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Full text of "Von Luther bis Lessing. Sprachgeschichtliche aufsätze"

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m 



10on tntfitv Bis X^fftnö. 



r^ / ' ;' 



10ott Xutl^^r Bis X^ffittö* 



$)irad|9efd|td|tHd|e HuffS^e 



Don 



(^riebrt^ tluge* 



Sttiette burfi^gefeliene ^(uflage. 



]Kit einem lfirtd|eti. 



-^•♦«- 



Stragburg 

SJcrlog t)on ßorl 3t. Srübner 

1888. 



^55. Otto'« ^of»»uc6bru(fcrei in fJarmftaM. 



I 



9tub* |)iIbcBranb unb gricbn 3^^^^^ 



al§ 3eid&cn bcs S)an!c§ 



für tii^Ifatigt Snrtßunß un6 Bth^runß. 



10ortDOPt 



S)a6 iä) f)kxmxt einem größeren ^^ublifum einige ^pxaä)Qt^ä)\ä)tliä}t 
Sluffäfee öorlege, toeld^e gufammenfaffen tootten, toag fjod^leute öor unb feit 
3af. @rimm über ein paar ^Probleme ermittelt l^aben, bebarf feiner naiveren 
S3egrünbung» S)a8 (ebenbtge Sntereffe für ft)radögefd^idötnd^e 'StaQtn, 
toeld^eg id) in großen Greifen unferer @ebi(beten toal^rnel^me, l&ot mid^ 
ermutigt ben fjreunben beutfd^er <Bpxa^t abermals gu bienen. 

S)a8 erftarfte S^lationalitätggefül^I toeift unS immer öon neuem 
toieber auf unfere ^pxacl^t l&in. S)a8 ßutl&eriubiläum , bog gtoeite ©en* 
tenarium ber erften UniöerfitätSöorlefung in beutfd^er ©prad^e, bie beöor* 
ftel^enbe fjeier öon §uttcn8 ©eburtötag, bie f|)rad^fd^ö|)ferifdöe ©etoalt 
unfereS Steid^Sfanglerg öergegentoörtigen unS gerabe in biefen Salären, toaS 
toir unb unfere <Bpxad)t ben §eroen unferer ©efd^id^te banfen* SBaS ben 
@ntU)i(fIung§gang unferer S'lation gel^emmt, ttja§ il&n befd^Ieunigt unb ge* 
förbert l^at, baöon legen bie folgenben S3lätter 3cwp^^ ob* (Sie toottcn 
geigen, toarum Saf. @rimm unfere @(i6riftf|)ra(i6e einen t)rr)teftantif(l6en 
3)ialeft genannt I)at, toarum erft feit ettoa 1580 ßut^erS ^pxadit eine 
maßgebenbe (Stellung erlangen fonnte, toarum ber ©egenfafe öon (Sd^rift* 
fprad^e unb 2Wunbart erft nad6 ber fiegreid^en S3efäm)jfung be§ ßatei* 
nifd^en auggeglid^en toorben ift. 

S)ie8 Süd^Iein toitt (eine beutfd^e (S|)radögefd^id^te fein; gur Se* 
rul^igung fad^toiffenfd^aftlid^er @emüter fei e8 gefagt. ®ine Sfleil^e unöer* 
bunbener Sluffäfee bel^anbelt l^ier einige ^a|)itel unferer (Sprad^gefd^id^te 
au8 ber 3ßtt öon ßutl^er bis auf ßeffing. öon 9}?ajimi(ian bis auf 
t?riebridö ben ©rofeen. SSon rein lautgefd^id^tlid^en Erörterungen ift ah- 
gefeiten, um ba^ 3ntereffe gunäd^ft für bie §au)Jtbett)egungen gu toedfen, 
bk in ben Greifen ber ^l^eologen unb ^iftorifer biSl^er leiber nur gu 
toenig 5(ufmerffamfeit gefunben l^aben. 



VIII SSorlüort. 



Snbem i^ bieS SBüd^Iein aug bcn §änben gebe, crfüUe iä) eine 
anöcnel^me $Pic^t, toenn id^ bie ö^^öfee ßiberalität beutfc^er 23ibIiot^cf^= 
öertoaltungen banfenb rül^me. S3efonber8 ^cbc id) bk (Stuttflartcr ^ibIio= 
tljd fjeröor, bei beten perfönlid^er S3enu^unö bie sperren 5ßrofefforen ^txnu 
{Jifd^er nnb ©d^ott meine S^ad^forfc^ungen lebfjaft geförbert, nnb bie 3ürc^cr 
8tabtbib(iot^e(, beten ©d^äfee mir bie ©erren Dr. ©fd^er unb (Stanb anf 
ha^ entgegenfommenbfte erfd^Ioffen l)ahm. 3)a6 an be8 (enteren (AJclc^rtcn 
reid^en 3)ialeftfenntniffen meine 23emü^ungen nm bie fd^toeigerifd^en 8pradi= 
üerpitniffe bie leb^aftefte ^örbcrnng erfüllten, erfüllt mic^ mit ^ergtic^cr 
!l)anfbarfeit gegen ben ^ocööcrbienten Tlann, bem bie beutfd^en ??ac^(cutc 
für feine gtofee 2)ialeftarbeit gn gan? befonberem 2)anfe öer|)flicötct finb. 
^a8 3örd|er 6taat8ard^iö erfd^Iofe mir Dr. SßanI ©c^toeigcr, in bcffen 
l^iftorifd^em äöiffen id6 öielfad^e Slnrcgung nnb reicöe S3e(e]&rnng gcfunbcn 
i)aht. 3n ßeipgig fonnte id} bie toertöottc S3ibliotf)ef ber 23nc0t)änblcrbörfc 
bnrc^ bie Liberalität beg iperrn ©onful ßordf benn^en* §ier am Orte t)at 
mid^ Dr. ajlarting ftets gefällige ipütfe fräftig nnterftüfet. Unermüblic^fte 
^Inregung unb ^örbcrung, gerabep bie Xeilnal^mc ber 2Jlitarbeit ^at 
Dr. 9lein]&o(b toller in äöeimar mit feinem nmfaffenben Söiffen mir 
gefc^enft. — 

2)ic neue Sluflage, bereu 3)rudKegung (JreunbcS^üIfc mit mir ge= 
teilt l&at, unterfc^eibet fid^ öon ber erften nur in Weinen formellen unb 
fad^lid^cn ^nberungen. 3)ie freunblic^e Slufnal^me, bie bem Sücölein gu 
2^eil getoorben, äufeert fidi erfreulid^ertoeife anä) barin, ba^ feinem 5öcrfaffer 
öon öerfc^iebenen (Seiten mertöotte fprac^gefd^id^tlid^e S'iotigen äuflicBeu, 
<Sinb mand^e neue 9lad^tt)eife an^ für eine f|)ätere SBertoertung gurüdf^ 
gelegt, fo gereichen einzelne fd^on ie^t btm S3üd^lein gur befouberen Qitxbc. 
Unb fo tüieberl^ole ic§ ^ier ben l^erglid^ften 3)anf an bie greunbe beutfc^er 
6|)rac^tt)iffenfc^aft, bk mid) burd^ Slnrcgungen unb Dladötoeife geförbert 
l^aben. 

3ena, 18. Df tober 1887. 18. m'cm 1888. 



Jitt)alt. 



Sdtc 

1» tird)enfproc^e unb Söolf^fprad^e 1 

2. gjlajimiaan m\> feine banstet 22 

3. i^ut^er unb bie beutfc^e ^pxad^t 33 

4. Sd^riftfteller unb S3uc^brncfer 49 

5. (Sc^rtftfprad^e unb äHunbart in ber (Sc^tocis 60 

6. Dbcrbeutfd^er unb mittelbeutfd^er SBortfc^a^ 75 

7. ^ieberbeutfd^ unb ^od^beutW . . . ♦ • 92 

8. ßatein unb Humanismus 112 

9. D6erbeutfc^ranb unb bie ^at^olifcn 128 

I. 3cittafc(n gur nf)b; 8)Jtac^gefc6ic§te 145 

II. JHegiftcr 149 

III. (Sprac^farte 151 



r 



SertuoKe jOueOentnerfe unb |)ä(f^mtttel für ueu^od^beutfdie 

S^citräge g. ©efdft» ber beutfdftcii ©prad^e unb ßitteratut, l^erauggeflcben öon 
.§» ^aul unb SB. S3raune, ©atte 1875 ff. 

3. 3f. 2)e8Ctt, 25erfu(i6 einer öoUftänbigen ßitteratur ber bentfc^en Über* 
fefeungen ber diomtx, Slltenbnrg 1794. 

a^r. ©ottfiijcbg S3e^tr. g. tx\t ©iftorre ber beutfd^en ©|)radöe , $oefie unb 
S3erebfamfcit n. f. to. ßeipgtg 1732 ff. 

©• 3f- ©totcfcttb , Dr. m, ßut^crg S3erbienfte um bie STuSbilbung ber ^b. 
©prad^e in ben Slb^anbtungen be8 franffurtifd^en ©elel^rtenöereing für 
beutfd^e (Bpx. 1818 I, 24 ff. 

3. 3. SReiger, ©efd^id^tc ber beutfdien ^^ibelüberfefeungen in ber fd^meiBerifd^s 
reformirten ^irc^e, S3afel 1876. 

3oÖ. aWüttcr, Ouettenfd^riften unb ©efd^id^te beS beutfc^fprad^Iid^en Unter* 
xim big gur Mtk beg 16. Sa^r^unbertg, @r)t§a 1882. 

®. aS. ^ottjcrg @nttt)urf einer öoUftänbigen ©efd^id^te ber beutfd^en 23ibel* 
überfefeung Dr. m, ßnt^erg* 2. Slufl. STlürnberg 1791. 

*. *ictf(^, 2Jl. ßut^er unb bie neu^od^beuifd^e (Sdfiriftfpradöe, fdxt^laxi 1883. 

^. Äildtert, ©efd^id^te ber neuöod^beutfd^en (Sd^riftfprad^e, ßetpgig 1875. 

6. m. mitt^mam, aWedfrenburgg anbf. ßittcratur, (Sd^toerin 1864-1885. 

tjr. Sorndteg 2lu§gabe öon (Seb. f&xant^ Slarrenfc^iff, ßei^jgig 1854. 



1. 



1Rirrf|mf|irarf|t un5 10olß0f|irarf|t- 



Söa^renb be§ 5ülittelatter§ lag im gattjen 3l6enblanbe ein 
Sann auf ben 35oIföf|)rad^en. Überatt l^ertfd^te ba^ ßatein; e§ 
liefe ben altüberlieferten angeborenen 5ülunbarten laum irgenb toeld^en 
Slaum jur Entfaltung. 9lur ba§ ifolirte Snglanb erl^ob fid^ 
frü]^ ju einer nationalen 3luffaffung ber 5ülutterf|)radöe. Söeber im 
ftaatlic^en noc^ im lird^lid^en üzbm l^errfd^te bort ba^ mittelalter= 
lic^e ßatein ; in ^anjleien unb im ©otteöbienft njar bie angeftammte 
Sprache l^eimifd^; bie gelehrte n)ie bie 35olföbilbung fanb in ber 
3!Jlutterf|)radöe i^ren 9Jtittel|)unIt. ßein Söunber, bafe ©nglanb ber 
,Sultur be§ ^ontinent§ mel^r al§ ein i^al^rl^unbert Vorausgeeilt ift. 

®er kontinent bagegen genjöl^rt gleid^jeitig einen toeniger 
erfreulid^en 3lnbliÄ. ßateinifd^ toaren l^ier bie Urfunben, lateinifd^ 
bie SJteffe; ßirc^e unb ©taat unterbrütften einmütig bie 35olfe= 
fprad^en. ^n 3^ranfreid^ unb in @|)anien toirb bem ßatein erft 
im 13. Sfal^r^unbert in ben ^anjleien burd^ bie ßanbe§f|)ra(^en 
ber Slang ftreitig gemad^t, unb in bemfelben Sfa^r^unbert Verliert 
es audö bei ung feine Sltteinl^errfd^aft. 

3fn ®eutfd^lanb gelten aus ben faiferlid^en »Ranjleien t)er='' 
cinjelt feit 1238 beutfc^e Urfunben lö^rvor. Unter JRubolf Von 
^absburg toerben mel^rere Sieid^Sabfc^iebc in beutfd^en Originalen 
abgefaßt. 2)ie folgenben Slal^r^unbcrte legen biefem ^aifer eine 
mafegebenbe SBebeutung für ben Itmfd^mung in ber Stellung ber 



2 1. ^irc^enfpracfte unb Sl^oIfSfprac^c. 

beutfd^en @|)rad^e bei: er fottte auf bem Slümberger 9letd^§tage 
t)on 1274 Seiitfd^ afö Urfunbenf|)radöe anbefol^Ien l^aben. Slber 
erft mit ßubloig bem 93aier tüirb ba§ Seutfd^e bem ßatein gleid^= 
bered^tigt. @§ ift nid^t Ilar, ob beftimmte Urfad^en biefen Um= 
fd^toung in ber Stellung ber beutft^en @|)rad^e in ben laiferlid^en 
•Sangleien üeranla^t ijaien, 6mft SBüWer, ber unter ßubmig 
bem 33aier anfänglich nod^ bem ßatein eine loeite 33cbeutung ate 
Urfunbenf|)rad^e beilegt unb erft mit bem britten* Sfal^rgel^nt be§ 
14. ;3a]^r]^unbert§ eine gro^e 3una]^me ber beutfd^en UrJunben fon= 
ftatirt, bringt jenen Umfd^njung in 3ufammen]^ang mit bem 
Streite ßubtüigg gegen ben 5Pat)ft; ber ©egenfa^ t)on ®eutfc^= 
tum unb 9lomani§mu§ fott mitgetoirft l^aben, bie langfam um 
fid^ greifenbe beutfd^f^)rad^üd^e Söetoegung ju befd^Ieunigen. 
/ ^^xm Slbfd^Iufe erreid^te fie erft im 16. i^al^rl^unbert , ofö 
/ein l^eftiger ßam|)f gegen ba§ ßatein afe ßird^enfprad^e entbrannte. 
3ln ber <Sird^e l^atte ba§ ßatein einen tüefentlid^en 9tüdf|alt. 
®ie fo§mo|)oIitifd^en Senbengen 9fiom§ erforberten eine internationale 
. @|)rad^e. ®aa ßatein toar ba§ andere @rlennung§geid^en ber päpft= 
lid^en SBeltl^errfd^aft. 2öie bem 5Pa|)fttum in feinen ?lnfängen ba§ 
altrömifc^e Sleid^ unb bie altrömifc^e ©|)rad^e bie SBege gur 6r= 
oberung beö gangen 2lbenblanbe§ gebal^nt l^atten, fo ujar fpätcr 
bie mittelalterliche 3Beltf|)rad^e burc^ ba§ 5Pa:pfttum gu einer n)elt= 
gefc^id^tlid^en SJtad^t geioorben. S)ie Io§mp|)olitifd^e ßird^e ptte 
auf alles anbere el^er üergid^tet afö auf il^re <Spxaä)t, loelc^e faft 
gmei Sfal^rtaufenbe l^inburd^ eine gro§e Siolle glangüoll burd^gefü^rt 
|atte. ®eutfd^lanb aber fül^lte ben ®rud ber ßird^enfprai^e um 
fo fd^toerer, afö mit bem ertoad^enben 9lationalben3U§t|ein bie 
faiferlid^en fiangleien ber 5ülutterf:|}rad^e . bie ©anftion gegeben 
l^atten. 5ür ^jJrebigt unb ©emeinbegefang loar baö S)eutfc^e melir 
erlaubt al§ offigiett em|)fo]^len. ©tiüfd^toeigenb geftattete bie ,^urie 
ber 35olfef^)rad^c einen befd^eibenen Slnteil am ©otteSbienft , um 



1 @c§on bie ©afler DtfribauSgabe öon 1571 fe^t um ba§ Sa^r 1330 
ben Umfd^loung» 3m übrigen ^Beiträge IV, 4. 



2)ie §crrfc6aft bc8 ßatein öor bcr 9fleformation. 



mit befto größerer ©ntfd^iebenl^eit bem ßatein bie ma^gebenbc 
©tettung 3U fidlem. ®a§ l^eiüge 5üle§antt burfte nur in lateinifd^er 
©prad^e äelebrirt toerbcn. 3^cir l^atten ©lauen t)on Siom aug 
ba§ 3ugeftanbnig erlangt, ben gangen ©ottegbienft in ber 35olfö= 
fprad^e Italien 3U bürfen. ®eutf(|lanb, bem römifd^en ©tul^Ic 
nä^er, fonnte fid^ ber frembf|)rad^lic^en ^ertfd^aft nid^t ertoel^ren, 
folange ba§ ßatein aud^ unfere amtlid^e 9leic^§f:|)rad^e njar. 3Bag 
ben ©lauen eine |)ät)ftlid^e SöuHe geftattet l^atte, barauf tooütc bie 
^ird^e bei unö nid^t eingel^en, folangc »Raifer unb 9leid^ mit il^r 
gcmcinfd^aftlid^ nur ha^ ßatein ate amtlid^e ©|)rad^e beö 3t6enb= 
lanbeö gelten liefen. 

®ie ^ird^e t)ern3eigerte ber 35oIföf|)rad^e bie ©anftion. @§ 
ift U)a^r, |)äpftlid^e Sefrete liegen nid^t t)or, bie ben ausfc^lie^lid^en 
©ebraud^ beö ßatein für aüe religiöfen S^^edEe Verlangen. Slber 
bie weit Verbreitete D:|}|)ofition gegen beutfd^e ©rbauungSbüd^cr, 
jumal gegen beutfd^e Sibelterte, jeugt für bie ©eringfd^a^ung, 
mit ber bie angeftammte ©|)rad^e unfcreö 35olfe§ juxilÄgebrängt 
tDurbe. 

®er 5Pfaffenfaifer fiarl IV. erlief 1369 ein äJerbot gegen • 
alle Söüd^er, toeld^e in beutfd^er ©|)rad^e t)on ben l^eiligen ©d^riften / 
l^anbelten. 1486 verbot ©rgbifd^of SBertl^olb Von 5ötain3 bei ©trafej 
ber ©jcommunication ben ®rudE beutfd^er Söibelüberfe^ungen ; imb\ 
biefeg SBerbot fd^eint nid^t ol^ne SBirlung getoefen 3U fein.^ 1511 
erflärt ©ailer von fiaiferSberg e§ für gefäl^rlid^, „ha^ man bie 
aSibel 3U teutfd^ brudt". Unb @mfer, ber ßutl^erö neueg SEeftament 
für fat^olifd^e »Rreife bearbeitete unb al§ eigene 9lrbeit in ein |)aar 
3lu§gaben veröffentlid^te, ift nod^ am @nbe feines ßebenö im Unge= 

^ 2)cr SBortlaut bc8 aWanbatS bei ©ubenug Cod. Diplom, anecdo- 
torum IV, 474 foioic bei ßubto; EeHer 2)ie Söalbenfer unb bie beutfcften 
a3t6etüberfeöungen <S. 69; über ben ©rfolg be8 a^anbatS Osf» $afe 2)ie 
Robcrger <©♦ 244, 100 barauf liingctofefen totrb, ba6 toeniger ^ihtlan^abtn 
Steiferen 1485—1522 erfcftiencn al8 voriger» 3m übrigen öcrnjeife tcft für 
bie obige 2)arftcllung auf bie befannten ©d^rtftcn Von ^aupt, Softes unb 
Setter, ol^ne ntid^ in bie S3ibeIcontroVerfe einplaffen. 

1* 



1. Äircf)cnfprac6e unb 3^oIfgfpracf)c. 



getDiffen, „ob eö gut ober bö§ fei, bafe man bie 33ibel t)erbeutfc^et 
unb bem gemeinen ungelarten 9Äann fürlegt". ^ 

3in folc^en 3;^atfac^en f^iegelt fic^ ber @tanb|)unft ber ßird^e 
toieber. @ie trat nic^t nur nid^t für ha^ Slnfetien ber 5ülutter= 
f|)rac^e ein, bie allein S^ragerin tüafirer SBoIfebilbung fein fann, 
fonbern t)er|)önte fogar bie beutfd^en ©rbauungSfd^riften. 3Bie bie 
©eiftlic^feit t)on beutfd^en 3!JliffaIien um ha^ ^ai)x 1470 backte, 
le^rt ein fionfüft gmifc^en einem S)ominifaner)Jrior t)on 3üt|)]^en 
unb Sioi^ann Sufd^ ; jener Verpönte bie beutfc^e religiöfe ßitteratur, 
biefcr trat für fie ein, Iie§ fid^ aber t)om 2)ominifaner überreben, 
baB fofc^e Sucher boc^ gefäl^rlic^ feien. 

^erfönlic^feiten H)ie jener 3üt|)]^ener Sominüaner maren nid^t 
fetten. 3Bir loerben f|)äter einen 2)ominifaner in ber Sd^tüeij 
fennen lernen, ber 1520 gegen alle beutfd^en religiöfen ©c^rifteu 
[ |)rebigte; ein anberer, Sluguftin t)on ©etelen, lüütete im SBinter 1525, 6 
' in Hamburg gegen bie 35erbreitung be§ neuen Seftament^ in ber 
^olU^pxaäjt, Sei fold^em Serl^atten ber 3Jlönd^e unb ber ©eift= 
lid^feit fanu e§ un§ nid)t SBunber nel^mcn, ba^ in aäm ©(^ic^ten 
unfereö SBolfeö ber ©(auben ^errfc^te, bie <8ir(f)e t)er|)öne alle 
beutfrfien ®rbauung§fc^riften unb t)erfe|ere bamit bie beutfc^e 
Sprache. 

Sd)on um 1430 regt fic^ gu ifiren ©unfien im «ßrcifc ber 
SSrüber t)om gemeinen üehen eine ©timme. ©erwarb 3^^^boIb be= 
flagt eö, ba& bcn ßaicn bie ßeftüre beutfc^er Sßibeln Verboten fei. 
Unb 1514 tritt ein ^enarium für religiöfe Sucher in ber 25olte= 
fprac^e ein: „§aft bu gute Sudler, lieö fie an bem ©onntag nad) 
ber ^rebig, nac^ bem 9iac^teffen unb untermeiö bein ©efinb; eo 
fott fein SJienfd) fein, er fott l^aben baö ^eilige (Söangeüum bei 
i^m in feinem §auö". So ift eine t)ereinjettc Stimme, bie mit 
fo lüarmen einbringlic^eu SBorten beutfc^e ßeftüre unb beutfd)c 
Srbauungöbüc^er empfief)tt, wir. tücrben i^r aber erft bann ©emic^t 



il^Ql. bie 3. STuftaoe 1529 matt 210. 



ßutöcrg STuftrcten; ©ntbecfintfl her SJiutterpradie. r> 



beinieffcn bürfen, Xomn man un§ jeigt, ba§ bcr SBerfaffcr bcö 
^lenariumä bantit auf bem 33oben ))ii|)ftlTd^er S)cfretc fielet. 

Sinner^alb ber Äirc^c tDar fein Itmfc^tDung gu ©unftcn bcr 
9}olf0f))rad^e gu ertüarten. 9iur ber 33rud^ mit ber Äird^e maä)k ! ; • , . 
einen SBrui^ mit ber ^errfd^aft bes ßatein möglich. Unb nnfcrm ^ ' 
Oteformator gelang beibeö. 9)ttttelft ber 9)tutterf:|}ra(^e befiegtc er 
ba§ ^Pabfttum unb tüurbe bamit ber größte 25orfed^ter beö S)eutfd)= 
tumö. Sllö er bie entfc^eibenbe 33ebeutung ber SJtutterfiprac^c für 
unfere Söilbung unb bie ©eföl^rbung beö nationalen ßebenö burd^ 
bie §errfc^aft bes ßatein erfannt l^atte, fc^uf er geiftige Jial^rung, 
bie für aüe beftimmt toar, jumal für biejenigen, benen bie d^rift= 
lid^en ©eligpreifungen ba§ §immelreid^ öerfprec^en. fortan finb 
bie ßaien nic^t mel^r t)on ben l^eiligen Schriften auögefd^Ioffen. . _; 
Sinnen gilt be§ SieformatorS SE^ätigleit gang befonbers. ^I^nen . ,; 
tüirb bie beutfd&e SSibel gefd^enft; bie beutfd^en <Sir(^enIieber unb 
ber Heine ^ated^iSmuö finb für fie beftimmt ; bie lateinifd^e SÄeffe 
tüirb burd^ eine beutfd^e erfe^t, bamit auc^ ber Ungebilbete ben 
§anblungen beö ©otteöbienfte§ mit äJerftänbnig folgen fönne. 

@eit bem Sloüember 1525 l^errfd^te in SBittenberg bie beutfd^e 
Meffe, nad^bem bereite feit bem 3lnfange be§ 3>öf|re§ 1522 bie 
ateform bes ©otteSbienfteö bafelbft begonnen ttjar. ©ingeleitet l^at . 
fie ßutl^er 1520 burd^ bie ©d^rift t)om l^eiligen ©aframent. „SBoüt 
©Ott, fo rief er bamate au§, bafe njir ©eutfd^en 9Äe^ gu beutfdb 1 
läfen unb bie l^eimlic^ften SBort auf§ aüer l^öl^eft füngen ! SBarum 
foHten toir Seutfd^en nid^t 5üle§ lefen auf unfer ^pxaä)^, fo bie 
ßateinifd^en, ©ried^en unb üielanbre auf i]^re@|)rad^9)te§]^alten"? 

S33a§ ßutl^er l^iermit angeregt, l^at fic^ balb in ber SJteffe 
t)ertt3irflid^t. Überaß finben feine Sleformibeen 3lnHang, überall 
toerben Sl^efen im ©inne feiner 3lnfid^ten üerl^anbelt. „@ö ift 
t)iel beffer, ein einigen 35er§ eines ^ßfalmen nad^ ein§ jeben ßanbs 
©^rad^ bem SBolf gü öertolmetfd^en, bann fünf gang ^ßfalmen in 
frember Bpxaä) fingen unb nit t)on ber ßird^en üerftanben tt3er= 
ben. ^in üerfd^toinben 5ülettin, ^ßrim, S^erg, ©ejt, 9^on, SBefiper, 
^ompkkn unb äJigilien" — fo lautet eine SCl^efe, bie 1524 Dr. 



j^*^^ji_ 



VTV-CpU , r, 



6 !♦ ^ird^enfpracftc unb SSoIfSfprad^e« 



SSaltl^afar ^ufinteier au§ ^rtebberg für ein 9fieIigton§gef|)rac^ ju 
SBalbSl^ut üorfd^lug.^ ©toa gleic^jeitig öerfud^ten in 3^itfciu einige 
5Prebiger Vergebens bic bortigen ßlofterbrüber gn einem 9leIigion§= 
gef^)rad^ jn betoegen, tüojn u. a. bie SEI^efc anfgefteüt njar : „®ie= 
»eil ßateinifd^ Spxaä) nnbefannt, tl^nn bie njol^I nnb red&t, bie 
in ber Zauf, SÄeffe nnb ©efang bentfd^er (Bpxaä) braud^en".^ 
33on ber gro^artigften 3Birfnixg aber toar e§, ate SBifd^of ©eorg 
t)on 5poIenj SBeil^nad^ten 1523 in ber ©omlird^e jn ^önigöberg 
über benfelben, bie ©emüter erregenben ©egenftanb |)rebigte : „@§ 
ift ie ein feltfam 2)ing, ba§ H)ir ©l^riften an bie lateinifd^e @:|}rad^e 
gebnnben feinb. @§ toare nit befoll^en, attain lateinifd^ jn reben 
nnb tanfen, ja e§ ift an§ fnnberlii^em Slate göttüd^er aKajeftät 
gefd^el^en, bafe lain @t)angelift, and^ lain ?l:|}ofteI nod^ ©öangelion 
nod^ 6:|}iftel jn ßatein gefd^rieben l^at".^ 

DecoIam|)abin§ l^atte 1522 anf ber Sbernbnrg Sipiftel nnb 
@t)angelinm im allesamt ber ©emeinbe bentfd^ öorgelefen. ®ie 
SBortoürfe, bie il^m biefer 3lnfd^ln§ an ßntl^erS ;3been jngejogen, 
entfeöftigte er in einem lateinifd^en ©enbfd^reiben an 6a0|)ar §cbio, 
ha^ fofort and^ üerbentfd^t njnrbe.^ Über]^an|)t förberte Ceco= 
Iam|)abin§ bie ©tettnng ber 33oIföf:|}rad^e im fird^lid^en ütUn 
anf aüe mögüd^e SBeife. 3lnffe]^en fd^eint gemacht gn ^aben, bafe 
er bei ben ^ranfen eine bentfd^e ßitanei Ia§.^ @r l^atte bereite 
1521 bei ber Überfe^nng ber ©d^rift ,,ein fonberlid^e ßel^re nnb 



* ^ä)t^tt)tn @d&Iu6rebe, fo betreffenbe e^n flanö d^riftltc^ ßcben, toaxan 
eg gelegen ift, bigjjutirt gu SBalbSl^ut Don 3)octor Jöalt^afar griebberger 
1524; bie obige SC^efe ift bie ^e^e* 

2 Unterricht unb SBamung an bie Sltrd^ §u Stoirfau mit efelicften 
^rtifeln bem ^loftcröolf bofelbft angeboten unb Don i^nen unbillig abge* 
fd^Iagen» S^idfau» 

' ©in ©ermon beS toirbigen in @ot SBaterg Ferren Georgen öon 
Sßoleng, S3ifcl^of gu ©amianb 1524, SBgL Xfd^adfcrt in ben firc^engefdöicftt^ 
lid^en (Stubten, $erm; Sfteuter gum 70, ©eburtStag* ßelpgig 1888. @. 145 ff. 

* 2lin fd^öne ®piftel DecoIonHJabii an (Safjjar ^ebion^ ©bernburg 
(übcrfcöt öon 3o^* 3)ie>)oIt p Utm) 1522. 

* 3o^* Söud&ftab ©igcntlid&e unb grünbltd^e ^nbfd&aft 1528 @ ÜL 



3)eutfd^e aWeffe. OccotampobiuS. 



SetDel^rung" zc. bie 33ebeutung ber beutfd^en ©iprad^e l^eröorgel^oben 
unb bie 5Pa))iften geftraft, toeld^e ba§ SBort ©otteö ben ßaien t)or= 
entfiielten, um bie ^Perlen nic^t t)or bie @äue ju toerfen. Qpäkx, 
afe bie Sleformirten 1526 gu 93afel in ber ©t. 5!Jlartin§!ird^e 
beutfd^e ^Pfalmen ju fingen anfingen, gelang e§ feinem ©influfe, 
ben e^rfamen füat, ber anfänglid^ bie Steuerung tierboten l^atte, 
burc^ eine fc^riftlid^e ©u^):|}Iifation bafür gu getüinnen.i 

2Ö0 immer fonft bie 9leformation feften fjufe fa^t, übt bie 
beutfd^f))ra(^Iid^e Jöetoegung auf bie ©etoinnung ber ßaien hm 
toefentlic^ften 6influ§, unb bie Stellung ber 9)lutterf|)rad^e im 
©otteöbienft mu§ überall ba t)erteibigt loerben, tüo bie neue ßel^re 
öerteibigt H)irb. 3n 3?ürnberg toar 1524 mit ber Sieformation 
aud^ bie beutfd^e 5üleffe, beutfc^e 6^)ifteln unb @t)angelien, aud^ 
beutfd^e ßinbertaufe eingefül^rt ; bie beiben 5prö|)fte, benen SRümberg 
ben 2lnfd^Iufe an bie Sieformation banit, l^atten fid^ nod^ im felben 
Saläre t)or bem SBifd^of t)on ^Bamberg aud^ toegen il^rer 2lntoen= 
bung ber a5oH§f|)rad^e im ßultus ju tieranttoorten ; in il^ren ge= 
brudten 9led^tfertigung§fd^riflen toirb biefelbe al8 SöebürfniS erllärt. 

S)iefe§ einmütige SBorgel^en aller S^ationalgefinnten ftie§ auf 
ben l^eftigften SBiberftanb bei ber alten ©eiftlid^feit. 3lllerorten 
nal^m fie bie altüberlieferte 5!Jle§f^)rad^e in ©d^u^, fud^te mit 
©rünben gu l^alten, toaS ber gefunbe 5ülenfd^ent)erftanb eien als 
toiberfinnig erfannte unb befeitigte. ®ie ©rünbe, toeld^e für bie latei= 
nifd^e 50lefl'e angefül^rt tourben, loaren benn aud^ fo bürftig unb 
armfelig, ba§ fie in ben reformatorifd^en Greifen nur ©|)ott unb 
^ol^n finben fonnten. ^m 3al^re 1520, ate ßutl^er eben erft 
begann, bem Seutfd^en eine Stellung in ber 3Jlejfe gu fd^affen, 
erfd^ien in ©traPurg eine anonyme, gtoeifefeol^ne t)on 5Dlurner 
üerfafete „d^riftlid^e unb brieberlid^e ©rmal^nung gü bem ]^od^ge= 
leierten Dr. Sffl. ßutl^er", bie fid^ in einem befonberen ßa|)itel 
gegen bie SBertoenbung be§ S)eutfd^ in ber 50leffe toanbte. S)iefc3 



1 @o berid^tet ber SBafler (Sl^romft SBurftifen gunt Sa^rc 1526 {fflaä)^ 
toti^ beS iperrn ©anb» ®mil @ulger)» 



8 1. ^ird^cnfpracftc unb SSoIfgfprac^e. 



^apM — „in toa^ ©iprad^en ober toeld^er SJlafeen ntög bie 9Jic^ 
gelefen toerben" — lann afö fd^IagenbcS 3eugntg bienen, loie bei 
8utf|er§ Sluftreten l^eröorragenbe ßatl^olifen über baö äJcrl^ältnig 
t)on ßatein unb 5ülutterf))rad^e badeten. 3Ran l^öre bie Segrün= 
bung be§ lateinif d^en aJte6o|)f er§ : ,,@o nun brü ^au|)t=unb reguliret 
@|)rad^en gü bem Sienft ©otteö t)erorbnet fein — l^ebräifc^ friec^ifd) 
latinifd^ — unb mir öatiner feinb, foüen toir biHic^ bie Iati= 
nifd^e Qpxaä) ju ber SÄeffen brud^en . . . unb nid^t ju tütfd^ foü 9Jte§ 
gel^alten loerben ufe ber Urfad^en, bafe fid^ bie barbarifc^en @|)radf)en 
oft üeranbem unb f|)öttüdö ober öeräc^tlid^ lautet ber ®pxai)m ju 
htn göttlid^en Stmtern fid^ gebrud^en, bie n)ir ju menfd^üd^en unb 
täglichen Raubten reben unb üUn". S)er 35erfaffer üeranfd^aulic^t, 
toaö^erl^iemtit meint, lüerjid^tet aber auf eine eingel^enbe Darlegung 
feiner weiteren ©rünbe, „bie bargetl^on mögen toerben, voo e^ not 
tl^et", unb bittet ben Sleformator ,,frünblic^ unb bruberlid^en oon 
biefem leid^tfertigen fjümel^men abjufton." 

9Jlurner§ Söemeigf ill^rung mag einiges Sluffel^en gemad^t ^ben 
mit ber ßntbeÄung, „ba^ loir öateiner finb". 9luf neue äßeife 
mu§ fortan ba§ ßatein afö fiird^enfiprad^e begrünbet loerben ; bie 
Slltglaubigen loenben atten ©d^arffinn an, um ujeitere a3ctt)eis= 
momente aufjuftnben. 3fn ben ,,2lrtifeln unb SBetoeJirung ber= 
felbigen, fo bie ^Prälaten, Sbt, ©ttft unb »ßlöfter l^aben eingelegt 
in öut^erifd^en ©ad^en am S^ag be§ ©ef|)räd^§ t)or bem burd^leuc^^ 
tigen l^od^gebornen 3^ürften unb §errn ^errn ©afimir 3D'lar!= 
grafen ic. 1524" loirb ßatein afö ©:|}rad^e ber SJleffe mit folgenber 
Söegrünbung verlangt: bie Überfd^rift an be8 ^eilanb§ »ßreuj fei 
l^ebräifd^, gtied^ifd^ unb lateinifd^ geloefen, unb ^Pilatus l^abe gefagt : 
„loaö gefd^rieben ift, ift gefd^rieben" ; bie Seutfd^en feien jubem 
gulc^t befel^rt, unb bie Söcfel^rcr l^ötten „föld^e latinifd^ fjorm ^inber 
il^n gelaffen, barumb toir bie billid^ bel^alten föllen. SBann t)iel 



* 5llg S3eleg bafür ertoäl^nt aJiumer bie bamaligc imb bie älteie 33e* 
beittung öon minncn (2) iiib). — Übrigen^ ögL 2)lurnerg 3nftttuten 1519 
(S3»iii b) M uns ßatinifd&cn\ 



^atöolifd^c Oppofttion flcgen bie beutfcfte SJleffe. 9 



anber Station, bie aiid^ nid^t lateinifd^ fein, nic^t befter ntinber in 
lateinifd^er ^pxaä) SJteffe Italien". 3n Setreff ber 3;aufe toirb 
3tr)ar gugegeben, ba^ „e§ tbm fo t)iel ßraft l^at in teutfd^er @|)rad^e 
3U taufen afö in lateinifc^er" ; aber baö ßateinifd^e fei notnjenbig, 
um bie l^eilige ^anblung nic^t jum @^)ott toerben gu laffen. S)iefer 
^intoeiö auf bie brei §au))tfprad)en, bie burc^ be§ piatuö' Über= 
fd^rift am l^eiligen «ßreuje gleit^fam getoeil^t feien, mu§ etttjaö mel^r 
getüirft l^aben afö jene Sntbetfung SÄurnerö ; er feiert in einer 
anbern fatl)oüfd^en ©d^rift lieber, toeld^e fid^ gegen bie Steuerung 
ber beutfd^en SJleffe njenbet, njeil „ßl^riftuö bieg im ©üangelio 
nirgenb georbnet nod^ geboten l^at, aud^ fein Slpoftel nod^ fein 
d^riftlid^er ^jJriefter fold^e SJleffe nie gel^alten; funber aüein in 
l^ebrdifd^er, gregifc^er unb lateinifd^er Bunge ift fie in ber njal^ren 
€]^riften^eit ftet§ gel^alten nad^ Drbenunge ber l^eiligen gemeinen 
apoftoüfd^en c^riftlid^en ^ird^e, nad^ ^Inmeifunge beö Stitelg ©firifti 
am ßreuge''^ — 

6rft je^t, alö ber entfd^eibenbe Sieg bem äleformator bie 
Sal^n ebnete, afe bie Station feine Schritte mit fteigenber ZexU 
nal^me begleitete, afö feine ©d^riften aüertoärtö begeifterte 2luf= \ 
nal^me fanben — erft je^t toar bie Söebeutung ber SDtutterfiprad^e j 
für bie SBilbung ber Station entbedt. Tlan |)flegt bie ©efdfiid^te I 
ber Steujeit mit ben großen ttjeltbenjegenben ©ntbedfungen ju be= \ 
ginnen, bie ber 3Dtenfc^]^eit ungeal^nte 2luffd)Iüffe unb materielle 
Umtoaljungen öon toeittragenber JBebeutung gegeben l^aben. Slber 
eine ßntbedung, bie für nationale^ üebm unb nationale ®nttoidE= 
jung mäd^tiger toirfen fönnte afe bamafö bie ©ntbedung ber 
3Jlutterf|)rad^e, ift über]^au|)t unbenfbar. Söeffer afe aUe 9tuö= 
finanberfe^ungen fipred^en bie Sci^ktt, bie 5p. Petfd^ - im ?lnfd^lu§ 
an 3lanfe auf ©runb öon ^Pangerö Slnnalen unb SQBetterg 9le|)er= 
torium ermittelt l^at. ©c^on im ^Oii)xe 1500 ttjurben ctttja 80 



[ 



* ®in toal^rl^afttge gruntttd^e Untcrridöhmg, in tolld^er ©eftalt bie 
:^e^en ben ße^c^nam (Sl^riftt fönnen unb fotten öor @ot mxi^lxd} unb feligttc^ 
entfallen 2C. ßeijjgig 1526. 

2 Wl. 2viti)tx unb bie nljb* ©d^riftfprad&c 8. 48. 



10 1. Slircöcnfpracöe unb SSolfSfpracöe. 



beiitfd^e SBüd^er gebnidtt ; 1505 dm 60; 1510: 135; 1511: 70; 
1512: 140; 1513: 90; 1514: 110; 1515: 150; 1516: 110; 
1517: 80; 1518: 150. ®ann gel^t e§ mit getDalttger Steigerung, 
bic lebiglid^ eine 3^olge t)on ßutl^erS 3luftreten ift, weiter 1519: 
260 ; 1520 : 570 ; 1521 : 620 ; 1522 : 680 ; 1523 : 935 ; 1524 : 990. 

SJiit ber ©etüalt einer 9?aturfraft ergreift bie beutf(^fprad^= 
lid^e SBenjegung je^t aüe ©emüter. SQBie bie reforntatorifd^en S£l^eo= 
logen bem 33eif|)iele öutl^erS folgen, fo bleiben aud^ bie ßaien nid^t 
jurüÄ. SBer bie ©d^äben ber beftel^enben fogialen unb religiöfen 
35erl^dltniffe unter bem Slegiment ber ^Pfaffen unb ber 5ülönd^erei 
einfielet, njagt e§ aud^, feine ?lnfd^auung biird^ ben S)rudE ju t)cr= 
treten unb ben ©efinnung§genoffen in SBittenberg jujujiubeln. 
S)eutfd^e ^lugfd^riften, jumeift in ©ef|)räc^§form, giel^en ju §un= 
berten burc^ bie öanbe; l^äufig entftammen fie ber 5eber t)on 
ßaien, bie nid^t burd^ l^ol^e ©c^ulen gegangen ttjaren. 6ö fann 
un§ bal^er nic^t 3Bunber nehmen, njenn in altgläubigen »Rreifen 
großer Unmut über bie maffenl^afte litterarifd^e ^ßrobultion l^errfd^t, 
bie burd^ bie Sieformation in§ ßeben gerufen ift. ?iodö 1533 ruft Dr. 
Sol^ann 6ocleu§ ^ mit öerl^altenem ©roü aii^: „SBer fann eigentlid^ 
bered^nen, toie t)iel ©elbö jal^rlid^ unb taglid^ ift aufgangen für 
fot)iel unb mand^erlei Scmfbüd^er pro et contra gu bruden unb 
ju feufen ? SBie t)iel taufenb ©ülben ^at allein SBittenberg in 
15 Sfal^ren für ^xudpapm geben? SBie üiel ©tra^urg, Söafel, 
3lug§burg, ?iürnberg?" 

3fn ber 2l^at toar hk ganje ^jJreffe in jenen S^tttren be§ 
aSuc^brudS faft auöfd^lie&lid^ für ben 5proteftanti§mu§ tl^dtig. 
SlnberSbenfenbe lamen jutoeilen ^ai)xe lang nid^t ju SBort. 5Dian 
l^öre ein latl^olifd^eg 3^ugnig au§ ber ©d^toeij. ^fol^ann SBud^ftab, 
ber ©d^ulmeifter ju ^reiburg im Ued^tlanb, fd^reibt im 3fa^re 
1528, „er ^ait toiber bie neu unttjal^rl^aftig ße^ren t)or fünf 
3faren unberftanben ju fd^reiben, biefelbigen ©efd^riften aber in 
feinen 2)niÄ mögen unberbringen ; xoan aüe S^rudEer in unfer 



Wuf ßut^erg Sroftbrief an etliche in 2tipm 2c. 21 ü. 



I^eutfcöfpradöltdöc littcravifcf)c Sßrobuftton toefentlld) proteftantifcft. 11 



©egue U^i)ax ad mit tiefen Sfrrtumben öerblenbt gefin feinb." 
®ie]en 8tanb ber Singe bezeugt 6ragmu§ 1523 für SBafel, incnn 
er an «König ^einrid^ VIII. t)on (Snglanb fc^reibt: „^ier ift fein' 
einziger SBud^l^änbler, ber e§ toagte, nnr ein SBörtd^en gegen ßntl^cr 
brutfen jn laffen; aber gegen bcn ^ap^i barf man fd^reiben, toa^ 
man toill".* ®a blieb benn aud^ eine offijieHe ^tuBenmg ber 
«Snrte nid^t au§, bie anf ben SBüd^erbmd S^üdfid^t na^m. 3n 
einem t)om 30. ?iot)ember 1527 batirten, atebalb t)on fintier t)cr= 
beutfd^ten |)ä^)ftlic^en ©cnbbrief an hm Siat ju ^Bamberg begegnet 
eine ©tette ,, gegen bie Derferten Söud^brudEer, loelc^e, afe jn glanben 
ift, mit ©elb burd^ bie ßutl^erifd^en öerruÄt feinb (iftö anberö 
ma^r, ba§ voix gel^ört l^aben), up tüiHigft ber ßutl^erifd^en 33üd^er 
brncfen unb mit nid^te brnden njoHen bie SBüd^er, bie t)on bcn 
rechten ©l^riften tüiber fie für bie SBal^r^eit gefd^rieben merben". 
©0 bel^errfc^t bie fitterarifd^e ^jJrobnftion ber |)roteftantifc^en ,Rreife 
ba§ t)on SBegeifterung mitgeriffcne 5publifnm. 

2lber bie ßatl^olifen mnfeten and^ ©d^riften auf ben SJiarft 
bringen, toenn fie fid^ ba§ 3utrauen ber ßaien erl^alten ober tt)ieber= 
gewinnen loollten; fie burften in ber litterarifd^en ^ßrobuftion 
nid^t ganj jurüÄbleiben. „@ie muffen aud^ ettoaS fc^reiben — 
fagt ©^mon §cffu§ 1521 in einer feinen, geiftöoHen fjlugfd^rift 
(t)gl. @. 19) — nit fo gar t)on nnferS 9iu^§ njegen, aber ba§ fie 
aud^ mit jierüd^en SEiteln t)or ben Söud^läben ftanben, mit folid^en 
3;iteln: Fortalicium be§ loirbigen Ferren ^acobi ^od^ftrat t)on 
ber l^ol^en ©äffen, untoirbiger ©arbian ju ^olbingen, item bas 
fein nu^Iid^ ©ermon bc§ l^od^gelerten äJater§ SSruber 9lobert, fiäl= 
bermcifter öon ber SJliftlad^en unb bergleid^en." 

®ie Söud^Idbcn, t)or benen ein begierige^ ^ßublilum fid) 
brdngte, loaren t)ott t)on reformatorifd^en ©d^riften ; aud^ nad^bem 
fie burd^ ba§ Söormfer @bift alle t)er|)önt loaren, lonnte man unmit= \ 
telbar neben bem |)ä|)ftltd^en unb bem faiferlid^en 5ülanbat ©d^riften ' 
8ut]^cr§ feigen. 2)ie äJottftredEung be§ laiferlid^en SBefel^te an ben 



tarl ©agen, 3)er (Helft ber SÄeformation I, 227* 



12 !♦ ^irc^enfprad)e unb SJoIfSfprac^e, 



t)on ßutl^er üerfa^ten Suchern, btc Derbrannt lücrben fotlten,^ mar 
nid^t burd^jufül^ren ; in Sülaing j. SB. t)crltef fie afö fdömad^t)oKe 
ßomöbie ; niemanb lieferte ©d^riften Cutters jur SBoEftredung be§ 
Urteife ang. ,/D, toag großer ©c^anb unb ©c^mat^ toarb bo bem 
ßegaten betüiefen; unb toolt er nit mit ©d^anben gar geftan, 
mufet er h^n genfer. laffen überreben mit ßiften unb ©aben uff 
bm anbern S^ag, ba§ er it) jujei ober t)ier Süd^Iin Derbrannt!" 
Slnbertüörtg fanbcn ftatt ßut]^er§ ©d^riftcn bie alten Sd^olaftüer 
unb tl^eologifd^en SrudEfd^riften ben SBeg in§ ^euer. @o brod^ten 
ju ßöinen bie ©tubenten „fo mand&erlei SBüd^er, einer sermones 
discipuli, ber anberc ben Tartaret, ber britt bie Sermones 
'dormi secure Parati unb anbcre bergleid^en, alfo bafe fold^cr 
Söüd^er mel^r bann Dr. ßutl^erö Derbrennt tüorben feinb".^ 

5reiUd^ blieben anfänglid^ aud^ einzelne 5ülänner l^inter ben 
SBünfd^en unb Hoffnungen ber 3^itgenoffen jurüdE. ©o njar 
Ulrich Don §utten, ber ritterlid^e 35orIäm|)fer ber Sieformation, 
auf beffen ©c^loert unb ^eber däe |)atriotifd^en ©emüter^ il^re 
Hoffnung festen, bei lateinifc^er ©d^riftftetterei Derl^arrt, ate bereite 
überaE um if|n l^erum bie nationale SSetoegung, bie il^n neben 
ßutl^er aU xijxm Hau:|}tDertreter el^rtc, in jal^llofen beutfd^en ®rurf= 
fc^riften fid^ äußerte. 6§ l^at geloi^ nid^t an ©timmen gefel^It, 
loeld^e bem Don loarmer 35aterlanböliebe befeelten H^^^^^ift^^ H^^ 
äJerl^alten Derloiefen unb ben äJerfud^ gemad^t l^aben, il^n für 
beutfd^e ©d^riftftetterei ju geujinnen. ^n biefem ©inne erliefe 
3afob ßöbel, ©tabtfd^reiber unb 33uc^bruÄer ju £)pp^xit}dm, 1519 
öffentlid^ einen emften SJlal^nruf an feinen ritterlid^en O^rcunb, 
„ber nid^t aüein ber latinif d^eu 3ungen allerl^öd^ftc ©rfalirung, 



' 91ac6 bem ^ax^am (S3S3 ü a). 

2 1521 Decolampabü ber l&ailigen ©d^rift 2)octor @ant Sörigitten 
DrbenS gu 2ritcnmün|ter üxtaii unb 2)lainung avi6) anbete Stieben, 5lnttoorten 
unb ßanblung Dr. 3R. ßut^er belangenb u. l to. 21 iü» 

8 „Ulrich Don ©ntten übt bie gebet unb ha^ Sc^toett p ctloedfen 
alte teutfdöe (Stbetfeit in SCteu, ©rauben unb Söa^t^ett". 5lin fidgltd&e ^(ag 
an ben c^tlftL dtönii Reifet Äatolum 2C. bet ctft 23unbgeno6. 5liii. 



Slatöoltfc^ie Oppofition, 2)te Ji^eunbe ber iHcformation ; futtern 13 



funber auä) u§ betn SJrunnen ber friec^ifd^en reid^Iid^ getrunlen, 
er möge feine ^oi)e ßunft unb ße^re unferer teutfd^en 3wngen 
burc^ fein SEransIation anä) ingießen, ba er Don ber ©eburt ein 
funber gut l^oc^teutfc^e b. i. fränfifd^e ©prad^ l^abe". S)iefer t)or 
ber Jiation ergangene 50ia{)nruf, ber metteid^t nic^t t)ereinjelt gc= 
blieben ift, bürfte auf ben ritterlichen §umaniften ©inbrudf gemad^t 
^aben; er red^tfertigt ^ atebalb feine lateinifd^e Sc^riftfteEerei, mit 
weld^er er bie „ßird^enl^äu|)ter gleid^fam imter mer Slugen l^abe 
©amen tooüen". 

ßatein tc^ öor gefc^rteben fjah, 
^ag loa§ etm jeben nicftt befant — 
3e^t fcftrel id) an ba^ ^attxianh, 
Xtntid) Nation in i^rer <Bpxad) 
3u bringen biefen 2)tngen diad). 

So würben 50iänner, bie ju einer mel^r frieblic^en ?lu§- 
gleic^ung ber ©egenfä^e l^inneigten, in bie revolutionäre SBetoegung 
gejogen, ujelc^e jebem unabhängigen, jebem national gefinnten ßo|)f 
®influ§ auf bie S^ageSfragen t)erfprac^. Unfer SBoIf fonnte tro^ 
beö ÜbermaBeg beutfi^er 2)rudEfc^riften nid^t bef riebigt loerben; ungc= 
ftüm tt)irb auf baä 9lec^t ber ßaien ge|)üc^t, an bem göttlid^en 
SBort felbft Slnteil gu l^aben. %n ßutl^er ergel^t bie Stufforberung, 
er möge bie Station mit einer beutfc^en SSibel befc^enfen. ,,ßiebcr 
§err ßutl^er, fc^riben in unfer @|)rad) gu bütfc^ bie gotlid^ 2ßa]^r= 
bcit, uff baß loir einfältigen ßaien ouc^ mögen lefen" ^ — fold^e 
SBünfc^e finb gemi^ fiäufig in bie Dffentlicf)feit gebrungen. 

®ie Sleformatoren fiatten ber lateinifc^en ©c^riftftetlerei nid^t 
gang entfagt. Stber ha^ gro^e ^ublifum, ba§ nun einmal toarmeö 
Sntereffe für aUe fird^lid^en unb fogialen Streitfragen l^atte, t)er= 
jid^tete leinegmegS auf jene lateinifc^en Schriften. Um bem regen 



1 6trau6 Sßcrfe vn, 345; bagu ba§ bort überfef)enc SSortuort Döbels 
JU feiner (Sdirtjft: „(Sin gierfic^e Sftebe nnb ©rmanung gubeS groöntäc^tigften 
^axoio 2cJ' Über ^öbel, ber fpäter ber reformatorifdien Sacfte untreu 
tourbe, ögL 2t(tbeutfc6c isölättcr I, 278 ff. 

2 ^^arft^anS JÖ23 iü b. 



14 !♦ Eircftcnfpradie unb SSoIfSfpracöe. 



fenöbrange bcr fiaien ju bieneti, Veranlagten SBerfaffer ober 
35erleger l^äufig beutfd^e Überfe^imgen — fo fel^r Iiatte ber ©rfolg 
ber reformatorifc^en ßitteratur ^ublüum imb ßitteraten begeiftert. 
3fe^t tDerben latetnifc^e ©c^riften öon ßutlier, ^utten, 6ra§muö, 
DecolampabiuS unb anberen t)erbeutf(^t. 3iitt3etlen andern fid^ bie 
Ü6erfe|er aud^ über bie ©prat^benjegung. 1522 erfc^etnt in Jöafel 
bei %ham 5Petri „ein \ä)ön ®|)iftel ®ra§mi t)on Sioterbam, bafe 
bie eöangelifd^ ßel^r t)on jebemtan foH gelefen unb öerftanben 
tüerben", ujorin unö ber Überfe^er Derfic^ert, ba^ bie ©elel^rten 
unb ©d^eingelel^rten biejenigen läfterten, ttjeld^e ben geiftigen 33ebürf= 
niffen beö 5publifum§ mit Überfe^ungen bienten. S)er Sluggburger 
Sud^l^änbler Dr. ©igiSntunb ©rintm liefe eine ©d^rift be§ Deco= 
Iani|)abiuö 1521 ing Seutfd^e überfe^en unb bat ben Slutor um 
eine 2)urd^fid^t unb ©eneljmigung beö beutfd^en SCe^teö. DecoIam= 
|)abiu§ tüittigte ein ; ptte — fagt er im äJoriüort gur Überfe^ung 
— bereite bie lateinifd^e Slusgabe htn 3orn ber 5Pa:|}iften erregt, 
fo toerbe il^nen ber ®rfoIg ber beutfd^en Sluggabe nod^ gröfecreg 
3lrgerniä geben. 

^n bemfelben 33ert)ältni§, in bem fid^ in ben |)roteftantild^cn 
Greifen ba§ ^ntereffe für bie beutfd^fprad^Iic^e ßitteratur fteigert, 
toad^ft aber aud^ ber 9)tifemut unter ben ßatl^olifen. Um fid^ be§ 
gefäl^rlid^ften ©egnerö — ber 35oIfef))rac^e — gu erttjel^ren, fuc^en 
fie ßutl^er ate Slufl^e^er beö SBoIIe^ gu branbmarfen, toeil er fid^ 
ber beutfd^en @|)rad^e in feinen ©d^riften bebiene. S)egtoegen greift 
5ülurner in brei anonymen Slrbeiten t)on 1520 ben Sieformator 
an. Unb bod^ toar biefer fd^on Don ben 3rit9^^offen betoun= 
berte SSolföfd^riftfteller ein ^reunb ber $0lutterfi)rad^e, ja in jenem 
t)er]^ängni§t)oIIen i^alire 1520 öerteibigte er fid^ energifd^ gegen 3ln= 
feinbungen, bie er toegen feiner SBerbeutfd^ung ber ^[nftitutionen 
3[uftinian§ t)on Sunftgelel^rten erful^r. ^e^t aber trat 5ülatt]^äu§ 
©nibiugi in glcid^er @ad^e gegen 5ülurner für ben 9leformator auf: 

^ Defensio Christianorum de Cruce 1520. SJ^urner im 23ii)rloort gtt 
ütriusque Juris Tituli et Regulae 1520 fagt mit 9flüdffit5t auf feine 3lf 
ftttutionent)erbeutfd^ung : nostram germanicam interpretationem etsi quibus* 



3^roteftaittifd)c fiitteratur. ^at^olifc^e Gegner, bef. SJ'hinter. 15 



)scimus quidem in te eloquentiam Germanicam, fo lüirb 
ler angegriffen, sed dolemus quod tarn pessime illa ab- 
j. cum enim ex latinis totum hoc pendeas negotium, 
ique idiomate agendum fuisset, non vulgato, maxime 
am tu hoc tam acerbissime objurgas inMartino". Unb 
genben ^aijxe tüeift Sio^ann (gbcrlin^ aUe biejcnigen gurüd, „btc 
jen unb unnü^ ad^tcn bie große ©ab ©ot§, ha^ je^ fo t)il 
nö S)ing in teutfd^e ®pxaä) t)ertoImetfdöt toirb"; bie Ü6er= 
5 einiger Sd^riften beg ®raömu§ nimmt er in Sd^u^, unb 
Dr. ßutl^er unb <§err Ufrid^ öon ^utten beutfd^ fd^reiben, 
er mit Otüdfid^t auf ben gemeinen SJlann. ©egen biefe 
gung tritt bann im folgenben ^ai)xe toieber SJlurner in 
©d^rift „t)on bem großen lutl^erifd^en SRarren" auf; im ^in= 
Ulf (£6erlin§ „ad^ten S8unbe§geno§" ))arobirt er bie SJlotiöe 
mtfd^en ©d^rif tfteüerei : 

Sßanit h)ir fiatinifc^ tüolten teuren, 
<Bo tüifeten tüenig, ha^ mir tüären 
2(lfo gro6 D'^arren in bem 2a\\h, 
Unb tüären tüenig ßüteit hdanwt 
6unft fo tülr tütfd^ S3üd)lin fd^reiben, 
2)ie 2^rucfcr ha^ mit ©etüinn öertreiben 
Unb füllen if)re (Secfel bamit: 
^asfclb uns bann fann fc^abcn nit. 
Slud^ fünnen h)tr mit tütfd)er <Bpxad} 
Unferm (Bpott bafe fumen nad}. 
(So feinb ber tütfdöen Sßörtcr foöU, 
2)er fid^ fein§ latinifd^en (äffen toxä» 
S)ag Sßort '^c^mnöforb* unb '^xppcnhxih' 
Unb aud^ bagu ein *befd^omc D^lub' 
Unb anbete SBörter bcrgicid&en mel^r, 
2)ie tütfd^en <Bpxad}tn bringen l&er, 
2)ie (äffen fid^ gar (atinifd^en nit 

ispliouisse cognoverimus, aientes nos nobilissimas juris utriusque 
ritas porcis devorandas tradidisse potius quaminterpretem exstitisse 
didisse secreta quae propalanda non fuerant — ego quod feci 
im facere non possum nee facti poenituit. 
1 3)er ad&te Jöunbeögenofe. 



16 t tirc^cnfprad^c unb S^olfgfprac^c. 

