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m
10on tntfitv Bis X^fftnö.
r^ / ' ;'
10ott Xutl^^r Bis X^ffittö*
$)irad|9efd|td|tHd|e HuffS^e
Don
(^riebrt^ tluge*
Sttiette burfi^gefeliene ^(uflage.
]Kit einem lfirtd|eti.
-^•♦«-
Stragburg
SJcrlog t)on ßorl 3t. Srübner
1888.
^55. Otto'« ^of»»uc6bru(fcrei in fJarmftaM.
I
9tub* |)iIbcBranb unb gricbn 3^^^^^
al§ 3eid&cn bcs S)an!c§
für tii^Ifatigt Snrtßunß un6 Bth^runß.
10ortDOPt
S)a6 iä) f)kxmxt einem größeren ^^ublifum einige ^pxaä)Qt^ä)\ä)tliä}t
Sluffäfee öorlege, toeld^e gufammenfaffen tootten, toag fjod^leute öor unb feit
3af. @rimm über ein paar ^Probleme ermittelt l^aben, bebarf feiner naiveren
S3egrünbung» S)a8 (ebenbtge Sntereffe für ft)radögefd^idötnd^e 'StaQtn,
toeld^eg id) in großen Greifen unferer @ebi(beten toal^rnel^me, l&ot mid^
ermutigt ben fjreunben beutfd^er <Bpxa^t abermals gu bienen.
S)a8 erftarfte S^lationalitätggefül^I toeift unS immer öon neuem
toieber auf unfere ^pxacl^t l&in. S)a8 ßutl&eriubiläum , bog gtoeite ©en*
tenarium ber erften UniöerfitätSöorlefung in beutfd^er ©prad^e, bie beöor*
ftel^enbe fjeier öon §uttcn8 ©eburtötag, bie f|)rad^fd^ö|)ferifdöe ©etoalt
unfereS Steid^Sfanglerg öergegentoörtigen unS gerabe in biefen Salären, toaS
toir unb unfere <Bpxad)t ben §eroen unferer ©efd^id^te banfen* SBaS ben
@ntU)i(fIung§gang unferer S'lation gel^emmt, ttja§ il&n befd^Ieunigt unb ge*
förbert l^at, baöon legen bie folgenben S3lätter 3cwp^^ ob* (Sie toottcn
geigen, toarum Saf. @rimm unfere @(i6riftf|)ra(i6e einen t)rr)teftantif(l6en
3)ialeft genannt I)at, toarum erft feit ettoa 1580 ßut^erS ^pxadit eine
maßgebenbe (Stellung erlangen fonnte, toarum ber ©egenfafe öon (Sd^rift*
fprad^e unb 2Wunbart erft nad6 ber fiegreid^en S3efäm)jfung be§ ßatei*
nifd^en auggeglid^en toorben ift.
S)ie8 Süd^Iein toitt (eine beutfd^e (S|)radögefd^id^te fein; gur Se*
rul^igung fad^toiffenfd^aftlid^er @emüter fei e8 gefagt. ®ine Sfleil^e unöer*
bunbener Sluffäfee bel^anbelt l^ier einige ^a|)itel unferer (Sprad^gefd^id^te
au8 ber 3ßtt öon ßutl^er bis auf ßeffing. öon 9}?ajimi(ian bis auf
t?riebridö ben ©rofeen. SSon rein lautgefd^id^tlid^en Erörterungen ift ah-
gefeiten, um ba^ 3ntereffe gunäd^ft für bie §au)Jtbett)egungen gu toedfen,
bk in ben Greifen ber ^l^eologen unb ^iftorifer biSl^er leiber nur gu
toenig 5(ufmerffamfeit gefunben l^aben.
VIII SSorlüort.
Snbem i^ bieS SBüd^Iein aug bcn §änben gebe, crfüUe iä) eine
anöcnel^me $Pic^t, toenn id^ bie ö^^öfee ßiberalität beutfc^er 23ibIiot^cf^=
öertoaltungen banfenb rül^me. S3efonber8 ^cbc id) bk (Stuttflartcr ^ibIio=
tljd fjeröor, bei beten perfönlid^er S3enu^unö bie sperren 5ßrofefforen ^txnu
{Jifd^er nnb ©d^ott meine S^ad^forfc^ungen lebfjaft geförbert, nnb bie 3ürc^cr
8tabtbib(iot^e(, beten ©d^äfee mir bie ©erren Dr. ©fd^er unb (Stanb anf
ha^ entgegenfommenbfte erfd^Ioffen l)ahm. 3)a6 an be8 (enteren (AJclc^rtcn
reid^en 3)ialeftfenntniffen meine 23emü^ungen nm bie fd^toeigerifd^en 8pradi=
üerpitniffe bie leb^aftefte ^örbcrnng erfüllten, erfüllt mic^ mit ^ergtic^cr
!l)anfbarfeit gegen ben ^ocööcrbienten Tlann, bem bie beutfd^en ??ac^(cutc
für feine gtofee 2)ialeftarbeit gn gan? befonberem 2)anfe öer|)flicötct finb.
^a8 3örd|er 6taat8ard^iö erfd^Iofe mir Dr. SßanI ©c^toeigcr, in bcffen
l^iftorifd^em äöiffen id6 öielfad^e Slnrcgung nnb reicöe S3e(e]&rnng gcfunbcn
i)aht. 3n ßeipgig fonnte id} bie toertöottc S3ibliotf)ef ber 23nc0t)änblcrbörfc
bnrc^ bie Liberalität beg iperrn ©onful ßordf benn^en* §ier am Orte t)at
mid^ Dr. ajlarting ftets gefällige ipütfe fräftig nnterftüfet. Unermüblic^fte
^Inregung unb ^örbcrung, gerabep bie Xeilnal^mc ber 2Jlitarbeit ^at
Dr. 9lein]&o(b toller in äöeimar mit feinem nmfaffenben Söiffen mir
gefc^enft. —
2)ic neue Sluflage, bereu 3)rudKegung (JreunbcS^üIfc mit mir ge=
teilt l&at, unterfc^eibet fid^ öon ber erften nur in Weinen formellen unb
fad^lid^cn ^nberungen. 3)ie freunblic^e Slufnal^me, bie bem Sücölein gu
2^eil getoorben, äufeert fidi erfreulid^ertoeife anä) barin, ba^ feinem 5öcrfaffer
öon öerfc^iebenen (Seiten mertöotte fprac^gefd^id^tlid^e S'iotigen äuflicBeu,
<Sinb mand^e neue 9lad^tt)eife an^ für eine f|)ätere SBertoertung gurüdf^
gelegt, fo gereichen einzelne fd^on ie^t btm S3üd^lein gur befouberen Qitxbc.
Unb fo tüieberl^ole ic§ ^ier ben l^erglid^ften 3)anf an bie greunbe beutfc^er
6|)rac^tt)iffenfc^aft, bk mid) burd^ Slnrcgungen unb Dladötoeife geförbert
l^aben.
3ena, 18. Df tober 1887. 18. m'cm 1888.
Jitt)alt.
Sdtc
1» tird)enfproc^e unb Söolf^fprad^e 1
2. gjlajimiaan m\> feine banstet 22
3. i^ut^er unb bie beutfc^e ^pxad^t 33
4. Sd^riftfteller unb S3uc^brncfer 49
5. (Sc^rtftfprad^e unb äHunbart in ber (Sc^tocis 60
6. Dbcrbeutfd^er unb mittelbeutfd^er SBortfc^a^ 75
7. ^ieberbeutfd^ unb ^od^beutW . . . ♦ • 92
8. ßatein unb Humanismus 112
9. D6erbeutfc^ranb unb bie ^at^olifcn 128
I. 3cittafc(n gur nf)b; 8)Jtac^gefc6ic§te 145
II. JHegiftcr 149
III. (Sprac^farte 151
r
SertuoKe jOueOentnerfe unb |)ä(f^mtttel für ueu^od^beutfdie
S^citräge g. ©efdft» ber beutfdftcii ©prad^e unb ßitteratut, l^erauggeflcben öon
.§» ^aul unb SB. S3raune, ©atte 1875 ff.
3. 3f. 2)e8Ctt, 25erfu(i6 einer öoUftänbigen ßitteratur ber bentfc^en Über*
fefeungen ber diomtx, Slltenbnrg 1794.
a^r. ©ottfiijcbg S3e^tr. g. tx\t ©iftorre ber beutfd^en ©|)radöe , $oefie unb
S3erebfamfcit n. f. to. ßeipgtg 1732 ff.
©• 3f- ©totcfcttb , Dr. m, ßut^crg S3erbienfte um bie STuSbilbung ber ^b.
©prad^e in ben Slb^anbtungen be8 franffurtifd^en ©elel^rtenöereing für
beutfd^e (Bpx. 1818 I, 24 ff.
3. 3. SReiger, ©efd^id^tc ber beutfdien ^^ibelüberfefeungen in ber fd^meiBerifd^s
reformirten ^irc^e, S3afel 1876.
3oÖ. aWüttcr, Ouettenfd^riften unb ©efd^id^te beS beutfc^fprad^Iid^en Unter*
xim big gur Mtk beg 16. Sa^r^unbertg, @r)t§a 1882.
®. aS. ^ottjcrg @nttt)urf einer öoUftänbigen ©efd^id^te ber beutfd^en 23ibel*
überfefeung Dr. m, ßnt^erg* 2. Slufl. STlürnberg 1791.
*. *ictf(^, 2Jl. ßut^er unb bie neu^od^beuifd^e (Sdfiriftfpradöe, fdxt^laxi 1883.
^. Äildtert, ©efd^id^te ber neuöod^beutfd^en (Sd^riftfprad^e, ßetpgig 1875.
6. m. mitt^mam, aWedfrenburgg anbf. ßittcratur, (Sd^toerin 1864-1885.
tjr. Sorndteg 2lu§gabe öon (Seb. f&xant^ Slarrenfc^iff, ßei^jgig 1854.
1.
1Rirrf|mf|irarf|t un5 10olß0f|irarf|t-
Söa^renb be§ 5ülittelatter§ lag im gattjen 3l6enblanbe ein
Sann auf ben 35oIföf|)rad^en. Überatt l^ertfd^te ba^ ßatein; e§
liefe ben altüberlieferten angeborenen 5ülunbarten laum irgenb toeld^en
Slaum jur Entfaltung. 9lur ba§ ifolirte Snglanb erl^ob fid^
frü]^ ju einer nationalen 3luffaffung ber 5ülutterf|)radöe. Söeber im
ftaatlic^en noc^ im lird^lid^en üzbm l^errfd^te bort ba^ mittelalter=
lic^e ßatein ; in ^anjleien unb im ©otteöbienft njar bie angeftammte
Sprache l^eimifd^; bie gelehrte n)ie bie 35olföbilbung fanb in ber
3!Jlutterf|)radöe i^ren 9Jtittel|)unIt. ßein Söunber, bafe ©nglanb ber
,Sultur be§ ^ontinent§ mel^r al§ ein i^al^rl^unbert Vorausgeeilt ift.
®er kontinent bagegen genjöl^rt gleid^jeitig einen toeniger
erfreulid^en 3lnbliÄ. ßateinifd^ toaren l^ier bie Urfunben, lateinifd^
bie SJteffe; ßirc^e unb ©taat unterbrütften einmütig bie 35olfe=
fprad^en. ^n 3^ranfreid^ unb in @|)anien toirb bem ßatein erft
im 13. Sfal^r^unbert in ben ^anjleien burd^ bie ßanbe§f|)ra(^en
ber Slang ftreitig gemad^t, unb in bemfelben Sfa^r^unbert Verliert
es audö bei ung feine Sltteinl^errfd^aft.
3fn ®eutfd^lanb gelten aus ben faiferlid^en »Ranjleien t)er=''
cinjelt feit 1238 beutfc^e Urfunben lö^rvor. Unter JRubolf Von
^absburg toerben mel^rere Sieid^Sabfc^iebc in beutfd^en Originalen
abgefaßt. 2)ie folgenben Slal^r^unbcrte legen biefem ^aifer eine
mafegebenbe SBebeutung für ben Itmfd^mung in ber Stellung ber
2 1. ^irc^enfpracfte unb Sl^oIfSfprac^c.
beutfd^en @|)rad^e bei: er fottte auf bem Slümberger 9letd^§tage
t)on 1274 Seiitfd^ afö Urfunbenf|)radöe anbefol^Ien l^aben. Slber
erft mit ßubloig bem 93aier tüirb ba§ Seutfd^e bem ßatein gleid^=
bered^tigt. @§ ift nid^t Ilar, ob beftimmte Urfad^en biefen Um=
fd^toung in ber Stellung ber beutft^en @|)rad^e in ben laiferlid^en
•Sangleien üeranla^t ijaien, 6mft SBüWer, ber unter ßubmig
bem 33aier anfänglich nod^ bem ßatein eine loeite 33cbeutung ate
Urfunbenf|)rad^e beilegt unb erft mit bem britten* Sfal^rgel^nt be§
14. ;3a]^r]^unbert§ eine gro^e 3una]^me ber beutfd^en UrJunben fon=
ftatirt, bringt jenen Umfd^njung in 3ufammen]^ang mit bem
Streite ßubtüigg gegen ben 5Pat)ft; ber ©egenfa^ t)on ®eutfc^=
tum unb 9lomani§mu§ fott mitgetoirft l^aben, bie langfam um
fid^ greifenbe beutfd^f^)rad^üd^e Söetoegung ju befd^Ieunigen.
/ ^^xm Slbfd^Iufe erreid^te fie erft im 16. i^al^rl^unbert , ofö
/ein l^eftiger ßam|)f gegen ba§ ßatein afe ßird^enfprad^e entbrannte.
3ln ber <Sird^e l^atte ba§ ßatein einen tüefentlid^en 9tüdf|alt.
®ie fo§mo|)oIitifd^en Senbengen 9fiom§ erforberten eine internationale
. @|)rad^e. ®aa ßatein toar ba§ andere @rlennung§geid^en ber päpft=
lid^en SBeltl^errfd^aft. 2öie bem 5Pa|)fttum in feinen ?lnfängen ba§
altrömifc^e Sleid^ unb bie altrömifc^e ©|)rad^e bie SBege gur 6r=
oberung beö gangen 2lbenblanbe§ gebal^nt l^atten, fo ujar fpätcr
bie mittelalterliche 3Beltf|)rad^e burc^ ba§ 5Pa:pfttum gu einer n)elt=
gefc^id^tlid^en SJtad^t geioorben. S)ie Io§mp|)olitifd^e ßird^e ptte
auf alles anbere el^er üergid^tet afö auf il^re <Spxaä)t, loelc^e faft
gmei Sfal^rtaufenbe l^inburd^ eine gro§e Siolle glangüoll burd^gefü^rt
|atte. ®eutfd^lanb aber fül^lte ben ®rud ber ßird^enfprai^e um
fo fd^toerer, afö mit bem ertoad^enben 9lationalben3U§t|ein bie
faiferlid^en fiangleien ber 5ülutterf:|}rad^e . bie ©anftion gegeben
l^atten. 5ür ^jJrebigt unb ©emeinbegefang loar baö S)eutfc^e melir
erlaubt al§ offigiett em|)fo]^len. ©tiüfd^toeigenb geftattete bie ,^urie
ber 35olfef^)rad^c einen befd^eibenen Slnteil am ©otteSbienft , um
1 @c§on bie ©afler DtfribauSgabe öon 1571 fe^t um ba§ Sa^r 1330
ben Umfd^loung» 3m übrigen ^Beiträge IV, 4.
2)ie §crrfc6aft bc8 ßatein öor bcr 9fleformation.
mit befto größerer ©ntfd^iebenl^eit bem ßatein bie ma^gebenbc
©tettung 3U fidlem. ®a§ l^eiüge 5üle§antt burfte nur in lateinifd^er
©prad^e äelebrirt toerbcn. 3^cir l^atten ©lauen t)on Siom aug
ba§ 3ugeftanbnig erlangt, ben gangen ©ottegbienft in ber 35olfö=
fprad^e Italien 3U bürfen. ®eutf(|lanb, bem römifd^en ©tul^Ic
nä^er, fonnte fid^ ber frembf|)rad^lic^en ^ertfd^aft nid^t ertoel^ren,
folange ba§ ßatein aud^ unfere amtlid^e 9leic^§f:|)rad^e njar. 3Bag
ben ©lauen eine |)ät)ftlid^e SöuHe geftattet l^atte, barauf tooütc bie
^ird^e bei unö nid^t eingel^en, folangc »Raifer unb 9leid^ mit il^r
gcmcinfd^aftlid^ nur ha^ ßatein ate amtlid^e ©|)rad^e beö 3t6enb=
lanbeö gelten liefen.
®ie ^ird^e t)ern3eigerte ber 35oIföf|)rad^e bie ©anftion. @§
ift U)a^r, |)äpftlid^e Sefrete liegen nid^t t)or, bie ben ausfc^lie^lid^en
©ebraud^ beö ßatein für aüe religiöfen S^^edEe Verlangen. Slber
bie weit Verbreitete D:|}|)ofition gegen beutfd^e ©rbauungSbüd^cr,
jumal gegen beutfd^e Sibelterte, jeugt für bie ©eringfd^a^ung,
mit ber bie angeftammte ©|)rad^e unfcreö 35olfe§ juxilÄgebrängt
tDurbe.
®er 5Pfaffenfaifer fiarl IV. erlief 1369 ein äJerbot gegen •
alle Söüd^er, toeld^e in beutfd^er ©|)rad^e t)on ben l^eiligen ©d^riften /
l^anbelten. 1486 verbot ©rgbifd^of SBertl^olb Von 5ötain3 bei ©trafej
ber ©jcommunication ben ®rudE beutfd^er Söibelüberfe^ungen ; imb\
biefeg SBerbot fd^eint nid^t ol^ne SBirlung getoefen 3U fein.^ 1511
erflärt ©ailer von fiaiferSberg e§ für gefäl^rlid^, „ha^ man bie
aSibel 3U teutfd^ brudt". Unb @mfer, ber ßutl^erö neueg SEeftament
für fat^olifd^e »Rreife bearbeitete unb al§ eigene 9lrbeit in ein |)aar
3lu§gaben veröffentlid^te, ift nod^ am @nbe feines ßebenö im Unge=
^ 2)cr SBortlaut bc8 aWanbatS bei ©ubenug Cod. Diplom, anecdo-
torum IV, 474 foioic bei ßubto; EeHer 2)ie Söalbenfer unb bie beutfcften
a3t6etüberfeöungen <S. 69; über ben ©rfolg be8 a^anbatS Osf» $afe 2)ie
Robcrger <©♦ 244, 100 barauf liingctofefen totrb, ba6 toeniger ^ihtlan^abtn
Steiferen 1485—1522 erfcftiencn al8 voriger» 3m übrigen öcrnjeife tcft für
bie obige 2)arftcllung auf bie befannten ©d^rtftcn Von ^aupt, Softes unb
Setter, ol^ne ntid^ in bie S3ibeIcontroVerfe einplaffen.
1*
1. Äircf)cnfprac6e unb 3^oIfgfpracf)c.
getDiffen, „ob eö gut ober bö§ fei, bafe man bie 33ibel t)erbeutfc^et
unb bem gemeinen ungelarten 9Äann fürlegt". ^
3in folc^en 3;^atfac^en f^iegelt fic^ ber @tanb|)unft ber ßird^e
toieber. @ie trat nic^t nur nid^t für ha^ Slnfetien ber 5ülutter=
f|)rac^e ein, bie allein S^ragerin tüafirer SBoIfebilbung fein fann,
fonbern t)er|)önte fogar bie beutfd^en ©rbauungSfd^riften. 3Bie bie
©eiftlic^feit t)on beutfd^en 3!JliffaIien um ha^ ^ai)x 1470 backte,
le^rt ein fionfüft gmifc^en einem S)ominifaner)Jrior t)on 3üt|)]^en
unb Sioi^ann Sufd^ ; jener Verpönte bie beutfc^e religiöfe ßitteratur,
biefcr trat für fie ein, Iie§ fid^ aber t)om 2)ominifaner überreben,
baB fofc^e Sucher boc^ gefäl^rlic^ feien.
^erfönlic^feiten H)ie jener 3üt|)]^ener Sominüaner maren nid^t
fetten. 3Bir loerben f|)äter einen 2)ominifaner in ber Sd^tüeij
fennen lernen, ber 1520 gegen alle beutfd^en religiöfen ©c^rifteu
[ |)rebigte; ein anberer, Sluguftin t)on ©etelen, lüütete im SBinter 1525, 6
' in Hamburg gegen bie 35erbreitung be§ neuen Seftament^ in ber
^olU^pxaäjt, Sei fold^em Serl^atten ber 3Jlönd^e unb ber ©eift=
lid^feit fanu e§ un§ nid)t SBunber nel^mcn, ba^ in aäm ©(^ic^ten
unfereö SBolfeö ber ©(auben ^errfc^te, bie <8ir(f)e t)er|)öne alle
beutfrfien ®rbauung§fc^riften unb t)erfe|ere bamit bie beutfc^e
Sprache.
Sd)on um 1430 regt fic^ gu ifiren ©unfien im «ßrcifc ber
SSrüber t)om gemeinen üehen eine ©timme. ©erwarb 3^^^boIb be=
flagt eö, ba& bcn ßaicn bie ßeftüre beutfc^er Sßibeln Verboten fei.
Unb 1514 tritt ein ^enarium für religiöfe Sucher in ber 25olte=
fprac^e ein: „§aft bu gute Sudler, lieö fie an bem ©onntag nad)
ber ^rebig, nac^ bem 9iac^teffen unb untermeiö bein ©efinb; eo
fott fein SJienfd) fein, er fott l^aben baö ^eilige (Söangeüum bei
i^m in feinem §auö". So ift eine t)ereinjettc Stimme, bie mit
fo lüarmen einbringlic^eu SBorten beutfc^e ßeftüre unb beutfd)c
Srbauungöbüc^er empfief)tt, wir. tücrben i^r aber erft bann ©emic^t
il^Ql. bie 3. STuftaoe 1529 matt 210.
ßutöcrg STuftrcten; ©ntbecfintfl her SJiutterpradie. r>
beinieffcn bürfen, Xomn man un§ jeigt, ba§ bcr SBerfaffcr bcö
^lenariumä bantit auf bem 33oben ))ii|)ftlTd^er S)cfretc fielet.
Sinner^alb ber Äirc^c tDar fein Itmfc^tDung gu ©unftcn bcr
9}olf0f))rad^e gu ertüarten. 9iur ber 33rud^ mit ber Äird^e maä)k ! ; • , .
einen SBrui^ mit ber ^errfd^aft bes ßatein möglich. Unb nnfcrm ^ '
Oteformator gelang beibeö. 9)ttttelft ber 9)tutterf:|}ra(^e befiegtc er
ba§ ^Pabfttum unb tüurbe bamit ber größte 25orfed^ter beö S)eutfd)=
tumö. Sllö er bie entfc^eibenbe 33ebeutung ber SJtutterfiprac^c für
unfere Söilbung unb bie ©eföl^rbung beö nationalen ßebenö burd^
bie §errfc^aft bes ßatein erfannt l^atte, fc^uf er geiftige Jial^rung,
bie für aüe beftimmt toar, jumal für biejenigen, benen bie d^rift=
lid^en ©eligpreifungen ba§ §immelreid^ öerfprec^en. fortan finb
bie ßaien nic^t mel^r t)on ben l^eiligen Schriften auögefd^Ioffen. . _;
Sinnen gilt be§ SieformatorS SE^ätigleit gang befonbers. ^I^nen . ,;
tüirb bie beutfd&e SSibel gefd^enft; bie beutfd^en <Sir(^enIieber unb
ber Heine ^ated^iSmuö finb für fie beftimmt ; bie lateinifd^e SÄeffe
tüirb burd^ eine beutfd^e erfe^t, bamit auc^ ber Ungebilbete ben
§anblungen beö ©otteöbienfte§ mit äJerftänbnig folgen fönne.
@eit bem Sloüember 1525 l^errfd^te in SBittenberg bie beutfd^e
Meffe, nad^bem bereite feit bem 3lnfange be§ 3>öf|re§ 1522 bie
ateform bes ©otteSbienfteö bafelbft begonnen ttjar. ©ingeleitet l^at .
fie ßutl^er 1520 burd^ bie ©d^rift t)om l^eiligen ©aframent. „SBoüt
©Ott, fo rief er bamate au§, bafe njir ©eutfd^en 9Äe^ gu beutfdb 1
läfen unb bie l^eimlic^ften SBort auf§ aüer l^öl^eft füngen ! SBarum
foHten toir Seutfd^en nid^t 5üle§ lefen auf unfer ^pxaä)^, fo bie
ßateinifd^en, ©ried^en unb üielanbre auf i]^re@|)rad^9)te§]^alten"?
S33a§ ßutl^er l^iermit angeregt, l^at fic^ balb in ber SJteffe
t)ertt3irflid^t. Überaß finben feine Sleformibeen 3lnHang, überall
toerben Sl^efen im ©inne feiner 3lnfid^ten üerl^anbelt. „@ö ift
t)iel beffer, ein einigen 35er§ eines ^ßfalmen nad^ ein§ jeben ßanbs
©^rad^ bem SBolf gü öertolmetfd^en, bann fünf gang ^ßfalmen in
frember Bpxaä) fingen unb nit t)on ber ßird^en üerftanben tt3er=
ben. ^in üerfd^toinben 5ülettin, ^ßrim, S^erg, ©ejt, 9^on, SBefiper,
^ompkkn unb äJigilien" — fo lautet eine SCl^efe, bie 1524 Dr.
j^*^^ji_
VTV-CpU , r,
6 !♦ ^ird^enfpracftc unb SSoIfSfprad^e«
SSaltl^afar ^ufinteier au§ ^rtebberg für ein 9fieIigton§gef|)rac^ ju
SBalbSl^ut üorfd^lug.^ ©toa gleic^jeitig öerfud^ten in 3^itfciu einige
5Prebiger Vergebens bic bortigen ßlofterbrüber gn einem 9leIigion§=
gef^)rad^ jn betoegen, tüojn u. a. bie SEI^efc anfgefteüt njar : „®ie=
»eil ßateinifd^ Spxaä) nnbefannt, tl^nn bie njol^I nnb red&t, bie
in ber Zauf, SÄeffe nnb ©efang bentfd^er (Bpxaä) braud^en".^
33on ber gro^artigften 3Birfnixg aber toar e§, ate SBifd^of ©eorg
t)on 5poIenj SBeil^nad^ten 1523 in ber ©omlird^e jn ^önigöberg
über benfelben, bie ©emüter erregenben ©egenftanb |)rebigte : „@§
ift ie ein feltfam 2)ing, ba§ H)ir ©l^riften an bie lateinifd^e @:|}rad^e
gebnnben feinb. @§ toare nit befoll^en, attain lateinifd^ jn reben
nnb tanfen, ja e§ ift an§ fnnberlii^em Slate göttüd^er aKajeftät
gefd^el^en, bafe lain @t)angelift, and^ lain ?l:|}ofteI nod^ ©öangelion
nod^ 6:|}iftel jn ßatein gefd^rieben l^at".^
DecoIam|)abin§ l^atte 1522 anf ber Sbernbnrg Sipiftel nnb
@t)angelinm im allesamt ber ©emeinbe bentfd^ öorgelefen. ®ie
SBortoürfe, bie il^m biefer 3lnfd^ln§ an ßntl^erS ;3been jngejogen,
entfeöftigte er in einem lateinifd^en ©enbfd^reiben an 6a0|)ar §cbio,
ha^ fofort and^ üerbentfd^t njnrbe.^ Über]^an|)t förberte Ceco=
Iam|)abin§ bie ©tettnng ber 33oIföf:|}rad^e im fird^lid^en ütUn
anf aüe mögüd^e SBeife. 3lnffe]^en fd^eint gemacht gn ^aben, bafe
er bei ben ^ranfen eine bentfd^e ßitanei Ia§.^ @r l^atte bereite
1521 bei ber Überfe^nng ber ©d^rift ,,ein fonberlid^e ßel^re nnb
* ^ä)t^tt)tn @d&Iu6rebe, fo betreffenbe e^n flanö d^riftltc^ ßcben, toaxan
eg gelegen ift, bigjjutirt gu SBalbSl^ut Don 3)octor Jöalt^afar griebberger
1524; bie obige SC^efe ift bie ^e^e*
2 Unterricht unb SBamung an bie Sltrd^ §u Stoirfau mit efelicften
^rtifeln bem ^loftcröolf bofelbft angeboten unb Don i^nen unbillig abge*
fd^Iagen» S^idfau»
' ©in ©ermon beS toirbigen in @ot SBaterg Ferren Georgen öon
Sßoleng, S3ifcl^of gu ©amianb 1524, SBgL Xfd^adfcrt in ben firc^engefdöicftt^
lid^en (Stubten, $erm; Sfteuter gum 70, ©eburtStag* ßelpgig 1888. @. 145 ff.
* 2lin fd^öne ®piftel DecoIonHJabii an (Safjjar ^ebion^ ©bernburg
(übcrfcöt öon 3o^* 3)ie>)oIt p Utm) 1522.
* 3o^* Söud&ftab ©igcntlid&e unb grünbltd^e ^nbfd&aft 1528 @ ÜL
3)eutfd^e aWeffe. OccotampobiuS.
SetDel^rung" zc. bie 33ebeutung ber beutfd^en ©iprad^e l^eröorgel^oben
unb bie 5Pa))iften geftraft, toeld^e ba§ SBort ©otteö ben ßaien t)or=
entfiielten, um bie ^Perlen nic^t t)or bie @äue ju toerfen. Qpäkx,
afe bie Sleformirten 1526 gu 93afel in ber ©t. 5!Jlartin§!ird^e
beutfd^e ^Pfalmen ju fingen anfingen, gelang e§ feinem ©influfe,
ben e^rfamen füat, ber anfänglid^ bie Steuerung tierboten l^atte,
burc^ eine fc^riftlid^e ©u^):|}Iifation bafür gu getüinnen.i
2Ö0 immer fonft bie 9leformation feften fjufe fa^t, übt bie
beutfd^f))ra(^Iid^e Jöetoegung auf bie ©etoinnung ber ßaien hm
toefentlic^ften 6influ§, unb bie Stellung ber 9)lutterf|)rad^e im
©otteöbienft mu§ überall ba t)erteibigt loerben, tüo bie neue ßel^re
öerteibigt H)irb. 3n 3?ürnberg toar 1524 mit ber Sieformation
aud^ bie beutfd^e 5üleffe, beutfc^e 6^)ifteln unb @t)angelien, aud^
beutfd^e ßinbertaufe eingefül^rt ; bie beiben 5prö|)fte, benen SRümberg
ben 2lnfd^Iufe an bie Sieformation banit, l^atten fid^ nod^ im felben
Saläre t)or bem SBifd^of t)on ^Bamberg aud^ toegen il^rer 2lntoen=
bung ber a5oH§f|)rad^e im ßultus ju tieranttoorten ; in il^ren ge=
brudten 9led^tfertigung§fd^riflen toirb biefelbe al8 SöebürfniS erllärt.
S)iefe§ einmütige SBorgel^en aller S^ationalgefinnten ftie§ auf
ben l^eftigften SBiberftanb bei ber alten ©eiftlid^feit. 3lllerorten
nal^m fie bie altüberlieferte 5!Jle§f^)rad^e in ©d^u^, fud^te mit
©rünben gu l^alten, toaS ber gefunbe 5ülenfd^ent)erftanb eien als
toiberfinnig erfannte unb befeitigte. ®ie ©rünbe, toeld^e für bie latei=
nifd^e 50lefl'e angefül^rt tourben, loaren benn aud^ fo bürftig unb
armfelig, ba§ fie in ben reformatorifd^en Greifen nur ©|)ott unb
^ol^n finben fonnten. ^m 3al^re 1520, ate ßutl^er eben erft
begann, bem Seutfd^en eine Stellung in ber 3Jlejfe gu fd^affen,
erfd^ien in ©traPurg eine anonyme, gtoeifefeol^ne t)on 5Dlurner
üerfafete „d^riftlid^e unb brieberlid^e ©rmal^nung gü bem ]^od^ge=
leierten Dr. Sffl. ßutl^er", bie fid^ in einem befonberen ßa|)itel
gegen bie SBertoenbung be§ S)eutfd^ in ber 50leffe toanbte. S)iefc3
1 @o berid^tet ber SBafler (Sl^romft SBurftifen gunt Sa^rc 1526 {fflaä)^
toti^ beS iperrn ©anb» ®mil @ulger)»
8 1. ^ird^cnfpracftc unb SSoIfgfprac^e.
^apM — „in toa^ ©iprad^en ober toeld^er SJlafeen ntög bie 9Jic^
gelefen toerben" — lann afö fd^IagenbcS 3eugntg bienen, loie bei
8utf|er§ Sluftreten l^eröorragenbe ßatl^olifen über baö äJcrl^ältnig
t)on ßatein unb 5ülutterf))rad^e badeten. 3Ran l^öre bie Segrün=
bung be§ lateinif d^en aJte6o|)f er§ : ,,@o nun brü ^au|)t=unb reguliret
@|)rad^en gü bem Sienft ©otteö t)erorbnet fein — l^ebräifc^ friec^ifd)
latinifd^ — unb mir öatiner feinb, foüen toir biHic^ bie Iati=
nifd^e Qpxaä) ju ber SÄeffen brud^en . . . unb nid^t ju tütfd^ foü 9Jte§
gel^alten loerben ufe ber Urfad^en, bafe fid^ bie barbarifc^en @|)radf)en
oft üeranbem unb f|)öttüdö ober öeräc^tlid^ lautet ber ®pxai)m ju
htn göttlid^en Stmtern fid^ gebrud^en, bie n)ir ju menfd^üd^en unb
täglichen Raubten reben unb üUn". S)er 35erfaffer üeranfd^aulic^t,
toaö^erl^iemtit meint, lüerjid^tet aber auf eine eingel^enbe Darlegung
feiner weiteren ©rünbe, „bie bargetl^on mögen toerben, voo e^ not
tl^et", unb bittet ben Sleformator ,,frünblic^ unb bruberlid^en oon
biefem leid^tfertigen fjümel^men abjufton."
9Jlurner§ Söemeigf ill^rung mag einiges Sluffel^en gemad^t ^ben
mit ber ßntbeÄung, „ba^ loir öateiner finb". 9luf neue äßeife
mu§ fortan ba§ ßatein afö fiird^enfiprad^e begrünbet loerben ; bie
Slltglaubigen loenben atten ©d^arffinn an, um ujeitere a3ctt)eis=
momente aufjuftnben. 3fn ben ,,2lrtifeln unb SBetoeJirung ber=
felbigen, fo bie ^Prälaten, Sbt, ©ttft unb »ßlöfter l^aben eingelegt
in öut^erifd^en ©ad^en am S^ag be§ ©ef|)räd^§ t)or bem burd^leuc^^
tigen l^od^gebornen 3^ürften unb §errn ^errn ©afimir 3D'lar!=
grafen ic. 1524" loirb ßatein afö ©:|}rad^e ber SJleffe mit folgenber
Söegrünbung verlangt: bie Überfd^rift an be8 ^eilanb§ »ßreuj fei
l^ebräifd^, gtied^ifd^ unb lateinifd^ geloefen, unb ^Pilatus l^abe gefagt :
„loaö gefd^rieben ift, ift gefd^rieben" ; bie Seutfd^en feien jubem
gulc^t befel^rt, unb bie Söcfel^rcr l^ötten „föld^e latinifd^ fjorm ^inber
il^n gelaffen, barumb toir bie billid^ bel^alten föllen. SBann t)iel
* 5llg S3eleg bafür ertoäl^nt aJiumer bie bamaligc imb bie älteie 33e*
beittung öon minncn (2) iiib). — Übrigen^ ögL 2)lurnerg 3nftttuten 1519
(S3»iii b) M uns ßatinifd&cn\
^atöolifd^c Oppofttion flcgen bie beutfcfte SJleffe. 9
anber Station, bie aiid^ nid^t lateinifd^ fein, nic^t befter ntinber in
lateinifd^er ^pxaä) SJteffe Italien". 3n Setreff ber 3;aufe toirb
3tr)ar gugegeben, ba^ „e§ tbm fo t)iel ßraft l^at in teutfd^er @|)rad^e
3U taufen afö in lateinifc^er" ; aber baö ßateinifd^e fei notnjenbig,
um bie l^eilige ^anblung nic^t jum @^)ott toerben gu laffen. S)iefer
^intoeiö auf bie brei §au))tfprad)en, bie burc^ be§ piatuö' Über=
fd^rift am l^eiligen «ßreuje gleit^fam getoeil^t feien, mu§ etttjaö mel^r
getüirft l^aben afö jene Sntbetfung SÄurnerö ; er feiert in einer
anbern fatl)oüfd^en ©d^rift lieber, toeld^e fid^ gegen bie Steuerung
ber beutfd^en SJleffe njenbet, njeil „ßl^riftuö bieg im ©üangelio
nirgenb georbnet nod^ geboten l^at, aud^ fein Slpoftel nod^ fein
d^riftlid^er ^jJriefter fold^e SJleffe nie gel^alten; funber aüein in
l^ebrdifd^er, gregifc^er unb lateinifd^er Bunge ift fie in ber njal^ren
€]^riften^eit ftet§ gel^alten nad^ Drbenunge ber l^eiligen gemeinen
apoftoüfd^en c^riftlid^en ^ird^e, nad^ ^Inmeifunge beö Stitelg ©firifti
am ßreuge''^ —
6rft je^t, alö ber entfd^eibenbe Sieg bem äleformator bie
Sal^n ebnete, afe bie Station feine Schritte mit fteigenber ZexU
nal^me begleitete, afö feine ©d^riften aüertoärtö begeifterte 2luf= \
nal^me fanben — erft je^t toar bie Söebeutung ber SDtutterfiprad^e j
für bie SBilbung ber Station entbedt. Tlan |)flegt bie ©efdfiid^te I
ber Steujeit mit ben großen ttjeltbenjegenben ©ntbedfungen ju be= \
ginnen, bie ber 3Dtenfc^]^eit ungeal^nte 2luffd)Iüffe unb materielle
Umtoaljungen öon toeittragenber JBebeutung gegeben l^aben. Slber
eine ßntbedung, bie für nationale^ üebm unb nationale ®nttoidE=
jung mäd^tiger toirfen fönnte afe bamafö bie ©ntbedung ber
3Jlutterf|)rad^e, ift über]^au|)t unbenfbar. Söeffer afe aUe 9tuö=
finanberfe^ungen fipred^en bie Sci^ktt, bie 5p. Petfd^ - im ?lnfd^lu§
an 3lanfe auf ©runb öon ^Pangerö Slnnalen unb SQBetterg 9le|)er=
torium ermittelt l^at. ©c^on im ^Oii)xe 1500 ttjurben ctttja 80
[
* ®in toal^rl^afttge gruntttd^e Untcrridöhmg, in tolld^er ©eftalt bie
:^e^en ben ße^c^nam (Sl^riftt fönnen unb fotten öor @ot mxi^lxd} unb feligttc^
entfallen 2C. ßeijjgig 1526.
2 Wl. 2viti)tx unb bie nljb* ©d^riftfprad&c 8. 48.
10 1. Slircöcnfpracöe unb SSolfSfpracöe.
beiitfd^e SBüd^er gebnidtt ; 1505 dm 60; 1510: 135; 1511: 70;
1512: 140; 1513: 90; 1514: 110; 1515: 150; 1516: 110;
1517: 80; 1518: 150. ®ann gel^t e§ mit getDalttger Steigerung,
bic lebiglid^ eine 3^olge t)on ßutl^erS 3luftreten ift, weiter 1519:
260 ; 1520 : 570 ; 1521 : 620 ; 1522 : 680 ; 1523 : 935 ; 1524 : 990.
SJiit ber ©etüalt einer 9?aturfraft ergreift bie beutf(^fprad^=
lid^e SBenjegung je^t aüe ©emüter. SQBie bie reforntatorifd^en S£l^eo=
logen bem 33eif|)iele öutl^erS folgen, fo bleiben aud^ bie ßaien nid^t
jurüÄ. SBer bie ©d^äben ber beftel^enben fogialen unb religiöfen
35erl^dltniffe unter bem Slegiment ber ^Pfaffen unb ber 5ülönd^erei
einfielet, njagt e§ aud^, feine ?lnfd^auung biird^ ben S)rudE ju t)cr=
treten unb ben ©efinnung§genoffen in SBittenberg jujujiubeln.
S)eutfd^e ^lugfd^riften, jumeift in ©ef|)räc^§form, giel^en ju §un=
berten burc^ bie öanbe; l^äufig entftammen fie ber 5eber t)on
ßaien, bie nid^t burd^ l^ol^e ©c^ulen gegangen ttjaren. 6ö fann
un§ bal^er nic^t 3Bunber nehmen, njenn in altgläubigen »Rreifen
großer Unmut über bie maffenl^afte litterarifd^e ^ßrobultion l^errfd^t,
bie burd^ bie Sieformation in§ ßeben gerufen ift. ?iodö 1533 ruft Dr.
Sol^ann 6ocleu§ ^ mit öerl^altenem ©roü aii^: „SBer fann eigentlid^
bered^nen, toie t)iel ©elbö jal^rlid^ unb taglid^ ift aufgangen für
fot)iel unb mand^erlei Scmfbüd^er pro et contra gu bruden unb
ju feufen ? SBie t)iel taufenb ©ülben ^at allein SBittenberg in
15 Sfal^ren für ^xudpapm geben? SBie üiel ©tra^urg, Söafel,
3lug§burg, ?iürnberg?"
3fn ber 2l^at toar hk ganje ^jJreffe in jenen S^tttren be§
aSuc^brudS faft auöfd^lie&lid^ für ben 5proteftanti§mu§ tl^dtig.
SlnberSbenfenbe lamen jutoeilen ^ai)xe lang nid^t ju SBort. 5Dian
l^öre ein latl^olifd^eg 3^ugnig au§ ber ©d^toeij. ^fol^ann SBud^ftab,
ber ©d^ulmeifter ju ^reiburg im Ued^tlanb, fd^reibt im 3fa^re
1528, „er ^ait toiber bie neu unttjal^rl^aftig ße^ren t)or fünf
3faren unberftanben ju fd^reiben, biefelbigen ©efd^riften aber in
feinen 2)niÄ mögen unberbringen ; xoan aüe S^rudEer in unfer
Wuf ßut^erg Sroftbrief an etliche in 2tipm 2c. 21 ü.
I^eutfcöfpradöltdöc littcravifcf)c Sßrobuftton toefentlld) proteftantifcft. 11
©egue U^i)ax ad mit tiefen Sfrrtumben öerblenbt gefin feinb."
®ie]en 8tanb ber Singe bezeugt 6ragmu§ 1523 für SBafel, incnn
er an «König ^einrid^ VIII. t)on (Snglanb fc^reibt: „^ier ift fein'
einziger SBud^l^änbler, ber e§ toagte, nnr ein SBörtd^en gegen ßntl^cr
brutfen jn laffen; aber gegen bcn ^ap^i barf man fd^reiben, toa^
man toill".* ®a blieb benn aud^ eine offijieHe ^tuBenmg ber
«Snrte nid^t au§, bie anf ben SBüd^erbmd S^üdfid^t na^m. 3n
einem t)om 30. ?iot)ember 1527 batirten, atebalb t)on fintier t)cr=
beutfd^ten |)ä^)ftlic^en ©cnbbrief an hm Siat ju ^Bamberg begegnet
eine ©tette ,, gegen bie Derferten Söud^brudEer, loelc^e, afe jn glanben
ift, mit ©elb burd^ bie ßutl^erifd^en öerruÄt feinb (iftö anberö
ma^r, ba§ voix gel^ört l^aben), up tüiHigft ber ßutl^erifd^en 33üd^er
brncfen unb mit nid^te brnden njoHen bie SBüd^er, bie t)on bcn
rechten ©l^riften tüiber fie für bie SBal^r^eit gefd^rieben merben".
©0 bel^errfc^t bie fitterarifd^e ^jJrobnftion ber |)roteftantifc^en ,Rreife
ba§ t)on SBegeifterung mitgeriffcne 5publifnm.
2lber bie ßatl^olifen mnfeten and^ ©d^riften auf ben SJiarft
bringen, toenn fie fid^ ba§ 3utrauen ber ßaien erl^alten ober tt)ieber=
gewinnen loollten; fie burften in ber litterarifd^en ^ßrobuftion
nid^t ganj jurüÄbleiben. „@ie muffen aud^ ettoaS fc^reiben —
fagt ©^mon §cffu§ 1521 in einer feinen, geiftöoHen fjlugfd^rift
(t)gl. @. 19) — nit fo gar t)on nnferS 9iu^§ njegen, aber ba§ fie
aud^ mit jierüd^en SEiteln t)or ben Söud^läben ftanben, mit folid^en
3;iteln: Fortalicium be§ loirbigen Ferren ^acobi ^od^ftrat t)on
ber l^ol^en ©äffen, untoirbiger ©arbian ju ^olbingen, item bas
fein nu^Iid^ ©ermon bc§ l^od^gelerten äJater§ SSruber 9lobert, fiäl=
bermcifter öon ber SJliftlad^en unb bergleid^en."
®ie Söud^Idbcn, t)or benen ein begierige^ ^ßublilum fid)
brdngte, loaren t)ott t)on reformatorifd^en ©d^riften ; aud^ nad^bem
fie burd^ ba§ Söormfer @bift alle t)er|)önt loaren, lonnte man unmit= \
telbar neben bem |)ä|)ftltd^en unb bem faiferlid^en 5ülanbat ©d^riften '
8ut]^cr§ feigen. 2)ie äJottftredEung be§ laiferlid^en SBefel^te an ben
tarl ©agen, 3)er (Helft ber SÄeformation I, 227*
12 !♦ ^irc^enfprad)e unb SJoIfSfprac^e,
t)on ßutl^er üerfa^ten Suchern, btc Derbrannt lücrben fotlten,^ mar
nid^t burd^jufül^ren ; in Sülaing j. SB. t)crltef fie afö fdömad^t)oKe
ßomöbie ; niemanb lieferte ©d^riften Cutters jur SBoEftredung be§
Urteife ang. ,/D, toag großer ©c^anb unb ©c^mat^ toarb bo bem
ßegaten betüiefen; unb toolt er nit mit ©d^anben gar geftan,
mufet er h^n genfer. laffen überreben mit ßiften unb ©aben uff
bm anbern S^ag, ba§ er it) jujei ober t)ier Süd^Iin Derbrannt!"
Slnbertüörtg fanbcn ftatt ßut]^er§ ©d^riftcn bie alten Sd^olaftüer
unb tl^eologifd^en SrudEfd^riften ben SBeg in§ ^euer. @o brod^ten
ju ßöinen bie ©tubenten „fo mand&erlei SBüd^er, einer sermones
discipuli, ber anberc ben Tartaret, ber britt bie Sermones
'dormi secure Parati unb anbcre bergleid^en, alfo bafe fold^cr
Söüd^er mel^r bann Dr. ßutl^erö Derbrennt tüorben feinb".^
5reiUd^ blieben anfänglid^ aud^ einzelne 5ülänner l^inter ben
SBünfd^en unb Hoffnungen ber 3^itgenoffen jurüdE. ©o njar
Ulrich Don §utten, ber ritterlid^e 35orIäm|)fer ber Sieformation,
auf beffen ©c^loert unb ^eber däe |)atriotifd^en ©emüter^ il^re
Hoffnung festen, bei lateinifc^er ©d^riftftetterei Derl^arrt, ate bereite
überaE um if|n l^erum bie nationale SSetoegung, bie il^n neben
ßutl^er aU xijxm Hau:|}tDertreter el^rtc, in jal^llofen beutfd^en ®rurf=
fc^riften fid^ äußerte. 6§ l^at geloi^ nid^t an ©timmen gefel^It,
loeld^e bem Don loarmer 35aterlanböliebe befeelten H^^^^^ift^^ H^^
äJerl^alten Derloiefen unb ben äJerfud^ gemad^t l^aben, il^n für
beutfd^e ©d^riftftetterei ju geujinnen. ^n biefem ©inne erliefe
3afob ßöbel, ©tabtfd^reiber unb 33uc^bruÄer ju £)pp^xit}dm, 1519
öffentlid^ einen emften SJlal^nruf an feinen ritterlid^en O^rcunb,
„ber nid^t aüein ber latinif d^eu 3ungen allerl^öd^ftc ©rfalirung,
' 91ac6 bem ^ax^am (S3S3 ü a).
2 1521 Decolampabü ber l&ailigen ©d^rift 2)octor @ant Sörigitten
DrbenS gu 2ritcnmün|ter üxtaii unb 2)lainung avi6) anbete Stieben, 5lnttoorten
unb ßanblung Dr. 3R. ßut^er belangenb u. l to. 21 iü»
8 „Ulrich Don ©ntten übt bie gebet unb ha^ Sc^toett p ctloedfen
alte teutfdöe (Stbetfeit in SCteu, ©rauben unb Söa^t^ett". 5lin fidgltd&e ^(ag
an ben c^tlftL dtönii Reifet Äatolum 2C. bet ctft 23unbgeno6. 5liii.
Slatöoltfc^ie Oppofition, 2)te Ji^eunbe ber iHcformation ; futtern 13
funber auä) u§ betn SJrunnen ber friec^ifd^en reid^Iid^ getrunlen,
er möge feine ^oi)e ßunft unb ße^re unferer teutfd^en 3wngen
burc^ fein SEransIation anä) ingießen, ba er Don ber ©eburt ein
funber gut l^oc^teutfc^e b. i. fränfifd^e ©prad^ l^abe". S)iefer t)or
ber Jiation ergangene 50ia{)nruf, ber metteid^t nic^t t)ereinjelt gc=
blieben ift, bürfte auf ben ritterlichen §umaniften ©inbrudf gemad^t
^aben; er red^tfertigt ^ atebalb feine lateinifd^e Sc^riftfteEerei, mit
weld^er er bie „ßird^enl^äu|)ter gleid^fam imter mer Slugen l^abe
©amen tooüen".
ßatein tc^ öor gefc^rteben fjah,
^ag loa§ etm jeben nicftt befant —
3e^t fcftrel id) an ba^ ^attxianh,
Xtntid) Nation in i^rer <Bpxad)
3u bringen biefen 2)tngen diad).
So würben 50iänner, bie ju einer mel^r frieblic^en ?lu§-
gleic^ung ber ©egenfä^e l^inneigten, in bie revolutionäre SBetoegung
gejogen, ujelc^e jebem unabhängigen, jebem national gefinnten ßo|)f
®influ§ auf bie S^ageSfragen t)erfprac^. Unfer SBoIf fonnte tro^
beö ÜbermaBeg beutfi^er 2)rudEfc^riften nid^t bef riebigt loerben; ungc=
ftüm tt)irb auf baä 9lec^t ber ßaien ge|)üc^t, an bem göttlid^en
SBort felbft Slnteil gu l^aben. %n ßutl^er ergel^t bie Stufforberung,
er möge bie Station mit einer beutfc^en SSibel befc^enfen. ,,ßiebcr
§err ßutl^er, fc^riben in unfer @|)rad) gu bütfc^ bie gotlid^ 2ßa]^r=
bcit, uff baß loir einfältigen ßaien ouc^ mögen lefen" ^ — fold^e
SBünfc^e finb gemi^ fiäufig in bie Dffentlicf)feit gebrungen.
®ie Sleformatoren fiatten ber lateinifc^en ©c^riftftetlerei nid^t
gang entfagt. Stber ha^ gro^e ^ublifum, ba§ nun einmal toarmeö
Sntereffe für aUe fird^lid^en unb fogialen Streitfragen l^atte, t)er=
jid^tete leinegmegS auf jene lateinifc^en Schriften. Um bem regen
1 6trau6 Sßcrfe vn, 345; bagu ba§ bort überfef)enc SSortuort Döbels
JU feiner (Sdirtjft: „(Sin gierfic^e Sftebe nnb ©rmanung gubeS groöntäc^tigften
^axoio 2cJ' Über ^öbel, ber fpäter ber reformatorifdien Sacfte untreu
tourbe, ögL 2t(tbeutfc6c isölättcr I, 278 ff.
2 ^^arft^anS JÖ23 iü b.
14 !♦ Eircftcnfpradie unb SSoIfSfpracöe.
fenöbrange bcr fiaien ju bieneti, Veranlagten SBerfaffer ober
35erleger l^äufig beutfd^e Überfe^imgen — fo fel^r Iiatte ber ©rfolg
ber reformatorifc^en ßitteratur ^ublüum imb ßitteraten begeiftert.
3fe^t tDerben latetnifc^e ©c^riften öon ßutlier, ^utten, 6ra§muö,
DecolampabiuS unb anberen t)erbeutf(^t. 3iitt3etlen andern fid^ bie
Ü6erfe|er aud^ über bie ©prat^benjegung. 1522 erfc^etnt in Jöafel
bei %ham 5Petri „ein \ä)ön ®|)iftel ®ra§mi t)on Sioterbam, bafe
bie eöangelifd^ ßel^r t)on jebemtan foH gelefen unb öerftanben
tüerben", ujorin unö ber Überfe^er Derfic^ert, ba^ bie ©elel^rten
unb ©d^eingelel^rten biejenigen läfterten, ttjeld^e ben geiftigen 33ebürf=
niffen beö 5publifum§ mit Überfe^ungen bienten. S)er Sluggburger
Sud^l^änbler Dr. ©igiSntunb ©rintm liefe eine ©d^rift be§ Deco=
Iani|)abiuö 1521 ing Seutfd^e überfe^en unb bat ben Slutor um
eine 2)urd^fid^t unb ©eneljmigung beö beutfd^en SCe^teö. DecoIam=
|)abiu§ tüittigte ein ; ptte — fagt er im äJoriüort gur Überfe^ung
— bereite bie lateinifd^e Slusgabe htn 3orn ber 5Pa:|}iften erregt,
fo toerbe il^nen ber ®rfoIg ber beutfd^en Sluggabe nod^ gröfecreg
3lrgerniä geben.
^n bemfelben 33ert)ältni§, in bem fid^ in ben |)roteftantild^cn
Greifen ba§ ^ntereffe für bie beutfd^fprad^Iic^e ßitteratur fteigert,
toad^ft aber aud^ ber 9)tifemut unter ben ßatl^olifen. Um fid^ be§
gefäl^rlid^ften ©egnerö — ber 35oIfef))rac^e — gu erttjel^ren, fuc^en
fie ßutl^er ate Slufl^e^er beö SBoIIe^ gu branbmarfen, toeil er fid^
ber beutfd^en @|)rad^e in feinen ©d^riften bebiene. S)egtoegen greift
5ülurner in brei anonymen Slrbeiten t)on 1520 ben Sieformator
an. Unb bod^ toar biefer fd^on Don ben 3rit9^^offen betoun=
berte SSolföfd^riftfteller ein ^reunb ber $0lutterfi)rad^e, ja in jenem
t)er]^ängni§t)oIIen i^alire 1520 öerteibigte er fid^ energifd^ gegen 3ln=
feinbungen, bie er toegen feiner SBerbeutfd^ung ber ^[nftitutionen
3[uftinian§ t)on Sunftgelel^rten erful^r. ^e^t aber trat 5ülatt]^äu§
©nibiugi in glcid^er @ad^e gegen 5ülurner für ben 9leformator auf:
^ Defensio Christianorum de Cruce 1520. SJ^urner im 23ii)rloort gtt
ütriusque Juris Tituli et Regulae 1520 fagt mit 9flüdffit5t auf feine 3lf
ftttutionent)erbeutfd^ung : nostram germanicam interpretationem etsi quibus*
3^roteftaittifd)c fiitteratur. ^at^olifc^e Gegner, bef. SJ'hinter. 15
)scimus quidem in te eloquentiam Germanicam, fo lüirb
ler angegriffen, sed dolemus quod tarn pessime illa ab-
j. cum enim ex latinis totum hoc pendeas negotium,
ique idiomate agendum fuisset, non vulgato, maxime
am tu hoc tam acerbissime objurgas inMartino". Unb
genben ^aijxe tüeift Sio^ann (gbcrlin^ aUe biejcnigen gurüd, „btc
jen unb unnü^ ad^tcn bie große ©ab ©ot§, ha^ je^ fo t)il
nö S)ing in teutfd^e ®pxaä) t)ertoImetfdöt toirb"; bie Ü6er=
5 einiger Sd^riften beg ®raömu§ nimmt er in Sd^u^, unb
Dr. ßutl^er unb <§err Ufrid^ öon ^utten beutfd^ fd^reiben,
er mit Otüdfid^t auf ben gemeinen SJlann. ©egen biefe
gung tritt bann im folgenben ^ai)xe toieber SJlurner in
©d^rift „t)on bem großen lutl^erifd^en SRarren" auf; im ^in=
Ulf (£6erlin§ „ad^ten S8unbe§geno§" ))arobirt er bie SJlotiöe
mtfd^en ©d^rif tfteüerei :
Sßanit h)ir fiatinifc^ tüolten teuren,
<Bo tüifeten tüenig, ha^ mir tüären
2(lfo gro6 D'^arren in bem 2a\\h,
Unb tüären tüenig ßüteit hdanwt
6unft fo tülr tütfd^ S3üd)lin fd^reiben,
2)ie 2^rucfcr ha^ mit ©etüinn öertreiben
Unb füllen if)re (Secfel bamit:
^asfclb uns bann fann fc^abcn nit.
Slud^ fünnen h)tr mit tütfd)er <Bpxad}
Unferm (Bpott bafe fumen nad}.
(So feinb ber tütfdöen Sßörtcr foöU,
2)er fid^ fein§ latinifd^en (äffen toxä»
S)ag Sßort '^c^mnöforb* unb '^xppcnhxih'
Unb aud^ bagu ein *befd^omc D^lub'
Unb anbete SBörter bcrgicid&en mel^r,
2)ie tütfd^en <Bpxad}tn bringen l&er,
2)ie (äffen fid^ gar (atinifd^en nit
ispliouisse cognoverimus, aientes nos nobilissimas juris utriusque
ritas porcis devorandas tradidisse potius quaminterpretem exstitisse
didisse secreta quae propalanda non fuerant — ego quod feci
im facere non possum nee facti poenituit.
1 3)er ad&te Jöunbeögenofe.
16 t tirc^cnfprad^c unb S^olfgfprac^c.
