ent» 
flohen, überftieg feine Eühnften ©rmartungen. @r liefe 9WeS auf 


\ 


Digitized by t^ooQle 



filofttr CHsbtrf. 


297 


SEBagen (oben, ttadj bem £ager fiteren. 2lm anbcrtt Sag fpeiSte fittni* 
gunba an feiner (Seite mit ben (Offizieren beS ÄorpS, bie fomo-l it)ve 
©c-ön-eit als i-ren Serftanb berounbeiten. ^e^t trug fie ein IRicber, 
aber weit auSgefc-nittcn. SaSfelbe mar non rot-ein SßoBftoff, oorit 
mit meijjen Spieen gamirt, bie ^uffärmel gefc-lijjt, mit gelber ©eibe 
gefüttert, ein reidjbrobirter £>embfragen fiel bis auf bett -alben Ober» 
arm, bie 2Ranfc-etten, brobirt, auSgefc-nitten, reiften beinahe 511 m 
(SBbogen. (Sin meijjer, garnirter Unterrocf oon ©cibenftoff mürbe 
Don bem rot-braunen SSoBrocf nur infomeit oer-üfit, bafi er oorn 
gleit- einer ©c-ürje fid-tbar mar. SaS reic-e £>aar mar an ben ©ei* 
ten aufgerollt, am ^intertopf bitbete eS einen $opf, in fyonn eines 
Kranzes befeftigt, auf bem §aupt t-ronte ein fibmarzer, breitfrftntpi* 
ger .£>ut, mit einer langen, meifien g c ^ er gefc-ntücft. (Sine golbcite 
Sfette umfd-lofi ben $alS. Sen ^Ringfinger ber litifeu £)aub gierte 
ein breiter ©olbreif. Qetjt fa- fie mirflit- auS, mie eine rcidje (Sbelbamc. 

StlS fR-einfelben nidjt einzune-men mar, mürbe bie Selagerung 
aufge-oben. SaS fd-toebifc-e $eer bemegte fiefj r-einaufmärtS. Jft'uni» 
gunba folgte bem Oberft ©ent-ier als ©attin zur linlen $uutb.- 

Stad- bem ©c-lufj beS meftp-älifc-en gfriebenS, als Seutfdfianb, 
ja -alb (Suropa, mieber aufat-mete, nad- einem fürc-terlic-cti, breifiig* 
jä-rigen Kriege, erfc-ien zu SDtaifprarf) eine Same oon anfc-eiitenb 
-o-em ©tanbe, nac- i-rent ©efolge z» urt-eilen, fc-r reid). ©ine 
Sienevin unb oier ®nedjte begleiteten fie unb einen munberfdjönen 
Knaben, ber i-r ©o-n zu fein fc-ien. $n ber Verberge, mo man 
ganz beftiirgt über ben oome-men 39 efucf) mar, erfunbigte fie fic- an* 
gelegentlich nac- einem Saglö-ner ^eini unb beffen (S-efrau. 21 IS mau 
i-r mitt-eilte, beibe feien auS Kummer über baS ©eba-ren einer pflege* 
toc-ter geftorben, burd- beren @c-u(b baS -eilige ©tift zu Olsberg 
oon ben ©djmeben geplünbert, bie frommen grauen oertrieben morbeit 
feien, ba zuefte fie mitleibig bie 2 ldjfeln, ging zu bem ©eiftlidjen unb gab 
i-m ©elb, bamit er einige SReffen lefe für bie ©eelen beS Ceibeigenen 
ffehti unb beffen ©attin, bann ritt fie fort, um nie me-r zu fommen. 

2ltlein nic-t bloS bie ©c-meben beraubten Olsberg, ber faifertic-e 
Oberft ©paur na-m oon ben nac- SR-cittfelben geflüdjteten unb im 
bortigen OlSberger §>of fonft befinblic-en ©ac-en bie ße-ntfrüdjte oon 
fR-einfelben unb SRagben, ac-tze-n aufgerüftetc Setten unb oier-nn* 
bert ©autn Sßein. ©in $a-r barauf fit-rten bie ©olboten beS fc-toe* 


Digitized by i^ooQle 




298 filopfr ©Uberg. 


bifdjen Oberften (EronecE bie aufgefunbenen StoftbarEeiten be# ©tifte# 
rheinabmärt# uttb 1634 liefe ber SRljeingraf ba# ©eöäube in ber ©tobt 
gerftören, bie Käufer be# St (öfter# gu ÜRagben, Cl#berg, bie ©djeunen, 
$äge «nb Säume anbrennen unb hauste im St (öfter felbft ärger al# 
ein Sanbale, fogar ftHrdjenftüfele unb Elitäre mürben gerfchlagen, ade# 
ma# nur möglich mar, roeggefüfert. 

Sie SRonnen hielten fid) ingmifcfeen erft gu SSettingen, bann gu 
Sal#tljal auf. 9(1# fie genau brei ^afere nad) ihrer gtucfet mieber 
gurücEfehrten in ben Hortus Dei, umftanben fte meinenb bie abgebed* 
ten ©ebäube, ohne Xfeüren unb genfter. ÜRur mit £>ilfe be# 9lbte§ 
Sern bar b oon ßü^el gelang e# ihnen, nach nnb nach bas ©tift her* 
guftellen, bie Oefonomie mieber in ©ang gu bringen. Sie SRachfol* 
gerin oon Urfula ©chmogerin, Katharina Stoler oon SRheinau, beredt* 
nete ben ©djaben auf hnnberttaufenb SuEaten. 

Cangfant erhob fich ba# (Stift, umfo langfamer, al# bie SinEünfte 
fiefe in go(ge be# finEenben ©elbmerthe# ftätig oerminberten. (Dennoch 
gelang e# ber 9lebtiffin fg-rangisEa oon Gptingen, ber Stircfee einen 
prächtigen Hochaltar gu oerfchaffen. ^ßapft ^uttogettg XI. fefeenfte ber 
frommen ©efemefter gu Clsberg ben Öeicfenam be# h e ^*9 etl Siftor#. 

9l(lein bie 9tul)e mar nicht oon Sauer. g r anfreicb hatte ba# 
©unbgau mit bem übrigen ©Ifafe erobert. (Die 9lbtei Cü^el mürbe 
frangöftfefe, bafjer übertrug bie öfterreid)ifd)e ^Regierung, meldje difye'm* 
felben, ba# gricEthal unb alfo auch ba# ©ebiet oon Dl#berg noch hun* 
bert ^alfre lang befafe, bie 2luffid)t bem Stlofter ©alman#meiler. Sa* 
mal# befanben fich int ©tift gmölf ÜRonnen unb fechgehn öaienfehmeftern. 
9lbt Slnfelm oon ©atem befudjte ba# Stlofter, fanb in Segug auf 
Sloftergucfet oiel gu tabeln unb fanbte al# ^riorin bie ÜRonne Juliane 
©uggerin mit bem Sefehl, bie Drbnung unb Orben#bi#giplin hergu* 
ftellen. 9lebtifftn unb SRonnen moHten fidf bie# nicht gefallen laffen, 
appeßirten an bie faiferlicfee (Regierung gu 2Bicn. Sie unbequeme 
Neuerung mufete meichen. Sie Oberaufficfet tourbe bem 9lbt oon 
Sennenbach übertragen, allein bie Sermaltung über bie ©üter nahm 
bie (Regierung itt ihre £>anb. 

XIII. 

Um biefe $eit lebte auf einem über unb über oerfchulbeten (Ritter* 
gut am rechten Ufer be# (Rheine# i m Sreisgau einer jener Slbeligen 


Digitized by Google 




299 


ftlsfirr 


bes achtzehnten ^ofjrijunbcrK, bie am f>ote ju ©ep'aillcs bic Sum't 
erlernt hotten, bas »elterliche Qfrbc out noble S5ci»e $u »ergcubcn. 
2113 ber Ict'te ©ulben in ber fron^oü'dien Sönigsfitabr »erpraßt war, 
lehrte ber £>err ©aron out fein ©nt in ©ermonien jnrüd, beirotbete 
ein abeliges fvröulein mit iedt^ch« 2 lbncn ohne ©erwögen nnb »er* 
lebte mit feiner cliere ©abette bie Jage in ibuUiüficr -Kuhr, blo3 baß 
er alljährlich eine neue £>upotbc! out fein ®ut erticbtcn lotfeu mußte 
unb ber Jag faft mit ©emißheit 311 beftimmen ronr, on welchem fein 
Sfittergut unter ben Jammer tarn. L'aimable epouse wich beut fatalen 
Soge oue, inbem fie »on ber ©>elt Üb'thicb nahm, unb fterbcnb ben 
tief betrübten ©atten bot, fein ü)iögli<fmce 3 U thutt, um bas einzige 
^ßfanb ihrer gegenfeitigen Siebe, bic Tochter ^fabella, gut ju »erwrgen. 
Ser ©aron uevfprad) feilt ©eftes. 