2)arumb toix fd^rcibcn tütfd^ bamit 
Unb l^aBen ba^ barumb get^on, 
^a6 iebc 2)orfmeö ein mög ^on 
5ßon unfern '".Söudöltn, bie h)ir (on 
2)en nütüen ©Triften gu gut u6 gon, 
Unb uff bcn @tuben bei beut Sßein 
Unfer and} gebenfen feim 
'Und) l^abcn tüir ha^ mit ^ol&en ©innen 
2)cn grangofen nit tüöttcn günnen: 
2ßär ei> Satin, fie tüürben e§ innen* 
S)arumb id^ ha^ gü tütfd^ befd^reib, 
^afe e§ im tütfd^en ßanbc bleib 1 

3a mal^rltci), lüöre her SBunfd^ ber 9löntünge in ®rfüHung 
gegangen, tt)ir mären nod^ l^ente feine Station öon felbftänbiger 
SBilbung! SJlanner tüie SJlumer ptten atterbingS nid^ts lieber 
gefeiten, afö ba§ ber 9teformatton§Iam))f ein internationale^ 3Jlönd^§= 
gejänf geworben tt)dre, t)on bem bie beutfd^e SRation nid^tö erfal^ren 
ptte. 3^ür bie ®ntanji))ation t)on fftont toar barum feine ent= 
fd^eibenbere Sl^at benfbar, afö bie beutfdöf))rad^Iid^e SBetoegnng, bie 
t)on nnfemt Oteformator anöging. Se^l^afb aber treten jugleid^ aud^ 
bie greunbe ber 9teformatton mit alter Sntfd^iebenl^eit für bie 
beutf d^e @dE)rif tfteüerei ein ; bie Station ntn§ ju ben großen fjragen 
ber 3cit Stellung nel^men, niu§ in eigner ©ad^e urteilen unb 
entfd&eiben fönnen. SBer lateinifd^ fd^reibt, ntad^t il^r biefeö ffted^t 
ftreitig. Salier tt)irb 3Dturner in einer fd^meigerifd^en fjlugfd^rift 
toegen einer IateinifdE)en ©dEirift angegriffen, i" 

®in ^efpons fd^r^bft hn in Satin, 
S5ie njär üU beffer tütfd^ gfin: 
@o ij'dtt ber gmcin 2Jlann oud^ erfcnnt, 
2Bie bu bod) §abift ben ®fe( gfd^änbt* 
S)ienj^( bn aber ba^ nit ^aft gtl^on, 
(So mag mtndiiä) tool öerfton, 
^a6 bu fc^r^bft allein ben ^ßfaffeu; 



1 S)er dit}d)mQ in @d&eible§ ^(ofter VIII, 879; ögL aud& Sa^rb, f. 
fd^toeig- @efdö; VII, 160. 



iUiurncrS ^cr galten* • 3)cr gcftr^fft @d)to^^er ^ur. 17 



®tc fjlugfdöriftcn jener belegten 3eit finb \)oU frol^er SBorte, 
ba% bie Dp))ofttion ber fatl^olifd^en ßrcife gegen bie bentfd^e 
Bpxaije erfolglog blieb. Sie legen bamit 3cugni§ ai, ba^ tt)aU 
fäd^Iid^ ba§ ßatein ber gefal^rtid^fte fjeinb einer nationalen SBilbung 
nnb eineö gebeil^tid^en ^ortfdörittö mar. 

6g Ware ein öergeblid^eö Unterfangen, wenn ultramontane 
©efd^id&tfd^reiber bie altgläubigen ßreife in ber ffteformationggeit ber 
beutfd^fprad^üd^en Bewegung freunbtid^ gefinnt barftellen »outen. 
S)ie gange Stimmung ber 3ßit t)on 1519 bis 1525 beweift baQ 
©egenteit. Überatt üernel^men wir, ba^ bie 5)Ja))iften ber a3otfö= 
fprad^e feinblid^ entgegen ftel^en.^ ®in wertüoßeg 3)ohiment au§ 
jener bewegten 3rit üerbient in ber beutfd^en Sprad^gefd^id&te einen 
befonberen 5pia§. ®§ ift eine fd&Weigerifd^e 3Iugfd&rift t)on 1522, 
„ber geftr^fft Sd^wi^er SBaur" betitelt. Sie ergäl^tt, wie im t)er= 
gangenen Sfal^re „ein 3Jlünd^ l^at ge:j)rebiget in einer @tabt ein 
gange fjaften unb l^at in atten finen ^Prebigen unb ßel^r fid^ er- 
göigt ein Raffer unb SBeniber aller ber, bie tütfd&e SBüd^er lefen, 
unb l^atS gar ol^n afö SJlittel für ein gro^e ©ünb unb Sfrrfal 
unb gar verworfen gel^atten, afe ob eS ßä^er^ f^". 3)ie Unter= 
rebung biefeS altgläubigen 5)Jrebigermönd^e§ mit einem SBauem, ber 
felbft t)iele beutfd^e SBüd^er gelefen unb fein ©efinbe in il^nen unter= 
wiefen l^at, bilbet ben ^n^alt biefer in unferer Sprad^gefd^id^te be= 
beutfamen ©d^rift. 

„©0 il^r ^priefter beutfd^e ©prad^e gar öerad^tet, fagt ber 



* ffSl&t ©elel^rten, tl^r SBerfel^rten l&aben un8 ßaten alle 3)in0 mit 
bem ßattH öerfd^Iagen, tote hk ©aufler tl^unt — öerfd^totnb alfo ber SBtnb, 
ha^ feiner tDteberfinb — bantmb öerbreufet tnd) Sßfaffen unb Tlünä), ha^- 
man tcutfd^c SBüd^Iein tnicft, barin il&r i&ölimg l^cröür brid^t". 2)er ^urcn^ 
tDirt © ü. 

^arumb tDoUen fte nit l^aben, 

^a6 man bcn lateinifd^cn 23itd&ftaben 

8räc^tc gu tcutfd^er 3unge u. f. »♦ 

^eöclfpitt geptactisiert au8 bem Je^igen 3Jo^trad&t beS ©laubcng 2U 
1522. 



18 1. ^xxditn'\pxad)t unb SJo(f§fprad)c. 



SSauer, aU ob fie her SSernunft nid^t gemä§ fei unb anä) her gött= 
lid^e SBiH öor ben ßaten foK befd^Ioffen fein, frag id^ eud^: ba 
©Ott ber SBatcr ben erften 3Jlenfd^en erfd^uf, ob er il^n nid^t t)ott= 
lomntenltd^ l^at erfd^affen? 3)enn bann l^at ©ott i^m anä) erlaubt, 
in feiner ^pxaä)e feine SSernunft gu gebraud^en". — SD^lönd^: 
„®u lannft aber l^ol^e unb fubtile ®inge nidE)t öerftel^en". — 
Jöauer: ,;5)Jetru§, 3tnbrea§ unb bie anberen Slpoftel finb aud^ ein= 
fältige tJifd^er getoefen, unb eg ift gu fürdE)ten, ba§ bie ©ubtititat 
t)il l^od^gelel^rte 3)octore§ in ben 3tbgrunb ber §öl[e gefül^rt f)at". — 
3Köndö : ,;5Dlad^t man aud^ 3)octoreg in ber teutfdE)en Sprad^" ? — 
SBauer: „@§ ift loal^r, in teutfd^er @prad^ mad^t man fein 
©octor; aber in IatinifdE)er ^pxaij frönt man öil ®fel auö ber 
Sdfd^en. 6ä ift bie größte Sn:ung, ba§ fie ben ßaien t)erbieten, 
bie l^elge ©efd^rift in teutfdE) ju tefen. ^ä) mein, min &pxaä), bie 
mit mir ufgemad^fen ift, f^ mir mager bann ein anbere ; bann bie 
angebome ^pxaij ift aütoegen bel^ergiger".^ — 

SJlit biefem @iege ber Oteform.ation unb ber beutfd^en ©prad^e 
tüax ein großer Sieil ®eutfdE)Ianbg für immer auö ben Sieben mittet 
aIterIidE)=fatf)oIifd^er ©eiftegfned^tung befreit. ®ie alte ©eiftlid^feit, 
bie frül^er ben ßaien bie geiftige Jtal^rung fna))p gujumeffen gemöl^nt 
tüax, ift je^t anä) t)on ber SSibelgelel^rfamfeit proteftantifd^er ßaien 
überl^olt unb in ber eignen ©eifte^armut bloßg^fteüt. ®ine neue 
SBilbung bridE)t an. Söeid^tbüd^er unb ®efretalien finb nid^t länger 
bie §au))tna]^rung für bie geiftig armen ßaien. ®ie fylugfd^riften 
ber 3^it geben un§ einen ®inbtid in ben großen ßulturfam))f. 
„@^ben frumm aber troftfofe 5)Jf äffen f lagen ifire SRot ainer bem 
anbem" — fo lautet ber Sitel eineg 5Pam|)]^(etg in ©iaiogform ; ba 
flagt ein alter ©eiftlid^er: „S)ie SBelt tt)irb töglid^ geleierter unb 
ain§ beffern Urtaifö ; bie ßinb in ber ©d^ul post fornacem lernen 
j|e§ beffer ®ing bann gu unfern Briten, bie in primo loco fa^en. 
®er teutfd^en SBied^er toerben t)il, unb in teutfdE)er ^pxai) finbt 
man jje^ aKe gottic^e unb menfdölid^e SBeiöl^eit. SSor Seiten tt)a§ 



SSgr. ^arl ^agen, ^er ©etft ber ^Reformation 1, 223. 



dlatiomk S3ilbunfl feit bcr SHeformation möflltch. 19 

Dormi Secure, Thesaurus Novus, Postille Guilhelmi, Disci- 

pulus, Pomerius etc., ja ©abriet, £)tit)eriu§, Summa Predi- 

cantium etc. gute SBied^er; je^ ad^tet man il^r nid^t". 

Sfn äl^ntid&er SBeife öcranfd^autid^t unö ©imon C^^ffusJ 1521 

in einer titellofen ©treitfd^rift, bic ju Boxringen im Söreiggau er= 

jd^ien, ben Umfd^mung, bcn unfcre nationale Söilbung burd^ l'utl^er 

bamalö erful^r. ,M ift bem römifd^en ^of nit faft hupd^, ba§ 

bie teutfd^en ©efellen anfangen tüi^ig unb gelert gu tüerben unb 

bei einem 5)Jünftte u^rcd^nen, tou e§ gugegangen fei im 3tnfang 

ber d)rifttidE)en ßird^en. ®er römifdE) §of moc^t tüol leiben, ba§ 

bic Seutfd^en gar nichts lefen bann baö ®e!ret, ®e!retal unb toa^ 

ju Jftom gemad^t mirb. ®ann je^unb bie trunfen Sieutfc^en ben 

SBein u^gefc^Iafen l^aben unb geleiert werben unb motten anfallen 

bie ®a$ gu grob öerfteen. Söären fie blieben beim 2llejanber in 

ber ©rammati!, bei bem ßötnifc^en 6o|)uIat in ber öogif, bei bem 

%i)oma in ber l^eiligen ©efd^rift, bei bem ßarolo unb ^ontio 

^ilato in ber ^ll^etorif unb f)ätten fid) ber !ried^ifdE)en Spxaä), 

bes l^eiügen ®t)angelium, 5pauli, ^ieron^mi unb ber alten Ferren 

fid^ nid^ts angenommen, fo toären fie noc^ frumm, fdE)Ied&t unb 

gel^orfam @ün be§ ^jjapftö; unb tt)enn ein Sörief ober SJlanbat 

t)on 9iom föme, fo f)ielten fie ]^of)er unb mel^r havoon bann t)on 

bem ©oangeüo. 3tem toenn ;3nbulgen^ tnmpi, fo fud^en fie bie 

alten Pa|)pert l^erfür unb fc^idenS gen Otom. S)a fann man 

biefelben u§))oIiren unb braud^en. Unb fo lebte 9fiom in fricb= 

famer ^Poffefe ber Sd^af. SBenn ba§ Sd^af aber nit SBoßen geben 

toolt, erfd^redte man ba§ felbig mit einem greu^Iid^en f)arten 

©onnerfd^Iag einer SBuüen, fo gab es» aber etma lang SJlild) unb 

SSotten. ^dtteft bu ben ßo))f nit l^erfür geredt u§ 3Jlitternad^t 

unb l^dtteft bie botten unb groben Sleutfd)en taffen il^re ^bp\ ger= 

bred^en über bem 33eid^tbüd)te unb bem Secretal, fo l^citten fie nit 

fo Diel SBeil unb 3^it gel^abt, ba§ l^eilig ®oangelium gu ergrünben 

unb aud^ alfo eben erfaren, toie e§ gu 9fiom gu gat. 3)aä grob 

teutfd^ aSoH l^att fein ftum))fe SSemunft nod^ nit atfo gefpi^t unb 

fo emftlid^ gebrandet, gu erfal^ren bie @))ecula^ ber römifd^en 5rei= 

2» 



20 1. Ätrcf)enfprad)e unb ^oit^\piad)c. 



f)üt ober ßird^enfreil^eit unb l^ätt folic^en 3)ingen nocö lang nit 
nad^gefraget. 2lber ie^unb fein bie Seutfd^en alfo f))i^tg unb ganj 
finnretdö gcmorben in ber l^etügen ©efd^rift, ba§ gum bid er 3[JlaI ein 
ßaie mel^r red^ter grünblid^er ©efd&rift lann bann bie ßeut, bie 
3[nfuln uf bem ^anpt tragen, afe ob fie ba§ alt unb neue Seftament 
lönnen, ba§ fie oft nit anfeilen in breien 3Dloneten". 

®g toar gugteid^ ein ßampf um ba§ StationalitätSpringip. 
Seutfd&e ^rünben, lüetttid^e loie ürd^üd^e, loaren nid^t feiten t)on 
Sluölänbcrn befe^t, bie ber beutfd^en Stiebe nid^t mäd^tig toaren. 
SBir l^ören t)on latl^oIifdEien ®eiftIidE)en, t)on Söifd^öfen, t)on ßaifern, 
bie ber beutfd^en ©prad^e unfunbig maren. S)ie tJreunbe ber 
ffteforntation öertangen Slbl^ülfe. S)a forbert eine in Strasburg 
1521 ausgegebene tJIugfd^rift, „bah ^ßitt S^rember ober 3luö= 
tänbifd^er, ber mit ber tütfd^en ©prad^ bem SSoII nit öoßlommen^ 
lid^ lann prebigen, tefen unb öerftel^en, l^inför nid^t mer möge cr= 
langen unb aufbringen ®ered^tig!eit , ©cloor ober Sefi^ung gu 
geiftlid^en SBirben, 3lmten, Selben unb ^Pfrunben teutfd^er Station 
unb ba§ fie bißid^ für untöd^tig bagu foKen gead^t werben".^ ©ine 
anbere fjtugfd&rift verlangt ba^ gleid^e — ,;teutfd^ 5ßfrünben ben 
Seutfc^en aßain gu le^d^en"; fie folten fortan nid^t mel^r über= 
tragen merben an „ungeklärte, untüd^tige, ungefd^idEte ßeute, bie 
auc^ teutfd^er Sprad^ umoiffenb feinb".- 3Dlit gteid^er Erbitterung 
feigen unfere ^Patrioten, loie fftom Privilegien an 9ftömer augteitte, 
an beren Söefi^ un§ ©eutfd^en oiel gelegen fein mu^te. Sin 
römifd^er ©rudEer befa§ ein gel^njäl^rigeS ^Privilegium be§ 5papftg 
für S:acitu§auggaben; unb ^utten^ !onnte leinen SrudEer finben, 
ber tro^ päpftlid^er Süße unb römifd^er ßegaten eine 3lu§gabe 
ju veranftalten gewagt l^ätte. 

@o tourbe auf aüen ©ebieten für 3)eutfd^tum unb 3Dlutter= 



1 ©tlid^ Slrticfel ®ottc8 ßob unb beS ^Ig; SRöm. «Reichs unb ber gangen 
Station ®6re unb gemeinen $^ö belangcnb. 

» 2)ie 23cfc^h)crungcn be8 l^Ig. SHö. ^tt). unb befonberUd^ gang tcutfd^cr 
giation öom ©tfil ju SHom u. f. to. 23 iiii. 

^ ©efpräd&büd^Icin ® iü. 



9lattonatttätgj)ringi)). §auptfprad)e. 9Jiutterfj)rac6e» 21 



\pxaä)t geläm))ft, unb mit bem Siege beö 5)Jrotcftanti§muö crl^ielt 
bie 35oIfef))radöe eine frül^er nie geal^nte SSebeutung. 

6§ ift nid^t unfere Slnfgabe, bie f))ateren tt)cci)feIt)oIIen @d&id= 
fale beg ©entfd^ im ©otteöbienft barguftellcn. SBom @tanb|)nn!t 
ber bentfd^cn ©))rad^gefdöid^te toax e§ feine ernfte ©efal^r, aU bag 
ßei))giger Sttterim t)on 1548 bem ßatein in ber ßttnrgic lieber 
bcn breiteftcn 9fianm gn fidlem öerfud^te.^ SJlod^te anä) ba^ 3;riben= 
tiner Äongil t)on nenem tcieber bie alte 3lbneigung ber römifd^en 
Äird^e gegen bie 35oIföf))radöen funb tl^nn — e§ !onnte an ber 
2;]^atfad^e nid^ts geänbert n)erben, ba§ ha^ ßatein an§ feiner faft 
taufenbjäl^rigen §errfd^aft in Sentfd^Ianb enbgüttig t)erbrängt tcar. 

3)er S^tndö ber ^Barbarei, mit bem nod^ ßntf)er§ S^itgenoffen 
bk bentfd^e ©))rad^e branbmarfen, üerftnmmt feit ber SJlittc be§ 
16. Sfci^i^l^unbertS. SBaren big bal^in bentfd^ unb barbarifd^ (barbare) 
ofä ©egenfa^ jum ßatein gteid^toertige ^Begriffe, fo tritt fortan bie 
ftolge Benennung ber beutfd^en ^^anpU unb ^elbenf))radöe auf, 
bie faft burdö gtoei Sial^rl^unberte ben greunben beutfd^er Qpxaijt 
geläufig . bleibt. ®te a5oI!§f))rad^e, bie burd^ ben 5ßroteftanti§muS 
bie religiöfe SBeil^e erlangt l^at, ift jum fftange einer §auptfprad^e 
crl^oben, feitbem „©ott, ber in aßen @))rad^en gelobt fein toiä, [ 
anä) in unferer Qpxaä)e SBunber wirft". ©leid^jeitig tritt ba§ \ 
SBort *3Jlutterft)rac^e' auf, ba§ ben ©efü^Ien ber Station für i^re \ 
SSoIföfprad^c ben innigften 3lu§brudE üerleil^t. 



1 3d^ Dcrtoeife nur auf ha^ njcrtöottfte ^ofument btefer 3eit: 1550 
unb 1560 öcröffentltd^te ber Hamburger $rebtger Soad^im 2Beftt)§a( in 
a^agbeburg feine „gtoo $rebtgen getl^an aus bem ©öangeüo SWatt^. 21, 1, 
ha% man in ber ^trd^en atteS in gemeiner bcfanntcr (Bpxad) lefcn unb ftngen 
foH; anä) tt?a8 für große ©droben aug ber je^tgen SJeränberung ber beutfcöcn 
^pxad) in ßateinifd^ in ben tird^cn erfolget/' dlaä) ©cfffcn *btc ^ambur* 
gtfd&en nbf . ©efangbüd^er bcS 16. Sa^r^/ @» IX fönntc eg fc^einen , als 
ob btefc bciben gtoeimal gcbrudften $rebtgtcn nie beröffentlid^t Sorben feiern 



2. 

"Mafimilian un5 ftint 1Ran|ki^ 

33on jje l^er l^atten auf beut beutfd^cn ©))rad^gebiet ßautbe= 
tüegungcn gemirÜ, tceld^e ber ®inl^ett ber fontincntalen ©crmancn 
fo gefäl^rüd^ waren wie bie ))oütifd^e 3ßtf))Iitterung in ©tamme. 
Sftn 6. 3[ct]^tl^unbert war t)on beut langobarbifd^en Dberitalien au§ 
eine Bewegung beftimmter ßonfonanten über bie 3tl))en gebrungen 
unb l^atte bie oberbeutfd^en ßanbfd^aften, bann aud^ 3JlitteIbeutfdö= 
lanb ergriffen, um fd^Iiefetid^ bie nieberbeutfd^e ©prad^grenje ju 
fd^affen. Sl^nlid^ biefer Bewegung ber ßautoerfd^iebung l^atte aud^ 
ber aSoIatiömug ber Jonftlben eine llntgeftaltung erlitten, welcfie 
um 400 t)on Jlorben l^er nad^ ©üben t)orbrang unb bebeutfame 
©d^eibeünien fd^uf: bie ©rfd^einung beö Umlaute, bie in ber ge= 
fd^id^tlidEien 3eit beftimmte geograpl^ifd^e fjortfd^ritte öon 3iorben 
nad^ ©üben mad^t unb jum Seil aud^ geogra))]^ifd^e unb d^ronolo^ 
gifd^e 3Dlarffteine abgibt. 3)iefen gewalttgen ßautbewegungen, weld^e 
jal^treid^e d^aralteriftifd^e ßautunterfd^ebe in unfern SUlunbarten 
ergeugt l^aben, öergteid^t ftd^ in f))äterer 3eit eine ®rfd^einung, 
; bie wir burd^ SBill^etm SBraune^ afö f))rad^tid^e§ SRaturereigniS 
aufgufaffen gelernt l^aben. @S ift bie ®i))]^t]^ongirung ber alten 
T ü ü (in) gu ei au eu, bie für bie ©ntftel^ung unferer mobemen 
@d^riftf))rad^e t)on ber größten Sebeutung ift. 

2Bie Umlaut unb ßautöerfd^iebung brol^te biefe Iautmedöa= 
ntfd&e Strömung neue munbarttid^e ©rengen ju fd^affen unb bamit 



aSöL feine unb §. $Paul8 Söcttr. I, 37. 



2autüä)t unb ortf)ograp]^ifci^e ^eöolutionen. 23 

hie f))rad^Iid&en Unterfd^iebe ber ßanbfd^aften ju tiexmeijxm. Unb 
fo gefdia]^ e§ ani), big fd^Iie^Iid^ ber neue 33oIaIt^pu§ gum 61^a= 
rafter ber Sci)riftf))rad^e erlauben unb bte jal^Ireid^en 3)ialeftunter= 
fd^iebe, tüeld^e burd^ lautmed^amfd^e SBorgänge ergengt tt)aren, 
burd^ eine l^öl^ere ©inl^eit nnfd^äblid^ gemad^t tcurben. 

S^erfelbe 5Proge§ ber S)i))]^t]^ongirung l^atte fid^ in ©nglanb \ 
t)oHäogen; aud) l^ier l^atte er munbartlid^e ©egenfä^e ergeugt; and^ 
l^ier trar bie angelföd^ftfd^e ©))rad^ein]^eit in ©efal^r, einem bunten 
(S))radöengetümmel gu toeid^en, tcenn nid^t l^ier tt)ie allertcärts ba§ 
alte ©efül^I ber etl^nologifd^en ©inl^eit aud^ gu einem einl^eitüd^en 
^pxaä)it)p]x^ gefül^rt l^ätte, berl erft für ben titterarifd^en, bann 
aud^ für ben münbtid^en SSerlel^r unentbel^rüd^ mürbe. 3)ie engIifdE)c 
Sprad^gefd^id^te bedft un§ bie folgen jenes 5)Jrogeffe§ ber 3)i))]^t]^on= 
girung auf unb beteud^tet bie ®rfd^einungen be§ Kontinents. 3)er 
ununterbrod^ene 3ufammen]^ang ber fd^riftlid^en Srabition fül^rte 
in ®nglanb gu jenem aufföüigen ort]^ogra))!^ifd^en %\)pn^, ber bem 
©d^riftengtifi^en eigen ift: man fd^reibt i, obtool^I man ei f))rid^t, 
aud^ in ber mobemen 3ßit mit bem trabitioneüen ßautgeid^en ; ou 
ift im 3leuengIifdE)en al§ ßautgeid^en geblieben, obtool^t eben biefeS 
Seid^en, ba§ ^eute afe au gef))rod^en tüirb, im SUlittelenglifd^en für 
ben ßautmert ü übtid^ mar. 3)ie gra))!^ifdöe ©nttcidflung ber mo= 
bemen englifd^en @in!E|eit§f))rad&e ift atfo nid^t mit ber mobemen 
Cautentmidftung öorangefd^ritten , fonbem auf ber Stufe ber 
mittelalterüd^en @))rad^e ftel^en geblieben. 

S)iefetbe SJlöglid^Ieit, melcbe burd^ ba§ ablel^nenbe SBerl^alten ber 
nid^t bi))]^t]^ongirenben SJlunbarten nod^ begünftigt mürbe, ftanb aud^ 
uns S)eutfd6en offen. SBeniger !onfert)atit) gefinnt unb ben SBrud^ 
mit ber S^rabition nid^t fd^euenb, entfd^ieben mir uns für bie gmeitc 
SKöglid^feit, ben mobemen 3)ip]^t]^ongimngen aud^ gra))]^ifd^ geredet 
gu merben. ^n hzn erften Seiten beS fiegreid^en ßautprogeffeS ' 
mod^te aüermärts ber SBmd^ mit ber ort]^ogra:j)]^ifd^en S^rabition 
'fd^mer fein. SBirftid^ brol^te uns — menn aud^ nur t)orüber= 
gel^enb — jenes Softem öon ßautbarfteÜung, baS im l^eutigen 
6ngtanb l^errfd^t. S)ieS miffen mir t)om ©ebiet ber fd^mäbifd^en 



24 2, aJlaEimilian unb feine tanjleu 



SJlunbart, tt)o um 1500 i gcfd^ricbcn tcurbe, al^ man bereite ei 
f))rad^.^ Unh fo toixb aüerwartö b^r rein lautlid^e ^Proje^ cttt)a§ 
frül^er angufe^en fein afe feine gra))]^ifdöe SBieberfpiegelung in 
unferer mobernen Drtl^ograpl^ie. » 

Um 1200 f^eint biefer ^jjrosefe im ©üboften 3)eutfdölanbg 
begonnen gu l^aben ; f d^on jur 3eit be§ !taffifd^en SJlittell^odöbeutf d^ 
beftel^en bie neuen ©ipl^tl^onge. 3fm 13. i^öl^rl^unbert werben fte 
in Jlieberöftreid^ l^eimifd^ unb im 14. 3[Q]^rf)unbert gewinnen fte 
gang Öftreid^. ^Präger ^fted^tsbenfmaler öon 1324 geigen bereits 
ei, au, eu; gwifd^en 1330 unb 1350 werben fte bafelbft gang 
burd^gefül^rt. 3luf ber ©rengfd^eibe beg 14. unb 15. Sfal^rl^unbertö 
erobern bie neuen ©i^l^tl^onge ©d^Ieften unb Oberfad^fen ; in 
3!Jlei§en werben fie etwa um 1400 l^aufig; aber erft in ber 
gweiten ^älfte be§ ;3o]^r]^unbert0 ftnb fie fd^riftlid^ attgemein burd^= 
gefül^rt. Saiem unb £)ftfran!en werben im 14. ;3af)r]^unbert t)on 
ber ßautbewegung ergriffen; um 1400 bringt fte über ben 8ed^ 
nad^ Sd^waben, wo ber mcd^anifd^e 5proge§ bereits um 1490 ab- 
gefci)Ioffen gewefen fein mu§, wenn ha^ alte SBofalf^ftem aud^ nod^ 
gra))]^ifdö etwa 50 Saläre weiter lebt. SBon SBaiem, Dftfran!en 
unb ©d&waben au§ giel^t ftd^ bie ^Bewegung gum Untermain unb 
SJtittelrl^ein, wo fie in ber erften ^ätfte be§ 16. ^al^rl^unberts 
burd^bringt. 

@g finb grofee Steile ®eutfd^lanbö öon biefem möd^tig t)or= 
bringenben 5proge§ nid^t betroffen. 3tm Dberrl^ein bleiben bi§ 
l^eute in ben 3Jlunbarten bie alten i ü ü ; aud^ Reffen, Sl^üringen, 
baS nörblid^e 3[JlitteIfranfen finb t)on ber Bewegung nid^t erfaßt 
worben. 3lieberbeutfd^tanb ift bem ©l^aralter feiner ßonfonanten 
gemd§ aud^ im a3o!aIi§mu§ bem alten 3;^))u§ treu geblieben. 2lud& 
im fübtid^en Seil be§ bairifd^en 3Kgäu fehlen bie mobernen ®i= 



^ ^Ql ben frönen Sluffafe ipermann ^Jifc^erg über bag „^c^inger 
ßatetn'' in ben aBürttembergtfc^en Sßtertelia^rS^eften 1885, 229; 1887,45. 
®8 toirb bort nad^getoicfcn, ba6 unb njarum einzelne ^d^toabcn bamal» 
lotetnifd^ dies, qui al8 deies, quei au8gcf))roc^en l^aben. ,., 



^^^ 



ßautltc^c unb ortl^ogra))l&ifd)c 9lcöo(utionem 2. 



:p^tf)Ottge. ^n ber @d&tt)ctj finb einige Slnfä^e gu her neuen 8aut= 
fiemegung gu beobad^ten; nid^t.nur l^aben gmei toeit auöeinanber= 
liegcnbe, gängticft ifoürte 3Jliinbarten — bie t)on ©d^anfigg in ©rau= 
bünben unb bie t)on ®ngclberg in Untertüalben — nad) ncu]^odö= 
bcutfdöer SBeife bipl^tl^ongirt , fonbern eö jeigen anij meistere 
norbtDeftüd^e fd^tceijcrifdöe 3Jlunbarten ei ftatt i im SBortausIaut, 
3. 35. brei, frei (neben öerbreiteterem fc^tDeiäcrifciien bri, fri); unb 
babei ift befonberg auffaÜig, ba§ 3. 35. in 33ern bicfes ci in 6rci, 
frei jufammengefaKen ift mit ei ton Stein unb JÖeirt. 2)enn in 
allen übrigen ®ialeften, tco tt)ir ben mobernen Si^l^tl^ongen ei für 
ml^b. i antreffen, faßt er in ber 3lus^fpradöe nie mit bem alten ei 
t)on Äein, Stein jufammen. 3n biefem 5Pun!te unterfdieibet fid) unfer 
l^eutigeö Sd^riftbeutfd^ t)on unfern Sialeften ; im l^eutigen Sd^rift^ 
bcutfd^ ndmlid^ ift ber gra))l^ifd)e 3ufammenfaß ber beiben ei aud^ für 
bie Slugfprad^e t)er!^angni§t)oß getüorben, toal^renb unfere 3Wunb= 
arten nod^ immer ben alten UnterfdE)ieb tt)ieberf|)iegeln. 

3fm 15. ;3a]^r]^unbert, tt)o bie munbartüd^e 9luöf))rad^e nod^ 
uneingefd^ränlt l&errfd^te, tcar fomit Seutfd&Ianb in gmei 2:eile ge= 
teilt. 3iorbbeutfdötanb unb ©übtceftbeutfd^Ianb f)alten an bem atten 
33oIaIbeftanbe feft. 2)a§ öftlid^e SJlittelbeutfd^Ianb bagegen unb ber 
größte S^eil t)on Sübbeutfd^Ianb l^aben burd^ jenen med^anifd^en 
^rogeß einen neuen ßautdE)arafter angenommen ; ba gelten mein 
unb bein für bie alten min imb bin, ^aue unb iXiaue für 
^^ unb iXiue, &eute unb ^cutc für ilßte unb ^fite. 

Sie 3)onauIanbe bel^errfdEite biefer neue (Bpxai}t\)pn^ mel^r 
afe jtoeil^unbert ^al^re t)or ßutl^erö Sluftrcten. 3n ben ^ßanjleien 
ber bairifd^=öftreid^ifdöen ©tdbte btül^te er unb fanb t)on l^ier ai\^ 
eine »eitere 33erbreitung über feinen cigentüd^en geogra|)]^ifd^en 
33ereid^ f)inaug. 3umal unter SJtarimilian gewinnt bie Qpxaä)t 
ber laifertid^en ßangleien, benen ba^ neue 3)eutfdö feine fc^neßc 3tu§= 
breitung öerbanit, ba§ 3tnfe]^en einer 3lutorität, bie aud^ unfer 
ßutl^er anerlannt l^at; unb balb öertceift bie aufbtül^enbe beutfd^e 
©rammatif auf ben iRaifer unb auf ben Steformator alö bie 
Süd^tfd^nur beutfd^er ©prad^art. 






26 2» iDiajimilian unb feine ^anglcu 



3n her Zf^at, SKastmiltan gebül^rt neben ßu%r eine 
]^ert)orragenbe ©teüung in nnferer Spxac^gefd^id^te. Site legtet 
35ertreter be§ 9littertnni§ la^t er bie bentfd^en @pen unfetes 9JlitteI= 
altera fammeln; bie überaus wertöotte §anbfd^rift, bie er nieber= 
fd^reiben lä^t, ift ha^ le^te SciiflttiS für bie fjortbauer ber l^öfifd^en 
SCrabition. ®r fe^t ^o^e SBelol^nungen aug für bm 9?ad^tt)ei§ 
attbeutfc^er eprac^benfmäler. ®er 35erfaffer be§ S^euerbanf unb 
beö SBeifefunig ift aui) ber SJlittelpunIt ber ßitteratur in ber 
35oIf 0f))rad^e ; ga^Ireid^e Überfe^ungen au§ bcm Ilaffifd^en 3lltertum 
finb bem ßaifer gemibmet. 1507 erfd^eint eine SBerbeutfd^ung t)on 
ßäfarg Sd^riften, bie ber ®Ifäffer fftinginann bem Äaifer jueignet. 
1507 (1505) trägt bie 8it)iu§=Überfe§ung »em^arb ©c^öfferßnS 
ben Flamen SUlajimiliang. 1511 (1529) erfd^eint eine a3e9etiu§= 
Überfe^ung mit einer SBibmung an SJlapmitian. S)ie erfte 35er= 
beutfd^ung öon SBirgilg 3tenei§, meldte hm Dr. 3Jlumer (1515) 
jum aSerfaffer l^at, ift bem Äaifer gewibmet. 

©0 fielet SUlaEimilian im ^ütittetpunlt einer beutfd^fprad^^ 
liefen ßitteraturbewegung. 6r regt Überfe^ungen an ; ja er fuc^t 
■ SSerleger gur Übernal^me fold^er SSerfe gu vermögen. @o beftimmt 
er ben Jlümberger 3)rudEer Äoberger 1502, „ha^ ^i^ ber ^imm= 
lifd^en Offenbarung ber l^eitigen SBittiben ^Brigitte" gu brurfen, 
ba§ SBalbauff öon SBatbenftein für il^n au§ bem ßatein über= 
fe^t ^atte. 

3tngefid^t§ fold^er S^l^atfad^en glauben tt)ir bie Sered^tigung 
gu l^aben, aud^ bie 3tnfänge tl^eoretifd^er 3?ormirung ber ^pxaä)^ 
auf be§ ßaiferS 3lnrcgung gurüdEgufül^ren. ®ine alte Überlie= 
ferung, bie bi§ in bie SJlitte be§ 16. i^öl^rl^unbertS gu t)erfoIgen 
ift,i legt bem ßaifer gro^e f))rad^tid^e SReformöorf daläge bei, an 
bereu aSerwirftid^ung ber Job il^n gel^inbert l^at. ©o fott aud^ 
fein ^offaplan 8abi§Iau§ Suntl^eim an einer ^Descriptio linguae 
vulgaris per superiorem Germaniam'* gearbeitet ^aben. Unb 



' ^qL Xf)toh* ä3i6Uanber, De ratione communi omnium linguarum« 
3üridö 1548 d ii. 



Xe§ taifcrg beutfd&fprad&ricfee Sntereffen; feine ^angleirätc. 27 



ber öftreid^ifdöe 5Protonotar unb ßanbfd^teibcr ^an§ ßrad^en= 
Berger (©racd^ug ^jjterius) fd^rieb unter SDla jtmUian ein „opus 
grammaticale de lingua germanica certis adstricta legibus**, 
ha^ freilid^ nid^t öoÜenbet unb auä) miji t)eröffentltd^t lüurbe. 
3)a§ l^öd&fte 3lnfe!^en aber in f))rQd^Iidöen Singen geno§ ber fai= 
ferlid&e ßanjter 5ßictag Si^gter, bcffen Flamen unb ©d^reibart ga]^I= 
reid^c Urfunben toettl^in burd^ ©eutfd^Ianb verbreiteten. 

SBiS auf SJlasimilian treffen tt)ir eine abfto^enbe, ja tt)iber= 
lid^e Drtl^ograpl^ie begügtid^ ber ßonfonantenbo))))eIungen. Überatt 
treten in Urfunben ©d^reibungen tt)ie -^eUfftre^tUffcr , tt)ie 
Cjeyttcn, xreittcr, pottfc^afft u. f. tt). auf. 3tber feit 1500 
fd^cint eine ftrengere Ortl^ograpl^ie burd^ jubringen. Unb befonberä 
bie öon Siictaö 3i^9lcr gegeid^neten Urlunben geigen ein erfoIg= 
reid^eS SBeftreben, bie unnötigen ßonfonantenl^aufungen, gumal cz 
ju meiben. ®r fd^reibt leiten, Reifer; nur bie unt)ermeiblid^en. 
nn (unne) l^errfd^en aud^ bei il^m. ©onft feigen tcir in feiner 
©prad^e bie 3JlerftnaIe ber bairifd^ = öftreid^ifd^en 3[Jlunbart : ba§ , 
l^aufige kh im 3ln= unb Sfniaut; sl, sw, sn für schl, schw, 
sehn (fwebifc^^Äatf lag); antautenbe§ p (Pot *S5ote*); ba§ Suffi? 
-nuss; apolopixtz formen wie (Blaub, Hani für <SUube^ name. 
SRur in Segug auf ba^ bairifd^e ai ift 9?. Si^gtß^ ttidE)t fo fon= 
fequent tt)ie bie übrigen Rangier beg Äaiferg. 

SBenn batb in ber ßitteratur atterwörtS ba§ 8ob ber 9Jtajimi= 
lianifd^en ßanglei erfd^attt, fo !ann fid^ baSfelbe faunt auf bie ßaut= 
gebung begiel^en; benn biefe bedtt fid^ im toefentlid^en mit ber 9Jlimb= 
art ber 3)onauIanbe. SSielmel^r fd^einen jene ^Reformen in ber 
Drt]^ogra|)]^ie btw fiangleiräten SD'lapmilianS f))rad6Iid^e 3lnerf ennung 
* öerfd^afft gu l^aben. S)enn aud6 in ben gebrudEten 3)en!mälem jener 
3ett beginnt ettoa mit 1500 eine größere ^Regelung ber ©d^reibtoeife 
befonberS mit Siüdfftd^t auf bie ®o))))eIungen ber ßonfonanten. 
^abm frül^er bie ma^Iofen cz, tt, flf, gk, gck ben SrudEen ein 
abfiofeenbeg äußere gegeben, fo tritt no^ unter 3[JlajimiIian eine \ 
ftraffere Siegelung auf, unb loenn Cutter unb bie B^itgenoffen \ 
feinen ortl^ogra))]^ifd^en Sieformen folgen unb auf il^n al§ @})rad^= j 



28 2. aJlajimilian unb feine Sianglei. j 

norm toeifeu, fo bürfte fic^ aßerbiugö !ein anbereS ©ebiet finben, 
tcorin fte mit mel^r 9led^t auf ii)n gii t)ertt)ei)en l^attcn. 

®er großartige ©influß ber faiferlid^cn ßanjiei auf bic 
übrigen ßangleien unb auf bie SrudEereien in ber erften ^älfte 
beö 16. Sfal^rl^unbertö ift gu toid^tig, ate ba§ tt)ir auf eine ein=: 
ge^enbere 3)arfteIIung ber ßitteraturf))rad^e in ben ®onauIanben 
t)ergid^teu bürften. @ie fd^ien beftimmt jene SBebeutung für unfere 
Äulturentmidlung gu erlangen, bie toir f))citer ber ©prad^e unfere^ 
9ieformator§ beilegen »erben. Slber burd^ bie fird^lid^=f*^gialc 9te= 
Solution tourbe bie fd^nette ßaufbal^n ber S)onauf|)rad^e gel^emmt. 
Sl^re Söebeutung toax gebrod^en, feitbem SBittenberg ber geiftige 
SJlittetpunft Seutfd^Ianbö getoorben. 2ln bie ©teile jener mit 
9JlajimiIian§ Äanglei t)ern)ad^fenen @|)rad^e ber Sonaulanbc trat 
eine neue 3lutoritat, toeld^e tro^ ber öftreid^ifd^en 9teid^öregirung 
fiegreid^ burd^brang. 3lbcr gerabe bie Sil^atfad^e, ha^ bie ancr= 
fannte ©tettung ber ßanjleif))radöe in ber ßitteratur burd^ bie 
SBirlungen ber 9ieformation erfd^üttert tourbe, mad^t i)ier einen 
Überbüd über jene altere ßitteraturf))rad^e nottoenbig: tt)ir muffen 
il^ren ©l^aralter barlegen, um if)r ben öertoanbten, aber felbftänbigen 
S^ljpug ber ßutl&erifd^en ^pxaä)e gegenüberfteüen ju lönnen. SBer bie 
fjolgen ber Steformation ööüig ermeffen toill, muß bie maßgebcnben 
5a!toren be§ frül^eren Stegiments lennen. 3)aS gilt aud^ t)on ber 
©prad^e. 

6in ®enlmal t)ergegentt)ärtigt in befonberg fd^Iagenber SBeife 
bie Söebeutung ber SDlajimiüanif^en Äanjiei unb il^re Jiormen. 
eö ift ©dg fatl^olifc^e »ibel föngolftabt 1537), ber ßutl^erö Über= 
fe^ung, teitoeife in ber 6mferf(^en Überarbeitung, gu ©runbe liegt. 
®iefem Slejt, ber eine 35ergleid^ung mit ber neuen mittetbeutfdE)en 
ßitteraturf))rad^e l^erauöforbert, legen toir barum befonbereö ©ett)id^t 
bei, toeit er unter anbem Umftänben tool^I berufen getoefen ttJäre, 
ben fteigenben ®influß t)on ßutl^erä a3ibelf))racöe ju burd^bred^en 
unb bem burd^ bie Jfteid^öregirung Vertretenen ©prad^t^puö bie 
gefäl^rbete Hegemonie gu fidlem. 6dE beruft fid^ gubem für feine 
©prad^e auf bie 3lutorität beg laiferlid^en iRanglerS 3licta§ Si^sto. 



©l&araftcr ber Stanglcifpradfte in 2)rudfh)erfen» @cf§ fd'ihtU 29 



„©0 aiid^ etmaS an redetet ^otm ju fd^reiben unb Ortl^ograpiiei 
gelegen im Seuifd^en, ^ab id^ mid^ beten beflijfen unb mid^ bie 
gematn ßanjlerfd^reiber nit irren laffen, bie lü^el 3tufnterfen§ 
unb Subict barauf ^aben, tt)ie bann treffentid^ §err dlxda^ 
3iegler bei faifertid^er 5ütaieftät ^od&Ioblid^er unb untöbttid^er ®c= 
bäd^tnuS ßaifer 3DlajimiIian ba§ S^eutfd^ nad^ red^ter 3trt unb 
regulirter Drt]^ogra))]^ei l^eröürbrad^t ^at; tüie foÜid^S ©teer ©naben 
afö bojemal fümämften ß. 501. fftat* am §of ba§ bemi^t, bann 
id^ angaigen !ann. 6o ift bod^ im S^rudE hie Drt]^ogra))]^ei, bk 
id^ für beftänbig gead^t, nit aßmeg gel^alten worben, be^l^alb id^ 
nit ml barüon bisputiren toill." 2ludö für ba^ neue Scftament, 
bem 6mfer§ ^Bearbeitung gu ©runbe liegt, l^alt 6dE jene ?lorm 
feft. „^ä) f)ai fein Granulation üerl^anb genummen unb auf 
^od^teutfd^ mit SBorten unb ©^llaben öerfteßt" — fo lenuäeid^net 
6ä fein SJerl^aften gu ®mfer. 

©eine SReöifion erftredtt ftd^ alfo auf ßautlel^re unb 2Bort= 
fd^a§. fjür ®df ift ber bairifd^ = öftreid^ifd^e a5o!aü§mu§ ma§= 
gebenb; er fd^reibt nad^ gemein oberbeutfd^er SBeife J&ruber, gut, 
t^un, wo ba§ mittetbeutfd^e ü in ßutl^erg unb ®mfer§ Gelten fielet 
(JÖruber, gut, t^un) ; bairifdö=öftreid^ifdö ftnb feine ai in SBortcn 
lote J&atn^ &ta\n, ^atlig^ rain, jaigcii (ßutl^er unb (£mfer J&cin, 
ötciii, ^etli^^ rein, seilen); @df unterfd^eibet u üe (fucrert, ^ueß., 
Jbrbbtr, r&ren) oon ü (über, vtrfünbcn), toal^renb ®mfer unb 
ßutl^er beibc ßaute nad^ mittelbeutfd^er SBeife gufammenfallen taffen. 
S)ie oben bef^rod^enen 3)i})]^t]^ongirungen (Wein, mein, ^aue, 
i^cufer u. f. tt).) ftnb natürlid^ ebenfo bei Sä toie in ber ©))radöe 
be§ oftlid^en 3JlitteIbeutfd^Ianb§ burd^gefül^rt. 

S)a§ allgemeine oberbeutfd^e ®efe§, ba§ bie auslautenben e 
öemid^tet, l^ält 6df ein, toenn er bie Purale @c^ai3, 2)ieb, 



1 



S)iefe SBorte ftammen aus ber aBibmimg an ben ^arbinal Tlatf)au^ 
ßongiug, (Srgbifd^of p ©alsburg (1519—1540), ben M al8 bit redete i&anb 
Äaifer aWajitniltang d^araftertfirh ©d^on im Saläre 1517 l^atte M bemfelben 
iü>d ©d^rtften gitgeetgnet^ 



30 2. aJiafimUtan unb feine Slanj^Iei. 



/ 



XOblf, Srnd^t, XÜinb ober Singulare tok 2tugr, &pc\e, ÄalF, 
2^eb antüenbet, IDO ßutl^er unb ©rnfer il^rcr mittelbeutl4eit_^'lunb^ 
art gemäfe &d^ct^c, Jbichc, Wolfe, ^ru(^te, Ä>inbe — 2ingc, 
©peife, Ä4lfe, Äebe gebraud^en. ^n ber Singolftdbter SBibcf 
fiuben iDir ir noerbt (=i|)r toerbet), beFlaibt (= beFUibet), 
verfehlt (= vcrfdfhttct), rebt (= rebet). 3^ür <>eupt, er? 
Icubert, ^leuben, erbeiten bei ßutt)cr unb 6mfer Ijat 64 um* 
lautäbä ^anpt, erlauben, 0laubert, arbeiten ; jene Ijaben liefen, 
0ebert — - biefer ttan, gan (Sfmpcratb gdng, (lartb) ; jene £fe^ 
lart, rufen — biefer feiert, ruefen. fjür bie mittelbeutfd^en o-oe 
y)ox SUafalen in Äöni^, 0on, Fomen, Fonben, fonber — fo bei 
8utt)er unb ßmfer — Ijat M bie alten u unb ü : Äuni^, ©un, 
Furtien, Funben, (txnbcr. ©ein rerf5^nen für baö mittelbeutfd^e 
perfu^nen öerbient befonbere Sea(i)tun9. @onft öergeid^ne id^ 
aug ®(fg Sibel Sc^uepe '(g(i)up|)e, öäuI '©äulc. 

Sei 3eittt)örtern lüie treiben, (leiten Ijat ber 33aier bereite 
bie neuen 5perfe!ta \ii0, trib, (d^ri, büb gegen bie alten jtei^, 
treib, f<^rei, bleib bei ßmfer unb ßutt)er; biefe Ijobm ic^ voar — 
ic^ ^atte, ®(f t)at ic^ trae — id^ ^cu Sin ber Sngolftäbter SBibet 
treffen tüir bie @nbung ?nu0 gegen bas mittelbeutfd^e ^ni^i bair. 
iCmpfangtnue, (Bcicu0t\UB, Verbammnue. ©agu lommcn bie 
großen 2lbtt)ei(i)ungen im 3Bortfd^a^J Sd Ijataüe SBorte befeitigt, 
bie „ben Dberldnbif(i)en nit gemain" finb. 3ßitoorte tt)ie freien, 
rertriiuen, ^e^ord^en, ernten, bie Smfer unb ßutl^er gebraud^en, 
erfe^t 6d£ burd^ jur iE^e nc\)mcn, x>erml^len, öe^orfani fein, 
fc^neiben- gür bie mittelbeutfd^en ^auptmörter (!5ren$e, Öeu^e, 
Wappen, ec^effel, iHatte (tHotte), 0d>eune, ^ubel, 
ec^leuc^e, epUtter l^at bie Sngolftäbter Sibel Ö5effenb, Tkranh 
^4it — ©ie^tum, Älaij, iHeij, Schabe, S^eure, Äu^el, 
©iium^eut, %dcn. Sin f^ntaltifd^en ßigentümlid^Ieiten bead^te 
man, ba§ 6d£ i^n, i^m gegen ba§ mittelbeutfd^e p^ aU 9le= 
fleEit)))ronomen, in60en gegen ßutl^erö F6nnen öertüenbet. 



* SBeitereS über ©cfg Sßortfc^afe f. unten @. 78. 



©^araftcr bcr ^anälcifprac^c in 2)rurftt)crfcn. ^f)x (5mflu6. 31 



©onft fäüt un§ eine leibüd^ lonfequente £xtt}OQxapl)k auf, 
bie fid^ BefonberS im ma^öoüen ©ebraud^ ber ©oppetfonfonanten 
äußert. 

Unter SDlajimilian begann aber nid^t nur bie Slegulirung, fon= 
beut aud^ bie SluSbreitung einer mobernen ©prad^e. @o l^atte frül^er 
Stugsburg in feiner ßanjiei lüie in feinen S)rudtereien ber lofalen 
3Jlunbart iDid&tige 3üge entnommen, bie unö in ber gleiten §älfte 
beg 15. 3fa]^r]^unbert§ entgegentreten: ba l^errfd^t au für ä 3. 58. in ben 
3lug§burger 9leid^§tag§alten t)on 1474 — SLtQant, nan^, vool- 
bebauet für Äe^at, nac^, toolbebac^t. SOlit bem Seginn be§ 
neuen Sfal^rl^unbertg gewinnt bie ßangleifprad^e ber S)onauIanbe 
bort Singang; ber Sluggburger ßl^ronift SfBerüd^ 1595 Verlegt bie 
fprad^Iid^e Sleorganifation in ba§ Sial^r 1501.^ Sitere Slugöburger 
®ru(fe geigen ßautformen, bie t)on ber burd^bringenben ?lorm ber 
SKajimilianifd^en ßanglei völlig abloeid^en. 3in ber Aurea Biblia, 
bie ettoa 1475 unter bem Stitel „®ie beutfd^ gulbin SBibel nad^ Drb^ 
nung be§ 21336" in SlugSburg gebrurft lourbe, toirb geloed^felt 
^toifd^en bem alten unb bem neuen 35of aliömua : ^aue unb ^J^ue, 
^leig unb 5ly0/ Teufel unb Cüfcl lommen neben cinanber t)or ; 
aber t)or allem l^errfd^en bie ou au (feiten 6) für ed^teö ä : Strouff 
'©träfe, lirouffert *ftrafen', froufjen 'fragen, jfouben *fie gaben', 
ec^ouff '©d^af, i>aut — i>au(t 'Ijat — l^aff. 3n ben meiften 
?(ug§burger S)rurfen auö ber legten §älfte be§ 15. ^al^rljunberts 
feiert biefeg ou au loieber, bag erftmit ber SSIüte ber SKajimilianifd^en 
^anglei, nad^ bem obigen ßl^roniften mit bem 3a{)re 1501 in 
SlugSburg augftirbt. @o Ijaben fortan bie bort gebrudtten SBerle 
biefe ou nid^t mel^r. 6ö ftimmt 3. 33. ber ßautd^arafter ber 2lug§= 
Burger 33ibel t)on 1518 im gangen mit ben ©epflogenl^eiten ber 
Äanjiei unb 6d£§ überein: uo, üe, ä (nid^t ou), ö (für g), ai (für 
ed^teS ei). 3lud^ in ber 3lug§burger 5pro))]^etenüberfe§ung t)on 1523, 
bie Dr. 6a§))ar Slmman gum 3}erfaffer Ijat, leieren bie alten 2lug§= 
Burgifd^en ou nid^t mel^r loieber; e§ l^ei^t ^Ät, Straff, (Saben; 



SBgt. ®. SButrfer @erm.28,198; §anfen IJIectcifenS 3a^r6. 124, 18. 



32 '^. aJiajimtItan unb feine ftanglci. 



btc afpittTten kh CÄ^in&er, erF^etinen, f ^eren, f^unben) finb 
t)or{)crrfd^enb ; ai in rain, flaiii, @tain ift fetbftöexftänbltd^ ; ö 
für e iibt}cn, r6&ett^ ^616, :Gl^6ttin^ ßögen für (ct^cn u.f.tt).) 
ift fel^r jal^Ireid^. S)a§ sw sm sn sl ber bairif(^=öftretd^if(j^en 
Äanglei begegnet attertDärtS; id^ öergeid^ue g. 33. au§ einer gebmrften 
bairifd^en ßeid^enprebigt t)on 1544 Önoalb, ömerij, ftrei^en, 
fliegen n. f. Xü. S)erfelbe Stejt bietet 25e0en0nu0, J&eFentnu0^ 
J6e0rebnu0^ 3&ef 6mmerrtU0 ; ebenfo 3&uec^, J&luet, Äeruef, 
3luö gal^Ireid^en Stejten ber Sonaulanbe (ä§t fid^ rerf6^itert 
belegen; öereingelt begegnen F^6rt, grört, ber6mt — ber6men.^ 
Überl^aupt im gangen S)onaugebiet gewinnt in ber erften 
.' ^älfte be§ 16. Sal^rl^unbertg bie burd^ SJiapmilianS Äangicr re= 
gulirte ©prad^norm an Slßgemeingültigleit. 2)er Unterfd^ieb t)on 
ei unb ai, t)on uo unb u, ue unb ü, ie unb i tcirb ftetS einge- 
Italien ; bie am @d^(u§ be§ 15. 3!al§r]§unbert§ übertoud^embe güüe 
t)on grapl^ifd^en 2)o))|)eIungen ber ßonfonanten l^ört aßmöl^Ud^ auf. 
2)ie ^df)dt ber ©rudfer unb ©d^reiber in ber Ortl^ograpl^ie ift 
einer ftrengen 3Jorm getoid^en, unb biefe gilt in ben Salären ber 
Sieformation für atte beutfd^en ßanbe. 

®enn aud^ 5öiittelbeutfd^(anb fd^üe^t ftd^ fd^on im gleiten 
Sfal^rgel^nt be§ 16. 3!abr]^unbert§ einigermaßen an bie Slormen ber 
fübbeutfd^en ßanglei an. 6rfurt g. SB., ba^ im SSercid^ ber nid^t 
bi|)l^t]^ongirenben ßanbfd^aften liegt, »eift in jener 3«t gal^Ireid^e 
®rutfe auf, bie ben mobemen ßautftanb (ei au eu) unb gugleid^ 
l^auftg aud^ ba§ bairifd^e ai l^aben. Unb Strasburg unb SSafel 
lennen in il^ren 2)rud£ereien bie gteid^en ßautöerl^öltniffe fd^on t)or 
bem 3luftreten ßutl^erS. 



* W^ minf)Olb, fdaix. @xamm. § 59 Slntn., m freUid^ baS in 
tmfere ©d&riftfprod&c äbernotntnene vcrf6l)ncn fel^It 3« bem § 111 toören 
0U8 ®d mtljx^adft S^it 'fjeucr', l)uit '^cute', 3ui$en *S^xiQtn\ er flutfit^ 
$ebuit, ftuic^t, 5uidbt nad^gutragen als ^Belege aus betn 16. Sal^rl^mtbert 



3. 

^ä) glaube ntd^t, ba^ bie ^rage bered^tigt ift, ob toir mit 
Öutl^er unferc neuere ©prad^gefd^id^te beginnen, feine ©prad^e tt)irf= 
lid^ aU neul^od^beutfd^ bejeid^nen bürfen. Slber biefe ^rage ift 
Qufgetoorfen toorben unb giDar t)on einem ber l^eröorragenbften 
JBertreter beutfd^er ©))rad^tt)iffenfd^aft, ber fie mit „nein" beant= 
»ortet, ©d^erer Ijat bie 300 jäl^rigen (S>poä)tn feiner ßitteratur= 
gefd^id^te, feine mönnfid^en unb frauenl^aften 5perioben aud^ auf 
unfere ©))rad^gefd^id^te übertragen: an feine litterarifd^e Über= 
gangSperiobe t)on 1350—1650 l^at er eine f))rad^üd^e Übergang§= 
|)ertobe gefd^Ioffen ; feine S^eugeit für ©|)rad^e unb ßitteratur batirt 
er t)on 1650. ßutl^er ift il^m ber ^ö]^e))unlt, ba§ ßraftgentrum 
ber ÜbergangSgeit — ©d^ottel eröffnet ba§ S^eul^od^beutfd&e. 

hiermit erljält, glaube id^, iDeber ßutl^er nod^ ©d^ottel eine 
rid^tigere ©teüung in unferer ©))rad^gefd^id^te, afö il^nen bi§ t)or 
gel^n 3al^ren allgemein unb n)iberf|)rud^§Io§ guerfannt iDurbe. SBirb 
man fd^on bie ©rünbe öermiffen, bie bem SQBoIfenbüttter ^ofrat 
unb profeffionirten ©|)rad^reiniger einen fo l^eröorragenben 5pia§ 
im aSeginn unferer neuen ßuIturenttt)idEIung guiDeifen lönnten, fo 
fel^Ien anberfeits über]^au))t Sil^atfad^en, bie un§ beftimmen müßten, 
ßutl^er aus feiner Mturgefd^id^tHd^en ©teHung gu öerbröngen. 
©d^on bie gewaltige folgenreid^e SEl^atlraft, mit ber er ba§ mittet 
alterltd^e ßatein ber ßird^e unb bie litterarifd^e ßned^tfd^aft S)eutfd^= 
Ianb§ aufl^ebt, fteüt il^n in ben Seginn ber Sfteugeit. ®er 9lefor= 
mator, ber mit fetner toelterfd^üttemben Sil^ätigleit ha^ gefamte 



34 ^* 2viti)tx uub bte beutfd^e Sprache* 

geiftige ßebcn ber 3latton umgefd^affen, l^at burd^ bic 6ntberfung 
ber SJlutterfprad^e einen fprad^gefd^id^tüd^en Srfolg errungen, tt)te 
in Seutfd^lanb niemanb t)or ober nad^ il^m. 

SBer bie belegte ©timmung jener ftürmifd^en 3^it fennt unb 
bie allgemeinen 3#änbe t)or unb neben Öutl^er im gangen ßeben 
ber Station öorurteil^frei loürbigt, ber !ann fid^ bei einiger Umfid^t 
nid[)t gegen bie S^l^atfad^e t)erfd^Iie^cn, ba^ bamafö unb gmar burd^ 
ßutl^er bie ©ntfd^eibung gefd^al), loeld^e unferer 5öiutterfpra(f)e bie 
gebül^renbe ©tettung eroberte. Slber eö fommen nod^ loeitere ©e= 
fid[)tg})unlte in Setrad^t. Itnfere je^ige ©d^riftfprad^e ift im tt)efent= 
lid^en mit ber ©prad^e be§ 9leformator§ ibentifd^, toeld^e frül) jur 
9iorm für S)eutfd^tanb über]^au))t gemad^t ift. 9tid^t bie ©prad^e 
Jüeberbeutfd^lanbö ober ber ©d^tt)ei3 erlangte bie Hegemonie; bie 
3ulunft geljörte aud^ nid^t ber bairifd^=öftreid^ifd^en SJlunbart, 
bie burd^ ba^ 9leid^§regiment gur ^errfd^aft über S)eutfd^Ianb be= 
rufen fd^ien. ®ag 3Jlei^nifd^e ober Dberfäd^fifd^e , ba§ burd^ 
1 1 ßutl^erg 33ibcl Haffifd^ lourbc, ift bie SÄunbart, au§ ber ba§ @d^rift= 
^ ' beutfd^ bamafe {)ert)orging unb in ber fjolgejeit fid^ ftet§ erneute. 
3ietbelou^t ging unfer 9leformator aud^ für bie 30'lutter= 
fprad^e t)or. S)ie 3^itgenoffen fd^on bett)unberten il^n, tt)ie er bei 
]^ert)orragenben Slntäffen bie ©tettung ber beutfd^en ©prad^e be= 
tonte. 3lid^t einmal auf bem SBormfer Steid^Stage t)erga§ er feine 
fprad^Ud^e SÄiffion. 3lm erften S^age ber SBerl^anblungen rid^tete 
ber laifertid^e Seamte an il^n feine fragen erft in lateinifd^er, bann 
in beutfd^er ©prad^e; aber ßutl^er antwortete juerft beutfd^, bann 
lateinifd^ — eine ^üljulieit, t)on ber atebalb ein fliegenbeS Statt ^ 

1 mmi'\ä)(t Eaiferlic^e 3Wajeftät SBerPning, «Hebe unb SQßtberrebe Dr. 
Tl.2viti)tx^i „bcrDfftäial, fo ^u ben Stieben öerorbnet, gebraud&t attetoege crft* 
Ud&en ben S3cfeld& in latein unb bamad^ gu teutfd&er @prad^ ; ober 9Jl* ßutl&er 
rebet bie Slnttoort atttoege im erften gu teutfd^ unb gu bem legten in latcin." 
@poIotin bezeugt in einem lateinifd^en S3ertd&t über ben SBormfer didä)^taQ 
biefelbc Xf)at\aä)t — ein S3ctoeiS, bafe bic 3citgenoffen bem SSorgel^en ßut^erS 
Jol&e Söebeutung beilegten» 2)tcfe S3erid&tc begiclöen fid^, tote mic^ §err Sßrof» 
§♦ SÖQumgartcn freunbUd& betcl^rt, auf ben 17; SlprK, toä^renb ßutl^er am 
18» Slpril guerft tatcinifd^, bann beutfd^ fprad^. 