2)arumb toix fd^rcibcn tütfd^ bamit
Unb l^aBen ba^ barumb get^on,
^a6 iebc 2)orfmeö ein mög ^on
5ßon unfern '".Söudöltn, bie h)ir (on
2)en nütüen ©Triften gu gut u6 gon,
Unb uff bcn @tuben bei beut Sßein
Unfer and} gebenfen feim
'Und) l^abcn tüir ha^ mit ^ol&en ©innen
2)cn grangofen nit tüöttcn günnen:
2ßär ei> Satin, fie tüürben e§ innen*
S)arumb id^ ha^ gü tütfd^ befd^reib,
^afe e§ im tütfd^en ßanbc bleib 1
3a mal^rltci), lüöre her SBunfd^ ber 9löntünge in ®rfüHung
gegangen, tt)ir mären nod^ l^ente feine Station öon felbftänbiger
SBilbung! SJlanner tüie SJlumer ptten atterbingS nid^ts lieber
gefeiten, afö ba§ ber 9teformatton§Iam))f ein internationale^ 3Jlönd^§=
gejänf geworben tt)dre, t)on bem bie beutfd^e SRation nid^tö erfal^ren
ptte. 3^ür bie ®ntanji))ation t)on fftont toar barum feine ent=
fd^eibenbere Sl^at benfbar, afö bie beutfdöf))rad^Iid^e SBetoegnng, bie
t)on nnfemt Oteformator anöging. Se^l^afb aber treten jugleid^ aud^
bie greunbe ber 9teformatton mit alter Sntfd^iebenl^eit für bie
beutf d^e @dE)rif tfteüerei ein ; bie Station ntn§ ju ben großen fjragen
ber 3cit Stellung nel^men, niu§ in eigner ©ad^e urteilen unb
entfd&eiben fönnen. SBer lateinifd^ fd^reibt, ntad^t il^r biefeö ffted^t
ftreitig. Salier tt)irb 3Dturner in einer fd^meigerifd^en fjlugfd^rift
toegen einer IateinifdE)en ©dEirift angegriffen, i"
®in ^efpons fd^r^bft hn in Satin,
S5ie njär üU beffer tütfd^ gfin:
@o ij'dtt ber gmcin 2Jlann oud^ erfcnnt,
2Bie bu bod) §abift ben ®fe( gfd^änbt*
S)ienj^( bn aber ba^ nit ^aft gtl^on,
(So mag mtndiiä) tool öerfton,
^a6 bu fc^r^bft allein ben ^ßfaffeu;
1 S)er dit}d)mQ in @d&eible§ ^(ofter VIII, 879; ögL aud& Sa^rb, f.
fd^toeig- @efdö; VII, 160.
iUiurncrS ^cr galten* • 3)cr gcftr^fft @d)to^^er ^ur. 17
®tc fjlugfdöriftcn jener belegten 3eit finb \)oU frol^er SBorte,
ba% bie Dp))ofttion ber fatl^olifd^en ßrcife gegen bie bentfd^e
Bpxaije erfolglog blieb. Sie legen bamit 3cugni§ ai, ba^ tt)aU
fäd^Iid^ ba§ ßatein ber gefal^rtid^fte fjeinb einer nationalen SBilbung
nnb eineö gebeil^tid^en ^ortfdörittö mar.
6g Ware ein öergeblid^eö Unterfangen, wenn ultramontane
©efd^id&tfd^reiber bie altgläubigen ßreife in ber ffteformationggeit ber
beutfd^fprad^üd^en Bewegung freunbtid^ gefinnt barftellen »outen.
S)ie gange Stimmung ber 3ßit t)on 1519 bis 1525 beweift baQ
©egenteit. Überatt üernel^men wir, ba^ bie 5)Ja))iften ber a3otfö=
fprad^e feinblid^ entgegen ftel^en.^ ®in wertüoßeg 3)ohiment au§
jener bewegten 3rit üerbient in ber beutfd^en Sprad^gefd^id&te einen
befonberen 5pia§. ®§ ift eine fd&Weigerifd^e 3Iugfd&rift t)on 1522,
„ber geftr^fft Sd^wi^er SBaur" betitelt. Sie ergäl^tt, wie im t)er=
gangenen Sfal^re „ein 3Jlünd^ l^at ge:j)rebiget in einer @tabt ein
gange fjaften unb l^at in atten finen ^Prebigen unb ßel^r fid^ er-
göigt ein Raffer unb SBeniber aller ber, bie tütfd&e SBüd^er lefen,
unb l^atS gar ol^n afö SJlittel für ein gro^e ©ünb unb Sfrrfal
unb gar verworfen gel^atten, afe ob eS ßä^er^ f^". 3)ie Unter=
rebung biefeS altgläubigen 5)Jrebigermönd^e§ mit einem SBauem, ber
felbft t)iele beutfd^e SBüd^er gelefen unb fein ©efinbe in il^nen unter=
wiefen l^at, bilbet ben ^n^alt biefer in unferer Sprad^gefd^id^te be=
beutfamen ©d^rift.
„©0 il^r ^priefter beutfd^e ©prad^e gar öerad^tet, fagt ber
* ffSl&t ©elel^rten, tl^r SBerfel^rten l&aben un8 ßaten alle 3)in0 mit
bem ßattH öerfd^Iagen, tote hk ©aufler tl^unt — öerfd^totnb alfo ber SBtnb,
ha^ feiner tDteberfinb — bantmb öerbreufet tnd) Sßfaffen unb Tlünä), ha^-
man tcutfd^c SBüd^Iein tnicft, barin il&r i&ölimg l^cröür brid^t". 2)er ^urcn^
tDirt © ü.
^arumb tDoUen fte nit l^aben,
^a6 man bcn lateinifd^cn 23itd&ftaben
8räc^tc gu tcutfd^er 3unge u. f. »♦
^eöclfpitt geptactisiert au8 bem Je^igen 3Jo^trad&t beS ©laubcng 2U
1522.
18 1. ^xxditn'\pxad)t unb SJo(f§fprad)c.
SSauer, aU ob fie her SSernunft nid^t gemä§ fei unb anä) her gött=
lid^e SBiH öor ben ßaten foK befd^Ioffen fein, frag id^ eud^: ba
©Ott ber SBatcr ben erften 3Jlenfd^en erfd^uf, ob er il^n nid^t t)ott=
lomntenltd^ l^at erfd^affen? 3)enn bann l^at ©ott i^m anä) erlaubt,
in feiner ^pxaä)e feine SSernunft gu gebraud^en". — SD^lönd^:
„®u lannft aber l^ol^e unb fubtile ®inge nidE)t öerftel^en". —
Jöauer: ,;5)Jetru§, 3tnbrea§ unb bie anberen Slpoftel finb aud^ ein=
fältige tJifd^er getoefen, unb eg ift gu fürdE)ten, ba§ bie ©ubtititat
t)il l^od^gelel^rte 3)octore§ in ben 3tbgrunb ber §öl[e gefül^rt f)at". —
3Köndö : ,;5Dlad^t man aud^ 3)octoreg in ber teutfdE)en Sprad^" ? —
SBauer: „@§ ift loal^r, in teutfd^er @prad^ mad^t man fein
©octor; aber in IatinifdE)er ^pxaij frönt man öil ®fel auö ber
Sdfd^en. 6ä ift bie größte Sn:ung, ba§ fie ben ßaien t)erbieten,
bie l^elge ©efd^rift in teutfdE) ju tefen. ^ä) mein, min &pxaä), bie
mit mir ufgemad^fen ift, f^ mir mager bann ein anbere ; bann bie
angebome ^pxaij ift aütoegen bel^ergiger".^ —
SJlit biefem @iege ber Oteform.ation unb ber beutfd^en ©prad^e
tüax ein großer Sieil ®eutfdE)Ianbg für immer auö ben Sieben mittet
aIterIidE)=fatf)oIifd^er ©eiftegfned^tung befreit. ®ie alte ©eiftlid^feit,
bie frül^er ben ßaien bie geiftige Jtal^rung fna))p gujumeffen gemöl^nt
tüax, ift je^t anä) t)on ber SSibelgelel^rfamfeit proteftantifd^er ßaien
überl^olt unb in ber eignen ©eifte^armut bloßg^fteüt. ®ine neue
SBilbung bridE)t an. Söeid^tbüd^er unb ®efretalien finb nid^t länger
bie §au))tna]^rung für bie geiftig armen ßaien. ®ie fylugfd^riften
ber 3^it geben un§ einen ®inbtid in ben großen ßulturfam))f.
„@^ben frumm aber troftfofe 5)Jf äffen f lagen ifire SRot ainer bem
anbem" — fo lautet ber Sitel eineg 5Pam|)]^(etg in ©iaiogform ; ba
flagt ein alter ©eiftlid^er: „S)ie SBelt tt)irb töglid^ geleierter unb
ain§ beffern Urtaifö ; bie ßinb in ber ©d^ul post fornacem lernen
j|e§ beffer ®ing bann gu unfern Briten, bie in primo loco fa^en.
®er teutfd^en SBied^er toerben t)il, unb in teutfdE)er ^pxai) finbt
man jje^ aKe gottic^e unb menfdölid^e SBeiöl^eit. SSor Seiten tt)a§
SSgr. ^arl ^agen, ^er ©etft ber ^Reformation 1, 223.
dlatiomk S3ilbunfl feit bcr SHeformation möflltch. 19
Dormi Secure, Thesaurus Novus, Postille Guilhelmi, Disci-
pulus, Pomerius etc., ja ©abriet, £)tit)eriu§, Summa Predi-
cantium etc. gute SBied^er; je^ ad^tet man il^r nid^t".
Sfn äl^ntid&er SBeife öcranfd^autid^t unö ©imon C^^ffusJ 1521
in einer titellofen ©treitfd^rift, bic ju Boxringen im Söreiggau er=
jd^ien, ben Umfd^mung, bcn unfcre nationale Söilbung burd^ l'utl^er
bamalö erful^r. ,M ift bem römifd^en ^of nit faft hupd^, ba§
bie teutfd^en ©efellen anfangen tüi^ig unb gelert gu tüerben unb
bei einem 5)Jünftte u^rcd^nen, tou e§ gugegangen fei im 3tnfang
ber d)rifttidE)en ßird^en. ®er römifdE) §of moc^t tüol leiben, ba§
bic Seutfd^en gar nichts lefen bann baö ®e!ret, ®e!retal unb toa^
ju Jftom gemad^t mirb. ®ann je^unb bie trunfen Sieutfc^en ben
SBein u^gefc^Iafen l^aben unb geleiert werben unb motten anfallen
bie ®a$ gu grob öerfteen. Söären fie blieben beim 2llejanber in
ber ©rammati!, bei bem ßötnifc^en 6o|)uIat in ber öogif, bei bem
%i)oma in ber l^eiligen ©efd^rift, bei bem ßarolo unb ^ontio
^ilato in ber ^ll^etorif unb f)ätten fid) ber !ried^ifdE)en Spxaä),
bes l^eiügen ®t)angelium, 5pauli, ^ieron^mi unb ber alten Ferren
fid^ nid^ts angenommen, fo toären fie noc^ frumm, fdE)Ied&t unb
gel^orfam @ün be§ ^jjapftö; unb tt)enn ein Sörief ober SJlanbat
t)on 9iom föme, fo f)ielten fie ]^of)er unb mel^r havoon bann t)on
bem ©oangeüo. 3tem toenn ;3nbulgen^ tnmpi, fo fud^en fie bie
alten Pa|)pert l^erfür unb fc^idenS gen Otom. S)a fann man
biefelben u§))oIiren unb braud^en. Unb fo lebte 9fiom in fricb=
famer ^Poffefe ber Sd^af. SBenn ba§ Sd^af aber nit SBoßen geben
toolt, erfd^redte man ba§ felbig mit einem greu^Iid^en f)arten
©onnerfd^Iag einer SBuüen, fo gab es» aber etma lang SJlild) unb
SSotten. ^dtteft bu ben ßo))f nit l^erfür geredt u§ 3Jlitternad^t
unb l^dtteft bie botten unb groben Sleutfd)en taffen il^re ^bp\ ger=
bred^en über bem 33eid^tbüd)te unb bem Secretal, fo l^citten fie nit
fo Diel SBeil unb 3^it gel^abt, ba§ l^eilig ®oangelium gu ergrünben
unb aud^ alfo eben erfaren, toie e§ gu 9fiom gu gat. 3)aä grob
teutfd^ aSoH l^att fein ftum))fe SSemunft nod^ nit atfo gefpi^t unb
fo emftlid^ gebrandet, gu erfal^ren bie @))ecula^ ber römifd^en 5rei=
2»
20 1. Ätrcf)enfprad)e unb ^oit^\piad)c.
f)üt ober ßird^enfreil^eit unb l^ätt folic^en 3)ingen nocö lang nit
nad^gefraget. 2lber ie^unb fein bie Seutfd^en alfo f))i^tg unb ganj
finnretdö gcmorben in ber l^etügen ©efd^rift, ba§ gum bid er 3[JlaI ein
ßaie mel^r red^ter grünblid^er ©efd&rift lann bann bie ßeut, bie
3[nfuln uf bem ^anpt tragen, afe ob fie ba§ alt unb neue Seftament
lönnen, ba§ fie oft nit anfeilen in breien 3Dloneten".
®g toar gugteid^ ein ßampf um ba§ StationalitätSpringip.
Seutfd&e ^rünben, lüetttid^e loie ürd^üd^e, loaren nid^t feiten t)on
Sluölänbcrn befe^t, bie ber beutfd^en Stiebe nid^t mäd^tig toaren.
SBir l^ören t)on latl^oIifdEien ®eiftIidE)en, t)on Söifd^öfen, t)on ßaifern,
bie ber beutfd^en ©prad^e unfunbig maren. S)ie tJreunbe ber
ffteforntation öertangen Slbl^ülfe. S)a forbert eine in Strasburg
1521 ausgegebene tJIugfd^rift, „bah ^ßitt S^rember ober 3luö=
tänbifd^er, ber mit ber tütfd^en ©prad^ bem SSoII nit öoßlommen^
lid^ lann prebigen, tefen unb öerftel^en, l^inför nid^t mer möge cr=
langen unb aufbringen ®ered^tig!eit , ©cloor ober Sefi^ung gu
geiftlid^en SBirben, 3lmten, Selben unb ^Pfrunben teutfd^er Station
unb ba§ fie bißid^ für untöd^tig bagu foKen gead^t werben".^ ©ine
anbere fjtugfd&rift verlangt ba^ gleid^e — ,;teutfd^ 5ßfrünben ben
Seutfc^en aßain gu le^d^en"; fie folten fortan nid^t mel^r über=
tragen merben an „ungeklärte, untüd^tige, ungefd^idEte ßeute, bie
auc^ teutfd^er Sprad^ umoiffenb feinb".- 3Dlit gteid^er Erbitterung
feigen unfere ^Patrioten, loie fftom Privilegien an 9ftömer augteitte,
an beren Söefi^ un§ ©eutfd^en oiel gelegen fein mu^te. Sin
römifd^er ©rudEer befa§ ein gel^njäl^rigeS ^Privilegium be§ 5papftg
für S:acitu§auggaben; unb ^utten^ !onnte leinen SrudEer finben,
ber tro^ päpftlid^er Süße unb römifd^er ßegaten eine 3lu§gabe
ju veranftalten gewagt l^ätte.
@o tourbe auf aüen ©ebieten für 3)eutfd^tum unb 3Dlutter=
1 ©tlid^ Slrticfel ®ottc8 ßob unb beS ^Ig; SRöm. «Reichs unb ber gangen
Station ®6re unb gemeinen $^ö belangcnb.
» 2)ie 23cfc^h)crungcn be8 l^Ig. SHö. ^tt). unb befonberUd^ gang tcutfd^cr
giation öom ©tfil ju SHom u. f. to. 23 iiii.
^ ©efpräd&büd^Icin ® iü.
9lattonatttätgj)ringi)). §auptfprad)e. 9Jiutterfj)rac6e» 21
\pxaä)t geläm))ft, unb mit bem Siege beö 5)Jrotcftanti§muö crl^ielt
bie 35oIfef))radöe eine frül^er nie geal^nte SSebeutung.
6§ ift nid^t unfere Slnfgabe, bie f))ateren tt)cci)feIt)oIIen @d&id=
fale beg ©entfd^ im ©otteöbienft barguftellcn. SBom @tanb|)nn!t
ber bentfd^cn ©))rad^gefdöid^te toax e§ feine ernfte ©efal^r, aU bag
ßei))giger Sttterim t)on 1548 bem ßatein in ber ßttnrgic lieber
bcn breiteftcn 9fianm gn fidlem öerfud^te.^ SJlod^te anä) ba^ 3;riben=
tiner Äongil t)on nenem tcieber bie alte 3lbneigung ber römifd^en
Äird^e gegen bie 35oIföf))radöen funb tl^nn — e§ !onnte an ber
2;]^atfad^e nid^ts geänbert n)erben, ba§ ha^ ßatein an§ feiner faft
taufenbjäl^rigen §errfd^aft in Sentfd^Ianb enbgüttig t)erbrängt tcar.
3)er S^tndö ber ^Barbarei, mit bem nod^ ßntf)er§ S^itgenoffen
bk bentfd^e ©))rad^e branbmarfen, üerftnmmt feit ber SJlittc be§
16. Sfci^i^l^unbertS. SBaren big bal^in bentfd^ unb barbarifd^ (barbare)
ofä ©egenfa^ jum ßatein gteid^toertige ^Begriffe, fo tritt fortan bie
ftolge Benennung ber beutfd^en ^^anpU unb ^elbenf))radöe auf,
bie faft burdö gtoei Sial^rl^unberte ben greunben beutfd^er Qpxaijt
geläufig . bleibt. ®te a5oI!§f))rad^e, bie burd^ ben 5ßroteftanti§muS
bie religiöfe SBeil^e erlangt l^at, ift jum fftange einer §auptfprad^e
crl^oben, feitbem „©ott, ber in aßen @))rad^en gelobt fein toiä, [
anä) in unferer Qpxaä)e SBunber wirft". ©leid^jeitig tritt ba§ \
SBort *3Jlutterft)rac^e' auf, ba§ ben ©efü^Ien ber Station für i^re \
SSoIföfprad^c ben innigften 3lu§brudE üerleil^t.
1 3d^ Dcrtoeife nur auf ha^ njcrtöottfte ^ofument btefer 3eit: 1550
unb 1560 öcröffentltd^te ber Hamburger $rebtger Soad^im 2Beftt)§a( in
a^agbeburg feine „gtoo $rebtgen getl^an aus bem ©öangeüo SWatt^. 21, 1,
ha% man in ber ^trd^en atteS in gemeiner bcfanntcr (Bpxad) lefcn unb ftngen
foH; anä) tt?a8 für große ©droben aug ber je^tgen SJeränberung ber beutfcöcn
^pxad) in ßateinifd^ in ben tird^cn erfolget/' dlaä) ©cfffcn *btc ^ambur*
gtfd&en nbf . ©efangbüd^er bcS 16. Sa^r^/ @» IX fönntc eg fc^einen , als
ob btefc bciben gtoeimal gcbrudften $rebtgtcn nie beröffentlid^t Sorben feiern
2.
"Mafimilian un5 ftint 1Ran|ki^
33on jje l^er l^atten auf beut beutfd^cn ©))rad^gebiet ßautbe=
tüegungcn gemirÜ, tceld^e ber ®inl^ett ber fontincntalen ©crmancn
fo gefäl^rüd^ waren wie bie ))oütifd^e 3ßtf))Iitterung in ©tamme.
Sftn 6. 3[ct]^tl^unbert war t)on beut langobarbifd^en Dberitalien au§
eine Bewegung beftimmter ßonfonanten über bie 3tl))en gebrungen
unb l^atte bie oberbeutfd^en ßanbfd^aften, bann aud^ 3JlitteIbeutfdö=
lanb ergriffen, um fd^Iiefetid^ bie nieberbeutfd^e ©prad^grenje ju
fd^affen. Sl^nlid^ biefer Bewegung ber ßautoerfd^iebung l^atte aud^
ber aSoIatiömug ber Jonftlben eine llntgeftaltung erlitten, welcfie
um 400 t)on Jlorben l^er nad^ ©üben t)orbrang unb bebeutfame
©d^eibeünien fd^uf: bie ©rfd^einung beö Umlaute, bie in ber ge=
fd^id^tlidEien 3eit beftimmte geograpl^ifd^e fjortfd^ritte öon 3iorben
nad^ ©üben mad^t unb jum Seil aud^ geogra))]^ifd^e unb d^ronolo^
gifd^e 3Dlarffteine abgibt. 3)iefen gewalttgen ßautbewegungen, weld^e
jal^treid^e d^aralteriftifd^e ßautunterfd^ebe in unfern SUlunbarten
ergeugt l^aben, öergteid^t ftd^ in f))äterer 3eit eine ®rfd^einung,
; bie wir burd^ SBill^etm SBraune^ afö f))rad^tid^e§ SRaturereigniS
aufgufaffen gelernt l^aben. @S ift bie ®i))]^t]^ongirung ber alten
T ü ü (in) gu ei au eu, bie für bie ©ntftel^ung unferer mobemen
@d^riftf))rad^e t)on ber größten Sebeutung ift.
2Bie Umlaut unb ßautöerfd^iebung brol^te biefe Iautmedöa=
ntfd&e Strömung neue munbarttid^e ©rengen ju fd^affen unb bamit
aSöL feine unb §. $Paul8 Söcttr. I, 37.
2autüä)t unb ortf)ograp]^ifci^e ^eöolutionen. 23
hie f))rad^Iid&en Unterfd^iebe ber ßanbfd^aften ju tiexmeijxm. Unb
fo gefdia]^ e§ ani), big fd^Iie^Iid^ ber neue 33oIaIt^pu§ gum 61^a=
rafter ber Sci)riftf))rad^e erlauben unb bte jal^Ireid^en 3)ialeftunter=
fd^iebe, tüeld^e burd^ lautmed^amfd^e SBorgänge ergengt tt)aren,
burd^ eine l^öl^ere ©inl^eit nnfd^äblid^ gemad^t tcurben.
S^erfelbe 5Proge§ ber S)i))]^t]^ongirung l^atte fid^ in ©nglanb \
t)oHäogen; aud) l^ier l^atte er munbartlid^e ©egenfä^e ergeugt; and^
l^ier trar bie angelföd^ftfd^e ©))rad^ein]^eit in ©efal^r, einem bunten
(S))radöengetümmel gu toeid^en, tcenn nid^t l^ier tt)ie allertcärts ba§
alte ©efül^I ber etl^nologifd^en ©inl^eit aud^ gu einem einl^eitüd^en
^pxaä)it)p]x^ gefül^rt l^ätte, berl erft für ben titterarifd^en, bann
aud^ für ben münbtid^en SSerlel^r unentbel^rüd^ mürbe. 3)ie engIifdE)c
Sprad^gefd^id^te bedft un§ bie folgen jenes 5)Jrogeffe§ ber 3)i))]^t]^on=
girung auf unb beteud^tet bie ®rfd^einungen be§ Kontinents. 3)er
ununterbrod^ene 3ufammen]^ang ber fd^riftlid^en Srabition fül^rte
in ®nglanb gu jenem aufföüigen ort]^ogra))!^ifd^en %\)pn^, ber bem
©d^riftengtifi^en eigen ift: man fd^reibt i, obtool^I man ei f))rid^t,
aud^ in ber mobemen 3ßit mit bem trabitioneüen ßautgeid^en ; ou
ift im 3leuengIifdE)en al§ ßautgeid^en geblieben, obtool^t eben biefeS
Seid^en, ba§ ^eute afe au gef))rod^en tüirb, im SUlittelenglifd^en für
ben ßautmert ü übtid^ mar. 3)ie gra))!^ifdöe ©nttcidflung ber mo=
bemen englifd^en @in!E|eit§f))rad&e ift atfo nid^t mit ber mobemen
Cautentmidftung öorangefd^ritten , fonbem auf ber Stufe ber
mittelalterüd^en @))rad^e ftel^en geblieben.
S)iefetbe SJlöglid^Ieit, melcbe burd^ ba§ ablel^nenbe SBerl^alten ber
nid^t bi))]^t]^ongirenben SJlunbarten nod^ begünftigt mürbe, ftanb aud^
uns S)eutfd6en offen. SBeniger !onfert)atit) gefinnt unb ben SBrud^
mit ber S^rabition nid^t fd^euenb, entfd^ieben mir uns für bie gmeitc
SKöglid^feit, ben mobemen 3)ip]^t]^ongimngen aud^ gra))]^ifd^ geredet
gu merben. ^n hzn erften Seiten beS fiegreid^en ßautprogeffeS '
mod^te aüermärts ber SBmd^ mit ber ort]^ogra:j)]^ifd^en S^rabition
'fd^mer fein. SBirftid^ brol^te uns — menn aud^ nur t)orüber=
gel^enb — jenes Softem öon ßautbarfteÜung, baS im l^eutigen
6ngtanb l^errfd^t. S)ieS miffen mir t)om ©ebiet ber fd^mäbifd^en
24 2, aJlaEimilian unb feine tanjleu
SJlunbart, tt)o um 1500 i gcfd^ricbcn tcurbe, al^ man bereite ei
f))rad^.^ Unh fo toixb aüerwartö b^r rein lautlid^e ^Proje^ cttt)a§
frül^er angufe^en fein afe feine gra))]^ifdöe SBieberfpiegelung in
unferer mobernen Drtl^ograpl^ie. »
Um 1200 f^eint biefer ^jjrosefe im ©üboften 3)eutfdölanbg
begonnen gu l^aben ; f d^on jur 3eit be§ !taffifd^en SJlittell^odöbeutf d^
beftel^en bie neuen ©ipl^tl^onge. 3fm 13. i^öl^rl^unbert werben fte
in Jlieberöftreid^ l^eimifd^ unb im 14. 3[Q]^rf)unbert gewinnen fte
gang Öftreid^. ^Präger ^fted^tsbenfmaler öon 1324 geigen bereits
ei, au, eu; gwifd^en 1330 unb 1350 werben fte bafelbft gang
burd^gefül^rt. 3luf ber ©rengfd^eibe beg 14. unb 15. Sfal^rl^unbertö
erobern bie neuen ©i^l^tl^onge ©d^Ieften unb Oberfad^fen ; in
3!Jlei§en werben fie etwa um 1400 l^aufig; aber erft in ber
gweiten ^älfte be§ ;3o]^r]^unbert0 ftnb fie fd^riftlid^ attgemein burd^=
gefül^rt. Saiem unb £)ftfran!en werben im 14. ;3af)r]^unbert t)on
ber ßautbewegung ergriffen; um 1400 bringt fte über ben 8ed^
nad^ Sd^waben, wo ber mcd^anifd^e 5proge§ bereits um 1490 ab-
gefci)Ioffen gewefen fein mu§, wenn ha^ alte SBofalf^ftem aud^ nod^
gra))]^ifdö etwa 50 Saläre weiter lebt. SBon SBaiem, Dftfran!en
unb ©d&waben au§ giel^t ftd^ bie ^Bewegung gum Untermain unb
SJtittelrl^ein, wo fie in ber erften ^ätfte be§ 16. ^al^rl^unberts
burd^bringt.
@g finb grofee Steile ®eutfd^lanbö öon biefem möd^tig t)or=
bringenben 5proge§ nid^t betroffen. 3tm Dberrl^ein bleiben bi§
l^eute in ben 3Jlunbarten bie alten i ü ü ; aud^ Reffen, Sl^üringen,
baS nörblid^e 3[JlitteIfranfen finb t)on ber Bewegung nid^t erfaßt
worben. 3lieberbeutfd^tanb ift bem ©l^aralter feiner ßonfonanten
gemd§ aud^ im a3o!aIi§mu§ bem alten 3;^))u§ treu geblieben. 2lud&
im fübtid^en Seil be§ bairifd^en 3Kgäu fehlen bie mobernen ®i=
^ ^Ql ben frönen Sluffafe ipermann ^Jifc^erg über bag „^c^inger
ßatetn'' in ben aBürttembergtfc^en Sßtertelia^rS^eften 1885, 229; 1887,45.
®8 toirb bort nad^getoicfcn, ba6 unb njarum einzelne ^d^toabcn bamal»
lotetnifd^ dies, qui al8 deies, quei au8gcf))roc^en l^aben. ,.,
^^^
ßautltc^c unb ortl^ogra))l&ifd)c 9lcöo(utionem 2.
:p^tf)Ottge. ^n ber @d&tt)ctj finb einige Slnfä^e gu her neuen 8aut=
fiemegung gu beobad^ten; nid^t.nur l^aben gmei toeit auöeinanber=
liegcnbe, gängticft ifoürte 3Jliinbarten — bie t)on ©d^anfigg in ©rau=
bünben unb bie t)on ®ngclberg in Untertüalben — nad) ncu]^odö=
bcutfdöer SBeife bipl^tl^ongirt , fonbern eö jeigen anij meistere
norbtDeftüd^e fd^tceijcrifdöe 3Jlunbarten ei ftatt i im SBortausIaut,
3. 35. brei, frei (neben öerbreiteterem fc^tDeiäcrifciien bri, fri); unb
babei ift befonberg auffaÜig, ba§ 3. 35. in 33ern bicfes ci in 6rci,
frei jufammengefaKen ift mit ei ton Stein unb JÖeirt. 2)enn in
allen übrigen ®ialeften, tco tt)ir ben mobernen Si^l^tl^ongen ei für
ml^b. i antreffen, faßt er in ber 3lus^fpradöe nie mit bem alten ei
t)on Äein, Stein jufammen. 3n biefem 5Pun!te unterfdieibet fid) unfer
l^eutigeö Sd^riftbeutfd^ t)on unfern Sialeften ; im l^eutigen Sd^rift^
bcutfd^ ndmlid^ ift ber gra))l^ifd)e 3ufammenfaß ber beiben ei aud^ für
bie Slugfprad^e t)er!^angni§t)oß getüorben, toal^renb unfere 3Wunb=
arten nod^ immer ben alten UnterfdE)ieb tt)ieberf|)iegeln.
3fm 15. ;3a]^r]^unbert, tt)o bie munbartüd^e 9luöf))rad^e nod^
uneingefd^ränlt l&errfd^te, tcar fomit Seutfd&Ianb in gmei 2:eile ge=
teilt. 3iorbbeutfdötanb unb ©übtceftbeutfd^Ianb f)alten an bem atten
33oIaIbeftanbe feft. 2)a§ öftlid^e SJlittelbeutfd^Ianb bagegen unb ber
größte S^eil t)on Sübbeutfd^Ianb l^aben burd^ jenen med^anifd^en
^rogeß einen neuen ßautdE)arafter angenommen ; ba gelten mein
unb bein für bie alten min imb bin, ^aue unb iXiaue für
^^ unb iXiue, &eute unb ^cutc für ilßte unb ^fite.
Sie 3)onauIanbe bel^errfdEite biefer neue (Bpxai}t\)pn^ mel^r
afe jtoeil^unbert ^al^re t)or ßutl^erö Sluftrcten. 3n ben ^ßanjleien
ber bairifd^=öftreid^ifdöen ©tdbte btül^te er unb fanb t)on l^ier ai\^
eine »eitere 33erbreitung über feinen cigentüd^en geogra|)]^ifd^en
33ereid^ f)inaug. 3umal unter SJtarimilian gewinnt bie Qpxaä)t
ber laifertid^en ßangleien, benen ba^ neue 3)eutfdö feine fc^neßc 3tu§=
breitung öerbanit, ba§ 3tnfe]^en einer 3lutorität, bie aud^ unfer
ßutl^er anerlannt l^at; unb balb öertceift bie aufbtül^enbe beutfd^e
©rammatif auf ben iRaifer unb auf ben Steformator alö bie
Süd^tfd^nur beutfd^er ©prad^art.
26 2» iDiajimilian unb feine ^anglcu
3n her Zf^at, SKastmiltan gebül^rt neben ßu%r eine
]^ert)orragenbe ©teüung in nnferer Spxac^gefd^id^te. Site legtet
35ertreter be§ 9littertnni§ la^t er bie bentfd^en @pen unfetes 9JlitteI=
altera fammeln; bie überaus wertöotte §anbfd^rift, bie er nieber=
fd^reiben lä^t, ift ha^ le^te SciiflttiS für bie fjortbauer ber l^öfifd^en
SCrabition. ®r fe^t ^o^e SBelol^nungen aug für bm 9?ad^tt)ei§
attbeutfc^er eprac^benfmäler. ®er 35erfaffer be§ S^euerbanf unb
beö SBeifefunig ift aui) ber SJlittelpunIt ber ßitteratur in ber
35oIf 0f))rad^e ; ga^Ireid^e Überfe^ungen au§ bcm Ilaffifd^en 3lltertum
finb bem ßaifer gemibmet. 1507 erfd^eint eine SBerbeutfd^ung t)on
ßäfarg Sd^riften, bie ber ®Ifäffer fftinginann bem Äaifer jueignet.
1507 (1505) trägt bie 8it)iu§=Überfe§ung »em^arb ©c^öfferßnS
ben Flamen SUlajimiliang. 1511 (1529) erfd^eint eine a3e9etiu§=
Überfe^ung mit einer SBibmung an SJlapmitian. S)ie erfte 35er=
beutfd^ung öon SBirgilg 3tenei§, meldte hm Dr. 3Jlumer (1515)
jum aSerfaffer l^at, ift bem Äaifer gewibmet.
©0 fielet SUlaEimilian im ^ütittetpunlt einer beutfd^fprad^^
liefen ßitteraturbewegung. 6r regt Überfe^ungen an ; ja er fuc^t
■ SSerleger gur Übernal^me fold^er SSerfe gu vermögen. @o beftimmt
er ben Jlümberger 3)rudEer Äoberger 1502, „ha^ ^i^ ber ^imm=
lifd^en Offenbarung ber l^eitigen SBittiben ^Brigitte" gu brurfen,
ba§ SBalbauff öon SBatbenftein für il^n au§ bem ßatein über=
fe^t ^atte.
3tngefid^t§ fold^er S^l^atfad^en glauben tt)ir bie Sered^tigung
gu l^aben, aud^ bie 3tnfänge tl^eoretifd^er 3?ormirung ber ^pxaä)^
auf be§ ßaiferS 3lnrcgung gurüdEgufül^ren. ®ine alte Überlie=
ferung, bie bi§ in bie SJlitte be§ 16. i^öl^rl^unbertS gu t)erfoIgen
ift,i legt bem ßaifer gro^e f))rad^tid^e SReformöorf daläge bei, an
bereu aSerwirftid^ung ber Job il^n gel^inbert l^at. ©o fott aud^
fein ^offaplan 8abi§Iau§ Suntl^eim an einer ^Descriptio linguae
vulgaris per superiorem Germaniam'* gearbeitet ^aben. Unb
' ^qL Xf)toh* ä3i6Uanber, De ratione communi omnium linguarum«
3üridö 1548 d ii.
Xe§ taifcrg beutfd&fprad&ricfee Sntereffen; feine ^angleirätc. 27
ber öftreid^ifdöe 5Protonotar unb ßanbfd^teibcr ^an§ ßrad^en=
Berger (©racd^ug ^jjterius) fd^rieb unter SDla jtmUian ein „opus
grammaticale de lingua germanica certis adstricta legibus**,
ha^ freilid^ nid^t öoÜenbet unb auä) miji t)eröffentltd^t lüurbe.
3)a§ l^öd&fte 3lnfe!^en aber in f))rQd^Iidöen Singen geno§ ber fai=
ferlid&e ßanjter 5ßictag Si^gter, bcffen Flamen unb ©d^reibart ga]^I=
reid^c Urfunben toettl^in burd^ ©eutfd^Ianb verbreiteten.
SBiS auf SJlasimilian treffen tt)ir eine abfto^enbe, ja tt)iber=
lid^e Drtl^ograpl^ie begügtid^ ber ßonfonantenbo))))eIungen. Überatt
treten in Urfunben ©d^reibungen tt)ie -^eUfftre^tUffcr , tt)ie
Cjeyttcn, xreittcr, pottfc^afft u. f. tt). auf. 3tber feit 1500
fd^cint eine ftrengere Ortl^ograpl^ie burd^ jubringen. Unb befonberä
bie öon Siictaö 3i^9lcr gegeid^neten Urlunben geigen ein erfoIg=
reid^eS SBeftreben, bie unnötigen ßonfonantenl^aufungen, gumal cz
ju meiben. ®r fd^reibt leiten, Reifer; nur bie unt)ermeiblid^en.
nn (unne) l^errfd^en aud^ bei il^m. ©onft feigen tcir in feiner
©prad^e bie 3JlerftnaIe ber bairifd^ = öftreid^ifd^en 3[Jlunbart : ba§ ,
l^aufige kh im 3ln= unb Sfniaut; sl, sw, sn für schl, schw,
sehn (fwebifc^^Äatf lag); antautenbe§ p (Pot *S5ote*); ba§ Suffi?
-nuss; apolopixtz formen wie (Blaub, Hani für <SUube^ name.
SRur in Segug auf ba^ bairifd^e ai ift 9?. Si^gtß^ ttidE)t fo fon=
fequent tt)ie bie übrigen Rangier beg Äaiferg.
SBenn batb in ber ßitteratur atterwörtS ba§ 8ob ber 9Jtajimi=
lianifd^en ßanglei erfd^attt, fo !ann fid^ baSfelbe faunt auf bie ßaut=
gebung begiel^en; benn biefe bedtt fid^ im toefentlid^en mit ber 9Jlimb=
art ber 3)onauIanbe. SSielmel^r fd^einen jene ^Reformen in ber
Drt]^ogra|)]^ie btw fiangleiräten SD'lapmilianS f))rad6Iid^e 3lnerf ennung
* öerfd^afft gu l^aben. S)enn aud6 in ben gebrudEten 3)en!mälem jener
3ett beginnt ettoa mit 1500 eine größere ^Regelung ber ©d^reibtoeife
befonberS mit Siüdfftd^t auf bie ®o))))eIungen ber ßonfonanten.
^abm frül^er bie ma^Iofen cz, tt, flf, gk, gck ben SrudEen ein
abfiofeenbeg äußere gegeben, fo tritt no^ unter 3[JlajimiIian eine \
ftraffere Siegelung auf, unb loenn Cutter unb bie B^itgenoffen \
feinen ortl^ogra))]^ifd^en Sieformen folgen unb auf il^n al§ @})rad^= j
28 2. aJlajimilian unb feine Sianglei. j
norm toeifeu, fo bürfte fic^ aßerbiugö !ein anbereS ©ebiet finben,
tcorin fte mit mel^r 9led^t auf ii)n gii t)ertt)ei)en l^attcn.
®er großartige ©influß ber faiferlid^cn ßanjiei auf bic
übrigen ßangleien unb auf bie SrudEereien in ber erften ^älfte
beö 16. Sfal^rl^unbertö ift gu toid^tig, ate ba§ tt)ir auf eine ein=:
ge^enbere 3)arfteIIung ber ßitteraturf))rad^e in ben ®onauIanben
t)ergid^teu bürften. @ie fd^ien beftimmt jene SBebeutung für unfere
Äulturentmidlung gu erlangen, bie toir f))citer ber ©prad^e unfere^
9ieformator§ beilegen »erben. Slber burd^ bie fird^lid^=f*^gialc 9te=
Solution tourbe bie fd^nette ßaufbal^n ber S)onauf|)rad^e gel^emmt.
Sl^re Söebeutung toax gebrod^en, feitbem SBittenberg ber geiftige
SJlittetpunft Seutfd^Ianbö getoorben. 2ln bie ©teile jener mit
9JlajimiIian§ Äanglei t)ern)ad^fenen @|)rad^e ber Sonaulanbc trat
eine neue 3lutoritat, toeld^e tro^ ber öftreid^ifd^en 9teid^öregirung
fiegreid^ burd^brang. 3lbcr gerabe bie Sil^atfad^e, ha^ bie ancr=
fannte ©tettung ber ßanjleif))radöe in ber ßitteratur burd^ bie
SBirlungen ber 9ieformation erfd^üttert tourbe, mad^t i)ier einen
Überbüd über jene altere ßitteraturf))rad^e nottoenbig: tt)ir muffen
il^ren ©l^aralter barlegen, um if)r ben öertoanbten, aber felbftänbigen
S^ljpug ber ßutl&erifd^en ^pxaä)e gegenüberfteüen ju lönnen. SBer bie
fjolgen ber Steformation ööüig ermeffen toill, muß bie maßgebcnben
5a!toren be§ frül^eren Stegiments lennen. 3)aS gilt aud^ t)on ber
©prad^e.
6in ®enlmal t)ergegentt)ärtigt in befonberg fd^Iagenber SBeife
bie Söebeutung ber SDlajimiüanif^en Äanjiei unb il^re Jiormen.
eö ift ©dg fatl^olifc^e »ibel föngolftabt 1537), ber ßutl^erö Über=
fe^ung, teitoeife in ber 6mferf(^en Überarbeitung, gu ©runbe liegt.
®iefem Slejt, ber eine 35ergleid^ung mit ber neuen mittetbeutfdE)en
ßitteraturf))rad^e l^erauöforbert, legen toir barum befonbereö ©ett)id^t
bei, toeit er unter anbem Umftänben tool^I berufen getoefen ttJäre,
ben fteigenben ®influß t)on ßutl^erä a3ibelf))racöe ju burd^bred^en
unb bem burd^ bie Jfteid^öregirung Vertretenen ©prad^t^puö bie
gefäl^rbete Hegemonie gu fidlem. 6dE beruft fid^ gubem für feine
©prad^e auf bie 3lutorität beg laiferlid^en iRanglerS 3licta§ Si^sto.
©l&araftcr ber Stanglcifpradfte in 2)rudfh)erfen» @cf§ fd'ihtU 29
„©0 aiid^ etmaS an redetet ^otm ju fd^reiben unb Ortl^ograpiiei
gelegen im Seuifd^en, ^ab id^ mid^ beten beflijfen unb mid^ bie
gematn ßanjlerfd^reiber nit irren laffen, bie lü^el 3tufnterfen§
unb Subict barauf ^aben, tt)ie bann treffentid^ §err dlxda^
3iegler bei faifertid^er 5ütaieftät ^od&Ioblid^er unb untöbttid^er ®c=
bäd^tnuS ßaifer 3DlajimiIian ba§ S^eutfd^ nad^ red^ter 3trt unb
regulirter Drt]^ogra))]^ei l^eröürbrad^t ^at; tüie foÜid^S ©teer ©naben
afö bojemal fümämften ß. 501. fftat* am §of ba§ bemi^t, bann
id^ angaigen !ann. 6o ift bod^ im S^rudE hie Drt]^ogra))]^ei, bk
id^ für beftänbig gead^t, nit aßmeg gel^alten worben, be^l^alb id^
nit ml barüon bisputiren toill." 2ludö für ba^ neue Scftament,
bem 6mfer§ ^Bearbeitung gu ©runbe liegt, l^alt 6dE jene ?lorm
feft. „^ä) f)ai fein Granulation üerl^anb genummen unb auf
^od^teutfd^ mit SBorten unb ©^llaben öerfteßt" — fo lenuäeid^net
6ä fein SJerl^aften gu ®mfer.
©eine SReöifion erftredtt ftd^ alfo auf ßautlel^re unb 2Bort=
fd^a§. fjür ®df ift ber bairifd^ = öftreid^ifd^e a5o!aü§mu§ ma§=
gebenb; er fd^reibt nad^ gemein oberbeutfd^er SBeife J&ruber, gut,
t^un, wo ba§ mittetbeutfd^e ü in ßutl^erg unb ®mfer§ Gelten fielet
(JÖruber, gut, t^un) ; bairifdö=öftreid^ifdö ftnb feine ai in SBortcn
lote J&atn^ &ta\n, ^atlig^ rain, jaigcii (ßutl^er unb (£mfer J&cin,
ötciii, ^etli^^ rein, seilen); @df unterfd^eibet u üe (fucrert, ^ueß.,
Jbrbbtr, r&ren) oon ü (über, vtrfünbcn), toal^renb ®mfer unb
ßutl^er beibc ßaute nad^ mittelbeutfd^er SBeife gufammenfallen taffen.
S)ie oben bef^rod^enen 3)i})]^t]^ongirungen (Wein, mein, ^aue,
i^cufer u. f. tt).) ftnb natürlid^ ebenfo bei Sä toie in ber ©))radöe
be§ oftlid^en 3JlitteIbeutfd^Ianb§ burd^gefül^rt.
S)a§ allgemeine oberbeutfd^e ®efe§, ba§ bie auslautenben e
öemid^tet, l^ält 6df ein, toenn er bie Purale @c^ai3, 2)ieb,
1
S)iefe SBorte ftammen aus ber aBibmimg an ben ^arbinal Tlatf)au^
ßongiug, (Srgbifd^of p ©alsburg (1519—1540), ben M al8 bit redete i&anb
Äaifer aWajitniltang d^araftertfirh ©d^on im Saläre 1517 l^atte M bemfelben
iü>d ©d^rtften gitgeetgnet^
30 2. aJiafimUtan unb feine Slanj^Iei.
/
XOblf, Srnd^t, XÜinb ober Singulare tok 2tugr, &pc\e, ÄalF,
2^eb antüenbet, IDO ßutl^er unb ©rnfer il^rcr mittelbeutl4eit_^'lunb^
art gemäfe &d^ct^c, Jbichc, Wolfe, ^ru(^te, Ä>inbe — 2ingc,
©peife, Ä4lfe, Äebe gebraud^en. ^n ber Singolftdbter SBibcf
fiuben iDir ir noerbt (=i|)r toerbet), beFlaibt (= beFUibet),
verfehlt (= vcrfdfhttct), rebt (= rebet). 3^ür <>eupt, er?
Icubert, ^leuben, erbeiten bei ßutt)cr unb 6mfer Ijat 64 um*
lautäbä ^anpt, erlauben, 0laubert, arbeiten ; jene Ijaben liefen,
0ebert — - biefer ttan, gan (Sfmpcratb gdng, (lartb) ; jene £fe^
lart, rufen — biefer feiert, ruefen. fjür bie mittelbeutfd^en o-oe
y)ox SUafalen in Äöni^, 0on, Fomen, Fonben, fonber — fo bei
8utt)er unb ßmfer — Ijat M bie alten u unb ü : Äuni^, ©un,
Furtien, Funben, (txnbcr. ©ein rerf5^nen für baö mittelbeutfd^e
perfu^nen öerbient befonbere Sea(i)tun9. @onft öergeid^ne id^
aug ®(fg Sibel Sc^uepe '(g(i)up|)e, öäuI '©äulc.
Sei 3eittt)örtern lüie treiben, (leiten Ijat ber 33aier bereite
bie neuen 5perfe!ta \ii0, trib, (d^ri, büb gegen bie alten jtei^,
treib, f<^rei, bleib bei ßmfer unb ßutt)er; biefe Ijobm ic^ voar —
ic^ ^atte, ®(f t)at ic^ trae — id^ ^cu Sin ber Sngolftäbter SBibet
treffen tüir bie @nbung ?nu0 gegen bas mittelbeutfd^e ^ni^i bair.
iCmpfangtnue, (Bcicu0t\UB, Verbammnue. ©agu lommcn bie
großen 2lbtt)ei(i)ungen im 3Bortfd^a^J Sd Ijataüe SBorte befeitigt,
bie „ben Dberldnbif(i)en nit gemain" finb. 3ßitoorte tt)ie freien,
rertriiuen, ^e^ord^en, ernten, bie Smfer unb ßutl^er gebraud^en,
erfe^t 6d£ burd^ jur iE^e nc\)mcn, x>erml^len, öe^orfani fein,
fc^neiben- gür bie mittelbeutfd^en ^auptmörter (!5ren$e, Öeu^e,
Wappen, ec^effel, iHatte (tHotte), 0d>eune, ^ubel,
ec^leuc^e, epUtter l^at bie Sngolftäbter Sibel Ö5effenb, Tkranh
^4it — ©ie^tum, Älaij, iHeij, Schabe, S^eure, Äu^el,
©iium^eut, %dcn. Sin f^ntaltifd^en ßigentümlid^Ieiten bead^te
man, ba§ 6d£ i^n, i^m gegen ba§ mittelbeutfd^e p^ aU 9le=
fleEit)))ronomen, in60en gegen ßutl^erö F6nnen öertüenbet.
* SBeitereS über ©cfg Sßortfc^afe f. unten @. 78.
©^araftcr bcr ^anälcifprac^c in 2)rurftt)crfcn. ^f)x (5mflu6. 31
©onft fäüt un§ eine leibüd^ lonfequente £xtt}OQxapl)k auf,
bie fid^ BefonberS im ma^öoüen ©ebraud^ ber ©oppetfonfonanten
äußert.
Unter SDlajimilian begann aber nid^t nur bie Slegulirung, fon=
beut aud^ bie SluSbreitung einer mobernen ©prad^e. @o l^atte frül^er
Stugsburg in feiner ßanjiei lüie in feinen S)rudtereien ber lofalen
3Jlunbart iDid&tige 3üge entnommen, bie unö in ber gleiten §älfte
beg 15. 3fa]^r]^unbert§ entgegentreten: ba l^errfd^t au für ä 3. 58. in ben
3lug§burger 9leid^§tag§alten t)on 1474 — SLtQant, nan^, vool-
bebauet für Äe^at, nac^, toolbebac^t. SOlit bem Seginn be§
neuen Sfal^rl^unbertg gewinnt bie ßangleifprad^e ber S)onauIanbe
bort Singang; ber Sluggburger ßl^ronift SfBerüd^ 1595 Verlegt bie
fprad^Iid^e Sleorganifation in ba§ Sial^r 1501.^ Sitere Slugöburger
®ru(fe geigen ßautformen, bie t)on ber burd^bringenben ?lorm ber
SKajimilianifd^en ßanglei völlig abloeid^en. 3in ber Aurea Biblia,
bie ettoa 1475 unter bem Stitel „®ie beutfd^ gulbin SBibel nad^ Drb^
nung be§ 21336" in SlugSburg gebrurft lourbe, toirb geloed^felt
^toifd^en bem alten unb bem neuen 35of aliömua : ^aue unb ^J^ue,
^leig unb 5ly0/ Teufel unb Cüfcl lommen neben cinanber t)or ;
aber t)or allem l^errfd^en bie ou au (feiten 6) für ed^teö ä : Strouff
'©träfe, lirouffert *ftrafen', froufjen 'fragen, jfouben *fie gaben',
ec^ouff '©d^af, i>aut — i>au(t 'Ijat — l^aff. 3n ben meiften
?(ug§burger S)rurfen auö ber legten §älfte be§ 15. ^al^rljunberts
feiert biefeg ou au loieber, bag erftmit ber SSIüte ber SKajimilianifd^en
^anglei, nad^ bem obigen ßl^roniften mit bem 3a{)re 1501 in
SlugSburg augftirbt. @o Ijaben fortan bie bort gebrudtten SBerle
biefe ou nid^t mel^r. 6ö ftimmt 3. 33. ber ßautd^arafter ber 2lug§=
Burger 33ibel t)on 1518 im gangen mit ben ©epflogenl^eiten ber
Äanjiei unb 6d£§ überein: uo, üe, ä (nid^t ou), ö (für g), ai (für
ed^teS ei). 3lud^ in ber 3lug§burger 5pro))]^etenüberfe§ung t)on 1523,
bie Dr. 6a§))ar Slmman gum 3}erfaffer Ijat, leieren bie alten 2lug§=
Burgifd^en ou nid^t mel^r loieber; e§ l^ei^t ^Ät, Straff, (Saben;
SBgt. ®. SButrfer @erm.28,198; §anfen IJIectcifenS 3a^r6. 124, 18.
32 '^. aJiajimtItan unb feine ftanglci.
btc afpittTten kh CÄ^in&er, erF^etinen, f ^eren, f^unben) finb
t)or{)crrfd^enb ; ai in rain, flaiii, @tain ift fetbftöexftänbltd^ ; ö
für e iibt}cn, r6&ett^ ^616, :Gl^6ttin^ ßögen für (ct^cn u.f.tt).)
ift fel^r jal^Ireid^. S)a§ sw sm sn sl ber bairif(^=öftretd^if(j^en
Äanglei begegnet attertDärtS; id^ öergeid^ue g. 33. au§ einer gebmrften
bairifd^en ßeid^enprebigt t)on 1544 Önoalb, ömerij, ftrei^en,
fliegen n. f. Xü. S)erfelbe Stejt bietet 25e0en0nu0, J&eFentnu0^
J6e0rebnu0^ 3&ef 6mmerrtU0 ; ebenfo 3&uec^, J&luet, Äeruef,
3luö gal^Ireid^en Stejten ber Sonaulanbe (ä§t fid^ rerf6^itert
belegen; öereingelt begegnen F^6rt, grört, ber6mt — ber6men.^
Überl^aupt im gangen S)onaugebiet gewinnt in ber erften
.' ^älfte be§ 16. Sal^rl^unbertg bie burd^ SJiapmilianS Äangicr re=
gulirte ©prad^norm an Slßgemeingültigleit. 2)er Unterfd^ieb t)on
ei unb ai, t)on uo unb u, ue unb ü, ie unb i tcirb ftetS einge-
Italien ; bie am @d^(u§ be§ 15. 3!al§r]§unbert§ übertoud^embe güüe
t)on grapl^ifd^en 2)o))|)eIungen ber ßonfonanten l^ört aßmöl^Ud^ auf.
2)ie ^df)dt ber ©rudfer unb ©d^reiber in ber Ortl^ograpl^ie ift
einer ftrengen 3Jorm getoid^en, unb biefe gilt in ben Salären ber
Sieformation für atte beutfd^en ßanbe.
®enn aud^ 5öiittelbeutfd^(anb fd^üe^t ftd^ fd^on im gleiten
Sfal^rgel^nt be§ 16. 3!abr]^unbert§ einigermaßen an bie Slormen ber
fübbeutfd^en ßanglei an. 6rfurt g. SB., ba^ im SSercid^ ber nid^t
bi|)l^t]^ongirenben ßanbfd^aften liegt, »eift in jener 3«t gal^Ireid^e
®rutfe auf, bie ben mobemen ßautftanb (ei au eu) unb gugleid^
l^auftg aud^ ba§ bairifd^e ai l^aben. Unb Strasburg unb SSafel
lennen in il^ren 2)rud£ereien bie gteid^en ßautöerl^öltniffe fd^on t)or
bem 3luftreten ßutl^erS.
* W^ minf)Olb, fdaix. @xamm. § 59 Slntn., m freUid^ baS in
tmfere ©d&riftfprod&c äbernotntnene vcrf6l)ncn fel^It 3« bem § 111 toören
0U8 ®d mtljx^adft S^it 'fjeucr', l)uit '^cute', 3ui$en *S^xiQtn\ er flutfit^
$ebuit, ftuic^t, 5uidbt nad^gutragen als ^Belege aus betn 16. Sal^rl^mtbert
3.
^ä) glaube ntd^t, ba^ bie ^rage bered^tigt ift, ob toir mit
Öutl^er unferc neuere ©prad^gefd^id^te beginnen, feine ©prad^e tt)irf=
lid^ aU neul^od^beutfd^ bejeid^nen bürfen. Slber biefe ^rage ift
Qufgetoorfen toorben unb giDar t)on einem ber l^eröorragenbften
JBertreter beutfd^er ©))rad^tt)iffenfd^aft, ber fie mit „nein" beant=
»ortet, ©d^erer Ijat bie 300 jäl^rigen (S>poä)tn feiner ßitteratur=
gefd^id^te, feine mönnfid^en unb frauenl^aften 5perioben aud^ auf
unfere ©))rad^gefd^id^te übertragen: an feine litterarifd^e Über=
gangSperiobe t)on 1350—1650 l^at er eine f))rad^üd^e Übergang§=
|)ertobe gefd^Ioffen ; feine S^eugeit für ©|)rad^e unb ßitteratur batirt
er t)on 1650. ßutl^er ift il^m ber ^ö]^e))unlt, ba§ ßraftgentrum
ber ÜbergangSgeit — ©d^ottel eröffnet ba§ S^eul^od^beutfd&e.
hiermit erljält, glaube id^, iDeber ßutl^er nod^ ©d^ottel eine
rid^tigere ©teüung in unferer ©))rad^gefd^id^te, afö il^nen bi§ t)or
gel^n 3al^ren allgemein unb n)iberf|)rud^§Io§ guerfannt iDurbe. SBirb
man fd^on bie ©rünbe öermiffen, bie bem SQBoIfenbüttter ^ofrat
unb profeffionirten ©|)rad^reiniger einen fo l^eröorragenben 5pia§
im aSeginn unferer neuen ßuIturenttt)idEIung guiDeifen lönnten, fo
fel^Ien anberfeits über]^au))t Sil^atfad^en, bie un§ beftimmen müßten,
ßutl^er aus feiner Mturgefd^id^tHd^en ©teHung gu öerbröngen.
©d^on bie gewaltige folgenreid^e SEl^atlraft, mit ber er ba§ mittet
alterltd^e ßatein ber ßird^e unb bie litterarifd^e ßned^tfd^aft S)eutfd^=
Ianb§ aufl^ebt, fteüt il^n in ben Seginn ber Sfteugeit. ®er 9lefor=
mator, ber mit fetner toelterfd^üttemben Sil^ätigleit ha^ gefamte
34 ^* 2viti)tx uub bte beutfd^e Sprache*
geiftige ßebcn ber 3latton umgefd^affen, l^at burd^ bic 6ntberfung
ber SJlutterfprad^e einen fprad^gefd^id^tüd^en Srfolg errungen, tt)te
in Seutfd^lanb niemanb t)or ober nad^ il^m.
SBer bie belegte ©timmung jener ftürmifd^en 3^it fennt unb
bie allgemeinen 3#änbe t)or unb neben Öutl^er im gangen ßeben
ber Station öorurteil^frei loürbigt, ber !ann fid^ bei einiger Umfid^t
nid[)t gegen bie S^l^atfad^e t)erfd^Iie^cn, ba^ bamafö unb gmar burd^
ßutl^er bie ©ntfd^eibung gefd^al), loeld^e unferer 5öiutterfpra(f)e bie
gebül^renbe ©tettung eroberte. Slber eö fommen nod^ loeitere ©e=
fid[)tg})unlte in Setrad^t. Itnfere je^ige ©d^riftfprad^e ift im tt)efent=
lid^en mit ber ©prad^e be§ 9leformator§ ibentifd^, toeld^e frül) jur
9iorm für S)eutfd^tanb über]^au))t gemad^t ift. 9tid^t bie ©prad^e
Jüeberbeutfd^lanbö ober ber ©d^tt)ei3 erlangte bie Hegemonie; bie
3ulunft geljörte aud^ nid^t ber bairifd^=öftreid^ifd^en SJlunbart,
bie burd^ ba^ 9leid^§regiment gur ^errfd^aft über S)eutfd^Ianb be=
rufen fd^ien. ®ag 3Jlei^nifd^e ober Dberfäd^fifd^e , ba§ burd^
1 1 ßutl^erg 33ibcl Haffifd^ lourbc, ift bie SÄunbart, au§ ber ba§ @d^rift=
^ ' beutfd^ bamafe {)ert)orging unb in ber fjolgejeit fid^ ftet§ erneute.
3ietbelou^t ging unfer 9leformator aud^ für bie 30'lutter=
fprad^e t)or. S)ie 3^itgenoffen fd^on bett)unberten il^n, tt)ie er bei
]^ert)orragenben Slntäffen bie ©tettung ber beutfd^en ©prad^e be=
tonte. 3lid^t einmal auf bem SBormfer Steid^Stage t)erga§ er feine
fprad^Ud^e SÄiffion. 3lm erften S^age ber SBerl^anblungen rid^tete
ber laifertid^e Seamte an il^n feine fragen erft in lateinifd^er, bann
in beutfd^er ©prad^e; aber ßutl^er antwortete juerft beutfd^, bann
lateinifd^ — eine ^üljulieit, t)on ber atebalb ein fliegenbeS Statt ^
1 mmi'\ä)(t Eaiferlic^e 3Wajeftät SBerPning, «Hebe unb SQßtberrebe Dr.
Tl.2viti)tx^i „bcrDfftäial, fo ^u ben Stieben öerorbnet, gebraud&t attetoege crft*
Ud&en ben S3cfeld& in latein unb bamad^ gu teutfd&er @prad^ ; ober 9Jl* ßutl&er
rebet bie Slnttoort atttoege im erften gu teutfd^ unb gu bem legten in latcin."
@poIotin bezeugt in einem lateinifd^en S3ertd&t über ben SBormfer didä)^taQ
biefelbc Xf)at\aä)t — ein S3ctoeiS, bafe bic 3citgenoffen bem SSorgel^en ßut^erS
Jol&e Söebeutung beilegten» 2)tcfe S3erid&tc begiclöen fid^, tote mic^ §err Sßrof»
§♦ SÖQumgartcn freunbUd& betcl^rt, auf ben 17; SlprK, toä^renb ßutl^er am
18» Slpril guerft tatcinifd^, bann beutfd^ fprad^.