91un roor allerbings ^fabclla eine fla'Tifthe Schönheit, troß ber 
1 rocht um bie ©litte bes »origen ^ahi'hunberte, roclche alles oufbot, 
aus bem Söeibe ein llnbtng ju mochcti. ©*entt fie ausging, ©cfcK* 
fchofteu empfing ober greunbiitnen in bem nahen £. befuchte, tmg 
fie eine Cbergcftolt, fo eng, bnfs nur bas fcftgcfdjnürte ttorfet bereit 
Slnjic^en ermöglichte unb welche »om in eine Spißc auslicf, bic bis 
auf bie ©litte bes Unterleibes reichte. Oben mor bie ©eftalt fo »ier* 
eefig ousgefchnitten, baß bie gomirenben Spißeit h> ntcu ben 91acfcn 
umgaben, »om ober bie ©ruft frei ließen. 21 us beit Slerntcln, bie 
nur bis ju ben ©llbogeti reichten, fomen fehr weite, hoppelte, brobirte 
SWonfchetten herauf. 21 n biefe Cbergeftalt, bic ben Seib auf unoer* 
niinftige SGBeife jufamnten, bie ©lüfte unnatürlich in bie £>öl)e preßte, 
fchloß fich ein ungeheurer tReifrocf, bis jur Hälfte »on farminrother, 
unten hellblauer ©eibe, mit ©lumenftiefereien. Heber biefem, unten 
minbeftens jwölf fyuß im llmfong ^altenbcn -vmlptcrforb trug fie on 
berfelben ©eftolt ein Cberlleib »on gelber Seibe, »om ein offenes 
Sreiecf bilbenb, bas ben Unterrocf fehen ließ unb welche^ 31 t beibeit 
Seiten eine jwei guß breite ©orbürc »on bcmfelbett Stoff wie ber 
untere Sheil bes Unterlleibes h°rie. Sie fpißen Schuhe h°rien brei 
3 oü hohe rotlje 2 lbfäße. Sie ftarfgepuberten .fiaare bilbeten einen 
Shurw, auf beffen Spiße brei fyebem baumelten. Sas ©aitjc glich 
nicht übel einer wanbelnben Sonne, aus ber ein fchlanfer, meiblidjer 
Oberleib hemusgudte. 91 ad) ben ©egriffeit bes adjtjchnteu Qal)i'* 
Ijunbertä befaß ^fabetla and) ©ilbung, ba3 Ijeifst fie fpradj unb fchricb 


Digitized by i^ooQle 



300 


{Uofto ©Uberg. 


einen beutf<^*fran§öfifc^en Qargon, fpielte baS Slaoicimbal, hatte eine 
blaffe Stbnung non ©eograplge unb ©efdjichte, fannte bie oier erften 
Regeln ber 9?edjenfunft unb mar eine Sängerin par excellence. SllS 
bie SUutter ftarb, hatte fie gerabe baS fiebengehnte SllterSjahr oollenbet. 

Sem SBunfche ber S3orftorbenen gemäfj, fuct)te ber SBittmer nacf) 
Slblauf ber Srauergeit emfig nach einem ©atten für fein enfant cherie, 
aber h )0 ©inen finben für eine Sodhter ohne ©elb? ©inen roturier, 
einen Plebejer'? Stein unb nimmermehr, eine folche Mesalliance mar 
gar nicht benfbar. Ser $ube Slaron, fein bisheriger Reifer in ber 
Stotlj, half ihm auch hi er - 

Ser gnäbige f>err fafs eben über ber Rechnung feineg 93ermal= 
terS, allein nicht mit freubiger, fonbern recht trüber SJtiene, benn baS 
gagit berfelben mar ein abermaliger Stüdffdjlag non taufenb ©ulben, 
fein ©elb in ber Staffa unb hoch fotlten bie ßmfe begahlt merben, bie 
bereits feit 28ocf)en fällig maren. Sa melbete man ben Hebräer. 
Slaron gehörte nicht gu jener gemeinen klaffe, bie fich mit SMefjhanbet 
ober alten ÜDtöbetn, Kleibern, Cumpen, Knochen, gebern jc. befchäftigt, 
aud) nicht gu benen, bie jungen 33erfchmenbem acfjtgig für (junbert 
geben, gehn Sßrogent Qntereffen gum S3orauS oon ben achtgig abgiehen; 
nein, er mar ein ©efchöftSmann, ber feine ^ßrogente oerbienen moHte, 
fein beftimmteS ßiet oor Slugen hatte, aber feine Klienten treu bebiente. 

„Su fommft mie gerufen, Slaron/' fpracfj ber 93aron biifter. 

„2Bie fo, ich fomme bie oerfatlenen ßinfcn gu holen, fmben ber 
gnäbige §err 33aron ©elb?" 

„SaS ©egentheil, Slaron, ba lies." 

©r fdjob ihm bie Rechnung hi«/ bie ber Qube überflog. 

„©näbiger .jperr, menn ich barf rathen einem ©erren S3aron, 
mürb’ ich oerfaufen baS ©ut, baS nicht rentirt oier ^ßrogent. SBenn 
©ie oerfaufen SldeS auS freier £>anb, garantier’ ich fünfgigtaufenb 
freien 9?eft. Stuf £>hpothef gibt feiner mehr taufenb. können gut 
leben in ber «Stabt auS bem 

„Su fagft mohl, Slaron, aber mein Sfinb, mirb eS noch einen 
©atten finben auS altabeligem ©efcbledjt, menn man rneifj, ich habe 
bloS noch gmeitaufenb ©ulben jährlich, auS benen ich bodj leben mufj?" 

„£>err Saron, ich fenn’ e SJtann, mo nimmt bie fcpöne S3atljfeba, 
mo nicht einmal begehrt eine SluSfteuer, mo gibt bem §errn Sßapa ©elb, 
gu beftreiten bie Stetunie unb mo ift üon Slbel, noch älter als ber Qh r i2 e - /y 


Digitized by Google 




«Ujter ©leberg. 


301 


„Uttb toie Ijeifjt bieä SBunberfinb, Slaron?" 

„Sich, ©ie fennen bod) getoifj bett fetten 33oron üon ©., beit 
fteinreidjen SDtann, bet lebt auf feinem Ijerrlidjett Canbgut gu ©." * 

„Su meinft bod) nicht bett Oberft 23aron üon ©., ben ©reis üon 
mehr al§ fiebengig gahren?" 

„2Ben fonft, gncibiger |jerr? 2öa§ fott e§ heiffen, fieberig gafjr, 
ift er noch rüftiger als SQtaucher üon fünfzig. Unb ftirbt er, fo ift 
feine SBitttoe SDtiltionärin. £mt er bod) feine Sfinber unb wirb er 
teftiren aH’ fein ©nt ber lieben grau 33oron." 

„Unb toer fagt Sir, baft ber Oberft meine Sodhter begehrt?" 

„@r felbft. 2ßar id) oor ein paar Sagen bei ihm, um gu über* 
Bringen ben Kaufbrief übet ein §au3, ba§ id) für ißn hob’ erworben 
in ber ©tabt. f>at er mir gefagt, Slarondje, hob’ id) gefetj’n bie 
Softer üon 53aron ü. g. ift e ©djönheit Kummer ©in§. 2Ba§ meinft 
be, Staren, wa§ tüirb fe fagen, toenn id) werb’ um ihre Eieine £>anb. 
£>ab’ ich gefagt, a§ id) toerb’ gehen gu ghne, gnäbiger £>err unb fra* 
gen, wa§ fe holte üon bem ©efd)äft." 

„ga, Slaron, ba§ ©efdjäft ift fo fd)ledjt nicht/' lachte ber SBaron. 
„SSon uraltem Slbel ift bet Oberft, gfabeHa bei iljtn mofjlüerforgt unb 
ftirbt er, fo ift fie toirflid) reich. Slber id) muf fie bodh erft fragen, 
ob fte eimoiHigt." 

„gu wa§ fragen bie Bobern, toenn ber Saba miH grünben ihr 
©lücf," rief Slaron fo eifrig, baf er in ben jübifdjen gargon oerfiel, 
wa£ er fonft bei oorneljmen Klienten oermieb. „Söenn ich fagen toerbe 
gu meiner 23af: ©arahieben, ba ift ber ©amuel, ben ich Sir f)aß’ 
auägefucßt gutn ©h°f cn / üon t»eite an bift be fei Statte, mirb fe fagen: 
„SBaterlebeu, Su weißt am beften, wa3 paf)t for mich."" 

Ser 95aron lachte unb fagte: 

„Sieber Storon, unfere SentoifeHeS finb leiber nicht fo folgfam 
toie bie Söchter g§rael§. ßum Slltar fchteppen fann ich gfobelta nicht 
unb fagt fie nein, fo höbe ich nicht bo§ minbefte Stecht, fie gu gtoingen. 
gnbeft hoffe ich/ fie ift oernünftig genug, eingufehett, welches ©lücf bie 
projeftirte £)eiratlj für fie ift. Stamm in acht Sagen toieber, bann 
fotlft Su 83efdjeib hoben." 


* SSBir nennen fyier feine Slamen, ba ba? Sladjfotgenbe nur jum 2:§eit iDidj» 
tung ift. 


Digitized by i^ooQle 





302 


filojlrr ©Uberg. 


SlCeiu ber Saron tciufcfete ficf). (Srft tackte Igfabetla, als er if)r 
oon einer Serbinbung mit bem Oberft fpradj, ben fie feljr gut tonnte. 
2US er einbringlicfjer warb, ifjr feine Slrmutf) geftanb unb if)t oor* 
ftellte, meid)’ reiche Söittwe fie werben tönne , erfolgte ein entfdjie- 
beneS 9?ein. 

QfabeHenS £>erj war eben nicht meljr frei. Qn ber ©tobt hotte 
fie ben (Sol)n eines reichen StaufmannS tennen gelernt, beffen Sleufee* 
reS, oerbutiben mit ben feinften Sanieren, fie für iljn einnahmen. 
©r, geblenbet burch ihre (Schönheit unb ihren natürlichen Serftanb, 
hatte fie um §anb unb ^erj gebeten. ®aS Ce^tere erhielt er fofort, 
bezüglich beS ©rfteren machte fie ihn aufmertfam auf ben SlbetSftolj 
beS SaterS, ber fcbwerlicf) in eine Serbinbung mit einem ^Bürgerlichen 
Willigen werbe. Qh m toaren bie SermögenSumftänbe beS SaronS 
nur ju gut befannt. deswegen fagte er: 

„Sah, baS gibt fiel) oon felbft. Ma bien aimee ift jefet halb 
achtzehn, in brei fahren felbftänbig. SBenn ich bann gebe ftatt ju 
begehren, wirb ber eher papa fo oernünftig fein, einen reichen Sürger» 
liehen einem Herren oon £)abenid)tS oorju^iehen. 2Benn ich nur auf 
®eine Sreue bauen Hann." 