ßut^er als S3cöinn be§ ^leul^od^b.; ©ntbecfunß bcr ajhitterfprac^e. 35 

bcr 9iatton ßunbe gab. @o trat 8ut{)cr im SBeginn fciitcr tt)clt= 

bctDegcnben 2t)ätigfeit auf. @d^ou längft l^atte er bie 9lottt)cu= 

btg!cit er!amit, bie 9}tuttcrf|)rad^c jur §aiiptt)crmittlcriu göttlicher 

ßel^rc ju mad^en. ©d^ort in einer feiner erften f(i)riftfteÖerifdöen 

Seiftungen ändert er fid^ in biefem ©inne. ^n feiner Slusgabe 

beö Sud^eö Don ber beutfd^en Sl^eologie 1516 feigen toir il)n freubig 

beroegt, ba^ er in beutfd^er 3nnge feinen ©ott alfo l)'6xc unb finbe, 

toic er il^n bi^l^er nid&t gefunben tiabe — toeber in ](^ateinifc^er, 

gricd^ifd^er nod^ l^ebräifd^er 3unge. @o toar fd^on 1472 ein ©eift= 

li^er, ber „bie 24 gulbin Karpfen" aug bem ßateinifc^en über= 

fe^te, für beutfd^e (Srbauunggbüd^er eingetreten ; niemanb foöe fid^ 

burd^ il^re f|)rad[)Iid^=ftitiftifd[)e 9loI)eit (still barbaries) abfd^reden 

laffcn, il^re ftoffßd^e SÖJatirl^eit (sententiarum veritas) foÖe jeben 

3ur ßeltüre reijen. Slber fein SBunfd^ „utinam multa latina sie 

barbara essent** follte in irgenb tt)eld[)em Umfange t)or 1519 

nid^t in (Srfüüung gelten, ^a nod^ 1520 burften gleid&c 2öünfd&e, 

gleid^e Hoffnungen geäußert werben. „3d^ mU einem jeben — 

fo fd^rieb bamafe" ßutl^er in ber 2}orrebe ju ber Schrift „äJon ben 

guten Söerlen" an ben ^erjog i^ol^ann — bie @t)re großer S)ing 

l^erjlid^ gerne laffen unb mid^ gar nid^t§ fd^ömen beutfd^ ben unge= 

lel^rcten ßaien gu prebigen unb fd^reiben, toiemolit id^ aud& beffelben 

toenig^ lann. S)unfet mid^ bod^, fo toir bisl^er unb furtmel^r unö 

beffelben gefliffen l^ätten unb toolten, fotte ber ßl^riftenlieit nit eing 

Keinen Sßorteife mel^rer Sefferung ertoad^fen fein benn au^ ben 

l^ol^en großen SBüd^em unb Queftion in ben ©d^ulen unber ben 

©clel^reten aüein gel^anbctt." ©otd^e SBünfd^e, bie in ben ^erjen 

einiger toeniger 3Jlanner lebten, blieben in ben 2tugen ber 3)le{)r= 

gal^l ber gebilbeten Stljeologen unbered^tigt, bi§ bie 0teformation 

bie bercd^tigten fjorberungen be§ 35ol!e§ erfüllte. 

@§ gel^ötte bie ganje Umfid^t unb Sl^atfraft unfereö 9iefor= 

matorS baju, aud^ ben ^ampf um bie ©prad^e gleid^jeitig mit 

ben geiftigen fragen gu entfd^eiben. SBas $Dlarimilians nationale 

©eftnnung nid^t l^atte öollenben fönnen, lourbe je^t burd^ ßutl^er in 

tingeal^nter ©d^netle unb ungeal^ntem Umfange toeltgefd^id^tlid^e 

3* 



36 3. ßut^er unb btc beutfc^c 6pracf)c. 



Zijafiaä^e, 3luf bcm Slugsburger Steid^Stag 1530, ido bte ©egcm 
fä^e gum legten 9}la(e f^roff einanber gegenüber ftanben, geigte 
fi(^ , ba§ ber Streit gu ©unften ber SöoIIsi^rad^e entfd^ieben tDar. 
Site bort bie !att)olifc^en Sleic^öftanbe guerft bie lateinifd^e Raffung 
ber Slugsburgifd^en Äonfeffion öorgelefen tüiffen iDoBten, beftanb 
ber ß^urfürft t)on Sad^fen barauf, bie beutfd^e Raffung guerft gu 
tiörcu, unb ber ^a\]n entfd^ieb in feinem ©inne. ©o ^atte bie 
aJtutterfprjid^e, meldte mit bem 14. Sfa^rl^unbert für toeltlid^e Stotde 
eine mc^r unb me^r fteigcnbe ©eltung gewann, bie fird^Iid^e H)ie 
bie ftaatlid^e SBei^c errungen; alä ©prad^e ber 3Äcffe unb be§ 
©emeinbegefQugö toax fie für atte §crgen§= unb ©eiüiffenSfragen 
l^infort me^r aU ein unmürbiger 3lotbe^c(f. 

?lod^ grö^ereö i)at Cutter gugleid^ ergielt. S)ie Sfal^rl^unbertc 
lange 3Jertt)Qt)rIofung ber ©prac^formen l^atte ber 9Jiutterf:prQd^e 
jeben ßcben^geift genommen. 9lber mit ßutl^erS entfd^eibenben (£r= 
folgen tierllingen bie ,Stagen über bie ^Barbarei . unfereS S)eutfd^, 
bie unter ber ^errfd^aft be§ ßatein nie öerftummten. S)er 35or= 
lourf ber fprad&Iid^en 9legeIi[ofig!eit unb Ungelenfigfeit toirb un= 
öerbient unb unbered^tigt. ßutl^er felbft loirb bie @|)rad^norm, 
bie fo lange gefel^lt ^at. 

3l(ö fein raftlofcö ßeben t)ott reic^fter Segnungen in ©hieben 
geenbet, öerfünbigt Siuftuä ^onaö ^ über ber ßeid^e be§ gott= 
gefanbten S!Jianneö neben feinen fonftigen JBerbienften aud^ feine 
SBebeutung für bie S!Jiuttcrfprad^e : „@r loar ein trefflid^er getoal^ 
tiger 9lebner — fo äußerte fid^ Sfuftuö 3[ona§ -- ein überaus ge= 
loaltiger S)oImetfd^er ber gangen SBibel. @§ l^aben aud^ bie ßang= 
leien gum S^eit t)on il^m gelernt red^t beutfd^ fd^reiben unb reben ; 
benn er l^at bie beutfd^e ©prad^e loieber red^t l^erfür gebrad^t , ba§ 
man nu toieber lann rec^t beutfd^ reben unb fd^reiben, tote ba§ 
t)iel t)ol^er ßeut muffen geugen unb belennen." SBa§ 3uftu§ 3ona§ 



1 3too tröftüc^e $rebigt über ber 2tid) beS Doctor 9Jlartin ßut^cr 
burdö Dr. Suftum Sonam unb Mä). (Selimn, SBittcnberg 1546. — 3ßelan* 
d^tl^onS ßeic^enrebe auf ßut^er öerbeutfd^t öon (Safp. (Sreufeer 1546. 



ßatein uiib 2)eutfcl&. i'utf)er aU fprac^licöe yiorm. 37 

311 SiöIeBen unb toa^ balb barauf SDletand^tliün ju Söittcnbcrg an 
ßutl^er^ ©rabc afe bic fprad^Iid^cn ©rrungcnfd^aftcn bcö t]^atfräf= 
tigften 8eben§ timfteütcn , loar feincstDcgg bic fubjcftbc 3lnfd^aii= 
xmg einiger ßantpfgenoffen beS 9lcformatorö. fyrcnnbc unb f^cinbe 
toaun barüber einig, ba§ bcr Unifd&tt)ung in bcr (Stellung unb 
in ber fd^riftlid^en ^anbl^abung ber SRutterfprac^e xi)m allein ju 
banfen tt)ar. 

3nnädöft fteüt bie aufblül^enbe teutfd^c ©rammati! ßutljer 
ate ©^jrad^nomt neben bie faiferüd^en ßanjieien. ©0 bereite 1531 
gcxbian fjrand t)on Sungtau in feiner „Drt]^ogra|)]^ia" ; er Der= 
langt, ba^ „man guter ^itmplav tüametime, unter meldten mir 
ettoan be§ teuern ßaifer S!Jiajimi(ian§ ßanjtei unb biefer 3cit 
Dr. $öt. ßutl^erS ©d^reiben (neben beö ^of). ©d^önberger^ t)on 
Stugöburg ®rudt) bie reinften unb emenbirtften gu l^aubcn fommen 
fein". Slebl^ul^n, Seigrer unb ©eiftlid^er in aJlittelbeutfd^Ianb, ein 
tfreunb ßutl^erS, ))Iantc eine beutfd^e ©rammati!, toie er 1544 
in ber jmeiten Sluggabe feines S)ramaö t)on ber ©ufanna fid^ 
ankert, in ber au§gef))rod^enen Slbfid^t, „um mitgulDirlen gur @r= 
l^altung beg feinen artigen unb Ijod^berebten ber teutfd^en 3ungen 
unferS lieben SBaterS Dr. 5öi. ßutl^eri ausgelaffener teutf^er 
©d^riften". 1536 fagt (£ra§mu§ Silbern^ : „ßut^er ^at bie teutfd^e 
©prad^e reformirt unb ift lein ©d^reiber auf Srben, ber e§ ilim 
nad^tl^un lann". ^nbireft begeugt Surftiart 3Balbi§ in feiner 
Sfteubearbeitung beg S^euerban! 1553 ben gortfd^ritt ber ©|)rac^e 
feit 1523 : „S)ie teutfd^e ©))rad^e — tt)ie aßen betonet — l^at fid^ 
in brci^ig Satiren ftattlid^ unb tool^t gebcffert". 9iad^ ßutl^erS 
ßorreftor ßl^riftoffel SBaltl^er l^at ber 0teformator „unfer 9}tutter= 
^pxaift fel^r fd^Bn ))oIirt unb gefd^mürft" (1563); „aud& ift in 
beutfd^er ^pxaä)t feinet ©teid^en nie geioefen" (1571). Unb im 
Saläre 1564 fingt ein bem ßeben unb SBirfen ßutl^erS gemibmeter 
^^mnu§ : 

2)ie beutfd&e (Bpxadj nad& redetet 5lrt 

§at er aufS neu tJoHret 

So Kar, Derftänblid^, rein unb ^art, 



38 3« ßut^cr unb bic beutfd^e Bpxaä)C* 

Sic beutfcftcr (Sjjradö Qthuxtt 

2öag er burc§ ©otteS (SIcift unb J^raft 

öefd^ricben unb QcUf)Xtt, 

,^at maxt unb (Saft, eS trifft unb ^aft, 

SerS liefet ober ^öret, 

^aä) ber Safler Dtfribauögabe 1571 l^at „ber SÄann ©otte^ 
Dr. 501. 8. ber beutfd^en 3wngen crft red^t geluppet, bie Sll^etori! unb 
alle 3ieritd^!eit barein ge|)flan3et unb berma^en auögepu^et unb 
))o(trt, ba§ fie gu unfern Seiten je^unber mit ©loquenj, Jffiolrebenljeit 
unb Sd^önl^eit ber SBort, ©entenjen unb ßtaufuln anbern Spxaä)m 
nit t)il beöorgibt". ©(eiban bejeugt im 16. 33ud^ de Stat. Rel. 
mit gleid^ anerfennenben SBorten, H)a§ ßutl^erg S)eutfd^ öermod^t l^at : 
„Ea vertit e latino sermone quae verti non posse puta- 
bantur et significantissimis utitur verbis maximeque propriis 
et unica voce rem nonnumquam ob oculos ponit". Unb 1578 
erfc^eint be^ 6Iaiu§ „Grammatica Germanica ex bibliis Lutheri 
Germanicis et aliis ejus libris coUecta", iDorin be§ SRefor= 
matorg ©|)rad^e al§ Ilaffifd^e 9lorm, ja alg eine birefte Offen- 
barung be§ Ijeiligen @eifte§ betrad^tet H)irb. Um fo bebeutfamer 
ift bie S^Ijatfad^e, ha^ 1595 biefe felbe ©rammatü, bie alle iijxt 
SBelege au§ ©d^riften ßutl^erö nimmt, im SÄünd^ener 3f^fuiten= 
loßegium^ gebrandet iDorben ift, obiDol^I barin SBelege ju finben 
finb toie „Sin öefte Surg ift unfer ©ott". 

®a§ in ber S^l^at aud^ latl^oUfd^e Greife bie f))rad^Iid^e a3e= 
beutung ßutl^er^ tief em))fanben, betoeift ber ;3ttgrimm be§ Iatl§o= 
lifd^en ©rammatiferS ßaurentiug Sllbertuä au§ 3lug§burg 1573 
gegen bie ©))rad^e be§ 5proteftanti§mu§. Sin öftreid^ifd^er ßatljolif 
bezeugt benfetten @influ| ßutl^erS: 



1 $tctfc§ 89. (Sermania 8, 465. ©rotefenb 60. 62. 65. SBadfemager, 
tircöenlieb III, 196 (freunbHc^er STlac^toeig beS §erm Dr. ®-2BüIcfer). Übrigen^ 
eineg ber frül&eftcn Urteile über hk SSibcrüberfcfeung ßut^erg ift bog öon 
Dr. Sol&i S3renö „2)er ^rebiger dolomo" 1528 in ber Sßorrebe: „^k^tx- 
tolmetfd^ung 2)octori8 3jjartini fiut^erg reicht für fid& felbg a^fo ^ctt ben 
aSerftanb bar, bafe fie bic STu^Iegung mit ftd^ auf bem D^üdfcn trägt''; 



Jllatöolifcöe Urteile aus bem 16« 3a^r§unbert. 39 

(5r tüolt ein guter Xcutfcöcr fein; 
Sein S^H i^« öielen bunft gar fein; 
Sfncft ntandö S^atl^olifd^ fid^ brauf geben, 
2)a6 )ie teutfd^ fpräd^en gierlid^ eben. 

Sm Sfal^re 1550 erfd^ten eine 9ftemfton ber Sdfd^en Sibel; 
©taämug SBoIf, ber fie beforgte, iDarnte im SSortüort bie ^n- 
genb unb bie ßaien t)or ber gierltd^en ©prad^e ber ^ßroteftanten, 
t)or ben „glatten §onigtt)orten t)on einer gnibenen 3unge". 

®eH)i§ ^at fid^ ßutl^er feiner ©elbfttänfd^nng l^ingcgeben, 
tDenn er fd^on int ©enbbrief t)om S)oIntetfd^en ftoljerfünt t)on ben 
5ßQpiften fagt: „S)a§ nterft man tt)oI, ba§ fie au§ meinem ®oI= 
metfd^en unb 2)eutfd^ lernen beutfd^ reben unb fd^reiben unb ftel^Ien 
mir alfo meine ©prad^e, bat)on fie juöor toenig gelDU^t. @§ tl^ut 
mir fanft, ba§ id^ aud^ meine unbanftare i^ünger, baju meine 
5einbe reben geleiert l^abe". ®ie ©prad^e latl^oHfd^cr ©d^riftfteHer 
ift il^m um fo öerl^afeter, afe fie il^n abfd^reiben, feine ©prad^e 
lernen unb balb fein S)eutfd^ meiftem iDoüen. 3lber „toenn id^ 
fie l^dtte foüen fragen, tt)ie man bie erften gtüci SBorte ^Dlattl^. 1 
Liber Generationis foüte t)erbeutfd^en, fo l^ätte feiner gemußt garf' 
baju ju fagen". 

®a§ JBerl^atten fatl^olifd^er Überfe^er gur proteftantifd^en 
35ibel ift benn aud^ ein fd()Iagenber Seteg für ßutl^erS äu^erung. 
§ieron^mu§ @mfer l^at ßutl^erg neue§ 2:eftament leidet überarbeitet 
im ©inne ber fatl^olifd^en ßird^e; 1527 toax bie erfte SluSgabe 
erfd^ienen, bie ßutfjer im ©enbbrief t)om ®o(metfd^en afö Pagiat 
d^arafterifiren mu^te; eine gleite SluSgabe erfd^ien 1528 nad^ 
ßmferg Xobe, anbere folgten; aud^ für S^ieberbeutfd^Ianb lourbe 
fie bearbeitet 1530; unb ®tf legte 1537 ®mfer§ Pagiat feiner 
bairifd^en ^Bearbeitung ju ©runbe, nad^bem jut)or Sfol^ann 3)ieten= 
berger ßutl^erS Stejt felbft toieber einer eigenen ^Bearbeitung für 
Äat^olifen untergogen l^atte. 

SBa§ ftittfd^toeigenb burd^ ein fold^eg SBerl^alten gegnerifd^er 
Überfe^er für ßutl^erS ©))rad^e anerfannt tourbe. mu^te jeber un= 
befangene ^atl^olif gugeftel^en. SBefonberS toertöoH ift ba§ Urteil, 



40 3» 2vitt)tx unb bte beutfd^c (Bpxa6)c. 

baö ber ergfatl^oüfd^e ©eorg t)on ©ad^fen, her erbittertfte ©egner 
ßut{)er§, ßuca§ ©ranad^ gegenüber äußerte. S)em ^ergog toar 
ßutl^erS SBüd^Iein *ob ßrieg^teute aud^ in feügem ©tanbc fein 
fönnten in einem @Eem))Iar ol^ne S^itetblatt unb oljne Jlennung 
be§ SBerfafferS t)orgeIegt. 9^ad^ ber ßeltüre äufierte er feine trotte 
fjreube gegen ben SRaler: ,;@iel)e, Sucaö, ®u rül^meft immer 
beinen SfJlönd^ gu SBittenberg, ben ßutl^er, tüie er allein gut teutfd^ 
reben unb gute teutfd^e 58üd^er fd^reiben lönne. Slber S)u irreft 
Ijierin fotootil afe aud^ in anbern ©türfen mel^r. ©iel^e, ba Ijabe 
id^ aud^ ein SBüd^lein, bag ift ja fo gut unb beffer, benn e§ ber 
ßutlier nimmermel^r mad^en fönnte/' ©ranad^ belel^rte il^n, ba§ 
ßutl^er ber SSerfaffer beg Söüd^leinS fei; ßutl^er l^abe iftm felbft 
ein Sjemplar mit Stitelblatt unb 3lutomamen jugefd^idEt; er legt 
baffetbe bem §ergog t)or, ber ärgertid^ unb im Unmut aufruft: 
„3fft§ bod^ fd^abe, ba^ ber l^eillofe S!Jiönd^ fotd^ ein gute§ 35üd&= 
lein ^at mad^en foüen"J 

@in äl^uHd^er S^^Q^ ift ©eorg SBiäel. S)iefer bebient fid^ 
in feinem „SBetebüd^Iein beibe bem 3l(ter unb ber Sugenb nü^ar'' 
(ßeipjig 1537) nad^ bem SBortüort ber ßutl^erfd^en SBibeIüber= 
fe^ung, „toeil biefelbe i^t jeberman befannt unb ol^ne biefe nie= 
manb bei unfern ßaien ©tauben l^at". ^n SBal^rl^eit betounbert 
SBigel bie Qpxaä)e be§ öerl^a^ten Sleformatorg : „@§ lu^tt fein, 
fein ®eutfd^, unb l^ält ben ßefer" — fo urteilte er 1533 über 
bie neue SBibelüberf e^ung ; ^ fie fei an fid^ felbft leidet unb öer- 
ftänbig, aud^ gut; iljr 3lutor fei barauf bebad^t getoefen, „toie feine 
Slrbeit ben beutfd^en Dl^ren tüol Hinge". 

©0 fel^r aber aud^ ßutl^erg ©prad^e t)on ben S^itgcnoffen 
betounbert tourbe — über einen 5punlt toaren 'fjreunb unb S^einb 
einig, ba§ er ba§ aJlafe be§ Ertaubten nid^t einl^ielt. 3)ie ®pxaä)t 



1 $rof* dinh. ^ilbebronb toar fo frcunblid^, mic^ auf biefeS Pd&ft 
toertöotte SeugniS l^injutDeifen, bag Tl. S3; ßinbau in feinem S3ud^e über ßuca» 
©ranac^, fieipgig 1883, (S. 229 tnitteirt (ööl; (5i)r. @pangcnberg§ STbelSf^icgel 
1591—1594 1 131, II 58). 

2 ^öangelium Tlattmx 2viti)tt^, ßeipgig 1533. fj iii a. 



^at^olifd^c Urteile, ßut^cr^ polemifc^c (Bpxa6)t. 41 

feiner 5poIemt! toar ju ))erfönUd^, fie toax l)axt unb ungeftüm, 
fd^onungölog unb öemtd^tenb ; in ben ©d^mät)tt)orten unb in bcn 
3fnt)eltit)en ftanb er l^inter feinem B^itgenoffen jurüd , unb in jenem 
Sa^rl^unbert toax t)ie( geftattet, ol^ne ba^ man be^megen gerügt 
tourbe. S)ic §eftig!eit unb ßeibenfd^aftlid^feit ber ßutl^erfd&en 
©prad^e l^ängt natürlid^ big in§ innerfte mit feinem 6t|ara!tcr 
gufammen. Site SÖteland^tl^on 1546 ju SBittenberg am ©rabe 
beg Sleformatorg bie Summe be§ reid^ften ßebenö 30g, erlüöl^nte 
^r bie SBortoürfe, bie aud^ gutl^eräige ßeute ber @|)rad^c ßutt)er§ 
gemad^t l^aben, aber er fanb leine anbere ßntfd^ulbigung bafür, 
ate ba^ ©efamtbilb be§ großen 9Jianne§. ßutl^er felbft l^atte mit 
Biblifd^en 3Jorbilbem bie ßeibenfd^aft feiner ©prad^e gercd^tfertigt : 
„^ä^ bin tt)oI bei^ig gelDefen unb id^ tüerbe fo fortfaljren, inbem 
iä) ba§ aSeifpiel ßl^rifti Dor mir fel^e, ber feine SBiberfad^er *@d^(an= 
geubruf, 'S^eufetefinber nennt. 2Ba§ foll aud^ ba§ ©alj, toenn 
^ nid^t fd^arf beifet, bie ©d^neibe am ©d^mert, iDenn fie nid^t 
fd^neibet". 

3}on fatl^olifd^er ©eite tüurbe bem Steformator t)orgett)orfen, 
ba§ er überljaupt „fred^e unb argerlid^e" SBoxte gebraud^e, otine 
Auf „bie Jungfrauen unb unfd^ülbigen ^erjen" Stürffid^t ju netimen. 
@mfer freUid^ l^atte im neuen Steftament an itinen leinen Slnfto^ 
genommen; fie ftel^en in feinem beutfd^cn S^ejt, tt)o fie bei ßutl)er 
[teilen. Site aber nad^ @mfer§ Sobe eine neue Sluögabe (1529) 
erfd^ien, tourben fie „in jüd^tigere öeranbert imb ju Seiten umb= 
fd&rieben" (3. Slufl. Statt 211) nad^ ber Slngabe be§ §erau§geber§ ; 
brei , nur brei SBorte finb eö, bie biefem anftö^ig toaren : ber rc= 
t)ibirte Siejt l^at UnFeuf^^eit, J&ulm^ unfcufd^cn, too ßutl^er 
©ad^e unb 5perfon mit il^ren toaljren Jiamen nennt. S)aö tüarcn 
alfo ungered^te SBortoürfe. 

SBenn etH)a§ an ßutl^erö ©teöung gur bamaligen ©prad^e 
un§ unerfreutid^ ift, fo ift e§ feine Jntoleranj gegen bie ©prad^e 
anbcrer. fjür 3tt?ingti§ ®eutfd^ l^at er nur ijaxk SBorte; feine 
unberftänbüd^e 3Äunbart gefaüe bem ©d^lDeiger beffer afö bem 
©tord^ fein ßlap))em (f. unten ©. 69). S)ie ©prad^e ber 9lotten= 



42 •^« id\itf)tx unb bie beutfcfte 2pxad)c. 

geifter unb SBiebertäufcr greift er im jtDeiten Seil feiner ©d^rift 
„tüiber bie l^inielifd^cn ^^rop^eten" an unb fpottet ü6er if)re „töl= 
))ifd^cn'' SBorte tüie J£nt0r6bun^, ©tubirunjr, Vernounberunff, 
ÄÄnfftreiL 9luc^ in ben Sifc^rcben äußert er — iDcniger tt)o]§l 
burc^ f^rad^lic^e al§ t)ielmc^r burd) fad^fic^e ©rünbe geleitet — 
fein ^Dlifefaüen gegen Vertrurtbcrun^, S^angwcilighit, gegen 
ÄefprengurtgT/ (5>eUf]en^eit, gegen &mgrbhun0, XÜiliiQfcit, 
S)arin I)at unferc Sprac^gefd^id&te ber fd^roffen 2t6neigung be§ JRe- 
formatorg ebenfotüenig 9led[)t gegeben, ate fie feinen SBibertüiüen 
gegen ,ßanäIein)ortc n^ie be^erji^en, bc^änbiQcn, cr(d^\t$lid^f 
crfpriegli<^ beftötigt t)at. 

$Dlit ßut^erg ©^rad^e unb mit ber Slnerfennung feiner 

fpradf)Iic^en 2lutorität tüurbe ba§ Slnfetien ber «Ranjieien gefd^äbigt, 

tDeld^e für große ,Sreife bie ©prad^norm abgaben, ßuttier felbft 

; l^atte ber !aiferlid^en unb d^urfürfttic^ fäd^fifc^en üan^Ui eine Slrt 

■ f|)rac^Iid^er SBebeutung jucrfannt, toenn er fie in ben Sifd^reben 

: alö feine SJorbilber bejeic^ncte. Slber nur in befd^rönftem Um= 

.' fange lä^t fic^ bie§ jugeben. 2)ie ^^ebanterie unb ßeblofigleit, 

bie >5teiff)eit unb ßalte be§ ^anjleibeutfc^ finb il^m t)öllig fremb, 

unb me^rfad^ t)at er in offener 5poIemif gegen bie ^Sanglei feine 

eigene f|)rac^ti)eoretifd[)e ©elbftänbigleit an ben Stag gelegt. 

©d^on ?lic(a§ t)on 2B^(e l^atte bie Jleuerungöfud^t ber ^anj^ 
liften empfunben unb bie ©tabtfd^reiber ermal^nt, bei iljren Unter= 
gebenen bie Slufnal^me beliebiger ^angleiunarten nid^t ju bulben. 
Unb nun loirft ßutl^er in ber 95orrebe gum alten S^eftament ben 
Äanjiiften ©|)rad^t)erberberei t)or: „©ie ad^ten e§ nidf)t beutfd^ gu 
reben unb laffen fid^ bünfen, fie l^aben SlJiad^t beutfc^e Bpxaä)t 
ju änbem unb bid^ten un§ töglid^ neue SBörter". 

2Benn Suftu^ 3fona§ in feiner ©i^Ieber ßeid^euprebigt ber 
Bpxa^e be§ 9leformator§ einen @influ§ auf bie ßangleien 3U= 
fd^reibt, fo l^at er Siedet : ßutl^er brid^t bie Slutoritöt ber «Ranjlei. 
3lud^ ber fatl^olifd^e SSibelüberfe^er @tf, ber auf bem SSoben ber 
SJtapmilianifc^en. ßanjiei ftel^t, ereifert fid^ gegen bie gemeinen 
Äanjter, bie „lü^el 3lufmer!en§ unb judicii barauf l^aben", nad^ 



2utf)tx^ \pxad)lid)c Sntolerang. XaS ^fnfe^en ber Slanglcu 43 



ted^ter Slrt unb ,Siinft beutfc^ 311 fc^reibcn. Slcgibiua Sfd^ubt gab 
bann „ben na^iüifen Äanglern unb conftftortfd^en Sd^ttbern" bic 
©d^ulb an ber barbarifc^en @tnmif(i)ung t)on Iateim|d&en SBörtern 
in beutfd^e Sejte. Unb mie^ifd^art ba^ „Stntcnbeutfd^" ber ßang= 
liften t)ert|ö]^nt, fo fef)en toxi aiiä) ed^ulbe^örben gegen bic ©e= 
fpreigtl^eit be§ aftenmäBtgcn 5periobenbau0 eifern. ®ine @d^ul= 
t)erorbnung t)on 1575 äußert fid^ über bie Übungöftürfe ber @df)üler: 
„ber Stiluö foll nict)t fanjleiifd^er Slrt fein, in toäijex t)on oftmals 
etli^e 3Börter tt)ie rtac^betii unb bemnac^ gans tüeit t)on ein= 
anber gefegt werben, alfo ba§ bie unerfal)rcne ;3ugenb im 2)cutfd^en 
nid^t fann merlen, H)ie ein§ auf ha^ anbere folgt" (5pietfd^ 87). 

33ei ber ungen)öl^nlid[)en ^ßrobultion beutfd^fprad^lid^er S)rud= 
tDerfe mu^te fid^ benn au^ jeigen, tüie feljr bie 3Jtutterfprad^e unter 
einer ^al^rl^unberte langen SSernad^Iäffigung öerüimmert H)ar. 2Bo 
bie beften üöpfe ber Station beut ßatein ijulbigten, fonnte bas 
3)eutf^ ni(^t heranreifen, um l^öl^eren ^Problemen ju bienen. Überaß 
fel^Iten gIei(^H)ertige 2lu§brüde für SBenbungen, für bie ha^ ßatein 
eine meHeid&t gar biird^ ßicero geH)eif)te S^ormel t)on felbft barbot. 
2Bie reic^ ift ^utten, tt)o er ßatein fd^reibt! Unb toie ungelenf, 
tt)ie gejtoungen ift fein S)eutfd^! 

3)iefen 3lbftanb ber beiben Sprad^en fonnte niemanb fd^werer 
em))finben afö bie Überfe^er. ;3e^t, loo man neue Guellcn für 
geiftige Slnregung im 3Htertum aufberfte, too ba§ Söerlangen nad^ 
ber @rfd[)(ie^ung biefer Duellen allgemein toar — toören an ber 
Ungelenfigfeit unb Ungefügigleit unferer @))rad^e bie ebelften 93e= 
ftrebungen beinat)e gefd^eitert. §atte bod^ Srjbifd^of SBertolb t)on 
SDlaing gerabe mit Slüdffid^t auf bie Slrmut ber beutfd^en Bpxaäjt 
bereite 1486 Überfe^ungen religiöfer ©d^riften unb ]p^ieU biblifd^er 
%eik t)er))önt! „Fateri oportet, idiomatis nostri inopiam 
minime sufficere necesseque fore, translatores ex suis cer- 
vicibus nomina rebus fingere incognita, aut si veteribus 
quibusdam utantur, veritatis sensum corrumpere, quod prop- 
ter magnitudinem periculi in litteris sacris magis veremur !" 

®iefe SBegruttbung ift nid^t gang unjutreffenb ; man toürbe 



44 3- 2vti)tx unb bie beutfdfje <Bpxaä)c, 

fic in ©d^u^ net)men muffen, tücnn fonft aii^ ben altfird^lid^cn 
Greifen etoaS jur fjörberung ber beutfd^en ©prad^e unb einer 
fpejtflfd^ nationalen SSübung gefd^el^en iDäre. 51I§ unfer großer 
0teformator fd^üe^üd^ bie getoaltige Stufgabe übernaljnt, t)or toeld^er 
SSertoIb t)on 3Jlatnj mit ber ©träfe ber ßjcommunication abge= 
f^redt ijatk, brängte fid^ il^m jener ©inbrud öon ber Unäulänglid^= 
feit ber 3Jlutterf|)rad^e in nod^ t|ö{)erem ©rabe auf, afe ben Über= 
feiern ^jrofancr SEejte beö Slltertumö. 3e t)öl§er er t)on feiner 
Slufgabe badete, um fo ftörenber mad^te fic^ bie §ärte unb 9lol)eit 
beö ©toffeS, mit bem er arbeiten mufete, immer t)on neuem toieber 
fül^Ibar. „Sd^ Ijab mir aud^ fürgenommen — fo fd^reibt er n)ä{)= 
renb ber Slrbeit an §artmut t)on ßronenberg ^ — bie SBiblia gu 
öerteutfd^en. ®ag ift mir ?lot gett)efen. ^ä) l)atk fonft tool follen 
in bem Srrtumb geftorben fein, ba§ id^ lodr geleljrt getoefen. 6ö 
foüten folid^ä SBer! tl^un, bie ftd^ (äffen bun!en geleljrt fein." 
Unb mit faft benfelben 2Borten begleitet er 1525 bie Überfc^ung 
ber fünf SBü^er SRofeg : „^ä) meinet aud^, id^ toare gelel^ret, unb 
toeiB mid^ aud^ geleierter benn aller l^ol^en ©deuten ©o|)]eiften t)on 
®otte§ ©naben. Stber nu fetie id^, ba^ id^ aud^ nod^ nid^t mein 
angeborne beutfd^e ©|)radö 'föun. ^6) l^ab aud^ nod^ bisl^er fein 
SBud^ nodö 33rief gelefen, ba redete 3lrt beutfd^er ^pxaij innen 
tt)äre. 6§ ad^tet aud^ niemanb, red^t beutfd^ gu reben, fonberlid^ 
ber ^errn ßangleien unb bie ßum|)enprebiger unb 5pu))penfdereiber, 
bie ftd^ laffen bunlen, fie Ijaben SRad^t beutfd^c Bpxa6) ju änbem 
unb tid^ten unö täglid^ neue SQBörter bc^crjigcn, be^enbi^en, 
erfpric0U^, erf(^ie0li^ unb bergleid^en. 3fa, lieber SJlann, e§ 
ift tool betl^öret unb ernarret bagu." SBäljrenb ber Überfe^ung 
ber ^xop^dm Ilagt er (SBalcf) XVI, 508): ,M ©ott! toie ein 
gro§ unb öerbrie^lid^ SBerf ift eg, bie l^ebraifd^en ©d^reiber ju 
jtt)ingen beutfd^ reben! 2Bie fträuben fie fid^ unb moöen iljre l^ebröifc^e 
2lrt gar nid^t berlaffen unb bem groben ©eutfd^en nad^folgen, gleid^ 

^ ®in aJiiffiöe allen ben fo öon toegen be§ SBort ©otteg SSerfoIgung 
leiben, Söittenberg 1522; $ietfd& 36. »inbfeil CoUoquia Laiina I, 192. 



2)cr (atiniftrenbc ©til alg §emmnis ber beutfo^en ^pxad)t. 45 

afe tüenn eine 9?adötigatt, fp i^r ber übereinlautenbe ^ulufögefang 
ganj entgegen, gleid^tool folte i^re lieblid&c SJlelobei öerlajfen unb 
bem ßulu! nad^fingen" ! Sie SBorrebe gum ;3efaia§ (1528) toci^ 
anä) Don ber ungelenfen beutfd^en Bunge. Unb al§ ber ®i§Iebcr 
Slgricola bie Slnbria t)on Sereng 1543 t)erbeutfci^te, änderte öutl^er 
S^reimben gegenüber, bie bentfd^e ©prad^e fei gu fd^tücrfäöig für 
fold^e SBerfncä^e; nur ba§ ^rangöfifd^e fei gefd^nteibig genug, beut 
Originale nal^e gu fommen. 

Überall ift ba§ öatein ba§ §entmni§ für ed^t beutfd^en 
©til. (£§ l^ält aöe in Seffeln, bie fid^ ber mit bem Süd^erbrutf 
aufftrebenben nationalen ßitteratur toibmcn. 9?icla§ t)on SB^Ie fielet 
))raltifd^ tt)ie tJ^^oretifd^ auf bem @tanb|)unlt, ba§ „ain jetflid^ 
Sütfd^, ba§ u§ gutem gierlid^en unb tool gefaxten ßatine gegogen 
unb red^t unb tt)oI getransferirt toär, oud^ gut gierlid^ tütfd^e unb 
Iobe§tt)irbig l^ai^en unb fin mü^te unb nit tool öerbeffert toerben 
möd^t". Slud^ ein @|)radöle]^rer toie ;3delfamer rebet ber 9tad^= 
al^mung lateinifd^er ^ßartigipiallonftrultionen ba§ SBort. 

Jlatürlid^ mag öielfad^ bie ©d^ulb aud^ an ben Überfe^ern 
gelegen l^aben, toenn bie SBerbeutfd^ung gu toeit l^inter bem Original 
bleibt. Slber man toürbe unred^t tl^un, tocnn man bie 3ä]^ig= 
leiten ber bamaligen Bpxadjt fo fel^r überfd^ä^en toottte, tt)ie e§ 
5)}irl]^eimer in einer 3ufd&rift an ben ©rafen ;3o]^ann t)on ^äjtoax- 
genberg (S^ugeubbüd^Iein @. 112) mit folgenben SQßorten tl^ut, bie 
immerl^in t)iel 9lid^tige§ entl^alten: „(£§ l^aben ®tt). ©naben gum 
öftem 50lalen t)on mir gehört, ba§ meines S8ebunlen§ möglid^ fei, 
alle ®ing, fo in einer 'Spxai) gefd^rieben fein, in eine anbre t)er= 
jianbigertt)eife gu bringen, unangefel^en, ba§ il^r etlid^e üermeinen 
unmöglid^ gu fein ba§ ßateinifd^e öoÜlommen in ba§ ®eutfd^e gu 
üertoanbeln. Slber nad^ meinem SBebunlen lommt fold^er ^i^rfal 
au§ berfelben Unöerftanb ober ba§ fie bem lateinifd^en SBud^ftaben 
gu genau anl^dngig finb, mel^r il^ren 5Iei§ auf gierlid^e SBort afe 
ben redeten SBerftanb toenben. 3lu§ bem folget oft, ba§ fold^e S5er= 
beutfd&er felbft nid^t t)erne]^men ba§, fo fie anbem gu öerftel^en 
geben ftd^ unterftel^en, unb fo fold&eg gefd^id^t, »oüen fie il^re Unge= 



46 3, ßut^cv unb bie beutfcfee 3prad)e. 

fc^idüd&Icit batntt t)erbetfen, aU folt fidö baö ßateintfd^c mit bcm 
3)eutf(i^eu gar nid^t bergletd^eu. 3lbcr bem ift in 3Bft]^rI)cit uid^t 
alfo; tl^ut aber not einem jeglichen, ber eine Bpxaä)^ in eine 
anbere t)crfe]^rcn tüiö, ba^ er aüein ben Sinn nnangcfel^en ber 
SBorte in bie Sprad^e, bie er t)orM]^m I)at, flar, lantcr unb ber= 
mafeen t)eränbere, baB ein jeglicher berfelben Sprai^e tierftänbig 
baö, fo Derfert ift, leid^tlid^ t)erftc]^en möge." 

SBeit t)erbreiteter als biefe auf nüd^tern f})rad)pI)itofo))]^ifi^em 
©tanbpunit berul^enbe 2lnfd^auung finb bie klagen über bie 3}er= 
toal^rlofung ber beutfd^en ©prad^e. ^n feinen beutfd^en ©piid^= 
Wörtern 1529 (SBorrebe) fagt ber patriotifd^e Slgricola t)oII @nt= 
rüftung : „Unfere ©prad^e ad^ten tüir ©eutfd^en fo gar für nic^tö, 
ba| fie aud^ faft gefaöen ift unb niemanb ober gar menig ßeut 
finb, bie beutfd^ reben lönnen. 2lüe 5iationen l^aben il^re Bungen 
unb ©prad^en in Siegeln gefaffet, allein toir S)eutfd^en l^aben fold^g 
t)ergeffen, ba§ unfer gering gead^tet zc," 

3umal bie aufftrebcnbe Überfe|ungölitteratur beftätigt, ioie 
mül^fam unfere ©d^riftfteöer ju ringen l^atten, um ben Sßettfampf 
mit ]§ert)orragenben Ilaffifd^en SBerfen aufnel^men ju !önnen. 3Ba§ 
Cutter im SBetteifer mit bem Original ber l^eiligen ©d^riften 
gelang, t)erfudöten jal^Ireid^e üöp\e mit ben SBerfen bes 9lltertum§, 
unb laum toirb einem bie trübe ®rfa]^rung t)on ber Unjuläng= 
lid^feit ber beutfd^en ©prad^e erfpart geblieben fein. SJlan I)öre 
j. 33. bie aögemeine Gl^araftertftif unferer fprad^Iid^en Bwftänbe, 
bie SSalentin 33oI^ t)on Sluffad^ in feiner Serengüberfe^ung 2;ü= 
bingen 1544 (SBibmungöepiftel 1539) entwirft: „2)a§ ift ha^ alt 
©ift unb peftileujifdö Übel, ba| toir Sleutfd^en nie t)iel 3ld^t auf 
unfer SJluterfprac^ gel^abt l^aben unb toie fie gepflanjt unb auf= 
gebrad^t toerb, bie ja gleid^ il^r facundiam unb 3ic^ fo ^ol l^at 
als anbere ©prad^en. SBer ha^ erfal^ren toölf, ber befe^e unb 
lefe ben t)erteutfd&ten ^ofepl^um, ©enecam, Dfficia Slmbr. unb öiel 
trefflid^er 2lutore§, bie ber l^od^berebt 50lann teutfd^er Station 
®octor Gafpar §ebio ju ©tra^urg öerteutfd^t l^at unb in tüunber= 
barlid^en SQßoIftanb teutfd^er 3ungen brad^t l^at. Sarob werben 



^cr latiniftrcnbe 6til uub ßut^erS fprad)lid)Cv^ ^i^rogramm. 47 



(lud^ t)iel ftolj ©elc^rtcu murren uub fagcn, es fei iiit loblic^, bafe 
Titan alle Sing alfo in teutfd^c ©prad^ bring; ba^ Latein tperb 
barburd^ öerad^tet. ^ij fagc * nein* barjü. Gö ift bcr lateinifc^cn 
Sprad^ ein treffelid^er 9iu^m unb ijoijn ^rciö, baf3 fie ]^oI)c tt)un= 
berbarlid^e Sing l^inber il)r verborgen i)a\ gel)an, unb mac^t unä 
Seutfd^en, ha^ mir erft aufaßen, unfer eigen ©prad^ reguüren 
unb tüolfteöen". 

3lnbre Stimmen beftätigen ben (Sinbrurf, ben biefcö 3cugniö 
mad^t. ©elbet, ber 1533 ben SSateriuö 9)larimuö Derbeutfd^te, 
unb ^ol^d^oriuö, ber 1536 eine ©uetonüberfe^ung t)eröffentlic[)te, 
beflagen bie Ungulänglidö!eit ber Sftutterlprad^e faft mit ben gleid)cn 
SBorten : „^i} mu^ befennen, ba^ ic^ö oft beffer im üop], bann 
ju SBorten l^ab bringen mögen, t)ittei(^t ju 3citen burd^ Sd^ioäc^e 
ber teutfd^en ©prad^" — „^ä) mu§ ja t)or aütn Singen be!ennen, 
bafe mir tt)oI l^iertn mag toiberfal^ren, aU ber ^oet fagt , ha\^ iä) 
l^dtt tt)oIIen ein §afen formiren, aber im ßauf beö 9labö ein 
Ärug barauö toorben, beffer im Rop] gel^abt, bann ic^ es inö 
2:eutfd6 mod^t bringen !" 

Saneben l^ören mir Stimmen triumpl^irenber fjreube über 
ia^ ©elingen einer Überfe^ungJ ®3 brandet iebenfatts nic^t bu(^= 
l^änblerifd^e SleHame geioefen ju fein, toenn änn)eilen Titelblätter 
t)on Überfe^ungen bie SBorte entl^alten „t)ormaIö in teutfd^e 
©prad^ gu tran^feriren nod^ t)on niemanb fonft nnberftanben, fon= 
bern für unmügelid^en gead^tet toorben". 

2Jlag ^^3irf]^eimer immerl^in bie gal^igfeiten ber beutfd^en 
©prad^e überfd^ä^en, in feinen SBorten erfennen toir bas ^aiipt- 
l^emmniö jeber gefunben Entfaltung beutfd^er ©prad^art. 

Öutl^erö ©enbfd^reiben t)om Solmetfd^en gibt jum erften 
3JlaIe Hare, ungtoeifel^afte ©runbfä^e für jeben, ber beutfd^ 
fd^reiben toiti, jumal für Überfe^er: „Tlan mu^ nid^t bie S8udö= 
ftaben in ber lateinifd^en ©prad^e fragen, toie man foü beutfd^ 
reben, fonbern man mu§ bie 5Dtutter im §aufe, bie ßinber auf ber 



S)eöen II 414, 520. 636. 



48 3* ßut^er unb btc beutfd^c Spxa^t. 

©äffen, ben gemeinen $0iann auf bem SJlarlte barum fragen unb bem 
felbigen auf§ SJlauI fe^en, tote fie reben, unb bamad^ bolmetfd^en, fo 
t)erfte]^en fie e§ benn unb merfen, ba§ man beutfd^ mit il^nen rebet", 
Unfer SBibelüberfe^er ift feinem ^Programm ftetg treu : er gel^t 
in bie SQßerfftätten ber §anbiDer!er, er erfragt ßunfttt)orte t)om 
©olbfd^mib, er fd^aut ben @))ielen ber ßinber ju, er ift beim 
©d^Iad^ten t)on ©d^afen jugegen, um bie natürlid^e 'Spvaä)e be§ 
5BoIfe§ für bie Stotde feines ^ol^en 33erufe§ ju lernen. Sie Qpxai)e 
eEfluftöer «Rreife fann er fid^ nid^t bienftbar mad^en ; er bittet toai)' 
renb ber Überfe^ung be§ neuen 2eftament§ feinen fjreunb @))alatin, 
))affenbe fd^Iid^te SQßorte ber 35oIföf|)rad^e (verba simplicia) für 
il^n gu beobad^ten, aber bie 'Spxaijt t)on Höflingen unb ©olbaten 
(verba castrensia et aulica) babei fem ju l^alten. i^m SBortDort 
gu §iob betont Öutl^er, ba§ feine Überfe^ung beutlid^e unb ieber= 
mann üerftänblid^e Siebe biete. SBie un§ ba§ ©enbfd^reiben t)om 
©olmetfd^en berid^tet, l^at er mit feinen ^reunben gutoeilen mergel^n 
Slage, brei, t)ier SBod^en ein einjigeS SBort gefud^t, „]^aben§ ben= 
nod^ juioeilen nid^t funben. ßduft einer i^t mit ben Singen burd^ 
brei ober bier SBIätter unb ftö^t nid^t einmal an, tt)irb aber nid^t 
gctoal^r, loeld^e SQßaden unb ßlö^e ba gelegen finb, ba er i^t über 
l^ingel^et toie $ber ein gel^oflet SBrett, ba tt)ir l^aben muffen fd^toi^en 
unb un§ ängfien, el^ebenn toir fold&e SBadfen unb ßlö^e au§ bem 
SBege röumeten!" 



4. 

®a5 ßatein l^atte auf bciu bcutfdöen Söobcn eine um fo fcftcre 
Stellung, ate c§ feine überaß anerfannte unb überaü t)erftan= 
bene @emeinf|)rad^e c^ai, bie bem fd^riftlid^en tüte bem münblid^en 
äJerfel^r l^ätte biencn fönnen. Äonntc g. 33. ein 3ürid^er ertoarten, 
fein ®eutfdö n)erbe in Dberfad^fen t)erftanbcn tüerben? Übercitt 
bot fid^ bie ntittelalterlid^e SBeltfprad^c als bcqncntfteö unb geläu= 
figfteö 93inbeglieb gleid^fant tion fclbfl. 

3lte 3tüingü t)on bem ßanbgrafcn ^-P^ilipl) t)on Reffen ein 
beutfd^eS ©einreiben in moberner ßautform crl^ielt, tüorin er gu bem 
SOflarburger 9leIigion§gef|)rädö aufgeforbert tourbe, • antlDortctc er 
bem Sanbgrafen am 7. SJlai 1529 in einem lateinifd^en 93ricf mit 
ber au§gef))rod^enen 33efür(i^tung, fein ©d^iüeijerbeutfd^ toürbe t)om 
Surften laum öerftanben n)erben. Unb t)on ber Steife au§ bat 
3mingli ben Bordier 9lat, man möge il^m einen bcs ßatein !un= 
bigen Slatöboten nad^fenben; „xi) beforge fel^r, fic t)erfte]^en (in 
aJlarburg) unfere ©prad&e nid^t". SBei bem 9leIigion§gef|)röd^ 
fclbft fd^Iug bann 3tt)ingli t)or, „ber fid^ mit feiner fd^toeijer 5Dtunb= 
art im SRad^teil fül^Ien mod^te", ba| in lateinifd^er @|)rad^e t)er= 
l^anbelt tt)ürbe.^ @in fold^er Slbftanb innerhalb ber lebcnbigen 
ajlunbarten l^at fid^ bamafe getoi^ überaß fühlbar gemad^t. 



* Übrigens tourbe bei bem 9flc(tgion2gefpräd6 bod& and) beutfd^ öer* 
l^anbert ^qI SWörifofcr, StoimU II, 225, 229, 233. 



50 •^. ^d&riftftettcr unb S3ud6bru(fcr. 



Unb toaö bon bein gcfproc^encn Scutfdö gilt, trifft in nod^ 
l^öt)erem SDIatie bcii fc^riftüdjen ©cbraud^ ber 9Jlutterf))rad^c. 1511 
entfdjulbigt ein @ct)riftfteöcr fein Seutfd^ mit ber 35enter!ung, ba§ 
„ein Xcutfd) nit in allen Canben genug unb jeberntann t)erftänb= 
lic^ ift über angenehm ".^ 

%ni) bie ©pradjle^rcr finb bei ber $0iannigfaItig!eit unferer 
SJlunbarten t)öKig rattoö, lüie man ein ßel^rgebäube beg ©eutfd^en 
aufjubauen ^abc. SJleifter §an§ ^abritiuö, ber in Srfurt 1531 
ein 5öüd)Iein über gleid^Iautenbe SQßorte crfd^einen liefe, ^ xn^t tex- 
jtüeifelt auö: „3ic^ tüeife fd^ier nid^t, tt)ie id^ meine ©d^uIerS leieren 
foll ber Urfad^en l^alber, bafe je^unber, tüo unfer nur brei ober 
t)ier Xeutfd^e gufammen !oment, ^at jeber einen fonberlid^en @e= 
braud^. SBoIte ©ott, bai^ eö bar^in !omen möd&te, bafe bie ßunft 
beö ©c^rcibenö einmal n)iber in ein redeten Sraud^ lomen möd^te 
— eö muB boij jule^t bal^in !omen". Sold^e Stofefeufger, fold^e 
SQßünfc^e mußten alleriDärtg laut toerben; benn nirgcnbö lonnte 
üon einer jiDingenben, allgemeingültigen @|)rad^norm bie 9lebe fein. 
®iefe 3uftanbe öeraufd^aulid^t un§ aud^ bie Älage, bie ßutl^erS 
.ßorref tor ß^riftoffel SBalt^er ^ über bie ort^ogra))]§ifdöe 23ertt)irrung 
t)ün bamate ausftöfet : „SQßenn l^unbert Sriefe unb gleid^ mel^r mit 
einerlei SBörter geschrieben iDörben, fo iDörbe boij feiner mit bem 
Suc^ftaben übereinftimmen, bafe einer mit Suc^ftaben gefd^riben 
tüörbe mic ber anber. Serl^alb ift bie Sprache aud^ fo unt)er= 
ftänbüd^, bun!el unb berlooiTen, ja gang üerbriefelid^ unb unluftig 
gu lefen. Unb fonberlid^ fomet fie ben fremben unbeutfd^en ßeuten 
fe^r fditoer uub fauer an gu oerftel^en unb unmüglid^ red^t gu 
erlernen." 



» «irlingcr in ^errigg STr^iö 43, 124. 

2 ©in nü^Iid^ S3üc^Iein etlicher glcic^ft^mben SBortl^er, aber ungleid^^ 
SSerftanbeg, htn angenben bcutfd&en Scfjrctjbfdfjülfrn gu gut mitgeteilt bnrcfj 
2lleifter .^anffen JJabritium, D^ecftenmeifter unb beutfd^en 8c^re^ber gu ©rffurt^ 
1531. 2)ie ©d&rift fd&eint oerloren gu fein. 

3 S3eric^t öon Unterfc^eib ber S3iblien unb anberer beS (Sl^rtoirbtgen 
unb feltgen ^errn Dr. Tl. Sut^eri iöüc^cr. SBittenberg 1563. 



3!)cr aJlangcl einer gemeingültigen <Sj)rac^norm; 51 

Unb in ber Sll^at, tt)a§ im i^nlanbe unangenel^m etn))funben 
tDurbe, tnii^te ben 3lu§Iänbcm befonbers läftig fein. ;3cbc 5!Kunb= 
art nannte fid^ beutfd^. ©oöten nun frembe ßaufleute, frembc ©e= 
leierte, frembe ©efanbte nieberbeutfd^ ober alemannifd^ , bairifd^ 
ober mittelbeutfd^ lernen? ®ie 9lomanen, bie befonberg mit ben 
oberr^einifd^en ßanbfd^aften 5Ber!e]§r l^atten, fonnten fid^ mit ber 
alemannifd^en $0iunbart fonft nirgenbs t)erftänblid^ mad^en. ®in 
franjöftfd^er ©elel^rter, 6aroIu§ S8ot)iöu§ (De Bouelles) @ama= 
robrinnö, ^at im ^df)x 1533 ^ einen S8efud() gefd^ilbert, ben er bem 
5p]^ilologen S^ritl^emiug gemad^t ijat ®er beutfd^e ©elel^rte äußerte 
feinen SBunfd^ unb fein ^Programm, ba§ Seutfd^e bem ßateinifd^en 
ganj ebenbürtig gu mad^en unb unfern ©d^riftftettem ein braud^= 
bares SBerfjeug gu fd^affen. Unb ber ^rangofe öertoieS auf bie 
großen 3)ialeftunterfd^iebe in 2)eutfd^Ianb , bie jebe Einigung un= 
mbglid^ mad^ten; unb n)er tootte entfd^eiben, roa^ rid^tig fei: ,fbag 
ober tag, tx»iittre ober tx»iiflfer, voitc vom ober tütflfe voin, 
brot ober brott?" ®cr Srangofe l^citte fo Unred^t nid^t. @§ = 
gab feine SÄunbart, bie fid^ eine§ Verbreiteten Slnfcl^enS erfreute. 
9hir ber SRame *beutfdö* galt überall, unb ber 9iame 'l^od^beutfd^* 
begann bamate bereits bie Hoffnungen unb SQßünfd^c gu antigi|)iren, 
bie erft nad^ unb nad^ in Erfüllung gelten foüten. 

^riebrid^ ScLxnde üerbanicn n)ir ben Jiad^toeiS ber älteften 
Selege für ben Flamen ^oc^beutfi^; er finbet i^n juerft 1493 in 
bem „93riefformuIari beS l^od^bcutfd^en ©tilumS", um 1510 in einer 
ju ©traPurg gebrudten ©d^rift ©eilerS unb 1519 in ber gu 
atoftodf erfd^ienenen nieberbcutfd^en Überfe^ung t)on ©cbaftian 
SBrantS Slartenfd^iff. ©omit bürfte baS SQßort ettoa um bie SJlitte 
be§ 15. Sföl^i^^unbertS aufge!ommen fein, ©d^on 1481 treffen n)ir in 
einer fdötoeijerifdöen ©d^rift „ein SBürblin ber 3tt" (Fasciculus 
temporum) *§od^büfd^Ianb' als ©egenfa^ ju 'Siieberbüfd^Ianb'. Unb 
fo ift ^oc^beutfc^ gunäd^ft bloS als ©egenfa^ ju nteberbeutfc^ 



1 Liber de differentia vulgarium linguarum et Galilei sermonis 
yarietate etc. Paris 1533. Cap. 50. 

4* 



52 4:. (Sd&riftftcacr unb f&nd)hxndtx. 



aufgelotnmen unb befagl genau bajfelbe toie „oberlönbifd^" neben 
„niebcriänbifdö". ^reilid^ ^oc^beutfc^ ober oberllnbifc^ tüar ein 
SQßort, unter bem gang üerfd^iebene SJlunbarten t)erftanben merben 
lonnten. ©d^toeiger, Slfciffer, ©d^ioaben, 33aiem, S^l^üringer, Dber= 
fad^fen, ©d^Iefier — aße begeid^nen i^re 5Dtunbarten afe J^od^bcmfd^, 
jeber bie feinige afe unfer ^oc^beutfc^. SBcr fein 5Dtitit)erftanb= 
nig gulajfen lüill, mad^t einen befd^ränlenben 3ufa§ ; fo fprid^t man 
öon fränfifd^em ^od^beutfd^. ^ 

2)abei l^ören tüir nur feiten üon einer Sprad^e ber ©ebilbeten, 
n)eld^e fid^ t)on ber SJlunbart entfernt. @o tüar nad^ S^ritl^emius 
ber gro^e äieud^Iin in lingua vernacula politiori tDof)l betoanbert. 
®cr Tübinger 5|}^iIüIoge 3lltenftaig lannte aud^ ein feineres ®eutfd^, 
tüar barin aber nid^t fonberlid^ gefd^itft. 3fn einer 1522 er= 
fd^ienenen Sluflage feines Iateinifd^=beutfd^en ©d^ulttjörterbud^s ent= 
fd^ulbigt er al§ geborener ©d^toabe feine fd^toäbifd^e SJlunbart : Si 
teutonicum addidi quod tibi lectori vel praeceptori non pla- 
cuerit — melius adjungito et secundum tuam linguam addito 
et adolescentibus interpretato. Nee propter doctos adjunxi, 
sed propter adhuc rüdes. Ego enim vernaculam admovi ut 
a puero didici, non rhetoricum vel Oratorium ut habent et 
scribunt cancellarii et scribae principum — quod multo minus 
didici quam latine loqui. - 

1 §oc^bcutfc^ unb OSerlänbifd^ begegnen alg <St|non^ma in @eiler§ 
Srrig Sd^af Aa VI (f)ab idj unberftanbcn ha^ in oSerlenbtfd^ ober l^od^^ 
htnt^d) gu bringen). 2)icfen dlad)tüti^ banfe id) ber fjrcunbfd^aft beg ©errn 
Dr. ^* ©ptrgatig, ber ntic^ and) auf eine merfwurbigc 23cnennung ber neuen 
^eic^Sfprac^c aufmcrffam machte; in einem Psalterium latinum cum appa- 
ratu vulgari (Strafeburg, 30^. ^nobtoc^ 1508) fc^licfet ba^ 3?egifter mit ber 
S3cmerfung, ber $ßfa(m fei „ mit gel^eimifc^en Xcutf c^ neben bem ßatctn öon 
SBort p SBort nad) bcn S3uc^ftabcn ausgelegt." 

2 Ob biefe ^emerfungcn beS ^rtt^cmiuS (^rel&erS 2(u8gabc ber opp. 
histor. 1, 171, tt)ic $err$rof. $artfe(bcr mid^ untcrrtd&tet) unb 2((tenftatg ftd^ 
auf btc 3luSfpraci^c begicl^cn, mu6 bal^in geftefft bleiben. Sfleud^IinS SJofaüSmuS 
benjal^rtc bie alten i ü ü üe unb fannte btc altbatrifd^cn ai (ml&b» ei) unb 
au (m^b. ä). Über StltenftaigS SBörtcrbuc^ bgl. S3Iaufu8 SBcrm. »citr* 
1756 II, 201; bie in fjragc fommenbe Ausgabe beS SSocabuIariuS ^abc id^ 



8t)rac^ibcaf. Sprad^lic^cr ^artifuIariSmuS, 53 



aSon SBien f))egiett berid^tet un§ ein fo gcbiegcner aScobad^ter 
tote ßagiuö, ba§ ber ©tabtbialeft burd^ fd^toäbifi^e (ginpjfe fid^ 
verfeinere, toöl^renb ber länblid^e ®ialeft fid^ t)erfd^Iedötere. 2)en= 
fetten ©egenfa^ t)on ftäbtifd^er unb lönblid^er Slusfprad^e mad^t 
aud^ Slöentin für ba§ ®onautm. Unb toenn aud^ bie ©rantmattler 
Cünger 1574 unb SQßoIf 1558 bie 3lugf))rad^e ber ©ebilbeten t)on 
bem unöerf ölfd^ten 2)iale!t , toie er auf bem ßanbe l^errfc^t, rid^tig 
fonbem, f lann barüber lein 3toeifeI beftel^en , ba^ in Dberbeutfd^= 
lanb unabl^ängig t)on ber 9lcf ormation , toie audö bereife t)or ber 
5ftef ormation bie ©ebilbeten baö 3fbeal einer Von ber ]^einiifd()en 9Jlunb= 
art Derfd^iebenen ßuIturf|)rQd^e !annten. ^ Slber biefe§ ;3beal toar 
gtoeifeöoS überatt in Dberbeutfdölanb t)erfd^ieben. 

9iirgenb§ erlennt man baö Seutfd^ anberer ßanbfd^aften afe 
gleid^bered^tigt an; toa§ an il^nt fremb ift, gilt aU auölänbifd^. 
So gelten bie ju SSafel unbefannten SQßorte öut^erg aU auSlänbifd^e 
bem aSafler ®ruder 3lbam 5|}etri, ber einem Slbbrud ber Über= 
fe^ung be§ neuen Sleftamentö ein Ileineg SBortregifter beifügte. 