ßut^er als S3cöinn be§ ^leul^od^b.; ©ntbecfunß bcr ajhitterfprac^e. 35
bcr 9iatton ßunbe gab. @o trat 8ut{)cr im SBeginn fciitcr tt)clt=
bctDegcnben 2t)ätigfeit auf. @d^ou längft l^atte er bie 9lottt)cu=
btg!cit er!amit, bie 9}tuttcrf|)rad^c jur §aiiptt)crmittlcriu göttlicher
ßel^rc ju mad^en. ©d^ort in einer feiner erften f(i)riftfteÖerifdöen
Seiftungen ändert er fid^ in biefem ©inne. ^n feiner Slusgabe
beö Sud^eö Don ber beutfd^en Sl^eologie 1516 feigen toir il)n freubig
beroegt, ba^ er in beutfd^er 3nnge feinen ©ott alfo l)'6xc unb finbe,
toic er il^n bi^l^er nid&t gefunben tiabe — toeber in ](^ateinifc^er,
gricd^ifd^er nod^ l^ebräifd^er 3unge. @o toar fd^on 1472 ein ©eift=
li^er, ber „bie 24 gulbin Karpfen" aug bem ßateinifc^en über=
fe^te, für beutfd^e (Srbauunggbüd^er eingetreten ; niemanb foöe fid^
burd^ il^re f|)rad[)Iid^=ftitiftifd[)e 9loI)eit (still barbaries) abfd^reden
laffcn, il^re ftoffßd^e SÖJatirl^eit (sententiarum veritas) foÖe jeben
3ur ßeltüre reijen. Slber fein SBunfd^ „utinam multa latina sie
barbara essent** follte in irgenb tt)eld[)em Umfange t)or 1519
nid^t in (Srfüüung gelten, ^a nod^ 1520 burften gleid&c 2öünfd&e,
gleid^e Hoffnungen geäußert werben. „3d^ mU einem jeben —
fo fd^rieb bamafe" ßutl^er in ber 2}orrebe ju ber Schrift „äJon ben
guten Söerlen" an ben ^erjog i^ol^ann — bie @t)re großer S)ing
l^erjlid^ gerne laffen unb mid^ gar nid^t§ fd^ömen beutfd^ ben unge=
lel^rcten ßaien gu prebigen unb fd^reiben, toiemolit id^ aud& beffelben
toenig^ lann. S)unfet mid^ bod^, fo toir bisl^er unb furtmel^r unö
beffelben gefliffen l^ätten unb toolten, fotte ber ßl^riftenlieit nit eing
Keinen Sßorteife mel^rer Sefferung ertoad^fen fein benn au^ ben
l^ol^en großen SBüd^em unb Queftion in ben ©d^ulen unber ben
©clel^reten aüein gel^anbctt." ©otd^e SBünfd^e, bie in ben ^erjen
einiger toeniger 3Jlanner lebten, blieben in ben 2tugen ber 3)le{)r=
gal^l ber gebilbeten Stljeologen unbered^tigt, bi§ bie 0teformation
bie bercd^tigten fjorberungen be§ 35ol!e§ erfüllte.
@§ gel^ötte bie ganje Umfid^t unb Sl^atfraft unfereö 9iefor=
matorS baju, aud^ ben ^ampf um bie ©prad^e gleid^jeitig mit
ben geiftigen fragen gu entfd^eiben. SBas $Dlarimilians nationale
©eftnnung nid^t l^atte öollenben fönnen, lourbe je^t burd^ ßutl^er in
tingeal^nter ©d^netle unb ungeal^ntem Umfange toeltgefd^id^tlid^e
3*
36 3. ßut^er unb btc beutfc^c 6pracf)c.
Zijafiaä^e, 3luf bcm Slugsburger Steid^Stag 1530, ido bte ©egcm
fä^e gum legten 9}la(e f^roff einanber gegenüber ftanben, geigte
fi(^ , ba§ ber Streit gu ©unften ber SöoIIsi^rad^e entfd^ieben tDar.
Site bort bie !att)olifc^en Sleic^öftanbe guerft bie lateinifd^e Raffung
ber Slugsburgifd^en Äonfeffion öorgelefen tüiffen iDoBten, beftanb
ber ß^urfürft t)on Sad^fen barauf, bie beutfd^e Raffung guerft gu
tiörcu, unb ber ^a\]n entfd^ieb in feinem ©inne. ©o ^atte bie
aJtutterfprjid^e, meldte mit bem 14. Sfa^rl^unbert für toeltlid^e Stotde
eine mc^r unb me^r fteigcnbe ©eltung gewann, bie fird^Iid^e H)ie
bie ftaatlid^e SBei^c errungen; alä ©prad^e ber 3Äcffe unb be§
©emeinbegefQugö toax fie für atte §crgen§= unb ©eiüiffenSfragen
l^infort me^r aU ein unmürbiger 3lotbe^c(f.
?lod^ grö^ereö i)at Cutter gugleid^ ergielt. S)ie Sfal^rl^unbertc
lange 3Jertt)Qt)rIofung ber ©prac^formen l^atte ber 9Jiutterf:prQd^e
jeben ßcben^geift genommen. 9lber mit ßutl^erS entfd^eibenben (£r=
folgen tierllingen bie ,Stagen über bie ^Barbarei . unfereS S)eutfd^,
bie unter ber ^errfd^aft be§ ßatein nie öerftummten. S)er 35or=
lourf ber fprad&Iid^en 9legeIi[ofig!eit unb Ungelenfigfeit toirb un=
öerbient unb unbered^tigt. ßutl^er felbft loirb bie @|)rad^norm,
bie fo lange gefel^lt ^at.
3l(ö fein raftlofcö ßeben t)ott reic^fter Segnungen in ©hieben
geenbet, öerfünbigt Siuftuä ^onaö ^ über ber ßeid^e be§ gott=
gefanbten S!Jianneö neben feinen fonftigen JBerbienften aud^ feine
SBebeutung für bie S!Jiuttcrfprad^e : „@r loar ein trefflid^er getoal^
tiger 9lebner — fo äußerte fid^ Sfuftuö 3[ona§ -- ein überaus ge=
loaltiger S)oImetfd^er ber gangen SBibel. @§ l^aben aud^ bie ßang=
leien gum S^eit t)on il^m gelernt red^t beutfd^ fd^reiben unb reben ;
benn er l^at bie beutfd^e ©prad^e loieber red^t l^erfür gebrad^t , ba§
man nu toieber lann rec^t beutfd^ reben unb fd^reiben, tote ba§
t)iel t)ol^er ßeut muffen geugen unb belennen." SBa§ 3uftu§ 3ona§
1 3too tröftüc^e $rebigt über ber 2tid) beS Doctor 9Jlartin ßut^cr
burdö Dr. Suftum Sonam unb Mä). (Selimn, SBittcnberg 1546. — 3ßelan*
d^tl^onS ßeic^enrebe auf ßut^er öerbeutfd^t öon (Safp. (Sreufeer 1546.
ßatein uiib 2)eutfcl&. i'utf)er aU fprac^licöe yiorm. 37
311 SiöIeBen unb toa^ balb barauf SDletand^tliün ju Söittcnbcrg an
ßutl^er^ ©rabc afe bic fprad^Iid^cn ©rrungcnfd^aftcn bcö t]^atfräf=
tigften 8eben§ timfteütcn , loar feincstDcgg bic fubjcftbc 3lnfd^aii=
xmg einiger ßantpfgenoffen beS 9lcformatorö. fyrcnnbc unb f^cinbe
toaun barüber einig, ba§ bcr Unifd&tt)ung in bcr (Stellung unb
in ber fd^riftlid^en ^anbl^abung ber SRutterfprac^e xi)m allein ju
banfen tt)ar.
3nnädöft fteüt bie aufblül^enbe teutfd^c ©rammati! ßutljer
ate ©^jrad^nomt neben bie faiferüd^en ßanjieien. ©0 bereite 1531
gcxbian fjrand t)on Sungtau in feiner „Drt]^ogra|)]^ia" ; er Der=
langt, ba^ „man guter ^itmplav tüametime, unter meldten mir
ettoan be§ teuern ßaifer S!Jiajimi(ian§ ßanjtei unb biefer 3cit
Dr. $öt. ßutl^erS ©d^reiben (neben beö ^of). ©d^önberger^ t)on
Stugöburg ®rudt) bie reinften unb emenbirtften gu l^aubcn fommen
fein". Slebl^ul^n, Seigrer unb ©eiftlid^er in aJlittelbeutfd^Ianb, ein
tfreunb ßutl^erS, ))Iantc eine beutfd^e ©rammati!, toie er 1544
in ber jmeiten Sluggabe feines S)ramaö t)on ber ©ufanna fid^
ankert, in ber au§gef))rod^enen Slbfid^t, „um mitgulDirlen gur @r=
l^altung beg feinen artigen unb Ijod^berebten ber teutfd^en 3ungen
unferS lieben SBaterS Dr. 5öi. ßutl^eri ausgelaffener teutf^er
©d^riften". 1536 fagt (£ra§mu§ Silbern^ : „ßut^er ^at bie teutfd^e
©prad^e reformirt unb ift lein ©d^reiber auf Srben, ber e§ ilim
nad^tl^un lann". ^nbireft begeugt Surftiart 3Balbi§ in feiner
Sfteubearbeitung beg S^euerban! 1553 ben gortfd^ritt ber ©|)rac^e
feit 1523 : „S)ie teutfd^e ©))rad^e — tt)ie aßen betonet — l^at fid^
in brci^ig Satiren ftattlid^ unb tool^t gebcffert". 9iad^ ßutl^erS
ßorreftor ßl^riftoffel SBaltl^er l^at ber 0teformator „unfer 9}tutter=
^pxaift fel^r fd^Bn ))oIirt unb gefd^mürft" (1563); „aud& ift in
beutfd^er ^pxaä)t feinet ©teid^en nie geioefen" (1571). Unb im
Saläre 1564 fingt ein bem ßeben unb SBirfen ßutl^erS gemibmeter
^^mnu§ :
2)ie beutfd&e (Bpxadj nad& redetet 5lrt
§at er aufS neu tJoHret
So Kar, Derftänblid^, rein unb ^art,
38 3« ßut^cr unb bic beutfd^e Bpxaä)C*
Sic beutfcftcr (Sjjradö Qthuxtt
2öag er burc§ ©otteS (SIcift unb J^raft
öefd^ricben unb QcUf)Xtt,
,^at maxt unb (Saft, eS trifft unb ^aft,
SerS liefet ober ^öret,
^aä) ber Safler Dtfribauögabe 1571 l^at „ber SÄann ©otte^
Dr. 501. 8. ber beutfd^en 3wngen crft red^t geluppet, bie Sll^etori! unb
alle 3ieritd^!eit barein ge|)flan3et unb berma^en auögepu^et unb
))o(trt, ba§ fie gu unfern Seiten je^unber mit ©loquenj, Jffiolrebenljeit
unb Sd^önl^eit ber SBort, ©entenjen unb ßtaufuln anbern Spxaä)m
nit t)il beöorgibt". ©(eiban bejeugt im 16. 33ud^ de Stat. Rel.
mit gleid^ anerfennenben SBorten, H)a§ ßutl^erg S)eutfd^ öermod^t l^at :
„Ea vertit e latino sermone quae verti non posse puta-
bantur et significantissimis utitur verbis maximeque propriis
et unica voce rem nonnumquam ob oculos ponit". Unb 1578
erfc^eint be^ 6Iaiu§ „Grammatica Germanica ex bibliis Lutheri
Germanicis et aliis ejus libris coUecta", iDorin be§ SRefor=
matorg ©|)rad^e al§ Ilaffifd^e 9lorm, ja alg eine birefte Offen-
barung be§ Ijeiligen @eifte§ betrad^tet H)irb. Um fo bebeutfamer
ift bie S^Ijatfad^e, ha^ 1595 biefe felbe ©rammatü, bie alle iijxt
SBelege au§ ©d^riften ßutl^erö nimmt, im SÄünd^ener 3f^fuiten=
loßegium^ gebrandet iDorben ift, obiDol^I barin SBelege ju finben
finb toie „Sin öefte Surg ift unfer ©ott".
®a§ in ber S^l^at aud^ latl^oUfd^e Greife bie f))rad^Iid^e a3e=
beutung ßutl^er^ tief em))fanben, betoeift ber ;3ttgrimm be§ Iatl§o=
lifd^en ©rammatiferS ßaurentiug Sllbertuä au§ 3lug§burg 1573
gegen bie ©))rad^e be§ 5proteftanti§mu§. Sin öftreid^ifd^er ßatljolif
bezeugt benfetten @influ| ßutl^erS:
1 $tctfc§ 89. (Sermania 8, 465. ©rotefenb 60. 62. 65. SBadfemager,
tircöenlieb III, 196 (freunbHc^er STlac^toeig beS §erm Dr. ®-2BüIcfer). Übrigen^
eineg ber frül&eftcn Urteile über hk SSibcrüberfcfeung ßut^erg ift bog öon
Dr. Sol&i S3renö „2)er ^rebiger dolomo" 1528 in ber Sßorrebe: „^k^tx-
tolmetfd^ung 2)octori8 3jjartini fiut^erg reicht für fid& felbg a^fo ^ctt ben
aSerftanb bar, bafe fie bic STu^Iegung mit ftd^ auf bem D^üdfcn trägt'';
Jllatöolifcöe Urteile aus bem 16« 3a^r§unbert. 39
(5r tüolt ein guter Xcutfcöcr fein;
Sein S^H i^« öielen bunft gar fein;
Sfncft ntandö S^atl^olifd^ fid^ brauf geben,
2)a6 )ie teutfd^ fpräd^en gierlid^ eben.
Sm Sfal^re 1550 erfd^ten eine 9ftemfton ber Sdfd^en Sibel;
©taämug SBoIf, ber fie beforgte, iDarnte im SSortüort bie ^n-
genb unb bie ßaien t)or ber gierltd^en ©prad^e ber ^ßroteftanten,
t)or ben „glatten §onigtt)orten t)on einer gnibenen 3unge".
®eH)i§ ^at fid^ ßutl^er feiner ©elbfttänfd^nng l^ingcgeben,
tDenn er fd^on int ©enbbrief t)om S)oIntetfd^en ftoljerfünt t)on ben
5ßQpiften fagt: „S)a§ nterft man tt)oI, ba§ fie au§ meinem ®oI=
metfd^en unb 2)eutfd^ lernen beutfd^ reben unb fd^reiben unb ftel^Ien
mir alfo meine ©prad^e, bat)on fie juöor toenig gelDU^t. @§ tl^ut
mir fanft, ba§ id^ aud^ meine unbanftare i^ünger, baju meine
5einbe reben geleiert l^abe". ®ie ©prad^e latl^oHfd^cr ©d^riftfteHer
ift il^m um fo öerl^afeter, afe fie il^n abfd^reiben, feine ©prad^e
lernen unb balb fein S)eutfd^ meiftem iDoüen. 3lber „toenn id^
fie l^dtte foüen fragen, tt)ie man bie erften gtüci SBorte ^Dlattl^. 1
Liber Generationis foüte t)erbeutfd^en, fo l^ätte feiner gemußt garf'
baju ju fagen".
®a§ JBerl^atten fatl^olifd^er Überfe^er gur proteftantifd^en
35ibel ift benn aud^ ein fd()Iagenber Seteg für ßutl^erS äu^erung.
§ieron^mu§ @mfer l^at ßutl^erg neue§ 2:eftament leidet überarbeitet
im ©inne ber fatl^olifd^en ßird^e; 1527 toax bie erfte SluSgabe
erfd^ienen, bie ßutfjer im ©enbbrief t)om ®o(metfd^en afö Pagiat
d^arafterifiren mu^te; eine gleite SluSgabe erfd^ien 1528 nad^
ßmferg Xobe, anbere folgten; aud^ für S^ieberbeutfd^Ianb lourbe
fie bearbeitet 1530; unb ®tf legte 1537 ®mfer§ Pagiat feiner
bairifd^en ^Bearbeitung ju ©runbe, nad^bem jut)or Sfol^ann 3)ieten=
berger ßutl^erS Stejt felbft toieber einer eigenen ^Bearbeitung für
Äat^olifen untergogen l^atte.
SBa§ ftittfd^toeigenb burd^ ein fold^eg SBerl^alten gegnerifd^er
Überfe^er für ßutl^erS ©))rad^e anerfannt tourbe. mu^te jeber un=
befangene ^atl^olif gugeftel^en. SBefonberS toertöoH ift ba§ Urteil,
40 3» 2vitt)tx unb bte beutfd^c (Bpxa6)c.
baö ber ergfatl^oüfd^e ©eorg t)on ©ad^fen, her erbittertfte ©egner
ßut{)er§, ßuca§ ©ranad^ gegenüber äußerte. S)em ^ergog toar
ßutl^erS SBüd^Iein *ob ßrieg^teute aud^ in feügem ©tanbc fein
fönnten in einem @Eem))Iar ol^ne S^itetblatt unb oljne Jlennung
be§ SBerfafferS t)orgeIegt. 9^ad^ ber ßeltüre äufierte er feine trotte
fjreube gegen ben SRaler: ,;@iel)e, Sucaö, ®u rül^meft immer
beinen SfJlönd^ gu SBittenberg, ben ßutl^er, tüie er allein gut teutfd^
reben unb gute teutfd^e 58üd^er fd^reiben lönne. Slber S)u irreft
Ijierin fotootil afe aud^ in anbern ©türfen mel^r. ©iel^e, ba Ijabe
id^ aud^ ein SBüd^lein, bag ift ja fo gut unb beffer, benn e§ ber
ßutlier nimmermel^r mad^en fönnte/' ©ranad^ belel^rte il^n, ba§
ßutl^er ber SSerfaffer beg Söüd^leinS fei; ßutl^er l^abe iftm felbft
ein Sjemplar mit Stitelblatt unb 3lutomamen jugefd^idEt; er legt
baffetbe bem §ergog t)or, ber ärgertid^ unb im Unmut aufruft:
„3fft§ bod^ fd^abe, ba^ ber l^eillofe S!Jiönd^ fotd^ ein gute§ 35üd&=
lein ^at mad^en foüen"J
@in äl^uHd^er S^^Q^ ift ©eorg SBiäel. S)iefer bebient fid^
in feinem „SBetebüd^Iein beibe bem 3l(ter unb ber Sugenb nü^ar''
(ßeipjig 1537) nad^ bem SBortüort ber ßutl^erfd^en SBibeIüber=
fe^ung, „toeil biefelbe i^t jeberman befannt unb ol^ne biefe nie=
manb bei unfern ßaien ©tauben l^at". ^n SBal^rl^eit betounbert
SBigel bie Qpxaä)e be§ öerl^a^ten Sleformatorg : „@§ lu^tt fein,
fein ®eutfd^, unb l^ält ben ßefer" — fo urteilte er 1533 über
bie neue SBibelüberf e^ung ; ^ fie fei an fid^ felbft leidet unb öer-
ftänbig, aud^ gut; iljr 3lutor fei barauf bebad^t getoefen, „toie feine
Slrbeit ben beutfd^en Dl^ren tüol Hinge".
©0 fel^r aber aud^ ßutl^erg ©prad^e t)on ben S^itgcnoffen
betounbert tourbe — über einen 5punlt toaren 'fjreunb unb S^einb
einig, ba§ er ba§ aJlafe be§ Ertaubten nid^t einl^ielt. 3)ie ®pxaä)t
1 $rof* dinh. ^ilbebronb toar fo frcunblid^, mic^ auf biefeS Pd&ft
toertöotte SeugniS l^injutDeifen, bag Tl. S3; ßinbau in feinem S3ud^e über ßuca»
©ranac^, fieipgig 1883, (S. 229 tnitteirt (ööl; (5i)r. @pangcnberg§ STbelSf^icgel
1591—1594 1 131, II 58).
2 ^öangelium Tlattmx 2viti)tt^, ßeipgig 1533. fj iii a.
^at^olifd^c Urteile, ßut^cr^ polemifc^c (Bpxa6)t. 41
feiner 5poIemt! toar ju ))erfönUd^, fie toax l)axt unb ungeftüm,
fd^onungölog unb öemtd^tenb ; in ben ©d^mät)tt)orten unb in bcn
3fnt)eltit)en ftanb er l^inter feinem B^itgenoffen jurüd , unb in jenem
Sa^rl^unbert toax t)ie( geftattet, ol^ne ba^ man be^megen gerügt
tourbe. S)ic §eftig!eit unb ßeibenfd^aftlid^feit ber ßutl^erfd&en
©prad^e l^ängt natürlid^ big in§ innerfte mit feinem 6t|ara!tcr
gufammen. Site SÖteland^tl^on 1546 ju SBittenberg am ©rabe
beg Sleformatorg bie Summe be§ reid^ften ßebenö 30g, erlüöl^nte
^r bie SBortoürfe, bie aud^ gutl^eräige ßeute ber @|)rad^c ßutt)er§
gemad^t l^aben, aber er fanb leine anbere ßntfd^ulbigung bafür,
ate ba^ ©efamtbilb be§ großen 9Jianne§. ßutl^er felbft l^atte mit
Biblifd^en 3Jorbilbem bie ßeibenfd^aft feiner ©prad^e gercd^tfertigt :
„^ä^ bin tt)oI bei^ig gelDefen unb id^ tüerbe fo fortfaljren, inbem
iä) ba§ aSeifpiel ßl^rifti Dor mir fel^e, ber feine SBiberfad^er *@d^(an=
geubruf, 'S^eufetefinber nennt. 2Ba§ foll aud^ ba§ ©alj, toenn
^ nid^t fd^arf beifet, bie ©d^neibe am ©d^mert, iDenn fie nid^t
fd^neibet".
3}on fatl^olifd^er ©eite tüurbe bem Steformator t)orgett)orfen,
ba§ er überljaupt „fred^e unb argerlid^e" SBoxte gebraud^e, otine
Auf „bie Jungfrauen unb unfd^ülbigen ^erjen" Stürffid^t ju netimen.
@mfer freUid^ l^atte im neuen Steftament an itinen leinen Slnfto^
genommen; fie ftel^en in feinem beutfd^cn S^ejt, tt)o fie bei ßutl)er
[teilen. Site aber nad^ @mfer§ Sobe eine neue Sluögabe (1529)
erfd^ien, tourben fie „in jüd^tigere öeranbert imb ju Seiten umb=
fd&rieben" (3. Slufl. Statt 211) nad^ ber Slngabe be§ §erau§geber§ ;
brei , nur brei SBorte finb eö, bie biefem anftö^ig toaren : ber rc=
t)ibirte Siejt l^at UnFeuf^^eit, J&ulm^ unfcufd^cn, too ßutl^er
©ad^e unb 5perfon mit il^ren toaljren Jiamen nennt. S)aö tüarcn
alfo ungered^te SBortoürfe.
SBenn etH)a§ an ßutl^erö ©teöung gur bamaligen ©prad^e
un§ unerfreutid^ ift, fo ift e§ feine Jntoleranj gegen bie ©prad^e
anbcrer. fjür 3tt?ingti§ ®eutfd^ l^at er nur ijaxk SBorte; feine
unberftänbüd^e 3Äunbart gefaüe bem ©d^lDeiger beffer afö bem
©tord^ fein ßlap))em (f. unten ©. 69). S)ie ©prad^e ber 9lotten=
42 •^« id\itf)tx unb bie beutfcfte 2pxad)c.
geifter unb SBiebertäufcr greift er im jtDeiten Seil feiner ©d^rift
„tüiber bie l^inielifd^cn ^^rop^eten" an unb fpottet ü6er if)re „töl=
))ifd^cn'' SBorte tüie J£nt0r6bun^, ©tubirunjr, Vernounberunff,
ÄÄnfftreiL 9luc^ in ben Sifc^rcben äußert er — iDcniger tt)o]§l
burc^ f^rad^lic^e al§ t)ielmc^r burd) fad^fic^e ©rünbe geleitet —
fein ^Dlifefaüen gegen Vertrurtbcrun^, S^angwcilighit, gegen
ÄefprengurtgT/ (5>eUf]en^eit, gegen &mgrbhun0, XÜiliiQfcit,
S)arin I)at unferc Sprac^gefd^id&te ber fd^roffen 2t6neigung be§ JRe-
formatorg ebenfotüenig 9led[)t gegeben, ate fie feinen SBibertüiüen
gegen ,ßanäIein)ortc n^ie be^erji^en, bc^änbiQcn, cr(d^\t$lid^f
crfpriegli<^ beftötigt t)at.
$Dlit ßut^erg ©^rad^e unb mit ber Slnerfennung feiner
fpradf)Iic^en 2lutorität tüurbe ba§ Slnfetien ber «Ranjieien gefd^äbigt,
tDeld^e für große ,Sreife bie ©prad^norm abgaben, ßuttier felbft
; l^atte ber !aiferlid^en unb d^urfürfttic^ fäd^fifc^en üan^Ui eine Slrt
■ f|)rac^Iid^er SBebeutung jucrfannt, toenn er fie in ben Sifd^reben
: alö feine SJorbilber bejeic^ncte. Slber nur in befd^rönftem Um=
.' fange lä^t fic^ bie§ jugeben. 2)ie ^^ebanterie unb ßeblofigleit,
bie >5teiff)eit unb ßalte be§ ^anjleibeutfc^ finb il^m t)öllig fremb,
unb me^rfad^ t)at er in offener 5poIemif gegen bie ^Sanglei feine
eigene f|)rac^ti)eoretifd[)e ©elbftänbigleit an ben Stag gelegt.
©d^on ?lic(a§ t)on 2B^(e l^atte bie Jleuerungöfud^t ber ^anj^
liften empfunben unb bie ©tabtfd^reiber ermal^nt, bei iljren Unter=
gebenen bie Slufnal^me beliebiger ^angleiunarten nid^t ju bulben.
Unb nun loirft ßutl^er in ber 95orrebe gum alten S^eftament ben
Äanjiiften ©|)rad^t)erberberei t)or: „©ie ad^ten e§ nidf)t beutfd^ gu
reben unb laffen fid^ bünfen, fie l^aben SlJiad^t beutfc^e Bpxaä)t
ju änbem unb bid^ten un§ töglid^ neue SBörter".
2Benn Suftu^ 3fona§ in feiner ©i^Ieber ßeid^euprebigt ber
Bpxa^e be§ 9leformator§ einen @influ§ auf bie ßangleien 3U=
fd^reibt, fo l^at er Siedet : ßutl^er brid^t bie Slutoritöt ber «Ranjlei.
3lud^ ber fatl^olifd^e SSibelüberfe^er @tf, ber auf bem SSoben ber
SJtapmilianifc^en. ßanjiei ftel^t, ereifert fid^ gegen bie gemeinen
Äanjter, bie „lü^el 3lufmer!en§ unb judicii barauf l^aben", nad^
2utf)tx^ \pxad)lid)c Sntolerang. XaS ^fnfe^en ber Slanglcu 43
ted^ter Slrt unb ,Siinft beutfc^ 311 fc^reibcn. Slcgibiua Sfd^ubt gab
bann „ben na^iüifen Äanglern unb conftftortfd^en Sd^ttbern" bic
©d^ulb an ber barbarifc^en @tnmif(i)ung t)on Iateim|d&en SBörtern
in beutfd^e Sejte. Unb mie^ifd^art ba^ „Stntcnbeutfd^" ber ßang=
liften t)ert|ö]^nt, fo fef)en toxi aiiä) ed^ulbe^örben gegen bic ©e=
fpreigtl^eit be§ aftenmäBtgcn 5periobenbau0 eifern. ®ine @d^ul=
t)erorbnung t)on 1575 äußert fid^ über bie Übungöftürfe ber @df)üler:
„ber Stiluö foll nict)t fanjleiifd^er Slrt fein, in toäijex t)on oftmals
etli^e 3Börter tt)ie rtac^betii unb bemnac^ gans tüeit t)on ein=
anber gefegt werben, alfo ba§ bie unerfal)rcne ;3ugenb im 2)cutfd^en
nid^t fann merlen, H)ie ein§ auf ha^ anbere folgt" (5pietfd^ 87).
33ei ber ungen)öl^nlid[)en ^ßrobultion beutfd^fprad^lid^er S)rud=
tDerfe mu^te fid^ benn au^ jeigen, tüie feljr bie 3Jtutterfprad^e unter
einer ^al^rl^unberte langen SSernad^Iäffigung öerüimmert H)ar. 2Bo
bie beften üöpfe ber Station beut ßatein ijulbigten, fonnte bas
3)eutf^ ni(^t heranreifen, um l^öl^eren ^Problemen ju bienen. Überaß
fel^Iten gIei(^H)ertige 2lu§brüde für SBenbungen, für bie ha^ ßatein
eine meHeid&t gar biird^ ßicero geH)eif)te S^ormel t)on felbft barbot.
2Bie reic^ ift ^utten, tt)o er ßatein fd^reibt! Unb toie ungelenf,
tt)ie gejtoungen ift fein S)eutfd^!
3)iefen 3lbftanb ber beiben Sprad^en fonnte niemanb fd^werer
em))finben afö bie Überfe^er. ;3e^t, loo man neue Guellcn für
geiftige Slnregung im 3Htertum aufberfte, too ba§ Söerlangen nad^
ber @rfd[)(ie^ung biefer Duellen allgemein toar — toören an ber
Ungelenfigfeit unb Ungefügigleit unferer @))rad^e bie ebelften 93e=
ftrebungen beinat)e gefd^eitert. §atte bod^ Srjbifd^of SBertolb t)on
SDlaing gerabe mit Slüdffid^t auf bie Slrmut ber beutfd^en Bpxaäjt
bereite 1486 Überfe^ungen religiöfer ©d^riften unb ]p^ieU biblifd^er
%eik t)er))önt! „Fateri oportet, idiomatis nostri inopiam
minime sufficere necesseque fore, translatores ex suis cer-
vicibus nomina rebus fingere incognita, aut si veteribus
quibusdam utantur, veritatis sensum corrumpere, quod prop-
ter magnitudinem periculi in litteris sacris magis veremur !"
®iefe SBegruttbung ift nid^t gang unjutreffenb ; man toürbe
44 3- 2vti)tx unb bie beutfdfje <Bpxaä)c,
fic in ©d^u^ net)men muffen, tücnn fonft aii^ ben altfird^lid^cn
Greifen etoaS jur fjörberung ber beutfd^en ©prad^e unb einer
fpejtflfd^ nationalen SSübung gefd^el^en iDäre. 51I§ unfer großer
0teformator fd^üe^üd^ bie getoaltige Stufgabe übernaljnt, t)or toeld^er
SSertoIb t)on 3Jlatnj mit ber ©träfe ber ßjcommunication abge=
f^redt ijatk, brängte fid^ il^m jener ©inbrud öon ber Unäulänglid^=
feit ber 3Jlutterf|)rad^e in nod^ t|ö{)erem ©rabe auf, afe ben Über=
feiern ^jrofancr SEejte beö Slltertumö. 3e t)öl§er er t)on feiner
Slufgabe badete, um fo ftörenber mad^te fic^ bie §ärte unb 9lol)eit
beö ©toffeS, mit bem er arbeiten mufete, immer t)on neuem toieber
fül^Ibar. „Sd^ Ijab mir aud^ fürgenommen — fo fd^reibt er n)ä{)=
renb ber Slrbeit an §artmut t)on ßronenberg ^ — bie SBiblia gu
öerteutfd^en. ®ag ift mir ?lot gett)efen. ^ä) l)atk fonft tool follen
in bem Srrtumb geftorben fein, ba§ id^ lodr geleljrt getoefen. 6ö
foüten folid^ä SBer! tl^un, bie ftd^ (äffen bun!en geleljrt fein."
Unb mit faft benfelben 2Borten begleitet er 1525 bie Überfc^ung
ber fünf SBü^er SRofeg : „^ä) meinet aud^, id^ toare gelel^ret, unb
toeiB mid^ aud^ geleierter benn aller l^ol^en ©deuten ©o|)]eiften t)on
®otte§ ©naben. Stber nu fetie id^, ba^ id^ aud^ nod^ nid^t mein
angeborne beutfd^e ©|)radö 'föun. ^6) l^ab aud^ nod^ bisl^er fein
SBud^ nodö 33rief gelefen, ba redete 3lrt beutfd^er ^pxaij innen
tt)äre. 6§ ad^tet aud^ niemanb, red^t beutfd^ gu reben, fonberlid^
ber ^errn ßangleien unb bie ßum|)enprebiger unb 5pu))penfdereiber,
bie ftd^ laffen bunlen, fie Ijaben SRad^t beutfd^c Bpxa6) ju änbem
unb tid^ten unö täglid^ neue SQBörter bc^crjigcn, be^enbi^en,
erfpric0U^, erf(^ie0li^ unb bergleid^en. 3fa, lieber SJlann, e§
ift tool betl^öret unb ernarret bagu." SBäljrenb ber Überfe^ung
ber ^xop^dm Ilagt er (SBalcf) XVI, 508): ,M ©ott! toie ein
gro§ unb öerbrie^lid^ SBerf ift eg, bie l^ebraifd^en ©d^reiber ju
jtt)ingen beutfd^ reben! 2Bie fträuben fie fid^ unb moöen iljre l^ebröifc^e
2lrt gar nid^t berlaffen unb bem groben ©eutfd^en nad^folgen, gleid^
^ ®in aJiiffiöe allen ben fo öon toegen be§ SBort ©otteg SSerfoIgung
leiben, Söittenberg 1522; $ietfd& 36. »inbfeil CoUoquia Laiina I, 192.
2)cr (atiniftrenbc ©til alg §emmnis ber beutfo^en ^pxad)t. 45
afe tüenn eine 9?adötigatt, fp i^r ber übereinlautenbe ^ulufögefang
ganj entgegen, gleid^tool folte i^re lieblid&c SJlelobei öerlajfen unb
bem ßulu! nad^fingen" ! Sie SBorrebe gum ;3efaia§ (1528) toci^
anä) Don ber ungelenfen beutfd^en Bunge. Unb al§ ber ®i§Iebcr
Slgricola bie Slnbria t)on Sereng 1543 t)erbeutfci^te, änderte öutl^er
S^reimben gegenüber, bie bentfd^e ©prad^e fei gu fd^tücrfäöig für
fold^e SBerfncä^e; nur ba§ ^rangöfifd^e fei gefd^nteibig genug, beut
Originale nal^e gu fommen.
Überall ift ba§ öatein ba§ §entmni§ für ed^t beutfd^en
©til. (£§ l^ält aöe in Seffeln, bie fid^ ber mit bem Süd^erbrutf
aufftrebenben nationalen ßitteratur toibmcn. 9?icla§ t)on SB^Ie fielet
))raltifd^ tt)ie tJ^^oretifd^ auf bem @tanb|)unlt, ba§ „ain jetflid^
Sütfd^, ba§ u§ gutem gierlid^en unb tool gefaxten ßatine gegogen
unb red^t unb tt)oI getransferirt toär, oud^ gut gierlid^ tütfd^e unb
Iobe§tt)irbig l^ai^en unb fin mü^te unb nit tool öerbeffert toerben
möd^t". Slud^ ein @|)radöle]^rer toie ;3delfamer rebet ber 9tad^=
al^mung lateinifd^er ^ßartigipiallonftrultionen ba§ SBort.
Jlatürlid^ mag öielfad^ bie ©d^ulb aud^ an ben Überfe^ern
gelegen l^aben, toenn bie SBerbeutfd^ung gu toeit l^inter bem Original
bleibt. Slber man toürbe unred^t tl^un, tocnn man bie 3ä]^ig=
leiten ber bamaligen Bpxadjt fo fel^r überfd^ä^en toottte, tt)ie e§
5)}irl]^eimer in einer 3ufd&rift an ben ©rafen ;3o]^ann t)on ^äjtoax-
genberg (S^ugeubbüd^Iein @. 112) mit folgenben SQßorten tl^ut, bie
immerl^in t)iel 9lid^tige§ entl^alten: „(£§ l^aben ®tt). ©naben gum
öftem 50lalen t)on mir gehört, ba§ meines S8ebunlen§ möglid^ fei,
alle ®ing, fo in einer 'Spxai) gefd^rieben fein, in eine anbre t)er=
jianbigertt)eife gu bringen, unangefel^en, ba§ il^r etlid^e üermeinen
unmöglid^ gu fein ba§ ßateinifd^e öoÜlommen in ba§ ®eutfd^e gu
üertoanbeln. Slber nad^ meinem SBebunlen lommt fold^er ^i^rfal
au§ berfelben Unöerftanb ober ba§ fie bem lateinifd^en SBud^ftaben
gu genau anl^dngig finb, mel^r il^ren 5Iei§ auf gierlid^e SBort afe
ben redeten SBerftanb toenben. 3lu§ bem folget oft, ba§ fold^e S5er=
beutfd&er felbft nid^t t)erne]^men ba§, fo fie anbem gu öerftel^en
geben ftd^ unterftel^en, unb fo fold&eg gefd^id^t, »oüen fie il^re Unge=
46 3, ßut^cv unb bie beutfcfee 3prad)e.
fc^idüd&Icit batntt t)erbetfen, aU folt fidö baö ßateintfd^c mit bcm
3)eutf(i^eu gar nid^t bergletd^eu. 3lbcr bem ift in 3Bft]^rI)cit uid^t
alfo; tl^ut aber not einem jeglichen, ber eine Bpxaä)^ in eine
anbere t)crfe]^rcn tüiö, ba^ er aüein ben Sinn nnangcfel^en ber
SBorte in bie Sprad^e, bie er t)orM]^m I)at, flar, lantcr unb ber=
mafeen t)eränbere, baB ein jeglicher berfelben Sprai^e tierftänbig
baö, fo Derfert ift, leid^tlid^ t)erftc]^en möge."
SBeit t)erbreiteter als biefe auf nüd^tern f})rad)pI)itofo))]^ifi^em
©tanbpunit berul^enbe 2lnfd^auung finb bie klagen über bie 3}er=
toal^rlofung ber beutfd^en ©prad^e. ^n feinen beutfd^en ©piid^=
Wörtern 1529 (SBorrebe) fagt ber patriotifd^e Slgricola t)oII @nt=
rüftung : „Unfere ©prad^e ad^ten tüir ©eutfd^en fo gar für nic^tö,
ba| fie aud^ faft gefaöen ift unb niemanb ober gar menig ßeut
finb, bie beutfd^ reben lönnen. 2lüe 5iationen l^aben il^re Bungen
unb ©prad^en in Siegeln gefaffet, allein toir S)eutfd^en l^aben fold^g
t)ergeffen, ba§ unfer gering gead^tet zc,"
3umal bie aufftrebcnbe Überfe|ungölitteratur beftätigt, ioie
mül^fam unfere ©d^riftfteöer ju ringen l^atten, um ben Sßettfampf
mit ]§ert)orragenben Ilaffifd^en SBerfen aufnel^men ju !önnen. 3Ba§
Cutter im SBetteifer mit bem Original ber l^eiligen ©d^riften
gelang, t)erfudöten jal^Ireid^e üöp\e mit ben SBerfen bes 9lltertum§,
unb laum toirb einem bie trübe ®rfa]^rung t)on ber Unjuläng=
lid^feit ber beutfd^en ©prad^e erfpart geblieben fein. SJlan I)öre
j. 33. bie aögemeine Gl^araftertftif unferer fprad^Iid^en Bwftänbe,
bie SSalentin 33oI^ t)on Sluffad^ in feiner Serengüberfe^ung 2;ü=
bingen 1544 (SBibmungöepiftel 1539) entwirft: „2)a§ ift ha^ alt
©ift unb peftileujifdö Übel, ba| toir Sleutfd^en nie t)iel 3ld^t auf
unfer SJluterfprac^ gel^abt l^aben unb toie fie gepflanjt unb auf=
gebrad^t toerb, bie ja gleid^ il^r facundiam unb 3ic^ fo ^ol l^at
als anbere ©prad^en. SBer ha^ erfal^ren toölf, ber befe^e unb
lefe ben t)erteutfd&ten ^ofepl^um, ©enecam, Dfficia Slmbr. unb öiel
trefflid^er 2lutore§, bie ber l^od^berebt 50lann teutfd^er Station
®octor Gafpar §ebio ju ©tra^urg öerteutfd^t l^at unb in tüunber=
barlid^en SQßoIftanb teutfd^er 3ungen brad^t l^at. Sarob werben
^cr latiniftrcnbe 6til uub ßut^erS fprad)lid)Cv^ ^i^rogramm. 47
(lud^ t)iel ftolj ©elc^rtcu murren uub fagcn, es fei iiit loblic^, bafe
Titan alle Sing alfo in teutfd^c ©prad^ bring; ba^ Latein tperb
barburd^ öerad^tet. ^ij fagc * nein* barjü. Gö ift bcr lateinifc^cn
Sprad^ ein treffelid^er 9iu^m unb ijoijn ^rciö, baf3 fie ]^oI)c tt)un=
berbarlid^e Sing l^inber il)r verborgen i)a\ gel)an, unb mac^t unä
Seutfd^en, ha^ mir erft aufaßen, unfer eigen ©prad^ reguüren
unb tüolfteöen".
3lnbre Stimmen beftätigen ben (Sinbrurf, ben biefcö 3cugniö
mad^t. ©elbet, ber 1533 ben SSateriuö 9)larimuö Derbeutfd^te,
unb ^ol^d^oriuö, ber 1536 eine ©uetonüberfe^ung t)eröffentlic[)te,
beflagen bie Ungulänglidö!eit ber Sftutterlprad^e faft mit ben gleid)cn
SBorten : „^i} mu^ befennen, ba^ ic^ö oft beffer im üop], bann
ju SBorten l^ab bringen mögen, t)ittei(^t ju 3citen burd^ Sd^ioäc^e
ber teutfd^en ©prad^" — „^ä) mu§ ja t)or aütn Singen be!ennen,
bafe mir tt)oI l^iertn mag toiberfal^ren, aU ber ^oet fagt , ha\^ iä)
l^dtt tt)oIIen ein §afen formiren, aber im ßauf beö 9labö ein
Ärug barauö toorben, beffer im Rop] gel^abt, bann ic^ es inö
2:eutfd6 mod^t bringen !"
Saneben l^ören mir Stimmen triumpl^irenber fjreube über
ia^ ©elingen einer Überfe^ungJ ®3 brandet iebenfatts nic^t bu(^=
l^änblerifd^e SleHame geioefen ju fein, toenn änn)eilen Titelblätter
t)on Überfe^ungen bie SBorte entl^alten „t)ormaIö in teutfd^e
©prad^ gu tran^feriren nod^ t)on niemanb fonft nnberftanben, fon=
bern für unmügelid^en gead^tet toorben".
2Jlag ^^3irf]^eimer immerl^in bie gal^igfeiten ber beutfd^en
©prad^e überfd^ä^en, in feinen SBorten erfennen toir bas ^aiipt-
l^emmniö jeber gefunben Entfaltung beutfd^er ©prad^art.
Öutl^erö ©enbfd^reiben t)om Solmetfd^en gibt jum erften
3JlaIe Hare, ungtoeifel^afte ©runbfä^e für jeben, ber beutfd^
fd^reiben toiti, jumal für Überfe^er: „Tlan mu^ nid^t bie S8udö=
ftaben in ber lateinifd^en ©prad^e fragen, toie man foü beutfd^
reben, fonbern man mu§ bie 5Dtutter im §aufe, bie ßinber auf ber
S)eöen II 414, 520. 636.
48 3* ßut^er unb btc beutfd^c Spxa^t.
©äffen, ben gemeinen $0iann auf bem SJlarlte barum fragen unb bem
felbigen auf§ SJlauI fe^en, tote fie reben, unb bamad^ bolmetfd^en, fo
t)erfte]^en fie e§ benn unb merfen, ba§ man beutfd^ mit il^nen rebet",
Unfer SBibelüberfe^er ift feinem ^Programm ftetg treu : er gel^t
in bie SQßerfftätten ber §anbiDer!er, er erfragt ßunfttt)orte t)om
©olbfd^mib, er fd^aut ben @))ielen ber ßinber ju, er ift beim
©d^Iad^ten t)on ©d^afen jugegen, um bie natürlid^e 'Spvaä)e be§
5BoIfe§ für bie Stotde feines ^ol^en 33erufe§ ju lernen. Sie Qpxai)e
eEfluftöer «Rreife fann er fid^ nid^t bienftbar mad^en ; er bittet toai)'
renb ber Überfe^ung be§ neuen 2eftament§ feinen fjreunb @))alatin,
))affenbe fd^Iid^te SQßorte ber 35oIföf|)rad^e (verba simplicia) für
il^n gu beobad^ten, aber bie 'Spxaijt t)on Höflingen unb ©olbaten
(verba castrensia et aulica) babei fem ju l^alten. i^m SBortDort
gu §iob betont Öutl^er, ba§ feine Überfe^ung beutlid^e unb ieber=
mann üerftänblid^e Siebe biete. SBie un§ ba§ ©enbfd^reiben t)om
©olmetfd^en berid^tet, l^at er mit feinen ^reunben gutoeilen mergel^n
Slage, brei, t)ier SBod^en ein einjigeS SBort gefud^t, „]^aben§ ben=
nod^ juioeilen nid^t funben. ßduft einer i^t mit ben Singen burd^
brei ober bier SBIätter unb ftö^t nid^t einmal an, tt)irb aber nid^t
gctoal^r, loeld^e SQßaden unb ßlö^e ba gelegen finb, ba er i^t über
l^ingel^et toie $ber ein gel^oflet SBrett, ba tt)ir l^aben muffen fd^toi^en
unb un§ ängfien, el^ebenn toir fold&e SBadfen unb ßlö^e au§ bem
SBege röumeten!"
4.
®a5 ßatein l^atte auf bciu bcutfdöen Söobcn eine um fo fcftcre
Stellung, ate c§ feine überaß anerfannte unb überaü t)erftan=
bene @emeinf|)rad^e c^ai, bie bem fd^riftlid^en tüte bem münblid^en
äJerfel^r l^ätte biencn fönnen. Äonntc g. 33. ein 3ürid^er ertoarten,
fein ®eutfdö n)erbe in Dberfad^fen t)erftanbcn tüerben? Übercitt
bot fid^ bie ntittelalterlid^e SBeltfprad^c als bcqncntfteö unb geläu=
figfteö 93inbeglieb gleid^fant tion fclbfl.
3lte 3tüingü t)on bem ßanbgrafcn ^-P^ilipl) t)on Reffen ein
beutfd^eS ©einreiben in moberner ßautform crl^ielt, tüorin er gu bem
SOflarburger 9leIigion§gef|)rädö aufgeforbert tourbe, • antlDortctc er
bem Sanbgrafen am 7. SJlai 1529 in einem lateinifd^en 93ricf mit
ber au§gef))rod^enen 33efür(i^tung, fein ©d^iüeijerbeutfd^ toürbe t)om
Surften laum öerftanben n)erben. Unb t)on ber Steife au§ bat
3mingli ben Bordier 9lat, man möge il^m einen bcs ßatein !un=
bigen Slatöboten nad^fenben; „xi) beforge fel^r, fic t)erfte]^en (in
aJlarburg) unfere ©prad&e nid^t". SBei bem 9leIigion§gef|)röd^
fclbft fd^Iug bann 3tt)ingli t)or, „ber fid^ mit feiner fd^toeijer 5Dtunb=
art im SRad^teil fül^Ien mod^te", ba| in lateinifd^er @|)rad^e t)er=
l^anbelt tt)ürbe.^ @in fold^er Slbftanb innerhalb ber lebcnbigen
ajlunbarten l^at fid^ bamafe getoi^ überaß fühlbar gemad^t.
* Übrigens tourbe bei bem 9flc(tgion2gefpräd6 bod& and) beutfd^ öer*
l^anbert ^qI SWörifofcr, StoimU II, 225, 229, 233.
50 •^. ^d&riftftettcr unb S3ud6bru(fcr.
Unb toaö bon bein gcfproc^encn Scutfdö gilt, trifft in nod^
l^öt)erem SDIatie bcii fc^riftüdjen ©cbraud^ ber 9Jlutterf))rad^c. 1511
entfdjulbigt ein @ct)riftfteöcr fein Seutfd^ mit ber 35enter!ung, ba§
„ein Xcutfd) nit in allen Canben genug unb jeberntann t)erftänb=
lic^ ift über angenehm ".^
%ni) bie ©pradjle^rcr finb bei ber $0iannigfaItig!eit unferer
SJlunbarten t)öKig rattoö, lüie man ein ßel^rgebäube beg ©eutfd^en
aufjubauen ^abc. SJleifter §an§ ^abritiuö, ber in Srfurt 1531
ein 5öüd)Iein über gleid^Iautenbe SQßorte crfd^einen liefe, ^ xn^t tex-
jtüeifelt auö: „3ic^ tüeife fd^ier nid^t, tt)ie id^ meine ©d^uIerS leieren
foll ber Urfad^en l^alber, bafe je^unber, tüo unfer nur brei ober
t)ier Xeutfd^e gufammen !oment, ^at jeber einen fonberlid^en @e=
braud^. SBoIte ©ott, bai^ eö bar^in !omen möd&te, bafe bie ßunft
beö ©c^rcibenö einmal n)iber in ein redeten Sraud^ lomen möd^te
— eö muB boij jule^t bal^in !omen". Sold^e Stofefeufger, fold^e
SQßünfc^e mußten alleriDärtg laut toerben; benn nirgcnbö lonnte
üon einer jiDingenben, allgemeingültigen @|)rad^norm bie 9lebe fein.
®iefe 3uftanbe öeraufd^aulid^t un§ aud^ bie Älage, bie ßutl^erS
.ßorref tor ß^riftoffel SBalt^er ^ über bie ort^ogra))]§ifdöe 23ertt)irrung
t)ün bamate ausftöfet : „SQßenn l^unbert Sriefe unb gleid^ mel^r mit
einerlei SBörter geschrieben iDörben, fo iDörbe boij feiner mit bem
Suc^ftaben übereinftimmen, bafe einer mit Suc^ftaben gefd^riben
tüörbe mic ber anber. Serl^alb ift bie Sprache aud^ fo unt)er=
ftänbüd^, bun!el unb berlooiTen, ja gang üerbriefelid^ unb unluftig
gu lefen. Unb fonberlid^ fomet fie ben fremben unbeutfd^en ßeuten
fe^r fditoer uub fauer an gu oerftel^en unb unmüglid^ red^t gu
erlernen."
» «irlingcr in ^errigg STr^iö 43, 124.
2 ©in nü^Iid^ S3üc^Iein etlicher glcic^ft^mben SBortl^er, aber ungleid^^
SSerftanbeg, htn angenben bcutfd&en Scfjrctjbfdfjülfrn gu gut mitgeteilt bnrcfj
2lleifter .^anffen JJabritium, D^ecftenmeifter unb beutfd^en 8c^re^ber gu ©rffurt^
1531. 2)ie ©d&rift fd&eint oerloren gu fein.
3 S3eric^t öon Unterfc^eib ber S3iblien unb anberer beS (Sl^rtoirbtgen
unb feltgen ^errn Dr. Tl. Sut^eri iöüc^cr. SBittenberg 1563.
3!)cr aJlangcl einer gemeingültigen <Sj)rac^norm; 51
Unb in ber Sll^at, tt)a§ im i^nlanbe unangenel^m etn))funben
tDurbe, tnii^te ben 3lu§Iänbcm befonbers läftig fein. ;3cbc 5!Kunb=
art nannte fid^ beutfd^. ©oöten nun frembe ßaufleute, frembc ©e=
leierte, frembe ©efanbte nieberbeutfd^ ober alemannifd^ , bairifd^
ober mittelbeutfd^ lernen? ®ie 9lomanen, bie befonberg mit ben
oberr^einifd^en ßanbfd^aften 5Ber!e]§r l^atten, fonnten fid^ mit ber
alemannifd^en $0iunbart fonft nirgenbs t)erftänblid^ mad^en. ®in
franjöftfd^er ©elel^rter, 6aroIu§ S8ot)iöu§ (De Bouelles) @ama=
robrinnö, ^at im ^df)x 1533 ^ einen S8efud() gefd^ilbert, ben er bem
5p]^ilologen S^ritl^emiug gemad^t ijat ®er beutfd^e ©elel^rte äußerte
feinen SBunfd^ unb fein ^Programm, ba§ Seutfd^e bem ßateinifd^en
ganj ebenbürtig gu mad^en unb unfern ©d^riftftettem ein braud^=
bares SBerfjeug gu fd^affen. Unb ber ^rangofe öertoieS auf bie
großen 3)ialeftunterfd^iebe in 2)eutfd^Ianb , bie jebe Einigung un=
mbglid^ mad^ten; unb n)er tootte entfd^eiben, roa^ rid^tig fei: ,fbag
ober tag, tx»iittre ober tx»iiflfer, voitc vom ober tütflfe voin,
brot ober brott?" ®cr Srangofe l^citte fo Unred^t nid^t. @§ =
gab feine SÄunbart, bie fid^ eine§ Verbreiteten Slnfcl^enS erfreute.
9hir ber SRame *beutfdö* galt überall, unb ber 9iame 'l^od^beutfd^*
begann bamate bereits bie Hoffnungen unb SQßünfd^c gu antigi|)iren,
bie erft nad^ unb nad^ in Erfüllung gelten foüten.
^riebrid^ ScLxnde üerbanicn n)ir ben Jiad^toeiS ber älteften
Selege für ben Flamen ^oc^beutfi^; er finbet i^n juerft 1493 in
bem „93riefformuIari beS l^od^bcutfd^en ©tilumS", um 1510 in einer
ju ©traPurg gebrudten ©d^rift ©eilerS unb 1519 in ber gu
atoftodf erfd^ienenen nieberbcutfd^en Überfe^ung t)on ©cbaftian
SBrantS Slartenfd^iff. ©omit bürfte baS SQßort ettoa um bie SJlitte
be§ 15. Sföl^i^^unbertS aufge!ommen fein, ©d^on 1481 treffen n)ir in
einer fdötoeijerifdöen ©d^rift „ein SBürblin ber 3tt" (Fasciculus
temporum) *§od^büfd^Ianb' als ©egenfa^ ju 'Siieberbüfd^Ianb'. Unb
fo ift ^oc^beutfc^ gunäd^ft bloS als ©egenfa^ ju nteberbeutfc^
1 Liber de differentia vulgarium linguarum et Galilei sermonis
yarietate etc. Paris 1533. Cap. 50.
4*
52 4:. (Sd&riftftcacr unb f&nd)hxndtx.
aufgelotnmen unb befagl genau bajfelbe toie „oberlönbifd^" neben
„niebcriänbifdö". ^reilid^ ^oc^beutfc^ ober oberllnbifc^ tüar ein
SQßort, unter bem gang üerfd^iebene SJlunbarten t)erftanben merben
lonnten. ©d^toeiger, Slfciffer, ©d^ioaben, 33aiem, S^l^üringer, Dber=
fad^fen, ©d^Iefier — aße begeid^nen i^re 5Dtunbarten afe J^od^bcmfd^,
jeber bie feinige afe unfer ^oc^beutfc^. SBcr fein 5Dtitit)erftanb=
nig gulajfen lüill, mad^t einen befd^ränlenben 3ufa§ ; fo fprid^t man
öon fränfifd^em ^od^beutfd^. ^
2)abei l^ören tüir nur feiten üon einer Sprad^e ber ©ebilbeten,
n)eld^e fid^ t)on ber SJlunbart entfernt. @o tüar nad^ S^ritl^emius
ber gro^e äieud^Iin in lingua vernacula politiori tDof)l betoanbert.
®cr Tübinger 5|}^iIüIoge 3lltenftaig lannte aud^ ein feineres ®eutfd^,
tüar barin aber nid^t fonberlid^ gefd^itft. 3fn einer 1522 er=
fd^ienenen Sluflage feines Iateinifd^=beutfd^en ©d^ulttjörterbud^s ent=
fd^ulbigt er al§ geborener ©d^toabe feine fd^toäbifd^e SJlunbart : Si
teutonicum addidi quod tibi lectori vel praeceptori non pla-
cuerit — melius adjungito et secundum tuam linguam addito
et adolescentibus interpretato. Nee propter doctos adjunxi,
sed propter adhuc rüdes. Ego enim vernaculam admovi ut
a puero didici, non rhetoricum vel Oratorium ut habent et
scribunt cancellarii et scribae principum — quod multo minus
didici quam latine loqui. -
1 §oc^bcutfc^ unb OSerlänbifd^ begegnen alg <St|non^ma in @eiler§
Srrig Sd^af Aa VI (f)ab idj unberftanbcn ha^ in oSerlenbtfd^ ober l^od^^
htnt^d) gu bringen). 2)icfen dlad)tüti^ banfe id) ber fjrcunbfd^aft beg ©errn
Dr. ^* ©ptrgatig, ber ntic^ and) auf eine merfwurbigc 23cnennung ber neuen
^eic^Sfprac^c aufmcrffam machte; in einem Psalterium latinum cum appa-
ratu vulgari (Strafeburg, 30^. ^nobtoc^ 1508) fc^licfet ba^ 3?egifter mit ber
S3cmerfung, ber $ßfa(m fei „ mit gel^eimifc^en Xcutf c^ neben bem ßatctn öon
SBort p SBort nad) bcn S3uc^ftabcn ausgelegt."
2 Ob biefe ^emerfungcn beS ^rtt^cmiuS (^rel&erS 2(u8gabc ber opp.
histor. 1, 171, tt)ic $err$rof. $artfe(bcr mid^ untcrrtd&tet) unb 2((tenftatg ftd^
auf btc 3luSfpraci^c begicl^cn, mu6 bal^in geftefft bleiben. Sfleud^IinS SJofaüSmuS
benjal^rtc bie alten i ü ü üe unb fannte btc altbatrifd^cn ai (ml&b» ei) unb
au (m^b. ä). Über StltenftaigS SBörtcrbuc^ bgl. S3Iaufu8 SBcrm. »citr*
1756 II, 201; bie in fjragc fommenbe Ausgabe beS SSocabuIariuS ^abc id^
8t)rac^ibcaf. Sprad^lic^cr ^artifuIariSmuS, 53
aSon SBien f))egiett berid^tet un§ ein fo gcbiegcner aScobad^ter
tote ßagiuö, ba§ ber ©tabtbialeft burd^ fd^toäbifi^e (ginpjfe fid^
verfeinere, toöl^renb ber länblid^e ®ialeft fid^ t)erfd^Iedötere. 2)en=
fetten ©egenfa^ t)on ftäbtifd^er unb lönblid^er Slusfprad^e mad^t
aud^ Slöentin für ba§ ®onautm. Unb toenn aud^ bie ©rantmattler
Cünger 1574 unb SQßoIf 1558 bie 3lugf))rad^e ber ©ebilbeten t)on
bem unöerf ölfd^ten 2)iale!t , toie er auf bem ßanbe l^errfc^t, rid^tig
fonbem, f lann barüber lein 3toeifeI beftel^en , ba^ in Dberbeutfd^=
lanb unabl^ängig t)on ber 9lcf ormation , toie audö bereife t)or ber
5ftef ormation bie ©ebilbeten baö 3fbeal einer Von ber ]^einiifd()en 9Jlunb=
art Derfd^iebenen ßuIturf|)rQd^e !annten. ^ Slber biefe§ ;3beal toar
gtoeifeöoS überatt in Dberbeutfdölanb t)erfd^ieben.