Mon eher, ®ein bin ich bis in baS ©rab. 2ßiH man mich jWingen, 
fo gehe ich > n baS SUofter, auS bem mich bann mein SRitter h?vauS= 
holt, ganj ä la mode du moyen age. /; 

©ine ftürmifche Umarmung, bei welcher ber Uteifrocf etwas jer= 
fnittert Würbe, fd)Iofe ben Sunb unb warb Urfadje, bafe Qfabella bem 
fortgefefcten drängen iljreS SaterS enblidj ben ©ntfcf)lufe entgegen* 
fefete, in ein Slofter ju gehen. 

„5DaS follft üDu/ 7 fchrie er, „iefe will bie Ungehorfame nicht länger 
tor mir feljen. (Sofort fchreibe ich an bie fwchwürbige §u Olsberg, 
Sittoria oon (Sdhönau ift noch eine weitläufige Serwanbte. $u % 
follft SDu." Qfabella oerbeugte fi<h unb liefe ben Sater allein, ber 
fid) fofort hinfefete, ber ^jodjwürbigen ju Olsberg 2WeS berichtete, unb 
fie bat, ^fabella in ihr (Stift als iRoui^e aufäunefjmen, fie mögtichft 
hart ju behanbeln, fo bafe ftch biefelbe am ©nbe glücftich fühle, bem 
SUofter entrinnen ju tönnen, inbem fie ben Dberft E»eirat£»e. ®ie 2lnt* 
Wort auf feine ©piftel liefe nicht lange auf ftch warten, lautete aber 
nid)t gan§, wie er eS gehofft. ®ie fwdjwürbige fchrieb: 


Digitized by Google 



Älojifr ©leberg. 


303 


„Mon eher cousin, 

©ott fei mit Qtinen. g;cb habe ©uer ©Freiheit mit gang befoit* 
berer Slttention ftubiret, mief) aud) refoloiret, bero Softer in unfere 
heiligen üftauern aufgunebmen. dagegen aber !onn ich mich nicht 
entfcblieffen, biefetbige härter gu betjanbefn, als eS bie Sieget beS tjeu 
tigen 33ernbarb oorfdjreibet. gnbeffen glaube idf, werbe bero Softer 
ben ©dreier faurn nehmen, maffen bie Obferoang unferer OrbenS» 
regeln fdfwer genug für ein Söeltftnb finb, ohne baff icb gegen meine 
Richten bem Sinbe noch befonbere Safteiungen oorfebreibe. Qd) er» 
Warte bemnacb baS Söeltfinb in ben näcbften Sagen zc. 3C." 

Sie Stbreife tarn benn auch fo fdjneff unb unerwartet, baff £$fa= 
betla feine SDiinute geit fanb, bem ©eliebten mitgutbeiten, baß man 
fie nach Olsberg bringe. $a fie b^tte ihren fünftigen Aufenthalt 
gar nicht angeben fönnen, benn ber ergrimmte 33ater nannte ihn erft, 
al§ fie non ©ieben ach baS Sljat bütauffubren. 

Ser Stbfcbieb War furg, ungemüthticb- Qfabetta warb gur §>ocb* 
Würbigen geführt, bie ifjr erft eine fteine ißrebigt hielt über Sinber» 
Pflicht. ©ie hörte fdjweigenb gu. Sann mußte fie ficb ebenfalls auS» 
giehen unb erhielt als Reibung bie Sutte, gegürtet mit einem ©trief. 
9ttS fie bie Oberin fragenb anfaf}, lächelte biefe unb fagte: 

„!ga, Sinb, baS ift bie gange Sleibung, welche bie giftergienferin 
am Ceibe tragen barf. gür ^Seinen fReifrocf wären alle unfere Sbü* 
ren unb ©änge tiiel gu febmat unb auS Seiner gelte müffte man baS 
33ett entfernen, fonft fönnteft Su nicht einmal ftehen barin." 

„Aber ich befomme boeb ©trumpfe unb ©dfube?" 

„SBo benfft Su hi«/ Sinb. frntte unfer £>eilanb bieS? ©iehe, 
ich/ bie Oberin, trage bloS ©aitbnlen an meinem bloßen 0;uff. ©elf 
je§t in Seine gelte, bete, baff Sir ber §eilanb Sein f)erg erleuchte. 
SRorgen beginnt Sein Stooigiat." 

©ie reichte ihr bie £>anb gum Suffe, worauf Qfabetla in eine 
gelle geführt würbe, möblirt genau wie biejenige, welche einft ülgneS 
Süfer bewohnte. Sie Shränen ftanben nahe, boeb halb fiegte ber 
jugenblicbe Ceirf»tfinn. 

„8ab/' fagte fie gu ficb fetbft, „barfuß tange ich um fo leichter 
unb bie Sutte brüeft boeb uidft wie baS Sorfet." 

©ie trillerte leife ein Siebten unb oerfuchte gu tangen, waS auS» 
gegeiebnet oon ftatten ging. 


i 

I 




Digitized by 



304 Älo|Ur ©Ubftg. 

„Bon dieu,“ ftiifterte fie weiter, „welche ©an§ war tdj, micf) ber 
Reibung wegen ju atteriren, biefeö ^abiüetnent ift ja auSgcdeidjnet 
für eine Bänderin." 

„Mais c’est delicieux,“ rief fie faft taut. „5tcf) wenn mon eher 
5lrtf)ur ntid) fo fefjen lönnte, ich glaube er würbe ganj närrifd) oor 
©ntdücfen. Vraiment c’est delicieux." 

„3BaS treibft Bu ba für StUotria," ertönte e§ plöfeücf) hinter ber 
SCanjenben. ©rfcfjrocfen breite fid) gfabeHa um unb ftanb oor ber 
Catenfdjwefter, bie üjr baS (äffen braute unb bnrdj ba§ Ddjfenauge 
ben Bandübungen dugefdjaut hotte. 

„gft ba§ eine 2luffüf)rung oon einer ^ooije? 2öa§ nteinft Bu, 
&inb, waö Würbe bie fpodpoürbige fagen, wenn id) if)r mittbeiten 
Woüte, waS icf) gef eben? ©ieljft Bu an ber SBanb bie jwei ©eifeetn? 
9flit biefen ba befämeft Bu ohne SßeitereS fetf)3unbbretfetg §)iebe über 
bie ©futtern t)in. Ber ©ürtel bort mit ben bunbert (Spieen ift auch 
ein böcbft unangenehmes Ä'orfet, befonberS Wenn man i^n feft an^iebt." 

„Slber man Wenbet bodj biefe 9Karterinftrumente nicht mehr an, 
liebe grau ©cf)Wefter. gef) taS freilich fehon in Romanen baoon, 
glaubte ober, eS fei bfo£ gefdjrieben, um ben Cefer ein biäcfjen grufetn 
du machen." 

„^eilige ©infalt," taebte bie 8aienfcf)Wefter, „Bu Weifet atfo nicht, 
bafe ber 3lbt oon ©almanSweifer erft oor d^ei gaf)ren eine ftrenge 
ißriorin hierher fanbte, bie BiSdiftin belüftet!en. Bie grauen trugen 
nämlich §>emben, ©trümpfe, ©chulje, lagen in geberbetten, an eine 
©eifeelung badete üftiemanb mehr, ©ofort Warb 2We§ anberS, bie 
ißriorin fab felbft nach, ob oor ben h°h en geften fich gebe gehörig 
fleifete. Unfercr lieben §od)Würbigen gelang e§ d loai V bie ^önn OJeg« 
dubringen, welche meinte, man befinbe fich noch im oierdebnten gaffr* 
bunbert. Bie ©eifeelungen finben nur noch io billigem Sftafee ftatt, 
eigentlich nur dum ©chein, aber £>emben, ©trümpfe, ©chuhe, bie 
Weiten Setten finb wieber Oerfchwunben unb führt fich eine SJioüije 
nicht gut auf, fo finb ©eifeel unb Sufegürtel immer noch ba. ©etf 
Bich unb ife, ich null Bir erdählen, wie e§ ber SlgneS Äüferin ging, 
bie einft hier in biefer gelle lebte unb beren ©eete jefet in ber £>öHe 
fchmachtet." 

®ie erzählte nun ber ©peifenben, wie c» SlgneS als Sioöidc er® 
gongen. Ba§ Stnbenfen an biefetbe hotte fich ® Io f ter er ^ alten / 




•filo^er ©laberg. 


305 


aber nicht baS Slnbenfen an bte geiftreichfte aller Slebtiffinnen bon 
Olsberg, fonbern baSjenige ber einig berbammten Slpoftatin, bte mit 
£)ilfe beS SBöfen fchließlich alle grauen mit SluSnahme non ßweien 
Bewog/ ben ißaft mit bem ,,©ott fei Bei unS" afizufdjließen. 

gfabella frfjauberte Bei ber Scfjilberuttg beffen, WaS StgneS er» 
bulbet hatte, Belächelte ben SReft als richtiges Hinb ihres gafjrhunbertS, 
baS non ber ^Religion nur bie äußere gorrn Bannte. 