3[a man fpottete aud^ gern über bie @|)radöc einer anbem 
ßanbfdöaft. ®iner fd^toeijerifd^cn SBibel fagte man nad^, fie gebe 
bie ^Pfalmenftctte ,,bu falbeft mein ^aupt mit Öl" burd^ bie SQßorte 
toieber: „bu fd^miereft min ©rinb mit ©d^meer". Unb in einer 
nieberbeutfd^en S3ibelüberfe^ung foÜten bie SBorte „unb feine jünger 
Ilabafterten il^m nad^" geftanben l^aben. ©old^e ungcl^örige ©d^erge, 
in benen ber SSoIfetoi^ 3iad^barmunbarten l^öl^nte, toaren in jener 
3eit fprad^Iid^er ©äl^rung nur ju natürlid^. öutl^er ift über 3toing= 
ü§ ®eutf(^ entrüftct unb ))erfiflirt ßarteftabts 3lu§f))rad^c. ßmfcr 
verurteilt ben ©ebraud^ Von (Dtter an ©teile von Watter bei 
ßut^er. S)er beutfd^e 3lu§brudE ber 5|}ro|)]§etenüberfe^ung , toeld^e 



tro$ üerfd^tebener S3emu]^ungen nic^t auftreiben fönnen. 3Bie Slltenftaig, ge* 
fte^t aud^ 3Bimj)]^eIing wl^ofttd^g unb berblüeniten 3)ütfc^eng ungeübt" %n 
fein (VgL ^artfelber, SDeutfc^e Überfefeungen flafftfd&cr (Sc^riftfteKcr, §cibel* 
Berg 1884, (©. 33). 

* Über Slvcnttn, 2Bolf unb iölinger f. ^urbadö, 2)ie ®inig«ng ber 
rm. ©^riftfprac^c ©* 13. 14. 22, . , 



54 4. ©c^riftftcffcr unb 23uc^bni(fer. 



§ä^er unb ®enf]^ in 3Bomi§ l^erau^gegebcn l^aben, ift für ßutl^er 
„bunfel" (forte natura illius regionis), unb genau fo urteilt er 
1525 über baö S)eutfdö in einem ßated^iömuS ber böl^mifd^en 
©ruber. 

35or attem toax bie @))raci^e ber ©d^toaben in SBerruf ; überaß 
galten fie afö crassilingues , ate duriloqui. i^l^r SBoIaKsmuS 
fanb in anbem öaubfcä^aften nur Bpott unb ^ol^n. 3lud^ in ber 
S^ntaj l^atten fie ®igentümlidöleiten , für bie man ?. 93. auf 
bem linlen 9l]^einufer feine @^mt)at]^ie liegte, ^m 93eginn be§ 
16. i^al^rl^unbertö tüaren im @Ifa§ gal^Ireid&e fd^toöbifd^e ©eiftUd^e 
tl^ötig, bereu @|)rad^e teils mißfiel, teite aud^ nad^geöfft n)urbe, 
bis 2Bim|)]^eIing 1503 burd^ eine öffentlid^e 3lnIIage eine Uttera= 
rifd^e gelobe gegen bie fd^toäbifd^e $0iunbart einleitete. SQßintpl^eling 
toar ungel^alten, t)on ben Äan^eln aus bem 5Dtunbe fd^toöbifd^er 
©eiftlid^er 3Benbungen ju Igoren toie ber ^crrc voub (prcd^cn, 
er VOM gon, er toae wanbdcn für ber -^^err iprad^, ging, 
toÄnbelte. ©n fyreunb SQßim|)]^eIingS Ileibete bie SQßünfd^e unb 
Sorberungen ber gebilbeten ©Ifäffer in bie 3Borte: 

Advena Sueve, solo cupiens hie vivere nostro, 

Alsatici dulcis captus amore meri, 
quaeso tua nostram noli corrumpere terram 

lingua, sed patrio desine more loqui! 

^n Slübingen l^errfd^t $0iipimmung gegen aBimt)]^eüng ; 
aud^ in ^reiburg finbet er einen ©egner. SiS 1506 bauert ber 
geberfrieg, aus bem tüir lernen, bafe baS beutfd^e @t)radögefü]^l 
gu erftarfen beginnt, inbem gebilbete §umaniften n)ie 33ebefunb 
3Bim))]^eIing an ben großen fragen teilnel^men. ^ 

93ei biefen ©egenfä^en gtüifd^en ben öerfd^iebenen 2Jlunbarten 



* %nä) auf bie SluSfrrad^e begog ftd^ ber (©J)ott über baS ©dfetoäbif^e. 
3c^ bertüeife auf bie befannte reformatorifd^e fjrugf^rtft '©in fd^öncr 3)ta* 
logus. ^ung unb ber grife, bie brauchen tücntg SBife' (2t ü), tüortn ber 
Tübinger Sßrofeffor 2mp berfjjottet toirb mit ben ^Borten: „2tbt er no<6, 
ber alt ©op^ift tntt ben Sötrtenbergifd^en ä^oMen au, ai, ei, ao, aw?" 
5m übrigßu-f» 5((c|nattnk 12, 14; 



? 



(Sd6n)äl6ifdjc§ 2)cutfd). Ortl)ograp6ic ber ^rucfer. 55 



ift bie Slufgabe fd^tücr, wcld^c bcii Sud^brutfcm jufäöt. Sic motten 
über einen möglid^ft großen 3;eil ©eutfdölanbö trirlen, obmo^t e§ 
an einer gemeinbeutfd^en ßitteratnrf|)radöe fel^It. ©otten fie il^re 
8o!aImunbart für bie Srutfe öerioenben? unb tüic l^abcn fic fid^ 
etoa gu ber Spxaäje il^rer Slutoren jn öerl^dten, um fid^ ge= 
grünbete Hoffnung gu mai}m in 5!Keifeen, am 9l^einftrom unb 
im Dberlanb^ 3l6fa^ gu finben? 

©0 öiel ift fidler, ba^ auf bie ort]§ogra))]^ifdöc , überl^aupt 
auf bie f|)rad&Iidöe ©etüanbung ber ©rurffd^riftcn im 16. ^ai)X' 
l^unbert nid^t bie gleid^e Sorgfalt öertoanbt toorbcn ift tüic l^eute. 
©d^on bie gro^e ^aft, mit tüeld^er man im ©türm unb Srang 
ber reformatorifd^en Seiten fd^rieb unb brudfte, liefe gu formcttem 
©latten unb feilen feine auöreid^enbe $0iufee, fo lange ein auö= 
fd^Iiefelid^ fad^Iid&es Sfntereffe obtoaltete. „^äj i}ab t)or Unmufe 
ba§ S3üd^Iin nit mögen tüiber lefen; lug jcbcr attn)eg cigentlid^ uff 
ben ©inn" — fold^e SQßorte ber ©ntfd^ulbigung für fprac^Iid^c Sßcr= 
feigen, tt)ie fie 3toingIi am ©d&Iufe feiner ©d^rift „t)on bem 5|}rebig= 
amt" unb fonft mel^rfad^ Vorbringt, d^arafterifiren bas SScrl^alten 
ber SSerfaffer gu ber rein f))rad^Ii^en f?orm il^rer SBcrte. 

©0 ftnb l^öufig 3lutoren um bie forrefte SBiebergabe i^rer 
©d^riften n)enig bemül^t.- @§ lann bal^er nid^t befremben, bafe 
aud^ ben ©rudEern bie äußere 3orm ber 5pubIi!ationen glcid^gültig 
tüirb. SSietteid^t nod^ eilfertiger aU bie 3lutoren, bie l^äufig t>om 
S)rudort entfernt leben, unb auf fd^Ieunige Stuögabe ber ftetö @e= 
tüinn t)erf))red^enben beutfd^en 93üd^er l^inarbeitenb, mad^en fie fic^ nid^t 
feiten bie 5Rad^IaffigIett gu ?iu|, mit »eld^er bie ©d^riftftetter bie 
©|)rad^form il^rer 3lrbeiten bel^anbeln. 3lber aud^ gettjiffenl^afteren 
Stutoren toie ben SBittenbergem fonnte burd^ bie ©rudfer übel mit= 



* ©igigtti^ ff e^erabenb, Söa^t^aftiger ©egenbertc^t auf ha^ ungegrünbt 
a^erfd^reten u»Md», ffranffurt am3Waini570: ,,©3 gtoeifeltung (eineSiüegS, 
man loerbe ung in aJ^eifeen fotool^t a(§ am ^l^einfttam unb im Oberlanb 
toerftelöen" (3) i h\ 

2 ©afpar ^ebto (togl. oben <©♦ 46) l^at bie Ortl^ograp^ie in feiner 
3ofet)]&u8überfeöung 1531 böffig htm ^rucfer anlfteim gegeben,] 



56 ^* 6d)riftftcttcr unb ^uc^brucfer. 



9ef))ielt tüerben. @o Kagte SÄeland^tl^on einmal: „^ij !onnt biefe 
mein SluSicgung für ben 33ud^bru(fern nid^t • überfeinen nm be§ 
toiöen, ba§ fie'ö el^r an ben S^ag gu geben eileten, benn id^'S tt)iber= 
umb ju überlefen mod^t. ®ben ba§ ©lüdE l^aben aud^ anbere etlid^e 
meiner 3lnglegung gel^abt, tüeld^e an§gangen finb erftlid^ ganj ro^ 
unb ungeitig, gum anbern nid&t ganj unb bar^u an fielen Drtem 
t)on ben SrudEem alfo gefälfd^t, ba§ id^ il^r felb nid^t erfennen 
mag." \ 

ä^nlid^ entfd^ulbigte §ieron^mu§ 6mfer 1525 am Sc^Iu^ 
feiner Annotationes bie Heineren Srudöerfel^en : ,,®§ ift im SQßinter 
bei bem Siedete, fo bie ©tuben tüarm unb bie Srutfer faul unb 
fd()Iäfrig fein, balb toaS überfeinen". Unb ®d l^^t bei ber Sluögabe 
feiner ^ibel öl^^lidn geüagt. 

5)}rof. 21. SBirlinger l^^t gtoei anbere lel^^reid^e Sinterungen 
beigebrad^t, in benen fid^ 3lutoren loegen ber regettofen Drtin^grapfiie 
il^rcr 3BerIc entfd^ulbigen. Sa beflagt fid^ gegen 1511 ber Über= 
fe^er einer SBiograpl^i^ be§ l^^iligen Sranciöcuö t)on 3lffifi, ba^ 
©d^reiber unb S)rutfer betrübt unb verbittert l^ätten, toa^ auö feinem 
Srunnen lauter unb fü§ gefloffen fei.^ Unb nod^ am ©d^Iu^ be§ 
16. Söi^^in^nbertg jammert ein geioiffer §offmeifter barüber, ba§ 
an ber regeöofen Drtin^gra|)inie feinet SBer!e§ „aud^ ettoag an bem 
©e^er in ber Slruderei gelegen, ber nad^ feiner 3lrt ®pxaä) unter= 
tüeilen l^cinbelt". 

$0iit biefen legten SBorten ift eine ^ßrajis d^arafterifirt, »eld^e 
im 16. i^al^^l^^nbert allerorten im ©d^toange toax. SQßie l^öufig finb 
©d^riften be§ Sleformatorö in Dberbeutfd^Ianb nad^gebruit! @ö 
tt)ürbe einen großen 9laum loften, bie fpradölid^en 2lbn)eidöungen 
fold^er SRad^brutfe t)on ben Driginalbmtfen baräuftetten. ®a geigen 
bie SlugSburgifd^en unb SRürnbergifd^en SRad^brude burd^gängig j. SB. 
ba§ Von ßutl^^r nid^t gebraud^te ai (noÄig, iiin, waincn u. f. tt).), 
ba§ bem bairifd^en ©d^riftbeutfri^ entf|)ridnt. SBafler unb Bürd^er 



1 ^ic (Sj^rüd^e <Sa(omo auS ©bräifc^er ^pxad)* Erfurt 1525. 

2 §errigS Slrc^tb 43, 124. 



Übertragung öon Scfiriften in anbere 3}iunbartem 57 



3laä)bx\xde l^aben bie fd^lDeijerifd^cn T ü unb ü (fc^rtben^ ^üa, 
&üte). Unb nid^t feiten fanben fold^e fanb|(^aftüd^e Jittd^brutfe 
eine weite SSerbreitnng , bic unfcrm Stcforntator gctüi^ ntd^t mU- 
lomnten toar. Senn glDeifeteol^nc bürfen mx öutl^erö Stimmung 
in ben folgenben SBorten feine§ ßorrcftorg erfcnncn: „@ö jinb bie 
9?a#ru(fer nid^t gefättiget, btt§ fie il^re nac^gebrndtc Söüc^er bei 
il^ren ßanbsleuten, ba fold^e ©etüol^nl^eit il^rer ^pxaijt ift, liefen 
bleiben unb bei i^nen berf auften, fonbem füllten fie in anber ßänbcr» 
ba ßutl^eti @|)rad^e lieb unb tüert gel^alten ift, il^re ©etool^nl^cit 
aber ju reben feltfam, läd^erlid^ unb unüerftönblid^". Um fo be= 
greiflid^er ift bälget bic freubige Stimmung ber Sßittcnbcrger, aU 
1535 ßutl^erS Söibel burd^ SBcnbel 9li^el in ©tra^urg einen ^ai):^ 
hxixd erfüllt, ber fid^ bi§ auf bie Sled^tfd^reibung genau an ßutl^cr 
anfd^Iie^en »oüte; biefer l^abe nömlid^ ben 5ßrei§ in teutfd^er 2BüI= 
rebung unb ®oImetfd^ung unb tüerbe il^n bei ben 9ladö!ommcn 
l^aben ; brum l^abe fid^ ber 35erleger unb 2)rurf er befliffen, ßut^er^ 
befunber SBörter unb Drt]^ügra|)]^ci , fo mel^r auf fäd^fifd^ benn 
auf „unfer" ^od^teutfd^ gebräud^lid) , überaß ju bctaffen; benn 
„bie Übung tüirb foIc^§ aud^ tüol t)erftänbig unb gebröud^lid^er 
mad^en, benen fo gur l^eiligen ©d^rift 3lnmut l^aben". 2ro^ aüen 
rebüd^en SBemül^enS l^at aber aud^ biefer S)ruder jal^lreit^e u, t)on 
benen ßutl^erg Original gang frei ift, in ben 3lbbrudt gebracht. 

©rabe mit ^lüdfid^t auf ba§ SSerl^alten ber ®rudfer l^at 
ßutl^er gegen ben Jlad^brud feinet neuen 2eftament§ |)roteftirt: 
„®ieö 2;eftament fott beö ßutl^erS beutfd^ Seftament fein". @r be= 
fielet auf feiner @))rad^e, unb nad^ feinem Sobe tritt fein ßor= 
reltor ©l^riftoffel SBalt^er^ für biefelbe auf. Ratten Stad^brude 
0lttfc^cn^ fc^arpf^ anbcrcr für ßut^erg gleiten, fc^arf, 
jtreiter — SBßaltl^er t)ern)irft bie 9lüdfid^t auf anbre aJiunbarten 



1 ^l&rift. Söaltl^er, S3eric^t bon Unterfc^eib ber S3iblten unb anbercr be§ 
cl^rtoirbiflen unb fcligen Ferren Dr. Tl.2nÜitxi S3üc^er, Söittenberg 1563, 
33 ii b. — Slnttoort auf ©igtSm. getjerabenbS u.f. to; eingeben, SBitten^ 
bcrg 1571, S3 u 



58 4» Sd&rtftftcücr unb S3urf)bru(fer. 



unb üerlangt, bafe Cutters Sprad^c unb 2(r6eit tu feinen SBüd^em 
„ungeänbert, ungetabelt unb ungemeiftcrt" bleibe, glcid^öiel ob in 
anbem ßaubfcä^aften anbere 9lornieu „ju rcben, fd^reibcnunb bruden" 
l^errfd^en. 

5ür ba§ SBerl^alten ber 3)rudfereieu, bie bes Slutors ©prad^e 
jurüifbrangeu unb ber eigenen lolaUn SJlunbart folgen, fei l^ier afe 
befonberö le^rreid^er unb intercffanter Söeleg ba§ erfte ©enbfd^reiben 
3toingIis; an bie ©felinger Dom Slal^re 1526 ertoäl^nt. S)er 216= 
brud beffelben in ber ©efamtauögabe ber ©d^riften be§ fcl^tt)ei= 
jerifd^en Sleformators ift für fprai^Iid^e 3tt)etfe unjulänglid^, weil 
bie Herausgeber Stoingliji ©prad^e l^ergefteöt l^aben, bie im C)riginal= 
brud gänglid^ t)ertDifdöt ift. 3)iefer toax böllig unabl^öngig t)on 
3tDingIi entftanben; feine @pradön)eife loar fo fel^r t)ern)ifdöt unb 
jerftort, ba^ 3tt)eifel auftaud^en fonnten, ob benn tt)irlüd& 3tt>tngli 
ba§ ©d^riftd^en berfafet l^abe. 6in gloeiteö ©enbfd^reiben on bie 
@|linger gab 3^ingü* ©elcgenl)eit , feine SBerfafferfd^aft anju= 
er!ennen: „3lfö id^ in t)ergaugnem SluKo ßii^^n ©enbbrief über= 
^d^idt unb ber im S)rud auögangen, l^abent etlid^ — al§ id^ t)er= 
(lim — offcntlid^ börffen fagen, id^ ^aie il^n nie gefeiten, ben id) 
aber mit ber ^anb n)ie auc^ je^ biefen gefd^riben l^ab. ®animb 
id^ ütoer ßieb n)iberum gu Derfic^ren gereijt n)irb, ba§ bie ßpiftel 
ju üdö t)on mir fomen ift. ^ij i^ah f^ getrudt beriefen unb er= 
fenn f^ min fein. SBoI ift min ©pradö in ütoer bertoanblet, bann 
fl) oi} in ütoer Slrbt getrudt ift. 6ö t)erfa]^renb aud^ etwan bie 
Bruder eintioeberS mit SSerfomnu^ ober mit Unberftanb; bod^ ift 
l^ierin nid^tö öerfumt, ba§ ben ©inn übet beräubere." 

Slbgefel^en Don ber allgemeinen ßlage über bie ®ruder m 
ber Dorliegenbe fjatt für unö einen gang befonberen SBert. ®ie 
©prad^e ber Driginalnieberfd^rift ift beim ®rud in bie lolale aJlunb= 
art übertragen ; jtoeifeteol^ne ift Solingen felbft ber nid^t genannte 



' Hin c^riftUd&e faft nufelic^e unb tröftlid^e mm UIri« 3»ingti^ m 
bie frommen el^rfamen ©laubigen gü ©ölingen 2c. 1526. S)er anbere 6cnb* 
brlef ^ulbrid^ S^^^inöli^ an bie ©l&riftcn gu ©Bringen 2C. 1527. 



3«unbartrid)c S^adibrurfe. 59 



3)ru(fort. SBir bürfen freilid^ feine ftreugc Übertragung in bie 
^Btinger Sölunbart crn)arten. ^n buntem SBedöfel jeigt bcr S)ru(f 
t)on 1526 fd^tüeijerifdöc unb fdölDäbifd^e ßauterfdöeinungen ; Ätlc^e 
unb Äirc^e, flaan unb flccn, gän unb gen, nouflfen unb tDiffen, 
uc^ unb euc^ tüed&feln mit einanber; bie ](i^ti)äbifd^=bairif(i^cn ai 
(fain, ain, l^ailig, (Batfi) übertüiegen ; einige fd^n)eijerifdöe t laufen 
unter (jflyc^/ fyn). SBon 31 iii b an übertüiegt baö [d^toäbifcfie 
^5n, (len, bas fd^toäbifd^e er feilt über bie im 33eginn t)or= 
l^errfd^enben fdött)eiäerif(i^en ßon, (Ion, er falt. 3toittgIiö Bpxai)c 
fd^immert überall burd^; tüir treffen fein ^iitbita^ „l^eute", seinen 
„jufammen"; baneben baö fd)tt)äbifd&=bairifdöe x?erf6nen für baö 
fcl^n)eigerifd^e rerfunen. 

2)aö SBerfal^ren, tüeld^eö bas crfte ©enbfd^reiben Btoingliö an 
bie 6§Knger üerrät , mürbe gemi^ aöertüärtö geübt; feinem jlDeiten 
©enbfd)reiben 3. 93. mirb gerabe fo mitgef|)ielt tüorben fein; iDenigftens 
jcigt ber mir Dorliegenbe Srudt äl^nlid^c fiprad^Iic^e SJlifdöungen. 
SBir !önnten l^ier 3. 33. aud^ an Älagen Dfianbers erinnern. * 
9lber laum tüieber treffen tt)ir eine fo aut^entifd^e Darlegung beö 
SJerfal^rens , bie fid^ mit ber fiprad^Iid^en fjorm ber Überlieferung 
bedte, mie im erften ©enbfd^reiben Btoingliö an bie ©jünger. 

Bo lag in ber S^^^fl^Ktterung Seutfdötanbö in jal^lreid^e 
5i)lunbarten eine ©efa^r, bie nid^t gering anjuf dalagen ift. !Die 
©timmung ber S^Wgenoffen tüar geteilt. 5Reben ben Klagerufen über 
bie fprad^lid^e 3^i'riffen]^eit ®eutfd^lanbö bernel^men toxx ©timmen, 
bie in ßutl^erS @:prad^e ben Slnfang unb bie ©rnnblage einer ge= 
meinbeutfd^en @d^i*iftf|)rad^e erlennen. Slber überall feigen mir freubig 
erregte Stimmung, ba§ eine göttlid^e ©d^iiung unö bie Segnungen 
beö 93üd^erbrutfö in einer B^'it befd^ert l^at, tüo bie 9iot am 
l^öd^ften mar. 



1 Oftanber, (Sin (Seiibbrief an ein d)riftlid) (^emaiit. 9Hirnbcrci 1523, 
Unterricht an ein fterbcnbcu ajlenfc^en, 9hirnbcrfl 15B8. 



5. 



jgdjrtfffpraiJjf un5 Wnnhavt in htv jSdjtöM^ 

2)ic 'Bäjtoäi 9ef)ört im allgemcineit ju ben nicf)t bi|)]^t]^on= 
gircnben ßanbfd^aftcn, mie fic über]^aii|)t f|)rad^Itd^ am fortfert)Q= 
tbftcii geblieben ift. Die menigen ®i|)^t^on9e in offner Silbe 
ober im §iat loie in frei, brei, bauen, treu, loeld^e in 
norbtt)eftücf)en Sanbf^aften ber Sd^meij Siegel finb, d^ara!teri= 
firen ha^ Sd^toeijerbentfc^ weniger afe bie T, fi unb u in byflfen, 
lyben, fc^ryben, ^ua, ^ufl, ^ut, ^öt, ^rünb, ^üfer n. f. to., 
bie bem ganjen ©ebiete ^ jnfommen. S)ie älteren ©rudtoerfe ber 
Sc^toeij re|)rQfentiren in biefen toie in aUen übrigen 5punften ben 
fonferDatiDen 8|)rac^d^arafter ber l^eimifc^en 5ülunbart. ®er Kenner 
beg Sllt^oc^bentfc^en finbet in S^i^inglifd^en Srudfen nralte formen 
loie bie Crbnimgöja^Ien Stoenji^ofl, bryf 0ofl — briOiffofl, 
vicrtiigoii, funfftj^ofl, fec^tj^oft, loie bie geftetgerten @igen= 
fd^aftömörter eintJalti^oft, npeni^ofl, unfc^ulbi0o|l, ^Partiätpia 
tüie t)ertipiUi0ot, entlebi^ot, pernpilbot häufiger afö gleid^äeitig 
auf fd^toäbifd^=bairifd^em ©ebiet. Unb baffelbe gilt in nod^ ml 
]^öf)erem Solare Don y=3lbftraftbilbungen loie XHengy, Wufly, 
Öc^nelty, ©äc^y, SLirny, VCih'by, ©^orfamy, Äieby, Vlnvoy, 
l>ünfly, ^6cby, ÄU0y, Urflenby, JTJuy, »urby, (Bcgny, 
^üly, (S?runbx)efty, Ätl<^^öry, Prebgy mit ben alten anraten 



^ SWur tu %tod fleiueu toeit auS eiuauber liegeubeu ©ebieteu l^crrfd&t 
2)t^l^t^ou9irunö im fc^riftfprac^Iicften Umfang: in (Sc^aufigg (©roubünben) 
unb in ©ngelberg (Uuterlüalbcu). 2)litteiluug beg §errn Dr, Staub tu Süricft. 



5. ©d^riftfprad&c uub 2Jiunbart in ber (Bd^tüti^, 61 



auf Ancn ; fo begegnen auc^ ber SÜJlunbart gemä^ 3)iminutit)a auf y 
&tudy, ^tty, ^ciny unb ßel^nformen mt Äilgery, *5pilgrim\ 
Äemy *Äanttn\ müly 'SÜÄül^le', :aüfly 'Riffen'; ö^nlit^eö gilt 
t)on beut i ber ßonjunftiDe trurby, labty, fa^y u. f. U). 

3n Söejug auf ben äJofalismus ber Sonfilben iftuoüüefi 
l^errfd^enb ; ü ü n^irb ftreng l)on u ü gcfd^ieben : ^ut, buc^, Äum 
— ^^hd^lin, rumert, vcr(uncn — über, ©c^üfleL @ö bc= 
gegnen umlautlofe Spornten mie Äu^^en *Dtü(fen\ )5ruggcn 
'»rüden, huggcn 'biegen , Äuc^e^Äuc^y *ßüd^c', Stucf ^etucfy 
'©tü(f, ®ulbin '@ulben\ Jöurby 'a3ürbe\ Äu0y *ßüge'; aber 
^upr, 0louben gegen ßutl^erö ^eupt, gleubert, aud^ $cme 
*jufamnten', tüff *tief, ruffert rufen'. 3lud^ in ßautfornien n^ie 
StDÜfc^en, wüflfert, erttwü feiert, fc^wümmen, ^efc^riitoert 
unb ©c^nodfler, t»6Uen, frömbb, tröfc^ert, fott)ie npafc^en 
*n)afd^en', C^fc^ -S^afd^c fe^en tt)ir Übereinftintmung ber alten 
3)ru(ie mit ber l^eutigen 5ölunbart. 

®er fdötüeijerifd^e ßonfonanti§mu§ mxh befonberö mit 
Sügen ber ßautöerfd^iebung in ben munbartlid^en Sdiriften toiber= 
gefpiegelt: U^^en liegen', Ic^^ert 'legen, v^crtilcfertspertil^^en 
ßutl^er 'öertilgen, Äappcrt 'Olaben, Zradc ßut^er *Srad^e*, 
Äatten ^Irauf; bead^te aud^ itTacfel, t6bert 'töten, 2t rb 
*2lrt*, vcrmcd^lcn 'i)erma^len (aber (Bctna^d), ?ec^rter 'Seltner, 
icd^nen obliqu. 'gelten*, Äüc^len '<^üger 5piur. ju Jöu^cl, urt^ 
fhrfSd^nc unöorl^ergef eigene' (5piur. ju unfurf^^ert). dagegen 
jeigcn bte alten npclic^, fblid^ niijt jene uralten 9lebenformen 
bei 3tt)ingli, toeld^e tijir bei 5lot!er unb nod^ l^eute in ber 3!Jlunb= 
art treffen. 3llte Slffrifaten pf, tz (ck = k/) begegnen in XOci- 
t^tn, b&Qen, ^rutjen, fc^lei^en, (SFeitje '5pflugfterj', entblößen 
'entblößen , feipfen 'einfeifen', ©eipfe *©eife', erflarc^ert 'erftar!en', 
werc^en 'toirlen, iTJarc^en '©renjen, ^irj *§irfd^'; l^ierl^er ge= 
l^ört aud^ r6ucfen (r^uf/ert) *raud^ern\ Slu^erbem finb aner= 
lannte (Eigenarten ber ©c^tt^eij ti^ie 'ßJXd^t feljr jaljlreid^. 

^6) befd^ranle mic^ l^ier auf biefe lautlid^en ®ialeft!riterten, 
obtirol^I eine Sülle t)on flejiDifd^en, lejifalifd^en unb f^ntaftfidften 



62 5. ®cöriftf^rad)e unb aiimtbart in ber <Bä)todi* 



Sl^atfacf)crt ju @c6ote fielen, um ju ertoeifen, ba§ bte ältere ge^ 
brudte Sitteratiir ber Sd^tüeij — unfere 93eif|)iele ftantmen nur au§ 
Sd^riften S^i^gKö — fic^ mit ber l^eimif^en SBoIföfprad^e bedft. 
5Rur in einem, aüerbingg einem l^öd^ft bebeutfamen SlJloment 
meidien biefe munbartlid^en S)ru(Ie Dom Sialeft mertoürbigertneife 
ab. SBir Dermiffen grabe bag bcbeutfamfte SJlerfmal, tooburd^ tt)ir 
ba§ §oc^aIemannifc^e feit bem 8. ^atirl^unbert c^arafterifirt finben, 
bie anlautenben ch gegenüber bem gemeinl^od^beutfd^en k (ögL 
]^0(i)alem. x^^^^^^^^^ gegenüber Äinb). @g ift ganj unjtr)eife(= 
^aft, ba§ im Beitalter ber fd^tneijerifd^en Steformation c^mb, c^alt, 
ct)unien u. f. to. gej|)rod^cn lt)urbe, gerabe me in ber alt^od^beutfd^en 
3eit unb aud) nod^ ^cute. S^ii^^nt betoeift un§ ©cfenerg au§= 
brüdlid^eg 3^ugnig im 3!Jlitt|ribateg, baß d^rancf, c^rut, c^e(^= 
jilbcr, c^ilc^, c^ric für frartf, 3lr<iut, (ttuecfßlber, Äirc^e, 
m^b. fröne aud^ bamate ber fc^toeijerifc^en SSoIfömunbart julam. 
Slber 3toittgli unb feine ßanbsteute fd^reiben im 3lnlaut ftct§ 
bIo§e§ k CB^inb, franf, Ärut) mit Slu^nal^me be§ einjigen cbütt 
'§erbe', ba§ nid^t fotDol^I bem al^b. c^utti^ ate Dielmel^r einem 
cigentlid^en (Sc^^iitt entf|)rid^t. ®e§ner§ SSemerfungen, bie auf 
biefe ©utturale fic^ begießen, finb nid^t burc^meg flar formulirt, 
(äffen aber in SSejug auf einen 5punft gar feinen 3tt)eifel übrig. 
„Vulgus nostrum saepe ch profert, ubi alii plerique omnes k 
ab initio praesertim dictionum ut chranck pro kranck, chrut 
pro fcrw^/scribendo tarnen, utet alia quaedam linguae nostrae 
vitia emendamus, ut in omnibus Unguis fieri solet". ©e^ner be= 
^eugt alfo, ba§ bie fd^toeigcrifc^e ßitteraturfprad^e in biefem ^JJunfte 
unb fonft über ber SSoIfömunbart ftel^e, inbem fie getoiffe garten 
berfetben meibe. ®iefe S^atfad^e Iö§t feinen 3tt)eifel ju. 6g ift un§ 
l^ier gleid^gültig, toann fid^ biefer gra|)]^ifc^e Slnfc^Iufe ber ©d^toeij 
an ba§ übrige Seutfd^Ianb DoÜjogen i)at 50lit bem Seginn ber S3ud^= 
brudferfunft fennen toir auf fd^toeijerifd^em ©ebiet nur anlautenben k. 
©efener l^at nad^ feinen eben angefül^rten 39ßorten nod^ toeitere 
©rfd^einungen gefannt, in bcnen fid^ bie gra|)t|ifd^en ßautf^mbole 
r>on ber munbartlid()en 3lu§fprac^e entfernten. SSieCeid^t fd^toebte 



Drt^ograpöifc^e Suflcftänbniffe be§ Sc^toeiserbeutfcö nad) außen. 63 



i^m babei tnefentlid^ bte o6crbcutfd^c 3lii§||)rac^e ber an= unb in= 
(autenben st sp sk l)or, toofür cjcmeinoberbeutfd^ fd^on längft 
st sk sp (seht schk seht) gcf|)rod^en mixbc. Sind) bie bairifd^e 
^anjlei ^at hierin ber SSoIfemunbart nic^t Stec^mmg getragen; 
ber aSruc^ mit ber gra|)f)if(^en S^rabition be§ SÜJlittelaltcr^ ift l^ier 
uirgenbS t)olIjogen tüorben. So fc^reibt 3tt)mgli |ton, fprmgen, 
(0ei|t, <Ba\i, tüä^renb er tijie feine ßanbsleute ston, sprin^ert, 
©eist, (Bast u. f. m. au§fprad^en. ^n berartigen 2;ingen er= 
fennen tr)ir bie erften 3üge, toeld^e einen fpra(i)(id^en nnb Iitte= 
rarifc^en 3lnfd^Iu§ ber o6errf)einifc^en ßanbe an bie fonft auf 
beutfd^em SBoben ^errfc^enben Siormen junäd^ft rein grapl^ifd^ an= 
bahnen. 

3n einem ^ßunfte ti3ar freiließ ber Slnfd^lu^ ber ©d^tüeij 
an bie auffommenbe moberne Sprache, bie mir mit bem Jiamen 
neul^od^beutfc^* bejeid^nen, junäd^ft faum fd^on möglid^. Sfflö^renb 
bie ©|)rad^e beg inneren ®eutfd^Ianb§ mit ben neuen S)i|)]^t]^on= 
girungen ein gang neueö ©eprage erf)alten l^atte, toax bie 2JoIfö= 
munbart am Dberrl^ein auf; ber mittell^od^beutfc^en SBofalftufe 
fielen geblieben, ©rfolgte in biefem fünfte 3lnfd^Iu§ an ba§ 
übrige S)eutfd()Ianb, fo toar unfere Sprac^ein^eit enbgültig gefid^ert. 
3)er SSerfud^ ift gemacht morben. 2luf bem gleichen Soben, bei ben= 
fclben ©d^riftfteffern unb in benfelben ®rudfereien treffen tijir einen 
Qpxaä)t\)pu§, tDeld^er mel^r an unfer I)eutige§ S)eutfc^ erinnert ; an 
Stelle ber munbartlic^en i ü ü gebraud^en fie bie mobernen ei au 
eu tt)ie mir je^t. 2)a (efen mir Beit (fd^meij. Bit), Äraut (fd^meig. 
Xrüt), ^aue (fc^meij. 4ü5), Acute (fc^meij. Ant), -^eufer (fd^meig. 
-i&üfer). hiermit märe ber litterarifd^e 3lnfd^Iu§ ber fd^meigerifd^en. 
©d^riftfteCer an bie allgemeine l^oc^beutfd^e ©d^reibart enbgültig 
angebal^nt gemefen, unb bie fd^meigerifd^e ©d^riftfprad^e, bie fid^ au§= 
gubilben begann, mar im 35egriff, einem ©emeinbeutfc^ 5p(a§ gu 
machen. 3tt)ar laufen überatt öereingeltf S)iaIeftformen mie uff 
ober ue für auf, aue ober ouc^, COngc, Bit, üc^ u. f. m. unter. 
3lber im mefentlid^en ift bie moberne ®ip()t]^ongirung ^ier burd^= 
gefül^rt. S)amit ift nun feinesmegö ba§ ©d^meigerbeutfd^ unter 



64 ö. Sc^riftfprachc unb SJlunbart in ber ©cftloeig. 

ben ßinflu^ ber ßutJ^erfc^en ©d^rifteu ju fteüen.^ ®enn ber 95o= 
faliömuö biefer fd^tDeijerifd^en ©d^riftfprac^e folgt überl^aupt in 
feinem 5pnn!te ber fpejififd^ mei^nifd^en ßantregel. 

Unjmeifell^aft ergibt fid) bieö befonberö ans ben 6eibel^al= 
tenen n, mo ßnt^er i"i f)ai: J&üc^^ fc^uf, ^öt. ®ie Safler 
Slad^brnde beö ßntl^erifc^en nenen Steftantent«^, bie 2lbant ^ßetri feit 
1522 Deranftalten lie§, jeigen tüie bie baranf bernl^enben ©tra§= 
bnrgifd^en Jlad^brnie ber Dffijin ßnobloc^ (1524) an ©teüc be§ 
mittelbentfd^en fi, obgnjar nid^t bnrd^göngig, ba§ oberbeutfd^e u. 

3tn biefem ^nntte tr)ie in ber grap^ifd^en ßinfül^rnng ber 
niobernen S)i|)l)t]^ongirnngen ftimmt bie l^elöetifd^e ©d^riftfprac^e ber 
Oteformationggeit jnr bairifc^cn .ßanglei. 3lnc^ entfc^eibet fid^ bie 
Sc^meij für bas nene au gegen ein einl^eimifc^eö ou, baö gele= 
gentlid^ ani) in Sejten begegnet, toeld^e in ber fc^tüeijerifd^en @dörift= 
fprad^e abgefaßt finb: aucb, ctlauben, f auf cn, )5aum u. f. to. 
I)errfd^en bei S^i^gß ^ic fonft, obnjol)! aüer Drten gelegentüd^ 
ouc^, C!5loubert n. f. m. einfließt. Sentlic^er anf bairifd^=fd^tt)ä= 
bifc^en 6infln§ meifen jal^Ireic^e ©d^tDeigerbmdfe , bie bas alte ei 
bnrd^ ai crfe^en, abtoeid^enb t)on ber bort toie in 50littelbeut)d^= 
lanb I)errfc^enben ©etoo^nl^eit ; benn immerl^in jiel^t bie S!Jle]^rjaI)l 
ber SrndEe bas ei t)or nnb meibet ai Döüig. 

S)urc^ fold()e grapl^ifd^e SÜJlontente — bie gefproc^ene ^pxaije 
blieb bem alten ßantc^arafter and^ fernerl^in tren — öerfud^en bie 
SBerleger — benn biefe toerben toir bafür öerantmortlic^ gn machen 
l^aben — einen 3lnfd^ln§ nad^ an^en, ein 3ugeftänbni§ an ba^ 
©emeinbent[c^, mn and^ im 9leid^ Slnfnal^me il^rer SSerlagöfd^riften 
jn erjielen. 

©inen fd^lagenben Setoeiö für ba§ Sluffommen biefe§ ^Bpxaä)- 
tl)pu§ liefert 3tt)inglig ©d^rift „Don Srfiefen unb Sr^l^eit ber 
S|)^fen 2c." ©ie liegt in mel^reren Slnflagen t)or, t)on benen freilid^ 



1 5luci^ geigen fid) bie neuen Xbßi)ti)onQt 3» 23, in Safler S)ru(feH 
üor ßut^erS S3ibc(ü6erfc6ung ; ögU 9^. öon 9!aumer in ber Stfd&r, f. b» 
^Jiunbarten 5, 40. 



3tDUic^teg 3)cutfcf) in fc^tocig. 3)nicftDerfem 65 



nur bic erftc S^^'^^ öfe SrudEort nennt ; ein 6jem|)lar im 93efi§ 
JRub. ^ilbebranbg, ber mid) freunblid^ft auf ben Slcjt l^ingetüiefen t|at, 
ift bie jmcite Sicboftion ; fie bietet auf einanbcr folgenb bie @eiten= 
überfcfiriften von frcy^eit ber fpeifen, von fry^eir ber fpeifen, 
von frey^eit ber fpyfen, von fry^eit ber fpyfen, von frey^ 
^eit ber fpyfen, von fry^eit ber fpeifen, von frey^eit ber 
fpeifert, von frey^eit ber fpyfen, von frey^eir ber fpeifen, 
von freybeit ber ft)yfen u. f. m. ©ine jtDeifeltosi \paiexe 
91uflage, bie aber l^öd^ftenö um ein paar ^di)xt jünger ift, ^at in 
ben ©eitenüberf(i)riften ^rei^rit unb @peife regelmäßig mit 3)i= 
))t)tf)ongen. daneben tüeift bie öltefte 9icbaftion nur bie rein 
fd^meigerifd^en ?Jormen ivon fry^eit ber ft)yfen) auf. Sfene gtüeite 
Siegenfion neigt i^rerfeits tüieberum in meit größerem Umfang 
jur 5öiunbart afe bie britte, bie mit einigem Srfolg bemül^t ift, 
für bie munbartlid^en SQßortformen ber erften Siegenfion (uc^^ 
tCruw, ^ttfer, ?yt, by, ryc^, myn, fry, uß, ufl> Äuc^) leiblid^ 
forrefte Sd^riftformen eingufü^ren ; fo mirb ou<^ burd^ andf, Äemy 
burdö Äamyn erfe^t. 9(ber aud^ bie britte 9lu§gabe ift in 93egug 
auf ben 33ofa(igmu§ nid^t ftreng, aller Drten fd^immert ber Sialeft 
burc^. Unb baö gleidie gilt oon aUm S)rutfen fd^meigerifd^er 3lutoren,. 
XDÜdjt in biefer mobemen Sautgeftaltung erfd^ienen finb. Überall 
nel^men mir voai)x, baß ber S)rudf t|inter bem Sfbeal einer Sd^riftfprad^e 
gurüdEbleibt. Überall fc^toeigerbeutfd^er 3Bortfd^a§, (Stammbilbung,; 
fjleyion — nur baö SSofalgeprage ift bem ©emeinbeutfc^en genäl^ert. 
Ob SrudEereien ober ©d^riftfteller ben 5pubtilatipnen biefe 
®ett)anbung gegeben tiaben, läßt fid^ faum immer feftftetlen. Sii^ingli^ 
öon beffen ©d^riften mel^rcre mit biefen Sautformen erfd^ienen finb,. 
Ipnntc felbft nur feinen Sialeft fd^reiben, fein ^oc^beutfd^, toie e§ 
etioa in 5öiittelbeutfd^lanb üblid^ toar (@. 46). Unb fo toirb eö 
aßen Sd^meigern ergangen fein, ©ingetoanberte toie ©tum|)f Ratten 
gtoeifellog ©etoanbt^eit im §odt)beutfd^en mie im Sd()toeigerbeutfd^en ;: 
unb tt)enn biefer fein ©efd^id^tsmerf aud^ mit neul)odE)beutfd^em 
95oIaR8mu§ fd^reibt, fo merben unfere f|)äteren d^ronologifd^en 2)ar= 
legungen ergeben, baß fein Söerl^atten auf bie ©d^weiger mit ein- 

jt I u e , 33on Sut^r bi< ^fef fing. 2. XufL. fi 



66 5» (öd^rififprad^c unb 2Jinnbart in ber ScötDcig. 



jtgcr 3luörta]^nic bc§ ^iftoriferö SSabian juiiad^ft feinen ©inbrud 
gemad^t l^at. 

@o tDar bie Sd^riflfprad^c, tüeld^c auf fc^tüäbifd^^airifc^em 
unb mittelbeutfd^em SBoben, alfo in bcn bi|)(|t()on9irenben 8anb= 
fd^aften i^re natürltd^en SJBurjeln l^atte, tu ber ©c^tüeij etmaö fremb= 
artige^, unorganifd^eö. Sie 50lunbart toax t|ier jugleid^ Sd^rift= 
fprad^e. 33i§ etma 1580 l^ält fic fid^ in 3ürid^ uneiugefd^ranft 
im SSoIfefd^aufpiel unb in anbeten ßitteraturtüerfen. fjreilid^ in 
aCen ®rudfen, bie für bie SJlaffe beftimmt ftnb, bleiben bie alteir 
i ü fi ü fogar nod^ länger t)or]^errfc^enb ; tüäl^renb be§ gangen 
17. 3ta(|rl^unbert§ ge^en auö 3ürd^er unb SBenier Srudereien 
^ated^iömen l^erDor, tüeld^e fc^meijerbeutfd^en 95ofaIi§mu§ jeigen. 
daneben fommen jtnar auc^ (|0(f)beutfd^e ßated^iömen t)ox, finben 
aber menig Slnflang, mie fid^ g. 33. bie ßlettgauer ©eiftlid^leit 
1569 gegen ba§ mei^nifd^e ®eutfd^ einer neuen ^atec^i§ntuö=9le= 
^enfton fträubt.^ 

Sluffäüig frül^ ift aüerbingg ber moberne 95o!aIi§mu§ in ben 
3ürd^er aSibelbrutfen l^eimifd^; feit 1530 finb bie alten fd^n3cije= 
rifd^en 35ofaIe au§ ben fd^tüeijeiifdöen SSibeln i)öllig öerbröngt. 
fjür 33afel ift bieg tüenig befremblid^, meil feine S)rudfereien aud^ 
fonft fid^ frül^ ber neuen Sfiomt gefügt l^atten, befto mel^r jebod^ 
für 3üridö, bag im übrigen noc^ ein (|albe§ Stcitirl^unbert bem alten 
ßautf^ftem treu bleibt. 

iJriebric^ S^rntfe ijat Sfiarrenfd^iff @. 275 annatiernb ba§ 
Stic^tige getroffen, menn er um 1575 ben 3Benbe|)unft für 3ürd^er 
ßttteraturtDerfe anfe^t. 3tt)ar geige'n ßubtoig ßaöaterä 3Ber!e (1578 
t)on ©ef))änften unb Ungl^üren, 1584 Sfiabal) noc^ länger ben 
©d^tDeijeröofaliSmug; bod^ auc^ er l^ulbigt 1582 in feiner §ioBüber= 
fe^ung ber neuen 9Jlobe, obtDol^I il^m feine „ßanbf|)raadö gcl^eimer 
(t)ertrauter) ift bann bie auälänbifd^; brumb id^ mid^ berfelben 



1 m* ®rnft ©ööinger ßitteraturbeitr. aus St. (Satten, <S. 50^ Sal^I^ 
rctd^e anbete Ermittelungen beS l)od6öcrbienten ©clel^rten, bie tctitoctfc im 
Xtit benufet lüorbcn finb, f. in ber toertöottcn Einleitung feiner §ebclau8gabe 
1873. Ein tocitereg 3cugnig ügt. in feiner SJabianauSgabe II, Einleitung (S. 85. 



2)er n^b» S5ofa(i8mu§ in ber fc^hjcij. iiittcratur. 67 



lieber gebraud^en". yiaä) ßat)ater§ 2obe erfd^ien feine ©d^rift 
'ber gib* 1592 in J^odöbeutfd^er SBofalform. 3ludö §einric^ S8ul= 
linger l^alt am fd^lüeigerifd^en ßautft)ftem feft (1575 Söefanntnuö 
beö toal^ren ©laubenä, 1576 ©iimma d^riftlid^er Steligion, 1578 
SBerfoIgung, 1579 ber d^riftlid^ föl^eftanb); aber nad^ feinem S^obe 
erfd^einen ©d^riften t)ou i^m in I)odöbeutfd^er 9lejenfion. 9luboIf 
©tDaltl^er ()at bi§ etoa 1575 am fc^meigerifd^en SBofalfljftem feft= 
getialten; jtDifc^en 1575—1585 bringt ber mobente 35ofali§mnö 
aud^ in feine Sd^riften ein; nnb 1593 erflört er bie ©enefiö 
l^od^beutfd^. 

©0 iäi) toax ba§ üeben ber 50lunbart. SÜJlan tijürbe obenbrein 
fef)I gelten, toenn man bie fd^einbar moberne @|)rad^e, bie feit 1590 
in 3ürd^er S)rndfen übermiegt, für gnteö Sleul^od^bentfd^ galten 
toollte. 9inr gang ön^erlic^ l^atte fid^ bie SJlnnbart ber mobernen 
9lorm angefd&Ioffen. SBortfd^a^ nnb SBortgebrand^, @tammbil= 
bung nnb @^ntar bcljaltcn nod& bie alte Eigenart ; nnr bie ändere 
©etoanbnng ift mobern. 

©old^e Sll^atfad^en mn§ man ftet§ gegentnörtig l^aben, toenn 
man nid^t in ben fjel^ler ^einrid^ 9tüdfert§ ^ DerfaÜen toiÜ, ber 
fpejiell 3tt)ingli |)artifnlariftifd^e SBeftrebnngen nnb SifoürnngSgelüfte 
nnterfd^iebt. SJBie ßnttier, fo fd^rieb 3tt)ingli eine t)om Sialeft fid^ 
entfernenbe Sd^riftfprad^e. 5JBa§ für biefen ba^ ©d^tüeijerbentfd^, 
ha^ toax für jenen ba§ SKei^nifd^e. ®abnrd^, ba§ ßnt^er anf bem 
JBoben organifd^er ®i|)(|t]^ongirnng lebte, toar i^m ein breiterer 
SBirfnng§frei§ nnb ®rfoIg beftimmt. Slber nod^ fel^Ite feiner 
©prad^e bie ©anftion, toelc^e il^r erft ettoa nad^ einem 50lenfdöen= 
alter gn S^eil tonrbe. Unb tnaS l^ätte bie ©d^tüeij beftimmen foüen, 
pd^ ben Jiormen ber faiferlid^en ßanglei angnfd^Iie^en, nad^bem 
fie fid^ poüttfd^ eben erft t)om 3teid^ lo^gelöft ^atte! 

35ag fonnte ja aÜerbingö niemanb gtoeifelljaft fein, ba§ bie 
©d^toeig ein gro^eg §emmniö in ben f))rad^Iid^en ®in(|eit§beftre= 
bnngen ber 3cit toar. ®in toenig fd^neller fd^Io^ Jiieberbentfd^lanb 



* ©efd^id^tc ber neul^oc^beutWen ©d^rififprod^c II, ©. 186 ff» 

5* 



68 ^» Sc^riftfprac^c imb 3Wunbart in ber Sc^toeig. 



ftd^ ber frcmbcn 9iorm an. ^etn ©rammatifer bcö nieberbeutfciöen 
@^3tac^9e6iet§ fe^t bie 5Dlinibart feiner Sanbfdöaft afe 3iorm für 
©c^riftbeutfc^. 3l6er mie frül^ toar auc^ ber fprad^Iid^e 9lnfd^hi^ 
Jiieberbeutfd^IanbS an aJlittelbent[d^Ianb angcbal^nt toorben ! aSenn 
l^ier eine rnfiige ©ntmitihmg t)on ber 30flnnbart jnr mobernen 
Sc^riftft)rac^e fü^rt, fo fann man in ber ^d^tüeij feine genjaltfanie 
9tet)o(ntion ermarten, bie mit Sut^erö 3luf treten ben 2)ialeft 6e= 
feitigt nnb bie frembe SÜJlnnbart jnr ©d^riftfprad^e mad^t. Unb 
um fo toeniger ift eine fold^e fprad^li^e SfteDoIution ju ertüarten, 
als eben auf aUen beutfd^en ©ebieten, and^ in ber Sd^metg,^ erft 
baö ßatein ate ber gemeinfame ^einb übertDunben mcrben mn^te. 
3unac^ft mu^te biefe 3^ef)be entfd^ieben fein, e^e bie fprad^ltd^e 
Suprematie einer einzelnen ßanbfc^aft in ^rage fommen fpnnte. 

(goDiel tDar aÜerbingS ol^ne n^eitereö ungtoetfel^aft, bafe fid) 
bi^ Sd^meij in einen Ramp] um bie f|)rad^Iid^e Hegemonie ü6er=: 
ijawpt nid^t einlaffen fonnte. 

2)er gewaltige 9Ibftanb be§ gebruiten ©c^n^eijerbeutfd^ öon 
ber Sprache ber bipl^t^ongirenben ßanbfc^aften, jumal Don beut 
mit ber ^Reformation emporblül^enben SJlei^nifd^en, mirb überall 
empfinblic^ fühlbar gemorben fein; gerabe bie SSern^anbtfd^aft ber 
geiftigen Söeftrebungen, bie ßutftcr unb 3n3ingli vertraten, ^dttc 
unter anberen äJer^ältniffen religiös mie fprac^üd^ t)ielleid^t ben 
un^eilöoüen Sn^iefpalt unmöglid^ gemacht, ber burd^ ba§ SSerl^arreu 
ganger ßanbfd^aften bei ber Äird^e be§ SÜJltttelatterö gefd^affen ift. 
3n biefer getoaltigen 3ßtt, too alleö auf n^eite SBirlungen unb 
rafd^ um ft^ greifenbe ©rfolge jielte, fonnte nid^tö l^emmenber fein, 
afe ber ausgeprägte S)ialeft, bem megen feiner ßaute unb ^(ejtonen, 
t)or allem aber megen feines mannigfaltigen unb eigenartigen 3Bort= 
fd^a^eS jebe toeiter reic^enbe SBirfung Derfagt fein mufete. 

„@iner möd^t fd^mi^en, ef)e erö üerftel^et" — fagt ßutl^cr 
Don 3W)ingIiS 2)eutfdö unb bejeid^net eö — tool^I Don anberen alö 



* ißgl. oben ©. 6. 17 über DecoIampabiuS nnb über ben geftr^fftcn 
@d^toi)^er Jöur. 



^Sc^iüeigerifd&er SBortfdöa^. 69 



rein fprac^üc^cn 3lnttpat^ien arieitet — alo „filjtd^t, fcinbfeüg". 
SSiefe Slnflagc rid^tet fid^ nid^t fotDol^I gegen bie fd^roeiserifd^e äJofaI= 
gemanbung t)on 3n)tngüö ©d^riften, aU t)ielmel)r gegen feinen 
SBortfc^a^. ®aö fd^Iimtnfte toax: es gab feinen gemeinfd^meije^ 
rifdöen SBortfd^a^, nid^t einmal bei* 3ürd^er nnb bex Safter Sffiortfd^a^ 
bedften ftd^. SJlan üergleid^e j. S8. bie Bürc^er Söibetanögabe t)on 
1530 mit bem »afler ©loffar 3(bam ^etriö, baö @. 84 befprod^en 
tüirb. SJlit biefem ftimmt fanm etoaö in ber 3ürd^cr 83ibel: 
iXtard^cn ßuttier (Brennen, fei(l önt^er fett, XOnnbmafcn 
Sutl^er Äeule, €40 ßntl^er ^ri|i; lofcrt ßnt^er ^orc^ert, pcr^ 
fc^tiDetnen ßntl^er vcrfd^mad^tcn l^aben in bem ©loffar beö 
Jöafler 9i. St. anbere SBertreter. 2Ind^ fann eö nid^t meiter befremben, 
bafe baö unjnlänglid&e 33afler ©loffar in ben meiften fyäüen jn 
■ber 3ürd^er SSibel überl^anpt feine parallele ©Joffe ijat; fo jn 
ßnt^. 5efle 3ürdö. Unbcrfc^Uc^t, ßnt^. »uttcr 3ürd&. Undc, 
ßutl^. e5(^tipe0crin 3ü^d^. C5fc^t»ci^35ruber6 ^rau, ßntl^. 2irtt^ 
liQ 3ürc^. %n0c^<i)t (l)gl. aJtejger 424). 

SBer l^ötte and^ in 3)leifeen Don „©ott nnb ©öttinncn" ge= 
rebet bie bei ber Stanfe jngegen fein muffen! ^a man tränte 
ben ©d^toeiger Söibelüberfeteern reft). il^rer SJtnnbart böötoittig jn, 
bie ^PfalmenfteÜe „bn falbeft mein ^aupt mit DI" fei Don il^nen 
toiebergegeben „bu fd^miereft min©rinb mitSd^meer" (9)iejger72).^ 

2ßer bie ©genart ber fc^toeijerifc^en SÜJlnnbart fennt nnb ben 
getoaltigen 3lbftanb ermißt, ber fie Don ber ©prad^e ber übrigen 
ma^gebenben ßanbfd^aften fc^eibet, ben toirb eö nid^t tonnbern, 
bafe 3^ingli tren an ber l^eimifd^en SJlnnbart feftl^ielt ober, loie 
ßnt^er fid^ einmal ändert, ba§ fie il^m ,,DiI ia^ gefiel ats bem 
@tor!e fein Mappcxn"r S)a§ S5erl)alten ber fotgenben ©enera=\ 
tionen gibt bem 3ürd^er 9leformator Siedet. Slnd^ loenn gnter 
SüiÜe bem ©eifte ber 3ctt nad^jugeben bereit getoefen toäre — ber 



^ Slu§ ber (Schrift „\)on bem S^ouff'' (3üric§ bei §ager (S. ü) 
wieö fragt man @ott imb bie ©öttinnen" (^4^atin imb Sßateu). 

2 ©rimmS 3B6» unter ©eifeelttjort. — S)en 9lacl)hjei§ biefcr (Stctte 
banfe id^ 3fleinöo(b t^ö^Ier* 



70 ^' <Scf)rtftfpracf)c iinb ÜWunbart in bcr vgd&loeig. 



fprac^tid^e ©^arafter t)on ej|)erinicntirenben S)ru(fen toie ber oben 
bcfprod^encn gtüeiten Sluggabe „öon ^r^^eit ber ©))^fcrt" unb ja^I= 
reid^cr ätinlid^cr Srude, einerlei ob folc^e SSerfuc^e bem Be^ex ober 
betn Slutor anjured^nen ftnb, mar ju gioitter^aft unb gu toentg 
ermuttgenb, gleich anftö^ig für ®eutfc^e loie für ©d^ioeiäer. 95iel= 
leicht bafe 3tt)ingU unb anbere ©c^riftfteüer gerabe burd^ ben S!Jlt§= 
erfolg fold^er ©Eperimente beftintmt tourben, an ber l^eintifc^en 
SJlnnbart feftjutiatten unb mit SlüdEftc^t auf ba§ übrige beutfd^e 
5Pubttfum ba§ ßateinfc^reiben öorjujie^en. — 

Um 1585 toerben in ber Söafler ^anjlei, um 1600 in ber 
,ßang(ei Don ©d^aPaufen bie mobernen Sipl^tl^onge l^errfcfienb. 
2)ie 3ürdf)er 9flate))rotofolIe öoÜjietien tangfam gtoifc^en 1650 unb 
1675 benfelben Übergang; in SSern beginnt ber 5)Jroäe§ frül^er 
ate in 3üridf), ot|ne jebod^ früher gum 3lbfd^Iu§ gu lommen. ®ie 
gebrudften JBerorbnungen be§ 2^xä)n Slatö t|aben im @e|)tember 
1664 unfer fc^riftf|)rac^Iid^eg Sautgepräge angenommen. SBiS 1620 
liefern bie Sürc^er ©ruiereien für ben Sc^ulunterridit Äatec^ig= 
men mit fd^toeijerbeutfd^em ßautd^araf ter ; in @t. ©allen brudEt 
man nod^ 1598 ben alten ßated^i§mu§ t)on 1528 Söud^ftabe um 
SBud^ftabe nad^. Unb noc^ am ©d^lufe be§ ^ai)xi)imbzxi^ gibt 
eö in ber ©d()tt)eiä @d^ulau§gaben antifer ^laffifer mit 9ioten, 
loeld^e fc^toierigere ©teilen ober 3Borte in ©diioeigerbeutfd^ über= 
fe^en, loie bie JBirgilauggabe be§ befannten ßejüograp^en fJrifiuS. 

®iefeg langfame Surüdftoeic^en ber SJlunbart mad^t un§ aud^ 
baö 95ert|alten ber @|)rad^t]^eoretifer begreiflid^. 9lod^ am @d^lu§ 
beö 16. Sfal^r^unbertg ertoötinen ©rammatiler au§ bem i^nneren 
®eutfd^lanb§ bie ©Eifteng einer fd^toeigerifc^en ©d^riftf))rac^e. 1593 
begeicfinet ber fjreiburger ©d^ulmeifter ©eböftian gelber biefelbe 
ate bie „^öc^ftr^einifd^e".i 

©0 t)erfte]^en toir aud^ bie auffällige 3;^atfadt)e, bafe ein l^er= 
öorragenber Sl^eoretifer toie ber SBerfaffer be§ 5ölitt|ribate§ für feine 
^eimat nur ba§ ed^te ©d()meigerbeutfd^ mit einigen ibealifirten 



iögL f&mhad), 3)ic einigunfl ber n^b» 6c^riftfpracf)e 6. 19. 



3^ic 8pracf)c ber Slangleieu unb ©rammattteu. 71 



Sügcn fennt unb jcneg Stoittcrbing jtDtfd^en ©c^tneigcrbeutfd^ unb 
§ocf|bcutfc^ tiöüig übcrgel^t; ^ätte biefeö 3tt)itterbcutfd^ einigen 
5)iaunt eingenommen ober irgenbtoeld^e Hoffnungen ertoedt, fo toare 
es ©eßuer am toenigften entgangen ; mit ^cä)t Id^t il^n ba§ 95er= 
t)a(ten eineö 3luö(dnberö mie @tum|)f in feiner Sluffaffung ber 
fd^weijerifd^en Sprad^üer^ältniffe ungeftört. fjür it|n gibt e§ nur 
öyn, fc^ryben, by, wyt, ^üt, ^rörtbfc^aft u. f. to. mit il^rem 
rein fd^toeijerifcfien i unb ü ftatt n^b. ei unb eu. 