9iirgenb§ erlennt man baö Seutfd^ anberer ßanbfd^aften afe
gleid^bered^tigt an; toa§ an il^nt fremb ift, gilt aU auölänbifd^.
So gelten bie ju SSafel unbefannten SQßorte öut^erg aU auSlänbifd^e
bem aSafler ®ruder 3lbam 5|}etri, ber einem Slbbrud ber Über=
fe^ung be§ neuen Sleftamentö ein Ileineg SBortregifter beifügte.
3[a man fpottete aud^ gern über bie @|)radöc einer anbem
ßanbfdöaft. ®iner fd^toeijerifd^cn SBibel fagte man nad^, fie gebe
bie ^Pfalmenftctte ,,bu falbeft mein ^aupt mit Öl" burd^ bie SQßorte
toieber: „bu fd^miereft min ©rinb mit ©d^meer". Unb in einer
nieberbeutfd^en S3ibelüberfe^ung foÜten bie SBorte „unb feine jünger
Ilabafterten il^m nad^" geftanben l^aben. ©old^e ungcl^örige ©d^erge,
in benen ber SSoIfetoi^ 3iad^barmunbarten l^öl^nte, toaren in jener
3eit fprad^Iid^er ©äl^rung nur ju natürlid^. öutl^er ift über 3toing=
ü§ ®eutf(^ entrüftct unb ))erfiflirt ßarteftabts 3lu§f))rad^c. ßmfcr
verurteilt ben ©ebraud^ Von (Dtter an ©teile von Watter bei
ßut^er. S)er beutfd^e 3lu§brudE ber 5|}ro|)]§etenüberfe^ung , toeld^e
tro$ üerfd^tebener S3emu]^ungen nic^t auftreiben fönnen. 3Bie Slltenftaig, ge*
fte^t aud^ 3Bimj)]^eIing wl^ofttd^g unb berblüeniten 3)ütfc^eng ungeübt" %n
fein (VgL ^artfelber, SDeutfc^e Überfefeungen flafftfd&cr (Sc^riftfteKcr, §cibel*
Berg 1884, (©. 33).
* Über Slvcnttn, 2Bolf unb iölinger f. ^urbadö, 2)ie ®inig«ng ber
rm. ©^riftfprac^c ©* 13. 14. 22, . ,
54 4. ©c^riftftcffcr unb 23uc^bni(fer.
§ä^er unb ®enf]^ in 3Bomi§ l^erau^gegebcn l^aben, ift für ßutl^er
„bunfel" (forte natura illius regionis), unb genau fo urteilt er
1525 über baö S)eutfdö in einem ßated^iömuS ber böl^mifd^en
©ruber.
35or attem toax bie @))raci^e ber ©d^toaben in SBerruf ; überaß
galten fie afö crassilingues , ate duriloqui. i^l^r SBoIaKsmuS
fanb in anbem öaubfcä^aften nur Bpott unb ^ol^n. 3lud^ in ber
S^ntaj l^atten fie ®igentümlidöleiten , für bie man ?. 93. auf
bem linlen 9l]^einufer feine @^mt)at]^ie liegte, ^m 93eginn be§
16. i^al^rl^unbertö tüaren im @Ifa§ gal^Ireid&e fd^toöbifd^e ©eiftUd^e
tl^ötig, bereu @|)rad^e teils mißfiel, teite aud^ nad^geöfft n)urbe,
bis 2Bim|)]^eIing 1503 burd^ eine öffentlid^e 3lnIIage eine Uttera=
rifd^e gelobe gegen bie fd^toäbifd^e $0iunbart einleitete. SQßintpl^eling
toar ungel^alten, t)on ben Äan^eln aus bem 5Dtunbe fd^toöbifd^er
©eiftlid^er 3Benbungen ju Igoren toie ber ^crrc voub (prcd^cn,
er VOM gon, er toae wanbdcn für ber -^^err iprad^, ging,
toÄnbelte. ©n fyreunb SQßim|)]^eIingS Ileibete bie SQßünfd^e unb
Sorberungen ber gebilbeten ©Ifäffer in bie 3Borte:
Advena Sueve, solo cupiens hie vivere nostro,
Alsatici dulcis captus amore meri,
quaeso tua nostram noli corrumpere terram
lingua, sed patrio desine more loqui!
^n Slübingen l^errfd^t $0iipimmung gegen aBimt)]^eüng ;
aud^ in ^reiburg finbet er einen ©egner. SiS 1506 bauert ber
geberfrieg, aus bem tüir lernen, bafe baS beutfd^e @t)radögefü]^l
gu erftarfen beginnt, inbem gebilbete §umaniften n)ie 33ebefunb
3Bim))]^eIing an ben großen fragen teilnel^men. ^
93ei biefen ©egenfä^en gtüifd^en ben öerfd^iebenen 2Jlunbarten
* %nä) auf bie SluSfrrad^e begog ftd^ ber (©J)ott über baS ©dfetoäbif^e.
3c^ bertüeife auf bie befannte reformatorifd^e fjrugf^rtft '©in fd^öncr 3)ta*
logus. ^ung unb ber grife, bie brauchen tücntg SBife' (2t ü), tüortn ber
Tübinger Sßrofeffor 2mp berfjjottet toirb mit ben ^Borten: „2tbt er no<6,
ber alt ©op^ift tntt ben Sötrtenbergifd^en ä^oMen au, ai, ei, ao, aw?"
5m übrigßu-f» 5((c|nattnk 12, 14;
?
(Sd6n)äl6ifdjc§ 2)cutfd). Ortl)ograp6ic ber ^rucfer. 55
ift bie Slufgabe fd^tücr, wcld^c bcii Sud^brutfcm jufäöt. Sic motten
über einen möglid^ft großen 3;eil ©eutfdölanbö trirlen, obmo^t e§
an einer gemeinbeutfd^en ßitteratnrf|)radöe fel^It. ©otten fie il^re
8o!aImunbart für bie Srutfe öerioenben? unb tüic l^abcn fic fid^
etoa gu ber Spxaäje il^rer Slutoren jn öerl^dten, um fid^ ge=
grünbete Hoffnung gu mai}m in 5!Keifeen, am 9l^einftrom unb
im Dberlanb^ 3l6fa^ gu finben?
©0 öiel ift fidler, ba^ auf bie ort]§ogra))]^ifdöc , überl^aupt
auf bie f|)rad&Iidöe ©etüanbung ber ©rurffd^riftcn im 16. ^ai)X'
l^unbert nid^t bie gleid^e Sorgfalt öertoanbt toorbcn ift tüic l^eute.
©d^on bie gro^e ^aft, mit tüeld^er man im ©türm unb Srang
ber reformatorifd^en Seiten fd^rieb unb brudfte, liefe gu formcttem
©latten unb feilen feine auöreid^enbe $0iufee, fo lange ein auö=
fd^Iiefelid^ fad^Iid&es Sfntereffe obtoaltete. „^äj i}ab t)or Unmufe
ba§ S3üd^Iin nit mögen tüiber lefen; lug jcbcr attn)eg cigentlid^ uff
ben ©inn" — fold^e SQßorte ber ©ntfd^ulbigung für fprac^Iid^c Sßcr=
feigen, tt)ie fie 3toingIi am ©d&Iufe feiner ©d^rift „t)on bem 5|}rebig=
amt" unb fonft mel^rfad^ Vorbringt, d^arafterifiren bas SScrl^alten
ber SSerfaffer gu ber rein f))rad^Ii^en f?orm il^rer SBcrte.
©0 ftnb l^öufig 3lutoren um bie forrefte SBiebergabe i^rer
©d^riften n)enig bemül^t.- @§ lann bal^er nid^t befremben, bafe
aud^ ben ©rudEern bie äußere 3orm ber 5pubIi!ationen glcid^gültig
tüirb. SSietteid^t nod^ eilfertiger aU bie 3lutoren, bie l^äufig t>om
S)rudort entfernt leben, unb auf fd^Ieunige Stuögabe ber ftetö @e=
tüinn t)erf))red^enben beutfd^en 93üd^er l^inarbeitenb, mad^en fie fic^ nid^t
feiten bie 5Rad^IaffigIett gu ?iu|, mit »eld^er bie ©d^riftftetter bie
©|)rad^form il^rer 3lrbeiten bel^anbeln. 3lber aud^ gettjiffenl^afteren
Stutoren toie ben SBittenbergem fonnte burd^ bie ©rudfer übel mit=
* ©igigtti^ ff e^erabenb, Söa^t^aftiger ©egenbertc^t auf ha^ ungegrünbt
a^erfd^reten u»Md», ffranffurt am3Waini570: ,,©3 gtoeifeltung (eineSiüegS,
man loerbe ung in aJ^eifeen fotool^t a(§ am ^l^einfttam unb im Oberlanb
toerftelöen" (3) i h\
2 ©afpar ^ebto (togl. oben <©♦ 46) l^at bie Ortl^ograp^ie in feiner
3ofet)]&u8überfeöung 1531 böffig htm ^rucfer anlfteim gegeben,]
56 ^* 6d)riftftcttcr unb ^uc^brucfer.
9ef))ielt tüerben. @o Kagte SÄeland^tl^on einmal: „^ij !onnt biefe
mein SluSicgung für ben 33ud^bru(fern nid^t • überfeinen nm be§
toiöen, ba§ fie'ö el^r an ben S^ag gu geben eileten, benn id^'S tt)iber=
umb ju überlefen mod^t. ®ben ba§ ©lüdE l^aben aud^ anbere etlid^e
meiner 3lnglegung gel^abt, tüeld^e an§gangen finb erftlid^ ganj ro^
unb ungeitig, gum anbern nid&t ganj unb bar^u an fielen Drtem
t)on ben SrudEem alfo gefälfd^t, ba§ id^ il^r felb nid^t erfennen
mag." \
ä^nlid^ entfd^ulbigte §ieron^mu§ 6mfer 1525 am Sc^Iu^
feiner Annotationes bie Heineren Srudöerfel^en : ,,®§ ift im SQßinter
bei bem Siedete, fo bie ©tuben tüarm unb bie Srutfer faul unb
fd()Iäfrig fein, balb toaS überfeinen". Unb ®d l^^t bei ber Sluögabe
feiner ^ibel öl^^lidn geüagt.
5)}rof. 21. SBirlinger l^^t gtoei anbere lel^^reid^e Sinterungen
beigebrad^t, in benen fid^ 3lutoren loegen ber regettofen Drtin^grapfiie
il^rcr 3BerIc entfd^ulbigen. Sa beflagt fid^ gegen 1511 ber Über=
fe^er einer SBiograpl^i^ be§ l^^iligen Sranciöcuö t)on 3lffifi, ba^
©d^reiber unb S)rutfer betrübt unb verbittert l^ätten, toa^ auö feinem
Srunnen lauter unb fü§ gefloffen fei.^ Unb nod^ am ©d^Iu^ be§
16. Söi^^in^nbertg jammert ein geioiffer §offmeifter barüber, ba§
an ber regeöofen Drtin^gra|)inie feinet SBer!e§ „aud^ ettoag an bem
©e^er in ber Slruderei gelegen, ber nad^ feiner 3lrt ®pxaä) unter=
tüeilen l^cinbelt".
$0iit biefen legten SBorten ift eine ^ßrajis d^arafterifirt, »eld^e
im 16. i^al^^l^^nbert allerorten im ©d^toange toax. SQßie l^öufig finb
©d^riften be§ Sleformatorö in Dberbeutfd^Ianb nad^gebruit! @ö
tt)ürbe einen großen 9laum loften, bie fpradölid^en 2lbn)eidöungen
fold^er SRad^brutfe t)on ben Driginalbmtfen baräuftetten. ®a geigen
bie SlugSburgifd^en unb SRürnbergifd^en SRad^brude burd^gängig j. SB.
ba§ Von ßutl^^r nid^t gebraud^te ai (noÄig, iiin, waincn u. f. tt).),
ba§ bem bairifd^en ©d^riftbeutfri^ entf|)ridnt. SBafler unb Bürd^er
1 ^ic (Sj^rüd^e <Sa(omo auS ©bräifc^er ^pxad)* Erfurt 1525.
2 §errigS Slrc^tb 43, 124.
Übertragung öon Scfiriften in anbere 3}iunbartem 57
3laä)bx\xde l^aben bie fd^lDeijerifd^cn T ü unb ü (fc^rtben^ ^üa,
&üte). Unb nid^t feiten fanben fold^e fanb|(^aftüd^e Jittd^brutfe
eine weite SSerbreitnng , bic unfcrm Stcforntator gctüi^ ntd^t mU-
lomnten toar. Senn glDeifeteol^nc bürfen mx öutl^erö Stimmung
in ben folgenben SBorten feine§ ßorrcftorg erfcnncn: „@ö jinb bie
9?a#ru(fer nid^t gefättiget, btt§ fie il^re nac^gebrndtc Söüc^er bei
il^ren ßanbsleuten, ba fold^e ©etüol^nl^eit il^rer ^pxaijt ift, liefen
bleiben unb bei i^nen berf auften, fonbem füllten fie in anber ßänbcr»
ba ßutl^eti @|)rad^e lieb unb tüert gel^alten ift, il^re ©etool^nl^cit
aber ju reben feltfam, läd^erlid^ unb unüerftönblid^". Um fo be=
greiflid^er ift bälget bic freubige Stimmung ber Sßittcnbcrger, aU
1535 ßutl^erS Söibel burd^ SBcnbel 9li^el in ©tra^urg einen ^ai):^
hxixd erfüllt, ber fid^ bi§ auf bie Sled^tfd^reibung genau an ßutl^cr
anfd^Iie^en »oüte; biefer l^abe nömlid^ ben 5ßrei§ in teutfd^er 2BüI=
rebung unb ®oImetfd^ung unb tüerbe il^n bei ben 9ladö!ommcn
l^aben ; brum l^abe fid^ ber 35erleger unb 2)rurf er befliffen, ßut^er^
befunber SBörter unb Drt]^ügra|)]^ci , fo mel^r auf fäd^fifd^ benn
auf „unfer" ^od^teutfd^ gebräud^lid) , überaß ju bctaffen; benn
„bie Übung tüirb foIc^§ aud^ tüol t)erftänbig unb gebröud^lid^er
mad^en, benen fo gur l^eiligen ©d^rift 3lnmut l^aben". 2ro^ aüen
rebüd^en SBemül^enS l^at aber aud^ biefer S)ruder jal^lreit^e u, t)on
benen ßutl^erg Original gang frei ift, in ben 3lbbrudt gebracht.
©rabe mit ^lüdfid^t auf ba§ SSerl^alten ber ®rudfer l^at
ßutl^er gegen ben Jlad^brud feinet neuen 2eftament§ |)roteftirt:
„®ieö 2;eftament fott beö ßutl^erS beutfd^ Seftament fein". @r be=
fielet auf feiner @))rad^e, unb nad^ feinem Sobe tritt fein ßor=
reltor ©l^riftoffel SBalt^er^ für biefelbe auf. Ratten Stad^brude
0lttfc^cn^ fc^arpf^ anbcrcr für ßut^erg gleiten, fc^arf,
jtreiter — SBßaltl^er t)ern)irft bie 9lüdfid^t auf anbre aJiunbarten
1 ^l&rift. Söaltl^er, S3eric^t bon Unterfc^eib ber S3iblten unb anbercr be§
cl^rtoirbiflen unb fcligen Ferren Dr. Tl.2nÜitxi S3üc^er, Söittenberg 1563,
33 ii b. — Slnttoort auf ©igtSm. getjerabenbS u.f. to; eingeben, SBitten^
bcrg 1571, S3 u
58 4» Sd&rtftftcücr unb S3urf)bru(fer.
unb üerlangt, bafe Cutters Sprad^c unb 2(r6eit tu feinen SBüd^em
„ungeänbert, ungetabelt unb ungemeiftcrt" bleibe, glcid^öiel ob in
anbem ßaubfcä^aften anbere 9lornieu „ju rcben, fd^reibcnunb bruden"
l^errfd^en.
5ür ba§ SBerl^alten ber 3)rudfereieu, bie bes Slutors ©prad^e
jurüifbrangeu unb ber eigenen lolaUn SJlunbart folgen, fei l^ier afe
befonberö le^rreid^er unb intercffanter Söeleg ba§ erfte ©enbfd^reiben
3toingIis; an bie ©felinger Dom Slal^re 1526 ertoäl^nt. S)er 216=
brud beffelben in ber ©efamtauögabe ber ©d^riften be§ fcl^tt)ei=
jerifd^en Sleformators ift für fprai^Iid^e 3tt)etfe unjulänglid^, weil
bie Herausgeber Stoingliji ©prad^e l^ergefteöt l^aben, bie im C)riginal=
brud gänglid^ t)ertDifdöt ift. 3)iefer toax böllig unabl^öngig t)on
3tDingIi entftanben; feine @pradön)eife loar fo fel^r t)ern)ifdöt unb
jerftort, ba^ 3tt)eifel auftaud^en fonnten, ob benn tt)irlüd& 3tt>tngli
ba§ ©d^riftd^en berfafet l^abe. 6in gloeiteö ©enbfd^reiben on bie
@|linger gab 3^ingü* ©elcgenl)eit , feine SBerfafferfd^aft anju=
er!ennen: „3lfö id^ in t)ergaugnem SluKo ßii^^n ©enbbrief über=
^d^idt unb ber im S)rud auögangen, l^abent etlid^ — al§ id^ t)er=
(lim — offcntlid^ börffen fagen, id^ ^aie il^n nie gefeiten, ben id)
aber mit ber ^anb n)ie auc^ je^ biefen gefd^riben l^ab. ®animb
id^ ütoer ßieb n)iberum gu Derfic^ren gereijt n)irb, ba§ bie ßpiftel
ju üdö t)on mir fomen ift. ^ij i^ah f^ getrudt beriefen unb er=
fenn f^ min fein. SBoI ift min ©pradö in ütoer bertoanblet, bann
fl) oi} in ütoer Slrbt getrudt ift. 6ö t)erfa]^renb aud^ etwan bie
Bruder eintioeberS mit SSerfomnu^ ober mit Unberftanb; bod^ ift
l^ierin nid^tö öerfumt, ba§ ben ©inn übet beräubere."
Slbgefel^en Don ber allgemeinen ßlage über bie ®ruder m
ber Dorliegenbe fjatt für unö einen gang befonberen SBert. ®ie
©prad^e ber Driginalnieberfd^rift ift beim ®rud in bie lolale aJlunb=
art übertragen ; jtoeifeteol^ne ift Solingen felbft ber nid^t genannte
' Hin c^riftUd&e faft nufelic^e unb tröftlid^e mm UIri« 3»ingti^ m
bie frommen el^rfamen ©laubigen gü ©ölingen 2c. 1526. S)er anbere 6cnb*
brlef ^ulbrid^ S^^^inöli^ an bie ©l&riftcn gu ©Bringen 2C. 1527.
3«unbartrid)c S^adibrurfe. 59
3)ru(fort. SBir bürfen freilid^ feine ftreugc Übertragung in bie
^Btinger Sölunbart crn)arten. ^n buntem SBedöfel jeigt bcr S)ru(f
t)on 1526 fd^tüeijerifdöc unb fdölDäbifd^e ßauterfdöeinungen ; Ätlc^e
unb Äirc^e, flaan unb flccn, gän unb gen, nouflfen unb tDiffen,
uc^ unb euc^ tüed&feln mit einanber; bie ](i^ti)äbifd^=bairif(i^cn ai
(fain, ain, l^ailig, (Batfi) übertüiegen ; einige fd^n)eijerifdöe t laufen
unter (jflyc^/ fyn). SBon 31 iii b an übertüiegt baö [d^toäbifcfie
^5n, (len, bas fd^toäbifd^e er feilt über bie im 33eginn t)or=
l^errfd^enben fdött)eiäerif(i^en ßon, (Ion, er falt. 3toittgIiö Bpxai)c
fd^immert überall burd^; tüir treffen fein ^iitbita^ „l^eute", seinen
„jufammen"; baneben baö fd)tt)äbifd&=bairifdöe x?erf6nen für baö
fcl^n)eigerifd^e rerfunen.
2)aö SBerfal^ren, tüeld^eö bas crfte ©enbfd^reiben Btoingliö an
bie 6§Knger üerrät , mürbe gemi^ aöertüärtö geübt; feinem jlDeiten
©enbfd)reiben 3. 93. mirb gerabe fo mitgef|)ielt tüorben fein; iDenigftens
jcigt ber mir Dorliegenbe Srudt äl^nlid^c fiprad^Iic^e SJlifdöungen.
SBir !önnten l^ier 3. 33. aud^ an Älagen Dfianbers erinnern. *
9lber laum tüieber treffen tt)ir eine fo aut^entifd^e Darlegung beö
SJerfal^rens , bie fid^ mit ber fiprad^Iid^en fjorm ber Überlieferung
bedte, mie im erften ©enbfd^reiben Btoingliö an bie ©jünger.
Bo lag in ber S^^^fl^Ktterung Seutfdötanbö in jal^lreid^e
5i)lunbarten eine ©efa^r, bie nid^t gering anjuf dalagen ift. !Die
©timmung ber S^Wgenoffen tüar geteilt. 5Reben ben Klagerufen über
bie fprad^lid^e 3^i'riffen]^eit ®eutfd^lanbö bernel^men toxx ©timmen,
bie in ßutl^erS @:prad^e ben Slnfang unb bie ©rnnblage einer ge=
meinbeutfd^en @d^i*iftf|)rad^e erlennen. Slber überall feigen mir freubig
erregte Stimmung, ba§ eine göttlid^e ©d^iiung unö bie Segnungen
beö 93üd^erbrutfö in einer B^'it befd^ert l^at, tüo bie 9iot am
l^öd^ften mar.
1 Oftanber, (Sin (Seiibbrief an ein d)riftlid) (^emaiit. 9Hirnbcrci 1523,
Unterricht an ein fterbcnbcu ajlenfc^en, 9hirnbcrfl 15B8.
5.
jgdjrtfffpraiJjf un5 Wnnhavt in htv jSdjtöM^
2)ic 'Bäjtoäi 9ef)ört im allgemcineit ju ben nicf)t bi|)]^t]^on=
gircnben ßanbfd^aftcn, mie fic über]^aii|)t f|)rad^Itd^ am fortfert)Q=
tbftcii geblieben ift. Die menigen ®i|)^t^on9e in offner Silbe
ober im §iat loie in frei, brei, bauen, treu, loeld^e in
norbtt)eftücf)en Sanbf^aften ber Sd^meij Siegel finb, d^ara!teri=
firen ha^ Sd^toeijerbentfc^ weniger afe bie T, fi unb u in byflfen,
lyben, fc^ryben, ^ua, ^ufl, ^ut, ^öt, ^rünb, ^üfer n. f. to.,
bie bem ganjen ©ebiete ^ jnfommen. S)ie älteren ©rudtoerfe ber
Sc^toeij re|)rQfentiren in biefen toie in aUen übrigen 5punften ben
fonferDatiDen 8|)rac^d^arafter ber l^eimifc^en 5ülunbart. ®er Kenner
beg Sllt^oc^bentfc^en finbet in S^i^inglifd^en Srudfen nralte formen
loie bie Crbnimgöja^Ien Stoenji^ofl, bryf 0ofl — briOiffofl,
vicrtiigoii, funfftj^ofl, fec^tj^oft, loie bie geftetgerten @igen=
fd^aftömörter eintJalti^oft, npeni^ofl, unfc^ulbi0o|l, ^Partiätpia
tüie t)ertipiUi0ot, entlebi^ot, pernpilbot häufiger afö gleid^äeitig
auf fd^toäbifd^=bairifd^em ©ebiet. Unb baffelbe gilt in nod^ ml
]^öf)erem Solare Don y=3lbftraftbilbungen loie XHengy, Wufly,
Öc^nelty, ©äc^y, SLirny, VCih'by, ©^orfamy, Äieby, Vlnvoy,
l>ünfly, ^6cby, ÄU0y, Urflenby, JTJuy, »urby, (Bcgny,
^üly, (S?runbx)efty, Ätl<^^öry, Prebgy mit ben alten anraten
^ SWur tu %tod fleiueu toeit auS eiuauber liegeubeu ©ebieteu l^crrfd&t
2)t^l^t^ou9irunö im fc^riftfprac^Iicften Umfang: in (Sc^aufigg (©roubünben)
unb in ©ngelberg (Uuterlüalbcu). 2)litteiluug beg §errn Dr, Staub tu Süricft.
5. ©d^riftfprad&c uub 2Jiunbart in ber (Bd^tüti^, 61
auf Ancn ; fo begegnen auc^ ber SÜJlunbart gemä^ 3)iminutit)a auf y
&tudy, ^tty, ^ciny unb ßel^nformen mt Äilgery, *5pilgrim\
Äemy *Äanttn\ müly 'SÜÄül^le', :aüfly 'Riffen'; ö^nlit^eö gilt
t)on beut i ber ßonjunftiDe trurby, labty, fa^y u. f. U).
3n Söejug auf ben äJofalismus ber Sonfilben iftuoüüefi
l^errfd^enb ; ü ü n^irb ftreng l)on u ü gcfd^ieben : ^ut, buc^, Äum
— ^^hd^lin, rumert, vcr(uncn — über, ©c^üfleL @ö bc=
gegnen umlautlofe Spornten mie Äu^^en *Dtü(fen\ )5ruggcn
'»rüden, huggcn 'biegen , Äuc^e^Äuc^y *ßüd^c', Stucf ^etucfy
'©tü(f, ®ulbin '@ulben\ Jöurby 'a3ürbe\ Äu0y *ßüge'; aber
^upr, 0louben gegen ßutl^erö ^eupt, gleubert, aud^ $cme
*jufamnten', tüff *tief, ruffert rufen'. 3lud^ in ßautfornien n^ie
StDÜfc^en, wüflfert, erttwü feiert, fc^wümmen, ^efc^riitoert
unb ©c^nodfler, t»6Uen, frömbb, tröfc^ert, fott)ie npafc^en
*n)afd^en', C^fc^ -S^afd^c fe^en tt)ir Übereinftintmung ber alten
3)ru(ie mit ber l^eutigen 5ölunbart.
®er fdötüeijerifd^e ßonfonanti§mu§ mxh befonberö mit
Sügen ber ßautöerfd^iebung in ben munbartlid^en Sdiriften toiber=
gefpiegelt: U^^en liegen', Ic^^ert 'legen, v^crtilcfertspertil^^en
ßutl^er 'öertilgen, Äappcrt 'Olaben, Zradc ßut^er *Srad^e*,
Äatten ^Irauf; bead^te aud^ itTacfel, t6bert 'töten, 2t rb
*2lrt*, vcrmcd^lcn 'i)erma^len (aber (Bctna^d), ?ec^rter 'Seltner,
icd^nen obliqu. 'gelten*, Äüc^len '<^üger 5piur. ju Jöu^cl, urt^
fhrfSd^nc unöorl^ergef eigene' (5piur. ju unfurf^^ert). dagegen
jeigcn bte alten npclic^, fblid^ niijt jene uralten 9lebenformen
bei 3tt)ingli, toeld^e tijir bei 5lot!er unb nod^ l^eute in ber 3!Jlunb=
art treffen. 3llte Slffrifaten pf, tz (ck = k/) begegnen in XOci-
t^tn, b&Qen, ^rutjen, fc^lei^en, (SFeitje '5pflugfterj', entblößen
'entblößen , feipfen 'einfeifen', ©eipfe *©eife', erflarc^ert 'erftar!en',
werc^en 'toirlen, iTJarc^en '©renjen, ^irj *§irfd^'; l^ierl^er ge=
l^ört aud^ r6ucfen (r^uf/ert) *raud^ern\ Slu^erbem finb aner=
lannte (Eigenarten ber ©c^tt^eij ti^ie 'ßJXd^t feljr jaljlreid^.
^6) befd^ranle mic^ l^ier auf biefe lautlid^en ®ialeft!riterten,
obtirol^I eine Sülle t)on flejiDifd^en, lejifalifd^en unb f^ntaftfidften
62 5. ®cöriftf^rad)e unb aiimtbart in ber <Bä)todi*
Sl^atfacf)crt ju @c6ote fielen, um ju ertoeifen, ba§ bte ältere ge^
brudte Sitteratiir ber Sd^tüeij — unfere 93eif|)iele ftantmen nur au§
Sd^riften S^i^gKö — fic^ mit ber l^eimif^en SBoIföfprad^e bedft.
5Rur in einem, aüerbingg einem l^öd^ft bebeutfamen SlJloment
meidien biefe munbartlid^en S)ru(Ie Dom Sialeft mertoürbigertneife
ab. SBir Dermiffen grabe bag bcbeutfamfte SJlerfmal, tooburd^ tt)ir
ba§ §oc^aIemannifc^e feit bem 8. ^atirl^unbert c^arafterifirt finben,
bie anlautenben ch gegenüber bem gemeinl^od^beutfd^en k (ögL
]^0(i)alem. x^^^^^^^^^ gegenüber Äinb). @g ift ganj unjtr)eife(=
^aft, ba§ im Beitalter ber fd^tneijerifd^en Steformation c^mb, c^alt,
ct)unien u. f. to. gej|)rod^cn lt)urbe, gerabe me in ber alt^od^beutfd^en
3eit unb aud) nod^ ^cute. S^ii^^nt betoeift un§ ©cfenerg au§=
brüdlid^eg 3^ugnig im 3!Jlitt|ribateg, baß d^rancf, c^rut, c^e(^=
jilbcr, c^ilc^, c^ric für frartf, 3lr<iut, (ttuecfßlber, Äirc^e,
m^b. fröne aud^ bamate ber fc^toeijerifc^en SSoIfömunbart julam.
Slber 3toittgli unb feine ßanbsteute fd^reiben im 3lnlaut ftct§
bIo§e§ k CB^inb, franf, Ärut) mit Slu^nal^me be§ einjigen cbütt
'§erbe', ba§ nid^t fotDol^I bem al^b. c^utti^ ate Dielmel^r einem
cigentlid^en (Sc^^iitt entf|)rid^t. ®e§ner§ SSemerfungen, bie auf
biefe ©utturale fic^ begießen, finb nid^t burc^meg flar formulirt,
(äffen aber in SSejug auf einen 5punft gar feinen 3tt)eifel übrig.
„Vulgus nostrum saepe ch profert, ubi alii plerique omnes k
ab initio praesertim dictionum ut chranck pro kranck, chrut
pro fcrw^/scribendo tarnen, utet alia quaedam linguae nostrae
vitia emendamus, ut in omnibus Unguis fieri solet". ©e^ner be=
^eugt alfo, ba§ bie fd^toeigcrifc^e ßitteraturfprad^e in biefem ^JJunfte
unb fonft über ber SSoIfömunbart ftel^e, inbem fie getoiffe garten
berfetben meibe. ®iefe S^atfad^e Iö§t feinen 3tt)eifel ju. 6g ift un§
l^ier gleid^gültig, toann fid^ biefer gra|)]^ifc^e Slnfc^Iufe ber ©d^toeij
an ba§ übrige Seutfd^Ianb DoÜjogen i)at 50lit bem Seginn ber S3ud^=
brudferfunft fennen toir auf fd^toeijerifd^em ©ebiet nur anlautenben k.
©efener l^at nad^ feinen eben angefül^rten 39ßorten nod^ toeitere
©rfd^einungen gefannt, in bcnen fid^ bie gra|)t|ifd^en ßautf^mbole
r>on ber munbartlid()en 3lu§fprac^e entfernten. SSieCeid^t fd^toebte
Drt^ograpöifc^e Suflcftänbniffe be§ Sc^toeiserbeutfcö nad) außen. 63
i^m babei tnefentlid^ bte o6crbcutfd^c 3lii§||)rac^e ber an= unb in=
(autenben st sp sk l)or, toofür cjcmeinoberbeutfd^ fd^on längft
st sk sp (seht schk seht) gcf|)rod^en mixbc. Sind) bie bairifd^e
^anjlei ^at hierin ber SSoIfemunbart nic^t Stec^mmg getragen;
ber aSruc^ mit ber gra|)f)if(^en S^rabition be§ SÜJlittelaltcr^ ift l^ier
uirgenbS t)olIjogen tüorben. So fc^reibt 3tt)mgli |ton, fprmgen,
(0ei|t, <Ba\i, tüä^renb er tijie feine ßanbsleute ston, sprin^ert,
©eist, (Bast u. f. m. au§fprad^en. ^n berartigen 2;ingen er=
fennen tr)ir bie erften 3üge, toeld^e einen fpra(i)(id^en nnb Iitte=
rarifc^en 3lnfd^Iu§ ber o6errf)einifc^en ßanbe an bie fonft auf
beutfd^em SBoben ^errfc^enben Siormen junäd^ft rein grapl^ifd^ an=
bahnen.
3n einem ^ßunfte ti3ar freiließ ber Slnfd^lu^ ber ©d^tüeij
an bie auffommenbe moberne Sprache, bie mir mit bem Jiamen
neul^od^beutfc^* bejeid^nen, junäd^ft faum fd^on möglid^. Sfflö^renb
bie ©|)rad^e beg inneren ®eutfd^Ianb§ mit ben neuen S)i|)]^t]^on=
girungen ein gang neueö ©eprage erf)alten l^atte, toax bie 2JoIfö=
munbart am Dberrl^ein auf; ber mittell^od^beutfc^en SBofalftufe
fielen geblieben, ©rfolgte in biefem fünfte 3lnfd^Iu§ an ba§
übrige S)eutfd()Ianb, fo toar unfere Sprac^ein^eit enbgültig gefid^ert.
3)er SSerfud^ ift gemacht morben. 2luf bem gleichen Soben, bei ben=
fclben ©d^riftfteffern unb in benfelben ®rudfereien treffen tijir einen
Qpxaä)t\)pu§, tDeld^er mel^r an unfer I)eutige§ S)eutfc^ erinnert ; an
Stelle ber munbartlic^en i ü ü gebraud^en fie bie mobernen ei au
eu tt)ie mir je^t. 2)a (efen mir Beit (fd^meij. Bit), Äraut (fd^meig.
Xrüt), ^aue (fc^meij. 4ü5), Acute (fc^meij. Ant), -^eufer (fd^meig.
-i&üfer). hiermit märe ber litterarifd^e 3lnfd^Iu§ ber fd^meigerifd^en.
©d^riftfteCer an bie allgemeine l^oc^beutfd^e ©d^reibart enbgültig
angebal^nt gemefen, unb bie fd^meigerifd^e ©d^riftfprad^e, bie fid^ au§=
gubilben begann, mar im 35egriff, einem ©emeinbeutfc^ 5p(a§ gu
machen. 3tt)ar laufen überatt öereingeltf S)iaIeftformen mie uff
ober ue für auf, aue ober ouc^, COngc, Bit, üc^ u. f. m. unter.
3lber im mefentlid^en ift bie moberne ®ip()t]^ongirung ^ier burd^=
gefül^rt. S)amit ift nun feinesmegö ba§ ©d^meigerbeutfd^ unter
64 ö. Sc^riftfprachc unb SJlunbart in ber ©cftloeig.
ben ßinflu^ ber ßutJ^erfc^en ©d^rifteu ju fteüen.^ ®enn ber 95o=
faliömuö biefer fd^tDeijerifd^en ©d^riftfprac^e folgt überl^aupt in
feinem 5pnn!te ber fpejififd^ mei^nifd^en ßantregel.
Unjmeifell^aft ergibt fid) bieö befonberö ans ben 6eibel^al=
tenen n, mo ßnt^er i"i f)ai: J&üc^^ fc^uf, ^öt. ®ie Safler
Slad^brnde beö ßntl^erifc^en nenen Steftantent«^, bie 2lbant ^ßetri feit
1522 Deranftalten lie§, jeigen tüie bie baranf bernl^enben ©tra§=
bnrgifd^en Jlad^brnie ber Dffijin ßnobloc^ (1524) an ©teüc be§
mittelbentfd^en fi, obgnjar nid^t bnrd^göngig, ba§ oberbeutfd^e u.
3tn biefem ^nntte tr)ie in ber grap^ifd^en ßinfül^rnng ber
niobernen S)i|)l)t]^ongirnngen ftimmt bie l^elöetifd^e ©d^riftfprac^e ber
Oteformationggeit jnr bairifc^cn .ßanglei. 3lnc^ entfc^eibet fid^ bie
Sc^meij für bas nene au gegen ein einl^eimifc^eö ou, baö gele=
gentlid^ ani) in Sejten begegnet, toeld^e in ber fc^tüeijerifd^en @dörift=
fprad^e abgefaßt finb: aucb, ctlauben, f auf cn, )5aum u. f. to.
I)errfd^en bei S^i^gß ^ic fonft, obnjol)! aüer Drten gelegentüd^
ouc^, C!5loubert n. f. m. einfließt. Sentlic^er anf bairifd^=fd^tt)ä=
bifc^en 6infln§ meifen jal^Ireic^e ©d^tDeigerbmdfe , bie bas alte ei
bnrd^ ai crfe^en, abtoeid^enb t)on ber bort toie in 50littelbeut)d^=
lanb I)errfc^enben ©etoo^nl^eit ; benn immerl^in jiel^t bie S!Jle]^rjaI)l
ber SrndEe bas ei t)or nnb meibet ai Döüig.
S)urc^ fold()e grapl^ifd^e SÜJlontente — bie gefproc^ene ^pxaije
blieb bem alten ßantc^arafter and^ fernerl^in tren — öerfud^en bie
SBerleger — benn biefe toerben toir bafür öerantmortlic^ gn machen
l^aben — einen 3lnfd^ln§ nad^ an^en, ein 3ugeftänbni§ an ba^
©emeinbent[c^, mn and^ im 9leid^ Slnfnal^me il^rer SSerlagöfd^riften
jn erjielen.
©inen fd^lagenben Setoeiö für ba§ Sluffommen biefe§ ^Bpxaä)-
tl)pu§ liefert 3tt)inglig ©d^rift „Don Srfiefen unb Sr^l^eit ber
S|)^fen 2c." ©ie liegt in mel^reren Slnflagen t)or, t)on benen freilid^
1 5luci^ geigen fid) bie neuen Xbßi)ti)onQt 3» 23, in Safler S)ru(feH
üor ßut^erS S3ibc(ü6erfc6ung ; ögU 9^. öon 9!aumer in ber Stfd&r, f. b»
^Jiunbarten 5, 40.
3tDUic^teg 3)cutfcf) in fc^tocig. 3)nicftDerfem 65
nur bic erftc S^^'^^ öfe SrudEort nennt ; ein 6jem|)lar im 93efi§
JRub. ^ilbebranbg, ber mid) freunblid^ft auf ben Slcjt l^ingetüiefen t|at,
ift bie jmcite Sicboftion ; fie bietet auf einanbcr folgenb bie @eiten=
überfcfiriften von frcy^eit ber fpeifen, von fry^eir ber fpeifen,
von frey^eit ber fpyfen, von fry^eit ber fpyfen, von frey^
^eit ber fpyfen, von fry^eit ber fpeifen, von frey^eit ber
fpeifert, von frey^eit ber fpyfen, von frey^eir ber fpeifen,
von freybeit ber ft)yfen u. f. m. ©ine jtDeifeltosi \paiexe
91uflage, bie aber l^öd^ftenö um ein paar ^di)xt jünger ift, ^at in
ben ©eitenüberf(i)riften ^rei^rit unb @peife regelmäßig mit 3)i=
))t)tf)ongen. daneben tüeift bie öltefte 9icbaftion nur bie rein
fd^meigerifd^en ?Jormen ivon fry^eit ber ft)yfen) auf. Sfene gtüeite
Siegenfion neigt i^rerfeits tüieberum in meit größerem Umfang
jur 5öiunbart afe bie britte, bie mit einigem Srfolg bemül^t ift,
für bie munbartlid^en SQßortformen ber erften Siegenfion (uc^^
tCruw, ^ttfer, ?yt, by, ryc^, myn, fry, uß, ufl> Äuc^) leiblid^
forrefte Sd^riftformen eingufü^ren ; fo mirb ou<^ burd^ andf, Äemy
burdö Äamyn erfe^t. 9(ber aud^ bie britte 9lu§gabe ift in 93egug
auf ben 33ofa(igmu§ nid^t ftreng, aller Drten fd^immert ber Sialeft
burc^. Unb baö gleidie gilt oon aUm S)rutfen fd^meigerifd^er 3lutoren,.
XDÜdjt in biefer mobemen Sautgeftaltung erfd^ienen finb. Überall
nel^men mir voai)x, baß ber S)rudf t|inter bem Sfbeal einer Sd^riftfprad^e
gurüdEbleibt. Überall fc^toeigerbeutfd^er 3Bortfd^a§, (Stammbilbung,;
fjleyion — nur baö SSofalgeprage ift bem ©emeinbeutfc^en genäl^ert.
Ob SrudEereien ober ©d^riftfteller ben 5pubtilatipnen biefe
®ett)anbung gegeben tiaben, läßt fid^ faum immer feftftetlen. Sii^ingli^
öon beffen ©d^riften mel^rcre mit biefen Sautformen erfd^ienen finb,.
Ipnntc felbft nur feinen Sialeft fd^reiben, fein ^oc^beutfd^, toie e§
etioa in 5öiittelbeutfd^lanb üblid^ toar (@. 46). Unb fo toirb eö
aßen Sd^meigern ergangen fein, ©ingetoanberte toie ©tum|)f Ratten
gtoeifellog ©etoanbt^eit im §odt)beutfd^en mie im Sd()toeigerbeutfd^en ;:
unb tt)enn biefer fein ©efd^id^tsmerf aud^ mit neul)odE)beutfd^em
95oIaR8mu§ fd^reibt, fo merben unfere f|)äteren d^ronologifd^en 2)ar=
legungen ergeben, baß fein Söerl^atten auf bie ©d^weiger mit ein-
jt I u e , 33on Sut^r bi< ^fef fing. 2. XufL. fi
66 5» (öd^rififprad^c unb 2Jinnbart in ber ScötDcig.
jtgcr 3luörta]^nic bc§ ^iftoriferö SSabian juiiad^ft feinen ©inbrud
gemad^t l^at.
@o tDar bie Sd^riflfprad^c, tüeld^c auf fc^tüäbifd^^airifc^em
unb mittelbeutfd^em SBoben, alfo in bcn bi|)(|t()on9irenben 8anb=
fd^aften i^re natürltd^en SJBurjeln l^atte, tu ber ©c^tüeij etmaö fremb=
artige^, unorganifd^eö. Sie 50lunbart toax t|ier jugleid^ Sd^rift=
fprad^e. 33i§ etma 1580 l^ält fic fid^ in 3ürid^ uneiugefd^ranft
im SSoIfefd^aufpiel unb in anbeten ßitteraturtüerfen. fjreilid^ in
aCen ®rudfen, bie für bie SJlaffe beftimmt ftnb, bleiben bie alteir
i ü fi ü fogar nod^ länger t)or]^errfc^enb ; tüäl^renb be§ gangen
17. 3ta(|rl^unbert§ ge^en auö 3ürd^er unb SBenier Srudereien
^ated^iömen l^erDor, tüeld^e fc^meijerbeutfd^en 95ofaIi§mu§ jeigen.
daneben fommen jtnar auc^ (|0(f)beutfd^e ßated^iömen t)ox, finben
aber menig Slnflang, mie fid^ g. 33. bie ßlettgauer ©eiftlid^leit
1569 gegen ba§ mei^nifd^e ®eutfd^ einer neuen ^atec^i§ntuö=9le=
^enfton fträubt.^
Sluffäüig frül^ ift aüerbingg ber moberne 95o!aIi§mu§ in ben
3ürd^er aSibelbrutfen l^eimifd^; feit 1530 finb bie alten fd^n3cije=
rifd^en 35ofaIe au§ ben fd^tüeijeiifdöen SSibeln i)öllig öerbröngt.
fjür 33afel ift bieg tüenig befremblid^, meil feine S)rudfereien aud^
fonft fid^ frül^ ber neuen Sfiomt gefügt l^atten, befto mel^r jebod^
für 3üridö, bag im übrigen noc^ ein (|albe§ Stcitirl^unbert bem alten
ßautf^ftem treu bleibt.
iJriebric^ S^rntfe ijat Sfiarrenfd^iff @. 275 annatiernb ba§
Stic^tige getroffen, menn er um 1575 ben 3Benbe|)unft für 3ürd^er
ßttteraturtDerfe anfe^t. 3tt)ar geige'n ßubtoig ßaöaterä 3Ber!e (1578
t)on ©ef))änften unb Ungl^üren, 1584 Sfiabal) noc^ länger ben
©d^tDeijeröofaliSmug; bod^ auc^ er l^ulbigt 1582 in feiner §ioBüber=
fe^ung ber neuen 9Jlobe, obtDol^I il^m feine „ßanbf|)raadö gcl^eimer
(t)ertrauter) ift bann bie auälänbifd^; brumb id^ mid^ berfelben
1 m* ®rnft ©ööinger ßitteraturbeitr. aus St. (Satten, <S. 50^ Sal^I^
rctd^e anbete Ermittelungen beS l)od6öcrbienten ©clel^rten, bie tctitoctfc im
Xtit benufet lüorbcn finb, f. in ber toertöottcn Einleitung feiner §ebclau8gabe
1873. Ein tocitereg 3cugnig ügt. in feiner SJabianauSgabe II, Einleitung (S. 85.
2)er n^b» S5ofa(i8mu§ in ber fc^hjcij. iiittcratur. 67
lieber gebraud^en". yiaä) ßat)ater§ 2obe erfd^ien feine ©d^rift
'ber gib* 1592 in J^odöbeutfd^er SBofalform. 3ludö §einric^ S8ul=
linger l^alt am fd^lüeigerifd^en ßautft)ftem feft (1575 Söefanntnuö
beö toal^ren ©laubenä, 1576 ©iimma d^riftlid^er Steligion, 1578
SBerfoIgung, 1579 ber d^riftlid^ föl^eftanb); aber nad^ feinem S^obe
erfd^einen ©d^riften t)ou i^m in I)odöbeutfd^er 9lejenfion. 9luboIf
©tDaltl^er ()at bi§ etoa 1575 am fc^meigerifd^en SBofalfljftem feft=
getialten; jtDifc^en 1575—1585 bringt ber mobente 35ofali§mnö
aud^ in feine Sd^riften ein; nnb 1593 erflört er bie ©enefiö
l^od^beutfd^.
©0 iäi) toax ba§ üeben ber 50lunbart. SÜJlan tijürbe obenbrein
fef)I gelten, toenn man bie fd^einbar moberne @|)rad^e, bie feit 1590
in 3ürd^er S)rndfen übermiegt, für gnteö Sleul^od^bentfd^ galten
toollte. 9inr gang ön^erlic^ l^atte fid^ bie SJlnnbart ber mobernen
9lorm angefd&Ioffen. SBortfd^a^ nnb SBortgebrand^, @tammbil=
bung nnb @^ntar bcljaltcn nod& bie alte Eigenart ; nnr bie ändere
©etoanbnng ift mobern.
©old^e Sll^atfad^en mn§ man ftet§ gegentnörtig l^aben, toenn
man nid^t in ben fjel^ler ^einrid^ 9tüdfert§ ^ DerfaÜen toiÜ, ber
fpejiell 3tt)ingli |)artifnlariftifd^e SBeftrebnngen nnb SifoürnngSgelüfte
nnterfd^iebt. SJBie ßnttier, fo fd^rieb 3tt)ingli eine t)om Sialeft fid^
entfernenbe Sd^riftfprad^e. 5JBa§ für biefen ba^ ©d^tüeijerbentfd^,
ha^ toax für jenen ba§ SKei^nifd^e. ®abnrd^, ba§ ßnt^er anf bem
JBoben organifd^er ®i|)(|t]^ongirnng lebte, toar i^m ein breiterer
SBirfnng§frei§ nnb ®rfoIg beftimmt. Slber nod^ fel^Ite feiner
©prad^e bie ©anftion, toelc^e il^r erft ettoa nad^ einem 50lenfdöen=
alter gn S^eil tonrbe. Unb tnaS l^ätte bie ©d^tüeij beftimmen foüen,
pd^ ben Jiormen ber faiferlid^en ßanglei angnfd^Iie^en, nad^bem
fie fid^ poüttfd^ eben erft t)om 3teid^ lo^gelöft ^atte!
35ag fonnte ja aÜerbingö niemanb gtoeifelljaft fein, ba§ bie
©d^toeig ein gro^eg §emmniö in ben f))rad^Iid^en ®in(|eit§beftre=
bnngen ber 3cit toar. ®in toenig fd^neller fd^Io^ Jiieberbentfd^lanb
* ©efd^id^tc ber neul^oc^beutWen ©d^rififprod^c II, ©. 186 ff»
5*
68 ^» Sc^riftfprac^c imb 3Wunbart in ber Sc^toeig.
ftd^ ber frcmbcn 9iorm an. ^etn ©rammatifer bcö nieberbeutfciöen
@^3tac^9e6iet§ fe^t bie 5Dlinibart feiner Sanbfdöaft afe 3iorm für
©c^riftbeutfc^. 3l6er mie frül^ toar auc^ ber fprad^Iid^e 9lnfd^hi^
Jiieberbeutfd^IanbS an aJlittelbent[d^Ianb angcbal^nt toorben ! aSenn
l^ier eine rnfiige ©ntmitihmg t)on ber 30flnnbart jnr mobernen
Sc^riftft)rac^e fü^rt, fo fann man in ber ^d^tüeij feine genjaltfanie
9tet)o(ntion ermarten, bie mit Sut^erö 3luf treten ben 2)ialeft 6e=
feitigt nnb bie frembe SÜJlnnbart jnr ©d^riftfprad^e mad^t. Unb
um fo toeniger ift eine fold^e fprad^li^e SfteDoIution ju ertüarten,
als eben auf aUen beutfd^en ©ebieten, and^ in ber Sd^metg,^ erft
baö ßatein ate ber gemeinfame ^einb übertDunben mcrben mn^te.
3unac^ft mu^te biefe 3^ef)be entfd^ieben fein, e^e bie fprad^ltd^e
Suprematie einer einzelnen ßanbfc^aft in ^rage fommen fpnnte.
(goDiel tDar aÜerbingS ol^ne n^eitereö ungtoetfel^aft, bafe fid)
bi^ Sd^meij in einen Ramp] um bie f|)rad^Iid^e Hegemonie ü6er=:
ijawpt nid^t einlaffen fonnte.
2)er gewaltige 9Ibftanb be§ gebruiten ©c^n^eijerbeutfd^ öon
ber Sprache ber bipl^t^ongirenben ßanbfc^aften, jumal Don beut
mit ber ^Reformation emporblül^enben SJlei^nifd^en, mirb überall
empfinblic^ fühlbar gemorben fein; gerabe bie SSern^anbtfd^aft ber
geiftigen Söeftrebungen, bie ßutftcr unb 3n3ingli vertraten, ^dttc
unter anberen äJer^ältniffen religiös mie fprac^üd^ t)ielleid^t ben
un^eilöoüen Sn^iefpalt unmöglid^ gemacht, ber burd^ ba§ SSerl^arreu
ganger ßanbfd^aften bei ber Äird^e be§ SÜJltttelatterö gefd^affen ift.
3n biefer getoaltigen 3ßtt, too alleö auf n^eite SBirlungen unb
rafd^ um ft^ greifenbe ©rfolge jielte, fonnte nid^tö l^emmenber fein,
afe ber ausgeprägte S)ialeft, bem megen feiner ßaute unb ^(ejtonen,
t)or allem aber megen feines mannigfaltigen unb eigenartigen 3Bort=
fd^a^eS jebe toeiter reic^enbe SBirfung Derfagt fein mufete.
„@iner möd^t fd^mi^en, ef)e erö üerftel^et" — fagt ßutl^cr
Don 3W)ingIiS 2)eutfdö unb bejeid^net eö — tool^I Don anberen alö
* ißgl. oben ©. 6. 17 über DecoIampabiuS nnb über ben geftr^fftcn
@d^toi)^er Jöur.
^Sc^iüeigerifd&er SBortfdöa^. 69
rein fprac^üc^cn 3lnttpat^ien arieitet — alo „filjtd^t, fcinbfeüg".
SSiefe Slnflagc rid^tet fid^ nid^t fotDol^I gegen bie fd^roeiserifd^e äJofaI=
gemanbung t)on 3n)tngüö ©d^riften, aU t)ielmel)r gegen feinen
SBortfc^a^. ®aö fd^Iimtnfte toax: es gab feinen gemeinfd^meije^
rifdöen SBortfd^a^, nid^t einmal bei* 3ürd^er nnb bex Safter Sffiortfd^a^
bedften ftd^. SJlan üergleid^e j. S8. bie Bürc^er Söibetanögabe t)on
1530 mit bem »afler ©loffar 3(bam ^etriö, baö @. 84 befprod^en
tüirb. SJlit biefem ftimmt fanm etoaö in ber 3ürd^cr 83ibel:
iXtard^cn ßuttier (Brennen, fei(l önt^er fett, XOnnbmafcn
Sutl^er Äeule, €40 ßntl^er ^ri|i; lofcrt ßnt^er ^orc^ert, pcr^
fc^tiDetnen ßntl^er vcrfd^mad^tcn l^aben in bem ©loffar beö
Jöafler 9i. St. anbere SBertreter. 2Ind^ fann eö nid^t meiter befremben,
bafe baö unjnlänglid&e 33afler ©loffar in ben meiften fyäüen jn
■ber 3ürd^er SSibel überl^anpt feine parallele ©Joffe ijat; fo jn
ßnt^. 5efle 3ürdö. Unbcrfc^Uc^t, ßnt^. »uttcr 3ürd&. Undc,
ßutl^. e5(^tipe0crin 3ü^d^. C5fc^t»ci^35ruber6 ^rau, ßntl^. 2irtt^
liQ 3ürc^. %n0c^<i)t (l)gl. aJtejger 424).
SBer l^ötte and^ in 3)leifeen Don „©ott nnb ©öttinncn" ge=
rebet bie bei ber Stanfe jngegen fein muffen! ^a man tränte
ben ©d^toeiger Söibelüberfeteern reft). il^rer SJtnnbart böötoittig jn,
bie ^PfalmenfteÜe „bn falbeft mein ^aupt mit DI" fei Don il^nen
toiebergegeben „bu fd^miereft min©rinb mitSd^meer" (9)iejger72).^
2ßer bie ©genart ber fc^toeijerifc^en SÜJlnnbart fennt nnb ben
getoaltigen 3lbftanb ermißt, ber fie Don ber ©prad^e ber übrigen
ma^gebenben ßanbfd^aften fc^eibet, ben toirb eö nid^t tonnbern,
bafe 3^ingli tren an ber l^eimifd^en SJlnnbart feftl^ielt ober, loie
ßnt^er fid^ einmal ändert, ba§ fie il^m ,,DiI ia^ gefiel ats bem
@tor!e fein Mappcxn"r S)a§ S5erl)alten ber fotgenben ©enera=\
tionen gibt bem 3ürd^er 9leformator Siedet. Slnd^ loenn gnter
SüiÜe bem ©eifte ber 3ctt nad^jugeben bereit getoefen toäre — ber
^ Slu§ ber (Schrift „\)on bem S^ouff'' (3üric§ bei §ager (S. ü)
wieö fragt man @ott imb bie ©öttinnen" (^4^atin imb Sßateu).
2 ©rimmS 3B6» unter ©eifeelttjort. — S)en 9lacl)hjei§ biefcr (Stctte
banfe id^ 3fleinöo(b t^ö^Ier*
70 ^' <Scf)rtftfpracf)c iinb ÜWunbart in bcr vgd&loeig.
fprac^tid^e ©^arafter t)on ej|)erinicntirenben S)ru(fen toie ber oben
bcfprod^encn gtüeiten Sluggabe „öon ^r^^eit ber ©))^fcrt" unb ja^I=
reid^cr ätinlid^cr Srude, einerlei ob folc^e SSerfuc^e bem Be^ex ober
betn Slutor anjured^nen ftnb, mar ju gioitter^aft unb gu toentg
ermuttgenb, gleich anftö^ig für ®eutfc^e loie für ©d^ioeiäer. 95iel=
leicht bafe 3tt)ingU unb anbere ©c^riftfteüer gerabe burd^ ben S!Jlt§=
erfolg fold^er ©Eperimente beftintmt tourben, an ber l^eintifc^en
SJlnnbart feftjutiatten unb mit SlüdEftc^t auf ba§ übrige beutfd^e
5Pubttfum ba§ ßateinfc^reiben öorjujie^en. —
Um 1585 toerben in ber Söafler ^anjlei, um 1600 in ber
,ßang(ei Don ©d^aPaufen bie mobernen Sipl^tl^onge l^errfcfienb.
2)ie 3ürdf)er 9flate))rotofolIe öoÜjietien tangfam gtoifc^en 1650 unb
1675 benfelben Übergang; in SSern beginnt ber 5)Jroäe§ frül^er
ate in 3üridf), ot|ne jebod^ früher gum 3lbfd^Iu§ gu lommen. ®ie
gebrudften JBerorbnungen be§ 2^xä)n Slatö t|aben im @e|)tember
1664 unfer fc^riftf|)rac^Iid^eg Sautgepräge angenommen. SBiS 1620
liefern bie Sürc^er ©ruiereien für ben Sc^ulunterridit Äatec^ig=
men mit fd^toeijerbeutfd^em ßautd^araf ter ; in @t. ©allen brudEt
man nod^ 1598 ben alten ßated^i§mu§ t)on 1528 Söud^ftabe um
SBud^ftabe nad^. Unb noc^ am ©d^lufe be§ ^ai)xi)imbzxi^ gibt
eö in ber ©d()tt)eiä @d^ulau§gaben antifer ^laffifer mit 9ioten,
loeld^e fc^toierigere ©teilen ober 3Borte in ©diioeigerbeutfd^ über=
fe^en, loie bie JBirgilauggabe be§ befannten ßejüograp^en fJrifiuS.
®iefeg langfame Surüdftoeic^en ber SJlunbart mad^t un§ aud^
baö 95ert|alten ber @|)rad^t]^eoretifer begreiflid^. 9lod^ am @d^lu§
beö 16. Sfal^r^unbertg ertoötinen ©rammatiler au§ bem i^nneren
®eutfd^lanb§ bie ©Eifteng einer fd^toeigerifc^en ©d^riftf))rac^e. 1593
begeicfinet ber fjreiburger ©d^ulmeifter ©eböftian gelber biefelbe
ate bie „^öc^ftr^einifd^e".i
©0 t)erfte]^en toir aud^ bie auffällige 3;^atfadt)e, bafe ein l^er=
öorragenber Sl^eoretifer toie ber SBerfaffer be§ 5ölitt|ribate§ für feine
^eimat nur ba§ ed^te ©d()meigerbeutfd^ mit einigen ibealifirten
iögL f&mhad), 3)ic einigunfl ber n^b» 6c^riftfpracf)e 6. 19.
3^ic 8pracf)c ber Slangleieu unb ©rammattteu. 71
Sügcn fennt unb jcneg Stoittcrbing jtDtfd^en ©c^tneigcrbeutfd^ unb
§ocf|bcutfc^ tiöüig übcrgel^t; ^ätte biefeö 3tt)itterbcutfd^ einigen
5)iaunt eingenommen ober irgenbtoeld^e Hoffnungen ertoedt, fo toare
es ©eßuer am toenigften entgangen ; mit ^cä)t Id^t il^n ba§ 95er=
t)a(ten eineö 3luö(dnberö mie @tum|)f in feiner Sluffaffung ber
fd^weijerifd^en Sprad^üer^ältniffe ungeftört. fjür it|n gibt e§ nur
öyn, fc^ryben, by, wyt, ^üt, ^rörtbfc^aft u. f. to. mit il^rem
rein fd^toeijerifcfien i unb ü ftatt n^b. ei unb eu.