SilS fte gefpeiSt, follte fte fich ju ©ette legen, fuchte im ©ett 
ein SRadjtgewanb. 

„Su fudjft umfonft, auch baS hat Bie guliane Wieber aBgefcfjafft. 
Schlüpfe unter bie Seife. Sie Hütte bringe ich Sir morgen früh 
wieber." 

Ser 3ln6licf ber ©eißeln hatte gfabella erfdjrecft. (Sie fdjlüpfte 
in baS ©ett, baS ihr hart wie ein ©rett fdjien, fonnte aber lange 
nicht einfdjlafen, baS ©eljörte ging ihr im Stopfe herum unb BefonberS 
grübelte fie barüBer nach, ioie bie 8aienfcf)Wefter fie hatte fehen fön» 
nen, ba hoch bie Shüre gefchloffen war. Sie Shurmuhr hatte Bereits 
bie zwölfte (Stunbe gefd^lagen, als fie enblich ben <Sdhlaf fanb. 

grüh, ber Sag war faunt angebrochen, fam bie Caienfcfjwefter 
unb weite gfabella. 

©rftaunt fah bie ©rwadjenbe um fich- 

„2tch ©ott," rief fie, „zu was mtd) weien, eS ift hoch gewiß 
noch nicht jehn Uhr?" 

„üRein Hinb," lachte SRaria, „eS ift noch ein ©iertel Bis fünf, 
hier geht man eben frühzeitig ju ©ett, fteht früh auf. SDiach’ jeßt, 
erhebe unb wafcfje Sich, gn einer ©iertelftunbe Ejole idj Sich zur 
grühmeffe." 

gfabetla behnte unb reite fidh noch ein paarmal unb hatte bie 
Befte Cuft, fich wieber auf bie ©eite zu legen, als ihr ©lief auf bie 
©eißetn fiel. 9Rit einem Sprung war fie aus bem ©ette, wufd) fich 
unb zog bie Stritte an. 31 iS fie aber in bem winzigen Spiegel ihre 
gänzlich Z er ftßrte grifur Betrachtete, benn Begreiflich hatte fie auch 
feine SRachthauBe gefunben, ba rief fie ganz entfett: 

„Mon dieu, wie felje ich auS, nein c’est abominable, fo barf ich 
mich hoch en societe nicht fehen laffen. Slber wer macht mir f)i et 
mein Soupet, baS bauert ja eine bolle Stunbe, Bis meine Hammer» 
jungfer bie grifur nur einigermaßen rangirt hat." 

SSorn 3ura sum ©c^warsroalb. IX. 20 


Digitized by 


Google 



306 


filo|ta: GDUberg. 


„SaS geht Ijter Diel fd^neHer," fpracp 9Q?aria, bereu Eintritt Qfa* 
Bella nicht Ijören Eonnte. „8aß nur mich machen, tu gtt?et Minuten 
ift baS Soupet fertig." 

SRafdj Eämntte fie nicht gerabe fanft bie §>aare nad) hinten, manb 
fie gufammen unb Banb ben (Schleier barüBer. 

„So, je^t Eontm’, ^örft Su, eS läutet fchon, morgen muß baS 
fdhneUer gehen. Qm Vabe mafdjen mir Sir baS garftige SDtfeht oont 
SEopf, lehren Sich, baS ftaar in gmei 3&Pfe flechten, aufBinben unb 
ben Schleier barüBer Befeftigen. Söenn eS gur grüljmette läutet, fott 
bie Sftoüige gemafdjen, gelammt fein, ihr SBett gemacht höben." 

„Qa mufe ich bieS felBft thun?" 

„@ang natürlich unb jeben Sag Seine 3eüe mifdjen, am SamS* 
tag ben Voben aufmafdjen. ©laubft Su allenfalls, bie üftobige höbe 
eine ÜJiagb? SlrBeit oerfüßt baS CeBen." 

Qfabeda feufgte, ber Spruch gefiel ihr nicht. Sagegen BemerEte 
fie in ber SEirdje, baß noch gntei Sftobigen ba maren, junge, Blühenbe 
©efidjter, bie ihr freunblid) gulächelten. Sllfo hoch ©efährtinnen. 
SaS Rituale mar ihr geläufig, fte beging Eeinen gefjler unb folgte 
bann ben Slnbern mieber in bie 9?äume, melche für bie Sltoüigen Be* 
ftimmt maren. Sort fanb fte bie Sltoüigenmeifterin, Schmefter 2lna* 
ftafia, eine ältere, ziemlich ntürrifche Spönne. Siefe gab ihr fofort 
einen Slarton, auf ben bie Regeln für bie Sftooigen aufgeElebt maren. 

„Sa," fagte fte, lies laut unb oerftänblid), nachher gebe ich ß e 
Sir in bie 3 e ß e / bamit Su fte auSmenbig lernft." 

QfaBella laS unb fdjauberte. 2öaS bie Caienfchmefter gefügt, mußte 
fie bor ber grühmette oerrichten, fünfmal täglich gur Kirche gehen. 
SHadf bem erften grüljftücE Baben, bann arbeiten, ohne laut fpredjen 
gu bürfen. Singen, jubeln u. f. f. mar ftreng oerboten. Ser £)6erin 
hatte fte Beim ©in* unb SluStritt auS beren 3wtmer ben guß, jeber 
Sftonne bie £janb gu Eüffen. Sem Veidjtoater foHte fie treulich auch 
ben Eleinften gehler Beichten, jebe oon ihm biEtirte Vuße ohne $0iur» 
ren ertragen. Sen Vorgefe^ten mar fie Bfinben ©efjorfatn fchutbig. 
SBollte fie an irgenb Qemanb außerhalb beS Stiftes fchreiben, fo mußte 
fte erft bie Oberin um ©rlaubniß Bitten, ihr ben S3ricf offen gut Ve» 
forgung übergeben, ültur alle Vierteljahre einmal burfte fie Vefudj 
im Spredhgimmer hinter bem ©itter empfangen unb grnar nur in Ve* 
gleitung ber Sftoüigenmeifterin. ©elb burfte fie nicht höben. 9ltt<h 


Digitized by i^ooQle 





filoßer ©Uberg. 


307 


ouf ben geringften gelter folgte förderliche ßücfetigung oon fedjSunb» 
breifeig Bis ouf hunbertbreifeig ©eifeethiebe im Seif ein ber anbern SGoüisen. 

WGein maS mar p machen, ©ie mor tyzx, an ein ©ntrtnnen 
mar nicht p benfen. 

90?an brachte baS grühftüöf, ein gutes ^jaferntueS nebft einer 
©cfeale füfeer 2fttlcf), ftatt ber ©hofolabe mit frifchem Srob, Sutter 
unb fwnig, mie fie eS p $aufe gehabt. Qh rc ©efätjrtinnen lächelten, 
als fie fatjen, mie QfabeGa an bem 2GueS mürgte. 

„3fe nur/' ftüfterte bie (Sine ifer p, „unS ging eS auch fo, in 
p>ei, brei Sagen bift Su eS gemöhnt. SaS SGittag» unb Wbenbeffen 
ift fdjon beffer." 

0lad^ bem grühftücE führte man fte ins Sab. ©ine Caienflhmefter 
Earn feerbei unb mufdj iljr mit Seife ben fßuber aus ben paaren, 
mieS fie an, mie fte bie §aare p Eämmen, in jmei ßöpfe p feesten 
unb auf ben fpütterfopf aufpbinben habe, mop man Ufr einen Snmm 
oon GGefftng gab. 

©eufjenb machte ftcfe bie Wrme an baS 2Berf, baS fte noch nie 
felbft oerriifetet hatte. Sie füllte ftdj bereits namenlos unglücflicfj unb 
befam nid)t übel ^eimmefe. Qnbefe gelang ifer WGeS giemticf» gut. 
Segreifiicf) ^atte fie auch feine Sienerin, um fie abptroinen unb bie 
$anbtüdjer glichen nicfet oon ferne ben feinen Sinnen, beren fte fttfe 
p £>aufe bebiente. WCeS mar fo gemein, pafete für GGägbe, aber 
nicht für ein altabeligeS gräulein. 

WuS bem Sabe ging eS, ftatt p Sette, in ben grofeen, mo^tge= 
pflegten ©arten. WGein ftatt ficfe an bem pradjtüoGen Slumenflor, 
ben buftenben fftofen, ber mürflgen Suft p erfreuen, feufgte Qfabeüa 
laut auf. Sie SBege maren mit feinem ÄieS belegt unb fie glaubte, 
eS fei gar nicht möglich, barfufe auf ben Keinen ©tcinen p gehen. 

©ie fudjte unb fanb eine Sanf, auf melcfee fle fleh fe^en tooOte, als 
bie 9tooi0enmeifterin herbeifam unb fte hört anfufer: 

„SBaS ift baS," rief fte prnig. „©elfen mufet Su, bap barfft 
Su in ben ©arten, ©i^en fannft Su im §aufe mehr als genug." 

„Wber, mürbige gfeau ©chmefter," bat QfabeGa, „eS ift mir um 
möglich, ohne ©(hülfe auf bem t ^ieS p gehen. gemöhnt." 

„Wh, nicht gemöhnt," h^nte bie “Könne. „Su gtaubft mohl, mir 
feien eS bei bem ©intritt in biefeS gottgemeilfte §auS gemöhnt ge» 
mefen? — ©eh’, fchünte Sich, fo oerprtelt p thun. Senfe an unferen 

r 


Digitized by (^■uoQle 



308 


{Hofier ©Uberg. 