1530 erfd^ien bie öltefte beutfd^e ©rammatif ber ©d^tocig, 
ein „ßnc^iribion, ha§ ift §anbbüd^Iin tütfd^er Dxtt)Oixapi}\)" t)on 
3o^. Äolrofe. @ein Sditoeijerbeutfd^ ift i^m bie einjige 3iorm, 
obioot)! i^m ber SSofaliömuö anbcrer Sanbfd^aften , jumal ber 
fc^mabifd^e, nid^t un6e!annt iftJ 

@rft nad^ bem 9(nfc^(u§ einzelner ^angleien unb ber @d^rift= 
ftetter an bie moberne ßautgebung (um 1585) tritt ein ®ram= 
matifer auf, ber in betou^tem ©egenfa^ ju ber l^eimifd^en SJlunbart 
bie Sc^riftf))rad^e mit il^rem ()eutigen Sautd^arafter barfteÜt unb 
gur 9lorm erl^ebt. Überaß feigen \üix in ber „teutfd^en C)rtl^o= 
grap^e^'' beä Safler 9lotaren unb ©erid^tfc^reiberä ^oi), 9lub. 
Sattler (1607) ben Äampf gegen bag ©d^toeijerbeutfc^ ; er toamt 
baDor (c^cn^ leiten, anfa^en^ fc^la^en u. f. to. mit ch ju 
fd^reiben imb erflärt e§ für ?Je^Ier mein, fein, preifen, reiben 
u. f. to., ^4U|l, ^au0, -^aut, tlTaul, trauern u. f. to. mit ein= 
fad^em i unb u ju fc^rciben ober Äein unb Äiene, Öpeif unb 
Spieß, J&rauc^ unb Äruc^, J&eutel unb J5üttel ju Dertoed^feln; 
man möge il^n nidöt Doreilig tabeln, bafe er fold^e ^Regeln über 
ei unb i, au unb u gebe ; mit Stüdffid^t auf feine öanböleute, „bie 

* @ine 1540 öerfafete beiitfc^e ©rammatif, bie ber ^d^tot^i^tx ßanb- 
fc^rciber S3alt^afar ©tapfer gu dln^ unb gJ^ommen ber SuQcnb öcrfafetc, 
fc^eint nic^t gebnidft lüorbeu gu fein; ögl. Slnj. f, ^Sc^tocij. @efcl&. II, 80. 
%u^ t)on 2^öcob, S3ib(tanbcrS beutfd^fprad&Iicöen ©tubieji (De Ratione com- 
muni omnium linguarum 3üric^ 1548 8. 19) ift nid&tS erfd^ienen. ®8 ift 
nirfit jju bejtoeifeln, \)ab Stapfet unb 23ibHanbcr ben fd6tt)ci3erbcutfcl&cn 
Spract)t^pn8 bargeftcüt ^aben. 



72 5» (Sd^riftfprac^e unb 3Wimbavt in ber (Sc^hjetj. 



im Dieben unb ©d^reiben gar Diel baö i für ei unb u für au 
brandneu", feien feine Dtcgeln aufgefegt (@. 24). 

3fn 3ürid^ bagegcn, in beffen ßanjlei mel^r afe ein l^albeö 
3tctt)r^unbert fpäter ber 3lnfd^Iu§ an bie mobcrnc ßautgebung burc^= 
geführt n^irb, treffen tr)ir no(^ 1656, alfo 50 ^dijxe naä) bem 
Safter Sattler, ntel^r als 100 ^aijxc mij ^olrofe einen ®ram= 
matüer, ber fein ©d^meijerbeutfd^ als 5lorm barfteHt. Äj. ^at 
Dtebinger, auf beffen ©prad^büdölein 5prof . 3(a!. Söaed^tolb in 3ürid^ ^ 
unfer Slugenmerf gerid^tet l^at, toax als SJlenfd^ unb ab @|)rad^= 
tl^eoretifer feine normale ©rfd^einung, Dielmel^r ein @onberIing im 
Öeben mie in feiner Drt^ogra|)l^ie. @|)rad^tr)iffenfd^aftlidöe ®rn)ä= 
gungen, jumal et^mologifd^c «Kombinationen, bie jum großen Seil 
baö Dlic^tigc treffen, beftimmen itju, ben fc^njeijerbeutfd^en SBofa= 
liömuö für altertümtid^er als ben gemeinbcutfdöen ju (jalten, unb 
auö biefer ßrmdgung fd^öpft er ben 9)lut, bie mobcrne Bewegung, 
bie fid^ gerabe bamate in 3ürid^ t)olIsieI)t, Don feinem „^elbfete= 
rifd^en" ©tanbpuntt ans ju beleud^ten. 

3n ber %i)ai ber innere 3lnfd^Iuft ber 3ürd^er litterarifc^en 
rRreifc an bie moberne ßautform DoUjog fid^ erft um biefe 3cit. 

2((ö im Sfal^re 1660 ber 3ürd&er 9tat eine reDibirtc a3ibel= 
ausgäbe anregte unb Dietfad^ bie iJrage Dentilirt tourbc, ob bie 
Söibel retentis vocabulis sed mutata tantum dialecto ju bear= 
beiten fei, marb Don einigen ©eiten ein enger 5lnfd^Iu§ an baö 
^oc^beutfc^e em|)fo]§Ien; bod^ fehlte e§ auc^ nid^t an Stimmen, bie 
mieber für bie fd^meijerifd^e SJtunbart eintraten. S)er ©d^affl^aufer 
©ijmnafialbireKor @te|)^an ©pleiB befürtoortete in einem fprad^tid^ 
betaillirten ©utad^ten möglid^ft engen 3lnfd&Iufe an haQ mobernfte 
Seutfd^ unter §intoeiö barauf, ba^ aud& in 3ürid& „bie ]^od^= 
teutfd^e o))raad^ je mer unb mer fd^on befannt unb aud^ Don un= 
ftubirten unb ungeraiften leid^tlic^ Dcrftanben toerbe" (3ürid^er 
SibelreDifionsaften 427). ®em gegenüber gibt ein anbereö ©ut= 
ad^ten (489) fid^ mit DlüdEftd^t auf bie ßanbbeDölferung ber ^off= 

^ S)te SSerbienfte ber 3iirid6er um bie beutfchc ^ftiloloflic @. 7. 



3)a2J :^cr^alten ber ©rammatifer. 73 



nung l^in, man toerbe „bei einer unferem öanböol! befannten 
unb Qnnel^mlic^en ^pi^rafeologe^ verbleiben nnb feine bem[elben 
unbef anntc SBörter einmifc^en ; fonften bebnnft, bafe man an etlichen 
Drten tool nmb ettt)aö näijcx fönnte fd^reiten ad idioma nnferer 
teutfd^en <Bpxaä)". 

®iefe 3tn§ernngen ber beiben ©ntad^ten fd^tiefeen jid) nid^t 
auö. ;3mmer^in l^aben bic (jöl^eren ©efeUfd^aftöflaffen ber Stäbte 
bereite fjütilnng mit ber mobemen ©d^riftfprac^e gel^abt, tnäl^renb 
bie ßanbbeDöIfemng nnb bie ungefd^nlten ©tabtbetDoIjner nid^tö 
ate it|r ©d^tDeijerbentfd^ fannten. 3fn biefem @inne Derftel)en wir 
aud^ bie SJerorbnnng beö Serner 9tatö für bie ©eiftlic^en t)om 
3af)re 1671^ „man foÜe fid^ beim ^rebigen eines nngetüöl^nlid^en 
nenen Seutfd^ entl^alten, als toelii^eS ben SSerftänbigcn nnr ärgere 
unb baö gemeine 35oH in il^rem G^riftentum nid^t unterweifen 
tt|ue". 2)aö blieb für bie ©d^weij nod^ lange bered^tigt, nad^bem 
bereits bie gebilbeten .Greife, gumal bie ©d^riftfteller unb ©elel^rten 
baö Sbeal ber gemeinbeutfi^en Sc^riftfprad^c ancr!annt l)atten. 
Unb bic Sibelauögabe t)on 1667 jeigt, in Weld^em Umfang man 
bamafö biefem ^htal nad^ftrcbte. 

6ö l^anbelte fid^, wie eine äJergIeid)ung mit ben 33ibelauö= 
gaben t)on 1530 lel^rt, l^icr nid^t mel^r um bie einfache Sinfül^rung 
ber mobemen Sautformen — biefe toarcn nafjcgu ein 3a^r]^un= 
bert frül^er angenommen — fonbern um einen mel^r ober weniger 
engen Slnfd^Iu^ an S^ormengebung unb Süöortfd^atf im 2)entfd^en. 
S)aö ©leid^e gilt fortan t)on Sfieubearbeitungen älterer ®rud= 
Werle. @o war 1578 gu 3ürid^ Subw. ßaöaterö ©d&rift Don 
©efpänften, Ungl^üren, iJalen unb anberen wunberbaren Singen'-^ 
u. f. w. erfd^ienen im ed^ten ©c^weijerbentfd^, unb 1670 erfd^ien 
eine 9ieubearbeitung, bie nid^t etwa retentis vocabulis, sed mu- 

1 33e^ag^el, bie b. @pr. 8, 37 ; ^^olurf, öefcf). b. tixä)L i^ebeng I, 
280, (^ad) einer SJiitteilung beg §erru Slottegeii Subhj» ^xx^ü in S3eni Ijat 
%f)olnd feine Duette nid^t rid&tig angegeben.) 

2 ©ineg ber legten ßitteratnrlüerfe in ©cömeigerbentfdö. 



74 5. (Sd6riftfprarf)e unb Üüiunbart in ber ©c^lweig. 



tata tantum dialecto ftc^ gibt, fonbern grofec (autlid^e, Pejimfc^e, 
f^ntaftifd^e unb lejÜQlifc^e Anbetungen öomimmt. 

®§ ift l^ier nid^t unfere 2lufga6e ben cnbgültigen Slnfd^Iu^ 
ber ©c^tnetj an bie beutfc^e 8d^rtftf|)ra(iöe big ju ben testen 
^Regungen unb öebengäu^erungen ber 5ölunbart ju t)crfoIgen. 3u= 
nä(^ft tarn es bIo§ barauf an gu geigen, tt)ie tro^ be§ t)er]^ängnig= 
t)oIIen 9tiffe§, ben ber lautntcd^anifc^e ^Progefe ber ntobemen 2)i= 
pl^t^ongirungen in Seutfd^Ianb fd^uf, bie aÜmätilid^e Slufnal^me 
t)on Sautfomien ober ßautgeicfien frentber 50lunbarten einer \)jixaä)' 
lid^en ;3fotirung ber @d()tr)eig entgegenarbeitet unb ben SBegriff 
einer gemcinbeutfd^en @c^riftf|)rac^c förbert. 



6. 

J0Btr= Utt5 mitttl5tutf(i|tr 1©ortf(i|a1^. 

3cil^feci(^e 2lbtt)cid^ungcn im 3öortg<^braud) Ijaben uns bei bcr 
S)arte9un9 ber lanbfd^aftlid^cn @c^riftf))rac^en bcfd^äftigt. 2)ie 
SBic^tigfcit bcö ©egcnftanbeö er^cifd^t ^ier einen 9iüdE6IidE über jene 
mannigfaltigen 3üge, tceld^e für hm ©barafter ber Sprad^e im 
16. ^al^tl^nnbert fo tt)efentlidö finb. 

2Ba§ tt)ir nur mü^fam burd^ Dielfeitige 33eobad^tung ermitteln 
fönnen, brängte fid^ ben 3citgenoffen fe^r beutlic^ auf. ^reilid) 
befielen bie großen lanbfd^aftlidöen 2lbtt)eid^ungen im SBortgebraud^ 
nod^ l^eute. 3lber unter ber ^errfd^aft ber Öitteraturf))radbe brängen 
fic^ bie ©cgenfä^e nid^t mel^r fo auf, tt)ie in ben reformatorifd^en 
Seiten, tDO ber Söortfd^a^ faft immer für bie Heimat ber @dbrift= 
ftettcr S^ugnig ablegen !ann. dloä) ^eute befielen bie alte^r= 
töürbigen Ätti, ii^ni, £i&am in i^ren alten ©ebieten. 3(ber 
bamafe burfte aud^ ber ©d^riftftetter fid^ i^rer bebienen. 3loä) f)eute 
!ennen bie SJlunbarten Dberbeutfc^Ianb§ bas SBerbum füllen nid^t 
unb fpred^en nad^ uralter Sffieife Don cmpjtnbcn ober f puren. 
Slber toöl^renb bcr gebilbcte Dberbeutfd^e l^eute aud^ baö ä^ittDort 
füllen fennt; toar bamalö jebem junädbft nur ber Söortfd^a^ feiner 
lanbfd^aftlid^en Jölunbart geläufig. 

S)iefe ©egenfö^e mußten fid^ ben beobad^tenben ©rammatifern 
mit bcr äunal^me ber litterarifd^en ^robuftion feit ber Srfinbung 
ber SBud^brutferfunft immer energifd^er aufbrängen. 3lud^ unfern 
Sd^riftftcttern mad^tc fid^ bamafö überall ber SJlangel eineö ge= 
meinbcutfd^en SBortfd^a^eS bemerftid^; er l^emmte bie erioünfd^te 



76 ö. Dbcr= unb mittclbeiitfc^er SBortf^a^. 



äBirfimg über tnöglid^ft gro§e ©ebtete. „Slbf^nt^hini 3U Öatein 
iDirb ju fjreiburg genannt tOermuot, jn ^ranffnrt XOygcnfr*tm, 
ju Sricr Älfen" — fo ankert ein 58eobad&ter. ^ SBegen (Dttcr (für 
ttattcr) greift @mfer nnfern Söibelüberfe^er an. Sas fäd^fifci&c 
SBort bcr ,ßatl^oIi!en t^urmcn consecrare* tt)irb mel^rfad) be= 
^anbelt. Sas lüeftfälifi^c Äun eunuchus jtel^t ßntl^ers 2[uf= 
inerffam!cit anf fic^. 

^n 3olge bcö großen ä5er!c{)rö, bcn bic refonnatorifd)en a3e= 
raegnngcn anregten, bnrd^ Steligipnögefpräd^e, burd^ bie SBcrufnng 
Don l^oc^bentfd^en ^rebigern in nieberbeutfd^e öanbe nnb t)on meber= 
bentfd^en ^JJrebigern in I)od^bentfd^e ßanbe, er{)ielten l^önfig berartige 
2Bort))robIemc eine gemiffe Sebentnng. 33ei ber Sürd^er S)t0))U= 
tation 1523 entftanb g. 33. eine längere fprac^lid^e Debatte jtDtfd^en 
Btüingli nnb feinem 2ln{)ange einerfcits nnb bem ßonftanger 33ilar 
Sc^niib anberfcitö über baö SBort Xttctgb, baö 3tt)ingli in einer 
gebrndften ^ßrebigt Don ber 9Jtntter beö §eilanb§ gebrandet l^atte, 
tt)o ber ßonftanger ^un^frau ertt)artete.2 

2ln^er fold^en S^ugniffen anö bem 16. :3a]^r!^nnbert liefern 
nnö aöe ©prad^benfinäler jener B^it ben 33ctt)ei§ für bie Sö^atfad^e, 
ba^ eö einen genteinbentfd^en SBortfc^a^ bamafö nid^t gegeben l^at. 
SBer mit hm ^ülfsmitteln ber ©prad^ioiffenfd^aft auögerüftet ben 
Itnterfc^ieb ber ©d&riftfteöer im SBortfd^a^ feftftettt, bem toirb fid^ 
Dor allem bcr gro^e 3Ibftanb ber oberbentfd^en SJlaterialien Don 



* 2)er eJraucn Otofeuöarteii 1528: S3trlinger in §errigi5 Sltd&ib 43, 123. 

^ 2)a§ @Qrenrupfeu, 3"rici& bei SroWaucr, |?b: „3)ir gebrifc bajs bu 
litt cibgenoffif^e 8pra^ faiift. 3m 6ci&h)Q6erIaub löeifect ein CJungfrou 
ein *2)ienftmagb\ aber ein locljter ober llTagt löeifeet ein *unöcrfe!&rte 
Tltib\ 2)crgftalt l&at S^ingli gerebt, ber ift ein 6c^tDifeet unh prebget 
in if)reu i^anben unb tjat bic $lirebgc in ißren i^anben gefd^riebcn. 23i üd& 
f)eiBt einSJlagt einen ^ten|^; hk nennenb toir ein Sungfroucn. ®in lltagt 
fieifet ht) uns ein reine unbeflecfte, bie nennenb i^r ein Sungfroucn." — S3el 
bem iHeügionggefprädö 3U Einbau 1575 begegnet bie IJragc, ob Ämbcr 
ma^en ober '&.n1^cr bringen rid)tig fei; ju ©unftcn bcr crftcn SBenbung 
werben bic antocfenben Strafeburger Xl^cologen alg 3eugen angerufen; bic 
^ujcitc ^Beübung toar ünbauiW» 



ßanbfc^aftlic^e SBorte* 77 



ben mittclbeutfd^en aufbrängen. So gro^ awä) bic lautli(^cn 3(6= 
tDcid^imgcn fein mögen, mlije bic oberbcntfd^en 5öinnbarten Don 
cinanbcr trennen — ^infid^tlicf) beö Söortfc^a^eS jeigen fie fcfte 
Ü6ereinftimmung ben frönüfd^^mittelbentfd^en gegenüber. 3lnbev= 
feitö ftimmen bie mittelbentf(i)en nnb nicberbentfd^en ßanbe — Don 
her 5P|aIj bi§ nai) Sd^Iefien, Dom Main biö jnr $Rorb= nnb Dft= 
)ee -— fo ^änfig gnfammen, baß toir faft Don einem fränfiid^= 
)ad)filcöen Söortfd^a^ reben fönnen, ber e^er in ßnglanb ats in 
Dberbeutf(^Ianb ^Parallelen ^at. 

Sei biefen großen Unterfd^ieben ber 5ölnnbarten in ben 3Bort= 
materiatien ^aben mir länger jn Dermeilen; mir muffen fie an 
einem l^erDorragenben 58eifpiel Deranf c^anlid^en , nm 2;^atfac^en 
reben jn laffen. SBeld^e ©prad^Dermirrnng öntl^er — ber a)tittel= 
pnnft für aKe SSeobad^tnngen — Dorgefnnben nnb neben fid^ l^errfd^en 
gefeiten l^at, bafür mögen oberbentfd^e Sibelüberfe^nngen aU 33e= 
jpeife bienen. @ie finb nm fo bebentfamer, meil fie ben @infln^ 
t)on ßut^erS ©prad^e jn l^emmen, ja jn Demic^ten im ©tanbe getoefen 
toaren, toenn ber ßnlturproge^ biefer tl^atenreid^en 3rit in ber 
^ßerfönlic^feit öut^erö nic^t einen ©eifteSl^elben Don nntt)iberftet)= 
lid^er ©etoalt gefc^affen l^ätte. @ie reprafentiren alfo für nns 
einen wid^tigen ^pxaä)it)p\\§, ber nad^ bem 5prognofti!on be§ aJiaji= 
milianifd^en ä^italterg jnr ^errfd^aft in Sentfd&lanb berufen fd^ien. 

3lud^ l|ier ift bie Sngolftäbter 58ibel, bie Don öut^er nnb 
6mfer auSgel^t, Don gang befonberer SBid^tigfeit ; burd^ abfid^tlid&e 
©prad^anberungen , bie burd^ bie 5ölnnbart ber Sonaulanbe 6e= 
bingt finb, l^at 6tf fie nad^ ben 2lngaben feiner SBorrebe Don ber 
mittelbeutfd^en SBibel entfernt, daneben Dertoeifen mir auf bie 
3ürd^er SBibel Don 1530, bie aud^ Dielfac^ Don ßutl^er abl^ängig 
ift. ©ine SOtittelftellung nimmt bie ©prad^e ber SBormfer 5j}ro= 
})l^etcnü6erfe^ung Don §ä§er nnb Senf ^ 1527 ein, bie für ßutl^er mie 
für bic Sürd^cr S^^cologcn nid^t ol^nc SBcbcutung getoefen ift. 
6inc SBcrgleid^ung biefer SBibelteEte liefert un§ gal^lreid^e SSelege, 
bie uns jeigen fönnen, tpie ftarfe ©egner ben SBortmaterialien 
ßut]^er§ im SBege ftanben. 



78 



6, Obers unb mtttelbeutfc^cr SBortfc^a^. 



SBenn tnir f)ier bcn SScrfud^ einer aOBortfonforbang, bei bcm 
rnxdj einige 3ut)örer, befonberö §err @tnb. 6mft §eiIborn auf 
bas eifrigfte unterftü^t Ijaben, in befd^eibenem Umfange tragen, 
bürfen mir in 2lnbetrad^t ber ©d^tt)ierigfeit eineö fold&en Unter= 
ne^mene tDol^I befonbers bie 9ia(I)fid&t be§ 8efer§ erbitten; nur 
iünftriren moÜen n3ir unfere obigen Darlegungen; nientanb tt)irb 
()ier ein t)ergleid)enbeö Söörterbud^ jener SBibeltejtc erwarten. 



«ut^er 


M 1 


^üvml ^top^. 


3fir. »ib. 


^^Icfer 2anh'^ 


ouc^art 


Sndiart 


Saud^eri 


a((jcr 


einfältig, unfdöul- 
big 




untoeig. 


x>inta^ 


5lngefid)t 


Slngeftd^t 


Slngfi^t. 


Hn^ 


■trang, angft, be= 
triibt 


befümmert 


angftr befümmert. 


i 
1 






beben 


bibmen (er=) 


bibmen (er?) 


bibmen (er=)* 


berftcn 


bred^en 




brechen. 


«Iad)felb 


f?Iad)fclb, ebeneg 
Selb 

SÖIifeger 


S(a*felb, flaches 
gelb 

»liegen 


fSrladöfelb» 


ölifee g^Iur, ' 


Spiiögen. 


«lüte 


23Ifime ■ 


S3Iüft 


»ruft. 


braufen ^ 


fc^allen, faufen 


raufd&en 


raufd^en. 


«üben (böfe) ; 


teufltfc^ ajlann, 
^Inber 23eItalS 




^inber SBelialS. 


bunt 


gefprädelt , ge= 


gefpredfelt 


gefprärfelt, gering* 




fprengt, bon bte« 




(et, geteilet, öon 




ler %axh, at- 




mand&erlei fjarb. 


1 
1 


fc^ecft, gefc^edffet, 






1 


tüpflet (tupflot) 






1 


u» fi h). 






^cfel 


@reuel ©rauen, 


Unluft 


UntDitten, ©rcucl, 


1 


Slbf^eu 


1 


Unluft, SScrbrufr 


cinträd&tiö ! 


ainerlei (Sinns, 


• 


einerlei (Sinn». 




mit ainl^elligem 








yjiunbe, ainmiis 








tigfrid^ 






(^rbbeben 


©rbbtbem 


©rbbibem 


©rbbibem. 


(Srbenflofe 


ßaim ber ®rben 




©rbenRo^. 


ernten 


fd^neiben 


fd^netben 


ernbem. 


erretten 


erlöfen, erlebigen 


erretten 


erretten (erlöfen). 


fett 


faifet 


fett, fetft 


feift. 



SScröIcid&cnbc SBorttabctten ju a3ibcltejteii 


I. 79 


Sntter. 


M. ; SSormf. $ri)»|. 


' 3ür. »ib. 


^flamme btc n 


1 

glamm ber ' giamm ber 


3Iamm ber. 


mam 


ßägcl 

1 


ein ?JIäfcf)en ober 
fiägel. 


griegen Sßlur. 


ajiucfen ahnden 


gjlurfen» 


freien 


gur (J'^e nelftmcn, ' 
öeiratöen | 


gur C5^öe nel^inen» 


fülen 


cmpftnben, greu ! berftel^cu 
fcn, toiffcn ! 


berfton. 


@cbäc^tntg ba^ 


©ebäd^tnug b i e , @ebäc^tnü§ b i c 


Öebac^tnug b i e. 


Öcfä6 


@efd)irr j @ef*irr 


©efc^irr. 


(jel^ord^cn 


Öören , gel^orfam ! gel^ord&en, fotpen, 


geborfam fein, lo» 




fein ge^orfamen^l^ören 


fen, ^ören. 


©efang ber 


©efang ha^ 


©efmtg ba8. 


®efeö 


@faö, öcfafe ©fafet 


@faö. 


©etoalt btc 


&tmit (Ötoart) 


©etoalt ber 


©toalt (Öemalt) 




ber 




ber. 


©ren^c 


©reni^e, ©egenb, 


@renfe 


ßanbniard^. 




ßanbmardf 




• 


^runbbeft 


Sßfnimet, ^Jnnba* 


©runböcft, ?5nns 


Sßfimmenb, SBfim* 




ment 


bament 


met. 


$aUe 


S8orfd)oj)f, ^aptUt • Sßorfd^upf (Sßor= 

f«opf) 

martcn toarten, öerjie^en 


Sßorfc^opf. 


^anen 


tt)arten,S^ertranen 




■ ! 


baben» 


^afcöen (crO 


ergreifen, fallen, 


ermütfcfien , er* 




galten 


greifen. 


ipeud^Ier 


©leifener i ©letBncr 


©leiftner. 


$cin)t 


^avipt 


^anpl toj)f 


§anpt. 


i&eufdörcrf 


ber ©enfd&red 


ber ^eufc^redf 


§öntt)ftöffeL 


^üacl 
(®mfer ©ubeQ 


mt)ü 


mM 


SöiibeL 






5!a^n 


^adm 


23ard^e. 


haften 


mä) 


taften 


%x6). 


ftcitcr 


Kelter 


Xrott, Xoxdd 


Xxott 


Äletnot 


(Sedier, foftlid^S 
2)mg 

Schotten 


mmoU greinet 


©egierbe. 


Älofe 




moö. 


Hug 


toeife, jüd^tig, Der* 
ftönbtq, totfeig 


fing 


toeife. 


^ot 


m ' Stöbt 


^aat 


^üd^fein 


^ünle 


^hn% 


2Qpptn 


mä^ 




mtd. 



80 



Sutier. 



6, Ober* uub mittelbcutfd&cr SBortfd&a^, 



ßaft bie 

ßciid&tcr 
Sippe 
ßuft bic 
Tlauimixf 
mieten 
aj^onb, 2Ronat 

(@mfcr Statten) 
SWcffe 
Ort bcr 
Otter 

Otterge^ic^t 

SPerlc 

^flafter 

mU *föle 
plö^Iirf), bloWiiifl 

$ö6el 
prüfen 

Onol 
quökn 
gflabe 
SHätfel 
S^tei^tum ber 

8anb ber 

@d^effel 

fd^enfen 

6ci&crf, 8rf)erflin 

@d)eunc 

in 6rf)id&ten 

fd^medfen 

@d^i)pg 



Saft bcr 

5(mpel 

Sef^e 

Suft b e r 

üUJoItnjerf 

bingen, befteüen 

'Monat 

Sd&aben 

SünbSfinb, enfltn 
bie Stat, Ort bat^ 
(Srfjlange, Spater 

S^iatterngefrfjläd^t 

bog Sßerlen 

eftericö 

Xeid^ 

Sßfnlbe 

in einem 9lu, in 
einem 5lngenblttf 

gemainSßoItSßöfcl 

probiren, betoären 

$ein, bcr Dual 

peinigen 

iRapp 

iRäterfd^ 

:)leirf)tum 
ber 

^Jtippe 

8anb baS 

3nee(en), ^Walter 

begaben 

i&aUer, Ortlin 

Srfjenr 

in Flotten 

berffirfjen 

männlid^eg (Sci&af 



bie, 



Saft ber 

Send&ter 

Sef^e 

Suft bcr 

Scf)är, aWanrtDcrff 

bingen 

ÜWonat 

^d^aben 

,SHnb8finb 
Ort ba^ 



bie- S3nrbc, ber 
Saft 

5?(mpeL 

Seföc. 

Suft bcr« 

8cöär, aRurtDcrf, 

bingen« 

äRonat« 

rfjaben. 



^ 



.^inbSfinb. 
Ort b a 8. 



^c^tange,(Sc§lang | 8d&Iange,' !Water^ 

5ipper« 

9laterge§üd^t* 

bag $ärlin. 

©fterid^. 

SßfuItDc« 
fc^ncll. 

gemeines SSoIt 

betoären , erfun^ 
ben, (entern. 

$ein. 

peinigen. 

S^app. 

^Röterf*. 

SReic^tum bic, 
SRcic^tum ber, 

^ippCi 

@anb bcr. 

SSicrteiL 

geben, fd^enfen. 

@(^crpPin, örtl^. 

@(^cur, ©pcid^cr. 

üerfud^cn, fd^mc* 
rfcn. 

männlid^eS @d^af. 



eftri* 

$fultt)c 
urblü^ltng(*cn) 

gemetneS $oIf 

briifen, probiren, 
berfuc^cn 



9lapp 

^äterfcö 

SRcic^tumb (^cid^* 
tum) bic 

®anb bcr 

fc^cnfcn 

@rf)eur 



2 


kröleid&enbe Söorttabetten gu S3ibeltejter 

1 


t. 81 


Snt^er. 


3ur. »Ib. 


<Bd)ltnä)t 


(6aum)]^eut 


1 


(S^leucf). 


fdfilummem 


fd^läfrifl fein 


nafjen 


fd&läfrig fein. 


f(^mürfen 


gieren , j^errlic^ 


aufmu^en,^enlic6 


aufmuöen, gieren, 




machen 


tttac^en, gieren , 


föftlid) fictben. 


©döuppc 


(Bäjiipc, (Sd&üDpe 


Schilpe ' 


@döupe. 


©cbtoäöerin 


grau beg a3rfiber§ 


1 

1 


S^riiberg ^xan, 
©fdimci. 


(Bä^toaQtx 


23ruberbesaJiann§ 




Sc^njager. 


@d^tüefel 


@dflh)öbel 


Sd)h)äbel 


Sdöiööbcl. 


feer STbb. 


\)aft 




öaft. 


ftd) fe()neu 


begehren , t)er= 




23egierb l^aben. 




langen 




verlangen. 


©cud)c 


^xanti^aii, Sierfjs 
tum 


• 


0ud6t, ,^ranff)eit. 


ftdfiten 


reitern 


reitern 


reitern. 


8trbfCut 


Sinbflnfe, (Sünb= 




(SünbPufe. 


©perling 


(Spa$ 




(Spar. 


©piöc bte 


(Spi^ ber 


1 


(Spi^ ber. 


(Splitter 


3lgen 


1 


(Sprci^. 


fpotten 


pfeifen 


pfeifen 


pfeifen» 


fteupen 


fd^Iagen, fd^elten 


süchtigen 


ftrafen, fd^Ial^en. 


©toppcl 


Stupfel 


©toppel 


(Stupfcl. 


(Stufe 


(Staffel, (Stapfet, 
(Jerftaffel 


(Staffel 


Staffel. 


tauchen 


tunfen 


• 


tunfen. 


Saufe bte 


Sauf hit unh 
ber 

triegen (be^) 




Sauf b e r. 


taufc^en 


triegen (be=)f öor» 
teilen 


betriegen, Perbor* 
teilen. 


Senne bic 


Senn ber 




Senn ber (bie, 


• 






ba^). 


Sbon 


ßaim 


ßeim, Mt 


2dm* 


S^räne 


3ä^er (Srä^er) 


Xxaf)tx 


Sräf)cn. 


S^unn 


S^urn 


Sl&urn 


Sf)urn. 


Sopf 


^afen 


§afen 


$>afcn* 


Söpfer 


©afner 


§afner 


öafner. 


Ufer 


©eftab 


©eftab 


Öftab. 


öerfdbtingen 


j berfcl&Iinben, ber« 


berfc^linben 


Perfd^Iinben, Per* 




fd&fucfen , ber= 




fdölucfeu; 




fd&Iücfen 







JMuee , iBon Sut^er H4 Scff^ng. 2. Stufl. 



6 



82 



6. Ober* unb mittclbcutfd&er Söortfd^aft. 



bcrfinien 
Vertrauen 
SBanbel 
Söeinberg 

SBeincrubtc 
SScife 
mciffagen 
njelf, öcriDcIfen 



2BoIfe b i c 

3crfd)mei6en 

^erfcftmettern 

3icgenbocf 



er!. 

berföneit 
Uetmäl^tcn 
XaM, S3veftcn 
SBetitflarten 

ba^ SföeinUfet 

SBatB 

prop^etifiren 

abreifenb ; ber- 
fd)toc(fen,fdöh)elcf 
ttjetbcn, öcrber= 
hm, abnehmen, 
abfallen 

SBoIcf b e r 

Serf dalagen 

Serbred^en , j5cr= 
fnitf^en 

(iJaifebocf 



Ucrfimcn 

Söanbel 

Söeingartcn, dtib^ 
bcrg 

ba^ Söeinlefen 

mm (in) 

toeiffagen 

tüdd, abreif enb; 
abfallen 



gerfd&meifeen 
gerfniitf^en 

3igenbod 



3ür. »tt, 

Uerffinen. 

bermäd^Ien. 

Tladtl, ^ßräften. 

Steingarten, 
SBcinberg, 

SBümmet, §erbft. 

SBeifele (^). 

j)rop]^etiren. 

abreifenb, l^infäl* 
lig, iüclf; Derber« 
ben , erborren, 
binfatten, abfaU 
len» 

SBoIcf b e r. 

gerftören. 

germürfen, ger* 
fd^eitern, gcr« 
bred^cn. 

©eifebodf. 



®iefc 3ul<^nimenftet(ungen leieren, tt)ic fel^r bie SBirfung öon 
öut^cro» ®eutfc^ burd^ bie aÜgemeinen @|)rad^t)erl^äftmffe ber 3rit 
gel^emmt n3at. Dbcrbcutfd^Ianb toax eine ©prad^einl^eit für fid^. 
9Jltttelbeutf(^lanb , baö burd^ bie ^leformation gum 5ölittetpunft 
unfereö SBaterlanbeö geiüorben n3ar, erl^ob fid^ mit ber 5perfönlicö= 
feit Sut^erö gegen bie 3lutorität jener ßanbfd^aften, betten mit ber 
politifd^en aud^ bie f|)rad^lid^e Hegemonie jufam. Safe uttfereö 
9leformatorö Seutfd^ über bie tnibcrftreitenben gaftoren fd^Iiefelid^ 
ben ©ieg baöon getragen, baDon gibt unfere Äonforbang eittett 
fd^tagenben SBeweiö. S)iefen @ieg beö mittelbentfd^en SBortbeftattbeö 
banfen lt)ir glüeifeöog Sutl^erö SBibelüberfe^ung. 

(£g ift !ein 3ufaII, bafe gaPofe 2lbbrüde be§ neuen Sefta^ 
mentö, bie au§ oberbeutfc^en SrudEercien l^erDorgingett , Cutl^erö 
SBortfc^a^ im allgemeinen unangetaftct laff en ; bie 33afler, @trafe= 
biirger, 9lürnberger, 2lug§6urger StuSgaben binben fid^ att öutl^er^ 
öautf^ftem iDenig, aber fein SBortmaterial änbem fte feiten; unb 
1535 fonnte SBenbel 9li^el ju Strafeburg ber Hoffnung SluSbrudE 



DbcrbeutWc löibelgloffare» 83 



geben, man icetbe ftd^ leidet an ben frembarttgen ©prad^gebrauij^ 
ßutl^erö gelDöl^nen (@. 57). 

©old^e 3lnfd^auungen mögen mel^rfad^ für bie SBerleger ma§= 
gebenb gctoefen fein. 3ubem toax ber Jftul^m ber nenen Überfe^ung 
fo unerfdöätteTltd& feft begrünbet, ha% man, fomeit nid^t ßonfeffion 
ober Seite eine fad^lic^e Se^treDifion forberten, ben SBortlaut beä 
9fleformator§ nid^t gu änbern magte: man jog e§ Dor, hen Cef er 
burc^ ein fnrgeö ©loffar über bie unüerftänblid^en SBorte öutl^erö 
aufjuflären. ®iefeg aJiittel erfann 3lbam 5petri, ber Söafler 58ud^= 
brudfer, ber eine 3^it lang bie oberrl^einifd^en ßanbe mit gal^lreid^en 
SRai^brudEen beö nenen 2;eftament§ Derfal^ nnb fo bie ^Reformation 
fräftig förberte. 9lfö er im ^al^re 1523 ben gtoeiten Wbbmi er= 
fd^einen lie§, gab er bemfelben ein SBortregifter M, bag „bie ang= 
länbif^en 2Börter anf unfer (SBaflerifd^eö) Stentfc^ angeigt" : „^d^ 
f)ah gemerft, ba§ nit jebermann üerfton mag etlid^e SBörter im 
je^t grünblid^en Dertentfd^ten nenen S^eftament; bod^ l^ätten biefel= 
bigen SBörter nid^t ol^n ©d^aben mögen öerloanbelt werben ; brnm 
l^ab id^ laffen biefelbigen anf nnfer §od^tentfc^ anbiegen nnb orbentlid^ 
in ein Hein 3legifter fleifelic^ öerorbnet". ^n ben fpateren 2lnö= 
gaben l^ält 2lbam 5petri an biefem 5ötittel, öntl^erg Se^t bem ober= 
rl^einifd^en 5|JnbIi!nm naiver gn bringen, feft; nnb anbere oberbentfd^e 
SSerleger folgen feinem SBeifpiel. 

©0 fönnten mir nnö einer beqnemcn_ Sinfid^t in ben 3Bort= 

fd^a^ t)on ©trapnrg, Slng^bnrg, SRümberg erfreuen, loären il^re 

®rutfereien nur felbftänbig nnb t)on bem Safler 5petri nnab]^än= 

gig gu SBerfe gegangen, ßeiber aber fd^Iiefeen fid^ bie ©loffare 

gum neuen 2;eftament, bie ,ßnobIaud& in ©trapurg (feit 1524 

in mel^reren STuögaben), ^an§ §ergott in SRümberg 1526, §einrid^ 

Steiner in SlugSburg 1531 il^ren SluSgaben t)on ßntl^erg STeftament 

beigeben, faft mörtfic^ an 5petri§ ©loffar an; nur in wenigen 

Snberung^n nel^men bie 3)rurfer Jftütffid^t auf il^re l^eimifd^e 50lunb= 

art. SBären fie felbftänbig gu SBege gegangen, fo toürben jeben^ 

faüö größere Unterfd^iebe gegen ba^ SBafler ©loffar gu Sage treten, 

unb tt)ir toären über ben äöortfd^a^ öon Strasburg, 5iümberg 

6* 



84 



6. Ober- unb mittclbcutfc^cr SBortfd^aö« 



unb SlugSfiurg tDctt fieffer Mei)x\ aU burd^ bie öorliegenben ©loffare. 
Sod^ bürfen tt)ir einen ©eftd^fe|)unft babei nid^t aufeer Sld^t laffen: 
ber SBoxtbeftanb aüer oberbeutfd^cn öanbfdöaften bcrül^rt fid^ t)iel= 
fad^, aiic^ tDenn fonft lautlid^e Unterfd^iebe bie ©prad^e D6et= 
beutfd^Ianbö in nteJ^xere Heinere SJlunbarten aufgelöft l^aben. @g 
ift — jur Seftätigung unb Srgöngung unfercr obigen ^ontox- 
banj — nid^t unmid^tig, beut öefex einen Slbbrutf beö 33afler 
©loffars üorjulegen unb bie SBarianten ber übrigen biöl^er unbe= 
ad^teten 33ibeIgIoffare tnitjuteilen. Dl^ne ben rein ortl^ograpl^ifd^en 
ober aud^ lautlid^en SBarianten SBead^tung ju fd^enfen, bietet bie 
folgenbe STabeüe bie 2lbtt)eid^ungen ber ©trapurger 2lu§gabe ton 
1524, ber Mrnbergifd^en 3lu§gabe t)on 1526 unb ber 2Iug§= 
burgifd^en t)on 1531 t)on Slbam 5petri§ Driginalgloffar jum neuen 
2;eftament. ^ 





Skalier ©loffar. 


SBariattteti. 


äf)nüd) 


51, 

1 Qleid) 


(Stra6b,::2tug§b, fe^It* 


afterrcben 




nad^reben 




alber 




nerrifdf), fantefd&tifdö 




altüätteltfrf) ^aM 


alter nje^ber mär(tn 




Srnbife 




morgcneffen 


9lürnb. e^n fruftüd 


Srnfatt 




anteil, lofe, gufal 


müxnh. mt gufaL 


Slnfurt 




ber fd&iff anlenbung 




mm 




ergernufe , ftrauc^« 


Mxnh. crgernug, tt)n böfe 






lung 


beifpir. 


5luffcöub 




berjug 




aufnidfen 




öertoe^fen, befd^ul^ 
bigcn 





». 



bang 



engftig, gtoang, ge* \ (Stra§burgs2tugSburg angfc 
breng gtoang, qebreng. ^lüm* 

berg engfttg. 



* 3n unfcrer XahcUt bebeutet ba^ Seichen -f, ha^ bag bctreffcnbe 
©loffar eine toettere Überfefeung l^at al§ btc übrigen; ba^ 3eic6en — gibt 
an, ba§ ein befttmmteS SBort in einem @(offar fel^It, 





£)bcrbeutfcf)e Jöibelgloffare, 85 


S^afler ©(oflar. 


ä^artatiten. 


beben 


bibmen 




befragen 


gancfen, jjme^tregtig 
fein 




befrembben 


1 Vil( 

üertounbern 




bereuen 




ÜHürnb» raften, r^ucn. 


öerucfung 


üa^nng 




bcfd^idten 


begruben , öolgteu, 
beftatten 


1 


beftrirften 


fa^en, btnben 


• 


befubleu 


üenmremcn, beflecfen 




betaget 


alt, f)at bil tage 




htknhm 


trundcn , frafftlofe 


S^ümbi truncfcn, entrüftcn 




machen 


fd^ellig mad^en» 


betrautoen 


• üerbteteu, treutoen 




betretten 


rabtfrfjlagen, unber* 
reben 




betüngen 


tüngen mit mifet 




betoüft 


crfant, erfaren 




S3eilag 


UertratDt, l^inbcrges 
legt gut 




bleiben 


^od&mütig fin 


9lümb. auffblafen, fid^ er^ 
lieben, frcd^, tru^tg» 


S3ra6tücferet 


böfe, tüdifd^, liftig 


S^ürnb, + alfenfeig* 


bloöltng 


ge^Iing, fdöncöip^t* 


S^ürnb. + augenblidttic^. 


braddtig 


l^oc^mütig, ^od^fertig 




brausen 


xanid)cn, faufen 




brüfen 


mercfen, erfennen 


fe^rt Mmb. 


c 
t 

^arb 


notturfft, armutle^ben 




barbcn 


nott, armut leiben 




beutücö 


öffentlich, mercfüd^ 


9lürnb, mcrflicft. 


bürftig 

( 


fed, fün 




empören 


erl^cben, ftrenfeen 


SlugSb. erl^öl^en, ftrufecn» 
(Strajsb; erl^bben, ftrenften. 
Slürnb, ergeben* 


cntfamcn 


enttrunnen, entlieffen 




cnlidö 


glt* 


S^ürnb; fe^rt 


cnttoanbt 


entzogen, enttoert 


9iürnbi — enttoerti 



86 6. Dbcr= unb mittelbeutfc^er SBortfrfjat 


ä^afler ^loffar. 


Varianten. 


C^rbf^ic^ter 


crbteifer, erbfd^eiber 




©tbbeben 


erbtb^bem 




er^afd^en 


crtoifd&en, fallen 




ernbten 


fc^neiben 




erregen 


entporen , anffrulftr 
machen 

ertrincfcn 


dliixrib. 4- betoegen. 


erfanfen 




(Sifer 


ernft 




eitel 

c 

1 


man, lör, unnü^ 

5. 




Saör 


fcrigfeit forgligfeit 


i 


ferne 


fo ferr, fo toe^t 


i @tra6b,=2rnggb* ferr, toc^t 


tjcinanfeer 


netofünbig gu böfen 


^nümb, fe^It. 


Seit 


nad&Iefigfeit, berfüm* 
ni6 




ple 


miffet^at, fünbe 




?5al 


mangel, gcbreften 


9lümb» mangelt, gebrid^t 


IJelbtoeg 


raft rofelauff 




?5euereifer 


feuriner ernft 




flel^cn 


hitkn, emftlid^ be« 
geren 




dürfen 


bleuen 




freien 


toeibcn, eelid^ toerben 


Mmb; + Ifteüraten; SlugSb» 
toeiben, el^clidö toerben. 


tjrnmmcn 


nuö, getoin 




füren 


cmpfinbcn 


1 
1 


( 
@ebür 


biKid^r gemeeg 




geborften 


gebrod^en, gerriffen 




gebei^en 


toad^fen, gunemen 




©efäfe 


gefc^ir 




©egcnb 


lanbtfdiafft 




©efieimnife 


l^e^mligfeit , f acra= 
ment 




gel^ord^en 


gelftorfant, unbertl^es 
nig fin 




©elinbigfeit 


gütig, fenfft, milt 


^gSK g&tifeit, milt- 



Dberbeutfc^e fdiMQioi^axt. 87 


mitx ^loffar. 


r 

l^arianten. 


gepfropft 


gcppanöt 


@tra6b. ^^ürnb- SlugSb; 
geimpft, gepflanzt. 


GJerüc^t 


gefd^rc^, (cumeb 


S^ürnb. — lenmeb. 


aefteupt 


mit i'uttcn gcftrt(|cn 


3Iug8b. rfiten geftrid&em 
dlüxnK mit rfiten anSge* 
ftrid&en. 


betreibe 


forn, frud&t 




©ctünttnct 


ungeftimb, auffrur 




<5letün*tc ^anh 


gch)ci6tc, befleibte 




&cin(i)tt 


gefd^kd^t 




flidötprücöig 


gi*tfüd)tig 


dlüxnh gegid&tfüd^tig* 


gleicöbcrtifl 


glcid^förmtg 




(Sö^cnopfcr 


abgötteropfer 




(SJren^ 


gcgn^, umbfre^fe 




Ötunfeen 


grimmig fein, gürnen, 
flirren 


©trafeb. SIngSb« — hirren. 


§aa 


borlanb , fürf d^opff, 


@tra6b, ^ilngSb, für* 




tngang 


fd^opf. 


^arre 


toarb, be^tte 




l^afcfien 


crtDifd&en, fallen, er* 
greiffen 


2lug8b» — ergreiffen. 


l^aud^en 


bbfen, toe^en 




§älft 


^alb 


©trafeb; SInggb. l&albte^L 


^ernteten fid^ 


befümmerten fic^, toa* 


(Strafeb. SfngSb. — toaren 




rcn cngftig 


engftig» 


§eud&(er 


gleifener, trügner 




getrabten 


mannen, celid&en 




Ikonen 


fpottcn , f d&mä^en, 
fc^enben 


(Strafet 2rng§b» — f^mälien, 


Öügel 


gipffel, bildet 




c 

int^an 


geben, überanttoort 




Stalin 


tt)eibling, nadgen. 


©trafeb, SfngSb» — tocib^ 




Hein ft^iff 


Hng» 


tcri* 


feget, ^ianh, futter 




blufft 


fitng, frnfft, Wie 


@tra6b. 2lngSb» — ßing. 



88 6» Ö^cr« unb mittclbcutf(36cr Söortfd^a^. 


93afler @(offar. 


Varianten. 


tnoc^d 


fnob, g(eid& 




foftct 


üerfud&et, Wmacft, 
fiefet 

främere^, mcrcften 


(Strafeb- Stuggb, - fie 


^efemcrei 


5(ug8b. — merdften* 


^üdilin 


6i'mcf(cn, junge t)üni\n 


STngSb. — ^ündffen. 


füiibig 


ttjtffenb, erfal&ren 






r 

l^auffentoeiö 




kippen 


leff^en 




Wappen 


ftudf, ple^, (ump 




rafe 


mieb 




lencfen 


umbferen,umbtDenben 




ßcrman 


auffrauff, auffrür 




ßiec^tftar 


teud^tcrn, ludern 




malmen 

9 


germalen, jjerfnütf d^en 


Mrnb. dermalen, ger 
fd^en; ©trafeb. SlngSb. 
malen, gerfnüfeen« 


aJiarft 


ffecf, borff 




^^eud^elmörbcr 


l^cimUcö mörbcr 


fc^lt Slürnberg» 


meuc^el, meud^eln 


- 


Mmb. ^eijmlid^ triegei 


yj«ctling 


gebingter fned^t, tag* 
löner 




mieten 


beftetten, bingen 




monfüd^ttg 


mönig, Innig 




yi/iorgenlanb 


anffgang ber fonnen 




SRac^t 


fd^fe^er 


fe^lt mmh, 2rng§b. 


51/iutten 


fd^aben 






bad^minö 
f^ttjefterfnn, üetter 




5»eff 




9lor6cn 


munben, malgeic^en 




i 

Dttergegic^t 


ottergcfd^Iec^t 


Strafeb, 3luggK no 
gefdölecf)t;$»ürnb.gef41 



Oberbeutft^e 33ibc(t|(offarc, 



89 



panier 
pruffen 



Qual 
quelen 



^ühtn 
rafcn 

roffcln 

Saum 
tilgen 

tucl^t))ar 
tüchtig 

SRüfttag 



fauret 
<Bd}anbxot 

fd^autragen 

fd^ecl 

©d^cffel 
Sc^lad^ttag 

©d^crfflin 



baner, benle 

anfcdötung beS fCei* 
fdbcS 

lob, rf)um 



SBarianten. 



]&et)Io§, unnü^ bold 



C. 



pein, francf^cit 
peinigen 



^. 



rappen 

toben, nnfinnig, faft 
jürncn 

btafpeln , raufcften 
rollen 

njcite, p(a^ 

fd^enbcn, fd^anb cn* 
tccfcn 

auggernfft, lautprcc^t 

nam^afftig, cing gro^ 
6en tuntB 

bereitlag , ^eiliger 
obent 

njercfgeug 



I famr, ge^efflet 

I f)ciüg brot, gemeid^t 
; brot 

offenttidö tragen, geis 
gen 

fdft^Ien, glunen, über= 
firfjtig 

fcfter, f^mmerin 
tttc^eltag, tag ber 
iDirtfdöflft 
ßrtlin, falber l^eller 



^ 



i6b- Sluggb. \ 
'ihd)tn, ernmben. 



trafeb. Sluggb. «»ürnK 
öei[i 



^lürnb» 6tra6b, 
+ quetfd^en. 



^rng^b. 



Strafeb. SrngSK 
filmen; 

©trafeb, Slnggb, - 



- faft 
roffefn. 



Strafeb, 2Iug§b. — eins 
großen runtS. 



Strafeb, ^ugiJb» — geigen, 
©traftb. 8lug§b. — ginnen. 



Stra6b. 5Muggb. - örtlin. 



90 6. Obcx' unb miltclbcutfc^er 3Bortfd)aö. 


^a\kx eioffar. i 


Varianten. 


fd^müdcn 


gieren, auffmu^n 




fd^naübet 


trätoet, anfd^natobet 




@(6nut 


funfefiau 




@cigo6 


3in6, fteur, reut 


9Jürnb. + i^oL 


6ci6ranfcn laufen 


gum 3tl lauffcn 




fc^üttcrt 


betriebt ficb 




Sd&tücigcrct 


Überfluß in effeu unb 
trincfen 




fd&lDUlfttfl 


auffgeblafen 




feinet ftd6 


begern, begirb l^aben 




8ctnt8 


ungeleutert b^ntg, 


Strafeb. SlugSb. — to( 


fcmptlic^ 


miteinanber 




richten 


fe^beu, reutteren 




@ottcr 


faal, fummerlaub 




Spaltung 


gancf, fitoitracbt 




©pntter 


fpre^fe 




^püßnife 


gefpenfcbt 




8tad^el 


eifene fpife an ber 


feblt Slugsb.; Strafel 




ftangen, fcberpffe 


f^erpffe. 


©tac^cl lencfen 


ficb gegen bem fpife 
feren 


feblt 5lug§b. 


fteupen 


mit rfittenaufeftre^* 
d^en 




ftorrifl 


toiberfpennig, ftre^tig 




Stufen 


ftaffer, fteig 




toblen 


ftroffen , berafflen, 


Strafet Slugsb, — be 




nacbreben 


len» 


taugt nit 


gimpt nit, ift unbitticb 




tauchen 


tuncfen 




Xmid) 


gautter, golter, fer= 
gen 


^^ugöb. — gantter. 


teufc^cn 


betriegen 




töpfcrcn 


erben gefcbir 




2^^ränen 


trebern, gebren 




Xnmmd 


getbön, gefcbre^ 




^rieftcrn 


grüfcb, treber 


1 



Obcrbcittfc&c Sibelflloffare. 



91 



ä^afler ©loffar. 



S^arianten. 



iiberertd)t 
übertäubet 
tjcrbanncten ftcö 

teröortetlen 

ücrjüttet 

öcrfeftniad&tcn 

tjcrftorgt 
öcrtritt 
Ufer 
iimbrinflcte« 

unbcutlic^ 
untücf)tto 
untbabeüd^ 
Unöerruglid&feit 

unüertDcIcfücö 

iirbtttig 

^or^aut 

ouögeiottct 



mat 

itjegeren 
lüetterlüeiibifc^ 
tücilanb 
tDtd^tige 



gerrutten ©tun 
3tegenfcff 
3erf ekelten 



I überantlDort, gegeben 

] crtrucft, tempfet 

j machten ein bunbt 
! ntiteinanber 

fd^ebigcn, betricgen 

i)erbunben,untbtoicfclt 

! öerfamen, crltgen, 
öerberben 

! öcrirret 

i t)erfpri(J6t üertoefcn 

j geftab 

' umbgaben, umbfre^s 
j feten 

i unöerftentUc^ 

; ungefd^icft, unntt^ 

j unftrefflid6 

I nnbetocglicö^nnerftörs 
: Itd) 

' attiücg grunenb, ntt 

i bere^tt, toittig 

! nnbefc^nttten 

I Don ber rott abgc- 
[ fiinbcrt aufegcrnt 



m. 



getoanbt, fle^b 

ftd6 totbern ober lüeren 

unftet 

etlüan, öor weiten 

fc^toere, (afttg 



3* 



böfe öerfcrtc ftnn 
gepfefett, fi^enfel 
gerfloben, gcrfpaltcn 



(Stra6b,2luggb. — fd&äbigem 
(Strafeb. 2lug§b.— umtoicf elt, 
Sluggb. Straftb. — erügen. 



(Straftb. ein ftab. 



<Stra6b» Unbetoeglidöfeit. 
2(ug8b. fef)It gang. 

(Strafeb. dlnxnh. ?lug8b. + 
ober fd&lüeCd. 



(ötrafeb. Slugöb. — bon ber 
rott abgefünbert 



7. 

1Hiir5er5mtfrfj un5 ^orf|5eutfcf|* 

2)er !Jlamc '®cutfrf)' gilt mic für alle 9)lunbartcn fo aud^ 
für bie uieberbeutf(^en. ®rft mit bcm 16. 3fal)rl^unbert fotnmen 
genauere Sejeicfinuugen auf, bie burd^ ben ©egenfa^ t)on Ijod^beutfd^, 
oberlänbif df) , oberbeutfd^ uub oberfädE)fifd6 angeregt finb. SJlan 
fprid^t ju 8utf)ers; Briten öon nieberldnbifd^er , nieberfdd)fifd^er 
©prad^e unb befonberS gern t)on faffifdE)em 2)eutfd^ (fciffefd^e 2)übefd^, 
neberfaffiffe ©prafe), um ba^ 2)eutfdE) ber nieberen ßanbfdiaften 
t)on ben ^oc^beutfd^en 3)iale!ten ju unterfdE)eiben. 8anbfd)afttid^ 
rebet man gelegentlid^ aud^ t)on ber pommerfdEien, ber l^otfteinfd^en, 
ber meftföUfd^en ©prad^e. ^ 

S)a§ bie nieberbeutfdE)e ßautftufe einmal burd^ gang 3)eutfd^- 
lanb gegolten unb ba§ fie nad^ unb nad^ t)or ben neu erftel^enben 
]^od^beutfdE)en SpradEigefe^en jurüdEgen)idE)en , ift eine ber älteften 
®ntbedEungen in ber beutfdE)en ©prad^tDiffenfdEiaft. ©dE)on ba§ 16. 
3EaI)r^unbert jtoeifelte nidE)t baran. ®ine Stiatfad^e lelirte bereite 
bamalg ,, ba§ ba§ SRieberbeutfd^e eine auSfid^tSlofe ©prad^ftufe fei, 
ber baä mäd^tig t)oranfd^reitenbe §odE)beutfd^ ftetig 9laum abgetcinne. 
©d^on in jener 3eit n)u§te man, ba§ ^aüe einft nieberbeutfd^e 
Urlunben au^gefteöt l^abe, aber gänjlidf) l^od^beutfd^ geworben fei. 



1 ^te nteberrl)etnifc^en 3}iunbarten tüerben öon bemfell6en Sal&r^unbert 
aU 'toaÜänhiW be^eic^net in Dberbeutfc^lanb, too trat, t>at für toö6, öae 
alg befonberg cf)arafteriftifcö nad) Xfcf)ubt mpM JHptia «S. 113 «nb @cb. 
JJrancf ©ermania 837 b em^jfimben totrb. 



7. D'Heberbeutfcfi unb §od)beutfd). 93 



SBom 14. 3SQ]^rI)iinbcrt an ^at fid^ ti)atfä(ftUdö bic mittclbeutfd^e 
©prad^grengc t)on Silben naä) 9iorbcn t)erfc^obcn. 

®ie ganjc Setüegnng ber ÖautDcrfd^iebung toax non Süben 
imd^ 9lorbcn t)orgebrungen , anf änglid) mit großer ©d^netfc , bann 
a6er fraftlos nnb matt. <^aüe xuib SJtcrfebnrg finb bic anfeerften 
^n!te bcö Jliebcrbentfc^cn um 1300. ^n 5!}tcrfeburg Dotfjiel^t 
fid^ ber ltmfd^tt)nng gum 3DlitteIbeut)c^en bereite 1340; biß ettt)a 
1390 tierrfd^en in §aHe nieberbentfd^c Urfunben, nnb um 1477 ift 
SKittelbeutfd^ bie ma^gebenbe ©prad^e, n)äl)renb bas JJieberbeutfd^e 
nur no(^ fümmerlidf) in ben niebrigften @dE)id^ten ber SeDöKerung 
lebt. ^ 3!JlanöfcIb, SJBattcnrieb, ©iölebcn, üölbxd finb nieberbcutfd^e 
Drte, bic aber im 15. i^al^rl^unbert mittclbeutfd^e ßonfonantcn= 
gebung annet)mcn unb in i^ren Ur!unben burdfifül^ren. 3m 33c= 
ginn bc§ 16. Sfatjrl^unbcrtö bringt ha?> SJlittelbeutfd^c bis in bic 
Sißjcfe SJlagbeburg t)or. 

®cr ©runb bicfer gangen Sctücgung ift unbefannt. @ö be= 
rul^t auf einem organifd^en ^ßroge^ in ber SBoüsfpradEie, nidE)t aber 
auf UtterarifdE)em ®influ§, ba§ in einem beftimmten ©ebiet bie 
nieberbeutfd^en t k p ber mittelbcutfd^en SJlorm ber SßerfdE)iebung 
folgen, ^ebenfallö t)at ber ^roge^ fd^on Dor ber 9leformation unb 
burd^aug unabl^ängig t)on ber jfteformation ftattgefunben. SBieöcid^t 
ift er burd^ ben Umftanb begünftigt tt)orben,2 ha^ bicfelbc 8anbfdE)aft 
ftar! mit flat)ifdöen Elementen burdE)fe^t unb barum tDcniger toibcr= 
ftanbsfal^ig tt)ar; man red^ne bagu, bafe gerabe auf bemfelben 
SBoben aud^ Slngcln n)ol^ntcn, bic bis ettt)a in§ 11. Staljrl^unbert 
il^rer alten eigenartigen ©prad^e treu geblieben toaxm, ®ö toax 
mitl^in ein ßanbftrid^, ber burd^ a5ölfer= unb ©tömmemifd^ung 
©efd^mcibigfeit unb 5iad^gicbig!eit feiner ©prad^e erlangt l^attc. 

@ö fommt bagu, ba§ feit diter 3^it 3iieberbeutfd^Ianb im 
allgemeinen ber benad^barten SJlunbart 9}littelbeutfdE)lanb§ fpradfiUd^e 
3ugeftänbniffe gemad^t l)at. @o l)at im l^öfifi^en B^italter ein 

1 f5r. ^ülffe in ben ©efc^i^tsblättern für aWagbeburg XIII, 166; 
Tümpel »eitr. 7, 99; ^eb. fdtdj @ernt. 26, 351. 

2 fjriebr. 3arnrfe »eitr* 7, 19. 



94 7. ^Meberbeutjct) unb ipoctjbeutict); 



nteberbeutfd^er ©id^ter — Sfibred^t t)on ^atberftabt — in mittet 
beutfd^er SJiunbart gebid^tet. Slud^ I)abcn bie meberbeutfdEien SJtunb- 
arten ftül^ an§ ben benad^barten t)odE)bentfdE)en ßanbfd^aften SBott=^ 
inatertal geborgt, ©eit bent SBeginn ber 33nc^bmdferfnnft begegnen 
in alten 3)rudfen tt)ie in mobernen 2)iate!ten SBorte üon unjmeifet 
tiaft ^oci)bentfc^eni ßantgepräge mie ganj, rcijeti, (Bbt}c^ 
fd^wat^cn, trotten, ^cr$, ©c^merj, ^ilj/ Äunjel, Jvcnjel^ 
®c^ai3, ([^lanj, jiercii, Sorit, fpiij, Sie^e, Äreia, tanjen;. 
jitterfT, XOurfcl. 3fa üereinjett übt fogar bie ]^od^beutfdE)e fjiejion 
in nieberbentfd^en ©ebieten 6infln§; tüir treffen in öerfd^icbenen 
Srndfen ba^ neutrale =s tt)ie in aUea, einea, blirrbea, olbea, 
liebea, audf) ettoae, n)o tüir nieberbentfd^eS t extoaxkn müßten. 