1530 erfd^ien bie öltefte beutfd^e ©rammatif ber ©d^tocig,
ein „ßnc^iribion, ha§ ift §anbbüd^Iin tütfd^er Dxtt)Oixapi}\)" t)on
3o^. Äolrofe. @ein Sditoeijerbeutfd^ ift i^m bie einjige 3iorm,
obioot)! i^m ber SSofaliömuö anbcrer Sanbfd^aften , jumal ber
fc^mabifd^e, nid^t un6e!annt iftJ
@rft nad^ bem 9(nfc^(u§ einzelner ^angleien unb ber @d^rift=
ftetter an bie moberne ßautgebung (um 1585) tritt ein ®ram=
matifer auf, ber in betou^tem ©egenfa^ ju ber l^eimifd^en SJlunbart
bie Sc^riftf))rad^e mit il^rem ()eutigen Sautd^arafter barfteÜt unb
gur 9lorm erl^ebt. Überaß feigen \üix in ber „teutfd^en C)rtl^o=
grap^e^'' beä Safler 9lotaren unb ©erid^tfc^reiberä ^oi), 9lub.
Sattler (1607) ben Äampf gegen bag ©d^toeijerbeutfc^ ; er toamt
baDor (c^cn^ leiten, anfa^en^ fc^la^en u. f. to. mit ch ju
fd^reiben imb erflärt e§ für ?Je^Ier mein, fein, preifen, reiben
u. f. to., ^4U|l, ^au0, -^aut, tlTaul, trauern u. f. to. mit ein=
fad^em i unb u ju fc^rciben ober Äein unb Äiene, Öpeif unb
Spieß, J&rauc^ unb Äruc^, J&eutel unb J5üttel ju Dertoed^feln;
man möge il^n nidöt Doreilig tabeln, bafe er fold^e ^Regeln über
ei unb i, au unb u gebe ; mit Stüdffid^t auf feine öanböleute, „bie
* @ine 1540 öerfafete beiitfc^e ©rammatif, bie ber ^d^tot^i^tx ßanb-
fc^rciber S3alt^afar ©tapfer gu dln^ unb gJ^ommen ber SuQcnb öcrfafetc,
fc^eint nic^t gebnidft lüorbeu gu fein; ögl. Slnj. f, ^Sc^tocij. @efcl&. II, 80.
%u^ t)on 2^öcob, S3ib(tanbcrS beutfd^fprad&Iicöen ©tubieji (De Ratione com-
muni omnium linguarum 3üric^ 1548 8. 19) ift nid&tS erfd^ienen. ®8 ift
nirfit jju bejtoeifeln, \)ab Stapfet unb 23ibHanbcr ben fd6tt)ci3erbcutfcl&cn
Spract)t^pn8 bargeftcüt ^aben.
72 5» (Sd^riftfprac^e unb 3Wimbavt in ber (Sc^hjetj.
im Dieben unb ©d^reiben gar Diel baö i für ei unb u für au
brandneu", feien feine Dtcgeln aufgefegt (@. 24).
3fn 3ürid^ bagegcn, in beffen ßanjlei mel^r afe ein l^albeö
3tctt)r^unbert fpäter ber 3lnfd^Iu§ an bie mobcrnc ßautgebung burc^=
geführt n^irb, treffen tr)ir no(^ 1656, alfo 50 ^dijxe naä) bem
Safter Sattler, ntel^r als 100 ^aijxc mij ^olrofe einen ®ram=
matüer, ber fein ©d^meijerbeutfd^ als 5lorm barfteHt. Äj. ^at
Dtebinger, auf beffen ©prad^büdölein 5prof . 3(a!. Söaed^tolb in 3ürid^ ^
unfer Slugenmerf gerid^tet l^at, toax als SJlenfd^ unb ab @|)rad^=
tl^eoretifer feine normale ©rfd^einung, Dielmel^r ein @onberIing im
Öeben mie in feiner Drt^ogra|)l^ie. @|)rad^tr)iffenfd^aftlidöe ®rn)ä=
gungen, jumal et^mologifd^c «Kombinationen, bie jum großen Seil
baö Dlic^tigc treffen, beftimmen itju, ben fc^njeijerbeutfd^en SBofa=
liömuö für altertümtid^er als ben gemeinbcutfdöen ju (jalten, unb
auö biefer ßrmdgung fd^öpft er ben 9)lut, bie mobcrne Bewegung,
bie fid^ gerabe bamate in 3ürid^ t)olIsieI)t, Don feinem „^elbfete=
rifd^en" ©tanbpuntt ans ju beleud^ten.
3n ber %i)ai ber innere 3lnfd^Iuft ber 3ürd^er litterarifc^en
rRreifc an bie moberne ßautform DoUjog fid^ erft um biefe 3cit.
2((ö im Sfal^re 1660 ber 3ürd&er 9tat eine reDibirtc a3ibel=
ausgäbe anregte unb Dietfad^ bie iJrage Dentilirt tourbc, ob bie
Söibel retentis vocabulis sed mutata tantum dialecto ju bear=
beiten fei, marb Don einigen ©eiten ein enger 5lnfd^Iu§ an baö
^oc^beutfc^e em|)fo]§Ien; bod^ fehlte e§ auc^ nid^t an Stimmen, bie
mieber für bie fd^meijerifd^e SJtunbart eintraten. S)er ©d^affl^aufer
©ijmnafialbireKor @te|)^an ©pleiB befürtoortete in einem fprad^tid^
betaillirten ©utad^ten möglid^ft engen 3lnfd&Iufe an haQ mobernfte
Seutfd^ unter §intoeiö barauf, ba^ aud& in 3ürid& „bie ]^od^=
teutfd^e o))raad^ je mer unb mer fd^on befannt unb aud^ Don un=
ftubirten unb ungeraiften leid^tlic^ Dcrftanben toerbe" (3ürid^er
SibelreDifionsaften 427). ®em gegenüber gibt ein anbereö ©ut=
ad^ten (489) fid^ mit DlüdEftd^t auf bie ßanbbeDölferung ber ^off=
^ S)te SSerbienfte ber 3iirid6er um bie beutfchc ^ftiloloflic @. 7.
3)a2J :^cr^alten ber ©rammatifer. 73
nung l^in, man toerbe „bei einer unferem öanböol! befannten
unb Qnnel^mlic^en ^pi^rafeologe^ verbleiben nnb feine bem[elben
unbef anntc SBörter einmifc^en ; fonften bebnnft, bafe man an etlichen
Drten tool nmb ettt)aö näijcx fönnte fd^reiten ad idioma nnferer
teutfd^en <Bpxaä)".
®iefe 3tn§ernngen ber beiben ©ntad^ten fd^tiefeen jid) nid^t
auö. ;3mmer^in l^aben bic (jöl^eren ©efeUfd^aftöflaffen ber Stäbte
bereite fjütilnng mit ber mobemen ©d^riftfprac^e gel^abt, tnäl^renb
bie ßanbbeDöIfemng nnb bie ungefd^nlten ©tabtbetDoIjner nid^tö
ate it|r ©d^tDeijerbentfd^ fannten. 3fn biefem @inne Derftel)en wir
aud^ bie SJerorbnnng beö Serner 9tatö für bie ©eiftlic^en t)om
3af)re 1671^ „man foÜe fid^ beim ^rebigen eines nngetüöl^nlid^en
nenen Seutfd^ entl^alten, als toelii^eS ben SSerftänbigcn nnr ärgere
unb baö gemeine 35oH in il^rem G^riftentum nid^t unterweifen
tt|ue". 2)aö blieb für bie ©d^weij nod^ lange bered^tigt, nad^bem
bereits bie gebilbeten .Greife, gumal bie ©d^riftfteller unb ©elel^rten
baö Sbeal ber gemeinbeutfi^en Sc^riftfprad^c ancr!annt l)atten.
Unb bic Sibelauögabe t)on 1667 jeigt, in Weld^em Umfang man
bamafö biefem ^htal nad^ftrcbte.
6ö l^anbelte fid^, wie eine äJergIeid)ung mit ben 33ibelauö=
gaben t)on 1530 lel^rt, l^icr nid^t mel^r um bie einfache Sinfül^rung
ber mobemen Sautformen — biefe toarcn nafjcgu ein 3a^r]^un=
bert frül^er angenommen — fonbern um einen mel^r ober weniger
engen Slnfd^Iu^ an S^ormengebung unb Süöortfd^atf im 2)entfd^en.
S)aö ©leid^e gilt fortan t)on Sfieubearbeitungen älterer ®rud=
Werle. @o war 1578 gu 3ürid^ Subw. ßaöaterö ©d&rift Don
©efpänften, Ungl^üren, iJalen unb anberen wunberbaren Singen'-^
u. f. w. erfd^ienen im ed^ten ©c^weijerbentfd^, unb 1670 erfd^ien
eine 9ieubearbeitung, bie nid^t etwa retentis vocabulis, sed mu-
1 33e^ag^el, bie b. @pr. 8, 37 ; ^^olurf, öefcf). b. tixä)L i^ebeng I,
280, (^ad) einer SJiitteilung beg §erru Slottegeii Subhj» ^xx^ü in S3eni Ijat
%f)olnd feine Duette nid^t rid&tig angegeben.)
2 ©ineg ber legten ßitteratnrlüerfe in ©cömeigerbentfdö.
74 5. (Sd6riftfprarf)e unb Üüiunbart in ber ©c^lweig.
tata tantum dialecto ftc^ gibt, fonbern grofec (autlid^e, Pejimfc^e,
f^ntaftifd^e unb lejÜQlifc^e Anbetungen öomimmt.
®§ ift l^ier nid^t unfere 2lufga6e ben cnbgültigen Slnfd^Iu^
ber ©c^tnetj an bie beutfc^e 8d^rtftf|)ra(iöe big ju ben testen
^Regungen unb öebengäu^erungen ber 5ölunbart ju t)crfoIgen. 3u=
nä(^ft tarn es bIo§ barauf an gu geigen, tt)ie tro^ be§ t)er]^ängnig=
t)oIIen 9tiffe§, ben ber lautntcd^anifc^e ^Progefe ber ntobemen 2)i=
pl^t^ongirungen in Seutfd^Ianb fd^uf, bie aÜmätilid^e Slufnal^me
t)on Sautfomien ober ßautgeicfien frentber 50lunbarten einer \)jixaä)'
lid^en ;3fotirung ber @d()tr)eig entgegenarbeitet unb ben SBegriff
einer gemcinbeutfd^en @c^riftf|)rac^c förbert.
6.
J0Btr= Utt5 mitttl5tutf(i|tr 1©ortf(i|a1^.
3cil^feci(^e 2lbtt)cid^ungcn im 3öortg<^braud) Ijaben uns bei bcr
S)arte9un9 ber lanbfd^aftlid^cn @c^riftf))rac^en bcfd^äftigt. 2)ie
SBic^tigfcit bcö ©egcnftanbeö er^cifd^t ^ier einen 9iüdE6IidE über jene
mannigfaltigen 3üge, tceld^e für hm ©barafter ber Sprad^e im
16. ^al^tl^nnbert fo tt)efentlidö finb.
2Ba§ tt)ir nur mü^fam burd^ Dielfeitige 33eobad^tung ermitteln
fönnen, brängte fid^ ben 3citgenoffen fe^r beutlic^ auf. ^reilid)
befielen bie großen lanbfd^aftlidöen 2lbtt)eid^ungen im SBortgebraud^
nod^ l^eute. 3lber unter ber ^errfd^aft ber Öitteraturf))radbe brängen
fic^ bie ©cgenfä^e nid^t mel^r fo auf, tt)ie in ben reformatorifd^en
Seiten, tDO ber Söortfd^a^ faft immer für bie Heimat ber @dbrift=
ftettcr S^ugnig ablegen !ann. dloä) ^eute befielen bie alte^r=
töürbigen Ätti, ii^ni, £i&am in i^ren alten ©ebieten. 3(ber
bamafe burfte aud^ ber ©d^riftftetter fid^ i^rer bebienen. 3loä) f)eute
!ennen bie SJlunbarten Dberbeutfc^Ianb§ bas SBerbum füllen nid^t
unb fpred^en nad^ uralter Sffieife Don cmpjtnbcn ober f puren.
Slber toöl^renb bcr gebilbcte Dberbeutfd^e l^eute aud^ baö ä^ittDort
füllen fennt; toar bamalö jebem junädbft nur ber Söortfd^a^ feiner
lanbfd^aftlid^en Jölunbart geläufig.
S)iefe ©egenfö^e mußten fid^ ben beobad^tenben ©rammatifern
mit bcr äunal^me ber litterarifd^en ^robuftion feit ber Srfinbung
ber SBud^brutferfunft immer energifd^er aufbrängen. 3lud^ unfern
Sd^riftftcttern mad^tc fid^ bamafö überall ber SJlangel eineö ge=
meinbcutfd^en SBortfd^a^eS bemerftid^; er l^emmte bie erioünfd^te
76 ö. Dbcr= unb mittclbeiitfc^er SBortf^a^.
äBirfimg über tnöglid^ft gro§e ©ebtete. „Slbf^nt^hini 3U Öatein
iDirb ju fjreiburg genannt tOermuot, jn ^ranffnrt XOygcnfr*tm,
ju Sricr Älfen" — fo ankert ein 58eobad&ter. ^ SBegen (Dttcr (für
ttattcr) greift @mfer nnfern Söibelüberfe^er an. Sas fäd^fifci&c
SBort bcr ,ßatl^oIi!en t^urmcn consecrare* tt)irb mel^rfad) be=
^anbelt. Sas lüeftfälifi^c Äun eunuchus jtel^t ßntl^ers 2[uf=
inerffam!cit anf fic^.
^n 3olge bcö großen ä5er!c{)rö, bcn bic refonnatorifd)en a3e=
raegnngcn anregten, bnrd^ Steligipnögefpräd^e, burd^ bie SBcrufnng
Don l^oc^bentfd^en ^rebigern in nieberbeutfd^e öanbe nnb t)on meber=
bentfd^en ^JJrebigern in I)od^bentfd^e ßanbe, er{)ielten l^önfig berartige
2Bort))robIemc eine gemiffe Sebentnng. 33ei ber Sürd^er S)t0))U=
tation 1523 entftanb g. 33. eine längere fprac^lid^e Debatte jtDtfd^en
Btüingli nnb feinem 2ln{)ange einerfcits nnb bem ßonftanger 33ilar
Sc^niib anberfcitö über baö SBort Xttctgb, baö 3tt)ingli in einer
gebrndften ^ßrebigt Don ber 9Jtntter beö §eilanb§ gebrandet l^atte,
tt)o ber ßonftanger ^un^frau ertt)artete.2
2ln^er fold^en S^ugniffen anö bem 16. :3a]^r!^nnbert liefern
nnö aöe ©prad^benfinäler jener B^it ben 33ctt)ei§ für bie Sö^atfad^e,
ba^ eö einen genteinbentfd^en SBortfc^a^ bamafö nid^t gegeben l^at.
SBer mit hm ^ülfsmitteln ber ©prad^ioiffenfd^aft auögerüftet ben
Itnterfc^ieb ber ©d&riftfteöer im SBortfd^a^ feftftettt, bem toirb fid^
Dor allem bcr gro^e 3Ibftanb ber oberbentfd^en SJlaterialien Don
* 2)er eJraucn Otofeuöarteii 1528: S3trlinger in §errigi5 Sltd&ib 43, 123.
^ 2)a§ @Qrenrupfeu, 3"rici& bei SroWaucr, |?b: „3)ir gebrifc bajs bu
litt cibgenoffif^e 8pra^ faiift. 3m 6ci&h)Q6erIaub löeifect ein CJungfrou
ein *2)ienftmagb\ aber ein locljter ober llTagt löeifeet ein *unöcrfe!&rte
Tltib\ 2)crgftalt l&at S^ingli gerebt, ber ift ein 6c^tDifeet unh prebget
in if)reu i^anben unb tjat bic $lirebgc in ißren i^anben gefd^riebcn. 23i üd&
f)eiBt einSJlagt einen ^ten|^; hk nennenb toir ein Sungfroucn. ®in lltagt
fieifet ht) uns ein reine unbeflecfte, bie nennenb i^r ein Sungfroucn." — S3el
bem iHeügionggefprädö 3U Einbau 1575 begegnet bie IJragc, ob Ämbcr
ma^en ober '&.n1^cr bringen rid)tig fei; ju ©unftcn bcr crftcn SBenbung
werben bic antocfenben Strafeburger Xl^cologen alg 3eugen angerufen; bic
^ujcitc ^Beübung toar ünbauiW»
ßanbfc^aftlic^e SBorte* 77
ben mittclbeutfd^en aufbrängen. So gro^ awä) bic lautli(^cn 3(6=
tDcid^imgcn fein mögen, mlije bic oberbcntfd^en 5öinnbarten Don
cinanbcr trennen — ^infid^tlicf) beö Söortfc^a^eS jeigen fie fcfte
Ü6ereinftimmung ben frönüfd^^mittelbentfd^en gegenüber. 3lnbev=
feitö ftimmen bie mittelbentf(i)en nnb nicberbentfd^en ßanbe — Don
her 5P|aIj bi§ nai) Sd^Iefien, Dom Main biö jnr $Rorb= nnb Dft=
)ee -— fo ^änfig gnfammen, baß toir faft Don einem fränfiid^=
)ad)filcöen Söortfd^a^ reben fönnen, ber e^er in ßnglanb ats in
Dberbeutf(^Ianb ^Parallelen ^at.
Sei biefen großen Unterfd^ieben ber 5ölnnbarten in ben 3Bort=
materiatien ^aben mir länger jn Dermeilen; mir muffen fie an
einem l^erDorragenben 58eifpiel Deranf c^anlid^en , nm 2;^atfac^en
reben jn laffen. SBeld^e ©prad^Dermirrnng öntl^er — ber a)tittel=
pnnft für aKe SSeobad^tnngen — Dorgefnnben nnb neben fid^ l^errfd^en
gefeiten l^at, bafür mögen oberbentfd^e Sibelüberfe^nngen aU 33e=
jpeife bienen. @ie finb nm fo bebentfamer, meil fie ben @infln^
t)on ßut^erS ©prad^e jn l^emmen, ja jn Demic^ten im ©tanbe getoefen
toaren, toenn ber ßnlturproge^ biefer tl^atenreid^en 3rit in ber
^ßerfönlic^feit öut^erö nic^t einen ©eifteSl^elben Don nntt)iberftet)=
lid^er ©etoalt gefc^affen l^ätte. @ie reprafentiren alfo für nns
einen wid^tigen ^pxaä)it)p\\§, ber nad^ bem 5prognofti!on be§ aJiaji=
milianifd^en ä^italterg jnr ^errfd^aft in Sentfd&lanb berufen fd^ien.
3lud^ l|ier ift bie Sngolftäbter 58ibel, bie Don öut^er nnb
6mfer auSgel^t, Don gang befonberer SBid^tigfeit ; burd^ abfid^tlid&e
©prad^anberungen , bie burd^ bie 5ölnnbart ber Sonaulanbe 6e=
bingt finb, l^at 6tf fie nad^ ben 2lngaben feiner SBorrebe Don ber
mittelbeutfd^en SBibel entfernt, daneben Dertoeifen mir auf bie
3ürd^er SBibel Don 1530, bie aud^ Dielfac^ Don ßutl^er abl^ängig
ift. ©ine SOtittelftellung nimmt bie ©prad^e ber SBormfer 5j}ro=
})l^etcnü6erfe^ung Don §ä§er nnb Senf ^ 1527 ein, bie für ßutl^er mie
für bic Sürd^cr S^^cologcn nid^t ol^nc SBcbcutung getoefen ift.
6inc SBcrgleid^ung biefer SBibelteEte liefert un§ gal^lreid^e SSelege,
bie uns jeigen fönnen, tpie ftarfe ©egner ben SBortmaterialien
ßut]^er§ im SBege ftanben.
78
6, Obers unb mtttelbeutfc^cr SBortfc^a^.
SBenn tnir f)ier bcn SScrfud^ einer aOBortfonforbang, bei bcm
rnxdj einige 3ut)örer, befonberö §err @tnb. 6mft §eiIborn auf
bas eifrigfte unterftü^t Ijaben, in befd^eibenem Umfange tragen,
bürfen mir in 2lnbetrad^t ber ©d^tt)ierigfeit eineö fold&en Unter=
ne^mene tDol^I befonbers bie 9ia(I)fid&t be§ 8efer§ erbitten; nur
iünftriren moÜen n3ir unfere obigen Darlegungen; nientanb tt)irb
()ier ein t)ergleid)enbeö Söörterbud^ jener SBibeltejtc erwarten.
«ut^er
M 1
^üvml ^top^.
3fir. »ib.
^^Icfer 2anh'^
ouc^art
Sndiart
Saud^eri
a((jcr
einfältig, unfdöul-
big
untoeig.
x>inta^
5lngefid)t
Slngeftd^t
Slngfi^t.
Hn^
■trang, angft, be=
triibt
befümmert
angftr befümmert.
i
1
beben
bibmen (er=)
bibmen (er?)
bibmen (er=)*
berftcn
bred^en
brechen.
«Iad)felb
f?Iad)fclb, ebeneg
Selb
SÖIifeger
S(a*felb, flaches
gelb
»liegen
fSrladöfelb»
ölifee g^Iur, '
Spiiögen.
«lüte
23Ifime ■
S3Iüft
»ruft.
braufen ^
fc^allen, faufen
raufd&en
raufd^en.
«üben (böfe) ;
teufltfc^ ajlann,
^Inber 23eItalS
^inber SBelialS.
bunt
gefprädelt , ge=
gefpredfelt
gefprärfelt, gering*
fprengt, bon bte«
(et, geteilet, öon
ler %axh, at-
mand&erlei fjarb.
1
1
fc^ecft, gefc^edffet,
1
tüpflet (tupflot)
1
u» fi h).
^cfel
@reuel ©rauen,
Unluft
UntDitten, ©rcucl,
1
Slbf^eu
1
Unluft, SScrbrufr
cinträd&tiö !
ainerlei (Sinns,
•
einerlei (Sinn».
mit ainl^elligem
yjiunbe, ainmiis
tigfrid^
(^rbbeben
©rbbtbem
©rbbibem
©rbbibem.
(Srbenflofe
ßaim ber ®rben
©rbenRo^.
ernten
fd^neiben
fd^netben
ernbem.
erretten
erlöfen, erlebigen
erretten
erretten (erlöfen).
fett
faifet
fett, fetft
feift.
SScröIcid&cnbc SBorttabctten ju a3ibcltejteii
I. 79
Sntter.
M. ; SSormf. $ri)»|.
' 3ür. »ib.
^flamme btc n
1
glamm ber ' giamm ber
3Iamm ber.
mam
ßägcl
1
ein ?JIäfcf)en ober
fiägel.
griegen Sßlur.
ajiucfen ahnden
gjlurfen»
freien
gur (J'^e nelftmcn, '
öeiratöen |
gur C5^öe nel^inen»
fülen
cmpftnben, greu ! berftel^cu
fcn, toiffcn !
berfton.
@cbäc^tntg ba^
©ebäd^tnug b i e , @ebäc^tnü§ b i c
Öebac^tnug b i e.
Öcfä6
@efd)irr j @ef*irr
©efc^irr.
(jel^ord^cn
Öören , gel^orfam ! gel^ord&en, fotpen,
geborfam fein, lo»
fein ge^orfamen^l^ören
fen, ^ören.
©efang ber
©efang ha^
©efmtg ba8.
®efeö
@faö, öcfafe ©fafet
@faö.
©etoalt btc
&tmit (Ötoart)
©etoalt ber
©toalt (Öemalt)
ber
ber.
©ren^c
©reni^e, ©egenb,
@renfe
ßanbniard^.
ßanbmardf
•
^runbbeft
Sßfnimet, ^Jnnba*
©runböcft, ?5nns
Sßfimmenb, SBfim*
ment
bament
met.
$aUe
S8orfd)oj)f, ^aptUt • Sßorfd^upf (Sßor=
f«opf)
martcn toarten, öerjie^en
Sßorfc^opf.
^anen
tt)arten,S^ertranen
■ !
baben»
^afcöen (crO
ergreifen, fallen,
ermütfcfien , er*
galten
greifen.
ipeud^Ier
©leifener i ©letBncr
©leiftner.
$cin)t
^avipt
^anpl toj)f
§anpt.
i&eufdörcrf
ber ©enfd&red
ber ^eufc^redf
§öntt)ftöffeL
^üacl
(®mfer ©ubeQ
mt)ü
mM
SöiibeL
5!a^n
^adm
23ard^e.
haften
mä)
taften
%x6).
ftcitcr
Kelter
Xrott, Xoxdd
Xxott
Äletnot
(Sedier, foftlid^S
2)mg
Schotten
mmoU greinet
©egierbe.
Älofe
moö.
Hug
toeife, jüd^tig, Der*
ftönbtq, totfeig
fing
toeife.
^ot
m ' Stöbt
^aat
^üd^fein
^ünle
^hn%
2Qpptn
mä^
mtd.
80
Sutier.
6, Ober* uub mittelbcutfd&cr SBortfd&a^,
ßaft bie
ßciid&tcr
Sippe
ßuft bic
Tlauimixf
mieten
aj^onb, 2Ronat
(@mfcr Statten)
SWcffe
Ort bcr
Otter
Otterge^ic^t
SPerlc
^flafter
mU *föle
plö^Iirf), bloWiiifl
$ö6el
prüfen
Onol
quökn
gflabe
SHätfel
S^tei^tum ber
8anb ber
@d^effel
fd^enfen
6ci&crf, 8rf)erflin
@d)eunc
in 6rf)id&ten
fd^medfen
@d^i)pg
Saft bcr
5(mpel
Sef^e
Suft b e r
üUJoItnjerf
bingen, befteüen
'Monat
Sd&aben
SünbSfinb, enfltn
bie Stat, Ort bat^
(Srfjlange, Spater
S^iatterngefrfjläd^t
bog Sßerlen
eftericö
Xeid^
Sßfnlbe
in einem 9lu, in
einem 5lngenblttf
gemainSßoItSßöfcl
probiren, betoären
$ein, bcr Dual
peinigen
iRapp
iRäterfd^
:)leirf)tum
ber
^Jtippe
8anb baS
3nee(en), ^Walter
begaben
i&aUer, Ortlin
Srfjenr
in Flotten
berffirfjen
männlid^eg (Sci&af
bie,
Saft ber
Send&ter
Sef^e
Suft bcr
Scf)är, aWanrtDcrff
bingen
ÜWonat
^d^aben
,SHnb8finb
Ort ba^
bie- S3nrbc, ber
Saft
5?(mpeL
Seföc.
Suft bcr«
8cöär, aRurtDcrf,
bingen«
äRonat«
rfjaben.
^
.^inbSfinb.
Ort b a 8.
^c^tange,(Sc§lang | 8d&Iange,' !Water^
5ipper«
9laterge§üd^t*
bag $ärlin.
©fterid^.
SßfuItDc«
fc^ncll.
gemeines SSoIt
betoären , erfun^
ben, (entern.
$ein.
peinigen.
S^app.
^Röterf*.
SReic^tum bic,
SRcic^tum ber,
^ippCi
@anb bcr.
SSicrteiL
geben, fd^enfen.
@(^crpPin, örtl^.
@(^cur, ©pcid^cr.
üerfud^cn, fd^mc*
rfcn.
männlid^eS @d^af.
eftri*
$fultt)c
urblü^ltng(*cn)
gemetneS $oIf
briifen, probiren,
berfuc^cn
9lapp
^äterfcö
SRcic^tumb (^cid^*
tum) bic
®anb bcr
fc^cnfcn
@rf)eur
2
kröleid&enbe Söorttabetten gu S3ibeltejter
1
t. 81
Snt^er.
3ur. »Ib.
<Bd)ltnä)t
(6aum)]^eut
1
(S^leucf).
fdfilummem
fd^läfrifl fein
nafjen
fd&läfrig fein.
f(^mürfen
gieren , j^errlic^
aufmu^en,^enlic6
aufmuöen, gieren,
machen
tttac^en, gieren ,
föftlid) fictben.
©döuppc
(Bäjiipc, (Sd&üDpe
Schilpe '
@döupe.
©cbtoäöerin
grau beg a3rfiber§
1
1
S^riiberg ^xan,
©fdimci.
(Bä^toaQtx
23ruberbesaJiann§
Sc^njager.
@d^tüefel
@dflh)öbel
Sd)h)äbel
Sdöiööbcl.
feer STbb.
\)aft
öaft.
ftd) fe()neu
begehren , t)er=
23egierb l^aben.
langen
verlangen.
©cud)c
^xanti^aii, Sierfjs
tum
•
0ud6t, ,^ranff)eit.
ftdfiten
reitern
reitern
reitern.
8trbfCut
Sinbflnfe, (Sünb=
(SünbPufe.
©perling
(Spa$
(Spar.
©piöc bte
(Spi^ ber
1
(Spi^ ber.
(Splitter
3lgen
1
(Sprci^.
fpotten
pfeifen
pfeifen
pfeifen»
fteupen
fd^Iagen, fd^elten
süchtigen
ftrafen, fd^Ial^en.
©toppcl
Stupfel
©toppel
(Stupfcl.
(Stufe
(Staffel, (Stapfet,
(Jerftaffel
(Staffel
Staffel.
tauchen
tunfen
•
tunfen.
Saufe bte
Sauf hit unh
ber
triegen (be^)
Sauf b e r.
taufc^en
triegen (be=)f öor»
teilen
betriegen, Perbor*
teilen.
Senne bic
Senn ber
Senn ber (bie,
•
ba^).
Sbon
ßaim
ßeim, Mt
2dm*
S^räne
3ä^er (Srä^er)
Xxaf)tx
Sräf)cn.
S^unn
S^urn
Sl&urn
Sf)urn.
Sopf
^afen
§afen
$>afcn*
Söpfer
©afner
§afner
öafner.
Ufer
©eftab
©eftab
Öftab.
öerfdbtingen
j berfcl&Iinben, ber«
berfc^linben
Perfd^Iinben, Per*
fd&fucfen , ber=
fdölucfeu;
fd&Iücfen
JMuee , iBon Sut^er H4 Scff^ng. 2. Stufl.
6
82
6. Ober* unb mittclbcutfd&er Söortfd^aft.
bcrfinien
Vertrauen
SBanbel
Söeinberg
SBeincrubtc
SScife
mciffagen
njelf, öcriDcIfen
2BoIfe b i c
3crfd)mei6en
^erfcftmettern
3icgenbocf
er!.
berföneit
Uetmäl^tcn
XaM, S3veftcn
SBetitflarten
ba^ SföeinUfet
SBatB
prop^etifiren
abreifenb ; ber-
fd)toc(fen,fdöh)elcf
ttjetbcn, öcrber=
hm, abnehmen,
abfallen
SBoIcf b e r
Serf dalagen
Serbred^en , j5cr=
fnitf^en
(iJaifebocf
Ucrfimcn
Söanbel
Söeingartcn, dtib^
bcrg
ba^ Söeinlefen
mm (in)
toeiffagen
tüdd, abreif enb;
abfallen
gerfd&meifeen
gerfniitf^en
3igenbod
3ür. »tt,
Uerffinen.
bermäd^Ien.
Tladtl, ^ßräften.
Steingarten,
SBcinberg,
SBümmet, §erbft.
SBeifele (^).
j)rop]^etiren.
abreifenb, l^infäl*
lig, iüclf; Derber«
ben , erborren,
binfatten, abfaU
len»
SBoIcf b e r.
gerftören.
germürfen, ger*
fd^eitern, gcr«
bred^cn.
©eifebodf.
®iefc 3ul<^nimenftet(ungen leieren, tt)ic fel^r bie SBirfung öon
öut^cro» ®eutfc^ burd^ bie aÜgemeinen @|)rad^t)erl^äftmffe ber 3rit
gel^emmt n3at. Dbcrbcutfd^Ianb toax eine ©prad^einl^eit für fid^.
9Jltttelbeutf(^lanb , baö burd^ bie ^leformation gum 5ölittetpunft
unfereö SBaterlanbeö geiüorben n3ar, erl^ob fid^ mit ber 5perfönlicö=
feit Sut^erö gegen bie 3lutorität jener ßanbfd^aften, betten mit ber
politifd^en aud^ bie f|)rad^lid^e Hegemonie jufam. Safe uttfereö
9leformatorö Seutfd^ über bie tnibcrftreitenben gaftoren fd^Iiefelid^
ben ©ieg baöon getragen, baDon gibt unfere Äonforbang eittett
fd^tagenben SBeweiö. S)iefen @ieg beö mittelbentfd^en SBortbeftattbeö
banfen lt)ir glüeifeöog Sutl^erö SBibelüberfe^ung.
(£g ift !ein 3ufaII, bafe gaPofe 2lbbrüde be§ neuen Sefta^
mentö, bie au§ oberbeutfc^en SrudEercien l^erDorgingett , Cutl^erö
SBortfc^a^ im allgemeinen unangetaftct laff en ; bie 33afler, @trafe=
biirger, 9lürnberger, 2lug§6urger StuSgaben binben fid^ att öutl^er^
öautf^ftem iDenig, aber fein SBortmaterial änbem fte feiten; unb
1535 fonnte SBenbel 9li^el ju Strafeburg ber Hoffnung SluSbrudE
DbcrbeutWc löibelgloffare» 83
geben, man icetbe ftd^ leidet an ben frembarttgen ©prad^gebrauij^
ßutl^erö gelDöl^nen (@. 57).
©old^e 3lnfd^auungen mögen mel^rfad^ für bie SBerleger ma§=
gebenb gctoefen fein. 3ubem toax ber Jftul^m ber nenen Überfe^ung
fo unerfdöätteTltd& feft begrünbet, ha% man, fomeit nid^t ßonfeffion
ober Seite eine fad^lic^e Se^treDifion forberten, ben SBortlaut beä
9fleformator§ nid^t gu änbern magte: man jog e§ Dor, hen Cef er
burc^ ein fnrgeö ©loffar über bie unüerftänblid^en SBorte öutl^erö
aufjuflären. ®iefeg aJiittel erfann 3lbam 5petri, ber Söafler 58ud^=
brudfer, ber eine 3^it lang bie oberrl^einifd^en ßanbe mit gal^lreid^en
SRai^brudEen beö nenen 2;eftament§ Derfal^ nnb fo bie ^Reformation
fräftig förberte. 9lfö er im ^al^re 1523 ben gtoeiten Wbbmi er=
fd^einen lie§, gab er bemfelben ein SBortregifter M, bag „bie ang=
länbif^en 2Börter anf unfer (SBaflerifd^eö) Stentfc^ angeigt" : „^d^
f)ah gemerft, ba§ nit jebermann üerfton mag etlid^e SBörter im
je^t grünblid^en Dertentfd^ten nenen S^eftament; bod^ l^ätten biefel=
bigen SBörter nid^t ol^n ©d^aben mögen öerloanbelt werben ; brnm
l^ab id^ laffen biefelbigen anf nnfer §od^tentfc^ anbiegen nnb orbentlid^
in ein Hein 3legifter fleifelic^ öerorbnet". ^n ben fpateren 2lnö=
gaben l^ält 2lbam 5petri an biefem 5ötittel, öntl^erg Se^t bem ober=
rl^einifd^en 5|JnbIi!nm naiver gn bringen, feft; nnb anbere oberbentfd^e
SSerleger folgen feinem SBeifpiel.
©0 fönnten mir nnö einer beqnemcn_ Sinfid^t in ben 3Bort=
fd^a^ t)on ©trapnrg, Slng^bnrg, SRümberg erfreuen, loären il^re
®rutfereien nur felbftänbig nnb t)on bem Safler 5petri nnab]^än=
gig gu SBerfe gegangen, ßeiber aber fd^Iiefeen fid^ bie ©loffare
gum neuen 2;eftament, bie ,ßnobIaud& in ©trapurg (feit 1524
in mel^reren STuögaben), ^an§ §ergott in SRümberg 1526, §einrid^
Steiner in SlugSburg 1531 il^ren SluSgaben t)on ßntl^erg STeftament
beigeben, faft mörtfic^ an 5petri§ ©loffar an; nur in wenigen
Snberung^n nel^men bie 3)rurfer Jftütffid^t auf il^re l^eimifd^e 50lunb=
art. SBären fie felbftänbig gu SBege gegangen, fo toürben jeben^
faüö größere Unterfd^iebe gegen ba^ SBafler ©loffar gu Sage treten,
unb tt)ir toären über ben äöortfd^a^ öon Strasburg, 5iümberg
6*
84
6. Ober- unb mittclbcutfc^cr SBortfd^aö«
unb SlugSfiurg tDctt fieffer Mei)x\ aU burd^ bie öorliegenben ©loffare.
Sod^ bürfen tt)ir einen ©eftd^fe|)unft babei nid^t aufeer Sld^t laffen:
ber SBoxtbeftanb aüer oberbeutfd^cn öanbfdöaften bcrül^rt fid^ t)iel=
fad^, aiic^ tDenn fonft lautlid^e Unterfd^iebe bie ©prad^e D6et=
beutfd^Ianbö in nteJ^xere Heinere SJlunbarten aufgelöft l^aben. @g
ift — jur Seftätigung unb Srgöngung unfercr obigen ^ontox-
banj — nid^t unmid^tig, beut öefex einen Slbbrutf beö 33afler
©loffars üorjulegen unb bie SBarianten ber übrigen biöl^er unbe=
ad^teten 33ibeIgIoffare tnitjuteilen. Dl^ne ben rein ortl^ograpl^ifd^en
ober aud^ lautlid^en SBarianten SBead^tung ju fd^enfen, bietet bie
folgenbe STabeüe bie 2lbtt)eid^ungen ber ©trapurger 2lu§gabe ton
1524, ber Mrnbergifd^en 3lu§gabe t)on 1526 unb ber 2Iug§=
burgifd^en t)on 1531 t)on Slbam 5petri§ Driginalgloffar jum neuen
2;eftament. ^
Skalier ©loffar.
SBariattteti.
äf)nüd)
51,
1 Qleid)
(Stra6b,::2tug§b, fe^It*
afterrcben
nad^reben
alber
nerrifdf), fantefd&tifdö
altüätteltfrf) ^aM
alter nje^ber mär(tn
Srnbife
morgcneffen
9lürnb. e^n fruftüd
Srnfatt
anteil, lofe, gufal
müxnh. mt gufaL
Slnfurt
ber fd&iff anlenbung
mm
ergernufe , ftrauc^«
Mxnh. crgernug, tt)n böfe
lung
beifpir.
5luffcöub
berjug
aufnidfen
öertoe^fen, befd^ul^
bigcn
».
bang
engftig, gtoang, ge* \ (Stra§burgs2tugSburg angfc
breng gtoang, qebreng. ^lüm*
berg engfttg.
* 3n unfcrer XahcUt bebeutet ba^ Seichen -f, ha^ bag bctreffcnbe
©loffar eine toettere Überfefeung l^at al§ btc übrigen; ba^ 3eic6en — gibt
an, ba§ ein befttmmteS SBort in einem @(offar fel^It,
£)bcrbeutfcf)e Jöibelgloffare, 85
S^afler ©(oflar.
ä^artatiten.
beben
bibmen
befragen
gancfen, jjme^tregtig
fein
befrembben
1 Vil(
üertounbern
bereuen
ÜHürnb» raften, r^ucn.
öerucfung
üa^nng
bcfd^idten
begruben , öolgteu,
beftatten
1
beftrirften
fa^en, btnben
•
befubleu
üenmremcn, beflecfen
betaget
alt, f)at bil tage
htknhm
trundcn , frafftlofe
S^ümbi truncfcn, entrüftcn
machen
fd^ellig mad^en»
betrautoen
• üerbteteu, treutoen
betretten
rabtfrfjlagen, unber*
reben
betüngen
tüngen mit mifet
betoüft
crfant, erfaren
S3eilag
UertratDt, l^inbcrges
legt gut
bleiben
^od&mütig fin
9lümb. auffblafen, fid^ er^
lieben, frcd^, tru^tg»
S3ra6tücferet
böfe, tüdifd^, liftig
S^ürnb, + alfenfeig*
bloöltng
ge^Iing, fdöncöip^t*
S^ürnb. + augenblidttic^.
braddtig
l^oc^mütig, ^od^fertig
brausen
xanid)cn, faufen
brüfen
mercfen, erfennen
fe^rt Mmb.
c
t
^arb
notturfft, armutle^ben
barbcn
nott, armut leiben
beutücö
öffentlich, mercfüd^
9lürnb, mcrflicft.
bürftig
(
fed, fün
empören
erl^cben, ftrenfeen
SlugSb. erl^öl^en, ftrufecn»
(Strajsb; erl^bben, ftrenften.
Slürnb, ergeben*
cntfamcn
enttrunnen, entlieffen
cnlidö
glt*
S^ürnb; fe^rt
cnttoanbt
entzogen, enttoert
9iürnbi — enttoerti
86 6. Dbcr= unb mittelbeutfc^er SBortfrfjat
ä^afler ^loffar.
Varianten.
C^rbf^ic^ter
crbteifer, erbfd^eiber
©tbbeben
erbtb^bem
er^afd^en
crtoifd&en, fallen
ernbten
fc^neiben
erregen
entporen , anffrulftr
machen
ertrincfcn
dliixrib. 4- betoegen.
erfanfen
(Sifer
ernft
eitel
c
1
man, lör, unnü^
5.
Saör
fcrigfeit forgligfeit
i
ferne
fo ferr, fo toe^t
i @tra6b,=2rnggb* ferr, toc^t
tjcinanfeer
netofünbig gu böfen
^nümb, fe^It.
Seit
nad&Iefigfeit, berfüm*
ni6
ple
miffet^at, fünbe
?5al
mangel, gcbreften
9lümb» mangelt, gebrid^t
IJelbtoeg
raft rofelauff
?5euereifer
feuriner ernft
flel^cn
hitkn, emftlid^ be«
geren
dürfen
bleuen
freien
toeibcn, eelid^ toerben
Mmb; + Ifteüraten; SlugSb»
toeiben, el^clidö toerben.
tjrnmmcn
nuö, getoin
füren
cmpfinbcn
1
1
(
@ebür
biKid^r gemeeg
geborften
gebrod^en, gerriffen
gebei^en
toad^fen, gunemen
©efäfe
gefc^ir
©egcnb
lanbtfdiafft
©efieimnife
l^e^mligfeit , f acra=
ment
gel^ord^en
gelftorfant, unbertl^es
nig fin
©elinbigfeit
gütig, fenfft, milt
^gSK g&tifeit, milt-
Dberbeutfc^e fdiMQioi^axt. 87
mitx ^loffar.
r
l^arianten.
gepfropft
gcppanöt
@tra6b. ^^ürnb- SlugSb;
geimpft, gepflanzt.
GJerüc^t
gefd^rc^, (cumeb
S^ürnb. — lenmeb.
aefteupt
mit i'uttcn gcftrt(|cn
3Iug8b. rfiten geftrid&em
dlüxnK mit rfiten anSge*
ftrid&en.
betreibe
forn, frud&t
©ctünttnct
ungeftimb, auffrur
<5letün*tc ^anh
gch)ci6tc, befleibte
&cin(i)tt
gefd^kd^t
flidötprücöig
gi*tfüd)tig
dlüxnh gegid&tfüd^tig*
gleicöbcrtifl
glcid^förmtg
(Sö^cnopfcr
abgötteropfer
(SJren^
gcgn^, umbfre^fe
Ötunfeen
grimmig fein, gürnen,
flirren
©trafeb. SIngSb« — hirren.
§aa
borlanb , fürf d^opff,
@tra6b, ^ilngSb, für*
tngang
fd^opf.
^arre
toarb, be^tte
l^afcfien
crtDifd&en, fallen, er*
greiffen
2lug8b» — ergreiffen.
l^aud^en
bbfen, toe^en
§älft
^alb
©trafeb; SInggb. l&albte^L
^ernteten fid^
befümmerten fic^, toa*
(Strafeb. SfngSb. — toaren
rcn cngftig
engftig»
§eud&(er
gleifener, trügner
getrabten
mannen, celid&en
Ikonen
fpottcn , f d&mä^en,
fc^enben
(Strafet 2rng§b» — f^mälien,
Öügel
gipffel, bildet
c
int^an
geben, überanttoort
Stalin
tt)eibling, nadgen.
©trafeb, SfngSb» — tocib^
Hein ft^iff
Hng»
tcri*
feget, ^ianh, futter
blufft
fitng, frnfft, Wie
@tra6b. 2lngSb» — ßing.
88 6» Ö^cr« unb mittclbcutf(36cr Söortfd^a^.
93afler @(offar.
Varianten.
tnoc^d
fnob, g(eid&
foftct
üerfud&et, Wmacft,
fiefet
främere^, mcrcften
(Strafeb- Stuggb, - fie
^efemcrei
5(ug8b. — merdften*
^üdilin
6i'mcf(cn, junge t)üni\n
STngSb. — ^ündffen.
füiibig
ttjtffenb, erfal&ren
r
l^auffentoeiö
kippen
leff^en
Wappen
ftudf, ple^, (ump
rafe
mieb
lencfen
umbferen,umbtDenben
ßcrman
auffrauff, auffrür
ßiec^tftar
teud^tcrn, ludern
malmen
9
germalen, jjerfnütf d^en
Mrnb. dermalen, ger
fd^en; ©trafeb. SlngSb.
malen, gerfnüfeen«
aJiarft
ffecf, borff
^^eud^elmörbcr
l^cimUcö mörbcr
fc^lt Slürnberg»
meuc^el, meud^eln
-
Mmb. ^eijmlid^ triegei
yj«ctling
gebingter fned^t, tag*
löner
mieten
beftetten, bingen
monfüd^ttg
mönig, Innig
yi/iorgenlanb
anffgang ber fonnen
SRac^t
fd^fe^er
fe^lt mmh, 2rng§b.
51/iutten
fd^aben
bad^minö
f^ttjefterfnn, üetter
5»eff
9lor6cn
munben, malgeic^en
i
Dttergegic^t
ottergcfd^Iec^t
Strafeb, 3luggK no
gefdölecf)t;$»ürnb.gef41
Oberbeutft^e 33ibc(t|(offarc,
89
panier
pruffen
Qual
quelen
^ühtn
rafcn
roffcln
Saum
tilgen
tucl^t))ar
tüchtig
SRüfttag
fauret
<Bd}anbxot
fd^autragen
fd^ecl
©d^cffel
Sc^lad^ttag
©d^crfflin
baner, benle
anfcdötung beS fCei*
fdbcS
lob, rf)um
SBarianten.
]&et)Io§, unnü^ bold
C.
pein, francf^cit
peinigen
^.
rappen
toben, nnfinnig, faft
jürncn
btafpeln , raufcften
rollen
njcite, p(a^
fd^enbcn, fd^anb cn*
tccfcn
auggernfft, lautprcc^t
nam^afftig, cing gro^
6en tuntB
bereitlag , ^eiliger
obent
njercfgeug
I famr, ge^efflet
I f)ciüg brot, gemeid^t
; brot
offenttidö tragen, geis
gen
fdft^Ien, glunen, über=
firfjtig
fcfter, f^mmerin
tttc^eltag, tag ber
iDirtfdöflft
ßrtlin, falber l^eller
^
i6b- Sluggb. \
'ihd)tn, ernmben.
trafeb. Sluggb. «»ürnK
öei[i
^lürnb» 6tra6b,
+ quetfd^en.
^rng^b.
Strafeb. SrngSK
filmen;
©trafeb, Slnggb, -
- faft
roffefn.
Strafeb, 2Iug§b. — eins
großen runtS.
Strafeb, ^ugiJb» — geigen,
©traftb. 8lug§b. — ginnen.
Stra6b. 5Muggb. - örtlin.
90 6. Obcx' unb miltclbcutfc^er 3Bortfd)aö.
^a\kx eioffar. i
Varianten.
fd^müdcn
gieren, auffmu^n
fd^naübet
trätoet, anfd^natobet
@(6nut
funfefiau
@cigo6
3in6, fteur, reut
9Jürnb. + i^oL
6ci6ranfcn laufen
gum 3tl lauffcn
fc^üttcrt
betriebt ficb
Sd&tücigcrct
Überfluß in effeu unb
trincfen
fd&lDUlfttfl
auffgeblafen
feinet ftd6
begern, begirb l^aben
8ctnt8
ungeleutert b^ntg,
Strafeb. SlugSb. — to(
fcmptlic^
miteinanber
richten
fe^beu, reutteren
@ottcr
faal, fummerlaub
Spaltung
gancf, fitoitracbt
©pntter
fpre^fe
^püßnife
gefpenfcbt
8tad^el
eifene fpife an ber
feblt Slugsb.; Strafel
ftangen, fcberpffe
f^erpffe.
©tac^cl lencfen
ficb gegen bem fpife
feren
feblt 5lug§b.
fteupen
mit rfittenaufeftre^*
d^en
ftorrifl
toiberfpennig, ftre^tig
Stufen
ftaffer, fteig
toblen
ftroffen , berafflen,
Strafet Slugsb, — be
nacbreben
len»
taugt nit
gimpt nit, ift unbitticb
tauchen
tuncfen
Xmid)
gautter, golter, fer=
gen
^^ugöb. — gantter.
teufc^cn
betriegen
töpfcrcn
erben gefcbir
2^^ränen
trebern, gebren
Xnmmd
getbön, gefcbre^
^rieftcrn
grüfcb, treber
1
Obcrbcittfc&c Sibelflloffare.
91
ä^afler ©loffar.
S^arianten.
iiberertd)t
übertäubet
tjcrbanncten ftcö
teröortetlen
ücrjüttet
öcrfeftniad&tcn
tjcrftorgt
öcrtritt
Ufer
iimbrinflcte«
unbcutlic^
untücf)tto
untbabeüd^
Unöerruglid&feit
unüertDcIcfücö
iirbtttig
^or^aut
ouögeiottct
mat
itjegeren
lüetterlüeiibifc^
tücilanb
tDtd^tige
gerrutten ©tun
3tegenfcff
3erf ekelten
I überantlDort, gegeben
] crtrucft, tempfet
j machten ein bunbt
! ntiteinanber
fd^ebigcn, betricgen
i)erbunben,untbtoicfclt
! öerfamen, crltgen,
öerberben
! öcrirret
i t)erfpri(J6t üertoefcn
j geftab
' umbgaben, umbfre^s
j feten
i unöerftentUc^
; ungefd^icft, unntt^
j unftrefflid6
I nnbetocglicö^nnerftörs
: Itd)
' attiücg grunenb, ntt
i bere^tt, toittig
! nnbefc^nttten
I Don ber rott abgc-
[ fiinbcrt aufegcrnt
m.
getoanbt, fle^b
ftd6 totbern ober lüeren
unftet
etlüan, öor weiten
fc^toere, (afttg
3*
böfe öerfcrtc ftnn
gepfefett, fi^enfel
gerfloben, gcrfpaltcn
(Stra6b,2luggb. — fd&äbigem
(Strafeb. 2lug§b.— umtoicf elt,
Sluggb. Straftb. — erügen.
(Straftb. ein ftab.
<Stra6b» Unbetoeglidöfeit.
2(ug8b. fef)It gang.
(Strafeb. dlnxnh. ?lug8b. +
ober fd&lüeCd.
(ötrafeb. Slugöb. — bon ber
rott abgefünbert
7.
1Hiir5er5mtfrfj un5 ^orf|5eutfcf|*
2)er !Jlamc '®cutfrf)' gilt mic für alle 9)lunbartcn fo aud^
für bie uieberbeutf(^en. ®rft mit bcm 16. 3fal)rl^unbert fotnmen
genauere Sejeicfinuugen auf, bie burd^ ben ©egenfa^ t)on Ijod^beutfd^,
oberlänbif df) , oberbeutfd^ uub oberfädE)fifd6 angeregt finb. SJlan
fprid^t ju 8utf)ers; Briten öon nieberldnbifd^er , nieberfdd)fifd^er
©prad^e unb befonberS gern t)on faffifdE)em 2)eutfd^ (fciffefd^e 2)übefd^,
neberfaffiffe ©prafe), um ba^ 2)eutfdE) ber nieberen ßanbfdiaften
t)on ben ^oc^beutfd^en 3)iale!ten ju unterfdE)eiben. 8anbfd)afttid^
rebet man gelegentlid^ aud^ t)on ber pommerfdEien, ber l^otfteinfd^en,
ber meftföUfd^en ©prad^e. ^
S)a§ bie nieberbeutfdE)e ßautftufe einmal burd^ gang 3)eutfd^-
lanb gegolten unb ba§ fie nad^ unb nad^ t)or ben neu erftel^enben
]^od^beutfdE)en SpradEigefe^en jurüdEgen)idE)en , ift eine ber älteften
®ntbedEungen in ber beutfdE)en ©prad^tDiffenfdEiaft. ©dE)on ba§ 16.
3EaI)r^unbert jtoeifelte nidE)t baran. ®ine Stiatfad^e lelirte bereite
bamalg ,, ba§ ba§ SRieberbeutfd^e eine auSfid^tSlofe ©prad^ftufe fei,
ber baä mäd^tig t)oranfd^reitenbe §odE)beutfd^ ftetig 9laum abgetcinne.
©d^on in jener 3eit n)u§te man, ba§ ^aüe einft nieberbeutfd^e
Urlunben au^gefteöt l^abe, aber gänjlidf) l^od^beutfd^ geworben fei.
1 ^te nteberrl)etnifc^en 3}iunbarten tüerben öon bemfell6en Sal&r^unbert
aU 'toaÜänhiW be^eic^net in Dberbeutfc^lanb, too trat, t>at für toö6, öae
alg befonberg cf)arafteriftifcö nad) Xfcf)ubt mpM JHptia «S. 113 «nb @cb.
JJrancf ©ermania 837 b em^jfimben totrb.
7. D'Heberbeutfcfi unb §od)beutfd). 93
SBom 14. 3SQ]^rI)iinbcrt an ^at fid^ ti)atfä(ftUdö bic mittclbeutfd^e
©prad^grengc t)on Silben naä) 9iorbcn t)erfc^obcn.
®ie ganjc Setüegnng ber ÖautDcrfd^iebung toax non Süben
imd^ 9lorbcn t)orgebrungen , anf änglid) mit großer ©d^netfc , bann
a6er fraftlos nnb matt. <^aüe xuib SJtcrfebnrg finb bic anfeerften
^n!te bcö Jliebcrbentfc^cn um 1300. ^n 5!}tcrfeburg Dotfjiel^t
fid^ ber ltmfd^tt)nng gum 3DlitteIbeut)c^en bereite 1340; biß ettt)a
1390 tierrfd^en in §aHe nieberbentfd^c Urfunben, nnb um 1477 ift
SKittelbeutfd^ bie ma^gebenbe ©prad^e, n)äl)renb bas JJieberbeutfd^e
nur no(^ fümmerlidf) in ben niebrigften @dE)id^ten ber SeDöKerung
lebt. ^ 3!JlanöfcIb, SJBattcnrieb, ©iölebcn, üölbxd finb nieberbcutfd^e
Drte, bic aber im 15. i^al^rl^unbert mittclbeutfd^e ßonfonantcn=
gebung annet)mcn unb in i^ren Ur!unben burdfifül^ren. 3m 33c=
ginn bc§ 16. Sfatjrl^unbcrtö bringt ha?> SJlittelbeutfd^c bis in bic
Sißjcfe SJlagbeburg t)or.
®cr ©runb bicfer gangen Sctücgung ift unbefannt. @ö be=
rul^t auf einem organifd^en ^ßroge^ in ber SBoüsfpradEie, nidE)t aber
auf UtterarifdE)em ®influ§, ba§ in einem beftimmten ©ebiet bie
nieberbeutfd^en t k p ber mittelbcutfd^en SJlorm ber SßerfdE)iebung
folgen, ^ebenfallö t)at ber ^roge^ fd^on Dor ber 9leformation unb
burd^aug unabl^ängig t)on ber jfteformation ftattgefunben. SBieöcid^t
ift er burd^ ben Umftanb begünftigt tt)orben,2 ha^ bicfelbc 8anbfdE)aft
ftar! mit flat)ifdöen Elementen burdE)fe^t unb barum tDcniger toibcr=
ftanbsfal^ig tt)ar; man red^ne bagu, bafe gerabe auf bemfelben
SBoben aud^ Slngcln n)ol^ntcn, bic bis ettt)a in§ 11. Staljrl^unbert
il^rer alten eigenartigen ©prad^e treu geblieben toaxm, ®ö toax
mitl^in ein ßanbftrid^, ber burd^ a5ölfer= unb ©tömmemifd^ung
©efd^mcibigfeit unb 5iad^gicbig!eit feiner ©prad^e erlangt l^attc.
@ö fommt bagu, ba§ feit diter 3^it 3iieberbeutfd^Ianb im
allgemeinen ber benad^barten SJlunbart 9}littelbeutfdE)lanb§ fpradfiUd^e
3ugeftänbniffe gemad^t l)at. @o l)at im l^öfifi^en B^italter ein
1 f5r. ^ülffe in ben ©efc^i^tsblättern für aWagbeburg XIII, 166;
Tümpel »eitr. 7, 99; ^eb. fdtdj @ernt. 26, 351.
2 fjriebr. 3arnrfe »eitr* 7, 19.
94 7. ^Meberbeutjct) unb ipoctjbeutict);
nteberbeutfd^er ©id^ter — Sfibred^t t)on ^atberftabt — in mittet
beutfd^er SJiunbart gebid^tet. Slud^ I)abcn bie meberbeutfdEien SJtunb-
arten ftül^ an§ ben benad^barten t)odE)bentfdE)en ßanbfd^aften SBott=^
inatertal geborgt, ©eit bent SBeginn ber 33nc^bmdferfnnft begegnen
in alten 3)rudfen tt)ie in mobernen 2)iate!ten SBorte üon unjmeifet
tiaft ^oci)bentfc^eni ßantgepräge mie ganj, rcijeti, (Bbt}c^
fd^wat^cn, trotten, ^cr$, ©c^merj, ^ilj/ Äunjel, Jvcnjel^
®c^ai3, ([^lanj, jiercii, Sorit, fpiij, Sie^e, Äreia, tanjen;.
jitterfT, XOurfcl. 3fa üereinjett übt fogar bie ]^od^beutfdE)e fjiejion
in nieberbentfd^en ©ebieten 6infln§; tüir treffen in öerfd^icbenen
Srndfen ba^ neutrale =s tt)ie in aUea, einea, blirrbea, olbea,
liebea, audf) ettoae, n)o tüir nieberbentfd^eS t extoaxkn müßten.
@o tDxxb e§ begreiflid^, ba§ mit bem Seginn beg 16. ^af)X'
t|nnbert§ einzelne plattbcntfd^e ©tabte in ben I)öt|eren ®efellfd^aftö=
Haffen bereits bem ^oc^beutfd^en weiteren ©pietranm gaben. 3lux
benfe man babei nid^t an gnteS reines §oc^bcntfd^. ®§ ift ein
fonberbarer Stöitterjargon, ben n)ir ba feigen. Über bie ©|)rad^üerl)ält=
niffe t)on SJiagbebnrg, tt)o aüerbingS ber 2)ialeft l^eute faft gang t)er=
fdfimnnben ift, finb tt)ir burd^ ben SiatSl^errn ©eorg SorquatnS (um
1530) unterrid^tet ; berfelbe l^at feine 33iogra|)]^ie in einem furd^t=
baren 9JlifdE)mafd^ üon SJlei^nifd^ unb 9licberbeutfd^ gef d^rieben : ba
toed^feln ©ä^e *idE l^ebbe be ©d^ote befoc^t — ic^ lebe bir mit SJlnnb,
^erg unb %i)ai\ 2lber er fielet ba§ 9}lei§nifd^e aU fein 3fbeal an ;
tiefem mu§ baS «l^eimifdEic Siieberfäd^fifd^c immer mel^r angeglid^en
»erben; bie jufünftigen ©taats= unb ,Rird^enbiener foü man öon
Äinb^eit an mit ber ©d^önl^eit be§ SJlei^nifc^en vertraut mad^en.