£>eilanb, feine gebenebeite äftutter, meldje offne ©tfjuffe unb ©anbalen, 
toeitc ©trecfen auf fteinigen ißfaben in brennenbem ©anbe jurücflegten. 
9^ur ber 2öeg bei Cafter! ift mit Stofen beftreut, ber Sßfab ber ®u= 
qenb aber ift raub, ©teb’ auf unb qebe, ober icb muff ©eine Söiber» 
fe|tirf)feit beftrafen." 

©ne ©^rftne im Sluge gehorchte ^fabetta, allein ihr ©ang mar 
fo lächerlich, baß bie beiben anbern SQtcibdjen ^alBIaut fieberten. Qfa= 
betta marf ihnen jornige ©liefe ju, mal bie ©ine, Caura, oeranlaßte, 
ihr juguflüftern: 

„Stur Söiutl). ©ielj, bal haben mir SlHel auch burchgemacht, el 
ging uni um fein £>aar beffer. Qe|t fdbreiten mir über ben Siel 
mie über ©eppidje unb fdhau, mie bie 3 e h en h^bfef) runb unb ooH* 
Eomnten merbett." 

QfabeHa marf einen ©lief auf ben gujj ber (Sprecherin. ©I mar, 
mie biefe fagte, mährenb ihre eigenen gang oerfrüppelt unb abgeplattet 
maren. ©iefe SBahrnehmung gab ihr ÜDtutf), fie nahm fich jufammen 
unb nach einer ©tunbe hatte bie dual ein ©nbe. freilich bluteten 
bie gehen an oerfdhiebenen ©teilen. 

2lul bem ©arten mürben bie Stooijen in ein große!, belle! ©e- 
madh geführt, Caura unb ^elene festen fich an ben ©tidfrahmen unb 
Qfabefia erhielt eine ähnliche Slrbeit. Saum hatte bie Stooijenmeifterin 
bal ©emach oertaffen, fo flüfterte Caura: 

„®u mußt nicht böfe fein, baß mir lachten. ©I mar auch gar 
§u brollig, mie ®u einhergingeft, gerabe all märe ber ©oben mit 
©iern bebedft gemefen, oon benen ©u feine! hätteft ^erbrechen bürfett." 

,,^a, e! fchmergte auch heiflol, thut mir je^t noch toel)." 

„®u mirft ©ich baran gemöhnen müffen, noch ©iele! fchmer ftn= 
ben, ehe ®u gemeiht mirft." 

„®u glaubft mohl, ich habe im ©inne, Stonne ju merben? Jamais. 
©o bumm bin nicht. SJteinetmegen fagt e! ber SJteifterin, ober nicht." 

„ftäUt un! nicht ein, gfabeUa, unb ©ein ©orfa| freut un! um 
fo mehr, all mir ju bem ©leiden entfchloffen finb. ©a ich bie! nun 
meiß, fo bitte ich ®idf, fei offen, aufrichtig gegen uni, eine ©errätherin 
mürben mir fieffer fo quälen, baß ihr bal £>anbmerf halb oerleiben 
müßte. Spalte feft ju uni, e! mirb ©ein ©(habe nicht fein." 

Qfabelta brüefte ber neuen gfreunbin heftig bie §>anb unb erzählte 
nun offen, marum fte hier fei, morauf ihr bie Stäbchen mittheilten, 


Digitized by Google 



‘filofler ©Uberg. 


309 


wie OaurQ einen unbemittelten Offizier, $etene einen Bürgerlichen Ve* 
amten liebe, bie ©ttern aBer tiefe Verbinbungen nicht zugeben wollen. 
Caura fuhr fort: 

/r £)ier ift eS gar nicht fo übel, mie eS Sir je£t noch fcheint. 
Sie Stebtiffin ift eine feelengute grau, bie gar nicht wünfdjt, bah 
junge Stäbchen hier Tonnen merben. ßm ©e.gentheil, ihr SJtöglichfteS 
thut, um einen ßwattg ju oerhinbern. ßd) Bin fchon öiel länger hier, 
al§ gewöhnlich 9tooijen 6lei6en ohne geweiht §u werben, allein fie 
behauptet ben (Sltern gegenüber, ich fei noch Weit entfernt oon ben 
©eftnnungen, bie eine geweihte JJtonne hoben tnüffe. ^<h ^Weifte gar 
nicht, fie fennt meine Siebe, unb witt mich nicht unglücflich machen. 
SltterbingS, ben OrbenSregeln müffen Wir unS unterziehen, in tiefer 
$inficht ift bie Sftooizenmeifterin ftrenge, fonft aber tro§ ihrem mürri* 
fchen SluSfehen gar nicht boshaft. (Sie läfjt unS oft ©tunten lang 
attein. SaS (äffen ift ausgezeichnet unb was will baS heifeen, Barfuß 
gehen? ßd) thue eS je§t lieber als mit ben bumnten @d)uhen auf 
ben hohen Slbfä^en zu riSfiren, ein Vein zu Brechen. 

£)öre, ßfabetta, ich glaube, Su Bift terfdjwiegen, zumal eS in 
Seinem eigenen Qu t er eff e liegt, zu unS zu halten unb beS^alb wol* 
len wir offen gegen Sich fein. Vift Su erft äßitfdjulbige, fo fjaft Su 
oon bem Verrat!) ebenfooiel zu fürchten, als wir. @S gibt feine 
9J?auer, über bie man nicht fteigen fann, unb zu jebem ©c£»toß macht 
man einen @cf)lüffel. Sftun gibt eS aber faft überall Seute, bie bem 
©tanze beS ©olbeS nicht wiberftehen fönnen unb für baSfelbe SltteS 
thun, was nicht gerate ein Verbrechen ift, ja fogar biefeS. Sludj h' er 
im Älofter lebt eine folche ©eele, bie gerne armen Siebenten hilft, 
wenn ihre £)ilfe mit ©otb aufgewogen wirb. Siefe hilfreiche ßee heifet 
2)?aria unb ift bie Saienfdjwefter, bie unS wecft, auch hie unb ba be» 
hilflich ift. ßcfj uterfte redjt halb, bah fie bie Sufaten mehr liebt als 
£upferfreuzer, lieh ein paar golbene Vögel fliegen unb acht Sage ba= 
rauf fonnte ich weinen iRubolf fehen." 

„Sich baS ift SltteS recht unb fdjön," feufzte Qfabetta, „aber ich 
habe feinen Kreuzer, gefchweige einen Sufaten. Sttein ©elb befinbet 
ftch in ber Safdje meines fltodfeS, ben man mir wegnahm. Qdj fonnte 
hoch bie Vörfe nicht heraitsnehmen, behalten.'( 

„©ewih nicht, ßfabetta," lachte Saura, „benn hier fottft Su fein 
©elb haben, ßcfj War in tiefer Vezicfjung glüdflicher. ©ine Ver»- 


Digitized by 


Google 



310 


füsftt OUterf. 


manbte oon mir ift ÜJionne im 3ifterzienfer*Stift §u ©nabendjal. 
befugte fie mehrmals unb noch furz beoor man mid) tyevfyex braute. 
93on ©äcilie mußte idj, mie eS bei ber ©inHeibung ber 3Jooije tn bat 
3ifterjienferRöftern zugebt; baber Keß idj mir oor ber SUtreife burdj 
meine Kammerfrau mein Xafcbengelb, je^n Ühifaten, in bem Toupet 
oerftecfen unb braute fte glüctltc^ in meine gelte." 

„5a hätte xd) nur audj fo oiel." 

„5fabeüa, 5 reun bmnen Reifen einanber. 54 lieb fträtet ber £>e= 
lene unb bin gerne bereit auch ®ir ju geben. Söenn mir zur Kirche 
geben, gebe id) $>ir bie fjanb, in ber ftdj jmei ®ufaten befinben mer* 
ben. 35iefe läffeft 35u oben in bie Kutte gleiten. Uebermorgen jiecfft 
35u fie in bie 3&pf c / bitteft 9Rarta, ®ir beim Kämmen behilflich ju 
fein. 35a3 ©olb rollt beraub. 35u fagft ibr, fie fotle e§ bemalten, 
ba 25u hier fein ©elb braudjeft. $)a3 Slnbere gibt ftdj bann oon felbft. 
Slber gib’ genau Siebt, ob SJtemanb bureb ba§ Ocbfenauge gueft, menn 
$>u baS ©olb auS bei: Kutte nimmft unb oerfteefft." 

„5a, maS ift baS, baS Odjfenauge?" 

„Söeifjt £)u bte§ nicht?" 

„Stein." 

„Sieb bort in ber £büre baS Heine runbe Codj mit bem minjU 
gen 5 en f ter 4ea- ®urch biefeS beobachtet man £}trf), mehr als ®u 
abnft. ©eben börft ®u Stiemanb, ba SftteS barfuß läuft." 

®er ©intritt ber SDteifterin unterbrach bie Unterhaltung, bie felbft* 
oerftänbtidj nur leife geführt mürbe. SDtan beefte ben £tfcf). öaura 
betete bor, £jelene nach ber 9J?a£)lgeit. ®as ©ffen mar febr gut. 
5ebe befam einen großen 93ecf)er ooU Stotbmein. S^ach ber SDtittagS* 
meffe erging man fid) mieber im ©arten. 

9tadj bem Spaziergang mürbe mieber gearbeitet, ba aber bie 
ÜJMftertn fich nie entfernte, brebte fich baS fjatßteife ©efprädj um ganz 
gemöbnliche ©egenftänbe. Um fedjS Uhr mar SlnbadjtSübung. Um 
fieben mürbe gefpeiSt unb um halb neun lag SlHeS im SBett. 