@o tDxxb e§ begreiflid^, ba§ mit bem Seginn beg 16. ^af)X' 
t|nnbert§ einzelne plattbcntfd^e ©tabte in ben I)öt|eren ®efellfd^aftö= 
Haffen bereits bem ^oc^beutfd^en weiteren ©pietranm gaben. 3lux 
benfe man babei nid^t an gnteS reines §oc^bcntfd^. ®§ ift ein 
fonberbarer Stöitterjargon, ben n)ir ba feigen. Über bie ©|)rad^üerl)ält= 
niffe t)on SJiagbebnrg, tt)o aüerbingS ber 2)ialeft l^eute faft gang t)er= 
fdfimnnben ift, finb tt)ir burd^ ben SiatSl^errn ©eorg SorquatnS (um 
1530) unterrid^tet ; berfelbe l^at feine 33iogra|)]^ie in einem furd^t= 
baren 9JlifdE)mafd^ üon SJlei^nifd^ unb 9licberbeutfd^ gef d^rieben : ba 
toed^feln ©ä^e *idE l^ebbe be ©d^ote befoc^t — ic^ lebe bir mit SJlnnb, 
^erg unb %i)ai\ 2lber er fielet ba§ 9}lei§nifd^e aU fein 3fbeal an ; 
tiefem mu§ baS «l^eimifdEic Siieberfäd^fifd^c immer mel^r angeglid^en 
»erben; bie jufünftigen ©taats= unb ,Rird^enbiener foü man öon 
Äinb^eit an mit ber ©d^önl^eit be§ SJlei^nifc^en vertraut mad^en. 

Qüx Hamburg bejeugt ber ©efd^id^tsfd^reiber 6ran^ ätinlid^e 
Sßerl^äftniffe in feiner 1517 berfafeten '©ajonia': ,,®S lieben i^t 
aud^ an bie unfrigen fic^ gu befleißigen ben oberen 2)eutfd^en i^r 
Äirren nad^jureben". Unb fo ereifert fid^ 1582 ber ßejtfograpl^ 
ß^^traeuS gegen biejenigen, tt)eld^ei]^r Patt mit SBrodfen anbereraKunb= 
arten mifd^en unb e§ babei bod^ gu feiner reinen ©|)rad^e bringen.' 



S3urbaciö, Einigung ber n^b. «öd&riftfprac^e 8. 16. 



©rcngöerfc^tebunöeit. ^talcftmifdöung. 95 



®tefc§ gtt)tfi(i)te ^ 3)eutfd^ ift bemiemgen ätinlidf), bag mir auf 
id^toeigcrifd^em SSoben !ennen gelernt ^aben. 3)a treffen n)ir in 
bcmfelben ©d^riftftütf ober SrudE §0(^= unb ?lieberbeutfci^e§ in 
buntem, regeüofen ©emifd^. 3)er ^omnxer Sugenl^agen fd&reibt an 
bcn Hamburger JDiagiftrat einen ^o(i)beutf(i)en Sörief, in bent fcriben 
für fc^rciben, ebber für ober begegnet; nmgefelirt entl^ält feine 
nicberbeutfd^ gefd^riebene ßird^enorbnung Don 33rQunfci^n)eig jal^t 
reid^e l^odibeutfd^c SBortformen. Überaö auf nieberbeutfd^em ©|)radö= 
gebiet begegnen foldEie SSJlifd^öerl^ältniffe , bie tt)ir burd^ eim ^ßrobe 
aug einer antireformatorifd^en ^lugfd^rift au§ ®o§Iar Don 1521 
üeranfd^aulid^en tt)oüen. 2 

Xaffeln unb S3ilbe ^aben fie geriffeu ba^l, 

8anct ©iöeunu^ l^aben fie laffen ftaf)n; 

bcn beten fte mit SBud^arbuS ^eutigeg 2^agc8 am 

mit bcn filbcrn ©öfecu f)abcn fie gebrcfcn i^ren ^pott, 

fo tauge ba^ fie bk friegeu unter i^reu JHorf 

unb öaben fie getrau in bcn S3anu, 

bamit ba6 fie fie hvaä)ttn ba\)an; 

bamit rat)mcu fie be ^o^r, bat bar l^ctt ein 2od) 2c. 2C. 

3)at mofte fiu alto^mal JJautafei 2c. 2c. 

^an fagt, bafe l^abcn bie getrau, 

bie bog ©otteg SBort tooltcu öorftau, 

bit fid^ @otteg SöortS tftun beräumen, 

ber tüir ctlid^ lüoffcn t^un noimen. 

3)ei erfte fteit iQang Dlaloen 

bei ftarf bot filbcrn SBircffatt in be matotn. 

S5a hjonet od einer nid) lüit^en, 

bei bebe mit be fülöern (Sat^arincn bcrglicfen 2c, ac. 

aOBir mögen fold^e 3Jiifc^ung t)on §od^= unb SRieberbeutfdö, 
fold^eg SJleffingifd^ läc^erlid^ finben ; aber unftreitig ift baburd^ ein 
enbgültiger Übergang jum reinen @dE)riftbeutfd^ Vorbereitet unb 



* Sr* 3arucfe ^at biefe Söegeidönung eingeführt in feinem (£ato unb 
^larreufd^iff, @onft gilt bafür *meffingifcö' (feit 2(belung bezeugt), 

2 ^(agefc^rift 8. ©tep^ani; fie fd^eint oerloren gegangen gu fein; ic^ 
Sitire nad6 ^rumpt)g @ograrifd)e <i!ir4en^iftorie, (Soglar 1704 8. 13, 



96 7. Dlieberbcutfcf) unb ^od^beutfcö. .t 



angebal^nt. Unb toir bürfen bal^er bcn ©eorg S^orquatus nid)t 
Derurteilcn, ber felbft folc^ gmilidötcö S)eutfdö fd^reibt unb jugleic^ 
anbete bafür begeiftern mU, 

2lbcr in bcn Srudfen überwiegt biefcö SJlefftngifd^ nirgenbö. 
Übcraö I)errfc^t bis auf ßutl^er uneinge)ci^ran!t ein leiblid^ forreües 
Jlieberbcutid^, bas fid^ t)on l^od^beutfdöen ßel^nmorten aöerbings nir= 
genbö ganj frei I)alten !ann. ®tne reid^e ßitteratur ift aus jener 
Seit erl^alten geblieben , tüoüon bie Slepertorien t»on ßinberling, 
@cf)eöer unb 9BiedE)mann berebtes B^ugnis ' ablegen. SSßie einge= 
murgelt bie 9}lunbart tüar, geigt fic^ aud^ barin, ba§ l^od^beutfd^e 
SBerfe nur in nieberbeutfd^er Überfe^ung Eingang unb SBerbrci= 
tung in 9tieberbeutfdE)Ianb finben !onnten. @o toax e§ naturgemäß 
Dor 8uti)erö 2luftreten. 3(ber aud^ nod^ ettüa 50 Satire nad^ bem 
33eginn ber 9leformatton treffen n)ir nieberbeutfd^e Überfe^ungen 
t)on l^od^beutfd^en Driginatoer!en an. 

ßutliere; neues Seftament erfd^eint t)on 1522 an in 15 nieber= 
beutfd^en 2lu§gaben. 2ludE) ©mfers neueö Seftainent n)irb (1530) 
nieberbeutfd^ g^brudft. 1522 erfd^einen ^oi). SauterS Sermones 
in einer nieberbeutfd^en Überfe^ung gu ^alberftabt, 1565 gu fyranf= 
fürt. 1528 gibt 2lgricoIa feine ©prüd^tDörter in nieberbeutfd^er 
©prad^c l^erauö. 2luf mel^rfad^e Slufforberung l^in überfe^t 1542 
8ubn)ig 3)ie^ in Stofloi ©ebaftian ^rantfs 33üdE)Iein „t»oni ßafter 
ber Srunfen^eit", ba bie Originalausgabe „ber ©prafe l^atoen bem 
gemeinen 9}lann unüerftönbig, na SBermögc mit ^ülpe etüfer guben 
O^rünbe in büffe faffifc^e ©prafe".^ ©o n)urbe aud^ noc^ 1557 
ein 'Sroftbüd^Iein' „aus l^ol^em 2)eutfd^ in unfcre fäd^fifd^e ©prad&e 
gebradE)t": „3iabemmale be ot)ertänbefd^e ©prafe einem iberen nid^t 
fo UdE)tli! to t)erftanbe is alfe unfe egen angebaren ©|)rafe — fo 
äußert fid^ ber Überfe^er ^ — fo l^ebbe idf it for nütte unb ber 
W6\c tt)oI n)ert gead^tet, np bat t)eten einfolbigen ©l^riften barmit 
gebenet tooxbe, bat fütüe 33öfefd^en in unfe faffefc^e ©|)ra!e to 
tranSfereren". 



SBtec^mamt I, 187; II, 25. 



Überfefeungcn aus bem ipb* ins ^bh. unb am bem 9lbb. ins ^b» 97 

Über^au|)t toaS für ungebilbete ßaien beftimtnt ift, tritt in 
her 33ol!0fpracf)e aiif, audf) aU ba§ §o(i)beutfd^e bereits feinen ®in= 
gug in Slieberbentfd^lanb gehalten I)at. 

2)ie 33ibel unb ba§ neue Seftainent werben in nieberbeutfd^er 
Sprad^e jum legten SJlal gebrudt in Stettin 1604, in ßübed 
1615, in Hamburg 1620, in ®o§Iar 1621. ©oldEie SDaten be= 
njeifen aber, ba§ n)ir ben eigentlichen ©ieg ber ßitteraturfpradfie 
frülier anfe^en muffen, ©efangbüd^er, Äated^iSmen, biblifd^e Sejte 
muffen bem SebürfniS audf) ber tüenigft ®ef(i)ulten entfpred^en unb 
entgegen fommen, großen 2eil§ ani) ber länblic^en SBetJölferung 
bienen. S)ie 23ett)o^ner ber ©tobte unb gumal bie gebilbeten klaffen 
l^aben fid^ natürlid^ tüeit früljer ber importirten ßitteraturfprad^e 
anbequemt. 

SBöl^rcnb ber legten <&älfte beö 16. i^al^rtjunbertS begegnen 
nicf)t feiten 3)ru(f tt)er!e , bie aus bem Jlieberbeutfd^en in§ §o(i)= 
beutfc^e übertragen finb. ©d^on 1538 mürbe bie nieberbeutfd^ ge= 
fd^riebene pommerfd^e S^roni! be§ Stomas Äan^om, bie gemi§ im 
loefenttid^en für ein nieberbeutfd^eS 5ßublifum beftimmt blieb, ins 
§odE)beutf(^e übertragen, offenbar meil ba§ neue Seutfd^ für feiner 
galt. 1543 erfd^eint nieberbeutfd^ in SloftodE eine ©c^rift *t)on 8of 
unb Unfd^ulb ber tJroumen' unb mirb nod^ im felben ^al)xe eben= 
bafelbft 'au§ pommerifd^er ©prad^ in mei^nifd^e gebrad^f.^ 1563 
tüirb bie SSraunfd^toeigifd^e rßir(^enorbnung, bie ber 5ßommer 93ugen= 
^agen 1528 in nieberbeutfd^er ©prac^e gefd^rieben l^atte, im 2tuf= 
trage beö SJlagiftratS ^ocf)beutfd^ ausgegeben. 1599 tt)irb ^oij. 
^eterfenS l^olfteinifd^e ß^ronif, bie 1557 in nieberbeutfc^er ©pradE)e 
erfd^ien, burd^ S)räucr inö ^od^beutfd^e übertragen: „@S ift biefe 
g^ronif anfänglidö in fäc^fifd^er ©pradE) befd^rieben unb t)on Dielen 
ratfam erad^tet, ba§ fie i^t jum anbern Wal in ^oc^beutfd^er ©pradf) 
ausging, bamit fie an allen Orten teutfc^er ÜRation gefc^en unb 
gelefen tt)erben möge"; ber Überfe^er bittet, „baS fd^ledftte einfal= 
tige SeutfdE) i^m als einem unerfahrenen gum beften ju tt)enben". 



1 SBiec^mann I, 138, 230. 

luge, 3Son Siit^er hii it\[inci* '^\ Aufl. 



98 7. ^JlicbcrbcutW unb ^oc^beutW, 

1597 übcrfe^t fjorftenoh) eine mcbetbeutfd^c ©d^rift DtbcnborpS 
*öan aiabMagenbe* (15eS0) in§ §od^bcutfd&e. 

SBte bte ©d^tociger fud^cn alfo aud^ bic 3iteberbeutfd^eu an 
bcr großen titterarifd^en 5probuftton teitjunel^men unb bem ©trebcn 
be§ Sfal^rl^unbcrtg ju l^ulbigcn, bie SBirfungen bcr ®rudfh)erte ntd^t 
burc^ ben l^ciniatUd^en ®iateft einjuengen. ®er mct^nifd^c 3iad&= 
barbtaleft ermöglid^t einen »eiteren ®rfotg. ^n Dbcrbentfd&tanb 
toax bie ©|)radE)e ber mittelbentfc^cn ßanbfd^aften öerftänbüd^, aber 
ba§ TOeberbeutfc^e toax bort nnbefannt. ^m 15. ^al^rl^nnbert 
töurben in fübüd^en tßanjleien, fogar in ^ranffurt a. 501. nieber= 
beutf d^e ©d^riftftüdfe öor ber offijieöen SJertefung erft überf e^t. ^ 

Sin biefem Unifd^n)unge , ben roxx in bem SSerl^altnig öon 
^od^beutfd^ unb 3ileberbeutfd^ beobad^ten, l^atte bie fird^ftd^e 9le= 
formation einen l^eröorragenben Slnteil. SBie in ben oberbeutfd^en 
ßanbf d^aften , fo fanb aud^ in SWieberbeutfd^tanb bie litterarifd^e 
2;]^ätigfeit ßutl^erS begeifterte Slufnal^me. ©etbft ein SRiebcrbeutfd^er 
feiner Slbftammung nac^ , lebte unb leierte er in einer nicberbeutf d^en 
@tQbt,2 bie aöerbingg ben mei^nifd^en ®ialeft in il^ren l^öl^eren 
®efeüfd^aft§flaffen bereite eingebürgert l^atte. ^l^m toax baö 3iieber= 
beutfd^e t)on 3ugenb auf gelaufig, toie er aud^ fpdtcr mit §ülfc biefeS 
3)ialeft§ gelegentlid^ fomifd^e SBirfungen ergielt.^ 2)ic Slüdffid^t 
auf bie Jlieberbeutfd^en l^at il^n gett)i§ l^äufig in ber SBal^l feiner 
SBorte beftimmt, n)ie er benn öon ,,Dber= unb Siieberlanbcm" 
gelefen unb t)erftanben toerbcn sollte. 6in großer ßreis nieber= 
beutfd^er greunbe unb @dE)üler, n)ie SBugenl^agen, 6rasJmu§ Sllberu^ 
ftanben l^elfcnb unb förbemb neben bem SO'leifter. ®urd^ fold^e Um= 
ftanbe getoann ber 9leformator ben Jiorben ©eutfd^lanbö in lurjer 
3eit, unb frül^ fdE)lug feine ©prad^e l^ier feftc SBurjeln. 

f^rül) finb t)or allem bie ßird^enorbnungen l^od^beutfd^ ; toir 



' SBülcfer ©ermanta 28, 196. 

2 S^^^xd(i)t nteberbeutfc^e 3)rucfe finb au8 Sötttenberger 3)rucfcreicii 
^eröorgegangen. 

* „®i lieber, bat is fcarp, boc^ nid&t bat fferpftc" : SSeranttüortung ber 
aufgelegten Slufruf)! öon ©erjog ©eorgen ßcipgig 1533 S3 iü b; 



2)ic S^lcformatiom Äirc^enotbnungcn. 99 



treffen foldfie 1524 in SJlagbebnrg unb 1525 in Äönigöberg. 
1539 tä§t ber @ii|)erintenbent 9lnt. ßoröinuö in Jlorbl^eini eine 
l^odöbcutfd^e fiirdfienorbnnng erfd^einen; aber am ©d^Iufe berfelbcn 
gibt ber ©tabtrat feine SBeftatignng baju in nieberbentfd^er ©prad^e. 
Site int Saläre 1542 eine in @rfnrt gebmdte ßird^cnorbnnng für 
33rannfd^n)eig nnb ßünebnrg nnter ber ^erjogin ßüfabetl^ in ^oä)- 
beutfd^er 9Jlunbart erfd^ien, entftanb aüerbingö unter ben ^Pfarrern 
ber ßanbfd^aft eine £)|)|)ofition , todä)t naä) einer fäd^ftfdfien 2lu3= 
Qait t)erlangte, fo bafe berfetbe Slnt. ©oröinuö 1544 eine nieber= 
beutfd^e Sluögabe jener Äird^enorbnung ^ öeranlaffen ntufete. S)a^ 
nieberbeutfd^e 35ortt)ort üon 1544 gab bem ®u:|)erintenbenten ©e^ 
legenl^eit, feinen SO'li^ntut über bie Slngelegenl^eit ju anfeem. ©eine 
SBorte, bie für bie 3luffaffung beg äjerpltniffe^ öon ^06)- nnb 
9lieberbeutfd^ toid^tig finb, üerbienen I)ier mitgeteilt ju »erben: 
^^SRabemmate ftdf bat nteifte 2)eet mang iun) fo lange l^er beflaget, 
fe fönnen fidf in ber oöeriänbifdEien Bpxah, in n)elferer be ntgegane 
förftüfe Crbeninge gebrntfet, nid^t tt)ot fd^idfen unbe barum me be 
fütoe leöer in faffifdE)er <Bpxah lefen »olben — fo l^ebbe idf — 
iuto unbe iumen ^ßarfinberen , be funber %toxt)d od gerne öljrer 
50lobcr ©prafe'^ teöer mnn eine frömbe l^ören, to gube mit bem 
S>rü(f er ^enninggo 9lubeno gel^anbett, bat l^e be genömebc Crbeninge, 
fünberlidf fo öeel alfe ber fierdfen Zeremonien belanget, in faffifd&er 
Qpxdtc nod& einmal upgetegt unbe gebrudfet l^eft. @o gl) benn nu 
neue ©ntfd^ülbinge, barmebe g^ iun)e SRatatid^eit länger fmMen 
funbt, meer l^ebbet." 

1 ©firiftlife ^crfenorbeittnge, Zeremonien unbe ©efänge bor arme un* 
gefd^tdcbc ^arrl^erren in bem (öfitfcn fjörftenbome ^ertogen @rtf§ geftcllt unbe 
in ben S)ru(f gegcöcn. §annoöcr 1544; 

* SBir l^abcn bicfer (Stelle and) beSioegen einen dianm fjitx öergönnt, 
toeti fte bie Ic^te Sßorftufe für unfer n^b. llTutterfprö^^e gibt. SIuc^ bei 
ßutf)cr ftnbct fid^ *feiner 2)lutter (Bpxad)': S3om 2lnbetcn bcS ©acrament beS 
^eiligen ßcic^namS, Sßittcnbcrg 1525 ^ iii a. Übrigcng liefert biefcr Sluffafe 
mel^rere 23e(egc für 'angeborene (Bpxad)€ aus nieberbeutfcften 2^ejtcn. 3)cu 
frü^eften mir bekannten öeleg für I17utterfpra4)e cntf)alten bie <S. 46 an- 
öcfüf)rten SBorte beS SßaL S3ol6 oon 1539, 3m allgemeinen ögl* oben <B* 2U 

7* 



100 7. ^JUcberbcutfrf) unb ^oc^bcutfd^. 



SBer t)oni Stanbpunft ber Sieformatton aug biefen Äouflift 
betrachtet, »irb ntd^t iiml^in fönnen, bem Siiperintenbenten Unrecf)t 
gu geben, ©urcö ßntl^erS SBorge^en I)atte bie äJoltefprad^e ben 
©teg errnngen. Unb nnn brängte fid^ ein frembeö Sfbiom anf 
Soften ber 9}lntterfpra^e in biejenige ©telinng, an§ ber bas 
öatein eben erft t)ertrieben. ®ö toar nic^tä afe eine notmenbige 
fjolge t)on 8ntl)erö Oppofition gegen ba§ ßatein, baß gerabe in 
ber gefpro(^enen @prarf)e ber ßirdf)e, gnmal in ber ^ßrebigt, bie 
]^eimif(i)e SJJlnnbart fid^ noc^ lange erfjielt, a(ö ßitteratnr nnb 
Äanjieien bereite ber freniben gefolgt toaren. 

3lnf ber Mangel ^errfd^t — fo gnt n)ic in ben populären 
©rbanungöbüd^ern — mit 9lüdEfi(^t auf bie gro§e SJlaffe bnrd^ 
baö 16. 3ß^^f|unbert beinal)e uneingefd^ränft ber <^eimatöbialeft. 
2l(ö ber Hamburger 9lat 1528 unfern Sleformator um ®m^fef)lung 
einer 5ßerfönlid^!eit erfud^te, bie Umgeftaltung ber fird^Hdfien 23erl|ä(t= 
niffe ber ©tabt gu leiten, bat ßutl^er ben ß^urfürften um Urlaub 
für ben an^ 5ßommern gebürtigen 23oIben)an, ber ju 33eljig 5ßfarrer 
mar. 3^n ^ielt ßutl^er für bie geeignete ^erfönlic^!eit, „toeil er 
ber Bpiadjc unb beS ßanbe^ funbig fei" (ßut^erö Söriefc S)e 3Bette 
III, 346). Sm ^a^re 1530 bat ber 9tat t)on ©öttingen ßut^er 
um ©nipfe^Iung Don gmei ©eiftIidE)en ; ßut^er fdE)Iägt im ^i^ttuar 
1531 ben Söafiliuö unb ben SBirnftU bor; jener fönne oberlänbifc^ 
unb nieberfäc^fifd^, biefer fei beö ?lieberbeutfd^en nic^t ganj mäd^tig, 
aber leicht gu t)erfte^en, loie aud^ in 93raunfdE)tt)eig bod^beutfc^e 
^Prebiger miUfommen feien. 

@rft feit 1600 ift baa ©c^idEfal ber bisherigen Äangelfprad^c 
ungmeifel^aft. »konnten am ©(^Iu§ bes 16. 3al)rf|unbcrtg gioci 
^Pfarrer auö ber ©egenb t)on Jiorbl^eim ^ nodf) barüber ftrciten, 
ob ^oc^beutfcf) ober nieberfäd^fifd^ in ber rßircf)e gu Mijkn fei — 
fortan oerftummt bie nieberbeutfd^e 5ßrebigt aller Orten, ^n §am=' 
burg,'^ n)o nac^ ßappenbergö Ermittelung im ^al^re 1603 ber 

» Muh, ©ilbebranb, ©rciiäboten 1860 I, 111. 
2 Über Hamburg ün^ ^appcnberßS fiaurembergauSgabe @. 236 unb 
(uad) einem gütigen ^^ad^meife be§ §errn Dr; g. 51. (^xopp in Hamburg) 



ipoc^beutfd^e ^ßrebigt. 101 



offiäieHc Umfd^iDung ju ©imftcn bcö §oci^beutf(i)eu afe Äird^en^ 
ober 9ledöt§fpradöc ftattfinbet, ift Sfoliann »iefter (1628-1664) 
ber le^te ©etftlid^e, ber plattbeutfd^ prebigt; unb naä) ©d^uppiiig 
in ber 'ßl^rcnrcttung' 1659 nxufe fein 35crl)alten bamate giemlid^ 
öereinjelt gemefen fein. 3n ^Pommern maren @d^ti(i)tmll (f 1647) 
unb matti). ßempe (t 1649) ju ßolberg bie legten S«ac§jngler. 
.^n Flensburg n)urbe f(i)on feit 1600 l)0(i)beutfdö ge|)rebtgt unb 
jtDar t)on einem ^olfteiner; in §ufum tt)urbe 1617 tjod^beutfd^er 
©ottesbienft eingefüljrt ; unb um 1665 l^örte man felbft in fleinen 
Drtfd^aften @(i)le0tt)iga !aum nod^ nieberbeutfd^ in ber Äird^e, 
nad^bem feit 1650 ber bortige ©eneratfuperintenbent — ein ge= 
borener SBeftfate, 9kmen§ ÄIo^ — nur ba§ §o(i)beutfci^e im ©otte§= 
bienft bulbete. Unb in ber @t. Sllbansfird^e gu ©öttingen fott 
bie nieberbeutfd^e ^rebigt eitoa 1630 öerftummt fein. 

Seitoeife ift bie Unfat|igfeit ber ©eiftlidEien in Ijoc^beutfd&er 
Qpxai)e frei ju reben ber tt)irltid^e ©runb für ba§ fortleben ber 
nieberbeutfd^en SJiunbart in ber ßird^e. 3in benfelben Siöjefen, 
für beren ©eiftlidEien 1544 ber ©uperintenbent Slnt. ©oröinuö bie 
nieberbeutfd^e Übcrfe^ung einer urfprüngtid^ l^od^beutfä^en ßir(i)en= 
orbnung l^erauögegebcn I)at, fel^tt e§ nodf) im SSeginn beö 17. 
3a]^rl)unbertg faft gänjlid^ an ©eiftüdEien, bie l^od^beutfd^ fönnen. 
W)tx e§ fann bod^ tDoi)l feinem B^öeifel unterliegen, ba^ bie fci^rift= 
fprad^Iid^e 33en)egung, toAi}e in ber reformatorifdEien Söctt)egung 
tDurgelt, im ganjen an ber |)roteftantifci^en ©eiftlidEiIeit t)ielfa(i^e 
5örberung gefunben t|at. 2)er ®rfotg, meldten ßutl^erä ©d^riften 
i^atten, tt)UG^§ burd^ bie ^Berufung öon ©eifttid^en, tt)eld^e I)od^= 
icutf d^cr Slbftammung tt)aren ober auf l^od^beutfd^en Uniöerfitaten 
ftubirt l^atten. 

®aju red^ne man bcn 6influ§ ber ßanjieien. 2Bir treffen 



©cöuppiug (Schriften ($anau 1663) @. 671; über ben Pfarrer ^empe 
t)gL a)larttn S^langeg Origines Pomeranicae, föolberg 1684 (S. 230; über 
^ufum \)Ql mm <©♦ 76. Sm übrigen f. 6, %. Sitten ©efd^. b. bän» 
^pXi in 8d^Ie8lütg 1, 97 unb Solft. ^ato» SJItd&aeltS Oratio de ea Germaniae 
<)ialecto qua in sacris faciundis etc. utimur ©öttiugeu 1751 ©. 28, 



102 7. SWicbcrbcutfcö unb $oc^beutf(i&. 



an niebcrbeutfd^en C^öfen nid^t feiten Äanjier öon l^od^beutfd^er 
§erfunft (C^egetotfd^, ©d^tegn)igg unb §otftetn§ ©efd^td^te III, 79); 
bte beiben t)on ©d^önetd^ am SJietftenburgifd^en §ofe, 9lnbreQ§ 
33arb^, ber Äanjter be§ ßöntg ß^l^rtftianS III., Slbam Sliraciger, 
ber langtet ^erjog SlbolfS öon ©ottorf, loaren l^od^beutfd^er 216- 
ftammung. Salier öoüjiel^en aud^ bte größeren ßangleien be^ 
nieberbeutfd^en ©J)ra(i)gebiet§ nod^ toal^renb be§ 16. ^al^rl^unberfe 
ben Übergang gur mobernen ©dfirififprad^e. 

3[n ,Römggberg tritt um 1530 ber Übergang jum ^oi)- 
beutfd^en ein. 3n ^Pommern ftamnxt bie erfte Ijod^beutfd^e Urlunbe 
t)on 1541, unb 1604 fd^eint bie fpatefte |)tattbeutfdE)e Urfunbe ba= 
felbft aufgejeid^net gu fein. 3n SfJledftenburg finb bie l^ergogUd&en 
Sieffripte bi§ 1542 nieberbeutfd^, feit 1548 J^od^beutfd^ ; nac^mei^- 
bar aber \i)on feit etloa 1528 finben fic^ fürftlid^e 35erfügungen 
aud^ an nil^bcre Seantte in ]^odE)beutf d^er @|)radE)e ; §ergog 5!}tagnu§ 
fd^rieb felbft frül) Ijod^beutfd^. 3n 33raunfdön)eig beginnt bie Äanglei 
um 1550, in Dsnabrüdf um 1553, in CftfrieSlanb um 1560 
l^od^beutfd^ gu fd^reiben. 3n ©döte§tt)ig=^oIftein treten mit 153^ 
unb 1545 ]^od^beutfdE)e Urfunben auf, unb fd^on feit 1564 n)erben 
bie ßanbtaggaften bafelbft I)odE)beutfd^ gefül^rt; im gteid^en ^di)xt n)irb 
ber ßanbtag mit einer l^od^beutfd^en Sftebe eröffnet. Überl^aupt nad^ 
1560 t)erfd^n)inbet ba§ PattbeutfdE)e ate offigiette @|)rad^e bort gang.^ 

®iefer retatiö fd^neöc Slnfd^tufe ber nieberbeutfdE)en 8anb= 
fd^aften an bie moberne 8itteraturf|)rad^e unb bie baburd^ au§= 
gebrüdfte 3lnerfennung ber 33ebeutung be§ Dberfad^fifd^en er= 
Haren un§ bie oben evtoai)ntt ®rfd^einung, ba% fein ©rammatifer 
für SWieberbeutfd^Ianb ©))radE)normen aufgeftettt l^at, tt)etd^e bem 
t|eimifdE)en S)ialeft entf|)redE)en. ?iirgenb§ I)ören tt)ir burd) ba^ 
16. 3ö]^^]^unbert öon einem @|)rad^büc^tein, ba§ auf ber ptait- 
beutfd^en 5!}tunbart aufgebaut todre. ®benfo öergebenS fud^en mir 



* 2)ic Slngaben über OSnabrürf unb OftfrieSlanb öerbanfe i^ $crrn 
@taatgarcf)iöar Dr. ^crquet in OSnabrücf ; über (öc^IcSlDtg ^at ®. ??♦ Mtn 
©cfdö» b. bän. <Bpx^ im ©ergogtum ©d^leStotg I, 95 genauere 3Wittci(nngen 
gemad^t. 2(nbere8 bei S3ern^arbi, (Sprad&fartc B. 104. 



ipoc^beutfdö in ^an^Icicn unb ©döulen» 103 

nac^ einem SBörterbud^, baö ben retdfien ©c^q^ be§ meberbeutfdEien 
©prad^matertalg ju lieben für notwenbig fjiette. 

greilic^ mn^tc bie Überlegung j[ebem ®infid^ttgen fagen, ba§ bie 
^eintatlid^e @|)rad^e bei bent Überl^anbneftmen beg ntobernen @d^rtft= 
beutfdö leidet ebenfo ber ©eringfc^ä^ung unb SBerad^tung anl)etm= 
faden fonnte wie üorbem unter ber ^errfd^aft be§ ßatein. 6§ l^at 
nid^t an ©timmen gefel^lt, »eld^e ben Isolieren ©efeöfd^aftsHaffen 
bie aÜju bereitwillige 2lufnal^me ber ©d^riftfprad^e öerwiefen tiaben. 
©0 ^at 6ran§ gewarnt int ^Beginn be§ ;3al)rl)unbert§. SBenn 
aber 1582 SRatl^an 6l^^traeu§ bie SBorjüge be§ JHeberbeutfd^en 
gegen baö .^oc^beutfd^e rül^mt, fo !ann biefeS 3^ugni§ nid^t fdE)Wer 
wiegen. ®r war ein geborener Cberbeutfd^er, in Tübingen tiatte 
er feine erfte 33ilbung genoffen. Dbwol^l er nadE)mafe öiete ^aljxt 
QUöf^lie^IidE) in 3?ieberbeutfdE)Ianb lebte, i)ai er fidf) in feinen SBerfen, 
gumal in Überfe^ungen nie be§ 5ßlattbeutfdE)en bebient, fonbern wie 
faft alle S^itgenoffen be§ ^odE)beutfd&en. Unb biefer felbe 5ölann I)atte 
bie ®reiftig!eit, in feinem Jiomenflator gegen ba§ §od^beutfdE)e auf= 
jutreten unb bie in ganj SRieberbeutfd^Ianb anerfannte 8itteratur= 
unb ßatijteif^rad^e afe nid^t t)ort|anben ju betrad^ten. 2lte 5päba= 
gogen fonnte man ben 35erf affer t)ielleici^t entf dE)uIbigen : wollte er bem 
9lieberbeutfd^en bie il^m gebül)renbe Stellung im Unterrid^t fidlem 
— unb ba§ it|m bieg gelungen ift, beWeifen bie breijel^n 2luf= 
lagen, weldE)c fein 3?omen!lator jwifd^en 1582—1659 erlebte — 
fo ^atte er einige UrfadE)e ber nieberbeutfd^en 9}lunbart baö SBort 
ju reben. 2lber eine rid^tige SBürbigung ber wirflid&en @|)rad&= 
t)erl)altniffe in bem bamaligen Jlieberbeutfd^lanb barf man bei il^m 
nidE)t fud^en. 3ludö bie l^öufiger erwäljute ©tralfunber @d^ulorb= 
nung öon 1591 geftattet un§ feinen allgemeinen @dE)lu§. SBenn 
fie gegen ©dE)ulau§gaben alter Ätaffifer opponirt, weld^e wie bie 
bielbenu^ten ^rifiuS'fd^en 35irgil=2lu§gaben l^od^beutfd^e ober gar 
Id^weigerbeutfd^e Slnmcrfungen ^ bieten, fo ift bamit inbireft begeugt, 

1 ^ie (ötrolfunber (Sd^ulorbnung bon 1591 beseid^net ba8 ©dötoei^er* 
beutfcl& mit einer im 16. 3a^rf)unbert anci) fonft begegnenben 9lomenfIatur 
alg idioma Alsaticum. 3n ber ^Weiten ^älfte beffelben Sal^rl^unbertö 



104 7. ^Heberbeutfc^ unb ^od&beutfrf). 



bQ§ bte neue 8itterQturf))rad^e aud^ in ben ßateinfd^ulen bereite 
©ingang gefunben l^at. 6ine SBraunfc^lDeiger ©d^ulorbnung t)er= 
tangt 1596 auöbrütflid^, ba§ man bie ßnaben „jur obertänbifd^en 
©prad^ gett)el^ne, ba§ fie bie ®})iftoten unb ßöangelicn in berfelben 
©prad^ fönncn t)or bem 3tltar tefen". Um bie 5ölitte beö 17. 
Sfal^rl^unbertö; tt)o be§ ©l^^traeus 9iomenflator gum testen S0tale 
erfd^eint, mag aud^ in ben ©^mnafien ba§ ^od^beutfd^e gel^errfc^t 
Iiaben. ©d^on feit 1635 mirb im ßübedfer ©^mnafium beö 3lati). 
6^^traeu§ tateinifdE)e ©rammatif in einer ^Bearbeitung mit ijoä)= 
beutfd^en ^nterpretamenten benutit. Unb feit 1665 toirb in ben 
unterften fitaffen be§ Sielefetber ©^mnafiumö ein tateinifd^eö 
3)iaIogbüdE)Iein gebrandet, ba§ audf) t|odE)beutfdE)e 3nter|)retamente 
bietet : antiquam illam et genuinam dialectum Westphalicam 
ego nequaquam improbo — fo äußert fid^ ber 35erfaffer — 
attamen quia omnes eruditi in universa Germania, in scriptis 
saltem, superioris Germaniae idiomate utuntur, nemo mihi 
vitio facile vertet, quod ad hoc (idioma) meae fidei com- 
missam juventutem a pueris statim in schola assuefacere 
constituerim.^ 

Sfißenn bie ©c^ute bereite um 1600 bem neueren ©d^riftbeutfd^ 
Eingang t)erftattet, fo mu§ ber ©ieg beffelben naturgemäß frül^er 



bürften au^ elfäffifdöen 2)rucfereien feine SBerfe mit bem alten ^ofalismug 
mcl^r fieröorgeflanflcn fein. SBcnigfteng ift öon Sfonr* S3nrbacö, ber bie be^ 
trcffenbe ©tcttc anbcrS öerftel^t (©intgung ber neul)0cl&bentfcl^en (Srfiriftfprac^e 
(S. 18. 20), feine elfäffifd)e <öd)nlau8gabe cincg alten SllaffiferS beigebracht. 
SDie 3ürd)er SSirgilauSgabe bc§ ??rifiu8 ift feit 1561 einige Tlak mit fc^tt)ei= 
3erifd)cm (1561.1567.1581) unb mit ^oc^beutfd&em (1597. 1610) 35ofa(i8muS 
erfd^icnen. 

* Über ^i)t)tx'dm ügl* S3nrbad&, bie ©inigung ber ncul&odjibcutfd&en 
Sd&riftfprac^e @. 16. ^ic öraunfd^meigcr (Sd^ulorbnung ^at ^olbeioe^ 
SRonum. @erm. $äbag» I, 127 ücröffentlirfit. ^a§ S3iclefclber ße^rbud^ 
filiert ben Xitel Formulae latine loquendi pueriUs etc. pro septima et 
sexta classibus in schola Bielefeldensi ßcmgo 1665, S)a6 baS S'licbers 
bcntfc^e noc^ lange in ben ßateinfd^ulen nottwenbig bleibt, geigt Setting^ouS 
im .torrefponbenjiblatt beg nieberbeutfciöcn 25crein§ 1886, (S. 4. 



@d&ule unb fiitteratur, fpegiell bie Stomöbien. 105 



üiigefe^t werben. SBic bie ^jJrebigt, um beu ungefd&ulten ßaien 
Derftäubüd^ gu fein, ben S)ialelt noc^ bel^ält, alö bas §oc^beut|d^e 
bereite überall anerlannt ift, fo laitn juuäd&ft auc^ bie Bä)nk 
fdbft nicj^t auf ben ®ialeft Derjic^teu. 

Slber lüeber ^anbtDerfer unb Söauern, noc^ ©ejtaner unb 
©e))timQner öon öateinfc^ulen finb für benjenigen gelüid^tige ^er= 
fonlid&Ieiten, ber unfere ßitteraturf^^rad&e flubirt. dlxä)i ber ZaQ, 
an tüeld^em ba^ ^ocj^beuifd^e feinen ©injug in ©d&ulftuben unb 
SBerfftätten geljalten, gibt unö ben Termin, öon bem tt)ir für 
9licberbeutf(^lQnb ben 9lnf(^Iu§ an bie ßitteraturfprad^e ju rechnen 
toben, fjür bie ©efd^ide ber neuen ©d&riftfprad^e im großen ift eö 
gleid^gültig, ha^ im Saläre 1611 auf Flügen niemanb ^od&beutfd) 
t)erflQnb ober hci^ ber Lüfter ^an^^ öammert in Dftenfelb bei 
^ufum 1678 t)ün feinem ©uperintenbenten abgefegt mürbe, tt)eil 
er nur plattbeutfd^ fingen fonnte ober tt)ottte. 3Ber eine nieber= 
beutfiä^e @t)rac^gefc^ic^te fd^reibt, mnfe l^ierauf Sflüdfid&t nel)men. 
3Ber aber ben ©ingug ber ©d^riftfprad^e in bie litterarifd&e 5|}ro= 
bultion ber nieberbeutfd&en ßanbfc^aften fd&ilbern tt)ill, barf an ber 
Sitteratur felbft nid^t öorübergel^en — unb biefe gibt uns bünbige 
Slntmort auf bie ^rage, mlijc Stellung fid^ ba^ ^od^beutfd^e 
fd^on öor 9lblauf beö 16. Sfal^rl^unbertö erobert l^at. 

33ereit§ t)or @d^Iu^ beö 16. i^ö^rl^unbertö blül^t ba^ fjoä)- 
beutfd^e @d&auf))iel in Siieberbeutfd&Ianb. 9iun ift eö für bie 
©tettung ber ©d^riftf^^rad^e intereffant gu feigen, ba^ nur Slüpelfgenen 
fiij im l^imifd^en S)ialelt bewegen ; ber 2)ialeft ift nur für bie a3er= 
treter ber unterften ©d^id^ten beö SJoÖes t)or]^anben. 2)aö ju 9toftodE 
1578 erfd^ienene @^3iel Oemefeö t)on S)amon unb 5|}l)t]^ia§ ift i}oä)^ 
beutfd^, aber jn)ei SBauern unb ber SBirt reben ))Iattbeutfdö. 1593 
bietet §erjog §einrid^ Sulius t)on 33raunfd^n)eig in feinem i)oä)= 
beutfd^en 3)rama Don ber ©ufanne nieberbeutfd^e ^iemn, 3iieber= 
beutfdö begegnet nod^ in ©öbels i^di)xi 3a!obö, in btn §irtenfgenen 
t»on ©eorg ^onboö ßomöbie t)on ber ©eburt ßl^rtfti 1589. 1606 
finben fi(^ nieberbeutfd^e SBauernfgenen in Jioc^im ©d^Iu'ö i}oä}= 
beutfc^er *^omebia Don bem frommen gottfürd^tigen unb ge^orfamen 



106 7. ^TiicbcrbcutW «nb §od)bcutfc^. 



3ffaQf (fRoftotf 1606). Unb 1649 mifc^t 3o^. Slift nicberbeutf^e 
©jenen in fein 'freubejaud^genbeS Seutfd^lanb*.^ 

3n fold^en Sl^atfad^en fpiegelt ftd^ ber Umfd^lDung ber Bpxaä)- 
t)er]^ältnifje SRiebetbeutfc^lanbö beffer lüieber ote in lofolpatriotifd^en 
Sufeerungen r)ox\ SJlännern, bie bm S^itgeift ignoriren. ?fliä)t ber 
puerile !JJomenf(ator be§ ß^^tröuö, fonbem Demefeö ©piel öon 
®amon unb ^^t^ia§ ift ber ©rabmeffer, nod^ roeld^em mir bie 
©tellung t)on SJlunbort unb ßitterQturfprad^e in einer nieber= 
beutfiä^en ©tabt wie 3floftodE ju beftimmen l^aben. SWid^t bie 95rQun= 
fd^lDeiger ©d^ulorbnung t)on 1596, fonbem bie ©d^aufpiele be§ 
SBraunfc^roeiger «^erjogs wirb ber ©prad^forfd^er §u State jiel^en, 
ber ben ©ieg ber neul^oc^beutfd^en öitteraturfprod^e über bie 
SJtunbort feftfteUt. Unb bie Säten, tt)eld^e fid^ qu§ ben l^od^= 
beutfd^en Überfe^ungen nieberbeutfd^er 3Berfe unb qu§ ben ©d^QU= 
fpieten ergeben, Vertragen fic^ mit ben ©d^idffalen ber ©prac^e in 
ben ^ü^anjteien. ÜberoK öoBjiel^t fid^ ber Umfd^mung jnjifd^en 
1550-1580. 3m legten SBiertel be§ 16. Sfo^r^unbertS ip bog 
ßoö ber aJlunbart nicf)t mef|r jroeifel^aft. ©eit 1570 l^errfd^t in 
ben nieberbeutfd^en ßonbfd^aften für bie (itterarifd^e ^robu!tion foft 
auöfd^liefelid^ bie ©d^riftfprac^e. 

3m 17. Scii^rl^nnbert finb benn aud^ bie ßlagen über boö 
SSerfd^lüinben be§ Pattbeutfd^en au§ ben S)rutffd^riften nid^t mel^r 
aufföttig. 6in ©rammatifer — ©ebl^arb Döerl^eibe in feiner 
*t)ermerten teutfd^en ©d&reibfunff SBraunfd^weig 1668, ©. 27 ff. — 
flagt, „bofe e§ einem nieberbeutfd^en ©c^reiber nunmel^r fd^njerer 
fäUt red^t nieberbeutfd^ afe l^od^beutfdf) ju fd^reiben unb ju lefen". 
Otto t)on ©ueridte, ber berül^mte SBürgermeifter t)on 3Jtagbeburg, 
fd^eint in biefer ßoge gelüefen ju fein; feinen l^oKönbifd^en ßor= 
refponbenten, hen SJerleger S^nffon t)on 3Bae§berge, bittet er um 
]^od^beutfd[)e SBriefe, ba ba^ 5Ricberbeutfd^e meift au§ ber Übung fei.- 



' SBqI. JBilöer in 3a*erg 3f4. f. b. m- 11> 203. 
2 §ülffe in ben aWagbeburser ©efc^ic^tsbröttern XIII, 165; ipoffmanu, 
Otto t). ©iiericfe @. 227. 



^aS $«bb. im 17. 3af|rf|unbert ; Stimmen an^ bcr 3cit. 107 



So 9cftcl)t a\x^ bcr iDcftfaüfd^c ©efd^id^töfd^reibcr ^6i). 2)tclr. t)on 
©teilten, nieberbeutfd^ nur mit SKül^e fd^reiben ju fönnen;^ mit 
großem Sebauern nimmt er ben Jiiebergang beö ^lattbeutfd&en 
tmb baS Überl^Qnbnel^men be§ SJleifentfdöen toa^x, o6tt)ol^l er gtoeifel^ 
los — tote feine nieberbeutfdö=meifenifc^e SBortlifte beiocift — feiner 
l^eimifd^en 3Jtnnbart tool^l funbig ift. 

öefonberS fd^merglid^ aber mufete baS Burüdtroeid^en be^ 
JJieberbeutfd^en jeben berühren, ber mit nieberbeutfd^en Srmfen 
auö ber erften ^ölfte be§ 16. ^fal^rljunbertö befannt mnrbe. „Sie^t 
fd^reiben — fo tautet eine ©timme t)on 1672 - — anä) bic ^Qm= 
burger Äauflente nid^t me^r fonberiid^ nieberfäd&fifc^, me( loeniger 
lefen fie c§. SBo fielet man je^unb fonberlid^e nieberfäd&fifd^e 
Sudler, alö t)or biefem gett)efen unb bnmten gebrandet n)orben? 
Rarissima avis erat, wie id^ Vergangen aufm 8eit)giger Sröbcl 
eine mörfifd^e SBibel antraf. SBeiter tt)er ein toenig gereift l^at unb 
in fein SBaterlanb toieberfommt, ber l^at flugS biefe meifenifd&e 
Sprache anget)adEet unb mit feiner SRuttermild^ t)ertaufd^et \" Unb 
ö^nüd^ fd^übert SKicröliuS 'öom alten 5|}ommerIanbe' 1639 bie 
fprad^lid^en Suftänbe in einer nieberbeutfd^en ßanbfd^aft nid^t ol^ne 
ttarnenbe SQßorte: „S&ix anbem ©ad^fenleute f|aben nun aud^ eine 
Seit lang an unferer 9Jlutterf))rad^c einen fold^en SdEel geliabt, ha^ 
xinfre Äinber nid^t ein a5ater=Unfer mo nid^t in l^od^beutfi^er @prad^e 
beten unb loir feine pommerfc^e ^rebigt f aft mel^r in ganj 5)Jom= 
tnem ^ören mögen, tt)eil atteö mu§ l^od^beutfd^ gebetet, geprebiget, 
gefimgen, gefd^rieben, gerebet unb öerabfd^iebet werben unb unfer 
männlic^eö attijifirenbe§ %a\i mu§ attentl^alben ber figmatifirenbcn 
©prad^e loeid^en." 

(£ö war für Siieberbeutfd^Ianb alfo mit einem SBorte bafjin 
gefommen, bafe ein gelel^rteS 2)eutfd^ bem geleierten ßatein ber 
mittelalterlid^en ßird^e auf bem {J^B^ gefolgt war. SBieber war 
bie angeborene SJlutterfprad^e ber ©eringfd^ä^ung unb SBerad^tung 



^ SBcrfiic^ einer toeftfär. ©efc^ic^te, ^ortmnnb 1749 @. 44. 
^•SßrätoriuS Satyms etymologicus @. 5. 



108 7. ^icberbcutfd) unb ^ocfebeiitfd). 

t)erfattcn. 3)er I)eimif(^c S)talc!t eutroeil^tc — fo toax bcr ]^err= 
fc^enbe ©laube — ben ©ottesbienft, xoax für ben 35erfel)r be§ 
5ölcnf(i)en mit feinem ©otte ju profan. Sie beutfd^e @döriftft)rttd^e 
war alfü an bie ©teile ber mittelalterlid^cn 3BeIt= nnb ßir(6en= 
fprad^e getreten. 9lnr nod& in lönblid^en ©emeinbcn erflingt bie 
plattbentfd^e 9)lnnbart t)on ber Mangel ; aber tüo ein ernfterer unb 
getragenerer SLon Ijcrrfd^t, brängt fid^ auc^ l^ier ^od^beutfd^es ein, 
n)ie in bcn nieberbeutfd^en ^rebigten t)on 3fobft ©adtmann, ber 
um 1700 in öimmer bei ^annoöer eine iDeitreid^enbe SQßirffamfeit 
entfaltete, ©o bringt and^ bei Trauungen ba^ ^od^beutfd^e burd^, 
aber baneben bleibt in ben nnfauberen ^od^geitsgebid^ten jener 3^it 
baö Siieberbeutfd^e nod^ lange lebengfäl^ig. SBir treffen gleid^geitig 
(Sibeäformeln, bie in ber nieberbeutfd^en SJlunbart t)erfa§t ftnb; 
aber il^re ©d^Iu^formel *fü toal^r mir ©ott Ijclfe u. f. tt).' ift ]^od&= 
beutfd^ — ein fd^IagenbeS 3ßugni§ für bie Sluffaffung beö S5er= 
l^ältniffeö Don ©d^riftf^^rac^e unb 9)lunbartJ 2Bir würben jebod^ 
nnbanfbar gegen unfere gefamte ^ulturentwidtlung fein, wenn wir 
neben biefer gweifelloä unwürbigen ©teüung ber angeftammtcn 
SJlunbarten l^ier öergeffen woüten, weld^e grofee Segnungen un§ 
bie bem S)iale!t naturgemäß öerberblid^e ©döriftf))rad&e gebrad^t 
l^at, inbem fic un§ ba§ 3beal ber ))oIitifd^cn 6inl)eit fd^uf. 

Slber au^ ben ©timmungen, bie ung in jenen SQßorten t)on 
^rätoriug unb 5ölicräliuö entgegen treten, begreifen wir ben früljen 
SBerfud^ einer reaftionären ^Bewegung burd^ ßüuremberg. ©d^on 
bie um ein ^ci^rl^unbert öftere 33raunfd^weig=8üneburgifd^e ßird^en= 
orbnung Don 1544, t)on bereu 3)ialeft ©. 99 bie Siebe war, t)er= 
banft il^re ©jiftenj einer 9teaftion; jene Söeftimmung ber ©tral= 
funber ©d^ulorbnung Don 1591, weld^e ol^ne bie Slnnal^me eine§ 
weiten SBereid^g ber ©d^riftft)radöe nid^t gu Derftel^en ift, fließt 
gewiß anö einer ©efinnung, wie fie f^^äter ber SRetflenburger üan= 
remberg tl^eoretifd^ gum 9luöbrud gebrad^t l^at. 

* S^öt. 3o]^, 3)aü. 3Jiid)ae(ig oratio de ea Germaniae dialecto, qua 
in sacris faciundis atque in scribendis libris utimur in feinem Syntagma 
Comment. ©öttingen 1759. 



^caftionen geflen ba^ §b.; i^auremberQ» 109 



®icfer tritt mit aller Sntfd^ieben^eit gegen bie auSfd^Iiefelid^e 
^errfd&Qft beö ^od^bcutfd^en in ßird^e unb ©d^ule, t)ür ben ®e= 
rid^ten unb in ben ßanjleien unb gegen bie ©eringfdöä^ung feiner 
l^eimifd&cn SJlunbart in§ fj^lb. 3)er ftete aSanbel, in beut bie Qttge= 
meine ©(j^riftf^^rad^e bamafö begriffen toax, ift ü)m einer t)ermeint= 
liti^en ©leid^mäfeigfeit be§ ?lieberbeutfd&en gegenüber ein Bcid^en 
öon Unreife, ein Strmutögeugniö.^ 

Unfe 8prafe blift attib beftänbifl unb feft; 

2l(g fe erften toaS, eüenfo i§ fe orf left. 

3utt)c öeränbert firf alle föf tig 3a§r; 

2)at fönnen be vgc^riften.bettjifen flar: 

®iner fann mit groetcr Wlottj fuem bre Dlegen (efen 

33an ber Spraet be bomalS i§ im ©ebriief getüefen: 

®c t§ fo (appifc^ itnb fo üerbrübifcö, 

'liat man fd^ier nidöt toeet, of it nje(f(^ Ig ebber bübifc^ ; 

3Wen be 8prafe in gang Dlebberfagenlanb 

JBüft nnüerrürft unb ^eft S3eftanb. 

®ie ©inl^eit ber SRunbarten auf ben nieberbeutfd&en ©ebieten 
ftetit ber 3)ici^ter bann in ©egenfa^ ju ben großen Untcrfd^ieben 
in ber ©prad^e ber l^od^bcutfd^en ßanbfd^aften. Unb um ju erflären, 
toarum ba§ ?lieberbeutfc^e tro^ feiner 33orjüge nid&t ßitteratur= 
unb offijiette ^pxaije fei, tDagt er bie fütjue 33e]^au))tung : 

25arnt fann men ere Sßerbicöeit merfen; 

^enn toat gemeen ig an allen Örben, 

"^^at t§ nic^ in fiilfen $r^g imb l&ogen Sterben, 

21IS toat man nid^t l&cbben fann atte g-aert. 

Söcet gemeener finb S3uren als (SbelUibe; 

@rof Safcn tüerb mer gebragen al§ (Sammit nnb <Sibe ; 

<Semme( i§ nid^t fo gemeen a(g S^loggenbroeb ; 

mx tocrb gebrneft bat S3öfc a(§ bat @oet. 

SBenn unfc 8prafc fo gemeen toär alg jnnjc, 

3cf toolbe bar nicfit öocr npftafjn hi miner ^ruttjc. 



* 8. SB. 23ranne8 STuggabe öon 3o]&. i?auremberg§ nbb* ^c^erg* 
gcbid^tcn, $allc 1879; bie obigen ^erfe entflammen bem öierten ©ebid^t 
561-635, 



110 7. ««ieberbcutfc^ unb ©oc^bcutfc^. 



S)ie nicbcrbcutfd^e 93ibcl toirb afe SetDeis einer frülieren 
nieberbeutfd^en ßitteratur Ijerangegogen ; t)or oKen ber ffteinccfc S5o§, 
eine loftbare unerfd^öt)f(i(i^e Dueüe ber ßebenäiDeiöl^cit. 

aWan ^cft Pdf ttoax tomartcrt, bat S3oef to bringen 
3n l^od^bübfcl^e @))raef; men it toii gang nid^t Hingen; 
3t flat)t)ct icgen bat Original to refen, 
21(8 ttjenu men pkd)t ein @türfe fuel ipolt to brefen 
@bber fc^mit einen olben $ot jegen be SBanb. 

3)aö SWieberbeutfd^e — fieifet e§ iDciter — eigne fid^ aud^ jur 
ßitteraturft)rad^e ; für alle l^od^beutfd^en SBorte biete e§ @nt= 
fpred^ungen ; ber nieberbeutfd^e SSortfd^a^ fei getüife lein ^inbemis 
an ber SBertoenbung ber SJlunbart für litterarifd^e 3tt)e(fe.^ 

©0 öergiDeifelt freilid^, »ie bie Sarftelliing ßaurembergö unb 
feiner S^tgenoffen ben 3iiftönb be§ SRieberbeutfd&en erfd^einen 
laffen, lagen bie Singe benn bod^ nid^t. S)em tüirfUd^en ßeben 
ber SJlunbart fd^abete bie litterarifd^e §errfd^aft ber @d^riftft)rad^e 
ttenig. SJlod^te im amtlid^eu SBerfeljr, in ber ©d^ule unb in ber 
Äird^e ba§ ^od^beutfd^ uneingefd^ränlt Ijerrfd^en — bie ©prad^e 
beö gefetlfd^aftlid^en 35erfel^r§, bie natürlid^e ©))rad^e be§ geborenen 
Dlieberbeutfd^en blieb aud^ über ba§ 17. Sfctlirl^unbert l^inauö 
feine SJlunbart. ®ie neuere 33lüte ber nieberbeutfd^en S)iale!t= 
Ktteratur tt)äre unbegreiflid^, toenn mit bem 9luffommen ber ßitte= 
raturfprad^e bie SJlunbart gang öernid&tet tüdre. Slod^ lange nad^ 
1700 Ijerrfd^t in ben öornelimften ®efetlfd^aft§flaffen einer §anfe= 
ftobt bie SJlunbart. ^m ^dS)xe 1727 Ijielt fid^ in SBremen ein 
t)orneI)mer, fein gebilbeter Snglönber auf, ber in ben erften Greifen 
ber ©tabt t)er!e]^rte. ©eit einer Sleife nad^ SBien mit grünblic^er 
Kenntnis be§ ^od^beutfd^en auSgerüftet, toax er überrafd^t, l^ier nur 
plattbeutfdö gu l^ören. Safe man il^m aber feine ))Iattbeutfd^e SBibcl 



* @t)ötcr ftnbet bie nicbcrbeutfdöe iDlunbart nicl^rfac^ SSerteibiger ; 
t)gl. 2rj)in, Son nnbittigcr Serad&tung ber plattbeutfc^en ©prad^e, Dloftodf 
1704 (nac^ ben ©reifSttjalber ^rit. SSerf. I, 248 ift »em^. 9lanbac^ ber 
€tgcnt(ic^c Sßcrfaffer ber <Sc^rtft). Über 9taxi md (um 1730) ögl. Sa^rb. 
bcS r\bh. SSercing 1882 @. 1 ff. 



SHeaftioncn gegen ba^ ©od^beutfcfee. 111 

ober Qnbcrc munbartlicJöe SBüd^er geigen fonnte unb bofe ^od^beutfd^ 
bic ©prad^c bcö ©otte^bienfte^, bie ©))radöe be^ Brieflidöcn a5er= 
lel^rö mar, befrembcte il^n fo fel^r, ba^ er naä) feiner Slüdfel^r in 
bie ^einxttt über biefeö SJerl^altniä t)on @(i^riftf|)ra(i^e unb 9)lunb= 
art in feiner ©d^rift The German Spy* befonberS eingel^enb be= 
rid^tete.^ ®a§ Sengniö biefeö SJianneS ift um fo 9en)i(^ti9et, afö 
mit bem Slufblül^en ber Ijod^beuifd^en ßitteratur in ben ©eeftäbten 
bie einl)einxifd&en ©d^riftftetler eifrig bebad^t tüaren, il^ren gefettfd^afl= 
lid^en J^reifen .eine öoüenbete 2lneignung ber @d^riftf))radöe beigu= 
legen. SBenn SBroÄeö baljer in 2Beid^mann§ *^oefie ber 5Rieber= 
faij^fen I, 4 bel^auptet, ba^ I)üd^beutfd& bamate aud^ bie ©prad^e 
aller feinen ©efellfd^aften gewefen fei, fo tt)irb un§ biefeg 3eugni§ 
ipeniger gelten ate bie unbeftod^ene SJlitteilung beä ©nglänberö. 



* 2)unöe, @efc^. b. (Stabt 23remen III, SSortoort (S. 23. 2)cr genauere 
^ttcl beS englifc^en S3uc^e8 ift *The German Spy or Familiär Lefcters from 
a Gentleman on his Travels thro^ Germany to his friend in England etc. 
2. STup. 1740 @. 52; nac^ btefer 2. Sluggabe crfc^ien in ßemgo 1764 eine 
beutfd^e S5earbcttung *ber beutfc^e ^nbfdfeafter', an^ totld)tx fic^ (nac^ aWit- 
teitung be§ $erm Dr. ip. ^leba^n in ^Bremen) Xfioma^ ßeb^arb, @efanbt= 
fcfiaft^fcfretör beS grogbritanntfc^en ©efanbten (Stritt SBid^ (in Hamburg) afö 
mutmaßlicher SSerfaffer be8 German Spy ergibt. 



8. 

ICattin un5 ^umanistnus. 

Unter ber «iperrjc^aft beö Öatein in üixä)e nnb Staat tcar 
baö Sentfc^e ftänbig in ©efa^r, burd^ frembe Büge einen nenen 
6t)ara!tet jn crfjatten. 5niit bent 2lnf(e6en ber üaffifc^en ©tnbien 
t)er9rö§erte fid) biefe ©efa^r. @o I)at fid^ nnfere @))rad^e feit 
ben Sagen beö 3Iriot)ift nnb beö 2lrmininö nientate benx ®infln§ 
beö Satein entjie^en fönnen, aber niemalö toeniger alö in bem 
crften 3af)^^unbert ber bentfd^en 9flenaiffance. 2lnt @d^In§ biefer 
3eit, im ;3at)re 1571, fonnte ieberntann fd^neü überfd^auen, wie 
fel^r bas Seutf(^e gerfe^t war, an ©inton äloteö 5^embtt)örterbud^.^ 
Sein t)olt!(ingenber 2itel öerf^^rid^t etwaö t)iel ; eö finb jebod^ 
faft anöfd^lie^Iic^ lateinifd^e SBortmaterialien, bie 9flote ben Unge= 
(eierten erflärt. 6ö laufen natttrüd^erwcife fleinere ;5^rrtümer unter,- 
inbent er gut beutfd^e 3Borte auö ben gleic^tautenben tateinifd^en 
ableitet. Stber nad^ äffen Slbjügen, bie toir mad^en muffen, bleiben 
bodt) etma 2000 SBorte übrig, bie ju ätoteö 3^it itn ©eutfd^en 
alö eingebürgert galten ober S8ürgerre(^t ju erlangen brol^ten,- 
ol^ne in ben früheren Sfal^r^unberten l^eimifd^ gewefen ju fein. 