Qüx Hamburg bejeugt ber ©efd^id^tsfd^reiber 6ran^ ätinlid^e
Sßerl^äftniffe in feiner 1517 berfafeten '©ajonia': ,,®S lieben i^t
aud^ an bie unfrigen fic^ gu befleißigen ben oberen 2)eutfd^en i^r
Äirren nad^jureben". Unb fo ereifert fid^ 1582 ber ßejtfograpl^
ß^^traeuS gegen biejenigen, tt)eld^ei]^r Patt mit SBrodfen anbereraKunb=
arten mifd^en unb e§ babei bod^ gu feiner reinen ©|)rad^e bringen.'
S3urbaciö, Einigung ber n^b. «öd&riftfprac^e 8. 16.
©rcngöerfc^tebunöeit. ^talcftmifdöung. 95
®tefc§ gtt)tfi(i)te ^ 3)eutfd^ ift bemiemgen ätinlidf), bag mir auf
id^toeigcrifd^em SSoben !ennen gelernt ^aben. 3)a treffen n)ir in
bcmfelben ©d^riftftütf ober SrudE §0(^= unb ?lieberbeutfci^e§ in
buntem, regeüofen ©emifd^. 3)er ^omnxer Sugenl^agen fd&reibt an
bcn Hamburger JDiagiftrat einen ^o(i)beutf(i)en Sörief, in bent fcriben
für fc^rciben, ebber für ober begegnet; nmgefelirt entl^ält feine
nicberbeutfd^ gefd^riebene ßird^enorbnung Don 33rQunfci^n)eig jal^t
reid^e l^odibeutfd^c SBortformen. Überaö auf nieberbeutfd^em ©|)radö=
gebiet begegnen foldEie SSJlifd^öerl^ältniffe , bie tt)ir burd^ eim ^ßrobe
aug einer antireformatorifd^en ^lugfd^rift au§ ®o§Iar Don 1521
üeranfd^aulid^en tt)oüen. 2
Xaffeln unb S3ilbe ^aben fie geriffeu ba^l,
8anct ©iöeunu^ l^aben fie laffen ftaf)n;
bcn beten fte mit SBud^arbuS ^eutigeg 2^agc8 am
mit bcn filbcrn ©öfecu f)abcn fie gebrcfcn i^ren ^pott,
fo tauge ba^ fie bk friegeu unter i^reu JHorf
unb öaben fie getrau in bcn S3anu,
bamit ba6 fie fie hvaä)ttn ba\)an;
bamit rat)mcu fie be ^o^r, bat bar l^ctt ein 2od) 2c. 2C.
3)at mofte fiu alto^mal JJautafei 2c. 2c.
^an fagt, bafe l^abcn bie getrau,
bie bog ©otteg SBort tooltcu öorftau,
bit fid^ @otteg SöortS tftun beräumen,
ber tüir ctlid^ lüoffcn t^un noimen.
3)ei erfte fteit iQang Dlaloen
bei ftarf bot filbcrn SBircffatt in be matotn.
S5a hjonet od einer nid) lüit^en,
bei bebe mit be fülöern (Sat^arincn bcrglicfen 2c, ac.
aOBir mögen fold^e 3Jiifc^ung t)on §od^= unb SRieberbeutfdö,
fold^eg SJleffingifd^ läc^erlid^ finben ; aber unftreitig ift baburd^ ein
enbgültiger Übergang jum reinen @dE)riftbeutfd^ Vorbereitet unb
* Sr* 3arucfe ^at biefe Söegeidönung eingeführt in feinem (£ato unb
^larreufd^iff, @onft gilt bafür *meffingifcö' (feit 2(belung bezeugt),
2 ^(agefc^rift 8. ©tep^ani; fie fd^eint oerloren gegangen gu fein; ic^
Sitire nad6 ^rumpt)g @ograrifd)e <i!ir4en^iftorie, (Soglar 1704 8. 13,
96 7. Dlieberbcutfcf) unb ^od^beutfcö. .t
angebal^nt. Unb toir bürfen bal^er bcn ©eorg S^orquatus nid)t
Derurteilcn, ber felbft folc^ gmilidötcö S)eutfdö fd^reibt unb jugleic^
anbete bafür begeiftern mU,
2lbcr in bcn Srudfen überwiegt biefcö SJlefftngifd^ nirgenbö.
Übcraö I)errfc^t bis auf ßutl^er uneinge)ci^ran!t ein leiblid^ forreües
Jlieberbcutid^, bas fid^ t)on l^od^beutfdöen ßel^nmorten aöerbings nir=
genbö ganj frei I)alten !ann. ®tne reid^e ßitteratur ift aus jener
Seit erl^alten geblieben , tüoüon bie Slepertorien t»on ßinberling,
@cf)eöer unb 9BiedE)mann berebtes B^ugnis ' ablegen. SSßie einge=
murgelt bie 9}lunbart tüar, geigt fic^ aud^ barin, ba§ l^od^beutfd^e
SBerfe nur in nieberbeutfd^er Überfe^ung Eingang unb SBerbrci=
tung in 9tieberbeutfdE)Ianb finben !onnten. @o toax e§ naturgemäß
Dor 8uti)erö 2luftreten. 3(ber aud^ nod^ ettüa 50 Satire nad^ bem
33eginn ber 9leformatton treffen n)ir nieberbeutfd^e Überfe^ungen
t)on l^od^beutfd^en Driginatoer!en an.
ßutliere; neues Seftament erfd^eint t)on 1522 an in 15 nieber=
beutfd^en 2lu§gaben. 2ludE) ©mfers neueö Seftainent n)irb (1530)
nieberbeutfd^ g^brudft. 1522 erfd^einen ^oi). SauterS Sermones
in einer nieberbeutfd^en Überfe^ung gu ^alberftabt, 1565 gu fyranf=
fürt. 1528 gibt 2lgricoIa feine ©prüd^tDörter in nieberbeutfd^er
©prad^c l^erauö. 2luf mel^rfad^e Slufforberung l^in überfe^t 1542
8ubn)ig 3)ie^ in Stofloi ©ebaftian ^rantfs 33üdE)Iein „t»oni ßafter
ber Srunfen^eit", ba bie Originalausgabe „ber ©prafe l^atoen bem
gemeinen 9}lann unüerftönbig, na SBermögc mit ^ülpe etüfer guben
O^rünbe in büffe faffifc^e ©prafe".^ ©o n)urbe aud^ noc^ 1557
ein 'Sroftbüd^Iein' „aus l^ol^em 2)eutfd^ in unfcre fäd^fifd^e ©prad&e
gebradE)t": „3iabemmale be ot)ertänbefd^e ©prafe einem iberen nid^t
fo UdE)tli! to t)erftanbe is alfe unfe egen angebaren ©|)rafe — fo
äußert fid^ ber Überfe^er ^ — fo l^ebbe idf it for nütte unb ber
W6\c tt)oI n)ert gead^tet, np bat t)eten einfolbigen ©l^riften barmit
gebenet tooxbe, bat fütüe 33öfefd^en in unfe faffefc^e ©|)ra!e to
tranSfereren".
SBtec^mamt I, 187; II, 25.
Überfefeungcn aus bem ipb* ins ^bh. unb am bem 9lbb. ins ^b» 97
Über^au|)t toaS für ungebilbete ßaien beftimtnt ift, tritt in
her 33ol!0fpracf)e aiif, audf) aU ba§ §o(i)beutfd^e bereits feinen ®in=
gug in Slieberbentfd^lanb gehalten I)at.
2)ie 33ibel unb ba§ neue Seftainent werben in nieberbeutfd^er
Sprad^e jum legten SJlal gebrudt in Stettin 1604, in ßübed
1615, in Hamburg 1620, in ®o§Iar 1621. ©oldEie SDaten be=
njeifen aber, ba§ n)ir ben eigentlichen ©ieg ber ßitteraturfpradfie
frülier anfe^en muffen, ©efangbüd^er, Äated^iSmen, biblifd^e Sejte
muffen bem SebürfniS audf) ber tüenigft ®ef(i)ulten entfpred^en unb
entgegen fommen, großen 2eil§ ani) ber länblic^en SBetJölferung
bienen. S)ie 23ett)o^ner ber ©tobte unb gumal bie gebilbeten klaffen
l^aben fid^ natürlid^ tüeit früljer ber importirten ßitteraturfprad^e
anbequemt.
SBöl^rcnb ber legten <&älfte beö 16. i^al^rtjunbertS begegnen
nicf)t feiten 3)ru(f tt)er!e , bie aus bem Jlieberbeutfd^en in§ §o(i)=
beutfc^e übertragen finb. ©d^on 1538 mürbe bie nieberbeutfd^ ge=
fd^riebene pommerfd^e S^roni! be§ Stomas Äan^om, bie gemi§ im
loefenttid^en für ein nieberbeutfd^eS 5ßublifum beftimmt blieb, ins
§odE)beutf(^e übertragen, offenbar meil ba§ neue Seutfd^ für feiner
galt. 1543 erfd^eint nieberbeutfd^ in SloftodE eine ©c^rift *t)on 8of
unb Unfd^ulb ber tJroumen' unb mirb nod^ im felben ^al)xe eben=
bafelbft 'au§ pommerifd^er ©prad^ in mei^nifd^e gebrad^f.^ 1563
tüirb bie SSraunfd^toeigifd^e rßir(^enorbnung, bie ber 5ßommer 93ugen=
^agen 1528 in nieberbeutfd^er ©prac^e gefd^rieben l^atte, im 2tuf=
trage beö SJlagiftratS ^ocf)beutfd^ ausgegeben. 1599 tt)irb ^oij.
^eterfenS l^olfteinifd^e ß^ronif, bie 1557 in nieberbeutfc^er ©pradE)e
erfd^ien, burd^ S)räucr inö ^od^beutfd^e übertragen: „@S ift biefe
g^ronif anfänglidö in fäc^fifd^er ©pradE) befd^rieben unb t)on Dielen
ratfam erad^tet, ba§ fie i^t jum anbern Wal in ^oc^beutfd^er ©pradf)
ausging, bamit fie an allen Orten teutfc^er ÜRation gefc^en unb
gelefen tt)erben möge"; ber Überfe^er bittet, „baS fd^ledftte einfal=
tige SeutfdE) i^m als einem unerfahrenen gum beften ju tt)enben".
1 SBiec^mann I, 138, 230.
luge, 3Son Siit^er hii it\[inci* '^\ Aufl.
98 7. ^JlicbcrbcutW unb ^oc^beutW,
1597 übcrfe^t fjorftenoh) eine mcbetbeutfd^c ©d^rift DtbcnborpS
*öan aiabMagenbe* (15eS0) in§ §od^bcutfd&e.
SBte bte ©d^tociger fud^cn alfo aud^ bic 3iteberbeutfd^eu an
bcr großen titterarifd^en 5probuftton teitjunel^men unb bem ©trebcn
be§ Sfal^rl^unbcrtg ju l^ulbigcn, bie SBirfungen bcr ®rudfh)erte ntd^t
burc^ ben l^ciniatUd^en ®iateft einjuengen. ®er mct^nifd^c 3iad&=
barbtaleft ermöglid^t einen »eiteren ®rfotg. ^n Dbcrbentfd&tanb
toax bie ©|)radE)e ber mittelbentfc^cn ßanbfd^aften öerftänbüd^, aber
ba§ TOeberbeutfc^e toax bort nnbefannt. ^m 15. ^al^rl^nnbert
töurben in fübüd^en tßanjleien, fogar in ^ranffurt a. 501. nieber=
beutf d^e ©d^riftftüdfe öor ber offijieöen SJertefung erft überf e^t. ^
Sin biefem Unifd^n)unge , ben roxx in bem SSerl^altnig öon
^od^beutfd^ unb 3ileberbeutfd^ beobad^ten, l^atte bie fird^ftd^e 9le=
formation einen l^eröorragenben Slnteil. SBie in ben oberbeutfd^en
ßanbf d^aften , fo fanb aud^ in SWieberbeutfd^tanb bie litterarifd^e
2;]^ätigfeit ßutl^erS begeifterte Slufnal^me. ©etbft ein SRiebcrbeutfd^er
feiner Slbftammung nac^ , lebte unb leierte er in einer nicberbeutf d^en
@tQbt,2 bie aöerbingg ben mei^nifd^en ®ialeft in il^ren l^öl^eren
®efeüfd^aft§flaffen bereite eingebürgert l^atte. ^l^m toax baö 3iieber=
beutfd^e t)on 3ugenb auf gelaufig, toie er aud^ fpdtcr mit §ülfc biefeS
3)ialeft§ gelegentlid^ fomifd^e SBirfungen ergielt.^ 2)ic Slüdffid^t
auf bie Jlieberbeutfd^en l^at il^n gett)i§ l^äufig in ber SBal^l feiner
SBorte beftimmt, n)ie er benn öon ,,Dber= unb Siieberlanbcm"
gelefen unb t)erftanben toerbcn sollte. 6in großer ßreis nieber=
beutfd^er greunbe unb @dE)üler, n)ie SBugenl^agen, 6rasJmu§ Sllberu^
ftanben l^elfcnb unb förbemb neben bem SO'leifter. ®urd^ fold^e Um=
ftanbe getoann ber 9leformator ben Jiorben ©eutfd^lanbö in lurjer
3eit, unb frül^ fdE)lug feine ©prad^e l^ier feftc SBurjeln.
f^rül) finb t)or allem bie ßird^enorbnungen l^od^beutfd^ ; toir
' SBülcfer ©ermanta 28, 196.
2 S^^^xd(i)t nteberbeutfc^e 3)rucfe finb au8 Sötttenberger 3)rucfcreicii
^eröorgegangen.
* „®i lieber, bat is fcarp, boc^ nid&t bat fferpftc" : SSeranttüortung ber
aufgelegten Slufruf)! öon ©erjog ©eorgen ßcipgig 1533 S3 iü b;
2)ic S^lcformatiom Äirc^enotbnungcn. 99
treffen foldfie 1524 in SJlagbebnrg unb 1525 in Äönigöberg.
1539 tä§t ber @ii|)erintenbent 9lnt. ßoröinuö in Jlorbl^eini eine
l^odöbcutfd^e fiirdfienorbnnng erfd^einen; aber am ©d^Iufe berfelbcn
gibt ber ©tabtrat feine SBeftatignng baju in nieberbentfd^er ©prad^e.
Site int Saläre 1542 eine in @rfnrt gebmdte ßird^cnorbnnng für
33rannfd^n)eig nnb ßünebnrg nnter ber ^erjogin ßüfabetl^ in ^oä)-
beutfd^er 9Jlunbart erfd^ien, entftanb aüerbingö unter ben ^Pfarrern
ber ßanbfd^aft eine £)|)|)ofition , todä)t naä) einer fäd^ftfdfien 2lu3=
Qait t)erlangte, fo bafe berfetbe Slnt. ©oröinuö 1544 eine nieber=
beutfd^e Sluögabe jener Äird^enorbnung ^ öeranlaffen ntufete. S)a^
nieberbeutfd^e 35ortt)ort üon 1544 gab bem ®u:|)erintenbenten ©e^
legenl^eit, feinen SO'li^ntut über bie Slngelegenl^eit ju anfeem. ©eine
SBorte, bie für bie 3luffaffung beg äjerpltniffe^ öon ^06)- nnb
9lieberbeutfd^ toid^tig finb, üerbienen I)ier mitgeteilt ju »erben:
^^SRabemmate ftdf bat nteifte 2)eet mang iun) fo lange l^er beflaget,
fe fönnen fidf in ber oöeriänbifdEien Bpxah, in n)elferer be ntgegane
förftüfe Crbeninge gebrntfet, nid^t tt)ot fd^idfen unbe barum me be
fütoe leöer in faffifdE)er <Bpxah lefen »olben — fo l^ebbe idf —
iuto unbe iumen ^ßarfinberen , be funber %toxt)d od gerne öljrer
50lobcr ©prafe'^ teöer mnn eine frömbe l^ören, to gube mit bem
S>rü(f er ^enninggo 9lubeno gel^anbett, bat l^e be genömebc Crbeninge,
fünberlidf fo öeel alfe ber fierdfen Zeremonien belanget, in faffifd&er
Qpxdtc nod& einmal upgetegt unbe gebrudfet l^eft. @o gl) benn nu
neue ©ntfd^ülbinge, barmebe g^ iun)e SRatatid^eit länger fmMen
funbt, meer l^ebbet."
1 ©firiftlife ^crfenorbeittnge, Zeremonien unbe ©efänge bor arme un*
gefd^tdcbc ^arrl^erren in bem (öfitfcn fjörftenbome ^ertogen @rtf§ geftcllt unbe
in ben S)ru(f gegcöcn. §annoöcr 1544;
* SBir l^abcn bicfer (Stelle and) beSioegen einen dianm fjitx öergönnt,
toeti fte bie Ic^te Sßorftufe für unfer n^b. llTutterfprö^^e gibt. SIuc^ bei
ßutf)cr ftnbct fid^ *feiner 2)lutter (Bpxad)': S3om 2lnbetcn bcS ©acrament beS
^eiligen ßcic^namS, Sßittcnbcrg 1525 ^ iii a. Übrigcng liefert biefcr Sluffafe
mel^rere 23e(egc für 'angeborene (Bpxad)€ aus nieberbeutfcften 2^ejtcn. 3)cu
frü^eften mir bekannten öeleg für I17utterfpra4)e cntf)alten bie <S. 46 an-
öcfüf)rten SBorte beS SßaL S3ol6 oon 1539, 3m allgemeinen ögl* oben <B* 2U
7*
100 7. ^JUcberbcutfrf) unb ^oc^bcutfd^.
SBer t)oni Stanbpunft ber Sieformatton aug biefen Äouflift
betrachtet, »irb ntd^t iiml^in fönnen, bem Siiperintenbenten Unrecf)t
gu geben, ©urcö ßntl^erS SBorge^en I)atte bie äJoltefprad^e ben
©teg errnngen. Unb nnn brängte fid^ ein frembeö Sfbiom anf
Soften ber 9}lntterfpra^e in biejenige ©telinng, an§ ber bas
öatein eben erft t)ertrieben. ®ö toar nic^tä afe eine notmenbige
fjolge t)on 8ntl)erö Oppofition gegen ba§ ßatein, baß gerabe in
ber gefpro(^enen @prarf)e ber ßirdf)e, gnmal in ber ^ßrebigt, bie
]^eimif(i)e SJJlnnbart fid^ noc^ lange erfjielt, a(ö ßitteratnr nnb
Äanjieien bereite ber freniben gefolgt toaren.
3lnf ber Mangel ^errfd^t — fo gnt n)ic in ben populären
©rbanungöbüd^ern — mit 9lüdEfi(^t auf bie gro§e SJlaffe bnrd^
baö 16. 3ß^^f|unbert beinal)e uneingefd^ränft ber <^eimatöbialeft.
2l(ö ber Hamburger 9lat 1528 unfern Sleformator um ®m^fef)lung
einer 5ßerfönlid^!eit erfud^te, bie Umgeftaltung ber fird^Hdfien 23erl|ä(t=
niffe ber ©tabt gu leiten, bat ßutl^er ben ß^urfürften um Urlaub
für ben an^ 5ßommern gebürtigen 23oIben)an, ber ju 33eljig 5ßfarrer
mar. 3^n ^ielt ßutl^er für bie geeignete ^erfönlic^!eit, „toeil er
ber Bpiadjc unb beS ßanbe^ funbig fei" (ßut^erö Söriefc S)e 3Bette
III, 346). Sm ^a^re 1530 bat ber 9tat t)on ©öttingen ßut^er
um ©nipfe^Iung Don gmei ©eiftIidE)en ; ßut^er fdE)Iägt im ^i^ttuar
1531 ben Söafiliuö unb ben SBirnftU bor; jener fönne oberlänbifc^
unb nieberfäc^fifd^, biefer fei beö ?lieberbeutfd^en nic^t ganj mäd^tig,
aber leicht gu t)erfte^en, loie aud^ in 93raunfdE)tt)eig bod^beutfc^e
^Prebiger miUfommen feien.
@rft feit 1600 ift baa ©c^idEfal ber bisherigen Äangelfprad^c
ungmeifel^aft. »konnten am ©(^Iu§ bes 16. 3al)rf|unbcrtg gioci
^Pfarrer auö ber ©egenb t)on Jiorbl^eim ^ nodf) barüber ftrciten,
ob ^oc^beutfcf) ober nieberfäd^fifd^ in ber rßircf)e gu Mijkn fei —
fortan oerftummt bie nieberbeutfd^e 5ßrebigt aller Orten, ^n §am='
burg,'^ n)o nac^ ßappenbergö Ermittelung im ^al^re 1603 ber
» Muh, ©ilbebranb, ©rciiäboten 1860 I, 111.
2 Über Hamburg ün^ ^appcnberßS fiaurembergauSgabe @. 236 unb
(uad) einem gütigen ^^ad^meife be§ §errn Dr; g. 51. (^xopp in Hamburg)
ipoc^beutfd^e ^ßrebigt. 101
offiäieHc Umfd^iDung ju ©imftcn bcö §oci^beutf(i)eu afe Äird^en^
ober 9ledöt§fpradöc ftattfinbet, ift Sfoliann »iefter (1628-1664)
ber le^te ©etftlid^e, ber plattbeutfd^ prebigt; unb naä) ©d^uppiiig
in ber 'ßl^rcnrcttung' 1659 nxufe fein 35crl)alten bamate giemlid^
öereinjelt gemefen fein. 3n ^Pommern maren @d^ti(i)tmll (f 1647)
unb matti). ßempe (t 1649) ju ßolberg bie legten S«ac§jngler.
.^n Flensburg n)urbe f(i)on feit 1600 l)0(i)beutfdö ge|)rebtgt unb
jtDar t)on einem ^olfteiner; in §ufum tt)urbe 1617 tjod^beutfd^er
©ottesbienft eingefüljrt ; unb um 1665 l^örte man felbft in fleinen
Drtfd^aften @(i)le0tt)iga !aum nod^ nieberbeutfd^ in ber Äird^e,
nad^bem feit 1650 ber bortige ©eneratfuperintenbent — ein ge=
borener SBeftfate, 9kmen§ ÄIo^ — nur ba§ §o(i)beutfci^e im ©otte§=
bienft bulbete. Unb in ber @t. Sllbansfird^e gu ©öttingen fott
bie nieberbeutfd^e ^rebigt eitoa 1630 öerftummt fein.
Seitoeife ift bie Unfat|igfeit ber ©eiftlidEien in Ijoc^beutfd&er
Qpxai)e frei ju reben ber tt)irltid^e ©runb für ba§ fortleben ber
nieberbeutfd^en SJiunbart in ber ßird^e. 3in benfelben Siöjefen,
für beren ©eiftlidEien 1544 ber ©uperintenbent Slnt. ©oröinuö bie
nieberbeutfd^e Übcrfe^ung einer urfprüngtid^ l^od^beutfä^en ßir(i)en=
orbnung l^erauögegebcn I)at, fel^tt e§ nodf) im SSeginn beö 17.
3a]^rl)unbertg faft gänjlid^ an ©eiftüdEien, bie l^od^beutfd^ fönnen.
W)tx e§ fann bod^ tDoi)l feinem B^öeifel unterliegen, ba^ bie fci^rift=
fprad^Iid^e 33en)egung, toAi}e in ber reformatorifdEien Söctt)egung
tDurgelt, im ganjen an ber |)roteftantifci^en ©eiftlidEiIeit t)ielfa(i^e
5örberung gefunben t|at. 2)er ®rfotg, meldten ßutl^erä ©d^riften
i^atten, tt)UG^§ burd^ bie ^Berufung öon ©eifttid^en, tt)eld^e I)od^=
icutf d^cr Slbftammung tt)aren ober auf l^od^beutfd^en Uniöerfitaten
ftubirt l^atten.
®aju red^ne man bcn 6influ§ ber ßanjieien. 2Bir treffen
©cöuppiug (Schriften ($anau 1663) @. 671; über ben Pfarrer ^empe
t)gL a)larttn S^langeg Origines Pomeranicae, föolberg 1684 (S. 230; über
^ufum \)Ql mm <©♦ 76. Sm übrigen f. 6, %. Sitten ©efd^. b. bän»
^pXi in 8d^Ie8lütg 1, 97 unb Solft. ^ato» SJItd&aeltS Oratio de ea Germaniae
<)ialecto qua in sacris faciundis etc. utimur ©öttiugeu 1751 ©. 28,
102 7. SWicbcrbcutfcö unb $oc^beutf(i&.
an niebcrbeutfd^en C^öfen nid^t feiten Äanjier öon l^od^beutfd^er
§erfunft (C^egetotfd^, ©d^tegn)igg unb §otftetn§ ©efd^td^te III, 79);
bte beiben t)on ©d^önetd^ am SJietftenburgifd^en §ofe, 9lnbreQ§
33arb^, ber Äanjter be§ ßöntg ß^l^rtftianS III., Slbam Sliraciger,
ber langtet ^erjog SlbolfS öon ©ottorf, loaren l^od^beutfd^er 216-
ftammung. Salier öoüjiel^en aud^ bte größeren ßangleien be^
nieberbeutfd^en ©J)ra(i)gebiet§ nod^ toal^renb be§ 16. ^al^rl^unberfe
ben Übergang gur mobernen ©dfirififprad^e.
3[n ,Römggberg tritt um 1530 ber Übergang jum ^oi)-
beutfd^en ein. 3n ^Pommern ftamnxt bie erfte Ijod^beutfd^e Urlunbe
t)on 1541, unb 1604 fd^eint bie fpatefte |)tattbeutfdE)e Urfunbe ba=
felbft aufgejeid^net gu fein. 3n SfJledftenburg finb bie l^ergogUd&en
Sieffripte bi§ 1542 nieberbeutfd^, feit 1548 J^od^beutfd^ ; nac^mei^-
bar aber \i)on feit etloa 1528 finben fic^ fürftlid^e 35erfügungen
aud^ an nil^bcre Seantte in ]^odE)beutf d^er @|)radE)e ; §ergog 5!}tagnu§
fd^rieb felbft frül) Ijod^beutfd^. 3n 33raunfdön)eig beginnt bie Äanglei
um 1550, in Dsnabrüdf um 1553, in CftfrieSlanb um 1560
l^od^beutfd^ gu fd^reiben. 3n ©döte§tt)ig=^oIftein treten mit 153^
unb 1545 ]^od^beutfdE)e Urfunben auf, unb fd^on feit 1564 n)erben
bie ßanbtaggaften bafelbft I)odE)beutfd^ gefül^rt; im gteid^en ^di)xt n)irb
ber ßanbtag mit einer l^od^beutfd^en Sftebe eröffnet. Überl^aupt nad^
1560 t)erfd^n)inbet ba§ PattbeutfdE)e ate offigiette @|)rad^e bort gang.^
®iefer retatiö fd^neöc Slnfd^tufe ber nieberbeutfdE)en 8anb=
fd^aften an bie moberne 8itteraturf|)rad^e unb bie baburd^ au§=
gebrüdfte 3lnerfennung ber 33ebeutung be§ Dberfad^fifd^en er=
Haren un§ bie oben evtoai)ntt ®rfd^einung, ba% fein ©rammatifer
für SWieberbeutfd^Ianb ©))radE)normen aufgeftettt l^at, tt)etd^e bem
t|eimifdE)en S)ialeft entf|)redE)en. ?iirgenb§ I)ören tt)ir burd) ba^
16. 3ö]^^]^unbert öon einem @|)rad^büc^tein, ba§ auf ber ptait-
beutfd^en 5!}tunbart aufgebaut todre. ®benfo öergebenS fud^en mir
* 2)ic Slngaben über OSnabrürf unb OftfrieSlanb öerbanfe i^ $crrn
@taatgarcf)iöar Dr. ^crquet in OSnabrücf ; über (öc^IcSlDtg ^at ®. ??♦ Mtn
©cfdö» b. bän. <Bpx^ im ©ergogtum ©d^leStotg I, 95 genauere 3Wittci(nngen
gemad^t. 2(nbere8 bei S3ern^arbi, (Sprad&fartc B. 104.
ipoc^beutfdö in ^an^Icicn unb ©döulen» 103
nac^ einem SBörterbud^, baö ben retdfien ©c^q^ be§ meberbeutfdEien
©prad^matertalg ju lieben für notwenbig fjiette.
greilic^ mn^tc bie Überlegung j[ebem ®infid^ttgen fagen, ba§ bie
^eintatlid^e @|)rad^e bei bent Überl^anbneftmen beg ntobernen @d^rtft=
beutfdö leidet ebenfo ber ©eringfc^ä^ung unb SBerad^tung anl)etm=
faden fonnte wie üorbem unter ber ^errfd^aft be§ ßatein. 6§ l^at
nid^t an ©timmen gefel^lt, »eld^e ben Isolieren ©efeöfd^aftsHaffen
bie aÜju bereitwillige 2lufnal^me ber ©d^riftfprad^e öerwiefen tiaben.
©0 ^at 6ran§ gewarnt int ^Beginn be§ ;3al)rl)unbert§. SBenn
aber 1582 SRatl^an 6l^^traeu§ bie SBorjüge be§ JHeberbeutfd^en
gegen baö .^oc^beutfd^e rül^mt, fo !ann biefeS 3^ugni§ nid^t fdE)Wer
wiegen. ®r war ein geborener Cberbeutfd^er, in Tübingen tiatte
er feine erfte 33ilbung genoffen. Dbwol^l er nadE)mafe öiete ^aljxt
QUöf^lie^IidE) in 3?ieberbeutfdE)Ianb lebte, i)ai er fidf) in feinen SBerfen,
gumal in Überfe^ungen nie be§ 5ßlattbeutfdE)en bebient, fonbern wie
faft alle S^itgenoffen be§ ^odE)beutfd&en. Unb biefer felbe 5ölann I)atte
bie ®reiftig!eit, in feinem Jiomenflator gegen ba§ §od^beutfdE)e auf=
jutreten unb bie in ganj SRieberbeutfd^Ianb anerfannte 8itteratur=
unb ßatijteif^rad^e afe nid^t t)ort|anben ju betrad^ten. 2lte 5päba=
gogen fonnte man ben 35erf affer t)ielleici^t entf dE)uIbigen : wollte er bem
9lieberbeutfd^en bie il^m gebül)renbe Stellung im Unterrid^t fidlem
— unb ba§ it|m bieg gelungen ift, beWeifen bie breijel^n 2luf=
lagen, weldE)c fein 3?omen!lator jwifd^en 1582—1659 erlebte —
fo ^atte er einige UrfadE)e ber nieberbeutfd^en 9}lunbart baö SBort
ju reben. 2lber eine rid^tige SBürbigung ber wirflid&en @|)rad&=
t)erl)altniffe in bem bamaligen Jlieberbeutfd^lanb barf man bei il^m
nidE)t fud^en. 3ludö bie l^öufiger erwäljute ©tralfunber @d^ulorb=
nung öon 1591 geftattet un§ feinen allgemeinen @dE)lu§. SBenn
fie gegen ©dE)ulau§gaben alter Ätaffifer opponirt, weld^e wie bie
bielbenu^ten ^rifiuS'fd^en 35irgil=2lu§gaben l^od^beutfd^e ober gar
Id^weigerbeutfd^e Slnmcrfungen ^ bieten, fo ift bamit inbireft begeugt,
1 ^ie (ötrolfunber (Sd^ulorbnung bon 1591 beseid^net ba8 ©dötoei^er*
beutfcl& mit einer im 16. 3a^rf)unbert anci) fonft begegnenben 9lomenfIatur
alg idioma Alsaticum. 3n ber ^Weiten ^älfte beffelben Sal^rl^unbertö
104 7. ^Heberbeutfc^ unb ^od&beutfrf).
bQ§ bte neue 8itterQturf))rad^e aud^ in ben ßateinfd^ulen bereite
©ingang gefunben l^at. 6ine SBraunfc^lDeiger ©d^ulorbnung t)er=
tangt 1596 auöbrütflid^, ba§ man bie ßnaben „jur obertänbifd^en
©prad^ gett)el^ne, ba§ fie bie ®})iftoten unb ßöangelicn in berfelben
©prad^ fönncn t)or bem 3tltar tefen". Um bie 5ölitte beö 17.
Sfal^rl^unbertö; tt)o be§ ©l^^traeus 9iomenflator gum testen S0tale
erfd^eint, mag aud^ in ben ©^mnafien ba§ ^od^beutfd^e gel^errfc^t
Iiaben. ©d^on feit 1635 mirb im ßübedfer ©^mnafium beö 3lati).
6^^traeu§ tateinifdE)e ©rammatif in einer ^Bearbeitung mit ijoä)=
beutfd^en ^nterpretamenten benutit. Unb feit 1665 toirb in ben
unterften fitaffen be§ Sielefetber ©^mnafiumö ein tateinifd^eö
3)iaIogbüdE)Iein gebrandet, ba§ audf) t|odE)beutfdE)e 3nter|)retamente
bietet : antiquam illam et genuinam dialectum Westphalicam
ego nequaquam improbo — fo äußert fid^ ber 35erfaffer —
attamen quia omnes eruditi in universa Germania, in scriptis
saltem, superioris Germaniae idiomate utuntur, nemo mihi
vitio facile vertet, quod ad hoc (idioma) meae fidei com-
missam juventutem a pueris statim in schola assuefacere
constituerim.^
Sfißenn bie ©c^ute bereite um 1600 bem neueren ©d^riftbeutfd^
Eingang t)erftattet, fo mu§ ber ©ieg beffelben naturgemäß frül^er
bürften au^ elfäffifdöen 2)rucfereien feine SBerfe mit bem alten ^ofalismug
mcl^r fieröorgeflanflcn fein. SBcnigfteng ift öon Sfonr* S3nrbacö, ber bie be^
trcffenbe ©tcttc anbcrS öerftel^t (©intgung ber neul)0cl&bentfcl^en (Srfiriftfprac^e
(S. 18. 20), feine elfäffifd)e <öd)nlau8gabe cincg alten SllaffiferS beigebracht.
SDie 3ürd)er SSirgilauSgabe bc§ ??rifiu8 ift feit 1561 einige Tlak mit fc^tt)ei=
3erifd)cm (1561.1567.1581) unb mit ^oc^beutfd&em (1597. 1610) 35ofa(i8muS
erfd^icnen.
* Über ^i)t)tx'dm ügl* S3nrbad&, bie ©inigung ber ncul&odjibcutfd&en
Sd&riftfprac^e @. 16. ^ic öraunfd^meigcr (Sd^ulorbnung ^at ^olbeioe^
SRonum. @erm. $äbag» I, 127 ücröffentlirfit. ^a§ S3iclefclber ße^rbud^
filiert ben Xitel Formulae latine loquendi pueriUs etc. pro septima et
sexta classibus in schola Bielefeldensi ßcmgo 1665, S)a6 baS S'licbers
bcntfc^e noc^ lange in ben ßateinfd^ulen nottwenbig bleibt, geigt Setting^ouS
im .torrefponbenjiblatt beg nieberbeutfciöcn 25crein§ 1886, (S. 4.
@d&ule unb fiitteratur, fpegiell bie Stomöbien. 105
üiigefe^t werben. SBic bie ^jJrebigt, um beu ungefd&ulten ßaien
Derftäubüd^ gu fein, ben S)ialelt noc^ bel^ält, alö bas §oc^beut|d^e
bereite überall anerlannt ift, fo laitn juuäd&ft auc^ bie Bä)nk
fdbft nicj^t auf ben ®ialeft Derjic^teu.
Slber lüeber ^anbtDerfer unb Söauern, noc^ ©ejtaner unb
©e))timQner öon öateinfc^ulen finb für benjenigen gelüid^tige ^er=
fonlid&Ieiten, ber unfere ßitteraturf^^rad&e flubirt. dlxä)i ber ZaQ,
an tüeld^em ba^ ^ocj^beuifd^e feinen ©injug in ©d&ulftuben unb
SBerfftätten geljalten, gibt unö ben Termin, öon bem tt)ir für
9licberbeutf(^lQnb ben 9lnf(^Iu§ an bie ßitteraturfprad^e ju rechnen
toben, fjür bie ©efd^ide ber neuen ©d&riftfprad^e im großen ift eö
gleid^gültig, ha^ im Saläre 1611 auf Flügen niemanb ^od&beutfd)
t)erflQnb ober hci^ ber Lüfter ^an^^ öammert in Dftenfelb bei
^ufum 1678 t)ün feinem ©uperintenbenten abgefegt mürbe, tt)eil
er nur plattbeutfd^ fingen fonnte ober tt)ottte. 3Ber eine nieber=
beutfiä^e @t)rac^gefc^ic^te fd^reibt, mnfe l^ierauf Sflüdfid&t nel)men.
3Ber aber ben ©ingug ber ©d^riftfprad^e in bie litterarifd&e 5|}ro=
bultion ber nieberbeutfd&en ßanbfc^aften fd&ilbern tt)ill, barf an ber
Sitteratur felbft nid^t öorübergel^en — unb biefe gibt uns bünbige
Slntmort auf bie ^rage, mlijc Stellung fid^ ba^ ^od^beutfd^e
fd^on öor 9lblauf beö 16. Sfal^rl^unbertö erobert l^at.
33ereit§ t)or @d^Iu^ beö 16. i^ö^rl^unbertö blül^t ba^ fjoä)-
beutfd^e @d&auf))iel in Siieberbeutfd&Ianb. 9iun ift eö für bie
©tettung ber ©d^riftf^^rad^e intereffant gu feigen, ba^ nur Slüpelfgenen
fiij im l^imifd^en S)ialelt bewegen ; ber 2)ialeft ift nur für bie a3er=
treter ber unterften ©d^id^ten beö SJoÖes t)or]^anben. 2)aö ju 9toftodE
1578 erfd^ienene @^3iel Oemefeö t)on S)amon unb 5|}l)t]^ia§ ift i}oä)^
beutfd^, aber jn)ei SBauern unb ber SBirt reben ))Iattbeutfdö. 1593
bietet §erjog §einrid^ Sulius t)on 33raunfd^n)eig in feinem i)oä)=
beutfd^en 3)rama Don ber ©ufanne nieberbeutfd^e ^iemn, 3iieber=
beutfdö begegnet nod^ in ©öbels i^di)xi 3a!obö, in btn §irtenfgenen
t»on ©eorg ^onboö ßomöbie t)on ber ©eburt ßl^rtfti 1589. 1606
finben fi(^ nieberbeutfd^e SBauernfgenen in Jioc^im ©d^Iu'ö i}oä}=
beutfc^er *^omebia Don bem frommen gottfürd^tigen unb ge^orfamen
106 7. ^TiicbcrbcutW «nb §od)bcutfc^.
3ffaQf (fRoftotf 1606). Unb 1649 mifc^t 3o^. Slift nicberbeutf^e
©jenen in fein 'freubejaud^genbeS Seutfd^lanb*.^
3n fold^en Sl^atfad^en fpiegelt ftd^ ber Umfd^lDung ber Bpxaä)-
t)er]^ältnifje SRiebetbeutfc^lanbö beffer lüieber ote in lofolpatriotifd^en
Sufeerungen r)ox\ SJlännern, bie bm S^itgeift ignoriren. ?fliä)t ber
puerile !JJomenf(ator be§ ß^^tröuö, fonbem Demefeö ©piel öon
®amon unb ^^t^ia§ ift ber ©rabmeffer, nod^ roeld^em mir bie
©tellung t)on SJlunbort unb ßitterQturfprad^e in einer nieber=
beutfiä^en ©tabt wie 3floftodE ju beftimmen l^aben. SWid^t bie 95rQun=
fd^lDeiger ©d^ulorbnung t)on 1596, fonbem bie ©d^aufpiele be§
SBraunfc^roeiger «^erjogs wirb ber ©prad^forfd^er §u State jiel^en,
ber ben ©ieg ber neul^oc^beutfd^en öitteraturfprod^e über bie
SJtunbort feftfteUt. Unb bie Säten, tt)eld^e fid^ qu§ ben l^od^=
beutfd^en Überfe^ungen nieberbeutfd^er 3Berfe unb qu§ ben ©d^QU=
fpieten ergeben, Vertragen fic^ mit ben ©d^idffalen ber ©prac^e in
ben ^ü^anjteien. ÜberoK öoBjiel^t fid^ ber Umfd^mung jnjifd^en
1550-1580. 3m legten SBiertel be§ 16. Sfo^r^unbertS ip bog
ßoö ber aJlunbart nicf)t mef|r jroeifel^aft. ©eit 1570 l^errfd^t in
ben nieberbeutfd^en ßonbfd^aften für bie (itterarifd^e ^robu!tion foft
auöfd^liefelid^ bie ©d^riftfprac^e.
3m 17. Scii^rl^nnbert finb benn aud^ bie ßlagen über boö
SSerfd^lüinben be§ Pattbeutfd^en au§ ben S)rutffd^riften nid^t mel^r
aufföttig. 6in ©rammatifer — ©ebl^arb Döerl^eibe in feiner
*t)ermerten teutfd^en ©d&reibfunff SBraunfd^weig 1668, ©. 27 ff. —
flagt, „bofe e§ einem nieberbeutfd^en ©c^reiber nunmel^r fd^njerer
fäUt red^t nieberbeutfd^ afe l^od^beutfdf) ju fd^reiben unb ju lefen".
Otto t)on ©ueridte, ber berül^mte SBürgermeifter t)on 3Jtagbeburg,
fd^eint in biefer ßoge gelüefen ju fein; feinen l^oKönbifd^en ßor=
refponbenten, hen SJerleger S^nffon t)on 3Bae§berge, bittet er um
]^od^beutfd[)e SBriefe, ba ba^ 5Ricberbeutfd^e meift au§ ber Übung fei.-
' SBqI. JBilöer in 3a*erg 3f4. f. b. m- 11> 203.
2 §ülffe in ben aWagbeburser ©efc^ic^tsbröttern XIII, 165; ipoffmanu,
Otto t). ©iiericfe @. 227.
^aS $«bb. im 17. 3af|rf|unbert ; Stimmen an^ bcr 3cit. 107
So 9cftcl)t a\x^ bcr iDcftfaüfd^c ©efd^id^töfd^reibcr ^6i). 2)tclr. t)on
©teilten, nieberbeutfd^ nur mit SKül^e fd^reiben ju fönnen;^ mit
großem Sebauern nimmt er ben Jiiebergang beö ^lattbeutfd&en
tmb baS Überl^Qnbnel^men be§ SJleifentfdöen toa^x, o6tt)ol^l er gtoeifel^
los — tote feine nieberbeutfdö=meifenifc^e SBortlifte beiocift — feiner
l^eimifd^en 3Jtnnbart tool^l funbig ift.
öefonberS fd^merglid^ aber mufete baS Burüdtroeid^en be^
JJieberbeutfd^en jeben berühren, ber mit nieberbeutfd^en Srmfen
auö ber erften ^ölfte be§ 16. ^fal^rljunbertö befannt mnrbe. „Sie^t
fd^reiben — fo tautet eine ©timme t)on 1672 - — anä) bic ^Qm=
burger Äauflente nid^t me^r fonberiid^ nieberfäd&fifc^, me( loeniger
lefen fie c§. SBo fielet man je^unb fonberlid^e nieberfäd&fifd^e
Sudler, alö t)or biefem gett)efen unb bnmten gebrandet n)orben?
Rarissima avis erat, wie id^ Vergangen aufm 8eit)giger Sröbcl
eine mörfifd^e SBibel antraf. SBeiter tt)er ein toenig gereift l^at unb
in fein SBaterlanb toieberfommt, ber l^at flugS biefe meifenifd&e
Sprache anget)adEet unb mit feiner SRuttermild^ t)ertaufd^et \" Unb
ö^nüd^ fd^übert SKicröliuS 'öom alten 5|}ommerIanbe' 1639 bie
fprad^lid^en Suftänbe in einer nieberbeutfd^en ßanbfd^aft nid^t ol^ne
ttarnenbe SQßorte: „S&ix anbem ©ad^fenleute f|aben nun aud^ eine
Seit lang an unferer 9Jlutterf))rad^c einen fold^en SdEel geliabt, ha^
xinfre Äinber nid^t ein a5ater=Unfer mo nid^t in l^od^beutfi^er @prad^e
beten unb loir feine pommerfc^e ^rebigt f aft mel^r in ganj 5)Jom=
tnem ^ören mögen, tt)eil atteö mu§ l^od^beutfd^ gebetet, geprebiget,
gefimgen, gefd^rieben, gerebet unb öerabfd^iebet werben unb unfer
männlic^eö attijifirenbe§ %a\i mu§ attentl^alben ber figmatifirenbcn
©prad^e loeid^en."
(£ö war für Siieberbeutfd^Ianb alfo mit einem SBorte bafjin
gefommen, bafe ein gelel^rteS 2)eutfd^ bem geleierten ßatein ber
mittelalterlid^en ßird^e auf bem {J^B^ gefolgt war. SBieber war
bie angeborene SJlutterfprad^e ber ©eringfd^ä^ung unb SBerad^tung
^ SBcrfiic^ einer toeftfär. ©efc^ic^te, ^ortmnnb 1749 @. 44.
^•SßrätoriuS Satyms etymologicus @. 5.
108 7. ^icberbcutfd) unb ^ocfebeiitfd).
t)erfattcn. 3)er I)eimif(^c S)talc!t eutroeil^tc — fo toax bcr ]^err=
fc^enbe ©laube — ben ©ottesbienft, xoax für ben 35erfel)r be§
5ölcnf(i)en mit feinem ©otte ju profan. Sie beutfd^e @döriftft)rttd^e
war alfü an bie ©teile ber mittelalterlid^cn 3BeIt= nnb ßir(6en=
fprad^e getreten. 9lnr nod& in lönblid^en ©emeinbcn erflingt bie
plattbentfd^e 9)lnnbart t)on ber Mangel ; aber tüo ein ernfterer unb
getragenerer SLon Ijcrrfd^t, brängt fid^ auc^ l^ier ^od^beutfd^es ein,
n)ie in bcn nieberbeutfd^en ^rebigten t)on 3fobft ©adtmann, ber
um 1700 in öimmer bei ^annoöer eine iDeitreid^enbe SQßirffamfeit
entfaltete, ©o bringt and^ bei Trauungen ba^ ^od^beutfd^e burd^,
aber baneben bleibt in ben nnfauberen ^od^geitsgebid^ten jener 3^it
baö Siieberbeutfd^e nod^ lange lebengfäl^ig. SBir treffen gleid^geitig
(Sibeäformeln, bie in ber nieberbeutfd^en SJlunbart t)erfa§t ftnb;
aber il^re ©d^Iu^formel *fü toal^r mir ©ott Ijclfe u. f. tt).' ift ]^od&=
beutfd^ — ein fd^IagenbeS 3ßugni§ für bie Sluffaffung beö S5er=
l^ältniffeö Don ©d^riftf^^rac^e unb 9)lunbartJ 2Bir würben jebod^
nnbanfbar gegen unfere gefamte ^ulturentwidtlung fein, wenn wir
neben biefer gweifelloä unwürbigen ©teüung ber angeftammtcn
SJlunbarten l^ier öergeffen woüten, weld^e grofee Segnungen un§
bie bem S)iale!t naturgemäß öerberblid^e ©döriftf))rad&e gebrad^t
l^at, inbem fic un§ ba§ 3beal ber ))oIitifd^cn 6inl)eit fd^uf.
Slber au^ ben ©timmungen, bie ung in jenen SQßorten t)on
^rätoriug unb 5ölicräliuö entgegen treten, begreifen wir ben früljen
SBerfud^ einer reaftionären ^Bewegung burd^ ßüuremberg. ©d^on
bie um ein ^ci^rl^unbert öftere 33raunfd^weig=8üneburgifd^e ßird^en=
orbnung Don 1544, t)on bereu 3)ialeft ©. 99 bie Siebe war, t)er=
banft il^re ©jiftenj einer 9teaftion; jene Söeftimmung ber ©tral=
funber ©d^ulorbnung Don 1591, weld^e ol^ne bie Slnnal^me eine§
weiten SBereid^g ber ©d^riftft)radöe nid^t gu Derftel^en ift, fließt
gewiß anö einer ©efinnung, wie fie f^^äter ber SRetflenburger üan=
remberg tl^eoretifd^ gum 9luöbrud gebrad^t l^at.
* S^öt. 3o]^, 3)aü. 3Jiid)ae(ig oratio de ea Germaniae dialecto, qua
in sacris faciundis atque in scribendis libris utimur in feinem Syntagma
Comment. ©öttingen 1759.
^caftionen geflen ba^ §b.; i^auremberQ» 109
®icfer tritt mit aller Sntfd^ieben^eit gegen bie auSfd^Iiefelid^e
^errfd&Qft beö ^od^bcutfd^en in ßird^e unb ©d^ule, t)ür ben ®e=
rid^ten unb in ben ßanjleien unb gegen bie ©eringfdöä^ung feiner
l^eimifd&cn SJlunbart in§ fj^lb. 3)er ftete aSanbel, in beut bie Qttge=
meine ©(j^riftf^^rad^e bamafö begriffen toax, ift ü)m einer t)ermeint=
liti^en ©leid^mäfeigfeit be§ ?lieberbeutfd&en gegenüber ein Bcid^en
öon Unreife, ein Strmutögeugniö.^
Unfe 8prafe blift attib beftänbifl unb feft;
2l(g fe erften toaS, eüenfo i§ fe orf left.
3utt)c öeränbert firf alle föf tig 3a§r;
2)at fönnen be vgc^riften.bettjifen flar:
®iner fann mit groetcr Wlottj fuem bre Dlegen (efen
33an ber Spraet be bomalS i§ im ©ebriief getüefen:
®c t§ fo (appifc^ itnb fo üerbrübifcö,
'liat man fd^ier nidöt toeet, of it nje(f(^ Ig ebber bübifc^ ;
3Wen be 8prafe in gang Dlebberfagenlanb
JBüft nnüerrürft unb ^eft S3eftanb.
®ie ©inl^eit ber SRunbarten auf ben nieberbeutfd&en ©ebieten
ftetit ber 3)ici^ter bann in ©egenfa^ ju ben großen Untcrfd^ieben
in ber ©prad^e ber l^od^bcutfd^en ßanbfd^aften. Unb um ju erflären,
toarum ba§ ?lieberbeutfc^e tro^ feiner 33orjüge nid&t ßitteratur=
unb offijiette ^pxaije fei, tDagt er bie fütjue 33e]^au))tung :
25arnt fann men ere Sßerbicöeit merfen;
^enn toat gemeen ig an allen Örben,
"^^at t§ nic^ in fiilfen $r^g imb l&ogen Sterben,
21IS toat man nid^t l&cbben fann atte g-aert.
Söcet gemeener finb S3uren als (SbelUibe;
@rof Safcn tüerb mer gebragen al§ (Sammit nnb <Sibe ;
<Semme( i§ nid^t fo gemeen a(g S^loggenbroeb ;
mx tocrb gebrneft bat S3öfc a(§ bat @oet.
SBenn unfc 8prafc fo gemeen toär alg jnnjc,
3cf toolbe bar nicfit öocr npftafjn hi miner ^ruttjc.
* 8. SB. 23ranne8 STuggabe öon 3o]&. i?auremberg§ nbb* ^c^erg*
gcbid^tcn, $allc 1879; bie obigen ^erfe entflammen bem öierten ©ebid^t
561-635,
110 7. ««ieberbcutfc^ unb ©oc^bcutfc^.
S)ie nicbcrbcutfd^e 93ibcl toirb afe SetDeis einer frülieren
nieberbeutfd^en ßitteratur Ijerangegogen ; t)or oKen ber ffteinccfc S5o§,
eine loftbare unerfd^öt)f(i(i^e Dueüe ber ßebenäiDeiöl^cit.
aWan ^cft Pdf ttoax tomartcrt, bat S3oef to bringen
3n l^od^bübfcl^e @))raef; men it toii gang nid^t Hingen;
3t flat)t)ct icgen bat Original to refen,
21(8 ttjenu men pkd)t ein @türfe fuel ipolt to brefen
@bber fc^mit einen olben $ot jegen be SBanb.
3)aö SWieberbeutfd^e — fieifet e§ iDciter — eigne fid^ aud^ jur
ßitteraturft)rad^e ; für alle l^od^beutfd^en SBorte biete e§ @nt=
fpred^ungen ; ber nieberbeutfd^e SSortfd^a^ fei getüife lein ^inbemis
an ber SBertoenbung ber SJlunbart für litterarifd^e 3tt)e(fe.^
©0 öergiDeifelt freilid^, »ie bie Sarftelliing ßaurembergö unb
feiner S^tgenoffen ben 3iiftönb be§ SRieberbeutfd&en erfd^einen
laffen, lagen bie Singe benn bod^ nid^t. S)em tüirfUd^en ßeben
ber SJlunbart fd^abete bie litterarifd^e §errfd^aft ber @d^riftft)rad^e
ttenig. SJlod^te im amtlid^eu SBerfeljr, in ber ©d^ule unb in ber
Äird^e ba§ ^od^beutfd^ uneingefd^ränlt Ijerrfd^en — bie ©prad^e
beö gefetlfd^aftlid^en 35erfel^r§, bie natürlid^e ©))rad^e be§ geborenen
Dlieberbeutfd^en blieb aud^ über ba§ 17. Sfctlirl^unbert l^inauö
feine SJlunbart. ®ie neuere 33lüte ber nieberbeutfd^en S)iale!t=
Ktteratur tt)äre unbegreiflid^, toenn mit bem 9luffommen ber ßitte=
raturfprad^e bie SJlunbart gang öernid&tet tüdre. Slod^ lange nad^
1700 Ijerrfd^t in ben öornelimften ®efetlfd^aft§flaffen einer §anfe=
ftobt bie SJlunbart. ^m ^dS)xe 1727 Ijielt fid^ in SBremen ein
t)orneI)mer, fein gebilbeter Snglönber auf, ber in ben erften Greifen
ber ©tabt t)er!e]^rte. ©eit einer Sleife nad^ SBien mit grünblic^er
Kenntnis be§ ^od^beutfd^en auSgerüftet, toax er überrafd^t, l^ier nur
plattbeutfdö gu l^ören. Safe man il^m aber feine ))Iattbeutfd^e SBibcl
* @t)ötcr ftnbet bie nicbcrbeutfdöe iDlunbart nicl^rfac^ SSerteibiger ;
t)gl. 2rj)in, Son nnbittigcr Serad&tung ber plattbeutfc^en ©prad^e, Dloftodf
1704 (nac^ ben ©reifSttjalber ^rit. SSerf. I, 248 ift »em^. 9lanbac^ ber
€tgcnt(ic^c Sßcrfaffer ber <Sc^rtft). Über 9taxi md (um 1730) ögl. Sa^rb.
bcS r\bh. SSercing 1882 @. 1 ff.
SHeaftioncn gegen ba^ ©od^beutfcfee. 111
ober Qnbcrc munbartlicJöe SBüd^er geigen fonnte unb bofe ^od^beutfd^
bic ©prad^c bcö ©otte^bienfte^, bie ©))radöe be^ Brieflidöcn a5er=
lel^rö mar, befrembcte il^n fo fel^r, ba^ er naä) feiner Slüdfel^r in
bie ^einxttt über biefeö SJerl^altniä t)on @(i^riftf|)ra(i^e unb 9)lunb=
art in feiner ©d^rift The German Spy* befonberS eingel^enb be=
rid^tete.^ ®a§ Sengniö biefeö SJianneS ift um fo 9en)i(^ti9et, afö
mit bem Slufblül^en ber Ijod^beuifd^en ßitteratur in ben ©eeftäbten
bie einl)einxifd&en ©d^riftftetler eifrig bebad^t tüaren, il^ren gefettfd^afl=
lid^en J^reifen .eine öoüenbete 2lneignung ber @d^riftf))radöe beigu=
legen. SBenn SBroÄeö baljer in 2Beid^mann§ *^oefie ber 5Rieber=
faij^fen I, 4 bel^auptet, ba^ I)üd^beutfd& bamate aud^ bie ©prad^e
aller feinen ©efellfd^aften gewefen fei, fo tt)irb un§ biefeg 3eugni§
ipeniger gelten ate bie unbeftod^ene SJlitteilung beä ©nglänberö.
* 2)unöe, @efc^. b. (Stabt 23remen III, SSortoort (S. 23. 2)cr genauere
^ttcl beS englifc^en S3uc^e8 ift *The German Spy or Familiär Lefcters from
a Gentleman on his Travels thro^ Germany to his friend in England etc.
2. STup. 1740 @. 52; nac^ btefer 2. Sluggabe crfc^ien in ßemgo 1764 eine
beutfd^e S5earbcttung *ber beutfc^e ^nbfdfeafter', an^ totld)tx fic^ (nac^ aWit-
teitung be§ $erm Dr. ip. ^leba^n in ^Bremen) Xfioma^ ßeb^arb, @efanbt=
fcfiaft^fcfretör beS grogbritanntfc^en ©efanbten (Stritt SBid^ (in Hamburg) afö
mutmaßlicher SSerfaffer be8 German Spy ergibt.
8.
ICattin un5 ^umanistnus.
Unter ber «iperrjc^aft beö Öatein in üixä)e nnb Staat tcar
baö Sentfc^e ftänbig in ©efa^r, burd^ frembe Büge einen nenen
6t)ara!tet jn crfjatten. 5niit bent 2lnf(e6en ber üaffifc^en ©tnbien
t)er9rö§erte fid) biefe ©efa^r. @o I)at fid^ nnfere @))rad^e feit
ben Sagen beö 3Iriot)ift nnb beö 2lrmininö nientate benx ®infln§
beö Satein entjie^en fönnen, aber niemalö toeniger alö in bem
crften 3af)^^unbert ber bentfd^en 9flenaiffance. 2lnt @d^In§ biefer
3eit, im ;3at)re 1571, fonnte ieberntann fd^neü überfd^auen, wie
fel^r bas Seutf(^e gerfe^t war, an ©inton äloteö 5^embtt)örterbud^.^
Sein t)olt!(ingenber 2itel öerf^^rid^t etwaö t)iel ; eö finb jebod^
faft anöfd^lie^Iic^ lateinifd^e SBortmaterialien, bie 9flote ben Unge=
(eierten erflärt. 6ö laufen natttrüd^erwcife fleinere ;5^rrtümer unter,-
inbent er gut beutfd^e 3Borte auö ben gleic^tautenben tateinifd^en
ableitet. Stber nad^ äffen Slbjügen, bie toir mad^en muffen, bleiben
bodt) etma 2000 SBorte übrig, bie ju ätoteö 3^it itn ©eutfd^en
alö eingebürgert galten ober S8ürgerre(^t ju erlangen brol^ten,-
ol^ne in ben früheren Sfal^r^unberten l^eimifd^ gewefen ju fein.