SltleS oerlief genau mie Caura eS oorbergefagt, am jmeiten SDtor* 
gen fomtte 5fabeHa ihrer greunbin juflüftern: „StlleS in Örbnung". — 
35ie Caienfdjmefter batte ihr oerfprodjen, Slrtbur oon ihrem Stufenthaft in 
Kenntnifj ju fefcen. Sie, fühlte, eS ^ittg nur oon Strthur ab, fte ju feben. 

■Utit täglich machfenber Ungebulb fab fie irgenb einer Stadjridjt 
.entgegen, allein eS fchmanb ein Sag nach bem anbern, eS fam nichts, 



Digitized by t^ooQle 




filoßtr ©ißbtrg. 


311 


fo oft fie SDtaria fah, machte biefe ein oerneinenbeS ßeid^en. 2BaS 
fotlte fte benfen? §atte Slrtljur fie fcfjon bergeffen? £>atte er nicht 
ben SJtuth, ethmS p magen, um fte p f elfen, if)re Rettung p be» 
merffteHigen? £jatte ber SSater SRecbt, menn er behauptete, and) bet 
nobeffte Plebejer gleiche nicht oon ferne bem ritterlichen STbeligeit ? 
SÖtit biefen fragen marterte fte ftd) fefbft berart, baf} fie anfing, ben 
Slppetit p oerlieren, blaff p merben nnb fo jerftrcut, bah bie SJteifterin 
fte mehrmals tabette, toegen Stacblafftgfeit in ber SluSfüljrung ihrer 
Arbeiten, ihr enbtich mit gtichtigung brohte. ®ieS brachte fte p fic£> 
felbft. ©ie nahm ftch pfamnten, fafste ben feften ©ntfdfluh, Arthur 

p oergeffen unb nach Ablauf beS S^oöigiateS-bem SDberften 

bie £>anb p reichen, ©inmal barin feft, blühte fie mieber auf unb 
gemann einen Sheit ihres gfrohfinnS mieber. ®er 3 0rn über ben 
Ungetreuen hoff fein Stngebenfen p berblaffen. 

ßmei bolle SOtonben maren fo oerfloffen, als ihr SOtaria an einem 
borgen praunte: 

„§eute Stacht im ©arten, ©t mar auf einer Steife, fonnte nicht 
früher tommen." 

Stur mit SOtülje üermochte Qfabetta einen lauten greubenfchrei 
p unterbrücfen. 2Bo maren nun 3 orn unb gefaxte ©ntfdflüffe? — 
(Spurlos oerfchmunben! — Qh re SSSonne mar fo groff, baff Caura ihr 
in ber SlrbeitSftube pflüftern muhte: 

„Stimm £)ich pfamnten, fonft tnuh bie SOteifterin 93erbatht fcfföpfen." 

Qnbeff ging ber 3eiger ber Uhr feinen regelntähigen ©cmg. QebeS» 
mal nach fcc^Sgig SOtinuten hob fich ber Jammer unb fchlug bie 3<*hi 
ber abgelaufenen ©tunbe, enblich auch bie achte beS StachmittagS. 
QfabeKa eilte in ihre 3etle. Slber nun erft begann bie mahre'Oual. 
„Sfomrnt er auch?" ,/$at ihn nichts oerhinbert?" u. f. f. £>aS maren 
fragen, bie ftd) mit jeber SOtinute bis p fieberhafter Slufregung ftei* 
gerten. ©S fchlug neun, bann jehn. ®er falte ©dfmeih ftanb auf 
ber ©tirne. ^efct fchlug eS elf. ,,©r fommt nicht," flüfterte fte, „ich 
habe mich umfonft gefreut. ©S foH nicht fein, mir merben unS nie 
angehören, ©in unenblidjeS 2öeh erfahte ihre ©eele, fie legte fich 3 U 
95ett, aller SQtuth h atte fte oerlaffen. £jätte fte nur meinen fönnen, 
allein baS ^erj mar p bod, feine $hräne moKte baS brennenbe 
Sluge befeuchten. Qefjt mar eS SÖtitternacht unb faum hotte ber le£te 
©dhlag auSgeftungen, fo ftanb eine ©eftalt üor ihrem SBette. 


Digitized by 


Google 



312 filofitr <M«brrg. 


„itomm," flüfterte ber graue ©Ratten. ,,©r »artet, aber um 
©otteSmiden feinen Gaut." 

©o fcfened mar $fafeeda nocfe nie aufgeftanben, fearte bie Shitte 
übergemorfen, ©ürtelftricf unb ©c^Ieier liefe fte liegen. SDtaria fafete 
iljre £anb uno führte fte feinafe in ben ©arten. GautloS, ©eiftgrn 
glcid) feufdjten fie burcfe bie ©finge, jur Sfeüre feinauS inS greie. 

I>ie 9tad)t mar fternenfeett, Millionen funfeiten am molfenlofen 
Fimmel. 9tur f)ic unb ba erleuchtete ein greller ©(feein ben füblidjen 
.fmrijont, ber Söiberfcfeein ber Vlt^e eines ©emitterS, baS jenfeitS beS 
3;ura tobte, $eierlicfee ©tiHe feerrfdfete ringsum, nur unterbrochen non ber 
Stadjtigad, bie im ©ebüfcfe längs bem Violenfeadj ifer GiebeSlieb flötete. 

Von 91U’ bem fafe unb feörte Qfafeeda nicfetS, fte flog ben SfieS* 
meg entlang, füfelte bie ©teincfeen nicfet. 

$n bem Gaubgattg längs ber feofeen ©artenmauer ftanb ülrtfeur 
ptöfolicfe oor ifer, unb nun berietfeen bie ©eliebten bie g-lucfet, ba an 
eitte ©inmidiguttg beS VaterS nie unb nimmer ju benfen mar. 

$fabeda batte ben romantifdfeen ©ntfcfelufe gefafet, nacfe SGien ju 
gefeen, bem Sfaifer gu güfeett ju faden, ifem 9ldeS ju geftefeen unb 
feine Vermittlung ju erflefeen. Strtfeur füllte fte begleiten. ®tefer 
fonnte ifercnt ftfelagenbett ©ruttbe nicfet langer miberftefeen, mar jebocfe 
faltbliitiger als bie ©eliebte. ©r feotte fcfeon mit feinem Vater bar* 
über gefprocfeen, ber ifen einen Starren nannte, melcfeer um ber ©cfeön* 
beit millen eine 9lbclige feeiratfeen mode, ber er baS $ocfe§eitSfleib fau* 
fen müffe. £rofebem bidigte er, in 9lnbetra«fet ber Umftfinbe, Qfa* 
bedettS ^felan unb tfeat fein VefteS, um ben SSBunfdfe ber jungen Geute 
in ©rfüdung ju bringen. ©r featte felbft ben Sßafe für ^fabeda 6e* 
forgt, ber jmar auf ben Stamen feiner Socfeter grteberife lautete, je* 
boefe fo äiemlict) für bie jnfünftige ©djmiegcrtocfeter pafete. 

£>ie ©ittfüferung fanb ofenc irgettb melcfeeS ^inbernife ftatt. ©ine 
lange ©triefieiter ermöglicfete bie lleberfteigung ber ©artenmauer, 
©inmal braufeen, eilten Veibe, .'panb in £>onb, bem Violenbadfe na<fe 
gegen ©iebenaefe feinunter. X'ovt fearrte iferer ein für jene ßeit fee* 
quemer Steifemagen, in beffen innerem bie Stooije fufe in eine SBett* 
bame oermanbelte. Oanti ging eS meiter, oon ©ödingen ab mit ©ytra* 
poft ber Slaifen'tabt ju. 

^ ©rofe mar ber Gfirnt ju Olsberg, als man ^fafeeda am SDtorgen 
Qfetfte unb bie 3 e de leer fanb. ©S fanb eine peinlidfee Unterfudfeung 



Digitized by 


Google 





‘filoHer ©labert*. 


31a 


ftatt, bie ober gu Eeinem Stefuftate führte. £>ie StricEleiter geigte 
atlerbingS beit SSBeg, auf welchem bte 21 usr elfter in entEommen, allein 
wer fic herübergeworfen, blieb für baS SHofterperfonal ein Stäthfel, 
nur bie ^ocftwürbige erriet!) ben ©ntführer. Um aber jeben unttüften 
öärnt gu öerljüten, ber ja bent (Stift nur fdjaben Eonnte, befahl fte 
ein allgemeine^ Sdjweigen über bie Sacfte. 

XIV. 

3>ie itufbcbuug b« «Alofters. 

Bier Söoc^ett fester lag BiEtoria tum Scf)önau in ber Eüf)len 
©ruft, mit il)r fdjloft ftcfj bie lange Steife ber 2lebtiffinnen non £>IS* 
berg. Äaum war fie beftattet, fo erfcftienen Eaiferlidje Äommiffäre ün 
Stifte, baSfelbe als ungeitgemöft aufguheben (1788). Qm tarnen beS 
hocfthergigen SEaiferS Qofef II. erlaubten bie SEommiff arten fämmtlichen 
Tonnen, auS bem JElofter unb Drben gu treten. 3)ie jüngeren Ijei» 
rat^eten, nur brei blieben gurücE, um als Borfteljerinnen beS Qräuleim 
ftifteS gu Walten, in welches baSQiftergienferElofter umgewanbelt Würbe. 