Sutl^er, ber forgfältigfte SBeobac^ter unb feinfül^ligftc ßenner 



* @tn teutfcfier ^ictionariu§ ba^ ift ein STufeleger fc^toerer unbefanter 
teutfd&er griec^ifcfter (ateintfc^er ]&ebraifc§er tüälfcfter unb frangöfifd^er, aucft 
anberer Stationen Sßörter, fo mit ber Sßeil inn teutfd^e @prac6 fommen 
fetnb unb oft mancherlei Qrruug bringen u* l to., burc^ ©imon S^loten 
2rug§burg (bei mid^atl Tlamn) 1571. 



ifatein unb $umaui«mu<^. 113 



her ÜBolfsifprad^e, mcibct tnc^r afe feine S^itgenoffen bte 6in= 
mifd^ung t)on toteinifc^en 3Borten in feine Sd^riften. SBer etoa 
bQö leiber unöoüenbetc 8ut^er=2Börter6n(J^ t)on S)ie^ neben ©imon 
Sfoteö '!l)ictionariuQ tjält, bem tritt bic JReinl^eit jnntal beö bi= 
blifd^en SBortfd^a^eö entgegen. 9tote etflärt etwa 2000 lateinifd^e 
SBorte, bic bem Äanjteiftil beö 16. 3ia]^tl)nnbcrt§ angetjören; anf 
500 iQteinifd^e SBorte bei i^m fommen eitoa 100 belegbate SBorte 
bei Cntfjer, unb t)on bicfen bürfte auf bie bcutfd^e SBibel nid^t ein= 
mat ber merte 2ei( lommen, fo ba§ ton batin im gangen ettoa 100 
(ateinifcf)e SDlobeiDorte jener 3cit anträfen. 

Unb t)erg(eic^t man eitoa ßnt^erö beutfd^e 33ibel mit ber 
fatJ^otifd^en Bearbeitung SdEö, fo finbet man in ber le^teren ga]^I= 
reid^e lateinifc^e 8e]^ntt)orte für gut beutfc^e SBorte 8utl)erä. @dE 
fagt prop^erifiren^ S^^^^^^M, Orient, ÄapCötal, (Blori, 
3(mpel^ licgtnt, wo ßut^erö SBibel vociffagtn, (Brunb, tnor^ 
gen, Änauf, ^errlic^Feit, ^acfcl, -feerr geigt. ®iefen ma§= 
t)offcn ^nriömug l^at Untrer unferer ^pxaä)e nid^t auf einmal ge^^ 
Wonnen ; erft affmät)(id& toirb er gegen benebeien, Pforte, ^irma ^ 
ment eingenommen gu ©unften t)on (tgntn, C^or, -^ittimeL 
Überhaupt ift ßut^erö (ateinifd&er SBortbeftanb nid^t umfangreid^; 
tt)ir treffen SBorte wie tHajeflat, (B^lori, (Sarbian, pefli^ 
len?, Currifan, ^inanjer, iection, btapuriren, Clement, 
itfcmpd, fantafiren, ^anta(l, 2(rtiFel, CapiteL 3^eifefeo^ne 
l^at ßutl^er mit t)onem SBewufetfein bie lateinifd^en SBortc ge= 
mieben, wie er fid^ benn lange 3cit — obgwar Vergebens — nad^ 
einem paffenben @rfa§ für Perfon umgefel^en l^at (ÄöftUnS ßut]^er= 
biograptjie I, 600). §ier glauben wir aud& feine 3lbneigung gegen 
verba castrensia et aulica gu Derftel^en, bie er in einem ©d^rciben 
an ©palatin t)om 30. aJtärg 1522 äußert (©. 48). 

S)aö gange ©prad^material, burd& wcld^eö bie 3cit ber 9ie= 
naiffance in 2)eutfd&(anb d^arafterifirt wirb, ift wefenttid^ (ateinifd^. 
3En 6döule unb ßird^e fe^t alfo ba§ ßatein feinen Sinflufe fort, 
ben e§ burd^ ba§ gange 9Jlitte(attcr bei unö gel^abt l^at. 2lud^ bie 
9leformation ifi bm lateinifc^en ßel^nworten nid^t feinbtid^. 3toingIi 

5M u e , Son Sut^r lii ^t\fin%, 3. Aufl. g 



114 8. ßatcin unb ipitmant^muS. 



toax in größerem Umfange ^ßurift alö iJutl^er. 3(ber man fann 
Don biefem ^Puriötiiuö eines einjcinen nod^ fo entid^iebencn 3!Jlannc§, 
beffen SBirlfamfeit jubent lanbfd^aftlid^ eingeengt toax, feine SBir= 
!ung anf bie Spxaä)e feiner 3cit ertoarten. SBdre Dleinl^eit bcr 
Sprad^e bie ^arole biefeö ;3al)rl^nnbertö gemefen, wie es bie beö 
näd^ften werben foüte, fo würbe Simon 9^ote 1571 nid^t eine 
Sifte t)on etwa 2000 tateinifd^en SBorten gufammengcbrad&t l^aben. 

S)ie wiffenfd^aftlid^e Spxaijc ftro^t Don SBorten wie 2in^ 
tic\uität, ^umanith, biaputiren, £)t6CtpUn^ 5Doctor, JEbition, 
^Clement, JEloquentj, Äjrcmpcl, ^acultlt, ^ra^mcnt, !3biot, 
'Jgnorant, (Dpua, Öcribent. ®ie afabemifd^en Sürger fd^affen ftd^ 
eine eigene lateinifd^e Terminologie : Calfactor, Coquinai;^ bcpo^ 
nircn, ^amulue^ ^acjr, p^oa. 3llc^imie nnb 3!Jlnft! fütjren weitere 
lateinifd^e 3Bortbitbnngen ein; mit ber festeren ftel^en im 16. 3a]^r= 
:^nnbert SBorte wie £omponi(l, iDiflonanj, tCact, iXidobci, iXlcn^ 
(ur, tnobulation, iXlnuuiXlotcta, tahulircn im 3ufammcn]^ang. 

^n ber ^anjleifprad^e wnd^erten 3Borte wie cito, Vibimue 
unb jbatum neben 2tuction, 2iub\cni, citircn — Citatxon, com^ 
mumctren —- (Eommunication , conbemnircn, (Eontract, 
€ontrovcre, Convcnt, Ccnvcntidd^ (Eopci, Curial, JDecret, 
J)cfcct, biflcntircn, Äbict, ififlfcct, emancipiren, faUireh, 
^i6cal — ^i6CU6, ^orntukr, ^ntcrcflc, Infamie, ^n(lru^ 
ment, ^nrectire, ^nrentari, ^u(?i5, ÄibcU, ittidire, iXiif^ 
ficn, ITJotir, nation, Äejibcnj, 0crupeL 3lnc^ eine fJüKe t)on 
lateinifd^en Sejeid^nungen für ^Imter unb Sitel ift mit bem 16. 
Sfal^rl^unbert bei uns in ©d^wang gefommen: %bvccat, Com= 
miflariuB, Copifi, Curator, ÄjrceUcnj, ttJajeflat, iXtonard), 
Potentat, Hegcnt. fortan treten bie alten 5Dtonatsinamen C^rif?^ 
monat, -4»ornund-, ^-^cumonat, Äradjmonat, XX>dnmonat^ 
^crbflmonat immer metjr in ben ^intergrunb ju ©unften ber 
Iateinifd[)en 5Deccmber, ^cbruariu«, ^uliue, 'Jnnine, (Dctober, 
September; fo bleibt leiner t)on ben altbeutfd^en 9)lonatönamen 
übrig, für bie einft üaxl ber ©roße eingetreten war. 

2lud^ ba^ l^eimifd^e beutfd^e ©^^rac^gut nimmt ein fremb= 



fieI)nh)orte. 3teU^mg ber ^umaniften. 115 



artige^ ©c))ra9C an. ®ic jal^Ircic^en 3^ittt)ortc auf iren (fpajiren, 
(lubircn, regircn, poctifiren, fabuliren, jubilircn, triump^tren, 
quitrtren, probircn u. f. tt),) ergeugcn beutfd^e ^lad&bitbungcn tt)ic 
^albircn, fc^impftren, ^Äujircn, (?ol?iren, toUijircn, ^riUis^ 
fircn, gdlir cn — frül^cr iDaren ^antiren imb ^öftren öorl^anbcn 
gctDcfen — unb tiefern jubem bie SBorbitber für bie fpäteren 
f^iirriren, bu<^f?abiren, fd^anbircn, burfc^iren, ^afcliren. 
3tiid& bie jal^Ireid^cu STbftraftbilbungen töic Comparat^, CoUatj, 
hieputat^, ^unbatj, promutatj, Pur^a^ tperben 9lu§gan98= 
fünfte für einige beutfd^e 3BortbiIbungcn t)on Dorübergel^enbcr 
ßriftcnj. iJateinifcl^=rümanifd^e 3Borte töie (B?«röian fül^ren ju 3Jeu= 
bilbungen n)ie tJpfl^tt (ju ipse), jDulcian unb ju 3töitterbilbun= 
flen tt)ic (Grobian, Unart, jDummmn, 0tolpn«n, Bc^lcnbrian.^ 
6§ töäre eine Ungered^tigf eit , bie ^umaniften für biefen 
Sd^maü Don lateinifd^er SBortmatcrtalien unb 3BortbiIbnngen t)er= 
antlüortlid) ju mad^en. 216er ha^ Slnfel^en, mlä)QQ bie alte 9leic^§= 
unb ßird^enfprad^e burdö bie 9tenaiffance t)ün neuem bei unö cr= 
langte, jog foId)c 2Bir!ungen nad) ftc^. Unfere ^umaniften toaxm 
ber SSoIföfprad^e nid^t gram. 3leud^iin, ber ein feines S)eutfcf) 
fd^rieb unb fprac^, l^at barauf gebrungen, ba^ bie atten gried^ifd^en 
«nb lateinifd^en ©efc^id^tsfd^reiber überfe^t tnürben, bamit man bie 
3!Jiutterfprad()e t)ert)ottfümmne. Unb ba^ lijin bies entft tocix, 
beiüieö er greunben unb ©önnern burd^ eine eigene Überfe^ung 
Don jtt)ei ^I)ilip^3ifd^en 9teben beö Semoft^enes unb bes erften 



^ 2öal&rfd)cinnc§ be^iel^en fid) auf bie 3iottterbiIbungcn bie klagen beg 
Sol&» (Stol^, Querela Martini Lutheri (23afel 1555 (2. 109) : eum sermonem 
quem nostra natio iam vulgo usurpat ego quidem in dies minus atque minus 
intelligo; sie omnia nove insolenterque et mirifice dicuntur neque magis 
oratio simplices animi sensus verbis notis interpretantur, sedcallide et vete- 
ratorie atque improbe cogitata fraudente dubie furiose scurriliter pronun- 
ciantur. Sic non loquebantur quantum ego memini majores nostri neque ego 
istam alienam loquelam usurpare ausim, ne velim quidem discere, ut possim 
pereipere audiendo; nam ista barbaries est, cujus de consuetudine diu- 
turna barbarorum hominum nostra olim elegans atque pura lingua sordes 
et foeditatem contraxit. 

8* 



116 8. fiatein unb $umani§miiö. 



33udöc§ ber IuöcuIqucu Stcerog. @inc ftilifttfd^e 3loxm, bic er 
felbft befolgte, t)erbient in btefem Sufaminenliange befonberö aner= 
fannt ju werben: „"SSlan foff ftd^ fd^ämen in tütfdjen Jftebcn unb 
^^rebigen t)it ßat^nö batunber jn mifc^en". aBimt)felin9 ift ein 
energifd^er ©treiter im ßampf um guteö 2)eutfcl^. ^utten, ber 
Splitter unter bm .^umaniften, wirb in bie grofee beutfd^f))rad^li(i)e 
^Bewegung gebogen. SJleland^t^on unb Snjingli, bie ben ^uma= 
niftifrf)en i?reifen eng öerwanbt finb, ^aben alö beutfd^e ©dörift= 
fteller eine meite 33ebeutung. Unb was ber ©rfurter ©etel^rtenfreiö 
im «Kampf gegen SJtöncOßbilbung unb 5niöncf)ötatein ergielt tjat, 
war aucö für bie ©tellung ber beutfd^en Sprad&e nid^tö weniger 
aU gleid^gültigJ 

Xoi) fef)(ten ber JHenaiffance and) feineswegö unerfreulid)e 
3üge. SJian Dergegenwärtige ftd^ nur ben ©runbton jener 3eit. 
5lIIcrwärtö wirb bie 33ülföft)racf)e, ber 33oIföbiaIeft betont, weil bie 
nngebilbeten i?aien burc^ bie reügiöfe ^Bewegung ein 3flec^t auf 
Öitteratur unb litterarifc^e 33i(bung erlangt ^aben; unb biefe§ ^Red^t 
wirb auc^ attfeitig geachtet. Slber eö ge^t nebenlier ber 3ug nad^ 
einer I)öt)eren Sitbung, t)on ber baö äJotf anögefd^Ioffen würbe. 
3fn ben eigentUd^en 5|}flanjftätten beä ^umaniömug, auf unfern 
<^od^fd&u(en, war baö ßatein jwei iSal^rl^unberte l^inburd^ t)on un6e= 
ftrittener ^errfc^aft. 2Ber bie t)ermeint(icf)en 2lnred^te ber @))rad^e 
Siceroö an unferc afabemifd^en ^orfäte burd^ SBort ober Sl^at 
t)erle§te, erful)r 3(nfeinbungen ber wiberlid^ften 9lrt. 2ll§ ber 
JRoftodfer ^^itologe Silemann Heuerling im ^dtjxe 1501 eine a3or= 
(efung über ^u^^^cife Satiren in beutfd^er @))rad^e l^ielt, fetfte er 
ftd^ fotgenbem berben Eingriff ans: 

Qaidquid Heverlingus legit auditoribuH, illud 

vulgari Hngua teutonicaque docet. 
Ergo ad Heverlingum perget meliore relicto 

discere qui sordes barbariemque volet. 



^ 



* SBeiterc^ in ipartfetberg ^ßrofiramin 'S^entfc^e ÜBerfe^ungen flafftfd^cr 
c^riftfteirer am bem .^eiberbergcr .t>mnaniftenfrei§', §et>e(berg 1884, 



UntDerfitätcn. 8d)ulbrama, 117 



S)a§ roax nic^tö anbcrcö alö jener SJortüurf, ben bie ^apiften 
unfern 9leformatoren machten, man fottc bie perlen nid&t üor bie 
Sdue merfen. 9)lit bemfelben S5ürtt)urf tönrbc an ber SBaftcr Um= 
Derfitat 2;i^omdä 9)lnrner jured^t getötefen, als er 1519 bie 3n= 
ftitutionen öerbeutfd^te, mit bemfelben SSortönrfe and& Sl^eopl^rajing 
5ßarQceIfiiä , als er 1527 in SBafel aSorlefnngcn in bentfd^er 
Q\)xai)c l^ielt. ßutl^er mifd^te jur Qxmbe feiner 3u^örer in 3Bit= 
tenberg Seutfd^eö in ben lateinifd^en «Satl^eberöortrag ; aber aud^ 
il^m blieben Singriffe barüber nid^t erfpart. llnb al§ ber S^übinger 
^rofcffor öeonl^art ^ud^ö bütanifd^=mebiäinifd^c 3Berfe in bentfd^er 
©prad^e öeröffentlid^tc, erful^r et 1558 t)on bem ©lieber S^ol^anneS 
^lacotomuS (33retfd^neiber) berbe 3ured^tn)eifung, bie jugleid) aud& 
aUe traf, qui in germanicani linguam autores medicinae 
transferunt medicinamque artem humano generi saluberri- 
mam prophanant et turpiter prostituunt.^ 

SBeld^e folgen bie neuen 33eftrebungen, bem Öatein JRaum 
3U fi^affen, nad^ fid^ 3ogen, ha^ jeigt fid^ aud^ am lateinifd^en 
©d^utbrama. @o fd^ilbert unö TOcobemnö ^lifd^Iin 1589 in feinen 
Helvetio-Germani, töol^in ha^ öatein im ©d^aufpiel fül^rte: 

Quia latino sermone isthaec peragimus, 
occlamant imperiti lingiiae, ogganniunt 
mulieres, obstrepunt ancillae, servuli, 
opifices, lanii, fartores, ferrarii 
sibique Germana lingua postulant dari 
comoediam. Hoc quia non fit, nobis praeferunt 
cybisteteres, lanistas, funambulos, 
petauristas: quibus gaudet plebecula. 



1 



SSgL 2(. §ofinetfter, ©rengbotcn 46, IV, 294; (Sißtoart, mdwt 
©cörifteu I, 32; über azurner ügL oben 6. 15. Über i^ut^cr ög(. ^öftlin 
I, 142. — 25on ^^lacotomuö fommen in S3etrac^t, toorauf mtc^ iperr Dr. 
3Wt(d6farf aufmcrffam gemacht l^at, bie im 3a§re 1558 gtoeimal gebnirften 
Themata contra versores medicinae in Germanicam linguam unb Refu- 
tatio quarundam rationum quas D. Leonhartus Fuchsius editioni sui 
germanici herbarii praetendit; ber erfte 2)rU(f entplt ttod) Conclusiones 
quaedam contra Kifium et Rifianos, id est eos qui in Germanicam linguam 
autores medicinae transferunt. 



118 8. 2atm unb ^umanigmug. 



3tuf bcr anhtxn Seite fretltd^ l^atte bte Sflenaiffance auf bte 
SJlutterfprad&e ben günftigften ©influB. Sine getoaltige SJlaffe 
t)ün SBortfortnen unb SlebeiDenbungen ift in jener 3rit aiU 
flaffifd^em Spvad^gut nac^gebilbet ober entlel^nt. ©d^on int 16. 
Sfal^rl^unbert rebet man t)on mobernen SJläcenaten, t)ou einem 
3oiIuö, einem 3^tot^pu§, t)on mobernen Spifnräern. Unter ber 
9lofe (im 35ertrauen) reben' fonnte man fd^on bamate nad^ Iatei= 
nifd^em SBorbitbe fagen. ßateinifd^=^umaniftifd^e ©^3rid^tt)örter finben 
bei unö Slufnal^me. Ne Hercules quidem contra duos! xoat 
naä) 3tt)ingti gemein im ©ebraud^. Bus Minervam ! t)ertDenbet 
ßutl^er in einer bentfc^en Sd^rift. „JRom ift nid^t in einem Xage er= 
baut" toeift auf ben ^umaniömuS l^in. 6ine neue 3lrt t)on l^alb 
lateinifc^en, ^a(6 beutfd^en ©prid^tDörtern fommt auf: ,,Barbati 
praecedant, fagte ber i^nä) §, ftie^ ben 33üd bie treppen l^inunter" ; 
,,practica est multiplex, fagte ber iJrofd^, fa^ auf ber 0leufe" ; 
„usus facit artem, fagte jener, toax] ein alt SBeib gum fjenfter 
fjtnaug unb tt)oKt fie fliegen lefjren". — 2)amat§ bürgerten 
fid^ ein ululas Athenas mittere; ne sutor ultra crepidam; 
procul a Jove procul a fulmine; Penelopes telam retexere; 
una hirundo non facit ver. — 

^n biefer 3ritftrömung l^at 3)eutfd^Ianb aud^ feine {Jcttnitien^ 
namen öeränbert. SBer au§ ber {J^me bem fettfamen ©ebal^ren 
äufal^, tonnte glauben, man tooKe bie alten Slömer unb ©ried^en 
loteber aufertoeden. 3tt)ar fd^on burd& ba§ |>äte SJlittelalter ]^in= 
burd^ maren 9lamen§überfe§ungen n)ie Pistor unb Pistorius, Sar- 
tor unb Sartorius, Faber unb Fabricius ober wie Piscator, 
Molitor, Sutor, Venator auf beutfd^em 33oben in lateinifd^en Ur= 
funben ^errfd^enb. Slber im täglichen öeben galt au§fd^lie§Iid^ 
a3edfer,8d^n eiber, {Jifci^ßi^f ©d^mib, Sföger, ©d^ufter, 
SJlüHer u. f. to. ^el^i ain, mit bem 6ingug beS ^umaniömuö 
in S)eutfd^(anb, tourben fold^e lateinifd^e $Ramen§überfe§ungen aud& 
in bie ©prad^e beg 35o(!e§ t)er^3flangt. ®a l^örte man SRamen tt)ie 
©aptbuö (2Bi^), 9lurif aber (©olbfi^mib), Satomu§ (©tein= 
me^), 31 g r i c 1 a (Naumann ober ©d^nitter), 9Jl e g a n b e r (©roB= 



üateinifc^er (SinBuö. §umoniftcnnamciu 119 



mann), SJlelanber (.g)ü(jQt)fel), Slöenariuä (^abennann), 
6]^l)traenö (ßod^^off), 5piacotontn§ (Sretfd^netbcr). Um 
tt)tet)ic( erhabener Hangen bic neuen 2eEtür,3Jlt)(iu§, fjaber 
— 3abri — 5abriciuö aU ))f|iliftröfe 9Jamen iDie 3B e b e r , 
2Jlüaer,©c^mibt — ©d^mi^! ^m 5«otfatI toar 9W u U e r u ö 
unb © c u 1 1 e t u g immer nod^ anfV^^^nber unb miüf ommner afe 
9)1 ü 1 1 e r unb © c^ u I j e ! ©c^on ber tateinifd^e 9lccent unb bie tatei= 
nifd)e Snbung gaben formen \m @crit)ertu§, ©d^ulerug^ 
eine S3Jeif|e ! 6in Sriump^ aber toax e§ für ftaffifd^e ©emüter, wenn 
ft)iepürgerUd^e 3iamen burc^ öatinifirung unb §elleniftrung bis 
jur Unfennt(id^!eit aufge))u^t tDurben. ®a treten antife SRamen an 
bie ©teile lautöernjanbter beutfd^er Sftamen. @§ gibt einen Gracchus 
(Ärad^enberger), einen Aemilius (Del^mler), einen Caelius (3eü), 
einen Plinius (^pieninger), einen ßhegius (Flieger). Unb Micyllus 
übernimmt feinen 9iamen au§ 8ucian§ Sialog 'Siraum ober §al^n'. 
2)a§ ift eine SBirfung beö Humanismus. 91 e u d^ li n fdieint 
bie ©eete biefer SSetoegung getoefen ju fein. 3fn Stauen l^atte il^n 
§ermoIau§ 33arbaru§ in Äa))nio umgetauft, unb feit ber 3rit 
ift ,ßapnio beftrebt, bie Flamen feiner ßanbgteute ju t)erebeln. 
©einem ©ro^neffen ^Pip)) ©d^toarjert gibt er — mit fel^Ierl^after 
Überfe^ung — ben JJamen 3!JleIand^t]^on; unb f))äter töirft 
biefer im SBittenberger Greife im ©inne feines ©rogonfels. 35on 
jenem ßinger ßrac^enberger, beffen beutfd^f))rad&Iid^e 33eftre= 
bung oien ©. 26 ertt)äf|nt ift, erl^alt 3leud^Iin einen SBrief, ber 
bem SBunfd^e SluSbrutf t)er{ei]^t, er möge bem 2lbfenber einen grie= 
d^ifd^en 3iamen t)orfdöIageit ; ©racc^uS .^pieriuS ift bann ber 
3iame, beffen Ärad^enberger fid^ in feinen fpäteren ©d^riften bebient. 
3)iefe ^Bewegung erfaßt aüe §umaniften.* 



» Camerarius vita Melanchthonis @; 9, 129; ^at). ^rieb* ©traufe» 

ÄL ©c^r. ©. 408. Xtn ^inlüciS fiicrauf öerbanfe td^ meinem gelehrten 
Kollegen SHub. ^irgel. §errn $|3rof. ^. §artfelber in ipetbclberg bin td^ gu leb* 
l^aftcm 2)an! öerpflic^tet für btn 9lad)lüeiS be8 l^öc^ft lehrreichen S3rtefeS 
Oel^mlcrS im Corp. Reform. III, 208 (ögl. aufeerbem bie SBemerfungcn ^art- 
fclberS in ©k)bel8 litftor. 3f4- 1887, 547). 



120 Ö* Gattin unb §umantSmug. 



S)er ©d^Iettftabter ^äbogog ^o^. @a))ibuö latiiüfirte bie 
Stamen feiner ©diüler: „id) l^ab öiel barbara nomina, id^ mu^ 
fie einmal ein lüenig lateinifd^ mai^m" — fo rebete er ben jungen 
Z^. glatter unb 3lnt. 35ene^ bei ber 2tufna]^me in feine ©d^ule 
an, unb fortan l^eifeen fie Patterus; unb 35enetua.' Unb )o öer= 
langt ein .g)ülf§bü(i)tein für ben Unterrid^t ßatinifimngen toie 
2tbamu0, SSoad^imug, 3lu))ertuö, §enricu§ : nomina quibus pueri 
vocantur latina esse debebunt.- 

6g fann idoI^I nid^t gtoeifell^aft fein, ba^ in ben proteftan= 
tifd^en Greifen baQ mm ^riuji)) mel^r SBerel^rer fanb, afe in hm 
altgläubigen. 3Bie öiel enger l^ing ber ^roteftantiömug mit bem 
.g)umaniömu£) jufammen! 3Bie fe^r ftaf ber ßatl^ofigismuö nod^ 
immer im SBanne beö SJüttelalterö ! ®ag ßatein ber ®un!el= 
mönnerbriefe d^arafterifirte ben Sitbungögrab be§ fat^olifd^en 
ßleruö ; ber proteftantifd^en ©eiftlid^feit f üunten aud^ il^re erbittert= 
ften ©egner äl^nüd^e SSornjürfe nid^t entgegen fd^Ieubern. 

©0 njerben lüir eine 2tnf(age beö latl^oüfdöen 33ibelbear6eiter§ 
Dr. ;3o]^ann 6dE njürbigen fönnen, ber fid^ in feiner 'Sd^u^reb' 
1540 (@iib) über einen ))roteftantifdf)en ©egner folgenberma^en 
äußert: „3lin 3^äl l^ab id^ an if)m aU an t)U anbern ßutljerifd^en ; 
fo fie teutfd^ feinb, if)re SBorälter teutfd^ geiüefen unb teutfd^ Siamen 
gei^abt, bafe fie fried^ifd^ unb fattifutifd^ 5Ramen fdöö))fen als 3o6ft 
üoä) nennt fid^ i^uftum ^onam, 3BoIfgang ^iittx ober 
©d^miböon^agenau nennt fid^6a))itonem fjabricium, 
©d^loargerb SJietand^tl^onem, .g)auöfdöein £)ecoIam= 
))abium,^auIuö@eibenftüdEer nennt fid^ ^aulum ©on- 
ftantium ^f)r^gium unb bu, fo bein SBater ^^ofanberle 



1 ^latterS (SeIbftbiograp{)te I)erait§ggb. üon fBoo^, 2dpm 1^78, (S. 32. 

•^ Hauerius. Nicolai Hauerii publici Bambergensis pueritiae in- 
formatoris ad pubem suam instituendam exhortatio, Bamberg 1531. 
§auerg SJortoort ift 1515 untergeic^net ; ma^rfd)ciulid& ift ha^ S3üc6Iein ba= 
malg auä) sum erften 2WaIe erfd^ienen. Sauer em^jfie^It übrigeng bie Wlid)tc 
ßatiniftrung ber 9'iamen burd& angefügte^ -ius (Hauerius); bngegcn mift* 
bittigt er bie SBortüberfe^ungen. 



§umamftennamen, ;^ateimfc§e Xaufnamciu 121 



flcl^aiBen, uennft bid^ Dfiaubrum — fid^t fainer §ofen 
flleid^ü" 

®er äJomurf toax nk^t o^m SBered^tiguug. 2tber 6dE burfte 
nidöt öerfditticigen, ba§ eö in fatl^olifd^en Greifen an 3!)tänncrn nid^t 
fcl^Ite, lücld^c biefer ))roteftQntifd^en SJiobe l^ulbigten. Unter- beu 
©egnern ber 3leformation treffen tt)ir Jiomen toie 6ocIaeu§, 
^oi), 5a 6 er t)on ©onftong. 

®ie ©timmen ber 3^ttgenoffen über biefe 3Dlübe ber ©e= 
leierten njaren geteilt; fd^on ^öentin l^at fie mit ©eringfd^ä^ung 
alö *finbifd^eä fd^ülerl^aftes ^ßoffenrei^en blü§ gefteüt. 3lndö 6q= 
merarinö toeife t)ün ©elel^rten, tt)eldöe ber 50tobe abl^olb finb. Unb 
ber alte SHflans Del^mler, beffen ©ol^n ©eorg fid^ anf SJieland^tl^onS 
fftat ben 5Ramen 21 e nt i I i n ö beilegte, l^atte t)on feinen SDIansfelber 
50litbürgern bestregen fold^en @))ott erfal^ren, ba§ er fid^ 1536 gn 
einem ernften SBarnnngöbiief an jenen öeranlafet fal^, nm it)n gnr 
tftüdfeiir jn feinem öäterlid^en Jiamen gn belüegen. ©old^e ijötte 
iDcrben in jener S^it nid^t feiten getnefen fein. — 

Sieben biefer Söelüegung, beren 3Birfnngen mir nod^ l)ente 
auf ©d^ritt unb Sritt begegnen, feigen njir feit bem 15. 3SaI)r= 
j^unbert eine anbere, bie ebenfaüs frembf))rad^Iid^c 3lamen in 
2)eutfdölanb einbürgert. 3u bem l^nmaniftifd^en gefeüt fidf) ber 
bibIifd^=firdöUdöe ©infln^, ber bie iJJamen ber $öibel unb ber förd^en= 
gcfd^idf)te ju beutfd^en 35ornamen ftempelt. Söereitö t)or ber* Mt- 
formation toaren jübifd^e Söibelnamen folüie frembe 9kmen auö 
ber ^eiligengefd^id^te bei uns eingebürgert. Ob neben ber Sieformation 
ettoa baö ^ringi)) loeitere SBerbreitung fanb, läfet fid^ nod^ nid^t 
überfd^auen. ^ebenfaüö loaren in fatl^olifd^en loie in ))roteftan= 
tifd^en «Rreifen Jiamen loie 2tbam, 6t)a, Stobiaö, ©ufanna, 
audö 2)at)ib, 2)aniel, 3ofe))]^, 3ctd^ariaö ober 3tnma = 
nuel, Scffe, Sifrael, ^eremias unb ?ftebecca, toie 
39artI)oIomäUö, 9licoIauö, ©eorg, 301 artinuö,^l)i = 
Iit)))uö, ^ßeter, ^ßaul, 3Dlaria, SDIargaretl^a, 3lnna, 
SBarbara, ^atl}arina allgemein Verbreitet. ®$ njar nid^t 
feiten, ha^ eine fyamilic burdö ein paar ©enerationen nur 3}or= 



122 ^* fdaU'm unb §umani^nm^, 

Ttamen aus bcr Sibel unb ber ^cili9cn9efd)id^te aufjuiDcifeit 
^Qtte. 

Sc^on Stöentin mieö gegenüber jenen unöerftanbenen frembeu 
35ornamcn auf ben foftbaren 6d^Q^ bebeutungöDoüer beutfdier 
klonten, bic ju Jugenb unb fü^ner %tjai reijen unb fpomcn, lüie 
SBil^elm, üubn)ig, förnft. 

33or aßem fd^eint fid^ in unfern reformatorifd^en Greifen 
Dt)))ofition gegen bie fremben ÜBornomen geregt ju l^aben. 3a 
8utf)er felbft fod naij ber Stnfic^t ja^treid^er ©elel^rter ber ^ü^rer 
biefer D))|)ofttion gelüefen fein. 6in lateinifd^ gefd^riebeneä , in 
SBittenberg gebrudfteg 9iamenbüc^(ein eineö ungenannten äJerfaffers' 
öerfolgt, oI)ne fid) in Singriffen gegen ba^ lateinifdö = biblifd^e 
JJamenf^ftem ju ergeben, ben reichen 3fnt)alt unb bie^ finnige 
SBebeutung unferer alte^rnjürbigen Flamen. Sie etmaS fd^u(nta§ig 
nüd^teme öel^anblung beö Stoffes, ber 9)langel burdögreifen= 
ber allgemeiner ©eficbtöpnnfte, njie etma ^ifc^art fie ft)äter ent= 
midelt, bic fd)ematifdf)e, ü^ne fa^tid^e unb nationale Söegeifterung 
unb o^ne löe^agen burd^gefül^rte 3)arftettung madfien e§ iinmal^r^ 
fdf)einlic^, ba^ Cutter, raie eine gweifel^afte Jrabition miü, baö 
SRamcnbüd^Iein öerfaßt ^at; bie 9(nregung ju bem 33üdf)Iein toirb 
er gegeben ^aben, aber burd^ nid^tö loirb e§ iin^ maJ^rfd^eintid^, 
ba^ er ber Sßerfaffer ift. 

• SBie öiel fubjeftiöer unb entfd^iebener treten SBobian unb 
©tumpf an bie ©igennamen ^eran! @ie ^aben au§ alten ©t. 
©aller llrfunben gelernt, loetd^ reid^er 35orrat an urbeutfd^en ^er= 
foncnnamen un§ gu ©ebote fte^t unb njeld^ tiefe öebeutung fie 
bergen, ©ine grofee ßifte uralter 3Börter führen fie öor. ©ie meifen 
barauf I)in, ba^ ürd^lid^e ^eilige altgermanifd^e ßigennamen tragen, 
mad^en aber ba§ ^ßapfttum t)eranttt)ortlid^ für bie Stbnal^me ber 
beutfcf)en ©rbnamen. 2tud^ glauben fie gu beobadf)ten, mie bic biblifd^en 
3Sornanten i^intcr ben (ateinifd^cn gurüdftcficn. Sag Übertouc^em 



* Aliquot nomina propria Germanorum ad priecam etymologiam 
restituta, Wittenberg 1537. 



.tampf um bie Xaufnameu. 3)cr 2öittcnb. Slnon^muS u.SßigeL 123 



biefer (ateinifd^en Saufnamen ift e§, tüogegen fid^ bie ©d^lDcigcr 
©efd^id^töfc^reiber befonberg lüenben.^ 

Äönnen mir fo beobad^ten, ha% bie reformatorifd^en ßreife 
baö 9iationalitQte))ringi)) mie in ber ^pxaä)e ixbtxi)anpt [o Qiid^ 
in bm SSornamen Vertreten, fo ftel)en un§ anberfeitS fotl^olifd&e 3fU9= 
niffe ju ©ebote, meldte ben ^eiligennanten fird^tid^e 6mt)teI)Iun9 
geben. 80 beftimmte ber <RQted^i§mn§ Siomanuö, ber auf a5eran= 
loffung be§ ßonjiI§ t)on Orient im ^a^xt 1566 erfd^ien, ha% bie ben 
©etauften beigulegenben SRamen öon ^eiligen l^ergenontmen nnb I)eib= 
nifd^c Flamen ganj öermieben werben foHten.^ Xamit toax ben ur= 
alten ÜRamen lüie Xxetxiä), ©ig frib, ^ilbebranb, bie mit ben 
legten Siad^flöngen unferer ^elbenfoge nod^ fortlebten, mirftid^ bie 
ßcbenöfraft genommen. 3)er niöellirenbe ßogmo))oIitiömn§ ber !atl^o= 
Hfdf)en »Sirene brof)te alfo miebernm 2)eutfd^Ianb in f))rad^lid^en 3ln§er= 
(id)feiten gn einer römifd^en ^ßrornnj gn mad^en, nadf)bem t)roteftantifdöe 
Sßertreter für unfere totIfUngenben ©rbnnmen eingetreten looren. 

©eorg SBigel ift in S)entfc^lanb 3Bortfüf)rer beö älomaniSmnö. 
©ein Onomafticon Scdefiä 1541 ift ein ©eitenftüd gn bem 3Bit= 
tenberger SKamenbüd^lein.' D^ne fid^ in ^ßolemif gegen bie ab- 
tt)eid^enben Stnfd^onnngen ber ^roteftanten einjnlaffen, ändert er 
burdfimeg nnbentfd^e ©efinmmg, inbem er gn ber S^aufnamenfroge 
©tellung nimmt nnb für bie §eiligennamen eintritt. Sanfnomen 
tüie Slnaftafing, 35alerin§, Q.t)pxiann^, S^abianns, 
S^riftina, Sfuftina, ßn^)I)emia, ©o))I)ia gereid^en bem 
SJlenfd^en gn einer größeren 6mt)fel)tnng afe SBoIf, ©bert, 
Mendel, §nbelt, U^,S)el, 6nn^ ober ijri^, afe©ele, 
SJie^ ober Öei§. greiüd^ „bie beutf^en SRamen öcrmerfe id^ 
nidfit, mieioo^l fie nad^ ber l^eibnif d^en SBorbarei faft fdfimeden."^ 



1 )öabiau, ^rSgg. üon (Solinger II, 429 ; Stumpf, 6d|tt)ei3er (S;i)rontf 
in, ^ap. 59; IV, Sap. 55. 

-^ .^{ftor.=SBont. m'dtttx 99, 905. 

3 Onomasticon Ecclesiae. 2)ic ^auffnamen bcr ©Triften, bm\)\d) 
unb c^rtftlic^ au^ßelegt huxd) ©corgium SBiceltum 1541 (SJ^aing). liefen 
^adjtoti^ banfe id) ^errn Dr. (£omiirii8 SBenbeler. 



124 8. 2atm\ uub ^umaiüömu». 

^iubeu Slöentiu, bcr SBitteuberger 3lnou^ntiisJ, SJobiau, Stumpf 
unb ipixkx ^ifd^art gerabe in bem xeiä)t\i, auregenben ^[n^alt 
unferer einl^eimifcfien ©rbnamen einen §aut)treij unb bie tt)efcnt= 
lid^e 6mt)te]^Iung iftrer 3JeubeIebung, fo lobt SBijel bie lateinifd^en 
^eiligennomen lüegen il)rcr Hat ju Sage liegenben SBebeutung: 
©ebaftian gotteöfürd^tig*, 2lgnesf 'feufd^* — fold^e d^riftlidie unb 
feine 9iamen follen föttern it)ren ßinbern geben afe incitamenta 
quaedam pietatis. ®en iübif(J^=]^ebräifd^en 3iamen ift SBigel gram ; 
fie feien jlüar in geringer 3ln jal)t ; aber IDO l^öre man einen 3luben, 
ber \xä) naä) JJamen unferer äleligion nennen laffe! Immanuel, 
S^ffc, 3if^ciel, 3^^emiaö, 9lebccca fd^einen ben S8ei= 
fall bes 9tenegaten nid^t gel^abt gu I)aben, unb ®at)ib, ®a = 
u i e ( , ^oUp^, S^^cixia^ bulbet er nur, meil fie bamafe noi) 
nid^t f)äufig unb beliebt tnaren. 3)ie altbcutfd^en 3lamen lä^t er 
t)öllig bei ©eite, oblüü^I fein Dnomafticon *bie S^aufnamen ber 
©l^riften' überliaupt auflegen lüiü ; er legt ben ©d^merpunf t feiner 
3lrbeit in bie gried^ifd^cn unb lateinifd^en .g)eiligennamen ; ii|re t)or= 
bilblic^e SBortbebeutung gibt er nad^ feiner fprad^Iid^en SSilbung 
— nirgenbö rairb ber beutfd^en Saufnamen gebadet. 3in aßebem 
feigen mir eine öerftedEte 2tblel)nung beö SBittenberger 9lamenbüd^= 
leins Don 1537, beffen ber ^einb unb ©egner ßut^erg nirgenbö 
®rtt)äl)nung t^ut. 

Siefes Söerlialten 2Bijefe, ju bem jenes ©ebot beö Äated^i^ 
muö ^Jtomanuö ftimmt, ift für bie fatl^ülifd^en «Rreife ®eutfd^Ianb§ 
tl)pifd^. ©0 l^at anä) ^oi). fJifd^art es öerftanben, aU er im 
10. Äapitel ber ©efd^id^töMitterung auf SBijel einen l^eftigen 3luö= 
faü mad^te. 6r tritt mit ©ntfd^iebenl^eit für bie beutfd^en Jtamen 
auf unb le^nt bie iübifcö=biblifdf)en unb bie lateinifd^en Saufnamen 
ab, mie er ficb aud^ gegen bie SJiobet^orl^eit ber §umaniften tt)enbet. 
„Unfere ©prad^ ift aud^ ein ©pr.ad^ unb !ann \otDoi}l einen ©ad 
nennen als bie ßateiner saccus. ^ä) glaube, man meint, unfere 
!©orfaf)ren l^aben ftetö gefdfilafen unb nit mit eben fo großem S8e= 
bad^t geiou^t, iliren lieben «Rinbcrn 5tamen ju geben alö bie 
©riedfien unb ßatiner. SBir l^aben je^t bas frei fUegiment. SBag 



Wmi unb J^ifc^art, Siatöolifcn imb t^irotcftantcn. 125 

bürfcn mir unö naä} ben f!(at)ifd^en ätömern nennen, bie Ferren 
naii ben ßned^ten? SBie jolt e§ ]xä) reimen, monn bie ©ried^en 
il^re ^inber Xerreö unb 3Dlarboniu§, bie 9lömer bie il^ren 
5perfeu§ unb Stic^oS genannt ()Qtten — bie Sieger nad) ben Über= 
iDunbenen V 

2Bq§ fjifd^art ^ier fUrj anbeutete, gebac^te er in einer be= 
fonberen Sd^rift mxkx au§jufü()ren. ßeb^aft mit et^mologifd^en 
Qfragen befc^aftigt, beobad^tete er mit 3ntereffe bie ©teid^artigfeit 
beutfdf)er unb griec^ifd^er @igennamenbilbung ; 35oIf^art,iJeon = 
l^art, Söern^art fteüte er ben gried^ifd^en Semoft^enes, 
8eoft^ene§, 2{r!toft^ene§ gleic^. 3um 3lbfd^(u§ feiner 
SJamcngftubien ift {fifd^art leiber nidf)t gefommen; lüir mürben 
fonft ein SBüd^tein t)on tieferem ©el)alt unb au§ge))ragtercm 6^a= 
rafter befi^en, al§ e§ ba§ SBittenberger !Jkmenbüdf)Iein ift. Über 
basfelbe ^ßrobtem plante fpäter auc^ 9Jiüfd)erofdf| eine Schrift, bie 
jtDeifelloö im ©eifte 3ifd^art§ auSgefaßen märe; gerabe in feinem 
5reunbe§frcife regte fid^ marmer ©inn aud^ für urifere S^aufnamen.^ 

So tritt Sifd^art mit nationalem ©tolj gegen S^enbengen 
auf, beren unbcutfd^er ©runbjug feinem 3^italter flarer merben 
mußte al§ bem Sa^r^unbert ber Sieformation. S)er ©ieg ber 
öaterlänbifc^en über bie lateinifd^en Saufnamen mar freilid^ bem 
ßifcr unb ber Söegeifterung ber ))roteftantifd^en 35orfämt)fer bes 
2)eutfd^tum§ nid^t gteic^. ©er @rfolg Icl^rt, ba^ bie alten iati)0' 
lifd^en SBomamen gu tief eingemurgelt maren. 3lber ba^ banfen 
mir jener großen 3cit unb it)ren großen SRännem, ba^ unfere 
altel^rmürbigen Flamen nid^t öötlig ber SSergeffenlieit anheimgefallen 
finb. Unfere !Sic^terfürften bc§ 18. 3al)r^unbert§ l^aben *ie a5or= 
namen SBolfgang, ^riebrid^, ©ottl^olb, ©ottlicb, 
©ottfrieb, ^einridl), SBill^etm — bie 3ic))räfentanten be§ 
16. Sal^rl^unbertö ftifiren bie Saufnamen 9Jiartin,3o^anneö, 



1 SSßl. bie puriftifc^c <Sd|rift 'ber beutfd^en ©pradie ©^renfrang', 
Straöburg 1644 unb ha^ (5rtd6 8*mibt in ber 3W. f* b. 21. 23, 78; 
über fjifc^art ögl. ^Uemannia I, 124. 



126 ö* 2attm unb öumanifinnue. 



Sefiberiuö, Sltcobemus, Sgibiuö, ©cbaftian, %i}0= 
m a ö. So fommen biird^ bic ^ixoteftantifd^c aSclüegung bie beut[döen 
Sauf uanteu lüieber in 3lnfe!^cu ; in beii proteftantifd^en ßQnbfci)aften 
unb Äxeifen erfreuen fid) bis I)eute bic altgermanifd^en 9Jameu 
einer njeit größeren 3Serbreitung als in ben fatl^olifd^en. 

2lud^ bie SJiobc ber §nmaniftennanten ift feinesmegö mit 
bent 3S^^^*^unbert ber äleforntation abgetl^an. S)er ©eift beö 
alteren Humanismus bleibt bei uns bis in ben iöeginn bes Dorigen 
^a^rl^unbertö, ido bie 23lüte einer fd^önen Öitteratur uns 3)eutfc^en 
bas ed^te SBefen bes Ilaffifd^en ©eiftes erfdölieftt. &)e fie erfd^ien, 
mürbe ein anberer ®influ^ für SDeutfd^Ianb terl^ängnisDolI, unb 
ber 3Dlutterft)radöe bro^te t)on ii)m eine um fo größere ©efal)r, afä 
er t)on einem benad^barten ^ulturöolf ausging, bas burd^ glüdflid^e 
iJebensbebingungen frül^ jur geiftigen ^errfd^aft über bas gange 
Slbenblanb benifen fd^ien. 

2)aö S^ranjöfifd^c l^at in ben 9teformationsiaI)ren, in bem 
ßampf um bie !JiationaIf))radöe feine ©elegenljeit gel^abt, neben bem 
iJatein fid^ bei uns einjubrängen. ®s ift gerabegu auffällig, ba^ 
unfere Sd^riftftetter in ber erften ^älfte bes 16. ^al^^^iinbertö 
gn^ar t)on frangöfifd^en Sitten unh S^rac^ten, aber nii^t öon fran= 
jöfifd^er 8prad^mengerei reben. So geigt ^o^. Slgricola in feinen 
'2)eutfd^en S))rid^n3örtern' met)rfadf) ©roü unb t)atriotifd^e @rre= 
gung gegen bie 3luälänberei, bie fid^ burd^ gang S)eutfd^Ianb breit 
mad^e; man 'f)aie melfd^e, ]^if))anifd^e unb frangöfifd^e ßleibung, 
frangöfifd^e 9löde, l^ifpanifd^e Rapptn, frangöfifd^e unb ]^if))anifdf)e 
ßranfl^eiten, n^elfd^e 5JJraftifen, frangbfifd^e ßronen, melfd^e ßar= 
binöle uttb Ferren u. f. n). — t)on einer romanifd^en @))rad&= 
mifd^ung fagt biefer marme Patriot fein SBort. 

2tuc^ beobad^teten unfere @))rad^forfd^er bamals ben 3^^^= 
fe^ung§proge§, meldten frangöfifd^er ©influ§ in fönglanb ergeugte. 
©e^nerg 'SRiti^ribates , ber bem ®nglänber Siol^n SSale gen)ibmet ift, 
gab ben ©eutfd^en Jiad^rid^t, loie in jüngfter B^it bie englifd&e 
©prad^c maffenl^afte öel^nioorte auö bem fjrangöfifd^en unb aud^ 
au§ bem ßatein aufgenommen, daneben fiel e§ ben ^reunben 



fiateinifc^cr unb fraiiäöfifd&cr (^inflnfe. 127 



her ßinguiftif auf, njie Sluölanberei in bcr franjöfifd^eu Sprache fclbft 
tief eingreifenbc SBanblungm I)erbeifül^rtc. So tnei^ Sebaftian 
Stand in feinem Sncomion, baö ßob beö göttlid^en 3Bortö' ©. 163, 
lüie bamafe fpanifd^e nnb befonberö italienifd^c ©lemente inö 5ran= 
göfifd^e bxangen. SBenn S)eutfd^c fo baö geitgenöffifd^e ^yranjöfifdö 
unb ßnglifd^ d^arafterifiren, fo fönnen fte !eine SSeranlaffung ge= 
l^abt I)aben, benfelben äJomurf gegen haQ ®eutfd^e gu erf)eben. 
Siirgenbö l^ören n)ir, ba§ in Seutfd^Ianb t)or 1550 ft)rad^lid&er 
©influB t)on ^^ranfreid^ l)er lüirtte. Um 1580 öernel^men rair bie 
crften ©timmen gegen franjöfirenbe Sprad&benjegungen, unb fortan 
toerbeu bie 5Dla]^nrufe nationalgefinnter SJiönner gegen baö neue 
3Jloben)efen in bcr @))rac^e nid^t ftumm. 

Sd^on einmal I)atte berfelbe iJeinb unferc @))rad^e bebvoI)t. 
3im S^italter ber ^öfifd[)en 2)id^tung n)aren gro§e mafegebenbe ®e= 
fellfd^aftöftaffen unb bie für fie beftimmten litterarifd^cn Grjeugniffe 
in ben 3ugcftänbniffen an ba§ S^ranjöfifd^e über ba§ 3Jia§ be§ 
Erlaubten l^inauögegangen. 2tber bie ©efal^r loar bamalö eine ge= 
ringe unb.njud^ö erft fpäter in.bemfelben 3DlaBe, afä fidfi mit ber 
@rfinbung ber 58ud^brudcrtunft bie f))rad^Iid^en SBirfungen ber ßit= 
teraturioerfe ftetig fteigerten. SBae im SJlittelalter ber @))rad^e 
ejMufitJer ßreife @t)uren aufbrüdftc, mu§te fortan für bie ^pxaäje 
aller ©dfiid^tcn t)er]^ängniööott loerben. Unb um fo gefäl)rlid^er mar 
jc^t ber alte iJeinb, aU unfere @d^riftf))radöe erft in ii^ren 2[n= 
fangen ftanb. 9lod^ mar ber üampf um biefelbe nid^t in aöen ®e= 
bieten unfereö SJaterlaubes cnbgültig entfd^ieben; nod^ mar ha^ 
©eutfd^e nid^t reif, um für großen ©e^alt gleid^mertige formen 
3U bieten; nod^ l^ulbigten bie ©elelirten ber @))radf|e beö 3!)littel= 
alterö. ^[nmitten biefer gäl^renben 3fit toirft ber neue ©nflu§ 
fo gerfe^enb mie ein fd^arfer ©iftftoff, ber fid^ rafd^ burd^ aße ©e= 
mcbe eine^ Drganiömuö ^inbur^ frifet. 



9. 

©d^on mö^renb bcs; 16. unb 17. 3fa^r^iinberta toaxm bie 
fatl^olifd^cn ßxeife öon ber großen ^pxaijbmequriQ, bie t)on unfertn 
9tefor.mator angeregt unb burd^gefü^rt mürbe, jum Seil ergriffen 
lüorben. 35ie bentfd^e ©rammatif be§ ©(ajng (1578), bie ben 
@))rQdögebraudö 8utl)erä aU 3?orm betrad^tet, blieb nid^t o^ne 
©nf[u§ Qudfi auf bie ßatI)olifen. ®a§ SBud^ erlebte fo galilreid^e 
2tuflagen, ha^ e§ giüeifeßo^ aud^ in fatI)oIifd^en Greifen eine meite 
SSerbreitung gefunben f)aben mu§. • 3m 17. i^alirl^unbert erlebt 
e§ 7 3luflagen (bie Überfe^ungen in frembe @))rac^en abgered^net) : 
1604, 1610, 1617, 1625, 1651, 1667, 1689; bie le^te, ber 3a^t 
nadö bie 11. Sluflage erfdiien 1720 (^ietfd^ @. 88. 89.). ^la^^in 
burdö ein unb ein ^albe§ 3föf)rl)unbert bel^ält ba^ 33ud^ alfo eine 
))raftif(i)e Sebeutnng. Unb mit i^m fteigt aud^ baö 2tnfel^en unb 
bie SBebeutung ber ßutl^erifd^en @))rad^e, meldte feit etma 1580 
bie 9lorm für unfer Sd^riftbeutfc^ mirb. 

3)amate fd^on fonnte ber mei^nifd^e ©l^ronift 9iit)emontin§ 
ftoljerfüllt t)on feinem §eimat§bia{eft fagen, e§ bebürfe feine§ a5e= 
meifeö, ba§ ba§ 50tei§nifd^e atterroörtS in ®eutfd^Ianb angefel^en 
fei; e§ mürben Sftei^ner im 2(u§Ianbe megen il^rer ^pxaäje: jw 
®]^ren gebrad^t, unb mei^nifd^e ^rebiger l^öre man überaß am 
liebften (neue mei^nifc^e g^roni! @. 638). Unb biefe 3tngaben er= 
l^alten eine fd^öne Seftatigung burd^ bie SJ^atfad^e, ha^ im Sfal^re 1562 
ein au§ SJledEIenburg ftammenber SJialer feinen jüngeren Sruber t)on 
©c^merin ju fid^ nad^ SÄei^en einlub, „bamit er beffer bie meife- 



a Dbcrbeutfdilanb unb bic Äot^olifcn. 129 

nifd^c ©prad^e erlerne". ®a§ Oberfad^fifd^ 9Jleifeen§ fd^iüingt fid^ 
alfo fdfion öor 2tblauf beö 16. 3[Ql^r]^unbert§ in bie Stellung auf, 
lüetd^e ba§ Slttifc^e unter ben SÄunbarten t)on Slltl^eHag einnimmt. 
Unb fo d^arafterifirt £)pii^ bie autoritative Stellung be§ mit bem 
^roteftantiömug öermad^fenen Oberfödöfifd^, toenn er 1628 an 3Se= 
nator in Strasburg fd^reibt: Veluti ego Silesiaca dialecto 
non utor, ita neque vestra Alsatica uti te posse puto; est 
quoddam quasi Atticum apud Graecos genus, quod Lu- 
theranum vocitare per me potes; hoc nisi sequaris, 
erres necesse est. 

ßut^ergrammatif unb Öutl^erbeutfd^ — ha^ ift bie ßofung 
burd^ ha^ 17. 3SaI)rl^unbert l^inburd^. ^ß. Petfd^ l^at in feinem 
Derbienftöollen 33ud&c über *8ut^er unb bic neul^od^beutfd^e Sdf)rift= 
f|)radf)e', auf ba^ lüir fd^on l^äufig gu öerlüeifen Iiatten, jal^lreid^e 
3eugniffe au§ bem 17. S^t^x^unbert beigebrad^t, lüeld^e einmütig 
ber Sprad^e unfereö 9leformatorg eine l^ül)e Stellung juerfennen.^ 
Slber ein enbgültiger 2tnfd^lu§ ber fat^olifdfien ßanbfd^aften £)ber= 
beutfd^lanbS an bie aufblül^enbe ßitteraturfprad^e t)olIjieI)t fid^ erft 
tDäl^renb be§ 18. 3fa^rl)unbert§. ®ie ©egenfd^e t)on ^at]^oli= 
ji§mu§ unb ^roteftanti§mu§ , t)on 3?orbbeutfd^lanb unb Süb= 
beutfd^lanb, öon oberbeutfd^er unb mittelbeutfd^er S))rad^e tt)aren 
ju gro§, als ba§ fie in einem furgen 3^ittaum l^atten Vermittelt 
n)erben fönnen. ®er 3tt)ief})alt fpi^t fid^ in gleid^em aSerl^ältniö 
ju, tDie bie fd^öne ßitteratur in SJlittelbeutfd^lanb an Sebeutung 
für bie ganje SRation junimmt. 6rft am Sd^lu^ be§ 18. ;3al^r= 
l^unbertö, nad^bem bie flaffifd^en SBerfe unferer ©eifteöl^eroen ber 
®pxaä)t be§ ^roteftantigmug bie SBei^e für bie ganje Sufunft 
♦ gegeben I)aben, Derftummen in hen !atl^olifd^=iefuitifd^en Greifen 



1 3* mad^e noc^ aufmerffam auf eine @ot^aifd|c (Sc^ulorbnunQ öon 
1642, »eldie für ben Unterri^t 9^ücfft^t auf ben ßautftanb ber ,,reinen 
tneifemfc^en (Sprad&e'' Verlangt: „SBenn ein 3tt>eifcl borfället, ob ein SBort 
mit einem b ober t ober toaS fonft für glcid&lautcnbc SBud^ftabcn mit ein* 
onber fönnen bcrtuc^felt toerbcn gu fd)reibcn fei, fo foll bcfonbcrS bie tcutfdie 
S3ibcl, fo in reiner meifenifd^er ©pro^c bcrfertigct, 9^id6tcr fein/' 

Äluge, ajon gut^er M« geffing. 2. aufl. ^ 



130 9^ Dberbcutfdilanb unb bic Äat^oltfcn* 



Dfterbeutfd^Ianbö bie 9flea!tion§t)erfii(i)e gegen bie fiegrcid^e ©^)ra(i^e 
ßutiierö. 9l6er l^eftig iDogt ber fonfefftonetle ©|)radf|enfam^)f utn 
bie Jöiitte beö Sal^rl^unbertö. 

^m ^af)x^ 1730 Iie§ ber Jenaer ^rofeffor ßi^el unter bem 
5Pfeubon^m SÄegaliffuö eine ©treitfd^rift „ber unbeutfdie ßatl^oli! 
ober l^iftorifdier 33eri(i)t t)on ber aßjugro^en 3?adf|Iäfftg!eit ber 
römifd^en Äatl^olifd^en in SSefferung ber beutfdien Sprad^e" er= 
fd^einen. S0tit gefdiid^tlid^en Sl^atfad^en toirb l^ier ba§ ablel^nenbe 
SSer^Iten ber fatJ^oIifd^en ßanbfdiaften gegen bie neuere ßitteratur 
t)orgefü]^rt. S)ie ©d^rift ift eine ®efd^i(^te ber @t)rad^6etr)egungen, 
toeldie iHuftriren foü, tt)ie augfdilie^Iid^ ^roteftanten fid^ um bie 
S0tutterf))rad^e bemül^t l^aben. ßutl^er, bic ©prad^gefettfd^aften, bie 
©prad^gelcl^rten, bie ©id^ter werben un§ öorgefülirt — nirgenbö 
felö^n toir ßatl^olifen an ben großen Seiüegungen teitnel^men. 2)ie 
frudfitbringenbe ©efeöfd^aft l^attc nur ein fatl^olifd^eö 5DlitgIieb — 
ben 6ntfdf)eibenben. ®er Sfefuit Salbe ^at fein 3lnred^t auf ben 
Flamen eine§ beutfd^en ®id^ter§. SBa§ tt)ir au§ ben fiebern lati}0= 
lifd^er ©eiftlid^er an 9leimtt)erfen erl^alten l^aben, geigt eine gdnjlid^ 
rol^e, öeriüal^rlofte <Bpxaä)e; bie Sfefuiten finb il^rer Qpxaä^t unb 
il^ren SSeftrebungen nad^ unbeutft^. ^n ben fatl^olifd^en, juntal 
ben Sfefuitenfd^ulen l^at beutfd^e S))radöe unb beutfdfie ^oefie feinen 
3%aunt; an einer Uniöerfität toie 5!Jlainj tourbe ben ©tubirenben 
fem ©elegenl^eit ju beutfd^en ©))rad^übungen geboten, nad^bem 
^^^i^if €>öße, Sfena löngft eigene ßel^rer bafür beftellt l^attcn. 
2Bie foHen loir ^roteftanten e§ unö erflören, ba§ bie ßatl^oUfen 
fo in Segug auf bie ©pradfie jurüibleifcen ? Unfere Sttd^er finb 
il^nen ein ®om im 2tuge; bie ßcttürc berfelben toirb t)erboten, 
audö toenn fie bic fonfeffioneöen ©treitigfeiten ni<i&t berühren. Tlan* 
l^ält fogar unfere ©ictionaria, SBocabuIaria, 3lomen!Iatore§, ßejifa, 
Sll^efauroö, ^ßl^rafeolögicn unb anbere ©d^ulbüd^er für fd^äblid^; 
ber Sfefuit ^crcnfetber loarnt t)or berartigen 33üdf)em, quod acatho- 
lici erronea sua dogmata sparsim inserunt! 