Sutl^er, ber forgfältigfte SBeobac^ter unb feinfül^ligftc ßenner
* @tn teutfcfier ^ictionariu§ ba^ ift ein STufeleger fc^toerer unbefanter
teutfd&er griec^ifcfter (ateintfc^er ]&ebraifc§er tüälfcfter unb frangöfifd^er, aucft
anberer Stationen Sßörter, fo mit ber Sßeil inn teutfd^e @prac6 fommen
fetnb unb oft mancherlei Qrruug bringen u* l to., burc^ ©imon S^loten
2rug§burg (bei mid^atl Tlamn) 1571.
ifatein unb $umaui«mu<^. 113
her ÜBolfsifprad^e, mcibct tnc^r afe feine S^itgenoffen bte 6in=
mifd^ung t)on toteinifc^en 3Borten in feine Sd^riften. SBer etoa
bQö leiber unöoüenbetc 8ut^er=2Börter6n(J^ t)on S)ie^ neben ©imon
Sfoteö '!l)ictionariuQ tjält, bem tritt bic JReinl^eit jnntal beö bi=
blifd^en SBortfd^a^eö entgegen. 9tote etflärt etwa 2000 lateinifd^e
SBorte, bic bem Äanjteiftil beö 16. 3ia]^tl)nnbcrt§ angetjören; anf
500 iQteinifd^e SBorte bei i^m fommen eitoa 100 belegbate SBorte
bei Cntfjer, unb t)on bicfen bürfte auf bie bcutfd^e SBibel nid^t ein=
mat ber merte 2ei( lommen, fo ba§ ton batin im gangen ettoa 100
(ateinifcf)e SDlobeiDorte jener 3cit anträfen.
Unb t)erg(eic^t man eitoa ßnt^erö beutfd^e 33ibel mit ber
fatJ^otifd^en Bearbeitung SdEö, fo finbet man in ber le^teren ga]^I=
reid^e lateinifc^e 8e]^ntt)orte für gut beutfc^e SBorte 8utl)erä. @dE
fagt prop^erifiren^ S^^^^^^M, Orient, ÄapCötal, (Blori,
3(mpel^ licgtnt, wo ßut^erö SBibel vociffagtn, (Brunb, tnor^
gen, Änauf, ^errlic^Feit, ^acfcl, -feerr geigt. ®iefen ma§=
t)offcn ^nriömug l^at Untrer unferer ^pxaä)e nid^t auf einmal ge^^
Wonnen ; erft affmät)(id& toirb er gegen benebeien, Pforte, ^irma ^
ment eingenommen gu ©unften t)on (tgntn, C^or, -^ittimeL
Überhaupt ift ßut^erö (ateinifd&er SBortbeftanb nid^t umfangreid^;
tt)ir treffen SBorte wie tHajeflat, (B^lori, (Sarbian, pefli^
len?, Currifan, ^inanjer, iection, btapuriren, Clement,
itfcmpd, fantafiren, ^anta(l, 2(rtiFel, CapiteL 3^eifefeo^ne
l^at ßutl^er mit t)onem SBewufetfein bie lateinifd^en SBortc ge=
mieben, wie er fid^ benn lange 3cit — obgwar Vergebens — nad^
einem paffenben @rfa§ für Perfon umgefel^en l^at (ÄöftUnS ßut]^er=
biograptjie I, 600). §ier glauben wir aud& feine 3lbneigung gegen
verba castrensia et aulica gu Derftel^en, bie er in einem ©d^rciben
an ©palatin t)om 30. aJtärg 1522 äußert (©. 48).
S)aö gange ©prad^material, burd& wcld^eö bie 3cit ber 9ie=
naiffance in 2)eutfd&(anb d^arafterifirt wirb, ift wefenttid^ (ateinifd^.
3En 6döule unb ßird^e fe^t alfo ba§ ßatein feinen Sinflufe fort,
ben e§ burd^ ba§ gange 9Jlitte(attcr bei unö gel^abt l^at. 2lud^ bie
9leformation ifi bm lateinifc^en ßel^nworten nid^t feinbtid^. 3toingIi
5M u e , Son Sut^r lii ^t\fin%, 3. Aufl. g
114 8. ßatcin unb ipitmant^muS.
toax in größerem Umfange ^ßurift alö iJutl^er. 3(ber man fann
Don biefem ^Puriötiiuö eines einjcinen nod^ fo entid^iebencn 3!Jlannc§,
beffen SBirlfamfeit jubent lanbfd^aftlid^ eingeengt toax, feine SBir=
!ung anf bie Spxaä)e feiner 3cit ertoarten. SBdre Dleinl^eit bcr
Sprad^e bie ^arole biefeö ;3al)rl^nnbertö gemefen, wie es bie beö
näd^ften werben foüte, fo würbe Simon 9^ote 1571 nid^t eine
Sifte t)on etwa 2000 tateinifd^en SBorten gufammengcbrad&t l^aben.
S)ie wiffenfd^aftlid^e Spxaijc ftro^t Don SBorten wie 2in^
tic\uität, ^umanith, biaputiren, £)t6CtpUn^ 5Doctor, JEbition,
^Clement, JEloquentj, Äjrcmpcl, ^acultlt, ^ra^mcnt, !3biot,
'Jgnorant, (Dpua, Öcribent. ®ie afabemifd^en Sürger fd^affen ftd^
eine eigene lateinifd^e Terminologie : Calfactor, Coquinai;^ bcpo^
nircn, ^amulue^ ^acjr, p^oa. 3llc^imie nnb 3!Jlnft! fütjren weitere
lateinifd^e 3Bortbitbnngen ein; mit ber festeren ftel^en im 16. 3a]^r=
:^nnbert SBorte wie £omponi(l, iDiflonanj, tCact, iXidobci, iXlcn^
(ur, tnobulation, iXlnuuiXlotcta, tahulircn im 3ufammcn]^ang.
^n ber ^anjleifprad^e wnd^erten 3Borte wie cito, Vibimue
unb jbatum neben 2tuction, 2iub\cni, citircn — Citatxon, com^
mumctren —- (Eommunication , conbemnircn, (Eontract,
€ontrovcre, Convcnt, Ccnvcntidd^ (Eopci, Curial, JDecret,
J)cfcct, biflcntircn, Äbict, ififlfcct, emancipiren, faUireh,
^i6cal — ^i6CU6, ^orntukr, ^ntcrcflc, Infamie, ^n(lru^
ment, ^nrectire, ^nrentari, ^u(?i5, ÄibcU, ittidire, iXiif^
ficn, ITJotir, nation, Äejibcnj, 0crupeL 3lnc^ eine fJüKe t)on
lateinifd^en Sejeid^nungen für ^Imter unb Sitel ift mit bem 16.
Sfal^rl^unbert bei uns in ©d^wang gefommen: %bvccat, Com=
miflariuB, Copifi, Curator, ÄjrceUcnj, ttJajeflat, iXtonard),
Potentat, Hegcnt. fortan treten bie alten 5Dtonatsinamen C^rif?^
monat, -4»ornund-, ^-^cumonat, Äradjmonat, XX>dnmonat^
^crbflmonat immer metjr in ben ^intergrunb ju ©unften ber
Iateinifd[)en 5Deccmber, ^cbruariu«, ^uliue, 'Jnnine, (Dctober,
September; fo bleibt leiner t)on ben altbeutfd^en 9)lonatönamen
übrig, für bie einft üaxl ber ©roße eingetreten war.
2lud^ ba^ l^eimifd^e beutfd^e ©^^rac^gut nimmt ein fremb=
fieI)nh)orte. 3teU^mg ber ^umaniften. 115
artige^ ©c))ra9C an. ®ic jal^Ircic^en 3^ittt)ortc auf iren (fpajiren,
(lubircn, regircn, poctifiren, fabuliren, jubilircn, triump^tren,
quitrtren, probircn u. f. tt),) ergeugcn beutfd^e ^lad&bitbungcn tt)ic
^albircn, fc^impftren, ^Äujircn, (?ol?iren, toUijircn, ^riUis^
fircn, gdlir cn — frül^cr iDaren ^antiren imb ^öftren öorl^anbcn
gctDcfen — unb tiefern jubem bie SBorbitber für bie fpäteren
f^iirriren, bu<^f?abiren, fd^anbircn, burfc^iren, ^afcliren.
3tiid& bie jal^Ireid^cu STbftraftbilbungen töic Comparat^, CoUatj,
hieputat^, ^unbatj, promutatj, Pur^a^ tperben 9lu§gan98=
fünfte für einige beutfd^e 3BortbiIbungcn t)on Dorübergel^enbcr
ßriftcnj. iJateinifcl^=rümanifd^e 3Borte töie (B?«röian fül^ren ju 3Jeu=
bilbungen n)ie tJpfl^tt (ju ipse), jDulcian unb ju 3töitterbilbun=
flen tt)ic (Grobian, Unart, jDummmn, 0tolpn«n, Bc^lcnbrian.^
6§ töäre eine Ungered^tigf eit , bie ^umaniften für biefen
Sd^maü Don lateinifd^er SBortmatcrtalien unb 3BortbiIbnngen t)er=
antlüortlid) ju mad^en. 216er ha^ Slnfel^en, mlä)QQ bie alte 9leic^§=
unb ßird^enfprad^e burdö bie 9tenaiffance t)ün neuem bei unö cr=
langte, jog foId)c 2Bir!ungen nad) ftc^. Unfere ^umaniften toaxm
ber SSoIföfprad^e nid^t gram. 3leud^iin, ber ein feines S)eutfcf)
fd^rieb unb fprac^, l^at barauf gebrungen, ba^ bie atten gried^ifd^en
«nb lateinifd^en ©efc^id^tsfd^reiber überfe^t tnürben, bamit man bie
3!Jiutterfprad()e t)ert)ottfümmne. Unb ba^ lijin bies entft tocix,
beiüieö er greunben unb ©önnern burd^ eine eigene Überfe^ung
Don jtt)ei ^I)ilip^3ifd^en 9teben beö Semoft^enes unb bes erften
^ 2öal&rfd)cinnc§ be^iel^en fid) auf bie 3iottterbiIbungcn bie klagen beg
Sol&» (Stol^, Querela Martini Lutheri (23afel 1555 (2. 109) : eum sermonem
quem nostra natio iam vulgo usurpat ego quidem in dies minus atque minus
intelligo; sie omnia nove insolenterque et mirifice dicuntur neque magis
oratio simplices animi sensus verbis notis interpretantur, sedcallide et vete-
ratorie atque improbe cogitata fraudente dubie furiose scurriliter pronun-
ciantur. Sic non loquebantur quantum ego memini majores nostri neque ego
istam alienam loquelam usurpare ausim, ne velim quidem discere, ut possim
pereipere audiendo; nam ista barbaries est, cujus de consuetudine diu-
turna barbarorum hominum nostra olim elegans atque pura lingua sordes
et foeditatem contraxit.
8*
116 8. fiatein unb $umani§miiö.
33udöc§ ber IuöcuIqucu Stcerog. @inc ftilifttfd^e 3loxm, bic er
felbft befolgte, t)erbient in btefem Sufaminenliange befonberö aner=
fannt ju werben: „"SSlan foff ftd^ fd^ämen in tütfdjen Jftebcn unb
^^rebigen t)it ßat^nö batunber jn mifc^en". aBimt)felin9 ift ein
energifd^er ©treiter im ßampf um guteö 2)eutfcl^. ^utten, ber
Splitter unter bm .^umaniften, wirb in bie grofee beutfd^f))rad^li(i)e
^Bewegung gebogen. SJleland^t^on unb Snjingli, bie ben ^uma=
niftifrf)en i?reifen eng öerwanbt finb, ^aben alö beutfd^e ©dörift=
fteller eine meite 33ebeutung. Unb was ber ©rfurter ©etel^rtenfreiö
im «Kampf gegen SJtöncOßbilbung unb 5niöncf)ötatein ergielt tjat,
war aucö für bie ©tellung ber beutfd^en Sprad&e nid^tö weniger
aU gleid^gültigJ
Xoi) fef)(ten ber JHenaiffance and) feineswegö unerfreulid)e
3üge. SJian Dergegenwärtige ftd^ nur ben ©runbton jener 3eit.
5lIIcrwärtö wirb bie 33ülföft)racf)e, ber 33oIföbiaIeft betont, weil bie
nngebilbeten i?aien burc^ bie reügiöfe ^Bewegung ein 3flec^t auf
Öitteratur unb litterarifc^e 33i(bung erlangt ^aben; unb biefe§ ^Red^t
wirb auc^ attfeitig geachtet. Slber eö ge^t nebenlier ber 3ug nad^
einer I)öt)eren Sitbung, t)on ber baö äJotf anögefd^Ioffen würbe.
3fn ben eigentUd^en 5|}flanjftätten beä ^umaniömug, auf unfern
<^od^fd&u(en, war baö ßatein jwei iSal^rl^unberte l^inburd^ t)on un6e=
ftrittener ^errfc^aft. 2Ber bie t)ermeint(icf)en 2lnred^te ber @))rad^e
Siceroö an unferc afabemifd^en ^orfäte burd^ SBort ober Sl^at
t)erle§te, erful)r 3(nfeinbungen ber wiberlid^ften 9lrt. 2ll§ ber
JRoftodfer ^^itologe Silemann Heuerling im ^dtjxe 1501 eine a3or=
(efung über ^u^^^cife Satiren in beutfd^er @))rad^e l^ielt, fetfte er
ftd^ fotgenbem berben Eingriff ans:
Qaidquid Heverlingus legit auditoribuH, illud
vulgari Hngua teutonicaque docet.
Ergo ad Heverlingum perget meliore relicto
discere qui sordes barbariemque volet.
^
* SBeiterc^ in ipartfetberg ^ßrofiramin 'S^entfc^e ÜBerfe^ungen flafftfd^cr
c^riftfteirer am bem .^eiberbergcr .t>mnaniftenfrei§', §et>e(berg 1884,
UntDerfitätcn. 8d)ulbrama, 117
S)a§ roax nic^tö anbcrcö alö jener SJortüurf, ben bie ^apiften
unfern 9leformatoren machten, man fottc bie perlen nid&t üor bie
Sdue merfen. 9)lit bemfelben S5ürtt)urf tönrbc an ber SBaftcr Um=
Derfitat 2;i^omdä 9)lnrner jured^t getötefen, als er 1519 bie 3n=
ftitutionen öerbeutfd^te, mit bemfelben SSortönrfe and& Sl^eopl^rajing
5ßarQceIfiiä , als er 1527 in SBafel aSorlefnngcn in bentfd^er
Q\)xai)c l^ielt. ßutl^er mifd^te jur Qxmbe feiner 3u^örer in 3Bit=
tenberg Seutfd^eö in ben lateinifd^en «Satl^eberöortrag ; aber aud^
il^m blieben Singriffe barüber nid^t erfpart. llnb al§ ber S^übinger
^rofcffor öeonl^art ^ud^ö bütanifd^=mebiäinifd^c 3Berfe in bentfd^er
©prad^e öeröffentlid^tc, erful^r et 1558 t)on bem ©lieber S^ol^anneS
^lacotomuS (33retfd^neiber) berbe 3ured^tn)eifung, bie jugleid) aud&
aUe traf, qui in germanicani linguam autores medicinae
transferunt medicinamque artem humano generi saluberri-
mam prophanant et turpiter prostituunt.^
SBeld^e folgen bie neuen 33eftrebungen, bem Öatein JRaum
3U fi^affen, nad^ fid^ 3ogen, ha^ jeigt fid^ aud^ am lateinifd^en
©d^utbrama. @o fd^ilbert unö TOcobemnö ^lifd^Iin 1589 in feinen
Helvetio-Germani, töol^in ha^ öatein im ©d^aufpiel fül^rte:
Quia latino sermone isthaec peragimus,
occlamant imperiti lingiiae, ogganniunt
mulieres, obstrepunt ancillae, servuli,
opifices, lanii, fartores, ferrarii
sibique Germana lingua postulant dari
comoediam. Hoc quia non fit, nobis praeferunt
cybisteteres, lanistas, funambulos,
petauristas: quibus gaudet plebecula.
1
SSgL 2(. §ofinetfter, ©rengbotcn 46, IV, 294; (Sißtoart, mdwt
©cörifteu I, 32; über azurner ügL oben 6. 15. Über i^ut^cr ög(. ^öftlin
I, 142. — 25on ^^lacotomuö fommen in S3etrac^t, toorauf mtc^ iperr Dr.
3Wt(d6farf aufmcrffam gemacht l^at, bie im 3a§re 1558 gtoeimal gebnirften
Themata contra versores medicinae in Germanicam linguam unb Refu-
tatio quarundam rationum quas D. Leonhartus Fuchsius editioni sui
germanici herbarii praetendit; ber erfte 2)rU(f entplt ttod) Conclusiones
quaedam contra Kifium et Rifianos, id est eos qui in Germanicam linguam
autores medicinae transferunt.
118 8. 2atm unb ^umanigmug.
3tuf bcr anhtxn Seite fretltd^ l^atte bte Sflenaiffance auf bte
SJlutterfprad&e ben günftigften ©influB. Sine getoaltige SJlaffe
t)ün SBortfortnen unb SlebeiDenbungen ift in jener 3rit aiU
flaffifd^em Spvad^gut nac^gebilbet ober entlel^nt. ©d^on int 16.
Sfal^rl^unbert rebet man t)on mobernen SJläcenaten, t)ou einem
3oiIuö, einem 3^tot^pu§, t)on mobernen Spifnräern. Unter ber
9lofe (im 35ertrauen) reben' fonnte man fd^on bamate nad^ Iatei=
nifd^em SBorbitbe fagen. ßateinifd^=^umaniftifd^e ©^3rid^tt)örter finben
bei unö Slufnal^me. Ne Hercules quidem contra duos! xoat
naä) 3tt)ingti gemein im ©ebraud^. Bus Minervam ! t)ertDenbet
ßutl^er in einer bentfc^en Sd^rift. „JRom ift nid^t in einem Xage er=
baut" toeift auf ben ^umaniömuS l^in. 6ine neue 3lrt t)on l^alb
lateinifc^en, ^a(6 beutfd^en ©prid^tDörtern fommt auf: ,,Barbati
praecedant, fagte ber i^nä) §, ftie^ ben 33üd bie treppen l^inunter" ;
,,practica est multiplex, fagte ber iJrofd^, fa^ auf ber 0leufe" ;
„usus facit artem, fagte jener, toax] ein alt SBeib gum fjenfter
fjtnaug unb tt)oKt fie fliegen lefjren". — 2)amat§ bürgerten
fid^ ein ululas Athenas mittere; ne sutor ultra crepidam;
procul a Jove procul a fulmine; Penelopes telam retexere;
una hirundo non facit ver. —
^n biefer 3ritftrömung l^at 3)eutfd^Ianb aud^ feine {Jcttnitien^
namen öeränbert. SBer au§ ber {J^me bem fettfamen ©ebal^ren
äufal^, tonnte glauben, man tooKe bie alten Slömer unb ©ried^en
loteber aufertoeden. 3tt)ar fd^on burd& ba§ |>äte SJlittelalter ]^in=
burd^ maren 9lamen§überfe§ungen n)ie Pistor unb Pistorius, Sar-
tor unb Sartorius, Faber unb Fabricius ober wie Piscator,
Molitor, Sutor, Venator auf beutfd^em 33oben in lateinifd^en Ur=
funben ^errfd^enb. Slber im täglichen öeben galt au§fd^lie§Iid^
a3edfer,8d^n eiber, {Jifci^ßi^f ©d^mib, Sföger, ©d^ufter,
SJlüHer u. f. to. ^el^i ain, mit bem 6ingug beS ^umaniömuö
in S)eutfd^(anb, tourben fold^e lateinifd^e $Ramen§überfe§ungen aud&
in bie ©prad^e beg 35o(!e§ t)er^3flangt. ®a l^örte man SRamen tt)ie
©aptbuö (2Bi^), 9lurif aber (©olbfi^mib), Satomu§ (©tein=
me^), 31 g r i c 1 a (Naumann ober ©d^nitter), 9Jl e g a n b e r (©roB=
üateinifc^er (SinBuö. §umoniftcnnamciu 119
mann), SJlelanber (.g)ü(jQt)fel), Slöenariuä (^abennann),
6]^l)traenö (ßod^^off), 5piacotontn§ (Sretfd^netbcr). Um
tt)tet)ic( erhabener Hangen bic neuen 2eEtür,3Jlt)(iu§, fjaber
— 3abri — 5abriciuö aU ))f|iliftröfe 9Jamen iDie 3B e b e r ,
2Jlüaer,©c^mibt — ©d^mi^! ^m 5«otfatI toar 9W u U e r u ö
unb © c u 1 1 e t u g immer nod^ anfV^^^nber unb miüf ommner afe
9)1 ü 1 1 e r unb © c^ u I j e ! ©c^on ber tateinifd^e 9lccent unb bie tatei=
nifd)e Snbung gaben formen \m @crit)ertu§, ©d^ulerug^
eine S3Jeif|e ! 6in Sriump^ aber toax e§ für ftaffifd^e ©emüter, wenn
ft)iepürgerUd^e 3iamen burc^ öatinifirung unb §elleniftrung bis
jur Unfennt(id^!eit aufge))u^t tDurben. ®a treten antife SRamen an
bie ©teile lautöernjanbter beutfd^er Sftamen. @§ gibt einen Gracchus
(Ärad^enberger), einen Aemilius (Del^mler), einen Caelius (3eü),
einen Plinius (^pieninger), einen ßhegius (Flieger). Unb Micyllus
übernimmt feinen 9iamen au§ 8ucian§ Sialog 'Siraum ober §al^n'.
2)a§ ift eine SBirfung beö Humanismus. 91 e u d^ li n fdieint
bie ©eete biefer SSetoegung getoefen ju fein. 3fn Stauen l^atte il^n
§ermoIau§ 33arbaru§ in Äa))nio umgetauft, unb feit ber 3rit
ift ,ßapnio beftrebt, bie Flamen feiner ßanbgteute ju t)erebeln.
©einem ©ro^neffen ^Pip)) ©d^toarjert gibt er — mit fel^Ierl^after
Überfe^ung — ben JJamen 3!JleIand^t]^on; unb f))äter töirft
biefer im SBittenberger Greife im ©inne feines ©rogonfels. 35on
jenem ßinger ßrac^enberger, beffen beutfd^f))rad&Iid^e 33eftre=
bung oien ©. 26 ertt)äf|nt ift, erl^alt 3leud^Iin einen SBrief, ber
bem SBunfd^e SluSbrutf t)er{ei]^t, er möge bem 2lbfenber einen grie=
d^ifd^en 3iamen t)orfdöIageit ; ©racc^uS .^pieriuS ift bann ber
3iame, beffen Ärad^enberger fid^ in feinen fpäteren ©d^riften bebient.
3)iefe ^Bewegung erfaßt aüe §umaniften.*
» Camerarius vita Melanchthonis @; 9, 129; ^at). ^rieb* ©traufe»
ÄL ©c^r. ©. 408. Xtn ^inlüciS fiicrauf öerbanfe td^ meinem gelehrten
Kollegen SHub. ^irgel. §errn $|3rof. ^. §artfelber in ipetbclberg bin td^ gu leb*
l^aftcm 2)an! öerpflic^tet für btn 9lad)lüeiS be8 l^öc^ft lehrreichen S3rtefeS
Oel^mlcrS im Corp. Reform. III, 208 (ögl. aufeerbem bie SBemerfungcn ^art-
fclberS in ©k)bel8 litftor. 3f4- 1887, 547).
120 Ö* Gattin unb §umantSmug.
S)er ©d^Iettftabter ^äbogog ^o^. @a))ibuö latiiüfirte bie
Stamen feiner ©diüler: „id) l^ab öiel barbara nomina, id^ mu^
fie einmal ein lüenig lateinifd^ mai^m" — fo rebete er ben jungen
Z^. glatter unb 3lnt. 35ene^ bei ber 2tufna]^me in feine ©d^ule
an, unb fortan l^eifeen fie Patterus; unb 35enetua.' Unb )o öer=
langt ein .g)ülf§bü(i)tein für ben Unterrid^t ßatinifimngen toie
2tbamu0, SSoad^imug, 3lu))ertuö, §enricu§ : nomina quibus pueri
vocantur latina esse debebunt.-
6g fann idoI^I nid^t gtoeifell^aft fein, ba^ in ben proteftan=
tifd^en Greifen baQ mm ^riuji)) mel^r SBerel^rer fanb, afe in hm
altgläubigen. 3Bie öiel enger l^ing ber ^roteftantiömug mit bem
.g)umaniömu£) jufammen! 3Bie fe^r ftaf ber ßatl^ofigismuö nod^
immer im SBanne beö SJüttelalterö ! ®ag ßatein ber ®un!el=
mönnerbriefe d^arafterifirte ben Sitbungögrab be§ fat^olifd^en
ßleruö ; ber proteftantifd^en ©eiftlid^feit f üunten aud^ il^re erbittert=
ften ©egner äl^nüd^e SSornjürfe nid^t entgegen fd^Ieubern.
©0 njerben lüir eine 2tnf(age beö latl^oüfdöen 33ibelbear6eiter§
Dr. ;3o]^ann 6dE njürbigen fönnen, ber fid^ in feiner 'Sd^u^reb'
1540 (@iib) über einen ))roteftantifdf)en ©egner folgenberma^en
äußert: „3lin 3^äl l^ab id^ an if)m aU an t)U anbern ßutljerifd^en ;
fo fie teutfd^ feinb, if)re SBorälter teutfd^ geiüefen unb teutfd^ Siamen
gei^abt, bafe fie fried^ifd^ unb fattifutifd^ 5Ramen fdöö))fen als 3o6ft
üoä) nennt fid^ i^uftum ^onam, 3BoIfgang ^iittx ober
©d^miböon^agenau nennt fid^6a))itonem fjabricium,
©d^loargerb SJietand^tl^onem, .g)auöfdöein £)ecoIam=
))abium,^auIuö@eibenftüdEer nennt fid^ ^aulum ©on-
ftantium ^f)r^gium unb bu, fo bein SBater ^^ofanberle
1 ^latterS (SeIbftbiograp{)te I)erait§ggb. üon fBoo^, 2dpm 1^78, (S. 32.
•^ Hauerius. Nicolai Hauerii publici Bambergensis pueritiae in-
formatoris ad pubem suam instituendam exhortatio, Bamberg 1531.
§auerg SJortoort ift 1515 untergeic^net ; ma^rfd)ciulid& ift ha^ S3üc6Iein ba=
malg auä) sum erften 2WaIe erfd^ienen. Sauer em^jfie^It übrigeng bie Wlid)tc
ßatiniftrung ber 9'iamen burd& angefügte^ -ius (Hauerius); bngegcn mift*
bittigt er bie SBortüberfe^ungen.
§umamftennamen, ;^ateimfc§e Xaufnamciu 121
flcl^aiBen, uennft bid^ Dfiaubrum — fid^t fainer §ofen
flleid^ü"
®er äJomurf toax nk^t o^m SBered^tiguug. 2tber 6dE burfte
nidöt öerfditticigen, ba§ eö in fatl^olifd^en Greifen an 3!)tänncrn nid^t
fcl^Ite, lücld^c biefer ))roteftQntifd^en SJiobe l^ulbigten. Unter- beu
©egnern ber 3leformation treffen tt)ir Jiomen toie 6ocIaeu§,
^oi), 5a 6 er t)on ©onftong.
®ie ©timmen ber 3^ttgenoffen über biefe 3Dlübe ber ©e=
leierten njaren geteilt; fd^on ^öentin l^at fie mit ©eringfd^ä^ung
alö *finbifd^eä fd^ülerl^aftes ^ßoffenrei^en blü§ gefteüt. 3lndö 6q=
merarinö toeife t)ün ©elel^rten, tt)eldöe ber 50tobe abl^olb finb. Unb
ber alte SHflans Del^mler, beffen ©ol^n ©eorg fid^ anf SJieland^tl^onS
fftat ben 5Ramen 21 e nt i I i n ö beilegte, l^atte t)on feinen SDIansfelber
50litbürgern bestregen fold^en @))ott erfal^ren, ba§ er fid^ 1536 gn
einem ernften SBarnnngöbiief an jenen öeranlafet fal^, nm it)n gnr
tftüdfeiir jn feinem öäterlid^en Jiamen gn belüegen. ©old^e ijötte
iDcrben in jener S^it nid^t feiten getnefen fein. —
Sieben biefer Söelüegung, beren 3Birfnngen mir nod^ l)ente
auf ©d^ritt unb Sritt begegnen, feigen njir feit bem 15. 3SaI)r=
j^unbert eine anbere, bie ebenfaüs frembf))rad^Iid^c 3lamen in
2)eutfdölanb einbürgert. 3u bem l^nmaniftifd^en gefeüt fidf) ber
bibIifd^=firdöUdöe ©infln^, ber bie iJJamen ber $öibel unb ber förd^en=
gcfd^idf)te ju beutfd^en 35ornamen ftempelt. Söereitö t)or ber* Mt-
formation toaren jübifd^e Söibelnamen folüie frembe 9kmen auö
ber ^eiligengefd^id^te bei uns eingebürgert. Ob neben ber Sieformation
ettoa baö ^ringi)) loeitere SBerbreitung fanb, läfet fid^ nod^ nid^t
überfd^auen. ^ebenfaüö loaren in fatl^olifd^en loie in ))roteftan=
tifd^en «Rreifen Jiamen loie 2tbam, 6t)a, Stobiaö, ©ufanna,
audö 2)at)ib, 2)aniel, 3ofe))]^, 3ctd^ariaö ober 3tnma =
nuel, Scffe, Sifrael, ^eremias unb ?ftebecca, toie
39artI)oIomäUö, 9licoIauö, ©eorg, 301 artinuö,^l)i =
Iit)))uö, ^ßeter, ^ßaul, 3Dlaria, SDIargaretl^a, 3lnna,
SBarbara, ^atl}arina allgemein Verbreitet. ®$ njar nid^t
feiten, ha^ eine fyamilic burdö ein paar ©enerationen nur 3}or=
122 ^* fdaU'm unb §umani^nm^,
Ttamen aus bcr Sibel unb ber ^cili9cn9efd)id^te aufjuiDcifeit
^Qtte.
Sc^on Stöentin mieö gegenüber jenen unöerftanbenen frembeu
35ornamcn auf ben foftbaren 6d^Q^ bebeutungöDoüer beutfdier
klonten, bic ju Jugenb unb fü^ner %tjai reijen unb fpomcn, lüie
SBil^elm, üubn)ig, förnft.
33or aßem fd^eint fid^ in unfern reformatorifd^en Greifen
Dt)))ofition gegen bie fremben ÜBornomen geregt ju l^aben. 3a
8utf)er felbft fod naij ber Stnfic^t ja^treid^er ©elel^rter ber ^ü^rer
biefer D))|)ofttion gelüefen fein. 6in lateinifd^ gefd^riebeneä , in
SBittenberg gebrudfteg 9iamenbüc^(ein eineö ungenannten äJerfaffers'
öerfolgt, oI)ne fid) in Singriffen gegen ba^ lateinifdö = biblifd^e
JJamenf^ftem ju ergeben, ben reichen 3fnt)alt unb bie^ finnige
SBebeutung unferer alte^rnjürbigen Flamen. Sie etmaS fd^u(nta§ig
nüd^teme öel^anblung beö Stoffes, ber 9)langel burdögreifen=
ber allgemeiner ©eficbtöpnnfte, njie etma ^ifc^art fie ft)äter ent=
midelt, bic fd)ematifdf)e, ü^ne fa^tid^e unb nationale Söegeifterung
unb o^ne löe^agen burd^gefül^rte 3)arftettung madfien e§ iinmal^r^
fdf)einlic^, ba^ Cutter, raie eine gweifel^afte Jrabition miü, baö
SRamcnbüd^Iein öerfaßt ^at; bie 9(nregung ju bem 33üdf)Iein toirb
er gegeben ^aben, aber burd^ nid^tö loirb e§ iin^ maJ^rfd^eintid^,
ba^ er ber Sßerfaffer ift.
• SBie öiel fubjeftiöer unb entfd^iebener treten SBobian unb
©tumpf an bie ©igennamen ^eran! @ie ^aben au§ alten ©t.
©aller llrfunben gelernt, loetd^ reid^er 35orrat an urbeutfd^en ^er=
foncnnamen un§ gu ©ebote fte^t unb njeld^ tiefe öebeutung fie
bergen, ©ine grofee ßifte uralter 3Börter führen fie öor. ©ie meifen
barauf I)in, ba^ ürd^lid^e ^eilige altgermanifd^e ßigennamen tragen,
mad^en aber ba§ ^ßapfttum t)eranttt)ortlid^ für bie Stbnal^me ber
beutfcf)en ©rbnamen. 2tud^ glauben fie gu beobadf)ten, mie bic biblifd^en
3Sornanten i^intcr ben (ateinifd^cn gurüdftcficn. Sag Übertouc^em
* Aliquot nomina propria Germanorum ad priecam etymologiam
restituta, Wittenberg 1537.
.tampf um bie Xaufnameu. 3)cr 2öittcnb. Slnon^muS u.SßigeL 123
biefer (ateinifd^en Saufnamen ift e§, tüogegen fid^ bie ©d^lDcigcr
©efd^id^töfc^reiber befonberg lüenben.^
Äönnen mir fo beobad^ten, ha% bie reformatorifd^en ßreife
baö 9iationalitQte))ringi)) mie in ber ^pxaä)e ixbtxi)anpt [o Qiid^
in bm SSornamen Vertreten, fo ftel)en un§ anberfeitS fotl^olifd&e 3fU9=
niffe ju ©ebote, meldte ben ^eiligennanten fird^tid^e 6mt)teI)Iun9
geben. 80 beftimmte ber <RQted^i§mn§ Siomanuö, ber auf a5eran=
loffung be§ ßonjiI§ t)on Orient im ^a^xt 1566 erfd^ien, ha% bie ben
©etauften beigulegenben SRamen öon ^eiligen l^ergenontmen nnb I)eib=
nifd^c Flamen ganj öermieben werben foHten.^ Xamit toax ben ur=
alten ÜRamen lüie Xxetxiä), ©ig frib, ^ilbebranb, bie mit ben
legten Siad^flöngen unferer ^elbenfoge nod^ fortlebten, mirftid^ bie
ßcbenöfraft genommen. 3)er niöellirenbe ßogmo))oIitiömn§ ber !atl^o=
Hfdf)en »Sirene brof)te alfo miebernm 2)eutfd^Ianb in f))rad^lid^en 3ln§er=
(id)feiten gn einer römifd^en ^ßrornnj gn mad^en, nadf)bem t)roteftantifdöe
Sßertreter für unfere totIfUngenben ©rbnnmen eingetreten looren.
©eorg SBigel ift in S)entfc^lanb 3Bortfüf)rer beö älomaniSmnö.
©ein Onomafticon Scdefiä 1541 ift ein ©eitenftüd gn bem 3Bit=
tenberger SKamenbüd^lein.' D^ne fid^ in ^ßolemif gegen bie ab-
tt)eid^enben Stnfd^onnngen ber ^roteftanten einjnlaffen, ändert er
burdfimeg nnbentfd^e ©efinmmg, inbem er gn ber S^aufnamenfroge
©tellung nimmt nnb für bie §eiligennamen eintritt. Sanfnomen
tüie Slnaftafing, 35alerin§, Q.t)pxiann^, S^abianns,
S^riftina, Sfuftina, ßn^)I)emia, ©o))I)ia gereid^en bem
SJlenfd^en gn einer größeren 6mt)fel)tnng afe SBoIf, ©bert,
Mendel, §nbelt, U^,S)el, 6nn^ ober ijri^, afe©ele,
SJie^ ober Öei§. greiüd^ „bie beutf^en SRamen öcrmerfe id^
nidfit, mieioo^l fie nad^ ber l^eibnif d^en SBorbarei faft fdfimeden."^
1 )öabiau, ^rSgg. üon (Solinger II, 429 ; Stumpf, 6d|tt)ei3er (S;i)rontf
in, ^ap. 59; IV, Sap. 55.
-^ .^{ftor.=SBont. m'dtttx 99, 905.
3 Onomasticon Ecclesiae. 2)ic ^auffnamen bcr ©Triften, bm\)\d)
unb c^rtftlic^ au^ßelegt huxd) ©corgium SBiceltum 1541 (SJ^aing). liefen
^adjtoti^ banfe id) ^errn Dr. (£omiirii8 SBenbeler.
124 8. 2atm\ uub ^umaiüömu».
^iubeu Slöentiu, bcr SBitteuberger 3lnou^ntiisJ, SJobiau, Stumpf
unb ipixkx ^ifd^art gerabe in bem xeiä)t\i, auregenben ^[n^alt
unferer einl^eimifcfien ©rbnamen einen §aut)treij unb bie tt)efcnt=
lid^e 6mt)te]^Iung iftrer 3JeubeIebung, fo lobt SBijel bie lateinifd^en
^eiligennomen lüegen il)rcr Hat ju Sage liegenben SBebeutung:
©ebaftian gotteöfürd^tig*, 2lgnesf 'feufd^* — fold^e d^riftlidie unb
feine 9iamen follen föttern it)ren ßinbern geben afe incitamenta
quaedam pietatis. ®en iübif(J^=]^ebräifd^en 3iamen ift SBigel gram ;
fie feien jlüar in geringer 3ln jal)t ; aber IDO l^öre man einen 3luben,
ber \xä) naä) JJamen unferer äleligion nennen laffe! Immanuel,
S^ffc, 3if^ciel, 3^^emiaö, 9lebccca fd^einen ben S8ei=
fall bes 9tenegaten nid^t gel^abt gu I)aben, unb ®at)ib, ®a =
u i e ( , ^oUp^, S^^cixia^ bulbet er nur, meil fie bamafe noi)
nid^t f)äufig unb beliebt tnaren. 3)ie altbcutfd^en 3lamen lä^t er
t)öllig bei ©eite, oblüü^I fein Dnomafticon *bie S^aufnamen ber
©l^riften' überliaupt auflegen lüiü ; er legt ben ©d^merpunf t feiner
3lrbeit in bie gried^ifd^cn unb lateinifd^en .g)eiligennamen ; ii|re t)or=
bilblic^e SBortbebeutung gibt er nad^ feiner fprad^Iid^en SSilbung
— nirgenbö rairb ber beutfd^en Saufnamen gebadet. 3in aßebem
feigen mir eine öerftedEte 2tblel)nung beö SBittenberger 9lamenbüd^=
leins Don 1537, beffen ber ^einb unb ©egner ßut^erg nirgenbö
®rtt)äl)nung t^ut.
Siefes Söerlialten 2Bijefe, ju bem jenes ©ebot beö Äated^i^
muö ^Jtomanuö ftimmt, ift für bie fatl^ülifd^en «Rreife ®eutfd^Ianb§
tl)pifd^. ©0 l^at anä) ^oi). fJifd^art es öerftanben, aU er im
10. Äapitel ber ©efd^id^töMitterung auf SBijel einen l^eftigen 3luö=
faü mad^te. 6r tritt mit ©ntfd^iebenl^eit für bie beutfd^en Jtamen
auf unb le^nt bie iübifcö=biblifdf)en unb bie lateinifd^en Saufnamen
ab, mie er ficb aud^ gegen bie SJiobet^orl^eit ber §umaniften tt)enbet.
„Unfere ©prad^ ift aud^ ein ©pr.ad^ unb !ann \otDoi}l einen ©ad
nennen als bie ßateiner saccus. ^ä) glaube, man meint, unfere
!©orfaf)ren l^aben ftetö gefdfilafen unb nit mit eben fo großem S8e=
bad^t geiou^t, iliren lieben «Rinbcrn 5tamen ju geben alö bie
©riedfien unb ßatiner. SBir l^aben je^t bas frei fUegiment. SBag
Wmi unb J^ifc^art, Siatöolifcn imb t^irotcftantcn. 125
bürfcn mir unö naä} ben f!(at)ifd^en ätömern nennen, bie Ferren
naii ben ßned^ten? SBie jolt e§ ]xä) reimen, monn bie ©ried^en
il^re ^inber Xerreö unb 3Dlarboniu§, bie 9lömer bie il^ren
5perfeu§ unb Stic^oS genannt ()Qtten — bie Sieger nad) ben Über=
iDunbenen V
2Bq§ fjifd^art ^ier fUrj anbeutete, gebac^te er in einer be=
fonberen Sd^rift mxkx au§jufü()ren. ßeb^aft mit et^mologifd^en
Qfragen befc^aftigt, beobad^tete er mit 3ntereffe bie ©teid^artigfeit
beutfdf)er unb griec^ifd^er @igennamenbilbung ; 35oIf^art,iJeon =
l^art, Söern^art fteüte er ben gried^ifd^en Semoft^enes,
8eoft^ene§, 2{r!toft^ene§ gleic^. 3um 3lbfd^(u§ feiner
SJamcngftubien ift {fifd^art leiber nidf)t gefommen; lüir mürben
fonft ein SBüd^tein t)on tieferem ©el)alt unb au§ge))ragtercm 6^a=
rafter befi^en, al§ e§ ba§ SBittenberger !Jkmenbüdf)Iein ift. Über
basfelbe ^ßrobtem plante fpäter auc^ 9Jiüfd)erofdf| eine Schrift, bie
jtDeifelloö im ©eifte 3ifd^art§ auSgefaßen märe; gerabe in feinem
5reunbe§frcife regte fid^ marmer ©inn aud^ für urifere S^aufnamen.^
So tritt Sifd^art mit nationalem ©tolj gegen S^enbengen
auf, beren unbcutfd^er ©runbjug feinem 3^italter flarer merben
mußte al§ bem Sa^r^unbert ber Sieformation. S)er ©ieg ber
öaterlänbifc^en über bie lateinifd^en Saufnamen mar freilid^ bem
ßifcr unb ber Söegeifterung ber ))roteftantifd^en 35orfämt)fer bes
2)eutfd^tum§ nid^t gteic^. ©er @rfolg Icl^rt, ba^ bie alten iati)0'
lifd^en SBomamen gu tief eingemurgelt maren. 3lber ba^ banfen
mir jener großen 3cit unb it)ren großen SRännem, ba^ unfere
altel^rmürbigen Flamen nid^t öötlig ber SSergeffenlieit anheimgefallen
finb. Unfere !Sic^terfürften bc§ 18. 3al)r^unbert§ l^aben *ie a5or=
namen SBolfgang, ^riebrid^, ©ottl^olb, ©ottlicb,
©ottfrieb, ^einridl), SBill^etm — bie 3ic))räfentanten be§
16. Sal^rl^unbertö ftifiren bie Saufnamen 9Jiartin,3o^anneö,
1 SSßl. bie puriftifc^c <Sd|rift 'ber beutfd^en ©pradie ©^renfrang',
Straöburg 1644 unb ha^ (5rtd6 8*mibt in ber 3W. f* b. 21. 23, 78;
über fjifc^art ögl. ^Uemannia I, 124.
126 ö* 2attm unb öumanifinnue.
Sefiberiuö, Sltcobemus, Sgibiuö, ©cbaftian, %i}0=
m a ö. So fommen biird^ bic ^ixoteftantifd^c aSclüegung bie beut[döen
Sauf uanteu lüieber in 3lnfe!^cu ; in beii proteftantifd^en ßQnbfci)aften
unb Äxeifen erfreuen fid) bis I)eute bic altgermanifd^en 9Jameu
einer njeit größeren 3Serbreitung als in ben fatl^olifd^en.
2lud^ bie SJiobc ber §nmaniftennanten ift feinesmegö mit
bent 3S^^^*^unbert ber äleforntation abgetl^an. S)er ©eift beö
alteren Humanismus bleibt bei uns bis in ben iöeginn bes Dorigen
^a^rl^unbertö, ido bie 23lüte einer fd^önen Öitteratur uns 3)eutfc^en
bas ed^te SBefen bes Ilaffifd^en ©eiftes erfdölieftt. &)e fie erfd^ien,
mürbe ein anberer ®influ^ für SDeutfd^Ianb terl^ängnisDolI, unb
ber 3Dlutterft)radöe bro^te t)on ii)m eine um fo größere ©efal)r, afä
er t)on einem benad^barten ^ulturöolf ausging, bas burd^ glüdflid^e
iJebensbebingungen frül^ jur geiftigen ^errfd^aft über bas gange
Slbenblanb benifen fd^ien.
2)aö S^ranjöfifd^c l^at in ben 9teformationsiaI)ren, in bem
ßampf um bie !JiationaIf))radöe feine ©elegenljeit gel^abt, neben bem
iJatein fid^ bei uns einjubrängen. ®s ift gerabegu auffällig, ba^
unfere Sd^riftftetter in ber erften ^älfte bes 16. ^al^^^iinbertö
gn^ar t)on frangöfifd^en Sitten unh S^rac^ten, aber nii^t öon fran=
jöfifd^er 8prad^mengerei reben. So geigt ^o^. Slgricola in feinen
'2)eutfd^en S))rid^n3örtern' met)rfadf) ©roü unb t)atriotifd^e @rre=
gung gegen bie 3luälänberei, bie fid^ burd^ gang S)eutfd^Ianb breit
mad^e; man 'f)aie melfd^e, ]^if))anifd^e unb frangöfifd^e ßleibung,
frangöfifd^e 9löde, l^ifpanifd^e Rapptn, frangöfifd^e unb ]^if))anifdf)e
ßranfl^eiten, n^elfd^e 5JJraftifen, frangbfifd^e ßronen, melfd^e ßar=
binöle uttb Ferren u. f. n). — t)on einer romanifd^en @))rad&=
mifd^ung fagt biefer marme Patriot fein SBort.
2tuc^ beobad^teten unfere @))rad^forfd^er bamals ben 3^^^=
fe^ung§proge§, meldten frangöfifd^er ©influ§ in fönglanb ergeugte.
©e^nerg 'SRiti^ribates , ber bem ®nglänber Siol^n SSale gen)ibmet ift,
gab ben ©eutfd^en Jiad^rid^t, loie in jüngfter B^it bie englifd&e
©prad^c maffenl^afte öel^nioorte auö bem fjrangöfifd^en unb aud^
au§ bem ßatein aufgenommen, daneben fiel e§ ben ^reunben
fiateinifc^cr unb fraiiäöfifd&cr (^inflnfe. 127
her ßinguiftif auf, njie Sluölanberei in bcr franjöfifd^eu Sprache fclbft
tief eingreifenbc SBanblungm I)erbeifül^rtc. So tnei^ Sebaftian
Stand in feinem Sncomion, baö ßob beö göttlid^en 3Bortö' ©. 163,
lüie bamafe fpanifd^e nnb befonberö italienifd^c ©lemente inö 5ran=
göfifd^e bxangen. SBenn S)eutfd^c fo baö geitgenöffifd^e ^yranjöfifdö
unb ßnglifd^ d^arafterifiren, fo fönnen fte !eine SSeranlaffung ge=
l^abt I)aben, benfelben äJomurf gegen haQ ®eutfd^e gu erf)eben.
Siirgenbö l^ören n)ir, ba§ in Seutfd^Ianb t)or 1550 ft)rad^lid&er
©influB t)on ^^ranfreid^ l)er lüirtte. Um 1580 öernel^men rair bie
crften ©timmen gegen franjöfirenbe Sprad&benjegungen, unb fortan
toerbeu bie 5Dla]^nrufe nationalgefinnter SJiönner gegen baö neue
3Jloben)efen in bcr @))rac^e nid^t ftumm.
Sd^on einmal I)atte berfelbe iJeinb unferc @))rad^e bebvoI)t.
3im S^italter ber ^öfifd[)en 2)id^tung n)aren gro§e mafegebenbe ®e=
fellfd^aftöftaffen unb bie für fie beftimmten litterarifd^cn Grjeugniffe
in ben 3ugcftänbniffen an ba§ S^ranjöfifd^e über ba§ 3Jia§ be§
Erlaubten l^inauögegangen. 2tber bie ©efal^r loar bamalö eine ge=
ringe unb.njud^ö erft fpäter in.bemfelben 3DlaBe, afä fidfi mit ber
@rfinbung ber 58ud^brudcrtunft bie f))rad^Iid^en SBirfungen ber ßit=
teraturioerfe ftetig fteigerten. SBae im SJlittelalter ber @))rad^e
ejMufitJer ßreife @t)uren aufbrüdftc, mu§te fortan für bie ^pxaäje
aller ©dfiid^tcn t)er]^ängniööott loerben. Unb um fo gefäl)rlid^er mar
jc^t ber alte iJeinb, aU unfere @d^riftf))radöe erft in ii^ren 2[n=
fangen ftanb. 9lod^ mar ber üampf um biefelbe nid^t in aöen ®e=
bieten unfereö SJaterlaubes cnbgültig entfd^ieben; nod^ mar ha^
©eutfd^e nid^t reif, um für großen ©e^alt gleid^mertige formen
3U bieten; nod^ l^ulbigten bie ©elelirten ber @))radf|e beö 3!)littel=
alterö. ^[nmitten biefer gäl^renben 3fit toirft ber neue ©nflu§
fo gerfe^enb mie ein fd^arfer ©iftftoff, ber fid^ rafd^ burd^ aße ©e=
mcbe eine^ Drganiömuö ^inbur^ frifet.
9.
©d^on mö^renb bcs; 16. unb 17. 3fa^r^iinberta toaxm bie
fatl^olifd^cn ßxeife öon ber großen ^pxaijbmequriQ, bie t)on unfertn
9tefor.mator angeregt unb burd^gefü^rt mürbe, jum Seil ergriffen
lüorben. 35ie bentfd^e ©rammatif be§ ©(ajng (1578), bie ben
@))rQdögebraudö 8utl)erä aU 3?orm betrad^tet, blieb nid^t o^ne
©nf[u§ Qudfi auf bie ßatI)olifen. ®a§ SBud^ erlebte fo galilreid^e
2tuflagen, ha^ e§ giüeifeßo^ aud^ in fatI)oIifd^en Greifen eine meite
SSerbreitung gefunben f)aben mu§. • 3m 17. i^alirl^unbert erlebt
e§ 7 3luflagen (bie Überfe^ungen in frembe @))rac^en abgered^net) :
1604, 1610, 1617, 1625, 1651, 1667, 1689; bie le^te, ber 3a^t
nadö bie 11. Sluflage erfdiien 1720 (^ietfd^ @. 88. 89.). ^la^^in
burdö ein unb ein ^albe§ 3föf)rl)unbert bel^ält ba^ 33ud^ alfo eine
))raftif(i)e Sebeutnng. Unb mit i^m fteigt aud^ baö 2tnfel^en unb
bie SBebeutung ber ßutl^erifd^en @))rad^e, meldte feit etma 1580
bie 9lorm für unfer Sd^riftbeutfc^ mirb.
3)amate fd^on fonnte ber mei^nifd^e ©l^ronift 9iit)emontin§
ftoljerfüllt t)on feinem §eimat§bia{eft fagen, e§ bebürfe feine§ a5e=
meifeö, ba§ ba§ 50tei§nifd^e atterroörtS in ®eutfd^Ianb angefel^en
fei; e§ mürben Sftei^ner im 2(u§Ianbe megen il^rer ^pxaäje: jw
®]^ren gebrad^t, unb mei^nifd^e ^rebiger l^öre man überaß am
liebften (neue mei^nifc^e g^roni! @. 638). Unb biefe 3tngaben er=
l^alten eine fd^öne Seftatigung burd^ bie SJ^atfad^e, ha^ im Sfal^re 1562
ein au§ SJledEIenburg ftammenber SJialer feinen jüngeren Sruber t)on
©c^merin ju fid^ nad^ SÄei^en einlub, „bamit er beffer bie meife-
a Dbcrbeutfdilanb unb bic Äot^olifcn. 129
nifd^c ©prad^e erlerne". ®a§ Oberfad^fifd^ 9Jleifeen§ fd^iüingt fid^
alfo fdfion öor 2tblauf beö 16. 3[Ql^r]^unbert§ in bie Stellung auf,
lüetd^e ba§ Slttifc^e unter ben SÄunbarten t)on Slltl^eHag einnimmt.
Unb fo d^arafterifirt £)pii^ bie autoritative Stellung be§ mit bem
^roteftantiömug öermad^fenen Oberfödöfifd^, toenn er 1628 an 3Se=
nator in Strasburg fd^reibt: Veluti ego Silesiaca dialecto
non utor, ita neque vestra Alsatica uti te posse puto; est
quoddam quasi Atticum apud Graecos genus, quod Lu-
theranum vocitare per me potes; hoc nisi sequaris,
erres necesse est.
ßut^ergrammatif unb Öutl^erbeutfd^ — ha^ ift bie ßofung
burd^ ha^ 17. 3SaI)rl^unbert l^inburd^. ^ß. Petfd^ l^at in feinem
Derbienftöollen 33ud&c über *8ut^er unb bic neul^od^beutfd^e Sdf)rift=
f|)radf)e', auf ba^ lüir fd^on l^äufig gu öerlüeifen Iiatten, jal^lreid^e
3eugniffe au§ bem 17. S^t^x^unbert beigebrad^t, lüeld^e einmütig
ber Sprad^e unfereö 9leformatorg eine l^ül)e Stellung juerfennen.^
Slber ein enbgültiger 2tnfd^lu§ ber fat^olifdfien ßanbfd^aften £)ber=
beutfd^lanbS an bie aufblül^enbe ßitteraturfprad^e t)olIjieI)t fid^ erft
tDäl^renb be§ 18. 3fa^rl)unbert§. ®ie ©egenfd^e t)on ^at]^oli=
ji§mu§ unb ^roteftanti§mu§ , t)on 3?orbbeutfd^lanb unb Süb=
beutfd^lanb, öon oberbeutfd^er unb mittelbeutfd^er S))rad^e tt)aren
ju gro§, als ba§ fie in einem furgen 3^ittaum l^atten Vermittelt
n)erben fönnen. ®er 3tt)ief})alt fpi^t fid^ in gleid^em aSerl^ältniö
ju, tDie bie fd^öne ßitteratur in SJlittelbeutfd^lanb an Sebeutung
für bie ganje SRation junimmt. 6rft am Sd^lu^ be§ 18. ;3al^r=
l^unbertö, nad^bem bie flaffifd^en SBerfe unferer ©eifteöl^eroen ber
®pxaä)t be§ ^roteftantigmug bie SBei^e für bie ganje Sufunft
♦ gegeben I)aben, Derftummen in hen !atl^olifd^=iefuitifd^en Greifen
1 3* mad^e noc^ aufmerffam auf eine @ot^aifd|c (Sc^ulorbnunQ öon
1642, »eldie für ben Unterri^t 9^ücfft^t auf ben ßautftanb ber ,,reinen
tneifemfc^en (Sprad&e'' Verlangt: „SBenn ein 3tt>eifcl borfället, ob ein SBort
mit einem b ober t ober toaS fonft für glcid&lautcnbc SBud^ftabcn mit ein*
onber fönnen bcrtuc^felt toerbcn gu fd)reibcn fei, fo foll bcfonbcrS bie tcutfdie
S3ibcl, fo in reiner meifenifd^er ©pro^c bcrfertigct, 9^id6tcr fein/'
Äluge, ajon gut^er M« geffing. 2. aufl. ^
130 9^ Dberbcutfdilanb unb bic Äat^oltfcn*
Dfterbeutfd^Ianbö bie 9flea!tion§t)erfii(i)e gegen bie fiegrcid^e ©^)ra(i^e
ßutiierö. 9l6er l^eftig iDogt ber fonfefftonetle ©|)radf|enfam^)f utn
bie Jöiitte beö Sal^rl^unbertö.
^m ^af)x^ 1730 Iie§ ber Jenaer ^rofeffor ßi^el unter bem
5Pfeubon^m SÄegaliffuö eine ©treitfd^rift „ber unbeutfdie ßatl^oli!
ober l^iftorifdier 33eri(i)t t)on ber aßjugro^en 3?adf|Iäfftg!eit ber
römifd^en Äatl^olifd^en in SSefferung ber beutfdien Sprad^e" er=
fd^einen. S0tit gefdiid^tlid^en Sl^atfad^en toirb l^ier ba§ ablel^nenbe
SSer^Iten ber fatJ^oIifd^en ßanbfdiaften gegen bie neuere ßitteratur
t)orgefü]^rt. S)ie ©d^rift ift eine ®efd^i(^te ber @t)rad^6etr)egungen,
toeldie iHuftriren foü, tt)ie augfdilie^Iid^ ^roteftanten fid^ um bie
S0tutterf))rad^e bemül^t l^aben. ßutl^er, bic ©prad^gefettfd^aften, bie
©prad^gelcl^rten, bie ©id^ter werben un§ öorgefülirt — nirgenbö
felö^n toir ßatl^olifen an ben großen Seiüegungen teitnel^men. 2)ie
frudfitbringenbe ©efeöfd^aft l^attc nur ein fatl^olifd^eö 5DlitgIieb —
ben 6ntfdf)eibenben. ®er Sfefuit Salbe ^at fein 3lnred^t auf ben
Flamen eine§ beutfd^en ®id^ter§. SBa§ tt)ir au§ ben fiebern lati}0=
lifd^er ©eiftlid^er an 9leimtt)erfen erl^alten l^aben, geigt eine gdnjlid^
rol^e, öeriüal^rlofte <Bpxaä)e; bie Sfefuiten finb il^rer Qpxaä^t unb
il^ren SSeftrebungen nad^ unbeutft^. ^n ben fatl^olifd^en, juntal
ben Sfefuitenfd^ulen l^at beutfd^e S))radöe unb beutfdfie ^oefie feinen
3%aunt; an einer Uniöerfität toie 5!Jlainj tourbe ben ©tubirenben
fem ©elegenl^eit ju beutfd^en ©))rad^übungen geboten, nad^bem
^^^i^if €>öße, Sfena löngft eigene ßel^rer bafür beftellt l^attcn.
2Bie foHen loir ^roteftanten e§ unö erflören, ba§ bie ßatl^oUfen
fo in Segug auf bie ©pradfie jurüibleifcen ? Unfere Sttd^er finb
il^nen ein ®om im 2tuge; bie ßcttürc berfelben toirb t)erboten,
audö toenn fie bic fonfeffioneöen ©treitigfeiten ni<i&t berühren. Tlan*
l^ält fogar unfere ©ictionaria, SBocabuIaria, 3lomen!Iatore§, ßejifa,
Sll^efauroö, ^ßl^rafeolögicn unb anbere ©d^ulbüd^er für fd^äblid^;
ber Sfefuit ^crcnfetber loarnt t)or berartigen 33üdf)em, quod acatho-
lici erronea sua dogmata sparsim inserunt!
Sm folgenben Sa^re gab ßi^cl (Sranffurt 1731) eine a3tüten=
lefe t)on 9leimtt)erfen, um nid^t ju fagen ©id^tungen fatl^ottfd^r
ßut^crbeutW, ßi^clg anttfat^oIiMc (Sj)rad|fd6riftcn. 131
©eiftlid&er unter bem Sattel *2)cutf(i)c i^efuitenpocfie l^crausf, meldte
in bcr %f)at eine überrafd^enbc SSeftätigung QÜer in ber früheren
©d^rift aufgehellten Söel^ouptungen entl^alt. SBon ©id^tungen SöalbeS
abgefel^en, bietet ßi^el unö toefentlid) ©ebid^te, bie gtoifd&en 1680
unb 1730 entftanben finb. Sin aüen treffen lüir ftrengere ober=
beutfd^e 3üge, bie in ber 8itteraturft)rad^e bereite getilgt »aren.