Qefct Eeljrte Cuft unb Qreube in bie Staunte ein, in benen ficft 
früher fo SWancfte abgehärmt fjatte. Qm ftiHen S^ale hörte man ben 
©efang ber jugenblidjen Bewohnerinnen, bie jebergeit auStreten, ficft 
öerehelidjen burften. Qn Begleitung einer 2lffiftentin befugten bie 
abeligen Pächter bie Balle gu Stljeinfelben unb Bafel, unfdjwer er* 
hielten fie bie ©rlaubnift, eine 9Ead)t aufter bem Stift gugubringen, 
burften nach ©infjolung ber ©inwiUigung burd) bie SEreiSregierung 
längere Qeit bei Berwanbten ober Qreunbinnen gubringen. SticfttS 
erinnerte an baS Älofter als bie Reibung ber Stiftsfräulein. ®iefe 
War fcftwarg, rechts trugen fie baS Bilb beS heiligen Ceopolb, linES 
ben StamenSgug beS SEaiferS. täglich hörten fte eine SDieffe unb be¬ 
teten ein de profundis für bie Berftorbenen im Qegefeuer. Sonft 
waren fie frei, fftagierten in ber Stälje beS SElofterS, mufigirten unb 
befcftäftigten fith nach ©utfinben. ©eiftel unb Buftgürtel waren Der* 
fdjwunben. 

©in Qahr nad) QfabeKa’S Qlud)t begrub man ihren Bater, ben 
Seiten feines altabefigen ©efchledjteS. 2laron erftanb baS ©ut, baS 
unter ben Jammer Eam. SEurg barauf fah ntan in bem ©arten beS- 
felben eine ®ame fpagieren. Sie trug ein SEteib bon fchwargem Seibenftoff 
mit 2lertneltj, bie ben Borberarm unüerhüHt lieften. ®ie ©eftalt fchloft 


Digitized by i^ooQle 



314 ‘filoßtr 0Uberg. 


feft an ben Ceiß, war feljr lang, an btefe fcßloß ftd) ber eigentliche 
Rocf, nicht gerabe allp toeit, aber hinten weit IjerauSftehenb. OiefeS 
Urbilb ber famofen Sournüre nnferer jüngft t)ergangenen geit Bilbete 
eine Slrt UeBerttmrf über baS eigentliche Sleib, baS öott ber ©eftalt 
abwärts, bie Rücffeite ber $>ame bis pm Rocfranbe hinab fdjüfcte, 
bie gepuberten £>aare fielen in fünftlidjen Cocfen auf bie (Schultern 
nieber unb auf bem Raupte thronte ein reichgarnirter, platter §ut in 
ber SBeife, baß er oon ber ©time faft fenfrecijt in bie £jöße fticfl- 
Qn ber Siebten hielt fte einen langen Spaprftocf, in ber Cinten ben 
aufgefpannten gäcfjet. Sorn war bie Sruft bis pr SJHtte beS Su* 
fenS bloß, um ben §alS trug fte ein fchwarjeS Seibenbanb, mit fünft* 
lieber Schleife. Sieben ihr ging ein junger £>err in feinem fchwar$em 
Suchrocf, ber bis p ben Sfnieen reichte, bie Seinfleiber oon feßwarjem 
Sammet reichten bis unter bie Shtiee, oon wo ab bis p ben Schnallen* 
fdjußen weiße Seibenftrümpfe baS fräftige Sein befleibeten. ®ie weiße 
Söefte, mit ©otbtreffen eingefaßt, reichte bis auf bie äWitte ber Sehen* 
fei unb ließ oben bie Weiße §alSbinbe, ben feingeftieften Qabot fefjen. 
SaS gepuberte £jaar bitbete p beiben Seiten beS Kopfes Cocfen, 
einem liegenben ©ßlinber ähnlich, h* nten baumelte ber obligate $opf 
ber Roffofojeit mit fchwarger Schleife. ®en weißgarnirten £)rei[piß 
trug er in ber Cinfen. 

©tWaS ßiuter ben Seiben trug eine bralle Sdjwarp)älberin ein 
hübfcheS Jödjtercßen oon etwa neun SWonben. 

®aS war nun QfabeHa uon jefct ©emahlin beS §errn Sir* 
tßur galt, Seft^er beS Rittergutes oon gf. nebft bem Sßfanb ihrer 
beiberfeitigen treuen Ciebe. 

Qtfabella hatte ißren Sßlan auSgefüßrt. Geicßt erhielt fie Slubien-j 
bei bem Eaiierticßen SRenfcßenfreunb, warf fteß ißm p grüßen, geftanb 
SlUeS unb Bat ißn um ^pilfe. Qofef II., ber fätnmtlicße grauenflöfter 
in feinem Reiche aufßob unb bie gaßl ber OrbenSleute oon 63,000 
auf 27,000 ßerabbrücfte, gab fofort Sefeßl, auch Olsberg p fäfulari* 
firen, in ein gfräuleinftift umpwanbeln, wie wir eS oben befdjrieben 
haben. ®en Beiben Ciebenben gab er bie fchriftlicße SewiÜigung, 
ißren Sunb bureß bie Stircße fanftioniren p laffen, wünfeßte aber, fie 
möchten ferne oon £>aufe bleiben, bis er ben Sater gjfabella’S oer* 
fößnlicßer geftimmt haben werbe. £>er £ob fant ißm poor. ®aS 
junge ©ßepaar naßm feinen Slufentßalt in SRailanb, wo SlrtßurS Sa* 



Digitized by Google 




■ßloßer ©Ißbfrg. 


315 


ter eine 0-itiute feines großen ©efcßäfteS Befaß unb festen erft Beim, 
als ber 93ater fdjrieB, ber abelöftolgc, arme §crr fei geftorben, er t)aBe 
burd) 2laron baS ^Rittergut erworben. 

©ner ©ntfüBrung öerbanfte DlSBerg feinen Urfprung, eine ©nt» 
fii^rung BefcBleunigte bie SlufBeBung. SlHein wie oerfdjieben waren 
bodj bie Beiben ©reigniffe. £>ort bie reine Qungfrau, bie ftcß o^ne 
Qurdjt bem Eiiljnen, tro^igen Krieger anoertraut , ÜRotB unb ©efaljr 
mit i§m tfieitt, Bier bie SSerlieBten beS fittenfofeften aller QaBrBun* 
berte, feit man in ©ermanien nad) S^rifti ©eBurt jöBIte. $Run, eS 
lagen audj adüBunbert QaBre gwifd)en Seiben. 

XV. 

3>i« neue «3eit. 

Qnbeß fottte Olsberg nod) feine SRutje finben. »Die ©türme ber 
fran§öfifd)e'n iReöolution Brausten Beran, oerurfacBten ein ©BaoS, ous 
bem neue Staaten emporftiegen. Defterreid) Büßte ad’ feine Sefifcungen 
am fRBeine ein. ßaufenburg, 9fJ^etnfelben, baS QridtBal würben 
fdjweijerifdj. $)er Siolenbad), früher eine ©renje jwifdjen OefterreidB 
unb ber fdjweijerifdjen ©ibgenoffenfdjaft, Bitbete je§t bie ©djeibe äwifdjett 
95afel unb bem neuen Danton 2 largau, beffen ^Regierung fid) Beeilte, 
baS abelige fjräuleinftift aufjuBeben. ®ie 9leBtifftn QofepBa oon Qorhn» 
tBal, bie Slffiftentin unb eine Qrau don SReinadB, fowie bie bienenben 
©djweftern würben penfionirt. ®ie ©rfte ftarB 1813 $u Qricf. SluS 
bem ©tift würbe ein £ö<Bterinftitut, in welcBem üier weltlicBe CeBrer* 
innen wirften. 1830 würbe auch biefeS Qnftitut aufgeBoBen, ber ©rtrag 
ber ©üter bem fantonalen ©djulfofib -jugewiefen. 33iS 1846 ftanben 
bie Älofterräume öbe. ®ann 50 g neues ÖeBen ein, eine Stofterfdjule 
im ©inne unb ©eift ißeftalo^i’S. 2lm Bunbertften ©eburtStage biefeS 
BocBBerjigen, einzig bafteBenben SHnberfreunbeS würbe im Sdofter eine 
©rjieBungSftalt für arme, oerwaBrloSte Knaben errichtet. Qm ©eifte 
ißaftalojji’S werben fünfzig Bis fecBSjig Knaben mit all’ ben Söaffen 
auSgerüftet, mittelft beren fie auf gefeljlicBem 2öege ben Stampf um 
baS ®afein Eämpfen fönnen. 




Digitized by 



316 


4Fraitf Ängufi Ätodtfr. 


Iran; !»gti(t Stoditr, 

ber 93egrünber unb Herausgeber biefer ßeitfdfrift, ift am 19. ©E* 
tober unerwartet rafct) im feinem 60. CebenSja^re üorn ÜTobe ge* 
mä£)t Worben. 

91m 1. Stooember jäf)tte eS ficf), baff er eine tüffne galfrt 
auf bem Cuftfcffiff über bie Safelftabt fjinauS, oom ©dfywarjwalb 
jum Qura, getljan Ijat, bie er uns im nötigen ^a^rgang (©eite 
277—288) mit fettener grifdje unb 9lnmut fdjilberte. ©a ftefjt 
aucf) ju tefen: „2Bir gieren wie auf geheimen 23afjnen immer 
Weiter. ©a ift ber griebfjof, baS „Slannenfelb". 9J?orgen ift 
9löerfeelentag. ©a liegen fie 9ltle in Steil) unb ©lieb, Wie fie auf 
©rbeit geftanben, gefämpft, gelitten, als fie nocf) baS 8ic()t beS 
CebenS gefcffaut! ©in 3 fl uber ber SBeljmut rufft auf unfern grieb* 
fjöfeit. ©ort liegt aud) meine Ciebe unb mein ©lücf begraben!" 