Sm folgenben Sa^re gab ßi^cl (Sranffurt 1731) eine a3tüten= 
lefe t)on 9leimtt)erfen, um nid^t ju fagen ©id^tungen fatl^ottfd^r 



ßut^crbeutW, ßi^clg anttfat^oIiMc (Sj)rad|fd6riftcn. 131 



©eiftlid&er unter bem Sattel *2)cutf(i)c i^efuitenpocfie l^crausf, meldte 
in bcr %f)at eine überrafd^enbc SSeftätigung QÜer in ber früheren 
©d^rift aufgehellten Söel^ouptungen entl^alt. SBon ©id^tungen SöalbeS 
abgefel^en, bietet ßi^el unö toefentlid) ©ebid^te, bie gtoifd&en 1680 
unb 1730 entftanben finb. Sin aüen treffen lüir ftrengere ober= 
beutfd^e 3üge, bie in ber 8itteraturft)rad^e bereite getilgt »aren. 
3a]^Irei(i)e ue (4ue(f, 0uet) unb ai C2tic^e, erratenen, &traxd^, 
gc^cii^cn, waig)* !el)ren lüieber; bie oberbeutfd^e @^n!ot)e beö e 
in ber SSorfilbe ge d^^brcn, gfaVicn, ^fel^en, (Smor^ «feile, 
(fffid^t, (Bflalt u. f. iD.) lüirb nid^t gemieben; fo begegnen ctud^ 
V^errfc^en, fogar i*bcrgm\ felbft ber 3lrtifel bie erleibet a5er= 
ftümmtung (b'ed^lfle, b'Äacfeii, b'^6d^, b'rorl)6U, b'Crom^ 
peteii). ®aö 2lu§laut§-e ober, toie jene 3cit eg benannte, bag 
lutl^erifd^e e öermiffen tt)ir l^öufig: bxc 0tü(f, ber (fraufamb 

1 S)a8 altbair. ai, bcm ml^b. ei cntftric^t, betoal^ren tüir tu einigen 
c^arafterifttfdöen SBorten h)ic Äaifer, bie nod^ l&cute alg S3cn3etS für bie 
anfanglid^e S3cbcutung ber batr.söftreic^. hanglet angefetjen Serben fönncn» 
Übtigcng tocrbcn ml^b; i unb ei in 3)rurfcu öom SWittelr^ciu (bcf» IJrauffurt) 
burd^ bag gange 16» Sal^rl^unbert l^iuburc^ gern als ei uub ey fonfcgucut 
untcrfd^teben* Um bon gatjlreidicn 3)rurfen gu gefd^lDcigeu, lüobou nur SQBcrfc 
fjifd^arts ou8 bcn Satiren 1578—1581 txto'dfjxii feien, nenne idj 6efonberS 
©ragmuS 3llberu8 (Novum Dictionarü genus, fjranffurt 1540), junger 
(Linguae Genn. vindicatio, ©trafeburg 1585), §elfr. @mmel (beutfd)5lat 
u. f- tD. SBb., 23afel 1592). — 3o§. mattf). ©d^neuber, SWitbcgrünber bcr 
©trofeburgcr ^^annengcfettfdiaft, untcrfd^cibet 1656 in feiner 2. ©ebtd^t* 
fammlung ei unb ey ebenfo fonfeguent, toäl^renb Dtompler 1647 ei unb ai 
nad^ oltbair. SBeife gu erneuern berfud^t (So toav fc^on am (Sd^lufe be8 
16. Sal^r^unbertS fßautug Smeliffug (bei Freher, Orig. Palat. cap. IX) in 
einem lat ©cnbfc^reiben (©eibelberg 20. Sluguft 1598) für bie itm 1550 
auggcftorbene Unterfc^eibung bon ei unb ai eingetreten, ebenfo bergebltd^ 
tote 1572 in bem mifelungenen SBerfud) einer Orttjograpl^icform in feiner 
SBfalmenübcrfe^uug» 3)er le^te SluSläufer ber gangen Belegung ift fjulba 
unb ^a^t^ 'teutfc^er ©prad^forfdier' 1777, ber eine Unterfd^eibung ef unb 6i 
bcfürtoortet (II, 158). 3cfi ^abe biefe SData für bie ©efc^id^te m ai ^ier 
Sufammengeftettt, um meine (Sammlung and) anberen nufebar gu mad^en; 
toa^ SBtImanng (bie Ort^ogra^j^ie in \>tn ©deuten ^cutfi^Ianb^* 81) bei* 
bringt, ift 'bcr ^rgängung bcbürftig» 

9* 



132 9« DBcrbeutfd&lanb unb bic ^at^olifcn. 



tCob, bie ^6U, bie ^i^, ber Xtamm; in ber SJtel^rl^eit finbett 
lüir bie 5^mb, bie Äeut. 3)er obcrbeutfd^e SBofaliömuS öerrät 
fidö burd) jurucf, Stucf, bie Äurfen, trurfen (für brucfen), 
rucfen, folDte in ber 2t6teitung t)on ®e^etmnu0^ 25önbnu0. 
3tu§ ber S)efIination feien Spornten lüie i^nc für il^ii, beim für 
beinern angefül^rt. 2tnc^ ba§ 3^itoort geigt ^arte oberbeutfd^e 
formen: er ftnbt, er leb', er mad^\ 0eloffefi für gelaufen, 
0etoe(l für jfetrefen. 

@§ ift nid^t unfere 2lufga6e, eine tötlige ©rommatif jener 
fQtI)oIif(f)en SBer^mad^er jn geben. @§ genüge nur nodö gu be= 
merfen, ba§ bie f^ntaftift^en Fügungen, 9teftionen unb ber ganjc 
©a^bau ebenfo lüeit t)on ber in ))roteftantifd^en Greifen anerfannten 
unb befolgten ?iomt abxotiijm, tt)ie bie bef)anbelten ®rfd^einungen 
ber ßaut= unb Formenlehre. SBöüige 3legeIIofigfeit, Siol^eit unb 
Ungelenfigfeit c^arafterifiren bie ©prad^e biefer S)id^ter. derartige 
3üge finb allen ©tütfen, bie 9JiegaIiffu§ mitteilt, gemeinfam. 

@ö ift begreiflid^, ha^ fic^ ber SöefelirungSeifer ber mittel= 
beutfd^en ©t)rQd^freunbe t)or allem auf bie 3ieid^§^au))tftabt rid^tete, 
bereu ®ett)innung natürlid^ für tt)eite <Rreife t)on ma^gebenber 35e= 
beutung gelüefen lüäre. SBien fonnte fid^ feiner feinen ©prad^e 
rüfimen. SBd^renb ßagiuö im 16. 3}öi^i^I)unbert unter bem 6in= 
flu§ beg faiferlid^en §ofe§ unb bei bem großen SSerfe^r, ber ®eutfdf|e 
aller ©aue in bie f)teid^§^au))tftabt füfirte, eim elegantere SJlunbart 
in ber 6tabt ate auf bem ßanbe ju beobad^ten glaubte, Igoren xdxx 
in ber erften C^älfte be§ 18. ;3a]^rl^unbertg toefentlid^ Stimmen, 
bie bem 3)eutfc^ ber SBiener ©efeüfdfiaft ha^ böfefte nad^fagen. 
9luf öereingelte ^u^erungen, tt)eld^e ba§ SBiener 35eutfd^ bamafe 
f)odöftellten, ift natürlid^ fein ©elüid^t ju legen. SBer lüirb fid^ 
iDunbern, lüenn bie ©pradfie, bie am ©i^ be§ faiferlidfien §ofeg 
unb ber 9teidö§regirung I)errfd^t, öobrebner finbet! @in fold^er 
iDor ber Söraunfd^meigifd^e §of= unb ßanjleirat öon SReiem, ber 
bie Acta Publiqa be§ lüeftfälifd^en 3^rieben§ 1734 fierauSgab. 
2tber feine Söe^auptung, ba§ in f))rac^lid^en 2)ingen „SBien afe 
bie f)öd^fte ©d^ule ber ääelt ben 35orgug mit Siedet öor alTen übrigen 



2)tc (Bpxadjt obcrbeutfrfjer Äat^olifen. Sßieiu §eräu§. 133 

§öfen unb ßanjieien t)erbiene", fielet in grobem ©egcnfa^ 311 aöen 
Sl^atf adrett unfcxer @))rQc^enttt)t(I(un9. 

Um biefelbe 3cit flogt ein Kenner bcr SBiener 35erl)ältitiffe, 
bie 2luöf))rad^e bort tt)ic in Öftreic^ ü6erl)aupt fei fcl^r grossiere, 
ber Stccent überauä unangenel^m; bie 3lu5f))rQd^e t)on ue (ftatt u 
in 5ueg), ber I)arte Sibilug in st (alö seht) beleibigc feinere 
Dl^ren; O^idnjorter lüie bie l^äufigen t^uii, mein* xd^, haltet, 
(d^ame feien nnertraglid^, ebenfo enfer für euer ®ie ftarfe 
©nmifd^nng öon Srembiüörtern fei nnfd^ön ; ond^ iiabe baö 3rQn= 
^öfifd^e nnb ©panifd^e, t)or allem ober ha^ ^toUenifd^e jn breiten 
IRaum bei §ofe.^ 

yinx feiten regen fic^ t)or 1750 in Söien SBeftrebnngen, bie 
auf bie Sefferung unferer ^pxaä)c gerichtet ftnb. @g toax be= 
beutung^loö, tomn j. 33. gelegentlid^, aber öorübergel^enb ))uriftifd^e 
;3been in ben bortigen ^tegirungsfreifen laut mürben. SBeit be= 
beutfamer ift, bafe ein großartiger ©ntiourf, ber bie allgemeinen 
beutfd^en ©prad^guftänbe betraf, in besi ^aiferg näd^fter 9MI)e ent= 
ftanb, ol^ne jebod^ bie allerl|öd^fte 23ead^tung ju finben. ®cr !ai= 
fcrlidfie 9lat 6. ©. §eräuö, beffen 2)id^tnngen bem Sbcal ber 
©d^riftf^)radöe jener 3eit geredet n)erben, fud^te baö f)teid^§oberI)aut)t 
für bie ©rünbung einer (Sprac^gefeüfd^af t gu begeiftem, beren 5pro= 
gramm unöorgreiflid^e ©ebanfen über 2luf= unb ©inric^tung einer 
beutfd^en @))rad^gefellfd^aff bem SJiinifter vorgelegen ^ben. 

2Bag biefer einfid^tige ©d^riftfteöer tooüte, toax eine 3Bieber= 
belebung ber großen ©prad^gefellfd^aften be§ 17. S^al^rl^unbertö 
unter faiferlid^en Slufpigien, eine gentrale @))rad^a!abemie nad^ bem 
SSorbilbe ber ^ßarifer Stf abemie. SBenn bie dürften aus ber frud^t= 
bringenben ©efeöfd^aft loegen beö geringen Umfanget il)rer Serri= 
torien nur in einem befd^ränften Seil unfereö 95aterlanbeö tt)irfen 
lonnten, fo burfte eine 2tfabemie, an beren ©))i|c ber ^aifcr unb 



1 ®rbmann8börffer:=(Sc^erer im Slnj. f. b. Slltert 1, 196. - ^ucf)elbecferg 
aüerneuefte 9lad^rid)t bom ^atferlid^en §ofe nebft einer ^efd)rei6unö ber 
^eftbengftabt SBien, §annoüer 1732. 



134 9, Dbcrbeutfc^Ianb unb bic tat^olifen. 



ein if)n öorftetteuber SJlinifter ftel^cn fotlten, auf eine attgemeine 
SQBirfung über ganj ®eutf(i)Ianb l^offen. SBie öorteill^aft mu§te 
ein foldieö 3fnftitut auf aße fatj^olifd^en öanbfd^aften £)6erbeutfd^= 
lanbS tDirten. jumal icenn oberfadöftfdie ©d^riftfteüer t)on Se= 
beutung l^ineingejogen tourben! 

3)er ©ntourf t)on ©a^ungen für bie ©arolinifd^e 3tf abentie, 
htn ^eröug ausgearbeitet unb beut SJiinifter überreid^t l^at, fanb 
feinen 3ln!Iang bei ^ofe, ®en Äaifer lodte ber Siu^m einer 
©arolinifdien 3[!abemie nid^t. ®er ernfte 35erfud^, f))ra(i)Iid^ ben 
ajiittet))unft ®eutfd&tanb§ in ben Söereid^ ber nä#en Sinpjfe 
be§ Sleid^greginxentS unb in bie fatl^olifd^en öanbfd^aften ju bringen, 
fonnte nid^t terftanben unb gett)ürbigt njerben, tt)o rontanifd^e 
©pradfien unb 3[been ^errfd^ten. S)ie Steid^Sregirung ^tte bantit 
enbgültig auf eine gentrale ßulturfteüung in 2)eutfd^lanb ijcrgid^tet. 
®ie gro§e Setoegung, toeld^e mit ßutl^er§ 3luftreten begonnen, 
toar abgefd^loffen. 3unad^ft bleibt Oberfad^fen ber geiftige 3JlitteI= 
punft S)eutfd^lanb§. 

heraus l^atte in feinem ©nttDurf ber Sa^ungen einer ®aro= 
linifc^en 3lfabemie bem proteftantifd^en 5!JlitteIbeutf(^tanb ba§ SBer= 
bienft ungefd^malert eingeräumt, ba§ meifte gur Bi^i^be unb 9flei= 
nigfeit ber SJluttcrfprad^e beigetragen ju l^aben. 3m fatl^olifd^en 
Saiern fdf)tt)an!t gteid^geitig bie Sluffaffung ber beutfdf)en @prad^= 
Derpitniffe. @ine jefuitifdie 9Jlonat§fd^rift mie ber in SJlünd^en 
1725 ff. erfd^einenbe Parnassus Boicus^ erfennt an, „bafe fid^ bie 
Ferren ßutl^eraner t)on bieten ^al^ren I)er ungemeine Söemül^ungen 
geben unb ftu^erft gefliffen feinb, bie teutfd^e Bpxaä) immer ju 
öerbeffern, aud^ ju jieren unb gur SSoüfommenl^eit gu bringen". 
1725 toixb jugegeben unb ju erHören t)erfudf)t, ba§ bie Äat^olifen 
an ben neuen ©t)rad^bett)egungen feinen 3tnteil l^aben. 3lber neben 
biefer 2tnerfennung gefd^i^tüdEier S-I^atfad^en treffen tt)ir in bem= 
felben Drgan bie unerl^örtc 33e^u))tung, ba§ niemafe ein ärgerer 
©prad^öerberber aufgeftanben fei afe Cutter. 

1 1725 XVIII, 409 ; ncufortgef. Parn. Boic. 1736 V, 67* ^a%n 
S3eitr. i txit ©ift 1786 XIV, 264. 



heraus* (Sarolinifclöß «S^rac^afabcmie. S3ainfc§c Sefuiten. 135 

^n einer 3^itfd^rift, bie in einet nm ein Sfal^rl^unbert l^inter 
her ©ntoidlung jurüdgebliebenen ^pxaä)t gefd^rieben roax, ^at fid^ 
ein ;3efuit gu jenem 2lngriff auf ßutl^erS f))rad^lid^e SBebeutung er= 
breiftet. 3in 3torbbeutfd^Ianb, n)o ber Parnassus Boicus menig 
Verbreitung fanb, erl^ob fid& afe SBerteibiger ßutl^erg ber ßüne= 
burger ,ßonreftor ^. &)x. ßemdfer, meld^er in ben ßei))giger Säeitr. 
g. frit. ^iftorie 13. ©tüd ©. 74 ff. einen freilid^ gang unguläng= 
lidften 2luffa^ über ßutl^erS f))rad^Iid^e Stellung erfd^einen liefe, 
ßel^rreid^er für bie B^tgenoffen toar jebenfallg ber Säerid^t über 
ben Parnassus Boicus, ben bie Seiträge gur fritifd&en ^iftorie 
gaben ; ba njurbe ba§ f^)rad^Ud^e Sibeal ber bairifd^en St^fuiten burd^ 
2luögüge beleud^tet. S)iefelbe Seitfd^rift führte i^ren ßefem 1743 
(31. ©tüÄ @. 490 ff.) ein ©ebic^t auf ^arte VII. ßaiferfrönung 
t)or, ba§ einen SRündEiener ©tubenten ber S^l^eologie gum SJerfaffer 
^atte unb fprad^Iicf) t)oII ungebül^rlid^er a3aiut)ari§nien toax. 9iod^ 
1767 fonnte ein 9legenfent ber 9lllgemeinen beutfd^en Säibliotl^ef 
(V, 1, 178) ein t)emicf|tenbeg Urteil über Überfe^ung irgenb eineg 
Ulmer 5pater§ abgeben, ber fein ©d^toäbifd^ mit ber unmafegeb= 
lid^en Sriücigung begrünbete, „bie Siegeln unferer a)tutterf))rad^e 
feien nicf|t affgemein gültig ; t)ieffeid^t fei feine ©d^reibart nid^t uaä) 
bem neueren l^eifeln ©efd^madE; ber ßefer möge all SSort nad^ 
feiner beliebten SRunbart lefen unb augfpred^en, fo toäre beben 
gefiolfen".^ 

SQßie lange biefe f))rad&lid^en Suftänbe in SBaiern anbauerten, 
lefirt ein @reigni§ au§ bem Saläre 1779, auf baö ©d^loffer im 
3. SBanbe feiner ©efd^id^te be§ 18. ^a^r^unbertS (6ap. IV, § 1) 
aufmerffam gemacfit l^at. 9ll§ ber ,ßanonifug SBraun ©d^ulbüd^er 
in moberner Drtl^ogra^}]^ie Verausgab, erl^oben bie ;$^efuiten ein 
©efd^rei über bie lutl^erifd^e S^)rad^e berfelben, unb ber 9fiegen3= 
burger SBifd^of gog SBraun megen ber SSeranberung ber Drt]^o= 

* (5me große JHoUe fj)ielt baS bairifdö gefärbte Dberbcutfcö tatf)0' 
Iifd)er ©ciftlidjer in ben ©treitfc^riften, in beren 9)JitteIJ)unft ber jum 
§ßroteftanti§mu§ übergetretene »encbifttner S^ot^fifc^cr 1752 unb 1753 

ftetit. 



136 9. Dberbeutfc^lanb unb bie üatfjoüUn. 

Qxapi)u ^ gut 3ted^enfd&aft. @§ tonn un§ gleid^gültig fein, tote ber 
^Proge^ t)erlief. 9lber bafe 250 ;$^a^re nad& ben erfd^üttemben 
Sreigniffen ber Oteformation ein fo Idd&erlid^er Streit über bie 
lut^erifd^e £)rt]^ogrQt)]^ie t)on einem fatl^olifd^en ^ird^enfürften unter 
bem ©rängen ber Sefuiten l^at infjenirt werben fönnen, ift eine 
%^at]aije, bie ung ntit SQßel^mut erfüllen ntu§. 

9lu(jö im Dll^eintl^Ql l^errfd^ten um bie SRitte besi t>origen 
Sol^rl^unbertS SJerl^altniffe, bie bei ben ))roteftQntifd^en Spxaä)^ 
meiftern 9JiitteIbeutfd^Ianb§ Sntrüftung erregten. 2lud^ im 9fl]^ein= 
t^al toax ba§ Streben ber gangen neueren ©nttoicfiung nai) einer 
6in]^eit§f))rad^e t)ielen nid^t gum Söeroufetfein gefommen. 5Dlan füfirte 
gafjlreid^e 3üge ber alten oberbeutfd^en ßangleif))radöe t>on ©efd^Ied^t 
gu ©efd^Ied^t tüeiter, unbefümmert ob unfere ßitteratur für bie 
5Diutterf))radöe nid^t anbere formen t)erlangte. S)ie Beiträge gur 
fritifd&en ^iftorie (29. ©tüdE @. 233) geigten an einer 1741 in 
aSrud^fal gefialtenen unb gebrudften ®ebadötniöt)rebigt eines S^ran- 
gi§!aner§ auf ^aifer ^arl VI., toie fremb bie neue 8itteratur= 
f))rad&e in bem fatl^olifd^en Sfll^eintl^al toar. 

^oä) gel^n 3a^re ^pakx (1755) fanb ©ottfd^ebö reblid^eö 
33emül)en um bie 8itteraturf))rad^e einen fanatifd^en ©egner an 
bem babifd^en ^ßater 3luguftin ©ornblütl^, Senebiftiner gu ©engen= 
bad&.2 ©ein ®eutfd^ ift ftarf oberlänbifd^ gefärbt, unb er t^ertritt 



1 S3raun toax in S3aiern einer ber2erften, ber mit (^ntfd&foffen^eit unb 
mit @ad^fenntni§ bie neue Sd^riftfprad^e empfahl; ögL feine 3)eutWe Sprad^^ 
fünft; 2)eutfcöe ^ebefunft; Slnreitunfl gu ber 2)i^t= unbSßergfimft; Slnttoort 
auf bie fragen Don ber ße^rart in ben fiateinfdöulen, 

2 5ßgL ^onr. Söurbai^, SSer^anblungen ber S)effauer $I)tIo(oöen=Sßer:^ 
fammlung (S. 170; ber 2;ttel ber Sdörift be§ $aterg lautet: „Observationes 
ober grünbltcöe 5lnmer!ungen über hk 2lrt unb SBeife eine gute Überfe^ung 
befonberg in bie teutfdöe ^prad^ %u maä)tn, mobe^ bk geiler ber bisherigen 
teutfd^en Überfefeungen famt benen Srrfad^en foldjer fjelileren unb baraus 
erfolgten 5ßerfel)nmg ber teutfd^en <Sprad) aufrid)tig entbedft ioerben, nebft 
einem gu biefem 5ßorI)aben unentbäbrlid&en ^riti! über §errn ©ottfd&ebeng 
fogenannte SHebefunft unb teutfd^e ©rammatif ober (tüie er fie nennt) @runb* 
legung gur teutfd^en Sprad^e. SluS patriotifdiem @t)fer gur SSerbütung fer* 



3uftänbe tu 23aient unb 23aben; 23rauu unb 3)ornbIüt^. 137 



bcn überbeutld^en @))rQd^gebraud& aud^ alö Sl^eoretifer. ®ie 
obcrbeutfd^c 3lpofo))e unb ©^n!o))e beö e i[t bei il)m Siegel (bic 
&prad^, bic Äieb, bic Ä6pf); er ereifert [td^ gegen bie ober= 
fäc^fifc^en ®nbungö=e in (Slanhc, Vtamc, &amc, TSinahc, liahc, 
J5nhc, foraie in SJerbalformen rou lebet, liebet^ i^S^t, ^6ret, 
^eme^ret, bebieiret, gelobet; er verlangt ic^ nimh, id^ ^ib, 
id^ fpric^, id^ ^ah, id^ lag, xd^ mad^, id^ lauf alö Sfnbic, 
tt)03u bie ©onj. ic^ ire^me, ic^ gehe, id^ fprec^e, id^ ^ahc, id^ 
laffc, ic^ mac^e, id) laufe lauten foüen. S)a§ ©uffij nie er= 
fd^eint bei Sornblütlö cilö UU5 (Seujfuue, iCrfauntuue, (Sc^ 
^eimnu0, Verberbnue unb gtüar fem. gen.). 3^ormen tt)ie t^me, 
beute, bcncn (gleich ben), lüie bie Überfeijere befremben bei 
tl^m nid^t. SBenn er fid^ nad^Iialtigen ©influfe auf bie ^pxai)c 
äugetraut l^ätte, lüürbe er mit großer 6ntfd^iebenf)eit für bie längft 
üUögeftorbenen altbairifc^en ai unb ay {SL^yb, Älayb, XOay$ 
*pupillus', Äay0 'iter') eingetreten fein, ßänblid^ fittlid^ ! ba§ ift 
2)ornblüt§ö 3loxm, mit ber er aud^ ba§ oberbeutfd^e ©enuö t)on 
ber CB^ewalt, ber Äuft, ber €auf, bie S(^oo0 red^tfertigt, ja 
3ur §errfd^aft erfieben möd^te. 

©0 ftet)t SDornblütl) im f))rad^Iidöen SBann einer oberbeutfd^en 
Sanbfc^aft. 60 fann unö nid^t befremben, ba^ er fein ft)rad^Ii(:^eö 
:SbeaI in ber oberbeutfd^en ßanglei finbet. 6r em))fie]^It ben an= 
gefienben Sd^riftftellern ba§ eifrige ©tubium ber ©eridötö= unb 
^roge^fd^riften beö <ßammcrgeric^tg gu Speyer, ' jumal berer glüifd^en 
1680 — 1690. ©0 trat ber SJenebiftiner allen ben 33eftrebungen 
entgegen, bie ©ottfd^eb- mit ©infid^t unb Slfiatfraft i^erfolgte. S)iefer 
l^attc ber «Sanjiei ben legten Sieft t)on SBebeutung unb 6influ§ in 

jtcrer iöerfeftrung unb (Sdjänbung ber auSlänbifd^en ^Md)txm ang SCagltedftt 
gegeben öon di. % Slugufttno ^ornblütö, ^rieftern Drb. <S. Senebicti be§ 
9letrf)§=®otte^f)aii§ in ©eugenbad^. STugSpurg, öerlegtS Tlaiti)äm Sieger 
1755." 

1 Um 1600 fjobm ,§elber unb 3oI)» ""Mb. 6attler bie Slanglei l)on 
Sptt)a toegeu töresf guten 2)eutfd^ gerül)mt. 

■' Über (^ottfc^cb ögL ^obeiftein § 264. 



138 9. Dberbeutfd)Ionb unb bie ^at^olifen. 

©ad^en ber ©prad^e entgogen. ©ornblüt^ meift fogar auf bie 
70 ^a))xt frül^er geübte ^anjleift)racf|e i)in mit ©eringfd^a^ung ber 
aufblül^enben ßitteratur. ©ottfd^eb bemalet fid^ ber mit ßutl^er 
beginnenben ©u^}rematie ber oberfäd^fifd^ett SKunbart bie Slnerfen- 
nung aller Sanbfdöaften Seutfd^tanbS gu erwerben, ©omblüt^ 
greift in tüefentlid^en 2)ingen bie 3liitorität bcg SKeifenifd&ett an 
unb ftettt bamit bie Sjiftenjbered^tigung ber neuen @d^riftf|)rad^ 
überl)aut)t in 5rage. 3lfe fatj^olifd^er ^riefter in Dberbeutfd^Ianb 
ift er un§ t)erftclnblid^. @r l^at am einge^cnbften gu 3Borte 9e= 
brad^t, tüaS um bie 5Diitte be§ t)origen ;$^a]^r]^unbert§ bie taif)t^ 
lifd^en »ßrcife bei bem 9lufblül^en ber ))roteftantifdöen ßitteratur 
betüegte. @r ^at ben legten SJerfud^ getüagt, feine ©lauben^ 
genoffen f^}radölidö Don bem proteftantifd^en ©eutfd^Ianb gu eman= 
git)iren unb bem großen ©treben unferer bcften ßö))fe nad& einer 
einl^eitlidöen @döriftft)rad^e einen S)amm entgegenguftcüen. 

©d^on ^atte ber 3^itgeift felbft fat^olifd^e ©eiftlid^e erfaßt, 
^ater 33enaftafiuS ßiare§ untemal^m afebalb gu ©unften ©ott= 
fdöebs unb feiner f))radölidöen SBeftrebungen einen tüol^Igemeinten, 
jebod^ ungulönglid^en 3lngriff auf ©omblütl^. 3n feinen 't)ier 
©enbfd^reiben tüiber §erm ^ß. 3luguftin S)ombIütlö', bie toaf)X= 
fd^einlid^ nod^ 1755 gu Ulm erfd^ienen, geigte er ein unDerfenm 
bares ©treben, fid^ t)on feinem ^eimatlid^en Dberbeutfd^ gu eman= 
gi))iren. 6r öerurteitte ba§ 33rei§gauif(^e ©eutfd^ be§ ,ßingigt]&ate, 
ba§ er bem ^ater S)ornbIätl^ beilegt, fonnte aber feine eigene 5Dlunb= 
art bod^ nid^t verleugnen. 6r loill fid^ nad^ großen fatl^oUfd^en 
©))rad^meiftern gebilbet fiaben, öerteibigt aber mit marmen 3Borten 
biejenigen ßatl^oüfen, bie in ©ottfd^ebs ©d^riften f))rad^Iidöe 33e^ 
lefirung fud^en. ^ 

Unb Don jje^t an Derne^men toir in ber gleiten ^älfte be§ 
18. Sctl^rf)unbertö au§ ben 9leil^en ber fatl^olifd^en ©eiftlid^feit im 
mittleren 9ll)eintl^al eingelne gemid^tige ©timmen, bie für bie aE= 
gemeine ßitteraturf))radöe eintreten. ®er ^efuit 3gnag 333eitenauer, 
ber eine ^ßrofeffur für femitifd^e ^pxaä)m au ber UniDerfität 5rei= 
bürg bc!Icibctc, Dcröffentüd^te — „2ltteö gur größeren Sl^re ©otteS" 



2)ornbIüt^ unb Sßeitenoueri 139 



— „mit 6riau6niö ber Ditxn" feine '3tt)eifel öon ber beutfd^en 
(Spxaijt ijorgettagen, aufgelöft ober anberen aufgulöfen überlaffen ; 
fantt einem ortl^ogra^jljifd^en ßepfon' * — ein toerttJolIeS 2)ofument 
für ben SBanbel ber Seiten feit S)ombIüt]^. SBar biefer fanatifd^ 
unb f|)rQdölici^ roie fonfeffioneU intolerant, fo ift SBeitenaner in 
5oIge beö großen 3(uffd^n)ung§ ber ^)roteftantif(^en ßitteratnr ju 
einem t)erftanbigen ,ßom|)romi§ geneigt. Biinial in ber*35el^anb= 
lung be§ fd^riftft)rQd^Iid^en @nbung§=e geigt ' er ein emfteS SBeftreben 
feine fat^olifd^en ßanbsleute aufjuHören. „SSol^er entf))ringt bod^ 
biefer unDerfö^nlid^e ^a^ tt)iber baS unglüd lid&e e ? ;$^ft ber Übel= 
Mang be§ armen SBud^ftaben ober ein unerbittlid^eS alte§ SBorurteil 
ober lool^I gar bie 9ieIigion an feiner 35erbammung fd^ulb? 35on 
ber ißeligion erftlid^ gu reben, ift e§ fd^mer gu begreifen, tou man 

• 

fie in bie ^led^tfd^reibung eingemifd^t. SSa§ ^at immermel^r bie 
©laubenölel^re mit bem e gu tl^un? SBeld^en 3lrtifel l^at bann 
berjenige abgefd^moren, meld^er l^ic unb ha ein Jlennmort um eine 
©Übe t)erlängert?" 6§ loerben 33elege au§ gut fat^olifd^en ©d^rift= 
fteffern, gumal auö UlenbergS fat^oUfd^er 33ibelüberfe^ung bafür 
angefüfirt, bafe aud^ fat^olifd^e Siegte jeneö e (bie &hnbc, bie 
23eme, bie ^änbc, bie ^ufe) annjenben. 2lud^ ift 2Beitenaucr 
ber Slnfid^t, ha^ bie oberbeutfcfie S\)ntope, mli)t auf ben einfil= 
bigen 3Bortt^|)u§ be§ ß^inefifd^en l^infü^re, feineöroegg befonber^ 
tool^Hautenb fei. 3wbem fei ba§ Dberbeutfd^e nid^t einmal fon= 
fequent; man fd^reibe i^me, i^ire, beute, aud^ beiren (für beti); 
Inberen, perbefleren anftatt Stibcrn, verbeflerir; bagu bie 
überflüffigen e in Bluet, gnct, iXtuctcr, (Shctcr, ^üctcr, SfJlit 
einem ^innjeia auf ben SBo^tflang, ben ba§ 6nbung§=e ben ge= 
l^duften rßonfonanten be§ 2)eutfd^en gebe, fd^Iiefet ber S^fuit feine 
allgemeine 2l|)o(ogie be§ lutl^erifd^en e; er fommt bann nod& im 
SSerlauf mikxex ©|)rad^betrad&tungen auf ©ingelfälle gurüdf, um 
möglid^ft einbringüd^ feine oberbeutfd^en ßanbsleute über bie Unge= 
fdl^rlid^feit fold^er fprad^Iid^en 3leuerungen gu berul^igen. 

* a^tr ^aben baöon bte 3. imb 4. STiiflaöe STugSbiirg imb greihirg 
1768. 1774 öorgelegen. 



140 9/ Dberbeutfcötaub unb bie Slat^olifcn. 



5aft überall fielet äBeitenauer in fd^roffem ©egenfa^ ju 
®ornbIütI), beffen er nirgenbö ©rmafinung t^ut. ^atte btefer 
burd^gel^enbö Äriefflellere, Uberfeijere, üicb^abere in ber 
9!JleI)rl^eit gefagt, fo t)er))önt SBeitenauer jenes überflüf jige e. Söar 
jener für \^rcbig nnb für Porte eingetreten, fo öerteibigt biefer 
prebi^t mit ber Slutoritat ber Sibelüberfe^ung Ulenbergö unb 
Pforte mit ber Steigung ber beutfd^en ^pxaije, pf im Slnlaut 
lateinifd^er ßef)nn)orte einjufüljren. §atte ber SBenebiftiner gcvocfi 
für 0cxDc(cn gebrandet, fo gilt bem ^reiburger ^ßrofeffor bie ale= 
mannifd^e 5orm für ^)öbell)aft. ßurj SBeitenauer goßt ben SQut= 
formen ©ottfd^ebs unb ber Oberfad^fen !räftige 2lnerfennung unb 
förbert ben 3lnfd^Iu§ ber oberbeutfd^en ßanbfd^aften an bie gemein= 
beutfd^c 8itteraturf|)radöe.^ 

Um biefelbc 3^it ^i^ SQßeitenauer tüirfte in gleid^em ©inne, 
aber mit mel)r ©nergie am furfürftlid^en §ofe ju $Diann]^eim ber 
§offa|)Ian ^alob ^emmer, ber ber f))rad^Iidöen ßitteratur feiner 
3eit lebljafte ©tubien getüibmet l^atte unb bie grammatifd^en Serfe 
t)on Sornblütl), SBraun unb SBeitenauer eben fo gut fannte toie bie 
einfc^neibenben Slrbeiten ©ottfd^ebö unb bie antüatljolifd^en ©d^riften 
beö $DiegaIiffu§. 6r lie^ 1769 gu 9JlannI)eim eine '3lbf)anblung 
über bie beutfd^e 'Spxaijt gum Sinken ber 5PfaIg* erfd^einen, bie 
toefentlid^ ben fd^Ied^ten 3wftonb ber beutfd^en ©prad^e in feiner 
Heimat (©. 54 ff.) gum ©egenftanbe l^at. S)ie @nbungg=e, bie 
bei feinen fat^olifd^en ßanbsleuten „ate affeltirt unb toeibifd^, ja 
afe Iutl)erifd^" t>erfdörientt)aren, bilben l^ier (@. 129 ff.) tt)ie fonft 

1 Überl)au:pt toaren bie fattiolifdöen 3entreu am SJiittelrl^ein l^inter ber 
Spradjenttoidflung guvüdf geblieben. Öfters flagen benn and) bie fritifd^en 
2??itarbetter ber groöen 3eitWriften über bie fatl)0lifc§cn @d&riftfteUer in ben 
3^Öein(anbfd^aften. @o ^ti^t eS in ber SlUgemeinen 2)eutfd^en S3ibliotöef 
1766(111,2, 303) öon ber beutf^en Überfefeung eines frangöfifd^cn SöerfeS: 
„^er Überfefeer ift ein ©intoo^ner einer fat^olifd^en am Sft^ein gelegenen 
^roöing: ba^ fiebt man nid^t altein an Dielen SBörtern unb SftebenSarten, 
fonbern aud) an getüiffen gang unleiblid^en SBortfügnngen unb Sßenbnngen, 
bie man nur in fatbolifd^en ©d^riftfteUern gu finben pflegt. S)er Überfefeer 
mag erft beutfdö lernen!" 



SDaS lut^crtfd^c e bei SBcitcnaucr unb ipemmcr. 141 

bcn SJltttetpunft be§ Streitet, ^cmmer mcift barouf ^in, bafe ttud^ 
in Dorlutl^erifd^cn 93t6e(n bcr öer^aßtc Sprac^t^pus (bie &hnbc, 
-^erbe, Jbingc, tCa^e, JBer^e) ®cfc§ fei, unb bringt baranf, bic 
ßonfeffton bei einer fo tüid^tigen nationalen Stngelegen^eit ans bem 
Spiel jn laffen. @r ereifert \xi} 6efonber§ gegen baö e in 5phiral= 
formen tt)ie Äur^ermeiflere, öta&tfc^reibcre, bem 3)om6Iül^ 
ge^nlbigt l^atte, verlangt aber baö e in 5piural6i(bnngen »ie 
bic S^^bt, "^Inbe, @(^afe imb tritt burd^göngig für bas Cber= 
fad^ftfd^ ©ottfd^ebS ein. Xie 5prot)ingiaIiömen ber pfatjifc^en 
ajlnnbart (4ast, Äust, (Saat ; IDab, ^u^cnb, IDoc^ter, baufcn, 
^Ä0, banden n. f. m.; e für ö in J^crcn, ftcrcn, ftdid^, hce 
u. f. m.) merben bnrd^genommen, um baran ba§ 3bea( einer 
gemeinbentid^en Sd^riftfprad^e entmidfeln ju fönnen. 

ISer Srfolg biefer mit guten SBeifpielen pfatjifd^er Sd^reibart 
burd^fe^ten 3lrbeit toar gett)altig. 6ö folgten jal^treid^e @treit= 
fd^riften. Über brei 3af)re bauerte ber üamp] um bie Sprad^e. 
6ö erfd^ien fortan — fo berid^tet ein 3fitgenoffe, ber eine bebeu= 
tenbe 9iolIe in jener Säeioegung fpielte — in ber 5pfalj faum eine 
Sd^rift, bie ntd^t einen fprad^tid^en ^ortfd^ritt jeigte. ^emmer 
felbft blieb im 9Jlitte(pun!t ber gangen SBetoegung. ^Perfönlid^ ange= 
griffen unb angefeinbet fd^rieb er 1777 eine 'SJerteibigung feiner 
3lb]^anblung über bie beutfd^e ©prad^e* gegen eine anonyme @dömä]^= 
fdftrift; freubig erregt gebenft er barin ber 3iiftimmung, bie il^m 
au§ Derfd^iebenen Drten ber 5pfalj ju Seil getoorben, ber emften 
Semül^ungen jal^Ireid^er ^ßrebiger, il^re $Diutterfprad^e auf ben 
Äanjeln ebler unb toürbiger gu gebraud^cn, fomie be§ @ntgegen= 
fommeng in päbagogifd^en <ßreifen, bie nad^ Sinfül^rung ber fo 
energtfd^ unb fo emft empfol^Ienen ©d^reibart »erlangten. S)te 
Slnl^änger be§ alten @d^Ienber§ gu gewinnen, manbte ftd^ ber SSer« 
faffer mit jener etngel^enben SBerteibigungSfdörift oon neuem an 
feine ßanbsleute. ®te Särme feines 2:one3 unb ber mannlid^e 
©ruft feiner nationalen ©efinnung, bie fid^ betonet in geraben 
©egenfa^ gu S)omblüt]^§ lofalem unb fatl^olifd^em ©tanbpunft 
ftellen, errangen oor 9(blauf t)on 10 ^aiiren einen ööüigen ©ieg. 



142 9« Dberbcutfd&Iaub unb bte kati)oUttn. 



3ln btcfem Srium))]^ l^atte aui) ein ©Ejefuit einen ]^ert)or= 
xagenben 3lnteil. 6d^on t)or ber 9(uf^ebiing feines Drbenö l^atte 
2lnton t)on ßlein, ein feuriger Slnl^änger ber aufblül^enben beutfd^en 
ßitteratur, ate junger ßel^rer im Saläre 1768 bie neue ©d&reibart 
lüie bie neuen Sid^ter in bie Sfefuitenfd^ule ju SJlannl^eint einge= 
fül^rt; „ate SKdrt^rer feiner JleuerungSbegierbe" mufete er SDtanm 
l^eint bann auf jmei Saläre Derlaffen ; er njurbe nad^ ©rfurt öerfe^t, 
aber mit ber Sluf^ebung beS ;$^efuitenorbenS feierte er nad^ 3Jlann= 
l^eim jurüdf unb toirfte fortan ate ^ßrofeffor ber fd^önen a33iffen= 
fd&aften für bie neue ßitteratur tt)ie für bie neue 6döriftf^}rad^e. 
5Bon il^m angeregt, trat im Df tober 1775 bie SJlannl^eimcr teutfd^e 
©efellfd^aft ins ßeben; ber ßurfürft ßarl Sl^eobor toar burd§ 
ßIo))ftodf, ber im ^rül^jal^r 1775 nad^ SRannl^eim gefommcn toar, 
für i^rc ©rünbung gewonnen; ßeffing, ßIot)ftodf unb SBielanb, 
f))dter aud^ ©dritter lourben Sl^renmitglieber. S)ie erflen ^di)X' 
gänge ber ©d^riften ber furfürftlid^en beutfd^cn ©efeKfd^aft, bie nod§ 
l^eute unfer 3fntereffe öerbienen, finb ein fd^öneS 3^ugniS für ben 
fd^nellen Umfc^toung, ben bie fatl^olifd&e ^Pfalg feit ^emmers 3ün= 
benbem 5Pam|)]^Ict unb ^leinS fortfd^rittlid^en Neuerungen erfahren 
fiat. SSo nod^ t)or 15 Salären ausfd^liefelid^ bie franjöfifd^e ©prad^e 
in ben öomel^men Greifen »ie auf ber SBül^ne unb ein *barba= 
rifd^eS' S)eutfd^ auf ben ,ßangeln gel^errfd^t l^atte — fo fonnte 
Älein in ber geftrebe am gel^njafirigen ©tiftungsfeft ber ©efellfd^aft 
ausfül^ren^ — Wülste je^t ein reines unDerfälfd^teS ©d^riftbeutfd^. 
6in t^offa^lan unb ein Sefuit njaren eS, toeld^e ben 3lnfd^tu§ ber 
5Pfalj an bie ßitteraturf^)radöe erloirlt l^atten. SBeld^er Sanbcl 
ber 3citen! 

@ine äl^nlid^e 33eloegung förbert aud^ im füblid^en Saben 
ben gortfd^ritt ber ©d^riftf^)radöe. 3n greiburg, loo ber ;3efuit 
SBeitenauer für einen ßom))romife gmifd&en Dberbcutfd^ unb ßut]^cr= 
beutfd^ eingetreten toar, toirfte t)on Sleujal^r 1782 eine aus 5|Jro= 



* ©d^riften ber htrfürftL beutfd^. ©efeüfd^aft %n fUlamffdm 1, 13 ff., 
baju anä) (Seuffert im Sing. f. b. 21. 6, 276 ff. 



$ctttmcr unb Mdn in ber $falj. 3)ag lutl&crifd^e e. 143 



fefforcnfretfcn l^eröorgel^cnbc 30tonatöfd&rift *ber Sreimüttge' pxah 
tifd^ unb tl^eoretifd^ für bic neue ©^)radöe. Slid^t ol^ne ^itterfett 
ruft ein 9Äitarbeiter bie 3^tt gurüd, tt)o bie ;$^efuttenfd^ulen bcr 
aJlutterfprad&e ^Pflege t^orentl^ielten. „SBenigftenö maren bie ©d&riften 
einc§ ©ellerts, eineö 9flabener§ unb nod^ t)iel mel^r eine§ . ©efenerö 
felbft ©d^ullel^rern t)erbotene SBüd^er. ^a fogar ©ottfd&eb§ 6))rad^= 
lel^re — toie un§ ein ©jjefuit öerfid^erte — mu^te man t)or ben 
DBeren öetborgen Italien, ^reilid^ fiaben bie ßatl^olüen auä biefen 
SBerfen öiel ©ift gefogen. SBenn nid&t§ mare alö baä lutlierifdöe 
e, baö fie fid^ burd^ ßefung berfelben attmaliliclö angelDöl^nten — 
immer fd^abe genug! 6j5 Hang bod^ el^emalö fo genuinfatI)oUfd§: 
bie ®eel, bie Cron, bie &onn, bie Blum u. f. tt). — unb nun 
fd^reiben bie unfrigen faft burd^göngig: bic Seele, bie Äroire, 
bie 0onne, bie J6lume — toie bie leibfiaften ße^er aud^ 
fd^reiben^M — 

SBer fold^e auffällige Sliatfad^en fennt, fann unmöglid^ t)er= 
fud^en, ßutl^er auä feiner Stellung im SBeginn unferer neubeutfd^cn 
©))rad§gefd&id^te ju öerbrclngen. 3liemalö ift begmeifelt iDorben, bafe 
ber Qpxaä)t be§ 9teformator§ im 16. Sfal^rl^unbert in S)eutfd^lanb 
bie allgemeine 3lufnaf)me öerfagt blieb. 39ereit§ im Sfal^re 1870 
^at ein feiner ,ßenner unferer ßitteratur^ an bie 6. 135 be= 
f^jrod^ene S^atfad^e erinnert, ba§ man nod^ nad^ 1779 in Saierrt 
an l^od^beutfd^ t)erfa§ten ©d^ulbüd^em bie lutl^erifd^e 3Bortfd^rei= 
bung unb bie fe^erifd^e @))rad^e befel^bete, um gu bereifen, ba§ 
ttnr, felbft nad^bem ba§ britte SBiertel be§ 18. ^al^rl^unbertö abge= 
laufen toar, eine in allen Seilen S)eutfd^lanbg angenommene 
©d^riftf))rad^e nod^ nid^t befa^en. @rft feit ber ßpod^e unferer flftf= 
fifd^en Sitteratur befi^en toir eine @d^riftf|)radöe, tueld^e aud^ für 
Dberbeutfd^lanb unb für bie fatl^olifd^en Greife Stid^ifd^nur unb 
@efe§ getoorben ift. 3lber biefelben Sl^atfad^en beftötigen aud§ ben 
»id^tigen ©a§, ha^ unfere 8itteraturf))radöe an Cutter an!nü))ft. 



* S)er freimütige IL 481 nad) S3irlinger in ber ^Hemannia IX, 265. 
2 e. Döpfner in 3a*erg 3eitf*rift II, 487. 



144 9. Dberbeutfdö^anb unb hk ^at^olifen. 



®a§ lutl^erifd^e e — biefe ^ortnulirung jefuitifd^er ©prad^- 
leerer fönnte genügen afö 33ctt)et§ für ben Biifcintntcnl^ang unferer 
6t)rQd&e ntit ber 3(ieformatton. Unb jeneö lutl^ertfd^e e, tt)orin 
,Kat^oIifcn bamalS ba§ mefentlid^fte SKerfmal ber t)er]^Q§ten 
8itteraturf^)rad^e erblidft l^aben, ift nid^t ber einzige S^i in 
bem ©efamtbilbe unferer Bpxaä^e , ber auf ben großen 9flefor=^ 
ntator metft. 

©rabc bte große 8))radöbett)egung be§ 18. ^al^rl^unbertö 
mad^t tüteber flar, bafe ntit ßutl^er bte Jleujeit für unfer S)eutfd^ 
beginnt. 3)ie Sl^atfad^en, loeld^e jur @ntfd^ulbigung ber fprad&= 
lid^en Suftänbe Dberbeutfd^Ianbg in ber erften ^älfte be§ 18. ^a^x- 
l^unbert§ bienen fönnen, rüdEen bte SBebeutung unfereS 9leforntator§ 
n)ieber in ba§ l^ellfte ßid^t. ^m Parnassus Boicus mirb (1725^ 
XVIII, 409) bie SBernad^Iaffigung f))rQd^Iid^er SBeftrebungen im 
fat^olifd^en Dberbeutfd^Ianb mit bem Übergetoid^t be§ unter fird^= 
lid^er ©anftion ftel^enben Latein entfd^ulbigt. 2lud^ ein fd^n)a= 
bifd^er 6))rQd^geIe]^rter ^ erblidtt barin bie Urfad^e: „^Bpratijt ful= 
tit)iren unb lutl^erifd^ fein fei in jenen ßanben gleid^bebeutenb, 
unb bie römifd^e Sieligion begünftige bie lateinifd^e ©prad^e t)or 
ber teutfd^en". 

©0 f|)iegelt ba§ 18. Sa^rl^unbert bie 3itftänbe gu ßutl^erö 
3eit toieber. S)er ßatl^oIigi§mu§ mit feiner ßirdöenf))rad^e xoax 
nod& immer ein §emmni§ unferer nationalen SntioidEIung. 2Ba§ 
bem 3ßitalter ber Slufflarung gelang — e§ toax bie 3^it, too unter 
beutfd^en ßird^enfürften ber SKuufd^ nad^ einer Slationalürd^e laut 
loerben fonnte, bie 3^itr too au§ fatl^olifd^en Greifen aud^ bie 3luf= 
l^ebung beö SfefuitenorbenS geforbert unb ergielt tt)urbe — loaS 
biefe 3rit uns errungen l^at, ift bie Stnbal^nung einer geiftigen 
3lnnal)erung t)on ßatl^olijigmug unb 5proteftanti§mu§ burd^ ben 
f))rad&Iid&en 3lnfd^Iufe be§ ®üh^n^ an ben Slorbcn. 



S^aft, ber teiitfcfie <Sj)radöforfd^er, Stuttflort 1777 in ber SSorrcbc, 



I. Zeittafeln pr neul^o^betttfc^en @|)ra(^gef^t(^te« 

1238 @rfte beutf^e ^aifentrfunbc* 

1274—1320 ^eutf^ tüirb neben bem fiatein Ur!unbenf:prad^e4 

1340-1450 JRücfgang be§ Dlteberbeutfc^en unb Sßorrücten beg aWittelbeutfc^en 

in ber 9tid)tuncj aJievfeburgs§aUes3)lagbe6urg. 
c. 1450 (Srfinbung ber Sönd^brucferfnnft — Sluffommen beS 2Sorte§ *^od)^ 

c. 1466 @rfte ^b. S3ibel gcbrucft 

1472 (5rfter 2)rncf Don ^acitng* (SJermania. 

1486 Sßerbot beutf^er S3ibeniberfefeungen unb beutfd^er (5rbauung§büd^er 

burc^ (Srgbifc^of 23ert^oIb Don Wlaxn^. 
c. 1500 2(bfcö(u6 beg mec^anif^en ^ßrogeffeS ber ntobcrnen 2)ipl6tl&ongirung, 

— beginn einer 9tegu(irung ber Drt^ograj)^ie in SWajimiliang 
^angfei. 

1502-1515 aWajimilian I. läfet ba^ ^elbenbud^ (STmbrafer ^anbfd^rift) für 

fic^ gufantmenftellen. 
1503 Söimpöelingg 5ßoIemif gegen ha^ ed^tüäbif^e. 
1515—1517 Epistolae obscurorum virorum. 
1516 fint^erS ^luSgabe ber beutfc^en X^toloqk^ 
^1517 fintöerg X^efen gegen hm Slbrafe. — STc^tgig bentfd^e S3üd^er gebrucft 

1518 150 beutfdje 23ücöer gebrudft — ße^ter (14.) 3)ru(f ber öorlut^erifd^en 

23ibel. 

1519 260 beutf^e S3üd)er gebrucft - ^öbelg STufforberung an i&utten, 

beutfc^ gu fd^reibem 

1520 §utten beginnt beutfd) gu fd^reibcm — SJiumer tritt gegen fiutl&er auf, 

meil biefer fid^ ber 33o(fSfprad&e bebient. 

1521 didd)ZtaQ gu SBormg (SSerpönung ber refomiatorifd^en ©cfirifteuX — 
(Sberlin öon ©üngburg ^fünfgefin S3unb8genoffen\ 

. 1522 '2)er geftrt)ft ^(i}tt)t)^txhm\ — 2xitf^a 'neueg Xeftament bcutfdft*. 

— aJiurner 'großer ßut^erifdöer 9^arr\ — 680 beutfd^e SBild^er gebrucft» 
1523 935 bentfcöe Söü^er gcbrurft. - 3ti)citer S3afler STbbruc! ber ©ej)« 

tcmberbibel (3lbam $etriS ©lofjar). 

Ätugc, 93on Sut^cT M« gejüng. 2. «ufl. 10 



146 !• 3eittafeln mt neu^od&beutfdfien <S))rac^gefd&id&te. 

1524—1525 ©infüörung ber beuifdö^n ^effc in ben proteftant ©ottegbicnft. 
— ®rfte§ ßutl)crif(^c§ ©efangbuc^. — ßut^crS Sßfalmüberfefeung. 

1525 @rfte bcutfdie äWeffe in SSittenberg. — ©mfcrS 2lnnotatione§. 

1526 ©mfü^rung beutfd^er Sßfaimcn bei htn JTleformirten gu S3afeL 

1527 3cte(famer *bte redete toeiS auf§ fürgift lefen gu lernen*. — ®mfer§ 

neues ^eftament — Söormfer $ro:p^etennbcrfeönng. — 2)eutfd&e Soor» 
(efungen beS ^^öeopl). SßaracelfuS gu 23afe(. 

1528 3oI). 2lgricoIa8 beutfd^e ©prid&tüörter. 

1529 9teIigionggefrräd^ gu ailarbnrg. 

1530 9flet(^§tag su STugSburg. - 3o^. ^olrofe* @nc§iribion tft auf ha^ 

(Sd^toeigerbeutfciö bafirt — S)te Sürid&er S3ibelau§gaben geigen fortan 
n^b. )ßo!aIi8muS. 

1531 $an§ t?<ibrittu§' i&omonijntenbüd&Iein. — fjab. ^ranct öon S3un?ilau*8 

Drt^ogra:p]&ie. 
1533 ^rfte§ ^anbhnd) ber ßogi! in bentfdöer 8j)rad&e (5ud^SJ)erger *ein 

grünbltc^er flarer 5lnfang ber natürlt^en unb redeten ^unft ber tüoren 

S)ialemfa'). 
.1534 ßut6er§ beutfd&e S3ibel öottftänbig. — S)tetenberger8 fat^olifcöe SöibeL 
1535 S)iplomatifd&cr ^lad^brurf ber ßut^erbibel burdö S^liliel in ^trafeburg. 

1537 @cts S3ibeL — S)aS anonyme Sßittenbergcr S^amcnbüdölein. 

1538 §oc§bcutfc§e SluSgabe öon ^ran^otoS j)ommertf(^er (^^ronif. 

1539 §od&beutf(^e ^ird^enorbnung in D'lorbl&eim. 

1541 Onomasticon Eoclesiae öon Söigcl; 

1542—1541: §b. unb nbb. ^ird^enorbnung für Söraunfd^toeigsßüneburg, 

1542 Sefete nbb. l^ergoglid^e S^leffripte in 2)ledflenburg. 
1544 23eut^erg ^b. Übcrfe^ung beg nbb. D^leinefe fJud^S. 

1548 ®a§ ßeij)8iger Snterim fud)t bem ßatein toieber Eingang in ben pxo- 

teftantifc^en ©otteSbienft %u öerfd^affen. 
1548 (Stunt:pf§ *@ettte^ncr Toblii^er ©ibgenoffenfd^aft S3efd&reibung' crfd^eint 

in 3ürid& mit nl)b. SßofariSmuS. 
1550 §b. in ber S3rannfd6tüeiger ^anglei. 
1553 §b. in ber tangret öon Dgnabrüdf. - S3urfart SöalbiS' Slieubearbeitung 

beS ^^enerbanf. 
1558 2)er ©isleber $(acotomu§ greift ©elel^rte an, bie mebiginifd^e SBerfc 

beutfc^ ÖetauSgeben, pmal ben ^^übinger $rofeffor ßeon^. ^n(ii^, 

anfeerbem ben Überfefeer ^^f. — @g erfd^eint bk beutfd^e ©rammatif 

Don ©raSm. SBoIf. 
1560 3n DftfrieSlanb beginnt bie ^anglei l^b. gu fd^reiben. 
1563 ßut^erS Slorreftor SBatt^er nU $oIemif gegen S3ibelnad^brudfe. 
1566 SJ^at^efiug' ßeben ßut^erS. 
1571 6imon ^oteS fjrembtüörterbu^. - DtfribS (S:örtft toirb m S3afel gebrudCt. 



I. Betttafeln pr neul&ocöbeutfdben (Sj3rad&gefd)td6tc. 147 



1572 ^4^. mdm^ Cble Sßfalmen S)abib§ in teutfdöen ^c^mcn*) crfinbet ein 

umfaffenbeS «S^ftent ber SSofalbegeid&nung, tritt anä) für ei-ai ein» 

1573 Oetinger^ unb 2(lbcrtng' bentf^e (Sprad^Icfirem 
1578 Claius, Grammatica Grermanicae linguae. 

c. 1580 ^cfetc 3üric^er ßitteraturtoerfe mit bem alten fd^toeig. ^otaU 

fi)ftem; ^eflinn beg frang. @prad^einf(uffe§» 
1582 dlatf). (£öt)traen§^ ^omendator. 

1596 ©ine S3raunf^tüeiger ©d^nlorbnung öerlangt l)0^beutfc^ in ber ©d^ulc* 
1598 % mdii^m tritt toieberum für ei-ai ein. 

1603 2)a^ ^oc^beutfc^e tüirb in Hamburg ^errfc^enb. 

1604 iic^tt nbb. Urfnnbe in $ontntern. 

1607 3» ^^* @attter§ ^b. ©rantmatif für bie ^d)tüd%. 
1617 3rrud)tbringenbe ©efettfd^aft in SBeimar gegrünbet 
1621 iiefetc nbb. S3ibel in @o§Iar. 
1624 Cpi^' S3uc^ öon ber bentfd&en ^oeterei« 
1633 ©rünbnng ber Strafeburger Slufrid^tigen Xannengefettfd&aft. 
1639 3n Dlieberbeutfc^fanb beginnt bie Sfteaftion gegen ha^ ©od^beutfd^e 
(3J^icräIiug *öont alten $ontmer(anbe*). 

1643 'S)er unartig teutfdöe Sprad&öerberber , befdöneben burdfi einen ^Öieb* 

^ahcx ber rebtid^en alten teutfd^en ^pxaä)\ — 3cfeng beutfd^gefinnte 
(^enoffenfc^aft gu i&amburg. — 23albe, Carmina Lyrica. 

1644 ^ßegni^fcöäfer %n Dlürnberg; 

1647 DfJompter txitt tüieber einmal für ba^ auggeftorbene bair. ai cim 

1649 3o^. ^Jtift ^fricbeiau^jenbeS S)eutfc§lanb\ 

1650 3n Sc^IeSlütg tüirb ber I)b. ©otteSbienft burc^ ben (öu:perintenbenten 

Slloö gefe^lid^. 
1652 :i^auremberg§ nbb. Sd^erggebid^te; 

1658 ^Hiftg ©Ibfcötoanenorben. — §. 3. S^lebinger tritt für ben (Sd&toeigers 

öofati§mu§ ein. — 3. 3Jl. <Sd^neuber§ gtüeite ©ebid&tfammlung; 

1659 Sc^tc (130 Sluflage öon ^, (^^i)träu§* nbb; Sflomenclator. 
1663—1664 S^eibiug unb «Salgmann fd^reiben ßejifa öeralteter unb auS* 

geftorbener SBorte in ßut^erS S3ibel. 
c. 1679 £eibni6 *®rma^nung an bie ^^cutfd&e, il&ren SSerftcinb unb ©prad^e beffer 

äu üben, famt beigefügten SSorfd^lag einer Si^eutfd^gefinnten ©efefffd^oft*» 
1687 ^öomafiug pit beutfd^e Sßorlefungen in ßeipjig» 
1697 Öörüfeer ©efeUfd^aft in ßeij)gig. 
1700 (Srünbung ber 23erliner Slfabcmie. 

1704 5reptn=9taupad^, *öon unbilliger S3erad6tung ber nbb. ©prad^e** 
1711 CDiebericö öon (Stabe'S ßut^ertoörterbudö. 
c. 1716 §eräu^* ©nttourf öon (Sa^ungcn einer 3U grünbenben ©arolinifd^en 

©prad^afabemie; 



148 I. 3^ittafeln jur ncuöod&beutfd&en Sprad^gefdötcftte. 



1717 ^eutfc§ übenbe »)oetifc6c ©efcafdöaft in ßetpgtg. 2lug i^eibmjcnS S«ad)* 
Ia6 fiiBt @ccarb bic CoUeotanea Etymologjica (bartit hk Hmöors 
greifitci&en ©ebanfen, betreffenb bic 5lugübung unb Sßerbeffcrung ber 
teutfd^en ©prad^c') ^crauS. 

1720 (e^te (11.) Sluflage bon (Slaju^* Grammatioa Germanicae linguae. 

1725 ff» Parnassus Boicus, eine bair.sjefuittfc^e 3citf(^tift. 

1730 S3ent fjranflin brucft ha^ h bcutfd&e S3u* in 5Imerifa. 

1730—1731 ßi^el^a^egaüffuS* antifatöotifd^e (Sprac^fc^riften. 

1732 ©aller, ^erfud^ fd^toei^erifd^er ©ebid^te^ — Jöobmcrg Übcrfe^ung bon 
3Jliltong berlorcnem $arabie8. 

1732-1744 ßeipgiger S3eiträge gut fritif^cn §iftorie. 

1748 ©ottfd&ebs beutfc^e ^pxad)tm% 

1750 Michaelis, oratio de ea Germaniae dialecto qua in sacris faciundis 

atque in scribendis libris utimur. 
1755 ^otnUntf) , Observationes. — ßiarc§ , bicr ^enbfd^reiben toiber 

2)ornbrütI). 
1762-1766 SBielanbS S^a!efJ)care=Überfefeung. 
1768 ff. .©emmer unb ^lein getütuncn W ^folg für baö (Sd^riftbeutfc^i 

1772 §erber, Urfprung ber ©prad^e* 

1773 STufOebung beg 3efuitenorbeng. 

1774 ^ropftodfS ©ekörtenrepublif; 

1775 ©rünbung ber SWann^eimer teutfd^en ©efeHfd^aft 
1777 ^ulba unb D^aftg tcutfdier (Sprad^forfd)er> 

1780 ^riebrid^ ber ©rofee, De la litt^rature allemande.