3a]^Irei(i)e ue (4ue(f, 0uet) unb ai C2tic^e, erratenen, &traxd^,
gc^cii^cn, waig)* !el)ren lüieber; bie oberbeutfd^e @^n!ot)e beö e
in ber SSorfilbe ge d^^brcn, gfaVicn, ^fel^en, (Smor^ «feile,
(fffid^t, (Bflalt u. f. iD.) lüirb nid^t gemieben; fo begegnen ctud^
V^errfc^en, fogar i*bcrgm\ felbft ber 3lrtifel bie erleibet a5er=
ftümmtung (b'ed^lfle, b'Äacfeii, b'^6d^, b'rorl)6U, b'Crom^
peteii). ®aö 2lu§laut§-e ober, toie jene 3cit eg benannte, bag
lutl^erifd^e e öermiffen tt)ir l^öufig: bxc 0tü(f, ber (fraufamb
1 S)a8 altbair. ai, bcm ml^b. ei cntftric^t, betoal^ren tüir tu einigen
c^arafterifttfdöen SBorten h)ic Äaifer, bie nod^ l&cute alg S3cn3etS für bie
anfanglid^e S3cbcutung ber batr.söftreic^. hanglet angefetjen Serben fönncn»
Übtigcng tocrbcn ml^b; i unb ei in 3)rurfcu öom SWittelr^ciu (bcf» IJrauffurt)
burd^ bag gange 16» Sal^rl^unbert l^iuburc^ gern als ei uub ey fonfcgucut
untcrfd^teben* Um bon gatjlreidicn 3)rurfen gu gefd^lDcigeu, lüobou nur SQBcrfc
fjifd^arts ou8 bcn Satiren 1578—1581 txto'dfjxii feien, nenne idj 6efonberS
©ragmuS 3llberu8 (Novum Dictionarü genus, fjranffurt 1540), junger
(Linguae Genn. vindicatio, ©trafeburg 1585), §elfr. @mmel (beutfd)5lat
u. f- tD. SBb., 23afel 1592). — 3o§. mattf). ©d^neuber, SWitbcgrünber bcr
©trofeburgcr ^^annengcfettfdiaft, untcrfd^cibet 1656 in feiner 2. ©ebtd^t*
fammlung ei unb ey ebenfo fonfeguent, toäl^renb Dtompler 1647 ei unb ai
nad^ oltbair. SBeife gu erneuern berfud^t (So toav fc^on am (Sd^lufe be8
16. Sal^r^unbertS fßautug Smeliffug (bei Freher, Orig. Palat. cap. IX) in
einem lat ©cnbfc^reiben (©eibelberg 20. Sluguft 1598) für bie itm 1550
auggcftorbene Unterfc^eibung bon ei unb ai eingetreten, ebenfo bergebltd^
tote 1572 in bem mifelungenen SBerfud) einer Orttjograpl^icform in feiner
SBfalmenübcrfe^uug» 3)er le^te SluSläufer ber gangen Belegung ift fjulba
unb ^a^t^ 'teutfc^er ©prad^forfdier' 1777, ber eine Unterfd^eibung ef unb 6i
bcfürtoortet (II, 158). 3cfi ^abe biefe SData für bie ©efc^id^te m ai ^ier
Sufammengeftettt, um meine (Sammlung and) anberen nufebar gu mad^en;
toa^ SBtImanng (bie Ort^ogra^j^ie in \>tn ©deuten ^cutfi^Ianb^* 81) bei*
bringt, ift 'bcr ^rgängung bcbürftig»
9*
132 9« DBcrbeutfd&lanb unb bic ^at^olifcn.
tCob, bie ^6U, bie ^i^, ber Xtamm; in ber SJtel^rl^eit finbett
lüir bie 5^mb, bie Äeut. 3)er obcrbeutfd^e SBofaliömuS öerrät
fidö burd) jurucf, Stucf, bie Äurfen, trurfen (für brucfen),
rucfen, folDte in ber 2t6teitung t)on ®e^etmnu0^ 25önbnu0.
3tu§ ber S)efIination feien Spornten lüie i^nc für il^ii, beim für
beinern angefül^rt. 2tnc^ ba§ 3^itoort geigt ^arte oberbeutfd^e
formen: er ftnbt, er leb', er mad^\ 0eloffefi für gelaufen,
0etoe(l für jfetrefen.
@§ ift nid^t unfere 2lufga6e, eine tötlige ©rommatif jener
fQtI)oIif(f)en SBer^mad^er jn geben. @§ genüge nur nodö gu be=
merfen, ba§ bie f^ntaftift^en Fügungen, 9teftionen unb ber ganjc
©a^bau ebenfo lüeit t)on ber in ))roteftantifd^en Greifen anerfannten
unb befolgten ?iomt abxotiijm, tt)ie bie bef)anbelten ®rfd^einungen
ber ßaut= unb Formenlehre. SBöüige 3legeIIofigfeit, Siol^eit unb
Ungelenfigfeit c^arafterifiren bie ©prad^e biefer S)id^ter. derartige
3üge finb allen ©tütfen, bie 9JiegaIiffu§ mitteilt, gemeinfam.
@ö ift begreiflid^, ha^ fic^ ber SöefelirungSeifer ber mittel=
beutfd^en ©t)rQd^freunbe t)or allem auf bie 3ieid^§^au))tftabt rid^tete,
bereu ®ett)innung natürlid^ für tt)eite <Rreife t)on ma^gebenber 35e=
beutung gelüefen lüäre. SBien fonnte fid^ feiner feinen ©prad^e
rüfimen. SBd^renb ßagiuö im 16. 3}öi^i^I)unbert unter bem 6in=
flu§ beg faiferlid^en §ofe§ unb bei bem großen SSerfe^r, ber ®eutfdf|e
aller ©aue in bie f)teid^§^au))tftabt füfirte, eim elegantere SJlunbart
in ber 6tabt ate auf bem ßanbe ju beobad^ten glaubte, Igoren xdxx
in ber erften C^älfte be§ 18. ;3a]^rl^unbertg toefentlid^ Stimmen,
bie bem 3)eutfc^ ber SBiener ©efeüfdfiaft ha^ böfefte nad^fagen.
9luf öereingelte ^u^erungen, tt)eld^e ba§ SBiener 35eutfd^ bamafe
f)odöftellten, ift natürlid^ fein ©elüid^t ju legen. SBer lüirb fid^
iDunbern, lüenn bie ©pradfie, bie am ©i^ be§ faiferlidfien §ofeg
unb ber 9teidö§regirung I)errfd^t, öobrebner finbet! @in fold^er
iDor ber Söraunfd^meigifd^e §of= unb ßanjleirat öon SReiem, ber
bie Acta Publiqa be§ lüeftfälifd^en 3^rieben§ 1734 fierauSgab.
2tber feine Söe^auptung, ba§ in f))rac^lid^en 2)ingen „SBien afe
bie f)öd^fte ©d^ule ber ääelt ben 35orgug mit Siedet öor alTen übrigen
2)tc (Bpxadjt obcrbeutfrfjer Äat^olifen. Sßieiu §eräu§. 133
§öfen unb ßanjieien t)erbiene", fielet in grobem ©egcnfa^ 311 aöen
Sl^atf adrett unfcxer @))rQc^enttt)t(I(un9.
Um biefelbe 3cit flogt ein Kenner bcr SBiener 35erl)ältitiffe,
bie 2luöf))rad^e bort tt)ic in Öftreic^ ü6erl)aupt fei fcl^r grossiere,
ber Stccent überauä unangenel^m; bie 3lu5f))rQd^e t)on ue (ftatt u
in 5ueg), ber I)arte Sibilug in st (alö seht) beleibigc feinere
Dl^ren; O^idnjorter lüie bie l^äufigen t^uii, mein* xd^, haltet,
(d^ame feien nnertraglid^, ebenfo enfer für euer ®ie ftarfe
©nmifd^nng öon Srembiüörtern fei nnfd^ön ; ond^ iiabe baö 3rQn=
^öfifd^e nnb ©panifd^e, t)or allem ober ha^ ^toUenifd^e jn breiten
IRaum bei §ofe.^
yinx feiten regen fic^ t)or 1750 in Söien SBeftrebnngen, bie
auf bie Sefferung unferer ^pxaä)c gerichtet ftnb. @g toax be=
beutung^loö, tomn j. 33. gelegentlid^, aber öorübergel^enb ))uriftifd^e
;3been in ben bortigen ^tegirungsfreifen laut mürben. SBeit be=
beutfamer ift, bafe ein großartiger ©ntiourf, ber bie allgemeinen
beutfd^en ©prad^guftänbe betraf, in besi ^aiferg näd^fter 9MI)e ent=
ftanb, ol^ne jebod^ bie allerl|öd^fte 23ead^tung ju finben. ®cr !ai=
fcrlidfie 9lat 6. ©. §eräuö, beffen 2)id^tnngen bem Sbcal ber
©d^riftf^)radöe jener 3eit geredet n)erben, fud^te baö f)teid^§oberI)aut)t
für bie ©rünbung einer (Sprac^gefeüfd^af t gu begeiftem, beren 5pro=
gramm unöorgreiflid^e ©ebanfen über 2luf= unb ©inric^tung einer
beutfd^en @))rad^gefellfd^aff bem SJiinifter vorgelegen ^ben.
2Bag biefer einfid^tige ©d^riftfteöer tooüte, toax eine 3Bieber=
belebung ber großen ©prad^gefellfd^aften be§ 17. S^al^rl^unbertö
unter faiferlid^en Slufpigien, eine gentrale @))rad^a!abemie nad^ bem
SSorbilbe ber ^ßarifer Stf abemie. SBenn bie dürften aus ber frud^t=
bringenben ©efeöfd^aft loegen beö geringen Umfanget il)rer Serri=
torien nur in einem befd^ränften Seil unfereö 95aterlanbeö tt)irfen
lonnten, fo burfte eine 2tfabemie, an beren ©))i|c ber ^aifcr unb
1 ®rbmann8börffer:=(Sc^erer im Slnj. f. b. Slltert 1, 196. - ^ucf)elbecferg
aüerneuefte 9lad^rid)t bom ^atferlid^en §ofe nebft einer ^efd)rei6unö ber
^eftbengftabt SBien, §annoüer 1732.
134 9, Dbcrbeutfc^Ianb unb bic tat^olifen.
ein if)n öorftetteuber SJlinifter ftel^cn fotlten, auf eine attgemeine
SQBirfung über ganj ®eutf(i)Ianb l^offen. SBie öorteill^aft mu§te
ein foldieö 3fnftitut auf aße fatj^olifd^en öanbfd^aften £)6erbeutfd^=
lanbS tDirten. jumal icenn oberfadöftfdie ©d^riftfteüer t)on Se=
beutung l^ineingejogen tourben!
3)er ©ntourf t)on ©a^ungen für bie ©arolinifd^e 3tf abentie,
htn ^eröug ausgearbeitet unb beut SJiinifter überreid^t l^at, fanb
feinen 3ln!Iang bei ^ofe, ®en Äaifer lodte ber Siu^m einer
©arolinifdien 3[!abemie nid^t. ®er ernfte 35erfud^, f))ra(i)Iid^ ben
ajiittet))unft ®eutfd&tanb§ in ben Söereid^ ber nä#en Sinpjfe
be§ Sleid^greginxentS unb in bie fatl^olifd^en öanbfd^aften ju bringen,
fonnte nid^t terftanben unb gett)ürbigt njerben, tt)o rontanifd^e
©pradfien unb 3[been ^errfd^ten. S)ie Steid^Sregirung ^tte bantit
enbgültig auf eine gentrale ßulturfteüung in 2)eutfd^lanb ijcrgid^tet.
®ie gro§e Setoegung, toeld^e mit ßutl^er§ 3luftreten begonnen,
toar abgefd^loffen. 3unad^ft bleibt Oberfad^fen ber geiftige 3JlitteI=
punft S)eutfd^lanb§.
heraus l^atte in feinem ©nttDurf ber Sa^ungen einer ®aro=
linifc^en 3lfabemie bem proteftantifd^en 5!JlitteIbeutf(^tanb ba§ SBer=
bienft ungefd^malert eingeräumt, ba§ meifte gur Bi^i^be unb 9flei=
nigfeit ber SJluttcrfprad^e beigetragen ju l^aben. 3m fatl^olifd^en
Saiern fdf)tt)an!t gteid^geitig bie Sluffaffung ber beutfdf)en @prad^=
Derpitniffe. @ine jefuitifdie 9Jlonat§fd^rift mie ber in SJlünd^en
1725 ff. erfd^einenbe Parnassus Boicus^ erfennt an, „bafe fid^ bie
Ferren ßutl^eraner t)on bieten ^al^ren I)er ungemeine Söemül^ungen
geben unb ftu^erft gefliffen feinb, bie teutfd^e Bpxaä) immer ju
öerbeffern, aud^ ju jieren unb gur SSoüfommenl^eit gu bringen".
1725 toixb jugegeben unb ju erHören t)erfudf)t, ba§ bie Äat^olifen
an ben neuen ©t)rad^bett)egungen feinen 3tnteil l^aben. 3lber neben
biefer 2tnerfennung gefd^i^tüdEier S-I^atfad^en treffen tt)ir in bem=
felben Drgan bie unerl^örtc 33e^u))tung, ba§ niemafe ein ärgerer
©prad^öerberber aufgeftanben fei afe Cutter.
1 1725 XVIII, 409 ; ncufortgef. Parn. Boic. 1736 V, 67* ^a%n
S3eitr. i txit ©ift 1786 XIV, 264.
heraus* (Sarolinifclöß «S^rac^afabcmie. S3ainfc§c Sefuiten. 135
^n einer 3^itfd^rift, bie in einet nm ein Sfal^rl^unbert l^inter
her ©ntoidlung jurüdgebliebenen ^pxaä)t gefd^rieben roax, ^at fid^
ein ;3efuit gu jenem 2lngriff auf ßutl^erS f))rad^lid^e SBebeutung er=
breiftet. 3in 3torbbeutfd^Ianb, n)o ber Parnassus Boicus menig
Verbreitung fanb, erl^ob fid& afe SBerteibiger ßutl^erg ber ßüne=
burger ,ßonreftor ^. &)x. ßemdfer, meld^er in ben ßei))giger Säeitr.
g. frit. ^iftorie 13. ©tüd ©. 74 ff. einen freilid^ gang unguläng=
lidften 2luffa^ über ßutl^erS f))rad^Iid^e Stellung erfd^einen liefe,
ßel^rreid^er für bie B^tgenoffen toar jebenfallg ber Säerid^t über
ben Parnassus Boicus, ben bie Seiträge gur fritifd&en ^iftorie
gaben ; ba njurbe ba§ f^)rad^Ud^e Sibeal ber bairifd^en St^fuiten burd^
2luögüge beleud^tet. S)iefelbe Seitfd^rift führte i^ren ßefem 1743
(31. ©tüÄ @. 490 ff.) ein ©ebic^t auf ^arte VII. ßaiferfrönung
t)or, ba§ einen SRündEiener ©tubenten ber S^l^eologie gum SJerfaffer
^atte unb fprad^Iicf) t)oII ungebül^rlid^er a3aiut)ari§nien toax. 9iod^
1767 fonnte ein 9legenfent ber 9lllgemeinen beutfd^en Säibliotl^ef
(V, 1, 178) ein t)emicf|tenbeg Urteil über Überfe^ung irgenb eineg
Ulmer 5pater§ abgeben, ber fein ©d^toäbifd^ mit ber unmafegeb=
lid^en Sriücigung begrünbete, „bie Siegeln unferer a)tutterf))rad^e
feien nicf|t affgemein gültig ; t)ieffeid^t fei feine ©d^reibart nid^t uaä)
bem neueren l^eifeln ©efd^madE; ber ßefer möge all SSort nad^
feiner beliebten SRunbart lefen unb augfpred^en, fo toäre beben
gefiolfen".^
SQßie lange biefe f))rad&lid^en Suftänbe in SBaiern anbauerten,
lefirt ein @reigni§ au§ bem Saläre 1779, auf baö ©d^loffer im
3. SBanbe feiner ©efd^id^te be§ 18. ^a^r^unbertS (6ap. IV, § 1)
aufmerffam gemacfit l^at. 9ll§ ber ,ßanonifug SBraun ©d^ulbüd^er
in moberner Drtl^ogra^}]^ie Verausgab, erl^oben bie ;$^efuiten ein
©efd^rei über bie lutl^erifd^e S^)rad^e berfelben, unb ber 9fiegen3=
burger SBifd^of gog SBraun megen ber SSeranberung ber Drt]^o=
* (5me große JHoUe fj)ielt baS bairifdö gefärbte Dberbcutfcö tatf)0'
Iifd)er ©ciftlidjer in ben ©treitfc^riften, in beren 9)JitteIJ)unft ber jum
§ßroteftanti§mu§ übergetretene »encbifttner S^ot^fifc^cr 1752 unb 1753
ftetit.
136 9. Dberbeutfc^lanb unb bie üatfjoüUn.
Qxapi)u ^ gut 3ted^enfd&aft. @§ tonn un§ gleid^gültig fein, tote ber
^Proge^ t)erlief. 9lber bafe 250 ;$^a^re nad& ben erfd^üttemben
Sreigniffen ber Oteformation ein fo Idd&erlid^er Streit über bie
lut^erifd^e £)rt]^ogrQt)]^ie t)on einem fatl^olifd^en ^ird^enfürften unter
bem ©rängen ber Sefuiten l^at infjenirt werben fönnen, ift eine
%^at]aije, bie ung ntit SQßel^mut erfüllen ntu§.
9lu(jö im Dll^eintl^Ql l^errfd^ten um bie SRitte besi t>origen
Sol^rl^unbertS SJerl^altniffe, bie bei ben ))roteftQntifd^en Spxaä)^
meiftern 9JiitteIbeutfd^Ianb§ Sntrüftung erregten. 2lud^ im 9fl]^ein=
t^al toax ba§ Streben ber gangen neueren ©nttoicfiung nai) einer
6in]^eit§f))rad^e t)ielen nid^t gum Söeroufetfein gefommen. 5Dlan füfirte
gafjlreid^e 3üge ber alten oberbeutfd^en ßangleif))radöe t>on ©efd^Ied^t
gu ©efd^Ied^t tüeiter, unbefümmert ob unfere ßitteratur für bie
5Diutterf))radöe nid^t anbere formen t)erlangte. S)ie Beiträge gur
fritifd&en ^iftorie (29. ©tüdE @. 233) geigten an einer 1741 in
aSrud^fal gefialtenen unb gebrudften ®ebadötniöt)rebigt eines S^ran-
gi§!aner§ auf ^aifer ^arl VI., toie fremb bie neue 8itteratur=
f))rad&e in bem fatl^olifd^en Sfll^eintl^al toar.
^oä) gel^n 3a^re ^pakx (1755) fanb ©ottfd^ebö reblid^eö
33emül)en um bie 8itteraturf))rad^e einen fanatifd^en ©egner an
bem babifd^en ^ßater 3luguftin ©ornblütl^, Senebiftiner gu ©engen=
bad&.2 ©ein ®eutfd^ ift ftarf oberlänbifd^ gefärbt, unb er t^ertritt
1 S3raun toax in S3aiern einer ber2erften, ber mit (^ntfd&foffen^eit unb
mit @ad^fenntni§ bie neue Sd^riftfprad^e empfahl; ögL feine 3)eutWe Sprad^^
fünft; 2)eutfcöe ^ebefunft; Slnreitunfl gu ber 2)i^t= unbSßergfimft; Slnttoort
auf bie fragen Don ber ße^rart in ben fiateinfdöulen,
2 5ßgL ^onr. Söurbai^, SSer^anblungen ber S)effauer $I)tIo(oöen=Sßer:^
fammlung (S. 170; ber 2;ttel ber Sdörift be§ $aterg lautet: „Observationes
ober grünbltcöe 5lnmer!ungen über hk 2lrt unb SBeife eine gute Überfe^ung
befonberg in bie teutfdöe ^prad^ %u maä)tn, mobe^ bk geiler ber bisherigen
teutfd^en Überfefeungen famt benen Srrfad^en foldjer fjelileren unb baraus
erfolgten 5ßerfel)nmg ber teutfd^en <Sprad) aufrid)tig entbedft ioerben, nebft
einem gu biefem 5ßorI)aben unentbäbrlid&en ^riti! über §errn ©ottfd&ebeng
fogenannte SHebefunft unb teutfd^e ©rammatif ober (tüie er fie nennt) @runb*
legung gur teutfd^en Sprad^e. SluS patriotifdiem @t)fer gur SSerbütung fer*
3uftänbe tu 23aient unb 23aben; 23rauu unb 3)ornbIüt^. 137
bcn überbeutld^en @))rQd^gebraud& aud^ alö Sl^eoretifer. ®ie
obcrbeutfd^c 3lpofo))e unb ©^n!o))e beö e i[t bei il)m Siegel (bic
&prad^, bic Äieb, bic Ä6pf); er ereifert [td^ gegen bie ober=
fäc^fifc^en ®nbungö=e in (Slanhc, Vtamc, &amc, TSinahc, liahc,
J5nhc, foraie in SJerbalformen rou lebet, liebet^ i^S^t, ^6ret,
^eme^ret, bebieiret, gelobet; er verlangt ic^ nimh, id^ ^ib,
id^ fpric^, id^ ^ah, id^ lag, xd^ mad^, id^ lauf alö Sfnbic,
tt)03u bie ©onj. ic^ ire^me, ic^ gehe, id^ fprec^e, id^ ^ahc, id^
laffc, ic^ mac^e, id) laufe lauten foüen. S)a§ ©uffij nie er=
fd^eint bei Sornblütlö cilö UU5 (Seujfuue, iCrfauntuue, (Sc^
^eimnu0, Verberbnue unb gtüar fem. gen.). 3^ormen tt)ie t^me,
beute, bcncn (gleich ben), lüie bie Überfeijere befremben bei
tl^m nid^t. SBenn er fid^ nad^Iialtigen ©influfe auf bie ^pxai)c
äugetraut l^ätte, lüürbe er mit großer 6ntfd^iebenf)eit für bie längft
üUögeftorbenen altbairifc^en ai unb ay {SL^yb, Älayb, XOay$
*pupillus', Äay0 'iter') eingetreten fein, ßänblid^ fittlid^ ! ba§ ift
2)ornblüt§ö 3loxm, mit ber er aud^ ba§ oberbeutfd^e ©enuö t)on
ber CB^ewalt, ber Äuft, ber €auf, bie S(^oo0 red^tfertigt, ja
3ur §errfd^aft erfieben möd^te.
©0 ftet)t SDornblütl) im f))rad^Iidöen SBann einer oberbeutfd^en
Sanbfc^aft. 60 fann unö nid^t befremben, ba^ er fein ft)rad^Ii(:^eö
:SbeaI in ber oberbeutfd^en ßanglei finbet. 6r em))fie]^It ben an=
gefienben Sd^riftftellern ba§ eifrige ©tubium ber ©eridötö= unb
^roge^fd^riften beö <ßammcrgeric^tg gu Speyer, ' jumal berer glüifd^en
1680 — 1690. ©0 trat ber SJenebiftiner allen ben 33eftrebungen
entgegen, bie ©ottfd^eb- mit ©infid^t unb Slfiatfraft i^erfolgte. S)iefer
l^attc ber «Sanjiei ben legten Sieft t)on SBebeutung unb 6influ§ in
jtcrer iöerfeftrung unb (Sdjänbung ber auSlänbifd^en ^Md)txm ang SCagltedftt
gegeben öon di. % Slugufttno ^ornblütö, ^rieftern Drb. <S. Senebicti be§
9letrf)§=®otte^f)aii§ in ©eugenbad^. STugSpurg, öerlegtS Tlaiti)äm Sieger
1755."
1 Um 1600 fjobm ,§elber unb 3oI)» ""Mb. 6attler bie Slanglei l)on
Sptt)a toegeu töresf guten 2)eutfd^ gerül)mt.
■' Über (^ottfc^cb ögL ^obeiftein § 264.
138 9. Dberbeutfd)Ionb unb bie ^at^olifen.
©ad^en ber ©prad^e entgogen. ©ornblüt^ meift fogar auf bie
70 ^a))xt frül^er geübte ^anjleift)racf|e i)in mit ©eringfd^a^ung ber
aufblül^enben ßitteratur. ©ottfd^eb bemalet fid^ ber mit ßutl^er
beginnenben ©u^}rematie ber oberfäd^fifd^ett SKunbart bie Slnerfen-
nung aller Sanbfdöaften Seutfd^tanbS gu erwerben, ©omblüt^
greift in tüefentlid^en 2)ingen bie 3liitorität bcg SKeifenifd&ett an
unb ftettt bamit bie Sjiftenjbered^tigung ber neuen @d^riftf|)rad^
überl)aut)t in 5rage. 3lfe fatj^olifd^er ^riefter in Dberbeutfd^Ianb
ift er un§ t)erftclnblid^. @r l^at am einge^cnbften gu 3Borte 9e=
brad^t, tüaS um bie 5Diitte be§ t)origen ;$^a]^r]^unbert§ bie taif)t^
lifd^en »ßrcife bei bem 9lufblül^en ber ))roteftantifdöen ßitteratur
betüegte. @r ^at ben legten SJerfud^ getüagt, feine ©lauben^
genoffen f^}radölidö Don bem proteftantifd^en ©eutfd^Ianb gu eman=
git)iren unb bem großen ©treben unferer bcften ßö))fe nad& einer
einl^eitlidöen @döriftft)rad^e einen S)amm entgegenguftcüen.
©d^on ^atte ber 3^itgeift felbft fat^olifd^e ©eiftlid^e erfaßt,
^ater 33enaftafiuS ßiare§ untemal^m afebalb gu ©unften ©ott=
fdöebs unb feiner f))radölidöen SBeftrebungen einen tüol^Igemeinten,
jebod^ ungulönglid^en 3lngriff auf ©omblütl^. 3n feinen 't)ier
©enbfd^reiben tüiber §erm ^ß. 3luguftin S)ombIütlö', bie toaf)X=
fd^einlid^ nod^ 1755 gu Ulm erfd^ienen, geigte er ein unDerfenm
bares ©treben, fid^ t)on feinem ^eimatlid^en Dberbeutfd^ gu eman=
gi))iren. 6r öerurteitte ba§ 33rei§gauif(^e ©eutfd^ be§ ,ßingigt]&ate,
ba§ er bem ^ater S)ornbIätl^ beilegt, fonnte aber feine eigene 5Dlunb=
art bod^ nid^t verleugnen. 6r loill fid^ nad^ großen fatl^oUfd^en
©))rad^meiftern gebilbet fiaben, öerteibigt aber mit marmen 3Borten
biejenigen ßatl^oüfen, bie in ©ottfd^ebs ©d^riften f))rad^Iidöe 33e^
lefirung fud^en. ^
Unb Don jje^t an Derne^men toir in ber gleiten ^älfte be§
18. Sctl^rf)unbertö au§ ben 9leil^en ber fatl^olifd^en ©eiftlid^feit im
mittleren 9ll)eintl^al eingelne gemid^tige ©timmen, bie für bie aE=
gemeine ßitteraturf))radöe eintreten. ®er ^efuit 3gnag 333eitenauer,
ber eine ^ßrofeffur für femitifd^e ^pxaä)m au ber UniDerfität 5rei=
bürg bc!Icibctc, Dcröffentüd^te — „2ltteö gur größeren Sl^re ©otteS"
2)ornbIüt^ unb Sßeitenoueri 139
— „mit 6riau6niö ber Ditxn" feine '3tt)eifel öon ber beutfd^en
(Spxaijt ijorgettagen, aufgelöft ober anberen aufgulöfen überlaffen ;
fantt einem ortl^ogra^jljifd^en ßepfon' * — ein toerttJolIeS 2)ofument
für ben SBanbel ber Seiten feit S)ombIüt]^. SBar biefer fanatifd^
unb f|)rQdölici^ roie fonfeffioneU intolerant, fo ift SBeitenaner in
5oIge beö großen 3(uffd^n)ung§ ber ^)roteftantif(^en ßitteratnr ju
einem t)erftanbigen ,ßom|)romi§ geneigt. Biinial in ber*35el^anb=
lung be§ fd^riftft)rQd^Iid^en @nbung§=e geigt ' er ein emfteS SBeftreben
feine fat^olifd^en ßanbsleute aufjuHören. „SSol^er entf))ringt bod^
biefer unDerfö^nlid^e ^a^ tt)iber baS unglüd lid&e e ? ;$^ft ber Übel=
Mang be§ armen SBud^ftaben ober ein unerbittlid^eS alte§ SBorurteil
ober lool^I gar bie 9ieIigion an feiner 35erbammung fd^ulb? 35on
ber ißeligion erftlid^ gu reben, ift e§ fd^mer gu begreifen, tou man
•
fie in bie ^led^tfd^reibung eingemifd^t. SSa§ ^at immermel^r bie
©laubenölel^re mit bem e gu tl^un? SBeld^en 3lrtifel l^at bann
berjenige abgefd^moren, meld^er l^ic unb ha ein Jlennmort um eine
©Übe t)erlängert?" 6§ loerben 33elege au§ gut fat^olifd^en ©d^rift=
fteffern, gumal auö UlenbergS fat^oUfd^er 33ibelüberfe^ung bafür
angefüfirt, bafe aud^ fat^olifd^e Siegte jeneö e (bie &hnbc, bie
23eme, bie ^änbc, bie ^ufe) annjenben. 2lud^ ift 2Beitenaucr
ber Slnfid^t, ha^ bie oberbeutfcfie S\)ntope, mli)t auf ben einfil=
bigen 3Bortt^|)u§ be§ ß^inefifd^en l^infü^re, feineöroegg befonber^
tool^Hautenb fei. 3wbem fei ba§ Dberbeutfd^e nid^t einmal fon=
fequent; man fd^reibe i^me, i^ire, beute, aud^ beiren (für beti);
Inberen, perbefleren anftatt Stibcrn, verbeflerir; bagu bie
überflüffigen e in Bluet, gnct, iXtuctcr, (Shctcr, ^üctcr, SfJlit
einem ^innjeia auf ben SBo^tflang, ben ba§ 6nbung§=e ben ge=
l^duften rßonfonanten be§ 2)eutfd^en gebe, fd^Iiefet ber S^fuit feine
allgemeine 2l|)o(ogie be§ lutl^erifd^en e; er fommt bann nod& im
SSerlauf mikxex ©|)rad^betrad&tungen auf ©ingelfälle gurüdf, um
möglid^ft einbringüd^ feine oberbeutfd^en ßanbsleute über bie Unge=
fdl^rlid^feit fold^er fprad^Iid^en 3leuerungen gu berul^igen.
* a^tr ^aben baöon bte 3. imb 4. STiiflaöe STugSbiirg imb greihirg
1768. 1774 öorgelegen.
140 9/ Dberbeutfcötaub unb bie Slat^olifcn.
5aft überall fielet äBeitenauer in fd^roffem ©egenfa^ ju
®ornbIütI), beffen er nirgenbö ©rmafinung t^ut. ^atte btefer
burd^gel^enbö Äriefflellere, Uberfeijere, üicb^abere in ber
9!JleI)rl^eit gefagt, fo t)er))önt SBeitenauer jenes überflüf jige e. Söar
jener für \^rcbig nnb für Porte eingetreten, fo öerteibigt biefer
prebi^t mit ber Slutoritat ber Sibelüberfe^ung Ulenbergö unb
Pforte mit ber Steigung ber beutfd^en ^pxaije, pf im Slnlaut
lateinifd^er ßef)nn)orte einjufüljren. §atte ber SBenebiftiner gcvocfi
für 0cxDc(cn gebrandet, fo gilt bem ^reiburger ^ßrofeffor bie ale=
mannifd^e 5orm für ^)öbell)aft. ßurj SBeitenauer goßt ben SQut=
formen ©ottfd^ebs unb ber Oberfad^fen !räftige 2lnerfennung unb
förbert ben 3lnfd^Iu§ ber oberbeutfd^en ßanbfd^aften an bie gemein=
beutfd^c 8itteraturf|)radöe.^
Um biefelbc 3^it ^i^ SQßeitenauer tüirfte in gleid^em ©inne,
aber mit mel)r ©nergie am furfürftlid^en §ofe ju $Diann]^eim ber
§offa|)Ian ^alob ^emmer, ber ber f))rad^Iidöen ßitteratur feiner
3eit lebljafte ©tubien getüibmet l^atte unb bie grammatifd^en Serfe
t)on Sornblütl), SBraun unb SBeitenauer eben fo gut fannte toie bie
einfc^neibenben Slrbeiten ©ottfd^ebö unb bie antüatljolifd^en ©d^riften
beö $DiegaIiffu§. 6r lie^ 1769 gu 9JlannI)eim eine '3lbf)anblung
über bie beutfd^e 'Spxaijt gum Sinken ber 5PfaIg* erfd^einen, bie
toefentlid^ ben fd^Ied^ten 3wftonb ber beutfd^en ©prad^e in feiner
Heimat (©. 54 ff.) gum ©egenftanbe l^at. S)ie @nbungg=e, bie
bei feinen fat^olifd^en ßanbsleuten „ate affeltirt unb toeibifd^, ja
afe Iutl)erifd^" t>erfdörientt)aren, bilben l^ier (@. 129 ff.) tt)ie fonft
1 Überl)au:pt toaren bie fattiolifdöen 3entreu am SJiittelrl^ein l^inter ber
Spradjenttoidflung guvüdf geblieben. Öfters flagen benn and) bie fritifd^en
2??itarbetter ber groöen 3eitWriften über bie fatl)0lifc§cn @d&riftfteUer in ben
3^Öein(anbfd^aften. @o ^ti^t eS in ber SlUgemeinen 2)eutfd^en S3ibliotöef
1766(111,2, 303) öon ber beutf^en Überfefeung eines frangöfifd^cn SöerfeS:
„^er Überfefeer ift ein ©intoo^ner einer fat^olifd^en am Sft^ein gelegenen
^roöing: ba^ fiebt man nid^t altein an Dielen SBörtern unb SftebenSarten,
fonbern aud) an getüiffen gang unleiblid^en SBortfügnngen unb Sßenbnngen,
bie man nur in fatbolifd^en ©d^riftfteUern gu finben pflegt. S)er Überfefeer
mag erft beutfdö lernen!"
SDaS lut^crtfd^c e bei SBcitcnaucr unb ipemmcr. 141
bcn SJltttetpunft be§ Streitet, ^cmmer mcift barouf ^in, bafe ttud^
in Dorlutl^erifd^cn 93t6e(n bcr öer^aßtc Sprac^t^pus (bie &hnbc,
-^erbe, Jbingc, tCa^e, JBer^e) ®cfc§ fei, unb bringt baranf, bic
ßonfeffton bei einer fo tüid^tigen nationalen Stngelegen^eit ans bem
Spiel jn laffen. @r ereifert \xi} 6efonber§ gegen baö e in 5phiral=
formen tt)ie Äur^ermeiflere, öta&tfc^reibcre, bem 3)om6Iül^
ge^nlbigt l^atte, verlangt aber baö e in 5piural6i(bnngen »ie
bic S^^bt, "^Inbe, @(^afe imb tritt burd^göngig für bas Cber=
fad^ftfd^ ©ottfd^ebS ein. Xie 5prot)ingiaIiömen ber pfatjifc^en
ajlnnbart (4ast, Äust, (Saat ; IDab, ^u^cnb, IDoc^ter, baufcn,
^Ä0, banden n. f. m.; e für ö in J^crcn, ftcrcn, ftdid^, hce
u. f. m.) merben bnrd^genommen, um baran ba§ 3bea( einer
gemeinbentid^en Sd^riftfprad^e entmidfeln ju fönnen.
ISer Srfolg biefer mit guten SBeifpielen pfatjifd^er Sd^reibart
burd^fe^ten 3lrbeit toar gett)altig. 6ö folgten jal^treid^e @treit=
fd^riften. Über brei 3af)re bauerte ber üamp] um bie Sprad^e.
6ö erfd^ien fortan — fo berid^tet ein 3fitgenoffe, ber eine bebeu=
tenbe 9iolIe in jener Säeioegung fpielte — in ber 5pfalj faum eine
Sd^rift, bie ntd^t einen fprad^tid^en ^ortfd^ritt jeigte. ^emmer
felbft blieb im 9Jlitte(pun!t ber gangen SBetoegung. ^Perfönlid^ ange=
griffen unb angefeinbet fd^rieb er 1777 eine 'SJerteibigung feiner
3lb]^anblung über bie beutfd^e ©prad^e* gegen eine anonyme @dömä]^=
fdftrift; freubig erregt gebenft er barin ber 3iiftimmung, bie il^m
au§ Derfd^iebenen Drten ber 5pfalj ju Seil getoorben, ber emften
Semül^ungen jal^Ireid^er ^ßrebiger, il^re $Diutterfprad^e auf ben
Äanjeln ebler unb toürbiger gu gebraud^cn, fomie be§ @ntgegen=
fommeng in päbagogifd^en <ßreifen, bie nad^ Sinfül^rung ber fo
energtfd^ unb fo emft empfol^Ienen ©d^reibart »erlangten. S)te
Slnl^änger be§ alten @d^Ienber§ gu gewinnen, manbte ftd^ ber SSer«
faffer mit jener etngel^enben SBerteibigungSfdörift oon neuem an
feine ßanbsleute. ®te Särme feines 2:one3 unb ber mannlid^e
©ruft feiner nationalen ©efinnung, bie fid^ betonet in geraben
©egenfa^ gu S)omblüt]^§ lofalem unb fatl^olifd^em ©tanbpunft
ftellen, errangen oor 9(blauf t)on 10 ^aiiren einen ööüigen ©ieg.
142 9« Dberbcutfd&Iaub unb bte kati)oUttn.
3ln btcfem Srium))]^ l^atte aui) ein ©Ejefuit einen ]^ert)or=
xagenben 3lnteil. 6d^on t)or ber 9(uf^ebiing feines Drbenö l^atte
2lnton t)on ßlein, ein feuriger Slnl^änger ber aufblül^enben beutfd^en
ßitteratur, ate junger ßel^rer im Saläre 1768 bie neue ©d&reibart
lüie bie neuen Sid^ter in bie Sfefuitenfd^ule ju SJlannl^eint einge=
fül^rt; „ate SKdrt^rer feiner JleuerungSbegierbe" mufete er SDtanm
l^eint bann auf jmei Saläre Derlaffen ; er njurbe nad^ ©rfurt öerfe^t,
aber mit ber Sluf^ebung beS ;$^efuitenorbenS feierte er nad^ 3Jlann=
l^eim jurüdf unb toirfte fortan ate ^ßrofeffor ber fd^önen a33iffen=
fd&aften für bie neue ßitteratur tt)ie für bie neue 6döriftf^}rad^e.
5Bon il^m angeregt, trat im Df tober 1775 bie SJlannl^eimcr teutfd^e
©efellfd^aft ins ßeben; ber ßurfürft ßarl Sl^eobor toar burd§
ßIo))ftodf, ber im ^rül^jal^r 1775 nad^ SRannl^eim gefommcn toar,
für i^rc ©rünbung gewonnen; ßeffing, ßIot)ftodf unb SBielanb,
f))dter aud^ ©dritter lourben Sl^renmitglieber. S)ie erflen ^di)X'
gänge ber ©d^riften ber furfürftlid^en beutfd^cn ©efeKfd^aft, bie nod§
l^eute unfer 3fntereffe öerbienen, finb ein fd^öneS 3^ugniS für ben
fd^nellen Umfc^toung, ben bie fatl^olifd&e ^Pfalg feit ^emmers 3ün=
benbem 5Pam|)]^Ict unb ^leinS fortfd^rittlid^en Neuerungen erfahren
fiat. SSo nod^ t)or 15 Salären ausfd^liefelid^ bie franjöfifd^e ©prad^e
in ben öomel^men Greifen »ie auf ber SBül^ne unb ein *barba=
rifd^eS' S)eutfd^ auf ben ,ßangeln gel^errfd^t l^atte — fo fonnte
Älein in ber geftrebe am gel^njafirigen ©tiftungsfeft ber ©efellfd^aft
ausfül^ren^ — Wülste je^t ein reines unDerfälfd^teS ©d^riftbeutfd^.
6in t^offa^lan unb ein Sefuit njaren eS, toeld^e ben 3lnfd^tu§ ber
5Pfalj an bie ßitteraturf^)radöe erloirlt l^atten. SBeld^er Sanbcl
ber 3citen!
@ine äl^nlid^e 33eloegung förbert aud^ im füblid^en Saben
ben gortfd^ritt ber ©d^riftf^)radöe. 3n greiburg, loo ber ;3efuit
SBeitenauer für einen ßom))romife gmifd&en Dberbcutfd^ unb ßut]^cr=
beutfd^ eingetreten toar, toirfte t)on Sleujal^r 1782 eine aus 5|Jro=
* ©d^riften ber htrfürftL beutfd^. ©efeüfd^aft %n fUlamffdm 1, 13 ff.,
baju anä) (Seuffert im Sing. f. b. 21. 6, 276 ff.
$ctttmcr unb Mdn in ber $falj. 3)ag lutl&crifd^e e. 143
fefforcnfretfcn l^eröorgel^cnbc 30tonatöfd&rift *ber Sreimüttge' pxah
tifd^ unb tl^eoretifd^ für bic neue ©^)radöe. Slid^t ol^ne ^itterfett
ruft ein 9Äitarbeiter bie 3^tt gurüd, tt)o bie ;$^efuttenfd^ulen bcr
aJlutterfprad&e ^Pflege t^orentl^ielten. „SBenigftenö maren bie ©d&riften
einc§ ©ellerts, eineö 9flabener§ unb nod^ t)iel mel^r eine§ . ©efenerö
felbft ©d^ullel^rern t)erbotene SBüd^er. ^a fogar ©ottfd&eb§ 6))rad^=
lel^re — toie un§ ein ©jjefuit öerfid^erte — mu^te man t)or ben
DBeren öetborgen Italien, ^reilid^ fiaben bie ßatl^olüen auä biefen
SBerfen öiel ©ift gefogen. SBenn nid&t§ mare alö baä lutlierifdöe
e, baö fie fid^ burd^ ßefung berfelben attmaliliclö angelDöl^nten —
immer fd^abe genug! 6j5 Hang bod^ el^emalö fo genuinfatI)oUfd§:
bie ®eel, bie Cron, bie &onn, bie Blum u. f. tt). — unb nun
fd^reiben bie unfrigen faft burd^göngig: bic Seele, bie Äroire,
bie 0onne, bie J6lume — toie bie leibfiaften ße^er aud^
fd^reiben^M —
SBer fold^e auffällige Sliatfad^en fennt, fann unmöglid^ t)er=
fud^en, ßutl^er auä feiner Stellung im SBeginn unferer neubeutfd^cn
©))rad§gefd&id^te ju öerbrclngen. 3liemalö ift begmeifelt iDorben, bafe
ber Qpxaä)t be§ 9teformator§ im 16. Sfal^rl^unbert in S)eutfd^lanb
bie allgemeine 3lufnaf)me öerfagt blieb. 39ereit§ im Sfal^re 1870
^at ein feiner ,ßenner unferer ßitteratur^ an bie 6. 135 be=
f^jrod^ene S^atfad^e erinnert, ba§ man nod^ nad^ 1779 in Saierrt
an l^od^beutfd^ t)erfa§ten ©d^ulbüd^em bie lutl^erifd^e 3Bortfd^rei=
bung unb bie fe^erifd^e @))rad^e befel^bete, um gu bereifen, ba§
ttnr, felbft nad^bem ba§ britte SBiertel be§ 18. ^al^rl^unbertö abge=
laufen toar, eine in allen Seilen S)eutfd^lanbg angenommene
©d^riftf))rad^e nod^ nid^t befa^en. @rft feit ber ßpod^e unferer flftf=
fifd^en Sitteratur befi^en toir eine @d^riftf|)radöe, tueld^e aud^ für
Dberbeutfd^lanb unb für bie fatl^olifd^en Greife Stid^ifd^nur unb
@efe§ getoorben ift. 3lber biefelben Sl^atfad^en beftötigen aud§ ben
»id^tigen ©a§, ha^ unfere 8itteraturf))radöe an Cutter an!nü))ft.
* S)er freimütige IL 481 nad) S3irlinger in ber ^Hemannia IX, 265.
2 e. Döpfner in 3a*erg 3eitf*rift II, 487.
144 9. Dberbeutfdö^anb unb hk ^at^olifen.
®a§ lutl^erifd^e e — biefe ^ortnulirung jefuitifd^er ©prad^-
leerer fönnte genügen afö 33ctt)et§ für ben Biifcintntcnl^ang unferer
6t)rQd&e ntit ber 3(ieformatton. Unb jeneö lutl^ertfd^e e, tt)orin
,Kat^oIifcn bamalS ba§ mefentlid^fte SKerfmal ber t)er]^Q§ten
8itteraturf^)rad^e erblidft l^aben, ift nid^t ber einzige S^i in
bem ©efamtbilbe unferer Bpxaä^e , ber auf ben großen 9flefor=^
ntator metft.
©rabc bte große 8))radöbett)egung be§ 18. ^al^rl^unbertö
mad^t tüteber flar, bafe ntit ßutl^er bte Jleujeit für unfer S)eutfd^
beginnt. 3)ie Sl^atfad^en, loeld^e jur @ntfd^ulbigung ber fprad&=
lid^en Suftänbe Dberbeutfd^Ianbg in ber erften ^älfte be§ 18. ^a^x-
l^unbert§ bienen fönnen, rüdEen bte SBebeutung unfereS 9leforntator§
n)ieber in ba§ l^ellfte ßid^t. ^m Parnassus Boicus mirb (1725^
XVIII, 409) bie SBernad^Iaffigung f))rQd^Iid^er SBeftrebungen im
fat^olifd^en Dberbeutfd^Ianb mit bem Übergetoid^t be§ unter fird^=
lid^er ©anftion ftel^enben Latein entfd^ulbigt. 2lud^ ein fd^n)a=
bifd^er 6))rQd^geIe]^rter ^ erblidtt barin bie Urfad^e: „^Bpratijt ful=
tit)iren unb lutl^erifd^ fein fei in jenen ßanben gleid^bebeutenb,
unb bie römifd^e Sieligion begünftige bie lateinifd^e ©prad^e t)or
ber teutfd^en".
©0 f|)iegelt ba§ 18. Sa^rl^unbert bie 3itftänbe gu ßutl^erö
3eit toieber. S)er ßatl^oIigi§mu§ mit feiner ßirdöenf))rad^e xoax
nod& immer ein §emmni§ unferer nationalen SntioidEIung. 2Ba§
bem 3ßitalter ber Slufflarung gelang — e§ toax bie 3^it, too unter
beutfd^en ßird^enfürften ber SKuufd^ nad^ einer Slationalürd^e laut
loerben fonnte, bie 3^itr too au§ fatl^olifd^en Greifen aud^ bie 3luf=
l^ebung beö SfefuitenorbenS geforbert unb ergielt tt)urbe — loaS
biefe 3rit uns errungen l^at, ift bie Stnbal^nung einer geiftigen
3lnnal)erung t)on ßatl^olijigmug unb 5proteftanti§mu§ burd^ ben
f))rad&Iid&en 3lnfd^Iufe be§ ®üh^n^ an ben Slorbcn.
S^aft, ber teiitfcfie <Sj)radöforfd^er, Stuttflort 1777 in ber SSorrcbc,
I. Zeittafeln pr neul^o^betttfc^en @|)ra(^gef^t(^te«
1238 @rfte beutf^e ^aifentrfunbc*
1274—1320 ^eutf^ tüirb neben bem fiatein Ur!unbenf:prad^e4
1340-1450 JRücfgang be§ Dlteberbeutfc^en unb Sßorrücten beg aWittelbeutfc^en
in ber 9tid)tuncj aJievfeburgs§aUes3)lagbe6urg.
c. 1450 (Srfinbung ber Sönd^brucferfnnft — Sluffommen beS 2Sorte§ *^od)^
c. 1466 @rfte ^b. S3ibel gcbrucft
1472 (5rfter 2)rncf Don ^acitng* (SJermania.
1486 Sßerbot beutf^er S3ibeniberfefeungen unb beutfd^er (5rbauung§büd^er
burc^ (Srgbifc^of 23ert^oIb Don Wlaxn^.
c. 1500 2(bfcö(u6 beg mec^anif^en ^ßrogeffeS ber ntobcrnen 2)ipl6tl&ongirung,
— beginn einer 9tegu(irung ber Drt^ograj)^ie in SWajimiliang
^angfei.
1502-1515 aWajimilian I. läfet ba^ ^elbenbud^ (STmbrafer ^anbfd^rift) für
fic^ gufantmenftellen.
1503 Söimpöelingg 5ßoIemif gegen ha^ ed^tüäbif^e.
1515—1517 Epistolae obscurorum virorum.
1516 fint^erS ^luSgabe ber beutfc^en X^toloqk^
^1517 fintöerg X^efen gegen hm Slbrafe. — STc^tgig bentfd^e S3üd^er gebrucft
1518 150 beutfdje 23ücöer gebrudft — ße^ter (14.) 3)ru(f ber öorlut^erifd^en
23ibel.
1519 260 beutf^e S3üd)er gebrucft - ^öbelg STufforberung an i&utten,
beutfc^ gu fd^reibem
1520 §utten beginnt beutfd) gu fd^reibcm — SJiumer tritt gegen fiutl&er auf,
meil biefer fid^ ber 33o(fSfprad&e bebient.
1521 didd)ZtaQ gu SBormg (SSerpönung ber refomiatorifd^en ©cfirifteuX —
(Sberlin öon ©üngburg ^fünfgefin S3unb8genoffen\
. 1522 '2)er geftrt)ft ^(i}tt)t)^txhm\ — 2xitf^a 'neueg Xeftament bcutfdft*.
— aJiurner 'großer ßut^erifdöer 9^arr\ — 680 beutfd^e SBild^er gebrucft»
1523 935 bentfcöe Söü^er gcbrurft. - 3ti)citer S3afler STbbruc! ber ©ej)«
tcmberbibel (3lbam $etriS ©lofjar).
Ätugc, 93on Sut^cT M« gejüng. 2. «ufl. 10
146 !• 3eittafeln mt neu^od&beutfdfien <S))rac^gefd&id&te.
1524—1525 ©infüörung ber beuifdö^n ^effc in ben proteftant ©ottegbicnft.
— ®rfte§ ßutl)crif(^c§ ©efangbuc^. — ßut^crS Sßfalmüberfefeung.
1525 @rfte bcutfdie äWeffe in SSittenberg. — ©mfcrS 2lnnotatione§.
1526 ©mfü^rung beutfd^er Sßfaimcn bei htn JTleformirten gu S3afeL
1527 3cte(famer *bte redete toeiS auf§ fürgift lefen gu lernen*. — ®mfer§
neues ^eftament — Söormfer $ro:p^etennbcrfeönng. — 2)eutfd&e Soor»
(efungen beS ^^öeopl). SßaracelfuS gu 23afe(.
1528 3oI). 2lgricoIa8 beutfd^e ©prid&tüörter.
1529 9teIigionggefrräd^ gu ailarbnrg.
1530 9flet(^§tag su STugSburg. - 3o^. ^olrofe* @nc§iribion tft auf ha^
(Sd^toeigerbeutfciö bafirt — S)te Sürid&er S3ibelau§gaben geigen fortan
n^b. )ßo!aIi8muS.
1531 $an§ t?<ibrittu§' i&omonijntenbüd&Iein. — fjab. ^ranct öon S3un?ilau*8
Drt^ogra:p]&ie.
1533 ^rfte§ ^anbhnd) ber ßogi! in bentfdöer 8j)rad&e (5ud^SJ)erger *ein
grünbltc^er flarer 5lnfang ber natürlt^en unb redeten ^unft ber tüoren
S)ialemfa').
.1534 ßut6er§ beutfd&e S3ibel öottftänbig. — S)tetenberger8 fat^olifcöe SöibeL
1535 S)iplomatifd&cr ^lad^brurf ber ßut^erbibel burdö S^liliel in ^trafeburg.
1537 @cts S3ibeL — S)aS anonyme Sßittenbergcr S^amcnbüdölein.
1538 §oc§bcutfc§e SluSgabe öon ^ran^otoS j)ommertf(^er (^^ronif.
1539 §od&beutf(^e ^ird^enorbnung in D'lorbl&eim.
1541 Onomasticon Eoclesiae öon Söigcl;
1542—1541: §b. unb nbb. ^ird^enorbnung für Söraunfd^toeigsßüneburg,
1542 Sefete nbb. l^ergoglid^e S^leffripte in 2)ledflenburg.
1544 23eut^erg ^b. Übcrfe^ung beg nbb. D^leinefe fJud^S.
1548 ®a§ ßeij)8iger Snterim fud)t bem ßatein toieber Eingang in ben pxo-
teftantifc^en ©otteSbienft %u öerfd^affen.
1548 (Stunt:pf§ *@ettte^ncr Toblii^er ©ibgenoffenfd^aft S3efd&reibung' crfd^eint
in 3ürid& mit nl)b. SßofariSmuS.
1550 §b. in ber S3rannfd6tüeiger ^anglei.
1553 §b. in ber tangret öon Dgnabrüdf. - S3urfart SöalbiS' Slieubearbeitung
beS ^^enerbanf.
1558 2)er ©isleber $(acotomu§ greift ©elel^rte an, bie mebiginifd^e SBerfc
beutfc^ ÖetauSgeben, pmal ben ^^übinger $rofeffor ßeon^. ^n(ii^,
anfeerbem ben Überfefeer ^^f. — @g erfd^eint bk beutfd^e ©rammatif
Don ©raSm. SBoIf.
1560 3n DftfrieSlanb beginnt bie ^anglei l^b. gu fd^reiben.
1563 ßut^erS Slorreftor SBatt^er nU $oIemif gegen S3ibelnad^brudfe.
1566 SJ^at^efiug' ßeben ßut^erS.
1571 6imon ^oteS fjrembtüörterbu^. - DtfribS (S:örtft toirb m S3afel gebrudCt.
I. Betttafeln pr neul&ocöbeutfdben (Sj3rad&gefd)td6tc. 147
1572 ^4^. mdm^ Cble Sßfalmen S)abib§ in teutfdöen ^c^mcn*) crfinbet ein
umfaffenbeS «S^ftent ber SSofalbegeid&nung, tritt anä) für ei-ai ein»
1573 Oetinger^ unb 2(lbcrtng' bentf^e (Sprad^Icfirem
1578 Claius, Grammatica Grermanicae linguae.
c. 1580 ^cfetc 3üric^er ßitteraturtoerfe mit bem alten fd^toeig. ^otaU
fi)ftem; ^eflinn beg frang. @prad^einf(uffe§»
1582 dlatf). (£öt)traen§^ ^omendator.
1596 ©ine S3raunf^tüeiger ©d^nlorbnung öerlangt l)0^beutfc^ in ber ©d^ulc*
1598 % mdii^m tritt toieberum für ei-ai ein.
1603 2)a^ ^oc^beutfc^e tüirb in Hamburg ^errfc^enb.
1604 iic^tt nbb. Urfnnbe in $ontntern.
1607 3» ^^* @attter§ ^b. ©rantmatif für bie ^d)tüd%.
1617 3rrud)tbringenbe ©efettfd^aft in SBeimar gegrünbet
1621 iiefetc nbb. S3ibel in @o§Iar.
1624 Cpi^' S3uc^ öon ber bentfd&en ^oeterei«
1633 ©rünbnng ber Strafeburger Slufrid^tigen Xannengefettfd&aft.
1639 3n Dlieberbeutfc^fanb beginnt bie Sfteaftion gegen ha^ ©od^beutfd^e
(3J^icräIiug *öont alten $ontmer(anbe*).
1643 'S)er unartig teutfdöe Sprad&öerberber , befdöneben burdfi einen ^Öieb*
^ahcx ber rebtid^en alten teutfd^en ^pxaä)\ — 3cfeng beutfd^gefinnte
(^enoffenfc^aft gu i&amburg. — 23albe, Carmina Lyrica.
1644 ^ßegni^fcöäfer %n Dlürnberg;
1647 DfJompter txitt tüieber einmal für ba^ auggeftorbene bair. ai cim
1649 3o^. ^Jtift ^fricbeiau^jenbeS S)eutfc§lanb\
1650 3n Sc^IeSlütg tüirb ber I)b. ©otteSbienft burc^ ben (öu:perintenbenten
Slloö gefe^lid^.
1652 :i^auremberg§ nbb. Sd^erggebid^te;
1658 ^Hiftg ©Ibfcötoanenorben. — §. 3. S^lebinger tritt für ben (Sd&toeigers
öofati§mu§ ein. — 3. 3Jl. <Sd^neuber§ gtüeite ©ebid&tfammlung;
1659 Sc^tc (130 Sluflage öon ^, (^^i)träu§* nbb; Sflomenclator.
1663—1664 S^eibiug unb «Salgmann fd^reiben ßejifa öeralteter unb auS*
geftorbener SBorte in ßut^erS S3ibel.
c. 1679 £eibni6 *®rma^nung an bie ^^cutfd&e, il&ren SSerftcinb unb ©prad^e beffer
äu üben, famt beigefügten SSorfd^lag einer Si^eutfd^gefinnten ©efefffd^oft*»
1687 ^öomafiug pit beutfd^e Sßorlefungen in ßeipjig»
1697 Öörüfeer ©efeUfd^aft in ßeij)gig.
1700 (Srünbung ber 23erliner Slfabcmie.
1704 5reptn=9taupad^, *öon unbilliger S3erad6tung ber nbb. ©prad^e**
1711 CDiebericö öon (Stabe'S ßut^ertoörterbudö.
c. 1716 §eräu^* ©nttourf öon (Sa^ungcn einer 3U grünbenben ©arolinifd^en
©prad^afabemie;
148 I. 3^ittafeln jur ncuöod&beutfd&en Sprad^gefdötcftte.
1717 ^eutfc§ übenbe »)oetifc6c ©efcafdöaft in ßetpgtg. 2lug i^eibmjcnS S«ad)*
Ia6 fiiBt @ccarb bic CoUeotanea Etymologjica (bartit hk Hmöors
greifitci&en ©ebanfen, betreffenb bic 5lugübung unb Sßerbeffcrung ber
teutfd^en ©prad^c') ^crauS.
1720 (e^te (11.) Sluflage bon (Slaju^* Grammatioa Germanicae linguae.
1725 ff» Parnassus Boicus, eine bair.sjefuittfc^e 3citf(^tift.
1730 S3ent fjranflin brucft ha^ h bcutfd&e S3u* in 5Imerifa.
1730—1731 ßi^el^a^egaüffuS* antifatöotifd^e (Sprac^fc^riften.
1732 ©aller, ^erfud^ fd^toei^erifd^er ©ebid^te^ — Jöobmcrg Übcrfe^ung bon
3Jliltong berlorcnem $arabie8.
1732-1744 ßeipgiger S3eiträge gut fritif^cn §iftorie.
1748 ©ottfd&ebs beutfc^e ^pxad)tm%
1750 Michaelis, oratio de ea Germaniae dialecto qua in sacris faciundis
atque in scribendis libris utimur.
1755 ^otnUntf) , Observationes. — ßiarc§ , bicr ^enbfd^reiben toiber
2)ornbrütI).
1762-1766 SBielanbS S^a!efJ)care=Überfefeung.
1768 ff. .©emmer unb ^lein getütuncn W ^folg für baö (Sd^riftbeutfc^i
1772 §erber, Urfprung ber ©prad^e*
1773 STufOebung beg 3efuitenorbeng.
1774 ^ropftodfS ©ekörtenrepublif;
1775 ©rünbung ber SWann^eimer teutfd^en ©efeHfd^aft
1777 ^ulba unb D^aftg tcutfdier (Sprad^forfd)er>
1780 ^riebrid^ ber ©rofee, De la litt^rature allemande.