-Unb in bemfelben Hefte (©eite 311—318) riefet feinem 

greutibe, bem am 15. ©ejember 1891 geftorbenen ©icfterpfarrer 
griebrid) ©fer jum 9lbfc()ieb für’S ©rbenleben nacf): „@o ift 
er nun balfingegangen, in jene frönen, poefieooden Canbe, 
Wo ewiger gfrüfjting tjerrfd)t, Wo bie fßrofa beS CebenS nidjt 
ffinloinmt mit ifjrer ©ual. ©er fdfyweijerifdje ®id)tertreiS littet 
fid)-Cebewoljl, grtebrid^, grüffe mir bie greunbe!'' 

Qefjt grüßen fie iljn im ©aale feliger UnenblidjEeit, unb 
Wir fagen iljm £)ier banlbaren ©djeibegrujf. ©aff eS fo rafd) 
gef offenen muffte, ift unfer Ceib. ©S ift in ber SBafelftabt unb 
Weit umf)er im ©djweijerlanbe befunbet worben, wofjin immer 
fein männertreueS SÖort gebrungen ift, fei eS im ftrengen Qocf) 
beS ^ournaliften=S3erufeS, fei eS im Ifolben ©ienft ber fßoefie. 


Digitized by t^ooQle 




^ron; Augufi Sttoxher. 


317 


Qrang Sluguft ©tocfer mürbe geboren in Qricf, SEanton 
2targau, am 21. SDiiirg 1833 als ©of)n beS bortigen StblermirtfjeS 
unb ^ßoftfjalterS. Qm mufterfjaft geführten. Behäbigen ($(tern= 
Ijaufe, mo altöfterreic^ifcfje ©emütljlidjfeit unb fcfymeigerifdjet 
©ieberfinn batjeim mären, genofj er eine fröt)tid)e Qugenb, aber 
auch ernfte (Srgiefjung gu fünftiger Südjtigfeit. 2t ud) er fjatte, 
mie ©ötlje unb niete ber ©eften, „Dom ©ater tjev mofjl bie ©ta» 
tur, beS CebenS ftrengeS Queren, tiotn Sttütterdjen bie Qrofjnatur, 
bie Guft am Qabutiren." üttod) nid^t ben QünglingSjatjren ent» 
madjfen, aber in Stfjeinfetben auf ber ©egirfSfdjute, in Starau 
gm ei Qatjre auf ber SfantonSfdjuIe unb in ber metfcfjen ©djmeig ge» 
nügenb gerüftet, manbte ficf) ©tocfer gielbehmfster litterarifdjer 
Arbeit gu, baüon uns fdjon auS jener Qeit rnand) eine unüer» 
metfte ©turne ermatten blieb, ßiet mar it)tn, um’S bünbig gu 
fagen, bie SBafjrljaftigfeit in ©efinnung, ©eobadjtung unb 
£>arfteltung. Qtjr banfeit mir feine ferngefunben unb treu» 
tjergigen ©djitberungen unb (£rgäf)lungen in ben neun Qafjr» 
gangen biefer geitfcfjrift für ©efd)id)te unb ©age, für Canb unb 
Geute, bie, oljne gemalte Slltert^ümetei, burd) Enappe ©pradje unb 
Etarc ©itblidjfeit oft an gute attbeutfrfje |jotgfdjnitte erinnern; 
fie meljt unb mirft aucf) in feiner gangen übrigen, namenttidj 
journatiftif<f>en SEjätigfeit, gcfräftigt unb geabett burd) ben £)erg» 
fdjlag feiner bis gum Sobe jungfrifd)en patriotifdjen ©egeifterung. 

®iefer ©Eigge ift’S unmöglich, ein gefdjidjtticfi treues ©tja» 
rafterbilb beS ©erftärten gu geirfjnen. £)aS erforberte bie ®ar» 
ftettung unb ©ntmicflung feiner Einlagen unb tröffe burd) bie 
Anregung unb im Kampfe beS ©djidfatS. Qn Umriffen nur fott 
ber meitere GebenSgang angebeutet merben. ©orfyer aber fei ber 
gange ibeale äJiann burd) ein Äernmort djaraEterifirt, baS er 
feinem eben in britter unb oermeljrter Sluftage erfdjienenen Sßerfe: 


Digitized by 


Google 








318 


/ran; äugnß Stator. 


„OaS BolfStljeater in ber ©chmeij" (Starau, £j. 9?. ©auerlänber 
unb So.) afg ©eleite mitgegeben §at. 

„Oie ©djaubüf)ne §at oor aßen BilbungSanftalten ben Bor» 
$ug ber Unmittelbarfeit für fid), ber namentlich für meniger 
©ebilbete nie f^d) genug angefchlagen merben fann. ©ie hält 
bent aWenfdjen einen ©pieget feines eignen OreibenS bor, fie marnt, 
ftraft, tröftet if)n, fte belohnt ben SDtenfdjen unb gibt ihm mieber 
Hoffnung. OiefeS StßeS h at für ben 9Kenfdjen mehr SBerth, als 
bloße ©ebote unb Berbote, leere Oröftmtgen unb Berfpredjungen. 

„Slud) bie religiöfe ©eite beS SQtenfdjen wirb öfters im Oheater 
berührt. SQtan fann felbft im S^^eater ftd) erbauen, ©ine fotdje 
Behauptung fönnte Manchem gottlos erfehernen, aber ber Ort,, 
an meld)em ber ßJtenfdj fich in baS ©efühl ber Slnbadjt oerfenft, 
ift gemiß gleichgültig, baS ©efühl felbft ift überaß baS gleiche. 

Oer Oheaterbefuch ift fomit ein fittlicheS Vergnügen, er er» 
hebt bie befferen ©efüljle unb hilft gur Unterbrücfung ber fchlimmen 
Steigungen, mit einem SBorte, er oerebelt ben SDtenfchen." 

Stad) einer ©rinnerung an bie fulturgefchidjtliche Bebeutung 
beS OheaterS im alten ©riedjenlanb fchtießt er: „©tmaS SlehnlidjeS 
fann auch bie ©egenmart unter oerünberten Berljöltniffen her» 
oorbringen, fo feljr auch bie oorherrfchenbe Südjtung berfelben 
eine, tote man fagt, materialiftifche unb inbuftrialiftifd^e fein mag. 
Stie mehr, als grabe in fo materialiftifdjen 3 e iten, mie bie ge» 
genmürtigen eS ftnb, bebarf bie Shmft, bie 2öiffenfd)aft einer 
unauSgefefjten pflege. Oie pflege beS $bealS ift ein ©egen» 
gemicht beS aßeS ©eiftige erbrüefenben SDtaterialiSmuS. OiefeS 
©egengemicht frnben mir in ber Sluffrifdjung unb neuen ©rfjebung 
beS BolfSgeifteS burch Borführung feiner ganzen Bergangenheit, 
©chilberung feiner ©egenmart unb Beranfchaulichung feiner 3u* 
funft." 


Digitized by 


Google 



«tfranj Angnft ÄtoAer. 


319 


©toder felbft hat einige Sßolföfdjaufptete getrieben unb bie 
bereit 35 Vänbe umfaffenbe „Vtbliotfjef uaterlänbifcber ©djau* 
f^jiete" herausgegeben, ein Unternehmen, baS in bie erfte $cit 
feiner ©elbftänbigfeit fiel, aber fo menig feinen ÜRann nähren 
fonnte, baß er bas in grid Betriebene Vudjbrudereigefcbäft auf» 
jugeben genöthigt mar. SlnfangS ber ©ecf)$igerjahre übernahm 
er baher in Starau bie Nebaftion beS „©chmeijerboten", ben 
Heinrich 3f(^ofte 1804 als „aufrichtigen unb mof|lerfahrenen 
©chmeijerboten" in’S 8eben gerufen halte* ©toder hat ihn im 
(Seifte feines großen Vorgängers geleitet unb bnrch ihn nach bem 
SRaße feiner Straft fruchtbares Söiffen in breite ©(hinten beS VolfeS 
getragen, um eS ju innerer ^rei^eit erziehen ju helfen* 

Qahre 1871 mürbe er oon ben bamaligen Vefifjern ber „VaSler 
Nachrichten", ben Herren gehntner unb Neinifdj, als SDfitarbeiter 
berufen, im SNärj 1872 ermarb er mit feinen greunben, bem 
im gebruar 1886 oerftorbenen Dr. (Sottfrieb 2ßacfernagel, bem 
jefcigen VunbeSrath ©mil greß unb bem VerlagShänbler Venno 
©chmabe, baS ©igenthum ber ßeitung unb blieb ihr auch als 
Nebaftor treu, als fte 1884 in ben 2111einbefi| Dr. SöadernagelS 
übergegangen mar. Die ^Jolitif befpradj er nur nothgebrungen, 
unauSgefe|t aber oaterlänbifcheS VolfSthunt. DaS gab ihm 
©toff ju raftlofer Arbeit, bie ihm, einem gelben ber Arbeit, 
berart anmuchS, baß er ihr oor neun fahren in unferer Guar« 
talsfcßrift „Vom ^,ura unb ©chmarjmalb" ein neues Slbfaßgebiet 
erfcßloß. Die Cefer tennen, mürbigen unb banfen bem treuen 
Nianne biefe Arbeit, ©ein fyorfcher» unb ©ammeieifer that ftch 
aber auch bamit nicht genug. Unabläffig bereicherte er bie 
icbroei^erifche (SefcßichtSliteratur mit neuen (Saben jum Dheil 
oon bauernbem Serth- fpter feien nur genannt feine „VaSler 


Digitized by 


Google 










Digitized by t^ooQle 



Digitized by t^ooQle 



Stanford University Libraries 
Stanford, California